Mozart auf der Reise nach Prag: Novelle [7. Aufl. Reprint 2020]
 9783112375181, 9783112375174

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Mozart auf der Reife nach Prag Novelle von

göuarö WSrrke Siebente Auslage

Leipzig 6. J. SSschen'sche Verla-shan-l«n1902

Alle Rechte von der Berlagshandlnng Vorbehalten.

Druck von Carl RemboldL Co., Heilbronn a. N.

auf der Keife nach Krag. Novelle.

§m Herbst des Jahres 1787 unternahm Mozart

in Begleitung seiner Frau eine Reise nach Prag, um

Don Juan daselbst zur Aufführung zu bringen.

Am dritten Reisetag, den vierzehnten September gegen elf Uhr morgens, fuhr das wohlgelaunte Ehe­

paar noch nicht viel über dreißig Stunden Wegs von

Wien entfernt, in nordwestlicher Richtung, jenseits vom Mannhardsberg und der deutschen Thaya, bei

Schrems, wo man das schöne Mährische Gebirg bald

vollends überstiegen hat. „Das mit drei Postpferdeir bespannte Fuhrwerk,"

schreibt die Baronesse von T. an ihre Freundin, „eine stattliche gelbrote Kutsche, war Eigentum einer ge­

wissen alten Frau Generalin Volkstett, die sich auf ihren Umgang mit dem Mozartischen Hause und ihre

ihm erwiesenen Gefälligkeiten von jeher scheint etwas

zu gut gethan zu haben." — Die ungenaue Beschrei­

bung des fraglichen Gefährts wird sich ein Kenner

des Geschmacks der achtziger Jahre noch etwa durch einige Züge ergänzen.

Der

gelbrote Wagen

ist

hüben und drüben am Schlage mit Blumenbouquets, in ihren natürlichen Farben gemalt, die Ränder mit schmalen Goldleisten verziert, der Anstrich aber noch

keineswegs von jenem spiegelglatten Lack der heutigen

Wiener Werkstätten glänzend, der Kasten auch nicht völlig ausgebaucht, obwohl nach unten zu kokett mit

einer kühnen Schweifung eingezogen; dazu kommt ein hohes

Gedeck

starrenden

mit

Ledervorhängen,

die

gegenwärtig zurückgestreift sind. Von dem Kostüm der beiden Pasiagiere sei über­

dies so viel bemerkt.

Diit Schonung für die neuen,

im Koffer eingepackten Staatsgewänder war der An­ zug des Gemahls bescheidentlich von Frau Constanzen

ausgewählt; zu der gestickten Weste von etwas verschoffenem Blau sein gewohnter brauner Überrock mit einer Reihe großer und dergestalt fatzonnierter Knöpfe, daß eine Lage

rötliches Rauschgold durch

ihr sternartiges Gewebe schimmerte, schwarzseidene Beinkleider, Strümpfe und auf den Schuhen ver­

goldete Schnallen.

Seit einer halben Stunde hat er

wegen der für diesen Monat außerordentlichen Hitze sich des Rocks entledigt und sitzt vergnüglich plau-

«dKLttdwLttdKLn derod,

bütHaupt,

in Heiudärmelu

Madame

da.

Mozart trägt ein bequemes Reisehabit, hellgrün und weiß gestreift; halb aufgebunben fällt der Überfluß ihrer schönen, lichtbraunen Locken auf Schulter und Nacken hemnter; sie waren Zeit ihres Lebens noch

niemals von Puder

entstellt,

während

der

starke

in einen Zopf gefaßte Haarwuchs ihres Gemahls für

heute nur nachlässiger

als gewöhnlich damit ver­

sehen ist. Man war eine sanft ansteigende Höhe zwischen

fruchtbaren Feldem, welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam hinauf und jetzt

am Waldsaum angekommen.

„Durch wie viel Wälder," sagte Mozart, „sind wir nicht heute, gestern und ehegestern schon passiert!

— Ich dachte nichts dabei, geschweige daß mir ein­ gefallen wäre, den Fuß hinein zu setzen.

Wir stei­

gen einmal aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so hübsch im Schatten stehen. Deine Tiere, Schwager,

mögen ein

bißchen ver­

schnaufen."

Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Un­

heil an den Tag, welches dem Meister einen Zank

zuzog.

Durch seine Achtlosigkeit war ein Flacon mit

kostbarem Riechwasier aufgegangen und hatte seinen Inhalt unvernierkt in die Kleider und Polster er-

„Ich hätt' es beuten sönnen," klagte sie, „es

gossen.

duftete schon lang so stark! O weh, ein volles Fläsch­ chen echte 3lofee d'Aurore

rein

ausgeleert!

Ich

sparte sie wie Gold." — Ei, Närrchen," gab er ihr

zum Trost zurück,

aus solche Weise

„begreife doch,

ganz allein war uns dein Götter-Niechschnaps etwas Erst saß man in einem

nütze.

Backofen und

all

dein Gefächel half nichts, bald aber schien der ganze Wagen

gleichsam

ausgekühlt;

du schriebst

es

den

paar Tropfen zu, die ich mir auf den Jabot goß; wir waren neu belebt und das Gespräch floß munter

fort, statt daß wir sonst die Kopse hätten hängen lassen

wie die Hämmel auf des Fleischers Karren; und diese Wohlthat wird uns auf dem ganzen Weg begleiten. Jetzt

aber laß uns

doch

einmal zwei Wieiierische

Nos'n recht expreß hier in die grüne Wildnis stecken!" Sie stiegen Arm in Arm über den Graben an

der Straße und sofort tiefer in die Tannendunkelheit hinein, die, sehr bald bis zur Finsternis verdichtet, nur hin und wieder von einem Streifen Sonne auf

sammetnem Moosboden grell durchbrochen ward.

Die

erquickliche Frische, im plötzlichen Wechsel gegen die

außerhalb

Mann

herrschende

Glut,

hätte

dem

sorglosen

ohne die Vorsicht der Begleiterin gefährlich

werden können.

Mit Mühe drang sie ihm das in

Bereitschaft gehaltene Kleidungsstück auf. — „Gott,

welche Herrlichkeit!" rief er, an den hohen Stämmen hinaufblickend, aus: „man ist als wie in einer Kirche! Mir deucht, ich war niemals in einem Wald, und

besinne mich jetzt erst, was es doch heißt, ein ganzes

Volk von Bäumen bei einander!

Keine Menschenhand

hat sie gepflanzt, sind alle selbst gekomnien, und stehen

so, nur eben weil es lustig ist beisammen wohnen

und «irlschastm.

Siehst

du, mit jungen Jahren

fuhr ich doch in halb Europa hin und her, habe die Alpen gesehn und

das Meer,

das

Größeste und

Schönste, was erschaffen ist: jetzt steht von ungefähr der Gimpel in einem ordinären Tannenwald an der böhmischen Grenze, verwundert und verzückt, daß sol­

ches Wesen irgend existiert, nicht etwa nur so una

finzione di poeti ist,

wie ihre Nymphen, Faune

und dergleichen mehr, auch kein Komödienwald, nein aus dem Erdboden heraus gewachsen, von Feuchtig­

keit und Wärmelicht der Sonne groß gezogm!

ist zu Haus der Hirsch,

Hier

mit seinem wundersamen

zackigen Gestäude auf der Stirn, das possierliche Eich­ horn, der Auerhahn, der Häher." — Er bückte sich,

brach einen Pilz und pries die prächtige hochrote

Farbe des Schirms, die zarten weißlichen Lamellen an deffen unterer Seite, auch steckte er verschiedene Tannenzapfen ein. „Man könnte denken," sagte die Frau, „du habest

rdkLNHSKLttdü nicht zwanzig Schritte

noch

hinein in den Prater

gesehm, der solche Raritätm doch auch wohl aufzu­ weisen hat."

„Was Prater! Sapperlot, wie du nur das Wort

hier nennen magst!

Vor lauter Karaffen,

Staats­

degen, Roben und Fächern, Musik und allem Spek­

takel der Welt, wer sieht denn da noch sonst etwas? Und selbst die Bäume dort,

so breit sie sich auch

machen, ich weiß nicht — Bucheckern und Eicheln, am

Boden verstreut, sehn Halter aus als wie Geschwister­ kind mit der Unzahl verbrauchter Korkstöpsel darunter.

Zwei Stundm weit riecht das Gehölz nach Kellnem und nach Saucen."

„O unerhört!" rief sie, „so redet nun der Mann, dem gar nichts über das Vergnügen geht, Backhähnl im Prater zu speisen!"

Als beide wieder in dem Wagen saßen und sich die Straße jetzt

Wegs

nach

einer kurzen Strecke

allmählich abwärts senkte,

ebenen

wo eine lachende

Gegend sich bis an die entfernteren Berge verlor,

fing unser Meister, nachdem er eine Zeitlang still gewesen, wieder an: „Die Erde ist wahrhaftig schön,

und keinem zu verdenken, wenn er so lang wie mög­ lich darauf

bleiben will.

Gott sei's gedankt, ich

fühle mich so frisch und wohl wie je, und wäre bald

zu tausend Dingen aufgelegt, die denn auch alle nach»

einander an die Reihe kommen sollen, wie nur mein neues Werk vollendet und ausgeführt sein wird.

Wie

viel ist draußen in der Welt, und wie viel daheim.

Merkwürdiges und Schönes, das ich noch gar nicht

kenne,

an Wunderwerken der Natur,

schasten, Künsten

und

nützlichen

an

Wiffen-

Gewerben!

Der

schwarze Köhlerbube dort bei seinem Meiler weiß dir

von manchen Sachen auf ein Haar so viel Bescheid wie ich, da doch ein Sinn und ein Verlangen in

mir wäre, auch einen Blick in Dies und Jens zu thun,

das eben nicht

zu meinem

nächsten

Kram

gehört." „Mir kam," versetzte sie, „in diesen Tagm dein

alter Sackkalender in die Hände von anno fünfund­

achtzig; da hast du hinten angemerkt drei bis vier

Notabene.

man

Zum ersten steht: Mitte Oktober gießet

die großen Löwen in kaiserlicher Erzgießerei;

fürs zweite, doppelt angestrichen: zu besuchen.

Profesior Gattner

Wer ist der?"

„O recht, ich weiß — auf dem Observatorio der gute alte Herr, der mich von Zeit zu Zeit dahin ein­

lädt.

Ich wollte längst einmal den Mond und 's

Mandl drin mit dir betrachten.

Sie haben jetzt ein

mächtig großes Fernrohr oben; da soll man auf der

ungeheuern Scheibe hell und deutlich bis zum Grei­ fen, Gebirge, Thäler, Klüfte sehen, und von der Seite,

wo die Sonne nicht hinfällt, den Schatten, den die Berge werfen.

Schon seit zwei Jahren schlag' ich's

an, den Gang zu thun, und komme nicht dazu, elen« der und schändlicher Weise!" „Nun," sagte sie, „der Mond entläuft uns nicht.

Wir holen manches nach." Nach einer Pause fuhr er fort: „Und geht es

nicht mit allein so?

O pfui, ich

darf nicht daran

was man verpaßt, verschiebt und hängen

denken,

läßt! — von Pflichten

gegen Gott

und Menschen

nicht zu reden — ich sage von purem Genuß, von den kleinen unschuldigen Freuden, die einem jeden

täglich vor den Füßen liegen." Madame Mozart kannte oder wollte von der Rich­ tung,

die sein leicht bewegliches Gefühl hier mehr

und mehr nahm, auf keine Weise ablenken, und leider konnte sie ihm nur von ganzem Herzen recht geben,

indem er mit steigendem Eifer fortfuhr: denn je nur

froh? passant!

meiner Kinder ein

„Ward ich

volles Stündchen

Wie halb ist das bei mir,

und immer en

Die Buben einmal rittlings auf das Knie

gesetzt, mich zwei Minuten mit ihnen durchs Zimmer

gejagt, und damit basta, wieder abgeschüttelt!

Es

denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zu-

sanunen einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern ober Pfingsten, in einem Garten ober Wäldel, auf

der Wiese,

wir unter uns allein, bei Kinderscherz

und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden.

Allinitlelst geht und rennt und saust das

Leben hin — Herr Gott! bedenkt man's recht, es

möcht' einem der Angstschweiß ansbrechen!" Mit

der

soeben

ausgesprochenen

Selbstanklage

war unerwartet ein sehr ernsthaftes Gespräch in aller

Traulichkeit und Güte zwischei« beiden eröffnet. teilen dasselbe nicht

ausführlich

mit, und

Wir

werfen

lieber einen allgemeinen Blick auf die Verhältniffe,

die teils

ausdrücklich

und

unmittelbar den Stoff,

teils auch nur den bewußten Hintergrund der Unter­ redung ausmachten.

Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Be­ trachtung auf, daß dieser feurige, für jeden Reiz der

Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Ge­

müt erreichbar ist, unglaublich empfängliche Diensch,

so viel er auch in seiner kurzm Spanne Zeit erlebt, genoffen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und

teilt befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang entbehrte. Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa

tiefer sucheit will, als sie vermutlich liegen, wird sie zunächst einfach

in jenen,

wie es scheint, unüber­

windlich eingewohnten Schwächen finden, die wir so gern, und nicht

ganz ohne Grund, mit alle dem.

maS an Mozart der Gegenstand unsrer Bewunderung

ist, in eine Art notwendiger Verbindung bringen. Mannes Bedürsnisie waren sehr vielfach,

Des

seine Neigung zumal

ordentlich groß.

gesellige Freuden außer­

für

Von den vornehmsten Häusern der

Stadt als unvergleichliches Talent gewürdigt und ge­ sucht, verschmähte er Einladungen zu Feste», Zirkeln

und Partien selten eigenen

Dabei that er der

oder nie.

innerhalb

Gastfteundschast

Kreise gleichfalls genug.

seiner

näheren

Einen längst hergebrachten

musikalischen Abend am Sonntag bei ihm, ein un­

gezwungenes Diittagsmahl

an seinem wohlbestellten

Tisch mit ein paar Frerinden rind Bekannten, zwei-,

dreimal in der Woche,

das wollte er nicht missen.

Bisweilen brachte er die Gäste,

zum Schrecken der

Frau, unangekündigt von der Straße weg ins Haus,

Leute von sehr ungleichem Wert, Liebhaber, Kunstgenosien, Sänger und Poeten.

Der müßige Schma­

rotzer, dessen ganzes Verdienst in einer immer auf­

geweckten Laune, in Witz und Spaß, und zwar vom gröbern Korn bestand, kam so gut wie der geistvolle

Kenner

und der treffliche Spieler erivünscht.

größten Teil seiner

außer dem eigenen Hause zu suchen. ihn

nach

Tisch

Den

Erholung indes pflegte Mozart

einen

Tag

wie

den

Man konnte andern

a>n

Billard im Kaffeehaus, und so auch manchen Abend

im Gasthof finden.

Er fahr und ritt sehr gerne in

Gesellschaft über Land, besuchte als ein ausgemachter Tänzer Bälle und Redouten und machte sich des Jahrs

einigemale einen Hauptspaß an Volkssesten, vor allen am Brigitten-Kirchtag im Freien, wo er als Pierrot

maskiert erschien.

Diese Vergnügungen, bald bunt und ausgelaffen, bald einer ruhigeren Stimmung zusagend, waren be­ stimmt, dem lang gespannten Geist nach ungeheurem

Kraftaufwand

die nötige

Rast zu gewähren;

auch

verfehltm sie nicht, demselben nebenher auf den ge­ heimnisvollen Wegen,

auf welchen

das Genie sein

Spiel bewußtlos treibt, die feinen flüchtigen Eindrücke mitzutellen, wodurch es

sich

gelegentlich beftuchtet.

Doch leider kam in solchen Stunden, weil es dann

immer galt, den glücklichen Moment bis auf die Neige auszuschöpfen, eine andere Rücksicht,

es sei nun der

Klugheit oder der Pflicht, der Selbsterhaltring wie

der Häuslichkeit, nicht in Betracht.

Genießend oder

schaffend kannte Mozart gleich wenig Maß und Ziel. Ein Teil der Nacht war

stets der Komposiüon ge­

widmet.

oft lange noch im Bett,

ward Uhr

Morgens

ausgearbeitet. an,

zu Fuß

früh,

Dann machte er,

oder im

von

zehn

Wagen abgeholt, die

Ru>«de seiner Leftionen, die in der Regel noch einige Iiachmittagsstunden

wegnabnien.

„Wir plagen uns

wohl auch rechtschaffen," so schreibt er selber einmal

einem Gönner, „und es hält öfter schwer, nicht die

Geduld zu verlieren.

akkreditierter

Da halst man sich als wohl

Cembalist

und

stllusiklehrmeister

ein

Dutzend Schüler auf, und immer wieder einen neuen, unangesehn,

was

weiter an ihm ist, wenn er nur

seinen Thaler per marca bezahlt. Ein jeder ungrische Schnurrbart vorn Geniekorps ist willkommen, den der Satan plagt, für nichts rind wieder nichts General­

baß und Kontrapllnkt zu studieren; das übermütigste Komteßchen,

das

mich wie Meister Coguerel,

den

Haarkräusler, mit einem roten Kopf empfängt, wenn ich einmal nicht auf den Glockenschlag bei ihr an­

klopfe u. s. w."

Und weiln er nun durch diese und

andere Berufsarbeiten, Akademien, Proben und der­

gleichen war

abgemüdet, nach frischem Atem schmachtete,

den

erschlafften

Äierven

häufig nur in neuer

Ausregung eine scheinbare Stärkung vergönnt. Seine Gesundheit rourbe heimlich angegriffen, ein je und je wiederkehrender Zustand von Schwermut wurde, wo

nicht erzeugt,

doch sicherlich genährt an eben diesem

Punkt, und so die Ahnung eines frühzeitigen Todes, die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, un­

venneidlich erfüllt. Gefühl eine

der

Gram aller Art und Farbe, das

Reue nicht ausgenommen, war er als

herbe Würze jeder Lust

auf

seinen Teil ge-

Doch

wöhnt.

wissen

wir,

auch

diese

Schmerzen

rannen abgeklärt und rein in jenem tiefen Quell zu­ sammen, der aus hundert goldenen Röhren springend, im Wechsel seiner Melodien unerschöpflich, alle Qual

und alle Seligkeit der Menschenbnist ausströmte.

Am offenbarsten zeigten sich die bösen Wirkungen

der Lebensweise Mozarts in seiner häuslichm 93er*

sassung.

Der Vorwurf thörichter, leichtsinniger Ver­

schwendung lag sehr nahe; einen

er mußte sich sogar an

seiner schönsten Herzenszüge

hängen.

Kam

einer, in dringender Not ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so war meist schon

darauf

gerechnet,

Pfand und

daß

er sich nicht erst lang nach

Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte

ihm auch in der That so wenig als einem Kinde an-

gestanden.

Am liebsten schenkte er. gleich hin, und

immer mit lachender Großmut, besonders wenn er meinte gerade Überfluß zu haben. Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf erheischte, standen allerdings in keinem Verhältnis mit den Einkünften.

Was von

Theatem und Konzerten, von Verlegern und Schülem einging,

zusamt der

kaiserlichen Pension,

genügte

um so weniger, da der Geschmack des Publikums noch

weit davon entfernt war, sich entschieden für Mozarts

Musik zu erklären.

