Mozarts La Clemenza di Tito: Die Geschichte einer Oper 9783412212001, 9783412210748

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Mozarts La Clemenza di Tito: Die Geschichte einer Oper
 9783412212001, 9783412210748

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Hans-Joachim Fritz

MOZARTS LA CLEMENZA DI TITO Die Geschichte einer Oper

2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Mein besonderer Dank für die Bearbeitung und Korrektur des Manuskriptes gilt meiner Tochter Katharina

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Bühnenbildentwurf „Platz in der Gegend des Kapitols“ von Giorgio Fuentes zu Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Tito anlässlich einer Aufführung im Nationaltheater Frankfurt a. M. 1799 © akg-images.

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat, Personen- und Werkverzeichnis: Lydia Penzel Satz: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the Czech Republic ISBN 978-3-412-21074-8

Für meine Mutter Anneliese Fritz

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Prolog

Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Der Auftrag

Vorgaben und Eingrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Eine Oper in 18 Tagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Das Clemenza-Prinzip

Die Clementia Romana und der historische Titus . . . . . . . . . . . . . . Die Clementia Austriaca und der Teutsche Titus . . . . . . . . . . . . . . . Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metastasios ungeschriebener 1. Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine verdeckte Botschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68 75 78 90 95

Das Ursprungslibretto

1. Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Die Neufassung

Die Opera seria im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos . . . 186

Oper als politischer Appell

Der Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Mahnung und Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Empfindsamkeit als Motiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

  7

Nachklang

Aufführungspraxis und Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personen- und Werkverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8  Inhalt

306 339 365 366

Vorwort Mozarts letzte Oper La clemenza di Tito, die am 6. September 1791 anlässlich der Krönung des Habsburger Kaisers zum König von Böhmen in Prag uraufgeführt worden ist, steht bis heute, immer noch viel zu wenig beachtet, im Schatten der drei Da Ponte-Opern und der in den Monaten zuvor komponierten Zauberflöte. Vor allem diese enge Verknüpfung ihres Entstehens mit den Krönungsfeierlichkeiten, als deren legitimatorisch-ausschmückender musikdramatischer Höhepunkt sie am Abend der Krönung dienen sollte, hat die von vielen ungerechtfertigten Klischees und Vorurteilen geprägte Tradition ihrer Geringschätzung und relativen Missachtung maßgeblich begründet. In der älteren Mozartforschung ist La clemenza di Tito schon frühzeitig als rückwärtsgewandte, einseitig herrschaftskonforme Huldigungsoper des als „überholt“ geltenden Seria-Typus negativ stigmatisiert worden. Für viele Autoren der Mozartliteratur war es geradezu unbegreiflich, wie Mozart sich nach dem musik- und operngeschichtlichen Innovationsschub, den sein Figaro und sein Don Giovanni bewirkt hatten, gegen seinen musikdramatischen Erneuerungswillen als Opernkomponist und im Widerspruch zu seinen aufklärerisch-freimaurerischen Überzeugungen und humanitären Gesellschaftsidealen, in das enge Korsett einer höfischabsolutistischen Krönungsoper zwängen lassen konnte, deren einzige Zweckbestimmung die huldigende Lobpreisung des nur wenige Stunden zuvor inthronisierten Monarchen war. Das konnte nur widerwillig, wahrscheinlich aus reiner Geldnot geschehen sein. Freiwillig hätte Mozart sich diesem anachronistischen Operntypus jedenfalls gewiss nicht wieder zugewandt, wie einer der bekannten Mozartforscher angemerkt hat.1 Besonders durch diesen propagandistischen Huldigungszweck der Oper tritt der Widerspruch zu der aristokratiekritischen Grundtendenz des Figaro oder des Don Giovanni, vor allem aber zu dem aufklärerischphilosophischen Diskurs einer 1789 zeitgleich mit den revolutionären Entwicklungen in Frankreich entstandenen und mit den sie tragenden Ideen verbundenen Così fan tutte mehr als deutlich hervor. Doch anstatt, wie es zu erwarten gewesen wäre, die Politisierung seines Opernschaffens weiter voranzutreiben, überraschte Mozart mit der vermeintlichen Entpolitisierung seines Folgewerks. Im Stil eines devoten Vorwort  9

Hofmusikers schien er ohne Bedenken dem tanzenden Adel und dem Kaiser die zum Anlass passende höfische Festmusik zu liefern. Das wurde vielfach wie ein Verrat an der weltanschaulich-politischen Botschaft seiner Da Ponte-Opern, der ihnen immanenten Kritik am Adel und dem absolutistischen Ständestaat verstanden. Wie passte das zu den freimaurerisch-humanitären Idealen, die Mozart gerade in seinem letzten Lebensjahr unter dem Eindruck der Französischen Revolution und der von Leopold II. eingeleiteten Restauration so vehement vertrat und in sein Musikschaffen integrierte – hatte er doch gerade mit der Zauberflöte seiner aufklärerisch-freimaurerischen Gesinnung unter den strengen Augen der Zensur musikdramatischen Ausdruck verliehen? Mit der Beantwortung dieser Frage soll im Folgenden gezeigt werden, dass der in der Mozartliteratur immer wieder intendierte Widerspruch zwischen dem in musikalischer und inhaltlicher Hinsicht rückwärtsgewandten Werk und dem ‚Mozart des Jahres 1791‘, der politisiert wie nie zuvor in seinem Leben und auf dem Höhepunkt seines Engagements als Freimaurer, so tatsächlich nicht bestanden hat. Denn anstatt sich den starren Formprinzipien des vorgegebenen Seria-Schemas oder der panegyrischen Zweckbestimmung des Opernauftrags kritiklos unterzuordnen, versuchte Mozart die eng gezogenen Grenzen einer höfisch-absolutistischen Huldigungsoper nicht nur durch musikdramatische Neuerungen, sondern vor allem durch eine offenkundige Politisierung des Bühnengeschehens im Sinne seiner aufklärerisch-humanitären Ideale auch inhaltlich zu überschreiten. Nicht Rückschritt, sondern Fortschritt ist das Kennzeichen dieses viel zu lange vernachlässigten Meisterwerks, das angefüllt mit Elementen musikdramatischer Modernisierung bei allen Beschränkungen durch die vorgegebenen Gattungsgrenzen der Seria auch musikalisch weniger in die Vergangenheit als in die operngeschichtliche Zukunft weist. Mein herzlicher Dank für die Geduld und Unterstützung während der Entstehung dieses Buches gilt meiner ganzen Familie. Zudem danke ich dem Böhlau- Verlag für die gute Autorenbetreuung und besonders Frau Lydia Penzel dafür, dass sie das Manuskript so engagiert und sorgfältig lektoriert hat. Hamburg, Dezember 2012 10  Vorwort

Hans-Joachim Fritz

PROLOG Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung

Mitte Juli 1791 trifft Mozart sich in Wien mit dem Impresario Domenico Guardasoni zur Unterzeichnung des Auftrags, der scrittura, für die Oper La clemenza di Tito. Zu diesem Zeitpunkt hatte Mozart den 2. Aufzug seiner deutschen Oper Die Zauberflöte schon weitgehend fertiggestellt. Seit April hatte er sich mit Ausnahme einiger kleinerer Kompositionen ausschließlich der Arbeit an der Zauberflöte gewidmet. Mozarts Zauberflöte gilt als ‚Freimaureroper‘. Niemals zuvor in seinem Leben hat er sich derart intensiv und engagiert mit Fragen und Problemen der Freimaurerei auseinandergesetzt, wie während der Entstehungszeit dieser Oper. Das ist umso erstaunlicher, da sich die Freimaurerei 1791 in einer tiefgreifenden Krise befand. Alles deutet darauf hin, dass Mozarts freimaurerisches Engagement seinen ganz persönlichen Kampf für das Überleben des Freimaurertums und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ideale kennzeichnet. Allein die Tatsache, dass er sich noch kurz zuvor mit Plänen zur Neugründung einer von ihm initiierten Loge unter dem Namen „La Grotta“, befasst hat, deren Satzung er bereits entworfen hatte, unterstreicht die Ernsthaftigkeit und Intensität seiner freimaurerischen Aktivitäten. Den Hinweis auf dieses außermusikalische Projekt Mozarts verdanken wir einem Brief, den seine Frau Constanze am 21.7.1800 an den Verlag Breitkopf & Härtel geschrieben hat: „Ich leihe Ihnen hiermit zum Gebrauch für die biographie, welche Sachen ich mir gelegentlich und franco wieder erbitte …, einen Aufsatz, größtenteils in der handschrift meines Mannes, von einem Orden oder Gesellschaft die er errichten wollte: Grotta genannt. Ich kann nicht mehr Erläuterung schaffen. Der hiesige Hofklarinettist Stadler der ältere, der den Rest geschrieben hat, könnte es, trägt aber Bedenken zu gestehen, dass er darum weiß, weil die Ordens oder geheimen Gesellschaften so sehr verhaßt sind.“2

Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  11

Die Wahl des Namens „Grotte“ stellt einen unmittelbaren Bezug zur Zauberflöte her, wo eine Grotte per Bühnenanweisung zum räumlichen Rahmen und bildhaften Hintergrund des freimaurerische Rituale wiederspiegelnden musikdramatischen Geschehens wird. Dieses Grottenund Höhlenmotiv bestimmt auch, wie Jan Assmann3 ausführlich dargestellt hat, die Gartenarchitektur einiger wohlhabender Freimaurer, die sich derartige, der Mysterienkultur Ägyptens nachempfundene und mit tosenden Wasserfällen ausgestattete Grotten und Höhlen auf ihren Grundstücken ausbauen ließen. Mozart kannte viele dieser halb künstlich angelegten Orte der Verschwiegenheit und Läuterung, die ihn tief beeindruckt haben müssen. Der Eintritt in die Grotte ist der Ausgangspunkt eines langfristigen aufklärerischen Erkenntnisprozesses, der Grundlage jeglicher Freimaurerei ist. Die Grotte wird zum Synonym für den Weg der Erkenntnis, der aus dem beängstigenden Dunkel der Höhle in das strahlende Licht der Vernunft und Weisheit führt. Im Finale der Zauberflöte ist die Finsternis der Grotte der alles hell überstrahlenden Sonne gewichen: „Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht, zernichten der Heuchler erschlichene Macht!“4 Die Lichtmetapher ist ein zentraler Bestandteil der Lehre der Illuminaten, die unter den Freimaurern die besonders der Aufklärung und politischen Realität verpflichtete Richtung repräsentieren. So war z. B. die, Basil von Amann, einem alten Freund der Familie Mozart gehörende und in einem Park in Aigen bei Salzburg gelegene Grotte ein regelmäßig besuchter Versammlungsort der Illuminaten,5 die dort mit den Initianden ihre Einweihungsrituale vollzogen. Eine große Zahl von einflussreichen Illuminaten fand sich im näheren Freundeskreis Mozarts. Ignaz von Born, der Meister vom Stuhl der Loge „Zur wahren Eintracht“ und die wichtigste Leitfigur der Illuminaten in Wien, in dem immer wieder das Vorbild für die Figur des Sarastros aus der Zauberflöte gesehen worden ist und der die Gesellenaufnahme von Leopold und Wolfgang Mozart vorgenommen hat, war einer von ihnen. In diesem Milieu einer aufklärerischen Reformbewegung und der Ideenwelt eines von humanitären und frühdemokratischen Zielen ausgerichteten Illuminismus ist die Zauberflöte im Sommer 1791 entstanden. Mozarts Beschäftigung mit den Gedanken und Idealen der Freimaurer reicht weit zurück. Sein erster musikalischer Beitrag, der Lobgesang Auf die feierliche Johannisloge (KV2 148), entstand vermutlich schon 12  Prolog

1772 in Salzburg.6 Im Alter von sechzehn Jahren komponierte er für das heroische Drama Thamos, König in Ägypten (KV 345) von Tobias Phi­ lipp Freiherr von Gebler, 1773 eine Ouvertüre und mehrere Zwischenmusiken.7 Gebler, der selbst Freimaurer war, hatte sich mit seinem Text auf den maurerischen Sethos-Roman des Abbé Jean Terrasson bezogen, der später dann der Zauberflöte als stoffliche Quelle diente.8 1778 begann Mozart mit der Vertonung des maurerischen Librettos Semiramis seines Freundes Otto Heinrich von Gemmingen, der Freimaurer und Illuminat war. Gemmingen war 1782 Meister vom Stuhl der Loge zur „Beständigkeit“, gehörte auch der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ an und wurde 1783 Mitbegründer und Meister vom Stuhl der Loge „Zur Wohltätigkeit“. Er war es, der Mozart zum Eintritt in eine Freimaurerloge bewegte und persönlich seine Aufnahme als Lehrling in die Loge zur „Wohltätigkeit“ am 19. Dezember 1784 vollzogen hat. Diese Wiener Aufklärungsloge pflegte eine enge Zusammenarbeit mit der von Born geleiteten Loge „Zur wahren Eintracht“, in der Mozart 1785 in den Gesellen- und Meisterstand erhoben wurde. Dieses Jahr, 1785, hatte ganz entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Freimaurerei in Wien und im gesamten Habsburger Reich. Am 11. Dezember 1785 erließ Joseph II. das sogenannte ‚Handbillet‘ oder ‚Freimaurerpatent‘. Damit unterwarf der Kaiser die Logen der Habsburger Monarchie strenger staatlicher Kontrollen und direkter Überwachung durch die Behörden. Die Anzahl der Logen wurde auf drei reduziert, die jeweils eine maximale Anzahl von 180 Mitgliedern nicht überschreiten durften. Mozart war jetzt Mitglied der Loge „Zur neugekrönten Hoffnung“, der er von 1788 bis zu seinem Tod angehörte.9 Vor allem die politisch streitbaren, antiklerikal und rationalistisch orientierten Illuminaten trafen die repressiven Maßnahmen des Staates mit durchschlagender Wirkung, viel tiefgreifender als die rechts ausgerichteten „Rosenkreuzler“ oder die spirituell eingestellten „Asiatischen Brüder“. In Bayern, wo der Illuminatenorden 1776 gegründet worden war, wurde er ganz verboten und die Brüder intensiver Verfolgung ausgesetzt. Durch die immer mehr im Zusammenhang mit der Französischen Revolution aufkommenden Verschwörungstheorien, die den Freimaurern und Illuminaten subversive Tätigkeiten und umstürzlerische Machenschaften unterstellten, wehte ihnen nun auch in Österreich ein eisiger Wind entgegen. Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  13

Der Erlass Joseph II. war umso überraschender, da er selbst über sehr viele Jahre hinweg den Freimaurern nahe stand, sie aktiv zur Umsetzung seiner politischen Reformen von Kirche und Staat herangezogen hatte, führende Wiener Illuminaten sogar als Verbündete des Kaisers galten und wichtige Ämter inne hatten. Auch Mozart hatte seit seiner Kindheit ein gutes Verhältnis zum Kaiser, an den er, sowohl was seine Karriere als Musiker am Hof betraf, als auch im Hinblick auf dessen umfassende Reformtätigkeit, große Hoffnungen geknüpft hatte. Dieser Paukenschlag des absolutistischen Staates trieb viele Freimaurer, vor allem Illuminaten, aus ihren Orden, so dass deren Mitgliederlisten stark reduziert wurden. So verließen 1786/87 auch von Born und von Gemmingen sowie der bedeutende freimaurerische Vordenker Joseph von Sonnenfels, Herausgeber des Freymaurer-Journals, dessen gesamtes zehnbändiges Werk sich im Nachlass Mozarts befand, die Loge. Der Orden der Illuminaten hörte in Wien auf als funktionierende Organisation zu bestehen.10 Doch Mozart hat standgehalten. Er blieb auch nach diesen Auflösungserscheinungen der Wiener Freimaurerorden und ihrer zunehmenden inneren Streitigkeiten aktives Mitglied der neu gegründeten Loge „Zur gekrönten Hoffnung“. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sein freimaurerisches Engagement inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil seines Lebens und seiner Persönlichkeit geworden war. Mozart war nicht mehr nur Musiker und Komponist, und erst recht kein ‚dem aktuellen politischen Geschehen entrückter‘ Künstler. Umso irritierender ist es, dass eines seiner beiden, zur Eröffnung der Loge „Zur neugekrönten Hoffnung“ komponierten Lieder (KV 483 und KV 484) anscheinend auf einem kaiserkonformen, opportunistischen Text basiert, der das Freimaurerpatent offenkundig begrüßt: „Zerfliesset heut, geliebte Brüder, in Wonn und Jubellieder. Josephs Wohltätigkeit hat uns, in deren Brust ein dreifach Feuer brennt, in unserer Hoffnung neu gekrönt. Vereinter Herzen und Zunge Sei Joseph dies Loblied gesungen.“11

14  Prolog

Auch wenn angesichts des Schicksals vieler seiner Illuminatenfreunde seine kaisertreue Anbiederungshaltung, wie sie mit der Vertonung der Zeile „sei Joseph das Loblied gesungen“ zum Ausdruck kommt, im Widerspruch zu seinen bisherigen maurerischen Ambitionen zu stehen scheint, ist diese devote Anpassungsgeste dennoch in gewisser Weise zu verstehen. Denn Mozart verfügte nicht über die Unabhängigkeit eines „von Born“ oder „von Gemmingen“ sowie mancher wohlhabender, teils zur Aristokratie gehörender Illuminat, der in die innere Emigration oder das Schattendasein geheimer Zirkel flüchten konnte. Mozart war noch tief in dem höfisch-aristokratischen Abhängigkeitsgefüge verwurzelt, noch waren alle seine Zukunftsperspektiven unlösbar mit dem Kaiserhof und dem sozialen Netzwerk des Adels verbunden. Am 7. Dezember 1787 wurde Mozart von Kaiser Joseph II. zum k. k. Kammer-Kompositeur als Nachfolger des zuvor verstorbenen Christoph Willibald Gluck ernannt. Seine Da Ponte-Opern standen unter dem Schutz des Kaisers, vor allem seinen Figaro hat er Joseph II. zu verdanken und nicht zuletzt hat dessen hilfreiche Protektion ihm eine Vielzahl von Auftritts- und Auftragschancen eröffnet. Andererseits erkennt man bei genauerer Betrachtung des Textes die Doppeldeutigkeit der Wortwahl und die unterschwellige Kritik. Helmut Perl vermutet, dass mit „Josephs’ Wohltätigkeit nicht etwa die Großmut des Kaisers, sondern auf den Namen der von ihm zerschlagenen Illuminaten-Loge „Zur Wohltätigkeit“ angespielt wird.“12 Ebenso könnte die Tatsache, dass Mozart an den Eröffnungsfeierlichkeiten seiner neuen Loge wegen angeblicher Kopfschmerzen und Magenkrämpfe nicht teilgenommen hat, ein Zeichen seines kritischen Unbehagens und einer bewussten Distanzierung sein. War das ein stiller Protest? Immerhin hat Mozart dieses Opus nicht in sein persönliches Werkverzeichnis aufgenommen.13 Erstaunlich ist auch, dass er nach diesen, ihn vielleicht sogar demütigenden Liedern, keine ausgesprochene Maurermusik mehr komponiert hat und als maurerischer Komponist verstummte. Erst 1791 lebte er als bekennender Freimaurer auch musikalisch wieder auf. Und zwar in einem bis dahin ungekannten Ausmaß. Mit der Zauberflöte wird nun eine ganze Oper zum freimaurerischen Bekenntnis. Es war sein Todesjahr in dem die Freimaurerei zum bestimmenden Thema und Inhalt seines Lebens wurde. Neben der monatelangen Arbeit an der Zauberflöte komponiert er noch zwei Maurerkantaten KV 619 und Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  15

KV 623. Die zweite, die Kleine Freimaurerkantate wird geradezu zu seinem Vermächtnis. Es ist die letzte Komposition, die Mozart in sein Werkverzeichnis eingetragen hat.14 Sie entstand zur Einweihung eines neuen Tempels für die Loge „Neugekrönte Hoffnung“ und wurde bei diesen Feierlichkeiten im Kreise seiner Maurerbrüder unter seiner Leitung am 18. November 1791 aufgeführt.15 Dies war bezeichnender Weise Mozarts letzter Auftritt. Der Text dieser Kantate, die für Mozart zur Abschiedskantate für seine Logenbrüder wurde, ist ein ergreifender Appell an die gesamte Freimaurergemeinschaft, den Richtungsstreit und die Anmaßungen zu beenden sowie die selbstzerstörerischen Kräfte ins Positive zu wenden, um sich in neuer „Eintracht“ zu verbünden: „Dieser Gottheit Allmacht Ruhet nicht auf Lärmen, Pracht und Saus, nein, im Stillen wiegt und spendet sie der Menschheit Segen aus,…“

Und an anderer Stelle heißt es: „Diese heutige Feier sei ein Denkmal Des wieder neu und festgeschloßnen Bundes Verbannt sei auf immer Neid, Habsucht, Verleumdung Aus unser Maurerbrust, und Eintracht knüpfe fest Das teure Band, das seine Bruderliebe webte.“16

Vor allem aber mit der Zauberflöte wenden sich Schikaneder und Mozart mit den Mitteln von Allegorie und Bühnenkunst an die in sich zerstrittene Freimaurergemeinde. „Sie solle an Stelle von Selbstgerechtigkeit Bescheidenheit üben, Herrschsucht in den eigenen Reihen bekämpfen, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit lernen und das helle Licht der Aufklärung nicht verlieren, das Vernünftigkeit, Gerechtigkeit und Menschenliebe meinte.“17

Mit diesen Worten fasst Braunbehrens die in der Zauberflöte enthaltene Botschaft an die verschiedenen Gruppierungen der Freimaurer in Wien zusammen. Nach dem Tod von Joseph II. am 20. Februar 1790 hatte unter seinem Nachfolger Leopold II. der staatliche Druck auf das Freimaurerwe16  Prolog

sen deutlich zugenommen, wurden Verfolgung und Zensur erheblich verschärft. Angesichts des immer weiter gespannten Netzes von Bespitzelung durch die kaiserliche Geheimpolizei und ihrer gezielten Infiltration von verdeckten Informanten sowie die steigende Zahl von Überläufern, wurde in diesem allgemeinen Klima von Misstrauen und Angst jegliche Logenarbeit, auch für Mozart, zum existenziellen Risiko. Zwar waren die Verhältnisse noch nicht so dramatisch wie in Bayern,18 wo geradezu eine Hexenjagd im Stile der Inquisition gegen die Illuminaten veranstaltet wurde und immer schärfere Mandate und Erlasse jegliche Illuminatenaktivität bei Androhung von Haft- und Todesstrafe untersagte. Dort hatte sich der Klerus mit seiner antiaufklärerischen Repressionspolitik längst durchgesetzt. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, wann ein derartiger Grad polizeistaatlicher Unterdrückung und Sanktionierung auch in Wien erreicht werden würde. Wie bedrohlich die Lage tatsächlich war, zeigte sich dann in der dramatischen Entwicklung des freimaurerischen Überlebenskampfes in den folgenden Jahren, der am 2. September 1793 mit der endgültigen Auflösung der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“ endete. Die dunklen Vorzeichen dieses Untergangsszenarios müssen Mozart veranlasst haben, aus seiner scheinbaren Passivität einer jahrelangen, höchst wahrscheinlich nur vorgetäuschten freimaurerischen Abstinenz19 erneut hervorzutreten, um sich aktiv an der Bewältigung der Krise zu beteiligen, bis hin zu seinem erwähnten Versuch, eine eigene, in seinem Sinne reformierte und von ihm selbst geleitete Loge zu gründen. Aus dieser historisch vorgezeichneten Notwendigkeit heraus und nicht aus Gründen der Geldnot Schikaneders, der nur deswegen Mozarts Hilfe als Komponist erbeten haben soll, wie immer wieder behauptet worden ist, begannen beide gemeinsam Ende März 1791 mit der Arbeit an der Zauberflöte. Das Projekt Zauberflöte ist nicht die Folge einer rein künstlerischen Entscheidung, sondern sie ist das Resultat eines politisch-aufklärerischen Vorhabens. Dafür war es wichtig, einen Weg zu finden, diese politischen und weltanschaulichen Inhalte so auf der Opernbühne darzustellen, dass sie einerseits von einem breiten Publikum verstanden werden konnten, andererseits aber die Zensurbehörden nicht allzu sehr provozierten. So wurde der aktuelle Bezug zum Zeitgeschehen, wie auch Anspielungen auf Institutionen und Personen des wankenden absolutisWer war Mozart 1791? Eine Annäherung  17

tischen Staates hinter einem Schleier von Mehrdeutigkeiten und parodistischen Verzerrungen, verschlüsselten Zeichen und Wörtern einer, in der unbedrohlichen Ferne altägyptischer Mythen und Rituale spielenden Märchenhandlung kaschiert. Und das Publikum hat es verstanden. Das Entschlüsseln der Allegorien, das Dechiffrieren des märchenhaftmythischen Handlungsgeschehens, schien geradezu ein fester Bestandteil des Opernvergnügens breiterer, nicht-aristokratischer Schichten zu sein.20 Ob mit der Königin der Nacht nun die römische Kirche als Sinnbild allen Aberglaubens oder mit Sarastro der Oberpriester der Freimaurer Ignaz von Born identifiziert wurde, oder ob in der Königin der Nacht die freimaurerfeindliche Maria Theresia, in Joseph II. Tamino auf seinem Weg zur Aufklärung und in Pamina das österreichische Volk selbst erkannt wurde oder andere Deutungen mit historischem Zeitbezug wahrscheinlicher sind, ist für unsere Betrachtungen nicht so entscheidend. Wichtiger ist, dass der politisch-weltanschauliche Gehalt integraler Bestandteil des doppelbödigen Librettos ist und es sich eben nicht um eine ‚Märchenoper für Erwachsene‘ handelt, sondern „alte Mythen und Kulte bemüht werden, um gleichzeitig als Camouflage zu dienen. Die politische Brisanz musste selbstverständlich verschwiegen oder wenigstens verschleiert werden.“21

Dass die Oper – ob in dieser oder jener Deutungsvariante ihres Publikums – stets auf ihren historisch-politischen Kontext bezogen wurde, zeigte sich unter dem Eindruck der Französischen Revolution nicht zuletzt in der Reaktion des absolutistischen Staates. In Bayern wurde sie umgehend auf den Index gesetzt und Mozart neben Kant, Voß und Lessing zu Todfeinden des „wahren Glaubens“ der römischen Kirche erklärt.22 Bei der Prager Aufführung der Zauberflöte wurde die ganze Theatergesellschaft wegen aufrührerischer Reden verhaftet. Das war durchaus verständlich, denn die „Oper selbst war nichts anderes als eine aufrührerische Rede.“23 Nur einige Jahre später galten Mozart und Schikaneder in einer weiteren Deutung, die 1794 in einem Mannheimer Journal erschien, als ‚Propagandisten der Französischen Revolution‘, was ganz sicher nicht den Tatsachen entsprach aber die aufklärerische Grundtendenz der Oper erneut bestätigte. Da wurde in der Königin der Nacht die Regierung Ludwig XVI., in Tamino „die Freiheit als Tochter des Despotismus gesehen, in Pamina das Volk, in Sarastro die Weisheit 18  Prolog

einer besseren Gesetzgebung“ und in den Priestern „die Nationalversammlung.“24 Auch wenn Mozart gewiss kein Revolutionär war, so hat ihn seine monatelange Beschäftigung mit der Zauberflöte im Frühjahr und Sommer 1791 direkt in das Spannungsfeld weltanschaulich-politischer Auseinandersetzungen geführt, das in diesem letzten Jahr seines Lebens mehr als jemals zuvor seine ganze Persönlichkeit ergriffen und sein Denken und Handeln maßgeblich bestimmt hat. Dieser Festigung seiner weltanschaulichen Überzeugungen, wie sie in der Zauberflöte geradezu kulminieren, ist eine jahrelange innere Entwicklung Mozarts vorausgegangen, die ihren Antrieb nicht allein dem fruchtbaren Gedankenaustausch, wie er in den Wiener Salons und im Kreise seiner Logenbrüder gepflegt wurde, verdankte, sondern ebenso seinem literarischen Bildungsinteresse, das er durch regelmäßiges Lesen und das Anlegen einer eigenen kleinen Bibliothek befriedigt hat. Ein kurzer Blick auf Mozarts Büchersammlung und seine Lesegewohnheiten mag bei unserem Versuch einer Annäherung an seine Person ganz hilfreich sein, denn „(w)enn wir schon nicht wissen, wer Mozart war, so wissen wir nach einem forschenden Blick in seine Bücherwelt wenigstens etwas mehr darüber, wer er gewesen sein könnte.“25

In der Mozartliteratur ist die Vorstellung von einem ‚lesenden Mozart‘ immer wieder energisch bestritten worden, weil sie nicht zum Bild eines künstlerisch entrückten, genialen Nur-Musikers passte.26 Aber schon 1777 berichtete er dem Vater aus Mannheim von seinen Lesegewohnheiten: „um 6 uhr gehe ich zum Cannabich …; dort bleibe ich beym nacht essen, dann wird discurirt – oder bisweilen gespiellt, da ziehe ich aber allzeit ein buch aus meiner tasche und lese…wie ich es zu salzburg zu machen pflegte.“27

Oft trieb ihn die Suche nach geeigneten Opernstoffen zur intensiven Lektüre: „ich hab leicht 100 – Ja wohl mehr bücheln durchgesehen“,28 schrieb er am 7. Mai 1783 an Leopold. Auch Constanze hat bestätigt, dass ihr Mann „gern las“.29 Diese Auskunft hat sie Mary Novello erteilt, die ihr 1829 auf der Suche nach Mozart-Erinnerungen begegnet war. ConsWer war Mozart 1791? Eine Annäherung  19

tanze erzählte ihr, dass sie neun Bände eines von Mozarts Lieblingsautoren besitze und oft darin lese. Doch Autor und Titel des Werkes nannte sie nicht, was Mary Novello sich so erklärte: „…, aber da es in den österreichischen Landen verbotene Frucht ist, nannte sie den Titel nicht – ich habe den Verdacht, es war eines der französischen revolutionären Werke.“30

Doch bei aller Offenheit Mozarts gegenüber einer radikaleren, vielleicht sogar revolutionsfreundlichen Literatur, blieb seine Grundhaltung zweifellos kaisertreu. Für ihn bedeutete Aufklärung, zumindest in den ersten Jahren seiner Wiener Zeit, vor allem ‚josephinische Aufklärung‘, wie sie im Rahmen seiner Reformpolitik vom Kaiser praktiziert worden ist. Ein wichtiger Schriftsteller der österreichischen Aufklärungsliteratur war Johann Pezzl, dessen anonym erschienener Roman Faustin oder das philosophische Jahrhundert sich im Besitz Mozarts befand. Der Held des Romans, Faustin, gelangt nach einer Bildungsreise quer durch Europa, enttäuscht und desillusioniert von der geringen Verbreitung des aufgeklärten Denkens, nach Wien, um dort zum guten Ende seine geistigen und philosophischen Idealvorstellungen im Österreich Joseph II. verwirklicht zu sehen, dem „erhabene(n) Schützer der Menschheit“,31 der durch sein Wirken für „Erleuchtung, Beförderung der Toleranz, und Umschaffung der National-Denkart“32 sorgt. Dass Mozart großes Interesse an näheren Informationen über das Leben und Wirken der aufgeklärten Herrscherpersönlichkeiten hatte, wird auch dadurch deutlich, dass sowohl die Skizzen aus dem Karakter und Handlungen Joseph II. (2 Thl., Halle 1783) als auch vier Bände von Friedrich II. Königs in Preußen hinterlassene Werke (1788)33 zu seiner Büchersammlung gehörten. Auf dieses, über die Musik hinausgehende Bildungsinteresse ihres Bruders weist auch seine Schwester Maria Anna hin, „da sein Kopf immer mit der Musick und ausser diesem mit anderen Wissenschaften beschäftigt ware.“34 Die Bücherliste seines Nachlassverzeichnisses bestätigt dieses breit angelegte literarische Interesse. Da gab es Werke der Philosophie, Sammlungen von Gedichten und Theaterstücken sowie Reisebeschreibungen, ein Lehrbuch der Mathematik und insbesondere verschiedene Autoren der Aufklärungsliteratur, wie Moses Mendelssohn, Joseph von Sonnenfels, einen Logenbruder und guten Bekannten Mozarts,35 Adolph Frei20  Prolog

herrn von Knigge sowie Salomon Gessner, dessen Gattin der Familie Mozart bei deren Besuch am 3. Oktober 1776 drei Bände der Poetischen Schriften von dem Aufklärer Christoph Martin Wieland schenkte, dessen Oberon sich ebenfalls in Mozarts Bücherregal befand. Die radikaleren Schriften gehörten entweder von Anfang an nicht zum Bestand der Mozartbibliothek, oder aber sie wurden – vermutlich unter dem Druck verschärfter Zensur – gegen Ende der 80er Jahre aus der Büchersammlung eliminiert. Politisch brisantere Beiträge sowie Informationen über aktuelle historische Ereignisse hat Mozart als interessierter Zeitungsleser erhalten, der er ohne Zweifel war. Im August 1778 weist er z. B. den Freund Abbé Bullinger in einem Brief aus Paris darauf hin: „In Zeitungen habe ich gelesen…“.36 In den angesehenen literarischen Salons in Wien, wo Mozart regelmäßig verkehrte, oder an den Logenabenden, wurde das Gelesene ausgetauscht und in Diskussionen über den aktuellen Stand von Literatur, Kunst, Wissenschaft und Politik erörtert. Eine gewisse Belesenheit war geradezu unerlässlich, um den gesellschaftlichen Erwartungen und Konventionen in den hochstehenden Salons und Lesezirkeln standhalten zu können.37 Die verschiedenen Lesekabinette, die als wichtige politische Informationsbörse dienten, wurden wegen ihrer schwierigen Kontrollierbarkeit von den Zensurbehörden mit allergrößtem Misstrauen beobachtet. Als Reaktion auf das – die Pressefreiheit einschränkende – Handbillet des Kaisers entstand das Phänomen der Broschürenliteratur. Wien wurde in diesem Jahrzehnt geradezu von einer Flut von Broschüren und kleinen Flugblättern kritischen Inhalts überschwemmt.38 Leslie Bodi weist darauf hin, „dass in der zweiten Hälfte des josephinischen Jahrzehnts in der Wiener Broschürenliteratur immer heftigere Angriffe auf die josephinische Reformbewegung erfolgen, in denen nicht mehr einzelne Mißstände, sondern das ganze System des aufgeklärten Absolutismus der Kritik unterworfen wird“,39

häufig unter dem Deckmantel orientalischer und exotischer Geschichten, dem Camouflage-Prinzip der Zauberflöte vorgreifend. So konnten schon frühzeitig breitere Schichten der Wiener Bevölkerung die Entzifferung der verschlüsselten Staatskritik durch die Broschüren lesend einWer war Mozart 1791? Eine Annäherung  21

üben und orientalische Herrscher und Minister mit Joseph II. und seinen Ratgebern identifizieren. Am 23. Januar 1790 wurden durch ein Circular des Polizeiministers in Wien alle Zeitungen und Broschüren strengster Zensur unterworfen. Am 1. September 1790 betont ein von Leopold II. erlassenes Hofdekret, dass das höchste Gesetz des Staates „die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ruhe“ sei; darum verfügt der neue Kaiser, dass „künftig alle Schriften, welche öffentliche Landesfürstliche Gesetze und Anordnungen kritisieren und tadeln, ganz dem Verbote zu unterziehen seien.“40 Mit Josephs Tod endet die erweiterte Lesefreiheit in Österreich.41 Nur wenige Tage nach Mozarts Tod wurde im Dezember 1791 von Leopold II. ein noch strengeres Zensurgesetz erlassen, „um die antiklerikale und antimonarchische Publizistik auszuschalten.“42 Die Oper war ein letztes, verbleibendes Medium öffentlicher Kritik am absolutistischen Staat, was Schikaneder und Mozart in den Monaten zuvor so eindringlich zu nutzen wussten. Vor dem endgültigen Bruch mit seinem Dienstherrn Erzbischof Colloredo in Salzburg gab dessen Kammerherr Graf Arco, der die Auseinandersetzungen mit Mozart um seine Kündigung zu führen hatte, ihm neben dem entwürdigenden „tritt in den Hintern“43 noch eine gut gemeinte Warnung vor dem Wankelmut des Wiener Publikums mit auf den Weg: „glauben sie mir, sie lassen sich hier zu sehr verblenden – von anfang an – nach etwelchen Monaten wollen die Wiener wieder was neues,“ und er fährt fort: „hier dauert der Ruhm eines Menschen sehr kurz – von anfang hat man alle Lobsprüche, und gewinnt auch sehr viel, das ist wahr – aber wie lange?“ 44 Mit seiner Prophezeiung sollte Graf Arco recht behalten. In den ersten Jahren seiner Wiener Zeit hat Mozart so gut wie alles gewonnen: Erfolg, Ruhm, Geld und Freundschaft sowie sein privates Glück in der Ehe. Nun, im Sommer 1791, blickte er auf die schwersten Jahre seines Lebens zurück. Zu Beginn seiner Wiener Zeit schrieb er noch an seinen Vater: „ich versichere sie, daß hier ein Herrlicher Ort ist – und für mein Metier der beste Ort von der Welt –.“45 Sein verzweifelter Brief an seinen Freund und Logenbruder Michael Puchberg vom 12. Juli 1789 bezeugt hingegen die tiefgreifende Enttäuschung all seiner Erwartungen, die er an Wien geknüpft hatte:

22  Prolog

„Mein Schicksal ist leider, aber nur in Wien, mir so widrig, daß ich auch nichts verdienen kann, wenn ich auch will; ich habe vierzehn Tage eine Liste herumgeschickt, und da steht der einzige Name Swieten.“46

Es handelt sich hier um den gescheiterten Versuch Mozarts, durch das Versenden einer Subskriptionsliste, so wie er es in den Jahren zuvor immer praktiziert hatte, eine Akademie, also ein Konzert, zu organisieren. 1784 hatten sich noch 176 Personen in eine solche Liste eingetragen.47 Wo waren nun all diejenigen, denen er seinen triumphalen Erfolg und seine gesellschaftliche Anerkennung als selbständiger Künstler in Wien zu verdanken hatte? Schon zu Beginn seiner Wiener Zeit hatte er seinem Vater, um böswillige Gerüchte über seine angebliche Erfolglosigkeit zu entkräften, in einem Brief wichtige Mitglieder aus dem Hochadel und des wohlhabenden Bürgertums benannt, die ihn schätzten und protegierten, in deren Palais er Konzerte geben durfte, wie z. B. Gräfin Thun, Graf Cobenzl, Fürst Golizyn und Erzherzog Maximilian Franz: „wenn sie glauben, daß ich bey hofe, bey der ganzen und halben Noblesse verhasst seye, so schreiben sie nur an H. v. Strack – , gräfin thun – gräfin Rumbeck – Baronin Waldstätten – H. v. Sonnenfels – Fr. v. Trattner – Enfin an wen sie wollen, unterdessen will ich ihnen nur sagen, daß der kayser letzthin bey der tafel das grösste Eloge von mir gemacht hat, mit den Worten begleitet. C’est un talent decidé.“48

Bis auf wenige Ausnahmen sind sie alle in der zweiten Hälfte der 80er Jahre mehr und mehr aus seinem Lebenskreis verschwunden, wodurch nun auch immer weniger Auftritte Mozarts in ihren Adelshäusern stattfanden und die Anzahl seiner adligen Schüler ebenfalls immer geringer wurde. Das soziale Netzwerk von Auftraggebern und Mäzenen aus dem hohen und niederen Adel, das er sich so mühsam, aber erfolgreich in kurzer Zeit aufgebaut hatte, um überhaupt als freischaffender bürgerlicher Musiker in Wien Fuß fassen und überleben zu können, hielt nur wenige Jahre. Dieser allmähliche Rückzug des Adels hatte verheerende Auswirkungen auf Mozarts finanzielle Lage, die 1789 immer verzweifelter wurde. Sein dramatischer Bittbrief an Puchberg vom 12. Juli begann mit den Worten:

Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  23

„Gott! Ich bin in einer Lage, die ich meinem ärgsten Feinde nicht wünsche, und wenn Sie bester Freund und Bruder mich verlassen, so bin ich unglücklicher und unschuldigerweise sammt meiner armen kranken Frau und Kind verlohren – .“49

Die Bedingungen für das Musik- und Konzertleben in Wien hatten sich vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse ganz generell rapide verschlechtert. Durch den Ausbruch des sogenannten „kleinen Türkenkrieges“ (1787–1791) verschärfte sich aufgrund der allgemeinen Kriegssteuer und der zunehmenden Teuerungen die wirtschaftliche Krise für alle Teile der Wiener Bevölkerung erheblich. Die notwendigen Rekrutierungen zum Militär betrafen insbesondere auch Mitglieder des Adels, der sich nun überwiegend auf seine Landgüter zurückzog. Immer mehr Privatorchester des hohen Adels wurden aufgelöst, immer mehr Musiker aus ihren festen Anstellungen entlassen. Es gab immer weniger festliche Anlässe für Konzerte und Kompositionsaufträge. Mit dem beschleunigten Prozess der Verbürgerlichung des Musiklebens und dem weitgehenden Verlust des adligen Auftraggeberspektrums und Mäzenatentums, der insgesamt mit einem schwindenden Repräsentationsbedürfnis höfisch-aristokratischer Selbstdarstellung einherging, mussten nun für den gänzlich neuen Typus des freischaffenden und allein auf eigenes Risiko arbeitenden Musikers und Komponisten andere Verdienstmöglichkeiten und Vermarktungsformen erschlossen werden. Öffentliche Konzerte und Verlagshonorare rückten mehr und mehr in den Vordergrund und wurden für viele Musiker zur Haupteinnahmequelle.50 Auch wenn Mozart vielleicht einer der Ersten war, die diesen selbständigen, bürgerlichen Musiker- und Komponistentypus mehr oder weniger repräsentierten, so hatte er diesen fundamentalen Richtungswechsel seiner Berufskarriere hin zu einer vom Kaiserhof und den Adelshäusern weitgehend unabhängigen Komponistenexistenz sicherlich nicht im Sinn, als er sich von Salzburg und Colloredo erzürnt abwandte, um in Wien sein Glück und sein Einkommen zu suchen. Mozarts Berufsperspektiven waren zunächst eindeutig höfisch orientiert. Seine ganze Hoffnung richtete sich auf eine feste Anstellung am kaiserlichen Hof: „der kayser war sehr gnädig gegen mich, und hat vieles heimlich mit mir besprochen – wer weis – vielleicht – was glauben sie? – versuchen kann man es immer.“51 24  Prolog

schrieb er Leopold im Januar 1782 und ergänzte eine Woche später: „die rede des kaysers gegen mich, hat mir einige hofnung eingeflöst.“52 Einige Monate später hatten sich in den Wiener Salons die Gerüchte über seine bevorstehende Festanstellung beim Kaiser verdichtet, nur Mozart selbst hatte noch keine verbindliche Nachricht vom Hof erhalten: „weil – ich selbst kein Wort davon weis – daß auch hier die ganze Stadt davon voll ist, und mir schon eine menge leute dazu gratuliert haben, ist sicher – und daß beym kayser auch davon ist gesprochen worden, und er es vielleicht im Sinn hat, will ich ganz gern glauben; – aber bis dato weis ich kein Wort. –“53

Als sein Traum vom Hofamt mit geregeltem Einkommen zu platzen drohte, regten sich in Mozart sein bürgerlicher Stolz und der Unabhängigkeitswille eines freien Künstlers, der er zu dieser Zeit noch nicht war. Gedanklich begann er mit alternativen Berufsperspektiven zu spielen, die außerhalb des von Joseph II. und des Hochadels dominierten Abhängigkeitsgefüges des Wiener Musik- und Konzertlebens lagen: „die H. Wienner I : worunter aber haubtsächlich der kayser verstanden ist: I sollen nur nicht glauben daß ich wegen Wienn allein auf der Welt seye – keinen Monarchen in der Welt diene ich lieber als dem kayser – aber erbetteln will ich keinen dienst. – Ich glaube so viel im Stande zu seyn, daß ich jedem Hofe Ehre Machen werde – will mich Teutschland, … , nicht, aufnehmen, so muß ich in gottes Namen frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen Mehr reich werden; … Ich kann auch nicht so lange warten – und will auch wirklich nicht so auf Barmherzigkeit warten – finde daß ich eben auch: wenn es schon der kayser ist: I seine gnade nicht so vonnöten habe. – Mein gedanke ist: künftige fasten nach Paris zu gehen.“54

Wie ernst es ihm damit war, die engen Grenzen seiner beruflichen Zwänge und Abhängigkeiten, die ihm die Wiener Hofgesellschaft setzte, zu durchbrechen, zeigt sich allein daran, dass er begann Englisch zu lernen und täglich Unterricht in Französisch zu nehmen. So, wie sich der freie Markt des Musikschaffens mehr und mehr ausweitete und öffnete, so löste sich Mozart mehr und mehr aus dem Korsett der festen Bindungen eines höfischen Künstlers. Während sein Vater Leopold auf der Ebene eines Kammerdieners noch ganz und gar zum „höfischen BürWer war Mozart 1791? Eine Annäherung  25

gertum“55 gehörte, das sich dem aristokratischen Verhaltenskanon angepasst und unterworfen hatte, erwachte in Mozart zunehmend ein bürgerlicher, bisweilen sogar anti-höfischer Freiheitswille eines überwiegend selbstbestimmten Musikers. Eindringlich forderte er seinen Vater auf, das devote Verhalten eines Höflings abzulegen: „sie müssen sich wegen dem hof also verhalten. – doch bitte ich sie, mein bester vatter, nicht zu viel zu kriechen. –“56 Und in seinem Brief vom 20. Juni 1781 riet er ihm erneut: „daß sie die Hofschranzen über die querre ansehen werden, will ich gerne glauben; doch was haben sie sich aus solchem Elenden Gesinde zu machen, wie feindlicher, daß diese leute gegen sie sind, desto stolzer und verächtlicher müssen sie sie ansehen, – “.57

In einem bürgerlich-aufgeklärten Selbstverständnis schrieb er: „– das Herz adelt den Menschen; und wenn ich schon kein graf bin, so habe ich vielleicht mehr Ehre im leib als mancher graf.“58 Für Mozart waren Demütigungen durch den Adel unerträglich geworden. Wenn das der Preis sein sollte für Verdienstmöglichkeiten am Hof oder beim Adel, so wollte er ihn nicht mehr bedingungslos zahlen. Dennoch blieb er in Wien, wo er in gewisser Weise eine ‚Doppel­ existenz‘ führte, wie Norbert Elias sie näher beschreibt: „Es ist bezeichnend für einen großen höfisch-bürgerlichen Künstler, dass er gewissermaßen in zwei sozialen Welten lebte. Das ganze Leben und Schaffen Mozarts war von diesem Zwiespalt geprägt. Auf der einen Seite bewegte er sich in höfisch-aristokratischen Zirkeln, deren musikalische Geschmacks­ tradition er adaptiert hatte und wo man von ihm ein Verhalten gemäß dem höfischen Kanon erwartete. Auf der anderen Seite repräsentierte er einen spezifischen Typ dessen, was wir mit einer allzu groben Kategorie das ‚Kleinbürgertum‘ seiner Zeit nennen müssen.“59

Die inneren Spannungen dieser Doppelexistenz prägten seine weitere Persönlichkeitsentwicklung, die in immer stärkerem Maße durch die Dynamik des Hin- und Herpendelns zwischen Anpassung und Distanzierung im Hinblick auf Adel und Hof gekennzeichnet war. So war seine ganze Kindheit und Jugendzeit bestimmt von dem Bemühen um Anpassung an die höfisch-aristokratische Lebensweise und Etikette. Schon als ‚Wunderkind‘ konnte er im strahlenden Glanz des Kaiserhofes wohl 26  Prolog

erzogen und im Galakostüm – herausgeputzt wie ein kleiner Prinz – Bewunderung und Anerkennung der höchsten Kreise finden. Die Anpassung an das adlige Vorbild erfasste seinen ganzen Habitus und die Formen seiner Selbstinszenierung im Auftreten und in seiner Kleidung. Mozarts äußere Erscheinung war mithilfe der noblen Kleidung so beeindruckend, dass der Pianist Clementi ihn anlässlich ihres Wettspiels vor dem Kaiser „für einen kaiserlichen Kammerherrn“ gehalten hat. 60 Doch ebenso, wie die um Statuserhöhung ringende Imitation des höfisch-aristokratischen Repräsentationsgebarens in Mozarts Kleidungsgewohnheiten und seiner Neigung zu einem aufwendigen Lebensstil ihren Ausdruck fand, ebenso war der innere Wandel, den er gegen Ende der 80er Jahre im Zuge eines sich verstärkenden Distanzierungsprozesses vom Adel vollzog, an seiner nun schlichten, bürgerlichen Art, sich zu kleiden, abzulesen. Ludwig Tieck berichtete von einer Begegnung 1789 im Berliner Opernhaus „mit einer unansehnlichen Figur in grauem Überrock“,61 die sich als Mozart entpuppte. Seine Wandlung von der höfischen Selbstdarstellung hin zum bürgerlichen Erscheinungsbild wird bei einem Vergleich früher Darstellungen Mozarts, wie z. B. das Ölbild im Galakleid von 1763 oder Mozart im roten Rock und kunstvoll frisiert am Cembalo, von Saverino della Rosa 1770 gemalt, mit Darstellungen seiner Person aus den letzten Jahren seines Lebens deutlich. Das letzte, unvollendete Porträt, gemalt von seinem Schwager Joseph Lange, zeigt einen bürgerlichen, schlicht und zurückhaltend gekleideten Mozart, der sich nicht nur im Äußeren, sondern auch innerlich von dem höfischen Prunk verabschiedet hat. Zweifelsohne ist diese zunehmende Verbürgerlichung seines Selbstverständnisses als freischaffender Musiker und Künstler, seiner Anschauungen, seiner gesamten Weltsicht, nur im Zusammenhang mit seinem freimaurerischen Engagement im Kreise seiner Logenbrüder zu verstehen, wie eingangs schon ausgeführt wurde. Auch in den Logen kam es Ende der 1780er Jahre zu einer Verbürgerlichung der Mitgliederstruktur und einem Rückzug des Adels aus den Mitgliederlisten. Stellten in den Logen „Zur wahren Eintracht“ und in der „Gekrönten Hoffnung“ 1785 Aristokraten noch mehr als die Hälfte der Mitglieder, so war der Adel nur wenige Jahre später kaum noch vertreten.62 Mit der Auswahl seiner Loge „Zur Wohltätigkeit“ hatte Mozart sich für ein bürWer war Mozart 1791? Eine Annäherung  27

gerlich dominiertes Umfeld seiner freimaurerischen Aktivitäten und Kontaktpflege entschieden, denn hier waren schon 1785 nur sieben der vierundvierzig Mitglieder Aristokraten. Jedes höfische Gehabe, ob im Auftreten oder in anderen Formen der Selbstdarstellung, war hier gänzlich fehl am Platz. Der „Wanderer zwischen den Welten“, der Mozart sein ganzes Leben lang zu sein hatte, fand zum Ende hin mehr und mehr seine soziale Verortung im Bürgertum. Es klingt paradox, aber es muss eine gewisse innere Bindung zu Joseph II. gewesen sein, vielleicht im Ansatz so etwas, wie eine gefühlte geistige Verwandtschaft zwischen Mozart und dem Kaiser, die diesen mentalen und weltanschaulichen Entwicklungsprozess, der sich inhaltlich ja nicht unwesentlich aus einer gezielten Adelskritik speiste, trotz Mozarts ganz auf den Hof und Adel ausgerichteten Karriere­absichten als Musiker, überhaupt erst ermöglichte. Das Wohlwollen des Kaisers gegenüber dem Freimaurertum, das dieser bewusst zur Verbreitung seiner Reformpolitik zu nutzen wusste sowie die von ihm eingeleiteten Maßnahmen zur Entmachtung des Adels, müssen auch Mozart ein Gefühl der Sicherheit verliehen haben, das ihm die Risiken seines kritischen Denkens und freimaurerischen Bekenntnisses als gering erscheinen ließ. Immerhin war Mozart als Musiker und Opernkomponist in höchstem Maße abhängig von der Gnade des Kaisers, der persönlich über das Nationaltheater wachte. So verdankte er Joseph II. die Aufführungen seiner Opern Don Giovanni und Così fan tutte in Wien, die dieser mit initiiert hatte. Vor allem aber Entstehung und Aufführung der Oper Figaros Hochzeit wäre ohne ausdrückliche Zustimmung des Kaisers nicht möglich gewesen, hatte er doch zuvor seinen Polizeiminister Graf von Pergen angewiesen, das politische Brisanz und revolutionären Sprengstoff enthaltene Theaterstück Le Mariage de Figaro von Beaumarchais nicht in deutscher Übersetzung zur Aufführung kommen zu lassen, „da nun dieses Stück viel Anstößiges enthält.“63 Doch in der politisch entschärften Fassung Da Pontes kam ihm der Opernstoff als ein deutlicher Appell an den Adel recht gelegen. Pietro Buscaroli vermutet sogar, dass Joseph II. selbst es war, der durch den Generalschauspieldirektor Graf Franz Orsini-Rosenberg den Auftrag für die Oper an Da Ponte und Mozart erteilen ließ.64 Mit der Arbeit an dieser Oper ging 28  Prolog

Mozart in gewisser Weise ein Bündnis mit seinem Kaiser gegen den Adel ein, der alleiniger Adressat dieser musikdramatischen Botschaft war, die damit einen wichtigen „Beitrag zur josephinischen Innenpolitik“65 lieferte. Geschickt wurde jegliche Aufführung der Oper vor dem breiten Publikum vermieden, indem sie vor überwiegend adligen und großbürgerlichen Zuhörern stattfand, die allein in der Lage waren, die extrem teuren Eintrittskarten zu bezahlen und dabei von der italienischen Truppe der Hofoper im Nationaltheater in italienischer Sprache aufgeführt. Braunbehrens betont daher: „Daß der Kaiser ausdrücklich befohlen hatte, dies in der italienischen Hofoper zu zeigen, das war das Politikum.“66 Mozarts Oper Figaros Hochzeit ist kein staatsgefährdendes Revolutionsstück, als das sie immer wieder verstanden worden ist, sondern ganz im Gegenteil, sie ist ein staatskonformes, politisches Instrument zur Stärkung und Durchsetzung der aufgeklärt-absolutistischen Alleinherrschaft von Joseph II., das dieser ganz gezielt auch außerhalb Wiens machtstrategisch zur Desavouierung und Schwächung des Adels einsetzte. Nicht der Kaiser oder der Staat waren Gegenstand der in der Oper propagierten Gesellschaftskritik, sondern verhöhnt wurde allein der Adel. Indem Mozart auf diese Weise die Begleitmusik zu den Maßnahmen und Gesetzen einer umfassenden Entprivilegierung des Adels komponiert hat, machte er gemeinsame Sache mit Joseph II. und brachte so den Adel gegen sich auf. Damit war sein sozialer Abstieg eingeleitet. Seine eindeutige Positionierung für den Kaiser, an dessen Reformpolitik er so große Hoffnungen knüpfte, ist ein entscheidender Grund für die tiefgreifende Misere, in die er Ende der 1780er Jahre geriet. Der Adel, der ihn noch Jahre zuvor als Musikgenie vergöttert hatte, ließ ihn nun erbarmungslos fallen. Dass Mozart 1787, im Jahr der Uraufführung des Don Giovanni – einem weiteren Negativbild eines Adligen –, von Joseph II. endlich eine – wenn auch nicht die erhoffte – Anstellung als k. k. Kammer-Kompositeur erhielt, könnte fast als Belohnung für sein treues Mitstreiten in der innenpolitischen Auseinandersetzung verstanden werden. Insbesondere, da speziell in diesem Hofamt eine besondere Vertrauensstellung wie sie ein Kammerdiener oder der Leibarzt des Monarchen inne hatte zum Ausdruck kam. Diese Ernennung Mozarts zum kaiserlichen Kammer-Kompositeur war aber auch in gewisser Dankbarkeit und Anerkennung als finanzielle Absicherung, als Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  29

eine Art ‚Rente‘ gedacht, mit der er auf Dauer in Wien gehalten werden sollte. In den Akten des Wiener Hofes heißt es zur Begründung seiner Ernennung: „damit ein in dem Musikfache so seltenes Genie, nicht genötigt sey, in dem Ausland Verdienst und Brot zu suchen.“67 So wird Mozarts höfisch-bürgerliche Doppelexistenz auch formell besiegelt. Zumindest mit einem Fuß befand er sich damit ganz offiziell noch auf höfischem Terrain. Da sich seine vertragliche Verpflichtung auf das Komponieren und Aufführen von Tanzmusik für die jährliche Ballsaison im Redoutensaal beschränkte, hatte er genügend Freiraum, als selbständiger Künstler auch anderweitige Aufträge anzunehmen. Am 20. Februar 1790 starb Joseph II. Für Mozart war es ein großes Glück, dass Leopold II., der Bruder und Nachfolger von Joseph II., sich an die Einhaltung des Vertrages mit ihm gebunden fühlte, so dass er die Stelle als kaiserlicher Hof-Kompositeur behalten konnte. Doch Mozart wollte mehr, viel mehr! Er rechnete sich gute Chancen aus, nun endlich das lebenslang erträumte Hofamt eines Kapellmeisters zu erhalten, denn er glaubte an einen erneuten Aufschwung der Hofmusik im Rahmen des wieder entfachten kaiserlichen Repräsentationsbedürfnisses und der veränderten Kirchenpolitik, der den unter Joseph II. so stark vernachlässigten Bereich der Kirchenmusik wieder aufleben ließ. In einem nur als Entwurf erhaltenen Schreiben an Erzherzog Franz erbat er dessen Fürsprache bei Leopold II., ihm hinter Salieri die Stelle als zweiter Hofkapellmeister zu geben, da er sich seit seiner Jugend im Gegensatz zu Salieri in der Kirchenmusik auskenne und sich „diesen Styl ganz eigen gemacht habe.“68 Angesichts seiner äußerst bedrohlichen finanziellen Situation, seiner chronischen Schulden, vielleicht sogar Spielschulden, der unerträglichen Abhängigkeit von Gläubigern und dubiosen Wucherern, von denen er gezwungenermaßen Geld leihen musste, weil seine Freunde kaum noch bereit waren, immer wieder für ihn einzustehen, versuchte er ein letztes, verzweifeltes Mal mit aller Kraft und unter größtem Einsatz, ein sicheres Hofamt mit seinem Genie angemessenen Aufgaben zu erringen.69 Noch einmal schlug das Pendel von der bürgerlichen in die höfische Welt, aus dem Bereich der Risiken und Existenzängste eines selbständigen Musikers herüber in die wohlsituierte Sphäre eines größeren Hofamtes mit regelmäßigem Einkommen und bedeutenden Kom30  Prolog

positionsaufträgen. Erneut zeigte sich, dass Mozart den Schritt in die Selbständigkeit eines freischaffenden Künstlers eher unfreiwillig als freiwillig getan hatte. Nun wollte er umkehren, aber dafür sollte es zu spät sein. Zum großen Fest der Kaiserkrönung von Leopold II. in Frankfurt am 9. Oktober 1790 war er nicht eingeladen. Anders als Salieri und seine Hofmusiker gehörte Mozart nicht zum Hofstaat, der den neuen Kaiser in seinem gewaltigen Tross zu den Krönungsfeierlichkeiten nach Frankfurt begleiten durfte. Mit einem Überschuss an Optimismus versuchte er auf eigene Faust dennoch sein Glück in Frankfurt zu finden. Im festen Glauben, eine reelle Chance zu haben, Leopold durch verschiedene selbst organisierte Konzertauftritte auf sich aufmerksam machen und so sein Ziel doch noch erreichen zu können, reiste er aufwendig in eigener Kutsche und auf eigene Kosten nach Frankfurt. Um die nicht unerheblichen Reisekosten überhaupt begleichen zu können, musste er einen Teil seines Hausstandes und etliches Silberzeug verpfänden. Ein letztes Mal setzte er alles auf eine Karte. Doch es war vergeblich. Seine Konzerte waren schwach besucht, der Kaiser nahm ihn nicht im geringsten wahr und eine weitere Kapellmeisterstelle war völlig irrelevant. Aber sein Wunsch nach einem existenzsichernden Hofamt saß so tief, dass er, wenn Leopold ihn nicht berücksichtigte, nun sogar bereit war, „ein gutes Engagement irgend an einem Hofe“ anzunehmen.70 Die Eiseskälte des kaiserlichen Desinteresses und die schmerzliche Einsicht, all seine hoffnungsvollen Träume endgültig zerplatzen zu sehen, muss ihn bis ins Mark erschüttert haben: „wenn die leute in mein herz sehen könnten, so müsste ich mich fast schämen. – es ist alles kalt für mich – eiskalt – alles ist so leer“,71 schrieb Mozart völlig deprimiert an Constanze und am 8. Oktober: „…das beste ist zu fliehen.“72 Diese Verzweiflung und Lähmung lag über dem gesamten Jahr 1790. In keinem anderen Jahr seines Lebens hat Mozart so wenig komponiert. Eine tiefgreifende Schaffenskrise hatte seine gesamte Persönlichkeit in psychischer, wie in physischer Hinsicht erfasst. Nun stand er auch noch vor den Trümmern seines Lebenstraumes, Kapellmeister am kaiserlichen Hof zu sein. Er hatte nicht nur die Gunst des Adels, sondern auch die des Kaisers verloren. Weitere Versuche, wie er sie angekündigt hatte, eine Anstellung an irgendeinem anderen Hof zu finden scheint Mozart nicht unternomWer war Mozart 1791? Eine Annäherung  31

men zu haben. Er hatte sich wohl endgültig entschlossen, eine bürgerliche Existenz als freischaffender Musiker zu führen. Wahrscheinlich hat der Entschluss, sich ein für allemal aus dem Netz der höfischen Abhängigkeiten zu lösen, geradezu befreiend auf ihn gewirkt. Im Januar 1791 scheint er seine Schaffenskrise überwunden zu haben. Nach langer Zeit vollendet er wieder ein Klavierkonzert (B-Dur, KV 595), das er persönlich am 4. März nun „nicht im kaiserlichen Burgtheater, sondern im bürgerlichen Saal bei Ignaz Jahn“73 vorspielte. Alles deutet darauf hin, dass er endlich seine eigentliche Identität als Person und als Musiker im bürgerlichen Umfeld gefunden hatte. Seine bewusste Entscheidung, sich nicht irgendwo um ein Hofamt zu bemühen, sondern sich explizit um das Amt eines Kapellmeisters am Stephansdom in Wien zu bewerben, ist ein Bekenntnis zu seinem bürgerlichen Selbstverständnis, denn die Vergabe dieses Amtes war nicht die Angelegenheit des Hofes, sondern allein die des Magistrats der Stadt Wien.74 Da es sich um eine mit 2000 Gulden sehr gut dotierte Stelle auf Lebenszeit handelte, bot Mozart in seinem Bewerbungsschreiben an den Magistrat der Stadt Wien sogar an, dem kränkelnden Domkapellmeister Hofmann zunächst unentgeltlich zur Seite zu stehen: „…habe ich gedacht es dürfte vielleicht dem Dienste der Domkirche und meiner gnädigen Herren zum vortheile gereichen, wenn ich dem schon älter gewordenen Hr. kapellmeister für izt nur unentgeltlich adjungiret würde, und dadurch die Gelegenheit erhielte, … , und eines Hochweisen StadtMagistrats Rücksicht durch wirkliche dienste mir zu erwerben.“75

Der Magistrat entschied schon nach kurzer Zeit die Bitte Mozarts positiv, so dass er, wäre er nicht Ende des Jahres gestorben, Domkapellmeister der Stadt Wien geworden wäre. Zusammen mit den 800 Gulden aus seiner Rente als Kammer-Kompositeur wäre dies für lange Zeit eine finanzielle Grundsicherung gewesen, die es ihm erlaubt hätte, unabhängig und nach eigener Wahl, unterschiedliche Aufträge anzunehmen. Mit einer gewissen Unbefangenheit und ohne sich besonders um seinen Ruf sorgen zu müssen, tauchte Mozart nun ganz und gar ein in die halbseriöse, kleinbürgerliche Welt von Schikaneders Theatergruppe. Für Hildesheimer verlagerte sich Mozarts soziales Umfeld seinerzeit „zum Kleinlichen, ja, zum Schäbigen hin.“76 Vielleicht meinte Sophie Weber diese Art von Freunden, Theaterleuten, Sängern und Sängerinnen oder 32  Prolog

andere Begleiter beim Billard- und Kartenspiel, als sie von Mozarts „falschen Freunden und Blutsaugern ohne sein Wissen, werthlosen Menschen, die ihm zu Tischnarren dienten“ sprach und zu der Feststellung führte: „Ihr Umgang schadete ihm an Credit und Ruf.“77 Jetzt, Ende April 1791, als er gemeinsam mit Schikaneder die Arbeit an seiner Freimaureroper Die Zauberflöte begann, war er wieder da angekommen, wo Kaiserin Maria Theresia ihn schon 1771 mit einiger Übertreibung angesiedelt hatte: im Milieu der Gaukler und des umherreisenden Gesindes. Deswegen riet sie damals ihrem Sohn Erzherzog Ferdinand davon ab, Mozart anzustellen: „sie sollten sich nicht mit solchen unnützen Leuten belasten.“ Es seien Leute, die „in der Welt herumschwärmen wie Bettler.“78 Derartige Urteile der Geringschätzung schien Mozart im Frühjahr und Sommer 1791 aber nicht mehr zu fürchten. Immer wieder wurde ihm ein allzu lockerer Lebenswandel in der täglichen Gemeinschaft der nun in dem großen Gebäudekomplex des Theaters auf der Wieden sesshaft gewordenen Schauspielertruppe nachgesagt. Mit einigen jungen Damen des Zauberflöten-Ensembles soll er sogar Liebesabenteuer eingegangen sein. Im Jahr zuvor hatte er sich noch, um nur nicht seine Bewerbung um die Stelle am kaiserlichen Hof zu gefährden, allergrößte Sorgen um seinen Leumund gemacht: „Sie wissen, wie mir meine dermaligen Umstände, wenn sie kund würden, in meinem Gesuche bey Hofe schaden würden. – wie nöthig es ist, daß dies ein Geheimnis bleibe; denn man urtheilt bey Hofe nicht nach den Umständen, sondern leider blos nach dem Schein“,79

beschwor er seinen Freund Puchberg Anfang 1790 in einem seiner vielen Bettelbriefe. Derartige Sorgen um seinen Ruf quälten ihn nun anscheinend nicht mehr, obwohl die Stadt voll war von Gerüchten über seine verschiedenen Liebschaften, seine hohe Verschuldung und seinen lockeren Lebenswandel in zweifelhafter Gesellschaft. Auf sein neues Publikum im Vorstadttheater auf der Wieden musste er keine Rücksicht nehmen, die engen Fesseln der gesellschaftlichen Zwänge, wie sie am Hof oder im adligen Salon herrschten, hatte er abgestreift. In diesem Jahr komponierte Mozart kein Werk mehr für irgendeinen AdelsSalon.80

Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  33

„Schreiben Sie eine Oper für mich, ganz im Geschmacke des heutigen Wiener Publikums; … aber sorgen Sie auch vorzüglich für die niedrigen Menschen aller Stände,“81

so hatte Schikaneder, wenn der Bericht Nissens zutrifft, Mozart bei der Auftragserteilung der Zauberflöte aufgefordert, sich stets der sozialen Vielfalt seines neuen Publikums bewusst zu sein. Endlich konnte er Musik ganz nach seinem Geschmack und seinen Vorstellungen komponieren, ohne länger auf die Traditionen und Normen des höfisch-aristokratischen Musikgeschmacks, die er seit frühester Kindheit verinnerlicht hatte und die sein gesamtes musikalisches Werk so tiefgreifend bestimmt haben, Rücksicht nehmen zu müssen. Ohne den höfisch vorgezeichneten Grundplan seiner musikalischen Geschmacksbildung, den er sich durchaus mit Liebe und Überzeugung zu eigen gemacht hatte, je ganz verleugnen oder verwerfen zu wollen, hat Mozart immer wieder versucht, die engen Grenzen der Hof- und Salonmusik zu überschreiten. Nur zwei Monate nach seinem freudig strahlenden Klavierkonzert in F-Dur (KV 459) vom 11. Dezember 1784, das sich in galanter Manier mit seinen festlichen Tutti noch ganz dem Musikgeschmack des adligen Publikums anpasste, vollendete Mozart am 10. Februar 1785 sein erstes Klavierkonzert in Moll, das d-Moll Konzert (KV 466). Mit diesem Werk begann Mozart, ohne länger auf die üblichen Publikumserwartungen Rücksicht zu nehmen, selbstbewusst und mit größter Leidenschaft, so als schreibe er diese Musik nur für sich selbst, seinen eigenen Weg zu gehen. Das Ringen um neue musikalische Formen des persönlichen Ausdrucks, der subjektiven Empfindung und nicht das Galant-Gefällige der höfisch-aristokratischen Unterhaltungskonzerte stand auf einmal im Vordergrund. Schon die Wahl der Moll-Tonart lag außerhalb des adligen Erwartungshorizonts. H. Abert nennt d-Moll sogar Mozarts „Schicksalstonart“.82 Und tatsächlich entschied sich Mozarts Schicksal in gewisser Weise an dieser Weggabelung, an der er entschlossen die Richtung musikalischer Erneuerung und kompositorischer Eigenständigkeit einschlug. Auch Zeitgenossen Mozarts, wie der französische Komponist Grétry,83 verwenden erstmals den Begriff der Melancholie im Zusammenhang mit diesem tief empfundenen und kontrastreichen, düstertraurigen, aber in die musikalische Zukunft weisenden Werk. „Es war 34  Prolog

möglich, dank diesem Konzert Mozart zum ‚Vorgänger Beethovens’ zu stempeln“, schreibt Alfred Einstein.84 Doch ein derartiger musikalischer Eigensinn und introvertierter Rückzug von seinem Publikum stieß auf Unverständnis und Ablehnung. Als sei dies nur ein einmaliges Experiment gewesen, komponierte er für die Karnevalsaison 1785/86 zwei gefällige Konzerte in Dur (KV 482 in Es und KV 488 in A) gleichsam als eine Art Wiedergutmachung. Für Alfred Einstein muteten sie an, „als ob er gefühlt hätte, er sei zu weit gegangen, er habe den Wienern zu viel zugemutet, er habe die Grenzen des ‚Gesellschaftlichen’ überschritten – oder einfach: er fühlte die Gunst des Publikums ihm entgleiten und suchte sie wieder zu gewinnen durch die Anknüpfung an die Werke sicheren Erfolges.“85

An dem unterschiedlichen Charakter dieser drei Klavierkonzerte und ihren gegensätzlichen Stimmungspolen zeigt sich noch einmal der gravierende Zwiespalt und die ganze Ambivalenz seiner bürgerlich-höfischen Existenz, ständig pendelnd zwischen Anpassung und Distanzierung, zwischen Unterordnung und Selbstbestimmung. Doch schon einige Wochen nach dem eher rückwärtsgewandten A-Dur-Konzert bricht Mozarts immer stärker werdender Selbstbestimmungsdrang in einem weiteren Moll-Konzert, dem Klavierkonzert c-Moll (KV 491) auf fast schon erschütternde Weise, ohne irgend eine Rücksicht auf den musikalischen Zeitgeist und seine gängigen Geschmackskonventionen zu nehmen, unbändig und irritierend hervor. Dieses, wie ein Solitär herausragende Werk ist keinesfalls das Resultat eines kompositorischen Prozesses zur Lösung rein musikimmanenter Formprobleme, sondern es ist das Ergebnis aufwühlender innerer Konfliktbewältigung außermusikalischer Einflussfaktoren. Ein Blick auf das Autograph dieses Konzertes bestätigt den psychologischen Spannungsdruck, unter dem es entstanden sein muss; es finden sich „Spuren einer konfusen Arbeitsweise“, Ausstreichungen und Korrekturen, Einschübe, „verwischte Tinte und flüchtige Schrift heben die Handschrift deutlich aus dem so akkurat entworfenen Notenbild Mozartscher Manuskripte heraus“86 Fast alle Autoren der Mozartforschung beschreiben dieses rätselhafte Werk mit Begriffen des ‚Tragischen‘ und ‚Beunruhigenden‘, wie sie davor auf Mozart noch keine Anwendung gefunden hatten: Einstein betont Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  35

die „Explosion der Leidenschaft, der dunklen, tragischen Gefühle,“87 für ihn ist es „finster“ und unerbittlich, das Finale erscheint als „revolutionärer, unheimlicher Geschwindmarsch.“ 88 „Düster-erregt“ (Hildesheimer),89 „tieftraurig“ in „voller abgründiger Depressivität“, aber auch „ungebärdig und aggressiv“ (Landon),90 sei die Musik, sie sei „titanischer Trotz“ und hätte „dämonische Züge“ (Abert),91 es rage der „auffallende Eigensinn dieser Musik“ (Braunbehrens) hervor, ihr „radikaler Bekenntnischarakter“ (Harenberg Konzertführer). – Das alles sind Versuche, den Stimmungsgehalt und die tiefgründigen Ausdrucksqualitäten des Werkes begrifflich zu fassen. Was war geschehen? Was war die Ursache für diesen beängstigenden inneren Aufruhr Mozarts, für seine spürbare Bedrücktheit und Schwermut, seine kompromisslose „Verweigerung jeder gefälligen Virtuosität“ (Braunbehrens) und für den emphatischen Protestcharakter dieses musikalischen Appels? Volkmar Braunbehrens versucht diese Frage zu beantworten, indem er einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Kompositionsprozess und dem historisch-biographischen Kontext seines Autors herstellt. Er vermutet sogar, dass es sich um „einen musikalischen Reflex“92 auf ein ganz konkretes historisches Ereignis handelt, das Mozart zutiefst enttäuscht und erschüttert haben muss: 14 Tage zuvor, am 10. März 1786 fand nicht unweit von Mozarts Wohnung die Hinrichtung des zum Beamtenadel gehörenden Franz Zaglauer von Zahlheim statt, der wegen Raubmordes an seiner Geliebten angeklagt war.93 Damit waren die Wende der kaiserlichen Reformpolitik und die Rückkehr zu einem repressiven Absolutismus ostentativ eingeleitet. Für Mozart, der seine aufklärererisch-freimaurerischen Ambitionen und Hoffnungen so eng an die Person Joseph II. geknüpft hatte, muss dies der schmerzhafte Beginn der Entzauberung seines Kaisers als Idealbild eines aufgeklärten Herrschers gewesen sein. Vielleicht war das c-Moll Konzert sogar so etwas, wie ein „Kommentar auf eine in jeder Weise angespannte, betroffen machende Situation“, die dunkle Vorahnungen einer reformpolitischen Umkehr heraufbeschwor. 94 Mit seinen beiden Moll-Konzerten 1785/86, letzteres entstand während seiner Arbeit am Figaro, markierte Mozart einen Bruch in der Entwicklung seines Musikstils und seiner Kompositionsgewohnheiten. Ein tiefer Ernst, eine gewisse Melancholie und Schlichtheit sowie eine bewusste Vermeidung jeglicher Konzessionen an den Publikumsge36  Prolog

schmack, all das bestimmte von nun an, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Grundstimmung seiner Werke bis in das Jahr 1791 hinein. So wie Mozarts aufklärerische Überzeugungen und sein freimaurerisches Engagement allen politischen Widrigkeiten zum Trotz zur festen Konstante seines Lebens wurden, so passte sich auch sein musikalisches Schaffen mehr oder weniger seinem weltanschaulichen Eigensinn und Unabhängigkeitsdenken an. Er „komponierte ungefälliger, weniger unterhaltsam, gedankenstrenger, aber nicht entrückter von den Zeitverhältnissen, sondern – wie seine Opern zeigen – in immer deutlicherem Bezug zu ihnen, eindeutiger, schonungsloser,“95

wie Braunbehrens es so treffend zusammenfasst. Insgesamt ist ein immer stärkeres Ineinandergreifen seiner geistig-weltanschaulichen Denk- und Entwicklungsprozesse mit denen seiner musikalischen Stil- und Formfindung festzustellen. Letztlich handelt es sich um eine enger werdende Verschränkung des historisch-biographischen Kontextes mit seinen subjektiven Kompositionsentwürfen. Der auffällige musikalische Stimmungswandel zog sich, wie eine die Jahre „überspannende“ Konzeption,96 bis zu Mozarts Tod und wurde vor allem in den letzten Monaten seines Lebens noch zusätzlich getragen von privaten Sorgen und psychologischen Belastungen, die aus seinen persönlichen Lebensumständen resultierten. Anfang Juni begab sich Constanze Mozart wieder zur Kur nach Baden. Die Trennung von ihr war für Mozart dieses Mal besonders schwer zu verkraften. In seinen täglichen Briefen an seine Frau offenbarte sich seine erschreckend labile, von Depression und tiefer Melancholie gekennzeichnete Gemütsverfassung. Das Alleinsein und die daran geknüpften Ängste und Phantasien waren für Mozart nahezu unerträglich: „Für mich ist es gar nicht gut alleine zu seyn, wenn ich etwas im Kopf habe.“97 Immer wieder teilte er in seinen Briefen kleine Hiebe an Franz Xaver Süßmayr, seinen Schüler und Mitarbeiter aus, der sich bei Constanze zu ihrer Begleitung in Baden befand, um dort Abschriften etc. für die Zauberflöte anzufertigen. Hatte Constanze, wie immer wieder spekuliert worden ist, doch ein Liebesverhältnis mit Süßmayr? Stimmen die Gerüchte vielleicht doch, dass er der Vater des nur einen Monat später zur Welt kommenden Mozart-Sohnes Franz Xaver sei? Hatte Mozart doch berechtigten Wer war Mozart 1791? Eine Annäherung  37

Grund, sich Sorgen um die eheliche Treue seiner Frau zu machen, obwohl er höchst wahrscheinlich in diesem Sommer im Kreise Schikaneders selbst in verschiedene Liebesabenteuer verwickelt war? Oder war es seine innige Liebesbeziehung mit Magdalena Hofdemel, deren Mann sich einen Tag nach Mozarts Tod am 6. Dezember das Leben nahm, nachdem er unmittelbar zuvor seiner Frau in einem Anfall von Eifersucht mit einem Messer das Gesicht entstellt hatte?98 Erklärte das vielleicht seine innere Zerrissenheit und quälende Schwermut? War es diese zerstörerische Mischung aus Eifersucht und Schuldgefühlen, Verlustängsten und einer unbändigen Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, die ihn derart bedrückten? All diese Fragen hat die Mozartforschung aufgrund der fehlenden Belege und der von Constanze beiseite geschafften Briefe99 bis heute nicht eindeutig beantworten können. Sicher ist jedoch, dass die aus den privaten Beziehungsproblemen hervorgehenden psychischen Belastungen, das alles durchdringende Gefühl von Sehnsucht und Traurigkeit, eine weitere Komponente im Aufbau seiner depressiv-melancholischen Gestimmtheit bildeten und mit zu dieser resignativen Abgeklärtheit führten, die seiner Musik des letzten Jahres so zu eigen ist. Dieses von Mozart selbst beklagte unbestimmte, ziel- und inhaltlose Sehnen wird zum Charakteristikum seines musikalischen Ausdrucks, der so tief berührt, und deutet hin auf das verborgene Geheimnis seiner ergreifenden Musik: „– ich kann Dir meine Empfindung nicht erklären, es ist eine gewisse Leere – die mir halt wehe thut – , ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigt wird, folglich nie aufhört – immer fortdauert, ja von Tag zu Tag wächst,“100

schrieb Mozart in dem traurigsten seiner Briefe am 7. Juli 1791 an Constanze. Nur eine Woche später erhält er den Auftrag für die Oper La clemenza di Tito.

38  Prolog

DER AUFTRAG Vorgaben und Eingrenzungen Für den 6. September 1791 war in Prag die Krönung des Kaisers Leopold II. zum König von Böhmen vorgesehen. Die böhmischen Stände hatten sich nach dem Tod Joseph II. auf mehreren Landtagen um die Ausarbeitung einer revidierten böhmischen Verfassung bemüht, in der ihnen der Kaiser die Rückgabe alter Rechte und Privilegien zusicherte, die ihnen durch die Reformen Joseph II. entzogen worden waren. Die Ständeversammlung, die sich überwiegend aus Vertretern des hohen Adels und der katholischen Kirche zusammensetzte, traf sich zum letzten Mal im Juni 1791, um die Krönung Leopold II. zum König von Böhmen endgültig zu beschließen.101 Die Stände, die für die Organisation und die Ausgestaltung des prunkvollen Rahmenprogramms der Krönungsfeierlichkeiten verantwortlich waren, entschieden sich erst auf dieser letzten Versammlung nach längerem internen Streit, den Tag der Krönung mit einer für diesen feierlichen Anlass in Auftrag gegebenen Oper ausklingen zu lassen. Böhmische Archivquellen belegen sogar, dass für den Abend der Krönung zunächst überhaupt keine Opernaufführung, sondern ein Freiball geplant gewesen sei, wie F. Giegling mit Hinweis auf den tschechischen Historiker Jiří Beránek anmerkt.102 Erst als feststand, dass die kränkliche Gattin Leopold II., Maria Ludovica, nach Prag kommen würde, um sich zur Königin von Böhmen krönen zu lassen und dadurch eine zweite Festveranstaltung notwendig wurde, habe man sich endgültig für die Aufführung einer von den Ständen bestellten Oper am Abend der Krönung Leopold II. entschlossen. Da die Krönung Maria Ludovicas erst eine Woche später stattfinden sollte, wurde der Freiball in das dafür vorgesehene Festprogramm aufgenommen. Die Aufführung einer Krönungsoper entsprach böhmischer Tradition, die mit der Krönung Ferdinand III. zum König von Böhmen im Jahr 1627 begonnen hatte, als zum ersten Mal in Prag eine Oper „in Wälscher Sprach“103 aufgeführt worden ist. Auch zur Krönung Karls VI. zum böhmischen König im Jahre 1723 wurde eine extra für diesen Anlass komponierte Festoper in italienischer Sprache in Prag gegeben.104 Vorgaben und Eingrenzungen  39

Die organisatorische Verantwortung für die Krönungsoper zu Ehren der Krönung Leopold II. am 6. September lag in den Händen einer speziell dafür von den böhmischen Ständen eingerichteten Theater-Kommission unter Leitung des Grafen Heinrich Franz von Rottenhan, der aus der Wiener Hofkanzlei nach Prag gewechselt und dort seit Anfang des Jahres der neue Burggraf von Böhmen war. Er hatte die Aufgabe, mit dem Impresario des Prager Ständetheaters, des Nostitzschen Nationaltheaters, umgehend einen Vertrag abzuschließen, der alles Notwendige für die Realisierung des Opernprojektes beinhalten sollte. Impresario des Ständetheaters war Domenico Guardasoni. Obwohl dieser Auftrag für eine Festoper nicht vom kaiserlichen Hof erteilt werden sollte, so hatte Leopold II. doch indirekt Einfluss auf die damit verbundenen Vorgänge und Entscheidungen, weil Graf Rottenhan, der den Vorsitz im Landtag inne hatte, in gewisser Weise sein „Agent“105 in Prag war, der die Interessen des Wiener Hofes mit viel Geschick und rhetorischem Vermögen gegenüber den böhmischen Ständen zu vertreten und vielfach durchzusetzen wusste.106 Diese verdeckte Einflussnahme des Kaisers auf die Entscheidungen der OpernKommission mag ein Grund dafür sein, dass noch nicht einmal am Tage der Vertragsunterzeichnung mit Guardasoni endgültig feststand, ob die Oper überhaupt zur Aufführung kommen würde. Wahrscheinlich hat man auf die Zustimmung aus Wien warten müssen.107 Dennoch wurde der Vertrag am 8. Juli 1791 mit dem Impresario Domenico Guardasoni unterzeichnet, der in dem Nostitzschen Nationaltheater schon 1786 den Figaro und 1787 Don Giovanni mit großem Erfolg aufgeführt hatte. Ein näherer Blick auf den Inhalt des mit Guardasoni abgeschlossenen Vertrages offenbart einige für die Entstehung der Oper La clemenza di Tito durchaus bestimmende Elemente. Das in italienischer Sprache abgefasste Dokument lautet, wie folgt: „spezifikation der Vertragspunkte, die ich als Unterzeichner gegenüber den hohen Ständen von Böhmen einzuhalten mich einverstanden erkläre … eine Große Opera Seria betreffend, aufzuführen in diesem Nationaltheater aus Anlaß der Krönung (Ihrer) K.K. M(ajestäten) in den ersten Tagen des kommenden Septembers; für welches Vorhaben mir sechstausend Florin bezahlt oder anvertraut werden, oder sechstausendfünfhundert, sollte der Kastrat Marchesi engagiert werden.

40  Der Auftrag

Zum ersten verpflichte ich mich, einen Ersten Kastraten ersten Ranges zu engagieren wie z.B. Marchesini (Marchesi) oder Rubinelli oder Crescentini oder Violani, oder einen anderen, aber immer von führender Qualität. Und gleichermaßen verpflichte ich mich, eine Prima Donna zu engagieren, ebenfalls erten Ranges und jedenfalls die Beste in dieser Kategorie, die frei ist, und ich erkläre mich damit einverstanden, daß meine Compagnie die restlichen Sänger stellen wird. Zum zweiten willige ich ein, für die Abfassung des Librettos Sorge zu tragen, entweder über die zwei Themen, die mir von Seiner Exzellenz dem Burg­ grafen übergeben worden sind, und zu veranlassen, daß sie durch einen berühmten Meister vertont werden; sollte sich das aber in Anbetracht der kurzen Zeit als unmöglich herausstellen, verpflichte ich mich, eine neu­ komponierte Oper über das Thema des Tito von Metastasio zu beschaffen. Zum dritten verpflichte ich mich, für diese Oper zwei neue Szenerien machen zu lassen. Und gleichermaßen verpflichte ich mich, neue Kostüme anfertigen zu lassen, insbesondere für die Hauptpartien dieser Oper. Zum vierten verpflichte ich mich, das Theater zu illuminieren und mit Girlanden zu versehen, jedes Detail besagter Oper in Szene zu setzen und sie an einem Abend gratis aufzuführen, zur Verfügung besagter Hoher Stände, innerhalb der spezifizierten Zeit. Dringliche Bedürfnisse: Zum ersten, daß ich einen Vorschuß von sechshundert Florins für meine Reise nach Wien und Italien erhalte auf einer Zahlungsanweisung an eine Bank in Wien und in Italien und daß ich einen Wechsel über etwa zwei Tausend Florins erhalte, für den Fall, daß die Sänger auf einer Vorauszahlung bestehen. Zum zweiten, daß das verbleibende Honorarium an dem Tag an mich aus­ bezahlt wird, an dem die Oper exekutiert ist. Zum dritten, daß wenn innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Tag meiner Abreise nach Italien die Oper abgesagt wird, dann nur die Ausgaben der Reise zu zahlen sind. Zum vierten wird Guardasoni umgehend den Tag bekanntgeben, an dem er einen Sänger engagiert; von diesem Tage an wird besagter Sänger, falls die Oper nicht gegeben wird, entschädigt, wenn er oder sie Italien bereits verlassen haben sollte. Zum fünften, sollte die Oper nicht gegeben werden, sollen diejenigen Gegenstände, die für das vorgeschossene Geld angeschafft worden sind, einbehalten werden, während diejenigen für die kein Vertrag ausgefertigt worden ist, zurückgegeben werden sollen; und eine Vergütung soll an

Vorgaben und Eingrenzungen  41

Guardasoni gezahlt werden, wenn die Ausgaben für die Reise nachweislich größer waren als der vorgeschossene Betrag.“ Prag, 8. Juli 1791 Henrico Conte di Rottenhan (Oberstburggraf ) Casparo Ermanno Conte Kinigl (Künigl) Giuseppe Conte di Sweerth Giovanni Conte Unwerth Giovanni Baron d’Hennet Domenico Guardasoni Impresario108

Das erste, was an diesem Vertrag auffällt, ist, dass weder der Name Mozarts noch der eines anderen Komponisten erwähnt wird. Ein klares Votum für einen bestimmten Komponisten lag also nicht vor, sonst wäre es Gegenstand des Vertrages gewesen. Hat man sich nicht einigen können, wer die Festoper komponieren sollte? War das der Grund für die lange Verzögerung der Vertragsvorlage und das Herausschieben der endgültigen Entscheidung, ob überhaupt eine neue Oper ins Festprogramm aufgenommen werden sollte? Hatten einige Vertreter der Prager Stände grundsätzlich andere Präferenzen für die Auswahl eines Komponisten als der für Leopold II. agierende Graf Rottenhan? Eine gewisse Gleichgültigkeit war sicher nicht der Grund für die relativ weit gefasste Unbestimmtheit der entsprechenden, den Komponisten betreffenden Vertragsklausel. Es heißt lediglich, dass die Oper durch einen ‚celebre maestro‘, einen „berühmten Meister“ vertont werden solle. Dafür kamen jedoch nur wenige in Frage. Mozart war sicher nicht der erste, an den man gedacht hat, zumal er, anders als es aus heutiger Sicht erscheint, in der Hierarchie der erfolgreichen und berühmten Opernkomponisten seiner Zeit bei weitem nicht an oberster Stelle stand. Die Italiener, wie Anfossi, Paisiello und Cimarosa, beherrschten die Szene.109 Domenico Cimarosa wäre höchstwahrscheinlich die Wahl Leopold II. gewesen, hätte er allein entscheiden können, denn er wollte Cimarosa ohnehin aus Russland, wo er für Katharina die Große tätig war, an den Wiener Hof zurückholen.110 Dessen überwältigender Erfolg mit seiner Oper Il matrimonio segreto 1792 im Wiener Hoftheater, die nicht nur beim Kaiser, sondern auch beim Publikum außerordentliche 42  Der Auftrag

Begeisterung hervorrief, bestätigte die Richtigkeit seiner persönlichen Vorauswahl, wenn er sie tatsächlich so getroffen hätte. Aus Sicht des Wiener Hofes wäre es aber eigentlich naheliegend gewesen, den für Opern zuständigen Hofkapellmeister Antonio Salieri für die Aufgabe vorzuschlagen. Und tatsächlich behauptet Salieri in einem Brief von Ende August 1791 an Fürst Anton Esterházy, dass ihn Guardasoni fünfmal in Wien aufgesucht hätte, um ihn doch noch zur Annahme des Auftrags einer Festoper zu überreden: „Und außerdem mußte ich, ohne es zu bedauern, die Komposition der Oper ablehnen, die für die Krönung in Böhmen in Vorbereitung ist, für welche Oper der Impresario fünfmal von Prag nach Wien kam, um mir den Auftrag aufzunötigen, und mir sogar 200 Zechinen (Dukaten) entgegenhielt, einen Auftrag, den ich nicht annehmen konnte, da ich mich allein den Angelegenheiten des Hoftheaters zu widmen hatte.“111

Auch wenn Salieri mit dieser Schilderung in eitler Selbstbeweihräucherung stark übertrieben hat, so muss Guardasoni ihn doch tatsächlich als ersten für den Auftrag ausgewählt haben. Dafür spricht, dass er Salieri als Komponist durchaus schätzte, dessen Opern in Prag seit den 1770er Jahren häufig aufgeführt wurden und Guardasoni kannte viele von ihnen. Er hatte Salieri schon früh persönlich kennengelernt, und zwar als er zu Beginn seiner Karriere als Tenor in seinen Opern auftrat. Eine dieser Opern war Salieris La Locandiera.112 Außerdem hatte Salieri schon mehrere Opern nach einem Libretto von Metastasio, dessen La clemenza di Tito in dem Vertrag mit Guardasoni ausdrücklich als eine der beiden in Frage kommenden Opern genannt wird, vertont. Doch sollte Guardasoni tatsächlich geglaubt haben, mit der Wahl Salieris würde er dem Wunsch Leopolds und des Wiener Hofs entsprechen, so war dies in weitgehender Unkenntnis der inzwischen am Hoftheater eingetretenen personellen und strukturellen Veränderungen eine eklatante Fehleinschätzung. Anfang 1791 griff Leopold II. höchst persönlich in die noch aus der Regierungszeit seines Bruders Joseph II. fortbestehenden Verhältnisse der Organisation und Leitung des Burgtheaters ein, indem er als erstes den bisherigen Direktor Graf Orsini-Rosenberg seines Amtes enthob und durch den Grafen Johann Wenzel Ugarte ersetzte. Mit der Neubesetzung der Position des Musikgrafen und der grundsätzlichen Reorganisation der Theaterverwaltung unterstellte er Vorgaben und Eingrenzungen  43

das Hoftheater direkt seiner eigenen Kontrolle und Verfügung, wobei Graf Ugarte seine Pläne und Anweisungen nach kaiserlichem Wunsch umzusetzen hatte. Leopold bezeichnete Ugarte als einen Bürokraten ohne eigenen Willen. „Nun bin ich Direktor und impresario; … Ich werde bestimmen“,113 schrieb er an den Obersthofmeister Prinz Starhemberg. Und Leopold bestimmte: auch der Hoflibrettist Lorenzo da Ponte erhielt auf seine Anweisung hin seine Entlassung114 und offenbar sollte auch Salieri schon Anfang des Jahres seinen Abschied einreichen. Doch zunächst kam es nur zu einer weitgehenden Entmachtung Salieris als Hofkapellmeister, dessen wichtigste Aufgaben, wozu vor allem auch die Opernaufführungen gehörten, nun sein Schüler und Assistent Joseph Weigl zu übernehmen hatte. Die deutliche Ablehnung Salieris durch den Kaiser geht auch aus einem Bericht Da Pontes über ein Gespräch mit Leopold II. hervor, der gesagt haben soll: „Von Salieri hört mir auf ! Ich kenne ihn genügend … Er ist ein unerträglicher Egoist, am liebsten sähe er, daß an meinem Theater nur seine Opern und Cavalieri gefielen … Ich will ihn nicht mehr an meinem Theater.“115

Nach der Absage Salieris, die wohl eher seinem Ansehensverlust beim Kaiser als seiner gegenüber Esterházy behaupteten Arbeitsüberlastung geschuldet war, konnte sich Guardasoni eigentlich nur noch an Mozart wenden. Doch auch Mozarts Stern war, wie wir weiter oben ausgeführt haben, am kaiserlichen Hof und in der Wiener Aristokratie längst erloschen. Leopolds Affekt gegen Mozart war noch viel gravierender als der gegen Salieri. T. Volek hat auf ein Dokument im Prager staatlichen Zentralarchiv hingewiesen, das unzweifelhaft belegt, dass Mozart bei Hofe in Ungnade gefallen war.116 Die Sorge, die Mozart Anfang 1790 in einem schon erwähnten Brief an Puchberg geäußert hatte, dass Leopold in keinem Fall etwas von seinen misslichen privaten Umständen, insbesondere nichts von seiner hohen Verschuldung erfahren darf, war mehr als berechtigt. Denn seine finanziellen Schwierigkeiten und die Gerüchte um seinen lockeren Lebenswandel, aber wahrscheinlich auch sein allseits bekanntes freimaurerisches Engagement, waren vermutlich der Hauptgrund für die Ablehnung seiner Person am Hof.117 Das alles war kein glückliches Vorzeichen für eine von Mozart zu komponierende Festoper. Und in einem, dem erwähnten Dokument beigefügten Protokollvermerk, heißt es auch ganz unumwunden: „Es zeigte sich 44  Der Auftrag

bey Hof gegen Mozarts Komposition eine vorgefaßte starke Abneigung.“118 Diese ablehnende Haltung gegenüber den mit der Krönungsoper beauftragten Komponisten erstreckte sich darüber hinaus auch auf den von Guardasoni ausgewählten Librettisten Caterino Mazzolà, der als Hoflibrettist in Dresden beschäftigt war. Der Besoldungsliste des Wiener Hoftheaters von 1791 ist zu entnehmen, dass Mazzolà von Mai bis Ende Juli als Interims-Librettist in Wien tätig war, so dass es für Guardasoni nahe lag, sich an ihn zu wenden.119 Doch der Kaiser, der sich seit Anfang des Jahres für mehrere Monate auf einer Italienreise befand, war über die Berufung Mazzolàs zum Hoflibrettisten als Nachfolger des entlassenen Da Ponte nicht informiert. Als Mazzolà im Mai in Wien eintraf, hatte Leopold schon persönlich Giovanni Bertati zum neuen Hofpoeten bestimmt. Vermutlich hatte Orsini-Rosenberg noch vor seiner Entlassung Mazzolà engagiert und den Kaiser davon nicht unterrichtet. H. Lühning hat auf eine Eintragung in ein Kabinettsprotokoll vom Mai 1791 hingewiesen: eine Eintragung, die als Ausdruck der Verärgerung und Empörung des Kaisers über die ihm verschwiegene und ohne seine Zustimmung erfolgte Berufung Mazzolàs zu verstehen ist: „Was den Theaterdichter betrifft, so ist die Berufung des in Dresden angestellten Mazzola … unitz! Und überflüssig, weil in diesen wenigen Monaten, wo ohnehin nur ältere Stücke gespielt werden man sich ganz leicht ohne Dichter wird behelfen können …“.120

Und in einem weiteren Protokoll vom Juli heißt es: „Der Poet Mazzola ist zu Ende dieses Monats zu entlassen, indem der neu kontraktierte Poet Bertati zu dieser Zeit all hier ankommen wird.“121 Ausgerechnet diese beiden beim Kaiser in Ungnade gefallenen Personen sollten nun ihm zu Ehren eine prächtige Krönungsoper schaffen, mit der die böhmischen Stände ihm huldigen und ihre Loyalität bekunden konnten? Guardasoni muss sich relativ sicher gewesen sein, dass seine Auswahl bei seinen Auftraggebern, den böhmischen Ständen und auch bei Graf Rottenhan auf Zustimmung stoßen würde. Oder hatte man sich von Anfang an gemeinsam für Mozart als Komponisten entschieden? Wollten die Stände mit dieser Entscheidung vielleicht sogar ganz bewusst ein Zeichen ihrer Eigenständigkeit setzen, indem sie auf die Vorbehalte und die anderen Präferenzen Leopolds keine Rücksicht Vorgaben und Eingrenzungen  45

nahmen? Kam hier erneut der böhmische Selbstbehauptungswille und Unabhängigkeitsdrang zum Ausdruck, der tief in der leidvollen Unterdrückungsgeschichte Böhmens durch die Habsburger wurzelte? Schon die geradezu enthusiastische Aufnahme von Mozarts Figaro in Prag 1787 war ein deutliches Signal in Richtung Wien, dass die in der Oper enthaltene Kritik an der Wiener Aristokratie verstanden und begrüßt wurde. Hier in Prag und nicht in Wien wurde der Figaro zum überwältigenden Triumph Mozarts, denn in Prag „ließ sich Mozart für den von allen Prager Schichten getragenen böhmischen Patriotismus vermitteln.“122 Prag, nicht Wien, war die eigentliche Mozart-Stadt. Auch sein Don Giovanni wurde hier und nicht in Wien begeistert gefeiert. Und von manchem Prager Bürger wurde Mozart schon als böhmischer Komponist vereinnahmt.123 Sogar Graf Rottenhan, der über erheblichen Grundbesitz in Böhmen verfügte und mehrere Güter in der Nähe Prags unterhielt, zeigte eine enge Affinität zu Mozart, indem er als großer Musikliebhaber bei seinen privat veranstalteten Konzerten selbst am Violoncello außer Haydn und Salieri vor allem Mozart spielte.124 Grundlage und Ausgangspunkt des Mozart-Enthusiasmus in Prag waren aber vor allem Mozarts intensive Kontakte zu den wichtigsten Prager Freimaurern, die das eigentliche „einigende Band darstellten“,125 denn es „waren vornehmlich freimaurerische Kreise, die Mozart in Prag protegierten“,126 wie überhaupt die Freimaurerei in dieser Stadt eine gewichtige Rolle spielte. Von großer Bedeutung für Mozarts Unterstützung in Prag war seine Bekanntschaft mit dem hoch angesehenen und äußerst einflussreichen Grafen Thun, der unter anderem den von Guardasoni als Impresario erteilten Auftrag für seinen Don Giovanni „an der Spitze des böhmischen Adels bei den böhmischen Ständen durchgesetzt hat.“127 Beide waren Logenbrüder. Graf Thun war in Prag 1782 deputierter Provinzial-Großmeister der Provinzial-Loge von Böhmen.128 Graf Canal sowie der kaiserliche Bibliothekar Raphael Ungar, Pachta, Lazansky, Sporck und Künigl, sie alle waren Logenbrüder.129 Reichsgraf Caspar Hermann Künigl gehörte der Theaterkommission an und war einer der Unterzeichner des Vertrages mit Guardasoni über die Krönungsoper. Auch er war wie Mozart Freimaurer. Von 1782–1786 war er Provinzial-Großmeister in Böhmen und hatte über zwanzig Jahre eine leitende Funktion in der böhmischen Freimaurerei inne.130 Diesem Prager Freundeskreis, zu dem an oberster Stelle auch das Ehepaar Duschek 46  Der Auftrag

gehörte, in deren Villa Betramka die Mozarts bei ihren Prag-Aufenthalten meistens wohnten, diesem aufklärerischen und freimaurerischen Beziehungsgeflecht muss Mozart auch den Auftrag für die Krönungsoper La clemenza di Tito zu verdanken haben. Graf Rottenhan, der in Böhmen als Oberstburggraf Chef der administrativen Gewalt war und den Landesfürsten repräsentierte, war ganz und gar kein Freund der Freimaurer. So hatte er z. B. zwei radikale Freimaurer, die angeblich die Bauern aufgewiegelt hätten, in Wien denunziert, wofür er von Leopold II. persönlich belobigt wurde. Um Unruhen zu vermeiden, ersucht er sogar um die Abstellung zweier Kavallerieregimenter nach Prag.131 Auch böhmische Adlige wurden denunziert. Einer der genannten Prager Mitglieder der Loge „Zur wahren Eintracht“, Graf Lazansky, der bei den Entscheidungen über die Krönungsoper an einflussreicher Stelle mitgewirkt hatte,132 galt als schärfster Kritiker und Widersacher Rottenhans, dessen Sturz er geplant haben soll. Und tatsächlich übernahm er nach dem Tod Leopold II. sein Amt als Oberstburggraf in Böhmen. Es wird deutlich, dass der Auftrag für die Krönungsoper von Anfang an hineingezogen wurde in das Spannungsfeld des politischen Konflikts zwischen der Zentralmacht in Wien und den böhmischen Ständen in Prag. Erst recht vor dem breiteren Hintergrund der Französischen Revolution und der Auseinandersetzungen mit den Ständen anderer habsburgischer Länder, war eine von den böhmischen Ständen in Auftrag gegebenen Krönungsoper zum Zwecke der Huldigung eines österreichischen Kaisers von vornherein ein Politikum. Insofern überrascht der im Vertrag mit Guardasoni gewährte Spielraum für die Wahl eines geeigneten Komponisten, der nur ein ‚berühmter Meister‘ zu sein hatte. Doch geradezu erstaunlich ist, dass der bei Leopold II. in Ungnade gefallene Freimaurer Mozart, der für das nicht-adlige Publikum eines Wiener Vorstadttheaters seit Monaten an einer großen Freimaureroper arbeitete – was den Spitzeln des Kaisers sicher nicht verborgen geblieben ist – als Komponist für die Festoper zu Ehren des Kaisers vom Wiener Hof überhaupt akzeptiert worden ist. Nach den unliebsamen Erfahrungen mit Mozarts Figaro waren erneute Provokationen auf der Opernbühne nicht auszuschließen. Die Stimmung im Lande war nach wie vor explosiv. Schon 1789 gab es aus allen Teilen Böhmens Berichte,

Vorgaben und Eingrenzungen  47

„daß die breite Volksmasse die Nachrichten über die Revolution geradezu verschlinge und daß der Wunsch entstehe, etwas Ähnliches möge auch in Böhmen stattfinden“.133

Und auch Leopold II. selbst stand noch unter dem Eindruck der dramatischen Ereignisse in Frankreich, wo erst einige Wochen zuvor der Fluchtversuch seiner Schwester, der Königin Marie Antoinette und ihres Mannes Ludwig XVI. nach Varennes gescheitert war. Ein Funke hätte genügt das Feuer des Aufruhrs auch in Prag zu entfachen. Auch ein Eklat bei den Krönungsfeierlichkeiten hätte ein solcher Funke sein können. Eine aristokratie- womöglich auch monarchiekritische Festoper, deren bejubelte Mozart-Arien, wie beim Figaro geschehen, auf den Straßen Prags gesungen und gepfiffen werden, hätte die aufrührerische Stimmung in der Bevölkerung in unkontrollierbare Wallungen bringen können. Vor diesem Hintergrund erscheint die im Vertrag vereinbarte Festlegung auf das vom Wiener Hof vorgegebene Sujet und Libretto als eine Art Sicherheitsklausel, die jegliche Risiken einer politischen Nutzbarmachung der Krönungsoper zur Verbreitung antimonarchischer Tendenzen ausschließen sollte: „Zum Zweiten willige ich ein, für die Abfassung des Librettos Sorge zu tragen, entweder über die zwei Themen, die mir von seiner Exzellenz den Burggrafen, übergeben worden sind, … ; sollte sich das aber in Anbetracht der kurzen Zeit als unmöglich herausstellen, verpflichte ich mich, eine neu komponierte Oper über das Thema des Tito von Metastasio zu beschaffen,“134

heißt es in dem Vertrag Guardasonis mit den Ständen. Ein völlig neues Libretto nach einem der beiden Themenvorschläge von Graf Rottenhan zu verfassen war, wie im Vertragstext schon angedeutet, angesichts der Kürze der Zeit, die zwischen der Auftragserteilung und der geplanten Krönung am 6. September zur Verfügung stand, von vornherein auszuschließen. Eine ernsthafte Alternative zu dem Metastasio-Libretto hat es also gar nicht gegeben.135 Jedenfalls ist davon auszugehen, dass selbst bei einer Entscheidung für die Rottenhan-Entwürfe, die leider bis heute nicht bekannt sind, die Grenzen für die Stoffbearbeitung durch das von ihm vorgegebene Sujet und weitere Festlegungen im Detail so eng gezogen worden sind, dass die Einhaltung der ‚political correctness‘, also die 48  Der Auftrag

Einhaltung eines regierungskonformen Verhaltenskodex, auch in einem neu gefertigten Libretto so gut wie garantiert war. Das Libretto des kaiserlichen Hofpoeten Pietro Metastasio La clemenza di Tito ist anlässlich des Namenstages Karl VI. entstanden und in der Vertonung des Komponisten Antonio Caldara am 4.  November 1734 aufgeführt worden. Metastasios Tito ist in den darauf folgenden Jahren von den verschiedensten Komponisten mehr als 50-mal vertont worden und er wurde auf diese Weise zum Prototyp der monarchischen Huldigungsoper im Habsburg des 18. Jahrhunderts. Kein anderes Libretto hätte sich in Sujet- und Stoffwahl für die Feierlichkeiten zur Krönung eines Habsburger Kaisers zum König von Böhmen besser geeignet als dieses.136 Insofern ist zu vermuten, dass Leopold II. persönlich darauf bestanden hat, das Libretto, das ihm sicherlich durch seine Opernerfahrungen in seinem Herzogtum Toskana gut bekannt war, als Grundlage der neu zu komponierenden Krönungsoper vertraglich festzulegen. Damit muss auch aus seiner Sicht das feierliche Bühnengeschehen vor etwaigen politisch intendierten Provokationen und monarchiekritischen Anspielungen gesichert worden sein. So bildete das alte Metastasio-Libretto unterschwellig ein enges politisches Korsett des Opernauftrags und auf sublime Weise eine Art vorweggenommener Zensur. Die Musik war Sache der böhmischen Stände, das Sujet war Sache des Kaisers. Eine derartige Aufteilung der Entscheidungsmacht über die Auswahl des Opernstoffs und der Musik ist durchaus wahrscheinlich. Damit war der Rahmen für die Arbeit von Mazzolà und Mozart abgesteckt und durch das Metastasio-Libretto in mehrfacher Hinsicht eingegrenzt und vorgegeben.

