Mittelalter und Antike bei William Morris: Ein Beitrag zur Geschichte des Mediaevalismus in England [Reprint 2019 ed.] 9783111496061, 9783111129860

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Mittelalter und Antike bei William Morris: Ein Beitrag zur Geschichte des Mediaevalismus in England [Reprint 2019 ed.]
 9783111496061, 9783111129860

Table of contents :
VORWORT
INHALT
ABKÜRZUNGEN
BERICHTIGUNGEN
I. AESTHETIC DISCONTENT
TEIL 1. GRUNDLAGEN
II. DER MEDIAEVALISMUS IN ENGLAND
III. AUFNAHME DES MEDIAEV ALISMUS
IV. GESTALTUNG DES MEDIAEV ALISMUS
TEIL 2. DARSTELLUNG
V. VORBEMERKUNGEN
VI. SCENES FROM THE FALL OF TROY
VII. THE LIFE AND DEATH OF JASON
VIII. SCHLUSSBEMERKUNGEN
TEIL 3. KRITIK
IX. ERMÖGLICHUNG UND NOTWENDIGKEIT
X. ÄSTHETISCHER GEWINN
XI. PSYCHOLOGISCHE BEGRÜNDUNG
XII. PARALLELEN
ANMERKUNGEN, EXKURSE, INDEX, LITERATUR-VERZEICHNIS

Citation preview

MITTELALTER

UND

BEI WILLIAM

ANTIKE

MORRIS

MITTELALTER UND ANTIKE BEI WILLIAM MORRIS EIN

BEITRAG

ZUR

GESCHICHTE

DES M E D I A E V A L I S M U S IN E N G L A N D VON

ELISABET C. KÜSTER

MIT D R E I T A F E L N

B E R L I N U N D L E I P Z I G 1928

V E R L A G VON W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G.J.GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG -

J. GÜTTENTAG, VERLAGS-

BUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER -

VEIT & COMP.

VORWORT. Die Untersuchung eines seltsamen literarischen Stilphänomens : mittelalterlich dargestellte Antike im 19. Jahrhundert, das im Bereich der englischen Präraffaelitengruppe am häufigsten aufzutreten schien, mußte unvermeidlich zur Berührung mit William Morris führen. Unvermeidlich war es auch, daß nunmehr diese mächtige Persönlichkeit, "one vast Morris", wie Dante Gabriel Rossetti einmal diese überströmende Fülle schöpferischer Kraft und künstlerischer Phantasie zusammengefaßt hat, allein das Blickfeld ausfüllte. In den literarischen Werken von Morris findet das genannte Stilphänomen den breitesten und klarsten Ausdruck, aber die Dichtungen führen auch zugleich in Zusammenhänge und Entwicklungen englischen Geisteslebens und englischer Kunst, denen kontinentale Forschung bisher noch wenig Interesse zugewandt hat. Es wurde deshalb zum weitergestedcten Ziel der vorliegenden Arbeit, nicht nur die Entwicklungsgeschichte, Darstellung und Begründung eines literarischen Phänomens zu geben, sondern auch einen Einblick zu schaffen in das uns im wesentlichen fremde Gebiet des englischen Mediaevalismus, und auf den Mann hinzuweisen, der die angewandte Kunst des Kontinents vielleicht noch mehr als die seines eigenen Landes beeinflußt hat. Herrn Professor Friedrich Brie, Freiburg i. Br., bin ich tief verpflichtet dafür, daß er mit wertvollsten Anregungen und Ratschlägen Entstehung und Wachsen dieses Buches gefördert hat, das gleichzeitig als Dissertation erschienen ist. Meinen Dank sage ich auch Herrn Professor Hans Dragendorff, Freiburg i. Br., für die Erlaubnis, die reiche Bibliothek des archäologischen Seminars zu benützen, was meine Arbeit wesentlich erleichtert hat.

Ich danke der liebenswürdigen Gastfreundschaft von Mrs. Amy Tozer, Mr. Raymond Unmin und Mr. Emery Walker das besondere Glück, londoner Heime kennen gelernt zu haben, die mit Morris' Kunst geschmückt waren, und in denen sein Geist, lebendig erhalten durch viele persönliche Erinnerungen, unmittelbar fortwirkt. London, Hampstead,.Juni 1928. INHALT. I. AESTHETIC DISCONTENT

E. C. K.

1

T E I L I, G R U N D L A G E N . II. DER MEDIAEVALISMUS IN ENGLAND

6

III. AUFNAHME DES MEDIAEV ALISMUS

25

IV. GESTALTUNG DES MEDIAEV ALISMUS

47

T E I L 2, D A R S T E L L U N G . V. VORBEMERKUNGEN VI. SCENES FROM THE FALL OF TROY VII. THE LIFE AND DEATH OF JASON VIII. SCHLUSSBEMERKUNGEN

77 85 115 161

T E I L 3, K R I T I K . IX. ERMÖGLICHUNG UND NOTWENDIGKEIT X. ÄSTHETISCHER GEWINN XI. PSYCHOLOGISCHE BEGRÜNDUNG XII. PARALLELEN

164 179 184 191

ABKÜRZUNGEN. O. a. C. M. Oxford and Cambridge Magazine. D. o. G. Defence of Guenevere. S. F. T. L. D. J. E. P. N. f. N. W. W. I.

Scenes from the Fall of Troy. The Life and Death of Jason. The Earthly Paradise. News from Nowhere. The Water of the Wondrous Isles.

Die kursiven Ziffern in Klammer verweisen auf die Anmerkungen im Anhang. Exkurse vgl. Anhang. Index vgl. Anhang. Literaturverzeichnis vgl. Anhang.

BERICHTIGUNGEN. Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite

7, 30, 38, 43, 89, 90, 110, 158,

32. Zeile, 23. Zeile, 28. Zeile, 5. Zeile, 2. Zeile, 35. Zeile, Anm. 213 , 12. Zeile,

statt statt statt statt statt statt statt statt

Formen lies the lies ihm lies bedeutend lies andiences lies Exkurs 1,3 lies Ilias XXII, pg. 136 . . lies them lies

Zusammenhänge. he. im. bedeutende. audiences. Exkurs I. Ilias XXII, v. 136. hem.

