München im Mittelalter [Reprint 2019 ed.] 9783486771633

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München im Mittelalter [Reprint 2019 ed.]
 9783486771633

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Verzeichnis der Abkürzungen
I. Kapitel: Münchens Entwicklungsgang. Wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung
II. Kapitel: Münze, Maß und Gewicht. Die Kaufkraft des Geldes
III. Kapitel: Die landesherrlichen Finanzhoheitsrechte: Bischof und Herzog
IV. Kapitel: Das städtische Zollwesen
V. Kapitel: Steuer und Schankungeld
VI. Kapitel: Schuld und Kredit. Die Stabt als BssMer
VII. Kapitel: Das rentierende Vermögen der Stadt
VIII. Kapitel: Die Stadt als Unternehmer
IX. Kapitel: Städtische Gebühre«. Bürger- und Meisterrecht. Der Jahrmarkt am Anger. Buß-, Markt-und Meßgelder
X. Kapitel: Das städtische Beamtentum. Ärzte, Apotheker «nd Lehrer
XI. Kapitel: Das städtische Banwesen
XII. Kapitel: Allgemeine kommunale Wohlfahrtspflege. Kirchliche und weltliche Feste
XIII. Kapitel: Das Kriegswesen. Die Verteidigung der Freiheit, Sicherheit und Rechte der Stabt
XIV. Kapitel: Bürgerunruhe« und Aufstände
XV. Kapitel: Münchens städtische Bevölkerung im 14. und 15. Jahrhundert
Anlage
Autoren-Register.
Orts-, Personen- und Sachregister

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München rrnMittelaltev Von

Dr. Fridolin Solleder Staatsarchivrat

Mit 63 Abbildungen im Text und 12 Tafeln

München und Berlin 1938

Verlag von R. Oldenbonrg

Copyright 1938 by R.Oldenbourg, München-Berlin

59 Zeichnungen nach alten Originalen von Professor Fritz Gäßl, München Druck und Buchbinderarbeit von R.Oldenbourg, München

Vorwort Oftem! Alle mittelalterlichen Rechnungen heben damit an. Mit „Item dedit“, ^„Item dedimus“ beginnen sie zum andern, zum dritten und vtertenmal, beginnen

mit der zähen Beharrlichkeit, die den Menschen des Mittelalters nun einmal eigen ist, hundert-, tausend- und abertansevdmal. Immer wieder folgt diesem geheimnisvollen, vieldeutigen Wort nüchtern und nackt Zahl um Zahl, Ziffer um Ziffer, folgt ein wort­ karger Ausweis über die Verwendung von Geldern. Dürr und zweckmäßig reihen sich die Rechnungsposten aneinander: Item! Item! Item! Wer je in Rechnungen zu for­ schen hatte, weiß, was es heißt, aus ihnen eine lebendige Darstellung zu gestalten; wie viel mehr im Mittelalter, dessen Wesen in Kunst und Sprache verhaltene Kraft und Ge­ bundenheit ist. Wer aber sich in die Tausende und aber Tausende kurzer, oft schwer deut­ barer Rechnungseinträge einlebt, wer sich gewöhnt, stumme, verschlossene Kinder der Gotik zu Gewährsmännern zu haben, denen Beredsamkeit etwas Wesensfremdes und Ungewohntes, ja Gegensätzliches und Feindseliges ist, dem klingt aus dem sparsam hingeworfenen Wort der Raitung, erst im 15. Jahrhundert werden die Kammerrech­ nungen dank der launigen Bemerkungen des Stadtschreibers etwas gesprächiger, Lebenskraft und Lebensstil des Mittelalters rein und warm, einprägsam und über­ zeugend auf, dem formen sich die vielen kleinen Einträge und Rechnungsposten zu einer farbensattev Geschichtsquelle von hohem Wert, der sieht die großen Linien städtischen Lebens und die Kräfte, welche seine Gemeinschaft bewegten. Gegenüber der Glanzzeit der sächsischen, salischen und staufischen Kaiser, gegen­ über Reformation und Gegenreformation, behandelte die deutsche Geschichtsschreibung den Zeitraum, den unser Buch umschließt und erhellt, etwas stiefmütterlich. Und doch ist gerade das 14. und 15. Jahrhundert die Zeit der Erstarkung der Städte und des Bürgertums, die vollste und reinste Entfaltung deutschen Seins und Wesens in der Gotik. Dazu erfaßte die Forschung die deutschen Gebiete ungleich, bearbeitete mehr oder minder erschöpfend die Kaiserstadt Wien, die Lande am Rhein und Bodensees die Städte der Hansa und einige wenige führende Reichsstädte, beachtete dagegen zu wenig, was zwi­ schen diesen traditionell gepflegten Städten und Gebieten liegt. Wenn das mittelalter­ liche München in der großen Literatur über das deutsche Städtewesen nicht die ihm zu­ kommende Rolle spielt, so liegt der Grund hiefür nur zum Teil im Fehlen an fachwissevschaftlichev Vorarbeiten. Die Gründungsgeschichte und älteste Stadtverfassung war immer wieder Gegenstand und Ausgangspunkt gelehrter Untersuchungen, die Gewerbe­ geschichte und das Eigenleben der Zünfte wurde von vielen Seiten erfolgreich in Angriff genommen, die Geschichte der ältesten Pfarreien baute dauerhafte Grundlagen für For­ schungen über das kirchliche Leben und ließ nur den politischen Machtkampf zwischen

Stadt und Kirche außer acht, die Kunst ist wie keine andere Seite des gemeindlichen Lebens erforscht. Wohl hat die Stadt vor fünf Jahrjehnten Mittel jur Herausgabe eines Urkundenbuches ausgeworfen, doch war diesem dankenswerten Plane die glückliche Durchführung nicht beschieden. Ein erster mächtiger Schritt zur Veröffentlichung der mittelalterlichen Quellen wurde tu -er jüngsten Gegenwart durch Pius Dirr mit der Veröffentlichung der „Denkmäler deHMünchner Stadtrechts" (Erster Band 1934,

Index 1936) getan, welche die für die städtische Verfassung^ und Verwattungsgeschichte wichtigsten Privilegien und Ratssatzungen vorerst bis zum Jahre 1400 der wissenschaft­ lichen Forschung zugänglich machen. Dagegen besitzt München bis heute keine umfassende wissenschaftliche Stadtgeschichte, wenngleich Presse und Öffentlichkeit diesen Mangel seit langem beklagen. Wenn unsere Stadt, die seit König Ludwigs I. Zeiten führend an allen kulturellen Bestrebungen des deutschen Volkes lebendigen Anteil nimmt und deren Lehrstühle für Geschichte von jeher mit ersten Gelehrten ihres Faches besetzt sind, diese Ehrenschuld an eine ruhmvolle geschichtliche Vergangenheit bisher nicht abtrug, so lag dies vor allem darin begründet, daß seine wissenschaftlichen Körperschaften, Uni­ versität wie die Historische Kommission bei der Akademie ihre vornehmste Aufgabe darin sahen, die deutsche Reichsgeschichte zu betreuen. Auch ein anderer Vorzug der Stadt wurde ihrer örtlichen Geschichtsschreibung zum Verhängnis: München besitzt weitum die geschlossenste Reihe der Stadtrechnungen und Steuerbücher, und gerade dieser einzigartige Reichtum wlrtschaftsgeschichtlicher Quellen gestaltet eine Überschau,

Durchdringung, Zusammenfassung und Auswertung äußerst schwierig und vor allem zeitraubend. Wenn ich es unternahm mit diesem Buche dte,erste quellenmäßige Stadtgeschtchte des stolzen Gemeinwesens zu beginnen, dessen Lebenskraft uns alle täglich von neuem beglückend umgibt, so verdanke ich die Anregung hiezu dem Altmeister bayerischer Ge­ schichtsschreibung Sigmund von Riezler, der mir dereinst empfahl, an die Bearbeitung des mittelalterlichen Stadthaushalts heranzugehen. Damals gab es in der Wissen­ schaft nur eine Lehrmeinung über München, daß seine Bedeutung im Mittelalter eine völlig untergeordnete war. Roch Akademiepräsident und Ehrenbürger Karl Theodor von Heigel, einer meiner hochverehrte» Lehrer, sprach der Stadt in einem geistreichen, zu ihrem Lob und Preis geschriebenen Essay jede merkantile Bedeutung ab, der nam­ hafte Literaturhistoriker der Universität Prof. Munker verlegte Münchens Cinttttt in die deutsche Literatur erst in die Zeit des Humanismus. Je weiter meine archivalischen Vorarbeiten gediehen, um so mehr verdichteten sie sich in den schlüssigen Beweis für das Gegenteil der herrschenden Meinung. Das Recht einen volkswirtschaftlich wie geschicht­ lich gleich bedeutsamen Stoff anzugehen und ihn mit der Fülle kulturellen Lebens zu beseelen, glaubte ich als Berufshistoriker daraus herleiten zu dürfe», daß ihn niemand vor mir zu meistern suchte und daß nach einem Ausspruch des großen Gustav Schmoller (Jahrbuch 1912 S. 180) die Scheu unserer Nationalökonomen vor den Archiven ein Haupthindernis wittschaftsgeschichtlicher Ausbeute ist. Münchens Entwicklung beginnt in einem Zeitpunkt, da anderwärts uralte Römer­ städte und Bischofssitze längst zu blühenden Gemeinwesen herangewachsen waren, und

doch holt die neugegründete Stadt als Machtzentrvm eines großen reichsfürstltchen Territoriums gar bald viel von deren Vorsprung auf, wird bedeutender Salzumschlagsplatz und blühende Handels- und Gewerbestadt, namentlich seit der Zeit, da sie der schimmernde Glanz einer deutschen Königsstadt umgibt und sie Residenz gerade des deutschen Königs ist, der die Förderung von Bürgertum und Städtewesen zu seiner vornehmsten Herrscheravfgabe macht und Bayern, Tirol und Brandenburg, Holland und Hennegau von München aus regiert. Auch nach dieser Glanzzeit wirkt die Haupt­ stadt des Landes Oberbayern politisch durch bas Schwergewicht mächtiger Fürsten, wirtschaftlich durch die Tüchtigkeit und Volkskraft des eigene» Bürgertums weit über die Landesgrenzen. Von Augsburg, Ingolstadt, Regensburg und Landshut bis hinab nach Salzburg und Innsbruck ist keine Rivalin, die München das Alpenvorland und die bayerische Hochebene als wirtschaftliches Absatzgebiet streitig machen konnte. Über hemmende Zollschranken des Binnenhandels hinweg erweitert seine Bürgerschaft im 13. und 14. Jahrhundert nach allen Seiten ihre Absatzgebiete, seine Kaufmannschaft treibt Handel mit Österreich, Böhmen und Ungarn, mit Italien, Schweiz und Frank­

reich, mit Rheinland und Flandern. Mit der Weltwirtschaft und dem Welthandel aufs innigste verknüpft, ist Münchens Bedeutung als Handelsplatz doch nicht in dem hohen Maß auf dem Fernhandel gegründet wie bei den führenden, dichtbesiedelten Reichs­ städten. In den Ring der volkreichsten deutschen Großstädte Köln, Wien, Lübeck, Straß­ burg, Augsburg, Nürnberg, die ihrerseits an Volkszahl hinter den ersten Weltstädten Rom, Paris und London zurückstehen, tritt München noch nicht ein, und doch schwingt sie sich im 15. Jahrhundert zur mittelalterlichen Großstadt auf, deren Einwohnerzahl jene der Großhandelsstädte Frankfurt und Basel erreicht, ja übertrifft. Aufgebaut auf Tausenden einzelner Quellenstellen, Hunderten unbekannter großer wie kleiner Geschehnisse, verständlich gemacht durch Ausblicke auf die gleichzeitige Ent­ wicklung anderer Städte, verankert in der gesamtdeutschen Kultur- und Wirtschafts­ geschichte, suchte ich über das eigentliche Gebiet der Finanzen hinaus bas organische Wachstum und reiche Innenleben des Münchner Gemeinwesens, das buntbewegte Zeit­ bild städtischer Kultur des Spätmittelalters eiuzufangen, und zwar immer vom Blick­ feld des Rathauses und der Stadtverwaltung aus, wo die erfolgreichsten Männer praktischer Arbeit und die besten Köpfe der Gemeinde dem Geist, der Gesinnung und dem Wirtschaftswillen der Gesamtheit Ziel und Richtung wiesen, die politischen, kul­ turellen und sozialen Bestrebungen betrieben oder leiteten, die Forderungen der Händ­ ler, Erzeuger und Verbraucher mit dem Wohl der Allgemeinheit in Einklang brachten, wo in der Herzkammer des Gemeinwesens alle Blutstränge der bürgerlichen Gemein­ schaft zusammenliefen und mit motorischer Kraft alles blutvolle Leben wieder bis in die letzte Keimzelle, bis in den letzten Winkel der Stadt gepumpt wurde. Während die Mit­ lebenden und Mitstrebenden unter dem Druck einer harten WirNichkeit sich über Sinn und Wesen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, sozialer Krisen und revoluüonärer Kämpfe und Bewegungen kaum klar wurden, gewinnen wir durch die Entwirrung politischer Zu­ sammenhänge Einblick in ihre Entstehung und letzten Ursachen, lernen durch die Be­ strebungen der Stadt zur Beschaffung billigen Brotes, zur Bildung einer Sparbank,

zur Einführung und Ingangsetzung neuer Erwerbstweige die soziale Einsicht des Mittel, alters, seine Stellung »um ZinSproblem und zur Judenfrage kennen. Über allen wirt­ schaftlichen Unternehmungen der Stadt sieht als Leitmotiv „jv gemeinem Nutz und Frommen". Eine harte Zeit erzieht ein hartes Geschlecht. Kräftiger, lauter und schneller pulst das nationale Leben in dieser Stadt, wenn im Streit der höchsten Gewalten Kaiser und Reich umkSmpst und in Gefahr sind oder schwere Schlagschatten der tschechischen, fran­ zösischen und türkischen Gefahr das friedliche Schaffen emsigen Bürgerfleißes bedrohlich umdüstern. Oft und schwer appelliert das Mttelalter in Fehde- und Kriegszeiten an den Opferfinn und soldatischen Gemeinschaftsgeist aller wehrfähigen Stteiter. Die Ein­ sicht in die nationalen Erfordernisse des Tages bleibt ein Ruhmestitel der Bürgerschaft. Neben der Wirtschaft auch die Kultur des Bürgertums wieder erstehen zu lassen, war eine der Zielsetzungen des Buches. Man ist gewohnt, Münchens Ursprung als Stadt der Kunst und Wissenschaft an die höfische Prachtentfaltung Herzog Albrechts V. in der Hochrenaissance, auf die Schöpfung einer kostbaren Kunstkammer und die Grün­ dung einer wertvollen Hofbibliothek zvrückzuführev. Und doch lassen sich die Wurzeln, welche die Kunststadt ins Erdreich schlug, bis in die Gotik zurückverfolge» und die ersten Anfänge einer Münchner Geistesgeschichte datieren von der Zeit, da am Königshof die Pflege schöner Dichtung eine Heimstätte fand und der deutsche Gedanke in trautem Bund mit der deutschen Sprache von München aus auf den Straßen des Reiches überall hinzog, wo das Volk ihres Rufes wartete. Und wenn München heute die unbestrittene Herrin der Kunst in deutschen Landen ist, so auch deshalb, weil tm Spätmittelalter Rat und Bürgerschaft die Pflege der schönen Künste uudFte zielbewußte Kulturarbeit nicht dem Kunstsinn und der Tatkraft des Hofes überließen, sondern als verpflichtende Auf­ gabe des Gemeinwesens betrachteten und weil der große Siva derer, welche Kunstwerke wie da- festliche Rathaus und den hochragenden Dom gestalteten, an der Aufgeschlossen­ heit und Kuvstbegetfieruvg aller, welche ihre Entstehung miterlebten, Ansporn, För­ derung und Widerhall fand. Der Liebreiz der hunderttürmigen Stadt mit ihren reichen Wandmalereien, die prächtigen Schauturniere und Schützenfeste, die großzügig geübte Gastfteuadschaft, ein ftohgemutes Künstlertum, das das Leben lebenswert zu gestalten weiß, ein Dolksstamm, dem man Eigenheit und künstlerischen Herzschlag nachrühmt, begründen schon im Mttelalter Münchens Ruf als Stätte froher Geselligkeit und hei­ tere« Lebensgenusses. So sicherte sich das Mttelalter den Dank kommender Geschlech­ ter, weil es die Grundlage zu jenem künstlerischen München schuf, von dem mit Be­ geisterung spricht, wer immer Empfindung hat für Größe und Stil. Die Darstellung führte ich bis zum Abschluß des Mttelalters, an die Schwelle jener großen Zeiteuwevde, da im Umbruch zweier Zeitalter neue geistige und wirt­ schaftliche Kräfte die erstarrenden und überlebten Formen staatlichen und kulturellen Lebens ablösen, Renaissance und Humanismus die Gotik entthronen, die erstarkte Staatsgewalt das eigenwillige Selbstbestimmvngsrecht der Gemeinwesen gebieterisch in staatliche Fesseln schlägt und dem Einheitsstaat «nterordnet. Als reifliche Grenze wählte ich das Jahr 1500. Mit der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts tritt die städtische

Haushaltführung i« eine ueue Periode ei«: das Aufgebeu der alteu bayerische« Pfundrechnung und die Einführung der amtlichen Guldenrechnung drücken der Rech­ nungsführung schon rein äußerlich ein neues Gepräge auf. Seit 1504 wird München überdies Hauptstadt des endlich wieder geeinten Landes Bayern, dank der überragen­ den Stellung, welche fie seit Jahrhunderten über die übrigen Refidenjstädte der Wittels­ bacher heraushob. Den überreichen Quellenschatz des Stadtarchivs schöpfte ich bis zum Letzten aus und verdanke dies insbesondere dem kollegialen Entgegenkommen des städtischen Archiv­ rates Dr. Friedrich Horvschuch. Auf dienstlichen Streifen in den schier unübersehbaren Beständen der staatlichen Archive kam mir manches Stück in die Hände, das der aus­ dauerndste Fleiß planmäßiger Nachsuche kaum jemals zu Tage geschafft hätte; dazu förderten mich die Betreuer der kostbaren Handschriftenschätze der bayerischen Staats­ bibliothek Geheimrat Dr. Leidinger, Oberbibliotheksrat Dr. Hartmann und Oberbiblio­ thekar Dr. Ruf bei der Suche nach Münchner Handschriften in jeder Weise, so daß ich die staatlichen Quellen in geradezu idealer Vollständigkeit erfassen konnte. Im Nachlaß des kurbayertschen Hofbibliothekars Andreas Felix von Oefele hatte ich das Glück, eine unverwertete Ratschrontk auszumitteln. Mit Bedacht ging ich allen Quellen außerhalb der staatlichen Forschungsinstitute nach und wenn auch die Ausbeute nicht immer die darauf gesetzten Erwartungen erfüllte, zwei Fälle genügten, mich reichlich für die auf­ gewendete Mühe zu entschädigen. Dank dem Verständnis des Ordensprovinzials und des Ordensarchivars des seit fleben Jahrhunderten hier heimischen Franziskaner­ klosters durfte ich das älteste, treu umhegte Totenbuch der Barfüßermönche zum ersten­ mal für die Stadtgeschichte auswerten. Freifrau Gabrtelle von Schrenk-Notzing bin ich zu hohem Dank verpflichtet für die Ermittlung und Zugänglichmachung der lange vergeblich gesuchten, aufschlußreichen Familienchronik des einzigen noch im Mannesstamm blühenden, uradeligen Münchner Patriziergeschlechts, dem Andenken des Generals Freiherrn von Barth für die Öffnung seines Famllienarchtvs auf Schloß

Harmating. Frau Dr. Haußler überließ mir den literarischen Nachlaß des kurfürstlichen Geheimrats Lippert mit den für verschollen gehaltenen alten Zunftakten der Münchner Malerzunft. Die ins Mittelalter zurückreichenden Grundbücher der Stadt, diese wert­ volle Quelle der Haus- und Familiengeschichte, konnte ich vor Jahren in meiner beruflichen Tätigkeit als Staatsarchivar aus dem Jvstizpalast holen und der Forschung zuführen. Die angenehme Pflicht allen zu danken, die das Entstehen dieser Arbeit förderten, erfülle ich weiter gerne gegenüber den Vorständen und Beamten der Stadtarchive München, Landshut, Köln und Wien, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, Geh. Haus­ archivs und Kreisarchivs München, des Staatsarchivs Landshut, des Historischen Ver­ eins von Oberbayern, der Staatsbibliothek und der Stadtbibliothek München, der Universitätsbibliotheken München und Heidelberg. Vorstände und Beamte der staat­ lichen und städtischen Museen und Sammlungen standen mir bei der Bildbeschaffung mit jener großzügigen Hilfsbereitschaft zur Seite, die ich aus 10 Jahren Herausgeber­ schaft der Zeitschrift „Das Bayerland" in dankbarer Erinnerung habe. Für Überlassung

VS« Originalen ober Lichtbildern habe ich ju danken dem städtischen Hochbauamt und dessen Oberbaurat Dr. Knorr, dem Historischen Stadtmusevm und seinem Dorstaub Amtmann Schießl, dem Landesamt für Denkmalspflege und seinen Herren Direktor Dr. Lill, Prof. Schmuderer, Hauptkonservator Dr. Eckardt und Dr. Gröber, diesem für die prächtigen Aufnahmen des heute durch das Renaissance-Mausoleum wieder ver­ deckten Kaisergrabes; dem bayerischen Nationalmuseum und seinem Direktor Dr. Buchheit, der staatlichen Münjsammlung (Direktor Dr. Bernhard, Konservator Dr. Gebhardt und Dr. Grotemeyer) und schließlich dem Armeemuseum. Namentlich danken für ihre Gefälligkeit möchte ich ferner Herrn Oberarchivrat Dr. jur. Pregler für Unter­ stützung beim Lesen der Druckfahnen, Herrn Karl Pfefferle für Überlassung der bet der Domrestaurierung aufgenommenen Lichtbilder von den Kragsteinen hoch oben tm Dom, nicht zuletzt Herrn Kunstmaler Prof. Fritz Gäßl, der alle im Text gebrachten Bilder, ausgenommen den Holzschnitt von Hartmann Schedel und die Kupferstiche des Meisters MZ, mit künstlerischer Einfühlung originalgetreu umzeichnete. Daß das Buch in dieser reichen und vornehmen Ausstattung erscheinen konnte, danke ich Herrn Oberbürgermeister Fiehler und dem Direttor des städtischen Kultur­ amtes Ratsherrn Reinhardt, deren hohe Auffassung von Münchens geschichtlicher Ver­ gangenheit mir ausreichende Mittel für eine künstlerische Bebilderung gütigst gewähtte; aber auch Herrn Archivdirektor Dr. Pius Dirr, der aus Mitteln des Stadtarchivs einen Druckzuschuß zur Verbilligung des Buches genehmigte, wodurch erst die Beigabe der für die exakte Wissenschaft unentbehrlichen Tabellen ermöglicht wurde. Herrn Kom­ merzienrat Wilhelm Olbenbourg schulde ich Dank für die Aufnahme des Buches tu seinen hochangesehenen Verlag, seiner Gefolgschaft "für die gewohnt gediegene Aus­ führung. Ganz besonderen Dank schulde ich metuer lieben Frau für die stille, selbstlose Mitarbeit, mit der fie, wie alle meine wissenfchaftlichen Arbeiten, auch bas Zustande­ kommen dieses Buches betreute.

München, im November 1937.

Dr. Fridolin Solleder

Inhaltsübersicht Vorwort.

Seite

I. Kapitel: Münchens Entwicklungsgang. Wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung............................................................................................................................. 1-75 Der Gewaltstretch des Welfenherzogs Heinrichs des Löwe» S. 3. - Die Bedrohung der jungen Gründung S. 5. - Der Übergang an die Wittelsbacher S. 7. - Münchens

Aufschwung als Kaiserstadt unter Ludwig dem Bayer S. 10. - Die Verbreitung de6 Münchner Stadtrechts S. 11. - Das bürgerliche Zeitalter S. 12. - Ratsverfassung: Innerer, äußerer und großer Rat, die „Dreihundert" S. 14. - Das Redner- oder Bür­ germeisteramt S. 16. - Geschäftsverteilung, ehrenamtliche Führung der Ratsgeschäfte E. 17. - Die Rechte der Gemeinde S. 18. - Die Finanzverwaltung: Kämmerer und Kammerknecht S. 19. - Alter und Führung der Stadtrechnungen S. 21. - Rechnungsabhör S. 23. - Haupt- und Sooderkaffen S. 25 - Unterschied zwischen mittelalterlichem und modernem Stadthaushalt S. 26. - München als Handelsplatz S. 29. - Die Handels­ bedeutung, eine der Voraussetzungen für Ludwigs Königswahl S. 32. - Warenaustausch mit Italien, Venedig und Genna S. 32. - Mit Rheinland und Flandern, Wien und Österreich, Tuchhandel «ad Gewanbschnitt S. 35. - Der Geschäftsbetrieb eines Münchner Kramers S. 39. - Das Rottfuhrwese» und die Alpenstraßen S. 41. - Erschließung des Bergsegens der Alpen S. 42. - Stadt der Gelehrsamkeit und Kunst: Die streitbaren Hofgelehrten Kaiser Ludwigs des Bayer» S. 43. - Stoßtruppe« aus dem Minoritenorbe« S. 46. - Münchner Chronisten S. 48. - Münchner als Bischöfe «ab Domherrn S. 49. - Der akademische Nachwuchs. Das Studium in Italien S. 50. - Stegeszug der deutschen Sprache a«S der Münchner Reichskanzlei S. 52. - Pflege der Dichtung und des MnnesangS S. 53. - Das Musikleben S. 55. - Stadt der bildende» Kunst und des künstlerischen Lebensgenusses: Die Maler S. 57. - Bildhauer, Schnitzer und Stein­ metzen -S. 60. - Das Kunstgewerbe S. 64. - Tirol und der Münchner Einfluß S. 67. Das Patriziat S. 67. - Die „schöne Stadt" im Urteil der Zeitgenosse» S. 71.

II. Kapitel: Münze, Maß und Gewicht. Die Kaufkraft des Geldes . . . 77-119

Bayerns Eigenart im Münzwefen S. 79. - Mittelalterliche Münzzerrüttung und die auf Besserung des MünzwefenS gerichtete« Bestrebungen der Stadt S. 80. - Oie heimische Pfennigmünz« S. 83. - Silberbarrenwährung S. 84. - Ausländische Gepräge: Regensburger Denar, Heller, Berner Mark S. 86. - Eindringen der Goldguldeo: Floren«», Venezianische Dukaten, Schildgulden, ungarische, böhmische und rheinische Gulden ©.90. - Kampf um die Silberwährung ©.91. - Wertverhältnis zwischen Gold- und Silbergeld S. 93. - Münzwechsel S. 97. - Die Inflation der Schinberlingszeit S. 99. - Städtische Maß- und Gewichtspflege S. 104. - Vielheit und Zersplitterung der Maß- und Gewichtssysteme S. 105. - Münz- und Handelsgewicht S. 106. - Längen«nd Flüsstgkeitsmaß S. 107. - Getreide-, Salz- und Kalkmaße S. 109. - Wertmesser für die Kaufkraft des Geldes S. 112. - Tageskost, Fleischmahl und Fleischpreise S. 113. Wei« und Bier S. 114. - Getreide S. 115. - Allgemeine Lebensmittelpreise S. 117. Metalle, Munition, Baustoffe S. 118. III. Kapitel: Die landesherrlichen Finanzhoheitsrechte: Bischof und Herzog 121-138 Die Abgeltung der Ansprüche des Bischofs von Freising S. 123. - Die stadtherr­ lichen Gefälle der Herzoge S. 125. - Landesherrliche Zölle S. 127. - Münzregal S. 129. Die herzogliche Judenschaft. Isaak Zarfati © 130. - Ungeld und Schlachtsteuer S. 134. Grundherrliche Abgaben: Mühlen, Brauer, gewerbliche Betriebe S. 135. - Verpfän­ dungen der landesherrlichen Ankünfte S. 137.

Seite IV. Kapitel: Das städtische Zollwesen

139-187

Deine Vielgestaltigkeit S. 141. - Zoll,Ungelb jur Stadtbefestigung S. 141. Querschnitt durch die Schichtung des Zollwesens S. 143. - Brückenzoll und Land, Märkte S. 145. - Wasserzoll; die Isar als Verkehrsstraße S. 148. - Salzstapelrecht und Salzhandelsmonopol S. 151. - Scheiben,, Plachsal;,, Saumpferd, und Ezoll S. 158. Markt, und Pfnudzoll S. 161. - Stlberstangzoll S. 163. - Pflasterzoll an den vier Toren und Derkehrsstatistik S. 164. - Zollerhebung S. 166. - Zollsätze unter de« vier Toren. Verflechtung der mitteleuropäifche« Wirtschaft S. 168. - Zollgefälle von 13181500 S. 175. - Zollpolitik, Wolfsgelber S. 182. - Zollvergünstigungen und Zollfrei, Heiken, Ausdehnung des Fernhandels S. 184.

V. Kapitel: Steuer und Schankungeld

189-221

Begriff der Stadt, «nd Bürgersteuer S. 191. - Rechtstitel und Fixierung der Stadt, steuer S. 191. - Hilfen und Notbeden S. 193. - Vieh, oder Klauensteuer S. 193. Zwauzigpfennigsteuer S. 194. - Fräuleinsteuer S. 194. - Staatsschuldentilgung S. 195. - Hussiten, und Reichssteuer S. 196. - Rechtstitel der Bürgersteuer S. 196. Umfang der Besteuerung; Allgemeinheit der Steuerpflicht S. 197. - Steuerfreiheiten: Kirche, Adel, Juden, Hofbeamte «nd Hofgesinde, Stadtbeamte, dienende Volks, schichten, einzelne Berufe S. 199. - Maßnahmen zum Schutz der Steuerkraft: Paktsteuer, Amortisationsgesetzgebung «nd Nachsteuer S. 201. - Gang des Steuergeschäftes S. 205. Ermittlung der Steuervermöge« durch eidliche Selbsteinschätzung S. 206. - Zeit der Erhebung, Dersäumnisstrafe und Pfandsatzung S. 207. - Widerraitung S. 208. Steuerbelastung, Proporttnonalbesteuerung, „Habnit,", Rente», «nd Gnadensteuer S. 209. - Steuerertrag S. 211. - Soziale Gliederung der Steuerzahler, proze«, tuale Verteilung der Steuerlast, Bürgervermöge» S. 213. - Indirekte Besteuerung, Verbrauchssteuer auf Wein, Met und Branntwein S. 218. - Ungelderhebung «nd Der, waltung, Wtbergab, goldener Wechsel «nd Ehrung an die Weinschenken, Ungeldertrag S. 220. VI. Kapitel: Schuld «nd Kredit. Die Stabt als BssMer

223-245

Grundlagen und Ursachen der städtische» Schuld S. 225. - Schwebende und fundierte Schulde» S. 225. - DaS zinsbare Darlehen S. 226. - Ausnahmen vom Wucherverbot; Verzugszinsen S. 226. - Stellung der Juden im städtische» Kredit, verkehr S. 228. - Unverzinsliche, kurzfristige Anleihen, Steuervorschüffe der Bürger, schäft S. 230. - Rentenschulb und Rentengläubiger S. 231. - Leibgeding (Leibrente), ihre Zinshöhe und Verkehrsfähigkeit, Verstcherungstechnische Grundsätze S. 233. Ewtggeld (Ewigrente), Ablösbarkeit, Zinssätze von Ewig, und Leibrente, Rentenkoa, Versionen S. 235. - Grundbücher S. 240. - Gnade«, und Mündelgelder ©. 241. - Soli, darhaft und Pfandlösung S. 241. - Verbot des Freikaufs durch Lösegeld S. 243. Die Stabt als Geldgeber ihrer Fürsten S. 243. - Entwicklungsgang der städtische» Verschuldung S. 244.

VII. Kapitel: Das rentierende Vermögen der Stadt

247-267

Rathaus, Stadtwag, Gewandhaus für den Tuchhandel 6.249. - Recht, und Dinghaus, Kürschnerhaus, Bürgertrinkstube, Weinkeller ©. 250. - Schlachthaus, Fleisch, und Brotbänke, Lebensmittelpolitik S. 252. - Läden, Türme und Zinshäuser, Wohnrecht S. 257. - Stadteigene Betriebe und Anlagen S. 259. - Bleiche, Mang und Weberkeller S. 260. - Schlagende Werke: Färbhaus, Walk, Hammers Schleif,, Polier,, Mahl,, Sägmühlen, Gießhütte, Lohstampf S. 262. - Grundbesitz und auswärtiger GutSbesitz, Rentabilität S. 265. - Mietzinseinnahmen S. 266.

VIII. Kapitel: Die Stadt als Unternehmer Wirtschaftsnot und Absatzstockung ©. 271. - Einführung der Barchentweberei als neue Münchner Hausindustrie, Entsendung von Sachverständigen nach Augsburg und Ulm, Beschaffung von Baumwolle in Venedig, Verschleiß der Münchner Barchente auf der Frankfurter Messe S. 271. - Umfang der Münchner Produktion S. 273. -

269-289

Seite Städtische Ziegelwerke jur Beschaffung billige« Baustoffes und jur Eindämmung der Feuersbrünste; Betriebsform, Jahreserzeugung E. 274. - Private Anlagerung beS Salzes S. 281. - Errichtung von vier städtischen Lager- und Kaufhäusern für de« Salz­ handel S. 282. - Salzlaber, Büchsenknechte, KrStelschreiber S. 283. - Korohandel zum gemeine« Beste«, Schwierigkeit und Sicherung der Brotgetreideversorgung in Teue, ruogszeiten S. 284. - Notstandshilfe« durch Getretdekauf in Augsburg, Wie« und Österreich S. 285. - Planmäßige Dorratswirtschaft S. 285. - Fischzucht S. 288. Beschaffung von Werkkohle S. 288.

IX. Kapitel: Städtische Gebühre«. Bürger- und Meisterrecht. Der Jahrmarkt am Anger. Buß-, Markt-und Meßgelder . ...................................................... 291-312

Gegenleistung für Beanspruchung öffentlicher Ämter S. 293. - Erb- und Neubürger, Etnbürgemngsverträge S. 293. - Ermäßigungen und Befreiungen von de» Bürger­ rechtsgebühren S. 295. - Kündbarkeit des Bürgerrechts S. 295. - Gerichtsimmunität be­ dingt Ausschluß vom Bürgerrecht S. 296. - Stadtluft macht frei; Durchlöcherung dieses Rechtssatzes S. 296. - Bürgerrechtsaufgabe S. 297. - Meisterrechts- «Nd Zunftgelder S. 248. - Bußamt und Bußmeister S. 299. - Wochen- und Quatembermärkte S. 301. - Jakobidult am Anger, Ausgestaltung zur Münchner Messe, fiadtwirtschaftlicher Kampf um die Meffefreiheit S. 302. - Jahrmarktsgebühren und Standgeld S. 306. - Markt- «nd Meßgebühren: Marktmeffer, Korn-, Salz-, Wein- «nd Holz­ messer S. 307. - Beamtete Makler des Zwischenhandels S. 310. - Wag und Eich S. 311. X. Kapitel: Das städtische Beamtentum. Ärzte, Apotheker «nd Lehrer . . . 313-353 Leitsätze des mittelalterliche« Beamtentums: Ehrenamtlichkett, Gebührenbesoldung, Anstellung auf Dienstvertrag, Sauberkeit der Verwaltung. Die Beamtenschaft als Kul­ turträger S. 315. - Die Familie der festbesoldete« Stadtamtleute, Beamtendynastten; Bezüge, Anfänge der Alters- «nd Unfallversorgung S. 316. - Stadtschreiber ®. 318. Steuer- «nd KrStelschreiber S. 321. - Bürger- und Kammerknechte, Stadtboten und Ausrufer, Botenlohn und Reitgeld S. 321. - Gerichtsbeamte: Stadtrichter S. 322. Unterrichter S. 324. - Der Anwaltstand (Versprechen) S. 325. - Richtersknechte, Fron­ boten, Bettlerknechte S. 326. - Schlegel in der Schergenstube, Verpflegssatz für die Gefangenen S. 326. - Henker (Züchtiger), Strafarten S. 327. - Pfändermeister, Pfäoderknechte und Stadtsöldner S. 329. - Türmer und Uhrmeister S. 331. - Torsperrer S. 332. - Wachter und Zirker S. 332. - Der Stadt Werkleute: Maurer- und Zimmer, meister. Jörg von Halsbach S. 333. - Düchsenmeister und Armbruster S. 339. - Stabt, pfeifer S. 340. - Stadtärzte, Leib- und Wundärzte S. 341. - Hofärzte und freie Ärzte, schäft, ihre Bedeutung für das geistige Leben (Dr. Haas Hartlieb und Rudolf Dolkart von Häringen) S. 345. - Stabtapotheker S. 349. - Stadthebammen S. 351. - Deutsche Schule», Poetenschule« und ihre Lehrer S. 351.

XI. Kapitel: DaS städtische Banwesen

355-377

Banfreudigkeit, Organisation der Bauverwaltung und Bavpolizei S. 357. Stadtbefestigung und Erweiterung, drei große Bauperioden. Künstlerische Gestaltung der Türme, Tore «nd Mauer» S. 358. - Zwinger, und Grabenbau, Arbeitspflicht der Einwohnerschaft, der Dienstbote» und des Landvolks S. 362. - Sonderhaushalt der Baumeister für Zwinger, «nd Grabenba«, Steinbrüche bet Wolfratshausen S. 364. Straßenbau in der Stadt und außerhalb des Burgfriedens S. 364. - Wehr- und Brücken­ bau, Zerstörung der Jsarbrücke S. 367. - Wasserversorgung, Brunnengemeinden, Quelleitungen, Marktbruanen S. 368. - Rathaus und Ratsturm, Trinkstube, Tanz­ haus S. 370. - Neubau der Liebfrauenkirche S. 372. - Lohnsätze für das Bauhaod, werk S. 375. - Der städtische Marstall S. 377.

XII. Kapitel: Allgemeine kommunale Wohlfahrtspflege. Kirchliche «nd welt­ liche Feste 379-419 Bürgertum und Stadt als Trägerin der Wohlfahrtspflege ®. 381. - Armen­ wesen und Krankenpflege: Heiliggeistspttal S. 382. - Fürsorge für Elende, Aussätzige,

Sette

Gunderfleche und Findelkinder 6.384. - Seelnonnen, und Regelhäuser S. 384. Pfrünbuer im Angerkloster S. 386. - Bürgerliche Almosenstiftungen und Hausarmen­ pflege S. 387. - Privilegierung des Sladtbettels S. 388. - Wanderbettel, Zigeuner, fahrende Schüler und Mönche, abenteuernde Geselle« S. 389. - Waisenpflege S. 390. Gesundheitspflege: Geisteskranke S. 390.- Pestepidemien und ihre Bekämpfung S. 391. Bäder S. 395. - Reinhaltung und Beleuchtung von Straße» und Gassen S. 396. Stadtbrände und Organisation des Feuerlöschwesens S. 397. - Frauenhaus und Scholberplatz S. 401. - Kirche und Kultus: Zuwendungen an Kirche« und Klöster S. 404. - Fronleichnamsfest S. 407. - Betreuung der Friedhöfe S. 407. - Das Münchner Gnadenjahr 1392 S. 409. - Feste und städtische Gastfreundschaft, Schankung und Ehrung S. 4ii. - Rathaus und Marktplatz als Mittelpunkt der Stadtfeste S. 414. - Ratstrinkstube („Herrenstube"), Tanzhaus, Johannisnacht S. 416. Pferderennen S. 418.

XIII. Kapitel: Das Kriegswesen. Die Verteidigung der Freiheit, Sicherheit und Rechte der Stabt 421-491 München, nie mit Waffengewalt genommen S. 423. - Kriegstüchtigkeit der Bür­ gerschaft S. 424. - Das Bürgeraufgebot S. 425. - Das Waffenschmtedhanbwerk S. 426. Zweikampf auf dem Marienplatz nach Königsrecht als Gottesgericht S. 427. - Tur­ niere S. 428. - Schützenwesen und Schützenfeste, ihre soziale und nationale Bedeu­ tung S. 432. - Wehrsport des Jungvolks S. 439. - Städtisches Söldnertum S. 440. Das Zeugwesen: Kriegsmaschine» und Feuergeschütze S. 441. - Aufrüstung wegen der Bedrohung durch Hussiten und Armagnacs S. 445. - Auswärtige Geschützkäufe, Hellebardierer S. 451. - Kriegszüge S. 454. - Bruderkrieg unter der Vierherzogregterung S. 457. - Feldzug in Tirol S. 459. - Kampf gegen Ludwig im Bart, Belagerung und Erstürmung von Schwabe» und Friedberg S. 460. - Die siegreiche Schlacht bei Alling und Puchheim S. 467. - Hussitenfelbzug, erneuter Wittelsbacher Familienstreit S. 470. Türkenangst und venezianischer Krieg S. 472. - Landsknechte und Schweizer Reis­ läufer S. 473. - Das Fehdewesen: Das germanische Fehderecht und seine Entartung S. 475. - Das Buch der Bösewichter S. 476. - Febdebuch des Herzogs von Ober­ bayer« S. 477. - Der fehbelustige Herzog Christoph B. 478. - Nachtdienst und Wachtgelb S. 479. - Tagfahrten und Kundschaftsbtenst, Zehrung und Botenlohn S. 481. Die Warnungen der Münchner Kaufleute vor Wegelagerern S. 483. - Prozesse vor geist­ lichen und weltliche« Gerichten: München im Kirchenbann S. 483. - Prozesse vor der heili­ ge« Feme «nd am kaiserlichen Hofgericht S. 490.

XIV. Kapitel: Bürgerunruhe« und Aufstände

. 493-523

Innere Ursachen der Revolutionen S. 495. - Die erste Judenverfolgung 1285; Münznnruhe« 1295 S. 495. - Austreibung unbotmäßiger Patrizier 1315 S. 496. Zweite Judenverfolgung 1349 S. 496. - Ltgsalz-Aufstanb S. 496. - Soziale Bewegungen S. 497. - Unblutige Revolution von 1377 S. 497. - Jmpleraufstand 1385 S. 499. Die große Revolution und Finanzkatastrophe 1397-1403 S. 500-522: Soziale Gegen­ sätze; Schuld der WittelSbacher S. 500. - Steuerdruck und Währungselend S. 503. Utater Landfriedensbruch und Augsburger Pütrich-Handel S. 505. - Schrei nach Reformen S. 506. - Verhängnisvolles Machtstreben der Ingolstädter Herzoge S. 507. - Sturz des Ratsregiments S. 508. - Vierherzogeregierung S. 509. - Aus­ treibung der Geschlechter S. 510. - Lauf der Dinge nach einer aufgefunbene» Rats­ chronik S. 511. - Versuch einer Gegenrevolution und ihre blutige Niederwerfung S. 512. Verschuldung der Fürsten S. 515. - Anzeichen des Umschwungs S. 516. - Belagerung «nd Übergabe Münchens S. 517. - Bilanz der großen Revolution und Bestrafung der Schuldige« S. 519. - Judenaustreibung 1442 S. 522. - Aufstand der Handwerks­ gesellen S. 523. XV. Kapitel: Münchens städtische Bevölkerung im 14. und 15. Jahrhundert 525-538 Die Volkszahl als Maßstab der städtischen Größe S. 527. - Quelle» «nd Methode der Berechnung, Kinderreichtum S. 527. - Zahl der Familien- «nd HaushaltungSvor-

stände. Rückschluß auf die gesamte Bürgerbevölkerung S. 530. - Die dienende Be­ völkerung S. 530. - Judenschaft S. 532. - Geistliche Personen, herjoglicher Hof S. 534. Gesamtbevölkerung, Zujug vom Lande, Bevölkerungsverlust durch die epidemische» Volks­ krankheiten S. 536. - München im Vergleich zu anderen deutschen Städten beS Mittel­ alters S. 538.

Anlage Älteste Münchner Stadtkammerrechnung von 1318-1325 6.541. - Einnahmen der Stadtkammer von 1325-1500 S. 542. - Ausgaben der Stadtkammer von 1325-1500 S. 554. - Anfang und Ende der Nnanjjahre nach den Kammerrechnuogen S. 571

539-572

Verzeichnis der Abkürzungen?) Abb.

= Abbildung

H.St.A.

Dl.

= Blätter

hl.

= Heller

Cgm.

— Codex

-- Kreisarchiv München

(Dealsche Handschrift t» der Staats­

K.A. Kl.U.

bibliothek München)

K.R.

= Kammerrechnung (Kammerbuch)

Lit.

= Literale

lb.

-- lib. = » = Pfund (Münz-, Zähl­

Mem. Mon. Mon.Boica Rat.

— = — =

-- RatSprotokoll

Clm.

germanicus

Monacensis

— Codex latinus Monacensis (Latei­ nische Handschrift in der Staats­

= Bayer. Hauptstaatsarchiv München

-- Kloster-Urkunden

bibliothek München)

C. u. M.

— Codex urbis Monacensis (Rats­ buch im Stadtarchiv München)

= dn. = denarius (Pfennig) «.

= Fas». = Fasjtkel

und Gewichtspfund)

Memorial Monacenses (Münchner Pfennige) Monumenta Boica Ratisponenses (Regensburger Denar)

st.

= flöt. -- florenus (Gulden)

st. böhm.

= böhmischer Gulden

R.P.

fl.rh.

= rheinischer Gulden

ß

= sol. = solidus (Schilling)

st. ung.

= ungarischer Gulden

St.D.

-- Steuerbuch

fol.

= folio (Blatt)

St.A.

= Stadtarchiv München

g

= Gramm

U.B.

= Urkundenbuch

gl.

= Gulden (Goldgulden)

U.F.

= Urk.Fasz. = Urkunden-Faftikel

SU.

= Gerichts-Urkunden

Veron.

= Veronenses (Berner Pfennige)

H.A.

-- Geheimes HauSarchiv München

i) A«S Gründe« der Deutlichkeit «ad Lesbarkeit stad die römischen Zahlreichen der wtedergegebenen Urkaadentexte meist durch beatsche ersetzt.

I. Kapitel.

Münchens Entwicklungsgang, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung.

ssH^elegen inmitten uralter bajuwarischer Sippensiedlungen, umgeben von einem v-z Gürtel von „ing"-Orten aus der Zeit der Landnahme, verdankt München seinen Namen — „zu den Mönchen" — einer dörflichen Niederlassung des vornehmsten Kultur­ trägers im bayerischen Oberland, des reichbegüterten Klosters Tegernsee. Rechts der Isar lagen die dörflichen Siedlungen Bogenhausen, Haidhausen, Giesing, Berg am Laim und Trudering im altbayerischen Grafschaftsgericht Wolfratshausen, links der Isar Frei­ mann, Schwabing, Neuhausen, Kemnaten (Nymphenburg), Sendling im altbaye­ rischen Grafschaftsgericht Dachau, das in der Münchener Gemarkung an die Graf­ schaft Andechs und deren Ortschaften Pasing und Thalkirchen stieß. Mitten im Herzen des Bayerlandes erstreckte sich zwischen diesen Gerichten eine schmale Landzunge bischöflich-freisingischen Besitzes mit dem einst königlichen Hofgut Föhring, das seinen Namen einer alten Überfahrt verdankte und von König Ludwig dem Kind samt Höfen,

Hütten, Bauten und Hintersassen am 30. November 903 der Domkirche nach einem schweren Brand zu ihrer Wiederherstellung geschenkt ward*). Dank seiner Lage fiel dem Land Bayern schon im frühen Mittelalter die große Aufgabe zu, den Güteraustausch zwischen dem Südosten und Westen des Reiches, zwischen dem handeltreibenden deutschen Norden und dem Brennpunkt des abend­ ländischen Welthandelsverkehrs, den mächtig aufstrebenden Städterepublikev Ober­ italiens zu vermitteln. Bayerns Herrscher und Volk mußten es daher als empörende und ungerechte Beschwerung empfinden, daß ein Kirchenfürst, ohne durch königliche» Freibrief ermächtigt zu sein, in seinem Jnselbesitz zu Föhring von den Salz- und Waren­ zügen, die vor- und nachher ausschließlich bayerisches Hoheitsgebiet durchzogen, Zoll erhob und damit die Vorteile weltlicher Handelschaft und des Flußüberganges über die Isar an eine bischöfliche Niederlassung kettete. Zumal das Land Bayern und nicht das Bistum den uralten Hallweg unterhielt, der ganze bischöfliche Jsarrain, zu dem neben Ober- und Unterföhring auch Engelschalking, Daglfing und Ismaning zählten, der herzoglichen Landeshoheit unterstand und der Herzog durch sein Grafschaftsgericht Wolfratshausen den Blutbann übte*2).3 Ein 4 Gunstbeweis König Konrads I l I. für seinen Halbbruder Bischof Otto und die Freisinger Kirche, der er am 3. Mai 1140 das Allein­ recht auf Münze und Markt in ihrem Sprengel zugestandb), bedeutete einen neuen Vor­ stoß, einen Einbruch ins Münzregal der Herzoge, die an allen bischöflichen Münzstätten im Lande, in Regensburg, Eichstätt, Freising und Salzburg rechtlichen Anteil hatten*), be*) 2) keit im 3) 4)

Hauptstaatsarchiv München: Kaiserselekt 95. — Mon. Boica 28/1 S. 134—136, Erst 1319 verkauft Ludwig der Bayer dem Bistum um 100 Mark Silber die hohe Gerichtsbar­ Jsarrain als Reichslehen. H. St.A. Kaiser-Ludwig-Selekt 186. Mon, Boica 31/I S. 395. Stowasser, Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich S. 15, Berlin 1925.

deutete eine Einengung und Fesselung der Territorialgewalt im Kampf gegen die das Land schädigenden grundherrlichen Zölle. Das dabei ausgesprochene königliche Verbot jeder neuen Marktgründung im Bistum drohte das sich regende bürgerliche Streben zu ersticken und erhöhte die Spannung zwischen der geistlichen und weltlichen Gewalt. Der Zusammenprall des in Bildung begriffenen Kirchenstaates mit dem mächtigsten Territorialfürsten des XII. Jahrhunderts, dem Welfenherzog Heinrich vonBayern und Sachsen, der die neue Gewalt bekämpfte, wo immer er von der Adria bis zur Nordsee gebot, war unvermeidlich. Kaum zur Regierung gelangt, begann er, seinen Handstreich vorbereitend, 1157 nordöstlich der alten dörflichen Siedlung „Munichen", die seiner neuen Gründung den Namen lieh, dort, wo eine Insel den Flußübergang erleichterte — auch Regensburg, Nürnberg, Magdeburg und Paris entstanden am inselzerteilten Strom — mit dem Bau einer Trutzburg*). Wir wissen nicht, ob der stolze Welfe den Entschluß einer Neugründung im Zuge seiner einheitlichen Macht-- und Wirtschaftspolitik ohne Ver­ ständigung der Großen seines Landes faßte und durchführte. Auf dem Regensburger Landtag im Frühjahr 1157 weilte Graf Berthold von Andechs in seiner Umgebung, bei einem zweiten Aufenthalt in Bayern vom Herbst bis Ende 1157, da der Slawensteger von Sachsen und Polen kam, wohnten im November der Zustiftung des welfischen Hausklosters Ranshofen sein Verwandter Graf Gebhard von Burghausen, Markgraf Diepold von Vohburg, der Wittelsbacher Pfalzgraf Friedrich und Graf Bertold von Andechs an*2).3 4Wenn der hochfahrende, eigenwillige Fürst jemand ins Vertrauen zog — und dafür wie für die überlegte Vorbereitung seiner Gründung spricht seine außer­ gewöhnlich lange Anwesenheit in Bayern2) — so vor anderen seinen Protonotar Heinrich, den Propst von St. Stephan in Bremen, der auch die Ranshofener Schen­ kung avsfertigte^). Im jungen Jahr 1158 zerstörte Heinrich der Löwe zu Föhring Burg°), Markt, Münze und Brücke, verlegte sie etwa eine Meile isaraufwärts nach dem neubefestigten München und erhob dort Brücken- und Marktzoll. Gewalt geht vor Recht. Die kecke Tat des Fausirechts, durch die er mit rücksichtsloser Gewalt den Verkehr in Föhring vernichtete und vor allem die Zufuhr des „reichen" und „armen" Salzes von Reichenhall und Hallein nach Schwaben, in die Schweiz und ins westliche Oberdeutschland über München leitete, war die Antwort der ungestümen, alles niederwerfenden Tatkraft eines Heinrich des Löwen auf die verbrieften Eingriffe des Bischofs in landesherrliches Recht. *) Oefele, Scriptores rerum Boicarum II, 503* 2) Mon. Germ. Script. XVII, 466. — Mon. Boica III, 321—323. — Joh. Heydel, Das Jtinerar Heinrichs des Löwen, Niedersächs. Jahrbuch VI, 43, Hildesheim 1929. 3) Sonst ist Heinrich der Löwe in Bayern außer Regensburg nur noch 1157,1166 und 1174 in Rans­ hofen, 1160 in Polling, 1160 und 1162 in Reichersberg, 1165 in Freising, 1166 in Raitenhaslach und 1171 in Moosburg nachweisbar. H.8t.A. Raritätenselekt 3, 5, 6, 8, 75. — Origines Guelficae III (Han­ nover 1752) S. 490, 515. — Mon. Boica VI, 357 u. X, 41. — München ist in keiner seiner Urkunden als Ausstellungsort genannt. 4) ,,Heinricus scriptor recognovit“. Mon. Boica III, 323. — H.St.A. Oefeleana Bit. 25. 6) Ein Burgstall, eine Stätte, wo dereinstens eine Burg gestanden, wird noch 1349 in Föhring erwähnt. H.St.A. Ismaning GU. 7.

Bischof Otto von Freising, der große Geschichtsschreiber seiner Zeit, erhob bei Kaiser Friedrich Rotbart, seinem Neffen, Klage über die gewaltsame Zerstörung und Verlegung von Markt und Brücke. Hatte doch der Welfe im gleichen Jahre auch Lübeck durch eine Gewalttat ins Leben gerufen. Des Kaisers Machtspruch schuf am 14. Juni 1158 auf dem Reichstag zu Augsburg eine» gütlichen Ausgleich zwi­ schen dem klagenden Oheim und seinem mächtigsten Vasallen: Zu Föhring soll fortan weder Markt noch Münze und Zollbrücke bestehens. Zum Ersatz für diesen Verlust hat der Welfe der Freisinger Kirche ein Drittel der gesamten Einkünfte aus dem Münchner Marktzoll, Salz- wie Groß- und Kleinzoll, Ein- und Ausfuhrzolls sowie ein Drittel aus der Münze zu München zuzugesiehen und das Eigentumsrecht an der nach München verlegten Jsarbrücke abzutreten. Im Augsburger Schied hatte die junge Marktgründung somit vor Kaiser und Reich ihre rechtliche Anerkennung, der Gewaltakt des Landesherrn gegen grundherrliche Übergriffe als eine Tat berech­

tigter Notwehr Gnade gefunden. Noch einmal drohte der jungen Gründung schwere Gefahr. Am 13. Januar 1180 wurden Heinrich dem Löwen wegen seines Treubruches in Chiavenna auf dem Reichstag zu Würzburg seine beiden Herzogtümer als Reichslehen aberkannt, am 24. Juni 1180 der unbändige Fürst in Regensburg in des Reiches Acht und Aberacht getan und des Herzogtums Bayern nach Reichslehenrecht in aller Form entsetzt. Ermutigt durch den jähen Sturz des Welfen führte Bischof Adalbert, Ottos Nachfolger auf dem Bischofs­ stuhl des heiligen Korbinian, auf dem Regensburger Reichstag Klage vor dem grollen­ den Kaiser Barbarossa wegen gewaltsamer Zerstörung von Markt und Brücke zu Föhring, in deren ruhigem Besitz das Bistum Freising lange Zeit („a longe retroactis temporibus“) gestanden, durch „Heinrich von Braunschweig, einst Herzog von Bayern und Sachsen". Unterstützt durch sieben Eideshelfer, darunter die beiden Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, Vater und Sohn, erwirkte der Bischof, daß der Rat der Fürsten des Welfen „frevle und verwegene Zat" um des kaiserlichen An­ sehens willen für null und nichtig erklärte und daß des Kaisers Machtspruch im Regensburger Spruch vom 13. Juli 1180 Markt und Brücke der Freisinger Kirche wieder zurückgab°). Der vernichtende Regensburger Spruch kam nach dem Zeugnis eines gut unter­ richteten zeitgenössischen Gewährsmannes noch im gleichen Jahre zur Ausführung: „München wird zerstört, Föhring wieder aufgebaut", melden die benach,

T) „forum, quod esse solebat apud Verigen, et pons ad theloneum de cetero iam ibidem non erit neque moneta.“ Mon. Boica 29/1, 347« — Meichelbeck, Historia Frisingensis I (1724) S. 337. — Denkmäler S. 3—5. 2) „Tertiam partem totius utilitatis, quae provenire poterit de theloneo fori sui apud Munichen, sive in tributo salis sive aliarum rerum, magnarum vel minutarum, seu venientium seu inde redeuntium“, besagt der Augsburger Schied. 3) Translationcm praedicti fori in vacuum revocantes, ipsum forum cum ponte memorato fideli nostro episcopo Frisingensi suisque successoribus restituimus.“ H.St.A. Kaiserselekt 535. — Mon. Boica 29 S. 438—441. — Denkmäler S. 5—7. — Heinr. Mittels, Polit. Prozesse des frühen Mittelalters S. 48, Heidelberg 1927.

barten Schäftlarner Annalen*). Das Jahr 1180, das Burg und Mauerring des Ortes München schleifen sah3*)4 2— * 6 die Kaiserurkunde bezeichnet München ausdrücklich nur als „villa“ —, sah auch die Entstehung der Stadt München. Eine der Geschichtsforschung entgangene heimische Nachricht, das bisher nicht erschloß fette älteste Lotenbuch des Franziskanerklosters setzt den Beginn der Stadt ins Jahr 11803). Die Nachricht des gelehrten Quardians Hermann Sack, die er auch in die Chronik des Angerklosters 1424 übernahm, findet eine Stütze durch die um 1435 begonnenen Jndersdorfer Annalen, die eine besondere Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen kön­ nen, weil zu den Laienbrüdern von Zndersdorf Pfalzgraf Friedrich von Wittelsbach, ein leiblicher Bruder des 1180 neuernannten Bayernherzogs Otto I. zählte*). Für wenige Vorgänge der bayerischen Geschichte ist soviel Scharfsinn zur Deu­ tung aufgewevdet worden wie um die Aufhellung der problemreichev Früh- und Grün­ dungsgeschichte Münchens^) und die Erklärung der beiden Kaiserurkunden Friedrich Rotbarts von 1158 und 1180. Die ersten Geschichtsschreiber des Landes haben sich *) „1180. Dux Heinricus ducatu privatur, Otto maior palatinus loco eius dux constituitur. Munichen destruitur, Feringen reedificatur“. Mon. Germ. Script. XVII, 337* 2) Im Verlauf des Mittelalters erleben wir noch wiederholt die Zerstörung der Burg und Ring­ mauer von befestigten Nachbarorten, welche die Münchner bei ihren Kriegszügen erobern, so bei Fried­ berg und Schwaben. Die Marktsiedlung bleibt stets bestehen. Die allgemeine Annahme sucht die Trutzburg Heinrichs des Löwen auf der von einem Jsararm be­ spülten Bodenwelle des Petersbergl, in gemessenem Abstand von der älteren Siedlung Altheim. 3) „Anno domini 1180 incepit civitas Monacensis edificari. unde versus: mcl tria x anno, imperante Fridrico Heinricus Prünswig Bavarum Saxonum rexit ducatum, Monacum tune villa, set Vertagen .forum pro illa. Sed anno domini 1208 Otto (!), dux Bawarie, fundavit Hospitale in Monaco et ezol silvam pro dote donavit. Anno domini 1392 dominus Gabriel Ridler, civis Monacensis et procurator hospitalis, complevit edificium ecclesie et stupe infirmorum in decem annis.u Ältestes Nekrologienbuch des Münchner Franziskanerklosters fol. $iv. 4) „Anno Christi 1180 inceptio civitatis Monaci in Bavaria sub Friderico primo. Sedanno Domini 1208 fundatum fuit Hospitale ibidem." Mon. Germ. Scriptores XVII, 332. Die Jndersdorfer Annalen lassen in ihrem weiteren Inhalt keinerlei gemeinsame Quelle mit dem Münchner Franziskaner­ kloster erkennen. Die Angabe des Anonymus aus Regensburg in seiner „Farrago historica" über den Bau der Stadt i. 1.1175 („Hoc anno urbs Monacensis aedificari coeptaest", Oese le Scriptores II, 503, entstand vermutlich nur durch ein Schreibversehen (v statt x); wie beim Tod des Pfalzgrafen Otto I. infolge des gleichen Schreibfehlers 1178 steht statt 1183. 6) Dgl. Sigmund v. Riezler, Studien zur ältesten Geschichte Münchens, Abh. d. bayer. Akad. d. Wissensch. XXIV, 2 S. 282—343, München 1906. — Ders., Gesch. Baierns I (Gotha 1927) S. 300 —304, 357—360. — Fr. Ludw. v. Baumann, Zur Gesch. des Lechrains und der Stadt München, Archival. Zeitschr. NF. X (1902) S. 1—92, sowie „Zur Gesch. Münchens" NF. XIV (1908) S. 189—281. — Sigfr. Rietschel, Die Städtepolitik Heinrichs des Löwen, Histor. Zeitschr. 102 (1909). — Karl Th. von Heigel, Gründung der Stadt München, Biogr. u. kulturgeschichtl. Essays S. 85, München 1906. — Max Fastlinger, Münchens kirchl. Anfänge, Deutingers Beitr. z. Gesch., Topographie u. Statistik des Erzbistums München-Freiflng VII, 282—296, München 1901. — Ders., München im Lichte frühester Gesch., Bayerland XXV (1913) S. 8—13. — O. Riedner, München eine Tegernseer Gründung? Die Propyläen XIV (1917) S. 3 f. — Jos. Dorn, Zur Vorgeschichte Münchens, Hist.-polit. Blätter 168 (1921) S. 91—102. — Aubin, Lübeck und München, Eheberg-Festg. S. 1—25, Leipzig 1925. — R. Hildebrand, Studien über die Monarchie Heinrichs des Löwen, Berlin 1931. — Dirr, Denkmäler des Münchner Stadtrechts, Einleitung S. 36—48, München 1934.

darum bemüht, ohne daß die Forschung bis heute zum Stillstand gekommen tfl1). Und doch führte ein Münzkenner den Nachweis, daß die Wittelsbacher, die das Erbe der Welfen als Landesherren von Bayern antraten, auch die neuen Stadtherren von Mün­ chen waren: denn die Münchner Gepräge weisen stets den Bayernherzog mit Lilien­ szepter und Banner, das Zeichen des Reichsfahnenlehens Bayern, auf und seit 1180 als Hauptbild an Stelle des wölfischen Löwen den Wittelsbacher Adler, sodann Brustbilder von Herzog und Bischof. Der um 1200, spätestens 1205 vergrabene Schatzfund an der alten Salzstraße Reichenhall—München, zusammengesetzt aus den

Im Torbogen Mönch mit Gugel, über dem Stadttor der königliche Adler der Wittelöbacher

Umschrift: Sigillum. civitatis. Monacensis.

Abb. i. Münchner Stabtsiegel von 1268.

damals geltenden bayerischen Pfennigarten, beantwortet die Frage nach den Ereig­ nissen um 1180 unzweideutig dahin, daß in München nach einer kurzen, durch die Ächtung des Welfenherzogs bedingten Unterbrechung in der eigenen Ausmünzung das alte bewährte Verhältnis der Gemeinschaftsprägung von Herzog und Bischof wieder eintrat und bis 1200 noch bestand, das der Vereinbarung von Die Bezeichnung „München" ist mehreren Tegernseeischen Gründungen eigen, z. B. Ober- und Ostermünchen, Klein- und Wenigmünchen. Romuald Bauerreiß, München, Stud. u. Mitteil. z. Gesch. d. Benediktinerordens 48 (1930) S. 36—46. x) Obwohl keine Urkunde und kein zeitgenössischer Bericht uns davon Kunde gibt, verfocht Baumann die Ansicht, Kaiser Friedrich Barbarossa habe nach seiner Aussöhnung dem gestürzten Welfenherzog Ende November 1181 mit dem väterlichen Hausgut in Bayern und Sachsen auch München als freieigenen Besitz zurückgegeben. Mit dem übrigen Welfenallod sei es 1189—1194 und 1198—1208, als die Welfen mit den Hohenstaufen ums Reich im Kampfe lagen, in deren königlichem Sequester gewesen. Von Heinrich dem Löwen habe es im Erbgang sein Sohn König Otto IV. und dessen Nichte Agnes, die welfisch-pfälzische Erbtochter, erhalten, durch die es zwischen 1214 und 1218 ihr Gemahl,

nz8 zugrunde gelegen »ar1).2 Die 3 Sprache des Münzfundes ist auch die der Siegel. Als königliche Pfalzgrafen führten die Wittelsbacher Otto I. (1179) und im Anfang seiner Regierung auch Ludwig I. der Kelheimer als Wappentier den königlichen Adler, zunächst als Amts-, sodann als Geschlechtswappev in ihren Siegeln. Diesen Wittelsbacher Adler hat die Stadt München als Kenn­ zeichen des Stadtherrn übernommen und in den ältesten erhaltenen Münchner Stadtsiegeln von 1239 und 1268 geführt: Der rechts oder links gewandte, mit Gugel bedeckte Mönchskopf im Torbogen des mit zwei Zinnentürmen bewehrten Münchner Stadttores deutet auf den klösterlichen Ursprung, Stadttor und Stadtmauer auf die vollendete Ummauerung; der darüber schwebende, linksblickende halbe Adler ist das Wappentier des Landesherrn, der sich um München besonders ver­ dient machte, des zu Altenburg in Thüringen am 16. September 1180 mit Bayern belehnten Herzogs Otto I. von Wittelsbach, weil er München zur Stadt erhobt. Damit ist bewiesen, daß München nicht als Welfisches Allod an die Söhne Heinrichs des Löwen fiel, sondern durch die Belehnung Ottos I. mit dem Herzogtum Bayern an die Wittelsbacher kam, wie dies Bayerns größter Geschichtsschreiber der Neuzeit, Sig­ mund von Riezler, trotz schärfsten Widerspruchs von seiner wissenschaftlichen Erstlings­ arbeit an bis ins hohe Alter in der Zweitauflage des ersten Bandes seiner Geschichte Bayerns vertrat^). Damit ist auch die Frage beantwortet, wer im Jahre 1180 nach der Zerstörung der Befestigungsanlagen des Marktfleckens mit dem Neubau der Stadt München begann. Hat Heinrich der Löwe München aus dem Dunkel dörf­ lichen Daseins zu bürgerlichem Leben erweckt, so ist Otto L, der erste Wittelsbacher auf dem bayerischen Herzogsthron, der Begründer der Stadt München, woran das neue Zeugnis Kölnische Münz und 45 rheinische Gulden z»erkannt, die für ihn der Münchner Patrijier Bartolme Schrenk 1379 zu, Köln in Empfang nahm?). 1377 wird Münchner Bürgern zu Würzburg ihrer Herzöge wegen Messegut beschlagnahmt und auf Vermittlung des Königs Wenzel hin durch den Fürstbischof freigegeben'). Die Münchner Metzger Paul Schechner und Ulrich Päninger und die Kinder des Pa­ triziers Hans Pütrich treiben Handel nach Straßburg und an den Rhein, wo ihnen 1405/06 die verarmten Ulmer Metzger Jörg und Peter Bentz Ochsenherden pfänden lassen, wobei sich der Rat von Ulm wie von München um eine versöhnliche Beilegung der gegenseitigen Forderungen bemüht?). Ulrich Urban handelt 1430 auf der Frankfurter Reichsmesse mit Pferden?). Der Münchner Hans Ulrich, genannt Gurteler, schuldet 1451 den Kölner Kaufleuten Peter Engelbrecht, Göbel Pfaffendorp, Jakob von Syx) H. St. A. Patrizier Schrenk 1, Schinder 1. 2) St.A. Gerichtsbuch II toi. 74, 93, 96,109v, 114; III, 52V. 8) Th. Mayer, Zwei Passauer Mautbücher, HV Niederbayern 45 (1908) S. 45s., 54. 4) Mon. Boica 35/II S. 277. °) H. St. A. München, Chorstift UF. 7. 6) Erst 1437 vermittelte Herzog Gerhard von Jülich-Berg eine Aussöhnung zwischen der Stadt Köln und dem Sohne Bertolds, Jakob Pütrich von Reichertshausen, und dessen Miterben, den Gebrüdern Peter und Stephan Pütrich sowie Hans Pütrich zu Pastng. Schrenk-Chronik. — Bruno Kuske, Quellen z. Gesch. des Kölner Handels u. Verkehrs im Mittelalter I, 33, 35, Bonn 1923. ’) Mon. Boica 45 (1899) ®« 238) St.A. Ratsgeschäfte 64—79. ’)' Alex. Dietz, Frankfurter Handelsgesch. 1,198, Franks. 1910.

berg, Peter Knechtgyn, Peter Kannengießer und Johann von Rödesberg Geld für die ihm auf der Frankfurter Messe verkaufte Ware. Der Rat von Köln schickt deshalb 1451 Johann von Stummel als Bevollmächtigten nach München, um seinen Mit­ bürgern bei der Ehefrau des Schuldners zu ihrem Geld zu verhelfens. Wenn die Reichs­ stadt Frankfurt seit 1400 über einen erheblichen Rückgang ihrer Meßeinkünfte zu klagen hat3*),4 * so ist dieser Rückgang weder durch die Untergrabung der Straßenficherheit infolge des Faustrechts hinreichend erklärt, da dieser Grund für die Zeit vor 1400 gleicherweise galt, noch durch die vom Großhandel betriebene Masseneinfuhr flandrischer und Londoner Tuche, da fie den Meßeinkünften teilweise auch zugute kam. Einer der Gründe des Rückganges muß vielmehr in der um 1400 erfolgten Ausgestaltung der Münchner Dult zur Messe gesucht toettieti3), die manchen süddeutschen Messebesucher von der weiten Reise nach Frankfurt abhielt. Die einst bayerischen Territorien, das Land Tirol mit Südtirol, das Erz­ bistum Salzburg und das Herzogtum Österreich zählen auch nach ihrer Abtrennung vom Mutterlands zu den sicheren Absatzgebieten des bayerischen und damit des Münch­ ner Handels, zumal seit der Erzbischof von Salzburg 1244 und König Rudolf von Habs­ burg 1280 den Münchner Kaufleuten die gleichen Zollfreiheiten und Handelsbegünstiguvgen einräumten, deren sich die bisher meistbegünstigten Regensburger Kaufleute erfreuten^). Stand in der Wareneinfuhr aus Italien der Gewürzhandel, bei den Landen am Rhein und Main und bet Flandern der Tuchhandel obenan, so überwog im Handel nach dem Osten die Einfuhr von Oster- und Uvgarwein sowie der Ochsenhandel. Die Wahl Herzog Ottos von Niederbayern zum König von Ungarn 1308 und die von München aus finanzierte Wahl Herzog Heinrichs von Kärnten-Tirol zum König von Böhmen kam der Ausfuhr nach den Königreichen Ungarn und Böhmen sehr zu statten. Als der Prager Kaufmann Friedrich Misse 1393 des Herzogs Stephan Land­ schreiber Ulrich Pötschner vor dem Stadtrichter verklagte, weil er ihm Wein beschlag­ nahmt hatte, wohnten die Ratsherren vollzählig den mehrstündigen Verhandlungen an, so sehr lag ihnen an einer reibungslosen Abwicklung des Handels mit Böhmen3). Überraschend groß und rege sind die Handelsbeziehungen zwischen

München und Wien um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Während Mayer nur einmal Münchner als Handelstreibende nach Wien zu nennen weiß3), treffen wir Münchner alljährlich auf dem Wiener Jahrmarkt, 1435 und 1436 bei großen Wein­ käufen^). Der Wiener Wachszieher Simon Eßlorn unterhält einen schwunghaften Handel mit München: 1440 schuldet er sieben seiner dortigen Lieferanten aus dem Großkaufmannsstand, durchwegs Patrizier, 1420 Goldgulden und verpfändet ihnen B. Kuske, Quellen zur Gesch. des Kölner Handels II, 29, Bonn 1917. ?) Dietz I, 51. 3) Vgl. das Kapitel „Städtische Gebühren". 4) Vgl. das Kapitel „Zollwesen". 6) St.A. Gerichtsbuch II fol. 53V. s) Theodor Mayer, Der auswärtige Handel des Herzogtums Österreich im Mittelalter S. 48, Innsbruck 1909. ’) H.St.A. Fürstentome III u. VII.

hiefür sein Haus am Hohen Markt unter den Wentkrämen und seinen Besitz an Wein­ gärten in der Umgebung Wiens*). Im gleichen Jahr bleibt der Wiener Michael Lein­ felder dem Patrizier Ludwig Ridler für Kaufmannsgut 203 */2 Goldgulden schuldig. Ein Jahr später verklagen die Münchner Großhändler Hans Ursentaler und Hans Fachner den zahlungssäumigen Wiener Bürger Hans Keusch beim heimlichen Gericht in West­ falen, weshalb der Wiener Rat und sogar der König sie bewegen, vom Rechtszvg beim westfälischen Gericht vorläufig abzustehen. Gegen einen böswilligen Schuldner in Wien, namens Stichel, erwirken die beiden Gläubiger 1443 einen Schuldspruch der heiligen Feme. Der Münchner Ratsherr Wilhelm Günther und der Patrizier Erasm Ligsalz suchen 1446 mit Hilfe des Wisner Rates von Hans Graff eine Forderung von 90®^ hereinzubringen?). Der Münchner Großkaufmanv Hans Weißenfelder läßt sich 1454 von den Wiener Eheleuten Kren für eine Handelsschuld ihr Haus beim Biberturm abtreten; sieben Jahre später steht er in Geschäftsverbindung mit dem Wiener Lein­ wandhändler Kunz Trautmann. Der Münchner Mrich Prestel wird 1455 bei Tulln in Niederösterreich seines Handelsgutes beraubt und bei der mannhaften Gegenwehr verwundet. Die regen wechselseitigen Handelsbeziehungen waren die Ursache, daß die Stadt Wien 1485, als sie von König Matthias von Ungarn eingenommen war, an den Münchner Rat die Schrecken der Belagerung Wiens berichtete, bei der 600 Menschen den Hungertod starben und die böhmischen Söldner zum Feind überliefen. Der nach Ungarn handelnde Münchner Patrizier Nikolaus Tömlinger läßt sich 1450 für seine Ausstände bei Preßburger Bürgern durch eine Schiffsladung Ungarwein abfinden und König Friedrich IV. selbst verwendet sich, für ihn beim Wiener Rat, diese Schiffsladung ungehindert vorbeifahrev zu lassens. .König Ladislaus von Ungarn ver­ spricht am 15. September 1457 Münchens Bürgerschaft Schutz für ihren Handel und ihre Kaufmannschaft in Österreichs). Zu Ludwigs des Bayern Zeiten betreibt das Kaufmannsgeschlecht der Ligsalz schon einen so weitreichenden Handel, daß es sich bereits 1321 in der Person des Schrei­ bers Konrad einen eigenen Handlungsdiener hält°). Mit dem Ausgang des Mittel­ alters zieht das goldene Zeitalter dieses Münchner Handels- und Bankhauses herauf: T) Eßlorn schuldet an Ludwig Ridler 282, Peter Pötschner 399, Ludwig Pötschner 76, Hans Kray 45, Crasm Ligsalz 274, Hans Kleuber 262 und Jörg Rudolf 82 Gulden. Auch Jörg und Balthasar Ridler stehen mit ihm in Handelsverbindung. Stadtarchiv Wien, Grundbuch 38 fol. 414 (gütige Mitteilung des Wiener Archivrats Dr. Leopold Sailer); Quellen z. Gesch. d. Stadt Wien 2. Reihe II S. 253, 279, Wien 1900. Der Münchner Hans Kray steht 1446 auch mit der Wiener Nebenstelle des Ulmer Handelshauses Ott Ruland in Geschäftsverbindung und überweist für sie durch den Endorffer von Augsburg und seinen Mitbürger Sigmund Pötschner 555 rhein. Gulden nach Ulm. Ott Rulands Handlungsbuch, Literar. Verein I, Stuttgart 1843. 2) Quellen z. Gesch. der Stadt Wien II (1900) S. 184, 202, 224, 281s. 3) Quellen II (1900) S. 323ff., 362, 373; III (1904) S. 57; VIII (1914) S. 140s. 4) St.A. Privilegien 121. 6) H.St.A. Dachau GU. 2. — Großkaufleute beschäftigten im 14. Jahrh, regelmäßig Schreiber als Handlungsgehilfen; aber selbst einzelne Mitglieder der Krämerzunft, z. B. der Krämer Paul 1386—91 in der Person des Schreibers Jakob. St.A. Gerichtsbuch I, 35 V—37, 220; II, 16, 54/ 73 V, 80, 91, 97, 133 v, 140; III, 43.

Die Ligsalz zählen mit zu den oberdeutschen Familien, welche durch ihre Faktorei in Antwerpen an dessen Aufstieg zur Weltbörse und am überseeischen Warenaustausch der Niederlande namhaften Anteil haben, an den Treffpunkten der reichsten Kaufmann­ schaft in Augsburg und Antwerpen Geldgeschäfte großen Stils machen und der Krone Englands, dem Hof von Brüssel, der Statthalterin der Nieder­ lande und der Stadt Antwerpen Anleihen gewährens. Die unvergleichlich schönen Bildnisse des Handelsherrn Ligsalz und seiner Fra« von der Meisterhand des kaiserlichen Hofmalers Amberger in der Münchner Pinakothek sprechen beredter für Reichtum und Hochstand des Münchner Handels in der Renaissance, als schriftliche Zeug­ nisse es je vermöchten. Während die Großkaufleute mit kostbaren Seidenstoffen, schweren Tuchen und Fardelbarchent, mit orientalischen Gewürzen und Wein, mit Rossen und Metallen handelten, vertrieben die Mitglieder der Krämerzunft den bunten Allerlei, den ganzen Kleinkram für den Hausrat. So einen Kramladen besaß der 1456 verstorbene Heinrich Lerer, einer der vier Vorstände der Krämerzunft, dessen Geschäftsbetrieb, wie wir ihn aus seinem Handlungsbuch 1444—1456 kennen?), das mittelalterliche Kaufhaus Münchens im kleinen darstellt. Wir sehen die kleinbürgerliche Welt förmlich in seinem Kramladen aus- und eingehen und sich mit den ungern gemißten Bedürfnissen des Lebens versorgen: die Malerin, Kartenmacheriv, Kornmesserin, Spitalmeisteriv, die Frau Apotheker, Klosterfrauen, Stadttürmer, Handwerker, Köchinnen und Mägde, eine überaus stattliche Zahl von Bürgern und Bürgersfrauen aller Schichten, auch aus dem Patriziat. Wer nicht zahlen kann, läßt aufschreiben, schon damals eine Schwäche des zarten Geschlechts. Erweckt der Schuldner zu wenig Vertrauen, muß er ein Pfand hinterlegen, z. B. eine Seidennaterin einen schwarzen Rock; eine Vorsicht, die, wie der große Posten uneinbringlicher Schulden beweist, nicht unangebracht war. Der Krämer Lerer ist nicht bloß das, was wir heute etwa unter Kolonialwaren­ handlung begreifen. Er ist Gewürz- und Südfrüchtenhändler, Papier- und Spielwaren­ händler, Borten-, Geschmeide- und Eisenhändler, führt Garn, Zwirn, Faden und Leinwand, kleine Geschmeide und Anhängsel, die der Eitelkeit der Evastöchter schmeicheln, Busenäpfel, Korallen, Nestel, Seidengürtel, silberne Goller, Beutel, auch Augenfut­ terale, Perlmutterkreuze, Paternoster aus Korallen, Agnus dei, Salzburger Tafeln, Spiegel, Lebzelten, Wachs, aber auch Bettbezüge und Tischtücher, Alaun, Schwefel und Vitriol, Papier, Eisen und Heringe. In jungen Jahren betätigte er seine Einkäufe im Ausland persönlich. So ein Samkauf zu Venedig vom Jahre 1445 betrug: 5 Pfund Konfekt für 1 Gulden?), 8 Pfund Zucker — 5 Pfund Kandiszucker — 5 Pfund Galgant — 5 Pfund Zitwar (bittere ostindische Gewürzwurzel) — 8 Pfund langer Pfeffer — *) Strieder, Aus Antwerpens Notariatsarchiven ©. 34 s., 148, 388, Berlin 1930. — Ehren­ berg, Das Zeitalter der Fugger 1, 231, 245 u. II, 53, 62. 2) . Im Münchner Stadtarchiv. — Ein wie Lerer unternehmungsfreudiges Mitglied der Münchner Krämerzunft ist der Bürger Kienberger, der 1475 für die Benützung eines Marktstandes in Bozen eine hohe Pachtsumme zahlt, der einzige Fall, daß die Bozener mit einem auswärtigen Kaufmann gesondert abrechnen. Gerh. Bückling, Die Bozener Märkte S. 73, Leipzig 1907. 3) Für jede Partie betrug, so nicht anders angegeben, der Kaufpreis einen Gulden.

7 Pfund Brasilholz („Prisilig") —- 5 Pfund Indigo — 6 Pfund Gewürznelken („Nagel­ stigel") — 6 Pfund kleine Muskatblüte — 16 Pfund Darbellir — 6 Pfund Wurmfam — 2 Pfund Gewürznelken („Nägel") — 3 Pfund Muskatblüt — i1^ Pfund „flet seyden“ — 1 Pfund Safran (für 2% Gulden) — 16 Pfund weißen Weihrauch —

18 Pfund Streuzucker —16 Pfund Mohn —10 Pfund gemahlener Ingwer — 6 Pfund gute Muskat — 5 Pfund Zimtrohr — 23 Pfund Spulen Röhrgold — 1 Pfund Blei­ weiß. In den österreichischen Eisenstädte» Steyr und Wels kauft er Eisenwaren, Schlösser, Beschläge, Bolzen, Hämmer, Pflug und trägt zu seiner eigenen Orientierung über Güte und Wert der fremden Fabrikate die Meister-und Handelsmarken sämt­ licher Steyrer Meister em1). In Nürnberg, der Stadt der hochentwickelten Metall­ industrie, kauft er Gürtel, Messingnadeln, Fingerhüte, Schlüssel, Zinn «sw., in Nörd­ lingen Erzeugnisse der Glas- und Perlevindusirie, Ringlein, Steine und Bilder. Ein­ heimische Großkaufleute wie Balthasar Ridler, Wilbrecht, Weißenfelder, Heytzinger, Kauf­ leute von Augsburg, Landshut und Kempten zählen zu seinen gelegentlichen Lieferanten. Heinrich Lerer ist Krämer, also Kleinhändler, ist kein Kaufmann von Format, der am Schreibtisch steht, Gehilfen oder gar Faktoren beschäftigt, seine Bestellungen und Angebote in alle Welt schickt und viel Geld verdient. Wie er die Fährnisse weiter Reise» nicht scheut und seine Ware sich zum Teil mühsam weither aus dem Ausland heimholt, ebensowenig fürchtet er die Plackereien und den Kundendienst des kleinen Jahrmarktgeschäfts. In weitem Umkreis sucht er im Wanderhandel auf Dulten und Märkten seine Ware wieder abzusetzen: in Andechs, Augsburg, Dachau, Erding, Freising, Habach, Polling, Holzkirchen, Wolfratshausen, Keferlohe, Landsberg, Lands­ hut, Moosburg, Nördlingen und Salzburg. Die Ausmiktlung billiger Frachtgelegenheit beim Einkauf wie beim Absatz und die persönliche Überwachung der Beförderung

bedingte den größeren oder kleineren Geschäftsgewinn- sie unterscheidet den Kaufmann des Mittelalters aber auch wesentlich von dem der Neuzeit. Recht und schlecht, mit unge­ lenker Hand, welche verrät, daß er sich besser aufs Schätzen der Ware als aufs Schreiben versteht, trägt er seine Poste» und seine Schuldner ein, ohne sich bei seiner Buchführung über jeden Vorgang im Geschäftsleben zahlenmäßig klare Rechenschaft zu geben. Die arabischen Ziffern lernt er erst um 1450 anwenden und vermerkt sie zur Stütze des Gedächt­ nisses von i bis 100 im Handlungsbttch. Wie vielseitig der Handel des mittelalterlichen Krämers mit Schmuckwaren war, beweist Lerers Lagerbestand bei seinem Tod 1456: Darunter 5 Pfund 12 Lot Korallen, 8 silberne und vergoldete Agnus dei, 15 Paar ver­ goldete und 28 Paar silberne Stecknadeln („sperr“), ein Busenapfel, ein Einhorn an silberner Kette, 28 vergoldete Kleinodien, darstellend den hl. Christophorus, 4 seidene und 8 halbseidene Gürtelborten, 8 goldene und 4 vergoldete Ringe, 11 Busenbündel, 46 Edelsteine, 3 Perlmutterherzel. Die Vielseitigkeit des Gewürzlagers über­ trifft alle Erwartungen. Kaum ein Gewürz, Farbstoff und Südfrucht, die nicht von ihm gehandelt und in seinem Laden vertreten sind, ein Zeichen, daß die Hausfrau und der Handwerker des Mittelalters in München sie für Küche und Gewerbe weitT) Z. B. Springenauer (Bolzen), Waldner (Pflug), Schwänzer (Hammer), Mayerhofer (Sichel), Forster (Rebmesser), Krämer (Säge), der junge Kreichbaum (Armbrust), Schwarzel (Einhorn).

gehend verwendeten. Im Gegensatz zu diesen kleinen Begehrlichkeiten und Eitelkeiten des Lebens ist der Hausrat des Krämers selbst von mittelalterlicher Einfachheit: Zwei Tische, vier Betten, zwei kleine Kindbetten, eine große Truhe in der einzigen Wohn­ stube^), y Zinnschüsseln- 2 Salzschüsseln, io Stück Gläser und Krüge, 9 große und kleine Zmngeschirre, ein Kupferkrvg, 2 Kupferkessel, ein Gießfaß und als einziger Luxus zwei Lauten, weil Savgeslust doch in dieser traulichen Einfachheit zu Hause war. Reicher ist sein Besitz an Waffen: ein Eisenpanzer, ein Brustküraß („krebs"), eine englische Haube, eine Blechhaube, ein schwarzer Eisenhut, zwei Kniebuckel, zwei Paar Armschienen und ein Paar Eisenhandschuhe. Ein Lebensnerv des Handelsplatzes München war die alte Reichs- und Rott­ straße, die über Weilheim, Murnav, Partenkirchen, Mittenwald nach Scharnitz, Seefeld, Innsbruck und über den Brenner nach Südtirol und Welsch land führte. Eine 1474 auf Befehl Herzog Albrechts IV. eingeholte eidliche Aussage von fünf alten Männern des Landgerichts Murnau erklärt die Rott auf der Reichsstraße als die ausschließliche, reihum gehende Berechtigung gewisser Fuhrleute, der Inhaber von Rottlehen, Kaufmannsware auf ihren Lastwägen bis zur nächsten Rottstation zu befördern oder wenigstens das Gespann zu stellen. Nur einmal mieden die Kaufleute die uralte Rottsiraße, als „Reichsfeinde" sich Abb. 5. auf der Schonburg niederließen und die Kaufleute überfielen und Wappen des plünderten, solange bis der Reichsfeind Schneeberger und 6 seiner Patriziers Barth Gesellen ergriffen und zu Murnau hingerichtet waren. Damals fuhren die Kaufleute von Partenkirchen über den Kienberg nach Ettal; daraufhin legte man zwischen Eschenlohe und Buchwies einen neuen Weg durch die Wälder *2); 3 4Johann *6 Schrenk, Kanoniker und Vikar der Freisinger Domkirche, nicht ohne Stolz auf die Tüchtigkeit der eigenen Familie, 1492 die anderes, die im 19. Jahrhundert aus einem Tiroler Servitenkloster ihren Weg zurück in die bayerische Heimat findet. Über Herkunft und Schicksale der Münchner Familie Gärtner erzählt naiv und kunstlos, schlicht und treuherzig eine Klosterfrau vom Anger, eine der ersten deutschen Frauen, welche die Nachwelt über die Geschicke ihrer Familie unterrichtet. Liebevolle Versenkung in den kleinen Umkreis der eigenen Familie drückt ihr in Tagen der Selbsteinkehr die Feder in die Hand. Zur Familie gehört auch der Mundkoch Gärtner des kühnen Recken Herzog Christoph, den er auf seiner Wallfahrt ins gelobte Land begleitet und dessen Tod in Zypern er miterlebt*). Ambrosius Schwerzenbeck aus München wirkt seit 1481 in Tegernsee als bedeutendster Bibliothekar der geistig führenden Abtei des Landes^). Auch der Stand der Buchschreiber tritt uns in München entgegen, ein weiteres An­ zeichen für den kulturellen Hochstand der Stadt und ihrer Bürgerschaft*). Münchner Geschlechter schenken dem Stuhle des hl. Korbinian in Freising zwei gelehrte Bischöfe, Konrad Sendlinger (1314—1322) und Johann Tulbeck (1453—1473), vorher lange Zeit Pfarrherr an der Frauenkirche, der nach seinem frei­ willigen Rücktritt als Fürstbischof seine letzten Lebensjahre in seiner lieben Vaterstadt x) Neumann, Reisen -es Johannes Schiltberger (1852). — v. Langenmantel, Hans Schiltbergers Reisebuch, Literar. Verein 172, Stuttgart 1885. — A. D. Biogr. 31 (1890) S. 262. — Die zu­ verlässigste Schiltberger-Handschrift ist seit 1937 im Besitz -er Münchner Sta-tbibliothek. 2) Oberbayer. Archiv V, 88 ff. 3) Sie führt -ie Familie auf Triphon Schrenk, Rat -es Landgrafen Eckhart von Thüringen, 1209 als Stammvater zurück, -essen Sohn sich in Bayern niederläßt. Aus ihr schöpfte Pfalzgraf Dr. Oktavian Schrenk, herzoglich bayerischer Rat und bischöflicher Kanzler und Lehenpropst in Regensburg 1587 „des uralten adeligen Geschlechts -er Schrenk von und zu Notzing Stammbuch". 4) „Beschreibung -er Gärtnerischen Kinder", Original aus -em ausgehenden 15. Jahr­ hundert im Kreisarchiv München Kl. 427/20. 6) Virgil Redlich, Tegernsee und -ie deutsche Geistesgeschichte ©. 76—84, München 1931. 6) Der Münchner Heinrich Greymolt -er Buchschreiber verkauft 1457 seine Hube zu Großding­ harting, Lehen -es Münchner Stadtrichters Erasm Torer zu Eurasburg, an seinen Mitbürger unSchwiegersohn -en Schreiber Lienhart Stefenberger, um 62 # Freiherrlich Barth'sches Familien­ archiv zu Schloß Harmating. Viele -er Schreiber, -ie uns in München begegnen, dürfen wir als kaufmännische Angestellte anspre­ chen, so um 1360 -en Bürger Ulrich Chranvösel -en Schreiber. H.St.A. Ritteror-en 4330, Augsburg St. Ulrich Kl. 202.

verbringt, wo er 1476 in hohem Alter stirbt). Der durch seine leitende Tätigkeit am Konzil zu Basel und als Reformator der Kirchenzucht in Bayern bekannte Kardinal Johannes Grünwalder, Dechant bei St. Peter in München (1416—1445) und Bi­ schof von Freising (1443—1452), der natürliche Sohn des Herzogs Johann II. von Bayern und einer Münchner Bürgerstochter, verfaßte eine beachtete Schrift über die Autorität allgemeiner Konzilien?). Stattlich ist die Zahl der Domherren, welche das Patriziat, aber auch einfache Bürgerfamilien den Domkapiteln benachbarter Bischofssitze stellen?). Das geistige Antlitz einer Stadt wird nicht allein von einzelnen Leuchten der Wissenschaft bestimmt, sondern vom Bildungsstreben des akademischen Nach­ wuchses breiter Volksschichten. Kein Altbürgergeschlecht, das nicht den einen oder andern seiner Söhne auf die hohe Schule schickt! Aber erhebend ist der Aufstieg des einfachen Bürgertums, dessen Söhne oft an ferne Universitäten ziehen, obwohl sie bekümmert vor der Magnifizenz bekennen mußten, sie seien zu arm, um auch nur die Jmmatrikulationsgebühr zu bezahlen. Nicht ohne Einfluß bleibt Paris auf das gelehrte München, seit Peter Freimann, Sohn eines Altbürgers, zur Zeit Ludwigs des Bayern an der Sorbonne das Bakkalaureat erwirbt^). Vereinzelt besuchen Münchner Studenten die deutschen Universitäten in Prag, Freiburg im Breisgau, Köln am Rheins, stärkere Anziehungskraft üben die mitteldeutschen Universitäten Erfurt, wo sich über 30 Münchner in die Matrikel eintragen lassens, und Leipzig, das 91 Münchner aufweist?). Der Besuch einzelner Universitäten war in München zu gewissen Zeiten geradezu Modesache: Erfurt um 1450, Freiburg 1465—68, Leipzig um 1490. Die 1472 neugegründete bayerische Landesuniversität Ingolstadt8*)* weist * bis zum Jahre 1500 den Besuch von mehr als anderthalbhundert Münchner Hörern auf. Von überraschender Stetigkeit im 15. Jahrhundert und noch unvergleichbar T) Cgm. 1716/11, 6ov. Sein prächtiges Grabmal im Dom. 2) Cgm. 1716 fol. 14V, 1718 fol. 136—138. — Aug. Königer, Johann III. Grünwalder, Bi­ schof von Freising, München 1914. — Riezler III, 827, 873. 8) Im nahen Freising wird — nach den biographischen Skizzen der Domherren von Bischof Dr. Joh. Franz von Eckher und Kanzler Sedlmaier — Magister Heinrich Jmpler 1319 Propst von St. Johann und stirbt 1329 als bischöflicher Kammermeister. Domherr Johann Rtdler (1357—1382) stirbt zu Verona und wird dort bei den Minoriten begraben. Johann Gerolt ist 1378/86, Georg Loritzer 1441 Kanoniker. Heinrich Rudolf ist Domherr zu Freising und Augsburg (1379 bis 1394), Dr. Jakob Rudolf (1477—1525) zu Freising, Domherr Johann Tichtl ist 1424/32 zugleich Propst zu Ilmmünster, Domherr Peter Ridler (1453—1504) zugleich Propst zu Isen. Dr. jur. Vinzenz vonSchrenk - Notzing (1480—1499), begraben im Dom zu Freising, bekleidet 1483—1490 auch in Augsburg die Domherrnwürde. Dr. decr. Balthasar Hundertpfund (1490—1502), Pfarrer an der Münchner Frauenkirche, zugleich Rat Herzog Albrechts IV., Domherr in Regensburg und Propst von Petersberg, hatte schon 1479 vom Papst die Domherrnwürde in Augsburg verliehen erhalten, aber darauf verzichtet. Johann Schrenk 1491—1510 Generalvikar. Cgm. 1716, 1718 u. 1724. Gegenpapst Nikolaus V. ernennt 1328 den Heinrich Perbein von München zum Freisinger Dom­ herrn. Riezler, Vatikanische Akten S. 383; Archtval. Zeitschr. NF. IV, 133. 4) Cgm. 1993 fol. 486. 6) Hermann Keussen, Die Matrikel der Universität Köln I, Bonn 1892. 6) Gustav Wulz, Münchner Studenten, Manuskript im Stadtarchiv. 7) Georg Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig I—III, Leipzig 1895, 1897,1902. 8) Matrikel im Universttätsarchiv München, Druck von Wolff 1912 nicht zur Ausgabe gelaugt.

größer ist der Einfluß der Kaiserstadt Wien, an deren alma mater aus der Isar­ stadt durchschnittlich 150 Hörer binnen 20 Jahren ziehen und dementsprechend bedeutsam und anhaltend war der Zustrom von Lehrkräften*). Der um die Bibelauslegung verdiente Stadtpfarrer von St. Peter Dr. Zacharias Ridler wird 1415 Rektor der Universität Wien. Gleichfalls in Wien gebildet und dort zum Magister der freien Künste promoviert, ist Ulrich Greimolt von Weilheim (1413—1495), dem am Münchner Hof 1452—1456 die Erziehung der jugendlichen Söhne des Herzogs Albrecht III. von Bayern übertragen tötcb*2). Die italienischen Hochschulen üben eine starke Anziehungskraft auf das Bildungsbedürfnis der Münchner Studenten, die als Wegbereiter der Antike und des Humanismus in ihre Heimat zurückkehren. Zu den Mitgliedern der deutschen Nation in Bologna zählen 1315 Johannes, 1318/19 Heinrich, 1320 Konrad, 1344 Heinrich „de Monaco“3).4 *Jakob 6 7 8 Schrenk und Johann Gießer studieren 1442 in Siena*), Gamered Pütrich, Sohn des Dichters Jakob Pütrich zu Reichertshausen, begleitet 1465 den Herzog Wolfgang auf die Universität Bologna3). Der von Bayerns Herzogen in einer wichtigen Sendung an den Papst geschickte, gelehrte Nikolaus Schrenk verschied 1472 auf der Reise in Bologna, wo an ihn ein kostbarer Marmorstein im Kreuz­ gang zu San Dominico erinnert. Dr. jur. Vinzenz Schrenk (gest. 1499), Kanoniker zu Augsburg und Freising, studiert 12 Jahre in Padua und an anderen Univer­ sitäten, wird 1489 zum Rektor der deutschen Nation in Padua gewählt, bildet sich an der römischen Kurie weiter und wendet insgesamt 1700 Goldgulden für Studien und Reisen (1472—1484) auf. Dr. Johann Schrenk, später Rat am sächsischen Hof, studiert elf Jahre (1472—1483) zu Ingolstadt und Padua3). Am Ausgang unseres Zeitraumes steht leuchtend der Name eines Gelehrten von Weltruf, der deutsche Wissenschaft und deutsches Kunsthandwerk nach England brachte, des 1488 in München geborenen Astronomen und Mathematikers Nikolaus Kratzer, der an der Universität Oxford wirkt, mit Erasmus von Rotterdam, Hans Holbein und Albrecht Dürer, die ihn beide porträtierens, in Briefwechsel steht und als Astro­ loge König Heinrichs VIII. von England das vollste Vertrauen dieses sonst so wankel­ mütigen Herrschers genießt. Ein Gutteil seiner Erfolge und seines Rufes verdankte er seiner Kunstfertigkeit, seine wissenschaftlichen und astronomischen Instrumente sich selbst anzufertigen, jenem handwerklichen Können, das er von seinem Vater, dem Sägeschmied Hans Kratzer an der Neuhausergasse erlernt hatte3). *) Virgil Redlich, Tegernsee S. 16, 19. 2) Clm. 19848 fol. i86f, 252s.; 19651 toi. 9vf. 3) Knod, Deutsche Studenten in Bologna S. 364, Berlin 1899. 4) Paul Ruf, Eine Ingolstädter Bücherschenkung S. 73, München 1933. 6) Dort studiert 1496 auch Kaspar Barth, später Chorherr an der Frauenkirche und Rat Herzog Wolfgangs. Knod S. 27, 29. 6) Schrenk-Chronik; Cgm. 1716/II, 54. 7) Kratzers Bildnis von Hans Holbein dem Jüngeren (1528) im Pariser Louvre. 8) Der Bürger Hans Kratzer ist bereits 1458 Zeuge eines Ewiggeldkaufes. Er besaß an der Neuhauser­ gasse 1480 mit seiner Gemahlin Agnes zwei Häuser, von denen sie 1484 das Eckhaus um 284 rhein. Gul­ den verkauften. St.A.Urk. Anger 7. — Archiv d. histor. Der. v. Oberbayern Urk. 5522. — H.St.A.

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Durch die Kanzlei Kaiser Ludwigs des Bayern, der länger als ein Menschenalter regierte, und in ungezählten deutsch abgefaßten Urkunden und Ge­ boten die Machtfülle königlicher und kaiserlicher Gnade ins Reich ergehen ließ, trat die oberdeutsche Mundart von München aus ihren unaufhaltsamen Siegeszug an als Bejwingerin und Überwinderin des volksfremden Lateins, bürgerte sich die Sprache des deutschen Mannes und Volkes als gemeindeutsche Schrift­ sprache bei Hoch und Nieder ein, klopfte Einlaß heischend an die Schreibstuben der Gebildeten und Gelehrten und trug so ungeheuer viel jur Hebung des deutschen Nationalgefühls bei, nicht das einzige und gewiß nicht das geringste der Verdienste Münchens um deutsches Wesen und deutsche Literatur. In den festlichen Hallen der kaiserlichen Residenz sang der gemütstiefe Hadamar von Laber seine Lieder zu Lob und Preis der Jagd und der holden Minne, erschallten Weisen des Rheinländers Reinhart von Westerburg, eines begeisterten Kriegsmannes und überzeugten Parteigängers des Kaisers, den er auf seiner Romfahrt begleitete und für den sein Sohn in Welschland den Tod fand*). Den Namen seiner Vater­ stadt trug hinaus an Fürstenhöfe, Herrensitze und in die weltabgewandte, stille Be­ schaulichkeit und Abgeschiedenheit einsamer Klosterzellen die gereimte Weltchronik des Heinrich von München („Ich von Pairn Hainreich, von Münichen aus der werden stat"). Gleich ihren gereimten Vorgängern, der Thüringer Weltchrovik (Christ-Herre-Chronik), der Schweizer Reimbibel („Richter-Gott-Chronik") des Rudolf von Ems und der Weltchronik des Wiener Bürgers Jan Enikel, ist sie geschöpft aus dem Weltengeschehen, aus altdeutschen und lateinischen Reimdichtungen, Chroniken und Prosawerken, beladen mit der ganzen kirchlichen Gelehrsamkeit der Zeit, ausge­ zeichnet durch gesundes geschichtliches Empfinden und durch Zurücksetzung des rein Legendären, Sagen- und Anekdotenhaften. Der wohl nach Österreich verschlagene Verfasser schrieb um die Mitte des 14. Jahrhunderts seine Weltchronik, die uns in etwa einem Dutzend Handschriften — zwei der besten erwarb in den letzten Jahren die Münchner Staatsbibliothek, eine vom Stift Kremsmünster?) und das treu durch die Jahrhunderte behütete Erbstück der Herren Vintler auf Schloß Runkelstein — in Wien, Linz, Wolfenbüttel, Berlin, Dresden, Gotha, Arolsen, stets in anderer Form überliefert sind. Einer der Fortsetzer der zeitlich ungleich schließenden Weltchroniken des Heinrich von München ist sein Landsmann, der Reimdichter und Buchkopist Heinz Sendlinger aus ältestem Münchner Stadtadel, der sie als Burgkaplan von Schloß Runkelstein bei Bozen 1394 für den Schloßherrn Lukas Vintler abschrieb, überarbeitete und erweiterte („ein Teil gedicht"), wie wir aus seinem Schlußvermerk wissen. Wieviel er aus eigenem Erleben und aus dem Stosskreis seiner Münchner Heimat dazu gegeben, mag künftige Forschung klären. Wie so viele bedeutende MünchMünchen GU.F. 25. —Max Maas, Nikolaus Kratzer, ein Münchener Humanist, Beil. z. Allg. Zeitung 1902 S. 505—508, 515—518. — Erich Walch, Nikolaus Kratzer, „Die Heimat" v. 24.7. 1929. x) Riezler 11, 372, 495, 498. — Erben S. 95. — Schweller, Literar. Verein, Stuttgart 1850. — K. Stejskal, Zeitschr. f. deutsches Altertum 22 (1878). 2) Die künstlerische Würdigung ihrer Bebilderung, gewandter Federzeichnungen, im Münchner Jahrb. f. bildende Kunst NF. X (1933) S. 104.

ner fand auch der Dichter Heinrich Sevdlinger bei den Barfüßern seine letzte Ruhestätte*). Der bayerische Volksstamm, dessen heiter-frohe Lebensart dem deutschen Volke begnadete Dichter schenkte, Wolfram von Escheabach, Neidhart von Neuental und den köstlichsten aller Minnesänger, den im Chiemgau, auf den Welfenburgen im Lechraiv

Abb. 6. Nikolaus Kratzer, Astronom und Mathematiker, geb. 1488 In München, legt in der Werkstatt setneS Vaters, eines Münchner SägeschmtedeS, Len Grund -u seinem Weltruf. (Bildnis von HanS Holbein dem Jüngeren im Louvre.)

und am Hofe Ottos des Erlauchten seine Lieder singenden Tannhäuser aus einem bayerisch-salzburgischen Edelgeschlecht, fand am Hof und in der Bürgerschaft seiner Hauptstadt München treue Freunde des Heldensanges und verständige Be­ treuer der Minnelieder. Als Oswald von Wolkenstein, der letzte Minnesänger, 1423 in diplomatischer Sendung nach München kam, feierte man ihn mit einem x) 1390 schrieb er den deutschen Beichtspiegel des Joh. von Freiburg, heute in Innsbruck, 1399 die Weltchronik der Bibliothek Wolfenbüttel. Georg Leidinger, Münchner Dichter des 14. Jahrh., AkademieFestrede, München 1930. — Paul Gichtel, Frankfurter Zeitung 22. Jan. 1936. — Ältestes Nekrologenbuch fol. 34.

glänzende» Fest bei Sang nnb Saitenspiel in Anwesenheit schöner Frauen*). Der verdienteste Kenner des Minnesangs in München war Jakob (HI.) Pütrich zu Reichertshausen, benannt nach seinem Stammschloß, einem bischöflich freist»gischem Lehensitz. Er stammte ans ältestem Münchner Stadtadel'), an dessen Reichtum und Stifterstnn eine Kapelle in der Peterskirche, ein Altar im Dom zu U.L.Frau und das Pütrich-Regelhavs erinnern'). Um 1390 geboren, nahm er 1420 am Feldzug König Sigismunds wider die hussitischen Ketzer teil, begab sich dann auf Reisen in die weite Welt nach Brabant, Ungarn und Rom, verflach auf Turnieren in Ehren manche Lanze, so 1427 und 1434 auf dem Münchner Marienplatz, wirkte 1439 als Turnierordner und wohnte in Köln am Rhein einem deutschen Turvierfest bei. Freund aller höfischen Spiele und ritterlichen Bräuche, voll glühender Begeisterung für Ritter­ tum und Schwertadel, für Turnierfreuden und Dichtkunst längst entschwundener Zeiten, sammelte Jakob Pütrich, seit 1440 auch herzoglicher Rat in München, mit feinem Verständnis Wolfram von Eschenbach, Hartmann von Aue, Hadamar von Laber, Gottfried von Straßburg und nannte zuletzt 164 Handschriften alter Minne­ lieder und Rittermären sein eigen. Die geistvolle Erzherzogin Mechtild von Öster­ reich, die in ihrem Witwensitz am Neckar künstlerischen und musikalischen Neigungen lebte, lieh die Bücherschätze des leidenschaftlichen Sammlers, Kenners und Verehrers der Minnesänger aus. Ihr, der fürstlichen Gönnerin dichterischen Schaffens, widmete Pütrich 1462 einen seiner dichterischen Versuches, ein Reimwerk von kulturgeschicht­ lichem Wert, dessen ungelenke Verse mich aber anmuten wie sein Helmkleivod, der Schwan mit Pfauenschweiff). Unter den hervorragenden Männern der Stadt Mün­ chen, welche der Abt von Tegernsee 1465 nnd 1466 mit Weihnachtsgeschenken bedenkt, *) H. Holland, Gesch. der altdeutschen Dichtkunst in Bayern S. 546 f., Regensburg 1862. 8) Die Erzählung der Schrenk,Chronik, die Pütrich seien erst wegen Lndwig dem Bayern vom Rhein »ach München gezogen «nd hätten 100000 Gulden mitgebracht, wird berichtigt durch die Tatsache, daß ste schon 1239 mit den Eendltngern als Münchner Bürger erscheine» und daß 1313 Heinrich und Konrad Pütrich mit andere» Münchner Patrizier» Zeugnis gebe«. Manuskripten,Sammlung 289. — Pers.,Selekt Anhang 111 Nr. 1 Cart. 2.

In Regensburg find ste schon im 12. Jahrh, nachweisbar. Andr. Schmidtner, Zur Geneologie der Pütrich, Obb. Archiv 36 (1877) S. 152.

s) Georg Püttrich stiftet dem 1365 gestorbene« Vater Ritter Jakob (I.) Pütrich zu Reichertshausen und der Mutter, einer geborne» Gumppenberg, 1414 eine Gedächtnismesse ins Barfüßerkloster. Ältestes Totenbuch fol. i-rv, 14. Die Brüder Jakob «nd Ludwig Pütrich zu Reichertshausen verkaufe» 1402 die von ihrem Vater Ludwig Pütrich zu R. ererbten Besitzungen zu Bodenheim bei Mainz an Hans Gänsfleisch und zu Heppenheim an Arnold zum Weibenhofund Berwolf, alle drei Mainzer Bürger. St.A. Siegelamt 2.

Der Dichter führt 1434 einen Prozeß vor dem Hofgericht Herzog Ernsts und sodann vor Kaiser Sigismund gegen den von SeiboltStorff. H.St.A. Staatsverwaltung Lit. 2230. — 1445/49 ist er Bei­ sitzer des kaiferl. Kammergerichts in Wien, 1446/51 führt und gewinnt er einen Prozeß gegen die Stadt Würzburg und Ulrich von Voitenberg. Gütige Mitteilung von Dr. Hans A. Gentz sch, Breslau. — Inventar des Stadtarchivs Frankfurt a. Main IV, 82. 4) Artur Goette, Der Ehrenbrief des Jakob Pütrich von Reichertshausen an die Herzogin Mechtild, Straßburg 1899.

6) Als Maltheser,Ritter führte er bas halbe weiße Kreuz im rote» Feld. St.A. Siegelamt 2.

ist unser Jakob Pütrich. Neben seinen Eltern nnd Vorfahren findet er 1469 im „Krems oder Gatter" bei den Minoriten seine letzte Ruhestätte*). Auch Münchens künstlerischer Ruf wurjelt im Mittelalter. Hof, Bürgerschaft und Geistlichkeit wetteifern in der Pflege und Förderung der Tonkunst und des Musiklebens und legen so im Mittelalter den ersten Grund zum Ruf der Musikstadt München, deren Vertretern nach dem Urteil eines berufenen Kenners selbst in der „europäischen Mufikgeschichte nur selten ähnliche Größen gegenübergestellt werden können". An der Frauenkirche setzt vor 1390 ein Kleriker ein Reimoffizium auf die hl.Apollonia in Musik?). Die Bürgerschaft erlebt und empfindet die erhebende Macht der Mufik. Ein frommer Stifter aus ihren Reihen vermacht 1420 die Mittel zur feierlichen Gestaltung der Versehgänge, wonach stets vier Pfarrscholaren im Chor­ rock, geistliche Lieder singend, das Sanktissimum zu begleiten haben. Die Orgel als Kultinstrument setzt sich in München im 15. Jahrhundert durch. Der geheimnisvollen Kunst des Orgel­ baues lebte der Münchner Bürger Erhard Schmied, gebür­ tig aus Peißenberg, den 1433 Herzog Ernst steuerfrei spricht, „umb sein klugheit, die er an im hat, mit orgeln ze machen" b). Obenan unter Münchens Musikern steht der blinde Organist der Liebfrauenkirche und Hofmusiker Konrad Paumanv (gest. 1473), „der kunstreichtst aller instrvment und der musica maister", wie es auf seiner Grabtafel an der Frauenkirche heißt, die ihn mit Schoß­ orgel (Portativ), Laute und Blockflöte, Harfe und Geige Abb. 7. Wappen des Jakob Püttich von Reichertshausen, abbildet, eine Erinnerung daran, daß er diese Instrumente Dichter und Sammler von alle meisterte. Schon in seiner Vaterstadt Nürnberg vom Mianelieber» (Totenbuch). Meistersinger Hans Rosenblüt durch einen Lobspruch gefeiert, ward er 1449 von Albrecht I I I., dem die Chronisten Freude und Liebe zur Musik nachrühmen („het große lieb ze der kunst der musica"), für München gewonnen. Für seine hohe Einschätzung am Hofe spricht, daß 1467 „Meister Konrad Organist" 80 rheinische Gulden Jahresgehalt bezieht, das Zweieinhalbfache des herzoglichen Leibarztes*). Bedeutend als Komponist, sammelt der blinde Meister im Eckhaus am Jägergäß?) einen Kreis von Schülern um sich. Der Ruf seiner Kunst dringt an fremde Höfe: 1470 spielt er vor dem Markgrafen von Mantua, 1471 vor Kaiser Friedrich II I. in Regensburg. Der Kaiser belohnt ihn mit einem Brokatkleid, einer goldenen Kette und einem Ritter*) Hundt, Stammenbuch III, 265. 2) Otto Ursprung, Münchens musikalische Vergangenheit S. 5, 11, München 1927. 3) Leo Söhner, Die Musik an der Münchner Frauenkirche S. 11, München 1934. 4) Cgm. 2222 toi. 68 v. 5) Margret Weichser, die Witwe des blinden Organisten, verkauft sein Haus an der vorderen Schwa­ bingergasse an Herzog Sigmund, der es 1474 seinem natürlichen Sohne Hans und dessen Mutter Mar­ garete Pfädendorfer verschreibt. Mon. Boica 35/11 S. 392; München GU. 478s., 2688.

schwert mit vergoldetem Griff, der Fürst verehrt ihm einen golddurchwirkten Mantels. Nachfolger wird sein Sohn Meister Paul Panmann, „Organist und Diener Herzog Albrechts IV.", wie er sich selber 1479 nennt?). Die Wertschätzung der Tonkunst ist so groß, daß selbst ein Mitglied der reichen Ärzte- und Patrizierfamilie Tömlinger, Korbinian (1488—1508), Sohn des Ludwig Tömlinger, den Beruf eines Tonkünst­ lers ergreift und 1489 als Hofmusiker („Organist") im Dienste des Kurfürsten Fried­ rich von Sachsen steht?). Die Sänger der Londoner Hoftapelle Conreth Smyth und Peter Skeydell werden 1483 an den Hof Albrechts IV. verpflichtet, um die Hofkantorei nach dem Vorbild der englischen Hofmusik umzubilden^). Des Herzogs Bruder Sig­ mund beseelte eine so starke Neigung zu Sang, Saitenspiel und allen schönen Künsten, daß er ihnen zu Liebe sogar der Regierung entsagte?). Das Lied vom Herzog Ernst in des „Herzogs Ernsts Ton", einer alten Schweizer Spielmannsweise, ist in Straßen und Gassen sicherlich erklungen, ebenso ein Volkslied auf Herzog Christoph, das der Rat verbot?). Auch Hans Sachs, das Haupt der deutschen Meistersinger, kam als junger Geselle im Sommer 1513 auf der Wanderschaft von Nürnberg nach München, wo ihn der Leinenweber Nonnenpeck als Merker in den Gesetzen der Tabu­ latur unterwies. Der warme Herzschlag der lebensfrohen Stadt begeisterte ihn zu seinem ersten Bar „im langen Ton des Marner", eines Minnesängers aus dem 13. Jahrhundert?). Die Zusammensetzung des melodischen, mittelalterlichen Geläuts der Frauen­ kirche hat sich erhalten: Da war die Salveglocke, 1490 gegossen von Hans Ernst in Regensburg, mit 125 Zentner, die „Winklerin" (1451) mit 32 und die „Frühmesserin" (1442) mit 14 Zentnern, beide vom Meister Paul, die „Präsevzerin", 1492 gegossen von Ulrich von der Rosen mit 27 Zentner, lauter Glocken, von denen wir bestimmt wissen, daß ihr eherner Ruf schon über das mittelalterliche München erklang?). Bildende Kunst in jeder Form hat Ansehen und Geltung, sie liegt J) Seb. Günthner, Gesch. der literar. Anstalten III, 301 f., München 1815. — Berta Antonie Walloer, M.N.N. 20. Mai 1934; Dies., Konrad Paumann «nd sein Soho Paulus Paumann, Zeitschr. f. Musikwissensch. 1937. 2) H.St.A. Landsberg GU. 1021. 3) St.A. Patrizier ui, 112, 115. *) Ursprung S. 31 ff. 5) Veit Arnpeck S. 673; Ursprung S. 13ff. ’) Ursprung S. 13ff. ’) „Als ich meines Alters war Fast eben im zwanzigsten Jahr, Tät ich ernstlich mich unterstan Mit Gottes Hilf zu dichten an Mein erst Bar im langen Marner Gloria patri, Lob und Ehr, Zu München, als man zählt zwar Fünfzehnhundert vierzehn Jahr. Half auch daselbst die Schul verwalten." Er betreute eines der Ämter der Münchner Meistersinger und verlebte „Der ersten Liebe goldene Zeit". Vergl. A. Dreyer, Hans Sachs in München, Dayerland XXI (1910) S. 235 ff. 8) H. St. A. München U. L. Fra« Lit. 246.

dem echten Münchner seit alters im Blut und ist Herzenssache der Wittels­ bacher Fürsten. Bürgerschaft und Hof bringen sie in edlem Wettstreit in der Gotik zur ersten Blüte und Entfaltung. Früh schon übt die Stadt und seine Künstler­ kolonie von Malern, Schnitzern und Goldschmieden um die Hofburg eine starke Anziehungskraft auf werdende wie fertige Talente. Bertold der Schnitzer erringt durch seine Bildhauerarbeiten Dank und Wohlgefallen des Kaisers in so hohem Maße, daß er ihm und seiner Gemahlin 1342 das „Marstall" genannte Haus vor der Burg

Abb. 8. Der blinde Hofmnsiker «nd Organist Konrad Paumann (f 1473) mit Schoßorgel, Laute, Blockflöte, Harfe und Geige. Grabstein in der Frauenkirche.

auf Lebenszeit verleiht. Für dessen Ausgestaltung wendet der Bildschnitzer in den nächsten 12 Jahren 100 ’tt H auf. So künstlerisch schmückt der Meister den Bau in der Burgstraße aus, daß ihn der herzogliche Hofmeister Konrad von Preysing zu Bayerbrunn von seinem Sohn Ulrich Schnitzer 1385 als Wohnsitz erwirb?). Dank der Sinnesfreudigkeit des bayerischen Volkstums sind die Urkunden Kaiser Ludwigs des Bayern nicht selten handkoloriert und ungewöhnlich reich verziert, vielleicht an­ geregt durch den Jnitialenschmuck der päpstlichen Kurialkanzlei in Avignon, aber sie an Schönheit der Miniaturen weit hinter sich lassend. Starke künstlerische Anregungen *) Kaiser-Ludwig-Selekt 870. — München GU. 51. — Mon. Boica 35/II S. 82, 143, 150s.

empfing die junge Münchner Kunst unter Ludwig dem Bayern durch den Erwerb Hollands und den Rückgewivn Tirols, in welchen Ländern die Kunst von je beson­ ders heimisch gewesen, wie durch die engen Handelsbeziehungen zu Italien. Das München des Mittelalters — nicht erst der Renaissance — wußte den Wert kostbarer antiker Gemmen zu schätzen und trieb Handel damit. Das beweist eine Gemmen­ stiftung des Goldschmieds Nikolaus und seines Bruders Leonhard ans Minoritenkloster 14361),2 3beweist die Führung einer vornehmen antiken Gemme als Siegelring durch den ersten Renaissancemenschen der Stadt, den Arzt Dr. Hans Hartlieb. Aus der verwirrenden Fülle von Künstlernamens treten einige scharf «mrissene führende Künstlerpersönlichkeiten hervor. Der Maler Gabriel Angler (gest. 1485), der eines der stolzen Häuser am Weinmarkt sein eigen nennt und den Leib­ arzt des Herzogs Dr. Ruland zum Schwiegersohn hat, erhält im Februar 1434 von den Kirchpröpsten der Frauenkirche Franz Tichtel und Ott Sänfte! den ehrenden Auftrag, das großartige, seit 1620 verschollene Hochaltargemälde zum Lob und Preis Mariens zu male», wozu fie ihm 120 Dukaten und 552 rheinische Gulden vorstrecken, in Venedig Farbe und Lasur zu kaufen. Nach drei Jahren erhält der Meister mit seinen Gesellen 2000 Gulden Werklohn. Der Rat gibt ihm 1439 Auftrag für ein Ge­ mälde in die Ratsstube, Herzog Albrecht III. für eine Meerkatze in die Gemächer der Fürstin^). Der Maler und Ratsherr Gabriel Maleskircher (1453—1496), der eine Schwester des kunstfinnigen Abtes Airschmalz von Tegernsee zur Frau hat, schmückt 1455 das Rechtbuch der Stadt, die Kaiserbildhandschrift, mit Initialen, Verzierungen und einem Bildnis des Kaisers, erhält 1466 reiche Aufträge von Herzog Sigmund, malt im Sommer 1470 das vom Rat gestiftete Dafelgemälde im Kloster Neustift zu Freiflng, 1473 die Stadtbanner am Rathaus, 1482 ein Altarbild ins Stift Raiten­ haslach, 1487 ein Tafelgemälde auf Goldgrund, Maria und Johannes, in die Kirche des Augustiner-Chorherrenfiiftes Rottenbuch, 1490 ein Tafelgemälde auf Goldgrund ins Münchner Rechthaus. Fürs Kloster Tegernsee, an dessen Altar (im National­ museum) wir seine Kunst beurteilen können, malte er zwischen 1473 und 1478 vierzehn Altargemälde um 1280 Gulden: ein Madonnenbild, die hl. Dreikönige, die vier Evangelisten, St. Quirin und Veit, St. Martin, Benedikt und Sebastian, 11000 Jungfrauen, ein Allerheiligenbild und eine Bildtafel am Quirinsbrunnen draußen am ©eettfer4). Der vom Hof vielbeschäftigte Meister — einmal verrechnet er allein 200 H Forderung — erhält 1485 einen herzoglichen Gunstbrief, auf seinem Gutsbesitz in Kempfenhausen am Starnberger See ein Haus bauen zu dürfens. Die ab­ geklärte Ruhe, die Sicherheit und Sauberkeit der Pinselführung in Maleskirchers *) Ältestes Nekrologieobuch fol. 3. 2) Oie Witwe Hans Kaschauers verkauft 1413 zwei Tafelbilder zu zwei und drei Gulden. St.A. Gerichtsbuch III, 146. 3) Mon. Boica XX, 264, 271, 279; XXI, 223, 232; 35/II S. 316. —Otto Hartig, Münchner Künstler und Kunstsachen S. 38, 41, 87, München 1926. — Thieme-Becker, Lexikon der bildenden Künstler I, 518, Leipzig 1917. 4) C. u. M. 13. — K.R. 1455. — O. Hartig S. 42s., 46, 49, 51, 59, 63, 65. 6) H.St.A. Privilegienbuch 1,179 u. VII, 139.

Tegernseer Grisaille-Kreuzigung (1446) ist kaum zu übertreffen. In der Tegernseer Kreuztragung greift er lebenswahre Szenen und blutvolle Gestalten aus dem Volk und bahnt so jene Richtung der Münchner Malerschule an, die wie die wirklichkeits­ frohen, waldfrischen Gejaidszenen der Gründung Pollings schon ganz und gar welt­ lichen Geist atmen und um Befreiung aus der Erstarrung der Gotik ringen. Gabriel Angler, dem die 1444 datierten Tafelgemälde des Marien- und Kreuzaltars zu Pol­ ling, vier Heiligentafeln zu Freising und der Marienaltar in Kremsmüvster (1439) zugeschrieben werden, der unbekannte Meister der Kreuzigung in der Münchner Frauen­ kirche und Maleskircher zählen zu den bedeutendsten oberdeutschen Malern der Spät­ gotik). Neben sie tritt als erster Vertreter jenes Künstlertums, das den Ruf Münchens als Stadt der Kunst, als Stadt froher Feste und heiteren Lebensgenusses begründete und bis zum heutigen Tage zu wahren wußte, der Malerchronist Ulrich Fuetrer (1453—1496). Tüchtig, doch nicht groß als Maler — 1465 malt er in Tegernsee die Andreaskapelle aus, 1476 schmückt er die Fassade von Rathaus und Ratsturm mit Freskomalereien —, einer jener liebwerten Men­ schen und Künstler, die das Leben angenehm zu gestalten wissen, dessen sich Hof und Rat als unentbehrlichen künstlerischen Beirates bedienen. Belesen in alten Ritter­ mären, vertraut mit Heldensang und Minneliedern, mit Parzifal und Lohengrin, König Merlin und Lanzelot, Trojaner Krieg und Argonautenfahrt, gewinnt der Ver­ armte — sein Vater war bei der Röcklschen Verschwörung der Landshuter Bürger­ schaft um Hab und Gut gekommen — das Vertrauen des einflußreiche» Hofarztes Dr. Hartlieb, der ihm in seinem stattlichen Hause Wohnung gibt. Wohlgelitten bet Hof, schreibt er 1478/81 auf Begehr Albrechts IV. des Weisen die „Gesta und Getat" der Bayernfürsten und das vielgenannte „Buch der Abenteuer" und schmückt sie mit Miniaturen. Lädt an Sonnwend 1467 schöne Frauen in sein Künstlerheim, dem Gast des Hofes Herzog Sigmund von Österreich zu Kurzweil; gestaltet 1494 auf Wunsch des Rates die Fronleichnamsprozesston zu einem künstlerischen Genuß. Die Festes­ freude des lustigen Malervölkchens kennt keine Grenzen; zu verbotenen Zeiten tanzen sie im Hause des alternden Meisters, ein junges Mägdlein tut sich 1495 aus Liebes­ gram in seinem Haus ein Leid an, Fuetrers Frau und die Lautenmacherin werden an den Pranger gestellt und der Stadt verwiesen3*).2 Gegen die ruhige, in der Heimat wurzelnde Kunst der älteren Münchner Meister hebt sich die leidenschaftlich bewegte Malerei eines eingebürgerten Fremden ab, des Meisters Jan Pollak (1482—1519), der sich stolz Maler von München nennt3), Türme, Tore und Bauten der Stadt mit Fresken schmückt, aber auch, ein echt mittelalterlicher Zug, bescheidene handwerkliche *) Galerie Schleißheim. — Hans Buchheit, Ausstellung Altmünchner Tafelgemälde des 15. Jahrh, im bayer. Nationalmuseum, München 1909. — Bassermann-Jordan, Unveröffentlichte Gemälde alter Meister aus dem Besitz des bayer. Staates HI S. 2s., Tafel 5—7, Leipzig 1910. — Ernst Buchner und Karl Feuchtmayer, Die Anfänge der Münchner Tafelmalerei, München 1935. 2) Cgm. 1, 227, 247, 565 hier bes. fol. 84 und 2222 fol. 37. — St.B. 1462. — Holland, Gesch. d. altdeutschen Dichtkunst S. 398s. — Riezler III, 870s. — O. tzartig S. 46, 53 67ff. 3) Sollte ein verwandtschaftlicher Zusammenhang mit dem 1431 in der Umgebung des Alten Hofes wohnenden Maler „Polaner" bestehen?

Verrichtungen des Tünchens und Anstreichens im Dienst der Stabt nicht verschmäht. Er malt in Weihenstephav die Wunder des hl. Korbinian, 1491 die herrlichen Blüten­ bürger Altarbilder und ein Zahr später den ins bayerische Nationalmuseum geretteten Hochaltar im Franjiskaverkloster, eine hochherzige Stiftung Herzog Albrechts IV. an das neu reformierte Kloster; auch für das Kloster Altenhohenau eine Kopie der Tuntenhauser Ma, donna und Gemälde im Freisinger Dom*). Vom Abt zu Benediktbeuren erhält Meister Zan, Maler zu München, Jahr für Jahr gute Auf­ träge: 1494 malt er, vollendet in der Proträtierung, die Stifterbildnisse Landfried, Waldram und Eliland?); im Jahr darauf für 29 Gulden ein Tafel­ bild des hl. Sebastian, eine Landschaft mit zwei Hirschen in die Stube des Abtes und das Ziffer­ blatt im Chor; 1496 ein Tafelbild zum Altar des hl. Innozenz, 1497 um 32 Gulden für den Fron­ altar den hl. Sixtus^). Edel, still und ernst, am Erprobten festhaltend, fertigt ein unbekannter Glasmaler 1392 für die Frauenkirche liebreizende Marienmedaillons mit Stifterbildnissen der Patrizier Astaller; wirkungs­ voll durch die Farbenharmonie 1480 der Spekulum­ meister die Heilsgeschichte der Menschheit^). Bildhauer, Schnitzer und Steinmetzen der Münchner Spätgotik stehen im tiefen Erfassen der künstlerischen Probleme, in Reife und Innig­ keit ihrer Gestaltung hinter der Malerei nicht zurück. Auch hier findet der zunehmende Auf­ Abb. 9. Maruskatänzer (1480), schwung der Stadt und der Reichtum ihrer Bürger­ von Erasmus Grasser im gotischen schaft seinen künstlerischen Ausdruck. Der Münchner „Tanzhaus". Bürger Heinrich der Steinmetz von Abbs, der (Alter RathauS-Festsaal). 1390 an des Herzogs Kastner Hermann von Port­ dorf eine Forderung von 250 Gulden hat, weist auf künstlerische Blutzufuhr aus Österreich hin^). Meister Stephan der Steinmetz fertigt 1392 im Auftrag Herzog Albrechts 11. von Straubing-Holland fürs Straubinger Karmeliterkloster einen Ritter *) O. Hartig S. 60, 63—69, 73,76. 2) Alte Pinakothek; Basserman-Jordan III S. 4, Tafel 14. 3) tz.St.A. Benediktbeuren Kl.Lit. 77. 4) Martin Glasmaler und Hans Gleismüller führen 1436 die Glasmalereien für den Chor der Freisinger Benediktuskirche aus. Paul Frankl, Der Meister des Spekulumsfensters von 1480 in der Münchner Frauenkirche, Berlin 1932. — Ders., Der Meister des Astallerfensters von 1392, Berlin 1937. 5) Er ist ein Bruder des Steinmetz Karl von Landshut und Onkel des 1426 in Wien tätigen Mert von Aschbach. Jahrb. des allerhbchsten Kaiserhauses XVI (1895), Nr. 13694. — O. Hartig S. 24s.

St. Jörg*). Verdeckt durch das Renaissancehochgrab Kaiser Ludwigs des Bayern liegt ein gotischer Gedenkstein aus Marmor in der Frauenkirche, der die Aussöh­ nung und den Friedensschluß zwischen Herzog Ernst und seinem über den Justizmord an Agnes Bernauer empörten Sohn Albrecht III. in belebter Darstellung wiedergibt. Unter dem thronenden Kaiser reicht Ernst in vornehmer Haustracht seinem Sohn, der die Linke auf den Schwertknauf stützt und den der bayerische Löwe umschmeichelt, die Arme in freu­ diger Begrüßung?). So hoch das Werk des Meisters Hans Steinmetz (Haldner?) steht, nach ihm kommt Erasmus Grasserb), eine eigenwillige Führer­ persönlichkeit, ein Künstler von Gottes Gnaden, der zwei große Zeitalter, Spätgotik und Re­ naissance, überbrückt und verbindet, zugleich Bild­ hauer, Hoch- und Tiefbaumeister, das ganze bild­ nerische und technische Können der Zeit in seiner Person vereinigt. Bande des Blutes — schon in den Grabenbüchern der vierziger Jahre begegnet der Name „Graser" — dürften den kernhaftev Oberpfälzer nach München geführt haben, wo er sich nicht ohne Widerstand durchsetzte. In einer selbstbewußten Eingabe, die sein Können ins rechte Licht rückte, war Erasmus Grasser 1475 an den Rat mit dem Begehr um Zulassung zur Meisterschaft herangetreten und darüber hinaus um Steuer- und Wachtgeldfreiheit eingekommen, ein ungewöhnliches Ansinnen, das die Ratsherren nicht ohne Anhörung der Malerzunft entscheiden wollten. Empört über die Anmaßung eines Neu­ lings, der durch eine Bevorzugung dauernd an München gefesselt werden wollte, aufs tiefste ge­ kränkt in ihrem Meisterstolz — glaubten sich doch manche unter ihnen mit Grasser messen zu können —, antwortete die Zunft der Maler, Schnitzer, Seidensticker und Glas­ maler mit einem einmütig gefaßten, geharnischten Protest und forderte, den „Asm Schnitzer" nicht zuzulassen, da „er ein uvfriedlicher, verworrener und arglistiger Knecht ist, wie er in gar manchem Falle bewiesen hat, wie das Meister und Gesellen wissen". Durch seine Aufnahme sei der Zunftfriede in Gefahr und manch wackerer Zunftgenosse könnte sich zu Tätlichkeiten hinreißen lassen, die ihn um Hab und Heimat brächten^). ’) H.St.A. München GU. ioi; Stranbing Ger.Lit. gVa. 2) Abgebildet bei Ernst Forster, Denkmäler deutscher Bildnerei IV, 20—23, Leipzig 1858. 3) Phil. Maria Halm, Erasmus Grasser, Augsburg 1928. — Adolf Feulner, Erasmus Grasser, München 1914. — Thieme-Becker XIV (1921) S. 531. 4) Die lange, noch von Halm 1928 vergeblich gesuchte Eingabe der Malerzunft konnte ich im Hand-

Durch sein überlegenes Können erobert sich Grasser nicht nur das Ver­ trauen der auftraggebenden Bürgerschaft, sondern auch sehr bald das seiner wider­ strebenden Zunftgenossen, die ihn 1480, 1484, 1487, 1499, 1503 und 1504 zum Amt des Vierers berufen. Eine echte Künstler­ natur wie der große Veit Stoß, den der Nürn­ berger Rat als „unruhig heillosen Bürger und irrig und geschreiigen Mann" verlästerte, ein Feuerkopf wie Tilman Riemenschneider, der es lieber mit den aufständischen Bürgern und Bauern gegen Ritter und Pfaffen hielt, ein Revolutionär wie der Regensburger Dom­ baumeister Roritzer, der als Rebell wider des Kaisers Räte auf dem Blutgerüst endete, ging der kühne Gestalter tollster Ausgelassenheit und zugleich kirchlich ernster Feierlichkeit durch die Ängstlichkeit und Mittelmäßigkeit der in ansge-

Abb. 11. MaruskatLnjer (1480), von Erasmus Grasser im gotischen „Tanthaus".

fahrenen Geleisen sich bewegenden ewig Gestrigen seinen Weg. Grassers formstcherer Hand, welche doch des Meisters handwerüiche Herkunft nicht verleugnet, verdankt das Münchner Rathaus jenes Prachtstück ewig deutschen Schnitzerhumors, das als Maruskatänzer Münchens Namen überallhin trägt, wo Kunstverständnis sich regt, die ausgelassenen, schellenbehangene» Zunftmeister und Gesellen mit ihren derben Gesichtern und ungefügen Gliedern, der versuchten Geschmeidig­ keit und gewollten Grazie der Bewegung, ver­ dankt die Münchner Liebfrauenkirche die gemessen­ feierliche, allem Lauten abholde Andacht, Strenge und Heiligkeit der Propheten und Apostel,

schriftlichen Nachlaß -es kurfürstl. Geheimrats v. Lippert in Verwahr bei Frau Dr. Haußler ermitteln. Das kulturhistorisch interessante Dokument verdient im Wortlaut bekannt zu werden: „Ersam, weyß, gnädig Herrn! vns hat angelangt, wie Asm schnizer an euer weyshait pegern laze, Jr wellet im vergunen, hye maister zu werden, nue ist euer weyshait gegen unß aüs gnedig gewesen und hat an unser wissen ins kam zusagen getan,sunder wir sollen unßinainemgemainen hanntwerck davon underreden und euer weyshait des ein antwurt lassen wissen, hie auf ist unser aller gemainer ainmütiger peschluß maler, schnizer, seydennater und glaser, umb das er ain unfrtdlicher, verworner und arcklistiger knecht ist, alls er dickmenigen enden peweyst hat, alls maister und gesellen das wissen, auch euer aller weyshayt an gerett petrogne wort, wye ir in aller fach, steuer und wacht frey hye sezen wellt, solichß wir uns zu ainer großen peschwerd furnamen, das er für unß all mit solichm vortail pegnadt sollt sein; und wir doch wol leut under uns haben, dy von pillden und massen zuvor an alls vil wissen alls er, hin das gesetzt Hoche oder petrogne wortt. hyerauff genedig, weyß Herrn piten wir all euer weyshayt, yr wellt aüs genedig sein und unß mit dem unfridlichem man nicht übersetzen

Kirchenväter und Kirchenlehrer ihres Chorgestühls. Den „kunstreichen, wohlberühm-

ten und bewährten Meister sämtlicher Bauten im Bayernland" betraut der Abt von St. Gallen mit der Anfertigung der Pläne und Modelle zum Kloster Maria Berg bei Rorschach in der Schweiz, zu dessen Bau man 1487 den Grundstein legte. Grasser vollendet 1491/98 den weiträumigen Bau der vier, schiffigen Liebfrauenkirche zu Schwaz in Tirol und

schenkt

1500 der Kunststadt Innsbruck im golde­

nen Dachl ein markantes hochkünstlerisches Wahr­

zeichen. Als in Reichenhall 1498 auf Wunsch der

Fürsten 20 Werkleute, darunter aus Augsburg und Hallein, 1501 24 Werkleute bis aus Passau und Würz­ burg wegen des Neubaues des Brunnenhauses der

Reichenhaller Saline versammelt sind, erklären sie beide Male, den gefährlichen Bau nur unter der Be­ dingung zu wagen, daß Meister Grasser die Bau­ führung übernimmt. Als später selbst italienische Sach­

verständige sich nicht an das schwierige technische Unter­ nehmen wagen, vollführt es Grasser 15071). Im Münchner Grundbuch erscheint der Bildschnitzer Erasm Grasser als der wirtschaftlich starke Mann, zu dem nicht nur die Bürger seines Viertels gehen, wenn sie in Geldnöten sind. Besitzer des Hauses mit der

Narrenfigur, Residenzstraße 10, zählt Grasser wie Maleskircher und der schnell hochkommende Pollak zu den hochbesteuerten Bürgern, dem seine Kunst so­

viel einbringt, daß er ins Heiliggeistspital, zu den

Augustinern und

Franziskanern in München, den

Franziskanern in Ingolstadt und in Pfarrkirche und Spital zu Pfaffenhofen ansehnliche Stiftungen machen

Abb. 12. Maruskatänzer (1480) von Erasmus Grasser im gotische» „Tanzhaus".

welldt. «nd ermanen euer weyshayt, das wir euch »achgaben ob ainen maister und lernknabe, dy nicht elich sind, das doch wider unser setz ist, dy wir von euer weyshait habn. tet uns euer weyshait ain tröstlich zusagen, ir wollt uns hinfur mit kainem unfueglichem oder unfridlichem man übersetzen, des wellet yecz nicht vergessen, pit wir euer weyshayt umb gotz willen und wir wellen euer weyshayt furan guetwilliklich nachgeben ain andre fach, ob es «ns jo ain perschwerd were, umb das, das wir in gueter tue peleyben mugen. wir hoffen «nd wissen, das wir euer weyshait, auch gemainer stat nuczer wellen sein wan der unfridlich man. sollt aber stch pegeben, das uns euer weyshait mit im übersetze» wurde — des wir guet hoffnumb haben, das es nicht peschech — es wer ain grosse sorg, sich würd villeicht ainer oder mer vergessen, damit er umb sein hab »nd guet möcht kumen oder gar von diser stat. gnedig, weiß Herrn, ir wellet dar einsehen, damit solich sorg, unfridlichait und unrue undec unß nicht erste, piten wir ainmütiklich euer aller weyshait, wellen wir all mit undertenigen dinsten und guetem willen umb euch dien, wo oder wie sich das gepurtt, und pevelen uns euch in euer aller weishait. Maler, schnizer, seydnater und glaset." l) Matth. Flurl, Gesch. der Saline Reicheohall, 1809.

samt1). Noch zu Lebzeiten kündigt sich in Wolfgang Leeb um 1500 ein gediegener Fortsetzer und Vertreter der jungen Bildhauergeneration an. Münchens Ruf als Kunststadt ist zu Ausgang unserer Epoche so fest ge­ gründet, daß der wie kaum ein anderer Monarch kunstverständige Kaiser Maxi­ milian eine» Münchner Künstler, Gilg Sesselschreiber, der hier im Tal, in der Jrcher- und Schwabingergasse sein häuslich Wesen hat und seit 1482 die Stadt­ steuer entrichtet, dazu ausersah: ein der kaiserlichen Majestät und der Phantasie des letzten Ritters würdiges Denkmal zu schaffen, das die Verdientesten und dem Kaiser Teuersten seiner erlauchten Ahnen nach seinem Tode als Grabwache um den Herr­ scher vereinen sollte. Es war der ehrenvolle Auftrag zu den überlebensgroßen, welt­ berühmten Erzstandbildern der Innsbrucker Hofkirche, um den viele Städte, besonders Augsburg mit München und seiner Kunst rivalisierten. 1502 wurde Egidius Sesselschreiber, ein großer Künstler und doch vermögenslos, als kaiserlicher Hofmaler bestellt, um sich ausschließlich dieser künstlerisch wie technisch neuen Aufgabe zu widmen. Was Gilg für München bedeutet hatte, ersieht man daraus, daß der Maler Model­ lierung und Guß der Erzbilder in Auftrag erhielt, ein Beweis für den überragenden Einfluß, den manche Münchner Maler damals auf die Plastik übten. Gilg Sessel­ schreibers Entwürfe, die Kaiser Maximilian persönlich nachprüfte und eigenhändig abänderte und für die der gelehrte Augsburger Humanist Konrad Peutinger die ge­ schichtlichen Unterlagen lieferte, sind von einer Vielseitigkeit, Farbenpracht und frohen Bewegtheit der künstlerischen Einfälle, daß die Ausführung im Bronzeguß nur schwache Vorstellungen davon gibt und daß ich ihnen selbst vor den malerischen Entwürfen des großen Porträtisten der Renaissance Christoph Ambprger den Vorzug geben möchte. Noch völlig im Bann der Gotik, der sein Schaffen und seine Hauptlebenszeit angehört, macht Sesselschreiber den Schritt zur Renaissance namentlich in der vollendeten Durch­ bildung des dekorativen Beiwerks und in dem mit künstlerischem Formgefühl liebe­ voll gestalteten Halsschmuck und Wehrgehänge?).

Mit seinen zehn Goldschmieden im Jahre 1370 überflügelt die junge Kunststadt München alte reiche Welthandelsstädte wie Frankfurt (4 Gold­ schmiede i. I. 1387), Hamburg (9 Goldschmiede i. I. 1376) oder auch Straßburg (mit 51 nachweisbaren Meistern zwischen 1260 und 1500 gegenüber 120 Münchner Meistern von 1318—1500), die sicherste Gewähr dafür, daß der Goldschmiede Beschauzeichen, der Mönchskopf, weit über Bayerns Grenzpfähle hinaus Ansehen und Geltung hatte. Zur Zeit des Baues der Goldschmiedkapelle in der Frauenkirche 1472 leben und wirken in München 23 selbständige Goldschmiedmeister. Erste Familien der Stadt, die zu den Geschlechtern zählen, verschmähten es nicht, diesem vornehmsten aller Kunstgewerbe ihre Söhne zuzuführen: die Eisenmann, x) St.A. Grundbuch 1484 u. 1572. — H.St.A. Bayer. Franziskaner-Provinz Lit. 272 fol. 2V. — Pfaffenhofen GU. 632,718, 805. — Nekrologienbuch des Franziskanerklosters II, 2. 2) Cgm» 908. — David v.Schönherr, Gesch. des Grabmals Kaiser Maximilians Iv Jahrb. des aller­ höchsten Kaiserhauses XI (1890) S. 140ff. — Vinzenz Oberhammer, Die Bronzestandbilder des Maxi­ miliangrabmales in der Hofkirche zu Innsbruck, Jnnsbr. 1935.

Tafel IV

Jan Pollak „Maler von München", der große Meister der Spätgotik, verewigt sich auf der Rückseite eines Altargemäldes im Bayer. Nationalmuseum als Freund eines guten Trunkes.

Aufnahme des.Bayer. Nationalmuseums, überlassen oon Direktor Dr. Buchheit.

Rudolf, Pötschner, Tulbeck. Wie noch heute hatten die Goldschmiede, deren Gewerbe­ betrieb ansehnliches Vermögen voraussetzte, ihre Kaufläden und Werkstätten in der vornehmste» Geschäftslage im Stadtinnern, am Marktplatz, in der Diener--, Weinund Burgstraße. Als wandernde Geschmeidehändler („Abenteuerer") besuchten sie fremde Märkte und Burgen, so 1392 Friedrich Achtrar. Die wenigen gezeichneten Zeugen gotischer Münchner Goldschmiedekunst, welche die Jahrhunderte überdauerten, lassen heute noch den hochentwickelten Stand dieses Kunstgewerbes ersehen: Die für Herzog Christoph den Kämpfer gefertigte Silberstatuette des streitbaren Ritters St. Jörg im bayerischen Nationalmuseum, die silberne Grabplatte des hl. Arsatius in der Mensa des Sakramentsaltars zu U.L.Frau, ein selbstsicheres Meisterwerk Hans Löff­ lers (1490—1515) durch das einprägsame Gesicht und den belebten Faltenwurf des Heiligen wie das blühende Gewinde und Gerank der Ver­ zierung, Gabriel Graispachs (1423—1472) Trinkbecher im städtischen Silberschatz, die entzückenden Kleinode der Herzoge Johann (1463) und Sigmund (1473) an der Schützenkette der Münchner Armbrust- und Stachelschützen, Hans Vellenhamers silbergetriebener Reliquienbehälter (um 1450) im Kirchenschatz der Andechser Wallfahrtskirche und sein Kreuzreliquiar im Stift Melk in Niederösterreich. An der Schwelle Abb. 13. Firmenmarke der Jahrhundertwende wirkt der berühmte Monogrammist des Papierers Glazius Meister MZ, der 1477 geborene Goldschmied Mattheus (um 1500). (Totenbuch). Zasinger, einer der bedeutendsten Kupferstecher der Gotik, der uns aus dem Jahre 1500 den köstlichen Stich eines Hofballes in der alten Beste hinterließ, auf dem Herzog Albrecht IV. sich mit seiner Gemahlin, der Kaiserstochter Kunigunde, im Erker mit Kartenspielen vergnügt*). Die „schwarze Kunst" erlangte im München des Mittelalters keine Bedeutung. Als erstes Buch erschien 1482 eine Anleitung für Rompilger, die ein Schreiber Hans Schauer druckte und verlegte. Nach ihm versuchte sich Benedikt Buchbinder (gest. 1492), bekannt als Herausgeber der Mansfeldschen Kalender. Erst 1500 läßt sich in Johannes Schobser ein ausgezeichneter, bodenständiger Vertreter der Druckerkunst nieder, ver­ mutlich ein geborener Münchners. Die reichen, hochentwickelten Holzschnitte seiner Drucke lassen erkennen, daß die künstlerischen Voraussetzungen für die Einbürgerung der schwarzen Kunst in München vollauf gegeben waren. In der Herstellung und mechanischen Vervielfältigung von Bild und Text durch ganzseitige, zum Teil hand­ kolorierte Holzschnittafeln, den im Mittelalter so volkstümlichen Blockbüchern mit Darstellungen aus der Bibel, Heiligenleben und Medizin (Hartliebs Chiromantie), nimmt München wohl einen hervorragenden Platz ein, wie der reiche Schatz der Münch­ ner Staatsbibliothek nahelegt, mit der sich keine andere Bücherei der Welt messen kann. Ihre Verfertiger dürfen wir mit in den hier tätigen bürgerlichen Kartenx) Max Frankenburger, Die Alt-Münchner Goldschmiede u. ihre Kunst, München 1912. 2) Dirr, Buchwesen u. Schrifttum im alten München 1450—1800, München 1929. — Karl Schottenloher. Der Münchner Buchdrucker Hans Schobser 1500—1530, München 1925.

machern suchen, so in Jakob Kartenmacher (um 1438) und in Ulrich Kartenmacher (nm 1471)1).2 3 4 5 6 7 8 Auch das Papiermachen galt damals als Kunst. Wenn es richtig ist, daß Kaiser Ludwig der Bayer noch kurz vor seinem Tode ein nicht mehr erhaltenes Pri­ vileg zum Bau einer Papiermühle in der Au erteiltes, so ging diese sicherlich bald nach ihrer Errichtung wieder ein. Die ältesten im Rathaus verwendeten Papiere stam­ men, nach ihren Wasserzeichen zu schließen^), ausschließlich aus Papiermühlen der Lombardei und Venetiens. Auch im 15. Jahrhundert bezog der Rat sein Papier in der Regel durch Vermittlung von Münchner Kaufleuten aus Venedig; zuletzt auch aus Augsburg, wo seit 1460 Papiermühlen im Betrieb waren. In München selbst erhielt der Bürgermeister und herzogliche Rat Balthasar Pötschuer*) 1490 vom Herzog Albrecht IV. die Bewilligung zum Bau der ersten sicher nachweisbaren Münchner Papiermühle im Neudeck in der Au und zugleich ein Fabrikationsmonopol für zwanzig Jahres. Seitdem taucht als unzweifelhaft einheimisches Wasserzeichen die Pütsche auf dem Dreiberg auf, das redende Wappen des Unternehmers. Als kunstfertige Meister wirkten in der Pötschnerschev Papiermühle Wolfgang Sorg, ein Verwandter des bekannten Augsburger Buchdruckers und Papierers Anton Sorg, und Jakob Bernhart, welche beide auch Knechte beschäftigten. Ein eigenes Mandat an die her­ zogliche Beamtenschaft sicherte der neuen Münchner Papiermühle das Recht, im Lande Hadern und Leinwand zu sammeln«). Im Jahre 1500 begegnet uns in München ein weiterer Papierer Utz Kempter. 1524 stirbt der Papierer Glazius, der den jungen Gewerbezweig zu besonderer Höhe brachte'). Dank dem regen Gewerbefleiß einer werktätigen Bürgerschaft und ihrer Förderung durch schützende Zunftfreiheiten — 1459 zählt die Stadt 39,1475 41 und 1500 bereits 46 selbständige Zünfte«) — nahm Kunst und Gewerk in München einen ungeahnten Aufschwung. Trotz des Mangels an heimischen Rohstoffen sind im Jahre 1370 bereits 903, im Jahre 1500 mindestens 1146 gewerbetreibende Bürger ansässig; somit fand x) H.St.A. München Chorstift F. 4; St.A. Ewiggelder, vordere Schwabingergasse U. 56. — Staatsbibl. Xylographa i (Antichrist), 16 (Ars moriendi), 23, 29, 36. — Fr. v. Hößle, Xylographa (handschriftlich) 1909. — W. L. Schreiber, Manuel de l'amateur de la gravure sur bois et sur mötal au 15. siöcle, Leipzig 1902. 2) Friede, v. Hößle, Gesch. des alten Papiermacherhandwerks im weyland Heyligen Römischen Reich S. 26, Wien 1921. Nach dem gleichen Autor soll schon 1322 der Münchner Peter Perkofer eine Papiermühle betrieben haben. Bayer. Papiergesch. S. 232s., Berlin 1927. 3) Winkel, Eisenhut, Storch, Reichsapfel, Einhorn, gekreuzte Schlüssel, Ochsenkopf, Birne, Hirsch­ kopf. Friedr.v. Hößle, Wasserzeichen alter Papiere des Münchner Stadtarchivs. Der Papierfabrikant 1911, Auslandsheft S. 69—74. 4) Sein Grabstein von der Meisterhand Erasmus Grassers in der Münchner Peterskirche stellt den Patrizier (gest. 1505) in schwerer Eisenrüstung dar. 5) H.St.A. Staatsverwaltung 3497 fol. 223 V—224. 6) In den Steuerbüchern erscheint denn auch der neue Berufsstand der Lumpensammler, welche die benötigten Rohstoffabfälle von Linnen, Tuchen, Säcken, Seilen und Netzen der Papiermühle zuführten: 1496 die „Haderlumper" Utz und Zulauf, 1500 Hans Haderlumper. H.St.A. Privilegienbuch I fol. 224. — St.A. Papiermühlen 1. 7) Franziskaner Nekrologienbuch II, 46. 8) Leonhard Mertl, Das Münchner Zunftwesen S. 35s., Manuskript. (Diff. 1912) im Stadtarchiv.

ungefähr die Hälfte der gesamten männlichen selbständigen Bevölkerung im Hand­ werk mit seiner weitgehenden Arbeitsteilung Brot und Verdienst*). Das Land Tirol, dessen Grafschaft Unterinntal samt den Herrschaften Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel 1180 nach dem Sturz der Welfen an die Wittelsbacher gekommen war und das im 14. Jahrhundert unter Margarete Maultasch und Mein­ hard erneut von München aus verwaltet wurde, stand kulturell immer unter Mün­ chens Einfluß. Münchner Handwerk und Gewerbe genoß am Hofe Herzog Sigmunds des Münzreichen so hohes Ansehen, daß laut der herzoglichen Raitbücher von 1460 bis 1468 Münchner Waffenschmiede?) Panzer und Goller als Modelle für die Tiroler Plattner zu Mühlau, ferner Eisenhüte, Pfeileisen, Armbrüste und Winden für die herzogliche Rüstkammer liefern mußten. In München deckte die herzogliche Familie ihren Bedarf an Kleidung, Wäsche und feinen Schleiern zu den Schauben, der da­ maligen vornehmen fraulichen Kopfbedeckung, aber auch an Linnen für die Tafel und Bettüchern der Innsbrucker Hofburg. Der Ruf des Münchner Bieres war schon im Mittelalter so fest gegründet, daß die Herzogin Eleonore von Schottland sich des öfteren ein Lagel Bier durch einen Sovderbotev nach Innsbruck bringen ließ und einmal auch dem Bischof von Trient ein Lagel des köstlichen Naß verehrte. Der Apotheker Hans Hartlieb verstand sich so vortrefflich auf die Mischung wohlschmeckenden feinen Konfekts, daß sich der Innsbrucker Hof manches Stattel davon eigens schicken ließ?).