Eine Oper in 18 Tagen? Der Opernauftrag enthält eine weitere restriktive Vorgabe durch den äußerst knapp bemessenen Zeitrahmen, der Mozart und Mazzolà für ihre gemeinsame Arbeit zur Verfügung stand. Der Aufführungstermin am Tag der Krönung stand mit dem 6. September unumstößlich fest. Der Beginn der Arbeit ist hingegen nicht so eindeutig belegt. In der ersEine Oper in 18 Tagen?  49

ten Mozart-Biografie von Franz Xaver Niemetschek, die in erster Auflage 1798 in Prag veröffentlich worden ist, legt der Autor die Entstehungszeit der Oper La clemenza di Tito auf achtzehn Tage fest: „Diese letzte begann er in seinem Reisewagen auf dem Wege von Wien, und vollendete sie in dem kurzen Zeitraume von 18 Tagen in Prag.“137 Diese Formulierung erscheint nahezu gleichlautend auch 1828 in der Mozart-Biografie von Georg Nikolaus von Nissen, herausgegeben von Constanze Mozart, die in zweiter Ehe mit von Nissen verheiratet war. Die auf diesen frühen Mozart-Biografien basierende „18-Tage-Legende“ hat sich bis weit ins 20. Jahrhundert erhalten. Dafür gab es zwei Gründe: Einerseits eignete sie sich besonders zur Hervorhebung der Mozart’schen ‚Genialität‘, die allein es ihm überhaupt nur ermöglicht hätte, innerhalb von achtzehn Tagen eine Oper zu komponieren und das noch teilweise in einer schwankenden Kutsche auf seiner anstrengenden Reise nach Prag in einem gesundheitlich schon sehr angeschlagenen Zustand; zum anderen diente diese Legende von Beginn an dazu, vermeintliche Schwächen der Partitur und Kritik an der Oper sowie ihre anfängliche Erfolglosigkeit zu erklären und zu entschuldigen. Diese Strategie verwendete schon 1789 Johann Friedrich Rochlitz in seinen Anekdoten aus Mozarts Leben: „… Er (Mozart, Anm. d. Verf.) sähe sich mithin gezwungen, da er kein Gott war, entweder ein ganz mittelmäßiges Werk zu liefern, oder nur die Hauptsätze sehr gut, die minder interessanten ganz leicht hin und blos dem Zeitgeschmack des großen Haufens gemäß zu bearbeiten. Er wählte mit Recht das Letzte.“138

Rechnet man jedoch vom 6. September achtzehn Tage zurück, so hätte Mozart gemäß Niemetschek mit der Arbeit an der Festoper am 19. August begonnen. In Prag traf Mozart aber erst am 28. August nach einer drei Tage dauernden Reise ein, wie die Prager Oberpostamtszeitung vom 30. August mitteilte.139 Die Reise hat er also erst am 25. August, gemeinsam mit seinem Freund dem Klarinettisten Anton Stadler, seinem Schüler und Assistenten Franz Xaver Süßmayr und seiner Frau Constanze, die gerade sechs Wochen zuvor ein weiteres Kind geboren hatte, angetreten. Der Tag der Abreise kann also nicht mit dem Beginn der Kompositionsarbeit identisch sein, womit Mozart noch weniger als achtzehn Tage zur Verfügung gestanden hätten, was höchst unwahrscheinlich ist. Viel 50  Der Auftrag

naheliegender ist, dass Mozart den größten Teil der Oper schon vor der Abreise nach Prag fertiggestellt hatte und nur die noch fehlenden Teile auf der Reise und nach seiner Ankunft in Prag hinzugefügte.140 H. Lühning fragt mit Recht, warum Guardasoni, der seinen Auftrag am 8. Juli unterzeichnet hatte, Mozart erst am 19. August benachrichtigt und über Einzelheiten informiert haben sollte? Ihre daran anknüpfende Schlussfolgerung hingegen, zu diesem Zeitpunkt wäre ja auch der ebenfalls beauftragte Librettist Mazzolà, der, wie bereits ausgeführt, Ende Juli sein Interims-Hofamt aufgeben musste, für die Textbearbeitung nicht mehr zuständig gewesen, sondern sein Nachfolger im Amt Giovanni Bertati, muss nicht unbedingt zutreffen.141 Warum sollte es für Mazzolà nicht möglich gewesen sein, auch ohne Anstellung am Hof, welcher für die Erteilung des Auftrags ja gar nicht zuständig war, für Guardasoni tätig zu werden? Ob Guardasoni, der laut Prager Oberpostamtszeitung vom 12. Juli etwa am 10. Juli das Prager Neuthor zur Reise nach Wien passierte,142 wo er am 14. Juli eintraf, dort zuerst Mozart oder Mazzolà aufsuchte, ist bis heute ungeklärt. Vermutlich hat er sich aber zunächst mit Mazzolà besprochen, der möglichst schnell das alte Libretto Metastasios im Hinblick auf die Neukonzeption der Oper überarbeiten musste, um für Mozart die textliche Grundlage seiner Kompositionsarbeit zu schaffen. Mazzolà musste also unverzüglich gemeinsam mit Mozart festlegen, welche Teile des alten Textes ganz gestrichen, nur gekürzt, oder durch neue Verse ersetzt werden sollten. Da Guardasoni unmittelbar nach dem Treffen mit Mazzolà in aller Eile nach Italien weiterreisen musste, um die im Vertrag mit den böhmischen Ständen geforderten berühmten Sänger zu verpflichten, – „einen Kastraten ersten Ranges“143 als ‚primo huomo‘ und eine „Prima Donna … ebenfalls ersten Ranges und jedenfalls die Beste in dieser Kategorie, die frei ist“ –, vermutet H. Lühning, dass er Mozart den Auftrag möglicherweise gar nicht persönlich erteilt hat.144 Für T. Volek steht dagegen fest, dass Guardasoni noch am Tag seiner Ankunft in Wien alles Notwendige mit Mozart vereinbart hat, um anschließend seine Reise nach Bologna fortzusetzen, wohin ihm die Stände weitere 2000 Gulden zum Engagieren der Sänger sendeten.145 Aber allein dieser Umstand, dass die Sänger zu diesem Zeitpunkt für Mozart noch völlig unbekannt waren, erschwerte seine Aufgabe erhebEine Oper in 18 Tagen?  51

lich, denn er wusste nichts über ihren Stimmumfang, ihre besonderen gesanglichen Fähigkeiten und Grenzen. Solange Mozart keine genauen Angaben über den kompositorischen Spielraum hatte, den ihm die jeweiligen Sängerstimmen gewährten oder begrenzten, solange fehlten ihm auch die nötigen Grundvoraussetzungen zur Komposition der großen Solopartien oder Duette. Bekannt war Mozart nur der für die Rolle des Tito146 vorgesehene Tenor Antonio Baglioni, der schon 1787 im Prager Don Giovanni den Ottavio dargestellt hatte. Die Namen der anderen Sänger erfuhr Mozart erst nach der Rückkehr Guardasonis aus Italien Mitte August. Für die Besetzung der Nebenrollen hatte Guardasoni im Vertrag zugesichert: „daß meine Compagnie die restlichen Sänger stellen wird.“147 Ob Mozart sich wenigstens frühzeitig Kenntnisse über Stimmlage und Stimmumfang dieser Sänger verschaffen konnte, vielleicht schon beim ersten Treffen mit Guardasoni, ist nicht bekannt. Dagegen spricht, dass zumindest eine der Nebenrollen in der fertigen Komposition zwischen Altlage und Sopran schwankt, wie H. Lühning zu bedenken gibt.148 Das alles macht deutlich, dass Mozart zunächst überwiegend nur mit konzeptionellen und skizzenhaften Vorarbeiten an der Festoper beginnen konnte. Lediglich für den ihm bekannten Tenor Antonio Baglioni war es ihm möglich, zwei große Tito-Arien zu komponieren. Auch einige Duette und Terzette der Nebenrollen sowie einen Chor mit TitoSolo und verschiedene unvollständige Kompositionsfragmente konnte er höchst wahrscheinlich in der Zeit zwischen der Auftragserteilung Mitte Juli und der Rückkehr Guardasonis Mitte August vorab verfassen.149 Die umfangreichen Untersuchungen der von Mozart für La clemenza di Tito verwendeten, im Autograph vorkommenden Papiersorten und ihrer unterschiedlichen Wasserzeichen durch Alan Tyson ermöglichen es, eine annähernde zeitliche Chronologie der Kompositionsarbeit nachzuvollziehen.150 Tyson unterscheidet fünf Typen von Papiersorten, wobei Typ I und II weitgehend den beschriebenen Umfang der kompositorischen Vorarbeiten Mozarts bis zum 15. August bestätigen.151 Doch hierfür stand ihm sicherlich nicht der gesamte Zeitraum vom 14. Juli bis zum Eintreffen Guardasonis zur Verfügung, denn zuerst musste er mit Mazzolà Fragen zum Libretto klären. Von Metastasio übernommene Textstellen konnte er unverzüglich vertonen, ohne allzu lange auf die Neufassung Mazzolàs warten zu müssen. 52  Der Auftrag

Berücksichtigt man diesen nach dem 15. Juli begonnenen konzeptionell-dramaturgischen Abstimmungsprozess zwischen Mozart und Mazzolà, der vielleicht zwei Wochen in Anspruch nahm, so verblieben bis Mitte August für den ersten Teil der Kompositionsarbeit höchstens noch weitere zwei Wochen. Der Hauptteil der Oper musste also in den verbleibenden Wochen bis zum 5. September entstehen, wobei die Arbeit der letzten zehn Tage auf der Reise und in Prag selbst stattfinden musste, wo sie unter anderem von Proben zu einer Don Giovanni-Aufführung, die Mozart persönlich in Anwesenheit des Kaiserpaares zu dirigieren hatte, unterbrochen wurde. Auch wenn die Oper nicht in achtzehn Tagen, sondern vielleicht in fünfundzwanzig oder mehr Tagen entstanden wäre, so muss der Zeitdruck, der auf Mozart lastete, außerordentlich gewesen sein. Andererseits war nicht nur Mozart daran gewöhnt, in kürzester Zeit Kompositionen anzufertigen, zumal er überall, wo er gerade war, beim Friseur, beim Billard, im Gasthaus oder in der Kutsche, im Kopf komponierte, um es später schnell nieder zu schreiben. Auch andere Komponisten des 18. Jahrhunderts schufen ihre Opernwerke in kürzester Zeit. So soll Jomelli in einem besonders produktiven Jahr zehn Opern geschrieben haben, Salieri und später dann vor allem Rossini erreichten geradezu Rekordzeiten beim Komponieren von Opern.152 Dennoch muss Mozart sich in äußerster zeitlicher Bedrängnis befunden haben, sonst hätte er seinen Schüler und Assistenten Franz Xaver Süßmayr sicherlich nicht zur Unterstützung herangezogen und ihm die Ausarbeitung der SeccoRezitative übertragen, während er die musikalisch bedeutenderen Accompagnato-Rezitative selbst komponierte. Eine ganz andere Theorie soll aber nicht unerwähnt bleiben, nach der die Entstehungszeit der Oper La clemenza di Tito in einen zeitlich viel längerfristigen Zusammenhang gestellt wird. Ausgehend von einem Brief vom 10. April 1789, den Mozart aus Prag an Constanze geschrieben hat, entwickelt T. Volek die Hypothese, dass schon damals das TitoProjekt zwischen Guardasoni und Mozart vereinbart worden sei: „– ich ging also zu Guardasoni – welcher es auf künftigen Herbst fast richtig machte mir für die Oper 200 # und 50 # Reisegeld zu geben.“153 Obwohl sich dieses Projekt einer Opera Seria zunächst aus uns unbekannten Gründen zerschlug und Guardasoni nach Warschau gerufen wurde, versucht Volek seine Theorie mit einem Dokument aus dem Frühjahr 1791 Eine Oper in 18 Tagen?  53

zu erhärten. Dabei handelt es sich um das Plakat eines Prager Konzerts von Josepha Duschek, einer engen Freundin Mozarts. Bei der Aufzählung der auf dem Plakat für den 26. April angekündigten Stücke der Akademie der Madame Duschek heißt es unter anderem: „6tens Ein Rondo von Herrn Mozart mit obligaten Basset-Horn.“154 Aufgrund dieses Hinweises – „mit obligate(m) Basset-Horn“ – erkennt Volek in der angekündigten Arie die Rondo-Arie Nr. 23 „Non più di fiori“ der Vitellia aus dem 2. Akt des Tito. Da der Text dieser schon im April 1791 vorgetragenen Rondo-Arie aber nicht der des Ursprungslibrettos von Metastasio ist, behauptet Volek, dass auch die Zusammenarbeit mit Mazzolà viel früher als im Sommer 1791 begonnen haben muss: „Mozarts Krönungsoper entstand nicht in der legendenhaften Zeit von 18 Tagen im August 1791.“155 Diese Thesen führten in der Mozartforschung zu einem interessanten Disput zwischen T. Volek und H. Lühning, die dessen Behauptungen weitgehend anzweifelte und bestritt, während J. H. Eibl mit seinem Beitrag, den Beginn der Arbeit an dem Opernprojekt für das Frühjahr 1789 festsetzte.156 Insbesondere da Joseph II. noch lebte, hielt Eibl den Anlass für eine Festoper durchaus für wahrscheinlich. Erstaunlich ist auch, dass Alan Tyson in seinen Untersuchungen der von Mozart für den Tito verwendeten Papiersorten nachweisen konnte, dass der Papier-Typ IV nur im Allegro-Teil des Rondos „Non più di fiori“ vorkommt.157 Dieser zweite Teil der Arie wäre demnach vor dem Juli 1791 entstanden, so dass davon auszugehen wäre, dass diese frühere Arie in die später komponierte Oper integriert worden ist. Einen Beweis dafür, dass noch ein weiterer Teil der Oper La clemenza di Tito ebenfalls früher entstanden wäre, wie Volek behauptet, gibt es aber bis heute nicht. Für S. Kunze ist schon aus musikdramatischen und kompositorischen Gründen ein früherer Entstehungszeitpunkt der Arie ausgeschlossen: „Die Vermutung, dieses Rondo, das in der Tat eines der wenigen Stücke aus Mazzolas eigener Feder ist, könnte schon früher entstanden sein, etwa als Konzertarie, für eine schon Jahre vorher geplante Titus-Oper oder für eine andere Oper, ist schon deshalb gegenstandslos, weil unmittelbar an das Orchesternachspiel der Arie das Andante maestoso anschließt, das den Übergang zur folgenden Massenszene bildet und den Schauplatzwechsel überbrückt.“158

54  Der Auftrag

Da sich aber das Für und Wider der unterschiedlichen Positionen des Disputs aufgrund fehlender Quellen hauptsächlich auf Vermutungen und Interpretationen stützte, ist abschließend von einem Entstehungszeitraum der Oper von ca. acht Wochen und einer darin enthaltenen, für die Komposition benötigten Zeit von ca. vier bis sechs Wochen auszugehen.

Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart In dem Vertrag mit den böhmischen Ständen musste Guardasoni sich verpflichten, eine ‚Große Opera Seria‘, ‚una grand opera seria‘ aufzuführen. Mit dieser Festlegung der Gattung war die Wahl eines anderen Operntypus von vornherein ausgeschlossen. Eine andere Oper als eine Seria, z. B. eine Buffa-Oper, wäre allein aus Gründen höfischer Etikette als Fest- und Krönungsoper völlig unangemessen gewesen. Im Rahmenprogramm der Krönungsfeierlichkeiten konnte die Aufführung eines Don Giovanni in Anwesenheit des Kaiserpaares am 2. September noch ganz unbedenklich mit viel Beifall aufgenommen werden. Doch für den Tag der Krönung schickte sich allein die der ranghöchsten Sphäre von Königen und Göttern vorbehaltene Operngattung der Seria. Ein Verstoß gegen diese Grundregeln des höfischen Zeremoniells wäre als schwerwiegender Affront mit politischer Symbolwirkung verstanden worden. Schon die unbändige Begeisterung des Prager Publikums für den beim Wiener Adel verpönten Figaro einige Jahre zuvor, war der symbolische Ausdruck des böhmischen Unabhängigkeitswillens. Ein derartiger Patriotismus hätte am Tag der Anerkennung eines Habsburger Kaisers auf dem böhmischen Königsthron zu einem Eklat geführt. Die Bindung des Auftrags an den Operntypus der Seria ist aber auch ein weiteres Indiz dafür, dass Leopold II. selbst durchaus Einfluss auf die Wahl der Festoper und die Gestaltung des Vertrages genommen hat. Oder aber sie deutet auf die Huldigungsneigung der böhmischen Stände hin, die Leopolds Geschmack mit der Krönungsoper zum Zeichen der politischen Einigung entsprechen wollten. Denn im Gegensatz zu seiZurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  55

nem Bruder Joseph II., der eine Vorliebe für die Opera buffa hatte, verspürte Leopold II. eine große Nähe zur Gattung der Opera seria. Als es Anfang 1791 mit der Ernennung von Graf Wenzel Ugarte zum Musikgrafen und Leiter des Burgtheaters unter direkter Anweisung und Kontrolle Leopolds zu einer in personeller und organisatorischer Hinsicht grundlegenden Umstrukturierung des Hoftheaters und des gesamten Opernbetriebes kam, erlangte die Opera seria unter kaiserlicher Protektion wieder zentrale Bedeutung. Dafür stellte Leopold auf einer längeren Italienreise, die er im März 1791 angetreten hatte, höchstpersönlich eine spezielle Opera seria-Truppe von Sängern und Musikern zusammen, die ihm aus seiner Regierungszeit als Großherzog der Toskana bekannt und auch vertraut waren, wie z. B. die Sopranistin Cecilia Giuliani und der Tenor Vincenzo Maffoli.159 Passend dazu wurde das gesamte Opernrepertoire von den Werken der berühmtesten italienischen Komponisten dominiert und „italienisiert“,160 ganz nach dem Geschmack des Kaisers und seiner Frau Maria Ludovica. Dieser grundsätzliche musikalische Geschmackswandel am Wiener Hof konnte, worauf J. A. Rice hingewiesen hat, den böhmischen Ständen nicht verborgen geblieben sein, obwohl die offizielle Inauguration und das festliche Debüt der Opera seria-Truppe erst im November 1791 stattgefunden hat. Schon die sehr frühzeitig mit den Seria-Spezialisten Giuliani und Maffoli abgeschlossenen Verträge müssen von den Ständen als deutliches Signal der neuen Gattungspräferenz wahrgenommen worden sein, zumal viele der Ständemitglieder ihre Residenzen in Wien hatten und enge Beziehungen zum Hof pflegten. Diese umfassende Institutionalisierung der Opera seria am Wiener Hof, die durch die parallel dazu geplante aufwendige architektonische Um- und Neugestaltung des Burgtheaters ihren repräsentativen Rahmen erhalten sollte, hat ohne Zweifel die eindeutige Bindung der zu beauftragenden Krönungsoper an den Seria-Typus durch die böhmischen Stände entscheidend beeinflusst. Nur in diesem größeren historisch-politischen Zusammenhang, weit über alle musikimmanenten Gattungsfragen hinaus, kann der hier beschriebene Entscheidungsprozess und die daraus resultierende Wahl der Opera seria adäquat nachvollzogen werden. Die im Auftrag vorgegebene Koppelung der Opera seria an ein Metastasio-Libretto ist geradezu eine Verstärkung der Gattungswahl, denn 56  Der Auftrag

die Opera seria und Metastasio bilden ein unauflösbares Paar. Kein anderer hat die Entwicklung und Geschichte dieses Opern-Typus, seine Verbreitung und seinen Erfolg dermaßen bestimmt, wie Pietro Metastasio. Auch Leopolds Vorliebe für die Seria war eng mit dem Namen Metastasio verbunden. Ein Blick auf das Repertoire der 1780er Jahre des Regio Teatro di via della Pergola in Florenz, wo Leopold II. als Großherzog der Toskana residierte und als begeisterter Opernbesucher unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung des Spielplans sowie die Auswahl der Librettisten und Komponisten ausgeübt hat, zeigt, dass nicht nur die Opera seria, sondern auch die auf einem Metastasio-Libretto basierenden Opern bis zum Ende des Jahrzehnts regelmäßig aufgeführt wurden. Ausgenommen in den Jahren 1781, 1786 und 1789 wurde in jedem Jahr ein Libretto Metastasios produziert, drei von ihnen sogar zweimal: Nitteti (1780, 1788), Artaserse (1780, 1783) und Demofoonte (1780, 1788).161 Opera seria und Metastasio-Libretti entsprachen also voll und ganz dem Operngeschmack Leopold II. und waren damit vorzüglich als Grundlage einer Festoper anlässlich seiner Krönung zum böhmischen König geeignet. Doch es war sicherlich nicht nur eine Frage des Geschmacks. Ebenso wichtig war wohl auch die Tatsache, dass Meta­ stasio in Leopolds Familie nun schon über Generationen hinweg in allerhöchstem Ansehen stand. Von seinem Großvater, Karl VI., wurde Metastasio 1729 zur Unterstützung des kaiserlichen Poeten und Opernlibrettisten Zeno von Rom an den Wiener Hof geholt, wo er schon nach kurzer Zeit dessen Nachfolger im Amt des Hofpoeten wurde. Aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit, die ganz und gar an das Wertesystem und den Erwartungshorizont Karl VI. angepasst war, verlieh dieser ihm den äußerst selten vergebenen Titel des ‚poeta cesareo‘, der ihm weit über Wien hinaus in ganz Europa Reputation und Achtung verschaffte. Leopolds Mutter, Kaiserin Maria Theresia, soll einmal gesagt haben, dass die Anstellung Metastasios am Wiener Hof das größte Verdienst ihres Vaters Karl VI. gewesen sein soll.162 Hin und wieder erwies sie Metastasio, bei dem sie auch Unterricht hatte, ihren Dank und ihre Bewunderung durch kleine, schmeichelnde Handbillets: „Mein alter Lehrer ist die Ehre seines Jahrhunderts.“163 Aber dem Wunsch der Kaiserin, ihn auf dem Kapitol in Anwesenheit Papst Clemens XIV. öffentlich zum Dichter zu krönen, der ganz Europa sechzig Jahre lang mit seinen Werken, nicht zuletzt zum Ruhme Habsburgs, beglückt hätte, verweigerte er sich Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  57

mit dem Hinweis, er fühle sich zu alt, um noch das Kapitol erklimmen zu können.164 Schon gegenüber Karl VI. lehnte er die Erhebung in den Adelsstand und den Titel Reichshofrat mit der Begründung ab, die schönste und höchste Auszeichnung für ihn sei es, sich als ‚Dichter seiner Majestät‘ bezeichnen zu dürfen. Ohne das außerordentliche Ansehen, das Metastasio am Wiener Hof genoss, ohne die Nähe zum Kaiser und zur späteren Kaiserin, die ihn in allem großzügig unterstützten, kurz, ohne diese nahezu vollständige Einbettung seines Schaffens in das habsburgische Machtzentrum, wäre sein überwältigender, europaweiter Erfolg nicht möglich gewesen. Seine jahrzehntelange Bindung an den Wiener Kaiserhof bildet neben seinem überragenden Talent die entscheidende Grundlage für die weit über die Grenzen Österreichs hinaus wirkende Durchsetzung und Verbreitung der von ihm bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierten Gattung der Opera seria. Ohne sein Hofamt als ‚poeta cesareo‘ und die habsburgische Zentralmacht als geschmacksbildende Prägeinstanz im Hintergrund, hätte es eine derart paradigmatische Verbreitung seiner Libretti und die dadurch eingeleitete metastasianische Epoche der Opera seria niemals gegeben. Und nur so konnte auch das 1734 aus Anlass des Namenstages Karl VI. von Metastasio geschriebene und von Antonio Caldara vertonte Libretto La clemenza di Tito zum Prototyp der habsburgischen Fest- und Huldigungsoper werden, das mit gut 60 Vertonungen, teilweise von den berühmtesten Komponisten seiner Zeit, wie Hasse, Gluck, Galuppi, Jommelli, Traetta und viele andere, zu seinen erfolgreichsten Werken zählte. Für sein Tito-Libretto erhielt Metastasio sogar die Anerkennung als ‚hohe Literatur‘, zu der ein Operntext bis dahin nicht gehörte. Mit Blick auf Metastasios Orientierung seiner Libretti an der Poetik eines Aristoteles und der antiken Tragödie, verglich Voltaire ihn mit dem „Schönsten, was Griechenland hervorgebracht habe.“165 Der Titus-Monolog (3. Akt, 7. Sz.) und die vorausgehende Szene vereinigten die Vorzüge eines Corneille und eines Racine: „Metastasio sei Corneilles würdig, wenn er nicht schwülstig, und Racine, wenn er nicht matt würde.“166 Doch nicht nur bei Voltaire galten Metastasios Libretti über das eigentliche Operngenre hinaus als ‚vollwertige Sprechdramen‘, die der Musik nicht unbedingt bedurften, da sie auf sprachlich höchstem Niveau die Empfindungen und Affekte der Menschen meisterhaft zum 58  Der Auftrag

Ausdruck brachten. So soll 1766 im Teatro della Piazza Vecchia di Santa Maria Novella seine Clemenza di Tito vermutlich als reines Sprechdrama ohne Musik aufgeführt worden sein.167 Für Metastasio stand sein ganzes Schaffen unter dem Primat der Sprache, die für ihn in seiner kunstvollen Operndichtung von Anfang an einen höheren Stellenwert einnahm als die Musik. Diese Auffassung Metastasios unterschied sich grundsätzlich von der Mozarts, der ganz im Gegensatz forderte: „– bey einer opera muß schlechterdings die Poesie der Musick gehorsame Tochter seyn.“168 Für Mozart muss der Auftrag, eine neue Oper auf der Basis eines Metastasio-Librettos zu komponieren, eine Rückkehr zu den frühesten Wurzeln seines Opernschaffens bedeutet haben. Seine große Begeisterung für die Oper hatte er schon als Acht- und Neunjähriger bei seinem Aufenthalt in London entdeckt: „Er hat jetzt immer eine Opera im Kopf “, schrieb Leopold Mozart am 28. Mai 1764 an Lorenz von Hagenauer.169 Im Londoner Haymarket Theater konnte er Opern von Baldassare Galluppi, Giovanni Ferrandini, Mattia Vento und Johann Adolph Hasse kennenlernen.170 Dort wurden auch Opern seines Freundes Johann Christian Bach aufgeführt, der ihn ebenfalls in die Welt der italienischen Oper einführte, da er selbst zuvor viele Jahre in Italien gelebt hatte und deswegen neben dem Namen ‚Londoner Bach‘ auch den des ‚Mailänder Bach’ trug.171 Außerdem führte der berühmte Kastrat Giovanni Manzuoli, der seit einiger Zeit in London lebte und bei dem Mozart Gesangsunterricht nahm, ihn in den Kosmos der italienischen Arien ein. Es ist also nicht verwunderlich, dass Mozart bei den ersten Versuchen seiner Arien-Kompositionen auf Textvorlagen Metastasios traf, durch dessen Dichtung die Gattung der Seria-Arien hauptsächlich geprägt war. Neben einigen verloren gegangenen Arien ist die auf einem MetastasioText beruhende Arie „Va, dal furor portata“ (KV 21 (19c)) Mozarts erste Vokalkomposition überhaupt. Mit dieser frühen Annäherung Mozarts an das Genre von Arie und Oper wird der Prozess seiner musikalischen Italienisierung fortgesetzt. „Nirgends zeigt sich die rein italienische Stilherkunft Mozarts reiner als in der Aria, als in allen Formen, die mit Oper näher oder entfernter zu tun haben.“172

Immer wieder vertonte er in den folgenden Jahren Texte Metastasios und verinnerlichte so mehr und mehr die Struktureigentümlichkeiten Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  59

metastasianischer Poesie und der Seria-Prinzipien. Schon früh begriff Mozart bei der musikalischen Umsetzung affektgeladener Verzweiflungs- oder Seria-typischer Huldigungsszenen metastasianischer Prägung, wie unauflösbar dramatischer Wortsinn und musikalische Affektgestaltung ineinander verschränkt sind. In einem Brief von 1778 an Aloisia Weber, für die er einige seiner schönsten und ergreifendsten Konzertarien komponiert hat, rät er ihr im Hinblick auf das Vortragen seiner Arie KV 272 diesen Aspekt besonders zu berücksichtigen: „Am meisten lege ich Ihnen den Ausdruck ans Herz, einzudringen in den Sinn und die Macht der Worte.“173 Doch trotz aller Bewunderung für diesen Giganten der Opernpoesie scheute Mozart sich nicht, schon bei seinen frühen dramatischen Gesangskompositionen Metastasios monologische Arienvorlagen zu verändern, zu kürzen und direkt in die Textstruktur des ‚poeta cesareo‘ einzugreifen, um sie den eigenen musikalischen Vorstellungen anzupassen. So änderte er z. B. bei der Arie „Non curo l’affetto“ (KV 74b) die aus Metastasios Demofoonte stammende Textvorlage durch die Umstellung von Wörtern und Versen zugunsten der von ihm angestrebten kompositorischen Lösung ab.174 In gewisser Weise zurückgekehrt zu den Anfängen seiner Vokalkompositionen und der frühen Auseinandersetzung mit den Gattungsnormen der Opera seria, nahm er kurz vor seinem Tod gemeinsam mit Mazzolà bei der Arbeit an La clemenza di Tito die einschneidensten Eingriffe in ein Metastasio-Libretto vor, auf die jedoch an späterer Stelle noch ausführlich eingegangen wird. Derartige kreative Umgestaltungen berühmter Text- und Musikvorlagen werden häufig allzu vorschnell als ein Zeichen kritischer Distanznahme zum Vorgegebenen oder als respektlose Ablehnung missdeutet. Dabei sind es ganz im Gegenteil von Mozart verehrte und bewunderte Werkvorlagen, die ihn dazu anspornten, von ihrem hohen Niveau aus, Neues und Eigenes zu schaffen. Rezitativ und Arie KV 294 mit dem Text aus der berühmten Oper L’Olimpiade von Metastasio in der Vertonung des von ihm so bewunderten J. Chr. Bach, bezeugt den kreativen Aufforderungscharakter des verehrten Vorbildes, wie Mozart über die Bearbeitung dieser Bach-Arie selbst hervorhob: „ich habe auch zu einer übung, die aria, non so donde viene etc: die so schön vom Bach componirt ist, gemacht, aus der ursach, weil sie mir so gefällt, und 60  Der Auftrag

immer in ohren ist; denn ich hab versuchen wollen, ob ich nicht ungeacht diesen allen im stande bin, eine Aria zu machen, die derselben vom Bach gar nicht gleicht? – sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich.“175

Die in London von seinen Freunden Bach und Manzuoli verstärkt vorangetriebene Opera seria-Begeisterung Mozarts konnte er besonders auf seinen Italienreisen ausleben. Symbolisch wurde seine Hinwendung zu diesem Operntypus durch ein Geschenk des General-Gouverneurs der Lombardei Graf Firmian schon einige Jahre zuvor besiegelt, das er dem 14-jährigen Mozart anlässlich einer Essenseinladung am 7. Februar 1770 in seinem Palazzo Melzi überreichte. Erfüllt mit Stolz schrieb Leopold Mozart am 10. Februar an seine Frau: „S. Excl. haben nach der Tafel dem Wolfg. die 9 Theile der Metastasische Werke verehrt. Es ist eine der schönsten Editionen nämlich die TurinerEdition, und sehr schön eingebunden, du kannst dir leicht vorstellen, daß dies ein so wohl mir als dem Wolfg. sehr angenehmes present ist.“176

Dieses fast schon zeremonielle Ereignis hatte etwas von einer Initiation an sich, die dem jungen Komponisten die Tür zu den heiligen Hallen der von Metastasio dominierten und geprägten Opera seria eröffnete. Kurz vorher hatte Mozart Metastasios Tito in der Vertonung von Michelangelo Valentini zum ersten Mal im Theater gehört: „die opera nennt sich La clemenza di Tito“,177 schrieb er an seine Schwester. Und Graf Firmian war es auch, der Mozart im Frühjahr 1770 den Auftrag für seine erste abendfüllende Opera seria Mitridate, Re di Ponto (KV 87 (74a)) erteilte, die zur Eröffnung der Karnevalsaison 1771 im Teatro Regio Ducal aufgeführt werden sollte. Das Libretto von Vittorio Amadeo Cigna-Santi ging stofflich zurück auf die gleichnamige Tragödie von Racine und folgte ganz der von Metastasios Operntexten vorgegeben Konvention der italienischen Opera seria. Mozarts erste Seria wurde auch sein erster großer Opernerfolg mit 20 Aufführungen. Die zweite scrittura für eine Opera seria erhielt er noch während seines Aufenthaltes in Venedig Anfang 1771 wiederum von Graf Firmian und dem Großherzoglichen Theater in Mailand. Das Libretto Lucio Silla (KV 135) war von Giovanni de Gamerra, der seinen Textentwurf seinem Mentor Metastasio nach Wien zur Begutachtung schickte. Metastasio nahm einige Änderungen vor, strich und kürzte einige ReziZurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  61

tative und wechselte eine ganze Szene aus, so dass Mozart mehrere Rezitative neu verfassen musste.178 Nun war einmal mehr die Musik ‚der Poesie gehorsamste Tochter‘, was sicherlich der hohen Wertschätzung, die Mozart für Metastasio empfand, geschuldet war: „Der berühmte ‚süße‘ Stil des Metastasio schwebt denn auch dem jungen Mozart vor, als er versucht, am Textbuch des in Salzburg beschäftigten Abbate Giambattista Varesco (1736–1805) zum Idomeneo (1780) Änderungen zu erreichen.“179

Immer wieder befasste er sich mit Arienvorlagen und Libretti dieses großen Opernpoeten. 21 von insgesamt 36 Arien Mozarts basieren auf Texten von Metastasio. Parallel zum Lucio Silla stellte er das zweiaktige Oratorium Betulia Liberata (KV  118) fertig, das Metastasio nach der biblischen Episode von Judith und Holofernes gedichtet hatte. Zwischen April und August 1771 hat Mozart die fast zweistündige Azione teatrale Il sogno di Scipione nach einem weiteren Text von Metastasio, der Ciceros De re publica entnommen war, komponiert. Metastasio hatte den Text ursprünglich zum Geburtstag Karl VI. 1739 geschrieben. Die letzte Opera seria Mozarts nach einem Metastasio-Libretto, die er vor seinem Tito komponierte, war Il re pastore (KV 208), die sowohl im Dramma per musica als auch in der Serenata bzw. der Azione teatrale wurzelte.180 Sie wurde am 27. April 1775 anlässlich des Besuchs des jüngsten Sohns von Kaiserin Maria Theresia, des Erzherzogs Maximilian Franz in Salzburg uraufgeführt. Nun war Mozart ganz und gar eingetaucht in das Metier, das Zeit seines Lebens für ihn das Wichtigste und Liebste war: die Oper. Vertieft in die Arbeit an Lucio Silla schrieb er seiner Schwester: „Ich kann ohnmöglich viel schreiben, dan ich weiß nichts, und zweitens weiß ich nicht waß ich schreibe, in dem ich nun immer die gedancken bey meiner opera habe, und gefahr laufe, dir, anstatt worte eine ganze Arie herzuschreiben.“181

Und 1778 heißt es in einem Brief: „das opera schreiben steckt mir halt starck im kopf.“182 Und seinem Vater berichtete Mozart im Herbst 1777: „Ich habe eine unaussprechliche begierde wieder einmal eine opera zu schreiben … dann ich darf nur von einer opera reden hören, ich darf nur im theater seyn, stimmen hören – o, so bin ich schon ganz ausser mir,“183

62  Der Auftrag

und wieder ein anderes Mal heißt es: „vergessen sie meinen Wunsch nicht opern zu schreiben. Ich bin einem jedem neidig der eine schreibt. Ich möchte ordentlich für verdruß weinen, wenn ich eine aria höre oder sehe.“184

Vor allem aber muss es eine Opera seria sein: „eine welsche lieber als eine teutsche, eine seria lieber als eine buffa.“185 Obwohl für Einstein Mozart „der geborene Buffonist ist“, der an der Buffa „innerlich, nicht bloß musikalisch, stärker beteiligt ist als an der opera seria“,186 weist doch Vieles auf seine innere Neigung und persönliche Nähe zum getragenen Ernst und zur gedanklich-emotionalen Tiefe des Dramma per musica hin. Noch Anfang der 80er Jahre betont er in einem Brief seine Affinität zu diesem Gattungstypus: „glauben sie denn ich werde eine Opera Comique auch so schreiben wie eine opera seria? – so wenig tändelndes in einer opera seria seyn soll, und so viel gelehrtes und vernünftiges, so wenig gelehrtes muß in einer opera Buffa seyn, und um desto mehr tändelndes und lustiges. dass man in einer opera Seria auch kommische Musick haben will, dafür kann ich nicht; … ich finde halt dass in der Musick der hanswurst noch nicht ausgerottet ist; und in diesem falle haben die franzosen recht.“187

Nicht der lärmende Beifall über die Späße Papagenos, sondern der „stille Beifall“ (Mozart) für die tiefgründigen Passagen in der Art der Seria berührten sein Innerstes bei der Aufführung seiner Zauberflöte. Geradezu abfällig beklagte er sich über einen unbelehrbaren Zuschauer, dem die „Hanswurstereien“ in Begeisterung versetzt hatten, der aber die ernsten Szenen in keiner Weise zu würdigen wusste. Auch seine für München komponierte Opera seria Idomeneo scheiterte an der Ignoranz des Wiener Publikums, was Mozart zutiefst enttäuscht seinem Vater mitteilte: Wien sei ein Ort, „wo man lieber Commische stücke sieht.“188 Dieser Idomeneo, seine letzte Opera seria vor dem Tito, markiert einen ganz entscheidenden Wendepunkt in seinem Opernschaffen. Nach der längsten Phase des Stillstands seiner Opernproduktion kulminierten geradezu die am metastasianischen Paradigma eingeübten Stilelemente der Opera seria mit den in der Distanz der Schaffenspause neu gewonnenen musikalischen Kenntnissen und Einsichten, die Mozart seinem Aufenthalt in Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  63

Paris und vor allem in Mannheim zu verdanken hatte. Schon die Vorlage des Librettos für den Idomeneo war französisch, eine Tragédie lyrique des Antoine Danchet, die von Campra 1712 vertont worden war. Im Idomeneo liefen die beiden Traditionslinien der italienischen und der französischen Operngattungen ineinander und wurden von Mozart in nie zuvor gekannter Unabhängigkeit189 und Eigenständigkeit nach seinen Vorstellungen verarbeitet und musikalisch neu gestaltet, ohne den Rahmen der Opera seria gänzlich zu sprengen. Sein jahrelanges Experimentieren auf dem Feld der Vokalkompositionen trug nun Früchte. „Für uns scheint es, als wenn Mozart im Idomeneo eine Kette seiner besten vokalen Konzertstücke – Rezitativi accompagnati, Arien und Ensembles – in einen dramatischen Zusammenhang gebracht“190

hat. Endlich wieder eine Oper! Wie im Rausch stürzte er sich in die Arbeit, um eines seiner größten Meisterwerke zu schaffen, und zwar eine Opera seria, und sein Idomeneo ist „eine opera seria sui generis.“191 „Kopf und Hände sind mir so von dem dritten Ackte voll, daß es kein Wunder wäre, wenn ich selbst zu einem dritten Ackte würde. – der allein kostet mehr Mühe als eine ganze opera – denn es ist fast keine scene darinn die nicht äussert intereßant wäre.“192

Eine etwaige Abneigung gegenüber dem Operntypus der Seria oder eine bald bevorstehende Abkehr von dieser Gattung ist Anfang der 1780er Jahre bei Mozart nicht zu erkennen. Auch S. Kunze sieht „nicht das geringste Anzeichen dafür, daß sich Mozart in der Idomeneo-Zeit von der Gattung der opera seria distanziert hätte, so sehr er sich auch ihrer musikalischen Konventionen entledigt hatte.“193

Bei allen Abweichungen von den tradierten Seria-Konventionen, nicht zuletzt durch die Anlehnung an die Tragédie lyrique, wahrte Mozart die vorgegebene Form, um gleichzeitig neben Tradiertem Neues zu entwickeln. „Der Seria-Typus blieb nach außen mehr oder minder intakt, wurde aber von innen her durch die Musik aufgebrochen“ wie S. Kunze so treffend die Charakteristik dieser großen Mozart-Oper in einem Satz zusammenfasst. Mozart selbst soll seinen Idomeneo – eine Opera seria – sehr geschätzt und geliebt haben. Und mit Konrad Küster ist durchaus zu vermuten, dass, wäre es zu der von Mozart erhofften Anstellung und 64  Der Auftrag

einem dauerhaften Verbleib in München gekommen, er den IdomeneoStil und nicht den Stil der Da Ponte-Opern weiter vorangetrieben hätte.194 Der dann tatsächlich vollzogene Gattungswechsel hin zum Figaro war weniger das Resultat einer bewussten Neuorientierung nach eigener Wahl, sondern er war eher der Vorliebe Joseph II. für die Opera buffa geschuldet, der letztlich das Figaro-Projekt – wie bereits erwähnt – auch initiiert hat. Auch Leopold II. hätte die Tradition der Opera seria ungebrochen fortgeführt, wäre er anstelle seines Bruders an die Macht gekommen, zumal die historisch-politischen Voraussetzungen dafür noch einigermaßen günstig und die Französische Revolution zeitlich noch relativ weit entfernt waren. Dann hätte die Operngeschichte einen anderen Verlauf genommen. Vor diesem hypothetischen Szenario muss die Frage erlaubt sein, ob sich bei einem Kaiser mit einer Vorliebe für die Opera seria, Mozart aus bloßem Interesse dem Themenkreis der Da Ponte-Opern und dem Buffa-Stil überhaupt derart intensiv zugewandt hätte. Jedenfalls ist die vergleichbare Behauptung S. Kunzes, „(a)us freien Stücken“ hätte er Metastasios Tito-Libretto und dem schon als veraltet geltenden Seria-Stil im Jahre 1791 „keine Beachtung geschenkt,“195 ebenso hypothetisch und unbewiesen, wie übrigens viele Behauptungen und Thesen in der Mozartliteratur aufgrund fehlender Quellen und Belege nicht unbedingt zutreffend sein müssen. Warum hat Mozart denn bis zum Ende der 1780er Jahre immer wieder aus freien Stücken auf Arientexte aus älteren Opere serie Metastasios zurückgegriffen? – So in der 1782/83 entstandenen und durch ein kurzes Rezitativ eingeleitete Arie „Così dunque tradisci – Aspri rimorsi atroci“ (KV 432) aus Metastasios Temistocle, die keineswegs nach kritischer Distanz zum Librettisten oder dem Seria-Typus klingt. A. Einstein hebt hervor: „Für uns ist das schauerlichstes ‚Melodram’ (Temistocle); aber Mozart hat es ganz ernst genommen und ein düsteres f-moll-Stück von einer Kraft und Wucht geschrieben, wie es sich in keiner seiner Opere serie findet und nur einer Hauptrolle zukommt“.196

Und Konrad Küster betont: „Gerade das Prinzip, individuelle Charaktere zu schaffen, ließ sich aus ihnen (Seria-Erfahrungen) gewinnen. ‚Individualität’ ergibt sich nicht aus Aktion, Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  65

sondern aus der musikalischen Gestaltung: die Rollencharakteristik, die die Nachwelt in den Wiener Opern Mozarts bewundert, ergibt sich in seinem Schaffen somit direkt aus den Dispositionen der Opera seria.“197

Noch 1787 kehrte Mozart ein Jahr nach seinem Figaro zu einer Scena aus Metastasios berühmter Olimpiade zurück, die er früher für seine Jugendliebe Aloisia Weber schon einmal komponiert hatte: „Alcandro Io confesso – Non sò d’onde viene“ (KV 512).198 Und am 4. März 1788 schrieb Mozart auf einen Text aus Metastasios L’Eroe cinese die Arie „Ah se in ciel, benigne stelle“ (KV  538).199 Nicht das KomödiantischLeichte, sondern eher das Düster-Schwere entspricht seiner Gemütsverfassung in der zweiten Hälfte der 1780er Jahre, in denen seine Lebensumstände immer schwieriger wurden, wie bereits näher ausgeführt wurde. Und auch S. Kunze erkennt in der größtenteils unmittelbar vor Mozarts Tito komponierten Zauberflöte den musikalischen Ausdruck des Ernsten und Erhabenen,200 wie er ebenso noch im Juni 1791 beim Ave verum corpus oder danach im melancholisch-traurigen, sehnsuchtsvollen Klarinettenkonzert begegnet. Viele Elemente seiner Seria-Erfahrungen waren im Sommer seines letzten Lebensjahres noch ganz gegenwärtig und für sein kompositorisches Schaffen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Bindung des Auftrags für La clemenza di Tito an den Gattungstypus der Opera seria konnte für Mozart keinerlei abschreckende Wirkung gehabt haben, wie so oft in der Mozartliteratur unterstellt worden ist. Immerhin gehörte die so intensive Schaffensphase an seinem Idomeneo zu der glücklichsten Zeit seines Lebens. Die kreative Auseinandersetzung mit dem metastasianischen Seria-Modell ist ein unablösbarer Bestandteil seines musikalischen Entwicklungsprozesses und ein wichtiges Element seiner Identitätsbildung als Opernkomponist. Aber nicht nur in musikalischer Hinsicht führte Mozart der Auftrag aus Prag zurück zu seinen Anfängen als Seria-Komponist, sondern er begab sich mit dieser erneuten Hinwendung zu dem Operntypus der höfischen Fest- und Repräsentationskultur insgesamt in die Welt der sozialen Ideale und beruflichen Karriereträume seiner Jugendzeit. Für Mozart musste die Opera seria zu Beginn seiner Karriere wie ein Schlüssel zur Tür des sozialen Aufstiegs in die höfisch-aristokratische Sphäre erscheinen. Und die Opera seria war ohne Zweifel nicht nur das unmittelbare Produkt dieser höfisch-aristo66  Der Auftrag

kratischen Gesellschaft, sondern sie war ihr genaues musikdramatisches Spiegelbild. Insofern war Mozarts frühes Kennenlernen dieses auf einem strengen Regelwerk beruhenden Typus der Hofoper, wie das Einüben in ihre Prinzipien von Zeremoniell und Etikette, gleichzeitig ein von dem musikalischen Entwicklungsverlauf unabtrennbarer Prozess der Verinnerlichung des höfisch-aristokratischen Verhaltenskanons und seines sozial-hierarchischen Normenkatalogs. Mozarts Aufgabe als Opernkomponist bestand unter anderem darin, die hierarchisch-aristokratischen Differenzierungsmuster durch eine entsprechende „musikalische Rollentypologie“201 und eine sozial genau abgestufte Musiksprache zum Ausdruck zu bringen, die permanent durch Stil und Tonlage zwischen hohem und niedrigem Stand, zwischen Herrscher- und Diener-Ebene unterschied. Er selbst war der Diener, der sich den roten Samtrock mit Goldknöpfen anzog, um sich die Attitüde des Aristokraten zu verleihen. Nicht zuletzt durch die Beschäftigung mit seinen Opere serie hat die relative ‚Verhofung‘ Mozarts stattgefunden, die unter anderem in seiner bewussten Imitation aristokratischer Kleidungsgewohnheiten äußerlich sichtbar wurde. So kann die Annahme des Opernauftrages auch als Indiz dafür gesehen werden, dass Mozart, trotz seiner freimaurerischen Distanzierungsversuche und seines eindeutigen Bekenntnisses zum Bürgertum, die höfische Sphäre noch nicht ganz hinter sich gelassen hatte, sondern im Gegenteil, emotional noch enger mit ihr verbunden war, als er sich selber Glauben machen wollte, und zwar keineswegs nur im Hinblick auf ökonomische Chancen. Kaum hatte er mit der Zauberflöte den vermeintlich endgültigen Schritt in die Bürgerlichkeit vollzogen, da holte ihn der Auftrag für den Tito in die Sphäre des Hofes und seine daran geknüpften Träume und Hoffnungen als junger Musiker und Komponist zurück. Im Sommer 1791 war anscheinend der innere Zwiespalt, den die konträren sozialen Kreise in ihm ausgelöst hatten, denen er mehr oder weniger beiden angehörte, doch noch nicht vollständig überwunden. Der Auftrag für die Krönungsoper machte ihn ein letztes Mal zum ‚Wanderer zwischen den Welten‘.

Zurück zu den Anfängen – Metastasio, die Opera seria und Mozart  67

DAS CLEMENZA-PRINZIP Die Clementia Romana und der historische Titus Der Titel von Metastastios Libretto lautet nicht „Titus“ oder „Titus – ein römischer Kaiser“, betont wird hingegen vor allem eine bestimmte Eigenschaft, eine besondere Handlungsweise oder Tugend des Tito, seine ‚clemenza‘. Sie ist das zentrale Thema der Oper, die mit musik­ dramatischen Mitteln ihre exemplarische Hervorhebung und Darstellung zu leisten hat. Das Libretto von Metastasio, ebenso das von Mazzolà/Mozart handelt davon, dass der Kaiser Tito den gegen ihn gerichteten, aber vereitelten Mordanschlag seines engsten Vertrauten und Freundes Sesto verzeiht und ihm mit Milde und Gnade begegnet, anstatt ihn mit dem Tod zu bestrafen. Die Verknüpfung des Tito mit der Eigenschaft der ‚Güte‘ und ‚Milde‘ (‚clementia‘), geht zurück auf den antiken Geschichtsschreiber Sueton, dessen Werk über Das Leben der römischen Kaiser eine kurze Episode enthält, die die ‚clementia‘ des Titus als historisches Faktum zum Gegenstand hat. Nur die handelnden Personen sind bei dem historischen Titus andere als bei Metastasio, der seinen Tito mit fiktiven Opernfiguren umgibt. So heißt es bei Sueton: „Zwei Patrizier, die überführt worden waren, nach der Herrschaft zu trachten, ermahnte er lediglich, davon Abstand zu nehmen, indem er sie belehrte, daß das Schicksal die Herrschaft vergebe. Sollten sie aber außerdem noch einen Wunsch haben, so versprach er, daß er den erfüllen werde. So schickte er zum Beispiel eilends zwei Kuriere zu der weit entfernt lebenden Mutter, die der verängstigten Frau melden sollten, daß es ihrem Sohn gut gehe. Die Verschwörer selbst, ließ er übrigens nicht nur an einem Essen im engsten Kreis teilnehmen, sondern er setzte sie am folgenden Tage beim Kampf der Gladiatoren absichtlich rechts und links neben sich und gab ihnen sogar die Schwerter und Dolche zur Prüfung, welche ihm die Kämpfer vorzeigten.“202

Inhaltlich näher, aber mit einem anderen Protagonisten, kommt dem Metastasio-Libretto eine ‚clementia‘-Aktion des Kaisers Augustus aus dem Jahre 4 n. Chr.

68  Das Clemenza-Prinzip

Er begegnete dem römischen Politiker Gnaeus Cornelius Cinna Magnus, den er im Bürgerkrieg 32–30 v. Chr. schon einmal begnadigt hatte, nach dessen Attentatsversuch erneut mit Milde und Vergebung, ernannte ihn zum Konsul und machte ihn zum engen Freund und Vertrauten, wie auf der Opernbühne Tito den Sesto. „Ich schenke dir ein zweites Mal das Leben, früher dem Feind, jetzt dem Auflaurer und Mörder. Vom heutigen Tage an soll zwischen uns die Freundschaft beginnen.“203

So lässt der große Philosoph Seneca in seinem grundlegenden Werk De clementia Kaiser Augustus ganz im Sinne der ‚clementia‘ zu Cinna sprechen. Mit seiner Schrift verlieh Seneca der ‚clementia Romana’ ihre philosophisch-theoretische Fundierung. Als ‚clementia Caesaris’ und ‚clementia Augusti’ gehörte sie schon früh zum festen Bestandteil des römischen Staatsdenkens. Aus politischem Kalkül wurde die ‚clementia‘ ganz bewusst als notwendige Herrschaftsstrategie gegenüber den Besiegten nach ihrer Kapitulation eingesetzt, um sie so für eine aktive Teilhabe am römischen Imperium zu gewinnen und Aufstände zu vermeiden. „Wenn jemand eine neue Herrschaft antritt, ist ihm der Ruf der Clementia nützlich“204, schrieb Tacitus. Noch zu Caesars Lebzeiten baute der Senat der vergöttlichten Clementia Caesaris einen Tempel, in dem „Clementia als Göttin Hand in Hand mit Caesar dargestellt wird.“205 Die Clementia Augusti wurde auf Münzen bildhaft im Imperium verbreitet und so „zur allegorischen Symbolfigur für politisch kluge Aussöhnung.“ Doch die ‚clementia‘ kann nur gewähren, wer die unbedingte Macht zur Durchsetzung ihres genauen Gegenteils inne hat. Senecas Definition des Begriffs umfasst eben diesen Machtaspekt: „Güte ist Mäßigung der Leidenschaft in der Macht, sich zu rächen.“206 Nur ein Princeps, Kaiser oder König, kann sich mit ‚clementia‘ schmücken: „Nicht ziemt sich für einen König wilder und unerbittlicher Zorn. Nicht viel nämlich ragt er über den hinaus, dem er sich mit seinem Zürnen gleichmacht. Aber wenn er Leben, wenn er Stellung denen verleiht, die in Gefahr sind und verdienen sie zu verlieren, tut er etwas, das nur dem Mächtigen erlaubt ist. Das Leben nämlich wird auch dem Höheren entrissen, niemals gegeben außer dem Niederen“,207

Die Clementia Romana und der historische Titus  69

heißt es bei Seneca, der die ‚clementia‘ ausschließlich der ranghöchsten Ebene des römischen Staates zuordnet, denn: „Niemandem von allen steht aber die Güte besser an als dem König oder dem führenden Mann. So erst nämlich sind große Kräfte Schmuck und Ruhm, wenn sie eine heilsame Macht besitzen. Denn eine verderbliche Gewalt ist es, stark zu sein, um zu schaden.“208

Erst die absolute Verfügungsgewalt über Leben und Tod sowie die jederzeitige Möglichkeit, sich auch gegen Milde und für Grausamkeit entscheiden zu können, macht die ‚clementia‘ für einen Herrscher zum wirkungsvollen Instrument seiner verharmlosenden Selbstdarstellung, „(d) enn es ist ebenso Roheit, allen zu verzeihen, wie keinem.“ 209 Die ‚clementia‘ ist nicht nur eine Herrschertugend, sondern gleichzeitig auch ein wichtiges Element des römischen Kaiserkults und seiner monarchischen Repräsentationsformen, deren Hauptzweck es vor allem gegenüber dem Senat war, jegliche Erscheinungsform der ‚tyrannis‘ zu vermeiden. So begegnete schon Augustus der zunehmenden Machtfülle, die der Senat ihm gewährte und der Forcierung des Herrscherkults in Richtung auf die Vergöttlichung seiner Person, mit Mäßigung (‚moderatio’), einem bewussten Abschwächen seiner absolut über den Staat erhobenen Isolierung als Gott und Alleinherrscher.210 In diesem Sinne diente auch die ‚clementia‘ der Herrschaftslegitimation der römischen Kaiser und der Kaschierung ihres monarchischen Gewaltpotentials. „Güte macht also nicht nur stattlicher, sondern auch sicherer und ist zugleich ein Schmuck der Reiche und ihre sicherste Rettung.“211 Gemäß dieser Seneca-Losung bestimmte das Clemenza-Prinzip nun auch die nur 26 Monate vom 24. Juni 79 n. Chr. bis zum 13. September 81 n. Chr. dauernde Regierungszeit des Titus Flavius Vespasianus, des zweiten Kaisers der Flavischen Dynastie. So konnte Titus durch sein mildtätiges Verhalten und seinen besonnenen, von der ‚moderatio’ und der ‚clementia’ geprägten Regierungsstil während seiner kurzen Herrschaft, den Senat und das Volk für sich derart begeistern, dass er nach Sueton der „ausgesprochene Liebling des Menschengeschlechts“212 wurde. Auch Plutarch rühmte seine ‚Milde‘ und ‚Menschenfreundlichkeit‘.213 Nicht nur die erwähnte Begnadigung der beiden Verschwörer, sondern eine Vielzahl symbolischer Treuegesten gegenüber dem Senat

70  Das Clemenza-Prinzip

und konkrete Wohltaten fürs Volk, begründeten seinen dauerhaften Ruhm als „Titus der Mildtätige“. Als äußeres Zeichen seiner Abgrenzung gegenüber dem verhassten Vorgänger auf dem Kaiserthron ließ Titus Neros Domus Aurea, die Privatvilla des Tyrannen, durch die ein großer Teil im Zentrum Roms als sein persönlicher Besitz okkupiert worden war, abreißen, um mit dem Amphitheater und den Titusthermen an dieser Stelle öffentliche Bauten für die Bevölkerung zu errichten. Martial pries in seinen Versen die Rückgabe Roms an das Volk durch Titus: „Hier, wo der Sonnenkoloss zu den Sternen so nahe emporblickt … strahlte vordem der verhasste Palast des grausamen Königs; und auf dem Raume der Stadt gab’s nur ein einziges Haus … Rom ist sich wiedergeschenkt, und, Caesar, in deiner Regierung dient zum Entzücken des Volks, was nur dem Herrn gedient.“214

Schon kurz nach seinem Amtsantritt erschienen Münzen auf denen Titus mit dem Titel Augustus und ‚pontifex maximus‘ auftrat und nur wenige Monate später erhielt er den Ehrentitel ‚pater patriae‘. Als solcher hatte er während seiner Herrschaft drei große Schicksalsplagen zu bestehen: „so de(n) Ausbruch des Vesuvs in Kampanien, de(n) Brand Roms, der drei Tage und drei Nächte dauerte, und eine Seuche von bisher ungekannten Ausmaß. Bei diesen vielen Widrigkeiten von solchem Ausmaß zeigte er nicht nur die bange Sorge eines Kaisers, sondern auch die einzigartige Liebe eines Vaters, einmal wenn er den Menschen in Edikten Mut zusprach, zum anderen wenn er helfend beistand, soweit als ihm möglich war.“215

Zum Wiederaufbau der von dem Vesuvausbruch zerstörten Region richtete er eine Sonderkommission ein, stellte große Geldsummen zur Linderung der Not der obdachlos gewordenen Bevölkerung bereit und opferte nach dem Brand in Rom Teile seines persönlichen Besitzes, um die Stadt neu aufzubauen: „Alle Kostbarkeiten aus seinen Villen gab er her für Bauwerke und Tempel und übertrug die Leitung mehreren Persönlichkeiten aus dem Ritterstand, damit alle Maßnahmen zügiger vonstattengingen.“216

Das alles trug zu der großen ihm entgegengebrachten Bewunderung und Ehrerbietung bei und begründete seinen Jahrhunderte überdauernden Die Clementia Romana und der historische Titus  71

Ruhm als humaner und unter dem Gebot der ‚clementia‘ handelnden Herrscher Roms. Sein Ausspruch, jeder Tag, an dem er noch niemandem einen Wunsch erfüllt oder eine Wohltat vollbracht hätte, wäre ein verlorener Tag – „Freunde, ich habe einen Tag verloren.“217 –, sollte sein gutmütiges Wesen unterstreichen. Nach seinem Tod sprach ihm der Senat seinen großen Dank aus „und überhäufte ihn derart mit Ehrungen, wie er es nicht einmal in seinen besten Tagen erlebt hatte.“218 Noch im 4. Jahrhundert n. Chr. schrieb Aurelius Victor über ihn: „Sein Tod erfüllte ganz Rom und die Provinzen mit unbeschreiblichem Schmerz: Man nannte ihn … die Wonne der Menschheit und betrauerte die Welt, die in ihm gleichsam ihren Schützer für immer verloren hatte.“219

Doch dieses einseitig idealisierte Titus-Bild hat mehr als nur einen Kratzer, ein tiefer Riss spaltet das janusköpfige Porträt dieses römischen Kaisers. Die Münze, die auf ihrer Vorderseite den menschenfreundlichen Titus der ‚clementia‘ propagiert, enthüllt auf ihrer Rückseite denselben Titus als eine Art ‚Bestie Mensch‘, den Titus der ‚crudelitas‘. Aufgrund seiner kriegerischen Vergangenheit als römischer Feldherr im Dienste seines Vaters Vespasian und aufgrund seines tyrannischen und grausamen220 Verhaltens als Leiter der Praetorianerpräfektur fürchtete man noch bei seinem Amtsantritt 79 n. Chr. einem neuen Nero in ihm zu begegnen. Schon die Macht seines Vaters sicherte er auf brutale Weise durch ‚Säuberungen‘ des Senats von Gegnern Vespasians. So lud er den der Verschwörung verdächtigen Konsul Aulus Caecina zum Essen ein, doch „kaum hatte er das Speisezimmer verlassen, da ließ er ihn erstechen.“221 Durch solche rigorosen Maßnahmen zog er sich für den Augenblick recht viel Hass zu, so dass kaum „einer unter so lauten Buhrufen und mit größerem Widerwillen der Gesamtheit zum Kaiser avancierte.“222 Aber auch wegen seines ausschweifenden und verschwenderischen Lebenswandels, seiner Orgien mit Lustknaben und Eunuchen sowie seiner Beziehungen zu sehr zweifelhaften weiblichen Geliebten, haben ihm neben seiner Grausamkeit den Ruf eines neuen Nero eingebracht. Nur zwei Jahre später erklärte man ihn zum Liebling des Menschengeschlechts. Aber seine blutigsten Spuren hinterließ Titus im Vernichtungskrieg gegen Judäa und bei der Eroberung Jerusalems. Als Heerführer seines Vaters Vespasian hatte er im Krieg gegen die Aufständischen in der römischen Provinz Judäa seinen Mut und seine Tapferkeit bewiesen, mehrere 72  Das Clemenza-Prinzip

Städte eingenommen, wie Jotopata (67 n. Chr.) oder Japha, er belagerte Gischala, Tiberias, Tarichea und Gamala. Bis auf Jerusalem waren Anfang 69 n. Chr. alle abgefallenen Städte zurückerobert. Nachdem Vespasian nach der Ermordung seines Vorgängers Vitellius zum Kaiser ausgerufen worden war, stand die Herrschaft Roms unter dem außerordentlichen Legitimationsdruck, endlich mit der Unterwerfung Jerusalems den Krieg in Judäa siegreich zu beenden. Vespasian brachte dies durch Münzen mit dem Schriftzug „Auf die Eroberung Judäas“ (‚iudea capta‘) ostentativ zum Ausdruck.223 Deswegen „sandte (Vespasian) seinen Sohn Titus mit einem ausgewählten Heer ab, um Jerusalem zu erobern.“224 Nun lastete die ganze Verantwortung der Legitimation der Kaiserherrschaft seines Vaters auf Titus. Er musste die ‚Heilige Stadt’ erobern und im Triumphzug heimkehren. Mit vier Legionen begann Titus 70 n. Chr. die Belagerung der Stadt Jerusalem, in der sich zu diesem Zeitpunkt fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung Judäas zum wichtigsten jüdischen Fest, dem Pessachfest, versammelt hatte, wodurch die Zahl der sich in der Stadt aufhaltenden Menschen für wenige Tage um das Zehnfache gestiegen war. Schon zu Beginn der Belagerung zeigte Titus seine Unbarmherzigkeit und Grausamkeit: vor den Augen der Belagerten soll er Fliehende gefoltert und gekreuzigt haben, so dass jeden Tag 500 Juden hingerichtet worden sein sollen.225 „Der Hauptgrund aber, weshalb er die Hinrichtung der Gefangenen zuließ, war die Hoffnung, der Anblick werde die Belagerten zum Nachgeben bewegen“;226 schreibt Josephus Flavius. Eingekesselt und ohne Fluchtmöglichkeit verhungerten schon nach wenigen Wochen über 600.000 Juden. Als die Römer nach wochenlanger Belagerung endlich in das Stadtinnere eingedrungen waren, entlud sich ihr ganzer Hass beim Kampf um den heiligen Tempelbezirk. „Ganze Haufen von Bürgern, lauter schwache, unbewaffnete Leute, wurden niedergemacht wo immer der Feind sie traf. Um den Altar türmten sich die Toten in Masse; das Blut floß an seinen Stufen, und die Leichen derer, die oben auf ihm ermordet wurden, glitten an seinen Wänden herunter.“227

Schon bald stand der ganze Tempel in Flammen. Obwohl Josephus Flavius in seinem Bericht behauptet, Titus habe alles dagegen getan, damit der Tempel verschont bliebe, hielt schon Theodor Mommsen es für Die Clementia Romana und der historische Titus  73

wahrscheinlicher, dass die totale Zerstörung des religiös-kultischen Zentrums der Juden von vornherein römisches Programm war.228 So wurde die Stadt nicht nur zerstört und niedergebrannt, sondern blieb auch in Trümmern liegen. Bei der Schlacht um Jerusalem sollen etwa 1.100.000 Menschen umgekommen sein,229 die meisten waren Judäer. Weitere 97.000 wurden in die Sklaverei verkauft, das jüdische Volk in alle geographischen Richtungen vertrieben und der im Tempelbezirk aufbewahrte gewaltige Schatz geraubt, um später unter anderem zur Finanzierung des Collosseums verwendet zu werden. Vor diesem Hintergrund ist es auf den ersten Blick völlig unverständlich, wie der Zerstörer Jerusalems über viele Jahrhunderte hinweg bis in unsere Zeit zu der herausragenden Symbolfigur der Clementia werden konnte. Ein wichtiger Grund dafür war sicherlich das von der christlichen Überlieferung geprägte Titus-Bild, für die die Zerstörung der Stadt ein willkommenes Vergeltungswerk an den Juden dafür war, dass sie Christus hingerichtet hatten. Das Titus-Bild der Juden, wie es sich in der rabbinischen Literatur spiegelt, zeigt ihn mit der Fratze der Crudelitas. Bis heute haftet seinem Namen aus jüdischer Sicht der Makel des Judenvernichters an, der Jerusalem in Flammen aufgehen ließ. Und trotzdem gelang es Titus schon kurz nach seiner Inthronisierung als römischer Kaiser, sein negatives Image ins genaue Gegenteil zu verwandeln: Als ‚Wolf im Schafspelz‘ trat er nun vor sein Volk. Dieser fundamentale Gestaltwandel seines Charakters wurde in Rom als das Resultat eines tiefgreifenden Läuterungsprozesses verstanden, dem die neue Herrschaft im Zeichen der ‚clementia‘ zu verdanken war. Genau diese ostentative Läuterung, die seiner Regierung vorausging, verlieh seiner ‚clementia‘ ihre propagandistische Wirkungskraft und ihm selbst den Nimbus des ‚Mildtätigen‘. Erst als Produkt der moralischen Läuterung wird die ‚clementia‘ zum bewunderten Vorbild der Tugendhaftigkeit und zum allgemeinen Faszinosum. Auch Augustus, der seinen Aufstieg mit roher Gewalt und grausamen Mitteln erkämpft hatte, hat das Propagandamittel der ‚clementia‘ erst genutzt, als er keine Feinde mehr zu fürchten hatte. Davor wurde sein Handeln durch die Symbolfigur des Gottes Mars Ultor, des ‚Rächers’ bestimmt.230 Nur der Mächtige und Starke kann die ‚clementia‘ als Symbolhandlung für sich nutzen, denn nur er kann ausschließen, dass Akte der Begnadigung und sanftmütiges Verzeihen als Zeichen von Schwäche missdeutet werden. Hinter dem 74  Das Clemenza-Prinzip

Schleier der ‚clementia‘ muss stets das drohende Antlitz der Crudelitas hindurchschimmern, um die kaiserliche Milde massenwirksam strahlen zu lassen. Titus’ Ruhm als mildester und menschenfreundlichster Kaiser Roms ist sicherlich auch der Kürze seiner Herrschaft und seinem frühen Tod zu verdanken, so dass ein Rückgriff auf Mittel der Gewalt während seiner Regierungszeit nicht notwendig geworden ist. So pries schon Ausonius im 4. Jahrhundert Titus als „glücklich durch die Kürze seines Regiments („felix brevitate regendi“).231 Diese Gemeinsamkeit der kurzen Herrschaft und des frühen Todes verbindet Titus mit Leopold II. von Habsburg, den ‚Teutschen Titus’.

Die Clementia Austriaca und der Teutsche Titus Das antike Herrscherideal der ‚clementia‘ ist eng verknüpft mit der monarchischen Tradition der Habsburger und ihrer Herrschaftsethik, es ist ein fester Bestandteil des staatlichen Identitätsbildungsprozesses Österreichs seit dem Mittelalter und in seiner spezifischen Ausprägung als ‚clementia Austriaca‘ ein typisierendes Merkmal und unverwechselbares Charakteristikum der Habsburger Dynastie, wie auch des ihr eigenen Regierungsstils. In der schriftlichen Überlieferung findet sich immer wieder der Standardtopos der ‚innata clementia‘232 als die „angeborene österreichische Sanftmut und Clemenza“,233 die von Generation zu Generation vererbt wurde: „Auf wunderbare Weise nehmen sie mit der Muttermilch durch eine Art erbliche Übertragung die Milde in sich auf, die ihnen vom Kaiser Rudolf zufließt. Er war von so unglaublicher Milde und Leutseligkeit, daß er demütig Bittende immer schonte, Verzagte immer aufrichtete, und Verzeihung von Vergehen, wenn sie nur gesucht wurde, leicht gewährte“,234

heißt es bei Johann Adam (1668). Die so bezeichnete Vererbung eines monarchischen Tugendideals der Antike ist das Resultat einer darauf ausgerichteten Fürstenerziehung, wie sie in der literarischen Form der Fürstenspiegel zum Ausdruck kommt. Derartige ethisch-moralische Anleitungen zum Regierungshandeln gehen zurück auf Senecas Schrift De clementia, mit der er Nero einen Spiegel vorhalten wollte,235 in dem Die Clementia Austriaca und der Teutsche Titus  75

dieser als tugendhaft-gütiges Idealbild des antiken Kaisers erscheint. Doch die ‚clementia Austriaca‘ unterscheidet sich von ihrem römischen Vorbild durch ihre Vermischung mit christlichen Elementen. Die christlich verstandene Ausübung der Clemenza ist immer ein Akt der ‚imitatio dei‘, der Nachahmung eines Gnade gewährenden und verzeihenden Gottes. So strahlen schon die christlichen Kaiser der Spätantike im Licht der ‚clementia‘ und werden, wie Theodosius durch Cassiodor, wegen ihrer Milde und Güte gerühmt.236 Erst durch die Tugend der ‚Milde‘ erlangt der Herrscher die fürstliche Würde, worauf schon Kaiser Konstantin gemäß einer Legendensammlung des 13. Jahrhunderts hingewiesen haben soll: „Die kaiserliche Werdekeit zu mildekeit entspringet.“237 Und auch Friedrich I. Barbarossa hat im Zuge seiner Erneuerung des antiken Kaisergedankens in einem Schreiben an Erzbischof Eberhard von Salzburg die Notwendigkeit der Clemenza konstatiert: „Göttliche und menschliche Gesetze bezeugen, daß der Herrscher stets von größter Milde beherrscht sein muß.“238 Ebenso betont Widukind von Corvei, der Biograph Otto I. die kardinale Herrschertugend der Clemenza als wichtigsten Charakterzug Ottos des Großen; „Rex, ut erat clementissimus.“239 Immer wieder wurden in mittelalterlichen Edikten und Urkunden die ‚divina clementia‘ und die ‚clementia principis‘ im Zusammenhang genannt.240 Der Religiösität der Herrscher wurde in den Fürstenspiegeln des Mittelalters besondere Bedeutung beigemessen, so dass neben der ‚clementia‘ die ‚pietas‘ zur zentralen Herrschertugend der Habsburger Kaiser wurde.241 Der Clemenza-Topos wurde in den Schriften des Mittelalters bis zu den Fürstenspiegeln des Barock zur stehenden Formel des monarchischen Tugendkanons. Schon der Chronist König Albrechts I., Otacher ouz der Geul, setzt das Wort „Guet“ für ‚clementia‘ geradezu propagandistisch zum Lobe Albrechts ein.242 Und auch Leopold Stainreuther rühmt in seinem Elogium zu Albrecht: „und also hast du dy edelhait mit der senft der guetichait.“243 Schon im Mittelalter wird der Begriff der ‚clementia‘zum festen Bestandteil der Herrschertitulatur. Immer öfter lauten Anreden in Königsurkunden ‚clementia regni nostri‘244 fast schon formelhaft wird das Adjektiv ‚clementissimus‘ als schmückendes Beiwort verwendet. Für Veronika Pokorny, auf die sich der folgende Abschnitt hauptsächlich bezieht, beginnt das eigentliche Selbstverständnis der ‚clementia 76  Das Clemenza-Prinzip

Austriaca‘ bei Maximilian I. Er sei der erste gewesen, der selbst von der ganz besonderen Clemenza seines Hauses spricht.245 Dem Vorwurf seiner Räte, er handle viel zu mild, entgegnete er, „daß solche Tugent den Herren von Österreich angeboren“246 sei. So wird unter seiner Regierung mit dem Aufstieg Österreichs zur europäischen Macht auch die ‚clementia Austriaca‘ zum bewusst eingesetzten Propagandamittel der Habsburger und zum unverkennbaren Merkmal ihres Regierungsstils. Vor allem der Karl V. gewidmete Fürstenspiegel Institutio Principis Christiani des Erasmus von Rotterdam,247 der die Erziehung aller deutschen Habsburger des 16. und 17. Jahrhunderts tiefgreifend beeinflusst hat, trug zur Verfestigung des ‚clementia Austriaca‘-Bewusstseins beim österreichischen Fürsten- und Kaisernachwuchs bei. Das Werk ist auch ein glühender Appell, seine Affekte zu zügeln und sich stets in Selbstbeherrschung zu üben, unkontrollierte Gefühle der Rache und des Zorns zu dämpfen und zu unterdrücken. Erasmus forderte darin die „Verpflichtung des Fürsten zu höchster Milde und Sanftmut, wo doch im Allgemeinen die Grausamkeit die Begleiterin großer Machtfülle ist“,248 denn „Macht ohne Güte ist finstere Tyrannei“,249 „aber allein die Clementia macht aus dem Mann und dem König einen Gott“, ergänzt ein anderer Autor in seinem Fürstenspiegel von 1705.250 Auch die Schriften des Hofpredigers Karl V. Antonio de Guevara251 haben in besonderem Maße den Verinnerlichungsprozess des ClemenzaIdeals bei den Mitgliedern des Hauses Habsburg forciert und zur weiteren Verherrlichung der ‚clementia Austriaca‘ in der Barockzeit beigetragen. Immer wieder wird auch in allen folgenden Fürstenspiegeln bis ins beginnende 18. Jahrhundert hinein ausdrücklich der strategische Nutzwert der ‚clementia‘ hervorgehoben, denn nur durch sie gewinnt der Fürst Macht über die Herzen der Menschen und damit ihre Anhänglichkeit. Und ganz in Anlehnung an Seneca weist Thomas Winter in seiner an Leopold I. gerichteten Schrift darauf hin, dass die Milde ihn auch sicher mache, denn er werde ja geliebt und nicht gefürchtet.252 Tatsächlich wurde die Clemenza253 Leopold I. gepriesen, wie bei keinem anderen Habsburger vor ihm. Beim Regierungsantritt seines Sohnes Karl VI. wurde diesem von der Universität Wien eine Festschrift überreicht, in der ein Abschnitt die Überschrift trägt: „Die besondere Milde der österreichischen Fürsten und die sich daraus ergebende Liebe ihrer Völker.“254 Die Clementia Austriaca und der Teutsche Titus  77

Seine italienischen Untertanen huldigten nicht nur seiner Clemenza, sondern sie verbanden diese Eigenschaft Karl VI., dem ersten DeutschHabsburger (Wandruszka), mit dem römischen ‚renovatio‘-Mythos und dem Glauben an die Erneuerung des Römischen Reichs, indem sie ihn als ‚Caesare’ und als Nachfolger der römischen Imperatoren anerkannten und feierten.255 Bei Karl VI. wurde die Traditionslinie des Clemenza-Ideals zusammengeführt mit der alten Rom-Idee und der Imperatoren-Analogie, die bei ihm nun erstmals unmittelbar und ganz direkt zur Titus-Analogie ausgestaltet wurde und im Libretto von Metastasios Huldigungsoper La clemenza di Tito in der ‚licenza‘ seinen Höhepunkt erreicht. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wird nun zunehmend der Name des römischen Kaisers Titus als Synonym für den Clemenza-Begriff verwendet. Vor allem aber wird der Begriff jetzt in einem politisch sehr weit gefassten, programmatischen Sinn verstanden. In Anlehnung an das Vorbild des römischen Titus, der sich durch großzügige Schenkungen und Vergünstigungen um die Liebe seiner Untertanen bemühte, bildete das Clemenza-Prinzip bei Karl VI. die Grundlage einer geradezu humanistisch orientierten, friedfertigen und um Reformen bemühte Frühform der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Schon das mittelhochdeutsche Adjektiv ‚milte’, das in der Forderung an die Herrscher des Mittelalters „sit milte“ begegnete, bedeutet vor allem ‚freigiebig‘ und betont die Freigiebigkeit als ritterliche Standestugend.256 In dieser Denktradition wurzelt auch die spezifisch habsburgische Auslegung und Umsetzung des Clemenza-Ideals als allgemeines politisches Programm zur Förderung von Bildung, Wissenschaft, Kunst und Handel. Damit entspricht die ‚clementia Austriaca‘ zu Beginn des 18. Jahrhunderts weitgehend der aufkommenden Zeitströmung der Aufklärung und ihren humanistischen Ideen, durch die sie ihr geistiges Fundament erhält.

Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine Nicht in Österreich, sondern in Frankreich wird das Clemenza-Prinzip dramaturgisch umgesetzt und auf der Theaterbühne des aufkeimenden 78  Das Clemenza-Prinzip

Absolutismus exemplarisch zur Anschauung gebracht. Der Protagonist des von kaiserlicher Milde, von Liebe und Verschwörung, Gnade und Verzeihen, handelnden Bühnengeschehens ist zunächst nicht Titus, sondern Augustus. Pierre Corneille, der große Tragödiendichter der französischen Klassik, nimmt die aus Senecas De clementia257 bekannte und in Montaignes Essais (I, 24) nahezu wörtlich wiedergegebene Episode von der Milde, mit der Kaiser Augustus dem Verschwörer Cinna begegnet, der wiederum einen Mordanschlag auf den Kaiser geplant hatte, zur Grundlage seines nach dem Verräter benannten Theaterstücks, das 1624 im Pariser Marais-Theater uraufgeführt wurde. Der ursprünglich von Corneille vorgesehene Titel der Tragödie lautete: „Cinna ou la clémence d’Auguste“. Das Thema, der durch den Monarchen ausgeübten Clemenza, war im Frankreich des frühen 17. Jahrhunderts nicht nur in höfischen Kreisen durchaus aktuell und durch die Werke Senecas und Suetons allgemein bekannt. Schon vor Corneille fand die Clemenza-Thematik im Gewande der – aus der Antike überlieferten – Cinna-Legende den Weg auf die Theaterbühne. Sie geht auf die historische Figur des Gnaeus Cornelius Cinna Magnus – einen römischen Politiker unter Augustus – zurück, der wie bereits erwähnt im Bürgerkrieg 32–30 v. Chr., Oktavians Gegner war und 16–13 v. Chr. eine Verschwörung gegen ihn angezettelt hatte. Auch mehrere Theaterstücke anderer Autoren, wie Mairet, Scudéry und Du Ryer, behandeln zwischen 1635 und 1640 die, für den seinerzeit entstehenden, noch ungefestigten Absolutismus so bedeutsame Thematik von ‚Strafe‘ und ‚Gnade‘.258 Viele historische, philosophische und juristische Texte der Zeit nahmen direkt Bezug auf den ‚Gnadenakt des Augustus‘ und die Cinna-Legende.259 Das Theaterstück, welches die meisten Ähnlichkeiten mit Corneilles Cinna aufweist, ist Scudéry’s La mort de César, in dem die Dramatisierung des Clemenza-Konflikts theatralisch vorgezeichnet wird. Die Theatralisierung dieses Herrschaftsprinzips wird bei Corneille vervollkommnet, indem es mit den Leidenschaften und Affekten, wie Liebe und Hass, Rache und Vergebung, Verzicht und Pflicht, dramaturgisch verwoben und so zum Schauspiel lebendiger Menschen ausgestaltet wird, das wiederum bestimmte Einsichten und Verhaltenskonformitäten im Sinne der absolutistischen Monarchie erzeugen soll. Mehrere Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine  79

der genannten Theaterautoren haben ihre Stücke über Rebellion und Bestrafung, Tyrannenmord und Vergeltung, dem mächtigen Architekten des französischen Absolutismus Kardinal Richelieu gewidmet. In dem Widmungstext für sein Stück Horace werden die bedingungslose Indienstnahme des Tragödiendichters Corneille und die Instrumentalisierung des Theaters zum Zwecke der absolutistischen Herrschaftslegitimation besonders deutlich.260 Zur Durchsetzung und Festigung der absolutistischen Macht wurde es für Richelieu immer notwendiger, das staatliche Regime in einem sanfteren Licht erscheinen zu lassen und propagandistisch auch mit den Mitteln des Theaters gegenüber machiavellistischen Theoremen des gewaltsamen Machterhalts durch das Gegenmodell einer legitimen Herrschaft abzugrenzen. Der Legitimationsdruck, der auf dem immer noch instabilen Staatsgebäude Richelieu’scher Prägung lastete, ist in den 30er und 40er Jahren des 17. Jahrhunderts in Frankreich außerordentlich groß. Der politische Widerstand gegen die endgültige Festigung des Absolutismus fand sein Ventil in Rebellionen und Verschwörungen bis hin zu direkten Mordplänen gegen Kardinal Richelieu, wie dem des Duc de Vendôme.261 Sowohl die sogenannte ‚Conspiration des Dames‘ von 1626, als auch der Aufstand in der Normandie von 1639–40 inspirierten Corneille vermutlich bei der Auswahl des Cinna-Stoffes. Insbesondere zwischen den handelnden Personen der ‚Conspiration des Dames‘ und den Protagonisten des Cinna-Stückes sind einige Parallelen zu entdecken.262 Die dramaturgische Ausweitung der Cinna-Episode, wie Seneca sie geschildert hat, zu einer komplexen Tragödie, in der neben den beiden historischen Figuren fiktiv hinzugefügte Personen den Handlungsverlauf bestimmen, ist vermutlich durch die erwähnten politischen Ereignisse des damaligen Zeitgeschehens mit angeregt worden. Insbesondere der Umstand, dass in Abweichung vom antiken Stoff in Corneilles Theaterstück nicht mehr Cinna, also ein Mann, der Urheber des Mordanschlags auf Auguste und damit die eigentlich treibende Kraft der Tragödie ist, sondern nun eine von Eifersucht und Rachegefühlen beherrschte Frau der Hocharistokratie die Verschwörung in Gang setzt und forciert, indem sie den ihr in blinder Liebe verfallenen Cinna zum Erfüllungsgehilfen ihrer Mordpläne gegen Auguste macht, kann in Zusammenhang mit dem konkreten historischen Ereignis der ‚Conspiration des Dames‘ 80  Das Clemenza-Prinzip

von 1626 gesehen werden. So könnte Emilie ihr Vorbild in der einflussreichen Madame de Chevreuse haben,263 die den jungen Henri de Talleyrand, der ihr in Liebe und Bewunderung mehr oder weniger ausgeliefert war, gezielt zur Verschwörung gegen Richelieu anstiftete. Diese Intrigen-spinnende Paarung, durch die das Clemenza-Thema in den Bereich menschlicher Leidenschaften und Abgründe geführt wird, lebt in Racines Andromaque in den Figuren von Orest und Hermione, in Metastasios und Mazzolàs Tito mit Sesto und Vitellia fort. Entscheidend in dem Cinna-Stück ist aber nun, wie der Tyrann in der Auseinandersetzung mit den gewaltbereiten Verschwörern durch seine Wandlung zum milden Herrscher am Beispiel seiner Läuterung die absolutistische Macht legitimiert. Vor allem die Zur-Schau-Stellung eines Monarchen im inneren Kampf gegen seine Affekte von Gewalt und Rache, gegen die Versuchung, die todbringenden Mittel der Staatsmacht willkürlich einzusetzen sowie seines Sieges über sich selbst, zeigen auf offener Bühne einen souveränen Herrscher und Diener des neuzeitlichen Staates. Am Schluss des Stückes rühmt Auguste dann auch sich selbst: „Ich bin nicht Herr der Welt allein, Herr meiner selbst auch will ich sein. Gesagt sei von der Nachwelt und gesungen, wie ich den höchst gerechten Zorn bezwungen; durch Jahrhunderte die Kunde fliege, vom heutigen, dem größten meiner Siege.“264

In einer Apotheose der Clemenza265 gibt Auguste nach seinem Gnadenakt Cinna zum Beweis seiner Freundschaft sowohl ein Konsulamt sowie die Anstifterin der Verschwörung, Emilie, mit den Worten zur Frau: „Verdoppeln will ich jetzt die Gunst, die du verraten, erdrücken will ich dich mit meinen Liebestaten.“266

Und so fügen sich am Ende Cinna und Emilie in Reue und Einsicht in die gottgegebene Ordnung der absolutistischen Monarchie. Augustes Wandel vom ‚tyran d’usurpation‘ zum ‚légitime roy‘ bewirkt bei Cinna einen Läuterungsprozess, der ihn vom ‚revoltierenden Aristokraten‘ und ‚potentiellen Königsmörder‘ zum ‚getreuen Monarchisten‘ werden lässt.267 Mit diesem Akt der ‚Unterwerfung aus Einsicht‘, ausgelöst durch Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine  81

die Clemenza Auguste’s, mit dem Cinna die Macht des Monarchen als legitim und gottgegeben anerkennt und bestätigt, soll dem aufbegehrenden Adel, der in den Kämpfen der Fronde gerade noch seinen erbitterten Widerstand gezeigt hat, in einer Art theatralischem Appell, exemplarisch der Weg zur Aussöhnung mit der Krone und in die neue höfische Ordnung gewiesen werden. Noch ist zur Zeit Richelieus die weitgehende Entmachtung und Verhofung des Adels nicht vollzogen, aber Cinna zeigt am Ende des Stücks den Adligen ihre neue Rolle als Höfling, dessen Ruhm und Ansehen, dessen ‚gloire‘, nun ausschließlich von der Gunst des Monarchen bestimmt wird: „Von meiner Gunst nur stammt dein ganzes Glück, nur sie ist’s, die dich hebt und hält, nur sie, nicht dich verehrt die Welt, durch sie bist du geachtet und beliebt, du hast den hohen Rang, soweit ihn sie dir gibt; fehlt sie, so fällst du in dein Nichts zurück.“268

Mit diesen Worten Augustes zu Cinna entwirft Corneille das Idealbild des Verhältnisses zwischen absolutem Monarchen und gebändigtem Adel in der höfischen Gesellschaft. Mit den Mitteln des Theaters öffnete er die Perspektive auf den Soll-Zustand staatlicher Ordnung, wie er dann einige Jahrzehnte später unter Ludwig XIV. Realität wurde. Die Theatralisierung des Clemenza-Prinzips, wie es in Corneilles Cinna Anfang der 1640er Jahre im Sinne Richelieu’scher Propaganda Verbreitung fand, hatte für die Legitimierung und Verfestigung der absolutistischen Monarchie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Fast hundert Jahre später gewann Metastasio viele Anregungen aus Corneilles Cinna. H. Lühning weist darauf hin, dass bereits Voltaire und später dann H. J. Heller, Angelo Scuppa und Robert Moberly, die enge inhaltliche Verbindung zwischen Cinna und La clemenza di Tito festgestellt und bis in die Diktion hinein Entlehnungen nachgewiesen haben.269 H. J. Heller schreibt dazu 1884: „… man möchte fast annehmen, daß Metastasio das Buch von Corneille vor sich aufgeschlagen gehabt hat, um nicht nur den Inhalt des Auftritts wiederzugeben, nein, um auch seine Ausdrücke daraus entlehnen zu können.“270

82  Das Clemenza-Prinzip

So entspricht z. B. Szene 4 in Akt 3 bei Corneille, in der Cinna sich über die Härte und Rigorosität Emilies empört, dem 1. bis 4. Auftritt im 1. Akt von Metastasios Tito: „Eh bien! vous le voulez, il faut vous satisfaire, Il faut affranchir Rome, il faut venger un père, Il faut sur un tyran porter de justes coups; Mais apprenez qu’ Auguste est moins tyran que vous“271 „Wohlan, du sollst mit mir zufrieden sein; den Vater muß ich rächen, Rom befrei’n und den Tyrannen opfern dir dazu; doch wisse, daß er nicht so sehr Tyrann wie du.“272

Für Cinna ist Auguste in diesem Moment weniger ein Tyrann als Emilie, die mit der Macht ihrer Schönheit ihr inhumanes Reich regiert: „l’empire inhumain qu’ exercent vos beautés“.273

Emilies Macht der Schönheit betreffende Textpassage lautet in deutscher Übersetzung insgesamt: „Er kann uns, wenn er will, berauben und entrechten, die Seelen nur vermag er nicht zu knechten; der aber, mit der Schönheit Übermacht, hat, was er nie vermocht, zustand gebracht: Du zwingst mich zu begehen, was mich entehrt Und lehrst mich hassen, was mein Herz begehrt. Ein Blut muß ich vergießen, dessen Wache Zu sein mir meine Freundespflicht gebeut.“274

In Metastasios Libretto La clemenza di Tito nimmt Sesto die Stelle von Cinna und Vitellia die von Emilie ein. Dicht an der Vorlage lässt Metastasio seinen Tito ebenfalls die Macht der Schönheit beklagen, mit der Vitellia ihn regiert: „Un astro che governa il mio destino. (…) oh sovrumano Poter della Beltà! Voi che dal cielo Tal dono aveste, ah non prendete esempio Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine  83

Dalla Tiranna mia. Regnate, è giusto: Ma non così severo Ma non sia così duro il vostro impero.“275 „Mein Stern, mein Glück, und die regieret eben mich (…) Was schafft die Schönheit nicht vor unerhörte Plagen! Ihr, die der Himmel nun mit solcher Macht beschenckt, Folgt dieser, die mich plagt, nicht nach; vielmehr bedenckt, Ihr herrscht zwar über uns, und recht; doch seyd bescheiden, Herrscht, und regieret so, daß es nur zu erleiden.“276

Ergänzend dazu hat John A. Rice ebenfalls Parallelen zwischen dem Libretto Metastasios und Textstellen aus dem Stück Andromaque von Jean Racine, dem zweiten großen Tragödiendichter der französischen Klassik, benannt. Dort ist es Orest, der Hermione verfallen ist und sich von ihr zum Mord an Pyrrhus anstiften lässt: HERMIONE: „Revenez tout covert du sang de l’infidèle. Allez: en cet état soyez sûr de mon coeur“277 „Kehrt wieder, mit dem Blut des Treulosen bedeckt. Geht hin: so könnt Ihr meines Herzens sicher sein.“278

Ganz ähnlich das Versprechen, das Metastasios Vitellia Sesto gibt: VITELLIA: „(…) Eccola, corri, Mi vendica, e son tua. Ritorna asperso Di quel perfido sangue; e tu sarai La delizia, l’amore, La tenerezza mia“(1. Akt, 11. Sz.) „Sieh da, lauff räche mich an ihm so bin ich dein, Kommst du als denn zu mir mit Blut bespritzt zurücke, so bist du meine Lust, mein Leben, Heil und Glücke.“279

Doch anstatt nach Ausführung des Mordbefehls bei Orests Rückkehr ihr Versprechen bei ihm einzulösen, überhäuft Hermione ihn zu seiner völligen Überraschung mit Vorwürfen und Anklagen: 84  Das Clemenza-Prinzip

HERMIONE: „ Tais-toi, perfide, Et n’impute qu’à toi ton lâche parricide. Va faire chez tes Grecs admirer ta fureur, Va, je la désavoue, et tu me fais horreur. Barbare qu’as-tu fait? Avec quelle furie As-tu tranche le cours d’une si belle vie? Avez-vous pu, cruels, l’immoler aujourd’hui, Sans que tout votre sang se soulevât pour lui? Mais parle. De son sort qui t’a rendu l’arbitre? Pourquoi l’assassiner? Qu’a-t-il fait? À quel titre? Qui te l’a dit? OREST: O dieux! Quoi ne m’avez-vous pas Vous-même, ici, tantôt, ordonné son trépas? HERMIONE: Ah! fallait-il en croire une amante insensée? Ne devais-tu pas lire au fond de ma pensée? Et ne voyais-tu pas dans mes emportements, Que mon Coeur démentait ma bouche à tous moments?”280 (Andromaque, 5. Akt, 3. Sz.) HERMIONE: „ Verräter, schweig, schreib deinen feigen Königsmord einzig dir selber zu. Laß deine Griechen deine Greueltat bewundern, ich habe keinen Teil daran, du jagst mir Schauder ein. Was tatest du, Barbar! In welcher Raserei hast ein so schönes Leben du gemordet? Ihr Grausamen, wie konntet ihr ihn heute opfern, ohne für ihn im Innersten euch zu empören? Sprich: wer bestimmte dich zum Richter über sein Geschick? Warum ihn morden? Was hat er getan? Mit welchem Recht? OREST: „Ihr Götter, wie? Habt nicht Ihr selbst soeben hier sein Sterben mir befohlen?“

Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine  85

HERMIONE: „Was glaubtest du der Liebenden in ihrer Raserei? Hast du den Grund meiner Gedanken nicht erkannt? Und sahst du nicht bei allem meinem Toben, daß meinem Mund mein Herz beständig widersprach?“281

Wiederum ganz nah am Text der Tragödie Racines, empfängt Vitellia bei Metastasio in der gleichen, undankbaren und empörten Art Hermiones nun Sesto, als er die Nachricht vom vermeintlichen Tode Titos bringt: VITELLIA: „Verruchte Seele! Mir zu gefallen? Ach! Ein Abscheu bist du mir. Ist so ein Unthier wohl, wie du, noch auf der Erden? Wem ist dergleichen That wohl je zu Ohren kommen? Du hast der Welt, was ihr am liebsten war, genommen, Und Rom nimmst du, was es am aller höchsten schätzt. Wer hat sein Leben denn in deine Hand gesetzt? Und warum strafst du ihn? Was hat er gethan? Daß er dich innigst können lieben? Fürwahr! Er that auch unrecht dran; Doch kam es dir nicht zu die Strafe auszuüben.“ SEXTUS: „Allmächtige Götter! Wo bin ich? Vitellia Darff also reden? Und du warst es ja … VITELLIA: „Schweig nur Barbar, was dein Verbrechen ist. Das schiebe nicht auf mich. Wo lerntest du doch immer, Daß man der Raserey von einem Frauenzimmer, Das sich vor Zorn und Liebe selbst vergißt Noch pflege beyzustehn, und weiter auszuschweifen?“282 (La clemenza di Tito, 2. Akt, 6. Sz.)

