Mossad : Israels geheimster Dienst 3927491411

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Mossad : Israels geheimster Dienst
 3927491411

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Ronald Payne

MOSSAD Israels geheimster Dienst

STRAUBE

Titel der Originalausgabe: Mossad. Israels Most Secret Service © Copyright 1990 by Ronald Payne

Ins Deutsche übertragen von Claudia Spinner

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Payne, Ronald: Mossad. Israels geheimster Dienst Erlangen; Bonn; Wien: Straube, 1991 ISBN: 3-927491-41-1

© Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 1991 by Verlag Dr. Dietmar Straube GmbH Erlangen - Bonn - Wien Alle Rechte vorbehalten Satz: perimed Satzzentrum, Erlangen Druck und Bindung: Mohndruck, Gütersloh Made in Germany

Inhalt Erster Teil: Die Spionagegesellschaft 1. Das Institut 2. Der Anfang 3. Die Gegenwart 4. High-tech und rohe Gewalt

11 20 34 45

Zweiter Teil: Immer weiter 5. 6. 7. 8. 9.

Die Abwehrpanne Vom Gazastreifen zum Suezkanal Auf Nazi-Jagd Duell der Spionagechefs Damaskus

55 65 70 75 83

Dritter Teil: Die Weltpolizei 10. 11. 12. 13.

Der elektronische Krieg Der Terrorkrieg Vergeltung Buße

89 95 110 125

Vierter Teil: Gewalt im Libanon 14. Die Massaker 15. Das iranische Abenteuer 16. Grauzonen

137 147 157

Fünfter Teil: Verbündete 17. Sadats Rettung 18. Verbindungen zur CIA

171 184

Sechster Teil: Das Atomprogramm 19. Lechaim Lakam 20. Der Einzelgänger 21. Dimona 22. Nieder mit Isis und Osiris! 23. Der „Verräter"

197 206 219 228 235

Siebter Teil: Die Außenstelle in London 24. 25. 26. 27.

Ein Afrikaner im Diplomatengepäck Tod eines Karikaturisten Vorwürfe aus Whitehall Der Bruch der Tabus

247 258 268 275

Anhang Die Leiter der israelischen Geheimdienste Literaturhinweise Register

290 291 292

Erster Teil Die Spionagegesellschaft

1. Das Institut

Unter den zahlreichen Geheimdiensten der Welt ist der Mossad wohl der interessanteste. Der volle Name - Institut für Nachrichtenwesen und besondere Aufgaben - spricht Bände. Die CIA ist eine Behörde und nennt sich „die Gesellschaft"; der britische SIS ist ein Staatsdienst und nennt sich „die Firma". Der Mossad ist ein akademisches und wissenschaftliches Institut, das über die Schlagkraft unterstützender Spezialeinheiten verfügt. Die Rolle, die am besten zu ihm paßt, ist die des klugen, zähen Einzelkämpfers. Die Tatsache, daß der Mossad für ein Land arbeitet, das von unversöhnlichen Gegnern umringt ist und in dem jeder Bürger ständig mit der Gefahr eines drohenden Krieges rechnet, macht ihn zu einem Geheimdienst, der sich von anderen ganz erheblich unterscheidet. Sogar innerhalb der umstrittenen Grenzen Israels gibt es nun ständig Feindseligkeiten von seiten der arabischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, und das Leben kann nicht mehr in dem Sinn als „normal" gelten, so wie das Wort in europäischen Ländern benutzt wird. Außerdem wirft der Holocaust, in dem sechs Millionen Juden umgebracht wurden - wie „Lämmer zur Schlachtbank" geführt, wie man die jüngere Generation ständig erinnert seinen langen Schatten immer noch auf jede Familie in der neuen Heimat. Der Stolz, Jude zu sein, und die Entschlossenheit zu beweisen, daß man nie wieder seine Verteidigung vernachlässigen wird, wirkt sich auf jedes Mitglied des Geheimdienstes aus, vom jüngsten Rekruten bis zum ältesten Kämpfer. Aus diesen Gründen sind die Männer und Frauen der israelischen Geheimdienste pflichtbewußter als ihre ebenfalls patriotischen Kollegen, die in anderen Staaten für die CIA, den KGB oder MI6 arbeiten. Die äußere Bedrohung Israels ist viel greif-

barer, viel offensichtlicher als bei den Supermächten. Im Jahr 1953 verlas der amtierende Leiter des israelischen Geheimdienstes zum Gründungstag der Organisation eine Tagesordnung, die folgenden Punkt enthielt: „Für unseren Staat, der seit seiner Gründung unter feindlicher Belagerung steht, bedeutet der Nachrichtendienst die vorderste Verteidigungslinie. Da wir uns im Herzen des Nahen Ostens befinden, mit all seinen Revolten und Umwälzungen, müssen wir wissen, was um uns herum vorgeht." In der Welt der Geheimhaltung, wo Aufstieg und Niedergang von Nachrichtendiensten ein Thema ist, genießen der Mossad und der militärische Nachrichtendienst einen beneidenswerten Ruf für ihr Pflichtbewußtsein und ihre Effizienz. „Der beste Nachrichtendienst der Welt" war das Urteil eines CIA-Berichts. Seinen Anhängern und davon gab es viele - kamen seine Taten bewundernswert vor. Seine Feinde fürchteten den Nimbus des Erfolgs, der sich um den Mossad bildete. Rettete er nicht verfolgte Juden, die in feindlichen Ländern festsaßen - im Irak, in Marokko und Äthiopien -, führte er nicht Mörder und Folterer wie Adolf Eichmann ihrer gerechten Strafe zu, befreite er nicht Flugzeuggeiseln in spektakulären Fällen, als alles schon verloren schien? Die langwierige Rettungsaktion entführter Passagiere an Bord einer/l/rFra«ce-Maschine in Entebbe bleibt ein klassisches Beispiel für den Einsatz von Kühnheit und Effizienz im Kampf gegen den Terrorismus. Die Fähigkeiten von Mossad-Agenten wurden legendär, als sie gegen terroristische Kräfte auf der ganzen Welt kämpften und einen Informationsfundus lieferten, der die westlichen Sicherheitskräfte befähigte, viele Gefahren abzuwenden. Viele von ihnen überlebten es nicht. Einige wurden in einsamen Gassen ermordet, einige von Bomben in Stücke gerissen, andere auf den Plätzen von Damaskus, Bagdad oder Kairo öffentlich gehängt. Es gab Spione, die von gescheiterten Missionen nicht zurückkehrten, und niemand wird je ihr Schicksal erfahren. Um das Andenken an das Leben und den Tod vieler dieser Helden zu wahren, schlössen sich ihre Familien zusammen, um ein öffentliches Denkmal für sie zu verlangen. Ein ehemaliger Mossad-Chef beugte sich diesem ergreifenden Wunsch und übernahm den Vorsitz des Organisationskomitees, das zwei Millionen Dollar zum Bau eines würdigen Erinne-

rungsmals beschaffte. Aus monumentalen, rechteckigen Sandsteinblöcken gebaut, steht es im Centrefor Special Studies in Herzliyah, nördlich von Tel Aviv. Passenderweise wurde der Bau als eine Art Labyrinth mit fünf Nischen entworfen, von denen jede einen Abschnitt in der Geschichte der israelischen Geheimdienstaktivitäten repräsentiert. „Die Idee dieses Labyrinths war", erklärte ein altes Mitglied des Geheimdienstes, „den Eindruck einer unendlichen Suche mit ständig wechselnder Richtung zu erwecken. Komplexität und Unendlichkeit sind die Grundlage der Nachrichtensammlung." Auf den Wänden sind die Namen von 360 Gefallenen eingraviert, die Mitglieder der drei Zweige des Geheimdienstkomplexes waren: Mossad, Aman und Schin Beth, der Spionageabwehrdienst. Der erste Agent, der sein Leben im Dienst des neuen Staates verlor, war Jacob Bokai, ein in Syrien geborener Jude, der 1949 hingerichtet wurde, nachdem er als arabischer Flüchtling verkleidet bei der Einreise nach Jordanien verhaftet worden war. Ein Maler namens Schalom Dani starb 1963 eines natürlichen Todes; sein Name erscheint auf der Ehrenliste wegen seiner Kunstfertigkeit als Fälscher der Dokumente des Mossad-Teams, das Eichmann in Lateinamerika aufspürte. Das Denkmal gab auch ein Geheimnis preis: den Namen von Yaacov Bar-Simantov, einem Diplomaten, der vor seinem Haus in Paris ermordet wurde. Daß er hier aufgeführt wurde, bestätigte posthum und zum erstenmal, daß er ein Mossad-Agent war. Einige der aufgelisteten Namen sind berühmt, wie der von Eli Cohen; er war ein Meisterspion, der schließlich in Damaskus ergriffen und exekutiert wurde. Für Geheimdienst-Agenten ist der Preis des Ruhms zumeist Enttarnung und Tod, denn nur in diesem Fall werden ihre Aktivitäten überhaupt bekannt. Die Taten von vielen dieser Aufgelisteten müssen deshalb für immer ein Geheimnis bleiben, außer für ihre Kollegen, manchmal auch für ihre Verwandten. Ehemalige Nachrichtendienstler, die nun in der Verwaltung tätig sind, sagen, die Arbeit von einigen ihrer getöteten Kollegen müsse so geheim bleiben, daß ihre Namen nicht aufgeschrieben werden konnten. Sogar im Tod bleibt das Geheimnis ihrer Identität gewahrt. Es paßt zu der tapferen, aber auch etwas sentimentalen Einstellung der Israelis und beim Mossad, daß hier wohl der einzige Geheimdienst der Welt mit einem eigenen öffentlichen Denkmal vertreten ist.

Die CIA verfugt vielleicht über mehr technische Möglichkeiten, der KGB ist zweifellos größer und arbeitet systematischer, aber kein Nachrichtendienst wird mehr gefürchtet als der Mossad. Der allgemeine Eindruck in derAußenwelt in bezug auf seine Tätigkeiten ist der eines effizienten, geschickten und furchtlosen Geheimdiensts. Jedesmal, wenn die Rede davon war, ich schriebe ein Buch über den Mossad, fragten mich zu meinem Erstaunen Leute, die von solchen Dingen wenig verstehen: „Ist das nicht gefährlich?" Es stimmt schon, daß der Mossad auch einmal nicht davor zurückschreckt, die Terrormethoden seiner Feinde im Nahen Osten zu übernehmen. Wer von den ursprünglichen Agenten während des Kampfes um die israelische Unabhängigkeit Mordanschläge und Entführungen beging, der wußte das nur zu gut. Nach dem Massaker von München am 5. September 1972 veranstaltete man eine große Hetzjagd auf zwölf Verdächtige und tötete einen nach dem anderen. Die Ausführenden brachen etliche Gesetze; ihre Verhöre waren intensiv, langwierig und ausgeklügelt. Andere Agenten aber begaben sich in feindliche Länder, um ihre gefährdeten jüdischen Brüder zu retten, und das nur aus dem Grund, weil sie auch Juden waren. Es sollte auch nicht vergessen werden, daß Nachrichtendienstler wegen der merkwürdigen diplomatischen Probleme Israels in Afrika und Asien als Geheimdiplomaten fungieren mußten. In arabischen Ländern, die sich aus Verbundenheit mit den Palästinensern weigerten, Israel als Staat anzuerkennen, übernahm auch der Mossad die komplizierten Aufgaben der Geheimdiplomatie, und das ohne den Schutz einer diplomatischen Immunität. Mossad-Agenten haben Israel in seinen Kriegen zum Sieg verholfen; sie haben europäische Regierungen und die der USA irritiert, indem sie allgemein akzeptierte Regeln internationaler Beziehungen einfach ignorierten. Mit verstohlenen Tricks verschafften sie sich Uran für Israels Atombombe, bombardierten und überfielen Ziele im Irak und in Frankreich, um den gefürchteten Moment hinauszuzögern - daß ein feindlicher arabischer Staat zu einer eigenen Atombombe gelangt. Agenten holten im Bau befindliche Patrouillenboote in einer dramatischen Aktion aus dem Hafen von Cherbourg, weil die Franzosen sich weigerten, sie auszuliefern, um ihrer Mißbilligung über die israelische Politik Ausdruck zu geben.

Wenn man die Wahl hat, welche Aktion die spektakulärste des Geheimdienstes war, bleibt das natürlich immer Ansichtssache. Einige hielten es für einen heroischen, nie dagewesenen Racheakt, daß eine Gruppe den Nazikriegsverbrecher Eichmann aufspürte und ihn in Israel vor Gericht stellte. Für andere war es aber nur die Entführung eines alten Mannes, eines Deutschen aus einem fremden Land und ein übles Beispiel internationaler Gesetzlosigkeit, mit einem Scheinprozeß, auch wenn die Verbrechen vor langer Zeit zweifellos begangen wurden. Isser Harel, einer von Mossads Gründern und verantwortlich für diese Entführung, sagte einmal: „Man sollte aufhören, Legenden um den Mossad zu bilden. Ich nehme an, daß wir nur fleißiger sind und mehr Informationen als andere zusammentragen. Kein anderes Land der Welt benötigt so dringend einen effizienten Geheimdienst. Israel ist von Feinden umgeben. Wir haben keine diplomatischen Beziehungen zu diesen Nationen, deren Agenten uns als Terroristen beschimpfen. Für uns ist es eine Frage des Überlebens." Legendenbildung kann man aber nicht mit einem Anflug realistischer Bescheidenheit verhindern. Viele Jahre lang war man der Ansicht, daß israelische Nachrichtendienstler überhaupt nichts falsch machen können. Für Sympathisanten war dies das kleine tapfere Israel, das sich gegen den Zorn der ihm feindlich gesinnten AraberMillionen wehrte. Zu dieser Zeit war der Ruf des israelischen Geheimdienstes fast zu gut, um wahr zu sein. Daß ein kleines Land einen Nachrichtendienst mit so hervorragenden Leistungen hervorbringen konnte, in einer Welt, die von den Riesen CIA und KGB beherrscht wurde, ganz zu schweigen vom britischen SIS und verbündeten Organisationen in Europa, schien fast ein Wunder. Die Fülle der Informationen, die der Mossad und Schin Beth ihren Freunden zur Verfügung stellte, war so erschöpfend, daß sich die CIA zunehmend auf sie verließ, wenn es um Nachrichtenanalyse in Krisenzeiten ging. In der Glanzzeit von James Angleton, dem Meister der Spionageabwehr bei der CIA, unterhielt dieser eine besondere Abteilung für Beziehungen zum Mossad, bei der er den Vorsitz führte. Immerhin gelang es unter den Spionageringen der freien Welt einzig und allein dem Mossad, eine vollständige Kopie von Chruschtschows inzwischen weltberühmter Geheimrede zur Abrechnung

mit Stalin auf dem XX. Parteitag der KPdSU zu stehlen. Israel setzte Weltmaßstäbe für Geheimhaltung und Professionalismus, selbst wenn seine Ziele manchmal fragwürdig und seine Methoden so anmaßend waren, wie sie nur in einem Land toleriert werden, das sich fortwährend im Krieg befindet. Kein Wunder, daß Yehoschaphat Harkabi, einer der hervorragendsten ersten Chefs des militärischen Nachrichtendiensts, im Jahr 1988 in London zu mir sagte: „Ich bin stolz auf das, was der israelische Nachrichtendienst erreicht hat." Er hatte allen Grund dazu, und er konnte es sich außerdem noch leisten, die für Israel typische, hochherzige aber unnachgiebige Haltung einzunehmen, indem er erklärte: „Wir leben nicht in einer perfekten Welt. Man muß erkennen, daß Geheimdiensttätigkeiten ein unmoralisches Geschäft sind und deshalb mit Augenmaß betrieben werden müssen. Wer daran beteiligt ist, muß inneren Halt haben. Das ist eine Tatsache. Viele der Aktionen sind unmoralisch, aber bestimmte Grenzen müssen gewahrt werden." Früher einmal sah es so aus, als könnte man die Arbeit beim israelischen Geheimdienst mit der Teilnahme an König Artus' Tafelrunde vergleichen - jeden Tag wartete ein neues Abenteuer. Jeden Tag schien das Abenteuer eine Art geheiligte Mission, da die Schlechten bestraft und die Unschuldigen gerettet wurden. Dann aber ging vieles schief, und Zweifel beschädigten dieses Image. Ein sofortiges Umdenken gab es nicht, denn schon immer seit der Entstehung des Mossad wurden Grausamkeiten und rüde Methoden geduldet und sogar gefördert, trotz der hohen moralischen Grundsätze der israelischen Staatsmänner, die mit der Haltung, „besser als andere" zu sein, einhergingen. Und die Effizienz der Nachrichtendienstler und ihrer Führer war auf keinen Fall so groß, wie man sie hinstellte. Immer schon hatte es katastrophale Fehler neben den gepriesenen und öffentlich bekannt gewordenen Erfolgen gegeben. So wie die Geheimdienste anderer Länder wurde auch der israelische häufig Gegenstand von Skandalen, und bei mindestens einer Gelegenheit dem Fall des Verräters Israel Beer - gelang es den Russen, ihre Spitzel in höchster Position unterzubringen. Der wirkliche Verfall aber kam erst, als Israel sich vom Problem der Palästinenser und des Terrorismus völlig vereinnahmen ließ. Gewiß, man mußte die Palästinensische Befreiungsorganisation in

den Griff bekommen, diese Aufgabe aber führte ins Verderben. Der Untergrundkampf wurde zum Lebensstil, einige Einheiten wurden zu Anti-Terrorgruppen, die Feinde im In- und Ausland bekämpften. Brutalität wurde zum Normalfall. Es ist nämlich eine Sache, Informationen dazu zu verwenden, ein Terrroristenversteck ausfindig zu machen und es dann anzugreifen, aber eine ganz andere, planmäßig Kopfjäger auszuschicken, um Terroristen zu terrorisieren und sich deren unsägliche Taktiken zu eigen zu machen. Schwere Strafen für Terroristen, die Wahrung der harten Linie, Attentate auf die Attentäter - alles wurde als Beispiel hingestellt, um die „weiche" Strategie der Europäer und Amerikaner anzuprangern, mit dem Vorwurf, sie redeten nur und handelten nie. Dann ließ sich der Mossad auf einen Teufelskreis aus Aktion-Gegenaktion zur Vernichtung von Terrorgruppen ein. Und was war die Folge davon? Verschwand der Terrorismus? Weit gefehlt. Im Jahr 1989 sah sich Israel neuen und größeren Gefahren ausgesetzt. Als Yasser Arafat und die PLO dem internationalen Terrorismus abschworen, mit Recht davon überzeugt, daß sie durch Diplomatie mehr erreichen können als durch Schießereien, gewöhnte sich die israelische Obrigkeit nur zögernd an die neue Realität. Dann begann die Intifada, das neue Problem, für das Israel nach all den Jahren des Kampfes nur unzureichend gerüstet war. Innerhalb der Grenzen und in den besetzten Gebieten erhob sich spontan die arabischeBevölkerung. Zuerst wurden diese Vorfälle nicht einmal von der PLO organisiert. Doch innerhalb von zwei Jahren hatten die Demonstrationen und Aufstände mehr Sympathie für die Palästinenser geweckt als zwei Jahrzehnte bewaffneten Kampfes. Mossad und Schin Beth waren gleichermaßen ratlos, wie man mit jugendlichen Demonstranten und Steinewerfern umgehen sollte. Sie wußten, wie man gegen deren bewaffnete ältere Brüder, die Guerillas, auftreten mußte, waren aber genauso verunsichert wie die israelische Regierung, wenn sie sich mit gewalttätigen, zivilen Aufständen konfrontiert sahen. Die Israelis brachten zwar genug Begeisterung auf, Soldaten oder Spione zu werden, aber die Erinnerungen an die Leiden, die sie durch die Kosaken und die Geheimpolizei in Osteuropa erlitten hatten, bewirkten, daß niemand in einer Einheit der Bereitschaftspolizei dienen wollte.

Die großen Anstrengungen des Geheimdienstes in den siebziger Jahren waren auf die Terrorismusbekämpfung ausgerichtet, und das Schlachtfeld war der Libanon, der die Basis der palästinensischen Truppen geworden war, nachdem sie von König Hussein Anfang des Jahrzehnts aus Jordanien vertrieben worden waren. Die israelische Politik blieb konsequent: Immer wurde es als richtig empfunden, im Gegenzug hart mit den Guerillatruppen umzugehen, die den jüdischen Staat fortwährend bedrohten. Für dieses erklärte Ziel wurde der Mossad durch das rechtzeitige Ausspionieren feindlicher Pläne und Angriffsziele stark in Beschlag genommen. Außerdem mußte der Nachrichtendienst die internationalen Kontakte der Palästinenserbewegungen überwachen und aufklären, woher ihre Waffen kamen und wer ihre militärische Ausbildung übernahm. Die beste Taktik des Mossad war, seine eigenen Agenten in die palästinensischen Truppen einzuschleusen. Manchmal waren es gekaufte oder erpreßte Araber, die diesen gefahrlichen Auftrag ausführten, manchmal Israelis, die sich besonders gut in der arabischen Welt und ihrer Sprache auskannten. Aber Geheimagenten dienen einem doppelten Zweck: im Stillen den Krieg hinter die Linien des Feindes zu tragen, aber auch geheime Unternehmen in Gang zu bringen, die, wenn sie öffentlich betrieben würden, von vornherein zum Scheitern verurteilt wären. Wenn solche Qualitäten gebraucht wurden, konnte der Mossad bei einer Einwanderungsbevölkerung, in der es auch viele Juden gab, die in arabischen Ländern aufgewachsen waren, auf eine Fülle von Talenten zurückgreifen. Ein gutes Beispiel für eine Mossad-Agentin, die in einem arabischen Land eine quasi diplomatische Rolle übernahm, ist Sylvia Raphael. Sie lebte in Jordanien als französische Journalistin, um die palästinensischen Aktivitäten dort im Auge zu behalten, stand aber auch gleichzeitig mit wichtigen jordanischen Persönlichkeiten in Kontakt. Auf beiden Seiten der nördlichen Grenze zum Libanon bereiteten Mossad-Agenten und auch Mitarbeiter von Schin Beth - dem Geheimdienst, der sich, in der Theorie zumindest, mit innerer Spionageabwehr beschäftigt - den Weg für die nahende Invasion des Libanon vor und wurden dann als Spionageabwehrdienst der Besatzungstruppen eingesetzt. Die Verantwortung für dieses unglückliche Abenteuer lag bei General Ariel Scharon, dem Verteidigungsmini-

ster Menachem Begins zu der Zeit, als es dem Führer des rechtsgerichteten Likud-Blocks endlich gelang, Premierminister zu werden. Man könnte behaupten, daß es von da an mit dem Ruf von beiden Nachrichtendiensten bergab ging. Alte Männer mit bitteren Erinnerungen an blutige Kämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen der Vor-Unabhängigkeitszeit waren wieder gefragt als Ratgeber in besonderen Positionen in der Nähe des Premierministers. Einer von ihnen war Rafael Eitan, der schließlich dafür verantwortlich gemacht wurde, daß Jonathan Pollard, ein amerikanischer Jude im Nachrichtendienst der amerikanischen Marine, dazu benutzt wurde, Spionage gegen Amerika zu betreiben, den ältesten und treuesten Verbündeten Israels. Nach der Meinung Isser Harels, des Mannes, dem der Mossad seinen Ruhm zu verdanken hat, war es „die am übelsten verpatzte Affäre in der Geschichte Israels". Sie empörte auf jeden Fall die Amerikaner, insbesondere die jüdisch-amerikanische Öffentlichkeit. Bis dahin hatte sich Israel bemüht, möglichst keine in der Diaspora lebenden Juden in Spionageangelegenheiten zu verwickeln, weil dies manche ausländische Regierungen dazu bringen konnte, Juden als Sicherheitsrisiko zu betrachten und wieder andere zum Antisemitismus zu provozieren. Schwierige Zeiten und verworrene Vorfälle und Aktivitäten prägen den israelischen Geheimdienst in seiner heutigen Form. Während der ersten vierzig Jahre von Mossads Geschichte wandelte sich die Bewunderung für seinen Stil in Mißtrauen gegenüber seinen Methoden.

2. Der Anfang

Am Anfang waren die Spione. Bis in die jüngste Zeit zählten alle Aspekte der Arbeit der israelischen Nachrichtendienste zu den bestgehüteten Geheimnissen. Erst als ein Versprecher von Ben-Gurion dazu führte, daß der Name vor der Knesset ausgesprochen wurde, konnte man das Wort „Mossad" überhaupt gedruckt sehen. In Israel gibt es immer noch militärische Zensur, und jeglicher Hinweis darauf war bis dahin unterdrückt worden. Noch 1980 wurde ein Reporter, der es gewagt hatte, den Namen des damaligen Geheimdienst-Chefs preiszugeben, damit bestraft, daß ihm sein Presseausweis entzogen wurde. In den Memoiren und Erzählungen aus den frühen Jahren des modernen Staates Israel wurde der Name „Mossad", das Staatsorgan, vor dessen geheimem Eifer man Respekt hatte, höchstens im Flüsterton erwähnt. Wie Menachem Begin einst sagte: „In der Spionage ist die Legende des Erfolgs selbst schon ein Faktor, der zum Erfolg führt." Und Legenden beruhen auf Geheimnissen. Die strenge Geheimhaltung, die den Nachrichtendienst umgab, kann leicht mit einem Blick zurück auf die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erklärt werden, als sich die Zionistcn in der Schlußphase eines Kampfes befanden, der wieder einen Staat mit dem Namen „Israel" auf die Weltkarte bringen sollte. Es ist nicht zu weit hergeholt zu behaupten, daß die geheimen jüdischen Privatarmeen und Geheimdienste den neuen Staat überhaupt erst möglich machten. Der Staat Israel kam durch Untergrundkämpfe zustande. Jüdische Flüchtlinge aus zahlreichen Ländern wurden nach Palästina eingeschleust, trotz der großen Anstrengungen britischer Truppen während der Mandatsjahre und besonders in den

späten vierziger Jahren, die Überflutung eines Landes zu verhindern, das damals grundsätzlich noch in arabischer Hand war. Es gab Spitzel und Agenten in der britischen Armee und Geheimagenten in hohen Positionen in den benachbarten arabischen Staaten, welche der Aussicht auf ein jüdisches Palästina zunehmend feindlich gegenüberstanden. Zionisten machten Waffenvorräte ausfindig und arrangierten den Schmuggel nach Palästina, um die Armeen und Untergrundmilizen auszurüsten, die von den Juden als Vorhut des neuen Israel gebildet wurden. Spione behielten auch die jüdischen Minderheitsbewegungen im Auge. Israel ist ein Staat, der durch geheime Machenschaften und Spionage gedieh. Seine ersten Führer waren durch äußere Notwendigkeit dazu gebracht worden, in diese finstere Welt einzutreten, und so war es ein normaler Prozeß, daß der neue Staat eine „Spionagegesellschaft" wurde. Viele prominente Persönlichkeiten, die jetzt in hohen politischen Kreisen Israels eine Rolle spielen, waren früher Mitglieder des Geheimdienstes. Der Präsident selbst, Chaim Herzog, war ein Mitglied des militärischen Nachrichtendienstes; Yitzhak Schamir, der Premierminister, war zwei Jahre lang im Außendienst des Mossad in europäischen Ländern tätig; David Kimche, der dienstälteste Beamte im Außenministerium, ist ein früherer stellvertretender Direktor vom Mossad. Diese Tradition stammte also aus den Anfängen Israels, und es war nur zu sicher damit zu rechnen, daß Geheimhaltung auch nach der Unabhängigkeit ein normales Verhaltensmuster bleiben würde. Das Geheimhaltungsprinzip hat auch noch andere Ursprünge.Wie viele Einrichtungen im neuen Israel paßten sich die Geheimdienste dem britischen Vorbild an. Viele Juden hatten in den britischen Truppen und bei militärischen Nachrichtendiensten während des Zweiten Weltkriegs gedient. Am Ende des Kieges befanden sich 130 000 palästinensische Juden in der britischen Armee, die gegen das Dritte Reich kämpfte. Mosche Dayan, der siegreiche General und erfolgreiche Kabinettsminister, dessen Karriere in der Geheimdiensteinheit Haganah ihren Höhepunkt erreichte, war in Kriegszeiten ein Schüler des Secret Intelligence Service, SIS, und des Special Operations Executive, SOE. Von den für den britischen Dienst rekrutierten Juden waren 32 als Fallschirmspringer in deut-

sches Feindgebiet eingedrungen. Isser Harel, der später Leiter des offiziellen Geheimdienstes wurde, erhielt seine erste Ausbildung in einer von den Briten geführten Truppe, der Palestine Police. Die Grundregeln der völligen Geheimhaltung gehen auf das Vereinigte Königreich von Großbritannien zurück. Whitehall wollte noch nie so richtig zugeben, daß ein Geheimdienst und eine Sicherheitspolizei überhaupt existieren. Obwohl Spionage und Nachrichtensicherung so alt und ehrwürdig sind wie menschliche Konflikte überhaupt, dauerte es bis 1909, als Großbritannien in diesem Gebiet eine neue Richtung einschlug, indem es den ersten modernen Nachrichtendienst in Form einer Regierungsabteilung gründete, die von der amtierenden Regierung kontrolliert und finanziert wurde. Seine Aufgabe in Kriegs- und Friedenszeiten war, Geheimnisse in fremden Ländern auszuspähen und die der eigenen Regierung zu schützen. Die Großmächte des alten Europa eigneten sich diese Idee an und errichteten ähnliche Spionageapparate: Deutschland 1913, Rußland vier Jahre später. Der französische Nachrichtendienst wurde offiziell erst 1935 gegründet, und die Vereinigten Staaten zögerten bis 1947, bis sie als Ersatz für das OSS, Office of Strategie Services, das nach dem Weltkrieg aufgelöst worden war, die CIA, die Central Intelligence Agency, ins Leben riefen. Israel begann seine weltweiten Geheimdiensttätigkeiten mit der Gründung der Jewish Agency auf dem zionistischen Kongreß 1929 in Zürich. Haganah, die zionistische Untergrundtruppe, errichtetc ihren eigenen Informationsdienst namens Schai, dessen Aufgabe es von da an bis 1948 war, die Gründung eines unabhängigen Staates Israel voranzutreiben. Um dies zu erreichen, konzentrierte sich Schai darauf, die britische Verwaltung in Palästina zu unterwandern, um jüdische Führer über die Haltung der Briten informieren und die Handlungen der Mandatsrnächte voraussagen zu können. Gleichzeitig spionierte er bei arabischen Gegnern in den umliegenden Staaten. Zionistische Agenten versuchten außerdem, extremistische Gruppen ihrer Glaubensgenossen sowohl im Nahen Osten als auch in Europa zu überwachen und unter ihre Kontrolle zu bringen. Sicherheitsdienstler waren vor und während des Zweiten Weltkriegs dafür verantwortlich, im nationalsozialistischen Deutschland Informationen zu sammeln, um den jüdischen Untergrund zu schützen und

Fluchtkanäle einzurichten. Der Schai wurde Experte, wenn es darum ging, Waffen und illegale Flüchtlinge nach Palästina zu schmuggeln. Besonders erfolgreich war er im Einschleusen seiner Agenten in einflußreiche Stellungen beim von den Briten kontrollierten Zoll, der Polizei und im Transportsystem; sie stellten sicher, daß die Obrigkeit große Waffenmengen beschlagnahmte, die von den Arabern eingeschmuggelt wurden, die sich auf einen Kampf gegen die neuen Palästinasiedler eingestellt hatten. Rechesch war eine Organisation, die Waffen und Munition für die jüdischen Untergrundtruppen beschaffen sollte, die sich in Palästina formierten. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, spezialisierten sich ihre Agenten darauf, Scheingesellschaften zu gründen, Exportlizenzen zu fälschen und sich mit falschen Identitäten zu versehen. Ein weiterer direkter Vorfahr des Mossad und zugleich die Organisation vor der Unabhängigkeit, von der er seinen Namen erhielt, war Mossad le Aliyah Bet, das Institut für illegale Immigration. Als die Briten versuchten, das lästige Problem Palästina durch eine Begrenzung der Einwandererzahl auf 75 000 aus der Welt zu schaffen, griff die jüdische Organisation zu der Strategie, Zionisten insgeheim ins Land zu bringen. Der alte, ursprüngliche Mossad, mit gerade zehn Agenten in Europa, hatte zur Aufgabe, Fluchtwege aufzubauen, Schiffe zu besorgen, Verstecke und falsche Pässe zu liefern, um den Transport von Tausenden einströmender Flüchtlinge zu gewährleisten. Der Führer von Mossad und Rechesch war damals Schaul Avigur, ein russischer Immigrant, der in einem Kibbuz ausgebildet worden war, ein begnadeter Verschwörer mit einer Passion für Geheimhaltung, die er so verinnerlicht hatte, daß er, als er seiner Tochter in London einmal einen Stapel Zeitungen schickte, diesen mit „privat und vertraulich" markierte. Diese Organisationen bildeten den Kern einer harten Ausbildung für Spione und Agenten, bei der die Devise: „Aus Erfahrung wird man klug" galt. In ihrer Arbeit, unter gefährlichen und anstrengenden Bedingungen, erwarben sich die Männer, die das Rückgrat des staatlichen Nachrichtendiensts werden sollten, ihre Fähigkeiten auf die harte Art und Weise. Die zionistischen Organisationen lieferten die praxisorientierte Ausbildung der Geheimdienstleute, die bereit und fähig waren, dem Staat Israel zu dienen, der schließlich am 14.

Mai 1948 seine Davidstern-Flagge hißte. Der zionistische Traum war Wirklichkeit geworden, zum guten Teil dank der Arbeit dieser Geheimgruppen. Zwei Wochen später, am 30. Juni, enstand der israelische Nachrichtendienst offiziell als geheimer, aber voll anerkannter Zweig des Staatsdienstes. Zu diesem Zeitpunkt war er einfach als „der Geheimdienst" bekannt. Der Geburtsort dieses Neuankömmlings auf dem Gebiet der staatlichen Nachrichtendienste war ein einfaches Zimmer in der Ben-Yehuda-Straße 85 mitten in Tel Aviv, in einem unauffälligen Gebäude gelegen, das im Keller ein Cafd beherbergte, einen Blumenladen und ein paar Wohnungen in den oberen Stockwerken. An der Tür einer dieser Wohnungen befand sich ein Schild, der den Ort als Büro des „Beratungsdienstes für Veteranen" auswies. Bis dahin hatte der Ort als geheimes Hauptquartier des alten Schai fungiert, der inzwischen aufgelöst worden war. Der Zweck des Treffens, das am 30. Juni dort stattfand, war die Gründung der Organisation der israelischen Nachrichtendienste. Die regionalen Leiter und Direktoren der vielen Körperschaften, die die Gründung der Nation geplant und erkämpft hatten, waren anwesend. Ergebnis dieser bescheidenen Konferenz war eine offizielle Anweisung der israelischen Armee, eine Unterabteilung des operativen Generalstabszweiges zu bilden. Am Anfang gab es den militärischen Nachrichtendienst, der unter dem Namen Aman bekannt wurde. Zu seiner Unterstützung bei der Sammlung von Geheiminformationen auf internationaler Ebene gründeten die Pioniere außerdem die politische Abteilung des Außenministcriums, die dann von Boris Guriel geleitet wurde. Der dritte Arm der Organisation sollte ein allgemeiner Sicherheitsdienst namens Schin Beih werden. Dieser ursprüngliche Aufbau überlebte nur bis 1951, als der Mossad selbst in der Form, in der er heute bekannt ist, auf der Bühne erschien, nach einer Totalüberholung der hastig konstruierten Nachrichtendienststruktur, die von Anfang an von Skandalen und Streitigkeiten heimgesucht worden war. David Ben-Gurion, der erste Premierminister, holte 1948 Isser Be'eri an die Spitze des neuen militärischen Nachrichtendienstes. Er war Oberst bei den neugegründeten israelischen Verteidigungstruppen, Direktor einer Baufirma und schon seit 1938 Mitglied von Haganah gewesen. Bekannt geworden war er aber erst, als er einige

Monate zuvor die Führung des Schai während der verzweifelten Schlacht um Jerusalem übernommen hatte. Die Ernennung von Isser Be'eri sollte sich bald als ein Fehlgriff erweisen, denn die kurze Zeit, in der er dem militärischen Nachrichtendienst vorstand, diente nur dazu, die schurkischen Taktiken einzuführen, die Israels Geheimdienst später in Verruf bringen sollten. Innerhalb weniger Monate wurde der leitende Offizier der neugegründeten Organisation vor ein Kriegsgericht gestellt, und zwar für Taten, die er in der gewalttätigen Zeit vor der Unabhängigkeit begangen hatte. Er wurde angeklagt, einen arabischen Würdenträger namens Ali Kassem ermordet zu haben, der im Verdacht stand, zionistische Verschwörer an die britischen Sicherheitsdienste verraten zu haben und Kopf einer Erpresserbande zu sein. Be'eri verteidigte sich einfach damit, daß er behauptete, der Mann sei ein Verräter gewesen - „also haben wir ihn umgebracht". Das war nicht das einzige Verbrechen, das Be'eri vorgeworfen wurde. Er war so versessen darauf gewesen, einem mächtigen Politiker der Arbeiterpartei namens Abba Huschi nachzuweisen, daß dieser in den Mandatsjahren mit den Briten kollaboriert hatte, daß er einen von Huschis Mitarbeitern in der Absicht foltern ließ, dafür Beweise zu erhalten. Damit noch nicht zufrieden, arrangierte er zur weiteren Beweisführung die Fälschung wichtiger Dokumente. An dem Tag, an dem er den neuen Oberbefehl über den militärischen Nachrichtendienst übernahm, passierte ein weiterer schändlicher Vorfall. Ein militärisches Standgericht, unter der Aufsicht von Be'eri selbst, befand Hauptmann Meir Toubianski der Spionage für die Briten für schuldig, und er wurde auf der Stelle von einem Erschießungskommando auf Befehl Be'eris hingerichtet. Eine spätere, von Premierminister Ben-Gurion angeordnete Untersuchung fand heraus, daß der Hauptmann unschuldig war. Sein Dienstgrad wurde ihm posthum wieder zuerkannt, und er erhielt ein militärisches Begräbnis. Isser Be'eri, den man für diese abscheulichen Ereignisse verantwortlich machte, wurde nach nur zwölf Monaten Amtszeit wieder abberufen, dann festgenommen und des Mordes angeklagt. Die einzige Verteidigung, die bei der geheimen Verhandlung vorgebracht wurde, war die, daß seine Position als Kopf des Geheimdienstes ihm das Recht gegeben hatte, außerhalb des Gesetzes zu agieren und die

Methoden anzuwenden, die er für richtig hielt. Es war ein Argument der Staatsräson, unakzeptabel sogar in einer unheilvollen Zeit, die eine junge Nation überstehen mußte. Die Gründerväter des neuen Zion hatten immer schon einen hohen moralischen Standard propagiert, und für sie war die Akzeptanz der Idee, daß ihr Sicherheitsdienst ein Recht hatte, alle normalen Muster anständigen Verhaltens beiseite zu schieben, trotz seines eifrigen Patriotismus ganz und gar unmöglich. Isser Be'eri wurde für schuldig befunden, Rang und Titel wurden ihm aberkannt. In Anrechnung seiner für die Sache geleisteten Dienste erhielt er nur eine Scheinstrafe von einem Tag Gefängnis, und sogar diese wurde ihm von Präsident Chaim Weizmann erlassen. Die Milde des Urteils wurde zu einem Präzedenzfall, als der Staat später mit den Problemen der Verurteilung von sicherheitsdienstlichen Vergehen konfrontiert wurde. Die Existenz von Israels nagelneuem Geheimdienst begann also mit Brutalität und einem Machtkampf zwischen seinem Leiter, der harte Methoden befürwortete, und der Autorität des Staates, vertreten durch Ben-Gurion. Nur die feste Überzeugung des Premierministers, daß das Gesetz eingehalten werden müsse, verhinderte, daß kontinuierlich gegenseitige Beschuldigungen, die die gesetzlose Zeit vor der Unabhängigkeit betrafen, aufkamen. In gewisser Weise ähnelte die Situation der des eben befreiten Frankreich, als von der Resistance neuerliche Verbrechen gegen die begangen wurden, die man der Kollaboration mit den früheren deutschen Besetzern beschuldigte, während gleichzeitig der Umformungsprozeß von Kriegseinheiten in reguläre Staatsdienste im Frieden stattfand. Ben-Gurions ursprünglicher Plan, der später weitgehend eingehalten wurde, sah vor, drei Abteilungen zu bilden, die für die Nachrichtensammlung verantwortlich waren. Zuerst sollte es das Amt für militärische Nachrichten geben, bekannt unter seinem abgekürzten hebräischen Titel Aman. Damit verbunden war die Abteilung für Spionageabwehr und die politische Abteilung des Außenministeriums. Die Mitarbeiter im Außenministerium sollten weltweit alle Nachrichten sammeln, die für Israel hätten wichtig sein können. Isser Harel, später der berühmteste Spionagechef, hatte seinen ersten Auftritt, als er zum Leiter der dritten Abteilung ernannt wurde, des Amtes für Sicherheit - Schin Beth.

Es lag in der Natur der Dinge, daß es nicht immer leicht war, die Grenzen zwischen den Aktivitäten dieser verschiedenen Abteilungen klar zu ziehen. Da der Staat bei Null anfing, mußten sich alle Institutionen ihre Regeln im Lauf der Zeit selbst erfinden. Die Lage wurde nur noch komplizierter dadurch, daß die Abteilungen mit Leuten mit sehr verschiedenem Hintergrund besetzt waren - Flüchtlinge vor Hitlers Verfolgungen in Europa, Zionisten aus der Sowjetunion und Juden, die in dem damals Palästina genannten Gebiet geboren und aufgewachsen waren. Obwohl ihr Judentum, ihr Glaube und ihre Gebräuche sie vereinten, unterschieden sie sich stark durch ihre Sprache, ihre Erfahrungen und übernommene nationale Eigenschaften. Die Traditionen, die bei der Gründung der israelischen Geheimdienste verschmolzen, waren auf der einen Seite die der zionistischen Geheimtruppen, die daran gewöhnt waren, das Gesetz für etwas, das sie für eine gute Sache hielten, zu umgehen, und auf der anderen Seite der militärische Nachrichtendienst, eher von einer klassischen Organisation und Methodik geprägt. Die Beamten des neuen Dienstes, die aus den Körperschaften der Zeit vor der Unabhängigkeit stammten, bildeten eine ziemlich wilde Truppe, die an die gröberen Formen einer geheimen Kriegsführung gewöhnt war. Sie hatten ihre praktischen Erfahrungen in heiklen Schmuggelaktionen mit Waffen gesammelt, die sie mit Hilfe von Tricks gekauft hatten, während sie, mit ähnlich schmutzigen und brutalen Methoden, zu verhindern suchten, daß die Palästinenser dasselbe taten. Solche Banditen in einen disziplinierten Staatsnachrichtendienst umzuwandeln war keine einfache Aufgabe. Stewart Steven schreibt in seinem gut recherchierten Buch The Spymasters of Israel, daß es für solche Männer schwer war, „die Zügel und Einschränkungen, die ihnen durch eine notwendigerweise bürokratische Struktur auferlegt wurden, die, so lose sie auch war, aber auf jeden Fall dem Gesetz und dem Diktat der Regierung und des Parlaments verantwortlich war, zu akzeptieren." Nach der Absetzung von Isser Be'eri im Jahre 1949 wurde der militärische Nachrichtendienst von Chaim Herzog geführt, der später Präsident von Israel wurde. Er überzeugte Ben-Gurion von der Notwendigkeit eines finanziell abgesicherten und formaleren militärischen Nachrichtendienstes mit eigenem Budget. Der neue Leiter war

ein erfahrener Geheimdienstler, der früher in der britischen Armee gedient hatte, und diese frühere Ausbildung ermöglichte es ihm, Aman in eine effiziente und straff geführte Organisation umzuwandeln. Er hatte daraus bald eine reguläre Einheit mit einer etablierten Befehlshierarchie und ihren eigenen Ausbildungseinrichtungen gemacht. Als sein Stellvertreter, Oberst Binyamin Gibli, ihn im April 1950 im Amt des Leiters ablöste, funktionierte Aman reibungslos. Zu diesem Zeitpunkt wurde Chaim Herzog als Militärattache an die israelische Botschaft nach Washington beordert, eine Position, die wichtiger werden sollte, als der bescheidene Titel vermuten läßt. Die USA waren mit Israel fest verbündet, unterstützten den neuen Staat und hatten sich dazu bereit erklärt, geheime Informationen mit den Geheimdiensten auszutauschen, sobald diese sich formiert hatten. Die CIA und das FBI waren willens, ihre neuen Freunde mit modernster Ausrüstung zur Kodierung und Dekodierung auszustatten und israelische Beamten in der Bedienung zu unterweisen. Sowohl Herzog als auch sein talentierter Diplomatenkollege und früherer Nachrichtendienstler Reuven Schiloah befanden sich während der kritischen Phasen des Kalten Krieges in den USA. Es war die Zeit, als die Sowjetunion, die anfangs den neuen Staat unterstützt hatte, ihre Aufmerksamkeit auf die Verbesserung ihrer Beziehungen mit den arabischen Staaten lenkte und anfing, gegen Israel zu intrigieren. Angesichts des gemeinsamen Feindes trug diese Entwicklung zu einer Intensivierung der Beziehungen zwischen Amerika und Israel bei. Chaim Herzog knüpfte seine ersten Verbindungen mit der CIA, die in den darauffolgenden Jahren so wichtig werden sollten, sowohl für Israel als auch für den amerikanischen Geheimdienst selbst. Die Beziehung wurde noch weiter gefestigt durch die Bemühungen von James Angleton, dem ehrenwerten CIA-Mitglied, der schließlich das Büro für israelische Angelegenheiten in der CIA unter seine Fittiche nahm. Der militärische Nachrichtendienst Aman unter Gibli mußte sich erst noch einen Ruf schaffen. Er war ein Nachfahr der Untergrundbewegung Haganah, die in eine Abteilung des operativen Generalstabszweiges der Armee umgewandelt worden war. In der frühen Zeit hatten die Verantwortlichen etliche Schwierigkeiten, die Verantwortungsgebiete für ihre Leute zu umreißen, und es herrschte eine ge-

wisse Verwirrung. Einige Außendienst-Agenten, die einmal für den Mossad und dann wieder unter dem Befehl von Aman arbeiteten, rivalisierten auf der ganzen Welt miteinander, oft in einer wenig professionellen Art und Weise. Dieser Zustand führte zu etlichen Manövern von Seiten der Verantwortlichen, manchmal nur, um ihre eigenen Kompetenzen zu erweitern. Es gab aber auch ehrliche Anstrengungen, die Tätigkeiten effizienter zu gestalten. Die letzte Instanz in all diesen Streitigkeiten war Ben-Gurion, der schließlich einen ausgewählten beratenden Ausschuß zur Umstrukturierung des Nachrichtendienstes berief. Mit einer Weisung des Premierministers vom 1. September 1951 kündigte dieser Ausschuß die endgültige Gründung des Mossad an, der Organisation, deren Aufgabe es war, ausländische Nachrichten zu sammeln und die besonderen Einsätze, die für notwendig gehalten wurden, durchzuführen. Sein Direktor wurde Reuven Schiloah, der direkt dem Premierminister unterstand. Der Gründungstext hätte aus dem Alten Testament stammen können: „Und Moses schickte sie aus, um das Land Kanaan zu erkunden ... und das Land zu sehen, was es ist; und das Volk, das es bewohnt, stark oder schwach, wenige oder viele." Die Umstrukturierung war Reuven Schiloahs Begeisterung für amerikanische Methoden der Abwicklung zu verdanken, die aus seiner Zeit als Gesandter in der Botschaft in Washington stammte. Beeindruckt von den neuen Spionagetechniken, die von der CIA erstmals angewendet wurden und in die er Einblick gehabt hatte, bestand der Sohn eines Rabbiners hartnäckig darauf, daß man dem Beispiel Amerikas folgen und eine unabhängige Behörde schaffen sollte, die dem Regierungsschef unterstand. Dieser Vorschlag kam zu einer Zeit, als die politische Abteilung im Außenministerium durch das Verhalten seiner Diplomaten, denen vorgeworfen wurde, im Ausland in Saus und Braus zu leben, stark unter Beschuß gekommen war. Feindseligkeiten gegenüber dem Personal der Abteilung nahmen zu, da Boris Guriel, ihr Chef, hauptsächlich Intellektuelle europäisch-jüdischer Herkunft eingestellt hatte, deren großspuriges Auftreten bei den in Palästina geborenen und erzogenen Juden schlecht ankam. Was im Grunde einmal ein diplomatischer Nachrichtendienst gewesen war, wurde aufgelöst. Der Ersatz, unter dem neuen Namen einer Forschungsabteilung, erhielt die viel begrenztere

Funktion der Forschung und Auswertung und verlor seine ausländischen Kompetenzen. Diese Änderung wurde besonders deshalb notwendig, weil keine rivalisierende Organisation mit der Arbeit des neuen Dienstes, des Mossad, in Konflikt kommen sollte. Dies war ein Arrangement, das tiefe Empörung bei den Außendienstmitarbeitern der alten politischen Abteilung hervorrief; viele von ihnen kehrten nach Israel zurück, um zu protestieren oder voller Zorn den Abschied zu nehmen. Boris Guriel, der Direktor der Abteilung und ein Mann, der fest daran glaubte, daß eine sorgfältige Auswertung von Nachrichtenmaterial unabdingbar ist, zog sich ins Privatleben zurück. Das war ein großer Verlust, denn es stellte sich bald heraus, daß die neuorganisierten Geheimdienste, wie er es vorausgesagt hatte, besser im Erlangen von Informationen als in der Beurteilung ihrer Bedeutung und ihrer Auswertung waren. So kam es, daß Ben-Gurion den Status der Nachrichtendienste schließlich formal festlegte. Der Mossad, das Institut, kümmerte sich um den Zugang zu allen ausländischen Informationen mit der Kompetenz, die für notwendig erachteten Spezialeinsätze durchzuführen. Die ursprüngliche Weisung komplizierte die Dinge allerdings dadurch, daß bezüglich der Spezialeinsätze festgesetzt wurde, daß Aman für die Nominierung der Ziele und Planung der Einsätze verantwortlich sein sollte, die dann vom Mossad gebilligt werden mußten. Aus Schin Beth wurde der inländische Sicherheitsdienst, der in seiner polizeilichen und überwachenden Funktion von Reshud unterstützt wurde, dem israelischen Äquivalent der Special Branch der britischen Polizei. Niemand war mit der Kompromißlösung ganz zufrieden. Anfangs war der Mossad eine recht kleine Organisation. Sein Handlungsspielraum war durch Personalmangel und Rivalitäten mit Aman streng begrenzt. Aman selbst scheint in der Zeit bis 1956 den größten Teil seines Materials durch Abhören innerarabischer Funksignale bekommen zu haben, vieles davon wissentlich oder unwissentlich von Frankreich geliefert. Raymond Cohen, Dozent für internationale Beziehungen an der Hebräischen Universität von Jerusalem, schrieb 1988 nach einer sorgfaltigen Auswertung der Geheimakten in den israelischen Staatsarchiven in einem Artikel in Intelligence and National Security, daß mindestens ein Dutzend wichtiger Aktenvermer-

ke aus französischen Quellen stammten und mindestens einer möglicherweise aus britischen Quellen. Das zeigt, daß die israelischen Nachrichtenaktivitäten keineswegs auf tollkühne Außendienstler zurückgingen. Als Gegenleistung für die französische Hilfe war Israel in der Lage und bereit, wertvolle Informationen über Geld- und Waffenquellen in bezug auf den algerischen Aufstand zu liefern. Zuerst schien es, als ob der Mossad hauptsächlich für die Unterstützung bei besonderen Aktivitäten zuständig sei, die zum größten Teil vom militärischen Nachrichtendienst durchgeführt wurden. Bei einigen Angelegenheiten nahm Aman sein Vetorecht in Anspruch, um Aktionen, die vom Mossad gefordert worden waren, abzulehnen. Das änderte sich, als der Premierminister einen gemeinsamen Nachrichtenausschuß einsetzte und den Leiter des Mossad zu dessen inoffiziellem Vorstand ernannte. Isser Harel, der 1952 diese Position übernahm und dessen enge Beziehung mit David Ben-Gurion seinen Einfluß beträchtlich förderte, wurde als Memuneh - der Patriarch bekannt, und alle Leiter nach ihm erhielten diesen Titel. Er hatte ständigen und direkten Kontakt zum Premierminister. Der rivalisierende Direktor des militärischen Nachrichtendienstes war dem Generalstabschef verantwortlich und schien nun offensichtlich auf einer niedrigeren Stufe der Hierarchie zu stehen. Anfangs war der blühendste Zweig der Geheimindustrie Schin Beth, der allgemeine Sicherheitsdienst, der von Isser Harel energisch aufgebaut worden war, um kommunistische Infiltration der politischen Parteien und des politischen Apparats im neuen Staat zu verhindern. Er hatte eine große Anzahl von Agenten angeworben, von denen manche schließlich in die Dienste des entstehenden Mossad gepreßt wurden. Dies war eine kalkulierte Aktion, um Streitigkeiten zwischen ihm und dem Koordinator und ersten Direktor der rivalisierenden Organisation, Reuven Schiloah, hervorzurufen. Das führte schon bald zum Rücktritt des Mossad-Chefs und zur Ernennung von Isser Harel am 14. September 1952. Harel, der als allgemeiner Chef jetzt fest im Sattel saß, war in einer Position, in der er die Kontrolle über beide Organisationen ausübte, und er brachte den Mossad auf Erfolgskurs. Bisher war Organisation nicht gerade seine starke Seite gewesen. Der neue Chef sah sich einer Mannschaft gegenüber, die gerade aus

einem Dutzend Leuten bestand. Das Hauptquartier war ein Büro mit drei Zimmern in Tel Aviv. Es stand so wenig Geld zur Verfügung, daß die Sekretärin schon seit Monaten kein Gehalt bekommen hatte. David Ben-Gurion mußte davon überzeugt werden, ein ausreichendes Budget zu liefern und neue Büroräume, um die von Schin Beth abgeworbenen Agenten unterzubringen. Die nächsten Schritte waren, die schon tätigen Mossad-Agenten abzuklopfen, die untauglichen loszuwerden, die anderen umzuschulen und das ganze Netz umzuorganisieren. Obwohl Isser Harel auf dem Gebiet internationaler Spionagetätigkeit nur sehr begrenzte Erfahrungen hatte, als er den Posten übernahm, lernte er mit seinen vierzig Jahren schnell. In Rußland geboren, war er einer dieser kleinen sandalentragenden Kibbuzveteranen mit offenem Hemd, der sein Handwerk als Sicherheitsdienstler bei Haganah, der israelischen Guerilla-Armee, gelernt hatte. Seine Aufgabe war es gewesen, gefährliche Dissidenten und Extremisten in rivalisierenden Bewegungen ausfindig zu machen zu einer Zeit, als die Juden untereinander und gemeinsam gegen Araber und Briten kämpften. 1948 war er damit beauftragt worden, die extremistische jüdische Gruppe Irgun Zvi Leumi, die mit Haganah im Konflikt stand, zu liquidieren. Irgun Zvi Leumi hatte im arabisch-israelischen Krieg den Waffenstillstand gebrochen, der erst im Juni desselben Jahres geschlossen worden war: Sie versuchte, in der Nähe von Tel Aviv eine Waffenladung aus dem Schiff AItalena für ihre Kommando-Truppe an Land zu bringen. Seinen nächsten Kampf focht Harel gegen die extremistische Bande um Stern aus; sie hatte in Jerusalem Graf Bernadotte von den Vereinten Nationen ermordet. Beide Unternehmungen waren erfolgreich. Auf diese Weise war er lange vor seiner Übernahme des Mossad in verantwortungsvoller Position gewesen und ein Mann, mit dem man im Untergrundkampf rechnen mußte. Der Spitzname, der ihm anhing und der ihn von dem früheren Mitarbeiter gleichen Namens - Be'eri - unterschied, war „KleinIsser"; ein ziemlich harmloser Beiname, denn Harel war ein harter Mann mit kalten Augen, übergroßem Ehrgeiz und zionistischem Eifer und sozusagen humorlos, ein rechtsgerichteter Aktivist. In den nächsten zehn Jahren stutzte er sich den Mossad nach seinen eigenen

Vorstellungen zurecht. Er liebte Geheimhaltungstaktiken und bewahrte seine eigenen Akten zur Sicherheit in einem getrennten Gebäude auf. Obwohl er sich gegen Mord aussprach, zögerte er nie, brutale und fragwürdige Aktionen in Gang zu setzen, sooft er sie zur Wahrung der Staatsinteressen für notwendig hielt. Seine Leute verehrten und bewunderten ihren Chef, und nach und nach zog er die ganze Befehlsgewalt über eine der pflichteifrigsten Nachrichtendiensttruppen der Welt in seinen Händen zusammen. Eine der ersten Aufgaben nach Harels ursprünglicher Ernennung war, die Schin-Beth-Abteilung unter seinem Kommando dafür einzusetzen, die Vereinigte Arbeiterpartei, eine extrem links-orientierte Gruppierung, zu bespitzeln. Sie stand unter dem Verdacht, von Kommunisten unterwandert zu sein. Einige ihrer Mitglieder waren nämlich auch Agenten von Schin Beth, und über deren Loyalität war Harel im Zweifel, er stellte eine Spezialeinheit zur Überwachung der Partei zusammen. Ausgerechnet einer seiner früheren Agenten entdeckte eine Wanze in der Parteizentrale, und es gelang ihm, zwei Agenten der Spezialeinheit in eine Falle zu locken, zu demaskieren und sie dann bei der Polizei anzuzeigen. Schin Beth war bei einer internen politischen Aktion in flagranti ertappt worden, und es gab einen riesigen Skandal.

3. Die Gegenwart

Mindestens zweimal in der Woche und in Krisenzeiten noch öfter treffen sich die Chefs von Mossad und Aman zu einer Beschluß- und Planungssitzung. In einer für israelische Verhältnisse seltenen Untertreibung wird dies „der Kaffeemorgen" genannt. Auf der Anwesenheitsliste bei diesen Spitzengesprächen steht außerdem noch der Leiter von Schin Beth, der Generalpolizeiinspektor, die ranghöchsten Beamten im Außenministerium und die Leiter der dortigen Abteilungen für Forschung und Politische Planung. Auch die besonderen Berater des Premierministers für politische und militärische Angelegenheiten und Anti-Terror-Maßnahmen nehmen teil. Diese Sitzungen der israelischen Nachrichtendienste bringen die Pyramidenspitze der zentralen Aufsichtsbehörde zusammen, es sind Ausschüsse der Dienstleiter. Die Funktion von Va'adat Raschei Hascherutim, bekannt als Va'adat, ist die Koordination aller laufenden Aktivitäten im In- und Ausland. Im Laufe der Zusammenkünfte, die natürlich unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, stellt jeder Leiter eine Zusammenfassung der wichtigsten Aktivitäten seiner Mitarbeiter vor. „Kooperation ist das Geheimnis des Erfolgs" war die Devise von Meir Amit; er war der einzige, der sowohl Leiter des Mossad als auch von Aman war. Zumindest theoretisch sind alle Anwesenden bei solchen Sitzungen gleichrangig, aber Nuancen gibt es doch: Der Leiter des Mossad hat den Vorsitz; er wird „der Patriarch" genannt, deshalb glaubt man, daß er und seine Organisation dominieren. In einem CIA-Report über die israelischen Nachrichtendienste wird jedoch berichtet, daß in letzter Zeit der Leiter von Aman seinen Kollegen vom Mossad des öfteren überrunden konnte - im Hinblick auf Macht und Bedeutung.

Die deutsche Zeitschrift Stern behauptete in den achtziger Jahren in einem ziemlich phantastischen und hysterischen Artikel, diese Treffen fänden in einem anonym aussehenden Bürohaus in Tel Aviv statt, das sonst nur von Versicherungen und Rechtsanwälten genutzt würde. Es wurde auch behauptet, das Gebäude sei nur durch einen speziellen, durch die Tiefgarage zugänglichen Aufzug zu betreten. Zweifellos müssen die Leiter solcher äußerst empfindlichen Organisationen viele Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, so wie z. B. gepanzerte Autos. Als ich aber von Rafael Eitan, damals Berater des Premierministers für Anti-Terror-Maßnahmen, empfangen wurde, fand das Treffen in einem schlichten Büro im Gebäudekomplex des Verteidigungsministeriums in Tel Aviv statt, und es kann sein, daß die Chefs der Nachrichtendienste ihre regulären Sitzungen in einem vergleichbaren Raum abhalten. Strenge Sicherheitsmaßnahmen sind erforderlich, denn es besteht immer die Gefahr, daß Gespräche in Tel Aviv auf sowjetischen Spionageschiffen elektronisch abgehört werden, die ständig im Mittelmeer vor der Küste Israels kreuzen. Die Nachrichtendienstler sind immer auf der Hut und wissen wohl, daß die Russen ihre Gespräche mithören und alle Erkenntnisse den arabischen Mächten mitteilen könnten. Es gibt nichts Auffälliges oder Extravagantes beim israelischen Nachrichtendienst. Er residiert nicht in der mondänen Pracht eines Langley-Hauptquartiers wie die CIA; man trifft seine Chefs nicht in der verblichenen Eleganz exklusiver Klubs, wie sie die höheren Chargen des britischen MI6 bevorzugen. Mossad-Mitarbeiter haben auch keine Schwäche für Maßanzüge oder gehobenen Lebensstil. Tatsächlich mußten in der Anfangszeit des Mossad Sonderkurse für gute Umgangsformen eingerichtet werden. Agenten, die aus der strengen, puritanischen Einfachheit der Kibbuze angeworben waren, sollten nicht als ungehobelte Klötze in den kultivierten westlichen Hauptstädten auffallen. Der Leiter des Mossad wird vom Premierminister ernannt, und seine gesetzlich vorgeschriebene Amtszeit beträgt fünf Jahre, obwohl einige der Leiter länger im Amt geblieben und einige früher gegangen sind. Der Mossad ist kein großzügiger Arbeitgeber; er verlangt eine Menge von denen, die ihre Dienste anbieten, und die Bezahlung ist bescheiden. Seine Mitarbeiter werden als normale Beamte einge-

stuft, mit einer Gehaltsskala, die sich ihrer Position anpaßt. Gewöhnlich beträgt die Pension 70% des letzten Gehalts, ein Agent setzt sich normalerweise mit 52 Jahren zur Ruhe, obwohl er in Krisenzeiten auch zur Unterstützung seiner jüngeren Kollegen aus dem Ruhestand zurückgerufen werden kann. Dies ist eine Stärke der Organisation, die so ständig über ein Kontingent an „Reserveagenten" in Gestalt alter Kollegen verfügt. Für besonders gefährliche oder heikle Aufträge werden Pluspunkte vergeben, die eine höhere Bezahlung garantieren. Agenten können früh in den Ruhestand treten, wenn sie wollen. „Wir sind der Ansicht, daß es immer ein Fehler ist, Mitarbeiter im Dienst zu halten, wenn sie schon selbst beschlossen haben, daß es an der Zeit ist zu gehen", war der Kommentar eines Mossad-Mitglieds. Für Einzelgänger, die Mossad mit geheimen Informationen versorgen, existieren ganz verschiedene Bezahlungsrichtlinien. Jonathan Jay Pollard, ein amerikanischer Jude, der in den USA für Israel spionierte, erhielt ein Gehalt von 2 500 Dollar im Monat, das während der Zeit, in der er im Gefängnis saß, verdoppelt wurde. Wie sonst auch bei Agenten, die entdeckt werden, brachte die israelische Regierung 200 000 Dollar zur Finanzierung seiner Verteidigung vor Gericht auf, obwohl man vorgab, das Geld sei durch öffentliche Spenden zusammengekommen. Die Organisation wirbt am liebsten durchschnittlich aussehende, unauffällige, aber talentierte Leute an. Wenige der Mossad-Mitarbeiter, mit denen Journalisten im Laufe der Jahre in Kontakt kamen, sind auffallende Persönlichkeiten oder überhaupt solche, die man in einer Menge bemerken würde. Fast alle sind sehr intelligent und ihre Interessen breitgefächert. Der Mossad scheint zähe, praktische Intellektuelle zu bevorzugen, die dazu neigen, sich an öffentlichen Orten im Hintergrund zu halten, und selten auch nur einem Freund erzählen möchten, wo sie sich gerade aufhalten und für wie lange. In Voruntersuchungen werden Neulinge genau auf ihre Schwächen hin geprüft, und es werden Nachforschungen über ihr Umfeld angestellt, um herauszufinden, ob sie arabische Freunde haben. Talentsucher für die Organisation empfehlen junge Leute, die (zum Beispiel) während des Militärdienstes als vielversprechend auffielen. Kibbuzkinder werden als potentielle Mitarbeiter bevorzugt; in der Tat liefert in Israel eine Kibbuzerziehung einem angehenden Agenten denselben

Vorteil wie die Erziehung an einer guten Public School einem Jungen in England, der zum MI6 will. Wahrscheinlich werden junge Männer, die an den Schulen oder Universitäten besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten gezeigt haben, oft schon als potentielle Agenten vorgemerkt. Es gibt Anzeichen dafür, daß der Geheimdienst allmählich unter einem Mangel an Personal mit arabischen Sprachkenntnissen leidet; in den Anfangsjahren gab es genug in Palästina aufgewachsene Juden, die diese Sprache ganz selbstverständlich erlernt hatten. Die Unruhe darüber wächst, daß die junge Generation, im stetigen Konflikt mit der islamischen Welt aufgewachsen, zu nationalistischen Hebräischsprechern zu werden droht und nur widerwillig arabisch lernt. So äußerte ein Nachrichtendienstler: „Unser Vorsprung in Sprachkenntnissen schwindet langsam. Junge Leute wollen sich einfach nicht etwas aussetzen, was sie für 'Feindkultur' halten." Statistiken zeigen, daß von 30 000 Kindern, die jedes Jahr anfangen, arabisch zu lernen, die meisten wieder damit aufhören. Jeder Kandidat muß sich einer Serie von psychologischen Eignungstests unterziehen. Diesem Prozeß folgen Spezialprüfungen. Trotz aller Sorgfalt bei der Auswahl kommen Fehler vor. Es wäre absurd zu glauben, daß jeder Agent, der vom Mossad angeworben wurde, ein Wunder an Perfektion wäre. Es gibt Fallstudien über neue Beamte, die sich während der Ausbildung vielversprechend anließen, dann aber zu wenig inneren Halt bewiesen, so daß sie für den Außendienst ungeeignet waren. So brachte es ein Agent, der mit einem gefährlichen Auftrag nach Beirut geschickt worden war, nicht fertig, sein Hotelzimmer zu verlassen. Er war von den Schwierigkeiten der bevorstehenden Aufgabe so gelähmt, daß er außer Landes geholt werden mußte. Im Durchschnitt dauert die Grundausbildung ein Jahr. Am Anfang muß ein Mossadrekrut die Grundkenntnisse des Berufs erwerben Kodierungen, Gebrauch von Handfeuerwaffen, Selbstverteidigung, Fachwissen und Überwachungsstrategien. Fremdsprachen werden zum Grundwissen gezählt. Von den Mossad-Mitarbeitern wird erwartet, daß sie Fremdsprachen fehlerfrei sprechen, auch die Umgangssprache dazu beherrschen. Außerdem müssen sie für die Einsätze in aller Welt die sozialen Umgangsformen erwerben, um nir-

gends aufzufallen, so etwa, wie man sich anzieht, worüber man sich in welchen Ländern unterhält, wieviel Trinkgeld man gibt: Solchen anscheinend trivialen Details wird großer Wert beigemessen. „Das Schlimmste bei der Ausbildung sind die Gedächtnistests", sagte ein früheres Mossadmitglied. „Man muß sich einen Videofilm ansehen, der nach einer Bildfolge plötzlich unterbrochen wird, und dann muß man eine Liste von allen Objekten abgeben, die in dem Bruchteil der Sekunde gerade vor der Unterbrechung sichtbar waren." Während der Ausbildung wird rigoros weiter gesiebt, und von jedem Jahrgang geben zwischen 30% und 45 % der Kanditaten entweder auf, oder sie fallen durch. Das überrascht nicht, wenn man den Schwierigkeitsgrad von einigen Überlebenstests für Spione berücksichtigt. Ein Neuling berichtete, wie er auf eine Scheinmission in den Norden Englands geschickt wurde, ohne Geld und nur mit Instruktionen für eine Kontaktaufnahme. Der Kontakt kam natürlich nicht zustande, und es wurde seiner eigenen Initiative überlassen, einen Weg zurück nach Hause zu finden. Er kam auf die Idee, in einen Supermarkt einzubrechen, und er stahl genug Geld, um ein Flugtikket zu kaufen. Andere wieder wurden „entführt" und in fremden Ländern von ihren eigenen Leuten verhört, die sich als Araber ausgaben, um zu prüfen, wie sich ein Kandidat in unerwarteter und gefährlicher Situation verhalten würde. Zum Abschluß werden die Kandidaten nach ihren Fähigkeiten eingestuft, was entscheidet, ob sie am besten geeignet sind, die Nachrichten in ihrer Rohform auszuwerten, oder besser als Außendienstler, die Informationen zusammentragen. Die Besten landen dann auch an der Ausbildungsschule für besondere Aufgaben in Herzliyah, nördlich von Tel Aviv. Der Mossad ist stolz darauf, in diesem oft schmutzigen Geschäft seine Mitarbeiter dazu anzuhalten, hohe moralische Maßstäbe zu kultivieren. Nach internationalem Recht sind alle geheimen Tätigkeiten oder Nachrichtenermittlungen illegal. Trotzdem sind alle Nationen in solche Angelegenheiten verwickelt. Jeder Staat stellt also seine eigenen Regeln auf, wenn es darum geht, solche illegalen Tätigkeiten in Gang zu halten. Israel stellt sich auf den idealistischen Standpunkt, daß jede Aktion gerecht ist, wenn sie nicht nur von Regierung und den hohen Politikern gebilligt wird, sondern auch von den Leitern der

Geheimdienste und den Agenten selbst. Das ist ein rigoroser Standard, dem nicht immer Rechnung getragen wird. Aber als die Zorn Gottes-Kopfjäger ausgeschickt wurden, um die Araber zu ermorden, die für das Münchener Massaker verantwortlich gemacht wurden, erhielt jedes Mitglied ein detailliertes Dossier, das die angebliche Schuld der ihm zugewiesenen Person bewies. Jedes Mitglied der Truppe sollte einen zweifelsfreien Beweis für das Verbrechen der zu tötenden Person in Händen haben. Auch wenn also Mord gelegentlich zur Wahrung höherer Staatsinteressen für notwendig gehalten wird, behaupten die Geheimdienstler, ihre Aktionen seien so gerecht wie die von Soldaten im Kriegsfall. Wer von den Juden über die Heiligkeit des Lebens nachdenkt und über die Feinheiten des Gesetzes, für den ist der Gedanke an mordende Glaubensgenossen zutiefst beunruhigend, besonders wenn es ungerecht erscheint. Aber das ist der Fluch Sauls. Sogar David, der größte aller Könige^durfte keinen Tempel errichten, weil er Blut an den Händen hatte. Man hat viel Energie auf Debatten über die moralische Rechtfertigung bestimmter Taten verwandt, tatsächlich wird ebensoviel Energie für solche Diskussionen aufgebracht wie für die Planung der Operationen. „Wir heuern keine Kriminellen an", sagte eine früheres Mossad-Mitglied. „Die Organisation beschäftigt Bürger, die sichergehen wollen, daß ihre Tätigkeiten eine moralische Grundlage haben." Ein langjähriger Mitarbeiter erklärte, daß der Mossad niemals einen Menschen durch Erpressung zur Agententätigkeit zwinge. Das sei eine Tatsache, sagte er, und diese Einstellung beruhe zum Teil auf ethischen Grundsätzen, aber auch auf der Überzeugung, daß man einem Agenten wider Willen nie ganz vertrauen könne, denn die Erpressung am Anfang führe ganz einfach von selbst schon zu Mißtrauen. „Der springende Punkt bei der notwendigen Überzeugungsarbeit des Anwerbers für einen Nachrichtendienst ist, daß man den Angeworbenen vom Werber abhängig macht und ein Gefühl des Vertrauens aufzubauen versucht. Der Angeworbene soll sich schließlich zum Gehorsam verpflichtet fühlen. Das wäre bei einer Erpressungshandlung von vornherein unmöglich." Solche Bemerkungen widersprechen aber völlig der Flut von Geschichten, die über den Mossad im Umlauf sind. Sein öffentliches Erscheinungsbild ist viel-

mehr das einer Organisation ohne Skrupel. Es ist behauptet worden, daß Araber, die in Israel und den besetzten Gebieten leben und Pässe beantragen, um in arabische Nachbarstaaten zu reisen oder dort zu arbeiten, Informationen über diese Länder liefern müssen und daß ihnen mit Gefängnis gedroht wird, wenn sie sich weigern. Schin Beth hat solchen Druck auch zweifellos auf Araber in den besetzten Gebieten ausgeübt. Der Mossad behauptet außerdem, kein Agent werde daran gehindert zu kündigen, wenn der Dienstwille abhanden kommt. Es ist ja auch plausibel, daß ein Spion nachlässig wird, wenn er sich innerlich von seinem Auftrag gelöst hat, oder noch schlimmer, daß er anfällig wird für Versuche des Feindes, ihn als Doppelagenten anzuwerben. Die Organisation nimmt natürlich auch ungern komische Käuze oder emotional instabile Leute auf. Aber eine Auswertung der Akten von Agenten, die entlarvt worden sind, zeigt, daß es dem Institut nicht immer gelingt, seinen eigenen hohen Standard zu halten, und das ist auch nicht anders zu erwarten. Jonathan Pollard, der Amerikaner im Nachrichtendienst der US-Flotte, der für Israel arbeitete, war sehr gefühlsbetont, indiskret und ein Angeber. Mit den Worten William Websters, damals Leiter des FBI und nun Direktor der CIA: „Ich glaube, viele Leute waren richtig überrascht, weil es gar nicht zum Bild des israelischen Nachrichtendienstes paßte. Der Einsatz von Pollard war ganz ungewöhnlich." Ein Dilemma, mit dem sich die Verantwortlichen für das Anwerben von Mossad-Agenten konfrontiert sehen, ist, ob es ratsam scheint oder nicht, in der Diaspora lebende Juden für Spionagezwekke einzuspannen. Es ist normal, daß einige nur zu gern für den Mossad arbeiten, in dem Wunsch, Israel zu helfen. Wenn sie aber spionieren und dabei erwischt werden, kommt in manchen Ländern wieder die Angst vor Judenverfolgungen auf, und überall steht das Gespenst des alten Antisemitismus wieder auf. Dieses Problem war schon seit den allerersten Tagen des israelischen Geheimdienstes Anlaß zu Befürchtungen. Im Irak wurden 1951 Aktivitäten von Mossad-Agenten entdeckt, und die Emigration bedrohter Juden aus diesem feindlichen arabischen Staat war gefährdet. Als eine Konsequenz aus dieser Krise erbat sich Schaul Avigur, einer der Pioniere des Nachrichtendienstes, die Zusage von Premierminister David Ben-

Gurion, daß nie wieder Juden vor Ort oder deren Organisationen für den Geheimdienst beschäftigt werden sollten. Er argumentierte sehr überzeugend, der Staat Israel müsse ein Symbol der Hoffnung für alle jüdischen Gemeinden auf der Welt sein und kein Anlaß für weitere Leiden. Wenn die Nachrichtendiensttätigkeit einzelner ausländischer Juden erst einmal entdeckt sei, bestehe Gefahr für die ganze jüdische Bevölkerung des betreffenden Landes. Im allgemeinen versucht der Mossad, sich an diese Regel zu halten und möglichst die Problematik einer Anwerbung von im Ausland lebenden Juden zu umgehen, schon allein deshalb, weil feindliche Abwehragenten bei der Suche nach Spionen wahrscheinlich zuerst auf den Gedanken kämen, die von Juden frequentierten Orte zu durchsuchen. Im allgemeinen begegnet die Organisation der Anwerbung von Juden in der Diaspora mit demselben Mißtrauen wie der KGB einer Einbeziehung ausländischer Mitglieder der Kommunistischen Partei. Man beschwört damit viele Schwierigkeiten herauf und erleichtert der Abwehr die Arbeit. Eine gerade entgegengesetzte Erkenntnis vertritt aber ein CIABericht über den Mossad. Er wurde in der amerikanischen Botschaft in Teheran von Revolutionären entdeckt, als sie das Gebäude stürmten. Darin heißt es, daß Israel sehr wohl Diaspora-Juden für seine eigenen Interessen einsetzt, sowohl was das Anwerben von Agenten betrifft als auch für allgemeine Informationen: „Der aggressiv-ideologische Charakter des Zionismus, der betont, daß alle Juden nach Israel gehören und dahin zurückkehren sollten, hat jedoch Nachteile im Bezug auf Neuwerbungen zur Unterstützung der Nachrichtendiensttätigkeiten, weil es beträchtliche Opposition zum Zionismus unter Juden in der ganzen Welt gibt. Da israelische Geheimdienstler sich dieser Tatsache bewußt sind, gehen sie in der Regel sehr diskret innerhalb der jüdischen Gemeinden vor; sie haben den Auftrag, ihre Missionen mit äußerstem Taktgefühl durchzuführen, um Peinlichkeiten für Israel zu vermeiden. Sie versuchen auch, in anti-zionistische Kreise einzudringen, um die Opposition zu neutralisieren. Trotz solcher Vorsichtsmaßnahmen gibt es oft Rückschläge, und es sind mehrere Fälle bekannt, bei denen

versuchte Werbungen von Amerikanern jüdischen Glaubens zurückgewiesen und den amerikanischen Behörden gemeldet wurden." Der Name „Mossad" klingt viel sinistrer und romanhafter als seine genaue Übersetzung ins Deutsche, die ihn banaler und respektabler erscheinen läßt. Tatsache ist, daß das Institut dafür verantwortlich ist, was in den einschlägigen Kreisen „Personenüberwachung" genannt wird, d. h. geheime Aktionen einschließlich Fehlinformationskampagnen und Terrorabwehr. Seine Hauptaufgabe ist, Aktionen gegen feindliche arabische Staaten und Organisationen auf der ganzen Welt durchzuführen, besonders aber in Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Es gibt auch einen militärischen Sektor im Geheimdienst: Beschaffung von Informationen über den Zustand arabischer Truppen, besonders ihrer Führung, Moral und Bewaffnung. Natürlich ist der Mossad auch stark an deren Innenpolitik und diplomatischen Aktivitäten interessiert. Die Agenten behalten ständig die Nachrichten über Veränderungen in den Beziehungen zwischen arabischen Führern im Auge. Ebenso sind Handelsabkommen im Nahen Osten Gegenstand ständiger Beobachtung, besonders natürlich wenn es den Kauf und Verkauf von Waffen betrifft. Die Auswerter hören laufend arabische Propaganda ab und versuchen, sie zu durchkreuzen. Ein mißtrauisches Auge ruht stets auf den Vereinten Nationen; man glaubt, daß sie in der Regel gegen israelische Interessen eingestellt sind. Geheimdiensttätigkeiten dieser Art werden oft von geheimen Mossad-Kommandos in der Praxis verwertet, die den Auftrag haben, Störungen zu arrangieren mit dem Ziel, Mißtrauen unter den arabischen Staaten und ihren Führern zu säen. Von den acht Abteilungen, die 1977 eingerichtet wurden und sich seither in der Organisation wenig verändert haben, ist die Abteilung für Nachrichtensammlung die größte. Sie ist für Spionage im Ausland zuständig und für die Auswertung der betreffenden Berichte. In diesem Umfeld arbeiten einige Mitglieder unter diplomatischer Tarnung und sind „legal", während andere inoffizielle Tarnungen als Händler oder Geschäftsleute haben. Die Abteilung für Aktionen und Verbindungen kümmert sich um die Beziehungen mit ausländischen befreundeten Nachrichtendiensten und hält Kontakt mit Nationen, zu

denen Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Ihr unterstellt ist die Abteilung für besondere Aufgaben, die Aktivisten, die geheime Maßnahmen gegen arabische Terroristen durchführen, auch gegen gesuchte Nazis und Neonazi-Gruppen.Zu ihren Methoden gehören auch Sabotage, paramilitärische Aktivitäten und psychologische Kriegsführung. Obwohl der Chef des Mossad dem Premierminister direkt untersteht, sind die Konstellationen je nach der Persönlichkeit der Beteiligten verschieden. Der Leiter des Geheimdienstes hält es nicht immer für notwendig, den Verteidigungsminister über die Details einer Aktion zu unterrichten. Die letzte Entscheidung über eine größere Maßnahme wird von einem Kabinettsausschuß getroffen, der den Mossad-Chef, den Premierminister und andere direkt betroffene Minister einschließt. Zu Zeiten Ben-Gurions, als die Eichmann-Affäre zur Debatte stand, kam die Initiative von seinem Geheimdienstchef, denn Harel gab später zu: „Ich hatte ihn gewarnt, daß wir etwas Ungesetzliches in einem befreundeten Land tun müßten. Und er antwortete mir, nur in diesem Fall, denn es gab kein Mittel, nicht die geringste Chance, auf einem anderen, offiziellen Weg an Eichmann heranzukommen." Michael Bar-Zohar, der Biograph Harels, erinnert sich an einen „sehr diabolischen Plan, ... sehr klug und effizient", der General Mosche Dayan vorgeschlagen wurde. Dayans Antwort war: „Jetzt, da du mich fragst, muß ich nein sagen. Warum fragst du mich? In dem Moment, wo du mich fragst, muß die Antwort nein lauten." Eine solche Reaktion verrät doch, daß es nicht ungewöhnlich für den Mossad ist, bei Gelegenheit ohne Erlaubnis zu handeln. Und für den politischen Machthaber hat es wieder den Vorteil, daß er später auf Befragen guten Gewissens jegliche Kenntnis von dem Unternehmen abstreiten kann. So war es General Dayan, der das praktische Wort vom „glaubhaften Dementi" prägte. Die osteuropäischen Staaten sind ein weiteres Ziel des Geheimdienstes. Mossad versucht zu erkunden, wieviel Unterstützung die Sowjetunion arabischen Staaten gewährt. In diesem Zusammenhang vergessen die Israelis nie, daß sie sich um die Interessen der nicht kleinen jüdischen Minderheit in der Sowjetunion und Osteuropa kümmern müssen. Das Problem der Emigration der russischer Juden bedarf ganz sicher der Aufmerksamkeit der Nachrichtendienste.

