Modellbildung und Simulation: Konzepte, Verfahren und Modelle zum Verhalten dynamischer Systeme. Ein Lehr- und Arbeitsbuch [2., veränd. Aufl.] 978-3-528-15242-0;978-3-322-90519-2

Prof. Dr. Hartmut Bossel leitet die Forschungsgruppe Umwelt-systemanalyse am Fachbereich Mathematik der Gesamthoch- schu

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German Pages IV, 404 [409] Year 1994

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Modellbildung und Simulation: Konzepte, Verfahren und Modelle zum Verhalten dynamischer Systeme. Ein Lehr- und Arbeitsbuch [2., veränd. Aufl.]
 978-3-528-15242-0;978-3-322-90519-2

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-10
Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung: Ein Überblick (Hartmut Bossel)....Pages 11-46
Vom Wortmodell zum Wirkungsgraph: Zusammenhänge, Struktur, Rückkopplungen (Hartmut Bossel)....Pages 47-76
Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell: Systemgrößen, Funktionen, Prozesse, Quantifizierung (Hartmut Bossel)....Pages 77-138
Vom mathematischen Modell zur Simulation: Programmierung, Parameter, Zustandspfade und Sensitivität (Hartmut Bossel)....Pages 139-196
Von der Systemsimulation zur Systemveränderung: Verhaltensbewertung, Szenarien, Optimierung, Regelung (Hartmut Bossel)....Pages 197-248
Systemzoo: Simulationsmodelle elementarer dynamischer Systeme (Hartmut Bossel)....Pages 249-344
Von der Systemdarstellung zum Systemverständnis: Grundlagen mathematischer Systemanalyse (Hartmut Bossel)....Pages 345-390
Back Matter ....Pages 391-404

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Hartmut Bossel

Modellblldung und Simulation

· vleweg

Informatik & Computer

Mehr als nur Programmieren ... Eine Einfuhrung in die Informatik von Rainer Gmehlich und Heinrich Rust

Simulation neuronaler Netze von Norbert Hoffmann

Regelungstechnik und Simulation Ein Arbeitsbuch mit Visualisierungssoftware von Anatoli Makarov

Dynamische Systeme und Fraktale Computergrafische Experimente mit Pascal von K.-H. Becker und M. Dorfler

Modellbildung und Simulation Konzepte, Verfahren und Modelle zum Verhalten dynamischer Systeme von H. Bossel

Fuzzy-Theorie oder die Faszination des Vagen Grundlagen einer pri:izisen Theorie des Unpri:izisen fur Mathematiker, Informatiker und Ingenieure von Bernd Demont

Fuzzy-Logik und Fuzzy-Control Eine anwendungsorientierte Einfuhrung mit Begleitsoftware von Jorg Kahlert und Hubert Frank

Computergrafik in der Differentialgeometrie Ein Arbeitsbuch fUr Studenten inklusive objektorientierter Software von Eberhard Malkowsky und Wolfgang Nickel herausgegeben von Kurt Endl

Wissensverarbeitung mit DEDUC Eine Expertensystemshell mit Benutzeranleitung sowie einem Handbuch zur Wissensverarbeitung, Foigenabschi:itzung und Konsequenzenbewertung von H. Bossel, B. R. Hornung und K.-F. Mulier-ReiBmann

Vieweg _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ ____'

Hartmut Bossel

Modellbildung und Simulation Konzepte, Verfahren und Modelle zum Verhalten dynamischer Systeme Ein Lehr- und Arbeitsbuch

2., veranderte Auflage mit verbesserter Simulationssoftware

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Bosse!, Hartmut: Modellbildung und Simulation: Konzepte, Verfahren und Modelle zum Verhalten dynamischer Systeme; ein Lehrund Arbeitsbuch. - 2., veränd. Auf!., mit verbesserter Simulationssoftware. -

Additional material to this book can be downloaded from http://extras.springer.com ISBN 978-3-322-90520-8 ISBN 978-3-322-90519-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-90519-2

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1. Auflage 1992 2., veränderte Auflage mit verbesserter Simulationssoftware 1994

Alle Rechte vorbehalten ©Springer Fachmedien Wiesbaden 1994 Ursprünglich erschienen bei Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 1994 Softcoverreprint ofthe bardeover 2nd edition 1994 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Gedruckt auf säurefreiem Papier

1

Vorwort nDd Ubersicht Den meisten von uns fallt es schwer genug, die dynamischen Vorgange in unserer Umgebung einzuordnen, zu verstehen und in ihrer weiteren Entwicklung einzuschatzen. Die systemanalytische Aufarbeitung dieser Zusammenhange mit dem Ziel der Modellbildung und Simulation scheint dann erst recht au13erhalb der Reichweite der meisten zu liegen, besonders, da sie spezielle und teuere Computersoftware und entsprechende Spezialkenntnisse zu verlangen scheint. Wo die Modellbildung versucht wird, scheint sie so sehr mit schwierigen mathematischen Konzepten verbunden zu sein, daB zwei typische Reaktionen nicht mehr iiberraschen: 1. Man iiberlaBt das Gebiet Spezialisten und verlaBt sich ganz auf deren Ergebnisse und Urteil. 2. Man verweigert sich der komplexen Analyse und verlaBt sich lieber auf einfache, leichter iiberschaubare, meist falsche Erklarungen. Beide Wege sind angesichts der Gefahren durch unverstandene Dynamiken (Waldsterben, Ozon-Abbau, CO 2-Dynamik, Aids, Bevolkerungsexplosion, Umweltiibernutzung und Zusammenbruch, Rezession, Eskalationen usw.) nicht zu verantworten. Unser gegenwartiges Ausbildungs- und Wissenschaftssystem konzentriert sich immer noch auf Detailbetrachtungen und statische Analysen, ohne den Anforderungen fiir besseres VersHindnis der Dynamiken unserer Umwelt gerecht zu werden: die Facher Systemkunde, Systemwissenschaft, Systemanalyse, Dynamische Systeme usw. sucht man in den Curricula bislang noch (fast) vergeblich. Sie geh6ren aber eigentlich in (fast) jeden Ausbildungsgang. In diesem Buch wird der Versuch gemacht, sowohl Wissen iiber Systeme als auch Verfahren zur Analyse dynamischer Systeme auf mehreren Ebenen zusammenzutragen, die sich gegenseitig erganzen: die (qualitative) Wirkungsanalyse, die mathematische Modellbildung, die Computersimulation, die mathematische Systemtheorie, die globale Verhaltens- und Orientierungsanalyse und schlieBlich, im Systernzoo, die Dynamik fiinfzig elementarer Systeme. Urn trotz einer strengen systemtheoretischen Grundlage auf der Basis der Zustandsraumanalyse den Zugang zu Verfahren und Ergebnissen moglichst allen zu offnen, wird hier konsequent das systemgraphische Verfahren fiir die Modellerstellung verwendet. Die mathematische Formulierung ist dann das Ergebnis, nicht die Voraussetzung der Modellierung. Auch der eigens entwickelte SIMPAS-Simulator solI die Simulation dynamischer Systerne einem moglichst breiten Nutzerkreis zuganglich machen. Seine Verwendung ist so einfach und selbsterklarend, daB erfahrungsgemaB eine Benutzeranleitung nicht benotigt wird. SIMPAS verzichtet auf jeglichen programmtechnischen Schnickschnack, aber es bietet mehr Modellerstellungs- und Bearbeitungsmoglichkeiten als viele anderen Simulatoren und erweist sich als au13erst effizient und robust in der Benutzung. Wer mit TurboPascal arbeiten kann, kann mit SIMPAS auch eigene Modelle (als TurboPascal-Einheiten) programrnieren.

2 Wer sich fUr Modelle dynamischer Systeme und Prozesse in unserer Erfahrungsumwelt interessierte, der war bisher auf Zufallsfunde in Lehrbiichem verschiedener Disziplinen (von der Mathematik iiber Mechanik und Okologie bis zur Okonomie und Psychologie) angewiesen. Dabei staBt man auf bemerkenswerte Liicken: oft scheinen exotische mathematische Eigenschaften weit mehr zu interessieren als die AufkHirung iiberlebensrelevanter Zusammenhange. Mir schien daher der Versuch angebracht, wesentliche Dynamiken unserer Umwelt zunachst einmal zu katalogisieren und danach entsprechende Systemmodelle zusammenzutragen bzw. neu zu entwickeln. Das Ergebnis ist der Systemzoo (Kapitel6 und Begleitdiskette); viele dieser Modelle werden hier zum ersten Mal veroffentlicht. Das Buch begleitet und erklart aIle Phasen der Modellentwicklung und Simulation und ist daher sequentiell aufgebaut.

In Kapitel 1 des Buchs werden zunachst Sinn, Zweck und Ansatz der Modellbildung fUr dynamische Systeme erlautert und grundsatzliche Betrachtungen zu Systemen und Modellen, ihren Eigenschaften und Besonderheiten dargelegt. Kapitel 2 erlautert den ersten wichtigen Schritt der Modellentwicklung und fUhrt von der Definition des Modellzwecks iiber das Wortmodell zum Wirkungsdiagramm. An ihm konnen erste qualitative Systemuntersuchungen durchgefUhrt werden. Kapitel 3 beschreibt die Weiterentwicklung des Modells vom Wirkungsdiagramm zum mathematischen Modell. Dieser Schritt erfordert eine genaue Spezifizierung der Art und Funktion der Systemelemente, und die Parametrisierung und Quantifizierung der Zusammenhange und Verkniipfungen. Kapitel 4 fUhrt vom mathematischen Modell zur Computersimulation. Die vorher entwickelten Modelle werden mit dem (auf Diskette beiliegenden) SIMPAS-Simulator wie auch der S1ELLA-Software fUr Modellbildung und Simulation implementiert und danach fUr ausfUhrliche Simulationen verwendet. Besonderer Wert wird auf die Untersuchung des Globalverhaltens (Gleichgewichtspunkte, Stabilitiit, Zustandsbahnen) und der Parameterempfindlichkeit gelegt. Kapitel 5 geht auf die Verwendung von Simulationsmodellen fUr die Aufgaben der Szenario- und Pfadanalyse, der Optimierung und der Systemveranderung zur Stabilisierung (Regeltechnik) ein. Als Voraussetzung solcher Untersuchungen miissen geeignete Beurteilungs- und Bewertungskriterien definiert werden. Hierzu werden die allgemein fUr die Systementwicklung giiltigen Leitwerte abgeleitet und verwendet. In Kapitel 6 wird in einem 'Systemzoo' eine umfangreiche Sammlung elementarer dynamischer Systeme vorgelegt, die jedes fUr sich interessante Besonderheiten zeigen. Die meisten dieser Systeme entstammen unserer Erfahrungsumwelt; viele von ihnen zeigen unerwartetes und kaum vorhersehbares dynamisches Verhalten. Die Systeme sind in Kapitel 6 dokumentiert und find en sich als lauffertige Simulationsprogramme auch auf der Begleitdiskette. In Kapitel 7 werden die mathematischen Grundlagen der Zustandsraumanalyse dynamischer Systeme zusammengefaJ3t, auf deren Hintergrund die vorangegangenen Kapitel entwickelt wurden. Die systemtheoretische Untersuchung von Systemen bietet - soweit sie mathematisch tiberhaupt moglich ist - Ansatze zum Verstandnis von Systemen, die tiber die M6glichkeiten der Simulation hinausgehen.

3 Als Vehikel fUr die Beschreibung der Vorgehensweise bei Modellbildung und Simulation dienen in den Kapiteln 2 bis 5 drei nichtlineare Modelle: ein kompaktes 'Weltmodell', das Rotationspendel und das (einfache) Modell eines Fischereiunternehmens. Die gemeinsame Grundlage fUr alle Simulationen der Kapitel 2 bis 5 wie auch der fiinfzig im Systemzoo zusammengefaBten Modelle im Kapitel 6 ist der SIMPAS-Simulator. Diese in TurboPascal geschriebene Software verfiigt iiber aIle normalerweise von einem Simulator gebotenen Eigenschaften sowie einige wichtige zusatzliche M6glichkeiten, die sich in der Simulationspraxis als niitzlich erweisen (u.a. vorstrukturierte interaktive Bearbeitung und Parameteriinderung, Dokumentation, Analyse von Globalverhalten und Parametersensitivitat, dreidimensionale Darstellung). Modelle werden als TurboPascal-Einheiten formuliert; es stehen dabei aIle M6glichkeiten mathematischer und graphischer Gestaltung offen, die TurboPascal bietet. SIMPAS hat sich in hunderten von Simulationsuntersuchungen bewahrt, die u.a. auch von Studentinnen und Studenten im Rahmen meiner Vorlesungen gemacht wurden. Buch, SIMPAS-Simulator und der Systemzoo sind entstanden aus Vorlesungserfahrungen an der Gesamthochschule/Universitat Kassel und Forschungs- und Lehrerfahrungen besonders am Forest Research Institute Malaysia, am ASEAN Institute of Forest Management (beide Kuala Lumpur), beim Sabah Forest Department (Sandakan, Borneo) sowie am Environment and Policy Institute, East-West Center, Honolulu. Besonderen Dank fiir moralische Unterstiitzung schulde ich den Kollegen und Kolleginnen des International Network of Resource Information Centers (INRIC) und ganz besonders Donella Meadows und Dennis Meadows. Ursula Marquardt danke ich fUr die Textverarbeitung, Kendrik Bossel fUr die Systemgraphiken und Rika Bossel dafiir, daB sie es mir erm6glichte, dieses Projekt mit seiner umfangreichen Programmentwicklung auch noch nach Feierabend - mit dem Laptop auf den Knieen - durchzuziehen. Zierenberg/Kassel, Februar 1992

Hartmut Bossel

Vorwort zur zweiten Auflage

Der Erfolg dieses Buches machte eine rasche Neuauflage notwendig. Ich habe die Gelegenheit benutzt, urn Druckfehler der ersten Auflage zu korrigieren und urn Text und Abbildungen auf den erheblich verbesserten Simulator SIMPAS 2.0 umzustellen, der auch auf Diskette dem Buch beiliegt. Die Menusteuerung fiir SIMPAS 2.0 wurde von Kendrik Bossel programmiert, dem ich fUr seine engagierte Mitarbeit danke. Mai 1994

Hartmut Bossel

4

Inhaltsverzeichnis 1

Syste.me, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung: Ein Uberblick ............................................................................................. 11

1-1

Aufgaben der Modellbildung und Simulation ......................................................... 11

1-Ll 1-1.2 1-1.3 1-1.4

Warum Modellbildung und Simulation? ............................................................................... 11 Warum interessiert das Verhalten dynamischer Systeme? ................................................ 12 Anwendungen dynamischer Simulationsmodelle ................................................................. 13 Modellbildung und Simulation zur Untersuchung von Entwicklungspfaden .................. 14

1-2 1-2.1 1-2.2 1-2.3 1-2.4 1-2.5 1-2.6 1-2.7 1-2.8 1-2.9 1-2.10 1-2.11 1-2.12 1-2.13 1-2.14 1-2.15

Was ist ein System? Systemidentitat, Systemintegritat, Systernzweck ............................. 16 Dynamische Systeme, Systemverhalten, Betrachtungszeitraum ........................................ 17 Systemgrenzen und Systemumwelt, Einwirkungen und Auswirkungen ........................... 17 Wie Macht sich ein System bemerkbar? Verhalten und Zustand ..................................... 18 Ein System hat 'Gedachtnis': ZustandsgraBen sind SpeichergraBen ............................... 19 Die Wirkungsstruktur bestimmt Zustandsanderungen ....................................................... 20 Intern erzeugte Systemdynamik: Die Rolle von Riickkopplungen ................................... 20 Systemverhalten als Mischung aus Eigendynamik und Reaktion auf Umwelt ............... 21 Unabhangige GraBen, die Verhalten bestimmen: System- und Umweltparameter.. .... 21 ~ysteme als Komponenten von Systemen: Teilsysteme und Modularitat ....................... 22 Ubergeordnete Systeme: Hierarchien in komplexen Systemen ........................................ 23 Systemerhaltung und -entfaltung: Regelung, Anpassung, Evolution ................................ 23 Akteure in ihrer Umwelt: Verhaltensorientierung .............................................................. 25 Systeme in der Systemumwe1t anderer Systeme, Interaktion zwischen Systemen ......... 26 Unberechenbarkeit auch bei determinierten Systemen ...................................................... 26

1-3

Grundsatzliches zu Modellen ..................................................................................... 27

1-3.1 1-3.2 1-3.3 1-3.4 1-3.5 1-3.6 1-3.7 1-3.8 1-3.9 1-3.10 1-3.11 1-3.12 1-3.13 1-3.14 1-3.15 1-3.16 1-3.17

Modelle fUr Verhaltensaussagen: Vorteile und Nachteile ................................................. 27 Das Modell als beschrankt giiltige Abbildung ...................................................................... 27 Welches Modell fUr welche Fragestellung? Problemstellung und Modellzweck ............ 28 Der Abbildungszweck (Modellzweck) bestimmt die Abbildung........................................ 28 Die Alternative: Verhalten nachahmen oder System nachbilden ..................................... 29 Verhaltensbeschreibung zur Verhaltensnachahmung ......................................................... 29 Systembeschreibung zur Verhaltenserklarung...................................................................... 30 Verhaltensbeschreibende Komponenten in verhaltenserklarenden Modellen .............. 31 Anderer Modellansatz, anderer Datenbedarf ...................................................................... 32 Strukturinformation reduziert den Datenbedarf ................................................................. 33 Zukunftsorientierung erfordert Systemverstandnis ............................................................. 34 Zuverlassige Verhaltensaussagen durch strukturtreue Kompaktmodelle ....................... 35 Leitwertorientierung zur zuverlassigen Verhaltensabschatzung ....................................... 35 Wo ist generell strukturtreue Systemmodellierung angebracht? ...................................... 36 Modellgiiltigkeit: Wann kann das Modell das Original vertreten? ................................... 36 Wissenschaftliche Arbeitsweise und Modellbildung ............................................................ 36 Spektrum dynamischer Systeme und Modelle ...................................................................... 37

Grundsatzliches zu Systemen ..................................................................................... 16

5 1-4

Modellentwicklung, Simulation, Verhaltensanalyse und Systemanderung ....... 40

1-4.1 1-4.2 1-4.3 1-4.4 1-4.5 1-4.6

Entwicklung des Modellkonzepts ............................................................................................ 40 Entwicklung des Simulationsmodells ..................................................................................... 41 Simulation des Systemverhaltens ............................................................................................ 42 Analyse des Modellsystems ...................................................................................................... 44 Verhaltensanderung durch Systemanderung ........................................................................ 45 Generische Strukturen; Systernzoo ......................................................................................... 46

2

Vom Wortmodell zum Wirknngsgraph: Zusammenhange, Struktur, Riickkopplungen ..................................... 47

2-0

Uberblick. ....................................................................................................................... 47

2-1

Erstellung des Wirkungsgraphen .............................................................................. 48

2-1.1 2-1.2 2-1.3 2-1.4 2-1.5 2-1.6 2-1.7

Arbeitsbeispiel: 'Weltmodell' ................................................................................................... 49 Zweck des 'Weltmodells' .......................................................................................................... 49 Das Wortmodell ......................................................................................................................... 49 Die ModellgroBen ...................................................................................................................... 50 Wirkungsbeziehungen ............................................................................................................... 50 Logische Deduktion .................................................................................................................. 51 Der Wirkungsgraph ................................................................................................................... 54

2-2

Qualitative Analyse des Wirkungsgraphen .............................................................. S8

2-2.1 2-2.2 2-2.3 2-2.4

Aussagen mit Hilfe des Wirkungsgraphen ............................................................................ 58 Riickkopplungen ........................................................................................................................ 59 Wirkungsmatrix und Quantifizierung..................................................................................... 60 Papiercomputer von Vester ..................................................................................................... 63

2-3

Fortpflanzung von StOrungen im Wirkungsgraphen.............................................. 64

2-3.1 2-3.2 2-3.3 2-3.4

Riickkopplungsprozesse und Stabilitat .................................................................................. 64 PulsprozeB im Weltmodell ....................................................................................................... 69 Kontinuierliche Zustandsveranderung im Weltmodell ....................................................... 72 Bedeutung der Verhaltensdynamik des Wirkungsgraphen ................................................ 75

2-4

Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse.................................................................. 76

3

Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell: Systemgrofien, Funktionen, Prozesse, Quantifizierung ...................... 77

3-0

Uberblick........................................................................................................................ 77

3-1

Differenzierung eines Modellkonzepts: Beispiel Weltmodell .............................. 78

3-1.1 3-1.2 3-1.3 3-1.4 3-1.5 3-1.6 3-1.7

Differenzierung der SystemgroBen des Weltmodells .......................................................... 78 Teilmodell Bevolkerungsentwicklung ..................................................................................... 80 Teilmodell Umweltbelastung ................................................................................................... 84 Teilmodell Entwicklung des spezifischen Konsums ............................................................. 86 Verkopplung der Teilmodelle .................................................................................................. 87 Simulationen mit einem einfachen Simulationsprogramm ................................................ 90 Giiltigkeit der Modellformulierung ........................................................................................ 92

6 3-2

Systemelemente und Elementarsysteme ................................................................... 93

3-2.1 3-2.2 3-2.3 3-2.4 3-2.5

Differenzierung der Systemelemente ..................................................................................... 93 Elementares Blockdiagramm eines dynamischen Systems ................................................ 97 Systernzustand und ZustandsgraBen .................................................................................... 100 Einige elementare Systeme und ihr Verhalten................................................................... 105 Eigenschaften und Verhalten von ZustandsgraBen ........................................................... 110

3-3

Modellentwicklung und dimensionale Analyse ..................................................... 113

3-3.1 3-3.2 3-3.3 3-3.4 3-3.5 3-3.6 3-3.7 3-3.8 3-3.9 3-3.10 3-3.11 3-3.12 3-3.13

Die Bedingung dimensionaler Stimmigkeit als Hilfe bei der Modellentwicklung ....... 113 Modellentwicklung fUr das Kreispendel: ModelIzweck und Wortmodell ...................... 116 Entwicklung des Wirkungsgraphen fur das Kreispendel .................................................. 118 GraBen, Dimensionen, Zusammenhange beim Kreispendel... ........................................ 119 Modellgleichungen und Simulationsdiagramm fUr das Kreispendel... ........................... 123 Kondensation des mathematischen Modells des Kreispendels ....................................... 125 Modellentwicklung und dimensionale Analyse im allgemeinen Fall .............................. 126 Modellentwicklung zur Dynamik des Fischfangs: Wortmodell und Wirkungsgraph ... 127 GraBen, Dimensionen, Zusammenhange bei der Fischfangdynamik ............................ 130 Modellgleichungen und Simulationsdiagramm zur Fischfangdynamik .......................... 131 Kondensation des Fischfangmodells zur generischen Rauber-Beute-Struktur ............ 133 Zustandsgleichungen mit normierten ZustandsgraBen .................................................... 134 Dimensionslose ZustandsgraBen, normierte Zustande und normierte Zeit ................ 135

3-4

Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse ................................................................ 136

4

Vom mathematischen Modell zur Simulation: Programmierung, Parameter, Zustandspfade und Sensitivitiit ...... 139

4-0

Einfiihrung und Uberblick........................................................................................ 139

4-1

Simulationsumgebung fUr eine Standard-Programmiersprache: SIMPAS ..... 142

4-1.1 4-1.2 4-1.3 4-1.4 4-1.5 4-1.6 4-1.7 4-1.8 4-1.9 4-1.10 4-1.11

Uberblick ................................................................................................................................... 142 Verwendung kompilierter SIMPAS-Simulationsprogramme .......................................... 142 Erstellung eines SIMPAS-Simulationsprogramms bei vorhandenem Modell .............. 143 Interaktives Arbeiten mit SIMPAS ...................................................................................... 143 Erstellung einer SIMPAS-Modelleinheit. ............................................................................ 144 Tabellenfunktion TableFunction ........................................................................................... 144 Verzagerungsfunktionen Delay1 und Delay3 ..................................................................... 145 Testfunktionen Pulse, Step, Ramp, Sin ................................................................................ 145 Ereignisse Event. ...................................................................................................................... 147 Numerische Integration .......................................................................................................... 147 Verwendung von SIMPAS-Funktionen ............................................................................... 147

4-2

Simulation der Kreispendeldynamik mit SIMPAS .............................................. 150

4-2.1 4-2.2 4-2.3 4-2.4 4-2.5 4-2.6 4-2.7

Aufbau des SIMPAS-Modells aus dem Simulationsdiagramm ....................................... 150 Aufbau des lauffahigen Simulationsprogramms ................................................................. 152 Standardlauf und interaktive Benutzung ............................................................................. 154 Parameteranderung ................................................................................................................. 160 Parameterempfindlichkeit ...................................................................................................... 162 Globale Verhaltensuntersuchung.......................................................................................... 165 Zusammenfassung der Beobachtungen am Kreispendelmodell ...................................... 168

7 4-3

Simulation der Fischfangdynamik mit SIMPAS .................................................. 169

4-3.1 4-3.2 4-3.3 4-3.4 4-3.5 4-3.6 4-3.7 4-3.8

Aufbau des SIMPAS-Modells aus dem Simulationsdiagramm ....................................... 169 Aufbau des lauffahigen Simulationsprogramms................................................................. 171 Standardlauf des Fischfang-Modells .................................................................................... 171 Verhalten bei Parameteranderungen ................................................................................... 174 Modifizierung des Fischfang-Modells fur dichte-unabhiingige Fangmenge ................. 177 Simulationsergebnisse fur dichte-unabhiingigen Fischfang.............................................. 178 Gleichgewichtspunkte des Fischfangmodells ...................................................................... 180 Zusammenfassung der Beobachtungen am Fischfangmodell .......................................... 182

4-4

Simulationsumgebung fUr graphisch-interaktive Bearbeitung: STELLA ........ 184

4-4.1 4-4.2 4-4.3

Ubersicht tiber den STELLA-Ansatz ................................................................................... 184 Simulation der Kreispendeldynamik mit STELLA ........................................................... 188 Simulation der Fischfangdynamik mit STELLA ................................................................ 193

4-5

Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................................... 194

5

Von der Systemsimulation zur Systemveranderung: Verhaltensbewertung, Szenarien, Optimierung, Regelung .............. 197

5-0

Einfiihrung und Uberblick........................................................................................ 197

5-1

Kriterien und Bewertung des Systemverhaltens ................................................... 198

5-1.1 5-1.2 5-1.3 5-1.4 5-1.5 5-1.6 5-1.7 5-1.8 5-1.9

Orientoren, Indikatoren, Kriterien ....................................................................................... 198 Systemverhalten und Orientierungstheorie ........................................................................ 201 Existenz in der normalen Umwelt ........................................................................................ 203 Wirksamkeit bei der Beschaffung knapper Ressourcen ................................................... 204 Handlungsfreiheit im Umgang mit Umweltvielfalt............................................................ 205 Sicherheit vor Umweltschwankungen .................................................................................. 205 Wandlungsfahigkeit zur Anpassung an veranderte Umwelt ............................................ 206 Berticksichtigung anderer Systeme in der Systemumwelt ................................................ 207 Leitwerte, Orientierung und Beurteilung von Systemverhalten ...................................... 208

5-2

Szenarien und Pfadanalyse....................................................................................... 210

5-2.1 5-2.2 5-2.3 5-2.4 5-2.5

Uberblick ................................................................................................................................... 210 SystemgroBen und Simulationsmodell der Miniwelt ......................................................... 211 Kriterien und Indikatoren der Systementwicklung ............................................................ 215 Szenarienentwiirfe und Simulationslaufe ............................................................................ 220 Vergleichende Bewertung der Simulationslaufe ................................................................ 222

5-3

Optimierung ................................................................................................................ 225

5-3.1 5-3.2 5-3.3 5-3.4 5-3.5 5-3.6

Uberblick ................................................................................................................................... 225 Beschrankungen und Gtitekriterien fUr die Fischfang-Optimierung.............................. 226 Erganzungen des Simulationsmodells fUr Optimierungsuntersuchungen ..................... 228 Suche nach optimalem Investitionsanteil bei Fischfang ohne Ortungstechnik............. 229 Suche nach optimalem Investitionsanteil bei Fischfang mit Ortungstechnik ............... 232 Optimierung tiber einen Zeitpfad ......................................................................................... 233

8 5-4

Stabilisierung und Regelung .................................................................................... 234

5-4.1 5-4.2 5-4.3 5-4.4

Uberblick ................................................................................................................................... 234 Stabilisierung durch geanderte Systemstruktur: Systemgleichungen ............................. 235 Simulationsmodell fUr das stabilisierte Pendelsystem ....................................................... 238 Simulationslaufe und Suche nach 'guten' Rege1parametern ............................................ 243

5-5

Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse................................................................ 246

6

Systernzoo: Sirnulationsrnodelle elementarer dynarnischer Systerne ..................249

6-0

Uberblick und Bearbeitungshinweise ..................................................................... 249

6-1

Dynamische Systeme mit einer Zustandsgrofie ..................................................... 253 M 101 M 102 M 103 M 104 M 105 M 106 M 107 M 108 M 109 MIlO

6-2

Einfache Integration .................................................................................................. 254 Exponentielles Wachstum und Zerfall ................................................................... 256 Exponentielle Verzogerung ...................................................................................... 258 Zeitabhiingiges exponentielles Wachstum ............................................................. 260 qeburt und Tod: Einfache Bevolkerungsdynamik ............................................... 262 Uberlastung eines Speichers .................................................................................... 264 Logistisches Wachstum bei konstanter Ernte ....................................................... 266 Logistisches Wachstum mit bestandsabhangiger Ernte ...................................... 268 Dichte-abhiingiges Wachstum (Michaelis-Menten) ............................................. 270 Tagliche Photoproduktion eines Pflanzenbestands .............................................. 272

Dynamische Systeme mit zwei Zustandsgro6en .................................................... 275 M 201 M 202 M 203 M 204 M 205 M 206 M 207 M 208 M 209 M 210 M 211 M 212 M 213 M 214 M 215 M 216 M 217 M 218 M 219 M 220 M 221

z.;weifache Integration und exponentielle Verzogerung ..................................... 276 Ubergang zwischen zwei Zustanden ....................................................................... 278 Linearer Schwinger zweiter Ordnung ..................................................................... 280 Eskalation ("Teufelskreis", "Spirale") ...................................................................... 282 Abhangigkeit ............................................................................................................... 284 Rauber-Beute-System ohne Kapazitatsbegrenzung ............................................. 286 Rauber-Beute-System mit Kapazitatsgrenze ......................................................... 288 Konkurrenz .................................................................................................................. 290 Tourismus und Umwe1t ............................................................................................. 292 Ubernutzung und Zusammenbruch ........................................................................ 294 Waldwachstum ............................................................................................................ 296 Entdeckung und Ausbeutung von Rohstoffen ....................................................... 298 Tragodie der Allinende ............................................................................................. 300 Nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen ................................................... 302 Gestortes FlieBgleichgewicht: CO[Dynamik ....................................................... 304 Lagerbestand, Verkauf, Bestellung ......................................................................... 306 Produktionszyklus ...................................................................................................... 308 RotationspendeL ......................................................................................................... 310 Schwinger mit Grenzzyklus (van der Pol) .............................................................. 312 Bistabiler Schwinger................................................................................................... 314 Chaotischer bistabiler Schwinger (Duffing) .......................................................... 316

9 6-3

Dynamische Systeme mit drei bis vier Zustandsgrofien ...................................... 319 M 301 M 302 M 303 M 304 M 305 M 306 M 307 M 308 M 309 M 310 M 311 M 312

Dreifache Integration und exponentielle Verzogerung dritter Ordnung ......... 320 Bevolkerungsdynamik mit drei Generationen ...................................................... 322 Linearer Schwinger dritter Ordnung ...................................................................... 324 Miniwelt: Bevolkerung, Konsum, Umweltbelastung ............................................ 326 Rauberpopulation mit zwei Beutepopulationen ................................................... 328 Beutepopulation mit zwei Rauberpopulationen ................................................... 330 Vogel, Insekten, Wald und Grasland ...................................................................... 332 Nahrstoffkreislauf und Pflanzenkonkurrenz ......................................................... 334 Chaotischer Attraktor (Rossler) .............................................................................. 336 Warme, Wetter und Chaos (Lorenz-System) ........................................................ 338 Verkoppelte Dynamos und Chaos .......................................................................... 340 Balanzieren eines stehenden Pendels .................................................................... .342

7

Von der Systerndarstellung zurn Systernverstandnis: Grundlagen rnathernatischer Systemanalyse .....................................345

7-0

Uberblick...................................................................................................................... 345

7-1

Zustandsgleichungen dynamischer Systeme.......................................................... 346

7-1.1 7-1.2 7-1.3 7-1.4 7-1.5 7-1.6 7-1.7 7-1.8 7-1.9 7-1.10 7-1.11 7-1.12 7-1.13 7-1.14 7-1.15 7-1.16 7-1.17 7-1.18

Systembegriffe .......................................................................................................................... 346 SystemgroBen als Vektoren ................................................................................................... 346 Allgemeine Zustands- und Verhaltensgleichungen ........................................................... 347 Allgemeines Systemdiagramm fiir dynamische Systeme .................................................. 347 Zustandsberechnung ............................................................................................................... 348 Numerische Integration der Zustandsgleichung ................................................................ 348 Umformung in Zustandsgleichungen 1. Ordnung .............................................................. 349 Umformung einer Differentialgleichung n-ter Ordnung .................................................. 349 Umformung einer Differenzengleichung n-ter Ordnung .................................................. 350 Zustandsgleichung und Systemdynamik .............................................................................. 351 Linearisierung der Zustandsgleichung; lineare Approximation ...................................... 351 Storungsansatz .......................................................................................................................... 352 Approximation durch Taylor-Reihe ..................................................................................... 353 Linearisierung der Zustandsgleichung: Jacobi-Matrix ...................................................... 354 Gleichgewichtspunkte ............................................................................................................. 356 Gleichgewichtspunkte bei nichtlinearen Systemen ............................................................ 356 Gleichgewichtspunkte kontinuierlicher linearer Systeme ................................................ 357 Gleichgewichtspunkte diskreter linearer Systeme ............................................................. 357

7-2

Matrizenoperationen fUr lineare dynamische Systeme ........................................ 358

7-2.1 7-2.2 7-2.3

Operationen mit Matrizen und Vektoren ........................................................................... 358 Eigenwerte, Eigenvektoren und charakteristische Gleichung ......................................... 360 Basistransformation ................................................................................................................. 361

7-3

Verhalten und Stabilitiit linearer Systeme bei freier Bewegung......................... 362

7-3.1 7-3.2 7-3.3 7-3.4 7-3.5 7-3.6

Form der allgemeinen Losung der Zustandsgleichung ..................................................... 362 Lineare dynamische Systeme ................................................................................................. 362 Losung des homogenen zeitinvarianten diskreten Systems ............................................. 363 Losung mit der diagonalen Eigenwertmatrix ...................................................................... 363 Losung des homogenen zeitinvarianten kontinuierlichen Systems ................................. 363 LOsung mit dem diagonalem Matrixexponential ................................................................ 364

10 7-3.7 7-3.8 7-3.9 7-3.10 7-3.11 7-3.12 7-3.13 7-3.14 7-3.15

Stabilitatsbetrachtungen fUr lineare Systeme ..................................................................... 365 Allgemeine Form, Standardform und Normalform: Umrechnung ................................. 365 Verhaltensaquivalente Systeme: Beispiel.. .......................................................................... 367 Verhaltensweisen linearer Systeme ...................................................................................... 369 Kontinuierliche Systeme ......................................................................................................... 369 Diskrete Systeme ..................................................................................................................... 370 Verhalten und Stabilitat eines zweidimensionalen linearen Systems ............................. 371 Stabilitatspriifung fUr lineare Systeme ................................................................................. 372 Anmerkungen zum Verhalten linearer kontinuierlicher Systeme .................................. 373

7-4

Verhalten linearer dynamischer Systeme bei erzwungener Bewegung .............. 375

7-4.1 7-4.2 7-4.3 7-4.4 7-4.5 7-4.6 7-4.7

Lineare Systeme und Ubedagerungsprinzip ....................................................................... 375 Darstellung aperiodischer Eingangsfunktionen ................................................................. 375 Darstellung periodischer Eingangsfunktionen ................................................................... 376 LOsung der inhomogenen (linearen) Vektorzustandsgleichung...................................... 377 Diagonalisierung des Systems und Entkopplung der Eigenvorgange............................. 378 Verhalten bei periodischen Eingangsfunktionen (Frequenzgang) ................................. 380 Darstellungen des Frequenzgangs ........................................................................................ 382

7-5

Verhalten und Stabilitiit nichtlinearer dynamischer Systeme............................ 383

7-5.1 7-5.2 7-5.3 7-5.4

Stabilitat nichtlinearer Systeme............................................................................................. 383 Attraktoren nichtlinearer Systeme ....................................................................................... 383 Strukturveranderung von Systemen ...................................................................................... 385 Vergleich linearer und nichtlinearer dynamischer Systeme ............................................. 386

7-6

Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse................................................................ 387 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 391 Index ............................................................................................................................. 395 Anhang: Programm-Muster fUr SIMPAS Unit Model. ........................................ 401

11

1

Systeme, ~odelle, Modellbildung, Modellverwendung: Ein Uberblick

1-1

Aufgaben der Modellbildung und Simulation

1-1.1

Warum Modellbildung und Simulation?

Modelle und Simulationen jeder Art sind Hilfsmittel zum Umgang mit der Realitat; sie sind so alt wie die Menschheit seIber. Menschen haben von jeher in Denkmodellen Plane gemacht, durchdacht, mitgeteilt, diskutiert, verandert, in die Tat umgesetzt oder verworfen. Bauwerke, Boote, Maschinen wurden bereits vor Tausenden von Jahren zunachst als kleine Modelle gebaut und gepriift, bevor sie irn groBen MaBstab erstellt wurden. Die Spielwelt der Kinder simulierte schon immer die Welt der Erwachsenen meist unter Verwendung von Modellen ihrer Menschen, Tiere, Gegenstande und Fahrzeuge. Die Modellwelten der Sagen, Marchen und Religionen gestatteten teilweise sogar erfahrungspragende Simulationen. Als Bilder und Poesie, Romane und Filme, Parteiprogramme und Verfassungen sind Modelle und Simulationen ein wesentlicher Teil unserer Erfahrungswelt. Indem Wissenschaft und Forschung sich bemuhen, verallgemeinerbare Prinzipien und Prozesse in der Realitat zu identifizieren, erstellen sie Madelle, die wiederum der angewandten Forschung und Technik zur Untersuchung und Simulation neuer M6glichkeiten dienen. Modelle reichen von der verkleinerten realistischen Darstellung des Originals uber die Schnittzeichnung bis zum Funktionsdiagramm; sie k6nnen aus Analogien bestehen, in mathematischen Formeln oder Computerprogrammen ausgedriickt sein und dann auch die Simulation dynamischen Verhaltens erlauben; sie k6nnen es als vorstrukturierte Planspiele erm6glichen, einen neuen Verhaltensbereich zu erfahren. Die Elektronik gestattete es erstmals, unter Ausnutzung physikalischer Analogien zwischen elektronischen Schaltkreisen und mechanischen Schwingungssystemen komplexe dynamische Systeme wie etwa Flugzeuge und Fahrzeuge durch aquivalente Systeme elektronischer Bauteile darzustellen und damit ihr Verhalten am Analogcomputer zu simulieren, ohne das System uberhaupt erst bauen und in der Realitat erproben zu mussen. Sirnulatoren der gleichen Art wurden eingesetzt, urn Bedienungspersonal (z.B. Piloten) gefahrlos im Umgang mit komplexem technischen Gerat zu schulen - lange bevor das erste StUck die Produktion verlieB. Die Tatsache, daB Computer schnell und genau jede mathematische oder logische Formulierung in beliebiger Kombination abarbeiten k6nnen, erweiterte die M6glichkeit der Modellbildung und Simulation auf alles, was sich - in welcher Form auch immer formalisieren und damit rechenfahig darstellen laBt. Damit sind in fast allen Bereichen menschlicher Erfahrung neue M6glichkeiten entstanden, urn bisher kaum uberschaubare komplexe dynamische Entwicklungen auch modellhaft darzustellen, zu sirnulieren, besser zu verstehen und besser mit ihnen umzugehen als bisher. Jungste technische Entwicklungen zeigen, daB - wie bereits im realiHitstreuen Simulator eines Flugzeuges - Computersimulationen in Zukunft an vielen Stellen den Menschen als mitagierendes System sehr viel mehr einbeziehen werden als bisher. Uber Bild-

12

1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

schinnhelm und elektronische Handschuhe wird er die Moglichkeit bekommen, in einer simulierten Scheinwelt 'greifbare' Erfahrungen zu sammeln - in einer Welt, die schlieBlich nur in den Bit-ZusHinden einiger weniger Computerchips besteht. Die Zukunft wird zeigen mussen, ob und in welchen Bereichen das vollstandige Hineintauchen in simulierte Scheinwelten zur menschlichen Entwicklung einen Beitrag leisten kann; wir werden uns hier nicht weiter darnit befassen. Unsere Aufgabe wird es vielmehr sein, das in vielen Wissensbereichen angewandte Verfahren der Modellbildung und Simulation dynamischer Systeme darzustellen. Es zeigt sich namlich, daB wir es hier mit einem einheitlichen Ansatz zu tun haben, der sich nicht nach Fachdisziplinen unterscheidet: gleich, ob es sich urn Anwendungen in Elektrotechnik, Maschinenbau, Land- und Forstwirtschaft, Okologie, Umweltforschung, Betriebswirtschaft oder Regionalplanung handelt. 1-1.2

Warum interessiert das Verhalten dynamischer Systeme?