Das Patriziat. Die vornehmsten Träger der städtischen Wirtschaft und dankbare Förderer der hohen heimischen Kultur sind die Geschlechter, der städtische Herrenstand innerhalb der bürgerlichen Gemeinschaft, der sein Vermögen dem Großhandel und Unternehmertum, Geldgeschäften und ererbtem Grundbesitz ver­ dankt, seine Tüchtigkeit durch Blut und Können, durch Abstammung wie durch gene­ rationenlange Bewährung erweist und vor andern zur Besetzung der Ratsstellen und damit der höchsten städtischen Ämter berufen ist. Er ist versippt und verschwägert mit den reichen edlen Ratsgeschlechtern der Nachbarstädte, aber auch mit dem Landadel und Ritterschaft; wenngleich auf Ritterschafts- und Reichsturnieren nur jene Patrizier in die Schranken reiten dürfen, die wie die Sendlinger, Hausen (von Hausen bei Weil­ heim), Schluder und Schrenk ihre Herkunft aus dem Adel durch Ahnenprobe oder wie die Diener, Stupf und Pütrich durch die seltene Verleihung persönlicher Ritterwürde erweisen können. Sprossen des Münchner Bürgeradels der Rudolf und Wilbrecht zählen zu den ersten Mitgliedern der Augsburger Geschlechtertrinkstube auf dem PerT) A. Schlichthörle, Die Gewerbsbefugnisse in der kgl. Haupt- u. Residenzstadt München S. 69 bis 74, Erlangen 1844. Seine auf Grund der Steuerbücher aufgestellten Tabellen der Gewerbe geben nur Mindestzahlen, da in den Steuerverzeichnissen viele Personen nicht mit ihrem Beruf an­ gegeben sind. 2) Über das Waffenschmiedhandwerk vgl. das Kapitel „Kriegswesen". 3) Hans Hörtnagl, Die handwerklichen u. Handelsbeziehungen des Innsbrucker Hofes zu Ober­ deutschland 1460—1468, Kultur des Handwerks S. 305—308, München 1927.

lach, die Münchner Patrizier Ludwig und Wilhelm Scharfjahn sind durch Erbgang sogar deren Besitzer, bis sie 1428 die Trinkstube an das Augsburger Geschlecht der Meiting verkaufe«. Die Ridler sind versippt mit den ersten Augsburger Geschlechtern, den Hörwart, Jlsung, Langenmantel, Meiting und Rehlingens. Der Münchner Tuch­ großhändler Hans Jmpler wird 1384 als Schwager des Ritters Ott Greif von Greifen­ berg genannt, die 1380 verstorbene Sigan Pütrich, Gemahlin des Ratsherrn Ludwig Pütrich, entstammt dem Edelgeschlecht der Torer von Eurasburgs); die Tochter des Großhändlers Ainwich Gollier heiratet den Ritter Konrad Plonschild^), eine Ridlerin 1466 den Nikolaus Hesseloher zu Pähl^). Vom Adel unterscheiden sich die Geschlechter, daß sie vom Erwerb — wie in Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Lindau und Wien waren sie geradezu die Träger und Organisatoren des Fernhandels^) —, der Edelmann aber vom Kriegsdienst und vom Beamtenberuf lebte. Der Vorgang bei der Bildung der Geschlechter wird ein ähnlicher gewesen sein wie in Augsburg, wo die Geschlechter als Schild- und Helmgenossen von Renten und Gütern, Groß­ handelsgeschäften und Untervehmergewivn leben mußten. Waren sie wegen unzu­ reichende» Vermögens gezwungen, Hantierung und Kleinhandel zu treiben, gingen sie des Patriziats verlustig und hatten bei den Zünften der Gemeinde zu verbleiben, wenn auch Brüder und Vettern ihres Namens und Stammes im Rate saßen«). Die Ausübung des Münzmeister- und Wechslerberufs wie des edlen Goldschmiedhandwerks galt in München eines Patriziers würdig. Das mittelalterliche München kannte das Wort „Patrizier" nicht, mochte auch der Begriff längst Geltung haben. Nur die durch Besitz und Reichtum erwiesene Tüchtigkeit sollte den Zugang zum Ring der bevor­ rechteten Ratsfamilien erschließen'). Das ZusaMmengehörigkeitsgefühl der ratsfähigen Geschlechter mit der Bürgerschaft ist denn auch so lebendig, daß sie in allen amtlichen Verlautbarungen das ganze Mittelalter hindurch nur die x) Staatsbibliothek, Oefeleana 283; Cgm. 1992. — St.A. Patrizier: Scharfjahn 1. — SchrenkChronik. — Städtechronike» XV, 512,519,521. — Fr. Solleder, Urkundenbuch der Stadt Stranbing I, 413 s., 416s. 2) H.St.A. Landsberg GU. 376. — Ältestes Nekrologienbuch b. Franziskaner. 3) I. N. G. Krenner S. 32. 4) Cgm. 1992. — Ihr Grabstein in der Wxilheimer Pfarrkirche, abgebildet Cgm. 2267 p. 34. 6) Sigm. Keller, Oer Adelsstand des süddentschen Patriziats, Festschr. Gierke, ©. 741 ff., Weimar 1911. — Jnlie Meyer, Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg, Verein f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 27 (1928) S. 1—96. — Leop. Sailer, Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrh., Wien 1931. — Fritz Morrs, Ratsverfassung u. Patriziat in Regensburg bis 1400, H.V. Regensburg 85 (1935) S. 1—147. 6) In Augsburg verlegt eine auf schriftlichen Quellen «nd mündlichen Überlieferungen aufgebaute Chronik des Jahres 1542 von Klemens Jäger (?) die Entstehung der Zünfte ins Jahr 1368, der Augsburger Geschlechter tus Jahr 1380. Erst 1412 mieten stein Augsburg ein Haus auf dem Perlach als gemeinsame Trinkstube. Als ihre Hauptaufgabe galt die Besetzung der Ratsstellen und die Versorgung der Ratsbotschaften. Im 16. Jahrh, ist ihnen „redliche Kaufmann­ schaft von Hand zu Hand", also Großhandel wohl erlaubt; mit Maß, Gewicht und Elle, Geschirr und dergleichen dürfen ste, um den Zünften keinen Eintrag zu tun, nicht hantieren. Staatsbibliothek,

Oefeleana 283. 7) Nach den verlässigen Berechnungen des Obersten Dr. Franz Freiherrn Karaisl von Karais (Das Patriziat im Rate zu München, Manuskript) brachten die Ratsherren von 1363—1382 allein 20 bis 30% des gesamten städtischen Steueraufkommens auf.

stolze Bezeichnung „Bürger zu München" führen, die Selbstachtung des Bürger­ tums ist groß genug, daß fie ihnen keine andere Bezeichnung zugestehen. Die Wohnkultur des Münchner Patriziats ist eine so gehobene, daß bei ihnen eigene wie fremde Fürsten ebenso gerne wie bei ihresgleichen absteigen. „Alter Hof" wie „Neue Veste", in ihrer baulichen Anlage geräumige Hofburgen, reichten bei der Menge des eigenen Hofgesindes zur bequemen Beherbergung allzu vieler Gäste mit großem Gefolge nicht immer aus, so daß der Hof und Hofmeister auf die Stadt­ wohnungen der Bürgerschaft zurückgreifen mußten. Als Markgraf Friedrich I I. von Meißen vom 19. Oktober bis zum 27. Dezember 1330 zum Besuch seines Schwieger­ vaters, des Kaisers Ludwig, in München weilt, wohnt er bei Ludwig Pütrich, lädt häufig Gäste zu fich und begrüßt am zweiten Weihnachtsfeiertag selbst den Kaiser und die Kaiserin in der Patrizierwohnung. Ludwig Pütrich hatte noch 1338 an den Markgrafen eine Forderung von 1200 Pfund Heller**). Ludwig der Brandenburger, Stephan und Ludwig der Römer verschreiben 1348 dem alten Pütrich, Bürger zu München, 880 & auf dem Münchner Ezoll auf drei Jahre, geschuldet zum Teil für ihren Vater den Kaiser, zum Teil für Bewirtung ihres Oheims, des jungen Mark­ grafen von Meißen?). Herzog Otto von Braunschweig wohnt 1353 bei Heinrich Alt­ mann, der für „Kost und ander Sach, die der Fürst bei ihm verzehrt hat", 937 'n 5 ß 21 von dessen Neffen Markgraf Ludwig dem Brandenburger vergütet erhält. Nach des Kaisers Tode schulden Ludwig der Brandenburger, Stephan und Ludwig der Römer 1348 dem Johann Ligsalz für die kaiserliche Küche wie für sich 3032 Pfunds. Die Verpflegung seines Hofhaltes legt der Markgraf vertrauensvoll in die Hände ein­ zelner Bürger. Am 28. August 1348 befiehlt er den Münchner Juden sein Roß von Seidlein dem Bauernfeind, „unserm Wirt zu München", um 140 ti L- auszulösen. 1353 spricht Ludwig der Brandenburger von Johann Ligsalz als von „unserm Wirt zu München", der ihm, seiner Gemahlin und seinem Sohne Meinhart die Kost gibt, und dem er hiefür den gerade freien halben Großzoll um 2000 Al verschreibt. Vorher hatte Greimold Drächsel die Kosten für die Verpflegung des markgräflichen Hofes in München getragen. Ligsalz löst 1353 seinen Fürsten auch auf dem Ritt über die Alpen zu Murnau, Partenkirchen und Mittenwald bei den Wirten aus. Von 1353—1355 bleibt ihm der Markgraf Summe um Summe schuldig. Als der Hof-, Jäger- und Küchenmeister und der Notar Wernher, wohl Wernher von Neunburg, mit Johann Ligsalz vor Allerheiligen 1355 Abrechnung halten, legt der Patrizier ihnen 17 Schuld­ verschreibungen ihres Fürsten vor, eine über 2000 tt L- Auslagen, eine zweite über 300 Al auf den Münchner Ezoll lautend, weitere 15 Schuldbriefe über insgesamt 2015 Al. Ligsalz wird von den obersten Hofbeamten verpflichtet, dem Markgrafen und der Markgräfin für weitere 1000 Al L- Kost zu geben; 2549 Al werden ihm im Jahre 1355 wieder auf dem Münchner Großzoü angewiesen*). Das sind gewaltige x) 2) 3) *)

Woldemar Lippert, MJHG. XIII (1892) S. 598—601, 616. H.St.A. Privilegienbuch 50 fol. 104. H.St.A. Privilegienbuch 50 fol. 116. H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. 187v, 190v, 191, 243 V, 252V, 280, 347 u. 50 fol. 105.

Beträge, wie sie uns in dieser Höhe im Münchner Bürgerbesitz nur begegneten, da die Wadlersche Handelsgesellschaft dem Landesherrn von Tirol die Mittel für seine politischen Pläne vorschoß. Der Ehefran des Johann Perkofer, des späteren landesherr­ lichen Hoflieferanten, verehrt Ludwig der Brandenburger 1359 ein „Gewand" für 19 tt X Herzog Stephan der Ältere verschreibt 1369 dem Patrizier Greimold Drächsel für Kost und Pferde 100 Pfund Regensburger auf die Marktsteuer zu Dorfens. Albrecht der Jüngere von Straubing-Holland liegt, wenn er in München ist, bei Hans Rudolf in Herberge?). Der Reichtum einzelner Geschlechter offenbart sich in ihren Stiftungen?), durch die sie zugleich ihren Angehörigen für die mangelnde Stiftsfähigkeit einen Ersatz schaffen. Sighart Sendlivger stiftet 1284 das Nonnenkloster am Anger durch Über­ führung von vier Klosterfrauen aus Söflingen, darunter zwei Klarissinnen aus der eigenen Familie, Heilwig und Irmgard Sendlinger*). Gabriel Ridler (gest. 1420), der zugleich der zweite Stifter des nach seiner Familie benannten Regelhauses wird, baut um 1375 den Franziskanern einen Altar mit der Grablege Christi, 1386 den Michaelsaltar an der Basilika und mit großem Aufwand das Presbyterium samt Sakramentshaus im Chor, stiftet Geld und Ornate und läßt fast das ganze Konvevtgebäude erneuern. Mit seinem Bruder Vinzenz (gest. 1408), dem Kustos der baye­ rischen Ordensprovinz, Visitator in Deutschland und zugleich Reformator und Rektor des Münchner Klosters, wurde er als zweiter Stifter der Münchner Minoritenviederlassuvg gefeiert?). Ludwig Pütrich der ältere, Bürger zu München, stiftet um 1330 das Heiliggeistspital zu Weilheim?). Zählten auch die Münchner Geschlechter zu , den Wappengenossen, die vollen Rechte des Landadels erlangen sie doch nur dann, wenn sie Herrendienst nehmen und Hofämter bekleiden. Dank ihrer überlegenen Bildung durchbrechen sie mittels der akademischen Grade das starre Adelsprinzip und besetzen regelmäßig einflußreiche Hof- und Beamtenstellen. So wird Philipp Freimann 1294 Kanzler des Pfalzgrafen Rudolf, Jakob Freimann 1346 Hofmeister Herzog Johanns ll., Ulrich Pötschner 1390/94 Landschreiber (Kanzler) in Oberbayern, Hans Stupf und Hans Altmann 1467 Rentmeister Herzog Albrechts des Weisen in München und Straubings). Ihr Vermögen sicher und zinsbringend anzulegen, erwerben sie in zunehmendem Maße im Lande Edelsitze, Lehen und Hofmarken, bauen sich Burgen und Wachtürme, wie sie in mittelalterlicher Unberührtheit noch in Harmating und Notzing stehen. Die Ast aller besitzen 1425 im Gericht Pähl die Burgen Wildegg und Fußsteig), die V St.A. Landesherrliche Schuldverschreibungen 6 u. 9. 2) H.St.A. Straubing Ger.Lit. 3Vs* 3) Vgl. das Kapitel „Allgemeine kommunale Wohlfahrtspflege". 4) H.St.A. Angerkloster Lit. 4. — Auch zum Klosterbau der Barfüßer stifteten die Sendlinger 800 Goldgulden. H.St.A. Franziskaner, Bayr. Provinz 308 fol. 273. ö) Ältestes Nekrologienbuch fol. 2v, 4, 38, 42. — Cgm. 1992.

6) Oberbayer. Archiv 36 (1877) S. 154. 7) H.St.A. Oüfcleana Lit. 24; Jmpler-Benefizium F. 2. — Cgm. 1993, fol. 482, 484; Cgm. 2222. 8) Benediktbeuren Kl.U. 368.

vom 14. bis zum 19. Jahrhundert im inneren Rat sitzenden Barth gelangen späte­ stens 1360 in den Besitz der Burg Harmatings. Sighart Hudler nennt 1390—1402 den vom Edelgeschlecht der Weilbeck gekaufte» Burgturm, Dorfgericht, Höfe und Taferne zu Rottbach sein eigens, die Kazmair seit 1446 ein Schloß im Wörthsee«), Karl und Johann Ligsalz kaufen 1469 von Sebastian Tichtl die Hofmark Ascholding im Isartal, Franz Pötschner besitzt 1427 Pelheim. Die Pütrich sind Herren von vier Edelsitzen zu Deutenhofen, Reichertshausen, Fußberg (1455)1),2 3und 4 Pasing (1456), die Ridler sind Herren von Johanneskirchen. Hausgut der Schrenk wird das feste Notzing, das von ihnen 1495 auf die Rosenpusch vererbt wirb5).6 7 Jörg Tömlinger verkauft 1409 seinen Sitz Planegg im Würmtal an Herzog Wilhelm III., der dort seinem natürlichen Sohn Konrad von Egenhofen ein Schloß erbaut. Die Schluder sitzen in Weilbach. Ludwig Wilbrecht erhält von Herzog Ernst Veste und Hofmark Päsenbach im Gericht Dachau zu eigen, in deren Besitz 1475—1495 Hans Wil­ brecht erscheint«). Jakob Wilbrecht ist 1468 Herr von Sindelsdorf.

Die „schöne Stadt" im Urteil der Zeitgenossen. Getragen von den beiden Eckpfeilern bürgerlicher Tüchtigkeit und überschäumender Lebenskraft, von der Besinnlichkeit und dem künstlerischen Herzschlag seiner Volks­ kraft war München schon im Mittelalter eine Stadt, die durch die unentwegte Hoch­ haltung der Kunst, durch die südlich beschwingte Lieblichkeit seiner Bauart, den ge­ winnenden Frohsinn seiner reichen Wandmalereien Franzosen, Italiener und Deutsche, also die kunstliebendsten Nationen gleicherweise in ihren Bann schlug. Im Jahre des Heiles 1432 machte der Rat und Truchseß am Hofe des Herzogs Philipp des Guten von Burgund Bertrandon de la Brocquiöre, Herr von VieuxChäteav, von Genf aus eine Pilgerfahrt ins gelobte Land. Den Rückweg nahm der burgundische Edelmann über Konstantinopel, Wien und Linz und kam 1433 über Ried, Mühldorf nach München, „in die hübscheste kleine Stadt, die ich jemals sah"?). So sehr nahm der Reiz des München der Gotik den weitgewanderten, welt*) Wolfratshausen GU.; Freih. Archiv Harmating. 2) Fürstenfeld Kl.U. 617, 668. 3) Parnassus boicus III, 375. — Städtechroniken XV, 455. 4) Wolfratshausen GU. 58. 5) Eine hübsche Ansicht des Schlosses Notzing im H.St.A. Manuskriptensammlung Lit. 289. 6) Altbayer. Lehenbücher 1 fol. 17. — Benediktbeuren Kl.U. 500. — Wolfratshausen GU. 1000. — Kranzberg GU. 794. 7) Legrand L/Aussy, Voyage d'outremer et retour de Jerusalem en France pcndant le cours

des annecs 1432—1433, par Bertrandon de la Brocqui ere, conseiller et premier ecuycr tranchant de Philippe le Bon, duc de Bourgogne: „Enfin, aprfcs avoir traverse le pays du duc Louis de Bavifcre, sans et re entres dans ancune de ses villes, nous arrivämes ä Munique (Munich), la plus jolie petite ville, que j'aie jamais vue et qui apparticnt au duc Guillaume de Baviere.“ Memoires de l'institut national des Sciences et arts. Sciences morales et politiques V, 633, Paris 1803. Nouvclle biographie generale VII, 467, Paris 1855. — Thomas Wright, Early travels in Palestine S. 380, London 1848.

kundigen Franzosen gefangen, daß er, der im Abend- und Morgenland vieler Men­ schen prächtige Städte gesehen, Bayerns Hauptstadt in seinem, in der Nationalbiblio­ thek zu Paris verwahrten Reisebericht, den er auf seines Herzogs Befehl verfaßte, vor allen die Palme der Schönheit zuerkannte. Über Ravensburg, Meers­ burg, Konstanz, Basel, Dijon, Poitiers reiste er in seine burgundische Heimat weiter.

Abb. 14. München im Jahre 1493. Älteste Ansicht vom Gasteigberg gesehen. Petersklrche zwettürmig.

Sechs Jahrzehnte später, im Sommer 1492, da der kühne Genuese Christoph Kolumbus in Furcht und Hoffnung auf dem Meere trieb, schickte die Regierung der Republik Venedig an Kaiser Friedrich I I I. und seinen Sohn König Maximilian I. zwei außerordentliche Gesandte, Messer Giorgio Contarini, Graf von Zaffo, und Messer Polo Pisani, um den Kaiser und König zur Herstellung des Friedens zwischen Bayern und Böhmen zu beglückwünschen. Auf der Rückreise von Wien trafen die Venetianer über Salzburg, Wasserburg, durch den wildreichen Ebersberger Forst, in dem sich Rudeln von 50 und 60 Hirschen tummelten, am 16. August 1492 abends in München ein und stiegen im Gasthaus zum Hirschen ab. Der in der Kanzlei des Dogen ver-

wendete Andrea de Franceschi, der spätere Großkanjler der Republik Venedig, der die beiden Gesandten begleitete, verfaßte in italienischer Sprache einen heute in der Markusbibliothek zu Venedig verwahrten Reisebericht, geschrieben mit dem Schwung und der Begeisterung des erst 20 jährigen, ausgezeichnet durch scharfe Beobachtung, wie sie der Venetianer Diplomatenschule dank ihrer Schulung und

Holzschnitt aus Hartmann Schedels Weltchronik. (Historisches Stadtmuseum.)

Frauenkirche ohne die welschen Hauben.

Mittlerstellung zwischen Orient und Okzident zu eigen todt1). Franceschi schreibt: „Dann kamen wir nach München, eine sehr vornehme Stadt („cittä nobilissima“), ohne Bischof, an einem Fluß genannt die Isar. Hier ist der Hof des Herzogs Albrecht von Bayern, und er hält einen sehr vornehmen und glänzenden Hof („et tiene corte nobilissima et splendidissima“). In dieser Stadt gibt es viele Handwerker und Künstler aller Art. Sie hat prächtige Straßen, T) Enrico Simonsfeld, Itinerario di Germania dell'anno 1492 S. 25, Venedig 1903. — Ders., Ein venetianischer Reisebericht über Süddeutschland, die Ostschweiz u. Oberitalien, Zeitschr. f. Kulturgesch. II, 257f., Weimar 1895.

alle mit Kieselsteinen gepflastert, und breite Plätze, mit Brunnen in der Mitte. Da sind Paläste, nach deutscher Art reich verziert, große Kirchen, besonders die der heiligen Maria, die Pfarrkirche, die 170 Schritte lang, 54 breit, schön, hell und von überwältigender Hoheit ist und zwei mächtige Türme hat*). Außer­ halb der Mauer ist ein von Quellen gespeister Fischteich, in dem es eine große Menge Fische aller Art gibt. Innerhalb der Stadt liegt ein sehr festes Schloß, in dem die Herzogin wohnt. Der Herzog aber wohnt für sich mitten in der Stadt und hält, wie gesagt, glänzend Hof. Beim Tor der Hofburg sind in zwei Verließen drei Löwen — ein schönes Schaustück. Ferner finden sich im Hof zwei Löwen, viel größer als die eingeschlossenen; sie schreiten unter den Menschen umher, lassen sich von jedermann berühren und sind völlig zahm. Allerdings ist der größere entmannt und seiner Krallen beraubt, der andere aber ist unversehrt." Am 17. August machten die Gesandten nach dem Abendessen einen Rundgavg durch die Stadt und sahen Saiten für die Lauten machen, indem man sie auf einer Mühle wie Draht spann. Am 18. August verließen sie München, ohne vom Herzog, der mit Arbeiten überhäuft war, empfangen worden zu sein, und erhielten herzogliches Geleit bis zur Landesgrenze. Ein Jahr später, 1493, erscheint Hartmann Schedels, des berühmten Nürn­ berger Arztes und Humanisten Weltchronik, der wir die erste Münchner Stadt­ ansicht verdanke», mit den unausgebauten Frauentürmen. Hartmann Schedel ist der erste Deutsche, der Münchens Erwähnung tut; er rühmt die herrlichen Bauten, die geräumigen Straßen, die italienischen Handelszüge und stark beeindrucken ihn die von Herzog Albrecht IV. dem Weisen im Löwenztvinger gezüchteten bayerischen Wappentiere: „München ist unter den Fürstertstädten in deutschen Landen hochberühmt und in Bayerland die namhafteste. Aber wiewohl diese Stadt für neu geachtet wird, so übertrifft sie doch die anderen Städte an edlen öffentlichen und privaten Bauten. Denn allda sind gar schöne Behausungen, weite Gassen und gar wohlgezierte Gotteshäuser. Diese Stadt ist an ein wohnsames Ort an der Isar gebaut. Daselbst haben die Kaufleute zu Zeiten ihren Durchgang aus welschen in deutsche Lande. Allda ist jetzt ein schönes wohlgeziertes Schloß und ein gar weiter fürstlicher Hof und Behausung mit vielen hübschen und wunderwürdigen Ge­ mächern, Kammern, Gewölben. In dieser Stadt hat eine Löwin viel junge Löwlein geweift." Mittelpunkt deutschen Kulturlebens, eigenwillig und einzigartig, den geheimnis­ vollen Reiz des Südens atmend und doch einheitlich deutsch, im einzelnen wie in seiner Gesamtheit eine Sehenswürdigkeit, beglückte München seitdem jeden, den seine Mauern gastlich beherbergten. Als einer der schönsten und großartigsten Fürstensitze Europas von einem Chor begeisterter Lobredner gepriesen, von Humanisten, Geographen und Reisenden, galt es für Aventin und viele ältere Beobachter als ausgemacht, daß Mün-

T) „In questa cittä sono molte et d'ogni sorte de mestieri et artifici, et ha magnifice strade, saleggiate tutte de giare et larghe cum fönt ane in mezzo. Palazzi etiam sono more Germanico ornatissimi, ecclesie grande ..

chen alle deutschen Städte an Schönheit überragtes. Und wenn ein Welscher im Ge­ folge Kaiser Karls V. die überaus schönen Münchnerinnen („le belissime donne di Monaco“) preist^), so dürfen wir sicher sein, daß auch ihre Mütter nicht minder hübsch waren wie die Töchter. x) „Die hat flder (feit der Gründung) dermas aufgenomen in kurzer zeit, das ir kain fürstenstat gleich ist." Aventin, Bayer. Chronik V, 340. — Codex bavar. 608 fol. 47 besagt: „Diese Stadt München, deren Bauten und Lustbarkeiten weniger Fürsten Städte im heiligen Reich deutscher Nation gleichen." — Vgl. ferner Stieve, Jahrb. f. Münchner Gesch. I—IV (1887/91) u. Reinhardstöttner, Forschungen z. Kulturgesch. Bayerns II—X (1893—1902). 2) Wurzer, Gelbe Hefte IV (1928), S. 794.

Abb. 15. Maruskatänzer (1480), von Erasmus Grasser im gotischen "Tanzhaus". (Alter Rathaus-Festsaal).

II. Kapitel.

Münze, Maß und Gewicht. Die Kaufkraft des Geldes.

Münze ist das rollende Rad, das den Güterumlauf in Bewe^)gung setzt, sie ist der allgemeine Wertträger und Wertmesser, Maß und Gewicht

sind ihre getreuen Gehilfen zur Ermittlung von Umfang, Menge und Schwere der umgesetzten Werte. Münze, Maß und Gewicht bilden zu dritt die Grundlage, auf der sich der großartige Bau der hochentwickelten städtischen Wirt­ schaft erhebt. Eine eingehende, wenn auch nicht erschöpfende Darstellung der in den Quelle» im behandelten Zeitraum vorkommenden Währungen, Maß- und Gewichts­ einheiten ist unerläßliche Voraussetzung für das Verständnis der wirtschaftlichen Vor­ gänge. Auch der mittelalterliche Mensch dachte in Geld, wenn er Wertmaßstäbe an­ legte. Das Schreckenswort „ringe Münz" wirkte im Mittelalter ebenso entmutigend wie der lähmende Begriff „Inflation" im Deutschland der Nachkriegszeit. Die Preisgeschichte und die Untersuchung über die Kaufkraft des Geldes läßt geheime Triebkräfte der Politik und ursächliche Zusammenhänge des Wirtschaftsgeschehens ahne», rückt das Innenleben einer längst entschwundenen Zeit dem Verständnis und der Betrachtungsweise unserer Gegenwart näher, gibt den alten toten Werten Leben vnd Sprache wieder und ermöglicht an das Fallen und Steigen von Einnahmen und Ausgaben, an alle Wertgrößen des Stadthaushaltes und der Stadtwirtschaft einen einheitlichen Wertmesser anzulegen. Bayern, das Land eigenstämmiger Überlieferung, wahrt feine Sonderstellung in der Unabhängigkeit seines Münzwesens von der übrigen Reichs­ münze. Es unterscheidet sich von der durch Karl den Großen eingeführten und von allen übrigen deutschen Stämmen festgehaltenen Zählweise nicht unwesentlich, da das bayerische Pfund zwar zu 240 Pfennig gerechnet, nicht aber nach der frän­ kischen Zählung in 20 Schillinge zu 12 H, sondern in 8 Schillinge zu 30 H ge­ teilt wird. Der Einfluß des bayerischen Münzwesens erstreckt sich auf das gesamte bayerische Siedlungsgebiet, insbesondere die österreichischen Lande; dadurch wird die Bayer», als einzigem aller deutschen Stämme, eigene Rechnungsart im ganzen Süd­ osten des deutschen Reiches und Sprachgebietes herrschend. Bayern ist ein Land der Pfennigmünze, Münzeinheit ist der Pfennig (denarius). Er und sein Teilstück, der Hälbling (obulus), sind bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts die einzige, wirklich ausgeprägte Landesmünze, da der zwischenstaatliche Geldverkehr genügend aus­ ländische Gepräge als Vielfaches der heimischen Währungseinheit zuführt; in Bayern bedeutet die Benennung Schilling und Pfund stets nur eine Rechnungs­ münze, die 30- bzw. 240 fache Vielheit des Pfennigs. Von der größeren Zahl der Pfennige, die er enthält, heißt der bayerische Schilling der „lange Schilling" („solidus longus, shilling der langen").

79

Das mittelalterliche Geld- und Münzwesen^) litt unter den fortwährenden Münz­ verschlechterungen. Das Abgleiten des Münzfußes war eine Folge der schonungs­ losen fiskalischen Ausbeutung des Münzregals durch die Münzherren, die das Recht der Münzprägung zu einseitig als Recht auf Münzgewinn auffaßten und aus­ übten. Häufige Münzverbote und Verrufungen, die erzwungene Umwechslung der umlaufenden Geldsorten machten den Münzherrn öfter des Schlagschatzes teilhaftig. In offenem Widerspruch zum Grundgedanken einer Reichswährung gelangte die Territorialität der Münze zur unbedingten Herrschaft: Der Landesmünze dort, wo sie geschlagen wurde, ein festes Absatzgebiet zu sichern, beanspruchte der Münz­ herr für sie innerhalb seines Hoheitsgebietes ausschließliche Währuvgseigenschaft. Die unzureichende Menge des verfügbaren Edelmetalls leistete der Münzzerrüttung Vorschub. Als natürliches Abwehrmittel gegen den fortgesetzt schneller als die Silbererzeugung steigenden Geldbedarf bot sich die Vermehrung des Münzvorrats durch Verminderung von Schrot (Ravhgewicht) und Korn (Feingehalt) des ausgemünzten Geldes. Fast jede Münzerneuerung bedeutete eine wirtschaftliche Schädigung des Volkes durch den vom Münzer an den Fürsten zu entrichtenden Schlagschatz, durch die zuweilen recht beträchtliche Herabsetzung des Kurses der alten Münze und die Minderung im Feingehalt der neuen Gepräge. Eine amtliche Berechnung im Saal­ buch Herzog Ludwig des Strengen von 12242) gibt den Gewinn der Münchner Münz­ stätte bei einer Münzerneuerung von 36 Mark aus dem Verkehr gezogener alter Pfen­ nige (= 9 Kilo Münzmetall) auf 8 N 6 L 6 H an; der Herzog bezahlte die rauhe Mark, d. h. 320 alte mit 230 neuen Pfennigen, es gingen also bei jeder Neumünzung

281/s% von der Mark dem Volksvermögen verlöre«! Herzog Ludwig der Strenge nahm während seiner Regierung wiederholt, zuletzt im Jahre 1292, eine Münzerneuerung vor; seine Söhne Rudolf und Ludwig taten bei ihrem Regierungsantritt, nach dem am 3. Februar 1292 erfolgten Ableben ihres Vaters, das Gleiche. Diese steten *) Die Urkunden siehe Lori, Sammlung des baierischen Münzrechtes I. Dd., um 1780. — Quel­ len u. Erörterungen zur deutschen u. bayer. Gesch. VI, München 1861. — Wilh. Jesse, Quellenbuch zur Mü»j- u. Geldgeschichte des Mittelalters, Halle 1924. An Literatur vgl. K. A. Muffat, Beiträge zur Gesch. des bayer. Münzwesens unter dem Hanse Wittelsbach vom Ende des 12. bis in das 16. Jahrhundert, Abh. d. Akad. d. Wiffensch. XI S. 201—263, München 1869. — Alfr. Nag!. Die Goldwährung und die handelsmäßige Geldrechnung im Mittelalter, Nnmism. Zeitschr. XXVI, 77—222, Wien 1895. — I. P. Beierlein, Die bayer. Münze» des Hauses Wittelsbach, München 1868. — D e r s.. Die Münze» u. Medaillen des Gesamthauses Wittelsbach I, München 1901. — H. Rigganer, Die Entwicklung des bairischen Münzwesens unter den Wittelsbachern, Sitzungs­ bericht d. Akad. 1900 S. 173—192. — Riezler III, 737—740. — Lamprecht, Deutsches Wirtschafts­ leben im Mittelalter II, 389—603, Leipzig 1885. — v. Jnama-Sternegg, Deutsche Wirtschafts­ geschichte in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters I II, 2 S. 366—463, Leipzig 1899/1901. — Ders., Die Goldwährung im deutschen Reiche während des Mittelalters, Zeitschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. III, i—58, Weimar 1904. — Th. Stütze!, Gesch. der bayer. Münzanstalten 904—1808, Mitt. d. B. Numismat. Gesellschaft 30 (1912) S. 1—80. — Luschin v. Ebengreuth, Allg. Münzkunde «. Geld­ geschichte des Mittelalters u. der neueren Zeit, 2. Ausl., München 1926. — Hans Gebhart, Die deutschen Münzrn des Mittelalters u. der Neuzeit, Berlin 1929. — Friede. Freih. von Schrötter, Wörterbuch der Münzkunde, Leipzig 1930. — Gebhart, Das spätmittelakterl. Goldgeld in Altbayern bis 1450, Zeitschr. f. bayer. Landesgesch. VIII, 353—377, München 1935. 2) tz.St.A. Altbayer. Saalbücher Nr. 2 toi. 100. — Mon. Boica 36/1, 285.

Verluste am Volksvermögen trafen das Bürgertum um so schwerer, da das Wirtschaftsleben sich inmitten einer der gewaltigsten Umwälzungen befand, im Über­ gang von der Natural- zur Geldwirtschaft. Im Frühjahr 1295 kam der Unmut der Münchner Bürgerschaft über die gewissenlose Gewinnsucht der Münzherren und die dadurch verursachte Münznot mit elementarer Wucht zum Ausbruch. Die herzogliche Münzschmiede wurde gewaltsam niedergebrochen, der Münzmeister Emicho von der empörten Menge erschlagen*). Der offene Avfruhr der Bürgerschaft war für die Fürsten und ihre Münzmeister eine lange nicht vergessene Warnung zur Mäßi­ gung. Mit Ausnahme der Krisenjahre um 1400 und der Schinderlingszeit 1458—60 haben sie in München keinen übermäßigen Schlagschatz genommen und zwar von der rauhen oder gemischten Mark 1307 und 1454 6 H, 1435 und 1457 10 L-, dagegen 1458 12 L-, 1400 15 Unter den Herzogen Wilhelm und Ernst ertrug die Münchner Münze vom n. März 1405 bis 3. März 1406 rund 275 sti> Pfennig?). Verleitet durch den Geldhunger süddeutscher Fürsten und ihre gewissenlose Jnflationspolitik, ver­ pflichtete Herzog Albrecht III. am 6.Januar 1460 seinen Münchner Münzmeisier Hans Bart den Jungen, ihm Woche für Woche als phantastischen Schlagschatz 1000 Pfund Pfennige und 100 rheinische Gulden zu geben, bis als Jahressumme 51000 Pfund und 5080 Gulden Schlagschatz erreicht feien3*).4 2 Die selbstverschuldete Münzkatastrophe von 1460 war die unausbleibliche Folge. Im Gegensatz zur fürstlichen stand die städtische Münzpolitik im Dienst der Wirtschaft. Der Rat tat alles, der Zerrüttung und Verwirrung im Geldver­ kehr, den Verlusten und der Unsicherheit im Geldbesitz zu steuern. Bürgerlicher Gemein­ sinn siegte über das eigennützige Gewinnstreben der Fürsten und ihrer Münzpächter und bewog die Stadtverwaltung wie die handeltreibende Bürgerschaft, stets Ausschau nach kursfähigen vollwertigen Geprägen zu halten. Trotz aller landesherrlichen Münzverbote herrschte auf dem Münchner Geldmarkt ein freier Wettbewerb der aus­ ländischen mit den heimischen Münzen; die bessere Münze eroberte sich den Markt, die fürstlichen Umlaufbeschränkungen konnten dem sieghaften Eindringen der fremden Goldmünze keinen Einhalt tun. Es zeigte sich die Ohnmacht des Herzogs, der Landes­ währung an ihrer eigenen Prägestätte zur ausschließlichen Anerkennung zu verhelfen. Die Stadt selbst übte strengste Münzpolizei. Die schärfsten Strafen bedrohten Münzfälschung oder Münzverschlechterung, Kipper- und Wippertum. Das gewinn­ süchtige Saigern der „al marco“ geprüften Münzen, das besonders von Goldschmieden geübte verbrecherische Aussondern und Einschmelzen der an Schrot und Korn schweren oder übergewichtigen Stücke wurde an Leib und Gut des Täters geahndet. Ein Gold­ schmied aus Aichach wird wegen Münzfälschung zum Tode verurteilt, sein Weib und Sohn wegen Verschleiß der falschen Münzen ausgestäupt*). Wenn auch die Stadt *) Mon. Boica 35/II S. 20. — Denkmäler S. 48. — 2) Im ersten Vierteljahr 40 %, im zweiten 86 U 70 H, im dritten in # und im vierten 38 % H. H. St.A. Fürstensachen Lit. 1322%» 3) Lori, Münzrecht I, 74. 4) St.A. Liber malorum hominum. — Auer, Stadtr. Art. 380. — Denkmäler S. 425, 459.

das Münzrecht nicht erlangte, so übte sie doch stets em weitgehendes Aufsichtsrecht über Echtheit und Güte der Münzen. Verdächtige wurden auf dem Probierstein mit dem Strich auf ihren Feingehalt untersucht und, wenn der Verdacht sich als begründet erwies, im Feuer geschmolzen und im Schmelztiegel der Feingehalt verlässig festge­ stellt. Zum gleichen Zweck wurden die neuen Geldsorten von städtischen Wechslern erstanden. 1361 kauft die Stadtkammer vom Wechsler Heinrich Municher um 19 ß 6 $ Heller zum Brennen, 1406 nimmt der Rat Proben der gangbaren Bayernmünze, der Münchner, Landshuter, Ingolstädter, Wasserburger und Attinger Pfennige vor. Die neuen Wiener und Landshuter Helblinge bestanden nach einer Probe des Jahres 1428 „zu 6 Lot und 24 auf 1 Lot"*). Je nach dem Ergebnis der Untersuchung durch den ver­ eidigte» städtischen Goldschmied werden die Münzen dem Verkehr freigegeben oder es wird, wenn die Prüfung auf den Feingehalt Abb. 16. Münchner Dickpfennig Heinrichs des den Kurswert als verkehrsschädigend erkennen Löwen (»m 1170—1180) mit dem wölfischen Stammwappen. Auf der Rückseite, läßt, die Annahme solcher „bösen oder ringen kenntlich durch die schwache Prägung, der Herzog stehend Münz" bei Strafe verboten. Im Krisenjahr mit Lilie und Banner. 1395 läßt der Rat dreimal Münzproben durch Einschmelzen anstellen und die Bürgerschaft vor dem unverlässigen, werttrügerischen Geld warnens. Der Schmelzverlust der Stadtkammer beim Probieren unterwertiger Pfennige im Jahre 1396 macht bei 33 eingeschmolzenen Pfund Pfennigen 4% Goldgulden aiE). Als Jörg Finger und Stadtschreiber Peter Krümbel 1398 bei der Abrechnung der alten Kämmerer „böses Geld, Auswurf und zerbrochenes Geld" übergeben, beträgt der Verlust durch unedles Metall bei 6V2 % fast zwei Pfunds. Auf Ratsgeheiß wird 1422 von den Kämmerern um 12 ß 2 $ böhmische Münz, „Hussen" = Pfen­ nige genannt, gekauft, „das man sie den leuten weißtet zu zaigen, do man sie verpieten wollt"; auf Wunsch der Fürsten leiht sie die Stadt auch den herzoglichen Amtleuten zur Schaustellung auf dem Lande aus. Der Rat verbietet 1424 die schlechten Augs­ burger Pfennige, Herzog Albrecht III. 1448 im ganzen Lande die geringhaltigen Passauer Pfennige. Im Sommer 1434 läßt der Rat durch den Münzprüfer Gold­ schmied Graisbach alle in der Stadt umlaufenden Groschen zerschlagen und ein­ schmelzen, „da man sie aus dem Lande wollte jagen". Drei Personen, welche ver­ botene Heller auszahlten oder annahmen, werden 1466 wegen Übertretung des Rats­ gebots mit 10 tt, i2 t6 und 12 W 4 ß bestraft 0). Dem Rat sieht die Kontrolle des x) K.R. 1360 fol. 22V, 1361 fol. 67—69, 1406 fol. 71—74 u. 1428. 2) „Item do man die dreu körn prant Petri et Pauli, für pfening yn deu drey körn und umb ander ding darzu % 12 H". — Item dem auzruffer von drey rüffen über steur und munzz 38 vor Viti. K.R. 1395 fol. 51. 3) „Item 4% guldein verlorn an 33 U pözzer pfening, die geprant wurden vor Pfingsten 96." K.R. 1396 fol. 51—55. 4) Das geschmolzene Edelmetall ergibt 1 % Mark 1 y2 Lot. 6) K.R. 1422, 1424, 1433/ 1466. — Jesse, S. 115.

herzoglichen Münzmeisters zu. Bei der Münzerneuernng am i. Juni 1391 geloben die Herzoge, niemand das Münzrecht zu verleihen und betrauen einen Zwölferaus­ schuß aus den Landständen, darunter die Ratsherren Gabriel Ridler und Hans Rudolf, mit der Überwachung der Ausmüvzung. Durch Beschluß des bayerischen Münzvereivs

vom 31. Oktober 1395 übernehmen drei Mitglieder des inneren Rates die Leitung des Münzwesens; Prägeeisen, Wage und Gewicht werden ihnen in Verwahr ge­ geben. Die Münzmeister müssen ihnen das znr Prägung vorbereitete Geld aushändigen, damit sie es unter Beiziehung eines Probierers und Eisengräbers (Stempel­ schneiders) an Korn und Aufzahl versuchen. Die Ratsherren verpflichten sich durch feierlichen Eid, keinerlei genossenschaftlichen Anteil am Münzgeschäft zu haben »och irgendwelchen Nutzen daraus zu ziehe». An den Bestrebungen der Hauptstadt zur Besserung des Münzweseys nehmen die Stände regen Anteil, erheben mit ihr Einspruch gegen die dem ganzen Land ver-

Abb. 17. Münchner Pfennige des 14. und 15. Jahrhunderts: 1. Mönch mit Kreuz an der Schulter, vor sich einen Pilgerstab haltend. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. 2. u. z. Gepräge der Herzoge Ernst und Wilhelm nach der MünzorbnUng von 1406. 4. Gepräge der gleichen Herzoge 1406—1435. Mönch mit Gugel, Kreuz und Pilgerstab.

derblichen Münzverrufungen und Erneuerungen und erwirken in den Jahren 1307, 1331 und 1366 von den Fürsten das Versprechen, den Münzfuß nicht zu ändern. Am 21. April 1307 lassen sie sich gegen Bewilligung einer allgemeinen Viehsteuer — die Stadt gibt hiefür 1000 n H — das Recht der Münzprägung an den beiden Münzstätten zu München und Ingolstadt abtreten. Die neu zu prägende Münze sollte „gestendich sein" und bis zum Tod der Münzherrn Geltung haben; zu 2/s aus Silber, zu 1/3 aus Kupfer bestehen, der bisherige Münzfuß verbleiben. Herzog Stephan I., der selbst am 31. Dezember 1366 das Versprechen erneuert, den Münz­ fuß beizubehalten, weiß im Verein mit seinen Söhnen Stephan II., Friedrich II. und Johann die oberbayerischen Stände 1373 auf dem Landtag zu Burghausen zu bewegen, daß sie ihre Einwilligung zur Herabsetzung des Münzfußes geben. Das Korn der neuen Pfennige soll auf 9 Lot stehen (= 126,288 g Feinsilber) und 360 Pfennige auf die rauhe Mark Silber gehe». Die oberbayerische Münzordnung vom 27. Sep­ tember 1391 führt die Regensburger Münzmark (= 246,144 g) in München ein und bestimmt den Feingehalt der neuen Pfennige auf 8 Lot Silber (= 123,072 g) Regens­ burger Gewichts. Da im Lande viele Amberger Pfennige kursieren — 1385 gelten noch zwei Amberger für drei Münchner —, verbietet die Münzordnung ihren Umx) C. u. M. 15 fol. i2, 23, 41/43. — Morl. Boica 35/II S. 165. — Denkmäler S. 565.

6*

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lauf: Wer nach dem 25. November 1391 Amberger Münze gibt oder annimmt, zahlt den 10. Pfennig Strafe. Trotzdem überfluten die verrufenen und geringwertig aus­ gebrachten Amberger Gepräge 1394 und 1395 den Münzmarkt so völlig, daß die Stadtkämmerer gezwungen sind nach Amberger Pfennigen zu rechnen, „gerait vier Müncher für fünff pös pfenittg"1). Die allgemeine Pfennigkrise in Bayern und Franken und die Überschwemmung des ganzen Landes mit geringhaltigen Amberger Pfennigen veranlaßt die Bayernherzoge aller Linien, den Bischof und den Rat der Reichsstadt Regensburg am 31. Oktober 1395 zur Behebung der ersten großen Geldkrise sich in einen Münzverein zusammenzuschließen. Man einigt sich, eine einheitliche schwarze Silbermünze zu schlagen, die wieder nach Regensburger Mark ausgeprägt 123,072 g Feinsilber enthalten soll. „Schwarze Münz" oder „schwarze Pfennige" hießen die 1395 m Bayern eingeführten, bis ins 16. Jahrhundert üblichen Münchner Gepräge, weil sie, wie die Wiener, um den nicht unerheblichen Gewichtsverlust durchs Beizen in Weinstein und Salz zu sparen, keinem Weißsud unterworfen waren, so daß ihre Oberfläche mit Kupferoxyd überzogen war. Noch waren keine vier Jahre verflossen, da wichen die oberbayerischen Herzoge einseitig von den Bestim­ mungen des Münzvereins ab, übertrugen am 6. Mai 1400 dem Bürger Peter Gießer dem Jungen auf 12 Jahre das Prägerecht an der Münchner Münzstätte und gestat­ teten ihm, gegen Entrichtung von 15 Schlagschatz, den Pfennig zu 0,236 g Fein­ silber zu schlagen. Damit wandte man sich von der erst vor 9 Jahren „auf ewiglich" eingeführten Regensburger Mark wieder ab und kehrte zum heimischen Münch­ ner Silbergewicht zurück. Hatte die von den Herzogen Ernst und Wilhelm mit Heinrich von Landshut vereinbarte Münzordnung vom 19. Juli 1406 nochmals eine kleine Besserung in der Ausmünzung des Münchner Pfennigs gebracht, so bedeutet die Festsetzung des Münzfußes durch Herzog Ernst vom 21. November 1435 und Albrecht III. vom 19. November 1454 eine neue Stufe in der langen Reihe der fortschreitenden Entwertung der heimischen Silberwährung: der Münchner Pfennig, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch 0,467 g Feingehalt hatte, wird seit 1454 nur noch zu 0,191 g Feingehalt ausgemünzt?). Neben der Pfennigmünze ist die Silberbarrenwährung in Gebrauch, eine ursprüngliche Form des mittelalterlichen Tauschhandels mit unverarbeitetem Metall. Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts sind in München, besonders für hohe Be­ träge und im Verkehr mit dem Ausland, neben Barzahlungen mit geprägtem Geld solche mit ungemünztem Silber, der gewogenen Mark (marca argenti), üblich. Ist in den Stadtrechnungen von einer Mark Silber als Zahlungsmittel die Rede, so kann dies die feine i6lötige Mark oder eine gemischte, die rauhe oder sog. Usualmark sein, die sich nach dem jeweils geltenden Münzfuß richtet und deren Güte von der Art der Legierung, dem größeren oder kleineren Zusatz unedler Metalle abhängt. Die Münchner Mark Barrensilber gilt 1319 2 ti L-, samt Wechselgebühren kostet sie *) K.R. 1394 fol. 20 u. 1395 fol. 36, 58 vz 73 V. — Mon. Boica 35/II S. 148. 2) Vgl. die Aufstellung über Münzfuß, Gewicht und Feingehalt der Münchner Pfennigmünze, erstellt nach Muffat, Beitr. zur Gesch. des bayer. Münzweseus, S. 245—258, München 1870.

Münzfuß, Gewicht und Feingehalt der Münchner Pfennige, nach den Münzverträgen im 14. und 15. Jahrhundert.

Geltungsdauer

Rauhgewicht (Schrot)

Aufzahl der Pfennige

in Lot

1300—1373

320 (— rauhe Mark) 240 (— i N -Sf) 30 (= i ß)

16 12

iVa V20

360 (rauhe Mark) 240 i H

l6 I22/3

6. Juni 1391 bis 27. Februar 1396 (Regensburger Lot)

400 (rauhe Mark) 240 i H

l6 93/s

27. Februar 1396x) bis 6. Mai 1400 (Regensburger Lot)

Feingehalt (Korn) in Silber

in Gramm

224,515 168,384 21,048 0,701

in Lot

io-/8 V30

in Gramm

149,674 112,256 14,032 0,467

224,512 149/674 0,623

9 6 V40

126,288 84,192 0,305

V25

246,144 147,688 0,615

8 44/. V.0

123,072 73,848 0,307

432 240 i H

l6 8V. V27

246,144 136,746 0,569

8 44/.

123,072 68,373 0,285

6. Mai 1400 bis 19. Juli 1406

416 240 i

l6

224,515 129,526 0/539

7 4V26

19. Juli 1406 bis 21. Rov. 1435 (Landshuter Lot)

378V. 240 i

l6 IO10/,l

3In

249,460 158,108 0,659

21. Nov. 1435 bis 19. Nov. 1454

432 240 i

16 88/. V,7

224,515 124,728 0,520

6

19. Nov. 1454 bis 15002)

440 240 i

16 8V11

224,515 122,461 0,510

6

1373—1391

V45

93/l. V26

V55

7m

7418

6

367,i V568

31/ 3

V72

37h 7220

98,224 56,667 0,236 93,547 59,290 0,247 84,192 46,773 0,195

84,192 45,922 0,191

x) Zwischen 1396 und 1406, in einer Zeit schwerster politischer und finanzieller Krisen wurden die Münchner Pfennige, nach Schmelzproben aus dem Fund von Rabenschwand zu schließen, mit 15—25% Untergewicht unter dem gesetzlichenRauhgewicht ausgebracht. Gebhardt, S. 366—369. Wenn auch die Münzordnung zu Zeiten einen bereits bestehenden Zustand bestätigte, so dürfen wir das unterwertige Prägen doch nicht als allgemein gülitge Erscheinung für Münchens mittelalterliche Verhältnisse ansprechen. In Basel ergaben zahlreiche Münzproben die Übereinstimmung mit dem in den Münzmandaten ausgelobten Feingehalt. Harms, Münz- u. Geld­ politik Basels, S. 211. 2) Die 1458 und 1460 geprägten Schinderlinge hatten V30 bzw. V35 Lot und in ihrer schlech­ testen Ausprägung nur 0,0279 g Feinsilber; 480 bzw. 560 Stück gingen auf die rauhe Mark.

1337 2 N 28 1396 wird die Münchner Mark in Silberbarren infolge nnterwertiger Ausmünznng der Pfennige von den Steuerherren zu 3 tt St, 1398 von den Käm­ merern zu 3 U 30 L- gerechnet. Damit der Barrengeldverkehr nicht durch die Un­ sicherheit über Gewicht und Feingehalt der Silbermark beeinträchtigt wird, siellen die Herjoge 1391 einen geschworenen Silberbrenner in München auf. Barrengeld, auf das er zum Beweis des vollen gesetzlichen Silbergehalts der Stadt Zeichen, den Mövchskopf, schlägt, muß von jedermann als gezeichnete Silbermark nach dem Wert der angegebenen Gewichtsmenge Edelmetall als Zahlungsmittel angenommen wer­ den. 1463 wird die Mark SUber in München gleich 14 rheinischen Gulden gerechnet*).

Kursierende fremde Gepräge. Von größter Wichtigkeit für Münchens Münzumlauf ist seine geographische Lage. Der Charakter der Stadt als Salzumschlagplatz und Zollstadt, gelegen an der Kreu­ zung der Salzhandelsstraße Ost-West mit der belebten Verbindungsstraße des ita­ lienischen Südens und des deutschen Nordens erklärt das starke Eindringen aus­ ländischer Gepräge auf dem Münchner Geldmarkt. Die italienischen Handels­ züge bringen den Florentiner Goldgulden, den venezianischen Dukaten, die Berner Mark, der Salzhandel den ungarischen Gulden, den schwäbische» Heller, den Schweizer Plaphart, von der Donau her strömen Regensburger und Wiener Pfennige, böh­ mische Gulden und Groschen ein. Regensburg war die Wiege des bayerischen Münz­ wesens, der Regensburger Denar die wichtigste Handelsmünze der Donauländer im Hochmittelalter. Neben ihm setzt sich schon uuz 1180 der Münchner Pfennig im bayerischen Oberland im Gebiet des Grafen Sigboto von Falkensiein durchs). Noch zu Ausgang des 13. Jahrhunderts zeigt das Rechnungsbuch des oberen Vitztumamts Herzog Ludwig des Strengen —trotz des Vorherrschens der Münchner Pfennige im Geldverkehr — einen stets steigenden Kurs des Regensburger Pfundes in München: 1291 gilt es i t6 4 ß 24 St oder 1 tt 5 ß 10 St, 1292 1 % 5 ß 15 St, 1 % 5 ß 26 St und i % 6 ß, 1292 bereits 1 tf 7 ß und sogar 2 'tt Münchner Pfennige. Erst mit Be­ ginn des 14. Jahrhunderts tritt ein Umschwung ein. Die abnehmende Handelsbedeu­ tung der Reichsstadt, die häufige Nachahmung ihrer Gepräge auf Münzen schlechten Gehalts tun der Umlauffähigkeit des Regensburger Denars schweren Abbruch. 1318 berechnen die Münchner Kämmerer das Regensburger Münzpfund zu 1 'M 6 ß 12 St, 1367 noch zu i 24 L,; es weist also nur noch 1/10 mehr Silbergehalt als die Münch­ ner Währung auf. Die bedeutende Verschlechterung in Schrot und Korn der Münchner Pfennigmünze i. 1.1373 wirkt nochmals günstig auf Umlauf und Kurswert des Regensburger Denars zurück. Die 1377 durch den Rat für München verfügte FestT) „Item dederunt duas marcas argenti Chunrado notario civitatis ad Studium, valent 4 A Mon.“ K.R. 1319 fol. 18. — „Item de Ridlerio 21% marcas argenti, constant in cambio 45% & 45 H." K.R. 1337 fol. 106v. — „21 mark silber pringt an gelt 63 U Muncher." St.B. 1396. — K.R. 1398. — C. u. M. 15 fol. 41. 2) Petz, Grauert, Mayerhofer, Drei bayerische Traditionsbücher S. 31, München 1880.

setzvng seines Kurses — i S Regensburger = 1V2 S Münchner — behauptet sich ein Jahrzehnt lang. 1387 bis 1390 gelten 4 H Münchner gleich 3 H Regensburger, die jetzt wiederum unter dem umlaufenden Silbergeld so sehr überhand nehmen, daß sogar die Steuerherren nach ihnen rechnens. Es war der letzte Erfolg des Regens­ burger Denars im Kampf um die Herrschaft auf dem Geldmarkt. Denn obwohl die Herzoge gemäß den Münzverträgen von 1391 und 1397 Pfennige zum halben Wert der Regensburger Denare in Umlauf setzen, sind diese, wenigstens in München, nach Verlauf einiger Jahrfünfte vom heimischen Silbergeld völlig aus dem Geldverkehr verdrängt. Die schwäbische Hellermünze war um die Mitte des 13. Jahrhunderts in den süddeutschen Verkehr eingedrungen und eroberte sich bereits zu Ende desselben, ob ihrer handlichen Form vom Handel bevorzugt, die Ebenbürtigkeit mit der bayeri­ schen Währungsmünze; ja in Schwaben und Franken wurde sie Hauptrechnungsmünze und brachte dort seit 1300 manche Münzschmiede zum Erliegens. Das Pfund Heller zerfiel in 20 Schilling zu 12 Heller. 1245 mit 0,68 g Rauhgewicht und 0,338 g Fein­ gehalt ausgeprägt, sank der in anderen Münzstätten nachgeprägte Heller beständig in seinem Münzfuß; sein Wert in Gramm Silber betrug 1314 0,326, 1356 nach der Münzordmmg Karls IV. 0,211,1376 0,146,1385 nach der Reichsmünzordnung König Wenzels 0,134 8- Zu Zeiten der besseren Ausmünzung war der Heller eine gern ge­ nommene Münze. 1291 gilt das Pfund Heller in München 5 ß ro H — der Heller selbst ist also noch gleich *2/3 Münchner Pfennigen —, 1318 bis 1320 4ß 24 H, 1322 noch 4 ß 17 Si, 1331 nur noch 4 ß3).4 Damit war der Hellerkurs in München auf jenem Stand angelangt, den ihm die königlichen Privilegien von 1356 und 1385 im ganzen deutschen Reiche sicherten. Zwei Heller mußten für einen Pfennig genommen werdens, ein Kurs, der mit dem Feingehalt des entwerteten Hellers nicht im Einklang stand, weshalb er fortan von den meisten städtischen Münzverboten getroffen wurde. Der Rat läßt 1418 eine Münzprobe der neuen Heller durch den vereidigten Goldschmied Meister Niklas anstellen, „da fand sich, daß 10 ß Haller nicht aiv lauter gut lot prantz silber heten"; es hatte also V2 Heller nicht einmal einen Feingehalt von 62 Tausend­ teilen, der Heller keine 0,085 g Feinsilber. So ergab die Münzprobe der verpönten schwäbischen Heller, deren man zwei für 1 S> genommen, daß ihrer drei dem Schrot des Münchner Pfennigs ungefähr entsprachen. Die 1427 mittelst Einschmelzen durch­ geführte Münzprobe der umlaufenden Hörndlein = Heller — so benannt nach dem darauf geprägten Uracher Jagdhorn — ergab, daß sie nur den halben Silberwert ihres Umlaufkurses hatten, so daß die Münchner Bevölkerung sich „schamlos" be­ trogen fühlte^). Am 30. November 1480 wurden alle weißen Heller durch Ratsbeschluß *) K.K. 1318/19 foL 4; 1367 fol. 49; 1380 fol. 86v; 1381 fol. 54. — C. u. M. 9 fol. 31.— St.B. 1387/90. — Oberbayer. Archiv XXVI, 293, 297, 312. 2) Frtedr. Freih. v. Schrötter, Brandenburg-Fränkisches Münzwesen I, 104—106, Halle 1927. 3) K.R. 1318/20 fol. 1; 1322 fol. 72; 1331 fol. 50. — Oberbayer. Archiv XXVI, 281. 4) K.R. 1362 fol. 92. — Mon. Boica 35/II S. 104. 6) „Item 24 H haben wir geben dem Loblaich und auch dem Hofheymer von des ruffs wegen der pösen swabyschen Haller, der man 7-Sfur ain reinisch guldein gab und die man verpott. actum

verboten, 1486 und 1500 das Verbot erneut durch die städtischen Fronboten von Haus zu Haus eingeschärft*). Die Herrin der Silberwährung im südlichsten Deutschland und in Norditalien war Verona (Bern). Schon ju Ende des 12. Jahrhunderts war man dort zur Aus­ prägung eines, höhere Wertbeträge darstellenden, silbernen Großstücks geschritten, der grossi, Zwanziger genannt, weil sie 20 kleine Berner (piccoli hießen sie in Venetien) enthielten. Die Veroneser grossi und die nach ihrem Vorbild auf der Meraner Münze geprägten und nach ihnen benannten Berner Groschen (später Kreuzer oder Etsch-

Abb. 18. Kursierendes fremdes Silbergeld: Berner Piccoli um 1300.

Wiener Pfennig Albrecht II. deö Weisen. (1330—1358)

Schweizer Plaphart Zürich (1440—1450).

Prager Groschen Leö Königs Wenzel IV. von Böhmen (1378—1419) mit Gegensiempel der Stabt München (Mönchskopf mit Kreuz).

kreuzer) und die Berner „Vierer" (4 Bernerstücke) des Landes Tirol wurden in München nach Mark und Pfund genommen. Die Veroneser Währung, wie sie auch im Land Tirol Geltung hatte, baute sich rechnungstnäßig auf: 1 Veroneser oder Ber­ ner Mark (Barrevgeld) als Münzeinheit hält 10 Al Berner (lediglich Rechnvvgseinheit) oder 120 Groschen (silberne Großstücke) = 200 Schillinge (lediglich Rechnungs­ einheit) oder 2400 Veroneser oder Berner Pfenniges. Der starke Südtirol- und Venedig-Handel begünstigten Eingang und Verbreitung der Veroneser Mark in München. Wie wir aus den Tiroler Raitbüchern der landesfürstlichen Kammer wissen, machten Graf Meinhard II. und seine Söhne geflissentlich bei deutschen Kaufleuten Ankäufe von Barrengold, um es zu horten und mit Gewinn nach Italien weiter zu verkaufen oder gegen italienische Goldmünzen einzutauschen. Zwischen 1290 und 1293 freitag vor kathedra Petri anno etc. 27." — „Item 30 H haben wir geben von den pösen Hörndleins Hallern zü prennen, do man sie versuchet, wie sie doch an dem silber bestunden, da ward aus aim reinisch guldein wert Haller, als man sie hie genomen hat jwen Heller für 1 H, nicht mer silbers dann 5 quinten silber, das was 75 H. do die Haller als schamlich bestunden, do verpot man sie; wann der Klötzer von Essling und ander swab hetten hie für 1 reinisch guldein geben bej 7ß und hetten das land damit beschissen." K.R. 1426. C. u. M. 10 fol. 62 enthält einen Kostenvoranschlag für die Ausbringung schwäbischer Heller mit y3 Silbergehalt, das Pfund Heller im Wert eines böhmischen oder ungarischen Guldens, 49 ß 4 hl. Aufzahl auf die Nürnberger Mark. 1) K.R. 1486 u. 1500. — R.P. 1480. 2) Ladurner, Über die Münze, u. das Münzwesen in Tirol (Archiv f. Gesch. Tirols V, Jnnsbr. 1869). — Otto Stolz, Das mittelalterliche Zollwesen Tirols S. 180, Wien 1909.

erstanden sie von den Münchner Kaufleuten Ludwig Küchel, Eisenmann, Sighard, Ainwich Gollier und Hering die Goldmark in Barren (auri combusti) zum wech­ selnden Kurs von ii Mark bis iz Mark 6 Pfund Berner; Eisenmann erhielt 1292 die Mark Staub-- oder Blattgold (auri triti) wegen des höheren Feingehalts sogar zu 15 Mark 5V2 Berner «»gerechnet^). Der Münchner Pfennig gilt 1297 in Tirol 6 Veroneser Pfennige?). 1318, in welchem Jahre die Münze zu Meran an Münchner Bürger verpachtet ist?), und 1327 steht der Kurs der Veroneser Mark in München auf i ® 5 ß 15 zS>, 1327 und 1328 auf 1 tt 5 ß 20 1333 sinkt er auf 1 'M 3 ß 2o1/2 'S»4).* 6In 7 8der Oberpfalz nimmt man i. 1.1353 die Meraner Mark für 3Vs Gul­ den?). Trotz seines steten Tiefstandes weist der Kurs der Tiroler Landeswährung, des ge­ ringhaltigen Berner Pfundes, in München bedenkliche Schwankungen selbst innerhalb des gleichen Jahres aus: 1368 Großstücke der Nachbarländer, 72 und 49V2, 1369 dagegen Tiroler Vierer, die dicken Schweizer Plapharte 37 Münchner Pfennige?). Neben den vorherrschen­ (Halbgroschen), Nürnberger den auswärtigen Silberge­ Kreuzer und böhmische prägen lief in München noch Groschen?). Die beiden Böhmenkönige auf dem deut­ ein bunt zusammengewürfel­ ter Troß der verschiedensten schen Kaiserthron (1346—1400) Münzsorten um, gute und Karl IV. und sein Sohn, der Abb. 19. Schildgulden Kaiser Ludwigs schlechte, von bald steigendem, zweimal mit bayerischen Prin­ (RetchSmün-e) 4,45 g Durch­ bald fallendem Kurswert, die schnittsgewicht. Der Kaiser auf zessinnen vermählte Wenzel, Dhron, in der Rechten den Münchnern an Schrot gotischem bürgerten ihr Landesgepräge daS Schwert, die Linke ruht auf und Korn ungefähr gleichwer­ dem Reichsschild. Umschrift: im Reiche ein. Ihre alten „Ludovicus del gratis Rotigen Wiener?) und Augs­ Prager Groschen wurden manorum Imperator“. in München wie in den beburger Pfennige, silberne x) Luschin v. Ebengreuth, Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum VIII, 452,454,456s*, Jnnsbr. 1928. Nach ihm hatte die Berner Mark um 1292 172,68 g, das Pfund Berner 17,27 g. — Ba­ stian, Oberdeutsche Kaufleute, S. 122ff., München 1932. 2) Bastian, Mittelalterliche Münzstätten S. 37, Berlin 1910. — Der Augsburger Pfennig gilt 1295/96 62/s 3 Veroneser Denare, 1298—1302 7—8 Veroneser Denare. Karl Moeser, Studien über das ältere Münzwesen Tirols S. 32, Innsbruck 1907. 3) Archiv f. Gesch. Tirols V (1869) S. 30. 4) „Item assignavit 2 lb. Veron. et 5 Veron., computata libra 41 H." K.R. 1318/19 fol. 4. — „Item 2marcae Veronensium constat 3 lb. 3S0I.“ — „6marcas Veron. constat 10& 60 Monacensium.“ K.R. 1327 fol. 24. — „7 % minus 40 H pro 4 marcis Veron.“ — „17 A 20 H pro 10 marcis Veron.“ K.R. 1328 fol. 23. — ..46 marcae Veron. valent 67 lb. 40 dn.“ K.R. 1333 fol. 66. 6) 150 Meraner Mark 500 Gulden. H.St.A. Sulzbürg und Pyrbaum GU. 26, 48, 50. 6) „5 N Perner facit 12ß" K.R. 1368 fol. 20. — „8 M Perner" gleich 13 ß 6^ gesetzt. K.R. 1368 fol. 83. — „83 lb. Perner facit 12 % 7 ß" St.B. 1369 fol. 51 v. 7) Die Wiener „Böckler" (Steinbockpfennige) liefen in München schon 1378 um. Bastian, Die Wiener Pfennige, Numismat. Zeitschr. NF. 23 (Wien 1930) S. 105. 8) K.R. 1368 fol. 20v: Ein Kreuzer gleich 6 H. — K.R. 1468: Ein Nürnberger Kreuzer gleich 4 — K.R. 1421: „24 gros, daz ist 6 ßu, also ein Groschen gleich 7% — Aus dem außer Kurs gesetzten Silber­ geld, Groschen, Plapharten und Kreuzern, mußte der Goldschmied Hans Scheytterer der Stadtkammer 4 Becher anfertigen. Kammer-Memorial 1459.

nachbarten Reichsstädten Mm, Augsburg, Nürnberg, Kempten und Kaufbeuren, um sie für den Verkehr als gute Währung kenntlich ju machen, in der Münze abgestempelt. Diese Nachstempelung zur Überwachung des Münzumlavfs war ein Akt der städtischen Münzpolizei, um die geringwertigen böhmischen Groschen, namentlich der Taboriten, aus dem Verkehr zu bannen. Als Gegenzeiche» verwendete man den Mönchskopf, mit Kreuz am Hals. Da der Stempel Mönchskopf nicht selten ist, muß der Prager Groschen eine gerne genommene Münzsorte des Münchner Klein­ geldverkehrs gewesen sein. Zwar erreichte die Abstempelung durch die aufnehmende Stadt ihren Höhepunkt in den Zeiten der Hussitevkämpfe 1428—1434’); doch wurde noch 1497 der Goldschmiedmeister Hans Uttenhofer von der Stadt mit dem Pro­ bieren und Zeichnen der „Hussitenpfennige" betraut). Neben der Silberwährung bricht sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Gold­ münze mehr und mehr Bahn. Das Silbergeld ist die „Münz" für den Geldbedarf des kleinen Mannes, in ihr erhält der gelernte Arbeiter wie der Taglöhner seinen Lohn ausbezahlt, erschöpfen sich Warenumsatz und Warenbedürfnis des Stadtvolkes. Das wertvolle und besser ausgeprägte Goldgeld vertritt die Stelle des Wertpapiers: der Vorzug größerer Wertbeständigkeit und Sicherheit befähigt die Goldmünze gegen­ über dem schwankenden und unsicheren Silbergeld zur geregelten Preisbildung des Großhandels und der Wirtschaft, zur Trägerin des großen und zwischenstaatlichen Kreditverkehrs. Dem Goldgeld wird die hohe volkswirtschaftliche Aufgabe, der wirt­ schaftlichen Gebundenheit des immer notwendiger werdenden Kapitalumlaufs, der Bannung des Kapitals an die Scholle ein Ende zu setzen. Der Goldumlauf in München vollzieht sich in mehreren Zeitsivfen, deren erste keine der noch ziemlich gleichwertigen Münzsorten beherrscht; die Stadtrechnungen verbuchen bis etwa 1360 den Gulden schlechthin, „kiorenus", „aureus“, „gemeiner Gul­ den". Die Goldmünzen teilen sich in die Beherrschung des Münzmarktes, ohne sich gegenseitig zu verdrängen. Mit den italienischen Havdelszügen nahm noch unter der Regierungszeit Herzog Rudolfs die Goldmünze der Republik Florenz, der bald allgemein verbreitete Florentiner Gulden (fiorino d'oro) und seine vollge­ wichtige Nachmünzung, der venezianische Dukaten (ducato d'oro) den Weg über die Alpen und fand Eingang in München. Der Florentiner Goldausmünzungsfuß wurde der ausgesprochene Münzfuß des abendländischen Großverkehrs, der Floren zur Weltmünze, sein Name die allgemeine Bezeichnung der Gold­ münze (= fl>); die Feinheit des 24karätigen Florentiner Goldstückes (= ca. 55 g Silber) erleidet das ganze Mittelalter hindurch keine Einbuße. Auch der Dukaten von Venedig erhält sich im Feingehalt auf der höchsten erreichbaren Stufe; die gleiche Beständigkeit zeigt das Dukatengewicht im 14. Jahrhundert, nicht unter 3,55 g. Langx) Otto Lanz, Prager Groschen, Festschrift zum 6. deutschen Münzforschertag ©♦ 45—47, 52, München 1929. — Max Donebauer, Beschreibung der Sammlung böhmischer Münzen u. Medaillen, Taf. XVIII u. XIX, Prag 1888. 2) „Item i % 4ß zalt maister Hansen Uttenhofer dem goldschmid umb 4 silberein nadl und umb Z puntzen Mönchsköpff, ainen zu dem silber und ainen zu dem gewicht und ainen zu dem husspfening. der zway gewicht hat das krangewicht 13 lot und das fllbrein gewicht 32." K.R. 149710!. 27.

sam setzt eine spärliche deutsche Goldprägung ein. Kaiser Ludwig der Bayer macht vom königlichen Hoheitsrecht der Guldenmünzenprägung Gebrauch und läßt nament­ lich am Niederrhein nach dem Vorbild der franjöfischen Schildgulden Goldmünzen prägen. Dieser bayerische Schildgulden („scudatus de Bavaria“), wie ihn die Hamburger nannten, war Reichsmünze, und wenn er auch nach Frankreich vor­ drang und in Avignon keine seltene Münze war, im eigenen Lande des Kaisers erlangte das Kaisergepräge, von dem an 20 verschiedene Prägungen bekannt stob1),2 nicht den nachhaltigen Einfluß auf den Geldverkehr3).4 5Gleichzeitig setzt der Umlauf des seit 1325 ausgeprägten böhmischen Guldens ein, der mit dem Erlöschen der böhmischen Goldprägung zu Beginn des 15. Jahrhunderts allmählich aus den Stadtrechnungen verschwindet. Von 1360—1410 überwiegen die lange mit ihnen gleichgesetzten ungarischen Gulden, die infolge ihres von 1424—1480 gleichbleibenden Fein­ gehalts auch später als wertbeständige Handelsmünze eine führende Rolle im süd­ deutschen Geldverkehr spielen. Der ungarische Guldenkurs in Wien bietet beim Fehlen eigener Nachrichten über das Wertverhältnis zwischen Wiener und Münchner Pfen­ nigen eine verlässige Möglichkeit, deren Kurs Jahr um Jahr zu errechnen; das Er­ gebnis ist eine überraschende Gleichartigkeit des Guldenkurses in München und 9Bten3). Seit dem 15. Jahrhundert läuft der rheinische Gulden dem ungarischen den Rang ab. Der Münzbund der vier rheinischen Kurfürsten, der Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier und des Pfalzgrafen bei Rhein vom 8. Juni 1386 schafft im rheinischen Gold­ gulden für lange Zeit Ausdruck und Urbild der deutschen Goldmünze*). Die Münchner Kaufleute bringen die neue Münze vom Besuch der Frankfurter Messe heim, schnell findet sie allgemein Anerkennung und weiteste Verbreitung, der Goldumlauf wird neu belebt. Nach den Bestimmungen des ersten rheinischen Münzvertrags wurde die neu vereinbarte Münze zu 3,369 g Gold (Silberäquivalent = 36,54 g Silber) aus­ gebracht und den umlaufenden böhmischen und ungarischen Gulden gleichgestellt. Auf eine Zeit der Versuche in der neuen Ausmünzung folgt die Blütezeit von 1437 bis 1467; von diesem Jahre ab datiert der Wertverfall des rheinischen Goldguldens; 1480 läßt der Rat bereits die geringhaltigen kölnischen Gulden durch die städtischen Fronboten von Haus zu Haus in ganz München verbieten3). 1500 hält der rheinische Gulden nur noch 2,52 g Gold (— 26,8 g Silber). Nach der Vitztumamtsrechnung Herzog Ludwigs des Strengen zahlen in den Jahren 1291 bis 1294 München und die übrigen Städte und Ämter ihre Steuern *) I. V. Kull, Das alte Geld in Bayern, Altbayer. Monatsschrift VIII (1908), S. 62. 2) Th. Schrader, Die Rechnungsbücher der Hamburgischen Gesandten in Avignon 1338—1355/ Hamburg 1907, erwähnt S. 72, 136, 160, 167 u. 174 „scudati de Bavaria“. In den Münchner Stadt­ rechnungen erscheint der Schildgulden unter dieser ausdrücklichen Bezeichnung nur K.R. 1340 fol. 137V u. 148: „12 flor. schilter" werden eingenommen und verausgabt, ohne daß ihr Kurswert angegeben wäre. 3) Kurstabelle zwischen Ungarngulden und Wiener Pfennig bei Karl Schalk, Der Münzfuß der Wiener Pfennige 1424—1480, Numismat. Zeitschr. XII, Wien 1880. 4) Der rheinische Gulden wird erstmals 1340 in Frankfurt, 1346 in Trier, 1347 in Köln, 1350 tti Mainz geprägt; 1354 schließen die rheinischen Kurfürsten den ersten Münzvertrag. Schäfer, Die Aus­ gaben der apostolischen Kammer S. 55. 5) K.R. 1480.

ausschließlich in Silbergeld, die meisten in Münchner Pfennigen, welche dank der Territorialität die verbreitetste Münze im Vitztumamt Oberbayern war und fast zwei Drittel des umlaufenden Silbergeldes betrug; daneben liefen, je in ungefähr gleicher Menge, Heller, Augsburger und Regensburger Pfennige ttm1). Im 14. und 15. Jahrhundert herrscht amtlich noch die Silberwährung, in Wirklichkeit aber Doppel­ währung. Zwar bildet in den Stadtrechnuvgen das Pfund Silberpfennige der Landes­ währung die ideelle Rechnungseinheit und alle Goldmünzen werden nach ihrem be­ rechneten Silberwert gebucht; im Amrs-, Handels- und Geschäftsverkehr jedoch wer­ den Gold und Silber in gleicher Weise, ersteres sogar immer häufiger, in Zahlung gebracht. Bei großen Beträgen, besonders bei Berechnungen mit dem „Ausland",

Abb. 20. Kursierendes fremdes Goldgelb: Venetlaner Dukaten des Dogen Tommaso Mocentgo (1414—1423). Oer Doge (Dux) kniet vor St. Markus. Rauhgewicht 3,56 g

Böhmischer Gold­ gulden

Ungarischer Gold­ gulden

Rheinischer Gold­ gulden

Les Königs und Kaisers Karls IV. Rauhgewicht 3,52 g

LeS Matthias CorvinuS (1458—1490). Rauhgewicht 3.53 g Feingehalt 3,49 g

um 1415, Les Bischofs Diet­ rich II. von MörS, mit BilLniS LeS hl. Johannes. Geprägt in Bonn; 3,4—3/5 g Rauhgewicht.

Die Kassenbestände der Stadtkammer bei der Jahresabrechnung nach ihren Münzsorten. Goldgeld: Zahl und Wert

Rech­ nungs­ jahr

1450 1455 1460 1465 1470 1475 1480 1485 1490 1495 1500

Ungar. Gulden und Dukaten

Rheinische Gulden

1915=1324 1934=1426 1066= 799 2060=1716 1142=1075 1576=1359 2545=2226 1110= 971 9000=7875 2175=1903 2544=2226

® 4ß „ 2„ „ 4„ „ 5 „ „ 6„ „ 2„ „ 7„ „ 2„ „ „ i „ „

20 18 „

10 „ 10 „ 12 „

Silbergeld

119=104 205=196 373=373 557=580 50= 53 461=518 510=573 561=563 687=801 729=759 844=984

*) Oberbayer. Archiv XXVI, 281—314.

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3 „ 20 ^3, 3 i 5 6 5 4 3 5

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Pfennig, Gro­ schen, Kreuzer, Heller und Plaphart

67 326 2052 546 1376 2022 2800 2370 4533 2496 5229

Gesamter Barbestand

1495 ® 50 T „ 60 28 A 2442 n I „ „ 5 ff 2 „ 3225 ft I tf 2843 „ 3„ n 2 „ 20 „ ,, 4 » 12 „ 2405 ff 3 ff „ I „ l8 „ 3900 „ 2„ „ 5 „ 5038 „ Sm 3905 „ 2 „ ff 3 „ I4 ff 13209 „ 3 „ m 3 ff 10 „ »3« 7 „ 5258 „ 7 m „ 6 „ 16 „ 8440 „ 3 M

io-St 6 „ 12 „ 20 „ 2 „ „ 4 m 14 „ IO „ 7 M 26 „

bot sich Gold als natürliches Zahlungsmittel; städtische Rentengläubiger kauften ihre Rente in Gulden, um sich gegen künftigen Kapitalsverlust durch den schnell sinkenden Kurswert des Silbergeldes jv sichern. Gegen Ende der Regierungszeit Kaiser Ludwigs des Bayern lief in München Goldgeld bereits in gleich hohem Wert um wie Silbergeld. Einer der größten Barbestände der Stadtkammer, der i. 1.1340 angefallene Steuerertrag, war ausschließlich ausländisches Geld, zur grö­ ßeren Hälfte Gold, 738 Gulden; zur kleineren Hälfte Silber, 160 Berner Mark, 180V2 Pfund Regensburger, 128 Pfund 5 Schilling 10 Heller schwäbische Heller münze ^). Dem Vordringen des fremden guten Goldgeldes konnte die mit schlechtem Fein­ gehalt ausgebrachte Silbermünze nicht Einhalt gebieten. Die Herzoge, welche die Einbürgerung der Goldzahlung als Schädigung ihres Münzgewinnes empfanden, suchten den Kampf um die Silberwährung durch landesherrliche Währungsgesetzgebung zugunsten der heimischen Pfennigmünze zu entscheiden. Noch am 4. Februar 1397 untersagten die Herzoge Stephan und Johann von Oberbayern bei Verfall des 10. Pfennigs, also 10% Verlust für Käufer und Verkäufer, die Anwendung der Gold­ rechnung in ihrem Territorium nicht nur bei Kauf und Verkauf von Waren und Lebensmitteln, sondern selbst bei Zahlung von verbrieften Geldschulden, Zinsen und Gülten. Nur mit Münchner, Landshuter und Ingolstädter Pfennigen sollte gezahlt werden dürfen und jedermann verpflichtet sein, statt eines Guldens ein halbes Pfund Münchner Pfennige zu geben und zu nehmen?). Es war ein eitles Beginnen, das in Schwung befindliche goldene Triebrad der Wirtschaft zum Still­ stand bringen zu wollen. Die dem fremden Goldgeld zugetane Bürgerschaft küm­ merte sich nicht um das der Allgemeinheit schädliche, nur als politisches Zwischenspiel zur Bekämpfung der heimischen Währungskrise verständliche Geldverbot, das ihr das einzige wertbeständige Zahlungsmittel entreißen wollte. Die städtische Finanzverwaltung übertrat es in jeder Weise, sie nahm und gab den Gulden nach wie vor in Zah­ lung und rechnete ihn statt zu 4 ß jit 4 ß 20 $ und 5 ß3*).4 * Die Landesherren sahen sich genötigt, dem Zwang der Verhältnisse Rechnung zu tragen und in der Münzverordnung von 1406 die Ausbreitung des Goldgeldes im Territorium ausdrücklich zu dulden. Die bei der alljährlichen Rechnungsablage in der Stadtkammer vorhandenen Barbestände lassen durchs ganze 15. Jahrhundert das starke Auftreten der Goldwährung erkennens. Erst mit Beginn der Neuzeit erreicht die Silbermünze mit dem Aufkommen der großen Silbergulden und Silbertaler von neuem jene vor­ herrschende Stellung, die sie befähigte, allein den kleinen und zum guten Teil auch den großen Geldverkehr zu vermitteln. Der Geldwert der Landesmünze läßt sich durch zahlreiche genaue Angaben über sein Wertverhältnis zu den beständigen Handelsmünzen des abend*) K.R. 1340 fol. 137. a) Quellen u. Erörterungen VI, 582ff. — Reg. Boica XI, 94. 3) K.R. 1397 fol. 37V, 47V. 4) Um so mehr überrascht der rege Umlauf der Münchner Münze außerhalb der Landes­ grenzen im süddeutschen Geldverkehr, wie er uns um 1450 im Handlungsbuch des Ulmer Kauf­ herrn Ott Ruland entgegentritt. Bibl. des Literar. Vereins I, Stuttg. 1843.

ländischen Großverkehrs, den wichtigsten kursierenden Goldmünzen veranschau­ lichen. Es ist dabei zu scheiden zwischen dem gesetzlichen, vom Münzherrn bei der Ausmünzung festgehaltenen und dem im erzielten Tageskurs jeweils ausgedrückten, durch den beiderseitigen Feingehalt bedingten und bestimmten Wertverhältnis. Nach dem Münzgesetz König Karls IV. vom Jahre 1356 sollte ein böhmischer und ungari­ scher Gulden gleich 1 'ti Heller oder V2 & H der Landesmünze sein; ebenso setzten die bayerischen Münzerlasse von 1391 und 1397 den Kurswert des guten Guldens und Dukatens auf */, tt H feit1). Der Goldgehalt des rheinischen Guldens war in Münzverträgen festgelegt?): Jahr:

1386 1398—1404 1409 1417 1419—1444

Goldgehalt in Gramm:

3,396 3,322 3,248 2,953 2,777

Jahr:

1454 1464 1477 1490

Goldgehalt in Gramm:

2,728 2,696 2,647 2,527

Gegenüber der starren, gesetzgeberischen Festsetzung des Verhältnisses der heimi­ schen Pfennigmünze zum Goldgeld zeigt der Tageskurs von Gulden und Pfund erhebliche, mannigfach wechselnde Schwankungen, oft innerhalb des gleichen Rechnungsjahres. Trägt und hebt das Vertrauen in die bayerische Münz­ hoheit und die politische Machtstellung der Bayernfürsten den Kurs der Landesmünze in der Hauptstadt, so drücken Kriege, Fehden, Wirtschaftskrisen und geringhaltige Nachahmungen fremder Fürsten oder der Vettern in Landshut und Amberg ihn mächtig nach unten. In älterer Zeit rechnet man in München fast durchwegs nach Gulden schlechthin (guldein, florenus, aureus), weil keine oder nur geringe Wert­ unterschiede zwischen den einzelnen Goldmünzen bestehens. Später be­ zeichnet man im Gegensatz zum rheinischen Gulden alle übrigen Goldmünzen unter dem Sammelnamen „ungarische Gulden und Dukaten". Und unter Du­ katen versteht man nicht etwa bloß venetianische, sonder» italienische Gepräge über­ haupt, sogar böhmische Goldgepräge aller Art. So waren i. 1.1460 in der Stadt­ kammer unter 260 ungarischen Gulden und Dukaten „34 päbstler, türken, rodisar und ander pösz gülden, die lanng her in der stat kammer gelegen sind". Diese seltenen alten, bald besonders hoch-, bald geringwertigen Stücke sind auch der Grund, warum der Geldkurs des ungarischen Guldens und Dukatens in seinem Verhältnis zur hei­ mischen Silbermünze im Kammerbuch besonders fühlbare Schwankungen aufweist, wie sie durch die schwierigere Regelung von Angebot und Nachfrage im Wechselgeschäft allein nicht erklärt werden können. Ein geübtes Auge vermag trotz dieser Störungen C. u. M. 15 fol. 41. — Die Chroniken der deutschen Städte V, 422. 2) Kruse, Kölnische Geldgeschichte S. 82, Trier 1888. — Erich Born, Das Zeitalter des Denars S. Zy6f., Leipz. 1924. — v. Schrötter, Brandenburg-Fränkisches Münzwesen S. 22—129. 8) ,/golt gewicht ist in aller welt gleich: ein gülden swär ist 1 gülden." Lim. 22.

Der Guldenkttrs in München 1331—1417. Silberwert der Goldmünzen in Münchner Pfennigen*).

Jahr

Silberwert des Guldens (florenus, aureus) in

Silberwert in Münchner Pfennigen:

(„gemeiner Gulden", „aureus“, „florenus“)

Münchner Pfennigen

1378

120 90 92, 95/ 92 102 90/ 115 124, 116 120

1380

120

1331 1332 1334 1336 1338 1339 1346 1360 1362

13 77

94 103

98 129

Gulden schlechthin

Jahr

1367 1368 1369 1382 1391 1392 1393 1394 1395 1396 1397 1398/99

Rheinischer Gulden

Ungar. Gulden und Dukaten

1400 1401 1403 1404 1405 1406 1407

136 136 134/ 137 135 135/144/146/ 150 135/ 140 148/ 150/ 151

1408

150-154

152-155 146/154 156 140, 152, 156/ 160 156/158,160,165 140, 150, I6o, 162 156/ 160, 165, 166/ 180 150,165/167, 171,178

Ungarischer Gulden u. Dukaten

— — — — — 124, 126 — — —

180, 188 216 210, 220 — — — 128, 130, 132 — 202 — 150

135/ 138

140,146,154

148, 200, 210 212 — 120, 126, 129 1202) 128 120,126, 135 120, 135, 140 — 120 120, 140, i462/7 150,154 V2 150,165

Silberwert in Münchner Pfennigen

Silberwert in Münchner Pfennigen

Jahr

Rheinischer Gulden

Jahr

Rheinischer Gulden

1409

145/150/152

1410 1411 1412 1413 1414 1415 1416 1417

144-147/150 140/144,146 146 144/ 145 146, 150 144/ 146 143 143,144

Ungar. Gulden und Dukaten

160,167, 175, 178, 180 174—176/180 168, 170, 172, 176 170, 176 172,174/175 172—176 172/ 176 176, 177 177

x) Als Quelle maßgebend: K.R. 1331/1500, — Kammer-Memorial 1389/1450. — SL.B. 1367/1500. — Rechn, über Steuerwesen 1359/93. — Baumeister-Rechn. 1408/69. — Für die Kurse von 1405—1440 vgl. Gebhart, Goldgeld in Altbayern, Zeitschr. f. bayer. Landesgeschichte VIII, 361—363. 2) Amtlicher Pflichtkurs des Guldens.

Der Gvldenknrs in München 1418—1500. Silberwert in Münchner Pfennigen

Silberwert t» Münchner Pfennigen Jahr

1418

Rheinischer Gnlden

Ungar. Gulden «nb Dukaten

176/178/180/183 I80/182 175—177/180, 182,191 174/180, 193l) 1421 135/137 i6o, 176—178/ 180 1422 137/ 138/ 140 1423 135/ 138/ 140/ 142 176—178/ 180/ 183 162/ i8o, i8i/ 183 1424 141-143 1425 138V2/ 1427s, 143 175/ 177/180 178/ i80/ 181—183 1426 1397s, 142 178/ 180/ 182/ 183 1427s 1427 1427s/ 151 1428 177/178/180, 183 1429 144/ 1447s 177/178/ 180 178/ 180/ 182/185 145-147/ 150 1430 1431 147/150/ iZ2,156 I88V2/190/192 192—198 1432 153/ 155—157 150,153/155/156*/- 188/ 192/ 195/ 1433 196/ 198 195/ 196/ 198/ 200 i6o, 161 1434 204—206/ 208/ 210 160/ 162/ 163 1435 204/ 205/ 208/ 210 160, 162/ 163/ 1436 165/ 168 165/ 168/ 170/ 172 216/ 220/ 225 1437 216/ 220/ 225 1438 173/ 174/ 177 220/ 225 170, 173/174 1439 — 165 1445 162/ 164/ 165/ 166 200/ 210, 220 1450 220 166 1451 222 1452 166V2-168 169/ 172 225 1453 225/ 228 172, 173/ 176 1454 228 176 1455 177/ 179/ 180/ 182 230/ 240 1456 177/ i8o, 186 234/ 240 1457 180/ 190/ 195, 210 240, 255, 270 1458 240/ 255/ 300 I4592) 180/ 195/ 2oo, 210/ 240, 255 14602) 180/ 184/ 186/ 188/ i8o, 230/ 248 190, 191, 195, 240/ 300/ 360, 405, 420, 435/ 480/ 510/ 540 i8o, 188/ 190/ 192, 240/ 250 1461 195/ 196

1419 1420

142-144,147,157 138/140 135/ 136, 137

x) Dukaten. *) Schinderlingsjeit.

Jahr

1462 1463 1464

1465

1466 1467 1468 1469 1470 1471 1472 1473 1474 1475 1476 1477 1478 1479 1480 1481 1482 1483 1484 1485 1486 1487 1488 1489 1490 1491 1492 1493 1494 1495 1496 1497 1498 1499 1500

Rheinischer Gülden

192/ 195/ 200/ 205/ 206/ 208/ 210 200/ 205/ 208/ 210/ 192/ 200/ 205/ 207/ 210, 214 192, 195/ 200/ 204/ 206/ 210 200/ 205/ 206/ 210 200/ 206, 2O8 205/ 208/ 209 205/ 208/ 209/ 210 205/ 208—210 205/ 208/ 210 205/ 210 205/ 210 207/ 210 207/ 210 207/ 210 207 207/ 210 207/ 208/ 210 210 210 210 210 210 210/ 212 210/ 212 210 210 210 210/ 213 210 210/ 213 210/ 213 210/ 211 210 210, 212 210/ 212 210 210 210, 211

Ungar. Gulden und Dukaten

252/ 256/ 270 252 252/ 270/ 274

252/ 260/ 265/ 270 250/ 260 250/ 260 255/ 262 255/ 262 255, 263 255/ 266 255/ 267 255/ 270 270 270 270 270 270 270, 273 270 270/ 280 270/ 280 270/ 280 270 270/ 280 270/ 280 280 270 280 280/ 282 280 280 280 280, 285 280 280, 285 280/ 290 270 270 280, 290

die Gesamttendenz des Dukatenkurses zu erkennen. Ungarische Gulden und Dukaten werden stets einander gleichgesetzt; nur 1420 steht der Dukaten nm einen Pfennig höher als ietter1).2 Der Floren gilt 1332 und noch 1346 3 ß, 1380, 1382, 1393 bis 1397 regelmäßig 4 ß, 1456 bis 1459 ist er bereits Gegenwert des Münchner Pfundes geworden; zu Ausgang des Mittelalters, in den Jahren 1497 und 1500, ist der ordentliche Floren- und Dukatenkurs mit 280 H und 290 L, um mehr als das Dreifache gestiegen3). Das gleiche fortdauernde Steigen zeigt der Kurs des rheinischen Guldens in München: 1393 gilt er 124 oder 126 seit 1480 mindestens 210 ^3). Die Ursache der stetigen, durch das 14. und 15. Jahr­ hundert fortwährenden, mitunter von einem geringen Rückschlag unterbrochenen Steigerung des Guldenkurses liegt nicht in erster Linie in der Verschiebung des Wert­ verhältnisses der Edelmetalle. Das Verhältnis des Silbers zu Gold erhält sich in Deutschland vom Ende des 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts je nach An­ gebot und Nachfrage zwischen 1:10 und ijii1 /24).* 6Für München stellt es sich von 1386 bis 1419 durchschnittlich auf 10V2, seit 1420 in der Regel auf 1:11. Die Hauptursache des Ansteigens der Preise der Goldmünze lag in der bis zur Ent­ wertung zunehmenden Abminderung des Münzfußes der Silberwährung, einer all­ gemeinen Begleiterscheinung des mittelalterlichen Silbergeldwesens. Neben der ge­ setzlichen Landeswährung bestand eine Beiwährung, ausländische und alte, im Verkehr geduldete Gepräge. Wenn auch nach Münzverrufungen nur die neu ausgegebenen Gepräge Währungsrecht hatten und gesetzliches Zahlungsmittel waren, so behielten doch die alten, verrufenen Pfennige Silberwert und damit eine gewisse Umlaufsfähigkeit. Sie blieben im Verkehr, den sie wegen ihres meist höheren Silbergehalts und der anfänglich ungenügenden Mengen des neuen Silbergeldes, oft geradezu beherrschten, zumal der beharrliche Sinn der Bevölkerung jeder Münz­ erneuerung mißtrauisch und ablehnend gegenüberstand. So kursierten in München gleichzeitig Pfennige verschiedener bayerischer Münzstätten und Prägezeiten mit stark wechselndem Feingehalt3). Das Nebeneinander der vielen Münzen und Währungen und das stete Auf und Ab ihrer Tageskurse zeitigte ein Blühen des Wechselgeschäfts. Der Geldwechsel, als solcher galt neben dem Umtausch ausländischer Währung auch der Kauf von Edel­ metallen wie von verrufenem, verbotenem, zerbrochenem, nicht umlauffähigem Geld, war mit der Münzschmiede verbunden. Das vornehme Ratsgeschlecht der Sendlinger führte vom Betrieb des Wechslergeschäftes den Beinamen „die Wechsler"; auch der Reichtum der Patrizierfamilie Ligsalz ging auf das Bank- und Wechslergeschäft zuK.R. 1420 u. 1460. 2) K.R. 1332 fol. 5ov, 1346 fol. 232V, 1380 fol. 70, 1397 fol. 47. — St.B. 1382, 1393/96. 3) K.R. 1393 fol. 17; St.B. 1393. Rechnungen über Steuerwesen 1393. 4) Born, Das Zeitalter des Denars ©. 311fr., 440fr. — In Jahren ungewöhnlicher Goldpreis­ steigerung kostet die Goldmark: 1314 bereits 14,7 Mark, 1317/18 sogar 16 bis 17 Mark Silber. Ba­ stian, Oberdeutsche Kaufleute S. 54. 6) Vgl. K. Schalk, Wiener Münzverhältnifre im ersten Viertel des 15. Jahrh., MJöG. IV, 572, Jnnsbr. 1883. Solleder, München

7

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rück. Um der Münze das nötige Prägesilber zu sichern und eine gewinnsüchtige Preis­ treiberei des Barrensilbers zu verhüten, wurde dem Münchner Münzmeisier Peter Gießer in seiner Bestallung 1391 und 1400 zugestanden, daß zum Silberkauf nur er und die Goldschmiede berechtigt waren. Ein anderes Gebot besagt allerdings, daß die Bürger Silber zu Käufen im Fernhandel, für Goldschmiedearbeiten und Schmuck, aber auch zu Sparrücklagen erwerben konnten, eine Bestimmung, die das Silber­ kaufsmonopol der Münzmeister wieder weitgehend einschränkte. Die Pachtverträge der spätmittelalterlichen Münzmeister sind auf 2 bis 12 Jahre geschlossen und be­ griffen laut Bestallungsbrief von 1435 für die Münzmeister Jörg Ramsaner, Hans Hundertpfund und Marx Hefelein, „wie es gebräuchlich", den Geldwechsel in München in sich. Der Beruf des Münzmeisters erforderte kapitalkräftige Unternehmer, die kauf­ männischen Geist und technisches Können als gelernte Meister des Goldschmiedhand­ werks in sich vereinten. Er erbte sich besonders in den Münchner Familien Gießer und Hundertpfund fort: Die Patrizierfamilie Hundertpfund stellt binnen 150 Jahren in München, Augsburg und Sulzbach allein 6 Münzmeister^). An Peter Gießer ist die Münchner Münzschmiede von 1391 bis 1400, an Ludwig Gießer seit 1454 ver­ pachtet. 1506 übernimmt der Herzog die Münzstatt wie im Hochmittelalter in Eigen­ betrieb; damit hört der Münzmeister auf Pächter der Münzschmiede zu sein. Die städtische Finanzverwaltung erzielt alljährlich an de» in der Stadtkammer liegenden Geldvorräten ansehnlichen Kursgewinns. Gewinnbringend war es für die Stadt, ihren Rentengläubigern die gekaufte Rente oder ihren Werkleutev den vereinbarten Arbeitslohn nicht in gangbaren Goldgulden, sondern in entsprechenden Mengen Silbergeld auszuzahlen. Vor der Steuererhebung wurde in der allgemeinen Bürger­ versammlung der Kurswert der Goldmünzen für bas Steuergeschäft durch einträch­ tige Satzung und Erkenntnis von Rat und Gemeinde festgesetzt. Der Steuerkurswert der Gulden ist durchschnittlich höher als jener der Stadtkammer, die durch diesen Höheranschlag der Steuerer wiederholt beim Münzwechsel empfindliche Verluste erleidetb). Um das Wechselgeschäft auf eine gesicherte Grundlage zu stellen, kamen die Bayernherzoge am Ausgang unseres Zeitabschnitts überein, in München und Lands­ hut — wenn sich der Rat nicht dazu verstehen sollte — eine öffentliche Wechselbank zu errichten, jede mit einem Grundstock von 300 ungarischen und 1400 rheinischen x) Th. Stützet, Ein altbayer. Münzmeistergeschlecht, Altbayer. Monatsschrift X (1911) S. 27. — Frankenburger S. i8ff. 2) K. R. 1336 foL 103V: Der Aktivbestand bei der Jahresabrechnung beträgt 72 %, der rechnungs­ mäßige Rest 51 U 3 ß 10 so daß bereits damals beim Geldwechsel mehr als 20 U gewonnen wurden. K. R. 1454: „Item mer ist über die obgenant suma der kamer zugestanden 228 % 23 $ an wechsel der gülden und an guter munnss, die lang in der kamer gelegen ist, das zu gelt pracht ist." Kammer-Memorial 1454. 3) „Item 9 lb 52y2 haben wir verloren an dem wechselln des golds das jar, das die steurer yeden unger und ducaten für 2 dn. und 6 ß und den rhein. guld. für an 7 dn. 5 ß (= 4 ß 23 H) habent sie genommen an der steur und habent uns die also verrait. und die haben wir müssen ausgeben neur für 6 ß und den rhein. guldein für 19 großen und gaben uns das merer taill eytell ducaten und kayne unger und auch nicht fill rheinisch, und die ducaten waren des jars gar unwirdtg." K.R. 1427. — St.B. 1462/1500.

Gulden; ferner an Silbersorten nm 600 Gulden Sechser, um 400 Gulden Kreuzer, um 200 Gulden schwarze Münz und um 50 Gulden schwarze Heller. Jede Bank sollte zwei Wechsler haben und, um die Münzpolizei zu üben, einen Probierer, angesehene „frumbe und wohlgeleumdete Männer". Ihr Diensteid verpflichtet sie, die auswärtigen Gold-- und Silbermünzen wenigstens vierteljährlich an Korn und Gewicht zu pro­ bieren und das zum Wechseln überantwortete Geld gegen die landesüblichen Münzen zu werten. Das Wechselgeld sollte von einem Gulden nicht mehr als einen schwarzen Pfennig betragen. Vom Wechselgewinn erhielt der Wechsler monatlich 4 rheinische Gulden Sold*).

Die Inflation der Schinderlingszeit. Wie eine Inflation mit „ringer Münz" das gesamte mittelalterliche Wirtschaftsleben in Stadt und Land aufwühlte, verkehrte und vernich­ tete, den Reichen verarmen und den Armen darben ließ, das gute Geld und die gute Ware vom Markt und vom Verkehr verscheuchte und all die unheilvollen Schäden und

Abb. 21. Httinger Schinderling

deS Grafen Ulrich von Ottingen 1458

Abb. 22. Münchner Schinderling deS Herzogs Albrecht III. von Bayern 1459/60

Schrecken zeitigte, wie sie denen für immer warnend im Gedächtnis Md Gewissen lebendig bleiben, die Deutschlands schwerste Notzeit durchleben mußten, das zeigt die für ihre Zeit, in ihren Ausmaßen und Auswirkungen ungeheuerliche Münzkatastrophe der „Schinderlinge", wie sie das Volk aus Verachtung nannte, ums Jahr 1460. Schon bei der Münzbesprechung 1455 beklagte sich Österreich über den geringen Gehalt der bayerischen Münze, den Bayern mit den übermäßig hohen Silberpreisen und dem Mangel an Münzsilber entschuldigte. Zahllose Münzabkommen der bayeri­ schen Herzoge unter sich und mit den benachbarten geistlichen und weltlichen Fürsten kennzeichnen in den Jahren 1457 bis 1460 die offene Krisis, konnten aber die durch das Zusammentreffen aller widrigen Umstände geschaffene, beispiellose Verwirrung im Münzwesen nicht beheben. Aus dieser Zeit sind mehr Münzgebote und Müvzvereine bekannt als aus dem ganzen 15. Jahrhundert?). Seit 1457 wurde ganz Süddeutsch­ land mit schlechtem Silbergeld überschwemmt. Den Anfang mit böser Münze machte, wie Burkhard Zink berichtet?), Graf Ulrich von Httingen durch Prägung von schwarzen Pfennigen, die den bayerischen Geprägen überaus ähnelten und deshalb in Bayern und Schwaben schnell Eingang fanden. 22 Httinger Groschen galten einen

Gulden, doch sanken sie Tag für Tag so schnell im Wert, daß gar bald 30 Groschen x) H.St.A. Staatsverwaltung 1658. 2) Lori, Münzrecht 1, 41—82. — Born S. 225. 3) Städtechroniken V, m—115, 222—224, 426. — Jesse S. 116—119.

für einen Gulden gegeben werden mußten. Die bayerischen Herzoge richteten daher am 3. Februar 1458 von Landshut aus ein Schreiben an den Grafen Ulrich, die Ausmünzung seiner unterwertigev Pfennige nach bayerischer Form und Farbe abzu­ stellen. Der steten Verteuerung der Goldmünzen zu steuern, setzte Albrecht III. am 17. April 1458 einen Zwangskurs fest: 61/zß für den Dukaten und ungarischen Gul­ den, $ß für den rheinischen Gulden. Die Stadtkämmerer sahen fich außerstande, dieses Münzgebot zu befolgen und nahmen und gaben i. 1.1458 den ungarischen Gulden und Dukaten nie anders als zu 8 bis 9 ß, den rheinischen zu 6 bis 7 ß. Der Herzog widerrief seine eigene Anordnung als hart und undurchführbar, da Land und Leuten dadurch merklicher Schaden erwachse. Das Übel wurde ärger, als außer den Ottingern auch andere benachbarte Fürsten, Erzbischof Sigmund von Salzburg, die Bischöfe von Bamberg und Passau, die Landgrafen von Hals und Leuchtenberg, Herzog Otto von Neumarkt auf bayerische Form und in schwarzer Farbe minderwertige Münzen schlugen, die den guten schwarzen Bayernpfenvigev äußerst ähnlich sahen und fie immer mehr verdrängten. Betriebsame Kaufleute, namentlich in Augsburg und Regensburg, ließen sich verleiten, in fremder Währung auf Gewinn zu lauern und große Summen schlechten Geldes nach Bayern zu werfen. Die Herzoge berieten unter­ einander und mit ihren Städten und Ständen, wie sie das schlechte Geld mit gering­ stem Verlust wieder aus dem Lande schaffen könnten. Da selbst durch Herstellung einer guten Münze die Münzzerrüttung auf die Dauer nicht mehr zu beheben war, weil die in Masse umlaufenden schlechten Gepräge benachbarter Münzherrn und Münzgebiete die gute heimische Münze binnen kurzem überschwemmten, suchten die Herzoge ihre Währung durch Münzverträge sicherzustellen. Am 29. Dezember 1458 fand in Lands­ hut ein bayerischer Münztag statt, an dem außer Den Räten Herzog Albrechts III. und Ludwigs des Reichen Mitglieder der Lavdstände, darunter als Vertreter der Stadt München Bartholme Schrenk und Hans Hundertpfund, ferner Abgeordnete des Kur­ fürsten Friedrich von der Pfalz, des Erzbischofs von Salzburg und des Bischofs von Passau teilnahmen. Der Landshuter Münzabschied erneuerte die Münzverbote der schlechten fremden Pfennigwährung und suchte die Reichsstädte Augsburg und Regens­ burg zu gemeinsamem Vorgehen zu gewinnen. Hauptbeschluß war, daß in Bayern solange nicht gemünzt wird, bis die trotz aller Verbote neuerdings eivgedrungene „ringe" Münz aus dem Lande geschafft ist und der Gulden wieder auf Stand und Währung der guten Münze zurückgeht. Als Frist für die Verdrängung der ausländi­ schen schlechten Gepräge setzte man den 4. März fest; vom 4. bis 25. März sollten drei der neuen unterwertigev Pfennige für zwei alte Pfennige der Landeswährung, von Ostern bis Pfingsten (25. März bis 13. Mai) nur zwei schlechte für einen guten alten genommen werden, nach Pfingsten der Umlauf der fremden Pfennige ganz aufhören. Das gute alte Silbergeld wurde nun gehamstert und verschwand voll­ ends aus dem Verkehr. 1459 nahmen daher die Herzoge das Münzverbot still­ schweigend zurück und trafen ein neues Münzabkommen: wer weder Gold noch gute Münze hätte, könne die Untertanen, damit sie nicht unbezahlt blieben, in der ver­ rufenen Münze bezahlen. Sie sollte bis auf Widerruf auch nach dem 13. Mai als Bei-

Währung bestehen bleiben. Zwei schlechte sollten für einen guten alten Pfennig, 13 ß für einen ungarischen Gulden, 10 ß 20 für einen rheinischen Gulden gegeben wer­ den. Die Unzufriedenheit der notleidenden Bevölkerung wuchs und zwang zum Han­ deln. Am 23. September 1459 wählte die Bürgerschaft aus Rat und Gemeinde einen Münzausschuß von 36 Mann, der tags darauf beschloß, Herzog Albrecht zu bewegen, daß er bei der alten Münze bleibe oder mit der Landschaft Rat, Wissen und Willen eine beständige Münze schlage*). Ein neuer Feind erwuchs der bayerischen Währung im Schinder­ lingsgeld Österreichs. Seit dem Sommer 1459 ließ Kaiser Friedrich III. in Graz und Wiener-Neustadt in Masse schlechte, schwarze Pfennige und Kreuzer schlagen, die viel weniger Silber enthielten, als ihr Nennwert besagte, machte sie zur Zwangs­ währung in seinen Landen und, was noch schlimmer war, räumte seinen hochadeligen Gläubigern das Münzrecht ein. Diese bereicherten sich schamlos, indem sie Kupfer­ münzen ohne Silbergehalt als Silbergeld in Umlauf setzten. Seit Herbst 1459 lief in Wien schlechtes Silbergeld in solchen Mengen um, daß die Kinder zuletzt auf den Gassen damit spielten und die schlechten Pfennige von sich warfen. Die kaiserlichen Pfennige, die man im November 1459 ausgab, das Pfund für einen rheinischen Gul­ den, sanken auf 2, 4, 6 und schließlich auf 8 Pfund für den Guldens. Ihr Feingehalt an Silber, 1448 noch 0,219 g, hielt 1459 noch 0,068 g und fiel im Frühjahr 1460 bis auf 0,0121 g, sodaß 23040 Wiener Pfennige oder 720 Pfund aus der Mark Fein­ silber geprägt waren und der ungarische Gulden über 15 Pfund Wiener Pfennige galt3*).4 2 Die furchtbaren Rückwirkungen dieser heillose» Geldwirtschaft auf das Wirtschaftsleben in Bayern und München blieben nicht aus. Wie man sich in Augsburg erzählte, brachte man 1459 ganze Tonnen mit bösen Httingern, auf die kein Gepräge geschlagen war, nach München in die Münze und schlug Münchner Pfennige daraus. Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut ließ seit Sommer 1459 gleichfalls Schinderlinge schlagen und hatte sein reichlich Teil daran, daß das Ansehen der bayerischen Wäh­ rung verfiel. Am 5. Januar 1460 bestellte Albrecht III. den Münchner Bürger Hans Bart erneut als Münzmeister und beauftragte ihn, eine schwarze Münze zu prägen, das Pfund Pfennig mit 40,091 g, den Pfennig also mit 0,167 g Silbergehalt. Das wenige Wochen später erfolgte Ableben des Fürsten vereitelte die Durchführung des gewinnbringenden Planes. Statt dessen ließen seine Söhne Johann HI. und Sig­ mund noch schlechtere Münchner Pfennige schlagen, das Pfund mit 6,681 g, das Stück mit 0,0279 g Silbergehalt. Die neue Münze fand trotz ihres geringen Fein­ gehalts schnelle Verbreitung*). Die Münchner Schinderlinge und die gleich­ artigen fremden Gepräge führten zu einem bisher nicht gekannten *) R.P. 1459. 2) Anonymi „Chronicon Austriacum“ in Senkenberg, Selecta iuris S. 92—95, Franks. 1739. — Pez, Script, rerum Austriacarum II, 900. 3) Born S. 47Z. — v. Schrötter, Brandenburg-fränkisches Münzwesen S. 160. 4) K.R. 1460: Von 14481 % 3 Einnahmen waren 1813 U 6ß 24 von 6992 % 3^4^ Ausgaben waren 1191 % 5 ß 19 neue Münze, also ungefähr der 7. Teil des durch die Stadt­ kammer laufenden Geldes waren Schinderlinge.

Kurssturz der Pfennigwährung, der seinen Tiefstand im April 1460 erreichte. Der rheinische Gulden schnellte ebenso unvermittelt im Werte empor: 1459 in München von 6 auf 8V2 ß gestiegen, galt er am 5. März 1460 plötzlich 13V2 bis 17 Schilling, am 5. April 1460 sogar 18 Schilling. Diese rapide Entwertung der kursierenden Silber­ münze schädigte die städtischen Finanzen auf das Empfindlichste. An 1000 U H neuer Münze, die 1459 für voll übergeben worden, büßte die Stadt allein 452 tt, also fast die Hälfte ein. Der Sold der höheren städtischen Beamten, mit denen Goldzahlung ausbedungen war, schwankte nach dem Rechnungspfund zwischen weit verschiedenen Beträgen*), während niedere Bedienstete und Werkleute, die in Silbermünz bezahlt wurden, infolge deren verringerter Kauflraft zum guten Teil um ihren Werklohn betrogen waren. Hielt doch derselbe Münchner Silberpfennig in seiner verschiedenen Ausprägung von 0,0279 g bis zu 0,191 g Silber, der Schinderling also nur den 7. Teil des gewöhnlichen Pfennigs. Und trotzdem hielten die bayerischen Schinderlinge noch das Doppelte der kaiserlichen! „Und ward die Münz je länger, desto schlimmer und münzte man, je länger, desto mehr." Niemand wollte das unheilvolle Geld nehmen oder behalte», niemand seine gute Ware gegen schlechtes Geld verschleudern; jeder beeilte sich gegen Waren die schlechte Münze los zu werden. In vielen Städten war der Marktplatz fast leer, kein Getreide kam auf die Schranne; weder Brot noch Wein noch andere Lebensmittel wurden feilgeboten, obwohl alles überreich vorhanden war. Die Reichen kauften das hochwertige Vollgeld auf und legten es zurück; der Arbeiter und Handwerker mußte wohl oder übel als Lohn Schinderlinge nehmen, die jedermann gerne ausgab. Ein Gefühl trostloser Hoffnungslosigkeit packte den fruryben Mann, der rechtschaffen von seiner Hände Arbeit lebte. „Arme Leute mochten schier Hungers sterben", sagt Bur­

kard Zink in seiner Augsburger Chronik. Am härtesten getroffen warb der gemeine Mann: Arbeitete er den ganzen Tag um 10 bis 12 H Taglohn, konnte er am Abend für seinen Tagesverdienst nicht um einen Pfennigwert Brot kaufen. Zehrte einer beim Wirt und zahlte mit einem guten böhmischen Groschen, so gab ihm der Wirt zum Mahl noch obendrein 30 bis 40 H wieder heraus. Kaufte einer ein Paar Schuhe, gab man ihm 20 oder 30 H an einem Plaphart, also das Vielfache, was Mahlzeit oder Schuhe in normalen Zeiten kosteten, so hoch stand das gute ausländische Silbergeld im Kurs: ein alter Schweizer Plaphart oder ein guter böhmischer Groschen galt 50 bis 60 H. Die Städter mußten um Lebens­ mittel aufs Land gehen. In Regensburgs) kamen viele Kaufleute ins Geschrei, daß sie die gute Münze saigerten und einschmolzen, obwohl der Bayernherzog die Todes­ strafe darauf gesetzt hatte. „Eigennutz will die Welt verderben", sagt Burkard Zink, „jedermann suchet sein allafantz (seinen Schiebergewinn) und sein vorteil^)." Geldx) „Item 42 & 4 ß haben wir zalt dem pfenntermaister für 20 guld. rh. zu 17 ß neuer munss die quatember Reminiscere 60; man gab gold. — Item 15 & haben wir zalt dem pfenntermaister für 20 guld. rh. 6 ß die quatember Pfingsten anno 60 an münss." K.R. 1460. 2) Gemeiner, Regensburgische Chronik III, 288—290, 329.

3) Städtechroniken V, 222.

Wechsler zogen gewissenlosen Nutzen aus der Münzinflation, die „schalkhaftigen Kauft leute" setzten Schinderlinge ihres Gewinnes wegen ab, unbekümmert darum, „ob alls Unglück darein schlug". Die Münchner brachten die geringe Münze fässer­ weise nach Augsburg, wechselten Gulden dafür ein, einen schließlich um io t6 Münchner Pfennige, und führten sie nach Bayern aus, kauften Wein im Weinstadel, Safran, Ingwer und Gewürz von den Kaufleuten, Barchent, Golschen, Zwilch, Überzüge und Leinwand von de» Webern, kauften Häuser und alles, was feil war,

so daß die Preise stetig anzogen und die Augsburger Bäcker keine Hallerwerte mehr backen wollten*). „Da ist manig man mit verdorben und der ander reich worden." Bis niemand in Augsburg die bayerischen Schinderlinge nehmen wollte und der Augs­ burger Rat sie verbot. Nun sahen sich die Augsburger, welche Schinderlinge besaßen, ttm9/10 ihres Wertes betrogen. Abb. 23. Münchner Pfennig Nach dem Zeugnis des Augsburger Chronisten Johann des Herzogs Albrecht IV. Frank hatte neben dem Kaiser und neben Herzog Ludwig (1465—1508). dem Reichen „Herzog Hans von München" Schuld daran. daß man für einen rheinischen Gulden 10 ’M Münchner Pfennige bekam. Und vorwurfsvoll setzt er hinzu „und verderbten ir leut gar vast damit"9). Während die Chronisten von Augsburg, Regensburg und Wien übereinstimmend berichten, die Schinderlinge hätten schließlich nur V10 bis V12 ihres Nennwerts ge­ golten9), verlor man in München an ihnen nach Aventin nur ®/6 des Wertes^). Mochte die Entwertung des Schinderlings nach seinem Verruf im freien Handels­ und Geschäftsverkehr und besonders außerhalb Bayerns noch so groß sein, die Stadt München selbst hat sich durch sofortige strikte Durchführung des Schinderlingsverrufs vor höherem als dem zVrfachen Verlust zu sichern ge­ wußt. Am 7. April erließen die Herzoge für Oberbayern ein Münzgebot, daß nur die guten sechslötigen alten bayerischen Pfennige der Herzoge Ernst, Wilhelm, Albrecht 111., Heinrich und Ludwig des Reichen, sodann die Gepräge des Kurfürsten Friedrich und Bischofs Leonhard von Passau, alte Wiener und Augsburger genommen werden dürfen. Den Schinderling nehme jeder, wie er will; alle übrigen geringhaltigen Ge­ präge sind als gesetzliches Zahlungsmittel verboten. Den rheinischen Gulden mag man *) Städtechroniken XXV, 316. 2) Städtechroniken XXV, 320. 3) Nach Burkard Zink (Städtechroniken V, 113) stieg der Guldenkurs in München sogar auf das Ursache: „Nun merkt ieder menigclich, ob das nit ain so groß ding sei, als es ie gehört ist worden, daß man zum ersten die müntz geschlagen hatt auf 7 ß Mün­ chener, das ist uff unser werung g Vr für i st. und darnach hat geben 10 tt> Münchener für i fl., das ist unser werung hie zu Augspurg 40 dn." 4) „Da fuern etlich Burger, nämlichen die von Münichen, zue, gepoten, das man sechs Schinderling für einen alten Pfenning nemen folt. Da verlur der arm Man aber gros an, verlur alwegen an sechs Pfenningen fünf Pfenning, so tm für vol warn worden." Aventin, Sämtl. Werke V (1884), 592. — Leidinger, Johannes Aventinus u. die Münzkunde, Festschr. z. 6. deutschen Münzforschertrag S. 107, München 1929.

für 6 ß, den ungarischen und Dukaten für 7 ß 20 $ guter alter Münze nehmen; doch ist es gestattet Goldmünzen höher zu nehmen oder anzubringen. Was alle Münzver, ordnvngen der letzten Jahre vergeblich erstrebten, gelang über Nacht: die bedroh­ liche Aufblähung des Gnldenkurses in München abzustellen^), die in Masse umlaufende minderwertige Münze aus dem Land zu jagen und damit das Übel der Kupferinflation und Münzzerrüttung auf dem Münchner Geldmarkt mit der Wurzel auszurotten. Ihr Ende findet die mittelalterliche Silberwährung Bayerns mit der Münzreform Herzog Albrechts IV. vom Jahre 1506: Die auf Pfund und Pfennig aufgebaute Landeswährung wird auf den in Bayern als Landesmünze erstmals geprägten Goldgulden (zu 7 ß oder 210 H) als Rechnungseinheit umge­ stellt. Der Münzreform liegt die Ausprägung nach Wiener Mark zugrunde; 1H sollte 0,117 g Feinsilber enthalten. Mit dem Aufgeben des Rechnungspfundes ist in der Währungsfrage das Mittelalter abgeklungen, an Stelle desPfennigwertes tritt endgültig das Gold als gesetzliches Zahlungsmittel.

Maß und Gewicht. Maß- und Gewichtswesen «ar als unlöslicher Bestandteil des Marktrechtes aufs innigste mit der Ausübung des Zollregals verknüpft, seine einheitliche Regelung daher Aufgabe der öffentlichen Gewalt?). Zu Beginn des 14. Jahrhunderts brachte die Stadt dieses Recht zum Teil an sich, zum Teil ruht es noch in Händen der Herzoge, denen der Rat ihre letzten stadtherrlichen Rechte über Mass und Gewicht im Sinne des Ge­ meinwohls, in Rücksicht auf die Stellung der Stadt als Vermittlerin des öffentlichen Marktverkehrs zu entwinden trachtet. Am 10. Februar 1353 belehnt Markgraf Ludwig der Brandenburger München mit der landesherrlichen Fronwage; damit gelangt die Stadt in den vollen Besitz der Maß- und Gewichtspflege?). Der Rat tut alles, durch Überwachung und Prüfung der marktgängigen Maße auf ihre vorschriftsmäßige Größe Käufer und Verkäufer vor Betrug und Schaden zu bewahren. Das Stadtrecht bedroht jeden, der falsches Maß führt, mit 10 Schilling Strafe an Richter und Stadtkammer. Die Stadt hat eigene Mustergewichte und Mustermaße, das sogenannte Frongelöt und Fron maß, nach dem alle im städtischen Verkehr gebrauchten Maße und Gewichte geeicht sein müssen. Die Eich wird aufgebrannt. Das Eichgeschäft besorgen vereidigte Beauftragte der Stadt. An jedem Quatember 1) Nach Durchführung der Münzreform sank der rheinische Gulden auf ein Drittel. Am 4. Juni 1460 gaben die Kämmerer für ihn 6 ß, am 17. September 6 ß 4 und am 17. Dezember 6 ß 10 -S-,. 2) G. Küntzel, Über die Verwaltung des Maß- «. Gewichtswesens in Deutschland während des Mittelalters, Schmollers Forschungen XIII (1894). — Jnama-Sternegg, Wirtschaftsgesch. III, 2 S. 353—360. — Georg v. Sutner, Über die Verfassung der älteren städt. Gewerbspolizei in München von ihrem Entstehen bis zum 16. Jahrh., Abh. d. bayer. Akademie d. Miss. I I, 479, München 1813. — Heinr. Grebenau, Tabellen zur Umwandlung des bayer. Maßes u. Gewichtes, München 1871. — Noback, Taschenbuch der Münz-, Maß- u. Gewichtsverhältnisse, Leipz. 1850. 3) C. u. M. 15 fol. 14. — H.St.A. Privilegienbuch 25 toi. 223. — Denkmäler S. 549.

werden alle Privatmaße auf Frovzeiche« und richtige Eich geprüft. Außer dieser viertel­ jährlichen Beschau sieht das Stadtrecht verpflichtete „Anwieger" zum Fleisch und „An gieß er" ju Wein und Bier vor, deren Obliegenheit es ist, täglich auf dem Markt, in Häusern und Schenken sich einjufinden und die Waren, welche die Käufer holen, nachzumessen und nachzuwiegen, um sich von der Richtigkeit des vom Fleischer und Wirt gebrauchten Maßes und Gewichtes zu überzeugen. Die Wirte müssen überdies das vorgeschriebene Schenkmaß auf den Schanktisch stellen, so daß sich jeder Gast vom richtigen Einschenken überzeugen kann. Das Abwägen der Kaufmannsgüter geschieht in der Stadtwage durch den verpflichteten Wagmeister, die Abmessung des Ge­ treides in der Schranne besorgen die Korvmesser, das Abmessen der Lebensmittel Marktmesser, des Salzes eigene Salzmesser*). Das mittelalterliche Maß- und Gewichtswesen leidet unter der Zer­ splitterung und Vielheit der Maße; selbst die kleinsten Machtgebilde setzen ihren Stolz darein als Ausdruck ihrer Unabhängigkeit ortseigenes, selbständiges Maß und Gewicht zu behaupten und dieses wiederum entbehrt jeder Einheitlichkeit. Doch mit der Ausbreitung des Münchner Handels setzen sich Münchner Maß und Gewicht durch gegenüber den vielen örtlich verschiedenen Stadt- und Landmaßen, gegenüber dem verwickelten Wirrwarr von Ortsmaßen, das ringum gilt: Krater, Zuber, Kar, Kübel, Zarge, ©immer, Ohl, Jmi. Und doch ist der Schritt noch weit zum Einheitsmaß; sind doch die Maße in München je nach Beschaffenheit und Größe des meßbaren Stoffes verschieden und werden nicht immer zueinander als Teile oder Vielfache in Beziehung gebracht. So ist das Längenmaß für Tuche die Elle, für Steine und Bauten die Rute. An Hohlmaßen wird geschieden zwischen Trink-, Getreide-, Salz- und Kalkmaßen. Als zweiter Übelstand kommt hinzu die Veränderung

im Inhalt der Maße, sie haben die unverkennbare Neigung kleiner zu wer­ den. Dieselbe Bezeichnung bedeutet im Zeitraum von zwei Jahrhunderten verschiedene Größen. Aus Anlaß der Einführung des städtischen Weinungelds lassen die Herzoge Ernst und Wilhelm am 24. November 1403, um die Erhebung der neuen Verbrauchs­ steuer der Bürgerschaft weniger drückend erscheinen zu lassen, den Münchner Stadt­ eimer, nach dem die Weinwirte kaufen, um 2 Maß größer, alle Schankgefäße und Kannen aber, mit denen sie ausschenken, um V15 kleiner machen?). 1420 erfahren die Schankmaße erneut eine Verkleinerung?). 1405 bestimmt der Rat, daß das Mut Kalk 4, statt wie bisher 5 Fässer halten soll.

Für die Wägungen von Waren hat München zweierlei Gewichtseinheiten, „Gelöt" genannt: das „Silbergelöt" für Edelmetall, Gold, Silber und Perlen, das mit dem Edelmetallgewicht des Münzmeisters übereinstimmt, und das gewöhn­ liche Handelsgewicht, das „Kramgelöt", welches die Schwere von zwei SilberT) Auer, Stadtrecht Art. 280, 329, 338. — Denkmäler S. 193f., 199, 209, 243f., 411, 414, 450. — Vgl. das Kapitel „Städtische Gebühren". 2) Mon. Boica 35/II S. 253. — Vgl. das Kapitel „Steuer und Schankungeld". 3) C. u. M. 10 fol. i4v heißt es von den neuen Weinschenksätzen: „die wurden gemacht und er­ funden, do man das kandell klayner machet und den aymer. das geschach anno 20."

gelöten hat^), auf der städtischen Fronwage geprüft wurde und aus Eisen bestehen mußte. Münjgewicht (Silbergelöt) ist die Mark Silbers ju 224,515 g, gerechnet zu je 4 Vierdung (zu 56,128 g) oder 8 Unzen (zu 28,064 g), gleich 16 Lot (zu 14,032 g) oder 64 Quent (zu 3,508 g). 5 Münchner Lot sind gleich 4 Wiener Lot: Die Münchner Mark ist die kleinste, ihr nahe verwandt die Kölner Mark mit rund 233,8 g; die Wiener Mark mit 280,644 g die größte in Deutschlands. Am 13. Juli 1391 führen die Herzoge Stephan und Johann im Einvernehmen mit der Bürgerschaft als Silbergewicht der Stadt München die schwerere Regensburger Silbermark ein, die wie die Mark von Troyes 246,144 g hielt, und verordnen, daß sie fürderhin „unser Stadt München Ge­ wicht" heißen soll»). Diese Anordnung hatte aber nur bis zum Jahr 1400 Bestand; man griff wieder auf die alte Münchner Mark zurück. 1458 wurde sie zugunsten der Landshuter Mark (= 249,46 g) aufgegeben ^), obwohl man im Volke nach dem alten Gewicht rechnete. Gewichtseinheit des Handelsgewichts („Kramgelöt") ist die Verdoppelung des Münzgewichts (Silbergelöts), das Pfund zu 449,03 g — seit 1458 498,92 g — und das Hundertfache, der Zentner. Fleischhacker, Weber und Lodenmacher dürfen nur geeichte Eisengewichte haben, Mengen unter 8 Pfund nicht mit Steingewichten gewogen werden. Beim Wiegen der Wolle sollen auf den Zentner 4 Pfund Übergewicht treffen»). Das Ver­ hältnis des Münchner zum Wiener Pfund») — nach der Kammerrechnung von 1420 ist es 1:1,15 — stimmt mit den Angaben eines Tegernseer Mönches aus dem Jahre 1505, wonach das Wiener um 5% Münchner Lot schwerer ist als das Münchner Pfunds. Rach derselben Quelle war i. I. 1505 der Nürnberger Zentner um 5 Pfund Münchner Gewicht schwerer als der Münchner Zentner.

Venedig hatte dreierlei Gewichtseinheiten, sämtliche als Pfund bezeichnet: ein Pfund für Edelmetalle, das Gold- und Silbergewicht, ein anderes (Kleingewicht) für feinere Waren wie Gewürze, Südfrüchte, Pulver, Seide, endlich das Grob- oder Groß­ gewicht für unedle Metalle, Zinn, Blei, Kupfer, Stahl, Eisen, Messtngdraht, Pech, Schwefel, Fleisch, Feigen, Kastanien, Ql, Johannisbrot, Fische, Flachs, englische x) „und füllen ie jwai silberglöt für ain chramglöt geben." Auer, Stadtrecht S. 281. — Denkmäler S. 188. 2) Lori, Münzrecht I, 109. — Beierlein I, Einl. S. 10. — I. V. Kull, Die Münzgewichte, Alt­ bayer. Monatsschrift 1907 S. 45s. — Die Kölner Münzmark galt auch für teure Gewürze. Kuske, Jahrb. des Kölnischen Geschichtsvereins 17 (1935) S. 113. 3) C. u. M. 15 fol. 41V. — Mon. Boica 35/II S. 165. — Lori, Münzrecht 1,23. — Jesse S. 102. 4) Lori, Münzrecht I, 57. Die Nürnberger Mark hatte 237,59 g, die Tiroler 252—254 g. 5) Denkmäler ©. 200, 219. 6) Nach einem in den Wiener Sammlungen erhaltenen mittelalterlichen Zehnpfundgewicht war das Wiener Pfund 555,8 g. Karl Schalk, Zur Gesch. der älteren Wiener Maße, Wien 1887. 7) „38 centen kupfers und 31 y2 & kupfers Municher gewichts ..., dez kupfers waz Wieners gewichts 33 centen 20 &." K.R. 1420. — „Item ain Wienisch pfund ist 5% Mönchisch lot schwärer, dann ain Munchisch pfund. Item der groß centen zu Venedig ist villeicht an zway & 1 Muncher centen. Item der clain zenten zu Venedig trifft pey 61 oder 62 Muncher gewicht." Clm. 22 fol. 261. Elsas I, 237 errechnet das alte Münchner Pfund Handelsgewicht vor 1554 mit 480,93 g.

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Wolle, Elfenbein*). Der Zentner des gemeinen Venediger Handelsgewichts ist un­ gefähr 98 Münchner Pfund, des feinen Warengewichts 61—62 Münchner Pfund. Beaufsichtigung und Eichung des Gold- und Silbergewichts war einem vereidigten Goldschmied anvertraut, dem Stadtgoldschmied oder Fronwieger für Gold und Silber, der zugleich das Recht hatte, die umlaufenden Münzen nachzuwiegen und auf Echtheit und Vollwertigkeit zu prüfen. Wechslern, Krämern und Tuchhändlern („Tuchmanger"), die früher auch Gold und Silber wogen, wurde diese Tätigkeit ausdrücklich untersagt?). Die Aufsicht über alle anderen städtischen Wagen und Gewichte führte ein Schmied, der Stadt Wagpfächter?). Zu Georgi 1425 werden alle im Stadt- wie Privatbesitz befindlichen Gewichte unter Mit­ wirkung eines Ratsausschusses, des Münzmeisters Peter Giesser, des Goldschmieds Ludwig Eisenmann, Dietrich Starich, Heinrich Glockengießer und des Stadtgoldschmieds Meister Niklas neu geeicht. Der Wagpfächter hatte an Ge­ wichten gegossene Glöckel von 1/28 3bis 4 * 10 Pfund inne; das städtische Silbergewicht bestand in „16& kramgewichts" und „32 mark (Übergewicht"*). Um das Pfund- und Silbergewicht der Stadt zu eichen, ließ der Rat 1429 den Augsburger Abb. 24. Rotschmied Meister Ulrich nach München kommens. Lagel, Wein- oder Salzfaß. Die Bezeichnung Pfund begegnet uns in München im Nach dem Wavpen der Familie Pütrtch im Totenbuch der Barfüßer­ Unterschied vom Gewichtspfund auch als Zählpfund. mönche. Mit dem Gebrauch des Münzpfundes, einer Stückzahl von 240 Pfennigen, bürgert sich das Wort Pfund für 240 Stück überhaupt ein; be­ sonders häufig begegnet in de» Zollrollen das „Pfund Schin" für 240 Stück Eisenstäbe oder ¥> Pfund Scheiben für 120 Stück Scheibensalz. Die Saumtierlast bei Stoffen war der Saum von 4 Zentnern = 20 Tuchen. Längenmaß ist für die verschieden breiten Tuche die Elle zu 0,833 m6).7 Ein „unbereitetes" Tuch, das ganze Stück („Trumm"), sollte 52, ein „bereitetes" — dem der Tuchscherer den Preßglanz genommen hatte — 45 Ellen haben'). Das Stück Bar­ chent mißt 18, das Barchenttuch 22 Ellen. 45 Barchenttuche, zu je 22 Ellen, geben ein x) Cgm. 4032. — Nagl, Die Goldwährung u. handelsmäßige Rechnung im Mittelalter S. 143« 2) Cgm. 296 fol. 83; 2155 fol. 63V. 3) Ein Gewicht von 32 Mark wurde bereits 1342 für die Stadt angeschafft, im Rechnungsjahr 1398/99 um n ß 5 eine neue Silberwage, obwohl der Stadtgoldschmied Paeler bereits zwei Silberwagen besaß. Eine Goldwage mit eingesetzten Gewicht von zwei und einem Gulden wurde 1400 zu Salzburg tim 6ß 10^ gekauft. — Seit 1482 erhält Stadtgoldschmied Rulein als Betreuer des städtischen Silbergewichts 1 U $ Quatemberbezug. 4) K.R. 1424. — Der Stadt Zinsbuch 1388 fol. 22. — Saalbuch 1443 fol. 17 v. 5) „Item 6ß $ haben wir geben meister Ulrich dem rotsmid, der von Augspurg her komen ist, ze lon, das er der stat pfundgewicht und auch der stat silbergewicht rayntlich gepfaecht hat, und das die stat innen hat in ir kammer unnd das auch der Grayspaich goltsmid." K.R. 1429. 6) Grebenau S. 9. — Nach 1500 maß die Münchner Elle 80 cm. Alft. Weitnauer, Venezian» Handel der Fugger S. 166, München 1931. 7) Cgm. 290 fol. 84V; 2155 fol. 64. — Denkmäler S. 224, 276.

Fardel. Tuche aus Regensburg haben 44 Ellen, aus Arras 34, aus Mecheln 30, das Stück Bettbezug 28 Ellens. Der Münchner Zwilch, ein beliebter Ausfuhrartikel nach Venedig, faßt 70 Ellen?).

Nach alter Gewohnheit sollen die Schindeln eine Elle lang sein. Schindelhaufen werden nach dem im Rathaus geeichten, eisernem Maß an der oberen und unteren Lände gekauft?). Für Bauten und Steine ist das natürliche Maß der Schuh. Die Länge des Münchner Werkschuh, wie er auf den in Köln und Frankfurt erhaltenen mittelalterlichen Schützenbriefen ausgezeichnet ist, beträgt 26,9 cm4*).5 26 3Nach 7 abwärts besaß der Schuh an Gliederungen den Zoll — genauere Angaben, ob 10 oder 12 Zoll, fehlen für München — nach aufwärts die Rute zu 13 Schuh, doch keinen zu großen Bauernschuh: „ye ain rüt hat 13 schü, doch nicht ain ze grossen paurenschü"?). Danach beträgt die Rute 3,51 m. Über die Flüssigkeitsmaße war ein Zinngießer gesetzt, der alle von Bürgern, Weinschenken und Leitgeben verwendeten Kannen und Trinkgeschirre mit dem Stadt­ zeichen zeichnen oder brennen mußte. Die gebräuchlichsten Schankmaße waren der Eimer zu 60 Maß oder 120 Trinken, welch letztere in der älteren Zeit als 120. Teil des Eimers — der Hälfte des Zählpfundes — „Halbpfunder" genannt wurden. Die Preissatzuvgen des Weines in den ältesten Ratssatzungen, den „consules“, niederge­ schrieben spätestens 1314/15, kennen als gesetzlich geschütztes Schankgefäß für Wein, Met und Weizenbier nur den Halbpfunder und bestrafen das Führen eines anderen Maßes. Noch 1402 verausgabt die Stadtkammer 36 Pfennige „umb zwen kupfrein halbe» pfuvder, das man all kandeln nachmessen sol"°). An die Stelle des Halbpfunders tritt um die Mitte des 14. Jahrhunderts als Schankgefäß für den Ausschank vom Zapfen der „Fünfschillinger", ein Flüsstgkeitsmaß ungefähr gleicher Größe (Visa Eimer). 32 Eimer bilden wie in Wien ein Fuder (carrata, plaustrum), das größte Hohlmaß für Getränke, was ursprünglich eine Wagenlafi Heu, Sand, Salz, Wein, dann ein großes Faß Wein oder Bier bedeutete. 24 Eimer bilden einen Dreilings). *) Cgm. 740 fol. 12 v. 2) Cgm. 4032 fol. iv, 24v, 57. ML der kurzen Venediger Elle wurden Brokat, Seide, Damast, Atlas, mit der langen Venediger Elle Tuch, Taffet, Zendal, Teppiche, Loden, Leinwand und Bar­ chent gemessen. 3) Denkmäler S. 218, 224, 276, 447. 4) Als Kurfürst Karl Albrecht die Maße i. 1.1730 vereinheitlichte, hält der Münchner Schuh 29,186cm, nach einem, wohl infolge Schrumpfung verringerten, papiernen Modellschuh im Kreisarchiv München nur 28,7 cm. Jos. Amann, Das bayerische Kataster S. 141—147, Stuttg. 1920. 5) K. R. 1425. 6) C. u. M. 7 fol. 25V u. 7v: „und swer ein ander beslagen mas niur den halben pfunder, der geit judici 12 H." C. u. M. 8 fol. iov. — K.R. 1402/03 fol. 86v. — Städtechroniken XV, 522. — Denk­ mäler S. 192, 414, 425. 7) Das österreichische Fuder hält 25 Münchner Eimer. Das Tiroler Fuder zerfällt in 8 Urn (urnae) und 40 Viertel (quartales); das Viertel in drei Krüge (crate ra). Das Bozener Weinmaß von 8 Urn galt in München 8% Eimer und 8 Maß; die Urn hatte in München i Eimer 8 Maß oder 72 Maß, war also größer wie der bayerische Eimer. Clm. 22 fol. 216; 740 fol. 13. — K.R. 1325/46 fol. 85v.

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Der Visiereimer und der Eimer Bier enthielt 64 Maß (= 68,417 Liter), die Maß 1,069 Liter; der Schankeimer, das gewöhnliche Wein- und Handelsmaß nur 60 Maß oder Kannen (= 64,14 Liter)*). Der vielgebrauchte Name für kleine Flüssigkeitsmaße ist Kandels. Sie konnte verschiedene Größen fassen, ein, zwei oder zweieinhalb Maß. Die Kanne Wein faßt vor 1420 zweieinhalb, nach 1420 zwei Maß. Das Münchner „Lagel", ein mit Bolzen verschlossenes Fäßchen, die horizontalen Dauben durch Reifen zusammenge­ halten, fand als Reise- und Jagdfäßchen Verwen­ dung. Seine Münchner Form kennen wir aus dem verschiedenartigen Wappenbild der Tulbeck und Pütrich. Es dürfte, nach den Münchner Ungeldsätzen zu schließen, bis zu 50 Maß gefaßt habens. Bei den G e t r e i d e m a ß e n bestand eine geradezu phantastische Vielgestaltigkeit. Überkommen

und übernommen aus der Zeit der alte» Grafschafts­ gerichte, Grundherrschaften und Klostersiedlungen hatte fast jedes Landgebiet sein eigenes Getreide­ maß, sehr oft verschieden nach Getreidearten, nach Abb. 25. Die Pütsche (Salzkufe) schwerer oder leichter, rauher oder glatter Frucht, Wappen der Famtlte Pötschner und seit 1490 Wasserreichen ihrer Papiermühle. Clm. 3001. nach Art und Weise der Einfüllung, ob scharf oder lässig abgesirichen oder gehäuft*). Das Ansehen des Stadtmaßes verdrängt langsam aus Münchens Umkreis die unendlich vielfältigen, mit dem gleichen Namen die doppelte, ja g- und 4 fache Menge bezeichnenden Maße, die Hof-, Vogt-, Burg-, Kasten-, Urbar-, Dienst-, Los- und Marktmaße. Das größte, bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts in München geltende Getreideund Trockengutmaß, ist das Mutt, das auf ein von Karl dem Großen 794 durch ein Kapitular auf den kaiserlichen Pfalzen eingeführtes Normalmutt zurückgeht. Aus der Abstufung des Messerlohnes für Mutt, Schaff (scafa) und Scheffel (Schäfflein) dürfen wir folgern, daß das Mutt etwa zwei Schaff oder 4 Scheffel T) Noback, Taschenbuch S. 696. — In Regensburg waren zu Ausgang des Mittelalters vier Eimergrößen gebräuchlich: Der Eimer schlechthin hielt 60, der Visiereimer 64, der Bergeimer für Landwein 68, der „lange Eimer" für fränkische und schwäbische Weine 88 Köpfel (zu 0,83 Liter). Das „Lagel" hatte in Regensburg 7 Köpfel. Hans Dachs, Zur Gesch. des Weinhandels auf der Donau, Verh. des histor. Vereins der Oberpfalz 83 (Regensburg 1933) S. 50s. 2) K.R. 1418: „schanckwein 48 kandell facit zwen amer weins." 3) Die oberdeutschen Lägel im Museum für deutsche Volkskunde Berlin, wie wir sie heute noch in Tirol und Südtirol im Gebrauch sehen, hatten verschiedene Größen. Abgebildet im Repertorium f. Kunst­ wissenschaft 51 (1930) S. 163. 4) Kalchgruber, Zur Gesch. der Getreidemaße in Bayern, Zeitschr. des landwirtschaftl. Vereins S. 334—343, München 1886. — R. Oberarzbacher, Getreidemaße im rechtsrheinischen Bayern zu Beginn des 19. Jahrh., Zeitschr. f. Vermeffungswesen, S. 468—474, 564—571, 629—634, Stuttg. 1935. — Bei Einführung des Einheitsmaßes i. 1.1809 bestanden im rechtsrheinischen Bayern 480 verschiedene Getreidemaße; nach der Instruktion vom Jahre 1811 waren 6 Metzen Korn gleichzusetzen 4 Metzen Weizen oder Kern, 8 Metzen Gerste und 12 Metzen Haber oder Fesen. In einem Landgericht hatten noch im 19. Jahrhundert 3 bis 5 verschiedene Getreidemaße Geltung.

HE). Wenn das Mntt in seiner Größe gleich blieb, faßte ein Mutt etwas mehr als 4 Münchner Scheffel?). Ein Dachauer Vogtmutt faßt i. I. 1298 6 Münchner Metzens. Ein zweites altes, in der Münchner Gegend besonders heimisches Getreide­ maß ist das Galvai (Galfe). Das Münchner Kastenmutt hielt laut Stiftungsbrief der Herzogin Agnes ans Klarisstnenkloster am Anger aus dem Jahre 1298 in den heute eingemeindeten Vororten Sendling und Thalkirchen 3 Galvai Forsthaber*). Das Habermaß hatte als rauhe Frucht allerdings eine über das gewöhnliche Kornmaß hinausgehende Größe. Nach der Amtsrechnuvg des herzoglichen Kastners Scharfzahn vom Jahre 1478 faßt ein Münchner Galvai Hafer 2 Münchner Metzen („tuet ain galva 2 Muncher metzen"), ein Galvai Roggen oder Gerste Wolfratshauser Maß etwa 3 Münch­ ner Metzen („tuet ain galva bej dreyn Münchner metzen"), Hafer Wolfratshauser Maß etwa 3V0 Münchner Metzen („tuet ain galva bej 3 V» Münchner metzen")"). Der Münchner Scheffel ist bis 1809 Maßeinheit und hielt für Weizen, Roggen und Gerste 6 Metzen, für Haber 7 Metzen. Im Jahre 1305 rechnet man laut Saalbuch des Hochstifts Freising 5 Freisinger Metzen hartes Getreide oder 5 Metzen 3 Vierling Freisinger Habermaß auf einen Münchner Scheffel"). Der Bruckmetzen des Zöllners an der Jsarbrücke sollte nach der ältesten Ratssatzung nicht mehr als ein Viertel des Münchner Galvai fassens. Als Teilmaß des Metzens erhielt der Marktmeffer 1438 von der Stadtkammer ausgehändigt: Viertel, Halbvierlinge und Dreißiger. Die Getreide- und Trockengutmaße gliedern sich dfo9): Ein Mutt (= 890 Liter) = 2 Schaff9) = 4 Scheffel (zu 222,36 Liter) = 12 Galvai (zu 74,12 Liter) — 24 Metzen.

Der Metzen (= 37,06 Liter/") hielt 2 Viertel (der vierte Teil eines Galvais) oder Bruckmetzen (^ 18,5 Liter) = 8 Vierling oder Maß! (zu 4,6 Liter) = 16 halbe Vierling") T) Denkmäler S. 233, 451. 2) Um 1750 machten 30 Mutt Gerste Münchner Maß 128 Scheffel 3’/, Metzen. Staatsbibliothek, Oefeleana 308/2* 3) H.St.A. Dachau Ger.Urk. 1358. 4) „siben chastmut, der ie der mut tut driu galbet Müncher masses." Mon. Boica XVIII, 30. 6) St.A. Landshut, Kastenawtsrechnung 1478. 6) H.St.A. Hochstift Freising Lit. 7, Innenseite des Einbanddeckels: „Ain Münchener scheffel an herttem traid thut hie 5 wetzn." „Münchner scheffel an Habern thut hie 5 wetzn 3 Vierling." 7) C. u. M. 7 fol. 28V „der prugkmätz sol nicht merer sein dann ain viertail von einem rechten galvay". — Denkmäler S. 236. — St.A. Zollbüchlein 1488 fol. iov. Der Bruckmetzen war besonders Obstmaß und wurde gestrichen gemessen. 8) Dgl. Bayer. Regierungsblatt 1809 S. 424; Dirr, Denkmäler S. 772, 800, 878, 881, 886, 934. — Elsas, Gesch. der Preise und Löhne in Deutschland 1,142s., 214, Leiden 1936. 9) Das Mutt zählte im Chiemgau 7, in Eichstätt 12, im Bayerischen Wald 20, im Donautal und an der Jsarmündung 30 Metzen. Das Schaff rechnete man für jedes Getreide in Augsburg zu 8, in Landshut zu 20 Metzen; in Regensburg für schweres Getreide zu 32, für Hafer zu 56 Metzen; in Ingolstadt für Roggen und Weizen zu 48, für Gerste zu 52, für Hafer zu 54 Metzen. Angesichts solcher Zerfahrenheit in den Maßen, bei der widerspruchvollste Willkür zur Regel wurde, ist höchste Vorsicht in der Umrechnung der alten Maße am Platze. 10) Wenn wir seine Größe im Mittelalter als beständig annehmen dürfen, da bis zu seiner Einfüh­ rung als altbayerisches Einheitsmaß 1809 keine Änderung bekannt ist. Nobak S. 696. Der alte Wiener Metzen war gleich 42,28 Liter. n) H.St.A. Salzburg Hochstift Lit. 268 fol. 98—99V.

HO

oder halbe Maß! = 32 Dreißiger (1,158 Liter) oder 34^/z Maßkannen (jn 1,069 Liter). Fragner nnd Obsthändler hatten die kleinen Hohlmaße, die sie verwendeten, bei Obst aufgehäuft ju messen. Das Aufmaß war bei Obst wie bei Hafer und Kalk herkömmlich. Die älteste Bestimmung über das Saljmaß besagt, daß ein Fuder Salz 4 Galvai halten foß1).2 3Später 4 * 6 7 rechnete 8 man nach Unsäld, eine Wagenlast von 14 Galvai oder 28 Metzen Salzes«) und nach Krötel, eine Art Korb oder Salzfaß, das drei, später 3¥2 und zuletzt vier Scheiben hält; 34 Krötel bilden ein Gut Krötel«). Ein Abguß des alten kupfernen Münchner Krötelmaßes wurde 1472 auf die Forderung Ludwigs des Reichen hin nach Reichevhall übermittelt. Der Fürst führte Klage darüber, daß die Münchner das Krötelmaß nicht mehr abstreichev, sondern gehäuft nehmen, so daß jetzt 3 ¥2 Scheiben in ein Krötel gingen, während man dasselbe an allen Zollstätten nur für 3 Scheiben verzolle*). Nach der Ordnung des Krötelmaßes durch die Herzoge von München und Landshut i. 1.1491 geben 27 Viertel 1 Maßel Reichenhaller Wein­ maß einen Metzen Salz; 7 Metzen ¥2 Vierling — deren letztere 16 auf einen Metzen gehen — sollten wie i. 1.1472 ein Krötelaus machens. Die „Asch" genannten Salz­ schiffe waren so groß, daß nach der Laufener Schiffahrtsordnung des beginnenden 15. Jahrhunderts 10 Schiffer sie fuhren«). Sie faßten 40 Putschen (Salzfässer)'), diese 5 Scheiben. Gestalt und Aussehen der Münchner Pütsche hat sich im Wappenbild der Pötschner erhalten.

Kalkmaß war das Mutt Kalk, das fünf, seit 1405 vier Fässer oder Scheffel Kalk enthielt. Der Rat der Städte Tölz und Landshut erbat sich vom Münchner Rat die Zusendung des neuen Kalkmaßes, damit die Änderung des Maßes einheitlich vor sich gehe. Die Stadtverwaltung ließ deshalb i. I. 1405 vier Kalkscheffel fertigen, von denen eines nach Landshut, das andere nach Tölz geschickt wurde, während man zwei in München zurückbehielt. Alle Kalkkretzen sollten einen ganzen Mutt haben zu vier aufgehäuften Scheffeln«). Für die Ziegelsteine bestehen als öffentliches Richtmaß eigene Fronmodelle im Verwahr der Stadtkammer«). x) Denkmäler S. 209, 211. 2) Saalbuch 1443: „Item ain gantze unsald oder ain ganczer karr sol haben 28 meczen salezs Müncher eingeworffens maß." — H.St.A. Zollordnung 1470 fol. 5: „ist allweg ein galven zwen metzen." 3) Zollbüchlein 1488 fol. 2 und Saalbuch 1443 fol. 22V: „so ist vier und dreyssig krottel ain gut krottel und stbenzehen krottel ain Halbs gut krottel." 4) Neuburger Kopialbuch 18 fol. 158V—160. 6) Salzburg Hochstift Lit. 268 fol. 98—99V: „geet in yeden metzen sibenundzwanntzig vierteil und ain messl Reichenhaller weinmaß..." „auch so sollen der obgemelten metzen fürbas siben und ain halber Vierling, der sechsehen in der berürten metzen amen geen, gestrichens maß zu Hall in ain krotl gemacht und darnach zu München durch den geswornen Messer auf die Galfaleue (?) ungeverlich gemessen, geraidt und bezallt worden." 6) R. von Loehr, Oberbayer. Archiv 60 (1916) S. 198. 7) H.St.A. Dachau GU. 1607, 1610. 8) St.A. Urkunden Missive 1405. — K.R. 1404/06 fol. 88. 6) C. u. M. 5 fol. 26. — Denkmäler 533s.

Als Sandmaß gilt die Trage Sand, gleich einem gehäuften halben Galvai; i2 Tragen ergeben eine Kretze.

Die Kaufkraft des Geldes. Um ungefähre Wertvorstellungen der in Münchens mittelalterlichem Wirt­ schaftsleben vorkommenden Wertbegriffe zu wecken, erweisen sich Preistabellen als Notwendigkeit. Ein Versuch, aus den Angaben der Stadtrechvungen den Unterschied in der Kaufkraft des mittelalterlichen Geldes zur Währung der Gegenwart zahlen­ mäßig genau festzustellen, scheitert an der Unmöglichkeit einen für alle Zeiten gültigen Wertmesser zu findens. Zudem fehlt in vielen Fällen die gesicherte Grundlage für die verlässige Übertragung von Maß und Gewicht auf gemeinsame Einheiten der Gegen­ wart. Geld selbst ist eine Tauschware, die im Verlauf der Jahrhunderte je nach ihrem Feingehalt an Edelmetall, aber auch je nach ihrer örtlichen Gebundenheit als Landes­ währung Wertschwankungen ausgesetzt war. Die Anpassung des allgemeinen Preisund Lohnstavdes an den Metallwert neuer Gepräge erfolgte nicht immer sogleich, sondern oft erst im Zuge allmählich fühlbarer Rückwirkungen des Auslandshandels auf den Münchner Silbermarkt. Ein gemeinsamer deutscher, ja mitteleuropäischer Wertmesser ist der rheinische, ist der ungarische Gulden und der italienische Dukaten. Geben Pfund und Pfennig uns ein getreues Spiegelbild des Münchner Preisstandes und der örtlichen Preisschwankungen innerhalb der letzten Jahrhunderte des Mittelalters, so setzt der Goldgulden die Münchner Preisgeschichte in Vergleich zum übrigen Deutschland und zum Ausland. Die heute ausgeprägte Reichsmark enthält 2,5 g Feinsilber. Der höchste und geringste Wert des Pfundes Münchner Pfen­ nige in unserem Zeitraum ist i. I. 1300 mit 112,256 g Feingehalt gleich 44,9 Reichs­ mark und 1500 mit 45,922 g gleich 18,36 Reichsmark. Ein alter Münchner Pfennig hatte demnach 1300 den Silberwert von 18,7 Pfennig der heutigen Währungsmark. Freilich ist dieses Wertverhältnis nicht maßgebend, der Kaufwert des Geldes war in München um 1224 wohl 12- bis 15 fach, im 14. und 15. Jahrhundert 10- bis 6 mal höher als heute. Wenn wir vom rechnerischen Standpunkt aus die bald steigende, bald sinkende Kaufkraft des Geldes ins Gebiet geschichtlicher Anschauung verlegen wollen, genügen wenige, aber gemeinsame Wertmesser, weil allzu viele Einzelheiten die große Linie verwirren und verdecken. Wir verweisen zweckmäßig auf die Jahres-, Quatemberund Wocheneinkommen der städtischen Beamten, Bediensteten und Söldner in den Kapiteln „Beamtentum" und „Kriegswesen", auf die Lohnsätze der gelernten und ungelernten Arbeiter, der Bauhandwerker und Taglöhner im Kapitel „Bauwesen", weil ihr Einkommen nicht bloß die Lebenshaltungskosten, Wohnung, Kleidung und H. Grote, Die Geldlehre S. 4—9, Leipz. 1865. — L. Keller, Zur Gesch. der Preisbewegung in Deutschland 1466—1525, Jahrb. f. Nat.-Ökonomie u. Statistik 18/1 S. 181—207, Jena 1880. — Andreas Walther, Geldwert in der Geschichte, Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. X, 1—52, Stuttg. 1912. — Röhrig (Hansische Beitr. S. 224, 1928) vervielfacht seine Lübecker Zahlen, um einen ungefähren Begriff vom heutigen Wert zu geben, mit 50!

Nahrung ganzer Berufsgruppen der Mittelschicht, sondern auch der ärmsten und ein­ fachsten Haushaltungen, den Mindestlohn für die bescheidenste Lebensnotdurft umfaßt. Die Rentkäufe aus der Stadtkammer und kurz- und langfristige Zinssätze im Kapitel „Schuld und Kredit" und die Einkäufe ins Spital und Angerkloster im Kapitel „Wohl­ fahrtspflege" vermitteln uns einen Begriff vom Soll und Haben des mittelalterlichen Rentners. Als besonders geeignete, weil zu jeder Zeit unentbehrliche Werte, erweisen sich außerdem die notwendigsten Lebensmittel, Speis und Trank, Brotfrucht und Ge­ treide. Das gegenseitige Verhältnis dieser wichtigsten Wertträger, ihre höhere oder ge­ ringere wirtschaftliche Wertung bringt die sinkende oder steigende Kaufkraft des Geldes scharf, treffend und deutlich zum Ausdruck. Kennzeichnend für das Münchner Wirtschaftsleben im Mittelalter ist wie allerwärts die abnehmende Kaufkraft des Geldes, die sich im Geldpreis der markt­ gängigen Waren, in einer gleichmäßigen, zeitweise von Störungen unterbrochenen Steigerung der Preise vom Anfang bis zum Schluß unseres Zeitraumes äußert, selbst wenn man in Erwägung zieht, daß die mit fortwährend geringerem Feingehalt ausgebrachte Münze eine Verteuerung der Waren notwendig im Gefolge haben mußte. Eine billige Preisgestaltung wurde durch die städtische Handels- und Gewerbegesetz­ gebung begünstigt. Geleitet vom kanonischen Wucherverbot und vom Gedanken eines ehrbaren bürgerlichen Gewinnes, erließ der Rat, um Preistreibereien und übermäßige Teuerungen zu vermeiden, zahlreiche Preissatzungen für Waren und Arbeitslöhne, welche auf die Preisbildung ausgleichend wirkten und den Bürger vor gewinnsüchtiger Ausbeutung durch Großhandel und Unternehmertum wie unberechtigten Forderungen der Arbeiterschaft schützten. Als die Schneider 1441 für ihre Arbeit zu hohe Löhne fordern und selbst die „gnädigen Herrschaften bei Hof" darüber klagen, setzt der Rat ihren Werklohn fest: Ein seidener Herrenrock oder Mantel, eine seidene Joppe oder ein seidener Frauenrock je i N H, eine schlechte Joppe 38 H, eine Pelzkappe (zottige

Kappe) i6H, eine schlechte Kappe 10 ^i1).2 Den Handwerker wie den Arbeiter schützte in der älteren Zeit das Verbot der Akkordarbeit („Fürgeding") vor rücksichts­ loser Ausbeutung. Später scheint diese Bestimmung in Vergessenheit geraten zu sein, da der Ziegelmeisterknecht Michel 1490 mit der Stadtkammer vereinbart, mit 18 Ge­ sellen den Bleichbach „fürgedingweise" zu räumens. Der Taglohn des Müllers be­ trägt i. 1.1490 bei Tag 10 H, in der Nacht 6^3).4 Die an die Stadtkammer gezahlten Strafgelder sprechen dafür, daß die Bestimmungen der Preissatzungen auch schonungs­ los zur Durchführung gelangten. Eine Ratssatzung aus dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts über die Ver­ pflegung der im Einlager Liegenden verfügt, daß die Wirte den Knecht täglich um 8 H, den Ritter und Herrn um 12 in der Fastenzeit um 12 bzw. 16 H verpflegens. x) Mertl S. iio. 2) K.R. 1490. — Denkmäler S. 479. 3) K. R. 1490 fol. 30v. 4) „Es süln auch die gastgeben in der vasten einen Heren oder einen laister, der an Heren stat laistet, nicht tturer zeln danne umb 16 dn. und einen chnecht umb 8 dn. und auzzerhalb der vasten den Heren umb 12 dn. und den chnecht umb 8 dn. und nicht höher." C. u. M. 7 fol. 3.