ERSTES KAPITEL. "Dreamer of dreams, born out of my due time, Why should I strive to set the crooked straight?" Diese Verse schrieb William Morris in dem Titelgedicht zum Earthly Paradise, seiner größten und gefeiertsten zyklischen Dichtung. Es sind viel zitierte Worte, aber eigentlich hat man sie Morris immer übel genommen. Man witterte Arroganz dahinter, Verachtung für die Gegenwart und damit für sich selbst als mitgestaltend an dieser Gegenwart. Man interpretierte auch nach der anderen Seite hin und sah im Dichter einen romantischen Weltschmerzler und sentimentalen Elegiker. Oder man stempelte Morris zum großen Pessimisten und Verneiner der ganzen Gegenwartskultur (1). Sehr wenige Kritiker begriffen, daß es weder Arroganz, noch romantische Sentimentalität, noch Nihilismus war, sondern Schmerz, Leiden unter täglichen, stündlichen Verletzungen, was sich hier in den Vers geflüchtet hatte, daß sie es mit einem Zeitübel zu tun hatten, das erst wenige und vielleicht niemand mit so heftiger Gewalt ergriffen hatte wie Morris, aber das sich epidemisch ausbreiten sollte. Nennen wir diese Zeitkrankheit nach dem Vorgang A. Clutton Brocks1 aesthetic discontent. Es sei darunter die Bewußtseinslage des ästhetisch empfindenden Menschen verstanden, den die Ausdrucksformen seiner Zeit, wie sie in Haus und Gerät, Gewand und Gefäß, Kirchturm und Marktplatz, — in allem zu gestaltenden Dinglichen —, objektiviert werden, unbefriedigt lassen oder gar peinigen, beleidigen, sein Lebensgefühl ernsthaft beeinträchtigen. 1

A. Clutton Brock: William Morris, his work and influence.

Kiister, Morris

1

2 Dabei ist aber, — das sei besonders betont —, nidit von einem Ästhetizismus als Weltanschauung, vom Verhältnis des Menschen zur autonomen Kunst, als der metaphysischen Basis f ü r diese Geisteshaltung auszugehen, sondern nur die Relation vom Menschen zur angewandten oder dekorativen Kunst soll hier in ihrer negativen Funktion: als Quelle des aesthetic discontent untersucht werden. Diese Trennung von autonomer und angewandter Kunst zu vollziehen und einer gesonderten Betrachtung zu unterwerfen, berechtigt einmal der Umstand, d a ß Morris, der als Typus des ästhetisch Unbefriedigten aufgezeigt werden soll, Sinn und Ziel der Kunst n u r in der Relation zum Leben sieht. "Art is the pleasure of life", aber nicht eine esoterische Kunst und eine spirituelle Erhöhung der Lebensfreude durch sie, sondern die Einheit von Kunst und Leben und eine Steigerung der Lebensintensität u n d des Lebensgenusses durch die ästhetische Befriedigung will er darunter verstanden wissen (2). Ferner scheint die Trennung berechtigt, da sich um die Zeit von Morris' Auftreten die autonome Kunst aller Anrechte auf die Gestaltung der Umwelt begeben hatte. Ist als O b j e k t des aesthetic discontent somit die materielle Umwelt in ihrer Formulierung durch die dekorative Kunst bestimmt, so ergibt sich, daß, löst diese Umwelt nur Unlustgefühle aus, der Mensch keinen Boden mehr findet, in dem sein ästhetischer Formwille Wurzel fassen, treiben u n d Frucht bringen kann. Wie Treibholz im F l u ß bleibt er dann irgendwo mit seiner Sehnsucht nach Lösung des Spannungsgefühls hängen, wendet sich zu anderen Zeiten und Stilformen, die sein ästhetisches Bedürfnis befriedigen können. Aus einer so fixierten Geisteshaltung wurden die Morrisschen Verse geboren. Erst das neunzehnte J a h r h u n d e r t schuf dieses Leiden, das Entwurzelung der ästhetischen Existenz und Flucht aus der Zeit in sich schließt. Wie ist das zu erklären? Noch im Mittelalter ist Kunst und Leben eine Gleichung, die restlos aufgeht. Aber „man sucht im Mittelalter in der Kunst

3 noch nicht die Schönheit u m ihrer selbst willen. Sie ist zum weitaus größten Teil a n g e w a n d t e K u n s t . . d e r G r u n d , sie zu begehren, liegt in ihrer Bestimmung, in der Tatsache, d a ß sie sidx irgendeiner L e b e n s f o r m dienstbar macht." 2 So gibt es auch nodi keine Grenze zwischen Künstler u n d K u n s t h a n d w e r k e r : Hugo v a n der Goes malt z. B. Ablaßschilder, Melchior Broederlam leitet die Ausschmückung der Flotte des Herzogs von B u r g u n d , in der W e r k s t ä t t e J a n v a n Eycks werden S t a t u e n polychromiert. Eine T r e n n u n g vollzieht erst die Renaissance, die die K u n s t zwar autonom macht, aber sie dadurch eben n o t w e n d i g u n d verhängnisvoll spaltet in, wie Morris es f o r m u l i e r t : intellektuelle u n d dekorative Kunst (schöne u n d a n g e w a n d t e Künste) (3). Die immer breiter u n d schroffer w e r d e n d e K l u f t , die seit der Renaissance a u f r e i ß t zwischen K u n s t u n d Leben, intellektueller und dekorativer Kunst, Künstler u n d K u n s t h a n d w e r k e r , w i r d f ü r alle Teile eine ernste G e f a h r . Der Künstler w i r d Esoteriker mit eigengesetzlichen Zielen. Es fehlt ihm die Regenerationsmöglichkeit aus dem H a n d w e r k , die b l u t h a f t e Verbundenheit mit seiner ganzen Volksgemeinschaft und ihr b e f e u e r n d e r Widerhall. " . . . once every m a n t h a t m a d e a n y t h i n g m a d e it a w o r k of art besides a u s e f u l piece of goods, whereas now, only a very few things h a v e even the most distant claim to be considered works of art." 3 Dagegen entwickelt sich seit der Renaissance — das ist die ganz besondere T r a g i k der K u n s t — dadurch, d a ß sich der eigentliche Kunstsinn j e t z t erst entfaltet, die Tendenz, die K u n s t als Selbstzweck zu e r k e n n e n u n d sie n u r m e h r k o n t e m p l a t i v zu genießen. I h r e Gesetze u n d Ziele sind so besondere, d a ß eine Beziehung auf die G e s t a l t u n g der A u ß e n w e l t eine P r o f a nierung bedeutet. Intellektuelle u n d dekorative K u n s t sind nicht mehr eine Synthese, o f t eine Antithese. So bleibt der K u n s t h a n d w e r k e r , dem die A u s ü b u n g der deko2

Vgl. J. Huizinga: Herbst des Mittelalters, Die Kunst im Leben, pg. 368 ff. 3 Coli. Works, Bd. XXII, 162. l'