Zu wissen, was geschehen wird oder geschehen konnte, kann u.D. eine Bedeutung haben, die uber Neugierbefriedigung wesentlich hinausgeht und buchstablich zwischen Leben und Tod entscheidet. Zu wissen, wie sich dynamische Systeme unter gewissen Umstanden verhalten werden ist - wie wir sehen werden - auch selbst bei einfachen Systemen oft sehr schwierig. Oft genug aber hangt das Leben von Individuen, die zukiinftige Entwicklung einer Region oder gar die globale Zukunft ab von der Entwicklung dynamischer Systeme, die wir nicht ausreichend kennen, deren Verhalten wir nicht genug verstehen. Die Beispiele reich en von Bauwerken, Flugzeugen, Fahrzeugen, sozialen Prozessen, Stadtentwicklungen, Bev6lkerungsexplosion, Kriegen, Umweltbelastungen bis hin zu globalen Klimaveranderungen. In allen diesen Hillen stellt sich die Aufgabe, mit vertretbarem Aufwand zu relativ sicheren Verhaltensaussagen zu kommen. Wir suchen also nach entsprechenden Modellen, die Verhalten beschreiben und m6glichst auch Hinweise auf notwendige Anderungen oder Einwirkungen geben konnen, urn unzulassige oder gar gefahrliche Entwicklungen zu vermeiden. Das uns interessierende Produkt ist also eine zuverlassige stellvertretende Verhaltensbeschreibung, die Simulation des zu erwartenden Verhaltens eines realen Systems. Wir merken an dieser Stelle an, daB eine Verhaltenssimulation prinzipiell auf zwei verschiedene Weisen erreicht werden kann: Zum ersten ist denkbar, durch Beobachtungen des Verhaltens eines oder vieler gleichartiger Systeme zu einer urnfassenden Verhaltensbeschreibung zu gelangen, die auch fUr zukiinftiges Verhalten in einem relativ breiten Bereich zutrifft. In dies em Falle ware es nicht notig, das System selbst in allen seinen Einzelheiten und Funktionen zu kennen; es kann als 'black box' behandelt werden. Eine zweite prinzipielle M6glichkeit zu Verhaltensaussagen zu gelangen, ergibt sich durch ein Nachbilden der Wirkungsweise des realen Systems, d.h. durch Untersuchungen des Verhaltens eines Modells, das die wesentlichen Wirkungsstrukturen des Realsystems abbildet. In diesem FaIle muB sehr viel tiber das System selbst bekannt sein; sein Verhalten in der Vergangenheit ist daher nur von sekundarem Interesse. Die Darstellung von Verhalten durch Computersimulationsmodelle hat inzwischen fast aIle anderen Darstellungsmoglichkeiten, die frtiher einmal eine Rolle spielten (wie hydraulische, elektrische, mechanische Analogien), abgelOst. Die Griinde liegen auf der Hand:

1-1 Aufgaben der Modellbildung und Simulation

13

- Es kann - v611ig unabhangig von der Art des betrachteten Systems - mit einer einheitlichen Methodologie und vielseitig verwendbaren Software-Programmen gearbeitet werden. - Die Kosten der Modellerstellung und Simulation sind im allgemeinen nur ein Bruchteil dessen, was bei ahnlich umfassender Untersuchung mit realen oder analogen physikalischen Modellen aufzuwenden ware. - Der zeitliche Ablauf des dynamischen Verhaltens kann erheblich gerafft und verktirzt oder - bei in der Natur sehr schnell ablaufenden Vorgangen - auch, falls notwendig, erheblich gedehnt werden, so daB genaue Beobachtungen m6glich werden. - Eine Dynamik, die zur Systemzerst6rung fUhren wiirde, hinterHiBt im Computer tiberhaupt keine Konsequenzen: Das Simulationsprogramm kann nach wie vor weiterverwendet werden. Damit wird auch und gerade eine umfangreiche Untersuchung gefahrlicher Systementwicklungen m6glich. - Das reale System wird keinerlei Risiko unterzogen. Messungen oder Eingriffe am realen System sind nicht notwendig. 1-1.3

Anwendungen dynamischer Simulationsmodelle

Wissenschaftliche Erkenntnis: Aus der Computersimulation eines dynamischen Systems k6nnen sich neue Erkenntnisse ergeben, die aus der ursprunglichen Systemkenntnis nicht direkt folgen. So kann ein System z.E. bei konstanten Parametern und Umwelteinwirkungen Schwingungsverhalten, Zusammenbruch oder Chaos zeigen, ohne daB dies aus der Systemstruktur direkt ableitbar ware. Ein Beispiel sind systemdynarnische Untersuchungen zum Verhalten von Waldern bei Schadstoffbelastung, die die M6glichkeit pl6tzlichen Zusammenbruchs auch bei gleichbleibend geringer Schadigung und unveranderter Systemstruktur nachwiesen. Oder: Chaos wird in Systemen erst tiber ihre Dynamik bemerkbar, die sich durch Computersimulation erschlieBen laBt. Erhebliche Bedeutung hat die Simulation auch fUr die Uberprufung wissenschaftlicher Hypothesen. Systementwicklung im technischen Bereich: Hier hat die Computersimulation traditionell ihren Schwerpunkt, vor allem auch deshalb, weil diese Systeme im allgemeinen in bezug auf Wirkungsstruktur und Parameter prazise definierbar und tiber ihre physikalischen Zusammenhange gut durch mathematische Modelle beschreibbar sind. Anwendungen sind: Regeltechnik und Optimierung, Schwingungsverhalten von Bauten und Maschinen, Simulation von Steuerung und Stabilitat unter Berucksichtigung der wechselnden strukturellen, aerodynamischen, hydrodynarnischenLasten bei Fahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen, Simulation nuklearer und chemischer GroBprozesse und ihrer Regelung, simulative Untersuchung von Projekten des Wasserbaus, vielseitige Anwendungen des computergestiitzten Entwurfs (CAD) bis hin zur Simulation von Bewegungsablaufen, Schwingungsverhalten oder simulierten Innenansichten (Architektur). Auch Medizintechnik und Pharmazie verwenden die Simulation, z.E. zur Ausregelung von HerzrhythmusstOrungen oder fUr die Entwicklung von Dialysegeraten wie auch zur Untersuchung der Abbaudynarnik neuentwickelter Wirkstoffe in den verschiedenen K6rperorganen. Bei Entwicklungsvorhaben dieser Art hilft die Computersimulation, glinstige und sichere Uisungen zu finden, Verfahren fUr das Umgehen mit Gefahrenzu-

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1 - Systeme, Madelle, Modellbildung, Modellverwendung

sHinden zu finden und Risiken weitgehend auszumerzen, bevor der Entwurf realisiert wird und auf den Markt kommt. Anwendungen im System-Management: Die Computersimulation wird ebenfalls eingesetzt, urn mit vorhandenen dynamischen Systemen besser umzugehen. Es geht hier vor allem darum, durch parallele Simulation eines zu bewirtschaftenden Systems mit den laufenden realen Daten notwendige Eingriffe rechtzeitig zu erkennen und auf ihre Wirkungen zu uberprtifen. Ein Beispiel ist die Landwirtschaft mit der raschen Dynamik von pflanzenverfiigbarem Stickstoff und Bodenwasser. Dies ist auch yom Fachmann nicht leicht und richtig einzuschiHzen. Computersimulationen k6nnen dabei helfen, Nahrstoffe und Bewasserung optimal einzusetzen. Mit Computersimulation der Schadlingsentwicklung, die sich auf Stichproben stiitzt, k6nnen angepaBte MaBnahmen rechtzeitig in die Wege geleitet und chemische Bekampfungen u.D. ganzlich vermieden werden. In der Forstwirtschaft konnen waldbauliche MaBnahmen auf ihre langfristigen Konsequenzen untersucht und verglichen werden, urn zu 6konomisch giinstigen und nachhaltigen LOsungen zu kommen. Bei der betriebswirtschaftlichen Planung spielen Simulationen von der Fertigung bis zur Lagerhaltung eine groBe Rolle. Anwendungen in der Entwicklungsplanung: In langfristigen Studien dieser Art muB vor allem auch dem Verhalten verschiedener gesellschaftlicher Gruppen Rechnung getragen werden. Das Verhalten dieser Akteure kann entweder durch Szenarienannahmen, durch Planspielsimulationen oder sogar teilweise direkt durch Verhaltenssimulationen miteinbezogen werden. Anwendungsbeispiele sind etwa die Stadtentwicklungsplanung, die Regionalplanung und Untersuchungen m6glicher nationaler Entwicklungen. Hier geht es vor aHem darum, das ganze Spektrum der Verhaltensmoglichkeiten zu erfassen, urn das Verhalten unter gegebenen Bedingungen einzugrenzen, Eingriffsm6glichkeiten und deren Folgen festzustellen und Moglichkeiten fiir alternative Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Fur die zukiinftige globale Entwicklung hat gerade der letztere A~pekt der Modellbildung und Simulation besondere Bedeutung. Er solI daher noch etwas weiter ausgefiihrt werden. 1-1.4

Modellbildung und Simulation zur Untersuchung von Entwicklungspfaden

Die miteinander verbundenen Dynamiken regionaler und globaler, okologischer und sozialer Entwicklungen (Bev6Ikerungsentwicklung, Wirtschaftsentwicklung, Ressourcenverbrauch, Umweltbelastungen, Klimaveranderung durch Treibhausgase, Waldzerst6rung usw.) sind heute auch fiir Fachwissenschaftler kaum noch uberschaubar und in ihren Konsequenzen fiir Umwelt und Gesellschaft nur unsicher abschatzbar. Diese Unsicherheit ist mit hohen aktuellen und potentiellen Kosten und Risiken verbunden. Moglichkeiten, durch bessere Abschatzung zukiinftiger Entwicklungsperspektiven diese Unsicherheiten zu verringern, mussen konsequent ausgelotet werden, insbesondere dann, wenn die Kosten dieser Informationssuche nur einen Bruchteil der Kosten von Fehleinschatzungen betragen. Es geht hicrbei nicht urn Prognosen einer scheinbar unabanderlichen Entwicklung. Die gesellschaftliche Entwicklung in ihrem 6kologischen Umfeld hat bestenfalls nur in kleinen Bereichen die vorhersagbare Automatik eines mechanischen Raderwerks. WesentHche Bereiche werden dagegen durch gesellschaftliche Akteure bestimmt (Einzel-

1-1 Aufgaben der Modellbildung und Simulation

15

personen, Organisationen, Institutionen), deren Verhaltensspielraum sich zwar in Grenzen abschatzen, aber nicht prinzipiell genau bestimmen Hillt. In anderen Bereichen (z.B. Wetter und Klima, Tier- und Pflanzenpopulationen) gilt ahnliches aus anderem Grund: bier konnen unter gewissen Bedingungen die Entwicklungspfade aufgrund kleinster Abweichungen rasch und enorm divergieren (Chaos). In beiden Hillen ist eine Vorhersagbarkeit prinzipiell nicht gegeben, aber der mogliche Verhaltensbereich ist absteckbar, mogliche Entwicklungspfade lassen sich eingrenzen. Es kann unter diesen Bedingungen also nur darum gehen, den Versuch zu unternehmen, die moglichen Entwicklungspfade des betrachteten Systems mit ihren Verzweigungsmoglichkeiten, Auspragungen und Folgen zu erfassen, die vorhandenen Eingriffsmoglichkeiten zu identifizieren, und wiederum deren Folgen im Rahmen eines bestimmten Entwicklungspfades abzustecken. Da die Entscheidungsspriinge einzelner Akteure und die moglichen chaotischen Verhaltensspriinge einzelner Teilsysteme prinzipiell nicht vorhersehbar sind, ist die Beschreibung aller moglichen Entwicklungspfade prinzipiell nicht machbar. Es geht daher nur darum, die Bandbreite der moglichen Entwicklung abzustecken und ihre wahrscheinlichsten 'Flu13betten' zu identifizieren, die sich gewissen Parameterkonstellationen (,Szenarien') zuordnen lassen. Beispiel: Entwicklungspfade der Energieversorgung und Reduktionspotentiale der CO[ Emissionen bei unterschiedlicher Entwicklung der Potentiale effizienter Energienutzung und regenerativer Energietriiger.

Ftir die zUkiinftige CO2-Dynamik und damit zusammenhangende Klimaveranderungen hat eine verHillliche Abschatzung der moglichen Entwicklungspfade der Energieversorgung eine entscheidende Bedeutung. Hier versagen prinzipiell die Verfahren der verhaltensbeschreibenden Modellierung (wie etwa der Trenduntersuchung). Dagegen lassen sich tiber strukturtreue Simuiationsmodelle relativ verliiBliche Aussagen auch tiber mogliche Langfristentwicklungen gewinnen, da Prozesse wie -

Marktdurchdringung und Sattigung Anteilsverschiebungen (Mix) Durchsetzung neuer Technologien Aufteilung aufkonkurrierende Verfahren (modal split) Einfiihrung effizienterer Nutzungsverfahren Veranderung des Verbraucherbewu13tseins Problemdruck aus der Umweltveriinderung Entwicklung des Energiedienstleistungsbedarfs Absenkungen des spezifischen Verbrauchs internationale Konkurrenz usw.

in die Untersuchung und Modellbildung direkt einbezogen werden konnen. Beispiel: Entwicklungspfade der Rohstoffversorgung und Umweltbelastung bei unterschiedlichen Ansiitzen in Produktentwwf, Wiederverwendung, Materialmckfilhrung und Abfallentsorgung.

Almlich wie im Energiesektor sind die Konsequenzen verschiedener Entwicklungsmoglichkeiten bei der Versorgung mit Materialdienstleistungen insbesondere in ihrem (szenarioabhangigen) Zusammenspiel ohne strukturtreue Modellbildung und Simula-

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

tion nicht zu iiberblicken. Welche MaJ3nahmen erweisen sich als besonders wirkungsvoll? Welche sind besonders verbrauchervertraglich und leicht durchfiihrbar? Wo sind die Umweltbelastungen (welcher Stoffe?) langerfristig geringer? Mit welchem Ansatz ist die Nachhaltigkeit der Versorgung bei hoher Umweltqualitat zu sichern? Welche Reaktionen sind bei Unternehmen und Gewerkschaften zu erwarten? Mit welchen Kosten ist zu rechnen? Auch hier erweist sich ein strukturtreues Modell zum einen als vollstandiger Denkrahmen zur umfassenden Untersuchung, Bearbeitung, Diskussion, vergleichenden Bewertung und Entscheidungsvorbereitung, und zum anderen als Werkzeug rur die Simulation unterschiedlicher, szenarioabhiingiger Entwicklungspfade.

1-2

GrundsatzIiches zu Systemen

1-2.1

Was ist ein System? Systemidentitat, Systemintegritat, Systemzweck

Viele Objekte in unserer Erfahrungsumwelt bezeichnen wir als 'System'. Sie bestimmen durch ihre Anwesenheit oder durch ihr Verhalten die Bntwicklung; viele Systeme sind von Menschen geschaffen und werden von ihnen als Werkzeuge benutzt. Aber nicht alles in unserer Umwelt ist ein System - wir sollten daher unterscheiden kOnnen. Wir nennen ein Objekt ein System, wenn es ganz bestimmte allgemeine Merkmale aufweist: 1. Das Objekt errullt eine bestimmte Funktion, d.h. es laBt sich durch einen System-

zweck definieren, den wir als Beobachter in ihm erkennen.

2. Das Objekt besteht aus einer bestimmten Konstellation von Systemelementen und Wirkungsverkniipfungen (Relationen), die seine Funktionen bestimmen. 3. Das Objekt verliert seine Systemidentitat, wenn seine Systemintegritat zerstOrt wird. Ein System ist nieht teiIbar, d.h., es existieren Blemente und Relationen in dies em Objekt, deren Heraus16sung oder ZerstOrung die Erfiillung des urspriinglichen Systernzwecks, d.h. der Systemfunktion nicht mehr erlauben wiirde: Die Systemidentitat hatte sich verandert oder ware ganzlich zerstOrt. Diese Kriterien des Systernzwecks, der Systemstruktur und der Systemintegritat ermoglichen es uns nun, Unterscheidungen zu treffen: Bin Stuhl ist demnach ein System, wei! er einen Systernzweck, eine Systemstruktur (Sitzplatte, Riickenlehne, Beine mit entsprechenden Wirkungsbeziehungen zwischen ihnen) besitzt und das Abtrennen bestimmter Blemente (z.E. zweier Beine) zu einer Zerstorung der Systemintegritat ruhrt, d.h., der urspriingliche Systernzweck kann nicht mehr erfullt werden. Bin Sandhaufen ist kein System, weil sich zwar ein gewisser Systernzweck definieren laBt (Lagerung von Sand), weil aber selbst das Abtragen einer groBen Menge Sand nichts an der Identitat als Sandhaufen iindern wiirde. Bin Gewichtsstein ist kein System. Zwar laBt sich ein Zweck definieren, und die Identitat als Gewichtsstein wiirde durch eine Halbierung zerstOrt werden, doch besteht der Gewichtsstein (fur die Zwecke dieser Betrachtung) aus einem einzigen Element ohne irgendwelche Relationen (noch nicht einmal einer Riickkopplung zu sich selbst). Das StraJ3burger Miinster ist ein System, da sich Systernzweck, Elemente und Relationen erkennen lassen und es durch Heraustrennen bestimmter Elemente und Relationen

1-2 Gmndsiitzliches zu Systemen

17

seine Integritat verlieren wiirde. Organismen, Maschinen, Organisationen und die interagierenden Prozesse der okologischen Umwelt sind Systeme. Systeme sind also durch eine essentielle Wirkungsstruktur gekennzeichnet, die ihnen die Erfullung bestimmter Funktionen gestattet, die Systernzweck und Systemidentitat definieren. Bei der Modellbildung und Simulation, so wie wir sie bier verstehen, geht es in erster Unie darum, diese essentielle Wirkungsstruktur des Systems herauszuarbeiten. 1-2.2

Dynamische Systeme, Systemverhalten, Betrachtungszeitraum

Genau genommen sind aIle Systeme dynamische Systeme, auch sol~he, die uns eher statisch erscheinen, wie der Stuhl oder das StraBburger MUnster. Uber einen langeren Zeitraum gesehen, unterliegen sie Alterserscheinungen; bei Belastung ergeben sich dynamische Lasten (Benutzung des Stuhls, Winddruck am Munster), die bei gewissen Untersuchungen eine Rolle spielen konnten. Wir sprechen aber hier von dynamischen Systemen, wenn diese in einem uns interessierenden Zeitraum ihren Zustand andern und damit dynamisches Verhalten zeigen. Dabei durfen wir uns nicht auf direkt beobachtbares Verhalten beschranken. Wesentliche ZustandsgroBen sind oft nicht beobachtbar und dennoch fur die Funktion des Systems entscheidend. Die Herzdynamik einer Person ist z.B. unter normalen Umstanden kaum beobachtbar; sie ist aber dennoch entscheidend fur ihr Leben und Wohlbefinden. In der Praxis interessieren Aussagen uber das Verhalten des Systems, d.h. uber yom System verursachte, in seiner Umwelt beobachtbare Veranderungen systemeigener GroBen oder von Einwirkungen auf die Umwelt. Wir erahnen aber bereits, daB in vielen Fallen die Beobachtung von Systemverhalten nicht ausreichen wird, urn zuverlassige Aussagen uber weiteres Systemverhalten zu gewinnen. Offensichtlich muJ3 in vielen Fallen auch der innere Zustand des Systems analysiert werden. So laBt sich etwa aus dem Verhalten eines Kraftfahrzeugs (Brennstoffverbrauch, Geschwindigkeit, Schadstoffemissionen) nicht ahnen, daB der Olstand zu niedrig ist, der Motor sich uberhitzt hat und mit einem Kolbenfresser stehenbleiben wird. Offensichtlich ist also fur die umfassende Beschreibung eines Systems mehr erforderlich als das, was sich von auJ3en beobachten laBt. Diese essentiellen, den tatsachlichen Systemzustand vollstandig beschreibenden GroBen nennen wir Zustandsgro6en. Wie im System selbst, so spielen sie auch bei der Systemanalyse, Modellbildung und Simulation eine entscheidende Rolle. 1-2.3

Systemgrenzen und Systemumwelt, Einwirknngen und Auswirkungen

So wie wir feststellen, daB Systeme der verschiedensten Art (einschlieBlich unserer selbst) unsere Umwelt bev61kern, so laBt sich umgekehrt feststellen, daB Systeme eine Umwelt oder Systemumgebung haben. GroBen dieser Umwelt konnen als auJ3ere Einwirkungen EinfluJ3 auf die Systementwicklung haben; umgekehrt konnen SystemgroBen die Systemumwelt in der einen oder anderen Art beeinflussend verandern. Fur die Systemuntersuchung ist es notwendig, eine Systemgrenze zu definieren, die das System klar von seiner Umwelt abtrennt. Nun sind aber Systeme nie vollig isoliert von ihrer Umgebung: sie waren sonst nicht wahrnehmbar; ihre Existenz ware nicht beweisbar. Daher kann es also strikt genommen keine undurchlassige Grenze zur Umgebung geben, sondern lediglich eine Oberflache, durch die gewisse Kopplungen mit der Umgebung stattfinden durch (a) Einwirkungen der Umgebung auf das System und (b) Aus-

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

wirkungen des Systems auf seine Umgebung. Unter Auswirkungen verstehen wir hier aIle beobachtbaren VerhaltensgroBen, also z.B. auch sichtbares Licht, das uns Informationen iiber Existenz und Zustand eines Systems vermittelt. Fiir praktische Untersuchungen stellt sich die Frage, wo diese Grenze zu ziehen ist. In manchen Hillen ist das einfach zu beantworten; so etwa bei einem Stuhl, bei einem Kraftfahrzeug oder einem Menschen. Hier fallen physikalische Oberflachen mit der Systemgrenze zusammen. In anderen Fiillen, insbesondere bei Systemen aus dem okologischen oder sozialwissenschaftlichen Bereich, ist die Grenzdefinition weit schwieriger. Da von dieser Grenzziehung aber die Komplexitat nnd Bearbeitbarkeit der Untersuchung wesentlich abhiingt, erfordert die Grenzziehung einige Aufmerksamkeit. Wo laBt sich z.B. die Systemgrenze eines Waldgebietes ziehen? 1st die Veranderung des Bodenund Grundwasserangebots und der Luftfeuchtigkeit und Niederschlage durch den Wald selbst in einer geschlossenen Systemdarstellung zu berucksichtigen, oder konnen die Niederschlage als atiBere Einwirkungen unabhiingig von der Systementwicklung selbst vorgegeben werden? Die Kriterien flir die Definition der Systemgrenze laufen aIle darauf hinaus, eine SystemoberfHiche zu finden, innerhalb derer sich das System in relativer Autonomie verhalten kann. Die folgenden Kriterien gel ten einzeln oder in Kombination: 1. Systemgrenze dort, wo die Kopplung zur Umgebung sehr viel schwacher ist als die Binnenkopplung im System (z.B. Organismus: Haut)

2. Systemgrenze dort, wo vorhandene Umweltverkopplungen nicht funktionsrelevant sind. Beispiel: Urn einen Eisenbahnwagen zu untersuchen, miissen nicht aIle mit ihm verkoppelten Wagen ebenfalls untersucht werden. 3. Systemgrenze dort ziehen, wo Umwelteinwirkungen nicht durch das System selbst bestimmt oder durch Riickkopplung von Systemauswirkungen verandert werden konnen (bei Okosystemen z.B.: Einstrahlung, Temperatur, Niederschlag). Die Systemabgrenzung kann vom Beschreibungszweck abhiingen. Falls also gerade z.B. der EinfluB eines Waldgebiets auf das Lokalklima untersucht werden solI, so miissen auch die atmospharischen Vorgange, wie etwa die Rezyklierung des an den Blattoberflachen transpirierten Wassers durch Kondensation und Niederschlag berucksichtigt werden. 1-2.4

Wie macht sich ein System bemerkbar? Verhalten und Zustand

Ein System wirkt tiber VerhaltensgroBen (AusgangsgroBen) auf seine Umwelt und ist nur iiber diese in der Umwelt bemerkbar. Soweit das Verhalten sich nicht als direkte Reaktion auf Umwelteinwirkungen ergibt, setzt es Veranderungen im System selbst, d.h. Veranderungen des Systernzustands in der Zeit voraus, die wir als Zustandsanderungen bezeichnen. Moglicherweise reflektieren die VerhaltensgroBen nur einen Teil des Innenlebens des Systems; oft genug dringt iiberhaupt keine ZustandsgroBe, d.h. Information iiber den Systemzustand nach auBen. Der tatsachliche Systernzustand ist (und die entsprechenden Systernzustandsanderungen sind) daher moglicherweise nur teilweise oder gar nicht aus SystemauBerungen an die Umwelt ablesbar. Fiir die Weiterentwicklung des Systems ist allerdings der Systernzustand, d.h. die Gesarntheit (der Vektor) seiner ZustandsgroBen entscheidend - selbst wenn sie auBerlich nicht in Erscheinung treten sollten.

1-2 Grundsiitzliches zu Systemen

19

Zustandsgrofien sind definiert als diejenigen GroBen, aus denen sieh zu jeder Zeit der Zustand des Systems volIsUindig ergibt, einsehlieBlieh alIer daraus ableitbaren Systemoder VerhaltensgroBen. Sie sind voneinander unabhangig, d.h. keine ZustandsgroBe laBt sieh aus einer beliebigen Kombination anderer ZustandsgroBen ableiten, und jede einzelne ZustandsgroBe ist fUr die vollstandige Besehreibung des Systems notwendig. ZustandsgroBen sind oft nieht eindeutig definierbar; d.h. versehiedene GroBen im System konnen fUr eine bestimmte ZustandsgroBe stehen. So ist z.E. zur Angabe des Fiillzustands einer Badewanne eine ZustandsgroBe notwendig. Ob als MaB fUr diese ZustandsgroBe aber der Wasserinhalt (in Liter), die Wassermasse (in kg), die Wassertiefe (in em) oder etwa die Zahl der Wassermolekiile genommen werden, ist fUr die Besehreibung der Systemdynamik ohne Belang, kann aber natiirlieh praktisehe, z.E. meBteehnisehe Bedeutung haben. Wiehtig ist besonders die FeststelIung, daB, obwohl die ZustandsgroBen im einzelnen nieht festliegen, ein bestimmtes System dureh eine ganz bestimmte Anzahl von ZustandsgroBen besehrieben werden muB. Diese Zahl ist die Dimensionalitat des Systems; ihr entsprieht die Zahl der Differential- oder Differenzengleiehungen, die die Zustandsanderungen des Systems besehreiben. Fehlte eine ZustandsgroBe, so ware das System nieht vollstandig besehreibbar; wiirden zusatzliehe ZustandsgroBen angegeben, so ware die Besehreibung redundant und iiberbestimmt. Ein Masse-Feder-Diimpfungssystem z.E. ben6tigt zwei Zustandsgr6Ben zu seiner Besehreibung; eine Besehreibung dureh eine ZustandsgroBe ist nieht maglieh. Bei einer Besehreibung mit mehr als zwei ZustandsgroBen waren die iiberzahligen GroBen aus zwei GraBen ableitbar und damit keine eehten ZustandsgroBen. 1-2.5

Ein System hat 'Gedachtnis': Zustandsgrofien sind Speichergrofien

ZustandsgroBen sind das 'Gedachtnis' des Systems. Typischerweise sind es 'Speicher' an Energie, Rohstoffen, Geld oder Individuen, die im Laufe der Zeit ihren Inhalt verandern. Der neueste Stand wird dabei ermittelt aus dem Bestand zum vorherigen Zeitschritt der Zustandsermittlung und den Bestandszugangen und -abgangen wahrend des Zeitschritts. In den ZustandsgroBen schlagt sich also die Summe der Zustandsveranderungen iiber einen langeren Zeitraum nieder, also die 'Geschichte' des Systems. In einem Feld sind z.E. der Bodenwassergehalt, die Menge des pflanzenverfiigbaren Stickstoffs und die Biomasse der Ernte ZustandsgroBen. Letztere ist (auch) eine beobachtbare VerhaltensgroBe. Die beiden ersteren sind (normalerweise) nicht beobachtbar, sind aber fUr die Entwicklung des Gesamtsystems (und der Ernte) unverzichtbar. Wir stoBen bei dieser Betrachtung auf die Dualitat zwischen Zustand und Zustandsanderung, zwischen Produkt und ProzeB, die das Wesen der Systemdynamik ausmacht. Dies gibt einen Hinweis darauf, wie wir bei der Suche nach ZustandsgroBen, die ja fUr die Systembeschreibung definiert werden miissen, vorgehen miissen: Es gilt, die Speicher- und GedachtnisgroBen des Systems auszumachen. Auf der anderen Seite scheid en Zustandsanderungen und Prozesse im System von vornherein als Kandidaten fUr ZustandsgroBen aus. Fiir die Suche nach ZustandsgroBen erweist sich daher als niitzlich, sich das System als p16tzlich eingefroren vorzustelIen. In diesem FaIle kommen aIle Prozesse, d.h. Zustandsanderungen zum Erliegen. Lediglich Speicherinhalte (und damit Kandidaten fUr

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

ZustandsgroBen) waren noch meBbar. Nachdem das System p16tzlich wieder aufgetaut ware, wiirde es mit dies em Anfangszustand der ZustandsgroBen sein dynamisches Verhalten wieder genau an der Stelle beginnen, an der es eingefroren worden war. (Man denke hier etwa an den einhundertjahrigen Dornroschenschlaf.) Mit der Definition geeigneter ZustandsgroBen werden wir uns in den spateren Kapiteln noch auseinanderzusetzen haben. 1-2.6

Die Wirkungsstruktur bestimmt Zustandsiinderungen

Prinzipielliassen sich zwei Ursachen angeben, die zu Zustandsiinderungen fUhren konnen: Erstens konnen Einwirkungen von auBen zu Zustandsiinderungen fUhren, und zweitens konnen Prozesse im System selbst Zustandsanderungen veranlassen. Rieraus wird klar, daB die Wirkungsstruktur des Systems selbst (die dariiber bestimmt, wie auBere und innere Wirkungen weitergegeben werden) die Zustandsanderungen und darnit die ZustandsgroBen und das Systemverhalten bestimmt. Bei der normalen Definition der Systemgrenze gehen wir davon aus, daB die Einwirkungen aus der Umwelt vollig unabhiingig yom Systemverhalten selbst sind, d.h., daB keine Riickkopplungen des Verhaltens (der Systemausgiinge) auf die Umwelt stattfinden und diese verandern. Das Systemverhalten entsteht dann einmal durch systemunabhiingige Einwirkungen von auBen und zum anderen durch Riickwirkungen im System seIber. Beide Gruppen von Wirkungen werden iiber die systeminterne Wirkungsstruktur weitergegeben und verandert; fUr die erkliirende Beschreibung des Verhaltens muB diese Wirkungsstruktur daher bekannt sein. Wir merken hier an, daB sehr verschiedene Systeme gleiches oder fast gleiches Verhalten erzeugen konnen. Das bedeutet einmal, daB - wenn es nur um die Darstellung von Verhalten geht - andere, meist einfachere Systemdarstellungen ausreichen kannen. Es bedeutet andererseits aber vor allem auch, daB es sehr schwierig und oft unmoglich ist, allein aus dem Verhalten auf die Wirkungsstruktur eines Systems zu schlieBen. Dies hat groBe praktische Bedeutung fUr die Systemanalyse, da es gerade zum Systemverstiindnis komplexer Systeme die sorgHUtige Analyse der Wirkungsstruktur erforderlich macht. 1-2.7

Intern erzeugte Systemdynamik: Die Rolle von Riickkopplungen

Besteht ein System aus einer einzigen ZustandsgroBe ohne Riickkopplung, so andert sich dieser Zustand allein durch etwaige Zugiinge oder Abgiinge. (Beispiel: Badewanne mit Zulauf und AbfluB). Aber bereits hier ist eine unmittelbare Input/Output-Relation, wie sie bei beschreibenden Modellen gern angenommen wird, nicht mehr gegeben: aus dem augenblicklichen Zulauf (Input) laBt sich in keiner Weise auf die augenblickliche Wassermenge (Zustands- und VerhaltensgraBe) schlieBen: Bei einem starken ZufluB kann die momentane Wassermenge gering oder groB sein; bei starkem AbfluB kann die Wassermenge (noch) groB sein, usw. Klarheit verschafft allein die Integration von Zulauf und Ablauf iiber eine gewisse Zeit; zusiitzlich muB der Anfangswert der ZustandsgroBe bekannt sein. ZustandsgroBen sind also prinzipiell nicht direkt (algebraisch) aus ihren Zustandsveriinderungen (oder anderen GraBen) berechenbar. Diese Beobachtung entzieht bereits vielen beschreibenden Modellen ihre Legitimitiit (was sich besonders in der Okonomie noch nicht herumgesprochen zu haben scheint).

1-2 Grundsiitzliches zu Systemen

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Alles wird noch wesentlich vertrackter, wenn sich im System Riickkopplungen befinden, d.h. wenn ZustandsgraBen auf Zustandsveranderungen EinfluB nehmen konnen. Trotz ihrer immer noch einfachen Systemstruktur sind Entwicklung und Verhalten solcher Systerne auch bei groBer Erfahrung nur noch selten mit einiger ZuverHissigkeit einschatzbar: wir sind hierbei auf mathematische Analyse (nicht immer moglich) und Simulation (immer moglich) angewiesen. Ein Beispiel ist die einfache gegenseitige Verkopplung zweier ZustandsgroBen: GroBe A verandert den ZufluB von GroBe B, GroBe B verandert den ZufluB von GroBe A. Es ist nicht ohne weiteres einsichtig, daB ein solches einfaches System die Neigung hat, mit einer festen Frequenz zu schwingen. Dabei gehoren solche Systeme zu unserer AlItagserfahrung: ein an einer Feder hiingendes Gewicht ist ein Beispiel, wobei A == kinetische Energie und B == potentielle Energie. Ein anderes Beispiel findet sich in den unter gewissen Bedingungen auftretenden Schwingungen einer Lagerhaltung, wobei A = Lagerbestand und B == Auftragsbestand. Andere, relativ einfache Riickkopplungen fuhren bereits zu 'deterministischem Chaos' mit prinzipiell nicht mehr genau vorhersagbarem Verhalten (es konnen nur noch Verhaltensbereiche angegeben werden). 1-2.8

Systemverhalten als Mischung aus Eigendynamik und Reaktion auf Umwelt

Riickkopplungen im System konnen also ein eigenstandiges, von der Systemstruktur selbst bestimmtes Verhalten erzeugen, das mit etwaigen Einwirkungen auf das System kaum noch oder nicht mehr in Verbindung gebracht werden kann. Das schwingende Feder-Masse-System und die Lagerhaltung oszillieren auch ohne auBere Anregung nach einer anfanglichen Auslenkung weiter. Auch hier versagt wieder ein beschreibender Ansatz, der versuchen miiBte, die schwingende Bewegung aus einer (welcher?) Umwelteinwirknng zu erklaren. Yom System ohne auBere Anregung selbst erzeugte Eigenschwingungen konnen in Bereichen auftauchen, in denen sie nicht erwartet werden und in denen sie aber erhebliche Bedeutung fur zukiinftige Entwicklungen haben. Ein Beispiel sind die im Zusammenspiel zwischen Langfristinvestitionen und Anlagenbestand entstehenden KondratieffZyklen von mehreren Jahrzehnten, die enorme Konsequenzen fur ganze Volkswirtschaften haben. Systeme konnen bei schwacher oder starker Eigendynamik unterschiedlich auf Einwirkungen aus ihrer Umwelt reagieren. Die Wirkungen konnen von der kaum feststellbaren Veranderung bis zum Anfachen selbstzerstorerischer Schwingungen reichen. Generell gilt nur, daB sowohl Umwelteinwirkungen wie Eigendynamik das Systemverhalten bestimmen; die genaue Verhaltensreaktion ergibt sich aus den Elementen des Systems und ihren strukturellen Verkniipfungen. Am Systemmodelllassen sich diese Reaktionen durch Computersimulation ermitteln, ohne daB das reale System zeit- und kostenaufwendigen und moglicherweise zerstorenden Experimenten unterzogen werden muB. 1·2.9

Verhaltensbestimmende unabhangige GroBen: System· und Umweltparameter

Per definitionem sind Umwelteinwirkungen nicht von Veranderungen des Systems abhiingig. Fiir die Systembetrachtung miissen sie als Funktionen der Zeit vorgegeben sein; oft wird es sich dabei auch urn konstante GraBen handeln. Auch im System selbst konnen GraBen einen EinfluB haben, die nicht durch Veranderungen im System selbst be-

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

einflu13t sind, die oft konstant sind, aber moglicherweise auch von der Zeit abhangen. Man denke an die Alterung von Systemkomponenten oder an wichtige Systemkonstanten wie Federkonstanten, HebelHingen, Hubraum, Gravitationskonstante u.a. physikalische Konstanten usw. Auch die An- oder Abwesenheit einer Wirkungsbeziehung kann als Parameter gewertet werden, der u.D. zeit- oder ereignisabhangig ist. An diesem Beispiel wird bereits offensichtlich, daB Parameter einen entscheidenden Einflu13 auf das Systemverhalten haben konnen, gerade wenn sie wichtige Wirkungsbeziehungen abschwachen oder verstarken. Es ist daher zu erwarten, daB Systeme mit gleicher Wirkungsstruktur bei Veranderungen eines oder weniger kritischer Parameter ein quantitativ und qualitativ vollig unterschiedliches Verhalten zeigen kOnnen. Diese kritischen Parameter mussen durch besondere Sensitivitatsuntersuchungen identifiziert werden. Sensitive Parameter lassen auf der einen Seite das System empfindlich auf kleine Schwankungen dieser Parameter reagieren; auf der anderen Seite konnen aber auch gerade diese Parameter verwendet werden, urn das Systemverhalten in gewiinschter Weise zu beeinflussen. 1-2.10 Systeme als Komponenten von Systemen: Teilsysteme und Modularitat Die Systeme unserer technischen, gesellschaftlichen und okologischen Umwelt, die wir besser verstehenlernen wollen, sind selten einfach und meist relativ komplex. Bei genauer Betrachtung bestehen sie aber fast immer aus abgrenzbaren relativ autonomen Teilsystemen, die sich in ihrem Teilverhalten untersuchen lassen. Beispiele: Der menschliche Organismus besteht aus einer Vielzahl sehr spezialisierter Organe, die einzeln untersucht werden konnen, und rur die sich Systemgrenzen und Einwirkungen von auBen angeben lassen: Magen, Darm, Herz, Gehirn usw. Das gleiche gilt rur technische Anlagen und Maschinen und Gerate wie etwa rur ein Kraftfahrzeug mit seinen Komponenten Motor, Getriebe, Fahrwerk, Bremsanlage usw. Auch ein Okosystem ist aus einer groBen Zahl von Teilsystemen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Funktionen zusammengesetzt: Pflanzen (Produzenten), Tiere und Zersetzer (Konsumenten) usw. Fur die Systemuntersuchung dieser komplexen Systeme bietet es sich daher an, sich an die bereits vorgegebene Modularitat zu halten und - nach Definition der jeweiligen Systemgrenzen - Teilsysteme und ihr Verhalten als Reaktionen auf Au13eneinwirkungen getrennt zu untersuchen. 1st die Wirkungsstruktur der Teilsysteme bekannt und damit ihr jeweiliges Verhalten ermittelbar, so kann das Verhalten des Gesamtsystems als Zusammenspiel der interagierenden Teilsysteme untersucht und verstanden werden. Durch diese Systembetrachtung der Teilsysteme nach entsprechender Identifizierung der Systemgrenze und Definition der entsprechenden Umwelteinwirkungen ergibt sich eine beachtliche Komplexitatsreduktion. 1m allgemeinen bleibt die Analyse uberschaubar. Zur Untersuchung der Teilsysteme konnen die entsprechenden Spezialisten herangezogen werden. Da die Wirkungseinfliisse zwischen den Teilsystemen bei dieser Untersuchung 'aufgeschnitten' werden, wird es einfacher, Problemstellen zu ermitteln, kritische Parameter zu identifizieren und ihre Anderung herbeizuruhren, angepaBte Regelungen zu entwerfen, negative Einflusse abzukoppeln usw. Analog zum realen System orientiert sich die Gesamtbetrachtung an der Verkopplung der Teilsysteme. Werden die Teilsysteme gut verstanden, so lassen sich oft kompakte DarsteUungen der Funktionsweise der Teilsysteme ohne Detaillierung der inneren Vor-

1-2 Grundsiitzliches zu Systemen

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gange finden, so daB sich die tatsachliche Komplexitat eines Teilsystems nicht unbedingt auch in der Darstellung des Gesamtsystems niederschlagen muS. Die Modularisierung der Systembetrachtung ist schlieBlich eine unabdingbare Voraussetzung fiir das Verstandnis auch komplexer Systeme. Die Dynamik von Systemen mit mehr als einem halben Dutzend ZustandsgroBen ist selten noch zu iiberschauen, geschweige denn verlaBlich vorherzusagen. Werden dagegen die Teilsysteme (mit jeweils nur wenigen ZustandsgroBen) verstanden, so laBt sich meist auch das Verhalten des Gesamtsystems nachvollziehen. Diese Beobachtung hat wichtige praktische Bedeutung, da die Modellbildung und Computersimulation insgesamt zu einem besseren Verstandnis der komplexen Systeme unserer Umwelt fiihren sollte und uns nicht auf Gedeih und Verderb von undurchschaubaren Computerprogrammen (und ihren moglichen Fehlern) abhiingig machen sollte. 1-2.11 Ubergeordnete Systeme: Hierarchien in komplexen Systemen Die Modularitat gewinnt fiir das Systemverhalten besondere Bedeutung dann, wenn die Teilsysteme hierarchisch angeordnet sind, d.h. sich iibergeordnete und untergeordnete Systeme identifizieren lassen. Bei komplexen Systemen findet sich damit oft eine Verantwortungshierarchie der Teilsysteme als wichtiges Prinzip fiir die effiziente Funktion des Gesamtsystems. 1m Bereich normaler Systemzustande werden dann niimlich Einzelprozesse in den zustandigen Teilsystemen selbst in eigener Autonomie geregelt. Sollten dagegen auSergewohnliche Umstande eintreten, die den Systemzustand aus dem normalen Verhaltensbereich herausbringen, so werden (erst dann) diese Uberschreitungen an iibergeordnete Systeme gemeldet. Die iibergeordnete Systemeinheit erzeugt dann eine passende Systemantwort, und erst wenn auch hier der Zustandigkeitsbereich iiberschritten wird, so wird versucht, das anstehende Problem durch Eingreifen einer weiteren iibergeordneten Einheit zu 16sen. Systeme konnen mehrere Hierarchiestufen dieser Art aufweisen. Die Hierarchie arbeitet auch umgekehrt: Wird von einer iibergeordneten Einheit eine (globale) Systemverhaltensanderung veranlaBt, so ist es Aufgabe der untergeordneten Einheiten, jeweils (lokal) angepaBte LOsungen zu finden. Beispiel Raumheizung: Bei eingeschalteter Heizung regelt der Raumthermostat normalerweise die Raumtemperatur. Werden die Warmeverluste aber (z.B. durch niedrige AuBentemperatur oder offenstehende Fenster) so stark, daB die eingestellte Temperatur nicht mehr aufrechterhalten werden kann, weil die Kesseltemperatur stark abgesunken ist, so springt der Brenner an und sorgt wieder fiir einen zeitweiligen WarmeiiberschuS. Kann auf der anderen Seite der Kessel keine Warmeleistung mehr erbringen, weil der Heizoltank leer ist, so ist das nachstiibergeordnete System (der Mensch) gefordert, der entweder fiir neues Heizol sorgen oder den Holzofen anheizen muS.

Auch hier sorgt die Modularisierung wieder dafiir, daB komplexe Regel- und Entscheidungsfunktionen iiberschaubar bleiben. 1-2.12 Systemerhaltung und -entfaltung: Regelung, Anpassung, Evolution Umwelteinwirkungen bestimmen, wie wir gesehen haben, teilweise das Systemverhalten. Wie groB der EinfluS auf das Verhalten ist, hangt von der jeweiligen Wirkungsstruktur abo Damit besteht aber prinzipiell die Moglichkeit, das Systemverhalten durch Umwelteinwirkungen zu beeinflussen und zu steuern.

1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

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Gro.Bere Bedeutung fUr die Regelung von Systemen und fiir die Anpassung ihres Verhaltens an Umweltgegebenheiten haben aber meist die Riickwirkungen im System selbst. Riickkopplung bedeutet, daB der Systemzustand sich selbst beeinflu.Bt. Verhaltensandernde interne Riickwirkungen sind bei komplexen Systemen auf verschiedenen Ebenen moglich, die unterschiedliche Auswirkungen und Zeitkonstanten (typische Reaktionszeiten) haben. Reaktionszeit

Ebene

Reaktion

immer

EntfaltungsLeitwerte

Integritatserhaltung

sehrlang

Evolution

Identitatswandel

lang

Selbstorganisation

Strukturwandel

mittel

Anpassung

Parameteranderung

kurz

Riickkopplung

Regelung

sofort

Proze.B

Ursache-Wirkung

Die einfachste Art der Systemreaktion ist die Ursache-Wirkungsbeziehung. Sie erfolgt sofort, wie etwa das FlieBen eines elektrischen Stroms nach dem Einschalten. Sie ist die einzige Art von Systemverhalten, die sich legitim dadurch beschreiben laBt, daB der Output direkt zum Input in Beziehung gesetzt wird. Oft genug wird leider angenommen, daB die gleichen einfachen Verhaltnisse fUr andere Reaktionen des Systems (wie die folgenden) ebenfalls gelten, und diese irrige Ansicht fUhrt immer wieder zu groben F ehleinschatzungen. Auf der nachsthOheren Stufe finden sich Reaktionen, die iiber Riickkopplungen im System erzeugt werden, die also iiber rnindestens eine ZustandsgroBe laufen. Zu ihnen gehOren Regelungsvorgange. Die Reaktionszeit ist kurz; an den Wirkungsstrukturen und Parametern des Systems andert sich nichts. Ein Beispiel ist wiederum der Thermostat. Auf der nachsthoheren Ebene finden wir Prozesse der Anpassung. Hier wird vom System zwar die grundsatzliche Wirkungsstruktur beibehalten, es werden aber Parameteranderungen vorgenommen, die auch das Verhalten seIber andern. So kann sich z.B. ein Baum dem allmahlichen Absinken des Grundwasserspiegels anpassen, indem er seine Wurzeln tiefer wachsen laBt, was einer Parameterveranderung (Wurzellange und evtl. Wurzeloberflache) entspricht. Die Grundstruktur des Baums, z.B. die grundsatzliche Funktion der Wurzeln, hat sich dabei nicht verandert. Auf einer nachsthOheren Ebene finden sich Prozesse der Selbstorganisation in Reaktion auf Umweltanforderungen. Dies bedeutet Strukturwandel im System, d.h. eine Veranderung der urspriinglichen Wirkungsstruktur. Ein Betrieb, der z.B. urspriinglich nur Petroleumlampen herstellte, mag sich aufgrund veranderter Marktbedingungen dazu entschlieBen, in Zukunft Gliihlampen herzllstellen. Vorgange dieser Art haben langere Reaktionszeiten und ki.innen auch nur von Systemen allsgefiihrt werden, die zur Selbstorganisation befahigt sind. Hierzu gehOren Organismen oder technische Systeme selten oder nie, dagegen findet sich die Eigenschaft eher bei gesellschaftlichen Systemen, Organisationen oder Okosystemen.

1-2 Grundsiitzliches zu Systemen

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Strukturwandel kann stattfinden, urn einem System die Erhaltung seiner Identitat (z.B. als Firma fUr Beleuchtungsgedite) zu erhalten. Es ist aber auch moglich, daB ein System im Laufe eines evolutionaren Vorgangs seine Identitat, d.h. seinen Funktions- und Systernzweck mit der Zeit verandert. Veriinderungen dieser Art werden durch die Moglichkeit der Selbstreproduktion lebender Organismen (Autopoiese) ermoglicht, lassen sich aber auch bei Produkten feststellen (z.B. die Entwicklung yom Ackerwagen zum modemen Personenwagen). Kennzeichnend ist, daB mit der Systemveranderung eine moglicherweise drastische Verschiebung der Systemidentitat (seiner Zielfunktion, seines Systernzwecks) einhergeht. Ein evolutionares Beispiel ist das Entstehen flugfahiger Tiere (Vogel) aus wasserbewohnenden Reptilien. Aile diese Systemreaktionen auf Anforderung der Umwelt stellen im Grunde den Versuch dar, die Systemintegritat (eventuell auch tiber eine lange Generationenfolge und tiber eine lange Zeit) zu wahren, selbst wenn es mit einer Veranderung der Systemidentitat, d.h. des Systemzwecks verbunden ist. Aus dieser Beobachtung laBt sich ableiten, daB ein System, urn seine langfristige Erhaltung und Entfaltung zu sichem, sich (implizit oder explizit) an gewissen Leitwerten orientieren muB. Diese Dimensionen der Verhaltensorientierung lassen sich mit den Begriffen Existenz, Sicherheit, Handlungsfreiheit, Wirksamkeit, Wandlungsfahigkeit umreillen (s. Kap. 5). Normalerweise werden uns bei Systemuntersuchungen und Modellbildungsversuchen nur die unteren Ebenen dieser Systemreaktion und Anpassung begegnen. Es ist aber wichtig, die gesamte Palette der Moglichkeiten zur Kenntnis zu nehmen, da gerade auch Vorgange wie Identitatswandel zur Integritatserhaltung etwa in sozialen Systemen eine bedeutende Rolle spielen konnen und damit fur Aussagen tiber zUkiinftige Entwicklungen wichtig sein konnten. Wichtig ist vor allem, daB wir unterscheiden lemen zwischen Vorgangen, die die Wirkungsstruktur des Systems konstant lassen und so1chen, die sie verandem. Bei der Regelung oder Anpassung (durch kontinuierliche Parameterveriinderungen) verandert sich die Wirkungsstruktur nicht; das Verhaltensrepertoire des Systems bleibt qualitativ unverandert. Bei Wirkungsstrukturveranderungen jeder Art dagegen iindert sich prinzipiell das Verhaltenspotential des Systems, u.D. grundlegend. 1m einfachsten Fall kann das bereits dann geschehen, wenn eine im System latent vorhandene Strukturverbindung, die vorher im Verhalten keine Rolle gespielt hat, durch die gegebenen Umstande p16tzlich aktiviert wird. (Etwa wenn ein wichtiges Bauteil bricht und sich damit das Systemverhalten vollig andert.) 1-2.l3 Akteure in ihrer Umwelt: Verhaltensorientierung Unter Akteuren verstehen wir hier Systeme, die auf Umwelteinwirkungen nicht im bedingungslosen Reflex antworten, sondem deren Verhalten in bewuBter oder unbewuBter Weise an den Interessen ihrer eigenen IdentiHit orientiert ist (meist also ihrer eigenen Erhaltung und Entfaltung, unter Einbeziehung der Interessen mit ihnen interagierender Systeme). Beispiele sind: Individuen (Konsumenten!), Organisationen, Staaten. In dies en Fallen laBt sich aus der Analyse des Folgenspektrums fUr mogliche Handlungsaltemativen und ihrer Bewertung im Hinblick auf die 'Leitwerte' des Akteurs auf wahrscheinliche Handlungsweisen schlieBen. Darnit lassen sich gerade bei der Untersuchung zukiinftiger Entwicklungspfade die Handlungstendenzen von Akteuren eingrenzen und die Sicherheit und Giiltigkeit der Aussage erhOhen.