Der gewöhnliche Verpflegungssatz in einem Münchner Gasthaus um 1300 beträgt also 8 H für einfache, 12 H für vornehme Gäste. Am Ausgang unseres Zeit­ raumes, am 23. Juni 1500 setzt der Rat den Preis einer Mahljeit ausjweiGängen, gekochtem Fleisch mit Kraut und Braten mit Gemüse auf 18 fest*). Besondere Sorg­ falt verwandte die Stadtverwaltung auf die Regelung der Fleisch preise. Rach den „consules“, den ältesten Ratssatzungen, kosten in München zwei Pfund des besten Rindfleisches um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts nur 1S,. Eine um 1315 erlassene, 1322 erneuerte Preissatzung bestimmt, daß i1/»2 3Pfund Mastochsenfleisch oder 2 Pfund leichten Rindfleisches 1L, kosten sollens. 1365 setzen die zwölf Ratsgeschwore­ nen des inneren Rates den Preis des Pfundes Mastochsenfleisch auf 1H fest, 1426 auf2L>, das leichte Rindfleisch sollte 1 L- kostens. Diese Fleischpreissatzung des „Liber Rufus“ genannten Stadtrechtsbuches aus dem Jahre 1365 hatte bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts Geltung. 1420 gaben die Münchner Metzger das Pfund Schweine­ fleisch zu 3 L-, 1439 und 1449 trotz großen Fleisch mangels das Pfund Rindfleisch zu 2,5t4).* 61460 beschloß der Rat, daß das Rindfleisch nach Beschau des Bürgermeisters vom äußeren Rat um 2 H oder 3 hl. gegeben werden solle. Eine Ratsordnung vom ii. Juni 1464 schrieb den Fleischhäckeln vor, ein Pfund Kastrauv, d. i. Hammelfleisch zu 5 hl., Brust- und Nierenbratenstücke vom Kalb das Pfund zu 2 L-, das andere Kalb­ fleisch zu 3 hl. zu geben. Ratsbeschlüsse der Jahre 1465 und 1478 setzen den Pfündpreis des Hammel- und Schäffleisches auf 5 hl. vor, 2 L- nach Jakobi (25. Juli) fest, während 1467 das Pfund durchwegs um 2 L, gegeben werden mußte. Gutes Ochsen- und Rind­ fleisch kostet 1478, 1486 und 1490 5 hl., nur während des großen Münchner Schützen­ festes im Jahre 1486 durften die Fleischer 3 H für das Pfund verlangens. Die älteste Münchner Preissatzung der Getränke stammt aus dem aus­ gehenden 13. Jahrhundertb), g^ach ihr durfte kein Wein höher abgegeben werden, als der Rat bestimmte: ein Halbpfunder (= 1l120 Eimer) um 2% minder guter um 2^ oder 3 hl., der Halbpfunder bester Neckar-, Elsässer-, Osterwein um 3 hl., minder guter um 1L», bayerischer Landwein und Met um 1 H, Trientiner und Trifeiser um 3 hl. Ein Eimer Greussing, d. i. Weizenbier, sollte 42 H bei Barzahlung, 44 A auf Pfand und Borgschaft, ein Eimer Bier 32 H kosten. Eine spätere Verfügung in den „consules“ aus dem Jahre 1307 bringt eine Verbilligung der Weinpreise; der *) „Item ain ersamer rat hat den würten sagen lassen, ains rats geschäft und mainung sey, das sy, die würt hinfuro ain fl e i sch mal mit im richten, nemlich ain fleisch, kraut, pratns und gemies um 18 (ergänze „Pfenning") und nit hoher und ainerlai geben sollen." R.P. 1500. 2) C. u. M. 7 fol. 9, ii und 8 fol. iz. 3) C. u. M. 3 fol. 54. — Westenrieder, Beitr. VI, 151. 4) K. R. 1420 u. 1439. — C. u. M. 10 fol. 7. — Im Jahre 1420, das sich durch eine außergewöhn­ liche Wohlfeilheit auszeichnete, kostete nach Burkhard Zink (Städtechroniken V, 130, 436) ein Pfund Fleisch zu Augsburg einen Augsburger Pfennig, ein Scheffel Roggen ein Pfund Pfennige, das damals den 3. Teil des ungarischen Guldens galt. In Nürnberg kostete in den dreißiger Jahren des 15. Jahr­ hunderts ein Pfund Fleisch 4 hl., ein Liter Bier 3 hl., ein Liter Landwein 10 hl. Der Heller hatte 0,109 g Feinsilber. Paul Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs von 1431—1440 S. 27ff., Leipzig 1902. 6) R.P. 1460, 1464/ 1465, 1467, 1478, 1486 u. 1490. — Westenrieder, Beiträge V, 192. 6) C. u. M. 7 fol. 7V.

II4

Halbpfunder besten Welschweins sollte tun 2^, Oster-, Neckar- und Elsässerwein um i gegeben werdens. Zwischen 1325 und 1330 setzte der Rat die Weinpreise von neuem fest; bester Welschwein ein Halbpfunder zu 2% H, Elsässer-, Neckar-, Oster- und bayerischer Landwein ju 1% Met zu 1Der Weinhandel empfand diese starren Vorschriften des Marktpreises als geschäftliche Hinderung; auf sein Drängen bequemte sich der Rat die Weine einer natürlichen Preisentwicklung freizugeben. Der Weinhandel entfaltete sich nun zu solcher Blüte, daß in der zweiten Hälfte des 15. Jahr­ hunderts die Maß Wein zu 4 bis 45 H in München verzapft wurdet. Die Angaben über die von der Stadtkammer gezahlten Weinpreise tragen das Gepräge steter Ver­ teuerung an sich. Der Eimer Welschwein kostete 1319 9 ß 16 H, 1336 11 ß 20 H, der Eimer Osterwein 1329 6 ß, einfachen Landweins 1360/61 bereits 12 ß3*).4 2 1420 kostete ein Eimer zehn Trinken Welschwein 17 ß ioH, 1468 der Eimer griechischen Rumanier 29 ß 15 H, 1483 26 ß, der Eimer Elsässer im gleichen Jahr 14 ß. 1398/99 kostete ein Trinken (= Halbpfunder) Welschwein 3% Rainfal 4 bis 5 H und Mal­ vasier 8 H, 1407 ein Trinken Rumanier 8 H. Es zahlten ferner die Kämmerer: 1469 die Maß Bassaver und 1484/85 die Maß Vervatscher^) zu 14 X die Maß Welschwein 1469 zu 12 L-, 1484/85 zu 10 bis 14,1470/71,1482,1494 und 1500 zu 14 H, die Maß Rainfal 1469/71, 1473 und 1478 zu 22 L-, 1492/94 zu 24 L, und schließlich die Maß Malvasier 1470 zu 22 L-, 1484/85 zu 32 und 1492 zu 36 ^5). Der in keinem Verhältnis zum Sinken der Kauflraft des Geldes verteuerte, in Wirklichkeit billig gewordene Eimer Bier kostete in den Jahren 1398/99 wie 1420 36 H. Den größten Preisschwankungen war das Brotgetreide unterworfen. So lange man zur Deckung des Bedarfs auf den Ernteertrag der näheren Umgebung angewiesen war, mußte jeder Ausfall im Anziehen der Preise fühlbar werden, jede Mißernte eine folgenschwere Teuerung auf dem Getreidemarkt hervorrufen, obwohl der Korahandel erhöhte Gefahr lief, wegen gewinnsüchtiger Ausbeutung angeprangert zu werden. Teuerungen waren meist, z. B. 1438 und 1482, die unheilschwangeren Vor­ boten großer Volkskrankheiten. Auffallend ist die einseitige Preissteigerung des RoggenKornpreises; während Hafer und Weizen, selbst in Teuerungsjahren den alten Preis­ stand wahre» oder nur mäßig im Preise steigen, schnellt der Marktpreis des Roggens sprunghaft empor6), ein Umstand von desto bedenklicheren volkswirtschaftlichen Folgen, x) C. u. M. 7 fol. 25 T. — Auer, Stadtrecht S. 286. — Die Zeit dieser Preissatzung wird durch die Worte „wan wir nu gestendich pfenning haben" bestimmt, welche im Münzrezeß von 1307 wieder­ kehren. C. u. M. 15 fol. 12V. 2) St.A. „Ungeldordnung, wie gerait wird, was man aufhebt." ’) K. R. 1318/19 fol. 10v, 1325/46 fol. 85V, 99V. — Archiv d. histor. Vereins f. Oberbayern „Civitas dedit expensa marchioni et ducibus“ 1360/61 fol. 1. 4) Vernatscher, Wein aus dem Fornetsch oder Überetsch (Terlaner). 6) K. R. 1398/99 fol. 27, 1407 fol. 48 u. 1420/1500. Die herzogliche Hofhaltung kauft i. 1.1417 die Maß Wein zu 5 Heller, den Eimer Wein zu 6 ß 29 und 7 ß 4 Sl, das Fuder Wein um 6—11 Gulden. H.St.A. Fürstensachen At. 1323. 6) Nach der Fürstenchronik (Leidingcr, Chronica de gestis principum S. 39) kostete das Schaff Getreide i. 1.1270/71 mehr als 4 'U £-(; der Scheffel wäre also auf über 480 (Denare) zu stehen gekom­ men, doch wohl eine Übertreibung des Chronisten.

8*

US

Der Getreidepreis in München. nach den Stadtkammerrechnunge», ausgedrückt in Münchner Pfennigen.

Rech­ nungs­ jahr

Ei» Scheffel')

Kor« (Roggen)

1319 /20 — 1329 — 1342 — 1345 — 1346 97V2 1398 105 1399 — 1403 22Z/ 240 1404 — 1407 140 1420 — 1421 — 1423 — 1429 — 1432 — 1433 — 1435 — 1439 1450 133, 146, 165 — 1453

1454 1455 1456 1458 1459

1462 1464 1465 1466

— — — 177V176,177V2, 181, 191,195,218 178 125, 130, 140, 150 HO/ 120/ 135/ 150 205 l80, 225/ 230, 240

Hafer 2IV4

— 50 39 371/, 75 52, 60 60 70 31 45/ 7o 80 84 60 76V2/ 151/ 188 84 92V2, 103/ 120 114 80 102, 107/ 114/ 117/ 135 70/ 78, 100 87 100 — 92/ 115/ 120

— 108/ HO 102

Rech­ nungs­ jahr

Ein Scheffel')

Kor« (Roggen)

Hafer

240,255,270 360 — 250, 285/ 330, 335 112, Il8/ 124 l80/ 200/ 210 143 — 120 l80, 185 127 90 I06 120/ 127, I4O 94, 105/ 107 139 117 — 135 210/ 285 99 210/ 235 — 210/ 249 95/ 98/ 103 l80, 210 105 330/ 360, 420/ 450 105 360,390, 402 — 120 132/ 146, 150, 175 — 120 233 135 — 107 ' 185 105 300/ 360, 420, 48O/ 150 484 — 1491 390-510,598, 630 1492 420—480 160 105/ 150 1493 310,330 — -494 147 — 125/ 148/ 150, 165 1495 — 1496 155/ 162 1497 390/ 440, 454/ 46o 140, 153, 160, 190 1498 175/ 176 427 128 1499 244/ 270 1500 281 214 1468 1469 1470 1471 1472 1473 1474 1475 1476 1477 1478 1479 1480 1481 1482 1483 1484 1485 1486 1487 1488 1490

da der Roggen das allgemeine Nahrungsmittel der Armen wie der Reichen war. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sucht der Rat dieses Übel durch eine groß­ zügige Getreideversorgung Münchens nach Kräften zu lindern; gerade diese Periode ist, vielleicht infolge der schneller als die landwirtschaftliche Erzeugung steigenden Volks­ mehrung, durch den Zug zu steter Teuerung gekennzeichnet. ') An Weizenpreisen konnte festgestellt werden: 1319/20 der Scheffel zu 360 1329 zu 150 L>, 1440 zu 270 1459 zu 249, 1471/72 t» 240 , 1490 j« 5 rheio. Gulden und 1492/93 zu 360 L,.

Ein Bild des Wertes der Nahrungsmittel, in denen sich die Verpflegungsansprüche des einfachen Arbeiters erschöpften, gewähren die Ausgaben der Baumeister für die Verpflegung der städtischen Steinbrecher im Gebirg.

Derpflegskosten der städtischen Steinbrecher im Gebirg Preistabelle in Münchner Pfennigen nach den Baumeisterrechnnngen.

Rogge», bas Scheffel r«........................ Weizen „ „ ,,........................ Gerste ,, ,, „........................ Salj, der Metze« zu............................. Rindfleisch, das Pfund........................ Schweinefleisch, das Pfund................... Eine Kuh............................................... Eier, 100 Stück......................................

1438

1447

1448

1449

320,340,480 360, 522 3oo, 474 45, 46 —

232 280, 300 158, 186 — 2 4,5 527,540,630 25

112 156, l80 — 68 1V2, 2

124, 184 180,185, 203 120 — 1V2, 2 4, 4V2 583 20

5 — —

4,5 — —

Ergänzend seien noch aus älteren Quellens einige Lebensmittelpreise am gefügt. Eine Preissatzung der Ratsmavnen, erlassen vor 1300, bestimmte, daß das beste junge Huhn 2 H, zehn Stück Eier 1H kosten sollten. Der vorgeschriebene Markt­ preis betrug um 1300 für das Pfund Schmalz 2% Die amtliche Tarifierung in den Küchenausgaben ber Stadt München an den Hof Markgraf Ludwig des Bran­ denburgers und seiner herzoglichen Brüder aus den Jahren 1360/61 veranschlagt einen Hahn zu 8 H, eine Henne zu 5 H, 100 Stück Eier zu 22 H, ein Lamm zu 20 Ein Lamm kostete 1404 in München 24 ein Metzen Salz 1420 52 Die Polizei­ ordnung des Jahres 1426 befahl den Bäckern Brote zu backen um 2, 1 und % H. 1471 kostete eine Gans 12 H, ein Huhn 6 L-, fünf Eier 1 Im Verkauf erhält der Hofkastner Scharfzahn 1478 für ein Huhn 3 bis 4 X für eine Fastnachtshenne 7 H, eine Gans 8 oder 10 H, ein Lamm 28, 32 bis 34 L-, für 100 Eier 14, 15, 20 H und für das Pfund Schmalz $^*2).3 Die Scheibe Salz kostete in München t. I. 1399 2 ß 20 1475 3 ß 10 1477 eine» halben Gulden und 1490 4 Schilling. Nach einer übertriebenen Beschwerde der Bürger Reichenhalls soll man 1478 in München für ein Gut Krötel (102 Scheiben) 84 Gulden und darüber gefordert haben2). Im gleichen Jahr trägt der herzogliche Kast­ ner als Münchner Salzpreis für ein Lagel Salz 32 L- ein. x) C. u. M. 7 fol. 18. — Auer, Stadtrecht S. 282. — Archiv d. histor. Vereins f. Oberbayern „Civitas dedit expensa marchioni et ducibus“ 1360/61 fol. 1. — Kammer-Memorial 1404/05* — K. R. 1420* — Westenrieder, Beitr. VI, 151* — Denkmäler S* 210. 2) St.A. Landshut, Herzogl. Kastenamtsrechnung 1478. 3) Vietzen S. 36,87; Funke S. 45s* — Die Herzoge setzten 1368 und 1381 den Salinenpreis des Fuders Reichenhaller Salz auf 8^ Wiener, 1391 auf 6 H Amberger fest; die Salzordnung Ludwigs des Reichen 1477 auf 8 H für das Fuder, auf 29 für die Scheibe, auf 15 U 6 ß für ein Gut

Zentnerpreis von Kupfer, Blei und Zinn. Kupfer

Jahr

1398 1401 1407/08 1421

1424 1430

1436 1448/49 1467 1473 1478

1481 1487

Dlet 2% I ß

fr 6 ß 16 // 6 // 12 „ „ 6 ,, 17 // „ 27 A (in Nürnberg) „ 18 „ (in Wien) — 4 %7 ß 6 A 4 „ 6 „ 15 „ (in Kempten) 4 „ 2 „ 27 „ (in Ungarn)^ 8V4 u. 9V2 rhein. fl. 4 5 ß 28 A (in Wien) — — 4 T iß 10 A 4 „ 7 „ ii „ (in Nürnberg) — 8 4 2 4 4

2 A —

Sinn

i // 4 // 25 A (in Wien) 2 „ i „

— 5® i ß 6 „ 6 „ 4 A (in Nürn­ berg)

— Ifr30 15 A

6 fr 4 ß 8 6 „ 2 „

I „ 4 „

— —

2 fr 4 2 // 3 //

6fr 6 ß 6 — — —



2 fr 4 2 // 4 //

Zentnerpreis von Salpeter, Schwefel und Pulver. Jahr 1398 1403 1421 1430 1439 1465 1467 1475

1487

Schwefel

Salpeter

ii A 6 ß 12 A — 83/4 Dukaten 15 A 7 fr 7 — 7 % 7 ß (in Nürnberg) — 10 „ 7 „ 15 A (in Augsburg)

Pulver

$fr

— 3 A 4 /? 12 A 3 „ Z „ 221/2 „ — — — —

16 % — — 5 2 ß 14 A — 14 T i /? 10 A — 13 T 2 ß 20 A für Feuerschützen 9 N 2 10 für Geschützpulver

Selbst der Baustoffmarkt zeigt für Ziegel, Kalk und Sand je nach Angebot und Nachfrage starke Preisunterschiede, sowohl innerhalb einzelner Rechnungsjahre Krötel. Nach den Preissätzen der reichen Herzoge kostete das Fuder io, die Scheibe 33 A» Die herzogliche Salzordnung von 1491 erhöhte den Salinenpreis für ein Gut Krötel (= 34 Krötel oder 102 Scheiben) auf 19 & 5 ß 15 A» x) = 77/b rhein. st.

wie im Steigen und Fallen der Preise während größerer Zeitabschnitte. Der Zentner­ preis für die jnm Gießen der Geschütze und Kugeln gekauften Metalle, Kupfer, Blei und Zinn stellte fich anders in München als in Nürnberg und Wien. Marktpreis für Ziegel, Kalk und Sand jum Stadtbau.

Jahr

1000 Ziegel

1319/20 1324 1330 1332 1336 1342 1344 1345 1361 1362 1402/03 1406 1408 1410/12 1413 1416 1418 1427 1428 1436 1438 1441

127, 150 120 — — — 150 — 135 210 200 270 240 — — — 286 — l80, 200 — 210 —

Ein Mutt

Stall 32 42 42 37 32 — 53 — 85 — — — 120 138, 140 144 — 120 — 110 112V120 145, 150, 1577s

Ein Fuder Sand



3 — — — — — — 2 — — — 3 — 4 — 5 — — — — 3Vs, 4

Jahr

1000 Ziegel

Ein Mutt Kalk

1442 1443 1444 1445 1446 1447 1448 1460 1462 1465 1467/69 1470/71 1473 1477/78 1480 1481 1483 1484 1486 1489/90 1493 1500

2io, 240 240 2ioz 240 210 210 — — — 210 — 210—270 — — — — — — — — — 300

150 3 126, 150 3/ 3V2, 5 128 3 120, I30 3 150 E 3 8 135/ 150 130 3/8 — 144 — — 2 — 135, 150 8 3 165 — 195 190 2,3 190 2, 5/ 8 — 180 — 5 — 200 10 210, 230 — 200 — 175—200 190 3

Ein Fuder Sand

III. Kapitel.

Die landesherrlichen Finanzhoheitsrechte. Bischof und Herzog.

O?m Kampf zweier Fürsten um das junge München hatte sich zu Heinrich des Löwen (V Zeiten der Machtwille des Landesherr» gegen den Freisinger Bischof durchgesetzt. Dem Herzog verblieb die stadtherrliche Gewalt über das junge Gemeinwesen auch in der verschollenen Vereinbarung nach 1180, während die älteren Rechte des Freisinger Bischofs mit einer geringfügigen Mehrung der ihm 1158 zugesprochenen Einkünfte abgegolten wurden. Diesen Besitzstand an stadtherrlichen Hoheitsrechten in München behauptete die Freisinger Kirche durch die Jahrhunderte. Und doch schrumpfte ihr Wert im Laufe der Zeit, da die in ihrer Höhe ein für alle Mal festgelegten und begrenzten Erträgnisse mit der Geldentwertung später Jahrhunderte verfielen*). Das Herzogtum Bayern dagegen gewann mit der stadtherrlichen Gewalt Zuwachs an frischem Volks­ tum und einen immer ergiebiger fließenden Einnahmequell. Nach dem ältesten Freisinger Saalbuch, angelegt 1305 von Georg von Lock, besaß der Bischof um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts 30 t6 $ aus dem Schlag­ schatz der Münze und ebensoviel bei jeder Neuprägung, 10 "tt vom Kleinzoll, 50 t6 vom Brückenzoll, 40 ti vom Stadtgericht und 24 vom Klerus, eine Ehrenabgabe als Zeichen der kirchlichen Unterordnung^). Herzog Rudolf verfügte am 19. Dezember 1312, daß die jährlich aus dem Schlagschatz der Münchner Münzstatt am Martinstag zu entrichtenden 30 Pfund Pfennig künftighin aus seinem Großzoll am x) Noch 1706 betrug die vom Großzollamt zum Hofkastenamt Freising vierteljährlich entrichtete Gült 8 fl. 34 kr. 2 hl., jährlich also 34 fl. 17 kr. 1 hl. Während der österreichischen Besatzung des Landes Bayern wurde von der Münchner Hofkammer unterm 9. September 1706 „wegen der transferierten Jsarbruggen und anderer Zollsgerechtigkheiten" an die kaiserliche Administration auf deren Geheiß berichtet. Darnach entrichteten die Großzollbeamten diese Leistung auf Grund des Großzoll-Saalbuches von 1470. Man wußte in der Hofkammer genau Be­ scheid über ihre Herkunft: „weil die vor diesem zu Föhring auf Freistngschem Hochstiftsgrund und Boden gestandene Jsarbrücke gegen bemelte Rekognition hierher nach München transferiert worden", so daß die Bezahlung nicht verweigert werden könne, „solang die Jsarbrücke in statu quo bleibt". H.St.A. Freising Hochstift Lit. 289. Über die Ablösung des Brückenzolls i. I. 1852 flehe Dirr, Denkmäler S. 725. 2) Das älteste Saalbuch des Hochstifts Freising (Lit. 7 fol. 13s.) verzeichnet die Einnahmen zu München: „Notandum, quod aput Monacum solvuntur domino episcopo annuatim subscripta: De moneta singulis annis in festo Martini 30 lb. Monacensium. Item quocienscunque ipsa moneta transfiguratur, tocies deberent solvi 30 lb. praetei praescriptas. Item de minori theloneo similiter in festo Martini 10 lb. annuatim. Item de theloneo pontis Monacensis sol­ vuntur annuatim 50 lb. Mon. in purificacione et Bartholomei. Item de judicio Monacensi quolibet termino quattuor temporum dantur domino episcopo 10 lb., que faciunt annuatim 40 lb. Mon. Item dominus episcopus debet habere annuatim de kathedratico circa 24 lb.“ Die dem Bischof durch den unbekannten Vergleich mit den Wittelsbachern zugestandene Mehrung seiner Einkünfte in München, jährlich 40 # aus den stadtherrlichen Gerichtsgefällen, liefen nicht durch die Stadtkammer, sondern wurden vom herzoglichen Richter unmittelbar an den Bischof oder seine Gläu­ biger abgeführt. St.A. Landshut, Hofkastenamtsrechnung von 1475. — Meichelbeck, hist. Frising. Ilb, 199.

Nenhavsertor vierteljährlich an den Bischof gezahlt werden sollten«) und betraute den Münchner Rat, dem der bischöfliche Anteil bis 1367 verpfändet war, mit der Über­ wachung der Durchführung. Auch die Einnahmen des Bischofs aus dem Kleinzoll, nämlich 10 % aus Stadtwag und Markt- oder Pfundzoll, lassen sich durchs ganze Mittelalter in den städtischen Rechnungen verfolgen; zeitweilig erhöht durch den ihm verpfändeten herzoglichen Anteil aus diesen Gefällen. Als Herr der Jsarbrücke ist der Bischof von Freising unbeschränkter Zollherr des Brückenzolls, dessen Gefälle er an die Stadt München und einzelne Bürger zu Lehen gibt und von dessen Entrichtung schon die Bischöfe Otto I I. (1184—1219), Gerold (1220—1230) und ihre Nachfolger das Kloster Rott, Otto I I. und Emicho (1288) das Kloster Tegernsee, sie und ihre Nachfolger die Domherren von Freising für alles Eigengut entbindens. Bischof Emicho verleiht am 18. Juni 1294 den Brückenzoll nach dem Tode des Münch­ ner Bürgers Konrad Schöt, der ihn als Leibgeding innehatte, dessen Söhnen Heinrich und Wernher auf Lebenszeit, gegen Entrichtung von jährlich 50% Münchner Währung. Für Bau und Unterhalt der Jsarbrücke hat im Namen des Bischofs der Zöllner und Lehevträger seines Zolles zu sorgen. Ein Gemeindebeschluß vom Jahre 1322 setzt den Umfang der Unterhaltspflicht der Brücken durch den bischöflichen Zöllner dahin fest, daß er die Brücken von der Jsarbrücke bis zum Ratsturm, ins­ besondere die Laimbrücke über den Kaltenbach zu erstellen hat^. Die Stadt trägt bereits 1239, dauernd seit 1336, den Brückenzoll zu Lehen und führt die jährliche Pachtsumme von" 50 t6 H nach des Zollherr» Weisungen an seine Gläubiger und Leibrentner, vornehmlich Münchner Geschlechter, vorweg aus den Zollgefällen ab«). x) Lori, Münzrecht I, 15. *) K.R. 1362 fol. 92; 1367 fol. 29; 1377—1381; St.B. 1369 «. 1371; Rechnung über Steuerwesen 1375. — Großzollordnung von 1470 fol. 8. — St.A. Landshut, Freisinger Hofkastenamtsrechnung 1475. — Bergmann, UB.S. 38. — Lori,Münzrecht 1,15. — Mon. BoicaVI, 228f.1t.35/II6. 33, 573. — ©irr, Denkmäler S. 34s., 66, 235. ’) „Item anno eodem 3. feria post judica stnt die purger ze rat worden, da; Wernher der Schöt fol der stat geben 2 **U und all chrieg stnt ab zwischen sein und der stat. und er oder swer den zoll einnimpt, den er ietzu innhat, sol diu prugk machen auf dem Chaltpach als guot, als si ietzu ist, und all prugk von dem Kastaig üntz an da; Talpurgtor." K.R. 1318/24 fol. ioiv. Die älteste und jüngste mittelalterliche Quelle über die Brückenbaulast des bischöf­ lichen Zöllners schränken seine Pflichte» jenseits der Zsar gleichlautend ein: „der zollner sol furbas niht bruggen, dann da sein yenspam (enspäm) hingeraichent; der ze berg hinaus; ist, daz der wegk hinbristet auf dem Gastaig, den sol die stat machen und niht der zollner; doch sol er sein hilff und seinen rat darzu geben." c. u. M. 7fol. 28. — H.St.A. Zollbüchlein v. 1488. — K.R. 1336sol. 92V.—Mon. Boica I, 382; VI, 228 u. 35/I.—Mon. Germ. Necrol. III, 92. *) Die ältesten Zollrollen C. u. M. 7 fol. 27 u. C. u. M. 8 fol. 46 beginnen übereinstimmend: „an disem Brief ist geschrieben der pruggzol über die User zu München, der dem bischof von Freisingen an gehört." Saalbuch 1444 fol. 72: „Es ist zu wissen, das die Dserpruck dem bischof zu Freisingen zugehört und die stat München die in» (hat) und müsz die järlichen verdien mit fünfzigk lb. dn; der zeit man 4816. dn. den Ridlern von des bischofs wegen und i lb. dn. in die gusterey zum thuem zu Freising und 1 lb. dn. ewigs gelts aber den Ridlern. umb das alles sind nit mer Brief vorhanden, dann als vil die Ridler inn habent." Gegen ein Darlehen von 500 Pfund erhält Hans Bart am 30. November 1361 von Bischof Paul unter Zustimmung des Domkapitels den jährlich 48 ® betragenden Brückenzoll verschrieben. Gabriel

Die Stadtkämmerer Hans Bräumeister, Jakob Kleuber und Stephan Eckler „über­ lugen" am 20. Dezember 1424 die Kammerbücher und fin­ den, daß man dem Bischof wöchentlich aus der Stadt­ kammer I u $ vom Brücken­ zoll gibt, so daß demnach der dermalige Leibrentner Lud­ wig Ridler jährlich 2 U zuviel erhält. Zu Pfingsten 1425 wird deshalb ein Vierer­ ausschuß von Ratsherren er­ wählt, der mit den neuen Kämmerern die Sache über­ rechnen soll. Die Folge ist, daß die Stadtkammer fortan den Ridler nicht mehr wöchent­ lich vom ungezählten Geld der Zollgefälle, sondern viertel­ jährlich bezahlt und in den Kammerbüchern diese Ausgabe „von des prugzolls wegen, den wir dem bischoff von Freifingen alle jar jarlichen verdienen müssen mit 50 Pfun­ den pfening", stetig aufgeführt und verrechnet wirt)1). Die Entwicklung und Ausgestaltung der her­ zoglichen Finanzhoheits­ rechte bildet eine der Grund­ lagen für die Gestaltung der städtischenWirtschaftsführung.

Abb. 26. Alter Hof, älteste Refidenz der bayerischen Herzoge in München. Jnnenhof mit gotischem Erkerturm.

Ridler bekommt am 1. Mai 1383 für sich und seine Söhne Franz und Johann im Alter von 17 und 4 Jahren von Bischof Leupold den Freisinger Anteil am Münchner Brückenzoll als Leibrente verliehen Gegen Zahlung von 1200 ungarischen und böhmischen Gulden verleiht Bischof Berchtold 1384 ihm, seiner Gemahlin Agnes und seiner fünfjährigen Tochter Katharina die 80 M jährlich betragenden übrigen Gefälle des Bistums in München als Leibrente: 40 U aus dem Gericht, 30 U aus „Herreazoll" und Münze und 10 U vom Marktzoll. Wegen Ridlers Verdiensten erstreckte Bischof Berchtold dieses letztere Leibgeding 1405 auch auf dessen Söhne Anton und Ludwig H.St.A. Ismaning GU. 9, 13, 14. K. R. 1402/03 fol. io7v u. 1427/28.

Neben und in stetem Wettbewerb mit dem landesherrlichen erblüht das städtische Finanzwesen, herzogliche und städtische Finanzbeamte rivalisieren. Wo immer der junge Gemeindehaushalt es vermag, sucht er die älteren stadtherrlichen Finanzrechte zu beschneiden und zu verdrängen.

Im ältesten bayerischen Urbar Herzog Ludwig des Kelheimers von 1224, das die grvndherrlichen Einkünfte der herzoglichen Kastner, nicht aber die Gefälle des herzoglichem Kämmerers von den landesherrlichen Regalien wiedergibt, fehlt jeder Eintrag über Münchens. Abgesehen vom grundherrlichen Charakter des Urbars läßt diese Tatsache sich auch sehr wohl damit erklären, daß die Münchner Einkünfte der Her­ zogin, der reichen Premyslidin Ludmilla, Stifterin von Seligental, als Morgengabe und Widerlegung verschrieben waren, wie im Spätmittelalter die Mitgift bayerischer Fürstinnen regelmäßig durch Verpfändung von Herrschaften und Städten gesichert wurde. Auch die Möglichkeit, daß der Herzog der jungen Gründung das Steueraufbringen und sonstige Gefälle zur Befestigung und Umwallung freigab, ist angesichts ähnlicher Vorgänge zu Beginn des 14. Jahrhunderts nicht von der Hand zu weisens. Der rasche Aufschwung der Stadt brachte sehr bald jene hohen Erträgnisse, derentwegen die stadtherrlichen Finanzrechte bei Landesteilungen wiederholt den Zank­ apfel im Hause Wittelsbach bildeten. Waren sie doch nach dem Ratschronisten Jörg Kazmair — „Nun hat München umb 8000 gülden gelts mer denn Jngolstat, als heut wisentlich — der Anlaß zu erbitterten Familienkämpfen, zum blutigen Krieg der Ingolstädter Herzoge gegen Ernst und Wilhelm von Oberbayern. Teilten sich mehrere Fürsten in die gemeinschaftliche Regierung des Oberlandes, so wurden die reichen Münchner Einkünfte zu gleichen Teilen unter ihnen geteilt. Die erste tatsächliche Nachricht über die Gesamtheit der landesherrlichen Gefälle von München erscheint um 1340 im Urbar des oberen Vitztumamtes. Da­ nach warf die Stadt unter der Regierung Kaiser Ludwigs des Bayern reiche Erträg­ nisse ab: 5000 tl H vom Großzoll (de theloneo magno), 300 vom Ezoll (de theloneo Ezoll), 120 ’s* vom Trockengut (de theloneö sicco), 12 A von Stadtwag und Marktzoll (de theloneo fori et libra), 600 tt von der Stadtsteuer, je 60 H *) H.St.A. Saalbuch 1 (Staatsverwaltung 1064); Mon. Boica 36/1 S. 31. — Wie in Österreich (Oopsch, Derfaffungs» und Wirtschaftsgesch. des Mttelalters S. 398, Wien 1928) steht auch in Bayer« an der Spitze der herzoglichen Finanzverwaltung der Kämmerer oder Kammermeister. 2) Ans dem Fehlen Münchens im ältesten Urbarden Schluß ziehen, daß die Stadt 1224 dem Hans Wittelsbach noch nicht gehörte, heißt die Tatsache übersehen, daß auch bei Landshut ledig» lich der Name, bei Ingolstadt keine landesherrlichen Gefälle vorgetragen sind, daß noch im zweitältesten herzoglichen Urbar von 1280 bei Ingolstadt wie bei München die Rubriken Zoll und Gericht unausgefüllt blieben. Der grundherrliche Charakter der Urbare erklärt und bedingt auch die Aufführung Münchens bei dem kleinen Schergen» und Kastenamt Kirchheim, einem Dorf östlich der Stadt. Noch um 1350 galt die Kastenamtsbezeichnung „München»Kirchheim". H.St.A. Saalbuch 11 foL 326", 395v. — Mon. Boica 36/1 S. 30, 63, 92, 147, 282—286. Dgl. zu diesem Abschnitt: H.St.A. Saalbücher 1, 2, n, 15a, 16, 23, 29. — St.A. Landshut, Hof» zahlamtsrechnung 1439. — Ferner die Literaturangabe zur Frühgeschichte im 1. Kapitel, insbesondere die verdienstvollen Forschungen von Riezler und Baumann. 8) Städtechroniken XV, 497.

vom Judenregal und Stadtgericht, 50 öl von den Brauern und 200 öl grund­ herrliche Reichnisse von den Mühlen*). In Übereinstimmung damit gibt das Gefällebuch des Landes Oberbayern aus der

ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts — nach dem Guldenkurs von 5 /? io L- zu schließen 1435/36 angelegt, um nach dem Tode Herzog Wilhelms einen klaren Überblick über

Finanzstand und Geldquellen des Landes zu gewinnen — die Einnahmen von der Stadt München an: Vom Zoll 4000 rheinische Gulden außer dem Witwenbezug der Herzogin und „über Gewohnheit", d. h. den herkömmlichen Reichvissen und Stiftungen daraus. Der Gesamtzollertrag war also das Doppelte, über 8000 Gulden. Ferner vom Weinungeld 800 rheinische Gulden, von Stadtsteuer, Gerichtsherrlichkeit, Brauern und Ezoll zusammen 800 Pfund Pfennigs). Das unter Herzog Albrecht l l l. nach 1442 angelegte Saalbuch verzeichnet die Münchner Gefälle des Landesherrn: Großzoll unterm Neuhausertor etwa 8000 rheini­ sche Gulden, Ezoll unterm Jsartor etwa 66 öl H, Stadtsteuer 600 öl H, Stadtgericht 60 öl H, das halbe Weinungeld etwa 900 rheinische Gulden, Bierbrauer 57 öl L-, Frovwage und Zoll 12 öl und unbedeutende grundherrliche Einkünfte6).

Den Löwenanteil an den landesherrlichen Gefällen bilden die Zölle. Sie galten als Hoheitsrechte der Landesherren6). Durch den Erlaß der Constitutio generalis König Heinrichs VII. vom Jahre 1220 und ihre Bestätigung am 11. Februar 1234 durch König Friedrich II. waren die Landesherren als Zollherren in ihrem Gebiet anerkannt6). Im Freiheits- und Bestätigungsbrief König Karls IV. für Bayerns Her­ zoge und in den Lehenbriefen Kaiser Friedrichs III. werden Maut und Zoll als Bestand­ teil des Herzogtums ausdrücklich aufgeführt. Herzog Ludwig I I. bestimmte in seiner letztwilligen Verfügung vom 25. September 1276, als er mit Rudolf von Österreich gegen König Ottokar zu Feld zog, daß im Falle seines Todes alle Zolleinkünfte zu München und Wasserburg, sobald sie von ihren derzeitigen Nutznießern pfandfrei sind, durch die Quardiane der Barfüßer zu München und Regensburg, auf vier Jahre unter die Kirchen seines Landes verteilt werden. Alle neuen und ungerechten Zölle, die er nicht vom Reich zu Lehen trage, sollten ab feto6). Das Bewußtsein der Rechtmäßigkeit der Verleihung durch die deutschen Könige und Kaiser als oberste Zollherrn war also in Bayerns Fürsten noch lebendig und machte die einseitige Vermehrung und Steige­ rung der Zollsätze rückgängig. *) H.St.A. Saalbuch u (Staatsverwaltung 1072) fol. 329V, 393, 398; Mon. Boica 36/II S. 558; Denkmäler S. 638. — Unter der Regierung Ludwig des Brandenburgers kam zwischen 1349/52 lediglich das Judenschutzgeld in Wegfall. 2) H.St.A. Altbayer. Saalbuch 29 (Staatsverwaltung 1087). 3) H.St.A. Saalbuch 5 (Staatsverwaltung 1079) fol. ic—3, 6. 4) Die Gültigkeit eines königlichen Oberzollregals war in Bayern zu Anfang des 13. Jahrhunderts längst erloschen. Auch im 11. und 12. Jahrhundert wurde es nicht in bezug auf jene Privatzollstätten aus­ geübt, welche als Reichslehen ausgetan waren. Vgl. Theo Sommerlad,Die Rheinzölle im Mittelalter S. 24—26, Halle 1894. — Über Zollarten und Zolltarife vgl. das Kapitel „Zollwesen". 6) Erich Wetzel, Das Zollrecht der deutschen Könige von den ältesten Zeiten bis zur goldenen Bulle S. 60, Breslau 1893. 6) H.SL.A. Oefdana Lit. 1. — Quellen u. Erörterungen V (1857) S. 307s.

Der Großzoll, benannt nach der großen Ergiebigkeit infolge hoher Zollsätze**), erhoben am oberen oder Nenhausertor, war Saljjoll: Der einträgliche Durchgavgsjoll von den Salztransporten, die auf dem uralten Hallweg von den Salzberg­ werken, Salzbrunnen und Pfannstätten der Voralpen durch Bayern nach Schwaben und Franken, in die Schweiz und an den Oberrhein zogen, ward von den Herzogen selbst „unser großer Salzzoll zu München am Neuhausertor" genannt. Die Scheibe Salz gab 13, ein Saumroß 16, ein Lagelroß 8, ein Metzen Salz 4, ein halber Metzen 2 H Großjoll. Sein Jahreserträgnis blieb sich wie das der übrigen landesherrlichen Zölle im 14. und 15. Jahrhundert im wesentlichen gleich, da das Herkommen, der Widerstand der Untertanen und wechselseitige Bindungen der Handelspolitik eine einseitige Steigerung der Zollsätze durch den Zollherrn verhinderten. Der Großzoll ertrug 1339 über 4800, 1340 rund 4680 Pfund Pfennig, durchschnittlich 5000 Pfund oder 8000 Gulden, während Landshut seinen Herzogen in dieser Zeit von den gesamten Zollgefällen jährlich nur etwa 700 U einbrachte?). Die Landesherren deckten ihre Zahlungsverpflichtungen durch Geldanweisungen auf den halben, vierten oder achten Teil des Großzolls oder durch ein Wochengeld, ein von den Gläubigern gern genom­ menes Zahlungsmittel^). Um die reichlich fließende Geldquelle des Münchner Großzolles wieder frei zu bekommen, verschreibt Ludwig der Brandenburger seinem Neffen Herzog Albrecht von Österreich, dem er seine Zölle zu München und Neuburg an der Donau verpfändet hatte, am 4. April 1356 die schwäbische Stadt Weißenhorn, die Grafschaft Marstetten, die Veste Neuburg und den Markt Tandern, die auf diese Weise zum Teil für Jahr­ hunderte dem Lande Bayern verloren gingen*). Der altherkömmliche Ezoll von Salz und Handelsgut aller Art wurde anfangs am Jsartor, später am oberen und unteren Lor, schließlich an den vier Stadt­ toren erhoben. Markgraf Ludwig der Brandenburger versetzt 1353 dem Bürger Jo4) Der Ausdruck „Großjoll" war in Tirol, Ingolstadt, Regensburg, Frankfurta. Mai« und anderwärts für die verschiedenste« Zollarten üblich. Otto Stolz, Das mittelalter!. Zollwese» Tirols S. 128, Wien 1909. — Dachs, VO 83 (Regensburg 1933), vermutet im Regensburger Großjoll de« Pfundjvll. — Der Frankfurter Großjoll war ein Meßjoll in doppelter Höhe von den Fremden, als einfacher Satz von den sonst jollfreien Bürgern während 8 Tagen in der Herbstmesse. A. Dietz, Frankfurter Handelsgesch. 1 (1910) S. 312, 327. *) H.St.A. München Ger.Lit. 69 a, Großrollordnung 1470; Urk.Fasj. 14. — Kassa- u. Quittungs­ sachen Fast. 4. — Quelle» u. Erörterungen V, 307. — Mon. Boica 36/11, 558. — Denkmäler S. 638. 3) König Ludwig der Bayer verschreibt am 19. Februar 1321 seinem Gefolgsmann Heinrich von Schwarjenberg für seine kriegerische Bewährung bei Eßlingen und die im Felde erlittenen Schäden ein Pfund Wochengeld aus dem Münchner Großjoll, bis jur Rückjahlung der geschuldeten 630 Pfund Augs­ burger Pfennige. H.St.A. Großjollordnung von 1470. — Mon. Boica 35/II S. 57,155,157,161,177, 193. — Denkmäler S. 102. Sein Sohn Markgraf Ludwig der Brandenburger verlegt 1348 den Wasserburger Zoll nach München und verschafft einem Münchner Künstler Berchtold Schnitzer aus dem Großjoll ein Jahresgeld: „auf unsern jvlle je Wasserburg, den wir gelegt haben gen München, und schaffen im auf unsern grvjjen jvl je München." Privilegienbuch 25 fol. 60. 4) H.St.A. Marstetten GU. 3. —Herzog Stephan und seine Söhne gewähren 1368 dem Hilpolt von Stein die Vergünstigung, jede Woche 2 Wäge» Salj zollfrei beim landesherrlichen Großjoll durchjuführen. H.St.A. Hilpoltstein GU. 10.

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Hannes Perkofer für Auslagen bei der feierlichen Wegführung von Reliquien aus Mün­ chen, für Seidentuche und Pferde, als er in die Mark Brandenburg ritt, für wohl­ duftende Riechstoffe („rüch") seiner Gemahlin, für Löwener Tuch, das er edlen Frauen verehrte, für kostbare goldgewirkte und seidene Stoffe und für Auslösung eines Panzers den Ezoll, den bisher die Münchner Konrad Kümmersbrucker, Heinrich Rudolf und Johann Ligsalz innehatten?)

Auf die Gefälle des Truckenzolles, des Zolles vom Truckengut, der trockenen Kaufmannsware und den in Ballen verpackten Lebensmitteln, den der Münchner Johann Ligsalz innehat, gewährt der Markgraf 1353 dem Münchner Friedrich Glöckner Anwartschaft auf eine Geldforderung?). Das bescheidenste aller Erträgnisse sind die Eingänge vom „Marktzoll" und von der „Fronwage", Reichnisse, welche die Stadt an den Herzog als Inhaber der Markt­ hoheit für die Überlassung ihrer infolge der Erhebungskosten verschwindend kleinen Nutzungen entrichtet. In München verstand man unter Marktzoll das ganze Mittel­ alter hindurch nur den Kleinzoll, die von Marktleuten, Krämern und Bauern, welche auf der Straße unter freiem Himmel feilhielten, erhobene Standgebühr für den Ver­ kauf von Obst, Gemüse und Kramwaren. Für die seinem Vater dem Kaiser geleisteten treuen Dienste verschreibt Markgraf Ludwig 1354 seinem Schreiber Wernher von Neun­ burg und dessen Erben die 12 Pfund Pfennig aus Stadtwag und Marktzoll bis 6 Jahre nach des Belehnten £ot>3*).4 2*6 Das Recht der Münzprägung stand den Herzogen zu. Neben Regensburg, der einzigen bayerischen Münzstätte in der welfischen Periode, und neben Freising, dessen Bischöfe ihre Münzhoheit 996 von Kaiser Otto III. erhielten und deren Münz­ stätte, nach den vielen Stempelartev der Freisinger Korbinianspfennige zu schließen, noch um ii 60 fleißig prägte, erstand im neugegründeten München unter seinen Münz­ meistern Wernhart (vor 1168), Engilschalk (1168) und dessen Sohn Konrad (um 1185—1190) eine Freising verdrängende Prägestätte"). Aus der geschichtlichen Entwick­ lung erklärt sich, daß der Herzog, wie er nicht im vollen Genuß des Zollregals war, auch aus seiner Münchner Münzstatt an den Bischof jährlich 30 'ti> Entschädigung zu entrichten hatte, gemäß dem nach 1180 geschlossenen Vergleich, der den Urteilsspruch des Augsburger Schieds wieder aufgriff^). Das Stadtgericht brachte dem Herzog in den Jahren 1339 und 1340 100 Pfund, unter Herzog Albrecht IV. noch 60 Pfund ein. H. St. A. Privilegienbuch 25 foL 186. 2) H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. 186. 8) Ebenda fol. 274. — Diese 12 % Jahresbezug aus der Stadtwag und dazu 50 M aus den Brau­ abgaben verpfänden die Herzoge Stephan und Johann 1383 an Ott Stärzlinger und im Mai 1395 ver­ kauft sie die Edelfrau Anna Fraunberger mit lehenherrlicher Zustimmung ans Heiliggeistspital. München GU. Fasz. 5. — Mon. Boica 35/II S. 139, 187. 4) Mon. Boica VI, 147; VIII, 445, 477. — I. V. Kull, Münzprivilegien im Gelände des ge­ schichtlichen Bayern, MBNG. 31 (1913) S. 74. — Buchenau S. 96. 6) Quellen u. Erörterungen VI, 145 — Bergmann U.B. Nr. 46. — Vgl. das Kapitel „Münz, Maß u. Gewicht".

Die herzogliche Judenschaft. Das Judenregal nahmen die Herzoge schon zu Ende des 12. Jahrhunderts für sich in Anspruch und wußten es gegen das Reich zu behaupten. Als Fremde und Nicht­ christen bedroht vom völkischen Rassenhaß und religiösen Fanatismus, ob ihrer hem­ mungslosen Zinsnahme und des gern zur Schau gestellten Reichtums angefeindet von wirtschaftlich Bedrängten und Besitzlosen, suchten die Juden bei Königen und Fürsten Schutz gegen Verfolgungen und leidenschaftliche Wutausbrüche des Volkes. Nicht gleichberechtigt der Bürgerschaft im Grundbesitz und Warenhandel, ausgeschlossen vom Betrieb der Kunst und des Gewerks, bildete die abgesondert vom deutschen Christen­ volk im Stadtinnerv „auf dem Schneeberg", nahe dem Marktplatz wohnende Juden­ schaft religiös, politisch und räumlich eine eigene Körperschaft, eine privilegierte Ge­ meinde von Wucherern, Wechslern und Pfandleihern, die jedoch ihre großen Rechts­ streitigkeiten vor dem Rat, dem Stadtrichter oder dem herzoglichen Hofgericht austrug. München besitzt keinen durch Mauern getrennten Ghetto, doch wohnt die Judenschaft in der „Judengasse", der heutigen Gruftgasse (vielleicht auch der Land­ schaftsgasse), enge beisammen. Dort erwirbt sie von Heinrich Stupf 1380 dessen Haus, genannt „der Schneeberg", worin sodann der Judenmeister Jakob und sein Sohn Abraham Wohnung beziehen — neben des Stadtschreibers Haus. Nur vereinzelt wohnen Juden inmitten der Christen. Der Jude Benedikt erhält von Heinz im Baum­ garten, dem christlichen „Judenknecht", 1376 sogar einen Anger vor dem Schwabinger­ tor als Pfandbesitz4* ).2 3Während in manchen Reichsstädten, z. B. Regensburg, Worms, Frankfurt und Nördlingens, die Juden als Bürger bezeichnet und ihnen Bürgerbriefe erteilt wurden, war dies seitens der Stadt München nicht der Fall^. Ein Freibrief König Ludwigs des Bayern vom 21. Juli 1315 räumte ihnen die Rechte der Augs­ burger Judenschaft ein4). Laut Rechnungsbuch des oberen Vitztumamtes^) zahlt die Münchner Judenschaft — wohl in Gemeinschaft mit der Landesjudenschaft — dem Herzog für das Recht des Jüdenschutzes und der Judenduldung i. I. 1291 90 U schwarze und 100 U Haller weiße Münz, 1292 vor Pfingsten 150 'ti Münchner Pfennige, bei der Herbststeuer 100 schwarze und 150 ft weiße Münz. Im Jahre 1293 müssen die allerwärts in Bayern festgenommenen Juden hohe Lösegelder entrichten — zwei in Dachau festgehaltene Juden allein 400 U Regensburger Pfennige —, die in München in Haft genommenen Juden jedoch lediglich 30 dem Vitztum für eine gutacht*) St.A. Gerichtsbuch I, io, 73,126, 137V; II, 56, 78; III, 12. 2) H.St.A. Juden in Regensburg U.F. 8. — Herb. Fischer, Die verfassungsrechtl. Stellung der Juden in den deutschen Städten S. 154, 158, 161, Breslau 1931. — Karl Otto Müller, Nördlinger Stadtrechte des Mittelalters S. 112s., München 1933. 3) Die einzige Ausnahme, die mir bekannt wurde, stammt aus der herzoglichen Kanzlei. Ein Ein­ trag bei den Münchner Schutzjuden des Jahres 1424 besagt: „Item Pericz, des Swartzmons sun, gibt das erst jar nichtz, wan herczog Ernst hat im daz gelassen von seins Vaters wegen, underistburger worden Nicolay anno 24to." H.St.A. Fürstensachen Lit. 1322)4. 4) Mon. Boica 35/II S. 46. -- Denkmäler S. 81, 515. 6) H.St.A. Raritäten-Selekt 106 fol. 8, 21, 22V, 29, 39 s. — Oberbayer. Archiv 26 S. 288, 299 s., 305/ 313s*

liche Beratung über den herkömmlichen Betrag (von io ’ü H) zahlen. Ludwig dem Bayer entrichtet die Münchner Judenschaft als ihrem Landesherrn um 1340 laut Urbar des Vitztumamtes^) jährlich 60 tt Judenschutzgeld; ein ansehnlicher Betrag, der in der Kaiserzeit auf 20 bis 25 selbständige jüdische Haushaltungen schließen läßt. Dazu leisten sie für den ihnen 1416 durch Ernst und Wilhelm von Bayern an der Anhöhe zwischen Moosach und dem Rennweg bewilligten Judenfriedhof4 ungarische Gulden Schutzzoll). Die wichtige Gegenleistung für die Judensteuer war der Schutz freier Religionsübung und die selbstherrliche Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten durch den Judenmeister. Zugleich sicherte ihnen das Schutzgeld an den Landesherrn Befreiung von allen städtischen Lasten, von Bürgersteuer, Grabengeld, Wehrpflicht und Nachtdienst, so daß die Judensteuer, durchschnittlich 3% für eine Familie, angesichts des mühelosen Gelderwerbs keine unbillige Mehrbelastung gegenüber den Christen war. Mit dem Münchner Inden Lamp und seinen Kindern, seiner Bruders­ tochter Hannes und deren Kindern vereinbarte Ludwig der Bayer 1323 eine Jahres­ steuer von 20 Hellers. Zur alten Jahressteuer führte der Kaiser am 7. Februar 1342, um die Oberhoheit des Reiches über die Judenschaft zu erweisen, eine neue ein, den „Guldenpfennig", kraft dessen jeder Jude und jede Jüdin, welche Witwe oder über 12 Jahre alt und 20 Gulden Wert besaß, alljährlich einen Gulden Leibzins als goldenen Opferpfennig geben sollte. Der gleich seinem Vatel) den Juden nicht feind­ lich gesinnte Markgraf Ludwig gestattete ihnen 1344 „alles Gut" zu kaufen oder zu belehnen außer Ehekleidern und Getreide auf dem Halm und stellte sie hinsicht­ lich der Zölle und Strafgelder mit den Christen gleich. Als die Juden beim ersten Auf­ treten des schwarzen Todes 1349 aus München und Oberbayern vertrieben wurden, erließ er ein Gebot an Rat und Bürgerschaft, seinem Vitztum bei Erfassung von Hab und Gut, Bargeld und Kleinodien, Pfändern und Urkunden der Juden behilflich zu seil). Holte sie jedoch im Sommer 1352 zurück und gewährte ihnen die Rechte, die sie unter Ludwig dem Bayer und seinen Vorfahren hatten; dazu allen, die bei der Aus­ treibung Schaden genommen, zweijährige Steuerfreiheit. Ein Jahr darauf, 1353, nahm der Markgraf die Juden in Oberbayern erneut in Schutz und verfügte, daß T) H.SL.A. Saalbuch n fol. 393 V, 398. 2) München GU. Fasz. 16. — Mon. Boica 35/II S. 276. — St.A. Landshut, Großzollrechnung 1439 fol. 23V: „Item han eingenomen 3 % von den juden ze München von irrn freythoff ze zinssen vom jar 39." — Früher wurden die Münchner Juden auf dem Regensburger Juden­ friedhofbegraben, wohin die Juden des Herzogtums Bayern seit 1325 ihre Toten zollfrei führen durften. Rübling, Die Judengemeinden des Mittelalters S. 44, Ulm 1896. — Wilh. Grau, Der Antisemitis­ mus im Mittelalter S. 8, München 1934. 3) Oefele, Scriptores I, 743. — H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. ioi. 4) Erst gegen Ende seines Lebens erfolgte in der Haltung des Kaisers eine SchwenkungzumAntisemitismus. Juden in Bayern U.F. 1. — Jul. v. Pflugk-Harttung, Anhang, Gegner u. Hilfs­ mittel Ludwigs des Bayern in seinem Kampf mit der Kurie, Zeitschr. f. Kirchengesch. XXI, 470, 473, 475. — Kracauer, Gesch. der Juden in Frankfurt a. Main, Franks. 1925. — Roch 1333 nennt Ludwig der Bayer die Regensburger Juden seine „lieben Kammerknechte". H.St.A. Juden in Regens­ burg U.F. 6. 6) H.St.A. Juden in Bayern U.F. 1. — Freyberg, Gesch. Herzog Ludwigs d es Brandenburgers S. isoff. 9*

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christliche Schuldner ihre jüdischen Gläubiger bezahlen sollten. Zn welchem Wohlstand Münchner Juden gelangt waren, ersieht man daraus, daß der Jude Salman ein Haus im Werte von ioo Berner Mark innehatte, das der Markgraf 1355 dem Burggrafen von Tirol und Hofmeister Ritter Konrad von Fraunberg verlieht). Als die Juden an herzoglichen Zollstätten wiederholt mit außerordentlichen Abgaben, darunter mit Leibzoll belegt wurden, verbriefte Herzog Friedrich 1375 der Münchner Judenschaft ausdrücklich die Gleichstellung mit den Christen an den Zollstätten?). Die Münchner Judenschaft lebte, wie sie in einem hebräischen Schreiben an die Straßburger Judengemeinde bekennt, im tiefsten Frieden nnd hatte den Entschluß gefaßt, eine Synagoge zu bauen und ein Hospital (Heckdesch) zu erwerben. Zu diesem Zwecke verpflichteten sich die Juden in einer vom Rabbi Jäklin aus Eger aufgesetzten Urkunde, drei Jahre lang 5% ihres Vermögens zu opfern. Nach Jahresfrist entrichtete ihrer einer, der Jude Isaak Zarfati, keinen Pfennig, weder für den Bau­ schatz noch für die Staatslasten. „Sein Tun war im Finstern." Die Juden selbst wurden im Herbst 1381 plötzlich durch die Kunde überrascht, Isaak sei mit Kleinodien und Pfän­ dern von Christen und Juden, ja sogar von der Herzogin Thaddaea Visconti, Ge­ mahlin Stephans III., und dessen Bruder Herzog Johann, geflohen. „Ihr aber wißt, wie ein Jud für den andern verantwortlich ist", schreibt die Münchner der Straßburger Judengemeinde; „darum sind wir in dem Netz verstrickt und darüber sind wir unglück­ lich und betrübt. Was hat uns der Mann angetan! Da gab es ein Jammern in der Stadt", fährt der Brief fort, „man murrte und war gegen uns aufgebracht. Die Ge­ schädigten sagten: Der Jude hat nicht Treu und Glauben, schimpften und schmähten. Und wir schwebten damals in großer Gefahr von Seite.des Fürsten und der Geschädigten. Manche von «ns waren Teilhaber bei seinen Leihgeschäften"..... Der Herzog, der die übrigen Juden in den Fall verstrickt glaubte, verfuhr aufs Schärfste mit ihnen. Er „zog uns unsern Schmuck und unsere Haut ab, indem er fortwährend sagte: Ihr müßt mir zahlen, was jener Jude mir Schlimmes getan!" Herzog und Rat wandten sich im Oktober 1381 an benachbarte Fürsten und Städte, ihnen bei Ergreifung des heimlich Entwichenen behilflich zu sein. Nach drei Wochen brachten die Münchner Juden in Erfahrung, der Betrüger weile in Pappenheim. Der dortige Rabbi Mänlin, zu dem sie schickten, hatte jedoch keine richterliche Gewalt, so daß der Übeltäter nach Rothenburg flüchten konnte. Endlich wurde er von der Judenschaft in Straßburg ermittelt. Dem Fahndungsbrief des Münchner an den Straßburger Rat liegt ein Verzeichnis der Kleinodien und Pfänder bei, welche die Christen zur Sicherung des jüdischen Leihgeldes in den Judenhäusern hinterlegen mußten: silberne und vergoldete Schalen, Becher, Pokale, Gürtel, Ketten, Spangen, Ringe, Pelze, Schleier. Obwohl das Verzeichnis nicht erschöpfend ist, da viele Bürger noch nicht um seine Flucht wußten, können wir daraus Betrieb und Umfang eines jüdischen Leihgeschäftes, aber auch den Reichtum mittelalterlicher Bürgerhaushalte an Kostbarkeiten ersehen?). x) H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. 22V, 332V. a) H.St.A. Juden in Bayern U.F. 2. B) Von der Herzogin Thaddaea hatte er einen großen vergoldeten Kessel, vom Herzog Johann

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Der Rat von Straßburg ließ Isaak festnehmen und dürfte der Bitte des Herzogs und der Stadt, ihn nach Pappenheim oder Augsburg auszuliefern, entsprochen haben, damit die Münchner Bürgerschaft am näheren Gerichtsstand mit geringeren Kosten ihr Recht gegen den treulosen Pfandleiher geltend machen konnte. Im 15. Jahrhundert entrichten die Juden anfänglich 1 % bis 10 Gulden jähr­ liche Judensteuer. Die Einwanderungserlaubnis ist für viele Schutzjuden zeitlich be­ grenzt, häufig auf nur 2 oder 3 Jahre beschränkt, daher der schnelle Wechsel der Namen. Als „Judenführer" wird 1409—1414 Vink genannt, sein Nachfolger ist 1415/16 Simon der „Schulklopfer". Einzelne jüdische Ärzte und der Schulklopfer Simon er­

freuen sich als Inhaber eines jüdischen Gemeindeamtes der Steuerfreiheit. Vom Jahre 1420 ab führt die eintretende Erhöhung des Schutzgeldes auf 10 Gulden für den Haus­ haltsvorstand eine starke Abwanderung und den auffälligen Rückgang auf 7 Haus­ haltungen herbei. An Lätare 1422 mußten die Juden dem Herzog Ernst 20 Gulden zahlen und ebenso viel, als der Herzog zum König nach Nürnberg ritt1). Dem Juden Josef, Sohn des Seligmann, erlaubten 1416 die Herzoge Ernst und Wilhelm gegen 5 ungarische Gulden Jahreszins samt Gesinde in München zu sitzens. Zehn Jahre später, 1426 bewilligte Herzog Ernst dem Seligmann, seinen beiden Söhnen Veifl und Abraham und dem David von Landsberg, daß sie, ihre Frauen und Kinder fich, solange sie in München wohnen, der den Juden von Markgraf Ludwig dem Bran­ denburger und Herzog Stephan dem Älteren verliehenen Freiheiten erfreuen. Die

nächsten drei Jahre sollten sie nur den gewöhnlichen Judenzins zahlen, jeder zu Weiheinen großen Silberpokal um 9 Mark Silber; vom herzoglichen Leibarzt Meister Jakob dem Juden einen vergoldeten Gürtel von 10 Mark Silber, zwei Silberbecher, eine Silberschale und einen kleinen Pokal; vom herzogl. Jägermeister Hans zwei vergoldete Silbergürtel, der große etwa 14 Mark schwer; von Christian Fraunberger eine Silberkandel, ein Fußband und Frauenkleinodien; vom Schenk von Geyern eine vergoldete Kette. Von der Zehrgadmerin einen halben Silberpokal, einen mit silbernen Spangen beschlagenen Riemen, ein beschlagenes Näpflein, ein schwarzes Paternoster mit ii Silberknöpfen und silbernem Anhängsel, einen Goldring, eine Silberspange, einen Silberknopf über ein Silbergeschirr. Von Hans Jmpler eine silberne Kette mit 22 Gliedern, 1 silbernen und ver­ goldeten Gürtel, 5 gute Silberschalen, 3 vergoldete Näpfe auf Füßen, 1 Silbergefäß (Hafen), 2 Silber­ knöpfe zu 4 Stück, lauter Pfänder aus dem Besitz des Hans Jmpler, die der herzogliche Zöllner Veringer für nur 100 Gulden versetzt hatte. Von der Hofmeisterin einen Schleier, einen Brautkranz, 12 Lot Silber; vom Goldschmied Wapp 1 Silberschale, 1 beschlagenen Degen und viele kleine Goldschmied­ arbeiten. Von Heinrich Diener 1 gemengten Frauenmantel mit Fehpelz und goldenen Borten, einen grauen Winterrock mit Fuchspelz, zusammen 50 fl. wert. Von der Heidin 2 Röcke und 2 Schleier, vom Goldschmied Vettinger zwei Brautringe, von Hans Sattler eine vergoldete Silberschale. Für die Pfänder der Goldschmiedswitwe Kaspar machte Jud Isaak allein 615 Gulden Gegenforderung geltend. Der Brief der Münchner Judenschast, eine einzigartige Ausnahmeerscheinung des sonst verlo­ renen Schriftverkehrs mittelalterlicher Judengemeinden, ist von 7 Münchner Juden unterschrieben: Samuel, Sohn Josefs des Alten; Salomo, Sohn des Märtyrers Juda; Samuel, Sohn des Josef Cohen; Abraham, Sohn des Jehuda; Josef, Sohn des Samuel Cohen; Moses, Sohn des Isaak Levi, und Isaak, Sohn des Benjamin.

Joh. Fritz, Urkundenbuch der Stadt Straßburg VI, 25—27, 31—33, 35, Straßburg 1899. — H. Breßlau, Aus Straßburger Judenakten, Zeitschr. für d. Gesch. der Juden in Deutschland V, 115—125, Braunschweig 1891. x) H.St.A. Fürstensachen Ltt. 1322 %.

2) M. Wiener, Regesten zur Gesch. der Juden in Deutschland S. 178, Hannover 1862.

nachten als Opfergeld io rhein. Gulden; bei Fürstenheiraten gemäß der Landschafts­ steuer eine Hilfe geben, jedoch nicht über 50 ungarische Gulden. Gleichzeitig verbannte der Herzog den Juden Veidel, dessen Sohn und Schwiegersohn samt Frauen und Kindern aus München und Bayern, da sie, wie das Verhör vor den herzoglichen Räten ergab, aus „Neid und Haß" gegen Josef Seligmann unwahre Anschuldigungen er­ hoben hatten. Gegenseitige Mißgunst und zersetzende Streitigkeiten innerhalb der Judenschaft waren also auch in München eine der Ursachen, die zu ihrer Vertreibung führte*). Wenige Jahre vor ihrer Austreibung entrichtete die Münchner Judenschaft dem Herzog Albrecht 1IL 2000 rheinische Gulden außerordentliche Steuer, deren Emp­ fang der Landesherr am 4. Juli 1439 seinem Rentmeister Oswald Tuchsevhauser be­ stätigte und deren Höhe Rückschlüsse auf ihre starke Vermehrung und ihren Reichtum zirläßt?). Es handelt sich um die Reichssteuer des 3. Pfennigs der Münchner Juden­ schaft, die ihr anläßlich des Feldzuges wider Böhmen und Polen, gemäß dem Vor­ schlag des Hofjuden Rachem und Konrads von Weinsberg an den deutschen König Albrecht II. und den Reichstag, 1438 auferlegt worden war; in gleicher Höhe wie die Reichssteuer der Judenschaft von Augsburg und Ulm, doppelt so hoch wie die der Frankfurter Iriden^).

Ungeld, Hausstättenzins, grundherrliche Einkünfte. 600

Die Münchner Stadtsteuer, 1315 durch König Ludwig des Bayern Huld auf S\ fixiert, ertrug diese Summe durchs ganze Mittelalters.

Zu diesen landesherrlichen Einkünften trat kraft der mit der Bürgerschaft ge­ schlossenen Verträge eine beträchtliche Mehrung der finanziellen Nutzungen in dem gemeinschaftlich mit der Stadt, ursprünglich auf begrenzte Zeit und für bestimmte Zwecke erhobenen Uvgeld. Die Herzoge Stephan, Friedrich und Johann belegen 1385 zur Tilgung ihrer Schulden mit Einwilligung der Bürgerschaft Wein und andere Kaufmannschaft zu München auf die Dauer von vier Jahren mit einem Ungeld. Der Eimer Wein oder Met gibt 4 Maß, ein Mutt Weizen, Roggen oder Spelt 8 X Gerste und Haber 4 X schweres Tuch von Brüssel, Mecheln, Löwen, St. Gertruydenburg ¥2 fl., gewirktes kurzes Tuch aus Eichstätt, Nürnberg oder Böhmen Vs fl., ein Loden 6 X ein Stück Barchent oder Leinwand 3 X 240 Stück Eisen 9 X Tuch, das im Lande verschnitten wird, gibt den gewöhnlichen Zoll, doch kein Ungeld. 1396 kommen Herzog Stephan und Johann, 1403 Ernst und Wilhelm mit den Bürgern überein, in den nächsten vier Jahren vom Eimer Wein oder Met ein Ungeld von 4 Maß zu er­ heben, das je zur Hälfte in den fürstlichen Keller und in die Stadtkammer fließt. Der Jahresertrag des im 15. Jahrhundert zur ständigen Verbrauchssteuer gewordenen x) H.St.A. Privilegienbuch 6 fol. 11. 8) München GU. 246. 8) „Item der Herren von Mönchen juden 2000 gülden." Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht 11,467, Stuttg. 1925. 4) Vgl. bas Kapitel „Steuer".

Weinungelds beträgt 800—900 Gulden, wovon die Hälfte dem Landesherrn yu steht^. Der herzogliche Anteil am Weinungeld ist der Stadt für lang-- und kurzfristige Schulden von 1470 ab verpfändet. Ungezählte Quittungen geben Jahr für Jahr da­ von Zeugnis, daß Herzog Albrecht IV. bald 800, bald 4000, dann 1000 und wieder 2270 Gulden Darlehen aus dem Weinungeld in kleinen Raten an die Stadtkammer zurückzahlt. Zuletzt muß München 8160 Gulden herzoglicher Schuld an Utz Seyer von Retheim auf Stadtsteuer und Weinungeld übernehmens. Neben der neuen Umsatzsteuer für Wein und Kaufmannschaft setzen die Herzoge Stephan und Johann einen „Viehzoll" durch, den sie selbst Ungeld nennen, der also eine neue Verbrauchssteuer für Schlachtvieh war. Die Münchner Metzger Lieb­ hart Mornheimer und Paul Schechner vereinnahmten den „Viehzoll" in den Fleisch­ bänken, den die Landesherren am 8. Juni 1390 a» Ritter Dietrich Hexenacker für eine Schuld von 3000 Gulden und im Jahr darauf an die Einnehmer für 937 Gulden verpfändetenb). Eine bescheidene Einnahmequelle von jährlich etwa 20 Gulden bildete das im 15. Jahrhundert eingeführte, noch unter Herzog Albrecht IV. nachweisbare Viehuvgeld*). Der Umfang des landesherrlichen Grundbesitzes im Stadtburgfrieden ist gering. Die Hofstätten der Markung waren den Ansiedlern grundzinsfrei zu freiem Eigen überlassen worden und nie entrichteten, soweit schriftliche Zeugnisse zurück­ reichen, ihre bürgerlichen Eigentümer stadtherrlichen Hausstättenzins. Erklärbar nur, wen» Heinrich der Löwe de» Siedlern Grund und Boden vorbehaltlos ohne grundherr­ lichen Zins überließ, um seine gewaltsame Gründung schnell erstehen zu sehen. Eine ganz ungewöhnliche Forderung erhoben daher Herzog und Herzogin Albrecht I I I. am 10. Oktober 1439, da sie, veranlaßt durch die Kriegs- und Geldnot dieses Jahres, sich in einem durch den Herold überbrachten Brief an den Rat wandten, „das im yedermann ain Haussteuer solt gefcen"5*).6 2 Das 3 4 Schweigen der städtischen wie herzoglichen Rechnungs­ bücher über die Bewilligung oder Nichtbewilligung der fürstlichen Bitte spricht beredt für die ablehnende Aufnahme durch die Bürgerschaft. Die grundherrlichen Einkünfte«) des Landesfürsten bestanden in Erträg­ nissen aus dem fürstlichen Grundbesitz und Geld- und Naturalabgaben von den im x) Mon. Boica 35/II S. 145, 195, 253. —- Dgl. bas Kapitel „Steuer und Schankungelb". In 40 Wochen vom 29. September 1418 bis 4. Juli 1419 ertrug bas Münchner Ungelb für ben Lanbesherrn 478 Gulden. H.St.A. Fürstensachen Lit. 1322%. 2) H.St.A. Kassa- u. Quittungssachen Fasz. 25—35. 3) H.St.A. München GU. Fasz. 8, 9. — Mon. Boica 35/II S. 159—161, 171. 4) Laut Kammerbuch ber Herzoge Ernst unb Wilhelm erbrachte bas Münchner Viehungelb vom 23. April 1413 bis 16. Oktober 1414 von 77 Wochen 18 N 5 ß, vom 16. Oktober 1414 bis 6. Februar 1416 von 68 Wochen 17 U 27 H. H.St.A. Fürstensachen Lit. 1322/2. 6) K.R. 1439. 6) H.St.A. Saalbuch Lit. 2 fol. 99V u. Lit. 23; Staatsverwaltung 1075 fol. 2; Privilegienbuch 25 fol. 36. — St.A. Landshut, Kastenamtsrechnung 1477, 1487 u. 1499; Kastenamts-Baurechnung 1480. — Mon. Boica IX, 580; 35/II, 96, 120, 129—131, 139, 187 u. 36/1, 284. — Oberbayer. Archiv XXVI, 287—308. — Quellen u. Erörterungen VI, 21 f. — Städtechroniken XV, 419. — O. Ried­ ner, Münchner Bier im Mittelalter, Zeitschr. f. d. gesamte Brauwesen 40 (1917) S. 138—141. — Denkmäler S. 136, 279, 633—638.

Weichbild der Stadt betriebenen Mühlen und schlagenden Werken sowie aus der Brau­ gerechtsame. Otto der Erlauchte schenkte 1241 den Zehent von seinen Einkünften aus Mühlen und Lohstampf in München dem Kloster Neustift in Freising. Nach dem landes­ herrlichen Urbar Ludwigs des Strengen entrichteten um 1280 die leistungsfähigen Münchner Mühlen 160 Scheffel Sommerweizen, 290 Scheffel Winteeweizen, 19 Schweine von je 1% ti H Wert zu Martini und ebensoviel von 3 ß Wert zu Licht­ meß; ferner zusammen mit Loh- und Walkstampf 56y2 ti H Bargeld; die Brauer 32% Scheffel Malz, dazu 50 ti H dem Herzog, 6 ti $ dem Vitztum und 2 ti dem Stadtrichter. Die Brauer gaben vom Metsieden der Bürger, die ihren honigsüßen Haustrunk in deren Braustätten zubereiten ließen, dem Herzog 40, dem Vitztum 6 Pfund Wachs. Wurde wegen Mißwachs ein Brauverbot erlassen, um das Getreide ausschließlich der menschlichen Ernährung zuzuführen — so vereinigten sich Herzog Ludwig und Otto am 26. August 1293 zu dem Verbot, -aß in ihrem Lande, Regensburg ausgenommen, bis Michaelis 1294 kein Bier gebraut werden durfte — dann waren die Brauer zu keiner Abgabe verpflichtet. Markgraf Ludwig setzte 1347 Wolf Schonenlint über das Münchner Brauwesen und verpfändete es 1351 — um sein Hofgesinde in Augsburg von den Wirten auszulösen — auf 8 Jahre für 400 Al H an seinen Kämmerer Ulrich von Starenberg. Dieses Jahresreichnis der Brauerschaft von 50^^ bestand auch 1372, da Herzog Stephan der Ältere zu den 21 alten Bräuern, weil sie den Bierbedarf nicht decken konnten, mehreren heimlichen Bräuern das Braurecht zugestand und verfügte, daß jedermann in Zukunft gegen Erlag von 5 Gulden starkes Schaumbier (Greussing) brauen dürfe. Laut Saalbuch von 1435/36 ließ der Hof die im Oberland anfallenden 112 Sack Gerste jährlich bei den Münchner Bräuern verbrauen und dazu noch um rund 60 ti Braugerste ankaufen, ein Be­ weis, baß in dieser Zeit noch kein Münchner Hofbräuhaus bestandx). Die Herzoge Albrecht III. und Albrecht IV. erhalten laut ihrem Lehenbuch von 1438—1515 vom Münchner Bräuamt 4 ungarische Gulden.

Die in den Jahren 1339 und 1340 bereits 200 ti H betragenden Mühlgefälle — Mühlrichter ist der Kastner — wurden zur Ausstattung der Kaiser-Ludwigs-Messe in der Frauenkirche verwendet, so daß unter Albrecht IV. die Kastenamts-Einkünfte vornehmlich aus gewerblichen Betrieben flössen: der Kupferhammer vorm Schiffertor ertrug 20 rheinische Gulden, der Lohstampf?) vorm Jsartor 4 % 6ß bis 5 ti S4, der Eisenhammer im Brunntal jenseits der Isar 2 rheinische Gulden, die Toratsmühle bei der alten Veste 20 ti L-, die Kalköfen auf dem Gries, an der Isar und bei der Bleiche jährlich 2 Mutt Kalk, die in Geld abzulösen waren. Die Kupfer­ schmiede lieferten als Zeichen der Lehenherrlichkeit zu Pfingsten Kessel und Pfanne in des Herzogs Küche. Der herzogliche Streubesitz in der Stadt war zum Teil erst im Laufe 1) H.St.A. Staatsverwaltung 1087, Altbayer. Saalbuch 29. — Mon.Boica 35/II S. 129. — Denkmäler S. 556.

2) 1314 mußte die Ledererzunft den Lohstampf abbrechen und an anderer Stelle erbauen, 1345 gewährte ihnen Kaiser Ludwig hinreichende Wasserkraft für ein Schwungrad. St.A. Mühlen 23. 1367 belehnt Herzog Stephan de» Stabtrichter Ulrich Nansheimer mit dem Lohstampf beim Luger.

des Mittelalters erworben, zum Teil ein Überrest des aufgelassenen Burggrabens der Leonischen Altstadt und diente als Wohnstatt der gebrödeten fürstlichen Dienerschaft, als Kastenstadel für die Gerichte Schwaben und Dachau und als Marstall, „da die lauffenden pfärd gestanden sind".

Zm Lehenbuch der Herzoge Albrecht III. und Albrecht IV. von Bayern (1438 bis 1515) lassen sich außerdem als im Obereigentum der Landesherrn befindlich durch Belehnungen Nachweisen: Die Sägmühle in der herzoglichen Jsarau gegenüber dem Eisenhammer im Brunntal, errichtet 1449 vom Stadtzimmermann Hans Karst. 1461 die Neudeck-Mühle an der Isar, die Mühle zu Säldenau bei der Bleich samt Anger und Stadel; Hammer- und Schleifmühle zwischen Mühlbach und Ablaß vor der Stadt (1477 verliehen an den Plattner Konrad Täntzl); das Herzogenbad am Kastenhaus beim Toratzbach; ein Jrcher-Mühllehen und Mühlschlag zu Hürtzelberg unterhalb Schwabing. 1463 die Wagmühle vorm Jsartor beim Loh­ stampf, 1465 das Haus vor der alten Veste; 1467 ein Mühlschlag jenseits der Isar am Rain, am Bach zwischen der Neudeckmühle und Jsarbrücke, mit dem der Plattner Hans von der Rosen belehnt wird; schließlich drei Acker vorm Wurzertor*).

Eine nicht minder schätzbare und ergiebige Einnahmequelle der Herzoge, deren kein Saalbuch Erwähnung tut, ist das Recht des Stadtherrn jederzeit bereitwillige Borgen zu finden. Münchens Bürgerschaft hat den Wittelsbachern als ihr getreuester Hofbankier immer dann, wenn Ebbe in den fürstlichen Kassen herrschte, Darlehen in jeder Höhe zinslos vorgestreckt, wegen der Auslandsverschuldung des Hofes Pfän­ dungen ihrer Kaufmannszüge und Fehden auf sich genommen und für das verlorene Kapital sich mit fürstlichen Freibriefen oder auch nur mit landesherrlicher Gunst und Huld abgefunden. Verpfändungen und Zahlungsanweisungen der landesherrlichen Einkünfte bildeten ein beliebtes, weil sicheres und ständig fließendes Zahlungsmittel. Außer einer Reihe fester Legate auf ewige Zeiten für kirchliche Zwecke und fromme Stiftungen bezogen namentlich die Mitglieder der fürstlichen Familie ständige Leib­ renten, Herzoginnen ihr Nadelgeld, Herzogstöchter ihre Mitgift, Witwen ihr Witwen­ geld, nachgeborene Fürstensöhne ein Gnadengehalt, Dienerschaft, Ärzte und Apotheker ihre Besoldung; so erhielt der Augenarzt Meister Johannes schon um 1300 von den Herzogen Rudolf und Ludwig seine Bestallung, 36 Scheffel Weizen, 80 Scheffel Korn, 15 ti Geld, 2 Fässer Welschwein und 400 Alpenkäse darauf angewiesen?). Auf die darüber verbleibenden Einnahmen erhielten die Gläubiger des Hauses Wittelsbach Anwartschaft zur pfandweisen Nutznießung, besonders bei dem ergiebigen, der Ver­ pfändung am meisten ausgesetzten Großzoll. Herzog Johann hatte 1394 allein auf St.A. Mühlen z u. 4. — H.St.A. Oberster Lehenhof Lit. 2 fol. 7ff»; Altbayer. Lehenbücher Lit. Z. 2) Mon» Boica 36/1 S. 284. — Der berühmte Bildhauer und Architekt Erasmus Grasser er­ hielt noch 1507 für seine „Sorge, Müh und Arbeit" beim Bau der Reichenhaller Saline von Albrecht IV. 80 rheinische Gulden als jährliche Leibrente aus dem Münchner Großzoll angewiesen. H.St.A. Staats­ verwaltung Lit. 1176 fol. 41 f., 81.

seine Münchner Zollgefälle 20300 Gülden verschrieben, ans Stadtsteuer, Stadtgericht, Bräuamt und andere Gefälle der Stadt 36880 Gulden*). Die Finanjpächter waren nicht zugleich die Finauzbeamten. Nie haben die Stadt­ herren die Erhebung der in München verpfändeten Gefälle den Beliehenen selbst zu­ gestanden, sondern sie stets an die Gläubiger durch ihre Finanzbeamten abführen lassen. Trotz der straffen Ordnung des bayerischen Finanzwesens durch den weisen und tat­ kräftigen Albrecht IV. hörte die Verschreibung herzoglicher Hoheitsrechte in München auch unter ihm nie auf.

*) H.St.A. Kassa- «. Quittungssachen Fas». 4.

IV. Kapitel.

Das städtische Zollwesen.

^^as mittelalterliche Zollwesen Münchens zu Ausgang des 15. Jahrhunderts mit seiner Teilung der Zollhoheit und Zollgefälle zwischen der Stadt und den fürstlichen Gewalten des Herzogs und Bischofs, die verschiedenartige Abstufung seiner Zollsätze nach den vier Stadttoren und nach der Person des Zollpflichtigen, ob Fremder oder Bürger, ob Bürger mit oder ohne Hausbesitz, die Scheidung der Zölle in Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchgangszölle, in Brücken-, Straßen-, Wasser- und Marktzölle, die wechselnde Verzollung des Handelsgutes nach Stückzahl und Wert, nach Maß und Ge­ wicht, »ach der Art der Verpackung und Beförderung, mittels Saumtieren, zweiräd­ rigen Karren oder vierräderigen Wägen, nach Pferdegespavnen von zwei, drei oder mehr Pferden, die scharfe Trennung zwischen Kaufmannsgut und Waren zum Eigenver­ brauch, das alles erscheint zunächst von einer verwirrenden, jede Einheitlichkeit ent­ behrenden Vielgestaltigkeit*). Selbst ein Kenner wie Franz Ludwig von Baumann gelangte zu der völlig irrigen Auffassung, daß sich die Stadt München im 14. und 15. Jahrhundert auf Kosten der Herzoge von Bayern und des Bischofs von Freising „in den tatsächlichen Besitz der sämtlichen Zölle in ihr zu setzen und die Anteile der beiden eigentlichen Zollherren festzulege» und zu mindern gewußt hat". Niemals suchte das Münchner Bürgertum den Stadtherren den rechtmäßigen Besitz ihrer Zollgerechtsame anzutasten oder streitig zu machen. Die Entstehung einer städtischen Zollhoheit vollzieht sich neben der landesherrlichen durch Schaffung neuer, rein städtischer Zölle, durch zeitgemäße Erhöhung und Erweiterung der althergebrachten. Neben und mit dem Herzog und Bischof erhebt die Stadt München ihre Zölle. Im gesicherten Besitz eines eigenen Stadtzolles ist München i. 1.1239, da Richter und Bürgerschaft die dem Kloster Rott am Inn von Bischof Konrad zwei Jahre vorher bewilligte zollfreie Durch­ fuhr von Getreide und allen Bedürfnissen der klösterlichen Gemeinschaft ausdrücklich anerkennen und ihren Stadtzöllnern die Einhaltung einschärfen: „ab omnibus civitatis nostre theloneariis observari“*2). Hätte es sich nur um den bischöflichen Brücken- und Marktzoll gehandelt, wäre die Anerkennung durch einen ausdrücklichen Zollbrief der Bürgerschaft und ihres Stadtrichters nicht erforderlich, die Redewendung „aller Zöllner unserer Stadt" fehl am Platz gewesen.

Zollungeld zur Stadtbefesiigung. Am 3. März 1301 weist Herzog Rudolf den Bürgern sein Ungeld am oberen und unteren Tor zur Befestigung Münchens mit Mauern sit3), ein Werk, das x) St.A. Zollbuch unterm Neuhausertor 1427, Sendlingertor 1427—1488. — H.St.A. Zollbuch unterm Taltor 1488; Großzollordnung 1470. 2) Mon. Boica I, 382 u. 35/II S. 1. — Denkmäler S. iof. 8) „ungelt nostrum ibidem ad superiorem et inferiorem portam diese civitatis ad percipiendum.“ Mon. Boica 35/II S. 25. — Denkmäler S. 56.

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bereits in Angriff genommen ist. Die Stadt erhielt damit das Recht, neben den alt­ herkömmlichen öffentlichen Verkehrsjöllen, die ihren Ursprung dem landesherrlichen Zollregal des Herzogs verdankten, als Zuschlag am Tal- und Neuhausertor den neuen städtischen Notzoll solange zu erheben, bis die Stadtmauer vollendet war. Ludwig der Bayer erneuert als Herzog am 17. Mai 1314 das Ungeldprivileg: Niemand soll die Stadt in der Erhebung des Notzolles beirren und beengens. Wenige Jahre später, am 15. Oktober 1319, bestätigt er als König den Münchnern auf ewige Zeit das Recht, am oberen und unteren Tor Ungeld zu erheben, auf den urkundlich geführten Nachweis hin und unter Berufung darauf, daß seine Vorfahren den Ungeldzoll einst zum Bau und zur Befestigung der Stadt einführten3*).2 Die Bürger sollten den Ungeldzoll, wenn der Zweck seiner Verleihung, die Sicherheit der Stadt, ihres Marktes und Handels durch die Erweiterungs- und Befestigungsbauten gewährleistet schien, nach ihrem Er­ messen abstellev können, ohne daß ihn der Landesherr oder seine Nachkommen wieder aufrichten durften. Diese Zollverleihung auf ewige Zeit war ein königliches Zugeständ­ nis für die gleichzeitige Einführung neuer landesherrlicher Zölle in Bayern, in München und auf dem Wasser, von denen die Münchner gefreit sein sollten. Wie unbeliebt der erste städtische Notzoll bei der Bürgerschaft war, besagt nicht nur seine Bezeichnung als Ungeld, die das Ungewohnte, Ungehörige und Drückende neben dem alten landes­ herrlichen Zollsatz zum Ausdruck brachte, das zeigt auch eine Ratssatzung um 1320, die jeden Bürger mit schwerer Strafe an Leib und Leben bedroht, der sich aus freien Stücken um das Ungelteramt bewirbt. Dadurch sollte eine gewinnsüchtige Ausbeutung der zum gemeinen Besten für die Bestreitung baulicher Bedürfnisse erhobenen neuen Verkehrsabgabe verhindert toettett3). Lassen die landesherrlichen Freibriefe den Grund der Verleihung erkennen, so ersehen wir aus den ältesten städtischen Kammerrechnungen ihre finanzielle Aus­ wirkung, aber auch die Gleichsetzung des Begriffes Ungeld mit Zoll (teloneum)4) und Auflage (exactio)5). Also eine außerordentliche Auflage auf Gegenstände des täglichen Verkehrs, auf Handelsgüter und Lebensmittel, was dazu beitrug, diese Ein­ richtung als Verbrauchsbelastung beim Volk besonders unbeliebt zu machen. Das Wort „Zoll" wird 1329 zum ersten Male für die Einkünfte aus dem Ungeld an beiden x) „wir haben in auch gehaizzen und geheizzen mit guten triwen, daz wir noch nieman fl an dem ungelt ze München in den vorgeschriben jaren und in der vorgenanten zeit niht irren noch engen noch daran dhein lait tün." Mon. Boica 35/II S. 35. — Denkmäler S. 69.

2) „als wir stat bei obern davon pauen, unser vordern

mit der warhait chuntleich beweiset sein, daz daz ungelt in der vorgenanten unserer und niderm tor ze reht zu derselben unserer stat gehört, daz man diu pezzern sol und vesten alle zeit, swenn und wo sein not geschicht; wan es darumb erfunden habent." Mon. Boica 35/II S. 54. — Denkmäler S. 99.

3) „Die burger habent gesetzet: swer der sei, der umb daz ungelt pitet oder wirbet oder gewinnet oder ez innimet, daz sein leib und güt in der burger gewalt sei, also daz si in darumb bezzern und büzzen sülen, swie fle selbe wellent; wan daz ungelt ist auf gesetzet durch gemainen frum der stat." Consules C. u. M* 8 fol. 6. — Denkmäler S. 187.

4) K.R. 1329 fol. 29 „Summa utriusque thelonei“; ebenso 1345 fol. 214V und 1346 fol. 233V.

6) „Ungeld" und „Auflage" („exactio“) werden wechselweise gebraucht. K.R. 1319,fol. 20, 32; 1321 fol. 51s.; 1325 fol. iff.; 1326/27 fol. iov; 1331 fol. 42—44.

Toren gebraucht; der Einheber der neuen Verkehrsabgabe, der Ungelter, wird häufig auch Zöllner („teloneator“) genannt. Der Ursprung des städtischen Zollwesens ans dem Ungeld-Erwerb jur Stadtbefestigung steht somit außer Frage.

Entwicklung der städtischen Zollhoheit. Der Ungeldjoll („exactio“) vom Taltor (unteren Tor) wird 1322 zum ersten Male geschieden in Wasser- und Brückenzoll („in aqua“ und „de ponte“)1).2 3 4 5 Neben dem Brückenzoll („in ponte“) erscheint 1325 der Begriff „Straße nz oll" („de strata“); 1341 ist bereits von drei Zöllen die Rede, obwohl in den vorausgehenden Zähren die Zolleivnahmen nur in solche vom „unteren" (Ulrich Tückel) und „oberen Ungelter" (Nyblunch) geschieden werdens. Wieder einige Jahre später, 1344, werden auch die Einnahmen des Zöllners (Schwalbensteiner) am Neuhausertor geschieden in Salzzoll und Straßenzoll vom Kaufmannsgut^). Ist auch nirgends im einzelnen gesagt, was man unter dem Tor-Ungeld^) ver­ stand, das Herzog Rudolf und Ludwig der Bayer und ihre Vorfahren einstens der Stadt verliehen, so lassen doch die Einnahmen seit 1360 ersehen, daß am Taltor der Wasser- sowie Salz- und Truckengutzoll („de sale et sictis“), am Neuhausertor der Salzzoll und der Straßenzoll von Handelsgut („de strata“) darunter begriffen wurdet. Zum Unterschied für den vor 1360 neu aufgekommenen Salzscheibenzoll bürgert fich im 15. Jahrhundert für den althergebrachten Salzzoll unterm Tal- und Neuhausertor der Name Ezoll ein. Zu Lichtmeß 1420 erfolgt eine Aussonderung des — zunächst „Ezoll" schlechtweg genannten — Neuhauser Torzolles: einerseits in *) Eine Unterscheidung, welche die Kämmerer in den folgenden Jahren beibehalten und die jeden Zweifel ausschließt, daß es sich um Zoll- und Wegungeld, also Derkehrsungeld, und nicht um Ungeld als Verbrauchsabgabe handelt. K.R. 1322 fol. 66v—68; 1323 fol. 82; 1324 fol. 92; 1326/27 fol. iov. 2) K.R. 1338/41 fol. 119V, 120V, 134V, 136V, 149v, 150V u. trotzdem fol. 152 „de tribus theloneis“. 3) K.R. 1344 fol. 195V: „Summa salis 112 # 6 ß 29 H" und „Summa strafe de mercibus 50$ 7ß 10H". — Noch 1360 wird der Zöllner (Eyban) am Taltor als „unterer", sein Partner am Neuhausertor als „oberer Ungelter" bezeichnet. Zum letzten Mal findet fich die Amtsbezeich­ nung „oberer Ungelter" 1371 bei Ulrich Sun. K.R. 1360 fol. iv, 7V; 1361 fol. 29; 1362 fol. 80; 1371 fol. 2. 4) In Köln begegnet Wort und Begriff Ungeld erstmals 1206, in Lübeck 1226, in Ulm 1231. In Wien und Österreich 1239 als Verkehrsabgabe von allem ein-, aus- und durchgeführten Kaufmannsgut; daneben als Verbrauchsabgabe von eingeführten Lebensmitteln. Alf. Dopsch, Verfaffungs- u. Wirtschaftsgesch. des Mittelalters S. 507s., 511, Wien 1928. Die Stadt Basel verfügt um die Mitte des 13. Jahrhunderts über ein Ungeld vom Wein als Verkaufs- und Verbrauchsabgabe für Bürger wie Einheimische, Käufer und Verkäufer; unter „Un­ geld" wurde in Basel aber auch ein Pasfierzoll erhoben. Auch Freiburg im Breisgau kannte ein Ver­ kehrs-Ungeld. Saxer, Das Zollwesen der Stadt Basel S. 3s., Stuttg. 1923. — Vogel, Freiburg i. Br. S. $f. 5) K.R. 1396 fol. 3 u. 4: „under dem obern tor vom salcz und von anderer chauffmannschaft."

Salz-Ezoll, anderseits in Ausfuhrzoll von Salzwägen und Kaufmavnsgut und Einfuhrzoll vom Wein*). Das Sendlinger- und Herrntor erscheinen 1419 zum ersten Male mit 13 ß 16 H städtischen Gefällen vom Ezoll, in der Rechnung des Jahres 1420 mit 17 N 82 L„von dem trucken", so daß also hier der Truckengutzoll als Ezoll bezeichnet wird. So sehr hatte sich die Bürgerschaft an den Ungeldzoll gewöhnt, so sehr war das Odium der un­ gewohnten und ungewollten Belastung vergessen, daß die Kraft des Herkommens de» bösen Namen in sein Gegenteil wandelt: Ungeld in Ezoll. Unter Truckengut selbst aber verstand man die in Ballen verpackte Kaufmannsware, Tuche, Wolle, Felle, Eisen und Metalle, vor allem die Einfuhrwaren aus der Levante, gedörrte Früchte, Spezereien und Seide, für deren Handel Herzog Stephan während seines Krieges mit Österreich 1364 den Regensburger Kaufleuten auf der Straße von und

nach Venedig Geleit und Sicherheit zusagte?). Noch in der Kammerrechnung 1412/13 teilen sich drei Zöllner am Taltor in die Zollerhebung: einer für den Scheibenzoll, der zweite für Ezoll, Truckengut und Wasserzoll, der dritte für Brückenzoll und Saumrosse. Seit 1414 greift eine Zweiteilung Platz, wie sie bis ans Ende des Mittelalters und darüber hinaus Bestand hatte. Laut der Münchner Zollorhnung des Jahres 1427, die einen guten Überblick über die erhobenen Zollarten und zugleich einen klaren Querschnitt durch die Schichtung des städtischen Zollwesens gewährt, hat denn auch die Stadt unterm Taltor nur mehr zwei geschworene Zöllner, welche 5 Zollkassen verwalten: Der erste Stadtzöllver betreut die große Büchse für den Salzscheibenzoll und eine zweite für den Ezoll, sehr oft Salzezoll oder kurzweg Salzzoll genannt; beide Zölle waren also Salzzölle. Der zweite Stadtzöllner unterm Taltor verwaltet drei Zollkassen: eine Büchse für den Brückenzoll und die Abgabe von den Saumrossen?), eine zweite für den Pflasterzoll und eine dritte, abgeteilt in drei Fächer („Gemächer"), für Truckengut, Wasserzoll und das Wagengeld der Salzwägen. Der Zöllner am Neuhausertor vereinnahmt 1427 drei Zölle und führt drei Zollkassen: für den Salz-Ezoll, den Truckengut- und den Pflasterzoll. Die Büchse für den städtischen Salz-Ezoll, den der Stadtzöllner erhebt, steht im herzoglichen Zollhaus; von de» Einnahmen fällt der Stadt ein Drittel, dem Herzog zwei Drittel. War das 13. und 14. Jahrhundert gekennzeichnet durch Neuschaffung von Zöllen und Zollmehrungen, durch die zunehmende Entstehung und unabhängige Verwaltung *) K.R. 1419: „von salczwegen hinaus und vom wein, der herein, und vor kaufmannschäft hinaus", andererseits „etzoll von salcz". Der Stadtzoll am Neuhausertor wird 1429 geschieden in den Einfuhrzoll vom Wein, Ausfuhrzoll von Truckengut und Kaufmanns­ ware sowie den Salz-Ezoll („zol under Neuhausertor vom trucken, von der kaufmanschaft hinaüs, von wein herein" und „ezoll vom saltz"). 2) Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi I, 86, Stuttg. 1887. — Knipping, Kölner Stadt­ rechnungen Einl. S. 78. 8) Sie wurden bis 1413 zwar vom gleichen Zöllner, aber als getrennte Zölle vereinnahmt.

eines reinen Stadtzolles neben den fürstlichen Zollsätzen, durch den zunächst befristeten Erwerb des Tor-Ungeldes in seinen mancherlei Abarten, des Brücken-, Scheibevsalzund Pflasterzolles, so kommt im 15. Jahrhundert die Geschichte des städtischen Zoll­ erwerbs zum Abschluß. Auf der durch landesherrliche Zustimmung und Gunstbriefe gesicherten Grundlage eines unantastbaren, zum Teil hundert- und mehrjährigen Zollbesitzes entsteht das selbständige städtische Zollrecht, wie es in den Zollordnungen von 1427 und 1488 mit ihrer vielseitigen Durchbildung und seinem vielgliederigen Ab­ gabenwesen einen Niederschlag findet.

Brückenzoll. Ein ehrfurchtgebietendes Alter von fast 800 Jahren liegt über der Urkunde, die 1158 Münchens Zukunft als Stadt entschied und das Eigentumsrecht an der Isar­ brücke, wie billig, dem Bischof von Freising zuerkannte. Die ältesten Ratssatzungen wie die städtischen Saalbücher betonen ausdrücklich das alleinige Eigentumsrecht des Bischofs an der „Freisinger Brücke". Nach der im großen Saalbuch von 1444 nieder­ gelegten Auffassung des Münchner Stadtschreibers stammt der Stadtrechtsartikel, der von der Schädigung der Jsarbrücke handelt, noch aus der Zeit, da der Bischof das Bruckzöllneramt selbst besetzte: Stößt ein Fremder mit seinem Floß an die Jsar­ brücke, verfällt es dem Zöllner; tut's ein Münchner, hat er nur für die Beschädigung aufzukommenH. Der Bischof durfte jedoch den ihm zugestandenen Zoll von der Münch­ ner Jsarbrücke („theloneum pontis“) nicht erhöhen; Bürgerschaft und Herzog wachten eifersüchtig darüber und wären einem solchen Streben entschieden entgegen getreten.

*) Saalbuch 1444 fol. 74V.

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Wasserzoll und Jsarflößerei. Der Wasserweg spielte gegenüber dem Landverkehr eine ungleich größere Rolle als heute. Die Wasserstraße ans der Isar, deren Schiffbarkeit wegen der Wildheit des Stromes, wegen seiner Untiefen und seines wechselnden Wasserstandes heute im Zeichen der Eisenbahn und des Kraftwagens nur noch eine verschwindende Bedeutung hat, wurde damals von Flößen und Flußschiffen von rohgezimmerter, festgefügter Art, welche Erschütterungen standhielten, gerade für den Fernverkehr gegenüber dem kostspieligen Landweg häufig bevorzugt. So ließ Herzog Albrecht 11. von Straubing-Holland ein ins Straubinger Karmelitevkloster gestiftetes Standbild des Ritters St. Georg, das Stephan der Steinmetz in München zu fertigen hatte, auf der Isar zu Schiff dorthin bringen. Die gesamte Fracht auf Isar und Donau kostete nur sß 20 H, der beste Beweis für die Wohlfeilheit der Jsarschiffahrt^). Herzog Al­ brecht IV. fuhr 1491 auf die Kunde, daß sein Schwager, der römische König Maximilian in Landshut zu Besuch weile, auf der Isar dorthin, und 1493 auf Isar und Donau von München nach Wien zum Begräbnis seines Schwiegervaters des Kaisers Fried­ rich IIL2).3 4Einer der Wienfahrer ist der Floßmeister Jörg Resch von München, der 1482 wegen Verdachts unberechtigten Handels mit Goldschmiedwaren mit dem Wiener Rat in Konflikt kommt2). Wichtiger als der Personenverkehr war der dem wohlfeilen Wasserweg anvertraute Güterverkehr: Die Flößer von Mittenwald waren gehalten Münchner Kaufmannsgut, das im Achsenweg über die Alpenpässe dort ankam, sofort auf der Isar zu verfrachten. Alle Flöße und Schiffe aus dem Oberland mußten zu­ folge des Stapelrechtes drei Tage lang an der Münchner Jsarlände anlegen. Schon um 1310 waren je drei städtische Ländhüter als Aufstchtsführende über die obere und untere Jsarlände gesetzt. Die Münchner Frachtsätze der Jsarflößer für Tal­ fahrten betrugen um 1310 für ein Faß auf dem schneller treibenden, einfachen Floß 15, vom Doppelfloß (gestricktem Holz) 12 H, für den Gast 18, bzw. 15 Eine volle Floßlandung mit Truckengut oder Ol kostete später auf einfachem Floß 21/» ß, auf Doppelflößen Aß. Der Lohnsatz für eine Talfahrt von München war um 1365 auf gewöhnlichem Floß 2% ß für den Bürger, 3 ß für den Gast; auf gestricktem Floß 4, bzw. 5 ß, ein Jahrhundert später (1464) für Fremde 10 ß. Der Kaufmann konnte wählen, welche Floßfahrt er wünschte. Flößern, die gegen die Frachtordnung verstießen, wurde die Flößerei auf ein Monat, im Wiederholungsfall auf ein Jahr verboten^). Haupt2) H.SL.A. Straubing Ger.Lit. 3%, Rechnungsbuch Herzog Albrechts von Straubing-Holland von 1389—1393 fol. 113—122. Der griechische Kaiser Johannes.Palaeologus benützte 1424 das Floß, als er auf seiner Reise von Italien zu Kaiser Sigismund nach Ungarn fuhr. Hugo Marggraff, Der Verkehr auf der Isar, Bayerland 23 (1912) S. 44. 2) „Anno 1491 am smalzigen sambstag kam der römisch künig gen Landshut; do das erhört sein swager Herzog Albrecht am gaylmontag (i4.Febr.) von München, für er ab aufder User gen Landshut." — „An sand Othmari tag ist Herzog Albrecht zu München auf di Jser gesessen und ab gen Wien zu seines swechers kaiser Fridrichs grebnüs gefaren." Veit Arnpeck S. 426,645, 679, 686. 3) Quellen z. Gesch. der Stadt Wien, 2. Reihe III (1904) S. 294. 4) C. u. M. 7. — Cgm. 544 fol. 48—50. — Denkmäler S. 189, 260s., 443, 445.

fracht für die Beförderung war das Bauholz der Floßstämme — zum Bau der Frauen­ kirche schwammen 140 Flöße mit über 2100 Baumstämmen die Isar herab —, waren Baustoffe wie Nagelfluh und Kalkstein, war das Kaufmannsgut aus Tirol und Italien, Wein und Südfrüchte, Gewürze, Seidenwaren und anderes Truckengut. Nach dem Zeugnis der Herzoge Ernst und Wilhelm vom Jahre 1431 wollten viele Nürnberger und andere Kaufleute die Straße von Venedig und Tirol heraus vou Mittenwald ab aufs Wasser gehen. Der Mittenwalder Bürger Resch benahm sich mit den Münchner Kaufleuten. Für einen Saum Truckengut wollte man 15 Kreuzer, von einem Saum Blei oder Hl 14 Kreuzer für das Flößen nehmens. 1436 wurde in Mittenwald eine Wasserrott-Ordnung zu erträglichen Tarifen aufgerichtet?). Von Wolfratshausen gingen auf Loisach und Isar i. I. 1477 2884 und i. I. 1496 3639 Flöße ab; an Grünwald fuhren i. 1.1497 3312 Flöße vorbei^). Nach der Zahl der nebeneinander liegenden Baumstämme wurden die Flöße unterschieden in Achter, Zwölfer, Sechzehner, Acht­ zehner und Vierundjwanziger. Ihre Länge betrug 12—24 m, ihre Breite 6 m. Zwei Flößer bedienten das gewöhnliche Floß, der Ferge oder Nauferge als vorderer Steuer­ mann, in der Regel wie noch heute der Floßmeister selbst, und ein Ruderer, sein Ge­ hilfe, als hinterer Steuermann. Schwere Flöße benötigen im Vorderteil einen Dritt­ fergen. Zur Talfahrt ins Unterland bis Wien und Ungarn wurden in München zwei Flöße mit Stricken zusammengehängt. Münchens Flößerzunft zählte in der Zeit ihrer höchsten Blüte gegen Ausgang des 14. Jahrhunderts 17 Meister; ihre Zahl sank bis 1500 auf 12, im 30jährigen Krieg auf 7, um erst im 19. Jahrhundert wieder auf 10 Floß­ meister anzusteigen. Hauptorte der „nassen Rott", des Frachtfuhrwesens auf der Isar, waren außer München der hochstiftisch Freifingsche Markt Mittenwald — dem als Standort des Floß- und Schiffverkehrs eine ähnliche Stellung zukam wie Garmisch und Partenkirchen für die Rottfuhr oder dem fränkischen Frammersbach für den Achsenweg in die Niederlande — und die bayerischen Märkte Tölz und Wolfratshausens. Die Bedeutung der Isar als Handelsstraße von den Alpen und aus dem Welsch­ land verpflichtete den Rat, ein wachsames Auge auf die Beeinträchtigung und Er­ schwerung der Floßfahrt durch Ufer- und Dammbrüche, Verlagerung des Gerölls und insbesondere auf die Gefährdung der Schiffahrt bei Wasserengen und an Strom­ schnellen zu richten. Der seit den frühesten Zeiten am Taltor erhobene städtische Wasserz oll von den anlegenden oder vorbeifahrenden Flößen und Schiffen war ein Leistungs­ zoll für die Aufwendungen an Wasser- und Uferbauten und die Beseitigung der Strom­ schnellen, Untiefen und Klippen im Flußbett, wofür die Stadt die Mittel vorstreckte. Ein Teil des Wasserzolles verblieb den Fürsten, zu deren Regalien die Flußläufe zählen. In der Ausmarkungsurkunde des Münchner Burgfriedens vom Jahre 1460 sprechen die Herzoge Johann und Sigmund aus, daß der Wasserzoll auf der Isar ihnen und der *) Brief an Rat und Bürger zu Mittenwald. H.St.A. Privilegienbuch 6 fol. 53 vt 2) Joh. Müller, Das Rodwesen Bayerns u. Tirols im Spätmittelalter, Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschastsgesch. III (1905) S. 379. Die Wasserrott bestand seit alters neben dem Rottfuhrwesen, was Müller zu Unrecht bestreitet. 3) Mitterwieser, Jsarflößerei im 15. Jahrh., Bayerland XXV (1914) S. 743f. 4) Marggraff, Bayerland XXIII (1912) S. 26—29.

Stabt zukomme, jedem zu seinen Rechtens. Die Schleusenbauten nnd Wasserfälle bei Mittenwald, Krün, Riß nnd Fall erforderten seitens der Stadt München beträcht­ liche Aufwendungen, denen allerdings auch namhafte Eingänge aus den Flußzöllen im Oberlauf der Isar, aus dem „neuen Isar-" oder „neuen Wasserzoll", dem „Fall-" oder „Grintlzoll" gegenüberstanden, besondere Aufwandzöüe, mit denen der Rat die Floßfahrt für seine Leistungen zur Schaffung eines fahrbaren Rinnsales außerhalb des Stadtgebietes belegte. Die Ausgaben für den Wasserbau fern von München wurden tm Wege des Sonderhaushalts aus den Zolleinnahmen bestritten und nur Barüberschüsse in die Zollbüchse des TaltorzSllners, der den Truckengut-, Wasser- und Salzzoll einnahm, abgeführt. 1330 wurden von diesem Notzoll auf der Isar 28 48 L, und 18 Veroneser piccoli vereinnahmt, nicht viel weniger aber gleich­ zeitig ausgegeben. Unter Leitung des Meisters Ortlin ließ der Rat 1330 bei Har­ laching ein großes Wehr erstellen, zu dessen Kostendeckung alle vorbeifahrenden Kauf­ leute einen Notzoll beisteuern mußten; die Regensburger kauften ihre Kaufleute und Handlungsdiener, welche auf der Isar Handelsgüter führten, hievon mit 30 L- los?) Für Wasserbauten an der Wasserevge bei Fall zwischen Lenggries und Mittenwald wurden 1343 59 tt 3 ß 27 $ aufgewendet, dagegen im folgenden Jahre vom Ungelter Eckel am Taltor der „Fallzoll" mit rund 108 Äl L- vereinnahm?). Der untere Ungelter, der Zöllner Eyban vom Taltor, nimmt 1360 — außer vom Truckengut-, Salz- und Wasserzoll („sictis, sale et aqua“) — als Notzoll für städtische Flußbauten bei Fall („de val“) 62 U 4 ß 1 eilt4*).2 * Auf Betreiben der Stadt München traf der Markt Mittenwald 1404 mit Meister Peter Steinbrecher ein Übereinkommen, den Grintl ob Fall, wo sich der wilde Alpen­

fluß zwischen Felsen durchzwängt, gegen 37 Gulden zu brechen, damit Kaufleute und Flößer ohne große Schwierigkeiten durchfahren könnten. München streckte ein Teil des Geldes vor. Binnen Jahresfrist war die Arbeit des Steinbrechers soweit fertig, daß ihm die befragten Mittenwalder das Zeugnis ausstellten, er habe eine gute, höheren Lohn verdienende Arbeit geleistet, die allen Kaufleuten und Flößern merklich nütze, so daß keiner mehr beim Fahren behindert sei. München bestellte in den folgenden Jahren zur Erhebung des Grintlzolles einen eigenen Wasserzöllner zu Mittenwald. Unterm 2. November 1410 wandten sich Rat und Gemeinde von Mittenwald an die Stadt München wegen des Notzolles, den sie in Mittenwald auf Wein und Truckengut gelegt hatte: Die Kaufleute, die in Mittenwald an die Lände kämen, seien über den neuen Wasserzoll ver­ drossen. Denn sie hätten der Ausgaben genug, Kosten für Floß und Fässer, Löhne für Bewachung und Fergendienst, so daß gar mancher darüber ungehalten und unwillig sei, am meisten die Münchner selbst, welche die vorjährigen Wasserbauten vom Falkenx) Mon. Boica 35/II S. 358. 2) Oberbayer. Archiv XI, 224. — Mon. Boica 35/II S. 69. 8) K.R. 1344 fol. 198. 4) K.R. 1360 fol. 4. — Vielleicht ist auch der „Userzoll novum" des Jahres 1371 mit 33 % 7 ß 12 H und die Einnahmen 1380/81 »de aqua ex parte Schottin“, es heißt dafür auch vom Jsarzoll (»de theloneo super Yseram“), als Entschädigung für Wehrbauten hieher zu zählen. K.R. 1371 fol. 21 f., 1380 fol. 22, 1381 fol. 20.

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berg noch nicht abgetragen haben und auch nicht abtragen wollten. Die Mittenwalder rieten daher, den neuen Wasserzoll in München oder Tölz einnehmev zu lassen. Sie wollten und könnten es nicht, würden dagegen den Kaufleuten zu wissen tun, welch gewaltige Aufwendungen die Münchner für Wasser- und Straßenbauten machen. Sie baten dies ihnen als armen Leuten wegen der ihrem Handel drohenden Schädi­ gung nicht übelzunehmen, da sie außer der Handelsstraße keine Einnahme hätten. Am 15. August 1413 wandten sich die Mittenwalder erneut an den Rat mit der Bitte, beim Herzog wegen des Baues einer Straße nach Fall längs der Isar vorstellig zu werden. Die Tölzer wollten den Straßenbau bis Riß übernehmen, die Mittenwalder ihn von Riß nach Mittenwald weiterführen. Im gleichen Jahr 1413 rät Parcival Werneck dem Rat, die ihm geschickte Zollbüchse für den Fallzoll wieder zurückzunehmen und diesen in München erhebe» zu lassen, da man in Mittenwald davon viel Auf­ hebens machet. In den Jahren 1406—1430 läßt sich der Grintlzoll von Mittenwald in den Kammerrechnungen ständig verfolgen. Einnehmer des Zolles ist zeitweise Peter Steinbrecher in Mittenwald, zumeist aber der Taltorzöllner, der den Truckengut-, Wasser- und Salzzoll vereinnahmt. München streckte die Kosten vor, besoldete den Zöllner und verbuchte zu Zeiten einen kleinen Gewinn. 1431 wollte der Rat den aus der Isar bei Grünwald aufragenden Georgevsiein brechen und verbauen lassen, um dies ge­ fährliche Hindernis der Schiffahrt auf der Isar zu beseitigen. Das hierfür nötige Geld sollte wie bei Mittenwald und am Grintl durch eine örtliche Zollerhebung wieder ein­ gebracht werden.

Salzstapelrecht und Salzhandelsmonopol. Salzgewinnung und Salzhandel zählen zu den ältesten Lebensäußerungen der bayerischen Volkswirtschaft, der Salzhandel ist Ausgangspunkt und Schritt­ macher für Münchens Bedeutung als Handelsstadt, der Salzzoll warf von allen zollpflichtigen Handelsgütern für Stadt und Herzog die ergiebigsten Gefälle ab, bei der Ein- und Ausfuhr wie durch die Niederlagspflicht im Salzstadel und die Markt­ abgabe beim Verkauf. Der uralte Hallweg, seit Jahrhunderten Königsstraße, führte von Reichenhall über Traunstein, Trostberg, Wasserburg nach München. Auf ihm wurde das wegen seines großen Gehalts das „reiche Salz" genannte Siedesalz von Reichenhall, der bedeutendsten Saline im deutschen Südosten, in langer Landfracht westwärts ge­ führt, das sich in Bayern, Schwaben, Franken, am Oberrhein und in der Schweiz — die keine eigenen Salzvorkommen hatte und ganz und gar auf Zufuhr angewiesen war — ein festes Absatzgebiet eroberte. Diese Vorrechtsstellung des Wasserburger Hallweges war seit der Landesteilung von 1255 der stete Zankapfel zwischen den wider­ streitenden Interessen der bayerischen Teilherzogtümer. „Wider die Gewohnheit und die verbrieften alten Rechte" beseitigte Kaiser Lud­ wig der Bayer die Bevorzugung seiner Residenzstadt als Umschlagsplatz für alles x) Stadtarchiv, Missive von 1404, 1405, 1410, 1413.

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durchgeführte Salz zugunsten der Nachbarstädte und gestattete den Fremden, Gästen und Ausleutev, die freie Salzdurchfahrt durch München. Bewogen durch die Vor­ stellungen von Rat und Bürgerschaft und in Erkenntnis der schweren Schädigung der städtischen Wirtschaft, ordnete er unterm 6. November 1332 in einer goldenen Bulle den Salzstapelzwang in München für ewige Zeiten an mit der aus­ gesprochenen Absicht, sein Unrecht gutzumachen «ad den darniederliegenden Salz­ handel in seiner Landeshauptstadt wieder zu heben. Alles zwischen Landshut und den Alpen westwärts geführte Salz durfte nur zu München die Isar über­ queren und mußte in der Stadt zum Verkauf niedergelegt werden, sonst war es zollfreisig, das heißt den Zollgesetzen verfallen. Rechts der Isar durften die Salzzüge auf keine andere Straße geleitet werden. Um bei München den Jsarübergang zu erzwingen und Zollumgehungen zu verhindern, schärfte der Kaiser gleichzeitig seinen Richtern in Aibling und Schwaben ein, über den Vollzug zu wachen. Nur Münchner Bürger und ihre Knechte durfte» Salz aus der Wasserburger Salzniederlage einführen und ver­ kaufen, aber auch Gäste es weiter verfrachten. Damit war der Stadt und ihrer Bürger­ schaft ihre bedeutsame Monopolstellung im Salzhandel zurückgegeben. Das Bewußt­ sein, daß München seit seiner Gründung durch Heinrich den Löwen das Stapelrecht für den Salzhandel besaß, war in der Bürgerschaft lebendig geblieben: Unser gnädiger Herr hat „nach altem recht und gewonhait, damit die stat München gestift ist", die Salzniederlage auf ewig bestätigt, vermerkte Stadtschreiber Sighard Tückel im Ratsbuch ^). Stapelrecht und Salzniederlage bedeuteten erhöhten Umsatz und erhöhte Zollgefälle, bedeuteten vorteilhaften Einkauf und vermehrten Handelsgewinn. Im Vollgefühl des errungenen Rechtssieges, aber auch geleitet vom Bestreben die letzten Fesseln des Salzhandels, den Einkaufszwang auf der Wasserburger Salzniederlage abzustreifen, entsandte der Rat t. I. 1333 seine Verordneten in die Innstadt, um mit der dortigen Bürgerschaft und mit den Vertretern Reichenhalls bindende Abmachungen über die künftige Durchführung des Salzhandels zwischen den drei beteiligten Städten zu treffen*2).3 Der 4 Kaiser selbst kam den Wünschen seiner Landeshauptstadt noch weiter ent­ gegen, indem er sie 1336 von jeglicher Einfuhrbeschränkung befreite und ihrer Bürgerschaft gestattete, Salz unmittelbar in Reichenhall, aber auch das in den Salz­ bergwerken zu Hallei» im Hochstift Salzburg gewonnene „arme Salz" zu kaufen; ferner das Salz zu Schellenberg im Gebiet des Reichsstifts Berchtesgaden und an allen Sudstätten und Handelsplätzen2). Damit war der Weg freigemacht für das Tiroler Salz aus Hall im Jnntal, das über den Fernpaß, durch die Scharnitz oder das Unterinntal nach Bayern verfrachtet wurdet. München war nun im vollsten Sinne

Mon. Boica 35/II S. 73—79. — ©irr, Denkmäler Einl. S. 43; S. 139—146, 228, 469. 2) „Item dominica ante nativitatcm sancte Marie 17ß 9 H in Wazzerburgam pro composicione salis et statutorum inter Monacenses et Hailenses et Wazzerburgenses.“ K.R. 1333 fol. 66. 3) Denkmäler S. 149. 4) Stolz, Zur Gesch. des Transportwesens in Tirol, Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. VIII, 218, Stuttg. 1910.

Umschlagsplatz für den Salzgroßhandel aus der Südostecke des Deutschen Reiches, der das „reiche" und „arme" Salz bis an die Absatzgrenzen der Salzhandelsstädte Schwäbisch-Hall und Heilbronn wie des mitteldeutsche» Steinsalzes führte. Um welch große Mengen es sich dabei handelte, ersieht man daraus, daß ein deutscher Haushalt der Gegenwart jährlich etwa 8 kg Salz für den Kopf erfordert4* )2und * daß der Jahresverbrauch des Mittelalters eher noch größer war. Eine mittelalterliche Kleinstadt mußte also jährlich bis zu 500 Zentner, eine mittlere Stadt bis zu 1500 Zentner, eine mittelalterliche Großstadt wie Nürnberg wohl an 5000 Zentner Salz heranführen.

Bewogen durch die Bitten der Stadt Reichenhall, die sich durch den ungehemmten Wettbewerb der ausländischen Salinen in ihrem Bestand bedroht fühlte, trat Kaiser Ludwig der Bayer, dem als obersten Eigentümer der Reichenhaller Saline viel an ihrem Gedeihen lag, 1341 einer allzu schnellen Ausbreitung des Halleiner Salzes entgegen. Der Münchner Rat, dessen widerstreitende Interessen ihm geboten, möglichst viel und möglichst billiges Salz, gleichviel welcher Herkunft, für den westdeutschen Markt aufzubringen, sandte die Mitbürger Konrad Schalkdorfer und Jakob Tichtl nach Hallein, um persönliche Beratungen zu pflegen, wie das Verbot des armen Salzes aus Hallein und die Einengung des Münchner Handels abgewendet werden könnten?). Das Ver­ bot des „armen Salzes" aus Hallein, das Ludwig der Bayer 1341 aussprach, scheiterte am Bedarf und an der unzureichenden Erzeugung Reichenhallsb). Seinen Ruf als be­ sonderer Förderer seiner Landeshauptstadt brachte der alternde Kaiser in seinem Sterbe­ jahr durch das Privileg vom 28. Juli 1347 zu neuen Ehren, worin er die Bestimmungen der Jahre 1332 und 1336 über den unbeschränkten Salzeinkauf der Bürgerschaft und das Stapelrecht in München für ewige Zeiten erneuerte und ausdrücklich bestimmte, daß Salz von den Jnvstädten Wasserburg und Otting in Oberbayern nur in München über die Isar geführt werden dürfe und daß nur ihre Bürger zu seiner „Fertigung" bis zur Niederlage in München berechtigt feie»4). Damit waren die Be­ strebungen der bayerischen Städte Wasserburg und Landsberg, die vorübergehend zum Widerruf der weitgehenden Münchner Freiheiten durch den Kaiser geführt hatten, vereitelt und der Salzhandel über Land von neuem in München monopolisiert. Dec Bürger holte im Eigenhandel das Salz von den Salinen, der Fremde konnte nur vom Bürger das in München niedergelegte Salz kaufen und nach Schwaben ausführen. Der Gewinn aus dem Zwischenhandel verblieb der Stadt. Unangefochten blieb München zwar auch seitdem nicht im Besitz seines Stapel­ rechts. Herzog Meinhard, Sohn Ludwig des Brandenburgers, verlieh der Stadt x) H. Klaiber, Vom Salzwesen, Bayerland XXXII (1921) S. 277.

2) Distributa salinaria; item Chunradus Schalchdorfer et Jacob Tichtel assignate sunt in Hallein 22y2 % Rat* dominica Letare. K.R. 1341 fol. 258. 8) Aug. Funke, Die Reichenhaller Saline bis zur Begründung des herzogl. Produktions-Mono­ pols S. 40, Meppen 1911. 4) H.St.A. Kaiser-Ludwig-Selekt 1089. — Mon. Boica 35/II S. 86—88. — Denkmäler S. 167 bis 169. — Das ausschließliche Recht zum Salzstapel und zum Jsarübergang in Oberbayern ward München 1376 von den Bayernherzogen zugestanden. Baumann, Reichenhaller Regesten, Archival. Zeitschr. NF. XI (1904) S. 212.

Landsberg am Lech das Recht der Salzviederlage, mußte es jedoch am 29. Septem­ ber 1362 widerrufen, da ihn die Münchner überzeugten, daß ihr Stapelrecht für das Land am vorteilhaftesten fei1).2 3Am 15. Februar 1373 erhielt die Stadt Aichach von den Herzogen Stephan und Ludwig dem älteren und seinen Söhne» als Ersatz für er­ littene Kriegsschäden das Recht, Salz von München nach Aichach zu führen und dort zu verkaufens. Ein politisches Zugeständnis an die Kriegswirren, um die Salzversorguvg der Bevölkerung sicher zu stellen, den Salzhandel wieder anzukurbeln, die Zollgefälle zu heben und um der bedrängten Saline Reichenhall aufzuhelfen, war die Außer­ kraftsetzung der Salzstapel durch die Herzoge von Ober- und Niederbayern. Ein gemeinsamer Staatsvertrag vom 25. September 1404 setzte das geltende Recht, alle Sätze, Einigungen und Privilegien für zwei Jahre außer Kraft. Die Salzniederlags­ pflicht an der Isar zu München, am Inn zu Wasserburg, am Lech zu Landsberg und an der Traun zu Traunstein sollte in dieser Frist ab, der Handel mit Salz für jedermann völlig frei sein. Jeder Fremde und Bauer konnte ohne Ausnahme nach Reichenhall um Salz fahren, durfte Salz führen und mit Salz handeln; die Gredstädeln sollten ihnen allerwärts zum Einlagern des Salzes gegen das übliche Entgelt überlassen werden. Die für zwei Jahre geschlossene Übereinkunft wurde nicht erneuert, so daß die verbrieften Rechte der Stadt München wieder auflebtenb). Dreizehn Jahre später führte Herzog Ludwig von Bayern-Ingolstadt bei König Sigismund gegen seine Vettern Ernst und Wilhelm von Bayern-München Klage, daß sie seit der Erbteilung in München den Salzzoll erhöhten und in Landsberg am Lech eine Salzniederlage gestatteten. Auf einem Gerichtstag zu Straubing legte ein Spruch des Erbhofmeisters von Bayern, Hans von Degenberg, und von 24 Edelleuten am 20. Oktober 1417, den Münchner Herzogen die Verpflichtung auf, den Salzstapel in Landsberg abzuschaffen; die erhöhten Münchner Salzzölle dagegen nur dann, wenn dem Ingolstädter der Nachweis gelinge, daß die Zollerhöhung nach der Erbteilung erfolgt fei4). Nach Jahren lebte dieser Streit mit Bayern-Ingolstadt von neuem auf. Herzog Ludwig hatte das Salz unter Umgehung Münchens nach Schwaben führen las­ sen, die Salzstraße auf dem Lechfeld bei der Augsburger Brücke eigenmächtig verlegt und durch Friedberg geführt, dort eine Salzniederlage errichtet und den Salzzoll an der Lechbrücke erhöht. Ein Ständegericht von 24 Beisitzern entschied 1429 unter Vorsitz des Erbhofmeisters den Streit zu gunsten der durch Kaiser Ludwig bestimmten Salz­ straße, die durch München führt"). In Begleitung der bayerischen Herzoge nahmen Münchner Bürger, deren Wohl­ stand mit dem Salzhandel aufs engste verbunden war, i. 1.1424 an Tagfahrten zu Freising, Landshut, Erding, Aibling und Kelheim teil, um durch Verhandlungen ein friedliches Übereinkommen besonders wegen des Salzhandels in Reichevhall zu erzielen. *) Mon. Boica 35/II S. 110. — Denkmäler S. 550« 2) H.St.A. Aichach GU. 202. 3) H.St.A. Salzwesen Urk.Fasz. 1; München Ger.Lit. 1 fol. 56V. — Jos. Georg Lori, Sammlung des bayer. Bergrechts S. 17, München 1764. 4) H.St.A. Dachau Ger.Urk. 78. 6) H.St.A. Friedberg GU. 19—21, 400. — Priv.-Tom. 27 fol. 117.

Als Frucht dieser Beratungen dürfen wir eine um diese Zeit entstandene landesherr­ liche Salzordnung ansehen: Nur Dienstag und Mittwoch darf an den Salinen Reichen­ hall, Hallein und Schellenberg und an den Salzstapelplätzen zu Wasserburg, Htting und Burghausen Salz, nicht mehr als 120—128 Scheibens, verladen und in München zum Verkauf gebracht werden. Jeder Bürger, der mit Salz Handel treiben wollte, mußte ur­ sprünglich 30 & $ Vermögen versteuern; 1427 wurde der Vermögenssatz der Salz­ sender auf 100 H erhöht oder auf die Verpflichtung, in München ein Haus im

Abb. 28. Neuhausertor (oberes Tor). Nach dem Sandtner-Modell von 1570 im bayer.Natlonal-Museum.

Wert von 50 % zu besitzen. Das Vorrecht des Salzhandels stand seit alters den Mitgliedern der Salzsenderzunft zu. Die Zahl der Salzsender schwankt in der Zeit von 1430 bis 1460 zwischen 50 und 65, davon 10—20 Krötelherren, Salzgroßhandler aus den alten Rats- und Kaufmannsgeschlechtern, welche Krötelsalz, die übri­ gen Scheibler, welche Scheibensalz führten. Namen von Klang und gewichtige Steuer­ zahler sind darunter: Altmann, Barth, Eisenmann, Gienger, Hundertpfund, Ligsalz, Mandel, Meusel, Pötschner, Pütrich, Ridler, Rudolf, Sänftel, Sendlinger, Schrenk, Tichtl, Weißenfelder. Daneben bestanden als Kleinhändler die Salzsiößler und Ausfuhrhändler für Plachsalz. Am weißen Sonntag hielt die Zunft der Salzsender im x) Die wöchentliche Salzfuhr der Krötelherren wird auf 34 Krötel beschränkt. H.St.A. Neuburger Kopialbuch 18 fol. 160.

Münchner Rathaus ihre Jahresjusammenkunft ab, wobei die Teilnehmer berieten, wie sie den Salzhandel am besten betrieben. Der Rat würdigte die Bedeutung dieser einflußreichen und festgeschloffenen Zunft, indem er ihnen zum Zunftmahl alljährlich aus der Stadtkammer einen Geldzuschnß reichen ließ, eine Ehrung, die keiner andern Znnft zuteil wurde und die den ausgesprochenen Zweck hatte, sie zur Erfüllung ihrer Zollpflichten anzueifern*). Am 2. Juni 1432 schlossen die Städte München, Reichenhall, Augsburg und Memmingen vor Herzog Ernst und den herzoglichen Räten eine Abrede, die den Streitig­ keiten wegen des Salzhandels und der Salzfiraße ein Ende machen sollte: Reichenhall verpflichtete sich bei der alten Fertigung zu bleiben, Augsburg mußte seine Salzfertiger, die Salz von München in Wagen führten, verpflichten, die alte Straße zu befahren; München mußte weitgehend die Monopolstellung ihrer Bürgerschaft im Salzhandel preisgeben, sodaß jedermann Krötel- und Scheibensalz dort kaufen, verkaufen und wegführen könne. Ferner sollten die Münchner den Bürgern von Augs­ burg und Memmingen Salz, das diese in München gekauft hatten, aber nicht versenden konnten, um den ortsüblichen Lohn zuführen. Am Stapelrecht, der erzwungenen Umladung der durchgehenden Salzzüge in München, wurde nicht gerüttelt?). Obwohl ein Spruchbrief Kaiser Sigismunds auf dem Basler Konzil 1434 am Straßenzwang und Stapelrecht der Stadt München in vollem Umfang festhielt, wie sie in der goldenen Bulle von 1332 festgelegt waren, überfiel ein Dienstmann des Landshuter Herzogs Heinrich, der gefürchtete Stegreifritter Magenpuch mit bewaffneten Spießgesellen im November 1435 auf der Wasserburger Salzstraße einen Salzzug mit 13 Münchner Salzwägen und führte Pferde und Begleiter gefangetr weg. Da die Münchner Salz­ straße verödete, forderte Herzog Ernst von Oberbäyern unter Drohungen bei seinem Vetter sofortige Freilassung der Gefangenen und Freigabe der Pferdes. Während der Kriegszeit 1439 bemächtigten sich Bauern, welche bisher die Lohnfuhren der Salz­ sender betätigten, des Salzhandels und führten auf eigene Rechnung Salz von Was­ serburg nach München. Eine schwere Schädigung des mächtigsten Gewerbestandes war unausbleiblich. Der Rat griff ein und bewog die Salzsenderzunft, den Preis durch Zuwarten zu drücken, um die Bauern vom Salzhandel wieder auszu­ schalten. Der Erfolg der ratsherrlichen Wirtschaftspolitik blieb nicht aus und die Salz­ sender konnten der Stadtkammer sogar 7 Gulden Gewinn zuführen*). *) K.R. 1424 u. 14ZO. — H.St.A. Salzburg Hochstift Lit. 27^0!. 88—91. — Hermann Bietzen, Der Münchner Salzhandel im Mittelalter S. 44, München 1936»

2) „Item so habendt sich die von München ergeben, daß yederman krötel und scheiben miteinander woll kauffen und füren mag, on irrung." Lori, Bergrecht S. 28. 3) H.St.A. Staatsverwaltung 1933. — Salzwesen U.F. 29. 4) „Item 5 Pfund minus 10 haben wir eingenommen für 7 Gulden rheinisch, die uns die salczsendter in die kamer geben und geantwurt habent desmals, do die bauren das aigen salcz vast von Wasserburg im krieg herfürten; und das man nit gerne sach und man den salczsenter von rats wegen saget, wie sie es von in kauffen solten Verwarten, das sie furbas da haymen plieben, und an den selben scheyben ist so vill gewunen, das habent sie der stat geantwurt. actum vor weichenachten." K.R. 1439.

Die landesherrliche Salzordnung von 1446 hielt, um den Salzhandel nicht wenigen Großkapitalifien auszuliefer», an der Einfuhrbeschränkung der Salzhändler auf wöchentlich 120—128 Scheiben oder einem Gut Krötel, für Plachsalz auf 60 Galvais fest und brachte durch die Gestattung des Handels nach Ost und West, also der gleich­ zeitigen Ein-- und Ausfuhr, eine begrüßenswerte Erleichterung*). Jeder Versuch, die Salzzüge von der uralten Salzstraße abzubringen, scheiterte an der beharrlichen Wachsamkeit der Münchner. Die Stadt führte 1443 und 1453—1478 einen hartnäckigen, aber erfolgreichen Kampf um die Beachtung des Hall­ weges durch die Salzfuhrleute. Als Herr der Reichenhaller Saline klagte der Herzog von Niederbayern 1456 bitter darüber, daß Münchens Bürger lieber das billigere „arme Salz" als das bayerische Siedesalz führten?). Wegen der Münchner Salzstraße ins Schwabenland fanden Schiedstage 1457 zu Freising und Landshut, 1458 zu Ingol­ stadt, Heidelberg und Heilbronn, 1459 zu Heilbronn, Amberg und Regensburg statt?). Kurfürst Friedrich von der Pfalz stellte sich 1458 als Schiedsrichter auf Seite Münchens und seiner goldenen Bulle von 1332. Die Münchner Salzüberreiter setzten 1459 den Bürger Hans Scheffholt von Göppingen gefangen, beschlagnahmten einen Salzzug von Bürgern aus Giengen und führten ihn samt Rossen und Begleitern nach München, weil sie zu Landshut die Isar überquert hatten. Der Herzog von Niederbayern dagegen ließ, um ein Herkommensrecht zu begründen, aus vielen alpenländischen Gerichten, aber auch in Württemberg alte Salzfuhrleute, lauter Bauern und Pferdehalter aus kleinen und kleinsten Orten, ermitteln, die unter Eid bekundeten, daß sie 30, 40, ja selbst 50 und 60 Jahre vom Salzfuhrwesen lebten und Zeit ihres Lebens trotz aller Warnungen, unter Umgehung der Münchner Straße, eine für die Salzausfuhr aus Bayern verbotene Fahrstraße benutzt hatten. Neun Jahre schwebte zwischen München und Landshut ein erbitterter Rechtsstreit, bis sich Herzog Ludwig der Reiche 1466 bequemte, Münchens Rechte für die Salzausfuhr nach Schwaben voll anzu­ erkennen. Und doch hinderte der gleiche Fürst schon 1473 die freie Salzdurchfuhr der Münchner in Otting und verstieß so wieder gegen deren verbrieftes Recht, Salz an allen

Sudstätten und Handelsplätzen zu kaufen und nach München zu führens. Als Begrün­ dung für sein rechtswidriges Vorgehen führte er an, daß die Münchner Salzsender von der Salzscheibe einen höheren als den erlaubten Gewinn von 3 H nahmens. 1461 führte die Schweizer Stadt Bern, 1477 Zürich beim Münchner Rat Beschwerde über mangelnde Zufuhr, die mindere Beschaffenheit und das ungenaue Maß des Reichenhaller Salzes?), das unter Benutzung des billigen Seeweges von Lindau aus nach allen Bodensee-Häfen verfrachtet wurde und die ganze Ost- und Mittel­ schweiz versorgte. Auch in Schaffhausen erscheinen als Salzhändler vor allem x) Bietzen S. 46s. 2) H.St.A. Fürstentome 9 u. io. 3) H.St.A. Salzwesen Urk.Fasz. 2a u. 2b. 4) H.St.A. Staatsverwaltung 1933/1, 99—160 u. II, 1, 19, 25, 79. — Haus- u. Familiensachen, Salzwesen Urkunden 1459. ß) Diese Münchner Gewinnspanne von 3 auch Neuburger Kopialbuch 18 fol. 160. 6) H.St.A. Altbayer. Landschaft 576.

Münchners. Als die Münchner Überreiter zur Sicherung des Stapel- und Straßen­ zwanges 1477 auf Zuwiderhandelnde fahndeten, mußten sie vor starken bewaffneten Streitkräften, die Herzog Georg von Landshut zu ihrer Gefangennahme ausschickte, im Hoheitsgebiet des Markgrafen Albrecht von Brandenburg Zuflucht und Unter­ schlupf suchen. Die neuen, durch Herzog Georg in Reichenhall und Rosenheim 1477 erhobenen Zölle taten den Münchner Zollgefällen ohnehin schweren Abbruch, weil dadurch der Handel mit dem bayerischen Siedesalz an den Bodensee und nach Schwaben sich nicht mehr voll behaupten konnte. Herzog Ernst von Sachsen legte 1477 den neuen Salzstreit zwischen den beiden Jsarstädten und ihren Herrschern Bei*2).* 4Ihre * 6 Vorrechts­ stellung im Salzhandel konnte die Stadt aus dem Mittelalter voll in die neue Zeit herüber retten. Noch 1502 verlangte Albrecht der Weise vom schwäbischen Bund, daß nach altem Herkommen alle Fuhrleute, die in Bayern Wein ein- und Salz ausführev, zu München die Isar überqueren, wenn sie nicht Ladung und Gespann einbüßen wollten"). Ein Gutachten des Rechtsgelehrten Dr. Lagi faßt im 16. Jahrhundert das angefochtene Recht der Salzsender auf Grund der ihm vorgelegten urkundlichen Be­ weisstücke in den Satz zusammen: Salzsendung und Fertigung ist das Recht der Münchner Bürger, alles Salz, das nach München geht, allein zu kaufen und zu verkaufens.

Scheibenzoll, Plachsalz, Saumrosse und Ezoll. Sudart und Verpackung des Salzes"), geschieden in Scheiben-, Krötel-, Plachenund Saumsalz, wurde für Art und Größe der Zollerhebung bestimmend. Die Scheibe, von etwa i y» Zentner Gewicht, bildete das Normalmäß für de» Verschleiß des Reichen­ haller Salzes im Fernhandel. Ihren Namen verdankte sie der Verpackung, weil das im Feuer gehärtete, gestoßene Salz in hölzerne Salzkufen, Scheiben genannt, gepreßt wurde. Drei Scheiben, in ein Faß gepreßt, bildeten ein Krötel mit einem Gewicht von etwa 4% Zentners. Nach einer Botschaft Herzogs Albrecht IV. an Herzog Ludwig von Landshut faßte das Krötel um 1475 7 Metzen y2 Vierling'). Die Entstehung eines städtischen Salzscheibenzolles fällt in die Zeit zwischen 1345 und 1360, aus der uns Kammerrechnungen fehlen. Vermutlich erkauften die Münchner seine erstmalige Verleihung ebenso mit ihrem Blute wie spätere Wieder­ belehnungen. 1360, also noch vor dem ersten erhaltenen urkundlichen Zeugnis der Ver!) Hektor Ammann, Mittelalter!. Zolltarife aus der Schweiz, Zeitschr. f. schweiz. Gesch. XVI (1936) S. 135, 1452) Bietzen S. 34. 8) Klüppel, Urkunden j. Gesch. des Schwäbischen Bundes, Liter.Verein XXX, 480, Stuttg. 1846. 4) H.St.A. München Ger. Tom. 2 fol. 382. °) Matthias Flurl, Ältere Geschichte der Saline Reichenhall, München 1809.

6) Nach Funke S. 20 sind Scheiben Salzkufen von der 2Z4fachen Größe eines Fuders, vier Scheiben gleich ein Krötel. — Bietzen S. 10 gibt die Größe der Scheibe gleich 2% Metzen oder 92% Liter an. ’) H.St.A. Staatsverwaltung 1933/II, 78.

leihvng, vereinnahmt die Stadt München bereits 382 'ti 6/S12L- Scheibenzoll. Am 16. März 1361 gestattet Markgraf Ludwig der Brandenburger der Stadt zum Dank für treue Dienste, zur Tilgung ihrer Schulden und zur Förderung des Baues der Stadt­ befestigung von Pfingsten 1361 ab fünf Jahre lang unterm Jsartor von jeder Scheibe Salz einen Pfennig oder zwei Heller Einfuhrzoll zu nehmen. Sein Sohn Markgraf Meinhard verlängert das Recht unterm 1. Oktober 1362 um 10 Jahre als Gegen­ leistung für die von den Münchnern im jüngsten Krieg gebrachten Opfer und seinetwegen bei der Belagerung von Schloß Ritterswöhrd bei Geisenfeld erlittenen Kriegsschäden. Den Bitten der Bürgerschaft willfahrend verlängert Herzog Stephan der ältere am 7. April 1370 den Münchnern, als fie infolge seiner Kriege mit Österreich und wegen großer Hochwasserschäden an Wehrbavten und Schlachten der Isar in drückende Schul­ den geraten waren, die Erhebung des Einfuhrzolles von jeder Scheibe Salz, die durchs Jsartor geht, wieder um 8 Jahre und verdoppelt den Zollsatz*). In dieser Höhe von 2,91 bleibt der Salzscheibenzoll durchs ganze Mittelalter bestehen, wodurch er uns eine zuverlässige Möglichkeit gibt, auf Grund der Zollgefälle die Einfuhr von Schei­ bensalz unterm Taltor zu berechnen. Unterm 26. Februar 1373 wenden sich Mün­ chens Bürger, obwohl sie noch 5 Jahre lang im Genuß der Verleihung stehen, erneut mit der Bitte um Verlängerung an Herzog Stephan und seine Söhne und begründen diesen ihren Schritt mit neuen Hochwasserschäden und Kriegsverlusten, die sie in seinen Diensten gegen die Reichsstadt Augsburg erlitten. Wiederum bewilligen die Landes­ herrn die Erhebung von 2 H Zoll von jeder Scheibe Salz, gleichviel in welcher Richtung es geführt wird, auf weitere vier Jahre nach Ablauf des bestehenden Zolltarifs. Seit­ dem wird der Salzscheibenzoll der Stadt besonders für Bauaufwendungen an der Jsarbrücke und am Uferschutz wiederholt (1375,1399 und 1438) verlängert und endlich unterm 14. August 1445 vom Herzog Albrecht 111. auf ewige Zeiten verliehen: 2 H Ein­ fuhrzoll von jeder Scheibe Salz unterm Jsartor im $d*2).3 Als Albrecht Hl. der Stadt 1438 den Salzscheibenzoll bestätigt, verehrt der Rat dem Herrscherpaar 400 rheinische Gulden, seiner Gemahlin überdies für die fördernde Fürsprache einen vergoldeten Becher, seinem Kanzler Rößler 100 Gulden und dessen Schreiber 5 Gulden2). Billiger als das Scheiben- und Krötelsalz war das Plachen- und Saumsalz, gebrochenes, gestoßenes und geschüttetes Salz, das die herzoglichen Zinsund Lehenleute (Urbarsleute) und die Säumer, ein eigener Berufsstand der Salzfuhrleute, in blauen Plachenwagen und auf Saumrossen einführten. Die Pferde bepackte man in der älteren Zeit mit kleinen hölzernen Salzfässern (Lageln), später gegen das Herkommen mit den bequemeren Salzsäcken. Die Reichenhaller Sudherren, die ehedem *) OvfJeana (Staaksbib.) 308/1. — Mon. Boica 35/II S. 104, 110, 124. 2) Mon. Boica 35/II S. 131, 134, 221, 319, 331. 3) „Item 290 A haben wir zallt unserm gnedigen Herrn und unserer gnedifrauen, Herzog Albrecht und herczog Albrechtin, für 400 guldin reinisch, die man irn genaden von rats geschast und von gemainer stat wegen ze erung schankt desmals, do uns jr genad bestattet den zoll von der zwair dn. actum assumptionis Marie virginis gloriose 1438." — „Item 72y2 % H haben wir zallt dem Rösler kanczler für 100 guldin reinisch, die man im zalen müst von wegen der brief, die die Herrschaft der stat ummb den großen zoll und auch von der bestätigung wegen." K.R. 1438.

Salj nur in Banden wegführen ließen, begünstigten selbst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts den Handel mit Plachen- und Saumsalz, der namentlich in Kriegs­ zeiten üblich war1).2 3Salz, von Fremden in Plachenwagen eingeführt und in München

verkauft, gab dem städtischen Wagmeister, der den Plachsalzzoll, die dritte Art Umsatz- und Marktzoll vereinnahmte, 8 H von einem ganzen Unsälder oder Karren, der 28 Metzen Salz fassen sollte. Das auf Plachenwägen auf den Markt gebrachte Salz nannte man auch Galvaisalz, weil es nach dem Galvaimaß gemessen und der Galvaizoll noch 1360 vom Salz Messer erhoben wurde. Die Zollordnung von 1427 gibt uns eine eindeutige Erklärung über die Größe des Galvaisalzes: Eine Scheibe Salz ist gleich 5/4 Galvai, ein Galvai =- 4/5 Scheiben („da rechnet man fünf galvay für vier scheiben oder dritthalbs galvay für zbo")> So oft ein Saumroß Salz einführte und seine Saumlast in München verkauft wurde, mußte der Stadtzöllner von Fremden wie Einheimischen 2^1 Plachsalzzoll nehmen und dem Wagmeister geben. Führten Fremde eigenes Salz in Scheiben ein, verzollten sie jede verkaufte Scheibe mit 1 H Plachsalzzoll-).

Einfuhr von Scheiben- und Plachsalz. 1367

1368

1369

1378

1465

1470

1475

1480

1485

1490

Wochenzahl:

52

52

52

51

51

51

54

56

51

51

Stückzahl der Scheiben:

82870

90227

97318

78217

82787

Jahr:

Gewicht in Zentner:

Salzwäge» mit Plachsalz

86264 121353 102946

89788 107496

124305 135340 143977 117325 124181 129'396 182030 154419 134682 161244

818

596

754

919

1088

790

1367

1047

1708

2252

Der Ezoll unterm Taltor ließ eine Scheibe Salz zollfrei. Er erinnert dadurch an die Zollordnuvg von Raffelsiettev um 906, die Salz für den Hausgebrauch in Bayern zollfrei läßt und nur den Salzhandel der Zollpflicht unterwirft-). Nur der altüberkom­ mene Brückenzoll kennt für Salz die Zollpflicht nach Fuder, dem abgestumpften kegel­ förmigen Salzstock4). Die namhafte Zollermäßigung des Salzgroßhandels der Krötelherren gegenüber dem Scheibensalz — ein Gut Kröte! (= 102 Scheiben) zahlt beim Ezoll nur 46, hundert Scheiben dagegen 60 H — wir- verständlich, wenn man bedenkt, daß der ermäßigte Zoll erst den Krötelhandel nach der Schweiz wettbewerbsfähig machte. *) H.St.A. Altbayer. Landschaft Lit. 576. — Staatsverwaltung At. 1799. 2) Saalbuch 1443 fol. 23 V—24V u. 1444 fol. 91—93. 3) Moru Boica 28/II S. 204. 4) Das getrocknete Reichenhaller Fuder wog nach Schmetter I, 695 zwischen 54—60 Pfund, nach Eberle, Die Organisation des Reichenhaller Salzwesens, etwa 50 Pfund; das noch nicht gedörrte weiche Fuder nach Eberle 52—60 Pfund. Das Halleiner und Berchtesgadner Fuder war etwa doppelt so groß wie das Reichen Haller; fünf Reichenhaller oder drei Halleiner wurden für 2 Scheiben gerechnet. Dietzen S. 10, 75.

Markt- und Pfundzoll. Mit dem Marktrecht unlösbar verbunden ist der auf die bischöfliche Zeit zurück­ gehende Marktzoll (theloneum fori), ein Umsatzzoll vom Handelsverkehr innerhalb der Stadtmauer. Am io. Februar 1353 verlieh Markgraf Ludwig der Brandenburger der Stadt den Marktzoll für immer, zugleich mit der städtischen Fronwage, für welche beide München dem rechtmäßigen Landesherrn jährlich 12 tt, dem Freisinger Bischof 10 tt> entrichten muß*). Der Marktzoll ist Marktgebühr und Standgeld, aber auch Verkaufsabgabe der Fremden von den auf den Wochenmarkt gebrachten Garten- und Feldfrüchten, insbesondere von Obst, und vom Kleinhandel der fremden Eisenkrämer und Gewürzhändler?). Zu Ausgang des 14. Jahrhunderts wird in den Münchner Kammerrechnungen Marktzoll gleichbedeutend mit dem 1398 nachweisbaren Pfund­ zoll gebraucht?). Nach 1475 beweisen die Abgesandten Albrechts IV. des Weisen dem Herzog Ludwig von Landshut an Hand urkundlicher Zeugnisse, daß der Pfund zoll ursprünglich Marktzoll hieß und war*). Der Pfundzoll ist eine Abgabe vom berufsmäßigen Handel, insbesondere vom Fernhandel der fremden Kaufleute, die den Markt beschicken; nicht, wozu sein Name und seine Erhebung an der Fronwage durch den städtischen Wagmeister verleiten könnte, eine Abgabe nach dem Gewicht, sondern ein Wertzoll vom Geldwert, seltener von der Stückzahl der auf den Markt gebrachten oder verkauften Ware. Er trifft den Umsatz der auswärtigen Händler; der Bürger, der in München Wein verkauft, gibt keinen Pfundzoll. Auch in München gilt der in deutschen Landen übliche Wertsatz von 4 H Zoll für ei» Pfund Pfennig Wert; die Münchner Zollordnungen gebrauchen hiefür die formelhafte Wendung „gibt Pfundzoll". Was weniger als ein Pfund Pfennig kostet, zahlt entsprechend weniger. Als ausgesprochener Fremdenzoll belastet und erschwert der Pfundzoll die Kaufge­ schäfte der Fremden untereinander wie mit den Bürgern. Als Verkaufszoll trifft er je nach dem geringeren oder größeren Erlös die verschiedene Güte und die Wertunter­ schiede der umgesetzten Ware; sein Ertrag steigt und fällt mit den Schwankungen der Preisgestaltung. Pfundzoll gaben, also 4 H von Wert: Das von Fremden eingeführte Eisen, und zwar Leitungsröhren („dauchel"), Schieneisev, Werkschienen, Radschienen, Säbeleisen aus Leoben („leubisch plozel eysen"), Pflugscharen („wagensün"). Gearbeitete Häute, Felle und ungegerbtes Wild- und Weißleder („irch") der Fremden beim Verkauf. Ungearbeitete Rauchwaren; Kürschnerwerk dagegen ist vom Pfundzoll frei. 2) Saalbuch 1443 fol. 24 u. 1444 fol. 88—90. — Denkmäler S. 4, 549. — Herzog Ernst ver­ schreibt 1434 seinem Rat Johannes Fuchsmündel, Propst zu Ilmmünster, die 12 'U S, aus dem Münch­ ner Marktzoll auf Lebenszeit als Leibrente. H.St.A. Privilegien Tom. 6 fol. 93 V. 2) Vgl. „Markt- u. Meßgebühren".

3) K.R. 1394 fol. 13, 1395 fol. 16, 1397 fol. $, 1398 fol. i6v. 4) „der zol haiß der markhtzoll und nit der pfundtzol, darüber brif und sigil gnugsamblich vorhanden sind, und werde daneben sonst kam markhtzoll genomen." H.St.A. Staats­ verwaltung 1933.11, 51. Solleder, München

11

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Schwere, edle Weine*): der Malvasier (benannt nach der Stadt Napoli di Malvasia), Griechevwein („Kriechel"), Rainfal (aus der Gegend von Rivoglio), Rumanier (Griechenwein aus der Romania, während der Herrschaft der Benetianer Name des östlichen Peloponnes), Muskateller (von der Riviera?) bei Genua oder der starke franjösische Muskateller von Rivesaltes bei Perpignan), Bassaner (aus der Gegend von Bassano (Welschpassan) bei Vicenza an der Brenta). Ins Belieben des fremden Kaufmanns blieb es gestellt, ob er 4 H vom Pfund Wert oder 6 H vom Saum zahlen wollte. Welsch-, Neckar-, Osterwein (aus Österreich), Elsässer-, Franken-, bayerischer Land­ wein; fie konnten auch mit einem Pfennig vom Eimer verzollt werden. Der Kelheimer Wein gab von 2 Eimern einen Pfennig. Gewogene Kaufmannschaft aus Welschland und Kramwaren, welche die Fremden im ganzen („savtkaufs") verkaufen. „Panteltuch", Loden, Wolle, Zwilch, Golschen (weißblau oder weißrot gewürfelte Leinwand), Barchent, Mittler (Gewebe aus Mittelflachs), Doppelfutterbarchent („pockaschin"), Schätter (lockere Leinwand) und dergleichen. Tuch, Geschlachtgewand (feines, in der Wolle gefärbtes Tuch), Hauben, Hosen, Seidengewand, „pärber" (oberrheinisches Kuttentuch). Eine Tonne Hering, ein Eimer Honig. Unschlitt, Schmier, Hl, Schmalz, Käse, Hanf, Garn. Rindfleisch, das von Fremden an die Wage gebracht und in München verkauft wird. Eingeführte Tiere werden nach Stückzahl verzollt: Pferde, bei ihnen hat der fremde Käufer und Verkäufer den Pfundzoll zu entrichten, der Bürger keinen. Ochs 6^, Stier oder Rind und schwere Schweine 4 leichtere Schweine nach Wert 2 oder i H, Bache 2^, Schaf */» H. Wein war neben Salz die bevorzugteste Geldanlage und Handelsware, der Wein­ handel im Nebenberuf sehr verbreitet, der Weinverbrauch ungleich größer als heute. Viele Italien- und Venedigfahrer brachten Wein nicht nur für den Eigenbedarf mit, die Salzsender nach Schwaben und Franken führten ihn als Rückfracht heim, so daß der Rat seinen Bedarf für den Ehrentrunk bei den Ratsherrn decken konnte. Nach 1290 liefern 12 Münchner Wein oder Welschwein an den bayerischen Herzogshoff). Am 16. März 1498 erläßt der Rat zum ersten Mal eine eigene Ordnung über den Markt zoll vom Wein der fremden Kaufleute, der den kaufenden Bürger von diesem Umsatzzoll nicht mehr frei läßt, eine entscheidende Änderung in der Auffassung des Pfundzolles: Wer von Fremden Wein kauft, hat an den geschworenen Büchsenmeister des Marktes 1 3, vom Eimer zu entrichten; ebenso Fremde, die Wein in der Stadt zur Ausfuhr kaufen. Wird Wein auf dem städtischen Weinstadel verkauft, hat der Käufer vom Eimer 1 H, der Verkäufer 2 H zu entrichten. Der Weinzoll ist stets im Beisein der Zollpflichtigen vom Büchsenmeister in die Zollbüchse zu legen und alle drei Wochen x) Über die Weinnamen vgl. Eugen Nübling, Ulms Weinhandel S. uff. 2) K. 0. Müller, Welthandelsbräuche 1480—1540 S. 38, Stuttg. 1934. 3) Bastian, Oberdeutsche Kaufleute S. 24—26. — Oberbayer. Archiv XXVI, 281—317.

an die Kämmerer abzuliefern. Landfiändische Prälaten und Edelleute verzollen nur den Wein, den sie auf ihrer Taferne verschenken. Der neue Weinzoll erfüllte den doppelten Zweck, den heimischen Weinhandel zu begünstigen und der Stadtkammer erhöhte Einnahmequellen zu erschließen.

Die geldliche Auswirkung des Pfund- und Marktzolles ist gemessen an den Er­ trägnissen der Ein- und Durchfuhrzölle bescheiden zu nennen; beträchtlich nur zur Zeit des Münchner Jahrmarktes. 1410 erträgt der Pfundzoll 65 % $; der Wertumsatz der auswärtigen Händler an Stadtwag und Markt von Kaufmannswaren aller Art, Wein und lebendem Vieh beträgt also 3900 ti L-. Daraus ergibt sich die weitere Folgerung, daß der Münchner Kaufmann den heimischen Bedarf an Rad- und Werk­ eisen, Wein und Gewürz, Tuch und Seide im Ausland und besonders in Welschland, dem großen Importeur orientalischer Waren, aus erster Hand selbst deckte und besorgte, wie wir es auch bei den vielen auswärtigen Käufen der Stadtkammer von Metallen, Salpeter und Papier sehens. Entsprechend der geringeren Ergiebigkeit der Marktzölle werden sie von städtischen Beamten (Wagmeister, Marktmesser und Unter­ käufe!) im Nebenamt erhoben. Als besondere Art des Pfundzolles erscheint der Sensenzoll („Segenzoll" oder „Segensenzoll"). Vom Hundert Sensen, das Münchner Sensenschmiede ausführ­ ten, gaben sie 12 L-; ebensoviel die Fremden, die von Bürgern Sensen käuflich erwarben. Verkauften dagegen Fremde in der Stadt Sensen, entrichteten sie nur den üblichen Pfundzoll, nämlich 4 H vom Pfund Wert. Das ausgehende Mittelalter brach mit dem Grundsatz, die Ausfuhr stärker zu besteuern als die Einfuhr; denn seit 1469 fordert die Stadt von jedem Hundert Sensen 12 L-, gleichviel ob sie Bürger oder Fremden gehörten. Eigene Sensenbeschauer hatten den vorschriftsmäßig gearbeiteten Sensen den Stempel des heimischen Erzeugnisses, den Mönch, aufzuschlagen?).