4 r a t i v e n K ü n s t e als den lesser arts durch diese Entwicklung zugewiesen w i r d , ohne die Erziehung u n d geistige Befruchtung durch, d e n künstlerischen Genius. E r exzelliert n u r noch im Errechneten, Technischen. Die i n n e r e Schau in der Materie zur lebendigen Gestalt zu f o r m e n : das versank, als der Künstler aus d e m Leben der Menschen fortging in seine eigene Welt. I n der Renaissance also beginnt, im sechzehnten u n d siebzehnten J a h r h u n d e r t r e i f t der Prozeß. Im ausgehenden achtzehnten u n d i m neunzehnten J a h r h u n d e r t w i r d der verhängnisvolle Zustand der dekorativen K u n s t a k u t . D i e historische Situation h a t t e sich noch m e h r durch die volkswirtschaftlichen U m f o r m u n g e n kompliziert. Die Arbeitsteilung ist schon i m achtzehnten J a h r h u n d e r t zum größten Teil durchg e f ü h r t . Aus dem A u s b a u des Systems, der E r w e i t e r u n g d e r M ä r k t e , d e r gesteigerten P r o d u k t i o n resultiert schließlich der Masdunenindustrialismus. D a s w a r d e r Bruch auch mit der Tradition, das w a r ein Lebenstempo, das dem organischen Ablauf weit vorauseilte, dem Menschen nicht Zeit zur E i n o r d n u n g u n d U m s e t z u n g in die F o r m gab, sondern über ihn h i n w e g f e g t e u n d ihn i m Chaotischen zurückließ. Über E n g l a n d brach zuerst u n d am schwersten das Verhängnis herein. F r ü h e r als auf dem Kontinent h a t t e der große Aufstieg maschineller P r o d u k t i o n begonnen. F r ü h e r u n d j ä h e r als in den ander e n L ä n d e r n brach hier die künstlerische Tradition, soweit sie vom H a n d w e r k abhängig w a r , zusammen. 4 Symptomatisch d a f ü r ist e t w a das Schicksal einer kunstgewerblichen Bewegung, die in der zweiten H ä l f t e des achtzehnten J a h r h u n d e r t s von den N a m e n C h i p p e n d a l e , Sheraton, H e p p l e w h i t e ausgelöst wird, u n d die, obgleich sie selbst in dem in allen künstlerischen D i n g e n f ü h r e n d e n Frankreich begeisterte A u f n a h m e und s t a r k e n E i n f l u ß gewinnt, u m 1840/50 vollkomm e n erloschen u n d vergessen ist (4). 4

Vgl. H. Muthesius: Die Anfänge der modernen Innenkunst. Neue Rundschau 1905.

5 Das Empire, in England die Georgian Era, ohnehin keine Epoche starker künstlerischer Potenzen, war an Anämie zugrunde gegangen. Zu Kunstformen, die Ausdruck der neuen Lebensformen gewesen wären, konnte man nicht vordringen, weil man den Anschluß an das neue Zeittempo nicht hatte gewinnen können. Man begriff den neuen Lebensrhythmus nicht und wehrte sich gegen ihn. Man überließ die Kunst sich selbst, d. h. dem technischen Verstand, der die Dinge nur nebeneinander sieht, nur Massen schichten kann, ohne das Geheimnis zu kennen, sie zu verbinden. Der Utilitarier und Materialist bildeten die Welt. So entfloh der ästhetische Mensch aus dieser entgötterten Welt in andere artistische Zeiten. A u f dem Kontinent kehrte man in die Renaissance zurück, in England wich man vor dem ästhetischen Nihilismus in den Mediaevalismus aus. Das war die Zuständlichkeit, aus welcher der aesthetic discontent geboren wurde, und das waren seine Konsequenzen. Es bliebe noch übrig, den Begriff des aesthetic discontent abzugrenzen von jenem anderen Zeitübel, das auch um die Jahrhundertwende seine Inkubationszeit beendet hatte: L'ennui. Gemeinsam ist die Unzufriedenheit mit der Welt und die Flucht aus ihr, aber während der ennui auf psychologischmetaphysischer Grundlage erwächst, ist der aesthetic discontent eine rein ästhetisch-sensualistische Angelegenheit, die von den Bildungselementen des ennui (5) nichts in sich schließt. So flieht auch der ennui vor der Welt als Wirklichkeit, der aesthetic discontent, weil diese Wirklichkeit häßlich ist. Wie oben gezeigt war, machte England zuerst diese ästhetische Krisis durch. Früher aber wurde man fich auch hier dessen bewußt, was man verloren hatte: die Schönheit der Welt. Man suchte sich dem Leiden zu entziehen durch die Flucht in den Mediaevalismus. Den Schmerz zu überwinden lehrte Morris. Aesthetic discontent ist ihm Antrieb gewesen, die häßlich gewordene Welt aus den Werkgedanken des Mittelalters zu verwandeln, ihre alte Schönheit wiederzusuchen und sie einer neuen entgegenzuführen (6).

ZWEITES KAPITEL. Der Mediaevalismus, d. h. die Hinwendung zum Mittelalter, die Beschäftigung mit seinen Lebens- und Geistesformen, vornehmlidi aber seiner Kunst, die Kriterium und Vorbild wird, ist eine gemein-europäische romantische Tendenz. Sie wird entwickelt aus der romantischen Sehnsucht nach fernen, wunderbaren, primitiven Zeiten, in denen das Leben noch Glanz und Farbe und Pathos hat und in der Kunst aufgeht, wie die Kunst im Leben. In Deutschland ist die Romantik im wesentlichen emotionellmetaphysisch gerichtet (?), in Frankreich literarisdi-soziologisch, in England ist der künstlerische Aspekt bestimmend, wenn auch soziale (Carlyle) und religiöse (Oxford-Movement) Strömungen hier als stilbildende Faktoren mit heranzuziehen sind. Ein solcher Eklektizismus, wie ihn die Renaissance des Mittelalters in der Romantik darstellt, kann nur auf einem so autonomen Gebiet wie dem künstlerischen wirklich Boden fassen und schöpferisch sein. Daraus ist zu erklären, daß die mediaevalistische Tendenz gerade in der englischen Romantik mit ihrer betont künstlerischen Haltung am schärfsten herausgearbeitet werden konnte. Die Renaissance des Mittelalters setzt hier zuerst ein, findet ihre konsequenteste Durchführung und ist auch mit dem Ausklingen der Romantik nicht abgeschlossen. Die Geschichte des Mediaevalismus in England ist noch nicht geschrieben. Auch H. A. Beers' sehr wertvolle History of the English Romanticism in the 18th and 19th Century, die die Romantik überhaupt nur als Wiedererweckung mittelalterlicher Lebens- und Denkformen auffaßt (8), greift noch nicht weit genug aus. Im Rahmen literarhistorischer Untersuchungen kann sie die Zeugnisse der bildenden Kunst nur streifen. Und doch

7 ist gerade die bildende Kunst im Banne des Mittelalters die interessanteste Seite der Bewegung. Nicht n u r um der allgemeinen geistesgeschichtlichen Zusammenhänge willen, sondern auch um die speziellen Voraussetzungen f ü r die extrem mittelalterliche Geisteshaltung von Morris darzulegen, ist es nötig, die Linie, oder vielmehr die Abbreviatur einer Linie der historischen Entwicklung anzudeuten. Es k a n n sich dabei natürlich nur um Exponenten der Bewegung handeln, die hier herausgestellt werden sollen. Am überzeugendsten ist die Entwicklung des Mediaevalismus aufzuzeigen in der bildenden Kunst, u n d zwar in der Architektur. Sie zum Mittelpunkt dieser Ausführungen zu machen, glauben wir deshalb berechtigt zu sein, weil, wie das im weiteren noch eingehender darzulegen sein wird, Morris' mediaevalistische H a l t u n g zumeist durch die bildende Kunst bestimmt wird. In der Architektur manifestierte sich ihm aber das transzendentale Wesen der Kunst schlechthin (9). Sie ist ihm zugleich Ausgang und Schnittpunkt aller Künste. Es gibt in England etwas wie eine ununterbrochene gotische Tradition. O f t zwar ist sie fast verschüttet, aber immer wieder gelingt es einem kleinen Wasserlauf, sich ein Bett zu suchen, und nie versinkt und versandet der Fluß der Überlieferung ganz. Wie England h ä u f i g die Dinge anders e r f a ß t und entwickelt als der Kontinent, so ist auch sein Verhältnis zur Gotik, mit Ausnahme Böhmens, beispiellos in Europa. Nicht mit Unrecht sieht Burger, 5 der die gotische Tradition bis in die „japanistisdien Impressionen" Whistlers verfolgen möchte, im Nachleben der Gotik in England ihre historisch interessanteste Seite. Die englische Frührenaissance 6 (Elizabethan style) ist noch äußerlicher im Übernehmen und Überpflanzen antiker Formen in die architektonischen Formen des nationalen Stils. Die insulare Abgeschlossenheit verhinderte den Einbruch von außen, das Fluktuieren der Stile und stärkte den nationalen Widerstand. 5