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

1-2.14 Systeme in der SystemumweIt anderer Systeme, Interaktion zwischen Systemen Zur Umwelt eines Systems gehoren normalerweise auch andere Systeme, mit denen es in mehr oder weniger enger Interaktion steht. D.h. sein Verhalten wird Einwirkungen auf andere Systeme haben und damit ihr Verhalten beeinflussen, wahrend es selbst den Einwirkungen anderer Systeme unterliegt und darauf reagiert. Dariiberhinaus ergeben sich indirekte Einfltisse durch die Wirkungen der verschiedenen Systeme auf die Umwelt und die sich daraus ergebenden Veranderungen und Einwirkungen auf die Systementwicklung. Klassisches Beispiel fUr derartige gegenseitige Einwirkungen sind RauberBeute-Systeme (mit ihren Entsprechungen in der Ressourcennutzung und Umweltbelastung durch menschliche Gesellschaften): Die Beutepopulation (erneuerbare Ressource) ist durch die okologische Tragfabigkeit einer Region bestimmt und von deren Vedinderungen abhangig, die auch von der Nutzung durch die Beutepopulation bestimmt werden, wahrend die Rauberpopulation (Ressourcennutzer) wiederum von der Beutepopulation und ihrer Veriinderung abhiingt. Wenn Systeme interagieren, d.h. ihre Auswirkungen Einwirkungen auf andere Systeme darstellen, dann ergibt sich also aus diesen Interaktionen eine tiber das Einzelverhalten hinausgehende Dynamik; zur Verhaltensbeschreibung mu13 dann das Gesamtsystem betrachtet werden. 1-2.15 Unberechenbarkeit auch bei determinierten Systemen Bis vor wenigen lahren galt fUr determinierte Systeme (deren Verhalten nicht vom Zufall, sondern nur vom Systemzustand und nicht-zufiilligen Umwelteinwirkungen abhiingig ist), daB bei Kenntnis von Anfangszustand und Umwelteinwirkungen sich jeder spiitere Zustand ermitteln Hillt, und daB bei kleiner Veriinderung etwa des Anfangszustands das System auf den gleichen Zustandspfad wie vorher konvergiert. Zwar gilt dies nach wie vor fUr die Mehrzahl determinierter Systeme, doch ist inzwischen bekannt, daB viele determinierte Systeme auch bei fast identischen (Anfangs)Bedingungen exponentiell beschleunigt auseinanderlaufen und sich auf giinzlich verschiedene Zustandspfade begeben konnen. Damit zerfiillt die friiher angenommene Vorhersagbarkeit dieser Systeme. Es lassen sich nur noch (Attraktions)bereiche angeben, in denen der Systemzustand zu finden sein wird - die genaue Angabe des spiiteren Systemzustands ist nicht mehr moglich. 'Chaotische Systeme' dieser Art haben erhebliche praktische Bedeutung etwa bei Insektenpopulationen, beim Wettergeschehen und bei Flatterschwingungen von Tragfliigeln. Mit chaotischcm Verhalten mu13 daher auch bei 'ganz normalen' Systemen gelegentlich gerechnet werden. Chaos fUhrt bei Systemuntersuchungen zu einer ersten Moglichkeit der Unbestimmbarkeit zukiinftigen Verhaltens. Eine zweite Moglichkeit ergibt sich aus der Tatsache, daB bewuBt handelnde Akteure (Individuen oder Organisationen) z.B. willkiirlich gegen 'rationale' Handlungsprinzipien verstoBen konnen und in unerwarteter Weise handeln. Eine dritte Moglichkeit der Unbestimmtheit schlieBlich ergibt sich aus den Zufiilligkeiten der Umwelt, etwa aus einer Unwetterkatastrophe oder einem Erdbeben. In allen Fiillen gilt aber, daB die daraus resultierende Verhaltensiinderung eines Systems nicht beliebig sein kann. Systemverhalten hat immer seine Grenzen (Energie- und Ressourcenbeschriinkungen, miigliche Verhaltensbereiche). Dies gilt auch in besonderer Weise fUr das Verhalten von Akteuren. Das mogliche Systemverhalten ist also inje-

1-3 Grundsiitzliches zu Modellen

27

dem Falle abgrenzbar, selbst wenn es nicht genau angebbar sein sollte. Dies hat erhebliche Bedeutung gerade fUr die Analyse zukiinftiger Entwicklungen.

1-3

Grundsatzliches zu Modellen

1-3.1

Modelle rur Verhaltensaussagen: Vorteile und Nachteile

Der einfachste und praziseste Weg urn zuverlassige Aussagen tiber das Verhalten eines Systems zu bekommen, ist nattirlich, das interessierende System selbst unter verschiedenen Bedingungen zu beobachten. Zwar hat dieses Verfahren erhebliche praktische Bedeutung etwa bei chemischen Experimenten oder bei der Tierbeobachtung, aber in wichtigen anderen Bereichen wiederum ist diese Methode unangebracht, unzulassig oder sogar unmaglich. So wiirden etwa Versuche zum Aufbau stabiler kiinstlicher Mischwaldakosysteme Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern, die Flugeigenschaften von Mondlandern kannen auf der Erde nicht getestet werden, und GroBversuche mit der Atmosphare verbieten sich von selbst. Es existieren aber weite Bereiche der menschlichen Erfahrungswelt, in denen das Verhalten dynamischer Systeme zuverlassig ermittelt werden muB. Hier steht nur der Weg offen, statt am Realsystem zu experimentieren, mit Modellen und Simulationen zu arbeiten. Die Vorteile der Verwendung von Modellen fur Verhaltensaussagen sind vielseitig: Es mtissen keine Experimente am Original durchgefuhrt werden, dieses wird nicht gefahrdet; es lassen sich schnelle Ergebnisse erzielen; die Untersuchungen kannen einen breiteren Verhaltensbereich abdecken, als dies am Realsystem maglich ware; alternative Entwicklungen lassen sich tiberprtifen; die Kosten der Untersuchungen sind verhiiltnismaBig gering, besonders, wenn es sich urn die Entwicklung eines Computermodells handelt, das keiner materiellen Umsetzung bedarf. Der Modellansatz hat selbstverstandlich auch seine Nachteile: Das Modell ist schlieBlich nicht das Original, und prinzipiell bleibt immer die Unsicherheit bestehen, ob das Modell nun tatsachlich das Systemverhalten in allen Aspekten richtig wiedergeben kann. 1-3.2

Das Modell als beschriinkt giiltige Abbildung

Ein Modell ist immer eine vereinfachte Abbildung eines interessierenden Realitatsausschnitts. Es soIl nur fUr dies en Ausschnitt eine giiltige Aussage vermitteln. So ist etwa eine Autobahnkarte von Deutschland ein Modell dieser FernstraBen, das fur die Zwecke der Orientierung eines Autofahrers vollig ausreicht; es ist fUr diesen Zweck giiltig. Ansonsten hat die auf einem Blatt Papier gedruckte Karte fast nichts gemeinsam mit der Geographie des Landes oder der physikalischen Oberflache der Fahrbahn. Ein Modell zur Simulation von Verhalten muB selbst dynamisches Verhalten erzeugen kannen, muB also prinzipiell tiber die gleichen Elemente verfiigen wie jedes dynamische System: Es muB eine Wirkungsstruktur aufweisen mit entsprechenden Systemparametern, und es muB auf Einwirkungen aus der (simulierten) Systemumgebung reagieren kannen. Oft ist dieses dynamische System nichts weiter als eine mathematische Formel, aus der sich bei entsprechenden Eingaben (die Systemeinwirkungen simulieren) tiber ihre 'Wirkungsstruktur' ein Systemverhalten ableiten laBt.

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1- Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

Das Modell ist daher nicht das Originalsystem; es kann nur einen begrenzten Verhaltensausschnitt des Originals wiedergeben, der durch den Modellzweck und die entsprechende Modellformulierung bestimmt ist. Die Gefahr besteht aber, daB ein gut funktionierendes Modell dazu verfiihrt, sein Verhalten als das Systemverhalten schlechthin zu interpretieren. Man sollte sich immer an den Unterschied erinnem und nur mit Vorsieht von Modellergebnissen auf Systemverhalten schlieBen. Dazu gehOrt, daB man bei der Diskussion des Modells und der Modellergebnisse nicht yom System und Systemverhalten sprieht (oder klarmacht, daB man das Modellsystem meint). 1-3.3

Welches Modell fUr welche Fragestellung? Problemstellung und Modellzweck

Die urspriingliche Problemstellung umreillt bereits einen bestimmten Fragenbereich, auf den das Modell Antwort geben solI. Das heillt, Antworten auf andere Fragen sind nicht gefordert; der Antwortbereieh ist begrenzt. Dieser Antwortbereich bestimmt den ModelIzweck. Die Beschrankung des Antwortbereiehs und des Modellzwecks ist auch eine Frage der Effizienz. Ein allgemeingiiltiges Supermodell ist nur mit hohem Aufwand erstellbar und ware fur spezielle Problemstellungen ineffizient. Da mit der Komplexitat auch die Fehlermoglichkeiten anwachsen, ist auch zu erwarten, daB fur spezielle Fragen die Zuverlassigkeit und Aussagekraft gering sind. Der Modellzweck ist daher die wichtigste Vorgabe der Modellentwicklung. Je genauer er spezifiziert wird, desto scharfer, praziser und knapper kann die Modellformulierung entwickelt werden. Die prazise Formulierung des Modellzwecks gehOrt daher an den Beginn der Modellentwicklung; auf sie muB einige Sorgfalt verwendet werden. 1-3.4

Der Abbildungszweck (Modellzweck) bestimmt die Abbildung

Wie die Aufgabenstellung den Modellzweck bestimmt, so bestimmt dieser wiederum Art und Umfang der Modellformulierung. Daraus folgt, daB das gleiche System fur unterschiedliche Modellzwecke durch unterschiedliche Modelle abgebildet werden muB. Da eine l:l-Abbildung von System zu Modell im allgemeinen (auBer in einfachsten Fallen) unmoglich ist, ermoglicht erst die durch den Modellzweck erzwungene Fokussierung auf gewisse Aspekte eine effiziente und knappe Darstellungsweise. SelbstversHindlich gilt, daB die im Modell vorgenommenen enormen Vereinfachungen gegenuber dem realen System noch zu einem in bezug auf den Modellzweck gultigen Modell fuhren mussen. Der EinfluB des Modellzwecks auf die ModelIbildung wird deutlich, wenn man z.B. an die Moglichkeiten zur Simulation eines Waldes denkt: Es ergeben sieh vollig unterschiedliche Simulationsmodelle, je nachdem, ob der Simulationszweck die Darstellung als forstwirtschaftliche Betriebseinheit, als natlirliches Okosystem, der okologischen Sukzession, der photosynthetischen Produktion im Tagesablauf oder der Waldwachstumsdynamik in Arten-, Licht- und Nahrstoffkonkurrenz ist. Es empfiehlt sich immer, wegen dieser vielfiiltigen Moglichkeiten der Systemdarstellung den Modellzweck zu Beginn der Untersuchung sauber zu definieren und schriftlieh zu fixieren und sieh wahrend der Modellerstellung standig an diese Aufgabenstellung zu erinnem. 1m anderen Falle besteht leicht die Gefahr, daB man sich von einer faszinierend en Modellentwicklung forttragen HiBt und daB das schlieBlich entwickelte Modell die ursprunglich anliegenden Fragen gar nicht mehr beantworten kann.

1-3 Grundsiitzliches zu Modellen

1·3.5

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Die Alternative: Verhalten nachahmen oder System nachbilden

Prinzipiell gibt es zwei M6glichkeiten zur Simulation von Verhalten: Verhalten nachzuahmen oder die Systemstruktur nachzubilden, urn damit das Verhalten zu erzeugen. Von praktischer Bedeutung ist als dritte M6glichkeit auch noch eine Mischform zwischen diesen beiden. Die erste prinzipielle M6glichkeit besteht darin, das Systemverhalten nachzuahmen durch ein beliebiges Modellsystem, das lediglich der Anforderung geniigen muE, gleiches Verhalten zu zeigen. Dabei ist jede Konstruktion, die das Verhalten des Originals nachahmen kann, akzeptabel. Dieser Ansatz bedeutet, daB das Originalsystem als 'black box' verstanden wird, d.h., daB seine wirkliche Wirkungsstruktur nicht interessiert. Da in diesem Falle nur Verhalten nachgeahmt werden muE, miissen Verhaltensbeobachtungen vorliegen, aber der Datenaufwand beschriinkt sich lediglich auf diese. Die zweite prinzipielle M6glichkeit besteht darin, das Originalsystem in seiner wesentlichen Systemstruktur im Modell nachzubilden, wenigstens soweit es fUr den Modellzweck erforderlich ist. Es sollte dann (in bezug auf den Modellzweck) das gleiche Verhalten wie das Original zeigen. Hier wird also ein Modell des Systems, nicht ein Modell des Verhaltens entwickelt. Das bedeutet, daB die Wirkungsstruktur des Originalsystems erkannt und verstanden werden muB; nur strukturtreue Modelle sind in dies em Falle akzeptabel. Das System wird hier als durchsichtige 'glass box' verstanden. Entsprechend ergeben sich v611ig andere Datenanforderungen als im ersten Fall: 1m Prinzip sind fUr die Modellentwicklung Verhaltensbeobachtungen nicht erforderlich; dafUr muE die Systemstruktur mit ihren realen Parametern bekannt sein, jedenfalls im durch den Modellzweck beschriebenen Bereich. Die dritte M6glichkeit ist eine Mischform aus beiden Ansiitzen, die hiiufig in der Praxis angewendet wird, wenn Wirkungsstruktur und Parameter nur teilweise ermittelt werden k6nnen. Hier wird versucht, die Wirkungsstruktur des Systems nach besten Kenntnissen so darzustellen, daB sich wenigstens Verhaltensgiiltigkeit (qualitativ korrektes Verhalten) ergibt. Die unbekannten Modellparameter werden dann so angepaBt, daB das Modellverhalten auch numerisch dem bereits beobachteten Verhalten des Originals m6glichst genau entspricht (empirische Giiltigkeit). Hier wird das Originalsystem also als 'grey box' oder als 'opaque' (halbdurchsichtig) verstanden. FUr diese Art der Modellerstellung miissen sowohl Verhaltensbeobachtungen vorliegen wie auch die Wirkungszusammenhiinge im System in ihren Grundziigen bekannt sein. 1·3.6

Verhaltensbeschreibung zur Verhaltensnachahmung

Die direkte Beobachtung und Beschreibung von Verhalten ohne weitere Analyse des Systems fUhrt zur Beschreibung historischen Verhaltens im Zeitablauf und unter bestimmten Umfeldeinwirkungen. Zeigen die Reaktionen des Systems bier eine gewisse RegelmaBigkeit und Wiederholbarkeit, so kann auf entsprechendes Verhalten unter gleichen Bedingungen auch in der Zukunft geschlossen werden. So laBt sich etwa aus der mehrstiindigen sorgfiiltigen Beobachtung der Zeigerstellung einer Kuckucksuhr als Funktion der Zeit auf den Zeigerstand nach weiteren sechzig Minuten schlieBen, ohne daB dabei z.B. ein Zusammenhang zur Pendelbewegung festgestellt werden muE. Dieses Ergebnis der Zeitreihenbeobachtung kann in einem entsprechenden mathematischen 'Modell' (z.B. der Zeigerstellung in Abhiingigkeit von der Zeit) niedergelegt und zur

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1- Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

'Simulation' von 'Systemverhalten' im Bereich der historischen MeBwerte verwendet werden. Dieses 'Modell' versagt in seiner Aussage allerdings v6llig, wenn zwischenzeitlich vorher nicht beobachtete Ereignisse eintreten (z.B. wenn das Pendel angehalten wird oder das Antriebsgewicht den Zimmerboden erreicht). Der verhaltensbeschreibende Ansatz der Modellbildung hat seine strikte Anwendungsgiiltigkeit ausschlieBlich flir jene (historischen) Bedingungen, flir die Beobachtungen (Datenreihen) vorliegen. In manchen Hillen kann davon ausgegangen werden, daB sich diese Bedingungen nicht oder nur geringfligig andern, so daB der beschreibende Ansatz dann auch flir ahnliche zukiinftige Bedingungen in gewissen Grenzen gelten mag. Eine Anwendung dagegen auf starker abweichende Bedingungen ist prinzipiell unzulassig. Die offiziellen Vorhersagen der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ('Rat der Weisen') z.B. basieren auf dem verhaltensbeschreibenden Ansatz. Das entsprechende Wirtschaftsmodell wird mit den jtingsten Vergangenheitsdaten standig neu 'geschatzt' (parametrisiert), urn so eine Trendprognose aufgrund der jtingsten Vergangenheitsentwicklung abzugeben. Die tatsachlichen Prozesse des Wirtschaftssystems sind dagegen in diesem Modell nicht dargestellt. Damit ist aber auch die zuverlassige Vorhersage von Reaktionen auf 'neuartige' Ereignisseprinzipiell nicht leistbar. 1-3.7

Systembeschreibung zur VerhaltenserkUirung

Die Untersuchung des Systems (Systemanalyse), seiner Komponenten und ihrer Verbindungen gestattet es dagegen prinzipiell, auch ausschlieBlich aus der Beschreibung der Wirkungsstruktur das Systemverhalten abzuleiten, ohne daB ein Verhalten je beobachtet worden ist. So laBt sich z.B. aus der Untersuchung einer stillstehenden Kuckucksuhr, der Pendellange, dem Pendelgewicht, der Zahnraduntersetzungen usw. ohne weiteres ihr Zeitverhalten ableiten (Dynamik des Pendels? Wo stehen die Zeiger 60 Minuten spater, wenn die Uhr auf der 12-Uhr-Position gestartet wird? Geht die Uhr vor oder nach? Wann und wie oft ruft der Kuckuck? In welchen Abstanden mul3 die Uhr aufgezogen werden? Wie andert sich das Zeitverhalten wenn das Pendelgewicht verandert wird? Wie lange lauft die Uhr, nachdem sie aufgezogen worden ist?). Mit Hilfe der Wirkungsstrukturbeschreibung k6nnen diese Verhaltensaussagen natiirlich auch dann gemacht werden, wenn die Uhr neu ist und noch nie gelaufen ist: Die Systemstrukturbeschreibung ermoglicht damit im Gegensatz zur Verhaltensbeschreibung prinzipiell auch Aussagen tiber bisher nicht beobachtetes zukiinftiges Verhalten. Das Ergebnis der Systemstrukturbeobachtung kann (hier z.B.) in einem System (gewohnlicher) Differentialgleichungen mit der Zeit als unabhangiger Veranderlicher ausgedriickt werden, das sich nun flir eine Vielzahl von Parameteruntersuchungen verwenden laBt. Falls dieses Modell die verhaltensbestimmenden Strukturen korrekt abbildet, so ist es (flir die Zwecke der gewiinschten Systembeschreibung) 'strukturtreu' oder 'strukturgiiltig'. Da sich aus dieser korrekt abgebildeten Struktur das grundsatzliche Verhalten des Systems (der Pendeluhr) ergibt, ist es auch 'verhaltensgiiltig'. Falls die realen Parameter (Pendelmasse, Untersetzungen usw.) richtig bestinunt wurden, sollte es auch 'empirisch giiltig' sein, d.h. bei Simulation des Systernverhaltens mit dem Modell unter den gleichen Anfangsbedingungen und Umwelteinwirkungen die gleichen zahlenmaBigen Ergebnisse (hier: Uhrzeit) wie das Original zeigen.

1-3 Grundsiitzliches zu Model/en

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Der wirkungsstrukturbeschreibende Ansatz wird wegen seiner prinzipiellen Moglichkeit, Verhalten aus den strukturellen Zusammenhangen zu erkHiren, auch als (verhaltens)erkHirender Ansatz bezeichnet. Seine Giiltigkeit ist von vornherein nicht auf historische Verhaltensbeobachtungen gegriindet. Er kann daher auch eingesetzt werden, urn bisher nicht beobachtetes (zukiinftiges) Verhalten als Reaktion auf bisher nicht aufgetretene Bedingungen zu sirnulieren, die Entwicklungsrnoglichkeiten des Systems kennenzulernen und die Bedingungen und Moglichkeiten fur Systernwandel zu untersuchen und zu verstehen. Wettervorhersagen z.E. basieren - unter Verwendung der physikalischen partiellen Differentialgleichungen der Strbmungs- und Thermodynamik der Atmosphare - auf dem wirkungsstrukturbeschreibenden, verhaltenserklarenden Ansatz. Wer wiirde auch eine Wettervorhersage aufgrund einer Trendprognose etwa aus dem Wetterverlauf der letzten Woche fur sinnvoll halten? Das gleiche wirkungsstrukturtreue Wettermodell kann mit der ganzen Bandbreite der im Jahresablauf vorkommenden WettermeBgroBen in (fast) beliebiger Kombination gefuttert werden, urn damit fur gegebene Ausgangsbedingungen die resultierenden Wetterbedingungen fur einige Tage vorherzusagen. Dariiber hinaus kann es auch zur Simulation bisher nicht beobachteter extremer Wetterentwicklungen verwendet werden, wie sie sich etwa nach einer Klimaverschiebung ergeben wiirden. Flugsimulatoren z.E. verwenden eine relativ genaue Wirkungsstrukturbeschreibung des dynarnischen Systems 'Flugzeug', die u.a. die Bewegungsgleichungen in Richtung und urn die drei Raumachsen mit ihrer Abhangigkeit von Anstrbmungsgeschwindigkeit und -richtung in einem Satz von gewbhnlichen Differentialgleichungen ausdriicken. Mit dieser mathematischen Beschreibung im Hinte~grund kbnnen realistische Simulatoren gebaut werden, die dem Piloten nicht nur das Uben normaler Starts und Landungen, sondern insbesondere auch von Gefahrenzustanden ermoglichen, in die man freiwillig ein reales Flugzeug nicht fuhren wiirde, und die u.D. (gerade bei neuen Flugzeugtypen) noch nie beobachtet worden sind. 1-3.8

Verhaltensbeschreibende Komponenten in verhaltenserkHirenden Modellen

Die hier getroffene Modellunterscheidung ist selbstverstandlich nicht auf mechanische Systeme beschrankt, sondern gilt generell. Verhaltensbeschreibungen des historischen Energieverbrauchs z.E. werden in Trendprognosen zu Aussagen iiber zukiinftigen Energiebedarf herangezogen, ohne daB dabei der Versuch unternommen wird, Erkenntnisse iiber Wirkungen im System fur Aussagen iiber die zukiinftige Entwicklung zu nutzen. Forstleute z.E. verwenden 'Ertragstafeln', d.h. historische Untersuchungen iiber den Wachstumverlauf von Waldbaumen, zur Errnittlung vermutlicher zukiinftiger Zuwachse, ohne dabei die aktuellen Wirkungen von Umweltschadstoffen und Klimaveranderungen auf die Baume beriicksichtigen zu kbnnen. Systemstrukturbeschreibungen zur Energiebedarfsentwicklung etwa beim privaten PkwVerkehr dagegen miissen die wesentlichen Wirkungsbeziehungen und Prozesse mit ihren Verkniipfungen darstellen, die die Entwicklung des Energiebedarfs bestimmt haben und bestimmen werden: Bevolkerungsentwicklung, verfiigbare Einkommen, Zeitbudget, Siedlungsstruktur, Sattigungsphanomene, Effizienzverbesserungen bei Fahrzeugantrieben, Verkehr~mittelaufteilung (modal split), Energietrageraufteilung (energy mix), Umwelt- und Olpreisentwicklung, internationale Innovation und Konkurrenz, usw.

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

Fur forstwirtschaftliche Zukunftsanalysen (oder Abschiitzungen der resultierenden CO 2-Dynamik) flir sich rasch vedindemde Umweltbedingungen (Schadstoffe, Bodenversaurung, CO2-Erhohung, Veranderung von Temperatur, Strahlung, NiederschUigen, usw.) wird in ahnlicher Weise die umfassende Systemstrukturbeschreibung der wachstumsbestimmenden oko-physiologischen Prozesse der Stoff- und Energieumsetzungen in Waldbaumen unumganglich: Photosynthese, Transpiration, Respiration, Streuzersetzung, Mineralisierung usw. Trotz der gedanklich eindeutigen Unterscheidung zwischen beschreibenden und erklarenden Modellen sind erklarende Modelle in Reinkultur kaum anzutreffen. Auch sie sind meist - zur Beschreibung einzelner Wirkungszusammenhange - auf Verhaltensbeschreibung angewiesen. Ein Beispiel ist die Verwendung der (gemessenen) Lichtempfindlichkeitsfunktion der Blatt-Photosynthese; ein anderes der (gemessene) Zusammenhang zwischen Federauslenkung und Federkraft bei einer progressiven (nichtlinearen) Feder. SchlieBlich werden bei der Giiltigkeitspriifung erklarender Modelle auch notwendigerweise die Verhaltensbeschreibung und die Systemstrukturbeschreibung miteinander verbunden, indem vorliegende Zeitreihenbeobachtungen verwendet werden, urn zu uberpriifen, inwieweit das aus der Systemanalyse abgeleitete Verhalten mit dem (unter gewissen Bedingungen) beobachteten Verhalten ubereinstimmt, urn damit die (Verhaltens- und empirische) Giiltigkeit des Modells zu uberpriifen. 1-3.9

Anderer Modellansatz, anderer Datenbedarf

'Modell' ist nicht gleich 'Modell'. Wenn von Computermodellen die Rede ist, werden die Unterschiede zwischen beschreibenden und erklarenden Modellen allzuleicht auch selbst von Modellentwicklem ubersehen. Nicht nur der Vorgang der Modellentwicklung unterscheidet sich; sondern am Ende der Entwicklung stehen - selbst flir das gleiche System - prinzipiell unterschiedliche Modellformulierungen, auch wenn sich die Simulationsergebnisse flir gewisse Verhaltensbereiche weitgehend gleichen sollten. Fur die Modellentwickler der verhaltensbeschreibenden Tradition steht im Vordergrund die Anpassung groBer Datenmengen aus Zeitreihenbeobachtungen an (meist einfache) mathematische Zusammenhange, die meist in keiner Beziehung zur realen Wirkungsstruktur des modellierten Systems stehen. Die Parameter dieser mathematischen Beziehungen werden mit Hilfe statistischer Verfahren mit meist hoher Genauigkeit geschiitzt, da kleine Differenzen oft flir die Giite des Modells entscheidend sind. DefinitionsgemaB wird meist kein Versuch unternommen, die Prozesse des realen Systems besser zu verstehen und dieses Verstandnis in die Modellformulierung einflieBen zu lassen. Die Modellentwicklung ist gekennzeichnet durch aufwendige Datenbeschaffung und Parameterschatzung. Fiir die Modellentwickler der wirkungsstrukturbeschreibenden Schule steht im Vordergrund das Erkennen der flir das Systemverhalten entscheidenden Prozesse im realen System. Sie miissen sich daher - in Zusammenarbeit mit intimen Systemkennern - sehr griindlich mit Struktur und Funktion des Systems auseinandersetzen. Diese werden z.B. in mathematischen (Differential)Gleichungen beschrieben, deren Formulierung durch das reale System (und nicht durch die vorhandenen Schiitzalgorithmen) bestimmt ist und daher beliebig komplex sein kann.

1-3 Grundsiitzliches zu Modellen

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Dabei gilt es allerdings auch, unn6tig komplexe Formulierungen zu vermeiden, wenn diese zur Giiltigkeit der Modellaussagen nichts wesentliches beisteuern. Die in den Modellgleichungen meist auftauchenden Parameter ergeben sich ausschlieBlich aus den mit den MeBverfahren der betroffenen Fachdisziplinen bestimmbaren Struktur- und Wirkungsparametern der Einzelprozesse und nicht aus dem Zeitverhalten des realen Gesamtsystems. Der Datenbedarf zur Modellerstellung besteht also aus einer Menge von Daten iiber Wirkungsbeziehungen in der Systemstruktur und aus den charakteristischen Parametern der verschiedenen Prozesse. Alle Daten sind prinzipiell am Realsystem meBbar oder feststellbar, von der qualitativen Feststellung des Vorhandenseins/ Nichtvorhandenseins einer Wirkbeziehung bis zur quantitativen Messung funktionaler Zusammenhange. Fiir die Modellerstellung sind Zeitreihendaten des Systemverhaltens nicht notwendig (wohl aber fur die Validierung, die beim beschreibenden Modell ebenfalls einen weiteren unabhiingigen Datensatz erfordert). Beim verhaltensbeschreibenden Modellansatz besteht der Datenbedarf also in einer Vielzahl quantitativer Daten aus der Verhaltensbeobachtung. Beim verhaltenserkliirenden Modellansatz beschriinkt sich der Datenbedarf auf (meist) qualitative Information iiber die Systemstruktur und auf die Zahlenwerte (meist) weniger realer Parameter. Dies bedeutet, daB verhaltenserkliirende Modelle meist mit einem weit geringeren MeB- und Datenaufwand erstellt werden k6nnen, der allerdings mit einem h6heren Verstiindnisaufwand bezahlt werden muB. (In dies em steckt natiirlich der oft erhebliche MeB- und Analyseaufwand aus friiheren Untersuchungen.) 1-3.10 Strukturinformation reduziert den Datenbedarf

Wirkungsstrukturtreue Modelle zur Simulation von Verhalten k6nnen, wie gezeigt, prinzipiell ohne bereits vorliegende Verhaltensbeobachtungen entwickelt werden. (Zur Giiltigkeitspriifung sind sowohl bei verhaltensbeschreibenden wie bei strukturtreuen Modellen zusiitzliche Verhaltensbeobachtungen erforderlich). Damit entfiillt der fur beschreibende Modelle typische, meist hohe, kostspielige und zeitraubende Datenbeschaffungsaufwand fur Zeitreihendaten, der zusiitzlich oft noch spezielle MeBapparaturen und Datenverarbeitungsprozesse voraussetzt. Die Informationsbeschaffung konzentriert sich auf die Erfassung der Wirkungsstruktur und ihrer speziellen Parameter. Sie bleibt damit im jeweiligen systemeigenen Wissensbereich und kann auf die relevanten Datenbestande und das vorhandene Fachwissen zuriickgreifen, weitgehend ohne daB neue Datenbeschaffung notwendig wird. (Bei Simulation des Energieversorgungssystems kann z.E. auf die technischen Daten der Energieprozesse und ihre gegenseitigen Verkopplungen zuriickgegriffen werden; bei Simulation eines Waldbestandes z.E. auf 6kophysiologische Prozesse und Parameter des Pflanzenwachstums.). Trotz des relativ niedrigen Bedarfs an neuen Daten wird prinzipiell (iiber den Versuch, die Strukturgiiltigkeit zu sichern) eine hOhere Modellgiiltigkeit erreicht: dagegen wird bei beschreibenden Modellen nicht einmal der Versuch unternommen, Strukturgiiltigkeit herzustellen. Die Erkliirung fur den frappanten Unterschied im Datenaufwand liegt in Unterschieden der Informationsqualitiit fur die Modellbildung. So hat z.E. das richtige Erkennen einer wichtigen Riickkopplung (eine qualitative Information!) etwa fur das Verstiindnis der Eigendynamik und darnit fur die Modellgiiltigkeit eine weit hOhere Bedeutung als das Vorliegen vieler aufwendig beschaffter MeBreihen.

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1 - Systeme, Madelle, Madellbildung, Madellverwendung

1-3.11 Zukunftsorientierung erfordert Systemverstandnis 1m Hinblick auf Abschatzungen zukiinftiger Entwicklungen, die als Reaktionen auf neue Herausforderungen entsteben, wird klar, daB das Nacbabmen bistoriscben Systemverbaltens durcb Metboden der bescbreibenden Modellierung keine verliiBlicbe Hilfe bieten kann. Nur die Metbode der wirkungsstrukturtreuen Nacbbildung der wesentlicben Prozesse und ibrer systemaren Verkniipfung in der erkHirenden Modellierung kann zu besserem Verstandnis und wirksamen vorausscbauenden Planungen und Entscbeidungen iiihren. Der in vielen Bereichen (z.B. Okonomie) fast ausscblieBlicb verwendete verbaltensbescbreibende Ansatz eignet sich prinzipiell nur sebr bedingt iiir zukunftsbezogene Untersucbungen. Er gilt nur dann, wenn sicb die zukiinftigen Bedingungen nicbt oder nur wenig von den bistorischen Bedingungen unterscbeiden, deren Datenreiben iiir die Modellerstellung herangezogen wurden. Die tatsacblicben Systemprozesse sind in diesen Modellen nicbt abgebildet; diese Modelle k6nnen daber auch keine giiltigen Antworten iiir Reaktionen auf andere Bedingungen und insbesondere iiir tiefgreifenden Wandel geben. Als Zukunftsorientierung diirfen sie daber nur bestenfalls fUr kurze Ubergangsperioden (Trendprognosen) eingesetzt werden. Dieser ScbluB verstarkt sicb nocb durch die Feststellung, daB die Nacbahmung beobachteten Verhaltens nur einen kleinen Teil des potentiellen Verhaltens eines Systems erfassen kann. Wird dagegen mit dem verbaltenserklarenden (strukturtreuen) Ansatz versucht, ein umfassendes Systemverstandnis zu erreicben und das Realsystem in Struktur und Funktion getreu zu modellieren, so kann erwartet werden, daB das Modell zuverlassige Aussagen aucb in Verbaltensbereichen erbringt, die bisher nicbt beobachtet werden konnten. Sind die wesentlicben Systembeziehungen erfaBt worden, so entbalt das Modell auch das gleiebe potentielle Verhaltensspektrum wie das reale System und damit auch bisher unbeobacbtete M6glichkeiten, urn auf neue Herausforderungen der Zukunft zu reagieren. Mit dieser Modellart ergeben sich daber aucb iiir weite Zeithorizonte recbt weitreichende und zuverlassige Maglicbkeiten zur Untersucbung zukiinftiger Entwicklungspfade. Hinter dieser Aussage steckt niebt nur der Unterschied zwiscben einer Datenanpassung (im bescbreibenden Modell) und einer Strukturdarstellung (im erklarenden Modell), sondern vor allem auch die Tatsacbe, daB Systemstrukturen cbarakteristische Eigendynamiken und eine iiberraschende Verbaltensvielfalt entwickeln kannen, die im erklarenden Modell miterfaBt wird, im bescbreibenden Modell aber nicbt abbildbar ist. Auf diese von der Systemstruktur bedingte Eigendynamik wurde bereits hingewiesen. So bestimmen Riickkopplungen die Eigendynamik des Systems und damit das aktuelle Systemverbalten wie aucb den potentielle!l Verbaltensspielraum. Hat die Modellentwicklung z.B. zur Identifizierung von gegenseitigen Verkopplungen zweier ZustandsgraBen geiiihrt, so ergeben sich damit qualitativ unterschiedliche Verhaltensm6glichkeiten (periodisch, aperiodisch, stabil abklingend, instabil zunehmend, weitere je nach Verkopplung), die alle unter geeigneten Bedingungen auftreten kannen. Die korrekte Erfassung der Systemstruktur wird damit zum entscbeidenden Scbritt einer erfolgreichen (erklarenden) Modellentwicklung. Die Parameter des Systems bestimmen, welcher Ausschnitt des potentiellen Verhaltens normalerweise zu beobachten sein wird. Systemstruktur und Systemparameter gemeinsam legen daber den Verhaltensspielraum des Systems fest und miissen im (erklarenden) Modell korrekt abgebildet sein.

1-3 Grundsiitzliches zu Modellen

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Da also Systemverhalten strukturbedingt ist, ist Strukturgiiltigkeit eine unabdingbare Voraussetzung fiir den Versuch, Reaktionen auf neuartige zukiinftige Entwicklungen mit Modellsimulationen abzuschatzen. Der Versuch, hier lediglich verhaltensbeschreibende Modelle einzusetzen, ware unzulassig, da entsprechende Verhaltensbeobachtungen nicht vorliegen konnen und die Modellanwendung sich dann nur auf Spekulation griinden kann. Werden strukturgiiltige Modelle verwendet, so ist die Simulation der Verhaltensreaktion auf neuartige zukiinftige Entwicklungen nicht nur legitim, sondern es sind auch weitgehend zutreffende und giiltige Ergebnisse zu erwarten. 1-3.12 Zuverliissige Verhaltensaussagen durch strukturtreue Kompaktmodelle Strukturtreue Modellbildung bedeutet nicht, jede Wirkungsverkniipfung im Realsystern auch im Modell im Detail abzubilden. 1m Gegenteil: Urn die Forderung nach Verhaltensgiiltigkeit (im gesamten relevanten Verhaltensbereich) zu erfiillen, muB lediglich die essentielle verhaltensbestimmende Wirkungsstruktur herausgearbeitet werden, die in der Praxis oft nur aus einer kleineren Menge wesentlicher Strukturverkniipfungen besteht. Hierbei muB mit Systernkenntnis und Sensitivitatsanalysen gearbeitet werden. Das Ergebnis ist ein Kompaktmodell, daB das kleinstmogliche Simulationsmodell darstellt, das noch iiber den gesarnten interessierenden Verhaltensbereich das gleiche Verhaltensspektrum aufweist wie das Original. Wo groBe Modelle unvermeidbar werden, sollten sie modular aus Kompaktmodellen aufgebaut werden, die zunachst einzeln auf ihre Giiltigkeit iiberpriift werden, bevor sie mit anderen Teilmodellen zum Gesamtmodell verkoppelt werden. 1-3.13 Leitwertorientierung zur zuverliissigen Verhaltensabschiitzung Die Untersuchung zukiinftiger Entwicklungsmoglichkeiten erfordert die korrekte Einbeziehung auch des zu erwartenden Entscheidungsverhaltens der wesentlichen Ak:teure (Verbraucher, Unternehmer, internationale Konkurrenten, usw.). Auch hier ist es prinzipiell unzulassig, aus Vergangenheitsverhalten (z.B. Elastizitat der Energienachfrage oder Trenduntersuchungen des Energieverbrauchs) auf zukiinftiges Verhalten zu schlieBen. (Das vollige Versagen traditioneller Energieprognosen der '70er Jahre sollte eine eindeutige Warnung sein!). Hieraus darf nun allerdings auch nicht geschlossen werden, daB das Verhalten der Akteure unter neuen Bedingungen vollig 'offen', beliebig und unvorhersehbar ist. 1m Gegenteil: Akteure werden sich im Eigeninteresse immer an ihren Leitwerten orientieren miissen. Damit ist aber der Entscheidungsspielraum entsprechend eingeschriinkt. Dies laBt sich im strukturtreuen Modell beriicksichtigen, so daB auch bei expliziter Einbeziehung der wesentlichen Akteure von einem solchen Modell noch weitgehende Verhaltensgiiltigkeit zu erwarten ist. 1-3.14 Wo ist generell strukturtreue Systemmodellierung angebracht? Zur wirkungsstrukturtreuen Systemmodellierung gibt es immer dann keine Alternative, wenn im System Riickkopplungen zwischen ZustandsgroBen eine Rolle spielen, komplexe Vernetzungen und Wirkungsverkniipfungen auftreten, Nicht-Linearitaten (etwa bei Sattigungen und Begrenzungen) das Verhalten bestimmen, Verzweigungen im Verhalten auftreten konnen, Ak:teure ihr Verhalten am Systemzustand und an ihren Leitwerten orientieren, oder Verhaltensreaktionen auf bisher nicht aufgetretene Bedingun-

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

gen verUiBlich bestimmt werden sollen. Insbesondere die Untersuchung der Systeme im technisch-okonomischen und im okologischen Bereich und ihrer zukiinftigen Entwicklungspfade erfordem die systemanalytische Untersuchung ihrer Struktur, die Entwicklung entsprechender simulationsfahiger Computermodelle und die Simulation moglicher Entwicklungspfade flir unterschiedliche Szenarien iiuJ3erer Einwirkungen. 1-3.15 Modellgiiltigkeit: Wann kann das Modell das Original vertreten? Wie generell bei der wissenschaftlichen Theoriebildung, so stehen wir auch bei der Modellbildung vor dem Problem, daB sich die 'Richtigkeit' eines Modells prinzipiell nicht beweisen laBt. Die Tatsache, daB ein Modell in einem bestimmten Anwendungsfall richtige Ergebnisse liefert (d.h. das Verhalten des Originals reproduziert), ist noch kein Beleg daflir, daB es auch in anderen oder sogar unter allen Umstiinden richtig arbeiten wird. Eindeutig feststellen laBt sich nur, wenn ein Modell (oder eine Theorie) falsch ist, da dann Realitiit und Simulation auseinanderklaffen. Wir sprechen daher auch nicht von der 'Richtigkeit' eines Modells, lediglich von seiner Gilltigkeit flir den Modellzweck. Diese ist - vor allem durch Falsifikationsversuche - erhiirtbar, aber sie gilt nur bis zum Beweis des Gegenteils. Urn zu belegen, daB das Modellsystem das Originalsystem flir den Modellzweck vertreten kann, muJ3 Gilltigkeit im Hinblick auf vier verschiedene Aspekte belegt werden: Verhaltensgiiltigkeit, Strukturgiiltigkeit, empirische Giiltigkeit, Anwendungsgiiltigkeit. Verhaltensgiiltigkeit: Hier muE gezeigt werden, daB flir die im Rahmen des Modellzwecks liegenden Anfangsbedingungen und Umwelteinwirkungen des Originalsystems das Modellsystem das (qualitativ) gleiche dynamische Verhalten erzeugt. Strukturgiiltigkeit: Hier muB gezeigt werden, daB die Wirkungsstruktur des Modells der (flir den Modellzweck) essentiellen Wirkungsstruktur des Originals entspricht. Empirische Giiltigkeit: Hier muB gezeigt werden, daB im Bereich des Modellzwecks die numerischen oder logischen Ergebnisse des Modellsystems den empirischen Ergebnissen des Originals bei gleichen Bedingungen entsprechen, bzw. daB sie (bei fehlenden Beobachtungen) konsistent und plausibel sind. Anwendungsgiiltigkeit: Hier muB gezeigt werden, daB Modell und Simulationsmoglichkeiten dem Modellzweck und den Anforderungen des Anwenders entsprechen. 1-3.16 Wissenschaftliche Arbcitsweise und Modellbildung Modellbildung bedeutet immer Vereinfachung, Zusammenfassung, Weglassen, Abstraktion. Modellbildung ist daher prinzipiell nicht moglich ohne Auswahl und Entscheidungsvorgange. Diese Prozesse lassen sich zwar weitgehend formalisieren und systematisieren, doch flieBen hier wie bei jeder Entscheidung Bewertungen ein, die nur teilweise objektivierbar sind. Subjektivitiit ist also in der Modellbildung unvermeidbar, auch wenn sie sich, wie etwa in der kollektiven Erfahrung eines ganzen Fachgebietes als relativ objektiv darstellen mag. Die in der Modellbildung getroffene Auswahl und Vereinfachung muE jedenfaUs durch urnfassende Giiltigkeitspriifungen und die damit verbundenen Falsifikationsversuche bestiitigt werden. Obwohl sich die Modellbildung und Simulation besonders haufig dem Vorwurf der Subjektivitat ausgesetzt sieht, so unterscheidet sich doch die wissenschaftliche Arbeits-

1-3 Grundsiitzliches zu M odellen

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weise der Modellerstellung in keiner Weise yom anderswo akzeptierten wissenschaftlichen Ansatz. Sie muE die gleichen Anforderungen an die Uberpriifbarkeit und die Reproduzierbarkeit der Annahmen, Hypothesen, Satze und Ergebnisse erfiillen. Vollstandigkeit und Prazision bei der Beriicksichtigung der Fakten sind erforderlich. Es miissen geschlossene Beweisflihrungen vorliegen. Fiir die Validierung miissen umfassende Falsifikationsversuche unternommen werden. Und schlieBlich ist flir alles eine vollsHindige und nachvollziehbare Dokumentation vorzulegen. DaB sich Modellbildung und Simulation haufig Vorwiirfen unwissenschaftlicher Arbeitsweise ausgesetzt sieht, mag sieher einmal damit zusammenhangen, daB die Grundsatze wissenschaftlicher Arbeitsweise tatsachlich gelegentlich nicht eingehalten werden - wie anderswo auch. Zum anderen wird es auch damit zusammenhangen, daB sehr oft interdisziplinar, quer iiber etablierte Fachgebiete und Schulen hinweg gearbeitet werden muE, urn einen komplexen Ausschnitt aus der Realitat darzustellen. Fachwissenschaftler finden sich dann nur in Teilen wieder, miissen feststellen, daB man ihre komplexen Detailkenntnisse stark vereinfacht hat, Wirkungen aufgenommen hat, die sie flir vernachlassigbar halten, Hypothesen verwendet, die aus anderen Schulen stammen, und daB der Systemwissenschaftler generell ein etwas anderes wissenschaftliches Weltbild hat, dem sie nur teilweise zustimmen konnen (daB er z.B. die Strukturerkennung flir wesentlich halt). Wissenschaftlicher Fortschritt flir beide Seiten ergibt sich aus der kritischen Diskussion und Aufarbeitung der Fragen, die von der Modellbildung aufgeworfen werden. 1-3.17 Spektrum dynamischer Systeme nnd Modelle Das Spektrum dynamischer Systeme und Modelle laBt sich am besten mit Hilfe einer Liste von Begriffspaaren beschreiben. Dabei sind in der folgenden Liste an erster Stelle die Begriffe aufgeflihrt, denen der in diesem Buch behandelte Systemansatz am ehesten entspricht. - Systemerklarend - Realparameter - deterrninistisch zeitinvariant - zeitkontinuierlich - raumdiskret - exogen getrieben - numerisch

-

verhaltensbeschreibend Parameteranpassung stochastisch zeitvariant zeitdiskret raurnkontinuierlich autonom nicht-numerisch

Systemerkliirend - verhaltensbeschreibend: Der Unterschied wurde weiter oben mehrfach verdeutlicht. Das verhaltensbeschreibende Modell verlangt lediglich Verhaltensiibereinstimmung zwischen System und Modell. Beim systemerklarenden Modell muB dagegen die (fUr den Modellzweck) essentielle Wirkungsstruktur des Realsystems nachgebildet werden. Realparameter - Parameteranpassnng: Wenn schon versucht wird, die Wirkungsstruktur des realen Systems konkret zu erfassen, so liegt es auch nahe, mit den im realen System vorkommenden Systemparametern zu arbeiten, die dann in diesem System direkt gemessen werden konnen. Wo dies nicht moglich ist, muE zur Parameteranpassung gegriffen werden, indem die unbekannten Modellparameter so gewahlt werden, daB das

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

Modellverhalten auch zahlenmaBig mit den Verhaltenswerten des realen Systems iibereinstimmt. Deterministisch - stochastisch: In deterministischen Modellen werden zuHillige Veranderungen etwa der Parameter, der Wirkungsbeziehungen zwischen Systemelementen oder der Umwelteinwirkungen ausgeschlossen. In stochastischen Modellen werden solche Einfliisse explizit beriicksichtigt, z.B. durch die Angabe von Ubergangswahrscheinlichkeiten zwischen SystemzusHinden oder zufillliger Schwankungen der Umwelteinwirkungen, etwa von Wettereinfliissen. Stochastische Modelle liefern daher flir jeden Simulationslauf unterschiedliche Ergebnisse. Eine groBe Zahl von Simulationen (MonteCarlo-Simulation) kann dann einen Uberblick dariiber verschaffen, welche statistische Verteilung von Verhalten zu erwarten ist, wo die Mittelwerte liegen und mit we1chen Streuungen zu rechnen ist. Oft genug hat es die Modellbildung mit der aggregierten Darstellung des Verhaltens einer Vielzahl von Individuen zu tun (Tier- und Pflanzenpopulationen, Produktion eines Waldes oder eines Feldes als Folge der Photosynthese von Millionen Blattern; die aggregierten GraBen Druck, Temperatur und Dichte der Tbermodynamik usw.). Die Zufalligkeiten der individuellen Schicksale der Einzelelemente lassen sich aggregiert dann durch statistische Mittelwerte ersetzen, so daB auch hier deterministische Modelle dann das (aggregierte) Verhalten des Realsystems gut anniihern. Zeitinvariant - zeitvariant: Systeme sind zeitinvariant, wenn sich - unter gleichen Anfangsbedingungen und Umwelteinwirkungen - zu einem spateren Zeitpunkt das exakt gleiche Verhalten ergibt. Dies setzt voraus, daB sich zwischenzeitlich Systemstruktur oder Wirkungszusammenhange nicht verandert haben. Ein Beispiel flir zeitvariante Systerne sind Organismen: Ein alter Mensch verhalt sich wesentlich anders als ein junger oder gar ein Kind. Zeitvarianz laBt sich durch Einfiihrung zeitvarianter Parameter relativ leicht in die Modellbildung einfiihren. Zeitkontinuierlich - zeitdiskret: Die Systeme unserer Erfahrungswelt sind fast aIle kontinuierlich, d.h. sie sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt definiert und meBbar. Die Zustande zeitdiskreter Systeme dagegen sind nur zu bestimmten diskreten Zeitpunkten definiert und feststellbar. Computer arbeiten zeitdiskret; d.h. sie andern Zustande in diskreten Zeitschritten. Das bedeutet, daB in Computersimulationsmodellen zeitkontinuierliche Systeme auch nur zeitdiskret dargestellt werden k6nnen. Die kontinuierliche Bewegung eines Pendels etwa muB streng genommen durch eine Treppenkurve mit sehr kleinen Stufen dargestellt werden. Da diese notwendige Diskretisierung aber in sehr kleine Schritte aufgeteilt werden kann, die beliebig nahe an das kontinuierliche Verhalten herankommen kannen, werden wir hier auch von kontinuierlichen Simulationen kontinuierlicher Systeme sprechen. Raumdiskret - raumkontinuierlich: Reale Systeme kannen nicht punktfOrmig sein, sondern haben eine gewisse Ausdehnung im Raum. In manchen Fallen spielt diese raumliche Verteilung fur die Dynamik eines Systems keine Rolle. So ist etwa der Druck in einem geschlossenen Gasbehiilter an jeder Stelle gleich. Oder: bei der Betrachtung der Bevalkerungsentwicklung einer Stadt spielt deren raumliche Verteilung kaum eine Rolle. Die Photosyntheseproduktion einer Laubkrone laBt sich in einer GraBe zusammenfassen, ohne daB es notwendig ware, auf die raumliche Strukturierung des Blattwerks im Wald einzugehen.