Silberstangzoll. Tirol, Österreich, Böhmen und Ungarn verpflichteten wegen der unzureichenden bergbaulichen Förderung von Edelmetallen die durchfahrenden oder mit 01 und Wein

handelnden Kaufleute, je nach Menge der durchgeführten Waren uvgemünztes Silber an die Münze zu liefern. Diese Maßnahme zur Sicherung der Ausprägung, Silberstangzoll genannt, wurde von Bozen und Meran auf andere Zollstätten Tirols übertragens. In München läßt sich der verkehrshemmende Silberstangzoll, der in gemünzter Währung abgelöst werden konnte, nur in den Jahren 1360—1362 nach­ weisen. Einnehmer war der Zöllner Ungerl unterm Taltor, der zugleich den Salzx) Die Einnahmen vom Wein-Umsatzzoll betragen 1498 108 & 1 ß 3 im folgenden Jahr noch 91 U 2 ß ii H und sinken L 3* 1500 auf 59 & 5 ß 19 Als Einnehmer des Weinzolles waltet der städtische Ausreißer Heinrich Gienger, der vierteljährlich 3 % Lohn erhält. R.P. 1498 u. 1500. — K.R. 1497—1500.

2) Saalbuch 1444 fol. 89V. — Register der Eide 1469 fol. 6v. 3) Otto Stolz, Das mittelalterl. Zollwesen Tirols S. 103s., Wien 1909.

scheibenjoll erhob. Das Erträgnis des Münchner Silberstangzolles ist größer, als man erwarten möchte: 136015 tl 2ß21 136119 ti 5 ß 11 und 1362 20 tt 7ß6^1')2
; dem Friedrich König (Chunich) 9 Faß Wein für 9 dem Friedl Altmann für 6 'ü, alles Wiener Pfennige1).2 Aus der weit­ gehenden Solidarität der Pflichten erklärt sich, daß die gesamte Bürgerschaft in den städtischen Schuldbriefen als Schuldner genannt — „dez wir all gemainleich schuldich sein von ünser stat ze München" — und den Gläubigern ausdrücklich das Recht eingeräumt wird, sich für Kapital und Zins am Besitz der Stadt und an Person und Vermögen der Bürger ju halten, „sie in Städten, Dörfern oder auf freiem Feld anzugreifen, ju nöten, zu pfänden und mit geistlichen und weltlichen Gerichten zu bekümmern"3). Die Haftung der Gesamtheit wurde verkörpert in der Einzelhaftung weniger Herren und vermögender Bürger. War Zinszahlung oder Schuldentilgung nicht innerhalb der i4tägigen Frist erfolgt und der Gläubiger bereits vier Wochen bei den Juden zu Schaden gestanden, so war er ermächtigt, einen der Bürgermeister, Kämmerer und Ratsherren zum „Leisten" (dem ritterlichen Rechts­ brauch der Schuldhaft) zu zwingen und die Gemahnten sollten sich so lange nach Münchner Stadtrecht bei einem Wirt als Schuldgeisel einquartieren, bis dem Gläu­ biger Kapital und Zins bezahlt war. Als Bischof Godefrid von Freising 1312 der Stadt München 1187V2 % Regensburger Pfennige lieh, mußten sich zwölf Bürger zum Einlager verpflichten für den Fall, daß der Bischof nach Jahresfrist seiner Schuld mit 1000 Mark Silber Augsburger Gewicht nicht bezahlt fei3). Nach Kaiser Ludwig des Bayern Tod, spätestens i. I. 1357, schuldete München den Regensburgern Gottfried, Ruger und Matheis Reich und den Kindern des Hermann Reich, dem reichsten Regensburger Großkaufmannsgeschlecht, das seinem Reichtum den Namen und seine überragende Stellung im Wirtschaftsleben des Donaugebietes verdankte, 3600 'U für deren Zahlung vier Münchner Ratsherren und vier Bürger aus der Gemeinde in einem Regensburger Gasthaus „leisten" sollten und die Familie Reich sich bei Juden schadlos halten konnte, wen» die Frist nicht eingehalten wurde. Markgraf Ludwig der Brandenburger verbriefte den Gläubigern überdies das Recht, in diesem Falle die Münchner in seinen, seiner Brüder und fremder Fürsten Landen „zu pfänden und zu Wasser und zu Land aufzuheben"4). T) H.St.A. Mühldorf GU. 48—51. 2) Selbst eigene Bürger haben der Stadt gegenüber ausnahmsweise von diesem Recht Gebrauch gemacht. K.R. 1407 toi. 54: „Item wir haben geben de» Frantzen Pütreich 40 ,S> für 60 ung. gülden, die im der rat schuff von der zusprüch wegen, die er zu der stat Münichen hat von leipgedingbrief wegen und darumb er die stat geladen hett mit gaistlichen rechten für den abt zu den schotten zu Regenspurg." 3) St.A. Urk. Leibgedinge Nr. 1—82; Schuldverschreibungen Nr. 1—8. — Cgm. 548 toi. 26v. — Meichelbeck, historia Frisingensis II, i S. 116—118. — Bergmann, U.B. Nr. 83 S. 80. 4) H.St.A. Kaiser Ludwig-Selekt 964Vs, 1015, 1064. — Mon. Boica 53 S. 704—706. — Fritz Morre, HV. Oberpfalz 85 (1935) C. 55, 84 s. — Der Regensburger Ratsherr Rüdiger Reich, dem die bayerische Herrschaft Donaustauf von Markgraf Ludwig um 11855 st- verpfändet war, vermittelte

Ein Gemeindebeschluß vom io. Februar 1318 über Pfändung und Lösung von Bürgern verbot dem gefangenen Mitbürger und seinen Angehörigen, sich durch Lösegeld frei zu kaufen. Übertreter des Gebots, der losgekaufte Bürger

sowohl wie der Zahler des Lösegeldes, sollten mit einer Geldstrafe in gleicher Höhe ihren Ungehorsam büßen. Um jeden Loskauf unmöglich ju machen, wurde dem inneren Rat das Recht zugesprochen sich seines Hab und Gutes zu bemächtigen und während der Gefangenschaft die Verwaltung zu übernehmen. Frau, Kinder und Verwandte aber sollten vorm Rat das feierliche Versprechen ablegen, um keinerlei Geld und Gut den Gefangenen zu lösen. Wurden sie ihrem Gelösnis untreu, mußte der Gelöste mit Weib, Kind und Sippschaft ausfahren und sein Besitz verfiel dem Gemeinwesen^). Die Stadt betrieb die Lösung von Bürger und Bürgergut. Der Umfang der „pfantlost" oder „pfantlosa" ist damit nicht erschöpft. Die Stadt, die zur Deckung eigener Ausgaben fast Jahr um Jahr zu Anleihen greifen mußte, willfahrte dem Darlehens-Werben ihrer Fürsten auch bei schlechter Finanzlage und sprang ihnen, trotz der dadurch oft heraufbeschworenen eigenen Verschuldung, durch Kreditgewährung bei, ein Akt -er Treue, aber auch ein Gebot politischer Klugheit, da sie durch Privilegienerteilung reichlich entschädigt wurde. München ist für die stete Gel-bedrängnis der Landesherren das ganze Spätmittelalter hindurch der leistungsfähigste Kreditgeber. Wiederholt finden sich in den ältesten Stadtrechnuvgen zur Zeit Ludwigs des Bayern Ausgaben, gemacht um — bei der damals üblichen Leihe gegen Faustpfand — die Pfänder des Kaisers, nicht selten auch der Kaiserin, des Markgrafen und der Markgräfin von Brandenburg sowie des kaiserlichen Gefolges einjulösen. Die Reihe der i. 1.1338 mit 277 'ft seitens der Stadt befrie­ digten kaiserlichen Gläubiger beginnt mit 100 & an einen Kristall-Künstler. 1340 wird die Kaiserin Margarete mit 200 'ti>, 1342 die Markgräfin mit 46 u losgekauft, 1345 der kaiserliche Astrolog durch die Stadtkammer aus der Schuldhaft des Stadt­ apothekers gelöst?). Andererseits ist Ludwig der Bayer seiner bedrängten Residenzstadt zu Hilfe gekommen. So versprach er am 21. Juni 1316, die Münchner um ihrer ge­ treuen Dienste willen unverzüglich einer Schuld von 1700 Regensburger Pfennigen von ihren Gläubigern zu Regensburg zu lösen, wenn er über seinen Gegenkönig Fried­ rich den Schönen von Hsterreich siegen sollte?). Kennzeichnend für die patriarchalische Art der Wirtschaftsführung ist 1360/61 die Bestreitung der Ausgaben für Wein, Brot, Fleisch und Gewürz an die markgräfliche und herzogliche Küche und die Befriediihm 1354 die Aussöhnung mit König Karl IV. v. Freyberg, Gesch. des Herzogs Ludwigs des Brandenburgers S. 116, 129, München 1837. x) Mon. Boica 35/II S. 51. — Bergmann, Urk.Buch Nr. 59.

2) Die Ausgaben für Pfandlösung erscheinen bald vermengt mit der Schuldentilgung („solutio et restitutiones“), bald als selbständige Ausgabenrubrik. Die Angaben beschränken sich meist auf Schuld­ betrag und Namen von Gläubiger und Schuldner, z. B. 1345 Pfantlosa: „Item magistro Hermanne

astrologo imperatoris ad apotegker 1 tt. item in ultima solucione apotegker de astrologo 6 44.“ 1338: „item in crastino beate Agnetis dedit artifici christallorum 100 44 S\.“ K.R. 1325/46 fol. 117, 145 v, 178 V, 226 V. 3) C. u. M. 15 fol. 8v. — Denkmäler S. 87. 16*

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gttttg der liefernden Gläubiger unter der Bürgerschaft seitens der Stadtkammer*). Herzog Wilhelm HL, vom deutschen König als Statthalter und Beschirmer des Konzils berufen, nimmt 1414 bei der Stadtkammer 300 rheinische Gulden auf, um die Reise nach Konstanz antreten zu können. Die Herzoge Johann und Sigmund lassen sich 1462 als Zehrung zum Fürstentag nach Nürnberg 500 und Albrecht IV. 1499 zum Zug gen Überlingen 1000 rheinische Gulden vorstrecken?). Wenn die Herzoge verpfändete Burgen

und Herrschaften einlösten oder Prinzessinnen ausheirateten, nahmen sie den Kredit ihrer Stadt stets in hohem Maß in Anspruch. 1453 leiht München Albrecht III. von Bayern 4000 rheinische Gulden zur Lösung verpfändeter Schlösser und Burgen im Nordgau, am 17. Juni 1471 weitere 1000 Gulden gegen Abtretung einer Restforderung der Reichsstadt Augsburg in gleicher Höhe?); 1460 den Herzogen Johann und Sigmund 5000 rheinische Gulden zur Bezahlung des Heiratsgutes ihrer Schwester Elisabeth, der Herzogin von Sachsen, 1478 dem Herzog Wolfgang 8160 rheinische Gulden zur Ein­ lösung der an Utz von Rietheim verpfändeten Grafschaft Schwaben). Niemals hat die Stadt als Gläubiger von ihren fürstlichen Schuldnern Zinsen genommen. Die Tilgung der landesherrlichen Anleihen erfolgte durch Überlassung stadtherrlicher Gefälle,

insbesondere durch Verschreibungen auf Stadtsteuer und Weinungeld°). Als Ganzes gesehen vollzieht sich die Geschichte der städtischen Verschul­ dung Münchens in drei Entwicklungsstufen. Sie beginnt 1327 mit der Hinterlegung des ersten Mündelgeldes in der Stadtkammer. Bis dahin hatte das Wesen her im Stadthaushalt allein vertretenen Kreditform, des kurzfristigen Dar­ lehens, die alsbaldige Schuldentilgung zur Pflicht gemacht. Die Leichtigkeit der Geld­ beschaffung im Wege der neu eingeführten Rentenschüld, die es ermöglichte, jeden unerwarteten Geldbedarf und Fehlbetrag in fast beliebiger Höhe mühelos zu decken, verlockte die Stadtverwaltung, wenn Ebbe in der Stadtkasse herrschte, zu stets neuen Anleihen. Seit 1337 gibt sich der Rat nimmer Rechenschaft über die Höhe der gemeind­ lichen Schuldenlast. Der Mangel eines einheitlichen Kassensystems infolge der Sonder­ haushalte der Steuer- und Bauherren erschwert den Überblick über die städtische Finanz­ lage, die immer mehr das Bild wachsender Verschuldung zeigt. Der Schuldendienst aus der Stadtkammer beträgt 1329 ganze 4 U 6 ß; 1346 dagegen, da der Rat in der Zeit kaiserlicher Machtentfaltung das neue Kreditmittel nicht gerade sparsam gebraucht, bereits 755 2/318 und erreicht 1397 infolge der unbekümmerten Borgwirtschaft ohne planmäßige Schuldentilgung mit 1563 % 6 ß 28 H die Höhe der gesamten übrigen Ausgaben. Die auf Drängen des Volkes angestellte Berechnung der tatsächlich vorhandenen Verschuldung ergibt sogar darüber hinaus fürs Jahr 1397 einen Zinsen­ dienst von 4140 ungarischen Gulden, der jede geordnete Finanzwirtschaft unmöglich *) Archiv des histor. Vereins von Oberbayern Band 728: „Civitas dedit cxpensa marchioni et ducibus 1360/61*“ 2) Mon. Boica 35/II S. 115 u. 368* — K.R. 1414. — Kammer-Memorial 1500*

3) H.St.A. Abensberg GU. 609* 4) Zinsbuch 1388 fol. 15. — K.R. 1460. — Mon. Boica 35/II S. 362, 404. 6) K.R. 1461. — Kammer-Memorial 1411. — Mon. Boica 35/II S. 201, 362, 368, 396, 404.

macht. Die Besinnung kommt zu spät. Das 14. Jahrhundert endet mit dem Zusam­ menbruch des Stadthaushalts, mit dem großen Stadtbankerott. An die Zeit der wachsenden Verschuldung und des Zusammenbruches schließt sich ein kurzer Zeitraum der Wiederaufrichtung. Durch weise Sparsamkeit, vorsichtige Benutzung der öffentlichen Anleihe und schonungslose Erhöhung der Steuerlast weiß der Rat im Zusammenhang mit der Reform der Stadtverfassung 1403 und dem seitdem einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung den Stadthaushalt in den folgenden drei Jahrzehnten einer völligen Neu­ ordnung und Gesundung entgegenzuführen. Mitte und Ausgang des 15. Jahr­ hunderts sind sodann die Zeit blühender städtischer Finanzen. Die Kämmerer schließen alljährlich mit hohen Barbeständen und Erübri­ gungen ab, die Stadt betreibt das Kreditgeschäft um des Gewinnes willen, als Bankgeschäft. Mit vollen Kassen und einer allseitig ge­ sicherten Wirtschaft tritt die Stadt in die neue Zeit.

vii. Kapitel.

Das rentierende Vermögen der Stadt.

Rat-, Recht- und Kürschnerhaus, Stadtwag, Trinkstube und Weinkeller. (^as öffentliche Leben der Stadt, Politik und Geschäft brandete und pulste um das ^)Rathaus am Marktplatz, dort, wo im Mittelpunkt der Innenstadt und des ge­

samten Großhandelsverkehrs die wichtigsten öffentlichen Bauten Rechthaus, Wag, Kauf- und Kürschnerhaus, Brot- und Fleischbänke, Ratstrinkstube, Weber- und Wein­ keller und die vornehmsten Geschäfts- und Bürgerhäuser mit ihren ebenerdigen Lauben und überwölbten Bogengängen, Tuchgadem und Kramläden sich um den gesellschaft­ lichen und wirtschaftlichen Brennpunkt des ganzen bürgerlichen Lebens, das Rathaus, gruppierten. Aus dem Rudolfinum wissen wir, daß die Bürgerschaft 1294 ein Rathaus ihr eigen nannte*). „Haus der Ratsherrn" („domus consulum civitatis“) nennen es die ältesten Kammerrechnungen aus der Zeit Ludwigs des Bayern, „meiner Herren der Bürger Hofstatt der Unterrich er Perwin Tänzel im Satzungsbuch von 1365. Vor langen Zeiten hat die Stadt einen Teil des Rathauses gekauft, gebaut und zuweg gebracht, schrieb Stadtschreiber Hans Rosenbusch ins Saalbuch von 1443 und kennzeichnete damit den schrittweisen Erwerb der Gebäudegruppe, die später unter dem Namen Rathaus begriffen wurde und deren erstmaliger Ankauf schon dem Gedächtnis seiner Zeit verloren gegangen war. Dieses älteste Rathaus an der Südseite des Ratsturmes hat mit seinem kaum steigerungsfähigen malerischen Reiz im be­ schaulichen Frieden der altehrwürdigen Peterskirche ein gut Stück Münchner AltstadtRomantik in die Gegenwart herübergerettet. Im ersten Stock lag die innere Rats­ stube, überwölbt mit gotischer Holztonnendecke, heute der Vorraum zum Trausaal des Standesamtes. Schon 1294 waren im Rathaus Verkaufsräume eingebaut, da das Rudolfinum bestimmte, es solle jeder, der im Rathaus mit mehr als 5 St Handel treibt, dieses sein Vermögen versteuern. Die in diesem ältesten Rathaus eingebauten zehn alten Kramläden wurden 1388 um je 9 L verpachtet; 1443 waren es zu beiden Seiten gen St. Peter und gegen die Schergenstube im ganzen 15 Verkaufsläden, die an Münzmeisier als Wechselstube, an Seiler, Krämer, Schneider, Tuchmacher und Tuch­ scherer^) vermietet waren. Zu Pfingsten 1443 kaufte die Stadt um 200 St L, vom Kaplan Hans Eugenbeck und den Gebrüdern Schluder als Lehenherrn der Gollierkapelle „das haus, darauf die grozz ratsstuben yetzo stet", an den Petersfriedhof grenzend. In den beiden Gemächern darin unter der großen Ratsstube erhielten Bürgerknecht und x) „Derselb unser rat sol och von sin selbes hus, da er selb wil ze herberg inne sein, daz doch ungelthast sol sein, nicht stiuren." Mon. Boica 35/II S. 14. — Denkmäler S. 41.

2) Vom langen Gewölbe unterm Tanzhaus nehmen die Kämmerer 1477 von den Tuch­ scherern 20 & 5 ß 18 ein.

Wagmeister ihre Dienstwohnung, von de» vier eingebauten Kramläden lag einer gegen das Tal, die drei andern gegen den Markt und das FriedhofgäßN).

Das „alte Waghaus" ward zu Lichtmeß 1416 für 11 tt 6ß an Peter Pütrich verkauft und noch im gleichen Jahr wurde Meister Hans Plattner, also ein Harnisch­ macher und Plattenschmied, von der Stadtkammer mit 19 ß 12 $ entlohnt, „da; er die wag in dem neuen waghaus recht gemacht hat". Diese neue Stadtwage wurde also noch 1416 fertig gestellt?) und lag, wie wir aus dem Saalbuch von 1443 wissen, unter der inneren Ratsstube neben den Fleischbänken. Das Rathaus war zugleich Stadtwage und Gewandhaus für den Tuchhandel. Sechs große Gewölbe im Erdgeschoß nahmen die Tuchballen auf, welche fremde Kaufleute, namentlich von Eichstätt, dem Verkauf unterstellten, weshalb die Stadtwag auch Kaufhaus hieß. Der Wagmeifier wies den Kaufherren auf Begehr eines der Gewölbe zu und hatte — außer dem Pfundzoll — von jedem Tuch, das sie verkauften, einen Pfennig „Haus­ geld" zu nehme», in eine Büchse zu legen und vierteljährlich an den Goldfasten an die Kämmerer abzuliefern. Die Erträgnisse dieses Hausgeldes waren gering und beliefen sich im Jahre 1500 4 ß. Von den Müllern wurde das Mühlgericht 1496 auf 180 ’tt iß geschätzt, und die Schätzungssumme auch bezahlt, wobei 100 N Ewiggeld auf der Angermühle stehen blieben^). Von den Söhnen des Stadtzimmermeisters Hans Karst kaufte die Stadt 1472 um 178 % aß die von Albrecht IV. gefreite Sägmühle am Gries an der Isar, gegenüber dem herzoglichen Hammer zu Brunntal*). Während die Mühlbetriebe in der Regel als zinstragender Grundbesitz verpachtet wurden, nahm die Stadt diese in Eigen­ betrieb; denn ihr Müller heißt Stadtmüller und erscheint mit 4 t6 Quatember­ gehalt als städtischer Beamter. Vier Jahre später erwarb die Stadtkammer um 10 ‘ti> 4ß die Gießhütte vorm Sendlingertor; ferner um 85 eine zum Abbruch be­ stimmte Mühle samt Mühlrecht^). Im gleichen Jahr kaufte sie von Sigmund Wag­ müller einige Gründe zur Hammerschmiede, 1485 um 1067 rheinische Gulden die Wagmühle, selbst einen ganzen Block von Gewerbebetrieben vorm Jsartor unterhalb dem Lueger: Mahl-, Säg- und Schleifmühle, Hammer, Lohstampf, dazu 18 Äcker und Anger. Albrecht IV. verzichtete zugunsten Münchens auf die Lehenschaft der Wagmühle und verlieh den Bürgern, gegen Entrichtung des herkömmlichen Zinses x) Zinsbuch 1388 fol. 15, 19. — Saalbuch 2) K.R. 1462. — R.P. 1462. — H.St.A. S. 365—368. 3) K.R. 1472, 1474, 1476, 1493/04, 1496. 4) K.R. 1473. — Privilegienbuch VII, 23. 5) St.A. Liegenschafts-Urkunden; Saalbuch

1443 fol. 13. München Ger.Urk. 308, 309. — Mon. Boica 35/II

— Saalbuch 1444 fol. 41, 45. 1444 fol. 45.

263

von 4 Al 6 H ans herzogliche Kastenamt, den Lohstampf oberhalb der Wagmühle, den bisher Sigmund Wagmüller und ehedem die Ledererzunft innehatten*).

Grundbesitz und auswärtiger Gutsbesitz. Wie groß die älteste seitens Heinrichs des Löwen an die Gemeinde überlassene Allmende war, ist nicht überliefert. Gewiß ist nur, daß München bei Beginn der Gemein­ wirtschaft kein erhebliches Eigentum an Weideland, Grund und Boden besaß, wie auch der Umfang des Stadtburgfriedens, inmitten des uralten Siedlungs­ landes der Dorfschaften Sendling und Schwabing, gering war. Den landwirtschaft­ lichen Einschlag in der Bürgerschaft vermögen wir aus den ältesten Grundbüchern in den vielen Ängern und Gärten, namentlich der nachträglich in den Mauerring eivbezogenen äußeren Stadtteile, zu erkenne». Beim Ankauf einzelner Änger, Wiesen und

Gärten läßt sich die Bürgerschaft von dem Streben leiten, den gemeindlichen Grund­ besitz in und unmittelbar um die Stadtgemarkung nur insoweit zu mehren, als gemein­ wirtschaftliche Aufgaben und Pflichten gegenüber der Allgemeinheit es verlangen. Die steigenden Preise für Grund und Boden sind dabei ein gutes Zeichen der allgemeinen Wirtschaftslage, die hohe Bewertung der Liegenschaften in und an den Burgfriedens­ grenzen lassen auf zunehmenden Wohlstand schließen. Nach dem Zinsenmemorial von 1389 sind 90 Bürger und Geistliche zur Zahlung von städtischen Pacht- oder Mietzinsen aus Gärten, Wiesen und Änger» verpflichtet. Der Stadtzins von Wiesen und Ängern war zu Sonnwend, aus Äckern und Gärten am Michaelstag zu entrichten. Versäumnis der Zahlfrist hatte Erhöhung der Zinspflicht um ein Drittel zur Folge. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren 32 Änger auf Sonnwend zinspflichtig mit 12 t6 69 Ä, 34 Gärten zu Michaelis mit 4 tt 64 -V). Zur Gewinnung öffentlicher Weide­

plätze, zur Erweiterung der Zwinger, Gräben, Straßen, Plätze und Wasserläufe war die Stadt bestrebt ihren Grundbesitz an Wiesen und Gartenland zu vergrößern, zumal mit der Errichtung eines städtischen Marstalls der Heubedarf der Gemeinde wuchs. 1412/13 erwirbt die Stadt zur Erweiterung des Stadtangers vom Schmied Seuer für 6 6 ß ein halbes Tagwerk Anger am Gries vor dem Taltor bei der Neudeckmühle; 1448 von Peter Schinder um 51 tt zwei Tagwerk Anger vorm Sendlingertor, 1471 ebenda je drei Tagwerk Anger von der Michelbräuin um 110 rheinische Gulden und vom Stadtschreiber Hans Kirchmaier um 100 rheinische Guldens. Aus dem Be­ streben, den städtischen Besitz abzurunden, erfolgten 1471,1485 und 1486 Wiesenkäufe. Die Erträgnisse aus Grummet- und Altheu, welche der Kammerknecht von den Stadtävgern, Gräben und Zwingern ablieferte, wurden beachtlich*). Während Stiftungen und Klöster, die alten Geschlechter und die reichen Groß­ kaufleute bestrebt waren, ihr Vermögen in Grundherrschaften und ländlichem RentenT) St.A. Urkunden, Mühlen u. Hammerschmiede. — Leibgeding- u. Ewiggeldbuch 1428—1529 fol. 1. — K.R. 1485. — H.SL.A. München Ger.Urk. 420. 2) Kammer-Memoriale 1389 u. 15. Jahrh. 3) K.R. 1412/13, 1470. — Urkunden: Äcker und Wiesen. 4) K.R. 1489: 18 4 ß 25 1491: 27 U, 1495: 33 % H.

bezug fest und sicher, wenn auch fern vom Burgfrieden, anzulegen, erwarb die Stadt auswärtigen landwirtschaftlichen Gutsbesitz nur in einigen wenigen Ausnahmefällen. 1470 kaufte der Rat von den Hochmeistern des Heiliggeistspitals um 245 H H einen Hof in Haidhausen, dem heute längst etngemeindeten Vorort. Er trug jährlich i Scheffel Weizen zu i A H, 3 Scheffel Korn zu je 7 ß, 4—5 Scheffel Hafer zu je 4 L, 2 N H Wiesengült, 12 L- Stiftgeld, zwei Gänse zu 24 L-, 6 Hühner für 30—36 St, 100 Eier zu 20 L>, schließlich die halbe Obsternte im Wert zwischen 2 ß 20 3 ö«i> 7 ß 15 Das Getreide wurde auf den Stadtkasten angeliefert oder im städtischen Marstall verwendet. Das im Haidhauser Hof angelegte Kapital verzinste sich mit etwas mehr als 4%. 1482 kaufte die Stadt von den Sondersiechen auf dem Gasteig ein Gut in Haidhausen und 1499 um 130 3> vom Freisinger Domkapitel den Tallmeierhof zu Haidhausens. Noch während der kapitalarmen Zeit der Vierherzog-Regierung gelangte die Stadt zum ersten Male in den Besitz einer Hofmark, ein Zufallsbesitz, den die Bürgen des Patriziers Ulrich Tichtl 1403 der Stadt zur Tilgung seiner 1000 Gulden betragenden Schuld überließen. Es war die im Landgericht Schwaben gelegene Hofmark Poing samt Ehehaft und niederer Gerichtsbarkeit, bestehend aus dem Amtshof, 5 Hube» und 4 Lehen zu Poing, der Vogtei zu Riem und Engelschalking, zu Hard und Stockach, zwei Huben und einem Lehen zu Angelbrechting, schließlich das ganze Dorf Rudertshausen in Pfarr und Gericht Au. Ebenso zufällig wie der Besitz in die Hände der Stadt gelangte, ebenso eilig schlug sie ihn wieder los, indem sie im Dezember 1406 die Hofmark Poing samt dem Dorf Rudertshausen an Herzog Ludwig den Ge­ bartete» von Ingolstadt für 700 ungar. Gulden verkaufte. Mit diesen 700 Gulden deckte die Stadt bei den Brüdern Hans und Peter Pötschner eine Geldschuld von 1000 Gulden ab, die ihr Vater der Stadt vor 20 Jahren geliehen hatte. Bargeld war nach den Räte­ wirren eine so rare Angelegenheit, seine Festlegung im bäuerlichen Grundbesitz für die Bürgerschaft so wenig verlockend, daß die Stadt beim Verkauf an den Herzog 300 Gul­ den gegenüber ihrem ursprünglichen Kaufschilling nachließ, ein Nachlaß, den sie aller­ dings durch die völlige Abdeckung der Pötschner-Schuld wieder einholte und ausglich^). Die Einnahmen von der Hofmark Poing betrugen, wenn man die am städtischen Marstall und auf dem Kriegszug verbrauchten Scheffel Hafer in Geld mit veranschlagt:

1404:

1405:

Roggen: 16 Scheffel 4 Metzen -- 15% 5 ß 13 Scheffel — 13 % Weizen: 5 „ 4 Viertel = 5 „ 22 A 2 „ 1 Metzen = 2 „ 2 ß Gerste: 2 „ -6 „ 20 „ — — Hafer: 43 „ (verbraucht) — 13 „ 3 „ 10 „ 22 „ (verbr.) = 3 „ 6 „ 1 A „ 7 // (verkauft) 2 „ 10 „ — — Wiesgült - ~ 7 // 3 // 6 ,, 7 „ Käsedienst, Vogteigeld, mer- und Grasgeld = 1 „ 5 „ 21 ,,_______________________ 1 ,, 5 „ 21 „ Summa 46 % 6 ß 23 27 % 4 ß i A T) K.R. 1470/73, 1477, 1498. — Saalbuch 1444 fol. 45. — Urkunden über Liegenschaften. 2) K.R. 1404/06 fol. 44f. u. 1406 fol. 32V; K.M. 1404/05. — H.St.A. München Ger.Urk.Fasz. 15

Die Einnahmen vom Dorf Rudertshausen bestanden in 20 Metzen Hafer, welche der Meier und seine sechs Bauern ju geben hatten, in kleinen Geldreichnissen und in der Hälfte des Obstertrages vom Baumgarten, den der Meier abzuliefern hatte. Sie be­ trugen 1404 ii U 4 ß 26 1405 8 'ü 16 L-, insgesamt 19 'ti> 5 L12 Da die Aus­ gaben von den Bauerngütern in der Hofmark Poing und im Dorf Rudertshausen nur in geringfügigen Trinkgeldern bestanden, die man den Bauern verabreichte, wenn fie ihre Zinsen und Naturalreichnisse ablteferten, erhalten wir rund 94% Einnahmen für zwei Jahre und gewinnen so eine Rentabilität von mehr als 6%, mit der sich dieser bäuerliche Gutsbefitz verzinste.

Mietzinseinnahrnen der Stadt:

1442

1450

(Laut Kammer-Memorial 1442 und 1450)

Läden im Rathaus4)..................................................................................... Läden im Rechthaus2)................................................................................ Läden bei der Gollterkappelle2)..................................................................

Je 3 Läden beim Pütrichturm und der Augusttnerbrücke........................ Pachtzins der Ratstrinkstube.......................................................................

%

%

ß

13

4 6



23 38

5 —

15 —

4





2



57 —

3



6







3

6

6



3



3 10









Trinkstube (Wohnungsmiete).......................................................................

3 —





Markt (wohl Marktmesser).......................................................................

12





38 Brotbänke.........................................................................................







28

4



Unschlitt von 40 Fleischbänken4)..................................................................

65

2

70

Metzgergadem..............................................................................................

7 —

5

4 —



4 —



3

10

10





4 —



3



4 —



Färbhaus und Walkmühle«)........................................................

Walk- und Schleifmühle2) 6 ...........................................................................

6

Mang............................................................................................................

6

28

7 12



6

i

4 6



2

Krümbleinsturm..............................................................................................

i

6



i

Ewiggeld aus den TSmlinger-Häusern....................................................







3

12

Frauenhaus ...................................................................................................

7 6

Schulhauszins7) 8 .........................................................................................



Stadthaus am Anger")................................................................................

Summa

188

21



6



7 —

— —

13

7 6

242

2

28

4) 15 Läden i. 1.1450. 2) 17 Läden i. I. 1450.

3) Laterner (Laternenmacher beim Gollier) i. 1.1442. 4) Nach Abzug der Seelgerätsstiftungen.

5) 1442 bloß Färbhaus.

6) 1450 bloß Schleifmühle. 7) 1442 Fritz Schnitzer, Friedhof, 4 ß hier eingereiht. 8) 1442: Muer 5 ß, Kunz Käufe! 3 ß, Bader 6 ß, sämtliche „Beim Zeiling" hier eingereiht.

— 20

1490

1480 Mietzinseinnahme« der Stabt:

Zinsgelb des Stadtkammerknechts von den Läden im Rathaus, vom FrauenhauS usw.................................................................... Gewölbe unterm Rathaus............................................................. Ei« weiteres Gewölbe....................................................................... Bäcker-Brothaus (1500 v. Vierer d. Bäcker)............................ Wagmeister vom Unschlitt von de« Fleischbänken (1490 u. 1500 Franz Drott)................................................................................ Metzgergadem..................................................................................... Bäckerhaus an Neuhausergasse (von Ulrich NotwachS) .... Notwachs-Haus, mittleres Gemach von Lienhart Pfeifer . . . NotwachS-Haus, unteres Gemach............................................... Notwachs-Haus, ein Gemach......................................................... Stadthaus, nächst der städt. Trinkstube (Stefan Dolzec, Schneider) Stadthaus, oberes Gemach (Kürschnerswitwe)............................ Sendlingerhaus, Schenkhaus........................................................ Sendlingerhaus, 3 Läden............................................................. Zinsgeld von Häusern .................................................................. Saitenhaus (von zwei Saitenmachern)...................................... Marktmesserin ................................................................................ Mangmeister von Mang und Färbhaus...................................... Gschlachtgewander von beiden Walken.......................................... Loder (1490 von der Sagmühl, 1500 von der Walkmühl) . . Zinsgeld der Sensenschmiede von der Schleifmühle beim Frauen­ haus .............................................................................................. Sichelschmiede von der neue» Schleifmühle am Gries .... Klingenschmied von der Wagmühle*).......................................... Plattner von Poliermühle und Hammer bei der Wag .... Schmelzhütte..................................................................................... Hammer am Gries2)...................................................................... Schletfmühl am Gries .................................................................. Schleifmühle bei der städt. Sägmühle (1490 ein Pfeilschmied). Stadtschmied (Hans Schmied) .................................................... Laden im Stadthaus an der Dienergasse (Rotschmiedswitwe) . Sagmühl am Gries....................................................................... Sagmühl bet der Wagmühl......................................................... Angermühle (1490 Kaspar Müller)............................................... Holzhaus am Gries....................................................................... Häusel am Anger........................................................................... Oberes Gemach in der Wagmühl............................................... 6 neue Ramen im Zwinger beim Angertor................................. 5 Ramen im Schifferzwtnger beim Angertor............................ Hof zu Haidhausen........................................................................... Stallung hinter der Capleri» Haus auf dem Stadtgraben Krautäcker......................................................................................... 3 Tagwerk Anger........................................................................... Anger des Kirchmair selig.............................................................

Summa

D

ß

%

123 5 i 28

51/« 2 —

70 — —

4

24

89 7 9 2 2 i — —

5V«

90 7 9 2 2 i — — — — — 12 — 18 52 70

14 15 4 10 — 18 52 64

12 — — — —

13 10 2 — — 15 —

20 3 — — I — 6 — — — —

5 — — —

4 — — — 6 3 — — — — — 2 — — — —

12 17 17 8 —

4 — — 6a/s —

9 10 i — — 10 12 20 3 3 i i I

4 2

4 —

5

3





5 2 3 — — 6 — —

ß

— — —

5 — — —

4 — — — — — — — — — — 2 —

4 6 6 5 2 6 — — 4 — — 4 — 4 62/e

4 4 2 6 — —

1500

%

ß

51 — —

2V2 — — —

24

88 7 — — — — 9 3 — — — 12 5 18 62 70

12 17 15 7 — 9 9 —

5 2 — — — 3 — — — —

5 — — — — 5 4 — —

— — 673 — — —

2 4 6 — — 5 6 — 2 2 — — — 4 — — — —

3 3 —

— 2 6 — 2Ve

535 7ß 22 H 499 7ß 27^1 453

4

1) i49o Hans Fraunhofer von 4 Gemächern. 2) Darin 1480 noch 4 U von der alten Bleich und Hammer und Hütte dabei.

9 —

VIII. Kapitel.

Die Stadt als Unternehmer.

wirtschaftlichen Probleme und Sorgen des Münchner Stadtregiments waren XJtöt Mittelalter die gleichen wie die der jüngsten Vergangenheit: Wirtschaftsnot und Absatzstockung, Übervölkerung und Verelendung der vermögens- und erwerbslosen Bürger und Inwohner, der „Habnit", wie ste in den mittelalterlichen Steuerbüchern heißen, weil sie nur von ihrer Hände Arbeit und sozusagen von der Hand in den Mund lebten und, wenn die Hände untätig im Schoße ruhen mußten, nichts zu zehren hatten, aber auch nichts versteuern konnten. Veranlaßt waren die Wirtschaftskrisen durch die Unsicherheit der politischen Lage in deutschen Lande», durch die stete Schwertbereit­ schaft und Fehdelust der gegenseitig mißgünstigen und mißtrauischen Herren, durch das vorsichtige, aber erzwungene Zuwarten der Groß- und Fernkaufleute und des Unternehmertums, die am Platz von San Marco ebenso zu Hause waren wie an den Stapelplätzen und Welthandelszevtren am Niederrhein und in den Niederlanden. Die letzte und innerste Ursache solcher Wirtschaftswende war das sprunghafte und über­ mächtige Hochkommen neuer Erwerbszweige und Erwerbsformen sowie die schnelle Entwicklung des Großhandels und Warenaustausches, der das Aufblühen neuer Industriezweige in einzelnen Städten und Landen erst so recht zu einer ernsten Gefahr für die davon zu spät ergriffene gewerbstätige Bevölkerung machte und urplötzlich eine jähe Ein- und Umstellung auf neue Verhältnisse erzwang.

Die Einführung der Barchentweberei. Von den vielen verschiedenartigen Versuchen, Arbeit und Brot zu schaffen, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und die hoffende und harrende Schar der über­ schüssigen arbeitslosen Stadtbevölkerung in Dienst zu stellen, ist die anziehendste Er­ scheinung, die mir bei meinen Forschungen begegnete, die Einführung und Einbürge­ rung einer neuen Münchner Hausindustrie durch städtische Initiative, mit ge­ meindlicher Unterstützung. Im 14. Jahrhundert hatten die Baumwollweber von Mailand aus über Kon­ stanz und Basel im Südwesten Deutschlands Eingang gefunden. Ulm und Augsburg wurden die süddeutschen Mutter- und Hauptstädte der Barchentweberei, in ihnen wurde das Gewebe aus Linnenkette mit Baumwollschuß geradezu die führende Indu­ strie; der Barchenthandel bildete denn auch die Grundlage für die weltbeherrschende Finanzgroßmacht des Hauses Fugger. Der Münchner Bürger konnte die durch viele Binnenzölle überteuerten flandrischen, brabantischen und nordfranzösischen Tuche aus Gent und Vpern, aus Lille, Douai, Arras, Brügge und Leyden je länger, desto weniger erschwingen. Der Rat war daher bestrebt in der eigenen Stadt die hochwertigen fremd­ ländischen Tuche durch billige Gebrauchsstoffe zu verdrängen und sann auf Mittel,

die auf den Massenbedarf der ärmeren Volksschichten, besonders auch der Bauern-schäft berechnete Barchentweberei einzuführen, ehe sie noch andere Städte des deutschen Südens eroberte. Daß die neue Hausindustrie das älteste Münchner Ge­ werbe, die Tuchmacherzunft, welche die teure Schafwolle, und die Leinweber, welche den Flachs verarbeiteten, nicht vernichten sollte, dafür ist der beste Beweis, daß der Rat zur gleichen Zeit (1424) den Versuch machte, der schwer ringenden Wolltuch­ weberei beijuspringen. Er suchte die Herstellung von gutem Pilsener Tuch einzu­ führen und streckte zu diesem Zweck einem zugewanderten böhmischen Tuchmacher sechs Schilling vor. Der Versuch scheiterte an der Unehrevhaftigkeit des Tschechen, der mit dem Gelde flüchtig ging*). Am 18. September 1423 schickte der Rat zwei Bürger nach Augsburg, um über die Barchentordnung Erkundigung einzuziehen. Im Dezember ließ er wiederum aus städtischen Mitteln vier ansässige Weber nach Augsburg reisen, sie sollte» sich über die Art der Herstellung und die Bestimmungen der Barchentordnung eingehend unterrichten, auf daß zugleich Einheitlichkeit und hohe Güte der fertigen Ware erzielt werdet. Rach diesen Vorbereitungen holte der Rat 1425 zum großen Schlag aus. Der Stadtzimmermann Meister Niklas ward zu Pfingsten nach Ulm geschickt, um am Hauptsitz der Barchentindustrie ihre Herstellungsweise und Einträglichkeit, vor allem aber die Bedürfnisfrage für München zu erkunden^). Ratsgenosse Ludwig Ridler erhielt den Auftrag, in Venedig für 400 Dukaten Baumwolle in un­ gesponnenem Zustand anzukaufen, ein Auftrag, den er vermutlich aus Mangel an Ware, nur halb ausznführen vermochte*). Aus Augsburg ließ der Rat drei Roh, barchevte als Musterstücke zur Gegenschau für die Münchner Weber besorgen, gleich­ zeitig erwarb er einen Baumgarten und mehrere Änger zur Vergrößerung der Stadt­ bleiches. Das Handwerk der Weber versprach den Barchent zu Augsburger Preis und Güte zu arbeiten. Ein Teil der Barchente wurde im städtischen Färbhaus schwarz gefärbt). x) „Man leche ym daruwb, baz er ain gute arbayt Pilsner tuch hie ze München wollt aufpringen und hintennach da entrann von dannen." K.R. 1424. 8) „Ging es für sich, daz wer der stat großer nüez." K.R. 1423. 8) „von beschauens wegen ains hantwercks zu Ulm, ze machen hie ze Minchen, ob man ains solichen notdurfftig wer". K.R. 1425. 4) „Item Zoo 85 7% Äs 15 haben wir ausgeben für 400 ducaten Venedigisch gewichts, umb die man uns kauft und ze wechsel bestellt hat ze Augspurg, ze Venedig ze bezalen. die selben vierhundert ducaten man umb wollen geben und kauffen sollt nach rats haissen und geschafft den Webern umb irr gellt hie ze München wider ze geben, damit sie anhuben parchant ze machen, das auch das gancz hantwerck aim rat versprach, sie wellten auf Augspurger preys umb parchant arwayten und nicht erger, damit ain rat, gemaynne stat, arm und reich, maynnet ze fudern mit der arwait und die stat für sich dester pas köm, sich auch füll armer laüt hie dester pas erneren mochten, actum sabbato vor quasimodogeniti 1426." 6) K.R. 1425. 6) „Item 3%ß haben wir geben dem Wedel golltschmidt von der Weber zaichen ze machen auf die swarczen parchentuch, die sie — ob got will — gar gut wollent machen auf Augs­ purger preys. sabato vor cantate 1426." K.R. 1426. Wenn nicht besser, sollten die Münchner Barchente den Augsburger Fabrikaten an Güte gleich sein, besagt die Ordnung der Barchentschau von 1592. Als Länge schreibt sie 16V2 bayerische Ellen, als Breite die zu Augsburg übliche vor. Cgm. 1536.

Aber nicht bloß die Beschaffung und Einführung der Baumwolle nahm der Rat dem Weberhandwerk ab, sondern sogar die Sorge um den Vertrieb der fertigen Ware und das Risiko des auswärtigen Absatzes, indem er den Verschleiß der nach Deckung des Eigenbedarfs verbleibenden Barchente auf Rechnung der Stadtkammer in die Hand nahm und den Webern gegen fertigen Barchent Rohstoffe lieferte. All das, um den Webermeistern und Barchentwebern, die zumeist ärmeren Volksschichten angehörten, die Einführung der neuen Hausindustrie und Heimarbeit -so leicht wie möglich zu machen. Um die Bedeutung des neuen Münchner Gewerbezweiges voll und ganz werten zu können, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß sich die Barchentweberei selbst in den großen deutschen Handelsstädten nur langsam Eingang verschaffte; ist doch im Frankfurter Bürgerbuch erst zum Jahre 1421 der erste und einzige Barchentweber vorgetragen*). Schon auf der Frankfurter Herbstmesse 1427 konnte der Münchner Rat an den Großhändler Ursentaler 143 Stück Barchent für 165 u 10 absetzen, ein durchschlagender Erfolg dank der Güte des neuen Münchner Fabrikats, das auf der Rekchsmesse neben den Webereierzeugnissen aus 35 deutschen und ausländischen Städten?) bestanden hatte. Am 24. Mai 1427 wurden bei der städtischen Rechnungslegung bereits 427 Stück Barchent Kaufmannsgut im Wert von je 1 L- an die neuen Kämmerer übergeben. Diese verkauften hievon im nächsten Jahr 401 Stück, geschieden nach dem in Oberdeutschland eingebürgerten Beschauzeichen für gutes Fabri­ kat in „Löwen" („leo“) und „Ochsen"?) an die Großhändler Rudolf, Storch, Ursen­ taler, Rülein und drei Krämer mit 37 % tt Gewinn weiter. 1428 Übergaben die Stadt­ kämmerer den heimischen Barchentwebern 427 Stück Rohbarchent für ebensoviel Pfund Pfennig; bei der Widerraitung am 8. Juli 1429 konnten ihre Amtsnachfolger 552 Stück Rohbarchent und 228 Stück größtenteils an die Krämer verkaufter, aber noch geschul­ deter weißer Barchente im Gesamtwert von 775 17 y2 H im Besitz der Stadt nach­ weisen. An den 552 Stück Rohbarchent erzielte die Stadt 1429 einen Gewinn von 12 y2 n L,«). Mit welcher Tatkraft sich das um seinen Unterhalt ringende heimische Weber­ handwerk auf die Barchentweberei warf, ersieht man mit aller Deutlichkeit aus den Erträgnissen der städtischen Bleiche, welche Rückschlüsse auf die Gesamterzeugung zu­ lassen, da das Bleichen Pflichtsache war: 1427 webten die Münchner Weber 1426 Stück Barchent, 1428 und 1429 schnellt die Gesamterzeugung um mehr als das Doppelte empor. Der anfänglichen Überproduktion folgt ein Rück­

schlag, als sich die Stadt 1430 von diesem kaufmännischen Unternehmen großen Stils x) Bücher, Bevölkerung von Frankfurt am Main S. 420. 2) Alex. Dietz, Frankfurter Handelsgesch. I, 27, Franks. 1910. 3) Die Münchner Barchentschau vom Jahre 1592 unterscheidet: gemeines Farbtuch oder Ein­ sieglertuch mit dem Mönch, besseres Tuch mit Traube, Löwe und Ochsen, Dreißiger Tuch mit 3, Viersiegler Tuch, die beste Qualität, mit 4 Mönchen. Cgm. 1536. 4) „Item 12y2 A ist uns zü gestanden an 552 stucken parchaten ze gewynn, die so fill höcher verkauft worden sind, dann fle ersts kaufs kosten." K.R. 1429; K.N. 1427—1429; Kammer-Memo­ rial von 1394, Beilage zum Jahre 1428. Soileder, München

18

273

zrrrückzieht und Vertrieb und Ausfuhr des Barchents ganz der freien Kauf­ mannschaft überläßt. Wenn auch Münchens Weberschaft und Bevölkerung, die mit soviel Begeisterung die neue Heimindustrie ausgenommen hatten, die schützende starke Hand des Rates anfangs schmerzlich mißten, so hielt sich die Barchevtweberei trotz aller Schwankungen auch in der Folgezeit auf beachtenswerter Höhe und er­ reichte wiederholt Rekordzahlen in der Absatzziffer: 1439 wurden im Weberkeller allein 2550 Stück Münchner Barchent beschaut und gezeichnet. So volks­ tümlich war die neue Hausindustrie in München, daß der Barchent nach der Jahrmarkts­ ordnung von 1448 der beliebte Preis bei Wettläufen war, den „gute Gesellen", Frauen und Mädchen gewannen, die als erste das Ziel der Läufer erreichten*). Der Rat för­ derte die Barcheniweberei auch weiterhin durch die Steuerfreiheit tüchtiger Barchentkarter und Barchentschauer?). Hatte er doch mit seinem Beschluß vom Jahre 1426 recht behalten, daß „die Etat desto besser vorwärts kömme, sich auch viele arme Leute hie desto besser ernähren möchten", weil die Barchentweberei vielen Be­ dürftigen Arbeit und Brot gab und überdies dem Gemeindesäckel erhöhte Gebühren aus Bleich und Mang einbrachte^).

Zu Ausgang des Jahrhunderts ist die Not- und Krisenzeit überwunden, das Volk ist vermöglicher und damit anspruchsvoller geworden, das dauerhafte und vornehme bürgerliche Linnen verdrängt den billigen, aber auch gröberen Barchent. Nichts kann uns dies bildhafter vor Augen führen als die nüchternen Zahlen für die Bleich- und Manggefälle aus beiden Geweben, Linnen und Barchent. Immerhin betrug 1490 die Gesamterzeugung der Münchner Barchentweber noch 947 Stück. Mehrere Patrizierfamilien verdankten ihren Wohlstand noch dem Handel mit Münchner Fardelbarchent (Kaufmannsgut von je 25 Barchentstoffen). Das Ratsgeschlecht der Wilbrecht besaß bei der Erbteilung des Jahres 1495 größere Mengen „Fardelbarchent". Auch der Patrizier Scharfzahn betrieb den Barchent­ großhandel. Er ließ 1495 wegen Nichtbezahlung gelieferten Fardelbarchents den Augsburger Knoblauch in München greifen und in den Schuldturm werfen, weshalb ihn dessen Sohn am eben eingesetzten Reichskammergericht in Worms verklagtes.

Die städtischen Ziegelwerke. Unter zwei Gesichtspunkten setzte die Stadt eine städtische Ziegelindustrie ins Werk, um Bausteine für ihren Eigenbedarf zu gewinnen und um den Bürger durch Ablassung billigen Baustoffes an den Ziegelbau zu gewöhnen und so die Feuersbrünste einzuschränken. x) Schweller, Wörterbuch I, 269. 2) So blieb 1462 nach Ratsgeheiß Bernhart Karter steuerfrei, weil er Barchentkarter, 1496 und 1500 Hans Merner in der Brunngasse, weil er Barchentschauer war. 3) Im ersten Jahr nach der Einführung der Barchentweberei, im Rechnungsjahr 1427, stossen der Stadtkammer 19 66 6 ß 13 1439 bereits 35/2 66 aus den Bleichgebühren zu. 4) H.St.A. Benediktbeuren Kl.U. 500. — St.A. Patrizier, Scharfzahn 3.

Ursprünglich versorgten Ziegeleien von Altbürgern und kirchlichen Stiftungen, welche sie mitunter an Maurermeister zur Ziegelgewinnung verpachteten, die Bürger­ schaft mit Ziegeln*). Der soziale Zug, der nach dem großen Bürgeraufstand in der Stadtverwaltung Geltung gewann und der erhöhte Bedarf an Ziegeln nach dem Brand des Jahres 1407 führten dazu, daß die Stadt zu Eurasburg einen städti­ schen Ziegelmeister mit 1 $ Quatembergeld anstellte. Ziegelstadel und Ziegel­ meister standen unter Aufsicht der Stadtbaumeister; diese bestritten alle Ausgaben aus einem Sonderhaushalt. Der Ziegelmeister Kunz Hafner, vermutlich ein Meister des Hafnergewerbes, erhielt 1410 und 1414 für das Tausend Ziegel 3 ß 4 Werklohn. Der große Brand des Jahres 1418, dem Rathaus und Ratsturm, Heiliggeistspital, Fleischbank und die Häuserzeilen im Tal und in der Graggenau zum Opfer fielen, zwang den Rat auf Mittel und Wege zu sinnen, dem verheerenden Element, das die Entwicklung der Stadt und den Wohlstand der Bürger dauernd bedrohte, Schranken zu ziehen. Mit der allen amtlichen Maßnahmen eigenen Gewissenhaftigkeit ließ er aus der Reichsstadt Augsburg Meister kommen, um den Lehmgrund in Haidhausen auf seine Eignung zu prüfen. In den Jahren 1418 und 1419 brannte Ziegelmeister Konrad Hafner auf Geheiß des Rates in zunächst 8, dann 10 Ziegelöfen für rund 100 bzw. 90 ti X im Jahre 1419 allein 230000 Stück. Damit war ein mächtiger Schritt getan, die städtische Ziegelfabrikation den gesteigerten Bedürfnissen anzupassen. Der Ziegelstadel selbst scheint noch Privatbesitz gewesen zu sein, da 1425 Konrad Hafner 7 'M 30^ Stadelzins vom Ziegelofen erhielt?). Das Brandjahr 1429, in dem von der Kreuz- und Enggasse bis zum Neuhausertor ein furchtbarer Brand wütete, gab den Anstoß zur Schaffung eines eigenen städtischen Ziegelstadels. Mit Wissen und Willen der Gemeinde wurden die Ratsherren Ludwig Pötschner und Jakob Kleuber verordnet, aus gemeindlichen Mitteln Ziegel, Mauersteine und Dachziegel von besserer Beschaffenheit herzustellen, in dem Bestreben, jedem Einwohner billigen und guten Baustoff, ohne Nutzen für die Stadt, lediglich um die Eigen kosten abzulaffen. Dadurch hoffte man die Schindeldächer, diese Begünstiger der Flugfeuer und großen Stadtbrände, durch Ziegeldächer zu verdrängen?). Der städtische Ziegel­ stadel wird 1430 auf 10 Jahre an den Bürger Ulrich Hafner gegen eine Jahrespacht von 5% rheinischen Gulden überlassen. Es wird mit ihm ein fester Preissatz verein­ bart, zu dem er den gesamten städtischen Bedarf zu decken hat: 1000 Mauersteine um 5 ß, 1000 Hacken (Dachziegel) um sy2 ß, x) 1380 pachtet Konrad der Leo, Maurer, von Ulrich Stupf einen Ziegelstadel auf Lebenszeit. H.St.A. München Ger.Urk. 72. 2) K.R. 1404/06 fol. 45V; 1407 fol. Zzv; 1418, 1419, 1425. — Kammer-Memorial 1410, 1414. — Eos 1832 S. 739—742. 3) „Das man dester pesser ziegel mach und das man dann die selben ziegel ainem yeden, der sie kauffen und mit ziegel decken will, geben sol neur umb das hauptgut an allen gewynn. derworten und darumb als mangklich, arm und reich, dester genaigter weren, ziegeldach ze decken, das man doch furbas als offt und als gar jamerlichen nymmer verderb hie zu Munichen von feurs wegen, als vor laider offt hie von fliegendem feur von der schindeldacher wegen die stat verdorben und verprunnen ist." K.R. 1428.

18*

275

iooo Preis (Backstein zur Einfassung -es Daches ober einer Mauer) um 5 ß, i Mutt gebrannter Kalk um 3 ß io L?). Was er über -en Stadtbedarf brennt, kann er beliebig verkaufen; denn die zu­ nehmende Entwicklung des Betriebes und die vermehrte Nachfrage nach dem dauer­ haften guten Fabrikat der städtischen Ziegelwerke führte zwangsläufig zur Überpro­ duktion von Steinen und damit zur Weitergabe des Ziegelüberschusses an private Bau­ herren und Abnehmer. Für die Jahre 1435 bis 1442 find uns die genauen Widerraitungsbücher über die Ziegelwerke erhalten. Das Rechnungsjahr fällt nicht mit dem Kalenderjahr zu­ sammen, sondern endet in der Regel mehrere Wochen nach Jahresbeginn, spätestens im März. Die Stadtkammer streckt den Ziegelmeistern ansehnliche Beträge als Be­ triebskapital vor, die bei der Abrechnung zurückbezahlt werden müssen. Die beiden Ziegelmeister werden vom Rat aus den Reihen der Bürgerschaft erwählt; jeder erhält 6 ti Jahressold. Der Betrieb ist geteilt in das Formen („Schlagen") der Ziegel und das Brennen in den Ofen. 1440 besitzt die Stadt 5 Ziegelwerke, 3 Dachziegel- und 2 Steinwerke; 1442 werden bereits 50 Ziegelöfen gebrannt. Der größte Teil der Ziegelerzeugung wird fürs städtische Bauwesen verwendet: 1437 zum Bau des Salz­ stadels und der Ringmauer; seit 1439 erforderte der Bau des Zwingers gewaltige Mengen an Bausteinen, in den 70 er Jahren der Bau der Liebfrauenkirche.

Fragen wir nach Gewinn und Verlust der Münchner Ziegelwerke, so finden wir schon 1431 in der Stadtkammer 45 tt 3^9^ Erlös von den beiden Dachziegel­ meistern vorgetragen. 1435 werden an die Stadt Ziegel im Wert von 44 t* 82 H abgegeben, die unter den Einnahmen nicht erscheinen; beim Ziegelstadel bleibt der Stadt ein Lager im Wert von 20®^, so daß die ungefähre Gewinnangabe der Rechnung „summa pej 50 werd der siat ze gewynn" mit dem rechnungsmäßigen Gewinn von 56 tt iß annähernd stimmt. Das nächste Jahr schließt, trotz der Ermäßigung des Verkaufspreises für Mauersteine und Hacken, mit einem kleinen Gewinn von 14 ti 4ß 9^ ab. Obwohl der Schreiber der Widerraitung die Her­ stellungskosten des Jahres 1437 nicht angibt — die in unserer Übersicht angeführten

Ziffern sind errechnet —, kommt er zu dem Schluß, sie möchten dem Ziegelerlös gleich­ gesetzt sein; denn wenn man die Kosten des städtischen Fuhrparks und die Abnützung der Pferde in Rechnung stellt, sei der zahlenmäßige Gewinn abgeglichen: „Restat, das die stat gewunen hat, facit 33 U 4 ß 17 ; dafür hat man die ros genüczt." Auch 1438 führt die Stadt ohne Entgelt mit den Rossen des Marstalls das Holz von der Lände zu den Ziegelöfen?) Das starke Schwanken im Preis der Mauersteine läßt sich nur durch die Aus­ nutzung der erhöhten Nachfrage infolge vermehrten Gewinnstrebens erklären. Trotz­ dem war in der Regel der letzte gebrannte Mauerstein beim städtischen Ziegellager geräumt und ausverkauft. Zum Jahr 1439 errechneten die Abrechner, daß das *) Zinsbuch von 1388 fol. 19V. 2) K.R. 1431. — Ztegelmeister- u. Stadelrechnung 1435—1442.

Tausend Mauersteine beim Ofen — also ohne Fnhrlohn — ungefähr 7 ß koste, wäh­ rend der Verkaufspreis auf 9 ß angesetzt ist1).2 Der über die Ziegelwerke gesetzte Aus­ schuß überschlägt 1440 die Rechnung und kommt zum Ergebnis, daß das Tausend aller Ziegelarten, Mauersteine wie Dachziegel, auf 4V2ß zu stehen kommt, wobei aller­ dings der Fuhrlohn für die Pferde des städtischen Marstalls ebensowenig in Anschlag gebracht ist wie der Zinsendienst des in den Werken angelegten Vermögens3). Die Folge war eine sofortige merkliche Preissenkung. Der höhere Wert der Ziegelwerke liegt darin, daß die Stadt, gemessen am allgemeinen Marktpreis, billige Steine erhält und in der Lage ist, durch die Eigenfabrikation verbilligend auf die pri­ vate Preisgestaltung einzuwirken. Eine auffallende Erscheinung in den Kammerrechnungen bilden die Einnahme­ posten von den Ziegelmeistern 1453—1455» Sie händigen unter „Gemeine Ding" andie Stadtkammer den Überschuß der Ziegelwerke aus: 1453: 101 t4 7ß 18 L-, 1454:123 tt 5ß 3S1 und 1455:170 'M 3ß 16rSj. Dazu kommen Einnahmen „vom Ziegel-Pflaster" in der inneren und äußeren Stadt, und zwar

1453: 38 tt 5 ß 29 41 3 ß 19

1454: 31 % 7 ß

von der inneren Stadt, von der äußeren Stadt(Schwabinger-, und Tal), (Neuhauser-, Sendlinger- und Enggasse).

Kreuzgasse

Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß es sich hier um Belag der Geh­ steige vor den Häusern mit Ziegelplatten handelt. Der Landkauf der zum Betrieb erforderlichen Gründe geschah in der Weise, daß die Äcker nach Abbau der Ziegelerde an die Vorbesitzer zur landwirt­ schaftlichen Nutzung zurückgegeben wurden, also ähnlich der heutigen Ge­ winnung von Porzellanerde. Das Geheimnis der ausgedehnten Erdtrichter im Stadt­ viertel Haidhausen — bekannt unter dem Namen Kreppe und Grube, wo später Her­ bergen entstanden — erklärt sich aus dem spätmittelalterlichen Lehmabhub. 1441 kauft die Stadt den im Dorf Haidhausen gelegenen Ziegelstadel des Heinrich Part um 60 M. 1444 erwirbt sie von den Hochmeistern des Siechen- und Leprosenhauses auf dem Gasteig um 22 % $ 24 Bifang Lehmerde von Äckern zu Haidhausen; 1451 abermals

das Nutzungsrecht von 52 Bifang Acker um 38 ’tt. 1446 kaufen Rat und Bürgerschaft Gründe vom Angerkloster, einen Ziegelstadel samt Ofen und Äckern um 75 rh. Gulden und für 18 ’tt Äcker und Breiten zu Haidhausen vom Domkapitel zu Freising, auf

dessen Grund die Stadt gleichfalls einen Ziegelstadel errichtet hatte. 1466 erwirbt die Stadt vom Heiliggeistspital 2% Joch Acker zum Ziegelschlagen und einige Streifen von Krautäckern zu einer gemeinen Einfahrt für 76 1 ß 23 ; schließlich im Jahre 1478 Gründe im Wert von 20 & ^3). x) „Item wir haben verslagen, das ain tausent maurstein das jar kost bei 7 ß peym öven." 2) „Item wir haben ain uberslahen getan, das uns die maurstein 1000, auch hacken und preys 1000, das jar kostet 4/2 ß; und die für ist der stat gewesen und der zins von den stadeln ist der stat gewesen." 8) Zinsbuch i)88 fol. 20v u. 21; Saalbuch 1443 fol. 18. — St.A. Urkunden, Ziegelstadel. Kammer-Memorial 1446. - K.R. 1466 u. 1478.

Jahreserzeugung, Lieferung zum Stadtbau, Verkauf Rechnungsjahr

*435

VorgestreckteS Betriebskapital der Stadtkammer:

82 T

1436

112

4 ß 20 A

1437

80 A 1 L 13 A

Jahreserjeugung:

Mauersteine............................... Hacken....................................... Preis........................................ Herstellungskosten......................

125 7004*) 2 3 62 000 29 150 176 N 20 A

2

2

2

2

2

2

231 # 4 ß 28 A

404 # 3 ß 7 A

Verkanfspreis für das Tansenb Ziegel:

7ß 13 „ 7 //

Mauersteine............................... Hacken....................................... Preis........................................

2

6 ß 20 A 12 „ 7 //

2

2

Lieferung an die Stadt: Mauersteine............................... Hacken........................................ Preis........................................ Wert der gelieferten Ziegel: . .

44

34 500 4 450 7 900 2 ß 22 A

28 000 37 0008) 13 000 83 % 6 ß 8 A

27 000 16 1004)

17 000 58 #4

A

Verkauf an Private:

Mauersteine............................... Hacken........................................ Preis................................... Erlös.......................................

112 300

69 200 57 450 18250 167 % 7 ß

66 235 47 250 21 325 144 & 5 ß 23 A

22 000 100 3 000 20 %

4 000





44 000 13 000 82 &7 £

IOI 100

296

5.2 000 4 6 A

Lagerbestand bei den Hfen: Mauerstetoe, ungebrannt . . . Hacken....................................... Preis........................................ Wert............................................

14 000 17 & 5 ß 6 A

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts beherrschte die städtische Ziegel­ fabrikation fast ausschließlich den Markt. Was war doch aus diesem Betriebsunter­ nehmen, für dessen bescheidene Inbetriebsetzung die Stadt den beiden Ratsherren am 18. Juni 1428 38 ’n $ Betriebskapital aushändigte, für ein gewaltiges Unter4) 2) 3) 4)

Davon 22000 ungebrannt. Ausschußhacken nur 6 ß. Davon ii ooo Ausschußhacken. Davon 7500 Ausschußhacken.

und Lagerbestand der städtischen Ziegelwerke. 1439

1440

1441

1442

99 T

214 T

175 A I A

346 A 14 A

287 350 98 000 37 000 354 ® 7 ß 18 A

262 270 97 281 86 210 327 & 3 ß 20 A

466 475 58 830 62 720 462 % 7 ß 6 A

ca. 490 000 2 2 2



6'11 ß

7 ,/

9 ß 12 „ 7 //

12 ,,2) 7 „

10V2 » 6V2 „

6V2 ß I0V2 „ 6 „

105 000 34 000 2 100 98 % 6ß

277 500 14 600 7 100 271 % i

259 084 29 700 5150 2

266 450 16 000 20 950 2

2 2 2 2

1438

45

i

ß

13 A

124 000 80 000 58 000 232

% 3ß

7

14 A

ß

12 „

ß

19700 76 100 45 700 171 & 2 6 A

io 350 94 500 43 800 168 % 12 A

3 186 75 581 61 060 163 & 5 ß 6 A

225 000 62 43O 51770 275 & 3 ß 10 A

207 l85 73 650 51 900 3°i ® 5 ß 19V2 A

44 000 23 000 86 % i ß

31000 10000 55 ® 2 ß

23 000 30 000 2

10 000 14 000 2

2 2 2 2

nehmen geworden*)! Die Ziegelmeister werden vom Rat auf die Dauer eines Jahres gewählt, nach dessen Ablauf sie vor einem Ausschuß, bestehend aus den Stadt­ kämmerern, beiden Bürgermeister», je zwei Mitgliedern des innern und äußern Rats und dem Stadtschreiber — der Stadtschreiber Meister Hans Kirchmer wird 1475 als Rechnungsführer der Ziegelrechnung erwähnt — Rechenschaft über ihre Amtsführung ablegen. Neun Meister sind im Werk der Stadt tätig, sieben Meister auf den Stein-,

i) St.A. Ziegelmeister- u. Ziegelstadel-Rechnung 1473 u. 1475.

Abrechnung der städtischen Ziegelwerke 1473 und 1475« Rechnungsjahr

1475

1473

Stückzahl

Wert

Stückzahl

Wert

Bestand vom Vorjahr:

Manersteine.......................... Hacke«.................................... Hackenausschuß.................... Preis Holz an der Lände . • • Guthaben und Ausstände ■ Bargeld....................................

295 000 33 000 26 000 17000

195000 17000 18000 15000

295 T 4i „ 2 § 22 „ 6 „ 17 32 41 i

„ „ „ 3 /, /, —

6A

450 & 3 ß

9 A

195® 21 „2 ß 15 » 6 „

15 ,, 4° n 59 ,/ 2 „ 13 A

3 »

Einnahmen:

Übertrag vom Vorjahr. . Betriebsdarlehen der Stadtkammer......................... Verkauf von Mauersteinen . Hacken und Preis .... Holzverkauf.......................... Summe der Einnahmen .

576 269

166 „ 576 ,/ 2 ,,

5 97 // 7 „ 24 31 // 2 „ 10 1321 „ 7 // 18

,, „ „ „

346 Haß 13 A

449221

417 „ 449 „ 52 V2 101 „ 12V2 39 » 3 » 6 1352 „ 7 „ 24

„ „ ,, „

Ausgaben: Schlagen der Mauersteine. Forme« der Hacken und Preis.............................. Holzkauf.................................... Brennen der Ziegel . . . Holzschrotten und Richten an der Länd ...

222 % 782 000 68 000 Hacken 1 r 43 // 63 000 Preis 356 Flöße 493 // 56 Sfen 107 „

6 ß 26 A

7 // 25 // 4 // 16 „ 2 ,, 20 „

77 „ 4 „ 29 „

Lieferung von Holj u. Ziegeln j«m Stadtbaul) . . . Gemeine Ausgaben . . . Summe der Ausgabe» mit Aktivbestand....................

200 715000 68 500 Hacken 1 63 600 Preis J 44 212 Flöße 268 54 Ofen 103

1581 TagtHhne

222 % 3 ß 12 68 „ — I „

1653 /, 5 „

II „

% a ß 3 A , /, 4 „ ii ,,



2 „ 24

,,

4 „

85 »

3 „ 29





213 ®

6 ß 12 A

75 zz

7 zz 12 ,,

1535 „

6 „ 21 „

Aktiv bestand beim Rechnungsschluß:

Mauersteine.......................... Gute Hacken......................... Ausschußhacken.................... Preis......................................... Holz an der Lände . . . Guthaben............................... Bargeld....................................

180000 30000 19 000 7000

180 % 37 n 4 ß 16 „ 5 „

7 „ 64 ,, 33 „ 6 „

79 „

250000 5 000 16000 17000 2 „

250 T 6 „

2 //

14 „ 17 // 26 „

112 „ 118 „

4 /, 7 „ i „ 13 „

Die Lieferung von Ziegeln und Holz an die Stadt erscheint in der Ziegelmeisterrechnung unter Ausgaben, während sie in Wirklichkeit eine Einnahme darstellt. Sie muß deshalb bei den Ausgaben ab­ gesetzt und bei den Einnahmen angesetzt werden, und zwar in der Höhe, die der Zahl der gelieferten Mauersteine entspricht. Wird bei den Einnahmen das von der Stadtkammer vorgestreckte Betriebs­ darlehen in Abzug gebracht, dann ergibt sich die Rentabilität der Ziegelwerke.

zwei auf den Dachziegelwerken. Die Jahreserjeugung der Ziegelwerke beträgt 1473 782000 Mauersteine auf den Steinwerken, 68000 Hacken und 63000 Preis auf den Dachjiegelwerken. Die Meister auf den Steinwerken übernehmen die Liefe­ rung im Akkord und erstellen mit ihren vier Knechten täglich 800—1000 Bausteine und erhalten für das Tausend 2 ß 8 \ Akkordlohn, wovon sie ihre Knechte selbst zu

entlohnen haben. Die Meister auf den Dachjiegelwerken arbeiten selbdritt, erstellen durchschnittlich täglich 600 Preis oder 500 Hacken, wofür sie 1 y2 ß Akkordlohn erhalten. Der Lohn versteht sich für das Schlagen, d. h. die Gewinnung und das Formen der ungebrannten Ziegel aus dem Lehmboden. Der Akkordlohn für die un­ gebrannten Ziegel betrug 222 6/9 26^ für die Mauersteine, 43 'M 7 ß 25 für Hacken und Preis. Im Winter ruht das Ziegelschlagen zeitweise, gearbeitet wird höch­ stens in den Brennöfen. Der weitere Vorgang der Herstellung, das Brennen, wurde von den einzelnen Meistern völlig gleichmäßig gehandhabt. Von allen Meistern auf den Stein- und Dachziegelwerken wurden mit einem Geldaufwand von 107 N 80H insgesamt 56 Ofen gebrannt; ein Ofen zu brennen kostete samt Ein- und Austragen der Ziegel 15 ß 10 H*). Das Holz zum Brennen wurde an der Lände aufgerichtet, die Schrotter (Tagwerker) erhielten für das Schrotten Sommer wie Winter 13 Taglohn; für 1432 Taglöhne wurden 77 U 4 ß 29 bezahlt. Zeder der neuen Meister erhielt jährlich y2 ft für einen Rock, 6 tt Jahressold; Meister und Gesellen zu­ sammen 2 M ii L- Drangeld (Hälftelgeld). Für den guten Ruf der Münchner städti­ schen Ziegelwerke spricht die Tatsache, daß Herzog Albrecht 1473 von ihnen die Steine zum Bau seines Schlosses in Starnberg bezog. Selbst wenn man das festangelegte Kapital für Grunderwerbs- und Baukosten und die sich ergebende Nutzungsrente in Anschlag bringt, bleibt — wenn wir die Ab­ führungen an die Stadt als Betriebsgewinn auffassen dürfen — ein, wenn auch kleiner, Überschuß. Größer war ein zweiter Gewinn. Seit Inbetriebnahme der städtischen Ziegelwerke wurde München — dank der nun allgemein üblichen Verwendung von Mauersteinen und Dachziegeln — nimmer von einer wette Teile der Stadt vernichtenden Feuersbrunst heimgesucht, und so war der Endzweck der städti­ schen Ziegelfabrikatton erreicht.

Städtische Lager- und Kaufhäuser für den Salzhandel. Der Salzverkauf in München war seit Kaiser Ludwig dem Bayer Vorrecht der Bürger. Fremde mußten das Salz, das sie durchführten, in der Stadt niederlegen und zum Kauf anbieten. Dieser Niederlagszwang nötigte den auswärtigen Salzhändler zum Halten, Zehren und Handeln und ermöglichte den Münchnern billig einzukaufen und den Umsatz für den Stadtsäckel geldlich auszunützen. Ursprünglich bestand in x) Einer der stehenden Rechnungseinträge für das Brennen lautet: „Item der offen ist prent in der Wochen nach Ion (1473) und ist eingetragen mit 18 menschen (weiblichen Taglöhnern), macht 7 ß 4 3b und y2 zu prennen und 3 ß 10 3) auszudragen, 20 3) hole zu richten, 6 3^ aufseczgelt, summa 15 ß 10

München kein städtischer Saljstadel, während Augsburg schon 1275 ein geräumiges städtisches Salzhaus für den Salzverkavf besitzt*). Jeder Bürger legte das Salz in seine Behausung, der Gast in seine Herberge, so daß einheimischen wie fremden Käufern der Überblick über Menge und Güte des eingelagerten und zu Ver­ kauf stehenden Salzes fehlte. Die Errichtung öffentlicher Lager- und Kaufhäuser für das Salz war eine unabweisbare Notwendigkeit geworden. Der Rat entschloß sich aus Gemeindemitteln Salzstädel zu erbauen und kaufte hiezu eine Hofstatt, damit jeder­ mann, reich und arm, sein Salz dort zusammenlegen und verkaufen könne. Das er­ fahren wir aus einem Freibrief Herzog Albrechts III. von Bayern vom 25. August 1450, der sich als Bestätigung alter Einrichtungen erweist, als die erbetene Privile­ gierung der städtischen Salzstädel auf ewige Zeiten?). Der erste städtische Saljstadel —der „lange Saljstadel" — ist 1406 im Bau an der Kreuzgasse (Ritter-von-Epp-Platz), dem Brennpunkt des Salzhandels. 1407 wirft der neue Salzstadel an die Stadtkammer bereits 51 ü 4 ß 19 ab, wäh­ rend die Baumeister 1408 als ansehnlichen Erlös aus dem Saljstadel 157 tt 4 ß 6 zur Verwendung für den Stadtbau, 1410 149 U 5 ß 9 in Empfang nehmen. Die Kammerrechnung 1409 erwähnt bauliche Erneuerungen an des Hertlein Haus an der Kreuzgasse, das die Stadt zum Salzstadel ankaufte. Run erst zeigte sich, welche Mengen bisher privat in Salzstädeln und Salzgreden — den zur Salzniederlage benutzten Lager- und Kaufhäusern mit Laderampe, gepflasterter Auffahrt und weit vorsprin­ gendem schützendem Dach — eingelagert waren. Trotz des hohen Bauaufwandes ge­ nügte der neue Salzstadel von Anfang an kaum den Bedürfnissen. Man mußte so­ gleich daran gehen, geräumige Salzstädel in Bürgerbesitz für die öffentliche Hand zu pachten. 1408 mietete die Stadt von Ull Anzinger und Sighard Hudler für 2 ti $ deren beide Salzstädel auf 1V2 Jahre; den ersteren hatte die Stadt 1416 von der Witwe Anzinger um 3 80 L- in Bestand. 1414 ist die Einrichtung eines städtischen Salz­

stadels vollständig eingebürgert; nur fließen die Einnahmen nicht in die Stadt­ kammer, sondern werden in den Sonderhaushalt der Baumeister zum Stadt­ bau überwiesen?). Als zweiten öffentlichen Salzstadel kauft der Rat 1423 von der Witwe Hudler und ihren Kindern um 100 ungarische Gulden (=75 &) Haus und Salzgred an der Kreuzgasse, zwei Jahre später um 7 U zß das angrenzende Häusel des Ulrich Zimmermann, das man mit ansehnlichen Umbaukosten zur Vergrößerung des Hudlerschen Salzstadels einbezog. Endlich erwirbt die Stadt 1432 „auf der Salz­ sender fleißiges Bitten, damit sie ihr Salz desto besser und vorteilhafter zuführen *) Jnama, Deutsche Wirtschaftsgeschichte III, 2 S. 208. 2) H.St.A. München Ger.Lit. 1 fol. 166—168. — Mon. Boic. 35II, S. 344. — Bietzen, Münd­ chens Salzhandel S. 55—60, 128 s. 8) K.R. 1406 fol. 77; 1407 fol. 25; 1408 fol. 60; 1409 u. 1416. — Kammer-Memorial 1408, 1410,1414. — Baumeisterordnung 1414. — Saalbuch 1443 fol. 22. — Die Einnahmen der Stadtkammer vom Salzstadel betragen 1421 99 % 5 ß u 1422 146 & 6 ß 10 1423 110 % 7 ß 19 am 25. März 1424 werden sie jedoch wieder den Baumeistern zugewiesen: „Item dar nach hat der rat die püchssen den paumaistern empfohlen einzunemmen, damit sie den pau volbringen mögen."

können"), um 51 'ti> als drittes städtisches Lager- und Kaufhaus den Salzstadel der Bürgerswitwe Anzinger, mit dessen Umbau im nächsten Jahre begonnen wird. Beim großen Stadtbrand 1429 wird einer der Salzstädel am Dachstuhl beschädigt; ein anderer fällt 1434 den Flammen zum Opfer und wird mit etwa 200 H Kosten wieder aufgebaut. Das Saalbuch von 1443 weist denn auch drei städtische Salzstädel aus, alle in der Kreuzgasse. Ein vierter und letzter Salzstadel wird von der Stadt 1487 beim Frauenbad an der Windenmachergasse gebaut?).

Als der Rat 1426 die Errichtung weiterer Salzstädel plante, „überschlug man die alten Kammerbücher des Salzstadels: der hatte 8 Knechte, ihrer jeder 20 unga­ rische Gulden", besagt eine Eintragung in die Kammerrechnung?). Das ganze 15. Jahr­ hundert hindurch waren in den Salzstädel« 8 Salz lad er angestellt, denen es ver­ boten war, selbst Handel mit Salz zu treiben. Sie mußten Bürgern und Gästen das Salz aufladen, laut ihrem jährlich zu erneuernden Amtseid die Krötel beizeiten widen, der Nachtwache („czyrgk") getreulich warten und außerdem bei Bränden stets zum Feuer laufen. Ein Knecht als „Versorger der Büchsen" nimmt die Gelder ein und legt sie in die Büchse. Von jeder Scheibe Salz, welche Gäste auf eigenen Wägen in die Salzstädel zum Verkauf bringen — der Fremde darf nur im Salzstädel und nur an den Bürger Salz verkaufen —, haben sie 1H in die Büchsen zu entrichten; gleichviel der Bürger, der Salz für seinen Hausbedarf kauft. Hat ein Krötelherr soviel Salz auf dem Stadel, daß sie lösbar sind, mindestens 17 Krötel (= y2 Gut Krötel), so heißt er es an die Laderknechte lösen und muß dafür 1 % $ zu Widgeld geben; davon erhalten die Salzlader aß, die verbleibenden 6ß gehören in die Salzbüchse«). Die Auszählung der Salzstadelkasse nehmen die Stadtkämmerer in Gegenwart der Salzlader und des Büchsenknechtes vor. Von der ausgezählten Summe erhalten die Knechte ein Drittel als Ladelohn, zwei Drittel werden der Stadt für Bau und Unterhalt der Salzstädel zugewiesen. Die beträchtlichen Anschaffungs­ kosten der Wide, Stricke, Stränge und Keile erfolgen vom ungeteilten @öt5). Als städtischen Bezug erhalten sie aus der Stadtkammer in den Jahren 1418 bis 1426 jährlich je i L-; der Büchsenversorger 12 ß Quatembergeld. Bei zu geringen Ein­ nahmen in Zeiten geschäftlicher Flaute erhalten die Salzlader städtische Zuschüsse, so im Pestjahr 1439 4 Besserung, „als wenig Salz ging in ihre Büchse"; außerdem zum Jahresmahl am Aschermittwoch vom herzoglichen Großzöllner 5 ß 6 3, Bei­ steuer«). Als Aufsicht über den Salzhandel ist seit dem 15. Jahrhundert ein Krötelschreiber bestellt, dem die Führung des Krötelbuches, die Überwachung der Salz­ messer, die Eintragung des Durchschnittsmaßes, des Brandzeichens oder Sudherrn, Besitzers und Zwischenhändlers des Krötelsalzes wie die Ausfertigung der Briefe x) 2) 3) 4) 5) 6)

„nach der salzsendter vleissiger bet, damit sie irr salcz dester pas und nützlicher zupringen mügen." K.R. 1423, 1431, 1433, 1487. — Dietzen, Münchens Salzhandel S. 58. Stadtkammer-Vormerkungsbuch aus dem 14. Jahrh, fol. 56. K.R. 1425, 1438. — R.P. 1460 fol. 18 u. 1500. — Register der Eide 1469 fol. 7V. 1414 werden 13 % 7 ß 13 um Wid ausgegeben. Kammer-Memorial 1414. H.St.A. Großzollrechnung 1470 fol. iov.

über das Galvaisalz mit dem Brandzeichen obliegt. Ihm sind als Helfer vier Salz­ messer beigegeben, die von den Meßgebühren vnr ein Drittel an die Stadtkammer abznliefern haben. Die Bedeutung und Wichtigkeit seiner Stelle erhellt daraus, daß 1403 seine Ernennung vom Rat in Reichenhall, der vornehmsten Saline, bestätigt wer­ den mußtet.

Kornhandel zum gemeinen Besten. Eine der wichtigsten Wirtschaftsfragen des Gemeinwesens war die Versorgung in Teuerungszeiten mit billigem Brot. Bei dem niedrigen Stand der landwirtschaft­ lichen Kultur im Mittelalter wurde ein Uvterertrag der Ernte bei Mißwachs um so fühlbarer, das sprunghafte Anziehen und Emporschnellen der Getreidepreise um so unausbleiblicher, da der Bedarf an Getreide bei der geringen Beweglichkeit des Ver­ kehrs nicht schnell genug durch den Fernhandel gedeckt werden konnte. München hatte überdies ein getreidearmes Hinterland, dessen wenig dichte Bevölkerung dem mageren Boden der bayerischen Hochebene nicht allzuviel über des Lebens Notdurft abzuringen vermochte. Dazu lagen hart an den Grenzen des Landes vier Großhandelsplätze Oberdeutschlands, die Reichsstädte Augsburg, Regensburg, Ulm und Nürnberg, die in Teuerungszeiten ihren Roggenbedarf in Bayern zu decken suchten. So alt wie das Stadtrecht sind seine Bestimmungen, die Brotteuerung zu verhindern und der Bürgerschaft zu billigem Brotgetreide zu verhelfen. Eingeführtes Korn muß vom Dienstag bis Donnerstag Mittag auf der Schranne liegen bleiben und, wird es nicht abgesetzt, am folgenden Wochenmarkt ein zweites Mal dem Verkauf unterstellt werden. Um den Bürgern das Vorkaufsrecht und angemessene Preise zu sichern und Preissteigerungen durch den Handel zu verhüten, wird die Handelsfreiheit der Frem­ den empfindlich eingeschränkt: Auswärtige dürfen erst nachmittags Korn kaufen und nicht mehr als einen Scheffel. Getreide, das über den Lech, also von Schwaben, Elsaß oder dem Rheinland kommt, muß vor der Durchfuhr auf der Schranne angeboten werden. Schwere Strafen bedrohen seit den ältesten Zeiten den gewinnsüchtigen Auf­ kauf und Zwischenhandel mit Korn, die eigennützige Einlagerung und Aufspeicherung eingeführten Getreides, ja selbst die Vergesellschaftung und Ringbildung zum Auf­ kauf auswärtigen Getreides?). Durch Überwachung der Schranne seitens der geschwo­ renen Kornmesser und Unterkäufel wußte der Rat seinen Geboten und Verboten Nach­ druck zu verleihen. Auch die Zollordnung, wonach einmal auf den Markt gebrachtes Brotgetreide bei der Ausfuhr erneut verzollt werden mußte, wirkte der Verteuerung entgegen. Die Landesherren begünstigten in jeder Weise die Gegenwehr der Stadt gegen die Brotverteuerung, förderten die Getreideeinfuhr, verboten Ausfuhr und Fürkaufb). Der Kern des Übels aber waren und blieben die Mißernten und gegen sie traf

die weitschauende Lebensmittelpolitik des Rates je länger, desto nachhaltigere Vorkehrung. *) St.A. Mssive. — H.St.A. Staatsverwaltung 1933/11, 78. — Dietzen S. 69ff. 2) Denkmäler S. 207, 209, 265, 449—451. — Auer, Stadtrecht Art. 426. 3) Riezler III, 769.— Manfred Mayer, Bayerns Handelim Mittelalter und in der Neuzeit S. 16. — Gemeiner, Regensburgische Chronik III, 69.

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In der Teuerung des Jahres 1432 schickte der Rat den Ramsauer nach Augs­ burg, um Kory zu kaufen, „Armen und Reichen zu Hilf und der Stadt zu Ehren". Der Versuch mißlang, da kein Getreide feil war. Bei der Teuerung 1437 ließ der Rat in Wien Auslandsgetreide einkaufen. Im Frühjahr 1454 kauften die Ratsherren Hans Lechner und Heinz Eisenmann in Österreich Getreide zusammen, „als ain rat desmals einer teurung besorget und also von gemaynes nütz wegen bestellt warbt". Auf zwei Schiffen brachten die Ratsherren 849 Scheffel 3 Metzen Roggen nach Mün­ chen, die mit Zehrung, Fuhr-, Schiffs- Boten- und Messerlohn auf 1074 & 54 X der Scheffel auf 10 ß 3% X zu stehen kamen. An die Bevölkerung wurde der Scheffel Roggen durchschnittlich um 9 ß 10 abgegeben, einige Scheffel an die Amtleute ver­ schenkt, so daß der Stadt ein Verlust von 188 tt 3 ß 14 aus dem Getreidekauf er­ wuchs. Gegenüber Städten der Ebene, denen selbst bei einer schmalen Ernte große schiffbare Flüsse schnell und billig den Überschuß gesegneterer Landstriche zuführen, war Münchens Versorgung erschwert durch die hohen Frachtkosten des Achsenweges, da die reißende Isar eine Fracht flußaufwärts nicht zuließ. Dazu fühlte es fich als Landeshauptstadt verpflichtet, das bayerische Hochland, das selbst heute in der Zeit wirksamster landwirtschaftlicher Bodennutzung Getreidezufuhrgebiet ist, mit zu ver­ sorgen. So schuldete bei der Rechnungslegung 1455 die Bürgerschaft von Mittenwald 108 tt, der Markt Garmisch 26 t6 für Roggen, den ihnen die Stadt München abgelassen hattet. Die soziale Hilfsbereitschaft der Münchner machte auch späterhin nicht halt an der Burgfriedensgrenze, sondern half an Stelle der fehlenden Staatsfürsorge bedrängten Landgemeinden durch Überlassung von wohlfeilem Korn. Mögen die hohen Frachtkosten für den weiten Transport schuld an dem schweren Geldverlust im Teuerungsjahr 1454/55 gewesen sein, eine Täuschung in der Beurtei­ lung der Getreideverknappung oder ein unerwartetes Sinken der heimischen Schrannen­ preise; jedenfalls war der Schaden die Ursache, daß der Rat sich entschloß, die vor­ übergehenden Notstandshilfen durch eine planmäßige Vorratswirtschaft zu er­ setzen. Damit stellte sich München in eine Reihe mit anderen großen Gemeinwesen wie Hamburg und Nürnberg, Zürich und Straßburg, die einen regulären Kornhavdel trieben?), um für Zeiten übermäßiger Teuerung oder allgemeiner Hungersnot den Getreide- und Brotbedarf ihrer Einwohner stcherzustellen. Wenn die Bauernschaft ungenügende Mengen Korn anlieferte, die regelmäßige Zufuhr aus dem Lande stockte oder ausblieb, wenn die Unwirtschaftlichkeit glücklicher Jahre den Segen einer reichen Ernte zu verschleudern drohte, kaufte der Rat auf der Schranne oder in kornreichen Gegenden durch Ratsverwandte, unter Ausschaltung jeglichen Zwischenhandels, Roggen auf. Das aufgekaufte Getreide wurde auf den städtischen Kornböden im Bruder­ haus und Eichstadel und, da diese nicht hinreichten, in gemieteten Kornspeichern *) Kammer-Memorial 1454. — K.R. 1454.

2) Wilh. Naude, Deutsche städtische Getreidehandelspolitik vom 15. bis 17. Jahrh, mit bes. Berücksichtigung Stettins u. Hamburgs. Schmollers Forschungen VIII, Leipz. 1889. — Schmoller, Die Epochen der Getreidehandelsverfaffung u. -Politik. Jahrb. f. Gesetzgebung XX. Bd., Leipz. 1896. — Heinr. Hofmann, Die Getreidehandelspolitik der Reichsstadt Nürnberg, Nürnb. 1912.

eingelagert, von Zeit zn Zeit gelüftet, nmgeschanfelt nnd in Notstandsjahren an alle

Bürger, welche ans die Hilfe der Stadt angewiesen waren, abgegeben. Der städtische Kornhandel zeitigte im Durchschnitt günstige finanzielle Ergebnisse, da das Getreide in großen Mengen nnd unter Ausnutzung des günstigen Preisstandes zumeist wohl­ feil gekauft und in der Teuerung während des Hochstandes der Getreidepreise — wenn auch unterm Marktpreis — doch mit Gewinn abgegeben wurde. 1458 schüttete man 170 Scheffel 3 Metzen Korn, den Scheffel zu 5 ß 27% L-, auf die städti­ schen Kornböden, 1459 erneut 686 Scheffel 5 Metzen, darunter 135 Scheffel 4 Metzen Weizen gekauft vom Propst des Klosters Rohr, so daß 857 Scheffel 8 Metzen auf den städtischen Kornböden aufgespeichert waren. 1465 wurden an die Bäcker 184 Scheffel Korn i» 3 ß 20 verkauft. 1470 setzten der Kammerknecht und die Kornmesser 195 y2 Scheffel 1 Vierteil Roggen zu 11 ß mit Gewinn ab: „und alle koment sy ze 3 ß 21 hocher". 1475 werden zu den 291 Scheffel 2 Metzen auf der Eiche altem Kornbestand 254 Scheffel Roggen zu je 4/3 7 H im Stadthaus eingelagert; 1479 durch Kaspar Hundertpfund und Peter Wildenroder in Eichstätt 1140 Scheffel 1 Metzen Korn, die mit der Anlieferung auf je 7 ß 25 jit stehen kommen, auf die Kornböden des Wenzel Scharfzahn und Haberl aufgekauft. Das Frühjahr 1482 bringt die befürchtete große Teuerung des Brotkorns, während der auf dem kargen Boden gut gedeihende und daher reichlich gebaute Hafer von der Preissteigerung unberührt blieb und zum gewöhnlichen Marktpreis von 3 % ß verkauft wird. Ein Ratsbeschluß vom 22. Mai 1482 mißt die Schuld an der Teuerung ausschließlich der übermäßigen Getreideausfuhr nach den Niederlanden und ins Elsaß M1). 1666 Scheffel Roggen beträgt der städtische Getreidevorrat bei Beginn der Teuerung, davon verkauft der Rat 200 Scheffel zu 12 ß, obwohl der Markt­ preis schon auf 14 ß steht, läßt für den gemeinen Mann 100 Scheffel abbacken und das Stück Brot zu 2, 4 und 8 H abgeben. Bei einer zweiten Notstandshilfe verbacken 20 Bäcker auf Kosten der Stadt 242 Scheffel Roggen; für 795 U 4 ß 4 wird ins­ gesamt Roggen abgegeben, der Scheffel bis zu 14 ß. Die Teuerung hält im Pest­ jahr 1483 unvermindert an: 339 Scheffel 3 Metzen Roggen zu je 12 ß werden an Kleinbürger, 79 Scheffel 4% Metzen zu je 13 ß an Bäcker und Melber in der Stadt und 53 Scheffel zu je 13/312 L- aufs Land verkauft. So jäh wie der Preis gestiegen, so rapid fällt er; 1484 läßt der Rat die abgegebenen Getreidemengen an der Schranne durch Aufkauf von Bauerngetreide der Umgegend, 858 Scheffel 2 Metzen Roggen jtt 4/3 12 L- bis 5/3 25 L-, wieder ergänzen. Drei Jahre war der Kornvorrat der Gemeinde unberührt auf den Speichern gelegen, da trat infolge der kargen Ernte l) „Item als ain mbering teurung des korns auferstanden ist, darumb das man den trayd in das Niderlannd, in das Ellsaß und anderen ennden fürte und man gab i scheffel koren über 15 ß also dem gemainen mann in der stat München hat ain rat fürgenomen von der stat koren wegen zu pachen ioo scheffel prot zu 2 zu 4 H und zu 8 H und dasselb prot dem gemainen mann zu geben; und 1 scheffel angeslagen zu 12 /S und auß ainem scheffel koren nit mer dann 1 metzen kleyb machen und den pecken ze lon. Item und ward auch verlassen und die Wochen bey 200 scheffel zn verkauffen von 1, 2, 3 metzen biß zu i scheffel und das scheffel angeslagen zu 12 ß H." R.P. 1482.

von 1489 und des schweren Mißwachses von 1490 eine noch größere Teuerung ein. Zu alledem fiel seit dem Thomastag 1490 wochenlang Tag und Nacht dichter Schnee und es war so bitterlich kalt, daß der Eisstoß auf der Isar von München bis Freifing reichte. Dazu nahm der Herzog eine drückende Steuer, so daß nach dem Chro­ nisten Veit Arnpeck, dessen Bericht durch die Stadtrechnungen bestätigt wird, in Mün­ chen der Scheffel Roggen 2 U Haber 12 ß, Gerste 14 ß und der Scheffel Weizen 2 ttf schließlich bis Sonnwend 1491 5 rheinische Gulden kostete*). An öffentlich bekannt gemachten Tagen wurde von den aufgespeicherten Getreidevorräten des städtischen Kornkastens Getreide und Brot an alle bedürftigen Bürger und Bürgerinnen mit selbständigem Haushalt abgegeben, und zwar an eine Familie ein bis vier Metzen oder ein halber oder ganzer Scheffel Roggen „und man gab kainem über ain schaffe!". Unter den Abnehmern begegnen uns im namentlich geführten Verzeichnis besonders Kleinhandwerker, Witwen, Taglöhner, verheiratete Knechte und Ge­ sellen, aber auch, ein Zeichen der Not, Namen angesehener Meister. Im Früh­ jahr 1490 wurden an 435 Haushaltungen 393 Scheffel 7 Metzen Roggen zu je 10 ß, im Herbst infolge der zunehmenden Not bereits an 556 Familien weitere 298 Scheffel 3 Metzen Roggen zu 12 ß ermäßigt abgegeben. Den Bäckern und vor allem den Sauer­ bücken verkaufte man 71 Scheffel Roggen zum Tagespreis von 2 ’M; bis Fastnacht 1491 ließ der Rat überdies 124 Scheffel für die bedürftige Bevölkerung abbacken. Der Roggenverkauf des Rechnungsjahres 1490 erbrachte 1334 tt 4 ß 19 Gesamt­ erlös. Um zu verhindern, daß die Brote in der Teuerung immer kleiner und kleiner wurden, ließ der Rat Schaubrote backen und als „Muster und Prob" während der Teuerungszeit auf dem Rathaus öffentlich aussiellen. 1491 wurden 855 Scheffel i Viertel Roggen gekauft und 437 Scheffel 1 Metzen Roggen an die Bürgerschaft verkauft oder zumeist verbacken. Vom Stadtkasten gab man 1493 an 48 Bäcker 238 Scheffel Mehl zu 10 ß ab; der Verkauf von Getreide und Mehl an Bäcker und Bürgerschaft ertrug 673 H 4 ß 6 Am 24. März 1494 wird für den städtischen Kornhandel ein neues Amt geschaffen, das der „Kastenherren", und ihnen die Oberaufsicht und Verwaltung der einge­ lagerten Getreidemengen ehrenamtlich anvertraut. Neben dem Brotkorn?) waren reiche Bestände an Futterhafer für die Rosse des städtischen Marstalls eingelagert — die größte Menge im Jahre 1487 betrug 1204 Scheffel — und zu betreuen; da­ neben schleppte die Stadtverwaltung jahrzehntelang einige Dutzend Scheffel Erbsen und Brein als Notvorrat mit. Als Kasienherren wurden gewählt Ludwig Wenig vom äußeren Rat und Hieronymus Ridler von der Gemeinde. In ihre Hände legte der Rat die schwierigste Aufgabe der städtischen Lebensmittelpolitik, Münchens Einwohner bei Mißwachs und Teuerung billig und ausreichend mit Brot und Getreide zu ver­ sorgen ^). J) Veit Arnpeck S. 427, 495, 641, 678, 681. 2) Höchstzahlen des Lagerbestandes 1459: 857 Scheffel; 1479/82:1666 Scheffel; 1491:1047 Scheffel; 1494/961 801 Scheffel Brotkorn. 3) K.R. 1454—1500. — R.P. 1494. — Kornabgabe aus dem Stadtkasten, Akten 1490/91.

Fischzucht. Infolge der strengen Fastengebote der Kirche war der Fischverbrauch Im Mittel­ alter ungleich größer als Heutes. Die geringe Zollbelastung der Heringe an den Stadt­ toren, i r9> für die Tonne, begünstigte trotz der weiten Entfernung von den Fang­ plätzen die Einfuhr und den schnellen Absatz der leicht verderblichen Seefische. Zur

billigen Versorgung der Stadt mit Süßwasserfischen ließ der Rat schon i. 1.1421 einen öffentlichen Fischbehälter machen: „den frömden fyschern, wann die herchomea, daz si ir fysch darein taten, daj uns die hyfigen fyscher nicht zu teur gebens." Zum Zwecke der Fischzucht verliehen die herzoglichen Brüder Sigmund und Albrecht IV. der Stadt 1466 für ewige Zeiten die Nutznießung des Stadtgrabens vom Halbenturm zum Wurzer- und Jsartor und vom Schiffer- zum Angertor; Albrecht IV. überließ ihr 1476 und 1485 auch noch den Graben vom Wurzertor bis zur neue» Veste. Dazu kaufte die Stadt 1478 vom Fischer Sigmund Mock einen Weiher oberhalb der Jsarbrückeb). In der langen Friedenszeit des ausgehenden 15. Jahrhunderts suchte man die Stadtgräben durch Anlegung von Fischteichen nach Möglichkeit wirtschaftlich auszuwerten. Zum ersten Male werden 140 Hechtensetzlinge 1469 im Stadtgraben eingesetzt; 1474 956 Karpfensetzlinge und allerlei Speisefische für insgesamt 43 % 1 ß 27 L- in die beiden Fischteiche am Schiffertor. Als letzte große Ausgabe dieser Art werden 1474 und 1476 noch rund 65 tt «5» für Setzlinge in die Stadtweiher aus­ gegeben. Die ausgewachsenen Fische, Hechte, Karpfen, Schleie, Brachsen, Nasen und Eitel finden zu Schankungen und Ehrungen sowie zum Ratsmahl Verwendung; in der Fastenzeit aber, in der die Nachfrage nach Fischen besonders groß ist, werden sie öffentlich verkauft. Der Fischbestand mehrte fich trefflich und neben verschwindend kleinen Ausgaben für Setzlinge erscheinen in den Stadtrechnungen nunmehr ansehnliche Rein­ gewinne aus dem Fischerlös^). Am 9. Dezember 1477 wird ein eigener Weihermeister mit 4 u Jahresgehalt bestellt, der seitdem zu den festbesoldeten städtischen Beamten zählt. Für das Fange» von Fischottern werden Fangprämien ausgelobt, deren fich der Stadttrompeter Haas gar manche verdiente.

Der Kohlenhandel. Der rege Kunst- und Gewerbefleiß der Bürgerschaft zwang den Rat trotz der vielseitigen Ausnutzung der Wasserkraft die kostbare, wegen ihrer steten und hoch­ gradigen Hitze für alle Schmelz-, Schmiede- und Schlosserarbeiten unentx) Zur Behebung der Fettverknappung i. I. 1487 führte der Rat 46 Zentner 57 Pfund Schmalz ein und ließ sie auf dem Markt, das Pfund zu 7x/2 Ä, auswiegen, wobei die Stadt 3% 7 ß einbüßte. 2) K.R. 1421. 3) SL.A. Urkunden. — H.SL.A. München Ger.Lit. 1 fol. 69—70v.-M0n.-B0k:. 35/II S. 376. — Wesienrieder, Beitr. VI, 194 ff. 4) 1478: 33 & 3 ß 9 1482: 97 & i ß 23 1484: 64 i ß 3 1487: 52 & 6 ß\ 1500: 76 6 ß. Die Fischer erhielten 30 Taglohn.

behrliche Werkkohle den gewerblichen Betrieben jn erschließen. Unterm 28. August 1498 erlaubt Herzog Albrecht I V. der Stadt den Kohlenhandel, freit ihr einige Kohlen­ hölzer im waldreichen Gebirge im Gebiet des Landgerichts Tölz, nämlich den Kotz­ berg im Jsarwinkel in der Dürrach und gegenüber zwei Bergzüge („Gebirge") am Dürrnberg und Zirbemmßberg und weist ihr Holz zur Abkohlung an. Der Landesherr verleiht der Stadt so lange das Nutzungsrecht, bis er selbst Bergwerke zu bauen an­ fange. München durfte die Berge abholzen, eine Sägmühle, Kohlstatt, Kohlhütten und Kohlstädel errichten, außerdem eine Klause, eine Jsarlände und einen Rechen zum Auffangen des Kohlholzes an der Lände. Die Floßschiffahrt sollte der Stadt ge­ stattet sein. Die Lebensnotwevdigkeit und Ertragsfähigkeit dieses neuen, im Zeitalter der Holzkohle auf Massenabsatz eingestellten gemeindlichen Unternehmens erhellt aus den namhaften Beträgen, welche die Stadt auf die „Kohlarbeit" verwandte: 1498: 500 ’M 7 ß 29 St und 1499: 1047 $6 3 ß 15 St. Gleichzeitig ernannte der Rat zwei städtische Kohlenmeister Martin Röll und Jörg Schrenkhammer mit 17 % 4 ß bzw. 7 ti Gehalt*). K.R. 1498—1500. — Mon. Boic. 35/II S. 430.

IX. Kapitel.

Städtische Gebühren.

Bürger- und Meisterrecht.

Der Jahrmarkt am Anger.

Buß-, Markt- und Meßgelder.

^^as städtische Gebührenwesen ist beherrscht von dem mittelalterlichen Grundsatz der «^/Gegenleistung für die Gemeinschaftsleistung: „Das Amt muß sich selbst er­ nähren." Städtische Amtswalter und Bedienstete, die für ihre Verrichtungen keinen oder ungenügenden Sold beziehen, stnd auf die Gefälle ihrer Ämter angewiesen. Mit der Stadt teilen sie sich in die pflichtmäßigen Reichnisse derer, die ihre amtliche Tätigkeit und die öffentlichen Einrichtungen in Anspruch nehmen. Erweisen sich die Eingänge aus den Gebühren für die Besoldung unzureichend, springt die Gemeinde helfend bei. Aber selbst, wo feste Abmachungen und Beschlüsse der Bürgerschaft die Bezüge der Amtleute regeln, wendet ihnen das Wohlwollen des Rats für ihren Dienst­ eifer vorweg kleine Leistungszahlungen zu. In all diesen Fällen erscheint in den Stadt­ rechnungen nur Reinertrag und Überschuß; daher kommt dem Gebührenwesen im Rah­

men des Gesamthaushalts eine bescheidenere Stellung zu, als den tatsächlichen Ein­ nahmen entspricht.

Das Bürgerrecht. Burgrecht — so nannten sie das Bürgerrecht (jus civile) — bedeutete das Recht, Vollbürger zu sein mit allen Freiheiten der Erbbürger, bedeutete aber auch die Bin­ dung, alle Bürgerpflichten zu erfüllen. Bürgersöhne waren als „geborene Bürger" von der Gebühr fürs Burgrecht entbunden. Dagegen mußten die von auswärts Zu­ gezogenen die Gebühr zahlen, um des Schutzes teilhaftig zu werden, den ihnen die Bürgergemeinschaft und die schützenden Mauern boten, um in eine Zunft eintreten oder bevorzugt vor Ausmann und Gast Handel treiben zu können. Die Verleihung des Bürgerrechts stand dem Rat zu, der um 1310 das Bürgergeld auf 1®^ fest­ setzte. 1319 legte er seine Vollmacht („auctoritas iuris civilis dandi“) in die Hände der Stadtkämmerer Marquard Drächsel und Nikolaus Schrenks; später machte der Rat die Bürgerrechtsverleihung wieder von seiner Genehmigung abhängig. Die Vor­ aussetzungen, Abmachungen und geldlichen Leistungen, unter denen das Bürgerrecht verliehen wurde, trugen die Kämmerer in jedem einzelnen Falle in die Kammer­ rechnung ein. Das Neubürgertum, der Zustrom gewerbstüchtigen Fleißes aus der Fremde und Begüterter vom flachen Lande, aus Märkten und Kleinstädten, war der geheimnis­ volle Jungbrunnen, der das Gemeinwesen immer volkreicher und blühender machte. Die junge Stadt begrüßte freudig jeden Zuwachs und doch übte sie strenge Auswahl x) „Anno domini 1319 infrascripti receperunt ius civile a Marquardo Dornatore et Nycolao Schrenchone camerariis, quibus auctoritas dandi ius civile data est a consulibus civitatis.“ K.R. 1319/20 fol. 21.

in der Aufnahme von Neubürgern. Man wollte nicht Besitzlosigkeit oder Ar­ mut einbürgern, man wollte leistungsfähige Vollbürger. Darum hatte jeder Neu­ bürger ein feierliches Gelöbnis abjulegen und durch Bürgen („fideiussores“) aus den Reihen der Eingesessenen oder durch Pfandsetzung Sicherheit zu leisten, daß er nach der Satzung von 1317 fünf, später zehn Jahre in München ansässig bleibe und jährlich mindestens 10 16 $ Vermögen versteuere*). Der ältere Nadler verpfändet 1330 sein Haus beim Bad des Meisters Jörg für 30 16 $ als Sicherheit, daß Eber­ hart von Herbrechtshausen und dessen Schwiegersohn Heinrich der Schuster der Stadt nach Bürgerart dienen und 10 Jahre in ihr seßhaft bleibens. Die Residenzstadt Kaiser Ludwigs hatte reichlichen Zuzug und konnte den Neubürgern erschwerte Bedingungen auferlegen: 1333 stellte der Rat die Verpflichtung zur Seßhaftigkeit auf zehn Jahre bindend auff). In dieser Verpflichtung zur Seßhaftigkeit („super mansionem“ oder „pro mansione“) lag für die Stadt die Bedeutung der Bürgeraufnahme durch die gesicherte Vermehrung ihrer Steuerkraft und Erhöhung ihrer Wehrstärke für den Fall der Not, um so mehr, da viele Besitzende und Vermögende das Bürgerrecht erwarben. Diese Verpflichtung verhinderte ein plötzliches Abwandern der Steuer­ zahler und Wehrpflichtigen. Im April 1372 wurde die Verpflichtung der Seßhaftigkeit auf 10 Jahre erneut ausgesprochen, die Bürgerrechtsgebühr von 1 auf 5 16, das steuerbare Mindestvermögen auf 50 16, die Pön, die bei vorzeitiger Auf­ gabe des Bürgerrechts vom Ausfahrenden oder dessen Bürgen bezahlt werden mußte, auf 31 16 $ festgesetzt*). Stadtrichter, Stadtkämmerer, Scherge, Heiliggeisispital und Sondersiechen erhielten sß 2^ altherkömmliches Recht. Um 1390 kam eine neue Belastung hinzu, jeder Neubürger — auch die Frauen — hatte eine gute Arm­ brust zu stellens. Wirtschaftspolitisch waren die höhen Sätze eine Abwehr der Altund Erbbürger gegen die aufstrebenden ärmeren Volksschichten und zugleich eine soziale Vorbeugungsmaßnahme, um Versorgungsbedürftige, die der Mildtätigkeit zur Last fallen konnten, fernzuhalten. *) Bedingung der Bürgerrechtsverleihnng war Bürgschaftsleistung für 10 16, daß der Neubürger binnen 10 Jahren nicht ausfahre: „pro 10 '66, ne in 10 annis recedat a civitale“ oder „ul civibus Monaci commaneat ad io annos continuos“. K.R. 1326/27 fol. 13. 2) „H. Nadler senior obligavit domum suam apud balneum magistri Jori sitam pro 30 16 Mon., nomine fideiussorie caucionis, quod civitati civiliter serviant et adhereant ad decem annos continuos subsequentes vel dicti denarii in proprietatem civitatis sunt elapsi.“ K.R. 1330 fol. 36V. 3) „ Item sexta feria post diem beati Petri apostoli Perchtolt de Furt dedit 1 16; fideiussores et sunt debitores Hainricus Noteisen et Chunradus Lappach pro 10 16, ut commaneat civiliter ad decem annos continue subsequentes novo more constitucionis iuris civilis. K.R. 1333 fol. 63. — Vgl. K.R. 1338 fol. 258V. 4) 1368 erfolgten 6 Bürgeraufnahmen zu je 116; 1371 7 Bürgeraufnahmen ;um alten Satz von i 16, 6 zum neuen Satz von 5 16, so daß das Erträgnis des Bürgerrechtsgeldes in diesem Rech­ nungsjahr 37 16 ausmacht. K.R. 1368 fol. 30 u. 1371 fol. 25s. 6) Die Wilbrechtin entrichtet 516 für ihr Burgrecht und 12ß für eine Armbrust. K.R. 1394 fol. 17. — „Item zu burckrecht der flat 5 16 Mon. und ain armbrost aber zwen guldein; den kamrern, statschreiber 9 Mon., dem richter 60 Mon., dem schnevogel 12 Mon., auf Gastayg 4 Mon., dem hayligen gayst 4 Mon., dem hacher 3 Mon." K.R. 1396 fol. 75.

Wer Bürger wird, gibt ju Burgrecht 5 $ in die Stadtkammer, eine gute Arm­ brust und versteuert 10 Jahre mindestens 50 N H Vermögen: So lautet der Grund­ satz für die Bürgeraufnahme im ganzen 15. Jahrhunderts. Die Wirklichkeit kannte aber nur allzu viele Ausnahmen. Verwandtschaft mit Bürgern und Einheirat begründeten im Bedürfnisfall einen Billigkeitsanspruch auf Ermäßigung des Bürger­ geldes^). Guvstbeweise für Gewerbetreibende und verdiente Amtleute sowie Erleichterungen für wirtschaftlich Schwache sind nicht selten. So be­ gründete 1332 die Heirat einer Bürgerswitwe oder Bürgerstochter die gnadenweise Verleihung des Bürgerrechts an eine» Altgesellen, den Lederergesellen Dietlin, zugleich ein Akt der vom Rat betriebenen Gewerbeförderung^). Verheiratete Zimmergesellen mußten nach ihrer Zunftsatzung seit 1426 das Bürgerrecht erwerben. Die Bäckersätze bestimmten ganz allgemein, wer eines Bäckers Tochter oder eine andere Bürgerin oder Bürgerstochter zur Frau nimmt, ist der Bürgerrechtsgebühr überhoben; eine ähnliche Bestimmung enthielten die Sätze der Kistler von 1428, der Seidennäher von 1447 und der Mauerer von 14484*).5 2 3Freilich i>k 3 ß 2 altes Recht und Gewohnheit wurden niemanden erlassen: 60 H dem Richter, eine Erinnerung an die Zeit des 13. Jahrhunderts, da der herzogliche Richter noch das Burgrecht verlieh und dem Rate Vorstand, 12 H an den Schließer der Schergenstube, 3 L- an den Henker, je 3^ an die Kämmerer und den Stadtschreiber; je 4 H ans Heiliggeistspital und das Le­ prosenhaus auf dem Gasteig, die eine Anwartschaft auf deren sozialen Einrichtungen im Falle der Not begründeten. Die Stadt verzichtete nicht selten ganz oder zum Teil auf ihren Satz. Der Wunsch des Rates nach Wachstum der Stadt und der Bedarf an regsamen, kunstfertigen Händen rechtfertigte sein Vorgehens.

Das Bürgerrecht wurde erworben nicht als unkündbare Pflicht, sondern als lös­ barer Vertrag, erworben auf ewige Zeiten für Frau, Kind und Kindeskivd und doch aufkündbar nach Umlauf von so und soviel Jahren. Es kannte nur geldliche Ver­ pflichtungen als Voraussetzung für seine Verleihung. Die seltenen Ausnahmefälle, in denen Neubürger keinen Bürgen zu benennen wußten, lassen erkennen, daß dem Rat die Bestimmung älterer deutscher Stadtrechte nicht unbekannt war, die den Besitz von Grund und Boden im Stadtgebiet zur Vorbedingung des Bürgerrechts machten. Erschwerte Aufnahmebedingungen ging 1338 Seidel Sterner ein, der mangels von Bürgen sich verpflichtete, für immer Bürger zu bleiben, binnen Jahresfrist Sicherheit !) Saalbuch 1443 u. 1444 f ol. iv. — Zinsbuch 1388 toi. 1.

2) „Item Ulricus, filius Zehentweri de Giesing, dedit dimidiam librae, dominica post epiphaniam domini, et de gratia, quod socer suus et pater suus fuerunt antea cives. et illi duo sunt fideiussores anno 1324.“ K.R. 1323 fol. 83 V. 3) „Item Dietlinus, servus Grauleich ex arte cerdonis, in qua instruit eum Graüleich, assumptus pro cive. Fideiussores Wernher Mentzinger, Ulr.Paefinger, ne commaneat civiliter et contrahat matrimonium in civitate anno 1333 invocavit.“ K.R. 1332 fol. 59V. 4) Mertl, Das Münchner Zunftwesen S. 28, 64, 88. 5) 1486 fanden 13 Bürgeraufnahmen statt; die 23 6ß 2^ Bürgerrechtsgelder verteilen sich auf Beträge zwischen 3 ß 24^ und 5 N 2/?. 1496 schwanken die 15 Bürgerrechtsgebühren im Ge­ samtbetrag von 24 % 7ß 3^ zwischen zß 24^ unb 6% iß 18^.

für loo 'tt zu stellen und ioo *tt Vermögen in Liegenschaften fest anzulegen^). Eine durch den Gewerbeschutz bedingte Ausnahme bildet der Fall des Jrchers Heinrich Vlochel, der sich 1360 in einem besonderen Bürgschaftsbrief an Eidesstatt unter Verlust seiner fahrenden und liegende« Habe verpflichtete, keinen fremden Herrendienst in oder außer Land anzuvehmen. Würde er sein Versprechen nicht halten, „so hiet sich alle meine hab, varevt oder liggent, wo ich die Han, durchslechtz und gaentzlichen vervallen in meiner vorgenanten Hern der purger gewalt"^). Selbständige und berufstätige Frauen treffen wir häufig als Bürgerinnen; doch wurden sie nur ausnahmsweise neu in den Bürgerverband ausgenommen, so 1321 Mechtild Jrmbarger von Percha als Mutter von zwei Söhnen und 1407 die Hauserin des Münchner Dekans und Stadtpfarrers6). Der Bürger hatte seinen ausschließlichen Gerichtsstand vor dem Stadtgericht. Wer der richterlichen Gewalt des Stadtrichters nicht unterstand, konnte nicht des Bürgerrechts teilhaftig werden. Diese Bestimmung der ältesten Rats­ satzung um 1300 dürfte sich gegen die Aufnahme geistlicher Personen gewendet haben, weil sie der geistlichen Gerichtsbarkeit unterworfen waren. Vermutlich war sie ausgelöst durch die Aufnahme der Klöster Scheyern 1295 und Ebersberg 1297, da diese klöster­ lichen Gemeinschaften gegen Entrichtung der Stadtsteuer für ihren Münchner Haus­ besitz das Bürgerrecht wie andere Bürger erhielten*). Das Rudolfinum von 1294 gestand München das Privileg zu, daß niemand als Eigen- oder Lehenmavn angesprochen werden durfte, der dort Bürgerrecht empfing und seinen Pflichten als Bürger nachkam. Ausgenommen waren lediglich die herzoglichen Urbars­ und Vogteileute. Ludwig der Bayer bestätigte am 5. Oktober 1319 die Freiheit der Münchner Neubürger von Leibeigenschaft und Hörigkeit). Durch diese landesherrlichen Freibriefe war der das Hochmittelalter beherrschende Rechtssatz „Stadtluft macht frei", den schon Heinrich der Löwe als Siedlvngsrecht für seine Städtegründungen aus England übernommen faste6), von neuem im vollen Umfang anerkannt, ohne Vorbehalt für die Eigenleute der Kirche und ohne Rücksicht auf den binnen Jahr und Tag erfolgten Einspruch fremder Grundherren. Trotzdem wurde in München noch im 14. Jahrhundert dieser Rechtssatz vereinzelt durchbrochen. Die Niederlassung *) „Quarta feria post epiphaniam Seidel Sterner, ad graciam Juris civilis receptus, juravit, se perpetuo commansurum civitati et infra annum facere fideiussoriam caucionem pro centum libris et infra annum empcionem centum librarum ponere ad res immobiles huius civi­ tatis. et dedit i N pro jure civili." K.R. 1338 fol. 258V. 2) St.A. Borgschaftsbriefe 1. 3) „Item Machtild Irmbargerinna de Perchach et Sighard et Hainrich filii sui dederunt i & de jure civili.“ K.R. 1321 fol. 50. — „Von ersten haben wir eingenomen 10 unger guldein, facitan gelt 6% 7purckrecht von Adelhaiden des techanh kelnerin. davon haben wir, wider ausgeben z 5 H gen spital, den sundersiechen und dem richter, kamrern, snefogl etc. die alten recht und gewonheit. actum vigilia Augustini anno 7.“ K.R. 1407 fol. 20V» 4) Denkmäler S. 50—53, 259. 5) Denkmäler S. 43, 97. 6) Hetnr. Brunner, Luft macht frei, Festgabe f. Otto Giercke I, 4, Breslau 1910. — Robert v. Keller, Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter S. 131, Heidelberg 1933.

tu der Stadt brachte unfreien klösterlichen Einwanderern nicht einmal das Recht freier, ungehinderter wirtschaftlicher Betätigung. Ein Müller, der als Eigenmann dem Kloster Rott am Inn „entfahren" war und zu München das Burgrecht erwarb, mußte 1368 nach Ablauf von drei Jahren dorthin ziehen, wohin der Abt es wollte und auf Titel und Rechte eines Münchner Bürgers verzichtens. Der klösterliche Eigenmann Lienhart, Sohn des Leismüller, erhielt am 30. März 1430 vom Kloster Dietramszell nur gegen Entrichtung von 4 t6 Wachs jährlicher Gült die Erlaubnis sich in München niederzulassen, mußte sich aber zugleich verpflichten, in Oberbayern zu bleiben und keine fremden Dienste zu suchens. Die Zeit war um, da Hörige und Hintersassen ihrer Grundherrschaft entlaufen konnten, um Bürger zu werden; hatte doch in den Städten der Widerstand der Altbürger, die sich aus Erwerbs­ gründen gegen Einbürgerungen sperrten und stemmten, gegen die Zuwanderer eingesetzt. Die vorzeitige Aufgabe des Bürgerrechts unterlag nach der Größe des Be­ sitzes des ausfahrenden Bürgers Vertragsbußen von wechselnder Höhe. Um 1310 setzte der Rat die Entschädigung für den Bürgerrechtsverzicht auf 2 U fest, welche Summe er bereits 1317 auf 5 'ti> erhöhtes. Wer vor der Zeit aus der Stadt fuhr, haftete mit seinem und seiner Bürgen Gut für den Verlust, der dadurch gemäß Ein­ bürgerungsvertrag der Stadt erwuchs*). Trotz dieser Bestimmungen gestand der Rat den wirtschaftlich Schwachen Ermäßigungen zu; so zahlten die Raetzlin und ihr Sohn 1325 zusammen nur 1 , Wenk von Pienzenau 3 t6, der Schuler 1328 1 t6 für den Bürgerrechtsverzicht („de indultu et renunciacione juris civilis“)5). Die Bürger­ rechtsaufgabe war noch eine verschwindende Ausnahme. Wie die Stadt sich bei Auf­ nahme von vermögenden und reichen Neubürgern eine erhöhte Bürgersteuer sicherte, so gleicherweise eine vermehrte Entschädigung für den Fall vorzeitiger Abwanderung: Friedrich Kuntersberger und sein Schwiegersohn mußten sich im Jahre 1318 zu 30 'tt Entschädigung für den Fall vorzeitiger Bürgerrechtsaufgabe verstehen5). Der Über­ tritt in landesherrliche Dienste hatte zur sachlichen Führung der Geschäfte die Lösung der Bürgerrechtsverpflichtuvgen zur Voraussetzung: Der äußere Ratsherr Hans Stupf wird 1466 Zöllner und Rentmeister Herzog Albrechts, der äußere Ratsherr Andreas Scharfzahn im gleichen Jahre herzoglicher Rentmeister in Straubing und beide geben ihr Bürgerrecht auss). Gegen die Aufnahme eines nicht genehmen Bürgers *) Reg. Bote* IX, 196; Mon. Boic. II, 27. 2) 3) 4) 5)

H.St.A. Kloster Dietramszell Kl.Urk. 107. Sutner, Gewerbspolizei S. 502* — Denkmäler S. 216, 270. Denkmäler S. 528. K.R. 1325 fol. 4 u. 1328 fol. 21.

6) ,,Item Fridericus Cunttersperger et dominus Gerdrudis, socrus eius, dederunt 1 A, proxima sexta feria post inventionem sancte crucis, talibus condicionibus et pactis adiectis, quod singulis annis, ipsis in civitate manentibus, de sexaginta libris denariorum Monacensium debent steurarum dare exactiones. et, si insuper infra quinque annos continuo succendentes exierint, 30 U $ Mon. civitati dare tenentur pro emenda* fideiussor dominus Wihpolt Viherer et H. Rinderfüz, Margareta filia eius.“ K.R. 1318 fol. 8.

erhob der Landesherr 1450 Einspruch und das schon zugesiandene Recht wurde wieder rückgängig gemacht, der einzige Fall dieser AE). Der Neubürger gelobte das Schicksal der Stadt mit Leib und Leben, Hab und Gut zu teilen, er haftete für ihre Schulden und Verpflichtungen, die Stadt aber nicht für seine alten Händel). Durch das ganze Mittelalter ist mir kein Fall bekannt, in dem ein Bürger München treulos verließ, weil die Stadt mit Schulden beladen oder von Kriegsgefahr bedroht war. Wohl hat die Gemeinde in bewegten Sturmjahren hoch­ gehender politischer Gegensätze Bürger ausgewiesen und vertrieben; dagegen haben die Bürger ihrerseits nur aus den edelsten Beweggründen das Bürgerrecht aufgesagt, um den Schutz der Gemeinschaft nicht zu mißbrauchen, um die Stadt nicht ihretwegen in aussichtslose Händel zu verwickeln, den Fernhandel der Mitbürger nicht zu gefährden und um verzweifelte Fehden mit übermächtigen Gegnern auf eigene Faust und Fährnis auszukämpfen. So sagte Anton Ernst 1408 das Bürgerrecht auf, da er seinen Streit mit dem Erzbischof von Salzburg allein auskämpfen wollte: „Darumb pit ich eur weishait, das ir mir gebt ein gnädig urlaub, wann mir laid wär, das ich eu chainerlay schaden oder zuspruch wolt zuziechen." Aus der gleich lauteren, hochherzigen Gesinnung heraus begründete der Patrizier Michael Schrenk-Notzing, ge­ geben zu Notzing am Mittwoch nach Dionysius 1408, seinen Schritt der Aufgabe des Bürgerrechts mit dem bewaffneten Austrag eines verzweifelten Handels: „getrau ich eu wol, das nempt ir mir alzo guetleich auf, wann ich solich fach ze schaffen han, da von mir weder gelimpf noch recht nie widerfuren chund. und pin auch dez zu großem verderben chomen. lieben Herrn! nu muezz ich mein notdurft suchen in solicher maß, daz ich hart besargt Han, ir gewunt zuspruch oder angriff von meinen wegen Hinfür, da von Han ich eu die purckrecht aufgeben"^.

Meisierrechts- und Zunftgelder. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts ist das aufblühende Gemeinwesen mit ge­ werblichen und havdwerMchen Berufen aller Art gesättigt; es beginnt die Sperre des Zunftwesens. Die Zunftordnungen erschweren fremden Meistern und selbst havdwerksbürtigeu Gesellen den Zugang durch Erhöhung der Aufnahmegebühren; die Stadt sichett sich einen Anteil daran, den die Vierer (Jnvungsvorstände) an die Kammer zu reichen haben. Zum ersten Mal begegnet uns 1466 in den Sätzen der Färber und Gschlachtgwander die Bestimmung, daß für Gewährung des Meister­ rechts an die Stadtkammer 4 Gulden Gebühr zu entrichten sind. Zwei Tuchmacher zahlen denn bereits 1468, drei Tuchmacher 1469 und 1470 je 4 rheinische Gulden *) „Item i2-SH haben wir eingenomen vom Gümpell tuchscherer, die er der fiat $# burckrecht gebe« hat. actum vor sand Jacobstag anno etc. 50, die hat man im widergeben »ach ratz geschaft, do im die Herrschaft die fiat hies versage«." K.R. 1450. 2) „so globt er der fiat getreu und gewer ze sein und dennocht stet im die fiat für kainen alte« ha«bel z« verspreche«." Saalbuch 1443 fol. iv. s) St.A. Missive.

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Zunfiattfnahrnegebühr. Die städtische Meistergebühr der Tuchmacher wird 1476 auf 8, 1484 auf 25 Gulden erhöht. Immer größer wird die Zahl der Berufe, die durch Ein­ führung von Einstandsgebühren die Erwerbung der Meisterschaft erschweren. Ein Fischer zahlt 1474 3 n, ein Loder und Gewandschneider je 3 n 4 ß an die Stadt und ebensoviel in die Zunftbüchse. Zeder Weinschenk mußte 2 n entrichten, ehe er zu schenken anfing; seit 1493 nach Ratsbeschluß 4 n, wovon je die Hälfte der Stadt­ kammer und der Zunftbüchse zufiep). Die Loder hatten 5 Gulden zu entrichten. Be­ deutender Ermäßigungen erfreuten sich Meistersöhne und jene, die in die Zunft einheirateten. So zahlte 1487 ein Meisterssohn aus dem Lodergewerbe die Hälfte, ebenso 1491 ein Geselle, der eines Loders Witwe nahm. Auch erließ der Rat aus Billigkeitsgründen das Meistergeld, z. B. 1490 dem Tuchmacher Bartolmä Heurock drei Gulden „von seines Vaters wegen, der lang der Stadt Werkmann ge­ wesen ist". Gewerbe, deren Betrieb die Anlegung größerer Vermögen zur Voraus­ setzung hatte, wie z. B. der Gold-?), Silber- und Kupferschmiede, blieben von städti­ schen Meistergebühren verschont. Trotz der gewährten Erleichterungen mehrten sich die gemeindlichen Einnahmen an Zunft- und Meistergeldern, da die Sätze unverhältnis­ mäßig stiegen. Die Meistergebühr für fremde Tuchmacher wird 1496 auf 21 n 7 ß, für Meistersöhne und Männer von Meisterswitwen auf 5 n aß erhöht. 1484 ertragen 8 Meisterrechtsgebührev (6 Gschlachtgwander und je ein Loder und Bäcker) 44 n; 1490 zahlen zwei Weinschenken zusammen 2 n, zwei Gewandschneider 4 n, ein Wagner 1 tt, zwei Loder (Meistersöhne) 4 n 3ß, zwei Gschlachtgwander (Meistersöhne) 7 n 7 ß, zwei Kornmesser, deren einer eine Witwe heiratet, iY> n, sämtliche zusammen 20 n 6ß, ohne die Beträge in die Zuvftkassen. Unter „Gemeine Ding" erscheinen 1500 nachstehende Eingänge an städtischen Meisterrechtsgebühren: 6 Weinschenken je 2 n, zwei Gschlachtgwander (Meistersöhne) je 5 n aß, zwei Loder je 2 iß 15 ein Bäcker 3 n 4ß, ein Melber 5 n, ein Schäffler 4 ß, ein Kornmesser 1 n, sie alle zusammen 36 n 7 ß8).

Bußantt und Bußmeister. Ein Freibrief Ludwigs des Bayern für den Rat vom 3. März 1330, in allen Handwerksstreitigkeiten ausschließlich und ohne Einwirkung einer anderen Stelle zu entscheidens, ist der Geburtsbrief für die Errichtung einer eigenen vollziehenden Be­ hörde in Polizeisachen, des Bußamtes, das bis 1803 bestand. Es verdankt seine wei­ tere Entwicklung dem Bestreben, den Stadtrichter sowohl wie den Rat von der Ab­ urteilung kleinerer gewerblicher Vergehen und leichter Verfehlungen gegen Sitte und Ordnung zu entlasten. Nachweisbar sind städtische Bußmeister („poenarii“) erst zum x) St.A. Sätze u. Ordnung der Weinwirte von 1489. — K.R. 1493 u. 1494. 2) Jeder Goldschmied wußte nach Ratsbeschluß seit Mitte des 14. Jahrhunderts ein Vermögen von Z2 % verbürgen. Frankenburger S. 13. 3) K.R. 1468—1470, 1474, 1484, 1487, 1490/91, 1496, 1500. — Mertl, Das Münchner Zunft­ wesen S. 38. 4) Bergmann U.B. 103. — Denkmäler S. 134. — Sutner, Gewerbspolizei S. 496.

Jahre 1364: Fran; Sentlinger, Hans Unger und Maerkel Pantz, die anfangs neben und mit dem Stadtrichter, der immer noch ein Drittel der Strafgebühren bezieht, später selbständig die Oberaufsicht über die Handhabung der polizeilichen Verord­ nungen führen und in deren Händen die Bestrafung der Schuldigen liegt1).2 3Daß 45 das Bußamt nicht um der Gebühren willen geschaffen wurde, erweist die Großzügig­ keit, Nachsicht und Duldsamkeit, mit denen das Amt frei von jeder polizeilichen Bevormundung verwaltet wurde, erweisen die geringen Einnahmen, so daß bei­ spielsweise 1420 den Bußmeistern von der Stadtkammer 3 M 60 $ Zuschuß gewährt werden mußte, da die Eingänge an Bußgeldern zu gering waren, um auch nur die Bußknechte zu entlohnen. über Aufgabenkreis und Befugnisse der Bußmeister unterrrichtet uns ausfühlich die 1433 erlassene Bußmeisterordnung?). Damals wie im ganzen 15. Jahr­ hundert amtierten 6 Bußmeister, ihrer zwei aus den Reihen des Rates. Was sie Bußwürdiges sahen oder erfuhren, mußten sie nach Stadtrecht strafen. Besonders zu achten hatten sie auf Weinschenken, Spieler, Übertreter der Polizeistunde nach dem Läuten des Bierglöckleins, nächtliche Straßengänger ohne Licht, auf Vergehen gegen die Reinhaltung der Straßen, auf Hausierer, Pfuscher, auf das Drücken und Unter­ bieten gewerblicher Lohnsätze, das Abspenstigmachen von Kunden, auf übermäßigen Aufwand in Kleidung und bei Hochzeiten?). Jede Woche mußten sie einmal am Buß­ gericht sitzen und eine gemeinsame Strafsitzung abhalten. Die Bußgelder verfielen nach Stadtrechtt) der Stadtkammer; Stadtdiener und Amtleute erhielten für jede erstattete Anzeige x/6 der Geldbuße. Bußschreiber war ein Amtmann (Fronbote), mit 13 ß vierteljährlichem Bezug; seine drei Amtsgenossen empfingen je 3 ß, der Ländhüter 10 ß, Beträge, die vor Abführung der Bußgelder an die Stadtkammer in Abzug kamen?). Die Bußmeister hatten gemäß ihrem Amtseid alle 14 Tage in der Stadt herumzugehen, wofür sie 50 H Vergütung erhielten. Das aus den Strafgeldern be­ strittene gemeinsame Bußmahl schaffte der Rat 1462 ab?). Bürgerrechtsgebühren und Bußgelder flössen in die gleiche Kasse. 1450 fielen der Stadt an Erträgnissen aus Bußgeldern der Sittlichkeits- und Wohlfahrtspolizei nur 55 X von der Schau der Tuchmacher 1 tt> 20 X von der Handschuhschau 5 ß 3 S» und der Sensenschau 10 ß *) Ratswahlen von 1362—1384 fol. 8v. 2) St.A. Bände „Puejpuech". 3) Nach der ältesten Ratssatzung durften jur Hochjett höchstens 24 Frauen geladen werden. Zur Zeit Ludwigs des Bayern waren 48 Frauen, 12 Männer seitens des Bräutigams und 8 Spielleute jum Hochzeitsmahl ju laden dem jugestanden, der seiner Tochter 40 tt Mitgift gab. Bei einer Aussteuer von 15—40 tt verringerte sich die Zahl auf 32 Frauen, 6 Männer einschließlich des Bräutigams und 4 Spielleute; bei 10 tt Aussteuer und darunter auf 16 Frauen und 2 Spielleute. Dagegen konnte jeder jum Frühstück, Kirchgang und jum Wein kommen. Denkmäler S. 188, 196ff., 222, 225s., 280, 415, 511. 4) Auer, Stadtrecht Art. 435. 5) Der Bußmeister Samson, ein städtischer Amtmann, erhielt 1406 vierteljährlich 2 ti> der Bußmeister Auer 12 Schilling. 1407 erhält ein Bußmeister vierteljährlich 12 ß, 1411 der Bußmeister Auer nur noch 1 'M vierteljährlich. K.R. 1406 fol. 45, 1407 fol. 35 u. 1411. •) Register der Eide 1469 fol. i6v.

zu. Ansehnlicher sind die Eingänge an Bußgeld 1462 mit 25 'tt 2 ß 21 1466 mit 59 % 5 ß 3 und 1497 mit 20 Im Jahre 1500 sind die Gefälle an Bußgel­ dern — die Stadt erhält %, der Stadtrichter % — von geringer Höhe: 8 W 7 ß 23 Von den Zunftstrafgeldern verbleibt den Zünften die Hälfte oder mindestens ein Drittel. In die Stadtkammer fließen 4 6 ß aus der Strafbüchse der Sensenbeschauer, 3 % 5 ß aus der Strafbüchse der Tuchmacher, 2 U 5 ß 20 $ von den Handschuhschauern, i ß 20 von der Sichelschau.

Wochen- und Quakembermärtte. Die Münchner Meffe (Jakobidult) am Anger. Marktplatz und Getreideschranne war seit urdenklichen Zeiten der Marienplatz. In diesem Sammelbecken des städtischen Rechts- und Wirtschaftslebens schnitten sich die großen Handelsstraßen von Ost nach West, von Süd nach Nord, trafen Salz- und Überseegroßhavdel auf­

einander. Ringsum beseiteten den Markt­ platz Lauben, Säulengänge und Gewölbe, in denen das Kaufmannsgut ausgelegt war. Ludwig der Bayer freite am 4. Mai 1315 den Markt zu einem „gemeinen Markt und Platz" und sicherte zwei Tage später allen Kaufleuten, die ihn besuchten, Friede und Geleit in seinen Landen zuH. Die Zusicherung des Königfriedens begün­ stigte bei der strengen Handhabung der Freiung und des Geleits den Marktbesuch durch auswärtige Käufer und Verkäufer. Schon die ältesten Ratssatzungen kennen Wochenmarkt und öffentliche Getreide­ schranne als stehende Einrichtung; Wochen­ markt und zugleich Schrannentag war derMittwoch. Er hatte rein örtliches Ge­ präge, vermittelte den Handel zwischen Abb. 32. Die Jakobskapelle am Anger, der Platz der Bürger- und Bauernschaft, versorgte die Stadt mit Lebensrnitteln und gab dem Jakobidnlt, in der baulichen Gestaltung von 1404. Landvolk Gelegenheit zu Einkäufen in den Münchner Kaufläden und Handwerkerstuben. Am Mittwoch als Wochenmarkt und tags vorher durften die Gäste beliebige Mengen Häute, Felle und Bälge kaufen, an den übrigen Tagen nur ein halbes Hundert. Verboten war dagegen an Feier- wie Werktagen vor *) Mon. Boic. 35b, S. 41 f. — Denkmäler S. 74, 76.

de» Kirchen Kramgewand (Schnittwaren) feiljuhaltev, während der Verkauf von fremdem Gewürz, Lebkuchen, Rosenkränzen (Paternostern) und Kämmen ausdrücklich gestattet war1).2 3Noch 4 * 6 zu Lebzeiten Ludwigs des Bayern erreichten die auswärtigen Händler das Zugeständnis, ihre Kaufmannsware vor den Münchner Kirchen an den vier Quatembern acht Tage lang feilhalten zu dürfen, eine Vergünstigung, die auch während der Anwesenheit des Kaisers Geltung hatte. Damit war das Vorrecht der heimischen Zünfte und Kaufmannschaft auf den Quatembermärkten, den Wochen­ märkten großen Stils, aufgehoben?). Zur Entlastung des Hauptmarktes auf dem Marienplatz dienten Sondermärkte: der Rindermarkt für das Vieh, der Salz­ markt in der Kreuzgasse (Ritter-von-Epp-Platz), der Roßmarkt am Unteranger.

Was die Frankfurter Fasten- und Herbstmesse im Mittelalter fürs Reich war und die Leipziger Messe zu werden versprach, was der Wiener Jahr­ markt für den Osten bedeutete, das war die Münchner Jakobidult für den deutschen Süden von Nürnberg bis Innsbruck, von Ulm bis Salzburg. Alljährlich zur Zeit des Kornschnitts wurde bei der St. Jakobskapelle am Anger ein Jahrmarkt abgehalten. Die dem Mittelalter eigentümliche Vermengung von Fröm­ migkeit und Geschäftssinn ist auch bei seiner Entstehung Pate gestanden. Die Jakobs­ kapelle am Anger war eine der ältesten'Kirchen der Stadt, ihre Erbauer und ersten Betreuer, die Franziskaner-Minoriten, waren die besonderen Vertrauten des Volkes; das Kirchenfest des Schutzpatrons St. Jakob führte Bürgerschaft und Landvolk am Anger zusammen, den Jahrtag des volkstümlichen Heiligen zu feiern. Die Entstehung der Jakobidult, wie die Sommerdult heute noch heißt, fällt mit der Erbauung der Jakobskirche — nach 1221 — zusammen?). Spätestens ist Entstehungsjahr der Dult das Jahr 1257, m welchem Papst Alexander IV. den Besuchern der Franziskaner­ kirche am Anger einen Ablaß gewährt^). Die ältesten erhaltenen Ratssatzungev treffen 1310 die Anordnung, daß Kürschner, Krämer und Handwerker, Fremde und Bürger „am rechten Jahrmarkt oder „am rechten Drrltmarkt", das war der Jakobitag und der Tag vor- und nachher, am Anger Pelzwerk, Schnitt- und Kramware» feil­ halten dürfen. Das dem ältesten deutschen Sprachschatz angehörende, schon von Ulfilas im 4. Jahrhundert gebrauchte und noch heute in Bayern gang und gäbe Wort „Dult" bedeutete Kirchenfest?); der Dultmarkt war also der dabei abgehaltene Jahrmarkt. Als Zeichen seines Beginns wurde die Stadtfahne mit dem Mönch am Rathaus auf­ gesteckt, Mahnungen zu ehrlichem Handel und Wandel an den Kirchentüren ange­ schlagen und der Marktbeginn mit allen Kirchenglocken eingeläutet?). Zur Zeit der Jakobidult als „gefreitem Jahrmarkt" war die Fleischeinfuhr vom Land gestattet; *) Denkmäler S. 207, 222, 449, 457, 518. 2) Auer, Stadtrecht 457. 3) Der Ordensstifter schickte 1221 den Caesarius von Speyer nach Deutschland, dieser den Pater Castinus nach München, wo er nach zojährigem Wirken in München und Bayern um 1271 starb. tz.St.A. München Anger Kl.Lit. 4. 4) H.St.A. Franziskaner, Bayr. Provinz Lit. 1 fol. 40. 6) Schmetter, Wörterbuch I, 502s. 6) L. u. M. ii fol. 45—50. — Schultheiß, Gewerbeverfassung S. 79s.

die Bäcker konnten seit etwa 1350 zur Dultzeit wie zu Weihnachten außerhalb ihrer Läden und Brotbänke Brot und süßes Gebäck zum Verkauf auslegen*). Eine Rats­ satzung nach 1365 verfügte, daß auswärtige Kürschner Pelzwerk am Markt nur wäh­ rend der Dult feilhalten. Um zu verhindern, daß fremde Tuchhändler den Markt beherrschten, sollte nach dem Ratsbuch von 1372 kein Gast in München Tuch zum Verkauf ausschneiden; hin­ gegen konnten sie Tuche gegen Salz eintauschen. Eine gleichzeitige Ratssatzung verbot ihnen Tuch unter einem halben Saum abzugeben, ausgenommen Tuche aus Arras und Ulm, alle dünnen Stoffe, Futterstoffe und Leinentuche?). Mit diesem aus dem Geist der geschlossenen Stadtwirtschaft?) geborenen Ratserlaß war der Weg beschritten, den freien Wettbewerb der Auswärtigen — der mittel­ alterliche Kaufmann und Gewandschneider war Groß- und Kleinhändler in einer Person — auszuschalten. Aus dem Bestreben, den heimischen Zünften, den selbst­ verkaufenden Kleingewerblern und Krämern das Handelsmonopol im Kleinhandel zu sichern, erteilten die herzoglichen Brüder Stephan und Johann am 6. November 1385 den Gewandschneidern, Lodern, Krämern und Schnittwarenhändlern („Tälner") des Landes Oberbayern die Gnade, daß kein Ausländer auf den Jahrmärkten Tuch nach der Elle ausschneiden und verkaufen dürfe, sondern nur im Stück. Auch Barchent, Mittler, Gugler, Golschen, Borten durften nur im Stück und im großen abgesetzt werdens. Damit war die Handelsfreiheit der Fremden, namentlich der ge­ werbstätigen Reichsstädter zugunsten der Bürgerschaft des eigenen Landes empfindlich beschränkt und ihr in wichtigen Fällen das Recht des Kleinverkaufs vorbehalten. Wie sehr Ertl und Oefele mit ihrer seit Jahrhunderten immer wieder aufgegriffenen, in einer Franziskaner-Handschrift des 16. Jahrhunderts verankerten Behaup­ tung irrten5), das große Ablaßjahr 1392 anläßlich der Auffindung und Überführung

der Reliquien vom hl. Berg Andechs nach München habe den Anlaß zur Entstehung der Jakobidult gegeben, ist nach den erbrachten Belegen unzweifelhaft. Und doch liegt dieser Auffassung ein Funken Wahrheit zugrunde. Zur Gewinnung des Jubiläumsx) Denkmäler S. 216f., 251, 431, 464. 2) Denkmäler S. 464, 518. 3) Die Volkswirtschaftslehre verwendet den Begriff „Stadtwirtschaft" im Gegensatz zu Haus-, Territorial- und Weltwirtschaft, als selbstgenügsame Wirtschaftsweise auf kleinstem Wirtschaftsraum, wie sie mit der kulturellen Blüte des seit der Römerzeit vom Segen der Weltwirtschaft berührten Landes Bayern unvereinbar ist. In seiner erfrischenden Art hat Rörig dem zum Modebegriff wirtschaftsgeschicht­ licher Stufenlehre gewordenen Wort Stadtwirtschaft die Zwangsjacke modischer Gelehrsamkeit abgestreift. „Die wirkliche Stadtwirtschaft des Mittelalters war zugleich immer Weltwirtschaft." Sombart, Der moderne Kapitalismus I (1916). — G. von Below, Der Untergang der mittel­ alterlichen Stadtwirtschaft, Jahrb. f. Nationalökonomie u. Statistik 76 (1901). — Ders., Der deutsche Staat des Mittelalters, Leipz. 1914. — Ders., Probleme der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1920. — Karl Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft, 16. Aust., Tübingen 1922. — H. Spangenberg, Territorialwirtschast u. Stadtwirtschaft, München 1932. — K. Rörig, Mittelalterliche Weltwirtschaft S. 5, 8f., 36, Jena 1933. 4) Mon. Boica 35/II S. 159. 5) Ant. Wilh. Ertl, Reiationes curiosae Bavaricae S. 29, Augsb. 1685. — Oefele, Scriptores rerum boicarum I, 372, 619. — H.St.A. Franziskaner Bayr. Provinz Lit. 308 S. 224.

ablasses vom dritten Sonntag in der Fasten bis jur Oktav des Jakobifestes 1392 war auch der Besuch der Angerkirche vorgeschrieben, wodurch die Dult, die im Jubiläums­ jahr besonders groß aufgejogen war, starken Zulauf des Volkes bekam. Im Umbruch der großen Bürgerunruhen in der Wende des 14. und 15. Jahr­ hunderts erstrebt die neuerungslustige Bürgerschaft, die so viele der besten Erwerbs­ möglichkeiten dem Fernhandel verdankte, durch Ausgestaltung des Jahrmarktes jur Großhandelsmesse erhöhten Umsatz und Kauf aus erster Hand und sucht mit den Meßfremden an Stelle selbstgenügsamer, kleinbürgerlicher Enge frischen Handelsgeist, Aufschwung und Wohlstand in die von Parteiung zerrissene und vom Bürgerkrieg gelähmte Stadt zu bringen. Kaum hatten 1398 die jugendlichen Herzoge das Weich­ bild der Stadt verlassen, da dehnte man den Jahrmarkt auf 4 Wochen aus; doch zwang die Rücksicht auf die ortsansässigen Krämer und Gewandschneider die Dult wieder auf 8 Tage zu beschränkens. Die Messen waren der Treffpunkt der Kaufherren, sie boten eine bessere Möglichkeit und Gewähr für schnellen Absatz und Austausch hochwertiger und für des Lebens Notdurft nicht gerade erforderlicher Gewerbeerzeug­ nisse wie eine Landesschau; der persönliche Besuch möglichst vieler Messen war für den kunstreichen Verfertiger und den Großkaufmann gleich unerläßlich. Seit 1400 erscheint der neue Name „Messe" für eine alte Einrichtung, erscheinen erstmals Einnahmen von der Messe in den Kammerrechnungen?). Die Stadt beginnt die Jakobidult durch Erhebung von Standgeldern finanziell auszuwerten. Die Kirche kommt dem Streben der Bürgerschaft, Meßgäste aus Nah und Fern zu gewinnen, entgegen. Im Auf­ trag der Bürgerschaft erwirken der reiche Großkaufmann Gabriel Ridler und sein Bruder Vinzenz, Kustos der bayerischen Fravziskanerprovinz, der Angerkirche 1401 von Papst Bonifaz IX. einen viertägigen Portiunkula-Ablaß auf ewige Zeit, wie ihn die Gnadenkirche zu Assissi besitzt. Der Ablaß fällt Wit dem Schluß der Jakobimeffe zusammen. Herzog Stephan läßt den Ablaß 1402 durch Dekane und Pfarrer im Volk bekanntmachen?). Durch den päpstlichen Gnadenerweis erhält die Messe auf dem altherkömmlichen Platz vor -er Jakobskirche neuen Aufschwung.

Reinertrag der Münchner Messet 1401 Gewandhaus im Schluder-Haus................. 31 ti -ß Standgeld der Kürschner im Rathaus (Recht­ haus) .......................................................... 5 // 7 „ 12 „ Standgeld der Krämer am Anger................. 6 „ 2 „ 28 „ Gesamteinnahmen............................................. 43 n 2 „ 12 „

1402 28 u 5ß 12 L-

5 „ 5„ i4 /, 6 „ 4o „

i „ i7 „ 4 „ 13 ,,

2) Schultheiß, Gewerbeverfassung S. 126. 2) „Waz von der meß gevallen ist. ... Summa summarum 22 guld., 4 guld. unger und 22 % 67 S\, die wir eingenomen haben von dem gwanthauz, kürsenhauz und kramern von der meß Jacoby anno 1400." K.R. 1399/1400 fol. 25. 3) Ältestes Totenbuch der Franziskaner fol. 53. — Mon. Boica XVIII, 266—270. — Der wenige Jahre vorher stattgehabte Brand der uralten Kapelle von Hochmutting bei Schleißheim macht die Ver­ legung des Hochmuttinger Marktes nach München glaubhaft. Mayer - Westermeier, Statist. Be­ schreibung des Erzbistums München-Freising II (1880) S. 369, 498. 4) Vier Knechte erhielten vorweg 4 M Hüterlohn, die 6 Einnehmer der Jahrmarktsgelder klei­ nere Beträge. K.R. 1400/02 fol. 27; 1402/03 fol. 26, 1406 fol. 72.

Auch weiterhin suchte die Wirtschaftspolitik des Rates den auswärtigen Kauf­ mann vom Kleinhandel zu verdrängen und die Vorrechtsstellung des Bürgers auch auf der Messe zur Geltung zu bringen, deren Wesen als Freimarkt die Erleichterung von beengenden Verkehrsschranken hätte sein sollen. Eine Ratsverfügung von 1409 bringt die handelspolitischen Beweggründe verschärft zum Ausdruck: In der Dult — der volkstümliche alte Name setzt sich schnell wieder durch — darf nichts ausgeschnitten, nichts pfundweise hingegeben werde»; der Ausbürger muß alles „samhaft", also im Stück und im ganzen zum Verkauf bringen. Die aus dem Geist der geschlossenen Stadtwirtschaft geborene, zur wirtschaftlichen Selbstbehauptung der eingesessenen Händler und Handwerker erlassene Verordnung schädigte die aus­ wärtigen Zünfte und Händler aufs Empfindlichste, ohne die Machtstellung des fremden Großkaufmanns anzutastev. Münchens Kleinbürger und Zünfte hatten über den Grundsatz der offenen Tür und das Lebensrecht der Fremden, das „Gästerecht", gesiegt. Der Rat der Reichsstadt Augsburg erhob denn auch beim Münchner Rat eine mehr als formale Beschwerde«). Trotzdem wurde 1414 zum Schutz des heimischen Kleinhändlers das Ausschneiden und Verkaufen nach dem Pfund auf dem Münchner Jahrmarkt erneut abgesagt, die Dult sollte ihren Großhandels­ charakter als Messe bewahrens.

Der Kampf um die wirtschaftliche Selbstbehauptung und die Angst um die Ver­ knappung des Nahrungsraumes verleitet die Bürgerschaft auch später dazu, dem aus­ wärtigen Handel auf dem Jahrmarkt Hindernisse zu bereiten. Die vom Kleinhandel ausgesperrte Kaufmannschaft der Städte Augsburg, Nürnberg, Eichstätt und Nörd­ lingen unternahm daher 1444 bei Herzog Albrecht III. von Bayern einen gemein­ samen Schritt zur Aufhebung der Handelsbeschränkungen. Der Landesherr erkannte die Bedeutung, die dem Kleinhandel und der seltenen Ware der Fremden in der Dult für eine billige Preisgestaltung zugunsten der Käufer und Verbraucher zukam und forderte aus sozialen wie politischen Gründen eine völlig freie Messe. In einem Schreiben an die Städte ficherte er ausdrücklich zu, daß alle Gäste und Kaufleute am Jahrmarkt ihre Handelsware im großen („Samkauf") umsetzen, aber auch nach der Elle ausschneiden und nach dem Pfund auswiegen dürfen, zu jedermanns Notdurft und Besten, wie „fie's verlustete"^). Auf sein Drängen ward die Jakobidult, die an­ fänglich nur 3 Tage, vom 24.-26. Juli dauerte, wieder auf 8, später auf 14 Tage ausgeschrieben; nach seinem Tode aber legte man ihre Dauer 1462 endgültig auf 8 Tage fest«). x) Stadtarchiv, Missive. — Sutner, Gewerbspolijei S. 539—541. — Teng, Bayer. Annalen 1833 S. 851. 2) „Item wir haben geben zu potenlon 7 ß 23 mit den brifen von unsere Herrschaft wegen, da man abgesagt hat das sneyden und hingeben bey dem Pfund auf den jarmargten; und das die gest nit füllen kaufen vich in den staellen gen Pfaffenhofen, Dachau, Lanczberg, Weylheim, Tölcz, Aybling, Wolferthausen. actum judica 14." K.R. 1414. 3) H.St.A. Staatsverwaltung 3503, Priv.-Tom. VII fol. 21. — Krenner, Landtagshandlungen 1/ i76f. 4) C. u. M. ii fol. 41 ff. — Schultheiß, Gewerbeverfassung S. 126.

Wie stark beschickt der Münchner Jahrmarkt von auswärtigen Kürschnern war, deren Peljwerk neben den Tuchen den begehrtesten Messeartikel darstellte, wissen wir durch die Errichtung von Zunftsätzen: Kürschverzünfte aus Bayern, Schwaben und Franken trafen sich 1442 auf der Münchner Jakobidult, um über die in Wien aufgestellten Zunftsätze ju beschließen. Süddeutsche Kürschnerzüvfte von Innsbruck, Hall, Kitzbühel, Ulm, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt, Straubing, Deggendorf, Passau, Landshut, Landau, Dingolfing, Burghausen, Altötting, Mühlhorf, Nevmarkt a. d. Rott, Vilsbiburg, Wasserburg, Freifing, Erding, Pfaffenhofen, Landsberg, Aich­ ach, Schongau und Rosenheim traten während der Jakobidult 1465 in München er­ neut zur Beratung und Beschlußfassung über gemeinsame Gesellevsätze zusammen*). Während der Anger Verkaufsplatz der Krämer in der Messe blieb, legten die Kürschner ihr Pelzwerk im großen Rathaussaal, später im Kürschnerhaus, in Manghaus und Eich, Tuchmacher und Tuchhändler im Ratsturm, im kleinen Rathaussaal und in der Stadtwage, die Lederer im Gollierstadel zur Schau, wo ihre kostbare Ware sicherer auf­ bewahrt und auch bei schlechter Witterung ohne Gefährdung verkauft werden konnte. Ein Anhang zur Bauordnung von 1489, „was Gäste und Bürger im Jahr­ markt zu München von ihren Ständen auf dem Haus zu geben schuldig find", unter­ richtet uns eingehend über Jahrmarktsgebühren und Standgeld von den Ver­ kaufsstätten. Der Bürger gibt vom Stand 75 L-, der Fremde das Doppelte; jedoch die Gäste aus Ingolstadt und Eichstätt nur 90 H, die von Nürnberg, Landshut, Aichach, Schrobenhausen geben keinen Zoll (Pfundzoll), wohl aber Standgeld. Der Zoll ist Verkaufszoll und trifft nur den Gast: Er beträgt beim Tuchverkauf 2 L- vom Gulden Verkaufserlös. Die Zolleinnehmer geben dem Unterkäufel von jedem Tuch der Fein­ tuchweber 2 S, wofür er die Stände messen und des Zolles warten soll. Die Gschlachtgewander der Stadt München geben von den 9 Ständen der äußeren Ratsstube 2 6ß 15 So von 6 Ständen im Ratsturm 15 ß und vom kleinen Gang zwischen Ratsturm und Ratsstube 75 So also zusammen 5 ft So Der Rat ernennt vier Zoll­ einnehmer, ein Mitglied des äußeren Rats, zwei von der Gemeinde und einen Un­ gelter, der Stände und Tuche anschreibt?). Wie sehr der Jahrmarktverkehr zunahm, lassen die reichlich fließenden Dulterträgnisse der Jahre 1490 und 1500 erkennen:

Wagmeister vom Pfundzoll............................. Pfundzoll vom Gewand auf dem Rathaus . Standgeld vom Gewand auf dem Rathaus. Standgeld vom Kürschnerhaus am Anger, in Manghaus und Eich................................. Standgeld vom Ledererhaus............................. Standgeld von den Krämern am Anger, in Manghaus und Eich.................................