Von Racine lernte Metastasio die Dramatisierung der Leidenschaften, denn wie Grimm sagte: „Racines Theater kennt nur ein Thema, die alles zerstörende Leidenschaft.“283 Während Corneilles Cinna trotz seiner Liebesleiden ein eher rational handelnder Charakter bleibt, ist Racines 86  Das Clemenza-Prinzip

Orest in seiner ungezügelten Liebe zu Hermione viel zu sehr seinen Gefühlen ausgeliefert, um noch rational handeln zu können.284 In Andromaque theatralisierte Racine hinter dem Schleier des antiken Mythos die Verirrung und Verwirrung der Gefühle adliger Personen nach ihrer Domestizierung am Versailler Hof Ludwig XIV. Corneilles Utopie des absolutistischen Staates war Wirklichkeit geworden, die Wirklichkeit der höfischen Gesellschaft eines entmachteten und domestizierten Adels, der Racine seine leidenden und scheiternden Protagonisten entnahm. Sie alle scheitern mit ihren Leidenschaften und Trieben an den rigiden Normen und Zwängen dieses unerbittlichen Herrschaftsgefüges der Versailler Hofgesellschaft, weil sie ihre Leidenschaften und Affekte nicht hinreichend kontrollieren können. Die Beschreibung des typischen Höflings durch einen Zeitgenossen, wie La Bruyère (1645– 1696), kann den fortwährenden Zwang zur Beherrschung seiner Gefühle und zur maskenhaften Selbststilisierung, der auf den am Hof unter ständiger gegenseitiger Beobachtung lebenden Menschen lastete, veranschaulichen: „Ein Mensch, der sich auf den Hofe versteht, ist Herr seiner Bewegungen, seiner Blicke, seiner Mienen; er ist undurchdringlich, unergründbar, er weiß schlimmem Tun einen angenehmen Schein zu geben, lächelt seinen Feinden zu, bezwingt seine Laune, verhehlt seine Leidenschaften, verleugnet sein Herz, spricht und handelt wider seine Gefühle.“285

Dass Orest Hermiones verborgene Gefühle nicht erkannt hat, macht sie ihm in der zitierten Szene nach der Bluttat aber gerade zum Vorwurf. „Was glaubtest du der Liebenden in ihrer Raserei? Hast du den Grund meiner Gedanken nicht erkannt?“ Doch nicht das Vordringen zum wahren Kern der Empfindungen, sondern allein die strategische Verstellung sichert das Überleben am Hof. Im dritten Akt von Andromaque werden die Hauptpersonen von ihren Vertrauten wiederholt aufgefordert, zu täuschen und sich zu verstellen: „dissimulez.“286 Das alles bestimmende Ideal der ‚honnêté‘ und die unbedingte Wahrung der ‚bienséance‘, der Schicklichkeit und Mäßigung, produzieren den ‚honnête homme‘, den anpassungsfähigen, entindividualisierten Höfling, der zum wohlfunktionierenden Rädchen in der absolutistischen Staatsmaschinerie mutiert.

Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine  87

Die Tatsache, dass Metastasio seine literarische Orientierung derart intensiv und direkt aus den klassizistischen Tragödien Racines und Corneilles bezieht, ist ein deutliches Bekenntnis nicht nur zum höfischen Theater des französischen Absolutismus, sondern zum absolutistischen Staat selbst. Für das Verständnis seines Librettos La clemenza di Tito, aber auch noch für die von Mazzolà überarbeitete Fassung, ist dieser innere Zusammenhang zwischen Theaterdichtung und tatsächlich gelebtem Staatstheater, wie er im Frankreich des 17. Jahrhunderts paradigmatisch vorgebildet wird, von entscheidender Bedeutung, denn es besteht eine Wechselbeziehung zwischen der höfischen Gesellschaftsstruktur mit ihren Werten, Normen und Idealen und der klassizistischen Dramenstruktur.287 Vieles von dem, was aus heutiger Sicht an der Oper La clemenza di Tito, auch bei der Neufassung Mazzolàs, in seiner strengen Form und in seiner undramatischen Kargheit so fremd und unverständlich erscheinen mag, erklärt sich durch die innere Verbindung zum französischen Klassizismus und zu der Tragödiendichtung eines Corneilles und Racines. Metastasios Libretto ist so eng verflochten mit den Struktureigentümlichkeiten der höfischen Gesellschaft und des absolutistischen Staates, dass ein Verständnis auch der Mozart-Oper La clemenza di Tito ohne Kenntnis dieser Struktureigentümlichkeiten kaum möglich ist. Das höfische Ideal der ‚bienséance’, dem sich die Höflinge in der räumlichen Zwangsgemeinschaft im Schloss durch ihre gemäßigten Umgangsformen, ihr schickliches Auftreten und ihre gedämpfte Art des Sprechens, vollständig unterwerfen, schlägt sich unmittelbar nieder in der ‚bienséance’ des Tragödien-Stils bei Racine, die den Protagonisten des klassizistischen Theaters ebenfalls ‚Mäßigung‘ in Sprache und Gestik auferlegte. Leo Spitzer charakterisierte den Stil Racines mit dem Terminus „klassische Dämpfung“,288 durch die auch auf der Bühne das ‚decorum‘, also die Einhaltung von Anstand und Schicklichkeit, gewahrt bleibt. Aus dieser direkten Verknüpfung mit den bei Racine im Regelwerk der Etikette erstarrten Formen der höfischen Lebenspraxis, erklärt sich auch das „Mindestmaß an Theatralik“ (Eder) und die Aktionsarmut seiner Tragödien. Die dramatische Situation wird ins Innere der Personen verlegt und die ganze Dramaturgie auf einen reinen Sprachprozess reduziert, „in dem sich das ganze Spektrum menschlichen Empfindens einzig in den Figuren der Rhetorik vermitteln kann.“289 Und auch die Forde88  Das Clemenza-Prinzip

rung der ‚doctrine classique‘ nach der Einheit von Ort, Zeit und Handlung im Sinne der aristotelischen Lehre, führt zu einer theatralischen Minimalisierung, die in ihrer vermeintlichen Sterilität unter Vernachlässigung ihrer historischen Entstehungsbedingungen schon Lessing als das „kahlste, wässrigste, untragischste Zeug“ erschien.290 Diese an griechischer Klarheit und Einfachheit ausgerichtete dramaturgische Grundhaltung eines ganz in die Versailler Hofgesellschaft integrierten Racine – ihm war es sogar gestattet am morgendlichen Lever des Königs teilzunehmen – bestimmte auch, teilweise bis in die Diktion hinein, das Werk des Hofpoeten Metastasio. Ähnliche kritische Stimmen zum Tito-Libretto Metastasios und der darauf basierenden Mazzolà/Mozart-Oper, wie Lessing sie über Racine äußerte, verkennen den Zusammenhang zwischen höfischer Rationalität und Klassizismus, den Norbert Elias so klar und prägnant hervorgehoben hat: „Jene Kunstgestaltung z. B., die wir ‚Klassizismus’ nennen, ist ein Ausdruck der gleichen Haltung. Die genaue, kühle und klare Durchgliederung des Aufbaus, die sorgfältige Berechnung der Wirkung und des Prestiges, Fehlen jedes unberechneten Zierats, jedes Spielraums für unbeherrschte Gefühlsentfaltung, das alles kehrt hier wieder. Ganz ähnliches gilt auch für das klassische französische Drama. Zunächst einmal ist es unmittelbares Element im gesellschaftlich-höfischen Leben, keine Feiertagsbeschäftigung. Die Zuschauer sitzen mit auf der Bühne, füllen Hintergrund und Seiten. Was man dann zwischen ihnen vorträgt, zeigt die gleiche Abgemessenheit, die gleiche Durchdachtheit des Aufbaus, die für das höfische Leben im Ganzen charakteristisch ist. Leidenschaften können stark sein; leidenschaftliche Ausbrüche sind verpönt. Nicht der Inhalt des Stückes ist es, auf den es in erster Linie ankommt, es handelt sich ja fast immer um längst bekannte Stoffe, sondern auf die Feinheit der Manier, in der die agierenden Menschen ihr Schicksal bewältigen, ihre Konflikte lösen, wie auch im Leben der für alle gehobenen Schichten maßgebenden höfischen Gesellschaft die Art und Weise, die Manier, in der der Mensch jeweils eine Situation bewältigt, immer von entscheidender Bedeutung war. Und entsprechend der weitgehenden Abschnürung der höfischen Gesellschaft von jeder Aktion, die sich nicht auch in Worten, nämlich als Konversation vollzog, finden sich auch hier im klassischen Drama Frankreichs, im Gegensatz zu dem englischen, nicht eigentlich Aktionen dargestellt, sondern Konversationen und Deklamationen über Aktionen, die sich selbst zumeist den Augen des Zuschauers entziehen.“291 Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips durch Corneille und Racine  89

Die Helden dieses ‚Theaters der Mäßigung und Selbstbeschränkung‘ mit seinen Verbalaktionen und seiner Leidenschaftsrhetorik (Matzat) sind nicht mehr die Heroen des Schwertadels, die ihre ‚gloire‘ im blutigen Kampf errangen, sondern der neue Heldentypus absolutistisch-höfischer Prägung erlangt seine ‚gloire‘ durch unblutige Siege über sich selbst und seine Affekte. Corneilles Auguste repräsentiert diesen neuen Typus und Metastasio modelliert seinen Tito nach diesem Vorbild. Er entlehnt nicht nur Szenen des inneren Kampfes Augustes dem Text aus Corneilles Cinna, sogar die letzten Worte Augustes legt er fast wortgetreu am Ende des 3. Aktes in den Schlussversen seinem Tito in den Mund: Corneille:

„Qu’Auguste a tout appris, et veut tout oublier“ „Von allem weiß Auguste, vergessen will er Alles.“ (Cinna, 5. Akt, 3.Sz.)292

Metastasio: „(…) Sia noto a Roma, Ch’ io son l’istesso, e ch’io Tutto so, tutti assolvo, e tutto obblio.“ „ Es wisse Rom indessen, Daß ich noch eben der, und daß ich alles weiß, Ich spreche alle loß und alles sey vergessen.“ (3. Akt, 13. Sz.)293

Metastasios ungeschriebener 1. Akt Für die Gestaltung des Tito-Bildes und die Charakterisierung der fiktiven Herrscherfigur in Metastasios Libretto waren zwei andere Tragödien von Corneille und Racine vielleicht noch einflussreicher und prägender als Cinna und Andromaque. Denn in Tite et Bérénice (Corneille) und in Bérénice (Racine) befassten sich beide Autoren konkret mit dem historischen Titus und seiner leidenschaftlichen Liebesbeziehung zu der 90  Das Clemenza-Prinzip

judäischen Königin Berenike, die Titus nach der Belagerung Jerusalems als dessen Geliebter nach Rom gefolgt war,294 wo sie einige Jahre sehr glücklich mit ihm im Kaiserpalast lebte und gesellschaftlich eine bedeutende Rolle spielte. Doch mit Titus’ Übernahme der Regierung im Jahre 79 n. Chr., die durch den überraschenden Tod seines Vaters Vespasian notwendig geworden war, wurde Titus’ Beziehung zu einer ausländischen Königin zum Gegenstand heftiger öffentlicher Kritik. Das römische Volk wehrte sich entschieden gegen eine judäische Königin an der Seite des römischen Kaisers. Aus Gründen der Staatsraison blieb Titus keine andere Wahl, als auf die Liebe zu der wesentlich älteren, aber außerordentlich schönen, Berenike zu verzichten und sie, laut Sueton, widerwillig aus Rom zu verweisen. „Diese Tat ist sehr berühmt in der Geschichte, und ich fand sie sehr geeignet für die Bühne, weil sie dort heftige Leidenschaften hervorrufen kann“295 schreibt Racine. Und so begegnen wir in seiner Liebestragödie Bérénice einem Titus voller Leidenschaft, der zwischen den politischen Ansprüchen, seiner Pflicht als römischer Kaiser und seiner tiefen Liebe zu Bérénice hin und her gerissen ist, um sich zum Schluss doch der Staatsraison zu beugen und nach quälender Selbstüberwindung im konfliktreich ausgehandelten Einverständnis mit Bérénice gemeinsam den Verzicht auf ihre Liebesbeziehung zu erklären. Bei Racine ist Titus der Protagonist eines Seelendramas, eines sog. ‚Qualdramas‘, wie Carl Steinweg es nennt,296 das einen von inneren Konflikten und Zweifeln geplagten Menschen zeigt, der angesichts des erzwungenen Liebesverzichts sogar an Selbstmord denkt: „Um all den Qualen, die ich fühle, zu entrinnen, gibt es, ihr wisst es, einen edleren Weg; … In meinem Jammer schrecke ich vor nichts zurück; ich kann Euch nicht verbürgen, ob nicht meine Hand vor Euren Augen die Unglücksstunde unseres Abschieds blutig endet… ein anderer Mut tut not, um dieses Band zu zerbrechen, zerstören kann es nur mein eigner Tod; ihm eile ich entgegen“297

antwortet Titus auf die Selbstmordrohung seiner Geliebten. Bei Racine erhält die Bühnengestalt des Titus die scharfen Konturen eines zur größten Leidenschaft fähigen Mannes und eines Liebenden im inneren Kampf zwischen den Ansprüchen der ‚raison d’état‘ und dem glühenden Verlangen der ‚amour-passion‘: Metastasios ungeschriebener 1. Akt  91

„Weh mir, welch einer Liebe heißt man mich entsagen … So hat der Kampf, durch den ich so viel Liebe schweigen ließ, mein Herz für mehr als einen Tag zerrissen. Ich liebte, folgte unbeirrt nur meiner Neigung; Ein anderer war bestimmt, die Welt zu lenken … … Kaum hatte mein Vater dann des Himmels Ruf ereilt, erkannte ich, in welchem Irrtum ich befangen war, Ich spürte, welche Last auf meinen Schultern ruhte; Ich sah, es galt, statt der Geliebten zu gehören, nunmehr mir selbst, Paulinus, zu entsagen; sah, dass der Götter Wahl, entgegen meiner Liebe, mein Leben fortan in den Dienst der ganzen Erde stellt.“298

Und kaum hat er der Pflicht gehorchend, seine endgültige Trennung von Bérénice verkündet, da überwältigen ihn erneut seine Gefühle: „Die stärksten Bande, die die Liebe kennt, der sanfte Tadel, Sehnsucht, die stets neu entflammt, Kunst, zu gefallen ohne Falsch, und immer neues Bangen, ja Schönheit, Ruhm und Tugend: all dies finde ich in ihr. Fünf Jahre schon seh ich sie jeden Tag Und glaube stets, ich sähe sie zum ersten Mal. Hilf mir, Paulinus, zur Besinnung, denn je mehr ich an sie denke, desto bedrohlicher beginnt mein grausamer Entschluß zu wanken, … Nein abermals! Ich darf nicht daran denken. Ich kenne meine Pflicht, und sie muss ich befolgen: Ich prüfe nicht, ob ich es überleben kann… Als Herr der Welt kann ich ihr Schicksal lenken; kann Könige ernennen, Könige entlassen, doch Herr des eigenen Herzens bin ich nicht.“299

Als Bérénice Titus kurz darauf begegnet erschrickt sie: „Seigneur, wie! Ihr seid Kaiser und ihr weint!“300

Worauf der leidende Titus klagend antwortet: „Ach, Rom, ach, Berenike, ach unglücklicher Fürst! Ach, warum bin ich Kaiser, warum liebe ich?301

Der mit ihrer Abreise endgültig vollzogene Abschied Bérénices markiert den Endpunkt einer früheren Entwicklungsphase im Leben des Titus und gleichzeitig kennzeichnet er seine Wandlung zum geläuterten Kai92  Das Clemenza-Prinzip

ser, der bis hin zum Liebesverzicht allen individuellen Ansprüchen entsagt hat, um so das Tugend- und Ordnungssystem des Staates und seine eigene kaiserliche ‚gloire‘ im Sinne von ‚honnêté‘ und ‚bienséance‘ wieder herzustellen.302 Genau an diesem dramatischen Schnittpunkt in der Persönlichkeitsentwicklung des Tito enden die beiden Bérénice-Tragödien von Corneille und Racine und es beginnt in direkter Anknüpfung an das vorausgegangene Handlungsgeschehen der 1. Akt von Metastasios La clemenza di Tito. „Der Schluß der Dramen Corneilles und Racines überlappt sich gewissermaßen – wenngleich nur hinter der Szene – mit dem Beginn von La Clemenza di Tito“303,

betont auch D. Borchmeyer ihre handlungsmäßige Fortsetzung in Metastasios Libretto. Davor hatten schon R. B. Moberly und John A. Rice auf die enge inhaltliche Verbindung des Metastasio-Librettos zu den Bérénice-Dramen und auf das offensichtliche Ineinandergreifen ihrer Handlungsstränge hingewiesen. Wie weit das Berenike-Thema in das Libretto Metastasios hinüberreicht, zeigt sich auch bei Corneilles Tite et Bérénice. Hier ist Bérénice schon abgereist und außer Landes, die Vorbereitung von Titus’ Hochzeit mit der ehrgeizigen Domitie sind in vollem Gange, da kehrt Bérénice überraschend zurück. Titus, der sie immer noch liebt, gerät erneut in innere Konflikte. Domitie, erfüllt von Hass und Eifersucht, schwört auf Rache und versucht Domitian zu einem Anschlag auf Titus zu überreden, falls die Hochzeit zustande kommen sollte. Ganz ähnlich gestaltet ist die Personenkonstellation bei Metastasio, dessen 1. Akt damit beginnt, dass Vitellia den um ihre Liebe werbenden Sesto ebenfalls aus Eifersucht auf Berenice und nicht aus machtpolitischen Gründen zur Verschwörung gegen Tito anzustacheln versucht, indem sie ihm zur Belohnung ihre Liebe verspricht. Im Rezitativ der 1. Szene zu Beginn des 1. Aktes eröffnet Vitellia den Dialog mit Vorwürfen gegenüber Sesto, in denen sie auf das Liebesverhältnis zwischen Berenice und Tito wütend eingeht: VITELLIA: „(…) doch meiner Rache bin ich ferner denn je. Wollt ihr denn warten, bis Titus Bérénice vor meinen Augen

Metastasios ungeschriebener 1. Akt  93

heiratet, blind vor Liebe, und zu sich auf den Thron hebt, der mir nur zusteht?“304

Sie drängt auf umgehende Durchführung der Verschwörung, um die befürchtete Hochzeit von Tito mit Berenice noch rechtzeitig zu verhindern. Und kurz danach fährt sie fort in ihrer Tirade aus Hass und Eifersucht: VITELLIA: „(…) Nach Rom ließ er von neuem Berenice nun kommen! Hätt er zumindest hier unter Romas Edlen, die meiner wert, die Gattin sich erkoren! Doch er holt die Barbarin! Und er zieht die Verbannte mir vor, der Fürstin!“ SEXTUS: „Du weißt, daß Berenice ohne sein Zutun kam.“ VITELLIA: „Ich soll so törichte Märchen glauben! Ich weiß von alter Liebe; Weiß von zärtlichen Tränen, als Berenice Kürzlich von Titus ging; weiß, wie er froh war, als sie jetzt wieder kam; ein jeder sieht es! Der Treulose verehrt sie.“ SEXTUS: „Oh, meine Fürstin, Eifersucht führt dich.“305

Dieser Berenice-Bezug zu Beginn der 1. Szene hat etwas von einer Initialzündung für die ganze Oper La clemenza di Tito. Das Rache- und Eifersuchtsmotiv setzt die Handlung in Gang und treibt sie voran. Tito und Berenice waren dem Publikum der Metastasio-Oper Anfang des 18. Jahrhunderts wohl bekannt, so als warte es auf die Fortsetzung der Liebesdramen, die Corneille und Racine für die höfische Bühne geschaffen hatten. Eigentlich hätte das Abschiedsdrama Racines den 1. Akt des 94  Das Clemenza-Prinzip

Metastasio-Librettos bilden müssen. Doch die aristotelische Forderung nach der dramaturgischen Einheit von Zeit, Ort und Handlung, schloss diese Möglichkeit, die Bérénice-Episode der Oper voranzustellen, von vornherein aus. Der Rückgriff auf vorangegangenes Handlungsgeschehen war nur in der Sprache möglich, wie sie im Dialog zwischen Vitellia und Sesto in der 1. Szene praktiziert wird. Ihre wenigen Verse im Eingangsrezitativ der Oper genügten völlig, um beim zeitgenössischen Publikum die gespeicherten Vorkenntnisse über den historischen und literarischen Tito sowie die für das Verständnis seiner Person so wichtige Liebesbeziehung zu Berenice, wie sie seinerzeit den Zuschauern durch das höfische Theater, die Literatur und die Salonkultur vermittelt wurden, jederzeit aus dem Gedächtnis abzurufen. Metastasios ungeschriebener 1. Akt von La clemenza di Tito befand sich in den Köpfen seines Publikums. Der Tito dieser Vorgeschichte, zusammengesetzt aus den assoziativen Splittern historischer Fakten, literarischer Fiktionen und höfisch-absolutistischer Legitimationsinteressen als Grundlage theatralischer Figurenzeichnung, war dem aristokratischen Publikum stets gegenwärtig. Metastasios ungeschriebener 1. Akt konnte in gewisser Weise mit Beginn seiner Oper bei jeder Vorstellung schon als aufgeführt gelten.

Eine verdeckte Botschaft? Die Liebe Titus’ zu Berenike entfachte nicht nur Vitellias Eifersucht, sondern sie gefährdete gleichzeitig auch die Realisierung ihres machtpolitischen Ziels, neben ihm als seine Ehefrau den Thron zu besteigen und Kaiserin zu werden. Als Tochter des römischen Kaisers Vitellius, der 69 v. Chr. von Titus’ Vater Vespasian gestürzt und durch dessen Gefolgsleute auf grausame Weise gefoltert und dann ermordet worden war,306 hätte sie durch die Heirat zumindest einen Teil der ihrer Familie geraubten Macht wieder erlangt und die ihr angemessene Position im römischen Staat eingenommen. Weil ihr vermeintlicher Anspruch auf Wiedergutmachung durch ein Leben an der Seite des römischen Kaisers an dessen Liebe zu Berenike zu scheitern drohte, inszenierte Vitellia die Verschwörung und den Eine verdeckte Botschaft?  95

Mordkomplott gegen Titus. Den ihr in Liebe verfallenen und ihr hörigen Sextus, einem engen Freund und Vertrauten des Kaisers, benutzt sie zur Durchführung ihrer Rachepläne. Hier zeigen sich gewisse Parallelen zu aktuellen politischen Problemstellungen der Regierung Karl VI. Auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem antiken Titus-Stoff und den tatsächlichen politischen Verhältnissen zur Zeit der Entstehung des Librettos am Hof Karl VI. hat Adam Kirkpatrick307 in seinen bedenkenswerten und nicht von der Hand zu weisenden Ausführungen seinen Blick gerichtet. Demnach finden Metastasios allegorische Gestalten Vitellia und Sesto ihre reale Entsprechung in Maria Amalia von Österreich und ihrem Mann Karl Albrecht von Bayern. Maria Amalia und Vitellia waren beide Töchter eines Kaisers, dessen Familien um den Erbanspruch auf den Thron betrogen worden sind. Karl VI., der von seinem Bruder Joseph I. nach dessen Tod die habsburgische Herrschaft und die Kaiserkrone übernommen hatte, war ohne männliche Nachkommen geblieben. Um die Krone Habsburgs dennoch in der Erbfolge seiner Familie sichern zu können, forderte er von seiner Nichte Maria Amalia und ihrem Bräutigam Karl Albrecht bei ihrer Heirat, auf jegliche Erbansprüche auf den Habsburger Thron zu verzichten, indem sie die von ihm schon kurz nach seinem Amtsantritt neu festgelegte Erbfolgeordnung durch Unterzeichnung der sogenannten ‚Pragmatischen Sanktion‘ vom 19.4.1713 anerkannten. Danach sollte nun, weil es keinen männlichen Nachkommen gab, die Habsburger Krone an seine Tochter Maria Theresia und ihre Nachkommen vererbt werden, um damit vor allem eine Teilung des Reiches infolge von Erbstreitigkeiten zu vermeiden. Doch der Wittelsbacher Karl Albrecht erkannte die ‚Pragmatische Sanktion‘ nicht an.308 Er versuchte seinerseits Erbansprüche auf Böhmen, Oberösterreich und Tirol sowie die Kandidatur für die Kaiserwahl aus alten wittelsbachisch-habsburgischen Verwandtschaftsverträgen, die auf Ferdinand I. zurückgingen, abzuleiten. Karl VI. musste also für die Zeit nach seinem Tod mit heftigen Erbauseinandersetzungen rechnen, die Maria Amalia und Karl Albrecht gegen seine Tochter Maria Theresia anzetteln würden, um sie vom Thron zu vertreiben und selbst die Herrschaft zu übernehmen, was ihnen dann später auch kurzzeitig gelingen sollte. In ganz Europa warb Karl VI. um die Zustimmung der Verbündeten zur Nachfolge Maria Theresias auf seinen Thron. Wie ernst er eine 96  Das Clemenza-Prinzip

mögliche Anfechtung der neuen Erbfolgeregelung zugunsten seiner Tochter nahm, wird dadurch bezeugt, dass er sich zur Entstehungszeit der für ihn bestimmten Tito-Oper als Gegenleistung für seine militärische Unterstützung im polnischen Erbfolgekrieg, von August III. die Anerkennung der ‚Pragmatischen Sanktion‘ garantieren ließ. Die Absicherung der Sanktion gegenüber einem Komplott des potentiellen Verschwörerpaares aus Bayern war um 1733/34 eines seiner wichtigsten Anliegen. Wie recht er mit seiner Sorge um die neu bestimmte Erbfolge hatte, beweisen die nach seinem Tod 1740 tatsächlich über Europa hereingebrochenen habsburgischen Erbfolgekriege, aus denen dann, nach einem kurzen Intermezzo Karl Albrechts als Kaiser und Maria Amalias als Kaiserin, letztlich aber doch Maria Theresia erfolgreich hervorging. Vor dem Hintergrund dieses von Karl VI. schon früh antizipierten Bedrohungsszenarios muss, so Kirkpatrick, die Entstehung und politisch-aktuelle Zweckbestimmung von Metastasios Tito-Libretto gesehen und verstanden werden. Im Theater und der Oper des Barock war es durchaus üblich, direkte Bezüge zwischen dem weit in die Historie zurückreichendem Bühnengeschehen und den tatsächlich stattfindenden politischen Ereignissen sowie mit ihren handlungsbestimmenden Personen der historischen Wirklichkeit herzustellen. Das höfische Publikum war nicht nur daran gewöhnt, aktuelle Vorgänge und Geschichten des politischen und höfischen Alltags hinter dem Schleier der antiken Mythologie und den Masken der Protagonisten in ihrer Doppeldeutigkeit zu erkennen, sondern es liebte geradezu dieses Spiel mit den verschiedenen Bedeutungsebenen und das Entziffern der theatralischen Camouflage. Schon Richelieu hatte, wie bereits dargelegt, das Corneill’sche Theater propagandistisch gegen die Fronde zur mahnenden Belehrung und verdeckten Disziplinierung des Adels planvoll eingesetzt. Und auch für die beiden Bérénice-Stücke von Corneille und Racine lassen sich teilweise Entsprechungen in der zeitgenössischen Wirklichkeit finden. Dem höfischen Publikum war völlig klar, dass mit der Liebesbeziehung zwischen Tito und Berenice auf der zweiten Bedeutungsebene gleichzeitig auf die innige Romanze Ludwig XIV. mit Maria Mancini, einer Nichte Mazarins, angespielt wurde, die der König, wie Tito, aus Gründen der Staatsraison beenden musste.309

Eine verdeckte Botschaft?  97

Dieses Changieren zwischen dem historisch-mythologischen Handlungsrahmen und dem höfisch-politischen Geschehen der aktuellen Gegenwart, dieser ständige Wechsel zwischen den Bedeutungsebenen, ist geradezu ein Charakteristikum des Theaters im 17. und 18. Jahrhundert. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen waren durchaus beabsichtigt. Mit dem bewussten Einbeziehen von Ereignissen und Personen der zeitgenössischen, insbesondere höfischen Wirklichkeit, befand sich Metastasio ganz in der Denktradition seines großen Lehrers, Mentors und Adoptivvaters Giovanni Vincenzo Gravina, dem Vorsitzenden der einflussreichen ‚Accademia dell’Arcadia‘. Gravina forderte geradezu die Verknüpfung von Elementen des aktuellen gesellschaftlichen und politischen Zeitgeschehens mit dem Inhalt und dem Handlungsverlauf des Opern-Librettos. Zwar sollten die gemeinten Regierungen, Magistrate, Prinzen und andere hochstehende Personen für das Publikum erkennbar sein, aber nur unter anderem Namen.310 „So verfremdet auch die aus ferner Geschichte und ihrer Interpretation hergeholten Themen anmuten mögen, so stark spielen sie den Doppelsinn an, der dem Auditorium vertraut ist.“311

Schon bei seinen Frühwerken musste Metastasio diese gewollte und vom Publikum geradezu erwartete Doppeldeutigkeit bei der poetischen Ausgestaltung antiker Stoffe zu einem Opern-Libretto berücksichtigen und sich an konkreten Personen und Ereignissen des aktuellen politischen Zeitgeschehens orientieren. So stellten die Hauptfiguren seiner Oper Ezio, der Herrscher Valentiano III. und sein Gegenspieler Massimo eine genaue dramaturgische Porträtierung und Charakterisierung des seinerzeit in Rom herrschenden Papstes Benedikt XIII. und des von Machtgier getriebenen Kardinals Niccolò Coscia dar, der als enger Vertrauter des Papstes hinter seinem Rücken insgeheim versuchte, die Gunst Karl VI. zu erlangen. 312 Insbesondere bei seiner 1728 in Rom und 1729 in der Republik Venedig aufgeführten Oper Catone in Utica war die Wiederspiegelung der historisch-politischen Wirklichkeit in den Gewändern und Kulissen des antiken Handlungsrahmens von großer Bedeutung. Diana Blichmann hat in ihrer vor kurzem erschienenen Untersuchung dargelegt, wie sich die unterschiedlichen Staatssysteme der Aufführungsorte des monarchisch regierten Rom und des republikanischen Venedigs auf die Lib98  Das Clemenza-Prinzip

rettobearbeitung und die Art der Vertonung ausgewirkt hat, was sich insbesondere bei den drastischen, für die Parallelaufführungen in Rom und Venedig vorgenommenen Umgestaltungen an Text und Musik des Artaserse zeigte. In der Fassung für Venedig entsprachen die im Gegensatz zur römischen Darstellung herausgearbeiteten Charaktereigenschaften von Selbstzweifel und Entscheidungsschwäche des Artaserse, wie D. Blichmann ausführt, den realen Charaktermerkmalen Karl VI., den sein auf der Bühne entgegengehaltenes Spiegelbild auffordern sollte, seinen Regierungsstil zu optimieren. Stets musste Metastasio bei der Bearbeitung seiner Libretti eine zweite Deutungsebene mit unmittelbarem Zeitbezug offen halten, auf welcher Personen und Vorgänge des aktuellen politischen Alltags musikdramaturgisch erkennbare Kontur erhielten. Es wäre also durchaus plausibel gewesen, dass Karl VI. den Anlass seines Namenstages im Jahre 1734 dafür nutzen wollte, mit dem Medium der Oper in die höfische Festgesellschaft hinein zu kommunizieren, zu der höchstwahrscheinlich auch Maria Amalia und Karl Albrecht von Bayern gehörten. Für die Zuschauer war die Bühnengestalt des römischen Kaisers Titus ganz ohne Zweifel der „nicht nur im Brennpunkt der Bühnenperspektive, sondern auch in jenem des Zuschauerraumes“ sitzende Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Karl VI.313 Durch seine zentrale Verortung im Raum wurde die ganze Wucht seiner alles überstrahlenden Bedeutung symbolträchtig hervorgehoben, „so daß höfisches Zeremoniell und das Geschehen auf der Bühne aus verschiedenen Perspektiven gleichsam gespiegelt wurden, wobei der Orchestergraben zur Spiegelachse zwischen höfischer Gesellschaft und Bühne, zwischen Realität und Imagination wurde.“314

Auch bei allen anderen Opern, die Metastasio zur Feier des Namenstages von Karl VI. verfasst hatte, war der Titelheld, wie H. Lühning feststellt, bis auf Demetrio, immer eine männliche, bedeutende historische Persönlichkeit, die sich zur Erhöhung und Huldigung eines habsburgischen Kaisers eignete. Dagegen hatten alle anderen Opern Metastasios, die er anlässlich höfischer Feste geschrieben hat, weniger staatstragenden, meist mythologischen Inhalt, der sich um Intrigen rankte und nicht die höchste Sphäre der Macht betraf. Mit der ganzen Bedeutungsschwere einer Namenstagsoper, die rangmäßig nur noch von einer KröEine verdeckte Botschaft?  99

nungsoper übertroffen werden konnte, konnte Karl VI. durch das Libretto Metastasios zum Adel und, was ihm an diesem Tag vermutlich noch wichtiger war, unmittelbar zu Karl Albrecht und Maria Amalia sprechen. An diesem Tag der Uraufführung dominierte nicht der Unterhaltungswert, sondern der Nachrichtencharakter der dramatischen Elemente. Neben den allgemeinen Eigenschaften einer barocken Huldigungsoper, die jeden bedeutenden Fürsten zum Tito machen können, was auch über die Grenzen hinweg den Erfolg dieses Opern-Librettos in seinen unterschiedlichsten Vertonungen im 18. Jahrhundert ausmacht, rückte hier eine noch tiefere, viel konkretere Bedeutungsschicht des Librettos in den Vordergrund. Die Oper La clemenza di Tito war, folgt man den Überlegungen Kirkpatricks weiter, ein deutlicher Appell Karl VI. an das potentielle Verschwörerpaar, sein Vorhaben noch rechtzeitig aufzugeben. Aber es ging ihm vermutlich auch darum, das Bild dieses Paares beim adligen Publikum in seinem Sinne zu zeichnen. Für die These, dass Metastasio als Hofpoet Karl VI. in dessen Auftrag die Um- und Neugestaltung des historischen Titus-Stoffes zum Zwecke der gegen Karl Albrecht und Maria Amalia gerichteten Propaganda konzipiert hat, spricht, dass sowohl das Thema der Verschwörung als auch das Verschwörerpaar Sesto und Vitellia in Abweichung von der überlieferten Titus-Legende im Libretto erstmals als reine Erfindung seines Dichters in Erscheinung tritt.315 In Metastasios Opern-Libretto bildet die Verschwörung gegen Tito den zentralen handlungsbestimmenden Konflikt vor welchem, im wohlinszenierten Kontrast dazu, das alles dominierende Gegenbild seiner Clemenza hervorstechen kann. Für Karl VI. stellte die befürchtete reale Verschwörung und die damit verbundene Gefährdung der ‚Pragmatischen Sanktion‘ die zentrale Aufgabe und Herausforderung seines politischen Handelns dar, denn nur durch die Sicherung der Erbfolge war die Einheit des Habsburger Reiches zu bewahren. Vieles deutet darauf hin, dass angesichts der akuten Bedrohung aus Bayern, die Idee, das Verschwörungsthema zum Kernstück der Oper zu machen, von Karl VI. selbst stammte und er es Metastasio mit dem Auftrag zur dramaturgischen Gestaltung im Sinne seiner propagandistischen Zielsetzungen vorgegeben hat. Obwohl die Oper offiziell von der Königin Elisabeth zum Namenstag ihres Mannes bei Metastasio in Auftrag 100  Das Clemenza-Prinzip

gegeben wurde, ist eine direkte Einflussnahme Karl VI. auf die inhaltliche Bestimmung des Librettos und eine persönliche Abstimmung darüber mit seinem überaus loyalen Hofpoeten sehr wahrscheinlich. Hingegen ist die Möglichkeit, dass Metastasio von sich aus das Thema der Verschwörung aufgegriffen und nach eigenem Belieben ins Zentrum des Handlungsgeschehens seiner Oper gerückt habe, bei einem Auftragswerk zum Namenstag des Kaisers und der damit verbundenen politischen Bedeutung auch angesichts des geladenen Publikums weitgehend auszuschließen. Dies konnte er nur mit Billigung oder auf Anweisung des Kaisers tun. Schon die Wahl des Titus-Stoffes kam einem politischen Akt gleich. In der Reihe der für den Namenstag des Kaisers geschriebenen Libretti sticht La clemenza di Tito als eine Art Sonderfall hervor. Nur hier ist der Titelheld ganz unmissverständlich Karl VI. selbst, hat die dargestellte Herrschergestalt einen eindeutigen ‚Porträtcharakter‘.316 Als ‚poeta laureatus‘ und ‚poeta cesareo‘ gehörte es zu den wichtigsten Aufgaben Metastasios, dem Publikum auf der Bühne mit panegyrischem Huldigungspathos ein gottähnliches politisches Idealbild seines Kaisers wirkungsvoll vor Augen zu führen. Metastasio hatte die Rolle des kaiserlichen Panegyrikers so sehr verinnerlicht, dass er sogar in seinen privaten Briefen Karl VI. mehrfach auf die Stufe des größten aller römischen Kaiser hob, indem er in seiner bei Burney in englischer Sprache abgedruckten Korrespondenz mehrfach die Begriffe „caesarean“, „August“ oder „august patron“ verwendete und von der „Caesarian Clemency“ spricht. Über seine erste Begegnung mit Karl VI. im Juli 1730 berichtet er voll Ehrfurcht, wie ihn der Mut verlassen habe, als ihm klar wurde, dass er sich in der Gegenwart der größten Persönlichkeit auf Erden befand.317 Sein Niederknien auf ein Knie vor dem Kaiser mag eine Demutsgeste gewesen sein, die sein fast schon unterwürfiges Verhältnis zu seinem Dienstherrn symbolisiert. Aber dieses Nah- und Treueverhältnis, das zwischen Karl VI. und Metastasio bestand, war die beste Voraussetzung dafür, dass seine Arbeiten als Hofpoet stets den kaiserlichen Erwartungen entsprachen und von tiefem Verständnis für dessen politisch-philosophische Anliegen und propagandistische Interessen und Ziele zeugte. Auch Maria Theresia, der er viele Stücke für den Karneval und ihre Hochzeit verfasst hatte, schätzte ihn wie bereits erwähnt sehr. Im Jahre 1733 band Karl VI. ihn durch ein ganz besonderes Geschenk höchster Eine verdeckte Botschaft?  101

Dankbarkeit und Ehrerbietung an sich, indem er ihm ein politisches Amt auf Lebenszeit verlieh. Er machte Metastasio zum Schatzmeister der Provinz Cosenza im Königreich Neapel. Für Metastasio, der von niederer Herkunft und aus den aristokratischen Kreisen in Wien weitgehend ausgeschlossen war, bedeutete diese Statuserhöhung durch die Verleihung eines politischen Amtes einen Vertrauensbeweis ersten Ranges, der ihn zutiefst beeindruckt hat: „May years unnumbered be added to the life of my most August Patron! Who yesterday published in my favour, a truly Caesarean decree in the supreme council of Spain, by which I am invested with the office of Treasurer of the province of Cosenza ….It was publicly declared at Imperial table, to one of the members of the council, As a reward for my past and present labours; and his Imperial Majesty was pleased to add, that he had unsolicited, mentioned this appointment in council, as my just due“,318

schrieb er voller Stolz an seine Gönnerin und engste Vertraute Romanina nach Rom. Die zeitliche Nähe dieser hohen Auszeichnung durch den Kaiser zur Entstehung des Tito-Librettos hat Metastasios Loyalitätsbewusstsein und die politisch-weltanschauliche Übereinstimmung mit seinem Herrn vermutlich noch derart verstärkt, dass einer von Anfang an geplanten Instrumentalisierung der Oper zum Zwecke der Propaganda und zur direkten Einflussnahme auf die Vertreter des hohen Adels sowie auf Karl Albrecht und Maria Amalia, sein ganzes dramaturgischliterarisches Potential uneingeschränkt zur Verfügung stand. Es ging insgesamt um die Legitimierung der ‚Pragmatischen Sanktion‘ und die Zustimmung des Adels und seiner Entscheidungsträger zur Nachfolge Maria Theresias auf den Thron ihres Vaters mithilfe der dramaturgischen und musikalischen Mittel der Oper, einem der wichtigsten politischen Kommunikationsmedien der damaligen Zeit. Das Legitimationsbedürfnis für die Durchsetzung der veränderten Erbfolge wäre demnach der eigentliche Grund für die Auswahl des Titus-Stoffes und die inhaltliche Ausrichtung der Oper gewesen. Kein anderer Theater- oder Opernstoff hätte sich besser dafür geeignet, Karl VI. das Image eines aufgeklärten, milden und weisen, nur um das Wohl seines Volkes bemühten, gottähnlichen Monarchen zu verleihen. Schon in der 5. Szene des 1. Aktes lässt Metastasio den Imperator Tito durch Annio, den Freund Sestos, mit preisenden Worten zum Gott erheben: 102  Das Clemenza-Prinzip

ANNIO: „Nè Padre sol, ma sei Suo Nume tutelar. Più che mortale Giacchè altrui ti dimostri, a’voti altrui Comincia ad avvezzarti. Eccelso tempio Ti destina il Senato. E là si vuole Che fra divini onori Anche il Nume di Tito il Tebro adori.“ ANNIUS: „Und Vater nicht allein, du sollst auch wissen, Daß du sein Schutz-Gott bist. Man will dich etwas mehr, als sterblich, nennen, weil deine Gütigkeit fast alle Menschen kennen. Es will der Rath zugleich dir einen Tempel weyhn, Da Titus als ein Gott der Erde Von Rom wird angebetet seyn.“319

Doch so sehr die Glorifizierung des Monarchen im Vordergrund stand, so wichtig war andererseits im deutlichen Kontrast dazu die Herabsetzung und Demaskierung des mutmaßlichen Verschwörerpaares. Zwar war Karl Albrecht nicht, wie Sesto, ein enger Freund und Vertrauter Karl VI., aber immerhin hatte er als einer der Wahlmänner bei der Kaiserwahl für ihn gestimmt.320 Außerdem hatte er seine Nichte geheiratet und gehörte damit gewissermaßen zur Familie. Insofern wurden durch die Bühnengestalt Sesto sein bevorstehender Verrat und sein usurpatorisches Vorhaben dem Publikum deutlich offenbart. Für Kirkpatrick verbarg sich hinter der Clemenza di Tito auch die an Karl Albrecht und seine Frau gerichtete Botschaft, bei Aufgabe ihrer Intrige und einem Verzicht auf die geplante Anfechtung der neuen Erbfolge erwarte sie nicht Strafe oder Feindseligkeit, sondern Milde und Verzeihen. Selbst wenn von diesem – auf konkrete historische Konflikte bezogenen – Entstehungsmodell des Metastasio-Librettos nur ein Teil den Tatsachen entspräche, Anderes reine Vermutung wäre, so bliebe die politische Funktion dieser Oper dennoch essentiell.

Eine verdeckte Botschaft?  103

DAS URSPRUNGSLIBRETTO

1. Akt Metastasio hat das Libretto für sein Dramma per musica La clemenza di Tito streng nach den Regeln der Opera seria verfasst, wie sie vor allem von seinem Vorgänger im Amt des Wiener Hofpoeten Apostolo Zeno, zu Beginn des 18. Jahrhunderts in einer ersten Opernreformen entwickelt, von Metastasio selbst vertieft und systematisiert worden sind. In enger Anlehnung an die Tragödie der französischen Klassik wurde dem bunten Spektakel der italienischen Oper, wie sie Ende des 17. Jahrhunderts mit ihrer teilweise wahllosen Aneinanderreihung komischer und ernster, mythologisch-phantastischer und historisch-realistischer Szenen allgemeine Praxis war, ein dramaturgisches Modell entgegengesetzt, das insgesamt auf eine Vereinheitlichung und Straffung des Handlungsablaufs, die Reduzierung der Personenzahl auf sechs, maximal sieben Darsteller sowie den rigorosen Ausschluss aller komödiantischen, unernsten Elemente abzielte und so den neuen Typus des durch und durch ernsten, erst später als Opera seria bezeichneten Typus Dramma per musica hervorbrachte.321 Mit der Eliminierung jeglicher komischer Elemente sind auch die dazugehörigen buffoesken Figuren niederen Standes, wie Diener und Knechte, Mägde, Schreiber und Notare, nahezu vollständig aus dem Bühnengeschehen der Opera seria verbannt worden. Ganz den Regeln der Tragédie classique folgend, entstammen im metastasianischen Dramma per musica die Figuren fast ausschließlich dem Hochadel.322 Die ranghöchste Position in der Seria-typischen Rollenhierarchie nimmt immer ein Herrscher ein, hier der römische Imperator Tito, grundsätzlich dargestellt durch einen Tenor. Zwischen ihm und einem Protagonistenpaar, dem sogenannten ‚Primarierpaar‘, bestehend aus einem ‚primo uomo‘, meist einem Sopran-Kastraten, und einer ‚prima donna‘ sowie einem hierarchisch darunter stehenden Sekundarierpaar mit dem ‚secondo uomo‘ und der ‚seconda donna‘, entwickelt sich die gesamte Dramaturgie des Handlungsablaufs. 104  Das Ursprungslibretto

Sesto bzw. Sextus, ein Patrizier und enger Freund Titos, bildet zusammen mit Vitellia, der Tochter des von Titos Vater Vespasian gestürzten Kaisers Vitellius,323 dem Besetzungschema der Seria entsprechend das Primarierpaar, während Sestos Schwester Servilia gemeinsam mit ihrem Geliebten Annio, einem engen Freund Sestos und Vertrauten Titos, den Part des Sekundarierpaares übernehmen. Die sechste Person ist als ‚ultima parte’ (letzte Stimme) meist ein Vertrauter, ein ‚fidente‘ des Herrschers aus dem königlichen Hofstaat. Hier ist es der Praetorianerpräfekt Publio, der Tito bei der Erledigung der Amtsgeschäfte zur Seite steht, den Kontakt zum Senat hält und somit die staatliche Ordnung repräsentiert, von der Stimmlage her ganz regelkonform ein Bass. In dem Spannungsgefüge dieser hierarchisch geordneten Personenkonstellation entwickelt sich die von den Protagonisten getragene Haupthandlung mit den ihr untergeordneten Nebenhandlungen zu einem in drei Akte gegliederten Drama mit Exposition, Verwicklung, Peripetie (Wende) und Lösung des dramatischen Konflikts.324 Diese dreiaktige, am französischen Vorbild orientierte Dramenstruktur des metastasianischen Seria-Typus bestimmt nun selbstverständlich auch die gesamte Libretto-Architektur der Clemenza di Tito: „Zerlegung der Handlung in je für sich stehende Szenen mit genau geregelten Auftritten und Abgängen, monologisch oder dialogisch-diskursive Zuspitzung der szenischen Situation im Rezitativ, Zusammenfassung der Situation in einer Arie, die formal Abgangsarie ist und inhaltlich ebenfalls streng typisiert wird: als Affekt-Arie, Sentenz-Arie oder Gleichnis-Arie.“325

All dies finden wir im Libretto dieses Dramma per musica. 1. Szene

Die drei Akte sind in sieben verschiedene Bühnenbilder unterteilt, die nacheinander zwischen mehr intimen Bereichen, wie Privatgemächern, und öffentlichen Plätzen hin und her wechseln. Der 1. Akt ist in drei Bilder und dreizehn Szenen oder Auftritte gegliedert. Das 1. Bild zeigt Vitellias Wohnung. In der ersten Szene befinden sich Vitellia und Sesto allein auf der Bühne. Vitellia treibt Sesto dazu an, ohne fortwährend drum herum zu reden, unverzüglich mit dem geplanten Attentat auf Tito zu beginnen, denn sie wisse, dass der von ihm angestiftete Lentulo 1. Akt   105

mit den anderen Verschwörern bereit stehe, das Kapitol als Zeichen zum Aufstand, in Brand zu setzen und Tito zu töten. Auch von dem roten Band, das die Verschwörer als Erkennungszeichen auf dem rechten Arm tragen würden, wisse sie längst. VITELLIA: „(…) Io tutto questo Già mille volte udij: La mia vendetta Mai’ non veggo però.“ VITELLIA: „Das hab’ ich von dir schon tausend mahl vernommen, Und dennoch kann ich nicht zu meiner Rache kommen.“,326

macht sie Sesto sein wiederholtes Zögern zum Vorwurf. Schon in den ersten Versen erfährt das Publikum in knappen Worten von dem gemeinsam beschlossenen Mordanschlag auf Tito, offenbaren sich Sesto und Vitellia als Verschwörerpaar. Direkt im nächsten Vers wird Vitellias Motiv für ihre Rache benannt: Berenice! Hier knüpft die 1. Szene, wie bereits zuvor erörtert, unmittelbar an die durch Corneille und Racine allgemein bekannte Bérénice-Thematik im Sinne einer Fortsetzungsgeschichte an. Bis dahin vermittelten die Eingangsverse noch ganz den Eindruck, es handle sich eindeutig um einen ausschließlich politisch intendierten Umsturzplan einer gut organisierten Verschwörergruppe, mit der Vitellia den ihr vermeintlich zustehenden Thron ihres Vaters zurückerobern könne. Die politische Brisanz der in den ersten Versen ausgelösten Vorstellung von einem brennenden Kapitol wird aber umgehend wieder relativiert und abgeschwächt, indem nun das persönliche Rachemotiv in den Vordergrund rückt und das bevorstehende Attentat zum bloßen Akt aus Eifersucht, enttäuschter Liebe und gekränktem Ehrgefühl werden lässt. Erst recht Sesto hat keinerlei politisches Motiv. Ihn treibt nur seine blinde Liebe zu Vitellia, der er völlig hörig und ergeben ist. In einer längeren Passage beklagt er als Reaktion auf Vitellias vorwurfsvolles Drängen den quälenden Zustand innerer Zerrissenheit, der ihn zwischen dem überwältigenden Gefühl tiefer Liebe zu ihr und der Treuepflicht gegenüber seinem Gönner und Freund Tito hin und her schwanken lässt und in heftige Gewissensnöte stürzt. Als Vitellia sich erneut über die Rückkehr Berenices nach Rom und über das Fortbe106  Das Ursprungslibretto

stehen der leidenschaftlichen Beziehung von Tito zu ihr empört, erkennt Sesto die eigentlich treibende Kraft hinter ihren Anschlagsplänen: SESTO: „Ah, Principessa, Tu sei gelosa.“ SEXTUS: „Ach, Prinzessin, Du bist eifersüchtig.“327

Erbost über die Entlarvung und unverhohlene Benennung ihrer niederen Motive, spielt sie ihre affektiv-erotische Macht gegenüber Sesto aus, indem sie so tut, als ob sie ihn aus der Liebespflicht ihres Mordauftrages entließe, um irgendeinen Anderen dafür zu gewinnen. Daraufhin verspricht der voll Verachtung zurückgestoßene Sesto endgültig Gehorsam und den baldigen Tod Titos. 2. Szene

In dem Moment kommt Annio hinzu und markiert mit seinem Auftritt den Beginn der 2. Szene. Als er Sesto mitteilt, dass Tito ihn zu sprechen wünsche, bemerkt Vitellia abfällig, Sesto solle Tito seine kostbare Zeit mit Berenice nicht rauben. Annios äußerst knappe, aber inhaltsreiche Entgegnung setzt einen dramaturgischen Kontrapunkt, mit dem Metastasio in der für ihn typischen Art und Weise das zentrale Grundthema seines Dramma per musica berührt, nämlich den Konflikt zwischen Leidenschaft und Vernunft, zwischen affektiv-erotischem Verlangen und monarchischer Pflichterfüllung: ANNIO: „Ingiustamente oltraggi, Vitellia, il nostro Eroe; Tito à l’impero E del mondo, e di se. Già per suo cenno Berenice partì.“

1. Akt   107

ANNIUS: „Ungerecht verleumdest du unseren Helden, Vitellia,Titus beherrscht die Welt und sich selbst. Auf seinen Befehl schon verließ ihn Berenice“328

Die Nachricht von der endgültigen Abreise Berenices ist mit dem Hinweis verbunden, dass dieser Entscheidung für Rom und gegen die Liebe ein schwerer innerer Kampf Titos gegen sein glühendes Liebesverlangen vorausging, der mit dem Sieg über sich selbst und seine Leidenschaften endete. In diesem Lieblingsmotiv329 Metastasios wird nicht nur seine Nähe zu den Tragödien Racines erneut sichbar, sondern es bestätigt auch, so Neville,330 wie fest verankert Metastasios Denken in der cartesianischen Philosophie, hier insbesondere Descartes Passions, ist. Die erste Reaktion Vitellias auf Titos Trennung von Berenice ist wieder ganz ihrem von Affekten bestimmten Denkmuster geschuldet, indem sie sich beim Abschied der beiden auch nur eine zornige und Tito beschimpfende Berenice vorstellen kann, so wie sie sich selbst an ihrer Stelle wohl verhalten hätte. Doch Metastasio schuf, ganz typisch für ihn und sein Seria-Konzept, mit der Nebenfigur Annio einen dramaturgischen Gegenpol, indem er ihn von einem auf Vernunft und Einsicht beruhenden, sehr würdevollen und in allem die Contenance wahrenden Abschied Berenices berichten lässt: ANNIO: „Anzi giammai Più tenera non fu. Partì; ma vide, Che adorata partiva, e che al suo caro Men che a lei non costava il colpo amaro.“ ANNIUS: „Niemals vorher war sie zarter. Sie ging; doch sie sah, daß sie geliebt wurde, als sie schied, und daß dieser harte Schlag ihren Geliebten nicht weniger traf als sie.“331

Das Liebesopfer aus Staatsraison ist vollbracht. Entscheidend sowohl in der Tragédie classique, als auch im Dramma per musica ist aber, dass dem Opfer ein heftiger, quälender innerer Kampf gegen die Leiden108  Das Ursprungslibretto

schaften und Affekte mit einem hohen Maß an heroischer Selbstüberwindung vorausgeht. ANNIO: „Eh, si conobbe, Che bisognava a Tito Tutto l’Eroe, per superar l’Amante. Vinse, ma combattè; non era oppresso, Ma tranquillo non era; et in quel volto (Dicasi per sua Gloria) Si vedea la battaglia, e la vittoria.“ ANNIUS: „Ach, man wußte, Daß Titus seinen ganzen Heldenmut brauchte, um den Liebenden zu besiegen. Er gewann, aber er kämpfte; er war nicht bedrückt, aber ruhig war er nicht; und in diesem Antlitz (zu seiner Ehre sei es gesagt) Sah man den Kampf und den Sieg.“332

Die Heroik der Selbstüberwindung und Affektbeherrschung wird mit dem tugendhaften Charakter des Titos dem affektbestimmten NegativExemplum der von ihren Leidenschaften beherrschten Vitellia antithetisch gegenübergestellt. Einerseits besagt das kurze Statement des getreuen Höflings Annio, dass es keinen Grund mehr für irgendeine Kritik an Tito gibt, andererseits entfällt mit seiner Nachricht von der Abreise Berenices für Vitellia das treibende Motiv ihres Mordplanes. Nun kann sie wieder hoffen, doch noch ihren Platz an der Seite des Kaisers auf dem Thron einnehmen zu können. Ein neues Ziel vor Augen, fordert sie Sesto auf, den Anschlag zu verschieben. Ihre Abgangsarie am Ende der zweiten Szene, ohne die in der Opera seria kein Protagonist die Bühne verlassen darf, gilt dem völlig verwirrten Sesto, dem sie darin vorhält, dass er ihr nicht ständig misstrauen und zweifeln, sondern ihr schlicht und einfach blind gehorchen solle. Dann beendet sie die Szene mit einer Arie voll von Verachtung für den Liebenden.

1. Akt   109

3. Szene

Allein mit Sesto, bittet Annio zu Beginn der dritten Szene seinen Freund, sich für seine Heirat mit Sestos Schwester Servilia beim Kaiser einzusetzen, um dessen Einwilligung zu erwirken. Sesto verspricht es ihm bei ihrer bis in die gemeinsame Kindheit zurückreichenden Freundschaft. Doch Annio scheint besorgt, dass etwas dazwischen kommen könnte. In seiner Abgangsarie bringt er seine Befürchtungen und Vorahnungen zum Ausdruck, dass die Vermählung mit seiner großen Liebe Servilia noch scheitern könne. In dieser dritten Szene führt Metastasio die Seria-gemäße Nebenhandlung ein, die sogleich ihre langen Schatten auf den weiteren Handlungsverlauf vorauswirft. Denn in dem Moment, wo die Liebesbeziehung zwischen Annio und Servilia als Nebenhandlung mit der übergreifenden Haupthandlung und ihrer Konfliktlinien verwoben wird, kommt es zu einer weiteren krisenhaften Zuspitzung, die mit dieser dritten Szene vorbereitet und durch Annios dunkle Vorahnungen indirekt schon angekündigt wird. 4. Szene

Die vierte Szene zum Abschluss des ersten Bühnenbildes gehört ganz dem von Verzweiflung getragenen Monolog des allein auf der Bühne verbleibenden Sesto, in dem er die Macht der Schönheit beklagt, die ihn zum willenlos Getriebenen seiner Liebe zu Vitellia macht. In affektgeladenen Versen bringt er seine ganze innere Zerrissenheit zwischen den Empfindungen der Treue und Freundschaft, die ihn mit Tito so eng verbinden, und den grausamen Plänen Vitellias, der er in blinder Liebe verfallen ist, zum Ausdruck. Dieser Monolog ist, worauf bereits hingewiesen wurde, eine nahezu wörtliche Übernahme des Textes aus Corneilles Cinna. Dennoch trägt dieser Monolog dazu bei, ein differenzierteres Charakterbild Sestos zu zeichnen, der trotz seiner emotionalen Zerrissenheit und inneren Konflikte in durchaus klarsichtiger Selbsterkenntnis seine grenzenlose, affektive Abhängigkeit von Vitellia zu bekennen weiß. In seiner Abgangsarie bleibt ihm nur im isolierten Selbstgespräch ein demütigender Appell an seine Liebesherrin Vitellia, auf Schwache nicht auch noch einzutreten:

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SESTO: „Dalla Tiranna mia. Regnate, è giusto: Ma non così severo, Ma non sia così duro il vostro impero.“ ARIE SESTO: „Ma infierir contro gli oppressi! Quest’è un barbaro piacer.“ SEXTUS: „Ihr herrscht zwar über uns, und recht; doch seyd bescheiden, Herrscht, und regieret so, daß es nur zu erleiden.“ ARIE SEXTUS: „Doch den drücken, der schon liegt, Heißt barbarisch obgesiegt.“333

Dem Publikum wird hier mit Sesto exemplarisch vorgeführt, in welche seelischen und sozialen Abgründe jemand geraten kann, der seinen Leidenschaften hilflos ausgeliefert ist und die Herrschaft über sich selbst verloren hat, und zwar im deutlichen Kontrast zu dem von Annio wegen seiner heroischen Selbstüberwindung so gepriesenen Tito. 5. Szene

Nachdem in den Szenen 1 bis 4 die Haupt- und Nebenfiguren vorgestellt wurden, kommt es in Szene 5 zum ersten Auftritt von Tito. Annio hat als ‚secondo uomo‘ in der Rolle des getreuen Höflings in direkter Vorbereitung von Titos Erscheinen die Lösung des BereniceKonflikts, der das Verhältnis zwischen Kaiser und dem Senat, zwischen Tito und den Römern, so stark belastet hatte, in epideiktischer Rhetorik mit einer kleinen Hymne auf Titos Sieg über sich selbst zum Wohle Roms verkündet. Damit war das entscheidende Hindernis für einen triumphalen Auftritt des Kaisers vor dem römischen Volk aus dem Weg geräumt, der erst durch Titos endgültige Entscheidung für Rom und gegen die Liebe als Huldigungsszene möglich wurde. Metastasio hat dem Auftritt des Kaisers durch detaillierte Anweisungen zur Ausstattung der Bühne mit architektonischen Herrschaftszeichen und baulichen Insignien der Macht seinen majestätischen und symbolträchtigen 1. Akt   111

Rahmen geschaffen: so durch den als Versammlungsort des Senats dienenden Tempel, die eindrucksvolle stadträumliche Perspektive des römischen Marktes, den Triumphbogen, Pyramiden und Siegeszeichen und eine in die Ferne des Imperiums weisende Silhouette einer Prachtstraße. Auch durch die Anzahl der ihm auf der Bühne huldigenden Personen, zu denen auch die Gesandten eroberter Länder gehörten, die ihm ihren jährlichen Tribut zollen mussten sowie durch den Lobgesang des großen Chores, sollte sein triumphales Erscheinen auf der Bühne spektakulär und auch musikalisch in seiner ganzen, imperialen Bedeutungsschwere repräsentativ hervorgehoben werden. Der Huldigungschor preist Tito als gerechten und starken Herrscher, als Geschenk der Götter, um den die Nachwelt Rom noch beneiden werde: CORO: „Voi custodite a Roma La sua felicità.“ CHOR: „Erhaltet Rom nur sein Vergnügen In ihm, als wie sein Eigenthum.“334

Unter den letzten Klängen des Chores tritt Tito mit seinem Gefolge auf die Bühne. Publio weist Tito, wie zur Bestätigung des Lobgesangs, darauf hin, dass der Senat ihn Vater des Vaterlandes und ihren unbesiegbaren Augustus („invitto Augusto“) nenne. Und Annio steigert den Grad der Epideiktik noch, indem er ihn aufgrund seiner Clemenza als Schutzgott Roms bezeichnet, da er sich den anderen höher als nur sterblich zeige. Deswegen habe der Senat beschlossen, ihm mit dem Tribut der unterworfenen Provinzen einen Tempel als Zeichen der Liebe, die Rom ihm entgegenbringt, zu errichten: ANNIO: „Anche il Nume di Tito il Tebro adori.“ „Da Titus als ein Gott der Erde Von Rom wird angebetet seyn.“

Und Publio fordert Tito auf:

112  Das Ursprungslibretto

„Qesti del nostro amor pubblici segni.“ „Verachte,Titus, nicht das Zeichen unserer Liebe.“335

Doch ganz in antiker, augusteischer Tradition, vollzieht sich nun die Prozedur einer fast schon formelhaften Zurückweisung der vom Volk angebotenen Vergottung durch den Kaiser als ein Akt demonstrativer Abschwächung der ihm entgegengebrachten grenzenlosen Verehrung. Die Gleichsetzung seiner Person mit Augustus an dieser Stelle hat durchaus historischen Bezug, denn vor allem Kaiser Augustus war es, der das Mittel der ‚moderatio‘ planvoll einsetzte, um sich durch die angemaßte Allmacht eines Gottes nicht dem Verdacht tyrannischer Willkür auszusetzen. Mit der Geste der Zurückweisung entspricht Tito im Grunde genommen den an ihn gestellten Erwartungen, denn bei der angebotenen Divinisierung handelt es sich um einen symbolischen Akt, in dem der Kaiser die Gelegenheit erhält, von sich aus dem Volk die Selbstbeschränkung seiner Macht zu bekunden: TITO: „Ottenerlo non curo. Il sommi Dei Quanto imitar mi piace Abborrisco emular. (…)“ TITUS: „Ich such’ in meinem Thun den Göttern nachzugehen, Jedoch entsetze ich mich, ihnen gleich zu seyn.“336

Und in direkter Anlehnung an das Beispiel des historischen Titus und den Bericht von Sueton setzt der fiktive Tito Metastasios ein beeindruckendes Zeichen seiner Großherzigkeit und Güte, indem er den Bau des zu seinen Ehren geweihten Tempels ablehnt und stattdessen zusagt, die dafür notwendigen Mittel zur Linderung der Not der vom Visuvausbruch betroffenen und obdachlos gewordenen Menschen zu verwenden. Daraufhin stimmt der Chor erneut die ersten Verse der Lobpreisung des römischen Kaisers an. Die Legitimität von Titos Herrschaft ist bei seinem ersten Auftritt ostentativ vom römischen Volk bestätigt worden. Im Anschluss daran vollzieht sich innerhalb der 5. Szene unter Beibehaltung des Bühnenbildes und der imposanten Kulisse ein Wechsel aus der öffentlich-staatlichen Sphäre in den privaten, persönlichen 1. Akt   113

Bereich des Kaisers. Auf seine Anordnung hin verlassen der Chor und alle übrigen Personen die Bühne, so dass nur noch Sesto und Annio bei Tito zurückbleiben. Als Sesto sich nach Berenice erkundigt, reagiert Tito zutiefst berührt: TITO: „Ah Sesto Amico, Che terribil momento! Io non credei … Basta, ò vinto, partì. Grazie agli Dei.“ TITUS: „Ach! Sextus, werther Freund, Ach bittrer Augenblick! Ich hätte nicht gemeynt … Genug, ich überwand; Sie gieng; habt Danck, ihr Götter!“337

Dann erklärt er Sesto, dass die Römer aber solange an der Endgültigkeit von Berenices Abreise zweifeln werden, bis er eine Römerin geheiratet hätte, da Berenice schon zweimal zurückgekommen sei. Deswegen habe er sich entschlossen, Sestos Schwester Servilia zu heiraten, um durch diese Verbindung auch die Freundschaft mit ihm zu vertiefen: TITO: „(…) Al tuo s’unisca Sesto il Cesareo sangue. Oggi mia Sposa Sarà la tua Germana.“ TITUS: „Ich will des Kaysers Blut mit dir vereinigt sehen, Ja, deine Schwester sey noch heute meine Braut.“338

Annio erschrickt und ist von Titos Entschluss, seine eigene Braut heiraten zu wollen, schockiert. Seine, in der vierten Szene geäußerten unguten Vorahnungen scheinen traurige Realität zu werden. Dennoch wagt er keinen Widerspruch und fügt sich in seinen rangniederen Höflingsstatus, indem er dem Kaiser sogar noch die Schönheit und Tugend seiner Geliebten preist. Der schickt ihn zu Servilia, damit er ihr seinen Entschluss mitteilt. Annio, der in den ersten Szenen als leidenschaftlich Liebender vorgestellt wurde, verbirgt gegenüber Tito seine Bestürzung, der ihm soeben seine zukünftige Braut genommen hat, gefasst hinter der star114  Das Ursprungslibretto

ren Maske des angepassten Höflings, der sich kritiklos in das Ordnungssystem von Zeremoniell und Etikette, Über- und Unterordnung einfügt, indem er sich dem Willen des Kaisers ohne ein Anzeichen innerer Erregung bedingungslos unterwirft. Wichtiger als die Erfüllung seiner Liebe ist für ihn die Rangerhöhung Servilias durch die Wahl des Kaisers: ANNIO: „(…) Io le connobi in volto Ch’ era nata a regnar. De’ miei presagi L’ adempimento è questo.“ ANNIUS: „(…) Ich sah in ihrem Antlitz, daß sie zum Regieren geboren ist. Dies ist die Erfüllung meiner Ahnungen.“339

Mit diesem unbedingten Zurückstellen seiner eigenen Wünsche bis hin zur Unterdrückung seines tiefen Liebesverlangens zugunsten der Einhaltung höfischer Ordnungsansprüche wurde in didaktischer Absicht dem überwiegend adligen Publikum ein vorbildhaftes Verhalten vorgeführt, das von allen Mitgliedern des Adels in vergleichbaren Situationen erwartet wurde. Dem Beispiel Titos folgend, der auf Berenice verzichtet hat, opfert Annio seine Liebe zu Servilia. Die Analogie seines Liebesopfers zu dem von Tito zeigt, dass die Ansprüche des höfisch-absolutistischen Herrschaftsgefüges für jeden seiner jeweiligen Position entsprechend gültig ist. Dem Publikum wurde somit signalisiert, dass jeder Einzelne am Hof, in gleicher Weise, in der der Kaiser seine Pflicht über sein affektiv-erotisches Verlangen stellte, zu handeln habe, damit das Räderwerk der Macht reibungslos ineinandergreife. Als Annio die Bühne verlassen hat, um Servilia die Nachricht des Kaisers zu überbringen, teilt Tito Sesto mit, dass er ihm, dem Bruder seiner Braut, einen höheren Rang verleihen will, damit die große hierarchische Distanz zwischen ihnen verringert werde: TITO: „(…) Avrai tal parte Tu ancor nel soglio, e tanto T’inalzerò, che resterà ben poco 1. Akt   115

Dello spazio infinito, Che fraposer gli Dei fra Sesto, e Tito.“ TITUS: „Du hast ja gleichfalls Theil an meiner Pracht, Ich sichre dir, ich will dich bald erhöhen, Daß man nicht mehr den Unterschied soll sehen, Den zwischen mir und dir die Götter sonst gemacht.“340

Ein derartiger kaiserlicher Gunstbeweis deutete unmittelbar auf das Kraftzentrum der höfisch-absolutistischen Herrschaftsapparatur. Das Mittel der Status- und Rangerhöhung war eines der wichtigsten Machtinstrumente, die dem Kaiser gegenüber dem Adel zur Verfügung standen, indem er alle Chancen des Auf- und Abstiegs auf der höfischen Rangskala monopolisierte.341 Nur vor diesem machtpolitischen Hintergrund ist die große Bedeutung zu verstehen, die diese großzügige Geste Titos für Sesto gehabt haben muss. Einerseits wird damit noch einmal die unumschränkte Macht des Kaisers betont, andererseits beschämt sein Großmut und seine Güte Sesto als seinen potentiellen Mörder, für den Titos Wohltaten schier unerträglich werden: SESTO: „Questo è troppo, o Signor. Modera almeno Se ingrati non ci vuoi, Modera, Augusto, i benefici tuoi.“ SEXTUS: „Das ist zu viel, mein Herr. Halt wenigstens nur ein. Wenn du nicht willst, daß wir undanckbar sollen werden, So sey dein Wohlthun nicht so reich, und so gemein.“342

Doch für Tito ist die Tatsache, dass seine unumschränkte Macht, jederzeit Gunstbeweise und Wohltaten nach Belieben verteilen zu können, die einzige, ihm verbleibende Freude in seinem einsamen Regierungsamt, nachdem er – und das haben die ersten Szenen gezeigt – sein eigentliches Lebensglück mit Berenice verloren hat:

116  Das Ursprungslibretto

TITO: „Ma che? (se mi niegate che benefico io sia) che mi lasciate?)“ TITUS: „Ach was? (wenn ihr mir verweigert, daß ich wohltätig bin, was laßt ihr mir?)“343

Und in seiner Abgangsarie klingt es fast schon so, als wolle er den Verlust Berenices mit Mild- und Wohltätigkeit kompensieren: TITO: „Del più sublime soglio L’unico frutto è questo: Tutto è tormento il resto, E tutto è servitù. Che avrei, se ancor perdessi Le sole ore felici, Ch’ò nel giovar gli oppressi: Nel dispensar tesori Al Merto, e a la Virtù?“ TITUS: „Des allerhöchsten Thrones Ist dies die einzige Frucht; Alles andere ist Qual Und alles Sklaverei. Was hätte ich, wenn ich die einzigen Glücklichen Stunden verlöre, In denen ich den Unterdrückten helfe, Die Freunde emporhebe Und die Schätze verteile, Nach Verdienst und Tugend?“344

6. Szene

Die 6. Szene beginnt zunächst mit einem kurzen Monolog Annios, in dem er seinen widerstandslosen Verzicht auf Servilia vor sich selbst als großmütige Liebespflicht aus Rücksicht auf ihre Rangerhöhung zur Kai1. Akt   117

serin rechtfertigt, der er mit seiner Leidenschaft nicht im Wege stehen wolle: ANNIO: „(…) Se a lei che adoro Per non esserne privo Tolto l’impero avessi , amato avrai Il mio piacer, non lei.“ ANNIUS: „Denn hätt’ ich, um der Schönen nicht Beraubt zu seyn, ihr Thron und Reich entrissen, So hätt’ ich meine Lust, und nicht sie selbst geliebet.“345

Mit einem Schlag ändert sich die Beziehung zwischen ihnen grundlegend. Von einem Moment zum nächsten ist Servilia für Annio eine völlig andere Person geworden. Nicht mehr die Geliebte, sondern die Kaiserin steht ihm nun gegenüber. Die affektive Nähe ihres Liebesverhältnisses wird durch die soziale Distanz ihrer hierarchischen Zuordnung ersetzt: ANNIO: „(…) Mio cor, deponi Le tenerezze antiche: E tua sovrana Chi fu l’Idolo tuo. Cambiar conviene In rispetto l’Amore. (…)“ ANNIUS: „(…) Mein Herz, lege Die alte Zärtlichkeit ab: deine Herrin ist nun, die dein Abgott war. Du mußt die Liebe in Ehrfurcht verwandeln. (…)“346

Diese kurze Textpassage zeigt überaus deutlich, wie unerbittlich das höfische Sozialgefüge und die in ihm wirkende Macht der Etikette eine Entfremdung und Formalisierung der zwischenmenschlichen Beziehungen erzwang. Als Servilia unmittelbar darauf erscheint und Annio ganz vertraut mit „Mio ben…“ (Mein Lieber…) begrüßt, erschrickt er über

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diese Verletzung der Etikette, die von nun an ihre bis dahin so innige und vertraute Beziehung beherrschen soll: ANNIO: „Taci, Servilia. Ora è delitto Il chiarmimi così.“ ANNIUS: „Schweige Servilia. Jetzt ist es ein Verbrechen, mich so zu nennen.“347

Die hierarchische Distanz bestimmt ihr neues Verhältnis zueinander und entzieht ihrer Beziehung die affektive Grundlage und gewohnte Vertrautheit. Annio offenbart sich erneut als Höfling par excellence, der ohne zu zögern den Rollenerwartungen der Hofgesellschaft nachkommt, deren Nichtbefolgung immer auch seine höfische Existenz gefährden könnte. Wiederum bezwingt das Pflichtbewusstsein die ungezügelten Affekte von Liebe und Leidenschaft, ordnet sich das Individuum ganz dem Staatswohl unter. Für Annio gilt, was Metastasio in seinem berühmten Brief vom 20. Oktober 1740 an den Komponisten vieler seiner Opern Johann Adolf Hasse über seine Protagonisten gesagt hat: „Empfindlich für alle erlaubten Leidenschaften, steht jedoch über jeder von ihnen…, gewohnt, sich nie als von seinem Vaterland abgelösten Individuum zu fühlen: demzufolge ist er indifferent gegen das Gute und Böse, das ihm als Privatmann widerfährt, und einzig interessiert, was der Gemeinschaft an günstigen oder schädlichen Ereignissen zustößt, als deren Teil er sich fühlt.“348

Und in seinem Catone in Utica heißt es an einer Stelle apodiktisch, „der hat nicht verdient geboren zu werden, wer nur für sich lebt“349 und die individuellen Bedürfnisse und persönlichen Interessen in den Vordergrund stellt. Nachdem Annio Servilia die Entscheidung des Kaisers mitgeteilt hat, kommen in seiner Abgangsarie die Schwierigkeiten zum Ausdruck, die ihm dieser erzwungene Rollenwechsel vom Liebenden zum Untergebenen sowie die Einhaltung der Etikette bereiten. In der Arie bittet er Servilia um Verzeihung, weil ihm zuvor in gewohnter Vertrautheit die nun 1. Akt   119

unschickliche Anrede „liebste Seele“ herausgerutscht ist, da „die Ehrfurcht von der Liebe verführet“ ward.350 Sein Verstoß gegen die Etikette ist alleiniger Gegenstand seiner Arie, mit der die 6. Szene endet. 7. Szene

Die 7. Szene besteht aus einem kurzen Monolog Servilias, in dem sie die überraschende Nachricht von Tito und die damit verbundene Konsequenz einer Trennung von Annio zu verkraften sucht. Ihre folgende Arie ist ein ergreifendes Bekenntnis zu Annio und ihrer tiefen Liebe, die sie für kein Reich auf Erden opfern würde. Servilia scheint ganz im Gegensatz zu Annio nicht bereit zu sein, dem Wunsch des Kaisers zu entsprechen, nur damit dieser Rom eine römische Braut bieten und von dem endgültigen Ende der Berenice-Affäre überzeugen kann. Standhaft entscheidet sie sich für die Liebe und gegen den höfischen Aufstieg: „Annio non Io temer, non sarà vero.“ („Getrost, mein Annius, das soll wohl nicht geschehn.“).351 In ihrem inneren Aufbäumen, das die Affektlage ihrer BekenntnisArie dominiert, deuten sich die Konturen eines selbstbestimmten Individuums an. Damit ist dramaturgisch eine weitere Konfliktlinie zu Tito gezogen, mit der das Spannungsmoment zum Abschluss des 2. Bühnenbildes noch einmal gesteigert wird. Von der Hofgesellschaft und dem adligen Publikum muss diese ganz der Courtoisie widersprechende Ablehnung des kaiserlichen Angebots, neben ihm auf dem Thron als Kaiserin zu leben, als unerhörter Affront und als Provokation gewertet worden sein. Die 6. Szene lässt die Zuschauer mit der unbeantworteten Frage zurück, wie Tito auf den Eigensinn und entschlossenen Widerstand Servilias reagiert. Oder wird sie schon vorher den Verlockungen der Kaiserinnenwürde nachgeben oder aber aus Pflichtbewusstsein gegenüber dem römischen Staat der Heirat zustimmen? 8. Szene

Das 3. Bild des 1. Aktes zeigt ein kaiserliches Zimmer auf dem Palatin. Publio hält eine Liste in der Hand auf der die Namen der Beschuldigten stehen, die das Andenken früherer Kaiser Roms verunglimpft haben sollen. Tito reagiert empört, aber nicht über die Tat der Beschuldigten, sondern über den Widersinn ihrer Strafverfolgung: 120  Das Ursprungslibretto

TITO: „Barbara inchiesta, Che agli estinti non giova e somministra Mille strade alla Frode D’ insidiar gl’innocenti.“ TITUS: „Ein barbarischer Bericht, der den Verstorbenen nicht nützt und tausend Wege öffnet, Unschuldigen zu schaden.“352

Daraufhin entspinnt sich eine Art juristischer Disput zwischen Publio und Tito. Der Anordnung Titos, den Straftatbestand der Majestätsbeleidigung sofort abzuschaffen, hält Publio die Forderung nach Einhaltung der Gerechtigkeit und angemessenen Bestrafung entgegen. Doch Tito warnt vor dem allzu häufigen Gebrauch harter Strafen, da sie dadurch ihre Geltung und ihre Wirkung verlieren würden. Außerdem würde durch eine große Zahl von Strafverfahren dem Volk nur bewusst werden, wie viele Mitbürger bereit wären, die Gesetze zu missachten. Tito zeigt sogar ein gewisses Verständnis für die Beschuldigten, so als wolle er sie vor den etablierten Gesetzen beschützen: TITO: „Chi una colpa non abbia, o grande, o lieve? Noi stessi esaminiam. Credimi è raro Un guidice innocente Dell’ error, che punisce.“ TITUS: „Wer fehlet nicht? Wo ist der Mann? Man fange von sich selber an. Wie wenig sind befreyet von den Sünden, Die sie an andern doch so straffenswürdig finden!“353

Nicht einmal mit dem Hinweis, ihm einen Schuldigen nennen zu können, der nicht die Verstorbenen, sondern Tito selbst beleidigt hätte, konnte Publio ihn von der notwendigen Anwendung der geltenden Gesetze überzeugen: 1. Akt   121

TITO: „E che perciò? Se’ l mosse Leggerezza: nol curo; Se follia: Io compiango; Se ragion: gli son grato! E se in lui sono Impeti di malizia: io gli perdono.“ TITUS: „Und weiter? Wenn ihn Leichtsinn Bewegte, was kümmert es mich. Wenn es Dummheit war, bedaure ich ihn. Wenn es Gründe gab, bin ich ihm dankbar! Und wenn in Ihm Regungen von Bosheit sind, verzeihe ich ihm.“354

Doch mit dem willkürlichen Verzeihen und eigenmächtigen Straferlass durch den Monarchen stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Legitimität von Milde und Gnade in Abweichung von den Gesetzen. Der kurze Dialog zwischen dem Prätorianerpräfekten Publio und Tito berührt somit ein zentrales Thema des gesamten Dramas, nämlich das Verhältnis des Kaisers zu den gültigen Rechtsnormen und seinen Umgang mit ihnen. Schon Gravina, der Adoptivvater und das geistige Vorbild Metastasios, hat als eine der wichtigsten Herrschaftstugenden den Respekt und den Gehorsam gegenüber den Gesetzen bezeichnet. „Wenn also jemand der Mächtigste unter den Fürsten sein will, so sollte er Ausnahmen von den Gesetzen nur so selten zugestehen, als es ihm nur möglich ist, und er wird sich davor hüten, daß sich im Volk die Meinung bildet, daß die Gesetze schwankend seien, zumal das allgemeine Wohl und die Sicherheit des Herrschers darauf beruhen. Was also ist törichter, als durch häufige Außerkraftsetzung der Gesetze, die Bande der Herrschaft zu lockern und damit zu zeigen, daß deren Autorität manipuliert werden kann, wenn sie es sind, die dem Herrscher die Macht über die anderen verleihen? Je mehr er den Gesetzen entzieht und seinem Belieben unterwirft, desto schwächer wird er dadurch, auch wenn er glaubt, dadurch selbst an Macht zu gewinnen.“355

W. Proß stellt die kurze, aber sehr bedeutsame Dialog-Szene in den umfassenden rechtstheoretischen Zusammenhang der Schriften nicht nur von Gravina, sondern auch von dem großen Rechtsgelehrten Cesare 122  Das Ursprungslibretto

Beccaria und dem berühmten Staatsdenker Montesquieu. Im Gegensatz zu Gravina, der Abweichungen von den Gesetzen durch einen strafrechtlichen Willkürakt des Monarchen aus Nachsicht und Güte missbilligte, vergrößerte Montesquieu den Spielraum der zulässigen Rechtsauslegung für den Monarchen und erweiterte die Grenzen für den Gebrauch von Milde und Gnade bei der Anwendung der gültigen Gesetze. Er plädierte ausdrücklich dafür, „in gewissen Fällen, Milde walten zu lassen, wo die Strenge des Gesetzes dies eigentlich nicht erlaubt.“356 Die aufgeklärte Rechtsauffassung Montesquieus billigte dem Monarchen demnach die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände und eine persönliche Einschätzung der Beschuldigten und ihrer Straftat zu. Die Argumente Titos, mit der er die Abschaffung des Straftatbestandes der Majestätsbeleidigung und seine Weigerung, die auf der Liste genannten Personen zu bestrafen, begründet, zielt in die Richtung der Montesquieu’schen Rechtsauffassung. So besteht die dramaturgische Funktion dieser Dialog-Szene vor allem in der ostentativen Legitimierung der Milde und Güte, der Clemenza, als zulässiges Kriterium bei der Auslegung und Umsetzung der Gesetze durch den Monarchen zur Vorbereitung des Publikums auf die große Clemenza-Aktion am Ende des Dramas. Gleichzeitig zeigt Metastasio damit schon im Rahmen der Exposition, dass es sich bei Tito um einen aufgeklärten Herrscher handelt, für den die Berücksichtigung der Clemenza nicht das Ergebnis einer spontanen Laune, sondern eine feste Grundeinstellung ist, die sowohl seinen Regierungsstil als auch seinen Charakter kennzeichnet. 9. Szene

Der Auftritt Servilias leitet über in die 9. Szene. Als sie Tito statusgemäß mit einer devoten Geste begrüßt, erschrickt er, da der Kniefall ihrer neuen Würde als Kaiserin nicht angemessen ist: „Servilia! Augusta!“ („Servilia! Erhabene!“)357 Dann bittet sie ihn, ihm ein Geheimnis anvertrauen zu dürfen, worauf er Publio auffordert, sich zu entfernen. Nachdem Servilia Tito für die große Ehre, sie als seine Braut zu wählen, gedankt und ihm ihre vollste Bewunderung und Ehrfurcht gezollt hat, offenbart sie ihm ihre innige Liebe zu Annio, obwohl sie dies Geheimnis hätte für sich behalten können:

1. Akt   123

SERVILIA: „(…) Io che tacendo Crederei d’ ingannarti“ SERVILIA: „Durch Schweigen hätt ich dich leicht können hintergehen“358

aber er solle wissen, wie es wirklich um sie stehe und wem ihr Herz tatsächlich gehöre, obwohl ihr bewusst sei, dass die Ablehnung eines solchen kaiserlichen Geschenkes einem Vergehen gleichkäme. Doch die Liebe zu Annio sei so stark, dass sie in ihren Gedanken auch auf dem Thron ständig bei ihm wäre. SERVILIA: „(…) Genio, e costume Unì l’anime nostre Io non mi sento Valor per obbliarlo: anche dal trono Il solito sentiero Farebbe a mio dispetto il mio pensiero.“ SERVILIA: „Denn Sitten, Sinn und Stand verknüpfften unsre Seelen, Es ist unmöglich, daß ich ihn vergessen kann: Und solt’ ich mich auch auf dem Throne sehen, So seh ich nur mein Elend an, Weil die Gedancken doch die alte Straße gehen.“359

Mit der Bemerkung, dass ihr Kaiser die Wahrheit vor der Hochzeit erfahren sollte, fügt sie sich in ihr Unglück: „Poi, le mi vuol sua sposa, ecco la mano.“ „Willst du mich nun zur Braut, sieh, da ist meine Hand.“360

Aber Tito reagiert ganz anders als erwartet. Zutiefst beeindruckt von Servilias Mut zur Ehrlichkeit, dankt er den Göttern, dass es doch noch Menschen gibt, die es wagen, ihm mit der Wahrheit zu missfallen. TITO: „Servilia, oh qual contento Oggi provar mi fai! (…)“ 124  Das Ursprungslibretto

TITUS: „Servilia, was machst du mir vor Freude?“361

Berührt von ihren Worten, erkennt Tito in Annios Liebesopfer zugunsten Servilias Aufstieg zur Kaiserin und in ihrer Treue zu ihm, die sie durch den Verzicht auf den Thron und ihr offenes Bekenntnis beweist, ein Beispiel wahrer Liebe, das ihn sicherlich an seine glückliche Zeit mit Berenice erinnert. Die Erfahrung des persönlichen Liebesglücks und das anschließende Leid der Trennung beeinflussen ohne Zweifel seine von Verständnis und Bewunderung getragene Reaktion auf Servilias unverhohlene Ablehnung seines großzügigen Angebots. TITO: „(…) Et io dovrei Turbar fiamme sì belle? Ah non produce Sentimenti sì rei di Tito il core.“ TITUS: „Nun sage, solt’ ich wohl so schöne Flammen stören? O nein: Denn solche Grausamkeit Hegt Titi Hertz zu keiner Zeit.“362

Und so verspricht Tito Servilia, Annio als ihren Bräutigam anzuerkennen und wie ein Vater, das ‚schöne Band‘ ihrer Liebe selbst zu knüpfen. TITO: „(…) Il Ciel cospiri Meco a farlo felice: E n’abbia poi, Cittadini la patria eguali a voi.“ TITUS: „Der Himmel wolle euch nur lassen glücklich leben, Und unserm Rom noch viel dergleichen Bürger geben.“363

Zum Dank dafür solle Servilia überall verbreiten, dass er genau diese Art der Zivilcourage, diesen Mut, anstelle von Schmeicheleien und Lügen, die Wahrheit zu bekennen, von seinen Bürgern erwarte:

1. Akt   125

TITO: „(…) Di pubblicar procura, Che grato a me si rende Più del Falso che piace, il Ver che offende.“ TITUS: „Und sage aller Welt, du darffst es nicht verschweigen: Ich liebe mehr die Wahrheit, der man flucht, Als Falschheit, die zu schmeicheln sucht.“364

Darauf endet die 9. Szene mit Titos Abgangsarie, in der er sich solche Bürger, wie Servilia, für sein ganzes Reich wünscht. Dann wäre das Regieren keine Last, sondern ein Vergnügen, wenn nicht Falschheit und Betrug, sondern Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit vorherrschen würden. Servilia repräsentiert eine höfische Idealgestalt, die durchaus aufklärerische Züge trägt. Dass sich Metastasio bei aller Loyalität zu seinem Monarchen, eine kritische Distanz zum Wiener Hofleben erhalten hat und keineswegs ein Anti-Aufklärer war, ist mehrfach angemerkt worden.365 Gerade die Oberflächlichkeit und Veräußerlichung der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Hofgesellschaft riefen seine Kritik hervor, wie sie in einem Brief an Franceso Maria Zanotti zum Ausdruck kam. Darin bezeichnet er den österreichischen Adel als ignorant und blasiert, spricht von „Halbgöttern, die ihren Kindern nur die modischen, französischen Manieren und das elegante Geschwätz von ihresgleichen, somit also lauter Äußerlichkeiten vermitteln ließen, um gesellschaftlich zu reüssieren.“366

In Servilia schafft Metastasio geradezu ein individualistisches Gegenmodell zu diesem von ihm verachteten Typus des auf sein äußeres Erscheinungsbild und die Beherrschung der Umgangsformen reduzierten Adligen, der hinter der Maske des angepassten Höflings Intrigen spinnt oder mit Berechnung Zustimmung und Nettigkeiten vortäuscht. Welche immense Bedeutung die Kunst der Verstellung, die ‚dissimulatio’ als überlebenswichtige Verhaltenstechnik in der höfischen Gesellschaft hatte, wurde weiter oben bereits im Hinblick auf die französische Klassik und die sie fundierenden Macht- und Herrschaftsstrukturen hervorgehoben.

126  Das Ursprungslibretto

Ganz im Gegensatz zu diesem sozialen Überlebens- und Karriereprinzip der Täuschung und Verstellung, bildet für Tito die Tugend der Ehrlichkeit einen der wichtigsten Eckpfeiler der aufgeklärt-absolutistischen Monarchie. In Servilias Wahrheitsbekenntnis und seiner respektvollen Anerkennung durch den Kaiser, manifestiert sich ein von Aufrichtigkeit wie auch Wahrhaftigkeit durchdrungenes Herrschaftsverhältnis und aufgeklärtes Staatsideal. „Der Wahrheitsappell zieht sich in Opposition gegen die höfische ‚dissimulatio’ leitmotivisch durch die dramatische Literatur der Aufklärungsepoche.“367 Gerechtigkeit, wie sie im Tito-Publio-Dialog, Ehrlichkeit, wie sie im Servilia-Bekenntnis thematisiert werden, bilden ein Tugendpaar („il giusto e l’onesto“)368, das nicht nur zum Charakterbild des idealen Herrschers gehört, sondern gleichzeitig die bestimmende Grundlage für das höfisch- absolutistische Sozialverhältnis von Kaiser und Bürgern eines aufgeklärten Staatsideals darstellt. 10. Szene

Genau in dem Moment, in dem Servilia zu Beginn der 10. Szene ausruft, wie glücklich sie sei, tritt Vitellia im Kontrast zu dieser staatsbürgerlichen Idealgestalt als personalisiertes Negativ-Exemplum der höfischen ‚dissimulatio’ hinzu, um gleichsam mit zusammengebissenen Zähnen ihre Gratulation und ranggemäße Unterwerfung zu bekunden: VITELLIA: „Posso alla mia Sovrana Offrir del mio rispetto i primi omaggi?” VITELLIA: „Darf ich meiner Herrscherin Die ersten Zeichen meiner Ehrfurcht darbringen?“369

Servilia reagiert innerlich empört auf diese geheuchelte Unterwerfungsgeste Vitellias, die von der neuesten Entwicklung und Servilias Verzicht auf den Thron noch nichts wissen kann. Für einen kurzen Augenblick der Genugtuung beantwortet sie die vorgetäuschte Respektserklärung Vitellias mit einer der schärfsten Waffen höfischer Machttechnik: der ostentativen Nichtbeachtung.