Die lauterste Schönheit,

Fülle

und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten, leicht faßlichen Kost. Wiener an Belmonte und

populärm Elementen

Zwar hatten sich die

Constanze —

dieses

Stücks

dank den seiner Zett



kaum ersättigen tonnen, hingegen that, einige Jahre später, Figaro, und sicher nicht allein durch die In«

triguen des

im Wettstreit mit der lieb­

Direktor-,

lichen, doch weit geringerm Cosa rara, einen unerwarleten, kläglichen Fall; derselbe Figaro, dm gleich

darauf die gebildetm oder unbefangmen Prager mit solchem Enthusiasmus

in dankbarer

aufnahmen, daß der Meister,

Mhrung darüber,

seine nächste große

Oper eigens für sie zu schreiben beschloß.

der Ungunst

der Zeit

— Trotz

und dem Einfluß der Feinde

hätte Mozart mit etwas mehr Umsicht und Klugheit

noch immer einen sehr ansehnlichen Gewinn von sei­

ner Kunst gezogen: so aber kam er selbst bei jenen Unternehmungen zu kurz, wo auch der große Haufen

Beifall

ihm

zujauchzen

mußte.

Genug,

es wirtte

eben alles, Schicksal und Naturell und eigene Schuld zusammm,

den

einzigm

Mann

nicht

gedeihen

zu

lasten.

Welch

einen

schlimmm

Stand

nun

aber eine

Hausfrau, sofern sie ihre Aufgabe kannte, unter sol­

chen leicht.

Umständen

Obgleich

gehabt haben müste, begreifen wir

selbst

jung

und

lebensfroh,

att

Tochter eines Musikers ein ganzes Künstlerblut, von Hause aus übrigens

schon an Entbehning gewöhnt,

bewies Constanze Allen guten Willen, dem Unheil an der Quelle zu steuern, manches Verkehrte abzuschneiden und den Verlust im Großen durch Sparsamkeit

im Kleinen zu ersetzen.

Nur eben in letzterer Hinsicht

vielleicht ermangelte sie des rechten Geschicks und der

Sie hatte die Kasse und führte

frühem Erfahrung.

das Hausbuch, jede Fordemng, jede Schuldmahnung,

und was es Verdrießliches gab,

an sie.

ging ausschließlich

Da stieg ihr wohl mitunter das Wasser an

die Kehle, zumal wenn ost zu dieser Bedrängnis, zu Mangel, peinlicher Verlegenheit und Furcht vor offen­ barer Uneyre, noch gar der Trübsinn ihres Mannes

kam,

worin er tagelang verharrte, unthätig, keinem

Trost zugänglich, indem er mit Seufzen und Klagen neben

der Frau,

oder stumm in einem Winkel vor

sich hin, dm einen traurigen Gedanken, zu sterben,

wie eine mdlose Schraube verfolgte.

Ihr guter Mut

verließ sie dennoch selten, ihr heller Blick fand meist, wmn

auch

nur

auf

einige Zeit,

Rat und Hilfe.

Im wesentlichen wurde wenig oder nichts gebessert.

Gewann sie ihm mit Ernst und Scherz, mit Sitten

und Schmeicheln für heute so

viel ab, daß er dm

Thee an ihrer Sette trank, sich seinen Abendbratm

daheim bei der Famllie schmeckm ließ,

um nachher

nicht mehr ailszugehm, was war damit erreicht? Er konnte wohl einmal, durch ein verweinte- Auge seiner Frau plötzlich betroffen und bewegt, eine schlinime Gewohnheit aufrichtig verwünschen, da- Beste ver­ sprechen, mehr als sie verlangte, — umsonst, er fand sich unversehens im alten Fahrgeleise wieder. Man war versucht zu glaubm, es habe anders nicht in seiner Macht gestandm und eine völlig veränderte Ordnung nach unseren Begriffen von dem, was allm Menschen ziemt und frommt, ihm irgendwie gewalt­ sam anfgedrungen, müßte das wunderbare Wesen geradezu sÄbst aufgehoben haben. Einen günstigen Umschwung der Dinge hoffte Constanze doch stets insoweit, als derselbe von außen her möglich war: durch eine gMndliche Verbefferung ihrer ökonomischen Lage, wie solche bei dem wach­ senden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne. Wenn erst, so meinte sie, der stete Druck wegfiel, der sich auch ihm, bald näher, bald entferntet, von dieser Seite fühlbar machte, wenn et, anstatt die Hälfte feinet Kraft und Zeit dem bloßen Gelderwerb zu opfern, ungeteilt seiner wahren Bestimmung nachleben dürfe, wenn endlich der Genuß, nach dem er nicht mehr jagen, den er mit ungleich besserem Gewissen haben würde, ihm noch einmal so wohl an Leib und Seele gedeihe, dann sollte bald fein ganzer

Zustand leichter, natürlicher, nihiger werden. dachte

gar

an

einen

gelegentlichen

Wechsel

Sie ihre-

Wohnorts, da seine unbedingte Vorliebe für Wien,

wo nun einmal nach ihrer Überzeugung kein rechter Segen für ihn sei,

am Ende doch zu überwindm

wäre.

Dm nächstm entscheidmden

Verwirklichung ihrer

Gedanken

Vorschub und

aber zu

Wünsche ver»

sprach sich Madame Mozart vom Erfolg der neum Oper, um die es sich bei dieser Reise handelte.

Die Komposition war weit über die Hälfte vorVertraute,

geschrittm.

als

Zeugen

urtellsfähige Freunde,

der Entstehung

des

die,

außerordentlichm

Werks, einen hinreichendm Begriff von seiner Art und WrkungSweise haben mußtm, sprachen überall

davon in einem Tone, daß viele selber von den Geg­ nern

darauf gefaßt

sein

konnten, eS werde dieser

Don Juan, bevor ein halbes Jahr verginge, die ge­ samte

musikalische Welt,

lands bis zum andem,

von einem Ende Deutsch­

erschüttert, auf den Kopf

gestellt, im Sturm erobert haben. bedingter

warm die

wohlwollendm

Vorsichttger und Stimmen

an­

derer, die von dem heutigen Standpuntt der Musik

aiiSgehend einen allgemeinen und raschen Succeß kaum

hofften. Der Meister selber reifte im stillen ihre nur zu wohl begründeten Zweifel.

Coustanz« ihrerseits, wie die Frauen immer, wo

ihr Gefühl einmal lebhaft bestimmt und noch dazu

vom Eifer einer höchst gerechten Wunsche- eingenom­ men ist, durch spätere Bedenklichkeiten von da und

dorther sich viel seltener al- die Männer irre machen lasten, hielt fest an chrem guten Glaubm, und hatte eben jetzt im Wagen wiederum Veranlaffung, den­

selben zu verfechten.

Sie that'-, in ihrer ftöhlichen

und blühendm Manier, mit doppelter Gefliffenheit, da Mozarts Stimmung im Verlaus des vorigen Ge­ spräch-, dar weiter zu nicht- führen konnte und des­

halb äußerst unbefriedigend abbrach, bereits merklich

gefundn war.

Sie setzte ihrem Gatten sofort mit

gleicher Heiterkeit umständlich

auseinander,

wie sie

nach ihrer Heimkehr die mit dem Prager Unternehmer al» Kaufpreis für die Partttur akkordierten hundert

Dukaten zur Deckung der dringmdsten Posten und

sonst zu verwmden gedenke, auch wie sie zufolge ihreEtats

den

kommenden Winter

hindurch

bis

zum

Frühjahr gut auszureichen hoffe.

„Dein Herr Bondini wird sein Schäfchm an der Oper scheren, glaub' e- nur; und ist er halb der

Ehrenmann, den du ihn immer rühmst, so läßt er

dir

nachträglich

noch

ein

attige- Prqentchen von

dm «Summen ab, die ihm die Bühnm nacheinander für die Abschrift zahlen; wo nicht, nun ja, Gott­

lob, so stehen uns noch andere Chancen in Aus­ sicht, und zwar noch tausendmal solidere. Mir ahnet

allerlei."

„Heraus damit!" „Ich hörte unlängst König von Preußen hab' „Oho!" „Generalmusikdirektor ein wenig phantasieren!

ein Vögelchen pfeifen, der einen Kapellmeister nötig." wollt' ich sagen. Laß mich Die Schwachheit habe ich

von meiner Mutter." „Nur zu! je toller je bester!"

„Nein, alles ganz natürlich. — Vornweg also nimm an: übers Jahr um diese Zeit —" „Wenn der Papst die Grete freit —" „Still doch, Hanswurst! Ich sage, aufs Jahr um ©anet Ägidi muß schon längst kein kaiserlicher Kammerkomponist mit Namen Wolf Mozart in Wien mehr weit und breit zu finden sein." „Beiß dich der Fuchs dafür!" „Ich höre schon im Geist, wie unsere alten Freunde von uns plaudern, was sie sich alles zu er­ zählen misten." „Zum Exempel? „Da kommt z. B. eines Morgens früh nach neune

schon unsere alte Schwärmerin, die Volkstett, in ihrem feurigsten Besuchssturmschritt quer übern Kohlmarkt

hergesegelt.. Sie war drei Monat fort, die große Reise zum Schwager in Sachsen, ihr tägliches Ge» sprach, so lang wir sie kennm, kam endlich zustand; seit gestem nacht ist fie zurück, und jetzt, mit ihrem

übervollm Herzen — es schwattelt ganz von Reiseglück

und

Freundschastsungeduld

und

allerliebsten

Neuigkeiten — stracks hin zur Oberstin damit! die Trepp' hinauf und angeklopst und dar Herein nicht

abgewartet; stell' dir den Jubel selber vor und das Embraffement Oberstin,

hebt

frischem Odem

beiderseits! sie

an;

nach

ich



Nun,

beste

liebste,

einigem Vorgängigen

bringe Ihnen

Grüße mit, ob Sie erraten von wem?

ein

mit

Schock

Ich komme

nicht so gradenwegs von Stendal her, er wurde ein kleiner Abstecher gemacht, linkshin, nach Brandenburg zu. — Wie? wär' es möglich. . . Sie kamen nach

Berlin? sind bei Mozarts gewesen? — Zehn himm­

lische Tage! — O liebe, süße, einzige Generalin, «zählen Sie, beschreiben Sie!

Wie geht e- unsern

guten Leutchen? Gefallen sie sich immer noch so gut wie anfangs dort?

Es ist mir fabelhast, undenkbar,

heute noch, und jetzt nur desto mehr, da Sie von

ihm Herkommen — Mozart als Berliner!

Wie be­

nimmt er sich doch? wie sieht er denn ans? — O der! Sie sollten ihn nur sehen.

Diesm Sommer hat

ihn der König ins Karlsbad geschickt.

Wann wäre

seinem herzgeliebten Kaiser Joseph so etwas einge­

fallen, he?

Sie warm beide kaum erst wieder da,

als ich ankmn.

Er glänzt von Gesundheit und Lebm,

ist rund und beleibt und vif wie Quecksilber; das

Glück sieht ihm und die Behaglichkeit recht au- dm Augen."

Und nun begann die Sprecherin in ihrer ange-

nommenm Rolle die neue Lage mit dm hellstm Far-

bm auszumalen..

Von seiner Wohnung unter dm

Lindm, von seinem Garten und Landhaus an, bis zu

dm

glänzendm Schauplätzm

feiner öffenllichm

Wirksamkeit und dm engeren Zirkeln des Hofs, wo er die Königin auf dem Piano zu begleiten hatte,

wurde

alles

durch

ihre Schilderung gleichsam zur

Wirklichkeit und Gegenwart.

Ganze Gespräche, die

schönsten Anekdotm

sie

schüttelte

aus dem Ärmel.

Sie schim fürwahr mit jener Residenz, mit Potsdam und

mit Sanssouci

bekannter als im Schlöffe zu

Schönbrunn und auf der kaiserlichen Burg.

Rebmbei

war sie schalkhaft genug, die Person unsres Helden mit einer Anzahl völlig neuer hausväterlicher Eigen­ schaften auSzustattm, die sich auf dem solidm Bodm

der prmßischen Existenz entwickelt hatten, und unter welchen die besagte Volkstett, als höchstes Phänomen

und zum Beweis wie di« Extreme sich manchmal be­

rühren, den Ansatz eines ordentlichm Grizchens wahr­

genommen hatte, kleide.

da-

ihn unendlich liebensmürdig

^Ja, nehmm'S nur, er hat seine dreitausend

Thaler fix, und da» wofür? Daß er die Woche ein­

mal «in Kammerkonzert,

zweimal

die große Oper

dirigiert — Ach, Oberstin, ich hab« ihn gesehn, un-

sem lieben, klemm goldmm Mann, inmitten seiner trefflich« Kapelle, die er fich zugeschult, die ihn an­ betet!

saß mit der Mozarttn in ihrer Loge, schräg

gegen den höchst« Herrschaften über!

Und was stand

auf dem Zettel, bitte Sie — ich nahm ihn mit für

Sie — ein kleine» Reis'präsent von mir und Mozarts drein gewickelt — hier schau« Sie, hier les« Sie,

da steht's mit ellenlang« Buchstaben gedruckt! — Hllf Himmel! was? Tarar! — Ja, gelten's, Freun­

din, was man erleb« kann! Vor zwei Jahr«, wie

Mozart dm Don Juan schrieb und der verwünschte giftige,

schwarzgelbe Salieri auch

schon im stillm

Anstatt machte, dm Triumph, den er mit seinem Stück davon trug in Paris, demnächst auf fernem

eignen Territorio zu begehm, und unserem guten, Schnepfen liebenden, allzett in Eosa rara vergnügten

Publikum nun doch auch 'mal so eine Gattung Falkm

sehn zu laffen, und er und seine Helfershelfer bereits zusammm munkettm und raffiniert«, daß sie dm Don Juan so schön gerupft wie jmeSmal dm Figaro,

nicht tot und nicht lebendig, aus da» Theater stellm

wollten — wiffm's, da that ich ein Gelübd', wenn das infame Stück gegeben wird, ich geh' nicht hin,

um keine Welt!

Und hielt auch Wort.

Als alle-

lief und rannte — und, Oberstin, Sie mit — blieb

ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf den Schoß und aß meine Kaldausche; und so die

folgenden paar Male auch.

Jetzt aber, stellen Sie

sich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das

Werk seine- Todfeinds, von Mozart dirigieü! — Da müssen Sie schon drein! rief er gleich in der erst« Viertelstunde,

und mär'- auch nur, daß Sie dm

Wienem sagen können, ob ich dem Knabm Absalon ein Härchm krümmen ließ.

Ich wünschte, er mär'

selbst dabei, der Erzneidhammel sollte sehm, daß ich

nicht nötig hab', einem andern sein Zeug zu ver­ hunzen, damit ich immerfort der bleib« möge, der

ich bin!" „Brava!

braviaannal“

rief

Mozart

überlaut

und nahm sein Weibchen bei dm Ohren, verküßte, herzte, kitzelte sie, so daß sich diese- Spiel mit bunten

Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider nie­ mals,

auch

nicht im bescheidmstm

Maße, erfüllt

werdm sollte, zuletzt in hellm Mutwillen, Lärm und Gelächter auslöste.

Sie warm «nterdessm

längst ins Thal herab

gekommm und nähettm sich einem Dorf, da» ihnm

bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und hinter

welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß von mo-

bentem

Ansehm, der Wohnsitz

Schinzberg,

eines ©rasen

von

in der freundlichen Ebme zeigte.

Es

sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und MMag ge­

halten werden.

Der Gasthof,

wo sie hielten, lag

vereinzelt am Ende des Dorfs bei der Sttaße, von welcher seitwärts eine Pappelallee von nicht sechs­

hundert Schritten zum herrschaftlichen Garten führte. Mozart, nachdem man ausgestiegen, überließ wie gewöhnlich der Frau die Bestellung des Essens.

Jn-

zwischm befahl er für sich ein Glas Wein in die

untere Stube, während sie, nächst einem Trünke fri­ schen Wassers, nur irgend einen stillen Winkel, um

ein Stündchen zu schlafen, verlangte.

Man ftihrte

sie eine Treppe hinauf, der Gatte folgte, ganz mun­ ter vor sich hin singend und pfeifend.

In einem rein

geweißten und schnell gelüfteten Zimmer befand sich

unter anbem veralteten Möbeln von edlerer Herkunft — sie waren ohne Zweifel.aus den gräflichen Ge­ mächern seiner Zeit hierher gewandert — ein sauberes,

leichtes Bett mit gemaltem Himmel auf dünnen, grün lackierten Säulen, dessen seidene Vorhänge längst durch

einen gewöhnlichern Stoff ersetzt warm.

Constanze

machte sich's bequem, er versprach sie rechtzeitig zu

weckm, sie riegelte die Thüre hinter ihm zu und et

suchte nunmehr Unterhaltung für sich in der allge­

meinen

Schenkstube.

Hier war jedoch außer dem

Wirt keine Seele, und well dessen Gespräch dem Gast

so wenig wie sein Wein behagte, so bezeugte er Lust,

bis der Tisch bereit wäre, noch einen Spaziergang nach

dem Schloßgartm

zu machen.

Der Zutritt,

hörte er, sei anständigen Fremden wohl gestattet und die Famllie überdies heut ausgefahren.

Er ging, und hatte bald den kurzen Weg bis zu

dem offenen Gatterthor zurückgelegt, dann langsam einen hohen alten Lindengang durchmessen, an dessen

Ende linker Hand er in

geringer Entfernung das

Schloß von feiner Fronte auf einmal vor sich hatte. Es war von italienischer Bauatt, hckl getüncht, mll weit vorliegender Doppeltteppe; das Schieferdach ver­

zierten einige Statum in üblicher Manier, Götter

und Göttinnen, samt einer Balustrade.

Von der Mitte zweier großen, noch reichlich blühen­ den Blumenparterre

ging

unser Meister nach dm

buschigm Tellen der Anlagen zu, berührte ein paar schöne dunkle Pinimgruppen, und lenkte seine Schritte

auf vielfach gewuudmm Pfaden, indem er sich all­ mählich den lichteren Partim wieder näherte,

dem

lebhaftm Rauschen eines Springbmnnens nach, dm

er sofort erreichte.

Da- ansehnlich weite, ovale Bassin war ring-

von einer sorgfältig gehaltenen Orangerie in Kübeln, abwechselnd mit Lorbeeren und Oleandern, umstellt;

ein weicher Sand weg, gegen dm sich eine schmale

Gillerlaube öffnete, lief rund umher.

Die Laube bot

da- angenehmste Ruheplätzchm dar; ein kleiner Tisch stand vor der Bank und Mozart ließ sich vorn am

Eingang nieder. Da- Ohr behaglich dem Geplätscher de- Wasserhingegeben, da- Äug' auf einen Pomeranzenbaum von mittlerer Größe geheftet, der außerhalb der Reihe, einzeln, ganz dicht an seiner Seite auf dem Boden

stand 'und voll der schönstm Früchte hing, ward unser Freund durch diese Anschauung des Süden- al-bald auf eine liebliche Erinnerung aus seiner Knabenzeit

geführt.

Rachdmklich lächelnd reicht er hinüber nach

der nächstm Frucht, als wie um ihre herrliche Äflnbe,

ihre saftige Kühle in hohler Hand zu fühlen.

Ganz

im Zusammenhang mit jener Jugendscene aber, die wieder vor ihm aufgetaucht, stand eine längst ver­ wischte

musikalische

Reminiscenz,

auf beten

unbe­

stimmter Spur er sich ein Weilchen träumerisch er­

ging.

Jetzt glänzen seine Blicke, sie irren da und

dort umher, er ist von einem Gedanken ergriffen, den er sogleich eifrig verfolgt.

Zerstreut hat er

zum

zwritenmale die Pomeranze angefaßt, sie geht vom

Zweige los und bleibt ihm in der Hand.

Er sieht

und sieht «S nicht; ja so weit geht die künstlerische

Geistesabwesenheit, daß er, die duftige Frucht bestän­ dig unter der Rase hin und her wirbelnd und bald den Anfang, bald die Mitte einer Weise unhörbar zwischen den Lippen bewegend, zuletzt instinkvnäßig

ein emaAiertes Etui auS der Settentasche d«S Rocks hervorbringt, ein kleine- Mester mtt silbernem Heft

daraus nimmt und die gelbe kugelige Maste von oben nach unten langsam durchschneidet.