Vgl. Burger: Die Malerei und Plastik des 19. und 20. Jahrhunderts. Vgl. Gurlitt: Geschichte des Barockstils in Holland, Belgien, Frankreich, England. 9

8 Noch 1572 z. B. baute man eine gotische Festhalle im Temple. Bis zur Regierung Jakobs I. (1603) war die Profanarchitektur ausgesprochen mittelalterlich (10). Eine eigentliche Renaissance gibt es so wenig wie in Deutschland, aber mächtig strömt der palladianische Barock ins Land. Inigo Jones (1573—1652), der Repräsentant englischer Architektur in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie es Sir Christopher Wren (1632—1723) für die zweite Hälfte ist, inaugurierte den neuen Stil, den er in reiner und strenger Form darzustellen weiß. Aber so übermächtig war die Tradition: Inigo Jones brauchte erst eine zweite Reise nach Italien,7 ehe er sich völlig von gotischen Reminiszenzen befreite und seine ganz formenstrengen palladesken Paläste baute, der monumentale Ausdruck barocken Lebensgefühls. Aber es ist ein Schauspiel ohnegleichen — dieser Barockmeister, der in schroffster Form mit der souveränen Tradition gebrochen hatte, dem es wie kaum je einem einzelnen Künstler gelungen war, ein neues Stilideal einzuführen und durchzusetzen: von ihm verlangten die bürgerlichen Gemeinschaften daß er gotisch baue",8 wie z. B. in der Kapelle von Lincolns Inn (1621—1623). Kann man das Nachleben der Gotik im Schaffen von Inigo Jones einigermaßen überzeugend begründet finden in der inneren Ungeklärtheit und Unsicherheit einer Ubergangsepoche, sowie unter dem Druck der Auftraggeber entstanden, so gewinnt man erst ein ganz klares Bild von der Macht nationaler, d. h. gotischer Tradition, wenn man das Werk Sir Christopher Wrens überblickt. Der unerhörte Glücksfall, daß ihm nach dem Brand von London, 1666, die gesamte architektonische Neugestaltung dieser europäischen Stadt übertragen wurde, daß er die Paulskathedrale, eines der mächtigsten Bauwerke der Welt, beginnen und beenden konnte (1675—1710), war die rein materielle Voraussetzung dafür, daß er zum repräsentativsten Vertreter der 7 8

Vgl. Eastlake: History of the Gothic Revival, pg. 5. Vgl. Gurlitt, 1. c. pg. 5.

9 Barockarchitektur in England und der englischen Architektur überhaupt wurde. Aber er erfüllte diese Voraussetzung auch in Werken von hoher Qualität. Den palladianischen Barock Inigo Jones', von dem er ausging, behandelte er nicht mehr eklektisch, er leitete über zum römischen Barock. Das erforderte, anders als wenn man sich an das Paradigma des Meisters von Vicenza anschloß, eine über das Formale hinausgehende Assimilierung, schöpferische Verarbeitung und individuelle Gestaltungskraft. Und auch dieser Hochmeister des Barock kann sich nicht lösen aus dem Gefüge gotischer Tradition. St. Margaret Patten's Church, 1687, zeigt bei Renaissancedetaillierung ganz gotischen Aufbau. Der Turm von St. Dunstan's Church in the East, 1699, ist in seiner gotischen Formensprache, Spitzbogenfenster mit reichem Maßwerk, Eckfialen und Wimpergen „ e i n e . . . völlig bewußte Anlehnung an den Stil des fünfzehnten Jahrhunderts". 9 Noch strenger gotisierend war Wren beim Bau des Tom Tower, Christchurch, Oxford, 1682, vorgegangen, seiner besten und bedeutendsten gotischen Schöpfung. Die frappanteste Leistung des Barockmeisters sind indessen die Erneuerungsbauten der St. Peterskirche, Westminster, London, 1713, und der Kathedrale von Lincoln, 1669—1670, um ihrer in jener Zeit aufs höchste überraschenden historisierenden Stilauffassung willen. Über seinen Entwurf für Westminster schreibt Wren: "I have made a design... still in the Gothic form, and of a style with the rest of the structure, which I would strictly adhere to throughout the whole intention. To deviate from the whole form would be to run into a disagreeable mixture, which no person of a good taste could relish". 10 Das ist Gothic Revival 100 Jahre vor ihrer Zeit! Gurlitt erklärt diese in der ganzen Welt, mit Ausnahme der böhmisch-sächsischen Sonderentwicklung, einzig dastehende Tatsache, daß zwei, wenn auch gewissermaßen wesensverwandte Stile gleichwertig nebeneinander bestehen können, damit, daß 8 10

Vgl. Gurlitt, I. c. pg. 348. Vgl. Eastlake, 1. c. pg. 34.

10 Reformation und Renaissance, Katholizismus und Gotik in England nicht in so schroffer Gegensätzlichkeit aufgefaßt wurden wie z. B. in Deutschland; daß die religiöse Duldung und das eingeborene Freiheitsstreben sich auf alle Gebiete des menschlichen Geistes erstreckt habe. Noch mehr wäre aber die Macht der Tradition zu betonen, die, wurzelnd in frühbewußtem Nationalgefühl, wenig gefährdet durch Einbrüche fremder Kunstauffassungen, wie so oft auf dem Kontinent, dem konzipierenden Künstler wie dem ausführenden Handwerker überhaupt erst die Voraussetzung, nämlich die mehr oder weniger (11) gewandte Beherrschung der gotischen Formensprache lieferte. Auch Nicolas Hamksmoor (1666—1735), ein Schüler Wrens und führender Architekt der Zeit, vergißt die gotische Tradition nicht, wie die Doppeltürme von All Souls' College, Oxford, beweisen. In Schottland (12) übernimmt William Adam (gest. vor 1750) die Gotik auch für die Profanarchitektur. Das mächtige Douglascastle ist wohl barock in dem streng axialen Grundriß, entwickelt aber in der ganzen Fassadengestaltung, nicht nur im Detail, nachformende Gotik von einer gewissen Großartigkeit: sechs gewaltige Rundtürme, Zinnenkranz, Spitzbogenfenster mit reichem Maßwerk, der barocke Mezzanin im Vierpaß aufgelöst — die repräsentativsten gotischen Formelemente sind verwandt und zu einer ganz reizvollen Einheit verschmolzen. Robert Morris von Troickenham wird der Bau Vorbild für das von ihm geschaffene Inverary Castle (13) (begonnen 1745). Diese schottischen Feudalsitze, die vor Percy, vor Ossian bewußt formal-romantische Gedanken zur Evidenz brachten, wirkten wieder zurück auf England, wo um 1750 der Mediaevalismus, d. h. das nunmehr bewußte, nicht das naiv-traditionelle Gotisieren in der Profanarchitektur mehr und mehr an Boden gewann. Es wurde unterstützt durch das Erscheinen architektonisch-antiquarischer Werke, wie etwa Batty und T. Langleys berühmte und berüchtigte: Gothic Ardiitecture, 1742 (14) (15). Dadurch, daß die naiv-künstlerische Expression durch die bewußt historisierende Gebärde ersetzt wird, ist dem architekto-