1. Akt   127

SERVILIA: „(Che amaro favellar ! Per mia vendetta Si lasci nell’ inganno) Addio.“ SERVILIA: „(Verdrüßliches Geschwätz! Sie mag es immer glauben, So räch’ ich mich an ihr.)“,370

lässt Metastasio Servilia beiseite sprechend nur für das Publikum hörbar sagen. Mit dieser kalkulierten Geste der Nichtbeachtung erreicht die Demütigung und persönliche Kränkung Vitellias ihren Höhepunkt. VITELLIA: „Servillia Sdegna già di mirarmi! Oh Dei! Partir così! Così lasciarmi!“ VITELLIA: „Servilia vergönnt mir nicht einmahl Ihr Angesicht! Ihr Götter! so zu gehen! Und mich so lassen stehen!“371

11. Szene

In der anschließenden Abgangsarie preist Servilia ihre Liebe zu Annio als Grund ihrer Eile, eine Arie, wie zur Verhöhnung Vitellias. Diese, die sich am Anfang der 11. Szene zunächst allein auf der Bühne befindet, ist von dem letzten Blick, den Servilia ihr beim Gehen voll Stolz und Verachtung zugeworfen hat, bis ins Mark ihres Selbstwertgefühls getroffen. Der Stachel der Erniedrigung und Missachtung sitzt tief. Nicht nur, so klagt sie, dass Tito ihr die Barbarin Berenice vorzog, nun auch noch Servilia: VITELLIA: „(…) Io dunque sono L’ultima de’viventi. Ogn’altra è degna Di te fuor che Vitellia! (…)“ VITELLIA: „Soll unter allen ich mich vor die letzte schätzen? Denn jed’ ist seiner werth, nur nicht Vitellia.“372 128  Das Ursprungslibretto

Voll Zorn und zutiefst verbittert, droht sie Tito, dass noch heute sein Blut fließen werde. Die kurze Begegnung der beiden Frauen dient dazu, den Handlungsfaden der Verschwörung wieder aufzugreifen und das dramatische Geschehen voranzutreiben. Entscheidend war, dass Servilia Vitellia in dem Glauben ließ, die neue Kaiserin stehe vor ihr. Erst mit dieser gezielten Diskretion entfacht sie das Feuer der Intrige neu und heftig. Als Sesto erscheint fragt Vitellia ihn, geradezu gierig nach Rache, ob das Kapitol schon brenne und Tito endlich bestraft sei. Seine Antwort, er habe noch nichts unternommen, da sie selbst ihn ja gebeten hätte, den Anschlag aufzuschieben, macht Vitellia zum „rasenden Weib“,373 das ihn mit einer Tirade von Vorwürfen überschüttet. Rücksichtslos spielt sie die affektive Macht, die sie über ihn hat, gegen den glücklos Werbenden aus, droht ihm mit Liebesentzug oder schürt seine Eifersucht, indem sie ein erneutes Aufflammen ihrer Liebe zu Tito nicht ausschließt. Wenn er schon keinen triftigen Grund finden könne, der seinen Anschlag auf Tito rechtfertigen würde, so wäre der Rivale, der ihm seine Liebe stehlen will, doch Rechtfertigung genug. Als sie ihn wegschickt und ihm jede Hoffnung auf ihre Zuneigung und Erwiderung seiner Liebe nimmt, beugt er sich dem Druck und verspricht, umgehend den Mord auszuführen. In seiner Abgangsarie „Parto, ma tu ben mio“ verspricht Sesto Vitellia, so zu sein, wie sie ihn will, jeder Wunsch sei ihr erfüllt, wenn sie ihm nur einen einzigen Blick gönnen würde: SESTO: „Guardami, e tutto obblio, E a vendicarti io volo: Di quello sguardo solo Io mi ricorderò.“ SEXTUS: „Nur einen Blick, der mich vergessend mache, Vergönne mir, so flieh’ ich gleich zur Rache, Und dencke sonst an nichts zurück, Als an den eintzgen süßen Blick.“374

Erst jetzt, am Ende des 1. Aktes, rückt Vitellia als treibende Kraft der Verschwörung wieder in den Vordergrund des Geschehens. Die Intrige, die zwar den Auftakt des 1.  Aktes bildete und die Szenen 1 bis 4 1. Akt   129

bestimmte, ist bis kurz vor seinem Ende vollständig in den Hintergrund geraten (1. Akt, Sz. 5–9) und der Nebenhandlung untergeordnet worden. Wobei man sich fragen muss, ob der Begriff ‚Nebenhandlung‘ aus der Sicht Metastasios und des zeitgenössischen Publikums überhaupt zutreffend und berechtigt gewesen wäre. H. Lühning hat angemerkt, dass für die Haupthandlung der Intrige weder die Nebenhandlung noch die sie tragenden Personen notwendig gewesen wären: „Man könnte das ganze Stück auf einen Akt zusammenstreichen und die Personenzahl auf drei: Titus, Vitellia und Sesto beschränken, ohne die Intrige zu berühren.“375

Aber die Intrige ist nicht – und das will sie deutlich machen – das eigentliche Thema des Dramas. Nebenhandlung und Nebenpersonen bilden ein gleichschweres Gegengewicht zum vermeintlichen Handlungskern der Intrige, die damit aus dem zentralen Blickfeld rückt und nun selbst einem grundlegenden dramaturgischen Zweck folgt, nämlich der Huldigung Titos und seiner Clemenza als Kontrastfolie zu dienen. Dieses handlungsbestimmende Prinzip der Kontrastierung prägt die gesamte Dramaturgie und Szenenfolge des Stücks, Seria-typisch wird die Antithese zum dramaturgischen Strukturprinzip.376 Im Mittelpunkt von Haupt- und Nebenhandlung steht direkt oder indirekt immer wieder Tito. Nicht das Komplott oder die Umsetzung des Mordplanes, sondern allein die Charakterisierung Titos als ideale Herrscherfigur, die den Konflikt zwischen Pflicht und Neigung, zwischen Leidenschaft und Selbstbeherrschung siegreich bewältigt hat, ist Sinn und Zweck dieses Dramma per musica. Nicht die Frage, ob das Attentat ge- oder misslingt, steht im Zentrum des Interesses, sondern die Art und Weise, wie Tito darauf reagiert, in welcher Manier er die bedrohliche Situation meistert und mit den Verschwörern umgeht, ist von gravierender Bedeutung. Sowohl die Szenenfolge der sogenannten Haupthandlung, wie auch diejenige der Nebenhandlung bilden als dramaturgische Teilelemente eines übergreifenden didaktischen Funktionszusammenhangs eine untrennbare Einheit. Die Gleichwertigkeit der beiden Handlungsbereiche schafft überhaupt erst die Voraussetzung für eine wirkungsvolle Darstellung der tugendhaften Idealgestalt eines Monarchen, wie sie den gesamten, von Tito und den Nebenfiguren getragenen Mittelteil des 1. Aktes einnimmt. Der Dialog zwischen Publio und Tito zeigte den gerechten und 130  Das Ursprungslibretto

verzeihenden Herrscher, seine Reaktion auf Servilias Bekenntnis, den wahrheitsliebenden, menschenfreundlichen, aufgeklärten Monarchen. Warum soll diese Tugendgestalt Ziel eines Attentats sein? Es gibt keinen Rechtfertigungsgrund für einen politischen Umsturzplan, dem Tyrannenmord fehlt der Tyrann. Genau dieser Mangel an Rechtfertigungsgründen bewirkt Sestos Zögern. Zur eigenen Verteidigung gegenüber den Vorwürfen Vitellias in der 11. Szene beruft er sich auf die fehlende Legitimation des Anschlags: SESTO: „Se una ragion potesse Almen giustificarmi?“ SEXTUS: „Wenn wenigstens ein Grund Mich rechtfertigen könnte?“377

12. Szene

Die 12. Szene zeigt eine von der Macht der Güte besiegte Vitellia. Die von Publio überbrachte Nachricht, dass Tito nun sie zur Gemahlin und Kaiserin gewählt hätte, stürzt sie in einen Zustand völliger Verwirrung. Nun ist mit der Erfüllung all ihrer Forderungen und Wünsche durch Tito auch der letzte und eigentliche Grund für die Durchführung der Anschlagspläne entfallen: ihre Rache. In größter Sorge, der von ihr zur Eile angetriebene Sesto könne den Mordanschlag schon ausgeführt haben, schickt sie Publio, um ihn zu suchen. Zurück bleibt eine, von Schuldgefühlen und Selbstbezichtigungen geplagte, zwischen Glücksund Angstgefühlen hin und her gerissene Vitellia als verwirrtes Opfer ihrer ungezügelten Leidenschaften. VITELLIA: „Godo, torno a temer, gielo m’accendo,“ VITELLIA: „Bald lustig, bald betrübt, ich friere, nein ich brenne.“,378

bekennt sie verstört, um danach von ihren Gefühlen überwältigt, ihrer ganzen Verzweiflung in der anschließenden Affekt- und Abgangsarie auch musikalisch Ausdruck zu verleihen: 1. Akt   131

VITELLIA: „Stelle che crudeltà! Un sol piacer non v’è, Che quando mio si fa Non sia dolore.“ VITELLIA: „O! was vor Grausamkeit, ihr Sterne! Kaum zeiget sich ein Glück von ferne, So wird die Lust in meiner Hand Zur Unlust, und in Leid verwandt.“379

2. Akt 1. Szene

Der 2. Akt beginnt mit einem großen Monolog Sestos, der die gesamte 1. Szene ausfüllt. Das 4. Bühnenbild zeigt einen Portikus, davor Sesto mit dem roten Band auf dem Mantel, dem Kennzeichen der Verschwörer. Und so, wie der 1. Akt mit der monologisierenden Vitellia in der Wirrnis ihrer Affekte und Gewissensnöte endete, so beginnt der 2. Akt mit dem Affektmonolog des zwischen Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen schwankenden Sesto: SESTO: „Oh Dei, che smania è questa! Che tumulto ò nel cor! Palpito, agghiaccio, M’incamino, m’arresto, ogn’aura, ogn’ombra“ SEXTUS: „Ihr Götter! Alles geht mir bald auf, bald nieder. Ich zittr’, ich bin erstarrt, ich geh’, ich stehe wieder. Mich schrecket jede Lufft, ein Schatten noch vielmehr.“380

Er ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass die von ihm geforderte Mordtat die Tat eines Verräters wäre.

132  Das Ursprungslibretto

SESTO: „Il più grande, il più giusto, il più clemente Principe della Terra: A cui tu devi Quanto puoi, quanto sei. (…)“ SEXTUS: „(…) Titum den Gerechten, Den Allergütigsten, der auf der Erden ist. Dem alles, was du kanst, und hast, du schuldig bist.“381

Eher will er sterben, bevor er die enge Freundschaft mit Tito verrät. Und diesmal scheint seine Weigerung, Vitellia als Werkzeug ihrer Rache zu dienen, endgültig zu sein: SESTO: „Vitellia a secondar gli sdegni tui: Morrei prima del colpo in faccia a lui.“ SEXTUS: „Vitellia, verzeih’, wenn ich dich nicht kan rächen. Ich fiele in den Dolch, an statt auf ihn zu stechen.“382

Als er in der Ferne Rauch über dem Kapitol aufsteigen sieht, befürchtet er, dass Lentulo das Attentat schon ausgeführt hat. In größter Sorge um Tito, bittet er die Götter, seinen Freund zu retten: SESTO: „Difendetemi Tito eterni Dei“ SEXTUS: „O Götter! Wenn ihr nur den Titum mir bewahret!“383

2. Szene

Beim Forteilen trifft Sesto auf Annio, dem er ohne stehen zu bleiben zuruft, dass er den schändlichen Grund seiner Eile bald erfahren werde. Ohne Abgangsarie verlässt Sesto die Bühne und beendet damit diese nur aus einem knappen Wortwechsel mit Annio bestehende 2. Szene des 2. Aktes.

2. Akt  133

3. Szene

Annio, der den verstörten Zustand seines Freundes erkannt hat, will ihm mit Beginn der 3. Szene folgen. In dem Moment kommen Servilia und Publio hinzu. Letzterer berichtet ihm von dem brennenden Kapitol und einem Tumult in Rom. Annio, dem sofort bewusst wird, warum Sesto so in Eile war, will ihn suchen und verlässt zum Schluss der 3. Szene ebenfalls ohne Abgangsarie die Bühne. Publio versucht Servilia zu beruhigen, die um ihr und Annios Leben fürchtet, indem er ihr eine Wache zurücklässt, denn Tito habe ihm befohlen, sie und Vitellia zu beschützen. Servilia kann es kaum fassen, dass Tito unter dem Eindruck des brennenden Kapitols und des Tumults noch an ihr eigenes und Vitellias Wohl denken kann: SERVILIA: „E ancor di noi Tito si rammentò?“ SERVILIA: „Ist’s möglich, daß hierbey Auch Titus noch an uns gedenckt?“384

Damit gibt sie Publio das Stichwort für seine große epideiktische Rede auf Tito, in der er nicht nur einzelne Vorzüge seines Charakters hervorhebt, sondern das umfassende Spektrum seiner hervorragenden Herrschertugenden umreißt und das Nebeneinander und die Gleichzeitigkeit dieser unterschiedlichen Facetten seiner vielschichtigen Persönlichkeit betont: PUBLIO: „Tutto ritrovi in lui: Ci vedi insieme Il Difensor di Roma: Il Terror delle squadre: L’Amico, il Prence, il Cittadino, il Padre.“ PUBLIUS: „Ja, alles was du wilst, kanst du an ihm entdecken. Sieh Roms Beschützer an, des Krieges-Heeres Schrecken. Freund, Bürger, Vater, Fürst, und aller Menschen Lust.“385

134  Das Ursprungslibretto

Für W. Proß repräsentiert Tito hier durch „die keineswegs zufällige Anreihung der Attribute ‚Amico, Prence, Cittadino, Padre’… alle Formen der sozialen Beziehungen, welche sich in der römischen res publica in archaischer Weise unauflöslich verbinden: ‚Freund, Fürst, Bürger und Vater’.“386

Vorlage für diese Aufzählung der verschiedenen sozialen Beziehungstypen als Mittel der Charakterisierung Titos bildeten, so Proß, die AtticusBriefe Ciceros aus dem Jahre 49 v. Chr., in denen Caesars Persönlichkeit mithilfe dieser Attribute gekennzeichnet wird und die den Autoren zu Beginn des 18. Jahrhunderts durchaus bekannt waren. „Wie bekannt diese Charakteristik Caesars ist, belegt Antonio Contis Vorrede zu seiner Tragödie ‚Il Caesare‘. Dort zitiert Conti im Widmungsschreiben an Kardinal Bentivoglio Ciceros Brief.“387

Schon zur Charakteristik seines Regulo bedient sich Metastasio dieser von Cicero übernommenen Aufzählung „Krieger, Bürger und Vater, doch nie ein von seinem Vaterland abgelöstes Individuum“,388 wie seinem erwähnten Brief an Hasse zu entnehmen ist. Ebenfalls in Anlehnung an die Vorlage Ciceros preist Publio nun gegenüber Servilia einen ganz entscheidenden Teilaspekt von Titos Persönlichkeit, nämlich seinen Mut und seine unerschütterliche Stärke als Kriegsherr. „Wie Caesar ist Titus demnach ein … Ungeheuer, furchteinflößend in seiner Wachsamkeit, in der Schnelligkeit und Perfektion der Ausführung seiner Pläne.“389 Als Servilia sich wundert, wie unvorbereitet Tito auf den Anschlag gewesen sein muss, erwidert Publio: PUBLIO: „Eh Servilia, t’inganni. Tito non si sorprende. Un impensato Colpo non v’è, che nol ritrovi armato. Sia lontano ogni cimento;“ PUBLIUS: „O nein, Servilia, du wirst dich irren. Ihn überfällt man nicht, ihm kommt nichts unversehn, Da er nicht schon bereit in Waffen solte stehn.“390

2. Akt  135

Tito ist immer auf alles vorbereitet, für ihn gibt es keinen unvorhergesehenen Angriff auf seine Person oder den Staat, vorausschauend trotzt er jeder Gefahr, erkennt er jede Intrige, übersteht er jeden Komplott, „er kommt der Hinterlist zuvor in allen Sachen.“ (Publio) Das ist die deutliche Warnung an all die potentiellen Intriganten und Verschwörer im adligen Publikum und vielleicht auch an Karl Albrecht und Maria Amalia. In seiner Gleichnisarie am Ende der 4. Szene vergleicht Publio Tito mit einem Steuermann, der sich noch bei ruhiger See auf den Sturm vorbereitet, so wie ein Kriegsherr schon zu Friedenszeit Waffen schmieden lässt: PUBLIO: „L’onda sia tranquilla, e pura; Buon Guerrier non s’ assicura, Non si fida il buon Nocchier.“ PUBLIUS: „So fern ist niemahls die Gefahr, Das Wasser sey auch noch so klar; Ein guter Krieges-Mann wird weiter schauen, Der Steuer-Man wird auch nicht leichtlich trauen.“391

Dank dieser Wachsamkeit und militärischen Fähigkeit, so Publio, hat er auch diesen Anschlag abgewehrt und den Aufstand niedergeschlagen: PUBLIO: „Tutto rammenta. Provede a tutto. (…) Della confusa Plebe Gl’ impeti regolar! Gli audaci affrena: I timidi assicura“ PUBLIUS: „Ja, weil er seinen Sinn auf alles, alles lenckt (…) Wie er den tollen Pöbel zäumet, der doch vor Eyffer schäumet, wie er die Kühnheit trotzt, die Furcht mit Trost erfüllt.“392

Das ist nicht der auf den Clemenza-Aspekt reduzierte Tito, das ist Tito der Starke. Auf diese Weise signalisiert Karl VI. mithilfe seines Hofpoe136  Das Ursprungslibretto

ten dem Publikum die Aussichtslosigkeit und Sinnlosigkeit jeglichen Attentatsversuchs. Lag im 1. Akt die Betonung noch ganz auf der argumentativen Delegitimierung jedes politischen Umsturzplanes, so sollte nun mit Hinweis auf die militärische Schutz- und Strafgewalt Titos demonstriert werden, dass ein Komplott niemals Aussicht auf Erfolg hätte. Der Desorientierung und Verwirrtheit der Personen seines Nahbereichs wird Tito vor dem Hintergrund des brennenden Kapitols und des Tumults der Aufständischen, die nur indirekt per verbalem Bericht, rein narrativ in Erscheinung treten, wie ein ruhender Fels in der Brandung gegenübergestellt. Mit dieser Panegyrik des Publios, die den Akzent mehr auf die Unantastbarkeit und Stärke Titos legt, schafft Metastasio ein ausgleichendes Gegengewicht zu der Charaktereigenschaft von Güte und Nachsicht. Denn die Herrschertugend der Milde, wie sie über Jahrhunderte hinweg auch als ‚clementia Austriaca‘ in den Fürstenspiegeln das monarchische Erziehungsprogramm und die habsburgische Herrschaftspraxis maßgeblich bestimmte, wurde von Anfang an immer auch mit dem Begriff der Schwäche konnotiert. Schon nach Caesars Ermordung wurde verbreitet, seine ‚clementia‘ habe ihm das Leben gekostet.393 Die Warnung vor dem Zuviel an Clemenza durchzieht die gesamte Geschichte des ClemenzaIdeals. Nachsicht und Gnade für Rebellen sei der Same zu neuer Rebellion, der Rebell werde sich immer wieder „empören, denn er ändere sich durch Verzeihung nicht“,394 schrieb sinngemäß schon 1655 Th. Spengler in seinem Fürstenspiegel Bonus Princeps. Und noch in dem späteren politischen Testament Maria Theresias werden die Nachteile, die das Clemenza-Prinzip für das Regierungshandeln hat, hervorgehoben.395 Damit die große Clemenza-Aktion im ‚lieto fine‘ des Dramas nicht als Zeichen von Schwäche missdeutet werden kann, skizziert Metastasio in dieser Szene mit den Worten von Publio ein um den Stärke-Aspekt erweitertes Charakterbild von Tito, um von vornherein jedem Zweifel an seinem entschlossenen Willen zum Machterhalt und zur dauerhaften Sicherung des Staatswohls vorzubeugen. An keiner anderen Stelle des Librettos treffen wir auf eine derart komplexe und differenzierte Beschreibung seiner Persönlichkeit und des vielfältigen Rollenspek­ trums dieser Herrscherfigur. Metastasios Tito ist mit den Attributen von Milde und Güte nicht hinreichend charakterisiert, das hat die

2. Akt  137

Panegyrik des Publio als wichtiger Bestandteil des dramaturgischen Gesamtzusammenhangs mehr als deutlich gemacht. 5. und 6. Szene

Die kurze 5. Szene gehört ganz der Sorge Servilias um ihren Geliebten Annio. Ihr Auftritt mündet in einer ihre Liebe beschwörenden Affekt­ arie, in der sie Annio versichert, dass sie in Gedanken stets bei ihm sei. Danach begegnen sich eine Tito suchende Vitellia und ein fliehender Sesto und eröffnen so die 6. Szene. Im Glauben, Tito sei tot, berichtet Sesto ihr von der Ermordung des Kaisers. Nicht er selbst hätte die Tat ausgeführt, sondern einer der „Verräter“ habe den Kaiser hinterrücks erstochen, obwohl er sich noch rufend bemüht hätte, den Mörder von seiner Tat abzuhalten. Beim Versuch, den Dolch herauszuziehen, sei das Blut des sterbenden Tito auf seinen Mantel gespritzt. Und obwohl Vitellia von der Todesnachricht zutiefst schockiert war, fragte Sesto sie, ob er nun gleichsam zum Lohn auf ihre Liebe hoffen könne. Doch anstatt sich endlich zu ihm zu bekennen, überhäuft sie ihn voll Verachtung und Zorn mit Vorwürfen und Schmähungen: VITELLIA: „Anima rea! Piacermi! Orror mi fai. Dove si trova Mostro peggior di te? Quando s’intese Colpo più scelerato? ai tolto al Mondo Quanto avea di più caro. Ai tolto a Roma Quanto avea di più grande. (…)“ VITELLIA: „Verruchte Seele! Mir zu gefallen? Ach! ein Abscheu bist du mir. Ist so ein Unthier wohl, wie du, noch auf der Erden? (Wem ist dergleichen That wohl je zu Ohren kommen?) Du hast der Welt, was ihr am liebsten war, genommen, und Rom nimmst du, was es am allerhöchsten schätzt.“396

Dabei handelt es sich um die schon näher ausgeführte, weitgehend aus Racines Andromaque übernommene Textpassage. In ihrem wütenden Affektausbruch wirft sie Sesto vor:

138  Das Ursprungslibretto

„A secondar le furie D’un’ Amante sdegnata?“

die

„(…) Raserey von einem Frauenzimmer Das sich vor Zorn und Liebe selbst vergißt,“397

nicht durchschaut zu haben und ihren Anweisungen blind gefolgt zu sein. VITELLIA: „(…) Ah tu nascesti Per mia sventura. Odio non v’è che offenda Al par dell’Amor tuo. Del Mondo intero Sarei la più felice, Empio, se tu non eri. (…)“ VITELLIA: „Ich sehe, daß du mir zur Qual gebohren bist, Daß mir nichts so verhaßt als deine Liebe ist. Wer würde auf der Welt jemahls beglückter leben, Hätt’ ich, Gottloser, dich nur nie gekannt?“398

Analog zu der entsprechenden Szene in Racines Andromaque, in der Hermione Orest nach Erfüllung seines Auftrags als ‚rasendes Weib‘ mit Schuldzuweisungen anstatt mit der in Aussicht gestellten Liebe begegnet, vollzieht sich im Metastasio-Libretto die tragische Wende, die Peripetie, in ihrer von unterwürfiger Liebe und zügellosem Hass geprägten Beziehung. Der vermeintliche Vollstrecker ihres Racheplans wird in dem Moment, wo sie die Nachricht von Titos Tod erhält, von einer Sekunde zur anderen zum Hauptschuldigen des Komplotts und zum verhassten Zerstörer all ihrer Träume und politischen Ambitionen des eigenen Machtanspruchs. Nachdem Vitellia sich von Sesto losgesagt hat, wird ihr bewusst, was sie angerichtet hat, und dass ihre Hoffnung, an Titos Seite Kaiserin zu sein, endgültig zerstört ist. In ihrer affektgeladenen Abgangsarie beklagt sie ihre eigene Schuld, sieht sie sich selbst als Täterin und erkennt die drohende Strafe des eigenen Todes vor Augen, verzweifelt, dass es für Reue und Einsicht zu spät sei.399

2. Akt  139

7. Szene

Zu Beginn der 7. Szene will der von seinem Gewissen geplagte und von dem Verlust seiner Geliebten gezeichnete Sesto sich in seiner Verzweiflung das Leben nehmen. Doch in dem Moment, wo er zum Degen greift, kommt Annio hinzu und teilt ihm mit, dass der Kaiser ihn sprechen wolle. Ungläubig und verwirrt versucht Sesto Annio davon zu überzeugen, dass Tito tot sei, er selbst habe ihn sterben gesehen und ihn an seinem kaiserlichen Gewand erkannt. ANNIO: „No: travedesti. Tra il fumo, e fra ’l tumulto Altri Tito ti parve.“ ANNIUS: „Du hast nicht recht gesehn, verzeihe mir, Und im Tumult und Rauch wohl einen andern Für Titum angesehn.“400

Als Annio Sesto versichert, dass er gerade von dem völlig unversehrten Tito käme, wird Sesto die Verwechslung und damit die Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst. Er bekennt Annio seine Schuld und gesteht seinem Freund, dass er der Verräter sei, der die Verschwörung angezettelt hat und er deswegen fliehen müsse. Da bisher niemand Sesto verdächtigt, beschwört Annio ihn, in keinem Fall zu fliehen, denn das würde ihn verraten. Stattdessen solle er zu Tito gehen, über alles schweigen und versuchen, seine Schuld durch Taten wieder gut zu machen. Aufgrund des Einwandes von Sesto, dass sein Mantel für jeden sichtbar mit Blut des Ermordeten befleckt sei, schlägt Annio ihm den so folgenreichen Manteltausch vor, um danach tatsächlich die Bühne in Sestos Mantel zu verlassen. Verstört, wie aus einem tiefen Traum erwacht, voll Hoffnungslosigkeit und Zweifel, gibt Sesto seinen Gefühlen in der Abgangsarie freien Lauf. 8. Szene

Das fünfte Bühnenbild (8. Szene) zeigt eine mit Statuen ausgeschmückte Galerie vor einem Garten. Tito befindet sich im Gespräch mit Servilia, die ihm berichtet, dass Lentulo der Anstifter der Verschwörung sei und nach der Ermordung Titos selbst die Regierung überneh140  Das Ursprungslibretto

men wolle. Von einem seiner Komplizen habe sie desweiteren erfahren, dass er schon mit Krone auf dem Haupt und in Purpur gekleidet vor das Volk getreten sei. Doch in der Kleidung des Kaisers habe ein Mitverschwörer ihn verwechselt und irrtümlich erstochen. Zum Beweis zeigt sie Tito das rote Band von dem Mantel des Mörders: SERVILIA: „(…) Cesare è questo Lo scelerato segno, onde fra loro Si conoscono i rei. Porta ciascuno Pari a questo, Signor, nastro vermiglio, Che su l’omero destro il manto annoda. Osservalo, e ti guarda.“ SERVILIA: „Mein Kayser, dieses hier ist das verruchte Zeichen, An dem erkennen sie alsbald, wer ihres gleichen, Ein rothes Band, wie dieses da, Muß jeder auf der rechten Schulter tragen, Das wird am Mantel angemacht, Gieb Achtung drauff, und nimm dich dann in acht.“401

Der zutiefst beeindruckte Tito fragt sich in seiner Enttäuschung voll Unverständnis, warum sein Volk, seine Römer ihm das antun: TITO: „(…) E pur non giunsi A farmi amar: pur v’è chi m’ odia, (…) Tito l’odio Roma! Eterni Dei! Io che spesi per lei Tutti I miei dì! Che per la sua grandezza Sudor, sangue verlai,“ TITUS: „Dem allen ohngeacht kan ich es nicht erzwingen, Daß man mich lieben muß. Du siehst, man hasset mich, (…) Soll ich Ein Haß der Römer seyn? O! Ihr gerechten Götter! Ich der ich meine Zeit allein auf Rom verwandt, Und um es zu erhöhn, so Schweiß und Blut vergossen“.402 2. Akt  141

Gekränkt erinnert Tito an seine heroischen Taten und die Schlachten, die er zum Ruhme Roms gewonnen hat, stets bereit, sein eigenes Blut im Kampf fürs Vaterland zu opfern. Doch der größte Sieg, den er für Rom errungen hätte, sei nicht auf dem Schlachtfeld, sondern gegen sich selbst und seine Leidenschaften erkämpft worden: TITO: „(…) che a me crudele Per compiacere a lei, Sveno gli affettti (sic.) miei, m’opprimo in seno L’unica del mio cor fiamma adorata! Oh Patria! Oh sconoscenza! Oh Roma ingrata!“ TITUS: „Ich der ich mich mir selbst fast zum Barbar gemacht, Und meine Leidenschaft bloß seinetwegen zäume, Erstick’ auch in der Brust den angenehmsten Brand! O undanckbares Rom! untreues Vaterland!“403

In der Hierarchie seiner Siege stehen das Liebesopfer und die Bezwingung seiner Leidenschaft für Berenice an oberster Stelle. Sein Ausspruch bestätigt erneut, wie schwer ihm die Trennung von Berenice aus Gründen der Staatsraison gefallen ist. Damit wird aber auch gleichzeitig bekräftigt, wie wichtig die Vorgeschichte der Berenice-Affäre für das Verständnis von Titos Persönlichkeitsentwicklung und seiner allgemeinen Anerkennung als tugendhaftem Herrscher ist. ANNIO: „Che bisognava a Tito Tutto l’Eroe, per superar l’Amante.“ ANNIUS: „Daß ihm der gantze Held hier nöthig war, Die Liebe zu besiegen,“404

betonte Annio in der 2. Szene des 1. Aktes gegenüber Servilia Titos inneren Kampf gegen die Übermacht seiner Leidenschaften. Erst dieser so schwer errungene Sieg über sich selbst bildet die Voraussetzung seiner Herrschaft über die Welt, denn das monarchische Tugendideal wurzelt in der Heroik der Selbstüberwindung:

142  Das Ursprungslibretto

ANNIO: „(…) Tito à l’impero E del mondo, e di se. Già per suo cenno Berenice partì.“ ANNIUS: „Denn Er beherrscht die Welt, und sich Es hat auf seinen Winck die Schöne reisen müssen.“405

So rühmte Annio die außerordentliche Leistung seines Kaisers. Aber gerade, weil die Herrschertugend der Selbstüberwindung – „se vaincre“ (Corneille), „renoncer à moi-même“ (Racine),406 weil die Bewältigung des Konflikts zwischen ‚dovere‘ und ‚affetto‘, Pflicht und Neigung, zwischen Vernunft und Leidenschaft, diesen außerordentlichen psychischen Kraftaufwand der Selbstherrschaft erfordert und Tito all das zum Zeichen seiner Herrschaftseignung erfolgreich bestanden hat, beklagt er nun den Undank seiner Römer. Gleichzeitig ist dieser persönliche Tatenbericht Titos am Ende der 8. Szene als ein Appell zu verstehen, ihn zu lieben und nicht zu hassen, da er seinen Teil des Herrschaftskontraktes pflichtgemäß erfüllt habe, und somit jeglicher Grund für eine Abneigung oder gar eine Verschwörung gegen ihn von vornherein entfiele. 9. Szene

Sesto kommt hinzu und wird von Tito überaus freundlich begrüßt, wodurch seine Schuldgefühle nur noch heftiger werden. Tito, den immer noch die Frage bewegt, warum ein Teil der Römer ein Komplott gegen ihn angestrengt hätten, bittet Sesto mit Hinweis auf ihre Freundschaft und das große gegenseitige Vertrauen, das sie verbindet, um Rat. Die Worte, die er wählt, deuten darauf hin, wie tief und innig, wie intim, und vielleicht sogar homoerotisch durchdrungen ihre Freundesliebe ist: TITO: „Il crederesti Amico? Tito è l’odio di Roma. Ah tu che sai Tutti i pensieri miei: Che senza velo Ai veduto il mio cor: Che fosti sempre L’oggetto del mio amor, dimmi se questa Aspettarmi io dovea crudel mercede.“

2. Akt  143

TITUS: „Ich bin der Römer Haß. Du der du als mein Freund Sinn und Gedancken kennst: Der du mein Herz ganz offen Und bloß gesehn, der du allzeit der Gegenstand Von meiner Liebe bist, und meine rechte Hand, Sag, ob ich solchen Lohn wohl jemahls konnte hoffen?“407

Niemandem sonst kann Tito seine Gedanken und Gefühle derart offenbaren, wie seinem Intimfreund Sesto, nicht ahnend, dass sein potentieller Mörder vor ihm steht. In der geschützten Privatheit ihres auf affektiver Nähe und der gewohnten Vertrautheit basierenden Gesprächs stellt Tito, mehr als Mensch, denn als Kaiser, Sesto eine für absolutistische Herrscher ganz untypische, weil vom Selbstzweifel getragene Frage: TITO: „Dimmi con qual mio fallo Tant’odio ò mai contro di me commosso?“ TITUS: „Sag hab’ ich mir den Haß selbst zugezogen, Und Rom durch meine Schuld dazu bewogen?“408

Diese bisher wenig beachteten zwei Verse des Librettos lassen für einen kurzen Augenblick einen Tito erkennen, der dem konventionellen Herrscherbild des erhabenen, über allem stehenden, unfehlbaren, gottähnlichen Monarchen, radikal widerspricht. Irritiert und verunsichert, fragt Tito nach der eigenen Schuld an der vermeintlichen Missgunst der Römer. Doch der Selbstzweifel gehört nicht zum höfisch-absolutistischen Tugendkanon. Nur im Schutze der Intimität seiner Begegnung mit Sesto kann Metastasio unter dem Einfluss cartesianischen Denkens und aufklärerischer Ideale Tito die Selbstvergewisserung als eigenständiges Individuum gewähren, ohne die Grenzen der Etikette und des Schicklichen zu überschreiten. Das für die Wahrnehmung von Nuancen prädestinierte Publikum der Hofgesellschaft hat das Spannungsmoment dieser zwei Verse vielleicht höher eingeschätzt als die Auflösung der Intrigenhandlung. Diese kurze, aufklärerische Aufhellung der Szene, die das theatralisch-dramaturgische Porträt Titos um den wichtigen Aspekt seiner Reflexivität und seines selbstkritischen Erkenntnisinteresses berei144  Das Ursprungslibretto

chert, wird aber, kaum entflammt, sogleich abrupt beendet, um den Handlungsverlauf mit einem Blick auf den inneren Zustand Sestos fortzusetzen. Angesichts der Güte und Empfindsamkeit Titos, der den weinenden Sesto liebevoll an seine Brust nimmt, steigert sich für den noch unentdeckten Verräter seine Scham und seine Gewissensnot ins Unerträgliche, so dass er am Schluss der Szene, beiseite sprechend, sein Geständnis ankündigt. Nur im Schutz der szenisch kurz aufgehellten Idylle ihrer Freundschaft kann Tito den Selbstzweifel artikulieren und die Frage nach der eigenen Schuld wagen. Wo sonst, als bei seinem intimen Freund Sesto, der als einziger seine geheimsten Gedanken kennt und sein „Herz ganz offen“ gesehen hat, könnte sich Tito die Blöße des Selbstzweifels und die kritische Infragestellung seiner eigenen Person leisten? Nur noch in ihrem Schlussdialog vor dem Finale des 3. Aktes und sonst in keiner anderen Szene des Dramas, kommt die Intensität ihrer Affektbindung und die Tiefe ihrer Freundesliebe in dieser Stärke zum Ausdruck. Nicht zufällig nannte Publio bei seiner Aufzählung der rühmenswerten kaiserlichen Attribute den Freundschaftsbegriff an erster Stelle. Die Freundschaftsidee gewann gerade im 18.  Jahrhundert außerordentlich an Bedeutung, was die Wichtigkeit und dramaturgische Unverzichtbarkeit dieser Amikalitäts-Szene noch unterstreicht. Das dem antiken Klientelwesen zugehörige ‚amicitia‘-Ideal, das sogar staats- und völkerrechtliche Bedeutung hatte,409 lag auch noch dem Freundschaftsverständnis des 18. Jahrhunderts zugrunde. Vor allem die implizit enthaltene Forderung nach unbedingter Loyalität überdauerte die Jahrhunderte. Auch Metastasio wird bei der Behandlung der Freundschaftsthematik auf antike Quellen und Ciceros Laelius-Dialog mit seiner tugendfundierten Definition von Freundschaft als „die vollkommene Übereinstimmung der Absichten, Interessen und Meinungen“410 zurückgegriffen haben. Die bis zum Ende des 17. Jahrhunderts dominierende Zweckorientierung einer eher utilitaristischen ‚amicitia‘-Auffassung, die immer auch Positionssicherung und Karriereabsichten innerhalb der Hofgesellschaft im Blick hatte, weicht im 18. Jahrhundert zunehmend einem auf Emotionalität und geistiger Übereinstimmung gründenden Freundschaftsverständnis, wie es Montaigne schon im 16. Jahrhundert vorgebildet hat:

2. Akt  145

„Aber in einer Freundschaft, wie ich sie meine, geht eine so vollständige Verschmelzung der zwei Seelen miteinander vor sich, daß an dem Punkte, wo sie sich treffen, keine Naht mehr zu entdecken ist. Die Zweiheit ist verschwunden.“411

Dieses Ideal der „parfaite amité“ Montaignes, eine Weiterentwicklung der „amicitia vera“ Ciceros, hat nicht nur den affektiv-individualistisch gefassten Freundschaftsbegriff der frühen und mittleren Aufklärung vorgeprägt, sondern auch Metastasios dramaturgische Umsetzung der Freundschaftsthematik am Beispiel des Tito-Sesto-Konflikts beeinflusst. Empfindsamkeit und vor allem Zärtlichkeit, das sind die Begriffe mit denen das 18. Jahrhundert das Freundschaftsideal beschreibt: TITO: „Questo tenero segno Della tua fedeltà!“ TITUS: „Wie tröstet mich dein zärtliches Verfahren Das Merckmahl deiner Treue!“,412

spricht Tito gerührt zu dem an seiner Brust weinenden Freund, der allzeit Gegenstand seiner Liebe ist „Che fosti sempre L’oggetto del mio amor.“ „Ob die Protagonisten, und zwar beide, die Freundestreue brechen oder halten, darauf beruht wesentlich die Handlung dieser Oper“, hebt H. J. Kreutzer das im Verlauf des Dramas zunehmend gefährdete, schließlich vom Scheitern bedrohte Freundschaftsverhältnis zwischen Tito und Sesto als zentrales handlungsbestimmendes Element des Librettos hervor. Die Gewichtung dieses Freundschaftskonflikts im Gesamtzusammenhang des Handlungsgeschehens ist dermaßen groß, dass der Titel der Oper auch lauten könnte: „La clemenza di Tito oder die enttäuschte Freundschaft.“ Die aufkommende Aktualität der Freundschaftsthematik auch auf der Opernbühne bezeugen einige andere italienische Libretti zu Beginn des 18. Jahrhunderts. So L’amor d’amico vince ogni altro amore von 1721 aus Venedig, das auf Pirro e Demetrio (1690) von Adriano Morselli beruhte, oder Damiro e Pitia von Lalli aus dem Jahre 1724 oder die Oper I veri amici (1722).413 146  Das Ursprungslibretto

Nach dem Verlust von Berenice scheint Sesto ihre Stelle bei Tito einzunehmen und die durch das Liebesopfer entstandene affektive Lücke auszufüllen. Durch die heroische Überwindung seiner Leidenschaft für eine Frau erreicht Tito in einer Art Affektveredelung eine höhere Stufe seines Läuterungs- und Entwicklungsprozesses zum idealen Herrscher, indem er die reinere Form der Affektbindung im Rahmen der Freundschaft zu einem Mann wählt. Denn die zerstörerische Kraft der erotischen Liebe zwischen Mann und Frau war schon vor dem 18. Jahrhundert ein allgemeiner Topos. Descartes hatte mehr als vor allen anderen Arten der Liebe vor der Gefahr des in ihr enthaltenen Gewaltpotentials gewarnt.414 Montaigne wies schon im 16. Jahrhundert auf die unterschiedliche Wirkungskraft, die Liebe und Freundschaft auf die Affekte ausüben, anschaulich hin: „Das Liebesfeuer ist, wie ich zugeben muß, eingreifender, brennender und peinigender; aber zugleich ist es mutwillig und unbeständig, flatternd und sich wandelnd, eine Art Fieberglut, die auf- und abschwillt; ein Feuer, das nur Teile von uns versengt. In der Freundschaft dagegen herrscht eine allgemeine Wärme, die den ganzen Menschen erfüllt und die außerdem immer gleich wohlig bleibt; eine dauernde Stille, ganz süße und ganz feine Wärme, die nicht sengt und nicht verletzt.“415

10. Szene

In dem Moment, in dem Sesto Tito seinen Verrat gestehen will, kommt Vitellia auf die Bühne und hält ihn davon ab, weil sie in der Gegenwart Titos fürchtete, auch ihre Schuld würde dann entdeckt werden. Voll Vertrauen beklagt Tito auch gegenüber Vitellia den Undank der Römer, immer noch auf der Suche nach einer Erklärung für den Anschlag TITO: „Perchè insidiarmi?“ TITUS: „Warum stellt man mir nach?“416

fragt Tito nach wie vor voll Unverständnis. Sein Reich und sein Leben, das man ihm nehmen wollte, seien ohnehin nicht sein, sondern gehörten allein Rom:

2. Akt  147

TITO: „(…) Non sa l’Ingrata, Che son Romano anch’io, che Tito io sono?“ TITUS: „Die undanckbare Stadt kan oder will nicht glauben, Daß ich ihr Titus sey, und auch ein Römer bin.“417

11. Szene

Nachdem der Reihe nach Servilia, Tito, Sesto und Vitellia aufgetreten sind, ergänzt nun auch noch Annio das Ensemble der Protagonisten. Er warnt Tito, weil nun sicher sei, dass man ihn ermorden wolle. Da er von dem Erkennungszeichen der Verschwörer nichts weiß, trägt er arglos den Mantel Sestos mit dem roten Band. Doch Tito entdeckt es sofort: TITO: „(…) Ma che miro? Servilia, il segno che distingue i rei Annio non à sul manto?“ TITUS: „(…) Allein was sehe ich? Servilia, ist das nicht das bewußte Zeichen? Das Annius auf seinem Mantel trägt?“418

Tito und Servilia reagieren entsetzt, während Annio vergeblich seine Unschuld beteuert. Da er den Freund Sesto nicht verraten will, weigert er sich, Tito die Frage zu beantworten, von wem er das „Zeichen der Rebellen“ („Divisa de Rebelli“) erhalten habe. Enttäuscht beklagt Tito, dass er sich durch seine Güte und seine Wohltaten anstatt Freunde nur Feinde schaffe. Sesto, der es nicht länger ertragen kann, dass sich sein Freund um der Freundschaft willen stillschweigend an seiner Stelle anklagen lässt, wirft sich vor Tito auf die Knie, um seine Schuld zu gestehen. Doch Vitellia unterbricht ihn in seinem Geständnis und lenkt den Kaiser ab. Servilia schämt sich ihrer Liebe zu Annio, der das Vertrauen Titos dermaßen missbraucht hat und wendet sich empört von ihm ab. Tito befiehlt der Wache, Annio abzuführen und zum Verhör vor den Senat zu bringen, damit der den Sachverhalt kläre. „Noch will ich dich nicht Verräter nennen“,419 richtet sich Tito sehr gefasst und beherrscht an den abtrünnigen 148  Das Ursprungslibretto

Freund. Mit dieser großmütigen Geste, die dem Delinquenten anstelle eines im Affekt getroffenen Urteils ein faires Gerichtsverfahren zusichert, lässt Metastasio Tito in der Distanz seiner formellen Herrscherrolle aus dem relativen Affektchaos der anwesenden Personen würdig und ordnend mit einem didaktischen Appell hervortreten: TITO: „(…) Rifletti ingrato Da quel tuo cor perverso Del tuo Principe il cor, quanto è diverso.“ TITUS: „So lerne nun hieraus, Undanckbarer, erkennen, Wie dein verkehrtes Hertz, wie deine falsche Treu Und deines Fürsten Hertz weit unterschieden sey.“420

Und in seiner daran anschließenden Abgangsarie stellt Tito noch einmal seinen Großmut heraus, ihn noch nicht als Verräter zu beschuldigen und die Unschuldsvermutung gelten zu lassen, obwohl er der Tat eindeutig überführt sei. Nur in einem Vers äußert er seine Enttäuschung über den hinterlistigen Missbrauch seines Vertrauens: TITO: „D’amistà … col finto velo:” TITUS: „Dein Schein der Freundschaft thut mir Tort:“421

Es geht in dieser sogenannten ‚Mantelszene‘ nur vordergründig um die Aufdeckung des Attentats und die Festnahme des vermeintlichen Rädelsführers zum Zweck dramaturgischer Spannungssteigerung mit dem üblichen Kunstgriff der Verwechslung, denn es handelt sich hier in erster Linie um die Fortsetzung und Vertiefung der Freundschaftsthematik. Der mehrfach wiederholte Vorwurf, für Metastasio sei dieser ‚Manteltausch‘ und die daraus folgende Verwicklung nur ein nützliches Mittel gewesen, um den Stoff ohne irgend eine inhaltliche Notwendigkeit auf drei Akte auszudehnen,422 verkennt die ganz andere Gewichtung der theatralischen Bedeutungsebenen, wie sie die vorwiegend an ganz anderen Spannungsmomenten interessierte Rezeptionspraxis im höfischen Milieu bestimmt hat. 2. Akt  149

Nachdem in der 9. Szene die ‚amicitia‘-Thematik durch die Empfindsamkeit und Offenherzigkeit, mit der Tito seinem Freund Sesto begegnete, an vorderste Stelle des Handlungsgeschehens gerückt worden ist, werden nun vor dem Hintergrund der Verhaftung Annios die virulenten Konfliktkonstellationen von Freundschaft vorgeführt. So wird Sesto durch das solidarische Schweigen Annios in doppelter Hinsicht von der Freundestreue beschämt. Titos empfindsame Freundesgüte und Annios unbedingte Loyalität bis in den Tod desavouieren Sesto nun vollends als Negativ-Exemplum eines von seinen erotischen Leidenschaften verunstalteten Charakters innerhalb der höfischen Tugendgemeinschaft. Immer noch lähmt das Gift der hörigen Liebe seine Entschlusskraft. Sein zögerliches Pendeln zwischen der Treuepflicht gegenüber der Geliebten und dem Loyalitätsgebot gegenüber dem Freund, verweist auf eine prinzipielle Güterabwägung zwischen dem Wert der Liebe und dem der Freundschaft. Der destruktiven Macht der Liebe, wie sie mit Beginn des 1. Aktes die Intrigenhandlung ausgelöst hat, wird die heroisch-loyale Opferbereitschaft des Freundes als höheres Gut gegenübergestellt. Der Freund, der für den anderen bis in den Tod gehen würde, gehört zum allgemeinen Topos der Opernlibretti Anfang des 18. Jahrhunderts. So bietet sich Damiro in Lallis Libretto Damiro e Pitia (1724), vertont von Nicola Porpora, für den Freund als Geisel an, damit dieser vor seiner Hinrichtung ein letztes Mal seinen Vater besuchen kann.423 Obwohl Pitia erst Monate später zurückkehrt, besteht Damiro weiterhin darauf, für den Freund sein Leben zu opfern. Dass im ‚lieto fine‘ der König, angerührt von der Freundestreue, beide begnadigt, zeigt welch ranghohen Stellenwert die tugendhafte Freundschaft im höfisch-absolutistischen Wertekanon noch vor der Liebe einnahm. Schon in den ersten Szenen von La clemenza di Tito trifft man auf einen Tito, der die Liebe hinter sich gelassen hat, um sich nun der Freundschaft stärker zuzuwenden. Die Wahl Servilias zur Gemahlin (1. Akt, 5. Sz.) geschah nicht nur aus machtpolitischem Kalkül, sondern auch im Hinblick auf eine Intensivierung der Freundschaftsliebe zu Sesto, ihrem Bruder: TITO: „(…) Già che l’amore Scelse in vano I miei lacci; Io vuò che almeno 150  Das Ursprungslibretto

L’amicizia or gli scelga. Al tuo s’ unisca Sesto il Cesareo sangue.“ TITUS: „Die Liebe hat gewehlt, und konnte nicht bestehen. Nun sey die Wahl einmahl der Freundschafft anvertraut. Ich will des Kaysers Blut mit dir vereinigt sehen.“424

Mit diesen Worten hatte Tito gegenüber Sesto seine Entscheidung begründet und hinzugefügt, dass durch die neue Blutsverwandtschaft ihre Freundschaft vertieft würde. Gleichzeitig wolle er die trennende Kluft der hierarchischen Distanz, die sich bisher zwischen ihnen auftat, durch eine Rangerhöhung seines Freundes aufheben. TITO: „Dello spazio infinito, Che fraposer gli Die fra Sesto, e Tito.“ TITUS: „Daß man nicht mehr den Unterschied soll sehen, Den zwischen mir und dir die Götter sonst gemacht.“425

Denn ganz im Sinne der aristotelischen Freundschaftslehre ist wahre Tugendfreundschaft nur unter Ranggleichen möglich. Titos Entscheidung, Sestos Schwester Servilia zu heiraten, war der Versuch, diese Ranggleichheit, soweit es für einen Kaiser überhaupt möglich war, herzustellen. D. Borchmeyer sieht in Titos Versuch, das Hindernis der Statusdifferenz und des Rangunterschiedes in seiner Freundschaft mit Sesto aus dem Weg zu räumen, eine Analogie zu dem Freundschaftsangebot von Schillers Don Carlos an Marquis Posa. „Sind wir nicht Brüder? – Dieses Possenspiel des Ranges sei künftighin aus unserem Bund verwiesen.“426 Allein durch die Erwähnung dieses Vorhabens hat Metastasio die hohe soziale Position Sestos als Mitglied des Hochadels und als ‚amico Augusti‘ noch einmal um den Grad seiner innigsten Vertrautheit mit dem Kaiser, dessen rechte Hand er ohnehin schon war, erhöht. Erst durch den damit verbundenen Prestigegewinn Sestos und seine exponierte Stellung in der Hofgesellschaft, erhielten das Attentat und Sestos Verrat der Freundschaft mit Tito ihre eigentliche Brisanz und ihre besondere Bedeutungsschwere im Rahmen der Adelsgesellschaft. Dra2. Akt  151

maturgisch gesehen wurde die Fallhöhe Sestos und seine soziale Bedeutung im höfischen Umfeld auf diese Weise erheblich vergrößert. Erst dadurch erhielt der Verrat seine für den Kaiser angemessene Gewichtung, die seine persönliche Anteilnahme und affektive Betroffenheit, wie sie dann im 3. Akt zum Ausdruck gebracht werden, überhaupt erst rechtfertigte. Die Freundschaftsthematik und der spätere Clemenza-Akt sind unauflösbar ineinander verschränkt. Annio ist dagegen ein Repräsentant der Freundschaft unter Ungleichen, sowohl in Bezug auf Sesto, erst recht in Bezug auf Tito. Dieser asymmetrische Freundschaftstypus verlangt von einem Rangniederen einen Mehraufwand von ‚philia‘427 sowie uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem ranghöheren Freund, um die hierarchische Differenz in Form emotionaler Ehrerbietung ganz im Sinne des antiken Klientelverhältnisses auszugleichen. Titos kühl-rationale Reaktion auf die Überführung Annios als Täter bezeugt die diesem auf Machtungleichheit beruhendem Freundschaftstypus innewohnende, unüberwindbare, stets präsente soziale Distanz, die zwischen ihnen für immer besteht. Obwohl Tito Annio als Freund bezeichnet, deutet bei ihm nichts auf Clemenza oder Verzeihen hin.428 Ohne zu zögern, handelt Tito nicht als Freund, sondern als Kaiser, mit der sofortigen Einleitung eines formellen Gerichtsverfahrens. Mit der Entpersönlichung des Freundschaftskonflikts durch die Delegierung der Urteilsfindung an den dafür zuständigen Senat, beweist Tito seine, keinerlei Affekt unterworfene, rationale Entscheidungskraft als Herrscher über sich selbst und über Rom. Nicht Tito als Privatperson, sondern Tito als oberstem Repräsentanten des römischen Staates galt dieser vermeintliche Anschlag Annios, denn die Beziehung zwischen Annio und Tito konnte von vornherein nicht in die Sphäre des Privaten und Persönlichen vordringen, sie hatte stets innerhalb der Grenzen einer formalisierten Amikalität zu verbleiben. So hatte die ‚Mantelszene‘ die über die reine Intrigenhandlung hinausgehende dramaturgische Funktion, die Konturen und die Besonderheit der Freundschaft zwischen Sesto und Tito im Kontrast zum gewöhnlichen Typus der Annio-Freundschaft deutlich hervorzuheben. Aber warum stellt Annio die Treuepflicht zu seinem engen Freund Sesto, dessen Schwester er heiraten wollte, über die Loyalitätspflicht gegenüber dem Kaiser und dem Staat, indem er den wahren Täter 152  Das Ursprungslibretto

deckt? Anscheinend hat die Freundschaft für ihn einen höheren Wert als Kaisertreue und Staatsraison, ganz im Gegensatz zur Liebe, die er ohne Zögern dem Herrscherwillen geopfert hätte. Der Höfling, als der Annio hier bisher beschrieben wurde, wird zum Menschen, dem der individuelle Anspruch auf Freundschaft wichtiger zu sein scheint als alle Ansprüche Roms. Andererseits kann er jederzeit auf die Freundespflicht Sestos hoffen, dessen Geständnis ihn befreien und rehabilitieren würde und ihm vielleicht sogar einen Prestigegewinn als tugendhafter Held der Freundschaft sichern könnte. Doch Sesto schweigt, weil nicht die Tugend der Freundschaft ihn leitet, sondern die Leidenschaft der hörigen Liebe sein Denken und Handeln beherrscht. 12. Szene

Nachdem Tito die Bühne verlassen hat, bittet Annio vergeblich Servilia, ihn anzuhören. SERVILIA: „Non odo gli accenti D’un labbro spergiuro: Gli affetti non curo D’un perfido cor.“ SERVILIA: „Dergleichen Worte hör ich nicht, die man mit falschen Lippen spricht: Mit ungetreuen Hertzen Verlang’ ich nicht zu schertzen.“429

Enttäuscht, aber entschlossen, löst Servilia die Verbindung mit ihrem Geliebten und Bräutigam. Ohne ihm die Gelegenheit zur Rechtfertigung zu gewähren, schickt sie ihn fort: SERVILIA: „A me t’invola: Tua Sposa io più non son.“ SERVILIA: „Du kanst mir aus den Augen gehen, Nun bin ich deine Braut nicht mehr.“430

2. Akt  153

Für Servilia, diese Ehrlichkeit und Offenheit repräsentierende Tugendgestalt, die im 1. Akt noch so couragiert für ihre Liebe kämpfte, deretwegen sie bereit war auf den Thron zu verzichten, sind Lüge und Verrat ein unverzeihliches Delikt, das auf einen grundsätzlichen, völlig inakzeptablen Charakterfehler verweist. Bedeutsam an dieser Trennungsszene ist aber vor allem die Tatsache, dass sie zwar von Annio hintergangen worden wäre, aber der Verrat und der Anschlag sich gegen den Kaiser gerichtet hätte, dem sie allein aus Gründen der Loyalität bereit war, ihre Liebe zu opfern, um ihn allein aus höfischem Pflichtbewusstsein entgegen ihrer wahren Neigung, zu heiraten. Diese Loyalität beweist sie auch jetzt wieder, indem sie mit der Trennung von Annio ihrer Pflicht als Hofdame nachkommt. Dennoch bleibt es erstaunlich, dass Servilia nicht den geringsten Versuch unternimmt, ihre Liebe zu retten oder ihr eine letzte Chance einzuräumen. Ist sie etwa trotz ihres Hangs zur Ehrlichkeit, oder gerade wegen dieser Tugend, mehr Höfling als Annio, dem die Freundschaft ein höherer Wert zu sein scheint als die Kaisertreue? 13. Szene

In einer ebenso kurzen, auf wenige Verse und seine Abgangsarie beschränkten Szene, scheitert Annio mit seinen Bemühungen, Sesto zu überreden, sich als der wahre Schuldige zu bekennen. Es sei nicht die Angst vor Strafe und Gefangenschaft, sondern die soziale Ächtung und der Verlust seiner Geliebten, die für ihn unerträglich seien, so lautet sein verzweifelter Aufruf an das Gewissen des Freundes. 14. Szene

Die danach allein auf der Bühne zurückbleibende Vitellia versucht mit Nachdruck und im eigenen Interesse, Sesto zur Flucht zu bewegen, damit sie durch seine Verhaftung nicht verraten werde. VITELLIA: „Con la tua fuga è salva La tua vita, il mio onor.“ VITELLIA: „Mit dieser Flucht errettest du dein Leben, Und meine Ehre auch.“431 154  Das Ursprungslibretto

Sestos Bedenken, damit sei das Schicksal Annios besiegelt, zerstreut sie mit dem Versprechen, sich um seinen Freund zu kümmern und ihn zu schützen. Vor allem fürchtet sie aber ein erneutes Zusammentreffen Sestos mit seinem geliebten Freund Tito: VITELLIA: „Per Tito in te vedessi. Il suo rigore Non temo già, la sua Clemenza io temo.“ VITELLIA: „Du meynst vielleicht, sein Grimm erschrecke mich; Nein, seine Gütigkeit ist’s, die ich scheue,432

Und wie verzaubert von Vitellias anschließenden Schmeicheleien, verspricht Sesto, ohne Rücksicht auf die Freundespflicht, Annios Schicksal in die Hände der „Grausamen“ zu legen und zu fliehen: „Partirò, fuggirò.“ („Ja, ich flieh’, ich will ja rennen.“).433 15. Szene

Doch für die Flucht ist es schon zu spät. Publio trifft in Begleitung der Wache ein und teilt Sesto mit, dass Lentulo lebe und ihn verraten habe. Der Senat sei schon zur Gerichtsverhandlung versammelt und er müsse ihn jetzt unverzüglich vorführen, drängt Sesto zur Eile. Dessen erste Reaktion gilt aber nicht der Sorge um sein Leben, sondern sie gleicht eher einem erleichterten Seufzer über die Befreiung aus dem imaginären Kerker seiner Besessenheit: „Al fin Tiranna“ („Tyrannin, endlich muß …“).434 Und in seiner daran anschließenden Abgangsarie appelliert er an Vitellias Gewissen und fordert sie auf, stets in Erinnerung zu behalten, was er für sie getan und erlitten hat: „La memoria di tanti martiri“ („Das Angedencken herber Pein“).435 16. Szene

Sesto lässt eine Vitellia auf der Bühne zurück, der die Ausweglosigkeit ihrer Situation endlich bewusst geworden ist. Ihren drohenden Untergang vor Augen, streckt sie die Waffen. Am Ende des 2. Aktes erleben wir nun eine Vitellia, die nichts mehr von einer ‚Rachefurie‘ oder einem ‚rasenden Weib‘ an sich hat. Angst vor der Schmach der Entehrung und 2. Akt  155

gepeinigt von den Selbstvorwürfen, an Sestos bevorstehendem Tod schuldig zu sein, haben Vitellia zu einer schwachen, zweifelnden, von Schamgefühlen gequälten, empfindsameren Frau gemacht, was in ihrer eindrucksvollen Affekt-Arie zum Abschluss des zweiten Aktes offenbar wird: VITELLIA: „Tremo fra’ dubbj miei: Pavento i rai del giorno: L’ aure, che ascolto intorno Mi fanno, palpitar Nascondermi vorrei: Vorrei scoprir l’errore: Nè di celarmi ò core, Nè coré ò di parlar“ VITELLIA: „Der Zweiffel macht, daß ich erzittre, Das Licht des Tages scheue ich, Luft sogar erschrecket mich, Und macht, daß ich erschüttre. Wie gerne wolt’ ich mich verstecken, Wie gerne meinen Fehl bedecken, Mich zu verstecken hab ich nicht das Hertz, Und reden kan ich nicht vor Schmerz.“436

3. Akt 1. Szene

Tito und Publio befinden sich in einem abgeschlossenen Raum des kaiserlichen Palastes, in dem ein Tisch mit Schreibzeug darauf steht, anscheinend ist es das Arbeitszimmer von Tito. Publio drängt Tito zum Festplatz zu gehen und sich dem wartenden römischen Volk zu zeigen, das froh sein werde, ihn unversehrt und gesund zu sehen. Tito, der inzwischen über die Verhaftung Sestos informiert worden ist, will aber vorher noch das Urteil des Senats abwarten. Für ihn steht die Unschuld 156  Das Ursprungslibretto

seines engsten und einzigen Freundes unumstößlich fest. Voll Ungeduld schickt er Publio, um endlich die erlösende Bestätigung für Sestos Unschuld zu erhalten. Doch Publio fürchtet als Unglücksbote zurückzukehren. Darauf Tito: TITO: „E puoi Creder Sesto infedele! Io dal mio core Il suo misuro; E un impossibil parmi Ch’egli m’abbia tradito.“ TITUS: „Und kanst du glauben, daß mein Sextus untreu sey? Nach meinen Hertzen meß’ ich sein Gemüthe: Bey meinem findet auch die Möglichkeit nicht statt Daß mich das seinige jemahls verrathen hat.“437

Publio entgegnet ihm, dass nicht jeder so ein gütiges Herz habe wie Tito. Und in seiner Abgangsarie beschreibt er die Gefahr einer allzu gutgläubigen Redlichkeit, der List und Betrug verborgen bleiben. Panegyrisch besingt er die an Wahrheitsliebe und Ehrhaftigkeit nicht zu übertreffende Ausnahmeerscheinung Titos im Kontrast zu Sesto und seinen Mitverschwörern: PUBLIO: „Un cor verace, Pieno d’onore Non è portento, Se ogn’altro core crede incapace D’infedeltà.“ PUBLIUS: „Ein Hertz, das Ehre liebet, Und sich in Wahrheit übet, Das bleibt dabey, Daß allen andern Hertzen Unmöglich sey, Mit Treu und Schwur zu schertzen.438

3. Akt  157

2. Szene

„O nein: So gottlos ist mein Sextus nimmer mehr,“ ruft Tito im unerschütterlichen Glauben an die Treue seines Freundes Publio hinterher,439 um dann im Zustand größter Sorge um den geliebten Freund, die Tiefe und Innigkeit ihrer Verbindung ganz offen zu bekennen: TITO: „(…) o l’ò veduto Non sol fido, & amico; Ma tenero per me. Tanto cambiarsi Un’alma non potrebbe. (…)“ TITUS: „Ich hab ihn nicht allein als Freund, und treu gesehen, Recht zärtlich liebt er mich. Das kan ja nicht geschehen, Daß eine Seele sich so sehr Auff einmahl kann verkehren.“440

Als Annio hereinkommt und für Sesto um Gnade bittet, fragt Tito ihn besorgt, ob dessen Schuld nun bewiesen sei. Einerseits verweist Annio auf Sestos Mantel mit dem Zeichen der Verschwörer als untrügliches Indiz, andererseits hätte Lentulo ihn, Sesto, bei dem Verhör als Urheber des Anschlags beschuldigt, der ihn angestiftet und zur Tat verführt hätte. Dass Sesto dazu geschwiegen habe, sei ein weiterer Beweis für seine Schuld. Als sei er der Verteidiger Sestos, erinnert Tito Annio daran, dass ihm der Mantel als falsch gedeutetes Indiz ja selbst fast zum Verhängnis geworden wäre: TITO: „(…) E quel che vero appare Sempre vero non è. (…)“ TITUS: „Offt scheint was wahr, und doch hat man es nicht getroffen.“441

Und ebenso, wie jetzt Sesto vor dem Senat, habe Annio noch vor kurzem selbst zitternd vor ihm gestanden und auf die Anschuldigungen ebenfalls keine Antwort gegeben:

158  Das Ursprungslibretto

TITO: „Palpiti, ti confondi … A tutti vera Non parea la tua colpa? E pur non era. Chi sa? Di Sesto a danno Può il Caso unir le circostanze istesse, O somiglianti a quelle.“ TITUS: „Du zitterst, bist bestürzt …War nun nicht Sonnen-klar, Daß du Thäter seyst? Und dennoch war’s nicht wahr. Wer kan denn nun bey Sexto wissen, ob sich’s nicht eben so bey ihm hat fügen müssen.“442

Bemerkenswert an dieser Textpassage ist, dass Tito nicht nur sein in der Sache Annio getroffenes Fehlurteil freimütig eingesteht, sondern seinen Irrtum nun auch noch zum wichtigsten Argument seiner kleinen Apologie macht. Da der Schein oft trügt und die Aussagekraft der Indizien häufig begrenzt ist oder in die Irre führt, hilft nur die cartesianische Strategie des Zweifelns bei der Wahrheitsfindung. Tito geht es dabei nicht nur um das Exemplum eines aus seinen Fehlern und Irrtümern lernenden Monarchen, sondern ebenso um das gewissenhafte Bemühen, dem Beschuldigten durch eine vorurteilsfreie Überprüfung der Indizienlage gerecht zu werden. Aber selbst bei einem objektiven und unwiderlegbaren Nachweis für die Schuld Sestos, zweifelt Tito daran, ob er den geliebten Freund verurteilen und seiner gerechten Strafe zuführen würde. Auf die entsprechende Frage Annios bleibt Tito bei der Vorstellung von der Bestrafung Sestos die Antwort förmlich im Halse stecken: TITO: „Ma se poi fosse reo dopo sì grandi Pruove dell’amor mio: Se poi di tanta Enorme ingratitudine è capace; Saprò scordami appieno Anch’io … Ma non sarà. Lo spero almeno.“ TITUS: „Wenn er alsdann noch schuldig heißen sollte, Nach so viel Lieb und Huld, die er von mir genossen, Nimmt seine Seele dann dergleichen Undanck ein, 3. Akt  159

Wohl, so vergeß’ ich auch, und bin entschlossen, Daß … Doch er wird’s nicht seyn. Ich hoff es wenigstens.“443

3. Szene

Publio bringt die Nachricht, dass Sesto gestanden habe und der Senat ihn und seine Mitverschwörer zum Kampf mit den Raubtieren verurteilt hätte. Er reicht das Schriftstück mit dem Urteil Tito zur Unterzeichnung, der entsetzt und fassungslos vor Sorge um seinen Freund den um Gnade für Sesto bittenden Annio auffordert, ihn allein zu lassen. Verzweifelt versucht Annio in seiner Abgangsarie bei dem Kaiser eine Begnadigung Sestos zu erreichen. 4. Szene

Es folgt der große Monolog Titos. Der Verrat eines so engen Freundes, der von seinem „Hertzen schon so manche Liebesproben erhalten“ hat, ist für ihn völlig unverständlich. Enttäuscht fragt Tito sich, warum er das Urteil noch nicht unterschrieben und die Hinrichtung aufgeschoben habe. Für einen kurzen Moment des Zorns und der Verbitterung fordert er Sestos Tod. Doch schon im nächsten Augenblick zweifelt er, ob es richtig sei, ihm die letzte Chance einer Anhörung zu verweigern. TITO: „(…) Ah si, lo scelerato mora. Mora … Ma senza udirlo Mando Sesto a morir? (…)“ TITUS: „Ach ja, der Ruchlose sterbe. Er sterbe … doch ohne ihn anzuhören Schicke ich Sextus in den Tod?“444

Warum sollte er ihn anhören, hat der Senat doch in einer gründlichen Untersuchung den zweifelsfreien Beweis für Sestos Schuld erbracht? Aber vielleicht blieb dem öffentlichen Verfahren der staatlichen Institutionen ein Geheimnis Sestos verborgen, das nur in der intimen Vertrautheit seiner Beziehung zu Tito gelüftet werden könnte. An diese Gedanken knüpft Tito die letzte Hoffnung auf die Rettung seines Freundes, 160  Das Ursprungslibretto

der ihn, wie er mutmaßt, wahrscheinlich „heimlich“ sprechen wolle. Für den Kaiser müsste der Fall mit dem Senatsurteil geklärt sein, für den Freund und Privatmann, für den Menschen Tito, dem nach dem herben Verlust seiner Liebe nun auch der Verlust seiner Freundschaft droht, bleibt er eine erdrückende Last. Mit dieser Frage, ob Sesto ihm vielleicht ein Geheimnis anvertrauen wolle, entzieht Tito den Fall der Staatssphäre und macht ihn zum privaten Problem. Diese Vermischung der beiden antagonistischen Sphären forciert den unauflösbaren inneren Konflikt zwischen den Ansprüchen des Kaiseramtes und den individuellen Bedürfnissen der Privatperson.445 Der auf Tito lastende psychische Druck lässt ihn gegen Ende der Szene für einige Augenblicke gedanklich die pastorale Idylle eines unbeschwerten, von allen gesellschaftlichen Anforderungen, Verstellungen und Täuschungen freien, bäuerlichen Lebens fliehen. In dem Bauerngleichnis, das er nun in seinem Monolog zur Sprache bringt, beschwört er sehnsuchtsvoll den arkadischen Zustand einer selbstgenügsam-naturhaften bäuerlichen Existenz. Die Entlastungsfunktion dieser arkadischpastoralen Gegenwelt resultiert vor allem aus der Vorstellung von einem allen gesellschaftlichen Zwängen entzogenen Fürsichsein. In diesen pastoralen oder bukolischen Sozialidyllen, wie Metastasio sie immer wieder zum Gegenstand seiner Dramen, z. B. 1733 in seiner Olimpiade446 oder im Re pastore, gemacht hat, ist die qualitative Andersartigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen von besonderer Bedeutung. An diesem utopischen Ort des ‚nur noch Privaten‘ herrscht nicht mehr der soziale Imperativ des ‚dissimulez’ der Hofgesellschaft, dessen verräterisches Produkt der die Freundschaft nur vortäuschende Sesto nun doch zu sein scheint. Dieses pastorale Traumbild Titos ist ein Indiz für seine emotionale Betroffenheit über den Verlust der letzten, ihm verbliebenen, vertrauten Beziehung zu einem geliebten Menschen. Aber dem Dramma per musica Metastasios dienen die Elemente der pastoralen Utopie implizit immer auch als literarisches Mittel der Hofkritik, die hier indirekt nun von dem als Privatperson enttäuschten Kaiser selbst geäußert wird. Tito spricht diesen Kontrast der beiden so unterschiedlichen Lebenswelten am Ende seines Monologs in dem Bauern-Gleichnis deutlich an:

3. Akt  161

TITO: „Passa tranquillo i dì. Molto non brama: Sa chi l’odia, e chi l’ama: Unito, o solo Torna sicuro alla foresta, al monte, E vede il core a ciascheduno in fronte. Noi fra tante grandezze Sempre incerti viviam: Che in faccia a noi La Speranza, o il Timore Su la fronte d’og’un trasforma il core. Chi dall’infido Amico, (olà) chi mai Questo temer dovea?“ TITUS: „Ist jeden Tag vergnügt, am Abend wie am Morgen: Er wünscht nicht viel: er weiß, wem er verhaßt kan seyn, Und wer ihn liebt, er kan mit andern, auch allein Gantz sicher in den Wald auf Berg und Hügel gehen, Er siehet jedes Hertz auf jedes Stirne stehen, Wir leben stets in Furcht bey aller Herrlichkeit; Bey uns streicht jedem Furcht und Hoffnung allezeit, Wenn wir zugegen sind, das Hertz in dem Gesichte Mit andern Farben an. Dergleichen schöne Früchte Hätt’ ich von meinem Freund, der mich darff hintergehn (…) Mich nimmermehr versehn.“447

5. Szene

Ungeduldig fragt Tito den hereinkommenden Publio, warum die Wachen Sesto noch nicht gebracht hätten. Als er sich endlich nähert, drohen Tito die Gefühle der alten Freundschaft zu überwältigen, er denkt spontan an Freispruch. Doch sofort zügelt er seine auflodernde Leidenschaft und wechselt aus der Rolle des Freundes und Privatmanns in die öffentlich-repräsentative des Kaisers und offiziellen Staatsoberhaupts: TITO: „Ingrato! All’ udir che s’appressa Già mi parla a suo prò l’affetto antico Ma no: Trovi il suo Prence, e non l’amico (Tito siede, e fi compone in atto di maestà)“

162  Das Ursprungslibretto

TITUS: „Der Undanckbare! Kaum hör’ ich, daß er nahe sey, So spricht ihn schon die alte Freundschafft frey. Doch nein: Er finde mich als Kayser, nicht als Freund. (Titus setzt sich, und nimmt eine ernsthaffte Mine an.)“448

Metastasio unterstreicht diesen bewussten Wechsel aus der Privatsphäre in den staatlich-repräsentativen Bereich noch durch eine entsprechende Szenenanweisung, die zur bühnengerechten Darstellung von Titos Rollentausch nun eine „ernsthafte Mine“ verlangt. 6. Szene

Damit ist der offizielle, staatspolitische Charakter des folgenden Auftritts von Sesto szenisch vorbereitet. Dennoch sind beide im ersten Moment ihrer Gegenüberstellung von ihren freundschaftlichen Gefühlen ergriffen, die sie beiseite sprechend jeder für sich zum Ausdruck bringen: „Mille affetti diversi ecco a cimento“ („Wie viel verschiedene Begierden streiten hier!“),449 erkennt Publio die Affektwirren, die der jeweilige Anblick des geliebten Freundes bei ihnen auslöst. Und obwohl Tito immer wieder versucht, ernst und amtlich zu erscheinen, bewegt beide über viele Verse hinweg nur die Beobachtung des anderen, um aus seinen Gesten und Reaktionen, der Art zu sprechen oder am Gesichtsausdruck abzulesen, was sich hinter der äußeren Fassade im Inneren verbirgt: SESTO: „Numi! E quello ch’ io miro (Guardando Tito) Di Tito il volto! Ah la dolcezza usata Più non ritrovo in lui. (…)“ (…) TITO: „(…) Come Io trasformò! Porta sul volto La vergogna, il rimorso, e lo spavento. (…) Palpita l’Infedel.“ 3. Akt  163

SEXTUS: „Ihr Götter! Ist denn das, was ich erblicke (Indem er Titus ansieht) Des Titi sein Gesicht? Ach! diese Freundlichkeit, Die ihm so eigen ist, find ich in keinem Stücke.“ (…) TITUS: „Er schämet sich, es mag sich das Gewissen rächen. Die Furcht sieht ihm recht aus den Augen raus. (…) (Wie zittert er, der Ungetreue!)“450

Titos Ergriffenheit ist so stark, dass er den Versuch, Sesto mit der formell-kaiserlichen Distanz zu begegnen, aufgibt, Publius und die Wachen wegschickt, um die Intimität eines Privatgesprächs unter Freunden herzustellen und auf diese Weise den wahren Grund für Sestos Mordplan zu erfahren. Wieder ist es dieser für das 18. Jahrhundert so typische Wechsel aus dem Privaten ins Öffentliche, aus dem Formellen ins Informelle, aus dem Amtlichen ins Allgemein-Menschliche, das die Szene bestimmt: TITO: „(…) Se Tito Augusto Ai potuto obliar; Di Tito amico Come non ti sovvenne? (…)“ TITUS: „Und wenn du Titum als Kayser hast vergessen; Wie dachtest du denn nicht indessen An Titum deinen Freund? (…)“451

In diesem großen Dialog zwischen Tito und Sesto wird die Freundschaftsthematik dramaturgisch auf den Höhepunkt getrieben und es zeigt sich erneut, dass sie das Kernstück des Dramma per musica bildet. Für Tito endet die letzte intime Beziehung zu einem Menschen seines Vertrauens, die ihm noch geblieben war. Dem Topos des einsamen Herrschers ist Genüge getan:

164  Das Ursprungslibretto

TITO: „(…) Di chi fidarmi In avvenir potrò, se giunse, oh Dei! Anche Sesto a tradirmi! (…)“ TITUS: „Auf wen verlasse ich mich nun, Da, o ihr Götter mich mein Sextus kan verrathen?“452

Zutiefst beschämt und seiner Schuld bewusst, wirft Sesto sich vor Tito auf die Knie und erfleht verzweifelt seinen Tod. Als Tito darauf hinweist, dass dieser unwürdige Zustand, in dem Sesto zu seinen Füßen läge, das Ergebnis seiner ungezügelten Herrschsucht sei, die auf seinen Thron zielte, bestreitet Sesto dies vehement. Daraufhin unternimmt Tito einen letzten Versuch, von Sesto die Wahrheit zu erfahren, indem er die Grenze zum Privaten nun vollständig überschreitet: TITO: „Odimi, o Sesto: Siam soli: Il tuo Sovrano Non è presente. Apri il tuo core a Tito: Confidati all’Amico. Io ti prometto, Che Augusto nol saprà. (…)“ TITUS: „Mein Sextus, höre mich: Es kan uns niemand stören: Dein Kayser ist nicht da, er soll nichts hören. Du kanst dein Hertz ja wohl dem Tito offenbahren: Vertraue dich ihm nur als Freund; und ich Verspreche dir, es soll der Kayser nichts erfahren.“453

Mit dieser konsequenten Abspaltung seiner Herrscherrolle von der Privatperson, gelingt es Tito sogar, sich für einen Augenblick zum Komplizen des Attentäters, seines Freundes, zu machen: TITO: „… Del tuo delitto Dì la prima cagion: Cerchiamo insieme Una via di scusarti. Io ne sarei Forse di te più lieto.“

3. Akt  165

TITUS: „Wer hat dich denn verführt? Sag mir geradezu: Wir wollen beyde es schon zu bemänteln suchen. Vielleicht erfreuete ich mich noch mehr, als du.“454

Da dieser letzte, so eindringliche Appell Titos an ihre Freundschaft ebenfalls erfolglos bleibt und Sesto, um Vitellia nicht zu verraten, weiterhin schweigt, beendet Tito verärgert das Gespräch in streng formellrepräsentativer Haltung als Kaiser. Der erneute Wandel des privaten Vorgangs in eine offizielle Staatsaktion wird durch die kühl-distanzierte Ablehnung von Sestos demutsvoller Bitte, zum Abschied noch einmal die Hand des Kaisers küssen zu dürfen, symbolisch gekennzeichnet: TITO: „Parti: Non è più tempo. (Senza guardarlo.)“ TITUS: „Geh’, es ist nicht mehr Zeit. (ohne ihn anzusehen.)“455

7. Szene

Nachdem die Wachen Sesto abgeführt haben, lässt Metastasio den Leser und Zuhörer mit dem letzten großen Monolog Titos an dessen innerem Prozess seiner persönlichen Urteilsfindung teilhaben, der immer weniger affektbestimmt, zunehmend in einem rationalen Abwägen verschiedener staatspolitischer und nicht mehr persönlich-privater Gesichtspunkte mündet. Mit dem Ende der 6. Szene ist für Tito der Freund verloren, die Freundschaft beendet. Damit hat die Magie des Privaten endgültig ihre Wirkungskraft eingebüßt. Den kurz aufflammenden Racheaffekt des gekränkten Freundes Tito zügelt aber sogleich die Ratio des Kaisers, der seinem spontanen Wunsch, Sesto sterben zu sehen, die Würdelosigkeit derart niedriger Motive als für einen Monarchen unangemessen entgegenhält: TITO: „Il torre altrui la vita E facoltà comune 166  Das Ursprungslibretto

Al più vil della terra: Il darla è solo D’Numi, e de’ Regnanti. Eh viva … (…)“ TITUS: „Das Leben nehmen, o! Die Kunst ist gar gemein, Es mag der niedrigste der gantzen Erden seyn, So kan er dieses auch; Alleine es zu geben, Das kommt nur Göttern zu, und Fürsten. Er soll leben …“456

Doch mit einer Begnadigung würde er sich im Widerspruch zu dem Senatsurteil und den Gesetzen befinden, deren Hüter er selbst ja sei, so die nüchternen Bedenken Titos. Selbstkritisch stellte er sich die Frage, ob eine solche Entscheidung nur gegen die Gesetze der alten Freundschaft geschuldet und durch die persönlichen Gefühle für Sesto beeinflusst sei: „Di Sesto amico Non sa Tito scordasi?“ („Kann Titus seinen Freund und Sextum nicht vergessen?“). Entschlossen zwingt er sich, seine Affekte zu beherrschen, die Erinnerungen an den Freund zu unterdrücken und Härte zu zeigen: „D’amicia, e pietà taccia per ora, Sesto è reo: Sesto mora.“ ‚(„Und setze Freundschaft, Gunst und Gnade jetzt hindan. Er hat den Tod verdient; drum nehm er so ein Ende.“)457 Das antithetische Für und Wider der Begnadigung löst er dann mit Hinweis auf die historische Dimension dieser Entscheidung auf, indem er sich fragt, wie die Nachwelt es aufnehmen würde, wenn er mit unbarmherziger ‚rigore’ (Strenge) und nicht im Stil großer Herrscher mit ‚clemenza’ (Güte) gegen den Freund vorgehen und sein Blut vergießen würde: TITO: „(…) Or che diranno I Posteri di noi? Diran che in Tito Si stancò la Clemenza, Come in Silla, e in Augusto La crudeltà (…)“ TITUS: „Was soll nun wohl von uns dereinst die Nachwelt sagen? Daß Titi Gütigkeit doch endlich umgeschlagen, So gut als des August und Silla Grausamkeit.“458

Und er fügt hinzu, dass es ihm als Schwäche ausgelegt werden könnte, die Kränkungen und die persönliche Schmach, die der Freund ihm ange3. Akt  167

tan hat, nicht würdevoll ertragen und ihm verziehen zu haben. Tito bekennt sich zu seinem Clemenza-Image und seinem gütigen Herrschaftsstil, nicht einmal der Verrat seines engsten Freundes kann ihn, bei aller Enttäuschung, von der Beibehaltung seines milden Regierungsstils abbringen: TITO: „Benchè infedele. E se accusarmi il mondo Vuol pur di qualche errore, M’accusi di pietà, non di rigore. (Getta il foglio lacerato)“ TITUS: „(…) Und wenn mich die Welt Schon anklagen will für irgendeinen Fehler, soll sie mich der Milde anklagen (wirft das zerrissene Blatt weg) und nicht der Strenge.“459

Mit diesem eindeutigen Bekenntnis zu seinem Titus-typischen Herrschaftsstil der Clemenza ist die Entscheidung endgültig gefallen und zwar als Resultat rein politisch-repräsentativer, machtsymbolischer Erwägungen, nicht aber aufgrund privater Rücksichtnahmen oder freundschaftlicher Affekte.460 Dramaturgisch ist an dieser Stelle der Knoten der Intrigenhandlung aufgelöst461 und die große Clemenza-Aktion des ‚lieto fine‘ angekündigt und vorbereitet. Es ging nicht um eine Hymne auf die Freundschaft oder deren theatralische Rettung, eigentliches Ziel der Intrigenhandlung war die Überwindung von Freundschaft und der damit verbundenen Leidenschaften und Affekte. Die Verzichtsleistung Titos und das quälende Martyrium seines Abschieds von Sesto, dieses Exemplum der heroischen Selbstüberwindung und Entsagung, standen im Mittelpunkt des moralisch-didaktischen Dramma per musica. Der innere Prozess der Loslösung aus den persönlich-emotionalen Bindungen der Freundschaft bildet geradezu die Voraussetzung für den formell-distanzierten Akt der Gnade, der nicht um des Freundes, sondern um des Staates willen vollzogen werden soll. Niemals durfte die Clemenza das belastbare Privileg der Freundschaft sein. Auch nur der Anschein von amikaler Begünstigung hätte der kaiserlichen Milde ihre staatstragende und aufklärerische Aura genommen. 168  Das Ursprungslibretto

8. Szene

Obwohl Tito Publio im Glauben lässt, er hätte das Todesurteil unterzeichnet, ist seine Entscheidung für eine Begnadigung Sestos endgültig. In seiner eindringlichen Arie „Se all’Impero Amici Dei“ wird die Verschmelzung Titos mit dem Herrschaftsprinzip der Clemenza unumstößlich besiegelt und zum ostentativen Bekenntnis. Für Tito ist Clemenza von nun an nicht mehr allein das Produkt eines rationalen Willensaktes, sondern ein verinnerlichtes Tugend- und Herrschaftsideal, das zum Wesensmerkmal und unablösbaren Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, die nun gleichsam die inkarnierte Clemenza repräsentiert. Die Forderung an ihn, einen Herrschaftsstil ohne Clemenza zu praktizieren, wäre für Tito wie ein Eingriff in seinen Körper, dessen zentrales Organ, das Herz, zur Metapher der Clemenza mutiert: TITO: „Se all’Impero, amici Dei, Necessario è un cor severo; O togliete a me l’Impero, O a me date un altro cor. Se la fè de’Regni miei Con l’Amor non assicuro: D’una fede io non mi curo, Che sia frutto del timor.“ TITUS: „Wenn für die Herrschaft, freundliche Götter, Ein strenges Herz vonnöten ist, Nehmt mir entweder die Herrschaft ab, Oder gebt mir ein anderes Herz. Wenn ich die Treue meiner Reiche Nicht mit Liebe gewinnen kann, Liegt mir nichts an der Treue, Die eine Frucht der Angst wäre.“462

9. Szene

Die 9. Szene dient als reine Funktionsszene nur dazu, Vitellia über den neuesten Stand des Handlungsverlaufs zu informieren. Von Publio 3. Akt  169

erfährt sie, dass Sesto zur Arena geführt wird, nachdem er zuvor eine lange Unterredung mit Tito gehabt habe. Vitellia schließt daraus, dass sein Tod entschieden sei. 10. Szene

Aufgrund des langen Gesprächs, das Sesto mit Tito geführt haben soll, vermutet sie, er habe sie verraten. Sie bedauert, Sesto durch ihr eigenes Geständnis nicht zuvorgekommen zu sein, da sie damit die ihr nun bevorstehende Strafe hätte mildern können. Servilia und Annio treten hinzu und bitten Vitellia, sich als zukünftige Kaiserin bei Tito um Gnade für den Freund und Bruder einzusetzen. Vitellia, die an eine Hochzeit mit Tito nicht mehr glauben mag, ist zum ersten Mal von Sestos Treue berührt, als Annio ihr von konkreten Hochzeitsvorbereitungen berichtet, die Tito inzwischen veranlasst habe. Denn das bedeutet für sie, dass Sesto geschwiegen hat: „Dunque Sesto ha taciuto! Oh amore! Oh fede!“ („So hat Sextus geschwiegen! Oh Liebe! Oh Treue!“)463 Und als Servilia ihr vorhält, wie sehr Sesto sie geliebt habe und ihr in allem ergeben war, bemerkt sie zum ersten Mal ein Zeichen der Rührung und emotionalen Betroffenheit bei Vitellia: „Tu piangi!“ („Du weinst!“). In ihrer Abgangsarie wirft Servilia Vitellia nun vor, dass diese Tränen Sesto nicht retten, sondern nur entschlossenes Handeln seinen Tod noch verhindern könnte: SERVILIA: „A questa inutile Pietà che senti, Oh quanto è simile La crudeltà.“ SERVILIA: „Ach dies unnütze Mitleid, das du fühlst, Ach, wie ähnelt es Der Grausamkeit.“464

11. Szene

Doch die ungewohnten Tränen Vitellias sind ein Indiz für die innere Wandlung und Läuterung, die sich bei ihr vollziehen und in ihrem letz170  Das Ursprungslibretto

ten großen Monolog zum Ausdruck kommen. Zum ersten Mal scheint ihr bewusst zu werden, was Sesto, der sie mehr liebe als sich selbst, für sie alles getan und geopfert hat, ihr sogar im Angesicht des Todes, den sie mit ihrer Grausamkeit verschuldet habe, die Treue halte. Einsichtig und voll Reue bekennt sie sich zu ihrer Schuld und beschließt auf alles zu verzichten, was ihr in Aussicht gestellt worden ist, und vor Tito ein Geständnis abzulegen. In ihrer abschließenden Gleichnis-Arie verweist sie auf den Schiffer in Not, der seine gesamten Waren und Schätze über Bord wirft, um sich dadurch, zwar nur als Bettler, aber gesund ans Ufer retten zu können. Das ‚rasende Racheweib‘ hat sich endgültig der Vernunft gebeugt und ihre destruktive Leidenschaft in rationaler Einsicht überwunden. 12. Szene

Der ‚prächtige Ort‘, ‚Luogo magnifico‘, strahlt den staatlich-repräsentativen Charakter der ‚scena ultima‘ aus. Hier gibt es nichts mehr, was an die räumlich abgeschlossenen Szenen der relativen Privatheit erinnert. Im Hintergrund geben die kolossalen Bogenreihen des Amphitheaters, diese steinernen Herrschaftszeichen, in ihrer architektur-symbolischen Bildersprache der Macht, den Blick frei auf den Schauplatz des Kampfspektakels, wo die verurteilten Mitverschwörer Sestos in Erwartung der Bestien und ihres Todes schon versammelt sind. Dies ist der Ort, an dem das ‚arbitrium‘ Titos in Gegenwart des römischen Volkes konkrete Wirklichkeit wird. Es ist der Ort des Staates und der Herrschaft. Und die pompöse Choreographie der aufmarschierenden Personengruppen steigert vor der wuchtigen Kulisse der Arena den Nimbus der unumstößlichen Staatsmacht wirkungsvoll ins Gloriose. Vor Tito gehen die Liktoren, neben und hinter ihm die Senatoren und die römischen Patrizier, gefolgt von den Praetorianern. Hier ist Tito nur noch Kaiser, alles Private ist vollständig eliminiert. Der Chor, das römische Volk repräsentierend, huldigt seinem Kaiser, dem Liebling der Götter, der ihnen immer ähnlicher werde: „Che gli Dei chi lor somiglia,/Custodiscano così.“ („Die Götter schützen die hier auf der Erden, die ihnen ähnlich werden.“)465 Anders als in der 5. Szene des 1. Aktes, wo Annio und Publio mit der Unterstützung des Chores das Titus-Lob in der Gottesanalogie gipfeln ließen und der so Gepriesene sich den Versuchen seiner Vergöttlichung 3. Akt  171

noch widersetzte, reagiert Tito hier nicht mehr abschwächend auf die divinisierende Huldigung des Volkes, sondern befiehlt, ohne darauf einzugehen, Sesto zu bringen. Seine Bereitschaft, die Herrscherrolle voll und ganz anzunehmen, hat sich in einem dramatischen Läuterungs- und Entwicklungsprozess zwischen dem 1. und dem 3. Akt rapide vergrößert. Jetzt genießt er geradezu das Spiel mit der Macht, indem er der um Gnade für ihren Bruder flehenden Servilia und auch Annio vortäuscht, Sestos Todesurteil werde sogleich vollstreckt. So macht er sowohl ihnen, als auch dem römischen Volk deutlich, dass er durchaus in der Lage ist, jederzeit Härte zu zeigen und auf Clemenza zu verzichten. Durch diese bewusste Inszenierung des Unerwarteten soll der Überraschungseffekt und die bei den Römern Bewunderung hervorrufende Wirkungskraft seiner Clemenza-Aktion eindrucksvoll gesteigert werden. Das gilt auch für Sesto: TITO: „(…) (Più di perdono Speme non à. Quanto aspettato meno, Più caro essergli dee.)“ TITUS: „(…) (Er hofft nicht mehr, Gnade zu finden. Je weniger er sie erwartet, desto teurer muß sie ihm sein.)“466

13. Szene

Publio bringt umgeben von Liktoren Sesto zu Tito, der ihn sogleich auf sein Vergehen gegen den Staat und die Gesetze, vor allem aber auch gegen ihn selbst, den Freund, hinweist und ihm sagt, dass die Römer seinen Tod wollen. Und gerade als Tito Sesto mit der großmütigen Geste der Begnadigung überraschen will, wirft Vitellia sich vor ihm auf die Knie, um ein Geständnis ihrer Schuld und Urheberschaft abzulegen: VITELLIA: „Io ti conduco innanzi L’Autor dell’ empia trama.“ VITELLIA: „Du kanst allhier den Ursprung sehen Von allem, was geschehen.“467 172  Das Ursprungslibretto

Auf die Frage des völlig konsternierten Tito, was sie zu dieser Tat veranlasst habe, nennt sie ausgerechnet seine Güte, die sie als Liebe missdeutet hätte, als eigentlichen Grund ihrer Verfehlung und bringt sie damit in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Entstehen der Handlungsintrige: VITELLIA: „La tua Bontà, Credei Che questa fosse amor. (…)“ VITELLIA: „Bloß deine Gütigkeit, die ich vor Liebe hielt;“468

Tito, der nicht versteht, warum in dem Augenblick, in dem er den einen Täter begnadigen will, schon der nächste Verschwörer entlarvt wird, sieht sich vom Schicksal herausgefordert und in seiner Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und der ihm eigenen Güte auf die Probe gestellt: TITO: „(…) Congiuran gli astri Cred’io per obbligarmi a mio dispetto A diventar crudel. No: non avranno Questo trionfo. A sostener la gara, Già m’impegnò la mia Virtù, Vediamo, Se più costante sia L’altrui Perfidia, o la Clemenza mia.“ TITUS: „(…) Es verschwören sich die Sterne, glaube ich, mich wider Willen zu zwingen, grausam zu werden. Nein: sie werden diesen Triumph nicht haben. Um den Kampf zu gewinnen, setze ich schon meine Tugend ein. Wir werden sehen, ob die Treulosigkeit der anderen stärker ist, oder meine Güte.“469

„Virtù“ und „Clemenza“, das sind die hier benannten tragenden Pfeiler seiner Herrschaft und die Waffen im Kampf gegen sich selbst und die Versuchungen seiner Leidenschaften, deren Bezwingung unabdingbare Voraussetzung für die Legitimierung dieser auf Tugend und Güte basie3. Akt  173

renden Herrschaft ist. So vollzieht Tito seine große Clemenza-Aktion zum wohlinszenierten Erstaunen aller Anwesenden, indem er nicht nur die Freilassung Sestos befiehlt, sondern auch Lentulo und allen anderen Mitverschwörern die Freiheit schenkt: TITO: „(…) Sia noto a Roma, Ch’io son l’istesso, e ch’io Tutto so, tutti assolvo, e tutto obblio.“ TITUS: „(…) Rom soll erfahren, daß ich derselbe bin und daß ich alles weiß, alles vergebe und alles vergesse.“470

Dann überrascht Tito den von seiner Gnade und Güte völlig überwältigten Sesto ebenso wie Publio und die zu Tränen gerührte Vitellia mit einem weiteren Beispiel seines Großmuts und seiner ‚generosità’,471 indem er zusagt, sein ihr gegebenes Heiratsversprechen nun einzulösen. Doch das war eine rein rhetorische Herrschaftsfloskel zur Hervorhebung seiner Tugendhaftigkeit und Verlässlichkeit, also ein allein zum Zwecke seiner Selbstrepräsentation gemachtes Angebot, das seine Ablehnung implizit in sich trug und geradezu voraussetzte. Wie zum Trost verspricht Tito Vitellia, die wegen ihrer unwürdigen Rolle als Anstifterin des Verbrechens auf eine Heirat erwartungsgemäß verzichtet, nun auch niemals mehr eine andere Frau zur Braut und Kaiserin zu nehmen. Aber dieses Gelübde galt weniger Vitellia, als vielmehr den in der Arena versammelten Bürgern Roms, denn seine wirkliche Braut ist nun das römische Volk: TITO: „Ti bramo in parte Contenta almeno. Una rival sul trono Non vedrai tel prometto. Altra io non voglio Sposa che Roma: I figli miei saranno I popoli soggetti: Serbo indivisi a lor tutti gli affetti.“

174  Das Ursprungslibretto

TITUS: „Du solst zum wenigsten vergnügt von hinnen gehen, Auf meinem Throne solst du keine nach dir sehen, Als Braut und Kayserin. Mein Rom sey meine Braut. Die Völcker, welche mir der Himmel anvertraut, Nehm ich ins künfftige zu Söhnen, und zu Erben, Und will an sie, und sonst an keine Liebe dencken.“472

Nachdem sich im ‚lieto fine‘ die Konfliktkonstellationen aufgelöst haben, ist mit diesem innigen Bekenntnis Titos zu seinem Volk der Zielpunkt des Handlungsverlaufs erreicht. Alle Affektbindungen zu anderen Menschen sind nach einem schmerzhaften Prozess persönlicher Enttäuschungen gekappt, um nun durch die alles umfassende Bindung an das abstrakte Gegenüber eines Staates und seiner Bevölkerung ersetzt zu werden. Eine symbolische Krönung der Clemenza-Aktion ist die Vermählung Titos mit dem römischen Volk. Das war Ziel und Zweck des Dramma per musica, denn die ihm „zugrunde liegende und folgerichtig durchgeführte Idee ist nichts anderes als der ‚lieto fine’ selbst,“ der „als Absicht des Dichters, das Vorangegangene bedingt“,473 dessen dramaturgische Funktion vor allem darin besteht, den ‚lieto fine’ überhaupt erst zu ermöglichen, um so in der ‚scena ultima‘ den glücklichen und frohen Ausgang des Dramas theatralisch feiern zu können. Gefeiert wird Tito als gottgegebene, ordnende Instanz, die durch ihre Clemenza-Aktion in Form einer ‚imitatio dei‘ die Stabilisierung der politischen Verhältnisse sowie die Sicherung und den Triumph des absolutistischen Staates garantiert und herbeiführt. Der ‚lieto fine‘ der Opera seria ist ein Produkt der Legitimitätsbedürfnisse des absolutistischen Herrschers, dessen politische Klugheit und Unerschütterlichkeit, dessen ‚virtù’ und ‚clemenza’ er mit der Lösung vorangegangener Konflikte und Intrigen propagiert. Diese unmittelbare Kopplung des ‚lieto fine’ an die absolutistische Monarchie und deren Legitimations- und Propagandastrategien wird durch sein dramaturgisches Gegenbild, den ‚tragico fine‘, eindrucksvoll bestätigt, dessen unglücklicher Ausgang eher die Gefahren und Schwächen republikanischer Zustände veranschaulichen sollte. So endeten beide republikanischen Dramen Metastasios, Catone in Utica (1727) und Attilo Regulo, mit dem Selbstmord des Helden oder seinem Scheitern.474 Trotz seiner aufklärerischen Ambitionen im Sinne einer allgemeinen ‚humanité’, blieb Metastasio Zeit seines Lebens immer ein glühender 3. Akt  175

Verfechter des absolutistischen Staates und ein überzeugter Monarchist, denn er sei kein „repubblichista“,475 wie er in seinem Brief an Francesco Giovanni di Chatellux im Januar 1766 ausdrücklich feststellte. So nahm er das Clemenza-Thema zur Glorifizierung der Monarchie schon vier Jahre vor seinem Tito in dem Werk Allessandro nell’ Indie (1730) auf, indem Allessandro durch Begnadigung des Generals Timogene, der einen Komplott gegen ihn angezettelt hatte, seine ordnende Macht mithilfe der Clemenza ausübte. „Das arbitrium des Herrschers wird damit“, so W. Proß, „zum Garanten des Bestandes der Gemeinschaft.“476 In einer letzten großmütigen Geste des Verzeihens ordnet Tito sogar die private Beziehung seiner ehemaligen Widersacher und erteilt Vitellia und Sesto, dem Beispiel Annios und Servilias folgend, seinen Segen für ihre Heirat. Voll Demut und Dankbarkeit spricht Sesto Tito mit der förmlichen Anrede „Ah Cesare, ah Signore“ an, um ihn zu fragen, ob er nun bereit sei, sich durch den Bau eines auf seinen Namen geweihten Tempels als Gott huldigen zu lassen, was er im 1. Akt (5. Szene) noch abgelehnt hatte. Ohne darauf einzugehen, was durchaus als Zustimmung gewertet werden kann, nutzt Tito die Gelegenheit, sich in der erhabenen Distanz des gottähnlichen Kaisers gegenüber Sesto im numinosen Glanz seiner verzeihenden Milde mit dem Hinweis auf den Neubeginn ihrer Freundschaft zu präsentieren: TITO: „Di nuovo amici; E de’ trascorsi tuoi Non si parli più mai. (…)“ TITUS: „Wir wollen nun auffs neue Freunde werden; Und was geschehen ist, das sey vorbey.“477

Doch gemeint ist nicht mehr die zutiefst vertraute und empfindsame Freundschaft, wie sie im großen Dialog zwischen Tito und Sesto zu Beginn des 3. Aktes (6. Szene) noch hätte gerettet werden können, sondern es handelt sich bei der jetzt angebotenen Freundschaft um ein klientelhaft-hierarchisch strukturiertes und formalisiertes Verhältnis, emotionslos-indifferent, wie seine Einstellung nun am Schluss des Dramas auch zu allen anderen Protagonisten ist, die ihm vorher so nahe standen. Übrig bleibt nur noch die leidenschaftslose Freundschaft des gottähnli176  Das Ursprungslibretto

chen und großmütigen, über das profane Affektgeschehen erhabenen Herrschers mit seinen fast schon formelhaften, entpersönlichten Clemenza-Aktionen. Der einsetzende Schlusschor, den Metastasio beim ‚lieto fine’ für eine unbedingte Notwendigkeit erachtete, pries noch einmal die Gottähnlichkeit Titos, der alle emotional-persönlichen Bindungen von Liebe und Freundschaft und die daran geknüpften Affektrisiken heroisch hinter sich gelassen hat: CORO: „Che gli Dei chi lor somiglia Custodiscano così“ CHOR: „Die Götter schützen die hier auf der Erden, Die ihnen ähnlich werden.“478

Titos letzte, noch vor dem Schlusschor an Sesto gerichteten Worte dienen denn auch allein der wirkungsvollen Inszenierung einer symbolträchtigen Schluss-Apotheose im kollektiv imaginierten Strahlenglanz seines Clemenza-Ornats: TITO: „Me gli scordo, t’abbraccio, e ti perdono.“ TITUS: „Ja, ich vergesse, und verzeihe, Und ich umarme dich auffs neue.“479

3. Akt  177

DIE NEUFASSUNG Die Opera seria im Wandel Als Mazzolà und Mozart im Juli 1791 mit der Bearbeitung und Umgestaltung des Librettos von Metastasio begannen, stand ihre Entscheidung, sein Dramma per musica von drei auf zwei Akte zu kürzen, vermutlich von vornherein schon fest. Eingriffe in den Text und Änderungen an dem Libretto des berühmtesten Poeten der Opera seria waren durchaus üblich. Bei fast allen 800 Neuvertonungen seiner 27 Opernlibretti sind mehr oder weniger tiefgreifende Änderungen am Text vorgenommen worden.480 So werden zwei Phasen im Verlauf der Bearbeitungspraxis metastasianischer Operntexte unterschieden: In der ersten, etwa bis Anfang der 1780er Jahre dauernden Phase, sind die Eingriffe noch nicht sehr einschneidend und die drei Akte erhalten geblieben, während in der zweiten Phase die Umgestaltungen der dramaturgischen Grundstruktur wesentlich rigoroser war und die Kürzung der Textvorlage auf zwei Akte zur Regel wurde.481 Ein ganz banaler Grund für die Reduktion der dreiaktigen Libretti auf nur noch zwei Akte mag unter anderem die immer mehr dem Publikumsgeschmack widersprechende Überlänge der mehrstündigen Opernaufführungen gewesen sein, zumal zum eigentlichen Handlungsgeschehen zwischen den Akten noch handlungsfremde Balletteinlagen hinzu kamen. So schrieb die Markgräfin Wilhelmine von Bayern 1752 nach der Aufführung einer Metastasio-Oper an ihren Bruder: „Um das Unglück vollzumachen, dauern die Opern sechs Stunden lang. Es sind Opern von Metastasio, die man ohne die geringste Kürzung spielt. Das geschieht sonst nirgends.“482