ES mochte

ihn dabei entfernt ein dunkle- Durstgefühl geleilet

haben, jedoch begnügten sich die angeregtm Sinne mit Einatmung

de-

köstliche»

Geruchs.

Er starrt

minutenlang die beiden innern Flächen an, fügt sie sachte roiebet zusammen, ganz sachte, trennt und ver­ einigt sie wieder.

Da hört er Tritte In der Nähe, er erschrickt, und

da- Bewußtsein, wo er ist, was er gethan, stellt sich Urplötzlich bei ihm ein.

Schon im Begriff, die Po­

meranze zu verberg«, hält er doch gleich damtt inne, fei eS aus Stolz, fei's weil es zu spät dazu war.

Ein

großer brettschulteriger

Mam» in Livree,

Gärtner de- Hause-, stand vor ihm.

der

Derselbe hatte

wohl die letzte verdächtige Benugung noch geseh« und

schwieg betreff« einige Sekund«.

Mozart, gleich«

falls fprachlo-, auf seinem Sitz wie ang«agelt, schaute

ihm halb lachend,

unter sichtbarem Erröten, doch

gewiffermaßm keck und groß mit seinen blauen Lugen in»

Gesicht;

wäre e»

dann setzte er — für einen Dritten

höchst komisch

anzusehen

gewesen — die

scheinbar unverletzte Pomeranze mit einer Art von trotzig

couragiertem

in

Nachdruck

die

Mitte

de»

Tische».

„Um Vergebung," fing jetzt der Gärtner, nachdem

er dm wmig versprechenden Anzug des Fremden ge­ mustert,

mit unterdrücktem Unwillen an; „ich weiß

nicht, wen ich hier —"

„Kapellmeister Mozart aus Wien." „Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß?"

„Ich

bin hier fremd und auf der Durchreise.

Ist der Herr Graf anwesend?" „Nein."

„Seine Gemahlin?"

„Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen." Mqart stand auf und machte Mme zu gehen.

„Mit Erlaubnis, Sie dazu,

mein Herr, — wie

an diesem Ort auf

kommm

solche Weise zuzu­

greifen?" „Was?" rief Mozart, „zugreifen?

Zum Teufel,

glaubt Er denn, ich wollte stehlm und das Ding da fressen?"

„Mein Herr, ich

gla-lbe

was ich sehe.

Diese

Früchte sind gezählt, ich bin dafür verantwortlich. Der Baum ist vom Herrn Grafen zu einem Fest bestimmt,

soebm soll er weggebracht werdm.

Ich

laste Sie

nicht fort, ehbevor ich die Sache gemeldet und Sie

mir selbst bqeugten, wie das da zugegangm ist." ^Sei's drum.

Ich werde hier so lange warten.

Verlaß Er sich darauf."

Der Gärtner sah sich zögemd um, und Mozart, in der Meinung, es sei vielleicht nur auf ein Trink­

geld abgesehen,

griff in die Tasche,

allein er hatte

da- geringste nicht bei sich.

Zwei Gartenknechte kämm nun wirklich herbei,

luden den Baum auf eine Bahre und trugen ihn hin­

weg.

Inzwischen

tasche

gezogen,

hatte unser Meister seine Brief­

ein weißes Blatt herau-gmommm,

und währmd daß der Gärtner nicht von der Stelle

wich, mtt Bleistift angefangen zu schreibm: ^Gnädigf^e Frau!

Ihrem Paradiese, dm Apsel gekostet.

Hier

fitze ich

wie weiland Adam,

Unseliger in nachdem er

Das Unglück ist geschehm, und

ich kann nicht einmal die Schuld auf eine gute Eva

schiebm, die eben jetzt, von Grazien und Amoretten eines Himmelbetts umgaukelt, im Gasthof fich unfchuldigstm Schlafes erfreut.

des

Befehlm Sie und

ich stehe persönlich Ihrs Gnadm Rede über meinen

mir leibst »«faßlichen Frevel.

Mit aufrichtiger Be­

schämung Hochdero unterthänigster Dimer W. A. Mozart, auf dem Wege nach Prag." Er übergab das Billet, ziemlich ungeschickt zu­ sammengefaltet, dem peinlich wartenden Diener mit der nötigen Weisung. Der Unhold hatte sich nicht sobald entfernt, als man an der Hinteren Seite des Schlosses ein Gefährt in den Hof rollen hörte. Es war der Graf, der eine Nichte und ihren Bräutigam, einen jungen reichen Baron, vom benachbarten Gut herüberbrachte. Da die Mutter des letztern seit Jahren das Haus nicht mehr verließ, war die Verlobung heute bei ihr ge­ halten worden; nun sollte dieses Fest in einer fröh­ lichen Nachfeier mit einigen Verwandten auch hier

begangen werden, wo Eugenie gleich ihrer eigenen Tochter seit ihrer Kindheit eine zweite Heimat fand. Die Gräfin war mit ihrem Sohne Max, dem Lieu­ tenant, etwas früher nach Hause gefahren, um noch verschiedene Anordnungen zu treffen. Nun sah man in dem Schlöffe alles, aus Gängen und Treppen, in

voller Bewegung, und nur mit Mühe gelang es dem Gärtner, im Vorzimmer endlich den Zettel der Frau

Gräfin einzuhändigen,

die ihn jedoch nicht auf der

Stelle öffnete, sondern ohne genau auf die Worte des Überbringers zu achten, geschäftig weiter eilte.

Er wartete lind wartete, sie kam nicht wieder.

um das

andere

von der Dienerschaft,

Eins

Aufwärter,

Zofe, Kammerdiener, rannte an ihm vorbei; er fragte nach dem Herrn — der kleidete sich um;

er suchte

nun und fand den Grafen Max auf seinem Zimmer, der aber unterhielt sich angelegentlich mit dem Baron

und schnitt ihm, wie in Sorge, er wolle etwas mel­ den oder fragen, wovon noch nichts verlauten sollte, „Ich komme schon —

das Wort vom Munde ab:

geht nur!" Es stand noch eine gute Weile an, bis endlich Vater und Sohn zugleich herauskamen und die fatale Nachricht empfingen.

„Das wär' ja höllenmäßig!" rief der dicke, gut­ mütige, doch etwas jähe Mann; „das geht ja über alle Begriffe! Ein Wiener Musikus, sagt Ihr? Ver­ mutlich irgend solch ein Lump, der um ein Viatikum läuft und mitnimmt was er findet?"

„Verzeihen Ew. Gnaden, danach sieht er gerat) nicht aus. auch

Er deucht mir

ist er sehr

hochmütig.

nicht richtig int Kopf;

Moser nennt er sich.

Er wartet unten auf Bescheid; ich hieß den Franz um den Weg bleiben und ein Aug' auf ihn haben."

„Was Hilst es hinterdrein, zum Henker?

Wenn

ich den Narren auch emstecken lasse, der Schade«» ist

nicht mchr zu reparierm! Ich sagt' Euch tausendmal, da-

vordere

Thor soll mär'

Der Streich

geschlossen

allzeit

bleiben.

aber jedenfalls verhütet worden,

hättet Ihr zur rechten Zett Eure Zurüstungen ge­ macht." Hier trat die Gräfin

hastig und mit freudiger

Aufregung, da- offene BAet in der Hand, aus dem anstoßenden Kabinett.

unten ist?

Um

„Wißt ihr,"

GotteSwNen,

lest

rief sie,

„wer

den Brief —

Mozart au- Men, der Komponist! Man muß gleich

gehm, ihn heraufzubitten — ich fürchte nur, er ist schon fort! waS wird er von mir denkm! Ihr, Vel­ ten, seid ihm doch höflich begegnet?

Was ist beim

eigentlich geschehen?" „Geschehn?" versetzte der Gemahl, dem die Aus­

sicht auf den Besuch eines berühmtm Mannes un­ möglich allen konnte :

Ärger auf der

Stelle

niederfchlagm

„der tolle Mensch hat von dem Baum, den

ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen ab­

gerissen, hm! das Ungeheuer!

Somit

ist

unserem

Spaß geradqu die Spitze abgebrochm und Max mag

sein Gedicht nur gleich kassieren." „O nicht doch!" sagte die dringmde Dame; „die

Lücke läßt sich leicht ausfallen, überlaßt eS nur mir. Geht beide jetzt,

erlöst, empfangt den guten Mann,

so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt.

Er soll, wenn wir ihn irgend halten sönnen, heut

nicht weiter.

Trefft ihr ihn nicht im Garten mehr,

sucht ihn im Wirtshaus auf, und bringet ihn mit Ein größere- Geschenk, eine schönere

seiner Frau.

Überraschung für Eugenien hätte der Zufall un- an diesem Tag nicht machen können."

„Gewiß 1" erwiderte Max, „die- «ar auch mein erster Gedanke.

Geschwinde,

kommm Sie, Papa!

Und" — sagte er, indem sie eilend- nach der Trepp« liefen — „der Verse wegen seien Sie ganz ruhig.

Die neunte Muse soll nicht zu kurz kommen;

im

Gegenteil, ich «erde aus dem Unglück noch beson­

dern Vorteil ziehen." — „Das ist unmöglich!" — „Ganz gewiß." — „Nun, wenn das ist — allein

ich nchme dich beim Wort — so wollen wir dem Querkopf alle erdenkliche Ehre erzeigen." Solange

die-

im Schloß

vorging,

hatte

sich

unser Quast-Gefangener, ziemlich unbesorgt über den Au-gang der Sach«, geraume Zett schreibend beschäf»

Ügt.

Weil sich jedoch gar niemand schm ließ, fing

er an unruhig hin und her zu gchm; darüber kam

dringliche Botschaft vom Wirt-Hau-,

der Lisch sei

schon lange bereit, er möchte ja gleich kommm, der

Postillon pressiere.

So sucht« er denn sein« Sachen

zusammm und wollte ohne weiteres auf-rechm, als

beide Herren vor der Laube erschienen.

Der Graf begrüßte ihn, beinah wie einen frühe­ ren Bekannten, lebhaft mit seinem kräftig schallenden

Organ, ließ ihn zu gar keiner Entschuldigung kom­ men, sondem erklärte sogleich feinen Wunsch,

das

Ehepaar zum wenigsten sür tiefen Mittag und Abend

im Kreis seiner Familie zu haben.

„Sie sind uns,

mein liebster Maestro, so wenig fremd, daß ich wohl

sagen kann, der Name Mozart wird schwerlich an-

derSwo mit mehr Begeisterung und häufiger genannt als hier.

Meine Nichte singt und spielt, sie bringt

fast ihren ganzen Tag am Flügel zu, kennt Ihre Werke

auswendig

und

hat

das größte Verlangen,

Sie einmal in mehrerer Nähe zu sehen, als es vori­ gen Winter in einem Ihrer Konzerte anging.

wir nun demnächst auf einige Wochen nach

Da Wien

gehen werden, so war ihr eine Einladung beim Fürsten

Gallizin, wo man Sie öfter findet, von dm Verwandtm versprochen.

Jetzt

aber

reisen

Sie nach

Prag, werden sobald nicht wiederkehrm, und Gott

weiß, ob Sie der Rückweg zu uns führt. Sie

hmte

und morgen Rasttag!

Das

Machen Fuhrwerk

schickm wir sogleich nach Hause und mir erlauben

Sie die Sorge für Ihr Weiterkommen." Der Komponist,

welcher

in

solchen Fällen d«

Freundschaft oder dem Vergnügen leicht zehnmal mehr, als hier gefordert war, zum Opfer brachte, besann

sich nicht lange;

mit Freuden zu,

er sagte diesen einen halben Tag

dagegm sollte morgen

Frühesten die Reise fortgesetzt werden.

mit dem

Graf Max

erbat sich daS Vergnügen, Madame Mozart abzuholm und alle- Nötige im Wirtshaus

abzumachen.

Er

ging, ein Wagen sollte ihm gleich auf dem Fuhe Nachfolgen.

Von diesem jungen Mann bemerken wir beiläufig, daß er mit einem, von Vater und Mutter angeerbtm, heitern Sinn Talent und Liebe für schöne Wissen«

schasten

verband,

und

ohne wahre

Neigung

zum

Soldatenstand sich doch als Osfizier durch Kenntnisse

und gute Sitten hervorthat. Er kannte die französische Litteratur, und erwarb sich, zu einer Zett, wo deutsche Verse in der höheren Gesellschaft wenig galten, Lob

und Gunst durch eine nicht gemeine Leichtigkeit der poetischen Form in

der Muttersprache nach

guten

Mustern, wie er sie in Hagedorn, in Götz und an­

dern fand.

Für heute «ar ihm nun, wie wir bereits

vernahmen, ein besonders erfreulicher Anlaß geworden,

seine Gabe zu nutzen. Er traf Madame Mozart, mit der Wirtstochter plaudernd, vor dem gedeckt« Tisch, wo sie sich einen Teller Suppe vorau-genommm hatte.

Sie «ar an

außerordentliche Zwischenfälle, an kecke Stegreiffprünge ihre- Manns zu sehr gewöhnt, als daß sie über die

Erscheinung und den Auftrag des jungen OWerS mehr als billig hätte betreten sein können.

Mit un-

verstÄter Heiterkeit, besonnen und gewandt, besprach und ordnete sie ungesäumt alle- Erforderliche selbst ES wurde umgepackt, bezahlt, der Postillon entlassen,

sie machte sich, ohne zu große Ängstlichkeit in Her­ stellung ihrer Toilette, fettig,

und fuhr mit

dem

Begleiter wohlgemut dem Schlöffe zu, nicht ahnend,

auf welche sonderbare Weise ihr Gemahl sich dott

eingefühtt hatte. Der befand sich inzwischm bereits sehr behaglich daselbst und auf daS beste unterhalten.

Zett

fah

er

Eugenien

mtt

ihrem

Nach kurzer

Vettobten;

blühendes, höchst anmutiges, innige- Wesen. war blond, ihre schlanke Gestalt in

ein

Sie

karmoisinrote,

leuchtende Seide mtt kostbarm Spitzen festlich geklei­ det,

um

Perlm.

chre Sttrn

ein

weißes Band

mit

edlm

Der Baron, nur wenig ätter als sie, von

sanftem, offmem Charakter, schien ihrer wett in jeder Rücksicht.

Dm ersten Aufwand des Gesprächs besttttt, fast

nur zu fteigebig, der gute launige Hausherr, ver­ möge seiner etwa- foulten, mit Späßen und Histörchen sattsam gespickten Unterhaltungsweise.

ES

wurden

«VKLttdKLttdKSw Erfrischungen gereicht, die unser Reisender im min*

besten nicht schonte.

Eines hatte dm Flügel geöffnet, FigaroS Hoch* zeit lag aufgeschlagm, und das Fräulein schickte sich

an, von dem Baron accompagniert, die Arie Susan­ nas in jmer Gartenscene zu fingm,

wo wir den

Geist der süßm Leidenschaft stromweise, wie die ge­ würzte sommerliche Abmdlust, einatmen. Röte auf Eugenien-

Die feine

Wangen wich zwei Atemzüge

lang der äußerstm Bläffe; doch mtt dem ersten Ton,

der klangvoll über ihre Sippen kam, fiel ihr jede be­ klemmende Fessel vom Busm. Sie hielt fich lächelnd,

ficher auf der hohm Woge, und das Gefühl dieseMomentS, des einzigen in seiner Art vielleicht für

alle Tage ihre» Leben-, begeisterte fie billig.

Mozart war offenbar überrascht. hatte,

trat

Als fie gemdigt

er zu ihr und fing mit seinem unge­

zierten HerzenSauSdruck an: ^WaS soll man fagm, liebes Kind, hier wo es ist wie mtt der liebm Sonne, die fich am besten selber lobt, indem eS gleich jeder­

mann wohl in ihr wird! Bei solchem Gesang ist der

Seele zu Mut wie dem Kindchen im Bad: «S lacht

und wundert sich und weiß fich in der Welt nichtBessere-,

übrigen-

glauben

in toten begegnet e- nicht

Sie mir,

unsereinem

jeden Tag, daß er so

lauter, ungeschmintt und warm, ja so komplett fich

selber zu HSrm bekommt." — Damit erfaßte er ihre

Hand

und

küßte sie

herzlich.

Des Manne- hohe

Liebenswürdigkeit und Güte nicht minder, al- das

ehrenvolle Zeugnis, wodurch er ihr Talent auSzeichnete, ergriff Eugenien

mit jener

unwiderstehlichen

Rührung, die einem leichtm Schwindel gleicht, und ihre Augm wollten sich plötzlich mit Thränen an­

füllen. Hier trat Madame Mozart

zur Thüre

und gleich darauf erschienen neue Gäste,

herein,

die man

erwartet hatte: eine dem HauS sehr eng verwandte freiherrliche Familie aus der Nähe, mit einer Tochter,

Franziska, die seit den Kinderjahren mit der Braut durch die zärttichste Freundschaft verbundm und hier wie daheim war.

Man hatte fich allerseits begrüßt, umarmt, be­ glückwünscht, die beiden Wiener Gäste vorgestellt, und

Mozart setzte sich an den Flügel.

Er spielte einen

Teil eines Konzerts von seiner Kompositton, welcheEugenie soeben einstudierte.

Die Wirkung eines solchm Vorttags in einem kleinen Kreis wie der gegenwärüge unterscheidet sich

naMlicherweise von jedem ähnlichen an einem öffent­

lichen Orte durch die unendliche Befriedigung, die in

der unmittelbaren Berühmng mit der Person

deS

Künstler- und seinem Genius innerhalb der häus­ lichen bekannten Wände liegt. Es war eines jener glänzenden Stücke, worin die

reine Schönheit sich einmal, wie aus Laune, fteiwMg

in den Dienst der Eleganz begiebt, so aber, daß sie

gleichsam nur verhüllt in diese mehr willkürlich spie­ lenden Formen und

hinter eine Menge blendender

Lichter versteckt, doch in jeder Bewegung ihren eigensten

Adel verrät, und ein herrliches Pathos verschwmderisch au-gießt.

Die Gräfin machte für fich die Bemerkung, daß die meisten Zuhörer,

vielleicht

Eugenie selbst nicht

ausgenommen, trotz der gespanntesten Aufmerksamkeit und aller feierlichm SÄe während eines bezaubemben Spiels, doch zwischen Auge und Ohr gar sehr

geteilt waren.

In unwillkürlicher Beobachtung des

Komponisten, seiner schlichtm, beinahe steifen Körper­ haltung,

seine- gutmüttgm Gesichts, der rundlichen

Bewegung dieser Keinen Hände, war es gewiß auch

nicht leicht möglich, dem Zudrang tausendfacher Kreuzund Quergedanken über den Wundermann zu wider-

stehm. Zu Madame Mozart gewendet sagte der Graf, nachdem der Meister aufgestanden war:

„Einem be-

rühmten Künstler gegenüber, wenn eS ein Kennerlob

zu spitzen gilt, daS halt nicht eines jeden Sache ist.

wie haben e- die Könige und Kaiser gut! ES nimmt sich eben alles einzig und außerordentlich in einem

solchen Munde aus.

WaS dürfen sie sich nicht er­

lauben, und wie bequem ist «S z. B., dicht Hinterm

Stuhl Ihre- Herm Gemahls, beim

Schlußaceord

einer brillanten Phantasie dem bescheidenen klassischen

Mann auf die Schulter zu klopfen und zu sagm: „Sie sind ein Tausmdsasa, lieber Mozart!" ist da- Wort heraus, so geht's wie

Kaum

ein Lauffmer

durch dm Saal: „Was hat er ihm gesagt?" — „Er sei ein Tausendsasa, hat er zu ihm gesagt!"