Eine weitere Aufgabe hatte der Mossad von Anfang an übernommen: Kontakt zu halten mit unterdrückten jüdischen Minderheiten überall auf der Welt. Er mußte Verbindungen aufbauen und Agenten ausbilden, um solchen Gruppen je nach Notwendigkeit zur Hilfe zu kommen. Das Institut schickte Arbeitsgruppen in den Irak, Iran, nach Südjemen und Algerien, um die Auswanderung von Tausenden jüdischer Glaubensgenossen, deren Leben in Gefahr war, zu sichern, entweder im Geheimen oder öffentlich. Eine der bemerkenswertesten Operationen war die erfolgreiche Rettung von 60 000 Falashas aus Äthiopien, schwarzen Juden, die angeblich Nachkommen eines der verlorenen Stämme Israels sind. Diese „Rückholung" war um so spektakulärer, als sie über eine Luftbrücke vom benachbarten arabischen Staat Sudan aus erfolgte. Dessen damaliger Präsident Numeiri war von israelischen Diplomaten dazu gebracht worden, in der Angelegenheit ein Auge zuzudrücken. Wer schließlich den Preis für diese Zusammenarbeit bezahlen mußte, war General Omar Mohammed atTayeb, der Leiter des Staatssicherheitsdienstes. Er wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er die geheimen Landungen der Flugzeuge im Sudan erlaubt hatte. Aufgrund der jüdischen Diaspora auf der ganzen Welt hat Israel eine Art globale Verantwortung geerbt. Die Verpflichtung, sowohl die Interessen der in der Diaspora lebenden Juden als auch die seiner eigenen Bürger zu wahren, zwingt den Staat zu verantwortungsvollem Handeln auf einem weiten, internationalen Feld. Die Geheimdienste sind außerdem ein Mittel geworden, eine Isolation Israels durch internationale Mißbilligungsäußerungen zu verhindern. Seine Mitarbeiter werden in Handels- und Waffengeschäfte verwickelt, manchmal auch in ein Ausbildungsprogramm für die Nachrichtendienste und Armeen der Dritten Welt. Mossads Abteilung für Nachrichtensammlung und seine Abteilung für politisches Handeln unterhalten Außenstellen in etlichen Ländern. Israels großer Nachteil, der die Mittel sehr in Anspruch nimmt: Es ist gezwungen, einen Geheimdienst von der Größe eines Rolls-Royce mit dem Budget eines Kleinwagens zu unterhalten.

4. Hi-tech und rohe Gewalt

In der komplizierten Welt des israelischen Geheimdienstes ist der ständige Wechsel in den Beziehungen zwischen dem Mossad und seinem militärischen Bruder - Aman - am schwersten zu verstehen. Seit der Name „Mossad" in der Öffentlichkeit bekannt wurde, stand er immer für Abenteuertum, für Schneid und Tapferkeit. Aman sofern sein langweilig klingender Name überhaupt jemandem bekannt ist, außer den Experten - wurde dagegen für zwei verheerende Geheimdienstkatastrophen verantwortlich gemacht. Da war zunächst in den fünfziger Jahren die geheime Aktion in Ägypten, die scheiterte, dann versagte er im Jahr 1973: Er konnte die eintreffenden Berichte nicht auswerten, nach denen Ägypten und Syrien kurz vor einer Invasion Israels standen. Diese Versagerquote wurde zweifellos durch brillante Erfolge kompensiert. Im Sechs-Tage-Krieg setzten die militärischen Nachrichtendienstler ihre Talente sehr zum allgemeinen Vorteil ein. Die Agenten waren in der Lage, detaillierte Informationen über die ägyptische Luftwaffe zu liefern, die den Israelis präventive Luftangriffe ermöglichten: Ägyptische Kampfflugzeuge wurden Minuten vor dem Ausbruch des Krieges noch am Boden überrascht und auf ihren eigenen Rollfeldern zerstört. Die Außendienstler von Aman machten sich große Mühe, eine Datenbank zu erstellen mit Unterlagen, die angeblich Einzelheiten über jeden Offizier der arabischen Truppen der umliegenden Staaten enthielten. Diese Daten waren nicht nur den Frontkommandeuren, sondern auch den Offizieren der unteren Dienstgrade zugänglich, zur besseren Einschätzung des Feindes und seiner Taktiken. Die Fakten waren mit den erprobten Methoden des militärischen Sicherheitsdienstes gewonnen: durch Gefangenenver-

höre und das Durchforsten von Zeitungssauschnitten und militärischen Blättern. Aman ist mit Sicherheit die beste Aufklärungstruppe im Nahen Osten geworden. Seine Nachrichtenoffiziere und Auswerter sind bei der Nachrichtensammlung schon immer äußerst kompetent gewesen, haben aber hin und wieder nicht so viel Wert auf die notwendige Interpretation des Materials gelegt, das so gewissenhaft gesammelt wurde. Für diesen Zustand ist zum Teil das ständige Kompetenzgerangel zwischen Aman und Mossad verantwortlich. Nur Spezialisten konnten die Feindlichkeiten der ziemlich vagen, geschriebenen und ungeschriebenen Abgrenzungslinien völlig durchschauen. So fand sich etwa eine geheime militärische Verbindungseinheit manchmal in versteckte Unternehmungen verwickelt, die Aman und Mossad gemeinsam durchführten. Vor Beginn der Operation entschied der Mossad, welcher Soldat am besten für diesen oder jenen speziellen Auslandsauftrag geeignet sei. Zweifellos trug die Möglichkeit, Hilfsmittel gemeinsam zu nutzen, zur Flexibilität bei, aber manchmal verwirrte dies sogar die Betroffenen und führte zu persönlichen Auseinandersetzungen und Streitereien. Gelegentlich setzte der eine Teil des Geheimdienstes Personal aus der anderen Organisation ein. Der militärische Nachrichtendienst hatte das Recht, spezielle Aktionen auszusuchen und sie zu planen, aber für die Ausführung brauchte er die Erlaubnis des Mossad. Dieses Arrangement hatte unvermeidlich zur Folge, daß der Mossad in den Rang des Vorgesetzten rückte. Am Anfang war Aman die Nachrichtenabteilung des israelischen Generalstabs; er arbeitete dort in der operativen Abteilung. Im Jahre 1953 wurde die Armee aber einer strukturellen Reform unterzogen und das ursprünglich britische Modell zugunsten des französischen aufgegeben. Erst dann wurde der militärische Nachrichtendienst eine eigene Organisation und übernahm die Bezeichnung „ Agaf Hamodiin" (Akronym: Aman). Nach der Umstrukturierung war Oberst Binyamin Gibli Leiter des Nachrichtendienstes, sein Stellvertreter Oberstleutnant Yehoschaphat Harkabi. Aman hatte sich also schon sichtbar als militärische Organisation etabliert, mit seiner eigenen grün-weißen Flagge, einem Schwertlilienabzeichen und allem, was äußerlich auf eine Armeehierarchie hinweist, und das unterschied ihn von der zivilen Mantel-und-Degen-

Aufmachung des Mossad. Um die Struktur zu erhalten, wurde es später Usus, den Chef der Organisation automatisch bei Amtsantritt zum General zu befördern. Die 1953 eingeführte Organisationsstruktur gab Oberst Gibli (zu dieser Zeit noch nicht zum General befördert) zum einen das Kommando über das Nachrichtenkorps der Armee, das aus 600 Offizieren und Mannschaften bestand, die über alle Truppen verteilt waren, zum anderen über die Nachrichtenabteilung des Generalstabs. Sie hatte ungefähr 200 Mann zur Verfügung, und ihre Schlagkraft beruhte auf der Abteilung für Nachrichtensammlung, die von der Forschungsabteilung unterstützt wurde. Dort wurden einige „Redaktionen" eingerichtet, jeweils eine für jedes arabische Land. Ihre Aufgabe war es, eingehendes Nachrichten-Material auszuwerten. Ein Teil davon wurde vom Mossad übernommen, der Organisation, die weiterhin für Unternehmungen außerhalb Israels zuständig war. Diese Struktur ist im Grunde heute noch dieselbe, wenn auch veränderten Bedingungen angepaßt. Auch in den achtziger Jahren hatte die Nachrichtenabteilung der israelischen Truppen immer noch die Aufgabe, militärische, geographische und ökonomische Informationen über sämtliche Staaten des Nahen Ostens zu sammeln. Zu diesem Zweck ist sie in Unterabteilungen aufgeteilt - Dokumentation, Nachrichtenkorps, Auslandskontakte und eine vierte Abteilung, die sowohl für Frontabwehr als auch militärische Zensur verantwortlich ist. Alle Medienberichte, die Verteidigungsangelegenheiten Israels betreffen, müssen der Zensur vorgelegt werden, sogar in Friedenszeiten. Die wichtigste Aufgabe der Unterabteilung Dokumentation ist es, die jährliche „Kriegsrisiko"-Beurteilung und die nationalen Geheimdiensteinschätzungen vorzunehmen. Eine der Gruppen dieser Abteilung hat den abschreckenden Titel „Feinddoktrin"; diese Gruppe gibt täglich Berichte mit unbearbeiteten und analysierten Informationen heraus. Die jüngsten verfügbaren Daten lassen den Schluß zu, daß Aman in den achtziger Jahren ungefähr 7 000 Mitarbeiter hatte, von denen 600 in den Regionalredaktionen mit der Nachrichtendokumention beschäftigt waren. Sie werden auf Empfehlung der kommandierenden Offiziere angeworben oder in Schulen und Universitäten für eine besondere Ausbildung ausgewählt.

Das Nachrichtenkorps ist für den Bereich Nachrichtensammlung zuständig, sowohl mit offenen als auch mit geheimen Methoden. Der Agentenzweig organisiert, wie sein Name schon sagt, Militärspionage - das Sammeln von militärischem Geheimmaterial. Aber die Mitarbeiter dieser Einheit von Aman haben keinen freien Handlungsspielraum wie die ausländischen militärischen Nachrichtendienste; ihre Aktivitäten sind geographisch auf Einsätze in den benachbarten arabischen Territorien beschränkt. Zu ihrer Unterstützung unterhält die Organisation auch eine Fernbeobachtungseinheit, die alle Feindbewegungenjenseits der Grenzen genau im Auge behält. Als Einheit 10 oder Katam bekannt, hat sie auch das Kommando über die Agenten im nahegelegenen Feindesterritorium. Einige von ihnen sind „arabisierte Juden", die für lange Zeiträume eine falsche arabische Identität annehmen; andere sind einfach arabische Informanten, die beim Geheimdienst üblicherweise unter dem hebräischen Wort shtinkerim bekannt sind, eine Entlehnung vom englischen Wort stinker („Widerlinge"). Aman hat seine eigene Abteilung für Auslandsbeziehungen, unter anderem für Verbindungen mit ausländischen Militärorganisationen. Diese spannt auch die im Ausland stationierten israelischen Militärattaches ein, die bei der Übermittlung von verfügbarem Material von Nutzen sind, besonders was Waffenentwicklung und Ausrüstung angeht. Der Geheimdienst hält Kontakt zu fremden Attaches und überwacht ihre Aktivitäten. Hin und wieder wurde auch britisches und amerikanisches Militärpersonal der Botschaften verhaftet, weil es zum Beispiel Militäreinrichtungen fotografiert hatte. Der militärische Nachrichtendienst und der Mossad teilen sich auf ihre Art die Aufgaben dessen, was man konventionelle Spionage nennen könnte. Was Aman überhaupt von seinem „zivilen" Partner unterschied, war seine Dominanz in zwei spezifisch militärischen Bereichen. Als Einstieg sozusagen hatte er das Kommando über die Spezialeinheiten mitgebracht. Diese Einheiten wurden dann auch für die Durchführung einiger Operationen unentbehrlich; und er leitete die Arbeit mit Funksignalen. Der Vorfahr der israelischen Spezialeinheiten war eine Formation aus der Zeit vor der Unabhängigkeit, die „Nachtschwadrone". Sie entstanden in den dreißiger Jahren, und sie hatten den Vorteil militä-

rischer Beratung durch Orde Wingate, einen unkonventionellen britischen Soldaten und Talmudgelehrten, der es in seiner Karriere später als Kommandeur der Chindits, die hinter der Front in Burma gegen die Japaner kämpften, zu Ruhm und Ehre brachte. Die Strategie der Schwadrone waren Präventivschläge gegen arabische Truppen, die Angriffe auf israelische Dörfer und Kibbuze vorbereiteten. Als sich die arabischen Überfälle in den schwierigen Zeiten nach der Unabhängigkeit häuften, stellte der Stabschef auf den Vorschlag des Brigadiers Michael Schaham hin im August 1953 eine Armee-Einheit zusammen, nach dem Vorbild der Nachtschwadrone. Sie wurde Einheit 101 genannt (weil sie im Lager 101 ausgebildet wurde) und stand unter dem Befehl von Major Ariel Scharon, der später im Yom-Kippur-Krieg berühmt wurde. Er warb 40 erfahrene israelische Partisanen für diese Truppe an, die zu einer Art Privatarmee wurde und dazu ausgebildet war, Gegenanschläge auf Terroristen-Stützpunkte hinter der Grenze auszuüben. Die Schwadrone kämpften gewöhnlich in Zivil, eher im Stil der Indianerhorden im Wilden Westen. Die Einheit zog bei dem schweren Racheakt auf Quibya in Jordanien, dem 66 Dorfbewohner zum Opfer fielen, unwillkommene Aufmerksamkeit auf sich und ihre brutalen Methoden. Sie wurde trotzdem nie ganz aufgelöst, und die Tradition lebte fort, als die Einheit mit einem respektableren und konventionelleren Fallschirmbataillon zusammengelegt wurde. Immer noch unter dem Befehl von Scharon führte sie weiterhin ihre eigene Machart eines schmutzigen Geheimkriegs gegen die Araber an den Grenzen und im Gazastreifen, als dieser bei Kriegsende 1967 in israelische Hand fiel. Dies ist die Vorgeschichte von Sayeret Matkal, der neuen Einheit, die sich schließlich herausbildete. Sie sollte besondere Operationen abwickeln, die vom Nachrichtendienst verlangt wurden. Sie stand außerhalb der regulären Armeekontrolle und hatte ihre Basis auf einem Militärflugplatz, mit einer Stärke von etwa 200 Mann, die jederzeit zum sofortigen Einsatz bereit waren. Dazu konnten Spezialisten schnell angefordert werden, entweder vom Geheimdienst oder den bewaffneten Truppen und ihren Reservisten. Die Soldaten dieser Einheit unterziehen sich einem harten körperlichen Training und einer Ausbildung an der Waffe, lernen Fallschirmspringtechniken und Tauchen. Die Ausbildung findet manchmal, nur um die Sache zu

erschweren, auf feindlichem Gebiet statt. Das Gewicht liegt auf Initiative und Ausdauer; das Muster wäre Soldaten ähnlicher ausländischer Einheiten vertraut, wie der britischen SAS oder den amerikanischen Delta-Kommandos. Geheimhaltung und Tempo sind die Losungen. Alles an dieser Truppe ist geheim, und der Name selbst, einfach Die Einheit, behält eine Aura angemessener Anonymität. Innerhalb Israels verbietet die militärische Zensur, daß der Name gedruckt wird. Die Einheit ist nur dem Chef des militärischen Nachrichtendienstes verantwortlich. Obwohl sie auch konventionelle Militäroperationen ausfuhrt, ist ihr wahrer Zweck, bei Unternehmungen des Mossad als starke Unterstützungstruppe zu fungieren, wenn militärische Schlagkraft erforderlich ist. Einer ihrer ersten Einsätze führte die besondere Schwadron 1968 auf einem von Hubschraubern aus durchgeführten Überfall tief in ägyptisches Territorium, wo sie Nilbrücken und ein Kraftwerk sprengten. In selben Jahr führte die Einheit einen Vergeltungsschlag im internationalen Flughafen von Beirut durch, wo sie neun Flugzeuge der Middle East Airlines zerstörte. Sayeret Matkal entwickelte sich im Kampf gegen palästinensische Terroristen zu Mossads starkem Geschütz, immer bereit, die militärischen Muskeln für Racheaktionen spielen zu lassen und entführte Flugzeuge anzugreifen, um Geiseln zu befreien. Im Laufe der vom Mossad durchgeführten Unternehmungen gegen Palästinenser in Europa wurden sogar etliche Soldaten der Einheit zum Mossad abkommandiert. In einer gemeinsamen Operation trug die Einheit den Krieg auf feindliches Territorium: Es war ein Überfall auf arabische Befehl szentralen in Beirut, vom Meer aus durchgeführt. Der größte Triumph der Einheit war der Befreiungsschlag in Entebbe, wieder eine gemeinsame Aktion mit dem Nachrichtendienst. Ihr jüngster Einsatz war ein Anschlag von See her auf das PLO-Hauptquartier in Hammamet in Tunesien, bei dem Chalil al-Wazir, ein Gründungsmitglied von El Fatah, getötet wurde. Er war es, der den Palästinenser-Aufstand im Westjordanland führte und damit zum offensichtlichen Ziel israelischer Geheimaktionen wurde. Kommandounternehmen machten einen bedeutenden Teil der Arbeit des militärischen Nachrichtendienstes aus. Auf längere Sicht war

es aber das Abfangen von Radio- und Funksignalen, das sogenannte sigint, im Gegensatz zur Personenüberwachung, die Aman den höheren Status sicherte. Der eine große Vorsprung des militärischen Nachrichtendienstes gegenüber seinem zivilen Rivalen ist, daß eines seiner Korps sich um die Funkaktivitäten aller geheimen Nachrichtenorganisationen im Land kümmert. Der Mossad ist also für seinen Nachrichtenverkehr völlig auf dessen technische Möglichkeiten angewiesen. Mit der Entwicklung militärischer Technologie, als elektronische Kriegsführung die Schlachtfeldstrategien zu dominieren begann, wurde es für Aman immer wichtiger, sich auf den Funksektor der Nachrichtenermittlung zu konzentrieren. Obwohl Israel mit Großmächten nicht konkurrieren kann, wenn es um Spionagesatelliten im All, internationale Abhörstationen und anderen teuren Luxus geht, war es in der Lage, an seinen Grenzen ein Netz von Abhörstationen zu schaffen. Im Zermürbungskrieg zum Beispiel, der langen Periode militärischen Abwartens im Sinaigebiet, die von 1970 bis zum YomKippur-Krieg im Jahre 1973 andauerte, hörte eine Einrichtung 20 Meilen vom Suez-Kanal entfernt bei Umhashida den ägyptischen Militär-Funkverkehr ab. In der Nähe der Nordgrenze, auf dem Berg Hermon, ist eine ähnliche Station immer noch im Einsatz, in einer Entfernung von nur 40 Meilen von der syrischen Hauptstadt Damaskus. Die Einheit 2, speziell aus Truppenexperten und Technikern zusammengestellt, um Funksignale und elektronische Nachrichten aufzufangen, ist militärisch von großer Bedeutung. Aber ein kleines Land wie Israel, von ökonomischen Problemen gebeutelt, würde nie in der Lage sein, seine Nachrichtendienste mit der High-tech-Ausrüstung zu versorgen, die man für eine längerfristige Überwachung der Feindstaaten braucht. Diese Einsicht brachte Israel dazu, zu versuchen, sich Informationen auf andere Art und Weise zu verschaffen. Es sah sich gezwungen, die Krümel vom Tisch des reichen Mannes, Amerika, zu sammeln. Als aber die USA einen Schlußstrich unter die Weitergabe von allen Früchten ihrer Ermittlungen zogen, schickte Israel Spione aus, um die Informationen auf anderen Wegen von seinem loyalsten Freund und Verbündeten zu erhalten.

Zweiter Teil: Immer weiter

5. Die Ab wehr panne

Für eine Öffentlichkeit, die an Wundergeschichten über die brillante Unfehlbarkeit von Mossad und Aman und deren tadelloses Können bei Spezialeinsätzen gewöhnt ist, muß die Geschichte über das Spionagenetzwerk, das vom militärischen Nachrichtendienst in Ägypten eingerichtet worden war, ein großer Schock gewesen sein. Es war 1954 - David Ben-Gurion hatte sein Amt an den neuen Premierminister Mosche Scharet abgegeben und sich in einen Kibbuz zurückgezogen. Der neue Amtsinhaber war eine Persönlichkeit, der es nicht zu gelingen schien, ihre Autorität durchzusetzen, besonders nicht was den Verteidigungsminister Pinchas Lavon anbetraf, der sich als Gewerkschaftsführer mehr mit den Feinheiten wirtschaftlicher Taktiken als mit militärischen Strategien auskannte. Zwei ehrgeizige junge Männer im Verteidigungsministerium, der Stabschef Mosche Dayan und der Ministerialdirigent Shimon Peres, warteten auf ihren großen Auftritt, und sie schienen eher geneigt, den alten Premierminister zu Beratungen aufzusuchen, als dem neuen zu dienen. Die Schlußperiode von Oberst Giblis Amtszeit als Chef des militärischen Nachrichtendienstes war furchtbar. Premierminister Scharet schrieb in seine Tagebücher, daß der Oberst engstirnig war, „eine erschreckende Unwissenheit in bezug auf den Nahen Osten" an den Tag legte und zu „bösartiger Einseitigkeit" tendierte. Besessen von der Angst vor Terrorüberfällen in Israel aus den arabischen Staaten, war Aman immer bereit, solchen Bedrohungen mit Militäraktionen zu begegnen, um zu beweisen, daß die Obrigkeit im neuen Staat Israel nicht gewillt war, sich passiv zu verhalten. In der spannungsreichen Zeit nach dem Angriff auf das jordanische Grenzdorf Quibya durch die Einheit 101 informierte der militärische

Nachrichtendienst den Premierminister über Truppenbewegungen in Richtung Westen von Seiten der Jordaniern Arab Legion, die mit britischer Hilfe gebildet worden war, um das haschemitische Königreich Transjordanien zu schützen. Der Angriff Jordaniens kam dann nicht zustande, aber in der von Panik geprägten Atmosphäre gab es wieder falschen Alarm, als „Ahmed", ein arabischer Agent im Dienste Israels, irrtümlich einen drohenden Überfall auf einen israelischen Stützpunkt in der Nähe von Jerusalem meldete. Dann fand in Damaskus ein Coup statt, der den militärischen Nachrichtendienst aus dem Gleichgewicht warf, gefolgt von irreführenden Berichten von Aman, daß der Irak im Begriff sei, Syrien zu überfallen. Glücklicherweise wurden Forderungen der militärischen Hitzköpfe nach einer Intervention der israelischen Armee dort zurückgewiesen. Die politischen Konsequenzen solcher Aktionen waren nicht richtig analysiert worden, und dem militärischen Nachrichtendienst war dazu noch der Kardinalfehler unterlaufen, die Fakten falsch interpretiert zu haben. Dennoch hielt sich Aman für die Cr&me der Nachrichtendienste. Es war seinem Rivalen Mossad in der Beziehung voraus, daß seine Chefs mehr Einfluß bei der politischen Führung hatten. Ursprünglich war es vorgesehen, daß der Leiter des Mossad in die Planung aller Spezialeinsätze auf feindlichem Gebiet einbezogen werden mußte, und vor einer jeden Operation mußte seine Zustimmung vorliegen. Aber sowie Lavon Verteidigungsminister wurde, änderte er die Regeln und beendete dieses Arrangement genau in dem Moment, als Aman am aggressivsten war. Seine Truppe für Spezialeinsätze legte eine Bombe in Beirut, und es gab einen wirren Plan für die Sprengung einer Brücke in Jordanien. Weitere Beweise für Amans Inkompetenz lieferte eine schlecht vorbereitete Einheit aus fünf israelischen Stoßtrupps, die auf einem nachrichtendienstlichen Einsatz in Syrien beim Einsetzen von Ersatzbatterien in ein Abhörgerät erwischt wurde, das auf die syrischen Feldtelefone in den Golanhöhen gepeilt war. Einer der Soldaten beging Selbstmord aus Angst, unter der Folter zusammenzubrechen und geheime Informationen zu verraten. Es war eine unruhige Zeit; dazu war in Ägypten etwas geschehen, was trotz anfänglicher Erleichterung allmählich Sorgen bereitete:

König Faruk war gestürzt worden. Sein Abgang löste ja wenig Trauer aus, aber Gamal Abd en-Nasser, der Führer der Putschisten, als „Freie Offiziere" bekannt, offenbarte bald seine Ambitionen als arabischer Diktator mit anti-imperialistischen und sozialistischen Tendenzen, und da wurden im Nahen Osten und in Europa die Sturmflaggen gehißt. Es wurde bald klar, daß der neue Mann in Kairo den Ehrgeiz hatte, zum Führer der arabischen Welt aufzusteigen, und sein erstes Ziel würde der Zugriff auf den Suezkanal sein, der damals einer britisch-französischen Gesellschaft unterstand. Sein nächstes Ziel war es, die starke britische Militärpräsenz in der Kanalzone zu beenden. Wenn er das erreicht hätte, wären die Konsequenzen für Israel gravierend gewesen: Ein Rückzug der britischen Truppen aus der Pufferzone hätte Israel durch eine mögliche Überquerung der Sinai-Halbinsel einem ägyptischen Angriff ausgesetzt. Auch die arabische Blockadc gegen den neuen Staat Israel hätte empfindlich enger gezogen werden können. Die tolerante Haltung der Westmächte gegenüber dem Umsturz in Ägypten empörte die Israelis. Der amerikanische Außenminister John Foster Dulles schien überzeugt, daß Nasser ein Verbündeter werden und dazu beitragen könnte, dem sowjetischen Kommunismus im Nahen Osten die Stirn zu bieten. Es gab sogar Indizien dafür, daß die CIA Präsident Nasser geholfen und ihn ermutigt hatte, in der Hoffnung, eine starke und freundlich gesinnte Regierung in Kairo im Amt zu sehen. Die britische Regierung war geneigt, eine Vereinbarung mit dem Regime in Kairo über einen allmählichen, vollständigen Rückzug der britischen Truppen aus Ägypten zu treffen. Im Sommer 1954, zwei Tage vor dem Vorfall, erfuhr Aman von den Einzelheiten einer Vereinbarung Winston Churchills, damals Premierminister, mit Präsident Eisenhower, die einen neuen britischen Plan für die Aufgabe der Suezstützpunkte betraf. „Etwas muß geschehen", war die Reaktion der israelischen Führer, als ihr Nachrichtendienst enthüllte, die britische Regierung beabsichtige, mit dem Truppenabzug aus Ägypten zu beginnen. Die Aktion, auf die man sich letzlich einigte, war eine unausgegorene Verschwörung in Ägypten, angezettelt in der Absicht, das Nasser-Regime zu erschüttern. Wer diesen Plan eigentlich zuerst aufbrachte, bleibt ein Geheimnis, aber er wurde von höchster Stelle gebilligt, und

bald darauf begann die Einsatzplanung. In groben Zügen sah der Plan etwa so aus: Man wollte zunächst ein israelisches (als arabisch getarntes) Terroristennetz in Ägypten aufbauen. Es sollte aktiv werden und eine Serie von Bombenanschlägen auf britische und amerikanische Ziele verüben, zum Beispiel das British Council und das US Information Center in Kairo, und das würde dann den Ägyptern in die Schuhe geschoben werden. Im günstigsten Fall würde Oberst Nasser dann seinen alten Feinden, den fundamentalistischen Moslem-Brüdern, in den Rücken fallen, und Briten und Amerikaner wären gezwungen, die Lebensfähigkeit des neuen Regimes noch einmal zu überdenken. Nur ein von sich überzeugter und übereifriger Geheimdienst konnte je auf die Idee kommen, solch ein Plan könnte überhaupt gelingen; das ganze Konzept, auf dem er basierte, verriet eine erschreckende Unkenntnis der arabischen Welt und Ägyptens im besonderen. Aber in den Führungsstellen legte keiner sein Veto gegen diesen Plan ein, und die Vorbereitungen liefen weiter. Die Einheit 131 (nicht zu verwechseln mit der Einheit 101) unterhielt ein Amateur-Spionagenetz mit ägyptischen Juden, das mehrere Jahre zuvor vom militärischen Geheimdienst für Spezialeinsätze hinter den Linien für den Falle eines Kriegs zwischen Israel und Ägypten eingerichtet worden war. Vom Hauptquartier in der alten arabischen Stadt Jaffa aus, in der Nähe von Tel Aviv, organisierte Oberstleutnant Mordechai Ben-Tsur Erprobung und Vorbereitungen des Spionagerings, der für die „Operation Suzanna" vorgesehen war. Sowohl der Mossad als auch Schin Beth waren daran beteiligt, auch die Kollegen vom militärischen Nachrichtendienst. Mosche Dayan schrieb später darüber: „Die Einheit begann einen Einsatz, der hinterher immer als 'die Abwehrpanne' bezeichnet wurde." Vor Ort wurde das Netz aus „Schläfern" von Oberst Avraham Dar befehligt. Sein Deckname war „John Darling"; das paßte gut zu seiner Tarnung als Engländer, der für eine britische Firma tätig war. Sein erster Fehler bestand schon darin, einen Mann anzuwerben, der in anderer Funktion auch der Führer einer zionistischen Bewegung in Ägypten war, die die Emigration ägyptischer Juden organisierte; sein Name war Dr. Victor Sa'adi. Er sagte begeistert seine Hilfe zu. Zusammen rekrutierten beide ortsansässige Juden, um das Sabotagenetz zu unterstützen. Die große Gefahr bei dieser Vorgehensweise

war, daß als Folge einer Entlarvung die gesamte jüdische Bevölkerung in Ägypten in Verruf geraten konnte. Der überaus aktive ägyptische Nachrichtendienst begegnete ihr ohnehin schon mit Mißtrauen. Trotzdem ging man ganz nach Plan vor. Dr. Mosche Marzouk vom jüdischen Krankenhaus befehligte die Zelle in Kairo, während Schmuel Azar, ein junger Lehrer, eine ähnliche Gruppe in Alexandria führte. Jeder war für seine eigene Gruppe verantwortlich. Der Kreis der Verschwörer bestand aus jungen, enthusiastischen Freunden, und das war ein weiterer Nachteil, denn wenn einer von ihnen in die Hände der ägyptischen Polizei fiel, war es ein leichtes, dem Rest auf die Spur zu kommen. In ihrer unprofessionellen Art und nicht geübt in den Tricks bei der Absicherung und Zellenorganisation, trafen sie sich zu ihren Planungssitzungen ganz blauäugig an einem öffentlichen Ort oder zu Hause bei einem Gruppen-Mitglied. Unter den Neulingen war eine attraktive junge Frau, Victorine Ninio, und ein flotter junger Ingenieur namens Victor Levy. Vor dem Einsatz beschloß Oberst Gibli, sie sollten insgeheim zum Spionage- und Sabotagetraining nach Israel gebracht werden. Dies wurde auch ordnungsgemäß organisiert, obwohl der ausbildende Offizier sofort unruhig wurde, als er sah, wer da für die gefährliche Arbeit in einem feindlichen Land angeworben war. Obwohl sich die jungen Leute charmant und weltgewandt gaben, fehlte es ihnen an Zähigkeit und Erfahrung. Den routinierten Ausbildern kam dieses Personal völlig hoffnungslos vor. Eine Gruppe von gutwilligen Zivilisten mit einer nur sehr vagen Ahnung, wie die Radios, die man ihnen besorgt hatte, gehandhabt wurden, sollten mit Kondomen, die mit Säure gefüllt, und Brillenetuis, die mit leicht entzündlichen Chemikalien gestopft waren, Sprengladungen improvisieren. Trotzdem wurden sie optimal ausgebildet, und sie verschwanden wieder nach Ägypten, um dort auf ihre Anweisungen zu warten. Als die „Operation Suzanna" im Sommer 1954 unmittelbar bevorstand, war der ursprüngliche Teamorganisator Avraham Dar von einem neuen Außendienstler abgelöst worden; das war Paul Frank (richtiger Name: Avraham Seidenwerg), der in Kairo als früherer SS-Offizier galt. Frank war ein echter Nachrichtendienstler; er war angeworben worden, als seine militärische Karriere nach einer Verurteilung durch ein Kriegsgericht wegen Diebstahls zunichte ge-

macht worden war. Mit der üblichen Gründlichkeit in bezug auf solche Details richtete es der israelische Geheimdienst ein, daß Frank sich eine „Legende", eine falsche Lebensgeschichte, zulegen konnte. So ausgerüstet schleuste er sich in die deutsche Kolonie in Ägypten ein und bereitete sich dort auf die Aktivierung vor. Er war sehr erstaunt, als er den Kontakt mit der Zelle in Alexandria herstellte, wärmstens als der „Spion" begrüßt zu werden, dessen Ankunft man erwartet hatte. Im Juli 1954 erhielt die Einheit 131 diese bizarre Anweisung: „Start der sofortigen Aktion zur Verhinderung oder Verzögerung des anglo-ägyptischen Abkommens. Die Ziele sind, erstens, Kultur- und Informationseinrichtungen. Zweitens wirtschaftliche Einrichtungen. Drittens Autos, britische Funktionäre und andere britische Staatsbürger. Viertens weiterhin alles, was diplomatische Beziehungen stören könnte. Informationen an uns über die Möglichkeit von Aktionen in der Kanalzone. Unsere Nachrichten täglich um sieben Uhr auf Wellenband G." Trotz vieler Schwierigkeiten gelang es der Gruppe, kleine Sprengladungen in Briefkästen der Hauptpost von Alexandria zu deponieren. Es entstanden einige Schäden, aber niemand widmete dem viel Aufmerksamkeit. Dann verursachten die israelischen Terroristen schon mehr Aufruhr, als sie am 14. Juli einen Plan ersannen, Sprengladungen in Sonnenbrillenetuis in die Bibliotheken der amerikanischen Informationsbüros in Kairo und Alexandria zu schmuggeln. Durch diesen Teilerfolg ermutigt, trieben sie genug Sprengstoff für ähnliche kleine Bomben auf, die in den Kinos von Kairo und im Hauptbahnhof explodieren sollten - zur Feier des Jahrestags von Nassers Revolution. Keine von ihnen explodierte. Das war schlimm genug, aber noch Schlimmeres geschah in Alexandria. Während Philip Nathanson, ein 19jähriger Neuling, in einer Kinoschlange auf eine Gelegenheit wartete, seine Bombe zu deponieren, explodierte die Sprengladung verfrüht in seiner Tasche. Das prompte Eingreifen von Hauptmann Hassan al-Manadi, Abteilung für besondere Aufgaben bei der ägyptischen Polizei, bawahrte ihn vor schweren Verbrennungen. Dem Ägypter wurde aber schnell klar, was den Unfall

hervorgerufen hatte. Innerhalb von Stunden hatten die ägyptische Polizei und der Nachrichtendienst das empfindliche israelische Netz aufgedeckt. Da seine Mitglieder sich untereinander kannten, fielen die Zellen wie ein Kartenhaus zusammen. Für den Mossad aber gab es einen schlimmeren Schlag. Max Bennett, ein wirklich professioneller Agent, der unabhängig davon in einer dringenderen Angelegenheit in Ägypten agierte, wurde auch ein Opfer dieser Vorfälle. Wegen einiger Schwierigkeiten mit seinem Funkgerät, war er gezwungen, mit den Amateuren in Kontakt zu treten; deshalb wurde er gleichzeitig mit ihnen enttarnt. Bennerts Verhaftung war ein schwerer Rückschlag für die israelische Abwehr: Der Geheimdienst hatte keinen einzigen Spitzenmann mehr in Ägypten, und das zu einer Zeit, als Spione dort am dringendsten gebraucht wurden. Das hatte teilweise zur Folge, daß die israelische Regierung völlig von dem Waffenabkommen Ägyptens mit der Tschechoslowakei überrascht wurde, durch das Präsident Nasser großzügige Lieferungen modernster Waffen und Düsenjäger aus dem Ostblock erhielt. Innerhalb von vier Tagen gab der ägyptische Sicherheitsdienst triumphierend bekannt, daß man zehn Frauen und Männer festgenommen hatte. „Eine verdammte Zionistenbande" - wie die Zeitungen in Kairo es formulierten. Für Gamal Abd en-Nasser war es ein Propagandasieg, und der wurde in einem Schauprozeß voll ausgekostet. Dr. Marzouk und Schmuel Azar, die Führer der Zellen, wurden beide zum Tode verurteilt und in Kairo im Januar 1955 gehängt. Sie wurden Opfer einer unglückseligen und nutzlosen Aktion und waren die ersten Agenten in der Geschichte des israelischen Geheimdienstes, die in Ägypten hingerichtet wurden. Max Bennett aber, nach der Art eines gutausgebildeten Geheimagenten, der er war, nahm sich im Gefängnis mit Hilfe eines rostigen Nagels, mit dem er sich die Adern aufschlitzte, selbst das Leben. Die anderen Agenten erhielten hohe Gefängnisstrafen. Victorine Ninio, die nicht direkt an den Bombenanschlägen beteiligt war, bekam fünfzehn Jahre Gefängnis und war schrecklichen Mißhandlungen und Folterungen ausgesetzt, bevor sie schließlich nach Hause zurückkehren durfte, als gebrochene Frau. Sie hatte zweimal versucht, Selbstmord zu begehen, nachdem sie in Max Bennerts Wohnung in Kairo verhaftet worden war, als dieser bei einer Nachrichtenübermittlung nach Tel Aviv am Funkgerät ertappt

wurde. Erst 1968 wurde sie schließlich in einem Austausch von Kriegsgefangenen repatriiert. In Israel angekommen, wurde sie als Nationalheldin gefeiert. Innerhalb von drei Jahren erholte sie sich völlig von ihren qualvollen Erfahrungen als gescheiterte Geheimagentin. Als sie 1971 Oberst Eli Boger heiratete, nahm Golda Meir an ihrer glanzvollen Hochzeit teil, ebenso eine Gruppe von Spitzenfunktionären des Nachrichtendienstes. Für den israelischen Geheimdienst war die „Operation Suzanna" eine ungemein peinliche Katastrophe gewesen. Als die Nachrichten über die Festnahmen eintrafen, gab die in Panik geratene Regierung zuerst schnell Dementis heraus, die aber nicht lange aufrechterhalten werden konnten. In Tel Aviv begann bald darauf die Jagd nach Verantwortlichen. Direkt nach den Hinrichtungen in Kairo trat der Verteidigungsminister Pinchas Lavon zurück; an den Premierminister sandte er einen hysterischen Brief, der zu jener Zeit aber geheim blieb. Lavons Rücktritt beschwor eine Kabinettskrise herauf, die erst dann beendet wurde, als David Ben-Gurion, ganz demonstrativ noch in den Kibbuz-Kleidern, die er sich in seinem Exil im Negev zugelegt hatte, in der Knesset erschien und sich einverstanden erklärte, noch einmal als Verteidigungsminister anzutreten. Die Sache war aber damit noch nicht ausgestanden, denn schließlich waren viele Personen und mehrere Organisationen daran beteiligt gewesen. Die Auseinandersetzung konzentrierte sich darauf, wer die Anweisung zum Start der Serie von Bombenanschlägen gegeben hatte, und die politischen Verwicklungen dieser Affäre vergifteten das politische Klima in Israel auf Jahre hinaus. Ein Untersuchungsausschuß begann seine Anhörungen in einer Wohnung in Tel Aviv. Generalleutnant Yaacov Dori, ein früherer Stabsschef, und Richter Yitzhak Olshan, Präsident des obersten Gerichtshofs, hatten die Aufgabe, zu versuchen, aus den verschieden Versionen der Geschichte, die von den Hauptbetroffenen erzählt wurden, die Wahrheit zu ermitteln. Oberst Gibli und sein militärischer Nachrichtendienst behaupteten, die Anweisung sei vom Verteidigungsminister Pinchas Lavon gekommen. Lavon sagte, Aman selbst habe die Bombenattentate in Auftrag gegeben, ohne vorherige Zustimmung des Ministers - eine Unterstellung mit schwerwiegenden Konsequenzen. Wenn der Minister die Wahrheit sagte, würde das bedeuten, daß der militärische

Geheimdienst einen terroristischen Überfall in einem fremden Land ausgeheckt hatte, ohne Zustimmung der eigenen Regierung. Eines scheint wenigstens klar: Die Entscheidung, Einheit 131 loszuschicken, wurde durch pessimistische Einschätzungen der Konsequenzen für Israel bei einem Rückzug des britischen Militärs aus der Suezkanalzone ausgelöst. Oberst Gibli nahm an, daß dies eine „grenzenlose Katastrophe" bedeuten würde; eine „ausländische Barriere, die Ägypten vor dem direkten Sichtkontakt mit Israel bewahrt", sollte nun wegfallen. Während seiner ganzen Amtsperiode hatte sein Geheimdienst die Neigung, die ägyptische Truppenstärke ebenso wie Präsident Nassers Interesse an einem Krieg mit Israel zu überschätzen. Aus diesem Grund war sein Hauptanliegen, als die britisch-ägyptischen Gespräche über die Kanalzone wieder in Gang gekommen waren, auf alle Fälle zu verhindern, daß ein Abkommen zustande kam, sogar mit Hilfe von Sabotageakten in Kairo und Alexandria. Die Frage nach der Verantwortung für die Verschwörung wurde in der Öffentlichkeit nie zufriedenstellend gelöst. Das Urteil des Untersuchungsausschusses ließ gerade das in seiner Zusammenfassung offen: „In der Endanalyse bedauern wir, daß wir unfähig sind, die Frage zu beantworten, die der Premierminister uns gestellt hat. Wir können nur sagen, daß wir nicht uneingeschränkt davon überzeugt werden konnten, daß der verantwortliche Geheimdienst-Mitarbeiter keine Anweisung vom Verteidigungsminister bekommen hatte. Wir sind uns aber genauso unsicher in der Frage, ob der Verteidigungsminister tatsächlich die Anweisung gegeben hat, die ihm zugeschrieben wird." Die Regierung ließ die Sache auf sich beruhen und schuf damit einen Präzedenzfall für später. Jedesmal wenn in der Folgezeit peinliche Aktionen ans Licht kamen, reagierte man mit der Behauptung, die Sicherheit des Staates sei gefährdet, und da die Sicherheit mehr zähle als alle anderen Einwände, sei es am besten, nicht weiter nachzufragen. Eine weitere peinliche Konsequenz dieser beunruhigenden Affäre sollte noch kommen. Einer der Überlebenden des Debakels war Paul Frank, der sich jetzt in Europa aufhielt. Mit seiner Tarnung als früherer SS-Offizier hatte er mit seinem Teil der Operation Erfolg

gehabt und sich mit einflußreichen Ägyptern angefreundet. In Israel kam der Verdacht auf, er sei schon damals, als er bei der israelischen Bombenserie von Kairo und Alexandria mitmischte, von Oberst Osman, dem schlauen Kopf der ägyptischen Spionageabwehr, „umgedreht" worden und habe dafür 40 000 DM erhalten. Zur gegebenen Zeit war auch er von den Ägyptern zusammen mit den anderen israelischen Verschwörern festgenommen worden. Die Ägypter hatten ihn lange genug im Gefängnis festgehalten, um ihm ein Alibi zu garantieren, das den Mossad von seiner Loyalität überzeugen würde. Danach erlaubten sie ihm, nach Wien zu fliehen. Was die Israelis mißtrauisch machte, war, daß er in Europa, wo er weiterhin geheimdienstlich tätig war, immer noch den Namen Paul Frank benutzte, unter dem er überführt und von den Ägyptern in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war. Es gab auch andere Indizien, die besagten, daß er mit ägyptischen Geheimagenten im Kontakt blieb. Trotz seiner ernstgemeinten Drohungen, er werde bei einer erzwungenen Rückkehr nach Israel die Katze aus dem Sack lassen, die bekannte Lavon-Affare, war Mossad entschlossen, ihn zurückzuholen, damit er sich vor einem Gericht verantwortete. Man erhob Gegendrohungen. Die Beweise, die 1959 in Jerusalem während des Verfahrens gegen ihn zum Vorschein kamen, führten dazu, daß der ganze Fall noch einmal aufgerollt wurde. Das Gericht befand ihn für nicht schuldig, die „Operation Suzanna" verraten zu haben, verurteilte ihn aber wegen Fotografierens und Besitzes von militärischen Geheimdokumenten und unautorisierter Kontaktaufnahme mit ägyptischen Offizieren in Europa. Für diese geringeren Verstöße erhielt er eine Gefängnisstrafe von zwölf Jahren. Das hohe Strafmaß wurde als Signal gewertet, daß das Gericht wie so oft, wenn Spione vor Gericht gestellt werden, kaum Zweifel an seiner Schuld hatte, doch es war unmöglich zu beweisen, daß er Mitagenten verraten hatte. Diese Episode hinterließ einen bitteren Nachgeschmack in einer unglückseligen Angelegenheit. Nachdem Frank seine Strafe abgesessen hatte, ging er in die Vereinigten Staaten.

6. Vom Gazastreifen zum Suezkanal

In den frühen fünfziger Jahren beschäftigte sich die israelische Armee hauptsächlich mit Grenzproblemen, denn arabische Kommandoeinheiten schlichen sich häufig zu Vergeltungsschlägen über die alten Waffenstillstandslinien. Diese Grenzverletzungen waren eigentlich spontane Übergriffe von Palästinensern, die unter harten Bedingungen in den Flüchtlingslagern lebten, viele von ihnen in Sichtweite der Orte, wo sie einst gelebt hatten und wo nun Fremde saßen. Die Armee war aber davon überzeugt, daß die Angriffe von der ägyptischen Regierung inszeniert worden seien, und sie schlug mit Racheakten zurück. Da diese Aktionen auf einem Mißverständnis beruhten, war die primäre Folge, daß sich alles noch verschlimmerte. In Wirklichkeit waren die umliegenden arabischen Staaten zuerst nicht für die Überfälle verantwortlich. Im Gegenteil, da sie militärische Konsequenzen für sich fürchteten, versuchten sie, den Fedajin von militärischen Aktivitäten abzuraten. Im Gazastreifen nahmen die Ägypter ständig verdächtige Palästinenser fest und verwehrten ihnen den Zugang nach Israel. Aber als Folge eines grenzüberschreitenden Überfalls von israelischer Seite in den Gazastreifen änderten die Ägypter ihre Taktik und fingen an, unter ihrer Führung eine Palästinenserbewegung zu organisieren. Israelische Scharfmacher hatten geglaubt, ihre Grenzen durch Überfälle auf die Araber schützen zu können; statt dessen provozierten sie dadurch aber nur weitere Angriffe. Im Frühjahr 1955 begann eine Entwicklung, im Zuge derer sich eine schlecht organisierte Horde von arabischen Einzelkämpfern in eine ausgebildete palästinensische Guerillatruppe verwandelte. Präsident Nasser lud die Palästinenserführer aus dem Gazastreifen nach

Kairo ein und kündigte an, er werde militärische Ausbildung, Geld und Waffen stellen, um Israel anzugreifen. Ägyptische Offiziere begannen im Sinai-Gebiet die Führung der verstreuten und sich bekriegenden Gruppen zu übernehmen und bildeten eine Truppe aus, die bald bewies, daß sie durchaus nächtliche Angriffe auf Gebäude und Fahrzeuge durchführen konnte. Im August töteten die Palästinenser 5 Soldaten und 17 Zivilisten, und so begann der langwierige und subversive Krieg. Es war ein Konflikt, der die Aktivitäten von Mossad und Aman über viele Jahre hinweg in Anspruch nehmen sollte. Amans erste Reaktion war, Mordanschläge zu verüben - auch eine Art von Befriedung. Das erste Ziel war ein talentierter ägyptischer Oberst im Geheimdienst, der den Gazastreifen als Basis für die Organisation des neuen palästinensischen Widerstands benutzte. Sein Name war Mustafa Hafez, und er wurde das erste Opfer der israelischen Terrorismusabwehr. Er wurde von einer Paketbombe in Stükke gerissen. Sie war ihm von einem angeheuerten arabischen Doppelagenten, der für die Israelis arbeitete, übergeben worden. Ein weiterer ägyptischer Oberst, Militärattache in Jordanien, starb an den Folgen einer mysteriösen Explosion. Es war die Äufgabe der militärischen Abwehr, die Hintergründe der Aktivitäten der Eindringlinge aufzudecken und ihre Überfalle zu verhindern. Aber Aman, als ranghöchster Zweig des staatlichen Geheimdienstes war außerdem intensiv damit beschäftigt, nicht nur die breitere diplomatische Wirkung, sondern auch das Ausmaß der kriegsähnlichen Vorbereitungen für einen großangelegten ägyptischen Überfall zu analysieren. Denn Präsident Nasser hatte - teilweise als Reaktion auf einen Überfall der israelischen Armee im Gazastreifen - beschlossen, möglicherweise einen Krieg zu beginnen, und er verhandelte im Augenblick mit der Sowjetunion über neue Waffen, die er einsetzen wollte. Sowohl Aman als auch der Mossad ließen in dieser kritischen Zeit zu wünschen übrig, denn sie versäumten es, detaillierte Informationen über die Beziehungen zwischen Ägypten und der Sowjetunion zu sammeln. Beide waren sie erstaunt und schockiert, als im September 1955 Präsident Nasser sein Waffenabkommen mit der Tschechoslowakei bekanntgab. Dies war ein Arrangement, demzufolge Ägypten

nach und nach 200 Mig-15-Jäger, 50 Bomber, Artillerie und eine große Anzahl Panzer bekommen sollte. Die Israelis waren nun gezwungen auszuforschen, wann die Waffen geliefert werden sollten und - noch wichtiger - was Präsident Nasser mit seinem neuen Arsenal vorhatte. Die allgemeine Auffassung war, daß der ägyptische Diktator plante, die Palästinensertruppen dazu zu benutzen, israelische Siedler an der Südgrenze zum Negev in Schrecken zu versetzen und dann, im Schutz solcher Aktivitäten, einen großangelegten Überfall auf Israel zu unternehmen. Während Aman sich der Ausforschung des ägyptischen Truppenaufmarschs widmete, verbreiteten israelische Säbelrassler wie General Mosche Dayan die Parole, ein Angriff stehe unmittelbar bevor. Abweichende Meinungen verhallten ungehört. Außenminister Scharet beklagte sich über das „offensichtlich tendenziöse" Vorgehen von Aman, der, wie er sagte, entschlossen schien, Fakten aller Art zur Beweisführung dessen zu bemühen, daß ein Krieg unvermeidlich sei. Als Yehoschaphat Harkabi im Mai 1955 Chef des Aman wurde, war dies eine Organisation, deren Prestige und Stolz ernsthaft durch „die Panne" verletzt war. Verteidigungsminister Pinchas Lavon war nur der erste, der sein Amt durch dieses Fiasko verlor. Danach wurde auch Oberst Gibli entlassen, aber in den Rängen des Geheimdienstes klebten einige von Giblis Genossen noch an ihren Stühlen. Oberst Harkabi sah aber ein, daß weitere Untersuchungen über die Methoden des Geheimdienstes seine Mitarbeiter nur noch mehr demoralisieren würden. Der Skandal saß dem Geheimdienst noch viele Jahre in den Knochen. Trotz seiner Unzulänglichkeiten blieb Aman jedoch die erste Abteilung des israelischen Geheimdienstes, und der neue Chef machte sich daran, ihn zu rehabilitieren. Die israelische Abwehr hat Harkabi, einem intellektuellen Militär, der zuerst 1950 in die Welt der Nachrichtendienste gekommen war, einiges zu verdanken. Mit nur 35 Jahren übernahm er das Kommando. Er brachte eine lebhafte Intelligenz mit, analytische Fähigkeiten und gründliche Kenntnisse der arabischen Philosophie und Literatur. Er vertrat die Auffassung, die beste Art und Weise, Pläne und Methoden des Gegners vorherzusagen, sei, sich in seine Lage zu versetzen und seine Denkart verstehen zu lernen. Wissen war dem ehemaligen

Philosophiestudenten zufolge oft wichtiger als „Information" im militärischen Sinn. Nach seiner Ansicht war dieser Erkenntnisprozess nützlicher als das pure Abzählen von feindlichen Panzer und Schußwaffen. Harkabi zeichnete zwei Szenarios für den „schlimmsten aller Fälle"; sie beschrieben die Möglichkeit eines erneuten Kriegs mit den arabischen Staaten. Darin analysiert er das ganze Spektrum von Faktoren, politisch und wirtschaftlich sowie militärisch und geographisch. Seine Studien übten in den folgenden drei Jahrzehnten beträchtlichen Einfluß auf die Arbeit der Abteilung aus. Noch dringlicher für den neuen Chef waren die ständigen Forderungen Mosche Dayans, des anspruchsvollen Stabschefs, nach mehr Informationen über ägyptische Kriegs Vorbereitungen, die nach seiner Überzeugung bereits in vollem Gange waren. Offenbar hatte der Geheimdienst jetzt wenn überhaupt, dann nur wenige Agenten in Ägypten selbst, und seine Auswerter waren zumeist Beamte europäischer Herkunft, der arabischen Sprache unkundig und wenig vertraut mit der Struktur des ägyptischen Militärs. Sehr oft mußte man sich auf Funknachrichten verlassen, die immerhin konkretes Material einbrachten. Tatsächlich erbrachte Aman gute Resultate zu dieser Zeit beim Sammeln von Fakten, aber trotz aller Bemühungen Harkabis waren die Auswertungen weniger beeindruckend. Als Präsident Nasser im Juli 1965 seine Entscheidung bekanntgab, den Suezkanal zu nationalisieren, wurde die Kriegsfraktion in Israel aktiv; sie begann, mit Zustimmung Amans und französischer Unterstützung, einen Präventivschlag auf Ägypten zu planen. Auch Frankreich hatte wegen Algerien mit Nasser eine Rechnung zu begleichen. Sowohl der Mossad als auch Aman hatten schon enge Verbindungen zu französischen Nachrichtendiensten, und alle hatten das gemeinsame Ziel: Sturz des ägyptischen Diktators. Großbritannien wurde jetzt auch zum Verbündeten, und als die Vorbereitungen liefen, konnte sich Aman sogar beliebt machen und Freunde unter den europäischen Partnern gewinnen, weil er sie mit wertvollen Informationen über die Truppenaufstellung des Feindes versorgte. Er fand auch Zeit dazu, ein Fehlinformations- und Täuschungsprogramm in Gang zu setzen, um unter den Ägyptern über den Zweck israelischen Truppenbewegungen Verwirrung zu stiften. Israelische Sendungen wiederholten, daß Israel nicht die Absicht habe, sich von

den alten Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich als Werkzeug vorschieben zu lassen, und so gelang es, Präsident Nassers Geheimdienst davon zu überzeugen, daß die Israelis sich nicht in militärische Aktionen verwickeln lassen wollten. Das Täuschungsmanöver wurde noch glaubhafter durch Nachrichten, die besagten, daß die Mobilmachung in Israel in Wirklichkeit wegen einer Angriffsgefahr von seiten Jordaniens und des Irak erfolge. Der wirkliche Triumph von Mossad und Aman lag darin, daß es gelang, alle verborgenen Kontakte den Sommer und Herbst 1956 über geheimzuhalten, während man anfing, sich mit den Regierungen von Frankreich und Großbritannien zu verständigen, um einen Angriff auf Ägypten vorzubereiten. Israelische Truppen sollten einen Überfall auf die von Ägypten verwaltete Sinai-Halbinsel verüben. Dann hatte man sich darauf geeinigt, daß die Briten und Franzosen den beiden Kontrahenten ein Ultimatum mit der Aufforderung stellen sollten, sich aus der Suezkanalzone zurückziehen. Ägyptens Weigerung würde dann einen Vorwand für britisch-französische Truppen liefern, in Ägypten eine „Polizeiaktion" durchzuführen und die Kontrolle über den Kanal zu übernehmen. Die ersten Abschnitte des Plans verliefen erfolgreich, aber die Androhung sowjetischer und amerikanischer Gegenmaßnahmen zwangen Großbritannien und Frankreich dazu, in einen Waffenstillstand einzuwilligen, und das Unternehmen wurde ein Mißerfolg. Die israelischen Geheimdienste waren so erfolgreich darin gewesen, die Wahrheit über die Treffen und ihre wichtigen Entscheidungen geheimzuhalten, daß nicht einmal die israelischen Botschafter wußten, was vor sich ging. Außer der Außenministerin Golda Meir selbst wurde niemand im Außenministerium in die Vorgänge eingeweiht. Aber diese absolute Geheimhaltung, vom professionellen Standpunkt aus zweifellos lobenswert, hatte böse Folgen. Die israelischen Botschafter in Washington und Moskau (Israel war zu jener Zeit noch dort vertreten) waren vollständig uninformiert; deshalb konnten sie auch die zu erwartenden Reaktionen der Supermächte nicht einschätzen und über sie berichten. Dies war ein trauriges Versäumnis, den es waren schließlich die feindseligen Reaktionen der USA und der Sowjetunion, die das Suezunternehmen und die Verschwörung, Nasser zu stürzen, scheitern ließen.

7. Auf Nazi-Jagd

Das Scheitern des Suezabenteuers und der schmähliche Rückzug des anglo-französischen Expeditionskorps rief in Israel, das sich durch mangelnden politischen Willen bei den europäischen Verbündeten verraten fühlte, eine Atmosphäre des Selbstmitleids hervor. Die Armee bekam den Groll zu spüren, daß seine militärischen Erfolge es nicht zuwege gebracht hatten, Präsident Nasser zu stürzen. Dieser wurde jetzt als Scheusal hingestellt. Diese allgemeine Stimmung veranlaßte den Geheimdienst, sich auf Unternehmungen auf anderem Gebiet zu konzentrieren. Seit Jahren hatten seine Agenten mit Nazi-Jägern wie Simon Wiesenthal in Kontakt gestanden. Wiesenthal blieb den Judenverfolgern auf den Fersen, die bei Kriegsende geflüchtet waren und Asyl in Lateinamerika gefunden hatten. Die Zeit war reif, um den überlebenden Henkern einen Schlag zu versetzen, und das würde auch dazu beitragen, das nationale Selbstbewußtsein im eigenen Land wieder zu stärken und die Welt an die fürchterlichen Leiden der Juden zu erinnern, die zu einem Exodus in den neuen Staat Israel geführt hatten. Isser Harel, zu dieser Zeit als Chef des Mossad fest im Sattel, erhielt eine instinktiv als richtig empfundene Information, daß Adolf Eichmann noch lebte, das Ungeheuer, das die Gasöfen, in denen Millionen von Juden umgebracht wurden, beschafft hatte, - und zwar sollte er sich in Argentinien aufhalten. Diese Nachricht setzte eine komplizierte und verschlagene zweijährige Aktion in Gang, unter der persönlichen Führung Harels, mit dem Ziel, den Verbrecher zu entführen und ihn in Jerusalem vor Gericht zu stellen. Es spielte keine Rolle, daß diese Aktion für etliche Monate die Finanzmittel des Mossad fast komplett beanspruchte, denn es war eine gerechte Sache.

Diese Aktion, mehr als alle anderen, begründete den weltweiten Ruhm des Mossad als verwegenster und dynamischster Geheimdienst der Welt. Und Isser Harel, dessen Name noch nie gedruckt worden war, Chef einer Organisation, die noch nie in der Öffentlichkeit erwähnt worden war, genoß den Augenblick des Triumphs, als er in der Knesset der Bekanntgabe durch Premierminister Ben-Gurion zuhörte, daß das Unternehmen erfolgreich verlaufen war. Im Mai 1960 erhob sich David Ben-Gurion im Parlament und sagte folgendes: „Ich muß der Knesset verkünden, daß vor einiger Zeit einer der größten Nazivcrbrecher von den israelischen Sicherheitsdiensten aufgespürt worden ist: Adolf Eichmann, der zusammen mit den anderen Nazigrößen für die sogenannte 'Endlösung der Judenfrage' verantwortlich war - das heißt, für die Ausrottung von sechs Millionen Juden in Europa. Adolf Eichmann befindet sich in Israel im Gefängnis und wird in kurzer Zeit vor Gericht gestellt, nach dem Gesetz zur Bestrafung von Nazis und Nazikollaborateuren aus dem Jahre 1950." In dieser Verhandlung wurde Adolf Eichmann von dem israelischen Gericht für schuldig befunden, zum Tode verurteilt und gehängt. Diese Ereignisse warfen Fragen auf, über die lange debattiert wurde, sowohl in Israel als auch auf der ganzen Welt. Es kamen Zweifel auf über die moralischen Grundlagen der Entführung und eines Prozesses gegen einen alten Mann so viele Jahre nach den begangenen Verbrechen. Ganz zweifellos war die geheime Aktion, ihn in Argentinien ohne Wissen der argentinischen Regierung zu ergreifen, ein Bruch internationaler Gesetze und Sitten gewesen. Der einwandfreie Stil und die Art, wie der Mossad sich bei der Ausführung des Unternehmens verhalten hatte, stand dabei nicht zur Debatte. Der Geheimdienst hatte der Versuchung widerstanden, Eichmann, von dem man wußte, daß er schreckliche Verbrechen begangen hatte, einfach umzubringen. Isser Harel hatte strikte Anweisungen gegeben für den Fall, daß die Gruppe bei dem, was man eine Art von Freiheitsberaubung eines Bürgers nennen könnte, entdeckt würde: Eichmann sei nicht zu töten. Unter diesen Umständen sollte ein Mann vom Mossad ihn mit Handschellen an sich fesseln, und er sollte

dann sofort darauf bestehen, einem argentinischen Funktionär höheren Ranges vorgeführt zu werden, um zu erklären, wer der Gefangene war. Harels Buch The House on Garibaldistreet, das fünfzehn Jahre später herauskam, als er schließlich die Erlaubnis des Kabinetts dazu bekam, enthüllte das Ausmaß und die Komplexität des erfolggekrönten Plans. Eine Gruppe von elf Männern und einer Frau war beteiligt; sie wurde in Israel durch eine besondere Einheit unterstützt. Die Rolle der Agentin Dina Ron war relativ einfach. Sie mußte als Freundin des Mannes auftreten, der sechs Häuser in Argentinien mietete, die als Unterschlupf dienten und ihm so Glaubwürdigkeit verleihen sollten. Zwei Spezialisten, einer wird im Buch Schalom Dani genannt, ein begnadeter Fälscher und ein Maskenbildner, waren auch dabei. Es war von höchster Wichtigkeit, daß die ÜberseeEinheit eine Anzahl von Pässen und Identitäten zur Auswahl hatte. Das schwierigste Manöver war nämlich nicht das Aufspüren und die Gefangennahme von Eichmann, sondern sicherzugehen, daß die argentinischen Behörden nichts davon erfuhren, daß der Mossad in irgendeiner Weise in ihrem Land tätig war. In einer beispiellosen Aktion übernahm der Chef des Geheimdienstes selbst auf lateinamerikanischem Boden die Verantwortung. Er traf perfekte Vorkehrungen zur Vermeidung einer Entdeckung und gewährleistete, daß seine Gruppe aus erfahrenen Kämpfern aus allen Abteilungen des Sicherheitsdienstes dasselbe tat. Harel stellte außerdem sicher, daß die einheimische Fluggesellschaft El AI sich zur Mitarbeit in der schwierigen Angelegenheit bereitstand, den Gefangenen nach Tel Aviv zu fliegen. Für diesen Zweck benutzte man ein besonderes Britannia-Flugzeug, das nach Buenos Aires geflogen war, um Außenminister Abba Ebban zur Teilnahme an den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag Argentiniens zu fliegen. Eichmann wurde schließlich halbbetäubt und in der Uniform eines El AI- Bediensteten an den Immigrationsbehörden vorbeigeschmuggelt. Als letzten Kniff hätte die Mossad-Gruppe im voraus angefertigte medizinische Gutachten präsentieren können, für ein Mitglied der Gruppe angefertigt, unter dessen falschem Namen Eichmann reisen sollte. Nie ist Mossads minutiöse Detailarbeit bei heiklen Aktionen deutlicher geworden.

Natürlich hatte der in der Presse gefeierte Erfolg dieses Unternehmens weitreichende und vorteilhafte Folgen für die Moral innerhalb der Organisation. Irgendwann gibt es eben doch eine Grenze, bis zu der auch ein sehr motivierter Geheimdienstagent, der oft auf Jahre hinaus von seinen Freunden und Vorgesetzten abgeschnitten ist, in einer Atmosphäre der totalen Geheimhaltung, in der nicht einmal seine Erfolge und Leistungen niedergeschrieben oder gelobt werden dürfen, durchhalten und arbeiten kann. Einmal wenigstens konnte sich der Mossad in der Art von öffentlicher Anerkennung sonnen, die normalerweise den Soldaten nach einem großen Sieg vorbehalten ist. Die erfolgreiche Eichmann-Aktion ermutigte aufgeweckte junge Männer und Frauen, sich bei der Organisation zu bewerben. Nichts könnte die Höhen und Tiefen im Leben eines Spionagechefs so deutlich illustrieren wie die dann folgenden Ereignisse, während die Israelis sich noch immer der Eichmann-Affäre rühmten. Eines Abends im März 1961 wurde Isser Harel von einem Telefonanruf aufgehalten, als er gerade das Haus verlassen wollte. Das Gespräch kam von einem Kollegen bei Schin Beth, dem Inlands-Sicherheitsdienst, der den Bericht über die Überwachung eines sowjetischen Diplomaten weitergab. Die Leute hatten diesen dabei beobachtet, wie er auf der Straße einen anderen Mann getroffen und ihm eine schwarze Aktentasche übergeben hatte. Dieser Mann war Israel Beer, ein Oberst der Reserve und Verteidigungsberater beim Premierminister. Mit der Begründung, daß er an einer offiziellen Geschichte des Unabhängigkeitskrieges arbeite, hatte Beer sogar sein eigenes Büro im Verteidigungsministerium. Was die Lage noch verschlimmerte: Er war auch ein Freund und Vertrauter von David Ben-Gurion. Man kann sich vorstellen, wie schwierig und heikel es ist, wenn der Chef des Geheimdienstes dem Premierminister mitteilen muß, daß sein Freund ein Spion ist. Der Mossad und Schin Beth hatten schon lange einen Verdacht bei den Aktivitäten des seltsamen Herrn Beer gehabt, und Isser Harel konnte ihn überhaupt nicht leiden. Indizien hatten sich bereits durch Untersuchungen ergeben, die aufgrund seiner hohen monatlichen Ausgaben trotz eines bescheidenen Gehalts eingeleitet wurden. Jetzt endlich hatte man Beweise für seine Aktivitäten, als Schin Beth ihn in flagranti ertappte. In dem Aktenkoffer, den der Russe bei der Fest-

nähme Beer zurückgab, waren vertrauliche Dokumente einschließlich Ben-Gurions dienstlicher Agenda, die photokopiert worden waren. Beer selbst gab bereitwillig zu, daß er seit dem Suezkrieg für die Sowjetunion spioniert hatte. Als die Nachricht dem Premierminister mitgeteilt wurde, ordnete dieser traurig an: „Tun Sie ihre Pflicht." Aber er war doch sehr zornig, denn als zum erstenmal ein Verdacht über seinen Freund geäußert worden war, hatte er den Sicherheitsdienstlern verboten, diesen unter Bewachung zu stellen, und er glaubte nicht daran, daß Beer jetzt nur zufällig entdeckt worden war. Bei seinem Prozeß stritt Beer die Fakten nicht ab, rechtfertigte seine Handlungen aber damit, daß er glaubte, es sei seine Pflicht, Israel davor zu bewahren, in die Hände der westlichen imperialistischen Großmächte zu fallen, wenn es sich lieber mit der Sowjetunion verbünden sollte. Als er im Gefängnis seine zehnjährige Freiheitsstrafe verbüßte - auf fünfzehn Jahre erhöht, nach dem die Anklage in die Berufung gegangen war -, schrieb er ein Buch, in dem er sich selbst rechtfertigte. Die Version seiner Lebensgeschichte war zum größten Teil frei erfunden, und der Mossad hatte keine Schwierigkeiten, das zu beweisen. Aber es gelang ihnen nie, die volle Wahrheit über seine Herkunft aufzudecken, obwohl es als erwiesen galt, daß ein Österreicher namens Israel Beer im Jahr 1938 verschwunden war, dem Jahr, als der Mann unter diesem Namen nach Palästina eingewandert war. Das erhärtete den Verdacht, daß man ihn während der Massenemigration aus Europa hatte abtauchen lassen, damit er später, wenn er in der israelischen Regierung Fuß gefaßt hatte, wieder in der Lage sein würde, den Russen dienlich sein. David Ben-Gurion war so außer sich und peinlich berührt von den Enthüllungen über seinen früheren Freund, daß er Isser Harel nie ganz verzieh, weil dessen Instinkt in der Beer-Affare richtig gewesen war. Dieser Vorfall wirkte weiter und war Ursache dafür, daß der Mossad-Chef die starke Unterstützung des Premierministers verlor, die ihm vorher so sicher war. In der Tat war das der Anfang vom Ende der langen Ruhmesperiode des Mossad-Leiters. Denn diese Affäre war dem Premierminister noch frisch im Gedächtnis, als beide sich über die richtige Einschätzung stritten, welche Bedeutung die Hilfe hätte, die den Ägyptern von deutschen Wissenschaftlern in Kairo bei der Modernisierung ihres Waffenarsenals geleistet wurde.

8. Duell der Spionagechefs

Von den Mossad-Spionen, die in den frühen Jahren nach Ägypten geschickt wurden, als dieses Land der bedrohlichste Feind Israels zu werden schien, war der erfolgreichste und kühnste Wolfgang Lötz. Um ihn rankte sich eine farbenprächtige Legende, die von der späteren Veröffentlichung seiner eigenen Berichte über seine Taten unter dem augenfälligen Titel Der Champagner-Spion noch verstärkt wurde. Die Mutter von Lötz, eine jüdische Schauspielerin, hatte einen deutschen Theaterdirektor geheiratet, war verwitwet; sie floh 1933 aus Deutschland und ließ sich in Israel nieder. Später ging ihr Sohn zur britischen Armee im Nahen Osten und wurde als ranghoher Offizier zur besonderen Verwendung, der fehlerfreies Deutsch sprach, für Verhöre von Kriegsgefangenen aus dem Afrikakorps eingesetzt. Mit diesem militärischen Hintergrund kam er später zu Haganah, der israelischen Untergrundarmee, und nach der Unabhängigkeit wurde er als Major in die reguläre Armee verpflichtet. Er zog die Aufmerksamkeit des militärischen Sicherheitsdienstes aufgrund seines „arischen" Aussehens und seiner deutschen Herkunft auf sich, in einer Zeit, als sich Israel ganz besonders darüber sorgte, daß ehemalige Naziwissenschaftler für Präsident Gamal Abd en-Nasser arbeiteten. Die Ägypter hatten die ausländischen Raketen- und Flugzeugingenieure mit dem ehrgeizigen Ziel ins Land geholt, Waffen für spätere Kriege mit Israel zu produzieren. Neben der offensichtlichen militärischen Gefahr folgerten die Israelis, daß ein Bund der Ägypter mit früheren Nazis gegen Israel ein Zeichen für andauernden und gefährlichen Antisemitismus in Deutschland sein mußte. Viele arbeitslose frühere Wehrmachtoffiziere waren nach Ägypten gegangen

und verdingten sich dort als Ausbilder bei der ägyptischen Armee. Ihnen folgte eine Anzahl deutscher Wissenschaftler; obwohl die meisten der talentierten Raketentechniker von den Russen und Amerikanern zum Zweck der Anwerbung aufgespürt worden waren, kamen einige weniger herausragende nach Ägypten zu Nasser. Wolfgang Lötz schien der ideale Mann zu sein, um sich als früherer Wehrmachtoffizier auszugeben und an diese Gruppe deutscher Wissenschaftler heranzumachen. Bei seiner Spionagetätigkeit in Kairo hatte er den Vorteil, daß er durch seine Erfahrungen in der Zeit des Krieges durch die Verhöre in Rommels 115. Division detaillierte Kenntnisse jener Einheit besaß; es war für ihn ein Leichtes, vorzugeben, in dieser Division gedient zu haben, deren Mannschaftslisten ihm bekannt waren. Entgegen jedem Usus wurde er angewiesen, seinen eigenen Namen zu benutzen, der natürlich mit einer echten Geburtsurkunde und Paß belegt werden konnte, während die Existenz einer jüdischen Mutter geheimgehalten wurde. Um seine Tarnung durch diese Lebensgeschichte zu vervollkommnen, heiratete er eine Frau, die „überzeugend deutsch aussah", Waltraut Neumann, die er zum erstenmal im Orient-Express getroffen hatte. Er bekam noch mehr Unterstützung als der Mossad-Chef Isser Harel, der die Kairo-Angelegenheit von Aman übernommen hatte, ein Abkommen mit der westdeutschen Abwehr schloß, die von General Gehlen in den Nachkriegsjahren aufgebaut worden war. Die Deutschen erklärten sich bereit, im Falle der früheren Nazis in Kairo behilflich zu sein: Lötz erhielt in einer ihrer Ausbildungstätten in Bayern eine besondere Ausbildung und ein Empfehlungsschreiben, das ihm den Zugang zu früheren deutschen Offizieren der höheren Ränge verschaffte. Als arabisch sprechender Deutscher in gesicherter Position, kam er in Kairo an und mietete sich eine elegante Villa in Heliopolis. Der nächste Schritt war, sich als reicher Züchter von Araberpferden und Inhaber eines Gestüts in der exklusiven Gegend um Zamalek zu etablieren. Von da aus und als Mitglied des Reitclubs von Gezirah begann er, die Freundschaft von Pferdeliebhabern in der ägyptischen und in der internationalen Gesellschaft in Kairo zu suchen. Es war eine Rolle, die seinen natürlichen Neigungen nach einem bestimmten Lebensstil entgegenkam, den er auch durchaus genoß. Es verschaffte

ihm sogar eine Art Genugtuung, so zu tun, als sei er - ein jüdischer Nachrichtendienstler - ein Nazi gewesen. Er wurde in den Villen prominenter Deutscher empfangen und gab als Gegenleistung großzügige Parties, indem er sich von den Geldern, die von seinen Geheimdienstchefs zur Verfügung gestellt wurden, reichlich bediente. Auch das Gestüt kostete ein kleines Vermögen, und Lötz, ein besserer Spion als Buchhalter, hatte fortwährend Schwierigkeiten mit der knauserigen Abteilung in Tel Aviv, die ständig einen immensen Papierkrieg führte, um seine Ausgaben zu finanzieren. Aber die hohen Kosten seines champagnerumflossenen Lebens in großartiger Umgebung wurde durch die Menge von Nachrichtenmaterial, die er liefern mußte, gerechtfertigt. Ein Teil seiner Aufgabe war, durch persönliche Kontakte in der Reitschule Einblick in Persönlichkeit, Denkart und Verhalten der ägyptischen Offiziere der höheren Dienstgrade zu gewinnen, so etwa bei Oberst Abd er-Rahman vom militärischen Nachrichtendienst. Nach sechs Monaten, als er nach Europa reiste, um sich mit seinen Vorgesetzten zu beraten, konnte er berichten, daß er sich mit General Yusef Ali Ghorab, dem einflußreichen Offizier und Chef der ägyptischen Polizei, ausgezeichnet verstand. Da er auch mit General Fouad Osman, dem Chef des Sicherheitsdienstes der Raketenbasen, freundschaftlichen Kontakt pflegte, gelang es ihm, eine Einladung zu den neuen, auf der Halbinsel Sinai installierten Boden-Luft-Raketenbasen zu bekommen, und er behauptete, daß er den Freund sogar dazu brachte, vor einer der Raketen für ein Foto zu posieren. Der Mossad verlangte Einzelheiten über das Raketenprogramm und die Pläne zu den geheimen Standorten sowie die Namen und die Aufzeichnungen der ausländischen Wissenschaftler. Die einzige Schwäche des Spions war, daß er zwar eine große Menge Informationen liefern konnte, die er durch Hörensagen in eleganten Clubs aufgeschnappt hatte, aber bei der Bewertung und Interpretation des Materials nicht so viel Talent bewies. Lötz agierte im Außendienst während der kritischen Zeit, als die Beziehungen der beiden Rivalen Mossad und Aman gespannt waren. Isser Harel, sein direkter Vorgesetzter, befand sich im Konflikt mit Meir Amit, dem Direktor des militärischen Nachrichtendienstes, über die Einschätzung der Gefahr, die Israel durch die Arbeit der

deutschen Techniker in Ägypten drohte. Im Juli 1962 schössen die Ägypter vier Demonstrationsraketen ab, zwei davon mit einer Reichweite von 250 km und zwei weitere, die 500 km zurücklegen konnten. Präsident Nasser verkündete stolz, daß er jedes Ziel südlich von Beirut zerstören könne. Dieses Ereignis löste Aufregung in Israel aus, besonders da der Mossad über die Raketen keine Berichte in seinen Akten hatte. Meir Amit fragte sarkastisch: „Für was geben wir unser Nachrichtendienstbudget aus, wenn wir unsere Informationen aus einer öffentlichen Rede Gamal Nassers beziehen? Dafür brauchen wir nur ein Transistorradio." Er war sich schon etliche Male mit seinem Kollegen in die Haare geraten, daß Mossad viel zu sehr mit spektakulären Aktionen wie der Festnahme Eichmanns beschäftigt war, um Zeit dafür zu haben, das Ausmaß der militärischen Bedrohung durch die arabischen Nachbarstaaten zu bemerken. Der empörte Harel gab sich größte Mühe und lieferte dem Premierminister Ben-Gurion innerhalb eines Monats einen vollständigen Bericht über das ägyptische Raketenprogramm, von dem Lötz einen großen Teil geliefert hatte. Durch ihn erhielt der Mossad Blaupausen des Projekts 333 für den Entwurf eines Raketenkontrollsystems und entdeckte den Ort, an dem die Raketen montiert wurden. Aber die Schlüsselinformation stammte aus einem Brief von einem der deutschen Wissenschaftler, Professor Wolfgang Pilz. Der Brief war an Kamil Azzab, den ägyptischen Direktor der Fabrik, adressiert. Darin verlangte er über 3,5 Millionen Schweizer Franken für den Kauf von 900 Raketen. Die Schlußfolgerung war, daß Präsident Nasser eine ganze Sturzflut von Raketen vorbereitete, die über Israel niedergehen sollte. Es blieb dem skeptischen Meir Amit überlassen zu erklären, es bestehe keine unmittelbare Gefahr, und der Feind habe immer noch größte Schwierigkeiten mit den Raketensteuerungssystemen. Zu diesem Zeitpunkt betrat ein ominöser österreichischer Wissenschaftler namens Otto Frank Joklik wie gerufen eine israelische Botschaft in Europa mit der Information, daß die Ägypter auch an einer „Arme-Leute-Bombe" aus den nuklearen Abfällen Strontium und Kobalt arbeiteten, um sich auf eine Verwüstung Israels vorzubereiten. Er behauptete, diese Information zu besitzen, weil er das Material für zwei geheime Waffenprogramme herbeischaffen sollte, eins mit Namen „Kleopatra", um eine Atombombe zu produzieren,

das zweite, „Ibis", um eine mysteriöse andere radioaktive Waffe zu bauen. Diese neue Entwicklung lieferte genau die Munition, die Isser Harel brauchte, um radikale, geheime Maßnahmen gegen die deutschen Wissenschaftler durchzusetzen. Der Mossad bereitete sich auf die Operation „Damokles" vor, die im September 1962 endgültig genehmigt wurde, und mit der der israelische Geheimdienst sich auf das Feld der Mordanschläge und des Terrorismus begab. Lötz' Berichte aus Kairo, von denen einige nur auf zufällig aufgefangenem Klatsch beruhten, schienen Jokliks bemerkenswerte Geschichte zu stützen, und Lötz wurde sofort angewiesen, in Kairo Drohbriefe an 50 für Ägypten arbeitende deutsche Wissenschaftler versenden zu lassen. Schlimmere Maßnahmen folgten bald darauf. In München wurde Dr. Heinz Krug zum letzten Mal gesehen, als er zusammen mit einem Fremden das Büro einer im Raketengeschäft tätigen Firma verließ; ein anonymes Telefongespräch verkündete kurz darauf seinen Tod. Zwei Monate später explodierte ein Paket, das an die Fabrik 333 gerichtet war, wo die Raketen montiert wurden, und verletzte eine Sekretärin schwer. Zwei weitere Paketbomben töteten mindestens fünf Angestellte von Firmen, die ebenfalls am Raketenprogramm beteiligt waren, und der Versuch, einen deutschen Elektroniker zu erschießen, scheiterte nur knapp. Otto Joklik, der Informant, wurde als nächstes herbeizitiert. Er sollte versuchen, Professor Paul Goerke zu überreden, nicht weiter für die berüchtigte Raketenfabrik zu arbeiten. Um dies zu erreichen, arrangierte er ein Treffen mit Heidi Goerke, der Tochter des Professors, in der Schweiz. Dort fand sich auch Joseph Ben-Gal ein, vermutlich vom Mossad geschickt; er gab vor, ein israelischer Beamter im Bildungssektor zu sein. Sie erzählten der Frau, daß ihr Vater zwar nicht in Gefahr sei, aber daß sein Kollege Dr. Pilz, ein Nazi gewesen sei, der keine Gnade erwarten konnte. Heidi Goerke hatte Vorsichtsmaßnahmen getroffen und die Schweizer Polizei informiert, die das Treffen überwachte und die beiden Mossad-Agenten dann nicht weit vom israelischen Konsulat in Zürich verhaftete. Die Bundesrepublik verlangte umgehend deren Auslieferung wegen des Verdachts des versuchten Mordes. Dieses Ereignis rief die schwerste in einer Reihe von Krisen hervor, die den Staat Israel und seine verwickelten Beziehungen mit der

Welt der Geheimtätigkeiten erschütterten. Übereifrige Spionagechefs hatten sie zu verantworten. Mochte Isser Harel auch noch so fähig sein, er verlor schnell die Geduld und ließ seine Gefühle die Oberhand über seine unbestrittene Intelligenz gewinnen. So glaubte er, eine größere deutsche Verschwörung gegen Israel entdeckt zu haben - ein Komplott, von früheren Nazis organisiert. Schlimme Erinnerungen trübten seine Urteilskraft, und schon war er bereit, eine Terrorkampagne gegen die Schuldigen zu entfesseln. Und jetzt, wie um seinen Arger noch zu steigern, verlangte die Bundesrepublik die Auslieferung der jüdischen Mossad-Agenten! Obwohl der Mossad-Chef mit seinem Verdacht nicht alleine stand und von einigen Kabinettsmitgliedern einschließlich Golda Meirs unterstützt wurde, sah David Ben-Gurion den Fall in einem größeren Rahmen. Ihm lag viel daran, sich die Freundschaft Frankreichs ebenso wie der Bundesrepublik zu erhalten, und er glaubte, Israel werde in der sorgenvollen Zukunft die Unterstützung beider brauchen. Die Bundesrepublik suchte er als Partner, denn er erkannte, daß sie auf dem besten Wege war, politisch und wirtschaftlich eine Großmacht zu werden, die auf internationale Vorgänge starken Einfluß nehmen würde. Aus diesem Grund bevorzugte er die diplomatische Ebene mit dem Ziel, westdeutsche Hilfe gegen die kriegsvorbereitenden Aktivitäten der deutschen Staatsbürger in Ägypten zu bekommen. Daraus entwickelte sich ein schwerer Konflikt zwischen dem Premierminister, der von Meir Amit unterstützt wurde, und Isser Harel. Mit harten Worten warf Harel seinen Opponenten vor, durch ihre Bemühungen um freundschaftliche Beziehungen mit den Deutschen die Sicherheit Israels zu gefährden. Am tiefsten traf ihn der ausgesprochen zynische Standpunkt Meir Amits im Hinblick auf die Kriegsrüstung Ägyptens und seine beträchtlichen Zweifel an den Lötz-Berichten, wonach die Ägypter eine Raketenstreitkraft aufbauten und eine Atombombe entwickelten. Harel war besonders wütend über Amits scharfen, sarkastischen Kommentar, daß, wenn alle diese Berichte glaubhaft wären, „Ägypten gerade dabei ist, die ganze Welt zu übernehmen". Harel schlug zurück mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Er verausgabte sich aber in diesem Kampf, denn er ver-

suchte, den Politiker zu spielen - ein zwar verlockendes, aber gefahrliches Spiel für einen Spionagechef. Der Mossad begann mit einer gezielten Kampagne von Fehlinformationen und Nachrichtenfälschungen, lancierte Zeitungsberichte, nach denen die Deutschen für die Ägypter alle Arten von Vernichtungswaffen produzierten nicht nur Raketen, sondern auch chemische Waffen und sogar Todesstrahlen, um Israel von der Landkarte zu streichen. Zeitungsreportern in Tel Aviv wurden alarmierende Notizen zugespielt, und die recherchierenden Journalisten wurden vom Mossad auf verschiedene westdeutsche Einrichtungen aufmerksam gemacht, die angeblich solche teuflischen Waffen entwickelten. Das hatte den gewünschten Effekt, die öffentliche Meinung gründlich zu alarmieren, um so mehr, als einflußreiche Politiker wie Golda Meir das Thema vor der Knesset zur Sprache brachten. Das Land geriet in Panik, und der Nachrichtendienst schien außer Kontrolle geraten zu sein. Ben-Gurion brach wütend seinen Urlaub ab und stellte Isser Harel zur Rede, der zwar zugab, die Pressekampagne angestiftet zu haben, aber zornig zurückschlug und seinen Rücktritt anbot, der aber nicht angenommen wurde. Die ganze Aktion war dazu angetan, eine politische Krise heraufzubeschwören, die durchaus mit einem Sturz der Regierung hätte enden können. Der Premierminister schrieb umgehend einen Brief, in dem er den Chef des Mossad aufforderte, einen Bericht über seine Informationen zur Waffenproduktion in Ägypten anzufertigen und darin genau darzulegen, was man über den Änteil der Deutschen daran wußte. Schließlich machte er Harel zur Auflage, die Quellen für seinen Bericht zu benennen. Das war ein schwerer Schlag für Harels Selbstgefühl, denn der Brief stellte seine Vertrauenswürdigkeit in Frage und zweifelte seine Quellen an. Harel legte sein Amt nieder, übergab die Schlüssel und erklärte feierlich: „Ich könnte nicht bleiben, wenn ich so völlig anderer Meinung als der Premierminister bin." So ging ein langens Kapitel des israelischen Nachrichtendienstes zu Ende. In Kairo spionierte der Agent Wolfgang Lötz weiter. Er war eifrig damit beschäftigt, seinen Chefs die Informationen zu liefern, die sie verlangten, vor denen sie sich aber auch gleichzeitig fürchteten. Aber nach vier Jahren Außendienst wurde ihm immer mehr abverlangt, er

mußte laufend Material liefern, um die Forderungen der Leiter, die in die politische Schlacht zu Hause verwickelt waren, zu erfüllen. Der ständige Gebrauch seines Senders lenkte schließlich die Aufmerksamkeit der Funkortungsgeräte, die den Ägyptern vor nicht langer Zeit von den Russen geliefert worden waren, auf sich, und es gelang ihnen, die Herkunft der Funksprüche zu orten. Lötz wurde festgenommen, im Juli 1965 verurteilte ihn ein Gericht in Kairo zu lebenslänglicher Haft. Einem Todesurteil, das normalerweise israelische Spione erwartete, entrann er nur, weil er immer wieder behauptete, daß er eigentlich ein Deutscher sei. Nur zwei Jahre saß er im Gefängnis, bevor er durch einen Kriegsgefangenenaustausch nach dem Sechs-Tage-Krieg freikam und nach Israel zurückkehrte, zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls inhaftiert worden war. Dort wurde das Champagner-Leben bald schal: Seine Frau starb und die Reitschule, die er in Israel eröffnete, war ein Mißerfolg. Mit einem ähnlichen Unternehmen in den USA hatte er auch nicht mehr Glück. Als er 1978 nur noch 1000 Dollar von der Abfindung besaß, die der Mossad ihm gezahlt hatte, siedelte Lötz in die Bundesrepublik über und nahm eine Stellung in einem Müchener Warenhaus an. Er war völlig desillusioniert. Er, der einst auf so großem Fuß gelebt hatte, beklagte sich bitter darüber, daß Israel ihm für seinen gefährlichen Dienst nur 200 Dollar im Monat bezahlt hatte.