Ausgangspunkt einer verstärkt einsetzenden Praxis der Zweiaktigkeit metastasianischer Libretti durch Streichung von oftmals mehr als einem Drittel der dreiaktigen Textvorlage war Italien. Schon 1778 schrieb Joseph Schuster aus Venedig an einen Freund: „In diesem Karneval sollen zum ersten Male ernsthafte Opern in 2 Akten gegeben werden.“483 1780 wurde Metastasios Demetrio in Venedig in einer auf zwei Akte 178  Die Neufassung

gekürzten Fassung mit der Musik von Bianchi aufgeführt. Eine zwischen 1780 und 1795 am häufigsten in der zweiaktigen Libretto-Reduktion gespielten Oper war L’Olimpiade. Diese wurde vornehmlich, wie der Untersuchung Sergio Durantes zu entnehmen ist, in der Vertonung von Cimarosa aufgeführt, der die in diesem Zeitraum durchgeführten zweiaktigen Neuproduktionen der Drammi per musica von Metastasio europaweit nach Ort und Jahr tabellarisch zusammengefasst hat.484 Drei Jahre bevor Mazzolà und Mozart ihre auf zwei Akte reduzierte Neugestaltung des Tito herausbrachten, wurde 1788 mit 22 Aufführungen die höchste Zahl an zweiaktigen Opernproduktionen vom Typus der metastasianischen Seria erreicht. Die Neuvertonungen wurden dabei von den zu der Zeit am meisten beschäftigten und bekanntesten Komponisten vorgenommen, wie bspw. Cherubini, Bertoni, Anfossi, Caruso, Paisiello, Andreozzi und anderen. Die Entscheidung von Mazzolà und Mozart, das Metastasio-Libretto auf zwei Akte zu kürzen, resultiert also keineswegs, wie hin und wieder angenommen wurde, aus einer genialisch-originären Eingebung, sondern sie entspricht einem allgemeinen Entwicklungstrend zur Zweiaktigkeit der Seria-Dramaturgie, wie sie in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts, vor allem in Italien, seinen Höhepunkt erreichte.485 Mit dem Übergang zur Zweiaktigkeit kam es zu einem grundsätzlichen Strukturwandel der Opera seria metastasianischer Prägung. Das starre Schema der wechselnden Abfolge von Rezitativ und Abgangsbzw. Affektarie wurde zunehmend aufgebrochen, um es einer entschiedenen Durchdringung mit musikdramatischen Strukturelementen zu öffnen und ganz generell eine forcierte Musikalisierung des bis dahin von der Sprache dominierten Seria-Typus voranzutreiben. Damit befreite sich nicht nur die Musik aus der Vorherrschaft des Wortes, sondern auch der Komponist emanzipierte sich gegenüber dem Librettisten. Während Metastasio seine Arien hin und wieder sogar sprechen und nicht singen ließ, begannen erste aufgeschlossene Librettisten ohne Rücksicht auf den drohenden Statusverlust der eigenen Profession damit, durch direkte Szenenanweisungen, musikalische Gestaltungselemente als Mittel der Dramaturgie zu nutzen und unmittelbar in das Handlungsgeschehen zu integrieren. So bestimmte Mattia Verazi 1787 in der szenischen Anweisung für die Eröffnungsszene von Europa riconoDie Opera seria im Wandel  179

sciutà den konkreten Einsatz der Musik und die Verwendung einzelner Instrumente: „Die Szene öffnet sich beim beginn der sinfonie, welche die Nachahmung des furchterregenden Sturmes ist und die desto langsamer wird, je mehr dieser abnimmt und die ruhe zurückkehrt. Diese wird durch den süßen Klang einer Oboe angekündigt, der das Andante der Eröffnung ersetzt, und der als Begleitung der Kavantine Asterios dient… während das Kind und Europa zu weinen scheinen, drückt die als Solo leise wahrnehmbare Oboe ihre traurigen Klagen aus.“486

M. Calella, der dieses Beispiel einer frühen Verknüpfung von Musik und Bühnenaktion auf Veranlassung des Librettisten zu verdanken ist, bemerkt: „Hier zeigt sich emblematisch die neue Funktion der Musik, das unausgesprochene szenische Ereignis zu versinnbildlichen.“487 Zuvor hatte schon Niccolò Jommelli dazu beigetragen, der Musik einen neuen Stellenwert im Rahmen der Seria-Produktion zu verleihen, indem er neben der Singstimme nun auch ganz bewusst das Orchester als dramatisches Ausdrucksmittel einsetzte und direkt für den Wirkungseffekt der Handlung nutzbar machte.488 Vor allem wurde Metastasios relativ starres Seria-System der gleichförmigen Nummerndramaturgie durch musikalische Gestaltungselemente wie Ensembles, – vom Duett bis zum Quintett-Finale am Ende der Akte –, sowie den Einsatz des Chores mit zunehmendem Handlungsbezug angereichert und dynamisiert. In Anlehnung an die bis dahin nur in der Buffa-Form praktizierten Finali, schrieb Verazi in seinem Libretto Fetonte für Niccolò Jommelli schon 1768 eines der ersten Finali der Opera seria.489 Zwei Jahre später beendete er Antonio Sacchini’s Callirhoe (Stuttgart 1770) mit einem in dramaturgischer Hinsicht richtungsweisenden Finale, das durch das Nacheinander der auftretenden Sänger vom Trio zum Quartett expandiert.490 Auch Giovanni Paisiello’s Pirro nach dem Libretto von Giovanni de Gamerra (Neapel 1787) wird als wichtiger Beitrag für die Etablierung des Ensemblegesangs als Höhepunkt und Abschluss der einzelnen Akte angesehen. Die in dieser Oper enthaltenen ‚finali concertati‘ sollen möglicherweise sogar die ersten in der Geschichte der Opera seria gewesen sein.491 In diese Richtung wies Gamerra schon 1773 in Mailand, als er in seinem Sismano nel Mogol, vertont von Paisiello, den 2. Akt mit einem Buffa-ähnlichen Finale enden ließ. Der Strukturwandel 180  Die Neufassung

der metastasianischen Opera seria war in den 1780er Jahren nicht nur durch die Reduktion von drei auf zwei Akte gekennzeichnet. Er ging gleichzeitig einher mit einer verstärkten Einbeziehung von handlungsbezogenen Ensembles und Finali in die musikdramatische Gesamtkonzeption, als deren strukturbildendes Teilelement sie nun fungierten. Sein Unbehagen an dem isolierten Nacheinander der RezitativArien-Abfolge hob auch Mozart mehrfach hervor, als er sich z. B. dagegen aussprach, dass die Sänger auf der Bühne einander nicht ablösen sollten „wie die Soldaten auf der wacht,“492 sondern ganz im Gegenteil im gleichzeitigen Mit- und Gegeneinander gemeinsam zum integrierenden Bestandteil der dramatischen Aktion werden sollten, so dass nicht „ein anderer dem anderen sein liedchen nachlallt,“ was eine „ausgepeitschte und nimmer gewöhnliche Mode“ sei.493 Dabei ging es Mozart nicht um den verstärkten Einsatz von Orchester und Sängern in Ensembles zum Zwecke des Schöngesangs, allein um den musikalischen Effekt zu steigern: Hauptgrund der Forderung des Musikdramatikers Mozart nach mehr Terzetten und Quartetten, also nach einer bewussten Musikalisierung kleinerer und größerer Menschenansammlungen auf der Bühne im Nebeneinander und nicht allein im Nacheinander ihrer Stimmen, was stets die dramaturgische Vereinzelung der darstellenden und singenden Personen zur Folge hatte, war vielmehr die Zielsetzung, um ein unauflösbares Verschmelzen musikalisch-kompositorischer Elemente mit der jeweiligen dramatischen Aktion nicht nur in der Opera buffa, sondern auch in der Seria zu erreichen: „wegen den Quartetten etc. will gar nichts sagen, dazu gehört Declamation und Action und keine grosse singkunst oder das ewige spianar la Voce, da gehört Handlung und reden her,“494

schrieb Mozart im Dezember 1780 an seinen Vater, weil der Sänger Anton Raaff sich beim Idomeneo durch die Teilnahme an einem Quartett zurückgesetzt fühlte, er von den Sängern hinsichtlich der Vokalensembles aber forderte, dass sie „dem Compositeur seinen freyen Willen lassen.“495 Die geringe Zahl und das überwiegende Fehlen von Duetten und größeren Vokalensembles in den Libretti Metastasios ist geradezu ein typisches Merkmal der von ihm über Jahrzehnte dominierten Opera seria. Seine theoriegeschichtliche Verwurzelung in der Traditionslinie Die Opera seria im Wandel  181

der französischen Tragédie classique und den damit übernommenen Prinzipien des Aristotelismus mit der unbedingten Forderung nach ‚Wahrscheinlichkeit‘ des Bühnengeschehens könnten ein wichtiger Grund für seine Ablehnung des gleichzeitigen Singens von zwei oder mehr Personen gewesen sein. Galt schon der monologisierende Sologesang als eine Art ‚musikalisierten Sprechens‘, das unnatürlich und im höchsten Maße artifiziell war, so verstieß das Simultansingen genauso, wie das gleichzeitige Zusammensprechen zweier oder mehrer Personen gegen das dramaturgische Prinzip der Wahrscheinlichkeit.496 Erst recht das sich mit der Seria-Entwicklung mehr und mehr durchsetzende antithetische Duett, in dem die Sänger ihre unterschiedlichen, einander widersprechenden Affekte im musikalisierten Dialog zum Ausdruck brachten, muss die Grenzen der Wahrscheinlichkeit bis zur Unglaubwürdigkeit überschritten haben. So findet sich denn auch in den wenigen Duetten, die Metastasio für einige seiner Opern geschaffen hat, durch den simultanen Text ein reines Singen „a due“.497 Doch vor allem dadurch, dass das gleichzeitige Singen auch antithetischer Inhalte und Affekte nicht nur gegen das aristotelische Dogma der Wahrscheinlichkeit, sondern insbesondere gegen das gesellschaftlich fundierte Prinzip des ‚Angemessenen‘ und ‚Schicklichen‘, gegen die ‚bienséance‘ und das ‚decorum‘ verstieß, zeigte die metastasianische Opera seria ein derartiges Beharrungsvermögen gegenüber den musikdramatischen Entwicklungstendenzen der Vokalensembles und ihrer handlungsbezogenen Mehrstimmigkeit. Das Zusammensprechen, ebenso wie das Zusammensingen, galten schlicht und einfach als ‚unanständig‘ und verletzten den höfisch-absolutistischen Verhaltenskodex. Vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlich gültigen Verhaltensnormen und dem generellen Gebot der Affektdämpfung, musste die expressive Mehrstimmigkeit von dem adligen Publikum als „eine unnötige Steigerung des Musikalischen“ (Calella) und damit als nur noch sinnliches Vergnügen aufgefasst werden, dem jegliche ethische Fundierung fehlte.498 So ist die weitgehende Stagnation in der musikdramatischen Entwicklung des Dramma per musica in seiner metastasianischen Phase nicht das Ergebnis einer grundsätzlichen Innovationsverweigerung seines Schöpfers, sondern sie resultiert aus der Abhängigkeitsstruktur und 182  Die Neufassung

den darin wirkenden Zwängen des höfisch-absolutistischen Bedingungsund Entstehungszusammenhangs der Seria-Produktion im gesellschaftlichen Umfeld Metastasios. Affektbetonte Vokalensembles, die in der Opera buffa hinter dem schützenden Schleier des Komödiantischen von rangniederen, nichtadligen Personen gesungen wurden, verletzten nicht die theatralische Etikette und waren in diesem sozialen Rahmen durchaus tolerabel. Ihr Vordringen in die ranghohe Sphäre der Opera seria, wo nur hochstehende Personen unter Ausschluss aller Buffa-Charaktere agierten, widersprach schon vom Grundsatz her allen musikdramatischen Intentionen und didaktisch-symbolischen Zielsetzungen Metastasios und seiner Auftraggeber.499 Schon die normierte Rangdifferenzierung der Rollen mit ihrer hierarchischen Zuteilung der Anzahl von zu singenden Arien, widerspricht der tendenziellen Nivellierung des sozialen Status der verschiedenen Personen im Ensemble. Die musikalischen Formen der Statusdifferenzierung, wie sie Mozart in dem kompositorischen Freiraum der Opera buffa mit dem „soziale(n) Unterschied des Tons“500 die genaue Abgrenzung gleichzeitig auftretender Personen unterschiedlichen Rangs nach Buffa-Mezzo- und Seria-Charakteren ermöglichten, waren dem Dramma per musica Metastasios weitgehend fremd. Besonders die Da-Capo-Arie, ein zentraler Bestandteil des metastasianischen Seria-Typus, ist ein anschauliches Beispiel für die teilweise vollkommen konträren musikdramatischen Zielsetzungen, die zwischen Metastasios Auffassungen und den Erneuerern der Seria hervortraten. Die geschlossene Form der großen Da-Capo-Arie „bestand aus fünf Abschnitten (AA’BAA’) mit in der Regel zweistrophigen Arientexten, wobei insbesondere die Verse der ersten Strophe oft bis zur Sinnlosigkeit wiederholt“501

wurden. Deswegen war das starre Formgebilde dieses in sich ganz und gar undramatischen Arientypus über zwei Jahrhunderte hinweg ein bevorzugter Gegenstand der Seria-Kritik. Schon im 18. Jahrhundert wurde die Künstlichkeit und Unnatürlichkeit der Da-Capo-Arie in musiktheoretischen Schriften beklagt, die insbesondere bei der Darstellung von Affekten und Empfindungen dadurch zum Ausdruck kam,

Die Opera seria im Wandel  183

„dass es dem Charakter der Leidenschaft nie angemessen ist, methodisch wieder zurückzukehren noch ihre natürliche Heftigkeit zu unterbrechen, um eine Reihe von Empfindungen in einerley Ordnung noch einmal zu durchlaufen.“502

Doch die Unterbrechung einer heftigen Gefühlsaufwallung, das Bändigen der Leidenschaften durch die musikalische Form der Wiederholung, die den Sänger dazu zwang, auch bei der Darstellung äußerster Wut, den engen Ordnungsrahmen des vielfachen Da-Capos einzuhalten und die Affekte in kunstvollen Verzierungen des Gesangs zu zügeln, das war gerade Sinn und Zweck dieses didaktisch-exemplarisch eingesetzten Arien-Typus der Opera seria: „Das Missverständnis besteht schlicht darin, dass es in der Da-Capo-Arie nicht darum ging, die Leidenschaft als solche darzustellen. Es ging um nicht weniger als das Gegenteil. Die Da-Capo-Arie zeigte, mit den Mitteln der Musik, dem höfischen Menschen ein Modell, wie man entsprechende Affektsituationen bewältigen und dennoch Haltung bewahren konnte … Das methodische Zurückführen, das Unterbrechen der natürlichen Heftigkeit war nicht etwa eine ungewollte Beigabe zu einer gewollten musikalischen Form, es war die gesellschaftliche und geistige Prämisse dafür“,503

betont Silke Leopold, die in ihrem viel zu wenig beachteten Beitrag die musikalische Form der Da-Capo-Arie als unmittelbares Produkt des höfisch-absolutistischen Funktionszusammenhangs in ihrem historischen Kontext analysiert hat. Als musikalisiertes Exemplum einer vorbildhaften Affektbewältigung hatte die Da-Capo-Arie jedem Einzelnen im Publikum das richtige Verhalten im Umgang mit den eigenen Leidenschaften deutlich sichtbar und hörbar zu machen, zumal jeglicher Verstoß dagegen, die je eigene höfische Existenz unmittelbar gefährden konnte. Mit ihrem zyklischen, bewusst entdramatisierenden Wiederholungsprinzip wurde sie zur theatralisierten Metapher der gesellschaftlich geforderten und goutierten Affektbewältigung. Doch gerade ihre Verwendung als musikalisch-poetisches Mittel einer absichtsvollen Entdramatisierung, wie sie das Dramma per musica Metastasios ganz generell charakterisierte, widersprach den neuen Ansprüchen eines musikdramatischen Wertewandels, der nun auch die Opera seria erfasste, deren Erneuerung im Gegensatz dazu durch eine allgemeine Dramatisierungstendenz und eine bald vollständige Abkehr 184  Die Neufassung

von der Da-Capo-Form gekennzeichnet war.504 Insofern ist die Überwindung und weitgehende Eliminierung der Da-Capo-Arie nicht nur ein Symptom der Seria-Erneuerung, sondern darüber hinaus ein eindrucksvolles Indiz für den ihr zugrunde liegenden gesellschaftlichen Veränderungsprozess. Mit dem Überschreiten der formalen Grenzen des Da-Capo-Prinzips gewann das aufgeklärte Menschenbild zunehmend an Bedeutung. Eine Aufwertung des Individuums gegenüber den Ansprüchen der Gesellschaft spiegelte sich nun auch in der Entwicklung der Arienformen, in denen das musikalisierte Ausleben intensivster Empfindungen und Gefühlsaufwallungen nicht nur zugelassen wurde, sondern insgesamt das Ausbrechen aus dem Korsett der höfisch-absolutistischen Verhaltensregeln und ihrer entindividualisierenden Zwangsstruktur symbolisch zum Ausdruck kam. Im Strom der allgemeinen Seria-Erneuerung hat, wie Silke Leopold am Beispiel der Arien von Guinia in Lucio Silla darlegt, auch Mozart schon Anfang der 1770er Jahre im Rahmen einer Opera seria die musikalische Dramatisierung eines, die Da-Capo-Form sprengenden, emotionalen Außersichseins seiner Protagonistin unter Verletzung des gesellschaftlich-gültigen Verhaltenskanons riskiert und gestaltet.505 Die strenge Da-Capo-Form hat Mozart bezeichnenderweise danach nur noch zweimal zur Grundlage einer Arienkomposition gemacht, und zwar dort, wo es sich um Personen mit kaiserlicher Würde und um das höchste Staatsamt handelte: Einmal im Idomeneo und zum anderen bei Titos Arie „Se all’Impero amici Dei.“506 Von dieser Ausnahme abgesehen, konnten Mazzolà und Mozart für ihre Neufassung des Tito auf die musikdramatischen Erneuerungselemente zurückgreifen, die zuvor von den schon genannten Librettisten und Komponisten entwickelt worden waren. Damit wandten sie sich keineswegs, wie immer wieder behauptet worden ist, einer antiquierten Operngattung zu, sondern sie nutzten das in dem Seria-Typus enthaltene Modernisierungspotential, um auf ihre Weise die Grenzen dieses Typus in Richtung neuer Formen des Dramma per musica zu überschreiten. Dabei gingen ihnen einige der zeitgenössischen Seria-Autoren, z. B. mit der Entwicklung großer Szenenblöcke und den neuartigen ‚arie con coro’ und Anderem, was in Paisiellos Pirro (1787) oder in Elfrida zu entdecken war und in den folgenden Jahren in Giuochi D’Agrigento (1792) oder in den Opern Cimarosas vertieft wurde, durchaus voraus.507 Die Opera seria im Wandel  185

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos Für ihre Bearbeitung des Metastasio-Librettos konnten Mazzolà und Mozart sich also an den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Opera seria orientieren und die wichtigsten Elemente dieses von der Opera buffa beeinflussten Modernisierungsschubs innerhalb der Seria-Tradition zur Grundlage ihrer Textrevision und musikalischen Neufassung machen. Das für diese Modernisierung so charakteristische Ziel einer gesteigerten Dramatisierung des Handlungsablaufs bestimmte auch ganz generell das Um- und Neugestaltungskonzept von Mazzolà und Mozart. Die tiefgreifendste und wirkungsvollste Maßnahme im Hinblick auf die angestrebte Dramatisierung war das Kürzen und Zusammenziehen des Librettos um fast die Hälfte des originalen Textbestandes von drei auf zwei Akte. Dadurch entstand in dramaturgischer Hinsicht von vornherein eine Art Kompressionsdruck, der alle weiteren Maßnahmen ihrer Neubearbeitung mitbestimmte, die durch Streichungen und Vereinfachungen eine grundsätzliche Beschleunigung und Temposteigerung des dramatischen Handlungsablaufs bewirkten. Dafür war es notwendig das retardierende und entdramatisierende Moment der Abgangsarie in ihrer Funktion einer Entschleunigung des im Rezitativ vorgegebenen dramatischen Tempos herauszunehmen und durch die neue Form der Handlungsarien und Ensembles zu ersetzen. Durch das teilweise Hereinziehen des Handlungsstromes in die Arien und durch das Fortführen der im Rezitativ entstandenen Konfliktsituationen in den Ensembles gelang die gesteigerte Dramatisierung des Musikalischen und seine unmittelbare Integration in die innerhalb der Arien und Ensembles weiter laufende Intrigenhandlung. Statt der 25 Solo-Arien und der vier Chöre im Metastasio-Libretto gibt es bei Mazzolà/Mozart entsprechend nur noch elf Arien, dafür aber drei Duette, drei Terzette, ein Quintett, ein Sextett und fünf Chöre. Nur von sieben der 25 Arien Metastasios ist der Ursprungstext als Grundlage der Mozart-Vertonung übernommen worden (Nr. 2, 6, 8, 9,16, 20, 21).508 Bei Mazzolà enden beide Akte mit einem Finale. Analog zu allen anderen zeitgenössischen Tito-Bearbeitungen wurde der Text der originalen Rezitative so gut wie gar nicht verändert oder umformuliert, son186  Die Neufassung

dern es wurden immer nur einige Verse oder ganze Textpassagen vollständig gestrichen. Nur wenige der entfallenen Rezitativstellen wurden in die neuen Arien- und Ensembletexte aufgenommen, um dort teilweise collageartig poetisch bearbeitet und durch neue Verse ergänzt zu werden. Dieser behutsame Umgang mit den Rezitativen Metastasios, dem Kernstück seines Dramma per musica, ist durchaus als eine Art Referenz an den größten Librettisten und berühmtesten Poeten der Opera seria des 18. Jahrhunderts zu verstehen. Eine Referenz, die ihm bei aller kritischen Distanz auch Mazzolà und Mozart durch einen respektvollen Umgang mit seinen sprachlich hochwertigen, von Voltaire so gepriesenen, Blankvers-Rezitativen erwiesen. Dennoch entfällt schon in der 1. Szene des 1. Aktes von den fast 100 Versen knapp die Hälfte. Die ersten vier Verse, die gestrichen wurden, betreffen schon nach wenigen Eingangsversen Vitellias Aufruf zum Attentat auf Tito und ihren für den 2. Akt Metastasios so wichtigen Hinweis auf das rote Band als Erkennungszeichen der Verschwörer. Da bei Mazzolà der 2.  Akt mit der Mantelszene und der irrtümlichen Beschuldigung Annios entfällt, hatte auch der das rote Band betreffende Vers keinerlei handlungsrelevante Bedeutung mehr. Doch während Metastasio in diesen vier Versen gleich zu Beginn des 1. Aktes den eigentlichen Handlungskern der Intrige unmissverständlich auf den Punkt brachte, indem er Vitellia Tito selbst als Ziel des Überfalls benennen ließ, verzichtet Mazzolà auf die namentliche Erwähnung Titos und erhält nur den ganz allgemein gehaltenen Aufruf Vitellias zum Entfachen eines Aufruhrs aus dem vorhergehenden Vers. VITELLIA: „(…) e sarà il segno, Onde possiate uniti Tito assalir (…)“ VITELLIA: „(…) um mit vereinten Kräfften Auf Titum loß zugehn (…),“ 509

lauten die von Mazzolà im Originaltext gekürzten Verse Vitellias, so dass bei ihm nur noch von einer allgemeinen Rebellion ohne Erwähnung Titos die Rede ist:

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  187

VITELLIA: „(…) Che i suoi seguaci Son pronti già: Che il Campidoglio acceso Darà moto a un tumulto, (…)“ VITELLIA: „(…) daß seine Getreuen schon bereit sind, daß das brennende Kapitol einen Aufruhr entfachen wird.“510

Die erste umfangreiche Kürzung betrifft die längere Textpassage im Sesto-Vitellia-Dialog, in der Sesto sein Zögern mit dem inneren Zwiespalt und den Gewissensqualen zu entschuldigen versucht, hin- und hergerissen zwischen höriger Liebe und tief empfundener Freundestreue.511 Damit entfielen nicht nur wichtige Verse zur näheren Beschreibung und Charakterisierung Sestos, sondern auch sein Hinweis auf den ständig wiederkehrenden und die Ausführung seiner Mordtat hemmenden Gedanken an die vollständige Unschuld Titos und die darin implizit enthaltene Infragestellung des politisch für ihn nicht begründbaren Attentatsplanes wurden dem Prager Publikum von Mazzolà nun vorenthalten. Auch das daran anknüpfende, mehr als zwanzig Verse umfassende Herrscherlob, das Sesto zur Verteidigung Titos Vitellia entgegenhält, wird genau um die sechs Verse gekürzt, in denen Titos kluger Regierungsstil gepriesen wurde, der durch ein sorgfältiges Abwägen eine ausgeglichene Balance zwischen den Ansprüchen des Einzelnen und denen des Staates herstellte. Auf Vitellias Einwand: „Ma regna“ („Allein, er herrscht, ja…“), antwortet Sesto im Metastasio-Libretto: SESTO: „Ei regna è ver, ma vuol da noi Sol tanta servitù, quanto impedisca Di perir la licenza. Ei regna è vero, Ma di sì vasto Impero, Tolto l’alloro, e l’ostro, Suo tutto il peso, e tutt’il frutto è nostro.“ SEXTUS: „Er herrscht, gantz recht, allein den Dienst, den er will haben, Verlangt er nur von uns die Freyheit zu begraben, 188  Die Neufassung

Die allen schädlich ist, Er herrschet das ist wahr, Doch nimm den Purpur weg, so ist es offenbahr, Daß, auch so groß das Reich, er nur die Last und Plagen, Und wir im Gegentheil allein den Nutzen tragen“.512

Dieser eindeutige Hinweis Sestos auf den fehlenden politischen Rechtfertigungsgrund für das Attentat und die humane Herrschaft seines Freundes und Kaisers, wurde von Mazzolà/Mozart nicht allein aus dramaturgisch-musikalischer Notwendigkeit, sondern vielmehr aufgrund ihrer weltanschaulich-politischen Zielsetzungen gestrichen.513 Doch den entscheidenden musikdramatischen Akzent setzten Mazzolà und Mozart am Ende der 1. Szene. Während Metastasio den von Konflikten, Selbstzweifeln und verwirrten Gefühlen, inhaltlich bestimmten Eingangsdialog des 1. Aktes teilweise mit längeren Monologstrecken auf 98 Blankverse ausdehnte und ganz untypisch für die Seria ohne Abgangsarie im relativ undramatischen Gleichmaß seiner Secchi-Rezitative ausschwingen ließ, beenden Mazzolà/Mozart ihre auf 54 Verse reduzierte 1. Szene mit einer musikdramatischen Zuspitzung in einem HandlungsEnsemble, wechselt der Eröffnungsdialog der beiden Protagonisten aus der Sprache über in das musikalisierte Ausdrucksgebilde ihres Abschluss-Duetts. Mazzolà nahm die letzten Blankverse des Metastasio-Textes und formte sie poetisch um zu Reimen, damit sie Mozart zusammen mit neu hinzugefügten Strophen als rhythmisches Material für die musikalische Gestaltung seines Duetts dienen konnten.514 Der Originaltext lautet: SESTO: „Tutto,tutto farò: Prescrivi, imponi, Regola i moti miei; Tu la mia forte, il mio destin tu sei.“ VITELLIA: „Prima che il sol tramonti Voglio Tito svenato, e voglio …“ SEXTUS: „Ich will ja alles thun. Schreib vor, was anzufangen, Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  189

Und richte meinen Gang, wie Dir’s gefällig ist. Weil du mein Stern, mein Glück, und alles bist.“ VITELLIA: „Eh noch die Sonne wird zurüste gehen, So will ich Titum todt, und will, du solst es sehen …“515

Bei Mazzolà heißt es in dem Text für das neu komponierte Duett: SESTO: „Come ti piace imponi: Regola i moti miei. Il mio destin tu sei; Tutto farò per te.“ VITELLIA: „Prima che il sol tramonti, Estinto io vo’l’indegno. Sai ch’egli usurpa un regno, Che in sorte il ciel mi diè.“ SEXTUS: „Wie es dir gefällt, so befiehl es: Lenke meine Gefühle. Du bist mein Schicksal; Alles werd’ ich für dich tun.“ VITELLIA: „Ehe die Sonne untergeht, Will ich, daß der Unwürdige vernichtet sei. Du weißt, daß er ein Reich beherrscht, das der Himmel mir bestimmte.“516

Dies ist ein typisches Beispiel für die Bearbeitungstechnik, die Mazzolà bei der Umgestaltung originaler Blankverse praktizierte, um sie so zur brauchbaren Grundlage ihrer Musikalisierung aufzubereiten. Inhaltlich fällt auf, dass der letzte Vers mit dem Vitellia bei Metastasio die 1. Szene abschließt und in dem sie ausdrücklich bei Nennung seines Namens Titos Tod fordert, bei Mazzolà hingegen ohne konkrete Namensnennung die Vernichtung des ‚Unwürdigen‘ verlangt wird. Dafür erweiterte Mazzolà die Schlussstrophe Vitellias um zwei weitere Verse, in denen der 190  Die Neufassung

Rechtfertigungsgrund für ihren Mordplan deutlich offenbart wird, indem sie auf das ihrem Vater geraubte und nun allein ihr zustehende Reich hinweist: VITELLIA: „Sai ch’egli usurpa un regno, Che in sorte il ciel mi diè.“ VITELLIA: „Du weißt, daß er ein Reich beherrscht, Das der Himmel mir bestimmte.“517

So gelingt es Vitellia innerhalb ihres Duetts mit Sesto, ihn anscheinend doch noch für die Mordtat entflammen zu lassen. In der letzten Strophe mündet ihr musikalisierter Dialog in die vermeintliche Harmonie ihres Simultangesangs, hinter dessen schönem Schein ihres synchronen Zusammenstimmens sich in Wahrheit die handlungstreibende Sprengkraft ihrer antagonistisch aufeinander prallenden und auf tragische Weise ineinander verschlungenen, völlig unterschiedlichen Affektziele und Handlungsmotive verbergen. Beim gleichzeitigen Singen desselben Textes erhalten die einzelnen Wörter und Silben, je nach dem wer von beiden singt, voneinander differierende und miteinander konfligierende Bedeutungsgehalte. Tatsächlich gemeinsam, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ist beiden Protagonisten der kaum noch beherrschbare Zustand innerer Konflikte und Gefühlsverwirrungen, der durch Mozarts musikalische Dramatisierung zum Auftakt des ersten Aktes so wunderbar zum Ausdruck gebracht wird, analog zu den EnsembleAbschlüssen der ersten Szenen im Don Giovanni (Terzett), im Figaro (Duett) und in Così fan tutte (Terzett): VITELLIA, SESTO: Nr. 1 „Fan mille affetti insieme battaglia in me spietata. Un’alma lacerata Più della mia non v’è.“

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VITELLIA, SEXTUS: Nr. 1 „Tausend Gefühle zugleich liegen In mir in wildem Kampf. Eine gequältere Seele Als die meine gibt es nicht.“518

Die 2. Szene ließ Mazzolà unangetastet, sogar der Text von Vitellias Arie Nr. 2 „Deh se piacer mi vuoi“ („Ach wenn du mir gefallen willst“) wurde ohne Änderung für Mozarts Neuvertonung übernommen. Dagegen ist die dritte Szene, in der Sesto Annio seiner Treue versichert und seine Unterstützung für die Heirat mit Servilia zusagt, bis auf die ersten sieben Verse gekürzt und die Abgangsarie Annios durch ein kleines Duettino Nr. 3 mit neuem Text ersetzt worden: „Deh prendi un dolce amplesso“ („Ach, laß dich zärtlich umarmen“). Durch diesen Eingriff wurde die Grundstimmung der Szene, die hinsichtlich der Hochzeitspläne und der notwendigen Zustimmung Titos bei Metastasio von Skepsis getragen und von negativen Vorahnungen eingetrübt erschien, durch ein positivoptimistisches Aufhellen vonseiten Mozarts genau in ihr stimmungsmäßiges Gegenteil verwandelt. In aller Knappheit bekennen sich Annio und Sesto in den vier Versen ihres nicht nur simultan gesungenen, sondern auch in den Affektinhalten übereinstimmenden Duettino hoffnungsfroh zu ihrer ‚für immer währenden Freundschaft‘, anders als bei Metastasio, wo die Arie Annios Ausdruck eines indifferenten Furchtgefühls vor dem Scheitern seines Heiratsvorhabens ist. Für L. Finscher grenzt das Duettino in seiner ungewohnten Kürze ans „Lakonische“ und „Aphoristische“, das „bis dahin fast unerhört war.“519 Auch Alfred Einstein teilte diese Meinung: „Die Devise war für Mazzola wie für Mozart Kürze … Das berühmte Duet­ tino (3) für Sesto und Annio, vierundzwanzig Takte, ist ein Liedchen – unerhört in einer Opera seria.“520

Mit diesem minimalistischen Formgebilde des Duettino wurde der Seria-typische großformatige Rahmen höfischer Repräsentation verlassen. Doch das durchgängige Prinzip der Straffung des Librettos ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der angestrebten Dramatisierung und musikdramatischen Zuspitzung zu verstehen, sondern es muss auch die 192  Die Neufassung

Frage beantwortet werden, warum diese oder jene, aber nicht die anderen Textpassagen gestrichen und durch neue Verse ersetzt werden. So fällt auch bei dieser kleinen Freundschaftsszene auf, dass wiederum eine Hervorhebung einer positiven Eigenschaft Titos, die Sesto seinem Freund zur Beruhigung entgegenhält, gestrichen wurde: „Tito è giusto“ („Tito ist gerecht“).521 Aus der Tatsache, dass die an das kleine Duettino anknüpfende Szene mit dem ersten größeren Monolog Sestos einschließlich seiner Abgangsarie vollständig eliminiert wurde, übrigens dem Monolog, der fast wörtlich aus Corneilles Cinna übernommen worden ist, läßt sich schon nach wenigen Szenen eine gewisse Tendenz herauslesen, die sich durch das Kürzen und Streichen ganz bestimmter Inhalte andeutet. So wie in der Szene davor die durch Annio erzeugte Aura von Furcht und Verunsicherung beseitigt wurde, so entfällt nun auch der von Verzweiflung und innerer Zerrissenheit getragene Klagemonolog Sestos, in dem er die Macht der Schönheit Vitellias für seinen ausweglosen Zustand höriger Liebe verantwortlich macht, um in seiner Arie dann voll Demut an sie zu appellieren, Schwache nicht noch weiter nieder zu drücken. Auch hier, wie bei den monologisierenden Textpassagen im Dialog der 1. Szene, tilgte Mazzolà „die Zeichen allzu deutlicher innerer Unentschlossenheit“522 und affektiver Verstörtheit bei Sesto auf Kosten psychologischer Differenzierung und einer auch das spätere Verhalten des Attentäters erklärenden Charakterisierung. Doch dieses psychologisierende, die inneren Widersprüche, Ängste und Sehnsüchte entlarvende Vordringen in die bisweilen stürmische Affektwelt seiner Protagonisten hatte ja, wie bereits zuvor nicht nur bei Metastasio sondern auch seinen Vorbildern der Tragédie classique aufgezeigt wurde, neben seiner erklärenden Funktion, in erster Linie die didaktische Aufgabe, durch die Darstellung einer affektbeherrschten Person als Negativ-Exemplum, abschreckende Wirkung zu zeitigen. Was aus heutiger Sicht als psychologische Differenzierung bezeichnet werden kann, war im höfisch-absolutistischen Kontext die emblematische Theatralisierung eines zur Abschreckung dienenden Seelenzustandes. Sestos Charakterzeichnung war zwar bei Metastasio viel differenzierter als bei Mazzolà, aber Metastasio ging es ja gar nicht im heutigen Sinne um das Psychogramm eines Verschwörers, sondern um das exemplarische Negativbild einer in innere Konflikte verstrickten und ihren GefühDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  193

len ausgelieferten Person, das den Verhaltensidealen von ‚bienséance‘ und Etikette so krass widerspricht. Die bewusste Abschwächung dieses Erziehungs- und Herrschaftsaspekts der psychologisierenden Charakterdifferenzierung der handelnden Personen kann als ein wichtiger, noch zu behandelnder Grund für die Kürzung und Streichung der diesem dramaturgischen Zweck dienenden Textstellen im Sinne spätaufklärerischer Intentionen verstanden werden. Während Metastasio den Auftritt des Kaisers durch einen Chor zu Beginn der 5. Szene ankündigte, bildet bei Mozart ein vorangestellter Marsch den musikalischen Auftakt für die machtsymbolische Inszenierung von Titos erstem Erscheinen auf der Bühne (4. Sz.). Mit diesem Marsch wird der Übergang von der Privat- in die Staatssphäre durch die Verwendung der repräsentativ-offiziösen Musikform signalisiert. Von den drei Strophen des Chores wurde nur die erste von Mazzolà übernommen, die anderen beiden entfielen. Wieder betreffen die Streichungen Huldigungsverse auf Tito und die Lobpreisung seiner Herrschaft. Auch Titos Zurückweisung seiner Vergöttlichung, wie sie von Annio und Publio in ihren Versen der Verehrung noch einmal propagiert wird und seine daran geknüpfte Warnung vor der Gefahr des Hochmuts eines Herrschers, der sich den Göttern gleichstellt, ist gestrichen, ebenso die eingeschobene Wiederholung der Huldigungsformel durch den Chor. Stattdessen ließ Mozart als Zeichen der Beendigung des staatstragenden Teils von Titos erstem Auftritt erneut den Eröffnungsmarsch der 4. Szene erklingen, so dass der Marsch die Eingangssequenz von Titos erstem Auftritt wie eine Klammer als Staatsaktion zusammenhält und eingrenzt. Die daran anschließenden, wieder in die Privatssphäre Titos und der anderen Protagonisten überleitenden Textpassagen wurden insgesamt gestrafft. Der Text von Titos Abgangsarie wurde vollständig für Mozarts Neuvertonung der Arie „Del più sublime soglio“ („Des allerhöchsten Thrones“) Nr. 6 verwendet. Mit der 6. Szene veränderten Mazzolà und Mozart nicht nur durch die Textbearbeitung, sondern insbesondere durch die musikdramatischen Neuerungen den Charakter und den Bedeutungsgehalt dieses Auftritts von Annio und Servilia tiefgreifend. Aufgrund der üblichen dramaturgisch-hierarchischen Unterscheidung von Haupt- und Nebenhandlung sowie der ihnen zugeordneten Figuren in Primarier und Sekundarier, ist die Neufassung dieser kleinen Szene 194  Die Neufassung

gerade im Kontrast zur Vorlage in ihrer progressiv-weltanschaulichen und aufklärerisch-politischen Aussage zu Unrecht als einschneidender Eingriff in den Ursprungstext und das ihm zugrunde liegende höfische Wertesystem in seiner Bedeutung unterschätzt worden. Gerade die Aufrechterhaltung des höfisch-absolutistischen Ordnungssystems sollte aber in der 6. Szene Metastasios durch das angepasste Verhalten Annios und sein devotes Liebesopfer zugunsten des Kaisers exemplarisch-didaktisch vorgeführt werden. Fast die gesamte Szene ist bei ihm angefüllt mit Versen der Entschuldigung für seinen Etikette-Verstoß, Servilia versehentlich als Geliebte und nicht formell als die neue Kaiserin angesprochen zu haben. Sogar seine Abgangsarie befasst sich nahezu ausschließlich mit diesem peinlichen Fauxpas gegen die höfische Verhaltensnorm. Von einem tiefen Gefühl der Liebe ist da nicht mehr die Rede. Annios widerstandsloses Zurückweichen in die Rolle des willfährigen Höflings kommt nicht nur geradezu einem Verrat an seiner Liebe zu Servilia gleich, sondern galt bei dem adligen Publikum als Musterbeispiel höfischer Pflichterfüllung und Affektkontrolle. Insofern ist es nur konsequent, dass Servilias Reaktion auf die Nachricht von dem Heiratswunsch Titos und das daraus resultierende distanziertbefremdliche Verhalten ihres Geliebten nicht innerhalb der 6. Szene einen um ihre Liebe ringenden Dialog mit Annio entfacht. Stattdessen aber wurde ihr dem Willen des Kaisers widerstehendes Liebesbekenntnis in die 7. Szene ausgelagert, in der sie in einem isolierten Monolog ihre verwirrten Gefühle, aber auch ihren autonomen Anspruch auf ihr individuelles Liebesglück zum Ausdruck bringen kann. Mazzolà und Mozart gaben nun dieser, allein der Bestätigung und Propagierung des höfischen Ordnungssystems und seines Verhaltenskodex dienenden 6. Szene Metastasios inhaltlich und musikalisch eine grundsätzliche, aus Sicht der Zeitgenossen fast schon als ‚sensationell‘ zu bezeichnende Neuausrichtung. Obwohl der Text der Rezitative bis auf eine Kürzung von nur vier Versen erhalten blieb, gelang es ihnen, den Stoff aus seinem verkrusteten Gehäuse höfisch-absolutistischer Wertvorstellungen und Verhaltenszwänge zu befreien, um ihn nun zur Propagierung des spätaufklärerischen Ideals eines selbstbestimmten Individuums zu nutzen. Während Metastasio, der Servilia ebenfalls schon als aufgeklärte Figur mit einem relativen Autonomieanspruch dargestellt hatte, Annio Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  195

und Servilia ostentativ durch die Szenenteilung voneinander trennte, was auch durch ihre isolierten Arien erkennbar wird, führte Mozart den Höfling und die vermeintlich neue Kaiserin über alle Statusgrenzen hinweg und gegen alle Gebote der Etikette von ihren Gefühlen überwältigt als Liebende in einem Duett (Nr. 7) zusammen. Zwar beginnt Annio das Duett mit der ersten Strophe seiner Metastasio-Arie „Ah perdona al primo affetto“ („Ach verzeih‘ dem ersten Gefühlssturm“)523 und der Verteidigung seines Etikette-Verstoßes ganz auf der Ebene statusbedingter Distanziertheit, doch indem Mazzolà sogleich einige gefühlsbetonte Verse aus Servilias Liebesmonolog der 7. Szene in das Duett integrierte, deren Affektgehalt Mozart zusätzlich musikalisch vertiefte und damit verstärkte, gelang es ihnen mit diesem musikalischen Kunstgriff, Annio aus den Fesseln seines Höflingsdaseins herauszulösen. Bleibt Annio bei Metastasio noch ganz und gar gegen sein Liebesverlangen der entindividualisierenden Rolle als pflichtbewusster Höfling verhaftet, so zieht Servilia ihn im Verlauf ihres gemeinsamen Duetts herüber zu sich in den selbstbestimmten, unantastbaren Bereich der wahrhaftig Liebenden. Das Skandalon dieses musikalisierten Befreiungsaktes ist offensichtlich: Widerstand gegen den Willen des Kaisers im Rausch der Gefühle. Damit wurde der eigentliche Herrschaftszweck der Opera seria, auch der dieser Festoper, unterminiert. Servilia hat nicht nur selbst dem Wunsch des Kaisers widerstanden, sondern sie hat mit der Macht ihrer Liebe auch Annio aktiv dazu bewegt, sich gegen die Pflicht und den Kaiser zu seiner Liebe zu bekennen. ANNIO, SERVILIA: Duett Nr. 7 „Più che ascolto i sensi tuoi, In me cresce più l’ardor. Quando un’alma è all’altra unita, Qual piacer un cor risente!“ ANNIUS, SERVILIA: Duett Nr. 7 „Je länger ich deine Worte höre, Desto mehr wächst in mir die Glut. Welch eine Freude fühlt ein Herz, Wenn eine Seele mit der anderen vereint ist,“524 196  Die Neufassung

Im harmonischen Simultangesang der letzten Strophe des Duetts feiert die Liebe ihren Triumph über die höfische Fremdbestimmung und offenbart sich als individualistisch-rebellische Gegenmacht und reale Bedrohung der herrschenden Verhältnisse: ANNIO, SERVILIA: „Ah si tronchi dalla vita Tutto quel che non è amor.“ ANNIUS, SERVILIA: „Ach man entferne aus dem Leben Alles, was nicht Liebe ist.“525

Mit diesen Worten endet im Gleichklang ihrer Stimmen und ihrer Herzen das von musikalischer Zartheit erfüllte Duett und damit eine der Schlüsselszenen des 1. Aktes. Hier wirkt die antihöfische, bürgerlichaufgeklärte Erkenntnis und Losung: Es gibt keinen Kaiser und keinen Staat, der würdig wäre, ihm das eigene Liebesglück auf dem Altar der Macht zu opfern. Insofern hat das auf den ersten Blick so harmlos wirkende Liebesduett insgeheim einen fast schon revolutionären Kern. Unter der leuchtenden Oberfläche ihres synchronen Zusammenstimmens befindet sich eine zweite Bedeutungsschicht mit politisch brisantem Inhalt. Nicht die von Rachegefühlen geleitete, eher unpolitische Vitellia, sondern die in ihrer Geradlinigkeit und Wahrhaftigkeit mit ihrem mutigen Bekenntnis zu den eigenen Gefühlen dennoch als blass und farblos geltende Servilia, bildet den eigentlichen Gegenpart zu Tito. Sie repräsentiert mehr als all die anderen Figuren des Stücks die tatsächliche, noch in der Nebenhandlung der Oper verborgene Gefahr der absolutistischen Herrschaftsordnung: den Autonomieanspruch des Individuums, einen zerstörerischen Bazillus, der sich von der Bühne herab jederzeit epidemisch ausbreiten könnte. Zielt das von Vitellia innerhalb der Adelsclique angezettelte Komplott höchstens auf die Ablösung Titos durch sie selbst oder einen anderen Vertreter des Hochadels, so berührt Servilias Anspruch auf Selbstbestimmung und ihr furchtloses Bekenntnis zu ihrem Geliebten im Sinne eines spätaufklärerischen Selbstbewusstseins das Fundament und die gesamte Statik des höfisch-absolutistischen Machtgebildes.

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  197

Die 8. Szene Metastasios (1. Akt, 6. Sz. Mazzolà) mit dem so bedeutsamen rechtstheoretischen Dialog zwischen Publio und Tito über die Angemessenheit und Berechtigung von Strafen und Verzeihen bei dem Delikt der Majestätsbeleidigung, ist von Mazzolà so stark gekürzt worden, dass die, für das in neulateinischer Tradition (W. Proß) wurzelnde Rechtsverständnis Metastasios, so zentrale Frage nach der Legitimität der Clemenza nun gar nicht mehr erörtert wird. Fast schon apodiktisch bekennt sich Tito in wenigen Versen zum Vorrang des Verzeihens vor dem des Bestrafens und lässt, anders als bei dem rechtsphilosophisch geschulten Metastasio, einen abwägenden Disput über das Für und Wider der Clemenza gar nicht erst zu. Als Publio versucht, nach Titos letzten Worten des Originaltextes – „io gli perdono“ („verzeihe ich ihm“)526 – noch ein Gegenargument vorzubringen, bricht die Szene schon nach seinem ersten Wort abrupt ab: „Almen …“ („Wenigstens …“). In knappster Form nutzte Mazzolà die nur noch als Fragment durchscheinende Szene Metastasios lediglich zur dramaturgischen Ankündigung einer nicht mehr hinterfragbaren Milde Titos: „Denn nunmehr steht über allen Strafen als übergeordnete Maxime die Forderung nach Milde, nach ‚dolcezza delle pene’, die das ‚liber arbitrium’ der Clemenza der naturrechtlichen-stoischen Debatte in ihrer Bedeutung – die Metastasio exemplarisch dargestellt hatte – sehr limitiert.“527

Damit wird die Clemenza als strafrechtliche Entscheidung nahezu alternativlos und tendiert als charakteristisches Persönlichkeitsmerkmal zum Erwartbaren und Selbstverständlichen eines nur noch milden Titos. Für Mazzolà reichte der Restbestand der 8. Szene Metastasios zur einleitenden Charakterisierung Titos sowie seines aufgeklärten Herrschaftsstils und humanen Rechtsempfindens völlig aus. Gleichzeitig wird mit diesem knappen Hinweis auf Titos Neigung zum Vergeben die folgende Szene mit dem Geständnis Servilias, sie liebe Annio, sowie mit der großmütig verzeihenden Reaktion des Kaisers vorbereitet. Doch Titos Geste des Verzeihens als Antwort auf Servilias Liebesbekenntnis (7. Szene Mazzolà/ 9. Szene Metastasio) ist nicht allein das Produkt seines milden Charakters, sondern sie ist ebenso der machtpolitische Reflex auf den von seinem individualistischen Grundsatz her herrschaftsgefährdenden Anspruch Servilias auf die Selbstbestimmung ihrer Liebe.

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Doch durch die Streichung aller devoten Huldigungsverse und ausschmückenden Lobpreisungen, in die Servilia die Offenbarung ihrer Liebe zu Annio bei Metastasio noch hüllt, gewinnt sie in Mazzolàs Kurzfassung der Szene durch die schnörkellose Direktheit ihres unabänderlichen Bekenntnisses zu Annio an Entschlossenheit und Stärke. Metastasios Verse ihres Widerstehens erhalten so eine noch deutlichere Akzentuierung: SERVILIA: „(…) Valor che basti, non ho per obliarlo. Anche dal trono il solito sentiero farebbe a mio dispetto il mio pensiero.“ SERVILIA: „(…) Kein Schatz kann mich ihn vergessen lassen. Auch vom Thron aus würden meine Gedanken, zu meinem Kummer, den gewohnten Weg gehen.“528

Die Kürzungen und die daraus resultierenden Akzentverschiebungen führen den seine Milde nicht mehr rechtfertigenden Tito und die in ihrem partiellen Autonomieanspruch entschlossene Servilia enger zusammen und lassen sie eine Allianz im Geiste des aufgeklärten Absolutismus eingehen. Unverändert übernimmt Mozart Metastasios Text für die Neuvertonung von Titos Arie Nr. 9 „Ah, se fosse intorno al trono/Ogni cor così sincero“ („Ach, wenn um meinen Thron/Jedes Herz so ehrlich wäre“).529 Die Eliminierung von Falschheit und Verstellung (‚dissimulatio‘) zugunsten von Aufrichtigkeit und Offenheit nach dem Muster Servilias erleichtert das Herrschen und macht es zum Vergnügen: TITO: „Non tormento un vasto impero, Ma saria felicità.“ TITUS: „So wäre ein großes Reich keine Qual, Sondern Glückseligkeit.“530

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  199

Doch diese bewusste Integration der ihren Gefühlen folgenden und auf Wahrhaftigkeit beharrenden Servilia in das von Clemenza getragene Herrschaftskonzept Titos als Idealtypus eines stets ehrlichen und damit auch immer durchschaubaren und berechenbaren Untertans entspricht trotz aller aufklärerischen Ambitionen in erster Linie machtpolitischem Kalkül. Denn in ihrer individualistischen, affektgeleiteten Geisteshaltung, vertritt Servilia nicht den Adel, sondern einen allgemein menschlichen Anspruch, der über die Standesgrenzen der Aristokratie hinweg, das ganze Volk betrifft. Da es die nicht-aristokratischen Figuren in der Seria nicht gibt, übernimmt Servilia graduell den Buffa-Part und zwar soweit es seine gesellschaftskritisch-standesübergreifende Funktion angeht. Rein metaphorisch ließe sich hier von einer tendenziellen Verbürgerlichung Servilias sprechen, ebenso wie Borchmeyer im Hinblick auf Mozarts Figaro von der „Nobilitierung“ Susannas redet, die insbesondere in der berühmten Rosenenarie Nr. 28 „vollends musikalisch geadelt“531 würde. Der „Quasi-Nobilitierung“532 Susannas in der Buffa entspricht die Quasi-Verbürgerlichung Servilias in der Seria. Mit dem angedeuteten Überschreiten der Standesgrenzen in beide Richtungen der sozialen Rangskala verwischen im Ansatz auch die bisher so scharf gezogenen Gattungsgrenzen zwischen Opera buffa und Opera seria. Vielleicht ließe sich diese partielle Angleichung eines Seria-Charakters an den einer Buffa und umgekehrt als eine Art Konvergenz der Rollentypologie bezeichnen. Doch bei aller graduellen Vermischung der divergierenden Rollentypen und der musikdramatischen Vermittlungsfunktion zwischen den Standesebenen, wie Servilia und Susanna sie hier in beiden Mozart-Opern übernehmen, bleibt Servilia trotz der Vereinfachung und Schärfung ihrer Konturen im Zuge der Neufassung in ihrem aufklärerischen Habitus ganz und gar ein den Selbstbestimmungswillen des Individuums repräsentierendes Geschöpf Metastasios. Die anschließende Szene (Metastasio 1. Akt, 10. Sz.; Mazzolà 1. Akt, 8. Sz.)533 mit der Begegnung zwischen Servilia und Vitellia wird auf ein Minimum reduziert. Während Metastasio Servilia als vermeintlich neue Kaiserin die Chance bot, den kurzen Moment ihrer Rangerhöhung gegenüber Vitellia auszukosten und sich durch ostentative Gesten der Herablassung und Nichtbeachtung an ihr zu rächen, gestand Mazzolà ihr das nicht zu. Bei ihm nutzt sie die Möglichkeiten der ‚dissimulatio‘ nicht, um Vitellia in der vorgetäuschten Rolle der hierarchisch nun 200  Die Neufassung

höher gestellten Person zu demütigen. Ihre triumphierende Arie, mit der sie Vitellia in ungewohnter Weise, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, stehen ließ, entfällt hier nun ganz. Stattdessen wendet sie sich in den zwei Versen, die Mazzolà ihr noch ließ, mit einem Wort der Entschuldigung an Vitellia und fügt sich so, ganz im Gegensatz zum Metastasio-Libretto, in die bestehende Rangordnung und ihren niedrigeren Status. Dramaturgisch reicht ihr zweiter Vers in seiner äußersten Verknappung gerade noch aus, um Vitellia in gewohnter Unterwürfigkeit darauf hinzuweisen, dass sie doch noch Kaiserin werden könne, was sie ihr im Metastasio-Libretto noch genussvoll verschwiegen hatte: SERVILIA: „Non esser meco irata; forse la regia destra è a te serbata.“ SERVILIA: „Sei nicht erzürnt über mich; Vielleicht bleibt die kaiserliche Rechte für dich bewahrt.“534

Es bleibt etwas unverständlich, dass diese wenigen Worte Servilias genügt haben sollen, Vitellia dennoch den Eindruck ihrer Verhöhnung zu vermitteln. Diese kurze Szene dient anscheinend nur noch zur Überleitung zu dem anschließenden Dialog von Vitellia und Sesto, den Vitellia mit den Versen eröffnet: VITELLIA: „Ancora mi schernisce? Questo soffrir degg’io Vergognoso disprezzo?“ VITELLIA: „Vehöhnt sie mich noch? Muß ich diese beschämende Verachtung dulden? (…)“535

Durch die radikale Kürzung ist der ursprüngliche Sinn und dramaturgische Zweck dieser Szene nahezu vollständig getilgt worden. An einer differenzierteren Darstellung von Servilias Persönlichkeit, wie sie MetaDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  201

stasio gerade an dieser Stelle versucht hatte, scheinen Mozart und Mazzolà gar nicht interessiert gewesen zu sein. Erst recht die implizite Hofkritik ihres kleinen Racheaktes mit der gespielten Umkehrung ihres Rangverhältnisses zu Vitellia und ihrer vorgetäuschten Statuserhöhung scheint für den Anlass der Neufassung dieser Oper, den Festakt der Krönung Leopold II., angesichts der äußerst bedrohlichen politischen Entwicklungen im Jahre 1791 zu provozierend und brisant gewesen zu sein. Dieses Motiv der politischen Rücksichtsnahme bei der Textbearbeitung bestimmt insbesondere auch die Kürzungen der 11. Szene des 1. Aktes des Metastasio-Librettos,536 in der Vitellia erneut versucht, Sesto nun endlich zur Durchführung des Attentats auf Tito zu bewegen. Dabei riskierte Mazzolà gerade noch ihren politisch brisanten Appell: VITELLIA: „Io ti propongo La patria a liberar“ VITELLIA: „Ich schlage dir vor, Das Vaterland zu befreien.“537

Doch die dazugehörigen Verse, die zur Zeit ihrer Entstehung im Rahmen einer gefestigten absolutistischen Monarchie noch nicht als Bedrohung wahrgenommen worden sind und erst recht keinerlei revolutionäre Symbolkraft verstrahlten, sind angesichts der äußerst labilen politischen Lage im Sommer 1791 ganz gestrichen worden. Jedenfalls erscheint dies die plausibelste Erklärung für diese Kürzung zu sein. Dabei handelt es sich um Vitellias Vergleich Sestos mit Brutus, der im historischen Bewusstsein des 17. und 18. Jahrhunderts als Symbolfigur der Rebellion und des Freiheitskampfes fest verankert war: VITELLIA: „La Patria liberar. Frangi I suoi ceppi, La tua memoria onora, Abbia il suo Bruto il secol nostro ancora.“ VITELLIA: „So mache dann das Vaterland nur frey, Und brich die Fesseln doch entzwey, 202  Die Neufassung

Laß deine Ehre Säulen graben, Und gleichfalls unsere Zeit noch einen Brutus haben.“538

John A. Rice weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich entweder um Lucius Junius Brutus, der im Jahre 509 v. Chr. die Rebellion gegen den letzten König von Rom angeführt hat, oder um Marcus Junius Brutus handelt, der am Attentat auf Julius Caesar 44 v. Chr. zur Wiederherstellung der Römischen Republik beteiligt war.539 Gerade der ältere Brutus soll, so Rice, „one of the heroes of the French Revolution” gewesen sein. Nicht nur Voltaires Tragödie Brutus, die 1790 in Paris aufgeführt wurde, heizte die revolutionäre Stimmung an, sondern auch andere Beiträge großer Künstler, wie Davids Gemälde von Brutus aus dem Jahr 1789, verbreiteten den Geist der Revolution. Insofern war die Streichung der Brutus-Analogie aus Vitellias Rezitativ für Mazzolà unumgänglich, denn weder das Festpublikum noch Leopold II. hätten diese direkte inhaltlich-symbolische Verknüpfung des Bühnenge­ schehens mit den aktuellen politischen Vorgängen in Frankreich hingenommen und als unerträgliche Provokation verstanden. Erst recht, wenn die folgenden, aus Racines Andromaque übernommenen Verse (3. Akt., 3. Sz.), in denen Vitellia unumwunden von dem Blut Titos spricht, das revolutionäre Szenario am Abend einer Krönungsfeierlichkeit noch plastischer ausgemalt hätten: VITELLIA: „(…) Ritorna asperso Di quel perfido sangue; e tu sarai La delizia, l’amore, La tenerezza mia. (…)“ VITELLIA: „Kommst du alsdenn zu mir mit Blut bespritzt zurücke, so bist du meine Lust, mein Leben, Heyl und Glücke.“540

Der Weg zur Erfüllung seines Liebesverlangens führt nur über den Mord an Tito, seinen Freund. Sestos ganze Verzweiflung über die Ausweglosigkeit seiner Situation, in die Vitellia ihn getrieben hat, kulminiert nun, wie bei Metastasio zu sehen ist, in seiner Arie „Parto, ma tu ben mio,/ Meco ritorna in pace;“ („Ich gehe, aber du mein Lieb/Schließ’ mit mir Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  203

Frieden“),541 deren Text Mazzolà nahezu vollständig aus dem OriginalLibretto übernommen hat. Nur am Schluss fügte er zwei zutiefst resignative Verse neu hinzu, die gleichsam als Zeichen von Sestos innerer Kapitulation vor der erotischen Kraft Vitellias und der Übermacht seines triebhaften Verlangens zu verstehen sind: SESTO: „Ah qual poter, oh Dei! Donaste alla beltà.“ SEXTUS: „Ach welche Macht, oh Götter, Schenktet ihr der Schönheit.“542

Damit griff Mazzolà zurück auf eine Textstelle der von ihm ganz gestrichenen 4. Szene mit dem Monolog Sestos, von der er die zwei neuen Verse abgeleitet hat. Dort heißt es: SESTO: „(…) Oh sovrumano Poter della Beltà! Voi che dal cielo Tal dono aveste, ah non prendete esempio Dalla Tiranna mia. (…)“ SEXTUS: „Was schafft die Schönheit nicht vor unerhörte Plagen! Ihr, die der Himmel nun mit solcher Macht beschenckt, Folgt dieser, die mich plagt, nicht nach; (…)“543

Dass Metastasio bei dieser Textpassage sowie bei dem gesamten SestoMonolog der 4. Szene, seinerseits auf eine entsprechende Stelle aus Corneilles Cinna544 zurückgegriffen hat, macht deutlich, welch zentrale Bedeutung die Macht der Schönheit und der Erotik für das Verständnis des Dramas und der Person Sestos sowie seiner erzwungenen Entwicklung zum Mörder zukam. Doch während Metastasio diesen qualvollen inneren Entwicklungsprozess vom Freund zum Feind wortreich in Sestos Monolog poetisch ausgestaltete, übertrugen Mazzolà und Mozart diese Aufgabe der expressiven Dramatisierung seines inneren Kampfes und der verzweifelten Versuche seiner Selbstüberwindung, die in dem 204  Die Neufassung

endgültigen Entschluss zur Ausführung der Mordtat gipfeln, in besonderer Weise der Musik und nicht dem Wort. Die in Adagio, Allegro und Allegro assai dreigeteilte Arie „Parto, ma tu ben mio“ ist kompositorisch ausgespannt zwischen den beiden divergierenden Polen von sehnsuchtsvollem Begehren und entschlossener Mordabsicht. Das Zögern und Zaudern der vorangegangenen Szenen ist beendet, der innere Widerstand Sestos ist überwunden, die erotische Macht der Schönheit hat alle widerstrebenden Kräfte inniger Freundschaft und Treue besiegt, der lähmende Schmerz des Gewissens ist betäubt. „Parto“ („Ich gehe“), in diesem so harmlos klingenden Wort manifestiert sich, untermalt von den zarten Adagio-Klängen Mozarts, der unwiderrufliche Tötungswille Sestos. Nicht nur die Worte Metastasios nehmen Bezug auf die erste Strophe des Duetts Nr. 1 mit der Unterwerfungsformel „Come ti piace imponi (…) Tutto farò per te.“ („Wie es dir gefällt, so befiehl es (…) Alles wird’ ich für dich tun“).545 Bei dem 4. Vers der Parto-Arie „Quel che vorrai farò.“ („Was du willst, werde ich tun“) bezieht sich Mozart auch musikalisch auf die „Dreiklangsfigur vom Beginn des Duetts“ der 1. Szene.546 Was dort noch unter dem Vorbehalt des Zweifels in der Ungewissheit der von „mille affetti“ verzögerten Entscheidung stand, ist hier der verlässlichen Zusage „Quel che vorrai farò“ gewichen, die übertragen nichts geringeres bedeutet als, ‚ich gehe, um für dich zu morden‘. Doch der Frieden, den er durch die Tat nun endlich mit Vitellia zu schließen hofft, bringt ihm keineswegs den Frieden mit sich selbst. Bei der Wiederholung des Verses „Meco ritorna in pace“ („Schließ mit mir Frieden“)547 setzt genau mit dem Wort „pace“ die Soloklarinette ein, die nun so als repräsentiere sie die innere Stimme Sestos, bis zum Schluss der Arie in einen lebhaften, zwischen Gesang und Instrument wechselnden Dialog eintritt. In diesem Dialog, teilweise die vokalen Bewegungen echoartig wiederholend, sie entweder gegenläufig beantwortend oder durch eigene musikalische Verzierungen ausschmückend, mal folgend, mal vorangehend, steht sie immer aber in unmittelbarer Korrespondenz mit dem Melos des gesungenen Wortes. In diesem inneren Dialog spiegelt sich noch einmal die ganze Tragik der unfreiwilligen, gegen die eigene Überzeugung getroffenen Entscheidung, mischen sich ein letztes Mal die dialogisch miteinander ringenden Gedanken an den Verrat des Freundes, des Kaisers, mit den Traumbildern von der nahenden ErfülDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  205

lung seines Liebesbegehrens durch die Mordtat. Um all seine Gedanken allein darauf richten zu können, bedarf es nur noch eines einzigen Blickes von Vitellia: SESTO: „Guardami, e tutto oblio, E a vendicarti io volo; A questo sguardo solo Da me si penserà.“ SEXTUS: „Sieh mich an, und ich vergesse alles Und ich eile, dich zu rächen. An diesen Blick allein Werde ich denken.“548

Schon im Duett der 1. Szene hatte er Vitellia, wenn auch wesentlich zaghafter, um einen Blick von ihr als Lohn seiner Treue gebeten. „Un dolce sguardo almeno/Sia premio alia mia fè!“ („Wenigstens ein holder Blick sei der Lohn meiner Treue!“).549 Doch hier im Allegro der Abschiedsarie wird die Bitte fast schon zur Bedingung. Zweimal ruft Sesto nach dem Verstummen der Musik und dem Aussetzen der Klarinette sein von Sehnsucht erfülltes „Guardami, Guardami“ in die Stille der für zwei Takte rezitativisch abrupt unterbrochenen Arie. Erst nach 20 Takten Pause setzt die Klarinette wieder ein, so „als gelte es, ein Siegel unter den Vertrag zu setzen, den Sesto mit Vitellia über den Tod Titos schließt.“550 Als Zeichen ihrer Zuneigung, wenn nicht ihrer Liebe, wäre ihr Blick ein letztes, die Tat auslösendes Signal. Obwohl Sesto diesen so inständig ersehnten Blick wohl niemals erhält, oder weil Vitellia ihm dieses Zeichen ihrer Zuneigung nicht gewährt, kapituliert Sesto resigniert vor der Macht ihrer Schönheit. Da kein treibender Affekt, kein berechtigter Anlass zur Rache oder Eifersucht, keine Schmähung oder Ungerechtigkeit, noch ein politisch relevanter Grund sein mörderisches Handeln beflügeln kann, bleibt ihm nur der verzweifelte Akt der Selbstaffizierung zur autosuggestiven Einstimmung auf seine Tat. Die musikdramatische Zuspitzung des aus der Melancholie des Adagioklangs herausgeführten inneren Dialogs erreicht seinen nahezu rauschhaften Höhepunkt durch das sich gegen206  Die Neufassung

seitig antreibende und aufschaukelnde Wechselspiel von Klarinette und Stimme im forciert zur Tat ermunternden Allegro Assai. Mitgerissen von der Dynamik der Koloraturen, die Klarinette und Stimme nacheinander durchlaufen, taumelt Sesto, besiegt von der erotischen Macht der Schönheit, mehr willenlos in die Tat, als dass er sie entschlossen anstrebt. Dabei ist es bezeichnend, dass gerade die beiden von Mazzolà hinzugefügten Abschlussverse über diese Macht der Schönheit musikalisch in die „sanfte Ekstatik“551 inhaltsleerer Koloraturen geführt werden, deren formale Künstlichkeit ein kompositorischer Hinweis auf die fehlende Echtheit und Glaubwürdigkeit der Mordabsichten sein könnten. Dennoch ist mit dieser Arie ein dramaturgischer Wendepunkt markiert, von dem aus hier, im Gegensatz zur bewussten Verlangsamung und Entdramatisierung des Handlungsverlaufs bei Metastasio, die verhängnisvolle Entwicklung der Intrige bei Mazzolà/Mozart in größter Stringenz vorangetrieben werden kann. Mozarts Konzept der konsequenten Musikalisierung des Librettos wird nun in der 10. Szene bis zum Ende des 1. Aktes eindrucksvoll realisiert. Immer stärker setzt er die musikalischen Mittel der Dramatisierung ein. Spätestens in dieser Szene wird das Wort tatsächlich zur „gehorsamen Tochter“ der Musik. Kaum hat Vitellia nach dem Abgang Sestos die ersten vier Metastasio-Verse gesprochen, in denen sie mit dem Gefühl des Triumphs Tito droht: „Ti pentirari“ („Du wirst es bereuen“),552 da wird der Dialog mit dem hereinkommenden Publio auch schon auf die knappe Information reduziert, dass Tito sie nun doch zu seiner Gemahlin auserkoren hätte und er sie schon erwarte. Der für das folgende Terzett Nr. 10 notwendige und von Mazzolà deswegen, und weil Personen unterschiedlichen Rangs in einer Seria gemeinsam kein Duett singen durften, neu in die Szene hereingenommene Annio kann gerade noch, wie zur Bestätigung der von Publio überbrachten Nachricht, seiner Kaiserin die erste Huldigung darbringen, dann übernimmt auch schon die Musik mit all ihrer neuartig ausgestalteten, dramatischen Wirkungskraft das Bühnengeschehen. So als würde Vitellia durch den Schock dieser für sie völlig überraschenden Nachricht von Titos Entscheidung auf einmal seinen Beistand benötigen, ruft sie, als wolle sie ihm hinterhereilen, um der Last der auf sie spontan einstürzenden Gefühle und Ängste zu entfliehen, in größter Verwirrung in einer Art zusammenhanglosem Gestammel Sesto im ersten Vers des Terzetts Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  207

nach: „Vengo … aspettate … Sesto!“ („Ich komme … wartet … Sextus!“),553 wobei die Streicher das ganze Ausmaß ihrer Erregtheit und Verunsicherung in einem fulminanten musikalischen Auftakt zum Ausdruck bringen. H. Lühning erkennt in dem Motiv der Violinen zu Beginn des Terzetts ein musikalisches Bewegungsmotiv, das sich auf den davoneilenden Sesto beziehen könnte, zumal „es in dem Moment abbricht, in dem Vitellia sagt ‚è partito’ – er ist fort. Es könnte auch angeregt sein durch Vitellias erstes Wort ‚vengo’ (ich komme), oder es könnte weniger die äußere als die innere Bewegung, also Vitellias Aufregung, darstellen.“554

Das, was die beiden Szenen über den rezitativischen Restbestand hinweg ineinanderfließen lässt, ist die Musik. Der „sanften Ekstatik“ (Kunze) von Sestos Koloraturen folgt nun ein sich bis zur Raserei steigernder Affektsturm mit vereinzelten, musikalisch in höchste Höhen getragenen Verzweiflungsschreien Vitellias. Mit diesem ganz unmetastasianischen Zerhacken der Verse erweitert Mazzolà die Möglichkeiten musikalischer Dramatisierung zur Darstellung einer konfusen Mischung aus Empfindungen, innerer Panik, Todesangst, Schuldgefühlen und Reue sowie der quälenden Erkenntnis, das eigene Glück und eine verheißungsvolle Zukunft als Kaiserin selbst zerstört zu haben: VITELLIA: „Oh sdegno mio funesto! Oh insano mio furor! Che angustia, che tormento! Io gelo, oh Dio! D’orror.“ VITELLIA: „Oh, meine unselige Empörung! Oh, mein wahnsinniger Zorn! Welche Angst, welche Qual! Ich erstarre, oh Gott! Vor Entsetzen.“555

Schlagartig ist das auf den Schultern von Sesto errichtete Rachekonstrukt Vitellias durch Titos Großmut, sie nun doch zu heiraten, zum Einsturz gebracht worden. Dem dramaturgischen Wendepunkt, wie er durch die Parto-Arie Sestos markiert worden ist, schließt sich nun 208  Die Neufassung

unmittelbar die innere Wende Vitellias an, die in den ersten Versen des Terzetts eine grundsätzliche dramaturgische Zäsur der Oper bewirkt, von der aus die Handlung in dramatischer Beschleunigung direkt auf das Finale des 1. Aktes zuläuft. Diesem dramaturgischen Ziel wird nun alles andere untergeordnet. Das Kraftzentrum der Intrige ist entschärft. Eine durch Einsicht und Reue gewandelte, aber auch von Todesängsten und Schuldgefühlen gepeinigte Vitellia steht nach dem Durchleben ihres musikalischen Außersichseins vor einem staunenden Publio und Annio, die ihren Affektausbruch als Freude über die gute Nachricht missdeuten und ihrer Verwunderung in zwei ständig wiederholten Versen im Rahmen des Terzetts, gleichsam antithetisch als beruhigender Gegenpart, im harmonischen Simultangesang Ausdruck verleihen.556 PUBLIO, ANNIO: „Oh come un gran contento, Come confonde un cor.“ PUBLIUS, ANNIUS: „Oh, wie doch eine große Freude Ein Herz verwirrt.“557

Das durch die Parto-Arie und das Terzett wie mit einem Band aus Musik zusammengehaltene Szenenpaar bildet den Ausgangspunkt der finalen Entwicklung, von dem aus ein musikalischer Spannungsbogen alle bis zum Ende des 1. Aktes folgenden Szenen und Ensemblenummern miteinander zu einem dramaturgischen Gesamtkomplex verknüpft. Während bei Metastasio mit dem Monolog und der Arie Vitellias „Quando sarà quel di“558 der 1. Akt relativ ruhig und undramatisch, geradezu spannungslos ausläuft, nimmt er bei Mazzolà und Mozart gegen sein neu geschaffenes Ende hin noch einmal richtig Fahrt auf, um sich ständig steigernd, auf den musikdramatischen Höhepunkt zuzusteuern. Und damit diese Steigerungskurve nicht unterbrochen wird, leitet die Musik durch „eine längere instrumentale Einleitung, quasi eine eigene kleine Ouverture“559 über zu Sestos abschließendem Recitativo accompagnato (Nr. 11). „Das Bewegungsmotiv, mit dem sie beginnt, greift jedoch – über den Szenenwechsel hinweg – deutlich hörbar auf den Anfang des Terzetts zurück.“ 560 Der nach seiner Parto-Arie davongeeilte Sesto, dem zu Beginn des Terzetts Vitellia eigentlich hinterherstürmen wollte – Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  209

„Vengo“ („ich komme“) –, ist auf dem Schauplatz des Finales angekommen, um hier seinen verräterischen Auftrag zu erfüllen. Dabei fordert das szenenübergreifende musikalische Bewegungsmotiv „den Zaudernden immer wieder auf, sich zu beeilen.“561 Doch dem musikalischen Vorwärtsdrängen des Bewegungsmotivs widerspricht der im Sesto-Monolog nahezu auf Stillstand angelegte, reflexiv in sich kreisende Text Metastasios. Nachdem Sesto sich zum Abschluss seiner Parto-Arie selbst so energisch angespornt hatte und fest entschlossen davon geeilt war, hätte man erwartet, dass er, auf dem Kapitolplatz angekommen, unmittelbar zur Tat schreiten würde. Stattdessen überfallen ihn erneut Zweifel und das Schaudern vor dem Mord. Das vorandrängende Bewegungsmotiv der Musik stößt hier auf das retardierende Moment des Textes. Die von Mazzolà der Parto-Arie hinzugefügten Verse, die einen selbstbewusst-entschlossenen Sesto zeigten, passen nicht mehr zu dem auch in der Parto-Arie noch zögernden, unentschlossenen Sesto Metastasios. Hier wird deutlich, dass die einfache Übernahme von Textpassagen, die in einen inhaltlich anderen Bedeutungs- und Sinnzusammenhang gehören, um sie dann in ein neues dramaturgisch-musikalisches Funktionsgefüge zu stellen, nur bedingt möglich ist und sie sowohl dem Ursprungstext als auch der Neufassung schadet.562 Eine Anpassung von Sestos Monolog an das musikalische Bewegungsmotiv und die auf das Finale ausgerichtete dramatische Steigerungskurve wäre durchaus von Vorteil gewesen, unabhängig davon, ob sie nun aus Gründen des Zeitdrucks oder aus Respekt vor den Metastasio-Versen unterblieben ist. Dennoch gelingt es Mozart selbst im Recitativo accompagnato musikalisch sogar gegen den auf Verlangsamung und Entdramatisierung angelegten Text, den mit der Parto-Arie beginnenden Spannungsbogen über das Terzett und das Rezitativ Nr. 11 hinweg bis in das abschließende Quintett zu führen. Dabei erhält die dramatische Zuspitzung und Spannungssteigerung noch kurz vor dem Ende des Sesto-Monologs einen ganz entscheidenden Impuls durch das unmittelbar und plötzlich in das Rezitativ eingreifende äußere szenische Geschehen. Während bei Metastasio die Nachricht von dem Brand des Kapitols lediglich durch die Frage Sestos („Seh ich das Capitol nicht schon in Rauch auffgehen?“)563 relativ undramatisch nur verbal, gleichsam in abgeschwächter Form, bloß narrativ vermittelt wird, lodern bei Mazzolà nicht nur die 210  Die Neufassung

Flammen direkt sichtbar effektvoll in der Kulisse auf, sondern auch der betörende Lärm des Tumults mischt sich unter die zunehmend panisch werdenden und von erregten Orchesterklängen angetriebenen Worte Sestos: SESTO: „arde già il Campidoglio. Un gran tumulto io sento d’armi, e d’ armati: Aahi! Tardo è il pentimento.“ SEXTUS: „das Kapitol brennt schon, Ich höre großen Lärm Von Waffen und Bewaffneten: weh! spät kommt die Reue.“564

Ganz unter dem Eindruck der auf ihn einstürzenden äußeren Ereignisse treibt ihn die in ihm aufsteigende Reue zur inneren Umkehr. So münden die Verse seines Entsetzens über den Brand und den Ausbruch der Rebellion direkt in die von ihm wie eine Arie gesungenen Eröffnungsverse des Quintetts mit Chor Nr. 12.565 Die Worte, mit denen Metastasio Sestos Monolog beendet, bilden nun in abgewandelter Form, aber wieder unter Vermeidung des Namens Tito, bei Mazzolà den Anfang des Final-Quintetts: „Difendetemi Tito eterni Dei.“ („O Götter, wenn ihr nur den Titum mir bewahret!“, Metastasio 2. Akt, 1. Sz.)566 Diese greift Mazzolà auf als: „Deh conservate, oh Dei/A Roma il suo splendor“ („Oh Götter, bewahret Rom seinen Glanz“).567 Mit der Bitte an die Götter, ihn wenigstens gleichzeitig mit Tito sterben zu lassen, eilt Sesto von der Bühne, wobei er dem ankommenden Annio gerade noch zurufen kann, dass er den schändlichen Grund für seine Eile bald erfahren werde. Nach Annio kommt Servilia aufgeregt hinzu: „Ah che tumulto orrendo!“ („Ach, welch entsetzlicher Aufruhr!“).568 Auch Publio und Vitellia erscheinen nun unmittelbar nacheinander zur Komplettierung des Quintetts, dem sich Sesto nur vorübergehend entzogen hat, um die Mordtat auszuführen, so muss es das Publikum jedenfalls vermuten. Servilia ist die erste, die von einem geplanten Brandanschlag spricht:

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  211

SERVILIA: „Si teme che l’ incendio Non sia dal caso nato, Ma con peggior disegno Ad arte suscitato.“ SERVILIA: „Man fürchtet, daß das Feuer Nicht aus Zufall entstanden ist, Sondern mit böser Absicht Künstlich hervorgerufen.“569

Dieser Hinweis auf den politischen Hintergrund des Feuers wird von Mozart durch eine kurze, aber die Dramatik der Szene noch verstärkende Deklamation des Chores „Ah! … “ hervorgehoben, um genau diesem Aspekt des Feuers größeres Gewicht zu verleihen. Und sofort bestätigt Publio, dass es sich um eine Verschwörung handelt, ganz im Gegensatz zu der entsprechenden Textstelle bei Metastasio, wo der Begriff „congiura“ („Verschwörung“) bewusst vermieden wird und Publio in der 4.  Szene, die politische Dimension des Brandes bewusst abschwächend, vom „Zufall“ spricht und nicht von „böser Absicht“, wie Sesto bei Mazzolà: „V’è in Roma una congiura/Per Tito ahimè pavento“ („In Rom ist eine Verschwörung/Weh, ich fürchte für Titus.“).570 Und wieder kommentiert der Chor die Worte des Sängers mit seinem furchterregenden Aufschrei „Ah!“. Zum Ensemble zusammengefügt wechseln sich die erschütternden Klagerufe von Servillia, Annio und Publio im Einklang ihrer Stimmen mit dem ständig einfallenden „Ah!“ des Chores ab: SERVILIA, ANNIO, PUBLIO: „Le grida ahimè ch’io sento” „Ah! …“ (CORO) „Mi fan gelar d’orror.“ „Ah! …” (CORO)“ SERVILIA, ANNIUS, PUBLIUS: „Die Schreie, weh, die ich höre,“ „Ah! …“ (CHOR)

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„Machen mich starr vor Entsetzen.“ „Ah! …“ (CHOR)“571

Und als Vitellia noch hinzukommt wiederholen alle vier mit ihr gemeinsam diese zwei klagenden, markerschütternden Verse ihres Schreckens, wobei Mozart zur dramatischen Verstärkung das „Ah!“ des Chores zweimal hintereinander zusammen mit dem Orchester erklingen lässt. In diese hochdramatische, spannungsgeladene Szenerie mit der sichtbaren Feuersbrunst und dem Lärm des Tumults im Hintergrund, den düsteren Schreien des Chores, den erregt nacheinander auftretenden Personen mit ihren synchronen Klagerufen und dem aufgewühlten Orchesterklang, kehrt vom Kapitol her Sesto zurück in das Quintett. Er tut dies, um mit der Nachricht vom Tode Titos, nicht nur im Zwiegespräch mit Vitellia, wie bei Metastasio, sondern im größeren Rahmen nun auch die anderen fassungslos erschaudern zu lassen. Gerade noch kann Vitellia ihn, aus Sorge, selbst als Mittäterin entlarvt zu werden, daran hindern, sich als Schuldigen zu offenbaren: „Taci forsennato“ („Schweig, Wahnsinniger“), dann stimmt auch schon das Orchester ein „monumentales Andante“, wie zu einem Requiem an und alle Personen vereinigen sich „im Wechsel mit dem Fernchor in einem feierlichen Trauer- und Betroffenheitsgesang, der Konturen eines Trauermarsches (Bläser) hörbar werden läßt.“572 VITELLIA, SERVILIA, SESTO, ANNIO, PUBLIO: „Ah dunque l’astro è spento, Di pace apportator.“ TUTTI e CORO: „Oh nero tradimento, Oh giorno di dolor!“ Fine dell’ Atto primo VITELLIA, SERVILIA, SEXTUS, ANNIUS, PUBLIUS: „Ach, nun ist der Stern erloschen, Der Friedensbote.“

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  213

ALLE mit CHOR: „Oh, schwarzer Verrat, Oh, Tag der Schmerzen!“ Ende des ersten Aktes.573

Mit diesem requiemartigen Ausklang des Final-Quintetts in Form einer feierlichen Trauermusik wird beim Publikum die Imagination erzeugt, als läge der Leichnam des Kaisers dort schon auf der Bühne aufgebahrt. Sein Tod ist dramaturgisch nicht mehr nur als Vermutung, sondern als Tatsache inszeniert, die musikalisch durch die Trauerklänge noch ergreifend bestätigt wird. Mozart und Mazzolà entlassen ihr Publikum am Ende des 1. Aktes mit der schockierenden Todesnachricht und der bangen Frage, ob Tito von Sesto ermordet oder doch noch am Leben sei. Das Todesthema hat eine derart starke Gewichtung erhalten, dass es durch die Pause hindurch das betroffene Publikum bewegt und die Spannung solange aufrecht erhält, bis dann im 2. Akt der Irrtum aufgeklärt und Titos Unversehrtheit mitgeteilt wird.574 Nun ist deutlich zu erkennen: Mazzolà und Mozart haben den 1. Akt von seinem Ende her konzipiert. Im krassen Gegensatz zur Darstellung Metastasios, wo der vermeintliche Tod Titos ganz im Narrativen verbleibt, rückt er hier ins Zentrum des musikdramatischen Geschehens als wichtiger Bestandteil des szenischen Final-Bildes. Sämtliche Handlungsstränge führen in dem neu gestalteten 1. Akt zielgerichtet und stringent in äußerster Verknappung und Komprimierung des Originaltextes auf das abschließende Quintett, in dem der Tod Titos als real eingetretenes Ereignis durch die geballte Wucht der im Ensemble und im Chor gleichzeitig ertönenden Stimmen betrauert und bekräftigt wird, so als hätte ganz Rom ihn als unwiderruflich akzeptiert. Das bewusste Erzeugen einer Schockwirkung ist Sinn und Zweck nicht nur des dramaturgischen und kompositorischen Plans, sondern auch der, diesem Opernkonzept zugrunde liegenden, weltanschaulich-politischen Grundidee. In dieser radikalen Abkehr von den Konventionen der Seria und der Vorlage Metastasios gegen alle Regeln der ‚bienséance’ und des ‚decorum’ stellt das Quintett als musikdramatischer Kulminationspunkt am Ende des 1. Aktes eine der tiefgründigsten und „musikalisch ergreifendsten Szenen der gesamten Opernliteratur“ (Lühning) dar, wie schon Niemetschek anmerkte:

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„Die letzte Scene oder das Finale des 1ten Aktes ist gewiß die vollkommenste Arbeit Mozarts; Ausdruck, Charakter, Empfindung, wetteifern darinn den größten Effekt hervorzubringen. Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung der Töne, der Wiederhall der fernen Chöre – bewirkten bey jeder Aufführung eine Rührung und Täuschung, die bey Opern eine so seltene Erscheinung ist.“575

Auch der Zeitgenosse Johann Friedrich Rochlitz bezeichnete das Quintett voller Begeisterung als „das große Meisterstück … eine Komposition, die … im ganzen zwar nach einer Szene seines Idomeneo angelegt ist, aber Mozarts shakespearsche, allmächtige Kraft im Großen, Prachtvollen, Schrecklichen, Furchtbaren, Erschütternden so unverkennbar, und so bis zum Haaremportreiben darlegt, als kaum das berühmte Finale des ersten Akts seines D. Giovanni.“576

Das, in Erwartung des bekannten Handlungsablaufs aus dem Metastasio-Libretto von der Ungewissheit hinsichtlich der Frage, ob Tito tot und Sesto sein Mörder sei, irritierte Publikum erfährt gleich zu Beginn des 2. Aktes, dass Tito lebt: ANNIO: „Sesto, come tu credi, Augusto non peri. (…)“ ANNIUS: „Sextus, der König starb nicht, wie du glaubst. (…)“577

Mit diesen, die erste Szene einleitenden Worten Annios eröffnet Mazzolà mit eigenen Versen Metastasios stark gekürzten 2. Akt, der nun vor allem die für das Ursprungs-Libretto so wichtige Manteltauschszene nicht mehr enthält. Annios Versuch, den ungläubigen Sesto von der Wahrheit der Nachricht zu überzeugen, indem er ihm von dem Purpurmantel des Kaisers den der Täter trug berichtet, weswegen ihn Sesto für Tito gehalten habe, beruht wieder auf der entsprechenden Textstelle in der 7. Szene aus dem weitgehend gestrichenen 2. Akt Metastasios.578 Auch das darauf folgende Geständnis Sestos, dass er der Urheber des Aufruhrs sei, besteht aus unveränderten Versen Metastasios. Doch anders als in der TextvorDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  215

lage, wo die 7. Szene des 2. Aktes mit einer Affektarie Sestos endet, in der er seiner Verwirrtheit und seinem Kummer Ausdruck verleiht, – „Fra stupido, e pensoso/Dubbio così s’aggira“ („So wird vom Zweiffel und vom Kummer/Der rumgetrieben, und erschreckt…“) –, 579 beschließt Mazzolà die erste Szene seines zweiten Aktes mit einer neu geschaffenen, aber aus dem Ursprungstext entwickelten Arie Annios, in der er seinen Freund zur Rückkehr an die Seite Titos bewegen will. ANNIO: Nr. 13 „Torna di Tito a lato: Torna, e l’error passato.“ ANNIUS: „Kehre an Titus’ Seite zurück: Kehre zurück, und tilge den früheren Fehler“580

Eine derartige dramaturgische Aufwertung einer rangniederen Person durch eine an eine ranghohe Person gerichtete Arie mit geradezu forderndem Appellcharakter wäre mehr als fünfzig Jahre zuvor im Rahmen einer nur die hohe Sphäre der Hofgesellschaft behandelnden Opera seria aus Gründen der Etikette und der ‚bienséance’ nicht schicklich gewesen und musste deshalb im Rezitativteil verbleiben. Damit fällt Annio gewissermaßen vorübergehend aus der hierarchisch bestimmten Rollentypologie der Seria heraus und wird für die Dauer seiner Appellarie zum gleichwertigen Gegenpart der zur Kaiserin auserkorenen Vitellia. Der Imperativ des energisch wiederholten „Torna“ verleiht ihm den Nimbus einer zum Gesandten Titos herausgehobenen Person, die eindringlich an Sestos Kaisertreue appelliert und das nicht nur als Freund, sondern, gewollt oder ungewollt, auch als Repräsentant des Staatsinteresses. Der Text der Arie ist sinngemäß wiederum aus Rezitativ-Stellen des Originals hergeleitet. Dabei hatte Mazzolà auch hier, wie insgesamt bei der Bearbeitung des Metastasio-Librettos, die ungereimten Verse in Reime umzuwandeln und sie so für die musikalische Gestaltung Mozarts vorzubereiten, wie er es in der ersten Zeile durch das Einfügen des „a lato“ umgesetzt hat. R. Wiesend erkennt in dem „Torna di Tito a 216  Die Neufassung

lato“ sogar einen Rückgriff Mazzolàs auf Rezitativverse einer anderen Arie Metastasios, und zwar auf „Torna in quell’onda chiara“ aus der Solokantate La Scusa.581 Er hält es sogar für möglich, dass auch Mozart sich an der Vertonung dieser Kantatenarie durch den fünfzig Jahre älteren Baldassare Galuppi musikalisch orientiert hat. Dadurch, dass Mazzolà sowohl den ersten, als auch den zweiten Vers mit dem Wort „torna“ beginnen lässt, deutet er das diese Arie kennzeichnende Rückkehrmotiv zwar schon an, aber seine eigentliche Akzentuierung und apellartige Hervorhebung erhält es erst im Rahmen seiner mehrfach von der Textvorlage losgelösten Musikalisierung. So reduziert Mozart bei der Wiederholung der ersten Strophe das „Torna di Tito a lato“ auf den knappen Refrain „torna, torna“, um so den eindringlichen Appellcharakter von Annios Aufforderung „Kehre an Titus’ Seite zurück“ musikalisch zu verstärken. Die imperative Verdopplung des Rückkehrwortes582 „torna“ fügt Mozart nun zur weiteren Steigerung des musikalisierten Appells sowohl am Beginn der Strophen, als auch an ihrem Ende hinzu, um ihnen an einer Stelle mit dem Verstummen der Orchesterbegleitung durch „eine lähmende Pause, als hätten die Streicher ihren obligatorischen Ritornelleinsatz vergessen“,583 besondere Wirkungskraft zu verleihen. In dem Rezitativ der äußerst knappen 12. Szene prallen nun die gegensätzlichen imperativen Forderungen Annios und Vitellias aufeinander. Dem „torna“ Annios setzt Vitellia nun ihr mahnendes „fuggi“ („fliehe“) entgegen, mit dem sie Sesto beschwört, sein Leben und vor allem ihre Ehre zu retten, da im Falle seiner Gefangennahme auch ihre federführende Beteiligung an der Verschwörung aufgedeckt würde. Hin und her gerissen zwischen diesen divergierenden Polen der beiden Handlungsmöglichkeiten verharrt Sesto ratlos mit der Frage: SESTO: „Partir deggio, o restar? Io non ho mente Per distinguer consigli.“ SEXTUS: „Soll ich gehen oder bleiben? Ich vermag nicht, Die Ratschläge zu unterscheiden.“584

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  217

Mit dem Versprechen, Vitellia niemals zu verraten, trifft Sesto dann doch kurz entschlossen die Entscheidung, sich zu stellen: „Tacendolo morrò“ („Schweigend werde ich sterben“). Auch die daran anschließenden fünf Metastasio-Verse mit der so bedeutenden Antwort Vitellias, sie könne ihm nicht trauen, weil seine Gefühle für Tito noch so stark seien, dass der ihn mit seiner Clemenza umstimmen würde, übernimmt Mazzolà wörtlich, um damit den kurzen Dialog zwischen Sesto und Vitellia und gleichzeitig die zweite Szene abrupt zu beenden: VITELLIA: „Mi fiderei, se minor tenerezza per Tito in te vedessi. Il suo rigore non temo già, la sua clemenza io temo; questa ti vincera.“ VITELLIA: „Ich würde dir trauen, wenn ich weniger Zuneigung für Titus in dir sähe. Seine Strenge fürchte ich nicht so sehr; seine Milde fürchte ich; die wird dich überwinden.“585

Im Originaltext ist diese von Vitellia geäußerte Sorge für sie nur der Anlass, um ihre Überzeugungsversuche fortzusetzen und noch einmal das ganze Arsenal ihrer affektiv-erotischen Machtmittel zu mobilisieren und den verführerischen Zauber ihres vorgetäuschten Charmes zu verströmen. Und das mit Erfolg. Noch einmal gelang es ihr, Sestos „Tacendolo morrò“ in ein „Partirò, fuggirò (Che incanto è questo!)“ („(Das heißt bezaubert!) Ja, ich flieh’, ich will ja rennen“) zu verwandeln.586 Durch die vollständige Streichung dieser Textpassage mit den erfolgreichen Überredungskünsten Vitellias, bleibt es in der kurzen MazzolàSzene im Gegensatz dazu bei Sestos Entscheidung, sich zu stellen. Hier hat das „torna“ über das „fuggi“ gesiegt. Hier sind die skeptischen Schlussverse Vitellias nicht mehr nur der sorgenvolle Ausdruck einer Vermutung, sondern die resignative Signatur unter einer bedrohlichen Gewissheit. Sie hat den Kampf um die Macht über Sesto endgültig verloren. Er ist ihrem Einfluss entglitten. Schon einige Zeilen weiter, zu 218  Die Neufassung

Beginn der nächsten Szene, bezeichnet Sesto bei seiner Verhaftung Vitellia als Tyrannin und Undankbare. Die Macht der ‚Milde‘, welche sie mehr fürchtete als die strenge Strafgewalt Titos, ist ihr zum Verhängnis geworden. Ihr Verstummen nach den Schlussversen ihres Dialogs mit Sesto ist eine Art Anerkennung ihrer Niederlage. Durch den Abbruch des Dialogs unmittelbar nach ihrer entmutigten Feststellung „la sua clemenza io temo; questa ti vincera“, 587 erhält ihr Hinweis auf die Macht der Clemenza als pointierter Abschluss der Szene eine viel größere dramaturgische Gewichtung und Bedeutungsschwere als zuvor bei Metastasio, wo dieselben Verse nur Teil einer längeren Argumentationskette waren, an deren Ende Vitellias erotischer Zauber noch einmal über die Macht der Milde triumphierte. Nun unterliegt sie der verzeihenden Güte eines Liebenden, nicht nur der eines Kaisers. Die Quelle der affektiven Macht Titos, die Sesto schließlich zur Umkehr bewegt, entspringt ihrem intimen Nahverhältnis, ihrer tiefen, vielleicht auch homoerotisch gefärbten Freundschaft und gegenseitigen Zuneigung. Die Kopplung des Clemenza-Begriffs an den der „tenerezza“ (Zuneigung) in den Schlussversen Vitellias verortet die Macht der Milde im Privaten. Nicht den Kaiser, sondern den liebenden Freund als direkten Konkurrenten im Wettstreit um den Einfluss auf die tiefsten Gefühle Sestos empfand Vitellia als Bedrohung. Nicht seine Furcht vor der strafenden Justiz, noch sein Gewissen als Staatsbürger, haben Sestos Entschluss bewirkt, sondern seine starken Empfindungen von Liebe und Treue gegenüber dem Freund haben das von Vitellia ständig neu entfachte Feuer seiner affektiv-erotischen Hörigkeit erstickt. Durch die dramaturgische Akzentuierung dieses emotional-persönlichen Aspekts der Milde hat Mazzolà den Schwerpunkt der Clemenza-Thematik aus der staatsrechtlichen Sphäre, wie sie im Metastasio-Libretto immer wieder erörtert worden ist, in die des Privaten verlagert. Dann erscheint Publio mit der Wache, um Sesto festzunehmen. Diese 3. Szene des 2. Aktes bei Mazzolà entspricht weitgehend der vorletzten Szene (2. Akt, 15. Sz.) des zweiten Aktes bei Metastasio.588 Neu ist die ausführliche Erklärung Publios, dass Sesto sich durch die kaiserlichen Gewänder, die Lentulo angelegt hatte, täuschen ließ, letzterer aber am Leben sei: „il resto intendi“ („das weitere errätst du“). Von Sestos Arie „Se mai senti spirarti sul volto“, mit der Metastasio die Verhaftungsszene abschloss, übernahm Mazzolà nur die ersten Verse Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  219

in etwas abgewandelter Form, um damit in die 4. Szene und das Terzett Nr. 14 „Se al volto mai ti senti/Lieve aura che s’aggiri“ („Wenn du je an deinem Antlitz/Einen zarten Hauch verspürst, der dich umweht“) 589 überzuleiten. Die von Vitellia in dem Terzett gesungenen Verse basieren sinngemäß auf ihrem Schlussmonolog mit Arie am Ende des 2. Metastasio-Aktes. Resigniert und zutiefst enttäuscht hat Sesto alle Hoffnung auf Vitellias Liebe aufgegeben. Nun würde er sich schon mit ihrem Mitleid als einzigem Gefühl, das sie ihm noch entgegenbringen konnte, begnügen: „Mercede al mio dolore/Sia almen la tua pietà.“ („Der Lohn meines Schmerzes/Sei wenigstens dein Mitleid.“).590 Der innere Wandel einer schuldbewussten und von ihrem Gewissen gepeinigten Vitellia, wie er bei Metastasio in ihrem Schlussmonolog mit Affektarie ausführlich zum Ausdruck kommt, wird bei Mazzolà in komprimierter Form mit lediglich vier Versen poetisch umschrieben, wobei ihr monologisierendes Fürsichsprechen dem Publikum einen exklusiven Blick in ihr aufgewühltes Inneres und den darin stattfindenden Prozess ihrer Läuterung freigeben soll: VITELLIA: „(Mi laceran il core Rimorso, orror, spavento! Quel che nell’alma io sento Di duol morir mi fa.)“ VITELLIA: „(Gewissensqual, Schrecken, Schauder, Zerreißen mir das Herz! Was ich in der Seele fühle, Läßt vor Schmerz mich sterben.)“591

Den Stimmungs- und Bedeutungsgehalt der entfallenen poetischen Elemente ersetzt Mozart nun durch ihre musikalische Dramatisierung und kompositorische Umgestaltung zum Terzett. Nach vier einleitenden Takten der Bläser beginnt Sesto mit den wunderbaren vier Versen voller Zärtlichkeit seinen ariengleichen Sologesang, der dann von der ebenfalls für sich geführten Einzelstimme Vitellias abgelöst wird. Erst als Publio sein „Vieni! …“ („Komm…“) energisch dazwischen ruft und Sesto ebenso kurz antwortet: „Ti seguo…“ („Ich folge dir…“) und in Richtung Vitellia ein wehmütiges „addio“ seufzt, das diese in Schrecken versetzt: 220  Die Neufassung