Und

alles, was da geigt und fistuliert und komponiert, ist außer sich von diesem einen Wort; kurzum, es ist

der große Stil, der famlliäre Kaiserstil, der unnach­ ahmliche, um welchen ich die Josephs und die Fried­

richs von je bmeidet habe, und das nie mehr als

ebm jetzt, wo ich ganz in Bezweiflung bin, von anderweitiger geistreicher Münze zufällig keinm Dmt in allm meinen Taschen anzutreffm."

Die Art, wie der Schäker dergleichm vorbrachte,

bestach immerhin und rief unausbleiblich ein Lachen hemor.

Run aber auf die Einladung der HauSftau ver­ fügte die Gesellschaft sich nach dem geschmückten tuns den Speisesalon, aus welchem den Eintretenden ein

«dkLodkLidtLo festlicher Blumengeruch und eine kühlere, dem Appetit willkommene Lust entgegen wehte.

Man nahm die fchiMch ausgeteilten Plätze ein, und zwar der distinguierte Gast den

Brautpaar gegenüber.

seinigen dem

Von einer Seite hatte er eine

kleine ältliche Dame, eine unverheiratete Tante Fran­

ziska-,

von

der andern die junge reizende Nichte

selbst zur Nebensitzerin, die sich durch Geist und Munterkeit ihm baÜ> besonder- zu empfehlen wußte. Frau Constanze

kam zwischm den

Hau-wirt und

ihren freundlichen Geleit-mann, dm Lieutenant; die

übrigen reihtm sich ein, und so saß man zu Elfm

nach Möglichkett bunt an der Tafel, derm untereEnde leer blieb.

Auf ihr erhobm sich mitten zwei

mächtig große Porzellanaufsätze mtt gemalten Figurm,

breite Schalen gehäuft voll natürlicher Früchte und Blumen über sich hallend.

An dm

Saal- hingm reiche Feston-.

Wändm de-

Was sonst da war,

oder nach und nach folgte, schien einen ausgedehnten SchmauS zu verkündm. Teil- auf der Tafel, zwischen

Schüffeln und Plattm, teil- vom Serviertisch herüber

im Hintergrund, blinlle verschiedene- edle Getränk, vom schmälesten Rot bi- hinauf zu dem gelblichen

Weiß, deffm lustiger Schaum herkömmlich erst die

zwette Hälfte eine» Feste- krönt. Bi» gegen diesen Zeitpunkt hin bewegte sich die

Unterhaltung, von mehreren Seitm gleich lebhaft ge­ nährt, in allen Richtungen.

Well aber der Graf

gleich anfang- einigemal von weitem und jetzt nur immer näher und mutwilliger auf Mc^artS Gatten­

abenteuer anspielte, so daß die einen heimlich lächel-

1m, die andern sich umsonst den Kopf zerbrachen, was er denn meine, so ging unser Fremd mit der

Sprache heraus. ,Lch will in Gottes Namm beichtm," fing er an, „auf was Att mir eigmtlich die Ehre der Be­ kanntschaft mtt diesem edlen HauS geworden ist.

Ich

spiele dabei nicht die würdigste Rolle, und um ein Haar, so süß' ich jetzt, statt hier vergnügt zu tafeln, in einem abgelegmen Arrestantenwinkel des gräflichm

Schlöffe- und

könnte mir

mit

leerem

Magm

die

Spinnewebm an der Wand hemm betrachten."

„Run ja!" rief Madame Mozart, „da werd' ich schöne Dinge hören." Ausführlich nun beschrieb er erst,

wie

er im

weißen Roß seine Frau zurückgelaffen, die Promenade in den Park, den Unstem in der Laube, dm Handel mit der Gartenpolizei, kurz, ungefähr was wir schon

«iffm, gab er alles mit größter Treuherzigkeit und

zum höchstm Ergötzen der Zuhörer preis.

Das Lachen

wollte fast kein Ende nehmen; selbst die gemäßigte Eugmie enthielt sich nicht, es schüttelte sie ordenttich.

„Nun," fuhr er fort,

Sprichwort sagt:

„das

hat einer den Nutzen, dem Spott mag er trutzen.

Ich hab' meinen kleinen Profit von der Sache, Sie »erben

schon

Vor allem aber hören Sie,

sehen.

wie'- eigentlich geschah, daß fich ein alter Kindskopf

Eine Jugenderinnerung war mit

so vergeffm konnte.

im Spiele. „Im Frühling 1770 reiste ich als dreizehnjäh«

nnt

riges Bürschchen

meinem Vater nach Italien.

Wir fltngen von Rom nach Neapel.

Ich hatte zwei­

mal im Konsewatorium und sonst zu verschiedenenmalen gespielt.

Adel und Geistlichkett erzeugten uns

manche» Angenehme, vornehmlich attachierte sich ein Abbale an uns, der fich als Äenner schmeichette und

übrigens am Hofe etwa» galt. serer

Abreise

Den Tag vor un­

führte er uns in Begleitung einiger

anderen Herm in einen königlichen Garten, die Villa reale,

bei

einer

prachwollen Straße

geradhin am

Meere gelegen, wo eine Bande ficilianischer comme-

dianti fich produzierte — figlj di Nettuno, wie sie sich nebm andem schönen TÜeln auch nannten. Mtt

vielen vomehmm

Zuschauern,

junge liebenswürdige

womnter selbst

Königin Karolina

die

samt zwei

Prinzeffen, saßen wir auf einer langen Reihe von

Bänken im Schatten einer zeltartig bedecktm, niedern

Galerie, an deren Mauer unten die Wellen plätscherten.

DaS Meer mit seiner vielfarbigen Streifung strahlte

den blauen Sonnenhimmel herrlich wider.

Gerade

vor sich hat man den Vesuv, link- schimmert sanft

geschwungen eine reizende Küste herein.

„Die erste Abtellung der Spiele war vorüber; sie wurde auf dem trockenen Bretterboden einer Art von Flöße auSgeführt, die auf dem Master stand, und hatte nichts Besonderes; der zweite aber und der

schönste Teil bestand aus lauter Schisser-, Schwimmund Taucherstücken

und

blieb

mir

stets mit allen

Einzelheitm frisch im Gedächtnis eingeprägt.

„Von entgegengesetzten Seiten her näherten sich einander zwei zierliche,

sehr leicht gebaute Barken,

beide, wie es schien, auf einer Lustfahrt begriffen.

Die eine, etwas größere, war mit einem Halbverdeck

versehen, und nebst den Ruderbänken mit einem dün­ nen Mast und einem Segel ausgerüstet, auch präch»

ttg bemalt, der Schnabel vergoldet. von

idealischem Aussehen,

kaum

Fünf Jünglinge bekleidet.

Arme,

Brust und Beine dem Anschein nach nackt, waren

teils an dem Ruder beschäftigt, teils ergötztm sie sich

rott einer gleichen Anzahl attiger Mädchen, ihren Ge­ liebten.

Eine darunter, welche mitten aus dem Ver­

decke saß und Blummkränze wand, zeichnete sich durch

Wuchs und Schönheit, sowie durch ihren Putz vor allm übrigen aus.

Diese bienten ihr willig, spannten

gegen ihr

die Sonne ein Tuch

die

Blumen

aus

dem

über

sie und reichten

Eine

Korb.

spielerin saß zu ihren Füßen,

Flöten­

die den Gesang der

andem mit ihrm Hellen Tönen unterstützte.

Auch

jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem

eigenen Beschützer; doch verhielten sich beide ziemlich gleichgültig gegen einander und der Liebhaber deuchte

mir saft etwa« roh. ^Inzwischen war da- andere, einfachere Fah^eug näher gekommen.

Jugend.

Hier sah man

bloß männliche

Wie jme Jünglinge Hochrot trugen, so

war die Farbe der letztem Seegrün.

Sie stützt«

beim Anblick der lieblichm Kinder, winkten Grüße

herüber und gaben ihr Verlangen nach näherer Be­ kanntschaft zu erkennen.

Die munterste hierauf nahm

eine Rose vom Busen und hielt sie schelmisch in die Höhe, gleichsam ftagmd, ob solche Gabm bei ihn«

wohl angebracht wären, worauf ernt drüben allerseits

mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde. Die

Steten sahen verächtlich und finster darein, konnten aber nicht» machen, al» mehrere der Mädchm einig

würd«, dm armen Teufeln wenigstens doch etwa»

für den Hunger und Durst zuzuwerfm. ein Korb voll Drangen

am Boden;

E» stand

wahrscheinlich

warm es nm gelbe Bälle, dm Früchten ähnlich nach-

gmmcht.

Und jetzt begann ein entzückende- Schau*

spiel, unter Mitwirkung der Musik, die auf dem Ufer»

dämm aufgestellt war.

„Eine der Jungfrauen machte den Anfang und

schickte für- erste ein paar Pomeranzen aus leichter Hand hinüber, die, dort mit gleicher Leichtigkeit auf»

gefangen, alsbald zurückkehrten; so ging es hin und her, und well nach und nach immer mehr Mädchen

zuhalfm, so flog's mit Pomeranzen bald dem Dutzend

nach in immer schnellerem Tempo hin und wieder.

Die Schöne

in der MUte nahm an dem Kampfe

keinen Anteil, als daß sie höchst begierig von ihrem Schemel aus zusah.

Wir konnten die Geschicklichkeit

auf beiden Seiten nicht genug bewundern. Die Schiffe drehten sich auf etwa dreißig Schritte in langsamer

Bewegung umeinander, kehrten sich bald die ganze Nanke zu,

bald

schief das

halbe

Vorderteil;

eS

waren gegen vierundzwanzig Bälle unaufhörlich in der Lust, doch glaubte man in der Verwirmng ihrer viel mehr zu sehen.

Manchmal entstand ein förmliches

Kreuzfeuer, oft stiegen sie und fielen in einem hohen Bogen; kaum ging einmal einer und der andere fehl,

«S war, als stürzten sie von selbst durch eine Kraft

der Anziehung in die geöffneten Finger. „So angenehm jedoch das Auge beschäftigt wurde, so lieblich gingen für- Gehör die Melodien nebenher:

sicilianische Weisen, Tänze, Saltarelli, Canzoni a

ballo, ein ganzes Quodlibet, auf Guirlandenart leicht

Die jüngere Prinzeß, ein holdes

aneinander gehängt.

unbefangene- Geschöpf, etwa von meinem Alter, be­

gleitete den Takt gar artig mit Kopfnicken; ihr Lächeln und die langm Wimpern ihrer Augen kann ich noch

heute vor mir sehen. „Nun lassen Sie mich kürzlich den Verlauf der Poffe noch

erzählm,

meiner Sache thut.

Hübschere-

denken.

obschon

er weiter nicht-

zu

Man kann sich nicht leicht etwaWährmddem da- Scharmützel

allmählich auSging und nur noch einzelne Würfe ge­

wechselt wurden', die Mädchen ihre goldenen Äpfel

sammelten und in den Korb zurück brachten, hatte brüten ein Knabe, wie spielenderweis, ein breite-, grüngestrickteS Netz

ergriffen und

kurze Zeit unter

dem Waffer gehalten; er hob e- auf, und zum Er­ staunen aller fand sich ein großer, blau, grün und

goldschimmernder Msch in demselben.

Die Nächsten

sprangen eifrig zu, um ihn heraus zu holen, da glitt

er ihnen au- den Händen, als wär es wirklich ein

lebendiger, und fiel in die See.

Da- war nun eine

abgeredte Kriegslist, die Roten zu bethörm und an­

dern Schiff zu locken.

Diese, gleichsam bezaubert von

dem Wunder, sobald sie meisten, daß da- Tier nicht untertauchen wollte, nur immer auf der Oberfläche spielte, besannen sich nicht einen Augenblick, stürzten

sich alle in- Meer, die Grünen ebenfalls, und aljo

sah man zwölf gewandte, wohlgestalte Schwimmer den fliehenden Fisch zu erhaschen bemüht, indem er

auf

den Wellen

gaukelte,

minutmlang unter

selben verschwand, bald da,

den­

bald dort, dem einen

zwischen den Beinen, dem andem zwischen Brust und Kinn herauf wieder zum Vorschein kam. mal, wie

Fang

Auf ein­

die Roten eben am hitzigsten auf ihren

an-

waren,

ersah

die andere Partie ihren

Vortell und erstieg schnell wie der Blitz da- ftemde, ganz den Mädchen Lbrrlaflene Schiff unter großem

Gekreische der letztem.

Der nobelste der Burschen,

wie ein Merkur gewachsen, flog mit fteudestrahlendem

Gesicht auf die schönste zu, umfaßte, küßte sie, die, weit entfernt in das Geschrei der andem einzustimmm,

ihre Arme gleichfalls feurig um den ihr wohlbekann­ ten Jüngling schlang.

Die betrogene Schar schwamm

zwar eilend- herbei, wurde aber mit Rudern und Waffen vom Bord abgetrieben.

Ihre unnütze Wut,

das Angstgeschrei der Mädchen, der gewaltsame Wider­ stand einiger von ihnen, ihr Sitten und Flehm, fast

erstickt vom übrigen Alarm, des Waffers, der Musik, die

plötzlich

einen

andem

Charakter

angenommen

hatte — es war schön über alle Beschreibung und

die Zuschauer brachen darüber in einen Sturm von Begeisterung au».

diesem Moment

,^n

nun

entwickelte

bisher locker eingebundene Segel:

sich

das

daraus ging ein

rosiger Knabe hervor mit silbernen Schwingen, mit

Bogen,

Pfeil

Köcher,

und

und

in

anmutvoller

Stellung schwebte er frei auf der Stange.

Schon

sind die Ruder alle in voller Thätigkeit, das Segel blähte sich auf: allein gewaltiger als beide- schien die Gegenwart de- Gotte- und seine heftig vorwärts

eilende Gebärde das Fahrzeug fortzutreiben, dergestalt, daß die fast atemlos nachsetzendm Schwimmer, deren einer den goldenen Fisch hoch mit der Linken über seinem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben,

und bei erschöpften Kräften notgedrungen ihre Zu­

flucht zu dem verläffmen Schiffe nahmen.

haben die

eine

Grünen

kleine

Derweil

bebuschte Halbinsel

erreicht, wo sich unerwartet ein stattliche- Boot mit

bewaffneten Kameraden

im Hinterhalt zeigte.

Im

Angesicht so drohmder Umstände pflanzte da- Häuf­

chen eine weiße Flagge auf, zum Zeichen, daß man unterhandeln

gütlich

wolle.

Durch

ein

gleiche-

Signal von jenseit- ermuntert, fuhrm sie auf jenen Haltort zu, und bald sah man daselbst die guten

Mädchen blieb,

alle,

vergnügt

bi-

auf die

mtt ihren

eine,

die mit Willen

Liebhabern

da- eigene

Schiff besteigen. — Hiermit war die Komödie be­

endigt."

„Mir deucht," so flüsterte Eugenie mit leuchten.den Augm dem Baron in einer Pause zu, worin

fich jedermann beifällig über daS eben Gehörte auSsprach,

„wir

haben

hier eine gemalte Symphonie

von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkom­

menes Gleichnis

selbst in

überdies des Mozartischen Geistes

seiner ganzm Heiterkeit!

Hab' ich

nicht

recht? ist nicht die ganze Anmut Figaros darin?"

Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung

dem Komponisten mitzuteilen,

als dieser zu reden

sortfuhr.

„ES find nun siebzehn Jahre her, daß ich Italien

sah.

Wer, der es einmal sah, insonderheit Neapel,

dmkt nicht sein lebenlang daran, und wär' er auch, wie ich, noch halb in Kinderschuhen gesteckt!

So

lebhaft aber wie hmt in Ihrem Gartm war mir der

letzte

schöne Abend

aufgegangen.

am Golf kaum jemals wieder

Wenn ich die Augen schloß — ganz

deutlich, klar und hell, den letztm Schleier von sich hauchend, lag die himmlische Gegend vor mir ver­ breitet!

Meer und Gestade, Berg und Stadt, die

bunte Menschenmenge an dem Ufer hin, und dann

das

wundersame

Spiel

der

Bälle

durcheinander!

Ich glaubte wieder dieselbe Musik in den Ohren zu

haben, ein ganzer Rosenkranz von fröhlichen Melodien zog innerlich an mir vorbei, fremdes und eigenes.

Crethi und Plelhi, eins immer das andre ablösmd.

Von ungefähr springt ein Tanzliedchen hervor, SechSachtelstakt, mir völlig neu. — Halt, dacht' ich, waS

giebt'S hier? Das scheint ein ganz

verteufelt nieb*

liches Ding! Ich sehe näher zu — alle Wetter! daS ist ja Masetto, daS ist ja Zerlina!" — Er lachte

gegm Madame Mozart hin, die ihn sogleich erriet. „Die Sache,"

fuhr er fort, „ist einfach diese.

In meinem ersten Akt blieb eine kleine leichte Nummer unerledigt, Duett und Ehor einer ländlichen Hochzeit.

Vor zwei Monatm nämlich, als ich dieses Stück der Ordnung nach

vornehmen wollte, da fand sich auf

den ersten Wurf

daS Rechte

nicht alsbald.

Eine

Weife, einfältig und kindlich und fprützend vor Fröh­

lichkeit über und über, ein frischer Busenstrauß mit Flatterband dem Mädel angesteckt, so mußte eS sein.

Weil man nun im geringstm nichts erzwingen soll,

und weil dergleichm Kleinigkeitm sich oft gelegenüich von selber machen, ging ich darüber weg und sah mich

im

Verfolg der größerm Arbeit kaum wieder

danach um. Ganz flüchtig kam mir heut im Wagm,

kurz eh' wir inS Dorf herein fuhren, der Text in den Sinn; da spann sich denn weiter nichts an, zum

wenigstm nicht daß ich's wüßte.

Genug, ein Stünd­

chen später, in der Laube beim Bmnnen, erwisch' ich ein Motto, wie ich eS glücklicher und beffer zu

keiner andem Zeit, auf keinem andern Weg erfunden habm würde.

Man macht bisweilen in der Kunst

besondere Erfahrungm, ein ähnlicher Streich ist mir

nie vorgekommm.

Denn «im Melodie, dem Vers

wie auf den Leib gegossen — doch, zugreifen,

so

um nicht vor-

weit find wir noch nicht, der Vogel

hatte nur dm Kopf erst aus dem Ei, und auf der

Stelle fing ich an, ihn vollends rein herauszuschälen. Dabei schwebte mir lebhaft der Tanz der Zerline vor Augm, und wunderlich

spielte zugleich die lachende

Landschaft am Golf von Neapel herein.

Ich hörte

die wechselndm Stimmen des Brautpaares, die Dirnen

und Bursche im Chor." Hier trällerte Ml^art ganz lustig den Anfang des Liedchens:

Giovinette, ehe satte all1 amore, ehe satte all* amore, Non lasciate, ehe passi l’etä, ehe passi l’etä, ehe passi Feti! Se nel eeno vi bulica ü core, vi bulica il core, D remedio vedete lo quäl La la la! La la la! Che piacer, ehe piacer ehe sarä! Ah la la! Ah la la u. s. f.* ♦ Liebe Schwestern, zur Liebe geboren.

Nützt der Jugend schön blühende Zeit! Hängt ihr 's Köpfchen in Sehnsucht verloren,

Amor ist euch zu helfm bereit.

Tral la la! Welch Vergnügen erwartet euch da! u. s. w.