1-3 Grundsiitzliches zu Model/en

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An anderen Stellen wiederum ist die Verteilung von SystemgroBen im Raum und deren zeitliche und riiumliche Dynamik fur die Simulation von essentieller Bedeutung. So muB etwa bei der Simulation von Luftstromungen an Tragfliigeln oder in der Atmosphiire, der Spannungen in komplexen tragenden Teilen oder von Grundwasserstromen das gesamte riiurnlich und zeitlich variierende Feld der SystemgroBen betrachtet werden. Das setzt - mathematisch gesehen - die Beschreibung mit partiellen Differentialgleichungen voraus, die wiederum mit Simulationsverfahren wie dem Verfahren der finiten Elemente bearbeitet werden konnen.

Exogen getrieben - autonom: Die uns interessierenden Systeme stehen mit ihrer Umwelt in Verbindung und unterliegen normalerweise entsprechenden Umwelteinwirkungen, die sie selbst nicht beeinflussen konnen. Sie werden also teilweise von auBen (exogen) angetrieben. Autonome Systeme dagegen unterliegen nur den Einfliissen ihrer eigenen Wirkungsstruktur, die Systernzustiinde zuriickkoppelt, so daB sie zu weiteren Zustandsveriinderungen fUhren. Streng genommen kann es vollig autonome Systeme nicht geben, da jede Dynamik einer anfiinglichen Auslenkung von einem Gleichgewichtszustand oder der Energiezufuhr bedarf. Mathematisch lassen sich dagegen aIle Systeme - auch die exogen getriebenen - als autonome Systeme formulieren, wenn man die Zeit als zusatzliche ZustandsgroBe einfiihrt und Umwelteinwirkungen als Funktionen dieser ZustandsgroBe umformuliert. Numerisch - nicht-numerisch: Der Begriff 'Zustand' gilt in einem sehr breiten Sinne. Er gilt sowohl fur meBbare und zahlenmaBig angebbare GroBen (wie Gewicht, Rauminhalt, Bevolkerungszahl), er gilt aber auch fur qualitative Attribute wie rot, helli, schOn usw. Die Dynamik eines Systems muE nicht an meBbare SystemgroBen gebunden sein, sie kann auch durchaus mit der Veriinderung von Qualitiiten verbunden sein (so etwa die Gelb-Rot-Griin-Dynamik von Verkehrsampeln). (Wir haben es hier iibrigens mit einem System zu tun, das nur diskrete Zustiinde erlaubt.) Der Versuch, dynamische Modellbildung und Simulation nur auf Bereiche zu beschranken, in denen aIle GroBen quantifizierbar und numerisch ausdriickbar sind, wiirde groBe Bereich dynamischer Systeme, die von erheblichem praktischen Interesse sind (soziale Systeme, okologische Systeme, Verhaltenssysteme generell) von der dynamischen Simulation ausschlieBen. Unzuliissig ist auch, wie vielfach praktiziert, wenn in den Fiillen, in denen nicht-quantifizierbare GroBen eine Rolle spielen, diese in einem falschen Verstiindnis wissenschaftlicher Arbeitsweise als 'unwissenschaftlich' aus der Systembetrachtung herausgelassen werden. So laBt sich z.B. kaum eine gi.iltige Simulation einer Stadtentwicklung erstellen, ohne daB entwicklungsbestimmende SystemgroBen wie etwa 'Wohnqualitiit', 'Einkaufsattraktivitiit' usw. explizit in die Untersuchung einbezogen werden. Diese Einbeziehung auch nicht-numerischer ZustandsgroBen und anderer SystemgroBen ist ein Gebot wissenschaftlicher Vollstandigkeit. Die Beriicksichtigung derartiger GroBen stieB bisher deshalb auf Schwierigkeiten, weil fast ausschlieBlich numerische Verfahren fur die Computersimulation zur Verfiigung standen. Inzwischen lassen sich mit modemen Methoden der rechnergestiitzten Wissensverarbeitung sowohl numerische wie nicht-numerische Komponenten und Zusammenhange auf der Basis der Methoden der kiinstlichen Intelligenz und der objektorientierten Programmierung adiiquat beriicksichtigen und in die Computersimulation miteinbeziehen.

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

1-4

Modellentwicklung, Simulation, Verhaltensanalyse und Systemanderung

In den vorstehenden Abschnitten wurden einige grundsatzliche Uberlegungen zur Modellbildung, zu Systemen und zu Modellen zusammengetragen. 1m letzten Abschnitt dieses Kapitels solI nun ein Uberblick iiber den gesamten PrazeB der Systemanalyse von der Modellentwicklung iiber die Simulation bis zur Verhaltensanalyse und Systemanderung gegeben werden. Dieser Uberblick entspricht einerseits dem Arbeitsablauf mit seinen verschiedenen Komponenten, andererseits aber auch den folgenden Kapiteln: -

Entwicklung des Modellkonzepts Entwicklung des Simulationsmodells Simulation des Systemverhaltens Analyse des Modellsystems Verhaltensanderung durch Systemanderung.

Wir befassen uns in diesem Buch von jetzt an ausschlieBlich mit erklarenden Modellen, d.h. Modellen, bei denen eine im Rahmen des Modellzwecks giiltige Nachbildung der Wirkungsstruktur versucht wird. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich daher in erster Linie auf diese Art von Modellen, sie sind allerdings auch im weiteren Sinne fiir andere, beschreibende Modellformulierungen giiltig. 1-4.1

Entwicklung des Modellkonzepts

Auch wirkungsstrukturtreue Modelle sind notgedrungen skizzenhafte Darstellungen, 'Karikaturen' des Realsystems. Die verwendeten Verkiirzungen und Zusammenfassungen sind bestimmt von der Forderung nach Anwendungsgiiltigkeit des Modells: es solI einen bestimmten Modellzweck erfiillen. Dieser Modellzweck bestimmt weitgehend Art und Umfang von Modellinhalt und Modellaussagen. Das Simulationsmodell eines Waldes zur forstlichen Betriebsplanung unterscheidet sich z.B. erheblich von einem Modell des gleichen Waldes, das zur Untersuchung des Nahrstoffkreislaufs entwickelt wurde. Jedes Modell sollte nur fiir den Zweck verwendet werden, fiir den es entwickelt wurde. Auch bei der Modellentwicklung hat es sich als nicht zweckmaBig erwiesen, nach Supermodellen zu streb en, die fiir alles und jedes einsetzbar sind: auch hier gibt es keine eierlegende Wollmilchsau. Die Systemdefinition verlangt eine klare Festlegung der Systemgrenzen, d.h. der Abgrenzung zur Systemumwelt. Die aus der Systemumwelt stammenden oder zu erwartenden Einwirkungen miissen erfaEt und die Eingriffspunkte in der Systemstruktur ermittelt werden. Wahrend die Verhaltensbeschreibung auf eine umfangreiche Erfassung von Verhaltensdaten angewiesen ist, konzentriert sich die Systemanalyse fiir die wirkungsstrukturtreue Modellbildung zunachst auf die Definition und Erfassung der verhaltensrelevanten Systemstruktur. In dies em ProzeE arbeiten die Systemanalytiker eng mit Systemkennern und Fachleuten aus den betroffenen Wissensgebieten zusammen, urn zu einer gemeinsam getragenen Vorstellung der relevanten Systemstruktur zu kommen. Die geme ins arne Sprache ist im allgemeinen die umgangssprachliche Formulierung des Wissens tiber Struktur und Funktion des Systems; die erste Modellformulierung wird in dieser Form vorgelegt (Wortmodell).

1-4 Modellentwicklung, Simulation, Verhaltensanalyse und Systemiinderung

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Aus dies em Wissensbestand werden, jetzt bereits unter Beachtung systemwissenschaftlicher Erkenntnisse, die Wirkungsbeziehungen herausgearbeitet und zur Wirkungsstruktur verkniipft, die auch meist im Wirkungsdiagramm graphisch niedergelegt wird. Damit ergibt sich jetzt folgendes Arbeitsprogramm, das in Kapitel 2 nii.her ausgefuhrt wird: Definition der Problemstellung und des Modellzwecks: Die Aufgabenstellung mnB klar umrissen werden und dient als Grundlage fur die Definition des Modellzwecks. Systemabgrenzung und Definition der Systemgrenzen: Dem Modellzweck entsprechend ist zu definieren, was zum System und was zu seiner Systemumgebung geh6rt. Systemkonzept und Wortmodell: Entsprechend der Systemabgrenzung wird das Konzept des Systems entwickelt und in einem Wortmodell erfaBt. Entwicklung der Wirkungsstruktur: Die Systemelemente und ihre Wirkungsbeziehungen sind herauszuarbeiten und zunachst irn Wortrnodell und dann im Wirkungsdiagramm niederzulegen. Qualitative Analyse der Wirkungsstruktur: Die Wirkungsstruktur, insbesondere ihre Kopplungen und ihre aktiven und passiven Elemente, erlaubt eine erste qualitative Analyse des Systemverhaltens. 1-4.2

Entwicklung des Simulationsmodells

Die Wirkungsstruktur beinhaltet lediglich die qualitative Feststellung von Wirkungen (z.B. "A wirkt auf B"). Urn ein sirnulationsfahiges Modell zu erhalten, miissen aIle Wirkungsbeziehungen verrechenbar spezifiziert werden (z.B. als multiplikative Verkniipfung mit einem durch Systernparameter gegebenen Faktor, oder durch logische Operationen, etwa bei einer Entscheidungssituation). Fiir jede Wirkungsbeziehung rnnB so mit dem Wissen iiber diesen Einzelaspekt ein verrechenbarer funktionaler Zusammenhang definiert werden. Auch bei dies ern Schritt ist fachliches Spezialwissen entscheidend. Aus diesen Einzelschritten ergibt sich schlieBlich das formalisierte (mathematische und/oder logische), simulationsfahige Modell. Die Formalisierung wirkungsstrukturtreuer Simulationsmodelle kann auf sehr unterschiedliche Weise mit sehr verschiedenen (allgerneinen oder speziellen) Programmiersprachen erfolgen. Die Art der Formulierung sollte der Problemstellung, dem Modellzweck und dem potentiellen Nutzer angepaBt sein. Da jede Prograrnmsprache ihre eigenen Beschrankungen hat und immer einen bestimmten Denkrahmen vorgibt, sollte Vereinheitlichung (etwa auch iiber 'Modellbanken') vermieden werden. Es ist m6glich, daB in Zukunft objekt-orientierte Programmierverfahren vermehrt Verwendung finden, da sie eine hohe Vielfalt von Formulierungsrn6glichkeiten (qualitativ, nurnerisch, 10gisch, usw.) zulassen und hohe Flexibilitat bei der Modellformulierung, Modellerweiterung, Datenspeicherung und Modelldokurnentation bieten. Es ergeben sich damit die folgenden Arbeitsschritte, die im Kapitel 3 naher ausgefuhrt werden: Dimensionale Analyse: Die in der Wirkungsstruktur identifizierten Elemente miissen in ihrer Bedeutung und ihren Dimensionen exakt festgelegt werden.

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, ModellvelWendung

Ermittlung der funktionalen Beziehungen: Die Wirkungsbeziehungen zwischen den Blementen mussen in ihrer funktionalen Abhangigkeit eindeutig spezifiziert werden, wobei die Dimensionsanalyse als Hilfsmittel einbezogen werden kann. QuantifIzierung: Unter Verwendung der Parameterwerte des realen Systems werden die Wirkungsbeziehungen quantifiziert. Entwicklung des Simulationsdiagramms: Werden im Wirkungsdiagramm die funktionalen Beziehungen und die Parameterwerte eingetragen, so erhalt man das Simulationsdiagramm als Grundlage des Simulationsprogramms. Simulationsanweisungen und rechennihiges Modell: Aus den vorher definierten und quantifizierten Wirkungsbeziehungen ergeben sich die Simulationsanweisungen fur die Programmierung. Diese k6nnen auch direkt aus dem Simulationsdiagramm abgelesen werden. AIle Wirkungsbeziehungen miissen in einer berechenbaren Weise formalisiert werden. Giiltigkeitspriifung f"lir die Modellstruktur: Bs ist zu priifen, ob die Struktur des Realsystems korrekt im Modell wiedergegeben wurde. Entwicklung alternativer Darstellungsformen: Es ist zu priifen, ob sich das zunachst entwickelte Simulationsmodell ohne GultigkeitseinbuBen durch Verandern oder Umformen iibersichtlicher oder verstandlicher machen laBt. Insbesondere sollte untersucht werden, ob eine Modularisierung moglich und statthaft ist. Versuch der Kompaktdarstellung: Es ist moglich, daB sich die Systemstruktur auf einfachere elementare Strukturen zuriickfiihren laBt, die die Analyse und die Verallgemeinerbarkeit erleichtern. 1-4.3

Simulation des Systemverhaltens

Nach der Modellprogrammierung und ersten Simulationen mit eingehenden Gultigkeitspriifungen, die sich vor allem auf die VerlaBlichkeit, Sensitivitat und Plausibilitat der Verhaltensaussagen beziehen miissen, steht das Modell fur routinemaBige Simulationen von Entwicklungspfaden zur VerfUgung. Wahrend fur historische Untersuchungen (etwa als Teil der Giiltigkeitspriifung) die Einwirkungen aus der Systemumwelt festliegen, mussen fur zukunftsbezogene Untersuchungen Annahmen iiber vermutliche Einwirkungen gemacht werden, die in 'Szenarien' zusammengefaBt werden. Fur die Qualitat der Untersuchung moglicher Entwicklungspfade sind Plausibilitat, Konsistenz und VollsHindigkeit dieser Szenarien von entscheidender Bedeutung. Die Entwicklung und Absicherung entsprechender Szenarien erfordert noch einmal einen meist erheblichen Untersuchungsaufwand. Mit einigen elementaren Szenarien sollte moglichst das gesamte zukiinftig mogliche Einwirkungsspektrum abgedeckt werden, urn einen Gesamtuberblick iiber das mogliche Entwicklungsspektrum zu bekommen. Bin Vorteil der wirkungsstrukturtreuen Modellierung ist, daB jeder Schritt einer solchen Modellentwicklung bereits einen Erkenntnisgewinn iiber das untersuchte System bringt, selbst wenn es am Ende nicht zu Simulationen kommen sollte. Mit der Erfassung der Wirkungsbeziehungen und der Wirkungsstruktur stellen sich neue Erkenntnisse iiber das System und seine Wirkungsweise ein. Die Quantifizierung zwingt, sich iiber Art und Starke der Abhiingigkeiten Klarheit zu verschaffen. Die Definition konsistenter Szenariensatze fokussiert auf die wesentlichen auBeren Einfliisse und ihre mogliche Ent-

1-4 Modellentwicklung, Simulation, Verhaltensanalyse und Systemiinderung

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wicklung. Jeder dieser Schritte flir sich tragt bereits entscheidend zu besserem Systemverstandnis beL Hier ergeben sich folgende Arbeitsschritte, die im Kapitel4 erlautert werden: Auswahl der Simulations software: Das formalisierte Simulationsmodell enthalt aile modellspezifischen Angaben. Weitere flir die Simulation erforderliche Programmteile k6nnen daher aus allgemein einsetzbaren Programmen flir die dynamische Simulation kommen. Die Auswahl hangt von der Modellart, dem Rechnertyp, der verwendeten Programrniersprache und pers6nlichen Praferenzen des Bearbeiters abo Eingabe des Modells: Je nach der verwendeten Simulations-Software erfolgt die Eingabe der Modellanweisungen als Programmzeilen, iiber spezielle Programrnieranweisungen, als Beschreibung der Systemb16cke und ihrer Strukturverkniipfungen, iiber die Tastatur oder den Aufbau eines simulationsfahigen Simulationsdiagramms am Bildschirm mit Hilfe von entsprechenden Symbolen und der Maus. Wahl des Integrationsverfahrens: Dynamische Modelle der hier behandelten Art reduzieren sich auf Systeme von gew6hnlichen, meist nichtlinearen Differentialgleichungen, die numerisch integriert werden miissen. Hierzu stehen verschiedene Integrationsverfahren zur Verfiigung. Laufzeitparameter: Die Simulation errechnet die dynamische Entwicklung iiber die Zeit und ben6tigt daher eine Angabe iiber den Zeitpunkt des Beginns und Endes der Simulation (in der Modellzeit). Die Wahl der Zeitschrittweite ist flir die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Simulation von Bedeutung. Anfangswerte: Die Zustandsgr6Ben des Modells miissen zu Beginn der Simulation auf Anfangswerte gesetzt werden, die den Anfangswerten des Realsystems unter den Untersuchungsbedingungen entsprechen. Systemparameter: Zweck von Simulationen ist es u.a., die Reaktionen des Modellsystems auf Veranderungen seiner Systemparameter zu untersuchen. Diese Systemparameter miissen vor Beginn der Simulationslaufe gewahlt werden. Umwelteinwirkungen: Ebenfalls interessiert die Reaktion des Systems auf bestimmte vorgegebene Umwelteinwirkungen, auf historisch beobachtete Bedingungen oder auf flir die Zukunft angenommene Entwicklungen. Diese miissen ebenfalls vor der Simulation spezifiziert werden. Szenarien: Bei komplexeren Systemen ist eine relativ groBe Zahl von Parametern und Umwelteinwirkungen gleichzeitig zu untersuchen. Da die Zahl der m6glichen Variationen groB ist, miissen die das Verhalten beeinflussenden Parametersatze durch in sich schliissige und untereinander stimrnige und plausible Szenarien zusammengefaBt werden. Dies hat gerade flir die Untersuchung von Zukunftsperspektiven, flir Technikfolgenabschatzungen und flir Risikoanalysen besondere Bedeutung. Ergebnisdarstellung: Die meisten Simulations-Software-Systeme sehen mehrere M6glichkeiten der Ergebnisdarstellung vor, von der einfachen Tabelle bis zu zwei- und dreidimensionalen Graphiken und animierten Darstellungen der Systemdynamik. Bier sind aussagekraftige Darstellungen zu wahlen, die dem Benutzer einen raschen und zuverliissigen Oberblick iiber die Systemdynamik verschaffen.

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildun& Modellverwendung

Zustandspfade: Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Darstellung der Dynamik der ZustandsgroBen, d.h. der Zustandspfade im Zustandsraum in Abhangigkeit von den gewahlten Parametern und Umwelteinwirkungen. Der Pfadvergleich fUr verschiedene Simulationen ergibt Hinweise auf allgemeines Systemverhalten (Schwingungen, Gleichgewichtspunkte, Zusammenbriiche, Chaos) und auf die Wirkung einzelner Parameter. Sensitivitiit: Der Vergleich von Zustandspfaden in Abhangigkeit von Variationen empfindlicher Parameter ergibt Hinweise auf die Sensitivitat des Modells und des Systems, auf Unsicherheiten in der Formulierung bzw. auf Veranderung kritischer Parameter. Giiltigkeitspriifung: Nachdem die Strukturgiiltigkeit bereits bei der Entwicklung der Wirkungsstruktur und des Simulationsmodells iiberpriift wurde, konzentriert sich jetzt die weitere Giiltigkeitspriifung auf die Verhaltensgiiltigkeit, die empirische Giiltigkeit und die Anwendungsgiiltigkeit. Hier muB nachgewiesen werden, daB die simulierte Dynamik mit dem beobachteten oder zu erwartenden Verhalten qualitativ und quantitativ iibereinstimmt und daB die ModeUergebnisse und der Erkenntnisgewinn den Anwendungsanforderungen (dem Modellzweck) entsprechen. 1-4.4

Analyse des Modellsystems

Mit der Absicherung der Modellgiiltigkeit und den Simulationen im interessierenden Parameter bereich ist eigentlich die Aufgabe, die dem Systemanalytiker anfangs gestellt war, erfullt. Es ist aber oft moglich und nlitzlich, liber diese Arbeitsschritte hinauszugehen und zu versuchen, durch weitere Analyse des Modellsystems einen tieferen Einblick in das ganze Spektrum des Verhaltens zu erhalten. Wahrend die Computersimulation den Vorteil hat, daB auch komplexe nicht-lineare Systeme behandelt werden konnen, die der mathematischen Analyse nieht offenstehen, so hat doeh die mathematisehe Analyse den Vorteil, daB sie zu allgemeinen Verhaltensaussagen iiber ein System fuhren kann, die sich mit der Simulation oft nur erahnen, nicht aber giiltig belegen lassen. Besondere Bedeutung gewinnt die mathematische Systemanalyse dann, wenn ein generisches Simulationsmodell entwickelt worden ist, d.h. ein Modell, das unter Beibehaltung seiner Struktur auch mit veranderten Systemparametern fUr andere Anwendungen eingesetzt werden kann. (Ein Beispiel sind generische Simulationsmodelle fur Baumwachs tum, die nach Parameterandenmgen sowohl fur Baume der Tundra wie fur Baume des tropischen Regenwalds einsetzbar sind.) AusgangspUnkt der mathematischen Systemanalyse sind die Zustandsgleichungen des Systems, d.h., die bei der Systemmodellierung abgeleiteten gewohnlichen Differentialgleichungen fur die Zustandsanderung. Aus diesen Zustandsgleichungen lassen sich Hinweise auf Gleichgewichtspunkte und Attraktoren des Systems, auf Stabilitat und plOtzliche Verhaltensanderungen gewinnen. In diesem Bereich stell en sich die folgenden Aufgaben, die im Rahmen der Untersuchungen in Kap. 2 bis 6 teilweise verwendet und fur die im Kapitel 7 analvtische Ansatze knapp vorgestellt werden: Gewinnung der Zustandsgleichungen: Zwar sind die Zustandsgleichungen im Prinzip bereits in der Modellformalisierung und den Simulationsanweisungen enthalten, doch erfordert die notwendige kompakte Darstellung meist einige mathematische Kondensationen und Umformungen.

1-4 Modellentwicklung, Simulation, Verhaltensanalyse und Systemiinderung

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Entwicklung eines generischen Modellsystems: Bei naherer Betrachtung zeigt sich oft, daB uber den Spezialfall der speziellen Simulationsaufgabe hinaus die entwickelten Modellgleichungen eine generische Giiltigkeit besitzen und sich auf viele verwandte Systerne anwenden lassen. Fur die weitere mathematische Untersuchung, deren Ergebnisse ja moglichst allgemeingiiltig sein sollen, sollte die allgemeinstgiiltige generische Form der Zustandsgleichungen entwickelt werden. Gleichgewichtspunkte: Gleichgewicht des Systems herrscht dort, wo die Veranderungsraten der Zustandsgr6Ben verschwinden. Unter Anwendung dieser mathematischen Bedingung lassen sich die Gleichgewichtspunkte des Systems bestimmen. Sie k6nnen stabil oder instabil sein. Ermittlung weiterer Attraktoren: AuEer Gleichgewichtspunkten k6nnen hoherdimensionale nicht-lineare dynamische Systeme auch gewisse Zustandsbereiche besitzen, auf die der Systemzustand sich bevorzugt hinbewegt (Attraktoren). Die Ermittlung der Gleichgewichtspunkte und Attraktoren gibt wertvolle Hinweise auf das globale Systemverhalten. Verhalten an Gleichgewichtspunkten, StabiIitat: Die Stabilitat eines Gleichgewichtspunkts entscheidet sich daran, ob der Systemzustand in der Nahe dieses Punktes die Tendenz hat, sich yom Gleichgewicht zu entfernen oder auf dieses zuzulaufen. Information daruber steckt ebenfalls in den Zustandsgleichungen. Linearisierung an Gleichgewichtspunkten: Bei nicht-linearen Systemen gestaltet sich die Stabilitatsuntersuchung in der Nahe der Gleichgewichtspunkte schwierig, wenn auf die Untersuchung der vollen nicht-linearen Systemgleichung zuriickgegriffen werden muE. Geht man von nur kleinen Abweichungen yom Gleichgewichtspunkt aus, so lassen sich die nicht-linearen Systemgleichungen linearisieren und dann mit den Hilfsmitteln der linearen Systemanalyse untersuchen. Eigenschaften und Verhalten linearer Systeme: Die Linearisierung ermoglicht, daB die Werkzeuge der linearen Systemanalyse (Eigenwerte, Verhaltensmodi, Stabilitat) Anwendung finden k6nnen, urn auch zum Verstandnis nicht-linearer Systeme beizutragen. Verhaltensiinderungen bei Parameteriinderung; Katastrophen: Systeme, besonders nicht-lineare Systeme, k6nnen bei Parameteriinderung ein qualitativ anderes Verhalten zeigen. Da nicht-lineare Systeme mehr als einen Gleichgewichtspunkt haben konnen, kann das bedeuten, daB sie bei Parameteranderung in eine ganzlich andere stabile Zustandskonstellation springen. Diese M6glichkeiten untersucht die Katastrophentheorie. 1·4.5

Verhaltensiinderungen durch Systemiinderung

Aufgabe der Modellbildung und Simulation ist selten nur, ein bestehendes System allein auf seine Verhaltensm6glichkeiten zu untersuchen. In den meisten Fallen geht es eher vor allem auch darum, kritische Parameter und Eingriffsmoglichkeiten zu identifizieren, mit denen die Systementwicklung in gewiinschte Bahnen gelenkt werden kann. Oft geht es dariiber hinaus aber auch darum, ein System, dessen Verhalten sich als instabil oder in anderer Beziehung als unerwiinscht erweist, so zu verandern, daB das sich dann ergebende Systemverhalten bestimmte Kriterien (z.B. der Stabilitiit) erfiillt. Noch weiterfiihrender ist die Aufgabe, ein dynamisches System durch gezielte Systemveriinderungen und Einwirkungen von auBen so zu lenken, daB sich daraus ein an ir-

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1 - Systeme, Modelle, Modellbildung, Modellverwendung

gendwelchen Kriterien gemessenes optimales Verhalten ergibt. Ein Beispiel ist etwa die Bestandesflihrung eines Waldes, urn maximal en Holzertrag in einer vorgegebenen Zeit zu erreichen. Vielfach konnen OptimierungsmaBnahmen dieser Art auch relativ leicht mit Computersimulationsmodellen untersucht werden. Mit den entsprechenden Arbeitsschritten befaBt sich das Kapitel 5: Kriterien der Verhaltensbeurteilung: Voraussetzung flir eine Systemoptimierung oder einfach nur flir eine 'Verbesserung' des Systemverhaltens ist die Definition entsprechender Beurteilungskriterien. Gelegentlich lassen sich relativ einfache Kriterien finden (z.B. Kostenminimierung); sehr oft aber mussen Systernlosungen einer Vielzahl von Kriterien gleichzeitig genugen. Bei komplexen Entscheidungen sind oft ganze Kriterienhierarchien zu beachten, deren Einzelbeitrage schlieBlich auf die systemaren Leitwerte der Systemerhaltung und Systementfaltung abbilden. Kriterien flir die Verhaltensbeurteilung gelten teilweise flir den jeweiligen Systemzustand (z.B. Grenzwerte), es kann sich aber auch urn komplexere Kriterien handeln, die z.B. uber einen Hingeren Zeitraum als Zeitintegrale ausgewertet werden mussen (z.B. Minimierung des Treibstoffverbrauchs einer Satellitensteuerung). Systemiinderungen und Optimierung auf der Suche nach besseren LOsungen: Wird die Zustandsentwicklung (momentan und uber einen Uingeren Zeitraum) an den anlegbaren Kriterien gemessen, so ergeben sich daraus Hinweise auf Systemanderungen, die zu besseren LOsungen flihren wiirden. 1m besten FaIle kann mathematische Analyse zu einer geschlossenen Lasung flihren. Oft wird aber auch die gezielte Suche mit einer groBeren Zahl von Simulationen zu annehmbaren Ergebnissen flihren. Dieser Weg steht immer offen, ist aber wenig elegant und ubersieht moglicherweise weit giinstigere Lasungen. Zwischen diesen beiden Wegen stehen numerische Verfahren der Optimierung, die in vielen Bereichen breite Anwendung finden. Stabilisierung instabiler Systeme durch Parameter- und Strukturiinderung: Die Regeltechnik befaBt sich ausschlieBlich mit dieser Thematik und hat hierflir, vor allem flir lineare technische Systeme, ein umfangreiches Instrumentarium entwickelt. 1-4.6

Generische Strukturen; Systemzoo

Bei der Modellbildung s1613t man immer wieder in sehr unterschiedlichen Realitatsbereichen auf Systemstrukturen, die sich als generisch gleich erweisen und daher ein gleiches Verhaltensspektrum zeigen. Eine gro13e und wichtige Gruppe, flir die ausnahmsweise auch ein ausgefeilter mathematischer Analyseapparat besteht, ist die Gruppe der linearen Systeme beliebiger Dimension. Dagegen zeigen nichtlineare Systeme kein derart verallgemeinerbares generisches Verhalten. Bereits kleine nichtlineare Systeme, die sich oft nur in 'Kleinigkeiten' unterscheiden, zeigen vollig verschiedenes Verhalten. In verschiedenen Realitatsbereichen finden sich oft generisch gleiche Strukturen. Es lohnt sich, sich mit deren Verhaltensmustern vertraut zu machen. 1m Kapitel 6 sind daher eine groBere Zahl relativ einfacher, aber grundsatzlich verschiedener Systemmodelle angegeben. Die entsprechenden Modelle sind zusammen mit den Parametern und Ergebnissen von Standardsimulationslaufen vollsHindig dokumentiert und finden sich als lauffahige Programme im "Systernzoo" auf der beiliegenden Diskette.

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2

Vom Wortmodell zum Wirknngsgraph: Zusammenhange, Struktur, Riickkopplungen

2-0

Uberblick

Die erste Phase der (systemerkHirenden) Modellbildung hat sich mit dem Erkennen und der Darstellung der verhaltensrelevanten Systemstruktur zu befassen. Es gilt also, die wichtigen SystemgroBen und ihre Verkntipfungen zu identifizieren. Diese Aufgabe erfordert weitgehend qualitatives Arbeiten. Am Ende dieser Arbeit steht ein qualitatives Produkt, der Wirkungsgraph, ein erstes qualitatives Modell. Die Simulation des realen Systems erfordert spater eine genauere Spezifizierung und Quantifizierung der Komponenten des Wirkungsgraphen, aber bereits aus seiner Struktur lassen sich qualitative Aussagen tiber das Systemverhalten ableiten, die erste interessante Aufschltisse geben konnen. In dies em Kapitel befassen wir uns mit dem ProzeB der Erstellung des Wirkungsgraphen (oder Wirkungsdiagramms) und mit Moglichkeiten der Analyse, die erste Aufschltisse tiber Systemeigenschaften und Verhalten geben konnen. Die Modellentwicklung setzt zunachst eine Problemstellung voraus, aus der sich die Definition des Modellzwecks ergibt. Diese fiihrt zur Definition der Systemgrenze. Der erste Schritt der Modellentwicklung ist die umgangssprachliche Beschreibung der Komponenten und Zusammenhange, das Wortmodell. Es fiihrt zur Identifizierung der wesentlichen SystemgroBen und der Wirkungsbeziehungen zwischen ihnen, die schlieBlich im Wirkungsgraph bildlich dargestellt werden. Der Wirkungsgraph ist eine erste Skizze der Systemstruktur, noch ohne Differenzierungen und Quantifizierungen. DefinitionsgemaB zeigt der Wirkungsgraph, wie Wirkungen im (Modell)System weitergegeben werden. Es ist daher reizvoll zu versuchen, aus dieser skizzenhaften Darstellung des Systems bereits Aussagen tiber mogliches Verhalten abzuleiten. Dies kann tiber qualitative Betrachtungen, numerische Untersuchungen, logische Deduktion oder mathematische Analyse des Wirkungsgraphen geschehen. Die qualitative Betrachtung der Wirkungsstruktur erbringt wichtige Erkenntnisse tiber die im System vorhandenen Rtickkopplungskreise und die von ihnen verursachte Dynamik: im allgemeinen Dampfung bei negativer, Verstarkung bei positiver Rtickkopplung. Auch ergeben sich Hinweise tiber besonders kritische Pfade und Elemente im System. iller eine erste grobe Quantifizierung der Starke der Wirkungsbeziehungen wird es moglich, selbst bei zunachst ungenauer Kenntnis der Systemelemente den Vorgang der Fortpfianzung kleiner Storungen im System zu berechnen und aus diesen numerischen Untersuchungen der Pulsdynamik z.B. kritische Systemparameter und Strukturverbindungen zu identifizieren. 1m Wirkungsgraph werden Systemelemente noch nicht weiter spezifiziert; sie werden alle als gleichartig behandelt. Der Wirkungsgraph reduziert sich dann auf ein lineares System, dessen Dynamik und Stabilitat mit bekannten Verfahren der Systemanalyse linearer Systeme untersucht werden konnen. Hier spielen die Eigenwerte der Systemmatrix eine herausragende Rolle; sie fiihren zu Aussagen tiber die Stabilitat des Wirkungsgraphen und damit zu Hinweisen auf das Systemverhalten (s. Kap. 7).

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2 - Vom Wortmodell zum Wirkungsgraph

LaBt sich das Realsystem giiltig durch ein lineares Differenzen- oder Differentialgleichungssystem beschreiben oder approximieren, so ist der Wirkungsgraph bereits das Simulationsdiagramm des Systems. In diesem Fall konnen iiber die qualitative Analyse hinausgehend auch quantitativ giiltige Aussagen iiber das Systemverhalten gegeben werden. Die qualitative Simulation versucht, diese Moglichkeiten zur System- und Verhaltensbeschreibung auch bei Systemen auszuschopfen, die zwar klare Strukturzusammenhange zeigen, deren GroBen und Wirkungszusammenhiinge aber nur qualitativ und unscharf angegeben werden konnen. 1m ersten Teil dieses Kapitels (Abschnitt 2-1) befassen wir uns zunachst an einem Beispiel mit der Entwicklung des Wirkungsgraphen. 1m zweiten Teil (Abschnitt 2-2) werden Konzepte eingefiihrt, die eine erste qualitative Analyse gestatten. 1m dritten Teil (Abschnitt 2-3) befassen wir uns mit der Dynamik der Fortpflanzung von Storungen im Wirkungsgraphen. In Abschnitt 2-4 werden die Ergebnisse noch einmal kurz zusammengefaBt.

2-1

Erstellung des Wirkungsgraphen

Wir erHiutern den Vorgang der Erstellung eines Wirkungsgraphen anhand eines einfachen Beispiels. Wir beginnen mit dem Wortmodell, der Darstellung des Sachverhalts in der Umgangssprache. Aus diesem Wortmodell wird der Wirkungsgraph entwickelt. Der Wirkungsgraph enthiilt die fur das Verhalten bedeutsame Struktur des Systems und liiBt damit bereits auch ohne weitere Quantifizierung wesentliche Schliisse iiber das Systemverhalten zu. Nach einer Quantifizierung der Starke der jeweiligen Wirkungsbeziehungen wird bereits eine einfache rechnerische Analyse moglich, die z.B. auch Hinweise iiber die Weitergabe von StOrungen in dem Wirkungsnetz wie auf die mogliche Stabilitat oder Instabilitat des Systems geben kann. Da ein Graphenmodell die individuellen Systemelemente aber nur grob vereinfacht und nur in der Niihe eines Ausgangszustands angenahert giiltig darstellt, kann bei genaueren Analysen auf eine exaktere Darstellung der Systernkomponenten und ihrer Verkniipfungen nicht verzichtet werden. Das fuhrt zu Systemmodellen, deren Elemente die unterschiedlichsten funktionalen Eigenschaften haben konnen, und die in komplexer Weise miteinander verkniipft sein kOnnen. 1m allgemeinen sind sie nichtlinear und mathematischer Analyse nur beschrankt zuganglich. Bei ihrer Untersuchung ist man deswegen im allgemeinen auf die Computersimulation angewiesen. Mit dies em Ausbau eines Wirkungsgraphen zu einem vollstandigen Simulationsmodell befassen wir uns im folgenden Kapitel. Mit der Wahl des Beispiels - wir scheuen uns nicht, gleich ein 'Weltmodell' zu entwickeln - demonstrieren wir neben den Verfahren der Modellbildung und Simulation auch gleich einen gewissen Anspruch der Systemforschung: Sie kann in vielen Fallen, auch in stark vereinfachter Darstellung, Verhaltenstendenzen komplexer Systeme beschreiben, die aus anderen Betrachtungen nicht gewonnen werden konnen. Mit dies en Erkenntnisgewinnen kann die Systemforschung zu besseren Entscheidungen beitragen. (Die folgenden Abschnitte entstammen teilweise dem Vorlesungsskript H. Bossel "Dynamische Systeme und Simulation", Gesamthochschule Kassel 1982. Teile dieses Skripts wurden von W. Metzler 1987 ohne Autorenangabe veroffentlicht.)

2-1 Erstellung des Wzrkungsgraphen

2-1.1

49

Arbeitsbeispiel: 'Weltmodell'

Seit dem Weltmodell von Forrester aus dem Jahre 1971 sind eine gauze Reihe von 'Weltmodellen' entwickelt worden, die in unterschiedlichem Detaillierungsgrad und mit verschiedenen Ansiitzen versucbt haben, die Dynarnik der globalen Entwicklung mit Hilfe einiger zentraler Gr6Ben zu beschreiben. Stellen diese Modelle aucb notgedrungen in vieler Hinsicht komp!exe Sachverhalte in gr6bster Vereinfachung dar, so kann inzwischen doch kein Zweifel mehr daran bestehen, daB sie die Entwicklung einiger wesentlicher Gr6Ben (Bev6lkerung, Industrieentwicklung, Umweltbelastungen) mit einiger VerliiI3licbkeit richtig bescbreiben k6nnen (Meadows/Meadows/Randers 1992). Fur unsere Zwecke sind jedocb auch diese Modelle noch immer viel zu komplex; wir mussen uns bier mit einer sebr vie! kompakteren Darstellung begnugen. Die Systemdarstellung und damit die Modellentwicklung wird wesentlich davon bestimmt, welcher Zweck damit erfliUt werden soU. Man soUte bei jeder Systemuntersuchung den Sinn und Zweck des Unterfangens vorher klaren und sich wiihrend der Arbeit daran orientieren, sonst besteht die Gefahr, mit einem vorziiglichen Systemmodell zu enden, das aber die urspriinglichen Fragen gar nicht beantworten kann. Wir definieren daher zunacbst den Zweck unserer ModeUentwicklung. 2-1.2

Zweck des 'Weltmodells'

Das zu entwickelnde 'Weltmodell' soli mit einer moglichst geringen Zahl von GrofJen qualitativ richtige Aussagen uber Entwicklungstendenzen und Entwicklungsdynamik als Folge von BevOlkerungs- und Wirtschaftsentwicklung machen konnen. Falls sich langfristig instabiles Verhalten andeutet, so soil es Moglichkeiten zur langfristigen Stabilisierung aufteigen. Konkrete Handlungsanweisungen werden von dem Modell nicht erwartet.