„Senti…mi perdo…oh Dio!“ („Höre…ich vergehe…oh Gott!“), um darauf das Andantino mit einem verzweifelten Schrei zu beenden: „Che crudeltà!“ („Welche Grausamkeit!“), erklingen alle drei Stimmen gleichzeitig, aber versetzt, in einem bewegenden Nacheinander. Publios „vieni“ markiert den Beginn der musikalischen Zuspitzung in den letzten Takten des im Andantino gipfelnden expressiven „che crudeltà“ Vitellias. Ein Blick auf das Autograph zeigt, dass Mozart sich über die musikalische Dramatisierung des szenischen Spannungsaufbaus zunächst auch noch nicht ganz sicher war, denn die fünf für die Streicher komponierten und niedergeschriebenen Takte, die wohl die dramatisierende Wirkung steigern sollten, hat er mit kräftigen, sich kreuzenden Querstrichen wieder eliminiert, um die Begleitung allein den Bläsern zu überlassen. Nach dem Schreckensruf Vitellias, ihrem einsamen „crudeltà“, das in der Stille von einem Takt verhallt, startet das temporeiche Allegro, das Mozart im Autograph592 zunächst als „Andante con moto“ vorgesehen hatte, erneut mit dem hintereinander gesetzten Sologesang von Sesto und Vitellia. Als Publios isolierte Einzelstimme sich hinzugesellt, folgt, trotz der Parallelführung ihrer Stimmen, ein beziehungsloses Nebeneinanderhersingen als Ausdruck ihrer reflexiven Vereinzelung beim simultanen Monologisieren mit ganz unterschiedlichen Inhalten und Aussagen. Nur gegen Ende des Allegros singt auch Sesto die Schlussstrophe Vitellias „Mi laceran il core/Rimorso, orror, spavento!,“ aber, um die inhaltliche Differenz und den unterschiedlichen Bedeutungsgehalt, die Polysemie ihrer deckungsgleichen Verse hervorzuheben, singen sie nicht simultan, sondern Sesto folgt Vitellias Stimme um einen Takt versetzt mit echoartigem Gesang. Erst in den letzten Takten finden sie im harmonischen Gleichklang ihres Simultangesangs voll Schmerz und Trauer, wie zum Abschied, zusammen, um nach dem „Quel che nell’alma io sento/Di duol morir mi fa“ mit einem Schauder erregenden, synchron deklamierten „Che crudeltà!“ das Terzett und die Szene zu beenden. „Die Aura der Abklärung durchdringt das Ganze … Die unverwechselbare Tönung von Mozarts Titus-Stil, jenes Amalgam von Ernst, zurückhaltender Feierlichkeit, gedämpfter Empfindung und Transparenz liegt freilich auch über diesem Stück, das in seiner Grundkonstellation die Seria-Haltung nicht verleugnet“,593 Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  221

so charakterisiert S. Kunze treffend das Terzett. Tatsächlich hängt die Grundstimmung des Abschieds, wie eine dunkle Wolke voll Melancholie, über dieser ergreifenden Szene. Dramaturgisch kennzeichnet der Abschluss des Ensembles eine einschneidende Zäsur und das endgültige Ende der Intrigenhandlung. Sesto ist aus seiner erotischen Hörigkeit befreit und Vitellia hat die Waffen gestreckt. Bis zum Ende des Dramas erscheint sie nur noch in bis dahin unbekannter Sanftmut. Das ‚rasende Weib‘ ist ‚gezähmt‘, seine ungezügelte Rachelust durch reuige Einsicht ersetzt und die innere Wandlung vollzogen. Bis zum Finale richtet sich der musikdramatische Fokus nun allein auf Tito und die Ostentation seiner Clemenza. Die 5. Szene des 2. Aktes spielt in einem großen Saal für öffentliche Audienzen, in dem sich der Thron befindet. Neben Tito und Publio sind Patrizier, Prätorianer und das Volk versammelt. Analog zum 1. Akt wird Titos Auftritt wieder durch den Chor angekündigt und erhält so seinen staatstragend-repräsentativen Charakter. Doch während Mozart im 1. Akt dem Huldigungschor, der sich in einem überschwänglichen Herrscherlob ergeht, einen geradezu machtsymbolisch-pompösen Marsch vorangestellt hat, ist der Chor Nr. 15, der den Auftritt Titos nun begleitet, eher von gemessener Zurückhaltung und ehrfurchtsvollem Dank an die Götter für die Unversehrtheit des Kaisers geprägt.594 Auch geht der Chor nicht, wie üblich, dem Rezitativ oder einer Arie Titos voraus, sondern er umrahmt dessen Arie durch zwei identische Chorstücke und bildet auf diese Weise mit dem mittleren, ariösen Soloteil eine neuartige musikalische Einheit. Und so wie Solostimme und Chorgesang eine Verbindung eingehen und zu einer Einheit verschmelzen, so nimmt das römische Volk, das der Chor hier repräsentiert, den geretteten Kaiser voll Dankbarkeit wieder in seine Mitte auf. Mit den Versen seiner Arie reagiert Tito wiederum unmittelbar auf die Dankeshymne seines Volkes, dessen Gesang nicht mehr einer distanziert-formellen Huldigung, sondern eher einer von Gefühlen getragenen Sorge und Anteilnahme entspricht: TITO: „Ah no, sventurato Non sono cotanto, Se in Roma il mio fato 222  Die Neufassung

Si trova compianto, Se voti per Tito Si formano ancor.“ TITUS: „Ach, nicht unglücklich Bin ich so sehr, Wenn in Rom mein Schicksal Beweint wird. Wenn man für Titus Noch Gebete spricht.“595

Damit ist das barocke Muster der strikten Trennung von Huldigungschor im Hintergrund und davon abgesonderter Arie oder einem Rezitativ aufgebrochen und durch eine dialogische Struktur ersetzt worden. Zwischen Regierendem und Regierten deutet sich ganz im Sinne der Spätaufklärung die Utopie eines auf Gegenseitigkeit basierenden und von Humanität durchdrungenen Herrschaftsverhältnisses an. Die TitoArie mit Chor-Umrahmung stimmt ein auf das große Clemenza-Finale. „Eine weiche, verklärte Sanftheit und Milde ist über der Musik des neuerlichen Chor-Auftritts, ein schwereloses 3/8-Andante im pastoralen F-Dur, ausgegossen.“596

Vor allem die Tito-Arie, übrigens die einzige, zu der Mazzolà einen neuen Text verfasst hat, weil sie die durch die Streichung der Manteltauschszene entfallene Arie Metastasios ersetzt,597 strahlt in Wort und Musik die kaiserliche Milde aus. Vergleicht man diesen, das arienartige Mittelstück umrahmenden Chor mit dem pompös-festlichen Auftritt Titos im 1. Akt, wo der vorangestellte Marsch die übertriebenen Huldigungsformeln des Chores schon vorab bekräftigt, so gewinnt man den Eindruck, als habe Mozart den Marsch, vielleicht sogar nachträglich, hinzukomponiert, um den Kontrast zu diesem zweiten, von Milde durchwirkten, vom Chor begleiteten Auftritt Titos musikalisch ganz deutlich hervorzuheben und die Peripetie des Dramas genau an dieser Stelle nach Abschluss des Terzetts Nr. 14 durch den darauf folgenden Chor mit der Arie Nr. 15 zu kennzeichnen. Erst nach diesem von Mazzolà und Mozart eingeschobenen musikalischen Vorspann wird die 5. Szene mit dem rezitativischen Dialog zwischen Publio und Tito als Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  223

wortgleiche Übernahme der 1. Szene des 3. Metastasio-Aktes fortgesetzt. Auch Publios Abgangsarie „Tardi s’avvede/D’un tradimento“ („Zu spät erkennt/Man einen Verrat“)598 hat Mozart auf den unveränderten Arientext der Vorlage komponiert. Metastasios 2. Szene, in der Annio Tito um Gnade für Sesto bittet, ist dagegen auf ein Minimum reduziert. Für Tito bleiben nur die Anfangsverse mit dem Hinweis auf seine innige Freundschaft zu Sesto, die nicht nur Treue kannte, sondern auch von Zärtlichkeit erfüllt war, so dass seine Schuld für ihn unvorstellbar sei. Dann bricht die Szene nach der äußerst knappen Bitte Annios nach nur neun Versen ab: „Signor! Pietà per lui/ad implorar io vengo“ („Herr, ich komme, um Gnade für ihn/zu bitten“).599 Die wichtige Textpassage Metastasios, in der Tito trotz der Zeugenaussage des Lentulo Sestos Schuld zurückweist und auf der Unschuldsvermutung beharrt, indem er Annio daran erinnert, dass er es war, den Tito aufgrund des roten Bandes an seinem Mantel irrtümlich für den Schuldigen gehalten habe, entfällt, da die gesamte Mantel-Episode des 2. Metastasio-Aktes gestrichen worden ist. Auch mit dieser Kürzung der 2. Szene des 2. Aktes, in der ein Kaiser erstaunlicherweise offen seinen Irrtum bekennt und seinen eigenen Fehler als Gegenargument gegen eine vorschnelle Schuldzuweisung benutzt, verändert und entdifferenzierte Mazzolà das von Metastasio so tiefgründig und kunstvoll poetisierte Titus-Bild. Die 7. Szene Mazzolàs, in der Publio das Todesurteil des Senats verkündet und definitiv Sestos Schuld bestätigt, entspricht, wie der größte Teil seines 2. Aktes, der Vorlage. Nur die Arie des Annio „Pietà Signor di lui“600 wurde mit vollständig neuem Text durch die Arie Nr. 17 „Tu fosti tradito:/Ei degno è di morte“ („Du wurdest verraten:/Er verdient den Tod“)601 ersetzt. Darin bittet Annio Tito noch einmal um Gnade, aber in ebenso knapper und nüchterner Form, wie in der Szene zuvor. Das flehentliche Ringen um Milde, wie es in den Versen der Metastasio-Arie zum Ausdruck kommt, wurde von Mazzolà zu einem lapidaren Appell Annios an Titos Herz versachlicht: „Ma il core di Tito/Pur lascia sperar.“ („Aber das Herz des Titus /Läßt trotzdem hoffen.“). S. Durante weist darauf hin, dass diese zweite Annio-Arie die einzige Stelle in der gesamten Oper sei, „wo Mazzola einen Text in Da-Capo-Form durch einen anderen formgleichen (und fast paraphrasierenden) ersetzte.“602

224  Die Neufassung

Die gesamte Szenenfolge (2. Akt, 8. – 15. Sz.) bis zum Ende des 6. Bildes entspricht weitgehend der Textvorlage von Metastasio (3. Akt, 4. – 11. Sz.). Änderungen gibt es nur im Bereich der Arien und durch das Hinzufügen des Terzetts Nr. 18, „Quello di Tito è il volto!“ („Dies ist das Antlitz des Titus!“)603 zu Beginn der 10. Szene, mit dem der berühmte, von Voltaire so hoch gelobte Dialog zwischen Sesto und Tito eingeleitet wird. Für das Terzett haben Mazzolà und Mozart den Text der 6. Szene des dritten Aktes der Vorlage, wo Publio in Begleitung der Wachen Sesto hereinführt und es zu einer ersten Begegnung zwischen ihm und Tito kommt, umgearbeitet und das Secco-Rezitativ Metastasios äußerst kunstvoll in ein Ensemble verwandelt. Gerade bei dieser Szene tritt die Überlegenheit der musikalischen Mittel gegenüber den Möglichkeiten der Poesie bei der Darstellung heftiger Gefühlsaufwallungen und innerer Erregungszustände, wie sie bei diesem Befangenheit und Betroffenheit auslösenden Aufeinandertreffen spontan erzeugt werden, mehr als deutlich hervor. So wird der letzte der vier Verse, mit dem Sesto das Terzett eröffnet („Or ei mi fa tremar!“ („Jetzt macht er mich zittern!“))604 durch eine ebenso „erzitternde Figur der Streicher“ begleitet.605 Die Musik veranschaulicht und vermittelt die affektive Reaktion der drei Personen auf die beklemmende Situation, die jeder von ihnen anscheinend nur im abgewandten, isolierten Selbstgespräch zu verkraften scheint. Von den 18 Versen sind 16 ‚à parte‘ zu singen. Nur zweimal wird dieses dramaturgische Prinzip des Isolierens durchbrochen, als Tito sich direkt an Sesto wendet: „Avvicinati!“ („Tritt näher!“) – und „Non odi?“ („Hörst du nicht?“). Ansonsten spiegelt die Musik die Intensität des inneren Geschehens der ganz und gar auf sich bezogenen und für einen Moment in ihren Gefühlen erstarrten Personen. „Ihr sprechendes Schweigen nimmt musikalische Gestalt an“606 und die „Spannung des Augenblicks läßt den Handlungsfluß gleichsam gerinnen.“607 Bemerkenswert ist Mazzolàs Änderung der von Publio gesungenen Strophe. Während Metastasio in seinem Rezitativ das erregte Affektgeschehen in nur einer Zeile ohne Verknüpfung mit einer bestimmten Person als allgemeine Beschreibung der die Szene beherrschenden Stimmungslage ‚à parte‘ registrieren lässt: „(Mille affetti diversi, ecco acimento.)“ – „(Wie viel verschiedene Begierden streiten hier!)“,608 bezieht

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  225

sich Publio im Terzett mit seiner Beobachtung eines hochgradigen Erregungszustandes ausdrücklich auf die Person Tito: PUBLIO: „(Mille diversi affetti In Tito guerra fanno. S’ei prova un tale affanno, Lo seguita ad amar.)“ PUBLIUS: „(Tausend verschiedene Gefühle Bekämpfen einander in Titus. Wenn er solchen Schmerz empfindet, Wird er ihn weiter lieben.)“609

Damit stellt Mazzolà Tito, den Kaiser, für einen Augenblick auf die Stufe des von ihren Gefühlen beherrschten Intrigenpaars Vitellia und Sesto, indem er den Bogen zu ihrer simultan gesungenen Strophe des Duetts Nr. 1 zu Beginn des 1. Aktes zurückspannt: „Fan mille affetti insieme/battaglia in me spietata.“ („Tausend Gefühle zugleich liegen/In mir in wildem Kampf.“).610 Einen derart fassungslosen, von der Begegnung mit seinem verräterischen Intimfreund emotional betroffenen Kaiser, hätte Metastasio ohne Verletzung der ‚bienséance’ und der höfischen Etikette nicht darstellen können. Mit diesen vier neu gestalteten Versen erhält Publio nicht nur gleichwertig zu Sesto und Tito ebenfalls eine eigene Strophe im Terzett, sondern er trägt mit seinen Worten entscheidend zur Veränderung des von Metastasio geprägten Titus-Bildes bei. In den neu hinzugefügten letzten beiden Versen zieht Publio die Schlussfolgerung aus seiner Beobachtung, indem er die Prophezeiung wagt, dass Tito angesichts des Schmerzes, den er beim Anblick Sestos empfinde, ihn weiter lieben werde: „S’ei prova un tale affanno,/Lo seguita ad amar“ („Wenn er solchen Schmerz empfindet,/Wird er ihn weiter lieben.“)611 Dramaturgisch wird mit dieser prospektiven Bemerkung die Akzentverschiebung von der offiziellen Staatssphäre in den privaten Bereich von Liebe und Freundschaft vorangetrieben und der finale ClemenzaAkt so schon frühzeitig in einen anderen Begründungs- und Bedeutungszusammenhang gerückt. Dadurch wird die Freundschaftsthematik, welche den an das Terzett anschließenden großen Dialog zwischen Tito 226  Die Neufassung

und Sesto weitgehend bestimmt, musikalisch angekündigt. Nachdem Tito Publio und die Wachen weggeschickt hat, kommt es in vollständiger Übernahme des Metastasio-Textes612 zu der intimsten und per­ sönlichsten Szene zwischen den Freunden, in der Tito nur noch als Privatperson agiert und, um die vertraute Nähe ihres Verhältnisses wiederherzustellen, sogar sein affektives Begehren über das Staatsinteresse stellt, indem er Sesto ganz aus der Rolle des Monarchen fallend anbietet, ihn in der Art eines Komplizen vor den Nachforschungen des abwesenden Kaisers zu bewahren: „Io ti prometto,/che Augusto nol saprà.“ („Ich verspreche dir,/daß der Kaiser es nicht erfahren wird.“).613 Doch Titos abrupter Wechsel am Ende des Dialogs zurück in die formelle Distanziertheit seiner Herrscherrolle, weil Sesto nicht bereit ist, die Umstände der Verschwörung und Vitellias Beteiligung daran, zu offenbaren, wird nicht nur durch die eisige Verachtung bei der Weigerung Titos, Sesto auf sein flehentliches Bitten hin einen letzten Handkuss zu gewähren, deutlich. In dem letzten, von Mazzolà hinzugefügten Vers, wird die Distanz und das Maß der Entfremdung zwischen ihnen noch gesteigert: „or tuo giudice sono.“ („jetzt bin ich dein Richter.“).614 Nicht als Kaiser, nicht als Fürst, nicht als Vater oder als Wohltäter, erst recht nicht als Freund, alles Begriffe, die Tito am Anfang des Dialogs auf sich selbst angewandt hat, lässt er Sesto von den Wachen abführen, sondern als sein Richter schickt er ihn in die Ungewissheit seines zu erwartenden Urteils. Die kalte Aura einer anonym-neutralen, gänzlich unpersönlichen Rechtsinstanz umgibt ihren Abschied. In seiner nun einsetzenden Abgangsarie, Rondo Nr. 19, versucht Sesto ein letztes Mal, zum Herzen Titos vorzudringen: „Deh per questo istante solo/Ti ricorda il primo amor.“ („Weh, nur für diesen Augenblick/Erinner’ dich der ersten Liebe.“).615 Diese Eingangsverse der Arie hat Mazzolà fast wörtlich aus dem vorangegangenen Rezitativ Metastasios entnommen.616 Während Sesto sich bei Mazzolà/Mozart noch einmal mit diesem eindringlichen Appell, sich ihrer Liebe zu erinnern direkt an Tito wendet, lässt Metastasio ihn seine letzte Arie ‚à parte‘, ganz auf sich bezogen singen, voll von Verzweiflung, Reue und Trauer, den nahen Tod vor Augen: „Vo disperato a morte“ („Verzweiflungsvoll geh ich zum Sterben“).617 Mit diesem Vers beginnt bei Mazzolà die dritte Strophe der Sesto-Arie: „Disperato vado a morte“.618 Diese Zeile markiert innerhalb der Mozart-Arie eine Zäsur und einen spontanen StimDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  227

mungsumschlag, der musikalisch durch den Wechsel vom sehnsuchtsvoll-sanften Adagio-Teil zum dramatischen Allegro akzentuiert wird. „Ein unvermittelter Forte-Ausbruch des Orchesters (T.14) gibt dem Zorn und der Strenge, die Sesto von Tito zu erwarten hat, präzise Konturen.“619 Nachdem Sesto in den ersten beiden Strophen mit seinem Versuch, noch einmal Titos Herz zu erreichen, gescheitert ist, gibt er sich nun enttäuscht und resigniert in der dritten Strophe seiner Arie vollends der Verzweiflung hin. Sowohl der Tempo- als auch der Tonartenwechsel zur musikalischen Betonung der „Affektkontraste“ (Lühning) ist eines der Charakteristika des Arientypus eines Rondos.620 Und die Rondo-Form hat Mozart für die letzte Solo-Arie Sestos gewählt. Seine Verwendung als Schlussarie der Protagonisten, für die es ausschließlich vorbehalten blieb, ist ein weiteres Merkmal des Rondos, das als musikalischer Formtypus im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts immer beliebter wurde. Auch die inhaltliche Thematik von Abschied und Todesnähe, die Sesto in seiner Arie bewegt, entspricht der Rondo-Konvention ebenso, wie die Art der Selbstdistanzierung beim ‚à parte‘-Singen.621 Das kreisende Wiederholen ganzer Strophen und einzelner Verse, verleiht der inhaltlichen Aussage, verleiht Sestos Gedanken und Worten, ob bei seinem bittenden Appell an Tito im Adagio-Teil oder bei seinem verzweifelten Selbstgespräch im Allegro-Teil, ein viel größeres Gewicht und eine viel stärkere musikalische Ausdruckskraft. So wird die 1. Strophe „Deh per questo instante solo …“ langsam, mit trauerndem, sehnsuchtsvollem Ton ganz gesungen und nur ihr 3. Vers, „Che morir mi fa di duolo…“ („Vor Schmerz lassen mich …“)622 wird einmal wiederholt. In der zweiten Strophe wird nicht nur der 2. Vers „Sol spirar io deggio orror“ („Kann ich nur Abscheu einflößen“), sondern auch der 3. und 4. Vers zweimal gesungen, um dann mit einer dritten Wiederholung des 4. Verses abzuschließen. Dann geht es wieder zurück zur 1. Strophe mit zweimaligem 4. Vers, der auch noch ein drittes Mal wiederholt wird.623 Nach diesem mehrfachen Kreisen leitet der abrupte Tempowechsel den Übergang zur ‚à parte‘ gesungenen 3. Strophe und zum Allegro-Teil ein. Nachdem auch hier erst der 4. Vers und danach die letzten beiden Verse zusammen wiederholt worden sind, führt die kreisende Bewegung zurück zur 2. Strophe, deren 3. und 4. Vers zweimal erscheinen und nun auch inhaltlich mit dem Text der Schlusssentenz „(Tanto affanno soffre un 228  Die Neufassung

core,/Nè si more di dolor!)“ – „(So viel Kummer leidet mein Herz,/Und doch stirbt man nicht vor Schmerz!)“ zusammenstimmen. „Pur saresti men severo,/Se vedessi questo cor.“ („Doch du wärst weniger streng,/ Wenn du dieses Herz sehen könntest.“). Auffallend ist, dass Sesto sein ‚à parte‘ unterbricht und mit diesen Zeilen Tito noch einmal direkt anspricht. Nicht mehr die Gedanken an Vitellia, nur noch die Gefühle für Tito bereiten ihm den unerträglichen Schmerz. Nachdem Sesto abgeführt worden ist, reflektiert Tito noch einmal in einem längeren Monolog über die Frage der Schuld und das Urteil, das er zu fällen hat und denkt sogar daran, Rache zu „nehmen für die Verschmähung, die Verachtung meiner Milde. Rache!…“ („Deggio alla mia negletta/dispressata clemenza una vendetta. Vendetta! …“),624 um sich dann zum Schluss mit den eindringlichen Versen Metastasios doch für den Freund („Viva l’amico!“) und für die Clemenza zu entscheiden: „E se accusarmi il mondo/vuol pur di qualche errore,/m’accusi di pietà/non di rigore…“ („Und wenn mich die Welt/schon anklagen will, für irgendeinen Fehler,/soll sie mich der Milde anklagen und nicht der Strenge.“)625

Den rechtstheoretischen Hintergrund dieser bewussten Gegenüberstellung der Begriffe „rigore“ und „clemenza“ hat W. Proß, wie bereits erwähnt, eingehend erörtert.626 Im Metastasio-Libretto versuchte Tito noch seine Entscheidung zugunsten der „clemenza“, gegen „rigore“ und „vendetta“ (– Strenge, und eine im staatsrechtlichen Sinne durchaus „gerechte Rache“ –), argumentativ zu legitimieren, indem er dem Angeklagten eine zweite Chance einräumte und auf Verbesserung und Läuterung seines Charakters setzte: „Saggio Cultor, se a risanarlo in vano/Molto pria non sudò.“ („Man hauet nicht sogleich in einen schwachen Ast,/So lange man ihn noch zu beugen Hoffnung faßt“),627 lässt Metastasio Tito seine Entscheidung begründen. Doch die gesamte, dazu gehörende Textpassage hat Mazzolà gestrichen. Auch die Verse, in denen Tito sich auf Brutus bezieht, der, wie schon erwähnt, in der Französischen Revolution zum vorbildhaften Helden hochstilisiert worden ist, sind von Mazzolà wohl aufgrund ihrer politischen Brisanz und mit Rücksicht auf den festlichen Anlass und den internationalen Hochadel im Publikum, aber vor allem aus Rücksicht auf das Kaiserpaar, herausgenommen worden. Auf die politischen Implikationen dieser und anderer Kürzungen wird an späteDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  229

rer Stelle noch eingegangen. Abgesehen von dieser und einigen anderen Streichungen entspricht der Tito-Monolog wortgetreu der MetastasioVorlage. In der 12. Szene bestätigt Tito zur Musik Mozarts in seiner berühmten Arie Nr. 20 „Se all’Impero amici Dei“ sein Bekenntnis zum Regierungsstil der Clemenza. Der Text des kurzen Dialogs zwischen ihm und Publio, in dem er ihm mitteilt, dass seine Entscheidung in Sachen Sesto getroffen sei sowie der Text der Arie entsprechen unverändert der 8. Szene des 3. Aktes von Metastasio. Auch die 13. Szene hat Mazzolà wortgleich beibehalten. (3. Akt, 9. Sz.), ebenso, wie die etwas gekürzte 14. Szene (3. Akt, 10. Sz.) mit Servilias Abgangsarie Nr. 21 „S’altro che lacrime/Per lui non tenti“ („Wenn du nichts als Tränen/Für ihn hast“).628 Auffällig ist aber, dass im Rezitativ vor der Arie genau der eine Vers, in dem Servilia Vitellia auf die hohe Wertschätzung und Liebe, die Rom ihrem Bruder Sesto entgegenbringt, hinweist, von Mazzolà gestrichen worden ist. „Sai che finor di Roma/Fu la speme, e l’amore.“ („Du weißt, daß er von Rom die Lieb’ und Hoffnung ist.“).629 War Sesto vielleicht ein politischer Hoffnungsträger Roms? Kam er als Nachfolger für Tito in Frage, falls dieser sich für Berenice und gegen Rom entschieden hätte? Oder sollte die Hoffnung und Liebe Roms ausschließlich Tito vorbehalten bleiben? Vor allem aber Mozarts musikalische Neugestaltung der Servilia-Arie Nr. 21 ist mehr als irritierend, denn die unverändert übernommenen Metastasio-Verse befinden sich in krassem Widerspruch zu ihrer geradezu textfernen Vertonung. Die Musik ist gleichsam gegen den Wortsinn komponiert. Servilias Arientext ist eine herablassende, fast schon feindselige, bedrängende Aufforderung an Vitellia, anstatt mitleidsvolle Tränen über den bevorstehenden Tod Sestos zu vergießen, sich entschlossen für seine Begnadigung einzusetzen. Sinngemäß bedeuten ihre vorwurfsvollen, an Vitellia appellierenden Worte: Heul nicht! Tu etwas! SERVILIA: „S’altro che lacrime Per lui non tenti, Tutto il tuo piangere Non gioverà.

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A questo inutile Pietà che senti, Oh quanto è simile La crudeltà.“ SERVILIA: „Wenn du nichts als Tränen Für ihn hast, Wird all dein Weinen Nichts helfen. Ach dies unnütze Mitleid, das du fühlst, Ach, wie ähnelt es Der Grausamkeit“630

An keiner anderen Stelle des Librettos riskiert Servilia eine derart offene Kritik an Vitellia, die sie in diesem Moment noch für die zukünftige Kaiserin halten musste. Nicht einmal ihre gezielte Missachtung und Verhöhnung in der 10. Szene des 1. Metastasio-Aktes, wo sie Vitellia nicht eines Blickes würdigte, hat diese angriffslustige, verächtliche Direktheit dieser zornigen Arienverse, die nicht die geringste mitfühlende Regung enthalten. „In der Musik nichts davon! Selten, daß sich Mozart über Gehalte des Textes derart hinwegsetzte. Ihm kam es offenbar mehr darauf an, jenen reinen, versöhnenden Einklang einer „schönen Seele“ mit sich selbst und mit der Welt musikalische Wirklichkeit werden zu lassen. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, daß im Duett Servilia/Annio und in der Servilia-Arie die Möglichkeit des goldenen Zeitalters, das als Verheißung in der aus Prinzip verzeihenden Milde des Titus verborgen ist, eingelöst wurde.“631

Doch warum diese in ihrer Zartheit und Reinheit so betörende Musikalisierung des Utopischen ausgerechnet in einer vom Text her fordernden, vorwurfsvollen und gefühlskalten Arie in Richtung Vitellia? Warum haben Mazzolà und Mozart nicht, wie sie es bei der 8. Szene des 1. Aktes getan haben, den Text mit Rücksicht auf die musikalische Zielsetzung abgeändert oder durch einen eigenen ersetzt? Warum haben sie auf diese Arienverse Metastasios nicht einfach verzichtet, so wie auf die ServiliaArie in der 10. Szene des 1. Metastasio-Aktes? Was war ihnen so wichtig Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  231

an dem Inhalt dieser Textpassage, dass sie diese unüberhörbare, verstörende Diskrepanz zwischen Wort und Musik in Kauf nahmen? Und das in einer Arie, deren kristallklare Töne „jenen reinen, versöhnenden Einklang einer ‚schönen Seele’“ und den utopischen Glanz des „goldenen Zeitalters“ in so berührender Weise verströmen? Doch genau das zu dieser humanitären Utopie passende Idealbild einer wahrheitsliebenden, unverstellt-offenen und selbstbestimmten, aufgeklärten Person, haben Mazzolà und Mozart mit ihrer musikdramatischen Figurenzeichnung Servilias zu vermitteln versucht. Um beim aristokratischen Publikum von vornherein eine Antipathie und Abwehrhaltung gegenüber Servilia zu vermeiden, durfte sie nicht allzu deutlich als eigentlicher Träger aufklärerischer Ideale in Erscheinung treten. So musste jeglicher Etikettverstoß und jegliche direkte Konfrontation zwischen ihr und der ranghöheren Vitellia vermieden werden und die Einhaltung höfischer Umgangsformen gewahrt bleiben. Doch dem widersprachen die von Kritik und Verachtung getragenen Verse Metastasios. Aber so spricht man auch zu Mozarts Zeiten nicht ungestraft mit der zukünftigen Kaiserin. Andererseits schien der in den Versen enthaltene kritische Aufruf zur entschlossenen Tat, der in einem allgemeineren Sinne auch als Metapher für den Aufbruch in ein neues Zeitalter der ‚humanitas‘ verstanden werden konnte, Mazzolà und Mozart so wichtig zu sein, dass sie nicht auf ihn verzichten wollten. Doch während sie im 1. Akt die, gegen die höfische Ordnung verstoßende, von Metastasio auch durchaus als Hofkritik gemeinte, dramaturgische Sequenz mit der Verhöhnung Vitellias durch eine Textänderung und die von ihnen hinzugefügte, devote Entschuldigung Servilias sowie das Streichen ihrer Arie abmilderten und so in ihrer aristokratiekritischen Brisanz entschärften, hat hier im 2. Akt anstelle der Poesie die Musik die Aufgabe einer abschwächenden, verharmlosenden Kaschierung der brisanten Verse zu übernehmen. Und so kleidete Mozart den anmaßenden und von Geringschätzung gekennzeichneten Text, den Servilia respektlos an die vermeintliche Kaiserin richtet, mit der Klangsymbolik der Liebe in eine Arie von größter Zartheit und Sanftheit. Wenn es sich nicht um eine Opera seria handeln würde, könnte man meinen, Mozart gäbe ein Exemplum musikdramatischer Persiflierung, so weit klaffen Text und Musik auseinander, prallen Unruhe stiftender Wortsinn und beglückender Schönklang aufeinander. 232  Die Neufassung

Doch die Angelegenheit war todernst. Anscheinend hielt Mozart eine musikalische Abschwächung und klangliche Maskierung der, im Geist der Aufklärung selbstbewusst zur Tat aufrufenden, im höfischen Sinne anstößigen, an eine Kaiserin gerichteten Verse für notwendig. Es war nicht das erste Mal, dass Mozart die Musik als Mittel zur Dämpfung gesellschaftspolitisch brisanter Textstellen eingesetzt hat. Schon beim den Adelsstand verhöhnenden Figaro hatte nicht nur Da Ponte durch Änderungen und Streichungen provozierender Passagen des Beaumarchais-Textes dem theatralisierten Angriff auf die Aristokratie die verbale Sprengkraft genommen: „Auch Mozarts ordnende kompositorische Hand nimmt der Oper einiges von seinem politischen Zündstoff. Sie schafft Ausgleich, wo sich Unruhe anbahnt, vermeidet Eskalationen, indem sie vermittelnd zwischen die Fronten tritt, und bannt politisch heikle Momente in heitere Situationskomik.“632

Nicht durch buffoeske Ironisierung, sondern durch den ätherischen Wohlklang seiner Musik, versuchte Mozart das in der Servilia-Arie enthaltene Skandalon zu kaschieren. Die Notwendigkeit einer musikalischen Dämpfung und klanglichen Umhüllung des kritischen Potenzials der Metastasio-Verse ist ein deutliches Indiz für die in ihnen verborgene politische Brisanz und zeigt erneut, auf welch heikler Gratwanderung sich Mazzolà und Mozart bei ihrer Arbeit an der Krönungsoper befanden. Es war ein musikdramatischer Balanceakt, der mal mit den Mitteln der Poesie, mal mit denen der Musik zwischen einer Politisierung, wie beim Finale des 1. Aktes, und einer Depolitisierung, wie in dieser Servilia-Arie, hin und her schwankte und ausgeglichen werden musste. Doch hinter dem verharmlosenden Klangschleier, den Mozart über den provokanten Text legte, verbirgt sich der aufklärerische Kern dieser Arie, in der Servilia über Sesto hinaus, metaphorisch ganz allgemein die aktive Hilfe und Unterstützung in Not geratener Brüder nach Art der Freimaurer fordert. Es ist dieser substanzielle, aufklärerische Kern der ariösen Aufforderung, der mit seiner emanzipatorischen Strahlkraft die Durchsichtigkeit und Klarheit seiner klangschönen Umhüllung begründet und rechtfertigt. Erst diese ein humanes Zeitalter antizipierende und selbstbestimmtes Handeln fordernde Kernaussage des Arientextes verleiht dem zunächst so inhaltlos erscheinenden Schöngesang seinen tieferen Sinn. Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  233

Den letzten großen Abschluss-Monolog Vitellias (3. Akt, 11. Sz. Metastasio) hat Mozart unter Beibehaltung der Metastasio-Verse zum Recitativo accompagnato Nr. 22 umgestaltet. Nur die letzten dreieinhalb Verse des Metastasio-Rezitativs sowie Vitellias Gleichnisarie von dem Schiffer, der seine Waren von Bord wirft, um sich so, wenn auch als armer Mann, ans Land retten zu können, entfallen ganz.633 Stattdessen verlieh Mozart Vitellias letztem Sologesang vor der Schlussszene ein noch viel größeres Gewicht, indem er ihre Abschlussarie Nr. 23 als Rondo komponierte und mit dem einzigen, ganz ohne Anlehnung an die Vorlage, neu verfassten Text von Mazzolà zu einem Schlüsselstück der ganzen Oper musikalisch ausformte. Die Grundstimmung von Abschied und Hoffnungslosigkeit, wie die letzte Rezitativ-Zeile in resignativer Melancholie sie ausstrahlt: „D’impero e d’imenei, speranze, addio.“ („Hoffnungen auf Herrschaft und Hochzeit, lebt wohl.“),634 fließt über in die erste Rondo-Strophe, um darin ein für Vitellia ganz untypisches Bild eines arkadisch-glückseligen Hochzeitstraumes auszumalen, dessen Realisierung ihr nun für immer verwehrt bleiben wird: VITELLIA: Nr. 23 Rondo „Non più di fiori Vaghe catene Discenda Imene Ad intrecciar.“ VITELLIA: Nr. 23 Rondo „Um aus Blumen Anmutige Ketten zu flechten, Steige Hymenaeus Nicht herab.“635

Alle Schroffheit, alle Bosheit und destruktive Härte ihres Charakters sind einer aus Schuldgefühlen, unerfüllter Liebeserwartung und beängstigender Todesahnung resultierenden Sanftheit und passiven Abgeklärtheit gewichen. Mit ihrem nahen Ende vor Augen ist sie nun bereit, sich in ihr Schicksal fügend, den Tod zu empfangen:

234  Die Neufassung

VITELLIA: „Stretta fra barbare Aspre ritorte Veggo la morte Ver me avanzar.“ VITELLIA: „Gebunden in grobe, Rauhe Fessel Sehe ich den Tod Sich mir nähern.“636

„Klingendes Symbol für die Welt des Jenseits ist das solistische Bassetthorn“,637 das nun in der dritten, von Schmerz und Todeserwartung erfüllten Strophe, „den Verzweiflungston mit einem Melodiegebilde“ anstimmt, „das sich zweimal klagend aufschwingt und ohne Abschluß gleichsam verweht,“ wie S. Kunze es so anschaulich formuliert. VITELLIA: „Infelice! qual orrore! Ah di me che si dirà? Chi vedesse il mio dolore, Pur avria di me pietà“ VITELLIA: „Unglückliche! Welch ein Schrecken! Ach was wird man von mir sagen? Wer meinen Schmerz sähe, Hätte doch Mitleid mit mir.“638

Die Verwendung und Melodieführung des Bassetthorns erinnern stark an Sestos Parto-Arie Nr. 19. Die Tatsache, dass Mazzolà nur diesen Arientext, ohne auch nur einen Verssplitter Metastasios aufzunehmen, vollkommen unabhängig vom Ursprungslibretto neu gedichtet hat, nährte die Vermutung, dass es sich bei dem Rondo um eine eigenständige, nicht als Teil der Oper, zu einer früheren Zeit komponierte, isolierte Konzertarie handle.639 In die schon zuvor erwähnte Debatte um den Entstehungszeitpunkt der Oper, insbesondere den des Rondos Nr. 23, hat S. Kunze mit einem auf den konzeptionellen, musikalischen ZusammenDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  235

hang verweisenden Gegenargument eingegriffen. Er versteht die enge Verknüpfung des Orchesternachspiels der Arie mit dem unmittelbar darauf folgenden Andante maestoso als eine von vornherein geplante musikalische Überleitung zur großen Schlussszene, dem ‚lieto fine‘, obwohl damit die Möglichkeit einer nachträglichen Hinzufügung dieser kompositorischen Elemente nicht eindeutig widerlegt ist, zumal er selbst darauf hinweist, dass Mozart im Autograph über das letzte Viertel des Nachspiels das Wort „finis“ geschrieben hat.640 Dennoch spricht das orchestrale Überspielen des letzten Szenenwechsels bis in den nun vor der prächtigen Kulisse des Amphitheaters auftretenden und den Einmarsch Titos in Begleitung der Liktoren einrahmenden Chor Nr. 24 für Kunzes Argumentation. Der Text für den Chor „Che del ciel, che degli Dei“ („Daß du des Himmels, daß du der Götter“), sowie der daran anknüpfende Wortwechsel zwischen Titos, Annio und Servilia, stammt ohne Änderung oder Kürzung von Metastasio (3. Akt, 12. Sz.). Auch der nun vor der imposanten, reichlich mit architektonischen Herrschaftszeichen ausgestatteten und mit einer Menschenmasse angefüllten Kulisse vorgetragene letzte Dialog zwischen Tito und Vitellia entspricht Szene 13 des dritten Aktes der Vorlage.641 Doch nach dem 34. Vers endet das Rezitativ mit Vitellias Worten: „e procurai vendetta“,642 indem Mozart das Secco Metastasios mit Beginn der anschließenden, von Tito gesprochenen Textpassage zum Recitativo accompagnato Nr.  25 und zum Abschluss-Monolog Titos musikalisch umgestaltete und instrumental dramatisierte. Die auf diese monologische Textpassage bei Metastasio folgende Fortsetzung des Dialogs zwischen Tito und Vitellia mit eingefügten, knappen Kommentierungen von Annio, Publio und Servilia, entfällt ganz.643 Aber gerade in diesem von Mazzolà gestrichenen Teil des Metastasio-Rezitativs sind einige, für die innere Logik des dramaturgischen Handlungszusammenhangs im Original-Libretto sehr bedeutsame Verse eliminiert worden. So fehlt in der gekürzten Fasssung Titos Versprechen an Vitellia, niemals mehr eine andere Frau zur Kaiserin zu nehmen, da einzig Rom seine Braut sei: „Una rival sul trono/Non vedrai tel prometto. Altra io non voglio/Sposa che Roma“ („Auf meinem Throne solst du keine nach dir sehen,/Als Braut und Kayserin. Mein Rom sey meine Braut.“)644 Damit ist der dramaturgischen Absicht und konzeptionellen Intention Metastasios ihr eigentliches Ziel genommen 236  Die Neufassung

worden. Der symbolische Akt der Vermählung Titos mit dem römischen Volk findet nun nicht mehr statt. Liebesverzicht und Entsagung hätten ihre ursprüngliche Zweckbestimmung verfehlt, Tito über all seine individuellen Leidenschaften hinweg zum Herrscher und Diener seines Staates zu formen, wenn er nicht sämtliche Affektbindungen kappen und persönlich-emotionalen Abhängigkeiten zugunsten Roms beenden würde. Aber auch auf die weiteren Verse, in denen Tito alle Konflitkonstellationen der Intrigenhandlung endgültig auflöst, indem er mit seiner beispiellosen ‚generosità’ die Paare Vitellia und Sesto sowie Servilia und Annio, zur Heirat zusammenführt und allen Verschwörern in seiner grenzenlosen Milde vergibt, hat Mazzolà aufgrund einer ganz anderen dramaturgischen Intention bewusst verzichtet. Nur die Zeilen mit der Begnadigung Lentulos und seiner Gefährten behielt er bei, um den Schlussversen des Titus-Monologs die auratische Symbolkraft der unbegrenzt humanen Milde zu verleihen: TITO: „(…) sia noto a Roma, ch’io son lo stesso, e ch’io tutto so, tutti assolvo, e tutto oblio.“ TITUS: „(…) Rom soll erfahren, daß ich derselbe bin und daß ich alles weiß, allen vergebe und alles vergesse.“645

Diese von allgemeiner Humanität durchtränkte Schlussformel eines zum erwartbaren Clemenza-Reflex geronnenen Vergebens und Verzeihens beantwortet Sesto mit seinem Sologesang der ersten Strophe des damit einsetzenden Sextetts mit Chor Nr. 26, das unmittelbar aus dem Accompagnato-Monolog hervorgeht: SESTO: Nr. 26 Sextett mit Chor „Tu, è ver, m’assolvi, Augusto; Ma non m’assolve il core,“

Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  237

SEXTUS: Nr. 26 Sextett mit Chor „Es ist wahr, du vergibst mir, Herr, Doch mein Herz vergibt mir nicht“.646

Und auf Sestos Beteuerung, diesen Fehler ein Leben lang zu bereuen, geht Tito direkt ein: TITO: „Il vero pentimento, Di cui tu sei capace, Val più d’una verace Costante fedeltà.“ TITUS: „Die wahre Reue, Derer du fähig bist, Gilt mehr als aufrichtige Dauerhafte Treue.“647

Aber das, was hier in den ersten Strophen des Sextetts als direkter Dialog zwischen Sesto und Tito erscheint, ist die verallgemeinerbare Antwort eines stets milden und allen gleichermaßen verzeihenden Kaisers, der jeglicher persönlichen Affektbindung in die unnahbare Distanz seiner einsamen Herrscherrolle entrückt ist. Obwohl Sesto mit seiner formellen Anrede „Augusto“ diese Distanz devot zum Ausdruck bringt, missversteht er die letzten Worte des Tito-Monologs als an sich gerichtete Worte des persönlichen Verzeihens, die hingegen doch nur formelhaft das Herrschaftsprinzip der über Allem waltenden Clemenza beschwören. Ein letztes Mal unterbricht Tito den finalen Huldigungschor mit einer ariös gesungenen Strophe, deren letzte drei Verse er mehrfach im Wechselgesang mit dem Chor wiederholt und so mit dessen Lobpreisungen zu einem gemeinsamen Klangbild vermischt, um in der musikalischen Schlussapotheose nun ganz und gar eins zu werden mit ‚seinem Rom‘:

238  Die Neufassung

TITO: „Troncate, eterni Dei, Troncate i giorni miei, Quel dì che il ben di Roma Mia cura non sarà.“ TITUS: „Beendet, ewige Götter, Beendet meine Tage, Dann, wenn das gedeihen Roms Nicht mehr meine Sorge sein wird.“648

Und der Chor antwortet ihm und bittet die Götter: „A Roma in lui serbate/La sua felicità.“ („In ihm bewahret/Das Glück Roms.“)649 Diese Vereinigung zwischen Volk und Kaiser, die in dem gestrichenen Metastasio-Vers „Sposa che Roma“( „Mein Rom sey meine Braut“)650 so verständlich und wirkungsvoll von Metastasio in Worte gekleidet worden ist, vermittelte Mozart, teilweise gegen den etwas hölzernen Text Mazzolàs, dem Publikum in der Symbolsprache der Musik und mit dem hörbaren Einswerden von Tito und Chor, in einem zum Ende hin immer dichter werdenden, dann nur noch von der Wiederholung einzelner, schnell aufeinander folgender Wörter und Silben angetriebenen Wechselgesang und den daraus hervorgehenden, gemeinsam, aber mit unterschiedlichen Vers-Inhalten gesungenen Schlussklängen der ‚scena ultima‘. Die Affekttönung dieses abschließenden Vereinigungsbildes, die Metastasio mit den Methaphern von Braut und Hochzeit sprachlich und Mozart durch das allmähliche Verschmelzen der Solostimme mit dem umfassenden Chorgesang musikalisch so symbolträchtig gelungen ist, findet in den vier Tito-Versen Mazzolàs keine Entsprechung. Er bittet die Götter, sein Leben zu beenden, „wenn das Gedeihen Roms/ Nicht mehr meine Sorge sein wird.“ („Quel di che il ben di Roma/Mia cura non sarà.“).651 Da spricht nicht der Tito Metastasios, der ‚padre della patria‘,652 der in der von Mazzolà gestrichenen Textpassage die ihm anvertrauten Völker zu Söhnen und Erben nehmen und „sonst an keine Liebe denken“ will.653 Da spricht der Tito des Spätaufklärers Mazzolà nicht mehr als liebender ‚pater familias‘, dessen unumschränkte ‚patrias potestas‘ römisch-absolutistischer Prägung zum „Skandalon für die AufDramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  239

klärung“ geworden war,654 sondern da spricht ein Tito als erster Diener seines Staates mit den spätaufklärerischen Begriffen des bedrohten und instabil gewordenen Absolutismus nun nicht mehr von Liebe zu seinem Volk, sondern von nüchterner Sorge um das Staatswohl mit dem Habitus monarchischer Pflichterfüllung. Mit dem von Tito, wie zur Bekräftigung eines heiligen Schwures, mehrfach wiederholten Wort „cura“ („Sorge“) und dem gleichzeitig vom Chor, wie zur Signatur unter ihren Vertrag gegebenen Antwort „felicità“, endet der letzte gesungene Takt der Oper,655 in dem „felicità“ und „cura“ von nun an musikalisch zu einem miteinander verbundenen Begriffspaar verschmelzen. Der bewusste Verzicht auf die Vereinigungssymbolik eines die Oper abschließenden, in Text und Ton synchron geführten Simultangesangs, mag ein Indiz sein für ein, den gleichzeitig erklingenden Worten metaphorisch inhärentes, vertragliches Abkommen auf Gegenseitigkeit. „Felicità“, individuelles „Glück“, ist ein Schlüsselbegriff der Aufklärung und des humanitären Staatsdenkens. „Das Glück war der Gral der neuen Zeit“, schrieb in diesem Sinne Paul Hazard in seiner Darstellung über das Denken im Zeitalter der Aufklärung.656 Und Ernst Walder ergänzt: „Das spezifisch Neue war dabei nicht das individuelle Glücksverlangen an sich, …, sondern daß das menschliche Glücksverlangen nun als Rechtsanspruch auftrat, den der einzelne Mensch zu stellen hatte, ein Rechtsanspruch, der hier und jetzt, auf dieser Erde und in dieser Zeit verwirklicht werden sollte.“657

Dieses Recht auf Glück als zentrales Postulat der aufgeklärten Staatsidee war auch substanzieller Bestandteil des toskanischen Verfassungsprojektes von Herzog Pietro Leopoldo, der in einer darauf Bezug nehmenden Denkschrift persönlich diesen für alle gleichermaßen geltenden Rechtsanspruch hervorhob: „un egual diritto alla felicità“, den er ganz im Sinne der letzten gesungenen Worte des Mozart-Tito nun zu sichern und zu erfüllen hatte.658 Das Ausklingen des 2. Aktes mit dem symbolträchtigen Verschmelzen der gleichzeitig deklamierten Begriffe „cura“ und „felicità“ beendet die Oper mit der in die Zukunft weisenden musikdramatischen Apotheose einer aufgeklärt-humanitären Staats- und Gesellschaftsutopie, wie sie dem Zeitgeist und den freimaurerisch geprägten Idealen Mozarts ent240  Die Neufassung

sprachen, und der er anstelle einer von Trompetenklang getragenen Panegyrik auf Tito mit dem gemeinsamen Schlussgesang von Chor und allen Einzelstimmen in der ‚scena ultima‘ musikalisch in einer tiefgründig-besinnlichen Feierlichkeit im gedämpften Ton der ‚humanitas‘ so ergreifend huldigte. Hört man hingegen den finalen Huldigungschor die Worte Metastasios zur einseitigen Lobpreisung und hymnischen Vergöttlichung von Tito akklamieren, so wird deutlich, dass es bei Metastasio im Gegensatz zur spätaufklärerischen Staatsidee bei Mazzolà/Mozart um die theatralisch zum Exemplum erhobene Wiederherstellung einer absolutistischpatriarchalischen Ordnung geht: CORO: „Che del Ciel, che degli Die Tu il pensier,l’Amor tu sei, Grand’ Eroe nel giro angusto Si mostrò di questo dì. Ma cagion di meraviglia Non è già, Felice Augusto, Che gli Dei chi lor somiglia Custodiscano così.“ CHOR: „Daß du der Götter Schoß-Kind bist, Des Himmels Abdruck in dir ist, Das kan man, großer Held, aus deinem Wesen An diesem Tage lesen. Doch ist es nicht so wunderns werth, Daß so mit dir das Glück verfährt: Die Götter schützen die hier auf Erden Die ihnen ähnlich werden.“659

Zusätzlich wird in der ‚licenza‘, der Zueignung an den Kaiser, der eigentliche Adressat der Huldigung, Karl VI., direkt von Metastasio mit dem Herrschaftstitel „invitto Augusto“ („unbesiegter Augustus“) salbungsvoll angesprochen: „Ich weiß, du selbst verspürtest diese hochherzigen Gefühle, die Tito in seiner Brust empfand, auch in der deinen.“660 Doch Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  241

während am Ende des Metastasio-Librettos die Ordnung sowohl der staatlichen, wie die der privaten Verhältnisse symbolisch wieder hergestellt worden ist, indem Tito die Paare verheiratet hat, bleiben die persönlichen Beziehungen, insbesondere die zwischen Vitellia und Sesto, bei Mazzolà ungeklärt und damit auch die Frage nach einer neu entflammbaren Intrige letztlich offen. Vor allem aber erscheint aufgrund der restriktiven Eingriffe in den Originaltext sowie aufgrund der er­heblichen Kürzungen besonders im zweiten Metastasio-Akt, in der Neufassung die Clemenza des Tito in einem ganz anderen Licht. Der gravierendste Eingriff Mazzolàs, der zu einer grundsätzlichen Akzentverschiebung der gesamten Clemenza-Aktion geführt hat, war die Streichung der Manteltausch-Episode zwischen Annio und Sesto in der 7. Szene des zweiten Aktes661 sowie aller damit zusammenhängenden Handlungselemente und Textpassagen. Denn dadurch entfiel automatisch die für das Clemenza-Verständnis Metastasios so wichtige, aber irrtümliche Entlarvung Annios als Urheber des Komplotts in dem Moment, in dem Tito das Erkennungszeichen der Verschwörer an Annios blutbespritzten Mantel entdeckte. In dem Glauben, mit Annio stehe nun der Täter vor ihm, reagierte Tito keineswegs mit irgend einem Anzeichen von Milde und Verzeihen („clemenza“), sondern mit förmlicher Kälte und dem Anschein von „rigore“. Damit hat der Herrschaftsstil Titos bei Metastasio eine ihm permanent innewohnende Alternative und ‚Tito der Milde‘ ein zweites Gesicht der Strenge erhalten, das bei Mazzolà/Mozart nicht mehr existiert. Zudem ist nicht nur die dramaturgische Gleichgewichtsstruktur des metastasianischen Librettos tiefgreifend beschädigt worden, sondern der an mehreren Stellen des Originaltextes geführte ClemenzaDiskurs insgesamt dem staats- und rechtstheoretischen Argumentatiosund Begründungszusammenhang der höfisch-absolutistischen Herrschaftsidee und frühaufklärerischen Denktradition entzogen worden. Der Vorgang der Clemenza verliert in der Mazzolà/Mozart-Fassung „die ganze Gloriole des Einmaligen, Unverwechselbaren, das die „Milde“ des Titos bei Metastasio auszeichnet.“662 Bei ihnen ist die Milde alternativlos, die Anwendung des ‚liberum arbitrium‘ beinhaltet nicht mehr ihr Gegenteil, die willkürliche Strenge und Härte des Kaisers. Sämtliche Textstellen, die diese Seite seines Charakters betonen und auf 242  Die Neufassung

die latent vorhandene, jederzeit anwendbare Strenge Titos verweisen, wie z.  B. Publios Beschreibung vom Verhalten Titos während des Tumults nach dem Attentat im Dialog mit Servilia, sind ganz eliminiert worden. Auf das heroisierende Porträt eines starken, bisweilen furchterregenden Tito, wie Publio es in seiner Panegyrik ausmalt, hat Mazzolà bewusst verzichtet. Bei ihm ist Tito nicht mehr der gewaltbereite Herrscher und Krieger, der den „tollen Pöbel zäumet“ und jeder Hinterlist zuvorkommt, dieser auf jede Gefahr vorbereitete Beschützer Roms und Schrecken feindlicher Heere.663 Das Ergebnis dieser Streichungen und Kürzungen ist eine Art „Monstrum an Milde“:664 ein Tito, dessen Verzeihen einer „Zwangshandlung“ (W. Proß) ähnelt. Diese reflexartige, zur allgemeinen Regel erhobene Anwendung der Clemenza wird zum Synonym von Schwäche, ein Vorwurf, der in der Tradition der ‚clementia Austriaca‘ immer wieder, insbesondere von den Machiavellisten und sogar von Kaiserin Maria Theresia, erhoben worden ist. Wenn die Clemenza nicht nur als Ausnahme eingesetzt wird, um wie bei Metastasio den geliebten Freund von der Schuld des Verrats zu befreien und der als Herrschaftsprinzip etablierten Milde und humanen Güte das dramaturgische Gegengewicht genommen wird, dann erhält die nicht mehr allein auf den inneren Konflikt der Freundesliebe bezogene Tito-Arie Nr. 20 „Se all’Impero, amici Dei“ die Bedeutung einer Verallgemeinerung: „Wenn für die Herrschaft, freundliche Götter, ein strenges Herz vonnöten ist,/Nehmt mir entweder die Herrschaft ab,/ oder gebt mir ein anderes Herz.“665 Kurz zuvor hatte sich Tito in seinem langen Monolog (2. Akt, 11. Sz. Mazzolà), der mit den Worten endet: „Und wenn mich die Welt/schon anklagen will für irgend einen Fehler,/soll sie mich der Milde anklagen/ und nicht der Strenge“, derart eindeutig und bindend gegen die „rigore“ ausgesprochen, dass das Zerrbild eines schwachen Tito Gestalt annehmen konnte. Der so vermittelte Eindruck von einem nur noch milden und deshalb schwachen Tito widersprach sicherlich dem Image, das der Kaiser im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten von sich zu verbreiten wünschte, verstand Leopold II. sich doch in der Reihe seiner Vorgänger ebenfalls als Habsburger Titus, aber in einem metastasianischen Sinne. Doch es war bestimmt nicht die dramaturgische Absicht von Mazzolà und Mozart, den Negativ-Aspekt der Clemenza in einem machiavellistisch-absolutistischem Verständnis herauszuarbeiten und Leopold II. Dramatisierung und Musikalisierung des Ursprungslibrettos  243

anlässlich seiner Krönung zum König und zum Titus von Böhmen als „Schwächling“ zu denunzieren. Denn hinter dem Anschein von Schwäche verbarg sich ein neues Herrscherideal der Spätaufklärung, wirkten die weltanschaulich-politischen Intentionen von Mazzolà und Mozart im Geiste einer umfassenden Humanität. So war dieses vermeintliche „Monstrum an Milde“ tatsächlich das theatralisierte Vorzeichen einer neuen Ordnung, in der sich ihr spätaufklärerisches Humanitäts- und Staatsideal realisieren ließ. Insofern ist es notwendig, den eigentlichen Adressaten der von den böhmischen Ständen in Auftrag gegebenen Krönungsoper, Leopold II. selbst, als politische Gestalt und neuen Titus der Habsburger etwas näher zu betrachten, um so die von Mazzolà und Mozart vorgenommenen Änderungen und Neuerungen in ihrem historisch-politischen Kontext als direkte oder indirekte Anspielung auf die aktuellen Ereignisse und das die Oper bedingende Zeitgeschehen besser zuordnen und verstehen zu können.

244  Die Neufassung

Abb. 1 Grotte im Garten des Grafen Cobenzl auf dem Reisenberg bei Wien (Stich um 1810)

„[…] die Gegend, der Wald, worin er (Graf Cobenzl) eine Grotte gebauet, als wenn sie von Natur wäre, das ist prächtig und sehr angenehm.“ (Brief Mozarts an den Vater vom 13.7.1781)

Abb. 2 Titelblatt des Librettos KV 621, Prag 1791

Abb. 3 Personenverzeichnis des Librettos KV 621, Prag 1791

Abb. 4 Eine Sitzung der Loge „Zur neu­ gekrönten Hoffnung“ um 1786. Mozart sitzt vorne rechts (Gemälde vermutlich von Ignaz Unterberger Anfang 1790)

Abb. 5 National­ theater, Ständetheater in Prag (Kolorierter Stich nach Leopold Peucker nach 1783)

Abb. 6 Domenico Guardasoni, der Impresario (Stich von Medardus Thoenett)

Abb. 7 Pietro Metastasio (Stich von Lorenzo Zucchi nach Martin de Meytens)

Abb. 8 Maria Marchetti-Fantozzi, die erste Vitella (Stich von Friedrich Wilhelm Bollinger)

Abb. 9 Domenico Bedini, der erste Sextus (Stich)

Abb. 10 Leopold II. als Titus in Pisa (Denkmal von L. Pampaloni 1832)

Abb. 11 Sextus vor dem römischen Senat (Titelkupfer des Klavierauszuges „La Clemenza die Tito“ vor 1795)

Abb. 12 Der Brand des Kapitols. Finale 1. Akt. (Radierung von Johan August Rosmäßler 1795)

Abb. 13 Das Kaiserpaar 1790 (Maria Ludovica und Leopold II.)

Abb. 14 Freiball anlässlich der Krönung Kaiser Leopold II. zum König von Böhmen in Prag (Kolorierter Stich von Caspar Pluth nach einer Zeichnung von Philipp und Franz Heger 1791)

Abb. 15 Die letzten gesungenen Takte der Oper enden mit den gleichzeitig erklingenden Worten „mia cura“ (Titus) und „felicità“ (Chor) (Autograph Mozarts)

Abb. 16 Eintrag Mozarts: „ridotta á vera opera dal Sigre : Mazzolá“ (Mozarts eigenhändiges Werkverzeichnis)

OPER ALS POLITISCHER APPELL Der Adressat Leopold II. schien geradezu prädestiniert dafür zu sein, sich als neuer Titus feiern zu lassen, entsprach er doch in vielem dem idealisierten Herrscherbild aus der Antike. Auch für ihn wurde die Clemenza zum Leitprinzip seines Regierungshandelns als Großherzog der Toskana. In vielen Gesten seiner Bescheidenheit und zurückhaltenden Repräsentation erinnerte er an die römische ‚moderatio’ und die ‚clementia‘ des geläuterten Titus Vespasian. Noch 1790 hat Leopold nach seiner Rückkehr von der Kaiserkrönung in Frankfurt sämtliche Empfangs- und Huldigungsfeste mit den Worten verboten, dass es ihm „mehr Freude machen würde, wenn er die Viktualienpreise herabsetzen könnte“.666 Als man ihn für seine umfassende Reformpolitik in Florenz mit einem Denkmal ehren wollte, begnügte er sich mit einer einfachen Gedenktafel und kündigte an, den für die Statue eingesammelten Betrag von 8000 Scudi der Allgemeinheit zukommen zu lassen, indem er für den Bau einer neuen Wasserleitung nach Florenz verwendet werden sollte, 667 wobei er die noch fehlende Summe von seinem eigenen Vermögen hinzufügen wollte. Leopold zeigte sich also ähnlich ‚mildtätig‘ und am Wohle der Bevölkerung interessiert wie Titus, der nach dem Visuv-Ausbruch ebenfalls Teile seines Vermögens an die Opfer verteilen ließ. Metastasio hat diese für die Legendenbildung desTitus so wichtige Episode in seinem Libretto ausführlich dargestellt und auch Mazzolà hat sie übernommen.668 Schon zu Beginn seiner Regierungszeit in der Toskana hat Leopold  II. durch seine wohltätigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Nachwirkungen der schweren Hungersnot von 1764, die Fleckfieber und Epidemien über das Land gebracht hatte, den Vergleich mit dem römischen Titus geradezu heraufbeschworen: Als die von ihm eingesetzte Untersuchungskommission vor allem in den Vorratsspeichern der Reichen und Adligen riesige Mengen von gehortetem Getreide entdeckte, ließ er es an die Bevölkerung verteilen.669 Die Aufhebung aller Monopole sowie der Ein- und Ausfuhrzölle, schließlich die Freigabe des Getreidehandels, gehörten zu den ersten einDer Adressat  253

schneidenden Maßnahmen Leopolds zur Linderung der wirtschaftlichen Not in der Toskana. Das Gesetz vom 18. September 1767 gilt als das wichtigste toskanische Gesetz des 18. Jahrhunderts. Seine positiven Auswirkungen auf die Ernährungssituation der breiten Bevölkerung schufen die Grundlage für den Ruhm und die Verehrung Leopolds als Großherzog der Toskana. Hier huldigte man ihm darüber hinaus respektvoll als ‚Salomon unseres Jahrhunderts‘, als ‚Philosoph auf dem Herrscherthron‘ und als ‚Leopold dem Weisen.‘670 Angesichts seiner humanen Grundeinstellung und seiner ständigen Sorge um das Wohl des Volkes, verlieh man ihm in Anspielung auf die von Gluck und dann von Mozart vertonte Metastasio-Oper Il re pastore den Ehrentitel ‚Hirtenkönig‘.671 Doch eine Statue, die Leopold II. als römischen Kaiser in der Toga zeigt, wurde erst 1832 in Pisa zu Ehren des toskanischen Titus aufgestellt. Zu seinen Reformen gehörte die Aufhebung der Zünfte, eine umfassende Neuordnung der Boden- und Eigentumsrechte, des Steuer- und Finanzwesens sowie die Durchsetzung seiner Friedens- und Neutralitätspolitik, indem er das kleine stehende Heer und die Kriegsmarine abschaffte. Aber am einschneidensten war die bahnbrechende große Justiz- und Strafrechtsreform, die entscheidend zu seinem Ruf eines milden und humanen Fürsten beitrug. Das kurz vor seinem Regierungsantritt als Großherzog der Toskana erschienene Buch des Mailänder Aufklärers Cesare Beccaria Dei delitti e delle pene bildete die theoretische Grundlage für seine tiefgreifende Humanisierung des Strafrechts. So verwirklichte Leopold II. den erst später in der Französischen Revolution geforderten Grundsatz, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich seien, schon viele Jahre zuvor, indem er alle Justizprivilegien, Standes- und Rangbegünstigungen durch ein Edikt aufheben ließ.672 Das bedeutete eine weitgehende Entprivilegierung und Entmachtung des Adels und des Klerus sowie der reichen Grundbesitzer. In dem 1786 veröffentlichten neuen Strafgesetzbuch untersagte Leopold die Konfiszierung von Grundbesitz und er entzog den Strafrichtern jegliche willkürliche Gewalt. Den Gefangenen sicherte er Hafterleichterungen und menschenwürdige Behandlung zu, Folter und Todesstrafe wurden gänzlich abgeschafft. Daraufhin wurden Galgen und Folterinstrumente in Florenz 1786 öffentlich unter dem Beifall der Bevölkerung verbrannt. Auch sogenannte Majestätsverbrechen, die bei Joseph II. in Wien noch große 254  Oper als politischer Appell

Bedeutung hatten, hob Leopold auf und verhielt sich damit ähnlich wie Titus im Metastasio-Libretto, als Publio ihm die Liste mit den Namen derjenigen vorlegte, die der Majestätsbeleidigung angeklagt waren. Vor allem durch diese tiefgreifende Reform und Humanisierung der Strafgesetzgebung hat er sich europaweit den Ruf eines aufgeklärten und von dem Ideal der Milde geleiteten Fürsten erworben. Doch Leopold ging es um mehr. Er wollte eine grundsätzlich neue Staatsordnung schaffen, mit der er einerseits den Fortbestand der Monarchie sicherte und andererseits die Bevölkerung an der Macht beteiligte. Seit 1778 arbeitete er mit dem Aufklärer Francesco Maria Gianni, seinem engsten Berater, an einem Verfassungsentwurf für die Toskana. Sein Ziel war es, eine dauerhafte konstitutionelle monarchische Regierung unter Berücksichtigung des Volkswillens auf der Basis eines vereinbarten Grundgesetzes zu etablieren. Vorbilder für sein auf Ideen der Selbstverwaltung und des Konstitutionalismus beruhendes Verfassungsprojekt waren neben Werken der französischen Staatsdenker insbesondere die Verfassung von Pennsylvania vom 28. September 1776 sowie die anderer amerikanischer Einzelstaaten. Er stand nicht nur in direkter Verbindung mit Benjamin Franklin, sondern durch dessen Vermittlung erhielt er auch den Text der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die ihn stark beeinflusste und zutiefst seiner politischen Überzeugung entsprach. In einem von ihm für seine Kinder selbst verfassten Fürstenspiegel versuchte er, ihnen seine humanen Grundprinzipien des Herrschens zu vermitteln: „Fürsten müssen vor allem anderen von der Gleichheit der Menschen überzeugt sein … man entzünde in ihnen als einzig erlaubte Leidenschaft Menschenliebe, Mitgefühl und das Verlangen, ihre Völker glücklich zu machen. Man entwickle in ihnen das Gefühl für die Armen und lasse sie nie die Reichen den Armen vorziehen.“673

Der Monarch sollte ganz im Dienste seines Volkes stehen, ihm bliebe nur die Exekutivgewalt, den Bürgern werde hingegen das Recht zur gesetzgebenden Gewalt überlassen, heißt es in seinem Verfassungsentwurf in bewusster Anlehnung an die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. In einem Schreiben an seine Schwester vom 25. Januar 1790, das er selbst als sein politisches Glaubensbekenntnis bezeichnet hat, fasste Leopold sein Selbstverständnis als aufgeklärter Herrscher zusammen: Der Adressat  255

„Der Herrscher, selbst der erbliche, ist nur ein Beamter des Volkes, dessen Wohlfahrt zu fordern seine ganze Sorge sein muss, in jedem Lande muß ein Grundgesetz zwischen Volk und Souverän vereinbart werden, das des letzteren Macht und Befugnisse begrenzt; durch einen Bruch dieses Vertrages verzichtet der Fürst thatsächlich auf seine Stellung, und niemand mehr ist verpflichtet, ihm Gehorsam zu leisten … Jedes neue Gesetz, jeder Systemwechsel bedarf der Zustimmung der Volksvertretung, erst die Einwilligung der Stände verleiht den Befehlen des Herrschers Gesetzeskraft.“674

Unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes wollte Leopold die Einteilung der Stände in Landesfürsten, Adel und Klerus aufheben und „nur jene der „possessori“ (Land- und Hausbesitzer), und „artisti stabiliti“ (Handwerker und Angehörige freier Berufe) als Stände und Klassen gelten“ lassen.675 Mit dieser Aufhebung der alten Ständeverfassung deutete sein Staatsentwurf zukunftsweisend in die Verfassungswirklichkeit der späteren konstitutionellen Monarchien des 19. und 20. Jahrhunderts.676 Und obwohl Leopolds Verfassungspläne niemals verwirklicht werden konnten, so hatte er doch mit seinem toskanischen Reformwerk viele seiner Ideen umsetzen können und so „einen modernen Musterstaat der europäischen Aufklärung geschaffen.“677 In der Toskana, nicht in Wien, erreichte die ‚clementia Austriaca‘ ihre höchste Ausformung. Kein anderer Habsburger ist dem tradierten Titus-Ideal so nah gekommen, wie Leopold aufgrund seines klugen politischen Handelns und seines milden und fürsorglichen Regierungsstils als Großherzog der Toskana. Immer häufiger wurde Leopold von seinen Untertanen und in zeitgenössischen Publikationen mit der Idealgestalt des römischen Titus verglichen. Ohne ihn beim Namen zu nennen wurde in einem Führer für die Sammlung der Uffizien 1783 das glückliche Herzogtum Toskana gepriesen, da es keinen Grund gegeben habe, Rom um seinen Titus zu beneiden.678 In der Gazzetta Toscana, dem offiziellen Nachrichtenblatt des Hofes, erschienen immer wieder Gedichte, in denen Leopold mit Titus Vespasian verglichen wurde: „Nur Du kannst die denkwürdigen Taten eines Antonius und eines Titus übertreffen.“679 Und als Leopold nach dem Tode seines Bruders Joseph II. Italien verlassen musste, wurde der große Verlust für die Toskana ebenfalls mit Titus-Vergleichen beklagt: „Und wenn Du, moderner Tage Titus, nicht nah bist, wer wird uns Anweisungen und Ratschlag geben.“680 Nicht durch theoretische 256  Oper als politischer Appell

Schriften, sondern durch konkretes politisches Handeln zeigte er sich als Friedensfürst, der die Ehrentitel ‚Hirtenkönig‘ und ‚Teutscher Titus‘ wie kein anderer Habsburger verdient hatte. Die direkten Parallelen zwischen Leben und Charakter des römischen Titus und Leopold II. benannte Joseph von Sartori 1793 ausführlich in seinen Leopoldinischen Annalen unter ausdrücklicher Verwendung des Namens „Teutscher Titus“: „Nicht bald war eine Parallele so treffend, als jene zwischen dem Bild Leopolds und dem römischen Titus. Beide starben im 45. Jahre ihres Lebens. Beide regierten wenig über zwei Jahre. Beide wurden von 50 Millionen Menschen, die ihre Ruhe und Glück durch sie vermehrt sahen, bedauert. Beide waren die Liebe und Lust des tugendhaften Menschengeschlechts. Beider Tage waren jeder mit Wohlthaten bezeichnet. Ihre kurzen Regierungen sind die längsten in dem Angedenken der Zeitfolge. Alle die Tugenden, mit welchen die Geschichte das Bild des römischen Titus gemalt hat, zeichnen uns das von dem deutschen Titus aus. Billigkeit, Menschenliebe, Gerechtigkeit, Wohltätigkeit waren die Grundzüge des Charakters von Beiden …“.681

Aufgrund seiner als Großherzog der Toskana durchgeführten Reformpolitik und seines aufgeklärt-humanen Regierungsstils umgab Leopold bei seiner Rückkehr nach Wien der Nimbus des politischen Hoffnungsträgers, weckte sein Ruf als konstitutionell gesinnter Herrscher große Erwartungen hinsichtlich seiner neuen Rolle als Kaiser des Habsburger Reichs.682 Doch die breiteren Bevölkerungsschichten, die unterprivilegierten Bauern und Bürger, hegten grundsätzlich andere Erwartungen an den neuen Kaiser als die privilegierten Stände des Adels, des Klerus und der reichen Großgrundbesitzer, die sich eine Rücknahme der josephinischen Reformen, insbesondere der Steuer- und Urbarialregulierung, nicht nur erhofften, sondern auf ihre unverzügliche Beseitigung und die vollständige Rückgabe der ihnen entzogenen Privilegien bestanden. Angesichts dieser restaurativen Forderungen des Adels und vor dem Hintergrund der Französischen Revolution mit dem Beispiel der dort stattfindenden Bauernaufstände, entzündete sich noch im letzten Regierungsjahr von Joseph II. in allen Ländern des Habsburger Reichs eine revolutionäre Stimmung des Widerstands unter der Landbevölkerung, die nunmehr die Abschaffung sämtlicher Urbarialschuldigkeiten verlangten. „Es waren in der Tat die ersten Sturmzeichen der österreichischen Revolution.“683 Der Adressat  257

Die Stände verstärkten ebenfalls den Druck auf Leopold II. und verlangten die sofortige Einberufung des Reichstages, um ihre Forderungen durchzusetzen und festzuschreiben. In mehreren Ländern des Kaiserreichs loderte das Feuer separatistischer Bestrebungen der Stände. In den belgischen Provinzen kam es zu Unruhen und Aufständen, die österreichischen Niederlande hatten sich schon abgespalten und auch die ungarischen Stände drohten mit Aufruhr. Ungarn, diese widerspenstige Adelsnation, bot als Ganzes „den Anblick eines Landes am Vorabend der Revolution.“684 Besonders gefährlich war die Lage in Böhmen, wo die Nachrichten über die französischen Ereignisse sich bis in die entferntesten Winkel des Landes flutartig unter der Bevölkerung verbreiteten, bei den Menschen auf viel Zustimmung stießen und den Wunsch zur Nachahmung entfachten. Und nicht nur in Böhmen nutzte die ständische Opposition die existenzielle Krise des aufgeklärten Absolutismus zur Rückgewinnung ihrer Machtpositionen und Privilegien. Aus der Übersichtlichkeit des toskanischen Fürstentums kommend, sah Leopold II. sich nun schlagartig mit der bedrohlichen Unübersichtlichkeit eines hochkomplexen, instabilen und höchst gefährdeten Staatengebildes konfrontiert, dessen Überleben er nun sichern musste. An eine unmittelbare Kontinuität seiner toskanischen Reformpolitik und seiner konstitutionellen Verfassungspläne war nicht zu denken. Obwohl Leopold II. anfangs der Französischen Revolution und ihren Ideen noch mit einer gewissen Sympathie begegnet war, so hatte doch der Fortbestand der Monarchie für ihn vor allen humanitären Reformgedanken nun höchste Priorität. Zwar hat er schon bald nach seinem Regierungsantritt einige Reformen nach dem toskanischen Vorbild in die Wege geleitet, wie z. B. die Reorganisation des Polizeiwesens, die er gegen den Widerstand des Polizeiministers von Pergen von dem Aufklärer und Illuminaten Sonnenfels ausarbeiten ließ,685 doch Leopolds humanitäre und aufgeklärte Grundeinstellung war auch nach seinem Eintreffen in Wien durchaus virulent. Hingegen stand für ihn über allem der Erhalt der Monarchie, auch wenn sie nur in Form einer konstitutionellen Verfassung zu retten wäre, wie er in einem Schreiben an seine Schwester Erzherzogin Maria Christina, recht pragmatisch, fast schon machiavellistisch, bekannte:

258  Oper als politischer Appell

„Ich glaube, daß man nur zu glücklich ist, wenn ein Land eine Verfassung hat. Die Nation hängt an ihr, und, da sie sich selbst zu regieren glaubt, so ist sie viel leichter zu lenken, zu regieren und zu ihrem Wohlstand und Glück zu führen, dem einzigen Zwecke, für welchen jede Regierung eingesetzt ist.“686

Dieser kühle Pragmatismus, der ihm bisweilen den Vorwurf der Doppelzüngigkeit und Unaufrichtigkeit, sogar des Machiavellismus, eingebracht hatte, bestimmte nun auch sein Regierungshandeln in Wien,687 sodass der Machtanspruch der aufbegehrenden Stände vor allem in den belgisch-niederländischen Provinzen Leopold II. an der strikten Einhaltung des Clemenza-Prinzips hinderte, die die kleinstaatlichen Verhältnisse seiner toskanischen Herrschaft noch zugelassen hatten. Aber schon dort wurde ihm die Auflösung des Militärs und der Miliz und damit der Verzicht auf den Schutz gegen Unruhen als Schwäche ausgelegt.688 Da die Stände in den Niederlanden auf ihre Unabhängigkeit bestanden, musste Leopold sich an Stelle von Milde für „rigore“ entscheiden: „Ich sehe klar, was sich dort abspielt, ich denke nun, daß man jetzt mit Sanftmut nichts erreichen kann, daß nun Truppen nötig sind.“689 Am 12. Januar 1791 wurde Lüttich besetzt und ohne größeres Blutvergießen in kurzer Zeit die Wiedereingliederung der Niederlande vollzogen. Die Befriedung sowohl der ungarischen als auch böhmischen Stände gelang ihm durch eine kluge Versöhnungs- und Konzessionspolitik. Die Einigung mit Preußen durch die Reichenbacher Konvention beraubte nicht nur die ungarische, sondern auch die belgische Opposition der preußischen Unterstützung und ermöglichte es so erst, ihren Widerstand zu brechen.690 Durch die Wiederherstellung der alten Stände- und Adelsprivilegien, wie sie zur Zeit Maria Theresias vor den josephinischen Reformen bestanden haben, gelang Leopold II. zwar die Aussöhnung mit den Ständen, aber das neu ausbalancierte Machtgleichgewicht befand sich nach wie vor in einem äußerst labilen Zustand. Um den Adel gewissermaßen in Schach halten zu können, benutzte Leopold auch in einer Art Doppelstrategie die gegen die reaktionären Forderungen der höheren Stände gerichtete revolutionäre Stimmung der unterprivilegierten Bevölkerungsschichten, indem er z. B. die Bauern durch gezielte publizistische Maßnahmen in ihrem Widerstand gegen Der Adressat  259

den Adel ermutigte691 und durch von ihm lancierte Flugschriften sogar offen zur Revolte gegen die Grundbesitzer antrieb. Mithilfe dieser gut organisierten Propaganda gelang ihm durch das strategische Aufwiegeln der oppositionellen Bauern- und Bürgerschaft die Einschüchterung des aufbegehrenden Adels, der sich nun mit den vereinbarten Zugeständnissen Leopolds zufrieden gab. Indem Leopold II. die unterschiedlichen Machtgruppen gegeneinander ausspielte, behielt er die Fäden in der Hand. Aber es war ein gefährliches Spiel mit dem Feuer: So sehr er die Opposition der Nicht-Privilegierten für seinen Machtkampf mit dem Adel nutzte, so sehr verlangte er doch von ihnen auch unbedingte Gesetzestreue und die Anerkennung der Monarchie. Um gegenüber den unteren Schichten den Eindruck zu entkräften, er handle nur noch im einseitigen Interesse des Adels, versuchte er, sie durch eine gezielte publizistische Kampagne zur Mythisierung seines toskanischen Reformwerks und zur Selbststilisierung als politischer Hoffnungsträger zu besänftigen, der sie in eine humanere und gerechte, auf Gleichheit beruhende Zukunft führen werde. Tatsächlich ließ Leopold II. den obersten Kanzler Sonnenfels, auf dessen Vorschlag hin, am 12. Februar 1791 eine Kommission zur Kodifizierung der Gesetze als Grundlage eines Verfassungsentwurfs einsetzen. Seine aufklärerischkonstitutionelle Gesinnung schien wieder an Bedeutung zu gewinnen. Aber die nur zwei Jahre dauernde Regierungszeit Leopold II. ist bis zum Schluss durch eine Politik irritierender Widersprüche und Antagonismen gekennzeichnet. Da die Auswirkungen der Französischen Revolution auf die öffentliche Meinung für die Habsburger Monarchie immer bedrohlicher und der Druck auf Leopold II., gegen Frankreich militärisch vorzugehen, immer stärker wurden, geriet er zunehmend in die Abhängigkeit des Adels, ohne dessen aktive Unterstützung er die militärischen und außenpolitischen Herausforderungen nicht hätte bewältigen können. So kam es zu erheblichen Machtverschiebungen innerhalb der Regierung zugunsten hochadliger, konservativer Minister und zu dem Austausch von Aufklärern und Illuminaten mit Angehörigen der reaktionären, antiaufklärerischen Aristokratie in den Ämtern der Hofkanzlei und der Ministerien. Zur Abwehr der gefährlichen Nachrichtenflut aus Frankreich kam zudem die Einschränkung der Pressefreiheit wie auch der Ausbau eines 260  Oper als politischer Appell

weitgespannten Überwachungssystems sowie eine rigide Kontrolle der öffentlichen Meinung durch restriktive Zensurmaßnahmen. Schon Anfang September 1790 forderte der Kaiser in einem Hofdekret, dass „künftig alle Schriften, welche öffentliche landesfürstliche Gesetze und Anordnungen kritisieren und tadeln, ganz dem Verbote zu unterziehen“ seien.692 Damit war die von Joseph II. eingeführte Lesefreiheit endgültig beendet. Um die Einhaltung der Zensurmaßnahmen überwachen und jeglichen antimonarchischen Impuls schon im Keime ersticken zu können, schuf Leopold II. sich ein seiner persönlichen Aufsicht und Weisung unterstelltes Agenten- und Spitzelnetz. Mit der Wiener Zeitschrift gründete er Ende 1791 ein publizistisches Organ zur Bekämpfung der antimonarchischen Aufklärungsbewegungen, das gleichzeitig als wichtiges Propagandainstrument für die kurz zuvor vom Kaiser selbst initiierte ‚Partei der Monarchenfreunde‘ der Gegenaufklärung dienen sollte.693 Der Aufbau dieser Partei der „Assoziierten“, wie sie sich nannten, geschah Anfang September, also genau während der Zeit der Krönungsfeierlichkeiten in Prag und der Uraufführung von Mozarts Clemenza di Tito. Am 7. September wurde die Zensurbehörde von Leopold personell umbesetzt, um ihre Wirksamkeit zu steigern. Doch van Swieten, der Leiter der Behörde, schwächte die vom Kaiser geforderte Verschärfung der Zensurmaßnahmen eigenmächtig ab, so dass es unmittelbar vor der Uraufführung der Zauberflöte Ende September zu erheblichen Konflikten innerhalb der Zensurbehörde kam. Perl geht sogar so weit, in diesen hektischen Vorgängen eine Reaktion auf das äußerst kritische und aufklärerische Libretto der Freimaurer-Oper zu vermuten, das den Zensoren sicherlich bekannt war.694 Im Dezember 1791 wurde die Zensurkommission aufgehoben und die Durchführung der Zensurmaßnahmen nun von konservativen und monarchietreuen Mitgliedern der Hofkanzlei übernommen und zu „einer polizeilichen Einrichtung“.695 Am 13.8.1791, noch vor der ersten Aufführung der Zauberflöte, erhielt Leopold II. von Professor Mayer eine „raisonirte Liste“ der besonders gefährlichen und „bösartigen Freidenker und Illuminaten“, die als Träger der Aufklärungsbewegung Revolution, Anarchie und Bürgerkrieg über das Land brächten.696 Schon im Juni hatte der für diese Angelegenheiten zuständige Leopold Alois Hoffmann den Kaiser schriftlich aufgefordert, „den Illuminatismus mit Der Adressat  261

gemeinschaftlichen Waffen zu bekämpfen“ und eine Namensliste der „merkwürdigen Illuminaten und Illuminatengenossen“697 an alle deutschen Fürsten zu schicken. Gleichzeitig startete Leopold II. im Juni eine außenpolitische Offensive gegen den ansteckenden ‚Bazillus‘ der Französischen Revolution. Von Padua aus forderte er in einem Privatschreiben die Könige von England, Preußen, Spanien, Sizilien, Sardinien und Katharina von Russland auf, sich mit ihm zu einem Bündnis gegen den herannahenden Republikanismus und die „französische Demokratenmanie“, wie Hoffmann sie nannte, zusammen zu schließen. Ende August 1791 kam es zum Treffen von Friedrich Wilhelm II. von Preußen und Leopold II. in Pillnitz, wo in der ‚Deklaration von Pillnitz‘ ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen Frankreich für den Fall vereinbart wurde, dass sich die Lage weiter zuspitzen sollte. Die Tatsache, dass an dem Treffen auch der Sprecher der französischen Emigrantenpartei und Bruder von Ludwig XVI., Graf von Artois, teilnahm, der hartes militärisches Vorgehen gegen Frankreich forderte, löste in der Bevölkerung ein hohes Maß an Antipathie gegen Leopold II. aus, da mit den Beschlüssen von Pillnitz nun endgültig die Gegenaufklärung eingeleitet und die in Frankreich gerade so mutig vom Volk erkämpfte Befreiung von der aristokratischen Unterdrückung wieder rückgängig gemacht würde. Nach der Veröffentlichung der ‚Deklaration von Pillnitz‘ „schien die Kritik an der Regierung ein noch nie dagewesenes Ausmaß anzunehmen.“698 Nur wenige Tage vor der Aufführung der Krönungsoper in Prag hatte der toskanische Hoffnungsträger durch die restaurative innenpolitische Wende und das Staatenbündnis gegen die antiaristokratische französische Aufklärungsbewegung die Erwartungen des Volks weitgehend enttäuscht. Nur der Frieden von Sistowa mit der Türkei entsprach noch seinem Ruf als Friedensfürst. Eine Ähnlichkeit mit dem Titus-Ideal war für das Volk und wohl auch für Mozart kaum noch zu erkennen, „rigore“, nicht „clemenza“, schien Leopold II. zu leiten. Doch, obwohl der Kaiser mit der Verschärfung der Zensurmaßnahmen und seinem geheimdienstlichen Überwachungssystem die Weichen in Richtung einer Entwicklung zum Polizeistaat gestellt hatte, arbeitete Leopold II. erstaunlicherweise parallel zu seiner restaurativen Regierungspraxis an Plänen zur Umwandlung der absoluten Monarchie in einen modernen konstitutionellen Verfassungsstaat. So hatte Andreas 262  Oper als politischer Appell

Riedel dem Kaiser schon am 31. Juli 1791 seinen, mit ihm persönlich abgestimmten Verfassungsentwurf vorgelegt. Und auch Sonnenfels bereitete im Auftrag des Kaisers vor allem in Bezug auf die Verhandlungen mit den böhmischen Ständen konstitutionell ausgerichtete Verfassungsreformen vor,699 die auch den Bauern ihren berechtigten Platz in der Ständeversammlung sichern sollten. Leopold II. hatte erkannt, dass die Monarchie nur durch Zugeständnisse an die unterprivilegierten Schichten in Form einer konstitutionellen Staatsverfassung vor der Flutwelle der Revolution zu retten war. Er verstand aber „unter Verfassung keineswegs wirkliche Selbstbestimmung, sondern nur eine spezielle, wie er glaubte, vorteilhaftere Form der absoluten Monarchie.“700 Indem Sonnenfels am 12. Februar 1792 dem Kaiser das Konzept eines Hofdekrets vorlegte, das in Böhmen den Vertretern aller Klassen die Zulassung zum Landtag ankündigte,701 so zeigt sich darin, wie wichtig Leopold die Beteiligung aller Bevölkerungsschichten an den politischen Entscheidungen war. Ob aus strategischen Gründen zur Sicherung der Monarchie oder anderen Gründen, die Fortsetzung seiner Reformpolitik hätte ohne Zweifel zu humaneren und gerechteren Lebensbedingungen geführt. Die Krönungsfeierlichkeiten am 6. September 1791 in Prag bildeten den symbolisch-repräsentativen Abschluss eines für Leopold II. nicht ungefährlichen Machtkampfs mit den böhmischen Ständen. Die im Rahmen der Feierlichkeiten öffentlich inszenierte Demonstration ihrer Loyalität gegenüber dem Kaiser besiegelte ein neues Bündnis mit Leopold, indem er sich seinerseits gegenüber den Ständen verpflichtete, ihre Privilegien und Herrschaftsrechte zu wahren und zu sichern. Erst durch diese Verpflichtung und die auch in Böhmen praktizierte „leopoldinische Konzessionspolitik“, wie sie vor allem durch die Rücknahme des ‚Robotpatents‘ wirkungsvoll umgesetzt worden ist, wurde nicht nur Leopolds Krönung zum König von Böhmen, sondern auch seine symbolhafte Anerkennung als „Teutscher Titus“ in der Tradition der ‚clementia Austriaca‘ möglich. Immer wieder wurde der Name des römischen Titus als Synonym Leopold  II. propagiert. So brachten die Böhmen schon anlässlich der Kaiserkrönung am 9. Oktober 1790 in Frankfurt ein Transparent an seinem Stadtpalast an, auf dem seine „Fürtrefflichkeit“ mit Bezugnahme auf rühmenswerte Eigenschaften römischer Imperatoren gelobt wurde: Der Adressat  263

„Juble glückliches Deutschland, einen Kaiser hast du, an Güte ein Trajan, an Milde ein Titus, an Weisheit ein Marc Aurel! Schon kehren die Reiche Saturns zurück.“702

Bei den zum Huldigungsprogramm gehörenden Illuminationen der Stadt Prag hatte Hofsekretär von Meyer „ein vortreffliches Chronostikon“ setzen lassen, das lautete: „Leopold! Unser Titus. Unser Marc Aurel. Unser Fürst. Unser Vater!.“703 Für die privilegierten Stände war Leopold II. als „Teutscher Titus“ nicht nur der Milde, der ihnen gegenüber große Zugeständnisse gemacht hat, sondern ebenso der Friedensstifter, der die Gefahr der Französischen Revolution abgewehrt, das aufbegehrende Volk zur Ruhe gebracht und damit die alte Macht des Adels wiederhergestellt und gesichert hat: „Lasset uns zu unserem gekrönten Erbkönig und Herrn uns bekennen!“, heißt es in der Huldigung der Stände, die am 6. September der Krönungszeremonie im Prager Dom folgte.704 Auch in dem Text der Kantate, die bei dem „Fest in der Herren Stände“ aufgeführt wurde, erscheint Leopold II. mit direktem Bezug auf die aktuellen historischen Ereignisse als ordnungsstiftender Retter vor der heranstürmenden Anarchie und Revolution: „Und von fernem Westen schreckte, der Empörung rasche Flamme: ihre rothen Funken flogen weit, ach nur zu weit umher… Da erschien er, unser Retter! Schnell zertheilten sich die Wetter.“705

Und an anderer Stelle der Huldigungs-Kantate vermitteln die Lobpreisungen den Eindruck, als seien sie direkt dem Metastasio-Libretto entnommen: „Sieh, an Deiner Vatermilde Weidet sich der Unterthan… Es umschwebt der Edlen Schlösser Und des Bürgers frohe Werkstatt, Selige Zufriedenheit.“706

264  Oper als politischer Appell

Und auch in den schon zitierten Leopoldinischen Annalen von Joseph von Sartori wird neben Leopolds titusgleicher Milde seine friedensstiftende Stärke mit unmittelbarem Verweis auf seine historischen Taten als Kaiser hervorgehoben: „Empörungen der Menschen störten Leopolds gleich warmen Wünsche. Er mußte die aufrührerischen Niederländer mit der Macht der Waffen zurückführen. Gleich nach der Herstellung der Ruhe machte Leopolds erhabener Großmuth eine allgemeine Verzeihung der Verführten und Verblendeten bekannt; so schenkte Titus den verschworenen Patriziern Leben und Gnade“.707

In der Dankrede bey der Erbhuldigung der Stände wird Leopold ganz im Sinne des Clemenza-Ideals als „der sanfte, der gütige Fürst“ gepriesen, „Alle Herzen segnen, alle Zungen preisen Leopold, das Muster guter Fürsten“, „weil er den durch fremden Einfluß irre geführten Untertanen väterliche Milde entgegengesetzt“ und beschlossen habe, mit den „getreuen Landesständen der Provinzen … eine Verfassung zu gründen, welche die Nationalglückseligkeit am zuverläßigsten herstellen konnte.“708 P. Janke weist in ihrem überaus wichtigen Beitrag darauf hin, dass die Stände in dieser Huldigungs- und Dankesrede den vorausgegangenen Machtkampf mit dem Kaiser und den großen politischen Druck, den sie auf ihn ausgeübt haben, „geleugnet und Leopolds Verhalten zum mildreichen Handeln im Dienste des gesamten Volkes umstilisiert“709 hätten. Nachdem „Die Fackel des Fanatismus verlöschte, die über die Herzen zu gebieten wußte“ und Leopold als „Friedensbringer“ die „öffentliche Glückseligkeit“ hergestellt hatte, könne, so heißt es in der Rede der Stände, „Euer Majestät … nun ungestört sich dem Drange Ihres Herzens überlassen, wie Titus jede Ihrer Tage mit Wohltaten bezeichnen…“.710 Die Erwartungen der privilegierten Stände erfüllte der Hoffnungsträger aus der Toskana weitgehend. Ihnen fiel es nicht schwer, Leopolds Krönung mit den konventionellen Huldigungsformeln und Loyalitätsbezeugungen zu umgeben, die mit der von ihnen beauftragten Huldigungsoper am Abend der Krönungsfeierlichkeiten ihren Höhepunkt erhalten sollte. Kein anderes Libretto als La clemenza di Tito von Pietro Metastasio wäre für diesen Zweck geeigneter und auch sicherer gewesen, hatte es sich doch mit seiner frühaufklärerischen Panegyrik bei verDer Adressat  265

gleichbaren Anlässen als theatralisiertes Fürstenlob in den unterschiedlichsten Vertonungen vielfach bewährt. So gehörte die auf dem TitusStoff beruhende Krönungsoper als funktionaler Bestandteil zum festlich-politischen Symbolgefüge der ständischen Huldigungsformen und ihrer gezielten Titus-Analogismen. Aber gehuldigt wurde nicht mehr, wie noch zur Zeit Metastasios bei Karl VI., einem von Gott als sein Stellvertreter auf Erden eingesetzten, absoluten Herrscher, besungen wurde nun ein in seiner Macht weitgehend eingeschränkter und gefährdeter Monarch.