„Mittlerweile halten meine Hände das große Un­ heil angerichtet. Die Nemesis lauerte schon an der Hecke und trat jetzt hervor in Gestalt des entsetzlichm Mannes im galonierten blauen Rock. Ein Ausbruch deS Vesuvio, wenn er in Wirklichkeit damals an dem göttlichen Abend am Meer Zuschauer und Mteurs, die ganze HerrlichkeU Parthenopes mit einem schwar­ zen Aschenregen urplötzlich verschüttet und zugedeckt hätte, bei Gott, die Katastrophe wäre mir nicht un­ erwarteter und schrecklicher gewesen. Der Satan der! so heiß hat mir nicht leicht jemand gemacht. Ein Gesicht wie auS Erz — einigermaßm dem grausamen römischm Kaiser Tiberius ähnlich! Sieht so der Diener aus, dacht' ich, nachdem er weggegangen, wie mag erst Seine Gnaden selbst drein sehen. Jedoch, die Wahrheit zu gestehn, ich rechnete schon ziemlich auf den Schutz der Damen, und das nicht ohne Grund. Denn diese Stanze! da, mein Weibchen, etwas neugierig von Natur, ließ sich im Wirtshaus von der dicken Frau da- ÄiffenSwürdigste von denen sämtlichen Per­ sönlichkeiten der gnädigen Herrschaft in meinem Bei­ sein erzählen, ich stand dabei und hörte so —“ Hier konnte Madame Mozart nicht umhin, ihm in daS Wort zu fallen und auf das angelegentlichste zu versichern, daß im Gegenteil er der AuSfrager gewesen; eS kam zu heilem Kontestattonen zwischen

Mann und Frau, die viel zu lachm gaben. — „Dem

sei nun wie ihm wolle,"

sagte er,

„kurzum,

ich

hörte so entfernt etwas von einer lieben Pflegetochter, welche Braut, sehr schön, dazu die Güte selber sei

und singe wie ein Engel.

Per Dio!

fiel

mir jetzt

yn! das Hilst dir aus der Lauge! Du setz'st dich auf

der Stelle hin, schreibst'- Liedchm auf, so west es geht, erklärst die Sottise der Wahrheit gemäß, und

es

gibt

einen

trefflichen Spaß.

Gedacht, gethan.

Ich hatte Zeit genug, auch sand sich noch ein saube­

res Bögchen grün liniert Papier. — Und hier ist das Produst! Ich lege es in diese schönen Hände, ein Brautlied

aus

dem Stegreif, wenn Sie es dafür

gelten lassen."

So reichte er fein reinlichst geschriebenes Noten­

blatt

Eugenim

über

dm Tisch, des Onkels Hand

kam aber der ihrigen zuvor, er haschte es hinweg

und rief:

„Geduld

noch

einen

Augenblick,

mein

Kind!"

Auf seinen Wink that sich die Flügelthüre des Salons weit auf, und es erschienen einige Diener,

die den verhängnisvollen Pomeranzenbaum anständig, ohne Geräusch in den Saal hereintrugen und an der

Tafel unten auf eine Bank niedersetzten; gleichzeittg wurden

rechts

und

links

zwei

schlanke

Myrtm-

l'äumchm aufgestellt. Eine am Stamm des Orangen-

baumS befestigte Inschrift bezeichnete ihn als Eigen­ tum der Braut; vom aber, auf dein Moosgmnd, stand, mit einer Semiette bedeckt, ein Porzellanteller,

der, als man das Tuch hinwegnahm, eine zerschnittene

Orange zeigte, neben welche

der Oheim mit listigem

Blick des Meisters Autographon steckte.

Allgemeiner

unendlicher Jubel erhob fich darüber.

«Ich glaube gar,"

sagte die Gräfin, „Eugenie

weiß noch nicht einmal, was

eigentlich da vor ihr

steht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten Liebling in seinem neuen Flor und Früchteschmuck nicht mehr!"

Bestürzt, ungläubig sah daS Fräulein bald dm Baum, bald ihrm Oheim an.

„ES ist nicht mög­

lich," sagte fie, „ich weiß ja wohl, er war nicht mehr

zu rettm."

„Du meinst also," versetzte jener, „man habe dir

nur irgmd ungefähr so ein Das »fit* was rechts!

Ersatzstück ausgesucht?

Nein, sieh nur her — ich

muß eS machen, wie's in der Komödie der Brauch ist, wo sich die totgeglaubten Söhne oder Brüder

durch

ihre

Muttermäler und

Narbm legitimieren.

Schau diesen Auswuchs da! und hier die Schmnde übers Kreuz, du mußt fie hundertmal bemerkt haben.

Nun, ist er's oder ist er's nicht?"



Sie tonnte

nicht mehr zweifeln; ihr Staunen, ihre Rühmng und Frmde war unbeschreiblich.

Es knüpfte sich an diesm Baum für die FaEe daS mehr als hundertjährige Gedächtnis einer aus-

gezeichnetm Frau,

welche wohl verdimt,

daß wir

ihrer mit wenigem hier gedenken. DeS OheimS Großvater,

feine diploma­

durch

tischen Verdienste im Wiener Kabinett rühmlich be­ kannt, von zwei Regenten nacheinander mit gleichem

Verträum

beehrt,

war

seines

innerhalb

eigenen

minder glücklich im Besitz einer vor­

HauseS nicht

trefflichen Gemahlin, Renate Leonore. holter Aufmthalt in

Ihr wieder­

brachte sie vielfach

Frankreich

mit dem glänzenden Hofe Ludwigs XIV. und mit den bedeutendsten Männem und Fraum dieser merk­

würdigen Epoche in

Berührung.

fangenen Tellnahme

an

jenem

Bei ihrer unbe­

steten

Wechsel des

geistreichen Lebensgenusses verleugnete sie auf keinerlei Art, in Worten und Werken, die angestammte deutsche Ehrenfestigkeit und sittliche Strenge, die sich in den

kräftigen Zügm des noch vorhandenm Bildnisses der Vermöge eben dieser

Gräfin unverkennbar ausprägt. DenkungSweise

übte

fie

in

der

gedachtm Societät

eine eigentümliche naive Opposition, und ihre hinterlaffme

Korrespondenz

davon

auf,

weist

eine

Menge

Spuren

mit wie viel Freimut und herzhafter

Schlagferttgkeit, es mochte nun von Glaubenssachen,

von Litteratur und Politik, oder von was immer die

Rede sein, die originelle Frau ihre gesunden Grund­

sätze und Ansichten zu verteidigen,

die Blößen der

Gesellschaft anzugreifen wußte, ohne doch dieser im

mindesten sich lästig zu machen. für sämtliche Personen,

die

Ihr reges Jntereffe

man im Hause einer

Ninon, dem eigentlichen Herd der feinsten Geistes­

bildung treffen konnte, war demnach so beschaffen und

geregelt, daß eS sich mit dem höheren Freundschafts­ verhältnis zu einer der edelsten Damen jener Zeit,

der Frau von Sövignö, vollkommen wohl vertmg. Neben manchen mutwMgen Scherzen Chapelles

an

sie, vom Dichter eigenhändig auf Blätter mit silber-

blumigem Rande gekritzelt, fanden sich die liebevollstm Briefe der Marquisin und ihrer Tochter an die ehr­ liche Freundin aus Österreich

nach

ihrem

Tod in

einem Ebenholzschränkchen der Großmutter vor. Frau von Sövignä war es denn auch, aus deren Hand sie eines Tage-, bei einem Feste zu Trianon,

auf der Terraffe des Gartens dm blühenden Orangen-

zweig empfing, den fie sofort auf das Geratewohl in einen Topf setzte und glücklich angewurzelt mit

nach Deutschland nahm. Wohl fünsundzwanzig Jahre wuchs da- Bäum­ chen unter ihren Augen allgemach heran und wurde

später von Kindern und Enkeln mit äußerster Sorg­

falt gepflegt.

Es konnte nächst seinem persönlichm

Werte zugleich als lebendes Symbol der feingeistigen eines

Reize

vergötterten

beinahe

Zeitatters

gelten,

worin wir heutzutage frnlich des wahrhaft PreisenSwerten wenig

finden

können,

und das schon eine

unhellvolle Zukunft in fich trug, deren wetterschütternder @intritt dem Zeitpunkt unserer harmlosen Erzäh­

lung bereits nicht ferne mehr lag. Die meiste Liebe widmete Eugmie dem Vermächt­ nis der würdigm Ahnftau, weshalb der Oheim öfters

dürste

es

merken ließ,

Hände

Übergehm.

wohl einst eigens in ihre

Desto schmerzlicher war es dem

Fräulein beim auch, als der Baum im Frühling deS vorigen

Jahres,

den

sie nicht hier zubrachte,

zu

trauern begann, die Blätter gelb wurden und viele

Zweige abstarben.

In Betracht, daß irgend eine be­

sondere Ursache seines Verkommens durchaus nicht zu

entdecken war und keinerlei Mittel anschlug, gab ihn der Gärtner bald verloren, obwohl er seiner natür­ lichen Ordnung nach leicht zwei- und dreimal älter

werden konnte.

nachbarten sonderbaren, das

Der Gras hingegen, von einem be­

Kenner selbst

beraten,

Landvolk häufig hat,

Raume ganz

nung,

ließ

ihn

nach

einer

rätselhaften Vorschrift, wie sie

insgeheim

in einem

abgesonderten

behandeln, und seine Hoff­

die geliebte Mchte eines Tags mit dem zu

neuer Kraft und voller Fruchtbarkeit gelangten alten

Freund zu überraschen, ward über alles Erwarten er­ füllt.

Mit Überwindung seiner Ungeduld und nicht

ohne Sorge, ob denn wohl auch die Früchte, von denen

etliche zuletzt

den

höchsten

Grad

der Reife

hatten, so lang am Zweige halten würden, verschob er die Freude um mehrere Wochen auf das heutige

Fest, und es bedarf nun weiter keines Worts darüber, mit welcher Empfindung der gute Herr ein folche-

Glück noch im letzten Moment durch einen Unbekannten sich verkümmert sehen mußte. Der Lieutenant hatte schon vor Tische Gelegen­

heit und Zeit gefunden, seinen dichterischen Beitrag

zu

der

feierlichen Übergabe inS reine zu bringm

und seine vielleicht ohnehin etwas zu ernst gehaltenm Verse durch einen veränderten Schluß den Umständen

möglichst anzupassen.

Er zog nunmehr sein Blatt

hewor, das er, vom Stuhle sich erhebend und an die

Cousine gewendet, vorlas.

Der Jnhatt der Strophm

«ar kurz gefaßt dieser: Ein

Nachkömmling

de-, vtelgeprtes'nen

Baum-

der Hesperiden, der vor atterS, auf einer westlichen Insel, im Garten der Juno, als eine Hochzeitgabe

für sie von Mutter Erde, hervorgesproßt war, und

welchen

die

drei melodisch«!

Nymphen

bewachten,

hat eine ähnliche Bestimmung von jeher gewünscht und gehofft, da der Gebrauch, eine herrliche Braut

rott seinesgleichen

zu beschenken,

von den Göttem

vorlängst auch unter die Sterblichm kam. Rach langem vergeblichen Warten scheint endlich

die Jungfrau gefunden, auf die er seine Blicke richtm darf.

Sie erzeigt sich ihm günstig und verweilt oft

bei ihm.

der musische Lorbeer,

Doch

sein

stolzer

Nachbar am Bord der Quelle, hat seine Eifersucht erregt, indem er droht, der kunstbegabten Schönen

Herz und Sinn für die Liebe der Männer zu rauben. Die Myrte tröstet ihn umsonst und lehrt ihn Geduld

durch ihr eigenes Beispiel; zuletzt jedoch ist es die andauernde

Abwesenheit der Liebsten,

Gram vermehrt imb

ihm,

was

seinen

nach kurzem Siechtum,

tödlich wird.

Der Sommer bringt die Entfernte und bringt sie Das Dorf,

mit glücklich umgewandtem Herzm zurück.

da- Schloß, der Garten, alles empfängt sie mit tau­ send Freuden.

Rosen und Lilien, in erhöhtem Schim­

mer, sehen entzückt und beschämt zu ihr auf. Glück winken ihr Sträucher und Bäume: für einen, ach, den edelsten, kommt sie zu spät.

Krone verdorrt,

ihre Finger

Sie findet seine

betasten

den leblosen

Stamm imb bte klirrenden Spitzen seines Gezweigs.

Er kennt unb sieht seine Pflegerin nimmer.

Wie

weint sie, wie strömt ihre zärtliche Klage!

Apollo

von weiten! vernimmt die Stimme ber

Er kommt, er tritt herzu und schaut mit­

Tochter.

fühlend ihren Jammer.

Alsbald mit seinen allheilen­

den Händen berührt er den Baum, daß er in sich

erbebt, der vertrocknete Saft in der Rinde gewaltsam

anschwillt, schon junges Laub ansbricht, schon weiße

Stumm da und dort in ambrosischer Fülle aufgehen. Ja — denn was vermöchten die HimMschen nicht?

— schön runde Früchte setzen an, dreimal drei, nach der Zahl der neun Schwestern; sie wachsen und wach­ sen, ihr kindliches Grün zusehrnds mit der Farbe des

Goldes vertauschend.

Phöbus — so schloß sich da-

Gedicht — Phöbus überzShlt die Stücke Weidet selbsten sich daran. Ja, es fängt im Augenblicke Ihm der Mund -u wässern an;

Lächelnd Bon der Laß uns Und für

nimmt der Gott der Töne saftigsten Besitz: teilen, holde Schöne, Amorn — diesen Schnitz!

Der Dichter erntete rauschrnden Beifall, und gem verzieh man die barocke Wendung, durch welche der

Eindmck des wirklich gefühlvollm Ganzm so völlig aufgehoben wurde. Franziska, deren ftoher Mutterwitz schon zu verschiedenmmalm bald durch dm Hauswirt, bald durch

Mozart in Bewegung gesetzt worden war, lief jetzt

geschwinde, wie von ungefähr an etwas erinnert, hin­ weg, und kam zurück mit einem braunm mglischen Kupferstich größten Format-,

welcher wenig beachtet

in einem ganz entfernten Kabinett unter Glas und Rahmm hing.

„Es muß doch wahr sein, waS ich immer hörte,"

rief sie aus, indem sie das Bild am Ende der Tafel aufstellte, „daß sich unter der Sonne nichts Neues begibt! Hier eine Scene aus dem goldenen Weltalter — und haben wir sie nicht erst heute erlebt? Ich hoffe

doch, Apollo werde sich in dieser Situatton erkennen." „Vortrefflich!" triumphierte Max, „da hätten wir ihn ja, den schönen Gott, wie er sich just gedanken­

voll über den heiligen Quell hinbeugt.

Und damit

nicht genug — dort, seht nur, einen alten Satyr

hinten im Gebüsch, der ihn belauscht! darauf schwören,

Apoll besinnt sich

Man möchte

ebm

auf

ein

lange vergeffmes arkadisches Tänzchen, das ihn in seiner Kindheit der alte Chiron zu der Zither lehrte."

„So ist's! nicht anders!" applaudierte Franziska,

die

hinter Mozart

stand.

„Und,"

fuhr sie gegen

diesen fort, „bemerken sie auch wohl den fruchtbeschwetten Ast, der sich zum Gott hemnter senkt?"

„Ganz recht; e- ist der ihm geweihte Ölbaum." „Keineswegs!

die

schönstm

Apfelsinen

sind'S!

Gleich wird er sich in der Zerstreuung eine herunter holen."

„Vielmehr," rief Mozart, „er wird gleich diesen Schelmenmund mit tausmd Küsten schließen!"

Da­

mit erwischte er sie am Arm und schwur, sie nicht mehr loSzulastm, bis sie ihm ihre Lippm reiche, was

sie denn auch ohne vieles Sträuben that. „Erkläre uns doch, Max," sagte die Gräfin, „was

unter dem Bilde hier steht." „68 sind Verse aus einer berühmten Horazischen

Ode.

Der Dichter Ramler in Berlin hat uns da»

Stück vor kurzem unübertrefflich deutsch gegeben. Es ist vom höchsten Schwung.

Wie prächtig eben diese

eine Stelle:

----------- „hier, der ans der Schulter Keinen unthätigen Bogen führet! Der seines Delos’ grünenden Mutterhain Und Patara’s beschatteten Strand bewohnt, Der seines Hauptes goldne Locken In die kastalischen Fluten tauchet.“ „Schön! wirklich schön!" sagte der Graf, „nur hie und da bedarf es der Erläutemng.

So z. B.,

„der keinen unthätigen Bogen fahret," hieße natür­ lich schlechtweg: der allzeit einer der fleißigsten Geiger

gewesen.

Doch, was ich sagen wollte: bester Mozart,

Sie säen Unkraut zwischen zwei zärtliche He^en."

^Jch will nicht hoffen — wie so?" „Eugenie beneidet ihre Freundin, und hat auch

allen Gmnd."

„Aha, Sie haben mir schon meine schwache Seite

abgemerkt.

Aber was sagt der Bräutigam dazu?"

„Ein oder zweimal will ich durch die Finger sehen."

„Sehr gut; wir werden der Gelegenheit wahr­ nehmen.

Inder fürchten Sie nichts, Herr Baron;

eS hat keine Gefahr, so lang mir nicht der Gott

hier sein Gesicht und seine langen gelben Haare borgt. Ich wünsche wohl, er thät's! er sollte auf der Stelle

Mozart- Zopf mitsamt seinem schönstm Bandl da­

für haben."

„Apollo möge aber dann zusehen," lachte Fran­ ziska, „wie er eS anfängt künftig, seinen neuen französischen Haarschmuck mit Anstand in die kastalische

Flut zu tauchen."

Unter diesen und ähnlichen Scherzen stieg Lustig­

keit

und

Mutwillen

immer

mehr.

Die

Männer

spürten nach und nach den Wein, es wurden eine

Menge Gesundheiten getarnten und Mozart kam in

den Zug, nach seiner Gewohnheit in Versen zu sprechen,

wobei ihm

der Lieutenant das

Gleichgewicht

und auch der Papa nicht zurückbleiben

hielt

wollte;

glückte ihm ein paarmal zum Verwundem.

es

Doch

solche Dinge lasten sich für die Erzählung kaum feste

halten, sie wollen eigentlich nicht wiederholt sein, weil

eben daS, waS sie an ihrem Ort unwiderstehlich macht,

die

allgemein

erhöhte

Stimmung,

der Glanz,

die

Jovialität des persönlichen Ausdmcks in Wort und

Blick fehÜ.

Unter andern wurde von dem alten Fräulein zu

Ehren deS Meister- ein Toast ausgebracht, der ihm noch eine ganze lange Reihe unsterblicher Werke ver«

hieß. — „A la bonne heure, ich bin dabei!" rief Mozart und stieß sein Kelchglas kräftig an. Der Graf begann hierauf mit großer Macht und Sicherheit der

Intonation, kraft eigener Eingebung, zu fingen: Mögen ihn die Götter stärken Zu den angenehmen Werken —

Mikk (fertfefrenb). Wovon der da Ponte weder. Roch der große Schikaneder — Mozart. Roch bi Gott der Komponist 'S Mindest' weiß zu dieser Frist!

Graf. Alle, alle soll sie jener Haupt-Spitzbub von Italiener Roch erleben, wünsch' ich sehr, Unser Signor Lonbonniöre I*

* So nannte Mozart unter Freunden seinen Kollegen Sa­ tieri, der wo er ging und stand' Zuckerwerk naschte, zugleich

mit Lnspielung auf da» Zierlich« seiner Person.

Sh



Mar. Gut, ich geb' ihm hundert Jahre —

M«|art. Wenn ihn nicht samt seiner Ware —

Alle drei con fona. Noch der Teufel holt vorher. Unsern Monsieur Bonbonniere.

Durch des Grafen ausnehmende Singlust schweifte

da- zufällig entstandme Terzett mit Wiederaufnahme

der letzten vier Zeilen in einen sogenannten endlichen Kanon au-, und die Fräulein Tante besaß Humor

oder Selbstvertrauen genug, ihren verfallenen So­

prane mit allerhand Verziemngen zweckdienlich einzu­

mischen.