1490

1500

57 *t6 3ß 17 S 15 // 4„ 10 „ 43 // i „ 10 „

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Mertl, Das Münchner Zunftwesen S. 153, 155s. 2) Stadtarchiv, Bausätze und Ordnung 1489.



Insgesamt 1490: 143 & 2/9 28^ und 1500: 101 2 ß 11L-. Ungerechnet die Trink- und Badegelder sowie den Hüterlohn der mit der Einnahme betrauten Bürger und niederen städtischen Bediensteten^). „Der sterbenden Läuf" halber sagte der Rat in den Pestjahren 1473 und 1495 den Jahrmarkt durch Schreiben afc*2).

Markt- und Meßgebühren. Der Marktmesser mißt alles „Getreide", das in München auf den Markt kommt, das ist Obst, Getreide, Wein, Gemüse, Rüben. Er hat die städti­ schen Gewichte und Maße in Verwahr (Metzen, Vierteil, Vierling, Dreißiger) und leiht sie gegen Entgelt aus. Sein Amtseid verpflichtet ihn, die Nachtwache des Mark­ tes getreulich zu besorgen. Für seine Amtsführung haftet er der Stadt nach dem Eidbuch von 1469 durch Stellung einer Sicherheit von 24 't6 Sy. Für die Aus­ übung seines Amtes entrichtet er seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert an die Stadt jährlich 10 ’ti Sy, davon 6 auf Markt und Meßstatt und 4 vom Obstzoll und den Ge­ mäßen, mit denen man das Obst mißt. Für die Nachthut des Marktes empfängt er von jedem Wagen oder Karren, der über Nacht auf dem Marktplatz stehen bleibt, 2 L-; sind sie mit Oster- oder Welschwein beladen, 3 bzw. 4 Von einem geliehenen Maß erhält er 2 Sy, fürs Messen selbst sind ihm die gleichen Lohnsätze zugebilligt wie dem Kornmesser2).4 Der Marktmesser der Jahre 1376 und 1377 führt an die Stadtkammer 4 5ß Regensburger Pfennige ab. Dem Marktmesser Ull Ringswirt, der die Meßstatt von Georgi 1407 bis Georgi 1408 um 12 ungar. Gulden pachtet, wird als Bedingung gestellt, daß er auf dem Marktplatz den Mist zusammenscharre, der aber der Stadt gehören soll. Fürs Ausleihen der städtischen Metzen und Maße zum Messen von Obst und Rüben liefert er 1414 nach Abzug seines Lohnes 2 tt 6 ß 14 Sy ab^). Die Stelle eines Markt­ messers versah in der Regel der Bürgerknecht als Nebenamt. Laut Saalbuch 1443 vereinnahmte der verstorbene Heinz Bürgerknecht einen Marktzoll, den er dem Stadt­ gericht jährlich mit 6 oder 7 % Sy verrechnete. Dabei betrugen die Marktgebühren: ein ein ein ein ein ein

Unsälder oder Karren beim Verkauf 2 Sy, Plachenwagen, Bürger wie Gast 8 Sy, Saumroß der Gäste beim Verkauf 1 Sy, Röhr! welscher Nüsse 12 Sy oder vom Gast 8 Sy, Wagen Äpfel oder Rüben vom Gast 2 Sy, Bonzen Äpfel oder Birnen vom Gast 1 Sy,

ein Geschirr Steinobst 1 Sy5). x) K.R. 1490 u. 1500. 2) „Item das jar hete man kainen jarmarckt und warde widerrufft und abgeschriben, von der pestilentz wegen und ander leuff halber, die im lannd waren." K.R. 1473. 3) Saalbuch 1443 fol. 4V u. 1444 fol. 15. — Zeugbuch 1444 fol. 47. — Register der Eide fol. 6v. — Zinsbuch 1388. 4) K.R. 1377 fol. 25—30, 1414. — Kammer-Memorial 1407. 5) Saalbuch 1443 fol. 25V. 20'

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Im Jahre 1500 wird für den Marktmesser Hans Knoll, der jugleich Bürger­ knecht ist, eine neue, eingehende Marktordnung erlassens: Fremde geben vom Wagen oder Karren Obst dem Marktmesser 2 X der Verkäufer von jedem verkauften Bonzen Obst 1X Kauft ein Gast Obst zur Ausfuhr, gibt er 2 gegen Empfang einer Bolitte, die er dem Torzöllner als Ausweis für die Entrichtung der Marktgebühr vorzuweisen hat. Für die Nachthut erhält der Marktmesser für jede Nacht vom Wagen 2 X vom Wagen Welschwein 4 X vom Faß Brannt­ wein 2X vom Faß Osterwein 3 X Die Leihgebühren für das Meßgeschirr waren: Vom Metzen oder Vierteil einen Heller, bei Obst vom Pfennigmaßl 1X vom Hallermaßl einen Heller. Fremde Müller, die zum Mehlverkauf Geschirr entleihen, zahlen täglich 4 X Die Kaufleute aus Augsburg, die ihre Waren vorausschicken, entrichten dem Marktmesser für die Aufbewahrung von jeder Woche 16 X Vom Kornmesser hat der städtische Marktmesser vom Scheffel Getreide i L- zu nehmen, ebensoviel Meßgebühr erhält er 1492 vom Scheffel Getreide im herzoglichen Kastens. Der Bürger, der Heringe auf dem Markt feilhält, gibt, statt wie früher 1 X für jede Woche 2 X Fremde Eisenkrämer, Glaser, Gewürzhändler geben 4 einmaliges Standgeld; fremde Fischer täglich 1H Standgeld und außerdem von jedem Schaff Fische einen Hellers. Auch die Marktstandsgebühren für die Feld- und Gartevfrüchte regelte die Marktordnung des Jahres 1500: Jeder Karren Obst gibt 1H in die Stadt­ büchse, dazu von jedem Bonzen Obst 1 Heller. Ein Wagen Brot gibt der Stadt 4 X ein Wagen Rüben 2 L- Standgeld. Vom Scheffel Eicheln gibt der Fremde dem Markt­ messer wie der Stadt 1X em Karren Weintrauben gibt 4 X ein Röhrl Nüsse 7 A Standgeld. Schließlich geben die Säumer zu Jakobi von einem Saumroß 3 H in die Stadtbüchse. Dem Marktmesser obliegt die Versorgung und Fütterung des gepfändeten Viehes, das auf die Gant kommt. Während Stabt und Marktmesser 1412/13 die Einkünfte noch halbieren (je 2 tt 3 ß 5 X, während 1459 die Stadt %, er y3 der Marktgefälle erhält*), gesteht die Marktordnung von 1500 dem Marktmesser nur mehr etwa 1/25 3der 4 Einnahmen zu: Vom Roß 6 X der Stadt 24 X von der Kuh 3, der Stadt 12X vom Schaf und Schwein je iX der Stadt 6 bzw. 4X Die Ablieferung des Marktmessers im Jahre 1500 beträgt 27 U 5 ß 10 X ein Zeichen, wie sehr der Umsatz auf dem Münchner Wochenmarkt gestiegen ist. Die Kornmesser übten „kein Handwerk, sondern ein Start". Unter dieser aus­ drücklichen Einschränkung gestattete ihnen der Rat 1444 den zunftmäßigen Zusammen­ schluß, damit sie Vierer wählen und in Berufsfragen geschlossen vorgehen konnten. Seitdem begegnen uns die Kornmesser als Zunftverband. Ihre Maße mußten nach dem städtischen Fronmaß geeicht sein. Um 1300 waren bereits 6 Kornmesser tätig, denen der Rat als Messerlohn vom Mutt 1 X vom Scheffel einen Helbling genehx) Saalbuch 1444 fol. 98—100. — R.P. 1500. 2) Staatsarchiv Landshut, Kastenamtsrechnung 1492. 3) Der mit der Erhebung der Standgebühren an den Fischbänken beauftragte Marktmesser liefert 1459 von den fremden Fischern 12 ß 24 H ab. K.R. 1459. 4) K.R. 1412/13 u. 1459.

migte, ein Tarif, der 1365 ausdrücklich beibehalten wurde. Ihren Beruf übten sie aus auf den Getreidekästen und in der öffentlichen Meßstabt; Käufer wie Verkäufer hatten ihnen hiefür die Gebühr zu entrichten. Salz durften sie weder als Lohn noch Ehrung annehmen. Im Nebenberuf betätigten sich die Kornmesser als Wirte und Viehzüchter. Bürgern zu messen, bet denen sie wohnten oder Lagerkeller hatten, war ihnen verboten. Als Aufnahmegebühr für Ausübung des Amtes mußten sie gegen Ende des 15. Jahrhunderts 1 Sl H an die Stadtkammer zahlens. Geschäftsgewandt, beweglich und meist nicht unvermögend, erfreuen sie sich dank ihrem Beruf weitum bei der bayerischen Bauernschaft großer Volkstümlichkeit und begegnen deshalb häu­ figer als irgendein anderer städtischer Berufsstand als Vertrauensmänner bei Rechts­ geschäften in Stadt und Land?). Entsprechend der großen Bedeutung des Salzhandels hatte die Stadt schon ums Jahr 1300 sieben Salzmesser. Ihrer zwei mußten auf Diensteid in Gemeinschaft mit zwei Salzsendern beim Salzkauf den Wertunterschied zwischen weißem und schwar­ zem Salz abschätzen; vier vereidigte Salzmesser monatlich dem Richter melden, wer gegen die Ratssatzungen verstoßen hatte. Zu ihren Aufgaben zählte auch das Messen von Krötel- und Plachsalz, das in München zum Verkauf kam; nach altem Her­ kommen erhielten sie hiefür vom Saumroß oder von vier Metzen 1 laut Saalbuch von 1443 von Fremden, welche Salz an Bürger verkauften, vom ganzen Wagen oder Unsälden 8 H Messerlohn. Streng verboten war ihnen Salz als Lohn oder Ehrung anzunehmen. Von den Einkünften gehörte der Stadt ein Drittel, ihnen zwei Drittel; 1433 empfingen sie bei der Auszählung aus der Stadtbüchse auch hievon nochmals den dritten Pfennig, also V» der gesamten angefallenen Meßgebühren. Die Meß­ gebühren für das Krötelsalz fielen ihnen ganz zu. Wer Salzmesser oder Salzsiößler wurde, mußte ein Mahl richten und 2 'n in t>ie Büchse der Stadtkammer geben, welchen Betrag der Rat 1425 auf Va ’ü ermäßigtes.

Die Weinkoster hatten darüber zu befinden, ob der vom Verkäufer geforderte Preis im Verhältnis zu seiner Güte stand. Erstmals begegnen uns zwei Weinkoster 1452; sie erhalten bei der vierteljährlichen Auszählung der Weinkosierbüchse zwei Drittel, die Stadt ein Drittel. Die Weinmesser oder Amer mußten dem Bürger wie Gast den Wein messen, „amen", abstechen und mit gerechtem Geschirr eichen. Sie besorgten mit ihren Knechten, die sie selbst entlohnten, die Beförderung der Wein­ fässer und erhielten um 1400 vom Transport eines Fasses Welschwein von der Isar­ lände bis in den Weinkeller 24^, eines Spitz- oder kleinen Fäßls Welschwein vom Eimer i L-; ebensoviel für die Beförderung von Keller zu Keller oder auf den Wagen. Vom Abziehen eines Fasses vom Eimer 1 L-, blieb es im Keller, nur einen Heller; von -er *) C. u. M. 3 fol. 59; 7 fol. 23; 8 fol. 2$v; io fol. 25. — K.R. 1490 u. 1500* — Denkmäler S. 207ff., 451. — Mertl S» 28.

2) H.St.A. Kranzberg GU. 362, Ismaning 156, Landsberg 85; Altenhohenau Kl. 445, Altomün­ ster 37, Freising St. Veit 169. — St.A. Grundbuch 1484 fol. 32. 3) C. u. M. 10 fol. 22. — Saalbuch 1443 fol. 23V u. 1444 fol. 96. — K.R. 1433. — Denkmäler S. 208, 211 f., 269. — Dietzen, Münchens Salzhandel S. 65—69.

Beförderung eines großen oder kleinen Bonzen zur Eiche 4^, hatte der Bonzen die Größe eines Fuders 6 H. Ließ jemand Neckar- oder Osterwein aus dem Keller in Dreilinge oder Bonzen abfüllev, erhielt der Amer vom Eimer 2^. Die Stadt über­ ließ den Amern die Gebühren restlos*). **)

Der Holzmesser an der Jsartände erhielt nach einem Übereinkommen des

Herzogs Albrecht IV. mit dem Rat vom Klafter Holz je 1L- vom Käufer wie Verkäufer, vom Halbteil oder Viertel des Klafters einen Heller Meßgebühr; zu Abgaben an die Stadt war er nicht verpflichtet3). Als ehrliche Makler zwischen Käufer und Verkäufer waren vom Rat beamtete Zwischenhändler bestellt. „Unterkäufel" durfte nur sein, wer den Bürgern geschworen hatte. Der Diensteid verpflichtete fie bei Verlust des Amtes, keinen Kauf wider die städtischen Satzungen abzuschließen und alle Übertretungen

dem Rat unverzüglich zu metben3). Seit dem 15. Jahrhundert wurde von der Stadt kein Käufel anerkannt, außer er war in ihrem zunftähnlichen Verband, der „Gesell­ schaft der Käufel"^). Die Polizeiordnung von 1370, die zu Beginn des 15. Jahrhun­ derts für die städtischen Weinmakler noch Gültigkeit besaß, bestimmte, daß die Uvterkäufel als Lohn vom Käufer wie Verkäufer nicht mehr als zusammen 20 vom Faß Welschwein nehmen sollten, nämlich 8 H vom Bürger, 12 H vom Gast. Vom Eimer Wein iH, vom Bonzen Neckarwein 2^, vom Faß Österreicher Wein 6L>; vom flandrischen Tuch aus Npern, vom schweren Tuch von Tournay oder Huy je 4 H, von den übrigen Tuchen 2 H; von einer Wage Wachs 4 einer Wage Uvschlitt oder Schmiere 2 H, einem Saum Hl 4 H. Nach dem Register der Eide von 1469 schwören

die Weinmakler, des Marktes getreulich zu warten und den Wein nicht vor der Früh­ messe anzustechen, damit jedermann rechtzeitig zu seinem Verkauf kommen kann3). Unter den städtischen Havdelsmaklern waren die „Unterkäufel vom Wein", deren München um 1500 allein 4 besaß, der stärkste Stand. Die Unterkäufel waren zu­ gleich Gantknechte mit den Befugnissen eines amtlichen Versteigerers und hatten Häuser, die auf Gant kamen, zu versteigern. Die Versteigerung erfolgte auf dem Marktplatz in aller Hffentlichkeit. 1428 bestimmte der Rat, daß jeder, der länger als 14 Tage den Spa» — ein aus einem Balken gebrochenes Stück Holz, das nach deutscher Rechtssymbolik dem Gläubiger das Pfandrecht zusprach — für ein ver­ pfändetes Haus oder Eigentum innehatte, ohne daß der Span eingelöst ward, ihn dem Unterkäufel ausliefern sollte. Dieser hielt ihn drei Tage am Marktplatz vor dem Rechthaus, auf dem „Gantsessel" fitzend, vom Morgen bis zum Aveläuten feil. Dem Meistbietenden gehörte der verpfändete Besitz3). Denkmäler S. 427, 580. *) Holjvrdimng 1494 u. 1486: H.St.A. München Ger.Lit. x fol. 218—220. 8) Denkmäler 410, 424, 466, 519. 4) Mertl S. 50.

8) C. u. M. 10 fol. 9V. — Westenrieder, Beiträge VI, 115, 157, München 1800.

**) Register der Eide 1469 fol. 7. — R.P. 1500.

Wag und Eich. Die Wage war ursprünglich Regal des Landesherr«. Um 1300 forderte die Bürger­ schaft die Errichtung einer Wage am Marktplatz vor der herzoglichen Münze. Die Herzoge ließen die landesherrliche Fronwage nicht durch eigene Beamte verwalten, sondern verliehen sie auf Empfehlung des Rates gegen Entrichtung einer Pauschal­ vergütung „in mancherlei Hand", was ungenaue Führung der Wage und Klagen der Käufer und Händler über Beschwerung und Benachteiligung zur Folge hatte. Um die Gesamtheit gegen die gewinnsüchtige Ausbeutung einzelner zu schützen, unter­ nahm der Rat Schritte, die Verleihung von Fronwage und Marktzoll an die Stadt gegen Übernahme der üblichen Pachtsumme, 12 H an die herzogliche Kammer und 10 % ans Hochstift Freising, zahlbar am Martivstag, zu erwirken. Markgraf Ludwig der Brandenburger schenkte den begründeten Vorstellungen wegen unge­ rechter Handhabung der Wage Gehör und überließ der Stadt durch Freibrief vom 10. Februar 1353, gegeben zu Bozen, die Fronwage und den damit verbundenen Marktzoll (Pfundzoll) mit dem ausdrücklichen Zugeständnis, daß ihr der Mehrertrag über die jährliche Pachtsumme gehöre. Zur Besorgung der Stadtwage, wie die Fron­ wage seit dem Übergang an das Gemeinwesen hieß, zur Betreuung der Gewichte und Erhebung des Markt- und Pfundzolles setzte der Rat einen eigenen Wagmeister ein, dem auch die Erhebung des Plachsalzzolles oblag. Die Stadtwage befand sich im städtischen Kaufhaus, in dem der Wagmeisier, eine oft begegnende und viel genannte Persönlichkeit), seine Dienstwohnung hatte. Alle Kaufmannschaft und „Kra­ merei", die zu „beiden Toren" (Tal- und Neuhausertor) hereingeführt ward, wurde gewogen; außer Tuch, das man gemäß altem Herkommen nach dem Saum verzollte. Die eingesessenen Wollwirker und Tuchmacher jedoch mußten nach der ältesten Rats­ satzung jedes fertige Tuch auf der Wage sogleich auf das vorschriftsmäßige Gewicht prüfen lassen. Für die Benützung der Stadtwage und die Wohltat einer gerecht be­ dienten Wage hatten die Bürger eine Zwangsgebühr, das Waggeld, zu entrichten, vom Zentner einen Pfennig, vom halben Zentner und darunter einen Heller. Fremde waren vom Waggeld befreit, da sie im Gegensatz zum Bürger den Pfundzoll entrichten mußten?).

Schon nach dem versiegelten Buch ließen um 1340 die Fremden Bonzen und Gefäße auf der Eich nachmessen, da Bürger wie Gäste das verlässige Münchner Maß vor den vielartigen örtlichen und privaten Maßen bevorzugten. In der Hoffnung auf das Wachsen der Weinzollgefälle des herzoglichen Großzolls am Neuhausertor — die Bürgerschaft hatte ihre Bitte damit begründet — verlieh Herzog Albrecht III. der Stadt am 25. August 1450 auf ewige Zeiten einen öffentlichen („gemeinen") Eichstadel. Gegen Erhebung der Gebühren hatte sie für Bau und Unterhalt des neuen Eichstadels aufzukommen und Eichdiener, Schreiber und Knechte zu entlohnen. x) Andre Wag meister machte 1474 eine Wallfahrt nach Aachen.

2) C. u. M. 15 fol. 14; Saalbuch 1443 kol. 24—25V u. 1444 fol. 88—90, 93—96. — H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. 223; München GU. 365. — Denkmäler S. 250, 276s., 549s.

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Eine zweite Begründung des Rates war gewesen, Fernkanflente und Fremde würden lieber Wein einführen, wenn ihre Fässer im städtischen Eichstadel zuver­ lässig geeicht, sauber gehalten und das Fassungsvermögen ordentlich eingeschrieben würdet. Noch 1453 wurde der neugebaute Eichstadel auf Geheiß des Rates an Franz Rülein bis Michaeli 1456 gegen eine Jahrespacht von 36 rheinischen Gulden ver­ geben; jedes Jahr hatte er vier Bürgen zu stellen. Da die Einnahmen nicht in der erhofften Höhe eingingen, wurden ihm jährlich 6 Gulden am Pachtschilling nach­ gelassen. Seinem Vorgänger, dem Eichmeister Oswald Seidlmeir, waren nicht mehr als 3 Pfennig über seinem Sold gefallen. Aber auch sein Nachfolger Eichmeister Jörg Werder kam, trotz der Ermäßigung der Jahrespacht auf 20 Gulden, anfangs noch um 4 Gulden Nachlaß ein. Eichmeister Eure! wurde unter die städtischen Be­ amten überführt und bezog seit 1474 vierteljährlich 4 ti 7 ß Gehalt. Damit nahm die Stadt Eich und Eichstadel in Selbstb etrieb?). T) H.St.A. München Gericht Lit. Tom 1 toi. 166—168. — Mon. Boica 35/II S. 344. — Denk­ mäler S. 365. 2) Und vereinnahmte 1475 „zu fürgelt von der eych" insgesamt 127 ’U 6 ß 6 S,; dementspre­ chend erhöhte sich der Jahreslohn für den Eichmeister in den Jahre» 1475—1477 auf je 35 Pfund. Zins­ buch 1388; K.R. 1453, 1454, 1457—1459, 1474—1477; R.P. 1460 toi. 24.

X. Kapitel.

Das Städtische Beamtentum.

Ärzte, Apotheker und Lehrer.

Auffassung von der Ehrenamtlichkeit leitender Stellen beherrscht in ^^hohem Maße die gemeindliche Selbstverwaltung des Mittelalters. Bürgermeister, Kämmerer, Steuerer, Stadthauptleute, Söldvermeister, Bau- und Ziegelmeister, Bußund Bettelmeister bekleiden Ehrenämter und sind völlig unbesoldet oder beziehen für ihre zeitraubende und verantwortungsvolle Tätigkeit lediglich einen bescheidenen Ehren­ sold. Unter Führung ehrenamtlich tätiger Ratsherren besorgen bezahlte städtische Be­ amte die eigentlichen Amtsgeschäfte. Das Wort Beamter ist dem Münchner Sprach­ gebrauch im Mittelalter fremd. Die städtische Beamtenschaft hieß „der Stadt Amtleute", „der Stadt Diener", die niederen Bediensteten auch „Knechte" im Gegensatz zu den Herren, womit die Ratsherren, und zur Herrschaft, worunter die Herzoge verstanden wurden. Wer die Dienste der Amtleute in Anspruch nimmt, muß dafür bezahlen. Dieser zweite, die städtische Selbstverwaltung des Mittelalters bestimmende Grundsatz — jedes Amt muß sich selbst ernähren — erweist, daß die Beamtenschaft der Stadt mehr einbringt, als sie kostet. Der Stadtrichter mit seinen Hilfs­ kräften vom Unterrichter und Gerichtsschreiber bis herab zu den Fronboten und Richtersknechten, Zöllner und Ungelter, Bleicher, Keller-, Mang- und Eichmeister, die Vollzugsbeamten der Handels- und Gewerbepolizei, die beamteten Makler und Unterkäufel, Markt-, Korn-, Salz- und Holzmesser, Visierer, Weinsticher, Weinkoster, Amer und Salzlader, die Fisch-, Fleisch-,. Barchent-, Sensen- und Handschuhbeschauer, die Siegler des einfärbigen Gewandes, sie alle leisten ihre Dienste, so oft und so lange sie von denen, derentwegen sie amtieren, für jede einzelne Hantierung und Verrichtung bezahlt werdens. Je mehr wir uns der Neuzeit nähern, um so mehr wird der Ge­ bührengrundsatz zugunsten der festen Beamtenbesoldung verlassen. Vor dem Dienstantritt leisten die Beamten vor Bürgermeister und Rat, denen das Ernennungsrecht zusteht, den Bürgern gemeinlich, arm und reich, den Eid treuer Pflichterfüllung. Die Anstellung leitend er Beamter erfolgt auf gegenseitigen schrift­ lichen Dienstvertrag; so besitzen wir schon vom 23. Mai 1359 eine Dienstverschreibung Konrad Pechtalers für Rat und Gemeinde, mit ausdrücklicher Unterstellung auch seines Dieners unter die drei Stadtkämmerer Heinrich Rudolf, Hans Schluder und Greimolt Drächsel?). Eine Grundforderung der Neuzeit an das Beamtentum, die Sauberkeit der Verwaltung, ist so weitgehend erfüllt, daß in zwei Jahrhunderten wohl Verwicklungen leitender Beamten in politische Wirren, niemals aber schwere T) Vgl. die Kapitel „Zoll", „Gebühren" und „Rentierendes Vermögen". — Namentliche Listen der Zöllner bei Bietzen S. 162 f. 2) Ein Christoph Pektaler ist 1517 Baumeister der Stadt. H.St.A. München, GU. 617.

dienstliche Verfehlungen aus selbstsüchtigen Gründen nachweisbar sind. Das Stadt­ recht gewährt denn auch dem Beamten in Ausübung des Dienstes besonderen Schutz: Wer einen Fronboten während einer Amtshandlung mit Wort oder Werk beleidigt, zahlt vierfache Buße. Die Münchner Stadtboten stehen seit 1315 im ganzen Reich unter königlichem Schutzs). Ein unschätzbarer Vorzug liegt in der kulturellen Tätigkeit des Beamtenstandes; er bildet einen geistigen Mittelpunkt der Stadt, seine ersten Vertreter sind die führenden Männer ihres Berufes und die vertrauten Berater des Hofes. Die Werkleute und Männer der Bauverwaltung sind die ersten Techniker des Landes. Die Ärzteschaft zählt in ihren Reihen

hervorragende Gelehrte und Förderer schöngeistiger Bestrebungen. Die Stadtschreiber gelten mit Recht als die erfahrenen Wortführer und erprobten Ver­ teidiger der städtischen Freiheit und Machtstellung; ihre älteren Vertreter erwerben sich durch die Aufzeichnung des Stadtrechts dauernde Verdienste um die deutsche Rechts­ geschichte. Stadtschreiber Meister Hans Rosenpusch hat in seinen im Zeugbuch, in den Saalbüchern und Stadtrechnungen eingestreuten tagesgeschichtlichen Bemerkungen durch seine Ausblicke auf das Zeitgeschehen, die Hussitengefahr, die Einfälle der armen Gecken, das tragische Geschick der Agnes Bernauer, Persönlicheres und Wertvolleres für die nationale bayerische und deutsche Geschichtsschreibung gewirkt wie mancher mönchische Verfasser einer Weltchronik. Stadtschreiber und Bürgerknecht, Stadtarzt und Apotheker, Turmwächter und Henker sind in München zu Kaiser Ludwigs des Bayern Zeiten die einzigen aus der Stadtkammer festbesoldeten Beamten. Ihre Ämter erben sich von Geschlecht zu Ge­ schlecht fort; denn der Lermann-Ruf des Hornisten auf dem Petersturm oder die unheimliche Fertigkeit des Henkers wollte» ebenso erlernt sein wie die gelehrte Wissen­ schaft des Stadtschreibers, wie das geheimnisvolle Wissen des Arztes und Apothekers um die Heilkraft des Wundkrautes oder die Kunst des Chirurgen, ein gebrochenes Glied einzurichten, ein verderbtes zu entfernen. Sie bleiben der Kern jener Familie der „Stadtamtleute", die in den Münchner Farben einheitlich gekleidet durch ihr geschlossenes Auftreten bei festlichen Anlässen neben dem Rat Ansehen und Ruf der Stadt sichtbar verkörpern. Schon unter Kaiser Ludwig zeigen sich die ersten Ansätze für das Emporkommen von Beamtendynastien. Leitende Posten der Stadt werden von der gleichen Familie besetzt: Martin Brey ist Stadt­ schreiber, Leutold Drey Stadtwerkmeister. Später ist Sighard Tückel Stadtschreiber und Ulrich Tückel Stadtzöllner. Während der Erbauung der Frauenkirche ist ein Brüderpaar Heinrich und Konrad von Straubing als Werk- und Zimmermeister der Stadt tätig. Die Familie Tömlinger stellt der Stadt acht Ärzte, einen Apotheker

und Schulmeister.

Der Zahresaufwand für das „officium civitatis“, die Beamten, die ausschließ­ lich oder vornehmlich im Dienst der Stadt tätig sind, beträgt um 1320 nur 50 'M 5, und steigt langsam an. Mit dem ausgehenden 14. Jahrhundert hört die städtische x) Mon. Boica 35/II S. 38. — Denkmäler S. 72, 257.

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Verwaltung auf mit einem Mindestmaß von Kräften zu arbeiten, ohne jedoch ihre alterprobte Einfachheit abzustreifen; eine vielseitigere Arbeitsteilung in gehobene, mitt­ lere und untergeordnete Diensiesaufgaben und ein straffer durchgegliedertes Beamten­ tum tritt sichtbar in Erscheinung. Der Jahresaufwand der Stadtkammer für die Beamtenschaft beträgt 1488 über 1035 'ti> und ist doch gering gegenüber der Vielzahl der Beamten, nicht bloß infolge der Ehrenamtlichkeit und Gebührenbesoldung, sondern dank der Tatsache, daß der ausgeworfene Jahresgehalt für viele Bedienstete, insbesonders für die technischen Beamten mehr ein Bereitschaftsgeld als einen wirk­ lichen Gehalt bedeutet, und daß außer den VoÜbeamten zahlreiche Hilfsbeamte tätig sind, die ihren Dienst neben ihrem bürgerlichen Gewerbe versehen. Die Ent­ lohnung erfolgt in Bargeld, als Wochenlohn, Quatembergeld oder Jahres­ gehalt. Untergeordnete Dienste werden äußerst bescheiden vergütet, um dem Gemein­ wesen keine Anwärter auf begehrte Amtsstellen zu züchten; jedes ehrliche Handwerk soll seinen Mann besser ernähren als der Dienst für die Bürgerschaft. In einer Um­ welt, der formelhaftes, verknöchertes Amtswesen fremd ist, muß die praktische Be­ währung täglich von neuem unter Beweis gestellt werden. Posten, welche geschulte Kräfte erfordern, sind ausreichend besoldet, zumal damit in vielen Fällen einträgliche Nebeneinkommen verbunden sind. Zum regelmäßigen Gehalt kommen als Besserung, Ehrung oder Liebung Zu­ lagen, bei fast allen Festbesoldeten für die Amtstracht, den „Jahresrock", in ihrer Höhe abgestuft nach dem Rang der Beamten von 3 /S bis 1 L,. Wo es die Art des Dienstes erfordert, freie Dienstwohnung, für Türmer und Stockmeister freie Feue­ rung, in Teuerungsjahren Getreidezulagen aus dem städtischen Kornkasten und Geld­ zuschüsse „aus Gnaden" bei besonderen Anlässen, bei Brandunglück, Krankheit, Kinder­ reichtum oder Hochzeit*). Von auswärts berufene Beamte erhalten Zehrungs- und Reisegelder, der neue Stadtschreiber Sigmund Eusenhofer 1497 nicht weniger als 28 A L-; Türmer, Stadtpfeifer, Söldner und Werkleute zur Dienstverpflichtung das Ding- oder Häftelgeld. Besondere Leistungen belohnt die Stadt durch lebenslängliche Steuerfreiheit; 1318 werden sogar die Begräbniskosten für den alten Bürgerknecht Eberhard aus öffentlichen Mitteln bestritten, die einzige Ehrung dieser Art. Das althergebrachte Trink- und Badgeldwesen spielt im lebensfreudigen Mittel­ alter eine große Rolle; zur Jahrmarktszeit, im Opfergeld zu Weihnachten und im Letzgeld bei der Kammer- und Steuerabrechnung wird es behördlich gefördert?). Auf x) K.R. 1425: „Item i U $ haben wir geben dem Trautenweyler pfentterknecht zu pesserung, die im ain rat schuff darumb, das er plutarm was und fill kind hett und 24 jar der statt knecht gewesen." — 1435 erhält der Schlegel in der Schergenstube 3 & Hilfe zur Aussteuer seiner Tochter. 2) Das Opfergeld der Stadtamtleute zu Weihnachten geht auf die ältesten Zeiten zurück. Der bescheidene Anfang K.R. 1318 fol. gv: „16 H notario civitatis et Eberhardo famulo civitatis, in vigilia nativitatisdomini prosacrificato.“ Im 15. Jahrhundert beträgt das Opfergeld 1 % 5 ß 10 und zwar 60 H dem Kammerknecht, 45 dem Bürgerknecht, 30 jedem Fronboten, 20 dem Stadtboten, 32 dem Zimmermann wie den vier Wagenknechten, 46 den beiden Türmern und 45 H dem Schlegel. Das Letzgeld der Amtleute aus der Stadtkammer beträgt in dieser Zeit 3 % 41 80 H jedem Käm­ merer, 75 dem Stadt-, 40 dem Steuerschreiber und Kammerknecht, 30 dem Bürger-, 20 dem Steuer-

einem gotischen Tafelgemälde Jan Pollaks im Nationalmuseum „Petrus heilt einen Besessenen", ehedem Hochaltar der Münchner Peterskirche, hat der Künstler auf dem Mantelsaum des Heiligen den stillen Wunsch aller Schaffenden seiner Zeit für immer laut gemacht: „O lieber, heiliger Herr St. Peter schaff uns ein gut Trinkgeld!" Mangelhaft, ja ungenügend ist die Fürsorge der Stadt bei Unfällen. Verunglückte müssen die Ärztekosten selber tragen und werden „um Gottes willen" mit einer ein­

maligen bescheidenen Unterstützung abgefunden. Arbeitsunfähige, Witwen und Waisen der öffentlichen Wohltätigkeit überlassens. Einen mächtigen Schritt jum neujeitlichen Staat mit seinem im Alter wirtschaftlich sichergestellten Beamtentum bedeutet die Verwendung städtischer Amtleute bei Krankheit oder Altersschwäche in leichteren Amtsverrichtungen und die Bewilligung von Ruhegehältern an besonders verdiente, leitende Beamte nach langer Bewährung. Ärzte und Werkleute erhalten, „ihr Leb­ tag bei der Stadt zu bleiben", für den Fall eintretender Dienstunfähigkeit bis zu 80 ungarische Gulden als jährliche Leibrente zugesichert. Der alte Kammerknecht Paule bezieht bis zu seinem Tode 1450 ein ansehnliches Wochengeld als Gnadengehalt. Stadtschreiber Wolfharde erhält sechs Jahre lang einen Ruhegehalt und stirbt 1426 als Salzscheibenzöllner am Taltor; Stadtsöldner Hans Mainburger, dem der Rat 1479 zusagt, daß er ihm zur Zöllnerstelle am Taltor verhilft, falls er nicht mehr Söldner bleiben will, empfängt 1486—1500 zur bürgerlichen Versorgung noch eine viertel­ jährliche Leibrente. Der angesehenste Beamte und beste Kenner der städtischen Verwaltung ist der „Stadtschreiber", „notarius civitatis“, „scriptor civium“ oder kurzweg „magister“ genannt, der einzige Vertreter der Rechtswissenschaft in der Verwaltung. Er ist Leiter des städtischen Schreibwesens, versieht den täglichen Schreibdiensi in der Stadt­ schreiberei, nimmt an den geheimen Sitzungen des Rates teil und führt Protokoll dar­ über, ist Rechnungsführer der Stadtkammer und neben seiner Kanzleiwirksamkeit, dank seiner Vorbildung und Geschäftskenntnisse, berufsmäßiger Gesandter, diplomatischer Vertreter und politischer Berater der Stadt und oft auch der Herzoges bei allen Tagfahrten und Gesandtschaftsreisen an Kaiser und Papst, Landesherr« und auswärtige Höfe, bei Fürsten- und Städtetagen. Er ist also, wie Camerarius vom Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler zutreffend sagt, „zwar nur ein Ratsschreiber, in Wirklichkeit aber aller Ratsbeschlüsse Urheber und knecht, 60 den vier Fronboten, 48 den vier Richtersknechten, 20 dem Stadtboten, 24 dem Stockmeister und Stadtkoch, 8 dem Küchenknecht, 12 A für Geschirr und 4ß der Hausfrau des Kammerknechts. *) Ein Stadtbote, der sich 1362 in Starnberg einen Arm bricht, erhält y2 : „Item cursitatori y2 %. qui fregit brachium in Starnwerch.“ K.R. 1362. — „Ein Knecht brach ein pein ab in dem rade, von gnaden % &." K.R. 1380 fol. 74. — „Item 12^ haben wir geben dem armen

Menschen dem Auer zymmermann zu ainer zerung dorch gotz willen, der sich an der stat arbait nahet zu tod gefallen hat an dem Anger." K.R. 1423. — „Item 2 U $ haben wir geben dem Weyndel zymmermann, die im ain rat schüff, do im der stathay an der stat arbait pey der wür sein handt abslüg, damit er den arczt und zerung auszerichten hett." K.R. 1425. — „Item 60 haben wir geben dem wunten zymermann, dem die hant abgeschlagen." BaumeisterRechnung 1445. 2) H.St.A. Kassa- u. Quittungssachen Fasz. 4: Rechnung Herzog Johanns von Bayern 1394.

Lenker". Hohe Ehrengäste der Stadt, geistliche und weltliche Würdenträger steigen beim Stadtschreiber ab. In der Regel auf Lebenszeit bestellt, bezieht er neben seinem Beamtengehalt Nebeneinkünfte aus Kanzleigeschäften bei der Bürgerrechtsverleihung, von jedem Kvndschaftsrecht der Baumeister, für die Rechnungsführung des Heiliggeistspitall), bis zur großen volksherrlichen Bewegung der Vierherzog-Regierung i t6 \

für seine Amtstracht („pro tunica“) und seit 1414 ebensoviel als besondere Zuwen­ dung für die Geschenke der Zöllner zu Weihnachten, sodann mangels einer Dienst­ wohnung den Hauszins für die Amtsräume der Stadtschreiberei. Herkömmlich ist die Teilnahme des Stadtschreibers am Ehrenmahl bei den Ratswahlen, bei der Kammer-, Steuer-, Ziegel- und Baumeisterabrechnung und an den Zunftfesten. Als die Salzsender den auf „Mundspiel" erpichten Magister Hans jahrelang nicht zum Stiftungsmahl einladen, vermerkt er voll Bitterkeit in der Kammerrechnung: „aber dem Stadtschreiber haben die Salzsender nie nichts geehrt davon und er schrieb ihnen doch alle Jahr; nur der Eysenmann schickt ihm einstens ein Stückel Salzfisch." Der erste uns bekannte Stadtschreiber ist Meister Martin Drey (1295—1313). Er ist am 10. Februar 1318 Mitglied des inneren Ratest und wird am 14. August 1319 Schreiber König Ludwigs genannt^), was für seine hervorragende Tüchtigkeit und staatsmännische Begabung spricht. Sein Nachfolger Meister Chunrad Orlos (1316—1319), wie öfter in der Frühzeit der städtischen Verwaltung ein Geistlicher mit kanonischen Würden und Weihen, bezieht 12 § Quatembergehalt und scheidet 1319 aus dem Dienst der Stadt, um auf der Hauptpflegestätte juristischer Wissenschaft im Mittelalter, der hohen Schule zu Bologna, seine Kenntnisse bei Romanisten und Kanoni­ sten zu erweitern, wozu ihm der Rat eine Studienhilfe von 2 Mark Silber gewährt). Nachfolger und Verweser im Stadtschreiberamt ist „scriptor“ Merlin und (1321) scriptor Johannes^). 1325 wird ein Notar Merbot genannt, von dem ein Turm der Stadtmauer den Namen erhält. Magister Sighart Tückel, Stadtschreiber 1326—1363, bezieht 6 'H>, seit 1333 10 Jahressoll); er macht ansehnliche Stiftungen für das Seelenheil seiner ersten Frau Kunigunde an die Peterskirchl). Dem namentlich nicht genannten Stadtschreiber von München verpfändet Markgraf Ludwig der Branden*) H.St.A. Rechnungen des Heiliggeistspitals 1473/74. — Westenrieder, Beiträge VI, 141. 2) Denkmäler S. 91. 3) H.St.A. München GU. 2937ff. — Kranjberg 3; Benediktbeuern 140. — Denkmäler S. 179. — Ein Münchner Rudolf Frei (Liber) ist 1279 Urkundenzeuge. Archiv des hist. Vereins v. Oberbayern 548$. 4) „Item dederunt duas marcas argenti Chunrado, notario civitatis, ad Stu­ dium, valent 4 A Mon.“ K.R. 1318 fol. 18. — Die Rechnungsbücher der deutschen Nation an der Universität Bologna verzeichnen 1320 die Jmmatrikulationsgebühr des Münchner Stadtschreibers: „Item dominus Chunradus de Monaco 12 solidos.“ Friedländer-Malagola, Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis S. 78, Berlin 1887. — H.St.A. München, Chorst. Fasz. 1. — 1345 kauft Konrad Orlos um 42 % Leibrente aus der Stadtkammer. K.R. 1345 fol. 217V. 5) K.R. 1320 fol. 37, 49. 6) K.R. 1325/34 fol. 4v, 13, 34V, 49V, 53V, 71 v. — Mon. Boica XIX, 14. — H.St.A. Weil­ heim GU. i. — Seine Hand ist in Urkunden seit 1319 nachweisbar. Denkmäler S. 180. 7) Mon. Boica XIX, 31. — Geiß, Gesch. der Pfarrei St. Peter in München S. 14, München 1868.

brrrger 1353 die Mai- und Herbststeuer im Gericht Aichachs). Peter Krümmels oder Krümbel (25. März 1366 bis 29. Sept. 1381), nach dem der Krümels- oder Krümbleinsturm benannt ist, leitet mit einem festen Jahresgehalt von 20 'ti den Zeit­ abschnitt der wirtschaftlich glänzenden Stellung des Stadtschreibers ein. Vielumworben und bekämpft von parteiischen Bestrebungen ist das einflußreiche Amt zur Zeit innerer Unruhen. „Der Wolfharde was statschreiber gewesen zu Minchen bei 40 jaren", vermerkt sein Nachfolger 1426 zum Tod des Wolfhart Lonersteter. 1381 zu dem ehrenvollen Amt durch das Vertrauen der Gemeinde berufen, entsetzt ihn mit Beginn der demokratischen Strömungen der Parteien Ungunst seines Amtes, ernennt statt seiner Niklas Vainagg von Ulm zum Stadtschreiber (1394—1397) und besoldet den Günstling der herrschenden Partei mit jährlich 40 *ti> Voll Un­ mut macht der Wolfharde gegenüber dem Rat in einem kecken Memorial seine unbe­ friedigten Ansprüche, für außerordentliche Kanzleitätigkeit während seiner Amtszeit durch Ausfertigung von Schuldbriefen und Anlegung von Ewiggeldbüchern, in Höhe von 40 U und 80 ungarischen Gulden geltend, ehe er grollend die Stadt verläßt^). Da ruft ihn der Aufbruch der politischen Bewegung am 10. August 1397 in sein Amt zurück und Niklas Vainagg liegt noch im Kerkers, als ein neuer Umschwung in der stürmischen Zeit den Lienhart Lang (1399—1403), einen Wortführer der Umsturz­ partei), zum Stadtschreiber macht. Von 1403 bis 1416 wieder im Amt, legt Wolf­ harde Lonersteter 1405 ein leider verschollenes Ratsbuch an, „darin er schreibt die rät und ander merckleich fach, daz im rat geschicht«)"; 1416 nimmt er am Konstanzer Konzil teil'). An seine Stelle tritt der bisherige Stadtarzt Doktor Hans Rosenbusch als Stadtschreiber (1416—1452), dessen Fleiß und Schreiblust wir in den Kammer­ rechnungen so viele chronikalische Eintragungen zur Stadtgeschichte verdanken, die einen nicht hoch genug zu veranschlagenden Ausgleich für den empfindlichen Mangel an Münchner Ratschroniken darstellen. Er war vermählt mit Klara, Tochter des Lorenz Schrenk des älteren (f 1460) und entstammte einem fränkischen Adelsgeschlecht aus Ronsberg, das vom 13. bis 15. Jahrhundert den Fürstbischöfen von Würzburg und Mainz und den Kurfürsten von der Pfalz Räte und Hauptleute stellte und in dem 1314 als Rat des Königs von Frankreich verstorbenen Dr. jur. Hans Rosenbusch einen der ihren verehrtes. Als 1438 der reiche Erasmus Ligsalz von der Weinstraße, *) H.St.A. Staatsverwaltung 3520. 2) Stadtschreiber Peter Krümmel verkauft 1372 sein Eckhaus an der Kaufingergasse und ersteht ein Jahr später als Leibgedtng für seine Gemahlin Ursula und seine Kinder Peter und Agnes vom Abt zu St. Ulrich und Afra in Augsburg eine Mühle und drei Höfe an der Maisach. Vohburg GU. 10. Mün­ chen GU. Fasz. 5. — München Augustiner Kl.Lit. 1. — Gerichtsbuch II, 22V. 3) St.A. Undatiertes Kammer-Memorial aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert. 4) Am 25. Sept. 1398 ist Nyclaus Vainagg, „der alt Stadtschreiber", Siegelzeuge. H.St.A. München G.U. 2710. 5) „Hiet gern unfrid gemacht und irrung." Städtechroniken XV, 473. 6) K.R. 1405 fol. 87. 7) Lonerstetters Gemahlin ist 1382 die Witwe des Perlmeisters. Ein Haus an der Kaufingergasse verkauft er 1406 an Heinrich Kray, ein zweites am Anger beim städtischen Manghaus verpfändet er 1408/12 seinem Schwiegersohn Hermann Häring. St.A. Gerichtsbuch I, 155; III, 17, 57, 80v. 8) Schrenk-Chronik.

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der zwei Jahre später in die Frauenkirche das Ligsalzbenefizium stiftet, die Tochter Dorothea des Patriziers Peter Pütrich heimführt, macht ihnen der treffliche Stadtschreiber Meister Hans Rosenbusch den Trauzeugen^). Meister Hans Kirch mair?), Lizentiat in geistlichen Rechten („Johannes Kirchmer, decretorum licentiatus, protonotarius civitatis“) tritt 1453 das Stadtschreiberamt mit 10 tt Quatembergeld an, bezieht seit 1457 12, seit 1482 15 'M Quatembergeld. Bei seinem Scheiden aus dem Amt im Frühjahr 1483 erläßt ihm der Rat eine Schuld von 142 tf 1 ß. Eine Über­ gangsregelung bedeutet die Verwesung des Stadtschreiberamtes im zweiten Halbjahr 1483 durch Meister Jobst Ott, Lizentiat kaiserlicher Rechteb). Mit dem aus Sulzbach berufenen Konrad Pregler (1484—1497), „secretarius alme civitatis oppidi Monacensis“, zieht der letzte auf der hohen Schule nicht graduierte Stadtschreiber ins Amt ein, der aber im kanonischen Recht durchaus erfahren ist und 1488 in Ge­ meinschaft mit den Pflegern von Tölz und Starnberg einen großen Holzrechtsstreit im Jsarwinkel, des Angerklosters und Stupf-Benefiziums mit Untertanen des Klo­ sters Benediktbeuern, schlichtet*). Spätestens am 30. März 1497 tritt Lizentiat Meister Sigmund Eusenhofer das Amt an, bei gleichem Quatembergehalt von 25 rheini­ schen Gulden wie sein Vorgänger. Das Schreibwesen, soweit es nicht zur ordentlichen Tätigkeit des Stadtschreibers gehört, wird von ihm außerdienstlich gegen Entgelt oder von berufsmäßigen Tag­ schreibern, von Geistlichen und wandernden Scholaren besorgt. Als Hilfsschreiber finden im 15. Jahrhundert die städtischen Steuer- und Krötelschreiber Verwen­ dung, die seit 1438 gegen jährlich 12 ß das Amt des Fleischschreibers mitversehen, Eberhart Daum, Heinrice Schilher und Hans Hofstetter. Bei längerer Abwesen­ heit des Stadtschreibers — so 1418 bei dessen Teilnahme am Konzil zu Konstanz oder 1485 bei dessen zweimaliger Anwesenheit am Vatikan zur Zurücknahme des über München verhängten Interdikts — find fie mit der Verwesung des Stadtschreiberamts betraut. Die Geschäfte der Steuerbehörde sind schon 1419 so sehr angewachsen, daß in Heinrich Degenhart ein eigener städtischer Steuerschreiber zur Bewältigung der Rechnungsführung und des vielen Schreibwerks zur Ermittlung von Vermögen und Einkommen der Steuerzahler erforderlich ist5).

Mittler zwischen Rat und Bürgerschaft ist der Bürgerknecht („famulus“ oder „servus civium“), der als eigentlicher Ratsdiener im Rathaus wohnt, das er sauber zu halten hat. Er bezieht 1318 x/2 seit 1321 1 tt, 1360 2 u, 1362 2% tt und seit Ausgang des 14. Jahrhunderts 4 'ü Quatembergehalt, dazu seit 1367 1 Lfür den Jahresrock. Aus dem Amt des Bürgerknechts zweigt sich 1393 mit dem An­ wachsen der Ratsgeschäfte das Amt des Kammerknechtes ab, der vor allem die Geschäfte der Stadtkammer besorgt, die städtischen Zinsgefälle erhebt, die Oberauf-

2) 3) 4) 5)

Heiratsbrief im freiherrlich Barthschen Familienarchiv auf Schloß Harmating. H.St.A. Wolfratshausen G.U. 46; Augsburg St. Ulrich u. Afra 1290; München G.U. F. 5. H.St.A. München G.U. 480. K.R. 1474 fol. ZOV. — H.St.A. Benediktbeuern Kl.Urk. 694, 696. Mon. Boica 35/II S. 281.

sicht über den Marstall führt und in Rang und Gehalt dem Ratsdiener gleichsteht. Stadtbote und Ausrufer finden 1416 in den Reihen der Stadtamtleute Auf­ nahme, werden für jeden Dienstgang entlohnt und erhalten eine jährliche Vergütung für die Amtstracht. Den Stadtboten obliegt die schwierige Aufgabe, wichtige poli­ tische und diplomatische Briefschaften nach auswärts ju überbringen und die im Aus­ land weilenden Münchner Kaufleute vor Wegelagerern und Heckevreitern zu warnen. Als Botenlohn erhalten fie zwischen 1457 und 1473 von der Meile Weges 7 -S)1).* 3 4 * 6 Seit 1481 beträgt der Satz für die Botenmeile bis zum Ausgang des Jahrhun­ derts 8 L-2). Wo die Länge des Weges, die Bedeutung der Botschaft oder die Schwere der Zeitläufte erhöhte Anforderungen an Umsicht und Ausdauer der Boten stellt, werden sie mitunter höher entlohnt. 1465 erhält ein Münchner Bote an den Hof des Kaisers nach Wiener-Neustadt für 58 Meilen je 8H und 1477 einer für 34 Meilen von Kaufbeuren nach Zürich je 10 H Botenlohn. Das Reitgeld für einen Rats­ herrn beträgt zwischen 1430 und 1436 täglich 5 Groschen. Die Gerichtsbeamten^) sind ursprünglich landesherrliche Beamte. Das Rudolfinum von 1294 räumt der Stadt das Vorschlagsrecht des Stadtrich­ ters und seiner Unierbeamten ein. Der Stadtrichter übt den Blutbann und richtet, wie herkömmlich, „nach des Buches Sag und der Stadt Recht". Für die Bedürfnisse und Anforderungen des täglichen Rechtsverkehrs ließ der Rat durch den Stadtrichter Konrad Diener die alten Stadtrechtssätze, das geltende Gewohnheitsrecht und die maß­ geblichen Bestimmungen des allgemeinen Landrechts von Oberbayern zusammen­ fassen und beriet im Mai 1339 in zwei Sitzungen über den neuen Entwurf. Kaiser Ludwig hieß 1340 die so entstandene Rechtssammlung gut, die als „Stadtrechtsbuch" in einzelnen Sätzen bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts Geltung hatte*). Nach dem Rudolfinum darf der Richter den Beratungen der Bürgerschaft über ihre Selbst­ verwaltung und der Beschlußfassung über Ratssatzungen nicht beiwohnen, außer es bittet ihn der Rat darum. Vom Brückenmeister (Bruckhay) kann er die Ausbesserung von Schäden an der Jsarbrücke verlangens. Infolge seiner Doppelstellung als richter­ liches Organ der Stadtgemeinde und des Herzogs hat er teil an den städtischen und landesherrlichen Buß- und Strafgeldern und muß davon seine vier Richtersknechte mit Kleidung und Nahrung versorgen. Von den Zünften der Brauer, Bäcken und Schuster erhält er an den vier Goldfasten Bannpfennige. Während der Stadtrichter *) Der Stadtbote Wilhelm erhält 1457 „von 20 meylen gen Jnsprugk zu 7 1467 für 18 Meilen gen Regensburg und für eine Botschaft nach Salzburg, 1469 für eine Meile, 1473 für 18 Meilen nach Nördlingen je 7 L,. 8) Der Meilensatz von 8 H ist 1481 (für 14 Meilen), 1485, 1491 und 1498 belegt. 3) Ant. Wehner, Die Gerichtsverfassung der Stadt München, München 1876. — Ed. Rosen­ thal, Gesch. des Gerichtswesens u. der Verwaltungsorganisation Baierns I. Bd., Würzb. 1889. 4) O. Riedner, Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayer», Heidelberg 1911. — Ders., Wie das Münchner Stadtrechtsbuch entstand. Propyläen IX (1911/12) S. 568f. Seit Einführung des Stadtrechtsbuches mußte der Richter die Auflassung von Liegenschaften ins Gerichtsbuch eintragen. Günther Reinecke, Münchener Privatrecht im Mittelalter S. 27, München 1936. 6) Denkmäler S. 41s., 354. — Mon. Boica 35/II S. 59.

bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts nur gelegentliche Geldzuschüsse aus der Stadt­ kammer empfängt — wenn die Buß- und Strafgelder nicht zur Deckung der Personal­ ausgaben hinreichen, durch Bezahlung des Hauszinses oder aus besonderen Anlässen, z. B. als 1413 beim Fang von Räubern dem Richter Jobst Rorbeck das Pferd unterm Leib erstochen totti»1)2 —, geraten die Richter Jörg Sandizeller, Oswald von Weichs, Gabriel Mendorffer und Ambrofius von Freyberg, in finanzielle Abhängigkeit von der Stadt, indem fie nach Ratsgeschäft einen jährlichen Sold aus der Stadtkammer erhalten. Damit ist der Stadtrichter, der bis zur Begründung einer städti­ schen Autonomie die volle landesherrliche Gewalt in seinen Händen ver­ einte, in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Stadt gekommen. Der Richter Sigmund Paulstorffer wird seit 1496 wie andere Stadtamtleute mit einem Jahres­ gehalt von 50 rheinischen Gulden in den Kammerrechnungen aufgeführt. Den Amts­ eid beim Dienstantritt mußte der Stadtrichter vor Herzog Albrecht IV., seinen obersten Hofbeamten und einigen Stadtvertretern leisten und alljährlich vor dem inneren Rat wiederholen. Drei Finger auf dem Rechtsbuch, beschwor der Stadtrichter unter Al­ brecht IV., ohne Lieb und Leid, Gunst und Furcht, Feindschaft oder Freundschaft, unbestechlich nur nach seinem Gewissen dem Armen wie Reichen, dem Fremden wie dem Bürger und Landsmann gleicherweise Recht zu sprechen. Gabriel Mendorfer mußte 1491 überdies geloben, Malefizsachen nicht ohne Verständigung des Herzogs und seiner Räte zu verfolgens.

Die nach den Gerichts- und Klosterurkunden des Hauptstaatsarchivs, den Gerichtsbüchern, einem Verzeichnis des Stadtarchivs München und Lipowskys Ur­ geschichten ermittelte gesicherte Reihe der Münchner Stadtrichter lautet vor­ läufig: Jordanus 1239 — Heinrich 1253 bis etwa 12653) — Perchtold 9. Nov. 1269 — Kunrad Teufelhart 12854) — Schluder 1291/935)6 — Konrad Laugnaer 1296 — Herwig Slaespech 2. Okt. 1297°) — Albert Muracher 1298 — Konrad Paulstorffer 13157) — Konrad Diener 1315, 8. Sept. 1319 und 8. April 13248)9— Seyfrid Puechberger 13217) — Hermann Rohrbach 13287) — Heinrich Slaespecky, „do gewaltiger ze München richter" 29. Juli 1330 — Lukas Weitting 13337) — Konrad Diener, seit 1336 Ritter, 5. Okt. 1335 bis 134110) — Wolfgang Wembding 13527) — Johann von Kammerberg 14. Febr. 1350 bis 5. Sept. 1356 — Ulrich von Tor (Torer) 8. Jan. 1359 bis 25. Mai 1363 — Ulrich Nansheimer 1364 bis Mai 1368 — Hans Meix) „Item wir haben geben -em Jobsen Rorbeken unserm richter 29 ung. gülden für ein pfert, das im erstochen ward, da man den Pucher (des Abensbergers Knecht und seine .Gesellen, die dann auch hingerichtet wurden) vieng. actum Margaretae 13.“ K.R. 1412/13. 2) H.St.A. Privilegienbuch 48 fol. 260, 265V. 8) Mon. Boica I, 387; III, 149; VIII, 415, 473. 4) H.St.A. Raritäten-Selekt 106 fol. 4. — Mon. Boica XVIII, 3s. 5) Raritäten-Selekt 106 fol. 13, 24, 33V. 6) H.St.A. Frauenkloster Altenhohenau 5. — Archiv HV. Oberbayern U. 5486. 7) Aus dem Richterverzeichnis des Stadtarchivs. 8) C. u. M. 15 fol. 8, 18v. — Fürstenfeld Kl.U. 135, 142, 181; Nassenfels GU. 8. 9) H.St.A. Fürstenfeld Kl.U. 224. 10) Wolfratshausen GU. 512, Fürstenfeld Kl.U. 288, Benediktbeuern 183. 21

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linger 28. März 1370 — Georg Hocholtinger 13701) — Ulrich Stupf, Ritter 19. Juli 1373 bis 1375 — Perchtold (Precht) Außenhofer 16. Juli bis 11. Nov. 1375 — Hein­ rich Eysoltzrieder 23. Mai 1380 — Ritter Ulrich Pucher 13812) — Konrad Taufkircher 27. Jan. 1382 — Hans Torer von Hornstein 10. März 1391 bis 31. Aug. 1395 — Hans Schilchwatz von Schilchwazenhausen 29. April bis 2. Nov. 1397 — Jörg Ottlinger 1400 bis 22. Aug. 1402 — Hans Holzheimer 14052) — Otto Rorbeck 19. Jan. 1406 bis 26. Aug. 1410 — Jobst Rorbeck von Rohrbach 1413 bis 3. Dez. 1415 — Kon­ rad von Eglofstein 14161) — Erasm Hausner zu Freihausen 14. April 1417 bis 27. Mai 1427 — Konrad von Eglofstein zu Pernfeld 1428 bis 1433 — Christoph Adels­ hofer 10. Juni 1434 bis 17. Oft. 1436 — Eberhard Reittling 14361) — Hans Torer 1439 — Wilhelm Schellenberger 4. Febr. 1440 bis 15. Mai 1441 — Erasm von Tor zu Eurasburg 1444 bis 14. Jan. 14623)4— 5 6Hans Hausner zu Burgstall 1462 bis 5. Mai 1463 — Erhärt Pelhamer zu Schweinbach 3. Dez. 1465 — Gebhard Seyboltstorffer 1466 — Wilh. Maxlrainer 14692) — Sigmund Hirschauer zu Hirschberg 12. März 14701) bis 17. Juni 1471 — Jörg Sandizeller zu Sandizell 19. Febr. 1472 bis 11. Aug. 1474 — Jörg Eisenhofer 11. Febr. 1475 — Wilhelm Maxlrainer zu Altenburg 11. März 1476 bis 1480 — Oberrichter Oswald von Weichs zu Weichs 26. Febr. 1483 bis 19. Jan. 1488, „Oberster Stadtrichter" — Jörg Sandizeller zu Sandizell 18. März 1489, nennt sich „oberstadtrichter"3) — Gabriel Mendorffer 28. Febr. 1491 — Ambrosius von Freyberg zu Kammerberg 30. März 1492 bis 24. Sept. 1493 und 6. Aug. 1496 — Petrus Zeillhofer 1494x) — Christoph Weichser von Weichs 3. Juli 1494 bis 1495 — Sigmund Paulstorffer zu der Kürn 2. Aug. 1497 bis 1504. Während in der älteren Zeit heimische Geschlechter (Schluder, Diener, Stupf) zum Richteramt herangezogen wer­ den, wird es später bewußt mit Hof- und Landadel besetzt, um die Unparteilichkeit der Rechtspflege ficherzustellen. Stellvertreter und gelehrte Hilfskraft des adeligen Stadtrichters ist der Ge­ richtsschreiber, ..scriptor judicis“, der die Buß- und Strafgelder einnimmt, jederrüann auf Verlangen das Gerichtsbuch vorliesi und erläutert und wie sein Gerichts­ herr der Stadt schwört, wenn er zu Gericht sitzt, nach Stadtrecht zu richten. Der Ge­ richtsschreiber und Bürger Perwin Taentzel sammelt seit 1365 das alte bürgerliche Recht der Stadt und zeichnet es auf. Seit Ende des 14. Jahrhunderts, frühestens 1391, führt der Gerichtsschreiber auch die Bezeichnung Unterrichterb). Für die Stadt besorgt er gegen Entschädigung die Anlage der Stadtrechtsbücher. Nach den Gerichts­ und Klosterurkuvden des Hauptstaatsarchivs und einer vom Stadtarchiv München erstellten Liste waren Stadtunterrichter: Perwin Taentzel um 1365 — Hans, seit x) Aus dem Richterverzeichnis des Stadtarchivs. 2) Fel. Jos. Lipowsky, Urgeschichten von München S. 151—159, München 1814. 3) Barthsches Familienarchiv in Harmating. 4) H.St.A. Weilheim GU. 95. 5) H.St.A. Vohburg GU. 205. — Eidschwur und Verpflichtung der Münchner Stadtrichter unter Herzog Albrecht IV., seit 1470, im H.St.A. Privilegienbuch 48 fol. 258—260, 265. 6) „Item 3 & Mon. dem alten unterrichtet zu erung und genad für 1 quatember, da er nach­ sprach. Reminiscere 1397.“ K.R. 1396 fol. 55. — Dachau GU. — Denkmäler S. 386, 500, 577.

1376 Landschreiber*) — Heinricus 1380 — Friedrich Stackmann 1380 — Kunrad Kantzler 25. Nov. 1381 bis 1391 — Hans Güsters 1401 bis 1412 — Ulrich Ungarten 1411 — Hans Güsser 1417 — Friedrich Oberndorfer 17. März 1429 bis 10. Okt. 1430 — Hans Endelzhanser 9. März 1427, 16. April 1433 bis 4. Aug. 1458 — Oswald Rußheimer 17. Okt. 1457 bis 28. März 1463 — Wilhelm Golvhnter 25. März 1463 bis 19. Juli 1473 — Dr. jur. utriusque Ludwig Bart 3. Dez. 1473 bis 30. April 1478, der 1477 in Ingolstadt studiert und seit 1499 wiederholt die Rektoratswürde bekleidet^) — Sigmund Günther 28. Jan. 1478 bis 25. Febr. 1480 — Niklas Fueß 16. Mai 1480 bis 25. Aug. 1497 — Jörg Stubmer (Stubmair) 27. Jan. 1498 bis 1501.

Das Amt des Anwaltes vor dem Stadt- und Ratsgericht war Freundes- und Nachbarspflicht. Der mittelalterlichen Auffassung entspricht, daß der Bürger den Mit­ bürger unentgeltlich vor Gericht verbeistandet. Das Formelwesen des Gerichtsver­ fahrens begünstigt die Ausbildung eines eigenen Standes berufsmäßiger Vor­ sprechen, Fürsprecher, Fürleger oder Redner. Das Amt des Vorsprechen gilt als freier Beruf, doch berechtigt zu seiner Ausübung nur der dem Rat geleistete Vorsprechen-Eid. Die Ansprüche der gewerbsmäßigen Redner, deren wirtschaftliche Stellung bescheiden ist und die sich sehr oft aus Blinden rekrutieren, werden durch Beschlüsse des inneren und äußeren Rats 1415 und 1474 geregelt. Für eine Meldung erhalten die Vorsprechen von der verbeistandeten Partei 4 für eine eintägige Ge­ richtsverhandlung mit Vereidigung der Parteien 8, für eine zwei- oder mehrtägige 16^. Führt ein Vorsprech ein „schlechtes Recht" mit schwerer Müh, soll der Rat den Lohn bestimmen. Zur Förderung der Rechtspflege gewährt der Rat an rechtserfahrene Männer, die sich dem Anwaltstand widmen wollen, kleine Geldzuschüsse; Arme läßt er durch Ratsgenossen verteidigen. Seit 1482 werden vier Vorsprechen vom Rat als der Stadt Vorsprechen erwählt, deren jeder seit 1484 2 % Quatembergeld erhält*). Im Zusammenhang damit werden zu Ausgang des 15. Jahrhunderts die Sätze für die geschworenen Vorsprechen von der Stadt bis ins einzelne geregelt: Reden die Vorsprechen einem Bürger oder Fremden vor dem Bürgermeister das Wort, erhalten sie 4^1, vor dem Rat 8 dabei müsse» sie jeden Ratstag auf dem Rathaus bis 10 Uhr warten, ob jemand ihre Hilfe begehrt. Vertreten sie eine Sache vor Gericht, erhalten sie für jede erste Meldung und Klage — bei Beleidigungsklagen oder bei einem Streitwert unter 50 fl. — 4 L-, für jede Verhandlung 8 X für jeden Schrift­ satz 32 und für jede Beschwerde- oder Berufungsschrift 16 H. Kommt der Rechts­ streit vor den Rat oder vors Hofgericht, für jeden Gerichtstag 32 Diese Sätze ver­ doppeln sich, wenn der Streitwert mehr als 50 fl. beträgt, und vermindern sich bei gütlichen Schlichtungsverhandlungen vorm Hofgericht um die Hälfte. Einigen sich die Parteien bei Bau- und Grundstreitigkeiten auf eine gütliche Kundschaft der Bau!) St.A. Gerichtsbuch I fol. 80. 2) St.A. Gerichts buch II fol. 157 v. 3) Walz, Münchener Studenten. 4) Ratswahlen 1362—1384. — Register der Eide 1469. — C. u. M, 5 fol. 27V. — R.P. 1474 fol. 67V u. 1482. — Westenrieder, Beiträge VI, 119. — Auer, Stadtrecht Art. 273, 414—417.

meister und ziehen dazu Redner bei, erhalten diese 8 H; sonst bet Kundschaftsrecht, so oft mau auf einen Bangrnnd geht, 16 H. Jedermann kann sich vor dem Rat oder Stadtgericht selbst verteidigen; doch erhalten die vereidigten Vorsprechen das Zuge­ ständnis ausschließlicher berufsmäßiger Rechtsvertretung, so zwar, daß jeder den tarif­ mäßigen Satz in ihre Kasse zahlen muß, der mit einem unvereidigten Vertei­ diger bei einer Verhandlung erscheint. Dagegen ist den Vorsprechen bet Strafe verboten, zu einer Taidigung zu erscheinen, jedenfalls um gütlichen Aus­ gleichsverhandlungen der Streitteile und ihrer Laien-Mittler nicht im Wege zu fein1).2 3 Niedere Vollzugsbeamte des Stadtrichters und Rates sind die vier Richtersknechte, welche die Verbrecher aufzuspüren und zu greifen haben und im 15. Jahr­ hundert 15—30 St Wochenlohn aus der Stadtkammer erhalten. Von ihnen ver­ schieden sind die vier Fronboten, Amtleute oder Schergen („praecones“), die als Zeichen ihrer Würde einen Stab tragen und in Ausübung ihres Amtes durch vierfaches Buß- und Wehrgeld geschützt sind. Ihnen obliegt die Überwachung der Krämereien und die Aufsicht auf die Stadtmauer und den Pallisadenbau („Tüll") ihres Viertels; sie müssen dem Bußmeister alles anzeigen, was ihnen strafwürdig erscheint, öffentlich drei Stunden lang ausrufen, wenn ein Eigenbesitz im Stadt­ bereich verkauft und vor Gericht aufgelassen wird — 1473 melden sie von Haus zu Haus, daß am herzoglichen Hof zwei Löwen entsprungen sind?) — und beziehen aus der Stadtkammer außer ihren roten Hüten für ihre Dienstleistung lediglich Teue­ rungszulagen und Zuwendungen?). Vollzugsorgan der Wohlfahrtspolizei ist der dem Rat und den Bettelmeistern unterstellte geringbesoldete Bettlerknecht. Für die Gefangevenaufsicht, die bis ins ausgehende 14. Jahrhundert der Bürger­ knecht in Gemeinschaft mit den Schergen besorgt, wird im „Schlegel in der Scher­ genstube" ein eigener Kerkermeister bestellt. Er hat die Gefangenen mit Essen und Trinken zu versorgen, wofür er 1407 täglich 10, seit 1435 täglich 12 H Atzgeld vom Kopf des Gefangenen erhält. Der Rat erläßt 1468 eine Verordnung, in der die An­ sprüche des Schlegels und Schergenstubenhüters neu geregelt werden. Für das Ein­ und Ausschließen eines Gefangenen erhält er 24 H, von jedem Bürger, den er im Auftrag der Stadt oder des Herzogs einsperrt und verköstigt, täglich 12 H, ohne Kost 6 5i, vom Fremden 16 L-. Ohne Erlaubnis des Bürgermeisters oder Rats darf er niemand zu den Gefangenen lassen. Gefängnis ist der Ratsturm; in Ausnahmefällen werden Wehrtürme der Ringmauer, besonders der Lueger, dazu verwendet. Kerker­ haft als Strafmittel ist der städtischen Justiz fremd, die Häftlinge bleiben nur bis zur Abwandlung ihres Vergehens eingetürmt. Beim Tode Ludwig des Bran­ denburgers werden 1361/62 Konrad Fraunberger von Haag und Jägermeister Konrad Kümmersbrucker in der Stadt strenger Haft gehalten; 1420 liegt Jorg Preumair, des Ritters von Kammer Knecht, ein Jahr acht Wochen im Turm, zwei der seltenen Fälle langer Haft. Die Gefangenen liegen auf Stroh, selbst drei Polster hat der Schlegel T) H.St.A. Privilegienbuch VII fol. 367. 2) Hans Altdorfer war bei Hof als Löwenmetsier angestellt. H.St.A. München GU. F. 29. 3) K.R. 1473. — Denkmäler S. 393, 458, $13.

jtt ihrem Gebrauch; gefährliche Schwerverbrecher werden in den Stock gelegt und an Händen und FLßen angeschmiedet, wozu im Jahre 1444 17 Manns- und Fraueneisen zur Verfügung stehen, in die man die Gestockten und Geblockten schlägt. Die Stadt kommt nur für die Kost der Unbemittelten auf, hat aber jährlich für 100 bis 800 Tage Atzgeld an den Stockmeifier abzuführen. Sicherlich konnte bei einem Tagessatz von 10 bis 12 H eine ausreichende Fleischkost für die Gefangenen beschafft werden; doch ist zu bedenken, daß das, was vom Verpflegsgeld verblieb, dem Schlegel zufiel. In strengen Wintern sorgt der Rat für Feuerung für die Gefangenen. Für die Besorgung der Ratsglocke erhält der Schlegel außerdem vierteljährlich y2 tt -S?.

Zum gerichtlichen Hilfspersonal gehört auch der Henker, Häher, Freimann oder Nachrichter, Züchtiger („iugulus“), der die ausgesprochenen Leibes- und Lebensstrafen zu vollziehen hat. Er führt den Titel Meister. Im Vergleich zu seiner sozialen Stellung ist sein Amt äußerst gut besoldet; denn nicht selten sind gesuchte Mörder als Henker anderer sicher vor Nachforschungen und mancher gewinnt die erste Vertrautheit mit seinem blutigen Handwerk durch seine grausame Erprobung am eigenen Leib. In München wird es geradezu Regel, daß der neue Henker seine unheimliche Kunst zum ersten Mal am Amtsvorgänger versucht. Der älteste bekannte Münchner Henker wird 1321 von seinem Nachfolger Meister Haimprecht gehängt; 1381 verdient der neue Züchtiger die ersten 60 $ durchs Enthaupten des alten, 1408 muß der Ellinger, der 1409 bereits selbst im Turm im Stock liegt, dem alten Häher die Augen ausbrechen, 1422 der neue Züchtiger dem alten Henker die Augen ausstechen und die Zunge herausschveiden*). Und dieser traurigen Übung bleiben sie getreu: Münchens Henker enden regelmäßig durch Henkershand. Einer der letzten Züchtiger des Mittelalters wird von den Richterknechten erschlagen, weil er Gewalt­ taten verübte und Leute bedrohte. Auf der Frankfurter Messe, auf der allerhand fah­ rendes Volk zusammenströmte, wird ein Münchner Henker auf dem Scheiterhaufen verbrannt?). Walten bei -er Kerkerhaft, die nur Untersuchungs-, nicht Strafhaft ist, noch menschliche Rücksichten, so ist die Justiz von unbeugsamer, bis zur Grausamkeit gesteigerter Härte. Minderwertige Elemente sollen aus der Gesellschaft des Mittelalters ausgemerzt werden. Mit Foltern, Wägen, Schnellen, Klemmen, Anhängen von Steinen und durch Sieden im heißen Wasser erpreßt der Henker von den Gefangenen das Geständnis. Die gebräuchlichsten Leibes- und Lebensstrafen sind das Auspeitschen aus der Stadt, das Ohrabschneiden für Taschendiebe und Beutelschneider?), das Abschneiden der Zunge und Blenden für Gotteslästerer, das Enthaupten für Totschläger, das schimpfliche Hängen am Galgen für schwere Diebe, das Rädern, Verbrennen und Lebendig-Begraben für x) „Item wir haben geben y2 & 8 H dem Ellinger haher, das er dem alten Häher die äugen ausprach und umb reder, damit man in verderbt wolt haben." K.R. 1408 fol. 65. — „Item y2 U haben wir geben dem neuen züchtiger, daz ain hacher dem andern hocher oügen ausstach und zungen aussneyd, zü lon." K.R. 1422.

2) Rohde, Gesch. der Stadt Frankfurt S. 263, Franks. 1913. 3) „dem haher 60^, das er eim ein or absneid." K.R. 1411.

Brandstifter, Giftmischer, Kindsmörderinnen und ähnliche schwere Verbrechens. Juden werden in Gemeinschaft von Hunden gehängt). Begnadigung erfolgt aus­ nahmsweise auf Bitten ehrbarer Bürgersfrauen; schwangeren Frauen wird ihre Leibesbürde zur Rettung^). Ein paar verfehlte Schwerthiebe des Henkers, das Atmen des vom Galgen Gelösten^) „heiligen" und retten vor Henkerschwert und Galgen. Die hohen Zahlen für Hinrichtungen, wie sie für Augsburg, Lübeck und Breslau über­ liefert sind°), werden in München glücklicherweise nicht erreicht. Der Henker bezieht 1318/19 ein Quatembergeld von Sx, von 1360 bis 1428 einen Wochenlohn von 32, 40, 60 und schließlich 75 Dazu wird ihm jede Hand­ reichung bezahlt. Für das Klemmen, das „kleine Handwerk" und das Ausstaupen er­ hält er 30—60 H, für das Hangen und Enthaupten 60 X dazu eine Gebühr für Stricke und fürs Schwertfegen; für das Ohrabschneiden, Blenden, Zungenausreißen und Armabhauen 60—120^. Die furchtbarste Strafe, das Verbrennen, kostet 1319 60 L-, seit 1424 mindestens t % 5\. Das Haherhaus liegt zwischen Sendlinger Tor und Heuturm und ist zugleich Freudenhaus und Spielhöhle. Bis 1433 haben Züchtiger und Richtersknechte „platz und spiel hie zu München" als Teil ihrer Besol­ dung inne. Der Rat hält die Richtersknechte an, fleißig darüber zu wachen, wer spiele und spielen lasse und zieht sie zur Buße, damit das verbotene Geld- und Glücksspiel nur im privilegierten Henkerhaus getrieben wird. Er gewährt dem Henker Geld­ zuschüsse, wenn Spiel und Dirnen wenig abwerfen, und erhebt noch 1426 gegen den Dechant von St. Peter durch einen Boten in Freising Beschwerde, weil der Pfarrherr den Henker des „Spiels und Platzes" wegen nicht bleiben lassen will, „den doch die stat von allter her gehabt hat". Da jedoch Henker und Richtersknechte darüber häufig ihre Amtspflicht vernachlässigten und ihre Gewinnsucht wiederholt zu Mord und x) „Von erst haben wir geben dem haher von Aichach 3ß io H, das er eim gotschellter die äugen ausstach, Bartolomey. item und 32$ von demselben plynten hinzefüren." K.R. 1408 fol. 87. — „Item 1^2^ haben wir geben umb holltz, öll, smär und auch den vier richtersknechten und den vier ambtleuten zü dem feur und mit den fachen waren, pis das die zway Menschen, schergensun und dieren verprent wurden umb ir gerät, das sie dem Peter pecken saligen ver­ geben haben, actum erichtag vor cantate anno 33.“ — „Item 10 ß haben wir geben dem hacher oder züchtiger seinen lon von den zwayn Menschen, dem knecht und der dyern, das er die verprent hat." K.R. 1432. — Die Verbrecher erleiden den Feuertod auf dem Armensünderkarren, auf dem sie zur Richtstätte gefahren werden: „Item wir haben geben 40 H umb ein chärl, darauf man die plynten Annen verprant." K.R. 1409. — „Item 2 U $ fyaten wir zallt dem züchtiger ze lon von der frauen, die das kind dertöt hat und die man auf ainem wagen füret und mit zangen prennet und lebentig vergrub, und man gab im bester mer ze lon, darumb das Hans scherg von Cppenhaim ye nit auf den wagen welt zesampt dem haher helfen plasen und machet all sein gesellen widerspanstig. actum vor Mathie 1432." K.R. 1431. 2) „Item 30 H haben wir geben dem Hoffmaister, dem pösen puben dez richtersknecht, die im ain rat schuff, darumb das er die zwen Hund mitsampt dem juden hinausgefürt hat, die man zum juden hencken wollt." K.R. 1423. 3) 1435 wollte man einem Weibe die Ohren abschneiden, was ihr schon in Straubing widerfahren war. Da sie zudem schwanger war, ließ man sie laufen. 4) „Item 84 H haben wir zallt dem siegel kostgelt vom Leytner, der am galgen derhangen ward und wider lebentig ist worden"... „do er als hailig ward am galgen, half man im davon." K.R. 1438. 5) Rud. His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters I, 480, Leip;. 1920.

Totschlag führte, erwirkt der Rat von den Herzogen Ernst und Wilhelm unterm 22. Mai 1433, daß der Züchtiger mit den gemeinen Frauen nichts mehr zu tun habe und daß sein Spielplatz abgeschafft wird. Die Lohnverhältnisse des Henkers werden neu geregelt; die Stadtkammer verabreicht ihm 4/3 Wochensold, während die vier Richtersknechte vom Herzog aus den Gefällen des Stadtgerichts wöchentlich nur 60 H empfangen. Im gleichen Jahre lädt der Rat, da es den Stadtsöldnern gelungen ist, den berüchtigten Mordbrenner und Wegelagerer Gebeck zu greifen und dieser sich durch die schwerste Folter kein Geständnis seiner Untaten abpressen läßt, den ob seiner Kunst gefürchteten Straubinger Häher und vier andere Henker nach München ein, damit er ihnen am Gebeck seine neue Folterungsart erlerne*). An die Pfleggerichte Pfaffenhofen, Dachau, Aibling, Tölz, Wolfratshausen, Pähl und Starnberg muß der Münchner Henker ausgeliehen werden und während dieser Zeit reichen ihm die Pflegrichter Lohn wie in München und überdies Zehrung und Weggeld. Das Volk haßt den Henker, der durch Foltern und Blutvergießen seinen Lebensunterhalt erwirbt, weshalb dem vom Volkszorn Bedrohten auf seinen Reisen zum Schutz gewappnete Reisige beigegeben werden. Seit 1489 erhält er 7 ß Quatembergeld und 1 rheinischen Gulden Wochenlohn von der Stadt, wozu der Herzog 20 fl. beisteuert; außerdem von einer peinlichen Frage 60 H, bei Hinrichtungen 32 Trinkgeld für Stricke und Hand­ schuhe, als höchste Gebühr 2 fl. für die Verbrennung der Leichen von Selbstmördern?). Die Pfändermeisterb) entstammen in der Regel dem Herrenstand, sind in der Kriegsführung, manche auch in der Rechtsprechung, wie ihre Ernennung zu Stadt­ richtern erweist, wohl bewandert und werden samt ihren reisigen Knechten, die sie anfänglich selbst ausrüsten und entlohnen, mit Roß und Harnisch in der Stadt Dienst übernommen, letztere unter der Bezeichnung Pfänderknechte, Stadtsöldner, Renner oder berittene Schützen. Während uns am 22. Januar 1360 Konrad Weißenfelder noch als „geschworener Pfänder" der Stadt entgegentritt*), heißt Konrad der Pobmer 1374 bereits Pfändermeister^). Sein Sohn Stephan Podmer, 1385 Nachfolger des Nikolaus Hübschwirt6), wird am 1. August 1398 als „Pfändermeister und Diener" x) „Item 6ß haben wir zalt ainem poten gen Straubing nach irem hacher, do man kunst von im wolt lernen zum Gepecken, Johannis Baptistae/' — „Item 2 AH haben wir zallt den hachern ze zerung maister Conraden der stat züchtiger, der trug ze vil auf für ander hacher, ir wol vier desmals, do der züchtiger von Straubingen hie ist gewesen, actum sabato vor Petri et Pauli anno 33." — „Item 2,% haben wir zalt der von Straubingen züchtiger seinen lon, den im ain rat schüff, do er Herkamm von des Gebecken wegen, den er in den züber setzet, so das er nahe versäumt und bezieh in, er wer ein wilder schneider. gott behütt einen jeglichen Menschen vor seinem schneiderwerk. actum sabato vor Petri et Pauli 1433." K.R. 1432. 2) C. u. M. 7 fol. 15. — R.P. 1465, 1468. — K.N. 1408 fol. 6$v. — Saalbuch 1443 fol. 13 u. 1444 fol. 48. —H.St.A. München Ger.Lit. 1 fol. 150—162, 270. Privilegienbuch VI fol. 76—79. — Mon. Boica 35/II, 306—312. 3) C. u. M. 7 fol. 15. — K.R. 1393 fol. 44—47, 1396 fol. 46, 1397 fol. 47V, 1490 fol. 26. — Bergmann U.B. Nr. 39 S. 35. — Vgl. Das Kapitel „Kriegswesen." 4) H.St.A. Augsburg St. Ulrich Kl.U. 202. 5) Kranzberg GU. 904. — Gerichtsbuch I, 47. 6) Gerichtsbuch I, 150.

mit 150 Gulden Jahressold bestellt gegen die Verpflichtung, der Stadt mit 4 Pferden und zwei ehrbaren, vollgeharnischten Knechten ju dienens. Als Pfändermeister find weiterhin namentlich verbürgt: Klaus Rorwolf^) 1412, Hans Ramung^) 1432—1434, Heinrich Diesser um 1450, später Stadtrichter von Landsberg, Sigmund Hirschauer zu Hirschberg, der spätere Stadtrichter 1469, Matthias Sendlinger zu Sulzemoos**) 1471, Kaspar Neuchinger°) 1477—1479 und Christian Meßbücher«) 1495. Seit 1470 bezieht der Pfändermeister für sich 100 fl. Jahressold. Pfänderknechte und Stadt­ söldner, die in Abwesenheit des Pfändermeisters auf Geheiß des amtierenden Bürger­ meisters auch selbsttätig pfänden, haben nach einem Ratsbeschluß von 1393 für Zeh­ rung oder Pfandlösung keinerlei Anspruch auf gemeindliche Mittel, es sei denn, daß ihrer einer bei der Verfolgung flüchtender Übeltäter „mit Ehren" ein Pferd verliert. Doch spricht ihnen der Freibrief Herzog Johanns vom 14. März 1393 Pferd, Har­ nisch, Gewand und Barschaft gefangener Verbrecher als Beute zu?). Hervorragende Tapferkeit im Kampf mit Raubrittern und Wegelagerern wird mit ansehnlichen-Geldgeschenken ausgezeichnet. So schenkt der Rat 1428 dem Stadtsöldner Ull Liephart 3V2 15 für die „ehrbar frische Tat", da er den gefürchteten Rück­ hofer bei Vilshofen vom Pferde stach und gefangen nahm. Als abgesagter Feind der Herzoge kostete er der Stadt viel Geld und Gut, da er jahrelang den von der Wiener Messe heimkehrenden Münchner Kaufleuten auflauerte«). An den vier Goldfasten werden die Pferde der Stadtsöldner auf ihre Feldtauglichkeit geprüft; Rosse verab­ schiedeter und mit bürgerlichen Ämtern versorgter Söldner kauft der städtische Marstall an. Namen wie Utz Gall und Ull Murr Appenzeller deuten auf die Schweizer Her­ kunft mancher Stadtsöldner hin; 6—9 an der Zahl, erhalten sie im 15. Jahrhundert aus der Stadtkammer 8—18 rheinische Gulden vierteljährlichen Sold. Werden die Stadtsöldner dem Herzog für Botengänge überlassen, reicht ihnen dessen Rentmeister regelmäßig eine kleine Sondervergütung«). Daß die Wertschätzung des Wehrstandes im Mittelalter hinter der Gegenwart nicht zurückstand, erweist die Tatsache, daß der Erbauer der Frauenkirche Meister Jörg von Polling seine Tochter einem Münchner Stadtsöldner zur Frau gab. Zum Unterhalt der Söldner, der ständigen kleinen Polizeitruppe, die vordem dem herzoglichen Stadtrichter unterstellt und von ihm besoldet war, wird der !) K.R. 1398 fol. 68v. 2) H.St.A. Dachau GU. 64. 8) Kranzberg GU. 911; Benediktbeuern Kl.U. 400. 4) Schrenk-Chronik. — Lipowsky, Urgeschichten I, 292. 5) Haag GU. 485; Pfaffenhofen 802. *) Freising GU. 430. ’) Denkmäler S. 569, 578. °) „Item y2 % 23 S, haben wir geben dem Neidenfeiger ju potenprott, das er atm rat ganc;em rat saget jum ersten mal, das der Rückhover gefangen wer worden von dem Ull Liepharten, wann sein mitreytter hietn vielleicht den Rückhofer darvon lassen komen, wer der Liep­ harten «it gewesen; der pand hasenpfaten an und derrant in und stach in ab dem Hengst, actum est Andreae 1428." K.R. 1428. *) H.St.A. Fürstensachen Lit. 287a.

Stadt 1407 ein Weinungeld verliehen. Seitdem erhalten die Stadtsöldner ihre Löhnung aus der Ungeldbüchse der Söldnermeister, so heißen die beiden über sie ge­ setzten Ratsherren. Heinrich Diener, der „oberste Söldner" — ein neuer Ausdruck für die alte Einrichtung des Pfändermeisters, dem nunmehr auch die Söldner des Richters unterstellt werden — empfängt 100 die 5 Soldknechte Ulrich Pfeffel, Maverstaller, Heintz Schon, Peter Chosmag und Ladsprechen je 20 % Jahressold. Sie sind gedingt von Georgi 1407 bis Georgi 1408, die Stadt bestrettet die hohen Auslagen für Kundschaft und Zehrung. Zunächst führt diese Söldner-Ungeldkasse ein Sonderdasein, später wird der Sonderhaushalt aufgelöst, das Ungeld an die Stadt abgeführt und die Stadtsöldner aus der Stadtkammer besoldet*). Zwei Türmer auf dem Petersturm versehen den Späh- und Wartdienst. Ihr Amtseid verpflichtet sie, ju Mitternacht einander ablösend. Tag und Nacht zu wachen und die Uhr pünktlich zu schlage». Geht Feuer übers Dach, blasen sie mit dem Hüfthorv, nimmt das Feuer bedrohlich überhand, läuten sie Sturm. Das Herannahen eines Gewitters sollen sie den Bürgern durch Blasen auf dem Hüfthorn ebenso künden wie die Ankunft von sechs und mehr reisigen Knechten. 1345 bis 1367 haben die Tür­ mer („Turner", „custodes campanae in turri“, „vigilatores turris“) i N L- gemein­ sames Quatembergeld, 13711% von 1393 bis 1402 bezieht der erste Türmer Ul vierteljährlich 2 bis 3 N, der Türmersgesell Erel Guckhahn 14 ß; von 1407 bis 1500 erhalten die Türmer 50—90 H Wochenlohn. Eine kleine Mehrung ihres dürftigen Einkommens bildet der Jahresrock und die freie Wohnung in einem Haus bet der Stadtschule St. Peter, ferner Einnahmen für das Nachschlagen -er Uhr und fürs Hüfthorn-Blasen zur Jahrmarktszeit. Die geringbesoldeten Türmer sind manchmal unstete Gesellen; 1407 entläuft „der Schalk, der sich Jörg von Straßburg genannt, nachdem er als Stadttürmer vor versammeltem Rat den Türmeretd geleistet und das Drangeld empfangen hat; ein Jahr darauf nahm Heinrich Haudrein von Schwein­ furt das neue Hüfthorn mit, das man eben erst zu Ulm gekauft hatte.

Die Stadtuhr („horglocken", „horilogium“) wird 1371 von einem Nürnberger Uhrmacher gerichtet; eine zweite Stadtuhr auf dem Ratsturm, die nach den Kammer­ rechnungen von 1415, 1435 und 1474 ein Spielwerk hat, zwei wohlgekleidete, mit Ölfarben bemalte Männlein, die zum Stundenschlag auf Drahtfedern tanzen, wird

1377 vom Münchner Schmied Walter verfertigt. Er ist der erste der besoldeten Uhr­ meister mit einem Vierteljahrsgehalt von 2, später 3 rheinischen Gulden. Der 1405 zvgewanderte Meister Heinrich der „Ormeister" fertigt 1407 eine dritte Stadtuhr für die neue Kammerstube. Die städtischen Uhrmeister beziehen von 1416—1500 ein Quatembergeld von 12 ß 4 M 4 ß, außerdem von den Herzogen für die Uhr iu der alten Veste jährlich ein Scheffel Roggen; dazu werden sie für kostDie Einnahmen der Söldnerkasse belaufen sich 1407 auf 305 % 7 ß 24 und zwar: Ertrag des Ungeldes 254 U 39 Zuschuß der Stadtkammer 19 % 45 Zuschuß der Steuerer 32 & 5 ß* Von den Ausgaben mit 305 % 4/5 21 entfallen: 250 // 74 H für Löhnung (hievon er­ hält der Stadtrichter 50 % 74 für Soldrückstand) und 55 & 67 für Kundschaft, Zehrung und Besserung.

spielige Ausbesserungen und Neuanschaffungen der Stadtuhren jeweils eigens tot# lohnt*).

Die Torsperrer oder Torschließer sind verpflichtet, nachts die Stadttore zu schließen und sie niemand ohne Erlaubnis von Bürgermeister und Rat zu öffne«. Der Klosterbäcker Ulrich Pfister, der 1455 dem flüchtenden Frauen meister Stertzinger heimlich bei Nacht das ihm anvertraute Angertor öffnen will, wobei sie ergriffen werdsn, dankt es nur der Fürbitte der Äbtissin und der Klosterfrauen am Anger, daß

ihm der Rat die schwere Strafe an Leib und Gut erläßt. In ältester Zeit (1318—1325) haben zwei nahe den Toren wohnende Bürger zu den vier großen Toren, Tal-, Neu­ hauser-, Schwabinger- und Sendlingertor stets vier Schlüssel, der Torsperrer zum Tor am Kaltenbach („porta super Chaltenpach“) drei, zum Graggenauertor zwei, die Torschließer der übrigen kleinen Tore und Einlasse beim Frauenbad („porte apud balneum Marie“), beim Haus des Bürgers Rindfleisch, beim Spitalmeister im Tal, beim Spitalbader und beim Haus des Marquard Drächsel je einen Schlüssel. Im 15. Jahrhundert erhalten die Torsperrer der vier großen Tore je 10 ß, der drei kleinen, Anger-, Schiffer- und Wurzertor, je 5 ß jährlich. Tagsüber werden die Stadttore seit 1415 dauernd von 4,1490—1500 von 8 Torhütern bewacht, die für 60^ Wochen­ geld darauf achten, daß kein gefährlich Volk durch die vier Haupttore in die Stadt strömt. In kriegerischen Zeitläuften, bei Fürstenempfängen und zur Dultzeit wird die gewöhnliche Tor- und Nachtwache bedeutend verstärkt, die Nebentore werden für den Verkehr völlig geschlossen^).

Neben der bürgerlichen Nachtwache besteht eine aus Salzladern, Ammern, Unterkäufeln und Weinstichern gebildete berufsmäßige Vereinigung der „Wächter und Zirker", die in der Stadt wie auf der Ringmauer „zirken", d. h. bei ihren nächtlichen

Runden von Straße zu Straße, Wehrgang zu Wehrgang, von Turm zu Turm und Tor zu Tor die Wachsamkeit der bürgerlichen Feuer- und Torwache und der städtischen Turmwächter kontrollieren. 1383 stellt der Rat die ersten zwei berufsmäßigen Wachtmänner (Altmann und Voraus) auf, „Zirkermeister" genannt, die bewaffnet in der Stadt die Runde machen. Seit Lucie 1457 lassen sich in den Kammerrechnungen Ausgaben für sechs Wächter und Zirker nachweisen, deren jeder zur Quatemberzeit 2 % zSj und die zusammen jährlich 48 ti Sold erhalten. Dazu kommen verschie­ dene Sondervergütungen in Gefahrszeiten. 1474 zahlen die Stadtkämmerer den „Torhüter» und Wächtern" 147 tt $ß 25 L-, kein Zweifel, daß es sich um bedeutend vermehrten Wachtdievst an den Stadttoren wegen Feindesgefahr Handeltb). Laut eines Ratsprotokolls vom August 1499 sind die Zirker der Aufsicht des äußeren Rates und eines aus ihrer Mitte erwählten Hauptmanns unterstellt; zwei der acht Zirker *) Andre Reichershauser 1454 ist zugleich „Schlosser und Uhrmeister". H.St.A. München, Chor­ stift U.F. 6. 2) Saalbuch 1443 fol. 14. — Liber malorum hominum fol. 24. — Urfehde 9. — K.R. 1318/25 fol. 103 v; 1371 fol. 57; 1407 fol. 60—62. — St.A. Landshut, Kastenamtsrechnungen 1478—1500. s) K.R. 1475: 12 ti 6/S 8H Sondervergütung, 1476: 14 'U 7ß 18 . Mit dem Jahr 1477 verschwindet diese Sondervergütung für die „Wachtmannen und Zirker".

dürfen auf der Wache schlafen, einer hat darauf zu achten, ob der Türmer richtig die Stunden schlägt. In einer Zeit, in der ehrliches handwerkliches Schaffen höchste Befriedigung in sich trug, wollten die Leiter des städtischen Bauwesens nichts als ehrbare Meister sein. „Der Stadt München Maurer", „der Stadt Zimmermann", „der Stadt München Werkleute" heißen in unseren Quellen jene gottbegnadeten Schöpfer ewiger Werke deutscher Baukunst, die das ganze technische Können ihrer Zeit beherrschen, in einem Atem genannt, mit Maurer- und Zimmermeistern, die über das Durchschnittskönnen eines ehrsamen Handwerksmeisters ihrer Zunft nicht heraus­ ragen. Zu ihren Dienstesaufgaben gehört das Entwerfen der Baupläne und die Bau­ gestaltung, das Dingen der Knechte, die Verteilung und Überwachung der Gesellen­ arbeiten, der Kauf von Bausteinen und Baustoffen, Nutz- und Werkholz für die Stadt. Die Werkleute der Stadt sind zugleich ihre Büchsenmeister, der Stadtzimmermann überdies Graben- oder Brückenmeister. Beim Amtsantritt schließen die Stadtwerkleute einen Lohnvertrag, in dem sie der Stadt einseitiges Kündigungsrecht zugestehen: Sie können nicht kün­ digen, der Rat ihnen jederzeit. In schattenhaften Umrissen treten die Werkleute zur Zeit Ludwigs des Bayern heraus, denen Abb. 33. Meisterzeichen München seine große Stadterweiterung und Befestigung ver­ des Dombaumeisiers dankt: die Stadtmaurer („muratores“) Wernher, Götschl Jörg vo» Halsbach. in der Frauen­ und Herold und die Zimmermeister („carpentarii“) Weitold (Grabtafel kirche.) und Leutold Frei. Sie erhallen lediglich einen Jahresrock und werden für jede Dienstleistung bescheiden als Handwerksmeister entlohnt*). Das erste Quatembergeld, seit 1367 vierteljährlich 5 tt, bezieht Meister Hartmann?), Stadt­ zimmermann (1360 bis 1371), dazu einen Jahresrock für 1—2 % H. Seit 1410 er­ halten die Werkleute den üblichen Meisterlohn, täglich 28 ; arbeiten sie nicht für die Stadt, bis zu 15 H tägliches Feiergeld?); seit 1450 nur 2 ® Quatembergeld. Das Jahreseinkommen der Werkmeister erhöht sich bedeutend durch ihre Nebenbeschäfti­ gungen als Bauführer und Bauberater des Herzogs und Bischofs von Freising. Zu den ersten Fachleuten des Baugewerbes zählt Meister Ulrich der Maurer, der Kelle, Hammer und Senkblei im Wappen führt und 1383 sieben Pfund Regens­ burger Pfennig, 3 Goldgulden und einen goldenen Kelch für seinen und seiner beiden Frauen Jahrtag ins Barfüßerklosier stiftet^). Stadtmaurer Meister Johann Strick bezieht 4 L- Quatembergeld, Meister Ludwig (1393—1403) 4, seit 1395 5 % Meister Rudel (1416—1435) nur y2 bis 1 ’M S, vierteljährlich. Der Austausch gegen­ seitiger Erfahrung ist für die Männer der Praxis erhöhtes Bedürfnis, um so mehr *) K.R. 1318/24 fol. 9—13; 1325/46 fol. 6v, 7, 45, 47v, 55, 76V, 241V. 2) H.St.A. Fürstenfeld Kl.U. 458. — K.R. 1360/71. 3) Register der Eide 1469. — K.R. 1360 fol. 21; 1368 fol. 45; 1395 fol. 1; 1397 fol. iv, 46V; 1406 fol. 43. — Kammer-Memorial 1404/05; Baumeister-Memorial 1410 u. 1411; BaumeisterRechnung 1467. 4) Ältestes Nekrologienbuch des Franziskanerklosters fol. 36V.

in jener Zeit mangelhaften Schriftverkehrs. Stadtmanrer Hans Strobel (1433 bis 1440) wird 1434 mit dem Stadtzimmermann Niklas Lauterbach nach Landshut ge­ schickt, um dort die prächtige Architektur der Bürgerhäuser zu studieren. Strobel ist der Baumeister des Zwingers an der Stadtmauer. Sein Nachfolger wird Maurer Hans, vielleicht personengleich mit dem berühmten Meister Hans Haldner, Stein­ metz von München, der im Kloster Tegernsee einen trefflichen Bau aufführt und den Abt Konrad deshalb am 20. Oktober 1458 der Stadt München als Werkmann und Baumeister für den geplanten Neubau der Frauenkirche warm empfiehlt mit den Worten: „Ihr seid mit ihm wohl versorgt!" Meister Hans der Steinmetz fertigt 1467 den Grabstein Herzog Albrechts HI. in die Klosterkirche Andechs, leitet unter Abt Kaspar Ayndorfer die bauliche Umgestaltung des Klosters Tegernsee und formt das Marmorgrab am SUctHdtar1).2 * 4

Für immer mit Münchens Name und Kunst verknüpft ist Meister Jörg Maurer (1468—1488), dessen Persönlichkeit und Schöpfung seine Zeit weit überragt, den unsere Quellen wiederholt Meister Jörg von Polling nennen, wo er im Dienst des reichen Chorherrnstiftes erste Proben seines Könnens ablegt und 1447 ein Haus erwirbt, -en seine Grabtafel in der Frauenkirche nach seinem Geburts­ ort schlicht „Jörg von Halsbach" heißt. 1441 erneuert er Klosterkreuzgang und Kirchenchor in Ettals. Im Dienst der Bayernherzoge kommt er hoch, wie 1461 die entschiedene Stellungnahme der Herzoge Johann und Sigmund gegen ihren Richter in Landsberg Hans Tuchsenhauser beweist, der den Meister pfändet, weil er von seinem Besitztum im Landgericht Landsberg die Scharwerk verweigert^). In den Dienst der Stadt München tritt Meister Jörg von Halsbach am 20. März 1468 mit 2,% S\ Quatembergeld, in ihm verstirbt er 1488. Während unter seiner Oberleitung und nach seinen Plänen der größte Kirchenbau der Stabt entsteht und wächst, nutzt der Bischof von Freising sein Können zur Wölbung des Do­ mes, überträgt ihm der Herzog die Beaufsichtigung der Bauarbeite» an der Neuen Bestes. Auch die Allerheiligenkirche in der Kreuzgasse, welche 1478 als Friedhofs­ kirche der Peterspfarrei zu bauen begonnen nnd 1485 geweiht wird, verdankt ihm ihre Gestaltung. Sein Ruf als Baumeister dringt nach Tirol, der Rat der Stadt Hall bittet ihn 1478 von den Münchner Ratsfreunden zur Besichtigung des Kirchturms der Pfarrkirche und anderer Stadtbauten aus. Die Kirchpröpste der Münchner Frauen­ kirche ehren ihn seit 1472 mit dem Titel Kirchenmeister bei U. L. Frau. Das Vertrauen des kunstsinnigen Herzogs Sigmund genießt er in besonderem Maße; 1479 vermittelt 1) Meister Hans Steinmetz ist bis 1476 in den Weihnachtsehrungen des Klosters Tegernsee nach­ weisbar. Reinhold Spiller, Einleitung zu Fuetrers Bayer. Chronik S. 9ff. — O. Hartig ©. 43, 52. — H.St.A. München GU. 293. — Cgm. 2222 fol. 74. „Meister Ulrich Schwab, der Stadt Werkmann" ist mit seinem vollen Namen nur in einer Ur­ kunde von 1464 im gräflich Törring'schen Archiv verbürgt. Über seine Leistungen verlautet nichts. 2) H.St.A. Ettal Kl.Lit. 36. — O. Hartig S. 39. 8) H.St.A. Landsberg GU. 75 k. 4) K.R. 1470—1488. — R.P. 1468—1470. — St.A. Landshut, Kastenamtrechnung 1471 und 1478. — Domkustoreirechnung 1471. — Mitterwieser, Der Dom zu Fretstng S. 16, Freising 1918.

er zusammen mit dessen Hofbaumeister Hans Trager, dem Erbauer der Blutenburg, für des Herzogs natürliche Söhne einen Hauskauf an der Krenzgasse. Er selbst be­ wohnt 1477 ein Haus im Fingergäßel neben dem Kazmair-Seelhaus. 1485 erhält Meister Jörg die Bezeichnung „Obrister Maurer", die sich seitdem für den ersten Stadt­ maurer einbürgert *). Die Herkunft Meister Jörgs hat bisher allen Deutungen widerstanden. Den schlichten großen Mann, der seine Bauten unter Verzicht auf eitel Zierat als Großes

Abb. 34. Meister Jörg von Halsbach Erbauer des Rathauses und Domes U.L.Fra«. Nach seinem Bildnis im Dom und im'Dayer. Nationalmuseum.

und als Ganzes hinstellte, hat die Phantasie Berufener und Unberufener, Gelehrter und Ungelehrter nicht ruhen lassen und auf die bisher ungelöste Frage nach Namen und Heimat des Meisters Antwort geheischt?). Der Name „Ganghofer", den ihm T) H.SL.A. München GU. 326, 362, 391, 2685; Aibling GU. 887. — O. Hartig S. 56. 2) Michael Wening hat in seiner Topographie Bayerns 1701 den Namen Halsbach auf der Gedenktnschrist in Haselbach verlesen; von 14 Orten dieses Namens in Bayern erhob Sixthaselbach bei Moosburg den ersten Anspruch auf den großen Sohn. Crammer nannte ihn 1776 im „teutschen Rom" „Sandkofer", in der zweiten Auflage 1781 „Sandhofer". Eine Monatsschrift „Die Kinderakademte" leitete daraus 1784 die Lesart „Gängkofer" ab, die vor dieser Zeit 1754 nachweisbar ist. Otto

3oo Jahre nach seinem Tod das ausgehende 18. Jahrhundert verlieh, hat seitdem in der deutschen Kunstgeschichte und Literatur Klang und Volkstümlichkeit behalten. Der Name „von Halsbach" auf seiner Grabtafel hat Anspruch als unwiderleg­ liches zeitgenössisches Zeugnis seiner Herkunft zu gelten. Ein Künstler,

dessen Kunstschaffen 20 Jahre aufs innigste mit München verknüpft ist, mußte so­ viel Anhänglichkeit an seinen Wirkungskreis besitzen, daß sich davon in seinem Geburts­ und Heimatort irgendein künstlerischer Niederschlag finden läßt. Hier konnte die orts­ geschichtliche Forschung nach kunstgeschichtlichen Zusammenhängen Gewißheit bringen. Von den vier Orten des Namens Halsbach in Bayern besitzt die Pfarrkirche in Halsbach im Bezirk Altötting eine Steingruppe, die in ihrer künstlerischen Ge­ staltung der Terrakotta-Pieta der Münchner Frauenkirche so verwandt ist, daß auf diese Kuttstverwandtschaft schon Berthold Riehl aufmerksam machte*), ohne daraus den naheliegenden Schluß zu ziehen, da er im überkommenen Irrtum befangen war, Ganghofers Heimat sei Sixthaselbach. In diesem Kunstwerk hat der große Künstler Meister Jörg in seiner Heimat Halsbach, die weit abseits des Münchner Kunstkreises liegt, ein sichtbares Zeichen seiner Kunstgesinnung und Heimattreue hinterlassen. Das Kunstwerk spricht nicht weniger beredt und verlässig für die Her­ kunft des Meisters wie die Sprache der Urkundens. Meister Jörgs Nachfolger als „oberster Stadtmaurer" wird Meister Lukas aus der berühmten Baumeisiersippe der Rottaler mit 2 '«> vierteljährlichem Bereit­ schaftsgeld und, wen» er für die Stadt arbeitet, Meistertaglohn. Am Stadthaus am Anger führt er 1491 bis 1493 einen Neubau auf und vollendet 1499, in vor­ nehmem Stil und elegantem Aufbau, im künstlerischen Widerstreit mit der Lands­ huter Schule des großen Hans Stetthaimer, die Salvatorkirche, die Gottesacker­ kirche des Frauenfriedhofes. Wie seine Vorgänger ist er auch im Dienst des LandesHartig, „Wie heißt -er Baumeister -er Münchner Frauenkirche?", Die Heimat V, 90, München 1932, legte -ie Entstehung -es Namens überzeugen- -ar, wußte aber selbst noch keine Deutung zu finden. Auch in -er Staatszeitung vom 2. Febr. 1933 nennt Hartig -en Familiennamen Halsbach „rätselhaft un- ungeklärt". Im Bayerlan- 44 (1933) S. 175 behält Hartig -ie „endgütlige Lichtung" aus -em „verfänglichen Gestrüpp" -er Heimat- un- Familienforschung vor. Nun ist auch -iese Streit­ frage für immer gelöst. x) Berthol- Riehl, Gesch. -er Holz- u. Steinplastik in Oberbayern, Abh. -er bayr. Akademie XXIII, 71, München 1906: „Die Terrakotta-Pieta -er Frauenkirche in München gehört gleichfalls dieser älteren Gruppe an, un- ihr verwandt erscheint -ie Holzfigur in Lohkirchen, -ie gleiche Entwicklungs­ stufe zeigt auch -ie Steingruppe in Halsbach (Bezirksamt Altötting, Stein 0,84 m hoch)." 2) Als 1782 Graf Aichold un- Nikolaus Galler München, auf einer Reise von Salzburg nach Straßburg, berührten, fiel ihnen in -er Frauenkirche -ie -urch Alter wie Inhalt bemerkenswerte In­ schrift über -en Erbauer auf: „Jörg von Halsbach hat anno 1488 sein Leben mit -em Bau be­ schlossen un- ihm -ies Ort für seine Ruhestatt auserwählet, auch eben, wie alle Menschen in -iesem vergänglichen großen Weltgebäu-e mit einem sechs bis fieben Werkschuh langen un- kaum zwei breiten Platz vorlieb nehmen müssen." Jahrb. f. Münchener Geschichte II (1888) S. 484. Die Inschrift -er Grabtafel -es Meisters in -er Frauenkirche lautet: „Anno domini 1488 jar an mantag nach sant Michels tag starb maister Jörg von Halspach, maurer -is gotshauß unser frauen, -er mit -er hilff gocz un- seiner hant -en ersten, -en mittlen un- losten stain hat volfuert an -isem pau. -er leit hie pegraben und Margret sein eliche Hausfrau, -en got gena-ig sey."

Tafel VII

Der Dom zu Unserer Lieben Frau, die Bürgerkirche des Mittelalters, erbaut 1468—1488 von Meister Jörg von Halsbach. Überlassen von Prof. Schmnderer.

Tafel VIII

Inneres der Frauenkirche. Über lassen von Prof. Schmuderer.

Herrn tätig1), über den Leistungen der „Stadtmaurer" dürfen wir nicht vergessen,

daß über ihnen sachkundige Ratsherren als städtische „Baumeister" standen; der be­ deutendste ist der fürstliche Baumeister und innere Rat Heinrich Bart, der 1492 für Herzog Albrecht IV. die berühmte Kesselbergstraße zwischen Kochel- und Walchen­ see erbaut, woran heute noch in Höhe des Berges eine Marmorgedenktafel erinnert. Ein Eintrag an der Saaldecke im Schloß Harmating erweist ihn auch als Baumeister der gewaltigen Bastei vor dem Neuhausertor. Das Amt des Stadtzimmermanns ist im 15. Jahrhundert fast regelmäßig doppelt besetzt, da es in der Zeit des Holz- und Fachwerkbaues erhöhte Anforderungen stellt und einer der beiden Meister die Aufgaben des Brückenmeisters betreut. Der Brückenmeister („magister pontis“) Ludwig erhält 1360 ein halbes Pfund Pfennig für einen Jahresrock und Taglohn als Meister; Stadtzimmermann Meister Bolto 1368, Meister Ludwig (1380—1402) und Meister Konrad 1416 beziehen 4 bzw. 5 % Vierteljahrsgeld. Dem Stadtzimmermann Niklas Lauterbach (1421—1450) muß ein glänzender Ruf vorausgegangen sein, da ihn der Rat zwei Jahre nach seiner Be­ rufung auf Lebenszeit an München fesselt, indem er ihm 1423 eine Leibrente von 20 ungarischen Gulden zubilligt, wogegen er kein Quatembergeld empfängt. Lauter­ bach beginnt 1429 den großen Zwingerbau um die Stadt, reist 1434 mit seinen Ge­ sellen zum „großen Meister" nach Augsburg, wo er „der Stadt zu Nutz etwas wollt lernen", und zugleich eine» tüchtigen Ziegelmeister für München gewinnen. Die Stadt Straubing zieht ihn 1440 für ihre Bauten zu Rate. Er stirbt 1450 als „Stadtzimmer­ mann und Brückenmeister"?). Eine kraftvolle, eigenwillige künstlerische Persönlichkeit ist auch Meister Hans Karst (1428—1472), der als Zimmermann mit 6ß Häftelgeld bestellt wird. Als man 1429 einen Hussiteneinfall befürchtet, leitet er in Strau­ bing, sein Mitmeister Niklas Lauterbach in Kelheim den Befestigungsbau der Stadt. Um ihn sein Lebtag dem Dienst der Stadt München zu erhalten, läßt ihm der Rat 1438 statt eines Quatembergeldes 20 ungarische Gulden Leibrente aus der Stadtkammer verschreiben. Hans Karst macht sich 1441 gegen die Sudherren in Re ich en hall anheischig, um eine stärkere Ausbeute der Salzbrunnen zu erzielen, das von den Aufschlagwassern durchsitzende Süßwasser, den Qxler, so zu leiten, daß es dem Salzwasser nicht mehr schadet. Er erhält für die Ausführung dieses technischen Meisterwerkes, das jahrzehntelang von anderen Meistern, zuletzt von Erhard Hann aus Zabern, vergeblich versucht worden war, 1500 ungarische Gul­ den. Mit den Werkmeistern von Landau an der Isar und Passau ist der Münchner „Stadtmeister" Hans Karst am 13. März 1444 Schiedsmann zur gütlichen Beilegung der Forderungen des Klosterbaumeisters von Niederaltaich an Abt und Konvent wegen der Donaubauten. Von Herzog Albrecht HI. von Bayern erhält der unter„4 ß 16 geben maister Lucasen maurer und maister Ulrich zimerman, der stak München werchleut, für Laglon und drinckgellt, als sy den pau am floß beschaut haben am dachwerch in der Wochen vor sonbenttag anno 91." Fürstensachen 287a. — R.P. 1489 foi. 78. — St.A. Landshut, Kastenamtsrechnung 1498. — O. Hartig S. 63, 66f., 76. — Hans Karlinger, Zur Entwicklungsgesch. des spätgotischen Kirchenbaues S. 41, München 1908. 2) K.R. 1423, 1429, 1433 fol. 49. — O. Hartig S. 34—38, 41. ebolleoer Änlichen

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nehmende „Stadt-Werkmeister und Zimmermann" Meister Hans Karst 1449 Hof­ statt und Wasserkraft zu einer Sagmühl in den Jsarauen gegenüber dem herzog­ lichen Eisenhammer im Brunnthal; Herzog Sigmund bewilligt ihm 1467 den Einbau von zwei Mühlrädern und einem Stampfrad. Am 14. Juli 1453 nimmt der Münchner „Werkmeister" als Sachverständiger an einer Abrede der Beauftragten des Herzogs Albrecht III. und des Herrn Ulrich zu Laber über die Bauvornahmen auf Veste Arns­ berg bei Eichstätt teil. Daß seine Haupttätigkeit der Befestigungsbau ist, beweist 1450 sein Titel „Zimmermann und Grabenmeister"*). Zu seiner Zeit wirken der „Werk­ mann der Stadt" Meister Hermann Schrott (1450—1455) und Stadtzimmermann Christian (1450—1460). Meister Franz Meichsner?) ist Stadtzimmermann und Werkmeister (1463 bis 1483) mit 2 tt Vierteljahrsgeld. Im Auftrag des Herzogs reist er 1467 als Gutachter nach Schloß Auerburg. 1470 läßt er sich beurlauben, 1478 ist er mit dem Bau der Bücherei, Sakristei, des Dormitoriums und der Wirtschaftsgebäude in Schäftlarn beschäftigt. Für ihn tritt am 31. Oktober 1470 Meister Heinrich aus Strau­ bing auf 10 Jahre in den Dienst der Stadt München. Er kommt, wie so mancher seiner Vorgänger, aus dem herzoglichen Dienst: am 1. Juli 1469 wird er von Herzog Albrecht IV. von Bayern als Werkmann bestellt, ihm sein Lebtag mit seinen „Künsten" zu dienen. Die landesherrliche Bestallung gesteht ihm 4 Pfund Regensburger Pfennige und 2 Scheffel Roggen zu als lebenslänglichen Jahressold, dazu für die Zeit der Tätigkeit für den Landesherrn den gewöhnlichen Meisterlohn, und hebt ausdrücklich hervor, daß der Meister auch in fremden Diensten arbeiten darff). In München ver­ einbart er 1470 mit dem Rat 2 t6 $ Vierteljahrsgeld, gleich anderen Stadtamt­ leuten einen Jahresrock, freie Wohnung und zu Pfiügsten 2 ti Holzgeld; für alle Werktage, an denen er arbeitet, 28 H Taglohn und Sonntags 8 L- Badgeld. Zum Zeichen des Vertragsschlusses reicht ihm die Stadt einen rheinischen Gulden, seinem Knecht 52 L- Häftelgeld. Sein Gehalt wird 1474 auf 3 U vierteljährliches Bereit­ schaftsgeld erhöht. Gerade zu der Zeit, als Stadtzimmermann Heinrich mit der Aussetzung des Dachstuhls auf die Frauenkirche beschäftigt ist, leitet er im Auftrag des Herzogs den durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart erhaltenen gewaltigen Beschlacht- und Wasserwehrbau der Donau bei Straubing, der den schiffbaren Flußlauf von seinem Rinnsal abdrängt und an die Stadt heranführt*). Da ihn seine vielseitige arbeitsreiche Tätigkeit sehr oft nach Niederbayern führt, gewinnt die Stadt München gleichzeitig seinen Bruder Meister Konrad (1472—1483), der bis zu seinem Tod in Diensten der Stadt und des Her­ zogs tätig istb). Ebensowenig wie den Familiennamen des Erbauers der Frauen!) H.S1.A. Lehenbuch Albrechts III. — Mederaltaich Kl.u. 813. — Hirschberg GU. 348. — K.R. 1438. — St.A. Mühlen 6. — Flurl, Die Saline zu Reichenhall S. 13. — F. X. Hofmann, Altb. Monatsschrift IV (1903) S. 179—181. 2) H.St.A. München GU. 332. — Cgm. 2222 fol. 28V. 3) H.St.A. Haus- u. Familiensachen, Dienstbestallung 11. 4) Fridolin Solleder, Urkundenbuch der Stadt Straubing 1, 399, Straubing 1918. 5) St.A. Landshut. Kastenamtrechnung 1478: „Item mayster Hainrichen und maister Chuen-

kirche Meister Jörg nennen die Quellen den Schöpfer des einzig dastehenden mäch­ tigen Dachstuhls, den Stadtzimmermeister Heinrich von Straubing mit seinem Fami­ liennamen. Auch sein Beiname Heimeran ist erst im ausgehenden 18. Jahrhundert nachweisbar. Auf Holz gemalt hangen die zeitgenössischen Tafelbildnisse der beiden großen Meister der Frauenkirche in einer stillen Turmecke ihrer herrlichsten Schöpfung, so bescheiden, wie „Meister Jörg der Stadtmaurer" und „Meister Heinrich der Stadtzimmermann" zu Leb­ zeiten, im buchstäblichen Sinne Hand­ werksleute, selbander oder mit ein paar Gesellen in der alten Veste, der eine die Stallung ausmauerte, der andere den neuen Brunnen zimmerte *) — Genies des Mittelalters. Nach dem Tode Meister Konrads wird städtischer „Oberzimmer­ mann" der Meister Ulrich (1483—1500) mit 2 'ti> Vierteljahrsgeld; neben ihm erscheint zum erstenmal ein „Unter­ zimmermann", ebenso wie es üblich wird, den Gegenmaurer des obersten Stadtmaurers als Untermaurer zu bezeichnen. Während die Herzoge frühzeitig eigene berufsmäßige Büchsenmeister an­ stellen, sind der Stadt Werkleute nach altem Herkommen ihre Büchsenmeister, vor allem die Zimmermeister, die sich trefflich auf Bedienung und Herstellung der schweren Wurf- und Schleudermaschinen verstehen und mehr als einmal Fehden und Kriege zugunsten der Stadt und des Landes entscheidens. An der Belagerung von Stadt und Feste Friedberg 1422 nehmen drei Zimmerleute als Geschützführer teil: ratt der stak zimerman hab ich geben yeren jarsollt, darumb das mayster Cunrat meinem genedigen Hern gearbeitet hatt, als lang mayster Hainrich an der schlacht zu Straubing gearbaitt hatt, an montag vor sand Gallentag. tuett 6schaffrogken." — München GU. 416,480. — O. Hartig S. 49f. x) St.A. Landshut, Kastenamtsrechnung 1478. 2) Vgl. das Kapitel „Kriegswesen". — Büchsenmeister Ulrich Stier steht 1397—1432 in herzog­ lichen Diensten (München GU. 195. — St.A. Landesherrl. Schuldverschreibungen 15). Hans Vlöschel von München tut sich 1427 im Hussitenkrieg als Büchsenmeister hervor. Beck, Gesch. des Eisens I (1884) S. 931. — Ein Hermann Büchsenmeister, Bürger zu München, ist am 10. Okt. 1430 Siegel­ zeuge in Wolfratshausen (GU. 1126). Meister Hans von der Rosen steht 1459 im Dienst Herzog Albrechts III. als Büchsenmeister (St.A. Korresp. 82). — Jörg Vennd und Peter Vischer (1484) sind herzogliche Harnischmeister (Altbayr. Lehenbuch 3 fol. 3), der Glockengießer und Bürger Ulrich von der Rosen um 1490 Büchsenmeister (Dachau GU. 215; M. Boica 35/II S. 423).

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Meister Niklas Lauterbach erhält 38, Meister Franz 28 und der junge Hansel Karst, des Niklas Zimmergesell, 10 rheinische Gulden Kriegssold für die Bedienung der Geschütze. Als Herzog Albrecht III. am 28. Februar 1439 den Hans von Plan als Büchsenmeister und Geschützgießer in Vohburg bestellt, ist der „Werkmann" der Stadt München Meister Niklas mit dem Büchsenmeister Hermann als Sachverständiger anwesend*). Mit dem Überhandnehmen der Feuergeschütze erwächst aus der Hand­ werkerschaft, aus Zinngießern und Kupferschmieden, aus Zimmerleuten und Malern, der neue Stand städtischer berufsmäßiger Büchsenmeister, die sich auf den Guß der Metallgeschütze wie auf die Herstellung der Munition verstehen und zugleich tüch­ tige Geschützführer find. Den neuen Berufsstand bürgert 1420 Meister Dantz in München ein, ein hervorragender Vertreter der Feuerwerkkunst, der durch die geheimnisvolle Anfertigung von Feuerpfeilev und Brandraketen seine Auftrag­ geber in Staunen und Verwunderung versetzt. Ängstlich und eifersüchtig hüten die Büchsenmeister ihr Berufsgeheimnis, so zwar, daß sie öfter selbst ihren persönlichen Feuerwerksbüchern Zusammensetzung und Mischung bei der Pulverbereitung nur unter rätselhaften Formeln und Schlüsselzahlen anvertrauev. Der Münchner „Maler und Geschützführer" Augustin Dachsberger, der 1443 ein heute im Stadtarchiv Köln verwahrtes Büchsenbuch malte, versteht fich auf Anfertigung der Feuerpfeile, andere auf Feuerkugeln und „wildes Feuer", ja auch auf Feuerbomben und Hand­ granaten^). Als Mischungsverhältnis für gutes Pulver gibt unser Büchsenmeister 4 Pfund Salpeter und je ein Pfund Schwefel und Kohle an. Der städtische Büchsen­ meister Hans Zinngießer erhält 1450—1460 jährlich 10 Schilling bis zu 2 Pfund Pfennig Bereitschaftsgeld, der Büchsenmeister Antoni vierteljährlich 2 Sl, der Büchsen­ meister Konrad Zaunhak 1482 vierteljährlich 4 U 3ß, 1500 bereits 7 % 5\. Lange nach dem Aufkommen der Feuerwaffen behauptet die Armbrust ihre Bedeutung als Verteidigungs- und Angriffswaffe. Die Anschaffung von Armbrüsten für die Stadt wird stückweise beglichen; trotzdem wird ein eigener städtischer Schnitzer oder Arm­ bruster bestellt, der 1394—1435 aus der Stadtkammer vierteljährlich ein halbes Pfund Pfennig Bereitschaftsgeld erhält. Die Stadtpfeifer („joculatores“), die frohen Gefährten im Ernst der Kriegs­ züge und nimmermüden Aufspieler bei Geschlechtertanz und Festgelage, werden von der Stadt in den schmucken Farben weißblau, weißgrün oder weißrot gekleidet. Die drei Stadtpfeifer tragen seit 1471 an der Brust filberne Pfeiferschilde mit den bayeri­ schen Rauten, welche die Stadtkammer im Gewicht von zusammen 8% Mark Silber *) H.St.A. Dienstbestallungen 4. 2) Stadtarchiv Köln. — Cgm. 399. — Daß manche Büchsenmeister hervorragende Techniker sind, erhellt ans dem ehrenden Auftrag der Herzoge Ernst, Albrecht und Heinrich an den Büchsenmetster des Salzburger Erzbischofs Meister Erhard Hann von Zabern 1438, statt der seit Jahrhunderten üblichen Salzgewinnung Besserungen an den Salzbrunnen und Sudhäusern zu Reichenhall einzuführen, um das Salzwasser vom Süßwasser leichter scheiden zu können. Das vom Büchsenmeister Hann gefertigte Modell mußte bei tausend ungarischen Gulden Strafe vor jeder Nachahmung geheim gehalten werden. Den gleichen Betrag erhält er für sein Modell und die auf eigene Kosten ausgeführten Versuche. H.St.A. Privilegienbuch VI fol. 170v—172v.

anschafftO. Die Stadt besoldet 1360 zwei Stadtpfeifer mit 2 N L- Vierteljahrsgeld, 1432 bereits 3 Stadtpfeifer; 1450 beziehen sie je nach Alter und Können vierteljähr­ lich 4, 5 bzw. 5% rheinische Gulden; 1500 ist die kleine Spielschar auf drei Pfeifer und einen Posauner angewachsev. Von Zeit zu Zeit nehmen die Spielleute des Ver­ dienstes wegen Urlaub zu einer Spielreise. Als fahrende Musikanten sind sie steuer­ frei und unterstehen dem Spielgrafenamt, das Herzog Ernst 1438 für Oberbayern dem Hoftrompeter Jörg mit dem Strafrecht über alle fahrende Leute verleiht3*).4 2 5Für 6 die ewig durstigen Kehlen der Stadtpfeifer ist ihr Sold viel zu gering. Das lebens­ lustige Völkchen verschafft sich zur rechten Zeit eine kleine Zulage, die kecken Gesellen versetzen ihre Pfeiferschilde bei Weinwirten für Zechschulden, worauf die einsichtigen Stadtkämmerer sie einlösen, ohne daß je deshalb ein Gehaltsabzug verbucht wäre. Als die Stadtpfeifer 1435 anläßlich des Todes des Herzogs Wilhelm wegen Hoftrauer nicht spielen dürfen, erhalten sie von der Stadt Besserung. Für die Volksgesundheit hat die mittelalterliche Stadt mehr getan, als man gemeinhin glaubt. Seit Beginn der Stadtrechnungen besoldet München Stadt­ ärzte und Stadtapotheker, um der Bürgerschaft heilkundige Helfer, namentlich in Seuchen und Pestläufte» zu sichern. Jeder Arzt heißt Meister oder Magister. Sie scheiden sich scharf in zwei Gruppen, in die wissenschaftlich gebildeten, auf den hohen Schulen mit dem ganzen Rüstzeug ärztlicher Kunst vertraut gewordenen pro­ movierten Ärzte, „Lehrer der Arznei", „Leibärzte", „doctores“, „physici“ und in die aus der anspruchslosen Bader- und Barbierstube hervorgegangenen oder in den Werkstätten zünftiger Chirurgen empirisch angelernten Praktiker, die Wundärzte, „medici“3). Der Wundarzt Meister Konrad von München (1420 bis 1430) zählt zu den namhaftesten Ärzten der Reichsstadt Regensburgs). Zwei

Münchner Magister Jakob Pötschner (Petscher) und Leonhard Hartlieb, ein Sohn des Hofarztes, beziehen 1458 gemeinschaftlich die medizinische Fakultät der Univer­ sität Wien3). Eine angesehene Ärzteschule familiärer Überlieferung und vererbter Erfahrung ist das Haus der Münchner Ärztefamilie Tömlivger, die der Stadt

zwei Jahrhunderte lang tüchtige Wundärzte und auf italienischen Universitäten ge­ bildete Leibärzte und Stadtapotheker schenkt. Oswald Tömlinger ist um 1440 Leib­ arzt des Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg, Jordan Tömlinger, ein „natürlicher Meister", sammelt ein medizinisches Werk „von aller Welt"3), aus dem Dr. Hartlieb wie Bischof Felix von Chiemsee, Doktor beider Rechte und *) Der Stadt Zeugbuch 1444 fol. 2. 2) H.St.A. Privilegienbuch VI, 76, 199. — Die Hoftrompeter sind beritten und erhalten 1433 bereits 24 rheinische Gulden Jahressold, Hofgewand und Pferdefutter wie anderes Hofgesinde. 3) „Scharpp. Item den hat man steurfrey gesagt, ob er sein pad hinlasset und ain barbir und wuntartzte sein wolle, an eritag nach dem suntag letare 63." R.P. 1463. — H.St.A. Kassa- u. Quittungssachen Fasz. 14, 17—20, 26, 31. 4) Roman Zirngibl, Gesch. des baier. Handels S. 293, München 1817. 5) Karl Schrauf, Acta facultatis medicae universitatis Vindobonen^is II, 213, Wien 1899. 6) Cod. germ. 732 fol. 70V: „awer ich Jordan Tömlinger hab von erbergen leutten gehört"; ferner fol. 10, 89V u. 128V. — Schrenk-Chronik.

der Medizin, schöpfen. Magister Sigmund Tömltnger stirbt im 15. Jahrhundert in Parts*). Gegen den Schwur in München zu bleiben, den Einwohnern gegen Bezahlung ärztliche Hilfe zu leisten und nur mit Wissen und Willen von Bürgermeister und Rat aus der Stadt zu fahren, werden die Stadtärzte vom Rat auf 5 oder 10 Jahre be­ stellt; wenn sie sich bewähren, wird der Dienstvertrag erneuert. Mit zunehmendem Ruf verbessern sich die Ärzte in ihren Verträgen, in höherem Lebensalter werden sie zuweilen zurückgestuft. Die Unerbittlichkeit, mit der Krankheit und Alter ihre Opfer fordern, ist der beste Garant für die gehobene soziale Stellung der Ärzte. Tüchtige Empiriker sind den promovierten Ärzten gleich, vereinzelt über sie gestellt. Mit der Besoldung durch die Stadt sind die festen Bezüge der Ärzte nicht erschöpft, in der Mehrzahl sind sie zugleich Leibärzte der herzoglichen Familie und beziehen daraus ansehnliche Gehälter. Ihr Einkommen wächst beträchtlich dank ihrem ärztlichen Wirken in der Stadt und durch Konsultationen auswärtiger Fürstens, Stifte und Klöster, wohlhabender Bürger von Augsburg, Landshut und Ingolstadt. Der Eid für die Ausübung ärztlicher Praxis von 1488 verpflichtet die Münchner Ärzte Arm und Reich getreulich zu beraten, die Krankheit nicht hinauszuziehen, keine neuen Heilmittel an den Patienten auszuprobieren, niemand mit übermäßigen Honoraren zu belasten, Honorarstreitigketten vor Bürgermeister und Rat zu bringen, auf Ratsbegehr die Apotheken zu besichtigen und in ihren Häusern, außer für den Herzog, für niemand Arzneien zu kochens. Die Anfertigung der Heilmittel für den Hof warf erheb­ lichen Gewinn ab: 1457 stellt Dr. Hartlieb dem Herzog Albrecht III. Rechnung über Arzneien in der erstaunlichen Höhe von 161 rheinischen Gulden und 492 7ß 24 Die beiden ersten Ärzte aus der Familie Tömlinger*) (1318—1362), sowie der „Magister Perchtoldus physicus“ (1321—1346) erhalten je 4 N H Jahressold aus der Stadtkammer, der erste bekannte welsche Arzt in München „Bonaventura physicus de Lombardia “ (1345—1346) 3 tt, der Wundarzt „Ulricus medicus“ (1323—1345) dagegen anfangs Z4 , später sogar nur 60 3, Jahresgeld. Magister Heinricus physicus (1337, 1360—1362), Marquard Tömlinger^) (1356—1387), Friedel Tömlinger (1367—1400) beziehen 4 tt Jahresgehalt, Ott Tömlinger (f 1398) in der gleichen Zeit 8 % und der berühmte Chirurg Magister x) Schrenk-Chronik. 2) „Item matster Christoff von München geben ex iussu domini für sein müe, die er mit meinem gnedigen Herrn gehabt hat, auch mit dem Tuslinger, der ain achslpain ausgefallen hat, und für den Heussenfelder, der ain pain abgefallen hat, 40 gülden rheinisch, item seinem knecht 2 gülden rheinisch." Hofrechnung Herzog Ludwigs des Reichen 1474. H.St.A. Fürsten­ sachen Lit. 1340. 8) H.St.A. München Ger.Lit. 84. — „Liebiana" Buchst. „L". 4) Meister Kunrad der Tömlinger (t 1362) von München, begraben im Kreuzgang des Klo­ sters Fürstenfeld, schenkt dorthin eine Hufe in Allach und dem Angerkloster 24 Tagwerk Wiesen. Cgm. 1057 fol. 43 u. 2267/I p. 526 (Bild seines Grabsteins). H.St.A. Fürstenfeld Kl.U. 219, 271, 285. — Mon. Boica XVIII, 168. 5) HiSt.A. München Ger.Urk. 53.

Johannes medicus (1362—1367) sogar 12—26 tt -S?1).2 3 Nur 4 5 drei 6 7 Jahre ist Meister Johannes Rosenbusch (1411—1413) als Stadtarzt mit 10 tt Jahressold tätig; der Rat schenkt ihm ein heute in der Staatsbibliothek verwahrtes Salbenbuch?), aus dem man schließen darf, daß ju seinen Lehrmeistern auch Meister Peter, der Wund­ arzt des Kurfürsten zu Heidelberg, zählte?). Obwohl Rosenbusch 1416 Stadtschreiber wird, gibt er die ärztliche Praxis nicht völlig auf; denn ihm, dem „Lehrer der Arznei" und herzoglichen Leibarzt, verkauft der kranke Herzog Ernst 1435 Hofstatt und Garten im Hackenviertel um 225 rheinische Guldens. Der Stadtarzt Hans Slecht aus Kempten (1433—1441), „lerer in den siben künsten und in der arzney", behandelt 1435 Herzog Wilhelm in seiner letzten Krankheit?). Die Abhängig­ keit der deutschen Arzneiwissenschaft von der italien­ ischen zeigt sich darin, daß Münchner Ärzte in Italien studieren und welsche Ärzte in München die Praxis

ausüben, sogar als Hof- und Stadtärzte. Der welsche Arzt Peter, genannt „Lamparter aus Mailand", siedelt 1434 von Augsburg nach München über. So groß ist das Vertrauen in seine Kunst, daß angesehene Patienten aus seinem schwäbischen Wirkungskreis ihm nachreisen, um Heilung zu suchen: 1438 Bernhard von Rechberg, 1439 der Augsburger Bürgermeister Egen. Er ist adeliger Abstammung, stiftet in die Frauenkirche eine Meßkaplanei, vermacht dem Minoritenkloster 300 rheinische Gulden und seine medizinischen Bücher und wird im Chor der Barfüßerkirche bestattet?).

Abb. 36. Stadtarzt Dr. Peter Lamparter aus Mailand. Violettes Kleid mit schwarzem Überwurf. (Totenbuch der Franziskaner.)

Meister Sigmund Gotzkircher (1440—1475), in den Stadtrechnungen nur als „Meister Sigmund" oder mit seinem Beinamen Sigmund Walchs) geführt, ver­ dankt seine Berufung als Stadtarzt alten Beziehungen zum Stadtschreiber Johannes x) Er ist wohl personengleich mit „Meister Hans der Arzt", der 1377 vor Gericht erscheint und 1393 ein Haus besitzt. St.A. Gerichtsbuch I, 87V; II, 45. 2) Cgm. 3724. „Item das püch ist Maister Hannsen Etat Artzt zu Munichen von ainem gantzen Rat bestattet zu ewigen zeitten." 3) Cgm. 3724 fol. 14. 4) H.St.A. Privilegienbuch VI fol. 114V. „Doktor und Inwohner" zu München nennt sich Meister Hans Rosenbusch am 5. Juni 1437. H.St.A. Wolfratshausen GU. 899. 5) Es ist wohl seine Frau, die als Witwe Katrei des Meisters Hans Arzt zu München 1441 dem Herzog Albrecht 111. den Empfang des Soldes ihres Mannes als Leibarzt quittiert. H.St.A. Staatsverwaltung 3371. 6) Nach dem Lotenbuch des Franziskanerklosters starb Meister Lamparter bereits am 29. Sept. 1439: „obii-t cgregius dominus artium et medicinae doctor famosissimus Petrus Lombartus ex vicecomitibus et nobili stcmmate natus, qui moriens omnes suos libros medicinales et 300 flor. convcntus usui dono dedit. sepultus est in choro ad sinistram ingredientis.“ Nekrologienbuch fol. 39 u. II, 37. — H.St.A. Franziskaner, Bayr. Provinz Lit. 272 fol. 72. — München Chorstift U.F. 5; München GU. 2719. — Mon. Boica XX, 340. 7) K.R. 1466 u. 1470. — R.P. 1467.

Kirchmair. Er wohnt 1432 der Krönung des Kaisers Sigismund in Rom bei, steht vor Ausübung des ärztlichen Berufes der kaiserlichen Kanzlei in Italien vor, wo er lange Jahre weilt, und promoviert erst zwei Jahre nach seiner Anstellung in München 1442 in Padua zum „utriusque medicinae doctor“. Als Stadtarzt erhält er bei seiner ersten Anstellung im Jahre 1440 32, seit 1455 44, 1460 50 rheinische Gulden und wird zwei Jahre vor seinem Tod vom Rat auf 40 Gulden zurückgestuft. Er ist zugleich als Leibarzt am Hofe verpflichtet („doctor aule ducalis Bavariae“) und empfängt 1467 als Leibarzt Herzog Wolfgangs 32 rheinische Gulden Jahresgehalt^). Als wehrhafter Mann hat er Harnische, Helme, Schwerte, Streitaxt, Degen, als Kunstfreund Freude am heraldischen Schmuck seines freskobemalten Hauses am Marktplatz. Ein großer Bücherfreund, tauscht er mit Leibarzt Dr. Hartlieb, Wundarzt Tömlinger und Barbier Scharpp medizinische Bücher aus, von denen flch in den Staatsbibliotheken München und Berlin und auf der Münchner Universitätsbiblio­ thek einige Handschriften erhalten haben. Als er sich 1457 mehrere Monate außer­ halb der Stadt aufhält, verweigert ihm der Rat die Zahlung des Quatembergeldes. Mit dessen Einwilligung geht Meister Sigmund 1459 auf ein Jahr als Stadtarzt nach Regensburg. Vielleicht hängt seine Abwesenheit von München mit der geplanten Übernahme einer Leibarztenstelle bei einem ungenannten Anwärter auf den deutschen Königs- und Kaiserthron zu ungewöhnlich günstigen Honorarbedingungen (200 bis 400 Gulden) zusammen. Unter seinen Patienten findet fich auch Margarete von Bran­ denburg, die Gemahlin Ludwigs des Höckerigen von Ingolstadts. Meister Dr. Hans Ruland wird 1479 auf 10 Jahre mit 32 fl. Gehalt bestellt und tritt nach Ablauf seines Vertrages als Stadtarzt zurück; seit 1485 ist er als Leib­ arzt im Dienst Herzog Albrechts IV. von Bayern. Er ist sehr vermögend und kauft 1490 von seiner Schwiegermutter Elsbet, der Witwe des berühmten Münchner Malers Gabriel Angler, um 600 fl. das Haus am Marktplatz, das später zum Landschaftshaus gezogen wurde, 1493 ein Haus am Anger vorm Wurzertor bei der Schiffmühle und 1494 vom Kloster Weihenfiephan Anger und Wiese dazub). Sein Nachfolger ist der Stadtarzt Dr. Balthasar Mansfeld (1490—1502) mit 32 Gulden Gehalt. Seit 1478 in München nachweisbar, veröffentlicht er seit 1491 Jahr um Jahr Arzneikalender, die außer den üblichen astronomischen Angaben auch Anweisungen für Blutreinigung und Aderlaß enthalten. Herzog Sigmund beansprucht seine ärztliche Hilfe und er­ nennt ihn zum Leibarzt; in die vom Herzog erbaute Wolfgangskapelle in Pipping stiftet der Leibarzt 1479 ein Glasgemälde mit seinem Namenszug. Dank seinem Ruf und Können wird Dr. Mansfeld in oberbayerische Klöster gerufen, auch nach Augs*) Zinsbuch 1388 toi. 21. — H.St.A. München GU. 440, 473, 483, 2589. — Cgm. 2222. — Murnau GU. 315. — St.A. Landshut, Großzollrechnung 1440. 2) Paul Lehmann, Haushaltungsaufzeichnungen eines Münchner Arztes aus dem 15. Jahrh., Sitzungsbericht d. bayer. Akademie, München 1909. — Sets., Aus einer Münchner Büchersammlung des ausgehenden Mittelalters, Festschr. für Georg Leidinger S. 157—164, München 1930. 3) „maister Hanns Ruelant: „Item den hat man befielt zu ainem leybartzt umb 32 gülden rh., also das er gemainer fiat leibartzt gesworner sein sol und an erlauben aines rats oder burgermeifier nicht außziechen." R.P. Januar 1479. — München GU. 2552. — Mon. Boica 35/II S. 428.

bürg geholt. Sein Tagebuch von 1478—1502 mit Eintragungen über Krankenbesuche, Todesfälle, Familienereignisse und wichtige Vorfälle hat sich erhaltens.

Die Haustradition der Familie Tömlinger als tüchtige Wundärzte?) setzen die Stadlärzte Narciß Tömlinger (1400—1427) fort, der zunächst 8, zumeist aber 4 M Jahressold erhält, Hans Tömlinger (1407—1430) mit 4 M und Thoman Tömlinger (1450—1463) mit jährlich 2 M Wundarztgehalt. Gleichviel bezieht der junge Hans Weytennauer von Kempten (1437—1439)« Im Gegensatz dazu erhält der „geschworne städtische Wundarzt" Meister Christoph Synnter (1458 bis 1480), der 1462 das Haus zum Stern beim Krümelsturm an der Dienergasse zur Hälfte besitzt, laut Dienstvertrag jährlich 36 rheinische Gulden, die 1469 bei seiner Wiederbestallung auf 24 zurückgesetzt werdens. Er ist jener Stadtarzt Christoph von Münster, dessen als seinem ersten Lehrer der bekannte Wundarzt Heinrich von Pfalzpaindt an der Altmühl in seinem 1460 geschriebenen Werk „Bündt-Ertzney" dankbar gedenkt, der ältesten Anweisung zum Anlegen von Verbänden, die er als Feldarzt im Dienst des Deutschordens im Polenkrieg erprobtes. Alle seine Vor­ gänger überflügelt der 1482 berufene Meister Hans Seyff von Göppingen (1482—1489), der aus der Stadtkammer jährlich 70 Gulden empfängt und 1486 freiwillig aus dem Dienst der Stadt scheidet. Aus dem Stand der Bader und Barbierer hervorgegangen, war er Höriger und dem Herzog Albrecht IV. von Bayern von Graf Eberhard dem Älteren von Württemberg als Eigen­ mann übergeben worden. Der Herzog bestellt ihn 1482 als Wundarzt mit 20 Gul­ den Jahressold und einem Hofkleid und verpflichtet ihn 1488 auf Lebenszeit bei 28 Gul­ den Gehalt, Kost aus der Hofküche und Futter für zwei Pferdes. Im Oktober 1486 beruft der Rat Sigmund Reinhart von Tegernsee als Wundarzt mit der Ver­ günstigung 4—5 jähriger Steuer- und Wachtfreiheit°). Die Reihe der Wundärzte schließt Meister Hans Neythart (1489—1502), der sich als erster „Wundarzt und Barbierer" nennt, mit jährlich 17 tt 4 ß Gehalt.

Neben den besoldeten Stadtärzten üben auch die Hofärzte, die den Titel „Leib­ arzt" führen, die ärztliche Praxis aus. Leibarzt des Kaisers Ludwig des Bayern ist Johann Hake von Göttingen, ein Kleriker des Bistums Mainz, der bis 1314 1) Karl Schottenloher, Dr. Balthasar Mansfeld, ein Münchner Arzt des 15. Jahrh., Bayer­ land XXV (1913) S. 128 s. — Kunstdenkmäler v. Oberbayern I, 805. — Im Jahre 1910 war im Münch­ ner Kunsthandel das Bildnis eines Arztes in Gelehrtentracht, der ein Buch und Glas mit zwei Schlangen in der Hand hält, signiert 1484, das entweder Dr. Mansfeld oder Dr. Nuland darstellt. Kerscheosteiner, Aus der Ärztegeschichte Münchens in älterer Zeit, Bayer. Ärztezeitung, 34. Jahrg. ©. 308, München 1931. Seine beiden Söhne Wolfgang und Sigmund Mansfeld sind 1492 und 1494 in der Ingolstädter Uoiversitätsmatrikel als Magister eingetragen. 2) Über die Tätigkeit der Wundärzte als Feldchirurge» vgl. das Kapitel „Kriegswesen". 3) Zinsbuch 1388 fol. 21 v. — München GU. 311. 4) Riezler III, 878. — Muffat, Heinr. von Pfalzpeunt, Sitz.-Ber. der b. Akad. S. 564—570, München 1869. — Haeser ». Middeldorpf, Buch der Bündt-Erzney, Berlin 1868. ä) H.St.A. Haus- u. Familiensachen U.Fasz. 75, 79. •) R.P. 1486.

an der Hochschule ju Montpellier als Lehrer der Arznei wirkt. Er bereitete seinem kaiserlichen Herrn jeden Morgen einen Trank gegen Vergiftung, de» Ludwig der Bayer nüchtern nahm und dem er es zuschrieb, daß er heil aus Welschland zurückkehrte. Als Johann von Göttingen 1334 Leibarzt des Papstes Benedikt XII. in Avignon wird, woselbst er 1349 verstarb, nehmen wiederum Ärzte mit kanonischen Würden und Weihen seine Nachfolge ein: Magister Raimund von Valenciennes und Marstglio Raimondini von Paduas. Der Ruf der kaiserlichen Residenzstadt, die auf viele aufstrebende Talente ihre Anziehungskraft ausübt, gewinnt de» ersten Facharzt für München, einen Augenarzt, „magister Johannes, medicus oculorum“, dessen Witwe „die Augenärztin" vor 1351 ihr steinernes Haus am Anger samt Hofstatt und Garten dem Dom zu Freising vermacht^). Nicht allzulange nach der zweiten großen Judenverfolgung in München erhält Meister Sun der Jud, „weiland unser Arzt", von Markgraf Ludwig dem Brandenburger 1358 ein Pferds. Wenig später ist ein jüdischer Meister Jakob der Jud als Leibarzt Herzog Stephans tätig, dem dieser 1368 100 ti Honorar anweist^). Unter den im Kammerbuch der Herzoge Ernst und Wilhelm verzeichneten Münchner Schutzjuden finden sich weitere drei Juden­ ärzte: 1405 Moys Jud der Arzt", der im gleichen Jahr wieder wegzieht, vermutlich weil ihm die Ausübung der ärztlichen Kunst nicht zugestanden wird; 1411/14 Wolf von Augsburg, der bei seiner Niederlassung 3 ungarische Gulden Schutzgeld ent­ richtet), 1414 aber bereits auf 7 Gulden gesteigert wird; schließlich 1425 „Veifl der Arzt, der ohne Schutzgeld zu entrichten noch im gleichen Jahr wieder abziehen muß. Weit über Münchens Mauern hinaus berühmt ist Hofarzt Dr. Hans Hart­ lieb (1440—1468), einer der Männer, die Münchens Ruf als Pflegestätte gelehrter und literarischer Bestrebungen begründen«). Als Leibarzt Herzog Albrechts I I I. erhält er 1440 vom Rentmeister Kaspar Winzerer vierteljährlich 30 rhei­ nische Gulden'). Am 14. September 1442 schenken der Fürst und seine Gemahlin Anna von Braunschweig dem „hochgelehrten unserm Arzt und lieben getreuen Meister Johann Hartlieb, Lehrer der Arznei" ihre Gerechtigkeit am Haus in München an der Judengasse, darin vor Zeiten die Judenschule („synagoga judeorum“) war, die der T) Oefele I, 599. — Westenrieder, Regierungsgesch. des Herzogs Meinhards S. 26, München 1792. — Riezler II, 504, 534. — Dormann, Freising im Kampfe zwischen Ludwig dem Bayern u. der römischen Kurie S. 45, Wiesbaden 1907* 2) H.SL.A. München Ger.U.F. 4. — Auch 1410 wirkt ein Meister Hans der Augenarzt. St.A. Gerichstbuch III, 102 v. 3) H.SL.A. Privilegienbuch 25 fol. 414. 4) H.SL.A. Wasserburg GU. 6. — Samuel Krauß, Gesch. der jüdischen Ärzte S. 30, Wien 1930. — Meister Jakob der Jud erhält von den Bayernherzogen für ein Guthaben des verstorbenen Münchner Bürgers Hans Krug 200 Gulden bezahlt. H.St.A. Moosburg GU. 6. 6) „Item ein Jud genant der Wolf, Artzt von Auspurg, gibt alle jar 3 guldein unger; die hat er heur betzalt Anno xjmo." H.St.A. Fürstensachen 1322 y2. 6) Riezler III, 356, 744, 867—870. — A.D. Biographie X, 670—672. — Karl Drescher, Johann Hartlieb. Über sein Leben u. seine schriftstellerische Tätigkeit, Euphorien XXV, 225—241, 354, 569, 589 u. XXVI, 341, 347/ 48i, Leipz. 1924/25. 7) St.A. Landshut, Großzollrechnung 1440. — Seine handschriftlichen Quittungen mit antiker Gemme in den Kassasachen; 1457 führt er (U.F. 20) ein Einhorn im Wappen.