9. Damaskus

Weit weg von den Machtkämpfen der Nachrichtendienstchefs und den Entscheidungsträgern in Jerusalem und Tel Aviv gingen die Außendienstler des Mossad in den feindlichen Ländern der arabischen Welt ihrer gefährlichen Arbeit nach. Ihre einsame Pflicht war es, das Rohmaterial für die Nachrichtendienste zu besorgen, von dem die Sicherheit des Staates letztlich abhing. Supermacht-Spionage ist ein recht bequemer Posten geworden. Viele Agenten genießen diplomatische Privilegien; sie haben eine Spionagelizenz, und wenn sie entarnt werden, ist das Schlimmste, was ihnen passieren kann, daß sie zur persona non grata erklärt und ausgewiesen werden. Obwohl Agenten, die keine Diplomaten sind und wegen Spionage festgenommen werden, lange Gefängnisstrafen bekommen können, werden sie oft nach kurzer Zeit gegen einen Agenten ausgetauscht, den die andere Seite erwischt hat. Für Agenten, die in die grausamen Kriege des Nahen Ostens verwickelt sind, seien es Israelis oder Araber, steht viel mehr auf dem Spiel - Tod ist immer noch die Strafe für ein Scheitern, und für die Juden, die von den arabischen Staaten gefangengenommen werden, ist dies oft mit Folter verbunden. Dieses Schicksal ereilte auch Eli Cohen, den tüchtigsten von Mossads Geheimagenten. Im Mai 1965 wurde er vor laufenden Fernsehkameras und vor Tausenden von Zuschauern auf dem Platz der Märtyrer in Damaskus gehängt. Nachdem Cohen mit dem Rabbi von Syrien seine Gebete gesagt hatte, warf der Henker ihm ein grobes weißes Leintuch über. An diesen Überwurf heftete man ein Blatt mit einer Liste seiner Vergehen und Einzelheiten aus dem Gerichtsurteil des Schauprozesses, den er über sich ergehen lassen mußte. Was dieses Papier nicht erwähnte, war die Tatsache,

daß die wertvollen militärischen Geheiminformationen über syrische Militärvorbereitungen, die von Cohen beschafft und nach Tel Aviv geliefert worden waren, für den israelischen Angriff auf die Golanhöhen im Sechs-Tage-Krieg lebenswichtig werden würden. Cohen, der Sohn einer jüdischen Familie aus der Hafenstadt Alexandria, sprach perfekt arabisch und fühlte sich in der Kultur der arabischen Länder durchaus zu Hause. Als Jugendlicher, schon damals begeisterter Zionist, arbeitete er für jüdische Geheimorganisationen in Ägypten. Vor seiner Emigration entrann er knapp einer Verstrickung in die unselige „Operation Suzanna". Einmal in Israel angekommen, heiratete er und nahm einen langweiligen Job im Ministerium an, wurde dann aber von Talentsuchern des Mossad entdeckt. Sie wußten, daß es für ihn unmöglich war mit einem Auftrag nach Ägypten zurückzukehren, denn dort war sein Name polizeilich bekannt; außerdem hatte der Mossad dort sowieso schon einen Agenten, nämlich Wolfgang Lötz. Nach sorgfältiger Vorbereitung, die auch die perfekte Erlernung eines syrischen Akzents betraf - denn die Araber haben ein gutes Ohr für Sprachnuancen -, tauchte er statt dessen in Damaskus auf. Syrien ist eines der Länder, in denen die Israelis am schwersten Fuß fassen konnten, weil die Syrer sehr sippenorientiert und mißtrauisch sind. Zur Vorbereitung seiner Einreise verbrachte er daher neun Monate in Buenos Aires unter dem Namen Kamel Amin Taabeth, als ein wohlhabender Syrer im Exil, der in sein Heimatland zurückkehren wollte. Für diesen Teil seiner Aufgabe lernte Cohen einige Zeit Spanisch, damit seine Tarnung wasserdicht wurde. Der Mossad scheut keine Mühe, wenn es um die Vorbereitung seiner Agenten auf die Schwierigkeiten und Gefahren ihrer Spionagetätigkeit geht. Während seines Aufenthalts in Lateinamerika schloß der Israeli Bekanntschaft mit General Amin al-Hafez von der syrischen Botschaft. Zusätzlich knüpfte er Kontakte zu anderen prominenten Syrern auf dem Schiff von Buenos Aires nach Beirut, von wo er auf dem Landweg nach Damakus reiste. Man verschaffte ihm den Zugang zu höchsten syrischen Kreisen. Vom Mossad mit eingeschmuggeltem und gewaschenem Geld versorgt, mietete er eine elegante Wohnung nahe beim Hauptquartier des Generalstabs. Sie war sorgfaltig ausgesucht und lag in einer Gegend, in der die meisten seiner Nachbarn

höhere Offiziere waren. Einer seiner nützlichsten Freunde wurde der junge Leutnant Maazi Zahr ed-Din, der Neffe des Stabschefs. In der Gesellschaft dieses einflußreichen jungen Offiziers war es ihm möglich, an einer Reihe von Führungen durch die syrischen Verteidigungseinrichtungen auf den Golanhöhen teilzunehmen. In diesem militärischen Sperrgebiet konnte Zahr ed-Din Cohen alles zeigen, was er sehen wollte. Bei einer Führung zählte er achtzig 122mmMörser, die in die westlichen Abhänge eingegraben waren, er schoß davon Fotos mit Blickrichtung auf den Jordan. Diese Art präziser Information versetzte die Armee in die Lage, den Standort der Mörser und ihre wahrscheinlichen Angriffsziele zu bestimmen. Cohen besichtigte außerdem die Tiefbunker, wo Artilleriewaffen, die neu aus der Sowjetunion gekommen waren, positioniert werden sollten. 1964 schließlich war der Mossad-Agent in Damaskus so weit, daß er genaue Pläne des ganzen Befestigungsrings um das strategische Zentrum Kuneitra liefern konnte, komplett mit Details über die Tiefe und Stärke der Bunker und die Sperren für Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Ein großer Teil dieses wertvollen Nachrichtenmaterials wurde per Funk nach Tel Aviv übermittelt, aber als es um die Pläne ging, die er in die Hand bekommen hatte - Einzelheiten über das Konzept der syrischen Armee, die genaue Planung, wie der nördliche Teil Israels in einem Überraschungsangriff abzuschneiden war -, mußten andere Mittel gefunden werden. Eli Cohen hatte eine Import- und Exportfirma gegründet, die auch den Transport von syrischen Töpfereiprodukten ins Ausland abwickelte. Es gelang ihm, streng geheime Dokumente und Bilder in diesen Exportgütern gut zu verstecken und sie über Drittländer in Europa nach Israel zu schicken. Unter weiteren Geheiminformationen, die der brillante Agent erlangte, befanden sich auch Berichte über das Eintreffen der ersten 200 russischen T-54 Panzer und Fotos vom Mig-21 Düsenjäger aus der Sowjetunion. Er vernachlässigte auch das politische Geschehen nicht. Die Leiter des Mossad wurden über die Manöver und Verschwörungen innerhalb der regierenden Baath-Partei auf dem laufenden gehalten. Sie wurden auch gewarnt, nachdem einer der mit Cohen befreundeten Offiziere, Salim Hatum, ihm auf einem Plan gezeigt hatte, wo syrische Saboteure das israelische Jordan-Kanal -

system zur Bewässerung des Negev in Galiläa zu zerstören beabsichtigten. Kurz, seine Arbeit war ungeheuer wertvoll für die israelische Verteidigung, und ohne die gelieferten militärischen Informationen wäre es der Armee sehr viel schwerer gefallen, im Sechs-Tage-Krieg die Golanhöhen zu stürmen. Eli Cohens Untergang war nicht der Wachsamkeit der syrischen Spionageabwehr zu verdanken, die das Verdienst seiner Demaskierung für sich beanspruchte, sondern einer Anzeige der indischen Botschaft, die in der Nähe seiner Wohnung gelegen war. Ihre Funker beklagten sich über häufige Störungen ihrer Sendungen. Das war nicht verwunderlich, denn zu der Zeit hatte der israelische Agent so viel Material, daß er die zeitlichen Sicherheitsbegrenzungen für solche Funksendungen bei weitem überschritt und manchmal bis zu einer Stunde im Äther war. Sogar nach den Anzeigen waren die Syrer nicht in der Lage, die Quelle der Funkstörungen auszumachen. Äber 1965 gab es eine starke sowjetische Präsenz in Damaskus, und der KGB half sehr bereitwillig aus, um den israelischen Spion aufzuspüren. Der KGB hatte die modernsten elektronischen Geräte mitgebracht und wurde sehr schnell fündig. Schließlich brachen syrische Sicherheitsdienstler in Cohens Wohnung ein und erwischten ihn beim Funken mit einem Gerät, das in einer Küchenmaschine versteckt war. Er wurde dazu gezwungen, seine Übermittlung mit einer Nachricht, die ihm diktiert wurde, zu beenden. Sie lautete: „An den Premierminister von Israel und den Chef des Geheimdienstes in Tel Aviv. Kamil und seine Freunde sind unsere Gäste in Damaskus. Sie werden bald etwas über ihr Schicksal erfahren. Unterzeichnet: die Spionageabwehr von Syrien." Lange Zeit zögerte Präsident al-Hafez damit, den Mann, den er so gut zu kennen geglaubt hatte, hinrichten zu lassen; es wurde sogar behauptet, seine Frau habe einmal ein teures Geschenk von Eli Cohen erhalten. Israel startete eine internationale Kampagne, um seinen Agenten vor dem Galgen zu retten. Der Mossad unternimmt immer die größten Anstrengungen, seinen Mitarbeitern in Bedrängnis zu helfen. Trotz der Kampagne aber unterschrieb der syrische Präsident schließlich das Todesurteil.Viele prominente Syrer hatten mit dem Israeli in Kontakt gestanden, so mußte al-Hafez befürchten, daß durch eine Begnadigung seine politische Position in Gefahr geriet.

Dritter Teil Die Weltpolizei

10. Der elektronische Krieg

Der umstrittene Abgang von Isser Harel beim Mossad ließ die Organisation in chaotischem Zustand zurück. Viele seiner loyalen Kollegen konnten es gar nicht fassen, daß ein Mann, der sie ein Jahrzehnt lang in vielen erfolgreichen Einsätzen geführt hatte, nun nicht mehr der Chef sein sollte. Noch schlimmer war, daß er durch General Meir Amit, seinen alten Widersacher, zunächst kommissarisch, ersetzt worden war. Amit glaubte als forscher militärischer Intellektueller mit einer langen Liste von Fronterfahrungen als Brigadegeneral im Krieg von 1948 und mit Geheimdiensterfahrung, daß der Mossad bisher zu viel Zeit und zu viele Finanzmittel auf so auffällige Aktionen wie die Entführung von Eichmann und andere ausländische Abenteuer verschwendet hatte. Nach seiner Ansicht gehörten Nazikriegsverbrecher einer vergangenen Zeit an. Was im Jahr 1963 absolute Priorität hatte, war der Geheimdienstkrieg in der arabischen Nachbarschaft. Es war eine Zeit der gegenseitigen Beschuldigungen und der Rücktritte, als die alten Hasen ihre Mißbilligung über den Reformer zum Ausdruck brachten. Erst im September 1963 wurde Meir Amits Ernennung zum Mossad-Leiter bestätigt. Gleichzeitig folgte ihm sein früherer Stellvertreter beim militärischen Nachrichtendienst, Oberst Aharon Yariv, als Leiter dieser Organisation im Rang eines Generals. Die beiden Offiziere kamen sehr gut miteinander aus, und ihre freundschaftliche Zusammenarbeit trug in dieser Zeit, die auf den Sechs-Tage-Krieg von 1967 zuführte, dazu bei, eine neue, nützliche Partnerschaft im Spiel der Geheimdienste zu etablieren. Zu dieser Zeit hatte sich der alte Staatsmann Ben-Gurion wieder in seinen Kibbuz zurückgezogen, diesmal für immer. Sein Nachfolger war

Levi Eschkol. Als Kompromiß und in der Hoffnung, die Kluft zwischen den rivalisierenden Abteilungen des Geheimdienstes zu überbrücken, verschaffte Eschkol Isser Harel eine Position als Berater des Premierministers im Ressort Nachrichten und politische Information, ein Arrangement, das sich am Ende als nicht sehr nützlich erwies, denn Harel war von jeher nicht zum Koordinator geschaffen. General Amit erfaßte bald die Bedeutung von Computer-Dateien in der nachrichtendienstlichen Arbeit und erkannte schnell die wichtigen Vorteile der Frontbeobachtung durch Computer. Während eines Besuchs in den USA in seiner vorherigen Funktion hatte er seine Bekanntschaft mit Dick Helms, dem Chef der CIA, erneuert und war von den neuen elektronischen Geräten, die dort verwendet wurden, beeindruckt. Weiterhin übte Professor Yuval Ne'eman, ein Militärwissenschaftler, der am Imperial College in London ausgebildet worden war, einen starken Einfluß auf Amit aus, und damit auf den neuen Mossad. Er war es, der daraufdrängte, Soldaten und Spione, die als Grenzwachen in Israel fungierten, durch elektronische Abhörgeräte zu ersetzen. Amit legte besonders viel Wert darauf, beim Funkeinsatz der Nachrichtendienste einen Fortschritt zu erzielen, und seine Mitarbeiter plazierten eindrucksvolle Geräte an strategisch günstigen Punkten, um Feindgespräche abzuhören. Auch unter ihrer Tarnung können die Masten, Antennen und Radarschüsseln auf dem Berg Hermon über den Golanhöhen noch heute deutlich ausgemacht werden. Dort sind die leistungsfähigen Geräte ständig funktionsbereit; sie überwachen Telefone und Funksignale in Damaskus, das nur 65 km entfernt liegt. Die Abteilung für Nachrichtensammlung des militärischen Geheimdienstes setzt Computer ein, um Informationsmaterial über jeden einzelnen Offizier in den Armeen von Ägypten, Jordanien, des Iraks, Syriens und Saudi-Arabiens zusammenzustellen, so daß die Frontoffiziere im Krieg anhand von Dossiers das Profil ihrer Gegner einschätzen können. Und General Amit gab die Anweisung, daß solche Informationen bis hinunter in die Züge und Kompanien verteilt wurden, damit sämtliche Kommandeure der Bodentruppen Details über die feindlichen Offiziere wüßten. Die technologische Revolution der frühen sechziger Jahre machte Israels militärischen Triumph im Sechs-Tage-Krieg erst möglich.

Vorher und nachher zeigte das Funkkorps der Armee, das mit der Funkabteilung von Aman zusammenarbeitete, seine Leistungsfähigkeit. Sie konnte den Code der vereinigten arabischen Armeen knakken, sie besaß eine wirksame Funkausrüstung im Sinai-Gebiet, und so gelang es den Israelis, Verwirrung zu stiften, indem sie militärische Nachrichten abfingen und falsche weiterleiteten. Um Jordanien in den Krieg hineinzutreiben, produzierte man Falschmeldungen über ägyptische Erfolge im Sinai-Gebiet. Jordanische Truppen wurden aufgefordert, den ägyptischen Gegenangriff zu unterstützen. In einem weiteren Täuschungsmanöver durch Funkinformationen wurde den Jordaniern mitgeteilt, daß die israelischen Jäger, die im Begriff waren, in ihren Luftraum einzudringen, ägyptische Flieger seien. In einem der größten Coups in jenem Konflikt gelang es den Funkern, eine Funkkonferenz zwischen Gamal Abd en-Nasser und König Hussein von Jordanien abzuhören. In diesem Gespräch behauptete der ägyptische Präsident, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien in die Schlacht eingegriffen und den Israelis zu Hilfe gekommen seien. Obwohl der Inhalt dieses Gesprächs eigentlich als ein Teil der israelischen Irreführungskampagne veröffentlicht wurde, glaubte man in der arabischen Welt immer noch allgemein, westliche Flugzeuge hätten ihre Armeen angegriffen, und das lieferte ein nützliches Alibi, warum die vereinigten arabischen Armeen geschlagen wurden. Die Tatsache, daß Planungsgespräche auf höchster Ebene der beiden feindlichen Staaten abgehört und öffentlich gemacht wurden, ist ein Beweis dafür, daß der israelische Geheimdienst elektronische Täuschungsmanöver auch für seine eigenen Zwecke nutzte. Die Annahme geht dahin, daß die Israelis Jordanien gerade zu dem Zeitpunkt in den Kampflockten, als Israel den Krieg bereits zu gewinnen schien, um sich so die Möglichkeit zu verschaffen, den jordanischen Osten Jerusalems zu „befreien". Die Amerikaner glaubten dies zumindest - und sie mußten es wissen: Über die elektronische Schlacht, die von den Israelis geführt wurde, waren sie so gut informiert, weil vor der Küste die USS Liberty, ein CIA-Schiff, lag. Es konnte jeglichen Funkverkehr in der Kriegszone abhören und auswerten. Obwohl Israel sich seinerseits strikt das Recht vorbehielt, dort zu spionieren, wo es die Nachrich-

tendienste für notwendig hielten, war man empört, daß die Vereinigten Staaten ihre Nase in diesen Krieg stecken wollten. Zutiefst alarmiert über den Gedanken, daß das Pentagon jeden Einsatz des Heeres und der israelischen Luftwaffe verfolgen konnte, signalisierte General Dayan dem Schiff, das Gebiet zu verlassen. Aus welchen Gründen auch immer, das Signal wurde nie von der Liberty aufgefangen. Ohne weitere Vorwarnung flogen israelische Mirages und Mysteres einen Angriff auf das Schiff, bei der seine elektronische Ausrüstung zerstört wurde. Damit nicht zufrieden, ließen die Israelis, die entschlossen schienen, das Spionageschiff zu versenken, drei Kriegsschiffe auslaufen, um es zu torpedieren. Schließlich erschienen Armee-Hubschrauber, um den Schaden zu begutachten. Die Liberty war vollbesetzt mit amerikanischen Agenten, die sowohl arabisch als auch hebräisch sprechen konnten und die Einsatzbefehle auf beiden Seiten abhörten. Bei den Angriffen gab es viele Opfer: 34 Besatzungsmitglieder wurden getötet und 75 weitere verletzt. Israel behauptete später zynisch, das Schiff für ein ägyptisches gehalten zu haben, trotz der gut sichtbaren amerikanischen Flagge (bis sie weggeschossen worden war). Undenkbar, daß dem israelischen Geheimdienst Standort und Nationalität des Schiffes nicht bekannt waren. Israel wollte vielmehr unbedingt die Abhöraktion unterbinden. Die amerikanische Regierung sollte das volle Ausmaß des Sieges nicht erfahren, damit Washington nicht einen Waffenstillstand forderte, noch bevor Israel seine Kriegsziele vollständig erreicht hatte. Obwohl die 6. Flotte der US-Marine mit dem Flugzeugträger USS America nur ein paar Minuten Flugzeit entfernt war, gelang es ihr nicht, effektiv einzuschreiten. Als Antwort auf das Notsignal der Liberty erfolgte lediglich ein Einsatz von Phantom-Kampfflugzeugen - allerdings zu spät. Schließlich konnte sie sich mit den Toten und Verwundeten an Bord in Sicherheit bringen, und den Israelis wurde eine halbherzige Entschuldigung abgerungen. Es besteht natürlich der Verdacht, ein weiterer Grund für den Angriff auf das Schiff könnte darin gelegen haben, daß die Amerikaner nach Ansicht der Isarelis viel zu viele Informationen über ihre eigene Planung eines Krieges gesammelt hatten, für den sie die ganze Schuld Präsident Nasser in die Schuhe schieben wollten. Israel, das ist heute offensichtlich, trug selbst einen guten Teil der Verantwor-

tung für die Eskalation, die zum Krieg von 1967 führte. Im Gegensatz zu dem, was allgemein angenommen wird, erwartete der israelische Geheimdienst in jenem Sommer aber noch keinen Krieg. Seine Informationen über die arabische Rüstung ließen ihn annehmen, daß die ägyptischen und syrischen Armeen noch nicht so weit waren, um in einen Krieg einzutreten, und daß die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs vor Ablauf der Vorbereitungen in ein, zwei Jahren gering war. Diese Einschätzung hatte aber einen gegenteiligen Effekt auf die israelischen Scharfmacher, die versuchen wollten, den Schlag gegen die Araber zu führen, bevor sie kampfbereit waren. Zwei neue Faktoren kamen auf beiden Seiten hinzu. Beim arabischen Gipfeltreffen entstand der Plan, den Lauf des Jordans umzuleiten, und die Syrer begannen zur großen Empörung der Israelis, an dem Projekt zu arbeiten. Dann startete die El Fatah-Kampftruppe der PLO, die ihren ersten Angriff im Januar 1965 geführt hatte, die erste Anschlagserie im Terrorkrieg. Nach dieser Eskalation schlug Israel gegen die Syrer, die im Zusammenhang mit dem Jordanplan standen, los, zuerst mit Warnungen an Damaskus, dann durch grenzübergreifende Anschläge auf Terroristenbasen. Die arabischen Geheimdienste und höchstwahrscheinlich auch die Russen nahmen diese Aktionen als Anzeichen dafür, daß Israel sich auf einen Krieg zubewegte, den man im Frühjahr erwartete. Das Szenario änderte sich in einer Weise, die jeden der beteiligten Nachrichtendienste überraschte. Als an beiden Seiten der Grenzen Truppen aufmarschierten, stellten die Ägypter ein Ultimatum, das den Rückzug der UN-Puffertruppen auf der Sinai- Halbinsel verlangte. Als diese sich zurückgezogen hatten, ließ Präsident Nasser Sharm-el-Sheik besetzen, und damit konnte er den Seeweg zum israelischen Hafen Elat blockieren. So wurde der Krieg unvermeidlich. Zu diesem Zeitpunkt wurden die vielen detaillierten Informationen über Zustand, Vorbereitungen und Truppenaufmarsch der arabischen Armeen zum lebenswichtigen Faktor für die israelischen Entscheidungsträger. Sie waren von den neuen, vorbildlichen Nachrichtendiensten General Amits und General Yarivs gesammelt worden. Die Regierung Israels wußte, wie verwundbar und unvorbereitet die arabischen Heere und die Luftwaffe waren. Präsident Nasser hatte in

Sharm-el-Skeik und auf der Sinai-Halbinsel einen schweren Fehler begangen, und jetzt war der ideale Moment, ihn zu beschuldigen und dazu zu bringen, präventive Luftangriffe auszufuhren und einen schnellen, spektakulären Sieg zu erringen. Trotz anfänglichen Zögerns erkannte Premierminister Eschkol schließlich, daß dies eine Chance war, die nicht vergeben werden dürfte, und akzeptierte den Standpunkt General Yarivs, daß Israel aufgrund der Fülle von detailliertem Wissen über den Zustand der syrischen und ägyptischen Kampfkraft den Krieg nicht verlieren würde.

11. Der Terrorkrieg

Der glänzende, vollständige Sieg im Sechs-Tage-Krieg löste einen Freudentaumel aus, und es kam die Hoffnung auf, Israels Probleme seien endgültig gelöst, jetzt, da Jerusalem eine vereinigte Stadt und eine sichere Grenze am Jordan gezogen war. Zu diesem Zeitpunkt erkannte man allerdings nicht, daß die schmachvolle Niederlage der arabischen Kampftruppen neue Gefahr heraufbeschwören werde. In ihrer Verzweiflung begannen die Palästinenser nämlich, ihre zerlumpten Guerillatruppen zu sammeln, um eine neue Art von Untergrundkrieg einzuführen, den Israel auch mit Hilfe seiner erfolgreichen Nachrichtendienste nur äußerst schwer gewinnen konnte. Schon vor dem Sechs-Tage-Krieg waren die ersten bösen Anzeichen drohender Gefahr registriert worden. Eines Wintermorgens im Jahr 1965 entdeckte ein Wasseringenieur einen Sack, der im Kanal durch das Nefuta-Tal im Norden Israels hinuntertrieb. Er fischte ihn heraus und stellte fest, daß er explosives Material und einen Zünder enthielt. Das war in der Geschichte Israels kein großes Ereignis; aber die symbolisch treibende Bombe, die im Wassersystem nicht explodiert war, kam von El Fatah, dem militärischen Arm der palästinensischen Widerstandsbewegung. Und dies war die Geste, mit der eine scheinbar endlose Terrorkampagne begann. Seither wird der 3. Januar 1965 als der Tag genannt, an dem der palästinensische Zermürbungskrieg gegen Israel ausbrach. Grenzverletzungen und Überfälle aus den benachbarten arabischen Ländern waren normal genug; es hatte auch Raubzüge bewaffneter Flüchtlinge aus den palästinensischen Lagern gegeben, die die alten Waffenstillstandslinien überschritten. Aber dies war das erste kleine Anzeichen eines neuen Phänomens gewesen. El Fatah war an den

ägyptischen Universitäten entstanden unter der Führung von Yasser Arafat. Ihre politische Organisation, die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, wurde 1963 gegründet; anfangs genoß sie das Wohlwollen Präsident Nassers. Ihr Endziel war, den Staat Israel zu vernichten, der sarkastisch als das „zionistische Wesen" bezeichnet wurde, und das Land für die Palästineser, die daraus vertrieben worden waren, zurückzuerobern. Schon in zwei Kriegen hatten die ägyptischen und syrischen Armeen ihre Unfähigkeit in dieser Sache bewiesen. Junge und glühend nationalistische Palästinenser, ermutigt vom Sieg der Algerier, die ihre Unabhängigkeit von Frankreich durch endlose Guerillakämpfe und politischen Druck errungen hatten, beschlossen, ihren eigenen Kampf mit einer Untergrundarmee zu führen. Zuerst wirkte die arabische Niederlage im Sechs-Tage-Krieg niederschmetternd auf El Fatah und die PLO. Ihren Gönnern in der arabischen Welt war es nicht gelungen, das verhaßte „Wesen" zu erschüttern, was konnten also die Palästinenser selbst zu erreichen hoffen? In diesem Stadium begannen die zäheren Persönlichkeiten in der Führung, ihre Theorien über revolutionäre Kriegstaktiken zu verbreiten. Die Hoffnung ging dahin, mit den passenden Waffen und guter Ausbildung ihrer Truppen den Israelis im eigenen Lande und im Ausland das Leben so zur Hölle zu machen, daß sie schließlich dazu gezwungen wären, nachzugeben und das Land zu verlassen. Das war der Gedanke hinter den Terrorkampagnen Yasser Arafats, und noch brutaler ging Dr. George Habasch vor, eine marxistischer, christlichgetaufter Mediziner mit der Seele eines linksgerichteten Revolutionärs, der mit der Zeit zum Chef der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) avancierte. In derselben Gruppe war auch Wadi Haddad, ein ähnlich gesinnter Nationalist, der allerdings Habaschs wildere Exzesse mißbilligte. Innerhalb der Palästinenserbewegung entstanden laufend Streitigkeiten und Spaltungen, persönliche Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten. Splittergruppen trennten sich von der Hauptrichtung und verfolgten ihre eigenen Taktiken. Sie gerieten unter den Einfluß Syriens oder des Irak und später des revolutionären Iran. In vielen Fällen artete der gemeinsame bewaffnete Kampf zu bewaffneten internen Händeln aus. Doch blieb es das gemeinsame

Ziel, Palästina zu „befreien", und da die Geburtenrate bei den Palästinensern stark anstieg, sahen sie sich mit einem unermeßlichen Potential junger Männer ausgerüstet, die bereitwillig und eifrig kämpften, grimmig und tollkühn, um sich ihre sogenannte Heimat zu schaffen, so wie die Israelis ein paar Jahre zuvor für die ihre gekämpft hatten. Um das ursprüngliche Bekenntnis zum militärischen Chauvinismus zu umschreiben: Sie hatten Truppen, sie hatten Waffen - in Mengen von der Sowjetunion geliefert -, und sie hatten auch das Geld. Dieses Geld kam von den reichen Ölnationen Arabiens, deren Führer hofften, sich damit selbst von der Revolution freizukaufen, und die Palästinenser selbst brachten Geld durch Besteuerung ihres eigenen Volks, durch Erpressung und Ausbeutung der Drogenproduzenten im Nahen Osten auf. Als der Terrorkrieg in den sechziger Jahren begann und in den zwei folgenden Jahrzehnten andauerte, waren der Mossad und der militärische Nachrichtendienst dazu gezwungen, fast sämtliche Reserven für den Kampf gegen die palästinensische Guerilla aufzubringen. Mehr Mitarbeiter wurden eingestellt, die Dienste verdoppelten nahezu ihre Mannschaft. Diplomaten und Botschaften in der ganzen Welt wurden aufgefordert, die Bemühungen mit Nachrichtenmaterial, Falschinformationen und Propaganda zu unterstützen. Berater waren immer bereit, über „das Problem" in den bekannten gutturalen israelischen Tönen zu sprechen. Jede Aktion wurde analysiert, jeder Erfolg mit detaillierten Materialien aufgezeichnet. Stets wurde gepredigt, die einzige Methode, mit Terroristen umzugehen, sei, zurückzuschlagen und nie ihren Erpressungsversuchen nachzugeben. Die Armee, unterstützt vom Inlandssicherheitsdienst Schin Beth, bewies, daß sie die direkten Guerilla-Attacken innerhalb Israels genauso im Griff hatte, wie sie mit der äußeren Bedrohung durch die benachbarten arabischen Staaten fertiggeworden war. Aber als die Palästinenser ihre Pläne in dieser Hinsicht durchkreuzt sahen, entwickelten sie neue Taktiken und verlegten ihren Krieg ins Ausland; sie machten den Terrorismus international. Israel verfügte in der westlichen Welt über Einfluß, argumentierten sie; daher sollten alle Freunde und Verbündeten Israels merken, daß auch sie den Angriffen des palästinensischen Zorns ausgesetzt sein würden. Diese Argu-

mentation überzeugte Yasser Arafat und die anderen Palästinenserführer, die für ihn oder gegen ihn agitierten, sich von israelischen Zielen abzuwenden und dafür westliche Interessen ins Visier zu nehmen. Die Palästinenser waren es, die die Praxis der Flugzeugentführung - empfindliche, höchst mobile Fortbewegungsmittel - perfektionierten und in die schlimmere Form der Geiselnahme umwandelten. Solche Angriffe garantierten immer weltweite Publizität. Die fliegende Theaterbühne mit ihrer Ladung von Passagieren aller Nationen als Schauspieler konnte dramatisch von einem Land ins andere geflogen werden. Das erste Beispiel war 1968 die Entführung einer Boeing 707 der El AI auf dem Flug von Rom nach Tel Aviv. Sie wurde gezwungen, Kurs auf Algier zu nehmen, ein Bestimmungsort, der als Tribut dafür ausgewählt wurde, daß die Algerier im Kampf gegen ausländische Vorherrschaft allen arabischen Brüdern ein Beispiel gesetzt hatten. Israelische Passagiere wurden dort zwei Monate lang festgehalten, bevor sie gegen Araber, die in Israel inhaftiert waren, ausgetauscht wurden. Durch die Serie von Flugzeugentführungen, die dem folgte, gelang es, die Weltöffentlichkeit auf die palästinensische Sache aufmerksam zu machen. Sie zielten auch darauf ab, Ausländer davon abzubringen, Israel zu besuchen, deren Fluggesellschaft zu benutzen oder überhaupt mit dem tapferen kleinen Staat, der sich kühn gegen die riesigen Armeen der Araber wehrte, zu sympathisieren. Als Entführungen für die Luftpiraten wegen stärkerer Sicherheitsvorkehrungen immer schwieriger wurden, begannen die PLO und ihre Verbündeten, Flugzeuge in der Luft zu bombardieren oder Schiffe auf hoher See zu kapern. Schin Beth übernahm die Aufgabe, die Flugsicherheit zu verbessern und Passagiere genauen Überprüfungen und Durchsuchungen zu unterziehen. Der Flughafen Ben-Gurion in Tel Aviv wurde zum Musterbeispiel in Sachen Flugsicherheit. Bei den peinlich genauen Kontrollen beherrschten die Angestellten die Technik, Passagiere einer recht höflichen Befragung auszusetzen auf der Suche nach den geringfügigsten Anhaltspunkten von Schuldgefühl oder Nervosität, die einen potentiellen Entführer oder Bombenattentäter verraten könnten. Den Flugzeugen wurden bewaffnete Wachen zugeordnet, die von Schin Beth ausgebildet, mit Gewehren des Typs Beretta .22 ausgestattet waren und mit jedem Entführer, der dreist genug war,

sein Glück zu versuchen, in der Luft in einen Schußwechsel treten konnten. Von Anfang an war der Mossad sich über die Gefahren, die durch den Terrorismus drohten, im klaren gewesen. Mancher alte Kämpe aus der Zeit vor der Unabhängigkeit war im Dienst geblieben und hatte seine Erfahrungen mit arabischen Überfällen auf Kibbuze. Zu jener Zeit war es die Abwehrtaktik gewesen, durch Spione und Informanten Vorwarnungen zu bekommen. Dieselben Methoden wurden jetzt auch von Schin Beth und seinen Agenten benutzt, die widerspenstige arabische Bevölkerung in den neubesetzten Gebieten in Schach zu halten. Obwohl Besucher sich in der Öffentlichkeit immer wieder die Geschichten der Israelis darüber anhören mußten, wie zufrieden und erfolgreich die Araber im Westjordanland seien, gab man sich Mühe, die wirkliche Stimmung einzuschätzen. Der Mossad erhielt von seinen Agenten jetzt Nachrichten von Aktivitäten in den Ausbildungslagern. Ihm standen damals bereits Mitarbeiter zur Verfügung, die getarnt als begeisterte palästinensische Kämpfer agierten. In einem Fall war ein Agent sogar als syrischer Offizier getarnt, der, wenn er nicht gerade Spionage betrieb, palästinensische Guerillas in der Handhabung von Kleinkalibergewehren und Sprengladungen unterwies. Ihre Wachsamkeit war grenzüberschreitend. Nachdem die PLO ihre Kampftruppen in Jordanien formiert hatte, die sich dann so anmaßend verhielten, daß ihre bewaffnete Präsenz sogar die Monarchie ins Wanken brachte, hatte der Mossad die palästinensischen Faktionen gründlich genug unterwandert, um König Hussein detaillierte Warnungen über deren Aktivitäten zukommen zu lassen; sogar dessen eigener, ausgezeichneter Geheimdienst konnte dem Mossad nicht das Wasser reichen. Einige Agenten waren Spione, andere, obwohl sie sich in einem Land aufhielten, das Israel nicht als Staat anerkannte, waren in Wirklichkeit getarnte Diplomaten. Sie konnten geheime Treffen zwischen israelischen Führern und König Hussein arrangieren. Und als seine Regierung durch die Dreistigkeit der PLO mit seinen jordanischen Stützpunkten gefährdet war, hatte er die Garantie, daß Israel die syrische Armee zurückschlagen würde, falls die syrischen Verbündeten der PLO es wagen sollten, das Königreich anzugreifen.

Viel Aufmerksamkeit hat schon immer den Aktivitäten der Mossad-Kopfjäger gegolten, deren spektakuläre Aktionen in Dichtung und Wahrheit der Spionagegeschichte eingegangen sind. Das waren Spezialisten, dafür ausgebildet, feindliche Agenten zu entlarven und gegebenenfalls zu erschießen oder in die Luft zu sprengen. Aber für schwierige Kommando-Unternehmen brauchte man Truppen für besondere Aufgaben wie die Einheit 131, um gegen Verstecke jenseits der Grenzen zurückzuschlagen, von wo die Aktionen der Terror-Einheiten ausgingen. 200 Mann aus diesen Truppen waren ständig dazu abgestellt, den Nachrichtendiensten zur Verfügung zu stehen, wenn ihre Dienste gebraucht wurden. Die Luftwaffe wurde abkommandiert, wenn es galt, „klinische" oder „operative" Schläge gegen PLO-Stützpunkte auszuführen. Diese Bezeichnungen sollten das Bild eines Skalpells vermitteln, das ein Geschwür herausschneidet. Natürlich blieb dabei unerwähnt, daß selbst das Skapell des fähigsten Chirurgen manchmal ausrutscht. Und manchmal wird das falsche Teil herausgeschnitten. Die eigentliche Arbeit des Geheimdienstes wurde von ungenannten Männern und Frauen im Außendienst geleistet, die unter höchster Lebensgefahr die palästinensischen Truppen unterwanderten, um Vorwarnungen über geplante Aktionen zu geben. Die Berichte der meisten dieser Mitarbeiter bleiben für immer ein Geheimnis, obwohl kein Zweifel daran besteht, daß Gerüchte über ihr Eindringen in die terroristischen Operationszellen die Palästinenserführer beunruhigten. Das führte zu einer ständigen, berechtigten Furcht innerhalb der PLO vor Verrätern in ihren eigenen Kreisen. Während der Amtszeit von Isser Harel wurden weibliche Agenten nur zögernd eingestellt. Der Chef hatte recht altmodische Ansichten über deren Einsatz: Er sagte einmal, er befürchte, Frauen könnten früher oder später ihre Sexualität dazu benutzen, um Informationen zu bekommen, und der Gedanke sei ihm sehr unangenehm. Dennoch war der Erfolg der Organisation in den Terrornestern im Libanon zu einem großen Teil den Aktivitäten von Frauen zu verdanken. Ihnen gelang es, der Aufmerksamkeit von mißtrauischen Offizieren der libanesischen und syrischen Spionageabwehr zu entgehen, und das zu einem Zeitpunkt, als Beirut den Ruf hatte, das Spionagezentrum des Nahen Ostens zu sein.

Als es um den Aufbau eines Spionageringes ging, war nach den Gepflogenheiten der israelischen Geheimdienste die Wahl von Shulamith Kishak-Cohen, einer Mutter von sieben Kindern, die in Beirut lebte, höchst ungewöhnlich. Als sie später dort vor Gericht stand, beschrieb sie der Staatsanwalt, der eine Vorliebe für Pointen hatte, als „Mata Hari des Nahen Ostens". Obwohl sie zweifellos eine attraktive, sogar elegante Frau war, scheint es angemessener, sie als die „jüdische Mutter der Spionage" zu beschreiben. In ihrer Kindheit war sie einem überlebenden Mitglied der jüdischen Bevölkerung Beiruts als Braut versprochen, nur durch Zufall kam sie zur Spionage. In Jerusalem geboren, wuchs sie in dem damals friedlichen arabisch-christlichen Nachbarstaat in den späten vierziger Jahren auf, zu der Zeit, da Israel sich als neuer Staat etablierte. Ihre erste Aktion war, sehr zum Verdruß ihres Händler-Ehemannes, daß sie half, einen bedeutenden jüdischen Immigranten illegal an Land zu bringen und ihn nach Israel zu schmuggeln. Energisch, intelligent und patriotisch erfüllte sie dann einer Reihe von jüdischen Flüchtlingen aus den arabischen Ländern denselben Dienst. Shulamith Kishak-Cohen widmete sich diesem Flüchtlings-Transfer in einer Art und Weise, wie sich in Amerika die Damen aus der Mittelschicht für soziale Belange engagieren, gleichzeitig zog sie ihre große Kinderschar mit mütterlicher Hingabe auf. Daneben fand sie auch noch Zeit, Vorbereitungen für die jährlichen Feste und Feiertage zu treffen, deren Traditionen bei jüdischen Familien treu gepflegt werden. Von der Flüchtlingsarbeit ging sie mühelos dazu über, die israelischen Geheimdienste mit allgemeinen Nachrichten, geheimen Staats-Akten und politischen Informationen aus dem Libanon und Syrien zu versorgen. Das erreichte sie durch ihren ständig wachsenden Bekanntenkreis in den oberen und niederen Kreisen Beiruts, wo die meisten Waren - Loyalität und Geheimnisse eingeschlossen käuflich sind, vorausgesetzt, der Preis stimmt. Shula, wie sie genannt wurde, leistete schwere Arbeit, um ihren Ring aus Informanten und Polizeispitzeln zu vergrößern. Große Geldsummen, vom Mossad zur Verfügung gestellt, wurden darauf verwendet, Gefälligkeiten und Informationen zu kaufen. In einem Fall kamen die Spionagechefs in Tel Aviv überein, damit den Nachtclub Star in Beirut zu eröffnen, der dann als Treffpunkt große Dienste leistete.

Unter dem Decknamen „Pearl" reiste Shula etliche Male nach Israel, wo man ihr die Grundlagen für eine Außendienstmitarbeit beibrachte. Als die Sicherheitsmaßnahmen an der libanesischen Grenze verschärft wurden und es schwieriger war herüberzukommen, reiste sie über Istanbul und wechselte unterwegs Paß und Identität. Nach einiger Zeit wurde aber der „Pearl-Ring" selbst unterwandert von einem ehrgeizigen jungen Offizier des Deuxieme Bureau, der libanesischen Spionageabwehr, und Shula wurde festgenommen. Das Gericht verurteilte sie zum Tod durch Erhängen, später wurde das Urteil in sieben Jahre Haft umgewandelt. Nach dem Sechs-TageKrieg wurde Shula gegen einen Libanesen ausgetauscht, der während der Kämpfe gefangengenommen worden war, und ihre Familie bekam Ausreise-Visa nach Israel. Wieder zurück in der Heimat, eröffnete sie einen Blumenladen in der Nähe des King-David-Hotels in Jerusalem. Damit gibt sie ein tröstliches Beispiel ab für eine Spionagegeschichte ohne tödlichen Ausgang. In härteren Zeiten und an anderem Ort hatte die Enttarnung für eine andere Mossad-Agentin schlimmere Konsequenzen. Dabei spielte eine Israelin im Libanon die Hauptrolle, zu der Zeit, als dieses La.id Hauptstützpunkt der PLO wurde. Eine kurze Radionachricht, die von dem Sender Stimme Palästinas 1980 gesendet wurde, war die erste Mitteilung an die Außenwelt über diese Spionagegeschichte im Zusammenhang mit den Unterwanderungstaktiken des Mossad: „Zwei palästinensische Kämpfer, William Nassar und Mohammad Mahda Busayu, kamen gestern nacht nach ihrer Entlassung aus den zionistischen Gefängnissen im Austausch mit der zionistischen Spionin Dina al-Asan in Beirut an. Der Austausch fand in Larnaca statt. Die beiden Kämpfer wurden auf dem Flughafen von einem Vertreter Abu-Ammars (Yasser Arafats) und einer Anzahl von Kadern der palästinensischen Revolution empfangen." Dina - natürlich ein Deckname - war in der Tat eine israelische Agentin gewesen, eine wichtige und sehr ungewöhnliche. Getarnt durch ihre Arbeit mit Palästinensern hatte sie dazu beigetragen, die Standorte militärischer Einrichtungen der PLO ausfindig zu machen, ihre Informationen waren für eine Reihe von Vergeltungsschlägen

Mossads sehr wertvoll gewesen. Durch ihre Hilfe konnte die israelische Luftwaffe Ziele ausmachen, die oft in Flüchtlingslagern versteckt waren. Die meisten Mossad-Agenten auf arabischem Territorium sind jüdischer Abkunft und in arabischen Ländern aufgewachsen. Aber Dina war in Wirklichkeit eine tscherkessische Muslimin, die in Jordanien geboren und aufgewachsen war, eine Nachfahrin des Volkes, das aus dem Kaukasus, dem heutigen Gebiet der Sowjetunion, geflohen war. Tscherkessen spielten in den Truppen König Husseins eine bedeutende Rolle, als seine Armee im Jahr 1970 gegen die palästinensischen Guerilla-Truppen im haschemitischen Königreich vorging; als Konsequenz wurden tscherkessische Offiziere von den Palästinensern als Feinde angesehen und verfolgt. Dina wurde im Januar 1935 in eine königstreue Familie in Amman hineingeboren. Nach der Schule begann sie eine Arztausbildung und praktizierte ohne gültige Lizenz, bevor sie einen Palästinenser heiratete, der sie schlug und von dem sie sich später trennte. Wie sie schließlich vom Mossad angeworben wurde, ist nicht ganz klar, aber palästinensische Überfälle auf tscherkessische Gemeinden haben wahrscheinlich ihre Entscheidung beeinflußt. Nach Angaben vom Mossad entschloß sie sich, für das Institut zu arbeiten, als sie sich in Wien aufhielt. Dorthin war sie 1972 gekommen, um ihr Medizinstudium fortzusetzen, nachdem sie in Rom ihre Schwester besucht hatte. Auf einer zweiten Reise dorthin benutzte sie den Namen Diana Schwanz. Es gibt das Gerücht, daß sie sich während dieses Besuchs in einen israelischen Piloten verliebte. Entweder arbeitete der schon für das Institut, und er hatte sich mit Dina in der Absicht angefreundet, sie für den Dienst anzuwerben, oder er verschaffte ihr den Kontakt zu jemandem, der als Agent tätig war. In dem Wissen, daß der Ehrgeiz dieser Frau im medizinischen Bereich enttäuscht worden war, schlug die Organisation vor, daß man ihr helfen könnte, in Beirut eine Klinik einzurichten, die als Tarnung für Spionagetätigkeiten dienen sollte. Sie stimmte dem zu, und bevor sie 1973 in den Libanon ging, erhielt sie Unterricht im Gebrauch von Funkgeräten, Kodierungen und Photographiertechniken. In ihrer Klinik wurden kranke und verwundete Libanesen und Palästinenser gepflegt, und sie bekam die Erlaubnis, zu den Flüchtlingslagern nach Sidon und Tyros zu reisen, wo Darmerkrankungen,

Gelbsucht und Unterernährung grassierten. Dort hatte sie Einblick in die Lagervorräte des Roten Halbmonds (die islamische Entsprechung des Roten Kreuzes), dessen Leiter Yasser Arafats Bruder war. Raketenwerfer und kleinere Waffen wurden oft in Containern versteckt, die als medizinischer Bedarf deklariert waren. Auf diese Weise entdeckte Dina geheime Waffenlager und Befehlszentralen, die später Ziele von Luftangriffen wurden. Die Palästinenser nutzten oft medizinische Einrichtungen für militärische Zwecke, und die Verwundeten dienten als eine Art Schutzschild für feindliche Aktionen. Wenn die Israelis solche Standorte angriffen, lieferten Fotos von Schäden und unschuldigen Opfern danach immer eine willkommene Gelegenheit zur Propaganda. Dina war am richtigen Platz, um detaillierte Informationen aus den Lagern zu liefern, aber es entging ihr dabei nicht, daß israelische Kämpfer auch Menschen verwundeten oder verletzten, die ihre Patienten gewesen waren. Damals gab es etwa 15 Flüchtlingslager mit etwa 200 000 dort untergebrachten Palästinensern. Dina spezialisierte sich auf die Behandlung von Kindern und arbeitete so auch mit schwatzhaften arabischen Hebammen zusammen. Sie lebte in der Klinik, in der sie arbeitete und die auch eine Art Gemeindezentrum für Palästinenser wurde. Die Einrichtung wurde natürlich insgeheim mit israelischen Geldern finanziert; Dinas offizielle Tarnung war, daß sie ihr eigenes Geld aus in Genf angelegten Ersparnissen benutzte. Der Mossad hatte sie mit „Legende" ausgestattet, derzufolge sie den größten Teil ihres Lebens in Israel verbracht hatte, nachdem ihre arabische Familie nach Europa gezogen war; sie hätte sich dann aber entschlossen, in den Nahen Osten zurückzukehren, um die palästinensische Sache zu unterstützen. Der israelische Geheimdienst lieferte mit seiner üblichen Aufmerksamkeit fürs Detail zur Unterstützung authentische Namen, Adressen und Einzelheiten zu Bankkonten. Wenn sie einmal in Verdacht geriete, sollte der palästinensische Sicherheitsdienst alles in bester Ordnung vorfinden. Das Seltsame an Dinas Geschichte: Obwohl sie dazu bereit war, die Guerillatruppen zu bespitzeln und ihre militärischen Anstrengungen zu sabotieren, empfand sie doch eine gewisse Sympathie für das Schicksal der Palästinenser. Es ist in der Tat unmöglich, die Flücht-

lingslager zu betreten oder gar dort zu wohnen, ohne die Schrecken eines Flüchtlingslebens zu begreifen. Dina hatte auch Verständnis für die palästinensische Entschlossenheit, sich eine Heimat zu sichern. Das baute zweifellos Vertrauen zu den Menschen auf, unter denen sie lebte, und es erleichterte dort ihre Spionagetätigkeit. Es gelang ihr auch, der Falle eines allzu scharf betonten Anti-Zionismus zu entgehen. Sie äußerte gelegentlich sogar, die Israelis hätten auch ein Recht auf eine Heimat. Damit konnte sie jeglichen Verdacht in Schranken halten, denn es lag näher, daß ein getarnter israelischer Agent sich sehr bemühte, anti-zionistischer als alle anderen zu wirken. Im Sommer 1973 funkte Dina ihren Vorgesetzten genaue Informationen nach Israel, daß George Habasch, der Kopf der PFLP, unter den 74 Passagieren der Middle Eastern Airlines-CaraveWe, Flug 006 von Beirut nach Bagdad, sein werde. Habasch stand ganz oben auf Mossads Fahndungs-Liste, weil er sich seit den sechziger Jahren auf Flugzeugentführungen spezialisiert hatte und Führer der aktivsten palästinensischen Randgruppe war. Seine Männer waren für die Entführung einer El AI -Maschine auf dem Flug nach Algier verantwortlich. Im Jahr darauf war es der PFLP noch einmal gelungen, eine £7-/4/-Maschine auf dem Athener Flughafen in ihre Gewalt zu bringen. 1970 führte die PFLP eine spektakuläre Aktion durch, in der fünf ausländische Flugzeuge entführt und vier davon auf Dawson's Field, einem Wüstenstreifen in Jordanien, zur Landung gezwungen wurden, wo man sie in die Luft sprengte. Israel hatte also einige Rechnungen mit George Habasch zu begleichen, und die von Dina gelieferten Informationen boten eine gute Gelegenheit, den Gegner zu fassen. Golda Meir, die israelische Premierministerin, beauftragte ihren Verteidigungsminister Mosche Dayan, die Chance zu nutzen und den aggressiven Terroristenführer zu schnappen, indem man das Flugzeug zwang, in Israel zu landen. Einige Minuten nach dem Start meldete Flugkapitän Mata, ein erfahrener Pilot der MEA, daß sich feindliche Jäger des Typs Mirage seiner Maschine näherten. Über Funk drohte der israelische Geschwaderkommandant, das Feuer zu eröffnen, und befahl der Caravelle dann, Kurs in Richtung Süden zu nehmen. Das Flugzeug wurde nach Israel eskortiert und gezwungen, auf dem Flughafen Ben-Gurion in Tel Aviv zu landen. Die Passagiere nahmen an, sie seien in

Bagdad gelandet und waren erstaunt, als sich die Türen öffneten und israelische Soldaten hereinsprangen, die ihnen auf arabisch befahlen, die Hände hochzunehmen. Die männlichen Passagiere wurden zur Personenüberprüfung weggeführt. Es wurde bald klar, daß sich George Habasch nicht unter ihnen befand, und man ließ das Flugzeug nach Beirut zurückkehren. Die MEA berichteten, sie habe später von den Israelis eine Rechnung über Treibstoff und Flughafenwartungsdienste erhalten. George Habasch wollte tatsächlich diesen Flug nehmen, es war der Anschluß zu einem MEA-¥\\ig aus Wien. Dieser kam aber verspätet aus Europa an, und nach der langen Wartezeit auf dem Flughafen von Beirut fühlte sich Habasch, der unter Herzbeschwerden litt, nicht wohl. Unter diesen Umständen wollte er keinen 2 1/2-stündigen Flug nach Bagdad antreten und änderte seine Pläne. Diese Erklärung kam erst später ans Licht, aber zuerst einmal fürchtete der Mossad, seine Agentin sei entdeckt worden. Man vermutete, die Palästinenser hätten absichtlich und mit List eine falsche Fährte gelegt, um sie zu enttarnen. Die Israelis fühlten sich noch weiter provoziert durch die Tatsache, daß George Habasch diese fehlgeschlagene Entführung voll ausschlachtete. Der große Terroristenführer erklärte später dreist: „Dies ist der Höhepunkt des Terrorismus. Es wird Zeit, daß die Welt erfahrt, wer die wirklichen Terroristen sind." Kurz nach diesem Vorfall schrieb der gutinformierte britische Journalist Christopher Dobson in seinem Buch Black September: „Vom Standpunkt eines Geheimdienstes aus zeigte die Entführung detailliertes Wissen über die Bewegungen eines der am besten bewachten und gefährdetsten palästinensischen Führer. Solche Informationen konnten nur von jemandem stammen, der Habasch sehr nahestand ... Die palästinensischen Organisationen sind in der Tat stark von Israelis und Jordaniern durchsetzt." Es war nicht Dinas Schuld, daß der Plan fehlschlug. Ihre Fähigkeit, sich Zugang zu den höchsten Rängen der PLO zu verschaffen, war eher bemerkenswert. Es gelang ihr sogar, sich mit der Familie von Salah Chalaf, bekannt unter dem Namen Abu-Iyad, anzufreunden, der zu dieser Zeit der Kopf der miltärischen Planung für einen Überfall die auf israelische Olympia-Mannschaft war. Er war ein Führer des Schwarzen September, des geheimen Kommandos von El

Fatah, das den Anschlag, das Massaker von München, ausführte, obwohl er immer wieder jede Verantwortung dafür bestritt. AbuIyad war auch Chef des Sicherheitsdienstes von El Fatah, und in dieser Eigenschaft warb er einen Mann namens Ali Hassan Salameh an, der Verräter und israelische Agenten innerhalb der Organisation ausfindig machen sollte und dann die Organsiation des Münchener Anschlags übernahm. Durch Zufall wurde Dina Babysitter im Hause von Salamehs Familie. Erst als sie seinen Namen in einem Bericht an das Hauptquartier in Tel Aviv erwähnte, erkannte sie, wie eng seine Verbindungen mit Abu-Iyad waren und wie nahe an der PLO-Führung sie sich bewegte. Sie nutzte die Gelegenheit des Kinderhütens, um die Dossiers, die Salameh zu Hause aufbewahrte, durchzulesen, und fotografierte sorgfältig alle, die sie für wichtig genug hielt, um sie nach Tel Aviv zu schicken. Unter den Details, die sie lieferte, waren Mitgliederlisten, falsche Pässe und sogar Pläne für künftige Anschläge. Durch dieses erstklassige Material konnte der Mossad nach Terroristen fahnden und westliche Geheimdienste und Polizei mit Tips versorgen, um Terroristen mit falschen Pässen bei der Ankunft in deren Ländern zu überwachen. Nach einem von See aus geführten El Fatah-Überfall auf die israelische Küstenstadt Nahariya im Jahre 1974, plante die israelische Armee sofort einen Vergeltungsschlag, und es war die Spionin Dina, die Informationen lieferte, nach denen sie die Ziele für die Angriffe auf die Schiffe aussuchten. Der Mossad funkte seiner Agentin in den Lagern eine Aufforderung, Fotos von Schiffen der PLO und Fischerbooten in den südlibanesischen Häfen Tyros, Sidon und Rasel-Shak zu liefern, damit die Angreifer gezielt auswählen konnten. Dina reiste etliche Male an die Küste, um Kinder zu behandeln und um insgeheim die geforderten Fotos von PLO-Schiffen - Fischerboote, die mit besonderer Ausrüstung für terroristische Zwecke präpariert worden waren - aufzunehmen. Normalerweise nahm sie mittels eines Funkgerätes, das in ihrer Badezimmerwaage versteckt war, den Kontakt mit Tel Aviv auf. Diesmal mußten die Fotos in einem „toten Briefkasten" in Beirut zurückgelassen und von einem anderen Agenten abgeholt werden. Mit Hilfe ihrer Informationen wurden 30 PLO-Boote von israelischen Kommandos zerstört.

Dinas größtes politisches Verdienst war es, eine Information an Tel Aviv weiterzugeben, die sie aus palästinensischen Quellen aufgeschnappt hatte, und zwar über ein arabisches Komplott zur Ermordung von Präsident Anwar as-Sadat. Es war eine Enthüllung, die den Weg zum ersten historischen Treffen zwischen dem ägyptischen Führer und Menachem Begin, dem israelischen Premierminister, ebnete. Die israelische Regierung entschied, die Informationen über die Verschwörer an den ägyptischen Präsidenten weiterzuleiten, der dann in der Lage war, diese verhaften zu lassen. Selbstverständlich war er nach dieser Kooperation, die ihm wahrscheinlich das Leben rettete, besser auf Israel zu sprechen. Wie viele Geheimagenten vor ihr, fühlte sich Dina mit der Zeit unverwundbar und setzte sich vermeidbaren Risiken aus. Sie muß sich ihrem libanesischen Liebhaber anvertraut haben, der sie dann als Spionin denunzierte. Sie wurde in Beirut verhaftet und vor Beginn des libanesischen Bürgerkrieges der PLO übergeben. Der palästinensische Sicherheitsdienst verhörte sie unter Folterungen und verschleppte sie in eine Höhle in der Nähe von Sidon, weil man eine Rettungsaktion befürchtete. Sie verbrachte fünf Jahre in Gefangenschaft an die Wand gekettet, bevor der Mossad durch Geheimverhandlungen erreichte, sie im Austausch gegen zwei Palästinenser, die in israelischen Gefängnissen lebenslängliche Haftstrafen verbüßten, zurückzuholen. Der Austausch fand im Februar 1980 unter Aufsicht des Roten Kreuzes auf Zypern statt. Nach ihrer Freilassung praktizierte Dina als Ärztin im Norden Israels. Ein bemerkenswerter Punkt bei israelischen Spionageaktivitäten: Dem Mossad gelingt es oft, seine Agenten lebend zurückzubekommen. Die Verantwortlichen wissen, daß ein Agent, einmal in den Händen der Feinde, früher oder später gesteht. Es wird von niemandem erwartet, daß er lange unter den Bedingungen der Verhöre und Folterungen schweigt. Diese realistische Haltung spiegelt sich auch in der Bereitschaft der israelischen Organisation, sich auf Verhandlungen mit den Palästinensern einzulassen. Auch wenn nach offiziellen Richtlinien die zuständigen Stellen sich weigern, über Gefangene und Geiseln zu verhandeln, wird diese Regel des öfteren durchbrochen. Die Rechtfertigung dafür ist, daß die Rückführung eines Agenten immer auch dazu dient, die Arbeitsmoral im Dienst zu

stärken und die Mitarbeiter zu ermutigen, gefährliche Aufgaben zu übernehmen. Eines hat sich jedoch seit Beginn des terroristischen Zermürbungskriegs nicht geändert. Das ist die Entschlossenheit bisher jeder israelischen Regierungskoalition, schnelle Vergeltungsschläge gegen bekannnte Terroristenführer und palästinensische Stützpunkte zu führen. Die Strafe mußte immer dem Verbrechen angemessen sein, und deshalb wurde der Mossad in eine fortlaufende Serie von Angriffen und Gegenangriffen verwickelt.

12. Vergeltung

Seit 1970 entwickelte sich der Mossad vielleicht nicht gerade zu einer Weltpolizei, aber zumindest zu einer Terrorabwehrorganisation ersten Ranges. Seine Hauptanstrengungen galten der palästinensischen Bedrohung im In- und Ausland. Der Austragungsort war der Libanon, der der Hauptstützpunkt der PLO-Truppen geworden war, aber die Geheimagenten hatten auch Feindkontakt mit tödlichem Ausgang an entlegenen Fronten in Europa und Afrika. Die Taktik blieb immer stur dieselbe, den Guerillagruppen und Terroristenbanden, die Israel permanent heimsuchten, schwere Gegenschläge zu versetzen. Mosche Dayan schätzte, daß zwischen Ende 1967 und dem Bürgerkrieg des Schwarzen September in Jordanien nicht weniger als 5840 Terroristenüberfälle von jordanischen Stützpunkten ausgingen. 141 Israelis wurden dabei getötet und 800 verwundet. Die PLO und ihre unzähligen Kommandoeinheiten wurden zu einer fixen Idee. Das Institut mußte jedes nur mögliche Detail über interne Taktikdebatten und persönliche Streitigkeiten wissen und auch ihre Beziehungen zu und Vereinbarungen mit ausländischen Regierungen im Auge behalten. Dem Geheimdienst fiel die Aufgabe zu, die Terrorzellen ausfindig zu machen und mehr über Ausbildungsmethoden und Terroranschläge herauszufinden. Diese Nachforschungen wurden nicht nur im Libanon und anderen benachbarten Staaten betrieben, sondern auch im Ostblock, Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Der Nachrichtendienst informierte sich auch über die internationalen Kontakte dieser Bewegungen, die Quellen von Waffenlieferungen und die Organisation ihrer Ausbildung. Sowohl der Mossad als auch Schin Beth knüpften Kontakte mit der sogenannten „Kilowatt-Gruppe", die von westeuropäischen Natio-

nen einschließlich der neutralen Schweiz und mit kanadischer Hilfe gegründet wurde, um den Kampf gegen den Terrorismus zu koordinieren. Der Mossad erkannte recht bald in Wadi Haddad seinen gefährlichsten und gewaltigsten Gegner; er war bei der PFLP-Faktion der PLO, die von ihm selbst und George Habasch geführt wurde, für Anschläge verantwortlich. Obwohl sich die beiden Führer häufig über Grundsätzliches stritten, hinderte dies Haddad nicht daran, seine geplanten Feldzüge zur Eliminierung des „zionistischen Wesens" weiterzuentwickeln. Er zettelte sogar eine Verschwörung an, die darauf abzielte, David Ben-Gurion während eines Besuchs in Dänemark nach seinem Rückzug aus der Politik zu töten. Haddad selbst wurde zum gezielt ausgewählten Objekt eines Mossad-Kopfjägerteams. Im Juli 1970 explodierten sechs Katjuscha-Panzerabwehrraketen sowjetischer Herkunft, die mit Hilfe eines Zeitzünders abgeschossen worden waren, im Schlafzimmer seiner Wohnung in Beirut. Haddad befand sich aber in einem anderen Zimmer, wo er mit der Luftpiratin Leila Chaled Pläne ausarbeitete. Keiner der beiden wurde verletzt, aber sein achtjähriger Sohn Hani, der zusammen mit seiner Mutter in diesem Raum schlief, erlitt schwere Verbrennungen und Entstellungen. Dies geschah zwei Monate vor der von der PFLP inszenierten Entführung mehrerer Linienflugmaschinen auf einen Wüstenstreifen in Jordanien, Dawson's Field genannt unH für diesen Zweck in „Revolution Field" umbenannt. Dieser Anschlag veranlaßte König Hussein zum Krieg im „Schwarzen September" gegen die PLO, die sich in seinem Land niedergelassen hatte. In der Folge begann die erste Vertreibung der Palästinenser aus Jordanien. Von Beduinensoldaten aus den Flüchtlingslagern getrieben, die als Militärstützpunkte gedient hatten, waren El Fatah und verbündete Gruppen gezwungen, das Land zu verlassen. Die Hauptrichtung der PLO unter Yasser Arafat zog sich nach Beirut zurück. Andere Faktionen ließen sich je nach ideologischer Ausrichtung in Bagdad, Damaskus oder Nordafrika nieder. Die PFLP zog sich zu weiteren Aktionsvorbereitungen nach Aden im Südjemen zurück. Der Mossad mußte nun sein Verfolgungsgebiet erweitern; es war nicht mehr möglich,die Palästinenser allein in Jordanien und im Libanon zu überwachen.

Dem Institut war es gelungen, mit der ersten Phase der Luftpiraterie fertigzuwerden, und als sich Meir Amit von der Leitung der Organisation im Jahr 1969 zurückzog, konnte er immerhin feststellen, mit seinen Abwehrmaßnahmen die Entführung von El AI- Maschinen beendet zu haben. Die Luftpiraten wandten sich inzwischen den Fluggesellschaften anderer Nationen zu, um zu versuchen, die Öffentlichkeit auf ihre Leiden aufmerksam zu machen. Es sollte noch schlimmer kommen, denn als die Palästinenser im Begriff waren, ihre Verbindungen nach Europa auszudehnen, und anfingen, mit den damals aktiven Terrorgruppen in der Bundesrepublik und in Italien Kontakte aufzunehmen, wurden neue, noch schlagkräftigere Pläne ausgeheckt. Die jungen, revolutionären Anarchisten in Europa, die wenigstens am Anfang von Gefühlen der Identifikation mit den Leiden der Dritten Welt angetrieben wurden, hatten den Schah von Persien zur Figur des Erzfeindes ausgewählt. Israel als Unterdrücker der Palästinenser war als Nation am meisten verhaßt. Andreas Baader, Ulrike Meinhof und zahlreiche ihrer Anhänger begaben sich in die arabischen Ausbildungslager, um die Technik des Guerillakampfes zu erlernen. Wadi Haddad war ein Verfechter des internationalen Terrorismus. Auf einer Konferenz, die 1972 im Baddawi-Flüchtlingslagcr abgehalten und von Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande, der Japanischen Roten Armee (JRA), Türken, Iranern sowie der PFLP, El Fatah und dem Schwarzen September besucht wurde, trat er sehr erfolgreich für seine Doktrin ein. Im September hatte die PLO die bittere Niederlage in Jordanien hinnehmen müssen, die Organisation für den Rachefeldzug wurde daher „Schwarzer September" genannt. Die verschiedenen nationalen Gruppen versprachen sich bei dem Treffen in Baddawi Waffenhilfe und Unterstützung bei der Einrichtung von Verstecken und Fluchtrouten. Sie hielten es für unwahrscheinlicher, daß die Sicherheitsdienste auf ihrer Jagd nach arabischen Terroristen Europäer mit ähnlichen Missionen entdecken würden; umgekehrt würden die westlichen Sicherheitsdienste auf der Jagd nach Europäern vielleicht keine Araber verdächtigen. Wadi Haddad hatte zur Unterstützung seiner Aktionen bereits Ausländer angeworben - so etwa Carlos, den berüchtigten Terroristen aus Venezuela, und Patrick Angelo, einen Sandinisten.

Das erste Resultat der Konferenz von Baddawi war das Massaker unter den von Bord gegangenen Fluggästen auf dem Flughafen Lod, begangen von japanischen Mitgliedern der JRA in Zusammenarbeit mit der PFLP. Bei dem Anschlag mit Maschinengewehren und Granaten auf einen Aufenthaltsraum des Flughafens starben 27 Personen. „Unser Ziel war es, so viele Leute wie möglich zu töten", war der Kommentar des PFLP-Sprechers. Der Schwarze September war schon damit beschäftigt, seinen eigenen internationalen Schlag zu planen. Er hatte sich als geheime Kampftruppe der PLO formiert (obwohl die PLO die Verbindung immer abgestritten hat) und stand unter der Leitung von Abu-Iyad, dem führenden militärischen Kopf von El Fatah. Er leitete außerdem die Sicherheitseinheit von El Fatah, Jihaz el Razd, deren Hauptaufgabe es war, vom Mossad angeworbene Verräter aufzuspüren. In dieser Eigenschaft hatte er 20 Spione hinrichten lassen. Die erste Aktion der neuen Terrorgruppe war, auf Wasfi Tal, den Premierminister Jordaniens, im Sheraton Hotel in Kairo zu schießen und ihn zu töten; dies war ein reiner Racheakt für die Vertreibung aus Jordanien. Sogar in diesem Stadium, 1971, war der Mossad bemerkenswert genau über den Schwarzen September informiert; trotzdem war es nicht gelungen, das Massaker von Lod zu verhindern, und Zwi Zamir, nach der Pensionierung Meir Amits Chef des Mossad, sah sich im eigenen Land heftiger Kritik ausgesetzt. Seine Hauptsorge im Sommer 1972 waren die bevorstehenden Olympischen Spiele in München. Im Institut herrschte Klarheit darüber, daß diese internationale Veranstaltung ein verlockendes Angriffsziel für Terroristen abgeben könnte. Seine Agenten vor Ort wußten, daß irgendeine Aktion vorbereitet wurde. Zu jener Zeit ging sogar ein deutscher Agent jüdischer Herkunft in der westdeutschen Terroristenszene ein und aus, aber nicht einmal ihm gelang es, präzise Informationen über die Pläne zu erhalten, die mit den Arabern abgesprochen wurden. Zwei Mossad-Agenten waren nach München geflogen, um mit den westdeutschen Behörden in Sachen Sicherheit zusammenzuarbeiten. Dort stießen sie aber auf Schwierigkeiten, weil die Bundesrepublik, eifrig darauf bedacht, die Spiele als Zeichen für eine endgültige Rückkehr zur Normalität in Deutschland und als Ausdruck für neue Macht und neues Ansehen zu nutzen, den Anlaß

nicht mit strengen, fühlbaren Sicherheitsvorkehrungen verderben wollte. Es war ein schwerer Schlag für Israel und eine tiefe Demütigung für den Mossad, als dem Kommando Schwarzer September die Geiselnahme von neun Mitgliedern der israelischen Olympiamannschaft gelang. Daheim in Jerusalem schlugen die Wellen des Zorns und der Entrüstung hoch. Empört schlug Mosche Dayan vor, eine Einheit der Spezialtruppen zum Ort des Geschehens zu schicken, um die Sache auf der Stelle mit den Terroristen auszufechten, doch daran konnte den Deutschen ganz offensichtlich nicht gelegen sein. Zwi Zamir, der damalige Mossad-Chef selbst, flog nach dem Erhalt der schrecklichen Nachricht nach München, und er war am Ende auf dem Flughafen hilflos Zeuge der Schießerei (von internationalen Fernsehkameras aufgezeichnet), bei der die neun Israelis getötet wurden. Er hatte nie geglaubt, daß die Palästinenser einen Überfall wagen würden, und er hatte die Athleten unbewaffnet und ohne Schutz reisen lassen. Auch die beiden Mossad-Berater, im großen und ganzen davon überzeugt, daß die Deutschen ausreichende Sicherheitsmaßnahmen ergreifen würden, waren vor Beginn der Spiele nach Hause zurückgekehrt. Zweifellos trugen die Israelis und die Bundesrepublik Mitschuld daran, daß das Massaker nicht verhindert werden konnte. Die israelische Botschaft in Bonn übernahm einen Teil der Verantwortung, und drei ihrer Mitarbeiter, einschließlich eines Mossad-Agenten, wurden von einer Untersuchungskommission der Fahrlässigkeit beschuldigt. Zwi Zamir geriet unter starken Beschuß; auch der Mossad selbst sah sich einem Kreuzfeuer der Kritik von Seiten der Politiker ausgesetzt, die über das Ausmaß der Katastrophe entsetzt waren. Golda Meir ernannte einen speziellen Berater für Terror-Angelegenheiten, was natürlich als weiterer Vorwurf an die Leitung des Mossad gerichtet war. Für dieses Amt wurde General Aharon Yariv ausgewählt, der sich gerade von seiner Position als Chef des militärischen Nachrichtendienstes zurückziehen wollte. Das verstärkte natürlich den Eindruck, daß Aman herbeigerufen wurde, um die Inkompetenz des Mossad auszugleichen. Es war ganz offensichtlich ein Wendepunkt in der Geschichte des Geheimdienstes. Regierung und Öffentlichkeit, von der ansteigenden

Welle des palästinensischen Terrors alarmiert, forderten neue Maßnahmen. Golda Meirs Anweisungen waren deutlich: Die Geheimdienste sollten eine Offensive im Terrorkrieg einleiten; die Taktiken mußten geändert werden, und der erste Schritt war die Erhöhung fast Verdoppelung - des Budgets für den Mossad, so daß auch die Finanzmittel verfügbar wurden, um den Krieg ins feindliche Lager zu tragen. In der Tat erhielt der Mossad nicht nur eine Lizenz zum Töten (das hatte er auch schon in der Vergangenheit), sondern die ausdrückliche Anweisung, alle für das Massaker von München Verantwortlichen systematisch zu jagen. Golda Meir kündigte an, sie verlasse sich auf „all den Schwung, die Entschlossenheit und den Erfindungsreichtum unserer Landesleute", um „die palästinensischen Terroristen dort aufzuspüren, wo sie auch zu finden sein mögen". Ohne Anweisungen abzuwarten, hatte der Geheimdienst bereits einen Vergeltungsschlag für das Lod-Massaker der japanischen JRA ausgeführt. Zuerst wurde Ghassan Kanafani ermordet, ein palästinensischer Dichter und Romanschriftsteller, ein gebildeter und umgänglicher Mann, der in den ausländischen Kreisen Beiruts wohlbekannt war. Die Agenten montierten eine Bombe an seinem Auto, und als er den Wagen startete, wurden er und seine 17jährige Nichte in Stücke gerissen. Für Israel war der Tod der Nichte peinlich; es wurde sofort behauptet, man habe sichere Informationen darüber besessen, daß Kanafani, angeblich Nachrichtenmann der Organisation und Mitglied des inneren Kreises der PFLP, bei der Planung von Terroranschlägen behilflich gewesen sei. Außenstehende vermuteten, daß sein wirkliches Vergehen nur darin bestand, das Massaker von Lod öffentlich verteidigt zu haben. Innerhalb weniger Wochen fiel sein Nachfolger im Amt des PLO-Sprechers, Bassam Abu-Sharif, einer in seinem Haus abgelieferten Paketbombe zum Opfer; er erblindete auf einem Auge und war bis an sein Lebensende entstellt. Das eigentliche Ziel der Jagd war Ali Hassan Salameh, der Einsatzleiter des Schwarzen September und von Abu-Iyad speziell für diese Position ausgewählt. Informationen ließen darauf schließen, daß er selbst den Überfall in München geleitet hatte. Er war der Sohn eines palästinensischen Scheichs, der gegen die Juden kämpfte; er war talentiert und verfügte über langjährige Erfahrungen bei El Fa-

tah. Den Planern der Mordanschläge war es nur zu klar, daß es äußerst schwierig werden könnte, Hassan Salameh zu fassen, weil er nie ohne seine Leibwache anzutreffen war und über unzählige Verstecke verfügte. Während die neu mobilisierten Vergeltungseinheiten ihre Ausbildung im Gebrauch von Handfeuerwaffen und Techniken der Bombenlegung absolvierten, durchkämmtem die Auswerter beim Mossad ihre übervollen Aktenordner über die Führer und Sympathisanten des Schwarzen September. Eine Spezialeinheit arbeitete an den Unterlagen im Hauptquartier, während Außendienstler mit den deutschen Antiterror-Spezialisten beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden Kontakte knüpften. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz leistete Hilfestellung, als es darum ging, die Erkenntnisse zum Massaker von München und den daran beteiligten Personen zusammenzustellen. Dem Mossad gelang es immer schnell, aus diesen Kontakten Nutzen zu ziehen, denn er konnte ständig auf die Verbindungen zwischen den deutschen Terroristen und denen im Nahen Osten hinweisen. Auch der israelische Geheimdienst gab großzügig die von seinen Mitarbeitern gesammelten Fakten über die „Rote-Armee-Fraktion" weiter, die dort weitermachte, wo die Baader-Meinhof-Bande aufgehört hatte. Als Gegenleistung, obwohl dies in Deutschland strikt verfassungswidrig war, bekamen die Israelis eine Sondererlaubnis, in deutschen Gefängnissen, wie etwa in Stadelheim bei München, einsitzende arabische Untersuchungshäftlinge zu verhören. Der Mossad vernachlässigte auch nicht die Methode der bewußten Fehlinformation als Teil seiner Arbeit. Geheimdienstler reisten zu der Zeit wie Vertreter auf Geschäftsreisen durch ganz Europa, um Journalisten und Politikern unerhörte Geschichten vorzusetzen, die gewöhnlich auch auf nachprüfbaren Tatsachen beruhten: Die großzügigen Gesetze der Bundesrepublik etwa, die es Flüchtlingen ermöglichten, sich in Deutschland niederzulassen, würden von Palästinensern ausgenutzt, um ihr Terrornetz auszubauen. Bald nach den Vorfällen in München brachte die Illustrierte Quick einen auf israelischen Quellen basierenden Bericht über El Fatah und den Schwarzen September, dazu das Foto des Mannes, dem die Planung des Massakers zugeschrieben wurde. Nach der Veröffentlichung dieses Artikels ließen die bundesdeutschen Behörden etwa 1000 junge Palästinenser

antreten und verwiesen sie wegen Verdachts auf terroristische Verbindungen des Landes. Diplomaten machten auch plötzlich darauf aufmerksam, wie einfach es für Araber war, aus dem Nahen Osten nach Ostberlin zu fliegen und dann in den Westen einzureisen. Das erste Opfer der Antiterror-Offensive des Mossad war Wadal Zu'aitar, Verbindungsmann des Schwarzen September in Rom, der als Übersetzer bei der libyschen Botschaft arbeitete. Er wurde vor seiner Wohnung von zwölf Kugeln aus einer Beretta .22, der bevorzugten Waffe der Abteilung für Spezialaufgaben, aus nächster Nähe getroffen. Als nächstes sprengten die Kopfjäger Mahmud Hamschari in Paris in die Luft. Der Sprengstoff wurde durch einen „Klempner" in seine Wohnung gebracht und detonierte dann während eines Telefongesprächs auf ein elektronisches Signal hin. Ein Vorteil dieser Methode war es, daß mit dem Abnehmen des Hörers das Opfer zuerst seine Identität bestätigte. Und so setzte sich die blutige Arbeit der Ermordung von Schlüsselfiguren des Schwarzen September Monat für Monat fort. „Es war keine Rache", sagte ein israelisches Mitglied des Instituts, „wir führten Krieg, und die einzige Art und Weise, ihn zu gewinnen, war, das Netz zu zerstören." Er hatte zweifellos recht mit der Annahme, daß die meisten der Getöteten in der Tat Verschwörer waren. Die Bevölkerung Israels vergoß für die Opfer sicherlich keine Tränen, aber in der Außenwelt erinnerten diese Maßnahmen an das alttestamentliche „Auge um Auge", und in dieser Zeit entstand der Ruf des Mossad, der sich bis heute gehalten hat: ein mit größter Entschlossenheit agierender Racheengel. Es sollte aber auch nicht vergessen werden, daß sich eine der Gruppen „Zorn Gottes" nannte und sich damit eine Rechtfertigung für ihre Taten von höchster Stelle anmaßte. In Wahrheit ging der gravierendste Schlag gegen den Schwarzen September gar nicht auf eine Mossad-Aktion zurück. Für den Angriff auf das Terroristennest in Beirut im April 1973 wurde eine Spezialeinheit der israelischen Armee gerufen. Die Einheit Sayeret Matkal, von der Landsleute in ehrfurchtsvollem Ton sprachen und die einfach als „Die Einheit" bekannt war, hatte damals schon einen beachtlichen Ruf für verwegene Aktionen. Es war eine kompakte Truppe mit Spezialausbildung, dem britischen SAS nicht unähnlich; ihre Einheiten waren ständig einsatzbereit und konnten vom Chef des Geheim-

dienstes jederzeit abkommandiert werden. Nachdem Geheimdienstagenten die Angriffsziele sorgfältig ausgespäht und die Infrastruktur für die Beirut-Affäre vorbereitet hatten, wurde das Attentat von Sayeret Matkal verübt. Zu der Zeit, als die Aktion anlief, war die Gruppe der Mossad-Spione bereits wieder abgereist oder untergetaucht, um ihre Tarnungen vor Ort nicht aufs Spiel zu setzen. Die Spezialisten kamen natürlich getarnt als britische oder andere europäische Geschäftsleute an. 30 Kommandoeinheiten in Zivil landeten mit Schlauchbooten an ruhigen Stränden in der Nähe von Beirut, von einem Vortrupp aus jeweils einer Frau und einem Mann gelotst. Von dort machten sie sich auf den Weg zu ihrem ersten Treffpunkt, wo Autos bereitstanden, die von getarnten Agenten angemietet worden waren; damit fuhren sie dann in die Vorstadt-Wohngebiete, wo die als Ziele ausgesuchten Palästinenserführer lebten. Ein Häuserviertel gehörte der PFLP, das andere der PLO und El Fatah. Nach einem hartem Schußwechsel mit palästinensischen Wachen und dem verwirrten Einschreiten der libanesischen Polizei fanden die Truppen Abu-Yussef, den Stellvertreter Yasser Arafats, und töteten vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder ihn und einen Führer des Schwarzen September. Auch sein Assistent Kemal Adwin und der Sprecher Kamal Nasser kamen ums Leben. Zwei weitere Libanesen starben in diesem Kampf, das israelische Sonderkommando zählte zwei Todesopfer und einen Schwerverwundeten. Nach dem Überfall kehrte es zu den Booten zurück. Die sorgfaltige Vorbereitung der Operation illustriert das sofortige Eintreffen von Armeehubschraubern, die die Verwundeten aufnahmen. Den libanesischen Behörden war vorgetäuscht worden, es handle sich dabei um libanesische Armeehubschrauber. Arabischsprechende Mossad-Agenten, die an der Aktion teilnahmen, durchsuchten rasch das Gebäude, in dem sich das Hauptquartier befand, und rafften hastig einen Wust von Papieren und Dokumenten zusammen, bevor es mit Sprengladungen in die Luft gejagt wurde. Die so dokumentierten Beweise für terroristische Aktivitäten zu erlangen, war eines der sekundären Ziele der Aktion gewesen, und in Tel Aviv machten sich Nachrichtenauswerter sofort daran, diese erbeutete Materialflut zu bearbeiten. Nach deren Angaben gewann man wertvolle Einsichten über geplante Anschläge, internationale

Kontakte und Infrastrukturen; Informationen, die bei der nächsten Terrorwelle gegen Israel und Europa hilfreich waren. Neue Informationen halfen auch, mindestens einen israelischen Agenten zu retten, der im Libanon den Verdacht der palästinensischen Sicherheitstruppe erregt hatte. Trotz des Erfolgs der Aktion waren Zwi Zamirs perfekte Pläne fehlgeschlagen, den Mann zu finden, der ganz oben auf der Ermordungsliste des Mossad stand - Ali Hassan Salameh. Und in dem hektischen Versuch, ihn aufzuspüren, beging der Geheimdienst auch einen seiner sattsam bekannten, katastrophalen Identifizierungsfehler. Eine der Gruppen, die in Europa herumreisten, glaubte in einem harmlosen marokkanischen Oberkellner, der mit einer skandinavischen Frau verheiratet war, Salameh zu erkennen. Im Juli 1973 erschoß man ihn im norwegischen Lillehammer. Aber es erwies sich, daß ihre „harte" Information, Salameh halte sich in Skandinavien auf, um eine terroristische Aktion zu planen, auf Hörensagen basierte; dies war die Aktion, die schließlich alle selbstsicheren Äußerungen des Mossad über ausgeführte „chirurgische" Eingriffe in Mißkredit brachte. Das aus 15 Mitgliedern bestehende Killerteam für das Attentat war in Skandinavien hastig zusammengestellt worden, eine mehrsprachige Einheit, deren Leiter seine Identität hinter dem Namen Edouard Laskier und einem französischen Paß verbarg. Für Leute, die wie Israelis aussahen, war es nicht leicht, sich unbemerkt in einer norwegischen Kleinstadt zu bewegen, also versuchte man, solche Agenten zu verpflichten, die eher nordeuropäisch aussahen, einige davon Gelegenheitsagenten. Andere wieder, die keine Erfahrung mit den schmutzigen Tricks der Aktionen des Mossad hatten, wurden ausgewählt, weil man sie für relativ leichte Observierungs-Aufgaben brauchte. So lauteten die Ausflüchte, die nach dem Vorfall vorgebracht wurden. Die Frage aber, ob der Geheimdienst entweder getäuscht worden war oder es versäumt hatte, sorgfältig Informationen einzuziehen, um sicher zu gehen, daß die Person in Lillehammer wirklich Salameh war, blieb unbeantwortet. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, daß der Mossad sich bei seiner Gegenterror-Kampagne verausgabt hatte. Im Übereifer, noch einen Namen von der Liste streichen zu können,

hatte man die üblichen Vorsichtsmaßnahmen und sorgfaltigen Analysen außer acht gelassen. Sorgen bereitete den Verantwortlichen in Tel Aviv nun, daß die schlechte Planung kein Untertauchen der Agenten im Falle eines Fehlschlags erlaubte, also einige von ihnen sich vor Gericht verantworten mußten und der Mossad dadurch zusätzlich gedemütigt wurde. Unter denen, die es traf, war Sylvia Raphael. Nach Jahren ruhiger und effizienter Tätigkeit mit einer Tarnung als französische Journalistin, die in Jordanien und anderen Nahost-Staaten tätig war, fand sie sich schließlich im Mittelpunkt höchst unwillkommener Aufmerksamkeit. Sylvia war nur ein Mitglied der Reservestruppe gewesen, aber das norwegische Gericht klagte sie dennoch an, und sie wurde zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Zu der Zeit arbeitete sie mit einem Kollegen namens Abraham Gehmer zusammen, einem früheren israelischen Diplomaten an der Botschaft in Paris. Sie benutzten falsche kanadische Pässe, die sie als „Herr und Frau Roxburgh" auswiesen. Weil sie in dilettantischer Manier die Telefonnummer des „legalen" Mossad-Mitglieds an der israelischen Botschaft in Oslo notiert hatten, führte ihre Verhaftung zur Enttarnung dieses halboffiziellen Mossad-Agenten für Skandinavien. Während ihrer Haftzeit schrieb Sylvia Raphael ein Tagebuch, von dem später Auszüge in verschiedenen Zeitungen erschienen. Noch mehr Aufmerksamkeit erregte sie mit einer scherzhaften Postkarte mit Genesungswünschen an den norwegischen Staatsanwalt, die mit „005-einhalb, der Spion, der aus der Kälte kam" unterschrieben war. Ein norwegischer Journalist schrieb begeistert: „Sie ist chic, attraktiv, eine großartige Persönlichkeit mit Augen, die einen anschauen und dabei Sterne vor den eigenen Augen tanzen lassen. Ein Pullover und Hosen, ein Medaillon an einer Kette und eine Neigung, sich mit schönen Dingen zu umgeben - das war Sylvia." Sie war wohl kaum ein Durchschnittsmensch, der in einer Gruppe nicht auffiel, nicht die Sorte von Mitarbeitern, die der Mossad sonst anzuwerben pflegte. Bei ihrer Heimkehr wurden in ihrem Kibbuz Flaggen gehißt, und sie bekam Blumen - eine merkwürdig öffentliche Rückkehr für eine Geheimagentin, deren Auftrag in jeder Hinsicht fehlgeschlagen war. Aber die Geste sagt etwas über den kindlichen Stolz der israelischen Öffentlichkeit auf ihren Geheimdienst aus.