Mozart gab nachher das Versprechen bei

guter Muße diesen Spaß nach den Regeln der Kunst

expreß für die Gesellschaft auszuführen, das er auch später von Wim aus erfüllte.

Eugenie hatte sich im

stillen längst mit ihrem

Kleinod aus der Laube des Tiberius verttaut gemacht;

allgemein verlangte man jetzt das Duett vom Koin« ponisten und ihr gesungm zu hören, und der Oheim war glüMch, im Chor seine Stimme abermals geltend

zu machen.

Also erhob mau sich und eilte zum Kla­

vier in- große Zimmer nebenan. Ein so reines Entzücken nun auch das köstliche

Stück bei allm erregte, so sühtte doch sein Inhalt

selbst, mit einem raschen Übergang, auf den Gipfel

geselliger Lust, wo die Musik an und für sich nicht

weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zu­ erst unser Freund das Signal, indem er vom Klavier aufsprang, auf Franziska zuging und sie, während

Max bereitwilligst die Violine ergriff, zu einem Schlei­ fer persuadirte.

Der Hauswirt säumte nicht, Ma­

Im Nu waren alle be­

dame Mozart ausznfordern.

weglichen Möbel, den Raum zu erweitem, durch ge­

schäftige Diener entfernt.

ein jedes

Es mußte nach und nach

an die Tour, und Fräulein Tante nahm

«S keineswegs übel, daß der galante Lieutenant sie

zu einer Menuett abhotte, worin sie sich völlig ver­

jüngte.

Schließlich, als MoMt mit der Braut den

Kehraus tanzte, nahm er sein versicherte- Recht auf ihren schönen Mund in bester Form dahin. Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah

am

Untergehen,

«S wurde nun erst angenehm im

Freien, daher die Gräfin dm Damen vorschlug, fich im Garten noch ein wmig zu erholm.

Der Graf

dagegen lud die Herrn auf da- Billardzimmer, da

Mqart bekanntlich dies Spiel sehr liebte.

So teilte

man fich dmn in zwei Partten, und wir unsererseits

folgen dm Frauen.

Nachdem fie dm Hauptweg einigemal gemächlich auf und ab gegangen, erstiegen fie einen rundm, von

einem

hohen Rebmgeländer

zur Hälfte umgebenen

Hügel, von wo man in da- offene Feld, auf das

Dorf und die Landstraße sah.

Die letzten Strahlm

der herbstlichen Sonne funkeltm

rötlich durch da-

Weinlaub herein.

„Wäre hier nicht vertraulich zu fitzen," sagte die Gräfin, „wenn Madame Mozart uns etwas von fich und dem Gemahl erzählen wollte?"

Sie war ganz gerne höchst

behaglich

bereit,

und alle nahmen

auf bett int Kreis

herbeigerückten

Stühlen Platz. „Ich will etwas zum besten geben, das Sie auf

alle Fälle hätten hören müffen, da sich ein kleiner

Scherz darauf bqieht, den ich im Schilde führe. Ich

habe mir in den Kopf gesetzt, der Gräfin Braut zur fröhlichen Erinnerung an diesen Tag ein Angebind von sonderlicher Qualität zu verehren.

Dasselbe ist

so wenig Gegenstand des Luxus und der Mode, daß eS lediglich nur durch seine Geschichte einigermaßen

interessieren kann."

„Was mag das sein, Eugenie?" sagte Franziska,

„zum

wenigstm

das

Tintenfaß

eines

berühmten

Mannes." „Nicht allzuweit gefehlt! Sie sollen es noch diese Stunde sehen; im Reisekoffer liegt der Schatz.

Ich

fange an, und werde mtt Ihrer Erlaubnis ein wenig weiter ausholen."

„Vorletztm Winter wollte mir Mozarts Gesund»

heitszustand, durch vermehrte Reizbarkeit und häufige Verstimmung, ein fieberhaftes Wesen, nachgerade bange machen.

In Gesellschaft noch

zuweilen lustig, ost

mehr als recht natürlich, war er zu Haus meist trüb

in sich hinein, seufzte und klagte.

Der Arzt empfahl

ihm Diät, Pyrmonter und Bewegung außerhalb der Stadt.

Der Patient gab nicht viel auf den guten

Rat; die Kur war unbequem, zeitraubend, seinem

Taglauf

schnurstracks

entgegen.

Run machte ihm

der Doktor die Hölle etwa- heiß, er mußte eine lange

Vorlesung anhören von der Beschaffmheit des mensch­ lichen Geblüts, von bcnett Kügelgens

darin, vom

Atemholm und vom Phlogiston — hast unerhörte Dinge; auch wie es eigentlich gemeint sei von der Rat«

mit Essen, Trinken und Verdauen, das eine Sache ist, worüber Mozart bis dahin ganz ebenso unschuldig

dachte wie sein Junge von fünf Jahren. Die Lektion, in der That, machte merklichen Andruck. Der Doktor war noch keine halbe Stunde weg, so find' ich meinen

Mann nachdenklich, aber mtt aufgeheitertem Gesicht, auf seinem Zimmer über der Betrachtung eines Stocks,

dm er in einem Schrank mit altm Sachm suchte und auch glücklich fand; ich hätte nicht gemeint, daß

er sich dessen nur erinnerte.

Er stammte noch von

meinem Vater, ein schöne» Rohr mit hohem Knopf

von Lapis

Lajuli.

Nie sah man

einen Stock in

Mozarts Hand, ich mußte lachen. „Du siehst," rief er, „ich bin daran, mit meiner

Kur mich völlig ins Geschirr zu werfen.

Ich will

da- Wasser trinkm, mir alle Tage Motion im Freien

machen und mich dabei diese- Stabe- bedienen. Da

sind mir nun verschiedene Gedanken beigegangen.

@3

ist doch nicht umsonst, dacht' ich, daß andere Leute,

wa- da gesetzte Männer sind, den Stock nicht miffm

können.

Der Kommerzienrat, unser Nachbar, geht

niemals über die Straße, seinen Gevatter zu besuchen,

der Stock muß mit.

Professionisten und Beamte,

Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn sie am Sonntag mit Familie vor die Stadt spazieren, ein

jeder führt mit sich.

sein

wohlgedientes

rechtschaffenes Rohr

Vornehmlich hab' ich ost bemerkt, wie auf

dem Stephansplatz, ein Viertelstündchen vor der Pre­ digt und dem Amt, ehrsame Bürger da und dort

truppweis beisammen stehen im Gespräch: hier kann

man so recht sehen, wie eine jede ihrer stillen Tugen­

den, ihr Fleiß und Ordnungsgeist, gelaffner Mut, Zufriedenheit, sich auf die wackem Stöcke gleichsam

als eine gute Stütze lehnt und stemmt.

Mit einem

Wort, es muß ein Segen und besonderer Trost in der altväterischen und immerhin etwas geschniacklosm

Gewohnheit liegen. Du magst es glauben oder nicht.

ich kann es kaum erwarten, bis ich mit diesem guten Freund das erstemal

im Gesundheitspaß

Brücke nach dem Rennweg promeniere!

über

die

Wir fennen

uns bereits ein wenig und ich hoffe, daß unsere 33er*

bindung für alle Zeit geschloffen ist." „Die Verbindung war von kurzer Dauer: da-

drittemal,

daß

miteinander

beide

aus waren, kam

der Begleiter nicht mehr mit zurück.

Ein anderer

wurde angeschafft, der etwas länger Treue hielt, und

jedenfalls schrieb ich der Stockliebhaberei ein gut Teil

von der Ausdauer zu, lang

der Vorschrift

nachkam.

womit Mozart drei Wochen

seines

Arztes

ganz

erttäglich

Auch blieben die fluten Folgen nicht auS;

wir sähen ihn saft nie so frisch, so hell und von so gleichmäßiger Laune.

Doch machte er sich leider in

kurzem wieder allzu grün und täglich hatt' ich des­ halb meine Not mit ihm.

Damals geschah eS nun,

daß er, ermüdet von der Arbett eine- anstrengenden

Tages, noch spät, wegen,

ein paar neugieriger Reisenden

zu einer musikalischen Soiräe ging — auf

eine Stunde bloß, versprach er mir heilig und teuer; doch da- find immer die Gelegenhetten, wo die Leute,

wenn er nm erst am Flügel festsitzt und im Feuer ist, seine Gutherzigkeit am mehrstm mißbrauchen; denn

da fitzt er alsdann wie das Männchen in einer Mont*

«dkLttdkLod» golfiere, sechs Meilm hoch über dem Erdboden schwe­ bend, wo man die Glockm nicht mehr schlagm hört.

Ich schickte den Bedimten zweimal mitten in der Rächt dahin, umsonst, er konnte nicht zu seinem Herrn ge­

langen.

Um drei Uhr früh kam dieser denn endlich

nach HauS.

Ich nahm mir vor, den ganzm Tag

ernstlich mit ihm zu schmollen." Hier überging Madame Mozart einige Umstände

mit SÄschweigen.

ES war, muß man misten, nicht

unwahrscheinlich, daß zu gedachter Abendunterhaltung auch eine junge Sängerin, Signora Malerbi, kom­ men würde, an welcher Frau Constanze mit allem

Recht Ärgernis nahm.

Diese Römerin war durch

Mozarts Verwendung bei der Oper angestellt worden, und ohne Zweifel hattm ihre koketten Künste nicht geringen Anteil an der Gunst des Meisters.

Sogar

wollten einige wistm, sie habe ihn mehrere Monate lang eingezogen und heiß genug auf ihrem Rost ge­ halten.

Ob dies nun völlig wahr fei oder sehr über­

trieben, gewiß ist, sie benahm fich nachher stech und

undankbar, und erlaubte sich selbst Spöttereien über ihren Wohlthäter.

So war eS ganz in ihrer Art,

daß sie ihn einst, gegenüber einem ihrer glücklichem

Verehrer, kurzweg un piccolo grifo raao (ein kleines rasiertes SchweinSrüffelchen) nannte.

Der Einfall,

einer Circe würdig, war um so empfindlicher, weil

er, wie man gestehen muß, immerhin ein Körnchen Wahrheit mthielt.* Beim Nachhausegehen von jener Gesellschaft, bei

welcher übrigens die Sängerin zufällig nicht erschimen beging ein Freund

war,

im Übermut des Weins

die Indiskretion, dem Meister dies boshafte Wort zu

verraten.

Er wurde

schlecht davon erbaut,

denn

eigentlich war eS für ihn der erste unzweideutige Be­

weis von der gänzlichen Herzlofigkeit seines Schütz­ Vor lauter Entrüstung darüber empfand er

lings.

nicht einmal sogleich den frostigen Empfang am Bette seiner Frau. leidigung mit,

In einem Atem teilte er ihr die Be­ und diese Ehrlichkeit läßt wohl auf

einen mindem Grad von Schuldbewußtsein schließen. Fast machte er ihr Mtleid rege.

Doch hielt sie ge-

flifientlich an sich, eS sollte ihm nicht so leicht hin­ gehen.

Als er von einem schwerm Schlaf kurz nach

MUtag erwachte, fand er das Weibchm samt den beidm Knaben nicht zu Hause, vielmehr säuberlich

dm Tisch für ihn allein gedeckt. * Man hat hier «in LV««» kleiner Profilbild im Aug«, da»,

gut

-«zeichnet und gestochen,

sich auf dem Titelblatt

«ine» Mozartschen Ulavierwerk» befindet, unstreitig da« ähn­

lichste von allen, «ich neuerding« im tkunsthandel erschienene» Portritt«.

Von jeher gab eS wenige Dinge, welche Mqart so unglücklich machten, als wenn nicht alles hübsch

eben und heiter zwischen ihm und seiner guten Hälfte

stand.

Und hätte er nun erst gewußt, welche weitere

Sorge sie schon seit mehreren Tage» mit sich herum

trug! — eine der schlimmsten in der That, mit deren

Eröffnung sie chn nach alter Gewohnheit so lange wie möglich verschonte.

Ihre Barschaft war ehestens alle,

und keine Aussicht auf baldige Einnahme da.

Ohne

Ahnung von dieser häuslichen Extremüät war gleich­ wohl sein Herz auf eine Art beklommen,

die mit

jenem verlegenen, hilflosen Zustand eine gewisse Ähn­ lichkeit hatte.

bleiben.

Er mochte nicht effm, er konnte nicht

Geschwind zog er sich vollends an, um nur

aus der Stickluft de- Hauses zu fommen.

Auf einem

offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen italienisch:

„Du hast mir's redlich eingetränkt, und geschieht mir schon recht.

Sei aber wieder gut, ich bitte dich, und

lache wieder, bis ich heimkomme.

Mir ist zu Mut,

als möcht' ich ein Earthäufer und Trappiste werden, ein rechter Heulochs, sag' ich dir!" — Sofort nahm er den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der hatte seine Epoche passiert.

Haben wir Frau Constanze bis hierher in der Er­ zählung abgelöst, so können wir auch wohl noch eine

kleine Strecke weiter fortfahren.

rdkLVHSkLttdkLDon seiner Wohnung, bei der Schranne, rechtgegen da- Zmghaus einbiegend, schlenderte der teure

Mann — «-

war ein

warmer,

etwas

Sommemachmittag — nachdenklich

umwölkter

lässig

über

den

sogenannten Hof, und weiter an der Pfarre zu unsrer

lieben Frau vorbei, dem Schottenthor entgegen, wo er seitwärts zur Linkm auf die Mölkerbastei stieg und dadurch der Ansprache mehrerer Bekannten, die eben zur Stadt herein kamen,

entging.

Nur kurze Zeit

genoß er hier, obwohl von einer stumm bei den Ka­ nonen

auf und nieder gehendm

Schildwache nicht

belästigt, der vorttefflichm Aussicht über die grüne

Ebene des Glacis und die Vorstädte hin nach dem Kahlenberg

und südlich

nach den steierischm Alpen.

Die schöne Ruhe der Süßem Natur widersprach seinem

innern Zustand.

MU einem Seufzer setzte er feinen

Gang über die Esplanade und sodann durch die Alser»

Vorstadt ohne bestimmten Zielpunkt fort. Lm Ende der Währiuger Gaffe lag eine Schenke

mit Kegelbahn, deren Eigentümer, ein Seilermeister,

durch seine gute Ware, wie durch die Reinheit feines Getränk- den Nachbam

Weg vorüberführte,

und Landleuten,

die

gar wohl bekannt war.

ihr Man

hörte Kegelschieben und übrigen» ging e- bei einer

Anzahl von höchsten- einem Dutzend Gästen mäßig zn.

Ein kaum bewußter Trieb, sich unter anspruch-

losen

natürlichen Menschen in

etwa- zu vergessen,

bewog den Musiker zur Einkehr.

Er setzte sich an

einen der sparsam von Bäumen beschatteten Tische zu

einem

Wiener

Brunnm-Obermeister und

zwei

andern Spießbürgem, ließ sich ein Schöppchen kommen und nahm an ihrem sehr alltäglichen DiSkurS

eingehmd teil, ging dazwischen umher, -der schaute

dein Spiel auf der Kegelbahn zu.

Unweit von der letztem, an der Seite des Hau­ ses, befand sich der offene Laden des Seilers,

ein

schmaler, mtt Fabrikaten vollgepfropfter Raum, weil außer dem, war das Handwerk zunächst lieferte, auch allerlei

hölzemes

Keller-

Küchen-,

und

landwirt­

schaftliches Gerät, ingleichem Thran und Wagmsalbe,

auch wmigeS

von Sämereien, DA und

zum Verkauf umher stand oder hing.

Kümmel,

Ein Mädchen,

das als Kellnerin die Gäste zu bedienen und neben­

bei den Ladm zu besorgen hatte, war eben mit einem Lauem beschäftigt,

welcher,

sein Söhnlein an der

Hand, herzugetretm war, um einig«? zu kaufen, ein Fmchtmaß,

eine Bürste,

eine

Geißel.

Er

suchte

unter vielen Stücken eines heraus, prüfte es, legte

es weg,

ergriff ein zweites und drittes, und kehrte

unschlüssig zum

werden.

ersten zurück;

eS war kein Fertig­

Das Mädchen entfernte sich mehrmals der

Aufwartung wegm, kam wieder und war unermüdlich.

ihm seine Wahl zu erleichlem und annehmlich zu machen, ohne daß sie zu viel dämm schwatzte. Mozart sah und hörte, auf einem Bänkchen bei der Kegelbahn, diesem allem mit Vergnügm zu. So sehr ihm auch da- gute verständige Betragen deMädchenS, die Ruhe und der Ernst in ihren anspre­ chenden Zügen gefiel, noch mehr interessierte ihn für jetzt der Bauer, welcher ihm, nachdem er ganz be­ friedigt abgezogen, noch viel zu denken gab. Er hatte sich vollkommm in den Mann hinein versetzt, gefühlt, wie wichttg die geringe Angelegenhett von ihm be­ handelt, wie ängstlich und gewiffmhast die Preise, hei einem Unterschied von wenig Kreuzem, hin und her erwogen wurden. Ünd, dachte er, roenn nun der Mann zu seinem Weibe heimkommt, ihr seinen Handel rühmt, die Kinder alle paffen, bis der Zwerch­ sack aufgeht, darin auch waS für sie sein mag; sie aber eitt, ihm einen JmbiS und einen frischen Trunk selbstgekelterten Obstmost zu Holm, darauf er seinen ganzen Appetit »erspart hat! Wer auch so glücklich wäre, so unabhängig von dm Mmschen t ganz nur auf die Natur gestellt und ihren Segm, wie sauer auch dieser erworben sein will! Ist aber mir mit meiner Kunst ein andere- Tag­ werk anbefohlen, da- ich am Ende doch mit keinem in der Welt vertauschen würde: wamm muff ich da«

bei in Verhältnissen leben, die daS gerade Widerspiel

von solch unschuldiger, einfacher Existenz auSmachen?

Ein Gütchen wenn du hättest, ein kleine- Hau- bei einem Dorf, in schöner Gegend, du solltest wahrlich

ausleben! Den Morgen über fleißig bei deinm

neu

Partituren,

die ganze übrige Zett bei der Familie;

Bäume pflanzen, deinen Acker besuchen, im Herbst

mit den Buben die Apfel und die Bim' hemnter thun; biswellm eine Reise in die Stadt zu einer Aufführung

und sonst, von Zeit zu Zeit ein Freund und meh­

rere bei dir — welch eine Seligkeit!

Nun ja, wer

weiß wa- noch geschieht.

Er trat vor den Ladm, sprach frmudlich mit dem

Mädchen und fing an, ihren Kram genauer zu be­ trachten.

Bei

der

unmittelbaren

Verwandtschaft,

welche die meisten dieser Dinge zu jenem idyllischm

Anfluge hattm, zog ihn die Sauberkeit, da- Helle, Glatte, selbst der Gemch der mancherlei Holzarbetten

an.

ES fiel ihm plötzlich ein, verschiedenes für seine

Frau, was ihr nach seiner Meinung angenehm und

nutzbar wäre, auszuwählen.

Sein Augenmerk ging

zuvörderst auf Gartenwerkzeug.

Constanze hatte näm­

lich vor Jahr und Tag auf seinen Antrieb ein Stück­ chen Land vor dem Kärnthner Thor gepachtet und

etwa- Gemüse darauf gebaut; daher ihm jetzt fürs

erste

ein neuer

großer Rechen,

ein kleinerer ditto.

samt Spaten, teres

ganz zweckmäßig schien.

anlangend,

so

macht es

Dann wei­

seinen ökonomischen

Begriffen alle Ehre, daß er einem ihn sehr appetitlich anlachenden Butterfaß nach kurzer Überlegung, wie­

wohl ungern, entsagte; dagegen ihm ein hohes, mit Deckel und schön geschnitztem Hmkel versehene- Ge­ schirr zu unmaßgeblichem Gebrauch einlmchtete.