Beschenkte bis zum Frühjahr zu einer Liebfranenkapelle umbauen läßt**). Dr. Hart­ lieb zählt zu den gesuchtesten Ärzten seiner Zeit: 63 Fürsten und Herren, die in seiner ärztlichen Behandlung stehen, schickt er nach Bad Gastein, das er selbst fünfmal zur Kur arrfsvcht?) und dessen Wertschätzung ihn 1474 zur Übersetzung der „Warmen Bäder" des Bischofs Felix von Chiemsee, Propst zu Solothurn und Komtur zu Zürich, bewegt b). Durch und durch Hof- und Weltmann, Ebenbild des vollendeten cortegiano, genießt Dr. Hartlieb das Vertrauen des Herzogs in so hohem Maße, daß er sein Berater in politischen und kulturellen Fragen ist und wiederholt zu diplomatischen und höfischen Sendungen gebraucht wird: 1446 nach Ferrara, 1447 zum Pfälzer Kurfürst Ludwig in Heidelberg, 1455 nach Böhmen*), 1456 zum Markgrafen Johann dem Alchimisten von Bran­ denburgs). Aufgeschlossen für neue wirtschaftliche Unternehmungen, beteiligt fich Leibarzt Dr. Hartlieb mit der Herzogin Anna und drei Mitgewerken am Goldbergbau im Ammergau. Hartlieb war ein be­ Abb. 37Siegelring lesener Gelehrter voll starkem rassischen Empfinden, der selbst über (antike eine große Bibliothek verfügte, Freund der alten Klassiker, Kenner Gemme) des der ärztlichen Wissenschaft und des damals zeitgemäßen Okkultismus, „Doctor HartÜbersetzer von schöngeistigen und gelehrten Schriften. Einer der hervor­ NPP 1439". ragendsten Prosaisten des Spätmittelalters, verfügt Hartlieb über ein hohes stilistisches Können, eine ausdrucksfähige, wortreiche und eigenschöpferische Sprache. Er ist einer der ältesten medizinischen Autoren in deutscher Sprache, mit ihm beginnt die Reihe der Übersetzer klassischer Werke. Nie bloßer Übersetzer, sondern Sammler, bereichert er, um die Anschaulichkeit der Darstellung zu erhöhen, seine Vorlagen mit eigenen Gedanken, Erlebnissen und zeitgenössischen Ereignissen und merzt Stellen aus, die gegen die gute Sitte oder den höfisch-ritterlichen Zeitgeschmack 1) H.St.A. Andechs Kloster Urk. 12,13, 21. — Privilegienbuch VIII, fol. 32. — Oefele, Script, rer. Boic. II, 231. 2) Cgm. 732 fol. 62V. *) Cgm. 732. 4) K.R. 1455. 5) Wenn Dr. Hartlieb in seinem „Buch aller verbotenen Kunst" den Markgraf Johann von Branden­ burg sechs Mai als Schwager, als „mein Schwager", als „lieber Schwager" anredet, so kann man in der beim Süddeutschen heute noch üblichen vertraulichen Ansprache eine schriftstellerische Freiheit er­ blicken. Nennt er doch auch in seiner Vorrede zu den „Secreta mulierum“ den Bayernherzog Sigmund, weil er am Kaiserhof erzogen war, in poetischer Übertreibung des Kaisers „lieben Sohn". Ungelöst aber bis heute ist die Frage, warum Kardinal Johannes, päpstlicher Legat in Deutschland, im Ablaßbrief vom 20. Nov. 1447 für die aus der Synagoge erbaute Liebfrauenkapelle den edlen, trefflichen Doktor Johann Hartlieb „Schwiegersohn (generum) des Herzogs Albrecht" nennt. Andechs Kl.Urk. 21. Dürfen wir mit Otto Riedner (Histor. Jahrbuch XXXIII (1912) S. 378) diese Bezeichnung als Akt der Gefälligkeit gegen den Stifter der Marienkapelle und kirchliche Anerkennung seiner Frau als natür­ liche Tochter Albrechts III. deuten? Hartliebs ausführlichster Biograph Karl Drescher spricht Sybille als Tochter der Agnes Bernauer an. Im Totenbuch des Barfüßerklosters führt der gelehrte Arzt als Wappen im silbernen Feld einen halben Esel mit goldener Krone um den Hals, was ich auf eine vornehme Abkunft der Gemahlin Sybille deute. Der Leibarzt und seine Ehefrau Sybille verkaufen 1444 zwei Häuser an der Schramwergasse an Perchtold Maurer. Andechs Kl.Urk. 14.

verstoßen. Schon 1430 verfaßt er in seiner Heimat Neuburg an der Donau im Auf­ trag Herzog Ludwigs des Gebarteten eine „Kunst der Gedächtnis". Während seiner Wiener Studienzeit*) widmet er 1434 dem Erzherzog Albrecht VI. von Österreich eine Anleitung zur Minnekunst, das „Buch von Lieb und Minne", eine Übersetzung des „Tractatus amoris“ vom Kaplan Andreas am päpstlichen Hoff). Eines der verbreitet­ sten deutschen Volksbücher wird seine 1444 übertragene „Historie von dem großen Alexander"^), die er 1474, mit Holzschnitten geschmückt, in Augsburg im Druck her­ ausbringt und die bis 1514 zwölf Auflagen, darunter 1493 in Straßburg erlebt. Der Bayernherzogin Anna widmet er 1448 seine Chiromantie, „das Buch von der Hand". Auf Wunsch des Markgrafen Johann des Alchimisten entsteht 1456 sein „Buch aller verbotenen Kunst, Unglaubens und der Zauberei". Ins Bereich der Magie und Me­ dizin gehört auch die seinem Herzog Sigmund, dessen Leibarzt er 1465 wird, gewid­ mete Übertragung der „Geheimnisse der Frauen" (..Secreta mulierum“)4*).5 26 3Der Bürgermeister und innere Rat Hans Pütrich (1447—1467) bewegt seinen Freund Dr. Hartlieb, zur religiösen Erbauung das Marienleben und die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach zu übertragen, die er, um sie dem deutschen Volksemp­ finden näherzubringev, in die Umwelt des Münchner Hofes und seiner Bürgerschaft versetzt °). Seit 1475 ist wiederum ein Italiener, der „Doktor beider Arznei" Archangelus Balduin von Trient Leibarzt Albrechts IV. von Bayern und der herzoglichen Familie. Im August 1499 räumt der Fürst dem welschen Arzt, den er abermals mit 250 rhei­ nischen Gulden Jahressold bestellt, und seinem Sohn eip Haus mit Garten ein, ge­ währt ihnen und ihrem Knecht das jährliche Hofkleid, dazu je 2 Scheffel Weizen und Roggen, 2% Zentner Schmalz, 1% Zentner Unschlittkerzen, 2 Floße Brennholz, ein Schwein, wöchentlich 20 Pfund Fleisch und für 15 Kreuzer Fische, in der Fastenzeit ¥2 % für Fische, 10 Eimer Rhein- oder Neckarwein und 10 Eimer bayerischen Landwem. Der Fürst soll ihm seine Kleider, Bücher und sonstigen Hausrat von Trient nach München schaffen lassen«). Seinen guten Beziehungen zu de» Bayernherzogen — das Vertrauen Herzog Ernsts ernennt ihn 1436 zum bayerischen Rat, den Herzog Johann bewegt er 1441 zum Chorbau der alten Kapelle in Regensburg — und einer eindrucksvollen Rede auf der Provinzialsynode zu Freising verdankt Meister Rudolf Volkart von Hä­ ringen, Professor der heiligen Schrift, Lehrer der freien Künste und der Arznei, 1445 x) Während er in Wien studiert, wird er 1437 vom Generalvikar in Eichstätt als Stadtpfarrer von St. Moritz in Ingolstadt entsetzt, weil er die Priesterweihe noch nicht empfing. H.St.A. Ingolstadt GU. 88. 2) Cgm. 236 fol. 126—266; 241 fol. i—82; 251 fol. i—91. 3) Cgm. 272; 288 fol. i—236; 338, 580. 4) Cgm. 261 und 288 fol. 237—291. 5) Sigmund Hirsch, Das Alexanderbuch Joh. Hartliebs, Berlin 1909. — Dora Ulm, Unter­ suchungen zu Joh. Hartliebs Buch aller verbotenen Kunst, Halle a. S. 1913. — Karl Drescher, Johann Hartliebs Übersetzung des Dialogus M’raculorum von Caesarius von Heisterbach, Berlin 1929. 6) H.St.A. Bestallung vom 11. Nov. 1499. — St.A. Landshut, Kastenamtsrechnung 1500. — O. Hartig S. 55.

seine Berufung nach München und seine Ernennung zum Stadtpfarrer von St. Peter. Mit ihm erhält München einen Gelehrten von vielseitigem Können. In Regensburg war er bereits 1423 als Stadtphysikus mit 100 Gulden Bestallung angestellt, wurde 1424 Stiftsdechant von St. Johann, 1426 Kanonikus an der alten Kapelle und Pfarrer zu St. Kasfian, 1429 Generalvikar der Diözese Regensburg und 1436 Dele­ gierter des Basler Konzils für die Bestrebungen zur Wiedervereinigung der griechi­ schen Kirche. Was der dreifache Doktor, den der wissenschaftliche Ehrgeiz nicht ruhen

läßt, durch die Pfründehäufung in seiner Hand und durch eine ausgedehnte ärztliche Praxis erwirbt, wendet er wieder der Allgemeinheit zu, besonders durch Schenkungen an die Siechen in Regensburg, durch die Stiftung einer Messe an der alten Kapelle und eines Meßbenefiziums auf dem Andreasaltar der Münchner Peterskirche, die er unter anderem mit dem Priel­ hof bei Bogenhausen und mit dem Haus am Würbad in der Graggenau begabt. Um den schadhaften Dechavthof von St. Peter neu aufführen zu können, vermacht er 1447 der Stadt München, unter Vorbehalt lebenslänglichen Wappen des gelehrten Nutzungsrechtes, seine wertvollen medizinischen, Dr. Hans Hartlieb. philosophischen und theologischen Bücher — darunter Springender halber Esel mit goldener Krone im silbemen Stücke aus der Bücherei des Münchner Arztes Peter Lamparter Feld (Totenbuch). — zur Gründung einer „Liberei" seiner Pfarrei, der ersten öffentlichen Münchner Bibliothek, wogegen die Stadt die Pfarrwohnung auf­ mauern läßt. 1462 stiftet er 4 Al L, für die Zugänglichmachung der Bibliothek *). Die Trennung der Pharmazie von der Medizin ist völlig durchgeführt. Außer der Bereitung und dem Verkauf von Heilmitteln und Arzneien befaßten sich die Apo­ theker mit dem Handel von Konfekt und feinen Gewürzen. Schon im 14. Jahrhundert ist eine fast ununterbrochene Reihenfolge festbesoldeter Stadtapotheker nachweis­ bar. Sie führen wie die Ärzte den Titel Meister. Ein ungenannter Apotheker leistet 1319 und 1321 Zahlungen vom Zoll und empfängt selbst 1321 aus der Stadtkammer 6 Al von 1331—1343 in der Regel 8 Al H Jahressold. Märkel der Apotheker wohnt 1358 in dem Haus, das Herzog Friedrich von Teck und später der Landes­ jägermeister Kümmersbrucker von Markgraf Ludwig dem Brandenburger zu Lehen tragens. Ist schon die Tatsache auffallend, daß Apotheker für die Beschaffung, Berei­ tung und den gewerbsmäßigen Verkauf der Heilmittel von der Stadt bestellt und besoldet werden, so noch mehr der Umstand, daß die gelehrten Bereiter der Arznei T) H.St.A. München GU. 2758, 2759, 2763; Wolfratshausen GU. 538; Ritterorden 424, 4283, 436. — Mon. Boica XXI, 135. — Jos. Schmid, Die Urkunden-Regesten des Koüegiatstiftes zur alten Kapelle I, 130, 135—138, 151fr., 161, 166, 168, 182, 401s., Regensburg 1911. — Ernst Geiß, Oberbay. Archiv XVI (1856) S. 209—218. Ein Magister Achaz Keu tel stiftet dem Barfüßerkloster medizinische Bücher; Georg Stau dach, „artium et medicinae doctor“, acht wertvolle medizinische" Werke des Nikolaus aus Florenz, welche das Kloster 1529 dem Stadtarzt Dr. Alex überläßt. Nekrologienbuch I, 30 u. II, 27V—28V. a) H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. 416V.

tn der Frühzeit im Gehaltsbezug den Ärzten gleich- oder über sie gestellt

sind. 1377 erhält Andreas der Apotheker wie gewöhnlich 4% So Nikolaus der Apotheker aus Augsburg zwei Goldgulden. Es ist ein Sohn oder naher Verwandter des kaiserlichen Kanzlers Ulrich Hofmaier, der im hohen Alter verstorbene Nikolaus Hofmaier (1362—1427 nachweisbar), dessen prachtvoller Marmorgrabstein') sich tn der Moritzkirche zu Augsburg erhalten hat, in deren Nähe seine Marienapotheke lag, in deren Herberge die Boten und Abgesandten der Münchner Bürgerschaft und der bayerischen Herzoge stets gastliche Aufnahme fanden. Ein ungenannter Apotheker bezieht vom November 1376 bis Mitte Juli 1377 aus der Stadtkammer 25 y2 ungarische Gulden Besoldung. Um die Jahrhundert­ wende bestehen in München zwei oder drei Apotheken nebeneinander: Jörg Tömlinger?) wird 1393 als Stadtapotheker mit vierteljährlich 2% t6 verpflichtet und ist 1405 und 1408 als Besitzer von Zehentgültev in Neuhausen und 1411 an der Prannerstraße nachweisbar; daneben sind urkundlich belegt 1395/96 Sebastian der Apotheker aus Mailand, der einen Gulden Wochengeld aus dem herzog­ lichen Großzoll bezieht^) und Heinrich Kray (1398—1420), Diener des Pfalzgrafen Ludwig und Apotheker zu München 1398 und 1400, erhält 1404 von der Stadt das Haus „Bäreneck" an der Kaufingergasse^); ferner 1411 Friedrich Kray°). Die Apo­ theker des 15. Jahrhunderts sind den minder tüchtigen Wundärzten wirtschaftlich gleichgestellt. Zugleich üben die Stadtapotheker Funktionen der Hofapotheker, ohne deren Titel zu führen. Der Apotheker Wilpold empfängt 1439 als Besoldung vom Hof 16 Gulden aus dem Großzoll, die ihm Herzog Ernst (t 1435) anwies, ebensoviel nach ihm Apotheker Jörg°). Meister Andre Drottner') (1443—1453) wird auf 10 Jahre bestellt, wobei Stadt und Herzog jährlich je 20 rheinische Gulden zahlen; seine Witwe heiratet der zunächst auf 5 Jahr berufene „Meister Vpolite", Hippolyt Schapprant^), Apotheker am Rindermarkt (1453—1466). Zu Lichtmeß 1471 wird Hippolyt zum herzoglichen „Diener und Apotheker" aufgenommen, also Hofapo­ theker der Sache, wenn auch nicht dem Namen nach. Sein Diensteid verpflichtet ihn, keine unbilligen Preise zu fordern und stets frische, gute Arzneien vorrätig zu halten. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Hippolytschen Apotheke bleibt unberührt^). T) Sei« Grabstein ist abgebildet bet Hefner-Alteneck, Trachten IV, 13, Tafel 243, Franks. 1883 und bei B uff, Der Apotheker Claus Hofmaier, Zeitschr. des H.V. f. Schwaben XVI (1889) S. 161 ff. — Wenn die Schrenk-Chronik sagt, der in das Münchner Patrijiat einheiratende Friedrich der Apotheker ans Augsburg war kein „Purgierkocher", sondern Mitglied des Augsburger Stadtadels, so beweist das nur, daß im Mittelalter die Ausübung des hochangesehenen und gewinn­ bringenden Apothekerberufs auch Patriziern gestattet war. 2) H.St.A. Dachau GU. 833, 834. — München GU. 195. 3) H.St.A. München GU. 11, 12. — Mon. Boica 35/II S. 193. 4) Gerichtsbuch III, 23. *) H.St.A. München, Chorstift U.F. 3, 4. Ismaning GU. 18. ’) Großzollrechnung 1439 fol. 18. ’) H.St.A. München GU. 266. 8) H.St.A. München GU. 301, 323, 2763. — Fritz Ferchl, Münchens älteste Apotheke, Stuttg. 1927 (Apotheke am Rindermarkt). °) H.St.A. Privilegienbuch 48 fol. 246.

1471/73 ist Niklas Hartlieb Apotheker. Haus und Apotheke am Rindermarkt er­ wirbt 1474 Meister Andre Wallis;x) (1472—1485), nach dessen Tod Meister Ma­ thias Hartmanns, dem sie bis 1524 gehört. Der 1488 in München eingeführte städtische Diensteid der Apotheker und ihrer „Knechte" verpflichtet sie, nach zwei in allen abendländischen Apotheken vielgebranchten Arzneibüchern, den Antidotarien aus dem 12. Jahrhundert" des Johannes Damascenus Filius Mesue und des Niko­ laus, Vorstehers der hohen Schule zu Salern, zu arbeiten, stets frische, unverdorbene Heilmittel zu halten, für Zucker keine Ersatzmittel, auch nicht Honig zu nehmen; bei allen Rezepturen im Zweifelsfall bei den Ärzten sich Rats zu erholen und gefährliche Heilmittel vor der Vermischung von den Doktoren prüfen zu lassen. Damit waren dem Glauben des Volkes, den Arzt entbehren zu können, wenn es sich an einen tüch­ tigen Apotheker als heilkundigen Berater wandte, behördliche Schranken gezogen. Die Apotheken konnten vom Rat jederzeit besichtigt und die Güte der Heilmittel ge­ prüft werden. Die Apothekerordnung von 1488 setzt für Hunderte von Medikamente» den Preis genau fest und verdiente deshalb in einer Fachschrift veröffentlicht zu werden. Schließlich verpflichtet sie den Apotheker, jeden Arzt zur Anzeige zu bringen, der ver­ botene Arzneien verschreibt^). Wo in den Stadtrechnungen Frauen als Gehaltsempfängerinnen unter den Amtleuten erscheinen, dürfen wir darin wohl das bis zum Ablauf des Dienstvertrags laufende Witwengeld erblicken; so empfängt 1361 eine Apothekerin vierteljähr­ lich 2 ® von 1399—1406 die Witwe des Arztes Friedrich einen Bezug von einem, später y2 % 44*)«5 26 3Die 7 Hebammen leisten Hilfe bei Frauenkrankheiten; in Pestzeiten gewährt ihnen der Rat namhafte Zuwendungen — 1412/13 den vier Hebammen 3 U $ — damit sie in München verbleiben und werdenden Müttern beistehen^). Die Hebamme Dorothea Pokorin wird 1480 mit 2 5 ß Jahressold als städtische Beamtin angestellt, 1489 Anna Preuin als zweite Stadthebamme mit i % 6 ß verpflichtet. Der Rat läßt 1483 den Hebammen eigene Berufsschilder malen und weist 1490 einer Stadthebamme den Krümmelsturm als kostenlose Dienstwoh­ nung zu. Der Beruf des Tierarztes war ein freier Berufs.

Dem Bildungsbedürfnis der Jugend genügen die beiden Pfarrschulen zu St. Peter und U. L. Frau. Ihre Entstehung erfolgt gleichzeitig mit der Errichtung der Stadtpfarreien. Der Kanoniker Konrad von Ilmmünster wird 1239 als Schulmeister („scolasticus“) in München bezeichnet?), war also Leiter der Pfarrschule bei St. Peter. Bei Abtrennung der Frauenpfarre von der Mutterkirche St. Peter im Jahre 1271 T) H.St.A. München GU. 365» 2) H.St.A. Wolfratshausen GU. 289. 3) H.St.A. München Ger.Lit. 84. 4) K.R. 1399/1400 fol. 82V; 1404/06 fol. 59; 1406 fol. 44v. 5) Vgl. das Kapitel „Wohlfahrtspflege". 6) „Item 50 haben wir zallt dem Rudl rosarzt von der flat pfaerden atnem, das hett das pauchwee. actum 1438." K.R. 1438. 7) H.St.A. München GU. Fasz. 2.

bestimmt Bischof Konrad ausdrücklich, daß jede Pfarrei einen Schulmeister („doctorem puerorum“) zu halten hat*). Mt Beginn des 14. Jahrhunderts erscheint das ausschließliche Schulrecht der Kirche durchbrochen, Schulherr ist der Rat. Er bestellt den Lehrer, bestreitet Bau und Unterhalt der städtischen Schulgebäude vonSt. PeterundU. L. Frau aus gemeinen Mitteln?), beschafft Bänke und Pulte, ja sogar die jum Unterricht erforderlichen Bücher und die Musikalien für den von der Schuljugend gestellten Kirchenchor?). Schulmeister und Schüler wirken im mehr­ stimmigen, instrumental begleiteten Kirchenchor mit, singen bei feierlichen Jahres­ gottesdiensten und beim Salve an Vorabenden von Marienfesten in der Frauen­ kirche, vier Pfarrschüler im Chorrock begleiten seit 1428 mit brennenden Kerzen das Sanktissimum bei Versehgängen, die Geschichte von der Einsetzung des Abendmahles singend*). Der Schulunterricht wird nicht unentgeltlich erteilt; der Schulmeister, der bereits einen Schuldiener („Boten") hat, erhält laut der ältesten Ratssatzung um 1300 von jedem Schulkind an den vier Quatembern 12 H Schulgeld. Jeder Schüler, der acht Tage in eine Schule geht, hat das ganze Jahresschulgeld zu entrichten. Will er vor Jahresschluß aus einer Stadtschule in die andere übertreten, so hat er bei beiden das ganze Schulgeld zu bezahlen. Bleibt der Schüler mit der Zahlung in Rückstand, darf der Lehrer den Schulknaben pfändens. Der alte Stadtschulmeister „Magister Johannes, rector puerorum“ kauft sich 1346 von der Stadtkammer um 36 'M eine Leibrente; das Schulhalten muß also damals recht einträglich gewesen sein?). Die Lehrer genießen freie Wohnung im Schulhaus, versehen Schreiber- und Übersetzer­ dienste im Gemeinwesen und erhalten bei Untererträgnissen des Schulgeldes Zuschüsse seitens der Stadt. Die Stadtschulen sind deutsche Schulen, an denen den Schul­ kindern das für jedermann unentbehrliche Wissen, Schreiben und Rechnen beigebracht wird. An Namen der Lehrkräfte an der deutschen Schule sind uns weiter überliefert: An der Stadtschule St. Peter 1296 Schulmeister Heinrich, 1407 Niklas von Zedlitz, 1438/42 Friedrich Haemerl, ein Kleriker, der in den Streit des Kardinals Grünwalder mit dem Bischof von Freising verstrickt ist, um 1450 Magister Rueßwurm. Der Schulmeister Anton Pfanzelter zu St. Peter, ein Leipziger Magister, führt 1479 nicht ohne Erfolg einen Prozeß gegen den Kaplan der Tulbeckmesse. An -er Frauen*) „Ut uterque rectorum tarn in ecclesia sancte Marie quam in ecclesia sancti Petri habeat doctorem puerorum.“ Mon. Boica XIX, 488. 2) K.R. 1330 fol. 38; 1337 fol. ii6; 1340 fol. 146V; 1345 fol. 229; 1360 foL 22 u. 1368 fol. 67. — „Maister Hansen dem Tömlinger ze steur gen schul 10 gülden." K.R. 1377 fol. 61. Saalbuch 1443 fol. 14: „es ist zu wissen, das auf der schül zu sand Peter sind zway Häuser, die sind der stat mitsampt der schül." 3) „Item Georii pro libro musicali 3 A; item 2 & Martini.“ K.R. 1341 fol. 156. — „Item in purificacione pro libris scolarum 4% U H." K.R. 1343 fol. 187v. — „Item wir haben geben Herrn Mchel 40^ umb daz instrument von des Nycolaes wegen von Zedlitz, der die kint lernt." K.R. 1407 fol. 58. 4) Leo Söhner, Die Musik an der Münchner Frauenkirche S. 3, 6, 7, München 1934. 5) C. u. M. 7 fol. 23. — Denkmäler S. 221, 273. 6) K.R. 1345/46 fol. 218.

schule wirkt 1279 ein „Heinrich, doctor scolarium“1),2 1352 der uns schon bekannte Johann, 1449 Meister Jörg Perger, Schulmeister, 1460/73 nachweisbar als Hilfs­ priester bei U. L. Frau; 1465 Schulmeister Georg, 1474/75 Meister Augustin?). Neben dem Pfarrklerus bildet sich ein eigener weltlicher Stand der Lehrer: Augustin, Sohn des Steinmetzmeisters Erhärt wird 1474 als Schulmeister der Frauenschule, bestellt, um sie nach Wiener Sitte zu verwesen, „da er kein Priester iß"3).4 5 6 * 8 Es fehlt nicht an Eifersüchteleien zwischen den Lehrkräften. Der in der Sendlingergaffe wohnhafte Schreiber Heinrici macht 1469 einen öffentlichen Anschlag, in dem er den Schulhalter und Lehrmeister bei U. L. Frau Albert Hösch zum Wettschreiben vor dem Rat Herausforderin. Für den hohen Stand des heimischen Schulwesens spricht der Umstand, daß der Münchner Thomas Odenhofer um 1460 an die Augsburger Domschule berufen

wurde, wo er zum Humanistenkreis des Hermann Schedel und Sigmund Gossenbrot zählt3). Erst 1478 wird neben den beiden deutschen Stadtschulen eine lateinische Schule gegründet, die Rats-- oder Poetevschule, so genannt von der Übung, poetische Spiele aufzuführen. „Lehrmeister" ist Meister Heinrich Grüninger mit 8 Gulden Quatembergeld, ein gelehrter Mann3), der 1483 Münchens Rechtsbelange im großen Seelgerätestreit bei den juristischen Fakultäten der italienischen Universitäten vertritt. Die Ratsschule ist untergebracht im Hause des Hans Schinder und seit 1489 im Krü­ mels-Haus?), vermutlich beim Krümelsturm; die Stadt kommt für den Hauszins „von der hohen Schul", wie sie stolz in der Stadtrechnung und daher nicht bloß im Volksmund heißt, mit zunächst 12 % 60 H, seit 1489 mit 14 Jahreszins auf. Der Wechsel der auf Vertrag in der Regel mit 10 fl. Quatembergeld angestellten Lehr­ kräfte ist ein großer: 1482 wird vertretungsweise Schulmeister Meister Hans erwähnt, seit 1486 ist der in Ingolstadt gebildete Magister Sigmund Eisenhofer, der spätere Stadtunterrichter, Nachfolger Heinrich Grüningers, 1489 der Rusenhamer „Schul­ meister der Poetrei" und sodann der „neue Schulmeister Franciscus Praun, Lizentiat, vor dessen Dienstantritt zu Michaeli 1489 zwei Schreiber die Schule ver­ wesen. 1497 tritt an seine Stelle Meister Konrad, ein „welscher Schulmeister"3), der am 1. Oktober 7 'ü Vierteljahrsgehalt erhält, aber schon im folgenden Jahr vom Rat auf 8 ti 6 ß aufgebessert wird. *) Archiv des histor. Vereins v. Oberbayern Urk. 5485. 2) H.St.A. München Chorstift U.F. 5, 8, 9, n. — Cgm. 4950. — Heinr. Held, Altbayer. Volkserziehung u. Volksschule 1, 88—90,109 u. III, 147—149, München 1926 u. 1928. — Oberbayer. Archiv XVI, 215. — Mon. Boica XVIII, 415; XIX, 7, 527. 8) R.P. 1474. — O. Hartig S. 52. 4) Oberbayer. Archiv XIII, 43. 5) Zeitschr. des histor. Vereins f. Schwaben 23 S. 181, Augsb. 1896. 6) „Item i U 6^1 zalt dem maister Hainrich schülmaister von ainer bullen zu teut­ schen, invencionis crucis 82." K.R. 1482. ’) K.R. 1490 fol. 28V. 8) Über die weitere Entwicklung des Schulwesens vgl. I. Gebele, Das Schulwesen Münchens, 1896.

XI. Kapitel.

Das städtische Bauwesen.

er Stadtbau, in den Quellen „aedificium“, „struc'tura civitatis“, „unser stat pau" genannt, zählt zu den ersten Aufgaben des Gemeinwesens. Münchens Bürgerschaft war so baulustig, wie nur immer es die öffentlichen Mittel erlaubten. Aufführung und Unterhalt der zahlreichen, weitausgedehnten städtischen Bauwerke, des Rat-, Rechtund Stadthauses, der Fleisch- und Brotbänke, Kauft und Lagerhäuser für Salz, Korn und Wein, der Anstalten für Kunst und Gewerk, der „schlagenden Werke" vor der Stadt, die Anlage der Brunnenleitungen, Uferschutz- und Brückenbauten, die Pflege und Pflasterung der Straßen und Plätze, in erster Linie aber die umfassenden Befestigungsarbeiten an Wall und Graben, die zweifache, mit den bayerischen Rauten geweckte oder in den Münchner Farben schwarzgelb bemalte Ringmauer mit ihren 8 Toren und ioo Türmen, mit Zugbrücken und Vor­ werken erheischen Jahr um Jahr einen beträchtlichen Geldaufwand. Oberste Baubehörde ist der Rat, dem Kaiser Ludwig 1342 die letzte Entscheidung in allen Bausachen ausdrücklich zugesteht, Aufstchtsbeamte sind die Kämmerer. Ihnen obliegt die Prüfung der Pläne und Entwürfe der städtischen Werkleute, die Verteilung der Baulose und Lieferungen an Handwerker und Künstler, die Überwachung der Ausführung, das Andingen der Arbeitskräfte, der Holz- und Steinkauf. Die Stadt­ kammer bestreitet die Beschaffung der Baustoffe und die Auszahlung der Werklöhne. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erscheint neben Rat und Stadtkämmerern eine besondere Baubehörde, die geschworenen Baumeisters. Ihre Zahl schwankt nach Größe und Umfang der zu bewältigenden Bauaufgaben zwischen zwei und vier; jeder hat zwei Jahre im Amt zu verbleiben und den neuen Amtsgenossen in seinen Beruf einzuführen. Sie sind seit Beginn des 15. Jahrhunderts zugleich oberstes über-

wachungsorgan der Stadtbefestigung. Ihre Aufgabe ist zugleich die Handhabung der privaten Baupolizei: alle Pläne für Neu- und Umbauten sind ihnen vorzulegen. Sie prüfen den Bau von Lauben, Erkern und Altanen, damit die flächige, wenig aus­ ladende Architektur des heimischen Ziegelbaues gewahrt bleibt, prüfen Fenster, Kamine und Dachtraufen auf ihre VorschriftsMäßigkeit an Hand der Bauordnung. Außerdem sprechen sie das Urteil im Kundschaftsrecht bei Baustreitigkeiten bürgerlicher Parteien. Der erste Rechtstitel des Münchner Stadtbaurechts ist der königliche Gunstbrief Ludwigs des Bayern von 1315, der den Marienplatz von allen störenden Einbauten säubert und die Fleischbänke vors Talburgtor verlegt, „damit der Marktplatz desto ustsamer, desto schöner und gemachsamer sei, Herren, Bürgern, Gästen und allen *) Ratswahlen 1362—1384 fol. 8v; Baumeister-Rechnungen 1467; Bauordnung von 1489. — H.St.A. München Gericht Lit. 83. — Auer, Stadtr. S. 200—222.

Leuten, die darauf ju schaffen haben". Ein zweiter Rechtstitel der Freibrief des Kaiservon 1342, der auf der Mauerung der Neubauten und der Deckung mit Ziegeln be­ steht. Das Stadtrechtsbuch von 1347 erneuert und erweitert die Bauvorschriften: Das Erdgeschoß muß fortan gemauert werden. Bedacht auf Schönheit, Sicherheit und Sauberkeit der Stadt beschließt die Bürgerschaft 1370 alle das Stadtbild störenden Bauten rücksichtslos abzubrechen. Aus den alten Bausätzen erwächst die durch reichen und tiefen Gehalt ausgezeichnete, öffentliches wie bürgerliches Bau­ recht, Gesundheitspflege und Wirtschaft umfassende Bau- und Kundschaftsordnung von 1489, die bis 1863, in einzelnen bürgerlich-rechtliche» Bestimmungen sogar bis 1900 in Kraft bleibt**). Stadtmauern waren ein wesentliches Erfordernis der Stadt, ein Ort ohne Mauern wäre Dorf geblieben^). Heinrich der Löwe umgab alle seine Neugründungen, nament­ lich Lübeck und Lüneburg, mit einem Mauerkranz. Daß der Welfenherzog auch München zur Sicherung seines Marktes und seiner Salzniederlage vor feindlichen Überfällen

außer mit Erdwall und Graben mit einer Ringmauer umgab und nicht etwa bloß mit einem Pfahlbau, dafür ist Beweis jener „Ortolf, qui praeest muro“, der Bau­ leiter der Münchner Stadtbefestigung, der mit dem Zöllner, Münzmeister und anderen Mitbürgern unter Propst Heinrich (1164—1200) eine Schankung des Grafen von Valley ans Kloster Schäftlarn bezeugt). Der Umfang der Löwen-Stadt ist aus den ältesten Steuerbüchern klar ersichtlich; die Altstadt ist die „civitas inferior“ oder „innere stat". Die ältesten Stadtmauern liefen an der Seite des alten Stadt­ grabens, des inneren Grabens, vom westlichen oberen Tor (porta superior), auch Kaufringertor*) und später „Schöner Turm" geheißen, durch die Augustiner- und Schäfflergasse zum nördlichen „hinteren Schwabingertor, später Wilbrechtsoder Tömlivgerturm genannt, von der Weinstraße durch das Schrammengäßchen zum vorderen Schwabingertor (um 1400 „Krümbleinsturm"), von dort durch die Dienergasse zum unteren Tor (porta inferior), auch Talbruck- oder Talburgtor beim Rathaus, deshalb später Ratsturm geheißen. Durchs Krottental (Rosental) gelangte man zum inneren Sendlingertor („Pütrichturm") und durch den Färbergraben zum oberen Tor zurück. Die bei Grabungen freigelegte innere Stadt­ mauer war aus 33 cm langen, 15 cm breiten und 7 cm dicken Klinkersteinen gebaut, unten 1,50 m, oben 1,20 m stark; die Grundmauern aus Tuffstein auf Beschlächten von prächtig erhaltenem Lärchenholz gesichert. Die Geschichte der Stadtbefestigung vergegenwärtigt uns das Wachs­ tum Münchens. Mit dem Aufblühen der Stadt als herzogliche Residenz (seit 1255) !) Mon. Boica 35/II S. 41, 81. — Westenrieder, Beitr. VI, 95. — Josef Wiedenhofer, Die bauliche Entwicklung Münchens vom Mittelalter bis in die neueste Zett S. 1—23, München 1916. — Denkmäler S. 74. 2) Maurer, Städteverfaffung I, 68, 117; II, 70—72. — Krenner, Histor. Abhandlung der Akademie II (1813) S. 141fr. 3) Mon. Boica VIII, 410. *) 1484 wirb der Bürger Urban Wernstorffer entschädigt, weil die Stabt den Turm an der Kaufingergasse zu nahe an sein Haus gebaut hatte. St.A. Kaufingergasse 3.

beginnt die zweite große Bauperiode der Stadtbefestigung. Es galt die Vororte und das bebaute Gelände vor den Toren in den schützenden Mauergürtel der Befesti­ gung aufzunehmev; durchgehende Stadtmauern waren im 13. Jahrhundert noch eine Seltenheit. Das außerhalb der alten Stadtmauer gelegene Nonnenkloster der Klarissinnen am Anger ist 1287 in den Mauerring bereits einbezogen („intra muros civitatis Monacensis“). Um 1300 fährt die Bürgerschaft fort den äußeren Mauer­ ring zu erweitern und zu verstärken; denn am 3. März 1301 weist ihr Herzog Rudolf, der mit seinem Oheim König Albrecht im Kriege lag, um die Bauausführung zu beschleunigen, sein Zollungeld am oberen und unteren Tor so lange zu, bis die ganze Stadt mit Mauern um­ geben ist. Wendet sie für den Mauerbau aus eigenen Mitteln zu wenig auf und betreibt sie den Bau saumselig, kann sie auf Spruch eines Schiedsgerichtes, das aus zwei Räten der Stadt und des Herzogs besteht, im nächsten Jahr zu erhöhten Aufwendungen verpflichtet werden. Die Willensstärke des königlichen Stadtherrn und die Gefahr einer drohenden Belagerung geben dem Abb. 39. Geselle. Rippenanfänger hoch Mauerbau neuen Auftrieb. Bei Donauwörth im oben am achtsettige« Pfeiler des Domes. Feld liegend, gebietet König Ludwig am 25. Sep­ tember 1315 dem Richter, dem Rat und der Bürgerschaft, die Stadt mit Mauern und Gräben zu befestigen, so gut sie könnten. Erteilt ihnen aber auch die Gewalt, Häuser, Mühlen und Städel vor der Stadtmauer, die der Verteidigung gefährlich werden können, abzubrechen, ebenso alle Holz- und Steinbauten, die innen zu nahe an die äußere Stadt­ mauer gebaut sind*). Vier Jahre später ist der Mauerbau noch immer im Gang; denn Ludwig der Bayer bestätigt der Bürgerschaft 1319 die weitere Nutznießung des Zollungelds am oberen und unteren Tor zur Stadtbefestigung^). Die erweiterte äußere Stadt („civitas exterior“) umschließt im weiten Umkreis die Altstadt und ist durch den äußeren Graben abgegrenzt. Den vier alten Stadttoren entsprechen vier neue Haupttore an den verlängerten Hauptstraßen, das Neuhauser-, Unsers Herrn-, Isar- oder Tal- und das neue Sendlinger Tor, ursprünglich ein hoher zinnenge­ krönter Torturm, dem zwei mächtige sechseckige Türme vorgelegt wurden. In den Mauerring fügte man, wo das örtliche Bedürfnis es erforderte, Nebentore ein, das Angertor am Ende des Unterangers, das Schiffer- oder Spitaltor, auch Einlaß beim Taschenturm, das Teckentor zwischen Schiffer- und Jsartor3*),2 das Graggevauer- oder Wurzertor. !) Noch 1456 mußte der Wagner Jobst Spannsrad im Tal, der ohne Erlaubnis des Rates beim gewölbten Turm zwischen Taltor und Teckenturm zu nahe an die Ringmauer baute, versprechen, seinen Bau auf Ratsgeheiß sofort abzubreche». St.A. Westenriederstr. 1. 2) Mon. Boica 35/II S. 25, 49, 54. — Denkmäler S. 56, 85, 99.

3) In den Jahren 1333—1346 wird an der Stadtmauer im Tal gebaut; bei dieser Gelegen-

Mehr als ein Jahrhundert ruhte der Mauerbau; nur die notwendigsten Bau­ änderungen wurden vorgenommev, so in den Jahren 1361, 1409, 1412—1416 und 1424. Die Furcht vor den Hussiteneinfällen bestimmte den Rat, die Ringmauer auf ihre Mehrbarkeit zu prüfen. Es ergab sich die Notwendigkeit eines durchgrei­ fenden Umbaues und einer teilweisen Neuanlage der ganzen Stadt­ befestigung. Der damit verbundenen dritten Bauperiode lag ein wohl­ durchdachter Bauplan zugrunde. Auf Geheiß des städtischen Bauleiters Meister Nicklas mußte 1428 ein Maler einen Grund- und Aufriß nach dessen „Visierung" entwerfen, „damit man desto besser wisse, wie man den Bau der Stadt anfangen und machen soll". Noch 1429 wurden die Arbeiten in Angriff genommen und bis 1472 ohne Unterbrechung fortgesetzt, in welchem Jahre man beim Angertor abschloß1). Herzog Albrecht IV. bewilligte der Stadt 1476 die Anlegung von Zwinger und Graben im Schloßgarten von der Neuen Veste bis zu Unsers Herrn £or2).3 4Der Zwinger­ und Grabenbau wurde 1478—1481 bei der Neuen Veste und am Wurzertor wieder ausgenommen und nach einer abermaligen längeren Unterbrechung 1494—1499 voll­ endet. Ja dieser langen dritten Bauperiode wurde der Befestigungsgürtel Alt­ münchens in dem Zustand hergestellt, in dem ihn Dr. Hartmann Schedel in seiner Weltchronik der Nachwelt überlieferte und in dem er bis ins 19. Jahrhun­ dertbestand und seinen Zweck erfüllte2). Hinter dem erweiterten und vertieften Wasser­ graben erhebt sich ein doppelter Mauerring mit einer Durchschnittsstärke von iy2 m, getrennt durch den Zwinger, unterbrochen von Türmen, Toren und Ein­ lässen. Das Befestigungswerk ist im ganzen Umkreis verstärkt durch die in regelmäßigen kurzen Abständen — im Norden und Westen wegen des freien Dorgeländes etwa 43 m, an der durch zahlreiche Wasserläufe und die Isar geschützten Südostseite etwa 86 m — sich erhebenden rechteckigen, zinnengekrönten Mauertürme. An Toren und Ecken, den strategisch wichtigen Punkten der Stadt, springen mehrstöckige Wehrtürme basteiartig vor, um mit Feuergeschützen die dazwischen liegenden Mauerlinien bestreichen zu können: so der älteste Wartturm, der hohe „Lueg ins Land" („lueger") mit freiem Fernblick über die Jsarhöhen, der Merbot-, Greimolt-, Drächsel- und Falkenturm, der 1494 erbaute massive Jungfernturm, eine weitausladende mächtige Bastei zwischen Neuhauser- und Schwabingertor*). Die Außentore sind nach dem System heit ist um 1338 das Teckentor („porta nova in valle“) entstanden. K.R. 1325—1346 fol. 66v, 78V 193, 208 v, 229v, 245.

T) „Und man nam auf das mal kainen paumaister mer, wann der grab hat nun ain ennde bei dem Angertor und gantz volpracht außhalb um die neu vest." R.P. 1472 fol. 46V. — Quelle der ganzen Darstellung sind die Kammerrechnungen. 2) St.A. Stadtgraben 4. __ 3) Hefner, Oberbayr. Archiv XI, 222—225. — I. Klob, München i. I. 1493 nach Dr. Hart­ mann Schedels Chronikon Norimbergense, München 1848. — Aufleger-Trautmann, Altmünchen in Bild und Wort S. 36—38, München 1897. — Otto Kleemann, Die Befestigungen Altmünchens, Jahrb. f. Münchener Gesch. IV, 215—232, Bamberg 1893. — Karl Müller, München als befestigte Stadt, Bayerland XIV (1903) S. 507—509, 519—521, 531; XXIII (1912) S. 3ff. u. XXV (1914) S. 669—671. — Gilardone, Wälle und Mauern um München, Bayerland XLVI (1935) S. 673—699. 4) R.P. 1494.

der Barbakane errichtet, b. h. dem eigentlichen Torturm ist zum Schutz ein viereckiger, mit Mauern umschlossener Raum vorgelagert, der an der Außenseite durch niedrige Tortürme abgeschlossen wird, j. B. das Jsartor durch zwei achteckige Flankentürme. Um die ganze Stadt lief ein gedeckter, zinvenbekrönter Wehrgang, der auf eivgemauerten Balken ruhte oder aber von den durch Rundbogen miteinander verbundenen Verstärkungspfeilern getragen wurde. Die um 1385 erbaute und 1469 bis 1476 von Albrecht IV. umgebaute herzogliche Burg, die Neue Bestes, bildete im Nordosten ein eigenes, mit Wall und Graben umgebenes Stadtteil, während der

Abb. 40. Der Jungferrtturm zwischen Neuhauser- und Schwabingertor, erbaut 1494. Nach dem SanbLner-Mobell tm Bayer. Nationalmuseum.

1253 von Herzog Ludwig II. erbaute „Alte Hof" innerhalb -er Ringmauer lag. Wer einen Stadtturm an der Ringmauer bewohnte, hatte über den baulichen Zustand der nächsten drei Türme zu wachen?). Der Angrenzer, dem die Schlüssel eines Stadttores anvertraut waren, mußte es abends sperren, am Morgen öffnen, wofür ihn die Stadt­ kammer alljährlich mit einer kleinen geldlichen Ehrung bedachte. Mauerring, Türme und Tore, wie sie heute noch das Sandtner-Modell im Bayer. Nationalmuseum und seine Vergrößerung im Historischen Stadtmuseum zeigt, sind der sichtbare Ausdruck des ersten goldenen Zeitalters Münchner Baukunst der Gotik. Die erdhafte Ursprünglichkeit, die aufs Ganze gehende Schwere und Wucht des bayerischen Stammes nahm in ihnen Gestalt an. In der künstT) Christ. Haeutle, Gesch. der Residenz in München, Leipz. 1883 setzt die Zeit zwischen 1382 und 1390 als Baubeginn an. 2) Denkmäler S. 253.

krischen Ausgestaltung der Stadttore konnte München sich nicht genug tun. Sie wehtten nicht nur dem Feind, sie grüßten den heimkehrenden Bürger wie den wohl­ gesinnten und wohlgelittenen Fremden als stolzes Wahrzeichen städtischer Macht und Sicherheit, hinter dem sich heiterer Lebensgenuß, Handel und Wandel froh und un­ bekümmert entfalten konnten. Um diesen gastlichen Empfang beim Eintritt in die Stadt augenfällig zu betonen, ließ der Rat 1411 den Sendlinger Torturm durch Meister Hans von Speyer bemalen, 1419 durch Maler Ott 24 Türme, durch Meister Martin und Vital die Türme vom Angerturm bis zum Sendlinger Tor wecken. Die Kämmerer verausgabten viele Pfund „umb kyenswartz und praunrot zu den türn und zu der statmaur zu wecken und die zwinger zu malen'"). Maler Ott und sein Sohn arbeiten 1423 drei Wochen an der Bemalung des Neuhausertorturms. Hans Polaner malt zwei Jahre später zwei Wappenschilds zum Bild des Gekreuzigten am Taltor, Meister Gabriel 1461 zwei Münchner Kindl aufs Taltor. Der schöne Turm, das alte Kaufringertor, wird 1481 mit hübschen Fassadenmalereien geschmückt. Mit dem Aus­ gang des 15. Jahrhunderts räumt der türm- und torbewehrte trutzige Mauerring der künstlerischen Ausgestaltung ein immer weiteres Feld ein. Jan Polack, der große Münchner Maler der Spätgotik, malt 1485 den Gekreuzigten an Unsers Herrn Tor, bemalt 1489 das Neuhausertor, 1491 das Sendlinger-, Anger- und Talburgtor, 1495 den Wilbrechtsturm und ein Kruzifix ans Schiffertor; 1492 malt er „das Bayerland" auf zwei Türme bei der Neuen Bestes. Der Kunstsinn und die Farbenfreudig­ kett der Bürgerschaft ließ alle Wände mit dem Schmuck der Malereien überziehen. Der reiche Freskenschmuck städtischer Gebäude, die in Münchens Farben prangende Stadtmauer und Mauertürme waren der Stolz der Bürgerschaft und eine Zierde der Stadt. Die finanzielle Grundlage für die Befestigung der Stadt boten die ordentlichen Einnahmen; besondere Deckungsmittel von zeitweisem und bauerndem Bestand schufen bei erhöhtem Geldaufwand Freibriefe der Landesherren und die autonome Gesetzgebung des Rats und der Bürgerschaft. Vergehen aller Art konnten mit der Mauergeldbuße oder der Mauersteinlieferung bestraft werden. Ein Bürgerbeschluß von 1344 verurteilt Dietrich Sprung für die Benützung falscher Wage und falschen Gewichts zur strafweisen Lieferung von 20000 Mauersteinen. Franz Tichtel, einer der Geächteten bei den Bürgerunruhen unter der Vier-Herzog-Regierung, erhält nur gegen die Verpflichtung Wiederaufnahme in die Stadt, auf seine Kosten einen Turm in der Stadtmauer bauen zu lassens. Jedes Haus, jeder Bürger x) Die Arbeiten begannen am Schützenturm; 1420 weckte Maler Ott die letzten neun Türme. Die Meister wurden von Fall zu Fall für ihre Arbeiten entlohnt z. B. K.R. 1419: „Item 4 $ß 10^ haben wir geben dem Martein und Vitall den malern, daz sie die turn geweckt und gewallt haben vom Angerturm Hintz an Sentlingertor. actum Jacobi anno 19." — „Item 8 A 60 H haben wir geben dem Otten maler zu lon, das er 24 türn geweckt und die zwinger gewallt hat und dem knaben daz trinckgellt geben hat umb die rtnckmaur. actum Simonis Judae anno 19." 2) K.R. 1419—1420, 1423, 1481, 1489/95. — O. Hartig S. 30, 33s., 44, 60, 63, 65s., 68. 3) K.R. 1344 fol. 2iov; 1402/03 fol. 81 v.

ist mit Weib und Kind zum Grabendienst verpflichtet. Wer nicht selber graben kann oder will, muß durch Ablösungsgelder oder durch Stellung von Arbeits­ kräften für sich und die Seinen die Freiheit von aller Grabenarbeit erkaufen. Allmäh­ lich wird der Loskauf zur Regel, Grabendienst leistet nur noch der Unvermögende. Schließlich wird eine direkte Auflage vom Kopf der steuerpflichtigen Bevölkerung oder der gesamten Einwohnerschaft erhoben, die Stadtsammlung („stat samnung"). 1361 muß jedes Haus 4, jeder Inwohner 3 H, bei einem zweiten und dritten Um­ gang weitere 3 bzw.aH Grabengeld gebens. Im 15. Jahrhundert wird jeder Steuer­ pflichtige, daher auch der in der Stadt begüterte Fremde, nach Maßgabe seiner Steuer­ leistung zum Grabendienst veranlagt. Die Veranlagung erfolgt nach Taglöhnen, die geringste Leistung ist ein halber Taglohv, die höchste sind zehn Taglöhne. Als Ab­ lösungssumme für den Taglohn werden 12 H festgesetzt?). Die wohlbefestigte Stadt gewährte dem Landesherr» bei der damals üblichen Kriegsführung gegenseitiger Plünderung und Verwüstung des flachen Landes einen wichtigen Stützpunkt für die Landesverteidigung und bot den Bewohnern Bayerns Schutz vor räuberischen Überfällen. Noch zu Ausgang des 15. Jahrhunderts flüch­ teten im Falle der Not Prälaten und Landleute mit Hab und Gut hinter Münchens schützende Mauerns. Verständlich, daß die umliegende Bauern­ schaft zu Hand- und Spanndiensten für die Stadtbefestigung herangezogen wurde; so erhielt bereits 1431 jeder Bauer, wenn er mit seiner Fronfuhre kam, einen Wecken Brot in die Hand gedrückt4*).2 3Um 1445, als ganz Süddeutschland unter dem Ein­ druck der Einfälle der französischen Armagnacs ins Elsaß und der Be­ lagerung von Metz stand, betrieb man in München mit ungemeiner Rüh­ rigkeit die Schanzarbeiten. Sogar die Dienstboten wurden zur Graben­ arbeit herangezogen. Jeder Kopf der dienenden Bevölkerung wurde mit 8 H besteuert; der Dienstherr hatte für die richtige Entrichtung der Mauersteuer aufzukommen°). Wieder ließ der Landesherr, um mit größerer Beschleunigung und geringerem Geld­ aufwand den Zwinger- und Grabenbau zu vollführen, das Landvolk zur Frone aufbieten. Am 6. März 1445 gebot Herzog Albrecht III. seinen Pflegern und Amt­ leuten in Oberbayern, den Münchner Bürgern für die Dauer der kommenden zwei Jahre zu einer allgemeinen Scharwerkshilfe bei Vollendung der Stadtbefestigung Arbeiter zu schicken. Die „armen Leute" Oberbayerns, die Eigenleute des Herzogs wie die Grund- und Gerichtsuntertanen der Edelleute, Bürger und Klöster, sollten vier Werktage im Stadtgraben nach Geheiß der Baumeister arbeiten, jeder Scharwerks4) K.R. 1361 fol. 45V. 2) Baumeister-Memorial 1439/41- — Verzeichnis der Scharwerks-Anlagen zum Stadtgraben 1444. — Die Sammlung ertrug 1440 bei drei Umgängen 267 u 4 ß 26 Bargeld, 20 'M an Aus­ ständen; 29 44 36 5; Grabengeld wurden abgearbeitet. 3) Krenner, Bayer. Landtagshandlungen IX, 125, 127. 4) „Item y2 % 10 haben wir zallt auch den armen leuten, den pauren umb prot, das man ir tedem, ye wann er mit ainer vart fernen ist, ainen weck in die Hand geben hat je essen, actum Reminiscere 1431." K.R. 1430. 5) Baumeister-Rechnung 1445.

pflichtige genügend Brot und täglich einen Zehrpfennig von der Stadt erhalten. Die „armen Leute" wurden von den städtischen Fronboten nach Herrschaften und Land­ gerichten aufgebotev; wer ausblieb, mußte 60 H entrichten. Der Herzog begründete die Heranziehung der Bauernschaft damit, „das uns und allen den unsern lannden und lauten yezo und hinfür söllicher paw zu gutem nucz und gemainem fromen komt und komen mag, sunderlich angesehen die wilden frömden läuff, als es dann laider yezo in dem reich gestalt ist"1).2 3 Zur Bestreitung der Ausgaben für den Festungsbau waren den Stadtbaumeistern die Erträgnisse aus Pflasterzoll, Salzstadel, Grabensteuer, Mauer­ buße, Ziegel- und Steinverkauf zugewiesen. Erst seit Mitte des 15. Jahr­ hunderts werden die Kosten des Zwinger- und Grabenbaues aus der Stadtkammer gedeckt, so daß das einheitliche Kassenwesen gewahrt bleibt. Das Baujahr ist von wechselnder Zeitdauer, bestimmt durch die Jahreszeit und Gunst oder Ungunst der Witterung; das Bauen beginnt nach der Schneeschmelze und endet mit dem ersten Schneefall. Die Jahresschlußrechnung der Baumeister nehmen die drei Kämmerer, die beiden Bürgermeister und je zwei Mitglieder des inneren und äußeren Rates ab. Die Baumeister erhalten für ihre Amtsführung 3, seit 1441 4 t6 Entgelt, der Bau­ schreiber, der zugleich Steuer- und Krötelschreiber ist, 3 ß wöchentlich, der Baumeister­ knecht, der die Aufsicht über das Baulager hat, die Arbeiten überwacht, Arbeiter dingen und ihnen „Wortzeichen" geben soll, 60 L- wöchentlich?). In den Jahren 1408, 1414 und 1417, in denen die Einkünfte aus Pflasterzoll und Salzstadel den Baumeistern überwiesen sind, kommen sie auch für die Pflasterung der Stadt sowie die Betriebs­ kosten der Ziegelöfen und des Salzstadels auf. Für den Zwingerbau benötigte man ungeheure Steinmengen; die gemeindlichen Ziegelwerke liefern die Ziegel — 1445 allein 296500 Stück —, die Baumeister tragen nur den Fuhrlohn. Ausgedehnt ist die Verwendung von Tuffstein, der in den städtischen Steinbrüchen bei Wol­ fratshausen gebrochen wird. Die Stadt hat eine eigene Bauhütte in der dortigen Gegend; den Steinbrechern wird eine Dirne mitgegeben, die ihnen die Kost zubereitet und 2 U Si für eine Bauperiode Entgelt erhält. In den Jahren 1438, 1445 und 1447 erhält ein Steinbrechmeister 12, 20 und 16 H, ein Steinbrechgeselle 10, 8 bis 10 und ii H Taglohn außer der Kost. 1459 wird Meister Kunz von Giesing bestellt, bei 14 L, Taglohn im Frühjahr und Herbst, 16 im Sommer Steine zu brechen?). Eigene Schiffer der Stadt fahren den gewonnenen Tuffstein auf der Loisach und Isar nach München, wo er an der Jsarlände behauen wird; der „Bescheiterlohn" für das Spalten und Behauen des Tuffs richtete sich nach der Stückzahl der behauenen Steine und betrug von jeder „Werung" 7 oder 8 H4). Die Sorge für den Straßenbau lag in ältester Zeit den Anwohnern ob. Brücken und Wege in jeder Gasse hat der Bürger vor seinem Hause instand zu x) 2) 3) 4)

Mon. Boica 35/II S. 323. Register der Eide 1469. Baumeister-Memorial 1450. Baumeister-Rechnung 1408, 1414, 1417, 1438, 1441—1449, 1467—1469.

Sonberhaiishalt der Baumeister für Zwinger- und Grabenbau. Annahme«:

Übertrag vom Vorjahr................... Don der Stadtkammer...................

Bußgeld..........................................

Anlegung zur Grabensteuer -

-

-

Anlegung der Dienstboten .... Don de» „armen Leuten" vom Land

Verkauf von Baumaterial.... Summe der Einnahme«:

1469

1446

1445

18 T 7 ß 22 763 „ - „ 28 „ 1 // 5 // 170 // 7 zz 20 ,,

44 „ 5 // 15 „ 435 „ 2 „ 28 „ 2 „ 6 ,/ 18 tf 1437 T 40 nH

72 % 6 ß 4 1004 „ 2 „ 7

11 ft I ß 1129 „ — — — — — — — — — —



4 „ 4 „ 159 „ 2 „ — — 451 „ 5 ,/ 24V2 /, — — —

1692 % 2 ß

5t/2

1140 ft I ß

Ausgaben:

Zimmerleute......................................

184 D 2 0

Maurer und Mörtelkocher....

I9I „ 2 „ 2 „

71 3 ß 20 420 „ 3 „ 25

Tagwerker..........................................

255 „ 4 /, 10 „ 60 „ 5 „ 3 „

157 „ 2 „ ii — — —

6 H

Zehrpfenntg der „armen Leute".

.

Brotkauf der „armen Leute" .

.

98 „ 5 // 22 „

Flöße und Bretter........................

70 /, i „ 9 //

.

Karren und Schaufeln................... Schmiede- und Eisenzeug ....

Kalk.................................................... Sandkauf..........................................

34 187 104 14

// „ „ „

7 // i 6 „ 21 3 „ 10 - „ 27

„ „ „ „

Sandfuhr..........................................

30 //

Ziegelfuhr..........................................

49 // 7 // 9 h 6 /, — „ 24 „

Karrenfuhr im Graben................... Aufgebot der „armen Leute" .

.

-

8 tf

// // 6 // 8 „ 24

ft ft ft /?

194 „ 4 z/ 15 5 // 7 // 3 52 ,, - „ 24

//

44 43 $8 64

// // ?/ //

7 7 7 2

24 /, 3 // 2 — - —

Baumeister......................................

37 // 6 „ 28 „ 8 „ -„— „

Bauschreiber......................................

12 tf 3 ,, — „

Bauknechte.....................................

25 ,/ 6 // 15 ZZ

Fronboten......................................

4 /,—//— /, 24 // // 12 ,/ — —

4 // // 117 „ 6 „ 22

Seiler und Schäffler........................

7 // 7 // 9 // — — — — — —

9 // 4 // 26 191 „ - „ 21 — — —

Kleine Ausgaben............................ Übertrag an die neuen Baumeister

19 // 1 zz i // 72 ZZ 6 ff 4 ZZ

Steinbrecher zu Wolfratshausen

.

Bescheiterlohn.................................

Tufftfuhr.......................................... Schiffleute und Schiffbau ....

Summe der Ausgaben:

1437 ® 40 ii

H

49 8 12 21

// 6 „ 7 // // ,, 6 „ „ 6 „

31 ,/ 6 „

30 H 4 ZZ 46 // 7 zz

//

6

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1692 V 2 /S 5V2

93 ft i ß

30 ,, 4 zz 786 „ 2 „ — — — — 15 7 55 6

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halten*). Diese Übung ist im mittelalterlichen München nie ganz verlassen worden. Selbst als der Wunsch nach einem Stadtpflaster stärker hervortritt, bleibt es üblich, daß jeder Anlieger die Kosten für die Pflasterung seines Straßenstückes zur Hälfte trägt^). Wie in der nahen Reichsstadt Augsburg behalf man sich in München noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit Holz und Sandb). Die Stadtgemeinde beschränkte ihre Tätigkeit auf Brücken, öffentliche Plätze und die Wege vor den Toren, für die kein Anlieger verantwortlich gemacht und herangezogen werden konnte. Die Instandhaltung und Besserung der Straßen durch die angrenzenden Bewohner über­ wachte ein Achterausschuß der Bürgerschaft*). Die Herzoge Ernst und Johann bewil­ ligten am.4. August 1394 den Münchnern die Erhebung eines Pflasterzolls, wogegen die Stadt die Kosten des gemeindlichen Straßenbaues übernahm. Damit war die bestehende Ungleichheit der Belastung beseitigt, weil jetzt nicht Fußgänger und Reiter, sondern nur die schweren, mit drei und mehr Pferden bespannten Lastfuhrwerke zu seiner Unterhaltung herangezogen wurden. Der Rat ließ unverzüglich den einheit­ lichen Steinbelag der Stadt mit der Pflasterung des Marktplatzes be­ ginnen ^) und zwar bestand das Münchner Stadtpflaster seitdem aus den auf den Feldern aufgeackerten oder aus dem Flußgeröll gewonnenen kleinen, rasch abtrockvenden Rollsteinen, wie es noch heute im Burghof der alten Veste, in den Höfen der Residenz, Münze und Akademie erhalten ist*), der Gehsteig mitunter aus Ziegelplatten­ belag. Zwei Ratsmannen, später drei Verordnete der Bürgerschaft, werden mit der Pflasterung der Stadt betraut und ihnen die Gefälle des Pflasterzolles und Zuschüsse aus der Stadtkammer überwiesen; dazu wenden die Kämmerer gleichzeitig namhafte Summen für den Straßenbau auf. Die Einnahmen der drei Pflastermeister Franz von Hausen, Ulrich Reichher und Friedrich Hämerl betrugen vom 24. Februar 1404 bis 16. Oktober 1405 27a u 6 ß 18 die sie bis auf 15 u für die Pflasterung ver­ wendeten. Zum letztenmal begegnet uns 1425 ein Sonderhaushalt der Pflastermeister*). Die Pflasterer arbeiteten nach Ruten; eine Rute hatte 13 Schuh b). Der Meister hat 1394 einen vierteljährlichen, festen Bezug von 2 ß, 1397 bereits i Für die Arbeit wird er im Akkord entlohnt und erhält 1395 für die Rute 28, 1425 nur 26 H, dabei muß die Stadt Sand und Steine stellen und das Erdreich ausführen; mit Material erhält er 3 y2ß. Die städtischen Pflastermeister arbeiten auch im Dienst des Herzogs T) E. Gasner, Zum deutschen Straßenwesen von der älteren Zeit bis zur Mitte des 17. Jahr­ hunderts S. 124 ff» Leipz. 1889. 2) K.R. 1397 fol. 73v: die Kämmerer verausgaben 29% ül 29H für das Pflaster beim Spital „und daz sol daz spital Halbs bezaln der stat". 8) R. Hoffmann, Die Augsburger Baumeisterrechnungen von 1320—1331. 4) Ratswahlen 1362—1384 fol. 8v, 109v. — K.R. 1380 fol. 73. 6) Nürnberg beginnt 1368, Frankfurt 1399 mit der Pflasterung seiner Straßen. 6) Otto M. Reis, Die Gesteine der Münchner Bauten S. 167, München 1935. 7) K.R. 1400/02 fol. 39—42; 1404/06 fol. ui. — Pflasterbaurechnung 1425. — Mon. Boica 35/II S. 182. — Denkmäler S. 570. 8) „Item 63 N H haben wir geben maister Hansen dem Egrer pflastermaister von Augspurgk von sechsthalbhundert und von 17 rütten und ye ain rüt hat 13 schü, doch nicht atn ze großen paurenschü. die hat er pflastert in dem jar an Käffingergazz und anderhalben in der statt und geet im von ainer rutt 26 H." K.R. 1425.

und erhalten dafür jährlich ein Schaff Roggen aus dem Kastenamt und 28 L), ihre Gesellen 8—24^ Taglohn*). Verschiedene Ratserlasse sorgen für freie, breite Straßen. Als die Hofstatt des Stephan Smycher nach einem Brand nicht mehr be­ baut wird, erwirbt die Stadtgemeinde das ödgebliebene Grundstück und legt eine neue Verbindungsstraße, die Hottergasse, l für den Pestilenz"*). Freilich, für die Gesunden blieb das verlässigste Schutzmittel die Flucht auf bas von der Pest verschonte Land. 1439 „da flohen der Herzog und die Herzogin aus gen Grünwald vor der pest", nur ein Teil des Hofgesindes und eine hochbejahrte, an der Pest bereits erkrankte Hofdame blieben in der neuen Veste zu­ rück^). Der hochgemute Herzog Johann von Bayern, bekannt als guter Renner (Tür­ vierer), Ringer und Weidmann, der gerne mit den Bürgern zum Weidwerk zog, büßte 1463 das Verbleiben in München mit dem Tod. Herzog Albrecht der Weise flieht 1495 vor der Pest, die vom Rhein bis zu den Alpen toötet3*),4 * ins Jagdschloß Grünwald, um dort am Erker hoch über den Jsarhävgen, in vertrauter Aussprache mit seinem Kanzler und geistlichem Berater, dem gelehrten Dekan von St. Peter und Doktor der Rechte Johann Neuhauser, Satzung und Ordnung fürs neue Kollegiatstift an der Pfarrkirche U. L. Frau in München zu entwerfens. Unwillkürlich taucht bei diesem von nordischem Ernst getragenen Bilde innerer Einkehr vor unseren Augen die Er­ innerung an Boccacio auf, der im sonnigen Italien in fröhlicher Gesellschaft lebens­ lustiger Freunde und Frauen aufs pestfreie Land flieht und dort seine ewigen und ewigfrohen „Hundert Novellen" schreibt. Der Aufbruch des herzoglichen Hofes nach den umliegenden Schlössern war das Zeichen zur allgemeinen Flucht aus der Pest­ stadt. Der Pulsschlag der sonst so regsamen Stadt ging kaum hörbar. Die fremden Kaufleute mieden auf weiten Umwegen ängstlich die als verseucht verschriene Stadt. Die Verwegenen, die 1463 trotzdem Einlaß begehrten, wurden auf der Bärenhaut hoch in die Luft geschleudert, da man des naiven Glaubens war, auf diese Weise die Pest abschütteln und die Einschleppung der furchtbaren Krankheit verhüten zu T) Cgtn. 3724 fol. ii v, 13. — Zur Berufskenntnis der Büchsenmeister zählten auch Heilmittel gegen die Pestilenz. Cgm. 399 fol. i26v—128". a) St.A. Landshut, Rentmeisterrechnung 1439.

3) Veit Arnpeck S. 647. — Chroniken der deutschen Städte XV, 337. 4) H.St.A. München, U. L. Frau Kloster Lit. 3 u. 4; U.F. 17.

kötmen*). Im Sommer 1472 wird wegen der Zunahme der Pest in München eine Fürstenjttsammenknnft verschoben und, als bas Sterben nicht nachläßt, im Herbst ganz abge­ sagt^). 1473 und 1495 konnte kein Jahrmarkt abgehalten, 1439,1463 und 1483 keine Steuer erhoben werdens. Im Pestjahr 1483 verließen sämtliche Ratsherren die pest­ vergiftete Stadt, um auf dem Lande Rettung zu suchen, so daß der Rat zu keiner Sitzung jttsammentreten konnte und das Bürgermeisteramt wie die Besorgung der Ratsgeschäfte ständig in den Händen zweier beherzter Männer, der beiden Ratsfreunde Christoph Rudolf und Wilhelm Tichtl lag. Der Rat zeichnete 1496 zwei seiner Mit­ glieder, Andre Stupf und Wilhelm Scharfzahn, mit Ehrenbechern aus, weil sie im Sterben des Vorjahres das Bürgermeisteramt verwest Hattens. Infolge des Ver­ siegens der Zoll- und Steuergefälle leerten sich die Geldtruhen der Stadtkämmerer so sehr, daß selbst kleine und kleinste Löhne an die niederen städtischen Bediensteten monatelang nicht ausbezahlt werden konnten. Zu einem derart verspäteten Zahlungs­ vermerk des Pesijahres 1439 fügte der hochbetagte Stadtschreiber Magister Hans Worte voll bitteren Herzeleids: „und das jar hat man dem mangmaister als spät ausgezellt von des prechens und sterbens wegen, der die zeyt laider im land ze Bayren und in allen landen gewesen ist, des der statschreiber laider wol inne worden ist an seiner lieben Hausfrau und seiner tochter junckfrau Dorothe. got genad in allen durch sein gotlich genad." Vergebens suchte der Rat die drohende Einschleppung der Krankheit aus ver­ seuchten Gegenden abzuwenden; ebensowenig vermochte er den Seuchenherd in der Stadt einzudämmen. Von einer Absonderung der Pestkranken wie bei den Aussätzigen in den Leprosevhäusern war bei dem plötzlichen Auftreten von Massenerkrankungen, wobei die Mehrzahl der Ergriffenen binnen drei Tagen den Tod fand, keine Rede. Um die Kranken möglichst von den Gesunden zu trennen, ließ der Rat bei Ausbruch der Pest durch die städtischen Fronboten der Bürgerschaft von Haus zu Haus kund tun, daß niemand, der am „Brechen" gelitten, 14 Tage, nachdem er das Siechbett verlassen, auf die Straße gehe. Bei der Pockenepidemie 1499 riefen die Stadtamtleute in allen Gassen den Ratsbeschluß laut aus, es sei jeder, „der die plattern hab, anhaim ze hallten"; unter das Volk zu gehen, ward den Kranken bei Strafe verboten. Die x) H.St.A. Notthaft-Archiv Lit. 1352» — Chroniken von Veit Arnpeck S. 673 und Ulrich Fuetrer S. 209. 2) H.St.A. Fürstenbücher XII. 8) „und ist nit ain gesworne steur gewesen, und was sunst die gewändlich steur, die man im herbst des 63 jars genummen solt haben, do was der lauff des geprechens so gross, das man des nit tun möcht und warde also zu obgenanter zeit eingenummen." K.R. 1464. — „Item ain rat ist zu rat waren mitsambt der gemain, das man das vergangen jar kain steur genomen hat, ursach des ster­ bens halben der pestilentz, das vill leut nit anhaim sind gewesen und das der gemain man grossen mangel gehabt hat der arbat und märt halben, die nit mügen zu besuochen, nachdem und sy abgeschaft sind gewesen." K.R. 1483. 4) „Item 26 # 2ß 14^ zalt Hainrichen Radax goltschmid umb 2 silbrein pecher auf fuessen; geben amen Andre Stupffen und den andern Wilhelmen Scharffzand darumb, das sie im sterben ettliche burgermeister verwesen haben, hat ain rat geschafft des 95. jar, von 26 und 26% loten." K.R. 1496 fol. 33.

Seelnovnen der Regelhäuser bereiteten den Pestkranken erweichende Pflaster und schmerzstillende Salbens. Die Hebammen und Stadtamtleute hielt der Rat durch außerordentliche Zuwendungen zum Ausharren in der Pestzeit an und um Gottes Zorn zu besänftigen und abzuwenden, ließ er Messen lesen, Prozessionen und Bitt­ gänge veranstalten und Geldspenden unter die Stadtarmen und Seelschwestern ver­ teilen: „sie sollten ioooo Ave Marie beten und mehr" zur heiligen Jungfrau, damit sie für die unglückliche Stadt bei ihrem lieben Sohne Fürsprache einlege. Zu Michaelis 1463 wallfahrteten, da seit Weihnachten 1462 die Pest wütete, an 5000 Männer und Frauen, in demütiger Zerknirschung und feierlicher Prozession von Münchens Pfarr­ kirchen und Klöstern auf den heiligen Berg Andechs, und als ihr Gottvertrauen nicht belohnt ward, 14 Tage später zu U. L. Frau gen Freisings). Nie stieg heißeres Flehen zum Himmel als in dieser Schreckenszeit des Totentanzes, da die Gleichheit der Men­ schen vor dem Tode Triumphe feierte. Merkwürdig ist die bedeutsame Rolle, welche die Hebammen in Pestjahren spielten. Wie die Stadthebammen wiederholt einen höheren Gehalt von der Stadt bezogen als städtische Wundärzte, so scheinen sie diese in allen Fällen, wo es sich um die Behandlung pestkranker Mütter handelte, verdrängt zu haben. Ihnen nämlich fiel zur Pestzeit die verantwortungsvolle Aufgabe zu, pestkranken Frauen die schmer­ zenden Eiterbeulen, vornehmlich die Anschwellungen an den Oberschenkeln und an den Drüsen in der Leistengegend — besonders die schwangeren Frauen hatten schwer darunter zu leiden — aufzuschneiden, was den Kranken wohltuende Erleichterung ge­ währte. Ein rechtzeitiger Schnitt in die Geschwülste nach einem erweichenden Pflaster rettete mitunter die Pestkranken^). Anverwandte und Zunftgenossen erfüllten die letzte Liebespfiicht, ihre Verstorbenen zu Grabe zu tragen. Die Leichname der in pestverdächtigev Häusern verlassen Gestorbenen dagegen wurden während des stärksten Wütens der Seuche von eigens bestellten Totenmännern, welche die Ansteckungsx) „Item den armen schwestern durch got, die den armen lauten salb beraiten und durch got geben, y2 % Mon., schüff der rat." K.R. 1396 fol. 51—55. Nicht weniger als 4% # gibt der Rat armen Leuten für Bittgänge während der Pestepidemie. 2) „Item an dem tag, alls die pestilenz laider durch die geschikht gottes vaßt re­ gieret und geregiert het vost von weinnachten biszher, giengen ausz iedem hausz ain mensch, die man besonder und die frauen sonder, mit großer andacht, wainenden äugen und noch mit betriebten Herzen und doch mit sonder großen frolokhen zu dem wierdigen hailigthumb auf den berg zu Andex. woll bey 5000 Menschen, die man hinausz mit Processen von den Pfarren und clostern und wider herein mit großer wirdigkhait belaittet und mit großer menig des volkhs der stat, des khain mensch gedenkht. item desgleichen thete und hete man ain Proceß gehn unser lieben Frauen gehn Freissing in 14 tagen darnach." R.P. 1463. 3) Georg Sticker, Die Pest. I, 53, Gießen 1908. — Schon in der K.R. 1380 fol. 72 findet flch ein Rechnungsposten „der frauen, die die frauen snatd, 12 ß". 1412 und 1420 erhalten vier, 1430 drei Hebammen ansehnliche Geldgeschenke durch Ratsgeschäft, weil sie während der Pest in München verblieben und schwangere Frauen „schnitten". Item i4y2 ß fyaben wir zallt von rats geschafft für drey reinisch gülden den drey Hebammen irer mue zu dergetzung, do sie laider die frauen, die tra­ genden in irer pestilencz gestorben sind ze München, gesnytten habent vor Galli 1430" (K.R. 1430). — „Item 7 ß S\ zalt der Talerin hefamen ratsgeschäfft, das sy die swangern frauen im prechen geschniten und peygestanden ist, suntag nach Geory" (K.R. 1484). — 1495 werden die Hebammen für 10 Schwangere, die sie schnitten, von der Stadt entlohnt.

gefahr nicht fürchteten, abgeholt und unverzüglich auf den Friedhof gebracht. Um in München Totenträger und Totengräber für die Opfer der Pest zu finden, brauchte man nicht wie im Wien des Abraham a Santa Clara Verbrechern, die das Leben verwirkt hatten, Gold anzubieten: Ein lebenslustiger Maler erbot sich 1380 zu diesem gefährlichen Amt gegen Entgelt; Weinschenk Hans Zöllner empfing 1484 aus der Stadtkammer 2 tt 19 L-, da er 36 an der Pest verstorbene Insassen des Stadtbruderhauses „unserer frommen Brüder" am Roßmarkt auf den Gottesacker U. L. Frau brachte*). Vom 4. Oktober 1495 bis zum 17. Januar 1496 wurden von der Stadt vier Totengräber mit einem Wochensold von sieben Schillingen bestellt, welche die Opfer der Pest aus den Häusern zusammenholten. Papst Sixtus IV. ordnete am 31. Oktober 1480 auf Bitten des Herzogs und des Rates an, daß die in München an der Pest Verstorbenen — und die Leichen nicht ansässiger Personen — ausschließlich in den beiden neu errichteten Friedhöfen vorm Sendlinger- und Unsers Herrn Tor bestattet werden sollten^). Der Tiefstand der Gesundheitspflege wurde ausgeglichen durch das hochent­ wickelte Bäderwesen. Der Münchner Bürger ging mit Frau und Hausgesind ins Bad; eine Gewandhüterin haftete den Badegästen in jedem Bade für den Verlust von Kleidern. Juden und jüdischen Dienstboten war durch Stadtrecht das Betreten von Christenbädern verboten^). Seelbäder wandten den Armen die Wohltat eines Bades zu. So stiftete Wilhelm von Egenhofen zu Planegg 1471 mit 10 Gulden ins Türlbad auf einen Montag ein Seelbad, das am Sonntag vorher von allen Kanzeln verkündet wurde, wobei jedermann einen Pfennig, einen Becher Bier und ein Röckl erhielt*). Die Badegäste wurden von Personen ihres Geschlechts bedient; die Bad­ besitzer benötigten zur Ausübung ihres Berufes eine größere Gesindehaltung, als sie nach dem Ehaltenbuch von 1445 selbst die vornehmsten Ratsfamilien aufweisen. Vertraut mit kleinen Heilkünsten wie Aderlässen und Schröpfen, zog man die Bader als Chirurgen für kleinere Schäden zu Rate. Für die enge Verbundenheit ihres Ge­ werbes mit der Heilkunde spricht die Benennung einzelner Bäder der ältesten Zeit nach dem kunstfertigen Inhaber: ein Bad des Meisters Johann ist 1330, ein Bad des Meisters Friedrich 1337 verbürgt. Die Stadt selbst kommt nur vorübergehend in den Besitz zweier Badeanstalten, nämlich nach den großen Bürgerunruhen infolge der Vermögensbeschlagnahme des Wortführers der Revolution Ulrich Tichtl. Beide verkauft sie 1405, das Schrammenbad in der Schrammengaffe (erwähnt 1383) an die Frauenpfarrkirche um 350 ungarische Gulden und das neue Badhaus (Neubad) an der Kreuzgasse für 50 Gulden an Hans Tichtl°). Zu den ältesten Badsiubenbesitzern zählen die Klöster Tegernsee und Schäftlarn, welch letzteres um 1300 x) Ein Gegenstück bildet der Tod an der Pest von 5 Frauen und 4 Mägden des Pütrtch-RegelHauses vom Oktober bis Mitte November 1548. Nekrologienbuch der Franziskaner II, 41. 2) H.St.A. München GU. 401. 3) Denkmäler S. 412, 516. ■’) H.St.A. Pers. Sei. Cart. 65 „Egenhofen".

6) K.R. 1404/06 toi. 42s. — Baumeisterrechnung v. 1445. — Gerichtsbuch 1,178 v.

am Graben beim Kaufingertor ein Babhaus besaß. Das Bürgerspital ist 1320 im Be­ sitz eines eigenen Spitalbades**). Ulrich Nasse, der Bader auf dem Rädlbad, erhält 1395 das Spitalbad um 32 Gulden Jahresjins verpachtet. Zu den besuchten Bädern jählte das Teckenbad (1356) oder Raetlinsbad beim Teckentor, 1421 „Rädlbad im Tal" genannt, das Thürleinbad (seit 1374) in der Graggenau, seit 1405 im Besitz der Familie Schiml, das Herzogs- (1383) oder Thoratzbad bei der Thoratzmühle, beide Hofbäber der herzoglichen Familie; ferner das 1380 als „Badhaus im Tal" bezeichnete Würbad im Tal, das die Familie Astaller 1450 an Dr. Rudolf Vol­ kart von Häringen verkaufte, der es zu seiner Meßstiftung an St. Peter vermachte; das Gughanbad (1368) oder Heinrichsbad (1446 des Meisters Hans Scharpp) am Anger, Unser Frauenbad (1371) in der Schäfflergasse, das Rosevbad (1391) im Krottental, das größte von allen, ferner Bäder in der Brunn- und Schwabivgergasse3). Damit stand München dem volkreichen Nürnberg gegen Ende des Mittelalters an Zahl der öffentlichen Badeanstalten nicht nach, ja übertraf es vielleicht. Für die Beliebtheit der Bäder bei Hoch und Nieder spricht die Tatsache, daß die rebel­ lischen Bürger, als sie den Landesherrn beim großen Bürgeraufstand in der alten Veste nicht antreffen, ihn im Bade suchen und finden und daß auch der gefürchtete Herzog Christoph der Kämpfer im Bad, das zugleich der Unterhaltung und dem Ver­ gnüge» diente, überwältigt wird. Für anstrengende Dienstleistungen von Handwerks­ leuten schenkte der Rat zum Trinkgeld gern das begehrte Badgeld. Die Straßenreiniguvg obliegt den Angrenzern; am Marktplatz, auf Brücken, Stegen und an allen öffentlichen Plätzen der Stadt. Unrat und Kehricht auf Gassen und Gossen zu werfen, heimliche Gruben und Unflat in die Stadtbäche ablaufen zu lassen, ist bei Strafe verboten. Vor hohen kirchlichen Feiertagen, namentlich dem Fronleichnamsfest, vor Turnieren, Landschaftstagungen, Jahrmärkten, bei Besuchen fürstlicher Persönlichkeiten und an sonstigen Ehrentagen der Stadt ließ der Rat die Aufforderung an die Hausbesitzer ergehen, den Straßenschmutz aus der Stadt zu schaffen „durch der gest und der stat eren wegen". Alljährlich mußte 14 Tage nach Georgi in der äußeren Stadt, welche viele landwirtschaftliche Betriebe beherbergte, der Mist ausgeführt werden. Den Bußmeistern war die Fürsorge für die Reinlichkeit der Stadt und die regelmäßige Abfuhr des Straßenschmutzes als besondere Aufgabe gestellt. Sie sollten darauf achten, daß jeder Anwohner wöchentlich die Straße und den Bürgersteig vor seinem Hause kehre und daß niemand Erdreich oder Bauschutt liegen lasse. Der Rat läßt 1360 die ganze Stadt aus gemeindlichen Mitteln reinigen, 1397 besoldet er einen Kleinbürger namens Wendelhauser mit 4 '«> Quatembergeld, „daz er daz kott und mist aus der stat fltr"3). *) K.R. 1318/24 fol. lov. —- Gerichtsbuch II fol. 91. *) H.St.A. München GU. 310* — München, Chorstist U.F. 3—5, 8. — St.A. Gerichtsbuch I, 16, 57. — Mon. Boica XX, 162, 205, 255, 341, 572, 602, 622 u. XXI, 146, 180; Reg. Boica X, 158. — Oberbayer. Archiv XI, 254.

8) Bußmeisterordnung 1433. — K.R. 1360 fol. 26; 1378 fol. 80; 1397 fol. 48; 1404/06 fol. 77 u. 1425. — Auer, Stadtrecht Art. 314. — Westenrieder, Beitr. VI, 106.

Für Straßenbeleuchtung war nicht gesorgt; nach dem Läuten der Abend, glocke mußten Passanten auf der Straße brennende Windlichter bet sich tragen. Eine Privatgesellschaft, welche den wohlMngenden Namen „die Goldgrübler" führte, be­ sorgte gegen Entgelt das Reinigen der Senkgruben**). Zu Ausgang des Mittelalters zählt die Stadt bereits acht öffentliche Bedürfnisanstalten (Prifets, Sekrets oder heimliche Gemächer): beim Rathaus, Püttrichturm, Spatenhaus, bei der Hofstatt, beim Ulrich Winthammer, Augustinerkloster an der Reuhausergasse, Christoph Schmied und vorm Schrammenbad gegenüber der Neustift?). Zur Abführung der Abwässer aus Reihern und Traufgäßchen genügten die Gossen. Als sich um 1440 beim Bau des großen Zwingers in einzelnen Stadtvierteln gewaltige Mengen Grundwasser zeigten, stellte man unterirdische Kanäle aus Holzröhren her. Die durch Ab­ wasser verunreinigten Stadtbäche wurden jährlich einmal von den Müllern abgelassen und gegen eine kleine Geldentschädigung seitens der Stadt gesäubert?). Beim Übex­

handnehmen tierischer Schädlinge im Frühjahr 1463, 1476 und 1482 ließ der Rat durch die Fronboten verkünden, daß Raupen und Gewürm von den Bäumen abzu­ klauben seien. Beim Aufkommen der Rattenplage zahlte er i H Fanggeld für eine Ratte; 1525 allein 28 Gulden für 5985 Ratten, die man tot zum Jsartor brachte.

Stadtbrände und ihre Bekämpfung. Eingezwängt in den Mauergürtel einer befestigten Stadt, wurde München bei der gefährlichen Enge mancher Gassen, bei der ungenügenden Bauart vieler Holzvvd Fachwerkbauten und der primitiven Führung der Gewerbe wiederholt von ver­ heerenden Bränden heimgesucht, die ganze Stadtteile in Schutt und Asche legten*). Das erste große Schadenfeuer, das München heimsuchte und das Werk eines Menschenalters gewerbsamen Bürgerfleißes vernichtete, war der Stadtbrand von 1221. Um 1311 fiel die Barfüßerkirche einem Brand zum Opfer und wurde vom Quardian Koburg wieder hergestellt?). Am 14. Hornung 1327 brach vor Tagesanbruch nach einer stürmischen Nacht in nächster Nähe des Angerklosters eine furchtbare Feuersbrunst aus, der fast ein Drittel von „Bayerns größter und volksreichster Stadt" die Pfarrkirche von St. Peter, die ausgedehnten Bauten des Heiliggeistspitals, das ganze Tal und ein Teil der alten Veste zum Opfer fielen. Über 30 Menschen kamen in den Flammen ums Lebens. In ihrer Not und Bedrängnis wandte sich die schwer *) „Item 2% $ 11 St haben wir geben den goltgrübellern von der apoteken auSzutragen, der dreckappoteken in der stat haus." K.R. 1423. ’) K.R. 1367 toi. 67 u. 1397 fol. 75. — Brücken- u. Lürelverzeichnts. 3) Baumeisterrechnung 1447. — Zinsbuch 1388 fol. 21. — Saalbuch 1443 fol. 17 u. 1444 fol. 54. 4) Lipowsky, Urgeschichten von München II, 20, München 1815. — Leng, Die großen Feuers­ brünste in München, Eos 1832 S. 739—742. 6) Mon. Germ. Script. XVIII, 338. — Ältestes Nekrologienbuch fol. 12. •) Totenbuch des Angerklosters von Hermann Sack von 1424: „Item anno 1327 an sant Valentin des marteres abent ist nach Mitternacht ain feur aufgangen am Anger umb sant Clären und hat verhört chor und kyrchen zu sant Petter, das spytal und das gancz tall, ain

getroffene Bürgerschaft an Papst Nikolaus, der ihr jur Gewinnung von Mitteln für den Wiederaufbau der abgebrannten Peterskirche und des Heiliggeistspitals am y. Januar 1329 einen besonderen Ablaß gewährtes. Ein dritter großer Brand von ungewöhnlichen Ausmaßen am 22. April 1418 zerstörte die Häuserzeilen rings ums Tal und die ganze Graggenau?). Nur der Wagemut einzelner Bürger im Kampf gegen riesengroße Naturgewalten rettete damals den vom Feuer bereits ergriffenen Ratsturm. Auch das Franziskanerkloster wurde ein Raub der Flammen, so daß die Mönche auf verschiedene deutsche Klöster verteilt werden mußten und bis zum Wieder­ aufbau einen unsteten Wohnsitz hatten?). Am 24. April 1429 wütete wieder ein Stadt­ brand und verheerte die Kreuzgasse und die Häuserreihen bis zum Neuhausertor. Ein Jahrfünft später, am 30. April 1434, legten ruchlose Brandstifter des mit der Stadt in Fehde liegenden Ritters Hartnit von Ramingen in der Prannerstraße einen un­ heilvollen Brand, der auf die Kreuz-, Eng-, Neuhauser- und Rornspeckergasse über­ sprang und dem die städtischen Salzstädel an der Kreuzgasse, das Neuhausertor samt Zollhaus und angrenzendem Wehrgang der Ringmauer, ja selbst die Brunnen in den Gassen zum Opfer fielen. Wegen einer Geldforderung hatte der von Ramingen 1433 Herzog Albrecht HL von Bayern Fehde angesagt, zwei Juden, eine Dirne und fünf Handwerksgesellen gedungen und ihnen 100 Gulden versprochen, wenn sie in München, Landsberg, Kelheim oder Straubing Feuer legten, so daß die Stadt ver­ brenne^). Bereits nach dem zweiten großen Brande gewährte der weitschauende Rat, um die leicht entzündbare» Holzbauten zu verdrängen, den Bürgern Geldzuschüsse zu Steinbauten und Ziegeldächern?), und auf sein Betreiben erließ Ludwig der Bayer am 9. Mai 1342 ein Verbot der feuergefährlichen Stroh- und Schindeldächer. Häuser und Städel sollten künftig nur mit Ziegeln gedeckt und, wenn der Bauherr das erfor­ derliche Vermögen besaß, die Wände gemauert werden. Schmieden in den Straßen verfielen dem Abbruch, wenn sie nicht aus Stein aufgeführt und mit Ziegeln gedeckt wurden. Strenge Strafbestimmungen über die Feuerbeschau und die vorsichtige Ein­ lagerung von Heu und Stroh, Verbote unter den Kramläden Feuer zu machen oder in der Stadt Flachs zu dörren, suchten den Ausbruch von Bränden zu verhüten. Zwi­ schen dem Läuten der abendlichen Feuerglocke und der morgendlichen Pfarrmette durfte kein Schmied und Bäcker offenes Feuer brennen; keine Anwendung fand diese tail beS alte» schlofses und schyr de» (ritten tail bet flat u»d sün yber 30 perscho» im fe»r verdorben." H.St.A. München Angerkloster Lit. 2. — Ältestes Nekrologienbnch des Franziskanerkloster 11, 50V. — Aventin, Annales II, 432 und Chronik V, 477, herausgeg. von S. Riejler, München 1884. *) H.S1.A. München Gericht U. 2944. ’) „Item die 2. prünst j» Minchen ist geschechen anno domini 1418 jar am abent des heiligen marterer Georg« und ist ein gros tail der statt verprunne» unden im Tal und in der ©rat# kenau, hat gerverdt von mittentag an pyß ju der vesper." H.St.A. München, Angerkloster, Lit. 2 toi. 2. — Ältestes Nekrologienbuch II, 50. — Aventin, Chronik V, 546. 8) H.St.A. Franziskaner Bayer. Provinz Lit. 308 toi. 9, 165. 4) K.R. 1435. — H.St.A. Fürsientome VI, 306, 323, 338, 341, 350, 355, 357; VII, 294V. e) K.R. 1325/46 toi. 66, in, 116, 142, 244V.

Bestimmung aber auf Schlosser, Sporer und Goldschmiedes. Außer der Begünsti­ gung der Steinbauten und Ziegeldächer und der Verweisung feuergefährlicher Betriebe vor die Ringmauer erkannte man frühzeitig als eine der besten feuerpolizeilichen Maßregeln die Zuführung von Löschwasser in die Stadt, wie eine Bestimmung der Feuerordvung von 1434 über die Zuleitung der Thalkirchner Quellen ersehen läßt: „Item prunnen in die stat pringen von den kekhen bey Tallkirchen, das wer ain groß rettung des feurs." Die Feuerhilfe ist wohl durchgebildet. Die Türmer auf dem Petersturm sind zugleich Feuerwächter, die allabendlich durch ihren Ruf vom Turm die Bürgerschaft gemahnen, lohende Feuer in sichere Hut zu nehmen. Durch Hüfthornsignale künden sie der erschreckt aufhorchenden Gemeinde das Aufflackern eines Feuerherdes. Nimmt der Brand überhand, läuten sie Sturms. Als 1425 beim Brand in des Gümpels Haus in der Schwabingergasse beide Stadttürmer infolge Lässigkeit das Feuerzeichen verspätet gaben, flohen sie aus Angst vor der drohenden Leibesstrafe aus der Stadt. Die mittelalterliche Auffassung von Gemeinnutz und Gemeinwesen verpflichtete jeden Bürger bei Feuersnot zur tatkräftigen Hilfeleistung. Beim ersten Klang der Sturmglocke mußte er zum Hauptmann seines Viertels laufen. Stadtrichter und Stadtredner — später ein Bürgermeister oder Ratsherr — konnten einen hoffnungs­ los bedrohten First abbrechen und einreißen lassen, um das Übergreifen des Feuers zu verhindern. Den durch Abbruch Geschädigten hatten die Nachbarn, falls sie vom Feuer verschont blieben, beim Zimmern der Wohnräume Beistand zu leisten3*).4 2 Für einzelne Berufe bestand eine besondere Verpflichtung zur Feuerhilfe^). Ammer, Salz­ lader, Korn- und Salzmesser mußten bei des Türmers ehernem Schreckensruf mit ihren Scheffeln, Schäffler und Bader und ihre Ehalten mit Badzubern, Zimmerleute, Maurer, Müller und Flößer mit Äxten zum Brandplatz eilen. Wer die Feuerhilfe ver­ säumte oder verweigerte, ward als Volksfeind und Schädling der Stadt verwiesen. Um Panikstimmung zu verhüten, war den Frauen nach Stadtrecht ausdrücklich verboten, zum Brandplatz zu eilen („zu der prunst zu laufen"); doch sollten sie zur Unterstützung der Löschmannschaften Wassergeschirre auf die Straße stellen. In Kriegsläuften wurden, z. B. 1420, eigene Stadtwächter ernannt, und in allen Gassen, auf allen Plätzen und bei allen Brunnen Bottiche und Weinfässer mit Wasser zum Löschen bereitgehalten, da es allgemeiner Kriegsbrauch war, Mordbrenner in die Städte des Gegners zu schicken, die in unbewachten Augenblicken dem arbeit­ samen Bürger den roten Hahn aufs Dach setzten. Um bei Nacht das Aufflackern und Aufflammen der verlöschenden Glut zur Hellen Lohe zu verhüten, wachten bezahlte Feuerwächter. Die mit den Aufräumungsarbeiten betrauten Knechte wurden entlohnt, hervorragende Rettungsverdienste durch Geldspenden ausgezeichnet. x) Mon. Boica 35/II S. 81. — Denkmäler S. 216, 222, 272, 507—509. 2) K.R. 1371 fol. 57—61 erscheint eine Ausgabe von jährlich 22 H L, „den ruffern, die das feuer berufent", worunter wohl die Türmer zu verstehen sind. •) Denkmäler S. 419 s. 4) C. u. M. 3 fol. 36. — Westenrieder, Beitr. VI, 101. — Auer, Stadtrecht S. 173.

Für Feuerwacht verausgabt die Stadt Im Jahre 1342 bereits 6 N 7H, 1381 de« Knechten, die „abgeleschet haben und gewachet 5 U 6ß 15L-". Ein Augustiner­ mönch, „der daz feur leschet an dem Anger", erhält 1395 für einen Pelzmantel 12 Schil­ ling, fremde Gesellen, die 1407 bei Löscharbeitev Tag und Nacht mithalfen, 2 % 6 ß 10 Der Schande!, der beim großen Brand des Jahres 1418 voll Todesverachtung als erster Retter auf den bedrohten Ratsturm steigt und ganj auf sich gestellt mit ungenügenden Löschmitteln den Kampf mit dem rotzüngelnden, entfesselten Element mutig aufnimmt, wird auf Lebenszeit steuerfrei gesagt und erhält von der dankbaren Stadt einen kostbaren Rock verehrt, 2% # $ wert, weil er den Stolz und die Freude der Münchner, das weithin sichtbare Wahrzeichen städtischer Größe und bürgerlichen Kunstsinnes, den mit Zinn eingefaßten, in Silber und Lasur glänzenden Ratsturm, von dessen goldenem Kugelknauf die Stadtfahne wehte, errettet hatte. Der Weber Seidel und der Wannenmacher, die ihm beim Rettungswerk halfen, werden beide mit einem rheinischen Goldgulden geehrt; dazu empfangen die Knechte, „dye daz feur auf dem rathaus gelescht und behuett haben und dye auch dez nachts ge­ wacht haben", an Geld, Brot und Wein 10 t6 3 ß 22 L-. „Bewahr uns der Herr in Zukunft vor einem solchen Feuer („Custodiat nos deus in futurum a tali igne“)!" sieht der Stadtschreiber in der Kammerrechnung.

Beim Kriegsbrand 1434 erhalten Löschmannschaft und Brandwache 22 & 79 H aus der Stadtkasse, ein beim Retten verunglückter Schmied, der in einen Keller fiel und dessen Arm verbrannte, auf sein Begehr „damit er sich arzneien möge". Als 1460 ein Blitzstrahl im oberen Teil des hochragenden gotischen Ratsturmes zündet und ihn in Brand setzt, erhalten die mutigen Retter 12^ 6 L,; 1496 die Knechte der Stadt uyd des Heiligmeisters, die als erste beim Brand des Mesnerhauses auf den Frauenfriedhof eilten, 1 % 6 ß «1$ Belohnung.

Haben uns die Spenden und Verehrungen aus der Stadtkammer die Namen der wackeren Retter und Feuerwehrmänner durch die Jahrhunderte erhalten, so ermöglicht uns der Ersatz und die Vergütungen für die in den Bränden zu Verlust gegangenen Löschgeräte und Werkzeuges noch heute die Erstellung einer fast lücken­ losen Münchner Brandchronik. 1337 erhält der Bader Haertlin 20 Denare für seine beim Brand zu gründe gegangene Badzuber, 1381 vergütet die Stadtkammer für Zuber und Schaffeln 6 ß 2$, 1395 beim Brand in der Enggasse 3 ß 28 ; 1407 beim Brand in der Schwabingergasse den Schäfflern für 240 Geschirre 14 ß io H. Bei der großen Feuersbrunst 1418 empfangen Schäffler und Bader 4 u 66$, „damit sie hiefür, Gott verhütt, uns desto lieber herleihen!" Beim Brand des Rathauses 1460 erhalten sie 580 Scheffel und 57 Zuber mit7% sß 3$ vergütet, bei der Feuersbrunst des Jahres 1484 beide Gewerbe 27 & aß 13$ Entschädigung.

Während die Stadt sich anfangs begnügte, mit den von Hand zu Hand gereichten Geschirren der Schäffler und Bader Wasser zum Brandplatz zu schaffen, kaufte der Rat erstmals 1420, belehrt durch die schlimmen Erfahrungen des Brandjahres 1418, *) „Srvaj si da verliesent, daz füllen in der stat chamrer gellen nnd iur arbaitt dannoch Ionen".

zwölf städtische Wasserzuber, die man in den Badstvben anfstellte, «nd 25 Fässer für die Stadtbrunnen, „ob stch indert ain feur derhub, da got vor sey, so hiet man sy". Die ersten metallenen Löschgeräte, vier kupferne Schapfen, wurden 1422 aus städtischen Mitteln angeschafft. Nach mehr als einem Menschenalter wurde eine neue Form des Löschgeräts in München eingeführt, die bis ins vergangene Jahrs­ hundert Verwendung fand: 103 lederne Brandeimer, Handlöscheimer, die 1477 für 30 U 5 ß beim Tätzl in Schweinfurt gekauft wurden. Die größte Anschaffung von Löschgeräten mit rund 120 Pfund Pfennigen fällt ins Jahr 1489. Damals be­ stellt Hans Ligsalz auf Ratsgeheiß im gewerbesamen Nürnberg, dem Vorort der deut­ schen Löschindustrie des Mittelalters, vier Kupferbehälter zum Wasserführen, nach deren Vorbild der Kupferschmied Talhammer in München vier weitere herstellte. Ebenso kaufte man in Nürnberg 12 Messingspritzen (Handdruckspritzen) aus der Erkenntnis, daß ein Tropfen Wassers zur rechten Zeit mehr wert ist als die durchgebildetste Feuerbekämpfung, wenn das Feuer erst Herr geworden*). Dazu zwei Ledereimer, nach deren Muster ein Münchner Schuhmacher nochmals 100 Feuereimer fertigte. Sie müssen sich gut bewährt haben, da der Rat 1494 neuerdings 48 Ledereimer, je zwei um einen rheinischen Gulden, beschaffen ließ. Außer diesen Löschgeräten verwahrte die Stadt im Stadthaus am Anger große eiserne Feuerhacken zum Einretßen bren­ nender und bedrohter Häuser, um den Feuerherd einzudämmen. Mit solchen Hilfsmitteln ausgerüstet rückte am Ausgang des Mittelalters die Münchner Bürgerwehr aus, wenn der gellende Schrei der Sturmglocken von St. Peter „Großfeuer" meldete. Fravevhaus und Scholderplatz.

Die sittlichen Zustände sind gekennzeichnet durch einen Zug gesun­ der Natürlichkeit. Ein einziger Fall geschlechtlicher Verirrung begegnet uns in zwei Jahrhunderten, die Verfehlung eines Schreibers mit jugendlichen Schülern8). In einer Zeit, da selbst Bischöfe und Päpste Abgaben von Freudenhäusern bezogen, ja diese sogar fürstliche, bischöfliche und Reichslehen todten8), galt die gewerbsmäßige Unzucht als notwendiges Übel städtischen Lebens. Die Münchner Lustdtrnen unter­ standen lange Zeit als unehrliche Personen der Aufsicht und Beherbergung des Hen­ kers und der vier Schergen, ihr schmählicher Geldverdienst bildete mit dem Spielund Scholderplatz einen Teil deren Amtsbesoldvng. Sie versäumten darob ihre Dienstpflichten und gerieten wegen der Teilung des Gewinnes nicht selten in Rauf­ händel, so daß es wiederholt zu Mord und Totschlag kam. Bürgermeister und Rat *) Messingene Handfeuerspritzen von etwa 80 cm Länge und 2 Liter Wasser Fassungsvermögen, vermutlich eine Nürnberger Erfindung, waren schon im 14. Jahrhundert bekannt. 1439 soll Frankfurt ii solcher Spritzen in Nürnberg gekauft haben, 1499 Luzern und 1521 Bern je 12 Meffingspritzen. Alb. Heer, Das Feuerlöschwesen S. 4, 36, 39, Zürich 1916. — In Wien ist erstmals 1527 von der An­ schaffung von Feuerspritzen die Rede. 0. Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien S.228, Wien 1929. 2) Ratswahlen 1362—1384 fol. 124. 3) Kriegk, Deutsches Bürgertum im Mittelalter N. F. S. 294, Franks. 1871. Sotteber, München

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wendeteu sich daher an die Herzoge Ernst und Wilhelm III., den Beschirmer des Baseler Konzils, um Abstellung dieser Mißstände. Die Landesherren verfügten am 29. Mai 1433, daß im Burgfrieden weder mit Würfeln noch Kugeln gespielt werden dürfe, ein Verbot, das Bürger wie Bauern, Adel und Geistlichkeit, Fremde und Juden, Mann und Frau, gleicherweise traf und nur die herzogliche Familie ausnahm. Selbst Hofadel, Hofgesinde und fremde Edelleute bedurften der Erlaubnis des Hofmeisters. Brett-, Karten- und Schachspiel um der Kurzweil willen war erlaubt; in den Gasthäu­ sern sogar das Kartenspiel verboten. Der höchstzulässige Spielverlvst für Tag und Nacht durfte nicht mehr als 24 betragen. Wer Spieler beherbergte, verfiel der Strafe. Beauftragte der Stadt überwachten in den Bürgerhäusern die Einhaltung des Spiel­ verbots. Damit die „gemeinen Töchterlein" lieber in München bleiben möchten, verpflich­ teten die Landesherren, um „dadurch viel Unheil an Frauen und Jungfrauen zu verhüten", die Stadt zum Bau eines Frauenhauses, aus dem sie keinen Ge­ winn ziehen, nur ihre Bau- und Unterhaltungskosten decken durfte*). Der Rat schützte die Ehrbarkeit untadeliger Frauen und Mädchen, indem er die feilen Dirnen in einem von ihm überwachten öffentlichen Freudenhaus unterbrachte und eine geregelte Pro­ stitution anbahnte. „Von merklicher notdurft wegen" und „zu fursehung vill schäden" ließ er 1436 in der Mühlgasse am Anger beim Heuturm den Bau in Angriff nehmen, der Ende 1437 seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Vom Heiliggeistspital erwarb er hiezu um 22% % S\ Haus und Hofstatt. Das Freudenhaus barg im Erdund Obergeschoß je eine große Stube, zu denen der Maler Meister Kunz 32 große und 2 kleine bemalte Fensterscheiben fertigte, insgesamt 12 Mädchenkammern und einen ummauerten Garten. Damit die Stadt vom Sündengeld nicht unchristlichen Nutzen zog, wurde das Freudenhaus dem städtischen Frauenmeister jährlich „um einen gleichen, billigen Zins"?) überlassen, 1437—1442 um 40, 1442 bis 1450 um 32, seit 1450 um 60 Wochenzins, ausgenommen die Karwoche, wo der Fravenmeister ge­ meiner Stadt schöne Töchterlein wie an allen heiligen Zeiten zum Kirchbesuch der Messe und Predigt anhalten sollte?). Noch im Eröffnungsjahr wurde eine Dirne namens Allen im Frauenhaus ermordet und auf Ratsgeheiß vom Henker auf der Freistatt

eingescharrt?). Durch dies Begräbnis gleich Selbstmörderin und Hingerichteten ist die soziale Stellung der ehrlosen Glieder der bürgerlichen Gemeinschaft scharf gezeichnet. Zwar schützt die Stadt die Frauen, die aus der Liebe ein Gewerbe machen, vor jeder *) „das sy auch ain frauenhaus mache» sollen den gemalnea dochterlein, auch das besetzen und zurichten, damit die gemainen dochterlein hie bei der stat bester pas beletben mügen. daraus aber der stat kain gult «och jtns gevallen sol dann allain, was es zu pauen und je pesseren kostet, sunder nur herinn anjesehen, das bardurch vil Übels an flauen und junckfrauen unverstanden werde." H.St.A. Privilegienbuch VI fol. 76V—79. 2) K.R. 1436/39. — Kammer-Memorial 1442 u. 1450. — Zinsbuch 1388 fol. 19v. — Saalbuch 1443 fol. igv u. 1444 fol. 50. — H.St.A. München Gericht Lit. 1 fol. 158—161. — Mon. Boic. 35/II S. 311. — Oberbayer. Archiv XIII, 25—28. — Landshut hatte schon 1424 ein städtisches Frauenhaus, von dem es 50 H Wochenzins bezog. Stadtarchiv Landshut K.R. 1424 u. 1426. a) „Item y2 'tf> haben wir zollt dem züchtiger von der Aellen in dem fraunhaus gestorben oder dermort, die er aus bei der haubtstat begraben hat. actum vor Katherine 1437." K.R. 1437.

wirtschaftlichen Übervorteilung: Das schöne Töchterlein hat dem Franenmeister von jedem Lagergenossev bei Tag oder Nacht 2 H zu geben. Von diesem Geld bestreitet der Franenwirt seinen Unterhalt und den Mietzins an die Stadtkammer und stellt ihnen täglich ein Mahl für 3 H und drei Nebevgerichte. Das Gewand soll er ihnen gemäß dem Vorschlag geschworener Unterkäufel und eines unparteiischen Schneiders kaufen. Der Diensteid des Frauenwirts enthält die ungeheuerliche Verpflichtung, bei Weitergabe von Freudenmädchen keine höher zu beleihen, als er fie selbst kauft oder pfandweise erstanden*). Die „Hübscherinnen" verschrieben sich also den Frauenwirten in jugendlichem Leichtsinn gegen Bezahlung ihrer Schulden oder sie waren das Opfer gewinnsüchtiger und gewissenloser Anverwandten. Bürgerstochter aus der eigenen Stadt wurde keine geduldet. Es ist verständlich, daß die Zünfte bei ihren Zusammen­ künften jede gesellschaftliche Berührung vermieden wissen wollten und daß beispiels­ weise die Satzung der Schmiede- und Wagnerzunft bei strenger Strafe gebot, daß, wenn Meister und Gesellen beim Wein oder bei der Zunftlade beisammen sitzen und eine „Hübschen«" anwesend ist oder sich herandrängt, keiner ihr zu trinken gebe oder in Worten und Gebärden mit ihr zu tun habe3*).4 * 5 Daß б die Auffassung der Zeit in sitt­ licher Hinsicht trotzdem sehr weitherzig war, beweist ein Satz aus den Statuten der Messerschmiede von 1450, wonach kein Gesell bei Strafe „täglich" im Frauenhaus liegen börste3). Geistlichen, Juden und Ehemännern war der Zutritt verwehrt. Neben dem städtischen Frauenhaus duldete man keine heimliche Dirnenherberge. Fast alljährlich werden einige „Bübinen", das sind heimliche Buhldirnen, und ihre „Buben" ausgepeitscht. Eine solche Bübin, bekannt unter dem Namen der schönen Urschel von Wolfratshausen, wußte den Kaplan des Pötschner-Benefiziums so sehr zu betören, daß er Ornat und Meßbuch seiner Pfründe an die Juden versetztes. Im Verlauf mehrerer Jahrzehnte hören wir über den Betrieb des städtischen Frauenhauses nichts Ungünstiges. Erst 1498 kam es, wohl aus Erbitterung über die Einschleppung der sogleich epidemisch auf­ tretenden Lustseuche, zu so schweren Ausschreitungen der Münchner Handwerksgesellen, daß 35 Gewappnete 46 Tage und Nächte lang das Frauenhaus bewachen mußten, weil die wutentbrannten Gesellen es stürmen und den Frauenwirt erschlagen wollten3). *) „Item er sol auch kainer höcher versetzen «nb verkanffe«, dann er sy kaufst hat oder tm versetzt ist oder er darauf gellheu hat." Der Stadt München Eidbuch 1460. — Register der Eide 1469 toi. 14V. а) H.S1.A. Privilegienbücher VII, 28. 3) Mertl S. 161. 4) „Item y2 ® L, minus 10 L, haben wir geben dem siegel von 10 tagen costgellt von der schön Ursellen, die den pfaffen, als man von ir saget, bejaybert hett, das er die meßgewannt «nd da; meßpüch der Peter Pötschnerin an die jude« geseczt hett nach dem heilige» ebenweychtag 1427." — „Item 32 H haben wir geben dem züchtiger von aioer stauen, der schön Urselen von Wolfartzhausen, von des pfaffen wegen, den sie bezaybert soll haben, auszejagen. actum in der ersten vastenwochen 1427." K.R. 1426. — Emen anderen Priester schaffte man zur Maßregelung an das geistliche Gericht nach Freising: „Item 5 ß 16 haben wir geben ze zerung und auch ze lon von dem pfaffen Herr Petern dem Dächsell, den man gen Freysing füret auf aim charren, darumb das er in ftauengewant auf der Hofstatt zu Anger umb und »mb spacziret und wollt villeicht ainen kriseyzt haben." K.R. 1425. б) K.R. 1498. — Am 24. Sept. 1507 verkauft die Stadt das „alte Frauenhaus" bei Unsers Herrn Tor gegenüber der Ringmauer um 46 Golden. München GU. 560. 26*

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Kirche und Kultus. Die Kirche war in München nur Mittlerin ihrer Gaben. Was sie für die Wohltätigkeit leistete, dankte sie den reichlichen Opferspenben und den Erträgnissen bürgerlicher Stiftungen. Die beiden Mönchskloster lebten vom Almosen und Messe­ lesen, von „Stock und Sammlung auf dem Teller". Die Augustiner-Eremiten ver­ wahren in ihrem Archiv nur Ablaß-, Bettel- und Seelgerätsbriefe; kaum ein Jahr­ fünft, in dem sie nicht von ihren kirchlichen Obern einen geldbrivgenden Ablaß- oder Almosenbrief zu erwirken wissen. Sie erfahren beim Almosensammeln im Lande bit­ tere Kränkung. „Da aber die obgenannten Brüder auf das heilige Allmosen gestiftet sind", gebietet Herzog Ernst 1437, sie um Gottes willen im Sammeln zu förderns. Selbst das reichdotierte Kloster der Klarissinnen am Anger wandte sich 1449, als die Aufnahme nicht mehr auf begüterte, durch Leibrenten und Erbteile gesicherte, adelige und bürgerliche Frauen und Jungfrauen beschränkt blieb, an den Papst mit der Bitte Almosen nehmen zu dürfen, da sie nicht über die nötigen Einkünfte verfügten und nicht immer genügend zum Leben hätten, „da nu zemal viertzig und mer swestern und clösterfrauen wonung haben". Und Papst Nikolaus V. gewährte am 23. Juni 1449 zu Spoleto die Bittet.

Kirchen und Klöster werden bei allen Anlässen von der Stadt be­ schenkt. Eine Zuwendung des Mitbürgers Jmpler zur freien Verfügung des Rates wendet dieser 1325 der Salvatorkapelle zu; stiftet 1342 kostbare seidene Gewänder zum Allerheiligstenb), steuert 1404 nach dem Einsturz des Kirchengewölbes der Jakobs­ kirche^) am Anger zum Wiederaufbau 10^^ bei, 1437 zu einem Tafelgemälde in der Frauenkirche 5 22 Selbst nach auswärts macht der Rat Zuwendungen: 1332 zum Bau der Ritterstiftung Ettal den für jene Frühzeit ungewöhnlich hohen Betrag von 130 ti, mit dem man gut einen Flügel des Baues errichten konnte^); 1418 einen Gulden für die wundertätige Kerze in Mauerkirchen °), 1430 stiftet er ein bemaltes Glasfenster in die Frauenkapelle zu Thalheim. Der gigantische Opferwille der Stadt für seine kirchliche Größe ist für immer mit Münchens stolzestem Bauwerk, dem Dom zu U. L. Frau verknüpft. Das besondere Vertrauen des Stadtvolkes genossen die Barfüßermönche, die sich denn auch in hohem Maße der Gunst des Rates erfreuten. Ihr Ordenskapitel in den Jahren 1368 und in der schwierigen Zeit des Schismas 1405’), x) H.St.A. München Augustinerklosier U.F. 4. — Mon. Boic. XIX, 365—401. 2) tz.St.A. München Angerkloster Urk.Fasz. 46. 3) „Item dedimus ad capellam Salvatoris 5 66 minus 60 dn„ quas Impler concesserat praeterito anno in usus civitatis.“ K.R. 1325 fol. 8. — „Item dominica post Viti Perchoverio pro sericis pannis ad sanctuarium 36 florenos. K.R. 1342 fol. 169. 4) Am ii. Oft 1404 nachmittags 2 Uhr stürzte die Jakobskirche am Anger ein. Sogleich ging mananden Wiederaufbauundin4Jahrenwar sie fertig gestellt. Der Bau kamaufioi2 66 H zu stehen. — H.St.A. Franziskaner Bayr. Provinz Lit. 308 fol. 167, 274. — Anger-Kl. Lit. 2. 5) „Etat, ad subsiduum nove structure ibidem“ 130 66» K.R. 1332 fol. 57. 6) „zu ainer kerczen gen Maurkirchen, die selb kercz sich, als sy sprechen, hab sich offt selber angezünt." 7) „den parfüzzen zu dem capitel 40 66." K.R. 1368 fol. 69. — „Item wir haben geben den parfüssern zu irm capitel 32 66 H, dy in der rat schuffund ein gantze gemain." K.R. 1404/06 fol. 88v. An Pfingsten 1405 einte die Stadt das Generalkapitel des Ordens unter dem Minister der 0r-

wie ihre Bautätigkeit beim Konventbau 1380/811)2 unterstützten 34 Rat und Gemeinde durch aufmunternde Geldbeträge; 1466 stiftete der Rat ein Glasfenster in den Klosterkreujgang, ließ 1469 durch Meister Ulrich Fuetrer den Kreuzbogen bemalen und gewährte 1478 -em an die Pariser Sor­ bonne ziehenden Prediger der Barfüßer­ mönche eine ansehnliche Strrdienbeihilfe?). „Umb ein sau gen den parfussen", die der Rat schuf, als die Mönche „mangel an schweynem fleisch hetten", verbuchen 1496 die Stadtkämmerer 3 4ß 21 Ihre große Beliebtheit beim Volk verdankten die Minoriten vor allem ihrem Ruf als Buß- und Fastenprediger. Der berühmte Kreuzprediger und päpstliche Legat Johan­ nes von Capistrano, der Schüler des heiligen Bernhardin von Siena und Mit­ stifter der strengen Observanz des Franzis­ kanerordens, predigte 1454 auf seiner Rundreise durch Deutschland so erschüt­ ternd auf dem Münchner Marktplatz, daß die zerknirschte Bürgerschaft Spielbretter und Karten verbrannte und selbst einige schöne Töchterlein der Stadt sich von ihrem lockeren Lebenswandel bekehrten^). Mit Eifer unterstützte der Rat alle religiös­ Abb. 45. Hans Püchler und Frau um 1420. sittlichen Bestrebungen, begründete zur Rock auS bunNem Tuch (Perber), verbrämt mit braunem Pelz. Fastenzeit 1423 eine größere Geldspende Roter, mit Hermelin gefütterter Frauenmantel, weiße, gefaltete Stauchet. Wappen: Im schwarzen Feld roter Arm, endend in an die Augustiner-Eremiten damit, daß goldener Krone, einen Golbschmtedhammer schwingend. Und: Dreiblätteriger grüner Klee im weißen Feld. (Totenbuch des „sie andächtig waren'"), förderte 1431 die Franztskanerklosters). Wiedereinführung klösterlicher Zucht und densprovinz Dr. theol. Johann Leo; Kapitelprokurator war Bruder Vinzenz Rtdler aus dem heimischen Patrtziergeschlecht. Zum Danke für die gastliche Aufnahme durch Bürgerschaft und Herzogshaus verlieh ihnen Ordensgeneral Antonius von Pireto aus Rom einen Filianzbrief. Ältestes Nekrologienbuch fol. 52V. — H.St.A. Franziskaner Bayer. Provinz Lit. 1 fol. 6. *) „den parfüzzen ze pausteuer 10 # Reg." K.R. 1380 fol. 72—74 und 1381 fol. 54:14 U 6 ß 23 Bausteuer. 2) „Item 14 & haben wir geben nach ratsz geschaft dem Prediger zu den parfüssen, der gen Parysz auf die studium ist zogen, samtztag in der osterwochen 78." K.R. 1478. 3) „Item 3 öl 85 H haben wir zalt umb wein, vtsch und fleisch, die man geschanckt hat brüder Hansen Capistran, Frantziscer orden, und des mitbrüderen, als die zu München kamen und doselb auf dem marckt prediget und do man die sptlpret und die karten verprennet und ettlich gmayn töchter becheret, actum an montag vor Mathei anno 54." K.R. 1454. — H.St.A. Salzburg Hochstift Lit. 21 fol. 154. — Franziskaner, Bayr. Provinz Lit. 103. 4) „Item 4 öl $ß haben wir geben dem Prediger und leßmaister zu den Augustynern für 8 rhetn. guldetn, die im atn rat schuff in der vasten, do sie andächtig waren 1423." K.R. 1422.

Sittenstrenge bei den Barfüßern, als sie der Minne huldigten und Unordnung trieben*), trug 1480/81 mit dem vom Papst ermächtigten Herzog und den Klosterfrauen am Anger die Kosten der Klosterreform für die Konvente der Barfüßer und der Klarissinnen und verehrte ein Jahr später den Augustinern, als sie sich der strengen Richtung unterwarfen, 8% Eimer Weins, „das sy sich zu der reformation geben habens3*)." 4 * Wie sehr dem Rat die Sorge für die Religiosität der Bürgerschaft am Herzen lag, läßt sich auch daraus ersehen, daß er 1479 nvd 1481 in Rom 300 Dukaten aufwendet, damit man in München in der Fastenzeit und an Fasttagen statt des schwer erhält­ lichen Hls Butter und Milch, die unter das Fastengebot fielen, zur Zubereitung der Speisen verwenden imrfte3). Bei allen wichtigen Anlässen pflegt er die Hilfe des Him­ mels anzurufen und große politische Entscheidungen mit Gebeten der Seelschwestern und Bittgängen armer Leute zu begleiten: 1414 zur Beseitigung des Schismas und zur Einigung der Christenheit auf dem Konzil zu Basels, zur Schlichtung des ewigen Familienstreites im Haus Wittelsbach3), 1425 bei der Teilung des Straubinger Landes3), 1435 zur Abwendung der Fehden Ludwig des Gebarteten?). Zum Dank für den Sieg bei Puchheim 1422 über Herzog Ludwig von Ingolstadt, den Münchens Bürgerschaft an der Seite der Herzoge Ernst, Albrecht und Wilhelm gegen eine drei*) „Item 4¥sßSi haben wir zallt umb fünf kandel weins, schanckt man von rats geschafft dem minister «nd auch dem gnster, der parfarten obristen, do die hie waren und wollen das kloster zu den parfussen hie pas versorgen und versperren, doch mit «ins rats wissen und derlauben, damit die munich doselbe» im kloster als vast nit mynneten und Unordnung tribeo, als fle pisher villeicht kann haben, actum vor ascensionis 1432." K.R. 1431. 8) K.R. 1480/82. — H.St.A. Franziskaner, Bayr. Provinz £it. 308 fol. 275. — Veit Arnpeck 6.419, 676. — Joh. Heldwein, Die Klöster Bayerns am Ausgang des Mittelalters S. 17s, Mün­ chen 1913. — Math. Anders, Kurze Gesch. über das aufgelöste Nonnenkloster der Klarisstnnen am Anger, München 1808. 3) „umb die freyhait, das man puttir und milich in der vaßten »nd ander vaßtäge an des öls stat für» nach lautt derselben freyhait esse» mag." K.R. 1479 u. 1481. 4) „Item wir haben geben 3 äl H, die der rat schuss gaistliche« läuten, bas die got gebeten haben umb ai« ayuung der krtstenhait. actum Nicolay anno 14." K.R. 1414. — „Item 3 N L, haben wir auszgeben gen Spitall zu dem heiligen gatst, da hat man ai« ampt gefrümt und den betswestern gegeben, barumb das got unsern boten zu Konstancz «nd unser Herschaft und uns sig und salb verleiche. actum samstag vor Ulrici." K.R. 1416. ®) Der erste Gntrag dieser Art lautet: „Item 3 äs ad fratres minores, ad Augustinos, ad dominas in prato ordinis sancte Clare pro 7 missis.“ K.R. 1362 fol. 108. — „Item wir haben gebe« 12 ß ii L, Priestern und frauen, daz sy gegangen sein gen Neufarn und haben gebeten da den hailligen gatstumb ein frid; actum Ulrici anno7, und 56 ~i «mb2 wachs." K.R. 1407fol. 58. — „Item2 äs haben wir geben den pettgeswestern in den selheusern darumb, daz ste grosse gebe« getan haben von der zwieläuff wegen zwischen der Herren, daz got mit seinen gnaden ain frid darein setzet, actum vor vasnacht anno etc. 21." K.R. 1420. “) „Item i U 10 L, haben wir geben umb zehen pfundt wachs und davon kerczen zü machen, das ai« rat schuss von andacht wegen, die man begen sollt in allen kirche» hie und in den sellhauser, desmals do die Herren all sambt von des tails des Nyderlands wegen zu einander ze täg chomen zu Landau, das got sein genad uns zu schicket, das unsern Herrn ir taill an verderben «nd an große müe ze stünd. das wer uns gar not. actum sabbato post Petri et Pauli anno 25.“ K.R. 1425. ’) „Item 10 ß minus 5 4 haben wir zallt nach rats geschafft in die selhauser, ze bette« die 32 tau» senk ave maria unser liebe« frauen, damit sie dem land ze Bayrn gnad und frid zwi­ schen der Heren derwerbt von irem lieben kind. actum in vigilia pasche 1436." K.R. 1435.

fache Übermacht erfocht, stiftete der Rat mit 2 % Ewiggeld aus der Stadtkammer

einen kirchlichen Siegesgedenktag x). Barfüßer, Augustiner und die beiden Siechen­ häuser erhielten 1492 n rhein. Gulden, daß sie um Gottes willen im Kampfe Herzog Albrechts IV. gegen die Staufer um Frieden bitten. Zur Weihnachtszeit mußten die niederen Gemeindebeamten, geführt vom Kam­ merknecht, in der Pfarrkirche zu Opfer gehen, wofür sie das Opfergeld von der Stadt erhielten. Als Ehrenpflicht betrachtete die Stadtverwaltung die Feier des mit vollster Entfaltung kirchlicher Pracht und Größe und freudiger Beteiligung des Volkes und der Zünfte durchgeführten Fronleichnamsfestes^). Vor benachbarten Bischofs­ städten wie Salzburg hat München bereits 1343 das Fronleichnamsfest eingeführt6). Ratsherren und in der neuen weißblauen Amtstracht die Stadtamtleute nahmen voll­ zählig am „Umgang corporis Christi" durch die mit maiengrünen Birken geschmückten Straßen teil, wozu ihnen die Stadtkammer Wachskerzen und Handschuhe reichte. Stadttrompeter und Stadtpfeifer begleiteten die Prozession. Während man das Sakra­ ment U. L. Frau im Altarschrein von St. Peter verschloß, wurden Amtleute und Mit­ wirkende auf städtische Kosten bewirtet. Kämmerer Kazmair stellte 1431 diese oft mit Störungen verbundene Unsitte ab; doch der alte Brauch erwies sich stärker als berech­ tigte Bedenken und 1433 ward „Freßgeld und Geiermahl" wieder zugestanden. Die städtischen Friedhöfe stehen unter der gemeinsamen Aufsicht des Rates und der aus seinen Reihen gewählten Kirchpröpsie. Den Unfug, daß verschuldete Per­ sonen nicht gehörig bestattet wurden, stellte Gegenpapst Nikolaus V. durch eine Bulle vom y. Januar 1329 ab: Arme sollten vom Kirchengut begraben werdens. Als der Patrizier Aivwich Altmann 1357 von seinem Haus eine Türe auf den Frauenfriedhof bricht, lassen sich Stadt und Kirchenverwaltuvg die jederzeit widerrufliche Anbringung und die Vergitterung urkundlich zusichern, damit nicht das Vieh auf den Friedhof läuft6). Mit Einwilligung des Rates legt das Augusiinerkloster 1387 auf der Hofstatt des Niklas Hübschwirt an der Neuhausergasse gegen die Enggasse zu einen Kloster­ friedhof an6). Unter den Aufwendungen der Stadt für Kultuszwecke finden sich auch Ausgaben für Friedhöferweiterungen: 1479 kauft der Rat für 68 & einen Anger der Katharina Obsilerin zum Frauenfriedhof an der Prannerstraße, 1480 einen Garten an der Brunngasse für 38 '&> zum Petersfriedhof und 1499 einen Grund für 127 tt von der St. Salvatorkapelle für die Ausgestaltung des Frauengottesackers. „Weil die alten Friedhöfe viel zu eng und für die volkreiche Stadt völlig unzureichend waren", hatten sich Herzog und Rat 1480 nach Rom gewendet, um eine Verlegung der beiden, x) Leibgeding- u. Ewiggeldbuch 1428 fol. 51. 2) Einen bildhaften Eindruck von der Feierlichkeit dieses Höhepunktes religiösen Volks­ lebens gewinnen wir aus Albrecht Dürers Zeichnung der Antwerpener Fronleichnams­ prozession. Abgebildet bei Veth u. Müller, Albrecht Dürers niederländische Reise I. Bd., BerlinUtrecht 1918. 8) Al. Mitterwieser, Gesch. der Fronleichnamsprozesston in Bayern S. 12, i6f., München 1930. 4) Riezler, Vatikan. Akten im. — Staatsbibliothek, Oefeleana 308/1. 5) Archiv des histor. Vereins v. Oberbayern Urk. 3425. *) St.A. Weite Gasse 1.

mitten in der Stadt liegenden Gottesäcker an die Ringmauer in der Pranner-- und Brnnngasse zu erwirken, wo sie in Pestjeiten der Einwohnerschaft weniger gefährlich werden konnten. Papst Sixtus IV. gab in einer Bulle seine Zustimmung, verbot über­ dies in den Stadtpfarrkirchen und den Klosterkirchen der Mivoriten und Augustiner in Pestzeiten Bestattungen — gleichviel welchen Stan­ des und welcher Würde —, um nicht die Einwohnerr ZoC ey schäft der Gefahr der Ansteckung auszusetzen. Der Bau

Abb. 46.

der ehrfurchtgebietenden Frauenkirche hatte viele Ge­ schlechter und Personen bewogen, in dem herrlichen Gotteshaus neue Familiengrabstätten zu errichten. Auf Bitten des Rates schritt Papst Sixtus IV. in einer zweiten Bulle gegen das Überhandnehmen der kirchlichen Begräbnisstätten ein: Kein Geschlecht sollte fortan mehr als ein Familiengrab in Kirchen haben. Die Leichen wurden auf die Friedhöfe überführt, die Grabsteine wieder aufgestellt; Stifter von Kapellen durften als Patrone einen Gedenkstein, die Familien­ mitglieder einen zweiten, Kapläne und Vikare ihres Meßbenefiziums einen dritten erhalten. Diese Papstbulle brachte zugleich eine nachträgliche Anerkennung

Frauenkirche als dem Orte spricht, „wo die Leiber des römische« Kaisers Ludwig und mehrerer Bayernherzoge in Ehren („honorifice“) bestattet sind"*). Das Volk will Feste! Die jährliche Fronleichnamsprozession, die feierlichen Kirch- und Heiltumsfahrten in Kriegs- und Pestzeiten bildeten bei dem Gepränge und der Prunkliebe der katholischen Kirche Volksschauspiele; die Bürgerschaft beging festlich jedes Ablaßfest und Patrozinium der Stadtkirchen und volkstümlicher Dorf- und Wallfahrtskirchen?). Die großen Ablaßjahre 1392 und 1480, die feierliche Einholung des Leibes des heiligen Arsatius 1495 vom Stift Ilmmünster in die Münchner Frauenkirche?) — selbst der Herzog und die Herzogin gaben dem Heiligen hinter seinem mit l) H.St.A. München Chorstift U.F. 12. — Staatsbibliothek, Oefeleana 308/14. 8) Über et« drolliges Mißgeschick zweier alter Weiber bei der Ramersdorfer Kirch­ weih berichtet der Stadtschreiber: „Item g ß 16 haben wir jallt umb 27 preter, waren gemayae preter und waren auch swertlich, die man vernüczt hatzu der alten prügken, da aus bei der Laymbrügken zu Ramelstorffer kirchwey; «an» zway alte wetb hetneingevallen waren und schulte» de» Eysenmann kamrer, sie wolten inn verfluche», das er die prügken nit lyes machen, actum je Rameltstorfer kirwei anno 32." K.R. 1431. ’) K.R. 1495. Als der berühmte Münchner Bildhauer Erasmus Grasser in Ilmmünster das ArsatiuS-Epitaph aufbrechen mußte, wollte ihm niemand ein Werkzeug leihen, so groß war die Anhänglichkeit an de» Heiligen, der sieben Jahrhunderte im dörflichen Frieden geruht hatte. Veit Arnpeck S. 691.

sechs Schimmel bespannten Ehrenwagen das Geleite — bedeuteten einen gewaltigen Aufruhr im ruhigen Alltag des Volkslebens. Kirchliche Feste und weltliche Lustbar­ keiten waren dem schaulustigen Volk Lebensbedürfnis. Irgendwo draußen an der Isar beim Lustgarten („viridarium“) des Hans Jmpler lag ein grüner Wiesenfleck, der den frohen Namen „Alleluja" trug, ein Spielanger, auf dem das Volk sang und tanzte, eine Stätte des Frohfinns und der Freude *). Die Leblust im München des Mittel­ alters ist so groß, daß eine eigene Zunft der Köche besteht?). Auf dem Berg Andechs wurde» 1388 vom Barfüßermönch Jakob Dachauer in einem bleiernen Behälter kostbare Reliquien entdeckt, die dort angeblich seit den Ungarn-Einfällen verborgen waren: Zweige der Dornenkrone Christi, Stücke der Lanze des Longinus, das Siegeskreuz Karls des Großen und des hl. Rasso im Kampf gegen Sachsen und Ungarn, drei geweihte Hostien, auf denen das Bild des Gekreuzigten, sein Fleisch und Blut erscheinen sollten. Um die Reliquien der Verehrung der Gläu­ bigen besser zugänglich zu machen, wurden sie am 6. Dezember Abb. 47. Münchner 1389 nach München in die Lorenzkapell eim alten Hof überführt Koch, Tracht um 1480. und unter gewaltigem Zulauf des Volkes zur allgemeinen Ver­ Enganliegendes grünes ehrung ausgestellt. Bischof Bertold von Freising eröffnete den Kleid mit weißem, rotgestretftem Brustlatz, ge­ Reigen der Ablaßstifter, indem er am 6. April 1390 allen, welche schlitzten Ärmeln und weißer Schürze. Rote Schnabel­ die Hofkapelle besuchten, einen vollen Ablaß verlieh. Bischof Fried­ schuhe. An der Seite bre tteS, schwarzes Küchenmesser. rich von Toul folgte am 16. August 1391, Bischof Johann von (Totenbuch.) Regensburg am 8. Januar 1392 seinem Beispielb). Wunder­ bare Heilungen, so 1391 des durch einen Sturz verunglückten Kindes des Steinmetz Christian Losner von Meran, taten das ihre, den Ruf von der Wunberkraft der Heiligtümer zu erhöhen*). Um die Religiosität der Zett und die Gnadenmittel der Kirche der Stadt und dem Lande dienstbar zu machen, strebte Herzog Stephan der Kneißl, der in Rom 1390 das große Jubeljahr miterlebt hatte, für München seine Wiederholung in deutschen Landen an. Zum Dank für seine als des französischen Königs Schwiegervaters Bemühung um die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit in Deutschland und Frankreich, gewährte Papst Bonifaz IX. auf sein und seiner Brü­ der Friedrich und Johann Bitten vom 17. März bis 1. August 1392 ein Münchner Gnadenjahr. Wer an der Romfahrt zum Jubeljahr durch triftige Gründe verhin­ dert war, konnte im Münchner Gnadenjahr des Segens einer Romfahrt teilhaftig werden. Jeder wahrhaft Bußfertige und Ablaßsuchevde mußte sieben Tage in Mün­ chen weilen, täglich die vier Kirchen U. L. Frau, St. Peter, St. Jakob am Anger und *) Totenbuch des Franziskanerkloster fol. 32. 2) Sie erwirbt 1490 aus drei Krautäckern am Neuhausertor bei der Kindsmarterpeunt eine

Gült von

¥2 Pfund. H.St.A. München GU. 450.

3) H.St.A. Andechs Kl.U. 4. — München Ger.Urk. F. 128.

4) Cgm. 19633 fol. 98.

Heiliggeist besvche« und in jeder Kirche ein würdiges Opfer darbringen. Dreimal in der Woche wurden dem Volke die Reliquie« öffentlich gezeigt*). Unter Zusicherung freien Geleits lud Herzog Stephan zum Besuch des Gnaden­ jahres ein. 15 Beichtväter hatte man bestellt; doch kam soviel Volk aus Deutschland, Österreich und selbst aus den Slavenländern, daß man zum Welt- uyd Ordensklerus der Stadt noch 40 auswärtige „Pönitenzer" bestellen mußte. Die Priester besahen sich Tracht und Gehaben der Beichtkinder und legten darnach die Bußgelder auf. Un­ erhört war die Zahl der Pilger, die in München zum ersten Gnadenjahr in deutschen Landen zusammenströmten, in einer Woche wohl 60000, an manchen Tagen bis zu 40000 Menschen. Auf allen Straßen herrschte ein wahrer Gottesfrieden und die Stadt bestellte einen besonderen Sicherheitstrupp Schützen, um auch in München Ruhe und Ordnung zu sicherns. Eine Welle religiöser Erbauung und Erschütterung ging durch das Volk, der sich niemand entziehen konnte. Sie ergriff selbst die Höchsten und Besten des Landes. Zu den Ablaßpilgern zählte auch Herzog Albrecht II. von Straubing-Holland, der 12 Gul­ den opferte und seinem Beichtvater überdies 5 Gulden spendete. Auch einer seiner Paukenschläger, der dafür das Reisegeld erst beim Landschreiber ausborgen mußte, wallfahrtete zum Gnadenjahr nach Münchenb). So bedeutsam war der Zufluß an Ablaßgeldern in München, daß man im nahen Augsburg voll Neid und Schelsucht auf die Einnahmen sah*) und, wie Burkard Zink berichtet, über die Geldpraktiken der Münchner spottete und sich ereiferte, weil von Pfingsten bis Jakobi kein Tag verging, an dem nicht ein Augsburger Metzen Regensburger Pfennige in München blieb: „denn jedermann wollte in den Himmel"°). *) Oefele, Scriptores I, 264, 372, Augsburg 1763. — Wolf II, 386s. — Riezler III, 158ff., 836s. — Mittermüller, Gesch. der Heiligtümer auf Berg Andechs, München 1848. — Geiß, Gesch. der Stabtpfarrei St. Peter S. 26, München 1868. — Simonsfeld, Beitr. j. bayr. ». Münchner Gesch., Sitz.-Ber. d. hist. Klasse d. Akad. II, 272—278, 316s., München 1896. — M. Jansen, Papst Bonifaz IX. und seine Beziehungen zur deutschen Kirche 1904. — Bauerreiß, Die geschichtl. Anträge des Anbechser Missale, Stud. «. Mitt. z. Gesch. d. Benediktiner Ordens 47 (1929). — Brackman», Die Entstehung der Andechser Wallfahrt, Abh. d. preuß. Akad. d. Miss., Berlin 1930. 2) H.St.A. München Anger-Kl. Lit. 2. — Franziskaner, Bayr. Provinz Lit. 1 fol. 6 und 308 p. 224. — Ulrich Fuetrer, Chronik S. 183. — Quellen «. Erörterungen R.F. 1,116 u. III, 403, 665f. — Städtechroniken IV, 95, V, 45. — Aventin (Chronik V, 523, München 1884) sagt übertreibend: „Cs «ar damals ein seltsam unerhört ding in teutsche» landen; darumb lief stättg vil volkS zue, allerlai Teutsch und Winden; es kamen alle tag bei sechtzig tausend Menschen zesam". 8) „Item do mein herre zue München was, in di puchsen gelegt 12 guldein, facit 3 M L,. Item dem peichttger 5 guldein, facit 10 ß — „Item an freitag nach Leonhard! Chuntzen dem pankker geben, das im mein herre het geschaft zu zerung zu den genade» gein Mün­ chen, die er auf sich het entlehnt, dofur der lantschreiber porg warde, % L». H.St.A. Straubing Ger.Lit. 31/23 3fol. 4 *117V, 6 136V. 4) „Item in demselben jar was ein Romfart zu München, da kam groß gelt da­ hin", berichtet das Breve Chronicon Augustanum. Oefele, Scriptores I, 616. 6) „Und soll man wissen, das die benedicter gros und vil gelts auflegten, darnach und der man reich oder arm was, und darnach statt funden an den leutten. Es was alles »u um bas gelb ze thun, und man sagt für war, bas kein tag vor Pfingsten bis Jakobi was, es wer ein Augsburger mez Regensburger da gelassen worden, den jedermann wolt gen hymmel." Oefele, Scriptores I, 264. — Stäbtechromken IV, 95.

Ehrungen, Feste, Geselligkeit. Die ob ihrer Gastfreundschaft vielgerühmte Stabt sah Kaiser, Könige, die Großen des Reiches wie bürgerliche Personen von Stand, die auf der Durchreise begriffen waren oder in Geschäften und Botschaften verweilten, als Gäste und reichte ihnen nach mittelalterlicher Sitte als Ehrentrunk erlesene Weine, Reinfall, Bassaver, Malvasier oder Muskateller und als Imbiß meistens Fische, Hechte und Forellen. In der Spalte „Schankung und Ehrung" der Kammer­ bücher sind uns durch Jahrhunderte die Namen vieler vornehmer Fremden überliefert. Ihrem Bischof verehrte die Stadt 1318 einen silbernen Mischkrug von 8 tt $ und seidene Gewänder von 4 tt> König Ludwig der Bayer und seine Gemahlin Beatrix wurden 1321 feier­ lich bewirtet (Kosten 23 *ti> 6ß 15 A); ein Jahr später ehrte man die tote Königin durch ein Ehrengrab *) und feierte im November den Sieger von Ampfing. Wieder ein Jahr später, 1323, wendet München 10 tt> zur Hoch­ zeit des Königs mit Margarete von Holland auf. Der 16. Februar 1330 sieht den Triumphzug des von Rom heimgekehrten, zum Kaiser gekrönten Landesfürsten, der an der Spitze einer glänzenden Schar deutscher und italienischer Fürsten und Ritter, jubelnd begrüßt von seinem beglückten Volke, in seine Hauptstadt einreitet?). Dem Herzog Thaddäus Visconti von Mailand verehrt die Stadt 1380 10 Dukaten, am i.Mai 1402 dem aus der Lombardei kommenden König Rupprecht und seinem Gefolge, darunter dem Herzog Ludwig von Ingolstadt, dem Bischof von Speyer, dem königlichen Kanzler, dem Hofmeister Graf Leiningen und dem Komtur des Deutsch­ ordens für 73 % 2y L> Wein und Fische, 1406 dem König von Portugal, dem Herzog Ludwig und dem Landgrafen von Ottingev Fische und Wein für 19 ü 72 Kaiser Sigismund reitet 1434 mit seinem Kanzler Kaspar Schlick, dem Bischof von Trient, dem Bürgermeister und den Ratsherrn von Frankfurt in München ein; beim Ehrentanz im Rathaus reicht er jeder Bürgersfrau die Hand zum Gruß, selbst des Ratsdieners Magd. Die herzoglichen Brüder Albrecht, Christoph und Wolfgang werden am 8. Januar 1470 mit Wein und Fischen geehrt, als sie von Rom, letzterer von Mantua und Padua Heimkehrer?). In prunkvollen Ornaten mit dem Sanktissimum und den Reliquien der Kirchen und Klöster holt die Geistlichkeit 1473 Kaiser Friedx) „72 H pro truca ad sepulcrum regine“ und ,,54 de tumulo regine.“ K.R. 1322. Die Bürgerschaft stiftete damit die erste Wittelsbacher Grablege in der Frauenkirche. 2) E. v. Destouches, Die großen Stadtfeste in München, Münchner Gemeindezeitung 1872 S. 261/62. 3) K.R. 1469 fol. 21.

eich III. mit seinem Kanzler, dem Erzbischof von Mainz, und großem Gefolge feierlich ein und geleitet ihn in die neuerbavte Liebfrauenkirche. Eine Ratsabordnuvg über­ reicht dem Kaiser Fische für 31 'tt 7 ß und als Ehrentrunk edlen Wein für 27 & aß 24 Obwohl die gesamte Bürgerschaft aufgeboten ist, Pauker und Pfeifer, die Ge­ wappneten und die vier Hauptleute mit ihren Vierteln, darunter 400 Bürger mit blanken Hellebarden und Streitäxten, kostet der feierliche Empfang des deutschen Königs der Gemeinde nur 10 Am Christi Himmelfahrtsabend 1489 reitet der deutsche König Maximilian I. nach glücklicher Befreiung aus einjähriger Gefangenschaft bei den rebellischen Vlamen zu Brügge unter dem Jubel des Volkes in München ein, geleitet von seinen Befreiern, den Bayernherzogen Christoph und Wolfgang, herzlich begrüßt von seinem Schwager Albrecht IV. und seiner Schwester Herzogin Kunigund. Am Aschermittwoch 1491 reitet König Maximilian mit 700 Pferden abermals in München ein. So hohe Wellen schlägt die Festesstimmvng, daß man ihm zu Liebe trotz des kirchlichen Bußtages nachts einen Ehrentanz veranstaltet. Der Maler Jan Pollak hatte das Sendlinger- und Angertor, Stadtfahnen und Geschütze festlich be­ malt^. Der Münchner Dechant von St. Peter, der von Wien her 1414 zum Konzil von Basel reitet, wird ebenso mit einem Ehrentrunk von altem und neuem Welsch­ wein geehrt wie die durchreitenden österreichischen Räte: der Abt von Melk, der Propst von Klosterneuburg, der Erzbischof von Salzburg und der Graf von Cilli. Kreuz­ ritter, die zum Heiligen Grab wallen oder davon zurückkehren, erhalten stets eine Ehrung seitens der Stadt: Ludwig Pienzenauer und Jakob Pütrich bei der Heimkehr 1402 roten und weißen Welschwein für 7 ß 10 L-, 1420 vier zu Rittern Geschlagene, „die über mer kommen", darunter ein Wolfsteiner und Aichberger, je eine Kanne Wein. Herzog Otto ward 1424 vor seiner Fahrt ins Heilige Land bewirtet. Der sprach­ kundige Rochus Freimann, der im Kreuzgang von St. Zeno in Verona unweit der Sepultur der della Scala seine letzte Ruhestätte fand, zog in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zum Hl. Grab, Patrizier Peter Rudolf im 15. Jahrhundert?). Als 1450 auf König Friedrichs 111. Geheiß 32 verbündete Reichsstädte mit ihren Gegnern MarkgrafAlbrecht von Brandenburg und Jakob von Baden, Graf Ulrich von Württem­ berg, vielen Fürsten und Bischöfen in München tagen, kostet der städtische Ehren­ trunk bei 30 tt Der berühmte Nürnberger Humanist Willibald Pirckheimer erhält zu Jakobi 1490 und am 13. Dezember 1494 vier Kannen Schenkwein; unter den vielen geehrten Gelehrten erscheint am 9. März 1437 auch ein junger Münchner, der Student Kirchmayr zu Padua, der spätere Stadtschreiber. Die Töchter und Schwieger­ töchter der herzoglichen Familie erhalten bei der Vermählung Ehrengeschenke in Gold und Silber, kostbare Werke der besten Münchner, Augsburger oder Nürn­ berger Goldschmiede. 1427 verehrt der Rat der Tochter Herzog Ernsts, Frau Beatrix, bei ihrer Vermählung mit Pfalzgraf Johann von der Oberpfalz einen vergoldeten Pokal für 47 3 ß 16 S\, 1436 Anna von Braunschweig, der legitimen Nachfolgerin der unglücklichen Agnes Bernauer, bei ihrer Hochzeit mit Albrecht 111. zwei vergoldete x) Veit Arnpeck S. 425, 678, 680. — K.R. 1490 fol. 30. 2) Cgm. 1993 fol. 485, 695.

Im

Erker Herzog Albrecht

Abb. 49. Hofball in der Neven Veste. (Graphische Sammlung, München). IV . m it seiner Gem ahlin Kunigunde beim Kartenspiel. Kupferstich des Meisters M Z ( Goldschmied M atthäus

Zastnger) vom Jahre 1500.

Kleinodien aus Silber für 113 44 4ß 5L-, einen Buckelbecher und eine besonders hübsche Goldschmiedearbeit. Der denkwürdige Eintrag, kennzeichnend für die Stim­ mung im Rathaus, endet mit den Worten: „des full wir all fro sein, das wir nit wider ain Bernauerin gewunen habens." Fräulein Margret, die Tochter der Herzogin Anna, erhält 1463 zur Hochzeit mit Markgraf Friedrich l. Gonzaga von Mantua einen silbervergoldeten Becher, Augsburger Arbeit, für 49 44 4 ß 27 die Kaisertochter Kunigunde bei ihrer Vermählung 1487 mit Herzog Albrecht IV. von Bayern als neue Landesherrin drei vergoldete Pokale im Werte von 335 44 4 ß 15 Es ist bekannt, daß in Zeiten fürstlicher Selbstherrlichkeit die Herrscher die Über­ bringer höfischer Freudenbotschaften über eine gewonnene Schlacht oder von der Ge­ burt eines Prinzen wie einer Prinzessin wahrhaft fürstlich belohnten, bei Erstgebornen zumeist mit dem erblichen Adel auszeichneten. Aber schon im Mittelalter bedankte der Rat als Repräsentant der Landeshauptstadt Überbringer froher Botschaften in reichem Maße. Als Kaiser Ludwig dem Bayern ein Erbprinz, Wilhelm L von Strau­ bing-Holland, geboren wird, erhält ein Koch für diese Freudevkunde vom Rat 10 44 Heller, ein kleines Vermögens. Rechnungsbelege, daß München die Meldungen von der Geburt eines Prinzen oder einer Prinzessin am bayerischen Hof mit reichem Boten­ brot zu ehren weiß, sind häufig. Der Kaplan der Herzogin Elisabeth Visconti erhält 4 rheinische Gulden Botenbrot, da sie nach dem Palmsonntag des Herzogs Albrecht genas; der Briefbote, der das Schreiben überbrachte, daß Frau Elsbeth, die Burg­ gräfin von Nürnberg, von einer Tochter entbunden ward, drei rheinische Gulden. Töml, der Knecht der Herzogin, 1405 zwei rhein. Gulden, als seine Herrin eines Töchterleins genas; Laurein, Herzog Albrechts Knecht, am Barbaratag 1408 12 Schilling Botenbrot, als die Prinzessin Elisabeth zur Welt kam, der Torwärtl am herzoglichen Hof 1413 zwei rheinische Gulden für die Meldung, daß die Herzogin eines Kindes genas. 1488 ein Wächter vom Hof 2 44 5 ß, „als unsere gnädige Frau nieder­ kam", die Kaisertochter Kunigunde, Gemahlin Albrechts IV., und ebensoviel erhält tm Jahre 1500 der Überbringer der Geburtsmeldung Herzog Ernsts^). Bei der Geburt der Prinzen Wilhelm und Ludwig 1493 und 1496 wurden auf dem Marktplatz Freu­ denfeuer abgebrannt, alle Glocken geläutet und die Augustiner- und Barfüßermönche mit einem Eimer Wein traktiert, damit sie feierliche Ämter sangen*). Rathaus und Marktplatz sind die Stätten der Freude, an denen die meisten Stadtfefie gefeiert werden. Jeder Ratswahl folgt ein Ratsmah?), !) K.R. 1436. 2) „Item dominica post octavas Pentecostis uni coco de primogenito imperatoris io U Hallensern.“ K.R. 1330 fol. 41. а) K.R. 1400/02 fol. 101, 1402/03 fol. 86v, 1408 fol. 65V, 1488 u. 1500. 4) Quellen u. Erörterungen N.F. Ilb Einl. S. 70. — O. Hartig S. 343. б) „Item 6 ß 23 H haben wir zallt für das mall, do der inner rat, nachdem und er der Herrschaft gesworen het, ze hoff und heraus auf das Haus giengen nach alter gewonheit und von ainander nicht ze komen den äusseren rat darauf welen wolten, das sich alles als lang verzach, das die Herrn vom inderm rat ain verdriessen und hunger hetten. und darauf schuf Ludwig Ridler der allt burgermaister demselben indern rat ainen anpis und was selber als hungrig, das er die ayr einhintrug, ee man gar gewelt hett." K.R. 1430.

Ratsherren und Bürger lädt der Herzog zum Schmaus aufs Ratshaus, er oder seine Gemahlin schicken ihnen Fische oder ihre Jagdbeute*); fuhr doch die Herzogin seit 1460 ständig einmal im Sommer mit den Ratsfrauen auf städtischen Wägen zum Gejaid und lud wohl auch die Bürgerinnen zn Spiel und Kurzweil aufs Rathaus?). Bei einer solchen Gelegenheit tritt 1433 so recht die rauhe ungezügelte Art der ritter­ lichen Gefolgsleute gegenüber der feineren bürgerlichen Sitte in Erscheinung. Als man nämlich der Herzogin zwei Platten feinsten Gebäcks zum Ehrentrunk auftischte, „da fielen die Edelleute drein und fraßens wie die Säu mit beiden Fäusten", so daß ihnen die Bürger wehrten, ob fie sich denn gar nicht schämten?). Die Einheitlichkeit im Farbton der einzelnen Tracht vom Kopf bis zum Fuß, die satte Farbe der Männerwie Frauentracht, das lichte, Helle und tiefe Blau, das Rosa- und Purpurrot, Rubinund Granatrot, das Violett und Bravnviolett, das Saftgrün muß dem festlichen Beisammensein der Münchner in der Gotik etwas unendlich Stimmungsvolles ver­ liehen haben. Die Frauen der Patrizier trugen feine Schleier, fie wie ihre Töchter die Haare mit Seiden- oder Perlenbändern gebunden4*),5 * *am Hals und Busen zierliche Anhängsel und Spangen aus edlem Metall. Doch sollte keine mehr als 1V2 Mark Silbers am Leibe tragen, Mantel und Rock nur einen zwei Finger langen Schlepp haben. Den Gestalten der Männer verlieh das Enganliegende von Rock und Ärmel etwas Geschmeidiges, Ansprechendes. Die Bürgersfrauen wetteiferten trotz aller Kleiderverbote, an Schönheit und Farbenpracht der Gewandung mit den vornehmen Patrizierfrauen °). Der Rat baut 1428 im Jmplerhaus, dem beim Marktbrunnen T) „Item r öl 26 H haben wir zalt für das mall, da der rat, der inder, ans dem ha«S aß, b 0 der Herzog dem indere« rat als gar gut visch schanckt und der statschreiber was als kranck, das er tr nye enpays, do man den äußeren rat welet in den weichnachtveyertagen." K.R. 1433. — „Item 12 ß i2 L, für 2 gülden rheinisch trinckgelt haben wir zalt de« jageren von den zwain hyer, schon, die unser genädige frau ainem gantzen rat geschanckt hat, samtztag Lamperti anno domini 57." — „Item 6ß 12 L, haben wir jalt unseres genadigen Herr» hertzog Albrecht koch i« trinkchgelt, als sein gnad tnndern und äusseren rate und ettlich von der gemai» auf die trinkfiuben geladen het und daselbs auch do ässe, actum an sand Dorothea tag anno 58." K.R. 1457. a) „Item 3 ß minus 2 L, haben wir jallt auf daS rathaus, do unser gnedige frau, die Her­ zogin, auf dem rathaus kartet, do sie die burgerin geladen het und do ettlich gar hart vielen in den veyrtageo." K.R. 1433. 8) „Item aß 103) haben wir zalt »mb zwo siatel guts veyns confetes dem Ridler, do man die der herczogin auf das rathaus kaufet zu ainem trunck, da vielen die edelleut barein und frassens als die sau mit paiden feusten; da redten ettlich burger gnug darz«, ob fie fich sei» nit schammeten." K.R. 1433. 4) tz.St.A. Personenselekt „Egenhofen". 5) Die Frau eines Bäckers Heinrich Schollierer vermacht 1405 ihrer Tochter der Bäckers­ frau Anna Kellner auf dem Totenbett ihre Kleiber und ihre» Schmuck: Ei» braunes und ein gefältetes (slucken) Kleid, zwei Röcke, einer davon grün, einen lichtblauen Mantel mit Gespäng färben Alltag, zwei Mäntel, einer davon veilchenblau mit guten Silberspangen, zwei Pelze, zwei halbseidene Schleier, zwei halbseidene Kopfbinden (Stauchel), 3 Trauerschleier, zwei Badelake», einen grünseidene», mit Silber beschlagenen Gürtel, drei gute Goldringe, einen Silberring, zwei fllberne Halsketten, zwei be­ schlagene Messer, davon eines vergoldet, zwei gute Frauenfeuerzeuge und einen kostbaren doppelten Paternoster, eine Elle lang. St.A. Gerichtsbuch III, 36. So finden wir die Farbenpracht der Münch­ nerinnen, wie sie uns im ältesten Totenbuch der Barfüßermönche entgegentritt, durch das Vermächtnis einer einfachen Dürgersfra« bestätigt.

gelegene« Eckhaus an der Dienergasse gegen den Marienplatz, „ain trinckstuben der fiat jü eren, das erber läut, gest «nd burger daselben jv kurtzweill und ze erberchait zusammenkommen mögen, wann sie wellen, und iren pfening vertrinken." Die Ratstrinkstube hatte fünf lange Tische mit Vorbänken; Spiellustigen standen drei Spielbretter jur Verfügung. Der Knecht, der der Trinkstube wartet, erhält vom Rat ein Stübel und Kämmerlein als DienstWohnung!). Diese „Herrenstube" war der Versammlungsort des gesell­ schaftlich zusammengeschlossenen Bürgeradels, seine Vereinigung diente den Salzburger Geschlechtern als Vorbild für die Gründung einer Patriziergesellschaft. Die Angehörigen der Geschlechter zahlen zur „Herrenstube" 32 H Jahresbeitrag, der verdoppelt wird, wenn er nicht zwischen Michaelis und Martini entrichtet ist. Am Lucientag um acht Uhr ist Jahresversammlung, zu der die vom inneren Rat bei 64, die übrigen Mitglieder bet 32 H Bußgeld zu erscheinen haben. Beiträge und Straf­ gelder bilden das „Stubengeld". Am Versammluvgstag wählt die vornehme Gesell­ schaft vier „Stubenmeister", die mit den Jahreszeiten in der Führung der Geschäfte abwechseln. Sie haben einen Stubenknecht anzunehmen, der zins- und steuerfrei ist und sich einen geschickten Schreiber und einen guten Koch halten soll. Tritt die Ge­ sellschaft an einem Feiertag zür „gemeinen Zeche" zusammen, bekommt der Stuben­ knecht für seine Mühe 10 H, an Werktagen 8 L- Stubengeld^). In dieser bisher un­ bekannten Münchner „Herrenstube" dürfen wir jene ausschließliche Gesellschaft des angesehensten, begütertsten und vornehmsten Bürgertums erblicken, die, wie alle geschlossenen Gesellschaften, Stuben und Trinkbrüderschaften des Besitz- und Bildungs­ adels — wie in Köln die Richerzeche der 200 vornehmsten Familien, in Frankfurt die Ganerben zu Limburg, in Straßburg die nach ihren Versammlungsorten benannten Herrenstuben zum hohen Steg, zum Mühlstein, zum Schiff und zum Brief, in Basel die vier hohen Stuben, in Bern die adelige Flitzbogengesellschaft, in Zürich die Gesell­ schaft zum Schnecken, in Luzern die Gesellschaft zum Affenwagen, in Ravensburg die zum Esel, in Konstanz die Gesellschaft auf der Katze — alle wichtigen Ereignisse und Entscheidungen bespricht, berät und beschließt und dank der vollzähligen Eingliederung des Rates unter ihre Mtglieder bestimmenden Einfluß auf das Münchner Stadtregi­ ment und seine Handels-, Gewerbe- und Wirtschaftspolitik übt^). Auf dem Rathaus feiert man die Empfänge hoher Herren und Hochzeiten der Geschlechter**), feiern Bürger und Bürgerinnen ohne Unterschied die volkstümliche Fastnacht und Jakobidult mit Tanz, welchem Brauch das Stadthaus seinen Namen T) Zinsbuch 1388 fol. 24V. — Saalbuch 1443 s. 4V u. 1444 fol. 20. 2) H.St.A. Salzburg Hochstift Lit. 26, Codex diplomaticus: „Zu wissen, wie es zu München ge­ halten wirt auf der Herrnstuben." *) Nach der unveröffentlichten Chronik der Augsburger Geschlechter-Trinkstube konnte in der nahen Reichsstadt niemand Ratsherr werden, der oder dessen Familie nicht vorher 4—5 Jahrzehnte lang der seit 1413 bestehenden Herrentrinkstube auf dem Perlach angehörte. Staatsbibliothek, Oefeleana 283. 4) Der Stadtpfarrer und Arzt Rudolf Volkart von Häringen stiftet einen vergoldeten Pokal in Melonenform und sieben Silberbecher in die Stadtkammer, die am Dreikönigstag 1466 in den Besitz der Stadt gelangen. Als alten Besitzstand für Festlichkeiten hatte sie bereits 13 Silberbecher. K.R. 1465.

Abb. 50. Die Ratstrinkstube im Jmplerhaus an der Einmündung der Dienergaffe in den Marktplatz. Nach einem Lichtbild vor ihrem Abbruch aus der Sammlung Cbenbdck im Historischen Stadtmuseum.

„Tanz Haus" verdankt. Besonders festlich wird die Fastnacht 1410 begangen; der Rat läßt von den städtischen Zimmerleuten das Tanzhaus neu Herstellen und während die gesamte Bürgerschaft darin zur Nachtzeit bei Kerzenlicht dem Fastnachtstanz hul­ digt, an dem wie herkömmlich die Herzoge Stephan und Heinrich teilnehmen, wachen bestellte Wächter über die Sicherheit der verlassenen Bürgerhäuser. Die im Tanzhaus übliche Tanzweise ist der „tretende Tanz", ein schleifendes Umgehen der Tänzer, worin der Minnesänger Jakob Pütrich dem Gast der Stadt Graf Ulrich von Cilli überlegen war; der sommerliche Tanz im Freien ist der „resche Tanz", eine sprin­ gende Tanzart*). Er ist der Tanz der Sonnwendnacht. Jn der Johanvisnacht wer­ den auf dem Marktplatz Sunnwendfeuer angezündet, der Rat läßt dorthin Sitz­ bänke vom Rathaus schaffen und jung und alt tanzt um die flackernde Lohe, ein Brauch, so froh und festgewurzelt, daß er selbst in den schlimmen Kriegsjahren 1401 und 1402 lebendig bleibt und daß ihm der Herzog, die Frau Herzogin und ihr Töchterlein hul­ digens. Als der schöne urgermanische Brauch Auswüchse zeigte — man warf in der *) „Item 4 u 40 $ haben wir geben umb fisch und umb 20 (anbei «eins, alles schanckung, das man dem jungen graff Ulrich von Zill, do der hie was und gar frölich was am tancj, schancktevon der fiat, er kund aber den trettenden tancz als waidenlich nicht als der Jacob Pütrich. des wurden die Pfeiffer pald inne und pfiffen den reschen tancz. actum vor Katherine 1429." K.R. 1429. 2) „Item 6/? 25 5) gab wir umb wein, umb Holtz, umb 1 ostervaz, umb graz und knechten, die

Sonnwendnacht Töpfe auf die Gasse, daß sie klirrend jersprangev, schüttete unsauberes Wasser aus, die Jungen schleuderten ihre Hüte in die Luft —, verbot der Rat 1429 die Feier der Sonnwendnacht4*),*2 63ein Verbot, das, schnell vergessen, auf Ratsgeheiß die vier Stadtamtleute 1470/71 wegen Feuergefährlichkeit von Haus zu Haus wieder einsagen mußten. So sehr war die Sonnwendfeier den Münchnern ins Herz gewachsen, daß der Hofprokurator Christoph Friedberger und seine Gemahlin Anna, wohl in dankbarer Erinnerung an den einstens in der Johannisnacht geschlossenen Lebens­ bund, aus ihrem Haus am Kloibergäßl 1539 „der gemeinen Nachbarschaft oben an der Dienergasse" zur Abhaltung der alljährlich gemeinsam veranstalteten Sunnwendfeier einen halben Gulden Ewiggeld vermachten?). Der Rat, der selbst hervmziehende Gaukler und Possenreißer, die auf Jahrmärkten und bei Ablaßfesteu ihr hartes Brot zu verdienen suchten, und die zum Hofgesind fremder Fürsten und Herren zählenden Spielleute und Spaßmacher belohnen ließ — 1360 schenkt er den Musikanten und Narren des Herzogs von Österreich 8 , 1396 läßt er einem Seiltänzer, der auf dem Markt seine Kunst zeigt, einen Goldgulden reichen — bewies große Vorliebe für Schützenfeste und Turniere^). Neben diesen ritter­ lichen Waffenspielen mit scharfen oder stumpfen Waffen bürgerte sich spätestens seit Ausgang des 14. Jahrhunderts das „Wettrennen laufender Pferde" ein, das in Wien 1382, in Straubing 1392, in München durch den Namen „Renvweg" 1393 belegt ist und in dem dank der Freude des Bayernvolkes am Pferdesport und dank dem Vorbild der italienischen Pallio-Rennen ein altgermanischer Brauch wieder zu Ehren faßt4). Für das Münchner Pferderennen wurde 1448 eine eigene Ordnung des „Rennens im Jahrmarkt erlassens. Der herzogliche Kammermeister Konrad von Egloffstein und der Hofmeister Otto von Pienzenau waren vom Fürsten, zwei Rats­ herren für die Stadt als Hauptleute des Rennens beordert. Ihnen wurden die Renn­ pferde am Morgen vorgeführt, nach Schlag und Farbe eingetragen und mit dem her­ zoglichen Geheimsiegel gesiegelt. Jedes Rennpferd hatte einen Gulden Renngeld zu erlegen. Der Startplatz war abgesteckt, das Ziel durch Streu angedeutet. Die Zudy pent ab dem hanz auf den margt trugen an der sunbentnacht, da hertzog Stephan und fein gemähel und daz frauel auf dem margt tantzten mit den purgerinn pey dem sunbent feur." — „Item 4ß 15 hab wir geben umb wein und umb 1 ostervaz und den knechten von dem vaß und den pencken ab dem Haus auf dem margt und umb schaebe zu dem sunbentfeur, da hertzog Stephan die purgerinn het zu dem tantz gepeten an der sunbentnacht anno secundo. K.R. 1400/02 fol. 99V u. 86v. T) „Item 60 haben wir geben den vier fronboten ze lon, das sie von Haus ze Haus giengen und sageten und verpoten sunwendtfeur ze wachen und töpff ze werfen auf das gaffen und unsauberchait auszegießen und die puben huet ze zuchken, das man das alles verpoten hat. actum vor Jeori 1429." K.R. 1428. 2) Die „Ältesten der Nachbarschaft oben an der Dienergasse" übereignen 1570 das ihrer „Gesell­ schaft" verschriebene Cwiggeld dem Reichen Almosen. H.St. A. München Ger.Urk. 2571, 2600. 3) Vgl. das Kapitel „Kriegswesen" S. 427. 4) Ant. Rauch, Die Pferderennen in Altbayern, Bayerland 47 (1936) S. 292—295. Der Renn­ weg lag vor dem Neuhausertor zwischen der Nymphenburger und Dachauerstraße. Mon. Boica 35/II S. 276. 6) Abgedruckt im Wortlaut im „Bayerland" 1890 S. 311.

schaver standen hinter Planken auf den Wiesen vor dem Neuhausertor. Rennmeister überwachten den richtigen Start. Der beste Renner gewann ein Scharlachtuch, der zweite einen Sperber mit Jagdausrüsiung, der dritte eine Armbrust, der letzte Preis war ein Schwein, die „Rennsatt". Die Abordnung hoher herzoglicher und städtischer Würdenträger wie die Aussetzung eines ritterlichen Jagdfalken sind ein verläsfiger Beweis, daß schon damals Fürsten wie Herren ihre Pferde laufen ließen. Zu Lichtmeß 1460 liefen ii Pferde um die ausgesetzten Preise, den halben Scharlach, ein Barchent­ tuch und eine Sau. Das nach dem Preistuch von scharlachroter Farbe „Scharlach­ ren uen" benannte Pferderennen blieb eine ständige Volksbelustigung der Münchner in der Jakobidult, wobei Stadt und Herzog sich in die Kosten für Scharlach, Bar­ chent und Schweine teilten. An das Herrenrennen schloß sich unter Aufsicht der Haupt­ leute ein sportliches Wettrennen zu Pferd der jungen Frauen und Mädchen, das „Fräulein-Rennen", für das die gleichen Bestimmungen galten und als Preis ein Barchenttuch ausgesetzt war. So lebte die Stadt München schon im Mittelalter nach dem Leitsatz, der heute noch die Kassenhalle des Rathauses ziert: „Für frohe Fest' und werte Gäst' Bleib uns allzeit ein guter Rest!"