Sylvia Raphael war schon früher durch ihre Arbeit in Jordanien bekannt. In der Zeit vor dem Bürgerkrieg dort arbeiteten 1970 Mossad-Mitglieder in Flüchtlingslagern, um Indizien für bevorstehende Überfälle auf Israel zu sammeln. Sie eigneten sich dabei aber auch Informationen über eine palästinensische Verschwörung gegen König Hussein an. Israelische Gesandte höheren Ranges hielten zahlreiche geheime Treffen mit dem König ab, fast immer in London, wo sich ihre Botschaften in Kensington fast Tür an Tür befinden, und begegneten ihm gewöhnlich mit Wohlwollen. So galt die uralte Redensart, daß der Feind eines Feindes ein Freund ist. Der Mossad gab deshalb Warnungen von palästinensischen Machenschaften ohne Zögern an den königlichen Palast in Amman weiter. Sylvia Raphael, als Journalistin aus Paris getarnt, hatte nach Auffassung des gutinformierten britischen Journalisten John Bulloch, dem Nahost-Redakteur der Londoner Zeitung The Independent bereits ein Spionagenetz in Jordanien aufgebaut. „Durch ihren Charme, mit viel Arbeit und durch Kontakte, die schon bestanden, erhielt sie schnell Zugang zu den herrschenden Schichten in Amman", schrieb er. „Bei einer Gelegenheit wurde sie zu einer Party eingeladen, bei der König Hussein Ehrengast war." Es gibt wenig Zweifel daran, daß Sylvia Raphael auf Anraten des israelischen Stabschefs Yigal Allon, der für eine Unterstützung des Königs plädierte - in dieser kritischen Zeit, als Hussein mit den palästinensischen Truppen in Jordanien in Konflikt geriet -, einige Ergebnisse ihrer Nachforschungen in den Palästinenserlagern an den Monarchen weiterleitete. Hussein benutzte ihre Namensliste und die Informationen über subversive Pläne, die vom Mossad entdeckt worden waren, als er sich schließlich sicher genug fühlte, gegen die palästinensischen Splittergruppen vorzugehen. Sylvias Auftreten scheint sehr entspannt gewesen zu sein. Einmal zeigte sie Journalisten, John Bulloch eingeschlossen, ihren Terminkalender. Er berichtete, daß er „voller Termine zu Lunch, Cocktailparties und Abendessen mit der Elite von Amman gewesen sei". Einerseits könnte man sagen, daß sie eine Spionin auf der Suche nach geheimen Informationen war; andererseits war ihre Rolle eher die einer Diplomatin mit der Anweisung, Beziehungen mit einem Land zu pflegen, mit dem man, so lag es in der Natur der Sache, keine

regulären diplomatischen Beziehungen unterhalten konnte. Obwohl sie bei zwei Gelegenheiten für alle sichtbar agiert hatte, wird generell angenommen, daß die Agentin (die manchmal behauptete, eine südafrikanische Jüdin zu sein und bei anderer Gelegenheit durchblicken ließ, daß sie Kanadierin sei) danach auch in unauffälligeren Missionen für den Mossad weiterarbeitete. Ihr Name tauchte jedenfalls noch öfter auf: Als PLO-Schützen zwei israelische Männer und eine Frau an Bord einer Yacht im Hafen von Larnaca auf Zypern ermordeten, gab es Gerüchte, daß Sylvia Raphael in geheime Aktionen auf der Insel verwickelt war. Norwegische Presseberichte behaupteten sogar, daß die ermordete Frau niemand anders als Sylvia selbst gewesen sei. Es ist wahrscheinlich, daß diese Information auf eine Irreführungskampagne der PLO zurückging, um ihr Verbrechen zu rechtfertigen. Um die Sache endgültig rätselhaft zu machen, schrieb Sylvia Raphael im Jahr 1986 an Steve Posner, den Autor von Israel Undercover, daß sie noch am Leben sei. Der Mossad wollte also Sylvia Raphael bei dem Anschlag in Lillehammer einsetzen, obwohl große Gefahr bestand, daß sie von Palästinensern durch ihre Arbeit in Jordanien ein paar Jahre vorher zuvor wiedererkannt würde. Ganz offenbar hatte der Mossad in dieser Phase der Kampagne gegen den Schwarzen September unter Personalknappheit zu leiden. Im Verlauf der langwierigen weltweiten Aktionen hatten sowohl Mossad als auch Schwarzer September Verluste zu beklagen. Der bekannteste Todesfall beim Mossad war Anfang 1973 die Ermordung Baruch Cohens. Als altgedientes Mitglied hatte er seine Basis verlassen, um nach Madrid zu fliegen, wo er sich in einem Cafe mit einem Informanten treffen sollte. Während er dort auf seine Kontaktperson wartete, wurde er von arabischen Scharfschützen beschossen und getötet. Sein Tod nötigte den Geheimdienst dazu, seine europäischen Aktivitäten zu überdenken und einige erfahrene Mitarbeiter durch neue zu ersetzen; denn es sah ganz danach aus, als sei es dem palästinensischen Sicherheitsdienst gelungen, in Mossad-Kreise einzudringen oder wenigstens einige seiner vielbeschäftigten Agenten wiederzuerkennen und zu enttarnen. Dieser Verdacht war schon nach dem Mord an zwei bezahlten arabischen Informanten in Paris aufgekommen. Die Mitarbeiter im Außendienst wurden vom Hauptquartier so unter Druck gesetzt, Informationen zu

liefern, daß sie begannen, sich zu sehr auf solche Informationsquellen zu verlassen, was auch vielleicht den katastrophalen Fehler beim Identifizieren des richtigen Ziels in Lillehammer erklärt. Einige lieferten korrekte Informationen, andere waren nur hinter dem Geld her, aber es bestand eine nicht geringe Möglichkeit, daß wieder andere als Informanten dienten, um die Geheimagenten Israels zu identifizieren. Nach dem Mißgriff in Lillehammer, der zu viel internationale Aufmerksamkeit auf die manchmal brutalen Methoden des Mossad gelenkt hatte, erhielt die Organisation die strikte Anweisung, ihren geplanten Feldzug zur Ermordung palästinensischer Führer abzubrechen. Schließlich bekamen sie aber ihr Opfer doch: Salameh wurde Anfang 1979 in Beirut von einer funkgesteuerten Bombe mit Plastiksprengstoff, die an einem parkenden Volkswagen in der Nähe seiner Wohnung angebracht war, getötet. Die Aktion war von einer Agentin vorbereitet worden, die den Namen Penelope Chambers benutzte und vorgab, Engländerin zu sein. Sie war ein paar Wochen zuvor in die Rue Verdun in Beirut gezogen, und als Malerin mittleren Alters, die Katzen liebte, war es ein leichtes für sie, sich mit Salamehs Frau Georgina anzufreunden. Sie recherchierte den Tagesablauf des palästinensischen Führers und bereitete so den Weg für ihre Kollegen. Das waren zwei Sprengstoffexperten, die vorgaben, englische beziehungsweise kanadische Geschäftsreisende zu sein. Die Bombe tötete neben Salameh auch vier Leibwächter und sechs Passanten, darunter eine britische Sekretärin. Zu der Zeit hatte Salameh als rechte Hand Yasser Arafats eine Art diplomatische Respektabilität erlangt. Zusammen mit ihm trat er bei den Vereinten Nationen auf, wo Arafat seine berühmte Rede „Gun and Olive Branch" hielt. Während des Bürgerkriegs im Libanon unterstützte er die Vorbereitungen zur Evakuierung von etwa 1 000 amerikanischen Staatsbürgern aus Beirut. Er unterhielt damals außerdem Beziehungen zu amerikanischen Diplomaten, und die Israelis hatten den Verdacht, daß er die Gelegenheit nutzen wollte, um die Anerkennung der PLO durch die USA voranzutreiben. Und in der Tat erweckten die Kommentare seiner palästinensischen Anhänger nach seinem Tod den Eindruck, daß Salameh mit der CIA in Verhandlungen getreten war und daß seine Ermordung angeordnet wur-

de, um weitere Fortschritte hinsichtlich einer Anerkennung der PLO zu verhindern. Für den Mossad bedeutete sein Tod das Ende einer langen mühevollen Arbeit, und man konnte nun behaupten, das Massaker von München sei gerächt. Golda Meir teilte vor der Knesset mit: „Wir haben die Mörder getötet, die weitere Morde geplant hatten."

13. Buße

Der Mossad war so intensiv damit beschäftigt, seinen Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die PLO voranzutreiben, daß selbst seine Führer wenig Zeit hatten, ihre Aufmerksamkeit der ernsteren Bedrohung zu widmen, die sich über Israel zusammenbraute, als die Sowjetunion begann, die arabischen Staaten mit Militärhilfe zu unterstützen. Der Nachrichtendienst hatte seine Agenten aus den sogenannten Konfrontationsstaaten zurückgezogen, um sich auf die als unmittelbarer empfundene Bedrohung durch den Terrorismus zu konzentrieren. Vor dem Hintergrund dieses Kampfes ließ der Mossad zu, daß Aman seine Aufgabe als strategischer Nachrichtendienst fast vollständig übernahm. In den Nachbarstaaten hatten inzwischen bedeutende Veränderungen stattgefunden. Syrien, unter der festen, autoritären Regierung von Präsident Hafez al-Assad, versorgte seine Truppen mit den besten und modernsten Waffen aus der Sowjetunion. Auch die Ägypter waren aus derselben Quelle bis an die Zähne bewaffnet, ihre Armee nach der langen Zermürbungskampagne auf der Sinai-Halbinsel gegen die Israelis endlich wieder aufgebaut und neu ausgebildet worden. Präsident Sadat war überzeugt, nun das Ziel erreichen zu können, das sein Vorgänger Gamal Abd en-Nasser im Jahr 1967 verfehlt hatte. Die Präsidenten der beiden größten arabischen Mächte begannen insgeheim, einen koordinierten Angriff auf den alten Feind Israel zu planen. Äls Stichtag für ihre Offensive wählten sie Samstag den 6. Oktober 1973, den jüdischen Sabbat und hohen Feiertag Jom Kippur. Sie erwarteten, daß die israelischen Truppen an diesem Tag am wenigsten kampfbereit sein würden. Am Nachmittag stürmten ägyptische

Divisionen über das Hindernis des Suezkanals und überwältigten im Handstreich die Bar-Lev-Verteidigungslinie, die zu dieser Zeit von einer Reservisten-Brigade aus Jerusalem gehalten wurde. Schon bald drangen Hunderte von Panzerjägern auf die Sinai-Halbinsel vor. Noch schlimmer war die zweite Meldung für den israelischen Generalstab: Bewaffnete Regimenter der syrischen Armee stürmten massiert auf die Golanhöhen und durch die Verteidigungslinien hinunter auf den See Genezareth zu. Beide arabische Armeen operierten unter dem Sperrfeuer von Flugabwehrraketen, was die israelische Luftwaffe daran hinderte, ihr bekanntes „Wunder" der Panzervernichtung zu vollbringen. Daneben erlitten die Panzer-Einheiten der israelischen Armee schwere Verluste, und einige kritische Tage lang sah es so aus, als könnte Israel die Schlacht verlieren. Das Undenkbare war geschehen: Israel war überrascht worden. Der Untergang schien bevorzustehen, denn es war immer angenommen worden, daß der erste Krieg, den Israel verlor, auch sein letzter sein würde. Alle Verteidigungsfähigkeit war doch darauf ausgerichtet, daß der Geheimdienst eine Vorwarnzeit von mindestens 48 Stunden garantierte. Die Zwei-Fronten-Invasion in jenem Oktober kam aber so überraschend, daß die israelische Mobilmachung praktisch erst nach dem Angriff stattfand. Das war besonders tragisch, weil das Land sich immer auf die schnelle Einberufung seiner ausgebildeten Reserve verlassen hatte: Das war für ein kleines Land lebenswichtig, weil es sich mit einer niedrigen Bevölkerungszahl und begrenzten finanziellen Reserven kein großes stehendes Heer leisten konnte. Die Panzer in den Depots rund um Beersheba waren für den Fronteinsatz nicht einmal überholt worden, und Stunden vergingen, bis man sie in Gang gesetzt hatte, während Zivilisten zu ihren Regimentern eilten. Es war ein Krieg mit harten Kämpfen und ein Kopf-an-Kopf-Rennen, um Haaresbreite ein Sieg für die Araber. Die israelische Armee brauchte einige Zeit, sich von diesem Schlag zu erholen, bis sie den Feind schließlich an beiden Fronten zum Stehen brachte. Erst durch die „Operation Southern Command" der Divisionen unter dem Befehl von General Scharon gelang es, die ägyptische Front aufzureißen, ihr mit der Überquerung des Suezkanals in den Rücken zu fallen und so die Bedrohung einzugrenzen. Im Norden drängte General Yitzhak Hofi (der später die Leitung des Mossad übernahm) auch die

Syrer schließlich bis hinter ihre Ausgangsstellungen auf der Ebene von Damaskus über die Golanhöhen zurück. Israels längster Krieg endete siegreich, aber mit einer sehr bitteren Erfahrung, die die Nation bis ins Mark erschütterte und die Atmosphäre stolzen Selbstbewußtseins endgültig zerstörte, so wie sie nach den schnellen Erfolgen des vorhergehenden Sechs-Tage-Krieges entstanden war. Natürlich wurde der Geheimdienst dafür verantwortlich gemacht, daß man den ausgefeilten und erfolgreichen Täuschungsmanövern der verbündeten Ägypter und Syrer aufgesessen war. Die Hauptzielscheibe der Kritik war Aman, in dessen Verantwortung es lag, das Kriegsrisiko einzuschätzen, aber auch der Mossad blieb nicht ungeschoren. In einem tapferen Versuch, die nationale Moral wieder aufzurichten, sprach die Premierministerin Golda Meir an jenem verhängnisvollen Sabbat-Abend, als die Kämpfe begannen, im Fernsehen. „Seit einigen Tagen wissen unsere Geheimdienste, daß die Armeen von Ägypten und Syrien sich auf einen koordinierten Angriff auf Israel vorbereiteten", erklärte sie. „Unsere Truppen haben planmäßig Stellung bezogen, um die drohende Gefahr abzuwehren." Sie sprach die Wahrheit, aber keinesfalls die ganze Wahrheit oder nichts als die Wahrheit. Sehr spät waren die stehenden Truppen am Vortag in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, aber es war schon zu spät, weil Tausende Offiziere und Soldaten schon die Kasernen verlassen hatten, um Jom Kippur mit ihren Familien zu begehen. Informationen über kriegsähnliche Vorbereitungen lagen vor dem Angriff zwar vor, aber die Geheimdienste hatten den schweren Fehler begangen, der solchen Organisationen manchmal unterläuft, die Berichte nicht richtig zu interpretieren. Drei Wochen zuvor hatte der israelische Nachrichtendienst Berichte erhalten, daß Syrien seine Truppen zusammenziehe, und, sogar noch wichtiger, daß es ein dichtes Netz von Flugabwehrraketen an der nördlichen Grenze aufbaue. Ägyptische Divisionen unter Waffen, hinreichend mit SAM-6-Raketen ausgerüstet, wurden trotz ausgezeichneter Tarnung beim Vormarsch auf den Kanal ausgemacht. Planierraupen gingen am Kanalufer in Stellung, um Schneisen in den großen Sand wall am Westufer zu walzen. Es war eigentlich unmöglich zu übersehen, daß in Ägypten die Zivilbevölkerung

mit Übungen zu Stromausfällen und Aufrufen zum Blutspenden auf einen Krieg vorbereitet wurde. Das vielleicht offensichtlichste Anzeichen für das, was bevorstand, wurde zwei Tage vor Kriegsbeginn gegeben: Sowjetische Militärberater verließen Syrien mit der Order, sich nicht in die bevorstehenden Kämpfe einzumischen. Es wurde später behauptet, daß an demselben Tag ein Mossad-Agent das Hauptquartier mit genauen Informationen über die arabischen Kriegsvorbereitungen versorgte. Wie Stewart Steven in seinem Buch The Spymasters of Israel schreibt, kam dann der endgültige und schlüssigste Hinweis von einem ägyptischen Agenten, der sich in der Kanalzone aufhielt und per Funk die Informationen übermittelte, der Befehl für den Beginn der ägyptischen Offensive sei für 18.00 Uhr ausgegeben - nicht ganz korrekt, wie sich herausstellte, denn die ersten Artilleriegeschütze feuerten bereits um 14.05 Uhr, während eine Gruppe israelischer Reservisten an der Bar-Lev-Linie im Sand Fußball spielte. Wieviel Wahrheit auch immer in solchen Geschäften stecken mag, die Informationen kamen zu spät, um noch die erste Phase des Krieges zu beeinflussen. Obwohl die Präsidenten Sadat und Assad den Entschluß, Israel anzugreifen, sechs Monate vorher gefaßt hatten, war Israel die drohende Gefahr vollkommen verborgen geblieben, und das war auf Fehler des Geheimdienstes zurückzuführen. Diese Unzulänglichkeit, die als Erfolg für die ägyptischen und syrischen Sicherheitsdienste gewertet werden kann, wurde dann noch durch falsche Interpretation der erkennbaren Kriegsanzeichen von seiten der israelischen Geheimdienste verstärkt. Trotz der Unsicherheit milde ausgedrückt -, die über die Vorgänge herrschte, präsentierte der Geheimdienstchef den Ministern und dem Generalstab eine falsche, viel zu selbstsichere und ausgesprochen beruhigende Einschätzung der Lage. Deshalb hatten es die israelischen Führer schwer, umgehend angemessene Verteidigungsmaßnahmen zu treffen. Wenn der militärische Geheimdienst sorgfaltiger erklärt hätte, wie schwierig der Unterschied zwischen Kriegsvorbereitungen und Vorbereitungen für strategische Manöver zu erkennen ist, wäre es den Entscheidungsträgern leichter gefallen, Vorsichtsmaßnahmen anzuordnen. Tatsächlich hatte sich die Regierung den Mythos der Unfehlbarkeit ihres eigenen militärischen Geheimdienstes zu eigen gemacht.

Dieser Mythos entstand unter dem Eindruck der Persönlichkeit von Eli Zeira, dem Chef von Aman, einem tapferen, erfolgreichen Soldaten mit dem Ruf absoluter Furchtlosigkeit im Kampf. Er wurde natürlich als der Hauptverantwortliche für das Scheitern des Geheimdienstes angesehen. Nach den Ergebnissen der Agranat-Kommission, die später genau untersuchte, was der Grund für das Scheitern war, wurde er seines Postens enthoben. Zeira selbst war davon überzeugt, daß der Krieg nicht im Herbst des Jahres 1973 stattfinden konnte; er glaubte fest daran, daß die arabischen Staaten einfach nicht zu einem Krieg bereit waren, ein Glaube, der von der Fehlinformationskampagne aus Kairo zusätzlich bestärkt wurde. Der zweite Teil seiner These war, daß die Araber es nicht wagen würden, einen begrenzten Krieg anzuzetteln. Im anderen Falle könnte Israel diesen sofort in einen umfassenden Konflikt ausdehnen, und dann wäre eine Niederlage der arabischen Mächte besiegelt. Das nannte man allgemein „Das Konzept", und an dieses Glaubensbekenntnis hielt man sich, nicht nur die Mannschaft von Aman und der Generalstab, sondern auch der Verteidigungsminister Mosche Dayan, und durch seinen Einfluß auch das ganze Kabinett. Diese Überzeugung wurde nur noch bestätigt durch die Tatsache, daß es zweimal innerhalb von zwölf Monaten falschen Alarm über eine angebliche ägyptische Angriffsabsicht gegeben hatte, im Mai 1972 und im Dezember noch einmal - und beide Male geschah nichts. Was man in Israel nicht wußte: Präsident Sadat hatte beabsichtigt, seine Offensive im Juni zu beginnen, aber er verschob sie dann wegen des sowjetisch-amerikanischen Gipfeltreffens, auch weil er weitere sowjetische Waffenlieferungen erwartete. Es ist wohlbekannt, daß im Krieg oder bei Kriegsvorbereitungen nichts als sicher gelten kann. Schlomo Gazit, der noch im Krieg Leiter von Aman wurde, schrieb, daß es „Das Konzept" war, „dieser unglückliche Ausdruck ..., aus dem genau vor Ausbruch des Yom-Kippur-Krieges das Scheitern des Nachrichtendienstes folgte." In einem gedankenvollen Artikel über das Thema Nachrichtenauswertung und daraus folgende Entscheidungen, der in Intelligence and National Security 1988 veröffentlicht wurde, wies er auf die Gefahren hin, denen man sich aussetzt, wenn man versucht, das Kriegsrisiko einzuschätzen:

„Eine Einschätzung, die nur aus einem Inventar von existierenden Möglichkeiten besteht, trägt wenig zur Formulierung einer gründeten Entscheidung bei. Eine andere, nicht geringere Gefahr liegt im anderen Extrem. Es gibt immer ein Risiko, daß Nachrichtendienst-Agenten ihre Objektivität verlieren. In der Tat kann ihre Beteiligung an politischen Erwägungen und der enge Kontakt mit Entscheidungsträgern zu einer Identifikation mit der politischen Linie führen, und das in einem Ausmaß, daß Fakten und Gefahren, die ihr entgegenlaufen, ignoriert werden." Genau das war in der Beziehung zwischen Zwi Zamir und dem Kabinett von Golda Meir geschehen, besonders was den Verteidigungsminister Mosche Dayan anbetraf. Sie alle glaubten instinktiv, daß ein Krieg nicht vor der Tür stand. Solch ein Prozeß ist von einem Experten auf dem Gebiet der experimentellen Psychologie, Norman Dixon, in seiner faszinierenden Studie Incompetence über das Verhalten von militärischen Befehlshabern analysiert worden. Er bezieht sich auf ein Stadium der „kognitiven Dissonanz", das sich einstellt, wenn eine Person Erkenntnisse erhält, die sich im Widerspruch mit einer im Geist schon gefällten Entscheidung befinden. In solchen Fällen zeigt der betroffene Offizier, General oder etwa Chef des Nachrichtendienstes eine starke Tendenz, nach weiteren Rechtfertigungsmöglichkeiten für die ursprüngliche Entscheidung zu suchen, um nicht durch Entscheidungsänderungen angesichts neuer Informationen einen Autoritätsverlust zu riskieren. Die Militärgeschichte weist unzählige solcher Beispiele auf; Kommandeure waren immer wieder unfähig, ihre Entscheidungen aufgrund neuer Informationen zu überdenken. Im Zweiten Weltkrieg gab es zum Beispiel einen bemerkenswerten Fall: Feldmarschall Montgomery weigerte sich, einen aus der Luft begonnenen Eroberungsversuch der Brücke bei Arnheim abzubrechen, obwohl sich herausstellte, daß weitaus stärkere Truppen die Brücke verteidigten, als zum Zeitpunkt der Planung angenommen worden war. Der israelische Nachrichtendienst befand sich 1973 also in zahlreicher, allerdings schlechter Gesellschaft. Obwohl die israelischen Geheimdienste immer angenommen hatten, die israelische Armee könnte jeden Krieg gegen arabische Trup-

pen siegreich beenden, gibt es wenige Anzeichen dafür, daß ihre Leiter viel Aufmerksamkeit darauf verwendeten, die Konsequenzen eines solchen Sieges abzuschätzen. Im Jahr 1967 hatten weder Aman noch der Mossad vorausgesehen, als sie sich von der allgemeinen Begeisterung über das Ausmaß des militärischen Erfolgs mitreißen ließen, daß Israel danach die Bürde einer Besatzungsmacht über eine zahlenmäßig nicht geringe palästinensisch-arabische Bevölkerung übernehmen müsse. Sie hatten sicherlich nicht mit einem solchen Machtgewinn der PLO gerechnet, auch nicht mit der Entwicklung ihrer Guerilla- und Terror-Einheiten. Weder vor noch nach dem Yom-Kippur-Krieg war zu erkennen, daß die Israelis die Gefahren richtig einschätzten, wenn sich die arabischen Mächte zu einem Öl-Embargo zusammenschlössen. Das war 16 Jahre vorher versucht worden und gescheitert, daher nahm man an, daß es wieder scheitern würde. Aber der Erfolg dieser Strategie, die nachher als „das Drohen mit der Ölwaffe" bezeichnet wurde, übte einen viel größeren Druck auf die ganze Welt aus als der Krieg selbst; eine Vergeltungsmaßnahme von globaler Wirkung, deren Konsequenzen unterschätzt wurden. Und tatsächlich konnte Präsident Sadat mit seinem glanzvollsten Schlag Nutzen aus dem Öl-Embargo der OPEC an Israels Verbündete ziehen; es war eine mächtige ökonomische Waffe. Der ägyptische Führer verbuchte in Wirklichkeit sogar zwei Erfolge, die ihre Spuren im Nahen Osten hinterließen - das Ol-Embargo und seinen BeinaheSieg in der Schlacht gegen die israelische Armee auf der Sinai-Halbinsel, der das Selbstbewußtsein der israelischen Nation erschütterte. Chaim Herzog, der spätere Staatspräsident, bekannte in seinem Buch The Arab-Israeli Wars\ „Der erste herausragende militärische Erfolg der Araber - und der wichtigste - war der strategische und taktische Überraschungseffekt. Obwohl die Fehler des israelischen Nachrichtendienstes und der politischen und militärischen Führung Israels diesen Erfolg maßgeblich beeinflußten, muß man den ausgeklügelten Finten der Ägypter und Syrer die größte Anerkennung zollen ... Es war eines der raffiniertesten Täuschungsmanöver in der jüngsten Geschichte."

Obwohl die vereinigten arabischen Armeen am Ende geschlagen wurden, gibt es kaum Zweifel, daß der Mythos von der israelischen Tapferkeit und militärischen Effizienz in der Handhabung moderner Waffen und Taktiken die Vorstellungen über die arabische Inkompetenz gründlich zerstörte, die so lange von Israel und seinen westlichen Freunden kultiviert wurden. Das neue Gefühl von Stolz und Selbstbewußtsein in der arabischen Welt inspirierte die PLO sofort zu weiteren Vorstößen und ermöglichte es Präsident Sadat später, einen ehrenhaften Friedensvertrag mit Israel abzuschließen. Die israelischen Nachrichtendienste brauchten mehrere Jahre, um ihr inneres Gleichgewicht zurückzugewinnen, so erschüttert waren sie von den Unzulänglichkeiten, die die nackte Existenz der Nation gefährdet hatten. Die Agranat-Kommission machte Eli Zeira und drei seiner wichtigsten Assistenten unmittelbar dafür verantwortlich, daß sie es versäumt hatten, alle verfügbaren Informationen über ägyptische und syrische Kriegsvorbereitungen richtig zu interpretieren. Alle vier mußten ihr Amt niederlegen. Das Urteil über Zeira lautete, daß er „angesichts seiner gravierenden Fehler" seines Postens als Chef des militärischen Nachrichtendienstes enthoben sei. Gegen die Führung des Mossad wurden aber vergleichbare Maßnahmen nicht getroffen, denn seine Agenten hatten getreulich ihre Informationsfragmente abgeliefert, die man aber nicht für bedeutsam genug hielt, um das Ausgangsbild zu verändern. Der Mossad erholte sich schneller und erlangte sein früheres Ansehen wieder, besonders als er einige waghalsige Aktionen unternahm, die die Phantasie der Öffentlichkeit beschäftigten. Die Rettungsaktion von 1976, die als Befreiungsschlag von Entebbe in die Geschichte einging, bot eine solche Gelegenheit. Ein,AirFrance-Flugzeug mit einer Passagierliste, auf der sich unter anderem die Namen von 103 Israelis und Juden aus anderen Ländern befanden, war von der PFLP entführt und zum Flug nach Entebbe, der Hauptstadt von Uganda im Herzen Afrikas, gezwungen worden. Das Gespenst des deutschen Antisemitismus tauchte wieder auf: Es wurde bekannt, daß unter den Entführern Mitglieder der Baader-MeinhofBande waren. Sie trennten planvoll die Nichtjuden von den anderen Passagieren und sie drohten, die israelischen und Diaspora-Juden abzuschlachten, wenn man ihren Forderungen nicht nachgab. Dies

war für die israelische Regierung der Auslöser zu handeln, ungeachtet aller Gefahren und der großen Entfernung von der Basis. Der Erfolg der schwierigen, tollkühnen Aktion - Flug einer Spezialtruppe in drei Herkules-Maschinen der Luftwaffe an den Ort des Geschehens zur Befreiung der Passagiere - hing von vorausgehender schneller Aufklärungsarbeit ab, die nur der Mossad leisten konnte. Das Institut hatte bereits gute Kontakte in Ostafrika, besonders in Kenia. Dort hatte der Mossad kurz zuvor Präsident Jomo Kenyattas Polizei dabei geholfen, eine palästinensische Verschwörung zu vereiteln: Ein Flugzeug sollte über dem Flughafen von Nairobi mit Raketen abgeschossen werden. Die drei Attentäter waren bei diesem Versuch unter der Hand vom Sicherheitsdienst Kenias festgenommen worden, der später auch zwei Deutsche verhaftete, Brigitta Schultz und Thomas Reuter. Diese beiden waren nach Kenia geflogen, um die verschollenen ersten drei Terroristen zu suchen. Alle fünf wurden dann an den Mossad ausgeliefert und unter Arrest nach Israel gebracht. Im Verlauf der Gerichtsverhandlung wurde behauptet, sie seien betäubt und in einer Geheim-Aktion aus Ostafrika weggebracht worden. Nach diesem Vorfall hatte der Mossad also Freunde vor Ort, die ihn unterstützten. Ein halbes Dutzend Agenten war nach Nairobi geeilt, noch während die Verhandlungen mit den Entführern andauerten. Die Regierung von Kenia stimmte der Landung eines israelischen Lazarettflugzeugs zu, wollte sich aber nicht öffentlich in eine militärische Aktion hineinziehen lassen und erlaubte auch nicht, Flugzeuge der israelischen Luftwaffe dort auftanken zu lassen. Also machten sich vier Mossad-Agenten mit Helfern aus Kenia in einer Blitzaktion auf den Weg über den Viktoriasee, um auf dem Flughafen von Entebbe einen Aufklärungsauftrag auszuführen. Andere mieteten Kleinflugzeuge und fotografierten den Flugplatz aus extremer Höhe in allen Einzelheiten. Das lieferte wenigstens Informationen darüber, wieviele ugandische MiG-Jäger dort stationiert waren. Erst als die Agenten zurückfunken konnten, wie viele Truppen sich am Ort befanden und wie stark der Gegner war, mit dem man wahrscheinlich zu rechnen hatte, konnte der Kommandeur der Spezialtruppe der israelischen Armee, die damit beschäftigt gewesen war, Wüstenkriegstaktiken zu üben, den Befehl zum Einsatz geben.

Alle Terroristen außer einem wurden getötet. Der einzige Verlust bei der israelischen Armee war der Kommandeur der Sturmtruppe, Oberstleutenant Jonathan Netanyahu, der von einer verirrten Kugel getroffen worden war. Der internationale Terrorismus hatte seine erste Niederlage erlitten, und die Nation hatte ihr Image von Härte und Erfolg wiedergewonnen. Premierminister Yitzhak Rabin schloß den Mossad in seine Dankesrede ein: „Dieser Tribut ist das mindeste, was wir für die anonymen Geheimdienstagenten tun können, die tapferen Fallschirmjäger, die verwegenen Infanteristen der GolaniBrigade, die Luftwaffenpiloten und all die anderen, die es fertigbrachten, daß das Unmögliche wahr wurde." Wieder einmal sonnten sich die Israelis in weltweiter Anerkennung und Bewunderung.

Vierter Teil Gewalt im Libanon

14. Die Massaker

„Denn der Frevel, am Libanon begangen, wird dich überfallen." Habakuk 2,17 Nach einem langen, erbitterten Kampf gelang es dem Mossad und Schin Beth, die schlimmsten Exzesse des palästinensischen Terrors einzudämmen. Aber je erfolgreicher sie in dieser Hinsicht wurden, desto größer wurden die neuen Probleme, denen sich Israel gegenübersah. Denn trotz aller schneidigen Erfolge und ausgeklügelten Strategien blieb die Situation im Grunde dieselbe. Millionen von Palästinensern, von den arabischen Staaten unterstützt, waren weiterhin entschlossen, sich einen Heimatstaat zu erkämpfen, und zwar auf demselben Stück Land, zwischen Mittelmeer und Jordan, das auch die Heimat von vier Millionen Israelis war, mit den heiligen Stätten aller drei großen Religionen. Der bewaffnete Kampf nahm kein Ende: Yasser Arafat richtete sich im Libanon eine sichere Basis ein, von wo aus er die Unternehmungen seiner finanziell und militärisch verschwenderisch ausgestatteten PLO organisierte. In einigen Fällen konzentrierte er sich auf den bewaffneten Kampf; von Zeit zu Zeit wurden diplomatische Vorstöße unternommen, denn ein Palästinenser-Führer kann sich nur tastenden Schrittes auf einen Frieden zubewegen, wenn er gleichzeitig seine Kriegsbegeisterung und seinen Appetit auf Kriegserfolge demonstriert. Israels Führer stehen aber unter demselben Zwang. Die empfindliche Bedrohung an der Nordgrenze, in dem Gebiet, das El-Fatah-Land genannt wird, veranlaßte die israelische Armee schließlich zu grenzüberschreitenden Ausfällen gegen den ständigen

Aggressor. Als auch Luftangriffe auf die Palästinenserlager die Überfälle nicht verhinderten, wurde die Armee eingesetzt, um Expeditionen über die Grenze zum Libanon durchzuführen. Dieses Land wurde ohnehin schon von einem Bürgerkrieg zerrissen, der 1975 mit Zusammenstößen zwischen maronitischen Christen und der moslemischen Mehrheit begonnen hatte. Die Auseinandersetzungen wurden immer unübersichtlicher, als eine Faktion nach der anderen begann, ihre Privatarmee aufzubauen und ein Chaos aus ständig wechselnden Bündnissen entstand. So beging auch der Mossad im Libanon einen folgenschweren Irrtum. Seine Außendienstler suchten sich Verbündete unter den verschiedenen libanesischen Gruppen, um die PLO besser unterlaufen zu können. Zuerst stellten sie geheime Kontakte zu den Christen her und halfen bei der Waffenbeschaffung und der Ausbildung ihrer Truppen. Auch an die Drusen, eine machtvolle islamische Religionsgemeinschaft, trat man heran. Bei solchen Aktivitäten hatte der Mossad den syrischen Geheimdienst als Rivalen, der dasselbe Spiel mit denselben Karten versuchte. Später strebte Israel eine Verständigung mit den Schiiten an, die als Mitglieder eines Zweigs des Islam im Libanon über eine große Anzahl von Anhängern verfügen. Viele von ihnen lebten im Süden des Landes; sie hatten von dem anmaßenden, despotischen Auftreten der PLO in ihrem Gebiet genug. Der israelische Geheimdienst erzielte in seinen Verhandlungen mit Amal, der „respektablen" politischen und militärischen Organisation der Schiiten, beträchtliche Erfolge. Diese harmonische Zusammenarbeit wurde aber weit weniger lukrativ, als die islamische Revolution im Iran den Schah gestürzt und den Ayatollah Khomeini mit den fundamentalistischen Mullahs an die Macht gebracht hatte. Den Libanon betrachteten sie als das erste Nachbarland, in das die weltweit proklamierte islamische Revolution getragen werden konnte. Khomeini war der geistige Führer aller Schiiten, und schon bald schlössen sich die Mitglieder dieser Glaubensrichtung, oder wenigsten die eifrigsten davon, im Libanon dem Kampf unter seinem Banner an und formierten ihre Miliz und Kampfgruppen für die sogenannte Partei Gottes, die Hisbollah. Innerhalb kurzer Zeit mußte Israel erkennen, daß es einen neuen, gefährlichen Gegner vor der Haustür hatte. Obwohl der Mossad im Laufe der

Jahre verschiedene palästinensische Organisationen erfolgreich unterwandert hatte, bewiesen erste Versuche, sich Zugang zu den schiitischen Eiferern in ihren engverwobenen religiösen Zellen und Großfamilien zu verschaffen, daß hier eine weitaus schwierigere Aufgabe bevorstand. Zuerst aber mußten sich die Israelis die viel näherliegende Bedrohung durch die PLO vom Halse schaffen. Ein Fehler der ranghöheren Mossad-Mitarbeiter war, daß sie sich in dieser verwickelten Situation zu sehr auf ihre neugewonnenen Freunde, die christliche Phalange, verließen. Es hatten sich enge Verbindungen zwischen den Führern der Phalange und den Geheimdienstlern entwickelt, die zu dem Schluß gekommen waren, man könne die Christen in ihren Hochburgen im Osten Beiruts und dem Küstenstreifen davor so weit stärken, daß der Libanon unter Führung der Phalangisten und einem Präsidenten aus ihren Reihen, Bachir Gemayel, die PLO niederhalten könnte. In der Wunschvorstellung sollten geheime Pläne die Christen dazu veranlassen, ähnlich wie König Hussein zuvor in Jordanien die PLO zu vertreiben und so Israels Nordgrenze zu sichern. Nach einigen Zusammenstößen palästinensischer Milizen mit der israelischen Armee an der Grenze wurde mit amerikanischer Hilfe im Sommer 1981 eine Art Waffenstillstand vereinbart, nach dem die Palästinenser sich bereit erklärten, auf Terrorüberfalle gegen Israel zu verzichten. Der militärische Geheimdienst aber meldete, daß ungeachtet dieser Vereinbarung die PLA - die Palästinensische Befreiungsarmee - schon damals mit Artillerie und Panzern sowie einer Überfülle an Handfeuerwaffen und Maschinengewehren versehen im Süden des Libanon massiv aufrüstete. Wenn man das duldete, mußte man befürchten, daß die Terroraktivitäten wieder aufgenommen würden. Yasser Arafats Armee konnte ohne weiteres Siedlungen im Norden Israels mit Granaten und Raketen beschießen. Weiterhin hätten Guerilla-Einheiten, denen es gelang, den Stacheldraht und das Minenfeld entlang der israelisch-libanesischen Grenze - von der Armee „der gute Zaun" genannt - zu überwinden, die Garantie, im Sperrfeuer von PLA-Geschossen wieder auf sichereres Gelände zurückzuweichen. Von diesem Zeitpunkt an schien ein Präventivschlag der israelischen Armee gegen die Aufrüstung der PLA unvermeidbar.

Unter dem entwaffnenden Decknamen „Operation Frieden für Galiläa" begann am 6. Juni 1982 ein Großangriff auf den Libanon. Er erfolgte unmittelbar nach dem Attentat auf Schlomo Argov, den israelischen Botschafter in London, der von einer von Abu-Nidals Terroristenbanden schwer verletzt wurde. Gerade diese Affäre lieferte den passenden Vorwand für Premierminister Menachem Begin, den Vertreter der harten Linie, und seinen Freund und Verteidigungsminister General Ariel Scharon, einen Politiker, der Drohgebärden liebte. Beide waren davon überzeugt, daß die Zeit für einen schweren militärischen Schlag gekommen war, um den Libanon ein für allemal von den Palästinensern zu befreien. Nach streng militärischer Definition war das Kriegsziel die Verhinderung eines Truppenaufbaus unter Arafat im südlichen Libanon. Aber wie immer bei einer großangelegten Offensive bestand auch die Versuchung, darüber hinauszugehen. Die Armee war in einer Vormarschstimmung, nicht unähnlich der von Prinz Ruperts Kavallerie im englischen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts; sie rückte ständig vor, in der Aussicht auf weitere und größere Gegner. Bei dem Eingreifen der syrischen Luftwaffe gingen fast alle MiGJäger und der größte Teil der Angriffstruppen Syriens in vorderster Linie verloren. Die israelischen Bodentruppen erreichten schnell die Außenbezirke von Beirut, die sie aber vorsichtigerweise nicht durchquerten. Die Stadt war noch immer in der Hand palästinensischer und muslimischer Milizen und der Alptraum eines jeden Straßenkämpfers. Es gab in der Stadt bereits genug Agenten vom Mossad und Schin Beth, die vor den Gefahren warnten, sich gerade dort in Kämpfe verwickeln zu lassen. Aber die Invasionstruppen stellten den Kontakt mit den alten Verbündeten Israels her, den christlichen Truppen, die im Osten Beiruts ihren eigenen Stützpunkt hatten. An diesem Punkt begannen die Unterredungen. Nach zähen Verhandlungen wurde eine Vereinbarung getroffen, derzufolge Yasser Arafat und 15 000 Palästinenser auf dem See-, Luft- oder Landweg aus Westbeirut evakuiert werden sollten. Sie verteilten sich in einer neuen militärischen Diaspora im ganzen arabischen Raum. Als sie in Lastwagen zu den Abreisepunkten verfrachtet wurden, waren eifrige Mossad-Agenten mit Ferngläsern und Kameras in Aktion, um die „Kämpfer" für etwaige spätere Zwecke zu registrieren. Von Schin

Beth und dem militärischen Nachrichtendienst unterstützt, entwendeten sie aus den PLO-Bunkern ganze Kisten voller Dokumente, die mehr als genug Rohmaterial lieferten, um Terroristenjäger übers nächste Jahrzehnt mit Arbeit zu versorgen. Nie zuvor hatten die Auswerter so viele Daten zur freien Verfügung gehabt, über die sie nun nachgrübeln konnten. Nicht verhindern konnten sie die Übergabe von riesigen Vorräten an Handfeuerwaffen und Munition an die Amalmilizen, als die PLO ihre Waffen auslieferte. So waren die Milizen mit einem Arsenal versorgt, von dem sie später Gebrauch mit verheerender Wirkung machen sollten. Eine Zeit lang sah es so aus, als ob dank der altmodischen Sturmund Kampfgeist-Ideologie der israelischen Verteidigungstruppen ein prächtiger Sieg errungen sei, als ob der Mossad recht gehabt hätte, sein Vertrauen auf die Phalange zu setzen. Arafat und seine Gefolgschaft mußten den Libanon verlassen; amerikanische Marinesoldaten waren eingetroffen, um die Evakuierung zu überwachen, und Bachir Gemayel sollte Präsident des Libanon werden. Dann geschah aber ein dramatischer und unvorhergesehener Zwischenfall; er war so schrecklich, daß er die ganze Situation umstürzte und Israels Sieg in eine Niederlage verwandelte. Am Nachmittag des 14. September 1982 wurde Bachir Gemayel, der neugewählte christliche Präsident des Libanon, ermordet, mit einer gigantischen 45Pfund-Bombe, die das Hauptquartier der Phalangisten in Achrafiyeh in Ostbeirut in die Luft sprengte. Instinktiv reagierten die Israelis damit, die Armee in den moslemischen Teil Beiruts einmarschieren zu lassen, um einen totalen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung vor Ort zu verhindern und christliche Fanatiker davon abzuhalten, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Man näherte sich vorsichtig und traf in den Straßen der Stadt auf wenig Widerstand, aber es gab dennoch einige Verluste. Diese spontane, riskante Entscheidung wurde von Menachem Begin, von seinem Verteidigungsminister und vom militärischen Stabschef getroffen. Sie berieten sich jedoch nicht mit dem Außenminister, den Leitern des militärischen Geheimdienstes oder des Mossad, obwohl die Möglichkeit dazu bestand. Die Ansicht des militärischen Geheimdienstleiters zu den möglichen strategischen und militärischen Konsequenzen eines solchen Truppeinsatzes wäre sicherlich

wertvoll gewesen. Auch der Mossad-Chef, der für die Verbindungen zu den libanesischen Führern zuständig war, hätte besser als alle anderen die Reaktion der Christen auf den Mord an ihrem Führer einzuschätzen gewußt. Er hätte sicherlich Informationen über die möglichen Gegenaktionen liefern können und über Rachepläne der Christen Bescheid gewußt. Alles spielte sich aber mit einer solch unangemessenen Eile ab, daß der Einsatzbefehl nicht einmal angab, was mit den Flüchtlingslagern in Westbeirut geschehen sollte, dem Stadtteil, der besetzt werden sollte. Diese Lager waren jetzt ohne Schutz, nachdem alle Männer und „Kämpfer" evakuiert worden waren. 36 Stunden später holte ein weiterer Befehl diese Unterlassung nach und verbot den israelischen Truppen, die Lager zu betreten. Die Entscheidung, alle Aufräumungsarbeiten in den Lagern den libanesischen Truppen - entweder der libanesischen Armee, die nicht handlungsfähig war, oder den christlichen Milizen, die scharf auf die Aufgabe waren - zu überlassen, erwies sich als tödlicher Fehler. Erfahrene Geheimagenten haben seither immer wieder behauptet, daß sie, wenn man sie nur konsultiert hätte, stark davon abgeraten und vor einer unvermeidlichen Katastrophe gewarnt hätten. Zwei Tage später stürmten Einheiten der phalangistischen Miliz die beiden Hauptflüchtlingslager der Palästinenser, Sabra und Chatila. Sie wurden von israelischen Truppen, die die Gegend abgeriegelt hatten, nicht daran gehindert, und sie stießen bei den Insassen auf wenig Widerstand. Unter den Augen der israelischen Armee verfiel die libanesische christliche Miliz in einen Blutrausch, stürzte sich auf ihre alten Feinde, die Palästinenser, und metzelte 1300 von ihnen Männer, Frauen, Kinder - nieder. Auch für libanesische Verhältnisse war das eine verabscheuungswürdige Tat. Das fürchtbare Ereignis wurde weltweit verurteilt und löste in Israel empörte Reaktionen aus, die eine widerwillige Regierung zwangen, eine gerichtliche Untersuchung darüber einzuleiten, wie diese Katastrophe passieren konnte und inwieweit Israel in die Vorfälle verwickelt war. Der oberste Richter Yitzhak Kahan, der den Ausschuß leitete, ging der Sache auf den Grund und enthüllte viele Einzelheiten über die Geheimdienstaktivitäten, die der libanesischen Katastrophe vorausgegangen waren. Der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Hinblick auf das

Massaker traf den Chef des militärischen Geheimdienstes: Er habe nicht sorgfältig genug auf die Gefahren bei der Entsendung von Phalangisten nach Sabra und Chatila geachtet, als diese noch über die Ermordung Präsident Gemayels empört waren. Die Kommission glaubte nicht, daß der Aman-Chef nicht überblickt hatte, welche Folgen die Rolle der Phalangisten nach dem Befehl hinsichüich des Einmarschs israelischer Truppen in Beirut haben könnte. Die Phalangisten sollten die israelische Armee unterstützen, Ortskenntnisse liefern und die Gebiete betreten, die für israelische Soldaten verboten waren. Die Kommission identifizierte auch erstmalig den phalangistischen Offizier, der seinen Truppen den Befehl gab, die Lager zu betreten, und damit das Massaker verschuldet hatte: Elie Hobeika, Befehlshaber einer 150 Mann zählenden libanesischen Geheim- und Spezialeinheit. Und gerade dieser Offizier hatte während der langsamen Annäherung an die christlichen Kräfte in engem Kontakt mit dem Mossad gestanden. Vor der Invasion hatte er Israel besucht und eine nachrichtendienstliche Ausbildung erhalten; es wurde sogar behauptet, daß er ein regulärer Mossad-Agent gewesen sei. Hobeika war hinlänglich als ein „Killer" und besonders unangenehmer Zeitgenosse bekannt, und er stand dazu im Verdacht, als Doppelagent auch für den syrischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Als extremer Phalangist war er ein geborener Verschwörer, immer bereit und willens, Geschäfte mit jedem Partner zu machen, solange sie nur seinen Zwecken dienten; kurz gesagt, er war ein gefährlicher und unzuverlässiger Verbündeter. So enthüllte der Bericht, daß der militärische Geheimdienst den Mossad wiederholt vor den Gefahren einer Annäherung an die Phalangisten gewarnt hatte. Das Zeugnis des Generalmajors Amir Drori, Befehlshaber der israelischen Truppen im Libanon, belegte, daß sich zur Zeit der Massaker ein Verbindungsagent vom Mossad im Hauptquartier der Phalangisten aufhielt. Nach Aussage des Verteidigungsministers Ariel Scharon waren die Chefs von Aman und Schin Beth anwesend, als er sich einen Tag nach der Ermordung Bachir Gemayels zu einem Treffen mit den Phalangisten begab, zusammen mit einem weiteren, erfahrenen Mossad-Agenten. Die Geheimdienste waren zu diesem kritischen Zeitpunkt vor der Metzelei dort vollzäh-

lig vertreten, obwohl sich niemand die Mühe gemacht zu haben schien, den Rat der Experten darüber zu hören, wie man sich in dieser Situation verhalten sollte. Richter Kahan kommentierte: „Der Mossad stand weitgehend unter dem Einfluß des beständigen, engen Kontakts mit der phalangistischen Elite und hielt es für notwendig, die Verbindungen mit dieser Organisation noch enger zu knüpfen, obwohl er sich ihrer Fehler und Schwächen wohl bewußt war." Allerdings war die vorherrschende Meinung im Geheimdienst, die Christen seien vertrauenswürdig und zuverlässig. Die militärische Abwehr Aman allerdings hob in ihren Einschätzungen die Gefahren von Verbindungen mit der Phalange primär wegen deren Mangel an Vertrauenswürdigkeit hervor. Obwohl nun dem militärischen Geheimdienst die Richtigkeit seiner Einschätzungen bestätigt wurde, empfahl die Kommission, Generalmajor Yehoschua Sagi, den Chef der Organisation, zu entlassen. Sie sprach den Leiter des Mossad, der namentlich nicht genannt wurde (es muß Nahum Admoni gewesen sein), frei mit der Begründung, er könne für sein Verhalten vor den Ereignissen nicht verantwortlich gemacht werden, da er seinen Posten erst vier Tage vor dem Massaker in den Lagern angetreten habe. Nun hätte man denken können, daß Yitzhak Hofi, Leiter des Mossad zu der fraglichen Zeit, zur Rechenschaft gezogen würde. Aber Hofi war ein erfahrener General und Frontkommandeur vor seiner Zeit beim Mossad, deshalb konnte man ihn nicht so leicht belangen. Er akzeptierte die Ansichten seiner Untergebenen nicht ohne weiteres, und er verließ sich auch nicht vollständig auf ihre Berichte. Die Mossad-Agenten, die zunächst politische Gespräche mit den libanesischen Führern der maronitischen Gruppen arrangiert hatten, agierten weder als Geheimdienstler noch als Auswerter, sondern als Geheimdiplomaten, die abgeordnet waren, diese Funktion mangels diplomatischer Beziehungen mit dem Libanon auszuüben. Als kontaktknüpfende Abgesandte begingen sie den Fehler, ihre Objektivität aufzugeben angesichts der unrealistischen Vorstellungen ihrer Gesprächspartner. Das war eine Falle, in die auch erfahrene Berufsdiplomaten hätten tappen können. Bevor General Scharon, Verteidigungsminister und ein Befürworter militärischer Intervention im Libanon, den Entschluß zum Ein-

marsch faßte, hatte er die USA besucht. Einflußreiche israelische Entscheidungsträger gewannen den Eindruck, daß Außenminister Alexander Haig sich damit einverstanden erklärt hatte, eine große Militäraktion zu unterstützen. Nichts wurde getan, um die falschen Informationen zu korrigieren, auf denen die Regierungsentscheidung beruhte. Der israelische Geheimdienst erhielt keine vollständigen Berichte, die ihn dazu veranlaßt hätten, den Standpunkt der Minister in Frage zu stellen. Im Verlauf des Krieges bekam das Kabinett keine umfassenden Geheimdienstberichte und Auswertungen, weil die Geheimdienste an den wichtigen Konferenzen nur selten teilnahmen. Das war eine seltsame Unterlassung, denn es stellte sich heraus, daß der Chef des militärischen Geheimdienstes fast einen Monat vor dem Angriff auf den Libanon eine detaillierte Auswertung der Fakten vorgenommen hatte. Sagis Vorgänger beim militärischen Geheimdienst Schlomo Gazit wies in einer scharfsinnigen Analyse der „Operation Frieden für Galiläa", die erst viel später veröffentlicht wurde, daraufhin, daß der Premierminister im Jahr 1982 sein möglichstes tat, um General Sagi von den Kabinettssitzungen auszuschließen, und ihm keine Gelegenheit gab, seine Einschätzung der Lage vorzutragen. In Ermangelung einer klaren Führung, die auf sicherem Nachrichtenmaterial beruhte, entwickelte sich das Unternehmen Libanon, das mit dem Ziel begann, den Truppenaufbau der PLO im Süden des Libanon zu verhindern, zu einem viel ehrgeizigeren Abenteuer. Anstatt sich auf das ursprüngliche und nun erreichte Ziel zu beschränken, wurde die israelische Armee in einen Krieg abkommandiert, der alle palästinensischen und syrischen Truppen aus dem Land verjagen sollte. Danach sollte ein Bündnis mit den Christen geschlossen und dem Libanon eine neue Ordnung unter israelischer Hegemonie aufgezwungen werden. Israel hatte sich verausgabt, und die Regierung Begin erlebte noch den Tag der Reue darüber, daß sie Israel in das libanesische Abenteuer gestürzt hatte. Auch dem Mossad war es wegen seiner unangebrachten Begeisterung für die Sache der Phalangisten nicht gelungen, seine nachrichtendienstlichen Vorteile richtig zu nutzen, um die politische Katastrophe zu verhindern. Schlomo Gazit erklärte weder die Nachrichtensammlung für verantwortlich, noch die Auswertung oder

Einschätzung der Libanon-Krise. Nach seiner Ansicht lag das Problem in den schlechten Beziehungen zwischen Kabinett und den Leitern der Geheimdienste. Deshalb konnte sich die Regierung vor ihren Entscheidungen überhaupt nicht in ausgewogener Form mit den Fakten auseinandersetzen. Obwohl die Kommission unter Kahans Vorsitz organisatorische Veränderungen empfahl, um diesem Übelstand abzuhelfen, wurde nichts in dieser Richtung unternommen.

15. Das iranische Abenteuer

Wie groß auch die Katastrophen, Verwirrungen und Grausamkeiten während der Libanon-Expedition Israels gewesen sein mögen, wenigstens gelang es, das militärische Potential der PLO in diesem Land zu zerstören, zumindest für ein paar Jahre. Zur selben Zeit entstand jedoch eine neue schiitische Partei im Libanon, die von den iranischen Revolutionären Ayatollah Khomeinis massiv unterstützt wurde. Zuerst waren die israelischen Invasoren bei der schiitischen Bevölkerung im Süden des Libanon als Befreier von der Last der palästinensischen Besetzung hochwillkommen. Mossad-Agenten unterhielten Beziehungen zu den Befehlshabern der Amalmilizen zur selben Zeit, als sie auch Kontakte zu den Christen knüpften. Unter der vermittelnden Führung von Nabi Berri, einem in Europa ausgebildeten Rechtsanwalt, der keineswegs ein Kriegshetzer war, war die Amal im Augenblick zufrieden, die Vorteile der israelischen Protektion zu genießen. Die Geheimdienstler agierten vorsichtig, weil sie das wachsende Potential der schiitischen Mehrheit sehr wohl erkannten. Die Lehren eines libanesischen Heiligen, des Imam Moussa as-Sadr, dem Gründer von Amal, hatten sie schon stark beeinflußt. Der Süden des Libanon war eigentlich der Ausgangspunkt des religiösen Fundamentalismus gewesen, der später den ganzen Iran erfaßte. Der Mossad hatte vor solchen Gefahren gewarnt, aber die Regierung unternahm nichts dagegen. Das änderte sich alles, als die Mullahs, angetrieben vom religiösen Fanatismus aus Teheran, sich ihre Privatarmeen und Terrorgruppen aufbauten, die dann die Beiruter Slums und das Beeka-Tal in ihre Gewalt brachten. Dort erhielten sie durch Hunderte von revolutionären Soldaten aus dem Iran Verstärkung. Als die Entwicklung im

Libanon immer bedrohlicher wurde, trotz der Anwesenheit amerikanischer Truppen, die von Franzosen, Italienern und einem kleinen britischen Kontingent unterstützt wurden, verhielt sich die Hisbollah, die „Partei Gottes", immer aggressiver. Eine neue Terroreinheit unter dem Decknamen „Islamischer Heiliger Krieg" war auf den Plan getreten, die für den Einsatz einer gefahrlichen neuen Waffe, der „Selbstmordbombe", ausgebildet war. Eine solche Bombe war 1981 in der irakischen Botschaft erprobt worden. Zwei Jahre darauf schlugen die Selbstmordkommandos bei ihren ausländischen Feinden zu. Das Angriffsziel war die amerikanische Botschaft am Strand von Beirut. Ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen raste in das Gebäude, 45 Menschen kamen ums Leben, darunter 16 Amerikaner. Dieser Vorfall hatte für den Nahen Osten und für Amerika schwere Konsequenzen. Weitere Selbstmordbomben, denen viele Menschen zum Opfer fielen, explodierten im Herbst in den Hauptquartieren der US-Marine und eines französischen Truppenkontingents in der Nähe von Beirut. Der „Islamische Heilige Krieg" setzte dort an, wo die Palästinenser aufgehört hatten, und es gelang ihm, die internationale UN-Friedenstruppe aus dem Libanon zu vertreiben. Schließlich war die israelische Armee gezwungen, sich hinter ihre eigenen Grenzen zurückzuziehen, nur eine symbolische Anzahl von Einheiten und libanesische Hilfstruppen im Süden blieben zurück. Israel war auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt, und nun blieb als erste Aufgabe, mehr über die neuen Terroreinheiten und ihre Führer herauszufinden. Zu diesem Zweck wurden Mossad Agenten in Beirut tätig, in Verbindung mit einem FBI-Team und Mitarbeitern des französischen Nachrichtendienstes. Beirut war zu dieser Zeit voll von unwahrscheinlichen Geschichten über alte Nußverkäufer in Hamra, die sich plötzlich als Mossad-Agenten entpuppten. Die Aufgabe war nicht einfach, denn der „Islamische Heilige Krieg" und sein Vorkämpfer, die Hisbollah, waren durch Religion und Sippenstruktur eng verwoben. Der israelische Geheimdienst mußte ganz von vorn anfangen, um sich seinen Weg in diese ungewohnten Strukturen zu bahnen. Unter den bizarrsten Informationen, die der Mossad auffing, war eine Behauptung, daß die Schiiten ein Gerät mit dem Namen „Selbstmordjacke" erfunden hatten. Es war

eine ärmellose Jacke, in die zehn Pfund Plastik-Sprengstoff eingenäht waren. Das Konzept dabei war, daß der Träger direkt auf sein Angriffsziel zugehen und an einem Auslöserband ziehen konnte, das den Sprengstoff zündete und gleichzeitig den Träger und sein Opfer in die Luft sprengte. Es gibt kein Indiz dafür, daß diese Erfindung je angewendet wurde, wahrscheinlich wegen des Mangels an Freiwilligen, die sich zur Erprobung meldeten. Die zweite neue Taktik des grausamen Terror-Kommandos „Islamischer Heiliger Krieg" war die Geiselnahme. Natürlich ist die Methode, Menschen festzuhalten und Lösegeld zu verlangen, im Prinzip so alt wie menschliche Konflikte selbst. Aber mit Hilfe der iranischen Verbündeten machten die libanesischen Schiiten daraus eine Kunst, die sie mit der ganzen Verschlagenheit eines Teppichverkäufers in einem Basar ausübten. Beirut war immer noch eine Metropole mit einer gar nicht kleinen Gemeinde von Europäern und Amerikanern, die den Terrorgruppen reichen Vorrat an Angriffszielen boten. Den Präzedenzfall lieferten iranische Studenten. Sie demütigten die Vereinigten Staaten und Präsident Carter tief, als sie die amerikanische Botschaft in Teheran überfielen und alle dort tätigen 52 Diplomaten als Geiseln nahmen. Wenn diese Aktion beim „Satan Amerika" und Feind von Allahs Revolution eine solche Aufregung auslösen konnte, warum sollte man diese Methode dann nicht durch die Geiselnahme von Einzelpersonen erfolgreich weiterführen können? Im Lauf der Jahre wurden immer mehr Ausländer festgehalten. Im Jahr 1989 waren es 25 Geiseln amerikanischer, britischer und anderer europäischer Herkunft, von denen man annahm, daß sie sich noch im Libanon befanden. Die englische Premierministerin Margaret Thatcher weigerte sich standhaft, über die Freilassung von britischen Geiseln zu verhandeln. Aber Terry Waite, Abgesandter des Erzbischofs von Canterbury, ließ sich nicht daran hindern, an den Austauschverhandlungen anderer Parteien teilzunehmen. Für seine reichlich dilettantischen Bemühungen an einem Ort, wo es keinen Platz für wohlmeinende, blauäugige Männer gibt, zahlte er schließlich einen hohen Preis: Er wurde selbst entführt. US-Präsident Reagan unternahm trotz großer Worte für eine unnachgiebige Haltung gegenüber Terroristen Versuche, amerika-

nische Geiseln freizubekommen, was schließlich zum „Irangate"Skandal führte. Reagan hatte eine Tendenz, die Welt emotional zu sehen; er war von den Gesuchen der Familien der Geiseln sehr betroffen, und es lag ihm viel daran, daß alles nur Denkbare getan würde, um die Gefangenen zu befreien. Hinter dem ursprünglichen Plan, die Geiseln zu retten, stand das vage Gefühl, daß der Iran, bis zum Hals in einen Krieg mit dem Irak verstrickt, und die Revolutionäre des Ayatollah davon zu überzeugen wären, eine Wiederaufnahme der Beziehungen mit den USA könnte von Vorteil sein. Als man begann, mit Politikern im Iran Kontakt aufzunehmen, die man für „gemäßigt" hielt und von denen man glaubte, sie stünden einer Rückführung ihres Landes zu internationalen Beziehungen positiv gegenüber, wurden Israel und die israelischen Geheimdienste miteinbezogen. Israel selbst hatte merkwürdige und komplizierte Beziehungen zum Iran. Sie basierten auf der Annahme, daß der Iran als die einzige andere nicht-arabische Macht und außerdem als Öllieferant in der Region mit Israel gemeinsame Interessen habe, die zu nutzen seien. Israel hatte recht gute Beziehungen zum Schah von Persien unterhalten. Die israelischen Geheimdienste hatten dank ihrer engen Verbindung zum Iran sehr rasch Gefahrenzeichen wahrgenommen. Schon im Frühjahr 1978 fühlte sich der Mossad verpflichtet, die Amerikaner auf eine ernste Gefahr für den Pfauen-Thron aufmerksam zu machen. Dieser Warnung wurde aber keine Bedeutung beigemessen. Sowohl die CIA als auch der britische Geheimdienst nahmen die Situation nicht ernst, und das bedauerten sie später sehr. Wenn man nämlich den Schah hätte überzeugen können, daß seine Macht zusammenbrach, wäre vielleicht noch Zeit genug für Maßnahmen zur Verhinderung oder wenigstens zur Verzögerung der Katastrophe gewesen. Nachdem die revolutionären Mullahs die Macht ergriffen hatten und verkündeten, ihr Krieg mit dem Irak werde nur ein Schritt auf ihrem Weg nach Jerusalem sein, nahm die Angelegenheit für Israel eine unangenehme Wendung. Sorgen um das Schicksal von 80 000 im Iran lebenden Juden kamen auf. Es mußten Mittel gefunden werden, um allen Auswanderungswilligen den Weg nach Israel freizuhalten. Aus diesem Grund sah sich Israel veranlaßt, mit dem

Regime des Ayatollah zu verhandeln und sich mit ihm zu arrangieren. Israel versuchte, die Kontakte mit dem revolutionären Regime durch diplomatische Bemühungen des Mossad zu erneuern, und es lenkte die Aufmerksamkeit darauf, daß die israelische Luftwaffe soeben den irakischen Atomreaktor zerstört und damit den Iran vor der Gefahr eines Atomschlages bewahrt hatte. Als aber diese Trumpfkarte nicht stach und Teheran nicht nachließ, zu erklären, daß nach den USA Israel der Hauptfeind Nummer zwei sei, wurden andere Mittel ausprobiert. Als Verhandlungsbasis boten sich unmittelbar die vom Iran dringend benötigten Waffenlieferungen für die Fortsetzung des Golfkriegs an. Durch den Feldzug im Libanon hatte Israel einen Überschuß an Waffen, die der PLO abgenommen worden waren, und die es nur zu gerne absetzen wollte. Man denke an die unvergeßlichen Worte des verstorbenen Brigadiers Thompson, des Militärkorrespondenten beim Daily Telegraph, an einen israelischen Befehlshaber gerichtet: „Ich gratuliere Ihnen, Herr General. Ihr Schlachtfeld ist immer sehr aufgeräumt." Der Verkauf von Waffen und Ersatzteilen hatte zwei Vorteile: Israel hätte die Gelegenheit, etwas dafür als Gegenleistung zu verlangen, und die Munition könnte für den positiven Zweck eingesetzt werden, die Militärmacht eines arabischen Feindstaates, des Irak, zu brechen. 1981 hatte Ariel Scharon dem amerikanischen Außenminister Alexander Haig die Vorteile eines geheimen Verkaufs einer großen Menge von in Israel produzierter Bereifung für iranische Phantomjäger nahegebracht. Dies könnte dazu beitragen, Verbindungen zu knüpfen, meinte er, und eine Brücke zu den neuen Politikern zu bauen, die dem Ayatollah später einmal folgen würden. Der Chef der CIA-Außenstelle in Beirut William Buckley wurde vom „Islamischen Heiligen Krieg" im Jahre 1984 entführt. Das bestärkte in Amerika die Entschlossenheit, etwas zur Rettung der Geiseln zu unternehmen. William Casey, der Leiter der CIA, fühlte sich besonders verpflichtet, seinem Freund zu helfen. Buckleys Schicksal wirkte natürlich sehr deprimierend auf den Geheimdienst, und seinem Ansehen hatte es im Nahen Osten geschadet. Der erste Vorschlag kam von David Kimche, dem dienstältesten Mitarbeiter im israelischen Außenministerium: Israel könnte mit seinen Erfahrungen in dieser Hinsicht vielleicht bei Verhandlungen

helfen, die darauf abzielten, Rüstungsgüter gegen Gefangene auszutauschen. Kimche waren geheimdienstliche Aktionen nicht fremd. Bevor er offiziell die diplomatische Laufbahn einschlug, hatte er beim Mossad gearbeitet, und er war dort sogar stellvertretender Leiter gewesen. Er war also in einer Position, die Dienste von Yaacov Nimrodi in Anspruch nehmen zu können. Nimrodi war ein iranischer Jude, 60 Jahre alt und millionenschwerer Unternehmer, in Hamadan in der Nähe von Teheran geboren und 1946 nach Israel ausgewandert. Bereitwillig kehrte er aus seinem Ruhestand zurück, um bei dem israelisch-iranischen Unternehmen zu helfen und gemäßigte iranische Politiker ausfindig zu machen. Sein alter Freund Shimon Peres, damals Premierminister, skizzierte Nimrodi den Plan für die Aktion, für die dieser außerordentlich geeignet war. Obwohl Nimrodi ein glühend patriotischer Israeli geworden war, hatte er doch nie aufgehört, auch den Iran als seine Heimat zu betrachten. Von 1956 bis 1970 war er als Mossad-Agent in Teheran tätig gewesen, offiziell in der Stellung eines Militärattaches, und er hatte ein äußerst erfolgreiches Agentennetz aufgebaut, das alle Geheimnisse der arabischen Nachbarn des Iran ausspionierte. Er hatte die Beziehungen zum Savak, der Geheimpolizei des Schah, ausgebaut, von dem einige Mitarbeiterin höheren Rängen vom israelischen Geheimdienst ausgebildet waren. Der Mossad war damals Mitglied einer trilateralen Gruppe aus Israel, aus der Türkei und dem Iran, die unter dem Namen „Trident" operierte und geheime Informationen austauschte. Die Leiter der Geheimdienste trafen sich regelmäßig zweimal im Jahr, um über Probleme auf der Ebene gemeinsamer Interessen zu beraten. Auch nach der Revolution hatte Nimrodi immer noch viele einflußreiche Kontakte; er konnte die Verbindung zu einer Reihe von wichtigen Savak-Agenten herstellen. Obwohl die Polizei des Schah in Verruf geriet und gesäubert wurde, hatte sich eine nicht geringe Zahl ihrer Beamten dank bestimmter Spezialkenntnisse Positionen bei der Geheimpolizei des neuen Regimes verschafft. Nimrodi beherrschte Farsi perfekt, und er hatte durch seine Freundschaft mit dem Schah Erfahrungen im Waffenhandel gesammelt. Wenn er auch Bedenken hatte, den Mullahs Waffen zu verkaufen, freute er sich doch, für den Zweck der Geiselbefreiung in den Dienst zurückzukehren. Gleichzeitig hoffte er das neue Teheran ge-

nau zu erkunden. Später wurde ihm vorgeworfen, mit seinen Aktivitäten in dieser Angelegenheit 10 Millionen Dollar verdient zu haben, aber das stritt er ab. Zuerst sprach Nimrodi mit Iranern in Europa, die Verbindungen zum Khomeini-Regime hatten und als Mittelsmänner in Frage kamen. Dann suchte er Adnan Kashoggi auf, den extravaganten saudiarabischen Waffenhändler, der überall seine Hände im Spiel hatte. Am Golfkrieg verdiente er sich ein Vermögen. Der nächste auf seiner Liste war Manuscher Ghorbanifar, bekannt unter dem Namen Gorba, den er zehn Jahre zuvor erstmals beim Savak getroffen hatte. Gorba war ein gerissener Geschäftsmann, mit Beteiligungen an einer Transportgesellschaft; er suchte ständig Kontakt zum Mossad oder der CIA, um über seine Beziehungen auf höchster Ebene, die er sich in Teheran zunutze machen wollte, zu berichten. Ein merkwürdiges Mossad-Team traf sich schließlich in London. David Kimche, begleitet von Amiram Nir, einem ehemaligen Fernsehreporter, derzeit Berater des israelischen Premierminsters in Anti-Terror-Angelegenheiten, traf sich mit Nimrodi und seinem hinzugezogenen Freund AI Schwimmer, der als Begründer von Israels Leichtflugzeugindustrie wohlbekannt und ebenfalls ein Freund des Premierministers war. Gorba war auch dabei: Ihm gelang es, den schlauen Kimche davon zu überzeugen, er allein könne den Amerikanern „gemäßigte" Gesprächspartner in Teheran verschaffen - zum Preis einer Lieferung von TOW-Panzerabwehrraketen an den Iran. Gorba ließ durchblicken, er werde mit dem iranischen Ministerpräsidenten verhandeln, und es wurde angedeutet, daß William Buckley auf jeden Fall als Teil des Geschäfts, das er vorschlug, freikommen sollte. Es gab aber Schwierigkeiten, weil die Lieferung von Raketen bedeutet hätte, das internationale Waffen-Embargo gegen den Iran zu brechen. Kimches Hauptkontakt zur amerikanischen Seite war der nationale Sicherheitsberater Robert McFarlane, der glaubte, diese Schwierigkeit könnte aus dem Weg geräumt werden, allerdings durfte die Liefermenge nicht zu groß sein, um das militärische Gleichgewicht im Golfkrieg nicht ins Wanken zu bringen. Eine Umgehung des Embargos wurde vorgeschlagen: Man bot an, israelische Waffenvorräte in den Iran zu schicken, die dann von den Amerikanern ruhigen Gewissens durch neue ersetzt werden konnten. Dies brachte den

zusätzlichen Vorteil, daß Israel seine alten Waffenvorräte gegen neue eintauschen konnte. Im August 1985 wurden an Bord einer DOSMaschine mit einem kolumbianischen Piloten, die von AI Schwimmer angemietet worden war, 100 TOW-Raketen von Tel Aviv nach Täbris geflogen. Aber es wurden keine Geiseln freigelassen, weil die iranischen Behörden gar nicht auf die Waffenlieferung vorbereitet waren. Ghorbanifars Kontaktperson in Teheran hatte in Wirklichkeit gar nicht die Machtposition, wie sie beschrieben wurde, er war nur ein Mann mit wenig Einfluß und einem prächtigen Titel. Mit israelischer Hilfe ging eine zweite Raketenlieferung in zwei Transportflugzeugen nach Täbris ab. Diesmal reiste Ghorbanifar selbst dorthin, mit einem argentinischen Paß. Trotzdem wurde er sofort bei der Ankunft verhaftet, denn er war in Abwesenheit wegen Anzettelung einer Verschwörung gegen Khomeini zum Tode verurteilt worden. Er wurde aber bald wieder freigelassen und meldete den Erfolg, oder wenigstens Teilerfolg, seiner Aktion. Doch nur eine statt der erwarteten vier Geiseln wurde freigelassen - der Reverend Binyamin Weir, ein presbyterianischer Geistlicher, der ein Jahr lang im Libanon festgehalten worden war. Von William Buckley gab es kein Lebenszeichen; er war in Wirklichkeit schon einige Zeit vorher zu Tode gefoltert worden. Von da an übernahmen die Amerikaner die führende Rolle in der Geiselaffäre. Oberstleutnant Oliver North war der Koordinator der Operation „Recovery". Zu dieser Zeit war er in jeder Hinsicht für alle Aspekte der amerikanischen Politik zuständig, die den Iran betrafen. Aber die meisten Waffen, die dem Iran in der Folgezeit geliefert wurden, nahmen immer noch den Umweg über israelisches Gebiet. David Kimche wurde durch Amiram Nir ersetzt, der für die israelischen Kontakte sorgte. Auch Nimrodi und Schwimmer arbeiteten weiterhin mit, ebenso der extravagante Ghorbanifar. Die neue Taktik der amerikanischen Regierung bei der Behandlung der Geiselaffäre veranlaßte den gutinformierten iranischen Journalisten im Exil Amir Taheri in seinem Buch Nest ofSpies zu einem scharfen Kommentar: „Es war überraschend genug, daß sie sich weigerte, irgendwelche Informationen zur Kenntnis zu nehmen außer von Exilanten, Waffenhändlern und ausländischen Geheimdiensten, die alle ihre eigenen Interessen verfolgten, und schlimmer

noch: von Profitmachern, deren unlautere Absichten sogar in regierungsnahen Kreisen bekannt waren." Auch in der Geschichte der Geheim-Operationen der Israelis war es kein glanzvolles Kapitel, und als die Iraner nach der fehlgeschlagenen Mission Robert McFarlanes und Oberst Norths in Teheran den Handel mit Absicht an die Öffentlickeit brachten, prasselte auch auf Israel viel unwillkommene Kritik für diesen seinen verpatzten Anteil an „Irangate" nieder. Als einzige Entschuldigung dafür konnte gelten, daß Premierminister Shimon Peres lediglich den Wunsch hatte, den amerikanischen Verbündeten zu helfen - besonders als der Spionagefall Jonathan Pollard jenseits des Atlantiks beträchtliche Entrüstung hervorrief. Die Israelis hatten darauf bestanden, daß Amiram Nir die Waffensendungen begleiten solle, wahrscheinlich zum Zweck der Überwachung, und so war er auch dabei, als sie in der letzten, unglücklichen Mission im Mai 1986 von Tel Aviv nach Teheran flogen. Nach einem Jahr hektischer Aktivitäten und trotz offiziellen Verkaufs von 1500 TOW- Raketen und Ersatzteilen für 240 Hawks zu horrenden Preisen an den Iran war wenig erreicht worden. Aber nach den ersten Waffenlieferungen an die Mullahs brauchten die Amerikaner ja keine Unterstützung mehr. Im Jahr 1988 kam dann der Verdacht auf, Oberst North habe auch noch andere Aktionen mit Spezialeinheiten geplant, um die Geiseln im Libanon zu befreien; Informationsquelle war Amiram Nir. Nach seinem Tod beim Absturz eines Leichtflugzeugs auf einer mysteriösen Reise nach Mexiko veröffentlichte die Washington Post Einzelheiten aus einem vertraulichen Interview, das Nir der Zeitung einige Monate zuvor in London gab. Dabei hatte er dem Reporter von einem geheimen israelisch-amerikanischen Abkommen aus den Jahren 1985-86 berichtet, das Anti-Terror-Maßnahmen unter Aufsicht von Oberst North und Nir selbst vorsah und von Premierminister Peres und Präsident Reagan unterzeichnet worden war. Eine Vereinbarung dieser Art war nie an die Öffentlichkeit gedrungen, und das Weiße Haus gab nur widerwillig eine Erklärung dazu ab, aber Nir versicherte glaubhaft, daß einige Geheimaktionen daraufhin auch ausgeführt wurden. Am Anfang stand ein Vorhaben, 40 drusische Kämpfer im Libanon anzuwerben, die für Befreiungsschläge bei Geiselnahmen

ausgebildet werden sollten. Es gab auch einen Plan, berüchtigte Terroristen oder ihre Verwandten zu entfuhren, um sie gegen amerikanische Geiseln auszutauschen; aber das wurde von den amerikanischen Behörden als illegale Geheimaktion mißbilligt. In Israel nahm man Nir nicht sehr ernst, obwohl er es fertigbrachte, mit seiner unprofessionellen Beteiligung am Teheran-Abenteuer und mit allzu engen Kontakten zu den Amerikanern den Mossad zu irritieren. So war sein bemerkenswertester Beitrag zu den Verhandlungen, auf höheren Zahlungen für die gelieferten Waffen zu bestehen. Den Staatsdienst hatte er bereits verlassen, als er sich auf seine verhängnisvolle Reise nach Mexiko begab.