11 nischen Dilettantismus alle Freiheit gegeben. Hatte bislang, genährt von der Uberlieferung, die Gotik zwar keine künstlerisch bedeutenden, aber doch niveauhaltende Schöpfungen hervorgebracht, so wird nun das Tragikomische Ereignis: Von der Zeit an, wo nach intellektualistischem Antrieb eine Wiedergeburt der Gotik erstrebt wird und ethische, ästhetische, literarische Kriterien naiv-künstlerisches Schaffen beeinflussen, entwickelt sich eine Bastardgotik, voll Unsicherheit, schwächlicher Erfindung und hybrider Stilmischung. Erst mit Pugin, 70 Jahre später, kommt die methodische Klärung, und erst Morris, hundert Jahre später, verarbeitet die Ideen, die die Bewegung ausgesandt hatte, schöpferisch zu neuem Beginnen. Der Exponent des antiquarisch-architektonischen Dilettantismus um 1750 war Horace Walpole. Ein echtes Kind seines Jahrhunderts, Voltairianer, antiromantisch seinem innersten Wesen nach, hatte er doch genügend Spürsinn, Fingerspitzengefühl für die ästhetischen Werte, die im Mediaevalismus verborgen lagen. "Walpole is almost the first modern Englishman who found out that our old cathedrals were really beautiful. He discovered that a most charming toy might be made of mediaevalism." 11 Von 1750—1777 dauerte der Umbau seines Landsitzes Strawberry Hill (16) in ein Gebilde, das — halb Schloß, halb Kloster — eine barbarische Pseudogotik entwickelte. Es war der Rahmen für eine abstruse Sammlung gotischer und anderer Seltsamkeiten und Kunstwerke. Wertvolle und wertlose Dinge waren kritiklos gehäuft: "an old curiosity shop",12 wie Austin Dobson es einmal nennt. Der Mediaevalismus war bei Walpole nur "a thin veneering", die spielerische Laune eines nach neuen Emotionen (17) suchenden Geistes. Walpole nennt Strawberry Hill selbst "a phantastic, a paper fabric" und ist sich der Inkongruenzen wohl bewußt. "In truth, I did not mean to make my house so Gothic as to exclude convenience and modern refinements in luxuu 12

Leslie Stephen, Hours in a Library, pg. 191/92. Austin Dobson, Horace Walpole, a Memoir.

12 r y . . . " (18). "It was built to please my own taste, and in some degree to realise my own visions" Strawberry Hill f a n d begeisterte Kopisten und wurde zum Ausgangspunkt der Gothic Revival, die, mächtig gefördert durch den literarischen Zustrom, die Mode des Tages wurde und Fergusson 13 jenen berühmt gewordenen Ausspruch abnötigte: "Nothing was thought of or built but Gothic castles, Gothic abbeys, Gothic villas, and Gothic pigsties" (19). Rückblickend erkennt man, daß die Neogotik, von Horace Walpole aus rein artifiziellen Gründen inauguriert, f ü r England gar nicht „neu" war. Traditionell Gepflegtes wurde nur bewußt gemacht. Jedenfalls erwarb sich der architektonische Mediaevalismus seine Existenzberechtigung in hartem Kampf mit dem gewichtigen Klassizismus von Sir William Chambers, Tite, Smirke, Soane (20). Zum Siege geführt wurde er durch die Kampfk r a f t eines Mannes, A. W. N. Pugin (1812—1852), der gleichsam mit Feuer und Schwert seinem Architekturideal Geltung verschaffte. " . . . it was the zeal and enthusiasm of this apostle of modern mediaevalism that brought out the fighting qualities of the younger generation, and won the day for Neo-Gothic." 14 Es ist das tragische Verhängnis der Gothic Revival, daß die Bewegung — bis Morris kam — eigentlich nur Theoretiker gehabt hat. Schon der ältere Pugin (A. Ch. P., 1762—1832) war kein praktischer Architekt. Sein Verdienst war, mit dem architektonischen Dilettieren ein Ende gemacht zu haben. Auf Reisen in der Normandie und in Frankreich brachte er wirklich sachliche und f ü r den praktischen Gebrauch des Architekten bestimmte Aufnahmewerke mittelalterlicher Baudenkmäler zusammen. 15 Ebenso liegt die eigentliche Bedeutung A. N. W. Pugins in seinen theoretischen Werken, obgleich er 42 Kirchen baute, viele restaurierte und großen Anteil an dem neuen Parlamentsgebäude hatte. 13 14 55

Vgl. James Fergusson, History of Modern Architecture. Sir Reginald Blomfield, The Touchstone of Architecture, pg. 47. Vgl. Pugin, Specimens of Gothic Architecture.

13 Seines Mangels an schöpferischen Fähigkeiten war er sich selbst bewußt (21). Es bleibt aber sein großes Können im ornamentalen Detail, das auch Ruskin in seinem heftigen Angriff (vgl. Stones of Yenice, app. 12) gelten läßt. "Expect no cathedrals of him, but no one, at present, can design a better finial." Es bleiben seine Verdienste um Sammlung, Klärung und Vertiefung der gotischen Bewegung, die man bislang nur ganz oberflächlich und formal aufgefaßt hatte, ohne aber die Form technisch zu beherrschen und geistig zu durchdringen. Was wir dann in ausgeprägtester Form bei Morris finden, ist schon in Pugin vorgedeutet. Morris ähnlich in seinem feurigen Temperament, seiner Lebensintensität und ungeheuren Arbeitskraft, ist auch er mittelalterlicher Monomane (22). Allerdings ist er im wesentlichsten von Morris geschieden, der ein paganes Mittelalter sensualistisch-dekorativer Färbung heraufbeschwören möchte, während für Pugin das Mittelalter der Triumph des christlich-katholischen Glaubens in der sakralen Kunst ist. Eine Übereinstimmung in der geistig-seelischen Haltung beider Männer glauben wir aber wiederum darin zu sehen, daß Pugin schon etwas ahnte von aesthetic discontent, wenngleich sein Leiden an den Dingen fast ausschließlich ein Leiden an der korrumpierten sakralen Kunst war. Aus diesem Schmerz um die häßlich gewordene, utilitaristische Welt, — seine Welt, die katholische Kirche —, und um die Sehnsucht zu wecken nach der versunkenen und vergessenen Schönheit mittelalterlicher Architektur, schrieb er 1836 Contrasts, or a Parallel betmeen the Architecture of the 15th and 19th Centuries. Die Schrift wirkte wie ein Fanal durch ihren schroffen, einseitig katholischen Standpunkt, ihre flammende Sprache, ihr tendenziöses Bildermaterial, das sakrale und profane Gebäude des 15. Jahrhunderts konfrontierte (23). Aber sie weckte die Gewissen und trieb zur Tat: die alten Baudenkmäler, kostbares nationales Gut vor dem Verfall oder brutaler Restaurierung zu schützen. 184i erschien ein zweites, sehr einflußreiches Werk: True Principles of Gothic Ardiiiecture, dessen Ziel war: "to show Gothic architecture... as