ES

war auS schmalen Stäben von zweierlei Holz, abwech­ selnd hell und dunkel, zusammengesetzt, unten weiter

al» oben und innen trefflich ausgepicht. die Küche

für

empfahl

fich

eine

Entschicken

schöne

Auswahl

Rührlöffel, Wellhölzer, Schneidbretter und Teller von allen

Größen,

ein

sowie

Salzbehälter einfachster

Konstruktion zum Aushängen.

Zuletzt

besah

er

fich noch einen derben Stock,

dessen Handhabe mit Leder und runden Mesfingnägeln gehörig beschlagm war.

Da der sonderbare Kunde

auch hier in einiger Versuchung schien, bemerkte die

Berkäuserin mit Lächeln, das sei just kein Tragen für Herm.

„Du hast recht, mein Kind," versetzte

er, „mir deucht,

die Metzger auf der Reise haben

solche; weg damtt, ich will ihn nicht.

Da- Übrige

hingegm alles, was wir da ausgelesm haben, bringst du mir heute oder morgen in» Haus.

Dabei nennte

er ihr feinen Namm und die Straße.

Er ging hier-

aas, um auSzutrinkni, an seinen Tisch, wo von den

dreien nur noch einer, ein Klempnermeister, saß. „Die Kellnerin hat heut 'mal einen guten Tag,"

bemerkte der Mann.

„Ihr Vetter läßt ihr vom Er­

lös im Ladm am Gulden einen Batzen." Mozart freute sich nun seines Einkaufs doppelt;

gleich aber sollte seine Teilnahme an der Person noch größer werden.

Denn als sie wieder in die Nähe

kam, rief ihr derselbe Bürger zu: „Wie steht'S, Cres­

cenz? Was macht der Schlosser? Feilt er nicht bald

sein eigen Eisen?" „O was!" erwiderte sie im Weitereilen: „selbige-

Eism, schätz' ich, wächst noch im Berg, zuhinterst."

„ES ist ein guter Tropf,"

sagte der Klempner.

„Sie hat lang ihrem Stiefvater hau-gehalten und ihn in der Krankheit verpflegt, und da er tot war, kam's heraus, daß er ihr Eigene- aufgqehrt hatte; zeither

dient sie da ihrem Verwandten, ist alle- und alleim Geschäft, in der Wirtschaft und bei dm Kindern.

Sie hat mit einem bravm Gesellen Bekanntschaft und würde ihn je eher je lieber heiraten;

da- aber hat

so seine Haken." „Was für?

Er ist wohl auch ohne Vermögen?"

„Sie ersparten sich beide etwa-, doch langt es

nicht gar.

Jetzt kommt mit nächstem drinnen ein

halber

Hausteil

samt

in

Werkstatt

Gant;

dem

Seiler wär's ein Leichte-, ihnen vorzuschießen, wa-

noch zum Kaufschilling fehlt, allein er läßt die Dime

natürlich nicht gern fahren.

Er hat gute Freunde im

Rat und bei der Zunft, da findet der Geselle mm

allenthalben Schwierigkeitm."

auf,

„Verflucht!" — fuhr Mozart

so daß der

andere erschrak und fich umsah, ob man nicht horche.

„Und da ist niemand, der ein Wort nach dem Recht

darein spräche? den Herm eine Faust vorhielte? Die

Schufte, diel Wart nur, man kriegt euch noch beim Wickel."

Der Klempner saß wie auf Kohlen.

Er suchte

das Gesagte auf eine ungeschickte Art zu mlldem, bei­ nahe nahm er es völlig zurück.

ihn nicht an.

Doch Mozart hörte

„Schämt Euch, wie Ihr nun schwatzt.

So macht's ihr Lumpm allemal, sobald es gift mit etwas einzustehen!" — Und hiemit kehrte er dem Ha­

senfuß ohne Abschied den Mcken.

alle Hände voll zu

Der Kellnerin, die

thun hatte mit neuen Gästm,

raunte er nur im Vorbeigehen zu: „Komme morgen beizeiten, grüße mir deinen Liebstm; ich hoffe, daß

eure Sache gut geht."

Sie

stutzte

nur

und

hatte

weder Zeit noch Faffung ihm zu danken. Geschwinder, al- gewöhnlich, weil der AufiM

ihm das Blut etwas in Wallung brachte, ging er

vorerst denselben Weg, den er gekommm, bis an da-

Glacis, auf welchem er dann langsamer, mit einem

Umweg, im weiten Halbkreis um die Wälle wandelte. Ganz mit der Angelegenheit des armen Liebespaars

beschäftigt, durchlief er in Gedanken eine Reche sei­ ner Bekannten und Gönner,

die auf die eine oder

andere Weise in diesem Fall etwa- vermochten.

Da

indesien,

bevor er sich irgend zu einem Schritt be­

stimmte,

noch

nähere Erklärungm

von

feiten

deS

Mädchens erforderlich waren, beschloß er diese nihig

abzuwarten und war nunmehr, mit He^ und Sinn den Füßen voraus eilend, bei seiner Frau zu Hause.

Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freund­ lichen,

ja fröhlichen Willkommen,

Kuß

und

Um­

armung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht ver­

doppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärnthner Thor.

an,

Nicht weit davon tust ihn der Postträger

der ihm

ein kleines,

doch

gewichtiges

Paket

übergibt, worauf er eine ehrliche und atkurate Hand

augenblicklich erkennt.

Er tritt mit dem Botm, um

ihn zu quittieren, in den nächsten Kaufladen; dann,

wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in fein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend,

halb stehend verschlingt er den Brief. »Ich saß," fuhr Madame Mozart hier in der

Erzählung bei den Damen fort, „am Siähtisch, hörte

meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Be-

bienten

nach

mir

Sein

fragen.

Tritt

und

seine

Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als

ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich her­

über.

®uten Abend! sag? er; ich, ohne aufzusehen,

erwiderte ihm kleinlaut.

Nachdem er die Stube ein

paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter er­ zwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür,

was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor fich:

„Wo nur die Fliegm gleich wieder her-

tommen!" — fing an zu patschen da und dort, und

zwar so stark wie mäglich.

Dies war ihm stets der

unleidlichste Ton, den ich in seiner Gegenwart nie hören lassen durfte.

Hm, dacht' ich, daß doch, was

man selber thut, zumal die Männer, ganz etwas anderes ist!

Übrigens hatte ich so viele Fliegen gar

nicht wahrgenommm.

Sein seltsames Setragen ver­

droß mich wirklich sehr. — „Sechse auf einen Schlag!"

rief er: „willst du sehen?" — Keine Antwort.

Da

legte er mir etwas aufs Nähkiffen hin, daß ich es sehen mußte, ohne ein Auge von meiner Arbett zu verwenden.

68

war

nichts

Schlechteres

als

ein

Häufchen Gold, so viel man Dukaten zwischen zwei

Finger nimmt.

Er setzte seine Poffm hinter meinem

Rücken fort, that hin und roieber einen Streich und

sprach dabei für sich: „Das fatale, unnütze, scharn» lose Gezücht! Zu waS Zweck es nur eigentlich auf der Welt ist — Patschl — offenbar bloß daß man's

totschlage — Pitsch — darauf verstehe ich mich einigermaßen, darf ich behauptm. — Die Natur­

geschichte belehrt uns über die erstaunliche Vermehrung dieser Geschöpfe — Pitsch Patsch —: in meinem Hause wird immer sogleich damtt aufgeräumt. Ah maledette! disperate! Hier wieder ein Stück zwanzig. Magst du sie?* — Er kam und that wie vorhin. Hatte ich bisher mit Mühe das Lachen un­

terdrückt, länger war es unmöglich, ich platzte heraus,

er fiel mir um den Hals und beide kicherten und lachtm wir um die Wette. „Woher kommt dir denn aber das Geld?" frag' ich, während daß er den Rest aus dem Röllelchen schüttelt. — „Vom Fürsten Esterhazy! durch den Haydn! Lies nur den Brief." Ich las. „Eisenstadt u. s. w. Teuerster Freund! Seine

Durchlaucht, mein gnädigster Herr, hat mich zu mei­ nem größestm Vergnügen damit betraut. Ihnen bei­

folgende sechzig Dukaten zu übermachen. Wir haben letzt Ihre Quartetten wieder ausgefühtt und Seine

Durchlaucht waren solchermaßm davon eingenommen und befriediget als bei dem erstenmal, vor einem Vierteljahre, kaum der Fall gewesen. Der Fürst be-

merkte mir (ich muß eS wörtlich schreiben): als Mozart Ihnen diese Arbeit dedizierte, hat er geglaubt nur Sie

zu ehren, doch kann's ihm nichts verschlagen, wenn

ich zugleich ein Kompliment für mich darin erblicke. Sagen Sie ihm, ich denke von seinem Genie bald

so groß wie Sie selbst, und mehr könn' er in Ewig­ keit nicht verlangm. — Amen! setz' ich hinzu.

Sind

Sie zufrieden?"

„Postskript.

werde.

Der lieben Frau ins Ohr: Sorgm

daß die Danksagung nicht aufgeschoben

Sie gütigst, Am

besten

geschäh'

es

persönlich.

Wir

müssen so guten Wind fein erhalten!" „Du

Engelsmann!

o

himmlische

Seele!"

rief

Mozart ein übers anderemal, und eS ist schwer zu

sagen, waS ihn am mästen freute, der Brief, oder des Fürsten Beifall oder daS Gäd.

Was mich be­

trifft, aufnchtig gestanden, mir kam das letztere ge­ rade damals höchst gelegen.

Wir feierten noch einen

sehr vergnügten Abend. „Von der Affaire in der Vorstadt erfuhr ich jenen

Dag

noch

nichts,

die

folgenden ebensowenig,

die

ganze nächste Woche verstrich, keine Crescenz erschien, und män Mann, in einem Strudel von Geschäften,

vergaß die Sache bald. Wir hatten an einem Sonn­

abend Gesellschaft; Hauptmann Weffelt, Graf Hard­ egg und andere musizierten.

In einer Pause werde

ich hinausgerufen — da war nun die Beschemng!

Ich geh' hinein und frage: „Hast du Bestellung in der

Alservorstadt auf allerlei Holzware

— „Potz Hagel, ja!

sie nur hereinkommen."

Laß

in größter Freundlichkett,

Arm, mit

gemacht?"

Ein Mädchen wird da sein?

So

einen

trat fie denn

Korb

am

Rechen und Spaten ins Zimmer,

ent­

vollen

schuldigte ihr langes Ausbleibm, sie habe dm Na­

men der Gaffe nicht mehr gewußt und sich erst hmt'

zurecht gefragt.

Mozart nahm ihr die Sachm nach­

einander ab, die er sofort mit Selbstzufriedenheit mir überreichte.

Ich ließ mir herzlich dankbar alles und

jedes wohl gefallen, belobte und pries, nur nahm

eS mich wunder, wozu er das Gartengeräte gekauft. — „Natürlich," sagt er, „sür dein Stückchen an der

Wien."



„Mein

Gott, das haben wir ja aber

lange abgegeben! weil uns das Waffer immer so viel Schadm that und überhaupt gar nichts dabei heraus­

kam.

Ich sagte dir's, du hattest nichts dawider."

— „Was?

Und also die Spargeln, die wir dies

Frühjahr speisten" — „Waren immer vom Markt." — „Seht,"

sagt' er, „hüll' ich das gewußt!

Ich

lobte sie dir so aus bloßer Artigkeit, weil du mich

wirklich

dauerst

mit

deiner

Gärtnerei;

es

waren

Dinger! wie die Federspulm." „Die Herrn belustigte der

Spaß

überaus;

ich

mußte einigen sogleich daS Überflüssige zum Anden­ ken lasten.

Als aber Mcqart nun das Mädchen über

ihr Heiratsanliegen ausforschte, sie ermunterte, hier

nur ganz frei zu sprechen, da das, was man für sie und ihren Liebsten thun würde, in der Sülle, glimpflich und ohne jemandes Anklagen solle ausgerichtet wer­ den, so äußerte sie sich gleichwohl mit so viel Be­ scheidenheit,

und Schonung, daß sie alle

Vorsicht

Anwesenden völlig gewann und man sie endlich mit den besten Versprechungen entließ.

„Den Leuten muß geholfen werden!" sagte der

Hauptmann. dabei;

„Die JnnungSkniffe find das Wenigste

hier weiß ich einen, der das bald in Ord­

nung bringen wird.

ES handelt sich um einen Bei­

trag für das Haus, Einrichtungskostm und dergleichen. Wie, wenn wir ein Konzert für Fremde im Tratt-

nerischen Saal mit Entree ad libitum ankündigten?"

— Der Gedanke

fand

lebhastm Anklang.

Einer

der Herrn ergriff da- Salzfaß und sagte: „ES müßte

jemand

zur

Einleitung

Vortrag thun,

Herm

einen

hübschen

Mozarts

historischen

Einkauf schildem,

seine menschmfrmndliche Absicht erklären, und hier

da- Prachtgefäß stellt man auf einen Tisch als Opfer­

büchse auf, die beiden Rechen als Dekoration rechv und links dahinter gekreuzt." „Dies nun geschah zwar nicht, hingegen daS Kon-

-ert kam zustande;

«S warf

ein

Erkleckliche-

ab,

verschißene Beiträge folgten nach, daß da- beglückte Paar noch Überschuß hatte, und auch

die andern

Hindemiffe waren schnell beseitigt. DuschekS in Prag, unsre genausten Freunde dort, bei denen wir logieren, vernahmen die Geschichte, und sie, eine gar gemüt­ liche herzige Frau, verlangte von dem Kram au-

Kuriosität auch etwa- zu haben;

so legt' ich denn

da- Paffmdste für sie zurück und nahm es bei dieser

Gelegenheit mit.

Da wir inzwischen unverhofft eine

neue liebe Kunstverwandte

finden sollten,

die nah'

daran ist, sich den eigenen Herd einzurichten, und ein

Stück gemeinen Hausrat, welches Mozart ausgewählt,

gewißlich nicht verschmähen wird, will ich mein Mit­

bringen halbieren, und Sie habm die Wahl zwischen einem schön durchbrochenen Chokoladequirl und mehr-

gedachter Salzbüchse, an welcher sich der Künstler mit einer geschmackvollen

Tulpe verunköstigt

würde unbedingt zu diesem Stück raten;

hat.

Ich

da- edle

.Salz, so viel ich weiß, ist ein Symbol der Häuslich­

keit und Gastlichkeit, wozu wir alle guten Wünsche

für Sie legen wollen." So weit Madame Mozart.

Wie dankbar und

wie heiter alles von den Damen auf- und angenom­ men wurde, kann man denken.

Der Jubel erneuerte

sich, als gleich darauf bei den Männern oben die

Gegenstände vorgelegt und das Muster patriarchalischer

Simplizität nun förmlich übergeben ward, welchem der Oheim in dem Silberschranke seiner nunmehrigen

Besitzerin und ihrer spätesten Nachkommen keinen ge­ ringem Platz versprach, als jenes berühmte Kunst­ werk des

florentinischen Meisters in der Ambraser

Sammlung einnehme.

Es war schon fast acht Uhr; Thee.

man

nahm

den

Bald aber sah sich unser Musiker an sein

schon am Mittag gegebenes Wort, die Gesellschaft näher mit dem „Höllmbrand" bekannt zu machm,

der unter Schloß und Megel doch zum Glück nicht allzutief im Reisekoffer lag, dringend erinnert.

war ohne Zögem

bereit.

der Fabel des Stücks

Textbuch

wurde

Auseinandersetzung

Die

hielt nicht lange

aufgeschlagen

Er

auf,

das

und schon branntm

die Lichter am Fortepiano.

Wir wünschten wohl, unsere Leser streifte hier

zum wmigsten etwas von jener eigmtümlichen Em­

pfindung an, womit ost schon ein einzeln abgeriffener, aus einem Fenster beim Vorübergehen an unser Ohr

getragener Accord, bet nur von dorther kommen kann, uns wie elektrisch trifft und wie gebannt fest-

hält; etwas von jener süßm Bangigkeit, wenn wir in dem Theater, so lange das Orchester stimmt, dem

Vorhang gegenüber sitzen.

Oder

ist es nicht so?

Wenn auf der Schwelle jedes erhabenen tragischen Kunstwerks, es heiße Macbeth, ÖdipuS oder wie sonst, ein Schauer der ewigm Schönheit schwebt, wo träfe die- in höherem, auch nur in gleichem Maße zu, al- eben hier? Der Mensch verlangt und scheut zugleich aus seinem gewöhnlichen Selbst ver­ trieben zu werden, er sühlt, das Unendliche wird ihn berühren, da- seine Brust zusammenzieht, indem es sie auSdehnen und den Geist gewaltsam an sich reißen will. Die Ehrfurcht vor der vollendeten Kunst tritt hinzu; der Gedanke, ein göttliches Wlinder genießen, es als ein Verwandtes in sich aufnehmen zu dürfen, zu können, führt eine Art von Rührung, ja von Stolz mit sich, vielleicht den glücklichsten und reinsten, dessen wir fähig sind. Unsere Gesellschaft aber hatte damit, daß sie ein uns von Jugend auf völlig zu eigen gewordenes Werk jetzt erstmals kennen lernen sollte, einen von unserem Verhältnis unendlich verschiedenen Stand, und, nenn man das beneidenswerte Glück der per­ sönlichen Vernüttlung durch den Urheber abrechnet, bei weitem nicht den günstigen wie wir, da eine reine und vollkommene Auffaffung eigentlich niemand möglich war, auch in mehr als einem Betracht selbst dann nicht möglich gewesen sein würde, wenn das Ganze unverkürzt hätte mitgeteilt werden können.

Von achtzehn fertig ausgearbeiteten Nummern*) gab der Komponist vermutlich nicht die Hälfte; (wir

finden in dem, unserer Darstellung zu gründe liegendm Bericht nur das letzte Stück dieser Reihe, das Sextett, ausdrücklich angeführt) — er gab fie mei­

stens, wie es scheint, in einem freien Auszug, bloß auf dem Klavier, und sang stellenweise darein, wie eS kam und fich schickte.

Von der Frau ist gleich­

falls nur bemerkt, daß sie

habe.

zwei Arien vorgetragen

Wir möchten uns, da ihre Stimme so stark

al- lieblich gewesm sein soll, die erste der Donna Anna (Du kennst dm Verräter), und eine von den beiden der Zerline dabei dmken.

Genau gmommen waren , dem Geist, ßer Ein­ sicht, dem Geschmacke nach, Eugenie und ihr Ver­ lobter die einzigen Zuhörer wie der Meister sie fich wünschen mußte, und jene

mehr als dieser.

«ar

es ficher ungleich

Sie saßen beide tief im Grunde

de- Zimmers; das Fräulein regungslos, wie eine

Bildsäule, und in

die

Sache

aufgelöst

auf

einen

solchen Grad, daß sie auch in dm kurzen Zwischen-

räumm, wo fich die Teilnahme

der

übrigen

be­

scheiden äußerte oder die innere Bewegung sich un*) Bei dieser Zahlung ist zu wissen, daß Elvira« Ari« mit dem Recitativ und Leporello« ,^ab'« verstanden" nicht

ursprünglich in der Oper enthalten gewesen.

willkürlich mit einein Ausrnf der Bewundemng Lust

machte, die von dem Bräutigam an sie gerichteten Worte immer nur ungenügmd zu erwidern vermochte.

AlS Mozart mit dem überschwänglich

schönen

Sextett geschloffen hatte, und nach und nach ein Gespräch auskam, schien er vornehmlich einzelne Be­ merkungen des

Barons mit Jntereffe und Wohl­

gefallen aufzunehmen.