16. Grauzonen

Der dritte Arm der israelischen Nachrichtendienste und zugleich die Abteilung mit dem schlechtesten Ruf ist Schin Beth - manchmal auch Shabak genannt -, der allgemeine Sicherheitsdienst. Seine Methoden sind hart, normalerweise diszipliniert, oft aber auch brutal. Er verläßt sich stark auf Informanten, die gelegentlich bezahlt, manchmal auch gezwungen werden, als Spitzel zu arbeiten. Seine Vernehmungsbeamten beherrschen die Technik, Verdächtigen Informationen über das „Thema FTA", wie sie es gern nennen - Feindliche Terror-Aktivitäten - zu entringen. Als Menachem Begin, der keineswegs als empfindlicher Liberaler bekannt ist, zum erstenmal Premierminister wurde, empfahl er in einer Anweisung an Schin Beth, auf der Suche nach Informationen lieber das Gehirn statt Muskeln zu gebrauchen. Es liegt in der Natur seiner Aufgabe als Wachhund, daß die Mitarbeiter allen Ausländern, aber auch vielen ihrer Mitbürger mit Mißtrauen begegnen. Sie hören Telefonleitungen ab, verwenden elektronische Abhör- und Überwachungsgeräte, öffnen Briefe und brechen ein oder begehen Hausfriedensbruch. Die Organisation ist dazu da, Spione zu entlarven, Subversion aus allen Ecken zu verhindern und Terror und Sabotage auszuschalten. Die politische Bezeichnung für diese Aufgaben ist Spionageabwehr und innere Sicherheit. Darüber hinaus hat Schin Beth auch die Aufgabe, auf den Flughäfen und bei der israelischen Fluggesellschaft El AI für Sicherheit zu sorgen, und das erledigt er mit großer Effizienz. Außerdem bewacht er Regierungsgebäude und Botschaften. Objekte der Spionageabwehr sind hauptsächlich die arabischen Staaten und die Geheimdienste der Sowjetunion und der Ostblockländer. In der Abteilung für arabische

Angelegenheiten führt er ein Spionageabwehr-Register und hält ein wachsames Auge auf die in Israel und den besetzten Gebieten lebenden Palästinenser. Als der Widerstand der Palästinenser zunahm, expandierte auch Schin Beth; er wurde bei geheimen Aktionen gegen Anführer und ihre Gefolgschaft innerhalb Israels sehr aktiv. Diese Aufgabe führte er mit Eifer und Energie aus. Weniger Begeisterung und mehr Zurückhaltung in der Organisation konnte man allerdings bei der anderen Seite seines Arbeitsgebietes Innere Sicherheit spüren - bei Unternehmen gegen israelische Terroristen, die gegen die arabische Bevölkerung vorgingen. Trotz der Zurückhaltung einiger Offiziere wurde schließlich doch eingegriffen, als Extremisten die Autos von drei arabischen Bürgermeistern mit Sprengsätzen bestückt und außerdem eine Verschwörung zur Sprengung des Felsendoms, eines der größten Heiligtümer des Islam, angezettelt hatten. 27 Personen wurden festgenommen und angeklagt, einer „jüdischen terroristischen Vereinigung" anzugehören. In der Abteilung mit dem seltsamen Namen „außerarabische Angelegenheiten", deren Titel schon einen Einblick in die Prioritäten bei Schin Beth erlaubt, sind die Sicherheitsdienstler beauftragt, kommunistischer und nichtkommunistischer Subversion auf den Grund zu gehen. Bei ihren Abwehrtätigkeiten konzentrieren sie sich auf die Unterwanderung sowohl freundlich als auch feindlich gesinnter Geheimdienste. Außerdem ist Schin Beth für die Befragung und die Durchsuchung von Immigranten aus der Sowjetunion und dem übrigen Osteuropa zuständig, denn ganz offenbar muß sich Israel vor Juden, die vor ihrem neuen Lebensabschnitt in Israel möglicherweise vom KGB angeworben und ausgebildet wurden, in acht nehmen. Die Spionageabwehr hatte genug Mitarbeiter zur Verfügung, die Erfahrungen aus den harten Kämpfen der sich bekriegenden jüdischen Gruppen vor der Zeit der Unabhängigkeit mitbrachten. So konnte der Schin Beth in den ersten Jahren nach der Staatsgründung Israels einige Erfolge bei der Entlarvung eines sowjetischen Spionagerings erringen. Mit der Unterstützung des britischen MI5 gelang ihm der spektakulärste Schlag, indem er einen hohen Beamten im Verteidigungsministerium namens Israel Beer in flagranti ertappte, als dieser einem sowjetischen Agenten geheime Unterlagen übergab.

Er nahm auch einen anderen Spion fest, den Atomphysiker Kurt Sitte. Ihn hatte der tschechische Geheimdienst angeworben, bevor er eine Stelle am Institut für Technologie in Haifa antrat. Wie schon erwähnt, beschränken sich die Aktivitäten des Schin Beth nicht auf aktuelle oder potentielle Feindesländer. Bei zahlreichen Gelegenheiten wurden seine Mitarbeiter dabei ertappt, wie sie amerikanische Botschaftsangestellte bespitzelten. Skandalös war der Versuch, einen Angestellten beim amerikanischen Generalkonsulat in Jerusalem anzuwerben. Der hatte ein Verhältnis mit einer Israelin; nach einem erfolglosen Versuch, ihn zu erpressen, arrangierte die Organisation eine Scheinabtreibung. Außerdem versuchte sie, die Frau zu überreden, ihrem Liebhaber geheime Informationen zu entlocken. Die meisten Kenntnisse über diesen Zweig der israelischen Geheimdienste stammen aus einem geheimen CIA-Bericht. Darin waren etliche „unfeine Versuche" aufgeführt, Wachposten der amerikanischen Marine an der Botschaft in Tel Aviv mittels finanzieller Belohnungen „umzudrehen". Im Jahr 1964 wurde ein von den Israelis verstecktes Mikrophon im Büro des Botschafters entdeckt. Außerdem fand man angezapfte Telefonapparate in der Wohnung des Militärattaches. Dem Bericht zufolge „haben sich die Israelis als außerordentlich fähig in Überwachungs- und verdeckt ausgeführten Bespitzelungsmanövern gezeigt. Männer und Frauen werden häufig zusammen eingesetzt, um Verdachtsmomente zu zerstreuen. Schin-BethMitarbeiter sind Experten darin, in Privaträume einzudringen, um vertrauliche Unterlagen und das Gepäck von Besuchern zu inspizieren." So wurden Funkgeräte entdeckt, die in Plattenspielern, Kaffeedosen mit doppeltem Boden und in Kochherden versteckt waren. Viele Informationen von Schin Beth über Diplomaten, Journalisten und im Exil lebende Personen stammen von Informanten, die ständig mit Ausländern in Berührung kommen, Taxifahrern, Barkeepern, Kellnern und Hotelpersonal, und sich durch Weitergabe von aufgeschnappten Gesprächen, die eines Tages bedeutsam werden könnten, ein paar Schekel zusätzlich verdienen. Auch Vorwarnungen helfen Schin Beth bei der Arbeit, Spione und Terroristen zu entlarven. Im Jahre 1979 begann Schin Beth nach Hinweisen von Informanten mit der Überwachung von Rhona Ritchie, einer Schottin, die

kurz zuvor Pressereferentin an der britischen Botschaft in Tel Aviv geworden war. Man entdeckte, daß sie mit Rifaat al-Ansari, einem gutaussehenden ägyptischen Diplomaten, der als Geheimagent bekannt war, ein Verhältnis hatte. Ein vollständiger nachrichtendienstlicher Bericht bewies, daß sie ihrem Liebhaber vertrauliche Papiere überlassen hatte. Danach wurde sie wieder nach London abberufen, dort gestand sie ihr Vergehen ein, und sie kam mit einer Strafe auf Bewährung davon. In den sechziger Jahren gelang es der Organisation mit einer Kampagne gegen arabische Agenten, ägyptische und syrische Spionageringe zu sprengen, ganz abgesehen von der Enttarnung eines deutschen Ingenieurs, der wegen Spionage für den Libanon verurteilt wurde, und eines britischen Ingenieurs, der für Jordanien dieselbe Arbeit tat. Schin Beth enttarnte sogar einen ehemaligen israelischen Fallschirmspringer namens Dan Vered, einen „ideologischen" Verräter, der für die Syrer spionierte. Er versuchte, Juden anzuwerben, die zur Sabotage-Ausbildung ins Ausland geschickt werden sollten. Darunter war ein weiterer ehemaliger Fallschirmjäger, Ehud Adiv, der gerade nach Syrien aufbrach, um Sprengstofftechniken und Chiffrierungen weiterzugeben. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Schin Beth mußte schon öfter mit dem syrischen Geheimdienst seine Kräfte messen. Er ist der aktivste unter den arabischen Spionagediensten; 1970 wurde ein regelrechter Spionagering in Galiläa entdeckt. Er bestand aus 150 Agenten, Juden und Arabern, 30 von ihnen wurden verhaftet. Als im Gazastreifen und imWestjordanland bei den Palästinensern die Proteste zunächst lauter und dann die Zusammenstöße brutaler wurden, gestaltete sich für Schin Beth die Arbeit immer unübersichtlicher. Im Umgang mit den in Israel und den besetzten Gebieten lebenden Arabern verließen sich seine Mitarbeiter mehr denn je auf Informanten aus der arabischen Bevölkerung. Sie bekamen auch nützliche Hinweise von wohlwollend gesinnten Arabern; einige wurden von den Israelis daraufhin als Bürgermeister eingesetzt. Aber die ausgreifende Intifada im Jahr 1987 ließ so manche Informationsquelle versiegen. Die palästinensischen Aktivisten schüchterten nach und nach die „Kollaborateure" ein, ermordeten sie in einigen Fällen sogar, und es wurde immer schwieriger, genaue Berichte darüber zu

erhalten, was in den arabischen Gruppen vor sich ging, die sich offen auf Zusammenstöße mit den Patrouillen der Armee und mit den jüdischen Siedlern einließen. Die Mitarbeiter von Schin Beth waren zunehmend mit ihrer Aufgabe überfordert, und deshalb traten sie bei einigen Gelegenheiten mit ungewöhnlicher Grausamkeit auf. Außerdem wurde die Organisation durch einen Skandal ernsthaft bloßgestellt, der 1984 seinen Anfang nahm. In der Nähe von Askalon stürmten vier palästinensische Terroristen den Bus 300 aus Tel Aviv und zwangen den Fahrer, mit seinen 35 Passagieren in Richtung Gazastreifen zu fahren. Die Entführer verlangten für ihre Geiseln im Austausch die Freilassung von 500 palästinensischen Gefangenen. Spezialeinheiten in Begleitung von Schin-Beth-Agenten eilten zum Ort des Geschehens und stürmten das Fahrzeug in gewohnter Manier. Der spätere Bericht besagte, eine Geisel und alle vier Terroristen seien dabei getötet worden. Zwei der Terroristen, so hieß es offiziell, waren auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben, und das erweckte den falschen Eindruck, daß sie bei dem Befreiungsschlag verwundet worden waren. Bei der Unternehmung war Alex Levac, ein israelischer Pressefotograf, Augenzeuge, und er schoß einige Fotos. Als sie endlich veröffentlicht wurden, konnte man deutlich erkennen, daß zwei der Entführer nach dem Angriff lebend weggeführt wurden. Die New York Times brach die Zensur, indem sie das eine Foto detailliert beschrieb und die Aufmerksamkeit auf die lästige Frage lenkte, was in dieser einsamen Gegend wirklich geschehen war. Schließlich erschien das Foto in der israelischen Zeitung Hadashot. Darauf halten zwei Männer mit harten Gesichtern in zivilen Kampfjacken, Jeans und Turnschuhen einen jungen, verwirrt aussehenden Palästinenser namens Majdi Abu-Juma'a fest. Einer von ihnen zeigt drohend auf die Kamera. Dieses Foto lieferte den klaren Beweis, daß Majdi nach der Schießerei noch am Leben war, ebenso sein Vetter Subhi, beide 18 Jahre alt. Die Zusammenhänge waren leicht zu erraten. Langsam kam die grausame Wahrheit ans Licht. Sicherheitsdienstler hatten die beiden jungen Araber auf ein entlegenes Feld geführt, wo sie zuerst verhört und dann, lange nach Ende des Schußwechsels, kaltblütig zu Tode geknüppelt wurden. Der Verteidigungsminister Mosche Arens verurteilte die Morde als „klaren Wider-

spruch zu den Grundregeln und Normen, denen alle unterliegen, insbesondere der Sicherheitsdienst". Er versprach, gegen die Verantwortlichen vorzugehen. Da der Verlauf der Entführung und Belagerung die Aufmerksamkeit ganz Israels auf sich gezogen hatte, waren der Minister und einige hohe Offiziere zum Ort des Geschehens geeilt, wo die Erstürmung unmittelbar bevorstand. Aber Arens gab an, weder er noch der Stabschef General Mosche Levy seien im entscheidenden Augenblick dort gewesen. Der darauffolgende öffentliche Aufschrei und der Druck von Seiten der Knesset bewirkte, daß die Regierung einen Armeegeneral der Reserve, Meir Zorea, mit einer Untersuchung der Vorgänge beauftragte. Er kam zu dem Schluß: Obwohl kein Beweis für reguläre Anweisungen vorlag, die Araber zu töten, gab es Hinweise auf unangemessene Grausamkeiten, die in einer polizeilichen Ermittlung näher untersucht werden sollten. Die Leiter von Schin Beth wurden schwer belastet, denn nach Aussagen von Soldaten, die zu diesem Zeitpunkt am Ort gewesen waren, wurden die Gefangenen verhört und dann von Schin-Beth-Agenten ermordet. Ein Zeuge beschrieb, wie die Verhörenden den einen Terroristen mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen und den anderen Mann aus seiner Tragbahre auf den Boden geworfen hatten. Die Angeklagten brachten zu ihrer Verteidigung vor, sie hätten nach Anweisungen ihres Chefs Avraham Schalom gehandelt. Erschwerend kam hinzu, daß im Verlauf der Untersuchung behauptet wurde, die Organisation habe am Beweismaterial herumgepfuscht, einige Unterlagen gefälscht und andere verschwinden lassen, um ihre Aussagen aufrechthalten zu können, sie habe mit den Morden nichts zu tun gehabt. Zeugen von Schin Beth, die vor den Untersuchungsausschuß zitiert wurden, stimmten ihre Aussagen sorgfältig aufeinander ab, um die Unschuld ihrer Kollegen zu beteuern. Das Beweismaterial wurde dahingehend verfälscht, daß es so aussehen sollte, als trüge General Yitzhak Mordechai die Schuld, ein Fallschirmoffizier, der die Einheit zum Sturm auf den Bus befehligt hatte. Der General gab zu, daß er die beiden Araber mit einer Pistole geschlagen hatte, um dringend benötigte Informationen über eine Sprengladung zu erhalten, die im Bus vermutet wurde, versicherte aber, daß er die Gefangenen später den Sicherheitsdienstlern überge-

ben hatte. Außer dem Namen Avraham Schalom fielen im Zusammenhang mit diesem Vorfall noch einige andere von hochrangigen Mitarbeitern bei Schin Beth, und die Affäre bekam noch eine ganz neue Dimension, als Schalom behauptete, die Zustimmung von politischen Entscheidungsträgern einschließlich Yitzhak Schamirs gehabt zu haben. Später kam eine Untersuchungskommission des Justizministeriums zu dem Ergebnis, daß dies nicht der Wahrheit entsprach; es lagen keine Anweisungen der Regierung vor, die beiden Entführer zu töten. Zu dieser Zeit löste Schamir seinen Vorgänger als Premierminister ab, gemäß der Absprache des LikudBlocks mit der Arbeiterpartei über abwechselnde Regierungsführung zur Schaffung einer Regierung der nationalen Einheit. Weder Schamir noch sein Vorgänger Shimon Peres gingen aus diesem Skandal unversehrt hervor, denn es sah so aus, als hätte Peres Schalom auch während seiner Amtszeit Rückendeckung gegeben. Die übliche Reaktion der Politiker war, wie es in Israel offenbar immer geschieht, wenn ein gefährlicher Skandal im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit und den Geheimdiensten ans Licht kommt, daß sie meinten, die Angelegenheit sei weit genug vorangetrieben worden und weitere Untersuchungen könnten den Interessen der Nation schaden. Die Stimmung im Geheimdienst war auf einem Tiefpunkt angelangt angesichts des unangemessenen Verhaltens seiner Mitarbeiter, die sich öffentlich stritten und einander denunzierten. Drei leitende Mitarbeiter hielten es für ihre Pflicht, anzudeuten, daß Schalom, der Chef der Organisation, für die Anweisung zum Mord verantwortlich gewesen sei. Sie wurden zum Rücktritt gezwungen. Im Juni 1986, zwei Jahre nach den umstrittenen Vorfällen, wies der damalige Premierminister Shimon Peres den General Staatsanwalt Yitzhak Zamir an, seine Untersuchungen zum Staatssicherheitsdienst zu beenden, weil eine Weiterführung negativen Einfluß auf den Kampf gegen den Terrorismus ausüben könnte. Dieser weigerte sich und trat zurück. Noch im gleichen Monat wurde Staatspräsident Chaim Herzog gebeten, von seinem Recht auf Begnadigung Gebrauch zu machen bei Avraham Schalom und für drei seiner Stellvertreter, obwohl sie von keinem Gericht verurteilt worden waren. Als Grund gab er an, daß die Zeit gekommen sei, „die Hexcn-

jagd, die diese Affäre nach sich gezogen hat", zu beenden und „zusätzlichen schweren Schaden vom ganzen Staatssicherheitsdienst abzuwenden". Der Staatspräsident ergänzte, daß er der gediegenen Arbeit von Schin Beth Anerkennung ausspreche, die nach seinen Worten 320 Terroristengruppen auseinandergetrieben hatte, die für Hunderte von Überfallen im ganzen Land verantwortlich waren. „Die israelische Bevölkerung hat keine Ahnung, wie tief wir in der Schuld all dieser ungenannten Kämpfer stehen ... und wie viele Menschen durch deren Arbeit gerettet wurden." Ein Teil der Buße war die Entlassung von Avraham Schalom, der zu der Mossad-Truppe gehörte, die Eichmann in Südamerika gefaßt hatte. Nach seiner aktiven Laufbahn als Geheimagent war er 1980 zum Chef der Organisation avanciert. Das Kabinett war dankbar, durch den Gnadenerlaß des Staatspräsidenten aus seiner Verlegenheit befreit zu sein, und es lehnte jeglichen Vorstoß zu einer weiteren kabinettsinternen Untersuchung ab. Die Begnadigung wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt und dann auf sieben andere Mitarbeiter von Schin Beth ausgedehnt. Dieser Akt verhinderte erfolgreich alle Versuche von Seiten des neuen Generalstaatsanwaltes, einen genaueren Blick auf die Verantwortlichen für die Morde nach der Bus-Entführung zu werfen. Die Öffentlichkeit war nicht so besänftigt wie die Regierung, einige Zeitungen drückten ihre Empörung über den Erfolg eines kompletten Vertuschungsmanövers aus - „die Verschwörung zum Schweigen", wie man es nannte. Das Beruhigende am öffentlichen Leben Israels ist, daß die Presse in wahrhaft demokratischem Stil ständig auf der Lauer nach regierungsamtlichen Absprachen zur Unterdrückung häßlicher Fakten liegt. Der Gnadenakt des Staatspräsidenten wurde scharf gerügt. Die Zeitung Ha'aretz schrieb, es sei ein Zeichen dafür, daß sich neue Normen etabliert hätten, die es Schin Beth erlaubten, Terroristen zu ermorden und Falschaussagen zu machen. Der Sicherheitsdienst ging aus der Affäre schwer kompromittiert hervor, aber er setzte seine Arbeit mit den bekannten Methoden fort, und er wurde dafür beständig von einflußreicheren Politikern der harten Linie wie General Ariel Scharon gelobt. Scharon ging in seiner Rechtfertigung des Schin Beth sogar noch weiter als der Staatspräsident: Der Nachrichtendienst dürfe jede Aktion, die ihm richtig

erscheint, auch ausführen. Der Arbeitsminister Katzav gab zwar zu, daß der Geheimdienst Grundgesetze verletzt hatte, aber seiner Meinung nach sollte diese Praxis anerkannt und legitimiert werden, denn „Israel befindet sich im Kriegszustand mit dem Terrorismus ... die normalen Gesetze gelten nicht". Ein weiteres Fehlverhalten von Schin Beth wurde aufgedeckt, als der Oberste Gerichtshof 1987 ein sieben Jahre zuvor gefälltes Urteil eines Kriegsgerichts verwarf, das der Bus-Affäre also noch vorausging. Izat Nafsu, Leutnant der israelischen Armee tscherkessischer Herkunft, verbüßte eine Haftstrafe von 18 Jahren wegen Spionage für die Syrer während seines Dienstes im Süden des Libanon. In der Berufungsverhandlung verwarf der Oberste Gerichtshof das Urteil, weil Nafsus Geständnis, das er später widerrief, während eines zweiwöchigen Verhörs durch Schin Beth aus ihm herausgepreßt worden war. Es wurde festgestellt, daß Schin Beth „verwerfliche Verhörmethoden" angewendet und im Verlauf des ersten Kriegsgerichtsverfahrens Falschaussagen gemacht hatte. Es kam heraus, daß Nafsu geschlagen und getreten wurde und stundenlang bei grimmiger Kälte das Verhör erdulden mußte. Um ein Geständnis zu erzwingen, drohten die Verhörenden darüber hinaus, seine Frau und seine Mutter in der Öffentlichkeit nackt auszuziehen. Nafsus eigentliches Vergehen war sein Versäumnis, während seines Dienstes im Libanon Zusammenkünfte mit einem Funktionär der PLO zu melden. Für diese Ordnungswidrigkeit wurde er zum Hauptfeldwebel degradiert. Die Häufung der Affären um den Bus 300 und Nafsu bewirkte nun doch, daß die Regierung eine richterliche Untersuchungskommission berief, um das Verhalten von Schin Beth im allgemeinen zu prüfen. Unter dem Vorsitz von Mosche Landau, dem früheren Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, trafen sich die übrigen Mitglieder, Richter Yaron Maitz und Generalmajor Yitzhak Hofi, ein früherer Mossad-Chef. Die Kommission wies die Vorstellung mit Entschiedenheit zurück, daß „wegen wichtiger Interessen der Staatssicherheit die Aktivitäten der Sicherheitsdienste in ihrem Kampf gegen den Terrorismus in einer Art „Grauzone" außerhalb des gesetzlichen Rahmens stattfinden und daß diese Organisationen deshalb von den Hemmnissen des Gesetzes befreit und ihnen Abweichungen gestattet werden müssen".

Nachdem die Kommission diesen Grundsatz aufgestellt hatte, befand sie, daß Mitarbeiter des internen Sicherheitsdienstes über einen Zeitraum von 16 Jahren tatsächlich fortwährend und systematisch vor Gericht gelogen hatten, damit Geständnisse vor Gericht zugelassen wurden, die sie den Gefangenen im Verhör abgerungen hatten. Die Schuld an diesem Zustand wurde eindeutig drei aufeinanderfolgenden Chefs der Organisation und ihren Rechtsberatern zugeschrieben, die zuließen, daß diese Gewohnheit zum ungeschriebenen Gesetz wurde. Fortgesetzter Meineid war von den Mitarbeitern der Verhörtruppe verlangt worden, um eine Enthüllung ihrer Methoden zu verhindern, denn wären sie ans Tageslicht gekommen, hätten die Gerichte auf jeden Fall die Geständnisse als gesetzeswidrig zurückgewiesen. „Sie nahmen ohne Umstände den einfachsten Weg", war das Ergebnis der Landau-Kommission. Es hatte nie einen überlegten Beschluß gegeben, eine offizielle Strategie der Falschaussage vor Gericht einzuführen. Diese Praxis setzte sich aber fest, und Neulinge in der Organisation akzeptierten sie als eine übliche und tolerierte Methode. In ihren Schlußfolgerungen vertrat die Kommission den Grundsatz, daß das Gesetz für einen angemessenen Rahmen bei der Untersuchung und Verhütung terroristischer Aktivitäten sorgen müsse, und erstellte dazu ein Papier mit Richtlinien für Verhöre, das dem geheimen Teil des Berichts zugeordnet wurde. Damit wollte sie nach ihrer Auffassung einmal schriftlich niederlegen, was sich an früheren Richtlinien seit der Ausdehnung der Terrorismusbekämpfung in der Folge des Sechs-Tage-Krieges von 1967 nur unsystematisch entwikkelte, nachdem Israel die Verwaltung arabischer Territorien übernommen hatte. Im öffentlichen Teil des Berichts erschienen genug Hinweise auf die Vorstellungen, die Richter Landau leiteten. Zum Beispiel die vorsichtige Formulierung der Kommission: „Die Ausübung von physischer Gewalt in maßvoller Form ist unvermeidlich" (Hervorhebung von mir), um Informationen zu erhalten, wenn alles andere fehlgeschlagen ist. Aber zunächst wurde den Vernehmungsbeamten empfohlen, psychischen Druck, Tricks, Täuschung und gewaltlose, doch ausgedehnte und energische Verhöre zu versuchen. Kurz gesagt, die schwierige und wichtige Aufgabe von Schin Beth wurde anerkannt. Er durfte harte, aber nicht brutale Methoden

anwenden, um die Wahrheit über terroristische Aktivitäten herauszufinden. Seine Aufgabe unterschied sich von der der Polizei, die Beweise liefern mußte, um eine Verurteilung zu erreichen; der Sicherheitsdienst jedoch brauchte Informationen, um terroristischen Aktivitäten abzuwehren, und aus diesem Grund konnte der Zwang zur Geheimhaltung der Hinweise auch gerade verhindern, daß eine beschuldigte Person überhaupt je vor Gericht gestellt wurde. Das im Bericht auftauchende Zitat eines ungenannten Beamten in höherer Position erlaubt einen Einblick in die Denkweise des Sicherheitsdienstes: „Das Netz, das all diese Dinge leistet, dient hauptsächlich der Nachrichtensammlung. Wir waren der Ansicht und sind es noch heute, daß das Mittel des Verhörs prinzipiell eine Methode ist, um geheime Informationen zu erhalten. Das erklärt auch ... warum wir weniger daran interessiert waren oder uns weniger darum gekümmert haben, Verdächtige vor Gericht zu stellen, denn nach der Ergreifung der Person und der Aufklärung des Verbrechens betrete ich schon die nächste Bühne - jage ich den nächsten Verdächtigen." Die Kommission gab der Hoffnung Ausdruck, daß Schin Beth „eine neue, fleckenlose Seite aufschlagen könnte", innerhalb des existierenden gesetzlichen Rahmens. Er hatte es auch zweifellos nötig: Der Bericht selbst wies auf den „deprimierend schlechten" Ruf hin, den sich die Organisation eingehandelt hatte, weil sie sich ungeachtet ihrer Erfolge immerhin herausnahm, über viele Jahre hinweg das Gesetz zu brechen, und so weit gegangen war, ihre Mitarbeiter zu Falschaussagen vor Gericht zu ermutigen.

Fünfter Teil: Verbündete

17. Sadats Rettung

Die Kette von Ereignissen, die zum ersten historischen Treffen zwischen den Führern Israels und Ägyptens führte, entwickelte sich im Gefolge einer Überwachungsaktion des Mossad Anfang 1973. Einer seiner Agenten in Beirut meldete per Funk, daß zwei Mitglieder von Wadi Haddads PFLP mit einem unbekannten Auftrag auf dem Weg nach Paris seien. Das Überwachungspersonal in Paris sollte feststellen, um welchen Auftrag es sich handelte. Nach einigen Wochen kam heraus, daß die PFLP eine Gruppe von 20 speziell dafür ausgewählten Männern für eine absolut geheime Aktion ausbüdete. Sie überfielen bestimmte Wohnungen, nahmen Papiere an sich und setzten Waffenhändler unter Druck. Daraus schlössen die Außendienstler, daß die Palästinensergruppe plante, mit der Hilfe und Ermunterung Libyens den ägyptischen Präsidenten Sadat zu ermorden. Ganz am Anfang dieses Plans stand der berechtigte Zorn des Obersten Muammar Gaddafi darüber, daß eine libysche Boeing 727 mit 108 Passagieren an Bord von der israelischen Luftwaffe abgeschossen worden war. Sie war in den Luftraum über der von Israel besetzten Sinai-Halbinsel eingedrungen. Die Luftwaffe versuchte, den Abschuß zu rechtfertigen, mit der Behauptung, der Flugkapitän habe auf Warnungen nicht reagiert, und im Hauptquartier habe man angenommen, das Flugzeug befinde sich auf einer Kamikaze-Operation mit dem Befehl zum Absturz über dem Zentrum einer israelischen Stadt. Als Racheakt plante Gaddafi einen Überfall auf Haifa, wurde aber vom ägyptischen Führer von einer solchen Aktion abgebracht. Statt dessen schmiedete er einen anderen Plan. Er wollte ein ägyptisches

U-Boot, das seiner Seeflotte leihweise zur Verfügung stand, dazu benutzen, um das britische Linienschiff Queen Elizabeth II zu torpedieren, das sich damals mit vorwiegend jüdischen Passagieren an Bord auf See befand. Das Schiff war auf dem Weg nach Ashdod, wo die Passagiere beabsichtigten, den 25. Jahrestag der Gründung Israels zu begehen. Der ägyptische U-Boot-Kapitän machte sich auf den Weg, funkte aber in weiser Voraussicht eine kodierte Nachricht zum Flottenhauptquartier in Alexandria, um sich die Befehle bestätigen zu lassen. Dem ägyptischen Journalisten und Schriftsteller Mohammed Hassanein Heikai zufolge wurde Präsident Sadat um ein Uhr morgens mit der Nachricht von dem Funkspruch aufgeweckt. Prompt und entschlossen machte er Gaddafis Befehl rückgängig. Aber die nächsten beiden Stunden vergingen in nervöser Anspannung, bevor das U-Boot wieder auftauchte und den Erhalt des Gegenbefehls bestätigen konnte. Dieser Vorfall verstärkte nur noch Oberst Gaddafis Enttäuschung und Empörung. Er fühlte sich ohnehin durch das Scheitern seiner erst kurz zurückliegenden Verhandlungen in Kairo gedemütigt. Damals hatten ihn die Ägypter dort eher wie einen jungen Prahlhans vom Lande behandelt, der zum erstenmal in die Stadt kommt und nicht wie den Helden und rechtmäßigen Nachfolger von Gamal Abd en-Nasser, als der er sich sah. Ein weiteres Moment beeinflußte seine Einstellung: daß Hoffnung auf eine nachhaltige Versöhnung zwischen Israel und Ägypten bestand. Gaddafi kam zu der Ansicht, daß Präsident Sadat ein Verräter war; er mußte vernichtet werden. Zur Erreichung dieses Ziels suchte er sich Wadi Haddad aus, den temperamentvollen, mitreißenden Führer der PFLP, einer Splittergruppe der PLO. Sie hatte sich ihre Lorbeeren schon durch die Organisation von Entführungen und anderen Terroraktionen verdient. Aus eben diesem Grund widmete der Mossad einen beträchtlichen Teil seiner Aufmerksamkeit der Überwachung ihrer Spionagenetze. Einer Spezialgruppe beim Mossad gelang es, durch Spionagetätigkeiten in Paris und London die Einzelheiten des Mordplans ausfindig zu machen. Menachem Begin war nach Wahlerfolgen seines Likud-Blocks nach 19 Jahren im politischen Abseits soeben Premierminister geworden. Der Chef des Mossad übergab sowohl ihm als auch dem

früheren Premierminister, Yitzak Rabin, Informationen über die Einzelheiten des Mordplans. Zum Erstaunen der Nachrichtendienstler reagierten beide mit dem Wunsch, Sadat vor der Lebensgefahr zu warnen. Dem widersetzten sich die Leiter des Mossad zunächst. Aber Begin war klug genug, zu erkennen, daß sich hier die Möglichkeit auftat, eine Geste guten Willens zu nutzen, um Ägypten vor dem Rest der arabischen Welt als Kollaborateur mit Israel abzustempeln, zu isolieren und damit die Chancen für einen Friedensvertrag zu verbessern. Das Kabinett stimmte zu, daß Präsident Sadat über die Ermittlungen des Mossad unterrichtet werden sollte; die Frage war nur, wie. Es gab für eine Weitergabe solcher Informationen an arabische Führer bereits Präzedenzfälle. König Hussein von Jordanien hatte frühzeitig Warnungen über Bedrohungen für sein Land erhalten, die der Mossad ausspioniert hatte. Als der Geheimdienst eine Verschwörung zur Ermordung König Hassans von Marokko entdeckte, war der Monarch geschickt durch die freundliche Vermittlung der CIA-Büros unterrichtet worden. Begin schien erstaunt, als der Mossad ihn über diese früheren Vorgänge unterrichtete, über die er offenbar nicht Bescheid wußte. Aber in diesem Fall war er entschlossen, alles selbst in die Hand zu nehmen; er verlangte, Sadat solle es direkt von Israel erfahren. Einige Zeit später spielte er öffentlich, wenn auch verhüllt, auf diese Sache an: „Wir erfuhren aus absolut zuverlässigen Quellen von einem Mordplan; wir behielten es nicht für uns, sondern informierten die entsprechenden Stellen." Die Entscheidung war nicht ohne Risiko, denn der ägyptische Präsident konnte derlei Informationen aus einer bisher feindlichen Quelle verständlicherweise auch mit Mißtrauen aufnehmen. Es war auch kaum möglich, den Chef des Mossad in ein feindliches arabisches Land zu schicken, um über einen derartigen Mordplan zu berichten. Schließlich wurde König Hassan als passender Vermittler ausgesucht. Zu ihm bestanden bereits geheime diplomatische Verbindungen, weil er seit einiger Zeit Kontakte mit Israel unterhielt, auch wenn die übrige arabische Welt das verurteilte. Oberst Gaddafi hatte sogar schon geplant, ihn wegen dieses Verrats umbringen zu lassen. Die Leibwächter des Königs waren vom Mossad ausgebildet, und es bestand ein reger Nachrichtenaustausch. Im Oktober 1976 hatte Yitz-

hak Rabin selbst, damals noch Premierminister, Marokko privat besucht, um vertrauliche Gespräche über einen Versuch zur Kontaktaufnahme mit Präsident Sadat zu führen. Damals bat er seinen Gastgeber, ein Treffen mit Ägypten für ihn zu arrangieren. Der marokkanische König streckte seine Fühler aus, aber Sadat schien noch nicht zu diesem kühnen Schritt bereit zu sein. Henry Kissinger hatte ihm geraten, sich nicht darauf einzulassen, vielleicht weil die amerikanischen Berater annahmen, eine Entspannung zwischen Israel und Ägypten könnte den Einfluß Amerikas im Nahen Osten schwächen. Dem Mossad-Chef General Yitzhak Hofi fiel die Aufgabe zu, seine Unterlagen über die libysche Terror-Operation General Kemal Hasan Ali, dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes Muchabarat, auszuhändigen. Selbst dann hielt man es aber noch für klug, dies in Anwesenheit von marokkanischen Zeugen zu tun. Immerhin war es denkbar, daß sowohl Ägypter als auch Libyer in die Verschwörung verwickelt waren. Ein weiterer Grund für die Gegenwart von Zeugen: Andernfalls hätte der Chef des ägyptischen Nachrichtendienstes auch den Bericht verschwinden lassen können, um nicht zugeben zu müssen, daß die Israelis ihn überrundet hatten. Der Bericht belegte eindeutig, daß der Mossad zwei alternative Pläne zur Ermordung Anwar as-Sadats entdeckt hatte, entweder bei einer Militärparade oder nach einer Landung auf dem Wasser in der Nähe seines Hauses in Alexandria. Er lieferte Einzelheiten über die siebenköpfige Kommandoeinheit, die in einem libyschen Ausbildungslager ausgebildet wurde, auch über den Standort der geheimen Waffenvorräte, die in libyschem Diplomatengepäck nach Ägypten eingeschmuggelt worden waren. Nicht alle Ägypter waren von der Richtigkeit der gelieferten Daten überzeugt. Hassanein Heikai, keinesfalls ein großer Bewunderer Sadats, hielt die Geschichte für wenig überzeugend. Die peinliche Frage wurde gestellt, warum denn die Geheimagenten des Muchabarat nichts von einen Mordplan gegen ihren eigenen Präsidenten gemerkt hatten, wenn es dem Mossad, aus dem feindlichen Israel, gelungen war, ihn aufzudecken? Auf alle Fälle riskierte Präsident Sadat nichts: Seine Polizei nahm alle Personen fest, die in dem Dossier genannt wurden, und die Verhöre schienen die Richtigkeit

des israelischen Berichts zu bestätigen. In Kairo wurde die Affäre geheimgehalten; der einzige sichtbare Hinweis darauf war die Meldung, daß mehrere Männer wegen Verschwörung gegen den Staat hingerichtet wurden. Eine Woche später, im Juli 1977, sammelte Präsident Sadat ägyptische Trupppen an der Grenze und führte Vergeltungsüberfälle auf libysches Territorium durch. Sie sollten als Warnung an Oberst Gaddafi gelten, daß sein Plan, die ägyptische Regierung zu stürzen, entdeckt und abgewehrt war. Die Offensive, mit Luftangriffen bis weit in den Westen Libyens bis nach El Adem, südlich von Tobruk, dauerte sechs Tage. In der Zwischenzeit schritten die diplomatischen Bemühungen, den Weg zu einer israelisch-ägyptischen Versöhnung zu ebnen, unter der Schirmherrschaft König Hassans weiter fort. Die Enthüllungen des Mossad erwiesen sich zusätzlich als sehr wertvoll. Der Vermittler aus Marokko konnte berichten, Präsident Sadat habe seine Bereitschaft zu einem geheimen Gespräch mit Premierminister Begin signalisiert, und so war das erste konkrete Resultat der Vorwarnung an Präsident Sadat das Geheimtreffen mit Menachem Begin. Es wurde im August 1977 in Bukarest arrangiert, während eines Besuchs und Treffens einer ägyptischen Parlamentarier-Delegation mit dem rumänischen Diktator Ceaucescu. Der Mossad hatte außerdem Order, mitzuhelfen, die USA über die geheimen Arrangements mit Ägypten zu täuschen. Für die israelische Regierung stand viel auf dem Spiel. Menachem Begin war als Vertreter einer kompromißlosen politischen Richtung an die Macht gekommen, und seine Wähler in Israel waren nicht gerade glücklich darüber, daß er offenbar doch nachgiebig und zum Friedensstifter geworden war. Deshalb war Begin davon überzeugt, daß nur eine absolut geheime diplomatische Mission Aussichten auf Erfolg versprach. Auch die Vereinigten Staaten sind nicht gerade dafür bekannt, Geheimnisse zu bewahren, und jede voreilige Enthüllung über versteckte israelisch-ägyptische Kontakte hätte deren Erfolg nur gefährdet. In Israel hatte man auch den Verdacht, daß die Amerikaner mit ihrem starken Interesse, ihre eigenen Beziehungen zu Ägypten zu verbessern, nicht sonderlich begeistert wären, wenn Israel ein Bündnis mit Präsident Sadat anstrebte, das vielleicht das Kräfteverhältnis im Nahen Osten verändern konnte.

Aus all diesen Gründen hatte die Geheimhaltung erste Priorität. Der Mossad rief die Abteilung für besondere Auslandsbeziehungen im Außenministerium zu Hilfe, die Kontakte zu verschiedenen Ländern aufrechterhält, in denen sich keine israelische Botschaften befinden. Diese Abteilung übernahm dann auch die Anbahnung weiterer Kontakte mit den ägyptischen Behörden. Bei dieser Gelegenheit bestimmte man Wien für ein Treffen mit dem ehemaligen ägyptischen Delegierten der dortigen Internationalen Atomenergie-Agentur, Mohammad Hassan Tohami. Inzwischen war er ägyptischer Vizepräsident und damit Koordinator des ägyptischen Geheimdienstes geworden. Der israelische Außenminister Mosche Dayan nahm einen Besuch in Brüssel am 16. September 1977 und ein Treffen mit Alexander Haig, dem damaligen Oberbefehlshaber der NATO, für einen geheimen Abstecher nach Marokko zum Vorwand. Am Nachmittag sollte er ein Flugzeug der Fluggesellschaft Sabena nach New York nehmen. Obwohl Dayan und seine Frau Rahel gemeinsam im Brüsseler Flughafen an Bord gegangen waren, kam Rahel Dayan allein in New York an. Vor dem Start in Brüssel war ein schwarzer Citroen 2CV vor dem Flugzeug vorgefahren. General Dayan, mit Sonnenbrille und Hut getarnt, sprang hinein und wurde zu einer anderen Rollbahn gefahren, wo ein Flugzeug der marokkanischen Luftwaffe wartete, um ihn nach Tanger zu bringen. Dort traf er sich mit Tomahi, der ihm bestätigte, daß Anwar as-Sadat zur Annäherung an Israel bereit war, unter einer Bedingung - daß Israel einem allmählichen Rückzug von der Sinai-Halbinsel zustimmte. Am nächsten Tag tauchte Dayan für kurze Zeit in Paris auf; danach kehrte er nach Tel Aviv zurück, bevor er nach New York flog, um die Mystifizierung komplett zu machen. Erst Anfang November, als Präsident Sadat öffentlich verkündete, er sei bereit, nach Jerusalem zu reisen, bemerkte die CIA, was vorgefallen war. Zehn Tage später trat Sadat seine folgenreiche Reise nach Israel an, und danach begann eine neue Ära, wenn nicht der Freundschaft, so doch wenigstens der Nicht-Feindseligkeit zwischen Israel und Ägypten. Zunächst hatte der Mossad Zweifel am Friedensstifter Sadat, weil man sich an den Gedanken, Ägypten als Hauptfeind zu sehen, gewöhnt hatte, und man brachte dem undurchsichtigen Spiel in der Palästinenserfrage Mißtrauen entgegen. Doch es

dauerte gar nicht lange, bis die israelische Organisation von den Friedensvereinbarungen selbst erheblich profitierte und freundschaftliche, fruchtbare Kontakte mit dem ägyptischen Geheimdienst knüpfte. Hatten die israelischen Kollegen den größten Teil ihres Berufslebens damit verbracht, den Schachzügen des Muchabarat nachzuspüren, so konnte sie jetzt ihre ganze Neugier über das Leben in einem arabischen Land befriedigen, in Kairo leben und mit ihren ehemaligen Feinden zusammenarbeiten. Andere Mossad-Mitarbeiter waren zu der Zeit in den Vereinigten Staaten aktiv. Sie hatten insbesondere den amerikanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen Andrew Young ins Visier genommen; er galt als lautstarker Verfechter der palästinensischen Sache. Schon von Anfang an ging die Politik der Israelis in die Richtung, zu verhindern, daß Amerika irgendwann die PLO anerkannte, und jetzt sah es wirklich so aus, als hätte Young derartiges im Sinn. Yitzhak Hofi, der Leiter des Mossad, entwarf eine Strategie, um Young zu kompromittieren. Mit der Zustimmung des Premierministers begann er sie in die Tat umzusetzen. Israelische Agenten erfuhren 1979 aus zwei Quellen, daß Young bei einem Treffen die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch mit Zehdi Labib, dem palästinensischen Vertreter bei den Vereinten Nationen, bekommen sollte. Es war geplant, die Unterredung bei einem Empfang des UN-Vertreters von Kuwait stattfinden zu lassen, aber der Mossad war schon vorher da, um das Abhören des Gesprächs zu ermöglichen. Anschließend ließen die Israelis Einzelheiten aus der Aufzeichnung nach und nach der Zeitschrift Newsweek zukommen.Obwohl Young zunächst alles abstritt, mußte er schließlich doch zugeben, daß ein Treffen stattgefunden hatte. Dieses Manöver hatte zur Folge, daß er sein Amt verlor, denn seine scheinbar bewiesene Indiskretion wurde als eine Art Anerkennung der PLO ausgelegt, die zu diesem Zeitpunkt die offizielle Politik der amerikanischen Regierung noch nicht vorsah. Das war ein Paradestück auf dem Gebiet der Fehlinformationen, eine von Mossads Spezialitäten, vorsichtig geplant, um eine in den Augen der Israelis gefährliche Fühlungnahme der Amerikaner mit der PLO zu beenden. Allerdings hätte man nicht behaupten können, die Aktion sei ein voller Erfolg gewesen, denn als an die Öffentlichkeit drang, daß die Geheimdienstler in New York Gesprä-

che abgehört hatten, entstanden Spekulationen darüber, wer außer Young von den Israelis sonst noch abgehört wurde. Die Zeitschrift Time behauptete, daß die Israelis beim illegalen Abhören von Gesprächen in Washington sogar noch mehr geleistet hätten als der KGB. Die ganze Affäre ließ Unmut über geheime Aktionen eines fremden Geheimdienstes in den USA aufkommen. Als Reaktion bestritt der Mossad jegliche Beteiligung an der Young-Affare, aber das Mißtrauen der Amerikaner war geweckt. Eben diese Neigung der Israelis, ihre Verbündeten bei den geringsten Anzeichen einer Annäherung an die PLO des Verrats zu bezichtigen, wirkte sich auch auf die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aus. Diese Beziehungen waren von jeher sowohl beim offiziellen diplomatischen Austausch als auch bei den Kontakten zwischen den Geheimdiensten eine etwas heikle und sensible Angelegenheit. Für Israelis einer bestimmten Generation blieb Deutschland eben doch das Land, in dem der Holocaust stattgefunden hatte. Auch wenn es inzwischen längst ein demokratischer, liberaler Staat geworden war und trotz großzügiger Reparationen und gutgemeinter Versöhnungsgesten schwand altes Mißtrauen nur langsam. Immer wieder empfand Israel es als Beleidigung und Ärgernis, daß liberale Deutsche offenbar geneigt waren, die palästinensische Sache mit Wohlwollen zu betrachten. Mosche Dayan war nicht der einzige bekannte Politiker, der die Bundesrepublik tadelte, weil sie Palästinensern ein Selbstbestimmungsrecht zugestand. Als in den siebziger Jahren erstmals deutsche Terroristen in den Ausbildungslagern des Nahen Ostens auftauchten und der internationale Terror seinen Höhepunkt erreichte, als die Baader-MeinhofBande zusammen mit Palästinensergruppen ihr Operationsgebiet erweiterte, erkannte man beim Mossad, wie wertvoll es sein konnte, sich die Unterstützung der deutschen Terrorabwehrdienste zu sichern, und ergriff die Gelegenheit, eine polizeiliche Zusammenarbeit mit europäischen Ländern in die Wege zu leiten. Innerhalb kurzer Zeit überschwemmte der Geheimdienst dann das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Hinweisen auf flüchtige Terroristen, übermittelte häufig Warnungen über Entführungspläne und half dadurch arabische Agenten in deutschen Terrorgruppen zu identifizieren.

Bevor sich der französische Staatspräsident de Gaulle erstmals kritisch über das aggressive Israel äußerte, war die Verbindung zu den Franzosen für den Mossad von großem Vorteil gewesen. Paris war als Standort für sein europäisches Hauptquartier ausgesucht worden. Die israelische Botschaft in der Rue Rabelais, nicht weit entfernt von den Champs Elys£es, war die Zentrale; dort befanden sich die Regionalleiter-Büros der Abteilung für Nachrichtensammlung und der Abteilung für politische Arbeit und Kontakte. Vor dem Beginn des Sechs-Tage-Krieges wurden alle Erkenntnisse des Geheimdienstes geschickt dafür eingesetzt, französische Unterstützung und das allgemeine Wohlwollen zu stärken. Die Geheimarmee OAS, die Präsident de Gaulle stürzen wollte, um ihre entschlossene Opposition zur Entkolonialisierungspolitik in Algerien kundzutun, versuchte sogar auch, israelische Unterstützung auf der Grundlage gemeinsamen Mißtrauens gegen die Araber zu erhalten. Zunächst hatte der Mossad wohl Kontakte zur OAS, aber als sie mehrere Mordanschläge auf den französischen Präsidenten begangen hatte, benutzte der Geheimdienst umgekehrt alle Informationen, um derartige Pläne zu vereiteln. Aber auch diese Hilfestellung konnte Präsident de Gaulle nicht dazu bringen, die alten Verbindungen wieder aufzunehmen; er beanstandete vor allem, daß der Mossad ausgerechnet Paris als Ausgangsbasis für seine Aktivitäten benutzte. Die Kontakte zur Sowjetunion und zum KGB machten zweifellos dem Geheimdienst am meisten zu schaffen. Im Licht der Ereignisse der letzten zwei Jahrzehnte in Nahen Osten kann man ohne weiteres annehmen, daß die UdSSR, Freund und Waffenlieferant der arabischen Staaten, die in ihrer Opposition zu Israel am unversöhnlichsten sind, logischerweise Feind der Israelis ist. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die offenkundig harte Behandlung und Verfolgung der Juden in Rußland. Nur unter den größten Schwierigkeiten konnten die Sowjets dazu gebracht werden, auch nur eine begrenzte Anzahl von Juden ausreisen zulassen. Es ist jedoch wichtig, sich daran zu erinnern, daß die Dinge nicht immer so wie in der jüngsten Geschichte lagen. So war die Sowjetunion unter den ersten, die den neuen Staat Israel anerkannten, denn es war sehr wohl in Erinnerung, daß viele seiner prominenten Politiker entweder in Rußland oder in den europäischen Staaten des russi-

sehen Zarenreichs geboren waren. Sie beherrschten die Sprachen Osteuropas, und die Kultur Osteuropas war ihnen vertraut, und zunächst glaubte man auch im Kreml, daß ein sozialistischer Staat Israel sich vielleicht zu einem nützlichen Verbündeten im Nahen Osten entwickeln könnte. Die Kommunisten verwandten viel Mühe darauf, die israelischen Gewerkschaften und linksgerichteten politischen Gruppen zu unterwandern, in der Hoffnung, ein politisches Bündnis aufzubauen. Natürlich entwickelten sich diese Pläne nicht in der gewünschten Richtung, aber für eine Weile war es immerhin vorstellbar, daß aus den Träumen der Kibbuze und den Experimenten gemeinschaftlichen Lebens ein stark linksgerichtetes oder sogar kommunistisches Israel hervorgehen könnte. In der ersten Zeit gab es auch keinen Mangel an überzeugten, israelischen Kommunisten. Einige waren sogar bereit, für den KGB zu arbeiten. Israel Beer, ein enger Freund und Vertrauter David Ben-Gurions, lieferte den Russen Kabinettsunterlagen, und ich habe schon Kurt Sitte erwähnt, einen Atomphysiker am Institut für Technologie in Haifa, der als Sowjetagent entlarvt wurde. Die politische Kehrtwendung kam Anfang der sechziger Jahre. Die sowjetische Führung ging zur Realpolitik über. Angesichts der gigantischen Ölreserven im Machtbereich der islamischen Staaten befand sie, daß ihre Interessen am besten gewahrt würden, wenn sie die arabischen „Befreiungs-"Bewegungen unterstützte und nicht einer vagen Hoffnung nachgab, Israel könnte einmal in der Zukunft als kommunistischer Stützpunkt im Nahen Osten dienen. Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 schloß sie ihre Botschaft in Tel Aviv, und die diplomatischen Beziehungen wurden abgebrochen. In der Folgezeit hielten beide Staaten aber mehr durch den Mossad Kontakt. Obwohl dieses Kapitel immer noch von Geheimnissen umwoben ist, gibt es Anzeichen, daß der Mossad selbst die Verbindungen zu den sowjetischen Staatsorganen eröffnete, in seiner Eigenschaft als ausführendes Organ der Geheimdiplomatie. Auf jeden Fall war der Nachrichtendienst in vielen Ländern bei Rettungsversuchen für jüdische Glaubensgenossen beteiligt. Warum sollte dies also nicht auch in der Sowjetunion der Fall gewesen sein? Ganz sicher verhandelte das Institut zum Beispiel mit Arabern, um Glaubensgenossen aus dem Jemen und aus Nordafrika in ihre neue Heimat zu bringen, also

lag es nahe, dieselbe Art von Handelsgeschäft mit den Sowjets zu versuchen, auch wenn diese sich immer enger an die Araber anschlössen. Ein ungewöhnlicher Hinweis auf Querverbindungen zwischen dem Mossad und dem KGB kam im Frühjahr 1989 ans Tageslicht, mit der Veröffentlichung des Memoirenbandes The Vipers. Sein Autor war Aharon Moschel, ein ehemaliger Mossad-Agent, der nun in Deutschland im Ruhestand lebte, wo er nach eigenem Bekunden einmal als eingeschleuster Spion innerhalb einer Neo-Nazi-Gruppe gearbeitet hatte. Moschel behauptet, daß er im Jahr 1963 aus einem Urlaub zurückgerufen und nach Beirut beordert wurde, um Kontakt mit Kim Philby, dem britischen Verräter, aufzunehmen, der als Doppelagent für den KGB arbeitete. Moscheis Auftrag lautete, Philby zu warnen, daß der britische Geheimdienst im Begriff war, ihn festzunehmen, und, wenn nötig, ihm Hilfe anzubieten. Warum das Institut damals, als der britische Geheimdienst MI6 bemüht war, den Verräter zurück nach London zu bringen, es vorzog, den Russen und nicht den Briten zuzuarbeiten, ist aus einigen Hinweisen in Moscheis Bericht erkennbar. Von seinem Versteck im Commodore Hotel in West-Beirut aus beobachtete er Philbys Wohnung, um ihn dann zu einem Zeitpunkt aufzusuchen, als er dort allein war. „Ich überbringe Grüße von Kohlmann", lautete nach der Anweisung das Kennwort. Philby verstand es sofort. Zur Erläuterung dieses Kennwortes gibt Moschel an, daß Philbys erste Frau, Lisi Kohlmann, eine österreichische Jüdin und Kommunistin war. Der frühere Mossad-Agent wirft selbst die Frage auf: „Diente Philby vielleicht auch den israelischen Interessen - war er ein Doppelagent in solch bizarrer Konstellation?" Auf jeden Fall nahm der britische Spion die Hilfe, die ihm der Mossad so gewissenhaft angeboten hatte - ihn aus dem Libanon herauszuschmuggeln -, nicht an. „Nein", sagte er. „Sie wissen offensichtlich alles über mich, und ich kann mir darum gut vorstellen, wer Sie schickt. Sie können ausrichten, daß ich ihnen immer dankbar bin. Für alles andere verlasse ich mich lieber auf meine eigenen Freunde." Später machte sich der Mossad die Mühe, die Fluchtroute ausfindig zu machen, die der KGB organisiert hatte, als Philby im Januar 1963 aus Beirut in die Sowjetunion floh. Nach

seinen Informationen nahm Philby einfach ein Taxi nach Damaskus und wurde dann unter dem Schutz von pro-sowjetischen kurdischen Rebellen durch den Norden des Irak in das türkische Dorf Dogubayazit geschmuggelt, wo er von KGB-Agenten für den Rest der Reise in die Sowjetunion übernommen wurde. Eine mögliche Erklärung, warum der Mossad Kim Philby in einem kritischen Moment seiner zwielichtigen Karriere so bereitwillig helfen wollte, könnte darin liegen, daß er den Israelis einige Zeit zuvor einen Gefallen getan hatte, vielleicht mit Kontakten zu den sowjetischen Staatssicherheitsorganen. Der Superverräter Philby war seelisch sehr vom Haß auf seinen Vater St. John Philby geprägt, der ebenfalls Geheimagent und ein überzeugter schwärmerischer Araberfreund ganz im Geiste seines Freundes T. E. Lawrence war. Allerdings gehörte St. John Philby außerdem dem politisch extrem rechten Flügel an und vertrat pro-nazistische und antisemitische Ansichten, und das stärkte Kim Philby in seinem Entschluß, sich dem Sowjet-Kommunismus zuzuwenden. Es ist gar nicht abwegig anzunehmen, daß Familienstreitigkeiten den Sohn zu einer positiven Einstellung gegenüber Israel gebracht haben, und zwar so weit, daß er aus Trotz gegen den Vater bereit war, dem verhaßten Mossad einen Gefallen zu tun. Während seiner Tätigkeit als Auslandskorrespondent im Nahen Osten, wo er sich sehr gut auskannte, konnte Kim Philby durchaus Gelegenheit zu Kontakten mit dem israelischen Geheimdienst gehabt haben. Andere Anzeichen dafür, daß der KGB durch die israelische Geheimdienstverbindung Zugang zu geheimem Informationsmaterial hatte, kam im Zusammenhang mit der Pollard-Affäre ans Licht, als amerikanische Beamte den Schaden durch Pollards Spionage für Israel innerhalb der amerikanischen Geheimdienste abzuschätzen versuchten. Ein Sprecher des amerikanischen Justizministeriums behauptete 1988, das von Jonathan Pollard gelieferte geheime Informationsmaterial, einschließlich der Informationen über Waffentechnologie und strategische Verteidigungsanlagen in der Türkei, Pakistan und den gemäßigten arabischen Staaten, habe sowjetische Stellen erreicht. Wenn das so stimmt, läßt es den Schluß zu, daß das Material durch einen Agenten des israelischen Geheimdienstes weitergegeben wur-

de. Amerikanische Geheimdienstler bevorzugen übrigens eine weitere mögliche Erklärung: Geheiminformationen könnten den Sowjets als Teil eines Handels angeboten worden sein, um die Freilassung und Emigration von mehr sowjetischen Juden zu erreichen. Man kann als sicher annehmen, daß der Mossad nicht allzu zimperlich mit der Herausgabe von geheimen Verteidigungsunterlagen arabischer Staaten umgehen würde.

18. Verbindungen zur CIA

Mehrere aufeinanderfolgende Mossad-Chefs hatten ihre Hoffnungen auf die Entwicklung starker Geheimdienstverbindungen mit befreundeten Staaten gesetzt, ganz besonders mit den Vereinigten Staaten. Über Jahre hinweg gewährleisteten sowohl offizielle als auch geheime Arrangements eine enge Zusammenarbeit des Mossad und seines militärischen Pendants, Aman, mit einer Vielzahl von amerikanischen Organisationen wie z. B. der CIA, dem FBI, der Defence Intelligence Agency, der National Security Agency, der Abteilung für ausländische Technologie und dem Zentrum für ausländische Forschung und Technologie. Auch andere Länder, die Israels Informationsbedarfbefriedigen können, werden nicht vernachlässigt. Die französische Spionageabwehreinheit DST (Direction de la Surveillance du Territoire) belieferte sowohl Schin Beth als auch den Mossad mit den Ergebnissen ihrer Überwachungserfahrungen. Auf der amerikanischen Seite war der Initiator dieses bedeutsamen Nachrichtenbündnisses James Jesus Angleton, ein magerer und ungelenker Eigenbrötler mit einem natürlichen Hang zum Spionagegeschäft. Als er während des Zweiten Weltkriegs für das neugegründete Office of Strategie Services - den Vorgänger der CIA - arbeitete, knüpfte er Kontakte mit Führern der jüdischen Widerstandsbewegungen in London. Später war er in Rom stationiert, wo er den Auftrag hatte, Italien in der Nachkriegszeit vor kommunistischem Zugriff zu bewahren. Dort arbeitete er auch mit getarnten jüdischen Agenten zusammen, die später höchste Ränge im Geheimdienst des neuen Staates Israel bekleideten. 1945 wurde das OSS aufgelöst, aber in der Nachfolgeorganisation CIA bekam Angleton wieder einen wichtigen Posten: jetzt als Chef der Spionageabwehr, und in dieser Eigenschaft

stellte er die Kontakte zu seinen früheren israelischen Freunden wieder her und wurde zum Dreh- und Angelpunkt einer engen Verbindung zwischen den amerikanischen und israelischen Geheimdiensten. Sein leidenschaftliches Interesse an der Spionageabwehr gründete sich auf seine feste Überzeugung von einer globalen KGB-Verschwörung, und er glaubte, in Israel, dessen Bürger in so großer Zahl bittere Erfahrungen aus erster Hand mit einem Leben unter dem russischen Stiefel gemacht hatten, einen wichtigen Verbündeten zu sehen, - sofern er nur geschickt genug dabei vorginge. Seine Freundschaft mit dem Mossad wurde durch eine großzügige Hilfeleistung im April 1956 reich honoriert. Der Mossad hatte einen Plan entwickelt, wie er sich Unterlagen aus der Sowjetunion beschaffen könnte, die den vollständigen Text von Chruschtschows Geheimrede vor dem XX. Parteikongreß der KPdSU enthielt. In dieser Rede enthüllte der Kreml-Chef den Parteifunktionären zum erstenmal einige Einzelheiten über Stalins Vergehen und Verbrechen. Eine Zeitlang waren im Westen nur Auszüge der Rede erhältlich, und jeder Spion in der Branche war hektisch darum bemüht, mehr in die Hand zu bekommen. Allen Dulles, Chef der CIA, war besonders daran interessiert, den vollständigen Text der Rede zu lesen. Auf welchen Wegen die Mossad-Agenten in Europa nun wirklich an die Geheimrede kamen, ist nie bekannt geworden, aber es wurde angedeutet, sie sei durch einen Diplomaten eines Ostblocklandes geliefert worden, der sich darauf einließ, eine Kopie zu verkaufen. Natürlich war der damalige Leiter des Mossad Isser Harel schwer in Versuchung, diesen gewaltigen Propagandaerfolg seiner eigenen Regierung auszuhändigen. Man hätte die ganze Welt mit der Erfolgsmeldung über einen Husarenstreich erheitern können, entschied aber schließlich doch, daß es lohnender sei, das Dokument den Vereinigten Staaten zu übergeben. Das lieferte für die Zukunft eine ausgezeichnete Verhandlungsbasis, und die Israelis kamen so zu einer Vereinbarung, nach der sie Zugang zu Materialien bekommen sollten, die nur über die CIA erhältlich waren. Der Mossad hatte allen Grund anzunehmen, daß dieser profitable Handel auf Gegenseitigkeit erweiterungsfähig sei. 1957 schuf Angleton eine spezielle CIA-Verbindungseinheit für den Mossad, die Nachrichtenmaterialien aus dem Nahen Osten für

beide Staaten zu liefern hatte. Als der Kalte Krieg heraufzog, waren die Amerikaner dankbar, Israel helfen zu können und dafür als Gegenleistung aus Mossad-Unterlagen wertvolles Material über die Sowjetunion zu erhalten. Innerhalb weniger Jahre trafen die beiden Länder eine förmliche Übereinkunft, Geheimnisse auszutauschen. Die CIA und das Federal Bureau of Investigation übernahmen es auch, die Israelis mit streng geheimer Ausrüstung zu versorgen, unter anderem mit modernsten Computergeräten für Dekodierungen, und dazu mehrere israelische Kollegen in die Bedienung einzuweisen. Aber Angleton hatte sich auch in der CIA viele Feinde gemacht; seine große Macht weckte Neid, und die jüngeren Mitarbeiter der Organisation betrachteten ihn allmählich als eine Art sonderbares Fossil. Einer seiner Hauptrivalen war William Colby. Als dieser im Jahr 1974 Leiter der Organisation wurde, löste er Angleton als Befehlshaber der Spionageabwehr ab und entließ ihn. Das Büro für israelische Angelegenheiten, das Angleton gegründet hatte, wurde abgeschafft, und die Zuständigkeit für dieses Ressort wurde der Regionalabteilung der Organisation übertragen. Eine Zeitlang rückte die CIA vom Mossad ab und leitete sogar unabhängige Aktionen im Westjordanland ein. Als sich die Ölkrise verschärfte und in den USA die wirtschaftliche Abhängigkeit des Westens von den Ölquellen im Nahen Osten immer deutlicher vor Augen trat, hielt es die CIA im Jahr 1975 für unumgänglich, ihre Verbindungen mit den arabischen Staaten zu stärken. Die Freundschaft mit Saudi-Arabien mußte gepflegt werden; seine Ölreserven waren von größter Bedeutung; außerdem war es ein empfanglicher Absatzmarkt für Waffen und andere technologische Produkte. Auch Kairo wurde zum Brennpunkt diplomatischer Aktivitäten, als Präsident Sadat, der mit Hilfe der Amerikaner an die Macht gekommen war, eine gemäßigtere Politik verfolgte. Die Amerikaner setzten nach und nach auf eine friedliche Regelung im Nahen Osten. Um weitere Vorstöße der Araber gegen Israel zu verhindern, brachten sie Informationen in Umlauf, die den Eindruck von der militärischen Überlegenheit Israels bestätigen sollten. Man erlaubte außerdem die Verbreitung von Informationen über israelische Atomwaffen.

Der Watergate-Skandal zeigte auch Wirkung auf die allgemeine Einstellung Israels zu Amerika und weckte im besonderen Mißtrauen gegenüber dem amerikanischen Sicherheitsdienst. Der Mossad blieb zwar von der allgemeinen moralischen Entrüstung über den Skandal unbeeindruckt, aber er kam zu der realistischen Einschätzung, daß das vorteilhafte Arrangement mit der CIA gefährdet war, weil die gebotene Diskretion wegen der öffentlichen Untersuchungen der amerikanischen Geheimdienste nicht mehr gewährleistet war. Von vornherein wurde der Mossad jetzt vorsichtiger, wenn die Amerikaner über geheime Aktionen oder Geschäfte ins Vertrauen gezogen werden sollten. Meir Amit erklärte dies so: „Nach dem WatergateSkandal wurde der ganze amerikanische Geheimdienst ins Rampenlicht gezerrt. In unserer Branche kann man aber nur mit denen zusammenarbeiten, die ein gewisses Maß an Vertraulichkeit garantieren können. Hätten wir 1976 der CIA Material gegeben, wir hätten genausogut eine Pressekonferenz abhalten können." Bei einem offiziellen Besuch in Washington im Juli 1977 übergab Menachem Begin Präsident Carter eine Akte mit nützlichen und wichtigen Daten, die der Mossad im Laufe der Jahre an die CIA geliefert hatte. Der neue Premierminister war sehr stolz auf diese Liste von Erfolgen, von denen er viele erst jetzt zur Kenntnis bekam, nachdem er gerade aus einer langen Durststrecke in der Opposition an die Regierung zurückgekehrt war. Als ehemaliger Mossad-Agent wollte er mit dieser Geste den Umfang der Zusammenarbeit zwischen den beiden Geheimdiensten auffallig dokumentieren, und man äußerte die Hoffnung, daß die Abkühlung der Beziehungen zwischen den beiden Nachrichtendiensten nicht von langer Dauer sein werde. Die jüdische Lobby in den USA machte ihren Einfluß geltend, damit Israel weiterhin die Unterstützung des transatlantischen Verbündeten bekäme. Davon abgesehen hatten auch die Israelis viele nützliche nachrichtendienstliche Informationen zu bieten. Aufgrund der ständigen Zusammenstöße mit den arabischen Nachbarstaaten, die gerade mit modernster Militärtechnologie aus der Sowjetunion beliefert wurden, konnte die israelische Armee durch genaue Untersuchung der militärischen Beutestücke detailliertes Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Als ich General Yitzhak Hofi kurz nach dem Yom-Kippur-Krieg in seinem Hauptquartier interviewte, warf er eine

russische Dienstvorschrift für T-72-Panzer auf den Tisch und fragte scherzhaft: „Hätten Sie gerne eine Kopie davon?" Als ich antwortete, daß ich nicht viel Verwendung dafür hätte, sagte er: „Ich kenne ziemlich viele Leute, die es gerne in die Hand bekämen". Wenn der Verhandlungspreis angemessen war, gewährte der israelische militärische Geheimdienst den Amerikanern bereitwillig Zugang zu erbeuteten Waffensystemen. Als Gegenleistung erhielt er Daten über Leistungsanalysen, die die Amerikaner mit ihren überlegenen elektronischen Systemen liefern konnten. Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und noch einmal nach dem Yom-Kippur-Krieg 1973 lieferte Israel den Vereinigten Staaten Musterstücke sowjetischer Luft-Boden- wie auch Boden-Luft-Raketen. Auch Panzerabwehrwaffen und schwere Artilleriegeschütze wurden für detaillierte Tests und Auswertungen über den Atlantik transportiert. Amerikanische Militärplaner waren besonders dankbar, als sie den Panzer T-72, der von der syrischen und der ägyptischen Armee im Krieg von 1973 benutzt worden war, in die Finger bekamen. Sie entdeckten zum Beispiel, daß er mit besonderen Filtern zum Schutz gegen biologische Waffen ausgerüstet war. Riesige Mengen von Analysedaten, die so zur Verfügung standen, kamen der Entwicklung von amerikanischen Waffen und Taktiken sehr zugute. Bei allen Geschäften zwischen dem israelischen und dem amerikanischen Geheimdienst wurden Bedingungen gestellt. Nach harten Verhandlungen wurde erreicht, daß israelische Experten den Schiffstransport von erbeuteten Waffen in die Vereinigten Staaten begleiteten, damit auch sie sich die Früchte der detaillierten amerikanischen Forschung zunutze machen konnten. Am mißtrauischsten war der Mossad, wenn es um die Zuverlässigkeit der Geheimdienste mancher NATO-Staaten ging, und verbot bei bestimmten brisanten Daten eine Weitergabe an die Verbündeten der USA. Im Hauptquartier in Tel Aviv fürchtete man, daß sowjetische Agenten westliche Militärkreise unterwandert hatten und ihren arabischen Verbündeten detaillierte Informationen darüber zukommen ließen, in welchem Umfang die Israelis Kenntnis von deren Bewaffnung und Taktiken besaßen. 1983 kam bei der amerikanischen Regierung Besorgnis auf, israelische Angebote für eine engere Zusammenarbeit könnten zu einer dauernden Abhängigkeit von israelischen Quellen führen. Der Höhe-

punkt dieser Zusammenarbeit war ein Angebot des damaligen Premierministers Menachem Begin, hochbrisante militärische Informationen weiterzureichen, die man im Kampf gegen die syrische Luftwaffe bei der Libanoninvasion 1983 erhalten hatte. Nach Begins Worten konnte die Armee durch eine israelische Waffenentwicklung die in der Sowjetunion hergestellten syrischen Boden-Luft-Raketen zerstören, und er machte klar, daß er bereit sei, diese Geheimwaffe den Vereinigten Staaten anzubieten. Verteidigungsminister Caspar Weinberger befürchtete aber, daß der Handel auch gefahrliche Zusagen miteinschließen könnte, Israel militärisch zu unterstützen; deshalb wurde behauptet, die USA verfügten ebenfalls bereits über das Know-how, solche Raketen zu zerstören. Aber der Informationsfluß ging bald weiter. Als Syrien Anstalten machte, seine Intervention im Libanon eskalieren zu lassen, um die israelische Invasion abzuwehren, und die Situation immer verzweifelter wurde, empfahl die National Security Agency, deren Nachrichtenmaterial aus dem Nahen Osten gewöhnlich von höchster Qualität ist, eine „Kehrtwendung" zu Israel hin. Am dringendsten benötigte Israel Daten, die nur von den Aufklärungssatelliten der Amerikaner geliefert werden konnten. Obwohl der Mossad und andere israelische Organisationen im personellen Bereich der nahöstlichen Aufklärungsarbeit ungewöhnlich versiert sind, kann ein kleiner Staat wie Israel es sich nicht leisten, seine Nachrichtendienste mit dem teuren Luxus „himmlischer Spione" auszurüsten. Präsident Carters Chef der Nachrichtendienste, Admiral Stansfield Turner, hatte seinerzeit aber die Praxis abgeschafft, den Israelis Photos und Aufklärungsinformationen zur Verfügung zu stellen. Im Austausch für Leistungen auf anderen Gebieten gelang es nun, William Casey, der 1981 die Leitung der CIA übernommen hatte, zu überreden, Israel in solches Material Einblick zu gewähren. 1984 behauptete Generalmajor Yehoschua Sagi, Chef von Aman, daß die CIA solche Daten, „nicht nur die Informationen, sondern auch die Photos selbst" wieder zur Verfügung stellte. Israel profitierte auch von Bildern und Aufklärungsmaterial, die von Zypern aus durch amerikanische SR-71-Spionageflugzeuge gewonnen waren. Sie wurden in der Annahme ausgehändigt, das Risiko einer neuen Runde der arabisch-israelischen Kriege könnte reduziert werden,

wenn man die Israelis frühzeitig mit Informationen über kriegsähnliche Vorbereitungen versorgte. William Casey, der neue Mann bei der CIA, war wie James Angleton ein ehemaliger OSS-Mitarbeiter. Er war ein enger Freund von Präsident Reagan und sehr wohl in der Lage, seinen israelischen Freunden zu helfen. In israelischen Geheimdienstkreisen sprach man von der Satelliteninformation, die dann geliefert wurde, schon bald als „Caseys Geschenk". Das Problem bei der Weitergabe solchen Materials an Aman und den Mossad war aber, daß man nie sichergehen konnte, welchen Zwecken es diente. Es war eine Sache, seinem Verbündeten im Nahen Osten zu helfen, sich gegen arabische Aggression zu verteidigen, aber eine ganz andere, ihn frühzeitig mit Informationen zu versorgen, die es ihm ermöglichten, diese arabischen Länder in Präventivschlägen anzugreifen. Genau das war aber geschehen, als amerikanische Aufklärungsbilder von der israelischen Luftwaffe benutzt wurden, um Operationspläne für den Angriff auf den Atomreaktor im Irak auszuarbeiten. Als die Amerikaner vom Mißbrauch dieses Materials erfuhren, versuchten sie in der Folgezeit, den Zugang zu ihren Daten einzuschränken und eine klare Grenze zwischen Defensivzwecken (Schutz der israelischen Grenzen) und Offensivzwecken (Planung von Erstschlägen) zu ziehen. Obwohl die USA bereit waren, Material über Kriegsvorbereitungen in den feindlichen arabischen Ländern anzubieten, händigten sie normalerweise keine Informationen über die Stationierung bewaffneter Truppen in Jordanien und Ägypten aus. Schließlich waren diese Länder mit den Amerikanern verbündet. Im Idealfall hätten sich die Leiter der Nachrichtendienste in Tel Aviv und Jerusalem einen eigenen Spionagesatelliten gewünscht, ihn ins All geschossen und möglichst auch bezahlen lassen von den Amerikanern. Als das nicht verwirklicht wurde, versuchten sie des öfteren, die amerikanische Regierung zu überreden, wenigstens dann den direkten Zugang zu dem amerikanischen Satelliten zu erlauben, wenn er über den Nahen Osten flog und seine Beobachtungen zur Erde funkte. Ein Aspekt in der Beziehung zwischen dem amerikanischen und dem israelischen Geheimdienst blieb konstant: Der Mossad und seine Parallelorganisationen waren unersättlich. Es wäre jedoch ein Feh-

ler, daraus zu schließen, das Ganze sei ein absolut einseitiges Geschäft gewesen. Auch Amerika profitierte in mancher Weise. Der Mossad gab verschiedene Einzelheiten über Osteuropa und den Ostblock weiter. Alle jüdischen Emigranten, die jedes Jahr in unterschiedlicher Zahl aus der Sowjetunion kamen, wurden bei ihrer Ankunft im Heiligen Land befragt. Was an Materialien aus MossadInterviews kam, auch wenn sie nicht besonders sensationell waren, trug immer zur Vervollständigung des aktuellen Bildes vom Leben in der kommunistischen Supermacht bei. Weiterhin sind unzählige Beispiele israelischer Unterstützung bei amerikanischen Geheimaktionen in verschiedenen Teilen der Welt ans Licht gekommen. So wurden erbeutete, in der Sowjetunion hergestellte militärische Ausrüstungsgegenstände wieder flottgemacht, um verschiedene antikommunistische Gruppen im Guerillakrieg zu beliefern, in so unterschiedlichen und weit entfernten Gebieten wie Afghanistan und Mittelamerika. Israel versuchte auch unablässig, seinen Einfluß in Afrika zu stärken; deshalb konnte es seinem nordamerikanischen Verbündeten auch über diesen Kontinent hilfreiche Informationen übermitteln. Es ist nur natürlich, daß der Mossad über alle Vorgänge in seiner eigenen Heimatregion, dem Nahen Osten, vollständig informiert sein muß. Zweifellos hatte die amerikanische Regierung oft genug Grund, für frühzeitige Warnungen über bevorstehende Ereignisse in diesem unruhigen Teil der Welt dankbar zu sein, besonders in dem Fall, als der Mossad seine lebenswichtigen Spezialkenntnisse über palästinensische Terrorgruppen den amerikanischen Behörden für die Terrorbekämpfung zur Verfügung stellte. 1985, als eine Palästinensergruppe das italienische Kreuzfahrtschiff Achille Lauro kaperte und einen amerikanischen Passagier ermordete, war es der Mossad, der die Position des Schiffes ortete und sie an die Amerikaner weiterleitete. Noch nützlicher war der Tip des Instituts im Hinblick auf die EgyptAir-Maschine, die die Terroristen nach Tunis zurückbrachte, nachdem sie das Schiff verlassen hatten. Nur Sekunden nach dem Start des Flugzeugs lieferten die Israelis Details über seine Funksignale und über die Flugroute. Amerikanische Radarstationen hatten die palästinensische Terrorgruppe bis dahin aus den Augen verloren. Nur eine Mossad-Information ermöglichte es also, ein Jagdgeschwader der

Sechsten Flotte auf die EgyptAir- Maschine anzusetzen und sie zur Landung auf dem NATO-Stützpunkt auf Sizilien zu zwingen, wo der Anführer der Gruppe verhaftet werden konnte. Jeder westliche Geheimdienst verdankt dem Mossad viel für Hilfeleistungen beim Aufdecken von arabischen Terroristennetzen im Nahen Osten und in Europa. Auch der Erfolg israelischer Agenten bei der Unterwanderung von Terrorgruppen und der Analyse ihrer Taktiken beeinflußte ebenso wie der generelle Umgang Israels mit der Terrorbedrohung die Einstellung und die Arbeit der ausländischen Geheim- und Sicherheitsdienste, insbesondere der amerikanischen. Dies zeigte sich, als George Shultz, damals amerikanischer Außenminister, im Juni 1984 eine öffentliche Erklärung abgab, in der er die Schaffung von spezialisierten Geheimdienstnetzen zur Unterstützung von militärischen Vergeltungschlägen gegen Terroristen befürwortete. „Eine rein passive Verteidigung bietet nicht genug Abschrekkung für Terroristen und die Staaten, die sie unterstützen. Es wird Zeit, lange, gründlich und ernsthaft über Mittel einer aktiveren Verteidigung nachzudenken - über Verteidigung durch verhindernde oder vorbeugende Aktionen gegen Terroristengruppen, bevor sie zuschlagen. Wir müssen unsere Fähigkeiten auf dem Gebiet des Nachrichtenwesens und der schnellen Reaktion ausbauen. Aufklärung durch Agenten werden besonders wichtig sein, weil unsere Bürger verlangen, daß wir ausreichend begründen können, was wir gerade tun. Im Laufe der Jahre hat uns die Erfahrung gelehrt, daß es die beste Abschreckung für Terroristen ist, auf rasche, sichere Maßnahmen gegen alle, die sich darauf einlassen, zuverlässig vorbereitet zu sein." Dieses Konzept wurde auf einer Tagung des Jonathan-Instituts vorgetragen, das von Israel zur Erforschung des Terrorismus eingerichtet wurde und seinen Namen zu Ehren des Helden des EntebbeBefreiungsschlages trägt. Es spiegelte auch die Ansichten der israelischen Bevölkerung auf diesem Gebiet wider. Aber die von den Israelis vorgeführten Präzedenzfalle brachten auch gefahrliche Nebeneffekte mit sich, als sie Teil einer offiziellen

amerikanischen Doktrin wurden. Die Verhandlungen, die der Entführung einer TWA-Maschine nach Beirut im Jahr 1986 folgten, sind dafür ein gutes Beispiel. Die amerikanische Öffentlichkeit war besonders über die Nachricht von der Ermordung eines Tauchers der US-Navy, der sich an Bord des Flugzeugs befand, durch Terroristen der Hisbollah schockiert. Israel wurde in die darauffolgenden Verhandlungen eingeschaltet, weil die Entführer die Freilassung von Gefangenen aus diesem Land forderten. Trotz der Unnachgiebigkeit, die von den Amerikanern und Israelis nach außen hin vertreten wurde, fanden doch Verhandlungen mit den Terroristen statt, und nachdem die unglücklichen Passagiere freigekommen waren, wurden palästinensische Gefangene freigelassen. Es war nicht das erste Mal, daß die israelischen Agenten mit Terroristen verhandelten. Obwohl sie diese Praxis in der Öffentlichkeit verurteilten, werden auch immer wieder solche Tauschgeschäfte abgeschlossen. Als sich danach die Aufmerksamkeit auf das Schicksal der amerikanischen und britischen Geiseln richtete, die in Beirut von der Hisbollah und anderen extremen schiitischen Splittergruppen festgehalten wurden, versuchte Terry Waite, der Abgesandte des Erzbischofs von Canterbury, Kontakt mit den Entführern herzustellen, fiel ihnen aber selbst zum Opfer. Oliver North, der auch in Kontakt mit Waite stand, versuchte selbst mit den Iranern im Libanon in Kontakt zu kommen. Mit solchen Aktionen folgten sie dem Beispiel von Mossad-Agenten, die vor ihnen denselben Weg gegangen, allerdings erfolgreicher gewesen waren. Da die Ziele der Amerikaner weniger eng umrissen und ihre Handelserfahrungen in der islamischen Welt begrenzter waren, hatten sie notwendig größere Schwierigkeiten, mit den iranischen Revolutionären ins Geschäft zu kommen. Der israelische Geheimdienst ging mit schlechtem Beispiel voran, als er sich auf den Waffenhandel mit dem Iran einließ. In den Jahren nach 1980 verkaufte er Waffen im Wert von 60 Millionen Dollar. Erst als eines der gecharterten Transportflugzeuge auf dem Flug von Zypern nach Teheran vermißt wurde, kam ans Licht, daß es sich dabei um nur eine von zwölf Flugzeugladungen mit Panzerteilen und Munition aus Israel handelte, durch die der Krieg zwischen dem Iran und Irak in Gang gehalten wurde. Und solche Aktionen waren nur ein Teil der geheimen Geschäftsunternehmungen.