14 the only correct expression of the faith, wants and climate of our country." Es enthielt die fundamentalen Sätze: lrst, That there should be no features about a building which are not necessary for convenience, construction or propriety; 2nd, That all ornament should consist of enrichment of the essential construction of the building." Was Pugin hier aus den Werken der mittelalterlichen Kunst abzog: Aufrichtigkeit und Konstruktionsmäßigkeit, Kampf gegen Unechtes in Material und Form, bereitete die Prinzipien aller modernen dekorativen Kunst vor. Hier berührt Pugin sich mit Ruskin und Morris. Während in der Frühzeit der Gothic Revival — bis i820 etwa — es eine Modeströmung war oder eine antiquarische Liebhaberei, die Architektur des Mittelalters nachzuschaffen, beginnt mit Pugin sich die Bewegung psychologisch zu vertiefen. Was eingangs als die Zeitkrankheit des 19. Jahrhunderts aufgefunden war, als Agens der Werke von Morris, der aesthetic discontent, das kündigte sich in Pugins schroffer Ablehnung der zeitgenössischen Kunst und ihrer Substitution durch die mittelalterliche bereits an. Aber erst mit Ruskin "aesthetic discontent became conscious and scientific". 18 Hatte bei Pugin das Religiöse seinem Mediaevalismus die Färbung gegeben, so waren es bei Ruskin moralische Kriterien, die ihn zum Mediaevalisten machten. Für Ruskin war Gotik "not only the best but the only rational architecture" (24). Sie ist ihm das Symbol moralischer Vollkommenheit überhaupt. Seine ästhetisdie Theorie, die er in vielen, apostolisch gewerteten Schriften niederlegte, ist, daß es außerhalb des Mittelalters, — wie er es sah —, nichts Gutes und Schönes und keine echte Kunst gab. Er steigerte sich etwa zu solchen Antithesen: "Mediaeval art was religious and truthful, modern art is profane and insincere." "In mediaeval art thought is the first thing, execution is the second. In modern art, execution is the first thing and thought is the second."17 A. Clutton Brock, 1. c. 13. " Vgl. Ruskin, Lectures on Architecture and Painting. 16

15 Ruskin ist wirklich der Verneiner der Gegenwartskultur, als den man Morris aufgefaßt wissen möchte. Er will, moralisch wie ästhetisch unbefriedigt, das neue Zeittempo, die Technik, den Maschinenindustrialismus ignorieren. So läßt er sich zu solchen Donquichotterien hinreißen wie Fors Clavigera und der Gründung der St. Georg's Guild (1871), Arbeitersiedlungen, in denen Landwirtschaft und Gewerbe auf kooperativer Grundlage in enger Anlehnung an das mittelalterliche Gilden- und Zünftewesen, getrieben werden sollte. Die Unternehmungen schlugen fehl (25). Auf Morris übte Ruskin, besonders durch das Kapitel: On the Nature of Gothic and the Function of the Workman therein in Stones of Venice, den allergrößten Einfluß aus. Ganz bewußt hat Morris sich immer als Schüler gefühlt, wenn er auch die Grenzen des Meisters, die doktrinäre, moralisierende Kunstauffassung (26) nicht verkannte. Was Ruskin für den Mediaevalismus rein künstlerisch bedeutet hat, bezeugte Morris in Lectures on Art .. ."he [Ruskin] showed us the gulf which lay between us and the Middle Ages. From that time all was changed;"... " I do not say that the change in the Gothic revivalists produced by this discovery was sudden, but it was effective. It has gradually sunk deep into the intelligence of the art and literature of to-day.. ,"18 In den nun vorgezeichneten Bahnen lief die Bewegung weiter, immer größer ihre Kreise ziehend, wirksam audi auf dem Kontinent, immer gewandter im Beherrschen der Form, immer korrekter und akademischer. Um 1870 hatte sie ihre größte Ausbreitung erreicht. Um 1870 schließt aber auch Eastlake sein Buch über die Gothic Revival ab mit dem Resultat, daß bislang nur die Grammatik einer alten Kunst meistern gelernt ist. Er stellt die Frage: Shall we ever be able to pronounce its language... as our mother tongue? Morris gab darauf die Antwort. Bei einem Uberblick über das Nachleben und die Wiederauf18

Morris, Coll. Works, XXII, 323 (The Revival of Architecture).

16 nähme des Mittelalters in der englischen Literatur kann es sich im Rahmen dieser Arbeit wie bei der Darstellung des Mediaevalismus in der bildenden Kunst nur um die Namhaftmachung einiger repräsentativer Vertreter handeln. Von der allgemeinen Verachtung und Vernachlässigung mittelalterlicher Literaturdenkmäler im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert war nur Chaucer (2?) ausgenommen gewesen. Erst um 1760, also als die Gothic Revival schon längst eingesetzt hatte, wandte man sich auch in der Dichtung wieder dem Mittelalter zu. Antiquarische Arbeiten hatten den Weg zu den Schätzen nationaler Vergangenheit freigelegt. "The true pioneers of the mediaeval revival were the Warton brothers", schreibt Beers. Vor allem ist es Thomas Warton (28) (1728—1790), der mit der Bewegung verknüpft ist durch seine History of English Poetry from the Close of the Eleventh to the Commencement of the Eighteenth Century, 1774/78/81. Er schreibt auch Observations on the Faerie Queene (1754) und rückt energisch von Pope ab. Indessen sein Mediaevalismus ist doch mehr oder weniger nur eine literarische Attitüde, noch durchsetzt mit rationalistischen Elementen und ebensowenig innerste Angelegenheit wie bei Horace Walpole, der nicht nur die Gothic Revival inaugurierte, sondern auch die neue Form des gotischen Schauerromans schuf mit: "The Castle of Otranto, A Gothic Story", 1765. Gezeugt in der pseudogotischen Atmosphäre von Strawberry Hill, das Walpoles Phantasien die nötigen Stimulantien gab, wird hier zum ersten Mal der ganze mediaevalistische Apparat aufgebaut: Schloß und Kerker, Feudalherr und greiser Priester, Geisterzimmer und Skelett. Der Erfolg des Romans war ungeheuer und seine Kopisten Legion. Der gotische Schauerroman wurde die literarische Tagesmode. Als repräsentatives Beispiel ist etwa Clara Reeves "The Champion of Virtue", 1777 (29), zu nennen. Morris las das Buch in seinen Kinderjahren. Noch sind aber gleichsam nur einzelne Versatzstücke auf die Bühne gebracht, zwischen denen Menschen des achtzehnten Jahrhunderts agieren, sehr rationalistische Menschen, die seit-