Abb. 51. Maruskatänzer

(1480) von Erasmns Grasser. Alter Rathau«>Feflsaal.

XIII. Kapitel.

Das Kriegswesen.

Die Verteidigung der Freiheit,

Sicherheit und Rechte der Stadt.

^«^ohlgeborgen im Herjen des Landes get^Vlegen, als Sitz der Herzoge deren vor­ nehmste Stadt nnd Machtzentrnm Bayerns, hat das feste München im Mittelalter sich seit dem Sturj Heinrichs des Löwen nie einem fremden Eroberer gebeugt, war nimmer mit Waffengewalt erstürmt und gebrochen worden. Es wurde der rettende Hort des Königtums Ludwigs des Bayern vor den Angriffen seiner Gegner. Dreimal mußten seine Feinde vor Münchens festen Mauern umkehren: Leopold von Österreich nach kurz währender Belage­

rung 1322, der Gegenkönig Friedrich und sein Bruder Herzog Leopold im Herbst 1319, der feindselig einfallende Heinrich von Nie­ derbayern und sein Heer 13341). Nicht selten wurde die Stabt wider „Mars der dritte planet unb stero Willen bald von den Herren des Landes, bald Bin ich geheißen und jürne gern, von Mitbürgern oder fremden, beutelüsternen heiß und trucke» bin ich vtl Mit miner kraft, me den man toll. Rittern in Händel gezerrt und verstrickt. Zwei Zeichen flnt min hüßer schon Kleinliche Geldansprüche oder geringfügige der wider und der scorpion, Befitzstreitigkeiten gaben ihren Feinden den so ich mit kraft wür dar ine sin krieg wirt und totderwertige pin." nichtigen Vorwand zu kostspieligen und lang­ Planet Mars im Büchsenbuch des' Augustin wierigen Fehden. Krieg und Fehden be­ Dachßberger „von München ein Maler und deuteten eine doppelte Belastungsprobe des Büchsenschießer", 1443. (Stadtarchiv Köln.) städtischen Haushalts: Ein Schwinden, Schrumpfen und Versiegen der Einnahmen, vor allem der Zoll- und Marktgefälle, aber auch erhöhte Ausgaben. Wohl war die Landesverteidigung in erster Linie Sache des Landesherr«, aber die Stadt München hatte Mannschaft, Kriegsgerät und Geschütze zu stellen. Durch diese Aufwendungen für Wehrkraft und Kriegswesen, die heute Aufgabe des Staates sind, unterscheidet sich der Stadthaushalt des Mittelalters ganz wesentlich von dem der Gegenwart. Die Mittel zur Kriegsführung beschafft die Stadt durch Steuererhöhungen und Sonder­ steuern, im Anleiheweg durch vermehrten Rentenverkauf. Die enge Verbindung zwischen *) Chronica de gestis principum S. 88 und Chronica Ludovici IV. S. 132, beide herausgeg.

von Leidinger, Hannover 1918.

der Kriegsführung und den städtischen Finanzen kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß die Aufsicht über Wehr und Waffen, Kriegsgerät und Schießbedarf, Wall- und Grabenbau in Friedens- wie in Kriegsjetten zu den ordentlichen Pflichten und Auf­ gaben der Stadtkämmerer zählte. Wenn trotzdem die tatsächlichen Aufwendungen für den Kampf um Freiheit, Sicherheit und Rechte der Stadt in den Kammerrechnungen zahlenmäßig nicht in voller Höhe in Erscheinung treten, so ist dies darin begründet, daß die Bewaffnung zum guten Teil Selbstausrüstung war und der bewaffnete Selbstschutz der Bürgerschaft sich geräuschlos abspielte.

Bürgeraufgebot und Waffenschmiede. Waffendienst war Bürgerpflicht; Bürger sein hieß Krieger, hieß Kämpfer sein. Bei der Rechtsunsicherheit eines streitbaren und geharnischten Zeit­ alters ward der Gedanke des bewaffneten Selbstschutzes gegen Ausleute und Fremde in die Bürgersatzung von 1320 ausgenommen, welche die Münchner verpflichtete, mit der Waffe in der Hand angegriffenen Mtbürgern beizustehen*). Die Stärke der Münchner Wehrkraft war der schlachterprobte Bürgeradel, der gewohnt war in Stahl und Harnisch, mit Eisen und Schwert seine Fehden auszu­ tragen, waren die harten, arbeitsgewohntev Fäuste der Zunftgenossen, die sich ihrer erprobten Führung zum Schutz der bedrohten Heimat unterstellten und Spieß und Schwert, Streitaxt und Streitkolben, Bogen, Büchse und Armbrust ebenso wacker handhabten wie Stichel und Hammer, Pfriemen und Ahle, Elle und Wage, waren der Stadt Werkleute, Zimmer- und Maurermeister, sowie die Zinn- und Glockengießer, die mit ihren Gesellen die Geschütze verfertigten und sachkundig bedienten. Es lebte damals in München ein hartes, kämpferisches Geschlecht. Nach der Chronik seiner Familie mochte der Patrizier Bartolme Schrenk (f 1433), einer der Anführer der Bürgerschaft in der Schlacht bei Alling, keine Gemeinschaft haben mit furchtsamen, kleinmütigen Menschen. Mußte er einen Handelsknecht einstellen, hieß er ihn zunächst die Rüstung anlegen und schlug sich sodann mit dem Gewappneten. Zeigte sich der Neve verjagt, entließ er ihn sogleich wieder. Einst setzte sich ein Knecht so wacker zur Wehr, daß beide kaum ohne Schaden von einander kamen. Den wollte er sein Lebtag nimmer von sich lassen. Derselbe kühne Angriffsgeist lebte in Lorenz Schrenk (f 1489) dem Jüngeren, den der König von Polen zum Ritter schlug und zu seinem Feldhaupt­ mann ernannte und der beim Sturm auf die Veste Marienburg 1459 das polnische Kriegsheer anführte?). Die Kriegskunst des Reiterführers Heinrich Paher oder Paier aus München, der 1336 im Sold der Stadt Pisa und bis 1377 im Dienst der welfischen Partei in Florenz und Perugia stand, erregte nicht minder die Helle Bewun*) Denkmäler S. 187.

2) Als der polnische Edelmann Nikolaus Zarnozki ihn beim Sturm auf Marienberg mit seinem Krtegsvolk im Stiche ließ, so daß Schrenks Truppen schwere Verluste erlitten, schalt der Feldhaupt­ mann ihn einen Feigling und fahnenflüchtigen Bösewicht und forderte ihn zum Zweikampf. SchrenkChronik.

derung der Italiener, wie manch gewaltige Probe seines Löwenmutes, die er im

Kampfe gegen die Engländer ablegte*). Das Bürgeravfgebot3) umfaßte alle wehrhaften Bürger, ihre Söhne und ledigen Gesellen, nicht aber die Inwohner. Es bestand also keine allgemeine Wehrpflicht. Nach dem Vorbild der lombardischen Städte war das Bürgeraufgebot nach den vier durch die Hauptstraßen getrennten Stadtvierteln in vier Viertel gegliedert und deren jedes einem Stadthaupt-mann unterstellt. Er hatte jugleich die Aufsicht über Stadtmauer und Pfahlwerk (Tüll) seines Viertels und Befehlsgewalt bei Stadtbränden3*).4 * Das viertelweise Aufgebot war sicherer und schneller wie der Aufruf der Zünfte. Nach dem ältesten, auf uns gekommenen Ratsprotokoll von 1459 war die Stadt in das Anger-, Hacken-, Kreuz- und Graggenauviertel geteilt und jedes dieser Viertel hatte drei Hauptleute, je einen vom inneren und äußeren Rat und von der Gemeinde. Auf den Klang der Sturm­ glocke mußte die waffenfähige Mannschaft auf den Waffenplatz des Viertels eilen. Der Kriegsdienst der Bürgerschaft erstreckte sich über Burgfrieden und Stadtmauer hinaus, ohne die eigene Stadt von Verteidigern zu entblößen. Eine bayerische Aufstellung um die Mitte des 15. Jahrhunderts läßt ersehen, daß München für einen landesherrlichen Kriegszug 200 Mann, damit doppelt soviel Mannschaften stellte als die nächstgrößte Stadt Strau­ bings). Trotz der Wehrpflicht bestand schon früh die Möglichkeit der Stellvertretung. Wer wegen Alter, Krankheit oder aus an­ Abb. ;z. Münchner deren gewichtigen Gründen nicht „reisen" konnte, hatte ein Ab­ Harnischmacher lösungsgeld zu entrichten, das „Reisgeld". Bereits zur Zeit Heinrich Plattner um 1420 Ludwigs des Bayern kam es vor, daß Münchner Bürger bet Dtmkelgrauer Lederrock Heereszügen des Königs vom Kriegsdienst im Feld entbunden (Totenbuch). wurden3). Jeder neuaufgenommene Bürger hatte seit alters eine Armbrust zu stellen, die wohlhabenden, die unter die Gepanzerten oder Gewappneten, auch „Wappner" ge­ nannt3), eingereiht wurden, einen vollen Harnisch und im Notfall Streitpferde („reix) Karl Heinrich Schäfer, Deutsche Ritter u. Edelknechte in Italien I, 119, Paderborn 1911. а) Teng, Leistungen des Bürgermilitärs von München 1404—1440, Bayer. Annalen 1833 S. 414 bis 419. 3) Denkmäler 507, 513. 4) H.St.A. Militaria 47 fol. ioo.

б) K.R. 1318 fol. 4: „Item receperunt 9 U 53 pis cum civibus in servitio regis.“

pro emenda de hiis, qui non servunt in cam-

®) Wir kennen sie aus Albrecht Dürers Zeichnungen von 1498 (Lippmann 461). In Nürnberg verstand man nach Mendheim, Das retchsstädtische Söldnerwesen im 14. u. 15. Jahrh. S. 66f., Leipz. 1889, unter Wappnern das zu Fuß kämpfende Kriegsvolk mit Brustküraß, Ring­ oder Schuppenkragen, Eisenhut, Handschuhen, mit Hellebarden, Streitäxten und Streitkolben.

sige Pferde"). Wie erstaunlich groß der Besitz mancher Bürgersfamttte an Etechzevg, Panjern, Harnisch und Brustkürassen („küriß") war, beweist 1495 die Erbteilung der Patrizier Wilbrecht^). Aus Gründen der Sicherheit bedrohten die ältesten Ratssatzungen (um 1300) jeden Bürger — mit Ausnahme der Ratsherren — mit Strafe, der in der Stadt ohne Not ein scharfes Schwert, ein langes Messer, Klapp--, Stech-- und Waid­ messer oder auch nur eine gespannte Armbrust von oder zur Zielstatt trug und gestand das Recht des Waffentragens nur dem Marschall, den Rittern, dem Richter und den Richtersknechtev zu. Wer vor dem Stadtrichter auf Leib und Gut verklagt war, ging in dieser Zeit des Waffenrechts verlustig ^). Der Harnisch (Leibpanzer, Koller, Eisenhut und Lederwams) genoß den besonderen Schutz der Stadt; weder Weinschenken („Leit­ geben") noch Juden durften das „Eisengewand" als Pfand nehmen^). Der Rat ließ die Rüstung seiner Bürger in besonderen Musterungen („Harnischschau") aufnehmen und durch Vertrauensmänner auf ihren guten Zustand prüfen^). Er tat alles zur Förderung des Panzerschmiedgewerbes, dessen vornehmste Aufgabe die An­ fertigung von Ketten- und Panzerhemden aus Ringgeflecht war. So streckte die Stadt 1418 dem Hans Plattner 20 ungarische Gulden vor, damit er seine Gläubiger be­ friedige und „bester paz bey der stat pleyb", lediglich gegen die schriftliche Bürgschaft, mindestens 5 Jahre in München zu arbeitens. Die Tiroler Plattner nahmen sich 1460—1468 ihre Münchner Kollegen in vieler Beziehung zum Vorbild«). Der feste Zusammenhalt in der Zunft der Panzerschmiede („Salwürchen" oder „Sarwürchen"), die bis 1477 bestand und deren blühendes Handwerk durch das Aufkommen der Feuer­ waffen immer mehr zurückgedrängt wurde, zeigt sich darin, daß sie häufiger als andere Zünfte bei Rechtsgeschäften geschlossen auftreten: 1417 Konrad Salwürch von Mon­ heim, Ulrich Salwürch und Ottl Plattner, 1433 die Panzerschmiede Jörg Hebenfels, Hans Schaur, Hans Neumeister und Wilhelm Küchler, 1445 die Salwürchen Wilhelm Kochler, Hans Hammersperger, Hans Schafhausen und Klas Teibler'). Ein Zweig des Münchner Waffenschmiedhandwerkes, die Messerschmiede, welche die Sachse, einschneidige Haumesser, Dolchklingen und Schwertgriffe schmiedeten, war so stark, baß ihre Gesellen zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine besondere Bruderschaft bildeten und am Allerheiligenaltar bei den Barfüßern ihre eigene Sepultur und am Barbara­ tag ihre Jahresmesse hatten«). Die Messerschmtedknechte erhielten 1490 eine eigene Ordnung^). Die Klingenschmiede am Auer Mühlbach betrieb seit 1467 der Plattner Hans von der Rosen, der in Nürnberg 1445 durch den Guß der schweren Büchse von T) H.St.A. Benediktbeuern Kl.U. 500. 2) Denkmäler S. 185, 238, 392. 3) Auer, Stadtrecht S. 189. — Denkmäler S. 375. 4) „Item y2 & i2 H haben wir ausgeben den, die die pantztr geschaut haben, zu früstukken." K.R. 1416. 6) K.R. 1418. 6) Hans Hörtnagl, Kultur des Handwerks 1927 S. 305—308» 7) H.St.A. München GU.F. 15, 27; Chorstift U.F. 5. 8) Nekrologienbuch des Franziskanerklosters fol. 47V. 8) Mertl S. 157ff»

5i9 Zentnern mit dem Bild des hl. Sebald von sich reden gemacht hattet. Nach seinem Tobe 1483 erhielt das herzogliche Lehen Kaspar Tiefstetter, dessen Familie München im 16. Jahrhundert zum Ausgangspunkt einer hochentwickelten Klingenschmiedekunst macht, mit Ablegern in Augsburg, Landshut und Passaus. In München wohnten und steuerten 1370 fünf Klingenschmiede, welche die kunstvollen, gutgestählten, zweischneidigen Schwertklingen schmiedeten; im Jahre 1500, in welchem nur noch die Messer- sowie Sensen- und Sichelschmiede je eine eigene Zunft bildeten, 17 Messer­ schmiede. Besorgt über die Kriegsläufte zwischen Herzog Ludwig dem Reichen, Markgraf Albrecht von Brandenburg und einigen Reichsstädten, darunter Augsburg und Ulm, die im Sommer zur blutigen Niederlage der Gegner des Hauses Wittelsbach bei Seckenheim und Giengen führten, „lugte" der Rat im Februar 1462 „nach der Stadt Wehrlichkeit" und forderte von den Bürgern je nach Vermögen die Anschaffung eines vollen Harnisches oder einer bloße» Wehr 3). Die Stadt ging ihren Bürgern mit gutem Beispiel voran und kaufte für die Geschützbedienung und unbemittelte Bürgerschaft 1463 einen neuen Setzschild für 3 rheinische Gulden, 4 große Tartschen (längliche Schilde) für 3 rhein. Gulden und 76 kleine Tartschen, je 2 für 1 rhein. Gulden vom Meister Hans von Siebenbürgen, auch Hans von Passau genannt; 1465 kaufte sie neuerdings von ihm 50 Pavesen (mannshohe, schwere Setzschilde mit eisernen Spitze», die man in die Erde stieß) um 20 rhein. Gulden und ließ 18 Setzschilde um 16 rhein. Gulden wieder Herstellens. Mit der Stadt teilten sich die Zünfte in die Sorge um die Beschaffung von Wehr und Waffen; so erstand die Goldschmiedezunft 1465 zwei Pavesen und zwei Tartschen ^).

Kampfspiele und Turniere, Schützenwesen und Schützenfeste. Der Hebung der Wehrfähigkeit und der Ertüchtigung des Bürgers für den Ernst­ fall diente die Förderung der ritterlichen Waffenspiele, des Turniers zu Pferd, des „Rennens" oder „Stechens" mit stumpfen oder scharfen Waffen, wie der Armbrust­ und Feuerschützen (Büchsenschützen). Ein Zweikampf als Gottesgericht fand, trotz seiner Verpönung und Ableh­ nung als Rechtsmittel seitens der Kirche, auf dem Münchner Marktplatz am 4. Februar 1370 statt. Der schwäbische Edelmann Theodor Güß von Güßenberg hatte Seitz von Altheim in einem Brief an den Bayernherzog Stephan des Raubes und der Plün­ derung bezichtigt, deren er sich 1369 in der herzoglichen Fehde mit schwäbischen Adeligen x) St.A. Au, Lilienstr. i. — Beck, Gesch. des Eisens I (1884) S. 933. 2) Stöcklein, Münchner Klingenschmiebe, Zeitschr. f. hist. Waffenkunde VIII (1920) S. 370s. — Der Plattner „Hans mit der Rosen" bezeugt am 6. März 1471 einen Verkauf vor dem Münchner Unterrichter. Dachau GU. 147. 3) Ratsprotokoll 1462 fol. 53: „Item ain rat hat zu den zeiten gemainigkltchen und ainem yeden nach seinem vermögen harnasch und were gepoten." — Westenrieder, Beiträge V, 194. 4) K.R. 1463 u. 1464. 6) Frankenburger, Die Alt-Münchner Goldschmiede S. 22.

rramentlich durch Verschleppung einer Viehherde schuldig gemacht habe. Der Versuch einer gütlichen Einigung durch ein adeliges Stavdesgericht in München am 19. Januar 1370 scheiterte, da nun Seitz von Altheim seinen Beleidiger einen Räuber und Verräter schalt. Beide verweigerten jede friedliche Aussöhnung und forderten ein Kampfgericht nach Königsrecht, um nach der dem Rittertum eigenen, aus germanischem Volkstum stammenden Rechtsauffassung mit Gottes Hilfe als des allwissenden und gerechten Richters ihr Recht mit der Waffe zu erweisen. Sie stellten Bürgen und schworen, nach Königsrecht, nach Gesetz und Satzung und nach des Richters Weisung kämpfen ju wollen. Der Kampfplatz wurde mit Sand bestreut, Schranken errichtet und alle Kampfvorbereitungen aufs gewissenhafteste getroffen. Von vielen Edelleuten begleitet, begaben sich die Streiter jum Kampftag nach München. Barhäuptig in leinenen Ge­ wändern, ohne Panzer, bewehrt mit Lanze, Schwert und Dolch treten die Kämpfer am 4. Februar zu Pferd gegeneinander an, um das „Ordal" auszufechten. Vor dem Kampfbeginn prüft der Oberrichter ihre Waffen und frägt sie, ob sie unversehrten Leibes und von der Reise ausgeruht seien. Durch feierlichen Schwur flehen sodann die Kämpfer Gottes Gericht beim Waffengang auf den Schuldigen herab, auf ihrer jeden, wenn beide schuldig sind, und erflehen den Sieg für die gerechte Sache. Hans von Gumppenberg verbeistandet als Grieswärtel den Altheimer, ein Marschall von Pappenheim seinen Gegner. Der Herzog sieht innerhalb der Schranken dem Gottes­ gericht zu, die Richter von einer Tribüne aus. Gemäß ihrem Friedgebot verharrt das Volk in atemloser Stille. Man reicht den Kämpfern die Johannes-Minne zum Trunk. Der Kampf beginnt. Mit eingelegter Lanze und vorgehaltenem Schild galoppieren die Gottesstreiter gegeneinander an. Eine halbe Stunde bleibt der Kampf hoch zu Roß unentschieden, da verlieren sie bei einem heftigen Zusammenstoß gleichzeitig ihre Schwerter. Güß zieht blitzschnell den Dolch, der Altheimer springt vom Pferd und ergreift das entglittene Schwert. Mit einem Blick überschaut sein Gegner die Lage, reitet zur Stätte zurück, wo seine Lanze liegt. Erbittert ringen beide Kämpen um die Lanze, da stößt der Altheimer seinem Gegner das Schwert bis zum Knauf in den Nabel. Zu Tode verwundet, weigert sich Güß sich zu ergeben und erhebt sich zu neuer Gegenwehr, da trifft ihn der Altheimer mit tödlichem Schwerthieb aufs Haupt. Der Getroffene befiehlt laut seine Seele der Gnade Gottes. Unter Trostworten betten die beiden Grieswärtel das Haupt des Sterbenden auf den Schild. Unverletzt am ganzen Körper, schreitet der Altheimer zum Richter und frägt, ob er in Ehren gesiegt und nach Königsrecht das zugefügte Unrecht mannhaft abgewehrt. Der Richter bejaht die Frage. Da erhebt der Sieger in überschwenglichem Dank seine Hände zum Himmel. Der Bann, der über der Menge des stumm verharrenden Volkes liegt, ist gebrochen. Jubelnd begrüßen ihn seine Begleiter, während Sippe und Freunde den Gefallenen unter lautem Wehklagen zum Grabe geleitens. Verklärt vom schimmernden Glanz eines absterbenden ritterlichen Zeitalters hielt *) CocL icon. Mon. 393. — Würdinger, Beitr. z. Gesch. des Kampstechts in Bayern, Oberbayer. Archiv 37 (1877) S. 173—200. — Rrdlkofer, Die Güssen von Leipheim, Zeitschr. d. hist. Vereins v. Schwaben XIV, 61. Angsb. 1887.

Abb. 54. Turnier auf dem Marktplatz von München.

Kupferstich des Meisters M Z( Goldschmied Matthäus Zastnger) vom Jahre 1500. (Graphische

Sammlung, München.)

man in München zwischen 1370 bis 1440, wenn auch kein allgemeiner deutscher Turvierhof nachweisbar ist, fast jedes zweite Jahr auf dem von Schranken um­ säumten Marktplatz Kampfspiele und Turniere von Rittern und Ge­ schlechtern der bayerischen, auch fränkischen und schwäbischen Lande ab. Die Stadt zog nur Nutzen davon. Den „Dank" stifteten Hof, Ritterschaft und Patri­ ziat; die höchst bescheidenen gemeindlichen Aufwendungen bestanden im Ehrevtrunk der Turniergäste, in den Kosten für das Errichten von Schranken, Einrammev von

Marx Walter hat ausser Schabrake eine Elster tm Vogelkäfig. Spruchband: „Hetzen lassen, ntt ir schwetzen".

Pfählen und Pflöcken, Spannen von Seilen, Aufschlagen von Schaubühnen hinter den Schranken, Aufstreuen von Sand und Mist auf dem Kampfplatz; ferner in Aus­ gaben für die Wachverstärkung durch Scharfschützen und Stadtwächter auf Türmen und Toren. Zwischen 1359 und 1364 fand im Geviertraum des alten Hofes ein großes Ritter­ turnier und ein Stechen der Münchner Bürgerssöhne statt^). Der Bayernherzog und viele Grafen und Edle wohnten 1371 einem Turnier zwischen dem Törring und Zenger bei. Nach dem Turnierbuch des Regensburger Propstrichters Johann Sigmund Prechtl von Sittenbach hielt die Reichsritterschaft am Heiligdreikönigtag 1375 und zu x) Oberbayer. Archiv 33 (1874) S. 342.

Mitsommer 1395 in München sogenannte „Nebenturniere" ab1).2 3Ein ungewöhnlich großes Scharfrennen schwergepanzerter Recken fand 1378 statt; 1379 stach der Pütrich, zwei Jahre später wieder der von Törring, im Januar 1399 erprobte der Münchner Altbürger Heinrich Sendlinger seine Waffentüchtigkeit mit Ritter Hans Gewolf, dem Kammermeister des Herzogs Stephans, im gleichen Jahr taten die von Ingolstadt eine Turnierfahrt nach München und brachten Ritter Rindsmaul mit. Die Stadt besoldet 1401 den Albrecht Fest als Turnierlader: Floßleute müssen während des Waffenspieles die drängende Menge bei den Schranken zurückhalten. 1402 traten der

mit dem Patrizier Jakob Rtdler von München 1489. Jakob Rtdler eine minnesame Frau. Spruchband: „All fred mtt ir". (Tumterbuch der Staatsbibliothek München.)

Gewer und Steinberger zu sportlichem Wettkampf an. Im Dezember 1404 turnierten Weindl Gewolf, der tot am Kampfplatz blieb, und Habsberger ^), ferner der Bürger/ adel von Augsburg, Ulm, Kaufbeuren, Memmingen, Landshut, Erding und Amberg, vom Rat mit Ehrentrunk und festlichem Tanz auf dem Rathaus geehrt. Herzog Ernst von Bayern, dem man Kraft und Stärke nachrühmt, befahl einstmals dem Lorenz Schrenk (f 1460), mit ihm zu turnieren. Schrenk war „im großen hohen Zeug" wohl J) H.St.A. Notthaft-Archiv Lit. 1073. 2) H.St.A. Oefeleana Lit. 24. — K.R. 1398/99 fol. 69, 104. 3) Eine Augsburger Chronik sagt: „desselben jars, da lag der Weindl Gebelf eins kampfs erntder zu München; und einer erstach in, der hieß der Hasperg." Pal. Germ. 676 fol. 33, Urrtv.-Bibl. Heidelberg.

geübt und galoppierte so stürmisch gegen den Herzog an, baß er ihn samt dem Pferd zn Fall brachte, so daß man ihn wie tot hinwegtragen mußte. Der Anprall war so stark, der Sturz so schwer, daß die Herzogin es dem Patrizier nicht ungestraft hingehen lassen wollte, während Herzog Ernst es ihm in keiner Weise nachtrug. Ein Ludwig Pütrich blieb im 15. Jahrhundert tot im Turniers. Jakob Pütrich erwies sich 1427 im Rennen und Stechen als „guter Gesell"?), der Künzelmann von Augsburg kreuzte die Lanze mit einem Haller von Nürnberg. Ritter und Edelknechte messen sich 1437 im Scharfrennen, einen „Dank" zu erstreiten. Bayerns Hofmeister Jörg von Gmrdelsingen, Jörg Fraunberger zu Haag, Ritter Arnold von Kammer, Ritter Oswald Törringer, Wilhelm von Maxlrain, Ulrich von Freyberg zu Ascha«, Jörg Törringer zu Törring, ein Preysing zu Wolnzach und zwölf andere Ritter und Edelleute verpflichten sich 1439 gegen Zusicherung freien Geleits in München, am Sonntag vor Pfingsten zu turnieren oder im Falle der Säumnis 500 'H> H Buße zu zahlens. Drei bayerische Edelleute, Caspar Torer, Jörg von Eisenhofen und Burkard Rorbeck stachen und ritten 1467 mit Herzog Albrecht von Sachsen und seinem adeligen Gefolge im Alten Hof4*).* *Weithin Aufsehen erregte das Münchner Turnier von 1471 durch die dabei erfolgte Gefangennahme Herzog Christophs. Am 12. Juli 1485 beriet die bayerische Ritterschaft in München über eine neue Turnierordnung. Jörg von Gumppenberg, der Sieger auf dem Ansbacher Turnier des Jahres 1485, schrieb der Sitte der Zeit gemäß ein neues allgemeines Turnier nach München auf den Martinstag 1486 aus^). Ein gefürchteter Turnierheld seiner Zeit war Marx Walter zu Augsburg, der eine so schwere Lanze führte, daß sie zwei Mann aufs Turnierfeld tragen mußten, weil sein Waffenmeister sie nicht zu Pferd auf die Bahn führen konnte. Einmal setzte man dem Augsburger Patrizier einen 14jährigen Knaben auf die überschwere Turnierlanze. Mit dem kühnen Herzog Christoph von Bayern maß er sich 1482 auf dem Fronhof zu Augsburg und stach ihn vom Pferd. Sieben Jahre später kreuzte der Münchner Jakob Ridler mit dem Sieger io vielen Turnieren die Lanze und bestand in solchen Ehren, baß Walter bei dem heftigen Anprall sich kaum im Sattel hielt4). Die hohe Bedeutung des Schützenwesevs für das deutsche Volkstum lag darin, daß die Schützenbrüder io freudigem Beisammensein aller sich vor andern auf deutsche Sitte und Art besannen und in jenen Zeiten territorialer Zerrissenheit, Zersplitterung und Abschnürung und damit nationaler Ohnmacht durch ihre Schützen­ feste bei allen Stämme» das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit zum großen deutschen Volk und Vaterland wach und lebendig erhielten. Die Tage froher Verbrüderung bei ihren Festen weckten das Bewußtsein der Volksverbunden*) Schrenk-Chronik.

а) Oberbayer. Archiv 36 (1877) S. 158.

’) St.A. Urkunden, Geleitsrecht Nr. 1. — Schrenk-Chronik. 4) Cgm. 2222 fol. 35.

б) H.St.A. Notthaft-Archiv Lit. 1073. — Ludwig Alb. Freih. v. Gumppenberg, Oie Gumppenberger auf Turniere« S. 35, 38, Würzburg 1862.

•) Turnierbuch des Marx Walter. Cgm. 1931 fol. 11, 20.

heit. Wenn schlichte Schießgesellen aus dem Bürger- und Handwerkerstand fich in edlem Wettstreit mit dem Patrizier, Edelmann und Fürsten an der Zielstatt maßen, dann galt kein Rang, kein Stand, nur die sichere Hand und das scharfe Auge. Laut einem Verkündzettel der Frauenpfarrei zählten die Bayernherzoge Albrecht HI. und IV., Johann, Sigmund, Wolfgang, Christoph der Kämpfer, der Hofmeister von Tor, die Patrizier Hans Pütrich, Bartholomäus, Nikolaus und Hieronymus Schrenk, Hein­ rich und Arsatius Bart, Sebastian Tichtl, Hans Rosevbusch, die Hundertpfund, Ridler und Rudolf zu den Schützenbrüdern der ruhmreichen Münchner Schützen­ gilde, welche zugleich Trägerin einer der ältesten Sebastianibruderschaften in Deutschland war. Die Herzoge Albrecht III. (t 1460), Johann (1463) und Sig­ mund (1473) stifteten Kleinode („Abenteuer"), die ihren Namen tragen und von Münchnern gewonnen noch heute an der Armbrust-Schützenkette im Historischen Stadt­ museum prangens.

Die älteste Erwähnung einer Zielstatt?) findet sich in der Kammerrechnung 1391, da der Rat sie vor dem Angertor instand setzen läßt; 1406 wird eine neue Ziel­ statt für die Armbrustschützen vor dem Neuhauser- und Unsers Herrn Tor?), 1411 ein Schießplatz bei der Neuen Veste, 1411 und 1431 eine Zielstatt bei Haidhausen erwähnt. Sechs Jahre später findet sich eine Zielstatt in der Kreuzgasse, 1449 am Schiffertor, 1470 am Zwinger des Wurzertors. Das zahlreiche Vorkommen von Schießstätten rings um die Stadt berechtigt zur Annahme, daß Feuer- und Armbrustschützen getrennte und jedes Stadtviertel und jede Viertelhauptmannschaft ihre eigene Zielstatt hatte; darunter solche in der Stadt, um in unsicheren Zeitläuften innerhalb der schützenden Stadtmauer Schießübungen abhalten zu können. Man schoß mit der Armbrust — in unseren Quellen vom Stahlbogen der Armbrust häufig Stahel- oder Stachel­ schießen genannt — und mit ihrer kleineren Abart, dem Schnäpperlein; seit 1429 auch mit dem Feuerrohr, das auf eine Gabel aufgelegt und mit der Lunte abgebrannt wurde. In der Weinstraße richtete man 1430 im Tömlinger- oder Wilbrechtsturm eine Waffenkammer ein, in der man die Armbrüste der Stadt aufhing, zu deren Fertigung und Instandsetzung der Rat einen städtischen Schnitzer bestellte. Die Armbrustschützen haben im 15. Jahrhundert ihr Schützenheim in der Sendlingergasse beim Bierbrauer Schott; aus Zünften und Bürgerschaft, aber auch aus den Geschlechtern wählen sie jährlich ihre Schützenmeister*). Eine Bruderschaft der Armbrustschützen erwirbt 1487 beim Wolfsgalgen vorm Neuhausertor einen Anger. Die Feuerschützen besitzen seit 1480 ein Schützenhaus am Gries; ihre „Vierer" werden vom Rat bestellt. Die „Schützen*) Abgebildet bei Frankenburger S. 35, 45, 47. a) Teng, Bayer. Annalen 1833 S. 414. — Heinr. v. DalsiArmi, Die Schützenkette der königl. privilegierten Hauptschützengesellschast S. 1, München 1910. — Ernst v. Destouches, Münchens Schützenwesen u. Schützenfeste, Festzeitung zum 7. deutschen Bundesschießen S. 71—74, 127—130, 143, München 1881. 8) K.R. 1406 fol. 77. 4) Es sind dies: 1464 Ludwig Bart, Paul Müller, Michael Barbierer, Sylvester Goldschmied, 1465 Hans Hammersberger, Paul Müller, Eberhard Bogner und Hans Seefelder, 1487 Heinrich Bart, Hans Kleuber, Hermann Bogner und Wolfgang Koler. St.A. Armbrustschützen 1—4«

Solleder, München

28

433

meister der ehrbaren Bruderschaft der Büchsenschützen" lassen 1491 vom Maler Erhard Olgast ein Altarbild in die Frauenkirche malens. München verstand sich von je aufs Festefeiern. Der Ruf zu friedlichem Wettkampf versammelt 1393 die deutschen Schützen in den Mauern der festlichen Stadt; der Rat steuert ju diesem ersten nachweis­

baren Münchner Schützenfest für jwei Pfund Pfennig Schützenkleinode

bei?). Fremde Schützen schießen 1400 mit den Münchnern Kleinode aus, die Kämmerer ehren 1411 und 1413 die Schützengäste auf dem Rathaus

mit einem Ehrentrunk, 1431 mit

i Eimer Welschwein, 50 Pfund Brot und Käs (zusammen um 2 N 29 H), als sie auf dem Feld von Haidhausen

zwei Ochsen und Kleinode ausschießen. Die besten Gewinne holen sich die Münchner 1431 zwar wieder selbst (aber „die von München taten das

Beste", sagt Stadtschreiber Meister Hans Rosenbusch). Die zweite Hälfte des

15. Jahrhunderts

führt die

Glanzzeit der Schützenfeste herauf. Zu Pfingsten 1454 hält die Stadt auf dem „Plachfeld" genannten Spitalanger des Heiliggeistspitals ein

Abb. 56. Silbernes Schützenkleinod, gestiftet vom Münchner Büchsenmeister „Stephan Wiggan", an der Schützenkette der Armbrustschütze» im Historischen Stadt­ museum.

Im Schild ein von ihm gegossenes Geschützrohr; auf dem SLechhelm rechter Flug mit Schrägbalken, belegt mit Pfeil.

großes Schützenfest ab, an dem die jungen Herzoge des Hauses Wittels­ bachteilnehmen. BürgermeisterHans Bart

begrüßt

den

Festzug

der

Schützen auf dem Rathaus, die Käm­ merer kredenzen ihnen elfSchachteln

süßes Konfekt und als Ehrentrunk 5 Maß Wein. Zur Bewirtung hoher, fremder und ferner Schützengäste wendet die Stadtkammer für 19 Eimer 3 Näpfe Wein (den Eimer zu n ß), für Brot, Käse, für Kücheln und Lebzelten 24 & 5 ß 21

auf; dazu läßt sie Zelte aufschlagen und die

Zielstatt Herrichtenb). Als Preise lockten Ochsen. *) Vierer oder Schützenmeister der Feuerschützen waren: 1475 Ulrich Wielant, Hanns Zuckschwert, Bartolme Heubelmann, Hanns Hertel; 1495 der Brauer Fünsinger, Schuhmacher Wolfgang Drächselhofer, Goldschmied Hans von Windsheim und Wagmeister Franz Trott. H.St.A. München Chorstift U.F. 10,16. a) K.R. 1394: „daß der rat 2 N H den schützen von der clainat wegen aus der statkammer zu geben schuf." a) K.R. 1454: Gesamtaufwand der Stadt 75 # 87

Ein ungleich glanzvolleres Schützenfest findet vom Pfingstmontag bis Fronleich­ nam 1467 in Münchens Mauern statt, das der Stadt 768 ’ti> kostet. 200 Schützenbriefe waren nach allen vier Winden in die deutschen Lande ausgegangen, 12 Fürsten und Grafen und 53 Städte hatten ihre besten Schützen geschickt. 368 Schützen erwarben sich durch Entrichtung von 6 Schilling Standgeld die Berechtigung zur Teilnahme am großen Tiburtius-Freischießen 1467, darunter die persönlich teilnehmenden Her­ zoge Albrecht IV. und Christoph, Markgraf Albrecht von Brandenburg, Graf Ulrich von Württemberg. Aus Augsburg (15 Schützen), aus Regensburg (13), Nürnberg (7), Ansbach, Dinkelsbühl (3), Ulm (8), Nördlingen (4), Biberach, Reutlingen (3), Geis­ lingen (2), Schwäbischgmünd, Lindau (3), Kempten (5), Zürich (2), aus Schärding, Wels, Salzburg, Hall (5) und Bozen kamen Schützen nach München, denen der Rat Bayern­ wein, Brot, Käse und andere Atzung verabreichen ließ und 37 y2 Eimer Wein als Ehrentrunk der Stadt kredenzte. Den Weitpreis, einen goldenen Ring, erhielt der Schütze des Grafen von Henneberg. Abgesehen von den im Gefolge der Herzoge be­ findlichen Münchnern nahmen 69 Münchner Schützen teil, darunter 8 Bogner, 6 Bader, je 4 Schneider und Goldschmiede, 2 Zunftgesellen und ein Kaufmannsknecht. Der umfriedete Festplatz umfaßte 18% Tagwerk Wiese; die Stadt ließ 41 Paniere malen: 25 Preisfahnen und 16 Fahnen für den Glückshafen. Die acht Zieler, Ausrufer und Bolzenträger erhielten eine neue kleidsame Tracht. Von den 10 kostbarsten Gewivnsten erschossen sich die wackeren Schwaben allein sechs. Das „Best", einen vergoldeten Becher, 50 fl. wert, gewann Erhärt Schnitzer von Geislingen, den zweiten vergoldeten Becher, 40 fl. wert, ein Edelmann aus dem Gefolge Herzog Albrechts, der Schongauer Pfleger Lutz von Freyberg, den dritten Becher, 40 fl. wert, der Schweizer Lienhart Stemeli von Zürich. Den vierten bis sechsten Preis mit einem Satz von je 6 silbernen Bechern „ineinander" Haug von Ulm, Hans Prendle von Lauingen und Ludwig Schopper von Biberach (35, 31 bzw. 28 fl. wert). Den fiebtev Preis, ein Pferd im Wert von 25 Gulden, der Priester Jörg Reysacher von Regensburg, wie ja auch der Pfarrherr von Frontenhausen wacker mitschoß. Die Preisträger hatten der Stadt 8 vom Gul­ den Wert Wiedergabgeld zu vergüten. Nach beendetem Schießen fand zur Kurzweil ein Wettlauf der Schützen statt, wobei der Deutschordensritter Hans von Schellen­ berg der schnellste war und sich einen goldenen Ring erlief1). Die frohe Festesstim­ mung riß jedermann mit, selbst der sonst so bedächtige Herzog Albrecht der Weise ließ sich von einem Edelmann seines Gefolges 15 Gulden leihen, um mit den Schützen­ brüdern in der Festhalle Karten spielen zu können: „wollt sein Gnaden karten in der Hütten bei den Schützen"?). Mit dem Schießen war ein Glücks Hafen verbunden, der 23 Gewinnste, goldene Ringe, silberne Becher und Schalen, im Werte von 106 rhein. Gulden barg und der Stadt bei der Spielleidenschaft des Mittelalters 452 & 4 ß 25 Einnahmen brachte. Bei jedem Gewinn mußten die Stadttrompeter blasen. *) K.R. 1467. — O. T. v. Hefner, Großes Armbrustschießen 1467, Oberbay. Archiv XIII (1852), io—21. — Heigel, Neue historische Vorträge S. 150—164, München 1883. — Frankenburger S. 22 f.

2) Cgm. 2222 fol. Z2. 28*

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Die Technik des Glückshafens scheint die noch heute übliche gewesen zu sein. Sechs Schreiber schrieben die Lose, der Augustin Eurl bündelte die Zettel, zwei Unparteiische aus dem Volke, der Fischer Arnold von Bernried und der Metzger Stoper von Er­ ding hoben die Zettel aus dem Glückshafen. Von anderen deutschen Städten**) wird erstmals des Glückshafens in Augsburg 1470, in Wien 1475, in Erfurt 1477 und in Nürnberg 1487 Erwähnung getan, so daß München fich des ältesten deutschen „Glückstopfs" rühmen kann. Einen weiteren Höhepunkt festlicher Veranstaltung bedeutete das Schützenfest ju Pfingsten 1486, das Herzog Albrecht IV. persönlich anregte und zu dem 600, bei Johann Schobser in Augsburg gedruckte Ladschreiben in die Lande an Donau und Rhein, bis in die Schweiz und Niederlande ausgingen, dazu überdies 16 wohlstilifierte Briefe an hochstehende Fürstlichkeiten. In Köln und Frankfurt hat ein gutes Geschick je ein Stück dieses gedruckten, weit über einen halben Meter langen Münchner Schützenbriefes vom 8. November 1485 erhaltens, in dem „Bürger­ meister und Rat der Stadt München und gemeine Schießgesellen der Armbrust- und Büchsenschützen" zum Freischießen einladen: „Hierumb wir Euer Fürfichtigkeit und sunder gut Freundschaft mit allem Ernst und Fleiß bitten, Ihr wöllet um des ob­ genannten unsers gnädigen Herrn und unsern Willen Euere Schießgesellen mit Arm­ brust und Büchse zu solch unserm Schießen und Kurzweil gütlich ausfertigen und allher zu seinen Gnaden und uns auf die obbestimmte Zeit senden und schicken." Der Herzog ließ den Schützen darin ausdrücklich Frieden, Sicherheit und Geleit zufichern. Das Fest sollte altem Herkommen gemäß mit einer Zusammenkunft in der Münchner Schützenherberge avfangen in der Sonntagsnacht vor St. Veit, am Montag Morgen Schlag 7 Uhr das Wettschießen beginnen und täglich bis 5 Uhr nachmittags dauern. Eine besondere Schießordnung war in dem Ladschreiben für Armbrust- und Feuer­ schützen festgelegt: Die Armbrustschützen schossen auf 97 m Entfernung (360 Münchner Werkschuh, der, auf dem Schützenbrief ausgezeichnet, 26,9 cm beträgt) und zwar unter den denkbar schwersten Bedingungen, stehend freihändig mit freischwebendem Arm; wobei, um Unterschleife hintanzuhalten, der Ärmel vom Wams abgetrennt war, der Armbrusischaft die Achsel und der Schlüssel die Brust des Schützen nicht berühren durfte. Auf dem Bolzen mußte der Name des Schützen durch den geschworenen Schützen­ schreiber eingetragen sein. Jeder Armbrustschütze hatte 40 Schuß in eine unversehrte Zielscheibe; jeder Treffer in den Kreis, dessen Zirkelweite (1,20 m) auf der Rückseite des Ladschreibens ausgezeichnet ist, zählte als Punkt. Wer die meisten Zirkelschüsse erzielte, hatte Anspruch auf den ersten Preis. Die Feuerschützen hatten 22 Schuß in zwei schwebende Scheiben abzugeben, deren Durchmesser 2 Ellen betrug. Der Schützen­ stand lag rund 200 m (740 Münchner Werkschutz) von der Zielstatt entfernt. Auch die Feuerschützen mußten stehend freihändig schießen, mit freischwebendem Arm und abgetrenntem Wamsärmel, ohne Schnüre und Riemen, ohne Griff und Rauchpfanne. *) Kriegk, Deutsches Bürgertum S. 468, 1868. — Otto Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien S. 169. *) Abgebildet bei Ernst Freys, Gedruckte Schützenbriefe des 15. Jahrh., Tafel 15, München 1912.

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Der Büchsenkolben durfte die Achsel nicht berührens. Wer mit einer gefiederte« Kugel oder gleichzeitig mit zwei Kugeln schoß, verlor Einsatz und Schießjeug. Für Arm­ brust-- wie Büchsenschützen waren fc 35 Preise in der Höhe von 102 Gulden, 90, 80, 70, 60 bis herab zu einem rheinischen Gulden samt Fahne ausgesetzt. Stadt und Herzog stifteten je einen ersten Preis. Außerdem erwartete ein Kranz mit goldenem Ring, 12 Gulden wert, den Feuer- und Armbrustschützen, der den besten Schuß ins Schwarze bzw. in den inneren Kreis tat; schließlich Trostpreise von 6 bis 1 Gulden jene, die zwar kein „Abenteuer" gewannen, aber zunächst dem Nagel schossen.

München steht, was die Höhe der Preise anbetrifft, von allen deutschen Städten nach Landshut führend an der Spitze. Aus dem Glückshafen, auch „Väßliu" ge­ nannt, blinkten 22 silberne Kleinode von 60 bis zu 2 Gulden Wert und als 23. Ge­ winn ein goldener Ring. Daß der Gabentisch mit Pokalen, Bechern und Schalen aller Art aufs reichste bestellt war, kündeten die am Glückshafen ausgehängten Fahnen, auf denen kein Geringerer als der berühmte Maler Jan Polak die Gewinste abkonter­ feit hatte, erweist die Liste der schaffenden Künstler aus der Goldschmiedezunft, welche die Gewinne lieferten: Meister Martin Gebhart, Christoph Rudolf, Sigmund Bachner, Hans Vellnhamer, Marx Parreuter, Hans Kleuber, Heinrich Perner, Konrad Füßl, Hans Kolb, Hans Zöllner und Klara Keuflin. Das Los kostete einen Etschkreuzer. Der Name des Einlegers wurde auf Zettel geschrieben mit launiger Losung, welche die ausgelassene Feststimmung der Spieler der Nachwelt erhalten hat. Ein Trostpreis erwartete den, der zunächst dem Haupt- und letzten Gewinner aus dem Glückshafev kam. Hans Schauer und 22 Hilfsschreiber schrieben wochenlang die Zettel für den Glückshafen. Aus Straubing ließ man das große herzogliche Zelt nach München bringen. Am Herrenmahl nahmen 377 Personen teil, zu den Ehrengästen zählte der regierende Herzog; die festgebende Stadt spendete den Schützen 450 Eimer Neckar-, Elsässer- und Rheinwein. Zur Vorbereitung des Festes hatte die Stadtkammer 2029 Gulden 2 ß 20 zS} vorgestreckt. Als die laute Festesfreude verrauscht war, konnten die Rechner des Schützenfestes, die Ratsherren Hans Schinder und Ottmar Ridler, trotz der hohen Vorschüsse 43 fl. 5 ß 25 L, buchen. Der bescheidene Aufwand der Stadt läßt also nicht immer einen Rückschluß auf die Größe des Festes itt2). Weither erfolgten Einladungen an Münchens Schützenfraternitäten. Überall im weiten Umkreis, wo der Pulsschlag der deutschen Nation schneller und „Lieber Räckendorffer" beginnt der Brief eines Ungenannte», der »ns einen Zwischenfall auf einem mittelalterlichen Schützenfest überliefert, „als jeqo das schiessen hie gebesen ist, da ist die gematn geselschaft der schützen uberain worden, däs all schüzen in den jöppen schiessen füllen und röck und mandel abtün." Die Münchner schossen in Hemdärmeln, damit keiner beim stehend freihändigen Schieße» einen Vorteil hatte. Fürsten und Herren, Ritter und Knechte legten willig Rock und Mantel ab und ließen den Arm beschauen, wie dies die Schützenmeister ausrufen ließen und Schützen von Hütte zu Hütte ver­ kündeten. Ein von früheren Schützenfesten als Störenfried bekannter Goldschmied aus Lindau weigerte sich dessen, wurde vor die Schützengesellschaft geladen und beschwerte sich schließlich beim Rat, der ihm mit Rücksicht auf die guterr Beziehungen zur Schwabenstadt am Bodensee eine begütigende Abfuhr erteilte. H.St.A. Fürstensachen 261 */>/11 fol. 272. 2) K.R. 1485/86. — Friebr. Hornschuch, Ein Münchner Schützenfest, Bayerland 38 (1927), 396—400. — Destouches S. 130.

hörbarer ging und zu festlicher Zett das Bewußtsein gleichen Blutes und gleicher Sprache zum freudigen Erlebnis ward und aus dem großen Reich deutsche Schützen­ brüder zusammenführte, nahmen auch Münchner Armbrust- und Feuerschützen teil. Der Rat ordnete zum Ruhm der Stadt und zur Aveiferung der Schießgesellen Meister­ schützen ab, denen die Reise- und Zehrungskostev aus der Stadtkammer bestritten wurden. Der Schmied Hufeisen, Paul Plattner und andere Schützen erhielten 1411 fünf rhein. Gulden Zehrung gen Aichach, wo sie am Margaretentag ums Kleinod schossen; 1414, 1416 und 1425 vergütete man die Zehrung nach der nahen Reichs­ hauptstadt Augsburg, wo auch zu Pfingsten 1432 sechs Münchner Schützen ein Kleinod gewannen. Zwei Schützen zogen 1415 zum Wettschießen nach Landsberg; zum Lands­ huter Schützenfest 1426 vergüteten die Kämmerer 3 % Zehrgeld. Vier Schützen zogen 1433 nach Nürnberg (9 U 38 L-), 1432 sechs Schützen (7% und 1437 vier Schützen (3 N) nach Straubing. Die Stadt entsendet 1436 einen Schützen nach Freising, 1439 acht Schützenbrüder gen Augsburg (6 7 ß Zehrgeld), 1452 nach Haag bei Wasser­ burg, 1453 sechs Schützen gen Augsburg (18 rh. fl.), 1458 vier Schützen nach Nürnberg (9 Zehrgeld), 1460 drei Schützen ins Jnntal (5^5 ß). Weitere Abordnungen erfolgten: 1468 sechs Armbrustschützen nach Ulm, je 3 fl. Zehrgeld Augsburg, je 3 fl. 1470 acht ff ff ft Gmund und Ansbach, je 6 fl. vier ff ff ff 1473 sechs Aichach, 3 % 4ß ff ff ff Friedberg, 5 % aß ft ff ff ff Ingolstadt, 5 Sl 2H Feuerschützen ff ff ft 1474 vier Armbrustschützen ft Straubing, 7 % ff Feuerschützen Augsburg 1476 „ ft Kaufbeuren ff ff 1477 „ Armbrust- und sechs Feuerschützen nach Nördlingen 1478 „ „ Ulm. 1479 fünf ft ft ff Immer weiter erstreckte sich der Kreis der Städte, an deren Preisschießen Münchens Schützenbrüder auf Kosten der Stadt teilnahmen und so über die engen weißblauen Grenzen hinweg zu Trägern des Reichsgedankens wurden: 1475 zogen vier Münchner zum Schützenfest in die Kaiserstadt Wien mit 34 u 4 ß Zehrgeld, 1485 wagten je vier Armbrust- und Feuerschützen den edlen Wettstreit mit den Schweizern in St. Gallen (10 & 4ß Zehrgeld); 1498 wurden sechs Schützen nach Leipzig mit 29 $6 6 ß und fünf Feuerschützen nach Hagenau im Elsaß mit 17 % 6ß Zehrgeld abgeordnet. Der Schutzheilige St. Sebastian war seinen Münchner Schützen meistens hold. Daß sie sich auswärts gar manchen „Best" und „Schützenvorteil" holten, lassen die Ehrengeschenke erkennen, die der Rat den Gewinnern verehrte, so 1426 den Heimkehrern von Landshut, die eine silberne Schale und ein ganzes Tuch von Aachen gewonnen hatten. „Das Geld schenkte man ihnen auf des Rats Geheiß zur Ergötzung; es wollten auch die von Landshut nichts mehr mit ihnen schießen", steht bei der Buchung

in der Stadtrechnung. In Krauzberg holten sich die Münchner 1428 drei Preise. Im Sommer 1452 zogen sechs Münchner mit je einem Gulden Zehrgeld in der Tasche zum Schützenfest nach Wasserburg und wie kamen sie zurück: Der Schnitzer Prosser gewann einen Becher, der junge Patrizier Wilhelm Tichtl den Ochsen, der Schlesier das Pferds! 1459 ordnete der Rat fünf Schützen nach Landshut ab, welche zwei Kleinode gewannen, darunter eines der kostbarsten. In Burghausen gewannen die Münchner einen Becher, 24 rhein. Gulden wert.

Neben den großen deutschen Schützenfesten, die eine Angelegenheit der gesamten Bevölkerung waren, hielt man alljährlich als Abschluß der in der wärmeren Jahres­ zeit Sonntag um Sonntag statthabenden Schießübungen kleine Preis­ schießen der heimischen Schützen ab, zu denen der Rat schon 1421 als Preis ein Dutzend Hosen auswarff). Um sie schickte der Rat 1425 bis nach Frankfurt. Anfänglich waren sie ausgeschnitten, später verteilte man nur noch das Tuch, aber vorzüglicher Güte aus Amsterdam und sogar aus England. Seit 1456 wurden neben den Armbrustauch die Feuerschützen mit den Stadthosen bedacht. 1458 empfingen Armbrust- wie Büchsenschützen je 2 Dutzend Hosen als Schützenpreis; zwischen 1490 und 1500 erhielt die Schützengilde zwei oder drei Amsterdamer Tuch für 36 oder 48 Hosen, damit Feuerwie Armbrustschützen einheitlich gekleidet waren^). Jeder ehrbare Handwerksgeselle durfte ein halbes Jahr nach vollendeter Lehrzeit „um der Stadt Hosen" schießen*). Laut Beschluß des Rates vom Jahre 1467 erhielten die Feuerschützen jährlich von der Stadtkammer je ein Pfund Blei und ein halbes, gegen Ausgang des Jahrhunderts sogar ein ganzes Pfund Pulver. Die Zahl der Feuerschützen ist 1481 mit 115 und 1494 mit 198 Gewehren verbürgt°). Unterstellt waren die Schützen damals dem „obersten Schützenmeister". Ihm standen zur Seite je vier Schützenmeister der Armbrust- und Feuerschützen, die als treffsichere Schützen zumeist aus den Reihen der Gemeinde ge­ nommen waren. Schon früh erkannte der Rat die Notwendigkeit einer wehrsportlichen Er­ tüchtigung des Jungvolks. Da die Knaben doch weder Katechismus noch „Fateten" erlernen wollten, sollten sie nach Meinung des Stadtschreibers, um ihre Zeit nicht ganz unnütz zu vergeuden, wenigstens schießen lernen 6). So ließ denn der Rat 1433 den Jungschützen („den jungen gesellen, das ist den jungen knaben bürgern ibei 10 jaren") um 82 H „Nestel", Schnüre oder Riemen, kaufen, damit sie schießen lernten^). *) K.R. 1426 u. 1452. 2) „den Schützen der Stadt" 3 # 5 § 10 H für ein Dutzend Hosen, Jakobi 1421. K.R. 1420. 8) 1490 wurden auf der Frankfurter Messe 3 Amsterdamer Tuche für 32 1494 für 34 % zß 22 H gekauft und daraus 48 Hosen für die Armbrust- und Büchsenschützen geschnitten, 1500 drei Am­ sterdamer Tuche um 28 % 7 ß staust für 48 Hosen. R.Pr. 1500; K.R. 1490, 1494, 1498 u. 1500. 4) Destouches, Münchens Schützenwesen S. 74. 5) K.R. 1481 u. 1494. 6) K.R. 1434: „Item 82 H haben wir zallt den jungen knaben bürgern schuczen nach rats geschafft, darumb wir in nestelein kauft haben, damit si ir weil and zeyt nicht als gar unnüczlichen vergeuden; seider and sie doch weder den kachen noch fateten nit lernen, das sie doch schieß lernen. Pfingsten 1435." 7) K.R. 1433*

Seit dieser Zeit kehrt die Ausgabe für den Kauf von Nesteln an die Jung­ schützen ständig wieder. Zu Ausgang des 15. Jahrhunderts erhielten die Bürgerknaben, die mit Eiben schossen, wöchentlich 20 H. Um ihren Eifer noch mehr anjuspornen und um ihr Können und ihre Treffsicherheit zu vervollkommen, wies der Rat seit 1488 den jugendlichen Eibevschützen („den Knaben Eibenschützen") als Preis zwei Stück Barchent aus der Stadtkammer zu, damit sie sich einheitlich kleiden konnten *). Städtisches Söldnertum.

Den ersten Anstoß jur Bildung einer städtischen Soldtruppe gab die Schaffung des Pfändermeisteramtes und seines Polizeitrupps zu Streifen auf den Landstraßen, jum Schutz der Handelsjüge und zur Verfolgung („Nacheile") der Ver­ brecher. Schon nach dem Rudolfinum von 1294 war es ein altes Recht der Stadt, einen „Pfänder" zu haben, der unter des Herzogs besonderem Schutz stand und dessen Aufgabe es war, auswärtige Schuldner der Stadt und Bürgerschaft auf des Bürger­ meisters Geheiß zu pfänden. Andererseits sicherten Herzog Rudolf (3. Nov. 1298) und König Ludwig der Bayer (4. Mai 1315) der Bürgerschaft zu, daß keiner ihrer Mannen sie pfänden dürfet. Ludwig erteilte der Stadt überdies unterm 16. Juli 1315 den weitgehenden königlichen Freibrief, schädliche Leute im ganzen Land gefangen zu nehmen und nach München zur Aburteilung zu führens. Als Kaiser erweiterte er 1345 das Recht, das bisher Münchens Bürgern nur in einigen Gerichten der nächsten Umgebung zugestanden war: ihre Guthaben und Forderungen im Vitztumamt, also im Landgebiet von ganz Oberbayern durch Pfändung einzutreiben*). Im Gnadenjahr 1392 bestellte die Stadt zur Aufrechterhaltung der Sicherheit auf den Landstraßen und zum Schutz der Pilger Schützen, denen die beschlagnahmte Habe ergriffener Bösewichter zufallen sollte*). Für diese berittenen Stadtsöldner, die zur Sicherung der Pilgerzüge und Handelsstraßen nach allen Himmelsrichtungen Polizeistreifen zu unternehmen hatten, erließ Herzog Johann II. im Frühjahr 1393 ein weitgehendes Beuteprivileg, wonach ihnen Pferde, Rüstung, Kleidung und Barschaft der den Herrschern, dem Lande Bayern und seinen Einwohnern schädlichen Personen verfallen sein (böten6).

Die Stadtgeschichte kennt auch als Sühne für schwere Bluttat den Fall, daß ein Ritter mit seinen Dienstmannen ohne Sold der Stadt zu dienen hatte. Als Albrecht x) K.R. 1488, 1490 fol. 68 u. 1500. 2) Mon. Boica 35/II S. 17, 22, 39» — Denkmäler S. 44, 53, 76. 3) „ob sie ieman westen oder innen wurden, der in unserem land ze Bairen waer, der in oder dem land schedlich waere, daz fl den wol mügen sahen, swo ft den anchomen mugen in unserem land, und den oder dieselben gefangen füren gen München und auch den oder die daselbe uberwinten mit dem rehten." M. B. 35/II S. 45. 4) Mon. Boic. 35/II S. 84. — Denkmäler S. 159. 5) Mon. Boic. 35/II S. 172. — Denkmäler S. 567. 6) Bergmann, U.B. Nr. 82. — Mon. Boic. 35/II S. 174ff. — Denkmäler S. 568s.: „und ir aygen güt sol sein, waz sy bey den selben vinden und begreiffen, es seyn phärdt, Harnasch, gewant, beraitschaft oder, wie daz allez genant mag sein." — Über die weitere Entwicklung der als Polizeitrupp verwendeten Stadtsöldner vgl. das Kapitel „Beamtentum".

der Judmann, Herzog Rudolfs oberster Marschall, erzürnt über eine Pfändung, den städtischen Pfändermeister erschlug, mußte er sich „ze pesserunge umb iren pfenttaer, der laider leblos worden ist", unterm 3. März 1313 verpflichten, persönlich — im Falle seiner Verhinderung einer seiner Söhne oder adeligen Verwandten — der Stabt drei Jahre mit 12 „Helmen" *) auf eigene Kosten zu warten, falls er in dieser Frist vom Rat angefordert werden sollte. Ausgenommen vom Sühnedienst war der Kriegs­ fall gegen den Bischof von Freising, gegen Herzog Ludwig von Bayern und gegen des Marschalls und seiner Gemahlin eigene Blutsverwandtes.

Abb. 57.

Spannbank mit Windarmbrust, gespannt durch Windhaspel und Spanagürtel, gleichzeitig drei Bolzen schießend. Um 1425. („Liber machinarum“ Cgm. 197 der Staatsbibliothek München).

Das Zeugwesen. Das erste auf uns gekommene Zeugbuch von 1444 wurde angelegt, damit „mäntglich wisse, wie gut (gerüstet) die Stadt ist und wieviel Kriegsvolk in ihr; kommt man in Gefahr oder steht der Feind vor den Toren": „hat mann nit zeug darinn zu der werlichait, es stet ir hert an und kumpt in grosse not3)." München aber kam nie in große Not, denn seit den ältesten Zeiten waren Rat und Bürger­ schaft eifrig auf Rüstungen für den Ernstfall bedacht. Im Herbst 1319 trotzte die Stadt unter Ludwig dem Bayer, der sie schon 1314 in Verteidigungszustand gesetzt hatte, einer kurzen Belagerung durch Friedrich den x) Unter „Helm" verstand man die kleinste dreimannige Kampfeinheit: Der schwergepan­ zerte Ritter, in voller Stahlrüstung, Knappe und Reitknecht. 2) Er verpflichtete sich ferner, Christen und Juden in München ihre Guthaben wieder zu erstatten, die Stadt in der Pfändung in keiner Weife zu beirren und alle in München Gesessenen, die er oder seine Mannen verletzten, schadlos zu halten. St.A. Stadtacht i. 8) St.A. „der stat ceugpuch" 1444 fol. 6v.

Schönen und Leopold von Österreich*). Diese Bedrohung war der Beweggrund,

warum die Kämmerer des Jahres 1319 Marquard Drächsel (Tornator) und Niko­ laus Schrenk den Bestand an Wehr und Waffen, den fie in der ältesten Rüst­ kammer im Turm beim Weinwirt Krug („apud Amphoram“) hinterließen, genau verzeichneten: Darunter einige gewaltige Wurfmaschinen, mit denen man Stein­ blöcke schleuderte, 12 Schleudermaschtnen mit Krapparmbrust (Windarmbrust), 12 Zerf, 6 „zwichpraeg", 13100 Pfeile, 6 Spannbänke (mit riesenhaften Standarmbrüsten, die mit Windhaspeln oder Zahnrädern gespannt, gleichzeitig 3 schwere Bolzen abschossen)-). 20 Standarmbrüste (balistae) wurden 1334 für 25 U 2 ß angeschafft, 1337 wiederum Armbrüste für 24 St, das Stück zu 5 /S12 H3). Ulrich der Avtwerkmeister zu Mün­ chen erhält 1358 vom Markgrafen Ludwig 18 % $ Entschädigung für ein im Krieg verlorenes Streitroß*). Der städtische Werkmann Meister Ludwig baute 1393 für rund 40 N H eine gewaltige Katze, eine mit Rädern versehene und durch ein schirmendes Dach geschützte Wurfmaschine zur Breschelegung, die gleicherweise Deckungsmittel war3). Zu diesen Kriegsmaschinen, mit denen man Steine oder entzündbare Spreng­ körper schleuderte, zählten auch die 1398 zur Verteidigung der Stadt mit über 100 tt H angeschafften „Selbgeschosse" (Drehkraft- oder Seilgeschütze), die „Springen", Drehkraftgeschütze, welche die Spannkraft der Sehne zum Weitschuß nutzten, und die als Mauerbrecher gefürchteten „Antwerken", (Wurfmaschinen, welche schwere Steine schleuderten)3). Meister Ludwig und seine Gesellen mußten 1401 die Antwerke und die kleine „Katze" fertig machen und aufstellen. Die Bedienung der Kriegsmaschinen war eben Sache der Zimmerleute-). Bayern nimmt den Ruhmestitel für stch in Anspruch, sehr früh Feuergeschütze verwendet zu haben3). Wenn man bedenkt, daß die erste Verwendung von Feuerbüchsen in die Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern fällt, daß Pulver und Pulverwaffen als deutsche Erfindungen galten, daß deutsche Ritter 1331 bei der Belagerung von Cividale Feuer­ waffen verwendeten, Paris 1338 Zahlungen für Geschütz und Pulver, England für Pulver leistete, daß Aachen 1346 Geschütze kaufte, Frankfurt und Naumburg 1348 Feuerwaffen mit Pfeilgeschossen besaßen, Nürnberg 1356 bereits mit gegossenen Ge*) Riezler II, 318, 325s. *) K.R. 1318/25 fol. 102v ... „balistas strepatas et 12 balistas cum chraphen. 12 zerf. item 6 zwichpraeg. item 13 milia et centum telorum. item 6 spanbench. item 10 spanbenchscheiben. item ii ... etschen. item 2 funes.“ ®) K.R. 1334 fol. 79; 1337 fol. 113. 4) H.SL.A. Vilsbiburg GU. 1. 6) K.R. 1393 fol. 36—39V. — Clm. 197. 6) K.R. 1398/99 fol. 93—95. 7) K.R. 1400/02 fol. 94: „Item 2 & 12^ hab wir geben maister Ludwig und seinen ge­ sellen, das sy zway werch und ein kaetzel aufgericht haben in der Wochen nach Erasmy anno etc. primo.“ — „Item 13 ß 12 H hab wir den arbeytern geben, daz si die werch und katzen haben aufhelffen richten in der Wochen nach Erasmy." — „Item 14 ß 15 hab wir geben maister Ludwig und seinen gesellen, daz sidie antwerch gar zu beraitten,in der Wochen Vity anno etc. primo.“ 8) Alb. Hausenstetn, Das Aufkommen der Feuerwaffen in Bayern bis zum Jahre 1450. Bayer­ land XXV, 358 s., 369—372, 390—393, 408—411, München 1914.

schützen Handel trieb1),* dann gewinnt die Annahme, daß Ludwig der Bayer schon 1334 zur Belagerung von Meersburg am Bodensee Pulvergeschütze verwendetes, an Glaubwürdigkeit. Markgraf Ludwig der Brandenburger erteilt dem Münchner Bürger Meister Ulrich Zinngießer 1352 die Vergünstigung, den alten Graben in der Breite seiner beiden Wohnhäuser nach Belieben ju bebauen3). In dieser landesherr­ lichen Gunstbezeuguvg wie der ungewöhnlichen Wohlhabenheit eines einfachen Hand­ werkmeisters dürfen wir einen Beweis erblicke», daß dieser Zinngießer unter Kaiser Ludwig die ersten bayerischen Geschütze goß und dadurch zu großem Vermögen kam. Die großen Lücken in den Kammerrechnungen seit 1348 find schuld, daß wir über die ersten Anschaffungen von Feuerwaffen seitens der Stadt nicht unterrichtet find1).* Im Tiroler Erbfolgekrieg gegen Herzog Rudolf von Österreich und den Erzbischof von Salzburg ließ Herzog Stephan 1364 in das belagerte Mühldorf mit 9 großen Wurfmaschiven (Avtwerken) bei Tag und Nacht Steine und Feuer schleudern, aber auch aus Büchsen in die Stadt feuern3), die wohl zum Teil der Stadt München ge­ hörten. Im Jahre 1395 wurden 3 Steinbüchsen — man schoß mit steinernen Kugeln, welche die Maurer behauten — jede 14 Pfund schwer, um 13 fl. vom Büchsenmeister gekauft. Für das Probefeuern („da man die Büchsen versuchte") verschoß man Sal­ peter und Schwefel für 4 ß 18 6).7 8Das Revolutionsjahr 1398 sieht die irregeleitete Bürgerschaft geschäftig am Werk, als es gilt, die Stadt gegen die eigenen Landes­ herrn in wehrhaften Stand zu setzen. Für die kupferne Büchse der Stadt wurden 50 große Steinkugeln, für die übrigen großen und kleinen Geschütze weitere 100 Stein­ kugeln angeschafft. Drei Zentner Blei goß man zu Kugel». Der Büchsenmacher hatte Handfeuerwaffen herzustellen1) und erhielt für die Anfertigung von 13 eisernen Hand­ büchsen 4 5 ß 28 zS) Arbeitslohn. Außerdem kaufte man 7 Büchsen um 5 tt 3 ß und 3000 Pfeile um 7 30 Der Schmied Hufeisen bekam für 550 schwere Pfeile 10 ß 6L-. 10 Pfund Schwefel zu den Feuerpfeilern kosteten % tt S\, Schwefel und Quecksilber für die Pulverbereitung 1 tt 20 H. Die Stadtknechte mußten, um freies Schußfeld zu schaffen3), Häuser niederreißen. Eine weitere „kupferne Büchse" von 3,04 Ztr. Gewicht goß die Stadt 14019). Die stärkere Verwendung von Feuerwaffen zwang den Rat, 1407 zu Venedig durch Ulrich Rukenhauser um 300 Dukaten Schwefel und Salpeter zu kaufen; bestand *) Beruh. Rathgen, Das Geschütz im Mittelalter S. 5, 7,115,137,193, 665—672, 687s., 694, Berlin 1928. — W. Gohlke, Gesch. der gesamte» Feuerwaffen S. 14, 17, Leipz. 1911. ’) Piper, Burgenkunde, 2. Aufl. S. 369. 8) H.St.A. Privilegienbuch 25 fol. 9. 4) In Köln heißt der Büchsenmeister „balistarius“, ja sogar „sagittarius“. Rathgen S. 187. Gelingt es diesen Sprachgebrauch für München als richtig zu erweisen, dann läßt sich die Verwen­ dung der mit Pulver abgeschossenen Waffen (Pfeilgeschütze) früher belegen. 6) Riezler III, 81. — Hausenstein, Bayerland XXV, 369. 6) K.R. 1395 fol. 50ff. 7) Die Stadt München verwendete schon 1398 Büchsenschützen, während Beck (Bayerns Heer­ wesen, Archival. Ieitschr. 1911 S. 106) sie in Bayern erst 1431 und 1450 belegen konnte. 8) K.R. 1398 fol. 86—88 v u. 93. •) K.R. 1400/02 fol. 102v. Ihre Herstellung erforderte 15 U 6 ß 23

doch seit Einführung des Schießpulvers eine zunehmende Not an Salpeter, der vom Levantehandel aus Ostindien »ach Europa gebracht wurdet. Die Münchner Zinngießer Ott und Heinrich gossen 1407/08 die vom Volkswitz später „Stachlerin" getaufte „große Büchse", ein 89 Ztr. 72 Pfund schweres Geschütz, das der Kupferschmied Felnhamer arbeitete. Das außerhalb Bayern „Bombarde" genannte Kolossal-Geschütz kam auf 481 öl H zu stehen, der Preis für den Zentner Kupfer auf 7 ungarische Gulden. Die Werkleute hatte man nach Regensburg geschickt, damit sie die reichsstädtischen Ge­ schütze studierten. Schmiede und Werkleute erhielten 1408 ein hohes Badegeld, als man die große Büchse aus der Grube hob, und gutes Trinkgeld, da man nach geglücktem Guß Probe schoßt). Es mag ein Fest für jung und alt gewesen sein und Handel und Wandel in dem beglückenden Gefühl wohlgeborgener Sicherheit für Augenblicke oder gar Stunden gestockt und stillgestanden haben, als der mächtig tiefe Glockendonner des Riesengeschützes zum ersten Male über die Stadt hinwegrollte. War ehedem der Werkstoff der Geschütze Eisen und juletzt Kupfer, so schritt man jetzt zum Metallguß einer Legierung aus Kupfer und Zinn, worauf die Beiziehung eines Kupferschmiedes und zweier Zinngießer hinderttet^).

Noch 1408 wagte man den Guß eines zweiten Geschützes, der „kleinen Büchse", die das recht ansehnliche Gewicht von 41,37 Ztr. hatte. Kupfer und Zinn kosteten 257% ungar. Gulden, die Zinngießer Ott und Heinrich erhielten von beiden Büchsen 76 & 45 SXi der Kupferschmied Felnhamer 4 tt 32 Arbeitslohn. Das Menge­ verhältnis der „kleinen Büchse" ist 36 Ztr. 82 Pfund Kupfer und 4 Ztr. 55 Pfund Zinn. Das Kupfer kaufte man in Regensburg, den Zentner zu 7 ungar. Gulden, das Zinn von den hiesigen Barfüßer-Mönchen. Schmiede und Schmiedegesellen wirkten beim Guß helfend mit. Der Kupferschmied Felnhamer machte Schloß, Ringe und Heber, auch zwei „Modelle" für die Geschosse. Zu Kugeln für die Handbüchsen wurden 537 Pfund Blei vergossen. Ein Schnitzer zu Lavdsberg fertigte 11 Armbrüste; dazu wurden 2000 eiserne Pfeile um 4 öl 3 ß anx) Eine in der Staatsbibliothek verwahrte Büchsenmeister-Handschrift gibt als Mischungsverhältnis für gutes Pulver 4 Pfund Salpeter und je ein Pfund Schwefel und Kohle. Cgm. 6oo, zum Teil veröffent­ licht von Bernh. Rathge», Pulver und Salpeter, München 1926. *) K.R. 1407 fol. 8z; 1408 toi. 6zv, 86. — Das Rohr der 1414 gegossenen, durch ihre Wirkung berühmten „Faulen Grete" der Brandenbnrger wog 90 Ztr. und hatte ein Geschoß von 3 Ztr.; die große Frankfurter Büchse von 1394 hatte 70 Ztr. Rohrgewicht, ein Geschoß von 2,3 Ztr. und eine Schußweite von 250 m. Die 1396 vom Büchsenmeister Heinrich Grünwald gegossene „Kühn" der Reichsstadt Nürnberg 90 Ztr. Rohr- und 4% Ztr. Geschoßgewicht; die „faule Mette", das 1411 gegossene Braunschweiger Riesengeschütz wog 164 Ztr., sein Geschoß 2V4 Ztr. Bernh. Rathgen, Oie Faule Grete S. 12, 14, München 1924. — Ders., Das Geschütz S. 33ff., 51, 260, 272, 459. 8) Herstellungskosten der „Großen Büchse" („Stachlerin"): 481 H iß 27L,. Davon Arbeitslohn 35 16 7ß iz H; nämlich der Zinngießer 18 ti, der Kupferschmied 3 'ä>; Fuhrloh» 6 H 6^8-3»; Zehrung 4 16 3 ß 12 L,; Badlohn 3 14 $ß 23^. Materialkosten: 44$ 16 2ß 14 L,, nämlich: 7 16 3 ß 24 ,3» 9,5 Ztr. Stabeisen ru 6 ß 10 Sx = 60,69 Kupfer 7 ung. st. = 292 „ 4„ 21,93 7 ,, n = 108 „ 7ß 3 ,, Zinn 5*6 = 36 „ 2 ß 27 „ 7,09

geschafft*). Im Jahre 1411 wurden 101 große und kleine Büchsensteine beschafft, je drei Steine für einen ungar. Guldens. Der Bruderkrieg Herjvg Ludwigs im Bart traf die Stadt so wohl gerüstet, daß die Neuanschaffungen an Waffen und Munition nicht im Verhältnis zur Dauer und Schwere des Krieges stehen! Es wurden 63 Handbüchsen zu 2 Schillingen, 7 Handbüchsen zu 2 ß 21 und 3000 Pfeile neu beschafft und 10600 Pfeile geschiftet^). Meister Niklas der Zimmermann probierte 1422 als städtischer Ge­ schützführer eine größere Büchse auf dem Rennweg aus, wobei sie zerbrach. Das ge­ sprungene Geschütz wurde 1423 als Altmetall verkauft*). Ein Jahr darauf kaufte die Stadt in Nürnberg einen Zentner Zinn zur „ersten Schermbüchse", die man vor Martini 1424 goß°). Damit war der städtische Geschützpark um eine neue Geschütz­ form reicher, die Scherm- oder Schirmbüchse, die ein mörserartiges, kurzes, breites Rohr mit schmalen Rohrfortsatz und ihren Namen vom Schutzschirm hatte, hinter dem das Geschütz feuerte. Sie schoß Bleiklötze in Größe eines Hühnereies; beim Abschuß wurde der Schirm hochgezogen °). Meister Hans Büchsenmeister goß im Frühjahr 1425 auf Geheiß des Rats eine „neue große Büchse" mit 45 Ztr. Gewicht, vermut­ lich der „Böcker", dessen erster Guß mißglückte. Als Arbeitslohn erhielt er vom Zentner Gewicht i & 7). Die Angst vor den Hussiten, von denen die Rede des gemeinen Mannes ging, sie wollten in Bayern einfallen, veranlaßt die Stadt zu neuen ernstlichen Rüstungen. Zu Fastnacht 1430, der sonst so frohen Karnevalszeit, wurden „damals, als die Hussiten kommen wollten", in München und Nürnberg, das überallhin mit Ge­ schützen Handel trieb, vier große Geschütze, sechs Schirmbüchsen, 217 Handfeuer­ waffen (Handbüchsen) sowie Pulver- und Bleivorrat im Gesamtbetrag von 294 6 ß 21 St ««gekauft^. Das erste Zeugbuch ward angelegt, die Kämmerer kauften x) а) 3) 4)

K.R. K.R. K.R. K.R.

1407 fol. 82V. 1411. 1422. Näheres stehe Kriegszüge. 1422: „Item 21 N 3 ß 16 4 hat uns der Hermann glockengießer geben umb syben zenten

und 72 Pfund küpffers, kumbt i zennt umb 5 rhein. gülden minus 1 ort. und ist daz kupffer gewesen, daraus man die püchssen gossen hat, die auf dem Rennwegk zerprach. actum freitag post Ulrici anno 23.". б) K.R. 1424. 6) Der aus Wittelsbacher Besitz stammende Clm. 197 fol. i6v bildet die Schirmbüchse ab, die Herr Arckinger 1421 vor Saaz in Böhmen verwendete. 7) K.R. 1424: „Was wir maister Hansen dem püchsenmaister zu lon geben haben von der neuen grozzen puchsen, die vornen ain pruch hat: Item die selb püchs hat 45 zenten, als ez die laut mit dem kamrer uberslagen habent, die von rats wegen darzu geben sind; und mann hat im ye von aim zenten geben i % z^. Item 53% # und 9 H haben wir dem püchsenmaister von der obgeschriuben püchsen ze lon geben und daz die püchs koßt zu prechen und zu gießen an dem zeug, actum freitag vor Jeori anno 25." 8) K.R. 1429 Zeug, Salpeter und Büchsen: „Item 59 # 32 H haben wir zallt dem Anthony Rtdler von Nüremberg, darumb er der stat kauft, ze Nüremberg kauft hat den von Muntchen von vleiffiger bet wegen ains rats vier und sechtzig klayn püchsen und zwo gros püchssen. und die wegent all 6 zenten 80% lb. und kümbt ye ain zent umb 14 rh. guld. 1 ort. und hat die stat ze kauffen geschafft von großer sorg wegen der hüsserei und das die stat mit zeug nicht zügericht ist gewesen und man saget zu den zeyten, die Hussen woltenn ye auf unser Herren her, aus ziechen. actum in der vasnacht 1430." Ferner wurden angekauft: In München von einem Zinngießer 7 Handbüchsen im Gesamtgewicht

„ain pyrmeides püchell den jeugmaifieren, das sie der fiat zeug darein verschreiben und merken sotten püchssen, pfeill, salntter, swebel, pulver, piep, küpffer, ärmst, püchsenstayn und solich ding'"). Im neuen Rechnungsjahr 1430 wurden nochmals um 326 t6 4/315^ Waffen und Munition beschafft, 30,58 Ztr. Kupfer, zumeist aus Ungarn vom jungen Heinrich Bart, 15,58 Ztr. Salpeter von Ludwig Ridler. Meister Niklas goß 7 größere Büchsen (12 W H Arbeitslohn), der Zinngießer Seuer 47 Handfeuer-rohre (4 & $ Arbeitslohn). Als segensvolle Auswirkung der Hussitenangst ersteht 1431 das neue städtische Zeughaus am Anger, einer der wuchtigsten und eindrucks­ vollsten Zweckbauten der Gotik, der heute noch als Stadtmuseum Verwendung findet. Aus ihrem Metallvorrat ließ die Stadt 1435 eine neue 7,27 Zentner schwere Schirm­ büchse gießen (Arbeitslohn 8 W 38 H). Meister Niklas geht 1436 auf Ratsgeheiß nach Mindelheim und nach Landshut, des Bayernherzogs Heinrich Geschütze und Gieß­ stätten zu beschauen. Zurückgekehrt gießt er mit Kupferschmied Seuer aus dem alten Metallvorrat des Zeughauses, zu dem man noch 11% Ztr. Kupfer und 3,41 Ztr. Zinn benötigte, eine neue Büchse von 27,3 Ztr?). Im Jahre 1443 fielen die „armen Gecken" — wie der deutsche Volksmund die Armagnacs^) taufte, weil der erste Werber dieser berüchtigten Söldnertruppe ein Graf Bernhard von Armagnac war — 12000 Mann stark unter Führung fran­ zösischer und lothringischer Edelleute ins Elsaß ein, wohin König Karl VII. von Frankreich nach dem Friedensschluß mit England die zuchtlose, zu allen Ausschrei­ tungen geneigte Soldateska abgeschoben hatte. Ohne Widerstand zu finden, machten sie in der Gegend von Straßburg Raubzüge und kehrten schließlich über Montbelliard nach Frankreich zurück. Aus Anlaß eines Feldzuges wider die Schweizer Eidgenossen von 45 Pfund um 3 & 19H und von Hans Zinngießer 9 Handbüchsen um 3 U 3§ 22 H. In Nürnberg 137 Handbüchsen aus Kupfer, deren jede rund 7 Pfund wog, und 6 Schirmbüchsen aus Kupfer, im Gesamtgewicht von 4,43 Ztr., um 163 rheinische Gulden 35 „Item 98 U 5 ß haben wir zallt für 163 guld. rh. 35 H, die wir zallt und geben haben für 6 schermpüchsen, die wegent vier zenten 43 lb. und hundert und 37 hantpüchssen, all güt küpffreyn, die wir zü Nuremberg kaufft und doselbs bestellt haben, und kumbt zü Nuremberg ersts kaufs ye ain zent umb 11% rh. guld. actum Jo­ hannis ante portam 1430. die hundert und 37 hantpüchssen wegent 9 zenten 75 lb. summa der wag der puchsen 14 zenten 18 lb."

Der Kupferschmied Trauner goß zwei Geschütze, die zusammen 6,70 Ztr. wogen (Schmelzverlust annähernd 10%: „den abgang zach man im ab, ye pei 10 lb. an dem zenten"), und erhielt für den Zentner gß Gießerlohn, insgesamt 8 öl H. Schließlich wurden „damals, als die Hussiten kommen wollten", beschafft 5,625 Ztr. Blei um 8 öl 22 H, vom Ursentaler 13,26 Ztr. geläuterter Schwefel um 45 öl 7 ß 27 und vom Vogt von Kempten 1,94 Ztr. Kupfer um 9 öl 2^ 21 8 Armbrüste vom Schnitzer Albrecht, samt kleinen Ausbesserungen, um 10 öl 7^ 2^ und 17 Armbrüste zu Wasserburg um 20 öl 3 ß 20 ; dazu 2000 gestachelte Pfeile um 12 öl 10 H.

*) K.R. 1429. 2) Vom Guß erhalten sie vom Zentner Metall 9 ft dazu 4 öl H Aufbesserung. K.R. 1430, 1435, 1436. 8) K. Th. Eheberg, Straßburgs Bevölkerungszahl seit Ende des 15. Jahrh., Jahrb. für Nat.-Hk. u. Statistik N.F. VII, 311, Jena 1883. — H. Witte, Die Armagnaken im Elsaß. Beitr. zur Landest u. Volkskunde von Elsaß-Lothringen 11. Heft, Straßb. 1891. — Heinr. Boos, Gesch. der rhein. Städte­ kultur II, 462—469, 1897.

ergoß sich 1444 ein weit größerer Heerhaufen in Stärke von 40—60000 Mann unter dem Befehl des Dauphin wie ein verheerender Strom über die fruchtbaren deutschen Grenzlande, machte einen erfolglosen Sturm auf die feste Reichsstadt Straßburg und fraß in wiederholten, bis 1448 andauernden Einfällen und Raubzügen das ge­ quälte deutsche Land kahl und arm. Vor aller Welt offenbarte sich die Ohnmacht des Reiches: König und Fürsten machten keine Mene, die frechen Eindringlinge zu züch-

Abb. 58. Das 1431 erbaute städtische Zeughaus (heute Historisches Stadtmuseum) mit dem Marstall. Nach dem SandLner-ModeH Im Bayer. Nattonalmuseum.

tigen. Vom Reich schmählich im Stich gelassen, führten die zu Schutz und Trutz zu­ sammengeschlossenen rheinischen Städte den Reichskrieg 1444 fast ausschließlich mit eigenen Kräften. In einer Zeit, in der die Hilferufe der bedrängten und ausgebeu­ teten Elsässer bei Fürsten und Herren des Reiches vergeblich verhallten, zeigte sich das Bürgertum rechts des Rheins der Not des Reiches vollbewußt und bereit, sein deutsches Volkstum aufs äußerste zu verteidigen. Die von Westen dro­ hende Gefahr rüttelte es auf und bewog die süddeutschen Städte zu gewaltigen Rüstun­ gen, um die französischen Einfälle abzuriegeln. Die Erregung der Zeit über den Ein­ fall der Armagnacs fand ihren Niederschlag in der Abfassung zweier militärischer Schriften, des Feuerwerksbuchs des Augustin Dachsberger, „von München

ein Maler und Büchsenschießer'"), vom Jahre 1443 und in einem modischen, mit herrlichen Miniaturen verzierten Lehrbnch „Über Angriff und Vertetdignng

fester Plätze" des Münchner Arztes Dr. Hans Hartlieb, der seit 1440 Herzog Al­ brechts III. von Bayern Rat nnd Diener war und ans der allgemeinen Besorgnis herans das militärische Wissen seiner Zeit in seiner gefälligen Art zusammenfaßte. Eines der besten Lehrbücher der Kriegsknnst des Mittelalters, weiht nns Hartliebs Angriffs- nnd Verteidignngsknnst in alle Einzelheiten des Belagernngskrieges ein nnd gibt Angriff nnd Abwehr eines festen Platzes mit größter Trene nnd Anschanlichkeit bildlich wieder, selbst Stnrmleitern aller Art, Strickleitern, Kletterschnhe nnd Kletterhandschuhe ^). Die Bürgerschaft ergriff bange Sorge nm das Schicksal des Reiches nnd der Stadt. Die Stadtkämmerer Wilhelm Günther, Hans Steinaner nnd Hans Ursentaler erhielten im Jahre 1444 den Auftrag, Wehr nnd Waffen in Bereitschaft nnd Stand zn setzen: „von mercklicher sorgen wegen, die zü den zeyten gemaynclichen ans gantzem tantzschem land gelegen sind, nämlichen das zn den zeiten der $eCftns), des knnigs von Franckreich elltister snnn, oben an dem Reynstrang zwischen Basell nnd Straspnrg mit großem voll, ob sechtzigk tansent mannen, zn herbstzeit dar fernen iss"). Das Bewnßtsein, Träger der nationalen Verteidignng zn sein, war in München lebendig. Das Bürgertnm fühlte sich, angesichts des tatenlosen Ansehens der Fürsten nnd Herren, als einzigen, verlässigen Hort des bedrängten Dentschtnms. Nichts kennzeichnet besser die politische Lage in Dentschland nnd die Stimmnng der Bürgerschaft als die knappen, erfrischend herzhaften Worte des Münchner Stadt­ schreibers Hans Rosenbnschb), die ans deutscher Sorge nnd dentschem Emp­ finden geschrieben sind: „die gemayn sag ist zn der zeit gewesen nnd anch die sorg, er wöll stellen nach dem Römischen reych nnd die tanczsche land davon dringen nnd die tanczschen fürsten darümb bringen, nnd nmb das zn versorgen solich geschicht, so habent gemainclich all reichstet in tanczschem land sich mercklichen gespeist lenger dann zn jars frist nnd darzn mit pan, mit gellt, mit zeng nnd mit aller notdnrfft so trefflichen fürsehen, das man nit schreiben kann, nnd zn den zeiten ist gewesen Römi­ scher knnigk, knnigk Fridrich von Oesterreich, der hat zn den fachen plos nichts getann; desgleichen all ander fnrsten. dann allain der pfallzgraf hiet geren darzn getann; der ist im zn kranck nnd zn jnngk nnd zn kindisch der jar gewesen, nnd habent den Tellfin also liegen lassen an allen wer nnd rettnng." Den ganzen Winter 1444/45 über mußte das unglückliche Grenzland den furcht­ baren Feind ertragen. Ans Besorgnis vor dem französischen Einfall wurde in München *) Stadtarchiv Köln. — Dachsberger gibt im Wesentlichen nur einen Ausschnitt aus Kyesers Bellifortis. a) Gebh. Mehring, Des Münchner Gelehrten Hans Hartlieb Angriffs- u. Verteidigungskunst, Dayerland XIII (1902), 501—503, 514s. — Cs gelang mir nicht, den Besitzer der einst im Münchner Antiquariatshandel befindlichen Handschrift zu ermitteln. 3) Der Dauphin, der franjöstsche Thronfolger. *) St. A. Zeugbuch von 1444 **'ol. 5. *) Saalbuch 1443 toi. 26.

die Bürgerschaft und selbst die armen Leute vom Land, Grundholden und Hinter­ sassen der Umgebung, jum Bau der Stadtmauer, des Zwingers und Stadtgrabens befohlen und noch 1445 die Ehalten in der Stadt, Knechte und Mägde, zum Graben­ bau verwendet*). Die Größe der Aufrüstung und der Bereitschaft Münchens zur Zeit -er Einfälle des Dauphins und der „armen Gecken" lassen am besten die An­ gaben des städtischen Zeugbuches von 1444 erkennen. Die Aufsicht über „der Stadt Zeug", wie der Waffen- und Munitionsvorrat damals hieß, oblag den Stadt­ kämmerern im Verein mit den Viertelhauptsleuten. Im Pulverturm?) wurden am Matthäustag (24. Febr.) 1445 aufbewahrt:

Abb. 59. Tarraß- oder Terrasbüchse jur Stadtverteidigung, um 1470. Das Geschützrohr ist mit Etsenbändern auf einen Holjblock geschmiedet. Cgm. 599 der Staatsbibliothek München.

123 Armbrüste, 7000 Pfeile in 7 Bonzen?), dazu lagerten im Gewölbe des Stadthauses 4 Bonzen mit 3000 gestachelten Pfeilen, 100 Feuerpfeile, 8 Stangenfackeln, ein halber Bonzen mit Schauereisen, 600 Fußeisen, die üblichen Annäherungshindernisse, die beim Anrücken des Feindes in den Stadtgraben geworfen wurden, 51 Spanngürtel, 3 Spannbänke, i2 Zentner Blei, 33 Zentner Salpeter in 3 Bonzen von 4, 7 und 8 Eimer», 6 Eimer Pulver, x) In der ersten Januarwoche 1444 schickte Herzog Albrecht III. eine Anzahl Maurer aus München dem Markgrafen Jakob von Baden zu Befestigungsbauten am Rhein zu Hilfe. H.St.A. Haus- u. Familiensachen, Kassasachen U.F. 16. 2) Zeugbuch 1444 fol. 8—izv. 3) Fassungsvermögen von zwei bis zu acht Eimern. Zeugbuch 1444 fol. n, 12 v.

i6 Eimer Schwefel; ein Läget gestoßener Schwefel, 4 schwere Äxte, mit denen man die Tore jerbrach, ungezählte Büchsensteine**) und die Zelte der (Stabt2). Die Geschütze waren auf die einzelnen Tortürme verteilt, die schweren im Zeug­ haus am Anger untergebracht. Dort lagen 1444 die beiden schwersten Geschütze, die „Stachleriv", die 3% Zentner, und der „Böcker", der 2 Zentner schoß und den der Herzog 1443/44 entlieht); 3 große Büchsen, deren jede */4 Zentner schoß, 7 Tarraß- oder Terras-Büchsen, Vorderlader mittleren Kalibers mit ver­ längertem Rohr und großer Schußweite, mit denen man vom Walle aus 4 bis 5 Pfund schwere Kugeln abfeuerte*). Zwei von ihnen waren in einer Mutter zusammengefaßt; man konnte also einen Doppelschuß lösen und so besonders wirksam Anmarschwege und Angriffsziele des Feindes unter Sperrfeuer nehmen. 16 Schirmbüchsen, vier davon aus Eisen und 11 ohne Fassung, 2 kleine Steinbüchsen, 18 Büchsen, je 3 in einer Mutter zu einem Geschütz zusammengefaßt, um durch gleichzeitigen Abschuß die Feuerkraft zu erhöhen, dreiläufige Rohre auf masfivem Bretterladen und eins, wohl aus älterer Zeit stammend, aus Eisen, 35 Handbüchsen aus Eisen, tragbare Handfeuerwaffen, die noch Vorderlader waren, davon 10 in Muttern, die übrigen ohne Stiel („an halben"), 293 große und kleine, gefaßte und ungefaßte Handbüchsev aus Messing, 26 große und kleine Hackenbüchsen aus Eisen, tragbare Feuerrohre, die mit­ tels eines Hackens, um den Rückstoß aufzufangen, auf die Schießscharte oder auf gekrümmte Schrägen, auf denen der Richtschütze saß, aufgelegt wurden*), 2 Steinbüchsen aus Eisen, 3 kleine Büchsen, 37 Hauen, 20 Steinäxte, 1 großer „winting" von 23 Schuhen') und 1 Kessel zum Läutern des Salpeters*). Der Bestand an städtischen Geschützen war 1421 schon so ansehnlich, daß zu ihrer Fortschaffung 150 Pferde erforderlich waren. Die schwersten Geschütze wurden statt *) Trotzdem wurden laut K.R. 1463 neuerdings 1204 Büchsensteine gekauft, und zwar: 60 Steine t« je 70 L, (je drei für 1 rhein. Gulden), 140 Steine zu je 52 % L, (4 Steine für 1 rhein. Gulden), 338 Steine zu 12 L, und 666 Steine zu je 5 L,. *) 1476 schafft die Stadt um 147 'M 1 L, ei» neues großes Zelt an. *) Zum Vergleich die schwersten erhaltenen mittelalterlichen Feuergeschütze: Die „faule Magd" in Dresden, gegossen um 1500, 26,4 Ztr. schwer, schoß Steinkugeln von 93 y2 Pfund; der große eiserne Mörser des 15. Jahrhunderts im Heeresmuseum zu Wien, 200 Ztr. schwer, schoß Steinkugeln von 7,2 Ztr.; die „tolle Grete" in Gent, gegossen um 1410,328 Ztr. schwer, schoß Steinkugeln von 4,68 Ztr. Gohlke, Gesch. der Feuerwaffen S. 26, Leipz. 1911. — Rathgen S. 230. *) W. Beck, Bayerns Heerwesen im 15. Jahrh., S. 121, Archiv«!. Zeitschr. 1911. •) Abbildungen in Cgm. 599, 600 u. 734. •) Abgebildet Cgm. 973. ’) Hebevorrichtung zum Ausladen der Geschütze. e) Zeugbuch 1444 kol. 30; Saalbuch 1443 fol. 29.

auf Rädern auf Holzscheiben fortbewegt, mittels eines Aufzuges auf ein Laufgestell oder einen Wagen gehoben. Eine Handschrift aus Wittelsbacher Besitz, deren Aus­ wertung sich die kriegswissenschaftliche Forschung noch angelegen sein lassen muß, zeigt Bockgestell und Aufzug der Stadt München, mittels dessen zwei Männer eine 6 Zentner schwere Büchse heben konnten*). In Wien kauften 1448/49 Lorenz Schrenk und Karl Ligsalz einen Mörser („ain puchsen, daraus man wirft"), der samt der Überführung von Wien bis München

25 3ß 17H kostete, ferner 119,63 Zentner Kupfers. In Nürnberg erstand die Stadt 1450 beim Büchsenmeister Hans 4 große Steinbüchsen um 90 öl 5 ß 25 $; sie wurden in der Reichsstadt ausprobiert und um 5 öl H nach München überführt. Daß die Münchner Geschütz­ gießerkunst zu Ausgang des Mittelalters »eben den Regens­ burger, Wiener und Nürnber­ ger Meistern in Ehren bestand, verdankte sie Konrad Zaunhak und dem Können des Augs­ burger Büchsenmeisters S t e fa n Wiggau (Weggam), der 1474 mit festem Sold in den Dienst der Stadt München trat und ihr volle acht Jahre treu blieb. Sohn des Augsburger Stückund Glockengießers Peter WigAbb. 60. Hebevorrichtung („Zug" oder „Winding") zum Transport von Geschützen. gow, hatte der „frum Buchsen­ Cgm. 599 der Staatsbibliothek München. meister" Wiggau 1462 das In­ ventar des Zeughauses der Reichsstadt angelegt und war im gleichen Jahr in den Dienst seiner Heimatstadt getreten. In ihrem Auftrag goß er 1468 die 92 Zentner schwere „große Büchse" der Augsburger. Sein Ruf als einer der tüchtigsten Geschützmeister seiner gelt3*)* bewog den Rat ihn 1474 als Büchsenmeisier mit einem Quatembersold von 12 öl 2 ß für München zu verpflichten. Auf seine Veranlassung kaufte die Stadt 1475 in Augsburg 29 Zentner Salpeter, samt Fässern und Transportkosten um 268 öl 4/? x) Clm. 197 fol. iv, 2 u. 5. a) Das Kupfer kam mit Transport auf 567 M 3 ß 25 zu stehen. Zeugbuch 1444 fol. 18, 34. 3) Hans Stöcklein, Stephan Wiggan, In Buchner und Feuchtmayr, Beitr. j. Gesch. der deut­ schen Kunst II, 93—96, Augsburg 1928. 29*

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26 H**). Wiggan erhielt 1478 Auftrag, jwei „lange Büchsen" zu gießen, die größere

25 Zentner 73 Pfund, die kleinere 12 Zentner 27 Pfund schwer, wozu man das Kupfer aus Schwaz in Tirol, Nürnberg und Ungarn bezogt). Hier in München schuf er 1482 sei» Hauptstück, zugleich ein Meisterstück deutscher Geschützkunst, die „neue große Büchse" im Gewicht von 120 Zentner 70 Pfund, die den Münchnern 332 u 21 kostete, wo­ bei der Meister wieder nur 6 \ Gießerlohn vom Pfund Gewicht erhielt. Das Kupfer beschaffte man aus eingeschmolzenen älteren Geschützen, aus der Frankenstadt Nürn­

berg und aus Eisleben in Thüringen. Das Geschützrohr war erhaben gegossen, mit zwei Delphinen und zwei in Löwenköpfen endigenden Schildzapfen, aufgelötet hinter der Mündung und am Pulversack. Es war der „Münch", der 175 Pfund schwere Kugeln schoß und die Aufschrift trug: „Anno 1482"

„Der Münch haiß Ich Aus meiner Kutten wirf ich. Vor Feur und Stain hiet Dich Stephan Wiggau goß mich." Der „Münch" stand bis 1633 als Glanzstück im Münchner Zeughaus, bis der

große Kupferverbrauch im 30jährigen Krieg dem Stolz der Bürgerschaft ein vor­ schnelles Ende bereitete. Im gleichen Jahre 1482 goß Wiggau noch 28 große Hackenbüchsen, zusammen

15 Zentner schwer, und 197 Handbüchsen, zusammen 15 Zentner 98 Pfund schwer, für 94 U 4ß 13 4; für ihren Guß erhielt der Meister vom Pfund Metall (Mischung von Zinn und Messing) 7 L- Gießerlohnb). Die drohende Haltung des schwäbischen Bundes 1488 und die Nachricht von der

Gefangennahme des deutschen Königs Maximilian I. durch die aufständischen Bürger von Brügge weckte wiederum das deutsche Gewissen der Stadt. Auf des Rats Geheiß wurden 1488 Schrankenbäume vor die Stadttore gemacht, um das jähe Einrennen zu verhüten. Die Kämmerer ließen ins Zeugbuch eintragen, wie die Geschütze, 6 große

Steinbüchsen, 10 große und 16 gewöhnliche Hackenbüchsen, 16 Hand­ büchsen, i Schirm- und 4 Bleibüchsen, auf die einzelnen Tortürme (Unsers

Herrn-, Wurzer-, Isar-, Schiffer- und Angertor) je nach ihrer strategischen Bedeutung verteilt waren^). Dazu kamen bei Hacken- und Handbüchsen je 2 Ladungen und 4 (bzw. 2) Ladstäbe, 4 (bzw. 2) Zündeisen an Stäben, je 1 Hammer, Feuereisen, Feuer­ stein und Feuerschwamm; je 1 Schrotaxt und 1 Beil, 2 Zündfläschel voll Zündpulver und 6 Klafter °) Zündstrick, 2% Pfund Pulver, 4 Laternen und 1 Pfund Kerzen, je i eiserne Hebestange und 1 Gaisfuß. x) K.R. 1450, 1474, 1475. a) Wiggau erhielt vom Pfund Metall 6 L, Arbeitslohn, insgesamt 106 t4 29 Oer hohe Schmeljverlust betrug 4!4 Zentner Kupfer. Zum Schmelzen des Kupfers verwendete er 58 Säcke Kohle, den Sack zu unterschiedliche» Preisen von 22, meist 32 und 33, vereinzelt auch zu 38 V2 ~\3) K.R. 1478 u. 1482. 4) Zeugbuch 1444 toi. 19—25. Auffallend ist das Fehlen deS Sendlinger- und Neuhausertors. *) Das Maß zwischen den ausgespannten Armen.

Verteilung -er Geschütze auf -le Stadttore 1488: Unseres Herr» Tor

Geschütze und Waffen

Steinbüchse........................ mit Steinen................... Schirm- oder Bleibüchse. . mit Kugeln........................ Große Hackenbüchse. . . • mit Kugel»........................ Gewöhnliche Hackenbüchse . mit Kugel«........................ Handbüchsen........................ mit Kugeln........................ Pickel...................................... Steinaxt............................. Streithacken........................ Feuerpfannen........................ mit Pechringe» ....

i1)* 3

einige i 10 2 80

4 100

4 200 2 2

4 2 10

WurzerTor

I

14 — — 2 40 2 50 2 100 I I 2 I

5

IsarTor

SchifferTor

AngerTor

— — —

einige

2 40 2 50 2 100 I I 2 I

2 80

2 28 2 40 2 80

4 100

4 200 2 2

4 2 10

2

5

2')

40

4 100

4 200 2 2

4 2 10

Abb. 61. Hackenbüchse ans Messing. Um 1470—80. Cgm. 599 der Staatsbibliothek München.

Der Münchner Büchsenmeister Konrad Zaunhack^) goß 1494 2 „lange Schlan­ gen", für 148 tt 5/9 8^, mittlere Lotbüchsen auf fahrbaren Lafetten, die beide zu­ sammen 52,15 Ztr. wogen; dazu 10 Hacken- und 6 Handbüchsen, zusammen 5,40 Ztr. schwer, für 15 tt 6 ß; ferner im Jahre 1500 2 „Notbüchsen" von je 10,22 Ztr. Gewicht, Kartaunen mit dünne» langen Rohren, mit denen man Eisenkugeln schoß, für 73 tt 3 ß 14 4). Der Guß langrohriger Geschosse zeigt die Umstellung der Artillerie auf

immer größere Schußweiten. „Da die Schweizer viel Ehren und Lob erfochten zu den Zeiten mit ihren Hellebarden", schaffte der Rat 1448/49, sich der neuzeitlichen Kriegsführung *) Fahrbar auf einem Karren. a) Bleibüchsen. 3) H.St.A. Rauhenlechsberg Ger.Urk. 356 ist Zaunhack am 29. Jan. 1498 als Büchsenmeister der Stadt München erwähnt. 4) K.R. 1494 u. 1500. Dem Glockengießer waren die beiden „langen Schlangen" 1494 „nit geraten"; trotzdem 28 # 3 ß 21 Arbeitslohn.

avpassenb, welche die Schweizer zu Lehrmeistern Europas erhob, izi Hellebarden an, je drei für einen rheinischen Gulden. Die neue Waffe kaufte man „Arm und Reich zu einer Wehr"*). Sie muß sich bewährt haben und bürgerte sich schnell ein, da die Stadtkämmerer von Paule Helmschmied von Dießen, einem Münchner Meister, 1455 weitere 135 Hellebarden, das Stück zu 45 L-, und 1456 nochmals 36 Hellebarden zu je 45 H erstanden. 1489 zählte die Stadt einen Bestand von 388 Hellebarden und 93 Streitäxten. Nach langen Jahren des Gebrauchs wurden 1492 179 alte Hellebarden für 42 U 3 ß 14 verkauft, das Stück zu 56 y2 H, zwei besonders gute Arbeiten für je 85 H, so daß die Stadt, sei es infolge der Höherbewertung der alten Arbeit oder der Wertsteigerung des Metalls, zum mindesten den Einkaufspreis, wenn nicht einen buchmäßigen unverhofften Gewinn erzieltes. In den nächsten Jahren wurden wieder einige Hundert „Schweizer Spieße" beschafft, so daß die Stadt im Jahre 1497 über 600 Hellebarden verfügte.

Kriegszüge. Im Gegensatz zu vielen großen deutschen Reichsstädten und zu den Städterepubliken Italiens führte München seine Kriege bis zum Ausgang des Mittelalters durch eigene Bürgerkraft. Der Dienst mit der Waffe wurde nicht zum Handwerk herab­ gewürdigt, Söldlinge und fremde Schützen nur ausnahmsweise angeworben, da die Entwicklung zum Söldnertum dem Willen der streitbaren Bürgerschaft widerstrebte. Die ganze Abneigung des auf Waffenehre haltenden Bürgertums gegen gemietete Soldtruppen spricht aus einem Rechnungseintrag, der dem Herzog Albrecht III. die Schuld am Mißlingen des Hussitenfeldzuges zuschreibt, weil er sich vermessen hatte, statt mit dem Münchner Bürgerheer mit Söldnern gegen die Hussiten ins Feld zu ziehens. Soweit nicht chronikalische Aufzeichnungen die wortkargen Rechnungsposten der städtischen Haushaltung unterstützen, gewinnen wir selten ein vollkommenes Bild von Zahl und Größe des einzelnen Bürgeraufgebots, von Umfang und Beteiligung der Bürgerschaft an den Kriegszügen oder, wie man damals sagte, an der „Reis". Denn, wenn die Landesherren im Felde lagen und Münchens Bürger zu ihnen stießen und sie auf ihren Heereszügen begleiteten, lastete die Verantwortung für die Ver­ pflegung des städtischen Aufgebots nicht selten auf dem Kriegsherrn oder jedem aus­ ziehenden Streiter. Dagegen oblag der Stadt ausschließlich die Geldbeschaffung für die eigenen Fehden und Strafzüge. x) Zeugbuch 1444 fol. 16. 2) K.R. 1455/ 1456, 1489/ 1492.

3) „Item 74 öl H haben wir eingenomen von Ludwetg dem Ridler, dem Slyemen und Urban dem Mandel, den anlegern des Huffengelts, do herczog Albrecht sich verfieng an statt der von Munichen, armer und reicher, soldner zu bestellen; mit in ze raysen an die Hussen, do man gen Behayn raysen wollt vor Jacobi anno etc. 31." K.R. 1430. — Es handelt sich hier nur um den Überschuß aus der auf den Kopf der wehrpflichtigen Bevölkerung treffenden Kriegssteuer für den Hussitenfeldzug.

Wenn die Stadtrechnungen über den Anteil der Münchner an der Entscheidung-, schlacht um den deutschen Königsthron bei Mühldorf und Ampfing am 28. Sept. 1322/ in der die Bayern den Gegenkönig Friedrich den Schönen als Kriegsgefangenen einbrachten, keinen Aufschluß geben, so wohl deshalb, weil Ludwig der Bayer als Landesherr die Kriegskosten trug. Den Münchner Bücken wird nachgerühmt, fie „gewunnen die Schlacht mit großer Gewalt, weshalb ihnen König Ludwig zum Dank für ihr tapferes Verhalten das Recht verlieh, den Reichsadler im Zunftwappen zu führen, wie ehedem der Schuhmacherzunft den Mönch für ihre Standarte*).

Zu den ersten überlieferten kriegerischen Aufwendungen zählt 1334 die Entlohnung von 29 Schützen, deren jeder % tt, der Pfeifer 3 Schilling erhielt, und 1336 die nach der Dauer des Dienstes abgestuften Löhne für 45 Armbrustschützen des letzten Kriegszuges („sagitarii antiqui“) wegen des kärntnerischen, tirolischen und niederbayerischen Erbes. Vier Jahre später kostete eine „Reis", darunter Auslagen für Wein und Brot, der Stadt 46 tt 5 3 H. Als 1343 in der Tölzer Gegend ein ernstlicher Aufruhr entstand, weil Kaiser Ludwig 20 Weinfuhren fürs Ritterstift Ettal anbefohlen hatte, mußte ein Aufgebot der Münchner Bürgerwehr die Ruhe wiederHerstellens. Am Vorabend vor Christi Himmelfahrt 1346 wurde ein Kriegszug („expeditio“) nach Airbuch unternommen, der wohl den Raubrittern galt, die den Eg­ linger und Wildensteiner gefangen nahmen. 50 Bogenschützen und 1 Pfeifer zogen aus, darunter 22 Handwerker (und zwar 6 Bäcker, je 4 Schmiede und Lederer, je 2 Kürschner, Schuster, Weber und Fleischhäckel) und 28 gemischte Berufe; fie erhielten je % 'ti> Sold („Stipendium“), der Pfeifer („joculator“) 40 H. Um beweglicher zu sein und im offenen Feld an der Wagenburg gegenüber einem berittenen Gegner Rückhalt zu haben, wurden die Schützen auf 8 Reiswägen befördert, welche Bauern des Oberlandes für die Hin- und Rückfahrt stellten. Außer den Kosten des Kriegszuges (36 & sß 20 H) erscheinen unter den gemeinen Ausgabe» 40®^ an die städti­ schen Hauptleute Ludwig Pütrich und Jakob Freymanner „ad reysam“3). Die Kämmerer hielten es nicht für nötig, das Ziel solcher kriegerischer Unter­ nehmungen anzugeben; so fanden 1368 zwei kostspielige Feldzüge mit einem Ge­ samtaufwand von 577 % 3 ß 8 $ und 250 Gulden statt, die dem Kampf um Tirol galten, um das Erbe Meinhards für Bayern zu reiten. Am ersten dreiwöchentlichen Kriegszug anfangs Juli 1368 nahmen 48 Schützen und Otlein der Pfeifer teil, am !) Oberbayer. Archiv XIII, 34s. — Manfred Mayer, Bayerlanb II (1891) S. 298. — Riezler II, 340 hält die Teilnahme der Münchner an der Schlacht für sicher, während Wilh. Erben (Die Schlacht bei Mühldorf S. 20, Graz 1923) sie „aus militärischen Notwendigkeiten angesichts der München durch das aus Schwaben heranziehende Heer Leopolds von Österreich drohenden Gefahr" ablehnt und das Verdienst der Münchner Däcken trotz gegenteiliger Zeugnisse „am eheste» in der Verpflegung des bayerisch-böhmischen Heeres" sucht. Erben S. 32 nimmt die Heeresstärke König Ludwigs mit 10000 Streitern, darunter 4000 Fußkämpfern und Bogenschützen an; ohne die Beteiligung der größten Stadt Bayerns wäre sie unwahrscheinlich groß. Die häufigen Botenmeldungen an den Münchner Rat über den Stand der Streitmacht Leopolds gaben ihrer bewaffneten Mannschaft die Möglichkeit, ohne Ge­ fährdung der Stadt zum Heere ihres Königs ;u stoßen. *) Westermayer, Chronik des Marktes Tölz S. 58, Tölz 1875. •) K.R. 1334 fol. 79; 1336 toi. 95; 1340 toi. 148; 1346 toi. 241, 245.

zweiten Ende Juli mit 94 Schützen der Stadtrichter, der Pfäudermeister Podmer, der Pfeifer und die Schergen Friedel und Kunz*). Vor dem zweiten Auszug bewirtete die Stadt den Herzog mit seiner ganzen, in München versammelten Streitmacht, wo­ für die Stadtkammer -en Patriziern Ulrich Stupf und Schrenk 101 Goldgulden ver­ gütete. Der Schmied Hufeisen bekam einen Auftrag auf 10000 Pfeile und 12 Köcher, der Schnitzer Seitz setzte 100 Armbrüste instand. In 21 Streitwagen, deren Besitzer je 6% A L- erhielten, wurden die 94 Schützen des zweiten Feldzuges befördert; die Beförderung der Streiter, Geschütze und des Mundvorrats auf Wägen geschah stets gegen Bezahlung und nicht im Wege kostenlosen bäuerlichen Spanndienstes für Heer­ wagen. Gegen Aibling ward 1371 ein Strafzug unternommen (Kosten 70% 3ß 18 H), an dem der Pfändermeister Podmer, der Pfänderknecht Hänsel und aufs Schützenwägen Münchner Armbrustschützen teilnahmen; sie erhielten 1 H Sold, wer eine eigene Armbrust hatte, 2 Schillinge Zulage. Die Kosten für Wein und Verpflegung bestritt die Stadt?). Der Krieg Herzogs Stephans und seines Sohnes Friedrich gegen die Reichsstadt Augsburg kostete den Münchnern im gleichen Jahre viel Gut und Blut. Der Fürst bedankte ihre Treue und Bewährung durch Verlängerung des Salzscheibenzolles?). Bei den Kriegszügen der Jahre 1378, 20 Schützen und der Schnitzer Meister Seitz waren gegenHirnsberg vier Wochen unterwegs, und 13824*)5 *erhielten ** 7 die Schützen zum Waffenrock 5 Schilling Wochensold, während der eigentlichen Kampfwochen einen Schilling Kampfzulage°). Die Schützen fuhren am Vorabend vor Sonnwend aus und mußten mit Drangeld, Weinkauf, Trink- und Badgeld entschädigt werden, da sie zunächst noch untätig und ungefertigt in München lagen. Zum ersten Male hören wir, baß sie Fähnlein mit dem Münchner Stadtwappen, dem Mönch, mit# führten b). Im verderblichen Krieg mit dem Städtebund und dem Erzstift Salz­ burg 1388/89, der sich in gegenseitigen Verwüstungen austobte, „Schaden gegen Schaden, Brand gegen Brand, Tod gegen Tod", erteilten die Herzoge Stephan III. und Johann II. den Münchner Bürgern unterm 14.Januar 1388 Gewalt, Aus­ schreitungen und Aufläufe im Feld zu bestrafens. Mit dem Kriegsstrafrecht war ein wichtiger Schritt zur Ausgestaltung der Bürgerwehr zum regelrechten Feldheer getan. Mitte Juni 1388 überraschten Augsburgische Söldner bei Hurlach in Schwaben *) Die Schützen empfingen tm ersten 8, im zweiten Feldzug io Schilling Wochensold; dazu jeder einen neuen Waffenrock (58 bzw. 56% wert). a) K.R. 1368 fol. 82V—83; 1371 fol. 78. 8) Einmal brachten die Bayern mit ihren langen Spießen 140 Reichsstädter um. Staatsbibl., Oefeleana 308/1. 4) Beim ersten Aufgebot standen 32 Schützen und zwei Pfeifer 9 Wochen im Feld, die 8 Schützen­ wagen wurden für 3 Wochen mit je 10 ß entlohnt. 5) K.R. 1378 fol. 95: Kosten 92 & 63 K.R. 1381 fol. 69 u. 71: Beide Kriegszüge kosteten 402 N 51 H, davon der erste 306 U 16 H. ®) K.R. 1381 fol. 69: „Item die schützen, die kostend 12 ß Mon. ze arr, ze leickaf, ze trinchgelt und ze padgelt, di weil si hier lagen und nicht gevertigt wurden." — fol. 70: „Item umb der schützen vaendl und 93 munch ze malen 9 ß 15 H." 7) Mon. Boic. 35/II S. 153. — Denkmäler S. 561. — Riezler III, 139—141.

6; Münchner Bürger. Wenig später belagerten die Herzoge mit Katzen, Antwerken und Geschützen die Reichsstadt Kaufbeuren und erschlugen beim Versuch einer Ent­ setzung 70 Mann des schwäbischen Bundesheeres *). Der ausbrechende Bruderkrieg in Bayern fand die Münchner Schützen (% 'tt 20 Wochensold) unter ihren Hauptleuten und zur Geschützbedienung auch die Zimmerleute 1394 an der Seite des Her­ zogs Ernst, da er den befestigten Markt Schwaben bekannte und niederbrannte-). Die Beobachtung solcher fester Plätze erfolgte durch „Heber", in denen man einen Späher, der auf die Vorgänge in der belagerten Veste oder Stadt und auf die Einschläge zu achten hatte, vier Stockwerk hoch hob-). Obwohl Münchens Bürgerschaft am 6. Mai 1395 zu Obernberg mit den Herzogen Johann und Ernst und mit Bischof Bertold von Freising ein Schutz- und Trutzbündnis schloß, einander gegen Stephan von Ingolstadt und seinen Sohn Ludwig bei­ zustehen, schlug sie sich beim Ausbruch des Streites um die Landesteilung, unter dem Druck der Gemeinde, doch auf des letzteren Seite und schloß mit ihm am 10. September 1398 gegen Ernst und Wilhelm von Oberbayern ein Bündnis für den drohenden Kriegs). In Ge­ meinschaft mit Ludwig im Bart belagerten, stürmten und plünderten die Münchner 1398 Pfaffenhofen an der Ilm. Sodann bekannten Abb. 62. Heber mit Beobachter. Cgm. 197 der Staatsbibliothek. sie Markt und Schloß Dachau und errichteten davor eine Bastei, belagerten Schloß Zinneberg an der Glonn und unternahmen Streifzüge gen Nannhofen, Pasing, Gelting und Grünwald. Die Ausgaben für diesen unseligen Bruderkrieg stellten die gewaltigsten Anforderungen, die je für kriegerische Zwecke an den Stadthaushalt Münchens tm Mittelalter gestellt wurden. Die Kammerrechnung vom 22. Juni 1398 bis 31. August 1399 ist mit 2759 tt 5 ß 14 reinen Kriegsausgaben belastet°). Die vier Stadttore wurden von Schützen ständig bewacht, auf dem Basteiturm zu Pasing hielten reisige Knechte Lug- und Wachtdienst. An vielen Orten unterhielt man zur Auskundschaftung *) Univ.-Bibliothek Heidelberg Pal. Germ. 676 fol. 17V—23. 3) K.R. 1394 fol. 4. 8) Abgebildet Clm. 197 fol. 7, einer aufschlußreichen Bilderhandschrift aus Wittelsbacher Besitz, entstanden in den 20er Jahren des 15. Jahrhundert. 4) Mon. Boic. 35/II S. 186, 212. — Arnpeck, Quellen N. F. III, 330. — Städtechroniken XV, 487, 529. — Riezler III, 186s. 5) K.R. 1398/99 fol. 70V—142, bes. 74—77, 114V—n6v, 123—127v.

des Gegners einen Späherdlenst. Die Verpflegung des Bürgeraufgebots erforderte von Tag zu Tag namhafte Summen, die man zum Teil aus gemeinen Mitteln be­ stritt. Die Münchner Wirte erhielten für die Verköstigung der Kämpfer 667 tt 4 ß 22 ausbezahlt; dazu kaufte man in München und Augsburg Neckarwein, aber auch Kel­ heimer-, Oster- und Welschwein für 574 U 7 ß 29^. Streitrosse und Spannpferde verbrauchten für 350 u 26 $ Hafer, die Beschaffung von Riemen und Sattelzeug erforderte 42 % 5 ß 12 L-, das Beschlagen der Pferde und Schiften der Pfeile durch die Hufschmiede 41 tt 4^, die Kornmesser n N 41H. Auch 467 % 4 „gemeine Ausgaben auf Ratsgeheiß" verschlang der Krieg fast restlosT). Das nächste Rechnungs­ jahr vom 30. August 1399 bis 9. Oktober 1400 ergibt ein düsteres Bild der Auf­ wendungen für Kriegszwecke. Die drückendste Verpflichtung war die Begleichung von 10000 Gulden, die Herzog Ludwig in Ingolstadt, Neuburg und Aichach ausgelegt oder ausgeborgt hatte, die man deckte, indem man neue Schuldverschreibungen (Leib­ rentenbriefe) ausgab?). Was will es daneben besagen, wenn außerdem 375 "tt 4ß 10 H und 154 fl. reine Kriegskosten aufgeführt sind, darunter 98 rhein. Gulden und 2® 7 ß für Beschaffung von Wein und 317 & 72 H und 56 ungarische Gulden für Bezahlung der Wirte im Feldzugs. Und wenn in den Folgejahren der Betrag für die Feldzugskosten in der Kammerrechnung unverhältnismäßig gering scheint, so nicht bloß deshalb, weil in der Spalte „Gemeine Ding" und „Ratsgeschäft" Kriegsausgaben von ansehnlicher Höhe versteckt ftnt>4*).* 6 *Über 200 Ritter und Reisige des verbündeten Herzogs Ludwig von Ingolstadt wurden im Frühjahr 1403 mit ebensoviel Streitrossen unterschiedslos bei Wirten, Patriziern, Bürgern, Bürgerinnen, deren Männer im Feld lagen, und selbst Klerikern ins Quartier gelegt — so die Herren von Schellenberg, Hohenfels, Wolfstein, Sandizell, Possenhofen 10 Tage bis zu 13 Wochen — und für Mann und Roß ein täglicher Verpflegssatz von 26 H bis zu einem Schilling gewährt. „Heu und Stroh, Suppe und Wein nach Tisch ist nicht gerechnet", heißt es bei Ulrich Eckentaler, der den Mendorffer mit 21 reisigen Gesellen für 107 U 3 ß 1 sechs Wochen beherbergte. Auch Herzog Ludwigs Büchsenmeister Heinrich und Arnold, vier herzog­ liche Pfeifer und Posauver, der Arzt Lamparter und der französische Diener Francois lagen in München im Quartier. Mit den Ausbesserungen am Sattelzeug, den Kosten für Hufbeschlag, der Bereinigung der Zechschulden — ein Graf Christian hatte sogar x) K.R. 1398/99 foL 88v, 106—Igo. B) K.R. 1399/1400 fol. 136V—138. *) K.R. 1399/1400 fol. 85V—138.

4) Für Wein von Altötting und Mühldorf 156 & 7ß 9^1, den Knechten zu Pasing 45 W 3 und i fl. rh., Quartiergelder an die Wirte 101 ungar. und 29. rhein. Gulden und 66 # 7ß 3 K.R. 1400/02 fol. 84—116. Wie eine Zusammenzählung bloß obiger Zahlen ergibt, ist die Summe der Kriegskosten mit 133 & iß 2^, 103 ungar. Gulden und 30 rh. Gulden unrichtig zusammen­ gerechnet. Im Rechnungsjahr vom 11. Februar 1402 bis 15. Juli 1403 sind für Kriegskosten in der Kammerrechnung lediglich 383 U 7 ß 18 H, 34 rhein. und 53% ungarische Gulden verbucht; die Wirte und Handwerksleute (Hufschmiede, Sattler, Kornmesser) erhielten 252 A 81 H und 47 y2 ungar. Gul­ den; 27 Söldner in Pasing, die man mit Wein und Brot verpflegte, kosteten 116 # 4ß 27^ und 6 uugar. Gulden. K.R. 1402/03 fol. 94—101.

seinen Panzer versetzt — und einer kleinen Auslösung beim Juden Löw mußte die Stadt aus dem Leibrentenverkauf über 1000 u H Quartierkosten aufbringen ^). Wer trotz der Verpflichtung zur Teilnahme am Feldzug von 1404 zurückblieb, hatte das „Reisgeld" zu entrichten. Die hohen Eingänge daraus lassen die Kriegsmüdigkeit er­ kennen, die wir nur aus -er tiefgehenden Verstimmung der Bürgerschaft über die politische Umwälzung und die Selbstzerfleischung erklären können. Am i4tägigen Strafzug gegen Ritter Ulrich Muracher und seine Burg Eggers­ berg im Altmühltal, welche Herzog Ernst 1405 belagerte, nahmen 20 Stadtschützeu teil?). Die „große Büchse" der Münchner rückte unter dem Schirmdach immer näher an die Veste heran und rächte den Schimpf, den der Burgherr vier Mitbürgern an­ getan. Als die Bayernherzoge Stephan, Ernst und Wilhelm 1410 den Versuch wagten, das an die Habsburger verlorene Land Tirol zurückzuerobern, nahmen Münchens Bürger am Feldzug in Tirol tätigen Anteil. 120 Gewappnete schlugen mit der bayerischen Reiterei die Belagerer der Burg Friedberg bei Volders, dem Sitz des Tiroler Verbündeten Heinrich von Rottenburg, in die Flucht?). Das Banner mit dem „Münch" war im herzoglichen Heerlager. „Und haben nie anders gehört, als daß die von München allweg da gewesen sind, wo ihr Herr der Her­ zog im Feld lag." Diese stolzen Worte germanischer Mannentreue und kämpferischen Bürgerstolzes gaben die beiden Münchner Feldhauptleute Stadtrichter Ott Rohr­ beck und Ratsherr Heinrich Bart dem Herzog Wilhelm zur Antwort, als er ihnen in Tirol auftrug, sie sollten sich anderswo „an die Landwehr bei Tratzberg" legen, die Verhaue an der schmalen Straße am Fuß der Burg. So schrieben sie am 14. August 1410 vom Feld vor Freundsberg an den Rat nach München heim4l ). ** *6Ihrem Befehl unterstanden der Schützevmeister Hans Tömlinger und Büchsenmeister Ulrich, die mit zwei Geschützen an der Belagerung der Tiroler Burgen Matzen, Freundsberg und Tratzberg teilhatten. Auf Ersuchen des Rats, ihn wissen zu lassen, wer in seinem Viertel in Tirol diene, antwortete Hauptmann Bart: Der Rat habe auf eigener Liste die Namen derer stehen, denen es von den Achteln erlaubt ist?), daheim zu bleiben. Sie sollten diese nicht zu gering zum Reisgeld anlegen, denn der Feldzug koste viel?). l) St.A. Leibgedingsbuch von 1395—1426, woselbst alle Quarliergeber namentlich verzeichnet stehen. *) 13 hatten eigenen Harnisch und erhielten 5 Schilling Wochensold, 7 Schützen mußte die Stadt de» Harnisch leihen (4 ß Wochensold). Der Hauptmann erhielt 2 U 4 Zehrung. K.R. 1404/06 fol. 30,

61; Koste» der Reis 52 & 3 /? 27,5). s) Riezler III, 208—210. — Würdinger I, 211s. 4) St.A. Missive. — Die bayerische Landwehr, nicht das Aufgebot der gesamten wehrhafte» Bevölkerung des Landes, sonder» ein gut ausgerüsteter Kampftrupp, verdankt also nicht erst den Huft sitenkriegen und den Retchstagsverhandlungea von 1428/31 ihre Entstehung, wie Wilh. Beck (Bayerns Heerwesen S. 189, Archival. Zeitschr. 1911) folgert, sondern war 1410 schon eine stehende Einrichtung. 6) Die Mannschaften der Viertel waren also damals bereits in zwei Unterabteilungen geteilt. Auch das Mertel des Hauptmanns Kazmair war aufgeboten; am 24. August 1410 nahmen die Käm­ merer 25 M 6 ß is Reisgeld von den Daheimgebliebenen ein. Das Geld wurde jedoch rückvergütet, der Abmarsch also abgeblasen. •) Die Verpflegung der 1410 Im Felde stehenden Bürger kostete 161 'ti> 6ß 17 ~h, die Anschaffung eines bemalten Kriegszeltes 33 & 46 H und des übrigen Kriegsgerätes 89 ’U 7 ß 4 äv . K.R. 1410.

„Wann wir, ob Gott will, fröhlich hetmkehren, wird Euch wohl zu wissen getan, wer seiner Pflicht genug getan oder nicht!" Die Hauptleute Heinrich Bart und Bartholomäus Schrenk zogen 1413 mit Schützen und Söldnern zur Belagerung der Veste Schauenburg bei Ohlstadt aus, einem befestigten Felsen am Abfall des Heimgartev. Die neue Fehde ging um väter­ liche Geldschulden des Gebhard von Kammer, über die der Ritter sich nicht mit den Münchnern einigte. Er bedrohte die Floßfahrt auf der Loisach und die Handelschaft an den vorüberfahrenden Straßen. Der Rat schickte Werkmeister Jakob und Brücken­ meister Konrad, Zimmerleute und Maurer, Geschütze und Antwerke mit; nach elf­ wöchentlicher Belagerung erstürmten die Münchner am 2. Februar 1414 die Veste und machten sie dem Erdboden gleich. Bei dem erbitterten Kampf ging eine Wurf­ maschine verloren, die übrigen führte Jorg Saumreich auf der Loisach heim*). In die gleiche Zeit fällt ein Kriegszug gegen die Mendorffer, bei dem Meister Konrad und seine Gesellen die Geschütze mitführten. Wohl im Zusammenhang mit einer dieser beiden Fehden ward Ull, der Knecht des Söldnermeisters Heinrich Rudolf, vom Ritter Pelchinger „geworfen", d. h. vom Pferd gestochen; er erhielt vom Rat 3 % $ fstt seine schwere Verletzung, einer der wenigen Fälle städtischer Kriegsfürsorge. Dem Herzog Wilhelm schickte die Stadt 1417 Hilfstruppen an den Lech und nach Hagenberg, als das Gerücht ging, „der Feind" (wohl der Ingolstädter Herzog und dessen oberster Rat Gebhard von Kammer) schicke sich an, die Feindseligkeiten wieder zu eröffnen und ins Oberland einzufallen. Am 4. Juli 1419 fertigten die Kämmerer 16 Schützen in die Reis an die Donau vor den Segens berg im Bayerischen Wald, zwischen Hunderdorf und Konzell; 14 Tage später verdiente sich der Bote Frankl 3 Schilling Botenbrot, da er als erster die Siegesnachricht überbracht, „daz der Segesperg gewunnen waz"?).

Der Bruderkrieg Herzog Ludwigs im Bart. Eine der schwersten und traurigsten Verwicklungen des ganzen Zeitraumes, aber auch ein Beweis für die Verwendbarkeit des Bürgerheeres im Festungskrieg wie in offener Feldschlacht, ist der den Herzogen und der Stadt aufgezwungene mörderische Bruderkrieg des händelsüchtigen Herzogs Ludwig des Gebarteten von Ingolstadt, zur gleichen Zeit, da der Tscheche ungestüm an die Grenzen des deutschen Reiches pochte und in deutsches Volkstum einbrach b). Im Frühjahr 1420 rückte ein Schützen­ aufgebot unter Hauptmann Wilprecht aus, den fernen Sitz Riedenburg im Altmühl­ tal vor Sturmversuchen Herzog Ludwigs zu sicherns. Mit dem offenen Kriegsausbruch *) K.R. 1412/13: Koste» des Kriegszuges gegen Schauenburg 211 'M 22 L,. — Riezler III, Lzi; Hund, Stammenbuch I, 241; Städtechroniken IV, 231. a) K.R. 1412/13 Kosten der „Rais Mendorffer" 11 tt 34 L,. — K.R. 1417. — K.R. 1419: Die Schütze» erhielten eine» ungarischen Gulden Wocheosold. 3) Riezler III, 254, 258, 261s. — Würdtnger I, 224—230. — Teng, Bayerische Annalen 1833 S. 439. — Mayer, Stadtbuch 6.66f. — K.R. 1420 bucht als erste große Ausgabe für Kriegs­ zeug und Feldzugskosten etwa 1000 tt H. 4) K.R. 1419: Auslage» für Brot, Wein, Futter 14 » 6ß 3 5».

stieg die Raub- und Fehdelust in Bayern anfs höchste. Sengen, Brennen, Rauben und dem Gegner Abbruch tun, wo und wie immer man konnte, war die Losung des „täglichen Krieges"; das Feuer fraß, was das Schwert verschonte. Daher war eine der ersten Abwehrmaßnahmen, die eigenen Bauern vor fremden Mordbrennern ju warnens. Der Rat hatte aber auch allen Grund auf der Hut ju sein. Schon am 15. Februar 1421 hatte der Henker ein loses Weib, das einen Brandbrief brachte, mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagen müssens. Daß die Kriegsleute vor keiner Schandtat zurückschrecktev, beweist die Überführung eines Kriegsmannes, des Taufkirchers, durch Gegenüberstellung zweier gröblich mißhandelter Frauen«). Die letzte Verantwortung legte der Rat in die Hände der Gemeinde. Verpflichtete ihn doch der Wahlbrief vom 21. August 1403, vor einem Kriegszug die Zustimmung der Gemeinde einzuholen. Dreimal ließ er sie vor und bei der Kriegserklärung seiner Her­ zoge am 10. April 1421 aufs Rathaus rufen. Nach eiageholter Zustimmung schickte er am 21. Mai den Fehdebrief nach Ingolstadt; Lorenz Schrenk, Erasm Pötschner, Hans Stupf und Hans Tichtl hatten schon im März und April Absagebriefe dorthin geschickt«). Dem Herzog Wilhelm streckte die Stadtkammer 200 rheinische Gulden vor, damit er in Venedig Salpeter, den man noch immer aus Italien bezog, einkaufen lassen konnte«). Ratsherr Ludwig Ridler ritt, begleitet vom Landmann, um Ostern 1421 nach Venedig und kaufte für die Stadt um 364 Dukaten 38,11 Zentner Salpeter und 5 Zentner Schwefel«). In der Karwoche schickte die Stadt einen Boten nach Eß­ lingen zu Meister Ott und nach Memmingen zu Meister Konrad von Amberg, um sich ihre Erfahrung als Büchsenmeister zu sichern. Der Anforderungen an den städti­ schen Geschützpark waren zu viele. Ein eigener Antwerkmeister ward bestellt, da trotz der Einführung der Eisen- und Metallgeschütze die hölzernen Wurf- und Schleuder­ maschinen zum Brescheschießen und zum Sturm noch immer Verwendung fanden. Die Bewohner an der Amper mußten Mitte Juni 1421 Fluß auf, Fluß ab die Amper *) K.R. 1420: „Item 52 H haben wir geben zwayn poten gen Häching, gen Perlach und in die andern dorffer enhalb der Jser zü lon, da man die pauren warnet, do die von Swaben her entsagt habent. actum vor Pfingsten" (1421). — „Item 30 H haben wir geben dem Straßlacher von Truchtering, die im ain rat schüfauch darumb, dazerdiepaurenwarnet." — „Item 30 haben wir geben ainem poten dem Chunrad, daz er aus dem zeug entgegen leuf gen Dachau, da ste hereinchamen, da die von Swaben entsagt hetten." 2) K.R. 1420 Gemeine Ding: „Item 32 haben wir geben dem süchtiger, daz er die pübin, darumb man den brief mit dem prannd angehenkt hat, aus der stat gejagt und mit dem pecken ausgelaüt hat. actum sabbato vor reminiscere anno etc. 21 mo.“ 8) „Item sß haben wir geben den zwayn armen frauen, die gefangen wurden von dez Taüfktrchers wegen und mit den man in uberzeügt, daz er dez grossen myshandels nicht gelangen möcht und für daz, daz in verloren waz, die weill fle gefangen waren." 4) H.St.A. Fehde- u. Friedensbriefe U.F. 4. 5) K.R. 1420: „Item 113 öl 8oH haben wir gelichen hertzog Wilhalm an Reynischem gold, dez 200 rh. gülden waren, die er gen Vendig umb salnyter schicket in dem krieg und darumb hat die stat sein brief mit seinem figell." 6) „Item 273 % für 364 ducaten haben wir geben umb 38 centen und 11 lb. salnyters und umb 5 centen swebels, die uns der Ridler an unserm tail der fiat gelt Pracht hat von Venedig, dez was 400 ducaten, daran er uns wider Pracht 36 ducaten. und kost ain taüczscher cent salniter Hintz her von Venedig 9 ducaten minus 1 ort. actum zü ostern anno etc. 21 mo.“ K.R. 1420.

verschlagen, ein Beweis, -aß man das Wasser weitgehend als Annäherungs­ hindernis benützte und in der Isar ließ die Stadt durch zwei Fischer sämtliche Zillen hinab bis Freising und hinauf gen „Mülltrig" beschweren und versenken, damit sie der Gegner nicht jum Übersetzen des Flusses benützen konnteT).

München und seine Zufahrtsstraßen waren von allen Seiten vom Landgebiet des Ingolstädters beengt. In nächster Nähe drohte und dräuten die Vesten Schwaben, Olkofen bei Grafing, Bayerbrunn^) und Nannhofen. Meister Rudel und seine Ge­ sellen, Maurer, Zimmerleute und Schützen lagen 15 Tage vor der Burg und legten zu Ostern 1421 Turm und Gemäuer von Bayerbrunn völlig nieder °). Vier Wagen­ leute brachten die Münchner Zimmerleute mit ihren Wurfmaschinen vor die Veste Nanhofen an der Maisach. Als die Kriegsmaschinen auch hier ihr Werk der Zer­ störung verrichtet hatten, trugen Strobl, der verpflichtete Maurermeister der Stadt, mit seinen Gesellen und Knechten in 6 Tagen das feste Gemäuer völlig ab. Vor dem ingolstädtischen Schwaben spielten sich wieder einmal die erbittertsten Kämpfe ab. Dorthin und gen Grafing war im Mai 1421 Hauptmann Bartholmä Schrenk mit seinem Viertel unter dem neuen Mönchspanier ins Feld gerückt, begleitet vom Schergen Hänsel, um Zucht und Ordnung besser aufrecht halten zu können. Auch des greisen Hauptmanns Hans Bart Viertel lag vier Wochen vor Schwaben, mit ihm vier an­ geworbene Schützen, die im Gegensatz zu den nur verpflegten Streitern der Bürger­ schaft je 2% tA Sold erhielten. Der städtische Zimmermeister „sollte aus den Antwerken werfen". Bauern besorgten die Beförderung der Geschütze und Kriegsmaschinen, das Pulver wurde in Säcken aus Barchent und Mittler mitgeführt. Die Sorge der Kämmerer für das Kriegsvolk vor Schwaben ging ins kleinste. Die beiden schwersten Geschütze ließen sie durch Schlösser und Zwilchdecken sichern und schützen; für Brot 10 Scheffel Korn mahlen und beuteln, je einen Metzen Semmelmehl und Salz, 55 Pfund Schmalz, 47 Pfund Schweinefleisch, Kraut, Erbsen, Gerste, geräucherte Fische, 8^/4 Eimer Bier und 35 Eimer 3 Maß Wein hinausschaffen; auch Kerzen, Tischlaken, irdene Häfen, hölzerne Kannen und Bechers. In München hatten Zimmerleute und Schmiede 36 beschlagene Sturmleitern erstellt, der Schmied Hufeisen 140 Feuerpfeile angefertigt, von denen 14 besonders große ausgehöhlt waren. Das Münchner Kriegsvolk beschoß x) „Item 24 H haben wir geben ainem poten gen Estingen, gen Pruck, gen Lintach und die Amper auf und ab, der den pauren saget, das sie die Amper verslügen und der Amper huttet. actum sabbato vor Viti anno etc. 21 mo.“ — „Item sß haben wir geben zwayn fischern, die die züll auf der Äser hinab gen Freising und hinauf gen Mülltrig all versenckt und in daz wasser beswärt habent. actum Margarete virginis anno 210.“ K.R. 1420. 2) Die Veste Bayerbrunn im Isartal zählte zu den gewaltigsten Burganlagen. Herzog Ludwig im Bart hatte sie wegen ihrer beherrschenden Lage erst 1399 von Konrad von Preysing um 6000 Gulden gekauft. Neuburger Koptalbuch XIV fol. 67. 8) „Item 40 N 5 ß 9 haben wir ausgeben dem Rüedell maurer, seinen gesellen und maurern und zymmerlauten und schürzen zü zerung, zü lon und kostgellt von 15 tagen, die dacz Paybrün lagen und waren und Paybrün prachen daz gemäur und den turn, und wacz ganczs gemäurs da gewesen ist, daz man zerprochen hat, das ist alles darinne, actum zü osterem anno etc. 2imo.“ K.R. 1420. 4) K.R. 1420 erscheint außer diesen Anschaffungen in den „gemeinen Dingen" ein eigener Posten von 49 % 59 für Proviant in die Reis vor Schwaben.

die Veste Schwaben mit Feuerpfeilen und setzte zum Sturm an. Endlich am 17. Juni 1421 fiel die verzweifelt fich wehrende Burg und 80 Reifige mußten fich den Siegern gefangen gebens. Mit dem Fall Schwabens war die Handelsverbindung nach dem

Südosten wieder hergestellt; die Münchner Reiterei stieß denn auch sofort bis Reichen­ hall vor. Die Zimmerleute zerlegten nach dem siegreichen Sturm ihre Antwerke und großen Wurfmaschinen am Kampfplatz3); die beiden Zimmermeister hatten als Antwerkmeister ganze Arbeit getan. Zu Hause besserte Zimmermeister Franz das Schirm­ dach des hohen Katapults, das man „das streichende SBterf" nannte, wieder aus3). Der Erfolg von Schwaben war auch ein Erfolg der Büchsenmeister und Fever­ werkerkunst. Als Büchsenmeister ward neben dem Antwerkmeister im Rechnungs­ jahr 1420 Meister Danz bestellt. Der in allen Sätteln gerechte Büchsenmeister ver­ stand fich nicht bloß auf das Richten und Abfeuern der aus Kupfer gegossenen Ge­ schütze, sondern auch auf die Herstellung der Munition, vereinigte also in seiner Person die Kenntnisse des Geschützführers und Feuerwerkers. So gab er nicht nur 11 Eisen­ kugeln in Auftrag, es wurden für ihn und zu den Feuerpfeilen zwei Pfund Queckfilber („Sublimatium") beschafft), ja, ein stattlicher Haushaltsposten vom 13. Juli

1421 lautet auf 61 # 73 $ für Welsch- und Branntwein, Salmiak, Holzkohle, Queckfilber, Esfig, Lohn für das Stoßen des Salpeters und für sauren Wein zum Büchsen­ pulver. Die Beimengung von Wein und Branntwein erfolgte, um das Pulver durch die porösen Kanäle entzündlicher zvmachen. Dazu erhielt Büchsenmeister Danz weitere 6 Schilling für Esfig und Hl zum Pulvermachen und 9 rheinische Gulden Arbeits­ lohn. Der Stampf, mit dem man 1431 „Schwefel, Salpeter, Kohlen und anderes höllisches Zeug" stieß — daß der Pulvermüller meinte, „es sei ein wilder Geist in ihn gefahren" — war keine eigentliche Pulvermühle, sondern eine höchst einfache Vorrich­ tung, die mit Schwungrädern gedreht wurdet. Eine für die Kriegsgeschichte wertvolle Ausgabe findet fich in der Kammerrechnung 1420, nämlich 15 Schilling „von 14 strallen zü machen, daraus der püchssenmaister mayster Dantz feür schiessen wollt". Danz feuerte also gegen Schwaben Brandraketen ab°). Der Rat war mit seinem Büchsen­ meister sehr zufrieden, denn er verehrte ihm zu Sonnwend 1421 neun Ellen Butz­ bacher Tuch zu Rock, Hose und Kappe. *) Riejler III, 254. — K.R. 1420: „Item 13^ A haben wir gebe« den gefangen, de« selben gesellen tü jernng die ersten fort, da fle sich stellen wolten."

a) „Ztem 10 ß 12 5) haben wir geben umb den zymmerlauten zü lon gen Swaben «nd da; sie die hantwerk und den zeug zerfellt und herein gefertigt habent, do man die vesst Swaben gewun, nen hat." 8) „Item 4 'ti> 57 haben wir geben meister Franczen dem zymmermann und seinen gesellen, daj sie an dem höhen werck, da; das fireychend werck haißt, und an dem schermen gearbait habent, aber zwo Wochen, actum samstag nach nativitatis Marie 21.“ Und abermals erhielten die Zimmerleute 21 Schilling Wochenlohn für Arbeit an den „streichenden Werken". K.R. 1420. 4) Mittels chemischer Zusätze wurde durch Sublimiere« reiner Schwefel gewonnen. Rathgen E. 23. •) Abbildung des Pulverskampfes im Clm, 197 fol. iov. •) Cgm. 399 fol. 13 bringt die Darstellung einer Rakete, mit in Geheimschrift verfaßten Er, läuterungen.

Fieberhaft arbeitete die Bürgerschaft an der Verstärkung der Stadtmauer und Türme; die Lore wurden mit 20 Zentner Eisen beschlagen. Nachts hüteten Schützen die Mühlen und Bleiche vor den Toren, in den Gassen liest der Rat Bottiche um die Brunnen aufstellen und kaufte hiezu 3 Dreilinge, 22 Oster- und 2 Spitzfässer. Mit viel Mühe befestigten die Zimmerleute Geschütze auf den Türmen, zwei auf dem Peters­ turm, vier auf dem Tömlingertvrm, wahrscheinlich rasch feuernde Hinterladergeschütze mit herausnehmbarer Pulverkammer. In Wien kaufte die Stadt am 13. Zuli 1421 38,31 Zentner Kupfer und 1,20 Zentner Blei*). Das Rathaus war der Sammel­ platz der berittenen Gepanzerten; denn die Kämmerer behändigten 64 H Zehrgeld, Wein und Brot den „raysern, da fie aus reyten woll, ainswals vor tags auf dem haus". Das Hervortreten der städtischen Reiterei ist in diesem Krieg stärker als je vor- und nachher. Sie ritt so vielseitig auf Kundschaftsdienst und Überfälle aus,

daß der Rat Erkundigungen einholen ließ, wie es dem „Zeug" erging. 32 berittene Gesellen lagen als Sicherung an der Glonn. Hauptmann Peter Rudolf zog am 1. Mai mit seinem „Zeug" gen Aibling, legte sich später als Schutz in den Markt Dachau und ritt schließlich mit seinen reisigen Gesellen unterm Herzog gen Pfaffenhofen. Dorthin und nach Ingolstadt hatte München Entsagbriefe geschickt^). Auch nach Keferlohe und vor Schwaben zog Rudolf mit seinem reisigen Zeug. Hauptmann Ludwig Wilbrecht stieß mit seinen Leuten nnter Herzog Wilhelm an den Lech bei Friedberg vor, ritt sodann mit seinem reisigen Kriegsvolk gen Burg Egenhofen und stand am 6. Juni 1421 in Dachau. Hauptmann Hans Bart befehligte die Gewappneten, die mit Herzog Albrecht gen Landsberg ritten. 150 berittene Münchner begleiteten den Zug des Her­ zogs Ernst nach Erdings). Weit über 1200 U H betrügen die Aufwendungen für Wehrbautea, Kriegszeug*) und Verpflegung des im Feld stehenden Münchner Kriegsx) „Item 110 N 72H haben wir geben umb 38 centen kupffers und Zi^lb. kupfers Municher gewichts und umb 1 centen und 20 lb. pleibs. kost ain cent kupfers Mincher gewichts von Wien Hintz her gen München mit allen fachen kupfers 22 ß und 17 H und der cent pleibs Mincher gewichts kümpt umb 17 ßx dez kupfers waz Wieners gewichts 33 centen 20 lb. actum Margarete, computatum Bartho­ lome i anno 21." K.R. 1420. 2) Unter diesem berittenen Kriegsvolk war auch ein gelehrter Kenner des Hebräischen: „Item 42 H haben wir aber aim poten geben gen Pfaffenhoven, daz er zü dem Andre Ernst geloffen ist von der Juden briff wegen, die man im schicket, daz er sie zü taützsch machet. K.R. 1420. 8) „Item 3 % haben wir geben dem Ludwig Wilbrecht zü zerüng, im und seinen gesellen, die mit im raysten mit hertzog Wilhalmen andenLech umb die küe pey Frid berg, actum vor Jeori anno etc. 2i.“ — „Item 2 ül 3^ 15 haben wir geben Hansen dem Part, Hauptmann des zeugs, der mit hertzog Albrecht gen Landsperg rayt, vor crucis anno etc. 21." — „Item 21 ft 22 haben wir geben dem Wilbrecht haüptmann des zeugs, der mit hertzog Wilhalmen gen Egenhoffen rayt, auch vor crucis anno 21.“ — „Item 3 Al minus 12 H haben wir geben zü zerung dem zeug und gesellen 150 pfarden, die man gab umb wein und prot und ayr und kaes, da die gesellen ryeten mit hertzog Ern­ sten. ryeten gen Ardingen, da er für Kling rayt. und derselben fart Pracht man das kupffer von Ardingen." — „Item 3 Sl haben wir geben Peter dem Rudolf und demselben zeug, da sie mit unserm gnedigen Herren hertzog Wilhalmen hinauff gen Hagenberg raiseten vor Pfingsten." K.R. 1420. 4) In Nürnberg kaufte die Stadt am 10. August 1421 9,46 Zentner Kupfer, zu je 71/24 *rhein. 4 Gul­ den, um 38 öl 7 ß 12 und „zum Mischen unter das Kupfer" 3,86 Zentner Zinn um 22 U 64 H. Am Platz kauften die Kämmerer am 24. Juni 1421 6,815 Zentner Blei für 10 # 7 ß 18 weiter 4,44 Zentner Schwefel um 15 Ll 6^4^, schließlich im Rechnungsjahr 1421 3,57 Zentner Kupfer um 14 « 4ß 15

Aufnahme des Landesamts für Denkmalpflege (D r. Groeber).

Tafel XI

volles; dazu kamen an 1500 rheinische Gulden Steuerhilfe für den Landesherrn zur Lösung Aiblings. Wir haben zwar keine Kenntnis der Blutopfer. Zweifellos waren es diese und die beispiellose Verwüstung der ländlichen Besitzungen — dem Angerkloster wurden allein 43 Höfe niedergebranntx) —, dazu das lange entschädigungslose Fernbleiben der Bürger von der Stadt, war es das Darniederliegen von Handel und Wandel und nicht zuletzt die Verstimmung über die Selbstzerfleischung, die in der Bürgerschaft eine verbitterte Stimmung auslöste, die sich in lauten Äußerungen des Unmuts wider die Herzoge und den Rat Luft machte. Einem Stegreifritter und Wege­ lagerer das Handwerk zu legen, einen sturren Junker mit eiserner Faust zur Ordnung zu rufen, fremde Eindringlinge aus dem Lande zu jagen, waren Münchens Bürger stets bereit. Aber daß Bayern wider Bayern fochten, bloß um ihrer Herren Feind­ schaft willen, daß sie ihre heimatliche Scholle verwüsteten und mit ihrem Blute netzten, das lief ihrem gesunden Sinn zuwider. Infolge der allgemeinen Empörung sahen sich die Herzoge ), wo sich Heinrich der Reiche von Landshut bereits beim König um die Belehnung mit dem Straubinger Erbteil bewarb; schließlich nahmen Friedrich Tichtl und Peter Rudolf als Berater und Be­ gleiter ihrer Landesherren an der Nürnberger Tagung mit Heinrich teil*). Daß der Rat im trinkfrohen Mittelalter volles Verständnis für den Wert eines guten Trunkes bei schwierigen Tagfahrten hatte, beweist ein Rechvungseintrag vom Frühjahr 1431, wonach „unsere guten Freunde und Ratsgesellen Tichtl, Wilbrecht, Rudolf und Strang" zum Rechttag in Straubing um ein Pfund Pfennig Rumavier und Malvasier mir, führten, „damit sie zu Straubing ihre Pokale füllten und desto witziger (geistreicher­ werden, damit des Herzogs Ludwig Räte die unsern nicht überwanden und überwitzigten". Wegen des Ritterbundes der „Böckler" begab sich 1467 eine Ratsabordnuvg zur Regensburger Tagung; in der Irrung zwischen Albrecht IV. und seinem Anteil an der Regierung fordernden Bruder Christoph reisten die Ratsherren Bar*) 2) 3) 4) 6) ®)

K.R. 1340 fol. 147V; 1341 fol. 156. Hund, Metropolis Salisburgensis III, 592; Oberb. Archiv XI, 106. „Item Otlein gen Rom zu dem hertzogen 13 aureos ducatos/' K.R. 1380 fol. 67. K.R. 1402/03 fol. 67—79V. Zehrungskosten 217 rhein. Gulden. K.R. 1416. Kosten der Ratsfahrten wegen der Straubinger Erbteilung 92 # 2ß 20^. K.R. 1425.

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tolmä Schrenk und Franz Ridler begleitet von vier Stadtsöldnern nach Straubing, wobei sie 14 Tage unterwegs waren; zuletzt waren die Ratsherren Hans Bart, Thomas Rudolf und Bartolmä Schrenk mit 5 Reisigen in gleicher Sache 17 Tage auswärts, um mit den Landständen von Ober- und Niederbayern ju verhandeln.