In vielen Regionen der Welt, aus denen sich die CIA zurückzog, sprang der Mossad ein. Die Israelis erlaubten sich nicht den Luxus moralischer Gewissensbisse bei Verhandlungen mit Diktatoren, ehrgeizigen Generälen oder unbeliebten Regimen. Solange es im Interesse der Nation stand, mit ihnen zu verhandeln, war der Mossad gern bereit, Waffenlieferungen an jeden zahlungskräftigen Abnehmer zu arrangieren, unter der Voraussetzung, daß die Geschäfte geheim blieben. So ignorierte Israel zum Beispiel das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Südafrika und lieferte sechs Kriegsschiffe an die Regierung in Pretoria, außerdem Panzer der Typen Chieftain und Centurion, sowie Mörser und Gabriel- Raketen. Derlei Geschäfte wurden durch die Firma Koor in Tel Aviv und ihre Tochtergesellschaften Tadiran, Iskoor und Telkoor abgewickelt. Bis 1978 füngierte Meir Amit, der ehemalige Chef des Mossad, als Geschäftsführer dieses riesigen Konzerns. Als Gegenleistung erhielt Israel Uran aus Südafrika, und sogar, wie behauptet wurde, die Genehmigung für Bombertests in der Kalahari-Wüste - Geschäfte, die den Amerikanern sehr mißfielen. Es wurde allgemein üblich, daß Israel mit Waffenlieferungen an Länder einsprang, die einem Embargo der Amerikaner unterlagen, wie 1976, als Luft-Luft-Raketen des Typs Safir nach Chile verschifft wurden. Als die USA im Zuge einer Aussöhnung mit China im Jahr 1978 beschlossen, die Lieferung von Offensivwaffen an Taiwan abzubrechen, verkaufte Israel den Nationalchinesen 50 Jagdbomber des Typs Kfir. Auch dieses Geschäft wurde vom Mossad arrangiert. Im selben Jahr, als Präsident Carter die Unterstützung des Somoza-Regimes in Nicaragua einstellte, füllte Israel die Lücke, lieferte automatische Waffen des Typs Uzi und Militärlastwagen und trug damit auch zur Verlängerung des Bürgerkriegs bei. In den siebziger Jahren verdreifachten sich die israelischen Waffenexporte, und Waffenhandel wurde zu einem der wichtigsten industriellen Faktoren im Land. Unter denen, die solche Geschäfte arrangierten, befanden sich vornehmlich Mitarbeiter von Mossad und Lakam, der Abteilung für Forschungs- und Industriespionage. Dies wurde einfach als ein Aspekt ihrer zusätzlichen Pflichten im Geheimdienst angesehen Nachrichtendienstler als Waffenhändler.

Sechster Teil Das Atomprogramm

19. Lechaim Lakam

Nach dem KGB zeigt der israelische Nachrichtendienst unter allen nationalen Geheimdiensten die größten Fähigkeiten, an geheime Informationen aus Industrie und Technik heranzukommen. In den sechziger Jahren gründete Shimon Peres, damals Verteidigungsminister, eine Sonder-Organisation zur Beschaffung von wissenschaftlichem und technischem Informationsmaterial. Sie entwickelte sich aus einem ursprünglich als Atomspionagedienst geplanten Amt unter der Führung von Binyamin Blumberg, einem erfahrenen Sicherheitsdienstler. Blumberg wurde dann der erste Leiter der Einrichtung mit dem unscheinbaren Namen „Büro für wissenschaftliche Beziehungen", allgemein unter dem hebräischen Akronym Lakam (Leshkat Kesher Madao) bekannt. Alle Mitarbeiter, die in diesem Büro angestellt waren, sollten wissenschaftliche und technische Daten, besonders Technologie von Defensivwaffensystemen zusammentragen. Dabei sollten sie sich sowohl offene als auch versteckte Informationsquellen zunutze machen. Viele gingen als Wissenschaftler oder Geschäftsleute ins Ausland, während andere als Wissenschaftsattach^s an die israelischen Botschaften geschickt wurden. Der größte Teil der Arbeit dieses Büros liegt noch im dunkeln, aber in einigen Fällen wurden im Ausland arbeitende Agenten enttarnt, deren Aktivitäten so ans Licht kamen. Ein bemerkenswerter Coup war die erfolgreiche Sicherung technischer Daten, die Israel später in die Lage versetzten, eigene Jagdflugzeuge zu bauen. In den Luftkämpfen des Sechs-Tage-Kriegs verlor Israel 10% seiner Düsenjäger, mehr noch wurden beschädigt. Diese mußten dringend ersetzt, und ein Vorrat an Ersatzteilen mußte angelegt werden. Durch ein Verbot für Lieferungen von Kriegsmaterial aus dem Westen in den

Nahen Osten wurde das aber sehr erschwert. Besonders der französische Staatspräsident de Gaulle gab seinem Unmut über die militärischen Abenteuer Israels unmißverständlich Ausdruck: Er setzte die Lieferung von Mirage-Jagdbombern und Jagdflugzeugen vom Typ Mystöre aus, auf die sich die israelische Luftwaffe während der Zeit hauptsächlich verlassen hatte, als Frankreich noch ein warmherziger Verbündeter Israels war. Obwohl Israel selbst Pläne für den Bau eigener Düsenjäger hatte, waren sie zu der Zeit noch nicht ausgereift genug, um die Lücke zu füllen. Man versuchte also, die Franzosen mit dem Angebot umzustimmen, sie mit Auswertungen der Leistung ihrer Flugzeuge unter Kriegsbedingungen zu versorgen, aber Staatspräsident de Gaulle blieb hart. Als nächstes wurde Israel bei der Schweizer Regierung vorstellig, die eine Anzahl von französischen Kampfflugzeugen für ihre eigene Luftwaffe gekauft hatte. Gegen eine sofortige Zahlung von 150 Millionen Schweizer Franken wollte Israel Ersatzteile für die Motoren erhalten; die Schweizer lehnten dieses Angebot aber ab, denn ihr Kaufvertrag mit Frankreich verbot ausdrücklich den Wiederverkauf von Flugzeugteilen. Jetzt gab es keine legalen Mittel mehr, um an das Kriegsgerät heranzukommen, also wurde auf weniger offene Methoden zurückgegriffen, und man nahm die Dienste von Lakam und Mossad in Anspruch, um das vollständige technische Wissen in die Hand zu bekommen, damit Israel endlich seine eigenen Jagdflugzeuge bauen konnte. Der Vermittler bei einem Komplott mit diesem Ziel war ein geschäftstüchtiger Schweizer Amateurspion, Alfred Frauenknecht. Nicht weniger als zwei Tonnen Blaupausen und Pläne von der Schweizer Version des in Frankreich entworfenen Mirage-Iü-Düsenjägers lieferte er prompt wöchentlich in jeweils 110 Pfund schweren Kisten. Durch seine großangelegte Spionageaktion konnten die Israelis ihren Kfir-Jäger entwickeln, der sarkastisch mit dem Namen „Sohn der Mirage" belegt wurde. Als leitender Ingenieur in der Abteilung für Düsenjäger bei der Firma Gebrüder Sluzer in Winterthur hatte Frauenknecht, von israelischen Agenten darauf angesprochen, ob er Ersatzteile für die Mirage-Geschwader besorgen könne, seinerseits vorgeschlagen, statt dessen die notwendigen Pläne für das ganze Flugzeug zu liefern. Das

Eigentümliche an der Geschichte war, daß Frauenknecht sich aus bloßer Sympathie für die israelische Sache in Spionagetätigkeiten verwickeln ließ und dabei selbst gar nicht Jude war. Er bot seine Hilfe an, um sich von einer Art deutscher Kollektivschuld zu befreien, die ihn wegen der Judenverfolgung im Dritten Reich sehr bedrückte. Seinen klugen Plan, an die Blaupausen zu kommen, fädelte er mit einem Vorschlag an seine eigene Firma ein: Man könne doch Geld und Platz sparen, wenn man Pläne, die derzeit nicht mehr im Gebrauch waren, verbrennen würde, nachdem man sie fotokopiert hätten. Er übernahm selbst den Abtransport zur Vernichtung in der städtischen Müllverbrennungsanlage, unter der Aufsicht von Sicherheitsbeamten. Auf dem Weg dorthin hielten er und sein Vetter (der als Fahrer füngierte) jeweils fünf Minuten lang in einer gemieteten Privatgarage an. Dort hatte er andere, ausgelagerte Blaupausen aus dem Schweizer Patentamt deponiert. Die Mirage-Pläne wurden in der Garage zurückgelassen und die alten Amts-Akten unter den wachsamen Augen der Schweizer Sicherheitsbeamten verbrannt, die sich nie die Mühe machten, die Unterlagen genau zu untersuchen. Die nächste Etappe des Unternehmens fiel dem mysteriösen, als Hans Strecker bekannten Transportleiter einer Firma zu, die Lagerhäuser in Kaiseraugst an der deutschen Grenze besaß. Strecker war ursprünglich als „Freund" von Oberst Nehemyah Kayin, einem in Europa arbeitenden Mossad-Agenten, eingeführt worden. Seine Aufgabe war es, die Kisten mit den Plänen aus dem Kofferraum von Frauenknechts Mercedes zu holen und sie auf einen kleinen Flugplatz nach Deutschland zu schmuggeln. Von dort aus wurden sie in weiteren Etappen nach Italien und von da nach Israel geflogen. Ein ganzes Jahr lang fanden diese illegalen Transfers statt und wurden erst entdeckt, als Anwohner des Lagerhauses seinen Besitzern, den Brüdern Rotzinger, gegenüber zufällig erwähnten, daß jeden Samstag dort ein fremder Mann auftauchte. Als die Rotzingers der Sache auf den Grund gehen wollten, erkannten sie den Mann als ihren Angestellten und begrüßten ihn; der aber raste sofort davon und wurde nie mehr gesehen, ließ aber eine der Kisten zurück. Als die Rotzingers sie öffneten, waren sie nicht wenig erstaunt, Papiere mit dem Stempelaufdruck: „Staatsgeheimnis. Eigentum der Schweizer Militärbehörden" vorzufinden.

Der Schweizer Sicherheitsdienst stellte Untersuchungen an und nahm Frauenknecht daraufhin fest. Der Ingenieur wußte, wie belastend die Enthüllung der Mirage-Affäre für die Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich werden konnte, und er bot listig an, sich als Gegenleistung für seine Freilassung zu verpflichten, über diese ganze Angelegenheit zu schweigen, um einen politischen Skandal zu verhindern. Der Handel wurde abgelehnt, und 18 Monate später wurde Frauenknecht vor Gericht gestellt. Er versuchte gar nicht erst abzuleugnen, die Blaupausen gestohlen und den israelischen Agenten übergeben zu haben. Er zeigte auch keine Reue über seine Taten und erklärte, er habe wirklich gute Gründe für seinen Entschluß gehabt, Israel zu helfen. Dennoch verurteilte ihn das Gericht im April 1971 wegen Industriespionage und Gefährdung der militärischen Sicherheit der Schweiz; das Strafmaß betrug viereinhalb Jahre Gefängnis. Nach seiner Freilassung im Jahre 1975 besuchte Frauenknecht Israel zum erstenmal. Dort wurde er übrigens keineswegs offiziell willkommen geheißen - etwa als Anerkennung für seine wichtige Rolle bei der Beschaffung der Pläne für den Kfir-Jäger, der sich dann im Yom-Kippur-Krieg als ausgesprochen erfolgreich erwiesen hatte. Denn wenn die Israelis zum Beispiel offizielle Flaggen gehißt hätten, um diese Leistung zu würdigen, hätten sie damit zugleich öffentlich eingestehen müssen, daß sie für Spionageaktivitäten in der neutralen Schweiz verantwortlich waren. Obwohl Israel damals bereitwillig mehr Geld für die Jagdflugzeuge bezahlt hätte, verlangte Alfred Frauenknecht lediglich 200 000 Dollar, nur als eine Art Versicherung für seine Frau, falls er geschnappt werden sollte. In dieser Affäre bewies Lakam seine Qualitäten als Filiale der anderen Geheimdienste, mit denen er eng zusammenarbeitete. So kann man annehmen, daß viele Erfolge bei der Sammlung von wissenschaftlichem und technologischem Informationsmaterial auf sein Konto gehen; dabei gelang es ihm, sich immerhin bis zur „PollardAffare" in Amerika sehr geschickt aus allem Gerede herauszuhalten, offenbar weil die Organisation diskret vorging und zum großen Teil auf eine Zusammenarbeit mit den westlichen Rüstungsindustrien baute. Erst als ein Lakam-Team bei der Arbeit in Amerika zu weit ging, brach ein öffentlicher Skandal aus. Wegen der darauffolgenden

Diskussionen wurde Lakam offiziell aufgelöst, seine Arbeit aber wird dennoch weitergeführt. Das Verteidigungsministerium, unterstützt von den Kollegen im Ministerium für Wissenschaft und Forschung, setzt die Jagd nach moderneren und besseren Waffensystemen in Zusammenarbeit mit dem Mossad fort. Der Mossad selbst hat auch ein reiches Vorleben mit Spionagetätigkeiten und Spezialeinsätzen, die eine Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit des Landes zum Ziel hatten. Ein wichtiges Betätigungsfeld boten Informationen an die Militärbehörden über Waffen, die die Sowjetunion an die arabischen Staaten lieferte. Kurz nachdem Meir Amit Chef des Mossad wurde, erhielt er einen Spezialauftrag von General Mordechai Hod, dem Kommandeur der Luftwaffe. Das Institut sollte ihm ein Jagdflugzeug vom Typ MiG-21 verschaffen, damit man seine Kampfkraft richtig beurteilen konnte. Eli Cohen hatte zwar ein Foto des neuen Flugzeugs geliefert, aber das befriedigte die Neugier der Luftwaffenoffiziere bei weitem nicht. Damals war die MiG-21 der modernste und effektivste unter den russischen Düsenjägern. Sie wurde an Ägypten, Syrien und den Irak geliefert, und die israelischen Befehlshaber waren sehr darauf erpicht, detaillierte Informationen über ihre Eigenschaften und Fähigkeiten zu bekommen. Sie kannten weder ihre Geschwindigkeit noch ihre Bewaffnung, geschweige etwas über ihr elektronisches AbwehrSystem; und all diese Informationen waren für den Erfolg in einem Luftkampf dringend erforderlich. Entsprechend der massiven Forderung der Luftwaffe nach den notwendigen Informationen arbeitete die Mossad-Zentrale mehrere raffinierte Pläne aus, um eine MiG-21 in die Hände zu bekommen. Die Experten kamen zu dem Schluß, am ehesten erfolgversprechend könnte ein Versuch sein, einen arabischen Piloten zum Desertieren zu verleiten und so seine MiG nach Israel zu bringen. Die Wahl fiel auf den Geschwaderführer, einen irakischen Offizier namens Munir Redfa, Sohn einer wohlhabenden Familie und christlicher Maroniten in Bagdad, die mit dem irakischen Regime unzufrieden waren. Mossad-Agenten reisten in den Irak, als Geschäftsleute getarnt, und näherten sich ihm in langwierigen behutsamen Schritten. Schließlich willigte Redfa ein, seine MiG für eine halbe Million Pfund nach Israel zu fliegen, unter der Bedingung, daß seine Frau

und sein Kind zusammen mit seiner ganzen Familie, einschließlich Eltern, Großeltern, Tanten und Onkeln, zuerst ins sichere Ausland gebracht werden müßten. Diese letzte Forderung machte das ungeheuer gefährliche Geschäft noch viel komplizierter. Meir Amit setzte unter dem Zwang, eine MiG zu beschaffen und seine eigene Position als unangefochtener Chef des Mossad zu stärken, den größten Teil seiner unter Tarnung operierenden Einheiten ein. Er forderte auch Verstärkung vom militärischen Geheimdienst Aman an. Um Redfas Großfamilie außer Landes zu bringen, mußte man Agenten in Kurdistan stationieren und die Hilfe der kurdischen Rebellen in Anspruch nehmen. Dasselbe galt für den Iran, wohin die Familie per Hubschrauber befördert werden sollte (auch diese Aktion endete schließlich erfolgreich). Zusätzliche Hilfe von außen wurde benötigt, Amit selbst flog nach Washington, um die Unterstützung der CIA zu erbitten, die ebenfalls darauf aus war, detaillierte Kenntnisse über die MiG-21 zu erhalten. Ein amerikanischer Diplomat in Bagdad mußte mit Redfa sprechen, um ihm zu versichern, daß es für das ganze westliche Bündnis, einschließlich Israels, lebenswichtig sei, die geheimen Daten der MiG zu erfahren. Dieses Argument überzeugte den jungen Luftwaffenoffizier schließlich. Im August 1966 stieg er mit voller Treibstoffladung von einem Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Mossul im Norden des Irak zu einem Übungsflug auf. Kurz darauf nahm er Kurs auf die Türkei, wo Phantomjäger ihn erwarteten, um ihn zu einem geheimen CIA-Stützpunkt zu eskortieren. Nachdem der Iraker dort aufgetankt hatte, flog er zu einem Rendezvous mit israelischen Jagdflugzeugen über dem Mittelmeer, die ihn dann nach Israel begleiteten. Die Operation, unter äußerstem Risiko, mit Schwung und Tatkraft durchgeführt, wurde zum Klassiker in der Geschichte der Militärspionage. Gerade solche Tollkühnheiten brachten dem Mossad seinen Ruhm ein: mit Aktionen Erfolg zu haben, die andere Geheimdienste nicht einmal zu versuchen gewagt hätten. Ältere Mitarbeiter der Organisation blicken immer noch stolz auf die vergangenen Tage in den sechziger Jahren zurück, als nichts unmöglich schien und Abenteuer um Abenteuer glanzvoll zu Ende gebracht wurde. Drei Jahre nach der Erbeutung der MiG bekam das

Institut noch einmal einen Auftrag, der Armee Rüstungsmaterial zu beschaffen, dieses Mal für die Kriegsflotte. Sie war am meisten vernachlässigt worden und mußte sich immer noch mit uralten, übriggebliebenen Kriegsschiffen aus dem Zweiten Weltkrieg zufrieden geben. Die Marine brauchte schnelle Patrouillenboote und gab den Bau acht solcher Schiffe bei einer westdeutschen Werft in Auftrag. Aber unter dem politischen Druck arabischer Staaten, Waffenlieferungen an Israel einzustellen, kündigten die Deutschen den Vertrag auf, und der Auftrag zur Fertigstellung wurde an Werften im französischen Hafen Cherbourg weitergegeben. Wenn auch der französische Staatspräsident damals, im Jahr 1969, seine Mißbilligung der israelischen Politik noch immer durch ein Waffenembargo demonstrierte, so fielen die Patrouillenboote dennoch nicht unter dieses Handelsverbot, weil sie ohne militärische Ausrüstung an Bord auslaufen sollten. Eines der Schiffe hatte bereits die Genehmigung zum Auslaufen, als im Nahen Osten etwas geschah, das den französischen Staatspräsidenten in seinem Entschluß, keine Waffen irgendwelcher Art an Israel zu verkaufen, noch bestärkte: Am 28. Dezember 1969 übte ein israelisches Helikopter-Kommando einen Vergeltungsschlag auf den Flughafen in Beirut, bei dem 13 Flugzeuge der MEA am Boden zerstört wurden. Unmittelbar danach gab die französische Regierung Anweisung, die Kriegsschiffe in Cherbourg festzuhalten. Eine Woche später schlich sich eine Mannschaft an Bord der drei fast fertigen Patrouillenboote, machte sie in drei Stunden startklar, wärmte die Maschinen auf und fuhr mit gehißter Davidstern-Flagge auf die See hinaus. Fünf weitere Boote, die noch nicht fertiggestellt waren, mußten zurückgelassen werden. Die allerdings wurden dann strengeren Bewachungsmaßnahmen unterworfen und aus der Marine-Werft entfernt. Doch Israel war noch immer entschlossen, in den Besitz dieser Schiffe zu gelangen, die seine Flotte so dringend brauchte. An gefahrliche Aktionen gegen die Palästinenser in Beirut gewöhnt, waren das Militär und die größeren Hitzköpfe in der Spezialeinsatztruppe bereit, einen Zusammenstoß mit den Franzosen zu riskieren. Es wurde sogar davon gesprochen, die übrigen „Kanonenboote", wie sie jetzt genannt wurden, in einem Handstreich zu übernehmen.

Schließlich gewann die Vernunft aber doch die Oberhand, und der Mossad begann zusammen mit dem militärischen Geheimdienst einen rationaleren Plan zu schmieden. Er sollte unter dem Codenamen „Arche Noah" ausgeführt werden. Zunächst leitete Admiral Mordechai Limon, der die Geschäftsdelegation in Frankreich anführte, Gespräche über die schwierige Frage der Schadensersatzforderungen wegen Nicht-Fertigstellung der Kriegsschiffe ein. So konnten israelische Ingenieure, die die Schiffe entworfen hatten, inzwischen in Cherbourg bleiben, bis die Schiffe dafür fertiggestellt waren, um dann anderweitig verkauft zu werden. Um die französischen Behörden dahin zu bringen, die Schiffe zu verkaufen, traf der Mossad umfangreiche Vorbereitungen. Martin Siem, Direktor der norwegischen Reederei Starboat, half den Israelis bei dem Komplott: Er erschien in Cherbourg und erklärte, er sei daran interessiert, die Schiffe so bald wie möglich zu kaufen, um in der Nordsee nach Ölvorkommen zu suchen. Es sah zwar ziemlich unwahrscheinlich aus, daß offensichtlich für Kriegszwecke gebaute Schiffe dafür geeignet sein sollten, aber das Angebot gewann die Zustimmung der zuständigen französischen Aufsichtsbehörde für Waffenexporte. Wäre man der Sache etwas genauer auf den Grund gegangen, hätte man recht schnell entdeckt, daß Starboat, eine „norwegische" Gesellschaft, deren Schiffe unter der Flagge Panamas fuhren, in Wirklichkeit eine Tochter von Maritime Fruit war, der größten israelischen Schiffahrtsgesellschaft. Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollten französische und norwegische Mannschaften die Schiffe für die neue Gesellschaft übernehmen. Um nun die Täuschung perfekt zu machen, mußten 60 israelische Matrosen, die auch nur entfernt west- oder nordeuropäisch aussahen, gefunden und nach Cherbourg gebracht werden, um die Schiffe für die Fahrt hinaus in den Ärmelkanal zu bemannen. Wie Schafe wurden junge israelische Soldaten vom Mossad und Mitarbeitern des militärischen Geheimdienstes zusammengetrieben, in kleinen Gruppen nach Cherbourg verfrachtet und dort kurz vor Weihnachten 1969 diskret in kleine Hotels einquartiert. Sie müssen wohl die ersten „Quasi-Geheimagenten" der Spionagegeschichte gewesen sein, die nur mit einem Zettel in der Hand dort ankamen, worauf die genauen Anweisungen standen, wohin sie zu gehen hatten!

Das Weihnachtsfest war nicht zufällig als Zeitpunkt gewählt; die Wachsamkeit der Franzosen würde nachlassen. Um den beruhigenden Eindruck zu vermitteln, daß auch die Israelis, die sich schon länger in der Stadt aufhielten, ebenfalls in Feiertagsstimmung waren, reservierte eine Gruppe von Offizieren demonstrativ einen großen Tisch zum Diner im Cafe du Theätre. Schließlich war es soweit: Am ersten Weihnachtstag warfen die fünf Kommandanten gleichzeitig die Schiffsmaschinen an, und die „Kanonenboote" von Cherbourg brausten bei steifer Brise in den Ärmelkanal hinaus, auf die erste Etappe ihrer Reise nach Israel. Unterwegs wurden sie wiederholt von Tankern der Maritime Fruit Company mit Treibstoff versorgt. Georges Pompidou, Nachfolger General de Gaulles im Amt des französischen Staatspräsidenten, mußte zugeben: „Durch die unglaubliche Fahrlässigkeit und indirekte Beihilfe unserer Beamten sehen wir jetzt aus wie die letzten Trottel." Alles in allem war es eine ausgesprochen erfolgreiche, außerdem gewaltlose Mossad-Aktion; nur durch versteckte Manöver und Schlauheit hatte er den Gegner überlistet. Zwei Tage später bewies das Institut schon wieder seine Wendigkeit, diesmal mit einem Kommandounternehmen in Ägypten. Unter seiner Führung landete eine Spezialeinheit der Armee auf dem Flottenstützpunkt Ras Ghaleb am Roten Meer und stahl nach Überwältigung der Wachposten eine sieben Tonnen schwere Radareinrichtung. Sie wurde auseinandergenommen, in Hubschrauber verladen und nach Israel verfrachtet. Die Anlage sollte ursprünglich über weite Entfernungen hinweg alle Flugbewegungen aufzeichnen, die von israelischen Stützpunkten auf der Sinai-Halbinsel ausgingen, und der ägyptischen Verteidigung als Frühwarnsystem dienten.

20. Der Einzelgänger

Ein ganzes Heer von FBI-Beamten schaute verblüfft zu, wie Jonathan Jay Pollard seinen grünen Ford Mustang eines Nachmittags im November 1984 durch die Tore der israelischen Botschaft in Washington fuhr. Bei ihm waren seine Frau und die Familienkatze Dusty. Den Sicherheitsbeamten rief er zu: „Ich bin ein israelischer Spion." Das war der Anfang vom Ende eines bizarren Kapitels in der israelischen Spionagegeschichte. Es entwickelte sich zu einer regelrechten Affäre, die das enge Bündnis zwischen den USA und Israel bis in seine Grundfesten erschütterte. Pollard war ein freiwilliger Amateurspion, amerikanischer Jude und ein intellektueller Phantast, der sich bei seinen Freunden schon mit der falschen Behauptung aufgespielt hatte, er sei ein „hohes Tier" beim Mossad, lange bevor er überhaupt mit dem israelischen Geheimdienst in Berührung kam. Er hatte für verschiedene Nachrichtenabteilungen der US-Marine gearbeitet und war im Jahr 1979 in Washington als Aus werter im Büro des Nachrichtendienstes der US-Flotte eingestellt worden. Dieser qualifizierte und tüchtige Mann identifizierte sich mit den Sorgen und Triumphen Israels, bewunderte dessen Helden und wollte seinen Teil zum Wohl des Landes beitragen. Seine Chance kam endlich, als ihm ein einflußreicher Verwandter in New York von einer Begegnung mit dem israelischen Flieger-As Oberst Aviem Sella, erzählte. Sella gehörte zu dem Geschwader, das den irakischen Atomreaktor zerstört hatte. Er war auf einer Spendenbeschaffungstour in den Vereinigten Staaten unterwegs und erzählte unter anderem auch von seiner Teilnahme an den Luftschlachten über dem Libanon während der israelischen Invasion; im Verlauf dieser Operationen hatte die Luftwaffe die MiG-Geschwader der Syrer fast voll-

ständig vernichtet. Solche Geschichten über Kühnheit und Erfolg gefielen Pollard; er ließ sich dem verwegenen Oberst vorstellen und bot spontan an, Israel mit Geheimakten, zu denen er durch seine Arbeit im Nachrichtendienst Zugang hatte, zu versorgen. Oberst Sella hatte als Kampfpilot natürlich wenig Spionage-Erfahrungen, berichtete aber den Nachrichtendiensten seines Landes von dem Angebot. Der Mossad wußte schon einiges über Pollard; sein Name tauchte in einigen Geheimdienstdossiers auf. Die Kollegen in Washington waren skeptisch, was Pollard betraf, zweifellos weil er ein merkwürdiger Zeitgenosse war und zur Angeberei neigte. Deshalb zögerten sie auch, sein Angebot anzunehmen. Wie alle ProfiSpione brachten sie Freiwilligen ein gesundes Mißtrauen entgegen und fürchteten, daß gerade Pollard sie in eine Falle hineintreiben könnte, die von der CIA gelegt war, um zu überprüfen, ob der Mossad Aktionen im erklärten Interessensgebiet der CIA unternahm. Ein weiterer Grund für ihre Zurückhaltung war, daß man beim Mossad prinzipiell die Anwerbung von Diaspora-Juden mißbilligte. Man fürchtete den Schadens-Effekt, den eine Enttarnung für alle Glaubensgenossen in dem betreffenden Lande haben konnte. Diese Ansicht des Instituts wurde allerdings von einem Teil des Lakam nicht geteilt, eben der Organisation, die eingerichtet worden war, um das Verteidigungsministerium mit wissenschaftlichem Informationsmaterial zu versorgen, das normalerweise zwar öffentlich eingeholt wurde, wenn notwendig aber auch im Geheimen. Der Lakam hatte seine Verbindungsleute bei Konsulaten in New York, Boston und Los Angeles. In New York war es der Wissenschaftsattache Josef Yagur am dortigen Konsulat. Man befragte ihn über seine Ansicht zu Pollards Angebot, und er schickte einen Bericht zum Hauptquartier in Tel Aviv. Dieser Bericht zog die Aufmerksamkeit von Rafael Eitan auf sich, dem damaligen Chef von Lakam und ehemaligen stellvertretenden Einsatzleiter beim Mossad. Nach fast 20 Jahren Dienst war er nach und nach aus dieser Organisation hinausgedrängt worden. In Israel unter dem Namen „Rafi das Ekel" bekannt, war er ein enger Freund von Menachem Begin und General Ariel Scharon und in den Kreisen des regierenden Likud-Blocks sehr einflußreich, als Begin Premierminister war. Damals wurde er als Berater für die Terrorabwehr ins Büro des Premierministers berufen.

In seiner zweiten Eigenschaft als Chef von Lakam stand Eitan wegen jüngster Erfolge beim Zugriff auf wissenschaftliche Daten hoch im Kurs. Als nun Pollard auf der Bühne erschien, sah er eine gute Gelegenheit, seine Fähigkeiten als Spionagechef noch einmal unter Beweis zu stellen, und nutzte seinen Einfluß an höchster Stelle, um die Genehmigung zu erhalten, Oberst Sella die mögliche amerikanische Quelle bei einem privaten Treffen weiter ausloten zu lassen. In diesem Gespräch erneuerte Pollard sein Angebot, geheimes Informationsmaterial zu liefern. Oberst Sella vermittelte ihm ein paar Grundregeln für Kontaktanrufe aus öffentlichen Telefonzellen und schlug dafür einen einfachen Code vor, der die Buchstaben des hebräischen Alphabets benutzte. Pollard sollte von Josef Yagur aus dem Konsulat in New York seine Anweisungen bekommen. Aber Rafael Eitan wollte den neuen Agenten selbst treffen und arrangierte für Jonathan Pollard und seine Frau im Jahr 1984 eine Europareise, die natürlich von den Israelis bezahlt wurde. Wie alle Geheimdienste bestand auch der israelische darauf, daß ein Spion für seine Aktivitäten bezahlt wurde, um ihn noch enger an sich zu binden. Falls es jemandem auffiel, daß der Freund plötzlich mehr Geld als früher ausgab, wurden Gerüchte über einen reichen Onkel in Frankreich in Umlauf gesetzt. Zuerst widerstrebend, akzeptierte Jonathan Pollard schließlich 30 000 Dollar im Jahr, die auf ein Schweizer Konto überwiesen wurden. Seine Frau Anne nutzte den Vorteil des neugewonnenen familiären Wohlstands bald für längere Einkaufsbummel. In die Vereinigten Staaten zurückgekehrt, begann Jonathan Pollard, ganze Stapel von Geheimunterlagen zu entwenden, von denen viele gezielt durch Anweisungen aus Tel Aviv unter Angabe von Inhalt und Aktenziffer angefordert wurden. Ohne große Schwierigkeiten konnte er an Papiere herankommen, die er angeblich für seine diversen Aufgaben im Nachrichtendienst der Marine brauchte, obwohl er sich in Amerika damals hauptsächlich mit Terrorismus und Terrorabwehr befaßte. Die israelischen Auftraggeber mußten seinen Eifer bremsen; sie teilten ihm mit, Unterlagen über Terroranschläge seien nicht gefragt. Sie waren vielmehr an Materialien über den Entwicklungsstand einer arabischen Atombombe und an den Standorten von Chemiewaffen-Fabriken im Irak und in Syrien interessiert. Israel fürchtete schon seit langem, die arabischen Gegner könn-

ten eines Tages in der Lage sein, Atom- und Chemie-Waffen einzusetzen, eine Gefahr, die sich erstmals drohend ankündigte, als Oberst Nasser in den fünfziger Jahren darauf spezialisierte deutsche Wissenschaftler einstellte. Die Pollards unternahmen eine weitere Europareise; sie besuchten im Juli 1985 auch Israel, um sich eingehender mit Rafael Eitan zu beraten. Zwei Monate später bekam Jonathan aus einer anderen amerikanischen Behörde Details über die Luftverteidigungssysteme von Libyen, Tunesien und Algerien in die Hand. Für die Israelis waren diese Daten für die präventive Planung von Vergeltungsmaßnahmen sehr wichtig, mit denen auf Terroranschläge geantwortet werden sollte. Pollard lieferte auch Details über sowjetische, französische und amerikanische Schiffsbewegungen im Mittelmeer. Ziemlich bald ergab sich eine Gelegenheit, die Früchte dieser Spionageaktivitäten praktisch zu nutzen. Im September beschloß Israel, den palästinensischen Überfall in Larnaka auf Zypern zu rächen. Zwei arabische Scharfschützen und ein von der Truppe 17 der PLO neuangeworbener Brite hatten eine israelische Jacht gekapert und drei israelische Staatsbürger ermordet. Eine Woche später flogen acht F-16-Jäger der israelischen Luftwaffe einen Fern-Einsatz über das Mittelmeer. Das PLO-Hauptquartier in Hammamet nahe Tunis wurde bombardiert. 60 Menschen wurden dabei getötet, darunter auch Mohammed Natour, der Befehlshaber der Truppe 17. Alle Flugzeuge kehrten unversehrt zurück. Der Erfolg dieser Aktion war zum einen Teil den Informationen zu verdanken, die von amerikanischen Agenten geliefert worden waren, und zum anderen den Aufnahmen von US-Satelliten, anhand derer sich die Position des Hauptquartiers und seine Luftverteidigung lokalisieren ließ; Jonathan Pollard hatte sie übermittelt. Der eifrige Agent in den Vereinigten Staaten verdoppelte nun seine Bemühungen, große Mengen streng geheimer Dokumente zu liefern. Er wurde so dreist, daß er aus der Sicherheitszone, in der er arbeitete, ganze Stapel von Materialien entwendete. Nach Plan fuhr er dann regelmäßig zu einem bestimmten Wohnblock und ließ den ganzen Schatz bei Irit Erb, der Sekretärin des Wissenschaftsattachds an der israelischen Botschaft, zurück. Sie brachte die Papiere dann in eine konspirative Wohnung, die im selben Wohnblock angemietet und mit

speziellen Fotokopiergeräten für Satellitenfotos und andere Geheimdokumente ausgestattet war. Später holte Pollard die Unterlagen wieder ab und brachte sie an ihren Standort zurück. Mit der Zeit beschäftigte Lakam ein ganzes Team, das diese Fülle von Geheimdokumenten bearbeitete. Und Pollard bekam einen neuen Auftraggeber - eine obskure Persönlichkeit namens Uzi, dessen wahre Identität nie festgestellt werden konnte. Man nimmt an, daß es sich um einen israelischen Waffenhändler in den USA handelte, der auch im Zusammenhang mit dem „ Irangate-Skandal" Waffen an den Iran verkaufte. Zu dieser Zeit arbeitete Jonathan Pollard als Ein-Mann-Agentur; alle Ergebnisse des Sammelfleißes amerikanischer Geheimdienste wanderten direkt an den Mossad weiter. Bei seiner Suche nach Geheimdokumenten wurde er bald aber doch unvorsichtig, und seine Aktivitäten zogen die Aufmerksamkeit eines Kollegen auf sich, der beobachtete, wie Pollard den Bürokomplex mit einem ganzen Stapel offensichtlich als geheim gekennzeichneter Kommunikationsunterlagen verließ. Sein Chef Jerry Agee mochte Pollard nicht und wurde schließlich ebenfalls mißtrauisch. Als er die Liste von Akten durchsah, die Pollard bearbeitet hatte, entdeckte er, daß sich unter ihnen Papiere über sowjetische Waffensysteme und arabische Truppenstärken befanden, die augenscheinlich nichts mit der Arbeit zu tun hatten, für die Pollard von der amerikanischen Marine bezahlt wurde. Nach einer langen Phase sorgenvoller Beobachtung kam Agee zu dem Schluß, daß die einzige Erklärung für Pollards Verhalten sein mußte, daß er für ein anderes Land spionierte. Schließlich beschloß er, den Sicherheitsdienst und das FBI zu informieren. Mit Hilfe einer versteckten Videokamera überwachte man Pollard in seinem Büro und überraschte ihn, als er bestimmte Papiere durchlas und sie mit einer Liste verglich, die offensichtlich so etwas wie die Einkaufsbestellung eines Spions darstellte. Er wurde zur Rede gestellt und verhört. Da er noch nicht unter Arrest stand, bekam er die Erlaubnis, mit seiner Frau zu telefonieren, um ihr mitzuteilen, daß er im Büro aufgehalten worden sei, und erwähnte dabei das Wort „Kaktus". Wie sich später herausstellte, war das ein vorher abgesprochenes Codewort dafür, daß er in Schwierigkeiten war.

Es war ein kritischer Moment: An diesem Abend hatten die Pollards eine Verabredung zum Essen mit Oberst Sella, der wieder einmal in Washington war, dieses Mal mit seiner Frau. Die in Panik geratene Anne Pollard rief den Oberst an und traf sich für einige Minuten mit ihm. Zu später Stunde sah sich Sella plötzlich in einer fatalen Klemme: Er besaß keine diplomatische Immunität und erkannte, daß nun auch er in Gefahr war, als Spion verhaftet zu werden. Es gab nur eins - so schnell wie möglich die Vereinigten Staaten zu verlassen. Allerdings gingen in dieser Nacht keine Auslandsflüge mehr aus Washington ab, also fuhren Sella und seine Frau in einem Mietwagen nach New York und flogen am frühen Morgen mit falschen Pässen nach London. Auch Josef Yagur vom israelischen Konsulat in New York war eingeschaltet worden, aber er konnte wenig tun. Der Mossad hatte selbstverständlich wie jeder Geheimdienst immer auch Pläne bereit liegen, wie seine Agenten in Not gerettet werden konnten. Allerdings war dieses Unternehmen von Amateur-Agenten ausgeführt und vom Lakam geleitet worden, der es offensichtlich versäumt hatte, Hilfestellung für ihre einmal in Not geratenen Agenten vorzubereiten. „Rette sich wer kann" war also jetzt die Devise für israelische Diplomaten, die in die Pollard-Affäre verwickelt waren. Josef Yagur, Irit Erb und Ilar Ravid, ein weiterer israelischer wissenschaftlicher Mitarbeiter, verließen Hals über Kopf die Vereinigten Staaten - diplomatische Immunität hin oder her. Jonathan Pollard wußte davon nichts, aber auch er war in Panik geraten, obwohl ihm versichert worden war, das dankbare Israel, für das er so viel auf sich genommen hatte, werde sich um ihn kümmern. Er hatte die Vernehmungsbeamten hingehalten und hoch und heilig versichert, er habe keine Spionage gegen die USA betrieben und keinesfalls beabsichtigt, Amerika Schaden zuzufügen. Man zögerte noch, ihn zu verhaften, weil zu wenig eindeutige Beweise vorlagen, die für eine Anklage und ein Gerichtsverfahren ausreichten. Aber er wurde unter ständige Bewachung durch ein FBI-Team gestellt. Kopflos packten er und seine Frau ihre Koffer, nahmen die Katze und fuhren über Umwege auf die Flagge mit dem Davidstern zu, die am Gebäude der israelischen Botschaft wehte. Vor den Augen der überraschten FBI-Beamten fuhr er, dicht hinter einem Diplomatenwagen,

die Auffahrt zur Botschaft hinauf und verhandelte mit einem Sicherheitsposten. Der aber hatte strikte Anweisung, Pollard zurückzuweisen, denn Israel hatte nicht das geringste Interesse daran, die bereits gespannte Lage noch dadurch aufzuheizen, daß sich ein enttarnter Spion auf seinem Botschaftsgelände aufhielt. Als Jonathan Pollard das Gelände wieder verlassen hatte, wurde er umgehend verhaftet. In Jerusalem war die Panik genau so groß wie unter den israelischen Diplomaten in den Vereinigten Staaten, die das Land so eilig verlassen hatten. Mit diesen ersten Schritten wollte man einfach Zeit gewinnen, und der israelische Geheimdienst ging still und leise in Deckung. Während man noch versuchte, den Schaden zu begrenzen, überhäuften sich die verschiedenen Abteilungen des Geheimdienstes gegenseitig schon mit massiven Vorwürfen. Der Mossad selbst gab der dilettantischen Inszenierung der Pollard-Unternehmung die Schuld, und einige Mitarbeiter ließen durchblicken, sie seien überzeugt, daß diese peinliche Situation nie entstanden wäre, wenn man lieber ihnen die ganze Angelegenheit überlassen hätte. Jonathan Pollard schleuderte bald einige scharfe Vorwürfe in Richtung Rafael „Rafi" Eitan. Später sagte er zu Wolf Blitzer von Act Jerusalem Post: „Der Grad an Professionalität, den Rafi bei dieser Sache an den Tag legte, war mehr als armselig - das Ganze war einfach kriminell und dilettantisch." Der Sprecher des israelischen Außenministeriums Aviem Patzer erklärte, daß der Regierung nichts über Pollard bekannt war. „Wir wissen nicht das Geringste über diesen Vorfall. Wir werden ihn überprüfen", war sein Kommentar. In Washington fragte Präsident Reagan in verletztem, verwirrtem Ton: „Warum tun sie das?" Premierminister Shimon Peres und sein Außenminister Yitzhak Schamir, die im Kreuzfeuer der Kritik zorniger amerikanisch-jüdischer Politiker standen, ließen Außenminister Shultz wissen, daß auch sie von der Affäre überrumpelt worden seien. Sie riefen die Leiter aller Geheimdienstabteilungen zu sich, um herauszufinden, was eigentlich schiefgelaufen war. Eitan brachte einige sehr fadenscheinige Ausreden vor: Das Unternehmen, sagte er, sei mit der Zielsetzung begonnen worden, aufzuklären, ob die USA Israel bespitzelten. Er habe geglaubt, daß kein Schaden entstünde, solange man nicht gegen die Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten verstieß. Und dann log er auch noch, er habe an-

genommen, daß der Lakam eine Genehmigung für das Unternehmen besaß. Eine Kommission, bestehend aus Avraham Schalom von Schin Beth, Hanan Bar-On, dem stellvertretenden Ministerialdirigenten im Außenministerium, und Ram Caspi, einem Rechtsanwalt aus Tel Aviv und Freund von Peres, brachte eiligst eine offizielle Untersuchung in Gang. Im November urteilten sie dann in ihrem Schlußbericht, Pollard sei Teil einer „Amateur-Einheit für Nachrichtenbeschaffung" gewesen, von deren Aktivitäten die Regierung nichts gewußt habe. In Israel nahm das Koalitionskabinett den Bericht des Ausschusses offiziell an und sah sich gezwungen, die volle Verantwortung für diese zweifellos unglücklichste Episode in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu übernehmen. Außerdem stimmte die israelische Regierung einer Zusammenarbeit mit den amerikanischen Justizbehörden zu und versprach, die gestohlenen Dokumente zurückzugeben. Damit aber war das amerikanische Außenministerium noch keineswegs zufrieden; es kritisierte, daß Israel nicht, wie versprochen, sofort zu einer umfassenden und raschen Zusammenarbeit bereit gewesen sei, um die Angelegenheit zu klären. Peres entschuldigte sich bei Außenminister Shultz und versicherte, man werde es nicht mehr zulassen, daß sich derlei Machenschaften wiederholten; er sagte außerdem zu, daß der Lakam aufgelöst werden sollte. Während der langen Zeit, die Pollard in den USA auf seinen Prozeß wartete, reiste eine größere amerikanische Juristendelegation nach Israel, um vor Ort Untersuchungen anzustellen. Angeführt von Abraham Sofaer, dem Berater für Justizangelegenheiten im Außenministerium, vernahm sie Rafael Eitan, Yagur, Frau Erb, Ravid und andere Verdächtige aus dem Geheimdienst. Die Vernehmungen fanden in einem Klub auf dem Land in der Nähe von Tel Aviv statt. Hier wurde zunächst die Rolle Oberst Sellas erörtert, sein Name selbst wurde aber nicht erwähnt. Sella war als Kampfflieger so bekannt, daß sich bei einer Nennung in den Berichten kaum die Behauptung aufrechterhalten ließ, das Unternehmen sei nicht offiziell bekannt gewesen. Es wurde als selbstverständlich angesehen, daß ein Offizier in solch hoher Position unmöglich in so schwere Spionagevergehen hätte verwickelt sein können, ohne daß wenigstens der Befehlshaber

der Luftwaffe oder der Stabschef davon erfahren hätten. Aviem Sella selbst war ins Ausland geschickt worden, damit er sozusagen aus dem Weg war; er stand für eine Vernehmung nicht zur Verfügung. Die Bemühungen der amerikanischen Delegation waren also fruchtlos, so daß Abraham Sofaer drohte, abzureisen, falls er nicht mehr Informationen bekäme. Der damalige Chef des FBI William Webster, dessen Mitarbeiter die Affäre in Amerika untersuchten und sich auf Jonathan Pollards Prozeß vorbereiteten, sprach von einer „punktuellen Kooperation" der Israelis. Er hatte bereits Beweise, daß sie bei der Untersuchung der Spionageaffäre logen. Innerhalb weniger Monate war den amerikanischen Justizbehörden danach das ganze Ausmaß des PollardUnternehmens bekannt; auch die Rolle, die Oberst Sella gespielt hatte, wurde aufgedeckt. Die israelische Regierung bestritt jedoch weiterhin, daß die Spionageaktivitäten in Amerika von höchster Stelle genehmigt worden seien. Der offizielle Sprecher drückte es so aus: „Es war eine nicht genehmigte Abweichung vom klaren Grundsatz der israelischen Politik, daß in den USA keinerlei Spionage oder ähnliche Aktivitäten betrieben werden, die sich gegen die Interessen der Vereinigten Staaten richten. Schließlich ist Amerika ein aufrichtiger Freund Israels." Diese aufgesetzte Zerknirschung wurde allerdings wieder sehr in Frage gestellt, als Rafael Eitan gleich nach seiner Entlassung als Chef des Lakam und Sonderberater für die Terrorabwehr zum Direktor der staatseigenen Firma Israeli Chemicals ernannt wurde. In den Augen der Amerikaner sah das wie eine Anerkennung für geleistete Dienste aus. Den gleichen fatalen Eindruck erweckte die Beförderung Oberst Sellas zum Kommandeur des zweitgrößten israelischen Luftwaffenstützpunktes bei Tel Nof, einer Einrichtung, die mit amerikanischer Unterstützung gebaut war. Diese Beförderung empörte die Amerikaner noch mehr; Sella mußte daher das Kommando wieder abgeben („für Israel und die guten Beziehungen mit den USA", wie er es ausdrückte), nachdem das amerikanische Personal angewiesen worden war, den Stützpunkt zu bestreiken. Statt dessen wurde Sella nun als Direktor der Stabsakademie der israelischen Armee eingesetzt. Am 3. März 1987 sprach ein amerikanisches Gericht Oberst Sella in Abwesenheit des Spionagevergehens für schuldig.

Ihm wurde vorgeworfen, eine Verschwörung zur Lieferung von Informationen angezettelt zu haben, die die nationale Verteidigung der USA betrafen, und in der Folge diese Lieferungen angetrieben und illegal geheime Informationen entgegengenommen zu haben. Jetzt merkten die Israelis doch allmählich, daß sie wirklich zu weit gegangen waren. Noch bevor der Prozeß gegen Jonathan Pollard stattfand, legte der amerikanische Verteidigungsminister dem Gericht eine eidesstattliche Erklärung vor (deren Inhalt damals geheim blieb), daß der Angeklagte „der nationalen Sicherheit beträchtlichen Schaden" zugefügt habe. Diese Erklärung begründete er später so: „Möglicherweise war es dem Gericht nicht bewußt, daß die Aktivitäten des Angeklagten einen Schaden in dieser Größenordnung bewirkt haben, und ich hielt es für notwendig, dem Gericht eine umfassende Darstellung zu liefern, damit ein angemessenes Urteil gefällt werden konnte." Er wies daraufhin, daß Geheiminformationen, auch wenn sie an befreundete Staaten weitergegeben wurden, die USA trotzdem schädigen konnten, weil sie auch unvorhersehbaren Zwecken dienen könnten: zum Beispiel auch ein genaueres Bild über amerikanische Fähigkeiten und Kenntnisse - oder Mangel an Kenntnissen - auf einigen Gebieten zu vermitteln. Bei einem legalen Austausch von Geheimmaterial waren daher bestimmte Auflagen zu beachten. Informationsquellen und die Methoden der Nachrichtenbeschaffung mußten geschützt werden, gleich ob es sich dabei um Personen, elektronische Abhörtechniken oder um Material aus fotografischer Überwachung handelte. Bei einer illegalen Spionagetätigkeit habe man diese Garantien nicht. Nach Ansicht des Verteidigungsministers bestand durchaus die Möglichkeit, daß Amerikaner und US-Kampftruppen „durch eine erfolgreiche Auswertung solcher Materialien gefährdet werden könnten". Auch die amerikanische Außenpolitik konnte schweren Schaden nehmen, nachdem sich Israel das Geheimmaterial für sein Zwecke angeeignet hatte. Das betraf beispielsweise Daten über das PLOHauptquartier in Tunis und über Verteidigungsanlagen in Nordafrika, aufgrund derer die Israelis Ziele in Staaten angriffen, die den USA freundlich gesinnt waren. Außerdem wurde die Affäre als schwerer Rückschlag in bezug auf die amerikanisch-israelischen Vereinbarungen zum Nachrichtenaustausch gewertet. Am meisten

beunruhigte die Amerikaner aber, daß die Dokumente, die den Israelis zugegangen waren, etliche getarnte Informanten identifizierbar machen und auf die Spur von Agenten vor Ort führen konnten. Es war immerhin möglich, daß der Mossad diese Informanten ausnutzte und sie dadurch in Gefahr bringen konnte. Pollard hatte inzwischen zugegeben, daß er Material der höchsten Geheimhaltungsstufe in großem Umfang an seine israelischen Auftraggeber weitergegeben hatte; nicht weniger als 800 Geheim-Unterlagen und 1 000 geheime Nachrichten hatte er ihnen tatsächlich zukommen lassen. Jonathan Pollard wurde schließlich zu lebenslänglicher Haft verurteilt, seine Frau Anne als seine Komplizin zu fünf Jahren. Neben den offensichtlichen, unmittelbaren Konsequenzen, aus denen wiederum amerikanische Vorwürfe und tiefes Mißtrauen gegenüber der internationalen Ausweitung israelischer Nachrichtendiensttätigkeiten entstanden, hatte die Pollard-Affäre auch nachhaltige Auswirkungen auf die Beziehung Israels zu den in der Diaspora lebenden Juden. Amerikanische Juden waren zutiefst schockiert darüber, daß Lakam, 'Außenseiterunternehmen' oder nicht, vorsätzlich Verteidigungsgeheimnisse der Vereinigten Staaten gestohlen hatte. Andere jüdische Gemeinden außerhalb Israels teilten ihre Erregung. Sogar unter den Zionisten wurde die vorbehaltlose Unterstützung der 'Heimat' - die bisher als selbstverständlich angesehen worden war - nun in Frage gestellt. Seither gibt es schärfere Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung, besonders nach dem Beginn des Palästinenseraufstandes. Eine eher skeptische Einstellung zur israelischen Invasion des Libanon und zur Rolle der Sicherheitsdienste bei den Massakern von Sabra und Chatila hatte schon bestanden, als die Pollard-Affäre allmählich ans Licht kam. So waren Juden im Ausland etwa auch wegen der Kontroverse um die militärische Unterstützung Israels für Südafrika sehr erregt. Ein anderer Kritikpunkt war die sture Haltung Israels bei der Emigration sowjetischer Juden: Die Regierung in Jerusalem beharrte nach wie vor darauf, daß sie sich in Israel ansiedeln mußten. Dieser Zwang fand in jüdischen Kreisen in den USA kein Verständnis: Auch sowjetische Emigranten sollten das Recht haben, sich dort niederzulassen, wo sie wollten.

Als die Pollard-Affäre publik wurde, schrieb William Saffire, der Kolumnist der New York Times: „Jüdische Amerikaner fühlen sich doppelt betrogen. Viele fühlen sich hier erst einmal als Amerikaner beleidigt, weil unsere für Israel- Hilfe bezahlten Dollars dazu benutzt wurden, an amerikanische Geheimnisse heranzukommen. Dann noch einmal wegen der schamlosen Ausnutzung von Jonathan Pollards Bewunderung für Israel durch israelische Spionagechefs. Denn die sind hinsichtlich der Sittenwidrigkeit einer Anstiftung zum Hochverrat und der Konsequenzen bei einer Enttarnung auf einem Auge blind." Amerikanische Juden waren mehrheitlich der Ansicht, die Sicherheitsdienste hätten sich bei dem Versuch, einen Spionagering innerhalb der amerikanischen Nachrichtendienste aufzubauen, skrupellos und dumm verhalten. Ihre Regierung war Opfer einer kriminellen Handlung geworden, und sie waren entrüstet und besorgt, weil ihre patriotische Loyalität zu Amerika unnötig ins Zwielicht geraten war. Eine Meinungsumfrage von CBS News und der New York Times im Jahr 1987 zeigte, daß die meisten Amerikaner glaubten, die PollardAffare werde keine nachhaltigen Folgen für die amerikanisch-israelischen Beziehungen haben. Unter den befragten Juden erwiderte eine überwältigende Mehrheit, daß amerikanische Juden die Interessen Israels nicht über die der Vereinigten Staaten stellten. Gemeinsame Interessen der Vereinigten Staaten und Israels gewährleisteten schließlich, daß das Bündnis und die Freundschaft den Einbruch überleben würden. Sogar ein so großer Skandal konnte die Interessengemeinschaft zweier Staaten nicht sprengen, die ähnliche politische, ökonomische und strategische Ziele verfolgten. Das aber verhinderte nicht, daß die Atmosphäre des Mißtrauens und der Verdächtigungen noch eine ganze Weile bestehen blieb. Amerikanische Nachrichtendienstler sprachen in der Folgezeit immer häufiger von weiteren israelischen Geheimdiensttätigkeiten in den Vereinigten Staaten und erinnerten an einige Fälle, in denen nichtjüdische Amerikaner, von ihren pro-israelischen Gefühlen dazu verleitet, Geheiminformationen weitergegeben hatten. John Davitt, ehemaliger Leiter des internen Sicherheitdienstes im Justizministerium, behauptete, daß „die israelischen Geheimdienste aktiver als alle anderen, den KGB ausgenommen," seien. „Ihre Tätigkeit zielt

auf die Vereinigten Staaten etwa zur Hälfte, zur anderen Hälfte auf arabische Staaten." Im Gefolge der Pollard-Affäre unterzog sich Israel noch einmal einer gründlichen Selbstprüfung in bezug auf seine Geheimdienste; diesmal führte das zu der Forderung nach weiteren Untersuchungen. Die „Bestellisten" für Pollard waren aus ja allen Heeresteilen gekommen, und das bedeutete: Viele Leute wußten also Bescheid. Wenn dieser Spion angeblich nicht dem Mossad unterstand, mußte man annehmen, daß der Mossad deshalb nicht mit seiner üblichen Professionalität operiert hatte, weil er über die Machenschaften der Kollegen beim Lakam einfach nicht informiert war. Zwei Regierungsberichte von 1987 mißbilligten die mangelhafte Führung, Aufsicht und Organisationskontrolle, die israelische Politiker ihren Geheimdiensten widmeten. Ein Grund dafür lag zweifellos in den politischen Vereinbarungen über die alternierende Regierungsführung von Yitzhak Schamir vom Likud-Block und Shimon Peres mit der Arbeiterpartei. Koalitionsregierungen waren notorisch entscheidungsschwach und führten zu Komplikationen, wie Peres es ausdrückte: „Faktisch gehören wir derselben Regierung an, während wir gleichzeitig einen Wahlkampf gegeneinander führen." Unter solchen Bedingungen war es nicht weiter erstaunlich, daß die Geheimdienste versucht waren, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Für ihre Unternehmen heuerten sie außenstehende Amateure an und glaubten, daß das ganz im Interesse Israels sei. Viele prominente Israelis äußerten ihre Besorgnis über die lückenhafte Aufsicht über die Staatsorgane; So warnte Professor Yitzhak Zamir, führender Jurist und ehemaliger Generalstaatsanwalt: „In letzter Zeit sind wegen mangelnder Regierungsaufsicht über die Aktivitäten der Geheimdienste schreckliche Dinge passiert. Das darf sich nicht wiederholen, denn der Staat Israel erleidet dadurch ebenso viel Schaden wie der Geheimdienst selbst."

21. Dimona

Altgediente Mossad-Mitarbeiter mußten sich rasch an eine fremdartige Welt gewöhnen, als die israelischen Politiker immer entschlossener wurden, den Staat ins Atomzeitalter zu führen. Es stellte sich aber bald heraus, daß die Methoden, die dafür angewendet wurden, sehr denen ähnelten, die die Geheimagenten bereits beherrschten nur der Gegenstand war neu. Bevor Israel damit beginnen konnte, seinen ersten Atomreaktor zu bauen, mußten die notwendigen Rohstoffe für den Kernspaltungsprozeß illegal beschafft werden, und der Mossad machte sich daran, unter großangelegten Täuschungsmanövern Uran zu importieren. Seine Agenten, an illegale Waffengeschäfte gewöhnt, zögerten nicht, die üblichen kriminellen Tricks anzuwenden, um der Aufmerksamkeit internationaler Atomkontrollbehörden zu entgehen. Diese überwachten die internationalen Uranvorräte und den Uranabbau, um auf diesem Wege die unkontrollierte Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Radioaktives Material für militärische Zwecke war ausschließlich für westliche Nationen reserviert, die dem „Klub der Atommächte" angehörten - die USA, Großbritannien und Frankreich. Jenseits Eisernen Vorhangs besaßen sowohl die Sowjetunion als auch China die Atombombe und teilten, bis zu einem gewissen Punkt, den westlichen Grundsatz, daß kein Staat mit geringerer Machtposition die Massenvernichtungswaffe in die Hand bekommen dürfe. Aber der gewaltige militärische Vorteil, der im Besitz eines Atomwaffenpotentials lag, war Israel ebenso bewußt wie den Ländern der islamischen Welt - und Israel beschloß, als erster den Zugriff darauf zu bekommen. Also begann die Regierung Pläne auszuarbeiten, um die Menge Uran, die für eine spätere Waffenproduktion nötig war, zu erwerben.

Die Anfänge des israelischen Atomprogramms reichten bis in die Zeit kurz nach der Unabhängigkeit zurück. Chaim Weizmann, der erste Präsident Israels und selbst ausgezeichneter Biochemiker, regte israelische Wissenschaftler zur Forschung in dieser Richtung an und richtete eine besondere Abteilung für Atomphysik im wichtigsten Forschungsinstitut des Landes ein. Weizmann und die damaligen Staatsgründer erachteten den Bau eines Atomreaktors als sehr wichtig. Der geeignetste Ort dafür war die Negev-Wüste, wo bereits Uranvorkommen entdeckt worden waren. Der Bau eines Atomreaktors wurde ursprünglich damit gerechtfertigt, daß man neue Wege der Energiegewinnung erschließen müsse, da Israel mit natürlichen Energiequellen nicht gerade gesegnet ist. Atomkraft, so argumentierte man, könnte Entsalzungsanlagen betreiben, die man für die Bewässerung von Ackerland brauchte. Ein offizieller Beschluß, Atomwaffen zu entwickeln, wurde 1955 getroffen, und nach dem Sechs-Tage-Krieg wurden die Anstrengungen zur Errreichung dieses Ziels weiter intensiviert, als die USA ihre Waffenlieferungen einstellten, die Sowjetunion aber unvermindert die arabischen Staaten weiterhin belieferte. Der Premierminister David Ben-Gurion gab seiner Überzeugung Ausdruck, daß „der Staat Israel ein eigenes Forschungsprogramm für seine Verteidigung braucht. Nie wieder sollen wir wie Lämmer zur Schlachtbank gefuhrt werden". Der Atomphysiker Ernst David Bergman, ehemaliger Kollege Albert Einsteins, sollte das Projekt einleiten. Als wissenschaftlicher Berater im Verteidigungsministerium hatte er die Aufgabe, israelische Forscher für das Projekt zu gewinnen. 1957 begannen die Arbeiten am Bau des ersten der beiden Atomreaktoren in Dimona. Sie sollten zur Entwicklung einer Atombombe genutzt werden. Shimon Peres, damals einer von Ben-Gurions klugen jungen Mitarbeitern, konnte sich durch beharrliche Einflußnahme auf die französische Regierung bei der Errichtung des Reaktors von Dimona Hilfe von außen sichern. Im Jahr 1956 hatte er sich immer wieder mit den Ministern der sozialistischen Regierung von Guy Mollet getroffen, die sich mit der Suez-Frage auseinandersetzten. Bei diesen Treffen brachte er das schließlich Thema Atomhilfe vor. Als Gegenleistung für die israelische Unterstützung des französischen Suezplans stimmte Verteidigungsminister Bourges Maunoury

schließlich zu. Nachdem Maunoury Guy Mollet im Amt des Ministerpräsidenten gefolgt war, unterzeichnete er, kurz vor seinem eigenen Sturz, zusammen mit dem Außenminister ein streng geheimes Dokument, in dem sie zusicherten, Israel mit einem 24-Megawatt-Reaktor, dem zugehörigen Know-how und Uran zu beliefern. Die israelischen Unterzeichner waren Peres und Asher Ben-Natan, ein alter Geheimdienstagent, der das Verteidigungsministerium vertrat. Das Abkommen war so geheim, daß nur neun Personen davon Kenntnis hatten. Als aber im Jahr 1958 General de Gaulle französischer Staatspräsident wurde, geriet der Plan in Gefahr. De Gaulle sah keine Notwendigkeit darin, daß Israel überhaupt einen Atomreaktor haben sollte. Zwei Jahre später ließ er sich daher von Ben-Gurion die Zusicherung geben, daß die Anlage ausschließlich zu friedlichen Zwecken genutzt würde. Das Unternehmen Dimona unterlag strengster Geheimhaltung. Shimon Peres richtete einen besonderen Nachrichtendienst für Nuklear-Angelegenheiten ein. Mossad und Schin Beth sorgten gemeinsam dafür, daß die gesamte Negev-Region völlig von der Außenwelt abgeriegelt wurde. Man hatte große Angst vor einem Angriff auf den Reaktor, so daß einmal sogar ein militärischer Befehlshaber die schwerwiegende Entscheidung treffen mußte, eine Mirage der israelischen Luftwaffe abzuschießen. Sie war in einem Luftkampf angeschossen worden, trudelte in den Luftraum über Dimona und konnte nicht eindeutig als israelisch identifiziert werden. Doch alle Vorsichtsmaßnahmen der Israelis konnten nicht verhindern, daß die Amerikaner erfuhren, was vor sich ging, und sehr besorgt waren wegen der drohenden Gefahr, die von Atomwaffen im Nahen Osten ausgehen würde. Die geheime Anlage in Dimona wurde erstmals erkannt, als im Jahre 1960 ein amerikanisches U-2 Spionageflugzeug sie aus großer Höhe fotografierte. Auch die Russen wußten von dieser Entwicklung. Trotzdem behauptete die israelische Regierung weiterhin, daß es sich um die Rohbauten für eine Textilfabrik handelte. Auch in der Knesset wurde später erklärt, der Atomreaktor in der Wüste sei für Forschungszwecke gebaut und nicht für die Produktion von Atomwaffen. Bei einem Treffen Bergmans mit Isser Harel, dem damaligen Chef des Mossad, wurden Alternativpläne zur Sicherung der Uranliefe-

rungen entworfen. Dr. Zalman Shapiro, ein jüdischer Zionist, während des Zweiten Weltkriegs als Chemiker in der Forschung des ursprünglichen Manhattan-Projekts beschäftigt, das in den USA von Amerikanern und Briten zur Entwicklung der ersten Atombombe eingerichtet worden war, sollte als wissenschaftlicher Berater in den USA die Organisation übernehmen. 1957 gründete er Numec, die Gesellschaft für atomares Material und Ausrüstung. Die Firma wurde mit israelischen Staatsgeldern finanziert. Obwohl es bei der CIA Mißfallen erregte, wie einfach es für Ausländer war, in der Firmenzentrale in Pennsylvania an Geheiminformationen heranzukommen, und obwohl der Verdacht bestand, daß Dr. Shapiro bei seinen häufigen Israelbesuchen mit Geheimdokumenten handelte, konnte wenig dagegen unternommen werden. Die Atomenergiekommission untersuchte zwar das Verschwinden von 23 kg angereicherten Urans aus der Fabrik, aber der Abschlußbericht stellte fest: „Obwohl nicht sicher ist, daß kein Diebstahl oder keine Schieberei stattgefunden hat, fand die Untersuchung keine Beweise, daß dies tatsächlich der Fall war." Bei der CIA wurde geschätzt, daß bis zu der Zeit, als Numec schließlich seinen Betrieb einstellte, in einem Zeitraum von zehn Jahren mehr als 200 kg Uran verschwunden waren. Ein Teil davon war nach Israel verschoben worden. Die Gesellschaft mußte eine Million Dollar Strafe bezahlen. Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 wurden die Kontrollmaßnahmen in bezug auf die Uranvorräte verschärft, so daß es für die Israelis nun wesentlich schwieriger wurde, an diesen Rohstoff heranzukommen. Der Krieg veranlaßte auch General de Gaulle zu einer politischen Kehrtwendung. Frankreich war seit der Suezkrise 1956 das einzige Land gewesen, das Israel militärische Unterstützung gewährte, nicht zuletzt weil beide Staaten natürliche Verbündete gegen die Araber waren, solange der Algerienkonflikt im Gange war. Als aber dieser Konflikt gelöst war, betrachtete General de Gaulle Israel und die enge Freundschaft zwischen den beiden Ländern jetzt als Hindernis auf den Weg zu einer Versöhnung mit der arabischen Welt. In seinen Memoiren behauptete de Gaulle, er habe damals die nukleare Zusammenarbeit tatsächlich abgebrochen. Fran?ois Perrin aber, französischer Hochkommissar für Atomenergie, gab öffentlich zu, daß Frankreich 1957 einwilligte, einen Reaktor zur Uranproduktion

zu bauen und sagte: „Wir dachten, daß wir die Geheimnisse an Israel weitergeben könnten, unter der Voraussetzung, daß sie sie für sich behielten." Hohe Offiziere wie General Mosche Dayan waren nach wie vor der Überzeugung, daß ein eigenes Atomwaffenarsenal zur Verteidigung des Landes absolut notwendig war. Als Frankreich sich dann aus den ursprünglichen Abmachungen zurückzog, war Meir Amit, der Nachfolger Isser Harels als Chef des Mossad, dafür verantwortlich, daß der Geheimdienst alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzte, um an spaltbares Material und an neueste Forschungserkenntnisse der Atomphysik heranzukommen, auch wenn das bedeutete, daß man dabei internationale Atomwaffenabkommen umgehen mußte. Ziel war es, ausreichend Uran für 20 Atombomben zu bekommen. Die Experten beim Mossad waren voll ausgelastet, um das spaltbare Material für das Dimona-Unternehmen zu beschaffen. Einige der Methoden wurden in der amerikanischen Zeitschrift Rolling Stone beschrieben. Howard Kohn und Barbara Newmann berichteten, daß das Institut eine Spezial-Einheit im Einsatz hatte, die das Uran aus allen nur möglichen Quellen beschaffen sollte. Zu diesem Zweck sei eine Scheinfirma in Europa gegründet worden. Die beiden Journalisten gaben auch Informationen wieder, denen zufolge ein israelisches Team, mit Tränengaskanistern bewaffnet, auf französischen Fernstraßen mit Uran beladene Lastwagen überfiel und entführte. Wie schon in Amerika, hatte der Mossad auch in Europa tatsächlich eine Scheinfirma gegründet. Diese wurde von einem früheren Piloten der deutschen Luftwaffe namens Herbert Schulzen geführt, der Teilhaber an der Asmara Chemie war, eines kleinen und erfolglosen Unternehmens in Wiesbaden. Ihm war von einem israelischen Agenten namens Elijah Sakharov zunächst mitgeteilt worden, daß man an neuen Bleichmitteln interessiert sei. Unter dem Decknamen „der Nazipilot" wurde Schulzen dann nach einer Operation zur Erholung nach Israel eingeladen. Der Mossad veranlagte bald, daß man ihn bei dieser Gelegenheit wieder auf das Handelsgeschäft ansprach. Gegen eine entsprechende Bezahlung willigte er später rasch ein, daß seine Firma als Fassade für Urankäufe benutzt werden konnte. Im März 1968 nahm Schulzen Kontakt mit der Societe Generale des Mineraux auf, einer belgischen Firma, die Uranoxid-Vorräte von

Minen aus Zaire besaß. Er erzählte Denis Dewez, dem stellvertretenden Direktor der für Uran zuständigen Abteilung des Unternehmens, daß das Material in der Produktion von Petrochemikalien als Katalysator gebraucht würde und daß es zu diesem Zweck nach Casablanca in Marokko transportiert werden müßte. Obwohl Dewez über dieses Geschäft seine Zweifel hatte, da er von dieser Art Katalysator noch nie etwas gehört hatte, wurde der Vertrag schließlich in Schulzens Haus in Wiesbaden unterzeichnet. Die Zahlung von 8,5 Millionen D-Mark wurde über eine Schweizer Bank abgewickelt. Dewez war überrascht, als er merkte, daß die deutsche Firma solch ein kleines Unternehmen war. Allerdings hatte der Mossad nicht berücksichtigt, daß für die Verschiffung von Uran nach Marokko eine Einwilligung von Euratom vorliegen mußte, der EG-Behörde, die den Umschlag aller radioaktiven Materialien kontrollierte. In der Mossad-Spezialeinheit brachen Streitigkeiten über diesen Mangel an Voraussicht aus, und ein Mitarbeiter in höherer Position wurde sofort auf einen anderen Posten versetzt. Schleunigst wurde ein anderer Plan improvisiert, nach dem das Uran nun nach Italien gebracht werden sollte, wo man Francesco Serterio, den Besitzer von Saica, einer hochverschuldeten Mailänder Firma, dazu überredete, es weiterzuverarbeiten, obwohl seine Firma noch nie mit solchen Stoffen zu tun gehabt hatte. Dafür mußten sogar spezielle Apparaturen angeschafft werden. Der Plan sah vor, das spaltbare Material auf dem Seeweg von Belgien nach Italien zu bringen, deklariert zur dortigen Weiterverarbeitung. Solche Transaktionen waren legal, da sowohl Belgien als auch Italien der EG angehörten. Der einzige Haken dabei war, daß das Schiff einen Teil seiner Reise in Gewässern außerhalb der EG zurücklegen mußte. Der Mossad verließ sich darauf, daß kein Inspekteur der Atomkontrollbehörden die Firmen überprüfen oder den Verstoß bemerken würde. Ihre Vermutungen waren richtig, es tauchten keine Inspektoren auf. Zunächst wurde ein in Liberia registriertes 1000-BRT-Frachtschiff, die ScheersbergA, in Hamburg für umgerechnet 500 000 DM in bar gekauft. Käufer war ein Türke namens Burham Yarisal. Eine eiligst gegründete Reederei wurde unter dem Namen Biscayne Traders eingetragen, deren Vorsitzender war, wie sich später heraus-

stellte, ein in Dänemark geborener israelischer Agent namens Dan Arbel. Im Oktober trat Kapitän Percy Barrow, in seinem Kapitänspatent als 35jähriger Londoner ausgewiesen, in Wirklichkeit aber ebenso ein Mossad-Agent wie der Rest seiner Mannschaft, mit dem Schiff eine Testfahrt nach Neapel an. Die einzige heikle Situation dabei war die unangenehme Frage von Felix Oboussier, einem westdeutschen Mitarbeiter von Euratom, der wissen wollte, ob die italienische Firma die akquirierte Uranladung wirklich als Katalysator in der Chemieproduktion brauchte. Man versicherte ihm, daß dies der Fall sei. Ende Oktober konnte das Mossad-Team grünes Licht für das Unternehmen „Plombat" geben. Das Wort „Plombat" stand auf jedem der 560 Fässer Uran, die unter der Aufsicht von Schulzen auf die Scheersberg A verladen wurden. Am 15. November lief das Schiff in Antwerpen mit dem Zielhafen Genua aus. Aber es kam dort nie an. Im Mittelmeer nahm es statt dessen Kurs in Richtung Osten, um sich zwei Wochen später mit einem israelischen Tanker vor der Küste von Zypern zu treffen. Dort wurden die „Plombat"-Fässer auf offener See umgeladen und zum Weitertransport nach Dimona zunächst in den Hafen von Haifa gebracht. Vierzehn Monate nach dem Kabinettsbeschluß, das Uran für die Atombombe mit der Hilfe des Geheimdienstes illegal zu beschaffen, war das Unternehmen „Plombat" erfolgreich abgeschlossen. Die Scheersberg A tauchte erst im Dezember wieder auf, und zwar in dem türkischen Hafen Iskenderun. Die letzten beiden Wochen der Fahrt waren im Schiffs-Logbuch nicht verzeichnet. Von Kapitän Barrow und seiner Mannschaft fehlte jede Spur, und als man in den internationalen Schiffsregistern nachschaute, stellte sich heraus, daß der Kapitän eine fiktive, zum Zweck des Unternehmens erfundene Person war. In der Folgezeit veröffentlichten drei israelische Autoren den, wie sie behaupteten, genauen, aber dennoch frei erfundenen Tathergang dieses Abenteuers in dem Buch Operation Uranium Ship (genau aufgrund durchgesickerter Informationen, frei erfunden, um die Quellen nicht zu verraten). Euratom, die europäische Atomkontrollbehörde, brauchte sieben Monate, um Beweise zu sammeln, daß sich der Verbleib der Ladung wirklich im Dunkel verlor. Auch durch polizeiliche Untersuchungen gelang es nicht, herauszufinden, was

wirklich geschehen war. Alle beteiligten Firmen verweigerten die Stellungnahme. Schließlich beschloß die europäische Kommission, die Sache zu den Akten zu legen, damit sie geheimgehalten und somit weitere Peinlichkeiten vermieden werden konnten. Die Mossad-Leiter waren mit dem erfolgreichen Unternehmen äußerst zufrieden. Der Agent Dan Arbel, der entscheidend zur Ausführung des Plans beigetragen hatte, wurde befördert. Anschließend wurde er nach Norwegen versetzt. Er war in Dänemark aufgewachsen und einer der wenigen Mossad-Agenten, die sich in Skandinavien zu Hause fühlten. Deshalb wurde er im Jahr 1971 dazu abgestellt, zusammen mit einer Sondereinheit Ali Hassan Salameh zu jagen, den man als den Hauptverantwortlichen für das Massaker von München ansah. Diese Operation endete jedoch mit einer Katastrophe, als die Kopfjäger in Norwegen den falschen Mann liquidierten. Unter den festgenommenen Mossad-Agenten nach diesem Fehlschlag war ausgerechnet auch Dan Arbel, erst dadurch wurde seine Rolle in der „Plombat"-Operation publik. Die Personalchefs beim Mossad wußten nicht, daß Arbel an Klaustrophobie litt: Er hatte im Zweiten Weltkrieg einige Zeit in einem Keller verbracht, um der nationalsozialistischen Verfolgung zu entgehen. Aus diesem Grund war er jetzt außerordentlich kooperativ und aussagebereit, als er nach einer langen Nacht in seiner Zelle von der norwegischen Polizei vernommen wurde. Zur Überraschung der Norweger gestand er: „Mir gehörte die Scheersberg A." Der erstaunte Geheimdienstbeamte, der die Vernehmung leitete, fragte weiter, und schließlich erklärte Arbel: „Sie brachte das Uran nach Israel." Stück für Stück kam die ganze Geschichte so ans Tageslicht. Der Mossad benutzte die Scheersberg A noch einmal 1969, als seine Agenten die fünf französischen Patrouillenboote aus Cherbourg entführten. Das wieder flottgemachte Schiff war immer noch im Besitz der Reederei Biscayne Traders, deren früherer Inhaber Dan Arbel war. Es wartete auf die entführten Boote vor dem spanischen Hafen La Coruna und versorgte sie mit Treibstoff. Der Mossad schmückte sich gerne mit dem Verdienst, den Forschern in Dimona ausreichend geschmuggeltes Uran beschafft und so die Atomwaffenfabrik mit spaltbarem Material versorgt zu haben. Mit der Zeit konnte der Staat dann auf die Hilfe des Geheimdienstes

verzichten, als die Physiker eine neue Methode zur Anreicherung von Uran in Israel selbst entdeckt hatten. Nach der politischen Strategie der nachfolgenden Regierungen wurde abgestritten, daß Israel Atomwaffen besitze. Im Jahr 1969 wurde Golda Meir vom amerikanischen Präsidenten Nixon in Washington gefragt, ob Israel „irgendwelches gefährliches Spielzeug" besäße, und sie antwortete lapidar: „Ja, sicher." Sie sagte die Wahrheit, und als im Jom- Kippur-Kxieg die vereinigten Truppen von Ägypten und Syrien Israel zu überwältigen drohten, kam die Bestätigung. Der Kommandeur an der nördlichen Front, General Yitzhak Hofi, zweifelte stark daran, daß seine Armee dem Ansturm der syrischen Truppen auf den Golanhöhen länger standhalten konnte und warf die Frage auf, ob man auf atomare Kriegsführung umschwenken sollte. Auch Mosche Dayan glaubte, daß es an der Zeit sei, diese extremste Waffe einzusetzen. Dreizehn Atomsprengköpfe, die in Tunnels unter der Negev-Wüste lagerten, wurden für den Einsatz vorbereitet. In den folgenden 24 Stunden größter Anspannung, während das Kabinett über die schwere Entscheidung beriet, wurden Phantom- und Kfir-Jäger mit Atomwaffen bestückt. Aber der ganze Vorgang wurde von den Sowjets wie auch von den Amerikanern über deren Spionagesatelliten beobachtet. Die Sowjetunion reagierte mit der Drohung, Atomsprengköpfe nach Ägypten zu schaffen, mit denen die dort stationierten, in der Sowjetunion hergestellten Raketen bestückt werden konnten. Eine Gegendrohung der USA führte zu einem atomaren Patt; die Situation stabilisierte sich, aber Israels Geheimnis war jetzt bekannt.