17 sam auf dieser fragmentarischen Bühne stehen, die kein Prospekt, keine Kulissen illusionsfähig machen. Erst Walter Scott schob die Kulissen heran, steckte seine Figuren in echte historische Kostüme, lehrte sie ein regelrechtes Turnier fechten, zu denken, zu sprechen und zu handeln, nicht wie im 13. oder 14. Jahrhundert, aber jedenfalls anders, als im späten achtzehnten. Doch zwischen Walpole und Scott hatte Chatterton gestanden, der sich an der Kunst von St. Mary Redcliffe zu einer phantastischen und ausschweifenden Liebe zum Mittelalter, dem farbigen und geheimnisvollen, entzündet hatte. Percys Balladensammlung, die Scotts Jugend beherrscht hatte, der Ossian, antiquarische und historische Werke waren erschienen. Alles Voraussetzungen für das Werk des großen Epikers. "At no time has mediaevalism held so large a place in comparison with other literary interests as during the years of his [Scotts] greatest vogue, say from 1805 to 1830."19 Scott ist es, der den Mediaevalismus durch die Literatur populär gemacht hat, wie Pugin durch das Medium der Architektur. Und wie Pugin seine gotischen Kirchen baute, mit dem heißesten Bemühen um das Verständnis gotischer Architektur und mit einem Schatz reichster Detailkenntnisse, ohne doch den Geist des Mittelalters beschwören zu können, so war auch Scott Mediaevalist seiner ganzen geistigen Struktur nach, auch er verfügte über ein profundes Wissen um mittelalterliche Dinge. Aber es gelang ihm ebensowenig wie dem Baumeister der Gothic Revival das immanente Sein des Mittelalters visionär zu erfassen und im Werk zu gestalten. Scott hatte kein Verhältnis zur katholischen Religiosität, er wußte nichts oder wollte nichts wissen von der spirituellen Komponente des Mittelalters, nichts von seiner Phantastik, seiner wilden Entflammtheit, dem Morbiden und Makabren. Er liebte es um seiner Abenteuerlichkeit, seiner kriegerischen Grundstimmung, seiner Feudalität willen. Es war ihm ein bunter Festzug, ein großes Turnier, ein Spiel von Formen und Farben. Und es war ihm eine ganz einfache und klare seelische 19

Beers, 1. c. II, 2.

Küster, Morris

2

18 Zuständigkeit, gefaßt in den echten Farben des historischen Lokals. Es sei ganz davon abgesehen, die Bedeutung der Neuschöpfung des historischen Romans zu würdigen. Hier ist nur wesentlich, was Scott für den Mediaevalismus bedeutete, und das war außerordentlich viel. «C'est de Walter Scott et de Walter Scott seul que commence cette fureur des choses du moyen-âge, cette manie de couleur locale.»20 Es war seine eine historische Tat, die ästhetischen Werte des Lokalkolorits für die Dichtung in ihrem ganzen Umfang entdeckt zu haben. Seine andere ist — einerlei wie man sie werten mag — als erster die mittelalterlichen Fakten, die ohne Zusammenhang und künstlerisch wirkungslos nur dem Gelehrten zugänglich waren oder eine artistische Liebhaberei bedeuteten, zusammengefaßt und sie — sei es auch in idealistischer Verklärung — zugänglich, lebendig, emotionell wirksam, künstlerisch in größtem Ausmaße fruchtbar gemacht zu haben. Ruskin nennt Scott und Homer "my own two masters".21 Ebenso ist Morris Scott tief verpflichtet. Von seinem Einfluß wurde er schon ganz früh erreicht. Mackail berichtet: "By the time he was seven years old he had read all the Waverley novels"22 und in The Lesser Arts of Life (1882) schreibt Morris selbst von der wiederholten Lektüre und dem immer frischen Reiz des "Antiquary" (30). Trotz der europäischen Weite seines Ruhms, wirkte Scotts Mediaevalismus über den Rahmen seiner Generation und seines Kunstgenres hinaus nicht eigentlich stilbildend. Nicht Scott wurde der Lehrer der Neuromantik, sondern Keats (31). Keais ist nie Mediaevalist gewesen etwa in dem antiquarischen Sinne Scotts. Alles war fremd, feindlich und unwesentlich außer der Kunst und der Schönheit. "Hence pageant history! Hence gilded cheat." Julia in ihrem Blumenfenster, Heros silberner Tränenstrom, Imogens Ohnmacht, das sind würdige Gegenstände künstlerischer Kontemplation. Geschichte ist Desillusionierung. M 21 22

Louis Maigron: Le Roman Historique à l'Époque Romantique. John Ruskin, Praeterita. Mackail, 1. c. I, pg. 9 (vgl. Coll. Works XXII, 254).

19 Nicht um seiner selbst willen wird bei Keats das Mittelalter in die Dichtung gezogen. Es ist Stilmittel, Farbe, dekorative Linie "white coursers prancing in the glen; a visor arched gracefully over a knightly brow." 23 H a t t e Scott das MotorischDynamische, der Elan des mittelalterlichen Lebens angezogen, so findet bei Keats sein ästhetischer Sensualismus u n d das Emotionelle seiner Kunst im mittelalterlichen Fühlen, der Romantik seiner Liebeshöfe, die stofflichen Grundlagen. Der junge Dichter suchte noch die ihm zugeordnete Form als er starb. Der Mediaevalismus von Keats w a r erst das Anschlagen eines Motivs. Wir wisssen nicht, wie er es durchgeführt hätte, würde er länger gelebt haben. Doch das Wesentliche, die Bestimmung der inneren Form, ist schon in den wenigen Versen von Calidore, Specimen of an Induction to a Poem, The Eve of St. Agnes, The Eoe of St. Mark, La Belle Dame sans Merci, deutlich. Die Addition von Formen und Farben und Geschehnissen h a t Scott virtuos vollzogen. Er mußte vom Mittelalter. Erlebt, intuitiv erkannt hat es erst Keats. Obgleich wir einsehen, daß sein Mediaevalismus nicht die solide Grundlage hatte, es nur ein Traum vom Mittelalter war, den Keats dichtete, so ist der Traum wahrer als die Wirklichkeit, um soviel wahrer eine künstlerische Umsetzung als ihre historische Stofflichkeit ist (32). Alles Historische ist irrational. Das ist der innere Widerspruch und die Unfruchtbarkeit des ganzen künstlerischen Historismus, der dieses Irrationale mit rationalen Mitteln darstellen will. Solange der Mediaevalismus dem historisierenden Bedürfnis entwuchs, brachte er kein echtes Kunstwerk hervor. Erst Keats, dem der Mediaevalismus allein eine künstlerische Angelegenheit war, der ihn nicht irgendwie rationalisierte, konnte die ersten mediaevalistischen Kunstwerke schaffen (33). Von Keats f ü h r t die direkte Linie zu Rossetti und den Präraffaeliten. Die Malerei hat die neuen Ideen später als die anderen Künste 23

Specimen of an Induction to a Poem.