2-1.3

Das Wortmodell

Ausgangspunkt einer jeden Systemuntersuchung ist zunachst eine verbale, umgangsprachliche Beschreibung des darzustellenden Sachverbalts. Dieses Wissen wird aber selten ausreichen, um ein System giiltig darzustellen. Fast immer mussen Zlisatzliche Informationen, wissenscbaftliche Untersuchungen, MeBdaten, statistische Erhebungen, Diagramme, Hypothesen usw. die verb ale Systembescbreibung erganzen und prazisiereno Das 'Wortmodell' flir unser 'Weltmodell' k6nnte etwa wie foIgt Iauten: "Wzr beobachten heute weltweit eine zunehmende Belastung der natiirlichen Ressourcen und der natiirlichen Umwelt. Die Grilnde hierfilr sind einerseits eine stiindige Zunahme der Bevolkerung, damit auch der Verbriiuche der verschiedensten Rohstoffe und der damit verbundenen Abgabe von Abfallstoffen jeder Art am Ende ihrer Nutzung an die Umwelt. Eine wichtige BestimmungsgrofJe dieser Ressourcen- und Umweltbelastung ist der spezijische Verbrauch an Rohstoffen und Energie pro Kopf Dieser spezijische Verbrauch steigt noch tendenziell mit der wachsenden Umweltbelastung (durch wachsende Aufwendungen fUr Umweltschutz und schwieriger werdende Abbaubedingungen). Mit wachsendem spezifischen Konsum verbessem sich aber auch die Versorgungsmoglichkeiten, was einen entsprechenden EinflufJ auf die Bevolkerungsentwicklung hat. Aufgrund der wachsenden Umweltbelastungen mit Schadstoffen, wie auch der schwindenden natiirlichen Ressourcenbasis ergeben sich aber auch Ruckwirkungen aUf die Gesundheit und die Lebenserwartung der BevOlkerung. Die Umweltbelastungen und die Eingriffe in die natiirliche Ressourcenbasis fUhren zu wachsenden gesellschaftlichen Kosten, die wiederum ein zunehmendes gesellschaftliches Handeln erwarten lassen, um schiidlichen Entwicklungen zu begegnen. "

50

2 - Yom Wortmodell zum Wirkungsgraph

Wir wollen dieses Wortmodell als Ausgangspunkt nehmen, urn verschiedene formalisierte Systemdarstellungen Zll gewinnen. Entsprechende Modelle sollen uns neue und Zllsatzliche Aussagen liefern, die im Wortmodell selbst bisher nicht ausgedriickt sind, die sich aber mit der dort enthaltenden Information aus einem Systemmodell gewinnen lassen. 2-1.4

Die Modellgrofien

Als erstes ist Zll klaren, welche GraBen auch in das Modellsystem iibernommen werden miissen, urn damit die Entwicklung des Realsystems im Rahmen des Modellierungszwecks einigermaBen giiltig beschreiben Zll kannen. Offensichtlich muB die Vielzahl der GraBen im Realsystem auf eine kleine Zahl stellvertretender GraBen beschrankt werden, ohne daB allerdings verhaltensentscheidende GraBen herausgelassen werden. Dieser Vorgang der Komplexitatsreduktion, der Kondensation auf als wesentlich erkannte Zusammenhange, der Aggregation vieler ZustandsgraBen in einer stellvertretenden GraBe (z.B. Bevalkerung), der Vereinfachung und Zusammenfassung ist bereits bei der Formulierung des Wortmodells geschehen. Wir haben es hier mit einer Reduktion komplexer Zusammenhange auf ein relativ einfaches Denkmuster Zll tun. Dies ist typisch fUr den menschlichen InformationsverarbeitungsprozeB, der auf Komplexitatsreduktion, Musterbildung und Mustererkennung angewiesen ist. Da es sich hier prinzipiell urn einen subjektiven InformationsverarbeitungsprozeB handelt, der entscheidend durch Vorerfahrungen usw. gepragt ist, besteht durchaus die Maglichkeit, daB das Wortmodell keine adiiquate Beschreibung der Realitat ist. Wir wollen diese Maglichkeit hier nicht weiter verfolgen, sondern das Wortmodell benutzen, urn auf der Basis des dort ausgedriickten Wissens formalisierte Modelle zu erstellen. In einem ersten Schritt analysieren wir das Wortmodell zunachst auf die dort angesprochenen GraBen. 1m allgemeinen wird eine soIehe Betrachtung auch Hinweise auf weitere, im Text selbst nicht erwahnte GraBen geben, weil oft als bekannt vorausgesetzte Zusammenhange angesprochen werden, die dann aber in die Modellbildung u.V. einbezogen werden miissen. 1m vorliegenden Fall lassen sich aufgrund der Textaussagen die folgenden wichtigen GraBen erkennen: (1) (2) (3) (4) (5) 2-1.5

Bev61kerung Vmwelt- und Ressourcenbelastungen spezifischer materieller Verbrauch pro Kopf gesellschaftliche Kosten gesellschaftliches Handeln Wirkungsbeziehungen

Da das Wortmodell eine ErHiuterung von Zusammenhangen zwischen den ausgewahlten SystemgraBen ist, lassen sich ihm auch die Wirkungsbeziehungen entnehmen, die fUr die Modellerstellung erfordcrlich sind. Bei der Aufstellung der Wirkungsbeziehungen muB auf zwei Punkte besonders geachtet werden:

2-1 Erstellung des Wirlamgsgraphen

51

1. Es werden nur direkte Wirkungen betrachtet. 2. Jede Wirkungsbeziehung wird isoliert betrachtet, als ob der restliche Tell des Systems 'eingefroren' ware ('ceteris paribus'-Bedingungen). 1m Wortmodell ist z.B. festgehalten, daB sich bei Verschlechterung der Umweltbedingungen der materielle Aufwand (etwa zur Erzeugung einer Nahrungseinheit) erhi:iht (weil z.B. Nahrung aus unbelasteten Regionen importiert werden muB). Gleichzeitig ist aber auch zu erwarten, daB die damit wachsenden gesellschaftlichen Kosten zu entsprechendem gesellschaftlichen Handeln (z. B. Umweltschutz und Rezyklierung) fiihren, die letztendlich den materiellen Aufwand wieder verringern. Fur die Zwecke der Wirkungsanalyse ware es nun nicht richtig, diese Wirkungskette in einer indirekten Wirkungsaussage "Verschlechterung der Umweltbedingungen fiihrt zu Verringerung des materiellen Aufwands" zu verkiirzen. Vielmehr muB jede Direktwirkung einzeln aufgefiihrt werden; die indirekte Aussage folgt dann aus der Verkettung der Direktwirkungen. 1m Text des Wortmodells sind die folgenden direkten Wirkungsbeziehungen angesprochen: 1. Wenn die Bevi:ilkerung wachst, so wachst auch die Umwelt- und Ressourcenbela-

stung.

2. Wenn die Umwelt- und Ressourcenbelastung wachst, so wachst auch der spezifische

materielle Verbrauch.

3. Wenn der spezifische materielle Verbrauch wachst, so wachst auch die Umwelt- und Ressourcenbelastung. 4. Wenn der spezifische materielle Verbrauch sich erhi:iht (und sich damit die materiellen Bedingungen verbessern), so erhi:iht sich damit auch die Bevi:ilkerungszahl. 5. Wenn sich die Umwelt- und Ressourcenbelastung erhi:iht, so vermindert sich die Be-

vi:ilkerungszahl.

6. Wenn sich die Umwelt- und Ressourcenbelastung erhi:iht, so erhi:ihen sich damit auch die gesellschaftlichen Kosten. 7. Wenn sich die die gesellschaftlichen Kosten erhi:ihen, so ist mit entsprechend mehr gesellschaftlichem Handeln zu rechnen. 8. Gesellschaftliches Handeln wird dafiir sorgen, daB bei zu starkem Bevi:ilkerungswachstum dieses reduziert wird. 9. Gesellschaftliches Handeln wird dafiir sorgen, daB bei zu hohem spezifischen mate-

riellen Verbrauch dieser reduziert wird.

2-1.6

Logiscbe Deduktion

Das Wortmodell verbindet Wirkungsaussagen zu einem Aussagensystem, das benutzt werden kann, urn daraus logisch folgende SchluBfolgerungen zu ziehen. So etwa folgt aus den Aussagen, daB bei hoher Umwelt- und Ressourcenbelastung das daraus resultierende gesellschaftliche Handeln den spezifischen materiellen Verbrauch reduzieren ki:innte, urn damit den Druck auf die Umwelt zu verringern.

52

2 - Vom Wortmodell zum Wirkungsgraph

1m Prinzip ist bereits beim Wortmodell eine formalisierte Modelldarstellung maglich, die yom Rechner abgearbeitet werden kann, urn im Wortmodell implizit enthaltene 10gische SchluBfoIgerungen zu erzeugen. Dies wird dann interessant, wenn das Wortmodell groJ3e Mengen von Expertenwissen enthalt, das sich nicht mehr auf einfache Weise durchschauen und bearbeiten laBt. 1st dieses Wissen nach einem geeigneten Verfahren verkniipfbar formaIisiert worden, so Hillt sich der SchluBfolgerungsprozeJ3 mit Verfahren der nichtnumerischen Wissensverarbeitung (bzw. 'kiinstlichen IntelligellZ') auch yom Rechner durchfiihren. Aussagen wie die hier gezeigten lassen sich z.B. in der wissensverarbeitenden DEDUCSprache darstellen (s. hierzu BosseljHornungjMiil1er-Reillmann 1989). Ein Teil des Wissens ist in Form von Regeln (Implikationen) darstel1bar: Ifwiichst Bevolkerung(Zeit) orwachst Verbrauch(Zeit) then wadlst_Umweltlast(Zeit). Ifwachst Umweltlast(Zeit) then wachst_Kosten(Zeit), wachst_HandeIn(Zeit). If wachst Handeln(Zeit) then sinkt_Umweltlast( + Zeit).

Anderes Wissen ist besser durch Objektstrukturen abbildbar. Z.B. kannte hier 'Zeit' in Form einer 'Zeitkette' definiert werden (' + Zeit' ist der nachste Zeitpunkt der Zeitkette): gestern, heute, morgen, iibermorgen is Zeit. Aussagen iiber die Ausgangsbedingungen werden als Priimissen festgelegt, z.B.: wachst_Bevolkerung(heute) Aus dieser Wissensbasis ermittelt DEDUC die logischen Schlufifolgerungen (Konklusionen): wachst Umweltlast(heute) wachs(Kosten(heute) wachst Handeln(heute) sinkt_Umweltlast(morgen) Die bier fett gedruckten Worte if, then, or, is (sowie and) sind feste Schliisselworte mit entsprechender syntaktischer Bedeutung; alle anderen Begriffe kannen yom Programmbenutzer nach Belieben gewahlt werden. Dieses Primitivbeispiel soil nur die Arbeitsweise recbnergestiitzter Wissensverarbeitung demonstrieren; es entspricht nur einem Ausschnitt aus dem Wortmodell. Eine sinnvoll nutzbare nichtnumerische Modelldarstellung verlangt im allgemeinen eine umfangreiche und ausgefeilte Wissensbasis. Die rechnergestiitzte Wissensverarbeitung hat Vorteile, wenn eine groJ3e Zahl von Wirkungsbeziehungen gleichzeitig beachtet und hieraus logisch korrekte Schliisse gezogen werden sollen, und wenn es weiter vor allem urn qualitative Aussagen, weniger urn die Berechnung genauer Zahlenwerte geht.

53

2-1 Erstellung des Wirkungsgraphen

Dies ist etwa bei Folgenabschiitzungen oft gefordert. Abb. 2.1 zeigt einen Ausschnitt aus den SchluGfolgerungen einer 6kologischen Folgenabschiitzung des Maniokanbaus in Thailand (aus H. Bossel u.a. 1989, S. 62-104). Die Wissensbasis enthielt in dies em FaIle 86 zum Teil komplex:~ Regeln iiber Zusammenhiinge und Wirkungen aus dem Bereich der Landwirtschaft, Okologie, Wirtschaft und Biologie sowie 20 Objektstrukturen und etwa 40 Priimissen zur Beschreibung der konkreten Ausgangssituation. Diese Wissensbasis ist, je nach Spezifizierung des Ausgangszustands, fiir sehr unterschiedliche Folgenabschiitzungen verwendbar. Mit der rechnergestiitzten Wissensverarbeitung verfiigen wir iiber ein Instrument, urn qualitative Information (wie Wissen oder Vorstellungen iiber ein System) in einem Modell zusammenzufugen und dann logisch korrekt zu verarbeiten. Man beachte, daB hier der Rechner fallspezifisch aus dem abgespeicherten Wissen ein 'Modell' konstruiert, in dem er die unter den gegebenen Ausgangsbedingungen verkniipfbaren Aussagen miteinander verkoppelt. Diese M6glichkeit wird besonders in der objekt-orientierten Programmierung auch im numerischen Bereich ausgenutzt, wo die Abarbeitungsprozedur selbst nicht mehr festgelegt werden muG. Fragen der rechnergestiitzten Wissensverarbeitung sollen hier nicht weiter verfolgt werden. Wir wenden uns jetzt wieder der Erstellung des Wirkungsgraphen zu. Hierzu sollen zuniichst einige Regeln vereinbart werden.

pr ipso Nordos ten, PIanze it. P ••• NOT Eigenbedarf(Han iok, Tha i land, lei t) Transportweg( Nordos ten, EG, Gegenwart) Transportweg(Kilste,Nordosten,Gegenwart) Transportweg( EG, Nordosten, Gegenwart) Bevolkwachstum(Thai land,Planzeit) Bodenknapp(Thai land,Planzeit) Exportmagl ich(Haniok, Tha i land,Gegenwart) Transportweg( Nordosten, Nordosten, Gegenwart) HOT Arbeit(Nordosten,Planzeit) Al"1IlJt(Hordosten, Planzei t) NOT Oilngung(Nordosten,Planzeit) Anbauwunsch(Haniok ,Nordosten, Planzei t) HOT Schad I ing(Haniok, Tha i land, Gegenwart) HOT Ernteri s iko(Maniok, Tha iland, Gegenwart) NOT Spr i tzen(Haniok ,Nordos ten, Planze it) Exportwunsch(Maniok ,Nordosten, EG, Planzeit) Absatzmagl ich(Haniok, Nordosten, Planzei t) Verkaufm1ig1 ich(Maniok ,Nordosten, EG ,P lanzei t) gilnst igBedi ngung(Maniok, Nordos ten, Planze it) Anbau(Haniok ,Nordosten, Planzei t) Produk t i on(Man iok, Nordos ten, PI anze it) Ei nkonmen(Nordosten, Planzei t)

NOT Wasserha Itung(Nordosten, Planzeit) s i nktErtrag(Haniok ,Nordosten, Planzei t) Produkt i one Tapioka, Nordos ten, Planze it) verfilgbar(Maniok ,Hordos ten, Planzei t) verfilgbar(Tapioka, Nordos ten, Planze it) Eros 10n(Nordosten, Planzeit) Flutspltzen(Nordosten,Planzei t) Grwasserver I us t( Nordosten, PI anze it) s inktE i nkomnen(Nordosten, Planzeit) Bodenver lust( Nordosten, Planze it) Seenver landung( Nordos ten, PIanzei t) Unwe Itzers torung(Nordosten, PIanze it) Oberschwe!llllJng (Nordosten, PIanze it) Brunnentrocken( Nordosten, Planze it) Schu lden last(Nordosten, Planzei t) Neu Iandwunsch( Nordos ten, PIanze it) Nahrs tof fver I us t( Nordos ten, Planze it) F13chenver Ius t( Nordosten, PIanzei t) Wa Idrodung(Nordosten,P lanzei t) Ertragsver I ust(Nordosten , Planzei t) li ns last(Nordosten,P lanzei t) Artenver I ust(Nordosten, Planze it) Wa ldver lust(Nordosten, Planzei t)

Abb. 2.1: Ausschnitt aus den SchluBfolgerungen einer okologischen Foigenabschatzung des Maniokanbaus in Thailand mit dem wissensverarbeitenden Programm DEDUC. Die Konklusionen beziehen slch auf Foigen, die fOr die nahe Zukunft ("Planzeit") im Nordosten erwartet werden (aus Bossel/Hornung/MOiler-ReiBmann 1989).

54

2-1.7

2 - Yom Wortmodell zum Wirkungsgraph

Der Wirkungsgrapb

Die aus dem Wortmodell gewonnenen Wirkungsbeziehungen lassen erkennen, daB die verschiedenen SystemgroBen auf eine relativ komplexe Weise miteinander verkniipft sind. Aus der Betrachtung des Wortmodells oder der darin enthaltenden Wirkungsbeziehungen laBt sich aber ein Uberblick iiber die Zusammenhiinge meist nur schwer gewinnen. Diesen Uberblick verschafft in einfacher Weise der Wirkungsgraph, der die SystemgroBen und ihre wechselseitigen Wirkungsbeziehungen darstellt. Die SystemgroBen markieren dabei mit ihrem Namen die 'Knoten' des Graphen; die Wirkungen zwischen ihnen werden durch Pfeile in der Wirkungsrichtung dargestellt - die 'Kanten' des Graphen. Werden die Pfeile (Kanten) mit Vorzeichen und Zahlenwerten ('Wichtungen') versehen, urn Richtung und Starke der Wirkungen anzuzeigen, so sprechen wir von 'gewichteten' Graphen. Der Wirkungsgraph bildet die 'Struktur' des Systems abo Er ist daher auch die Grundlage fUr das Simulationsmodell. Wegen seiner Bedeutung fUr den Erfolg der Modellentwicklung muB der Wirkungsgraph sorgfaltig und genau erarbeitet werden. Bei dieser Arbeit sind einige Regeln sorgfaltig einzuhalten. 1. Systemgro6en bilden die 'Knoten' des Wirkungsgrapben.

In einem ersten Schritt werden die zu betrachtenden SystemgroBen als Punkte ('Knoten') aufgetragen. Es empfiehlt sich hierbei bereits etwas darauf zu achten, welche Knoten durch Wirkungsbeziehungen besonders stark miteinander verbunden sind. Urn allzu viele Uberschneidungen zu vermeiden, sollten diese Punkte benachbart sein. 2. Wirkungen bilden die 'Kanten' des Wirkungsgrapben. In einem zweiten Schritt werden die Wirkungsbeziehungen zwischen den Knoten durch Pfeile gekennzeichnet (,Kanten'). Ein von A nach B verlaufender Pfeil bedeutet: Die GroBe A wirkt auf die GroBe E. Wir legen uns hier strikt auf diese Bedeutung fest. Es sollte aber im Auge behalten werden, daB die Pfeildarstellung bei Systemuntersuchungen auch eine andere Bedeutung haben kann, (z.E. "Ereignis B folgt auf Ereignis A", liB ist A untergeordnet" oder "von A flieBt etwas nach B"). So werden z.E. in den Diagrammen der Simulationsverfahren DYNAMO und STELLA Pfeile verwendet, urn sowohl Wirkungen als auch Fliisse darzustellen - was das Verstandnis nicht gerade erleichtert. 3. Ein Plus-Zeicben an einem Wirknngspfeil deutet gleicbsinnige, ein Minuszeicben gegensinnige Wirkung an. Dem Wortmodell kann im allgemeinen entnommen werden, ob mit einem Anwachsen der GroBe A die GroBe B ebenfalls anwachst oder sich verringert. Die Art dieses Zusammenhangs wird im Wirkungsgraph mit dem Vorzeichen + oder - angegeben. Das Vorzeichen "+" bedeutet dabei eine gleichsinnige Veranderung der NehmergroBe (B) mit einer Veranderung der GebergroBe (A). (Falls A wachst, wachst auch B; falls A kleiner wird, wird auch B kleiner.) Eine gegensinnige Veranderung wird dagegen mit einem "-"-Zeichen gekennzeichnet. (Wenn A wachst, wird B kleiner; wenn A kleiner wird, wird B groBer.)

2-1 Erstellung des Wirkungsgraphen

55

Es ist allgemein ublich, nur gegensinnige Wirkungen mit einem Minuszeichen zu kennzeichnen. Ein fehlendes Vorzeichen bedeutet daher eine gleichsinnige Wirkung. Bei der Modellentwicklung auf der Grundlage des Wirkungsgraphen muB spater beachtet werden, daB die Plus- und Minuszeichen nicht unbedingt Addition oder Subtraktion signalisieren. Auch Verknupfung durch Multiplikation bzw. Division (und andere mathematische Formulierungen) kann gleich- bzw. gegensinnige Wirkung haben. 4. 1m Wirkungsgrapb diirfen nur direkte Wirkungen aufgenommen werden. Bei der Ermittlung der Wirkungsbeziehungen muB sehr darauf geachtet werden, daB es nicht zu unbeabsichtigten Doppelzahlungen kommt, weil direkte und indirekte Wirkungen nicht auseinandergehalten werden. Weill man z.E., daB sich bei Anderung der GroBe A auch B andert, wahrend B wiederum eine Anderung bei e hervorruft, so fuhrt der (richtige) SchluB "A andert e" zu der Versuchung, daher auch eine direkte Wirkungsverkniipfung von A nach e einzutragen (falsch). Dies ware nur zulassig, wenn B sich als eliminierbare ZwischengroBe herausstellen wiirde; die Wirkungsbeziehungen A - B und B - e miiBten dann aber gestrichen und durch A - e ersetzt werden. Der Wirkungsgraph darf daher nur die direkten Wirkungsbeziehungen wiedergeben, damit enthalt er dann auch die indirekten Wirkungen. Bei der Eintragung jeder Verkniipfung ist daher auch zu fragen, ob sie tatsachlich als direkte Wirkung vorhanden ist, oder ob man nicht eine indirekte Wirkung im Auge hat, die in Wirklichkeit iiber die Direktwirkungen zwischen weiteren SystemgroBen ablauft. Davon abgesehen wird es Falle geben, wo es sich tatsachlich urn verschiedene Wirkungen handelt, die getrennt abgebildet werden miissen (z.E. eine Wirkung A - B - e, und eine vollig anders geartete Direktwirkung A - C). 5. Bei der Betrachtung einer Wirkung miissen aIle anderen Wirknngsbeziebungen als momentan 'eingefroren' gedacht werden. Bei der Entwicklung des Wirkungsgraphen besteht die Versuchung, andere gleichzeitig ablaufende Wirkungen mitzudenken. Dies ist nicht nur nicht notwendig, es fuhrt zu Fehlern und ist prinzipiell nicht zulassig. Jede einzelne Wirkungsbeziehung muB unter 'ceteris paribus'-Bedingungen analysiert werden ("die anderen (Wirkungen) bleiben gleich"). Diese isolierte Betrachtung jeder Wirkungsbeziehung ohne gleichzeitige Beriicksichtigung anderer Zusammenhange erleichtert die Arbeit. Das Zusammenspiel der Wirkungen ergibt sich spater durch die Zusammenhange und Ruckkopplungen des Wirkungsgraphen. 6. Der Wirkungsgraph gilt nur fiir einen bestimmten Ausgangszustand; dieser muB eindeutig definiert sein. In einem System konnen sich im Laufe der Zeit oder im Laufe seiner Entwicklung Parameter andern, Wirkungen neu auftreten (oder alte entfallen), oder die Vorzeichen von Wirkungen umkehren. Fiir verschiedene Stadien der Entwicklung gelten daher moglicherweise verschiedene Wirkungsgraphen. Es ist deshalb notwendig, den Ausgangszustand, fur den der Wirkungsgraph gelten solI, eindeutig zu definieren und wahrend der ganzen Entwicklung des Wirkungsgraphen an dieser Definition festzuhalten.

2 - Yom Wortmodell zum Wukungsgraph

56

7. Eine ungerade Zahl von Minuszeichen in einer Wrrkungskette ergibt eine gegensinnige Gesamtwirkung; eine gerade Zahl eine gleichsinnige Gesamtwirkung. Aus den Vorzeichen der Wirkungen in einer offenen oder geschlossenen Wirkungskette (Riickkopplung) Hillt sich auf den Wirkungssinn vom ersten auf den letzten Knoten schlieBen. Minuszeichen an zwei Pfeilen einer Wirkungskette bedeuten daher z.B. eine zweimalige Umkehr des urspriinglichen Wirkungssinns, d. h. die Wiederherstellung des urspriinglichen Wirkungssinns. Generell gilt: "Minus mal Minus gleich Plus". 8. Der Wirkungssinn einer Riickkopplungsschleife kann durch ein entsprechendes Vorzeichen in Klammern angedeutet werden. Das riickgekoppelte Signal eines Riickkopplungskreises hat dann - und nur dann - das gleiche Vorzeichen wie das Ausgangssignal, wenn der Kreis eine gerade Zahl von negativen Vorzeichen (-) besitzt (positive Riickkopplung). Bei einer ungeraden Zahl negativer Vorzeichen im Riickkopplungskreis ergibt sich eine Umkehr des Vorzeichens des Ausgangssignals nach Durchlauf des Ruckkopplungskreises (negative Riickkopplung). Der Wirkungssinn folgt aus der Zahl der negativen Vorzeichen der einzelnen Wirkungsbeziehungen im Riickkopplungskreis (s. Regel 7). Das entsprechende Vorzeichen kann innerhalb der Riickkopplungsschleife in Klammern angegeben werden. 9. Eine negative Riickkopplung bedeutet tendenziell eine Stabilisierung, eine positive Riickkopplung eine Destabilisierung. Bei negativem Gesamtvorzeichen der Riickkopplungsschleife ist der urspriingliche Wirkungssinn nach Durchlaufen der Schleife umgekehrt worden. In vielen Hillen (nicht immer!) bedeutet dies eine Dampfung (d.h. Stabilisierung) der anfanglichen Einwirkung. Bei positivem Vorzeichen ergibt sich dagegen eine Riickkopplungswirkung mit dem gleichen Wirkungssinn der anfanglichen Einwirkung. Dies wird oft (nicht immer!) zur Verstarkung (d.h. Destabilisierung) der urspriinglichen Einwirkung fiihren. Bei einer genaueren Betrachtung miissen die Wichtungen (= Verstarkungsfaktoren) der Einzelwirkungen beriicksichtigt werden (s. unten). Die Verwendung dieser Regeln soIl in einem Beispiel gezeigt werden, das wesentliche Wirkungsbeziehungen bei Klimavedinderungen wiedergibt (Abb. 2.2). Zwischen den vier SystemgroBen globale Durchschnittstemperatur, arktische EisfHiche, Albedo (Riickstrahlung) und Warmeabsorption bestehen vier Wirkungsbeziehungen:

r Albedo (Ruckstrahlung)

~

Absorption von Sonnenstrahlung

G Eisflache

~/

" Temperatur

Temperatur



)

Abb. 2.2: Wirkungsgraph der Zusammenhange zwischen Einstrahlung. Erwarmung und Eisflache.

57

2-1 Erstellung des Wirkungsgraphen

1. Bei Temperaturanstieg(-absinken) verringert (vergroJ3ert) sich die Eisflache (gegensinnige Wirkung, daher Minuszeichen am Wirkungspfeil). 2. Bei VergroJ3erung (Verkleinerung) der Eisflache vergroJ3ert (verkleinert) sich das Albedo (gleichsinnige Wirkung, daher Pluszeichen am Wirkungspfeil). 3. Bei VergroJ3erung (Verkleinerung) des Albedo verringert (vergroJ3ert) sich die Absorption von Sonneneinstrahlung (gegensinnige Wirkung, daher Minuszeichen am Wirkungspfeil). 4. Bei groJ3erer (kleinerer) Absorption von Sonnenstrahlung erhOht (verringert) sich die globale Durchschnittstemperatur (gleichsinnige Wirkung, daher Pluszeichen am Wirkungspfeil). Ausgangspunkt der Graphenentwicklung ist der gegenwartige Zustand. Offensichtlich sind die vier Wirkungen in einer Rtickkopplungsschleife verbunden, die positives Vorzeichen hat. Es ist daher (in diesem einfachen Schema) tendenziell eine Verstarkung einer ursprunglichen Storung zu erwarten: Wird die Durchschnittstemperatur aus irgendeinem Grund erhOht (verringert), so verstarkt sich tiber die Rtickkopplung dieser Trend noch weiter in Richtung einer TemperaturerhOhung (Temperaturverringerung). Man beachte, daB der Wirkungsgraph mit seinen Vorzeichen sowohl fUr den Fall der Erwarmung ('Warrnzeit') wie fur den der Abkiihlung ('Eiszeit') gilt. Unter Verwendung der Regeln liiJ3t sich auch der Wirkungsgraph fUr das Weltmodell erstellen. Die funf SystemgroJ3en sind tiber die oben ermittelten neun Wirkungsbeziehungen miteinander verkntipft. Abb. 2.3 zeigt den Wirkungsgraphen fUr das 'Weltmodell'. Dies ist der erste Schritt in der Formalisierung der verbalen Aussagen des Wortmodells. Handeln

Kosten

Bevolkerung

\ +

___

+

Umwelt- und ::I:sourcen-

.--

+

spezif. mat. Verbrauch

\~stun~

Abb. 2.3: Wirkungsgraph des einfachen 'Weltmodells·.

2 - Vom Wortmodell zum Wirkungsgraph

58

2-2

Qualitative Analyse des Wirkungsgraphen

2-2.1

Aussagen mit Hilfe des Wirkungsgraphen

Ohne quantifizieren oder rechnen zu miissen, liefert der Wirkungsgraph (z.B. Abb. 2.3) bereits eine Fiille von Informationen, die zu einem besseren Verstiindnis des Gesamtsystems fuhren. Bevor man sich allerdings an die Analyse des Graphen macht, sollte zuniichst einmal geprUft werden, ob mit einer anderen Darstellung die Zusammenhange nicht noch etwas libersichtlicher dargestellt werden konnten. Flir jeden Graphen gibt es viele verschiedene Moglichkeiten der Darstellung. Vorzuziehen sind meist Darstellungen, die mit moglichst wenig Dberkreuzungen der Wirkungspfeile auskommen. In unserem Faile wollen wir fur die weitere Diskussion eine etwas andere Darstellung aIs in Abb. 2.3 wahlen. Zuniichst fuhren wir fur die funf SystemgroBen Abkiirzungen ein, die wir auch bei spiiterer Computerbearbeitung verwenden konnen: YOLK LAST KONS KOST HAND

Bevolkerung Umwelt- und Ressourcenbelastung spezifischer materieller Verbrauch (Konsum) pro Kopf gesellschaftliche Kosten gesellschaftliches Handeln.

Unter Verwendung dieser Abkiirzungen zeichnen wir den Wirkungsgraph des Weltmodells neu (Abb. 2.4). Wenn sich auch ein giinzlich anderes Bild ergibt, so hat sich doch an den Wirkungsbeziehungen nichts geiindert, wie sich leicht iiberpriifen liiBt. Urn einige wichtige Begriffe erlautern zu konnen, fugen wir noch zwei zusatzliche Knoten und entsprechende Kanten (gestrichelt) hinzu: KATA mogliche Katastrophen, die zur Bevolkerungsreduzierung fuhren RSIG Resignation aufgrund der hohen gesellschaftlichen Kosten. Anhand des Graphen der Abb. 2.4 lassen sich nun einige wichtige Begriffe erlautern. Folge: Eine Folge ist eine Aufeinanderfolge von Knoten, die u.u. mehrfach durchlaufen werden. In Abb. 2.4 ist die Wirkungskette YOLK - LAST - KONS - LAST eine Folge. Pfad: Ein Pfad ist eine Folge, bei der aIle Knoten jedoch nur einmal durchlaufen werden. In Abb. 2.4 ist die Wirkungskette YOLK - LAST - KONS ein Pfad. Kreis (Zyklus): Ein Kreis ist ein in sich geschlossener Pfad. In Abb. 2.4 stellt die Verbindung YOLK - LAST - KONS - YOLK einen Kreis dar (Riickkopplung).

KATA YOLK 0-----

+ LAST

KONS

Abb. 2.4: Umgezeichneter Wirkungsgraph des Weltmodells.

+ KOST

+HAND

2-2 Qualitative Analyse des Wirkungsgraphen

59

Schleife: Eine Schleife ist eine in sich geschiossene Folge. In Abb. 2.4 gilt dies z.E. fur die Wirkungskette YOLK - LAST - KONS - LAST - YOLK. Kritisches Element: Ein kritisches Element ist ein Knoten, durch den eine relativ groBe Zahl von Verbindungen laufen. Bei Fortfall dieses Knotens wilrde sich die Struktur und damit der Charakter des Systems wesentlich verandern. In Abb. 2.4 kann vor allem der Knoten 'LAST' als kritisches Element bezeichnet werden. Kritischer Pfad: Ein kritischer Pfad vereinigt besonders viele Wirkungen, insbesondere als Tell von mehreren (Riickkopplungs-)Kreisen. In Abb. 2.4 ist dies der Fall besonders fur die Verbindung YOLK - LAST. QueUe: Eine Quelle ist ein Element, in das keine Pfade einmiinden und von dem nur Pfade ausgehen. In Abb. 2.4 ist der Knoten KATA eine Quelle. Senke: Eine Senke ist ein Element, in dem ausschlieBlich Pfade enden, aber von dem keine Pfade ihren Ausgang nehmen. In Abb. 2.4 ist der Knoten RSIG eine Senke. Erreichbarkeit: Manche Elemente sind iiber die vorhandenen Pfade nicht von allen Elementen des Systems her erreichbar. In Abb. 2.4 ist der Knoten KATA von keinem der anderen Systemelemente her erreichbar und damit auch nicht beeinfluBbar. 2-2.2

Riickkopplungen

Das 'Weltmodell' in Abb. 2.4 hat nicht weniger als sechs Riickkopplungskreise, d.h. Wirkungspfade, die wieder zu ihrem Ausgangspunkt zuriickfiihren: 1) 2) 3) 4) 5) 6)

YOLK LAST YOLK LAST YOLK YOLK

.... .... ... .... ... ...

LAST KONS LAST KOST LAST LAST

.... ... ... ... ... ...

YOLK LAST KONS HAND KOST KOST

... ... ... ...

YOLK KONS ... LAST HAND ... YOLK HAND ... KONS ... YOLK.

tIber den Riickkopplungskreis lauft eine am Anfangspunkt aufgegebene Storung wieder zu diesem zuriick. Auf dies em Pfad bleibt sie im allgemeinen nicht unverandert. Sie kann abgeschwacht oder verstarkt werden (wir kommen spater darauf zuriick); vor allem aber besteht die Moglichkeit, daB sich das Vorzeichen der Storung urnkehrt. In Abb. 2.4 fiihrt z.E. eine Zunahme bei YOLK gleichfalls zu einer Zunahme bei LAST (positives Vorzeichen der Wirkungsverbindung). Diese Zunahme bei LAST wird nun aber mit negativen Vorzeichen auf YOLK wieder riickgekoppelt, so daB sich hieraus eine Abnahme bei YOLK ergibt. Da beim Durchlaufen der Riickkopplung das Vorzeichen der Storung umgekehrt wurde, liegt eine negative Riickkopplung vor. 1m Gegensatz dazu bleibt beim Durchlaufen der Schleife LAST - KONS - LAST das Vorzeichen der urspriinglichen StOrung erhalten, hier besteht eine positive Riickkopplung. Die tatsachliche Entwicklungsdynamik eines Systems mit Riickkopplungskreisen muE aus einer genaueren numerischen oder analytischen Untersuchung kommen. 1m 'Weltmodell' der Abb. 2.4 laBt sich feststellen, daB die Schleifen 2 und 3 einen tendenziell storungsverstarkenden Effekt haben, wahrend die Schleifen 1, 4, 5 und 6 storungsdampfend wirken. Ob die vier negativen Riickkopplungen ausreichen, urn die tendenzielle Instabilitat der zwei anderen positiven Riickkopplungen aufzuwiegen, kann nur eine genauere Untersuchung am dynamischen Gesamtmodell zeigen.

60

2 - Vom WortmodeZl zum Wirkungsgraph

2-2.3

Wirkungsmatrix nnd Quantifizierung

Die im Wirkungsgraphen enthaltene Information laBt sich auch in einer quadratischen Matrix, der sogenannten Wirkungsmatrix, darstellen. Diese Wirkungsmatrix ist zwar weit weniger anschaulich als der Graph selbst, sie ist aber flir die weitere numerische oder analytische Bearbeitung eine Voraussetzung. Urn die Wirkungsmatrix aufzubauen, werden zunachst die Zeilen und Spalten mit den Namen der Knoten gekennzeichnet. Die Wirkungsbeziehungen werden dann zunachst durch Plus- bzw. Minus-Zeichen in der Matrix markiert. Wir gehen hier so vor, daB die Zeile einer Matrix die Beitrage der verschiedenen Knoten zur Zustandsanderung an den am Zeilenanfang stehenden Knoten bezeichnet. Abb. 2.5 zeigt die Verkniipfungsmatrix flir das 'Weltmodell'. Die Zustandsanderung flir YOLK wird dies em Schema entsprechend aus einem negativen Beitrag von LAST, einem positiven Beitrag von KONS und einem negativen Beitrag von HAND ermittelt. Fiir erste grobe Stabilitatsabschatzungen eignet sich die mit Betragen von 1 quantifizierte Wirkungsmatrix (im rechten Teil der Abb. 2.5). Stehen z.B. an den Knoten LAST, KONS und HAND jeweils Werte von 1, so ergibt sich hieraus der neue Wert flir YOLK mit -1 + 1-1 = -1. I

diese ZustandsgroBe ergibt sich aus diesen Beitriigen

..

YOLK LAST KONS

YOLK

I

+

LAST

+

HAND KOST

KONS

HAND

YOLK

KOST,.J

+ +

+

KONS

HAND

+1 +1

-1

0 0 0

-1

YOLK

0

-1

LAST

+1

0

0 0 0

+1

KONS

+

LAST

HAND KOST

0

+1

0 0 0

KOST

0 0 0

+1 0

~--------------------~

Bsp.: VOLK = -1' LAST + l ' KONS -1' HAND falls LAST = 1, KONS = 1, HAND = 1: VOLK = -1

Abb.2.5: Ungewichtete Verknupfungsmatrix des Weltmodells.

Da die Verwendung von Betragen der GroBe 1 in der Verkniipfungsmatrix selten auch nur annahernd der Wirklichkeit entspricht und sich andererseits aus der Verwendung dieser Werte kaum Rechenvorteile gegeniiber realistischeren Werten ergeben, empfiehlt es sich meist, den weiteren Rechnungen einen genauer quantifizierten Graphen zugrunde zu legen. Wir betrachten hier nur die Wichtung der Kanten mit konstanten Parametern, obwohl prinzipiell auch zeitabhangige Parameter oder komplexere Funktionen der Knotenzustande angegeben werden konnen. Bei der Erstellung des gewichteten Graphen muE man sich zunachst dariiber klarwerden, ob die Wichtungen sich auf die Zustandsanderungen oder die Zustande des Geberknotens beziehen soli en. Die erste Moglichkeit (Ermittlung der Pulsfortptlanzung) bedeutet, daB die Zustandsveranderung an einem Knoten (Nehmerknoten) aus den vorhergehenden Zustandsanderungen seiner Geberknoten berechnet wird, gewichtet mit den vorzeichen-behafteten Wichtungen der entsprechenden Verbindungskanten. 1m zweiten Faile (Ermittlung der Zustandsentwicklung) wird die Zustandsanderung am Nehmerknoten berechnet aus den Zustanden der Geberknoten selbst, multipliziert mit den Wichtungen der Verbindungskanten.

61

2-2 Qualitative Analyse des Wirkungsgraphen

VOLK LAST KONS HAND

VOLK

LAST

KONS

HAND

0 1 0 0

-0.1 0 1.1 C

0.3 1 0 0

-0.1 0 -1 0

-0.1

Abb. 2.6: Gewichteter Wirkungsgraph und entsprechende Wirkungsmatrix fOr das Weltmodell.

Wir entscheiden uns im vorliegenden FaIle (Abb. 2.6) fUr die Berechnung der Pulsfortpflanzung. Es solI also ermittelt werden, wie Anderungen ('StOrungspulse') der Zustande der Knoten im Wirkungsgraph weitergegeben werden. So bedeutet die Wichtung + 1.1 an der Verbindung LAST - KONS, daB sich bei einer 10%igen Vedinderung der Umweltbelastung LAST der materielle Pro-Kopf-Verbrauch KONS um 11% erhOht. Es ist offensichtlich, daB die Quantifizierung nur in der Nahe eines bestimmten Ausgangszustands ihre Giiltigkeit haben wird. Es ist deshalb wichtig, bei der Quantifizierung von einem festgelegten Ausgangszustand auszugehen und dann diesen wahrend des ganzen Wichtungsvorgangs konsequent festzuhalten. Die Aussage jeder Wichtung w ist dann wie folgt zu verstehen: "Wenn sich am Geberknoten A eine Veranderung um den Wert x (in den Einheiten der ZustandsgroBe des Geberknotens) ergibt, dann fUhrt dies am Nehmerknoten zu einer Zustandsveranderung um den Beitrag wx (in den Einheiten der ZustandsgroBe des Nehmerknotens)." Oft ist es zweckmaBig, als Anderungseinheiten relative Angaben zu nehmen (%). Bevor wir den Graphen des Weltmodells quantifizieren, stellen wir noch fest, daB die GroBe KOST lediglich eine ZwischengroBe ist und die beiden Kanten LAST - KOST und KOST - HAND zusammengefaBt werden konnen zu einer einzigen Kante LAST HAND. Damit vereinfacht sich der Graph auf 4 Knoten und 8 Kanten. Die Quantifizierung des Wirkungsgraphen beruht auf den folgenden Annahmen: AIle ZustandsgroBen (Knoten) werden als relative Knoten definiert, mit einem heutigen Ausgangszustand von 100% (in der Analyse selbst spielen die Zustandswerte keine Rolle, da lediglich die .Anderungen der ZustandsgroBe betrachtet werden). Der quantifizierte Graph der Abb. 2.6 spiegelt die folgenden Annahmen wider: - Bine Zunahme der Bevolkerung YOLK um 1% fUhrt zu einer Zunahme der Umwelt- und Ressourcenbelastung LAST um ebenfalls 1%. - Eine Zunahme von LAST um 1%, fUhrt zu einer Zunahme des spezifischen materiellen Verbrauchs KONS um 1.1 %. (Hierbei ist berucksichtigt, daB bei zunehmender Umwelt- und Ressourcenbelastung die Aufwendungen fUr Umweltschutz und Ressourcengewinnung iiberproportional steigen). - Eine Zunahme von LAST um 1% fUhrt zu einer Abnahme von YOLK um 0.1 % (Gesundheitsschadigungen durch Umweltschadstoffe usw.).

62

2 - Yom Wortmodell zum Wirkungsgraph

- Eine Zunahme von KONS urn 1% fiihrt zu einer Zunahme von LAST urn 1%. - Eine Zunahme von KONS urn 1% fiihrt zu einer Zunahme von YOLK urn 0.3% (hierin steckt die Annahme, daB mit einer ErhOhung des materiellen Wohlstands auch zunachst noch eine Verbesserung der Lebensbedingungen einhergeht). - Eine ErhOhung von LAST urn 1% fiihrt zu einer zunachst noch nicht weiter spezifizierten Verstarkung gesellschaftlichen Handelns HAND von C%. Wir werden spater die Pulsdynamik in Abhangigkeit von diesem Eingriffsparameter C untersuchen. - Eine ErhOhung von HAND urn 1% fiihrt zu einer Absenkung von KONS urn ebenfalls 1% (gesellschaftliches Hande1n im Bereich von besserer Ressourcennutzung kann wirkungsvoll zu einer Absenkung des spezifischen Verbrauchs fiihren). - Eine ErhOhung von HAND urn 1% fiihrt zu einer Reduzierung von YOLK urn -0.1 % (auch erhebliche gesellschaftliche Anstrengungen fiihren nur zu einer relativ kleinen Absenkung der Bevolkerungszahl). Mit den Wichtungen der einzelnen Kanten lassen sich aus dem Wirkungsgraph (Abb. 2.6) die Riickkopplungsfaktoren der einzelnen Riickkopplungskreise berechnen: Riickkopplungskreis 1 YOLK - LAST - YOLK: Riickkopplungsfaktor (+ 1) . (-0.1) = -0.1 Riickkopplungskreis 2 LAST - KONS - LAST: Riickkopplungsfaktor (Ll) . (1.0) = Ll Riickkopplungskreis 3 YOLK - LAST - KONS - YOLK: Riickkopplungsfaktor (+ 1) . (+ Ll) . (+ 0.3) = 0.33. Riickkopplungskreis 4 LAST - HAND - KONS - LAST: Riickkopplungsfaktor (+C)' (-1)' (+ 1) = - C. Riickkopplungskreis 5 YOLK - LAST - HAND - YOLK: Riickkopplungsfaktor ( + 1) . ( + C) . (-0.1) = -0.1 C. Riickkopplungskreis 6 YOLK - LAST - HAND - KONS - YOLK: Riickkopplungsfaktor (+ 1) . (+C)' (-1)' (0.3) = -0.3 C. Falls der Betrag des Riickkopplungsfaktors groBer als "1" ist, so wachst offensichtlich beim Durchlaufen des Riickkopplungskreises die anfangliche Stonmg im Betrag jedesmal urn diesen Faktor; der Riickkopplungskreis ist instabil. AuBerdem kann noch bei jedem Durchlauf ein Vorzeichenwechsel eintreten. Verringert sich der Eetrag der St6rung im Laufe der Zeit, so ist der Riickkopplungskreis stabil. Mit diesen Uberlegungen ergeben sich fiir die einzelnen Riickkopplungskreise (RK) die folgenden Aussagen: RK1 ist fiir sich genommen stabil, RK2 instabil, RK3 stabil, RK4 stabil fiir IC I < 1 und RKS stabil fiir IC I < 10. Welche Stabilitat sich fiir das System als Ganzes ergibt, ist aus dieser Analyse allerdings nicht zu erkennen. Hierzu muB eine genaue numerische Untersuchung (PulsprozeB) oder eine analytische Untersuchung (Eigenwerte der Wirkungsmatrix) gemacht werden. Wir werden darauf zurUckkommen. Aus dem Graph und den Riickkopplungsdaten geht auch hervor, daB durch .Anderung einiger Wichtungen (hier besonders: C) eine Veranderung des Riickkopplungsfaktors bzw. des Vorzeichens der Riickkopplung und damit eine Anderung des Stabilitatsverhaltens moglich ware. Offensichtlich laBt sich das Stabilitatsverhalten des Systems be-

63

2-2 Qualitative Analyse des Wirkungsgraphen

einflussen durch (1) .Anderungen der Wichtungen, (2) Hinzufiigen oder Weglassen von Wirkungsbeziehungen und (3) durch das Hinzufiigen oder Weglassen von Knoten mit den dazugeh6rigen Verbindungen. Mit den Wichtungen der einzelnen Wirkungen des Wirkungsdiagramms ergibt sich nun die quantifizierte Wirkungsmatrix (Abb. 2.6). Diese quadratische Matrix (auch: Systemmatrix A) ist die Grundlage fiir weitere Untersuchungen zu Struktur und Verhalten des Systems. 2-2.4

Papiercomputer von Vester

Frederic Vester hat einen 'Papiercomputer' angegeben, mit dem sich auf einfache Weise aus der quantifizierten Wirkungsmatrix einige interessante Aussagen uber das System gewinnen lassen (F. Vester 1976, S. 61-63. Achtung: Urn bei unserer Form der Systemmatrix zu bleiben, werden Zeilen und Spalten der Matrix gegenuber der Vester'schen Beschreibung vertauscht!). Wir beriicksichtigen im folgenden nur die Starke der Wirkungen, nicht ihr Vorzeichen, und bilden die Spalten- und Zeilensummen der Betdige der Wichtungen in der Wirkungsmatrix. Jede Spaltensumme ist die Summe der WirkungssHirken einer SystemgroBe. Sie ist daher ein MaB fiir den aktiven EinfluB einer bestimmten GroBe im System. Sie wird daher als Aktivsumme AS bezeichnet. Jede Zeilensumme ist die Summe der Wirkungstiirken aller GraBen auf eine SystemgroBe. Sie ist daher ein MaB fiir die passive Aufnahme von Wirkungen durch eine bestimmte GroBe im System. Sie wird daher als Passivsumme PS bezeichnet. Aus AS und PS lassen sich nun Quotienten und Produkte bilden, die AufschluB uber die relative Bedeutung der verschiedenen Elemente im System geben. Aktive Elemente sind Elemente, die alle anderen stark beeinflussen, selbst aber wenig beeinfluBt werden. Sie haben daher einen hohen Wert Q = ASjPS. Passive Elemente sind Elemente, die alle anderen nur schwach beeinflussen, selbst aber stark beeinfluBt werden. Fur sie ist der Wert Q = ASjPS relativ gering. Kritische Elemente sind Elemente, die die anderen Elementen sowohl stark beeinflussen, wie auch von ihnen stark beeinfluBt werden. Fur sie ist der Wert P = AS· PS hoch. PufTernde Elemente sind Elemente, die die anderen Elemente nicht nur wenig beeinflussen, sondern auBerdem von ihnen auch nur wenig beeinfluBt werden. Fur sie ist der Wert P = AS· PS besonders niedrig. Wenn wir diese einfachen Rechnungen an der Wirkungsmatrix des Weitmodells (mit C = 0.3) durchfiihren (Abb. 2.7) so ergibt sich aktives Element: passives Element: kritisches Element: pufferndes Element:

HAND KONS LAST HAND

(Qrnax = (Qrnin = (P (P:::

3.67) 0.62) 3.00) 0.33)

Durch Veriinderung von Wichtungen in der Wirkungsmatrix kann man sich leicht davon uberzeugen, daB diese Klassifizierung stark von der Wichtungswahl abhiingt.