Es wurde vom Schluffe der

Oper die Rede, sowie von der, vorläufig auf den Anfang Novembers anberaumten

Auffühmng, und

da jemand meinte, gewiffe Teile des Finale möchtm noch eine Riesenaufgabe sein, so lächelte der Meister

mit einiger Zurückhaltung; Constanze aber sagte zu der Gräfin hin, daß er es hören mußte: „Er hat noch was in petto, womit er geheim thut, auch vor

mir." „Du fällst,"

versetzte er,

„aus

deiner Rolle,

Schatz, daß du das jetzt zur Sprache bringst; wenn ich nun Lust bekäme, von neuem anzufangen? und

in der That, es juckt mich schon."

„Leporello!" rief der Graf, lustig auffpringend,

und winkte

einem

Diener:

„Wein!

Sillery,

drei

Flaschen!" „Richt doch! damit ist er vorbei — mein Junker hat sein letztes im Glase."

„Wohl bekomm's ihm — und jedem das seine!"

„Mein Gott, was hab' ich da gemacht!" lamen­ tierte Constanze, mit einem Blick auf die Uhr, „gleich ist es elfe, und morgen früh soll's fort — wie wird das gehen?" „Es geht halt gar nicht. Beste, nur schlechterdings gar nicht." „Manchmal," fing Mozart an, „kann sich doch ein Ding sonderbar fügen. Das wird denn meine Stanzl sagen, wenn sie erfährt, daß eben das Stück Arbeit, das sie nun härm soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und zwar gleichfalls vor einer ange­ setzten Reise, zur Welt geboren ist?" „Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt wolltest!" „Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach zehne, du schliefst schon fest, von Richters Effm heim, und wollte versprochenermaßen auch bälder zu Bett, um morgens beizeitm heraus und in ben Wagen zu steigen. Inzwischen hatte Veit, wie ge­ wöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch angqündet, ich zog mechanisch den Schlaftock an, und fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal an­ zusehen. Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der Weiber! du hattest auf­ geräumt, die Rotm eingepackt — die mußten näm­ lich mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem

Opus;



ich

suchte,

brummte,

schalt,

umsonst!

Darüber fällt mein Blick auf ein versiegelte- Couvert:

vom

Abbate,

den

greulichen

Haken

nach auf der

Adreffe — ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seine- Texte-, den ich vor Monats­ frist noch nicht zu sehm hoffte.

Sogleich fitz' ich be­

gierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der

Kauz verstand, wa- ich wollte.

ES war alle- weit

simpler, gedrängter und reicher zugleich. ■ Sowohl die

Kirchhofsscene, wie das Finale, bis zum Untergang des Heldm, hat in jedem Betracht sehr gewonnm.

(Du sollst mir aber auch, dacht' ich, vortrefflicher Poet,

Himmel und Hölle nicht unbedankt zum zweitenmal

beschworen habm!) Run ist eS sonst meine Gewohn­ heit

nicht,

in der

Komposition

etwa- vorauszu­

nehmen, und wenn eS noch so lockend wäre; da­

bleibt eine Unart, die sich sehr übel bestrafen kann. Doch giebt eS Ausnahmen, und kurz, der Auftritt bei der Reiterstatue de- Gouverneur-, die Drohung, die vom Grabe des Erschlagenen her urplötzlich das Gelächter des Nachtschwärmers haarsträubmd unter­

bricht, war mir bereits in die Krone gefahren.

Ich

griff einen Accord und fühlte, ich hatte an der rech­

ten Pfotte angeklopst, dahinter schon die ganze Legion

von Schrecken bei einander liege, die im Finale loSzulaffen sind.

So kam sürs erste ein Adagio

her-

aus: D moll, vier Takte nur, darauf ein zweiter Satz mit fünfen — es wird, bild' ich mir ein, auf dem Theater etwas Ungewöhnliches geben, wo die

stärksten Blasinstrumente die Stimme begleiten.

Einst­

weilen hören Sie's, so gut es sich hier machen läßt." Er löschte ohne weiteres die Kerzen der beiden neben

ihm

furchtbare

stehenden Armleuchter

Choral:

„Dein

erklang

Morgenröte!"

aus, und

Lachen

durch

endet

die

jener

vor

der

Totenstille

des

Zimmers.

Wie von entlegenen Sternenkreisen fallen

die Töne

aus

silbernen Posaunen,

eiskalt, Mark

und Seele durchschneidend, herunter durch die blaue

Nacht. „Wer ist hier? Antwort!" hört man Don Juan

fragen.

Da hebt es wieder an, eintönig wie zuvor,

und gebietet dem ruchlosen Jüngling die Toten in Ruhe zu lasten. Nachdem

diese dröhnenden Klänge bis

auf die

letzte Schwingung in der Luft verhallt waren, fuhr Mozart fort:

„Jetzt gab es für mich begreiflicher­

weise kein Aufhören mehr.

Wenn erst das Eis ein-

nial an einer Uferstelle bricht, gleich kracht der ganze

See und klingt bis an den entferntesten Winkel hin­

unter.

Ich

ergriff

unwillkürlich

denselben

Faden

weiter unten bei Don Juans Nachtmahl wieder, wo Donna Elvira sich eben entfernt hat und das Ge-

spmst, der Einladung gemäß, erscheint.



Hören

Sie an." Es folgte nun

der

ganze

lange,

entsetzenvolle

Dialog, durch welchen auch der Nüchtemste bis an

die Grenze menschlichen Vorstellens, ja über sie hin­

aus gerisien wird, wo wir das übersinnliche schauen und hören, und innerhalb der eigenen Brust von einem Äußersten

zum andern willenlos uns hin und her

geschleudert fühlen. Menschlichen Sprachm schon entfremdet, bequemt sich das unsterbliche Organ des Abgeschiedenen, noch einmal zu reden.

Bald nach der ersten fürchterlichm

Begrüßung, als der Halbverklärte die ihm gebotene irdische Nahrung verschmäht, wie seltsam schauerlich

wandelt seine Stimme auf ben Sprossen einer lust­ gewebten Leiter unregelmäßig auf und nieder!

Er

fordert schleunigen Entschluß zur Buße: kurz ist dem

Geist Weg!

die Zeit

gemessen;

weit,

weit,

weit

ist

der

Und wenn nun Don Juan, im ungeheuren

Eigmwillen den ewigen Ordnungen trotzend,

unter

dem wachsenden Andrang der höllischen Mächte, rat­ los ringt, sich sträubt und windet, und endlich unter­ geht, noch mit dem vollen Ausdruck der Erhabenheit

in jeder Gebärde — wem zitterten nicht Herz und Nieren vor Lust und Angst zugleich?

Es ist ein Ge­

fühl, ähnlich dem, womit man das prächtige Schau­

spül einer unbändigen Naturkraft, den Brand eines herrlichen

Schiffes

anstaunt.

Wir

nehmen

wider

Willen gleichsam Partei für diese blinde Größe und teilen knirschend ihren Schmerz im reißenden Verlauf ihrer Selbstvernichüing.

Der Komponist war am Ziele.

Eine Zeitlang

wagte niemand, das allgemeine Schweigen zuerst zu

brechen. „Geben Sie uns,"

fing endlich,

mit noch be­

klemmtem Atem, die Gräfin an, „geben Sie uns, ich

bitte Sie, einen Begriff, wie Ihnen war, da Sie in jener Nacht die Feder weglegten!" Er blickte, wie aus einer stillen Träumerei er­

muntert, Helle zu ihr auf, besann sich schnell und

sagte, halb zu der Dame, halb zu seiner Frau: „Nun

ja, mir schwankte wohl zuletzt der Kopf.

Ich hatte

dies verzweifelte Dibattimento, bis zu dem Chor der

Geister, in einer Hitze fort, beim offenen Fenster, zu Ende geschrieben,

und

stand nach einer kurzen

Nast vom Stuhl auf, im Begriff, nach deinem Ka­ binett zu gehen, damit wir noch ein bißchen plaudern

und sich mein Blut ausgleiche.

Da machte ein über­

querer Gedanke mich mitten im Zimmer still stehen." (Hier sah er zwei Sekunden lang zu Boden, und

sein Ton verriet beim Folgenden eilte kaum merkbare

Bewegung.)

„Ich sagte zu mir selbst: wenn du noch

diese Nacht wegstürbest, und müßtest deine Partitur an diesem Punkt verlaffen:

Grabe ließ?



ob dir'S auch Ruh im

Mein Auge hing am Docht

de-

LichtS in meiner Hand und auf dm Bergm von abgetropftem Wachs.

Ein Schmerz bei dieser Vorstel­

lung durchzückte mich einen Moment; dann dacht' ich

weiter: wenn dmn hernach über kurz oder lang ein anderer, vielleicht gar so ein Welscher, die Oper zu vollendm bekäme, und fände von der Introduktion

bis Numero

siebzehn,

mit Ausnahme

einer Piece,

alles sauber beisammm, lauter gesunde, reise Früchte in- hohe Gras geschüttelt, daß er sie nur auflesen dürste; ihm graute aber doch ein wenig hier vor der

Mitte des Finale, und er fände alsdann unverhofft den

feite

tüchtigen gebracht:

Felsbrocken

da

insoweit

schon

bei-

er möchte drum nicht übel in das

Fäustchen lachml

Vielleicht wär' er versucht, mich

um die Ehre zu betrügm.

Er sollte aber wohl die

Finger dran verbrennen; da wär* noch immerhin ein

Häuflein guter Freunde, die meinen Stempel kennen und mir waS mein ist

redlich sichem würdm. —

Nun ging ich, dankte Gott mit einem vollen Blick

hinauf, und dankte, liebes Weibchen, deinem Genius, der dir so länge seine beiden Hände sanft über die

Stirne gehaltm, daß du fortschliefst wie eine Ratze und mich kein einzigmal anrufen konntest.

Wie ich

dann aber endlich kam und du mich um die Uhr be» frugst, log ich dich frischweg ein paar Stunden jünger

als du warst, denn es ging stark auf viere; und nun wirst du begreifen,

warum du mich um sechse nicht

ans den Jedem brachtest, der Kutscher wieder heim­ geschickt und auf den andern Tag bestellt werden mußte."

„Natürlich," versetzte Constanze, „nur bllde sich der schlaue Mann nicht ein, man sei so dumm gewesen, nicht- zu merken! Deswegen brauchtest du mir deinen

schönen Vorspmng fürwahr nicht zu vecheimlichenl" „Auch war es nicht deshalb."

„Weiß schon — du wolltest deinen Schatz vor­ erst noch unbeschriem haben." „Mich freut nur,"

rief

der

gutmütige

Wirt,

„daß wir morgen nicht nötig haben, ein edles Wiener

Kutscherherz zu kränken, wenn Herr Mozart partout

nicht ausstehen kann.

Die Ordre „Han» spann wie­

der au»" thut jederzeit sehr weh." Diese indirekte Bitte um längeres Bleiben, mit

der sich die übrigen Stimmen im herzlichsten Zuspruch

verbanden, gab den Reisenden Anlaß zu Auseinan­

dersetzung sehr triftiger Gründe dagegen; doch ver­ glich man sich gerne dahin, daß nicht zu zeitig auf­

gebrochen und noch vergnügt zusammm gefrühstückt werden solle.

Man stand und drehte sich noch eine Zeitlang in

Gruppen schwatzend um einander.

Mozart sah sich

nach jemanden um, augenscheinlich nach der Braut;

da sie jüwch gnade nicht zugegen war, so richtete er naiver Weise die ihr bestimmte Frage unmittelbar an die ihm nahesteheicke Franziska:

denn

„Was denkm Sie

mm im ganzen von unserm Don Giovanni?

was können Sie ihm Gutes prophezeien?"

„Ich will," versetzte sie mit Lachen, „im Namen meiner Base so gut antwotten als ich kann:

einfälttge Meinung ist,

daß

wenn

nicht

aller Welt den Kopf verrückt,

liebe

Gott seinen Musikkasten

Don

Meine

Giovanni

so schlägt der

gar zu,

auf

unbe­

stimmte Zett heißt das, und gibt der Menschheit zu

verstehen —" — „Und gibt

der Onkel verbesiernd ein,

der Menschhett," fiel

„den Dudelsack in

die

Hand und verstocket die Herzen der Leute, daß sie anbeten Baalim."

„Behüt' uns Gott!" lachte Mozart.

„Je nun, im

Lauf der nächsten sechzig, siebzig Jahre, nachdem ich lang fort bin, wird mancher falsche Prophet aufstehen." Eugenie trat mit dem Baron und Max herbei,

die Unterhaltung hob sich unversehens auf ein Neues, ward nochmals ernsthast und bedeutend, so daß der

Komponist, eh' die Gesellschaft auseinander ging, sich noch gar mancher schönm, bezeichnendm Äußerung

erfreute, die seiner Hoffnung schmeichelte.

Erst

lange

nach MUtemacht trennte man sich;

keines empfand bis jetzt, wie sehr eS der Ruhe bedurfte. Den andern Lüg (das Wetter gab dem gestrigen

nicht- nach) um zehn Uhr sah man einen hübschen Reisewagen, mit den Effetten

beider Wiener Gäste

bepackt, im Schloßhof stehen.

Der Graf stand mit

Mozart

davor,

kurz

ehe die Pferde herau-geführt

wurden, und fragte, wie er ihm gefalle. „Sehr gut; er scheint äußerst bequem."

„Wohlan,

so machen Sie mir das Vergnügen

tinb behalten Sie ihn zu meinem Andenken."

„Wie? ist das Ernst?" „War wär* es sonst?"

„Heiliger

und

SixtuS

CalixtuS — Constanze!

du!" rief er zum Fenster hinaus, andern

heraus sah.

wo fie mit den

„Der Wagen soll mein sein!

du fährst künftig in deinem eigenen Wagen!"

Er umarmte den schmunzelnden Geber, betrach­ tete

und umging sein

Seiten,

neues Besitztum von

öffnete den Schlag,

rief heraus:

allen

warf sich hinein und

„Ich dünke mich so vomehm und so

reich wie Ritter Gluck!

Was werden sie in Wen

für Äugen machen!" — „Ich hoffe," sagte die Gräfin,

„Ihr Fuhrwerk wieder zu sehn bei der Mckkehr von Prag, mtt Kränzen um und um behangen!" Nicht lang nach diesem letzten ft-hlichm Auftritt

setzte sich der vielbelobte Wagm mit dem scheidenden Paare wirklich in Bewegung und fuhr im raschen Trab nach der Landstraße zu. Der Graf ließ sie bis Wütingau fahren, wo Postpferde genommen werden sollten. Wenn gute, vortreffliche Mmschen durch ihre Gegenwart vorübergehend unser HauS belebten, durch ihren frischen GeisteSodem auch unser Wesm in neuen raschm Schwung versetzten und uns dm Segen der Gastfrmndschast in vollem Maße zu empfinden gaben, so läßt ihr Abschied immer eine unbehagliche Stockung, zum mindesten für den Rest des Tags, bei uns zu­ rück, roofern wir wieder ganz nur auf uns selber an­ gewiesen sind. Bei unfern Schloßbewohnem traf wenigstens daS letztere nicht zu. Franziskas Eltem nebst der alten Tante sichren zwar alsbald auch weg; die Frmndin selbst indes, der Bräutigam, Max ohnehin, verblieben noch. Eugenien, von welcher vorzugsweise hier die Rede ist, weil sie daS unschätzbare Erlebnis tiefer als alle ergriff, ihr, sollte man deukm, konnte nichts fehlen, nichts genommen oder getrübt fein; ihr reines Glück in dem wahrhaft geliebten Mann, das erst so­ eben seine sönnliche Bestätigung erhielt, mußte alles andre verschlingen, vielmehr, daS Edelste und Schönste, wovon ihr Herz bewegt fein konnte, mußte sich not-

wmdig mit jener seligen Fülle in Eines verschmelzen. So wäre es auch wohl gekommen, hätte sie gestern

und heute der bloßen Gegenwart, jetzt nur dem reinen

Nachgenuß derselben leben können.

Allein am Abend

schon, bei den Erzählungen der Frau, war sie von leiser Furcht für ihn, an dessen liebenswertem Bild

sie

sich

ergötzte,

geheim

worden;

beschlichen

diese

Ahnung wirkte nachher, die ganze Zeit als Mozart spielte, hinter allem unsäglichen Reiz, durch alle das geheimnisvolle Grauen der Musik hindurch, im Gnmd ihre- Bewußtsein- fort, und endlich überraschte, er­

schütterte sie da- wa- er selbst in der nämlichen Rich­ tung gelegenheitlich von sich erzähtte.

ES ward ihr

so gewiß, so ganz gewiß, daß dieser Mann sich schnell und unaufhaltsam in seiner eigenen Glut verzehre,

daß er nur eine flüchttge Erscheinung auf der Erde sein könne, weil sie den Überfluß, den er verströmen

würde, in Wahrheit nicht ertrüge.

Dies,

neben vielem andern,

ging, nachdem sie

sich gestern niedergelegt, in ihrem Busen auf und ab,

währmd der Nachhall Don JuanS

verworren noch

lange fort ihr innere- Gehör einnahm.

Erst gegen

Tag schlief sie ermüdet ein. Die drei Damen hatten sich nunmchr mit ihren Arbeiten in den Garten gesetzt, die Männer leisteten

thnm Gesellschaft, und da da- Gespräch natürlich zn-

nächst nur Mqart betraf, so verschwieg auch Eugenie ihre Befürchtungen nicht.

Kein- wollte dieselbm im

mindesten teilen, wiewohl der Baron sie vollkommen

begriff.

Zur guten Stunde, in recht menschlich reiner,

dankbarer Stimmung pflegt man sich jeder Unglücksidee, die einen gerade nicht unmittelbar angeht, au-

allen Kräften zu erwehren.

Die sprechendsten, lachend­

sten Gegenbeweise wurden,

besonders

vom Oheim,

vorgebracht, und wie gerne hörte nicht Eugenie alles

an!

ES sehlte nicht viel, so glaubte sie wirklich zu

schwa^ gesehen zu haben.

Einige Augenblicke später,

als sie durchs

große

Zimmer oben ging, das ebm gereinigt und wieder

in Ordnung gebracht worden war, und dessen vorge­ zogene, grün damastene Fenstergardinen nur ein sanf -

teS Dämmerlicht

dem Klaviere

zuließm,

still.

stand sie wehmütig

vor

Durchaus war es ihr wie ein

Traum, zu denken, wer noch vor wenigen Stunden davor gesessen habe.

Lang blickte sie gedankenvoll die

Tasten an, die er zuletzt berührt, dann drückte sie leise den Deckel zu und zog den Schlüssel ab, in eisersüchtiger Sorge, daß sobald keine andere Hand

wieder öffne.

Im Weggehn stellte sie beiläufig einige

Liederhefte an ihren Ort zurück; es fiel ein älteres

Blatt heraus, die Abschrift eines böhmischen Volks­ liedchens, das Franziska früher, auch wohl sie selbst.

manchmal gesungen.

Sie nahm es auf, nicht ohne

darüber betreten zu sein.

In einer Stimmung wie

die ihrige wird der natürlichste Zufall Orakel.

leicht zum

Wie sie es aber auch verstehen wollte, der

Jirhalt war derart, daß ihr, indem sie die einfachen

Verse wieder durchlas, heiße Thränen entfielen. Ein Tännlein grünet wo, Wer weiß, im Walde;

Ein Rosenstrauch, wer sagt, In welchem Garten?

Sie sind erlesen schon.

Denk' es, o Seele, Auf deinem Grab zu wurzeln Und zu wachsen.

Zwei schwarze Rößlein weiden

Auf der Wiese, Sie kehren heim zur Stadt

In muntern Sprüngen.

Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche;

Vielleicht, vielleicht noch eh'

An ihren Hufen Das Eisen los wird. Das ich blitzen sehe!

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