Mahnung und Utopie Niemals zuvor in seinem Leben hatte Mozart sich, worauf im Prolog schon hingewiesen wurde, als Komponist mit Fragen der Aufklärung und der aktuellen Politik, insbesondere im Hinblick auf sein Freimaurertum, so intensiv befasst, wie in diesen letzten Monaten vor seinem Tod. Gerade hatte er gemeinsam mit Schikaneder seine große FreimaurerOper Die Zauberflöte bis auf die Ouverture und den Priestermarsch als ergreifendes Bekenntnis zu seinen weltanschaulichen Grundauffassungen und Idealen von Humanität und Selbstbestimmung fertiggestellt. Mit dem Medium der Oper beteiligten sich Mozart und Schikaneder nun direkt an den publizistischen Auseinandersetzungen mit den von Leopold II. persönlich initiierten Kampfschriften seiner zunehmend antiaufklärerischen Propaganda. Welche aufklärerische und revolutionäre Kraft, welche staatsgefährdende Macht der dramaturgischen Einheit von Wort und Musik die Zensur in dem Medium der Oper erkannte, beweist die Tatsache, dass bei den Proben zur Zauberflöte im Prager Ständetheater die gesamte Theatergesellschaft wegen „aufrührerischer Reden“ verhaftet wurde. In Bayern war sie ganz verboten und stand auf dem Index.711 Die immer rigider werdenden Zensurmaßnahmen und das ebenfalls an die Person des Kaisers geknüpfte System der allgegenwärtigen Bespitzelung durch die Agenten seines Geheimdienstes ließen jegliche staatskritische, antimonarchische oder antiklerikale Äußerung zum existenziellen Risiko werden. Freimaurer und Illuminaten, zu deren Mitgliedern viele Prager Freunde und Förderer Mozarts 266  Oper als politischer Appell

gehörten, standen besonders im Fokus der geheimdienstlichen Ausspähung. Anfang 1791 wandte der Oberburggraf von Prag Graf Rottenhan sich in einem Schreiben mit der Bitte an Leopold II., ihm zwei Kavallerieregimenter nach Prag abzustellen, um gegen die von Freimaurern angezettelten Unruhen in der Bevölkerung vorgehen zu können.712 Noch Anfang September, am Tag der Krönung, waren die Spannungen zwischen der freimaurerisch-aufgeklärten Opposition und der Staatsmacht nach wie vor virulent. Zu der propagandistischen Verklärung dieser repressiven politischen Verhältnisse sollte Mozart nun im Rahmen des breitgefächerten Huldigungsprogramms mit seiner Oper La clemenza di Tito einen monarchiekonformen Beitrag leisten:713 Eine Oper für die Restauration. Diese im Auftrag für die Neufassung des Tito implizit enthaltene Forderung an Mazzolà und Mozart konnte nicht in ihrem Sinne sein. Denn unter dem immer stärker werdenden Druck der von Leopold II. eingeleiteten Restauration und der damit verbundenen restriktiven Maßnahmen war Mozart im Sommer 1791, wie bereits im Prolog erörtert, zu einem höchst politisierten Monarchiekritiker geworden, dessen früher so intensive Bindungen an den kaiserlichen Hof und den Adel inzwischen weitgehend gekappt waren. Mit der Zauberflöte hatte er gerade einen künstlerischen Weg gefunden, hinter dem schützenden Schleier der Allegorie und mit den Mitteln der Camouflage seinen freimaurerischen und politischen Überzeugungen unmittelbar im aktuellen Spannungsfeld der tagespolitischen Ereignisse auch gerade gegenüber den niederen Schichten, wozu Schikaneder ihn aufgefordert hatte, in allgemein verständlicher Form musikdramatischen Ausdruck zu verleihen. Dieser schon ganz in das bürgerliche Lager übergewechselte und durch die reaktionäre Politik zutiefst enttäuschte, vielleicht verzweifelte, in jedem Fall aber in hohem Maße alarmierte Mozart, sollte nun ausgerechnet eine monarchiekonforme, konventionelle Huldigungsoper des veralteten Seria-Typs zur Krönung Leopold II. zum König von Böhmen komponieren. Niemals hätte Mozart eine Huldigungsoper für einen Despoten geschrieben, der gerade dabei war, all die Werte und Ideale, die ihm nun wichtiger waren als je zuvor, zu zerstören. Es ist schwer zu glauben, dass Mozart den Auftrag dennoch angenommen hat, nur um eine Chance zu erhalten, vielleicht doch noch die Gunst Leopolds zu gewinnen und eine Anstellung als Hofmusiker bei Mahnung und Utopie  267

ihm zu erwirken. Das wäre einer Selbstverleugnung gleichgekommen, zumal er gerade in den letzten Jahren sowohl in musikalischer als auch in gesellschaftlicher Hinsicht immer weniger bereit war, Konzessionen und Zugeständnisse zu machen, die seiner Überzeugung und seiner freimaurerischen Grundeinstellung widersprachen. Es müssen also tiefer liegende Gründe gewesen sein, deretwegen er trotz aller Bedenken den Auftrag für eine Huldigungsoper annahm. Und das können vor dem Hintergrund der sich täglich zuspitzenden historischen Ereignisse nur darauf bezogene weltanschaulich-politische Beweggründe gewesen sein. Das bedeutet aber, dass Mazzolà und Mozart durchaus eine Möglichkeit sahen, das starre Schema des vorgegebenen Metastasio-Librettos und des Seria-Typus, wenn nicht zu sprengen, so doch mit eigenen, auch politisch intendierten, kritischen Inhalten anzufüllen und im Sinne ihrer humanitären Staatsidee zu verändern. Ihre nun keineswegs mehr als konventionelle Huldigungsoper zu bezeichnende Neufassung endet demnach auch, wie schon näher ausgeführt, mit der Andeutung einer neuen, auf Gegenseitigkeit gegründeten staatlichen Ordnung, hinter der sich nichts anderes verbirgt als die Utopie einer konstitutionellen Monarchie, deren Verwirklichung zeitgleich zu ihrer Arbeit an der Oper nur wenige Tage nach ihrer Uraufführung am 14. September 1791 mit der Vereidigung Ludwig XVI. in Frankreich vollzogen wurde. Und da die Darstellung von Personen der hohen Aristokratie, erst recht die eines Monarchen, nur im Rahmen und im hohen Stil der Opera seria erlaubt war, bot sich für Mazzolà und Mozart mit der Festlegung auf eben diesen höfischen Gattungstypus sogar eine willkommene Gelegenheit, ihr aufklärerisch-humanitäres Staatsverständnis direkt denjenigen zu vermitteln, die es unmittelbar anging. So erhielten sie durch den Auftrag der Krönungsoper die einmalige Chance, innerhalb von nur wenigen Monaten ihr weltanschaulich-politisches Anliegen, ihre Kritik am Klerus und der absolutistischen Monarchie, nicht nur im Vorstadttheater auf der Wieden in Form einer Volksoper vor einem breiteren Publikum vorzutragen, sondern auch die Mitglieder der hohen Hofgesellschaft und Leopold II. selbst in den Grenzen des Erlaubten und des Angemessenen damit zu konfrontieren. Bisher wurde die Umgestaltung und Bearbeitung des MetastasioLibret­tos durch Mazzolà und Mozart überwiegend unter musikdramatischer Perspektive betrachtet, ohne die weltanschaulich-politischen und 268  Oper als politischer Appell

freimaurerischen Intentionen und Zielsetzungen, die sich hinter den Änderungen und Kürzungen des Textes und den daraus resultierenden dramaturgischen Zuspitzungen und musikalischen Akzentuierungen verbergen, hinreichend zu berücksichtigen. Doch die Möglichkeiten, das eigene politisch-gesellschaftliche Anliegen mit monarchiekritischen Einwänden ausgerechnet im Rahmen einer barocken Huldigungsoper am Abend der Krönungsfeierlichkeiten vor einem überwiegend aus dem internationalen Hochadel bestehenden Publikum zu präsentieren, waren sehr begrenzt. Direkte verbale Anspielungen, die eine mehr oder weniger verdeckte Kritik am Kaiser oder der absolutistischen Monarchie enthalten hätten, wären sicherlich schon vor der Uraufführung der Zensur zum Opfer gefallen. Denn davon, dass die Neufassung eines Opernlibrettos für einen machtsymbolisch derart gewichtigen Anlass im Hinblick auf staatsgefährdende Textpassagen überprüft wurde, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit wohl auszugehen. Schon einige Jahre zuvor, als die politische Stimmung bei weitem noch nicht so aufgeheizt war, wie im Sommer 1791, haben Mozart und sein Librettist Da Ponte Kürzungen in dem der Prager Uraufführung ihres Don Giovanni zugrunde liegenden Libretto, das in Wien gedruckt werden sollte, mit Rücksicht auf die Hofzensur vornehmen müssen. „Das Wiener Textbuch ist vermutlich gedruckt worden, um der Hofzensur vorgelegt zu werden, und aus diesem Grund von Da Ponte mit Absicht verstümmelt worden“,714

heißt es in der letzten Version des Köchelverzeichnisses, das T. Volek zu Beginn seiner eingehenden Untersuchung, inwieweit die Hofzensur die Ausgestaltung und Musik am Ende des 1. Aktes von Don Giovanni unmittelbar beeinflusst und eingeschränkt habe, zitiert. So fehlte in dem Wiener Libretto im Gegensatz zu der ältesten in Prag gespielten Partitur gerade die Textstelle am Ende des 1. Aktes, die eine nicht unbeträchtliche politische Brisanz enthielt: „Die auffallendste Textpartie, die dort fehlt, obwohl sie in jener Zeit ohne Zweifel schon komponiert war (auf diese Tatsache wies Einstein hin) und somit dem Wiener Hof bewußt verheimlicht wurde, ist die klassische Parole aller revoltierenden Geister: „Viva la libertà!“, die bei der Ankunft der Masken (Anna, Elvira und Ottavio) im Haus Don Giovannis zu Beginn des Mahnung und Utopie  269

Abendballs erklingt. Weil Mozart an dem von einem Impresario geführten Opernhaus in Prag ein viel größerer inhaltlich kompositorischer Freiheitsund Gestaltungsspielraum zur Verfügung stand als am Wiener Hoftheater, ließ er das „Viva la libertà!“ nicht nur einmal von einem Sänger, sondern gleichzeitig von allen auf der Bühne befindlichen Sängern deklamieren. Und das nicht nur einmal: „Zwölfmal erklingt der Freiheitsruf in den Zuschauerraum!“.715

Dabei ist es wichtig, zwischen den anarchisch-erotischen Phantasien zu unterscheiden, die das „Viva la libertà“ bei Don Giovanni auslöste, und dem, was der Rest der Sänger unter „libertà“ verstand.716 Dieser eindringliche Ruf nach ‚libertà’ wurde dann teilweise auch vom Chor übernommen und in einzelnen Fällen sogar vom Publikum begeistert mitgesungen, das eindeutig politische Inhalte mit diesem Begriff verband: „Es hat sogar Orte gegeben, wo die ganze Zuschauerschaft begeistert mitgebrüllt hat.“717 Volek zufolge hat die Prager italienische Operngesellschaft schon bei der ersten Inszenierung des Don Giovanni den Freiheitsruf vom Chor singen lassen. Auch die vieldeutige, ebenso politisch zu verstehende, standesübergreifende, pseudorepublikanische Einladung Don Giovannis „È aperto a tutti quanti“, musste mit Rücksicht auf die Zensur entfallen, obwohl er damit sicher nur den Kreis seiner Opfer erweitern wollte. Die Streichung dieser politisch konnotierten, höchst brisanten Textstellen im Wiener Druck des Librettos, womit auch ihre musikalische Dramatisierung und besondere Akzentuierung entfiel, beweist, welchen restriktiven Einfluss die Hofzensur auf die musikdramatische Konzeption der in ihrem Macht- und Kontrollbereich entstehenden Opern ausgeübt hat, erst recht im Sommer 1791 auch auf die Entstehung von La clemenza di Tito, die in ihrer Funktion als Krönungsoper von Mazzolà und Mozart besonders sensibel behandelt werden musste. Als Ergebnis seiner Untersuchung der unterschiedlichen Drucke des Don Giovanni kommt Volek zu dem Schluss, dass das Entstehen von Mozarts Tito ebenfalls unter dem Einfluss der Hofzensur betrachtet werden muss und somit „auch der erfolglose Ausklang der Premiere“, die fast ausschließlich vor den Mitgliedern der internationalen Hocharistokratie stattfand, „in ein neues Licht gerückt wird“.718 Denn seit dem unerhörten Erfolg seines Figaros beim Prager Publikum und der dadurch entfachten aufrührerischen Stimmung, waren die politischen Vorbehalte 270  Oper als politischer Appell

am Wiener Hof gegenüber Mozart besonders stark. Erst recht zur Entstehungszeit des Titos war der Zensurbehörde das seinerzeit nach einer Figaro-Premiere in der Wiener Zeitung abgedruckte BeaumarchaisZitat gewärtig: „Was in unseren Zeiten nicht erlaubt ist, gesagt zu werden, wird gesungen“. Und so könnte auch im Tito z. B. die vollständige Streichung der Rezitativstelle in der 11. Szene des 1. Aktes von Metastasio, in der Sesto von Vitellia mit dem römischen Brutus verglichen wird, der, wie bereits erwähnt, im 18. Jahrhundert zur Symbolfigur der Rebellion und des Freiheitskampfes geworden war, die unmittelbare Folge einer Zensurmaßnahme sein. In jedem Fall wäre die Nennung dieses symbolträchtigen Namens als direkte verbale Anspielung auf die revolutionären Vorgänge in Frankreich aufgefasst und gerade an diesem Abend als ungeheure Provokation empfunden worden. Diese Art der Text-Kürzung ist, wie viele andere auch, nicht rein dramaturgischen Anforderungen und Zielen geschuldet, sondern sie ist das Ergebnis restriktiver Machtverhältnisse, aber sie gehört auch zum politisch intendierten musikdramatischen Gesamtkonzept von Mazzolà und Mozart. Andererseits ist eine dem konventionellen Grundschema verhaftete Huldigungsoper vor dem Hintergrund der historischen Entwicklungen und der Krise der absolutistischen Monarchie unglaubwürdig und anachronistisch. Die epideiktischen Verlautbarungen der böhmischen Stände anlässlich der Königskrönung und der Erbhuldigung Leopold II. dienten in erster Linie einer pompös inszenierten Verklärung des, nach der restaurativen Aussöhnung zwischen den höheren Ständen und dem Kaiser immer noch instabilen absolutistischen Machtgefüges, das durch die von dem revolutionären ‚Bazillus‘ aus Frankreich ‚infizierten‘ und durch die aufgeklärten Reformen Joseph II. ‚auf den Geschmack gekommenen‘, aufbegehrenden Bauern und Bürger, höchst gefährdet war. Das am antiken Vorbild orientierte Habsburger Herrscherideal glich nur noch einem aus der Zeit gefallenen Zerrbild. Die Tradition der ‚clementia Austriaca‘ ging ihrem Ende entgegen. Titus hatte die Aura eines gottgleichen „pater patrias“ und seine machtsymbolische Strahlkraft eingebüßt. Das konventionelle Titus-Image, wie Metastasio es 1734 noch so scharf umrissen auf Karl VI. in seinem Libretto zugeschnitten hatte, deckte sich nun kaum noch mit den politischen Konturen eines zwar zur Restauration vorübergehend genötigten, tatsächlich aber nach aufgeMahnung und Utopie  271

klärtem Selbstverständnis und eigener Einsicht die konstitutionelle Monarchie anstrebenden Leopold II. So hat er z. B. schon bald nach der Krönung in Prag Vorbereitungen zu einer tiefgreifenden Verfassungsreform zugunsten der Nichtprivilegierten in Böhmen eingeleitet, mit der die Zulassung von Vertretern aller Stände zum Landtag gesichert werden sollte.719 „Allein das toskanische Strafgesetzbuch und seine strafrechtlichen Implikationen wogen weitaus mehr als die ‚clemenza’ des Titus“;720 so unterstreicht auch Volkmar Braunbehrens das allmähliche Verglühen des Titus-Ideals und die zunehmende Unangemessenheit der damit verbundenen Herrscheranalogien, denen Leopold II. nun kaum noch entsprechen konnte und wollte. Insofern konnte ihm auch nur noch eingeschränkt als „Teutschem Titus“ gehuldigt werden, stellte die barocke Huldigungsoper nun doch von vornherein einen Anachronismus dar. Auch Mazzolà und Mozart haben sich gegen die von den böhmischen Ständen vorgesehene Zweckbestimmung ihres Opernauftrages so weit es möglich war auf ihre Art gesträubt. Überblickt man einmal die von ihnen vorgenommenen Eingriffe und Kürzungen am Metastasio-Libretto in ihrer Gesamtheit, so fällt eine durchgängige Tendenz zur Reduzierung des Anteils an Huldigungsfloskeln und Lobpreisungen auf. Schon die mehr als zwanzig Verse mit dem Herrscherlob, das Sesto im Dialog mit Vitellia zur Verteidigung Titos in der ersten Szene de 1. Aktes deklamiert, hat Mazzolà gestrichen. Dann, bei der Ankündigung von Titos erstem Auftritt in der 5. Szene durch den Chor, entfallen zwei von insgesamt drei Huldigungsstrophen: „Voi gl’immortali allori Su la Cesarea chioma, Voi custodite a Roma La sua felicità. Fu vostro un sì gran dono, Sia lungo il dono vostro: L’invidj al mondo nostro Il mondo che verrà.“ „Laßt nur den Lorber und den Ruhm Um den geweyten Scheitel fliegen, 272  Oper als politischer Appell

Erhaltet Rom nur sein Vergnügen In ihm, als wie sein Eigenthum. Er ward uns ja von Euch geschenckt Drum laßt uns Ihn noch lange haben. So daß die Nach-Welt auf die Gaben Einst seine neidischen Augen lenckt.“721

Die Wiederholung der ersten lobpreisenden Strophe „Serbate, O Dei Custodi …“ („Ihr Götter, die Glückseeligkeit …“) hat Mazzolà ebenfalls gestrichen, wobei der staatstragend-repräsentative Effekt von Titos erstem Erscheinen auf der Bühne von Mozart ohne Huldigungsverse wortlos durch einen herrschaftlichen Marsch bedeutungsvoll akzentuiert wird. Auch die Panegyrik des Publio im 2. Akt, 4. Szene, in der er die Klugheit und vor allem die Wachsamkeit und Stärke von Tito gegenüber Servilia preist, entfällt ganz.722 Ebenso ist die längere Textpassage in der 8. Szene des 2. Aktes, in der Tito die Lobpreisung seiner eigenen Person nun in Anlehnung an die ‚res gestae’, den berühmten Tatenbericht des Kaisers Augustus, durch die Aufzählung seiner in Kriegen erworbenen Verdienste und der für Rom erbrachten Opfer selbst vornimmt,723 ganz gestrichen worden. Der Huldigungszweck stand für Mazzolà und Mozart nicht mehr im Vordergrund, er widersprach nicht nur der politischen Aktualität, sondern vor allem den weltanschaulich-freimaurerischen Vorstellungen und Erwartungen, die beide Autoren mit dem Opernauftrag verbanden. Für sie war es wichtig, ihre Kritik am absolutistischen Staat und der restaurativen Regierungspolitik Leopold II. in Form eines musikdramatischen Appells direkt an den Kaiser zu richten. Vieles spricht dafür, dass die schon frühzeitig gefallene Entscheidung, die Oper entgegen der Vorlage auf zwei, anstatt auf drei Akte anzulegen, nicht nur im Hinblick auf eine stringentere Dramatisierung des Handlungsverlaufs, sondern in erster Linie zugunsten einer möglichst wirkungsvollen Umsetzung ihres politisch intendierten, dramaturgischen Gesamtkonzeptes der Neufassung getroffen worden ist. Im 1. Akt ging es nun darum, dem an den Adressaten der Oper gerichteten politischen Appell hinreichend Nachdruck zu verleihen. Dafür sollte am Ende des 1. Aktes ein spektakuläres, das Publikum schockierendes Finale sorgen, wie es in einer Opera seria bis dahin noch Mahnung und Utopie  273

nicht vorgekommen war, auch nicht in einer der vielen anderen auf zwei Akte reduzierten Tito-Überarbeitungen. Doch die Zweiaktigkeit setzte keineswegs, etwa einer inneren dramaturgischen Logik folgend, die Einrichtung von zwei Finali alternativlos voraus. Der 1. Akt sollte aufrütteln und theatralisch vorführen, welche Gefahr droht, wenn die eingeleitete Restauration und Gegenaufklärung von Leopold so weiter vorangetrieben würde. Das brennende Rom, die Rebellion und die schockierende Nachricht vom Tod Titos, bilden das politisch motivierte dramaturgische Ziel, den 1. Akt wirkungsvoll mit einem beängstigenden Bedrohungsszenario zu beenden. Nicht handlungsimmanente Notwendigkeiten bestimmen die stringente Dramatisierung des Intrigenverlaufs in Richtung eines Finales, sondern umgekehrt, das Finale selbst ist Sinn und Zweck der poetischen und musikalischen Ausgestaltung des Handlungsgeschehens. Von der Parto-Arie an nimmt die finale Entwicklung ihren nun alles dominierenden Lauf, um die Wirkungskraft der in der Oper enthaltenen politischen Botschaft durch einen furchterregenden musiktheatralischen Effekt über die Grenzen des Gewohnten und Angemessenen hinaus bis ins Abschreckende hinein zu steigern. Der unmittelbare Bezug zur Französischen Revolution, dem Aufbegehren der Unterprivilegierten in allen Habsburger Ländern und die jederzeitige Möglichkeit, einer Verschwörung oder einem Attentat zum Opfer fallen zu können, muss dem in den Logen versammelten Hochadel sehr bewusst gewesen sein. Immer wieder hatte von Pergen den Kaiser vor potentiellen Verschwörern gewarnt und erst einige Wochen zuvor hatte Hoffmann ihm die Liste mit den, der Staatsgefährdung verdächtigen Illuminaten vorgelegt. In der harmlos antikisierenden Kulisse römischer Prachtbauten spiegelten sich die gespenstischen Bilder der Angstphantasien einer absterbenden Gesellschaftsschicht, die der metaphorischen Inszenierung ihres eigenen Untergangs entgegen blickte. Die Wirkungsmacht dieser, im Finale des 1. Akts, auf einer dramaturgischen Metaebene erzeugten Assoziationen und Phantasmagorien war umso größer, desto glaubhafter und wahrscheinlicher das Gelingen der Verschwörung und die Ausführung des Attentats auf der Bühne dargestellt werden konnte. So hat Mazzolà jene Textstellen des Metastasio-Librettos, die die Entschlossenheit der Verschwörer oder die tatsächliche Ausführung des Mordplanes in Frage stellten und damit das zum Finale hin aufgebaute Bedrohungs274  Oper als politischer Appell

potential hätten abschwächen können, weitgehend eliminiert oder stark gekürzt. Mazzolà hat die über zwanzig Verse gleich zu Beginn des 1. Aktes gestrichen, in denen Sesto sich im Dialog mit Vitellia als ein von inneren Konflikten und Gewissensqualen gepeinigter, vor der Mordtat zurückschreckender, gänzlich unentschlossener und kaum zu fürchtender Verschwörer offenbart. Erst in der Parto-Arie überwindet Sesto sein Zaudern und entschließt sich endgültig, den Mord zu begehen. Da das Attentat nun nicht mehr aufzuhalten ist, kommen die Selbstzweifel und die Verunsicherung Vitellias, wie sie ihnen in der ersten Strophe des an die Arie anschließenden Terzetts durch eine Art musikalisiertes Gestammel Ausdruck verleiht, ohnehin zu spät. Aber ihr von Schuldgefühlen und Skrupeln geprägter Schlussmonolog, mit dem Metastasio im krassen Gegensatz zu Mazzolà/Mozart den 1. Akt zum Ende durch ein bewusstes Entschleunigen der Intrigenhandlung ruhig ausklingen lassen wollte, entfällt ganz. Auch das generelle Ausschließen einer erfolgreichen Rebellion sowie das Bagatellisieren der mit dem Komplott verbundenen Gefahr für den Kaiser, wie sie in den panegyrischen Versen Publios enthalten sind, kommen bei Mazzolà nicht mehr vor. Das Bild eines starken Tito, der neben „clemenza“ auch jederzeit „rigore“ einzusetzen weiß, um seine Macht zu sichern, widerspricht dem Grundkonzept der Neufassung. Dieser, von Publio so gerühmte Tito, existiert bei Mazzolà nicht mehr: „Er kommt der Hinterlist zuvor in allen Sachen. / Was aus der Ordnung kommt, das richt er wieder ein … / O solltest du nur jetzt zugegen seyn, / wie er den tollen Pöbel zäumet, / Der doch vor Eyffer schäumet.“724

Andererseits fällt auf, dass Metastasio sich nicht gescheut hat, Tito als konkretes Ziel des Attentats ausdrücklich schon in der 1. Szene mehrfach beim Namen zu nennen: „Um mit vereinten Kräfften/Auf Titum loß zugehn“725 wiegelt Vitellia Sesto auf. „Und Titus hat den Tod wohl tausend mahl zu hoffen“726 macht er sich Mut, bis Vitellia am Ende der Szene fordert: „So will ich Titum todt“.727 Im Gegensatz dazu scheint Mazzolà die namentliche Erwähnung Titos als eindeutiges Mordziel absichtsvoll vermieden zu haben, indem er genau diese Verse gestrichen hat. Zur Zeit der gefestigten Monarchie Mahnung und Utopie  275

Karl VI. war es für Metastasio noch völlig risikolos, den als Tito identifizierten Kaiser in dieser Direktheit metaphorisch zum Mordopfer zu erklären. Doch dem als „Teutschem Titus“ bezeichneten Leopold II. am Abend seiner Königskrönung in Prag von der Bühne her entgegenzurufen: „So will ich Titus tod!“ hätte angesichts der instabilen innenpolitischen Verhältnisse sicherlich einen Eklat ausgelöst oder den Eingriff der Zensur provoziert. Provokanter noch als ein verbaler Mordaufruf muss für Leopold II. das erschütternde Untergangsszenario gewesen sein, das er stattdessen zu sehen und vor allem von Mozart zu hören bekam. Da loderten in den Kulissen nicht nur die Flammen des brennenden Roms, das bei den Illuminaten und bei der Opposition Wien bedeutete, da verbrannten mit den Säulen der antiken Tempel und Herrschaftsbauten gleichzeitig die tragenden Grundpfeiler des absolutistischen Staatengebäudes Habsburgs. Und das an einem Abend des Festtages zur Feier der neuen Festigung der Habsburger Monarchie durch die mit der Krönung besiegelte Einigung zwischen dem Kaiser und den böhmischen Ständen. Nicht hoffnungsvoller Aufbruch, sondern deprimierender Abschied war das deplazierte Motto der großformatigen Final-Dramaturgie, deren zentrales Element der Tod des Monarchen im provokanten Kontrast zur Feiertagsstimmung einer auf brüchigem Eis tanzenden Hofgesellschaft bildete. Das mit Sestos flehentlicher Bitte an die Götter „Deh, conservate, oh Dei,/A Roma il suo splendor.“ („Oh Götter, bewahret/Rom seinen Glanz.“) 728 eröffnete Final-Quintett versammelt nacheinander die vom Lärm des Tumults und dem Feuer über Rom verstörten Protagonisten in einem Zustand völliger Rat- und Hilflosigkeit zu einem von Ungewissheit und Angst gekennzeichneten Schlussauftritt. Ein letztes Mal zeigt Sesto mit der etwas paradox anmutenden Bitte an die Götter seinen ganzen Widerwillen gegen die Mordtat, zu deren Ausführung er nun aber dennoch unverzüglich, das Quintett und den Schauplatz vorübergehend verlassend, aufbricht. Da stehen die Repräsentanten des Adels und der Hofgesellschaft nun relativ kopflos vor dem nahenden Revolutionsszenario und blicken verängstigt in die tumultuarischen Zeichen ihres bevorstehenden Untergangs als herrschende Klasse. Die verharmlosende Begrifflichkeit Metastasios ist obsolet. Mazzolà lässt den Vertreter des Staates, Publio, nun unverhohlen ins überraschte Festpublikum rufen: 276  Oper als politischer Appell

„V’è in Roma una congiura“ („In Rom ist eine Verschwörung“),729 wobei mit Rom nicht nur im Sprachgebrauch der Illuminaten gleichzeitig Wien gemeint war, denn diese Analogie gehörte schon zum Alltagsbewusstsein breiterer Bevölkerungsschichten, aber auch des Adels. Erst das ihr Inneres ergreifende Entsetzen führt die einzelnen Personen aus der Isolation ihres angsterfüllten Nebeneinanders in einem simultanen Klagegesang zusammen, der von dem furchterregenden „Ah! …“ des Chores unterbrochen und ergänzt wird: „Die Schreie, weh, die ich höre“, … „Ach! …“ „Machen mich starr vor Entsetzen.“.730 Im Schrecken vereint, trifft sie nun die Nachricht vom Tod Titos. Mehr noch als der Schrecken hat die einsetzende Trauermusik und die gemeinsam von den Solostimmen und dem Chor mehrfach wiederholte Klage: „Oh giorno di dolor!“ („Oh, Tag der Schmerzen“)731 für wenige Takte die Einheit ständeübergreifend wiederhergestellt, finden Volk und Adel im Schmerz über den vermeintlichen Tod des Monarchen für wenige Augenblicke der gemeinsamen Trauer in Frieden wieder zusammen. Allein die Kraft der Musik konfrontierte das überraschte Publikum, besonders aber den Kaiser, mit einem unerwarteten, bis dahin kaum gekannten Realismus auf der Opernbühne. Das im Andante des Schlussensembles angedeutete Requiem für Tito ist in Wahrheit für Leopold bestimmt, der seiner imaginierten Trauerfeier am Tag seiner Krönung sicherlich mit einigem Unbehagen beiwohnen musste. Der musikdramatische Appell mahnte ihn mit den Schreckensbildern der Revolution und des Todes zur politischen Umkehr. Dabei erinnert die ganze Dramaturgie dieses musikalisierten Appells und der Final-Gestaltung sehr deutlich an das auf Schockieren und Angstauslösen angelegte freimaurerische Initiationsritual. Denn das von Mazzola und Mozart zur Bekräftigung ihrer Mahnung an den Kaiser umgesetzte dramaturgische Wirkungsprinzip der bewussten Erzeugung von Furcht und Todesschrecken entspricht sehr genau der Affizierung und Einschüchterung des Initianden, der beim Einweihungsritual – zumindest in den von Mozart besuchten Logen – den symbolischen Tod sterben und im geschlossenen Sarg liegend methaphorisch seine eigene Bestattung durchleiden musste. Auch Mozart ist diese beängstigende Erfahrung nicht erspart geblieben, wie J. Assmann bemerkt, der ausführlich analysiert hat, wie grundlegend die Mysterien und Freimaurerriten nur einige Monate zuvor die Konzeptualisierung und die inhaltliche Bestimmung der Zauberflöte geprägt Mahnung und Utopie  277

haben. Und so, wie die Mysterienweihe mit theatralischen Mitteln den Initianden derart affektiv beeindrucken und bei ihm einen mentalen Klärungs- und Läuterungsprozess, einen inneren Wandel bewirken soll, so soll Leopold II. beim Anhören des auf seinen Tod erklingenden requiemartigen Trauergesangs und des musikdramatisch inszenierten Entsetzens aufgerüttelt und zu der Einsicht gebracht werden, umzukehren auf dem Weg der Restauration und in Erinnerung seiner toskanischen Ideale im Geiste der Aufklärung einen Staat der ,Humanitas‘ zu verwirklichen. Der 2. Akt weist ihm die Richtung. ‚Humanité‘ ist der alles bestimmende Leitbegriff des 2. Aktes. ‚Sei Mensch und dann erst Kaiser‘, so lautet sinngemäß der zweite Teil des operntheatralischen Appells. Diese Umkehrung der absolutistischen Werteordnung nach dem freimaurerischen Humanitätsideal entspricht der neuen Rangfolge, wie sie kurz zuvor in der Zauberflöte verbindlich wurde als Sarastro auf die Feststellung des Sprechers, Tamino sei „Prinz“ knapp antwortet: „Noch mehr – er ist Mensch.“732 ‚Humanitas‘ als Grundprinzip monarchischer Herrschaft hat auch Beccaria in seiner rechtstheoretischen Schrift Dei delitti e delle pene gefordert, die für den toskanischen Verfassungsentwurf Leopold II. die Basis bildete: „Es läßt sich von einer moralischen Theorie der Politik kein Vorteil erwarten, wenn sie nicht ihren Ausgangspunkt bei den unzerstörbaren Empfindungen des Menschen nimmt … Befragen wir das menschliche Herz, und in ihm werden wir die fundamentalen Prinzipien entdecken, auf denen das wahre Recht des Herrschers zur Bestrafung von Verbrechen beruht.“733

Sollte für die Herrschaft ein strenges Herz Bedingung sein, so möge man ihm entweder die Herrschaft nehmen oder aber ein anderes, nicht so empfindsames Herz geben, hatte Tito in seiner Arie „Se all’Impero, amici Dei“ angesichts des von ihm über Sesto zu fällenden Urteils geklagt. Diesen Zwang, Härte zu zeigen, wo seine innersten Empfindungen nach Milde verlangten, weigerte er sich seinem Herzen anzutun: „Es lebe der Freund! Wenn er auch untreu ist. Und wenn mich die Welt schon anklagen will für irgendeinen Fehler, soll sie mich der Milde anklagen und nicht der Strenge“.

278  Oper als politischer Appell

Mit diesen Worten rechtfertigte Tito in dem der Arie vorangehenden Monolog seine in erster Linie als Mensch und Freund getroffene Entscheidung Sesto zu begnadigen vor sich selbst. Als Kaiser mochte er unterschwellig durchaus an diesem Urteil zweifeln, war doch die Attitüde der Menschlichkeit in der gesamten Tradition der ‚clementia Austriaca‘ immer wieder dem Vorwurf der Schwäche ausgesetzt. „Sind Fürsten überhaupt nichts weiter als Menschen, so ist ihr Nimbus dahin“, heißt es 1786 in einer gegen die Freimaurer gerichteten Schrift.734 Der Gegenaufklärung wird „[d]ie Menschlichkeit des aufgeklärten Herrschers … zum Fallstrick des absolutistischen Staates.“735 Bisher galten Empathie und Mitleid nicht als machtpolitische Kategorien. Bei Metastasio war die Clemenza Titos weniger eine Entscheidung des Herzens als die des Verstandes, war der Akt des großmütigen Verzeihens das Resultat eines kühl kalkulierten, strategischen Herrschaftsdenkens zur Sicherung der absoluten Macht. Bei Mazzolà/ Mozart rückt die Clemenza Titos vor dem Hintergrund der politischaktuellen Entwicklungen im Rahmen ihres im Geist der Aufklärung und der Freimaurerei verfassten musikdramatischen Appells in einen gänzlich anderen Bedeutungs- und Erklärungszusammenhang. Mit seinem Verzicht auf Rache – „Rache! … Das Herz des Titus bringt solche Gefühle hervor?“736 – und mit der Begnadigung Sestos repräsentiert Tito nun auch das freimaurerische Menschenbild, indem er dem zum Verräter gewordenen Freund, wie unter Freimaurerfreunden üblich, eine von seiner Liebe begleitete Chance auf Besserung und Läuterung gewährt. Die Verse der berühmten Hallenarie Sarastros sind ein Beleg dafür, dass die beiden, so kurz hintereinander entstandenen Opern auf demselben weltanschaulich-politischen Fundament gegründet sind: SARASTRO: „In diesen heiligen Hallen Kennt man die Rache nicht! Und ist ein Mensch gefallen, Führt Liebe ihn zur Pflicht, Dann wandelt er an Freundes Hand Vergnügt und froh ins beßre Land. In diesen heil’gen Mauern, Wo Mensch den Menschen liebt, Mahnung und Utopie  279

Kann kein Verräter lauern, weil man dem Feind vergibt. Wen solche Lehren nicht erfreun, Verdient nicht ein Mensch zu sein.“737

Die in diesen Zeilen umrissene Freimaurer-Utopie des „beßren Landes“, wo „Mensch den Menschen liebt“, wirkt nun modellgebend fort in dem der ‚humanité‘ verpflichteten und implizit in der Neufassung enthaltenen Staatsideal, das im Finale des 2. Aktes in Wort und Musik eine sichtbare und hörbare Kontur erhält. Titos Akt des Verzeihens als Resultat seiner Willkür des ‚arbitriums‘ absolutistischer Herrschaft hat seine Legitimität verloren. Der Clemenza-Begriff ist nun nicht mehr als einseitiger Gnadenakt, sondern in einem breiteren, verfassungsrechtlichen Bedeutungsumfeld zu verstehen. Die in den letzten Takten des Finales in den Worten „cura“ und „felicità“ – diesem Schlüsselbegriff der Aufklärung – anklingende neue Ordnung eines Bündnisses auf Gegenseitigkeit, lässt die Clemenza-Aktion nur noch im Rahmen dieses, das ‚arbitrium‘ des Herrschers auflösenden Vertragsverhältnisses zu. Auch für Beccaria ist der Herrscher „selbst ein Teilnehmer am sozialen Pakt“ (Proß), woraus sich für ihn die folgende Konsequenz ergibt: „Der Souverän, der die Gesellschaft selbst repräsentiert, kann nichts als allgemeine Gesetze formulieren, die alle ihre Mitglieder verpflichten sollen; er kann aber deshalb nicht darüber urteilen, ob eines davon den Sozialvertrag verletzt hat. Denn damit würde sich die Nation in zwei Teile aufspalten: den einen, den der Souverän bildet und der die Verletzung des Vertrages behauptet, und den anderen, den der Angeklagte darstellt, der diesen Vertragsbruch leugnet.“738

Nicht mehr das ‚arbitrium‘ des Herrschers „wird damit zum Garanten des Bestandes der Gemeinschaft“ (Proß), sondern das Gesetz, das ohne Ansehen der Person Geltung besitzen muss. In diesem rechtstheoretischen Zusammenhang ist nun erneut die eminent wichtige Bedeutung der, in der Mozartliteratur fälschlicherweise immer wieder als dramaturgisch überflüssige Nebenhandlung abgewerteten Mantel-Episode Annios hervorzuheben. Die Rangunterscheidung als Kriterium der Urteilsfindung und Strafbehandlung, wie sie bei Tito durch sein Verhalten gegen280  Oper als politischer Appell

über dem vermeintlichen Täter Annio offenbar wird, steht in krassem Widerspruch zum freimaurerischen Gleichheitsgrundsatz, dem die Unterscheidung der Menschen nach Rang und Stand entgegengesetzt ist. Dieser politisch-programmatische Hintergrund der Streichung der genannten Episode, wie auch aller anderen Passagen, in denen die Clemenza unter rechtsphilosophischen Gesichtspunkten, wenn auch nur kurz, erörtert wird, ist für die von Mazzolà/Mozart angestrebte Modernisierung des Clemenza-Verständnisses nicht unerheblich. „Die Reduktion des politisch-juristischen Substrats“739 durch die Streichung derjenigen Textstellen, in denen die Clemenza-Aktion argumentativ als Teil der Rechtsproblematik behandelt wird, trägt insgesamt zu einer „Simplifizierung“740 des metastasianischen Titus-Bildes bei. Insbesondere der Wegfall der Mantelszene und der daraus hervorgehenden Verhaftung Annios führt zu einer Entdifferenzierung des Clemenza-Vorgangs, indem dieser nun nicht mehr die Ausnahme darstellt, sondern zur Regel wird. Die Milde Titos ist damit ein substanzieller Bestandteil seiner Persönlichkeit und nicht mehr das Ergebnis eines rational abwägenden Diskurses an dessen Ende die arbiträre Entscheidung des Souveräns steht, sondern die Clemenza Titos ist zu einem beständigen Charaktermerkmal mutiert. Das bedeutet aber keineswegs ihre Entpolitisierung.741 Denn obwohl, etwas überspitzt formuliert, die Clemenza-Aktion „angesichts Mazzolas Ausschaltung der Argumentationsstrukturen, quasi zur Zwangshandlung“742 eines berechenbaren „Monstrum(s) an Güte“743 wird, öffnet sich damit gleichzeitig der Blick auf einen ganz anders gearteten politischen Horizont. Ein Horizont, an dem die Milde und der damit verbundene programmatische Verzicht auf Rache als Struktureigentümlichkeit einer humanitären, aber weiterhin als Monarchie gedachten Staatsverfassung erscheinen. Milde wird so zum Synonym von Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz und damit zum Symbol einer auf Menschlichkeit und Gerechtigkeit beruhenden Grundhaltung, die der in seiner Willkür eingeschränkte Monarch dauerhaft gegenüber seinem Volk einnehmen muss. Als „Mensch unter Menschen“ gliedert Tito sich am Ende der Oper auch musikalisch in den Verband der Bürger ein. Deren privates Glück ist nun seinem Machteinfluss entzogen. Hatte er als gottgleicher ‚pater patrias‘ bei Metastasio die Paare noch nach seinem Willen und mit seinem Segen zusammenführen können, so unterlag die Privatsphäre der Mahnung und Utopie  281

Bürger in der Staatsutopie von Mazzolà und Mozart nun nicht mehr der Verfügungsmacht des konstitutionell gebundenen und auf das Staatswohl, die ‚felicità‘, verpflichteten Monarchen, der sich in die Heiratspläne seiner Untergebenen nun nicht mehr einmischen kann. „Findet im ersten Finale von Mozarts Oper der Untergang der höfischen Ordnung statt, so wird im zweiten Finale das Grundgesetz der neuen Zeit proklamiert. Das zweite Finale beschwört eine Utopie der „humanité“, die Utopie eines aufgeklärten, demokratischen Staates, in dem der Regent nicht mehr Despot, sondern erster Bürger unter gleichberechtigten Mitbürgern ist. – In Mozarts La Clemenza di Tito wird somit das Zeitalter des Gottesgnadentum verabschiedet“,744

wie Pia Janke so zutreffend feststellt. Und René Jacobs erkennt diese weltanschaulich-politische Botschaft auch in der musikalischen Gestaltung durch Mozart. „Sowohl in der einfachen und wirkungsvollen Instrumentation als auch in der Gestalt der Arien sucht Mozart den Kontrast von zwei Klangwelten gestalterisch zu nutzen: die der Vergangenheit, der alten Ordnung („konventionelle“ Instrumentation, Trompeten und Pauken als Klangsymbole der unumschränkten Macht des Herrschers; dreiteilige Arien der Form ABA, entferntes Nachwirken der barocken Da-capo-Arie), und die utopische Klangwelt einer nachrevolutionären, aufgeklärten, freimaurerischen Zukunft (Klarinette und Bassetthorn, die Freimaurerinstrumente par excellence; „moderne“ Arien der großen Form mit einem dreiteiligen langsamen Teil, gefolgt von einem bewegteren Teil in der Rondo-Form). Zwischen diesen beiden Klangwelten tat sich – hörbar im Finale des ersten Akts – der klaffende Abgrund der Revolution auf, …“.745

Mit einer barocken Huldigungsoper hat dieses zutiefst politisierte Musikdrama nur noch wenig zu tun. Eher ähnelt es einem über die gesamte Bühne ausgebreiteten, politischen Transparent, auf dem die konstitutionelle Monarchie als Garant der ‚felicità‘ jedes einzelnen gefordert und propagiert wird. Leopold II. muss die musikdramatisch verhüllte Nachricht, die Mazzolà und Mozart ihm in die Loge sandten, durchaus wahrgenommen und verstanden haben. Den Appell, sich auf seine toskanischen Verfassungsideale zu besinnen, kann er hinter der Maske seiner höfischen 282  Oper als politischer Appell

Herrscherrolle wohl kaum als Affront aufgefasst haben, zumal er parallel zu seinen restaurativen Maßnahmen erst einige Wochen zuvor von Sonnenfels einen der Mazzolà/Mozart-Utopie entsprechenden Verfassungsentwurf auf seine Initiative hin erhalten hat. Auch die Vereidigung seines Schwagers Ludwig XVI. auf die Einrichtung einer konstitutionellen Monarchie in Frankreich nur wenige Tage nach der Aufführung der Krönungsoper in Prag, hat er hoffnungsfroh als Rettung der monarchischen Herrschaftsform interpretiert. Dem anwesenden internationalen Adel wird es dagegen ausgesprochen schwer gefallen sein, seine Empörung zu verbergen und die Contenance zu wahren. Vor allem die ins österreichische Exil geflohenen französischen Royalisten müssen diese, hinter dem Schleier der bekannten metastasianischen Intrigenhandlung hervor scheinende aufklärerischfreimaurerische Umdeutung des veralteten und unzeitgemäßen, anachronistischen Opern- und Huldigungsstoffs sowie die besondere Art seiner musikdramatischen Politisierung als unverschämte Provokation empfunden haben. Während Mazzolà und Mozart am Ende des 1. Aktes ihrem Appell an den Kaiser mit einem hochdramatischen Revolutionsszenario die nötige Wirkungskraft verliehen, saßen der emigrierte Führer des royalistischen französischen Adels, Herzog von Polignac und Graf von Artois, der Bruder von Ludwig XVI., gedankenversunken gemeinsam im Publikum und planten vermutlich zur Musik Mozarts die Gegenaufklärung und den Angriff auf Paris. Daneben vermittelte der einst als Heerführer bewunderte General François-Claude-Amour, Marquis de Bouillé, der die vereitelte Flucht des französischen Königspaares nach Varennes organisiert hatte, das geradezu mitleiderregende Bild eines voll Gram gescheiterten Exilanten, wie der ebenfalls im Publikum anwesende Alexander von Kleist berichtet.746 Nicht weit entfernt von ihnen platziert, mag der schwedische Graf Axel von Fersen, nicht zuletzt angeregt durch den tiefen Ernst und die Schwermut der Mozart’schen Klänge sehnsuchtsvoll seiner Geliebten Marie Antoinette, nachgetrauert haben, da sich diese gemeinsam mit ihrem Mann nun in der Gewalt der Revolutionäre befand. Die derart politisierte Atmosphäre im Publikum der Uraufführung am Krönungsabend war in höchstem Maße angespannt und äußerst brisant. Leopold II. musste als Reaktion auf die aktuell-politischen Anspielungen der Oper in Anwesenheit der Stände – Burggraf Rottenhan teilte Mahnung und Utopie  283

mit ihm seine Loge – und der Aristokratie, also einer Vielzahl von Gegenaufklärern, unbedingt Neutralität erkennen lassen und sich eines politischen Urteils enthalten. Leopolds einzige überlieferte Äußerung zu der Aufführung bezog sich entsprechend auch lediglich auf die Gesangskunst der Maria Marchetti-Fantozzi (in der Rolle Vitellias), von deren Stimme er wohl sehr angetan war, wie Graf von Zinzendorf in seinem Tagebuch notierte: „La Marchetti chante fort bien, l’Empereur en est entousiasmé.“747 Die Behauptung des Oberstburggrafen Heinrich Franz Graf Rottenhan, der den Vertrag mit Guardasoni abgeschlossen hatte, dass sich „bey Hof wider Mozarts Composition eine vorgefaßte Abneigung“748 gezeigt habe, kann kaum die Musik betroffen haben, denn Mozart-Kompositionen erklangen im Rahmen der mehrtägigen Krönungsfeierlichkeiten vielfach. Am 1. September, so schreibt von Zinzendorf in seinem Tagebuch, versammelten wir „uns in der Antichambre der Kaiserin, wir dinierten mit 100 Personen im Thronsaal … Zahllose Zuschauer … Musik aus Don Juan.“,749 der hier als eine für Bläser arrangierte Tafelmusik vorgetragen wurde. Nur wenige Tage vor dem Tito war „auf höchstes Verlangen Don Giovanni von den Majestäten mit ihrer höchsten Gegenwart“ beehrt,750 gegeben worden. Am Morgen des 6. September war beim Krönungsgottesdienst im St. Veits-Dom unter Leitung von Salieri schon eine Mozart-Komposition, wahrscheinlich seine Krönungsmesse Nr. 14 in C-Dur (KV 317) gespielt worden. Neben weiterer Kirchenmusik am 6.8. und am 12. September wurde noch eine Menge Tanzmusik von Mozart aufgeführt.751 Eine spezifische Abneigung des Kaiserpaares gegen die Musik Mozarts hat sicherlich nicht bestanden. Schon bei der ersten Begegnung mit Mozart, wenn sie auch mehr als zwanzig Jahre zurücklag, hatte Leopold II. als Großherzog der Toskana Mozart darauf hingewiesen, „daß seine Frau sehr Begierig wäre, den Wolfg. zu hören.“752 Aber das, was die Kaiserin beim Don Giovanni an inhaltlichen Grenzüberschreitungen noch tolerierte, um die wunderbare Musik ungestört genießen zu können, führte beim Tito, wohl vor allem aufgrund der politischen Provokationen des ersten Finales, zu einem vernichtenden Urteil, dem nun auch die Musik zum Opfer fiel. In einem Brief an ihre Schwiegertochter Marie Thérèse de Bourbon schrieb sie abfällig, dass die große Oper keine große Sache und die Musik sehr schlecht sei, wes284  Oper als politischer Appell

halb fast alle von ihnen geschlafen hätten.753 Das war sicherlich eine bewusste Übertreibung, die ihrer Missbilligung der Oper den nötigen Nachdruck verleihen sollte, denn über ein schlafendes Kaiserpaar neben dem Oberburggrafen Rottenhan hätte nicht nur von Zinzendorf berichtet, der in seinem Tagebuch aber ebenfalls vermerkte, dass die Aufführung sehr langweilig gewesen sei.754 Dabei ist die bewusst jedes Anzeichen einer affektiven Reaktion vermeidende Verwendung der Begriffe ‚Langeweile‘ und ‚Schlaf ‘ eine vornehme Kaschierung der tatsächlichen Empörung und Verärgerung, die die Oper mit ihren Revolutions-Analogien und dem angedeuteten Requiem auf den ermordeten Kaiser in ihrem Innern ausgelöst haben mag. Und auch die abfällige Bemerkung Karl von Zinzendorfs über die Krönungsoper bezieht sich wohl weniger auf die Musik Mozarts als auf die politischen Anspielungen des neugefassten Dramma per musica. Schon nach der Premiere des Figaro fällte von Zinzendorf vermutlich aus ähnlichen Gründen ebenfalls ein abfälliges Urteil über eine Mozart-Oper: „L’opera m’ennuyer“ („Die Oper langweilt mich“),755 um nach einer weiteren Aufführung nur einige Wochen später zu ergänzen: „Mozarts Musik ist von einzigartiger Kopflosigkeit“. Als Finanzminister und Präsident der Hof-Rechenkammer war er ein entschiedener Gegner der Emanzipation der Bauern und der Entprivilegierung des Adels durch die josephinischen Reformen, wie sie im Figaro, den Herrenstand buffoesk verhöhnend, thematisiert wurden. Das vom Kaiser schon einige Tage nach der Figaro-Premiere verhängte Da-CapoVerbot für alle „aus mehr als einer Singstimme bestehende(n) Stück(e)“,756 um ein Überschäumen der antiaristokratischen Stimmung zu vermeiden, bezeugt die politisierende Wirkungsmacht des musikalisierten und gesungenen Wortes, die auch ein Graf von Zinzendorf fürchtete und anscheinend bei der Aufführung des Titos erneut erkannte. Und so können seine abfälligen, opernkritischen Bemerkungen als ein Mittel politischer Gegenwehr verstanden und relativiert werden. Aber insbesondere für Leopold II., der am 29. August direkt von Pillnitz angereist war, wo er die erste europäische Koalition gegen das revolutionäre Frankreich geschmiedet hatte, muss die musikdramatische Warnung Titos am Ende des 1. Aktes eine fast unerträgliche Zumutung gewesen sein. Diese ablehnende Haltung gegenüber der Neufassung von Mahnung und Utopie  285

Mazzolà/Mozart muss sich von der Königsloge aus im gesamten, überwiegend vom Hochadel besetzten Zuschauerraum ausgebreitet haben, denn, bis auf wenige positive Stimmen, war das Echo durchweg negativ. Auch in dem Musikalischen Wochenblatt-Berlin vom Dezember 1791 heißt es: „Bei der hiesigen Krönung waren zwei musikalische Arbeiten merkwürdig. Die eine bestand in einer großen oder vielmehr mittler-ernsthaften Oper, einer abermals komponirten Clemenza di Tito, die aber wiewohl die Musik von Mozart war, nicht gefiel“,757

so dass die Oper nach der ersten Vorstellung „fast gar nicht mehr besucht war“,758 wie Graf Rottenhan berichtet. Das Krönungsjournal für Prag enthält sich in seinem Bericht über die Aufführung ebenfalls jeglicher, den Inhalt oder gar die politischen Anspielungen der Oper betreffenden Bemerkungen, um in lapidaren Worten den allseits wahrgenommenen Misserfolg des Krönungsabends mit dem Gesundheitszustand Mozarts und dem Zeitdruck zu bagatellisieren, unter dem der Komponist sich bei seiner Arbeit befand: „Die Komposition ist von dem berühmten Mozart, und macht demselben Ehre, ob er gleich nicht viel Zeit dazu gehabt und ihn noch eine Krankheit überfiel, in welcher er den letzten Theil derselben verfertigen mußte.“759

Im Gegensatz zu den belegten, um die Wahrung der Contenance bemühten Reaktionen des Kaiserpaares sowie einer zurückhaltenden Berichterstattung, soll es angeblich eine von Affekt und von Abscheu bestimmte Äußerung Maria Ludovicas über die Neufassung der Oper gegeben haben, die bis heute in der gesamten Mozartliteratur eines der am meisten benutzten Zitate im Zusammenhang mit der Tito-Oper darstellt. In dieser, wahrscheinlich niemals gefallenen Bemerkung, bezeichnet sie das Werk als: „porcheria tedesca“ („deutsche Schweinerei“). 760 Aber selbst wenn sie dies tatsächlich gedacht haben mag, so ist es doch ziemlich unwahrscheinlich, dass sich am Ende des 18. Jahrhunderts die Gemahlin eines absolutistischen Kaisers zu einem, derart die höfischaristokratischen Anstandsregeln verletzenden Ausspruch hinreißen ließe. Der wurde erstmals 1871 in dem Buch von Alfred Meißner Rococobilder – Nach den Aufzeichnungen meines Grossvaters erwähnt: „Der Kaiser äußerte sich geringschätzig und die Kaiserin nannte die Musik 286  Oper als politischer Appell

eine porcheria tedesca“.761 Bei allem Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung gibt Eibl zu bedenken, dass mehr als ein Jahrzehnt vor Meißner Otto Jahn in einer der ersten Auflagen seiner großen Mozart-Biografie 1859 schreibt: „In Prag hat sich die Tradition erhalten, daß die Kaiserin sich sehr geringschätzig über die porcheria der deutschen Musik geäußert habe“.762 Aber auch dies klingt nach reiner Spekulation. Umso bedauernswerter ist es, dass diese zur Legende gewordene, aber wohl niemals gemachte Äußerung der Kaiserin die gesamte Rezeptionsgeschichte dieser Mozart-Oper derart beeinflusst und geradezu beherrscht hat, so als hätte es diese abfällige Bemerkung tatsächlich gegeben. Ohne diese „Porcheria-Legende“ wäre es vermutlich nicht zu dem ungerechtfertigten Negativ-Image des Werkes gekommen, das sich teilweise bis in unsere Zeit erhalten hat. Neben den vielen verschiedenen Interpretationen und Deutungen, die sich in der Mozartliteratur zu diesem vermeintlichen Ausspruch finden lassen und die gerade in jüngster Zeit einen Zusammenhang mit den politisch-freimaurerischen Intentionen der überarbeiteten Fassung der Oper herstellen, wäre noch ein weiterer, bisher nur marginal beachteter denkbar: der mehr den Bereich des Persönlichen berührende, gänzlich unpolitische Grund für die hinter ostentativer Langeweile verborgene Verärgerung der Kaiserin über die Aufführung. Denn zwischen Titos Liebesaffäre mit Berenice und der Affäre Leopold II. mit der Tänzerin Olivia Raimondi sind gewisse Parallelen unverkennbar. Leopold hatte die aus einfachen Verhältnissen stammende Tochter eines Bediensteten aus Rom 1786 kennengelernt und war seitdem ein inniges Liebesverhältnis mit ihr eingegangen.763 Unter den vielen erotischen Affären, die Leopold als Großherzog der Toskana neben seiner Ehe pflegte, stach seine tiefe Liebe zu Olivia Raimondi in besonderer Weise hervor. Ohne Rücksicht auf den zwischen ihnen bestehenden Standesunterschied scheute er sich nicht, seiner Geliebten in Florenz ein kleines Palais einzurichten und sie in jeder Weise mit Schmuck und Kleidung kostbar auszustatten, dabei die öffentliche Meinung negierend. Sie gebar ihm seinen unehelichen Sohn Luigi. Und genau wie Tito musste Leopold nach dem Tod seines Bruders Joseph II. aus Gründen der Staatsraison ein Liebesopfer erbringen und mit seiner Frau und den sechzehn Kindern nach Wien übersiedeln. Vergleicht man die vom Trennungsschmerz geprägMahnung und Utopie  287

ten Verse, die Metastasio seinen Tito in Gedenken an Berenice sprechen lässt mit den Zeilen, die Leopold seiner Geliebten Olivia zum Abschied schrieb, so ist eine gewisse Übereinstimmung im Hinblick auf den inneren Konflikt, in dem beide mit Übernahme der Kaiserkrone gerieten, nicht zu bestreiten: „Ach Sextus, Freund, was für ein furchtbarer Augenblick! Ich glaube nicht … genug, ich habe gesiegt. Sie schied“, antwortet Tito als Sesto ihn fragt, wie er seine schöne Königin Berenice abreisen lassen konnte.764 Leopold schrieb an Olivia: „Den Kummer, den ich empfinde, da ich abreisen muß, kann ich Euch nicht genügend erklären … ich kenne Euer so gutes Herz und die Zuneigung zu mir, ich werde Euch dafür bis zum Tode dankbar sein. Ich kann für Euch nichts anderes machen, als Euch zu versichern, daß mein Herz, meine Zuneigung und Freundschaft immer Euch und nur Euch gehören werden … Euch liebhabe und bis zum Tode liebhaben werde … Euer treuer Liebhaber, ich umarme Euch.“765

Im Gegensatz zu Berenice, die Rom verlassen musste, übersiedelte Olivia auf Wunsch des Kaisers mit ihrem Sohn nach Wien, wo sie am Rande der Wiener Adelsgesellschaft bis zum Tod Leopold II. im Januar 1792 eine eher unglückliche Zeit verlebte, in der auch die Liebe des Kaisers zu ihr langsam abkühlte. Am Abend der Tito-Aufführung in Prag gehörte Leopolds Aufmerksamkeit schon seiner neuen Favoritin, der Gräfin Przichonsky.766 Die Möglichkeit, dass die aus dem Metastasio-Libretto übernommene Berenice-Episode vom kundigen Publikum als dreiste Anspielung auf Leopolds Liebesbeziehung zu Olivia Raimondi verstanden und von Maria Ludovica dieser aktuelle Bezug des Operntextes als Demütigung oder gar als „porcheria“ aufgefasst wurde, mag durchaus zu ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Neufassung der Oper beigetragen haben. Vielleicht hatte die Kaiserin sogar erwartet, dass diese anspielungsreiche Liebessequenz des ihr sicherlich durch einige Aufführungen bekannten Metastasio-Librettos in der Überarbeitung von Mazzolà und Mozart nicht mehr enthalten sei. Und tatsächlich stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, warum Mazzolà/Mozart bei all den Kürzungen und Streichungen, die sie im Original vorgenommen haben, ausgerechnet sämtliche Berenice und ihre Liebe zu Tito betreffenden Verse unangetastet im Text beließen, obwohl sie für die Dramaturgie und den Fort288  Oper als politischer Appell

gang der eigentlichen Intrigenhandlung in der Neufassung gar nicht notwendig waren. Ganz sicher nicht, um damit auf Leopolds Liebesaffäre anzuspielen, die durch die Berenice-Analogie angeregt, eher unbeabsichtigt die Phantasie des Publikums beflügelt haben mag.

Empfindsamkeit als Motiv Mozart und Mazzolà konnten dennoch, aber aus anderen Gründen, ebenso wenig wie Metastasio auf die Einbeziehung und Erwähnung der für das Verständnis des Tito-Charakters und seine Clemenza-Aktion so bedeutsame Berenice-Vorgeschichte verzichten. Auch das in der Neufassung durch Tito repräsentierte Menschheits- und Herrschaftsideal sowie die fundamentale Neuausrichtung des Musikdramas auf einen alles durchdringenden Grundton von Humanität und Empfindsamkeit, sind nur zu verstehen, wenn der dramatische Entwicklungsprozess, den sowohl der historische Titus, aber auch der Bühnen-Tito bis kurz vor seinem Auftritt durchlaufen haben, stets beim Betrachten des Handlungsgeschehens mitgedacht und vorausgesetzt werden kann. Tito ist eben nicht, wie von Kritikern der Oper häufig behauptet wurde, eine statische, undynamische, allein auf den Clemenza-Aspekt reduzierte Figur, die keinerlei Entwicklung ihrer Persönlichkeit erkennen lässt, sondern Tito hat ausgelöst durch die Liebesbeziehung mit Berenice einen tiefgreifenden inneren Wandel vom eiskalten, tyrannischen Massenmörder zum empfindsam-humanen Herrscher vollzogen. Dieser tiefe Bruch in seiner Persönlichkeitsentwicklung, diese innere Wende in seinem Leben, haben ihn überhaupt erst zur Legende werden lassen. Ohne das dramaturgische Anknüpfen an diese unverzichtbare Vorgeschichte ihrer so unglücklich endenden Liebe bliebe völlig ausgeblendet, „daß Titus schon zu Beginn der Oper tiefe Leidenszüge trägt, daß er, durch eine Tragödie geprägt ist, die sein Verhalten in der folgenden Handlung allein erklärt.“767 Erst mit der Liebe machte er die Erfahrung von persönlichem Glück und eigenem Leid, das in ihm die Fähigkeit weckte, für andere Menschen Mitleid zu empfinden. Die Liebeserfahrung ändert Titos Charakter. „Da die Liebe, wenn sie heftig ist, jeden Menschen empfindsam macht“,768 schreibt Carl Friedrich Puckel 1788 ganz im Empfindsamkeit als Motiv  289

Geiste der gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit der Spätaufklärung sich mehr und mehr durchsetzenden neuen Empfindsamkeit. Erst durch die Liebe hat Tito sein Herz entdeckt. Diese Entdeckung der Liebe geht einher mit der Entdeckung der Menschlichkeit, und nur sie allein erklärt fernab von allem politischen Kalkül die ‚Milde‘ des Tito. Die dadurch gewonnene Gewissheit um das eigene, empfindsame Herz ist nun stärker als jeder Herrschaftsanspruch, wie die in der Neufassung nun noch wesentlich gewichtiger gewordenen Metastasio-Verse Titos unzweifelhaft zum Ausdruck bringen, die so zentral sind für das gesamte Stück: TITUS: „Wenn für die Herrschaft, freundliche Götter, Ein strenges Herz vonnöten ist, Nehmt mir entweder die Herrschaft ab, Oder gebt mir ein anderes Herz.“769

Diese Verse Metastasios erhalten insbesondere durch die mozart’sche Vertonung eine zeitgemäße Akzentverschiebung ihres ursprünglichen Bedeutungsgehalts. Während bei Metstasio zum Schluss Titos Sieg über seine Affekte gefeiert wird, triumphiert bei Mazzolà/Mozart am Ende seine Empfindsamkeit. „Die Veränderung betrifft vor allem den Charakter des Titus. Seine Herrschermaximen – und mit ihnen überhaupt die ganze ‚Ideologie’ dieser Oper entsprachen nicht mehr dem Horizont des höfischen Publikums. Man erwartete eine opera seria nach eingespieltem metastasianischen Muster – und was wurde geboten? Eine Metamorphose des berühmten Librettos im Geiste der modischen Empfindsamkeit!“770

Mit diesen Worten umreißt Borchmeyer, der wie kein anderer auf die eminente dramaturgische Bedeutung der Berenice-Episode hingewiesen hat, die ohne Zweifel der Schlüssel zum Verständnis der Tito-Oper im Sinne des Zeitgeistes der neuen Empfindsamkeit ist, diese einschneidende Akzentverschiebung. Diese generelle „Humanisierung des Sujets“ (Borchmeyer) korrespondiert mit einer tendenziellen Vermenschlichung der Titus-Gestalt. Das Resultat ist keineswegs ein blutleeres ‚Monstrum an Güte‘, keine ‚Puppe der Großmut‘ (Einstein), und kein bleicher ‚Gipsabguß Sarastros‘ (Nagel), sondern ein durch Liebesglück und Liebesverlust ganz im Sinne Sarastros zum Menschen gewordener 290  Oper als politischer Appell

Herrscher. Damit entsprach Tito nun genau dem empfindsam-humanen Herrscherideal, das Mazzolà und Mozart für ihr Wunschbild einer auf Menschlichkeit und Clemenza gegründeten, aber als konstitutionelle Monarchie und nicht etwa als Republik gedachten Staatsutopie voraussetzten und für verbindlich erklärten. Die politisch-soziale Utopie und das bürgerliche Liebesideal des empfindsamen Zeitalters gehen eine enge Verbindung ein. An Servilia, die in dieser Oper als Aristokratin ersatzweise den fehlenden Buffa-Part der Liebenden aus nicht-adligem Stand zu übernehmen hatte, beeindruckte Tito nicht nur das furchtlose Eintreten für ihre wahren Gefühle und Empfindungen. Sie beeindruckte ihn zudem in ihrem unerschütterlichen Bekenntnis zu ihrer Liebe, die sich allen Zwängen der höfischen Etikette und des hierarchischen Machtgefüges entzieht und sich nicht einmal durch das Angebot, als Titos Gemahlin den Platz an seiner Seite einzunehmen, korrumpieren lässt. Dadurch erkennt er sich selbst in seiner tiefen, aber tragischen Liebe zu Berenice wieder. Dieses antiaristokratische, bürgerlich-romantische Liebesideal, das Servilia hier in einer Opera seria so unerschrocken repräsentiert, stellt eine tragende Säule der auf ihr errichteten brüderlich-humanen Staatsutopie dar. Hier in der Erfahrung reiner Liebe ist der Ursprungsort des empfindsamen Herzens zu suchen, das Tito für seine Herrschaft voraussetzt. Die Liebesutopie geht der politisch-sozialen voran. Die ersten, ganz von Harmonie und einem seligen Glücksgefühl durchdrungenen Töne der Oper lässt Mozart in Servilias Duett mit Annio „Ah perdona al primo affetto“ (Nr.  7) und in ihrer Arie „S’altro che lacrime“ (Nr.  21) erklingen. S. Kunze bemerkt zu diesen behutsamen Hymnen auf die Liebe, sie ließen „eine Durchsichtigkeit und Untrüglichkeit der Empfindung Wirklichkeit werden, in denen das Schöne als Erfüllung menschlichen Glücks erscheint. In diesen beiden Stücken ist man vielleicht dem Geheimnis der späten Werke Mozarts am nächsten, jenem Destillat aus Reife und Geistigkeit“.771

Dieser von tiefem Ernst und innerer Abgeklärtheit, von Melancholie und Schlichtheit getragene Spätstil, wie er vor allem in den Werken des Jahres 1791 so ergreifend zum Ausdruck kommt, kennzeichnet in besonderer Weise auch die so düster-traurig stimmende Musik von Mozarts letzter Oper La clemenza di Tito. Eingeleitet wurde diese WerkEmpfindsamkeit als Motiv  291

Reihe Anfang Januar von dem B-Dur Klavierkonzert (KV 595), das letzte, das Mozart vollendet hat. Für A. Einstein ist es das „musikalische Gegenstück seiner brieflichen Bekenntnisse, daß das Leben jeden Reiz für ihn verloren habe … Die Resignation bedient sich nicht mehr lauter oder starker Ausbrüche; alle Regungen der Energie werden abgewiesen oder abgedämpft; aber umso unheimlicher sind die Abgründe der Trauer, die in den Schattierungen und Ausweichungen der Harmonik berührt werden“772.

Und für Charles Rosen ist dieses „Werk des Abschieds“ (Einstein) „schweifend-lyrisch im Charakter, wird allmählich von ausdrucksvoller, gar schmerzlicher Chromatik durchsetzt, so daß diese bei Beginn der Durchführung alles beherrscht.“773

Noch kurz bevor er mit der Arbeit am Tito begann, komponierte Mozart im Juni das Ave verum corpus (KV 618) als ein weiteres Zeugnis seiner sich aus tiefster Empfindsamkeit und düsterer Schwermut speisenden, produktiven Schöpfungskraft seines letzten Lebensjahres. „Die kleine Motette … ist eins der bekanntesten Werke Mozarts geworden – so bekannt, daß man neben seiner seraphischen Schönheit seine Meisterschaft nicht mehr sieht: die ‚zweite’ Einfachheit, die Vollkommenheit der Modulation und Stimmenführung, welche leise Polyphonie als letzte Steigerung einführt“.774

Mozarts erschütternder Brief vom 7. Juli an Constanze verdeutlicht seinen von Melancholie und Wehmut bestimmten Seelenzustand, in dem er sich im Juli 1791 bei seiner Arbeit an der Zauberflöte und dem Tito befand: „ich kann Dir meine Empfindung nicht erklären, es ist eine gewisse Leere – die mir halt wehe thut; ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigen wird, folglich nie aufhört – immer fortdauert, ja von Tag zu Tag wächst; … und welch traurige, langweilige Stunden ich hier verlebe – es freuet mich auch meine Arbeit nicht, … – gehe ich ans Klavier und singe etwas aus der Oper (Zauberflöte, Anm. d. Verf.), so muß ich gleich aufhören – es macht mir zu viel Empfindung.“775

Diese sehnsuchtsvoll-schwermütig eingedunkelte Empfindsamkeit, die ja durchaus dem Zeitgeist entsprach, charakterisiert die musikalische 292  Oper als politischer Appell

Ausdrucksqualität der beiden im Sommer 1791 entstandenen Opern, die zukunftsweisend vorromantische Eigenschaften erscheinen lassen. Für Reinhard Kapp ist die Zauberflöte die erste romantische Oper.776 Die Komposition der Bildnis-Arie war „die Stunde, in der zum ersten Male einem Musiker sich auftat das Wunder der Romantik“.777 Ähnlich vorromantische Elemente seien auch im Tito zu entdecken, obwohl er der veralteten Gattung der Seria angehört, so z. B. die „gedämpfte Klanggestalt mit solistischem Bassett- und Bassklarinette“, schreibt Kapp in seinem Essay. Die Eindunkelung des Klangbildes, wie im späteren Klarinettenkonzert sowie bestimmte harmonische Wendungen seien „nicht mehr im Sinne des Unerwarteten und witzig Überraschenden, sondern der unversehenen Umfärbung und Verschattung aufzufassen und so haben sie die Romantiker übernommen.“778

Und in Titos Arie mit Chor (Nr. 15) „machte Mozart seinen Bühnenkaiser kurzerhand für ein Andantino von zweiundzwanzig Takten zum Sänger eines romantischen Liedes.“779 Neben Sestos Parto-Arie weist vor allem Vitellias Rondo mit obligatem Bassetthorn in die musikgeschichtliche Zukunft: „Hier ist schon die Klangwelt von Schuberts Lied Der Hirt auf dem Felsen oder Meyerbeers Kantate GLI AMORI DI TEOLINDA vorweggenommen, und den obligaten Einsatz der Klarinette finden wir auch bei Simon Mayr, dem frühen Rossini und Bellini wieder … Hohe Expressivität (Vitellia, Anm. d. Verf ) in Verbindung mit einer tiefen Sopran-Lage, über die sich nur selten ein Spitzenton erhebt, wird nicht nur die Leonore in Beethovens Fidelio und die Rezia in Webers Oberon prägen, sondern auch Wagners dramatischen Soprantypus nach dem Lohengrin“,780

schreibt Ulrich Schreiber in seinem Opernführer für Fortgeschrittene. Auch für Nikolaus Harnoncourt ist Mozart „bei Titus ganz neue Wege gegangen. Man kann nicht sagen: Mit dem Titus knüpft er kompositorisch an seine frühen Werke an, im Gegenteil, wenn ich mich mit dem Titus beschäftige, habe ich das Gefühl, daß Mozart hier eine neue, einfachere Tonsprache findet, ähnlich der in der Zauberflöte. Das wäre seine Tonsprache der Zukunft gewesen. Beide Opern sind für mich Visio-

Empfindsamkeit als Motiv  293

nen, wie Mozarts Weg auf dem Gebiet des Musikdramas ins 19. Jahrhundert hinein weitergegangen wäre…“.781

Zwischen der Zauberflöte und dem Tito bestehen vielfältige Verbindungen. Die kurz nach seiner Abreise aus Prag entstandene Ouvertüre der Zauberflöte ist für Einstein „zum Schwesterwerk“782 der Tito-Ouvertüre geworden. Anna Amalie Abert sieht eine musikalische „Motivgemeinschaft“ nicht nur zwischen der Zauberflöte und dem Tito, sondern zwischen allen Spätopern so unterschiedlicher Gattung, also auch zwischen Tito und Così fan tutte.783 Im Hinblick auf die Zauberflöte und ihrer motivischen Übereinstimmungen mit Tito sei es „gerade ihre Streuung über so viele Nummern wechselnden Affektgehalts“, die diese vielfältigen „Entsprechungen als Ausfluß einer höheren geistigen Gemeinsamkeit“ kennzeichnet, so dass der „Gedanke an eine bewußte Anknüpfung nahe“ 784 läge. Auch Daniel Heartz erkennt eine Vielzahl von Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten zwischen den beiden letzten Opern. So z. B. zwischen Sestos Taktreihe aus dem Duett Nr. 1 „Un dolce sguardo almeno/Sia premio alla mia fè!“ und Taminos Worten „(d)er Götter Wille mag geschehen, ihr Werk soll mir Gesetze sein“ aus dem Andante des Terzetts Nr. 19785 oder Paminas „Dein warten tödliche Gefahren!“ aus demselben Ensemble und Titos „tutto è tormento il resto“ aus seiner Arie Nr. 6. Auch René Jacobs meint, dass „es so etwas wie eine Osmose zwischen der Zauberflöte und La clemenza di Tito gibt, ist nicht zu leugnen,“ und „daß die beiden Opern, deren erste man in La Clemenza di Sarastro umtaufen könnte, von Mozart als Zwillingsopern konzipiert waren“.786 Auf die Ähnlichkeit der Protagonisten ist vielfach hingewiesen worden, so auf Sarastros Nähe zu Tito, die der Königin der Nacht zu Vitellia und Tamino zu Sesto. Neben einer ganzen Reihe von Entsprechungen in der musikalischen Gestaltung der Figuren überraschen „die Parallelen dieses strengen Seria-Dramas ausgerechnet zum fast chaotischen Handlungsverlauf der Zauberflöte. In beiden Libretti steht im Mittelpunkt der Intrige eine von Rache getriebene Frauengestalt „– die Königin der Nacht bzw. Vitellia – die den ersten und entscheidenden Impuls zur Handlung gibt. Sie stellt sich dem Prinzip des Edlen, Gütigen, Weisen – verkörpert durch Sarastro bzw. Titus – entgegen, um deren Macht zu zerstören, das Oberhaupt ermorden zu lassen und selbst die ihr zustehen-

294  Oper als politischer Appell

de Herrschaft zu übernehmen. Beide, Vitellia und die Königin der Nacht, bedienen sich bei ihrem Plan eines Jünglings – des Prinzen Tamino bzw. des Patriziers Sesto…“.787

Mit Verweis auf den „Humanitätsstil“ (Einstein) der mozart’schen Spätwerke bestätigt auch S. Kunze „gewisse äußere Parallelen zur Zauberflöte. So z. B. der feierliche Auftritt Titos mit Chor (Nr. 15), der sein ariöses Zwischenstück umrahmt: „Unverkennbar in der Transparenz der Klänge und in der letzten Klärung der Gebilde ist hier die Nähe zur Zauberflöte. Die dreiaktige Schlußfigur (T. 34, 36 und T. 72-Schluß) wirkt geradezu wie ein zeichenhafter Gruß aus der Zauberflöten-Welt.“788

Und auch der „Eintritt der Bläser“ beim Terzett Nr. 18 erinnert S. Kunze „deren fließender, transparenter Satz so sehr an den ZauberflötenKlang.“789 Verbindungen und Entsprechungen bestehen „wohl nicht zufällig“ auch zwischen dem Chorstück Nr. 15 und dem einige Wochen zuvor entstandenen Ave verum Corpus790 sowie zu dem Terzett „Soave sia il vento“ aus Così fan tutte791 und zu dem Adagio des Klarinettenkonzerts und der in diesen zeitlichen Zusammenhang gehörenden Freimaurerkantate (KV 623). „Die genannten Werke verbindet ein feierlicher Gebetston ohne jeden dramatischen Impuls, eine zeitentrückte Innerlichkeit, die das pulsierende Hier und Jetzt zu vergessen scheint … Die abgeklärte, wie aus der Ferne mild auf die Wirren des Lebens zurückschauende Getragenheit dieser Musik ist ein Signum des Mozartschen Spätstils … ihre Entrücktheit gründet in der Sublimierung von Leid, in Verinnerlichung und Todesbewußtsein.“792

Gerade im Tito überschattet der allgegenwärtige Tod das gesamte Handlungsgeschehen. „Die Todesschrecken werden darum intensiv gemalt, um die verzeihende Güte, die Erlösung von der Schuld umso strahlender erscheinen zu lassen.“793 Erst die musikdramatisch herausgearbeitete Kontrastwirkung des Todes verleiht der Milde des Tito ihren humanen Glanz. Die Todesnähe der Protagonisten findet ihren Widerhall in der alles überschattenden „Klangsymbolik des Todes“, die sowohl der Zauberflöte, wie auch allen anderen Kompositionen aus Mozarts letztem Jahr zugrunde liegt und diese miteinander in gleicher, wehmutsvoller Empfindsamkeit als Motiv  295

Stimmung vereint. Diese kleine Sammlung von Statements aus der Musikwissenschaft und Mozartforschung ist ein Beleg dafür, dass Mozarts La clemenza di Tito in das musikalische Beziehungsgefüge seiner Spätwerke voll und ganz integriert war und keineswegs ein isoliertes, aus der Zeit gefallenes ‚Relikt‘ der Operngeschichte, keinen musikalisch anachronistischen Monolithen darstellt, der in die Vergangenheit weisend in keinerlei Beziehung zu den in seiner zeitlichen Nähe entstandenen Kompositionen Mozarts steht. Die vielen Übereinstimmungen und Entsprechungen mit den anderen Werken seines letzten Lebensjahres zeigen im Gegenteil, dass Mozart sich mit seinem Tito nicht nur auf dem allgemeinen Entwicklungsniveau seiner Spätwerke befand, sondern, auch durch die, in der Oper enthaltenen präromantischen Elemente, die musikdramatischen Effekte, die bewusste Vereinfachung und absichtsvolle Schlichtheit, direkt in die operngeschichtliche Zukunft gewiesen hat. Gerade aufgrund seiner bewussten ‚Simplizität‘ und seiner humanen Feierlichkeit wurde Mozarts La clemenza di Tito immer wieder mit Goethes Torquato Tasso verglichen: Es ist diese gewisse griechische ‚Simplizität‘, „die Einfachheit, die stille Erhabenheit“ in der ganzen Musik, die das fühlende Herz leise, aber desto tiefer trifft,794 beschreibt schon Niemetschek die affektive Wirkungskraft dieser Musik, die auch noch einige Jahre später die Mutter Goethes bei einer Tito-Aufführung zu Tränen rührte, wie sie ihrem Sohn in einem Brief berichtete. „Historisch war sie (La clemenza di Tito, Anm. d. Verf.) ein höchst moderner Beitrag zur Verwandlung der metastasianischen Opera seria in die klassizistisch-heroische Oper der Jahrhundertwende, vergleichbar nicht den drei inkommensurablen Da-Ponte Opern, sondern den Opere-serie Cimarosas und Paisiellos. Jeder derartige Vergleich zeigt aber nur, wie unendlich hoch Mozarts Musik über der seiner italienischen Zeitgenossen steht“,795

urteilt Ludwig Finscher. Die Anpassung der frühaufklärerischen Ba­rock­oper an den musikalischen Zeitgeist, wie er im Wien der 1780er und 90er Jahre vor allem durch die italienischen Komponisten repräsentiert wurde, die Umgestaltung des Textes zum Zwecke seiner stärkeren Musikalisierbarkeit, so wie die generelle Simplifizierung der eingesetzten Tonsprache im Rahmen einer nun von Gesang und Orchesterklang dominierten und den Seria-Kanon sprengenden, zukunftsweisenden Oper, all dies muss Mozart gemeint haben, als er am 28. September den 296  Oper als politischer Appell

legendären Satz „ridotta à vera opera“ („umgestaltet zur wahren Oper“) in sein Werkverzeichnis eintrug.796 Denkbar wäre aber auch, dass er den Begriff „vera“ über den poetischkompositorischen Aspekt hinaus in einem erweiterten, aufklärerischfreimaurerischen Bedeutungszusammenhang verstanden hat, der die weltanschaulich-politischen Intentionen der Neugestaltung mit berücksichtigt, denn der freimaurerische Wahrheitsbegriff ist ein zentraler Baustein im Denkgebäude der Freimaurerei. Die Wörter „wahr“ und „Wahrheit“ gehörten in dieser Zeit zum Vokabular des freimaurerischen Diskurses. Sie werden z. B. bei der Namensgebung der Logen bevorzugt verwendet, wie „Wahre Eintracht“ und „Zur Wahrheit“. Dann wäre damit auch das gesamte politische Programm gemeint, das Mazzolà und Mozart ihrem musikdramatischen Appell an Leopold II. zugrunde gelegt haben und das Wort „vera“ damit automatisch ein politischer Begriff. Während seines letzten Aufenthalts in Prag stand Mozart in engem Kontakt zu seinen böhmischen Freimaurer-Freunden. Er besuchte mehrmals die Loge „Zur Wahrheit und Einigkeit“,797 bei dessen Gründer Graf Canal von Malabayla die Mozarts in dieser Zeit häufig eingeladen waren. Bei seinem letzten Besuch, nur einige Tage nach der Uraufführung des Tito am 10. September, wurde er von den in Zweierreihen Spalier stehenden Logenbrüdern warmherzig mit der Kantate „Maurerfreude“ (KV 471) empfangen, die er 1785 zu Ehren Ignaz von Borns komponiert hatte, dem Meister der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“. In seinen Dankesworten soll Mozart ein besseres und größeres Werk zur Huldigung des Maurertums angekündigt haben,798 womit er ohne Zweifel die Zauberflöte meinte, zu deren Fertigstellung er die Arbeit noch in Prag wieder aufgenommen hat.

Empfindsamkeit als Motiv  297

NACHKLANG Aufführungspraxis und Rezeption Für Mozart ist sein letzter Besuch in Prag durch die ablehnende Haltung, die das Kaiserpaar seinem Tito entgegen gebracht hatte, zum persönlichen Fiasko geworden. Er stand unter dem niederschmetternden Eindruck, nicht nur als Komponist mit seiner Krönungsoper gescheitert zu sein, sondern, und das war vielleicht im Kreise seiner Maurerfreunde für ihn noch schwerwiegender, auch als politisch engagierter Aufklärer und Freimaurer hatte er mit seinen musikdramatischen Anspielungen eine herbe Niederlage einstecken müssen. Mozart musste leidvoll erkennen, dass alle Hoffnungen auf eine Beendigung der Restauration und eine Rückkehr zur Reformpolitik vergeblich waren. Sein Traum von einer humanen Gesellschaft nach den Prinzipien freimaurerischer Brüderlichkeit schien zerplatzt zu sein. Gesundheitlich seit Antritt seiner Reise nach Prag sehr angeschlagen, befand Mozart sich nun Mitte September bei seinem Abschied auch seelisch in einer besonders niedergedrückten, wehmütigen und depressiven Stimmung, die in der Mozartliteratur immer wieder als Todesahnung gedeutet worden ist. „Beym Abschiede in dem Zirkel seiner Freunde war Mozart so wehmütig, dass er Thränen vergoss…“,799 schreibt Nissen. Doch Anfang Oktober erhielt Mozart einen Brief seines Freundes, dem Klarinettisten Anton Stadler aus Prag, in dem dieser berichtete, dass sein Tito bei der letzten Vorstellung am 30. September – das war genau der Tag, an dem in Wien die Uraufführung der Zauberflöte mit großem Erfolg stattgefunden hatte – ebenfalls mit viel Lob und Beifall vom Prager Publikum aufgenommen worden sei. Erleichterung und Genugtuung sprechen aus Mozarts Brief vom 7./8. Oktober, in dem er der in Baden weilenden Constanze die freudige Nachricht mitteilt: „das sonderbarste dabei ist, das den abend als meine neue Oper mit so ‚ vielen beifal zum erstenmal aufgeführt wurde, am nemlichen abend in Prag der Tito zum letztenmale auch mit ausserordentlichen beifall aufgeführt worden. – alle Stücke sind applaudirt worden. – der Bedini sang besser als 298  Nachklang

allezeit. – das Duettchen ex A von die zwei Mädchens wurde wiederhollet – und gerne – hätte man nicht die Marchetti geschonet – hätte man auch das Rondó repetirt – dem Stodla wurde/: O böhmisches Wunder! – schreibt er:/aus dem Parterre und so gar aus dem Orchestre bravo zugerufen.“800

Mit dem „Duettchen ex A“, das auf Wunsch des begeisterten Publikums wiederholt werden musste, war das Duett von Servilia und Annio „Ah perdona al primo affetto“ (Nr. 7) aus dem 1. Akt gemeint, das mit seiner „elegischen Zartheit“ und „feinen Transparenz“801 als kleines, meisterhaftes Kunstwerk in seiner ergreifenden Einfachheit dem musikalischen Geschmack eines breiteren Publikums und seinem bürgerlichen Ideal von empfindsamer Innerlichkeit und klassischer Schlichtheit entsprach. Seine geliebten Prager, die am Krönungsabend weitgehend von der TitoAufführung ausgeschlossen waren, blieben Mozart treu. Er muss sehr beglückt gewesen sein, dass er mit seiner Musik erneut ihren Geschmack getroffen hatte und sie ihn anscheinend in mehrfacher Hinsicht verstanden haben. Mozart hatte das, was sein Vater Leopold mehr als zehn Jahre zuvor im Hinblick auf die Komposition seiner frühen, so meisterhaften Opera seria, den Idomeneo, gefordert hatte, „das so genannte populare … das auch die langen Ohren Kitzelt“802 mehr zu berücksichtigen, in seiner letzten Seria, dem Tito, erfolgreich umgesetzt. Schon in den Monaten zuvor hatte er sich gemäß Schikaneders Rat, verständliche Musik für den breiteren Publikumsgeschmack zu schreiben, bei der Komposition der Zauberflöte um Vereinfachung und Klarheit bemüht. Aber es kann nicht nur die einfache Schönheit einzelner Musikstücke, es kann nicht nur der betörende Klang des Duetts, des Rondos oder einiger anderer Arien gewesen sein, die diesen überraschenden Erfolg beim nun überwiegend bürgerlichen Publikum bewirkt haben. Das Prager Bürgertum muss die musikdramatische Gesamtkonzeption und die ihr zugrunde liegenden weltanschaulich-politischen Intentionen, es muss auch den dramatischen Appellcharakter und die Revolutionsanalogie des 1. Finales, verstanden und gebilligt haben. Insofern scheint die positive Reaktion des nichtadligen Publikums auf eine höfisch-absolutistische Huldigungsoper auch eine Bestätigung dafür zu sein, dass Mazzolà und Mozart nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich eine Überwindung dieses konventionell-herrschaftskonformen, antibürgerlichen Operntypus weitgehend gelungen ist. Man könnte in diesem Zusammenhang in gewisser Weise von einer Art Rezeptions-Paradox Aufführungspraxis und Rezeption   299

sprechen: Das Publikum, für das die Oper in Auftrag gegeben und gedacht war, lehnte sie ab, dasjenige aber, das sie allein wegen ihrer inhaltlich-propagandistischen Zweckbestimmung hätte ablehnen müssen, begrüßte sie. Mit der inhaltlichen Umkehrung des musikdramatischen Herrscherlobs zu einem feierlichen Gesang auf die bürgerlichfreimaurerische Utopie, wie er im Finale des 2. Aktes vom Chor gemeinsam mit dem Monarchen angestimmt wird, kehrte sich auch das standesabhängige Rezeptionsverhalten in sein Gegenteil. Diese graduelle Verbürgerlichung des höfisch-aristokratischen Opernstoffs, bildet sowohl in musikalischer als auch in inhaltlicher Hinsicht die Voraussetzung für den nun mehr und mehr einsetzenden Erfolg der Oper und die ihr in ganz Europa entgegen strömende positive Resonanz und Wertschätzung beim Publikum. Den Pragern gefiel der Tito so gut, dass man diese Oper – und nicht etwa Don Giovanni oder Figaro – für die Abschiedsvorstellung wählte, als die italienische Opernbühne 1807 nach dem Tod seines letzten Impresarios Guardasoni aufgelöst wurde. Franz Alexander von Kleist, der am 6. September die Uraufführung am Krönungsabend in Prag als Zeitzeuge miterleben konnte, hat wie ein einsamer Sehender unter lauter Blinden, die außerordentliche Qualität dieses Meisterwerks schon damals sofort erkannt: „Am Abend war eine sehr schöne Oper „La Clemenza di Tito“ frei von den Ständen gegeben. Die Musik ist von Mozart und ganz ihres Meisters würdig; besonders gefällt er hier im Andante, wo seine Melodien schön genug sind, die Himmlischen herabzulocken.“803

Franz Xaver Niemetschek war ein weiterer Zeitgenosse, der geradezu enthusiastisch die besonderen Vorzüge dieser Oper in seiner Mozartbiografie hervorhob: „La Clemenza di Tito wird in ästhetischer Hinsicht als schönes Kunstwerk, für die vollendeteste Arbeit Mozarts gehalten. Mit einem feinen Sinne faßte Mozart die Einfachheit, die stille Erhabenheit des Charakters des Titus, und der ganzen Handlung auf, und übertrug sie ganz in seine Komposition … Die letzte Scene oder das Finale des 1. Aktes ist gewiß die vollkommenste Arbeit Mozarts; Ausdruck, Charakter, Empfindung wetteifern darinn den größten Effekt hervorzubringen. Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung der Töne, der Wiederhall der fernen Chöre – bewirkten bey jeder Aufführung eine Rührung und Täuschung, die bey Opern eine so seltene Erschei300  Nachklang

nung ist. Unter allen Chören, die ich gehört habe, ist keiner so fließend, so erhaben und ausdrucksvoll, als der Schlußchor im 2. Akte; unter allen Arien, keine so lieblich, so voll süßer Schwermuth, so reich an musikalischen Schönheiten, als das vollkommene Rondo in F, mit dem oblig. Bassethorne, Non più di Fiori im 2. Akte.“804… „Die Kenner sind im Zweifel, ob Titus nicht sogar den Don Giovanni übertreffe.“805

Das Publikum schien es ebenso empfunden zu haben, denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Tito bis in die Provinzstädte hinein mehr gespielt als der Don Giovanni und er galt für Jahrzehnte neben der Zauberflöte als beliebteste Oper Mozarts. 1801 schwärmt F. Horn: „jener namenlose Zauber, der wie leiser Blüthenhauch aus dem Lande wo die Citronen blühen über dem Ganzen schwebt, und alles einigt, und bildet, und sich selbst vollendet: von ihm läßt sich nur sagen, daß er da ist, aber man kann nicht darauf hinzeigen, wie auf das Unpoetische und Unmusikalische … ist hier die Synthese so rein, und beschlossen, daß der Kritiker es kaum wagen darf, zu analysieren…“806

Die zügige Verbreitung der Oper La clemenza di Tito in den 1790er Jahren ist vor allem den intensiven Aktivitäten von Constanze Mozart zu verdanken. Sie begann unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes damit, sein letztes „Meisterwerk“ entweder in Teilen konzertant auf von ihr organisierten Benefizveranstaltungen und Akademien oder als Ganzes auf der Opernbühne in verschiedenen österreichischen und deutschen Städten, zur Aufführung zu bringen, um für sich und ihre Kinder neben dem Kapellmeistergehalt, das der Kaiser ihr weiter zugebilligt hatte, zusätzliche Einnahmen zu erhalten. Noch im Dezember 1791 schrieb sie an Luigi Simonetti, dem ersten Tenor am Bonner Hof Maximilians: „Sie können sowohl la Clemenza di Tito als die Zauberflöte sehr bald von mir erhalten, sobald nämlich der Kopist die Abschrift vollenden kann. Ich verlange für eine Partitur 100 Kremnitzer Dukaten, und erwarte nächstens Ihren Entschluß.“807

In Wien wurde Tito zum ersten Mal im Kärntnertortheater am 29. Dezember 1794 aufgeführt. Constanze Mozart hatte die Veranstaltung in der Wiener Zeitung vom 13. Dezember selbst angekündigt:

Aufführungspraxis und Rezeption   301

„Die k. k. oberste Theatralhofdirektion hat der Unterzeichneten gnädig Erlaubt, in gegenwärtiger Adventzeit eine musikalische Akademie zu Ihrem Vortheile zu geben. Sie bestimmet hiezu eines der beßten und Letzten Werke ihres, für sie und die Kunst, zu früh verstorbenen Mannes, des Hofkammerkompositors, Wolfgang Amadé Mozart, nämlich die von ihm auf die Metastasische Oper La Clemenza di Tito, geschriebene, hier noch nicht aufgeführte Musik. Der allgemeine Beyfall, womit Mozarts musikalische Produkte jederzeit aufgenommen worden sind, macht sie hoffen, das verehrungswürdige Publikum werde auch die Aufführung eines seiner letzten Meisterstücke mit seiner Gegenwart beehren …“808 Mozart, gebohrene Weber

Mit der Ankündigung eines weiteren Tito-Konzertes in der Wiener Zeitung vom 18. März 1795 bedankt Constanze sich gleichzeitig für die äußerst positive Aufnahme durch das Publikum bei der letzten Aufführung: „Innigst gerührt von dem ungetheilten Beyfalle, welche die von ihr zur Adventzeit voriges Jahr veranstaltete Aufführung des letzten Meister-Werkes ihres sel. Gatten: La clemenza di Tito erhalten hat, findet sie sich verpflichtet, dafür den wärmsten Dank abzustatten“809

und auf vielfachen Wunsch des Publikums, die Oper erneut aufzuführen. Am 4. September 1795 gab Constanze mit ihrem Sohn Karl eine „große musikalische Akademie“ im Schauspielhaus in Graz, wo sie beide Teile des Titos konzertant aufführten.810 Im Herbst 1795 unternahm Constanze mit ihrer Schwester Aloisia Lange eine Konzert-Tour durch Deutschland. Das Programm ihres Konzerts im Gewandhaus in Leipzig am 11. November 1795 enthielt überwiegend Auszüge aus dem Tito, so z. B. das Terzett „Vengo, aspettate“, den Marsch, das Duett „Come ti piace, imponi“ sowie Rezitativ, Quintett mit Chor „Oh Dei, che smania è questa“.811 Geschickt weiß die geschäftstüchtige Witwe Mozarts die alten Verbindungen ihres verstorbenen Mannes für sich und die Verbreitung des Titos zu nutzen. Sobald sie auf ihrer Reise in Berlin angekommen war, wandte sie sich an den König Friedrich Wilhelm II., um von ihm die Erlaubnis für eine Aufführung der Clemenza im großen Opernhaus zu erwirken. Der König, dessen Lieblingsoper La clemenza di Tito war, erteilte ihr die Genehmigung. 302  Nachklang

Programm des Berliner Konzerts Heute Sonntag, den 28.Februar 1796 Durch die besondere Gnade s. Majestät des Königs Wird die Witwe des verstornenen Kapellmeisters Mozart Auf dem Königlichen Opern-Theater, unterstützt von den Königlichen Sängern und Sängerinnen, und der Königlichen Kapelle, die Ehre haben aufzuführen, das letzte Werk ihres verstorbenen Mannes: LA CLEMENZA DI TITO812

Am 7. Februar war die Oper in Hamburg aufgeführt worden und am 26. Mai 1796 kam sie in Dresden in der deutschen Übersetzung von Johann Friedrich Rochlitz heraus. Im November 1797 wurden Auszüge aus Tito im altstädtischen Nationaltheater in Prag gespielt. Schon im Februar 1794 hatte Frau Duschek anlässlich eines von den „Rechtshörern der Universität im Konviktsaale“813 veranstalteten Konzertes „das himmlische Rondo der Vitellia aus der Opera seria „la clemenza di Tito von Mozart“ vorgetragen. „Von manchem edlen Auge floß eine stille Thräne um den geliebten Mann. Mozart scheint für Böhmen geschrieben zu haben, nirgends verstand und exequirte man besser seine Musik als in Prag und selbst auf dem Lande ist sie allgemein beliebt …“,

berichtet die „Prager Zeitung“.814 Zwischen 1798 und 1801 gab es nicht weniger als zwölf Tito-Produktionen in Deutschland und Österreich.815 In den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kam die letzte Oper Mozarts europaweit zur Aufführung. 1802 wurde Tito von Goethe zur Eröffnung des neuen Theaters in Lauterstädt inszeniert. Es folgten Paris, Mailand, St. Petersburg und andere Metropolen Europas. Nach der italienischen Erstaufführung der Oper am 26. Dezember 1816 im Teatro Re in Mailand wurde neben der guten Sängerleistung auch die musikalische Ausdruckskraft Mozarts vor allem am Ende des 1. Aktes in einem Zeitungsbericht hervorgehoben. Die Allgemeine musikalische Zeitung vom 5. März 1817 schrieb:

Aufführungspraxis und Rezeption   303

„Die Decorationen des Hrn. Pedroni waren schön genug: doch fehlte die Hauptdecoration – der Brand des Capitoliums, welcher blos sehr unbestimmt durch schnelles Erscheinen und Verschwinden einer Flamme angedeutet wurde; doch spricht die Musik des ersten Finale allzu deutlich, als dass man zum Verständnis der Hülfe der Augen bedürfte.“816

1806 wurde Tito als erste Mozart-Oper überhaupt in London aufgeführt. Die oftmals gravierenden Umgestaltungen des Librettos sowie die willkürlichen musikalischen Änderungen durch beliebige Einlagen fremder Komponisten, mögen das zur Mitte des 19.  Jahrhunderts zunehmende Desinteresse an der Oper mit befördert haben. Bis ca. 1820 erreichte La clemenza di Tito den Gipfel ihres Erfolges. Danach wurde sie immer seltener auf den größten Bühnen der europäischen Metropolen gespielt. Die neuen Werke Rossinis, Donizettis und Bellinis verdrängten Mozarts Tito immer stärker aus den Opernhäusern. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts geriet die Oper bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ganz in Vergessenheit. Es schien, als laste der Name Metastasio, der zum Synonym der als veraltet geltenden Opera seria geworden war, wie ein Fluch auf Mozarts Tito. Die ablehnenden Vorbehalte gegenüber der Oper, die vor allem durch die „romantische kritische Tradition“817 der Mozart-Biographen Otto Jahn und Alexander Ulibischev, beeinflusst von Richard Wagners theoretischer Schrift Oper und Drama, bis in unsere Zeit transportiert worden sind, haben sich bis heute teilweise erhalten. H. Abert meinte zu wissen, dass Mozart im Idomeneo noch an seine künstlerische Mission auch auf dem Gebiet der Seria glaubte, ein Welt, die im Tito längst hinter ihm lag und ihm zur reinen Berufspflicht geworden war, die sein Innerstes nur noch partiell, aber nicht mehr im Ganzen erregte. Vor allem Wolfgang Hildesheimer ließ seiner Abneigung gegen diese letzte Mozart-Oper in längeren Textpassagen freien Lauf: Ihm erscheinen die Figuren der Clemenza, Nachzügler einer Gattung, tatsächlich darauf angelegt zu sein, die Opera seria ad absurdum zu führen. Die Grenzen zwischen dem Erhabenen und dem Lächerlichen seien beide verwischt. Dem hält Joachim Kaiser entgegen:

304  Nachklang

„Es gehört weit mehr Musikalität dazu, die zarten Differenzierungen der Titus-Geschöpfe zu begreifen und ästhetisch zu erleben, als den Figaro zu lieben. Für Cherubino oder Zerlina zu schwärmen, das ist leicht, das kann auch der stumpfste Opernbesucher: Aber zu ahnen, wieviel sublime zurückhaltend artifizielle Reinheit und Innigkeit in den Titus einging – dazu bedarf es empfindsamster Wachheit. Die Wunder des Titus entdeckt man, wenn überhaupt, erst spät. Sie sind eine Überraschung für jene älter werdenden Mozartianer, die über Mozarts Meisteropern informiert zu sein meinen und nun Geheimnissen begegnen.“818

Eine Wiederentdeckung und Rehabilitierung dieses auch von der traditionellen Mozartforschung zu Unrecht missachteten Meisterwerks wurde erst mit der Inszenierung des französischen Regisseurs Jean-Pierre Ponnelle 1969 in Köln eingeleitet, der sich sehr engagiert für diese Oper einsetzte. 1974 inszenierte Winfried Bauernfeind die Clemenza in der Deutschen Oper Berlin als eine Allegorie auf die habsburger Kaisermacht. Leopold II., der Adressat der Oper, war Titus. Sein Palast stand nicht in Rom, sondern war das Schloss Schönbrunn in Wien. Im Finale des ersten Aktes brannte nicht das Kapitol, sondern die Wiener Karlskirche, die Karl VI., für den Metastasio das Libretto geschrieben hatte, bauen ließ.819 Trotz der vielfältigen Beziehungen zu den anderen Spätopern und den Kompositionen seines letzten Lebensjahres, stellt dieses Meisterwerk Mozarts innerhalb seines gesamten Opernschaffens eine Besonderheit, einen musikdramatischen Solitär dar, denn keine andere Oper Mozarts ist, zu Unrecht, so missverstanden worden wie sein Tito, keine andere ist von einer derart melancholisch-traurigen Gestimmtheit wie diese, und keine ist so politisch wie seine La clemenza di Tito.

Aufführungspraxis und Rezeption   305

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Bspw. Stefan Kunze (1996a): Mozarts Opern, Stuttgart 1996. S. 527. Wolfgang Amadeus Mozart: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. 1787– 1857. Gesamtausgabe, gesammelt und erläutert von Wilhelm A. Bauer und Otto Erich Deutsch, hrsg. v. d. Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg/Ulrich Konrad, erweit. Ausgabe von Joseph Heinz Eibl, Kassel 2005, (Bd. 2–4.) hier: Bd. 4, S. 360. Jan Assmann: Die Zauberflöte. Oper und Mysterium, Frankfurt a. M. 2008. S. 106–115. Rudolph Angermüller (Hrsg.): Wolfgang Amadeus Mozart. Sämtliche Opernlibretti, 2. Aufl., Stuttgart 2005, S. 994. Assmann (2008), S. 108. Fritz Hennenberg: Wolfgang Amadeus Mozart, Leipzig 1976, S. 65. Ebd., S. 65 und Maynard Solomon: Mozart. Ein Leben, 3. Aufl., Kassel 2006, S. 324. Hennenberg (1976), S. 65 und Assmann (2008), S. 19. Solomon (2006), S. 320 und S. 546, Anm. 15. Ebd., S. 319; Vgl. Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien, 2. Aufl., München 2006, S. 260ff. und ders.: Mozart und die Freimaurerei, in: Moritz Csáky/Walter Pass (Hrsg.): Europa im Zeitalter Mozarts. (Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, Bd. 5.), Wien/Köln/Weimar 1995, S. 315ff. Paul Nettl: W. A. Mozart Als Freimaurer und Mensch, Hamburg 1956, S. 41 und Solomon (2006), S. 320. Helmut Perl: Der Fall Zauberflöte. Mozarts Oper im Brennpunkt der Geschichte, Darmstadt 2000, S. 98. Ebd., S.98. Wolfgang Amadeus Mozart: Eigenhändiges Werkverzeichnis. Faksimile, Einf. u. Übertrag. v. Albi Rosenthal und Alan Tyson, Kassel et al. 1991, S. 57. Solomon (2006), S. 325; S. auch Braunbehrens (2006), S. 284. Nach Solomon ist der Text nicht, wie Braunbehrens behauptet von Schikaneder, sondern von einem unbekannten Logenbruder. Braunbehrens (2006), S. 2. Ebd., S. 283; Vgl. auch Perl (2000), S. 102ff. Perl (2000), S. 102ff. Es ist davon auszugehen, dass Mozart, wie viele andere, verdeckt Kontakte pflegte und Überzeugungen austauschte. Vgl. Perl (2000), S. 45. Ebd., S. 116.