Warnungen -er Münchner Kaufleute vor auflauernden Wegelage­ rern, Stegreifrittern und abgesagten Feinden, um selbstgerechte Pfändungen und widerrechtliche Beschlagnahme ihres Kaufmannsgutes oder Handelserlöses zu verhin­ dern, bilden bis 1470 eine ständige betrübliche Spalte in den Rechnungen, am häufig­ sten jur Zeit der Heimkehr von der Frankfurter Reichsmesse, der Fastenmesse zu Mittfasten und der Herbstmesse zwischen den zwei Frauentagen Mariä Himmelfahrt und Mariä Geburt (15. August bis 8. September)*). So schickte die Stadt 1405, als der Steyrer, Rindsmaul und Hilpolt Fraunberger absagten, zum Ulrich Golnhuter nach Ingolstadt, zum Apotheker Klaus nach Augsburg und nach Pfaffenhofen, sie sollten die von Frankfurt heimkehrenden Münchner warnens. Zweimal ließ der Rat 1424 seine Bürger auf der Frankfurter Herbstmesse durch Boten vor dem mächtigen Marschall von Pappenheim warnen, 1413 vor den Schenk von Geyern, 1414 vor dem Grafen Ottingen und Arnold von Seckendorf. 1418 warnte der Rat seine Mitbürger auf der Rückkehr von Trient vor Burggraf Erasmus von Lienz, 1428 vor dem ge­ fürchteten Rückhofer, der den vielen aus Wien heimkehrenden Münchner Kaufleuten auflauerte b). Zu Ludwig Ridler schickte man 1431 nach Venedig, um ihn wegen der räuberischen Überfälle auf der Isar zu warnen. Diese Botschaften lassen die regel­ mäßigen Handelsreisen der heimischen Kaufmannschaft erkennen: am häufigsten sind Nürnberg, Frankfurt und Wien ihr Reiseziel, sodann Venedig und die Lombardei, selten Prag, noch seltener der deutsche Norden und Nordosten.

Prozesse vor geistlichen und weltlichen Gerichten.

Bann und Interdikt. Der kirchliche Sinn der Bürgerschaft, der sich in frommen Stiftungen nicht genug tun konnte, wandelte sich in unbeugsamen, siahlharten Trotz, wenn sie ihre verbrieften Rechte angetastet oder bedroht glaubte. Um keinen Preis wichen Rat und Bürger­ schaft vor dem weltlichen Machtstreben der geistlichen Gewalten zurück, um keinen 1) KR. 1367 fol. 52: „nuncio in Franchenfurt ad praemuniendum“ 13 ß 10 1371 fol. 51; 1405 fol. 66v; 1411—1414, 1422, 1424/25. K.R. 1411: „Item wir haben geben dem Rüedel poten 6ß 10 H, das er gangen ist gen Wirtzburg und unser kaufleut gewarnt hat." 2) K.R. 1404/06 fol. 66 v. 3) „Item 12 ß $ haben wir geben dem Martein poten gen Wyen desmals Gallj 1428, do unser burger ain gut tail da nyder waren und do mann sie warnet vor dem Rückhover, der wol an dreyen enden, als man saget, auf sie hüten wollt, und die komen von gots genaden wol her haym, ausgenomen der Eckel." — „Item 12 ß haben wir auch geben zü potenlon dem Kaefferlocher poten gen Wyen auch zu unseren bürgern, die zu warnen vor der stat veinten und vor dem Rückhoffer und auch darumb, ob der Martein bot underwegen mit irer Warnung dernieder gelegen wer, das sie doch dennocht gewarnet wurden. Actum ut supra vor Martini." K.R. 1428.

Preis ginge» sie vom Buchstaben wirMchen ober vermeintlichen Rechtes ab, abwehr­ bereit gegen Übergriffe bis jnm äußersten, mochte die Verhängung schwerer Kirchen­ strafen, die Einstellung des öffentlichen Gottesdienstes, die Verweigerung der Sakra­ mente und des kirchlichen Begräbnisses und empfindliche Geldeinbuße das bittere Ende solcher Rechtsstreitigkeitev und kirchlicher Fehden bilden. München steht nicht vereinidt1)2 im * 4 Kampf mit geistlichen Gewalten, in denen die Kirche an der tiefivverlichev Frömmigkeit des mittelalterlichen Menschen") einen stillen Verbündeten hatte. Man erschrickt jedoch über die Häufigkeit und Schwere solcher mit allen Qualen des Ge­ wissens geführten Kämpfe, mehr noch über die Geringfügigkeit der Anlässe, derent­ wegen dem Volk die Trostmittel des christlichen Glaubens entjogen, die härtesten Kir­ chenstrafen und selbst der Bannstrahl gegen die Stadt geschleudert wurde. Der kirch­ lichen Herren waren viele und sie alle, Bischof und Domkapitel von Freising und Augsburg, benachbarte Stifte und Klöster, ja selbst die beiden Stadtpfarrer und die Geistlichkeit von München riefen bei Zerwürfnissen »ach kirchlichen Strafen oder ver­ hängten sie selbst. Wegen eines fremden Tonsurierten, der nur die niederen Weihen hatte, schleuderte die Kirche den Bannstrahl gegen die Stadt und der Handel und Hader eines Mitbürgers um Hab und Gut mit Trägern des geistlichen Gewandes konnte jur Folge haben, daß in den Kirchen kein feierliches Hochamt gesungen ward und keine Glocke erklingen durfte. Wer länger als sechs Wochen vom Kirchenbann nicht gelöst war, verfiel nach Reichsrecht auch der weltlichen Acht. München teilte das Schicksal des Landes und der Diözese in den Bannjahren 1232,1239,1245,1247,1249 und 1272, in denen das Interdikt als Waffe der Kirche in politischen Streitigkeiten der Herren über Bayern verhängt wurde"). Unter dem Stadtpfarrer Jakob wurde 1299 in der Frauenkirche die berühmte Bulle „Clericis laicos“ verlesen und der Bannspruch denen angedroht, die sich Verkürzungen der Einkünfte der Geistlichkeit zuschulden komme» ließen*). Die in der Bulle ausgespro­ chene Absonderung der Kleriker von der Laienwelt war dazu angetan, die stille Gegner­ schaft in den Reihen des Bürgertums zu verstärken, welche die wirtschaftliche Besser­ stellung der Geistlichkeit durch ihre Freiheit vom Kriegsdienst, von Wache, Steuer und anderen bürgerlichen Lasten und das Anwachsen des kirchlichen und klösterlichen Grundbesitzes zur Folge hatten. Am 11. Juli 1324 verhängte Papst Johann XXII. in Avignon über die Anx) Vgl. Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste u. Zustände im Mittelalter S. 104, Frankfurt 1862. 2) Der kirchliche Zug war stärker als heute. Manch erfolgreicher Kaufmann schloß sein Leben in stiller klösterlicher Zurückgezogenheit, im Frieden der Klostermauern gottselig ab. Gottschalk Schrenk trat nach der Schrenk-Chronik noch als 8ojähriger 1296 ins Barfüßerkloster vor den Toren der Stadt ein und verschied dort 1308 nach zwölf Klosterjahren. Der einst so lebensfrohe, der Kunst und Minne zugetane Herzog Sigmund ließ sich im Barfüßerkloster im Mönchshabit begraben. H.St.A. Franzis­ kaner, B. Provinz Lit. 1 fol. 9. Das vertrauensvolle Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Bürgerschaft und Kirche spricht aus der Tatsache, daß „im Kreuzgang bei den Augustinern" bürgerliche Kaufabschlüsse getätigt werden konnten, weil die schreibkundigen Mönche der Bürgerschaft bei der schriftlichen Fest­ legung hilfreich zur Seite standen. H.St.A. Wolfratshausen, GU. 511. 8) Cgm. 4950. — Riezler II ;8, 69, 82, 93, 137. 4) H.St.A. München U. L. Frau U.F. 1. — Mon. Boica XIX, 456. — Mayer, Oomkirche S. 44.

häuger Ludwigs des Bayern Bann und Interdikt, worin Land und Residenjstadt mehr als drei Jahrjehnte, selbst nach des Königs Ableben ver­ blieben. Während in der Mark Brandenburg, wo des Königs ältester Sohn regierte, die Verhängung des Kirchenbannes im Volke solche Erbitterung auslöste, daß in Magde­ burg der Erjbischof 1325 mit Eisenstäben totgeschlagen, in Berlin Propst Nikolaus ins Feuer geworfen wurde, wissen wir in München, am Sitz des Königs, die Geistlichkeit so völlig auf seiner Seite, daß niemand versuchte, den leidenschaftlichen Bannsprüchen

-es Papstes in Avignon und der befohlenen Einstellung des Gottesdienstes Gehör ju verschaffen. Das dem König ergebene Freisinger Domkapitel verkündete mit „verwerf­ licher Nachlässigkeit" den die öffentliche Meinung herausfordernden Bannfluch, verhin­ derte 1325 die Anerkennung des vom Papst ernannten Bischofs und bestellte den Domherrn Heinrich Jmpler aus dem angesehenen Münchner Geschlecht jum Admini­ strator des Bistums. Als Ludwig der Bayer sich 1327 der ewigen Stadt näherte, predigte der Papst in Avignon sogar das Kreuz gegen ihn^). Der vom Kaiser ein­ gesetzte Gegenpapst Nikolaus V. hob das Interdikt und die seinem Herrn schädlichen Erlasse wieder Nikolaus V. sicherte der Stadt und ihrer Bürgerschaft am 9. Januar 1329 in einer Bulle aus Pisa zu, daß sie wegen der Privatsache und Ver­ fehlung eines einzelnen durch einen Bischof oder Prälaten nicht länger als drei Tage mit Bann und Interdikt belegt werden dürfe, damit nicht Unschuldige mit den Schul­ digen leiden*2).3 4Von Italien heimgekehrt, verbot Ludwig der Bayer 1330 die Befol­ gung der päpstlichen Erlasse, die der kaiserlich gesinnten Geistlichkeit Münchens sogar das Recht zur Ausübung der Seelsorge absprachen. Auch nach der Unterwerfung des Gegenpapstes verhallten die Bannflüche aus Avignon in Bayern ungehört. So er­ hielt der von Nikolaus V. zum Kardinalbischof von Ostia-Velletri erhobene Bischof Jakob von Castello-Venedig am 13. Oktober 1332 von Ludwig dem Bayer, den er als päpstlicher Legat nach Deutschland begleitet hatte, den Auftrag, Heinrich Granator, den Sohn des Kastners zu Pähl, als Stadtpfarrer bei Unserer Lieben Frau in München mit allen schuldigen und herkömmlichen Feierlichkeiten einzusetzen2). In einer öffent­ lichen Proklamation ließ der Kaiser 1338 durch den Münchner Minoritev Bonagratia 1338 die Nichtigkeit des Bannes verkünden. An einem der fehlgeschlagenen Versuche zur Aussöhnung mit der unerbittlichen Kurie 1343 scheint der Münchner Rat nicht unbeteiligt gewesen zu sein, da er beim Kleriker Wernher ein Gutachten einholte2). In dem leidenschaftlichen Vernichtungskampf der höchsten geistlichen und weltlichen *) Noch 1329 schickte der Papst einen Läufer nach Deutschland mit dem Auftrag zur Kreuz­ predigt gegen den „Bayer". K. H. Schäfer, Die Ausgaben der apostolischen Kammer unter Johann XXII, S. 510, Paderborn 1911. 2) Dormann, Die Stellung des Bistums Freising im Kampfe zwischen Ludwig dem Bayer u. der römischen Kurie S. 10, i6f., Wiesbaden 1907. — Karl Anker, Bann u. Interdikt im 14. u. 15. Jahrh. S. 11, Tübingen 1919. — Bornhak, Staatskirchl. Anschauungen u. Handlungen am Hofe Kaiser Ludwigs des Bayern, Weimar 1933. 3) Mon. Boica 35/II S. 7. — Riezler, Vatikan. Akten S. 406. — Denkmäler S. 120. 4) Mon. Boica XIX, 472. 6) „Item post Michaelis domino Wernhero 5 t’lorenos ad consultum.“ K.R. 1343 fol. 185. — Riezler II, 355, 408, 479.

Gewalt schleuderte Papst Klemens VI. am 13. April 1346 wieder einen haßerfüllten, maßlosen Bannfluch gegen den Kaiser, in dem er auch verstarb*). Der Bischof wollte noch 1359 die Gebeine des gebannten Kaisers ans der Liebfrauenkirche entfernen lassen, hätte ihn nicht der Einspruch des Markgrafen Ludwig des Brandenburgers daran ge­ hindert). Trotz der ehrlichen Geste, mit der dieser 1348 in einer seiner ersten Herrscher­ taten die päpstlichen, kaiserlichen und landesherrlichen Privilegien der Geistlichkeit in Oberbayern anerkannte, wurde er erst 1359 in der Münchner Hofkapelle St. Lorenz vom Kirchenbann freigesprochen 3*).4 2 Die zwiespältige Verpflichtung zum Gehorsam gegen Staat und Kirche bekümmerte das einfache Volk aufs schwerste und stellte es drei Jahrzehnte lang vor Gewissensfragen, auf welche es, von Acht oder Bann bedroht, keinen Ausweg und keine Antwort finden konnte. Bürgermeister und Rat wurden 1369 vom erzbischöflichen Richter in geistlichen Sachen verwarnt, die Eingriffe der Kapläne des Heiliggeistspitales in die pfarrherr­ lichen Rechte der Stadtpfarrei St. Peter länger zu dulden. So feierlich das Gnadenjahr 1392 verlaufen war, so traurig und düster war der Ausklang. In vielen Fällen teilte die Kirche die Ablaßgelder und die Erträgnisse aus der allgemeinen Hilfe der Christenheit mit Fürsten und Gemeinden, in deren Haushalt fie die Rolle eines letzten Aushilfsmittels spielten. Die Kurie, die fich noch eben als Wohltäterin der Stadt erwies, indem fie München vor allen anderen deutschen Städten einen Gunstbeweis von bisher ungekannten Ausmaßen zuwendete, sollte eine traurige Erfahrung machen: Die Stadt geriet mit dem Papst in einen Streit über die Verteilung der eingegangenen Ablaßgelder. Bonifaz IX. hatte bei Bewil­ ligung des Münchner Gnadenjahres die eine Hälfte der Ablaßgelder und frommen Zuwendungen für die Kurie, die andere Hälfte für das Kirchenvermögen der vier Jubiläumskirchen bestimmt*). Der als päpstlicher Kollektor aufgestellte Pfarrer von St. Peter weigerte fich, die für den Papst in Empfang genommene Hälfte der Ablaß­ gelder herauszugeben. Vergeblich suchte Gian Galeazzo Visconti, der mit dem baye­ rischen Herrscherhaus verwandte Herzog von Mailand, Rom zum Verzicht auf den ihm zustehenden Anteil zu bewegen. Ein Teil der für kirchliche Zwecke gespendeten Gaben muß in die um jene Zeit stets leere Stadtkammer geflossen sein; denn unter den Einnahmen 1392 erscheint ein ungewöhnlich hoher Posten von „Gemeinen Din­ gen", unter dem wir wegen seiner Höhe nur Ablaßgelder vom Gnadenjahr vermuten könnens. Einen guten Beutezug machte Herzog Stephan, der es verstand, vom Papst Bonifaz IX. unterm 14. Januar 1393 eine Bulle zu erwirken, die ihm den vierten Teil der Einkünfte aus dem Münchner Gnadenjahr überwies. Der päpstliche Nuntius Magister Hermann Bilvelt, Propst von St. Andreas zu Freifing, erhielt im Januar x) C. Müller, Der Kampf Ludwigs des Bayern II, 214. 2) Heigel, Das Grabmal Kaiser Ludwigs des Bayern in der Münchner Frauenkirche S. 347, München 1897. 3) v. Freyberg, Gesch. Ludwigs des Brandenburgers S. 133s., München 1837. 4) Vgl. Literatur S. 410. — Mon. Boica XX, 67 u. 35/II S. 176. 6) „Item 1352 gülden und 102 & 5 ß 6 daz haben die kamrer von gemein dingen eingenomen." Kammer-Memorial 1391.

1393 den Auftrag, die päpstliche Hälfte der Ablaßgelder jtt erheben. Der Rat verwei­ gerte die Herausgabe. Ein Mahnschreiben des hl. Vaters an die Stadt vom 15. Juli 1393 hatte keinen besseren Erfolg. Nicht unverdient verhängte die Kirche als letztes Zuchtmittel Bann und Interdikt über die undankbare Stadt. Der Rat wandte sich an das Freisinger Domkapitel um Milderung des Interdikts, worauf Dompropst Eglolf, wohl nach Bereinigung der Angelegenheit, gestattete, daß man in München fortan wieder Messe lese und in den Kirchen singet. 1406 kam die Stadt wiederum in den Kirchenbann, um dessen Aufhebung sie sich beim Bischof von Freising bemühtes. Wohl galt die Befreiung der Bürgerschaft vom auswärtigen Gerichtszwang als Grundpfeiler aller städtischen Selbstverwaltung, wohl war die Stadt ausschließlicher Gerichtsstand für ihre Bürger und keiner sollte, auch nicht wegen begründeter An­ sprüche, vor das geistliche Gericht oder ein fremdes Land- oder Stadtgericht geladen werden dürfen. Wenn trotzdem der Münchner Franz Pütrich es wagte, seine Vater­ stadt wegen eines Leibrentenanspruches beim Abt des Regensburger Schottenklosters zu verklagen und ihn die Stadt hierauf bezahlen mußte, so war dies nur möglich, weil ihm in seinem städtischen Leibgedingsbrief gewisse Sicherungen schützend zur Seite standen. Die Münchner Schmiedstochter Holge Wächs dagegen wurde aus der Stadt verbannt, als sie einige Bürger nach Freising und Salzburg vor die geistlichen Gerichte laden ließ. Auch 1423 lag München im Kirchenbann. Der Grund war ein Leib­ gedingsstreit der Stadt mit dem Kaplan des Ligsalz-Benefiziums Paul Weiß, den der Rat auf dem Ratsturm in des Bürgerknechts Hänsel Verwahr geben hieß und der in der Gefangenschaft oder unmittelbar nach seiner Entlassung starb. Der Rat ließ aus städtischen Mitteln die feierliche Besingnis halten und 30 Totenmessen lesen. Der Chorrichter von Freising Hans von Tagersham erwirkte in Rom die Lösung Münchens vom Kirchenbann, was vier Dukaten kostete, zu denen ihm der Rat drei weitere verehrte. Sonst ward dieser Fall mit geringen Aufwendungen abgetan, kleine Zehrungskosien und Verehrungen von Schenkwein an Dekan und Chorherrn in Frei­ sing und die Wortführer Meister Rudolf und Gwerleich in Salzburg. Noch am 31. März 1425 entschädigte man den Bruder des verstorbenen Kaplans, den Flößer Steffel Weiß mit 20 rheinischen Gulden, als er sich beklagte, daß die Stadt den Leibrenten­ kauf mit einem Geisteskranken abschloß, der nicht mehr in dessen Genuß fam3*).2 Zwi­ schen dem Münchner Christoph Adelzhofer und dem Generalvikar der Diözese Freising *) St.A. Urkunden, Ratsgeschäste 927. 2) „Item 3 ß 12 haben wir geben potenlon gen Freising und der perseß wegen abzeschreiben von des pann wegen." K.R. 1406 fol. 71 v. 3) „Item 5 60 haben wir geben für syben ungrisch guldein dem korrichter von Frey­ sing maisier Hansen von Tagersham, die im ain ratt schuff von der absolucion wegen, die er ze Rom der fiat dargelichen hat vier ducatn; darczu schankt man im drey ducatn. actum Egidi 1423." — „Item 12 10 dn haben wir geben dem Steffel Weizz flosser für 20 rh. guldein und für den briev, den er der stat über sich geben hat und die man im geben hat von seins prüder Herr Paulsen des Weißen saltgen leiptings wegen, das er von der stat hie zu Munichen kauft hett und hett ez nye eingenommen, und maynet der prüder, ez wer nicht ain redlicher kauf gewesen, wann er wer ain unsynynger man gewesen, actum in vigilia palmarum anno domini 1425." K.R. 1423 u. 1424.

Johann Türnleiv kam es 1436 «egen des Nachlasses des Priesters Walter Ardtnger, der Selbstmord begangen hatte, ju einem Streit, da beide Teile Anspruch auf das Priestergut erhoben. Herjog Ernst, dessen Schiedsspruch sich die Streitenden unterwarfen, wandte die Gefahr neuer kirchlicher Wirrungen von der Stadt glücklich ab, indem er am 16. November 1436 der Kirche den Nachlaß des Priesters zusprach*).

Kaum eine Fehde mit bewaffneter Faust, kaum ein Fürstenhandel kostete der Stadlkammer soviel Geld wie der langwierige unselige Seelgerätestreit der Jahre 1482—1486 zwischen Klerus und Stadt, Stadtpfarrer Dr. Aresinger und Stadtkam­ mer, der den Höhepunkt aller rechtlichen Verwicklungen darsiellt. Der Streit ging um den ausschließlichen Gerichtsstand, das „forum rei sitae“*2)* für 4 5 alle im Burgfrieden gelegenen Grundstücke der toten Hand und um die Ausdehnung der städtischen Gerichtsbarkeit und Steuerhoheit auf den aus frommen Stiftungen (Seel­ geräten) erwachsenen kirchlichen Besitz. Kämmerer Jörg Stupf, ein unbeugsamer Rats­ herr, und der gelehrte und streitbare Pfarrherr Dr. Aresinger, der entschlossene Sach­ walter seiner Kirche, riefen bereits 1482 das geistliche Gericht in Freising an2), übers Jahr trug man den Rechtsstreit vor das Forum der gelehrtesten Juristenfakultäten Italiens und an die päpstliche Kurie in Rom. Der Münchner Schulmeister Heinrich Grüninger ward mit einem berittenen Knecht auf die hohen Schulen nach Padua, Bologna und Pavia geschickt, Ratschläge und Rechtsgutachten zu erholens. Die Stadt nahm 1484 zu Anfragen bet verschiedenen, im Ruf der Gelehrsamkeit stehenden Klö­ stern und bei berühmten Nürnberger Rechtsvertretern ihre Zuflucht; in Salzburg und Rom wurde erneut verhandelt2). Die Kirche wußte mit geistlichen Waffen ihrer Rechtsavffassung durchschlagende Geltung zu verschaffen, Kämmerer Jörg Stupf ward mit dem Bann belegt und mußte deshalb am 9. Juli aus seinem Amte aus­ scheiden. Der eine Gegner der Kirche war niedergestreckt, an seine Stelle aber traten vier: Der Rat betraute am 31. Ottober 1484 je zwei innere und äußere Ratsgenosse» mit der bisher vergeblich versuchten Beilegung des Seelgerätestreites2). Zweimal wurde 1485 Stadtschreiber Konrad Pregler nach Rom geschickt, beim päpstlichen Sollicitator den geistlichen Prozeß zu betreiben, über dessen Aufregungen der Widersacher *) H.St.A. Privilegienbuch 6 fol. 141. 2) Auer, Stadtrecht Art. 271. s) „recht gen Freising kost" 30 5 ß 6 L,. K.R. 1482. 4) Die Kammerrechnung 1483 führt eine eigene Rubrik auf „Was auff das recht und ratschleg des seelgeräts geet", mit 467 tt 7 ß 12 5t Ausgaben in diesem einen Rechnungsjahr, beginnend: „Item 67 % 4ß 5t geben maister Hatnrich Grüninger, schulmaister, auf jerung mitsambt ainem knecht und zwat pfärden gen wälschen landen, auf die hohen schuln gegen Badua, Bolont und Pavia ;e reite«, um ratsleg von des selgerats wegen, actum freitag vor dem palmtag anno 1483. nämlich an 60 guldein unger ze 9ß5t" In Venedig ließ sich Grüninger vom Münchner Bürger Hans Kleuber 58 'M 3 ß 20 St vorstrecken, io Padua lieh ihm der Münchner Bartolmä Schrenk 35 ti, in Mailand der Fugger aus Augsburg 23 5ß. Für Prozeßkosten wurden 45 N nach Rom ge­ schickt. 5) Kosten 195 2 ß 4 S). K.R. 1484. ") Ratsprotokoll 1484.

der Stadt, Dekan Dr. Aresinger, bereits verstorben todt1).2 *Dazu 4 * 6 wurde 1486 noch der Notar Eyrl an die Kurie abgeordnet, die LSsung vom Bann zu erwirkens. Kaum war der langwierige Seelgerätestreit glücklich aus der Welt geschafft, ver­ fielen die Bürgermeister Thomas Rudolf, Franz Ridler, Andre Stupf und andere Ratsherren, Richter, Beamte, Bürger und Inwohner der Stadt 1487 abermals dem Kirchenbann wegen einer dem geistlichen Stand angetanen Kränkung. Ein Weib hatte den Subdiakon Michael Eysselein aus der Diözese Augsburg fälschlich des Diebstahls bezichtigt, Rat und Richter ihn, obwohl er „Epistler" war, also die nie­ deren Weihen hatte, greifen und einkerkern lassen, in der Schergenstube der Tortur unterworfen und in der Folter aufgezogen („gewogen"). Obgleich er sich nicht zu dem Diebstahl bekannte, zwang man ihn zu einer Urfehde, daß er gegen die Stadt nicht die geistlichen Strafen anrufe. Das Reichsgesetz verbürgte dem Klerus, und dazu zählten auch die geweihten Studenten der Theologie, daß seine Mitglieder nur vor dem geistlichen Gericht Recht zu nehmen brauchten. Zwar vermochte die persönliche Unantastbarkeit des Klerus nicht allgemeine Anerkennung von der staatlichen Gewalt zu erringen b), doch trotz der ausgesprochenen Neigung der bayerischen Rechtsentwick­ lung, die weltliche Gerichtsbarkeit auf geistliche Personen und Güter arrszudehnen*), hatte der ausschließliche Gerichtsstand der Geistlichkeit in Strafsachen vor dem geist­ lichen Obern, wenn nicht eine ausdrückliche Zustimmung der Kirche vorlag, keine Ein­ buße erfahren und den Versuchen der weltlichen Gewalt, die Kleriker dem städtischen Gerichtszwang zu unterwerfen, widerstanden. Rat und Gemein verglichen sich am 20. Januar 1487 mit dem Subdiako», sich dem Schiedsspruch des Herzogs Albrecht IV. zu unterwerfen, während er nach voller Genugtuung °) durch die Stabt und ihre Be­ amten versprach, beim päpstlichen Stuhl für Rat und Bürgerschaft, Richter und Be­ amte Lossprechung von Bann und Interdikt zu erwirken"). Der Stadtbote Feurer !) Die zweimalige Romreise kostete samt den Auslage» für Sollicitator, Notar und Läufer 410 % 4ß 6 die Fertigung einer am herzoglichen Hof verbrannten päpstliche» Bulle «egen der Gotteshäuser 28 T 7 ß. Der Stadtschreiber erhielt für u Wochen Zehrungsgeld samt einem berit­ tene« Begleiter 56 sß 15 z /SH. *) 2 N 7 ß 12 St „umb 2i Heiligkreuzer käs zu verschennken gen der Neuenstat denadvocate« und Prokuratoren". K.R. 1468.

XIV Kapitel.

Bürgemnruhen und Aufstände.

^^evolutionäre Bewegungen blieben dem mittelalterlichen Gemeinwesen Münchens ^Unicht fremd und erschüttetten das ruhige Leben der glücklichen Stadt aufs schwerste:

Revolutionen als Ausbruch der Volksnot und des Volkszornes, Revolutionen aus Empörung über Ausbeutung, Unterdrückung und Knechtung durch die Herrschenden und Befltzenden, Revolutionen aus Rassehaß gegen Art- und Blutfremde, Revolutionen als Vertrauenskrise zwischen Stadt und Herzog, aus politischen und außenpolitischen Beweggründen. Der mittelalterliche Mensch war triebhafter und unbeherrschter, der Altbayer zudem gefühlsmäßiger als irgend ein anderer Volksstamm. Rüttelte erst der Argwohn an den Grundfesten des städtischen und landesherrlichen Regiments, dann war der Damm der öffentlichen Ordnung schnell durchbrochen, dann kannten Erbitterung und eigenmächtige Selbsthilfe der Bürgerschaft keine Grenzen. Je weniger der einzelne Bürger Einblick in die Stadtführvng hatte, um so mehr mißtraute er ihrer Verwaltung. Je untergeordneter und bescheidener seine eigene wittschaftliche Stellung war, je weniger seine Stimme in der Bürgerversammlung wog, desto dringen­ der und lauter schrie er nach Sauberkeit der Verwaltung und Reform der Verfassung, desto überzeugter sprach er von Mißwirtschaft der öffentlichen Gelder und Verschwen­ dung seiner Steuergroschen. Mit welch wütender Leidenschaft und aufgespeichertem Haß diese inneren Kämpfe geführt und ausgetragen wurden, das erweisen die Toten, die dem Aufruhr und Umsturz zum Opfer fielen, Schuldige und Unschuldige. In das ungewisse Dämmerlicht städtischer Frühgeschichte leuchtet wie ein greller Blitz die Zerstörung der Judengasse im Jahre 1285 wegen eines angeblichen Ritualmordes an einem Christenknaben, wobei 180 Juden, Männer und Frauen von der empörten Volksmenge, die den Ausgang der Untersuchung und den Richterspruch nicht abwartete, in ihrem Versammlungshause verbrannt worden sein sollens. Völki­ scher Haß, übersteigerte Kirchlichkeit, Ingrimm über wucherische Ausbeutung mochten im Bunde mit der Not der ärmeren Bevölkerung dieses erste Judendrama über die Stadt heraufbeschworen haben. Zehn Jahre nach dieser blutigen Judenverfolgung erlebt München die ersten Münz­ unruhen, hervorgerufen durch die andauernden Münzverrufe und die rapide Ver­ schlechterung der heimischen Silberpfennige. Die über ihre unverschuldeten Währungs­ verluste erbitterte Bürgerschaft zerstört die herzogliche Münzstatt auf dem Marktplatz und erschlägt den eigennützigen Münzmeister des Herzogs?). x) Aventin, Annales duc. Boiar. II, 346, München 1883. — Mon. Germ. Scriptores IX, 810 u. XVII, 415. — Quellen u. Erörterungen N.F. I (1903) S. 69. — Nach Veit Arnpeck III, 286 waren es 140 Juden. Die überlieferte Zahl ist, wie regelmäßig mittelalterliche Überlieferungen, in jedem Falle zu hoch gegriffen. ’) Dgl. oben S. 81.

Wieder zwei Jahrzehnte später, im Jahre 1315, kam es infolge der brüderlichen Zerwürfnisse zu neuen schweren Unruhen. Herzog Rudolf versagte dem neugewählte» König Ludwig, seinem jüngeren Bruder, die Anerkennung, einige Münchner Ge­ schlechter ergriffen seine und der Österreicher Partei wider den heimkehrenden König. Nach seinem Einzug wurden ihre Häuser zur Strafe niedergerissen^. Der Stadt­ richter und Ritter Konrad Diener setzte auf des Königs Geheiß zwei vornehme Münch­ ner Bürger Ulrich und Seyfried Chray gefangen. Leutold Chray und die Seinen wollten die Gefangenen mit Gewalt aus den Händen der strafenden Gerechtigkeit befreien. Der Friedbrecher Leutold Chray, der den Stadtrichter, seine Sippe und ihre Knechte mit gezücktem Schwert anfiel, ward erschlagen. Die Kunde von dem frevelhaften Geschehen wühlte die Bürgerschaft ungeheuer auf. In ihrem Grimm vertrieb ste den Anhang des Erschlagenen aus der Stadt, darunter acht der edelsten Geschlechter, Heinrich Saller, Konrad Rudolf, Ulrich und Seyfried Chray, Konrad und Heinrich Schluder, Heinrich Röcklinger, Heinrich Rabenecker, Otlein Teufelhart, Konrad Seler und ihre ganze Sippe und verbannte fie und ihre Nachkommen bis ins vierte Glied auf ewige Zeit aus München. Auch Ludwig des Bayern Machtgebot konnte der rächenden Vergeltung keinen Einhalt fttn*2).* 4 Die schwere Judenverfolgung, die der schwarze Tod im Gefolge hatte, wo immer er erstmals auftrat, ging 1349 mit unheimlicher Gewalt auch über München und Oberbayern hinweg. In Straßburg hatte der Rat von den Städten Nachrichten über das verbrecherische Wirken der Judenschaft eingeholt und die unge­ heuerlichsten Greuel berichtet erhalten, für welche Berichte die Pest den nur allzu empfäng­ lichen Boden bereitete. Nur der Rat zu Köln warnte, den umlaufenden tollen Ge­ rüchten ungeprüft Glauben zu schenken. Die Stadt Kenzingen berichtete zu Ende des Pestjahres 1348 nach Straßburg, die Juden hätten dort die Brunnen und den Stadt­ bach vergiftet und der Jude Jakob bekannt, in München wie in Tübingen einen Christen­ knaben geschächtet zu haben2). Die Nachricht hievon war in München das Zeichen zum Aufruhr und zur zweiten blutigen Judenverfolgung. Die Juden wurden als Anstifter der Pestseuche schuldig gesprochen, „gemartert, getötet, verbrannt und auf jede Weise hingeschlachtet". Doch schon nach drei Jahren holte Markgraf Ludwig der Branden­ burger die Vertriebenen zurück*). Alljährlich am 20. Februar beging das Barfüßerkloster den Jahrtag des ent­ haupteten Konrad Ligsalz. Das ist die einzige Kunde, daß nach 1350 ein Mitglied x) Oefele II, 548. — Chronica de gestis principum, herausgeg. von Leidinger, S. 82, 1918. — Karl August Muffat, Das Bündnis des Adels und der Städte von Oberbayern, Abh. der Akad. d. Wissenschaften VII, 2 (1855) S. 275—288. 2) C. u. M. 15 fol. 8 v, 18 v. — Ältestes Nekrologienbuch der Franziskaner foL 40 v. — Denkmäler S. 90. — Daß die Münchner Bürgerschaft nicht unversöhnlich war, beweist die baldige Wiederkehr ein­ zelner der vertriebenen Geschlechter. So wird Heinrich Rabenecker 1318 und Röcklinger 1321 in der Kammerrechnung (fol. 2 v, 3 v, 53 v) wieder erwähnt; ersterer bekleidet sogar bereits das Vertrauens­ amt eines Steuerers. ’) „So het Jakob sunderlichen verjehen, daz er zwei cristennkint gescehet habe, eins zu München und eins zu Tuwingen." Urk.-Buch der Stadt Straßburg V, 177, Straßb. 1896. 4) H.St.A. Staatsverwaltung 3520fol. 22 v.—Mon. Germ. Scriptores IX, 829. — Dgl. oben S. 229.

dieses angesehenen und reichen Geschlechts aus Anlaß eines Volksaufstandes der Wut des empörten Volkes geopfert wurdet. Wesentlich verschieden von diesen elementaren Ausbrüchen des Volkszornes waren die nachhaltigen Bewegungen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die den stolzen Bau der städtische» Verfassung in seinen Grundfesten erschütterten und Rats­ geschlechter, Zünfte und Gemein in todbringender Feindschaft einander gegenüber­ stellten. Die Zeit von 1377—1403 ist eine Wende andauernder Verfassungskrisen und überstürzter Verwaltungsreformen, wirtschaftlich ein Abebben der herrlichen kaiserlichen Zeit eines Ludwig des Bayern und der reichen Hofhaltung eines Ludwig des Brandenburgers. Sie ist der naturgemäße Rückschlag in dem zur Residenz eines bayerischen Teilfürstentums herabgesunkenen München auf die reiche Entfaltung im Zeichen des Imperiums, eine jugendliche Entwicklungskrankheit in der Stetigkeit des Aufstiegs, der Sturm und Drang im Werdegang der Stadt. Unter schweren Opfern an Gut und Blut ward ein Landesteil um den andern von Bayern wieder losgerissen. Der 6jährige Kampf um die Behauptung Tirols endete 1369 mit dessen Preisgabe, die mehrjährigen Kämpfe zur Erhaltung Brandenburgs 1373 mit dem Verzicht auf die Mark. Kriegszüge der Landesherren ins Elsaß 1375, nach Venedig 1376, gegen Augsburg und die schwäbischen Reichsstädte 1376/77 trugen dazu bei, die Wirtschafts­ lage in der Landeshauptstadt in Mitleidenschaft zu ziehen. Der unverschuldete wirt­ schaftliche Niedergang erzeugte Mißstimmung und Unzufriedenheit in der Bürgerschaft; sie verkannte die Ursachen und suchte die Schuldigen in den eigenen Reihen. Die po­ litische und gesellschaftliche Zurücksetzung des anwachsenden Mittelstandes und die all­ gemeine soziale Gärung, die damals fast alle deutschen und welschen Städte ergriff nnd durchzitterte, die überschnelle Ansammlung steuerfreien Besitzes in der toten Hand taten das ihre eine Stimmung des Unfriedens zu schaffen als Vorboten einer tief einschneidenden Wirtschafts- und Finanzkatastrophe, wie sie in dieser sturmbewegten Zeit gotischen Werdens kaum einer jungen deutschen Stadt erspart blieb.

Die unblutige Revolution von 1377. Begünstigt durch das Vorbild der Zunftrevolution des Jahres 1368 in der nahen Reichsstadt Augsburg, entstanden zwischen Ostern und Sonnwend 1377 in München ernste Unruhen, in denen die Mißstimmung über das Patrizierregiment in dem von der Herrschaft ausgeschlossenen Teil der Bürgerschaft zum offenen Ausbruch kam. Stärkere Beteiligung des gemeinen Mannes am Stadtregiment war die Losung, die tiefere Ursache der Gegensatz zwischen den Vertretern der gewerblichen Arbeit, dem Großteil der steuerzahlenden Verbraucherschaft und den handeltreibenden ratsfähigen Geschlechtern, das Mißtrauen in die Steuererhebung und Haushaltführung des Rates; ihr Ziel die Beseitigung aller Mißstände durch eine großzügige Reform der Stadt­ führungs). x) Ältestes Nekrologienbuch der Franziskaner fol. 9. 2) C. u. M. 9 fol. 29—32 v. — Auer, Stadtrecht S. 290ff. — Denkmäler S. 594—603.

Wie bei den meisten mittelalterlichen Unruhen, spielten auch Mißstände im Münz­ wesen, die schlechte Valuta und der infolge verringerter Kaufkraft entstandene Ver­ mögensverlust eine schwerwiegende Rolle. Die Beschwerden über Mßstände im Renten­ wesen waren veranlaßt durch die Wirren infolge der „ringen Münz"*), welche die letzten io Jahre vor 1377 gang und gäbe gewesen. Ihre billigen Beschwerden legte die Gemeinde in drei Hauptforderungen („petitiones“) nieder: Reform der Steuer?), Reform des Ewiggeldes, Reform des Stadtregiments, der Ratsverfassung und Finanzverwaltttng. Sie fühlte sich durch das ausschließliche Ratsregiment der letzten Jahre verkürzt, schleuderte gegen den Rat den schweren Vorwurf der Schädigung des Gemeinwesens, der Begünstigung gegenseitiger Steuerhinterziehung, der parteiischen Amtsführung und des bewußten Mißbrauchs der Ratsgewalt. Er dulde, daß Ratsherren fälschlich ihren Steuereid in die Stenerlisten eintragen?). Ein Teil der Bürgerschaft verweigerte daher die Steuerzahlung. Die Gemeinde forderte weiter, daß verschleuderte öffentliche Gelder, es handelt sich wohl um Botenlohn, Gerichts- und Zehrungskosten im privaten Streithandel der Pütrich, von denen zurückerstattet werden, die für ihre Auszahlung verantwortlich waren*). Ferner stellte sie die Forderung, es möchten gleichviel Mitglieder der Ge­ meinde an der Abrechnung der Stadtkammer teilnehmen, damit der einfache Mann aus dem Volke die Amtsführung der wichtigsten Geschäftszweige kontrollieren könne. Notgedrungen machte der Rat der erregten Bürgerschaft gewichtige Zugeständ­ nisse; doch waren manche der Reformbestrebungen nicht von Dauer. Zu gleichen Hälften ward von den Streitteilen ein Friedevsausschuß bestellt, um die Irrungen zu schlichten, 14 gewählte Vertreter der beiden Ratskörperschaften und 14 aus der Gemeinde. Ihre einträchtigen Beschlüsse sollten den Frieden zwischen Rat und Gemeinde anbahnen; wessen sie nicht übereinkämen, des Herzogs Spruch entscheiden. Die Ratswahl erfolgte nach der Einigung von 1377 in der Weise, daß ein innerer und ein äußerer Ratsherr und zwei Gemeindevertreter die 16 inneren, diese sodann die 32 äußere» Ratsherren wählten. Seit 1377 erscheinen denn auch gemäß dem neuen Statut 16 Ratsherren im „Consilium principale“ und 32 im „Consilium secundarium“5). Die Erhöhung der Mitgliederzahl bedeutete eine Schwächung des Geschlechterregiments zugunsten des in den Rat eindringenden bürgerlichen Mittelstandes. Zwar sollte nach der Bildung des neuen Rates der von den Zünften beherrschte große Rat abgeschafft werden; dafür *) C. u. M. 9 fol. 32V. 2) Vgl. oben S. 2oiz 207, 212. 3) „es dünckt auch die gemain, daz der rat vorher etleich iar gewalt hat gehabt, und in dem selben gewalt sey in ze kurcz weschehen; daz ewer etleicher nicht redleich gesteuert hab, an richter ze nemen und an gericht; und darczu annach gen dem rat, daz ft nichtz davor ze entchömen möchten, und an kamrer ze nemen; und darczu, daz sich ainer geschriben hat haizzen, er hab gesworen an der steuer und dez nicht enist, alz etleich an dem rat wol wizzen, die fragt darumb." C. u. M. 9 fol. 30 v. 4) „die gemain spricht umb daz gelt, daz verczert ist von dez Pütreich wegen und seiner ge­ sellen, daz daz selb gelt her wider chöm an der stat nücz, und daz füllen die auzrtchten, durch der willen daz geschehen ist." C. u. M. 9 fol. 31. 5) Statt wie bisher 12 bzw. 24. Ratswahlen 1362—1384 fol. 45 v.

engte eine andere Bestimmung die Stellung des Patriziats weiter ein1): 2 3War 4 der Vater im inneren Rat, durfte kein Sohn oder Bruder im äußeren Rat sttzen. Ein Kämmerer war nach der Einigung von 1377 vom inneren Rat aus dem äußeren und umgekehrt zu wählen; die so Gewählten hatten einen dritten aus den Reihen der Bürgerschaft zu benennen. Die Rechnungsabhör hatten beide Bürgermeister, zwei innere, zwei äußere Ratsherren und zwei Sprecher der Bürgerschaft in Anwesenheit der Steuerer und Kämmerer abzunehmen. Die Kämmerer sollten halbjährig, Steuerer, Zöllner und Amtleute jährlich Rechnung stellen. Bestand Verdacht einer unterwertigen Steuer­ erklärung, forderte die Gemeinde, allerdings erfolglos, Enteignung des gesamten Besitzes'). Durch die Einigung war die Ruhe in der Stadt auf kurze Zeit wieder hergestellt. Nochmals hatte sich das Geschlechterregiment in seiner Macht zu behaupten gewußt.

Der offene Bruch zwischen Stadt und Landesherren 1385. Im stillen Einvernehmen mit Herzog Johann widerstrebte Münchens Bürger­ schaft den Teilungsplänen der beiden älteren Herzoge Stephan und Friedrich und be­ schickte 1384 die Tagung zu Ingolstadt nicht, auf der das Oberland geteilt werden sollte. Fürsten und Städte standen sich ohnehin damals im ganzen deutschen Süden in zwei feindlichen Lagern gegenüber. So mußte es die Spannung zwischen der Stadt und ihren Herren zum offenen Bruch treiben, daß Stephan der Kneißel und Friedrich als die unbotmäßigsten Verfechter der Fürstenmacht auftraten'). Zur Abwehr stadt­ herrlicher Übergriffe wie zur Niederhaltung revolutionärer Tumulte verbanden sich die Ratsherren 1384 in einer Schwurbrüderschaft: Mann für Mann gegen jeden zu stehen, der es wage, wider ihre Freibriefe anzugehen. Den gleichen Schwur leisteten auch die „Sechsunddreißig" und eine stattliche Anzahl Bürger1). Den Unwillen und die Unzufriedenheit der Bürgerschaft nährte die erpresserische Steuerpolitik der Landesherren. Alljährlich nahm man 3 bis 5% von jedem Bürgergut. Auf einer Tagung der Stände zu München 1383 mußte den verschuldeten Landesherrn eine Viehsteuer und überdies 10000 Goldgulden „Hilfe" zur Einlösung der an Württem­ berg verpfändeten Städte Lauingen, Gundelfingen und Höchstädt zugestandev werden; zwei Jahre später eine neue Notsteuer von 2000 Gulden und zur Abtragung der landes­ herrlichen Schulden von der Münchner Bürgerschaft auf vier Jahre eine Verbrauchs­ steuer auf Wein und andere Kaufmannschaft'). Vergebens suchten der Rat und die Herzoge durch Ausschluß der fremden Kaufleute und Handwerker vom Kleinverkauf beim Tuchausschnitt am Münchner Jahrmarkt die schwindende Volkstümlichkeit des x) C. u. M. 9 fol. 29 v. — Vgl. Jakob Bauer, Grundzüge der Verfassung u. Vermögensverwaltung der Stadtgemeinde S. 9s., München 1845. — Auer, Stadtrecht S. 290. 2) C. u. M. 9 fol. 29 v. — Auer, Stadtrecht S. 291. 3) C. u. M. 9 fol. 32 v. 4) Riezler III, 130ff., 165. 6) Mon. Boica 35/II S. 145ff. — Städtechroniken IV, 76; V, 30. — Ludw. Rockinger, Einleitung zu Gustav Freih. v. Lerchenfeld, Die altbayer. landständischen Freibriefe S. 213, München 1853.

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Regiments wieder zu beleben. Mittelstand nnd Kleinbürgertum waren durch die Ver­ teuerung des Getränks und Verbrauchs zu schwer getroffen. Der Mann des Volkes grollte. Die leichtsinnige Ausbeutung der Bürgerschaft durch Ungeld und Rotsieuer trug ihre bösen Früchte. Wiedereinmal gellten 1385 Sturmglocken über den Burgfrieden, die unheil­ kündenden Boten offener Empörung. Der Ratsherr Johann Jmpler, der seinen Reichtum dem Tuchgroßhandel verdankte und dessen Redlichkeit der gutunterrichtete Augsburger Chronist Burkard Zink rühmend anerkennt, ward vom Volk beschuldigt, die Sache der Bürgerschaft an die Herzoge, bei denen er in großer Gunst stand, verraten zu haben. Man stürmte sein Haus, setzte ihn gefangen und schlug dem Schuldlosen auf dem Blutgerüst am Marktplatz das Haupt ab. In ihrem Zorn über die Enthaup­ tung ihres Ratgebers entsagten die empörten Herzoge der Stadt, drohten mit blutiger Rache und riefen die Hilfe des Fürstenbundes an, worauf der Burggraf von Nürnberg, der Graf von Württemberg und viele andere Herren zu ihrer Unterstützung herbei­ eilten. Zu spät gewann Einsicht und Besonnenheit in der Bürgerschaft die Oberhand. Die Stadt mußte sich ergeben. Hundert der vornehmsten Bürger gingen ohne Wehr und Waffen gen Dachau und baten kniefällig um Gnade. Als die Herzoge gen München ritten, zog die ganze männliche Bevölkerung ihnen vors Neuhausertor entgegen, warf sich vor ihnen auf die Knie, flehte um Gnade und lieferte die Schlüssel zu allen Stadt­ toren aus. 6000 Gulden mußte die Stadt als Sühnegeld den Herzogen, 2000 Gulden seinen Räten entrichten und auf eine herzogliche Schuldverschreibung über jährlich 2000 Gulden Zins aus seinem Zoll verzichten. Dazu mußten sie einwilligen, daß sich die Landesherren eine feste Burg erbauten, die „Neue Veste", mit einem eigenen Burg­ tor, so daß sie, unbehindert von der Bürgerschaft, von der Landstraße her aus- und ein­ reiten konnten*). Das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgerschaft und Herzogshof hatte einen schwer heilbaren Riß erhalten.

Die große Revolution und Finanzkrisis 1397 bis 1403. Die stärkste Erschütterung, die das Gemeinwesen im Mittelalter bewegt, ist der Aufstand unter der Vierherzogregierung, der zum Sturz des Geschlechterregiments, zur Flucht und Austreibung vieler angesehener Bürger, zur Auflehnung der Stadt gegen die jungen Herzoge, zum Versuch einer Gegenrevolution und ihrer blutigen Niederschlagung durch Enthauptung einiger widerstrebender Ratsherren führt. Der uralte Gegensatz zwischen Arm und Reich, den alle Ratserlasse betonen, zwischen Arbeit und Kapital, zwischen handwerklicher Tüchtigkeit mit ihrer schweren Hantierung ums tägliche Brot und dem spekulierenden Großhandel, dessen leichterer Verdienst den Kleinbürger vergrämen, die Bevorzugung des Hausbesitzers vor dem Mieter im Stadtrecht und Zolltarif, die Unzufriedenheit vieler Zünfte mit ihrer pox) Staatsbibliothek, Oefeleana 308/1. — Univ.-Bibl. Heidelberg, Pal. Germ. 676 fol. 14. — Oefele, Scriptores rer. Boicarum 1, 259. — Städtechronikeo IV, 75 s.; V, 20, 31.

Mischen Stellung, das selbstbewußte Gehaben reicher Geschlechter, die sich anmerken lassen, daß sie in der Stadt gebieten, Uneinigkeit und Rivalitäten innerhalb des Patriziats, all diese Faktoren schaffen bedrohliche Spannungen innerhalb der Bürger­ schaft. Träger der Volksbewegung gegen das Geschlechterregiment sind hausgesessene Bürger und aufrechte Handwerker, die nie lernen den Rücken zu krümmen, deren Stolz ihre Arbeit ist, was auch in Regensburg den Dombaumeister Roritzer, in Würz­ burg den Bildschnitzer Til Riemevschneider ins Lager der Revolutionäre führte. Unzufriedene Mitglieder der Geschlechter, namentlich die Tichtl und Wilbrecht, machen gemeinsame Sache mit der Bürgerschaft und stellen sich als Wortführer an ihre Spitze. Die auslösende, innerste Ursache der blutigen Umwälzung liegt auf politischem und außerpolitischem Gebiet: Bayern leidet mehr als irgend ein anderes deutsches Fürstentum unter dem unseligen Grundsatz der Teilbarkeit der fürstlichen Gewalt. Die Zerstücklung und Totteilung der Wittelsbacher Hausmacht in mehrere Länder, die sich gegenseitig als Ausland bezeichnen, werfen München aus seiner ruhigen Bahn aufsteigender Entwicklung. Ernste Zerwürfnisse unter den herzoglichen Brüdern und Brudersöhnen zerren Stadt und Bürgerschaft in die Familienhändel der Stadtherren, rufen Parteiungen und Spaltungen in ihr hervor. Stephan, Friedrich und Johann, die drei Söhne Stephans des Älteren, jenes unseligen Wittelsbachers, der den Verlust der Mark Brandenburg verschuldete, hielten zu kostspielig Hof, vornehmer, als des Landes Wohlstand es ertrug, und häuften Schuldens; allen voran Stephan der Kneißl, wie das Volk den Schwiegervater des Königs von Frankreich ob seiner Prunkliebe benannte. Die verwandtschaftlichen Be­ ziehungen zum französischen Königshaus und der dadurch geförderte ungemeine Auf­ wand erweisen sich als nicht minder gefährlicher Feind der Stadt wie die dreifache eheliche Verbindung mit dem reichen Hause der Visconti in Mailand, deren Frauen dem verschwenderischen Wohlleben der Welschen Eingang verschaffen und schlichte, deutsche Art am Hofe verdrängen. Obwohl Bayern durch den Krieg mit dem Städte­ bund und dem Erzbischof von Salzburg 1388/89 verwüstet wurde, unternahm Stephan der Kneißl 1390 mit einigen tausend schwergepanzerten Reitern einen neuen kost­ spieligen Kriegszug gegen Gian Galeazzo Visconti nach Oberitalien und vertat in Padua mit schönen Frauen Hab und Gut?). Seine Verschuldung ist so groß, daß er im gleichen Jahre der Tochter Barbara des Münchner Goldschmieds Heinrich Wapp sein Silbergeschirr für 426 ungarische und böhmische Gulden verpfänden muß. Selbst für das an den Hof gelieferte Brot schulden er und sein Bruder Johann am 4. Juli 1391 dem Hofbäck Simon 1301 ungarische Guldens. Dazu haben die Herzoge während ihres gemeinschaftlichen Regiments soviel Zweiung, daß der Bruderstreit in einen bewaffneten Handel ausartet und Johann am 19. September 1392 im Kampf mit x) Archiv 2) 3)

Chronik von Ebran S. 127s. —Veit Arnpeck S. 667. —Ulrich Fuetrers Chronik, Oberbayer. V, 55. — Mon. Boica 35/II S. 201. — Riezler III, 170. Riezler III, 133—158. H.St.A. München GU. Fasz. 7 u. 9. SOI

seinem Bruder Stephan die neue Veste elnnimmt1).2 *Die 4 * 6den offenen Streit beendende unheilvolle Teilung vom 19. November 1392 zerschneidet Bayern in bunte Land­ streifen und legt den Grund zu neuem Unfrieden und feindseligen Zerwürfnissen zwischen den Wittelsbachern: Herzog Johann erhält München mit dem südlichen Oberbayern und damit ein um 8000 Gulden jährlich höheres Einkommen als der Ingol­ städter, weshalb dieser sich verkürzt und betrogen fühlt?). Zu seiner Sicherung schließt Johann 1394 mit Albrecht von Österreich ein zehnjähriges Bündnis, das der Rat bekräftigt, was die nicht verständigte Gemeinde gleicherweise gegen den Herrn wie seine willfährigen Helfer einnimmt?). Der Bruderkrieg entbrennt mit verstärkter Gewalt im Dezember 1394, als nach Friedrichs Tod Stephan als Ältester das vormundschaft­ liche Regiment im Landshuter Landesteil fordert. Bis zum Frühjahr 1395 wüten Raub und Brand im Landes. Wenn Münchens Bürgerschaft sich von Herzog Johann abkehrte und nicht ruhte, bis die Stadt 1395 in den Mitbesitz Herzog Stephans kam, so war ihre Politik be­ stimmt durch Johanns feindselige Einstellung gegen das aufstrebende Bürgertum, seine schwere Verschuldung und häufige Zahlungsunfähigkeit, aber auch geblendet durch den eitel schillernden Glanz der fernen Ingolstädter Hofhaltung. Ein glückliches Geschick hat uns die bisher nicht beachteten Schuldbücher und Rechnungen der regierenden Herzoge von Bayern-München aus den Jahren 1393—1402 erhalten, die uns Einblick in ihre stete Geldverlegenheit gestattens. Als Herzog Johann am 24. Juli 1393 mit seinem. Rentmeister, dem Münchner Patrizier Rudolf abrechnete, hatte er eine Schuld von 88968 Goldguldenb). Eine weitere Abrechnung des Herzogs Hansen weist für die Jahre 1393/94 an Geldschulden 34600 Goldgulden aus; unter den Gläu­ bigern stehen obenan die Münchner Wilbrecht mit 11000, Rentmeister Rudolf mit x) Chronik von Fuetrer S. 201. — Veit Arnpeck S. 594. 2) „Nun hat München umb 8000 gülden gelts wer denn Jngolstat, als heut wissentlich ist", schreibt Jörg Kazmair. Städtechroniken XV, 497.

8) Veit Arnpeck S. 305.

4) H.St.A. Kassasachen Fasz. 4. — Riezler III, 173—175. — Die Münchner unter Herzog Ernst belagerten 1394 das feste Schwaben, verbrannten den Markt, konnten aber das Schloß nicht erobern. Arnpeck III, 305. 6) Obwohl das Mittelalter in Fragen der Liebe großzügig dachte, verrät doch der Ton des Un­ willens in der Rentmeisterrechnung 1393/94 des Patriziers Rudolf, daß in der Stadt wegen der ga­ lanten Abenteuer des Herzogs „Hansen" und seiner Aufwendungen für schöne Frauen und deren natürliche Kinder fühlbare Mißstimmung herrschte. Einige Proben solcher Einträge: „Item tenetur 2 guld. umb 3 ellen praun von Franckfurt, gab ich seinem panckhart vor Michaelis 93". — „Item 8 guld. umb 8 ellen, Nan der Karl ainem töchterlein an sant Thomas abent". — „Item 5 guld. umb 8 ellen plab, schuf Hainr. Seiboltzdorffer ainer fraun, hat 1 ktnt pey meinem Herren, und waz daz weiß mit den kröpfen." — „Item tenetur 16 guld. unger umb 16 ellen grün; gab ich Wilhelm des schreiber tochter, meines Heren püllen ainer, alz daz Hainreich Seybertstorfer mit mir schüfnach ostern 94." — „Item tenetur 9 guld. unger umb. 12 ellen plab, gab ich des hofmaisters chelnerin und ainem chnabeu, ist meines Herren sun; schuf auch Hainreich Seybertstorfer nach ostern 94." H.St.A. Kassasachen Fasz. 4. 6) Unter den Gläubigern erscheinen die Münchner Hans Schluder mit 2910 ft, Ulrich Tichtl mit 1553, Matheis Sendlinger mit 1891, Stephan Astaller mit 287, der Hofbäck mit 716 und der Hofschuster mit 490 Gulden. H.St.A. Kassasachen Fasz. 4.

10276, Stephan Astaller mit 450 Gulden*); Lieferanten aus Handwerkerkreisen, Gold­ schmiede, Kürschner, Plattner, Tuchscherer, Bader, Sattler und Fleischhäckel?) erscheinen als Gläubiger. Dem Konrad Diener ließ Herjog Johann im März 1394 drei Mark vergoldetes Silber, das dieser für ihn um 33 fi. versetzte, verfallen, ein Vorgang, der wegen der Geringfügigkeit des Betrages dazu angetan war, das fürstliche Ansehen zu untergrabens. Bekümmert verfolgte die Bürgerschaft den unentwegten Familienstreit der Wittels­ bacher. Im einfachen Mann lebte die Erkenntnis, daß die Verschuldung der Stadt eine Folge der vielen Hofhaltungen und des Teilungsstreites sei. Lag doch z. B. 1393, da Hans Pütrich als Stadtkämmerer abtrat, nicht einmal soviel Geld in der Stadtkasse, um für die scheidenden Kämmerer das übliche Kammermahl zu richtens. Der erbitterte Bürger machte für die namhaften Rüstungsaufwendungen, wie für das Wohlleben des Hofes die Ausschließlichkeit des Geschlechterregiments verantwortlich, das sich gegenüber dem verschwenderischen Aufwand der Fürsten ju nachgiebig und will­ fährig erwies. Steuerbedarf und Steuerdruck war von jeher ein Gradmesser der Ruhe oder Unruhe innerhalb der Bürgerschaft. München hatte in jener Zeit den traurigen Ruhm, die höchstbesteuerte Stadt des deutschen Südens zu sein. Kaum war der schwere Aderlaß durch die Bewilligung des 20. Pfennigs seitens der Landschaft vom 4. Oktober 1390 verschmerjt, über 8000 'ü H mußte München für diese 5 pro# zentige Vermögensabgabe an die tiefverschuldeten Landesherren zahlens, da kamen der äußere und große Rat 1394 überein, für säumige Steuerzahler den „Post", jenen strafweisen Zuschlag für nicht oder verspätet geleistete Steuer, nicht einmal den Un­ vermögenden und den unverschuldet in Not Geratenen zu erlassen. Zum Unwillen über die Steuerbelastung gesellte sich nun noch die Erbitterung über die rücksichtslose Beitreibung. Das Stadtrecht kannte ohnedies keine Steuerentbindung des kleinen Mannes. Statt daß in diesen bewegten und erregten Zeitläuften die Steuerpflicht vor dem nackten Lebensbedarf der Armen und Ärmsten Halt gemacht hätte, verschärfte man den Steuerdruck auf die wirtschaftlich schwächeren Volksschichten und erhöhte kurz vor dem Ausbruch der Bürgerunruhen das Steuerminimvm, eine Maßnahme von ausgesprochen rückschrittlichem Charakter. Der „Habnit", die Besteuerung der Ver­ mögenslosen, die von der Hand in den Mund lebten, ist 1396 zum erstenmal im Steuer­ buch vorgetragen°). Der Zeitpunkt der Einführung eitler so volksfeindlichen, asozialen Steuermaßnahme konnte nicht ungünstiger gewählt werden. Die *) Die Gesamtverbindlichkeit der Herzoge Ernst und Wilhelm an die Patrizierfamilie Astaller betrug i. I. 1410 noch 10571 Gulden. H.St.A. Fürstensachen Lit. 1322%. 2) Am 16. Juni 1395 verpflichtete sich Herzog Johann dem Metzger Paul Schechner die Schulden für Lieferungen in die Hofküche von 780 ungar. Gulden und 41 U bis längstens Dreikönig 1396 zu bezahlen. H.St.A. München GU. Fasz. n. 3) Landesherrl. Schuldverschreibungen 11. 4) So daß man es erst ausborgen mußte: „wann man da nicht geld hat auf der kammer, da er von schied." K.R. 1393. 6) Im wetten Abstand folgte Ingolstadt mit 2000 %, Wasserburg mit 1200 fl., Rockinger, Einl. zu Lerchenfeld, Die altbaier. landständischen Freibriefe S. 203 s. 6) Steuerbuch 1394 u. 1396.

besitzlosen Handwerker und Lohnarbeiter wurden dadurch auf die Seite der mit dem Geschlechterregiment Unjnfriedeven gedrängt. Als Versuch den Steuerertrag ju mehren bedeutungslos, hatten diese tiefeivschneidenden Neuerungen lediglich die Wirkung, daß die Betroffenen die Reihen der Opposition vermehrten, und daß die Klagen der Besitzenden und Gesicherten gegen die Wohlhabenden und Reichen bei den Armen und Ärmsten der Bürgerschaft ein allzeit williges Gehör, einen drohenden Widerhall fanden. Der hausgesesseve Handwerkerstand, der seinerzeit schwer unter dem Steuer­ druck litt, schickte sich an, die Geschlechter aus der Gewalt zu verdrängen, um durch eine gerechtere Steuerverteilung den eigenen Reihen Steuererleichterung zu schaffen. Im Teilbrief vom 19. November 1392 war den Landständen von den Fürsten verheißen, daß sie kein Ungeld, keinerlei ungewohnte Steuer und Neuerung vornehmen wollten. Trotzdem wußten die Herzoge Stephan und Johann die Gemeinde am 27. Februar 1396 zu bestimmen, ihnen vier Jahre lang vom Wein und Met eine Ge­ tränkesteuer zu bewilligen, vier Schenkmaß vom Schenkeimer^. Die Wiedergewährung des landesherrlichen Ungelds schürte nicht wenig die bestehende Mißstimmung der Be­ völkerung, die den Trank von jeher als Nahrung ansah. Als die Landstände 1395 neuerlich den Herzogen mit einer 5 prozentigen Vermögens­ abgabe Erleichterung in ihrer Verschuldung zu schaffen beschlossen, anerkannten diese, daß die Notsteuer für die Steuerpflichtigen „mer dan ir vermögen gewesen tfT. Das war ein schlechter Trost für den um seine Existenz ringenden kleinen Mann, dessen Steuer­ kraft erschöpft war. Schwer lastete die Erhebung des 20. Pfennigs von jedem Dermögenswert im Lande wieder auf der Bürgerschaft. Die Einziehung zog sich denn auch lange hin, da es der Münchner Bürgerschaft wie der Gesamtbevölkeruvg unendlich schwer fiel, so kurz nacheinander derartige Beträge aus ihrem meist im Grundbefitz angelegten Vermögen flüsfig zu machen. Welche Unsummen dabei dem Volksvermögen entzogen wurden, läßt fich aus der Tatsache folgern, daß der Rat am 17. März 1397 allein 6500 'H> H als ersten Anteil zur Verringerung der landesherrlichen Schulden an die herzoglichen Gläubiger abführte?). Ein unheimlicher Verbündeter der Unzufriedenen war die in den Sommer­ monaten 1396 grassierende Pest?). Sie steigerte die Not und Erbitterung des Volkes, mit ihr kehrten bange Angst und drückende Teuerung ein in den Mauern der unglück­ lichen Stadt. Der Rat ließ wie immer Bittgänge veranstalten bis zum Freifinger Dom und von den Seelschwestern für die armen Kranken Salben bereiten. Die Furcht vor der ansteckenden Seuche machte die reichen Mitbürger für Gottes Strafgericht ver­ antwortlich. x) H.St.A. Haus- u. Familiensachen UF. 35. — Mon. Boica 35/II S. 195. — Lerchenfeld, Die altbaier. laudständischen Freibriefe S. 30. — Rockinger, Eint. S. 226—231* 2) 3300 ungar. Gulden an Jakob Pütrich zu Reichertshausen, 2600 an Vitztum Thomas von Preysing und 4500 Gulden an Hans von Degenberg. Was die 12 geschworenen Steuerer darüber an der landesherrlichen Notsteuer vereinnahmten, sollten sie an die Herzoge selbst abführen. Mon. Boica 35/II S. 203 f. 3) K.R. 1396 fol. 51—55.

Die rapide Münzverschlechterung der in Amberg ausgeprägten Landes­ währung gab der schlechten Stimmung unter der Bürgerschaft neue Nahrung. In den Jahren 1395/96 wurde ein Tiefstand im Münzwesen erreicht. „Der bösen Münz wegen" schickte der Rat 1395 den Ratsherrn Ligsalz nach Regensburg, 1396 Boten gen Nürnberg und Landshut. Vom neuen Gepräge der Amberger Pfennige, „böse Pfennige oder ringe Münz" genannt, waren 5 gleich 4 alten Münchner Pfennigen*). Neben der minderwertigen Münze lief Falschgeld um; so versott man 1394 in der Stadt­ kammer falsche Gulden in Essig. Die schmerzlichsten Verluste trafen wie immer den Handwerker, der seiner Hände Arbeit nach festen Zunftsätzen, die sich dem Sinken der Währung nicht schnell genug anpaßten, in der entwerteten Münz bezahlt erhielt, wäh­ rend der Kaufmann seine Ware in Goldgulden berechnetes.

Kriegerische Verwicklungen taten das ihre zur Verschärfung der Lage. Auf Anrufung der Reichsstadt Ulm sagten am 4. Mai 1394 Hauptmann Graf Fried­ rich von Otlingen und die acht Rechtswahrer des schwäbischen Landfriedens den Münch­ nern als Friedbrechern Fehde an und riefen am Rhein, in Franken und Schwaben die Mitglieder des Landfriedens wider sie auf, weil sie mit Gewalt den Ulmer Bürgern und Metzgern Vintz ihr Gut weggenommen und sich dadurch eines Landfriedensbruches schuldig gemacht hatten?). Nicht minder unheilvoll wirkte sich für die Münchner Kauf­ mannschaft der berüchtigte Pütrich-Handel*) aus. Jakob Pütrich von Reicherts­ hausen, ein selbstbewußter und hoffärtiger Gefolgsmann des Herzogs Johann, führte 1393—1398 wegen einer geringfügigen Forderung von 400 Gulden eine folgenschwere Fehde mit dem Augsburger Patrizier Hartmann Onsorg und verfiel deswegen der Reichsacht. Unterm 20. Dezember 1397 beschwerte sich Onsorg beim Münchner Rat, daß Jakob Pütrich, der nach München übergesiedelt war, sich weigere seiner Anssöhnung mit der Stadt und den Herzogen beizutreten. Konrad von Stadion und Hans von Westernach wollten für die Augsburger Patrizier mit den Pütrich, Vater und Sohn, in Donauwörth fechten; aber er will „weder fechten noch rechten und treibt seinen großen Übermut und Mutwillen mit mir". Hartmann Onsorg forderte, daß die Stadt München die Pütrich gemäß dem Achtbrief nicht mehr „hause und Hofe"?). Von seiner Feste Wellenburg aus raubte und plünderte Onsorg und der mit ihm verbündete Graf Pappenheim die Münchner Kauffahrer aus, so daß sie die Nördlinger Messe nicht mehr besuchen konnten, bis die Reichsstadt Augsburg zuletzt den jungen Jos Onsorg x) K.R. 1394 u. 1395. 2) Die Schuld an dem währungspolitischen Elend, das sich durch das sinkende Vertrauen in die bayerische Pfennigmünze bitter rächte und den Bürgern Tag für Tag neue Verluste brachte, lag freilich zum allerwenigsten bei den Münchner Fürsten. Herzog Johann erhielt bis zum Mchaelstag 1396 aus einer Mark Silber nur 3% A Schlagschatz. Seit dieser Zeit erhöhte er ihn auf 4 H, gewiß immer noch ein bescheidener Satz. Von den vom 26. Februar bis zum 11. Dezember 1396 vom herzoglichen Münz­ meister Tulbeckin München ausgemünzten 5754 Mark Silber fielen dem Herzog selbst nur 90 U sß 5 als Gewinn. H.St.A. Kassasachen Fasz. 4.

3) St.A. Ratsgeschäfte 2. — Urk.-Buch der Stadt Straßburg S. 514. 4) Univ.-Bibl. Heidelberg, Pal. Germ. 676 fol. 26—32.

5) St.A. Ratsgeschäfte 79.

gefangen setzte und vieren seiner Knechte den Kopf abschlug*). Die Püttich-Fehde hatte dem Münchner Außenhandel sechs Jahre lang schwere Wunden geschlagen. Allenthalben gärte es in den mittelalterlichen Städten. In Straßburg war die große Finanzkrisis von 1389—1393 kaum überwunden, da trieb die Reichsstadt schon wieder neuen bedeutsamen Reformen zu. In Köln erstritten die Zünfte einen blutigen Sieg über die Geschlechter, in Augsburg forderten einige Zünfte unter Drohung mit Gewalt die Abschaffung des Wein- und Bierungeldes und erregten dessentwegen im Herbst 1398 einen gefährlichen Aufstand?). Die Kunde von all diesen Unruhen und von den schweren Kämpfen um die Herrschaft in den flandrischen und italienischen Städte­ republiken trug dazu bei, die allgemeine Mißstimmung in München zur hellen Flamme anznfachen. Die schwüle Stimmung entlud sich gegen den Rat. Der Aufruhr im Jahre 1397 begann mit der Forderung der „Dreihundert" nach zwei Rednern. Kaum hatte sie der Rat genehmigt, da trugen die beiden Redner Pöschel und Krell an ihn die For­ derung heran, sie wollten wissen, „wohin der Stadt Gut gekömmen wäre", und be­ gehrten Rechenschaft über Verwaltung und Verwendung der städtischen Gelder in den letzten 6 Jahren?). Der Rat wies das ungebührliche Ansinnen entschieden zurück und erklärte, keine Raitung über die vergangenen Jahre schuldig zu sein; denn Jahr für Jahr hätten Kämmerer und Steuerherren vor 20 Verordneten aus Rat und Ge­ meinde Rechenschaft abgelegt und seien entlastet worden. Die „Dreihundert be­ ruhigten sich nicht, bestanden auf ihrer Forderung und so mußte sich der Rat dazu ver­ stehen, alle Kammer- und Steuerbücher der letzten 6 Jahre unter Zuziehung von 6 Rats­ herren und 9 Ernannten der Gemeinde nachprüfen zu lassen. Der Argwohn der Gemeinde wurde Lügen gestraft?). Mißstände wie in den Stadtverwaltungen von Frankfurt, Straßburg, Braunschweig und Lübeck?) bestanden in der ratsherrlichen Rechnungsführung in München nicht. Das Ergebnis dieser Nachrechnung ist in einem bisher verkannten Kammer-Memorial erhalten?), das sich in seiner schlichten Form durch nichts von den übrigen Memorialen unterscheidet, seinem Inhalt nach aber sich als jene Widerraitung erweist und uns zugleich eine Übersicht über den Stadthaushalt

verlorener Kammerrechnungen und Steuerbücher gibt. Die rechnerische Tätigkeit der verdächtigten Ratsherren war einwandfrei, Veruntreuungen und Unterschlagungen wurden nicht aufgedeckt. x) Reg. Boica XI, 5, 40, 4Z. — Städtechroniken IV, 99—107.

2) Schmollet, Deutsches Städtewesen S. 177, Bonn 1922. — Keussen, Zur Gesch. der Kölner Revolution 1396, Köln 1888. — Paul v. Stetten, Gesch. der Stadt Augsburg S. 137, Franks. 1743.

3) „Item da hueben die redner an und die 300 und wolten wissen, wo der statt guet hin komen wär und begerten daz zu hören von dem 90. jar biz an das jar 97 jar." Städtechroniken XV, 465. 4) „Da sy wol 14 tag ob allen chamer- und steurpuechern gesassen und hin und her raiteten, da fand sich daz einnemen und ausgeben gleich, ains als ander." Städte­ chroniken XV, 466. 5) Hänselmann, Der Aufruhr des Jahres 1374 (in Braunschweig), Städtechromken VI (1868) S. 313. — Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste im Mittelalter ©♦ 28ff., 1872. — Schmoller, Straß­ burg zur Zeit der Zunftkämpfe im 15. Jahrhundert S. 47, 1875.

6) St.A.-Bände, Kammer-Memorial 1391.

Inzwischen waren politische Ereignisse von größter Tragweite eingetreten. Noch am 30. März 1397 hatte der junge Herzog Ludwig von Ingolstadt mit seinem Münchner Vetter Ernst ein Bündnis geschlossen, daß keiner den andern in seinem väterlichen Erbe verkürzen wolle, der sterbende Herzog Johann noch unterm 14. Juni 1397 aus Lands­ hut der Treue der Münchner Bürgerschaft seine beiden Söhne Ernst und Wilhelm empfohlen. Trotzdem suchte ste der rücksichtslos sein Ziel verfolgende Stephan der Kneißl von der Regierung auszuschließen. Sein Machtstreben findet willige Helfer in Jörg von Waldeck und anderen adeligen Landsassen, die am 1. Juli das feierliche Ver­ sprechen ablegen, ihm allein huldigen zu wollens. Der ergrimmte Herzog Ernst be­ antwortete diesen Treubruch mit schweren Drohungen, verwundete in München Stephans Hofmeister Warmuvd von Pienzenau schwer und verließ die Stadt, um zum Kriegszug gegen den Waldecker zu rüsten. Stephan der Kneißl seinerseits forderte immer dringender von der Stadt, daß man ihm seine Widersacher ausliefere und benannte als Zwietrachtstifter sechs der angesehensten Patrizier. Standhaft verweigerten Bürgermeister Kazmair und die Bürgerschaft zwar die Auslieferung als Verletzung der städtischen Rechtshoheit, nach der sie ihre Gefangene» selbst verwahren, verhören und richten mußten. Doch warf man Gabriel Ridler, den großen Wohltäter der Klöster und milden Stiftungen, in den Taschenturm, Ludwig Pötschner in den Ratsturm. Ulrich Ebner weilte zu seinem Glück gerade auf Geschäftsreisen in Venedig, Matheis Sendlinger und Hans Schluder brachten sich zu Pferd nach Pähl in Sicherheit?). Selbst den hochbetagten und tod­ kranken Konrad Diener mußte man auf des Herzogs unnachgiebiges Gebot hin in den Turm werfen, wo er am 13. Tag seiner Gefangenschaft verstarb. Zehnmal ließ der Herzog den Rat zusammenrufen, immer neue Ratsherren das Verhör gegen die Gefangenen führen; doch sie konnten ihre volle Unschuld erweisen. Da ließ man sie frei. Ernst sammelte bereits bei Aubing ein Kriegsheer von 500 Berittenen um sich, darunter Schwaben und Franken, den Waldecker zu sahen. Sein Vetter Ludwig aber begehrte von den Münchnern Kriegshilfe, die „Fremden aus dem Lande zu schlagen". Trotz allen Drängens versagten Rat und Bürgerschaft jede bewaffnete Hilfe und ver­ hinderten noch einmal eine blutige Auseinandersetzung zwischen den Fürsten. Die von Fürstenrivalität umworbene Stadt wird zum Kampfplatz schwerer innerer Umwälzungen. Bürgerkrieg und Fürstenkrieg gehen ineinander über. Am 14. April 1398 versammelt sich die Gemeinde in nie gekannter Stärke auf dem Rathaus. Hoch gehen die Wogen der Leidenschaft, stürmisch verlangt die allmächtige Partei der Un­ zufriedenen Rechenschaft über die Verwendung der städtischen Steuergroschen. Man heißt die bestürzten Ratsherren abtreten. Ohnmächtig ziehen sie sich verzagt in die kleine Ratsstube zurück. Draußen tobt die erregte Masse. Ein Schwertfeger schreit laut: „Wir sollten die Bösewichter alle nehmen und ihnen die Köpfe abschlagen." In großer x) H.S1.A. Haus- u. Familiensachen UF. 36. — Mon. Boica 35/II S. 205. 2) Sendlinger und Schluder werden am 2. Januar 1398 durch die Ingolstädter Herzoge und die Stadt München aus dem Burgfrieden verbannt. Neuburger Kopialbuch XIV fol. 40, 323V.

Gorge horchen drinnen 33 Ratsherren auf die drohende Sprache des Volkes, in großer Sorge schicken sie die Beherztesten, Bartolme Schrenk und Jörg Kazmair, mit der Bitte hinaus, den Rat anzuhören. Wilder Tumult begleitet diesen Vorschlag. Schließlich einigt man sich auf einen Untersuchungsausschuß von 60 Vertretern der Gemeinde*). Tagelang sitzt der Rat mit den 60 Verordneten wieder über den Rechnungsaus­ zügen und als er am 20. April an einem Samstag Nachmittag eine Ruhepause ein­ legen will, nimmt die Umsturzpartei die Weigerung als ersehnten Anlaß zum Bruch. Man gibt Parole aus ans Volk, sich heimlich zu bewaffnen. In Hellen Haufen, in Wehr und Waffen strömt die Bürgerschaft ins Augustinerkloster, ihre gepanzerten Fäuste, Spieße und Schwerter reden eine deutliche Sprache. Man fordert und erzwingt vom Rat die Auslieferung der Stadtbanner, der Sturmglocke und der Torschlüssel. Stadthauptleute und Bannerherren werden abgesetzt und eigenmächtig neu gewählt. Aus Furcht für ihr Leben reiten Hans Rudolf, Ulrich Ebner und Bartolme Schrenk aus der Stadt. Ihre berechtigte Bitte, unter Zusicherung vor Gewaltakten ihr Recht vertreten zu dürfen, beantworten die neuen Machthaber mit Beschlagnahme ihres Hab und Gutes; der Pfändermeister wird in den Turm geworfen, weil er sie nicht ge­ fangen einbrachte?). Wieder liest man Ende April der Gemeinde den Auszug aus Steuer- und Kammer­ büchern vor, mäkelt an den Ausgabeposten herum, verhört jeden der Angeschuldigten einzeln vor versammelter Gemeinde?). Das Urteil ist gefällt, ehe die Schuldfrage ge­ stellt ist. Man läßt den Vorgeladenen nur die Wahl, eine Buße zu zahlen oder sich ein­ sperren und nach peinlichem Recht verhandeln zu lassen. Notgedrungen verstehen sich alle zur Zahlung der auferlegtev hohen Strafgelder. Je mehr die Bürgerschaft an den bisherigen Trägern der Macht irre wird und diese, mit sich selbst zerfallen, das Vertrauen in ihre Herrschaft aufgeben, um so mehr gerät die allgemeine Ordnung ins Wanken, desto weniger ist der wache Argwohn des Volkes zur Ruhe zu bringen. Die neuen Kämmerer Sighart Hudler und Peter Krümbel wer­ den nach nur sechswöchentlicher Tätigkeit, ihre Nachfolger nach 2% Monaten ihres Amtes enthoben. Immer mehr Horcher schickt die mißtrauische Bürgerschaft zur Rechnungsabhör und da auch ihre Aufsicht das Abgleite» der Haushaltführung nicht ver­ hindern kann, verlangt und erzwingt sie tätige Mitarbeit; einer der drei Kämmerer muß aus ihren Reihen genommen werden*). Am i. Juni 1398 wählt die Gemeinde einen neuen Rat und fordert binnen 14 Tagen eine Aufstellung über die Verschuldung der Stadt an Bürger und Fremde durch Leib- und Ewigrenten*). Die neuerwählten Kämmerer treten am 22. Juni 1398 T) Städtechroniken XV S. 472, 474. 2) „Da hueb man an und sagt der gemain aber den auszug vor, gar gröblichen, und schikheten da nach allen den, die der auszug angtng, und namen jeden besunder für die gemain." Städtechroniken XV, 479. 3) Städtechroniken XV, 476s., 478. 4) K.R. 1396 fol. 74; 1397 fol. 77; 1398 fol. iv, 61; 1398/99 fol. 1. 6) Städtechroniken XV, 480.

ihr schweres Amt an: Jörg Kazmair vom inneren Rat, der ein großes, vornehmes Haus führte*), ein rechtlicher, von beiden Parteien geschätzter Mann, aber ohne die rücksichts­ lose eiserne Willenskraft, die eine so schwere Zeit erforderte; der vermögende Andreas Tichtl und der reiche Hans Jmpler, beide mit an der Spitze der revolutionären Bewegung siehend. Der Fürstenspruch von Göppingen vom 4. Juli 1398 anerkannte Ernst und Wilhelm als Landesherren, räumte ihnen die gleichen Rechte ein wie den Ingolstädtern und schuf damit den unerträglichen Zustand der Vierherzogregierung, die von neuem die Feindschaft der Fürsten und den Unfrieden im Lande belebte. Ulrich Tichtl, der selbstbewußte Führer der revolutionären Bewegung, war selbst mit fünf Ratsherren zu den Beratungen nach Göppingen geeilt. Als aber die jugendlichen Herren die städtischen Freibriefe nur bis zum Tod ihres Vaters, nicht aber bis zum Tag des Regierungsantrittes bestätigen wollen, verweigert ihnen München den Treueid. Herzog Ernst beantwortet diese Kampfansage am 29. August mit einer Kriegs­ erklärung^). 400 Berittene der Herzoge Ernst und Wilhelm überrennen trotz des Geleits durch 70 Ingolstädter Reisige einen vom Landshuter Bartolmä-Markt heim­ kehrenden Kauffahrerzug und führen 6 Münchner gefangen nach Dachau. Das ist das Zeichen zum Anschluß der fieberhaft rüstenden Stadt an Herzog Ludwig, der im Bunde mit München den Krieg wider seine Vettern beginnt. Jörg Kazmair, ein ehrlicher Gegner der gewagten Empörung und stiller Anhänger und Parteigänger der angestamm­ ten Herzoge Ernst und Wilhelm rettet sich durch heimliche Flucht^). Waren schon zu Beginn der Revolution als ihre Wortführer, welche mit Gewalt alles Bestehende ver­ bessern und das Faule beseitigen wollten, und unter den „Kläffern", die zu ihrem Tun Ja und Amen sagten*), Handwerksmeister stark hervorgetreten, der Metzger Fueß, der Bäcker Rogeis und Hofbäck Simon, die Schuster Riter und Straß, der Kürschner Jörg, der einäugige Schneider Ulrich, der Panzerschmied Kunz, der Messerschmied Englhart, der Lederer Grimm, der Fragner Hämerlein, die Kupferschmiede bei den Augustinern, der Schmied Friedl, der Wagner Schöchl, so warfen sich jetzt handfeste Gewerbemeister noch mehr zu Herren der Stadt auf: Die Schmiede aus der Neuhauser­ gasse, die Weber von der Schmalzgasse, die Jrcher, Loder und Lederer der Graggenau und Jrchergasse, die Flößer vom Tal Mariä, die Fischer von der Fischergasse und vom *) So stieg die Gräfin von Württemberg, als sie 1394 die frohen Fastnachttage in München verbrachte, ans Wunsch des Herzogs Johann bei ihm ab: „Item tenetur 15 t6 5^12^1 Ratisponensium, die ich Jörgen dem Kacmair bezalt han, von der von Wirttenberg begen, die sie dacz im vorzert hat, do sie hie was vor vasnacht. und das gelt ha« ich wezalt in der Wochen vor dem palmtag in der vasten 94." H.St.A. Kassasachen Fasz. 4. Kazmair ist auch Vertrauensmann des Herzogs Heinrich von Landshut, der ihn am 5. Okt. 1406 als „seinen Wirt" bezeichnet. H.St.A. München GU. 178. Mit Jörg Kazmairs Enkel gleichen Namens verblaßt der Stern der Familie. Er hatte drei Frauen, Dorothea Stupf, Beatrix von Hausen (f 1485) und „wiederum ein leichtfertig Weib, damit er all sein Gut vertan, die dritte Frau". Schrenk-Chronik. 2) H.St.A. Neuburger Kopialbuch XIV fol. 40. — Städtechroniken XV, 481—484. 3) Städtechronikea XV, 486 s., 528 ff. 4) „Die ersten Bösen", „die darnach Bösen", „Kläffer und Ja-Herren". Städtechroniken XV, 463 ff-

Tal Petri, die Amer von der Cnggassen, die Schäffler von der Schäfflergassen, die Kürschner von der Schwabingergasse, die Panjermacher, Sporer, Ringler und Bader und viele namenlose Gesellen und unbekannte, kaum heimische Zuzügler vom Lande, die Hans und Heinz, die Hänsl und Hansjörg, die Klaus und Ul, die Andrä und Matheis, die Ott und Utz, Jörg, Gilg und Veit, die Kunz und Lindl, die Thoman, Wernher und Bartholmä, sie bestimmen plötzlich statt der Geschlechter die Geschicke der Stadt. Mißliebige fürchten für Hab und Gut, Leib und Leben und entweichen vor dem strafen­ den Volkszorn; die Bürgerschaft deutet ihre Flucht als Eingeständnis ihrer Schuld und fordert ihre Bestrafung. Man beschlagnahmt das Vermögen der Entwichenen, Vertriebenen und Geächteten für den Stadtsäckel und verschleudert ihren Hausrats. Die liegende und fahrende Habe der verbannten Patrizier Kazmair, Schrenk, Ridler und Ligsalz bringt große Summen ein. Der Erlös aus dem verwerteten Besitz der Bestraften und die Geldbußen — Hans Pütrich muß allein 937 ungarische und böh­ mische Gulden Strafe zahlen — machen im Jahre 1398/99 4459 Goldgulden aus. Die Liegenschaften der Verbannten werden zumeist für die Stadt verpachtet^). Frauen und Angehörige der Vertriebenen und Geflüchteten werden unbarmherzig von Haus und Hof verjagt und ins Elend gestoßen, ihre treue Dienerschaft in den Turm geworfen oder mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt^). Die Läufe nehmen eine Wendung, daß schon da und dort Stimmen des Miß­ vergnügens laut werden. Goldschmied Heinrich Gerhart läßt sich zu lauten Äuße­

rungen des Mißfallens gegen die Zünfte und Gemeinde hinreißen, der Rat sperrt ihn in den Turm. Er schwört am 3. Juni 1399 Urfehde und gelobt, nicht ohne Erlaubnis von der Stadt zu ziehen. Das gleiche Schicksal ereilt den Goldschmied Ulrich Kurz und sein Weib, als sie Drohungen gegen den Rat ausstoßen^). Wie bei jedem Um-' stürz die Verwaltung die bitterste Kritik erfährt, so müssen die Träger der städtischen Amtsgewalt vor anderen unter der Revolution leiden. Man entsetzt städtische Beamte, der Stadtschreiber Niklas Vainagg wirb in den Turm geworfen und legt am 1. Juni 1400 gegen Urfehde sein Amt nieder^). Am 4. Juni 1401 trifft das Schicksal der Amts­ öl Der Hausrat des Jörg Kazmair erlöst 52 «og. Gulden und 19 # 7 § 25 L,; de» Hausrat des Bartolmä Schrenk kauft Fra«; Afialler für seine Mutter ttm 50 ungar. Gulden. 2) Die Zinsen aus den Häuser« derer, „den die siat verboten ist und auch etlicher, die auch da außen sind", machen nach der K.R. 1398/99 toi. 23 56 $ 4 ß 19 aus. Laut K.R. 1402/03 fol. 23 betragen die Zinsen aus Häusern, Läden, Ängern der Vertriebenen bereits 220 ti 6ß 5 S 6 ß 12 ~i. Beim Rudolf Schluder, Ebner und Sendlinger verkauft die auft rührerische Bürgerschaft 229 Scheffel Roggen und 40 Scheffel Haber für 105 *ti> 4ß 3 St. Dazu wurden 686 Scheffel Getreide beschlagnahmt und für die Stadt verbraucht: Im Haus des Rudolf 420 Scheffel Roggen, 101 Scheffel Haber, 18 Scheffel Körner, im Haus des Schluder ui Scheffel Roggen, 17 Scheffel Haber und 12 Scheffel Fesen; beim Ebner 2 und beim Sendlinger 5 Scheffel Roggen. Davon wurde» 225 Scheffel Rogge« für den Feldzug verbacke», 29 Scheffel aufRatsgeheiß an Bürger verschenkt, 50 Scheffel Haber an Herzog Ludwig von Ingolstadt gereicht, 35 Scheffel Getreide dem Kleriker von Rottenbuch gegeben, ein Teil im städt. Marstall verbraucht. K.R. 1398/99 fol. 27—28V. 3) Liber malorum hominum fol. i6v. — Städtechroniken XV, 488ff. *) Liber malorum hominum fol. 12—13V. 5) K.R. 1399/1400 fol. 110. — Liber malorum hominum fol. 13V.

entsetzung auch den ersten Zöllner am Saljscheibenzoll Kunz Reiswadel; „da ward er auch abgesetzt von dem zoll", bemerkt bissig der Stadtschreiber^). Lauter wird der Schrei nach wirtschaftlicher Besserung. Unterm Druck der Massen wächst der Anteil der Zünfte und der Gemeinde an der Überwachung des Stadtregimevts. Und doch kann das neue Regiment die Schwierigkeiten so wenig meistern wie das alte. Der Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben gestaltet sich immer schwieriger, die Zinszahlung stockt, der Kredit der Stadt bleibt erschüttert. Auswärtige Renten­ gläubiger bestürmen den Rat mit Mahnbriefen wegen ihrer versessenen Renten, fremde Städte verwenden sich für geschädigte Mitbürger, die Einstellung der Rentenzahlungen verrät dem Volk die Geldverlegenheit der Stadtkammer. Sich Klarheit über die Ver­ schuldung des Gemeinwesens zu verschaffen, rechnet man vor Michaelis 1399 mit allen Gläubigern und Leibrentnern der Stadt auf dem Rathaus ab*2).* 4Schulden *6 deckt man durch neue Schuldverschreibungen ab. 10000 Gulden Verpflichtungen des Ingolstädter Herzogs werden so aus Stadtkammer und Steuer an seine Gläubiger abgeführt. In den folgenden Revolutionsjahren nimmt die Verschuldung derart zu, daß sich städtische Gläubiger wiederholt befriedigt erklären, wenn sie statt ihrer Barforderungen Entschädigungen von Naturalien von annäherndem Wert erhalten^). Eine tragische Wendung nimmt die große Revolution durch die Verschärfung des Wittelsbachischen Familienstreites, der Stadt und Bürgerschaft ins Verderben zu ziehen droht. Unsere Kenntnis des bewegtesten Ausschnittes Münchner Stadtgeschichte ver­ dankten wir bisher vornehmlich der Denkschrift des Jörg Kazmair*), die er als Flüchtling im Elend schrieb. Das harte Schicksal des von der Revolution schwer getroffenen Mannes mußte naturgemäß zu einer gewissen Einseitigkeit im Urteil und zu einer vernichtenden Wertung der großen revolutionären Bewegung führen. Auf der Suche nach neuen Quellen ist es mir gelungen, im Nachlaß des berühmten kur­ bayerischen Hofbibliothekars nnd Sammlers Andreas Felix von Oefele°) eine zweite chronikalische Quelle ausfindig zu machen, deren besonderer Reiz und Wert darin liegt, daß sie, vom Standpunkt der in München verbliebenen und regierenden Gesamtbürgerschaft aus geschrieben, ein Gegenstück zur bisherigen Überliefe­

rung bildet und sie in vielen wesentlichen Punkten ergänzt und berichtigt^. Unsere *) K.R. 1400/02 fol. 5. 2) K.R. 1399/1400 fol. 107v. 8) Der Pflarrmdorfer erhält einen Schuldbrief über 3000 Gulden, der jüngere Schweicker von Gundelfingen für eine Forderung von 1800 Gulden eine Leibrente von jährlich 600 Gulden zugestanden. Der Ingolstädter fordert i. I. 1400 wegen dieser 10000 Gulden noch 270 Gulden Schadenersatz für Zahlungsverzögerung, 150 Gulden Aufwertung und 369 Gulden Zehrungs­ kosten. K.R. 1399/1400 fol. 136V.—138. — St.A. Akten, Auszug aus dem Stadtkammerbuch 1399. K.R. 1400/02 foi. 39—42, 103V; 1402/03 fol. 35. 4) K. A. von Muffat, Jörg Kazmairs Denkschrift über die Unruhen zu München in den Jahren 1397—1403» Chroniken der deutschen Städte XV (Leipzig 1878) S. 411—553. 6) Sein Lebensbild bei Karl Trautmann, Kulturbilder aus Alt-München I, 43—93, München 1918. 6) „Ursachen des bayerischen Krieges zwischen Herzog Ernst und Wilhelmen Ge­ brüdern eines- und Herzog Stephan und Ludwigen, Vater und Sohn, andern Teils, darunter die Stadt München viel Unrat ausgestanden, dann diese jeder Teil tnnhaben und für seinen Teil besitzen wollen. Staatsbibliothek, Oefeleana 308/1.

SU

neue Quelle, die der weiteren Darstellung zugrunde liegt, unterrichtet uns bewußt über die Vorgänge, die nach der Flucht Jörg Kazmairs zu einer geheimen Verschwörung innerhalb der Bürgerschaft, zum Versuch einer Gegenrevolution und zu ihrer blutigen Niederwerfung führten, um den Sturz des Volksregiments zu verhüten: Unter Berufung auf ihren Eid und die ihnen nachgerühmte Treue, die sie höher schätzten als Herrengunst, wollte die Stadt in keine neue Teilung willigen. Darüber aufgebracht, benahmen sich die Herzoge Ernst und Wilhelm gegen die Münchner nicht gerade klug, gegen einige innere Ratsherren sogar „ungnädig und gewalttätig", nahmen einzelnen, zu den Ingolstädter Herzogen haltenden Patriziern ihre Schlösser auf dem Lande weg und warfen die Schloßvögte in Gefangenschaft. Durch „heimliche, ge­ schwinde Praktiken" ihres Kanzlers gewannen sie etliche vornehme Ratsherren und Bürger und erfuhren bisweilen durch Bruch der Amtsverschwiegenheit selbst die ge­ heimsten Ratsbeschlüsse, noch ehe der Rat aus dem Rathaus kam; denn vier Rats­ herren des alten Regiments hingen dem Fürsten mehr an als der Stadt, der sie durch Eid verpflichtet waren. Anfangs ahnte dies niemand, weil sie ihre Untreue vor jeder­ mann geheimhielten. Das alles aber brachte der „leidige Ehrgeiz und Eigennutz zuwege", sagt unser Gewährsmann; denn Konrad Trinner, einer des inneren Rates, hatte als Tochter­ mann des Herzogs Ernst geheimen Kanzler und Rat Friedrich Wolgemut, „der ein gar verschmitzter, runder Kopf, in allen Sätteln gerecht, wie man sagt, mit dem Teufel in die Schul gegangen. Der trieb und rieb das ganze Werk seines Gefallens. Und hoffte damit dem Herzog Ernst als dem ältesten das Placebo zu singen". Er redete ihm ein, die Zusammenlegung der Regierung wäre seinem Vater Johann von Herzog Stephan aufgevötigt worden. Zum Kanzler paßte nicht Übel der Ratsherr und Salzsender Ulrich Stromayr, der des Kanzlers Wolgemut Schwägerin (Weibs-Schwester) zur Ehe hatte. „Sie lag dem Kanzler Tag und Nacht in den Ohren, damit das gesuchte Gubernament allein bei des Ernesto einem Anteil verbleiben möchte, in der Hoffnung, da­ durch in große Gnaden und zu versprochenen staatlichen Ehren und Dignitäten zu kommen." Zu beiden Ratsherren gesellte sich als Dritter im Bunde ihr Schwager, der äußere Ratsherr Thoman Haidvolk, allen Zünften „ein gar angenehmer Mann" wegen seiner umsatzreichen Verlegerschaft in den vornehmsten Hantierungen. Er war ein unternehmender Händler, vornehmlich mit Geschmeide und kunstgewerblichen Arbeiten. Verwandtschaftliche Bande zwischen dem ersten Beamten und geheimsten Berater Herzog Ernsts und drei angesehenen Münchner Ratsherren bildeten also den Ausgangspunkt der Gegenbewegung. Philipp Sendlinger und Wilhelm Fossa begünstigten das gefährliche Beginnen, indem sie vornehme und „ganz blinde" Zunftmeister in der Kreuz- und Sendlingergasse, die zumeist im Rat der Dreihundert saßen, so den Jakob Rueßhamer, Ulrich Seitz, Melchior Saurlacher, Philipp Schuster, Salomon Zink, den Plattner Utting, Grundlkofer, Naderer, Schmutzler, Purolfinger zu ihrem Anhang zählten und wider den inneren und großen Rat aufwiegelten. Die drei Rädelsführer Trinner, Stromayr und Haidfolk hielten mit den genannten Vierern des Handwerks, Bürgern und Rats-

Herren, in der alten Veste heimliche Zusammenkünfte ab. Der Trinner erhielt vom Kanzler schriftliche Anweisung, was sie in ihrem geheimen Rat beraten und beschließen sollten und brachte all das mit Eifer und „glatten Worten" vor den Verschwörern vor. „Alles war so fein und verdunkelt angesponnen, daß die meisten Zunftmeister, die diesem heiMchen Glockenguß etliche Tage beiwohnten, im Unklaren blieben, ob ihr Tun für oder wider die Stadt, für oder wider den Rat und sie selber sei." Dem Kanzler gelang es, die erhitzten Gemüter in ihrem Vorhaben zu bestärken und wider den Rat mit dem Vorbringen einzunehmen, daß Herzog Ludwig an unter­ schiedlichen Orten in Bayern wider seine Münchner Vettern gar übel Hause und etliche Schlösser mit Gewalt einnehmen, zerstören und schleifen lasse. Um dem vorzubeugen, gebe es kein anderes Mittel, als den Widerstand gegen den Rat und die willige Er­ gebung an die Herzoge Ernst und Wilhelm. Als der Rat der Verschwörer fast vollzählig besetzt und Trinner, Haidfolk, Stromayr und Jmpler als neue Stadthauptleute vorgeschlagen waren, gingen diese heim­ lich, meist während der Sonntagspredigt zu den Zünften, eröffneten ihnen die Namen der neuen Ratsherren, verbargen aber wohlweislich ihr Vorhaben. Sie suchten die Zunftmeister und Handwerker lediglich zu bereden, den Plänen und Beschlüssen der geheimen Verschwörer willig beizupflichten. Die Gemeinde aber, vornehmlich die im Rat vertretenen Zünfte der Wirte, Weiß­ gerber, Krämer, Schuster, Lederer, Hutmacher, Schneider, Schlosser, Kupfer- und Gold­ schmiede waren nicht so unbedachtsam und wollten Zweck und Ziel des ganzen Planes wissen und den Redner des großen Rates, den äußeren Bürgermeister Konrad Ängstlich hierüber hören. Dadurch kamen die „heiMchen, schädlichen Praktiken" der Verschwörer an den Tag. Nikolaus Schrenk von Notzing hielt im inneren Rat, „der damals aus­ schließlich von den Geschlechtern, lauter geschickten, erfahrenen Männern besetzt war", im kleinen Stübel auf der Talburg, eine wohlgesetzte Rede; „nicht ungleich dem Cicero gegen Catilina", sagt unser humanistisch gebildeter Gewährsmann. Ernstlich und ein­ dringlich ermahnte er, dem angefachten Feuer zuvorzukommen und stellte den vor­ nehmsten Verräter der Vaterstadt mit dessen eigener Handschrift bloß, so daß er scham­ rot wurde. Darob geriet Bartolme Schrenk — der die Anna Astaller zur ersten, die Elisabeth Schreiber von Grünbach zur zweiten Frau hatte*) —, im ehrlichen Eifer in solche Wut, daß er den Trinner bei den Haaren zerrte, bis ihm der lange Karl Ligsalz, der Mann der Margret Bart, Hans Weißenfelder, der Mann der Agnes Schrenk, der Bürgermeister Johann Rudolf und andere Einhalt geboten. x) Die Familienchronik der Schrenk, welche übereinstimmend die Namen seiner Frauen angibt, schildert ihn (f 1433) als starke Persönlichkeit von strengem Antlitz und unerschrockenem Wesen. Wie sie erzählt, war er seinen Herzogen Ernst und Wilhelm, als „sie Herzog Ludwig austrieb" (!) allzeit an­ hänglich und brachte ihretwegen freudig Opfer an Leib und Gut. Nach der Kazmair-Denkschrift (Städte-Chroniken XV, 470, 474, 476, 478, 492, 496) half Bartolme Schrenk noch am 28. Dezember 1397 auf Befehl des Ingolstädter Herzogs Stephan 6 Patrizier gefangen setzen, vertrat am 14. April 1398 die Sache des bedrohten, eingeschlossenen Rates vor der aufrührerischen Gemeinde, ritt April 1398 aus der Stadt und führte zu Ostern 1400 in Ingolstadt die Sache der Ent­ wichenen und Vertriebenen. Als Herzog Ernst mit seiner Gemahlin anfangs November 1400 auf Bitten der Bürgerschaft wieder nach München zurückkehrte, muß Schrenk in ihrem Gefolge gewesen sein.

Ohne Verzug verließ der innere Rat die Ratsfinbe und ließ den Trinner, wohl bewacht oben in ein Stübel ob der Talbnrg werfen und sogleich den äußeren Rat, mit ihm Stromayr und Haidfolk, in der gewöhnlichen Ratsstube versammeln. Auch hier wurden die beiden ahnungslosen Hauptverschwörer in der großen Ratsstube in sicheren Verwahr genommen und noch in der gleichen Stunde der große Rat, nicht wie üblich durch die Ratsglocke, sondern durch stilles Umsagen der vier Viertelsknechte von der Gerichtsschranne auf der Talburg jusammengerufen. Vor versammeltem inneren, äußeren und großen Rat der Dreihundert ward die ganze Verschwörung mit allen Einzelheiten aufgedeckt und alsbald 16 Zunftmeister und die beiden äußeren Rats-

herren in Haft genommen. Die gewaltsame Spannung, welche die ganze Bürgerschaft erregte, entlud sich und forderte ihre Opfer. Am 8. November 1400, einem grämlichen Novembertag, saß Stadtrichter Jörg Ottlinger im Rathaus am offenen Gericht, mit ihm der innere, äußere und große Rat der Dreihundert und viele Zunftmeister in feierlicher Sitzung des Malefizgerichts. Bürgermeister Ulrich Haldenberger und der Redner des großen Rates Konrad Ängstlich klagten gegen die drei Rädelsführer, daß sie und andere Leute in der alten Veste heimliche Beratungen pflogen und vier Hauptleute erwählten, die zu den Handwerkern gingen, um sie für ihre heimlichen Pläne zu gewinnen, wodurch sie Arm und Reich um Leib und Gut bringen wollten. Damit hätten sie wider der Stadt Briefe und Freiheiten, Rechte und Gewohnheiten, wider Ratssatzung und Rats­ gebot gefehlt: Wer außer dem Rathaus heimliche Beratungen oder Bündnisse mit­ einander hat, verfällt der Stadt. Die Angeklagten hatten ihre heimlichen Beratungen und Bündnisse und damit ihre Schuld eingestanden und damit bekannt, daß ihr Leib und Gut der Stadt ver­ fallen sei. Der Richter war unschlüssig und wollte in seiner Gewissensnot nicht auf den Tod der Angeklagten erkennen. Niemand aus der eingeschüchterten Anhängerschaft wagte zu ihren Gunsten ein Wort der Verteidigung. Auf des Richters Frage erkannten Rat und Zunftmeister auf den Tod. Der Richter fragte den Freimann, welchen? Der antwortete: nach der Anklage hätten sie einen schwereren Tod verdient; man solle sie aber mit dem Schwert richten und enthauptens. Noch am gleichen Tag rollten die Häupter der drei Ratsherren in den Sand am Marienplatz. Sie bezahlten den Versuch der revolutionären Be­ wegung Einhalt zu tun, die verbannten Mitbürger zurückzurufen und die alte Ord­ nung wieder herzustellen, mit dem Lebens. Ihr Verbrechen war, daß sie Fürstentreue über Bürgerpflicht gestellt hatten. Die Enthauptung der Ratsherren ist wieder für viele das Zeichen zur Flucht. x) Mon. Boica 35/II S. 223—225. 2) „Item 12ß 26 $ hab wir gebn maister Hanß, daz er dem Haidfolk, dem Triener und dem Stromer die haubt abslug und umb strick und hantschuch, die er dartzu nützat und umb schäb, der er yn auf der mart under straet." K.R. 1400/02 fol. 119. Das alteingesessene Geschlecht der Haidfolk — bereits K.R. 1325 fol. 9 erhält eine Haitvolktn 1 A H aus der Stadtkammer — verlor mit dem enthaupteten Ratsherrn den Letzten seines Stammes.

Immer weiter wird der Kreis derer, die im Elend weilen: Gabriel Ridler, Jörg Kazmatr, Hans Rvdolf, Karl Ligsalz, Konrad und Franj von Hansen, Peter und Ludwig Pötschner, Hans und Konrad Schluder, Matheis Sendlinger, Matthias und Bartolme Schrenk, Ulrich Ebner, der Goldschmied Johann Tulbek, Mnwich Resch, Hans Bart, Hans Pütrich, Sighart Hudler, Ulrich Strang, Jörg Nöckerl, der Zöllner Ott Spiegel, Hans Zöllner, Prasch, Matheis Wun, Hans Goldschmied, Guß, Günther und viele andere. Gegen den Widerstand der Metzgerzunft müssen die Zünfte i. I. 1400 eidlich beschwören, daß sie die Rückkehr der Entwichenen nimmermehr dulden. Schiedstage in Nürnberg, Heidelberg, Augsburg, Amberg, Ingolstadt und Landshut lösen einander ab, ohne Ergebnis. In Landsberg und Dachau suchen die Vertriebenen Recht. Ihre Hilferufe an die Fürsten und selbst den König verhallen ungehört. Überall lauert man ihnen auf. Im Februar 1401 vollstreckt man in München das Todesurteil am Metzger Schechner und einem Mesnerknecht; Konrad Trinners Nachbar, der Schuster Berchtold Pfunzner, der Metzger Verchner und Hans Weinmann von der Burggasse müssen nach ihrer Entlassung aus der Haft zu Schimpf und Schande an den Kleidern rote Räder und Kreuje tragens. Heinrich Trinner wird vom Krankenlager weg ins Ge­ fängnis geholt, wo er am 9. Tag seiner Gefangenschaft verstirbt. Sein Schwieger­ vater Ruprecht Freymann flieht und stirbt aus Kummer im Exi?). Herzog Ernst zieht erneut aus der Stadt, als er sieht, mit welcher Härte die Bürgerschaft gegen die ihm treu Ergebenen verfährt. Im März 1401 führt er bittere Klage, daß die Vertriebe­ nen und Geächteten trotz des Heidelberger Spruches von Herzog Ludwig und seinem Anhang Recht und Sicherheit für Leib und Leben nimmer erlangen könnens. Seine Streitkräfte tun den Münchnern und ihren Landgütern bald viel Schaden, so daß die Stadt den Herzog Stephan um Beistand anruft, der alsbald nach München über­ siedelt. Während draußen Bürger und Bürgersfraue» in der Verbannung herumirren*), feiert man 1401 in der Stadt nach altem Brauch frohe Sonnwend. Der 64jährige Herzog Stephan und „das Frauel", die ihm jüngst ««getraute 23 jährige Gräfin Elisa­ beth von Kleve tanzen auf dem Marktplatz mit den Bürgerinnen beim mitsommerlichen Sonnwendfestb). Unterdessen betrieb Herzog Ernst so energisch seine Kriegsrüstungen, daß er selbst den Rock, den er sonst am Leib trug, durch seinen Ungelter aus dem neuen Weinungeld beim Pfandleiher auslösen lassen mußte und die goldenen Gürtel der Herzogin vor Allerheiligen 1400 wegen lumpiger 27% Gulden verpfändet wurden. Den Herzog Friedrich von Teck, die Marschälle von Pappenheim und Wellenheim, 91 Grafen, Edle und Ritter aus Bayern, Schwaben und Franken nahm er, zum Teil mit ihren Burgen und mehreren Reisigen, für 16583 Gulden auf ein Jahr in Sold. Die schweren Verluste an Pferden, Harnischen, Panzern, Stechhelmen bis zu dem Tag des Jahres 1) 8) 3) 4) durchs 6)

K.R. 1400/02 fol. 24. — Städtechroniken XV, 491 ff., 541. Cgm. 1993 fol. 489, 490. H.St.A. Haus- u. Familiensachen UF. 39. Karline, des Ligsalz Weib, reist schon im September 1398 mit einem Schutzbrief Herzog Ernsts Land. St.A. Korrespondenzen 69. K.R. 1400/02 fol. 94 v. — H.St.A. Haus- u. Famtliensachen Fasz. 39k.

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i402, an dem der Anleger der herzoglichen Verpflichtnngsliste selbst in Gefangenschaft gerät, lassen erkennen, daß Herzog Ernst den ihm anfgedrnvgeven Kampf unter Ein­ satz aller Kräfte führte. Eine weitere Aufstellung über die Schuldverschreibungen der jugendlichen Herzoge Ernst und Wilhelm lautet auf 93023 Gulden, die sie für den Kampf um München verausgabt hatte»*). Um das Zahlungsvermögen der Ingolstädter Herzoge war es nicht besser bestellt, wie die Münchner Bürgerschaft, die bisher nur die Lichtseiten sah, jetzt aus der Nähe erfahren sollte. Stephans Kassen waren so leer, daß er im August 1401 nicht einmal einen Diener seines Hofgesindes Christian Bretzeldorfer bei der Bürgerin Margaret Blümel auslösen konnte, der er sich für seinen Fürsten um 102 'tA H verbürgt hatte?). Am 4. Februar 1402 machte Herzog Stephan dem Gebhard Gillinger das traurige Zugeständnis, sich mit seinen und seiner jungen Frau Herzogin Elisabeth Pfändern bezahlt zu machen, wenn er eine Pfandschuld von 438 ungar. Gulden bis Mittfasten nicht einlöse. Wieder einige Tage später, am 25. März 1402, mußte die Stadt dem Herzog Stephan seiner „gar fleißigen Bitte willen zu seiner Notdurft 1000 ungarische Gulden und Dukaten leihen. Auch mit der Begleichung der Lieferungen an die Hof­ küche seitens der Münchner Fleischhacker Paul Schechner und Lorenz Mornheimer blieb er seit Jahren sattsam im Rückstand?). Der neue Rat aus den Handwerkern hatte das gemeine Beste gewollt und doch wurde seine Stellung immer schwieriger, die geldliche Lage der Stadt immer trostloser, die unbeglichenen Schulden höher, die Anforderungen für Wache» und Kriegsdienst schwerer. Der Sturz des Geschlechterregimevts hatte nicht die erhoffte Erleichterung an Steuern und Abgaben gebracht, die Handwerker-Ratsherren handhabten die Steuer­ schraube eher härter, im Jahre 1400 erhob man zweimal hintereinander, Ende Juni und September, eine Bürgersteuer*). Aber diese Doppelsteuer vermochte so wenig wie die weitgehende Vermögensbeschlagnahme der geächteten und entwichenen Bürger der unheimlich zunehmenden Verschuldung Einhalt zu tun und den Haushalt ins Gleich­ gewicht zu bringen. Die schlagenden Werke, Hammer und Mühlen vor der Stadt standen in den unruhigen Zeitläuften nicht selten still. Verkehr und Handelschaft lagen so schwer darnieder, daß die Eingänge des herzoglichen Großzolles vom 30. Mai 1400 bis ii. Dezember 1401, also in 80 Wochen, nur 3138 A 84H betrugen, somit um 3*/2 46 *des 6 gewohnten Standes zurückgegangen waren?). Die Sehnsucht nach der Rückkehr friedlicher Verhältnisse wuchs und zählte ihre Anhänger nicht bloß unter den 1) Unter den Großgläubigern erscheine» von Münchner Geschlechter» Hans Rudolf mit 5000 fl., Hans Schluder mit 3300 fl., Matheis Sendlinger mit 1900, er und Andreas Bart mit 700, Jörg Pütrich mit 600, Rudolf Schluder und Jörg Kajmair mit 1300 Gulden. H.St.A. Kassasachen, Fast. 4. — Mün­ chen GU. Fasz. 13. — Fürstensachen Lit. 1322V2. 2) H.St.A. Aldersbach Kl. U. 594. 3) H.St.A. München GU. Fasz. 13, 14, 16. — Mon. Boica 35/11 S. 227. 4) Die Steuerherren Martin Glesein, Ulrich Krell und Panzerschmied Ditmar lieferten an Peter und Paul 1400nach Wegfertiguog zahlreicher Gläubiger 11267 öl 3/S1 L,, 929 ungar. und 935 rhein. Gulden, Hans Möngaz, Jörg Harder und Konrad Käpfenberger zu Michaelis 496 U 6 ß 27 'tt>, 787 ungar. und 612 rhein. Gulden bar ab. K.R. 1399/1400 toi. 35—37. 6) H.St.A. Fürstensachen Lit. 1322 V-.

Ängstlichen und Eingeschüchterten, Schwankenden und Friedliebenden. Die einst am

verwegensten gedroht, drängten aus Sorge, wegen des Umsturzes zur Rechenschaft gezogen zu werden, Herzog Stephan 1402 zum Versprechen, die Stadt in keine andere Hand und Gewalt zu übergeben, sondern sie im Teilungsvertrag an sich zu bringen*). Er bestätigte die Freibriefe und insbesondere das Stadtrechtsbuch und versprach, sie darin zu schirmen. Rat und Gemeinde huldigten daraufhin Herzog Stephan auf Lebens­ zeit und verschrieben sich ihm, wenn er durch ordentlichen Teilungsvertrag die Stadt an sich bringe und sie ihrer Eide gegen Ernst und Wilhelm ledig gesagt würden. Rat und Gemeinde gingen mit seinem Sohne Ludwig 1402 wider Ernst, Wilhelm und Hein­ rich ein Bündnis ein, treulich zu ihm zu stehen mit Leib und Gut und den drei Herzogen nicht eher zu huldigen, bis er aller Ansprüche an sie befriedigt sei. Es muß eine bittere Enttäuschung für Münchens revolutionäre Bürgerschaft ge­ wesen sein, als schließlich die Einigung unter den Fürsten doch zugunsten der angestamm­ ten Herzoge Ernst und Wilhelm erfolgte und Stephan der Kneißl, der alte Ränke­ schmied, sich sogar verpflichtete, ihnen wenn nötig mit Gewalt zum Besitz der Stadt zu verhelfen. War es der Übermut der revolutionären Machthaber, die Furcht vor Vergeltung, heimliche Zusicherung kriegerischen Beistands durch Stephan den Kneißl oder eine neue Unbesonnenheit Herzog Ernsts: Die Münchner erklärten unter wüsten Reden, ihren neuen Herren nimmermehr zu gehorchen und setzten die Stadt in Ver­ teidigungszustand. Ernst und Wilhelm sagten der rebellischen Hauptstadt am 18. Fe­ bruar 1403 ab und riefen die Landstände gegen sie zu Feld. Sie verfügten über 1000 Be­ rittene und 2000 bewaffnete Bauern, ihr Vetter Heinrich von Landshut stieß mit 1000 Berittenen zu ihnen?). Vom festen Markt Schwaben her, den sie belagerten, rückten die Fürsten mit ihren reisigen Heerhaufen und Geschützen gen München heran. Herzog Ludwig aber erhob noch schnell eine Steuer^) und zog dann „allgemach" in Richtung Freising aus München ab unter dem Vorwand, sagt unser gut unterrichteter Chronist, daß es besser sei, im freien Feld den Feind zu erwarten. Und hauste im Unter­ land übel mit Sengen und Brennen. Am Fastnachtssonntag (25. Februar) 1403, während die Bürgerschaft auf dem Rathaus dem Tanze huldigte, lagerte das Heer der Belagerer bei Feldmoching und Moosach. Am Fastnachtsmontag rückte das Kriegsvolk an die Stadt heran, grub den Münchnern das Wasser ab, nahm die Jsarbrücke mit Gewalt und brannte 5 Mühlen an der Stadtmauer nieder. Da machten 600 Gepanzerte zu Pferd einen Ausfall, mußten sich aber vor der gewaltigen Übermacht in die Stadt zurückziehen*). Am Ascher­ mittwoch rückten die Heerhaufev der Ritterschaft wieder an die Stadt, verbrannten weitere 40 Mühlen, alle vorgelagerten Häuser und den umgebenden Wald im Umkreis einer Meile. Dürfen wir Veit Arnpeck Glauben schenken, wurden nun 10 der schuldigen *) Mon. Boica 35/II S. 228. 2) Städtechroniken XV, 501 f. 3) Veit Arnpeck S. 667. 4) „Da gesach nie man größer flucht" ... „als gar werlos und verzagt warn sy", übertreibt Kazmair, der wohl auf Seite der Belagerer mitfocht.

Ratsherren gefangen gesetzt und einige von ihnen enthauptet. Einer der zum Tode Verurteilten konnte in die Peterskirche flüchten, legte priesterliche Gewänder an und entkam durchs Stadttor. Ein zweiter der schuldig Gesprochenen sprang über die Stadt­ mauer und flüchtete*). Dann begann der tägliche Krieg. Das Ritterheer besetzte die umliegenden Burgen. Von allen Seiten von der Zufuhr abgeschnitte», mahnte der Münchner Rat die Städte Nürnberg, Ingolstadt, Pfaffenhofen, Neustadt, Vohburg, Wolfratshausen, Tölz, Weilheim, Murnau, Dachau und Landsberg des eingegangenen Bündnisses, klagte denen von Augsburg, Burghausen, Reichenhall, Landshut, Braunau, Htting und Salzburg ihre Not. Schickte im Frühjahr 1403 auf gut Glück Boten um Boten nach Frankreich zum Herzog Ludwig, der bei König Karl VI. und seiner Schwester der Königin Jsabeau weilte, ihn zur Heimkehr und Hilfe zu bewegen. Aus Frankreich zurückgekehrt, schloß Herzog Ludwig Ende April nochmals ein Schutz- und Trutzbündnis mit der Stadt. Wieder rückten die drei Fürsten vor die unbotmäßige Stadt. Schon lagerten fle einen Tag mit ihren Völkern auf den Höhen bei Bogenhausen. In der verzweifelten Lage, in der sich München befand, von den anerkannten Fürsten verlassen, von den verratenen Fürsten mit Belagerung bedroht, beriet die Bürgerschaft am 23. Mai 1403, dem Vorabend von Christi Himmelfahrt abends zwischen 8 und 9 Uhr auf dem Rathaus, wie sie unter würdevoller Wahrung ihrer verbrieften Selbstherrlichkeit und Gerichts­ hoheit sich mit den Belagerern aussöhnen und unter welchen Bedingungen sie die Fürsten, denen man nicht mit bewaffneter Hand Widerstand leisten wollte, in die Stadt einlassen könnten. Während dieser Beratung bestiegen und besetzten die Belagerer die Stadtmauern beim Schiffertor. Es waren keine 50 Mann, die durch Begünstigung einiger Seilergesellen, welche die Schlüssel zur Stadtmauer hatten, hereinkamen, so daß sie, wie unser Chronist vermeldet, leicht hätten niedergemacht werden können. Trotzdem öffneten die Münchner das Jsartor, gingen unter Bekundung ihres Friedens­ willens ihren Fürsten entgegen und lieferten die Torschlüssel aus. Um Gewalttätigkeiten, Raub und Aufläufe zu verhindern, ließ die Bürgerschaft die drei Fürsten nur mit gemessener Begleitung in die Stadt einziehen. Das verdroß den Vortrab, der freiwillig in die Stadt eingelassen worden war, weshalb er aus Mut­ willen die Sturmmaschinen spielen ließ und mit Winden in die Stadtmauer beim Schiffertor zwei Reichspieße lang Bresche legte, wofür ihn später die verdiente Strafe ereilte. Die Herzoge Ernst und Wilhelm wollten am 25. Mai die Bürgerschaft zur Huldi­ gung bewegen. Sie widersetzte sich jedoch, beharrte auf dem gefaßten Übergabs-

beschluß und rief sogleich den Kaiser an*2). Erst dem Burggrafen Friedrich von x) Veit Arnpeck S. 667. 2) Bis hteher sind wir der neuen Quelle gefolgt. Sie stellt sich dar als gut unterrichtete und ver­ lässige amtliche, Arbeit, welche die städtischen Freibriefe von 1229—1550 zusammenstellte, verbrämt mit geschichtlichen Reminiszenzen, wie sie nur ein Bearbeiter zu Papier bringen konnte, dem das Briefgewölbe und alle geschichtlichen Quellen der Stadt offen lagen. Als Verfasser kommt in Frage Stadtschreiber Dr. Onufrius Perbinger, noch wahrscheinlicher sein Vorgänger Magister Simon Schaidenraißer, der sich selbst als Humanist Minervius nannte.

Nürnberg, der gerade in Freising weilte, gelang das Einigungswerk und die Aus­ söhnung der streitenden Parteien. Ein guter Mittler der schiedlich-friedlichen Bei­ legung aller Streitpunkte erwirkte der Hohenzoller unterm 31. März 1403 einen be­ schworenen Vergleich, der dem Ansehen und der Freiheit der Stadt nicht das Geringste vergab und den Weg für einen neuen Aufstieg freimachte. Alle Feindschaft zwischen der Stadt und den jungen Fürsten ist begraben, die Gefangenen sollen ohne Verzug freigelassen, eroberte Schlösser ihren Eigentümern zurückgestellt werden. Die Fürsten dürfen für das Geschehene an Münchens Bürgern keine Rache nehmen. Halten die Herzoge die Abmachungen nicht ein, Lars sich die Bürger­ schaft zur Wehr setzen und wider sie verbinden. Wer die Stadt wegen des Aufstandes bei der Herrschaft verklagt und für Geschehenes Rache nehmen will, ist der Bürgerschaft auf Gnade und Ungnade verfallen. Ratsstrafen und Stadtverbot für die Rebellen sollen unverändert fortbestehen; dagegen alle aus Furcht geflüchteten Bürger in Gnaden ausgenommen werden. Die Gräben, welche die Bürgerschaft im Krieg um die Stadt­ mauern zog, und die ungewohnten Erker und Pallisaden gegenüber der herzoglichen Veste sollen abgetragen und niedergerissen werdens.

Münchens trübste Zeit war um, die Wiederherstellung der Erbuntertänigkeit unter die rechtmäßigen Herzoge war der erste Schritt zur Selbstbesinnung und zur Rückkehr von Ruhe und Ordnung. Nach dem Sturm enthüllte sich der ganze Umfang der Zer­ störung: Viel Wohlstand war vernichtet, kostbares Bürgerblut nutzlos vergossen, die Finanzen der Stadt zerrüttet, die stolze Wirtschaft ihrer Bürger verschüttet. Ver­ mögende Bürger wie der Apotheker Kray, Wundarzt Narziß und mit ihnen 136 andere Geboren in Bautzen um 1500, gebildet in Wittenberg, wurde Schaidenraißer 1525 aus der Berg­ werksstadt Schwa; in Tirol als Stadtpoet nach München verpflichtet, wirkte 8 Jahre als Leiter der lateinischen Poetenschule und zugleich als Stadtarchivar, ward 1534 zum Stadtschreiber gewählt, welches Amt er 1537 mit dem des Stadlunterrichters vertauschte. Auf Ratsgeheiß verfaßte er eine Zusammenstellung der städtischen Freiheiten, für die er 1538 seitens der Stadtkammer eine Vergütung erhielt: „15 fl. geben maister Symon, derzeit Kammerschreiber, erung von ain puechell, dar;« allerley Rathspruech unnd gemainer stad frayhaiten unnd recht begriffen geschryeben, Jme von einem Rath ge­ schafft." Von diesem Büchlein mag unsere Quelle ein bis 1550 ergänzter Auszug fein. Der gepflegte, geschliffene Stil, der bilderreiche Wortschatz, klassische Redewendungen wie die Erwähnung Ciceros weisen auf einen Freund des Humanismus hin, zu dessen sympathischen Erscheinungen Schaidenraißer zählt, der zum Freundeskreis des Hieronymus Ziegler, Martinus Balticus und des Tondichters Ludwig Senfl gehörte. Als Erster übertrug er Homers Odyssee ins Deutsche und brachte sie 1537 in Augsburg im Druck heraus, ein Jahr später Ciceros Paradoxa. Wohl möglich, daß Schaidenraißer „München, dieser löb­ lichen Stadt, die ich als mein ander Vaterland vor allen andern liebhabe", in der wenig umfänglichen Arbeit eine wertvolle Geschichtsquelle hinterließ. Sie entging den bisherigen Bearbeitern und Herausgebern der Kazmair-Chronik. Auch Hermann Maschek, Deutsche Chroniken, Leipzig 1936 kannte sie nicht. Über Schaidenraißer vgl. Karl Reinhardstöttner. Der erste deutsche Übersetzer der Odyssee vom Jahre 1537, ein Münchner Beamter, Jahrb. f. Münchner Gesch. I, 511—517, München 1887. — Th. Kroyer, Einleitung zu Ludwig Senfls Werken, Denkmäler der Tonkunst in Bayern III, 2 Leipz. 1903. — Friedr. Weidling, Schaidenraißers Odyssea Augsbnrg 1537, Leipz. 1911. — Rud. Pfeiffer, Ergänzungen zu Schaidenraißers Leben und Schriften, Zeitschrift f. deutsche Philologie 46 S. 285—291, Stuttg. 1915. — Friedrich Hornschuch, Magister Simon Schaidenraißer, ein Münchner Stadtschreiber, Münchner Wirtschafts- u. Verwaltungsblatt, München 1928. — Karl Trantmann, Literar. Nachlaß im Stadtarchiv.

*) H.St.A. Haus- tt. Familiensachen UF. 40. - Mon. Boica 35/II S. 236.

Steuerpflichtige blieben mit ihrer Steuerzahlung im Rückstand, obwohl Bestrafung den bedrohte, der nicht binnen drei Monaten die ausgeschriebene Steuer entrichtetes. Die Stadt «ar wieder einmal für einen Umschwung reif geworden. Die Volks­ stimmung schlug um und wandte sich gegen den Anhang der Ingolstädter und die Zwietrachtstifter, welche die Bürgerschaft irre geführt und ihre ernste Lage verschuldet hatten. Nach des Volkes Forderung sollten sie mit Hab und Gut dafür büßen. Die Gemeinde selbst hielt Gericht über alle, welche die „verloffenen Zwieläuf und Jrrsale" zwischen der Stadt, den Landesherren und den aus dem Burgfrieden Entwichenen verschuldeten, wodurch die Bürgerschaft „in groß verderblich Schäden kam, die sie hart überwinden mochten". Arm und Reich kamen am 15. Juni 1403 überein, einen neuen Rat zu wählen, der die Führung der Geschäfte in allen Zweigen der Verwaltung wieder ergriff und den die Herzoge nach alter Gewohnheit bestätigten. Nun wollte die Gemeinde den Schuldenstand der Stadt erfahren, „wan sy wol verstünden, das die stat von des kriegs und irsals wegen verdorben und nicht reicher worden wer", und wählte 24 Mann aus Rat und Gemeinde, die mit allem Fleiß Gülten, Zinsen, Renten, Steuern, Ge­ fälle, Einnahmen und Ausgaben der Stadtkammer in den Kriegs- und Revolutions­ jahren, aber auch die unbeglichenen Schulden errechnen sollten. Als sie damit fertig waren, sahen sie die alte Erfahrung bestätigt, daß der Krieg ein Gemeinwesen nicht reicher, sondern ärmer macht. Die Gemeinde forderte die Stadtkämmerer der Aufstands- und Kriegsjahre vor sich. Man errechnete, was sie den Vertriebenen abgenommen und schätzte die Eingänge samt dem beschlagnahmten Gut auf 50000 Goldgulden. Darüber blieb die Stadt noch 22000 Gulden schuldig. Da versprachen die zur Verantwortung gezogenen Schuldigen, 8000 Gulden zu geben. Nun berief man am 9. August 1403 die ganze Gemeinde aufs Rathaus und beriet über „das große Übel und den schlechten Handel" und über die, welche die Stadt

„so gar unbillig und unwissend verdorben" hatten. Man hieß die Schuldigen, die in den Unruhen und Kriegszeiten Ratsherren waren und den Krieg geschürt hatten, in eine Ratsstube abtreten und wählte zum inneren und äußeren Rat 36 Vertreter der Gemeinde. Diese 72 Spruchmänner sollten den Spruch fällen, wie man die Schuldigen nach ihrem Vermögen hart dafür strafe, daß sie die Stadt und ihre Bewohner ins Ver­ derben brachten und die öffentlichen Gelder gegen den gemeinen Nutz und Frommen und unter Überschreitung ihrer Vollmachten verausgabten; „wan sy gross und herter straff und pessrung wol schuldig wern". Man warf die Schuldigen ins Gefängnis, bestrafte sie aber nach Gnaden, obwohl sie schwere Strafe verdient, um nicht dem alten Haß und Neid von neuem Nahrung zu geben. Ulrich Tichtl?), der Rädelsführer des Umsturzes, mußte 5000 Gulden geben, Ulrich Fueß 1000, Andre Tichtl 500, Jörg von Nanhofen, Hans Marnheimer, Thoman Wilbrecht je 400, Bäcker Wetzl 200, Panzer­ schmied Ditmar 150 Gulden, Ulrich Kamrer 100 Gulden und 8 n 88 L-, Ott Tichtl i02 Gulden, Martin Glesein 80 ’tt, Heinrich Platner, Ulrich Ursenberger, Ludwig *) Steuerbuch 1405* 2) Jörg, Ulrich, Thoman und Andre Tichtl werden 1410 Brüder, Franz und Hans Tichtl ihre Vettern genannt.

Echlechdorfer je 50 Gulden, Hans Per und Rott von Alling 40 Gulden, der Färber Seidl und Goldschmied Peter Bühler 32 Gulden, der Zinngießer Peichtold 20 tt 6 ß, der Krämer Vetter 20 u ; Jörg Harder, der Schneider Leutl, Wilhelm Kremser, Simon Aufleger, Ulrich Prüchler und der Burkharde je 20 Gulden*). Die Nachricht von dieser maßvollen Sühne und Vergeltung ging Mischen dem 5. und 15. August 1403 als Ausschreiben der Stadt an ihre „besonders lieben Herren und Freunde" in die deutschen Lande, damit sie umlaufenden Gerüchten und Übertreibungen keinen Glauben schenkten?). Alles Gut der in der Revolution geflüchteten Bürgern, das nicht in den Besitz der öffentlichen Hand gelangt war, mußte wieder jurückgegeben werden?). Das Haupt des Umsturzes Ulrich Tichtl verpfändete am 18. Oktober 1403 vor Gericht für die ihm auferlegte Buße von 5000 ungarischen Gulden Leib und Gut, Erb und Eigen, Kleinodien und Gesteine und setzte dafür elf Mitbürger zu Bürgen: Jörg Vinger, Peter Krümel, Stephan Astaller, Jakob Bart, die Brüder Franz und Hans Tichtl, Peter Pötschner, Heinrich Wolf, die Fleischhacker Paul Schechner und Heinrich Laimer, schließlich Simon Lamichnicht. Er versprach seinen Sohn Hans nach München zurückzubringen, falls er entwichen sei. Seine Bürgen sahen sich am 1. März 1404 gezwungen, dem Bürgermeister Hans Rudolf seine beiden Häuser auf dem Schneeberg und hinterm Petersfriedhof, das Schrammen- und Neubad und einen Stadel an der Enggasse auszuhändigen. Tichtls eigene Verwandten riefen den Stadtrichter an um Auslieferung eines ihnen verpfändeten Trühleins Haussilbers mit Trinkgeschirren und Kleinodien im Wert von 63 Mark Silber*). Schulden und Schuldner bedrängten die Stadt von allen Seiten, Stadt­ beamte und Stadtsöldner klagten wie vor und während, so auch nach den Sturmjahren über säumige und ausständige Zahlung von Sold und Löhnung, auswärtige Städte wie Ingolstadt und Augsburg verwendeten sich für rückständige Leibrenten ihrer Bürger, Adelige drohten mit gewaltsamer Beitreibung ihrer Guthaben am Hab und Gut der Münchner, wo und wie sie dessen habhaft werden könnten; Drohungen, welche 1405 Dietrich Stauff von Ehrenfels und 1405/08 Jörg Fraunberger zu Haag verwirklichten und die Stadt in kostspielige Fehden mit dem Landadel verwickelten«). Die laufende Zinsschuld betrug nach einer Berechnung der Kämmerer am 10. August 1404 11380 Ungar. Gulden«). Um Mittel flüssig zu machen, griff die Stadt zu einem ungewohnten *) St.A. Kammerrechnungszettel, undatiert. — Städtechroniken XV, 560. 2) St.A. Ratsgeschäft 624: „Von der stat lauf yecz". — Städtechroniken XV, 561 f. 3) Margaret Perkofer, die Witwe des in der Revolution geflüchteten Wernher Perkofer, erhielt unter Berufung darauf vom Gericht 1406 ihren auswärtigen Besitz zugesprocheo. St.A. Gerichtsbuch III, 55V. 4) St.A. Gerichtsbuch III, 17, 22, 32.

5) St.A. Missive 625—704. °) In diese Summe eingeschlossen waren 748 ti it, Rückstände für die Bewirtung reisiger Hilfs­ truppen des Ingolstädter Herzogs, sowie 779 ti und 555 ung. Gulden und Dukaten für Osterwein nach Mühldorf, der im Krieg verbraucht war. St.A. Bände, Leibgedinge 1395—1426. Eine andere Aufstellung der Kämmerer über die Schuldeohöhe der Stadt errechnet die Renten­ last auf4129 neue ungar. und böhm. Gulden. Darnach schuldete München an Ewiggeldern den beide» Pfarrkirchen und deren Beoefizien, dem Heiliggeistspital, Seelhäusero, Sondersiecheo sowie auswärtigen

Behelf; sie gab Leibrente» mit der Verpflichtung zum Rückkauf und zur Ablösung aus*1).2 3 50 Bürger, darunter viele Ratsgenossen, waren aus der Bitternis der Fremde in die Vaterstadt zurückgekehrt, gar mancher an leitende Stelle?). Herzog Ernst klagte, durch Krieg und Revolution 400000 Goldgulden Schaden zu haben. Er und sein Bruder lernten aus der großen Katastrophe ihre Ansprüche mäßigen, bestätigten nicht nur die alten Freiheiten bis zum Tag des Regierungsantrittes, sondern erteilten unterm 21. August 1403 den Münchnern ein Verfassungsgrundgesetz, den „Wahl­ brief", der in guten wie schlechten Zeiten eine gesunde Grundlage des städtischen Ge­ meinwesens bildete, die soziale Bewegung zur Ruhe kommen ließ, das uralte Verbot der Einungen und heimlichen Beratungen einschärfte, das ausschließliche Regiment der ehedem über ihre Vorrechte eifersüchtig wachenden, am Zusammenbruch nicht schuld­ losen Geschlechter unter die verschärfte Wachsamkeit der Gemeinde stellte und doch jeder Überfremdung des gebietenden und führenden Rates durch Unberufene Einhalt geboth. So viel Feindschaft und Vernichtung war nötig, um aus Rückschritt und Macht­ kampf, aus Aufruhr und Umsturz, aus Reaktion und Revolution einen gesunde» Aus­ gleich zwischen Herrschern und Beherrschten, Führern und Geführten zu schaffen.

Judenaustreibung 1442.

Aufstand der Handwerksgesellen 1498.

Im Sommer 1404 erreichte den Rat ein Brief der Stadt Salzburg, der über die dortige blutige Judenverfolgung vom 10. Juli 1404 ausführlich berichtetes. Das Schreiben über den großen Judenbrand, der nur einige schwangere Frauen und 25 noch nicht elfjährige Kinder verschonte, schloß mit der Mahnung an die Münchner, die keine Mißbilligung der geschilderten Vorgänge bedeutet, sondern die Aufforderung eS ihnen gleich zu tun: „söleich grozz chlegleich fach lasset euch ze herczen gen". Bei dem wilden Aufflackern der erregten Volksleidenschaften im großen Bürger­ aufstand 1397—1403 war ein Erwachen des tief im Volk schlummernden Rasseninstinktes nicht zu verkennen. Wenn sich trotzdem die ernsten Vorgänge der Judenverfolgungen von 1285 und 1349 nicht wiederholten, so verdankte dies die Judenschaft den behörd­ lichen Schutzmaßnahmen, durch welche die Luft entgiftet war: der Herabsetzung aller Kirche» 379 ung. und böhm. Gulden und 76 H 6 ß. Für Leibrenten an die Äbtissin und die Klosterfrauen am Anger 328 ung. und böhm. Gulden und 19 V2$; an Geistliche in und außerhalb der Stadt, Mönche und Nonne» 249 ung. und böhm. Gulden und 8 Al; an Bürger, Bürgerinnen, Bürgerskinder, Witwen und Waise» 952 ung. und böhm. Gulden und 40 t6 2 ß; an Ausleute, Männer wie Frauen 560 ung. und böhm. Gulden, 300 rhein. Gulden und 9 Al. Das war der Stand der ständigen Renten­ schuld nach Beendigung der Finanjkrisis i. 1.1405. St.A. Vormerkungsbuch aus dem 14. Jahrhundert fol. 5—55. 1) In der Amtsperiobe 1404/06 wurden von den Stadtkämmern um 748 Al 6 ß solche rückkaufpflich­ tige Leibrenten wieder eingelöst. K.R. 1404/06 fol. nov. 2) Bei der Wiederraitung am 15. Juli 1403 erscheinen bereits von den Verbannten: Gabriel Ridler als Bürgermeister, Bartholme Schrenk als innerer, Jörg Kazmair als äußerer Ratsherr. K.R. 1402/03 fol. 105. 3) Mon. Boica 35/II S. 249. — Denkmäler S. 604—609. “) St.A. Missive 541, Brief vom 17. Juli 1404.

Judenschulden im Aufstandsjahr 1385, der allgemeinen Niederschlagung jüdischer Schuld­ forderungen in Bayern, Schwaben und Franken durch König Wenzel, des Bayern­ herzogs Johann Schwiegersohn, im Herbst 1397, schließlich dem freiwilligen Angebot der Münchner Judenschaft im Revolutionsjahr 1400, ihre Geschäfte auf die Zins- und Pfandleihe zu beschränkens. Aber als hätte die Mahnung der Salzburger fortgewirkt, trug fie vier Jahrzehnte später ihre Früchte. Der nie völlig schlummernde Rassengegen­ satz gegen die Fremdblütigen, die Feindseligkeit der Not gegen die unbeherrschte Ge­ winnsucht des Judentums, die Feindschaft der Verschuldeten und Kreditbedürftigen gegen die behördlich gebilligten, jedes Maß überschreitenden wucherischen Zinssätze von 43% bis 85%, die jeden zu verderben drohten, der vom Juden Geld ausborgte, speicher­ ten im Volk wieder Jahr um Jahr soviel verhaltenen Groll auf, daß er endlich in offene Empörung ausbrechen mußte. Greuelnachrichtev über Brunnenvergiftung und Christenmorde fanden widerstandslos Gehör und willige Verbreiter. Mit Herzog Albrecht III. war in München ein Herrscher zur Regierung gelangt, der schon in der Jugend aus seiner antisemitischen Einstellung kein Hehl machte und als Prinz 1435 die Juden aus Straubing vertrieb^). Sein offenes Wohlwollen gegenüber der völkischen Bewegung entfesselte die judenfeindlichen Mächte und brachte den angesammelten Haß und die dumpfe Erbitterung zum leidenschaftlichen Ausbruch. Die Juden wur­ den aus München gewaltsam vertrieben. Damit war ihre Rolle im Münchner Wirtschaftsleben auf Jahrhunderte hinaus ausgespielt und jede Schuldverpflichtung der Christen abgetragen und avsgelöscht. Der päpstliche Legat am Baseler Konzil, Kardinal Alexander, Patriarch von Aquileja, gewährte am 24. April 1443, Erzbischof Friedrich von Salzburg 1444 und Kardinal Johann von Bayern 1447 der Manen­ kapelle „Neustift", die Dr. Johann Hartlieb, Herzog Albrechts Schwiegersohn, jüngst aus der Judensynagoge errichtete („novissime ex quadem judeorum sinagoga constructa“) einen Abläße, ein Beweis, daß die Synagoge bei der Judenaustreibung nicht zerstört, sondern für den neuen kirchlichen Zweck umgebaut wurde. Der letzte spontane Ausbruch des Volkszornes über offen zutage tretende Miß­ stände war der Gesellenaufstand im Sommer 1498, wobei die vom städtischen Frauenwirt ausgebeuteten, wohl durch die Einschleppung der Franzoseukrankheit4*)5 23 um Gesundheit und Lebensglück betrogenen Handwerksgesellen sich rottierten, trotz starker Bewachung durch Scharwache und Bürgerwehr das städtische Frauevhaus zu stürmen suchten und den Frauenwirt zu erschlagen drohten. Wochenlang lag die Schutz­ wache Tag und Nacht im bedrohten Frauenhaus^). *) Riezler III, 163. — Vgl. oben S. 229. 2) H.St.A. Fürstentom IV. 3) H.St.A. Andechs Kl. Urk. 13, 17, 21. 4) Ein nachträglicher Eintrag im Salbenbuch des Münchner Stadtarztes Meister Hans Rosenbusch besagt: „Die bösen Blattern aus Frankreich, die man heißt mala napoli, die haben regiert i. I. 1496. Es hat kein Arzt mögen erkennen, was es für ein Trank ist." Cgm. 3724 fol. 72V. 5) Ratsgeschäft 1498: 20 ft 5 ß 5 S, wurden ausgegeben wegen der Knechte, die das Frauenhaus stürmen und den Wirt erschlagen wollten, und zwar an 35 Wochen von 46 Tag- und Nachtwachen, jede für Tag- und Nachtwache zusammen 16 5), macht 9 'M- $ ß 20 -S-,; Kostgeld 10 ’ft 7 ß 15 .

XV. Kapitel.

Münchens städtische Bevölkerung im rl. und r5. Jahrhundert.

Einwohnerzahl einer Stadt gibt ein Abbild ihrer Entwicklungsgeschichte: ^/Eine starke bürgerliche Bevölkerung bildet die Grundlage der wirtschaftlichen

Macht und politischen Bedeutung des Gemeinwesens, sie stellt leistungsfähige Steuer­ zahler und wehrbare Krieger; der Stillstand oder Rückgang der Bevölkerungszahl offenbart schwere Schicksalsschläge. Wie groß war die Volksmenge in Mün­ chens Mauern, die seine Größe begründete, wie das Verhältnis der einzelnen Bevölkerungsschichten zueinander und ihr Anteil am Wachstum der Stadt, wie die zahlen­ mäßige Stärke des Bürgertums im Vergleich mit anderen deutschen Städten des Mittelalters? Nur durch Zahlen können wir hier feste Anhaltspunkte und die für eine richtige Wertung unentbehrliche statistische Grundlage gewinnen. Zwar werden wir nicht zu ziffernmäßig genauen Endergebnissen gelangen, da Ermittlungen der Bevölke­ rung auf Grund behördlicher Volkszählungen dem mittelalterlichen München fremd waren und erst zum Jahre 1795 eine amtliche Münchner Volkszählung vorliegt*). Doch genügt, um eine klare und richtige Vorstellung zu gewinnen, die rechnerische Er­ mittlung der ungefähren Größe der Stadtbevölkeruvg, genügt um zu wissen, ob Mün­ chen zu den Groß-, Mittel- oder Kleinstädten zählte. Die Unterlagen für die Berechnung bieten die Steuer- und Grabenbücher-). Völlig verläßlich, weil für den lebenswichtigen gemeindlichen Zweck der Steuererhebung und der Scharwerksveranlagung zum Zwinger- und Grabenbau angelegt, verzeichnen ste zwar nicht die gesamte Bevölkerung, sondern nur die steuerpflichtigen Einwohner, diese aber vollständig und ohne Rücksicht auf ihre Leistungsfähigkeit. Selbst Bürger, die durch besondere Vergünstigung in den zeitweisen oder dauernden Besitz der Ab­ gabenfreiheit gelangten, werden aufgeführt, grundsätzlich weggelassen nur die durch Stand und Geburt steuer-und scharwerksfreien Personen, die herzog­ lichen Dienstmannen, die geistlichen Personen und die Juden. Bei abgabepflichtigen Familien ist in der Regel nur das Familienoberhaupt, der Haushaltungsvorstand, aufgeführt. Vermögende Waisenkinder und alleinstehende oder verwitwete Frauen T) Auf dem gleichen Raum, den der Mauerrtng des Mittelalters umfaßte, wohnte bei der ersten Volkszählung im Jahre 1795 eine Bevölkerung von 38000 Einwohnern. H. Schorer, Münchens Be­ völkerung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Reinhardstöttners Forschungen z. Gesch. Bayerns XI, 1903. 2) St.B. 1369, 1396, 1431, 1462 u. 1500. — Baumeister-Memorial 1439/40, enthaltend drei Grabenbücher: 1. „im graben zu arbaitern gemainer stat angelegt in pasca (5. April) anno 1439". 2. „anno domini 1439 arbaiter im graben feria secunda vor Viti" (8. Juni). 3. „anno domini 1440 arbaiter angefangen feria quarta post misericordiam domini; feria secunda post Erasmi; feria quarta post vincula Petri" (3. August). Für die Volkszahl ist bei mehreren Anlegungen die letzte maßgebend; hinzugekommene Einwohner werden ergänzt, gestorbene und ausgefahrene gestrichen. St.A. Akten, Verzeichnis der Scharwerksanlagen zum Stadtgraben 1441; Grabenbuch vom 18. März. — BaumeisterMemorial 1441: Grabenbuch vom 18. September.

sind zahlreich in den Steuer- und Grabenbüchern verzeichnet. Beim Tod des Mannes und Ernährers durfte die Frau, solange sie im Witwenftand lebte, nach Witwenrecht den Betrieb uneingeschränkt weiterführen. Konnte sie dies nicht, schützte bei Vermögens­ losigkeit frauliche Heimarbeit vor der schlimmsten Not. Daher die vielen Witwen, die Ann, Agnes, Diemut, Els, Kathrin, Margret, die sich und die ihren als Näherinnen („Naterin") fortbrachten, im Rosental, am Roßmarkt, in der Schäfflergaß, beim Spital wohnten und als Hof- oder Jnfrauen samt ihren Kindern in den großen Handels­ und Geschäftshäusern der inneren Stadt Unterschlupf fanden. Nach dem Vorbild Büchers*) führen wir unsere Berechnung auf den Begriff der Haushaltung zurück, indem wir die erwachsenen selbständigen Bürger unter Ausscheidung aller übrigen Personen sicher auszählen, so daß keiner zu Unrecht unter die Zahl der männlichen Haushaltungsvorstände ausgenommen ist. Die so gefundene Grundzahl vervielfacht mit der durchschnittlichen Stärke der Haushaltung ergibt als verlässiges Ergebnis eine Mindest-Seelenzahl für die gesamte Stadtbevölkerung, ausschließlich Judenschaft und den zur Geistlichkeit und zum herzog­ lichen Hof gehörigen Personen. Die Sicherheit dieser Errechnung hängt ausschließ­ lich davon ab, ob die Kopfzahl der Haushaltung nicht zu niedrig angesetzt wurde. Die

einzige Möglichkeit, in den Kinderreichtum des mittelalterlichen München Einblick zu gewinnen, gewähren die Stammbäume einiger lebenskräftiger Geschlechter, be­ sonders der einzigen, heute noch im Mannesstamm blühenden Münchner Patrizier­ familie, der Freiherrn von Schrenk-Notzing: die Hauptlinie hatte vom Jahre 1290 ab bis zum Ende des Mittelalters in 6 Generationen insgesamt 50 Kinder, also eine durchschnittliche Kinderzahl von 8y3 auf die Familie?). Die Nebenlinien weisen in 18 Familien 104 Kinder aus, hatten also eine durchschnittliche Kinderl) K. Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im 14. und 15. Jahrhundert, Tübingen 1886. Nach seinen Aufstellungen S. 44 treffe» in Nürnberg bei der bekannten Volksaufnahme beS Jahres 1449 ans eine» Bürger 1,17 Frauen und 1,64 Kinder, zusammen also 2,81 Blutsverwandte, 0,87 Knechte und Mägde, 4,68 Personen überhaupt. Paasche, Die städtische Bevölkerung früherer Jahrhunderte (Jahrb. f. Nat.-Hkonomie u. Statistik N.F. V, 1882) berechnet für Rostock auf ein selbständiges Familienhaupt 4,87, Caspar Ott (Bevölke­ rungsstatistik in Stadt «. Landschaft Nürnberg, Berl. 1907) für Nürnberg i. I. 1431 5,41. Dörner (Die Steuern Nördlingens S. 97) für Nördlingen i. 1.1459 5,529 Personen. Im Durchschnitt werden auf eine» gemeinschaftlichen Haushalt fünf Köpfe gezählt. I. Jastrow, Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit, S. 45 ff., Berlin 1886.

2) Die Hauptlinie der Familie Schrenk weist seit 1290 aus: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Berchtold Schrenk Nikolaus Nikolaus II. (1320—1390) . . Bartholomäus (1386—1431) . Bartholomäus II. (1440—1470) Hieronymus (1460—1512) . .

8 Kinder, davon 3 Söhne, 5 Töchter,

. . . .

Insgesamt in 6 Geschlechterfolgen 50 Kinder, davon 26 Söhne und 24 Töchter. Auch nach unserem Zeitabschnitt hatten die folgenden 5 Senioren der Patrizierfamilie Schrenk nacheinander 5, 12, 6, 7 und 11 Kinder, also durchschnittlich 8% Kinder. — H.St.A. Personen-Selekt Cart. 389.

Im

Besitz des

Stadt. Hochbauamtes.

Tafel XII

zahl von 57?). Das Verhältnis der Geschlechter ergibt, soweit Söhne und Töchter ausgeschieden und kenntlich gemacht sind, 77 Söhne zu 82 Töchtern, also einen kleinen Überschuß au Frauen (1,09%). Ein interessantes Gegenstück zur Frage der Stärke des männlichen und weiblichen Nachwuchses bietet die Nachfahrentafel des Patriziers Heinrich Ridler, der 1324 bei Antritt einer Fahrt übers Meer stirbt. Fünf Gene­ rationen seiner Nachfahren des Namens Ridler, deren einer Zweig allerdings in Augs­ burg lebt, haben 96 Kinder, darunter 60 Knaben und nur 36 Mädchen, also ein ganz ungewöhnliches Überwiegen des männlichen Geschlechts. Acht erwählen den geist­ lichen Stand, einer nimmt Kriegsdienst beim König von Frankreich, wo er 1499 ver­ stirbt, die übrigen heiraten fast restlos. Der in München bleibende Zweig hat in fünf Generationen auf 11 Familien 59 Kinder, also im Durchschnitt mehr als 5,36 Kinder auf die Haushaltung?). Einer stattlichen Kinderzahl begegnen wir auch bei der Patrizier­ familie Rudolf. Der innere Ratsherr Thomas Rudolf (t 1491) hatte aus seiner Ehe mit Veronika Schinder 15 Kinder. Wenn auch zehn davon im jugendlichen Alter ohne Leibeserben verstürben, so hatte ihr jüngster Sohn, der innere Ratsherr Hans Rudolf aus seiner Ehe mit der Tiroler Bergherrntochter Anna Füger allein 14 Kinder?). Selbst wenn man starke Kindersterblichkeit annimmt und voraussetzt, daß der Kindersegen der durch wirtschaftliche Sorgen schwerer bedrückten Masse des ein­ fachen Bürgertums begrenzter war, ist der Beweis erbracht, daß die bürgerliche Haushaltung im mittelalterlichen München, wie in Nürnberg und Nördlingen, mit 5V2 Köpfen veranschlagt, ein Mindestmaß darstellt, das hinter der Wirklich­ keit zurückbleibt.

Gegenüber dem allgemein üblichen und auch von uns befolgten Berechnungs­ verfahren, die Gesamtbevölkerung mittels des Reduktionsfaktors anderer mittelalter­ licher Städte zu errechnen, schlägt Eulenburg als zweckmäßiger vor, aus der ältesten genauen Volkszählung womöglich des 18. Jahrhunderts den Maßstab zu entnehmen, um die noch älteren Ziffern zu deuten. Die erste amtliche Volkszählung im Jahre 1795 ergibt für München 5333 selbständige männliche Personen vom 22. Lebensjahr an aus Bürgerschaft und Beamtentum, Bauernstand, Adel und den „übrigen Volksklassen" bei einer gesamten Laienbevölkerung von 33466 Einwohnern. Es treffen also auf ein Familienhaupt 6,27 Personen^). Da Münchens Einwohnerschaft sich vornehmlich aus dem stammverwandten Oberbayern ergänzte, die Stadt sich folglich in ruhiger Gleich­ mäßigkeit und blutmäßiger Eigenart entwickeln konnte, so muß auch aus dem Bevölke­ rungszustand zu Ende des 18. Jahrhunderts geschlossen werden, daß die mittlere Stärke der Haushaltung mit 5,5 Köpfen für München lediglich die Mindestgrenze nach unten darstellt. *) Die Nebenlinien der Familie Schrenk haben je einmal 13, 12 und 9, dreimal 7, fünfmal 6, je einmal 5 und 4, und fünfmal 2 Kinder, insgesamt also 104 Kinder in 18 Familien.

2) Cgm. 1992.

3) Cgm. 1993 fol. 695s. — Stadtarchiv, Nachlaß Karl Trautmann. 4) F. Eulenburg, Zur Bevölkerungs- und Vermögensstatistik des 15. Jahrhunderts. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. HI, 431 ff. 1894. — Schorer S. 152.

Zeitschr.

Münchens Bevölkerungsjahl 1369—1500

ausschließlich Judenschaft, Hofhaltung und geistlichen Personen. Gezählte Haushaltungsvorstände Jahr

1369 1396 1431 1439 1439 1440 1441 1441 1462 1500

(5. April) (8. Juni) (3. August) (18. März) (18. Sept.)

Errechnete Laienbevölkerung

Innere Stadt

Äußere Stabt

Gesamtstadt

320 336 336 339 340 330 352 358 466 475

1491 1528 1277 1208 1207 1186 1199 1271 1611 1670

1811 1864 1613 1547 1547 1516 1551 1629 2077 2145

9960 10252 8871 8508 8508 8338 8530 8959 11423 11797

Die in den Steuer- und Grabenbüchern verzeichneten „Knechte" — ihre Zahl schwankt zwischen zehn im Grabenbuch vom 5. April 1439 und vierzig im Steuerbuch von 1436 — wurden als Haushaltungsvorstände mitgezählt. Diese Knechte nahmen als Herrenknechte die Stellung von Verwaltern bei den Ratsgeschlechtern und Kauf­ herren em1),2 3waren 4 Werfführer bei verwitweten Meistersfrauen oder Handwerks­ gesellen, Schmiede-, Bäcker-, Mühl- und Bräuknechte, denen ihre Zunftsatzungen das Heiraten nicht verboten, hatten Familie, führten eigenen Haushalt und besaßen zum Teil auch das Bürgerrechts. Diese Knechte fallen nicht unter den Begriff des Ge­ sindes, d. h. der Dienstboten und Arbeiter, die in Kost und Wohnung ihres Dienstherrn stehen. Im Jahre 1445 wird zu den umfangreichen Grabenbauarbeiten auch das Gesinde herangezogenS). Jeder Kopf der dienenden Bevölkerung wird mit 8 L, besteuert, ihre Zahl durch Hausumgang der verordneten Baumeister aufs genaueste festgestellt. Die Dienstherren werden von Straße zu Straße angelegt und die Zahl der von ihnen beschäftigten Dienstboten beigefügt. Männliche Dienst­ boten sind mit „Knecht, jüngere auch mit „Knab" oder „lernknab" bezeichnet, so daß anzunehmen, daß wie anderwärts*) die Lehrlinge inbegriffen sind, weibliche mit „diern". x) Für die angesehene Stellung der Handlnngsdiener spricht, daß Ulrich, Knecht des Gabriel Ridler, dem Franziskanerkloster einen Gulden Ewiggeld stiftet und vor dem Allerheiligen-Altar begraben wird. Sein Bild oben