22. Nieder mit Isis und Osiris!

Aus der Sicht Israels erfüllte der Mossad erfolgreich seine patriotische Pflicht, als er mit seinen Aktivitäten dafür sorgte, daß ein gesicherter Vorrat an Rohstoffen vorhanden war, aus dem die Wissenschaftler atomare Waffen zur Landesverteidigung herstellen konnten. Nach dem Krieg 1973 gab es keinen Zweifel mehr, daß Israel im Ernstfall diese schwerste Waffe als letzten Versuch, das Land vor einer arabischer Invasion zu schützen, einsetzen würde. Der israelische Geheimdienst war nun auch auf einer anderen Ebene in das Atomwaffen-Problem verwickelt: Er hatte seinem Land zur Atomwaffe verholfen, nun mußte er auch die Initiative übernehmen, um zu verhindern, daß die arabischen Mächte in den Besitz der Waffe kamen. Niemand wußte besser als der Mossad, wie internationale Vorschriften umgangen werden konnten, damit ein ehrgeizer Staat an Uran und die Reaktoren, die zu seiner Weiterverarbeitung notwendig waren, gelangen konnte. Was der Geheimdienst für sein eigenes Land erreicht hatte, sollte er nun bei verdeckt arbeitenden arabischen Kräften verhindern. Man nahm allgemein an, daß die sogenannte „islamische Bombe" die gesamte Existenz Israels gefährden werde, und es war natürlich die Aufgabe des Mossad und Amans, zu verhindern, daß diese Bedrohung Wirklichkeit würde. Zusammen mit Schin Beth waren sie auch dafür verantwortlich, die eigenem Ergebnisse in der Nuklearforschung vor dem Zugriff ausländischer Agenten zu schützen. So wurde Pakistan, dessen Wissenschaftler das notwendige technische Wissen besaßen, um Atomwaffen herzustellen, mit großem Mißtrauen betrachtet. Es war bekannt, daß auf dem indischen Subkontinent Kernforschung betrieben wurde, und der Verdacht kam

auf, daß reiche arabische Ölförderstaaten derartige Projekte finanzierten. Die Bedrohung kam auch von anderer Seite: Muammar al-Gaddafi kündigte öffentlich an, daß er fest entschlossen sei, sich Atomwaffen zu verschaffen, entweder durch Kauf, was er bereits einige Male versucht hatte, oder durch Finanzhilfen, damit ein befreundeter Staat sie bauen konnte. Die unmittelbarste Bedrohung aber kam aus dem Irak. In den siebziger Jahren wurde es immer wahrscheinlicher, daß die starke Militärdiktatur unter Saddam Hussein die erste arabische Macht mit einer eigenen Atombombe werden könnte. In Frankreich kauften die Iraker einen 70-Megawatt-Reaktor, genannt „Osiris", zu jener Zeit einer der modernsten Forschungsreaktoren der Welt. Außerdem sollte ein zweiter Reaktor „Isis" geliefert und in der Nähe von Bagdad errichtet werden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 275 Millionen Dollar. Das Geschäft schloß auch die Lieferung von 12 kg Uran ein, das auf 93 Prozent angereichert war - das reichte aus, um drei oder vier Atombomben zu produzieren. Der Vertrag, der 1976 unterzeichnet wurde, verpflichtete den Irak, als Gegenleistung bestimmte Mengen Öl an Frankreich zu liefern und französische konventionelle Waffen zu kaufen. Die französische Regierung unter Jacques Chirac stimmte damals dieser Vereinbarung in der Absicht zu, nach der großen Ölkrise, die dem Ende des Yom-Kippur-Krieges folgte, die nationalen Ölvorräte zu sichern. Staatspräsident Giscard d'Estaing versicherte ausdrücklich: „Während der Verhandlungen habe ich mich persönlich davon überzeugt, daß Atomwaffen nicht in den Nahen Osten gelangen werden." Trotz der Versicherungen von französischer und irakischer Seite, daß Bagdad die atomaren Einrichtungen nicht zur Produktion von Waffen nutzen werde, wußten die Israelis genau, daß Saddam Hussein den Irak zur ersten arabischen Atommacht machen wollte. Das entsprach seinen Ambitionen, der wichtigste Mann im Nahen Osten zu werden. Wenn es ihm gelänge, Atombomben herzustellen, könnten diese bei Erpressungen ungemein wichtig werden oder, noch schlimmer, dazu dienen, einen Atomkrieg zu entfesseln, entweder gegen Israel oder gegen den Iran, den anderen Feind im Osten. Das war eine äußerst beunruhigende Entwicklung für Israel, denn wenn der Irak Atomwaffen hätte, wären israelische Drohungen, sei-

ne eigenen Bomben als letzte Möglichkeit einzusetzen, plötzlich wesentlich weniger effektiv. Der Mossad und das israelische Außenministerium behielten daher das Atomprojekt bei Bagdad scharf im Auge. Israels Agenten im Irak und seine Diplomaten entwickelten sich nun gewissermaßen von Räubern zu Gendarmen. Sie kannten das Spiel bereits von der anderen Seite her, nachdem es ihnen gelungen war, spaltbares Material zu kaufen, es nach Israel zu schmuggeln und daraus die Atombombe zu entwickeln. Diese Erfahrung verschaffte ihnen Vorteile bei dem Vorhaben, bei ihren arabischen Nachbarn das gleiche Ziel zu verhindern. In Frankreich gab es Wissenschaftler und Techniker, die selbst an der atomaren Zusammenarbeit mit Israel beteiligt waren, als Frankreich sich als starker Verbündeter Israels betrachtete und bevor General de Gaulle seine Meinung geändert und die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte. Die technische Abteilung beim Mossad erhielt detaillierte Informationen über die neue französische Vereinbarung mit dem Irak. Von Anfang an hatten seine Spione in Bagdad genaue Kenntnis über die Fortschritte beim Bau der Einrichtungen 20 km von Bagdad entfernt. Schon seit langem gehörte es zu den Hauptzielen des Geheimdienstes, die irakische Führungsschicht zu bespitzeln, und er verfügte in Bagdad über ausgezeichnete Beziehungen. Im Frühjahr 1979 schloß die französische Firma CNIM (Constructions Navales et Industrielles de la Mediterranee) in La Seyne nahe Toulon die Arbeit an den Brennelementen der beiden vom Irak bestellten Atomreaktoren endgültig ab. Ursprünglich sollten sie nach den alten ägyptischen Göttern „Isis" und „Osiris" benannt werden, jetzt hießen sie „Tamuz 1" und „Tamuz 2". Die Namensänderung war von Saddam Hussein als Trotzreaktion auf Präsident Sadats Friedensbemühungen mit Israel angeordnet worden. Die Ausrüstungsteile waren bereits in Container verpackt und standen in der Werkstatt III. in einem Gebäude am Hafendock zum Transport in den Irak bereit. Nur eine ausgewählte Gruppe französischer Techniker und Physiker war in die Geheimaktion eingeweiht. Aber die strengen Sicherheitsvorkehrungen verhinderten nicht, daß der Mossad genaue Informationen von einem Verbindungsmann innerhalb der Firma bekam. Er brachte in Erfahrung, daß die Reaktorteile in der Nacht des 8. April auf Lastwagen verladen und nach Marseille gebracht

werden sollten, wo ein Schiff für den Transport in den Irak vor Anker lag. Um dies zu verhindern, drang eine Gruppe zwei Tage vorher in die Fabrik ein und jagte mit Plastik-Sprengstoffen wichtige Teile der Anlage in die Luft. Natürlich unterdrückte der israelische Geheimdienst eine Erfolgsmeldung, aber die anschließenden polizeilichen Untersuchungen ließen keinen Zweifel daran, daß der Mossad dafür verantwortlich war. Ein Agent, der den Geheimdienst zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hatte, enthüllte später, daß man die Aktion „Operation Biglift" getauft hatte. Polizeibeamte kamen bei den folgenden Ermittlungen drei Israelis auf die Spur, die zwei Tage vor der Explosion von Paris nach Hyeres, einen Flughafen in der Nähe von Toulon, geflogen waren. Sie kamen spätabends am 4. April an und wiesen sich mit französischen Pässen aus. Jeder von ihnen nahm sich in einem anderen Hotel ein Zimmer und bezahlte es im voraus. Am Bahnhof von Toulon wurden sie mit einem Renault 12 abgeholt und zu einer gemieteten Villa außerhalb der Stadt gebracht, um sich mit vier anderen Personen, die schon früher dort angekommen waren, zu treffen. In der folgenden Nacht spionierte das Trio die Fabrik aus und stellte fest, daß die Wache einen Rundgang um Mitternacht und den nächsten um drei Uhr morgens machte. Nachdem die letzten Vorbereitungen für den Einbruch getroffen waren, machte sich die siebenköpfige Gruppe in zwei Lastwagen auf den Weg zu den Lagerhäusern am Wasser. Dort mußte eine Mauer mit eigens dafür mitgebrachten Blöcken aus Kohlenlösche überwunden und die Alarmanlage außer Betrieb gesetzt werden. Der nächste Schritt des Unternehmens war wesentlich leichter: Die Kommando-Einheit besaß einen Nachschlüssel zu dem Schuppen, in dem die wichtigen Bauteile lagerten. Die Untersuchungen ergaben weiterhin, daß man versucht hatte, die Teile auseinanderzunehmen, bevor sie gesprengt wurden. Dies führte zu der Annahme, der Sabotagetrupp hätte ursprünglich den Auftrag gehabt, wichtige Teile der Reaktoranlage zu stehlen und sie nach Israel zu transportieren; das könnte auch erklären, warum er mit Lastwagen zu der Werft gefahren war und nicht mit Personenautos. Wahrscheinlich mußte der ursprüngliche Plan aufgegeben werden, weil die Saboteure nicht genug Zeit hatten, die Teile auseinanderzunehmen und wegzuschaffen. Statt dessen griffen sie auf den

alternativen Notplan zurück, nach dem die sogenannten „Bienenkörbe" vor Ort mit Plastiksprengstoff in Zeitbomben vernichtet werden sollten. Jedenfalls zerstörte das Team ganz gezielt nur für den Irak bestimmtes Material und vermied jeden Schaden an Reaktorkomponenten, die nach Belgien und in die Bundesrepublik geliefert werden sollten. Nach dem Einbruch verließen drei Personen des israelischen Teams das Land als Matrosen an Bord eines Schiffes, das nach Haifa führ. Die anderen vier Agenten hielten sich noch mehrere Monate im Land auf, bevor sie nach Hause zurückkehrten. Sie sollten unter anderem falsche Spuren legen, um die französische Polizei von richtigen Ermittlungs-Schlüssen abzuhalten. In anonymen Anrufen wurde behauptet, die Sabotage sei das Werk einer „Französischen Ökologischen Gruppe", einer bis dahin unbekannten Umweltorganisation, die gegen jede Form der Atomenergiegewinnung protestierte. Beide für Bagdad bestimmte Reaktoren wurden bei dem Anschlag schwer beschädigt, und man schätzte, daß Saddam Husseins Programm dadurch um zwei Jahre hinausgezögert würde. Die französische Regierung ergriff die Gelegenheit dieser Verzögerung, um die Iraker zu überreden, ein anderes Reaktormodell anzunehmen, das mit Uran geringerer Qualität auskam und nicht das hochangereicherte Isotop brauchte, mit dem sich auch Waffen produzieren ließen. In dem Zusammenhang wurde auch der Verdacht geäußert, daß die Franzosen selbst die Werkstatt in die Luft gesprengt hätten. Dennoch wies der Sprengstoffanschlag alle charakteristischen Merkmale einer sorgfältig geplanten Mossad-Aktion auf. Es kann auch keinen Zweifel daran geben, daß die Zerstörung der Reaktorteile beträchtliche Vorteile für Israel mit sich brachte. Auch der nächste Vorfall in Verbindung mit dem irakischen Atomprogramm war ziemlich mysteriös. Im Sommer 1980 fand die Pariser Polizei Yahia al-Meshad, einen 40-jährigen ägyptischen Kernphysiker, in seinem Zimmer im Hotel Meridien nahe dem Are de Triomphe ermordet auf. Er war niedergeschlagen und erstochen worden. Der Wissenschaftler, der in den USA und Moskau studiert hatte, war offenbar liquidiert worden, weil er bei der irakischen Atombehörde unter Vertrag stand. Er war nach Frankreich gekommen, um an der Konferenz der französischen Atombehörden im

Faubourg Fontenoy-aux-Roses teilzunehmen. Die Nachricht von seinem Tod wurde vier Tage lang auf Anweisung des Außenministeriums geheimgehalten. Als einziger Kommentar Israels zu dieser Affäre wurde in einer Radiosendung frech behauptet, der Tod des Forschers, „eines Mannes aus dem kleinen Kreis von arabischen Physikern mit fortgeschrittenem Know-how in Sachen Atomkraft", werde den Fortschritt der „irakischen Produktion von Atomwaffen um Jahre" zurückwerfen. Die polizeilichen Untersuchungen wurden ohne jede Verhaftung oder Anklage abgeschlossen, aber der Verdacht war natürlich auf den Mossad gefallen. Die Regierung unter Menachem Begin war auch jetzt noch nicht ausreichend überzeugt, alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, um eine arabische Atomwaffe zu verhindern. Ze'ev Schiff, ein einflußreicher israelischer Miltärkorrespondent, schrieb zu dieser Zeit in der Zeitung Ha 'aretz: „Israel muß alles nur Denkbare tun, um arabische Fortschritte in dieser Richtung zu verzögern und zu vereiteln." Er schloß mit dem Satz, daß dies für Bemühungen „sowohl auf dem Gebiet der Politik als auch auf anderen Ebenen" gelte. Bei so viel Entschlossenheit, die irakische Atombombe zu verhindern, lag es nahe, auch bei einigen anderen Vorfallen israelische Verschwörungen zu vermuten. Im August 1980 feuerten zwei Phantom-Jäger Raketen auf das Tamuz-Forschungszentrum in der Nähe von Bagdad ab. Zwar hieß es, sie seien iranischer Herkunft gewesen, aber es gab doch hartnäckige Gerüchte, es hätte sich dabei um eine Warnung der israelischen Luftwaffe an den Irak gehandelt. Unter Benutzung eines täuschenden Tarnanstrichs hätte sie französischen Wissenschaftlern, die dort arbeiteten, Angst einjagen wollen. Auch kleinere Kommando-Einheiten traten in Aktion, man befürchtete allgemein einen großen Sabotage-Anschlag des israelischen Geheimdienstes. Sicher jedenfalls war, daß Mossad-Agenten im Irak sehr intensiv alle atomaren Einrichtungen vor Ort bespitzelten. Sehr sorgfältige Vorbereitungen hatte der Mossad auch im Jahr darauf getroffen, als ein Geschwader von 15 israelischen F-16-Bombern, von F-15- Jägern flankiert, im Sturzflug auf den Reaktorkomplex bei Daura am Ufer des Tigris niederstieß und ihn aus geringer Höhe bombardierte. Es war der erste Angriff, der je auf eine atomare Anlage verübt wurde, und der Erfolg bewies, wie genau die

Piloten über ihr Angriffsziel Bescheid wußten. Der Luftwaffenkommandeur Generalmajor David Ivry behauptete, jede Bombe habe ihr Ziel genau getroffen. Die Wahl des Zeitpunkts für den in weiter Entfernung von der Basis durchgeführten Angriff kam durch Informationen von Mossad-Agenten zustande: Der Reaktor sollte damals in etwa drei Monaten angeschaltet werden. Man wollte einige Zeit vorher angreifen, um eine radioaktive Verseuchung der Umgebung von Bagdad zu vermeiden. In einer offiziellen israelischen Regierungserklärung hieß es lakonisch: „Aus zuverlässigen Quellen erfuhren wir, daß dieser Reaktor - trotz seiner Tarnung - dazu bestimmt ist, Atombomben zu produzieren. Das Ziel solcher Bomben wäre Israel." Der Mossad hatte nicht nur detaillierte Pläne vom Grundriß des Reaktorkomplexes besorgt, sondern auch Erkenntnisse über das irakische Luft Verteidigungssystem; die Bomber konnten den Einsatz ohne Verluste beenden. Der Angriff war dennoch eine hochbrisante Unternehmung, denn bei Daura arbeiteten auch französische Ingenieure und Wissenschaftler, und die Israelis legten größten Wert darauf, daß gerade die Ausländer nicht zu den Opfern des Überfalls gehörten. Es wurde genau recherchiert, zu welchen Zeiten sie arbeiteten. „Wir haben nur uns selbst verteidigt", sagte Menachem Begin. „Wir hatten die Franzosen gewarnt; wir hatten ihnen geraten, den Irak nicht länger aufzurüsten." Der Premierminister rechtfertigte seine Entscheidung für den Angriff: Er habe genau gewußt, daß der Irak mit der Anlage vier oder fünf Atombomben produzieren konnte. „Seit zwei Jahren lebe ich mit einem Alptraum", erklärte er. Alle Israelis waren davon überzeugt, daß der Mossad es fertiggebracht hatte, diesem Alptraum zu entrinnen.

23. Der „Verräter"

Mit ihrer Vorliebe für abenteuerliche Spionagegeschichten hören die Israelis natürlich am liebsten solche, an deren Schluß mit einem weiteren glänzenden Erfolg des „Instituts" ein Happy-End steht. Andere Geschichten wiederum lenken die Aufmerksamkeit darauf, daß Israel auch ein Spionageopfer ist und daß die Geheimdienste nicht immer zum Ziel kommen, bevor Unheil angerichtet wird, und die sind weitaus weniger populär. So kam auch durchaus keine Freude auf, als im März 1988 Mordechai Vanunu von einem Gericht in Jerusalem der schweren Spionage für schuldig befunden wurde. Dem 32jährigen, in Marokko geborenen israelischen Bürger konnte nachgewiesen werden, daß er mit der Beschaffung von Geheimdokumenten über das Atomzentrum in Dimona im Negev Landesverrat begangen hatte. Dort hatte er 9 Jahre lang als Ingenieur gearbeitet. Vanunu war ein ganz besonderer Spion. Der Empfänger seiner Arbeitsergebnisse war nicht etwa ein rivalisierender Geheimdienst, sondern die Londoner Zeitung Sunday Times, die 1986 alle vertraulichen Informationen, die er geliefert hatte, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machte. Die Zeitung behauptete kühn, daß sie „alle Geheimnisse des israelischen Atomwaffenarsenals" enthüllt hatte. Die Verurteilung zu 18 Jahren Gefängnis scheint auf den ersten Blick eine harte Strafe für Vanunu. Sein Vergehen lag ja im wesentlichen nur in der Weitergabe von Informationen an eine Zeitung. Aber die Israelis haben aus dem Besitz ihrer Atomwaffe, der offiziell nicht zugegeben wird, schon immer ein besonderes Geheimnis gemacht, und für sie erschienen die Dinge in einem anderen Licht. Die geheime Produktion von Nuklearwaffen ist schon ihrer Natur nach ein äußerst heikles Thema. Vanunus Bericht lieferte nun eindrucksvolle

Details über Israels Atomwaffenpotentiale. Er stammte von einem Mitarbeiter direkt aus dem Militärbereich und war obendrein noch gestützt durch Fotos von einem Teil der Einrichtungen in Dimona. Seinen Angaben zufolge gruben die französischen Ingenieure, die im Jahre 1957 die Anlage bei Dimona gebaut hatten, einen 25 Meter tiefen Krater in den Sand. Dorthinein setzten sie eine Bau-Einheit ein, die unter dem Namen „Machon 2" bekannt wurde. Sie installierten „die technischen Errungenschaften, von denen General de Gaulle behauptet hatte, er hätte sie Israel verweigert". Vanunu berichtete, unter dem einfachen zweistöckigen Gebäude am Rand der NegevWüste seien noch 6 weitere unterirdische Stockwerke versteckt. Die einzelnen Bauteile der Atomwaffen würden hier produziert und maschinell zur kriegerischen Verwendung montiert. Dieser Bericht klang so, als käme er von jemandem, der ganz genau Bescheid wußte. Vanunu beschrieb in allen Einzelheiten, wie in Dimona der Prozeß der Plutoniumgewinnung aus dem Uran-Material, das der Mossad beschafft hatte, vor sich geht. Wie faszinierend und authentisch diese zweifellos akkuraten Beschreibungen auch waren, politisch am folgenschwersten war Vanunus Behauptung, daß Israel, da es über einen Vorrat von ungefähr 100 nuklearen Sprengköpfen verfüge, „eine Atommacht ersten Ranges" geworden war, „die hinter den USA, der Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China die sechste Stelle in der Liste der Atomliga" einnehme. Es besaß die Komponenten und das Knowhow, Atom-, Neutronen- oder Wasserstoffbomben zu fertigen. Weit davon entfernt, ein „Atomzwerg" zu sein, wie angenommen worden war, hatte das Land ein gewaltiges Waffenarsenal zusammengebracht. Vanunu vermutete, daß die Forscher inzwischen an einem neuen Programm arbeiteten, das unter dem Decknamen „Operation Höcker" lief. In Etage IV. im Dimonakomplex sei die Produktion von thermonuklearen Waffen vorbereitet. Die Koalitionsregierung in Israel war natürlich entsetzt, daß man die bestgehüteten Geheimnisse des Landes jetzt öffentlich in der Zeitung lesen konnte, nachdem die Sunday Times die Story schließlich publiziert hatte. Zu dieser Zeit befand sich Vanunu in London. Die Zeitung hatte verschiedene Experten hinzugezogen, um ihn zu befragten, damit sichergestellt werden konnte, daß nicht alles nur

reine Spekulation war. Unter denen, die sich Vanunus Dokumente und Fotos genauer ansahen, war auch Theodore Taylor, ehemaliger Chef des Testprogramms für Atomwaffen im Pentagon. Er erklärte, es könne kein Zweifel mehr daran bestehen, daß Israel bereits seit mindestens 10 Jahren ein hochgerüsteter Atomwaffenstaat gewesen sei. Das Programm sei inzwischen weiter entwickelt, als Israel das jemals zugegeben habe. Taylor schloß aus dem vorgelegten Beweismaterial, daß das Land die Kapazitäten hatte, jährlich zehn atomare Sprengköpfe herzustellen. Mordechai Vanunu hatte Israel seinerzeit verlassen, um eine Reise in den Fernen Osten anzutreten, um „zu sich selbst zu finden", wie er Freunden erklärte. Er landete schließlich in Australien. Dort trat er zum Christentum über. In einer Kirchengemeinde traf er den kolumbianischen freien Journalisten Oscar Guerrero, dem er von Dimona erzählte. Guerrero schlug ihm vor, die Geschichte an die Presse zu verkaufen. Vanunus Prahlereien und Kontaktversuche brachten den Mossad auf den Plan, wahrscheinlich auf dem Umweg über den australischen Geheimdienst; als Vanunu nach London geholt wurde, waren ihm bereits Mossad-Agenten auf den Fersen. Schon wenige Tagen nach den Dimona-Enthüllungen verschwand Vanunu aus London, und bald kursierten Gerüchte, er sei vom Mossad entführt worden. Reverend John McKnight, eine australischer Geistlicher, der ihm in Glaubensdingen beigestanden hatte, reiste nach London, um der Sache nachzugehen. Bei den Sunday Times war man peinlich berührt, denn die eigenen Sicherheitsvorkehrungen für die „zugelaufene" Nachrichtenquelle waren nicht so hundertprozentig, wie man das zum Beispiel immer vom britischen Sicherheitsdienst in nationalen Angelegenheiten verlangte. In Israel richtete sich der Zorn offiziell natürlich gegen die Sicherheitsdienste: Irgendetwas war doch faul bei der Bewachung von Dimona, wenn ein Ingenieur, der sich schriftlich zur Geheimhaltung verpflichtet hatte, im streng geheimen Teil der Anlage herumlaufen und trotz Verbot fotografieren konnte, mit einer Kamera, die er schon gar nicht in die Atomfabrik hineinbringen durfte. Es war ihm auch gelungen, unentdeckt Details und Diagramme aus Geheimdossiers zu kopieren. Als er im Januar 1986 nach Australien reiste, schmuggelte er 57 Fotos aus Dimona und umfangreiche Geheimauf-

Zeichnungen außer Landes. Wie war es ihm gelungen, die Wachen zu überlisten, die - so hatte man immer angenommen - besondere Vorsicht walten ließen, wenn es um die heiligen Kühe der israelischen Verteidigungsgeheimnisse ging? Die erste Reaktion war, den Sicherheitsdiensten völlige Inkompetenz vorzuwerfen. Sie hätten Vanunus Aktivitäten entdecken müssen, bevor größerer Schaden entstanden war. Sorgfältige Recherchen, wie sie die Israelis sonst meisterhaft beherrschen, hätten ergeben müssen, daß es da zum Beispiel einen unzuverlässigen Techniker gab, der sogar öffentlich Zweifel und Besorgnis über die Verbreitung von Atomwaffen geäußert hatte. Vanunu selbst gab zu, daß er dreimal wegen seiner politisch linken Einstellung vernommen worden war. Außerdem war es ihm noch gelungen, mit dem gestohlenen Material durch die wegen der Terrorismus-Bedrohung besonders scharfen Kontrollen an den israelischen Häfen und Flughäfen zu schlüpfen. Es schien kaum denkbar, daß irgendjemand ohne gründliche Durchsuchung zum Beispiel den Flughafen von Tel Aviv hatte verlassen können. Trotz aller Hindernisse aber war der Spion entkommen. Es war dann auch nicht allzu überraschend, daß erfahrene Beobachter der israelischen Szene den Verdacht äußerten, die ganze Affäre sei vielleicht umgekehrt vom Mossad selbst eingefädelt worden, um die ganze Welt wissen zu lassen, daß Israel einen gewaltigen Atomwaffenvorrat besaß, und die Araber davon abzuhalten, noch einmal einen Krieg zu riskieren. Diese Spekulation tauchte immer wieder auf, als die Vanunu-Affäre sich ausweitete. ' Zunächst geriet natürlich der Schin Beth, der als allgemeiner Sicherheitsdienst für die Bewachung der Anlage von Dimona zuständig war, unter Beschuß. Er wurde von den Abgeordneten der Knesset sehr bald gerügt, weil er einen Verräter nicht erkannt hatte. Sofort wurden personelle Konsequenzen gefordert, ein leitender Sicherheitsdienstler wurde auch prompt entlassen. Als Vanunus Lebensgeschichte ans Licht kam, stellte sich heraus, daß er bereits häufiger die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte - durch seinen Übertritt zum Christentum, seinen Kommunismus, seine Unterstützung der PLO alles sehr auffällige Aktivitäten in Israel. Außerdem hatte er einen mürrischen, instabilen Charakter. Wie war er so durch die strengen

Prüfungen gekommen, denen sich alle unterziehen mußten, die im Kernforschungszentrum arbeiteten? Dann wollte man auch wissen, was mit Vanunu geschah, als er aus dem Mountbatten Hotel in London plötzlich verschwunden war. Aus Washington kam ein Newsweek -Bericht, nach dem Shimon Peres, noch im Amt des Premierministers, den Mossad angewiesen hätte, Vanunu nach Israel zurückzuholen. Die Reaktion der Koalitionsregierung war - wie auch bei der Verstrickung in die „Irangatc-Affäre" - zu lügen: „Wir wissen darüber nichts", sagte ein Sprecher des Premierministers. Zu diesem Zeitpunkt wußte aber in Israel praktisch jeder, daß der unglückselige Vanunu irgendwo in Israel in einer Gefängniszelle von der Außenwelt abgeschnitten war. „Die Regierung", äußerte der folgende Koalitionspremier Yitzhak Schamir ziemlich gereizt, „wird das sagen, was ihr paßt." Das aber gefiel natürlich wiederum der britischen Regierung nicht besonders, denn augenscheinlich hatte der Mossad den Verräter tatsächlich entführt und zurück nach Israel gebracht. Falschmeldungen wurden in Umlauf gesetzt, daß er vielleicht auf hoher See erwischt worden war, aber warum hätten er überhaupt eine Seereise unternehmen sollen? Die britische Regierung forderte eine Erklärung, wie Vanunu aus Großbritannien verschwunden war, aber sie stieß zunächst auf eisernes Schweigen. Schließlich versicherte die Regierung in Jerusalem dem britischen Botschafter William Squire, daß keine britischen Gesetze gebrochen worden seien, um Vanunu zurückzuholen. Dabei wurden aber keinerlei Einzelheiten über die Umstände der Rückführung bekanntgegeben, ebensowenig wie eine Erklärung, warum die Israelis nicht den direkten Weg gingen, die Verhaftung und Auslieferung eines Mannes zu verlangen, der eines schweren Vergehens dringend verdächtig war. Auf jeden Fall war die israelische Regierung entschlossen gewesen, gegen den jüdischen Spion vorzugehen, der seinen Staat verraten hatte. Der Mossad war damit beauftragt worden, einen Plan zu erarbeiten, wie er nach Israel zurückgebracht und vor Gericht gestellt werden konnte - einzige Bedingung war, daß die Aktion die britische Regierung nicht unnötig in Verlegenheit bringen sollte. Gerade zu dieser Zeit wollte Israel unbedingt vermeiden, Margaret Thatcher zu brüskieren. Sie wurde in hohen Ehren gehalten, weil sie rigoros und

prompt nach dem Hindawi-Prozeß die diplomatischen Beziehungen zu Syrien abgebrochen hatte - Hindawi war verhaftet worden, als er eine Bombe an Bord einer £M/-Maschine auf dem Flug von London nach Tel Aviv bringen wollte. So schied eine Entführung Vanunus aus dem Vereinigten Königreich, etwa in einem Container mit Diplomatengepäck, von vornherein aus. Zuerst einmal mußten die Agenten seiner habhaft werden. Als Mordechai Vanunu unter dem Schutz der Sunday Times in London landete, streckte der Mossad bereits seinen verlängerten Arm nach ihm aus. Vanunu aber, seinen eigenen Plänen überlassen, streifte trübsinnig durch die Straßen Londons, und befragte sein Gewissen, warum er die Atomgeheimnisse preisgegeben hatte. Und da traf er „zufällig" eine attraktive Frau namens Cindy. Sie war in Wirklichkeit eine Mossad-Agentin. Das Rendezvous wurde meisterhaft eingefädelt, Vanunus seltsam mürrischer Charakter war dabei berücksichtigt worden. Nach mehreren Begegnungen schlug sie ihm vor, mit ihr nach Italien zu fliegen, um die Affäre, die sich zwischen ihnen zu entwickeln begann, in der Wohnung ihrer Schwester in Rom ungestört zu genießen. Vanunu wurde also aus Großbritannien herausgelockt, deshalb konnte man in Israel wahrheitsgemäß behaupten, er sei nicht von britischem Boden „entführt" worden, und Margaret Thatcher konnte das Dementi akzeptieren. Der wahre Ablauf aber blieb noch eine ganze Zeitlang unklar. Schließlich gaben die Israelis bekannt, Vanunu sei „legal festgenommen" worden, und er werde vor Gericht gestellt. Tatsächlich war er mit der Hilfe eines Lockvogels von Mossad-Agenten gefangengenommen und auf einem israelischen Schiff von Italien aus zurück nach Israel gebracht worden. Die Umstände seiner Entführung wären vielleicht nie ans Licht gekommen, hätte Vanunu nicht am ersten Verhandlungstag den wartenden Reportern vor dem Gericht in Jerusalem eine Nachricht zuspielen können. Er hatte auf seine Handfläche drei Zeilen in Englisch geschrieben. Als er seine Hand ans Fenster des Wagens hielt, konnte man lesen: „Vanunu M WAS HIJACK en IN ROME ITL 30.9.86 21.00 Came to Rome BY BA FLY 504." Dieser verstümmelte Text wurde so interpretiert, daß er in Rom am 30. September 1986 um 21.00 Uhr entführt worden und nach Rom mit dem Flug 504 der British Airways aus London gekom-

men war. Als Fotos von Vanunus Hand in den israelischen Zeitungen erscheinen sollten, belegte die Militärzensur die Nachricht mit einem schwarzen Balken. Es gab keinen Hinweis darauf, wie er nach Israel gelangt war, entweder weil Vanunu keinen Platz mehr auf der Handfläche fand oder weil er gar nicht mitbekommen hatte, was nach der Entführung aus Rom passiert war. Es kamen auch keine weiteren Informationen ans Licht, weil der Prozeß unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand. Aber Vanunus Bruder Meir durfte ihn schließlich im Gefängnis besuchen, er brachte neue Informationen mit, die Mordechai ihm übermittelt hatte: Zwei Geheimdienstler hätten ihn in der Wohnung überwältigt, in die Cindy ihn in Rom gelockt hatte. Während die Männer ihn festhielten, spritzten sie ihm ein starkes Betäubungsmittel ein. Danach wurde er angekettet im Laderaum eines Frachters aus Italien weggebracht. Erst am 7. Oktober kam er in Israel an, eine Woche nach der Entführung. Er sei an eine Bahre gefesselt an Land gebracht und in eine Gefangiszelle geworfen worden, wo man ihn zwei Tage lang festhielt. Obwohl man dem Bericht im großen und ganzen Glauben schenkte, war der italienische Staatsanwalt Domenico Sica, der die Vorfälle in Rom untersuchen sollte und Meir Vanunu dazu persönlich vernommen hatte, von einigen Details weniger überzeugt. Er wies darauf hin, daß eine Wohnung im dritten Stock mitten in einem dichtbevölkerten Stadtviertel in Rom „der denkbar ungeeignetste und gefährlichste Ort war, von dem aus man einen Bewußtlosen hätte wegbringen können". Er sagte weiterhin: „Es liegt auf der Hand, daß eine Gruppe von Spezialisten nie einen solchen Fehler begehen würde." Der Italiener zeigte sich auch überrascht, daß Vanunu eine so klare Nachricht auf Englisch in seine Handfläche ohne fremde Hilfe geschrieben haben sollte. Am meisten beeindruckte ihn aber Vanunus Fotoserie, die den ganzen Fertigungsprozeß eines Atomsprengkopfes zeigte. Er kam zu der Überzeugung, daß die Fotos innerhalb einer Anlage, für die höchste Geheimhaltungsstufe galt, nur mit Billigung der Verantwortlichen hätten gemacht werden können. Seine Folgerung lautete, daß diese bizarre Affäre lediglich eine „gutorganisierte Fehlinformationskampagne" war.

Jedenfalls wurde nun eins klar: Vanunu war mit Sicherheit nicht freiwillig nach Israel zurückgekehrt, gar um sich dem Prozeß zu stellen. Der Mossad war in schmutzige Tricks auf britischem Boden verwickelt und in noch zweifelhaftere in Italien. Die Methoden des „Instituts" waren dabei nicht gerade fein gewesen. Nach allgemeinem Eindruck hatte man Hals über Kopf einen Plan gemacht, ohne die übliche Umsicht und Vorsicht walten zu lassen. Zum Beispiel arbeitete die Agentin Cindy überaus unprofessionell. Sehr schnell war sie als Cheryl Ben-Tov identifiziert, eine in Amerika geborene Israelin, die mit ihrem Mann namens Ofer in Netanya lebte. Die kleine, recht attraktive Frau wurde vom israelischen Geheimdienst nach London geschickt, wo sie ein Zusammentreffen mit Vanunu auf dem Leicester Square arrangierte. Sie wohnte im Eccleston Hotel, benutzte den Decknamen Cindy Hanin und gab sich als Kosmetikerlehrling aus Florida aus. Sie beging aber den schweren Fehler, damit Namen und Beruf einer nahen Verwandten anzunehmen, und so konnte man leicht ihrer wahren Identität auf die Spur kommen. Der Mossad hatte sie offensichtlich nicht gründlich genug ausgebildet, um solche Fehler zu vermeiden. Die ganze Vanunu-Affäre war geradezu ein Nest großer Peinlichkeiten für den Mossad und für den gesamten israelischen Nachrichtendienst. Die eine Abteilung hatte in Dimona die Anwesenheit eines abtrünnigen und neurotischen Ingenieurs nicht zur Kenntnis genommen, die andere stümperhaft und übereilt ein Komplott zusammengeschustert und, um diesen Fehler wettzumachen, das Opfer vom Territorium eines befreundeten europäischen Staates entführt. Selbst das aber geschah erst, als seine Geheimnisse schon längst öffenüich bekannt waren. Niemand entkam der Episode ungeschoren, und wieder einmal waren israelische Geheimdienstaktivitäten an die Öffentlickeit gelangt. In Großbritannien und Italien verursachte das Ganze ernsthafte diplomatische Irritationen. Wie immer hörte man die in Israel so beliebte, stark verharmlosende Phrase zur Umschreibung einer echten Katastrophe: Yitzhak Schamir, der das Amt des Premierministers von Shimon Peres übernommen hatte, äußerte, das sei eine „richtige Panne" gewesen. Zur Not hätte man aus der VanunuAffäre vielleicht noch einen Erfolg für den israelischen Geheimdienst konstruieren können, wenn man unterstellte, Vanunu sei vom Mos-

sad dazu mißbraucht worden, die Feinde Israels von der atomaren Stärke des Landes zu überzeugen, ohne die ständige Peinlichkeit, sich auf die übermächtigen Amerikaner verlassen zu müssen. Auch wenn die israelische Öffentlichkeit nun durch das Gerichtsurteil gegen Vanunu zufriedengestellt war, gaben doch einige ausländische Wissenschaftler und Juristen ihrer entschiedenen Mißbilligung Ausdruck. Sie verteidigten Vanunus Entschluß, an die Öffentlichkeit zu gehen. Immerhin hatte er behauptet, in seiner konsequenten Ablehnung von Atomwaffen aus Gewissensgründen gehandelt zu haben. Er wurde sogar als Anwärter auf den Friedensnobelpreis genannt - der einzige Spion, der je in den Genuß solcher Ehre kam. Die ganze Angelegenheit wurde so eigentümlich behandelt, daß sich nach dem Prozeß Verdächtigungen über die wahren Motive der Regierung nur so häuften. Vielleicht hatte man Vanunu in Wahrheit nur dazu benutzt, um allgemein bekanntzumachen, welch mächtiges Waffenarsenal Israel besaß. Diese Hypothese brachte auch Frank Barnaby in seinem Buch The Invisihle Bomb vorsichtig zur Sprache. Er war Physiker und Professor für Friedensforschung und gehörte zu denen, die von der Londoner Zeitung zur Befragung Vanunus hinzugezogen wurden, um den Wert des Informationsmaterials vor einer Veröffentlichung abzuschätzen. Nach Ansicht Barnabys hatte der Mossad entdeckt, was Vanunu vorhatte, und er hatte beschlossen, ihm die Chance zu lassen, seinen Bericht der Presse zu übergeben. In dieser Deutung wären sowohl die Entführung als auch das anschließende Geheimverfahren Mittel gewesen, die Echtheit der Informationen Vanunus zu bestätigen. Er schrieb: „Ich sage nicht, daß Vanunu auch nur einen Moment lang willentlich Werkzeug des Mossad war ... Aber es ist gut möglich, daß er unwissentlich einem bestimmten Zweck dienen durfte - die ganze Welt über Israels Aktivitäten in Sachen Atomwaffen zu informieren." Der springende Punkt dabei war, daß israelische Politiker in der Öffentlichkeit natürlich nicht einfach triumphierend verkünden konnten, daß sie einen beträchtlichen Vorrat an Atomwaffen besäßen, daß sie dagegen aber auf jeden Fall ihre Feinde wissen lassen wollten, daß ein solcher Vorrat existiert. In einem Staat, in dem so viele Unternehmungen normalerweise in der verstohlenen Atmosphäre der Geheim-

haltung stattfinden, wäre da eine Lösung wie im Fall Vanunu für eine politische Führerschaft, die von einer Geheimdienstmentalität befallen ist, ganz akzeptabel gewesen. Offiziell hielt sich die Regierung nach wie vor an die alte, eingefahrene Floskel, daß Israel nie den ersten Atomschlag im Nahen Osten führen wolle. Aber man war ganz zufrieden, daß Vanunu klargemacht hatte, daß das Land im Besitz eines mächtigen atomaren Waffenpotentials war.

Siebter Teil Die Außenstelle in London

24. Ein Afrikaner im Diplomatengepäck

Die erste von vielen Affären, die den Mossad in jüngster Zeit in Konflikt mit der britischen Regierung brachten, entwickelte sich aus Israels Machenschaften in Afrika. Jahrelang war es Ziel der Regierung in Jerusalem gewesen, ihre Verbindungen zu den unabhängigen afrikanischen Staaten zu intensivieren. Teilweise geschah das mit dem Ziel, die Einstellung der Länder in der Dritten Welt zu ändern, die oft den Unabhängigkeitsbestrebungen der Palästinenser ihre Sympathie gaben, und sich die Unterstützung der Vereinten Nationen für den Fall zu sichern, daß der Staat Israel in Frage gestellt war. Jede Aktion, durch die Verbündete und freundliche Stimmen in der Weltorganisation gewonnen und so die Isolation Israels gelockert werden konnte, wurde vom Außenministerium begrüßt, auch wenn das manchmal bedeutete, sich mit solch widerwärtigen Regimen wie dem des brutalen Diktators von Uganda Idi Amin einzulassen. Der Mossad hatte sogar Anteil an der Verschwörung, die dessen ebenfalls gewalttätigen Vorgänger Milton Obote stürzte und Amin an die Macht brachte. Auch der aggressiven Politik des Islam auf dem afrikanischen Kontinent mußte man gegensteuern, denn islamische Staaten standen dem Zionismus schon immer feindselig gegenüber. Der libysche Unruhestifter Muammar al-Gaddafi war immer eifrig darauf bedacht, seinen Einfluß als afrikanischer Führer zu stärken und hatte seine Interessen in Afrika, die denen Israels zuwiderliefen, nie vernachlässigt. Jede israelische Regierung mußte in ihren Beziehungen zu Schwarzafrika eine doppelte Aufgabe und einen heiklen Drahtseilakt bewältigen. Die Juden aus Südafrika gehörten zu den aktivsten Anhängern des neuen Staates Israel. Etwa 8500 Bürger, fast durchweg

gebildet und mit guten Beziehungen, waren nach Israel ausgewandert. In den ersten Jahren erhielt man aus dieser Richtung auch starke finanzielle Unterstützung, später konnte Israel die früheren Wohltaten damit ausgleichen, Südafrika mit Waffen und militärischen Fachkenntnissen zu beliefern. Diese Waffenhilfe wurde besonders wichtig, als alle westlichen Regierungen ein Embargo über Südafrika verhängten, um ihrer Mißbilligung über die Apartheid-Politik Ausdruck zu verleihen. So war es nicht weiter überraschend, daß sich intensive Kontakte zwischen dem Mossad und BOSS, dem südafrikanischen Staatssicherheitsbüro, entwickelten. Es wurde sogar behauptet, daß ein großer Teil des Erfolgs der südafrikanischen Sicherheitsdienste auf die Hilfe von Mossad-Agenten zurückgeht, die auf Spionageabwehraktionen und Verhörmethoden spezialisiert waren. Ein CIA-Bericht über ausländische Nachrichten- und Sicherheitsdienste Israels kommentiert wie folgt: „Israelische Verbindungen in Afrika unterscheiden sich von Land zu Land beträchtlich und sind den Erfordernissen der jeweiligen Situation angepaßt. Israelische Geheimdienstaktivitäten in Afrika werden gewöhnlich unter dem Deckmantel von Polizeiausbildung, Waffenverkäufen an nationale Armeen oder Hilfs- und Entwicklungsprogrammen ausgeführt. Die arabischen Staaten haben in Verbindung mit der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) die meisten afrikanischen Nationen starkem Druck ausgesetzt, alle formalen Verbindungen mit Israel zu lösen. Trotz des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und vielen afrikanischen Ländern unterhalten die Israelis immer noch gute Beziehungen etwa mit dem kenianischen Geheimdienst. Sie halfen auch dem militärischen Geheimdienst in Ghana auf die Beine. Im südlichen Afrika unterhalten die Israelis Beziehungen zu den südafrikanischen Geheim- und Sicherheitsdiensten." Das amerikanische Dokument belegt die ganze Zweischneidigkeit aller Aktivitäten des Mossad auf dem afrikanischen Kontinent. Das „Institut" hatte ein ausgezeichnetes Informationssammlungsnetz in den schwarzafrikanischen Staaten eingerichtet. Dadurch konnte es überall im Verborgenen seinen Einfluß ausüben und erwarb mit

dieser Methode viele wertvolle Informationen, die für seinen Verbündeten Südafrika nützlich waren. 1976 schlössen die beiden Staaten ein Abkommen über Nachrichtenaustausch, das sich für beide Partner bereits als äußerst wertvoll erwiesen hat. Für Südafrika fiel ein großer Zufallstreffer aus dem israelischen Einmarsch in den Libanon im Jahre 1982 ab. Riesige Mengen an Unterlagen wurden dort in den Bunkern des Hauptquartiers der PLO-Außenstelle beschlagnahmt, die eine ganze Reihe von geheimen Informationen über internationale Terroristenbanden enthielten, die von den Palästinensern geführt wurden. In dem Nachrichtenberg, für dessen Auswertung man Jahre brauchte, befanden sich auch etliche wertvolle und detaillierte Informationen über die Unterstützung, die die Palästinenser dem Afrikanischen Nationalkongreß ANC gewährten, dem Hauptgegner der südafrikanischen Regierung. Diese Materialien zum Beispiel wurden an das südafrikanische Büro für Staatssicherheit weitergegeben. Trotz der engen Zusammenarbeit mit dem Land, das als der Feind aller schwarzafrikanischen Staaten angesehen wurde, waren die israelischen Diplomaten und Geheimdienstler bemerkenswert erfolgreich mit ihren Annäherungsversuchen an eben diese Staaten. Das Geheimnis ihres Erfolgs war der Ruf der militärischen Stärke, die von den Israelis in ihren fortdauernden Auseinandersetzungen mit den Arabern aufgebaut worden war. Für beunruhigte Führer instabiler Regierungen, deren Armeen immer auf eine Putsch-Gelegenheit warteten, war die Aussicht auf die Hilfe fähiger ausländischer Berater und Ausbilder, die im Ruf der Effizienz standen, unwiderstehlich. Idi Amin war ungeheuer stolz darauf, Fallschirmjäger-Schulterklappen zu tragen, die ihm die Israelis verliehen hatten, obwohl er nie einen Fallschirmspringerkurs absolvierte. In einem Dutzend afrikanischer Republiken gelang es so dem Mossad, sich im Gefolge der Militär- und Wirtschaftsberater zu etablieren, die gekommen waren, um diesen Staaten ihre „nicht-imperialistische" Hilfe anzubieten. Ein legendäres Nachrichtennetz wurde aufgebaut, und Freunde waren immer bereit zu helfen - zum Beispiel, wenn der Mossad auch einmal Hilfe vor Ort brauchte, wie bei dem Befreiungsschlag von Entebbe. Der großangelegte Plan, Einfluß in ganz Afrika auszuüben, wurde vom Sechs-Tage-Krieg durchkreuzt, weil damals auch öffentlich be-

kannt wurde, wie eng Israels Verbindungen zu Südafrika waren. Waffen und Geld wurden von dort nach Israel gepumpt, um ihm in dieser Notsituation beizustehen; mehrere hundert Juden aus Südafrika gar reisten nach Norden, um die israelische Armee zu unterstützen. Nach den Yom-Kippur-Krieg 1973 begannen die arabischen Staaten mit neuem Selbstbewußtsein durch den steigenden Wert ihres Öls ihrerseits eine friedliche Einflußnahme in Afrika, indem sie Waffenprogramme und billigen Treibstoff zum Kauf anboten. In der Folgezeit wandten sich etliche Staaten von ihrem früheren Verbündeten Israel ab; die bemerkenswerte Ausnahme war Tansania. 25 afrikanische Regierungen brachen ihre diplomatischen Beziehungen zu dem jüdischen Staat ab, obwohl Israel danach verstärkte Anstrengungen unternahm, wieder in ihre Gunst zu kommen. Ein gutes Beispiel dafür ist Nigeria, in den Augen der Israelis doppelt wichtig als Öllieferant und als einer der wohlhabenderen afrikanischen Staaten. Hier gab es einen potentiellen Markt für israelische Waffen und andere Rüstungsgüter. Zeitweilig arbeiteten mehr als 2000 Israelis in Nigeria. Die diplomatischen Beziehungen waren zwar abgebrochen worden, aber die wirtschaftlichen und übrigen Verbindungen mit diesem Land blieben intakt; Israel half beim Bau von Schulen, Hotels und militärischen Einrichtungen und übernahm auch die Ausbildung des Militärpersonals. 1984 gaben die politischen Ereignisse in Nigeria den Israelis eine Gelegenheit, sich der neuetablierten Regierung in Lagos angenehm zu machen. Am Neujahrstag ergriff Generalmajor Muhammed Buhari durch einen Putsch die Macht und stürzte damit Präsident Shagari. Er erklärte, daß die Armee nicht dabeistehen und zusehen könne, wie das Land auf einen gefährlichen Abgrund des politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs zusteuere. Eine der führenden Stützen des alten Regimes war der Schwager des Präsidenten, Umaru Dikko, ehemals Minister für Transportwesen. Er hatte, wie man sich in Nigeria erzählte, während seiner Amtszeit ein Vermögen angehäuft. Er führte auch den Wahlkampf für den nun vom Militär gestürzten Shagari. Ob die Vorwürfe nun der Wahrheit entsprachen oder nicht, Dikkos Name wurde sofort von der neuen Regierung auf die Schwarze Liste gesetzt, er wurde wegen Wirtschaftsverbrechen gesucht der meistgesuchte Mann von allen. Er nutzte gar nicht erst sein Recht

auf Verteidigung, sondern tauchte erst einige Tage nach dem Putsch in London auf. Dies schien ein sicherer Ort zu sein, nachdem er aus seinem Land entkommen und auf Umwegen nach Europa geflohen war. Wenige Monate später, an einem Julitag kurz nach 12 Uhr, schlenderte Umaru Dikko aus seinem prächtigen Haus in Porchester Terrace im Westen Londons, auf dem Weg zum Lunch mit einem Freund. Zwei bewaffnete Schwarze ergriffen ihn, zwangen ihn, in einen gelben Bus einzusteigen, und brausten davon. Einzige Zeugin war seine Privatsekretärin, die den Lärm gehört hatte und sofort die Polizei rief. Für sie war es ganz klar, daß Umaru Dikko entführt worden war. Kommissar William Hucklesby, Leiter der Abteilung Terrorabwehr bei Scotland Yard, wurde gerufen, und innerhalb von einer halben Stunde waren alle Spezialeinheiten an den Häfen und Flughäfen informiert. Ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den Stansted Airport, knapp 50 km von London entfernt, der hauptsächlich von Transportflugzeugen angeflogen wurde. Dort rasten bald darauf Polizeiautos auf die Rollbahn und stellten sich einer Boeing 727 der Nigerian Airways mit dem Ziel Lagos in den Weg, die gerade zum Abflug vorbereitet wurde: Dem aufmerksamen Zollbeamten Charles Morrow waren zwei große hölzerne Kisten aufgefallen, die an Bord geladen wurden. Der Lieferschein wies sie als Diplomatengepäck für das Außenministerium in Lagos aus, das bevorzugt behandelt und ohne eingehende Prüfung durch die britischen Behörden abgefertigt wurde. Es gab aber trotzdem eine Möglichkeit zur Überprüfung: Die Zollbeamten behaupteten, sie seien falsch markiert, und unter diesem Vorwand wurden sie schließlich in einem Hangar abgestellt; da verdächtige Geräusche aus den Kisten zu hören waren, vermutete die Polizei, daß Menschen darin eingesperrt waren. In der Befürchtung, die Unbekannten könnten bewaffnet sein, hob man die Kisten mit einem Gabelstapler in die Luft. Dann wartete man auf die Ankunft eines nigerianischen Diplomaten, dessen Anwesenheit bei der Öffnung der Holzkisten erforderlich war. Als man sie schließlich aufbrach, entdeckten die Beamten zunächst Umaru Dikko, gefesselt und in einem durch Betäubungsmittel verursachten Koma. Daneben, auf der nur gut einen Quadratmeter großen

Grundfläche, hockte ein zweiter Mann mit einer Spritze und einem Vorrat an Betäubungsmitteln, die Dikko während des langen Fluges nach Nigeria bewußtlos halten sollten. Dikko hatte einen Gummischlauch im Hals, so daß er gerade noch atmen konnte, und kauerte geknebelt und mit Handschellen gefesselt in einer Lache aus seinem eigenen Erbrochenen. Ein weiterer Schlauch führte von seinem Arm zu einer Plastikflasche, die an einer der Innenwände festgemacht war. Dikko erlangte das Bewußtsein erst nach 24 Stunden wieder. In der zweiten Kiste des Diplomatengepäcks fand die Polizei zwei weitere Männer, beide weder gefesselt noch bewußtlos: Es waren zwei Israelis, Alexander Barak und Felix Abithol. Der Mann mit der Spritze stellte sich als Dr. Lev Arie Shapiro aus Petah-Tikvah heraus, langjähriger fachärztlicher Berater und Reservist der israelischen Armee. Alle drei Israelis wurden sofort verhaftet und wegen Entführung und Verabreichung verschiedener Drogen an Dikko angeklagt, der daran beinahe gestorben wäre. Außerdem wurde der nigerianische Diplomat Mohammed Yusufu festgenommen, der in Wirklichkeit ein Agent des nigerianischen Sicherheitsdienstes war. Ganz offenbar war hier ein Komplott fehlgeschlagen, den ehemaligen Minister nach Nigeria zu entführen und ihn dort in einem Schauprozeß als Wirtschaftssaboteur zu verurteilen, denn er stand schon während seiner Amtszeit unter dem Verdacht der Bestechlichkeit. Es gab Indizien, daß der nationale Sicherheitsdienst, Nigerias Geheimdienst, die Aktion geplant und der Mossad bei der Durchführung Hilfestellung geleistet hatte. Major Yusufu verbrachte vorher, unter dem Vorwand, einen Film zu drehen, Monate damit, das Unternehmen zu planen, und nahm auch als erster mit Alexander Barak, ebenfalls ein Geheimdienstagent, Kontakt auf. Wie man sich erinnerte, war das nicht der erste Menschentransport in Kisten, den der Mossad unternommen hatte. Im Jahr 1964 wollte der israelische Geheimdienst seinerseits einen jungen Israeli marokkanischer Herkunft retten, der vom ägyptischen Geheimdienst nach Kairo entführt werden sollte. Mordechai Louk war einer der wenigen Deserteure der israelischen Armee. Er hatte vom Militärdienst genug und ließ sich schließlich von den Ägyptern als Spion in Europa anwerben. Er verpatzte aber fast alles und lieferte wirklich ein Musterbeispiel dafür, wie sich ein Spion nicht verhalten soll. Aus diesem

Grund verkrachte er sich dann mit seinen neuen Auftraggebern. Kurzerhand verfrachteten sie ihn auf dem Flughafen von Rom in einen Gepäck-Container mit dem Bestimmungsort Kairo. Israelische Agenten gaben der italienischen Polizei einen Tip, die ihn daraufhin noch am Flughafen befreite. So kehrte er nach Israel zurück, nahm seine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe entgegen und entschuldigte sich formell für sein Verhalten. In der Dikko-Affäre nun hatten Major Yusufu und Alexander Barak die Kisten für die Entführung speziell anfertigen lassen. Sie kosteten 550 englische Pfund und wurden an die Wohlfahrtsabteilung der nigerianischen Botschaft in Bayswater, in der Nähe von Dikkos Haus, adressiert. Während dieser Zeit flog Barak zurück nach Israel und stellte mit der Hilfe eines leitenden Mossad-Beamten eine Einsatzgruppe zusammen, die sich für den Abflug nach London bereit halten sollte. Alle Beteiligten bei der Dikko-Entführung wurden im Februar 1985 im Old Bailey in London angeklagt. Die drei Israelis und der Nigerianer bekannten sich schuldig. Damit konnten sie von einer englischen Gesetzesregelung Gebrauch machen, nach der ihnen das Kreuzverhör der Anklage erlassen wurde. Aus diesem Grund blieb es lediglich bei der Anklage der Staatsanwaltschaft, und keine weiteren Einzelheiten kamen ans Licht. Alexander Barak bestätigte seine Aussage, daß er im Auftrag einer Gruppe nigerianischer Geschäftsleute gehandelt habe, die Umaru Dikko zurück in seine Heimat bringen wollten. Sein Verteidiger George Carman sagte vor Gericht: „Vielleicht ist die plausibelste Erklärung, daß der israelische Geheimdienst bei dieser ganzen Aktion nie sehr weit entfernt war." So war es mit Sicherheit Barak, der Dr. Shapiro angeworben hatte. Shapiro war Anästhesist und langjähriger Leiter der Intensivstation im Hasharon-Krankenhaus in Tel Aviv. Ursprünglich hatte man ihm für seine Dienste 1000 Dollar angeboten, die er aber nicht annahm. Er bestand darauf, an dem Unternehmen nur aus einer Art Patriotismus und als pflichtbewußter israelischer Staatsbürger teilzunehmen. Barak als der Vermittler sagte auch aus, er habe den Eindruck gehabt, Dr. Shapiro glaubte für den Mossad zu arbeiten. Er hatte nur Israelis für diesen Auftrag ausgewählt, weil er nur ihnen die Durchführung anvertrauen wollte.

Dr. Shapiro kaufte für 2000 Dollar die diversen Medikamente in London; er bestätigte seinerseits, an der Entführung nur teilgenommen zu haben, weil er hoffte, dem Mossad damit einen Dienst zu erweisen. Auch seine Freunde in Israel bekräftigten, daß er nicht der Typ sei, wissentlich professionelle Entführer zu unterstützen. Er wäre auch sicher nicht so uneigennützig gewesen, wenn keine edleren Motive ihn dazu getrieben hätten. Dr. Shapiro war in der Sowjetunion geboren und mit seinen alten Eltern nach Israel ausgewandert. Seine rasche Karriere verdankte er der Freundschaft mit einem prominenten, einflußreichen Israeli, der ihn dann auch überredete, bei der Entführung mitzuwirken. Die Anklage führte Barrister Roy Amlot; er zog es taktvoll vor, keine Beweise für die Verwicklung des israelischen Geheimdienstes in die Anklage einzubringen. Richter McCowan brachte dann in der Zusammenfassung des Prozesses seine Ansicht deutlich zum Ausdruck, als er zu den Geschworenen sagte, alles deute daraufhin, daß der Mossad dennoch seine Finger im Spiel hatte. Das Gericht verurteilte den 27jährigen Alexander Barak als Anführer des Komplotts zu 14 Jahren, die beiden anderen Israelis jeweils zu 10 Jahren und den Nigerianer zu 12 Jahren Gefängnis. Der eigentliche Grund für dieses Unternehmen war Israels Bestreben, seine Beziehungen mit Nigeria in den Bereichen Handel und Politik zu verbessern. So half der Mossad den Behörden, Dikko zu entführen, damit er in der Heimat vor Gericht gestellt werden konnte. Es war nicht die erste Aktion dieser Art, die vom Mossad unterstützt wurde. Bereits 1965 bat General Mohammed Oufkir, der marokkanische Innenminister und Freund von König Hassan, den Leiter des Mossad Meir Amit in einer ähnlichen Situation um Hilfe. Der König war der linksgerichteten, republikanischen Aktivitäten des exilierten Oppositionsführers Mehdi Ben-Barka überdrüssig. Ben-Barka spielte in der Politik der Dritten Welt eine einflußreiche Rolle, deshalb deutete der König seinem Innenminister an, daß die Welt auch ohne diesen Unruhestifter gut auskommen könnte. Obwohl Marokko als arabische Monarchie im Prinzip dem Staat Israel unversöhnlich gegenüberstand, existierten zwischen den beiden Ländern dennoch recht herzliche Beziehungen, die dem ureigensten Interesse der Länder entsprangen. König Hassan fürchtete sich vor einer von Gamal Abd en-Nasser unterstützten Revolution in

seinem Land, und er beriet sich mit dem Mossad über Schutzmaßnahmen. Mit Hilfe des Schin Beth hatte der Geheimdienst eine spezielle Sicherheitstruppe für den König ausgebildet. Es waren marokkanische Juden, die nach ihrer Emigration nach Israel durch MossadExperten eine Spezialausbildung und -ausrüstung erhielten. Man half auch bei der Einrichtung eines marokkanischen Sicherheits- und Geheimdienstes. Als Gegenleistung für diese Unterstützung erhielt Israel einen wertvollen Einstieg in die arabische Welt, und König Hassan garantierte die Sicherheit der in seinem Land lebenden jüdischen Minderheit. Unter diesen Umständen kam die Forderung des Ministers nach Unterstützung und Rat in der Angelegenheit Ben-Barka nicht überraschend. Trotzdem war man beim Mossad wenig begeistert über die Vorstellung, als Organisation für professionelle Mörder mißbraucht zu werden. Man kam überein, Hilfestellung nur bei der Entführung des marokkanischen Politikers zu leisten. Unter anderem war geplant, ihn mit der Unterstützung einer Abteilung des französischen Geheimdienstes, des Service de Documentation Exterieure et ContreEspionage (SDECE), aus der Schweiz über die französische Grenze zu locken. Als das erreicht war, wusch der Mossad im übrigen seine Hände in Unschuld; das Schicksal des armen Ben-Barka nahm seinen Lauf. Er wurde durch die Mithilfe eines Geheimdienstlers tatsächlich von einem französischen Zivilbeamten geschnappt, als er die Brasserie Lipp verließ, ein modisches Restaurant im Pariser Viertel St. Germain de Pres, das von Politikern und Intellektuellen frequentiert wurde. Seine Entführer brachten ihn auf den Landsitz eines französischen Gangsters in Fontenay-le-Vicomte; dort kam er zu Tode, und seine Leiche wurde verscharrt. Es gab zwar keinen Hinweis darauf, daß die Israelis in diesen Todesfall verwickelt waren, aber der Zorn des Staatspräsidenten de Gaulle richtete sich gegen sie. Er war wütend darüber, daß der französische Nachrichtendienst in etwas verwickelt war, was er „die Intrige eines Operettenstaates" nannte. Als der Skandal in der Öffentlichkeit bekannt wurde, rollten etliche Köpfe in seinem eigenen Geheimdienst. Zwar wurde in Frankreich alles geheimgehalten, aber der Präsident war entschlossen, den Mossad für seine illegalen Aktivitäten auf französischem Staatsgebiet zu bestrafen, und ordnete an,

daß dieser seine Außenstelle in Paris schließen und seine Spione aus der Stadt abziehen müsse, die vorher sein Hauptstützpunkt in Europa gewesen war. Er verzieh Israel seine Beteiligung an dieser Affäre nie, und das Land bekam seine Feindseligkeit in Form eines konsequenten Waffenembargos empfindlich zu spüren. Auch in seiner Heimat sah sich Meir Amit der heftigen Kritik daran ausgesetzt, daß er diesen anrüchigen, widerwärtigen und unmoralischen Auftrag sanktioniert hatte. Die Regierung Eschkol wurde über die Einzelheiten informiert und forderte den früheren Chef des Mossad Isser Harel auf, die Angelegenheit als Koordinator des Nachrichtendienstes zu untersuchen. Wieder einmal konzentrierten sich die Ermittlungen darauf, wer die Anweisungen gegeben hatte eine Frage, die nie zufriedenstellend beantwortet wurde. Harels grundsätzliche Empfehlung war, Meir Amit müsse sofort zurücktreten. Als der diese Konsequenz nicht zog, gab Isser Harel selbst seine letzte Position im Geheimdienst auf. Trotz der ungeheuerlichen Aktion gegen Ben-Barka und ihrer gravierenden Folgen kam der israelische Geheimdienst letztlich ungeschoren davon. Zwei Jahrzehnte später dann war der Mossad immer noch bereit, diesmal gegen britische Gesetze zu verstoßen wie 1965 gegen französische Gesetze -, indem man wieder einen Entführungsversuch auf fremdem Boden unterstützte. Um in Afrika Freunde zu gewinnen, half man dem nigerianischen Geheimdienst, mit dem man enge Verbindungen hatte, bei illegalen Aktionen in Großbritannien. Die Briten legten dabei ebenfalls keinen besonderen Wert darauf, in der Öffentlichkeit die offensichtlichen Verstöße gegen internationale Gesetze, deren sich der Mossad schuldig gemacht hatte, breitzutreten, und der Prozeß verlief ohne großes Aufsehen. Die Regierung gab dann aber dennoch ihrer Entrüstung über die Entführung des ehemaligen Präsidenten eines afrikanischen Commonwealth-Staates aus dem Zentrum von London Ausdruck. Der Vorfall hatte einige unangenehme Auswirkungen für die britische Regierung: Die nigerianischen Machthaber waren verstimmt darüber, daß sie beim Anheuern von Ausländern ertappt worden waren, die in London ein Verbrechen begangen hatten. Sie drohten mit Konsequenzen, falls dem Mann, den man vor Gericht stellen wollte, nicht erlaubt würde, nach Lagos zurückzukehren.

Beim britischen Geheimdienst wurde die Schuld hauptsächlich dem Mossad zugeschoben, der das Unternehmen arrangierte, wenn auch nicht gerade in sehr kompetenter Form. Die israelische Ausrede, daß die beteiligten Agenten sozusagen Freiwillige waren, wurde nicht angenommen, und beim MI5 erinnerte man sich auch daran, daß die gleiche Geschichte erzählt worden war, als man sich aus der Verantwortung für die Ben-Barka-Affäre in Frankreich herauswinden wollte. Die Sowan-Verschwörung war nur einer von mehreren Vorfällen, die sich durch das arrogante Verhalten des Mossad im Vereinigten Königreich ereigneten.

25. Tod eines Karikaturisten

Ein anderer Geheimdienstskandal begann mit der Odyssee eines Palästinensers namens Major Abd er-Rahim Mustapha. In den späten achtziger Jahren hatte sich die PLO eine feste militärische Struktur zugelegt; ihre Terroristen trugen ganz offen militärische Abzeichen. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie schnell irreguläre Milizen auf den Geschmack kommen und sich den formalen Schmuck einer ordentlichen Armee zulegen, sich Dienstgrade, Abzeichen und Flaggen geben. Ein Beispiel eines solchermaßen neuernannten „Offiziers" der von der PLO unter ihren Spezialtruppen als Eliteeinheit angesehenen Truppe 17 war Major Abd er-Rahim Mustapha. Mit dessen häufigen Englandreisen, bei denen ihm der Mossad bereits dicht auf den Fersen war, wurde der diplomatische Zwischenfall eingeleitet, der später als Sowan-Affare bekannt wurde. Im Mittelpunkt dieser Episode standen die Aktivitäten des arabischen Agenten Ismael Sowan, der für den Mossad arbeitete. Er wurde von der britischen Polizei festgenommen und schließlich wegen Waffen- und Munitionsbesitzes zu einer Haftstrafe verurteilt. Sein Lebenslauf verriet einiges über die komplizierte, feindselige Beziehung zwischen dem israelischen Geheimdienst und der PLO. Wie ein Gegenstück dazu lautet die Lebensgeschichte des PLOMajors Mustapha, die typisch ist für die jüngste Geschichte der Palästinenser. 1970 wurde er Mitglied von El Fatah und trat nach Beendigung einer akademischen Ausbildung als einfacher Soldat in die Armee ein, so wie in jede normale Armee. Aber seine anschließenden Missionen in Europa waren weder normal noch im engeren Sinne militärisch: Noch im selben Jahr nahm er bei dem Attentat auf ein israelisches Flugzeug in der Bundesrepublik teil. Später erhielt er

eine weitere Ausbildung an der Palästinensischen Militär-Akademie und wurde 1980 zum Befehlshaber eines Einsatzkommandos der Truppe 17 für Geheimaktionen und besondere Aufgaben ernannt. Nach der israelischen Invasion in den Libanon wurde er nach Tunis versetzt und später nach London abkommandiert. 1985 holte ihn die PLO nach Beirut zurück, zu einer der Einheiten, die dort wieder zusammengestellt wurden. Bei einem der vielen Zusammenstöße zwischen Palästinensern und schiitischen Amal-Milizen wurde er gefangengenommen und saß vier Monate in einem syrischen Gefängnis. Er wurde nach Zypern entlassen und kehrte im selben Jahr nach London zurück. Die Truppe 17, in der Major Mustapha diente, war ursprünglich eine zehn Mann starke Leibwache, die 1970 zum Schutze Yasser Arafats vor Mordanschlägen, hauptsächlich aus der Richtung seiner eigenen Landsleute in rivalisierenden Organisationen, zusammengestellt worden war. Die Zahl „17" stammte von der NebenstellenTelefonnummer des Wachpostenhauses im alten Hauptquartier der PLO in Beirut. Dessen Befehlshaber war Hassan Salameh. Ihn tötete der Mossad, überzeugt, daß er der führende Kopf bei der Geiselnahme der israelischen Olympiamannschaft in München war. Damals war diese Terroreinheit der PLO unter dem Namen „Schwarzer September" bekannt. Im Libanon wuchs die Leibwache Arafats schließlich zu einer riesigen Spezialeinheit von 1000 Mitarbeitern an. Als die PLO sich nach Tunis zurückziehen mußte, reduzierte die palästinensische Führung die Truppe 17 wieder zu einer dichtgeschlossenen, gutausgebildeten Einheit von Elite-Soldaten mit absoluter Loyalität, die Arafats Sicherheit garantieren sollten. Zur gleichen Zeit wurde die Truppe 17 aber auch für Angriffsaktionen umstrukturiert. Die Befehlshaber erhielten militärische Ränge und Titel, und alle Neulinge, die angeworben wurden, um Terrorkader in Europa und im Nahen Osten zu gründen, wurden sorgfältig überprüft, weil man so eine Mossad-Unterwanderung verhindern wollte. Die PLO wußte nur zu genau, daß ihr Führungspersonal in Beirut von MossadAgenten durchsetzt gewesen war, und zog daraus nun die Konsequenzen, damit sich dasselbe nicht in Tunis wiederholte. Yasser Arafat brauchte persönlichen Schutz gegen die offene Feindseligkeit solcher Männer wie Abu-Nidal, dem Anführer einer

Splittergruppe, der behauptete, daß El Fatah die legitime Truppe für den bewaffneten Kampf sei. Abu-Nidal drohte, seinen ehemaligen Herrn und Meister umzubringen, nachdem ihn Arafat wegen eigener Aktivitäten gegen die Befreiungsbewegung zum Tode verurteilt hatte. Aber Abu-Nidal war nicht der einzige Abtrünnige, der Arafat liquidieren wollte. Auch eine ganze Reihe von Führern des reaktionären Flügels der Palästinenserbewegung lehnte den Vorsitzenden ab, desertierte aus seinen Truppen und begab sich nach Damaskus in den Schutz von Präsident Hafez al-Assad. Im Jahr 1987 erklärte die PLO, daß sie keine „Außenaktionen" mehr unternehmen werde, d. h. Terrorüberfälle außerhalb Israels. Aber, wie Jehosophat Harkabi, der ehemalige Leiter des israelischen militärischen Nachrichtendienstes es ausdrückte: „Sie führten ab und zu doch noch geheime Angriffe durch, besonders gegeneinander." Arafats Dilemma war, daß er zwar, um seine Führungsposition zu halten, zeigen mußte, daß er zu militärischen Aktionen fähig war, auch wenn er im Augenblick in der Hauptsache als Friedensstifter erscheinen wollte. Um eine Übereinstimmung in der arabischen Welt zu erlangen, mußte er auf beiden Hochzeiten tanzen, denn nur ein Führer mit nachgewiesenen militärischen Fähigkeiten konnte den Versuch wagen, im Nahen Osten Frieden zu stiften. Dasselbe Prinzip galt auch für die israelischen Führer. Die Truppe 17 demonstrierte ihre neue aggressive politische Strategie mit dem Versuch, in der syrischen Botschaft in Madrid eine Bombe zu legen. Die spanische Polizei verhaftete zwei Verdächtige der Truppe, als sie die Bombe präparierten. Dieser Attentatsversuch bewies, daß auch Araber, die der PLO feindlich gesinnt waren, ebenso wie die Israelis als Angriffsziele in Frage kamen. Die neu organisierte Einheit arbeitete eng mit einer anderen Gruppe für offensive Aktionen zusammen, dem Westsektorbüro, dessen Rolle es war, sich auf Aktionen innerhalb Israels zu spezialisieren, die daher nicht unter Arafats Verbot des internationalen Terrorismus fielen. Ihre Aktionssphären überschnitten sich manchmal. Der Westsektor operierte zunächst von Jordanien aus und wurde von Chalil al-Wazir, einem alten PLO-Führer, geleitet, der den Decknamen Abu-Iyad benutzte und in der Hierarchie gleich hinter Yasser Arafat rangierte. Als der Vorsitzende nach der Vertreibung der PLO aus

Beirut 1982 begann, sich den anderen arabischen Führern anzudienen, besonders König Hussein von Jordanien, vertraute er auf die Diplomatie. Langwierige Verhandlungen wurden eingeleitet, um für die Palästinenser ein eigenes Staatsgebiet im von Israel besetzten Westjordanland oder im Gazastreifen zu erhalten. Aber sogar während dieser Verhandlungen und noch mehr, als sie keine Resultate brachten, hielt es die PLO für notwendig, den bewaffneten Kampf weiterzuführen. Aufgabe des Westsektorbüros war es, seine Männer für Überfalle in Israel einzusetzen. Das Problem für seinen in China ausgebildeten Befehlshaber Chalil al-Wazir bestand darin, daß das potentielle Zielgebiet 2000 km vom Hauptquartier in Tunis entfernt war. Jordanien willigte nicht ein, sein Hoheitsgebiet als Ausgangsbasis für Operationen gegen Israel zu benutzen, und die strengen Sicherheitskontrollen in Jordanien machten Verschwörungen schwierig und gefährlich. Statt dessen beschloß Abu-Iyad, Übertalle von See her zu starten und dabei Zypern als Stützpunkt zu benutzen. Im April 1985 begab sich eine Gruppe seiner Leute, die in Algerien ausgebildet worden waren, an Bord des Frachters Atavirus, ausgerüstet mit einer Reihe kleiner Angriffsboote, mit denen sie an der israelischen Küste landen wollten. Aber der Frachter wurde von israelischen Patrouillenbooten aufgebracht und versenkt, bevor das Unternehmen überhaupt anlief. Abu-Iyad übernahm die Verantwortung für das klägliche Scheitern der Aktion. Vorwürfe wurden laut, sein Westsektorbüro sei von Mossad-Agenten durchsetzt. Zu dieser Zeit plante auch die Truppe 17 ähnliche Aktionen, aber wieder gelang es der israelischen Flotte, einen Überfall zu vereiteln. Sie kaperte die Motorjacht Casselredit vor der Küste des Südlibanon und nahm an Bord acht Guerillakämpfer fest, unter ihnen Faisal Abu-Shar, den stellvertretenden Kommandeur der Truppe 17. Nur wenige Tage später wurde auch die Jacht Ganda mit PLO-Kämpfern an Bord von israelischen Patrouillenbooten aufgebracht. Sie war ebenfalls von einem Hafen auf Zypern ausgelaufen. Im Hauptquartier der PLO in Tunis mußte man einsehen, daß man wieder einmal vom Mossad geschlagen worden war und daß israelische Agenten die Landeoperationen zum Scheitern brachten. Man erkannte, daß die Pläne von Zypern aus durchkreuzt wurden. Am

jüdischen Bußtag drang ein 3-köpfiges Kommando der Truppe 17 in eine israelische Jacht, die im Hafen von Larnaka vor Anker lag, ein, erschoß eine Israelin und nahm ihren Ehemann und einen weiteren Mann als Geisel. Zuerst verlangte man die Freilassung inhaftierter Kameraden als Gegenleistung für das Leben der Geiseln, dann wurden beide Männer durch Kopfschüsse getötet. Israel bestand im Brustton der Überzeugung darauf, daß die Leute auf der Jacht einfache Touristen gewesen waren. Ob das PLO-Team damit das richtige Ziel erwischt hatte oder nicht, es gab keinen Zweifel daran, daß Mossad-Agenten in Zypern aktiv waren. Zypern hat sich zu einem Zentrum für Verschwörungen und Spionage entwickelt, das mit der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs verglichen werden kann: Auf der einen Seite gibt es ein aufgeblähtes Repräsentantenbüro der PLO, auf der anderen Seite eine fähige israelische Botschaft, die dem Geheimdienst alle Möglichkeiten bietet, die Insel als Abhörstation in geringer Entfernung zur arabischen Welt zu benutzen. Als Shimon Peres, damals Premierminister, den Vergeltungsluftangriff auf das PLO-Hauptquartier in Tunis rechtfertigte, erklärte er selbstbewußt, Israel habe genaue Informationen darüber, daß die Truppe 17 die drei Israelis auf Zypern ermordet hatte. Ein überraschender Umstand in der Affäre um die Jacht in Larnaka war, daß das Kommando der arabischen Killer von einem blonden Engländer aus North Shields geführt worden war, der sich drei Jahre zuvor aus einem inneren Impuls heraus der PLO angeschlossen hatte und dann in die Truppe 17 gekommen war. Wahrscheinlich war er für Einsätze vorgesehen, bei denen es ein so unverkennbarer Angelsachse leichter hatte als ein Araber. Er büßt heute eine lebenslängliche Haftstrafe in einem Gefängnis in Nikosia ab. Als sich diese Vorfälle im Mittelmeer ereigneten, waren die Terrorgruppen der PLO auch in Europa aktiv. Eine davon leitete Major Mustapha, ein Palästinenser, dessen Name oft in den Mossad-Akten auftauchte. Die Informationen über ihn erlangte der Geheimdienst durch die altbewährte und im Libanon erfolgreich erprobte Methode, zu diesem Zweck arabische Spitzel anzuheuern. Der Mossad-Agent, der Major Mustapha beschattete, war ein ehrgeiziger junger Jordanier namens Ismael Sowan. Er stammte aus

einem Dorf zwischen Bethlehem und Jerusalem, wo er 1960 zur Welt gekommen war, sieben Jahre bevor die Israelis den Ostteil Jerusalems einnahmen. Er wurde bereits in jugendlichem Alter vom israelischen Geheimdienst angeworben. Aber plötzlich geriet er, wie viele andere junge Araber, die jetzt unerwartet unter einer israelischen Regierung leben mußten, in einen Loyalitätskonflikt. Es ist gut denkbar, daß er als ein ehrgeiziger Araber, dem sowohl Geldgier als auch Verschlagenheit nachgesagt wurden und der Naturwissenschaften studieren wollte, aus reiner Berechnung beim Mossad anheuerte. Mit dem dort verdienten Geld wollte er seine Ausbildung und seine Auslandsreisen finanzieren. Als er aber schließlich in England festgenommen wurde, erklärte er - zweifellos ein Vorwand -, seine Familie sei bedroht gewesen, wenn er sich geweigert hätte mitzumachen. Seine Eltern immerhin, die ihn mit einer öffentlichen Erklärung in einer arabischen Zeitung aus der Familie ausstießen, erwähnten nichts von einer Bedrohung. „Das ganze Dorf erfuhr, daß Ismael für den israelischen Geheimdienst arbeitete", sagte sein Bruder Ibrahim. „Alle waren sehr zornig." Nachdem Sowan zum Geheimagenten ausgebildet war, ging er 1977 über Jordanien nach Beirut. Für Araber war es relativ leicht, aus Israel und den besetzten Gebieten legal über die Allenby-Brücke, die über den Jordan führte, einzureisen. Als er im Libanon angekommen war, schloß er sich der PLO an, zweifellos auf Anweisung der Israelis. Die PLO bildete ihn militärisch aus und schickte ihn gleich mit einem Auftrag nach Jerusalem - ohne zu ahnen, daß er bereits für die Israelis arbeitete. Die erste Aufgabe, die er von den Israelis in seiner neuen Stellung bekommen hatte, war es, einen Waffenschieber zu ködern. Die meisten anderen israelischen Spitzel wurden zu der Zeit gebraucht, um möglichst viele Informationen über die palästinensische Führung und ihre Operationspläne zusammenzutragen. Sowans nächste Aufgabe bestand darin, ihre Waffenverstecke auszuspionieren. Nach fünf Jahren im Libanon wurde Sowan von seinen PLO-Vorgesetzten nach Paris beordert, angeblich um Französisch zu lernen. Er sagte später aus, daß er sich dort regelmäßig auch mit israelischen Agenten in Cafes und an ähnlichen Orten getroffen hatte und daß sie ihn monatlich in bar bezahlten. Seine Kontaktperson bei der israelischen Botschaft in der Rue Rabelais 3, in der Nähe der

Champs Elysees, kannte er allerdings nur unter dem Decknamen Adam. Der nächste Abschnitt in Sowans Geheimdienst-Karriere begann, als ihn ein Agent 1984 nach London mitnahm. Dort bezog er eine Wohnung in dem betont anonymen Viertel Maida Vale, die von den Israelis bezahlt wurde. Der Mossad zahlte ihm für seine Dienste außerdem 600 englische Pfund monatlich. Offiziell hatte er das Ziel, sein Ingenieurstudium in Bath zu beenden. Kurz nach seiner Ankunft in London ging er, wie viele bedürftige arabische Studenten, zu dem Büro in der City of London, das die PLO mit der Arabischen Liga teilte. Wie viele andere sagte er, daß er Geld brauchte, um seine Ausbildung zu beenden. Ein palästinensischer Sprecher erklärte nach dem Prozeß, daß man ihm die Adresse der Ausbildungsabteilung gegeben und ihm gesagt hatte, daß er nicht wieder in das Büro kommen solle. Das klang wie eine Ausrede. Es war reiner Zufall, daß Sowan gleich auf Mustapha traf, den Offizier der Truppe 17, der zeitweise die Verantwortung für die Sicherheit des Büros übernommen hatte. Die beiden kannten sich schon aus früheren Tagen in Beirut. Dieser Mustapha war derselbe, der im PLO-Hauptquartier unter dem stattlicheren Namen Major Abd er-Rahim Mustapha bekannt war. Die zwei Männer freundeten sich an, wie es zweifellos von den Mossad-Vorgesetzten gewünscht worden war, und trafen sich bald sehr häufig. Wie Sowans Verteidiger David Cocks es ausdrückte: „Er bewegte sich in PLO-Kreisen. Er arbeitete für den israelischen Geheimdienst. Er befand sich in einer schrecklichen, gefährlichen und beängstigenden Lage." Die Freundschaft mit Mustapha dauerte auch an, als Sowan sich für das Ingenieurstudium in Bath einschrieb. Mustapha erzählte seinem neuen Freund und vermeintlichen PLOAnhänger vom Wesen der Truppe 17 und seinen Taten, unter anderem auch von dem Versuch, im Jahr 1970 ein israelisches Flugzeug in der Bundesrepublik zu entführen. Er schmückte sich zudem mit den Lorbeeren aus anderen Aktionen in Jordanien, Zypern und Spanien. Obwohl Sowan ihn später als „einen Fuchs, einen sehr intelligenten Mann" beschrieb, gab es für die beiden Palästinenser in einem fremden Land keinen Grund für Heimlichkeiten. Ein Foto Mustaphas war schon einmal in einem Buch mit Bildern aus der Geschichte der

Truppe 17 erschienen, das unter den Palästinensern im Umlauf war; darauf sieht man ihn im Libanon auf einem Panzerfahrzeug stehen. Wahrscheinlich aufgrund dieses Fotos hat er die Aufmerksamkeit des Mossad auf sich gezogen. Mustapha und Sowan, der Mossad-Agent in London, kannten sich so gut, daß Mustapha Trauzeuge war und die Heiratsurkunde unterschrieb, als Sowan eine Engländerin namens Carmel Greensmith heiratete. Im Sommer 1986 zog Sowan schließlich nach Hull, um eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Humberside College of Further Education anzunehmen. Von dieser Zeit an sah er Mustapha nur noch selten. Damals versuchte er, nach seiner eigenen Version der Geschichte, seine Verbindung zum Mossad zu lösen, um seine akademische Karriere fortzusetzen. „Aber man kündigt einen Job wie diesen nicht einfach", sagte sein Verteidiger später. Die palästinensischen Freunde trafen sich erst im Jahr darauf wieder, als Mustapha im Begriff war, das Land zu verlassen. Er war von den britischen Behörden ausgewiesen worden, als er aus finanziellen Gründen seine Werkstatt in Leigh-on-Sea in Essex schließen mußte. Nun brauchte er ein Versteck für seinen Waffenvorrat, nachdem er sein Haus aufgegeben hatte. Mehrmals besuchte Mustapha seinen Freund in Hull und bat ihn, einige Koffer bei Sowan unterstellen zu dürfen. Nach den späteren Angaben der Verteidigers vor Gericht wußte Sowan nicht, daß es sich dabei um Sprengstoffe, Waffen und Munition handelte, aber das ist unwahrscheinlich. Auf jeden Fall begab sich Sowan gleich darauf nach London, um der israelischen Botschaft die Rückkehr Mustaphas zu melden. Angeblich war diese aber über das Wochenende geschlossen. Wenn er damit die Wahrheit sagte, beweist das entweder, daß er kein sehr sorgfältiger Agent war oder daß sein Vorgesetzter ihn nicht ausreichend instruiert hatte. Wahrscheinlicher aber ist es, daß es sich dabei um eine Ausrede handelte, die verdecken sollte, daß der Mossad zu diesem Zeitpunkt über das Waffenlager Bescheid wußte und es vor den britischen Behörden geheimhalten wollte. Sowan selbst flog am 14. Juli 1987 nach Israel. Er gab zu, daß er dort die Israelis über Mustaphas gesamte Aktivitäten unterrichtete. Der Mossad hatte nur seine eigenen Gründe, warum er die Informationen nicht mit irgendjemandem teilen wollte.