2 - Vom Wortmodell zum Wir/amgsgraph

64

diese GroBe wird von diesen Wirkungsbeitragen veranderl

.j,

.j, KONS

HAND

PS

P=AS·PS

YOLK

0

0.1

0.3

0.1

0.5

0.5

LAST

1

0

1

0

2

KONS

0

1.1

0

1

2.1

2.73

HAND

0

C=0.3

0

0

0.3

0.33

AS

1

1.5

1.3

1.1

Q=AS/PS

2

0.75

0.62

3.67

YOLK

LAST

3

PS AS am..

Passivsumme Aktivsumme 'aktives Element' (HAND)

am,"

'passives Element' (KONS)

Pm"

'kritisches Element' (LAST)

Pm'"

'pufferndes Element' (HAND)

Abb. 2.7: Anwendung des Vester'schen Paplercomputers auf das Weltmodell.

2-3

Fortpflanzuug von Storungen im Wirlrnngsgraphen

2-3.1

Riickkopplungsprozesse und Stabilitiit

Wenn der Wirkungsgraph mit seinen Einzelwirkungen und deren Vorzeichen und Wichtungen bekannt ist, so laBt sich iiber die Wirkungsketten auch verfolgen, wie eine anfangliche St6rung von Knoten zu Knoten weitergegeben wird. Hat der Wirkungsgraph keine Riickkopplung, so erreicht eine einmalige StOrung schlieBlich auch den letzten erreichbaren Knoten; danach kann keine weitere Veranderung mehr stattfinden. Gibt es aber eine oder mehrere Riickkopplungen, so werden die Folgewirkungen einer einmaligen AnfangsstOrung weiter im System 'kreisen'. Entsprechend den Riickkopplungsfaktoren k6nnen sie dabei schwacher oder starker werden. Da RiickkoPplungskreise oft einige Wirkungsbeziehungen gemeinsam haben, beeinflussen sich solche Riickkopplungskreise offensichtlich auch gegenseitig. Das dynamische Verhalten eines Wirkungsgraphen in Reaktion auf eine St6rung ist daher im allgemeinen erst durch eine genaue Rechnung oder Analyse ermittelbar. Wir befassen uns im folgenden mit M6glichkeiten der Berechnung. Dazu miissen wir zunachst noch einmal das Geschehenin Riickkopplungskreisen betrachten. Was in Riickkopplungskreisen geschieht, wollen wir uns anhand der Abb. 2.8 verdeutlichen. In diesem einfachen Beispiel haben wir es an dem einzigen Knoten mit einer Zustandsgr6Be x zu tun, die zunachst einen Anfangswert Xo besitzt. Der ProzeB beginne zur Zeit t = O. Mit einer Zeitverz6gerung von At = 1 werde das 'Geschehen' am Knoten zur Zeit t = 0 iiber den Riickkopplungskreis 'in einer bestimmten Form' wieder an den Knoten zuriickgemeldet, urn hieraus einen neuen Zustand zur Zeit t = 1 zu berechnen. Dieser wiederum dient zur Berechnung des weiteren 'Geschehens' am Knoten zur Zeit t = 2, 3, ... n, also nach n-fachem Durchlaufen des Riickkopplungskreises. Wir betrachten hier also zunachst zeitdiskrete Prozesse, die in vorgegebenem Zeittakt ablaufen. Wir haben hier die Art des 'Geschehens' am Knoten wie auch der Riickmeldung zunachst offengelassen, weil prinzipiell verschiedene M6glichkeiten bestehen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen fiihren. Grundsatzlich solI in allen Fallen aber gelten, neuer Zustand

=

alter Zustand + Riickmeldung + StOrung (von auBen)

2-3 Fortpf!anzung von Storungen im Wirkungsgraphen Storung I

65

neuer Zustand ::;: alter Zustand + Zustandsanderung Zustandsanderung ::;: Ruckmeldung (+ Storung)

Abb. 2.8: ROckkopplung.

Fiihren wir ein: neuer Zustand - alter Zustand = Zustandsanderung, so k6nnen wir auch schreiben Zustandsanderung

= Riickmeldung + St6rung.

Wir wollen hier untersuchen, we1che Reaktion sich im Riickkopplungskreis auf eine einmalige St6rung zur Zeit t = 0 ergibt, die fUr t > 0 wieder verschwindet. Aus dies em Grunde k6nnen wir schreiben fur die Zeit t = 0: Zustandsanderung = St6rung und fUr alle Zeiten danach Zustandsanderung = Riickmeldung. Was mit einer St6rung im Kreis geschieht, hangt also von der Art der Riickmeldung abo Diese Riickmeldung kann vom Zustand des Knotens oder von der Zustandsanderung am Knoten selbst abhangen. Wir wollen den ersten Fall als Zustandsriickkopplung, den zweiten Fall als Anderungsrfickkopplung bezeichnen. 1m allgemeinen Fall liegen in beiden Fallen funktionale Abhangigkeiten vom Zustand bzw. der Zustandsanderung vor. Fiir unsere Diskussion geniigt es, die FaIle zu betrachten, wo Zustand bzw. Zustandsanderungen mit positiver oder negativer Wichtung w rUckgemeldet werden. Wir haben also die folgenden FaIle zu unterscheiden: (1) ZustandsrUckkopplung (der alte Zustand bestimmt die neue Zustandsveranderung) oder AnderungsrUckkopplung (die alte Zustandsveranderung bestimmt die neue Zustandsveranderung) (2) positive Riickkopplung (Plus) oder negative Riickkopplung (Minus) (3) Betrag der Verstarkung (Wichtung w kleiner 1, w = 1, w gr6Ber 1). Die M6glichkeiten einer Zustandsrfickkopplung sind in Abb. 2.9 angedeutet. Wenn wir uns auf die proportionale Abhangigkeit vom Zustand beschranken, so ergibt sich Zustandsveranderung

= Riickmeldung = Wichtung' alter Zustand.

'Wichtung' schlieBt hier Vorzeichen und Betrag ein. Abb. 2.9 (links) zeigt, was hier bei einer positiven Riickkopplung (w = + 1) zu erwarten ist. Ein anfanglicher Zustand von 1 am Knoten wird nun wiederum als "1" zurUckgemeldet. Dieser Veranderung von 1 wird nun zum alten Zustand hinzuaddiert, so daB sich ein neuer Zustand von "2" ergibt. Dieser fiihrt wiederum zu einer neuen Riickmeldung von "2". Damit ergibt sich zur Zeit t = 2 bereits ein Zustandswert von 2 + 2 = 4. Zur Zeit t = 3 folgt ein Zustand von "8" usw. Das Verhalten ist instabil, die Zustandsgr6Be nimmt sehr rasch hohe Werte an.

2 - Yom Wortmodell zum Wzrkungsgraph

66

Zustand

Zustand Xk+l

w=1

co

Zeit

= x.(1

+ w)

w = -1 Zeit

Abb. 2.9: Zustandsriickkopplung 1m diskreten ProzeB mit Wlchtungsbetrag I w I = 1. Links positive Riickkopplung: der Zustandswert verdoppelt sich in jedem Zeitschritt. Rechts negative Riickkopplung: yom Ausgangszustand wird der gleiche Wert abgezogen; danach blelbt der Zustand auf Null.

Zustand

Zustand

Zustand

/

/ /

=1

< 1 L J_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ - .

Zeit Zustand

Zeit Zustand

I wi

= 1

Zeit Zustand

Iw I


1

'---!H-+--+-+-+-----. Zeit

Abb. 2.10: Anderungsriickkopplung im diskreten ProzeB. Der Betrag der Anderung pro Zeitschritt verringert sich standig, wenn Iwl < 1 (Stabiiisierung). Bei positiver Riickkopplung (oben) verandert sich der Zustand monoton; bei negativer Riickkopplung kann es zu standigen Vorzeichenwechseln kommen.

2-3 Fortpf!anzung von Storungen im Wirkungsgraphen

67

Anders fUr den Fall negativer Riickkopplung mit w = -1 (s. Abb. 2.9 rechts). In d~~sem Falle ruhrt ein Anfangswert von 1 zu einer Riickmeldung von -1. Addition dieser Anderung zu dem urspriinglich vorhandenen Zustandswert gibt einen neuen Zustandswert von "0". Dieser Wert ruhrt ebenfalls zu einer Riickmeldung von 0, so daB hiemach die ZustandsgrbBe den konstanten Wert 0 einnimmt. Das System ist unter dieser Bedingung stabil. Offensichtlich sind Betrag und Vorzeichen der Wichtung entscheidend rur die Stbrungsdynamik. Der Vorgang der Zustandsruckkopplung laBt sich ausdriicken als Xk + 1 - xk = W xk wobei xk Zustand zur Zeit

~,

k

= 0, 1, 2, ....

Aus dieser Beziehung laBt sich der neue Zustand angeben:

xk + 1 = (1 +w) xk Offensichtlich wachst hier der Betrag des Zustands x standig an, wenn Stabile Entwicklungen ergeben sich also nur, wenn -2 < w < 0 .

11 +wi>

1.

Bei der Anderungsriickkopplung wird die Riickmeldung aus der Zustandsveranderung am Knoten, nicht aber aus dem Zustand selbst bestimmt. Es gilt also Zustandsanderung

= Riickmeldung =

Wichtung· Zustandsvedinderung.

Wir betrachten in Abb. 2.10 (oben) zunachst die positive Anderungsruckkopplung. 1m Fall w = + 1 ruhrt eine anfangliche Veranderung von + 1 zu einer Riickmeldung von ebenfalls + 1 und damit zu einer emeuten Veranderung von wiederum + 1, so daB bei jedem Durchlauf des Riickkopplungskreises der Wert der ZustandsgrbBe urn 1 erhOht wird. Die Riickmeldung seIber verandert sich dabei nicht, sie hat standig einen Betrag von + 1. 1st der Betrag der Wichtung w kleiner 1, so verringert sich der Betrag der Riickmeldung standig, und der Zustandswert nahert sich einem Grenzwert an. 1st dagegen die Wichtung w grbBer 1, so wachsen die Betrage der Riickmeldungen standig weiter an. Es ist hier festzuhalten, daB sich bei der Anderungskopplung trotz des positiven Vorzeichens des Riickkopplungskreises stabiles Verhalten ergeben kann, solange der Riickkopplungsfaktor kleiner 1 ist. Die negative Anderungsruckkopplung ruhrt zu Oszillationen urn den Ausgangszustand, da einer positiven Zustandsanderung eine negative folgt, usw. (Abb. 2.10 unten). 1st die Wichtung w = -1, so ruhrt jede Zustandsveranderung am Knoten zu einer gleichgroBen, aber entgegengesetzten Veranderung durch die Riickmeldung. Da diese gleich der neuen Veranderung ist, ruhrt dies in der nachsten Zeitperiode noch einmal zu einer entsprechenden Umkehr des Ausschlags. 1st der Betrag der Wichtung allerdings kleiner 1, so werden die Ausschlage mit jedem Zeitschritt kleiner und damit im Laufe der Zeit ausgedampft. 1st die Wichtung w gr6Ber 1, so wachs en die hin und her pendelnden Zustandsanderungen standig. Trotz des negativen Vorzeichens des Riickkopplungskreises zeigt sich in letzterem Falle also instabiles Verhalten, wenn der Betrag der Wichtung grbBer 1 ist. Dieser Vorgang der Anderungsriickkopplung laBt sich ausdrucken durch

xk +1 - xk =

W

(xk - xk _1).

2 - Vom Wortmodell zum Wzrlamgsgraph

68 Wird die Zustandsanderung als PuIs definiert Pk

= "x - xk_1

so Hillt sich die Anderungsruckkopplung auch ausdrucken als PuIsproze.B Pk+l

= wPk·

Offensichtlich wiichst bier der Betrag der Zustandsiinderung (des Pulses) stiindig, wenn wi> 1. Eine stabile Entwicklung kann sich daher nur ergeben, wenn die Wichtung im Bereich -1 < w < 1 ist.

I

In dieser Diskussion des Riickkopplungsverhaltens von Graphen fUr einen diskreten Zeittakt lassen sich zwei verschiedene Arten von Stabilitiit unterscheiden. Einmal geht es urn die Veranderung der Zustandswerte am Knoten. Zustandsstabilitat ist dann gegeben, wenn die Folge der Zustandswerte mit zunehmender Zeit einem Grenzwert zustrebt. Hiervon zu unterscheiden ist Pulsstabilitiit. Pulsstabilitat ist dann gegeben, wenn die Folge der diskreten Zustandsveranderungen mit der Zeit einem Grenzwert zustrebt. Der Unterschied ist in dem einfachen Ruckkopplungskreis der Abb. 2.8 leicht ersichtlich: 1m FaHe einer Wichtung von w = + 1 ergibt sich bei der Anderungsriickkopplung bei jedem Durchlauf eine ErhOhung des Zustands urn den Betrag 1, wiihrend der Ruckmeldungswert selbst (der PuIs) mit + 1 konstant bleibt. Das System ist pulsstabil, wiihrend der Zustand keinem Grenzwert zustrebt und daher instabil ist. Bisher haben wir diskrete Ruckkopplungsprozesse betrachtet, bei denen ruckgekoppelte Signale nach einer endlichen Zeitverzogerung At wieder am Ausgangspunkt erschienen (Abb. 2.8). In dies em Buch befassen wir uns dagegen vor aHem mit zeitkontinuierlichen Prozessen, deren Zustande zu jeder Zeit definiert sind. Treten hier Ruckkopplungen auf, so sind sie von der Art (Abb. 2.11): Zustandsiinderungsrate = Zustandsiinderung pro Zeiteinheit = Ruckmeldung = Wichtung . Zustand. Die Zustandsiinderungsrate, d.h. die Zustandsiinderung pro Zeiteinheit wird durch das Differential nach der Zeit angegeben, d.h. dxjdt= w ·x.

Das Zeitverhalten dieses Riickkopplungsprozesses ist durch die Lasung dieser Differentialgleichung beschrieben x

= xoewt

e

= 2.7182818 ...

wobei Xo = Anfangszustand. Da gilt eO

dx dt

= 1

und fUr

a < 0

fUr

a > 0 Abb. 2.11: ROckkopplung im kontinuierlichen ProzeB: der Zustand x bestimmt seine Veranderungsrate dx/dt = wx.

2-3 Fortpfianzung von Stomngen im Wirlamgsgraphen

69

so folgt, daB die Wichtung der einfachen kontinuierlichen Ruckkopplung (Abb. 2.11) gleich Null sein oder negatives Vorzeichen haben muB, wenn der ProzeB stabil sein solI: w

~

0

fiir StabiliHit.

1m folgenden verwenden wir diese Ubedegungen, urn die Fortpflanzung von StOrungen im Wirkungsgraphen auf zwei verschiedene Weisen zu untersuchen: erstens als diskreten PulsprozeB, zweitens als ProzeB kontinuierlicher Zustandsveranderung. 2-3.2

Pulsprozefi im Weltmodell

Urn das Zusammenspiel der Rtickkopplungskreise in der Wirkungsstruktur und damit die Verhaltensdynamik des Systems als Ganzes zu ermitteln, mtissen die Zustandsveranderungen an den einzelnen Knoten als Funktion der Zeit ermittelt werden. Diese Veranderungen ergeben sich aus den Eintragungen der Wirkungsmatrix. So ist etwa die Zustandsanderung am Knoten i gleich der Summe der Wirkungen aller auf ihn einwirkenden Knoten. Diese Wirkungen wieder bestimmen sich aus der Zustandsanderung am betreffenden Knoten mal der Wirkungswichtung. Diese Betrachtungsweise entspricht dem diskreten PulsprozeB. Bezeichnen wir die Pulse (Zustandsveranderungen) an den Knoten YOLK, LAST, KONS und HAND mit den Buchstaben V, L, K und H, so ergibt sich fiir das Weltmodell aus der Wirkungsmatrix (Abb. 2.6) direkt (mit k als fortlaufendem Index der diskreten Zeit): -0.14 + 0.3 Kk -0.1 Hk Vk+ 1 = + 1· Kk 4 +1 = 1· Vk -1· Hk +1.14 Kk+ 1 = H k+ 1 =

+C·4

Die Pulse V~, 4, ~ und Hk stellen kleine Storungen des Ausgangszustands dar, durfen also nicht rmt den Zustanden YOLK, LAST, KONS, HAND verwechselt werden. Bei der Berechnung eines Pulsprozesses werden an einem oder mehreren Knoten zu vorgegebenen Zeitpunkten StOrungen (Pulse) einer bestimmten GroBe aufgegeben, und es wird berechnet, wie sich diese StOrungen tiber die verschiedenen Wirkungsverkntipfungen mit der Zeit fortpflanzen. Die Berechnung der Pulsdynamik soli die Frage beantworten, ob anfangliche Storungen im System gedampft werden, ob sie moglicherweise zu Schwingungen fiihren oder ob die Storungen immer weiter verstarkt werden. Der Rechengang folgt also der Vorschrift Pk+1

= APk

Dies ist die kompakte Vektorform der vier Pulsgleichungen, wobei A die Systemmatrix (Abb. 2.6) ist und Pk = (Vk' 4, Kk, H k) der Pulsvektor zum Zeitschritt k. Fur diese Rechnungen verwenden wir das Programm WELTPULS (Programm 2.1). In diesem Programm wird zunachst der Eingriffsparameter C abgefragt. Danach werden Graphikparameter definiert und die Anfangswerte der Knoten festgelegt. (1m Beispiel werden die StOrungen an allen Knoten anfangs auf Null und nur bei LAST auf 1 gesetzt). Danach werden in der Zeitschleife die jeweils neuen Pulswerte an den Knoten

70

2 - Yom Wortmodell zum Wirkungsgraph

program we1tpu1s; (* H.Bosse1: Hodellbi 1dung und Simulation 910503 *) uses crt ,graph; var vo 1k, last ,kons, tun, vo 1kNeu, 1astNeu,konsNeu, tunNeu,C, t:rea 1; antwort: string; weiter: boolean; graphDri ver ,graphMode: integer; sX,sy ,xnu11 ,ynu11 ,xsca1e,ysca 1e: integer; begin weiter := true; while (we i ter ) do begin c1rscr; write 1n (' PUlSDYNAHIK EINES HINI-WEl THODEllS' ); write1n; write1n ('Eingriffsparameter C (0.4)'); read1n (C); graphDriver := detect; initGraph (graphDriver, graphHode, "); sx := (getHaxX+1) div 100; sy := (getHaxY+1) div 100; xnull := round(O*sx); ynull := round(50*sy); 1 i ne (xnu11+round(100*sx) ,ynu 11 ,xnu 11 ,ynu 11); moveTo(xnu11 ,ynu11); xsca1e := 1; ysca1e := 100; t := 0; vo1k := 0; last := 1; (* Anfangspu1s hier*) kons := 0; tun := 0; while t 1

then OF = 1 else OF = L*/L =0

o

Abb. 3.6: Simuiationsdiagramm des Teilmodeils LAST mit Strukturumschaltung bei Oberkritischer Umweltbelastung. Links: Darsteilung 1m Detail; rechts; verkOrzta Darstailung dar Schaltfunktion.

Als Symbol fur Schaltfunktionen verwenden wir den Rhombus (Abb. 3.3 und Abb. 3.6). Zwar Hillt sich die Schaltfunktion symbolisch so darstellen, daB dieser Darstellung alle Einzelheiten fur die Programmierung direkt zu entnehmen sind (Abb. 3.6a), doch empfiehlt sich oft die Verwendung der vereinfachten Form (Abb. 3.6b), bei der die Schaltfunktion selbst als logischer Ausdruck angegeben wird. Fur das Teilmodell Umweltbelastung ergibt sich damit folgendes Verhalten: Wenn der Schadstoffeintrag den kritischen Wert a-L* uberschreitet, so kommt es zu einem sHindigen Anwachsen der Umweltbelastung. Dagegen stabilisiert sich das System unabhangig yom Ausgangszustand im FlieBgleichgewicht (Abbau = Eintrag), wenn der Schadstoffeintrag S die kritische Belastung a-L* nicht uberschreitet. Da wir mit relativen ZustandsgroBen arbeiten wollen, setzen wir im Weltmodell die Kapazitatsgrenze L * = 1. Fur den Anfangswert der Umweltbelastung und die spezifische Abbaurate wahlen wir die folgenden Quantifizierungen: Lo= 1 a = 0.1

[-] [1/Jahr]

(3.9)

d.h. normalerweise wird 1/10 der Umweltbelastung pro Jahr abgebaut; die Zeitkonstante der Umweltbelastung ist daher l/a = 10 Jahre. (Die Zeitkonstante ist der Kehrwert der spezifischen Veranderungsrate). 3-1.4

Teilmodell Entwicklung des spezifiscben Konsums

Die Entwicklung des spezifischen Konsums ist weitgehend 'autokatalytisch', d.h. es besteht eine positive Ruckkopplung zwischen dem Konsumniveau und seiner Wachstumsrate. In der Statistik zeigt sich dies im (relativ bestandigen) Wachstum etwa des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in vielen Liindern. Diese in Abb. 3.7a gezeigte Struktur fUhrt bei konstanter Wachstumsrate c zu exponentiellem Wachstum des spezifischen Konsumniveaus. dK/dt = c·K

3-1 Differenziemng eines Modellkonzepts: Beispiel Weltmodell

87

~ c Abb. 3.7: Simulationsdiagramm des Teilmodells KONS fOr die Entwicklung des spezifischen Konsums. Links: unbegrenztes Wachstum; rechts: logistisches Wachstum bis an einen Grenzwert 1If.

Exponentielles Wachstum kann es auch beim Konsumniveau auf Dauer nicht geben, da die notwendigen Material- und Energiefiiisse und insbesondere die damit verbundenen Umweltbelastungen an Grenzen stoBen, die ohne Zusammenbruch des Gesamtsystems nicht iiberschritten werden kannen. Wir miissen also auch hier eine mehr oder weniger realistische Wachstumsbegrenzung einfiihren. Sinnvoll ist die Vorstellung einer Kapazitatsgrenze und die Modifizierung der Wachstumsrate in einer Weise, daB sie sich bei Annaherung an die Kapazitatsgrenze K* auf Null reduziert. Dies kann erreicht werden durch den 'logistischen' Ansatz dK/dt = cK(l- fK)

(3.10)

Dabei bestimrnt der Kapazitatsfaktor f = (l/K*), auf welchem Konsumniveau Sattigung eintritt; bei f = 0.1 hort das Wachstum z.E. auf, wenn sich K dem Wert 10 nahert. Diese Grundstruktur verwenden wir auch fUr das Weltmodell. Sie ist in Abb. 3.7b wiedergegeben. Wie V und L, so solI auch K in relativen Einheiten angegeben werden. Den Anfangswert und die spezifische Wachstumsrate des Konsums quantifizieren wir mit

Ko=

1

[-]

c = 0.05 [l/Jahr]

(3.11)

Der Sattigungsfaktor f bleibt zunachst undefiniert; wir werden ihn iiber die Kopplung mit den anderen Teilmodellen bestimrnen. 3-1.5

Verkopplung der Teilmodelle

Die drei Teilmodelle fUr die Entwicklung von Bevolkerung, Umweltbelastung und Konsum sollen nun in der Weise verkoppelt werden, wie das in der urspriinglich entwickelten Wirkungsstruktur (Abb. 3.1) vorgesehen war. Dabei ist noch einmal im einzelnen kritisch zu priifen, wie diese Verkopplung genau auszusehen hat, d.h. wie welche der verschiedenen GraBen eines Teilmodells mit welcher GroBe eines anderen Teilmodells zu verkoppeln ist. Bei den folgenden Betrachtungen muG im Auge behalten werden, daB wir V, Lund K als relative GroBen definiert haben, deren Werte sich in der GroBenordnung von "1" bewegen sollen. Wir beginnen mit der Verkopplung von LAST nach YOLK (Gewichtung -0.1 C). Diese war intendiert als MaBnahme zur Bevalkerungskontrolle in Reaktion auf hohe Umweltbelastung. Sie muG daher bei der Geburtenrate ansetzen. Ausgangspunkt ist

88

3 - Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell

zweckmaBigerweise der bereits definierte Umweltqualitatsfaktor Q = L *IL = IlL. Bei sinkender Umweltqualitat wiirde dann die Geburtenrate entsprechend verringert. Die Starke der Wirkung ist durch den Faktor g zu beeinflussen. Die zweite Kopplung von LAST nach YOLK (Gewichtung -0.1) sollte den gesundheitsschadlichen EinfluB der Umweltbelastung durch Verringerung der mittleren Lebenserwartung beschreiben. Sie muB deshalb von L auf die Sterberate wirken: je hOher die Umweltbelastung, urn so haher die Sterberate. Da der Normalwert von Linder Gra13enordnung von 1liegt, benutzen wir L direkt (Gewichtung 1) als Faktor flir die Ster- . berate. Die Kopplung von YOLK nach LAST kann nur in Verbindung mit der Kopplung von KONS nach LAST gesehen werden. Der Schadstoffeintrag hangt sowohl von der Bevalkerungsgra13e wie von der Hohe des spezifischen Konsums ab und ist damit proportional zum Produkt (VK). Als Wichtungsfaktor wird e = 0.02 angesetzt. Das bedeutet z.B., daB bei V = 5 und K = 1 der Schadstoffeintrag gerade dem hOchstmaglichen Abbau von (a-L*) = (0.1)'1 entspricht. Die Kopplung von KONS nach YOLK sollte eine ErhOhung der Zahl der (~berlebenden) Kinder pro Familie bei wachsendem materiellen Wohlstand darstellen. Ahnlich wie bei der Verbindung von L auf die Sterberate ist es auch hier sinnvoll, K direkt auf die Geburtenrate wirken zu lassen, mit Gewichtung 1. Die Kopplung von LAST nach KONS sollte darstellen, daB sich mit einer ErhOhung der Umweltbelastung auch der spezifische Konsum erhOht (durch aufwendigere Umweltschutz- und Abbauma13nahmen, durch hOheren Aufwand flir Dlinger und Biozide, durch erschwerte Rohstoffgewinnung usw.). Das bedeutet, daB L auf die Wachstumsrate von K wirkt. Auch hier kann wieder ein einfacher proportionaler EinfluB mit Gewichtung 1 angenommen werden. Die noch verbleibende Kopplung von LAST nach KONS mit der von der EingriffsHirke abhangigen Gewichtung solI bewirken, daB das Wachstum des Konsumniveaus eine Grenze findet. Es ist deshalb hier sinnvoll, L mit dem Sattigungsterm so zu verkoppeln, daB die Wichtung der Verkopplung durch den Kapazitatsfaktor f im Teilmodell fur die Konsumentwicklung (Abb. 3.7) ausgedriickt wird. Bei fehlendem Eingriff, also f = 0, entfallt die Sattigung und der Konsum wachst exponentiell. Das Gesamtmodell mit seinen Teilmodellen und Verkopplungen ist in Abb. 3.8a dargestellt. Wir erkennen hier die vorher entwickelten Teilmodelle wieder. Wird die jetzt iibernommene Verkopplung der Teilmodelle noch einmal gezeichnet (Abb. 3.8b) und mit der urspriinglich entwickelten Wirkungsstruktur (Abb. 3.1) verglichen, so zeigt sich Ubereinstimmung - bis auf die multiplikative Verkniipfung von YOLK und KONS mit LAST. Aus der Diskussion nichtlinearer Verkopplungen in Kap. 2-3.4 (vgl. die Linearisierung des Rauber-Beute-Modells, Kap. 7-1.12) wissen wir inzwischen, daB (flir den Fall, daB eine Linearisierung zulassig ist) sich eine multiplikative Verkniipfung zweier Gra13en durch Linearisierung in zwei (additive) Einzelverbindungen auflasen laBt. Damit ergibt sich dann (von den Gewichtungen abgesehen) wieder der Wirkungsgraph der Abb. 3.1. Die Grundstruktur des einfachen linearen Graphen der Abb. 3.1 und des nichtlinearen Modells der Abb. 3.8 entsprechen sich daher.

89

3-1 DiJferenzierung eines Modellkonzepts: Beispiel Weltmodell

9

VOLK I

LAST I I

I

L _______ __________

J

Abb. 3.8: Das Weltmodell nach Verkopplung der Tellmodelle VOLK, LAST und KONS. Oben: Simulationsdiagramm; unten: Verkopplungsstruktur der Tellmodelle.

Wir erhalten jetzt fur das Gesamtsystem die folgenden nichtlinearen Differentialgleichungen - am einfachsten direkt durch Abschreiben aus Abb. 3.8a: dV/dt

=

bVg'(L*/L)'K-dVL

(3.12a)

dL/dt

=

eKV - a-L*

(fur L > L*)

(3.12b)

dL/dt

=

eKV - a-L

(fur L ~ L*)

dK/dt

=

cKL (1- KLf)

(3.12c)

mit den Anfangsbedingungen Vo

= 1,

Lo

= 1, Ko = 1

(3.12d)

90

3 - Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell

und den Parametern a = 0.1, b = 0.03, c = 0.05, d = 0,01, e = 0.02

(3. 12e)

Der Eingriffsparameter g sollte in der Nahe von 1 gewahlt werden; der Eingriffsparameter f kann zwischen etwa 0 und 10 liegen. 3-1.6

Simulationen mit einem einfachen Simulationsprogramm

Wir wollen - zunachst unter Verzicht auf professionelle Simulations-Software - mit dem mathematischen Modell (Gl. 3.12) ein Simulationsprogramrn erstellen, das uns einen ersten raschen Einblick in das Systemverhalten geben soIl. Wir k6nnen hier auf das bereits friiher verwendete Programrn WELTCONT (Programrn 2.2) zuriickgreifen, bei dem wir nur die neuen Modellgleichungen und einige kleine Erganzungen einfiigen mussen. Das neue Programrn WELTSIM (Programrn 3.1) zeichnet auBerdem die Ergebnisse fur die drei Zustandsgr6Ben als Zeitkurven auf (dunner Strich: Umweltbelastung L, mittlerer Strich: Bev61kerung V, dicker Strich: Konsumniveau K). Wir setzen in den folgenden Laufen den die Geburtenrate beeinflussenden Eingriffsparameter g durchweg auf 1 und experimentieren mit verschiedenen Eingriffsparametern f, d.h. mit dem Sattigungsniveau fur den spezifischen Konsum. Fur unbeschranktes Wachstum (f = 0) ergibt sich nach etwa drei Jahrzehnten relativ langsamen Wachsturns von V, Lund K ein explosionsartiges Anwachsen des spezifischen Konsums und der Umweltbelastung. Dies fuhrt zu ziernlich p16tzlichem Zusammenbruch der Bev6lkerung (Abb. 3.9a). Auch bei sehr niedrigen Werten von f (f < 0.1) zeigt sich diese Tendenz zu p16tzlichem explosionsartigen Anwachsen von K und L mit nachfolgendem Zusamrnenbruch der Bev61kerung. Die Bev6lkerung bleibt danach so lange auf einem Wert nahe Null, bis die Umweltbelastung wieder so weit abgebaut ist, daB ein neuer Wachstumsschub m6glich ist. Hieraus ergibt sich ein stark gedampftes periodisches Verhalten des Modells. Abb. 3.9b zeigt einen entsprechenden Laufuber 500 Jahre fur f = 0.03. Hier zeigt das Modell eine Periode von etwa 120 Jahren.

uolk

9

=

=

4.4~O,

l.OO~

f

last

;: o~oo~

=Zf!itl"'autt 69.083,

;:

kons

= 1121. 395

50

uolk

'3

=

0.739,

= 1.00..

last

r = 0.03,

=

4.~~~,

Ze:itr ........ :

kons = SOO

7.373

Abb. 3.9: Simulationsergebnisse des Weltmodelis. Links: Zusammenbruch bei unbeschranktem Wachstum. Rechts: Starke Schwingungen, wenn der Konsumanstieg nur wenig gedampft ist.

3-1 Differenzierung eines Modellkonzepts: Beispiel Weltmodell program weltsim; (* H.Bossel: Modellbildung und Simulation 910512 *) uses ert,graph,sereopy; var volk,last,kons, tun,volkRate,lastRate,konsRate, tunRate, f ,g,dt, t:real; qua l,abbau,a,b,e,d,e, final,xsea le,ysea le: real; antwort,volkstr, laststr ,konsstr, fstr ,gstr, finstr: string; weiter,drucken,PrinterOK: boo lean; graphDriver ,graphMode,sx,sy,xnull,ynull: integer; begin weiter := true; while (weiter) do begin elrser; writeln ('DYNAMIK EINES NICHTLINEAREN MINI-WELTMODELLS'); writeln; writeln ('Eingriffsparameter 9 (1)'); readln (g); writeln ('Eingriffsparameter f (0.1)'); readln (f); writeln ('Zeitraum [Jahre] (200)'); readln (final); graphDriver := detect; initGraph (graphDriver, graphMode, "); sx := (getMaxX+l) div 100; sy := (getMaxY+l) div 100; xnull :a round(O*sx); {Nullpunkt} ynull := round(90*sy); 1i ne (xnu 11 +round(100*sx) ,ynu 11 ,xnu ll,ynull); moveTo(xnull,ynull) ; xsea le := 100/fina 1: {Ska 1ierung} ysea le := 20; {Parameter} t :a 0: a := 0.1: b:= 0.03; e:= 0.05; d:= 0.01; e:= 0.02; dt := 0.2: volk := 1; last:= 1; kons:= 1; {Anfangswerte} while t=l then {Zustandsgleichungen (Raten)} abbau := a*last else abbau := a"last"qua 1; lastRate := e*kons*volk - abbau; konsRate := e"kons"last*(1-(kons*last*f)); volk := volk+volkRate*dt; {numerische Integration} last := last+ lastRate*dt; kons := kons+konsRate*dt; if (volk+last+kons»1000 then t:=final; end; str( vo lk :6: 3, vo lkstr); str( last: 6: 3, laststr); str(kons :6: 3, konsstr); str(g:3:2,gstr); str(f:3:2, fstr); str(final :5:0, finstr); OutTextXY (xnull, ynull+10,'volk = '+volkstr+', last = '+laststr+', kons = '+konsstr); OutTextXY (xnull, ynull+20,'g = '+gstr+', f = '+fstr+', Zeitraum = '+finstr); if drucken=true then graf24(40,3,3,PrinterOK); readln; closeGraph; writeln ('noch mal? (j/n)'); readln (antwort); if (antwort='n') or (antwort='N') then weiter := false; writeln ('drucken7 (j/n)'); readln (antwort); if (antwort='n') or (antwort='N') then drucken := false else drucken : - true; end; end.

Programm 3.1: WELTSIM.PAS. Simulationsmodell eines kontinuierlichen Systems ('Weltmodell').

91

3 - Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell

92

uolk = 1.558. 9 1 .. 00~ f =

=

last

O.10~

=

3.11'. k""" = 3.208 ZeitratM = 500

volk

9

=

7.211.

:: 1.00,

last

f:;: 1.00,

=

1.442.

Zeitr-iMJI'\.

=kons500=

0."3

Abb. 3.10: Simulationsergebnisse des Weltmodells bei starker gedampftem Konsumanstieg. Die Gleichgewichtswerte sind stark vom Sattigungsparameter f abhanglg.

Erst wenn der Eingriffsparameter f tiber 0.1 anwachst, ergibt sich etwas weniger dramatisches Verhalten (Abb. 3.10). In dies en Laufen zeigt sich nun sehr deutlich auch ein Einschwingen auf einen Gleichgewichtspunkt mit konstanten Werten fur die drei ZustandsgraBen. Wir finden die folgenden Gleichgewichtswerte: Eingriffsparameter

f

v

L

K

0.1 0.5 1.0

1.558 4.543 7.211

3.119 1.817

3.208 1.101 0.693

1.442

Es zeigt sich, daB ein hohes Konsumniveau mit einer niedrigen Bevalkerung im Gleichgewicht einhergeht, wahrend ein niedrigeres Konsumniveau eine hahere Bevalkerungszahl ermaglicht. 3-1.7

Giiltigkeit der Modellformulierung

Das Modell WELTSIM verhalt sich im groBen und ganzen plausibel. Dieser erste Eindruck darf aber nie dazu verleiten, den Modellergebnissen nun ohne weitere Uberpriifung von Modell und Ergebnissen bedingungslos zu glauben oder sie gar zur Grundlage wichtiger Entscheidungen zu machen. Zunachst muB noch einrnal tiberpriift werden, ob die mathematische Ableitung und die Programmierung der Gleichungen fehlerfrei sind. Danach miissen - im Rahmen des vorgegebenen Modellzwecks - die Strukturgiiltigkeit, die Verhaltensgiiltigkeit, die empirische Giiltigkeit und die Anwendungsgiiltigkeit iiberpriift werden. Der Strukturgiiltigkeit galt bei der Entwicklung der Teilmodelle und ihrer Verkopplung hauptsachlich unsere Aufmerksamkeit. Ftir den zu Beginn von Kap. 2 festgelegten Modellzweck, "mit einer maglichst geringen Zahl von GraBen qualitativ richtige Aussagen" zu machen, erscheint die Formulierung ausreichend und strukturell giiltig zu sein. Die Verhaltensgiiltigkeit des Modells ergibt sich wesentlich aus der Struktur, den gewahlten Komponenten und ihren Verkniipfungen; sie ist damit auch mit der Strukturgiiltigkeit verbunden. Die Verhaltensgiiltigkeit fordert dariiber hinaus aber auch ein mit dem Realsystem vergleichbares Verhalten bei Wahl realistischer Systemparameter (hier die Konstanten a bis e). PrUfpunkte sind hier z.B.

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

-

93

Geschwindigkeit von Veriinderungsprozessen Schwingungsperioden Maximal- und Minimalwerte Phasenverschiebungen zwischen ZustandsgraBen Gleichgewichtswerte Stabilitiitsverhalten Verhalten unter extremen Bedingungen Plausibilitiit

Unter dies en Gesichtspunkten betrachtet, sind die Ergebnisse von WELTSIM nicht implausibel. 1m Rahmen des Modellzwecks schlieBen wir auf Verhaltensgiiltigkeit. Eine empirische Giiltigkeit, d.h. zahlenmii.J3ige Ubereinstimmung mit der Realitiit, ist dagegen auf keinen Fall gegeben. (Aus den Simulationen diirfen daher keine konkreten Schliisse gezogen werden!) Hierfiir hiitte das Modell nicht nur in realen GraBen mit meBbaren Entsprechungen im Realsystem formuliert werden miissen. Auch die Parameter, vor all em aber die Zusammenhiinge (etwa der EinfluJ3 der Umweltbelastung auf die Geburtenrate) hiitten wesentlich genauer (und komplexer) erfaBt und formuliert werden miissen. Die Anwendungsgiiltigkeit wiederum - als einfaches didaktisches Modell zur Demonstration der dynamischen Effekte elementarer Zusammenhiinge zwischen der Umwelt und der menschlichen Gesellschaft - durfte gegeben sein. Wir werden auf die Modellbildung mit realen, dimensionsbehafteten GroBen zuriickkommen, nachdem wir uns im nachsten Abschnitt mit einigen grundsiitzlichen Betrachtungen tiber SystemgraBen beschiiftigt haben.

3-2

Systemelemente und Elementarsysteme

3-2.1

Diiferenzierung der Systemelemente

Bei der Betrachtung von Wirkungsgraphen in Kap. 2 und der sorgfiiltigeren Formulierung des 'Weltmodells' im vorstehenden Abschnitt 3.1 ist klar geworden, daB fur eine zuverliissige Ermittlung der Dynarnik eines Systems zwischen grundsiitzlich andersartigen Typen von Systemelementen unterschieden werden mu13: 1. Vorgabegro6en, d.h. Parameter und exogene Einwirkungen (Sechsecksymbol), d.h.

GraBen, die auf das System einwirken, aber von diesem nicht beeinfluJ3t und veriindert werden kannen.

2. Zustandsgro6en (Rechtecksymbol), d.h. SpeichergraBen, in denen sich der gegenwiirtige Zustand eines Systems auch als Ausdruck seiner Geschichte widerspiegelt. 3. Zwischengro6en (Kreis- oder Ellipsesymbol), d.h. GraBen, die jederzeit direkt aus Vorgabe- und/oder ZustandsgraBen ermittelt werden kannen. Die Veriinderungsraten der ZustandsgraBen gehOren zu dieser Kategorie. Bevor wir uns in folgenden Abschnitten mit der Erstellung weiterer Simulationsmodelle befassen, sollen jetzt zuniichst (mit den Erfahrungen aus der Erstellung des Weltmodells)

94

3 - Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell

- die Systernelernent-Typen - die grundsatzliche Art ihrer Verknupfung - oft auftretende elementare Systemstrukturen und ihre Verhaltenseigenschaften genauer beschrieben werden. Kenntnisse der charakteristischen Verhaltensweisen der verschiedenen Systemelernente und gewisser, einfacher, immer wiederkehrender elernentarer Systemstrukturen erleichtern das Verstandnis und die Beurteilung auch kornplexer dynamischer Systerne wesentlich. Die verschiedenen Systernelernent-Typen wurden bereits in Abb. 3.3 mit Hinweisen flir die Darstellung der Wirkungsverknupfungen (durch gewichtete Pfeile) vorgestellt. 1m folgenden werden die Besonderheiten der drei Kategorien von Systerngr6J3en ausflihrlicher erlautert.

Vorgabegroj3en Vorgabegr6J3en, d.h. Urnwelteinwirkungen, Systernpararneter und Anfangszustande zeichnen sich dadurch aus, daB sie von der Entwicklung des Systems unabhangig bleiben und daher keine Systerngr6J3en als Eingange haben k6nnen. Sie k6nnen sich nur als Funktion der Zeit verandern, falls sie nicht sowieso konstant bleiben. Diese m6gliche Abhangigkeit von der Zeit geht im Simulationsdiagramm aus der Funktionsangabe hervor; sie wird nicht weiter (etwa durch eine Eingangspfeil "t") gekennzeichnet. FUr das Simulationsdiagramm gilt daher: Exogene Gr6Ben (Sechsecke) durfen keine Eingangspfeile aufweisen. Die Zeitfunktionen sind vom konkreten Anwendungsfall abhangig und k6nnen prinzipiell beliebiger Natur sein. Liegt der Zeitverlauf als Datemeihe vor (z.B. Wetterdaten), so ist die Verwendung einer Tabellenfunktion sinnvoll. Liillt sich die Funktion durch einen (kornplexen) mathematischen Ausdruck angeben, so kennzeichnen wir den Block mit einern Namen und fligen dem Simulationsdiagramm die entsprechende Angabe der Zeitfunktion bei. Werden einfache Zeitfunktionen verwendet, so k6nnen entsprechende Bezeichnungen zusammen mit den erforderlichen Parametern direkt an die entsprechenden Sechseckb16cke geschrieben werden. Gelegentlich muE die Zeit t selbst in Berechnungen eingeflihrt werden. Wir kennzeichnen sie als einen Sechseckblock mit der Bezeichnung TIME. MuB ein exogener Systemeingang erst aus einem komplexen mathematischen Ausdruck berechnet werden, so kann auch hierflir ein Simulationsdiagramm mit dem im folgenden flir die Berechnung der Zwischengr6Een beschriebenen Verfahren entwickelt werden. Auch hier werden nur die direkten Vorgaben (Zeitfunktionen und Parameter) durch Sechsecke gekennzeichnct.