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Ebd., S. 112. Ebd., S. 113. Hennenberg (1976), S. 256. Ulrich Konrad/Martin Staehelin: Allzeit ein Buch. Die Bibliothek W. A. Mozarts. Acta humaniora, Weinheim 1991, S. 12. Ulrich Konrad: Mozart als Leser, in: Laurenz Lütteken und Hans-Joachim Hinrichsen (Hrsg.): Lebenswelten, Kassel 2008, S. 163. Mozart (2005), Bd. 2, S. 199. Mozart (2005), Bd. 3, S. 268. Vincent und Mary Novello: A Mozart Pilgrimage, Rosemary Hughes (Hrsg.), London 1955, S. 95; siehe Otto Erich Deutsch: Mozart. Die Dokumente seines Lebens, Kassel et al. 1961. S. 462. Ebd., S. 462. Konrad (2008), S. 161; siehe auch ders./Staehelin (1991), S. 39. Dies. (1991), S. 39. Ebd., S. 39. Herbert Zeman: Die literarische Welt Wolfgang Amadeus Mozarts, in: Knispel, Claudia Maria/Gernot Gruber (Hrsg.): Das Mozart-Handbuch. Bd. 5, Mozarts Welt und Nachwelt, Laaber 2009, S. 161. Konrad (2008), S. 164. Brief an Bullinger vom 20. Juli 1778 in: Mozart (2005), Bd. 2, S. 410. Ausführlich hierzu Georg Knepler: Wolfgang Amadé Mozart. Annäherungen, 2. Aufl., Berlin 2005, S. 36. Hierzu Leslie Bodi: Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österreichischen Aufklärung 1781–1795, Frankfurt a. M. 1977, S. 117ff. Ebd., S. 252. Ebd., S. 398f.; Hierzu auch Konrad (2008), S. 170 und Knepler (2005), S. 36. Bodi (1977), S. 399. Perl (2000), S. 164. Brief vom 9. Juni 1781 an Leopold Mozart in: Mozart (2005), Bd. 3, S. 126. Ebd., S. 124. Zitiert nach Volkmar Braunbehrens: Mozart. Ein Lebensbild, München 1994, S. 61. Brief vom 12. Juli 1789 an Puchberg, Mozart (2005), Bd. 4, S. 92. Knepler (2005), S. 361; Vgl. zu dem Brief Mozarts auch Braunbehrens (1994), S. 82. Mozart (2005), Bd. 3, S. 187f., vom Dezember 1781; Vgl. hierzu auch Braunbehrens (2006), S. 346; Knepler (2005), S. 365; Wolfgang Hildesheimer: Mozart, Frankfurt a. M. 1977, S. 305f.; Howard C. Robbins Landon: Anmerkungen  307

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Mozart. Die Wiener Jahre 1781–1791, München 1990; engl. Ausg. ders.: Mozart. The Golden Years, London 1989, S. 180 ff. Brief vom 12. Juli 1789 an Puchberg, in: Mozart (2005), Bd. 3, S. 92. Vgl. Braunbehrens (2006), S. 83; Vgl. Knepler (2005), S. 365; Vgl. Hans Erich Bödeker: Mäzene, Kenner, Liebhaber. Strukturwandel des musikalischen Publikums in Deutschland im ausgehenden 18. Jahrhundert. Ein Entwurf, in: Csáky/Pass (1995), S. 159; Vgl. Ludwig Finscher: Zur Struktur der europäischen Musikkultur im Zeitalter der Aufklärung, in: ebd., S. 197; Vgl. Harald Haslmayr: Wien 1781 bis 1791 – Verbürgerlichung der Musik? in: ebd., S. 311. Brief vom 16. Januar 1782 an Leopold,in: Mozart (2005), Bd. 3, S. 193. Ebd., S. 194. Brief vom 10. April 1782, in: ebd., Bd. 3, S. 201. Ebd., S. 220. Vgl. Norbert Elias: Mozart. Zur Soziologie eines Genies, Frankfurt a. M. 1991, S. 27. Mozart (2005), Bd. 3, S. 127. Brief vom 20. Juni 1781, in: ebd., S. 133. Ebd., S. 133. Norbert Elias (1991), S. 27. Zitiert nach Solomon (2006), S. 303. Zitiert nach ebd., S. 464. Braunbehrens (2006), S. 268. Ebd., S. 227. vgl. Piero Melograni: Wolfgang Amadeus Mozart. Eine Biographie, München 2005, S. 257–259; auch für Braunbehrens ist die Entstehung der Oper „ohne Auftrag kaum denkbar“, siehe Braunbehrens: Mozart (1994), S. 92. Braunbehrens (2006), S. 230. Ebd., S. 231. Walter Brauneis: Mozarts Anstellung am kaiserlichen Hof in Wien. Fakten und Fragen, in: Herbert Lachmayer (Hrsg.): Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Essayband zur MozartAusstellung des Da-Ponte-Instituts, Ostfildern 2006, S. 562f. Bei Brauneis wird diese Begründung als ein Ausspruch des Grafen Ugarte zitiert. Mozart (2005), Bd. 4, S. 107; Der Brief ist aus der ersten Hälfte vom Mai 1790; Hierzu die interessanten Ausführungen von Brauneis zu der Frage, ob Mozart eigentlich bei Erzherzog Franz angestellt war vgl. Brauneis (2006), S. 565. Das Amt eines kaiserlichen Kammer-Kompositeurs mit der alleinigen Verpflichtung Tänze für den Redoutensaal zu komponieren reichte ihm bei

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weitem nicht. Diese Bewerbung um ein bedeutenderes Hofamt mag auch darauf verweisen, dass die These von Brauneis, Mozart sei bei Erzherzog Franz angestellt oder zumindest ihm zugeordnet gewesen, ihre Berechtigung hat. Vgl. Brauneis (2006) S. 559. 70 Brief vom 8. Oktober 1790 an Constanze, Mozart (2005), Bd. 4, S. 118. 71 Brief vom 30. September 1790 an Constanze, ebd., S. 114. 72 Ebd., S. 118. 73 Braunbehrens (2006), S. 385. 74 Howard C. Robbins Landon: 1791 – Mozarts letztes Jahr, 2. Aufl., Düsseldorf 1991 (1991a), S. 67. 75 Brief von Anfang Mai 1791, Mozart (2005), Bd. 4, S. 131. 76 Hildesheimer (1977), S. 305. 77 Georg Nikolas von Nissen: Biographie W. A. Mozarts, Hrsg. von Constanze Nissen, Hildesheim 1964, S. 673. 78 Melograni (2005), S. 91. 79 Mozart (2005), Bd. 4, S. 104. 80 Braunbehrens (2006), S. 387. 81 Vgl. Konrad Küster: W. A. Mozart und seine Zeit. (Große Komponisten und ihre Zeit) Laaber 2001, S. 387, der sich auf ein Schikaneder-Zitat bei Nissen bezieht. 82 Hildesheimer weist darauf hin, dass es für Einstein c-Moll war, Hildesheimer (1977), S. 173. 83 Vgl. hierzu ebd., S. 174, Hildesheim gibt den Hinweis, dass die einige Wochen später vollendete Fantasie für Klavier in c-Moll KV 475 ebenfalls die düster-melancholische Stimmung betone. 84 Alfred Einstein: Mozart. Sein Charakter. Sein Werk, Frankfurt a. M. 1968, S. 323. 85 Ebd., S. 326. 86 Mathias Walz: Klavierkonzert c-moll KV 491, in: Harenberg Konzertführer, 4. Aufl., Dortmund 1999, S. 557f. 87 Einstein (1968), S. 328. 88 Ebd. 89 Hildesheimer (1977), S. 171. 90 Landon (1990), S. 197. 91 Zitiert nach Braunbehrens (2006), S. 295. 92 Ebd., S. 295. 93 Ebd., S. 292. 94 Ebd., S. 293. Es ist das große Verdienst von Volkmar Braunbehrens, dass er als einer der Ersten im Widerspruch zu Einstein und Hildesheimer, sowie weiteren früheren Mozartforschern, den Gesellschaftsbezug in den VorderAnmerkungen  309

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grund seiner Untersuchungen und den historischen Kontext ins Zentrum seiner Untersuchungen gerückt hat. Ebd., S. 296. Küster (2001), S. 404. Brief vom 12. Juni, in: Mozart (2005), Bd. 4, S. 137. Vgl. Francis Carr: Mozart und Constanze, Ü. und hrsg. v. Dietrich Klose, Stuttgart 1986, S. 206ff. Von 60 Briefen aus dem Sommer und Herbst 1791 sind nur 21 erhalten. Vgl. Dorothea Leonhart: Mozart. Eine Biographie, Zürich 2004, S. 262. Brief vom 7. Juli 1791 in: Mozart (2005), Bd. 4, S. 150. Robert Joseph Kerner: Bohemia in the Eighteenth Century, New York 1969, S. 105. Franz Giegling, Wolfgang Amadeus Mozart. Kritische Berichte. La Clemenza di Tito, Kassel 1994, Bd. 20, S. 18. Harald Salfellner: Mozart und Prag; Prag/Furth im Wald 2000, S. 67, in italienischer, welscher Sprache. Paul Nettl: Mozart in Böhmen, 2. vollst. neubearb. und erw. Aufl., hrsg. v. Rudolf von Procházka, Prag 1938, S. 183; Die Oper war von Joseph Fux: Costanza e Fortezza. John A. Rice: W. A. Mozart. La Clemenza di Tito, Cambridge 1991, S. 5. Robert Joseph Kerner: Bohemia in the eighteenth century. A study in political, economic and social history. With special reference to the reign of Leopold II. 1790–1892, Reprint, New York 1969, S. 112; Vgl. auch Rudolph Angermüller (2006a): Chronik der Prager Krönungsfeierlichkeiten 1791, in: Lachmayer (2006), S. 743. Tomislav Volek: Über den Ursprung von Mozarts Oper „La Clemenza di Tito“, in: Mozart-Jahrbuch des Zentralinstitutes für Mozartforschung der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg (MJ), Kassel/Basel et al. 1959, S. 286. Landon (1991a), S. 110 u. 112; ital. Text bei Volek (1959), S. 281f. Stefan Kunze: Die Opera Seria und ihr Zeitalter. Enführungsreferat, in: Friedrich Lippmann (Hrsg.): Colloquium Johann Adolf Hasse und die Musik seiner Zeit (Siena 1983). (Analecta Musicologica, Bd. 25), Laaber 1987. S. 1–15. Landon (1991a), S. 113. Haydn Jahrbuch, Bd. 15, S. 153–157, hier zitiert nach Landon (1991a), S. 108; Acta musicalia 1984. John A. Rice: Antonio Salieri and Viennese Opera, Chicago 1998, S. 507. Ebd., S. 500 u. 495f.: “Musikgraf Ugarte will indeed be under the direction of the Obersthofmeister; but in matters concerning the direction of the

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theater he will be under my authority alone.” Auch Da Ponte berichtet über ein Treffen mit Leopold über eine ähnliche Feststellung des Kaisers. Siehe: Lorenzo da Ponte: Geschichte meines Lebens. Mozarts Librettist erinnert sich, Ü. und hrsg. v. Charlotte Birnbaum, Frankfurt a. M. 2005, S. 169–172. Richard Bletschacher: Mozart und da Ponte, Chronik einer Begegnung, Salzburg 2004, S. 167. Da Ponte (2005), S. 171f. Volek (1959), S. 284. Ebd., Anm. 31. Ebd., S. 285. Anm. 33 unten. Tomislav Volek: Mozart-Rezeption in Böhmen, in: Loos, Helmut/Möller, Eberhard (Hrsg.): Musikgeschichte in Mittel- und Osteuropa. Mitteilungen der internationalen Arbeitsgemeinschaft an der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der internationalen Arbeitsgemeinschaft für die Musikgeschichte in Mittel- und Osteuropa an der Universität Leipzig, Chemnitz 1997, Bd. 1, S. 9ff.; Vgl. ders.: Mozartsche[n] Spuren in böhmischen und mährischen Archiven, Prag 1991 (1991a) S. 3–51. Helga Lühning: Zur Entstehungsgeschichte von Mozarts „Titus“. Bemerkungen zu dem Beitrag von Helga Lühning, in: Die Musikforschung, 1974, Jg. 27, H. 3, S. 308, Anm. 39. Ebd., S. 308 Anm. 40; Vgl. auch die Kritik an Lühnings Darstellung bei Volek (1959), S. 285 und bei Joseph Heinz Eibl: Zur Entstehungsgeschichte von Mozarts „Titus“. Bemerkungen zu dem Beitrag von Helga Lühning, in: Die Mozartforschung, 1975, Bd. 28, H. 1, S. 75ff. u. ebd., H. 3., S. 311ff. Braunbehrens (2006), S. 317. Vgl. ebd., S. 318 – So der Prager Harfenist, Joseph Häusler, der jeden Abend Arien aus dem Figaro spielte, sagte, Mozart sei ein böhmischer Komponist. Hubert Weitensfelder: Studium und Staat. Heinrich Graf Rottenhan und Johann Melchior von Birkenstock als Repräsentanten der österreichischen Bildungspolitik um 1800. Wien 1996, S. 77. Braunbehrens (2006), S. 318. Rudolph Angermüller (2006b): Mozarts freimaurerische Freunde in Prag, in: Lachmayer (2006), S. 525–531. Ebd., S. 527. Ebd., S. 526. Nettl (1956), S. 184. Angermüller (2006b), S. 530. Weitensfelder (1996), S. 80f. Einige Jahre später tat er alles, um ein Übergreifen der Französischen Revolution mit allen Mitteln, auch durch verschärfte Zensur, zu verhindern. Anmerkungen  311

132 Nettl (1938), S. 184; auch Nettl (1956), S.184. 133 Helga Peham: Leopold II. Herrscher mit weiser Hand. Graz/Wien/Köln 1987, S. 354; Vgl. auch Ernst Wangermann: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen, Wien 1966, S. 82ff. 134 Landon (1991a), S. 110. 135 Die These von Braunbehrens, dass Guardasoni das Metastasio-Libretto Tito in den Vertrag aufnehmen ließ, erscheint vor dem Hintergrund der geschilderten politischen Prozesse der Auswahl und der unterschiedlichen Kompetenzen bei der Themenbestimmung, als nicht sehr plausibel. 136 Vgl. hierzu weiter unten das Kapitel über die ‚clementia Austriaca‘, wo der Zusammenhang noch deutlicher beleuchtet wird. 137 Niemetschek, Franz Xaver. Ich kannte Mozart. Die einzige Biografie von einem Augenzeugen, München 2005, S. 48. 138 Friedrich Rochlitz: Anekdoten aus Mozarts Leben, in: Allgemeine Musikalische Zeitung, 1798/99, H. 1, S. 151 zitiert bei Stefan Kunze: Mozarts Opern, Stuttgart 1996 (1996a), S. 529; fast identischer Text bei Nissen (1964), S. 556. 139 Landon (1991a), S. 128; Vgl. Salfellner (2000), S. 218. 140 Lühning (1974), S. 315. Zunächst mit Mazzolà. Lühnings ausführliche Untersuchungsergebnisse haben die Entstehungsfrage dieser Oper in der Mozartliteratur maßgeblich bestimmt. 141 Ebd., S. 315. 142 Nettl (1938), S. 185; desweiteren Rudolph Angermüller: Mozart auf der Reise nach Prag, Dresden/Leipzig et al. 1995, S. 220. 143 Landon (1991a), S. 110. 144 Lühning (1974), S. 315. 145 Volek (1959), S. 282; 600 Gulden hatte Guardasoni schon vor der Reise nach Wien erhalten. 146 Zur leserfreundlicheren Differenzierung der Namensbezeichnungen werden die Rollenbezeichnungen im Folgenden an den italienischen und französischen Dramen- und Librettovorlagen orientiert (Tito vs. Titus, Berenice vs. Bérénice etc.), die antiken Gestalten in gebräuchlicher Form (Titus, Berenike, Sextus etc.) verwendet, Werkbezeichnungen durch Kursivierung gekennzeichnet. 147 Landon (1991a), S. 110. 148 Helga Lühning: La Clemenza di Tito (KV 621) – Mozarts Rückkehr zur Opera seria, in: Dieter Borchmeyer/Gernot Gruber (Hrsg.): Das MozartHandbuch, Bd. 3.1, Mozarts Opern, Laaber 2007 (2007a), S. 243. 149 Diese Ausführungen basieren auf den zitierten Texten von Lühning, Volek und Landon. 312  Anmerkungen

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Alan Tyson: Mozart. Studies of the Autograph Scores, Cambridge 1987. Ebd., S. 54; auch Landon (1991a), S. 121 und Anhang D, S. 258. Lühning (1974), S. 317. Brief vom 10. April 1789 an Constanze, in: Mozart (2005), Bd. 4, S. 80, Volek (1959), S. 275. Ebd., S. 275. Eibl (1975), S. 75. Tyson (1987), S. 56f. Kunze (1996a), S. 548. Rice (1991), S. 9 und Rice (1998), S. 501ff. Vgl. Rice (1998), S. 507 „Italianization“. Marita P. McClymonds: Mozart’s La Clemenza di Tito and Opera Seria in Florence as Reflection of Leopold II.’s Musical Taste, in: MJ (1984/85), S. 65. 162 Helga Lühning: Das Dramma Per Musica La Clemenza Di Tito von Pietro Metastasio, in: Borchmeyer, Dieter/Gruber, Gernot (Hrsg.): Das MozartHandbuch, Bd. 3.2, Mozarts Opern, Laaber 2007 (2007b), S. 855. 163 Camillo Schaefer: Gewaltig viele Noten. Die Musik der Habsburger, 1996, S. 119. 164 Ebd., S. 119f. 165 Ebd., S. 124; vgl. Kunze (1996a), S. 523; dort Voltaire zitiert nach: ‚Dissertation sur la tragédie ancienne et moderne’, Anm. S. 665, in: Oevres Complete, Hrsg. v. C. Molad. 166 Kunze (1996a); siehe auch Schaefer (1996), S. 124. 167 Christine Siegert: Cherubini in Florenz. Zur Funktion der Oper in der toskanischen Gesellschaft des späten 18. Jahrhunderts. (Analecta Musicologica, Bd. 41), Laaber 2008, S. 148. 168 Brief vom 13. Oktober 1781 an den Vater, in: Mozart (2005), Bd. 3, S. 167. 169 Brief vom 28. Mai 1764, in: Mozart (2005), Bd. 2, S. 152. 170 Melograni (2005), S. 44. 171 Ebd. 172 Einstein (1968), S. 371. 173 Mozart (2005), Bd. 2, S. 420. 174 Christine Siegert: Mozarts frühe Studien. Konzert-Arien. Einlagen, in: Borchmeyer/Gruber (2007a), S. 513; Vgl. auch Helga Lühning: Mozart und Metastasio, in: Händel Jahrbuch, Kassel 1999, Bd. 45, S. 96–116. 175 Brief vom 28. Februar 1778 an Leopold Mozart, in: Mozart (2005), Bd. 2, S. 303. 176 Brief vom 10. Februar 1770 von Leopold Mozart an seine Frau, in: Mozart (2005), Bd. 1, S. 312; Vgl. auch Leopold Mozart: Italien. 1769/71, 1771, Anmerkungen  313

1772/73. Mit Wolfgangs Nachschriften. Hrsg. v. Richard Pichls. (Angerer, Paul (Hrsg.): Mozart auf Reisen. Die Reisebriefe Leopold Mozarts), Weitra 2006, S. 43. 177 Brief vom 26.1.1770 an seine Schwester, in: Mozart (2005), Bd. 1, S. 310. 178 Iwo und Pamela Zaluski: Mozart in Italy, London 1999, S. 189. 179 Zeman (2009), S. 163. 180 Panja Mücke: Zwischen ‚Serenata’ und ‚Dramma per Musica’: Il Re Pastore, (KV 208) in: Borchmeyer/Gruber (2007a), S. 213–225. 181 Brief vom 5. Dezember 1772 aus Mailand, in: Mozart (2005), Bd. 1, S. 465. 182 Nachtrag zum Brief vom 7. Februar, in: Mozart (2005), Bd. 2, S. 265. 183 Mozart (2005), Bd. 2, S. 47. 184 Ebd., S. 254. 185 Ebd. 186 Einstein (1968), S. 376. 187 Brief vom 16. Juni 1781, in: Mozart (2005), Bd. 3, S. 132. 188 Brief vom 18. April 1781, in: ebd., S. 108. 189 Einstein (1968), S. 420. 190 Ebd., S. 421. 191 Ebd., S. 422. 192 Brief an Leopold aus München vom 3. Januar 1781, in: Mozart (2005), Bd. 3, S. 79. 193 Kunze (1996a), S. 112. 194 Konrad Küster: Mozart. Eine musikalische Biographie, 2. Aufl., Stuttgart 1991, S. 147. 195 Kunze (1996a), S. 527. 196 Einstein (1968), S. 586. 197 Konrad Küster: W. A. Mozart und seine Zeit, Laaber 2001, S. 326. 198 Siegert (2007), S. 525. 199 Ebd., S. 525. 200 Kunze, a. a. O. S. 527. 201 Küster (2001), S. 325ff. 202 Sueton Tranquillus: Das Leben der römischen Kaiser, Hrsg. und übersetzt von Hans Martinet, Düsseldorf 2001, S. 454. 203 Lucius Annaeus Seneca: De clementia/Über die Güte, Nachdruck, Ü. und hrsg. v. Karl Büchner, Stuttgart 2007, S. 33, siehe Anm. S. 91; die Verschwörung wird auch von Cassius Dio berichtet. 204 Tacitus, Hist. IV, 63 zitiert bei Veronika Pokorny: Clementia Austriaca. Studien zur besonderen Bedeutung der Clementia principis für das Haus Habsburg, Diss., Wien 1973, S. 4. 205 Ebd., S. 6. 314  Anmerkungen

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Seneca (2007), S. 77. Ebd., S. 21. Ebd., S. 13. Ebd., S. 11. Hans-Joachim Fritz: Vitruv, Architekturtheorie und Machtpolitik in der römischen Antike, Münster 1995, S. 125; Vgl. vor allem: Ernst Kornemann: Zur Geschichte der antiken Kaiserkulte, in: Ferdinand Friedrich Carl Lehmann-Haupt (Hrsg.), Beiträge zur Alten Geschichte, Bd. 1., Leipzig 1902, S. 51–146. 211 Seneca, a. a. O. S. 37. 212 Sueton (2001), S. 447 Titus. 213 Plutarch: Grosse Griechen und Römer. Ausgewählte Lebensbilder, Ü. und hrsg. von Dagobert von Mikusch, o. A., S. 343. 214 Martial: Buch der Schauspieler II. Epigramme, Ü. von R. Helm, Zürich/ Stuttgart 1957, zitiert nach Stefan Pfeiffer: Die Zeit der Flavier. VespasianTitus Domitian, Darmstadt 2009, S. 48. 215 Sueton (2001), S. 453. [Änd. v. Verf.] 216 Ebd., S. 453. 217 Ebd., S. 452. 218 Ebd., S. 455. 219 Zit. bei Pfeiffer (2009), S. 52. 220 Sueton (2001), S. 450. 221 Ebd. 222 Ebd. 223 Vgl. S. Pfeiffer (2009), S. 19. 224 Flavius Josephus: Geschichte des Judäischen Krieges, 3. Aufl., Ü. und hrsg. von Heinrich Clementz, Stuttgart 2008, S. 353. 225 Ebd., S. 403. 226 Ebd., so heißt es dort: „Die Soldaten nagelten in ihrer Erbitterung die Gefangenen in den verschiedenen Körperlagen an, und da ihrer so viele waren, fehlte es bald an Raum für die Kreuze und an den Kreuzen für die Leiber.“ 227 Ebd., S. 443. 228 Theodor Mommsen: Römische Geschichte, 3. Aufl., München 1984, Bd. 7, S. 237. 229 Flavius Josephus (2008), S. 460. 230 Hermann Bengtson: Kaiser Augustus. Sein Leben und seine Zeit, München 1981, S. 290. 231 Ausonius: Caesares 2, 12. in: Paul Dräger (Hrsg.): Sämtliche Werke. Lateinisch-Deutsch. Ü. und komm. v. Paul Dräger, Trier 2011. Bd. 2. Anmerkungen  315

232 Pokorny (1973), S. 236. 233 Adam Wandruszka: Die „Clementia Austriaca und der aufgeklärte Absolutismus. Zum politischen und ideellen Hintergrund von „La Clemenza di Tito“, in: Österreichische Musikzeitschrift, 1976, 31. Jg., H. 4/5, S. 187. 234 Johann Adam Weber: Adamus Austriacus sive Indoles Heroica August.; zit. bei Pokorny (1973), S. 236. 235 „um sozusagen die Rolle eines Spiegels zu spielen und dir (Nero) zu zeigen, daß du zu der höchsten aller Freuden gelangen wirst.“ siehe: Seneca (2007), S. 5. 236 Marcus Aurelius Cassiodor: Historia Tripartita, zit. bei Pokorny (1973), S. 10. 237 Pokorny (1973), S. 14, Anm. 1. 238 Ebd., S. 16. 239 Widukind von Corvei: Rerum gestarum saxonicarum. Libri tres, hrsg. v. Paul Hiresch, MGH SS Germ. 60, 1935; hier zitiert nach Pokorny (1973), S. 15. 240 Ebd., S. 18. 241 Vgl. Anna Coreth: Pietas Austriaca. Ursprung und Entwicklung barocker Frömmigkeit in Österreich, Wien 1959, S. 9. 242 Pokorny (1973), S. 231. 243 Ebd., S. 231. 244 Ebd., S. 22. 245 Ebd., S. 232. 246 Ebd., S. 233. 247 Erasmus von Rotterdam: Fürstenerziehung, Hrsg. A. J. Gail 1968, siehe Pokorny (1973), S. 144. 248 Erasmus: Fürstenspiegel, S. 63 zit. nach Pokorny (1973), S. 145. 249 Ebd., S. 71 bzw. S. 146. 250 Hieronymus Gebvilerus: Epitome Regii Vetustissimi Ortus Caroli V. Imp. Ferdinandi Regis etc.; Löwen 1650, zitiert nach Pokorny (1973), S. 151. 251 Antonio de Guevara, Goldene Sendschreiben I. u. II., Münden 1615, zit. bei ebd. S. 147. 252 Ebd., S. 111, Thomas Winter: „S. J. Dreymahl selige Sanftmuth Ihrer Röm. Kayserlichen auch zu Hungarn und Bühmen Königl. Majestät Leopold I. d. Grossen mild seligst und glaubwürdigstes Gedächtnis“, Wien 1705, zitiert nach Pokorny (1973), S. 111. 253 Entsprechend der üblichen Verwendung des Clemenza-Begriffs im 18. Jahrhundert, wird dieser im Folgenden für die habsburgische Zeit als Abgrenzung zum gebräuchlichen antiken ‚clementia‘-Begriff eingesetzt. 254 Ebd., S. 113. 316  Anmerkungen

255 Adam Wandruszka: Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Wien/Basel 1978, S. 30. 256 Pokorny (1973), S. 22. 257 Seneca (2007), S. 29 ff. 258 Derek A. Watts: Einleitung zu Pierre Corneille: Cinna, hrsg. und mit Einleitung versehen von D. A. Watts, London 1964 S. 21. 259 Vgl. Wolfgang Mittag: Individuum und Staat im dramatischen Werk Pierre Corneilles, Diss. Münster 1976, S. 256. 260 Jürgen Grimm: Französische Klassik, Stuttgart 2005, S. 235f. 261 Rudolf Behrens: Pierre Corneille. Cinna, in: Henning Krauß/Till R. Kuhnle et al. (Hrsg.): 17. Jahrhundert. Theater. (Stauffenberg Interpretationen) Tübingen 2003, S. 71–105. 262 Vgl. Watts in: Corneille (1964), S. 24, der einige Bezüge zu Corneilles Cinna erkennt. 263 Ebd. 264 Pierre Corneille: Cinna, hrsg. v. August Bertuch, Stuttgart/Berlin 1912, S. 79; Französischer Originaltext: Cinna, hrsg. v. Christiane und Jean Hartweg, Paris 2004. 265 Vgl. Rudolf Behrens (2003), S. 80. 266 Bertuch, in: Corneille (1912), S. 155. 267 Bertuch, in: Corneille (1912), S. 66; Vgl. Mittag (1976), S. 236 u. 244. 268 Ebd., S. 71; siehe Corneille (2004), S. 144, Vers 1527; Vgl. Mittag (1976), S. 250; zur Verhofung des Adels grundlegend: Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2001. 269 Vgl. Helga Lühning: Titus-Vertonungen im 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Tradition der Opera Seria von Hasse bis Mozart, Laaber 1983, S. 15, Anm. 48 u. 49 dort: H. J. Heller: Metastasios La Clemenza di Tito, in: Zs. f. Romanische Philologie, 1885, H. 9, S. 278ff.; Angelo Scuppa: Vorwort zur Edition der Clemenza di Tito, Modena 1930; Robert B. Moberly: The influence of french classical drama on Mozarts La Clemenza di Tito, in: Music & Letters H. 4. 1974, S 286ff. 270 Heller (1885), S. 281 zit. nach Lühning (1983), S. 15, Anm. 48 u. 49. 271 Corneille (2004), S. 113, Vers 1052, 1053. 272 Übersetzung von August Bertuch in: Corneille (1912), S. 46. 273 Cinna (2004), S. 113, Vers 1055ff. 274 Cinna (1912), S. 46f. 275 Metastasio: La Clemenza di Tito/Die Gütigkeit des Titi. Libretto mit zeitgenössischer deutscher Übersetzung (Dresden 1738), in: Borchmeyer/Gruber (2007b), S. 877 mit zeitgenössischer Übersetzung Dresden 1738. 276 Ebd., S. 877. Anmerkungen  317

277 Zitat bei John A. Rice (1991), S. 22; Andromaque, 4. Akt, 3. Sz. 278 Übersetzung von Simon Werle in: Racine, Jean: Phädra, Andromaque. Zwei Stücke von Jean Racine, Frankfurt a. M. 1988, S. 121. 279 Metastasio (2007), S. 896; vgl. Rice (1991), S. 22. 280 Racine (2001): Andromaque, S.  89; Übers. v. Simon Werle; Vgl. Rice (1991), S. 22. 281 Racine (1988): Andromache, S. 133; Übers. v. Simon Werle; Vgl. Rice (1991), S. 22. 282 Metastasio (2007), S. 910; Vgl. Rice (1991), S. 23. 283 Jürgen Grimm (2005), S. 237. 284 Moberly (1974), S. 288. 285 La Bruyère zitiert bei Doris Kolesch: Theater der Emotionen, Ästhetik und Politik zur Zeit Ludwig XIV., Frankfurt 2006, S. 55, Anm. 67. 286 Susanne Schlünder: Jean Racine. Andromaque (1667), in: Krauß/Kuhnle (2003), S. 149. 287 Vgl. ebd., S. 148; Vgl. auch: Andrea Grewe: Die französische Klassik, Stuttgart 2007; Vgl. Grimm (2005), S. 237; sowie die Einführung in: Krauß/ Kuhnle (2003). 288 Krauß/Kuhnle (2003), Einführung; Vgl. auch Wolfgang Matzat: Dramenstruktur und Zuschauerrolle. Theater in der französischen Klassik, München 1982, S. 183ff.; Vgl. Klaus Eder: Pierre Corneille und Jean Racine, Hannover 1974, S. 9. 289 Racine (1988), S. 144. 290 Zit. ebd. 291 Elias (2001), S. 193. 292 Corneille (2004), S. 158; Corneille (1912), S. 82. 293 Metastasio (2007), S. 955f.; Vgl. auch die Parallelen zum Text Corneilles, Cinna, 2. Akt, 1. Sz. und Metastasio 1. Akt, 5. Sz., 1. Akt, 9. Sz., 3. Akt, 6. Sz.; siehe Rice (1991), S. 24f. 294 Vgl. Helmut Castritius : Die flavische Familie. Frauen neben Vespasian, Titus und Domitian, in: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms, Von Livia bis Theodora, München 2002, S. 164184. 295 Eder (1974), S. 72. 296 Günter Giesenfeld: Goethes „Iphigenie“ und Racines „Bérénice“, Diss., Marburg/Lahn 1969, S. 48. 297 Ebd.; siehe Jean Racine: Berenike/Britannicus. Zwei römische Tragödien, Ü. und hrsg. v. Simon Werle, Frankfurt a. M. 2002, S. 64/66. 298 Racine (2002), S. 25f. 299 Ebd., S. 36. 318  Anmerkungen

300 Ebd., S. 52. 301 Ebd., S. 54; französisches Original, 4. Akt, 6. Sz. 302 Vgl. Till R. Kuhnle: Pierre Corneille. Tite et Bérénice (1670) und Jean Racine, Bérénice (1670), in: Krauß/Kuhnle (2003), S. 219. 303 Siehe Dieter Borchmeyer: Herrschergüte versus Staatsraison, Politik und Empfindsamkeit in La clemenza di Tito, in: Ders.: Mozart oder die Entdeckung der Liebe, Frankfurt a. M. 2005, S. 235; Ders.: ders. Titel, in: http:// www.goethezeitportal.de/db/wiss/mozart/titus_borchmeyer.pdf (Internet vom 21.09.2012), S. 10; siehe Rice (1991), S. 26. 304 Metastasio (2007), S. 869; Übersetzung von Kurt Honolka (2006), S. 13. 305 Ebd., S. 871f.; Übersetzung von Kurt Honolka (2006), S. 15. 306 Sueton (2001), a. a. O. Vitellius, S. 409ff. Vitellius hatte nach Sueton zwar in zweiter Ehe eine Tochter, aber der Name Vitellia ist nicht belegt. Helga Lühning behauptet, Metastasio habe die Namen Vitellia und Servilia dem um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstandenen Libretto Tito Manlio von Matteo Noris entnommen. Siehe: Lühning (1983), S. 17; zu Vittellius: Cornelius Tacitus: Zweites Buch, S. 170ff. Publius Cornelius Tacitus: Sämtliche erhaltene Werke, Unter Zugrundelegung der Übertragung von Wilhelm Bötticher und neu bearb. von Andreas Schäfer, Essen 2006; Vgl. Stefan Pfeiffer (2009), S. 10ff. Metastasio bezieht sich beim Titus-Stoff auf Tacitus als Quelle, wie er laut Werner Wunderlich: Canta et Impera. Mozarts Herrscherfiguren – Mythos und Politik auf der Opernbühne, Göttingen 2009, S. 248 selbst sagt, sowie auf die Quelle (Sextus) Aurelius Victor: Die Römischen Kaiser/Liber de Caesaribus. Lateinisch-Deutsch, 3. Auflage, Hrsg. v. Kirsten Groß-Albenhausen u. Manfred Fuhrmann, Düsseldorf 2009, S. 38 ff. 307 Adam Kirkpatrick: The Role of Metastasio’s Libretti in Eighteenth Century. Opera as Propaganda, Saarbrücken 2009; die folgenden Überlegungen zu dem aktuell-historischen Bezug des Librettos auf einer zweiten Bedeutungsebene, den Zusammenhang mit der Pragmatischen Sanktion Karl VI., basiert auf den Ausführungen Kirkpatricks. 308 Edwin Dillmann: Maria Theresia, 2. Aufl., München 2006, S. 28. 309 vgl. Daniele Scharnagl: Historisch-politischer Hintergrund. Der Absolutismus von Ludwig XIV. und Racines Bérénice. Studienarbeit, 2005, S. 16. 310 Kirkpatrick (2009), S. 23f. 311 Lühning (1983), dort Muratori-Zitat S. 24. 312 Diana Blichmann: Die Macht der Oper – Oper für die Mächtigen. Römische und venezianische Opernauffassungen von Dramen Pietro Metastasios bis 1730, Mainz 2012, S. 477. 313 Erika Kanduth: Metastasio als Hofdichter, in: Andreas Sommer-Mathis u. Elisabeth Theresia Hilscher (Hrsg.): Pietro Metastasio – uomo universale Anmerkungen  319

(1698–1782). Festgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum 300. Geburtstag von Pietro Metastasio, Wien 2000, S. 43. 314 Ebd., Elisabeth Theresia Hilscher (2000a): Antike Mythologie und habsburgischer Tugendkodex. Metastasios Libretti für Kaiser Karl VI. und ihre Vertonung durch Antonio Caldara, in: Sommer-Mathis/Hilscher (2000), S. 64. 315 Vgl. Kirkpatrick (2009), S. 32; inspiriert hat ihn, wie schon besprochen, das Verschwörungsmotiv in den Tragödien Cinna und Andromaque. 316 Hilscher (2000a), S. 72. 317 Charles Burney: Memoirs of the Life and Writings of the Abate Metastasio. In which are Incorporated Translations of his Principal Letters, London 1796, Bd. 1. Letter 2, S. 48, u. Letter 4, S. 50; “presence of the greatest personage opon earth”, S. 97f. 318 Burney (1796), Letter 14 an Romania, S. 97f.; vgl. Kirkpatrick (2009), S. 28. 319 Metastasio (2007), S. 879f. 320 Kirkpatrick (2009), S. 32. 321 Albert Gier: Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, Darmstadt 1998, S. 113–134; Siehe Ludwig Finscher: Die opera seria, in: MJ. 1973/74, Helga Lühning (2007b): Das Dramma per musica La Clemenza di Tito von Pietro Metastasio, in: Borchmeyer/Gruber (2007b), S. 855- 862; Siehe Herbert Schneider/Reinhard Wiesend (Hrsg.): Die Oper im 18. Jahrhundert, Laaber 2001 (2001a), S. 23 –62; Kunze (1996a), S. 61ff.; ders. (1987), S. 1–16; Sabine Henze-Döhring: Opera seria, Opera buffa und Mozarts Don Giovanni. Zur Gattungskonvergenz in der italienischen Oper des 18.  Jahrhunderts, (Analecta Musicologica Bd. 24) Laaber 1983, S. 3ff.; Elisabeth Schmierer: Kleine Geschichte der Oper, Stuttgart 2001, S. 37–45; Küster (1991), S. 138; Anselm Gerhard: Rollenhierarchie und dramaturgische Hierarchien in der italienischen Oper des 18. Jahrhunderts, in: Klaus Hortschansky (Hrsg.): Opernheld und Opernheldin im 18. Jahrhundert. Aspekte der Librettoforschung, Hamburg 1991, S. 35–56. 322 Grewe (2007), S. 87. 323 Siehe Kap. oben: „Zur Theatralisierung des Clemenza-Prinzips“: Vitellia ist eine frei erfundene Figur Metastasios. 324 Vgl. Finscher (1973/74), S. 28. 325 Ebd. 326 Metastasio (2007), S. 868f. 327 Wolfgang Amadeus Mozart: La Clemenza di Tito. KV 621. Opera seria in zwei Akten. Text nach Pietro Metastasio von Caterino Mazzolà, Übersetzung von Erna Neunteufel, hrsg. v. d. Internationalen Stiftung Mozarteum 320  Anmerkungen

328 329 330 331

332 333

334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348

349 350

Salzburg (Mozarts italienische Texte mit deutscher Übersetzung, Bd. 2.) Kassel 1976, S. 10f.; Metastasio (2007), S. 872. Metastasio (2007), S. 874; Übersetzung von Erna Neunteufel in: Mozart (1976), S. 14f. Lühning (1983), S. 22. Donald Jeffrey Neville: Mozart’s La Clemenza di Tito and the Metastasian Opera Seria, Diss. Cambridge 1986, S. 104. Metastasio (2007), S. 874; siehe: Mozart (1976), S. 16f. für den von Mazzolà übernommenen Originaltext Metastasios wird im Folgenden die Übersetzung Neunteufel verwendet (Mozart (1976)); für den nicht übernommenen Originaltext die alte Übersetzung in: Mozart-Handbuch (Metastasio (2007)). Metastasio (2007), S. 874; siehe Mozart (1976), S. 16f. Metastasio (2007), S. 29f. bzw. S. 877f. Für den Metastasio-Text wird im Folgenden zuerst die Seitenangabe in der Original-Übersetzung verwendet, dann die der Neuausgabe von 2007. Metastasio (2007), S. 32 bzw. S. 879. Ebd., S. 34f. bzw. S. 880. Ebd., S.34f. bzw. S. 880. Ebd., S. 38f. bzw. S. 882. Ebd., S. 40f. bzw. S. 883. Ebd., S. 42f. bzw. S. 884; Übersetzung Neunteufel in Mozart (1976), S. 29. Ebd., S. 42f. bzw. S. 884f. Vgl. Elias (2001), S.  201ff.; Vgl. H.-J. Fritz (1995) hier bezogen auf Augustus, S. 80ff. Metastasio (2007), S. 44f. bzw. S. 885f. Ebd., S. 44f.; Mozart (1976), S. 29. Metastasio (2007), S. 44f. bzw. S. 885.; vgl. Übersetzung v. Erna Neunteufel in Mozart (1976), S. 28f.; Ebd.,S. 46f. bzw. S. 886. Ebd., S. 46f. bzw. S. 886.; Ü. v. E. Neunteufel in: Mozart (1976), S. 30f.; Ebd.; Ü. v. E. Neunteufel in: Mozart (1976), S. 30f. Pietro Metastasio: Opere postume del Sign. Ab. Pietro Metastasio date all luce dall’ Abate Conte d’Ayola, 3 Bde., Wien 1795, Bd. 1, Zitat 345; zit. bei Wolfgang Proß: Aufklärung, Herrschaft und Repräsentation in Metastasios und Mozarts La clemenza di Tito, in: Kreimendahl, Lothar (Hrsg.): Mozart und die europäische Spätaufklärung, Stuttgart 2011, S. 304. Catone in Utica, Fassung 1733, 3. Akt, Proß (2011), S.302, er weist auf Augustinus und Cicero als Vorlage hin. Metastasio (2007), S. 48f. bzw. S. 887. Anmerkungen  321

351 Ebd. S. 50f. bzw. S. 888. 352 Metastasio (2007), S. 50–52, bzw. S. 888f. Übersetzung nach Neunteufel in: Mozart (1976), S. 34f. 353 Ebd. S. 52f. bzw. S. 889. 354 Mozart (1976), S. 34f.: Vgl. Metastasio (2007), S. 52–55. 355 J. Vincentii Gravinae Originum Juris Civilis Lib. III. zit. bei Proß (2011), S. 313/315 356 Ebd. S. 318 bezugnehmend auf Montesquieu ‚Esprit de Lois‘ in: Montesquieu. Oeuvres, Bd. 1, S. 258. 357 Neunteufel, S. 36f.; Vgl. Metastasio (2007), S. 54f. bzw. S. 890. 358 Metastasio (2007), S. 56f. bzw. 891. 359 Ebd. 360 Ebd. 361 Ebd. S. 58f. 362 Ebd. 363 Ebd. 364 Ebd. S. 60f.; Vgl. Mozart (1976), S. 38f. 365 Siehe Volker Kapp: Metastasio und die Aufklärung, in: Lütteken, Laurenz/ Splitt, Gerhard (Hrsg.): Metastasio im Deutschland der Aufklärung. Bericht über das Symposium Potsdam 1999, Tübingen 2002 (2002a) S. 14, Vgl. Proß (2011). 366 Diese Wiedergabe des Metastasio-Briefes ist von Volker Kapp (2002), S. 6. übernommen. 367 Dieter Borchmeyer: Mozarts rasende Weiber, in: ders. Hrsg.: Mozarts Opernfiguren. Große Herren, rasende Weiber – gefährliche Liebschaften, Bern/Stuttgart/Wien 1992; veränderte Neufassung in: ders.: Mozart oder die Entdeckung der Liebe, Frankfurt a. M. 2005 (2005a), S. 90ff. 368 Vgl. Gier (1998), S. 122, Anm. 47. 369 Mozart (1976), S.  40f; Vgl. Übersetzung v. Neunteufel in: Metastasio (2007), S. 60f. 370 Metastasio (2007), S. 60f. 371 Ebd., S. 62f. 372 Ebd., S. 62–65; Vgl. Mozart (1976), S. 40f. 373 Vgl. zu dem Begriff Dieter Borchmeyer (1992a). 374 Metastasio (2007), S. 70f.; Vgl. Mozart (1976), S. 46f. 375 Lühning (1983), S. 22. 376 Gier (1998), S. 124; Vgl. Erika Kanduth: Das Libretto im Zeichen der Arcadia. Paradigmatisches in den Musikdramen Zenos (Pariatis) und Metastasios, in: Gier, Albert (Hrsg.): Oper als Text, (Romanische Beiträge zur Libretto-Forschung), Heidelberg 1986, S. 42. 322  Anmerkungen

377 Mozart (1976), S. 42f. 378 Metastasio (2007), S. 76f. 379 Ebd. 380 Ebd., S. 78f. 381 Ebd., S. 79ff. 382 Ebd., S. 80f. 383 Ebd. 384 Ebd., S. 86f. 385 Ebd., S. 86–89. 386 Proß (2011), S. 311. 387 Ebd., S. 310, Anm. 66. 388 Ebd., S. 311 u. Anm. 56 auf S. 304. 389 Proß (2011), S. 310. 390 Metastasio (2007), S. 88f. 391 Ebd., S. 88f. 392 Ebd., S. 86f. 393 Pokorny (1973), S. 6. 394 Ebd., S. 145. 395 Ebd., S. 227. 396 Metastasio (2007), S. 94f. 397 Ebd. 398 Ebd., S. 96f. 399 Vgl. zu Racine, Krauß/Kuhnle (2003), S. 153f.; Vgl. zu Vitellia: Borchmeyer (1992a), S. 164ff.; Borchmeyer (2005a), S. 120ff.; Vgl. Joachim Kaiser: Mein Name ist Sarastro. Die Gestalten in Mozarts Meisteropern von Alfonso bis Zerlina, München/Zürich 1991, S. 263ff. 400 Metastasio (2007), S. 100f. 401 Ebd., S. 110f. 402 Ebd., S. 110–113. 403 Ebd., 112f. 404 Ebd., S. 22f. 405 Ebd. 406 Vgl. Henning Krauß/Till R. Kuhnle (Hrsg.): 17. Jahrhundert. Theater, Tübingen 2003. S. 233. 407 Metastasio (2007), S. 114f. 408 Ebd. 409 Vgl. Werner Dahlheim: Geschichte der Römischen Kaiserzeit, München 1984, S. 93. 410 Wolfram Adam: Freundschaft und Geselligkeit im 18. Jahrhundert,

Anmerkungen  323

http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/epoche/adam_ freundschaft.pdf (Internet vom 21.09.2012) S. 5. 411 Michel de Montaigne: Die Essais. Ü. und hrsg. v. Arthur Franz, Köln 2005, Kap. De l’amitié. S. 111. 412 Ebd. 413 Sebastian Werr: Politik mit sinnlichen Mitteln. Oper und Fest am Münchner Hof (1680–1745), Wien 2010, S. 129. 414 Descartes, Passions II, zit. bei Neville (1986), S. 104. 415 Montaigne (2005), S. 110. 416 Metastasio (2007), S. 116f. 417 Ebd., S. 118f. 418 Ebd. 419 Ebd., S.124f. 420 Ebd., S. 124–127. 421 Ebd., S. 126f. 422 Lühning (1983), S. 40. 423 Werr (2010), S. 130. 424 Metastasio (2007), S. 40f. 425 Ebd., S. 44f. 426 Borchmeyer (2012), S. 17 u. ders. (2005), S. 245. 427 Vgl. Wolfram Adam (2012), S. 5. 428 Borchmeyer (2012), S. 13. 429 Metastasio (2007), S. 126f. 430 Ebd. 431 Ebd., S. 130f. 432 Ebd., S. 132f. 433 Ebd., S. 134f. 434 Ebd. 435 Ebd. 436 Ebd., S. 136f. 437 Ebd., S. 140f. 438 Ebd. 439 Ebd., S.143. 440 Ebd., S. 142f. 441 Ebd. 442 Ebd., S. 144f. 443 Ebd. 444 Ebd., S. 148f.; Übersetzung von Neunteufel in: Mozart (1976), S. 81.

324  Anmerkungen

445 Vgl. Borchmeyers Hinweis, dass dieser Wechsel zwischen privatem und öffentlichem Bereich typisch für das Drama des 18. Jahrhunderts sei. in: Borchmeyer (2012), S. 18. 446 Kanduth (1986), S. 18ff. 447 Metastastasio (2007), S. 148f.; siehe Mozart (1976), S. 80f. 448 Ebd., S. 150f. 449 Ebd., S. 152f.; Publius: „Tausend verschiedene Gefühle Bekämpfen einander in Titus“ siehe in: Mozart (1976), S. 84f. 450 Ebd. 451 Ebd, S. 154f. 452 Ebd. 453 Ebd., S. 158f. 454 Ebd. 455 Ebd., S. 160f. 456 Ebd., S. 162–165. 457 Ebd., S. 164f. 458 Ebd. 459 Ebd., S. 166f., Übersetzung von Neunteufel in Mozart (1976), S. 97. 460 Vgl. Borchmeyer (2012), S. 18, der dazu eine andere Meinung vertritt. 461 Lühning (1983), S. 25. 462 Metastasio (2007), S. 166–169, Übersetzung von Neunteufel in: Mozart (1976), S. 98f.;. 463 Ebd., S. 172f.; Übers. in: Mozart (1976), S. 104f. 464 Ebd., S. 174f.; bzw. S. 107. 465 Metastasio (2007), S. 188f. 466 Metastasio (2007), S. 180f. bzw. Übersetzung von Neunteufel in: Mozart (1976), S. 111. 467 Metastasio (2007), S. 182f. 468 Ebd., S. 184f. 469 Metastasio (2007), S. 184f.; Übersetzung siehe Neunteufel in: Mozart (1976), S. 117. 470 Ebd., dies. Übers. 471 Vgl. zur Bedeutung der ‚generosita‘ bei Metastasio in Reinhard Wiesend: Metastasios Alexander. Herrscherfigur und Rollentypus. Aspekte der Rezeptionsgeschichte, in: Hortschansky, Klaus (Hrsg.): Opernheld und Opernheldin im 18.  Jahrhundert. Aspekte der Librettoforschung. Ein Tagungsbericht (Tagungsbericht Münster 1989). (Schriften zur Musikwissenschaft Münster, Bd. 1.), Hamburg/Eisenach 1991, S. 143. 472 Metastasio (2007), S. 186f. 473 Lühning (1983), S. 26. Anmerkungen  325

474 Anselm Gerhard: Republikanische Verhältnisse. Der tragico fine in den Dramen Metastasios, in: Paolo Gallarati/Jürgen Maehder (Hrsg.): Zwischen Opera buffa und Melodramma. Italienische Oper im 18. und 19. Jahrhundert. (Perspektiven der Opernforschung, Bd. 1.), Frankfurt a. M. 1994, S. 32ff. 475 Ebd., S. 33. 476 Proß (2011), S. 320. 477 Metastasio (2007), S. 188f. 478 Ebd., S. 188f. 479 Ebd. 480 Vgl. Albert Gier: „ridotta a vera opera?“ Zur Praxis der Libretto-Bearbeitung im 18.  Jahrhundert am Beispiel Metastasios, in: Konrad, Ulrich (Hrsg.): Bearbeitungspraxis in der Oper des späten 18. Jahrhunderts, Tutzing 2007, S. 33. 481 Ebd., S. 36; Vgl. Lühning (1983), S. 96ff. 482 Zit. nach Gier (2007), S. 33. 483 Zit. bei Lühning (1983), S. 80, Anm. 8. 484 Sergio Durante: La Clemenza di Tito and other Two-Act Reductions of the late 18th Century, in: Mozart-Jahrbuch 1991, S. 733–742, hier: 741f. 485 Durante (1991), Anm. 477. 486 Zit. bei Michele Calella, in: Schneider/Wiesend (2001a), S. 47f. 487 Ebd., S. 48. 488 Schmierer (2001), S. 81. 489 Marita P. Mc Clymonds: La Clemenza di Tito and the Action-Ensemble Finale in Opera Seria before 1791, in: Mozart-Jahrbuch 1984/85, S. 766. 490 Ebd., S. 767. 491 Michele Calella: Die Opera Seri im späten 18. Jahrhundert in: Schneider/ Wiesend (2001a). S. 56. 492 Mozart (2005), Bd. 3, S. 298 am 24. Dezember 1783; Vgl. Gerhard Splitt: Mozarts Musiktheater als Ort der Aufklärung. Die Auseinandersetzung des Komponisten mit der Oper im josephinischen Wien. (Rombach Wissenschaften. Litterae, Bd. 57.), Freiburg 1999, S. 205. 493 Mozart (2005), Bd. 3, S. 297. 494 Ebd., S. 74, am 29. Dezember 1780. 495 Ebd., S. 73, Brief vom 27. Dezember 1780. 496 Michele Calella: Hasse und die Tradition des metastasianischen Duetts, in: Reinhard Wiesend (Hrsg.): Johann Adolf Hasse in seiner Zeit, Symposium vom 23.–26. März 1999. (Schriftenreihe der Hasse-Gesellschaften in Hamburg-Bergdorf und München. Sonderreihe Bd. 1.), Stuttgart 2006, S. 169. 497 Ebd., auch S. 168. 326  Anmerkungen

498 Calella (2006), S. 169. 499 Vgl. zu den Grenzüberschreitungen der Seria- und Buffa-Sphäre im Don Giovanni bei Wolfgang Osthoff (1996b): Die ‚Parti serie’ in den Ensembles von Mozarts opera buffa ‚Don Giovanni’, in: ders./Wiesend, Reinhard (Hrsg.): Mozart e la drammaturgia veneta. Bericht über das Colloquium Venedig 1991, Tutzing 1996. (Mozart-Studien, Bd. 6.), 1996 (1996a), S. 75ff. 500 Osthoff (1996b), S. 79. 501 Vgl. Sergio Durante: Die Opera Seria zu Mozarts Zeit, in: Borchmeyer, Dieter/Gruber, Gernot (2007a), S. 171. 502 Esteban Arteaga: Le revoluzioni del teatro musicale italiano dalla sua origine fino al presente, 1783, zit. bei Silke Leopold: Mozart, die Oper und die Tradition, in: Borchmeyer, Dieter (1992a), S. 25. 503 Ebd., S. 26. 504 Vgl. Schmierer (2001), S. 82; Vgl. auch Leopold (1992), S. 26. 505 Leopold (1992), S. 27ff. 506 Ebd., S. 30. 507 Diese Aufzählung stammt von Friedrich Lippmann in der Diskussion im Anschluss an Durantes Vortrag, in: Durante (1991), S. 739. 508 Vgl. Lühning (2007a), S. 240; zu den Kürzungen allgemein auch Franz Giegling: Metastasios Oper La Clemenza di Tito in der Bearbeitung durch Mazzola, in: MJ 1968/70 S. 88ff.; Lühning (1983), S. 55ff.; Franz Giegling: La Clemenza di Tito – Metastasio-Mazzola-Mozart, in: Österreichische Musikzeitschrift, (1976) 31. Jg., Heft 7/8, S. 321ff. 509 Metastasio (2007), S. 10f. 510 Ebd., S. 10, Übersetzung v. Neunteufel in: Mozart (1976), S. 7. 511 Ebd., S. 12, Sesto: „Vitellia, ascolta…”. 512 Ebd., S. 16f. 513 Darauf wird weiter unten noch näher eingegangen: vgl. zu den musikalischen Gründen der Kürzung mit Walther Dürr: Zur Dramaturgie des „Titus“. Mozarts Libretto und Metastasio, in: Mozart-Jahrbuch, Kassel 1978/79, S. 57. 514 Vgl. Giegling (1968/70), S. 92. 515 Metastasio (2007), S. 20f. 516 Mozart (1976), S. 12f. 517 Ebd. 518 Ebd. 519 Ludwig Finscher: Zur Musikdramaturgie in Mozarts Clemenza di Tito, in: Axel Beer, Kristina Pfarr, Wolfgang Ruf (Hrsg.): Festschrift Christoph-Hellmut Mahling zum 65. Geburtstag, Tutzing 1997 S. 366, Vgl. auch seine Anmerkungen  327

Bemerkungen zur musikalischen Umsetzung des Duettinos und zu Vitellias Arie. 520 Einstein (1968), S. 425. 521 Metastasio (2007), S. 26f. 522 Dürr (1978/79), S. 57. 523 Mozart (1976), S. 32f.; Vgl. Metastasio (2007), S. 48f. 524 Ebd. 525 Ebd. 526 Ebd., S. 34f. 527 Wolfgang Proß: Neulateinische Tradition und Aufklärung in Mazzolà/ Mozarts „La Clemenza di Tito“, in: Zeman (2009), S. 396. 528 Mozart (1976), S. 36f. 529 Ebd., S. 38f. 530 Ebd. 531 Dieter Borchmeyer: Mozart-Zeitgenosse der Französischen Revolution, in: Knispel, Claudia Maria/Gruber, Gernot (2009), S. 121. 532 Ebd. 533 Metastasio (2007), S. 60f.; Mozart (1976), S. 40f. 534 Mozart (1976), S. 40f. 535 Ebd. 536 Ebd. S. 40; bzw. Metastasio (2007), S. 62. 537 Ebd. S. 42f.; bzw. Metastasio (2007), S. 66f. 538 Metastasio (2007), S. 66f. 539 Rice (1991), S. 40f., sowie seinen Literaturhinweis dazu: Robert L. Herbert: David, Voltaire, „Brutus“ and the French Revolution. An Essay in Art and Politics. (Art in Context), London 1972. 540 Metastasio (2007), S. 66f. 541 Mozart (1976), S. 46f. 542 Ebd. 543 Metastasio (2007), S. 28f.; Vgl. hierzu auch Durante (1991), S. 735. 544 Rice (1991), S. 21. 545 Mozart (1976), S. 12f. 546 Dieser Hinweis stammt von Wolfgang Willaschek: Mozart-Theater. Vom Idomeneo bis zur Zauberflöte. Die großen Opern von Wolfgang Amadeus Mozart, Stuttgart/Weimar 1995, S. 390. 547 Mozart (1976), S. 46f.; Vgl. auch die Analyse der Arie von Willaschek (1995), S. 300. 548 Ebd. 549 Ebd., S. 12f. 550 Willaschek (1995), S. 302. 328  Anmerkungen

551 552 553 554 555 556

Kunze (1996a), S. 541. Metastasio (2007), S. 72f. Mozart (1976), S. 50f. Lühning (2007a), S. 253. Mozart (1976), S. 50f. Vgl. zu dem Terzett Nr. 10: Borchmeyer (1992b), S. 197f.; Vgl. Willaschek (1995), S. 392f.; Vgl. Lühning (2007a), S. 251. 557 Mozart (1976), S. 50f. 558 Metastasio (2007), S. 76. 559 Lühning (2007a), S. 254f. 560 Ebd. 561 Ebd. 562 Lühning (1983), S. 102 u. S. 421f.: „Mozart hat die Schlußsteigerung bereits mit Sestos Arie (Nr. 9) beginnen lassen und zwar im deutlichen Gegensatz zu Metastasios Text. Mazzolàs Ergänzung erscheint in dieser Hinsicht durchaus als Notbehelf.“ 563 Metastasio (2007), S. 80f. 564 Mozart (1976), S. 52f. 565 Vgl. Lühning (2007a), S. 255; Vgl. Kunze (1996a), S. 145; Vgl. Rice (1973), S. 41f. 566 Metastasio (2007), S. 80f. 2. Akt, 1. Sz. 567 Mozart (1976), S. 52f. 568 Ebd., S. 52f. 569 Ebd., S. 54f. 570 Ebd. 571 Mozart (1976), S. 54f. 572 Kunze (1996a), S. 547. 573 Mozart (1976), S. 58f. 574 Vgl. hierzu Rice (1991), S. 44, der diesen Aspekt der gezielten Wirkung auf das Publikum auch hervorhebt. 575 Franz Xaver Niemetschek: Ich kannte Mozart. Die einzige Biografie von einem Augenzeugen, München 2005, S. 91. 576 Zitiert nach Kunze (1996a), S. 545, Rochlitz (1798/99), a. a. O. 577 Mozart (1976), 60f. 578 Metastasio (2007), S. 100f. 579 Ebd., S. 106f. 580 Mozart (1976), S. 64f.; Vgl. Metastasio (2007), S. 104f.: „Che torni a Tito (…) Prove di fedeltà l’error passato.”

Anmerkungen  329

581 Hierzu Reinhard Wiesend: Ein einfaches Sekundarierstück ohne individuelle Züge? Tradition und Erfindung in der Arie „Torna di Tito di lato.“ In: MJ 1984/85, S. 134ff. 582 Manfred Hermann Schmid: Mozarts Opern. Ein musikalischer Werkführer, München 2009, S. 61. 583 Ebd. 584 Mozart (1976), S. 66f.; Text von Metastasio 2. Akt, 14. Sz. 585 Ebd. S. 66f. 586 Metastasio (2007), S. 132f. 587 Mozart (1976), S. 66. 588 Metastasio (2007), S. 134f.; Mozart (1976), S. 67f. 589 Mozart (1976), S. 68f. 590 Ebd., S. 70f. 591 Ebd. 592 Wolfgang Amadeus Mozart: La Clemenza di Tito K. 621. Facsimile of the Autograph Score, Einleitung v. Hans Joachim Kreutzer. Musikwissenschaftliche Einleitung von Sergio Durante. (Mozarts Operas in Facsimile. Bd. 7.2.) Hrsg. v. Dietrich Berke, Kassel/Basel et al. 2008, S. 175. 593 Kunze (1996a), S. 548. 594 Mozart (1976), S. 72f. 595 Ebd. 596 Kunze (1996a), S. 534. 597 Metastasio (2007), S. 118f. 598 Ebd., S. 140f., Vgl. Mozart (1976), S. 76f. 599 Mozart (1976), S. 76f. 600 Metastasio (2007), S. 146f. 601 Mozart (1976), S. 78f. 602 Durantes Musikwissenschaftliche Einführung, in: Mozart (2008), S. 58. 603 Mozart (1976), S. 84f. 604 Ebd., S. 84f. 605 Kunze (1996a), S. 537. 606 Ebd., S. 537. 607 Lühning (1983), S. 100. 608 Metastasio (2007), S. 152f. 609 Mozart (1976), S. 84f. 610 Ebd., S. 12f. 611 Ebd., S. 84f. 612 Metastasio (2007), S. 152–161, 3. Akt. 613 Mozart (1976), S. 90f.; Metast.-Text, S. 158f. 614 Mozart (1976), S. 94f. 330  Anmerkungen

615 Ebd. 616 Metastasio (2007), S. 160f.; dort heißt es: „Per questo solo instante/Ricordati Signor l’amor primiero“, Vgl. auch Kunze (1996a), S. 538. 617 Metastasio (2007), S. 162f. 618 Mozart (1976), S. 94f. 619 Kunze (1996a), S. 539. 620 Hierzu: Helga Lühning: Die Rondo-Arie im späten 18. Jahrhundert. Dramatischer Gehalt und musikalischer Bau, in: Die frühdeutsche Oper und ihre Beziehungen zu Italien, England und Frankreich. Mozart und die Oper seiner Zeit. (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, Bd.  5.), Laaber 1981, S. 219–246. 621 Vgl. Kunze (1996a), S. 539 und Lühning (2007a), S. 250. 622 Mozart (1976), S. 94f. 623 Vgl. Durante (Mozart 2008), S. 58, der auf die für den Rondo-Typus „seltene zweimalige Beschleunigung“ hinweist. 624 Mozart (1976), S. 94f. 625 Ebd., S. 96f. bzw. Metastasio-Text, S. 162f., 2. Akt, 2. Sz. 626 Proß (1997), S. 391f. 627 Metastasio (2007), S. 164f. 628 Mozart (1976), S. 106f. 629 Metastasio (2007), S. 172f. 630 Mozart (1976), S. 106f. 631 Kunze (1996a), S. 552. 632 Mark Schulze Steinen: Chaos und Ordnung. Zum zweiten Finale des ‚Figaro’, in: Staatsoper Unter den Linden Berlin (Hrsg.): Die Hochzeit des Figaro. Komische Oper in vier Akten. Nach Beaumarchais von Lorenza Da Ponte. Ein Opernführer, Frankfurt a. M. 1999, S. 22. 633 Metastasio (2007), S. 176f. 634 Mozart (1976), S. 108f. 635 Ebd. 636 Ebd. 637 Kunze (1996a), S. 550. 638 Ebd. 639 Tyson (1987), S. 55; siehe hier die Ausführungen zur Debatte über die Entstehungszeit der Oper. 640 Kunze (1996a), S. 548; siehe (Mozart 2008), S. 295. 641 Metastasio (2007), S. 186f. 642 Mozart (1976), S. 114f. 643 Metastasio (2007), S. 180f. 644 Ebd., S. 186f. Anmerkungen  331

645 Ebd.; Siehe Mozart (1976), S. 116f. 646 Mozart (1976), S. 116f. 647 Ebd. 648 Ebd., S. 118f. 649 Ebd. 650 Metastasio (2007), S. 186f. 651 Mozart (1976), S. 118f. 652 Vgl. Metastasio (2007) S. 32; Publio: „Te della Patria il Padre/Oggi appella il Senato.“ 653 Metastasio (2007), S. 187; 3. Akt, 13. Sz. 654 Borchmeyer (2012), S. 16. 655 Siehe Mozart (2008), S. 197. 656 Paul Hazard: La pensée européenne au XVIII siècle de Montesquieu à Lessing. 1949, Bd. 1; zit. bei Ernst Walder: Aufgeklärter Absolutismus und Staat. Zum Staatsbegriff der aufgeklärten Despoten, in: Karl Otmar Freiherr von Aretin (Hrsg.): Der aufgeklärte Absolutismus, Köln 1974, S. 123–136, Anm. 3. 657 Ebd. 658 Ernst Walder, in: Aretin (1974), S. 124. 659 Metastasio (2007), S. 188f. 660 Lühning (2007a), S. 245. 661 Metastasio (2007), S. 106f. 662 Proß (1997), S. 383. 663 Metastasio (2007), S. 86f.; 2. Akt, 4. Sz., siehe oben. 664 Proß (2011), S. 309. 665 Mozart (1976), S. 98f. 666 Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrich des Großen bis zur Aufklärung des alten Reichs, Bd. 1, Stuttgart 1899, S. 362, zit. nach Wandruszka (1976), S. 190, Anm. 10. 667 Wandruszka (1976), S. 190; das Projekt ist wegen des Todes Joseph II. aber nie verwirklicht worden, da Leopold aus Florenz abberufen wurde. 668 Metastasio (2007), S. 34 und S. 37; Mozart (1976), S. 22f. 669 Peham (1987), S. 78. 670 Wandruszka (1976), S. 188. 671 Adam Wandruszka, Leopold II., Wien/München 1965, Bd. 2, S. 342. 672 Peham (1987), S. 114ff.; Vgl. hierzu vor allem Wandruzska, Leopold II. (1965), S. 140ff. 673 Zit. bei Wandruszka (1978), S. 169. 674 Zit. bei Adalbert Schultze: Kaiser Leopold II. und die Französische Revolution, Diss., Hannover 1899, S. 8; Vgl. auch Wandruszka (1978), S. 173. 332  Anmerkungen

675 Peham (1987), S. 134. 676 Ebd. 677 Adam Wandruszka: Österreich und Italien im 18. Jahrhundert, München 1963 (1963b), S. 89. 678 Heigel (1899), S. 362, Vgl. Wandruszka (1976), S. 190, Anm. 10. 679 Rice (1991), S. 13; Francesco Zacchiroli: Description de la Galerie Royale de Florence, Florenz 1783, Bd. 1, S. 59. 680 Rice (1991), S. 13 Gazetta Toscana 1789, 176, 28. Oktober und vom 1790, 38, 6. März. 681 Joseph von Sartori: Leopoldinische Annalen. Ein Beitrag zur Regierungsgeschichte Kaiser Leopold II. Zweyter und letzter Theil, Augsburg 1793, S. 216; zit. nach Rice (1991), S. 13 und ders. im Textbeitrag zur DVD La Clemenza di Tito, Bartoli – Heilmann – Jones – Montague – Bonney. The Academy of Ancient Music Orchestra and Chorus. Hogwood, London 1991/1992, S. 30–35. 682 Vgl. Ernst Wangermann (1966), S. 114. 683 Ebd., S. 45. 684 Peham (1987), S. 212. 685 Wandruszka (1965), S. 339; sie wurde am 1. November 1791 als Regierungsverordnung umgesetzt. 686 Zit. nach Wangermann (1966), S. 119. 687 Wandruszka (1965), S. 314. 688 Ebd., S. 341. 689 Zit. nach Peham (1987), S. 218. 690 Vgl. zu diesen historischen Ausführungen insgesamt die Werke von Wandruszka, Peham und Wangermann, die hierfür die Grundlage bildeten. 691 Vgl. Wangermann (1956), S. 97; Vgl. Helmut Reinalter: Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Zur Geschichte des Jakobinertums und der frühdemokratischen Bestrebungen in der Habsburgmonarchie, Wien /Köln/ Graz 1980, S. 121. 692 Zit. nach Bodi (1977), S. 399. 693 Vgl. Gerda Lettner: Das Rückzugsgefecht der Aufklärung in Wien 1790– 1792, Frankfurt/New York 1988, S. 58ff.; Vgl. Bodi (1977) und Wangermann (1966). 694 Perl (2005), S. 176. 695 Bodi (1977), S. 398. 696 Lettner (1988), S. 59. 697 Zit. nach Lettner (1988), S. 97. 698 Wangermann (1966), S. 88. 699 Wandruszka (1965), S. 372–374. Anmerkungen  333

700 Wangermann (1966), S. 119. 701 Ebd., S. 121. 702 Zit. bei Erna Burger/Konrad Bund (Hrsg.): Wahl und Krönung Leopold II. 1790, Brieftagebuch des Feldschers der kursächsischen Schweizergarde, Frankfurt 1981, S. 84: „Plaude Germania felix Imperatorem tenes bonitate Trojanum, Clementia Titum, Sapientia Aurelium. Jam redeunt Saturnia regna!“ 703 Zit. nach Pia Janke: La clemenza di Tito – Mozarts politisches Bekenntnis, in: Zeman, Herbert (Hrsg.): Wege zu Mozart, Bd. 2, W. A. Mozart in Wien und Prag. Die großen Opern, Wien 1993, S. 162. 704 Journal der doppelten böhmischen Krönung Leopold des Zweiten und Marien Louisens Infantin von Spanien in Prag im Jahre 1791, Prag 1791. zit. nach Janke (1993), S. 161. 705 Janke (1993), S. 160. 706 Janke (1993), S. 160. 707 Zit. nach Rice (1991), S. 13; Vgl. auch Wunderlich (2009), S. 258. 708 Janke (1993), S. 162. 709 Ebd. 710 Ebd. 711 Perl (2000), S. 113. 712 Hubert Weitensfelder: Studium und Staat. Heinrich Graf Rottenhan und Johann Melchior von Birkenstock als Repräsentanten der österreichischen Bildungspolitik um 1800. (Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Bd. 9.), Wien 1996, S. 80. 713 Vgl. zum legitimatorischen Sinnzusammenhang der Krönungsfeierlichkeiten: Benita Berning: Nach altem löblichen Gebrauch. Die böhmischen Königskrönungen der Frühen Neuzeit. (Stuttgarter historische Forschungen, Bd. 6.), Köln/Weimar/Wien 2008, S. 440. 714 Ludwig Köchel, 6. Aufl., Wiesbaden 1964, S. 397; zit. bei Tomislav Volek: Die Bedeutung der Prager Operntradition für das Entstehen des Don Giovanni und Titus, in: Divadelni ústav Praha (Hrsg.): Mozarts Opern für Prag, Prag 1991 (1991b), S. 63. 715 Ebd., S. 64f. 716 Vgl. hierzu Dieter Borchmeyer: Die Don Giovanni-Legende, in: Rüdiger Görner (Hrsg.): Mozart – eine Herausforderung für Literatur und Denken. ( Jahrbuch für internationale Germanistik. Reihe A. Kongressberichte, Bd. 89.), Bern 2007, S. 41–60; „Das ist eben die ‚Polysemie’ des Mozartschen Ensembles: man singt dieselben Worte, aber jeder meint etwas anderes mit ihnen!“ S. 53 – Eine dramaturgische Technik, der man auch im Tito häufiger begegnet. 334  Anmerkungen

717 Zitat von Arthur Schurig: Mozart. Sein Leben und Werk. Leipzig 1913, zitiert bei Volek (1991b), S. 66. 718 Volek (1991b), S. 71. 719 Vgl. Wangermann (1966), S. 120; Vgl. Reinalter (1980), S. 140. 720 Braunbehrens (2006), S. 414. 721 Metastasio (2007), S. 33. 722 Ebd., S. 33. 723 Ebd., S. 113. 724 Metastasio (2007), S. 87. 725 Ebd., S. 11. 726 Ebd., S. 13. 727 Ebd., S. 21. 728 Mozart (1976), S. 52. 729 Ebd., S. 54f. 730 Ebd. 731 Ebd., S. 58f. 732 Rudolph Angermüller (2005), S. 958. 733 Zit. nach Proß (2011), S. 319. 734 Zit. nach Borchmeyer (2005b), S. 231. 735 Ebd., S. 231. 736 Mozart (1976), S. 95. 737 Angermüller (2005), S. 972. 738 Beccaria zit. nach Proß (2011), S. 319. 739 Proß (1997), S. 397. 740 Ebd. 741 Vgl. Proß ebd. und Borchmeyer (2012), S. 12, die diese Entpolitisierung behaupten. 742 Proß (1997), S. 395. 743 Proß (2011), S. 309. 744 Pia Janke: La clemenza di Tito – Mozarts politisches Bekenntnis, in: Herbert Zeman (Hrsg.): Wege zu Mozart. Bd. 2. W. A. Mozart in Wien und Prag. Die großen Opern, Wien 1993, S. 159ff. 745 René Jacobs: Sieben vorgefasste (und irrige) Meinungen über La Clemenza di Tito, in: Beiheft zur CD, W. A. Mozart – La Clemenza di Tito. Harmonia Mundi, HMC 901923.24, Arles 2006, S. 68. 746 Angermüller (1995), S. 222. 747 Ebd., S. 227; siehe auch Angermüller (2006a), S. 749. 748 Joseph Heinz Eibl: „… una Porcheria tedesca?“. Zur Uraufführung von Mozarts La clemenza di Tito, in: Österreichische Musikzeitschrift (1976), 31. Jg., S. 330. Anmerkungen  335

749 750 751 752 753 754 755

Landon, (1991a), S. 132. Eibl (1976) S. 330; Vgl. auch Salfellner (2000), S. 225. Landon (1991a), S. 138. Eibl (1976), S. 333. Brief zit. nach Durante (2008), S. 62. Deutsch (1961), S. 355. Ebd. S. 240; Siehe Friedrich Dieckmann: Die Geschichte Don Giovannis. Werdegang eines erotischen Anarchisten, Frankfurt a. M./Leipzig 1991, S. 247. 756 Deutsch (1961), S. 241. 757 Deutsch (1961), S. 380. 758 Eibl (1976), S. 330; die andere Arbeit neben der Oper von Mozart war eine von den Ständen beauftragte Kantate von Leopold Kotzeluch. 759 Landon (1991a), S. 143; siehe auch Salfellner (2000), S. 229. 760 Eibl (1976), S. 331. 761 Ebd. 762 Ebd. 763 Vgl. Peham (1987), S. 272ff. von der die Informationen zu dieser Affäre stammen. 764 Mozart (1976), S. 17. 765 Peham, a. a. O. S. 274. 766 Peham (1987), S. 174; Vgl. Hans-Joachim Kreutzer: Mozarts Oper der Zukunft. La Clemenza di Tito, in: Mozart (2008), S. 43. 767 Borchmeyer (2012), S. 8; siehe auch Borchmeyer (2005b), S. 231. 768 Gerhard Sander (Hrsg.): Theorie der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang. Stuttgart 2003, S. 85. 769 Arie des Titus Nr. 20, Mozart (1976), S. 98f. 770 Borchmeyer (2012), S. 9. 771 Kunze (1996a), S. 552. 772 Einstein (1968), S. 331f. 773 Charles Rosen: Der klassische Stil. Haydn, Mozart, Beethoven, 5. Aufl., Ü. v. Traute M. Marshall, Kassel 2006, S. 295. 774 Einstein (1968), S. 368. 775 Mozart (2005), Bd. 4, S. 150. 776 Reinhard Kapp: Mozart. Vorromantik?, in: Lachmayer (2006), S. 353. 777 Günther Andrees, zit. bei Kapp S. 353; Kapp weist auf die antisemitischen Vorbehalte Andrees in dessen Schrift hin: Mozart und Da Ponte oder die Geburt der Romantik, Leipzig 1930. 778 Ebd. S. 355. 779 Willaschek (1995), S. 413. 336  Anmerkungen

780 Ulrich Schreiber: Opernführer für Fortgeschrittene, 3. Aufl., Kassel 2002, S. 488. 781 Nikolaus Harnoncourt: Mozart Dialoge. Gedanken zur Gegenwart der Musik, hrsg. v. Johanna Fürstauer, Kassel 2009, S. 244f. 782 Einstein (1968), S. 425. 783 Anna Amalie Abert: Beiträge zur Motivik von Mozarts Spätopern, in: MJ 1967, S. 8. 784 Ebd., S. 9f. 785 Daniel Heartz: Mozart’s Operas, London 1990, S. 264f. mit Notenbeispiel. 786 René Jacobs (2006), S. 67. 787 Lühning (2007a), S. 249. 788 Kunze (1996a), S. 533f.; Vgl. Mark Berry: Power and Patronage in Mozart’s La Clemenza di Tito and Die Zauberflöte, in: H. M. Scott And M.P. Simms (Hrsg.): Cultures of Power in Europe During the Long Eighteenth Century, Cambridge 2007. 789 Ebd., S. 534. 790 Ludwig Stoffels: Drama und Abschied. Mozart-Die Musik der Wiener Jahre, Zürich und Mainz 1998, S. 239f. 791 Ebd., S. 198, Notenbeispiel S. 239. 792 Heartz (1990), S. 275 und S. 181. 793 Horst Goerges: Das Klangsymbol des Todes im dramatischen Werk Mozarts, München 1960, S. 242. 794 Franz Xaver Niemtschek: Leben des K. K. Kapellmeisters Wolfgang Gottlieb Mozart nach Originalquellen beschrieben, Prag 1798. (Reprint der Ausgabe Leipzig 1942), S. 89. 795 Finscher (1997), S. 338. 796 Wolfgang Amadeus Mozart: Eigenhändiges Werkverzeichnis, Faksimile, Einf. u. Übertrag. Albi Rosenthal und Alan Tyson. Kassel/Basel et al. 1991, S. 141,f 28. 797 Deutsch (1961), S. 355. J. Assmann weist darauf hin, dass z. B. die Schließung einer Loge in Folge des Freimaurerdekrets Josephs II. in einem Gedicht mit der Verbannung der Wahrheit umschrieben wurde: Die Wahrheit, so heißt es, „floh, verbannt von Königen, in diesen stillen Kreis.“ Assmann (2008). S. 220. 798 Landon (1991a), S. 147 zit. Meißner in: Rococobilder, siehe Salfellner (2000), S. 233; vermutlich entstanden in diesen Tagen in der Betramka das Quintett Nr. 12 u. vielleicht auch Priesterchor Osiris und die Papagenolieder. 799 Nissen (1964), S. 559. 800 Mozart (2005), Bd. 4, S. 157. Anmerkungen  337

801 Hanjo Kesting: Der Musick gehorsame Tochter. Mozart und seine Librettisten, Göttingen 2005, S. 91. 802 Mozart (2005), Bd. 3, S. 53. 803 Deutsch (1961), S. 381. 804 Niemtschek (2005), S. 91. 805 Zit. nach Landon (1991a), S. 145. 806 Zit. F. Horn, zit. nach Kunze (1996a), S. 553. 807 Deutsch (1961), S. 377, Brief vom 28. Dezember 1791. 808 Deutsch (1961), S. 413. 809 Ebd., S. 414. 810 Ebd., S. 415. 811 Ebd., S. 416. 812 Ebd., S. 417. 813 Ebd., S. 411. 814 Zitiert nach Deutsch (1961), S. 411. 815 Rice (1991), S. 106; Vgl. auch Rudolph Angermüller: Mozart. Die Opern von der Uraufführung bis heute, Frankfurt a. M. 1988, S. 269ff.; Vgl. Beate Hiltner: La Clemenza di Tito von Wolfgang Amadé Mozart im Spiegel der musikalischen Fachpresse zwischen 1800 und 1850, Frankfurt a. M. 1994. 816 Angermüller (1988), S. 265. 817 Rice (1991), S. 106; Vgl. Leopold (2005b), S. 141f. 818 Kaiser (1991), S. 256. 819 Winfried Bauernfeind: Titus – eine Allegorie auf die Habsburger, in: Opernwelt (1974), Nr. 23. Vgl. Rice (1991), S. 156.

338  Anmerkungen

Literaturverzeichnis (Für eine einfache Identifizierbarkeit der Literaturangaben innerhalb der Anmerkungen, sind Publikationen des gleichen Jahres in den Kurztiteln mit Hinzufügung unterschiedlicher Buchstaben zu den Jahreszahlen verwendet worden. Bsp.: Angermüller (2006a), resp. Angermüller (2006b). Bei Literaturangaben, die nicht explizit in den Anmerkungen angeführt werden, wird auf diese Differenzierung verzichtet.) Abert, Anna Amalie: Beiträge zur Motivik von Mozarts Spätopern, in: Mozart Jahrbuch (MJ) 1967, S. 7–11. – Die Opern Mozarts, Wolfenbüttel/Zürich 1970. Abert, Hermann: W. A. Mozart. Zweiter Teil 1783–1791, 7. Aufl., Leipzig 1956. Adam, Wolfram: Freundschaft und Geselligkeit im 18. Jahrhundert, in: http:// www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/epoche/adam_freundschaft.pdf (Internet vom 21.09.2012). Allanbrook, Wye J.: Mozart’s Happy Endings. A New Look at the „Convention“ of the „lieto fine“, in: MJ 1984–5, S. 1–5. Angermüller, Rudolph (Hrsg.): W. A. Mozarts musikalische Umwelt in Paris (1778). Eine Dokumentation, München 1982. – Mozart. Die Opern von der Aufführung bis heute, Frankfurt a. M. 1988. – Reformideen von du Roullet und Beaumarchais als Opernlibrettisten, in: Hortschansky, Klaus (Hrsg.): Christoph Willibald Gluck und die Opernreform, Darmstadt 1989, S. 286–324. – Mozart auf der Reise nach Prag. Dresden/Leipzig et al. 1995. – Mozarts Reisen in Europa. 1762–1791, Bad Honnef 2004. – Wolfgang Amadeus Mozart. Sämtliche Opernlibretti, 2. Aufl., Stuttgart 2005. – Il sogno di Scipione. Azione teatrale, in: Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth (Hrsg.): Mozarts Opern. Alles von „Apollo und Hyacinth“ bis zur „Zauberflöte“, München 2005, S. 43–47. – (2006a) Chronik der Prager Krönungsfeierlichkeiten 1791, in: Lachmayer, Herbert (Hrsg.): Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Essayband zur Mozart-Ausstellung des Da-Ponte-Instituts, Ostfildern 2006, S. 743–751. – (2006b) Mozarts freimaurerische Freunde in Prag, in: Lachmayer, Herbert (Hrsg.): Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Essayband zur Mozart-Ausstellung des Da-Ponte-Instituts, Ostfildern 2006, S. 525–531. Literaturverzeichnis  339

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Personen- und Werkverzeichnis Albrecht I. 76 Amann, Basil von 12 Andreozzi, Gaetano 179 Anfossi, Bonifacio Domenico Pasquale 42, 179 Arco, Ignaz Graf von 22 Aristoteles 58, 89, 95, 151, 182 Poetik 58 Artois, Graf von (Karl X. Philippe) 262, 283 August III. (König von Polen) 97 Augustus (Gaius Octavius, römischer Kaiser) 68, 69, 70, 74, 79, 113, 273, 321 Aurelius Victor 72 Bach, Johann Christian 59, 60, 61 Baglioni, Antonio 52 Bauernfeind, Winfried 305 Bayern, Wilhelmine von 178 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de 28, 233, 271 Le Mariage de Figaro 28 Beccaria, Cesare 123, 254, 278, 280 Dei delitti e delle pene 254, 278 Bedini, Domenico 298 Beethoven, Ludwig van 293 Fidelio 293 Beethovens, Ludwig van 35 Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco 293, 304 Benedikt XIII. (Papst) 98 Bentivoglio, Cornelio 135 Bertati, Giovanni 45, 51 Bertoni, Ferdinando 179 Bianchi, Francesco 179 Born, Ignaz Edler von 12, 13, 14, 15, 18, 297 366  Register

Bouillé, François-Claude-Amour Marquis de 283 Brutus, Lucius Junius 203 Brutus (Marcus Iunius Brutus Caepio) 203 Bullinger, Franz Joseph Johann Nepomuk 21, 307 Caecina (Aulus Caecina Alienus) 72 Caesar, Gajus Julius 69, 71, 135, 137, 203 Caldara, Antonio 49, 58 Campra, André 64 Canal, Graf von ( Joseph Emmanuel Malabaya) 46, 297 Cannabich, Christian 19 Caruso, Luigi 179 Cassiodor (Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus) 76 Cassius Dio 314 Chatellux, Francesco Giovanni di 176 Cherubini, Luigi Carlo Zenobio Salvatore Maria 179 Chevreuse, Marie de Rohan-Montbazon duchesse de 81 Cicero, Marcus Tullius 62, 135, 145, 146, 322 Atticus-Briefe 135 De re publica 62 Cigna-Santi, Vittorio Amadeo 61 Mitridate, Re di Ponto 61 Cimarosa, Domenico 42, 179, 185, 296 Il matrimonio segreto 42 L’Olimpiade 179 Cinna (Gnaeus Cornelius Cinna Magnus) 69, 79 Clemens XIV. (Papst) 57

Clementi, Muzio 27 Cobenzl, Johann Philipp Graf von 23 Colloredo, Hieronymus Franz de Paula Josef (Graf von Waldsee und Mels) 22, 24 Conti, Giuseppe Antonio 135 Corneille, Pierre 58, 78, 79, 80, 82, 83, 86, 87, 88, 90, 93, 94, 97, 106, 110, 143, 193, 204, 317, 318 Cinna 79, 80, 81, 82, 90, 110, 193, 204 Horace 80 Tite et Bérénice 90, 93, 106 Corvey, Widukind von 76, 316 Coscia, Niccolò 98 Crescentini, Girolamo 41 Danchet, Antoine 64 Da Ponte, Lorenzo 9, 10, 15, 28, 44, 45, 65, 233, 269, 296, 311 Don Giovanni 269 Le nozze di Figaro 233 David, Jacques Louis 203 Die Liktoren bringen Brutus die Leichen seiner Söhne 203 Descartes, René Les passions de l'âme 108 Donizetti, Domenico Gaetano Maria 304 Duschek, Franz Xaver 46 Duschek, Josepha 46, 54, 303 Elisabeth Christine von BraunschweigWolfenbüttel-Bevern (Königin von Preußen) 100 Erzherzog Franz Karl Joseph von Österreich 308, 309 Esterházy de Galantha, Paul Anton 43, 44 Ferdinand III. (König von Böhmen, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 39

Ferdinand I. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 96 Ferdinand Karl von Österreich-Este 33 Ferrandini, Giovanni Battista 59 Fersen, Hans Axel Graf von 283 Firmian, Karl Joseph Gotthard von 61 Flavius, Josephus 73 Franklin, Benjamin 255 Friedrich Wilhelm II. von Preußen 262, 302 Galuppi, Baldassare 58, 217 Gamerra, Giovanni de 61, 180 Lucio Silla 61 Pirro 180 Gebler, Tobias Philipp Freiherr von 13 Thamos, König in Ägypten 13 Gemmingen, Otto Heinrich von 13, 14, 15 Gessner, Salomon 21 Geul, Outacher ouz der 76 Gianni, Francesco Maria 255 Giuliani, Cecilia 56 Gluck, Christoph Willibald Ritter von 15, 58, 254 Goethe, Johann Wolfgang von 296, 303 Torquato Tasso 296 Golizyn, Dmitri Michailowitsch Fürst von 23 Gravina, Giovanni Vincenzo 98, 122, 123 Grétry, André-Ernest-Modeste 34 Guardasoni, Domenico 11, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 51, 52, 53, 55, 284, 300, 312 Guevara, Antonio de 77, 316 Hagenauer, Johann Lorenz von 59 Hasse, Johann Adolph 58, 59, 119, 135 Häusler, Joseph 311 Haydn, Joseph 46 Register  367

Hazard, Paul 240 Hennet, Giovanni Baron d’ 42 Hofdemel, Magdalena 38 Hoffmann, Leopold Alois 261, 262, 274 Hofmann, Leopold 32 Jahn, Ignaz 32 Jahn, Otto 287, 304 Jommelli, Niccolò 58, 180 Joseph II. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, König von Böhmen, Kroatien und Ungarn) 13, 14, 15, 16, 18, 20, 22, 25, 28, 29, 30, 36, 39, 43, 54, 56, 65, 254, 256, 257, 261, 271, 287, 332 Joseph I. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, König von Böhmen, Kroatien und Ungarn) 96 Kant, Immanuel 18 Karl Albrecht von Bayern ( als Karl VII. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 96, 97, 99, 100, 102, 103, 136 Karl VI. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 49, 57, 58, 62, 77, 78, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 136, 241, 266, 271, 276, 305, 319 Katharina II., die Große (Kaiserin von Russland) 42, 262 Knigge, Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr von 21 Konstantin I., der Große (Flavius Valerius Constantinus) 76 Kotzeluch, Leopold 336 Künigl, Kaspar Hermann Reichsgraf von 42, 46 La Bruyère, Jean de 87, 318 Lalli, (Benedetto) Domenico 146, 150 Damiro e Pitia 146 368  Register

I veri amici 146 Lange, Joseph 27 Lange, Maria Aloisia Antonia 302 Lazansky, Prokop Graf von 46, 47 Leopold II. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, zuvor Pietro Leopoldo Großherzog der Toskana) 10, 16, 22, 30, 31, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 47, 48, 49, 55, 56, 57, 65, 75, 202, 203, 240, 243, 244, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 271, 272, 273, 274, 276, 277, 278, 282, 283, 284, 285, 287, 288, 289, 297, 305, 311, 332, 334 Leopold I. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 77, 316 Lessing, Gotthold Ephraim 18, 89 Louis II. Joseph de Bourbon, duc de Vendôme 80 Ludwig XIV., Louis le Grand (König von Frankreich und Navarra) 82, 87, 97 Ludwig XVI. (König von Frankreich und Navarra) 18, 48, 262, 268, 283 Maffoli, Vincenzo 56 Mairet, Jean 79 Mancini, Maria 97 Manzuoli, Giovanni 59, 61 Marchesi, Luigi 40, 41 Marchetti-Fantozzi, Maria 284, 299 Maria Amalia ( Josefa Anna) von Österreich 96, 97, 99, 100, 102, 136 Maria Christina von Österreich 258 Maria Ludovica von Spanien (Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches) 39, 56, 286, 288, 334 Maria Theresia von Österreich 18, 33, 57, 62, 96, 97, 101, 102, 137, 243, 259

Marie Antoinette (Königin von Frankreich) 48, 283 Marie Thérèse Charlotte de Bourbon 284 Maximilian Franz Erzherzog von Österreich 23, 62, 301 Maximilian I. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 77 Mayr, Johann Simon 293 Mazarin, Jules 97 Mazzolà, Caterino Tommaso 45, 49, 51, 52, 53, 54, 60, 68, 81, 88, 89, 178, 179, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 192, 193, 194, 195, 196, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 239, 242, 243, 244, 253, 267, 268, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 282, 283, 288, 289, 291, 297, 299, 312, 321, 329 Meißner, Alfred 286 Mendelssohn, Moses 20 Metastasio, Pietro 41, 43, 48, 49, 51, 52, 54, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 65, 66, 68, 78, 81, 82, 83, 84, 86, 88, 89, 90, 93, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 104, 107, 108, 110, 111, 113, 119, 122, 123, 126, 128, 130, 135, 137, 144, 145, 146, 149, 151, 161, 163, 166, 175, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 186, 187, 189, 190, 192, 193, 194, 195, 196, 198, 199, 200, 202, 203, 204, 205, 207, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 217, 219, 220, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 230, 231, 232, 235, 236, 239, 241, 242, 243, 253, 254, 266, 271, 275, 276, 279, 281, 288, 289,

290, 304, 305, 319, 320, 321, 325, 329 Allessandro nell’ Indie 176 Artaserse 57, 99 Attilo Regulo 175 Catone in Utica 98, 119, 175, 322 Demetrio 178 Demofoonte 57, 60 Ezio 98 Il re pastore 62, 161, 254 Il sogno di Scipione 62 La clemenza di Tito 48, 49, 58, 59, 61, 65, 78, 81, 82, 83, 86, 88, 89, 93, 94, 95, 97, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 150, 176, 265, 302 La Scusa 217 L’Eroe cinese 66 L’Olimpiade 60, 66, 161, 179 Temistocle 65 Montaigne, Michel de 79, 145, 146, 147 Essais 79 Montesquieu, Charles de 123, 322 Morselli, Adriano 146 Pirro e Demetrio 146 Mozart, Constanze (geb. Weber, Aloisia) 11, 19, 20, 31, 37, 38, 50, 53, 66, 292, 298, 301, 302, 309, 313 Mozart, ( Johann Georg) Leopold 12, 19, 22, 23, 25, 26, 59, 61, 62, 63, 181, 299, 307, 308, 313, 314 Mozart, Maria Anna 20, 61, 62, 314 Mozart, Wolfgang Amadeus „Ah, lo previdi! – Ah, t'invola – Deh, non varcare“ (KV 272) 60 „Ah se in ciel, benigne stelle“ (KV 538) 66 „Alcandro Io confesso – Non sò d’onde viene“ (KV 512) 66 Register  369

Alcandro, lo confesso – Non sò donde viene (KV 294) 60 Auf die feierliche Johannisloge (KV2 148) 12 Ave verum corpus (KV 618) 66, 292, 295 Betulia Liberata (KV 118) 62 „Così dunque tradisci – Aspri rimorsi atroci“ (KV 432) 65 Così fan tutte (KV 588) 9, 28, 191, 294, 295 „Die ihr des unermeßlichen Weltalls Schöpfer ehrt“ (Freimaurer­ kantate (KV 619)) 15 Die Maurerfreude (KV 471) 297 Die Zauberflöte (KV 620) 9, 10, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 19, 21, 33, 34, 37, 63, 66, 67, 261, 266, 267, 278, 292, 293, 294, 295, 297, 298, 299, 301 Don Giovanni (KV 527) 9, 28, 29, 40, 46, 52, 53, 55, 191, 215, 269, 270, 284, 300, 301 Idomeneo, Rè di Creta (KV 366) 62, 63, 64, 65, 66, 181, 185, 215, 299, 304 „Ihr unsre neuen Leiter“ (KV 484) 14 Il re pastore (KV 208) 62, 254 Il sogno di Scipione (KV 126) 62 Klarinettenkonzert A-Dur (KV 622) 66, 293, 295 Klavierkonzert A-Dur (KV 488) 35 Klavierkonzert B-Dur (KV 595) 32, 292 Klavierkonzert c-Moll (KV 491) 35, 36 Klavierkonzert d-Moll (KV 466) 34, 36

370  Register

Klavierkonzert Es-Dur (KV 482) 35 Klavierkonzert F-Dur (KV 459) 34 „Laut verkünde unsre Freude" (Kleine Freimaurerkantate (KV 623)) 16, 295 Le nozze di Figaro (KV 492) 9, 15, 28, 29, 36, 40, 46, 47, 48, 55, 65, 66, 191, 200, 233, 270, 271, 285, 300, 305 Lucio Silla (KV 135) 61, 62, 185 Missa C-Dur („Krönungs-Messe“ KV 317) 284 Mitridate, Re di Ponto (KV 87 (74a)) 61 „Non curo l’affetto“ (KV – (74b)) 60 „Va, dal furor portata“ (KV 21 (19c)) 59 „Zerfließet heut, geliebte Brüder“ (KV 483) 14 Nero (röm. Kaiser) 71, 72, 75 Niemetschek, Franz Xaver 50, 214, 296, 300 Nissen, Georg Nikolaus von 34, 50, 298, 309 Noris, Matteo 319 Tito Manlio 319 Novello, Mary 19, 20 Orsini-Rosenberg, Franz Xaver Wolfgang von 28, 43, 45 Otto I., der Große (König von Italien und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 76 Pachta, Johann Nepomuk Graf von 46 Paisiello, Giovanni 42, 179, 180, 185, 296 Elfrida 185 Giuochi D’Agrigento 185 Pirro 180, 185 Sismano nel Mogol 180

Pedroni, Giovanni 304 Pergen, Johann Anton Graf von 28, 258, 274 Pezzl, Johann 20 Faustin oder das philosophische Jahrhundert 20 Plutarch von Athen 70 Polignac, Jules de 283 Ponnelle, Jean-Pierre 305 Porpora, Nicola Antonio 150 Przichonsky (Gräfin) 288 Puchberg, Johann Michael von 22, 23, 33, 44, 307, 308 Raaff, Anton 181 Racine, Jean Baptiste 58, 61, 78, 81, 84, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 93, 94, 97, 106, 108, 138, 139, 143, 203, 323 Andromaque 81, 84, 85, 87, 90, 138, 139, 203 Bérénice 90, 91, 93, 106 Raimondi, Olivia 287, 288 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Premier Duc de 80, 81, 82, 97 Riedel, Maria Andreas Nicolaus Tolentin 263 Rochlitz, Johann Friedrich 50, 215, 303 Rossini, Gioachino Antonio 53, 293, 304 Rottenhan, Heinrich Franz Graf von 40, 42, 45, 46, 47, 48, 267, 283, 284, 285, 286 Rotterdam, Erasmus (Desiderius) von 77 Institutio Principis Christiani 77 Rotterdam, Erasmus (Desiderius) von 77 Rubinelli, Giovanni 41 Rudolf II. (Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) 75

Rumbeke, Marie Karoline von 23 Ryer, Pierre du 79 Sacchini, Antonio Maria Gasparo Gioacchino 180 Callirhoe 180 Salieri, Antonio 30, 31, 43, 44, 46, 53, 284 La Locandiera 43 Sartori, Joseph von 257, 265 Leopoldinische Annalen oder Beitrag zur Regierungsgesch. Kaiser Leopold's 257, 265 Schikaneder, Emanuel 16, 17, 18, 22, 32, 33, 34, 38, 266, 267, 299 Die Zauberflöte 16, 17 Schuster, Joseph 178 Scudéry, Madeleine de 79 La mort de César 79 Seneca, Lucius Annaeus 69, 70, 75, 77, 79, 80 De clementia 69, 75, 79 Simonetti, Luigi 301 Sonnenfels, Joseph Freiherr von 14, 20, 23, 258, 260, 263, 283 Journal für Freymaurer 14 Sporck, Johann Karl Graf von 46 Stadler, Anton Paul 11, 50, 298 Stainreuther, Leopold 76 Starhemberg, Johann Georg Adam Graf von 44 Strack, Graf Johann Kilian von 23 Sueton (Gaius Suetonius Tranquillus) 68, 70, 79, 91, 113, 319 Das Leben der römischen Kaiser 68 Süßmayr, Franz Xaver 37, 50, 53 Sweerth, Giuseppe Conte di 42 Swieten, Gottfried Freiherr van 23, 261 Tacitus, Publius Cornelius 69, 319 Talleyrand-Périgord, Henri de 81 Terrasson, Jean 13 Register  371

Sethos, histoire ou vie, tirée des monumens anecdotes de l’ancienne Egypte 13 Theodosius I. 76 Thun und Hohenstein, Gräfin Maria Wilhelmine von 23 Thun und Hohenstein, Graf Johann Joseph Anton von 46 Titus (2. röm. Kaiser) 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 78, 79, 90, 91, 95, 253, 256, 257, 263, 265, 271, 289 Traetta, Tommaso 58 Trattner, Maria Theresia von 23 Ugarte, Graf Johann Wenzel von 43, 44, 56, 308, 310 Ulibischev, Alexander 304 Ungar, Karel Rafael 46 Unwerth, Giovanni Conte 42 Valentini, Michelangelo 61 La clemenza di Tito 61 Varesco, Giambattista 62 Vento, Mattia 59 Verazi, Mattia 179, 180 Europa riconosciutà 180 Fetonte 180 Vespasian (1. röm. Kaiser) 72, 73, 91, 95 Violani (Kastrat) 41

372  Register

Vitellius, Aulus (Kaiser) 73, 95, 105, 319 Voltaire (Pseudonym für François Marie Arouet) 58, 82, 187, 203, 225, 313 Brutus 203 Voß, Johann Heinrich 18 Wagner, Richard 293, 304 Lohengrin 293 Oper und Drama 304 Waldstätten, Baronin Martha Elisabeth von 23 Weber, Aloisia.  Siehe Mozart, Constanze Weber, Carl Maria (Friedrich Ernst) von 293 Oberon 293 Weber, Johann Adam 75 Weber, Sophie 32 Weigl, Joseph 44 Wieland, Christoph Martin 21 Oberon 21 Poetische Schriften 21 Zaglauer von Zahlheim, Franz 36 Zanotti, Francesco Maria 126 Zeno, Apostolo 57, 104 Zinzendorf, Karl Johann Christian Graf von 284, 285