Die ganze Angelegenheit wäre sogar völlig unerkannt geblieben, wenn nicht in jenem Monat ein Karikaturist namens Ali al-Adhami von mehreren Attentätern nahe der Büros der arabischen Zeitung AI Qabas in der Ives Street in Chelsea erschossen worden wäre. Wer um alles in der Welt, konnte man sich fragen, erschießt einen Karikaturisten? Dieses Problem versuchte Scotland Yard zu lösen: Er beschäftigte sich mit den Zeichnungen des Ermordeten. Eine davon zeigte eine Leiche, die sarkastisch erklärte, sie hätte sich wegen eines Zeitungsartikels über Wahlen bei der PLO zu Tode gelacht. Eine andere ließ einen Mann in der Bildunterschrift sagen: „Sie würden mich umbringen, wenn ich zugäbe, in der PLO zu sein, sie würden mich aber auch umbringen, wenn ich sage, daß ich nicht in der PLO bin." Al-Adhamis Werke spielten oft darauf an, daß Yasser Arafat ein luxuriöses Leben führte, das in großem Kontrast zu den Leiden seiner Landsleute im Nahen Osten stand, und er war schon oft gewarnt worden, daß er der palästinensischen Führung ein Dorn im Auge war. Im Lichte dieser Informationen schien es gut möglich, daß eine Gruppe beleidigter und humorloser palästinensischer Kopfjäger sich vornahm, den witzigen Araber aus dem Weg zu räumen. Aus Frankreich kam in dieser Angelegenheit ein Hinweis, der Mustapha aus der Truppe 17, dessen Name in Paris auf der Fahndungsliste stand, betraf. Nach Angaben aus einer Folge der Fernsehsendung Monde actuel wurde die Information sogar direkt auf eine Anweisung des damaligen französischen Innenministers Charles Pasqua weitergegeben. Die Terrorabwehrabteilung in London begann Indizien zu sammeln, die auf Mustapha als Anstifter zum Mord an Ali al-Adhami hindeuteten. Man überprüfte auch seinen Bekanntenkreis und entdeckte, daß er über Jahre hinweg mit mehreren falschen Pässen ein- und ausgereist war, um PLO-Aktionen zu organisieren; er war einer der meistgesuchten Männer Europas. Die letzten drei Jahre über führte er in Romford in Essex ein ruhiges Leben, von wo aus er zu seiner Arbeit als Sicherheitsbeamter im Büro der PLO fuhr. Zur Tarnung betrieb er eine Werkstatt in Leigh-on-Sea. Die Polizei stellte außerdem fest, daß er ein Freund von Ismael Sowan war und daß er Sowan dreimal in seiner Wohnung in Hull in Yorkshire besucht hatte. Mustaphas Reisen in einem roten VW Polo kam man leicht auf die Spur, weil er für seine Tankrechnungen eine Kreditkar-

te benutzt hatte und so seine Wagennummer auf den Quittungen mehrerer Tankstellen stand. Damit war die Verbindung zu Sowan hergestellt, dessen Haus dann auch durchsucht wurde. Dort fand die Polizei einen großen Vorrat an Waffen, die in sechs Koffern versteckt waren. Das Waffenlager war in einem Badezimmerschrank in der Westbourne Avenue in Hull versteckt und umfaßte SemtexSprengstoffvorräte, Granaten und Kalaschnikow-Gewehre, die bei Terroriiberfallen bevorzugt Verwendung finden: ausreichend Material für eine längere Terrorkampagne, auf dem sich Mustaphas Fingerabdrücke feststellen ließen. Aber zu dem Zeitpunkt, als die Entdeckung gemacht wurde - nach der Rückkehr Sowans aus einem Israel-Urlaub war Mustapha verschwunden. Einen Tag nach dem Mord an al-Adhami versuchte der Palästinenser noch vergeblich, einen Flug von Heathrow nach Zypern zu buchen. Statt dessen mietete er einen Wagen, fuhr nach Manchester und flog von dort auf Umwegen über Belgrad nach Zypern. So entging er einer Festnahme und setzte später seine Tätigkeit beim Hauptquartier der Truppe 17 in Nordafrika fort, zu neuen Taten bereit. Der Mossad wurde heftig kritisiert, weil er versäumt hatte, die Informationen zu liefern, die zu einer rechtzeitigen Festnahme geführt hätten. Durch ihr Schweigen trug die Organisation obendrein die Schuld an der Verhaftung und Verurteilung ihres eigenen Agenten Ismael Sowan, dem man den geheimen Vorrat von PLO-Waffen anlastete. Im Prozeß am Old Bailey wurde er wegen des unerlaubten Besitzes von Waffen und Munition zu elf Jahren Gefängnis verurteilt, ohne Anrechnung der Untersuchungshaft.

26. Vorwürfe aus Whitehall

Der gesamte Verlauf der Mossad-Aktivitäten, an denen Sowan und Major Mustapha beteiligt waren, lieferte weitere Beweise für das üble, respektlose Verhalten der Mossad-Agenten in Großbritannien. Wieder einmal waren es der Übereifer der Männer vom „Institut" und ihre Art und Weise, arabische Terroristen bis jenseits aller Grenzen und Schranken zu verfolgen, die zum Problem wurden. Bei den Untersuchungen zum Mord an dem arabischen Karikaturisten brachte die Abteilung für Terrorabwehr bei Scotland Yard unter der Leitung von Kommissar John Churchill-Coleman beunruhigende, aber aufschlußreiche Einzelheiten über die Taktiken des israelischen Geheimdienstes im Ausland ans Licht. Der Mossad war nicht für den Mord direkt verantwortlich. Aber als seine geheimen Aktivitäten ans Tageslicht kamen, krachte es gewaltig. Dem Mossad wurde vorgeworfen, betrügerisch und riskant vorgegangen zu sein, als er die Informationen, die Sowan mitgeteilt hatte, nicht an die britischen Behörden weitergab. Der PLO-Waffenvorrat, über den er Bescheid wußte, hätte in diesem Stadium sehr wohl von arabischen Terroristen für Anschläge in Großbritannien genutzt werden können. Und der Mossad allein wußte, daß der mutmaßliche PLO-Terrorist Major Mustapha, gegen den ein internationaler Haftbefehl vorlag und der früher schon einmal als gefährlich und verdächtig aus dem Vereinigten Königreich ausgewiesen worden war, erneut heimlich nach Großbritannien eingereist war und frei herumlief. Deshalb reagierte die britische Regierung sehr empört mit schweren Vorwürfen gegen Israel. Man konnte aber kaum vom Mossad verlangen, alle Einzelheiten seiner geheimen Aktion preiszugeben. Der nämlich wagte es nicht,

das Leben von Sowan oder Baschar Samara, einem anderen MossadAgenten, der in enger Verbindung mit einer PLO-Zelle in Großbritannien stand, aufs Spiel zu setzen. Aber wenn seine Agenten einmal das umfangreiche Sprengstoff- und Waffenlager entdeckt hatten, waren sie in jedem Fall verpflichtet, diese Information an die englischen Behörden weiterzuleiten. Das geschah nicht; ebensowenig meldete man die Anwesenheit eines so gefahrlichen Mannes wie Mustapha in London. Damals wußte man im Scotland Yard noch nicht einmal, daß er nach England zurückgekommen war. Zudem brachen israelische Agenten in Mustaphas Haus ein und verschafften sich Informationen aus Unterlagen, von denen die britischen Behörden ebensowenig benachrichtigt wurden. Der Ärger in Großbritannien war also berechtigt. Der Attache an der israelischen Botschaft Arye Regev wurde zur persona non grata erklärt, weil sich seine Aktivitäten nicht mit seinem diplomatischen Status vertrügen. Der britische Nachrichtendienst stellte fest, daß Ismael Sowan und der andere Mossad-Agent, Baschar Samara (eigentlich ein Druse mit israelischer Staatsbürgerschaft), seinen Anweisungen unterstanden. Einem weiteren israelischen Diplomaten, Jacob Barad, wurde die Rückreise nach Großbritannien verweigert, als er noch außer Landes im Urlaub war. Die israelische Botschaft veröffentlichte eine entrüstete Erklärung: „Wir bedauern, daß die Regierung Ihrer Majestät sich bemüßigt sah, solche Maßnahmen zu ergreifen. Israel hat nicht gegen britische Interessen verstoßen. Das Motiv war einzig und allein der Kampf gegen den Terrorismus." Noch einmal brachte Israel die bekannten Rechtfertigungen für sein undiplomatisches Verhalten vor: „Solange wir Terroristen bekämpfen, geht alles" und: „Wir fügen euch sowieso keinen Schaden zu." Die dennoch recht defensive Reaktion Israels ließ vermuten, daß sein diplomatisches Gewissen auch jetzt noch immer nicht ganz rein war. Auf Margaret Thatchers Vorwurf der bewußten Täuschung antwortete Premierminister Schamir in einem Zeitungsinterview nur: „Ich kann nur sagen, daß ich das für ein Mißverständnis halte. Es ist bedauerlich." Warum der Mossad so ungern Informationen mit einem vertrauten und verbündeten Geheimdienst teilte, entsprang seinem übersteigerten Selbstbewußtsein. Nachdem er Agenten so eng bei Mustapha

plaziert hatte und über das Waffenversteck in Kenntnis gesetzt war, neigte seine Führung eher dazu, die Aktion weiterlaufen und den Waffenvorrat nur überwachen zu lassen. Durch diese Aktion hoffte man, Mustaphas Verbindungen mit anderen Leuten aus der Truppe 17 und seinen Zellen in Europa auf die Spur zu kommen. Der Mossad ist eine Organisation, die sich über Araber, die andere Araber umbringen, nicht sonderlich viele Gedanken macht, wie in dem Fall des armen Karikaturisten, der in den Straßen von London erschossen wurde. Wichtig war ihm allein, seine Aktionen zu sichern und geheimzuhalten, während man unter den anderen Palästinensern, die terroristisch aktiv waren, nach Zielen suchte, als Freunde oder als Feinde. Es könnte sogar letztendlich die Absicht gewesen sein, Mustapha selbst oder seine Kontaktpersonen zu töten. Schon nach dem Massaker in München 1972 startete der Mossad eine ausgeklügelte Kampagne, alle die Führer, die für schuldig befunden wurden, „aus dem Verkehr zu ziehen". Damals war man zu weit gegangen, und in der Folge wurden Anweisungen gegeben, die den Mord an mutmaßlichen Terroristen untersagten - außer in besonderen Fällen. Es schien den westlichen Geheimdienstlern nun, als ob sich die politische Strategie wieder geändert hatte. Diese Annahme wurde 1988 durch den Mord an Chalil al-Wazir in Tunis, der allgemein als möglicher Nachfolger von Yasser Arafat angesehen wurde, bestätigt. Die Tat wurde dem israelischen Geheimdienst zugeschrieben. Neben den diplomatischen Schritten gegen die Israelis wies das britische Außenministerium auch den PLO-Angehörigen Zaki al-Hawa aus, der als Sprecher für deren Vertretung in London agierte. Al-Hawa war als Mitglied der Truppe 17 bekannt. Die Ausweisung war als Warnung an die Palästinenser gedacht, keine Terroranschläge in London zu verüben, denn die Hauptverdächtigen bei den Untersuchungen zum Mord an dem Karikaturisten kamen aus ihren Reihen. Sie diente auch dazu, Israel zu irritieren. Dort empfand man die Geste als beleidigend, weil die israelische Botschaft damit auf dieselbe Stufe mit der Vertretung der Palästinenser gestellt wurde, die ihrerseits gar keinen vollen diplomatischen Status besaß. Als erstmals bekannt wurde, daß Mossad-Agenten in geheimer Mission im Vereinigten Königreich tätig waren, schickte Margaret

Thatcher selbst ein persönliches Protestschreiben an Yitzhak Schamir. Darin sprach sie die Drohung aus, daß der Mossad, falls sich seine Mitarbeiter in Zukunft nicht zu benehmen wüßten, von der Liste der befreundeten Geheimdienste, gestrichen und daß ihm möglicherweise weitere Unterstützung verweigert werde. Bis dahin war der Mossad zusammen mit den Geheimdiensten so vertrauter Verbündeter wie Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten als befreundeter Geheimdienst eingestuft worden. Den bevorzugten Status, der Israel bisher in dieser Beziehung eingeräumt worden war, machte die Tatsache deutlich, daß der ausgewiesene Diplomat Regev gar nicht auf der Liste der in London akkreditierten Diplomaten erschien; das bestätigte, daß es Mossad-Agenten, die der Botschaft angehörten, erlaubt war, ihre Anonymität zu wahren. Sogar die Botschaftsangehörigen ohne Diplomatenstatus wurden von den Behörden bevorzugt behandelt. Nach der Sowan-Affäre wurde die strenge Warnung ausgegeben, daß weiteres Fehlverhalten Großbritannien dazu zwingen würde, den Mossad zusammen mit dem KGB und anderen feindlich gesinnten Geheimdiensten einzuordnen, deren Aktivitäten stark behindert wurden. Das war eine Drohung, die den britischen Geheimdienstlern einige Genugtuung verschaffte, denn sie waren schon oft der Ansicht, daß der Mossad sich zu viel herausnahm. Geheimdienste ziehen immer eine gewisse Befriedigung daraus, wenn Rivalen, auch wenn es befreundete Geheimdienste sind, bei einer Aktion erwischt werden. Aber es war doch unwahrscheinlich, daß die langjährigen Beziehungen zwischen den Geheimdiensten der beiden Länder allzu großen Schaden nehmen sollten. Es war einfach eine Erfahrungstatsache, daß ein Nachrichtendienst ab und zu die Hilfe des anderen brauchte. Großbritannien war mit Sicherheit erpicht darauf, Mossad-Akten einzusehen, wenn sie sich etwa mit Verbindungen zwischen arabischen Terrorgruppen und der IRA beschäftigten. In ähnlicher Weise war Israel froh, eine Gönnerin wie Margaret Thatcher in Europa zu wissen, die genug Mut hatte, eine harte Haltung dem Terrorismus gegenüber einzunehmen, und die es kategorisch ablehnte, mit Entführern und Geiselnehmern zu verhandeln. Trotz alledem waren die Beziehungen zwischen den beiden Staaten durch die Sowan-Affare gespannt, und sie wurden durch die massive

Kritik Israels an dem riesigen Waffengeschäft, das im Sommer 1988 bekannt wurde, noch mehr belastet: Britische Firmen hatten Verträge mit Saudi-Arabien über die Lieferung einer großen Zahl von Tornado-Düsenjägern, Kriegsschiffen und über defensiv-militärische Infrastruktur-Maßnahmen abgeschlossen. Die Briten sprangen ein, als die Amerikaner unter dem Einfluß der jüdischen Lobby im Kongreß daran gehindert wurden, ihrerseits das Geschäft abzuschließen. Die Verärgerung war um so größer, als Großbritannien Israel seit 1982 mit einem Waffen-Embargo belegt hatte. Yitzhak Schamir ging so weit, der britischen Regierung vorzuwerfen, „seine wirtschaftlichen Interessen in einer unverantwortlichen Weise auf Kosten der Prinzipien verfolgt zu haben". Gerade dieser Vorwurf aber verärgerte die Regierung in London und veranlaßte sie, vom Geheimdienst einen vollständigen Bericht über die israelischen Agententätigkeiten in Großbritannien zu verlangen. Dabei kam heraus, daß Israel auch nach der Warnung von Margaret Thatcher und trotz aller Zusicherungen, seine Netze in Großbritannien aufzulösen, in der Botschaft in Kensington noch mindestens eine Geheimdiensteinheit unterhielt und daß fünf Agenten in der Hauptstadt geblieben waren. Auch sie wurden offiziell aufgefordert, das Land zu verlassen. Zur gleichen Zeit gab man dem Mossad zu verstehen, daß zukünftige Aktivitäten seiner Mitarbeiter nur unter der Bedingung toleriert werden würden, daß man die Behörden vollständig informierte. Der israelische Botschafter Yehuda Azner warf dem britischen Außenministerium vor, absichtlich Informationen über die Aktivitäten des Mossad ans Licht gelassen zu haben. Und er forderte den ständigen Untersekretär im Außenministerium Sir Patrick Wright auf, solche Veröffentlichungen abzustellen, und behauptete, daß dies die Beziehungen zwischen beiden Staaten belaste. Dennoch gab es israelische Politiker, die meinten, solche Vorfalle seien einfach Teil einer Kampagne des Mossad gewesen, um seine eigene Haut zu retten. Eine Zeitung forderte eine Untersuchung des ganzen Vorfalls. Sie meinte, wenn der Hergang nicht klargestellt würde, könnte der israelische Geheimdienst in London den Zugang dazu verlieren, das sie als „erstklassiges Schlupfloch für jeden Geheimdienst mit Interessen im Nahen Osten" bezeichnete.

Ein ungenannter Beamter, der in der Zeitung Yevioth Ahronoth zitiert wurde, erklärte: „In bezug auf die Folgen ist dies eine kleinere Version des Pollard-Falls." Der Vergleich hinkte etwas. Denn Jonathan Pollard, der in den USA bei der Spionage für Israel entdeckt worden war, war nicht dem Mossad unterstellt gewesen, sondern einer Neben-Einheit des Geheimdienstes, die vom Kabinett kontrolliert worden war. Im Fall Sowan führte der arrogante Übereifer der Verantwortlichen dazu, daß sie ihre Agenten vor Ort auch nach dem öffentlichen Bekanntwerden ihrer Aktivitäten weiterarbeiten ließen, und daraus ergaben sich fast zwangsläufig die politischen und diplomatischen Konsequenzen. Die befreundeten Regierungen wissen sehr gut, daß der Mossad seine spektakulärsten Erfolge erzielt, wenn es ihm gelingt, Agenten in die Palästinenserbewegung einzuschleusen. Aber es mußte Verärgerung aufkommen, als man in Europa dieselben unfeinen Infiltrierungstaktiken anwandte, die in Beirut so viel Erfolg gehabt hatten, solange sich das PLO-Hauptquartier dort befand. Damals war es relativ leicht für die verantwortlichen Mitarbeiter, Männer und Frauen, die sich nahe am Ort des Geschehens fanden, zu leiten. Eine unvorhergesehene Konsequenz des militärischen Erfolgs der israelischen Armee bei der Invasion in den Libanon 1982 mit der Vertreibung der PLO in ein noch weiter entferntes Exil war aber, daß Spionageoperationen immer schwieriger wurden: PLO-Einheiten waren nun in ganz Europa und der arabischen Welt verstreut. Im Sommer 1988, als die Streitigkeiten in London ihren Höhepunkt erreicht hatten, kehrte der Mossad zu seinen früheren Methoden zurück und organisierte die Ermordung eines PLO-Führers, der für Überfalle von See her und für den Aufbau eines neuen Terroristen-Netzes in Europa verantwortlich gemacht wurde. Der Tod von Chalil al-Wazir durch eine Maschinengewehrsalve in seiner Villa nahe dem Hauptquartier der PLO in Tunis raubte der Organisation einen ihrer längsten Mitarbeiter. Er hatte das Kommando über die bewaffneten Truppen und konnte als einziger auf längere Sicht seinen Einfluß auf die Intifada ausüben. Nach Ansicht von israelischen Vertretern der harten Linie wäre dies schon Grund genug für sein Todesurteil gewesen; er bot sich als potentielles Opfer israelischer Geheimdiensttätigkeiten einfach an. Obwohl einer der „großen

Abus" und Gründungsmitglied von El Fatah, war er doch als „der stille Mann" bekannt. Er war ein fähiger und weitgereister Organisator, benutzte den Decknamen Abu-Iyad (Vater des Heiligen Krieges) und plante Guerillaüberfalle für das Gebiet, das er immer „das besetzte Palästina" nannte. Meistens sind die Tötungsmethoden des Mossad ausgefeilter als bei dem von einer Kommandoeinheit ausgeübte Anschlag in Tunis, der die Karriere von Abu-Iyad schlagartig beendete. Bei zahlreichen Gelegenheiten sprengte man seine Opfer entweder in die Luft oder plante kleine „operative" Eingriffe, wie es bei einem früheren Überfall auf das palästinensische Hauptquartier in Beirut der Fall war, meistens kommen dabei Militäreinheiten statt Mossad-Kommandos zum Einsatz. Wenn der Geheimdienst aber selbst die Unterstützung durch Feuerwaffen brauchte, bediente er sich der besonderen Einheit für Terrorabwehr Sayeret Matkal.

27. Der Bruch der Tabus

„Was stimmt nicht mit dem israelischen Geheimdienst?" Um diese Frage zu beantworten, muß man zuerst die grundsätzlichere Frage klären: „Was ist schiefgegangen in Israel?" Die Skandale, die Verwirrungen, die Fehler, die Schin Beth, Aman und sogar den Mossad plagten, waren alles Krankheiten, die jeden Geheimdienst und Sicherheitsdienst von Zeit zu Zeit heimsuchen. Auf dem Gebiet der Spionage- und Sicherheitsdienste gibt es keinen, der nur auf garantierten und fortlaufenden Erfolg zurückblicken kann. Kein Geheimdienst in einer Demokratie ist solchen Vorfällen gegenüber immun, wie Dokumente aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien deutlich genug zeigen. Der Aufstieg und Niedergang des Mossad über eine Zeit von vierzig Jahren hinweg aber spiegelt zugleich die Geschichte Israels wider. Es war ein Anfang, der von Optimismus und Begeisterung beflügelt war, bis zur desillusionierten Schwermut eines Staates, der im Moment alle die Symptome eines Menschen aufweist, der zum erstenmal sein Alter spürt. Für diesen Zustand ist die Politik der israelischen Führer im Kampf mit den unlösbaren Problemen, die durch Israels bloße Existenz als unabhängiger Staat im Nahen Osten entstehen, zum großen Teil verantwortlich. Dem edlen zionistischen Traum von einer Rückkehr aus der Diaspora in die Heimat für Millionen Juden, von der Schaffung eines neuen Jerusalem für die Unterdrückten im verheißenen Land stand die Tatsache gegenüber, daß andere Menschen bereits in dem größten Teil dieses Gebietes lebten. Die 656 000 Araber, die aus Palästina flohen oder terrorisiert und verjagt wurden, als aus einem Teil davon der Staat Israel entstand, gaben ihre Heimat auch nicht bereitwilliger für immer auf, als es die Juden in der Diaspora

getan hatten. Die arabischen Mächte zeigten sich ihren Leiden gegenüber gleichgültig und brachten sie in Grenzlagern unter, die wie Gewehrläufe auf das Herz Israels zielten. Aus politischen Gründen weigerte man sich, sich mit der Idee der Wiederansiedlung der Enteigneten zu beschäftigen. Und von allein löste sich das Menschenproblem nicht. In den schmutzigen Lagern der arabischen Länder sannen die Flüchtlinge auf Rache. Ihre Zahl vermehrte sich so, daß es in den achtziger Jahren ihrer noch mehr gab als vierzig Jahre zuvor. Die arabische Bevölkerung des Westjordanlandes, des Gazastreifens und Ostjerusalems beläuft sich zusammen auf mehr als anderthalb Millionen Einwohner. Im frühen 21. Jahrhundert werden die Juden sogar in Israel selbst in der Minderheit sein, weil die Geburtenrate der Araber die der Israelis übersteigt. In einer Debatte im Unterhaus 1939 erklärte der damalige britische Kolonialsekretär Malcolm Macdonald offen: „Es gibt keine Lösung für das Problem Palästina. Es ist ein Problem, bei dem Recht gegen Recht steht." Seine Worte haben auch noch heute ihre Gültigkeit, und viele Leute, so wie auch ich, antworten schon einmal, wenn sie die immerwährende Nahost-Frage gestellt bekommen, „Sind sie für die Israelis oder die Araber?": „Für beide." Zur Zeit des Waffenstillstands nach dem Unabhängigkeitskrieg von 1948 begannen die Araber, von ihren Lagern aus mit Überfällen zurückzuschlagen, und angesichts dieser Bedrohung verwandelte sich das neue Israel, das sich die Pioniere als kollektivistisches und pazifistisches Paradies, das vom Allmächtigen beschützt wird, erträumt hatten, in ein militaristisches Sparta zu verwandeln, das von einem immer komplizierteren internen Sicherheitsapparat beschützt wurde. Zuerst, als es schien, als ob die Bedrohung für den neuen Staat eine militärische war, die aus den Armeen von Ägypten, Syrien, dem Irak und Jordanien bestand, beschwor die Goliath-Natur der Bedrohung den unbesiegbaren Geist Davids herauf. Es gibt keinen erhebenderen und stärkenderen Aufruf zum Kampf als das Gefühl eines Helden, der sich seinem übermächtigen Gegner stellt, besonders wenn der Held gewinnt. Als die tapferen Truppen Israels die massierten Linien ihrer Feinde immer wieder zurückdrängten und die militärische Vorherrschaft errangen, zeigten sich die Israelis der

Situation gewachsen und sonnten sich in der Bewunderung durch das Ausland. Traurigerweise aber war es ausgerechnet der gefeierte Sieg von 1967, die Besetzung Jerusalems, der ganzen Sinai-Halbinsel und des gesamten Westjordanlandes, die den palästinensischen Nationalismus auf den Plan riefen und die bedrohende Plage des Terrorismus in die Welt setzten. Und es war der Krieg gegen den Terrorismus, der Israel zur Invasion des Libanon verleitete und die Armee und die Geheimdienste in den schmutzigen Konflikt verwickelte, an ihrer Moral zehrte und in den Massakern von Chatila und Sabra endete. Hier konnte man sich nicht mehr aus der Verantwortung schleichen. Diese Vorfälle, deren Narben die jüngste Geschichte Israels immer noch verunstalten, führten zu nationalen Selbstzweifeln und Zwietracht. Ein Mangel an Selbstbewußtsein breitete sich in der Armee aus, deren Stärke und scheinbare Unbesiegbarkeit immer ein machtvoller Faktor für die Einheit der Nation gewesen war. Derselbe Niedergang der Moral war beim kriegsmüden Mossad zu entdecken. Reservisten, die vom Wehrdienst im Libanon zurückkehrten, waren desillusioniert und demoralisiert, kaum wiederzuerkennen als Soldaten derselben Armee, die aus anderen Kriegen als Eroberer und Helden hervorgegangen war. Die Disziplin schien nachzulassen. In der Zeit nach der Libanon-Invasion wurden Offiziere und Mannschaften in einem Fall sogar vor ein Kriegsgericht gestellt, weil eine Einheit sich nur zögernd gegen Terroristen verteidigte, die ihr Lager angegriffen hatten. Zum erstenmal versuchten junge Männer, sich der Einberufung zu entziehen und dem Wehrdienst zu entgehen, den ihre Eltern noch mit Stolz absolviert hatten. Eine weitere schlimme Auswirkung dieser Art Vietnamkomplex war, daß die Soldaten den Drogenkonsum aus dem Libanon mit zurückbrachten. Als bei den Wahlen keine zufriedenstellende regierungsfähige Mehrheit zustande kam, einigten sich die Arbeiterpartei und der Likud-Block darauf, sich in der Regierungsführung abzuwechseln. Das bedeutete, daß die Regierungsgeschäfte in einem permanenten Klima von politischer Auseinandersetzung und von Wahlkämpfen stattfanden. Eine weitere Folge davon zeigte sich in der Beamtenschaft und der Befehlsstruktur der Armee und der Geheimdienste. Da Israel in der Zeit des Aufstiegs der Arbeiterpartei von 1948 bis

1977 praktisch als Einparteienstaat geführt wurde, hatte sich ein System entwickelt, in dem nur wenige Unterschiede zwischen Parteipolitikern und der Beamtenschaft bestanden. Ein Bürokrat aus dem Verteidigungsministerium, Shimon Peres, wurde Premierminister. Ein Parteimitglied, Mosche Dayan, wurde General. Generäle wurden Spionagechefs, Parteimitglieder wurden zu Beratern in Sachen Terrorabwehr. Nach 1977 kam der Likud-Block unter Menachem Begin an die Regierung, teilweise als Folge der Schwächen der Geheimdienste und des Militärs, die fast zu einem arabischen Sieg im Yom-Kippur-Krieg geführt hatten. In diesem Augenblick beanspruchten Begins Anhänger die Früchte ihres politischen Sieges in Form von Posten beim Militär und in der Verwaltung, die vorher von Mitgliedern der Arbeiterpartei besetzt waren. Und als sich dann die beiden Parteien schließlich in der Regierung abwechselten, stiftete das durch politische Loyalitätskonflikte weitere Verwirrung unter den höheren Beamten. In dieser Atmosphäre wurde es immer schwieriger, die staatlichen Einrichtungen mit der gewohnten Effizienz zu leiten, einschließlich der Sicherheits- und Geheimdienste. In den achtziger Jahren schien es, als ob die Mossad-Aktionen keine feste Kontrolle und Richtung mehr aufwiesen. Der Mossad und die angeschlossenen Organisationen brüskierten die Amerikaner durch den Pollard-Zwischenfall. Sie zogen den Zorn von Margaret Thatcher und der britischen Regierung durch ihr unorthodoxes und unkooperatives Verhalten in den Dikkound Sowan-Affären auf sich. Gerade als die westlichen Regierungen davon überzeugt waren, daß Yasser Arafat wirklich dem Terrorismus abschwören würde, im Gegenzug für eine palästinensische Unabhängigkeit auf eigenem Boden - da wehrte sich die Regierung Schamir gegen jegliche Friedensbemühungen. Der Mossad agierte einfach im seinem alten Stil weiter; er blieb unbeeindruckt von seiner Fehleinschätzung der Konsequenzen, als er versuchte, die Landkarte des Nahen Ostens in Verbindung mit den libanesischen Christen neu zu zeichnen. Er wurde von einem arabischen Aufstand überrascht, der 1987 im besetzten Westjordanland und im Gazastreifen begann und schnell auch auf Israel selbst übergriff. Nach den ermüdenden Jahren des Kampfs gegen den mit Bomben und Gewehren geführten Terrorismus schienen die Sicherheits-

dienste nicht mehr zu wissen, wie sie mit den spontanen Demonstrationen junger arabischer Nationalisten fertigwerden sollten, die lediglich Steine warfen und Lieder sangen. Die eng mit dem Militär verbundene Gesellschaft in Israel hatte ihre eigenen jungen Menschen darauf vorbereitet, als Soldaten in einem gerechten Krieg zu kämpfen, aber nur wenige Israelis wollen in den Polizeidienst, weil sie damit einstige polizeiliche Verfolgungen in Rußland oder Osteuropa assoziieren. Die Israelis setzten für die innere Sicherheit anstelle von Bereitschaftspolizisten Wehrdienst-Soldaten ein, und wie alle Soldaten, die für einen richtigen Krieg ausgebildet wurden, schössen diese sich in jeder Notsituation ihren Weg frei. Ein hoher Stabsoffizier drückte kürzlich seine Besorgnis über das aus, was er „das niedrige moralische Niveau der Soldaten in den besetzten Gebieten" nannte, und sprach von der Notwendigkeit eiserner Disziplin. Ein junger Offizier der Reserve sagte anläßlich einer Inspektionsrunde in aller Öffentlichkeit zu Premierminister Schamir, daß er und seine Männer sich über die Einsätze schämten, die sie gegen junge Palästinenser ausführen mußten. Die Zahl der arabischen Todesopfer ist inzwischen auf über 500 angestiegen, mehr als 30 Israelis wurden getötet. Als sich die Furcht vor den Arabern ausbreitete, begannen israelische Extremisten das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, indem sie Araber überfielen, niederschlugen und sie ermordeten. Aber die Welle der Intifada rollte immer weiter, und die bitterste Ironie war es, daß sich die steinewerfenden Jugendlichen in den arabischen Städten mehr Unterstützung für die palästinensische Sache in der Außenwelt sicherten als alle terroristischen Aktivitäten aller palästinensischen Befreiungsbewegungen zusammen. Wie man des Aufstands Herr werden sollte, war eine Frage, über die die Israelis so zerstritten waren wie sonst noch nie zuvor. Im Sommer 1989 wurde Yitzhak Schamir selbst von Extremisten bedrängt, die ihn einen „Verräter" nannten. Als israelische Fanatiker vor den Augen ihrer entsetzten Landsleute wahllos Araber angriffen, lebte die alte Furcht vor dem Gespenst eines Bürgerkriegs unter den Juden wieder auf und wurde vom Premierminister als „das Gefährlichste, was passieren könnte", beschrieben. In einer Stimmung des Selbstmitleids und des Selbstzweifels, durch die jüngsten Vorfälle wurden die Israelis kühner und kritischer

in ihrer Haltung gegenüber der Obrigkeit. Israel war schon immer eine Demokratie, in der es streitbare Leute zuhauf gab: Das Land sieht manchmal wie einen riesiger Debattierklub aus. Aber der nationale Geheimdienst war immer außerhalb der Kritik geblieben, und man schien sich generell darüber einig, daß manche Dinge am besten im Schutz höchster Geheimhaltung geschehen. Aber nun konnten sich sogar die geheimsten Institutionen nicht mehr der Kritik entziehen. Viele Dinge haben sich in Israel geändert, seit der Zeit, als Mossad ein Name war, der nicht einmal gedruckt werden durfte. Im Jahr 1988 wurde erstmals ein Versuch der militärischen Zensurbehörde, die Veröffentlichung eines Artikels zu verbieten, der mit scharfen Worten den Geheimdienst und seine Führung angriff, vom Obersten Gerichtshof abgewiesen. Dieser Artikel von Aluf Ben wurde zu einer Zeit verfaßt, als ein neuer Chef für den Mossad ernannt werden sollte. Er erschien schließlich in der Wochenzeitschrift Ha 'ir in Tel Aviv. Er äußerte Zweifel an der Kompetenz des scheidenden Mossad-Chefs, der als „mittelmäßig" bezeichnet wurde. Das Gericht stimmte darin überein, daß der Name des Mossad-Chefs nicht veröffentlicht werden sollte, obwohl es das Argument zurückwies, daß Kritik an der Führerschaft des Geheimdienstes ernsthaften Schaden anrichten würde. Der Chef der militärischen Zensurbehörde Yitzhak Schani hatte argumentiert, daß auch eine veröffentlichte anonyme Beschreibung des Mossad-Chefs es feindlichen Organisationen erleichtern würde, ihn zu identifizieren, und so sein Leben in Gefahr bringen würde. Die drei Richter aber vertraten das wichtige Prinzip, daß die Presse ein Recht und sogar die Pflicht habe, öffentliche Amtsinhaber zu kritisieren. Ihr Urteil forderte, daß alles unternommen werden müßte, um die Gefahrdung der Pressefreiheit durch Sicherheitserwägungen möglichst gering zu halten, weil sie selbst einer der Grundwerte war, die der Sicherheitsapparat schützen sollte. Es lautete weiter: „Die Art und Weise, wie ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Redefreiheit erhalten werden kann, liegt darin, daß man Redefreiheit gewährt und Einschränkungen nur dann zuläßt, wenn es absolut sicher ist, daß eine wirkliche Gefahr für die Sicherheit des Landes existiert und wenn es keine Alternative gibt." In einem Kommentar nannte die Jerusalem Post das Urteil der Richter ein „histori-

sches Urteil". Bemerkenswert dabei ist, daß es vier Jahrzehnte lang der Militärzensur überlassen geblieben war, dieses Gleichgewicht abzuwägen. Ihre Machtbefugnisse stammten direkt von den Notstandsregelungen ab, die von den ehemaligen britischen Mandatsherren Palästinas unverändert in die israelische Verfassung übernommen worden waren. Diese Regelungen waren außerordentliche Maßnahmen, die von England bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs angeordnet und speziell dafür ausgearbeitet worden waren, mit einer nationalen Notlage fertigzuwerden. Der Rückschlag für die Zensoren hatte gleich zur Folge, daß der Mossad, ein Tabu-Thema seit 40 Jahren, aus den Kulissen gezerrt und zum Objekt öffentlicher Auseinandersetzungen wurde. Zeitungsleser genossen die ehemals verbotenen Freuden der täglichen Vorwürfe und Gegenvorwürfe aus ungenannten Quellen, die sich über die Schwächen des Mossad ausließen, ein Thema, dem sich bis dahin nur die wenigen Eingeweihten hatten widmen können. Nahum Admoni, der scheidende Guru selbst, wurde in der israelischen Zeitung Hadashot zitiert, jedoch immer noch nicht namentlich, als er sagte: „Ich bin über das Schicksal des Mossad besorgt, der jetzt einer Schlammschlacht ausgeliefert ist. Der Schaden, den der Mossad in der Folge der kürzlich veröffentlichten Berichte davonträgt, empört mich mehr als der Schaden, der mir selbst zugefügt worden ist." Die Ansicht des Obersten Gerichts wird zweifellos eine langanhaltende Wirkung darauf ausüben, was von der israelischen Presse veröffentlicht werden darf, und die Methoden verändern, wie Zensur ausgeübt wird. Aber es gibt wenig Anzeichen dafür, daß der Mossad beabsichtigt, den Saum seines Mantels der Geheimhaltung auch nur einen Zentimeter höher zu heben, als er muß. Die einflußreiche Zeitung Maariv kommentierte: „Jetzt, da es das Oberste Gericht möglich gemacht hat, Fragen über den Mossad in der Öffentlichkeit aufzuwerfen, gibt es vieles, was hinterfragt werden muß." Der Autor des Leitartikels schlug vor, daß es vielleicht an der Zeit sei, den Geheimdienst einer Überprüfung durch eine gerichtliche Kommission aus objektiven, öffentlich bekannten Personen - den „großen Weisen" - zu unterziehen. Es waren schon einmal Nachforschungen über das Verhalten des militärischen Geheimdienstes angestellt worden, als Folge seiner fehlerhaften Einschätzung vor dem Yom-Kip-

pur-Krieg. Auch Schin Beth war nach seinem schamlosen Verhalten in der Affäre um den Bus 300 durch eine öffentliche Untersuchung ins Rampenlicht gerückt, ebenso wie Aman, der wegen seiner Beteiligung an Massakern im Libanon Nachforschungen über sich ergehen lassen mußte. Dabei kamen auch die Aktivitäten des Mossad und seine Kontakte zur Phalange vor und während dieser Massaker zur Sprache, wurden aber nie gründlich von einer unabhängigen Kommission untersucht. Es bleibt daher zweifelhaft, ob im MossadHauptquartier plötzlich eine Art Glasnost ausbrechen wird, aber inzwischen sind wenigstens einige der Tabus gebrochen worden. Das Problem, wie man Geheimdienste politisch zur Verantwortung ziehen kann, teilen alle demokratischen Gesellschaften. Die Amerikaner haben einige Schritte unternommen, um die CIA einer gewissen Aufsicht zu unterziehen; die Briten kämpfen immer noch mit Regelungen für eine Überwachung von MI5 und MI6, und trotz zahlreicher Forderungen nach parlamentarischer Kontrolle sind die Geheimnisse des Geheimdienstes immer noch allein dem Premierminister und ein paar Auserwählten bekannt. In Israel existiert bereits ein parlamentarischer Unterausschuß mit begrenzter Untersuchungsvollmacht. Aharon Yariv, ein Mitglied der Kommission, hat öffentlich erklärt, daß die Geheimdienste gelegentlich mit detaillierten Antworten auf ihre Fragen reagieren. Er hatte den Eindruck, daß der Ausschuß einen ausreichenden Überblick vermittelt bekam und in der Lage war, einen gewissen Einfluß auszuüben. Die wirkliche Schwierigkeit war, daß seine Mitglieder ohne Spezialkenntnisse in Geheimdienstangelegenheiten oft nicht wußten, welche Fragen sie überhaupt stellen sollten. Deshalb hatten sie manchmal nur wenig Möglichkeiten, eine Kontrollfunktion über die Geheimorgane auszuüben. Es ist Teil von Israels Erbe, das es mit anderen Ländern der Dritten Welt teilt, daß es seine Existenz als ehemalige Kolonie begann, deren Führer eher darauf bedacht waren, die Sicherheit zu gewährleisten, als demokratische Kontrolle über die notwendigen Sicherheitsdienste einzurichten. Keine israelische Regierung hat bisher bevollmächtigte Kontrollorgane, die die Geheimdienste überwachen sollen, öffentlich definiert. Die Organisationen bleiben aber nach wie vor so etwas wie ein Staat im Staat.

Als der erwähnte Zeitungsartikel im Januar 1989 schließlich in Ha 'ir erschien, war Premierminister Yitzhak Schamir gerade dabei, die endgültige Entscheidung zwischen zwei Kandidaten für die Leitung des Mossad zu treffen. Der Ausgewählte mußte auch Shimon Peres genehm sein, der alternierend Premierminister war. Es bestand die Wahl zwischen einem Außenstehenden, von dem vielleicht erwartet werden konnte, daß er den Geheimdienst wiederbeleben würde und einem Mann vom Fach, den der Likud-Block favorisierte. Wenn es darum geht, einen neuen Hohepriester des Geheimwesens zu ernennen, steht jedes Land vor dem gleichen Problem: Rivalisierende Parteien begünstigen entweder den neuen Besen von außen, der gut kehrt, oder den alten Hasen, der weiß, „wo die Leichen begraben liegen". Die Liberalen in Israel hofften nun, daß, wenn einem politisch bewußten Funktionär von außen die Möglichkeit gegeben wurde, die Macht zu übernehmen, ihre Kampagne, den Geheimdienst mehr der Kontrolle des Parlaments zu unterstellen, vorangetrieben werden könnte. In Übereinstimmung mit der üblichen israelischen Verfahrensweise wurde die endgültige Wahl nicht publik gemacht, so bleibt der Name des neuen Chefs geheim. Der scheidende Direktor, der seinen Posten sechs Jahre lang innehatte, war vorher Stellvertreter gewesen und hatte im September 1982 die Position von Yitzhak Hofi übernommen hatte, dessen Ruf unter seiner Verwicklung in die Probleme, die der Libanon-Invasion folgten, gelitten hatte. Als General Hofi seine Amtsperiode beendete, war ursprünglich der Brigadier Yekutiel Adam zum Nachfolger bestimmt worden. Dieser Offizier, der schon früher beim Mossad gewesen war, wurde aber im Libanon im Kampf getötet. Kurz nachdem dann Nahum Admoni die Leitung übernommen hatte, befragte ihn die Kahan-Kommission, die zur Untersuchung der Massaker in den Lagern von Sabra und Chatila eingerichtet worden war, zu der Rolle, die der Mossad und Aman in dieser Affäre gespielt hatten, obwohl er persönlich nicht daran beteiligt war. Innerhalb des Geheimdienstes hielt man ihn eher für einen Bürokraten als für einen Aktivisten. Er hatte seine Karriere beim SchinBeth-Sicherheitsdienst begonnen, bevor er in den fünfziger Jahren zum Mossad kam. Kollegen sagten, daß sie nie erwartet hatten, daß dieser Mann, dessen bemerkenswerteste Erfahrung eine Verbindung

zu einem Agenten eines ausländischen Geheimdienstes gewesen war, an die Spitze kommen würde. Als er zum Stellvertreter von Yitzhak Hofi ernannt worden war, hatte man allgemein geglaubt, das sei das Äußerste, was er je erreichen würde. Der junge Journalist Aluf Ben, der den Artikel in Ha 'ir verfaßt hatte und der sich offensichtlich im Mossad-Klatsch gut auskannte, berichtete, das Admoni „sich fast wie ein Europäer verhält" und ein offener, lebhafter, gesprächiger Mann sei, der auch gern das Leben genießt, obwohl er im Dienst sehr fleißig und Befürworter einer strengen Disziplin sei. Eine andere israelische Zeitschrift schrieb, daß er wegen seiner Art, sich elegant zu kleiden, von seinen Kollegen „Herr Gucci" genannt wurde. Ron Ben-Yishai, ein verdienter Kriegsberichterstatter, glaubte, daß der Ha 7r-Artikel von Mossad-Mitarbeitern übermittelt worden sei, die ihren Chef hinausdrängen und seine Position einnehmen wollten. Er behauptete ferner, daß die Kandidaten für die Position sich die Medien zunutze gemacht hätten: „Für diejenigen, deren Beruf es ist, Menschen zu manipulieren, ist es nicht schwer, einen jungen, zornigen Reporter auszunutzen." Er fuhr fort, daß die Schuld für die Probleme des Mossad nicht nur bei Admoni lag, sondern auch bei den führenden Politikern, die nur unzureichend Kontrolle auf ihn ausübten. Von einflußreichen Israelis ist darüber hinaus Besorgnis über die Ernennung von mittelmäßigen Persönlichkeiten in verantwortliche Führungspositionen im Geheimdienst geäußert worden. Dem Land schienen die herausragenden, zähen, kosmopolitischen und säbelrasselnden Intellektuellen ausgegangen zu sein, die den Mossad in den früheren Jahren geprägt hatten. Aufgewachsen in den aufregenden Zeiten großer Gefahren, waren diese Charakterköpfe bereit, Initiative zu ergreifen und Risiken einzugehen. In weniger dramatischen Zeiten neigen junge Neulinge, die oft in angenehmeren Verhältnissen großgeworden sind, dazu, weniger draufgängerisch und eher geschäftsmäßig zu handeln. Die Kombination von Vorsicht und strengerer hierarchischer Aufsicht hat zu Schwächen in der Arbeit geführt. Frühere Mossad-Mitarbeiter bestätigen, daß es weniger Flexibilität in bezug auf Koordination und Überwachung der Geheimoperationen gibt. Obwohl ein großer Teil der Schuld für das Versagen in jüngerer Zeit immer dem Leiter in die Schuhe geschoben wurde, muß

gesagt werden, daß auch von der politischen Führung mehr Verantwortung übernommen werden sollte. Die letzte Verantwortung für die Effizienz des Mossad ruht beim Premierminister. Es ist sogar vorgeschlagen worden, jetzt das „X-Komitee" wieder auferstehen zu lassen, eine kleine Gruppe von Kabinettsmitgliedern, die bis zur Mitte der siebziger Jahre die Durchführung heikler Aktionen von Zeit zu Zeit einer Untersuchung unterzog. Eingeweihte kritisierten Admoni dahingehend, daß er eher ein ruhiges Leben vorzogen, und Komplikationen lieber vermied. Sie behaupteten, daß der Mossad während seiner Amtsperiode im Leerlauf stillstand. Zu dieser Zeit konnte der Geheimdienst bestimmte Ereignisse nicht mehr beeinflussen, während andere Organisationen diese Aufgabe übernahmen. Der Lakam zum Beispiel führte seine eigenen Aktionen in den Vereinigten Staaten - den Einsatz von Pollard - durch. Als sein Agent geschnappt wurde, behauptete der Mossad nur, er habe mit dieser Aktion nichts zu tun gehabt. Der Verdacht wurde geäußert, daß Admoni sich nicht einmischte, weil er wußte, daß Rafael Eitan, der Verantwortliche beim Lakam, ein Freund des Premierministers war. Auch die Waffen-Affäre mit dem Iran war nicht über den Mossad abgewickelt worden, sondern von David Kimche, einem früheren stellvertretenden Mossad-Leiter, der eine Reihe von Männern aus dem Institut einsetzte, allerdings ohne die enge Kooperation mit dem Direktor. Der andere daran beteiligte Funktionär, der auch nicht zum Mossad gehörte, war der ehemalige Journalist Amiram Nir, der Berater des Premierministers in Terrorabwehrangelegenheiten. Die Abneigung zwischen dem Mossad-Chef und Nir war so groß, daß Admoni ihn aus seinem Beraterkreis ausschloß. Die Zeit zwischen 1982 und 1989 war eine recht ungewisse Zeit für diejenigen, die sich an der Spitze der israelischen Geheimdienstpyramide befanden. Nach der Libanon-Affäre wurde Yehoschua Sagi, der Chef des militärischen Geheimdienstes, entlassen; nach Pollard war die Regierung gezwungen, Rafael Eitan vom Lakam in den Ruhestand zu versetzen, und Avraham Schalom verlor seinen Posten als Leiter von Schin Beth im Gefolge der Affäre um den Bus 300. Der einzige Geheimdienstchef, der diese gefährliche Zeit überlebte und seine Amtszeit beendete, war Admoni, und das trug ihm zweifellos

auch die Abneigung der Organisation ein, wo er als Mitläufer eingestuft wurde, der wußte, wann er in Deckung gehen mußte. Wie auch die Wahrheit über solche Beschuldigungen lauten mag, fest steht, daß der Mossad nicht mehr seinen einstigen heroischen Nimbus als wunderwirkender Geheimdienst besitzt. Sein Versagen und Fehlverhalten im Ausland ist gar nicht mehr zu verheimlichen. Als das Mossad-Team sich nach Südamerika begab, um Eichmann zu entführen, rief diese Tat noch Bewunderung hervor. Als aber eines seiner Kommandos in Europa ungeschickt den Verräter Mordechai Vanunu mit der schmutzigen Taktik einer Sexfalle durch Cindy entführte, verwandelte sich die Bewunderung in Ekel. Er wurde noch mehr gedemütigt, als seine Agenten in London von der britischen Regierung ausgewiesen wurden. Einer der Vorwürfe in der Diskussion der israelischen Presse über den Skandal war, daß der Mossad seine Schuld erst zugab, nachdem einige vom Mossad gefälschte Papiere in einer deutschen Telefonzelle entdeckt worden waren: Der Mossad schien eine Schwäche dafür zu haben, britische Pässe zu benutzen. Sogar in Israel, wo Stolz, Triumph und Dankbarkeit für den unbezweifelten Pflichteifer des Geheimdienstes die Organisation traditionell vor öffentlicher Kritik bewahrt haben, wird nun der Verdacht geäußert, daß beim Mossad nicht alles in Ordnung sein kann. Die Israelis sind ein intelligentes und neugieriges Volk. Bis vor kurzem haben sie von ihren Geheimdienstlern nur das Beste angenommen. Aber neue, zunächst auf Gerüchten beruhende Vorwürfe über Korruption und Lasterhaftigkeit im Institut sind aufgekommen. In einem Fernsehfilm wurde sogar behauptet, daß fälsche Anweisungen und zu viel Druck aus dem Hauptquartier in Syrien zu der Verhaftung des heldenhaftesten aller israelischen Agenten, Eli Cohen, geführt hatte. Die Erfolge in jüngster Zeit bleiben unter dem Gesetz der Geheimhaltung verborgen, während die Fehler aufgedeckt werden. Aber in der jetzigen Situation Israels, da die unmittelbare Bedrohung eher von palästinensischen Straßendemonstrationen kommt, die ihrerseits Racheakte israelischer Extremisten hervorrufen, als von arabischen Armeen, ist schwer zu erkennen, wie der Geheimdienst wieder glänzende Triumphe der Art feiern kann, die seinen Heldenruhm in früheren Zeiten bergründeten. Die alte Ordnung wandelt sich, um

der neuen Platz zu machen, und die Träume, die in den Herzen von Yitzhak Schamir und Menachem Begin schlummerten, ein „Großisrael" zu errichten, verblassen schnell. In solchen Zeiten werden die Ziele der israelischen Geheimdienste weniger klar. Ihre Mitarbeiter könnten dazu gezwungen sein, sich auf den Weg des Extremisten General Ariel Scharon zu begeben, der öffentlich verlangt hatte, daß Yasser Arafat und die Anführer des palästinensischen Terrors „eliminiert" werden sollten. Aber es kann auch sein, daß die nächste große Aufgabe des Mossad eine der Geheimdiplomatie sein wird. Wenn es auch einigen von der alten Garde degoutant vorkommen wird, so lautet die Alternative, anzufangen, geheime Kontakte mit dem alten Feind Yasser Arafat und der PLO zu knüpfen, um der Sache willen, damit der uralte Streit beigelegt wird, bei dem die militärische Gewalt, begünstigt durch Geheimdienstmanöver, so kläglich versagt hat.

Anhang

Die Leiter der israelischen Geheimdienste

Die Mossad-Chefs Reuven Schiloah Isser Harel Meir Amit Zwi Zamir Yitzhak Hofi Nahum Admoni

Die Leiter von Schin Beth 1951-52 1952-63 1963-68 1968-74 1974-82 1982-89

Die Aman-Chefs Isser Be'eri Chaim Herzog Binyamin Gibli Yehoschaphat Harkabi Chaim Herzog Meir Amit Aharon Yariv Eli Zeira Schlomo Gazit Yehoschua Sagi Ehud Barak Amnon Schahak

Isser Harel Arnos Manor Yosef Harmelin Avraham Ahituv Avraham Schalom Yosef Harmelin

1948-63 1963 1964-74 1974-81 1981-86 1986-88

Die Leiter von Lakam 1948-49 1949-50 1950-52 1955-59 1959-62 1962-63 1964-72 1972-74 1974-78 1979-83 1983-85 1986-

Binyamin Blumberg Rafael Eitan

1957-81 1981-86

Literaturhinweise

Bar-Zohar, Michael: Spies in the Promised Land. London, Davis Poynter, 1972 Barnaby, Frank: The Invisible Bomb. London, I.B. Tauris, 1989 Copeland, Miles: The Game of Nations. New York, Simon and Schuster, 1976 Davenport, Elaine; Eddy Paul; Gillman, Peter: The Plombat Affair. London, Futura, 1978 Dayan, Mosche: Story of My Life. London, Weidenfeld & Nicolson, 1976 Deacon, Richard: The Israeli Secret Service. London, Hamish Hamilton, 1977 Derogy, Jacques & Carmel, Hesi: The Untold History of Israel. New York, Grove Press, 1979 Eisenberg, Dennis; Landau Eli & Portugali Menahem: Operation Uranium Ship. London, Corgi, 1978 Golan, Aviezer & Pinkas, Danny: Codename: The Pearl. London, Allen Lane, 1980 Hirst, David: The Gun and Olive Brandl. London, Faber, 1977 Laqueur, Walter: World of Secrets. London, Weidenfeld & Nicolson, 1985 Moshel, Aharon: The Vipers. Hamburg, Facta Oblita, 1989. dt.: Die Viper. Die Geschichte eines israelischen Spions. Ein Thriller aus der Wirklichkeit. Hamburg, 1989 Posner, Steve: Israel Undercover. New York, Syracuse University Press, 1987 Steven Stewart: The Spymasters of Israel. London, Hodder & Stoughton, 1980 Taheri, Amir: Nest of Spies. London, Hutchinson, 1988

Register

Abithol, Felix 252 Abu-Ammar siehe Arafat, Yasser Abu-Iyad 106-107, 113, 115, 260, 274 Abu-Juma'a, Majdi 161 Abu-Nidal 140, 259-260 Abu-Yussef 118 Adam, Yekutiel 283 Aden 111 Adhami, Ali al- 266-267 Adiv, Ehud 160 Admoni, Nahum 144, 281, 283-285 Adwin, Kemal 118 Afghanistan 191 Afrikanischer Nationalkongress (ANC) 249 Agaf Hamodi'in siehe Aman Agee, Jerry 210 Agranat Kommission 129, 132 Ägypten 276; Aman versagt in 45, 55-64; Einheit 101 in 49; der Mossad versagt in 55-64; tschechische Waffen für 61, 66; russische Waffen fiir 66, 129, 188, 201; Nazi-Wissenschaftler in 74, 75-82, 209; Mossad-Agenten in 75-82; Atomwaffen 80; Zerstörung Israels scheitert 96; YomKippur-Krieg (1973) 125-134, 227; Geheimdienste 160, 174, 177; Invasion in Libyen (1977) 175; Muchabarat 174, 177; USA und 190; israelischer Angriff (1969)205

Alexandria 59, 60, 63, 64, 84, 172, 174 Algerien ; Rebellion 31, 68, 96, 98, 179, 222; Juden in 44; Verteidigung 209 Algier 98, 105 Ali, Kemal Hasan 174 Allon, Yigal 121 Amal 138, 141, 147,259 Aman ; Gründung 24, 26, 46; und der Mossad 29; und Schin Beth 30; Skandale und Verfehlungen 45, 55-64, 127, 129, 131, 275, 282; Yom-Kippur-Krieg (1973) 127, 129, 131; Abteilungen 4648; Einheit 10 48; Anwerbung 47; Einheit2 51; und Beziehungen zwischen Ägypten und der UdSSR 66; und Grenzsicherheit 66; Fehlinformation 68-69; Funkabteilung 91; und PLO 131; und der Libanon 143, 144; und die CIA 184-194; und das FBI 184-194; MiG-21 202 Amin, Idi 247, 249 Amit, Meir 256; Chef von Aman 34; Chef des Mossad 34, 89, 90, 9394, 202, 223; und Harel 77, 80; und Watergate 187; MiG-21 202; und Atomprogramm 223 Amlot, Roy 254 Angleton, James Jesus 15, 28, 184, 185-186, 190 Ansari, Rifaatal- 160 Antisemitismus 19,40, 75,132,182 Antwerpen 225 Arabische Liga 264 Arafat, Yasser 96, 104, 118, 270, 278, 287; schwört Terrorismus ab 17; El Fatah 96; internationa-

ler Terrorismus 98; bei den UN 123; im Libanon 137, 139-141; Leibwache 259; Karikatur 266 Arbel, Dan 225, 226 Arens, Mosche 101 Argentinien 70-72 Argov, Schlomo 140 Arguelo, Patrick 113 Asan, Dina al- 102-108 Aschdod 172 Aschqelon 161 Asmara Chemie 223 Assad, Hafez al- 125-134, 260 Athen 105 Äthiopien 12, 44 Atomwaffen ; Ägypten 78-80; Frankreich 228-234; Irak 151, 190, 206 , 208, 228-234; Israel 14, 194, 197, 219-227, 228-234, 235-244; Pakistan 228 Australien 237, 271 Avigur, Schaul 23, 40 Azar, Schmuel 59, 61 Azner, Yehuda 272 Azzab, Kamil 78 Baader, Andreas 112, 116, 132, 178 Baath-Partei 85 Baddawi-Konferenz 112-113 Bagdad 12, 105, 106, 111,201-202; Atomreaktor 229-230, 232, 233 Barad, Jacob 269 Barak, Alexander 253-254 Bar-Lev-Linie 126, 128 Bar-On, Hanan 213 Barrow, Percy 225 Bar-Simantov, Yaakov 13 Bar-Zohar, Michael 43 Beeka-Tal 147

Beer, Israel 16, 73-74, 158, 180 Be'eri, Isser 24-27, 32 Beersheba 126 Begin, Menachem 19, 207, 287; über Sicherheitsdienst 20; und arabische Verschwörung zur Ermordung Sadats 108; und Libanon-Invasion 140, 141; und Sagi 145; und Schin Bcth 157; trifft Carter 187; trifft Sadat 172-176 Beirut 103,107,123,147,259,263; Flughafen 50, 56, 106, 203; der Mossad in 100-102, 148; israelischer Überfall (1973) 118; Amerikaner evakuiert 123; Flüchtlingslager 142-143; Botschaft des Irak 148; amerikanische Botschaft 148; PLO in 259, 274 Belgien 223, 224 Belgrad 267 Ben, Aluf 280, 284 Ben-Barka, Mehdi 254-257 Ben-Gal, Josef 79 Ben-Gurion, David ; und Sicherheitsdienst 20, 24-27, 29-32, 40, 43, 78; Pensionierung 55; Rückkehr in die Regierung 62; 2. Pensionierung 89; und Eichmann 71; und Beer 73-74, 180; und die Bundesrepublik 80-81; Plan zur Ermordung von 111; 'Lämmer zur Schlachtbank' 220 Ben-Natan, Ascher 221 Bennett, Max 61 Ben-Tov, Cheryl ('Cindy') 240242,286 Ben-Tsur, Mordechai 58 Ben-Yishai, Ron 284 Bergmann, Ernst David 221 Bernadotte, Graf 32

Berti, Nabi 147 Biglift, Operation 231 Biscayne Traders 224, 226 Blitzer, Wolf 212 Blumberg, Binyamin 197 Boger, Eli 62 Bokai, Jacob 13 Bonn ; israelische Botschaft 114 Brüssel 176 Buckley, William 151, 153, 154 Buenos Aires 72, 84 Buhari, Muhammed 250 Bukarest 175 Bulloch, John 121 Bundeskriminalamt (BKA) 116, 178 Bundesrepublik Deutschland 199; und der Mossad 81, 178, 286; Terroristen in der 112, 114, 258, 264; BKA 116, 178; und Israel 178; Kriegsschiffe 203 Bus 300 161, 165, 282, 285-286 Busayu, Mohammad Mahda 102

China 194 Chirac, Jacques 229 Chruschtschow, Nikita ; GeheimRede 15, 185 Churchill, Winston 57 Churchill-Coleman, John 268 CIA 11, 15, 40, 90, 150, 222, 248, 282; und israelischer Sicherheitsdienst 12, 28, 34, 41, 159; Quellen 14; Methoden 29; und Nasser 57; Spionageschiff 91; und Beirut 151; und Hassan 173; und Aman 184-194; und der Mossad 184-194; MiG-21 202 Cindy siehe Ben-Tov, Cheryl Cocks, David 264 Cohen, Baruch 122 Cohen, Eli 13, 83-86, 286 Cohen, Raymond 30 Colby, William 186 Constructions Navales et Industrielles de la M6diteran6e 230

Carlos 112 Carman, George 253 Carter, Jimmy 149, 187, 189, 194 Casablanca 224 Casey, William 151, 189 Caspi, Ram213 Casselredit 261 Ceausescu, Nicolae 175 Centre for Special Studies 13, 23 Chalaf, Salah siehe Abu-Iyad Chaled, Leüa 111 Chambers, Penelope 123 Chatila, Lager von 142-143, 277, 283 Cherbourg 14, 203-205, 226 Chile 194

Dänemark 111,226 Damaskus 12, 13, 51, 83-86, 111, 127, 182, 260; indische Botschaft 86; KGB in 86 Damocles, Operation 79 Dani, Schalom 13, 72 Dar, Avraham 58-59 Darling, John siehe Dar, Avraham Davitt, John 217 Dawson's Field 105, 111 Dayan, Mosche 21, 43, 55, 67-68, 278; 'plausible Verneinung' 43; und ägyptische Aktionen 58; und Habasch-Plan 105; und PLO-Basis in Jordanien 110; und Massaker von München (1972) 114;

und Yom-Kippur-Krieg (1973) 129; und Zamir 130; trifft Haig 176; greift die Bundesrepublik an 178; und Atomwaffen 223, 227 Dayan, Rahel 176 Delta-Kommando 50 Deuxiöme Bureau (Libanon) 102 Dewez, Denis 224 Dikko, Umaru 247-257, 278 Dimona Atomforschungszentrum 219-227, 235-244 Direction de la Surveillance du Territoire 184 Dogubayazit 182 Dori, Yaacov 62 Drori, Amir 143 Drusen 138, 155, 269 Dulles, Allen 185 Dulles, John Foster 57 Ebban, Abba 72 Eichmann, Adolf 12,13,15,43,7073, 78, 89, 164, 286 'Einheit, Die' siehe Sayeret Matkal Einheit2 siehe Aman Einheit 10 siehe Aman Einheit 101 49, 55,58 Einheit 131 58,60,63, 100 Eisenhower, Dwight D. 57 Eitan Rafael 19, 35, 207, 208, 209, 212,213,214,285 El Adern 175 El AI 72, 112; Boeing entführt (1968) 98, 105; Angriff in Athen 105; Hindawi-Bombe 240 El Fatah 50, 95-96, 112, 115, 116, 137, 258, 260, 274; erster Angriff (1965) 93; Nahariya-Angriff 107; jordanische Basis 111;

Jihaz el Razd 113; libanesische Basis 118 Entebbe 12, 50, 133, 192, 249 Erb, Irit 209, 211,213 Eschkol, Levi 90, 94 Euratom 224, 225 Europäische Kommission 226 Faruk, König 57 FBI 40, 148; und der israelische Sicherheitsdienst 28, 184-194; und Pollard 210, 211,214 Frank, Paul siehe Seidenwerg, Avraham Frankreich 255-257, 266; und Israel 14, 178-179, 198, 203-205, 220221,222,223, 236; und Suezkrise 68-69; und der Libanon 148; Geheimdienste 148; und die Schweiz 198; Außenministerium 233; siehe auch Direction de la Surveilance du Territoire Frauenknecht, Alfred 198-200 Frieden für Galiläa, Operation 140146 Gaddafi, Muammar al- 171, 247; und Sadat 171-172; und Hussein 173; Atomwaffen 229 Galiläa 86, 160 Gaulle, Charles de 178-179, 198, 205, 230, 255; kommt an die Macht 221 Gazastreifen 65-66, 161, 261; Israel besetzt den (1967) 49; arabischer Widerstand im 160, 276, 278 Gazit, Schlomo 129-130, 145 Gehlen, Reinhard 76

Gehmer, Abraham 120 Gemayel, Bachir 139, 141, 143 Genua 225 Gezirah 76 Ghana 248 Ghorab, Yusef Ali 77 Ghorbanifar, Manuscher 153, 154 Gibli, Binyamin 28, 46,55, 59, 62, 63; entlassen 67 Giscard d'Estaing, Val6ry 229 Goerke, Heidi 79 Goerke, Paul 79 Golanhöhen 56, 84, 85, 86,90, 126; syrischer Angriff (1973) 227 Golani Brigade 134 Gorba siehe Ghorbanifar, Manuscher Greensmith, Carmel 265 Großbritannien 242; und Entstehung Israels 20; Mandat 20, 21, 22, 25; und jüdische Immigration nach Palästina 22, 23; Juden in der Armee 21, 22; und Suezkrise 57, 63, 68-69; und der Libanon 148; Geheimdienste 150; und Syrien 240; und Vanunu 239; und der Mossad 247-257, 268-269, 278; und PLO 268; Außenministerium 270, 272; Waffenembargo (1982) 272 Guerrero,Oscar 237 Guriel, Boris 24, 29, 30 Habasch, George 96, 105-106, 111 Haddad, Wadi 96, 112, 171, 172 Hafez, Amin al- 84, 86 Hafez, Mustafa 66 Haganah 21, 22, 24, 28, 32,75 Haifa 171,225,232

Haifa Institute of Technology 159, 180

Haig, Alexander 145, 151; trifft Dayan 176 Hamburg 224 Hamschari, Mahmud 117 Hanin, Cindy, siehe Ben-Tov, Cheryl Harel, Isser 223; und Pollard 19; Chef von Schin Beth 26; Chef vom Mossad 31, 32; und Eichmann 43,70-73; und Beer 73-74; und Amit 77, 80, 256; und NaziWissenschaftler in Ägypten 76, 79; tritt zurück 81; Berater des Premierministers 90; und Chruschtschow-Rede 185; und Atomprogramm 221 Harkabi, Yehoschaphat 16,46, 260 Hassan, König 254-255; der Mossad und 173; Plan zur Ermordung von 173; Gaddafi und 173; Vermittler 173, 175 Hatum, Salim 85 Hawa, Zaki al- 270 Heikai, Mohammed Hassanein 172, 174 Helms, Richard 90 Hermon, Berg 51, 90 Herzliyah 13, 38 Herzog, Chaim 21, 27-28, 163 Hindawi, Nezar 240 Hisbollah 138, 148, 193 Hitler, Adolf 27 Hobeika, Elie 143 Hod, Mordechai 201 Hofi, Yitzhak 126, 144, 165, 174, 177, 187, 227, 283 Holocaust 178 Hucklesby, William 251

Huschi, Abba 25 Hussein, König von Jordanien 261; weist PLO aus (1972) 18, 99, 103, 111, 121, 139; Gespräch mit Nasser abgehört 91; der Mossad und 173 Hussein, Saddam 229, 230, 232 Ibis-Projekt 79 Indien 228 Informanten 48, 101, 122, 160 Intifada 17, 160, 216,279 Irak 12, 14, 56, 69, 182, 201-202, 276; der Mossad in 40; Juden in 44; und die Palästinenser 96; Krieg mit dem Iran 150, 151, 193; Atomreaktor zerstört 151, 190, 206, 233; russische Waffen für 201; Atomprogramm 208, 228-234 Iran 112,147-156,202; Juden in 44, 150; und islamische Revolution 138, 147; Mullahs 147; und Israel 150, 151, 193; Krieg mit dem Irak 150, 151, 193; und Libanon 193 Irangate 150-156, 210, 239 Irgun Zvi Leumi 32 Irisch-Republikanische Armee 271 Iskenderun 225 Islam, siehe Drusen; Hisbollah; Iran; Schiiten Israel ; Grenzen 11, 65, 95; Bedrohung von außen 11-12,; besetzte Gebiete 11, 40, 160, 166, 177, 216,277; Staatsgründung 20,2124; Außenministerium 26; Verletzlichkeit 57; Luftwaffe 100, 103, 151, 171, 198, 233; Inva-

sion in den Libanon (1982) 139146, 189, 206, 216, 249,; 259, 273, 277; und Iran 150-151,193; Oberster Gerichtshof 165; und die Bundesrepublik 178; und Frankreich 178-179, 198, 203205, 220-221,222-223,236; und die Sowjetunion 179; zerstört den Atomreaktor im Irak 190; und Südafrika 194, 216, 247250; Atomwaffen 194, 197, 219227, 235-244; und die Schweiz 198-199; Verteidigungsministerium 201; Wissenschaftsministerium 201; und die UNO 247; und Nigeria 247-257; und Ghana 248; und Kenia 248; und Tansania 250; und Zypern 262; britisches Waffenembargo (1982) 272; Unabhängigkeitskrieg von 1948 276 Israeli Chemicals 214 Israelische Armee 24, 65 , 75, 85, 86, 126, 134; und Terrorismus 97; im Libanon 137, 141, 143, 145 Istanbul 102 Italien 184, 224, 240-242; Terroristen in 112 Ivri, David 234 Jaffa 58 Japanische Rote Armee 112, 113 Jemen 180 Jerusalem 25, 263; Hebräische Universität 30; Israel kontrolliert 91, 95; King-David-Hotel 102; Generalkonsulat der USA 159; Felsendom 158

Jihaz el Razd siehe El Fatah Joklik, Otto Frank 78-79 Jonathan-Institut 192 Jordan, Fluß 85, 93, 95, 137; Allenby Bridge 263 Jordanien 13, 49, 50, 69, 105, 260261, 263-264, 276; und die PLO 18, 99, 110, 111, 112, 120-121, 260; Sechs-Tage-Krieg (1967) 91; der Mossad in 120-121; Geheimdienste 160; USA und 190 Jordanische Arabische Legion 56 Kahan, Yitzhak, Oberster Richter 142, 144, 146, 283 Kairo 12, 59, 61-64, 177, 186, 253; British Council 58; US Information Centre 58, 60 Kaiseraugst 199 Kalahari-Wüste 194 Kanada I I I , 271 Kanafani, Ghassan 115 Kashoggi, Adnan 153 Kassem, Ali 25 Katam siehe Aman: Einheit 10 Katzav, Mosche 165 Kayin, Nehemyah Kenia 133, 248 KGB 11, 14, 41, 185, 197, 217, 271; in Syrien 86; jüdische Agenten 158; und USA 178; und der Mossad 179-180; und Philby 181

Khomeini, Ayatollah 138, 147, 150151, 153, 154 Kibbuz 36, 180 Kilowatt-Gruppe 110 Kimche, David 21, 151,285 Kishak-Cohen, Shulamit 101-102

Kissinger, Henry 174 Kleopatra-Projekt 78 Kohlmann, Lisi 181 Kohn, Howard 223 Krug, Heinz 79 Kuneitra 85 Kurdistan 202 Kuwait 177 Labib, Zehdi 177 Lagos 250, 251,256 Lakam 194, 197-205, 213, 214, 216, 218, 285; gegründet 197; Versagen und Skandale 200; und USA 207, 285; und Pollard 211 Landau, Mosche, Richter 165-166 Larnaka 102, 122, 209, 262 La Seyne 230 Laskier, Edouard 119 Lavon, Pinchas 55-56, 62, 64 Lawrence, T. E. 182 Levac, Alec 161 Levy, Mosche 162 Levy, Victor 59 Libanon 263; PLO in 18, 110, I I I , 137,140-141,147,259,273; der Mossad und 102, 137-146, 148; Deuxiöme Bureau 102; Bürgerkrieg 123, 138; israelische Invasion 139-146, 189, 206, 216, 249, 259, 273,; 277; und Iran 193 Libyen 171, 174; ägyptische Invasion in (1977) 175; Verteidigung 209; Atomwaffen 229 Lillehammer 122, 123 Limon, Mordechai 204 Lod, Massaker auf dem Flughafen 113,115

London 140, 259, 266; israelische Botschaft 121, 265, 270, 272; jordanische Botschaft 121; jüdischer Untergrund 184; nigerianische Botschaft 256; PLO-Büro 264 Los Angeles 207 Lötz, Wolfgang 75-82, 84 MacDonald, Malcolm 276 Madrid 122, 260 Maitz, Yaron, Richter 165 Manadi, Hassan al- 60 Manhattan-Projekt 222 Marokko 12, 173-174, 175, 176, 224, 254-255; Juden in 255 Maroniten 138, 144 Marseilles 230 Marzouk, Mosche 59, 61 Maunoury, Bourges 220-221 McCowan, Richter 254 McFarlane, Robert 153 McKnight, John 237 Meinhof, Ulrike 112, 116, 132, 178 Meir, Golda 62; und die Bundesrepublik 81; und die Habasch-Verschwörung 105; und Terrorismus 114; und das Münchener Massaker (1972) 124; Yom-Kippur-Krieg (1973) 127, 130; trifft Nixon (1969) 227 Meshad, Yahya al- 232 MI5 158, 257, 282 MI6 11, 35, 37, 181,282 Mollet, Guy 221 Mordechai, Yitzhak 162 Morrow, Charles 251 Mossad ; vollständiger Name 11; Gründung 11-13; Denkmal 12-

13; Methoden 16; Versagen und Skandale 16, 24, 55-64, 119, 127, 128, 131,; 138, 218, 242, 247-257, 275; und Intifada 17; und Aman 29, 34, 45-51, 76, 114, 125; und Schin Beth 34; Bezahlung 35-36; Ausbildung 3538; Anwerbung 35-38, 39, 40, 41; und die Grenzen 66; und Beziehungen mit Ägypten und der UdSSR 66; Fehlinformationskampagnen 68-69, 91, 116, 177, 241; und Beer 73-74; und Eichmann 78, 89, 164, 286; und die Bundesrepublik 79, 178; Einheit 131 100; Hierarchie 97, 122; Kilowatt-Gruppe 110; Mordanschläge 122; Yom-Kippur-Krieg (1973) 127, 128, 129, 131; und die PLO 131; und der Libanon 137-146, 148; und die Verschwörung zur Ermordung Sadats 171-175; und König Hassan 173; und König Hussein 173; und die USA 175, 271, 278; und der KGB 179-182; und die CIA 184194; und das FBI 184-194; besondere Einsätze 201; MiG-21 201-202; und Lakam 218; und das Atomprogramm 219; und Vanunu 271-244; und Dikko 247-257; und Marokko 255; und Großbritannien 268-269, 278; und Australien 271; und Kanada 271; gefälschte britische Pässe 286

Muchabarat 174, 177 Münchener Massaker (1972) 14, 39, 107, 114, 115, 116, 124, 226,; 259, 270

Muslims, siehe Drusen; Hisbollah; Iran; Schiiten Mustapha, Abd er-Rahim 258, 259, 262, 264-267, 268-270 'Nachtschwadrone' 48 Nafsu, Izat 165 Naharia 107 Nairobi 133 Nasser, Gamal Abd en- 60, 61, 125, 172, 209, 254; kommt an die Macht 57; und Suezkanal 57, 58, 68,69, 70; und Israel 63,65; und Nazi-Wissenschaftler 75; und Raketen 78; Gespräche mit Hussein abgehört 91; und die PLO 96 Nasser, Kemal 118 Nathanson, Philip 60 NATO 176, 188, 192 Natour, Mohammed 209 Nazis 22, 43, 70-74, 89; Wissenschaftler in Ägypten 74, 75-82, 209; siehe auch Eichmann Nazis und Nazi-Kollaborateure (Gesetz zur Bestrafung von) 71 Neapel 225 Ne'eman, Yuval 90 Nefuta-Tal 95 Negev, Wüste 67, 86,219-227,235244 Netanyahu, Jonathan 134 Neumann, Waltraut 76, 82 Newman, Barbara 223 New York 176, 177; israelisches Konsulat 207; Lakam in 207 Nicaragua 194 Nigeria 247-257 Nimrodi, Yaacov 152, 153, 154 Ninio, Victorine 59, 61

Nir, Amiram 153-156, 285 Nixon, Richard M. 227 North, Oliver 154, 155, 193 Norwegen 119, 120, 204, 226 Numec 222 Numeiri, Präsident 44 Obote, Milton 247 Oboussier, Felix 225 Olshan, Yitzhak, Richter 62 Olympische Spiele (1972) 14, 39, 107, 114, 115, 116, 124, 226,; 259, 270 OPEC 131 Organisation de l'Armde Secröte (OAS) 179 Organisation für afrikanische Einheit(OAU) 248 Osman, Fouad 64 Oufkir, Mohammed 254 Pakistan 182; Atomwaffen 228; Militärische Akadamie 259 Palästinenser 177; in besetzten Gebieten 11, 17; in Europa 50; Geburtenrate 97; sowjetische Gewehre für 97; Ausbildungslager 99; und der Terrorismus 137; Waffenstillstand (1981) 139; Zusammenstöße mit Schiiten 259 Palästinensische Befreiungsarmee 139 Palästinensische Befreiungsbewegung 16, 107, 111, 238, 278, 282; schwört dem Terrorismus ab (1987) 17, 260; und Jordanien 18,99, 102, 110, 111, 112, 122, 139; und der Libanon 18, HO,

III, IIN. M7, 138-139, 147, :vt . und Tunesien 50,209, MV .'fil, I\, (Iründung (1963) VmhMIim l(K), Lurnaka-Überf.ill \ü JIW. .'ft2; der Mossad iiml A I I I I I M iiiilnuhittzendie 131; iniil .Iii USA 1/7; Truppe 17 KW IM '(>•' 264 267, 270; inii ni.iiiMiirtlfi It'ininsnius 249; iinit .In ANi M'J, militärische KHny» "*N iiml /viH-rn 262; in (imldiHi ,'fiH, 270; siehe um Ii IM I uiuli l'nlr'.lllM Pull. v )) I ' I I I I ' I 11I I >1 I /ft. MI. 232,255, 'Mi im mit« Ii» Iii Mm Imft 120, I N, JM |*|