Zustandsgroj3en Zustandsgr6Ben sind immer auch Speichergr6Ben. 1m Systemdiagramm werden sie daher durch einen rechteckigen Kasten ('Behalter') dargestellt, mit dem sich aber noch eine Rechenvorschrift verbinden muB. Zwei Arten von Speichergr6Ben sind von Bedeutung: Integratoren und Verzogerungen. Der Integrator begegnet uns zllr Darstellung von Systemzustanden weitaus am haufigsten. Er wird im Systemdiagramm durch ein Rechteck gekennzeichnet. Der Integrator hat die Aufgabe, ausgehend von einem vorgegebenen Anfangszustand aus den laufen-

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

95

den Veranderungen einer Zustandsgro13e (Zugange und Abgange des Bestandes) standig den aktuellen Zustand zu ermitteln. Ein einfaches Beispiel zur Funktion eines Integrators ist ein Behalter mit regulierbarem ZufluB und AbfluB (z.B. Badewanne). Wir konnen die Rechenvorschrift fUr einen Integrator an diesem Beispiel entwickeln, wenn wir uns zunachst vorstellen, daB sich die Einstellungen der Ventile nur zu diskreten Zeitpunkten im Zeitabstand Dt andern lassen. Dann folgt der neue Systemzustand zum Zeitpunkt t + Dt aus dem alten Systemzustand zum Zeitpunkt t und dem NettozufluB in der Zeit zwischen t und t + Dt, der sich aus der Ventileinstellung zur Zeit t (Zu- bzw. AbfluBrate) und der Zeitdauer Dt ergibt: neuer Zustand = alter Zustand + Zustandsveranderungsrate * Zeitschritt z(t + Dt) = z(t) + dz(t)/dt· Dt

(3.13)

Bei kontinuierlichen Systemen, bei denen sich die Zustandsraten in jedem Augenblick andern konnen, ergibt sich durch den Ubergang Dt .... dt .... 0 hieraus der neue Zustand als Integration, mit Zo als Anfangswert: z(t) = Zo +

Jt

(dz/dt) dt

(3.14)

Die jeweilige Zustandsrate (dz/dt) folgt hierbei aus der systemspezifischen Zustandsfunktion f. Sie wird getrennt ermittelt und bildet den Eingang des Integrators. In der Systemdarstellung werden daher alle in den Integratorblock mundenden Pfeile als Zustandsraten aufgefaBt. Die Anfangswerte des Integrators werden daher syrnbolisch anders dargestellt (Angabe neben dem Zustandskasten oder als Vorgabegro13e (Sechseck) ). Bei der Simulation sind wir auf numerische Integration angewiesen. HierfUr existieren bewahrte Verfahren, die sich hinsichtlich ihrer numerischen Genauigkeit und Stabilitat unterscheiden. Fur die Mehrzahl der Anwendungen der Systemdynamik ist dabei das einfachste Verfahren, die Euler-Cauchy-Integration, vollig ausreichend. Sie entspricht der Gl. (3.13). Bei ihr wird vorausgesetzt, daB die Zustandsraten wahrend des Rechenschritts (der Zeitperiode von t bis t + Dt) konstant auf dem Wert zu Beginn der Periode (Zeit t) verbleiben. Hieraus ergibt sich ein numerischer Fehler, da in der Realitat sich die Zustandsraten zwischenzeitlich verandern konnen. Der Fehler wird kleiner, wenn die Rechenschrittweite verringert wird. Allerdings stellen sich bei zu kleiner Schrittweite lange Rechenzeiten und Rundungsfehler em, die das Ergebuis wieder verfalschen konnen. Hier ist also ein sinnvoller Kompromill zu finden. Als Faustregel hat sich bewahrt, die Rechenschrittweite auf etwa 1/20 der kleinsten Zeitkonstanten bzw. 1/100 der kleinsten Schwingungsperiode im System zu setzen. Die Rechenvorschrift fUr den Integratorblock (ZustandsgroI3e z) lautet daher: z(t + Dt) = z(t) + (dz/dt)t· Dt oder, als Programmanweisung Z:= Z+RATE*DT

(3.15)

Gelegentlich mussen Systeme simuliert werden, bei denen gleichzeitig sehr schnell ablaufende Vorgange (kleine Zeitkonstante) und sehr langsam ablaufende Vorgange (gro13e Zeitkonstante) eine Rolle spielen (Beispiel Baumwachstum: Stomataregulation in Minuten, Biomassezuwachs in Jahren). Hier muB man entweder (mit dem EulerCauchy-Verfahren) sebr lange Rechenzeiten und Ungenauigkeiten in Kauf nehmen,

96

3 - Vom Wzrlamgsgraph zum mathematischen Modell

oder man verwendet effizientere und genauere Verfahren, die selbsHindig eine optimale Schrittweitenanpassung vomehmen, oder man zerlegt das System in 'schnelle' und 'langsame' Bestandteile und berechnet nur die schnellen Prozesse mit kleiner Schrittweite, oder man ermittelt aus. getrennten Simulationen der schnellen Prozesse aggregierte Verhaltensfunktionen, die man dann anstelle dieser Prozesse einfiigt. Auch Verzogerungen miissen (Where) Systemzustiinde speichem. Wir verwenden flir sie daher ebenfalls das Rechtecksymbol, jetzt mit zusatzlichen Querstrichen (Abb. 3.3). Verzogerungen konnen aufverschiedene Weise bewerkstelligt werden; von simulationstechnischer Bedeutung sind Haltespeicher und exponentielle Verzogerungen. Der Haltespeicher hat die Aufgabe, einen ibm zur Zeit t gemeldeten Zustand erst zu einem spateren Zeitpunkt t + T weiterzugeben, wobei T die Verzogerungszeit ist. Anders formuliert: er gibt erst zum Zeitpunkt t den ihm zum Zeitpunkt (t - T) gemeldeten Zustand weiter. Offensichtlich bedeutet dies, daB er auch die zwischenzeitlich gemeldeten Zustiinde behalten muB, urn sie spater richtig weiterzugeben. (Dies kann eine groBe Zahl von SpeichergroBen in der Simulation bedeuten.) Der Haltespeicher ist z.B. zur Darstellung von Transportverzogerungen wichtig (Transportband, Bahntransport, usw.), bei denen das Gut selbst keine Zustandsveriinderung erfabrt. Bei der exponentiellen Verzogerung entsteht der Verzogerungseffekt durch einen Integrator mit einer negativen Riickkopplung. Die Verzogerungszeit entspricht dabei dem Kehrwert des Riickkopplungsfaktors: Eine geriuge Riickkopplung ergibt z.B. eine relativ lange Verzogerung. Die exponentielle Verzogerung unterscheidet sich grundsatzlich von der Verzogerung durch den Haltespeicher: Die Verzogerungszeit ist nur ein mittlerer Verzogerungswert; tatsachlich laBt die exponentielle Verzogerung bereits vom ersten Moment an Information iiber den neuen Zustand durch. Der groBe rechentechnische Vorteil der exponentiellen Verzogerung ist, daB zu ihrer Darstellung (im Gegensatz zum Haltespeicher) nur wenige ZustandsgroBen (meist 1 oder 3) erforderlich sind.

ZwischengroJ3en Aile GraBen, die nicht Vorgabe- oder ZustandsgroBen sind, konnen jederzeit aus den momentanen Werten von Vorgabe- und/oder ZustandsgroBen durch algebraische Rechenoperationen berechnet werden. Fiir die Funktionsblacke der algebraischen Rechnung (Kreise oder Ellipsen) gilt grundsatzlich, daB sie 1. jeder mindestens einen Eingang (in den Kreis zeigender Pfeil) haben miissen, daB 2. die Funktionsspezifikation (neb en oder im Kreissymbol) anzeigt, welche Operation mit diesen Eingangsgro6en durchzuflihren ist und daB 3. jeder Block nur eine einzige AusgangsgroBe haben kann (diese kann natiirlich in verschiedene Blocke gemeldet werden). Am haufigsten finden die Blocke der Grundrechenarten Verwendung: Addierer (Subtraktion wird durch negatives Vorzeichen am entsprechenden Eingangspfeil angezeigt) und Multiplizierer (Division wird durch das Divisionszeichen ":" am entsprechenden Eingangspfeil angezeigt). Andere algebraische Operationen oder Funktionen (einschlieBlich Tabellenfunktionen) werden nach Bedarf im oder am Blocksymbol (Kreis oder Ellipse) angezeigt (Abb. 3.3). Es kann sich dabei auch urn die Darstellung ganzer Teilprozesse handeln, wobei allerdings flir jede AusgangsgroBe ein eigener Systemblock definiert werden muB.

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

97

Fur logische Operationen wird zweckmaBigerweise ein eigenes Symbol (Rhombus) verwendet. Der Eingang der EntscheidungsgroBe wird dabei mit einem Punkt oder einer 'schwarzen Ecke' gekennzeichnet (Abb. 3.3). Die Veranderungsraten der ZustandsgroBen (die Zustandsfunktion f) wie auch die beobachtbaren AusgangsgroBen (der Ausgangsvektor v) mussen im allgemeinsten Fall als algebraische Funktionen der EingangsgroBen D, der ZustandsgroBen z und der Zeit t berechnet werden, wobei gelegentlich auch logische Funktionen verwendet und Zusammenhange als Tabellenfunktionen vorgegeben werden mussen. Bei einigermaBen realistischen Systemdarstellungen konnen sich hier leicht recht komplexe algebraische Wirkungsketten und Wirkungsnetze ergeben, die u.v. nicht mehr leicht zu uberschauen sind. Diese algebraischen Berechnungsnetze durfen keine algebraischen Schleifen enthalten: falls Ruckkopplungsschleifen auftreten, mussen sie uber eine ZustandsgroBe (bzw. einen Haltespeicher) fuhren. Weitere Beschrankungen gibt es nicht: Die Wahl der Elemente oder Verknupfungen richtet sich allein nach den im abzubildenden Realsystem festgestellten Wirkungsbeziehungen. Dies bedeutet auch ausdriicklich die Verwendung nichtlinearer Beziehungen. Bei einer mathematischen Formulierung der Zustandsfunktion fund der Ausgangsfunktion g wiirde man versuchen, bei komplexen (algebraischen) Wirkungsnetzen durch Umformung und Zusammenfassung zu moglichst kompakten Ausdrucken zu gelangen. Diese Vorgehensweise hat bei der Modellbildung wesentliche Nachteile und selten Vorteile und ist daher normalerweise nicht zu empfehlen. Der Rechen- und Speicheraufwand wird durch die Zusammenfassung praktisch nicht reduziert, dagegen geht oft die Uberschaubarkeit der Systemdarstellung verloren und das SystemversHindnis wird meist erheblich erschwert. Es empfiehlt sich daher meist, im Simulationsdiagramm die im Wortmodell und im Wirkungsdiagramm identifizierten Elemente und Verbindungen zu belassen, selbst wenn sich ihre Zusammenfassung zu komplexeren Ausdrucken und entsprechenden Systemb16cken anbietet. Von dieser Regel kann abgewichen werden, wenn (a) sich bei sehr komplexen Systemen die Notwendigkeit ergibt, durch Zusammenfassung von Teilprozessen die Ubersichtlichkeit zu erhOhen, oder wenn (b)der gleiche TeilprozeB mehrfach im System erscheint und dann zweckmaBigerweise durch einen eigenen Systemblock beschrieben wird, oder wenn (c) ein TeilprozeB aus relativ trivialen und gut bekannten Schritten besteht, deren vollstandige Darstellung zum Systemverstandnis nichts beitragen wiirde. In diesen Fallen kann der TeilprozeB durch einen eigenen Systemblock (Kreis) mit den entsprechenden Eingangen und Ausgangsverbindungen dargestellt werden. Dieser Block wird dann in einem entsprechenden Unterprogramm berechnet. Fur jede erforderliche Ausgangsgrol3e muB ein eigener Systemblock definiert werden. 3-2.2

Elementares BIockdiagramm eines dynamischen Systems

Wenn wir ein System aIs 'schwarzen Kasten' von auBen betrachten (Abb. 3.11), so sind fur uns nur zwei Arten von GroBen erkennbar: diejenigen, die als EingangsgroBen aus der Systemumwelt in das System hineinwirken (Umwelteinwirkungen u) und diejenigen, die als Ausgangsgr6l3en auBerhalb des Systems feststellbar sind und an denen sich das VerhaIten des Systems beobachten laBt (Verhaltensgro6en vi)' Die verschiedenen Eingangs- und Ausgangsgrol3en lassen sich in einem UmweltveRtor D und einem Verhal-

3 - Yom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell

98

U1 U2

:~:

S :1

U1

VI

Ausgangsgrof'en

Eingangsgropen

U(t~ Umweltveklor

S 1



v{t)

Verhaltensvektor

Abb. 3.11: System als 'Schwarzer Kasten' mit Umwelteinwirkungen u (EingangsgrOBen, Inputs) und VerhaltensgroBen v (AusgangsgroBen, Outputs). Rechts:Vektordarsteliung (aus 80ssel1987/89).

tensvektor v zusammenfassen. Zunachst stellt sich also das System als ein Transformator dar, der Umwelteinwirkungen u in Verhalten v umformt. Sowohl Umwelteinwirkungen wie auch Verhalten sind Funktionen der Zeit, also u(t) und v(t). Bei systemdynamischen Modellen begnugen wir uns nicht mit einer Beschreibung des Verhaltens des schwarzen Kastens, sondern versuchen, die wesentlichen verhaltenspragenden Elemente und Zusammenhange im System selbst zu ermitteln und das Realsystem maglichst strukturgetreu im Systemmodell nachzubilden. Wir mussen uns also darum bemuhen, den Inhalt des schwarzen Kastens zu ermitteln und seine Funktionsweise zu ergriinden. Bei dieser Analyse des Systems und seines Verhaltens spielen, wie uns jetzt mehrfach deutIich geworden ist, die Zustandsgrofien zn eine zentrale Rolle. Auch diese GraBen kannen wir wieder in einem Vektor z zusammenfassen, der sich mit der Zeit verandert: z(t). Urn die Zustandsentwicklung uber die Zeit zu ermitteln, mussen wir ansetzen, daB sich der Zustand z(t) sowohl aus den Umwelteinwirkungen u(t) wie auch - uber Ruckkopplungen - aus dem Zustand selbst ergibt. Auch diese Zustandsermittlung kann wiederum zeitabhangig sein, wei! sich etwa gewisse Parameter mit der Zeit andern. Generell mussen wir also zunachst ansetzen: z(t)

=

F(z(t), u(t),t)

Diese Formulierung verlangt die Erfiillung einer simultanen Bedingung fUr z, u und t, d.h. der Zustand zur Zeit t ergibt sich nicht nur aus dem Eingangssignal, sondern auch aus der gleichzeitigen Ruckkopplung des noch zu ermittelnden Zustands. Die Aufgabe ist zwar durch Iteration lOsbar, doch kann ein reales System wegen endlicher Ubertragungsgeschwindigkeiten, Systemtragheiten usw. sich normalerweise nicht in dieser Weise verhalten. Der neue Zustand zur Zeit t + Dt wird sich also eher aus den Bedingungen zu einem kurz vorherliegenden Zeitpunkt t ergeben (der kleine Zeitschritt zwischen den zwei Zeitpunkten ist mit Dt bezeichnet). Damit ergibt sich die Zustandsgleichung: z(t + Dt)

=

F(z(t),u(t),t)

Der neue Zustand kann bei dieser Formulierung sofort berechnet werden. Voraussetzung ist, daB der vorhergehende Zustand noch gespeichert ist und fUr die Berechnung verwendet werden kann: Fur diese Systemdarstellung wird also ein Speicher fur jede ZustandsgroBe benotigt. Man beachte, daB sich hier zwangslaufig eine strukturelle Ubereinstimmung mit den ZustandsgroBen realer Systeme ergibt: Auch diese sind im-

99

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

merSpeichergr6Ben! Weiter entspricht dieses Bild generell dem in diskreten dynamischen Systemen ablaufenden ProzeB und besonders der numerischen Rechnung auf Digitalrechnem, auf die wir bei unseren Simulationen angewiesen sind. Bei einem kontinuierlichen System sind z und u sHindig verfiigbar, nicht nur zu Zeitpunkten im Abstand Dt. 1st F stetig und differenzierbar, so laBt sich der Zustand zum Zeitpunkt t + Dt auch angenahert darstellen als z(t + Dt)

= z(t)

+ (dF/dt) . Dt, bzw.

z(t + Dt)-z(t) = (dF/dt)· Dt = f· Dt wobei jetzt f als (dF / dt) definiert ist. Division durch Dt und der Ubergang Dt .... dt .... 0 ergeben die Zustandsgleichung: dz/dt

=

f(z(t),u(t),t)

(3.16)

Das, was wir als Verhalten des Systems beobachten (Verhaltensvektor v(t», wird vor allem eine Funktion der ZustandsgroBe z(t) des Systems sein. Es kann sich aber auch, wenigstens zum Teil, urn eine einfache 'Durchleitung' und Verstarkung oder Abminderung von Eingangssignalen u(t) handeln. Die Zusammensetzung des Verhaltensvektors aus dies en Komponenten wird sich im allgemeinen Falle auch mit der Zeit verandem (z.E. durch VerschleiB oder Alterung von Ubertragungskomponenten), so daB wir generell als Ausgangsgleichung ansetzen miissen: v(t)

=

g(z(t),u(t),t)

(3.17)

v{t)

u{t)

Abb. 3.12: A1lgemeines Blockdiagramm fUr beliebige dynamische Systeme (VektorgrOl3en) (aus Bossel 1987/89).

fun

Abb.3.13: Allgemeines Simulationsdiagramm fUr beliebige dynamische Systeme (VektorgroBen) (aus BosseI1987/89).

3 - Yom Wirlamgsgraph zum mathematischen Modell

100

Mit diesen Uberlegungen konnen wirjetzt das allgemeine Blockdiagramm rur beliebige kontinuierliche dynamische Systeme aufzeichnen, die auch nichtlinear sein und zeitabbangige Parameter haben konnen (Abb. 3.12). Auch beliebig komplexe Modelle der Systemdynamik entsprechen diesem Schema. Die entsprechenden Rechenschritte, die auch in einer Computersimulation durchgeruhrt werden mussen (siehe Abb. 3.13), fassen wir hier noch einmal zusammen: (1) Vorgabe der Anfangswerte der ZustandsgroBen Zo = zl(tO)' z2(tO)' aller festen Parameter. Fur jeden Zeitpunkt t des Simulationszeitraums (Zeitschleife):

••• ,

zn(tO) und

(2) Ermittlung der aktuellen Eingangsgro6en (Umweltwirkungen) u(t). (3) Ermittlung etwaiger zeitabhangiger Parameter. (4) Berechnung der Veranderungsraten der ZustandsgroBen: dz/dt

=

f(z(t),u(t),t)

(5) Integration, um die ZustandsgroBen zu erhalten:

Jt

z(t) = Zo + (dz/dt) dt (6) Berechnung der Ausgangsgro6en (VerhaltensgroBen) v(t): vet) = g(z(t),u(t),t) Wir stellen fest, daB die entwicklungsbestimmenden Eigenheiten eines Systelns aile in der (generell nichtlinearen) Vektorfunktion f, d.h. in den Verfulderungsraten der ZustandsgroBen enthalten sind. Die Ausgangsfunktion ghat dagegen keine Wirkungen auf die Systementwicklung; sie stellt nur die internen Vorgange nach auBen dar. Die entscheidende Rolle der ZustandsgroBen wird auch aus Abb. 3.12 und den zugebOrigen Gleichungen wieder deutlich: Bei Vorgabe der zeitabhfulgigen Parameter, der Umweltfunktionen u(t) und der Anfangswerte der ZustandsgroBen z Hillt sich die weitere Entwicklung des (deterministischen) Systelns berechnen: Weitere GroBen mussen nicht bekannt sein. Insbesondere folgen mit den vorgegebenen Funktionen fund galle z(t) und vet) aus diesen GroBen. Umgekehrt genugt es, bei einer Unterbrechung lediglich die ZustandsgroBen zu speichern. Wir haben hier bewuBt nicht sHindig zwischen dem realen dynamischen System und dem entsprechenden dynamischen Simulationsmodell unterschieden. Die Analyse gilt fur beide: Beide sind dynamische Systeme. 3-2.3

Systemzustand und ZustandsgroBen

Fur die Modellbildung und Simulation sind die Auswahl der Zustandsgrof3en und die Ermittlung des zeitabhangigen Systernzustands von zentraler Bedeutung. Wir mussen uns mit diesen Begriffen daher noch etwas eingehender befassen. Ein System, das von friiheren Zustanden vollig unabhangig ist, also erinnerungslos und tragheitsfrei ist, kann (im Rahmen seiner physikalischen Grenzen) durch den Eingangsvektor u (t) ohne Verz6gerung in jeden beliebigen neuen Zustand versetzt werden. SoIche Systeme sind in der Realitat recht seIten (Annaherungen sind: Widerstandsnetzwerk, Tragwerkskonstruktion, mechanische Schreibmaschine).

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

101

Die meisten Systeme sind nicht erinne~ngslos bzw. tragheitsfrei, da der augenblickliche Zustand des Systems den sofortigen Ubergang auf einen beliebigen anderen Zustand nicht zulaBt. Beispiele:

• Ein voller Stausee kann nicht im nachsten Augenblick halb leer sein. • Ein Zimmer laBt sich nicht urp16tzlich aufheizen. • Ein in Ruhe befindliches Fahrzeug kann nicht im nachsten Augenblick mit 100 km/h fahren. In diesen und ahnlichen Fallen bestimmt offensichtlich der bisherige Systemzustand zusammen mit den exogenen Eingangen den neuen Zustand. Im Gegensatz zu den eingangsbestimmten Systemen (tragheitsfreie, erinnerungslose Systeme) bezeichnen wir die tragheitsbehafteten Systeme als zustandsbestimmte Systeme. Es stellt sich nun die wichtige Frage, was denn bei diesen Systemen iiber den alten Zustand bekannt sein muB, urn den neuen Zustand ermitteln zu konnen. Offensichtlich kommen hierrur nicht aIle SystemgroBen in Betracht, da ja einige, wie oben erwahnt, durch algebraische Verkniipfungen mit anderen SystemgroBen direkt berechnet werden konnen. Wir bezeichnen die gesuchten SystemgroBen als ZustandsgroBen. Zustandsgrofien (Zustandsvariablen) sind die kleinste Menge endogener zeitveranderlicher SystemgroBen, die die vollstandige Beschreibung des Systemzustands (im Rahmen der Beschreibungsaufgabe) ermoglichen. Eine ZustandsgroBe ist im allgemeinen nicht eindeutig. Gleichwertige Darstellungen des gleichen Systems durch andere ZustandsgroBen sind moglich. Bei anderer, aber gleichwertiger Darstellung bleibt die Zahl der ZustandsgroBen immer gleich. Die Ordnung oder Dimension n eines Systems ist die Zahl seiner ZustandsgroBen, d.h. der kleinsten Menge von SystemgroBen, die die vollstandige Beschreibung des Systemzustands ermoglichen, siehe oben. Beispiel: Urn die zeitliche Veranderung des Wasserinhalts einer Badewanne zu beschreiben, konnen als ZustandsgroBen gewahlt werden:

- die Rohe R des eingelaufenen Wassers, - sein Volumen V oder - seine Masse M. Entsprechend lassen sich die Zufliisse bzw. Abfliisse in Wasserhohe pro Zeit, Volumen pro Zeit oder Masse pro Zeit angeben. 1st die jeweilige ZustandsgroBe bekannt, so lassen sich die anderen SystemgroBen hieraus sofort (iiber entsprechende Umrechnungsfaktoren) berechnen. Aus dem Wasserstand folgen Wasservolumen und Masse, aus dem Wasservolumen folgen der Wasserstand und die Masse, aus der Wassermasse folgen das Volumen und der Wasserstand. Das System hat einen Speicher, damit eine ZustandsgroBe; seine Dimension ist deshalb '1', bzw. es ist ein System 1. Ordnung. Der Systemzustand ist die kleinste Menge der gegenwartigen Information iiber ein System, deren Kenntnis zusammen mit der Kenntnis der zeitabhiingigen Eingangsfunktionen (bei einem deterministischen System) die Bestimmung der weiteren Systementwicklung ermoglicht.

3 - Vom Wzrkungsgraph zum mathematischen Modell

102

Zustandstrajektorie

z.

Anfangszustand z(to}

/.

t

"".". Z. .ta"d >(\,

/

/

/

22

/

/ / /

2,

Abb. 3.14: Zustandsvektoren und ZustandsObergang im Zustandsraum.

Der Zustandsvektor ist der Vektor der ZustandsgroBen im Zustandsraum. Verandert sich der Systemzustand, so wandert die Spitze des Zustandsvektors an einen anderen Punkt des Zustandsraumes (s. Abb. 3.14). Der Zustandsraum ist der Raum, der von den n Koordinaten des Zustandsvektors z aufgespannt wird. Der jeweilige Systemzustand bildet einen Punkt in diesem Koordinatenraum (== Spitze des Zustandsvektors) (siehe Abb. 3.14). 1m Zustandsraum erscheint t als Parameter. Es ist iiblich, fur den Zustandsraum in zwei Zustandskoordinaten den Begriff 'Phasenebene' (Zustandsebene) zu verwenden. Bei der Systemdarstellung ist wegen der Nicht-Eindeutigkeit der ZustandsgroBen und der oft komplexen Wirkungsbeziehungen die Bestimmung der ZustandsgroBen oft nicht ganz leicht. Kandidaten fur ZustandsgroBen sind alle Speicher oder BestandesgroBen (z.E. Populationen, Energie, Materie, Information) sowie aIle Verzogerungs- oder Tragheitsglieder (z.E. Transportverzogerungen, Forderbander, Warteschlangen usw.). Bei der Auswahl von ZustandsgroBen ist darauf zu achten, daB nicht SpeichergroBen einbezogen werden, die direkt aus ZustandsgroBen ermittelt werden konnen. Die Wahl der ZustandsgroBen beeinfluBt auch die Systemdarstellung. Durch geschickte Wahl von ZustandsgroBen kann eine besonders einfache Systemdarstellung erreicht werden. So laBt sich z.E. bei linearen Systemen eine allgemeine Systemdarstellung durch Transformation mit der Eigenvektormatrix (Modalmatrix) in eine kanonische Darstellung mit entkoppelten Teilsystemen erster Ordnung iiberfuhren. Wir kommen in Kap. 7.3 darauf zuriick. Da der durch die ZustandsgroJ3en zur Zeit to gegebene Systemzustand z (to) zusammen mit dem Eingangsvektor u (to' t) iiber den Zeitschritt (to' t) es erlaubt, den neuen Systemzustand zur Zeit t zu ermitteln, gilt dies auch fur eine beliebige Zahl aufeinanderfolgender Zeitschritte. Daraus folgt:

3-2 SystemeZemente und EZementarsysteme

103

Satz: Der Zustandsvektor z, bzw. jede der n ZustandsgroBen z. konnen (bei deterministischen Systemen) zu jedem Zeitpunkt t > to eindeutig bes~t werden, wenn 1. die AnfangszusHinde zi (to) fUr jede ZustandsgroBe zi bekannt sind, 2. der Eingangsvektor u (to' t) im Intervall (to' t) gegeben ist und 3. die Zustandsfunktion f = f (z,o,t) gegeben ist. Praktisch bedeutet dies, daB zur Berechnung des dynamischen Verhaltens eines Systems auBer dem Eingangsvektor 0 (to' t) die Inhalte ailer Speicher und/oder die Zustande aller Triigheitsglieder zu einem bestimmten Zeitpunkt bekannt sein miissen. Diese Erkenntnis kann im iibrigen auch zur Ermittlung der ZustandsgroBen verwendet werden, indem nach den Zustanden gesucht wird, die registriert werden miiBten, um das System zu einem spateren Zeitpunkt so fortfahren zu lassen, als ob nichts gewesen ware (Dornroschenproblem).

BeispieZe: • Bei einem Produktionssystem miiBten z.B. als Anfangsbedingungen registriert werden: die Bestande der Materialspeicher und Informationsspeicher, die Bandbeladung, die Geschwindigkeiten und Beladung der Fertigungsautomaten usw. • Bei einem Waldokosystem miiBten als Anfangsbedingungen u.a. registriert werden: das Nahrstoffdepot im Boden, der vorhandene Biomassebestand, die Menge der organischen Auflage. Bei der Betrachtung dynamischer Systeme miissen wir zwischen kontinuierlichen Systemen und diskreten Systemen unterscheiden. Die Zustande kontinuierlicher Systeme sind zu jedem Zeitpunkt definiert; die Zustande diskreter Systeme nur zu bestimmten Zeitpunkten. Die Systemgleichungen, analytischen LOsungen und Stabilitatsbedingungen beider Systemtypen unterscheiden sich (s. Kap. 7). Wir behandeln in diesem Buch fast ausschlieBlich kontinuierliche Systeme.

v

= Vo +

(r zu - r ab )

(r zu - r ab) t

rzu~

rab~L..

J _____

~V(t)

....J~

Abb. 3.15: Kontinuierliches Ein-Speichersystem mit konstantem ZufluB und konstantem AbfluB.

3 - Yom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell

104

Beispiel: Kontinuierliches System Abb. 3.15 zeigt einen Wasserbehalter mit einem regelbaren ZufluB und einem regelbaren AbfluB. Es gilt die Zustandsgleichung: dV /dt = r z - rab

Jt

bzw.

V (t) = Vo + (rzu - Tab) dt Hierbei ist V 0 der vorgegebene Anfangswert im Behiilter, r u und rab sind die (im allgemeinen zeitabhangigen) ZufluB- bzw. AbfluBraten (Vo~umen pro Zeiteinheit). Falls die ZufluB- und AbfluBraten tiber die Zeit von 0 bis t konstant bleiben, ergibt die Integration sofort V (t) = V 0 + (rzu - rab) t d.h., das Volumen steigt oder sinkt linear mit der Zeit und proportional zur Differenz zwischen Zu- und AbfluBrate. Abb. 3.15 zeigt die Volumenveranderung fUr den Fall, daB die ZufluBrate groBer als die AbfluBrate ist. Die Zustandsgleichung liillt sich auch in dem Blockdiagrarnm in Abb. 3.15 darstellen. Der Wasserspeicher erscheint hier als Integrator mit einem Anfangswert V , dem Eingang V' = r - rab und dem Ausgang V (t). Zu- und AbfluBrate werden iI~ diesem Falle exogen v~:gegeben; in dieser einfachen Formulierung besteht keine Riickkopplung zwischen der gespeicherten Wassermenge und der Kapazitat des Behalters. Bei den Annahmen der Abb. 3.15 wiirde der Speicher nach einiger Zeit offensichtlich iiberlaufen.

Beispiel: Diskretes System Wir betrachten ein Sparguthaben, dessen Zinsberechnung jahrlich aufgrund des letzten Kontostands erfolge. Damit ergibt sich der neue Kontostand zu: V(k+1)

=V(k)+rV(k)'T =

(1 + rT) Vk

Hierbei ist V der Kontostand, r der Zinssatz pro Jahr, T die Zeitperiode, nach der die Kontoberechnung stattfindet (hier gleich 1 Jahr). Mit einem Kontostand von 1 im Jahr 0 beginnend, liillt sich mit dieser Zustandsgleichung der Kontostand in zukiinftigen J ahren errechnen:

(l+r) (l+r) Vo = (l+r)ZVo Vk

(1 + r)kVo

Die LOsung ist nur fur die diskreten Zeitpunkte k = 0, 1,2 usw. definiert. Ihr Verlauf ist in Abb. 3.16 gezeigt. Es handelt sich urn eine geometrische Reihe, und damit urn geometrisches Wachstum des Sparguthabens. Das Blockschaltbild fur dieses Beispiel zeigt ebenfalls die Abb. 3.16. Hierbei ist nun zu beachten, daB der Zuwachs nicht mehr wie im vorigen Beispiel exogen vorgegeben und konstant ist, sondern daB er als Funktion des Speicherinhalts sich verandert und zu jedem Zeitpunkt neu berechnet werden muB.

105

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

rl tf

V,., = (1 +rT) V,

Vo

S

1 + rT

Vo

0

5

10

Jahre

Abb.3.16: Diskretes Ein-Speichersystem mit einem Oahrlichen) Zuwachs, der proportional zum jeweiligen Bestand ist.

3-2.4

Einige element are Systeme und ihr Verhalten

Mit den in Abb. 3.3 eingefuhrten Blocksymbolen k6nnen dynamische Systemmodelle beliebiger KomplexiHit aufgebaut werden, die beliebige Teilprozesse enthalten kannen. Die meisten dynamischen Systeme verdanken ihr spezifisches Verhalten aber einigen wenigen recht elementaren Systemstrukturen. Es ist daher sinnvoll, daB wir uns zunachst mit einigen einfachen elementaren Systemen und ihrem Verhalten befassen, urn sie in gr6J3eren Systemen wiedererkennen und deren, durch ihre elementaren Systernkomponenten bedingten Verhaltenseigenschaften besser verstehen zu kannen. Einige der im folgenden besprochenen Elementarsysteme sind uns im 'Weltmodell' bereits begegnet (exponentielles Wachstum, logistisches Wachstum, exponentielle Verz6gerung, schwingungsfahiges System). Die hier besprochenen Systeme kannen aIle (auJ3er System nullter Ordnung) mit Modellen im 'Systernzoo' (Kap. 6 und Diskette) genauer untersucht werden. Es ist zweckmaJ3ig, eine Einteilung der Systeme nach der Zahl ihrer Speicher (Zustandsgr6J3en) vorzunehmen. Systeme D-ter Ordnung haben keine Speicher und damit keine Erinnerung an friihere Zustande. Eingangssignale werden ohne Verz6gerung weitergegeben; die Ausgangssignale ergeben sich durch algebraische Verkniipfungen entsprechend den Elementen und Wirkungsbeziehungen des Systems. Die Systemantwort ist (auJ3er durch die Systemstruktur) vallig durch die augenblicklichen Systemeingange bestimmt. Es handelt sich hier urn eingangsbestimmte Systeme. Ein System erster Ordnung hat einen Speicher, ein System zweiter Ordnung zwei Speicher und generell ein System n-ter Ordnung n Speicher. Da jedem Speicher eine Zustandsgleichung erster Ordnung entspricht, miissen fur ein System n-ter Ordnung n Zustandsgleichungen erster Ordnung geschrieben werden. Mathematisch ist dies im iibrigen aquivalent einer einzigen Differential- oder Differenzengleichung n-ter Ordnung. 1m allgemeinen ist es jedoch einfacher, mit n Gleichungen erster Ordnung zu arbeiten. Die Zustandsraummethode, auf die wir im im Kap. 7 noch weiter eingehen werden, beruht auf dies em Ansatz. Systeme mit Speichem sind zustandsbestimmt.

106

3 - Yom Wirlamgsgraph zum mathematischen Modell

a) speicherloses System (Transformator)

a

~x

x = a sin2 wt

b) Exponentielles Wachstum

r x c) Logistlsches Wachstum

x=

r x (1 .. x/K)

x

u(t) .. dx

d) Exponentielle Verzogerung

~.-£d)

~

=

e) Linearer Schwinger

.

!

y

= y

= -x -

dy

f) Bistabiler Schwinger

X=y Y= x - x

3 - dy = x (1 - X2 ) - dy

g) Chaotischer bistabller Schwinger

x=

y= Z=

y x - x3

+ dy + coswz

1 (z

= t)

Abb. 3.17: Simulationsdiagramme und Systemgleichungen einiger elementarer dynamischer Systeme.

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

107

(1) Speicherloses System

Die Grundstruktur eines speicherlosen Systems (nullter Ordnung) zeigt Abb. 3.17a: das Simulationsdiagramm darf nur Blocke fUr VorgabegroBen (Sechsecke) und ZwischengroBen (Kreis e) enthalten, die zusammen der Verhaltensgleichung (Ausgangsgleichung) v(t)

= g(u, t)

entsprechen. In einem speicherlosen System werden EingangsgroBen durch algebraische oder logische Anweisungen lediglich transformiert; der jeweilige Wert der AusgangsgroBen v(t) laBt sich mit diesen Beziehungen jederzeit angeben. Da ZustandsgroBen nicht vorhanden sind, hat die Entwicklungsgeschichte des Systems keinerlei EinfluB auf das augenblickliche Verhalten; dieses ergibt sich direkt und sofort aus den augenblicklichen Umwelteinwirkungen u(t). Das Beispiel in Abb. 3.17a zeigt eine (nichtlineare) Berechnung einer AusgangsgroBe v aus einer zeitabhangigen Sinusschwingung als EingangsgroBe u: v(t)

= a sin2(wt)

(2) Exponentielles Wachstum

Die Grundstruktur fUr exponentielles Wachstum (oder exponentiellen Zerfall) zeigt Abb. 3.17b (System erster Ordnung). Diese Struktur ist sehr typisch fUr aIle Prozesse bei denen die Zustandsveranderung yom Zustand des Systems selbst abhangt. So ist z.B. die Zahl der Geburten und Sterbefalle in einer Population proportional zu den spezifischen Geburten- und Sterberaten b und d und zur GroBe der Population x. Anstatt Zuwachsraten und Verlustraten getrennt zu beriicksichtigen, kann die Nettowachstumsrate als Differenz der positiven und negativen Wachstumsbeitdige gebildet werden: r = b - d. Bei dieser Grundstruktur, die sich bei sehr vielen natiirlichen Prozessen findet (Wachstum, Zerfall) hiingt die Entwicklungsdynamik ganz yom Vorzeichen der Nettowachstumsrate ab: falls es negativ ist, nimmt der Bestand exponentiell ab; ist es positiv, nimmt er beschleunigt (exponentiell) zu.

dx/ dt = (b - d) x = r x Dieses System kann mit dem Modell M 102 "Exponentielles Wachs tum und Zerfall" im Systernzoo genauer untersucht werden. (3) Logistisches Wachstum

Die Grundstruktur fUr logistisches Wachstum zeigt Abb. 3.17c (System erster Ordnung). Bei dies em System ist die Wachstumsrate abhiingig von den noch bestehenden Wachstumsmoglichkeiten. Solange die ZustandsgroBe (z.E. Population) noch sehr viel kleiner als die Tragfahigkeit k der Umwelt ist, gibt es kaum eine Wachstumsbeschrankung, und die Population vermehrt sich exponentiell. Wenn der Bestand dann aber in die Nahe des moglichen Maximalbestands k kommt, vermindert sich der noch bestehende Freiraum (k-x) gegen Null. Mit dieser Differenz wird der exponentielle Wachstumsterm (r x) multipliziert, so daB die Wachstumrate der Population schlieBlich auf Null zurUckgeht, wenn der Bestand an seine Kapazitatsgrenze kommt. Dieses einfache nichtlineare System, das (z. T. mit gewissen Abwandlungen) in vielen okologischen, okonomischen, sozialen, physikalischen und technischen Prozessen zu finden ist, zeigt eine typische Sformige (logistische) Entwicklung.

108

3 - Vom Wirkungsgraph zum mathematischen Modell dx/dt

= r x (1- x/k)

Dieses System kann mit den Modellen M 107 "Logistisches Wachstum bei konstanter Ernte" und M 108 "Logistisches Wachstum mit bestandsabbangiger Ernte" im Systemzoo genauer untersucht werden.

(4) Exponentielle Verzogerung (exponentielles Leek) Die Grundstruktur der exponentiellen Verzogerung zeigt Abb. 3.17d (System erster Ordnung). Bei vielen Prozessen sind die Verluste einer ZustandsgroBe proportional zum jeweiligen Bestand. So zerfallen z.B. Chemikalien oder radioaktive Stoffe mit einer gewissen (konstanten) spezifischen Zerfallsrate (d). Die absolute Veriinderungsrate des Stoffes ist dann proportional zu d und zum jeweiligen Bestand. Ahnliches gilt etwa flir die Versickerung von Stoffen (z.B. Mineraldiinger) im Boden. Die Dynamik des Systems kann man sich anhand einer Badewanne mit einem undichten Stopfen vorstellen: wenn die Wasserhohe (der Bestand) niedrig ist, wird wenig, wenn sie hoch ist, viel ausflieBen. Wenn man bei zuniichst leerer Badewanne den Wasserhahn auf einen konstanten Zulauf u > d· x einstellt, werden die Leckverluste durch den undichten Stopfen solange zunehmen, bis die Leckverluste genau dem Zulauf entsprechen. 1st dieser Punkt erreicht, so bleibt die Wasserhohe konstant: das System hat einen Zustand des FlieBgleichgewichts erreicht. Der gleiche Einstellvorgang findet statt, wenn die Zulaufrate u(t) eine Funktion der Zeit ist. Bei dieser Elementarstruktur stellt sich also der Zustand x mit einer gewissen Verzogerung auf die Umwelteinwirkung u(t) ein. Die Verzogerung ist dabei umso groBer, je kleiner die spezifische Leckrate d ist. Als MaE der Verzogerung benutzt man die Zeitkonstante T = l/d. dx/dt = u(t) - d x Dieses System kann mit dem Modell M 103 "Exponentielle Verzogerung" im Systemzoo ausflihrlicher (vor allem unter Verwendung verschiedener Testfunktionen u(t» untersucht werden. (5) Linearer Schwinger Die Grundstruktur des linearen Schwingers zeigt die Abb. 3.17e (System zweiter Ordnung). Wenn der Zustand einer ersten ZustandsgroBe die Veriinderungsrate einer zweiten bestimmt und diese wiederum die Veriinderungsrate der ersten, so haben wir eine iiber zwei ZustandsgroBen laufende Riickkopplung. Bei einer an einer Feder aufgehiingten Masse bestimmt z. B. die Federauslenkung (ZustandsgroBe entsprechend der potentiellen Energie) die Federkraft, diese die Beschleunigung der Masse und damit ihre Geschwindigkeit (ZustandsgroBe entsprechend der kinetischen Energie), und diese wieder den Ort der Masse und damit die Federauslenkung. 1st der Riickkopplungskreis negativ, kann das System schwingen. (Beim Feder-Masse-System bewirkt eine Auslenkung eine entgegengesetzte Riickstellkraft). Generell sind bei iiber mindestens zwei Zustandsgr6Ben laufenden Riickkopplungen Schwingungen zu erwarten, so auch bei nichtlinearen Zustandsfunktionen (Riiuber-Beute-Systeme sind ein Beispiel). Hat keine der ZustandsgroBen eine Diimpfung, so gilt flir den harmonischen Schwinger mit der Kopplungsstiirke c: dx/dt = Y dy/dt = - cx

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

109

Fiihrt man eine (exponentieUe) Dampfung (proportional zu einer der ZustandsgroBen) ein (s. (4) 'ExponentieUes Leck'), so werden Schwingungen gedampft und nach einiger Zeit ganz verschwinden. Bei realen Systemen muE das immer erwartet werden, falls nicht eine Energie- oder Stoffzufuhr stiindig die Verluste wettmacht. Die Systemgleichungen sind dann dx/dt dy/dt

=y = -cx - dy

Je nach Wert und Vorzeichen von KopplungssHirke c und Diimpfung d zeigt dieses System sehr unterschiedliches Verhalten. Untersucht man das Verhalten in Abhiingigkeit von c und d (z.B. mit dem Systemzoo-Programm M 203 "Linearer Schwinger"; Achtung: dort gelten umgekehrte Vorzeichen fur c und d), so zeigt sich folgendes (Abb. 7.6): - Stabiles Verhalten ergibt sich nur, wenn d > 0 und c > O. - Schwingungen stellen sich ein, wenn c > (d2/4). 1m Phasendiagramm (x,y) ergeben sich charakteristische Verhaltensbilder in Abhiingigkeit von c und d, die sich wie folgt kategorisieren lassen: • Sattel (immer instabil) Knoten (stabil oder instabil) Strudel (stabil oder instabil) Senke (stabil) QueUe (instabil) Wirbel (marginal stabil) Sie sind fur die Untersuchung von Systemen von grundsiitzlicher Bedeutung, da sich in der Niihe von Gleichgewichtspunkten auch nichtlineare Systeme (meist) durch ihre Linearisierungen ersetzen lassen, urn dort das ortliche Verhalten zu untersuchen (s. Kap. 7.1). Beim autonomen linearen System (wie hier) sind diese Gleichgewichtspunkte immer bei x = 0, y = O. Die Stabilitiitsaussagen sind dann unabhiingig von den Anfangsbedingungen. Dieses System kann mit dem Modell M 203 "Linearer Schwinger" im Systemzoo genauer untersucht werden. Bei dies em Modell werden fur jede Parameterwahl die Eigenwerte sowie der Verhaltenstyp und seine Stabilitiit angegeben.

(6) Bistabiler Schwinger Die Grundstruktur eines bistabilen Schwingers zeigt Abb. 3.17f (System zweiter Ordnung; Duffing-System). Auch hier gibt es wieder eine diimpfende Eigenkopplung an einer ZustandsgroBe und eine (line are ) Kopplung zwischen beiden ZustandsgroBen, diesmal allerdings mit positivem Vorzeichen. Zusatzlich gibt es eine nichtlineare (kubische) Kopplung zwischen beiden ZustandsgroBen mit negativem Vorzeichen. dx/dt = y dy / dt = x - x3 - dy = x (1 - x2) - dy Aus der letzteren Formulierung wird klar, daB die Kopplung von x nach y negativ wird wenn Ix I > 1. Die Zustandsbilder (x, y) fur dieses System zeigen jetzt ein recht eigenartiges Verhalten (Abb. M 220, Kap. 6): Das System hat zwei stabile Gleichgewichtspunkte (Strudel bei x = ± 1, Y = 0) und einen instabilen Gleichgewichtspunkt (Sattel bei x = 0, y = 0). 1st die Zustandsamplitude groB genug und die Dampfung d klein, so

3 - Vom Wulamgsgraph zum mathematischen Modell

110

schwingt das System urn die Gleichgewichtspunkte herum. Nabert sich die Zustandsbahn den Gleichgewichtspunkten, so lauft sie schlieBlich auf einen der beiden stabilen Gleichgewichtspunkte zu. An welchem Punkt das System (bei gegebener Dfunpfung) zur Ruhe kommt, hangt ganz von den Anfangsbedingungen abo 1m Gegensatz zu linearen Systemen konnen nichtlineare Systeme also mehrere Gleichgewichtspunkte mit unterschiedlichem Stabilitatsverhalten haben; der Gleichgewichtszustand ist daher oft nicht unabhangig von den Anfangsbedingungen. SchlieBlich kann es auBer Gleichgewichtspunkten auch Grenzzyklen und Gleichgewichtsflachen hOherer Ordnung (Grenzzyklen urn Grenzzyklen: Tori) geben, auf denen ein System stabil schwingen kann. Dieses System kann mit dem Modell M 220 "Bistabiler Schwinger" im Systemzoo genauer untersucht werden. (7) Chaotischer bistabiler Schwinger

Die Grundstruktur eines chaotischen bistabilen Schwingers zeigt Abb. 3.17g (System dritter Ordnung; periodisch erregtes Duffing-System). Hier wird der bistabile Schwinger durch eine zeitabhiingige Cosinus-Funktion angeregt. Urn das System autonom (ohne exogenen Antrieb) zu formulieren, wird die Zeit als neue ZustandsgroBe z eingefuhrt: dx/dt = Y dy/dt = x - ~ - d·y + q cos(wz) dz/dt = 1 z entspricht genau der Zeit t, da z =

oIt (dz/dt) dt = oIt (1) dt

= t

In gewissen Parameterbereichen ergibt sich jetzt chaotisches Verhalten - exponentielles Auseinanderlaufen zweier eng benachbarter Zustandsbahnen auf geometrisch komplexen 'chaotischen Attraktoren', so daB sich trotz der deterministischen Zustandsgleichungen keine genaue Angabe tiber die Zustandsentwicklung mehr machen laBt. Dieses System kann mit dem Modell M 221 "Chaotischer bistabiler Schwinger" im Systemzoo genauer untersucht werden. Diese wenigen Beispiele werden ein gewisses Bild von den komplexen Verhaltensmoglichkeiten selbst strukturell einfacher Systeme vermittelt haben. Oft bestimmen relativ einfache Strukturen dieser Art auch wesentlich das Verhalten sehr viel hOher dimensionaler Systeme oder Systemmodelle. Bine Aufgabe der Systemanalyse ist es daher, auch bei komplexen Systemen kompakte, verhaltensrelevante 'Kern'strukturen herauszuarbeiten. 3-2.5

Eigenschaften und Verhalten von Zustandsgrofien

Wir fassen hier einige allgemeine Beobachtungen tiber ZustandsgroJ3en und Systeme zusammen, die bei der Beurteilung deterministischer Systeme ntitzlich sind. Die Bemer kung en gel ten in erster Linie fur kontinuierliche Systeme; mogliche Abweichungen bei diskreten Systemen sind vermerkt.

3-2 Systemelemente und Elementarsysteme

111

(1)

Speichergro13en sind immer Zustandsgro13en.

(2)

Aus den Zustanden der Speicher z (t) und dem Eingangsvektor D (t) konnen alle anderen Systemgro13en zur Zeit t einschlieBlich der Veranderungsraten z I (t) der Zustande bestimmt werden.

(3)

Die Anfangszustande (Speicherinhalte) mussen rur die Berechnung der weiteren Systementwicklung bekannt sein. In den SpeichergroBen steckt die 'Erinnerung' des Systems an vergangene Zustande.

(4)

1m allgemeinen (Ausnahme: chaotische Systeme) kann davon ausgegangen werden, daB nach langer Zeit beim nichtautonomen System der ursprungliche Anfangszustand kaum noch einen EinfluB auf das Systemverhalten hat, weil inzwischen die Effekte der Eingangsfunktionen das Systemverhalten dorninieren.

(5)

Die Zustandsfunktionen f = dz/dt geben die Veriinderungsraten der Speicherinhalte als Funktion der gegenwartigen ZustandsgroBen z, des Eingangsvektors D und u.v. der Zeit t wieder. Es sind dies algebraische Ausdrucke, die linear oder nichtlinear in den Zustandsgro13en sein konnen.

(6)

Der neue Speicherzustand folgt (beim kontinuierlichen System) aus der Veranderungsrate, dem Zeitintervall, uber die sie wirkt und dem alten Zustand durch Integration. Die Zustandsberechnung zerfiillt sornit in einen algebraischen Teil (Berechnungvon z' = f(z, D, t» und in eine Integration uber die Zeit.

(7)

Veranderungsraten lassen sich als Zu- oder Abflusse der SpeichergroBe pro Zeiteinheit auffassen. Sie haben immer die Dimension [Speichergr6Be/ Zeiteinheit].

(8)

Der Speicherinhalt wachst, solange die Summe der Zuflusse gro13er ist als die Summe der Abflusse. Bei gleichbleibendem ZufluB kann daher der Speicherinhalt auch wachs en, wenn sich lediglich die AbfluBrate etwas verringert.

(9)

Auch bei hohen Veranderungsraten kann der Speicherinhalt nicht sofort drastisch veriindert werden: Speicher (Zustandsgro13en) wirken daher tendenziell als Tragheiten (Puffer, Verzogerungen). Sie bewirken eine gewisse Entkopplung von den durch andere ZustandsgroBen bestimmten Systemteilen und gegenuber p16tzlichen StOrungen.

(10)

Die Zustandsveranderungsrate dz/dt ist oft yom Zustand z(t) selbst abhiingig (Ruckkopplung); d.h. die ZufluB- bzw. AbfluBraten von Speichern sind oft von deren Inhalt abhiingig.

(11)

Negative Ruckkopplungen fiihren (in kontinuierlichen Systemen) tendenziell zur Anniiherung an einen Gleichgewichtszustand und damit zur Stabilisierung. Gleichzeitig verhindern oder erschweren sie aber auch unter Umstanden notwendige Veriinderungen im System.

(12)

Positive Ruckkopplungen sind (in kontinuierlichen Systemen) dagegen selbstverstarkend und konnen z.B. zu exponentiellem Wachstum ruhren. Wegen ihrer 'autokatalytischen' Wirkung haben sie rur das AnstoBen von Veranderungen wie auch rur Wachstumsprozesse groBe Bedeutung, mussen dann aber durch andere negative Ruckkopplungen kompensiert werden, urn explosives, zerstOrerisches Wachstum zu vermeiden.

112

3 - Vom Wzrlamgsgraph zum mathematischen Modell

(13)

Die dynamische Entwicklung einer Zustandsgro13e ist oft sowohl von negativer als auch von positiver Riickkopplung bestimmt. Das resultierende Verhalten hangt davon ab, welche Riickkopplung jeweils dominiert.

(14)

1m allgemeinen wird die durch eine negative Riickkopplung geregelte Zustandsveranderungsrate urn so kleiner, je naher der Zustand am Gleichgewicht ist.

(15)

Riickkopplungen sind oft nichtlinear abhiingig yom Systemzustand. Solche Nichtlinearitiiten konnen die relative Dominanz von Riickkopplungen im Laufe der Entwicklung verandern, was grundlegende Verhaltensanderungen des Systems zur Folge haben kann.

(16)

Wird das Riickkopplungssignal verzogert (z.B. durch eine zwischengeschaItete Zustandsgr6Be oder ein Verz6gerungsglied), so wird die Zustandsveranderung durch einen verzogerten, nicht mehr aktuellen Zustandswert bestimmt. Hieraus kann sich ein HinausschieBen iiber den Gleichgewichtszustand ergeben. Dies wird ebenfalls verz6gert korrigiert, so daB es zu Schwingungen kommen kann.

(17)

Bei einem kontinuierlichen System k6nnen daher Schwingungen auftreten, wenn mindestens ein Speicher und eine Verz6gerung bzw. ein zweiter Speicher im System vorhanden sind.

(18)

1m Gegensatz dazu konnen bei einem diskreten System Schwingungen bereits bei einem einzigen Speicher auftreten. Bei diesen Systemen kann bei negativer Riickkopplung eine Vorzeichenumkehr im niichsten Schritt erfolgen, die im iiberniichsten Schritt eine weitere Vorzeichenumkehr zur Folge hat usw. (siehe hierzu Abb 2.10 in KapiteI2).

(19)

Gewisse autonome nichtlineare Systeme mit mehr als zwei ZustandsgroBen konnen chaotisches VerhaIten zeigen.

(20)

Gleiche Systemstrukturen fiihren zu gleichem VerhaIten, selbst wenn die Systeme von ihren physischen Elementen her grundverschieden sind. Die physikalisch v611ig verschiedenen Systeme der Abb. 3.18 z.B. haben identische Systemstruktur und k6nnen mit dem gleichen Blockschaltbild und den gleichen Gleichungen wiedergegeben werden. u

+-, . . - - - - ( u (t) ) - - - - - . u(t)

• d

mx + ex

L

+ kx = u

R

c

L (di/dt) + R i + (1/C) lidt = u L

q+

R

q+

(1/C) q == u

Abb. 3.18: Physikalisch vollig verschiedene Systeme konnen identische Systemstruktur haben.

3-3 Modellentwicklung und dimension ale Analyse

113

3-3

Modellentwicklung und dimensionale Analyse

3-3.1

Die Bedingung dimensionaler Stimmigkeit als Hilfe bei der Modellentwicklung

Mathematische Ausdriicke aus dimensionsbehafteten GroBen sind nur dann korrekt, wenn die angegebenen Operationen nicht nur fUr die Werte dieser GroBen, sondern auch flir ihre Dimensionen stimmen. Diese Stimmigkeit muB auch bei der Modellentwicklung uberpriift und strikt eingehalten werden. Die Bedingung der dimensionalen Stimmigkeit kann aber auch verwendet werden, urn daraus wichtige Hinweise flir die Modellformulierung zu erhalten. Beispiel: Es sei eine Gesamtenergiemenge E t einer Masse m als Summe einer poten-

tiellen Energie Ep und einer kinetischen Energie

~

zu berechnen:

E t = Ep + Ek Die potentielle Energie einer von der Rohe Null auf die Rohe h im Gravitationsfeld der Erde (Erdbeschleunigung g) angehobenen Masse mist allgemein gegeben durch die Formel Ep = mgh Rierbei konnen die Einheiten flir m, g und h auf der rechten Seite beliebig sein, solange die Energieeinheit der linken Seite in den entsprechenden Einheiten ausgedriickt ist: Auf beiden Seiten der Gleichung muB also die gleiche (Energie )Einheit stehen: Ep [Energieeinheit1]

=

m [Masseneinhei!l] . g [Beschleunigungseinheit1] . h [Einheit der Hohendifferenz1]

Fur die kinetische Energie einer sich mit der Geschwindigkeit v bewegenden Masse m gilt allgemein ~ = m(v2/2)

d.h. die Energieeinheit der linken Seite ergibt sich aus den (zunachst beliebigen) Einheiten der rechten Seite mit ~ [Energieeinhei~]

= m [Masseneinhei~] . (1/2) . v2 [(Geschwindigkeitseinhei~f]

Die Energieeinheit der linken Seite (Ergebnis) ist fUr jede der beiden Gleichungen diejenige, die sich aus der Multiplikation der Dimensionen der GroBen auf der rechten Seite ergibt. Fur die potentielle Energie gilt also [Energieeinheit1]

= [Masseneinheit1] . [Beschleunigungseinheit1] . [Uingeneinheit1]

und flir die kinetische Energie [Energieeinheit2]

= [Masseneinhei~] . [(Geschwindigkeitseinheit2f]

Urn die beiden Energiebeitrage addieren zu konnen, muB sein [Energieeinheit1]

=

[Energieeinheit2]

Das bedeutet nicht unbedingt, daB das System der MaBeinheitenl' das zum Ergebnis flir die potentielle Energie in der Energieeinheitl. flihrt, identisch sein muB mit dem System der MaBeinheitenz ' in dem die kinetische Hnergie (jetzt in der gleichen Energieeinheit 1) berechnet wurde. Dies ist bei der Modellbildung oft nicht zweckmaBig, da oft Originaldaten verwendet werden mussen, die in fachspezifischen MaBeinheiten errnit-

3 - Vom Wirlamgsgraph zum mathematischen Modell

114

telt wurden. So werden etwa Energiefliisse der Photosynthese von Pflanzenphysiologen in Milligramm CO2-Austausch pro Quadratdezimeter Blattflache und Stunde [mgC02'dm-2'h-1] angegeben, wahrend der Forstplaner sich fUr entsprechende Werte in Tonnen Trockensubstanz pro Hektar und lahr [toTS' ha-1.a-l] interessiert. Die notwendigen Umrechnungen miissen sorgfaltig durchgefUhrt werden, da sich hier leicht grobe Fehler einschleichen kannen, die bei der Modelliiberpriifung nicht gleich auffallen, da ja die Gleichungen zu stimmen scheinen.

1m Fall der Berechnung der Gesamtenergie sei beispielhaft die Masse M in metrischen Tonnen [t], die Erdbeschleunigung g in [m/s2], die Hahendifferenz H (z.B. zur MinimalhOhe im System) in Kilometern [km] und die Geschwindigkeit Y in [km/h] angegeben. Werden die entsprechenden Zahlenwerte einfach in die Formel

E t = M g H + (l/2) M y2 eingesetzt, so zeigt sich erst durch eine Dimensionsiiberpriifung, daB die Anwendung der Gleichung in dieser Form nicht zulassig ist: E t [?] = M [t] . g [m/s2] . H [km] + (1/2) . M [t] . y2 [(km/h)2] Offensichtlich sind hier zunachst einige Umrechnungen vorzunehmen, bevor die Zahlenwerte fUr M, g, H und Y in die Gleichung eingesetzt werden kannen. Wir legen zunachst die Energieeinheit fest, in der die potentielle und die kinetische Energie ausgedriickt werden sollen. Wir wahlen dafiir das louIe [1]. Unter Yerwendung des Newton [N] als (abgeleitete) Krafteinheit gilt im internationalen SI-System: 1 [1] = 1 [Nm] = 1 [kg (m/s2)Hm] = 1 [kg (m2/s2)] Weiter gilt: 1 [t] = 1000 [kg] und 1 [km] 1000 em]. Die Erdbeschleunigung gist eine Systemkonstante, die im SI-System ausgedriickt ist durch =0

g = 9.81 [m/s2] Darnit erhalten wir fUr die potentielle Energie [1] als Funktion der GraBen M [t] und

H [km]

Ep [1]

= M [t] . 1000 [kg/t] . 9.81 [m/s2] . H [km] . 1000 [m/km] =

(9.81' 106 . M' H) [kg m2/s2]

=0

(9.81 . 106 . M . H) [1]

Darnit steht jetzt auf beiden Seiten der Gleichung die gleiche Dimension. Die Gleichung gilt natiirlich nur fUr den Fall, daB (wie hier vorausgesetzt) M in [t] und H in [km] angegeben werden. Fiir die Umrechnung des Ausdrucks fUr die kinetische Energie miissen wir zusatzlich beach ten, daB eine Stunde 60'60 3600 Sekunden entspricht: =0

Ek [1]

= (1/2)' M [t] . 1000 [kg/t] . y2 [(km/hi] . (1000 [m/km]?' (3600 [s/h])-2 =

(0.5' 1 ] : = ' : ' + '/xl'yd~,Yi···/xn,yn/ /'; Die /xj,y/ sind zusammengehOrende Wertepaare der Tabellenfunktion. Der Funktionsaufruf im Programm erfolgt durch Verwendung von Thf( , , < Verzogerungszeit >, < Name der EingangsgroBe im Programm> ) Beispiel: X : = Delay3(1,DelT,U); Intern wird die exponentielle Verzogerung 1. Ordnung des Signals u als ZustandsgroBe mit einer negativen Riickkopplung der Starke (liT) berechnet, wobei T die Verzogerungszeit (Zeitkonstante) ist:

dzo/dt :=u - (liT) Zo Delay1 : = (liT) Zo mit dem Anfangswert zoo :=uoT Bei der exponentiellen Verzogerung 3. Ordnung werden drei ZustandsgroBen verwendet: dzddt :=u - (3/T) zl dzidt :=(3/T )(zl-z2) d~/dt

:=(3/T)(z2-~)

Delay3 : = (3 IT) z3

Die Anfangswerte werden berechnet aus zlO

~o ~o

4-1.8

= Uo T/3 = U o T/3

=

U

o T/3

Testfunktionen Pulse, Step, Ramp, Sin

Bei der Untersuchung des Systemverhaltens, insbesondere der Reaktion auf auBere Einwirkungen, spielen die Pulsfunktion Pulse, die Sprungfunktion Step, die Rampenfunktion Ramp und die Sinusfunktion Sin eine wichtige Rolle. In SIMPAS wird fUr die Sinusfunktion die vorhandene TurboPascal Funktion Sin(X: real) verwendet, wobei X in Bogengrad ausgedriickt sein muB. Die anderen Funktionen werden in SIMPAS definiert. Beispiel: U : = Sin (0.5

* time);

4 - Vom mathematischen Modell zur Simulation

146

Die Pulsfunktion Pulse wird im SIMPAS-Modell (Procedure ModelEqs) aufgerufen durch Pulse «PulsfHiche>, , < Pulsintervall > )

Beispiel: U : =Pulse (1, 10, 5); Dies definiert hier einen Einheitspuls (Pulsflache = 1), der zur Zeit t = 10 beginnt und dann aile 5 Zeiteinheiten wiederholt wird. Die Argumente der Pulse-Funktion konnen auch aIs (reale) Variablen vorgegeben werden: U : = Pulse (vp, tp, ti); Die Sprungfunktion Step wird im SIMPAS-Modell (Procedure ModelEqs) aufgerufen durch Step «SprunghOhe>, , < Rampenzeit> );

Beispiel: U : = Ramp (0.5, 5); definiert eine zur Zeit t = 5 einsetzende Rampe der Steigung 0.5. Aligemeiner: U : = Ramp (sr, tr); wobei Rampensteigung sr und Rampenzeit tr reale GraBen sein miissen. Durch Addition verschiedener Testfunktionen lassen sich sehr vielfaltige und komplexe Testsignale erzeugen. Wo dies nicht ausreicht, kann auch eine entsprechende zeitabhangige Tabellenfunktion als Testfunktion verwendet werden. Eine vorher definierte Tabellenfunktion Nr. 3 z.B. kann als Funktion der Zeit aufgerufen werden durch U : = Thf(3, time);

4-1 Simulationsumgebung fUr eine Standard-Programmiersprache: SIMPAS 4-1.9

147

Ereignisse Event

In Simulationsmodellen mu13 oft die Moglichkeit vorgesehen werden, daB gewisse Ereignisse auftreten, von denen dann die weitere Entwicklung abhangt. In SIMPAS sind Boole'sche Variablen Event [i] vorgesehen, die vor Beginn der Simulation zunachst aIle automatisch auf "false" gesetzt werden. 1m Laufe der Simulation besteht dann die Moglichkeit, die Event [i] auf "true" (oder spater wieder auf "false") zu setzen und damit weitere Ereignisfolgen zu steuern.

Beispiel: Darstellung der Folgen von Windbruch in einem Wald: if Sturm then Event [1] : = true; if Event [ll then begin BruchHolz: = 0.3 * StammHolz; Event [1] : = false; end; Mit der vorletzten Programmzeile wird sichergestellt, daB das (Sturm)Ereignis nur einmal zu Windbruch fuhrt. 4-1.10 Numerische Integration

Die SIMPAS-Version auf der Diskette zum Buch verwendet normalerweise die genauere Runge-Kutta-Integration (s. Kap. 7-1.6). Fur den Normalfall steht auch das Euler-Cauchy-Verfahren zur numerischen Integration zur Verfugung: zneu = Zalt + (dz/dt)alt' At bzw. State [il neu = State [ila1t + Rate [ila1t * TimeStep Fur die Modelle dieses Buchs ist das Verfahren ausreichend schnell und genau - vorausgesetzt, daB die Schrittweite klein genug gewahlt wurde. Hier ist oft ein Kompromill zwischen hoher Rechengenauigkeit und Rechenzeitbedarf zu schlieBen. Fur sehr exakte Analysen und fur sogenannte 'steife' Systeme (mit sehr unterschiedlichen Zeitkonstanten ihrer charakteristischen Prozesse) ist die Euler-Cauchy-Integration nicht geeignet. Hier mu13 auf andere Verfahren zuriickgegriffen werden (siehe hierzu z.B. Press u.a. 1988, S. 547-577, 777-792). Beim Euler-Cauchy-Verfahren mu13 die Schrittweite (TimeStep) so gewahlt werden, daB etwa mindestens 20 bis 100 Rechenschritte auf eine signifikante Anderung der ZustandsgroBe entfallen (z.B. auf eine halbe Sinus-Schwingung). Durch Variation der Schrittweite mu13 immer auf eine etwaige Abhiingigkeit der Rechenergebnisse von der Schrittweite gepriift werden. Die Schrittweite ist so klein zu wahlen, daB der beobachtete Rechenfehler nicht signifikant ist. 4-1.11 Verwendung von SIMPAS-Funktionen

Die Verwendung der Pulsfunktion Pulse, der Sprungfunktion Step, der Rampenfunktion Ramp, der Tabellenfunktion Tbf, der Sinusfunktion Sin und der Verzogerungsfunktionen Delay1 und Delay3 soIl an einem mit SIMPAS programmierten Beispiel gezeigt werden. Wir verwenden die Testfunktionen zur Definition von Eingangssignalen X, die dann mit der exponentiellen Verzogerung 1. und 3. Ordnung verzogert werden. Wir de-

4 - Yom mathematischen Modell zur Simulation

148

finieren Signale mit gleichen positiven und negativen Anteilen, so daB sich jeweils ein Zeitintegral von Null ergibt. DaB dies auch fiir die verzogerten Signale gilt, iiberpriifen wir durch Integration iiber die Zeit. AIle Signale beginnen zur Zeit t = 1. Das Puls-Signal wird aus zwei entgegengesetzten Pulsfunktionen zusammengesetzt: X : = Pulse (1, 1, 0) + Pulse (-1,2,0); Das Sprungsignal mit einem positiven und einem negativen Teil wird aus drei Sprungfunktionen konstruiert: X : = Step (1, 1) - Step (2,2) + Step (1,3); Das Rampensignal mit einem positiven und einem negativen 'Zacken' Hillt sich durch Addition von vier Rampenfunktionen aufbauen: X : =Ramp (1, 1) - Ramp (2, 1.5) + Ramp (2,2.5) - Ramp (1, 3); Mit der Tabellenfunktion wird das folgende Signal definiert: Table Function [1] : = 'X: Zeit' + '/0,0/1,0/1.2,1/1,5,0.2/2,0/2.5, -0.2/2.8, -1/3, 0/4, all' Das Sinus signal solI eine einzige vollstandige Schwingung im Zeitraum 1 < t < 3 erbringen, daher X : =sin (pi * (Time - 1» Urn jeweils eine andere Testfunktion auswahlen zu konnen, nehrnen wir eine entsprechende Abfrage auf: ParamQuestion [1] : = 'I-Pulse, 2-Step, 3-Ramp, 4-Sin, 5-Tbf: (5) [-J'; Die Antwort wird im Modellteil eingefiihrt und steuert dann (iiber "if ... then" - Anweisungen) die Signalauswahl: Select: = round (ParamAnswer [1]); Die Verzogerungen 1. und 3. Ordnung des Signals X mit einer Verzogerungszeit von DelT werden berechnet mit Y1

: =Delay1(1,DeIT,X)

Y3

: =Delay3(1,DeIT,X)

und Diese Verzogerungen verandern das Signal X; die Zeitintegrale von Yl und Y3 rniissen aber gleich dern Zeitintegral der unverzogerten Funktion X sein. Urn das zu iiberpriifen, integrieren wir das Eingangssignal und die beiden verzogerten Signale: Rate[l] := X; Rate[2] : = Yl; Rate[3] : = Y3; In der Ergebnisausgabe erscheinen autornatisch die drei ZustandsgroBen State[l] IntX, State[2] = IntYl und State[3] = IntY3 als Integrale aus Rate[l], Rate[2] und Rate[3]. Es rniissen entsprechende Bezeichnungen, Anfangswerte und Dirnensionen (dirnensionslos = [-]) angegeben werden:

149

4-1 Simulationsumgebung fUr eine Standard-Programmiersprache: SIMPAS

StateVariable[l]:= 'Integral von X, unverzogert: (0) [-]'; StateVariable[2] : = 'Integral von X mit Delay1: (0) [-]'; StateVariable[3] : = 'Integral von X mit Delay3: (0) [-]'; Zusatzlich sollen noch die Werte von X, Y1 und Y3 ausgegeben werden: OutVarText[l] := 'Signal: [-]'; OutVarText[2] : = 'Signal mit Delay1: [-]'; OutVarText[3] : = 'Signal mit Delay3: [-]'; Zu diesen Texten gehOren die entsprechenden Variablendefinitionen: OutVariable[l] := X; OutVariable[2] : = Y1; OutVariable[3] : = Y3; Urn die Wirkung von unterschiedlichen Verzogerungszeiten beobachten zu konnen, nehmen wir die Verzogerungszeit DelT mit einer Voreinstellung von 1 als Szenarioparameter in die interaktive Abfrage auf: ScenaQuestion[l]:= 'Verzogerungszeit: (1) [-]'; 1m Modellteil (Prozedur ModelEqs) muB dann stehen: DelT:= ScenaAnswer[l]; Fur die Laufzeiteinstellung sehen wir vor: Start :=0; Final := 10; TimeStep : = 0.01; Das entsprechende Programm FUNDEMO ist in Programm 4.2 (Anbang) gezeigt. Simulationsergebnisse sind in Abb. 4.1 wiedergegeben. Hier zeigt sich deutlich eine starke und unterschiedliche Verzerrung des Ausgangssignals durch die Verzogerungsfunktionen. Die 'Wirkung' des ursprunglichen Signals bleibt allerdings auch nach der Verzogerung gewahrt, wie die Integralergebnisse zeigen. SlMPAS-FVNl\I10Nl!N -Signal

- SiiJl8l mil Delayl

--Si&naI mil DeJa.>;6

Zeil

CZeiteinheiU

!

I.250 -_ 1.2501 -- 1.250 l.250 - 1.250 _ 1.250

SlMPAS-FVNl\I10NFl'l -lnlegraJ von X Ull""rzli&ert - InIegraJ von X mil DeI8,Y1 lnlegraJ von X mil Dela.,lO

(0- to)

Zeil

CZeiteinheiU

! Il o._

UlOO) 0 0 -_ 1

(0 ... to)

Abb.4.1: Demonstration von SIMPAS-Funktionen mit der Model Unit FUN DEMO. Verzogerung einer Rechteckwelie mit Delay1 und Delay3 und Integration der entsprechenden Signale.

150

4 - Vom mathematischen Modell zur Simulation

4-2

Simulation der Kreispendel-Dynamik mit SIMPAS

4-2.1

Autbau des SIMPAS-Modells aus dem Simulationsdiagramm

Am Anfang steht die entweder im Simulationsdiagramm oder in den entsprechenden

Modellgleichungen zusammengefaBte Modellbeschreibung mit den Komponenten

(1) Parameter und exogene GroJ3en (Sechsecke) (2) ZustandsgroJ3en (Rechtecke) und deren Anfangswerte (3) ZwischengroJ3en, die sich aus Parametern, exogenen GroJ3en, ZustandsgroJ3en und u.D. anderen ZwischengroJ3en algebraisch oder logisch ermitteln lassen (4) Veriinderungsraten der ZustandsgroJ3en, die aus (1), (2) und (3) folgen und den Systemzustand des niichsten Zeitschritts bestimmen. Fur das Kreispendel ergaben sich aus den Uberlegungen in Kap. 3 (Abb. 3.22 und Gleichungssatz PENDEL in Kap. 3-3.5) die entsprechenden Beziehungen rur das Simulationsmodell. Zur besseren Lesbarkeit des Programms ruhren wir hier wieder umgangssprachliche Bezeichnungen ein. Am einfachsten liiJ3t sich eine neue Modelleinheit durch Modifizieren einer iihnlichen, bereits vorhandenen Modelleinheit mit dem TurboPascal Texteditor oder einem textverarbeitenden Programm erstellen. Der neu zu entwickelnden Modelleinheit geben wir rur die weitere Verwendung mit SIMPAS den Namen MODEL.PAS.

(1) Parameter

Da die Dynamik rur ein breites Parameterspektrum untersuchbar sein sollte, ist es zweckmiiJ3ig, alle potentiell interessanten Parameter in die Abfrage aufzunehmen. Hierbei ist es wieder sinnvoll, zwischen relativ festeren Systemparametern (ParamQuestion) und hiiufiger zu iindernden Szenarioparametern (ScenaQuestion) zu unterscheiden. Parameter, die unter allen Umstiinden unverandert bleiben (hier die Gravitationskonstante), werden direkt im Programm definiert. Beim Kreispendel entscheiden wir uns darur, Pendelmasse und Pendelradius als Systemparameter, die Diimpfung aber als Szenarioparameter abzufragen. Das ruhrt zu den folgenden Programrnzeilen in der Prozedur InitialInfo (Voreinstellungen in runden Klammern): ParamQuestion[l] : = 'Masse: (1) [kg]'; ParamQuestion[2] : = 'Radius: (1) [m]'; ScenaQuestion[l] : = 'Diimpfung: (1) [Nj(mjs)]'; Die Zeichenketten in ' .. .' enthalten die am Bildschirm gestellte Frage, den Voreinstellungswert und die Dimension der abgefragten GroBe. Urn die Antworten in die Modellgleichungen einzuruhren, mussen sie am Anfang des Sirnulationslaufs dorthin ubertragen werden. In die Prozedur ModelEqs setzen wir daher ein: if Time =Start then begin Masse Radius Daempfung Gravitation end;

ParamAnswer[l]; ParamAnswer[2]; ScenaAnswer[ 1]; 9.81;

An dieser Stelle wurde auch die Gravitationskonstante definiert.

4-2 Simulation der Kreispendel-Dynamik mit SIMPAS

151

(2) Zustandsgroj3en und Anfangswerte In der Prozedur InitialInfo sind zunachst die ZustandsgroBen, ihre in Ausdrucken zu verwendenden Bezeichnungen, ihre Anfangswerte und ihre Dirnensionen anzugeben: : = 'Winkel: (0) [Bogengrad]'; State\Tariable[l] := 'Winkelgeschwindigkeit: (10) [l/s]'; State\Tariable[2] In den Modellgleichungen (Prozedur ModelEqs) werden die entsprechenden im Programm verwendeten Namen eingefiihrt (die Ableitung von State[i] ist Rate [i]): Winkel State[l]; Winkelgeschwindigkeit : = State[2];

(3) Zwischengroj3en Die Berechnung der ZwischengroBen aus Parametern und ZustandsgroBen (sowie u.U. von anderen ZwischengroBen) erfolgt in der Prozedur ModelEqs. Wir fiigen hier ein: Bahngeschwindigkeit Anziehungskraft Daempfungskraft Beschleunigungskraft Beschleunigung Winkelbeschleunigung

Radius * Winkelgeschwindigkeit; Masse * Gravitation * sin(Winkel); Daempfung * Bahngeschwindigkeit; -Anziehungskraft - Daempfungskraft; Beschleunigungskraft / Masse; Beschleunigung / Radius;

Hierbei ist zu beachten, daB jede GroBe aus vorher definierten GroBen berechenbar sein muB. Hieraus ergibt sich die Reihenfolge der Gleichungen.

(4) Zustandsveriinderungsraten Die Zustandsgleichungen werden in der Prozedur ModelEqs eingesetzt: Rate[l] Rate[2]

: = Winkelgeschwindigkeit; : = Winkelbeschleunigung;

Die rechten Seiten ergeben sich aus den vorher ermittelten ZwischengroBen.

(5) Zusiitzliche Groj3en, Laufzeitinfonnation und weitere Modellinfonnation Fur die moglichst realistische Darstellung der Pendelbewegung ist es interessant, die Pendelposition im Raum in Abhiingigkeit von der Zeit darstellen zu konnen. Wir fiigen daher in der Prozedur ModelEqs noch die Berechnung der horizontalen und vertikalen Position ein: horizontal : = Radius * sin(Winkel); vertikal : = Radius * (1 - cos(Winkel»; Diese GroBen werden als ErgebnisgroBen definiert: Out\Tariable[l] Out\Tariable[2]

:= horizontal;

: = vertikal;

Entsprechende Ausgabetexte mussen in der Prozedur InitialInfo vorgesehen werden: Out\TarText[l] Out\TarText[2]

'horizontale Position: [m]'; . - 'vertikale Position: [m]';

152

4 - Vom mathematischen Modell zur Simulation

In der Prozedur InitialInfo miissen noch Anfangszeit, Endzeit und Schrittweite der Simulation angegeben werden:

0;

Start Final TimeStep

.- 10;

Title Description TimeUnit Author

'KREISPENDEL'; . - 'nichtlineare gedampfte Schwingung'; 'Sekunden'; 'H.Bossel: Modellbildung und Simulation 910612';

0.02; Die Schrittweite (TimeStep) muB sich an der verwendeten Integrationsmethode (hier: Euler-Cauchy) und an der Dynamik des Modells orientieren (s. hierzu die Faustregel im Abschnitt 4-1.10 'Numerische Integration'). Die Zeit ist fUr die Modellprogrammierung als 'Time' verfiigbar. Fiir die Ergebnisausgabe sind ebenfalls in der Prozedur InitialInfo noch ein Modelltitel, eine Kurzbeschreibung, die Zeiteinheit und der Modellautor (mit Datum) anzugeben:

SchlieBlich wird noch (unter 'var') die vollsHindige Auflistung alier yom Benutzer definierten GraBen mit der entsprechenden Typendeklaration benatigt: var Winkel, Winkelgeschwindigkeit, Winkelbeschleunigung, Masse, Radius, Gravitation, Daempfung, Bahngeschwindigkeit, Anziehungskraft, Daempfungskraft, Beschleunigungskraft, Beschleunigung, horizontal, vertikal: real; Diese Aufzahlung kann auch in Form einer iibersichtlichen liste geschrieben werden, in der (in Kommentar-Klammern) auch Dimensionen und Erlauterungen angegeben werden. Damit ist das Simulationsmodell fUr das Kreispendel spezifiziert. Die entsprechende TurboPascal Unit PENDEL.MOD ist in Progranun 4.3 vollstandig aufgefUhrt. 4-2.2

Aufbau des lautrahigen Simulationsprogramms

Bevor die Modelleinheit als Unit MODEL.PAS weiter verwendet wird, ist es zweckmaBig, sie noch einmal mit einem entsprechenden Namen wegzuspeichern. Wir kennzeichnen alle SIMPAS-Modelle mit der Bezeichnung *.MOD. Das Modell fUr das Kreispendel speichern wir daher ab mit copy MODEL.PAS PENDEL.MOD

J etzt wird TurboPascal mit SIMPAS aufgerufen: TURBO SIMPAS Es erscheint der TurboPascal Bildschirm mit dem kurzen SIMPAS Hauptprogramm. 1m Menu in der Kopfzeile stellen wir unter "Compile" die "Destination" auf "Disk" (mit Return). Danach wahlen wir "Run" an. Das gesamte Simulationsprogramm wird nun kompiliert und - falls es fehlerfrei ist - yom Rechner gestartet. Falls MODEL.PAS noch Programmierfehler enthalt, miissen sie in der iiblichen Weise (als TurboPascal Pro-

4-2 Simulation der Kreispendel-Dynamik mit SIMPAS UNIT MODEL;

153

(* PENDEL.MOD ".Bossel: Modellbildung und Simulation 910612 *)

INTERFACE uses Base,Crt,Graph; procedure Initia linfo; procedure Mode 1Eqs; procedure Sunrnary; IMPLEMENTATION var Winkel, Winkelgeschwindigkeit, Winkelbeschleunigung, Masse, Radius, Gravitation, Dae~fung, Bahngeschwindigkeit, Anziehungskraft, Daempfungskraft, Beschleunigungskraft, Beschleunigung, horizontal, vertikal: real; procedure Initia linfo; begin Title := 'KREISPENDEL'; Description :- 'nichtlineare ged~~fte Schwingung'; TimeUnit := 'Sekunden'; Author := 'H.Bossel: Modellbildung und Simulation 910612'; StateVariable[l] StateVariable[2] PararrQuestion[l] PararrQuestion[2] ScenaQuestion[l] OutVarText[l] OutVarText[2] Start Final TimeStep end;

.- 'Winkel: (0) [Bogengrad]'; := 'Winkelgeschwindigkeit: (10) [l/s]'; := 'Masse: (I) [kg]'; 'Radius: (I) [m]'; :- 'Dampfung: (I) [N/(m/s)]'; := 'vertikale Position: [m]'; := 'horizontale Position: [m]'; :~ 0; := 10; :~ 0.02;

procedure Mode lEqs; begin if Time-Start then begin Masse := ParamAnswer[I]; := ParamAnswer[2]; Radius Daempfung := ScenaAnswer[I]; Gravitation := 9.81; end; Winke 1 := State[I]; Winke 1geschwi ndigkei t:= State[2];

:= Radius * Winkelgeschwindigkeit; := Masse * Gravitation * sin(Winkel); Dae~fungskraft :~ Dae~fung * Bahngeschwindigkeit; Besch leunigungskraft := - Anziehungskraft - Oae~fungskraft;

Bahngeschwi nd igke i t Anziehungskraft

Besch leunigung Winke lbeschleunigung horizontal vertika 1 OutVariable[l] OutVariab le[2]

:= Besch leunigungskraft / Masse; := Beschleunigung / Radius;

:= Radius * sin(Winkel); := Radius * (l - cos(Winke!)); := vertikal; := horizontal;

Rate[l] := Winkelgeschwindigkeit; Rate[2] :- Winkelbeschleunigung; end; procedure Sunrnary; begin end; end.

Programm 4.3: PENDELMOD. SIMPAS-Modelleinheit zur Simulation der Dynamlk elnes Rotationspendels.

154

4 - Vom mathematischen Modell zur Simulation

gramm) behoben werden. Das lauffiihige Simulationsprogramm steht als SIMPAS.EXE im aktuellen Verzeichnis auf Diskette oder Festplatte. Es sollte bei niichster Gelegenheit in PENDEL.EXE umbenannt werden: rename SIMPAS.EXE PENDEL.EXE Dieses Simulationsprogramm ist jetzt unabhiingig von TurboPascal verwendbar. Urn etwa auf einem anderen Rechner verwendet zu werden, mussen lediglich zusiitzlich noch der entsprechende Bildschirmtreiber (z.B. EGAVGABGI) und der Schriftsatz TRIP font (TRIP.CHR) aus der TurboPascal Bibliothek geladen werden. AIle folgenden Laufe werden mit PENDEL.EXE gemacht. 4-2.3

Standardlauf und interaktive Benutzung

Von der DOS-Ebene aus wird das Simulationsprogramm mit dem Aufruf PENDEL gestartet. In der linken oberen Ecke des Bildschirms erscheint zuniichst die Frage SIMPAS in schwarz-weill (0) oder Farbe (I)? Die Voreinstellung ist fUr einen Farbbildschirm. In diesem FaIle genugt das Drucken von RETURN. Geben Sie "0" und RETURN ein, falls Sie einen einfarbigen Bildschirm haben oder falls Sie Schwarz-Weill-Ausdrucke der Graphiken ben6tigen. In dies em Falle werden Kurven durch Strichmuster unterschieden. Als niichstes erscheint kurz der SIMPAS-Titelbildschirm. Auf dem niichsten Bildschirm folgt die Kurzbeschreibung des Modells mit kurzen Hinweisen fUr die SIMPAS-Benutzung: RETURN-Taste fUr den normalen Simulationslaufverwenden (Voreinstellung) ESCAPE-Taste zum vorzeitigen Abbrechen von Simulationen verwenden CTRL P-Eingabe zum Bildschirm-Ausdruck mit Nadeldruckern verwenden 1m allgemeinen entspricht die Verwendung von RETURN der 'normalen' oder 'hiiufigsten' Verwendungsweise des Programms. Wenn es sich urn eine Parameterauswahl handelt, werden die auf dem Bildschirm angegebenen Voreinstellungen durch Eingabe von RETURN aktiviert. Parameterwerte sollten daher nur eingegeben werden, falls sie sich von den Angaben auf dem Bildschirm unterscheiden. Am unteren Rand des Bildschirms findet sich die Frage

DRUCKER-AnschluB angeben: 0- kein, 1 - 9-Nadeldrucker, 2 - 24-Nadeldrucker, 3 - Laser/Desk Jet Falls kein Drucker verwendet werden solI (Voreinstellung), ist RETURN (oder "0" und RETURN) zu drucken. Mit der Auswahl von "I" und "2" lassen sich die meisten giingigen 9-Nadel- und 24-Nadeldrucker ansprechen (insbesondere die EPSON FX und LQBaureihe). Mit Nadeldruckern k6nnen Sie die Simulationsparameter, die Ergebnistabellen, zwei- und drei-dimensionale Graphiken und die Tabellenfunktionen ausdrucken, wenn Sie gleichzeitig die CTLR-Taste und P drucken. Bildschirmausdrucke lassen sich auch mit anderen Programmen erzeugen, wie z.B. HPSCREEN (fUr Hewlett Packard LaserJet und DeskJet Drucker) oder CAPTURE (fUr WORD). In diesem FaIle wird anstelle von CTRL P die < PrtScr > -Taste verwendet.

4-2 Simulation der Kreispendel-Dynamik mit SIMPAS

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Wird jetzt RETURN gedriickt, so erscheint der Bildschirm SIMULATIONSPARAMEIER. Zu Dokumentationszwecken findet sich in der ersten Zeile der Name des Modells sowie das Datum und die Uhrzeit. In der Liste sind alle System- und Simulationsparameter aufgefiihrt, die yom Modellbenutzer verandert werden k6nnen, unter Angabe ihrer MaBeinheiten und der momentanen Einstellung (normalerweise der Voreinstellungswert). Falls die Parameterliste so lang ist, daB nicht aIle Parameter gleichzeitig gezeigt werden k6nnen, kann die Liste mit der Pfeiltaste 'abgerollt' werden (es erscheint dann ein entsprechender Hinweis auf dem Bildschirm. Die Simulationsparameter werden in der folgenden Reihenfolge gezeigt: Systemparameter Szenarioparameter Anfangswerte der Zustandsgr6I3en Laufzeitparameter. Beim Simulationsmodell PENDEL erscheint die folgende Liste am Bildschirm: Masse Radius Dampfung Winkel Winkelgeschwindigkeit Beginn der Simulation Ende der Simulation Rechenschrittweite

[kg] [m] [N/(m/s)] [Bogengrad] [l/s] [Sekunden] [Sekunden] [Sekunden]

1.000 1.000 1.000 0 10.000 0 10.000 2.00E-02

Falls ein Drucker angeschlossen und richtig initialisiert wurde, kann jetzt ein Ausdruck erzeugt werden durch gleichzeitiges Driicken von CfRL und "P" (oder < PrtScr > ). AIle aufgefiihrten Parameter k6nnen hier verandert werden. Die Vorgehensweise wird weiter unten erlautert. Hier bestatigen wir diese Voreinstellungen mit RETURN. Der nachste Bildschirm schen:

BEARBEITUNGSSCHRITI erm6glicht eine Auswahl zwi-

Simulation mit Euler-Cauchy Simulation mit Runge-Kutta Parameterempfindlichkeit Globalverhalten Tabellenfunktionen Beenden Der Markierungsbalken steht hier auf der Voreinstellung "Simulation mit RungeKutta". Die Wahl der "Simulation mit Euler-Cauchy" wiirde zu einer rascheren, aber weniger genauen Simulation fiihren. Die anderen Funktionen werden weiter unten ausfiihrlicher erlautert: "Parameterempfindlichkeit" erlaubt die Untersuchung der Empfindlichkeit des Modellverhaltens auf veranderte (System- oder Szenario-)Parameter und Anfangswerte. "Globalverhalten" erlaubt die Untersuchung des globalen Modellverhaltens in Abhangigkeit von den Anfangsbedingungen der Zustandsgr6I3en. "Tabellenfunktionen" zeigt die im Modell enthaltenen Tabellenfunktion als Diagramme und Tabellen (PENDEL enthalt keine Tabellenfunktion, aber Sie k6nnen sich z.B. im Modell FUNDEMO die Tabellenfunktion zeigen lassen).

4 - Yom mathematischen Modell zur Simulation

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Wenn Sie jetzt RETURN driieken, wenn der Markierungsbalken auf "Simulation mit Runge-Kutta" steht, so wird die Runge-Kutta-Simulation gestartet. Naeh Beendigung der Simulation zeigt der naehste Bildsehirm die Abfrage: Weiter mit ERGEBNISDARSTELLUNG? J a, weitere Ergebnisse des Laufs Neill, neue Simulation oder Ende Die "Ja"-Option ist wieder als Voreinstellung markiert, und die Eingabe von RETURN fiihrt daher zu den Ergebnissen des Simulationslaufs. Der naehste Bildsehirm WAHL DER AUSGABEGROSSEN UND SKALEN erlaubt sowohl die Auswahl der AusgabegroBen wie aueh der MaBstabe, die in graphisehen Darstellungen verwendet werden sollen. Die Variablen werden immer in der folgenden Reihenfolge aufgefiihrt: Zeit (aIle) ZustandsgroBen ausgewahlte zusatzliehe AusgabegroBen Bis zu fiinf dieser GroBen (falls vorhanden) konnen fUr gleiehzeitige Ausgabe angewahlt werden. In unserem FaIle zeigt sieh auf dem Bildsehirm die Liste: Zeit Winkel Winkelgeschwindigkeit vertikale Position horizontale Position

[Sekunden] [Bogengrad] [l/s] [m] [m]

0 0 -3.128 5.46E-12 -0.997

10.000 7.669 10.000 2.000 0.990

Zusammen mit den Namen der AusgabegroBen und ihren MaBeinheiten sind die wahrend der Simulation bereehneten Maximum- und Minimum-Werte aufgefiihrt, die spater als Hinweise bei der Wahl der MaBstabe verwendet werden konnen. Falls der Benutzer an dieser Stelle keine Veranderung vornimmt und lediglieh RETURN driiekt, werden die ersten fiinf GroBen automatiseh ausgewahlt. Falls weniger als fiinf GroBen interessieren, muE der Benutzer sie individuell auswahlen (siehe unten).

KRI':ISPENDEL

-Winkel Winkell