2*

20 entwickelt. Erst 1848 erfolgte das klare Bekenntnis zum Mediaevalismus, das in Deutschland sdion 1809 durch die Nazarener ausgesprochen worden war (34). Die Geschichte und die Ziele der ersten englischen Sezessionisten, der Präraffaeliten, sind zu bekannt und zu oft geschildert, als daß sie hier noch dargestellt werden müßten. Es ist nur hervorzuheben, daß die deutschen Nazarener sich dem Mittelalter zuwandten, auch weil sie Wahrheit und Treue von Inhalt und Form dort suchten, vor allem aber um der christlichen Gläubigkeit und der Innigkeit des Fühlens willen. Sie gingen auf das nationale Mittelalter zurück, auf die Nibelungen, den Fauststoff, und wenn sie nach Italien sahen, so war die gefühlsbetonte Kunst Perugias das Ideal, und nicht die realistische Herbheit Gozzolis. Ebenso sind die Präraffaeliten in den Zeiten der Preraphaelite Brotherhood Künstler, die sich um ein ethisches Ideal mühen, ja, Präraffaelismus ist überhaupt, wie man das einmal formuliert hat, "an ethic mode of seeing." Aber die artistische Komponente ist doch die stärkere, was schon die Tatsadie beweist, daß sehr bald das außerkünstlerische, moralische, präraffaelitische Dogma aufgegeben wurde. Auch schon in der frühen Zeit ist das Streben der Präraffaeliten nach Wahrheit mehr pragmatisch als ethisch und zeigt sich in einem gesteigerten Realismus. Außerdem gingen die englischen Präraffaeliten nicht nur auf die nationale Vergangenheit zurück, sondern auch auf das italienische Mittelalter und die Frührenaissance, wohin Leigh Hunt und Keats den Weg gewiesen hatten. Das erste Kollektivwerk der Brotherhood sollte eine Illustration von Isabella sein. So bekam ihr Mediaevalismus dadurch, daß er über die Grenzen des Nationalen hinausging, eine reichere Farbigkeit und größere geistige Weite als der deutsche. Zugleich ist er aber viel konsequenter, kam er doch sogar in den Verdacht, die technischen Unvollkommenheiten der frühen Italiener, den Archaismus ihrer Formensprache, ihre falsche Perspektive, bewußt nachgeahmt zu haben.24 Vgl. Angus B. Readi in Town Talk and Table Talk; Illustrated London News, 1850.

M

21 Ruskin wies diesen Vorwurf zurück. Aber etwas w a r schon berechtigt an dieser Kritik. Denn nicht nur die ethischen Momente: die absolute Treue gegen die Natur, die unpathetische, demütige, sich rückhaltlos dem Stoff ausliefernde H a l t u n g der Trecentisten und Quattrocentisten hatte sie zur Nachfolge bewogen. Diese englische Künstlergruppe k a m von Keats her (35), sie w a r schon empfänglich f ü r einen so sublimen ästhetischen Reiz, wie ihn eine primitive Kunst ausübt, die nicht ausspricht, sondern verheißt, und versuchte, ihn mit ihren Mitteln, die aber nicht technische, sondern wesentliche waren, in ihre Bilder überzuführen. Das Zauberhafte, Ubersinnliche ist es, was sie anzog, u n d was sie im Mediaevalismus besonders ausgebildet haben. Es ist ein Mittelalter artistischer Konvention, das die P r ä r a f f a e l i t e n geben, ein phantastisches Spielen mit mittelalterlichen Formen, die aber mit solcher Intensität der inneren Anschauung erfaßt werden, d a ß diese Phantasien über das mittelalterliche Thema nicht Verblasen sind, sondern klar umrissenen Kontur haben. Das zentrale Motiv ist immer die Schönheit an sich, der Zusammenklang der F a r b e n und Linien, die um ihrer selbst willen da sind: das dekorative Prinzip also. Es ist immer die Schönheit der Ruhe oder selbst der Trauer in ihren Werken. Eine hastige Geste, ein überlautes Gefühl hätte dieses sanfte Spiel der Formen j ä h gestört, das dekorative Grundprinzip, schön zu sein, dramatisch durchbrochen und das Interesse auf einen P u n k t gebannt, anstatt es gleichschwebend dem Ganzen zuzuwenden. Aus dieser passiven Einstellung heraus w a n d t e m a n sich von dem k a m p f f r o h e n , lebensüberschäumenden Mittelalter, dessen Repräsentanz der pas d'armes ist, dem cours de l'amour zu: in der stillen Kemenate singen schöne sanfte F r a u e n den Weihnachtgesang zum Yirginal, der Ritter kniet zu den F ü ß e n der geliebten F r a u (King Cophetua and the Beggar Maid), er steht traurig neben dem getöteten Drachen (St. George), aber er wird nicht dargestellt, wie er mit eingelegter Lanze den Gegner bedrängt.

22 Wie Keats so haben auch diese Künstler nur das Spiegelbild aufgefangen, nur den Traum vom Mittelalter geträumt. Sie haben es entstofflicht oder vielmehr, sie haben das Stoffliche ins Geistige transponiert. Von den Gründern der Brotherhood blieb nur Holman Hunt dem präraffaelitischen Dogma, das er immer mehr nach der realistisch - impressionistischen Seite ausbaute, buchstabengetreu (36). Rossetti, wenn er es überhaupt je anerkannt hat, verwarf es am ersten und verneinte es am gründlichsten. In Rossetti potenzierten sich die präraffaelitischen Stilmerkmale, aber sie wandelten sich auch. Ihm kommt die Bedeutung zu, die spirituellen (3?) und die dekorativen Werte des Mittelalters für die Kunst im vollen Umfang erschlossen zu haben. Keats war ihm allerdings darin vorangegangen, auch Blake und Coleridge, aber was sie gebracht hatten, waren nur Ansätze zu einer ästhetischen Auswertung des Mittelalters gewesen. Erst Rossetti schuf den Typus des ästhetischen Mediaevalisten in seiner Vollendung. Schon seine Jugend war mit mittelalterlichen Stoffen gesättigt gewesen. Sein Vater war ein berühmter Dantekommentator und die Atmosphäre des geistig und künstlerisch vielseitig interessierten Rossettischen Hauses regte den jungen Dante Gabriel an zu Ubersetzungen aus dem Armen Heinrich, Faust und Nibelungenlied. Mit dem Erlös seines ersten Bildes besuchte der Maler Antwerpen, Brügge, Gent, wo er Memling, Rogier von der Wey den und Jan van Eydc studierte. Er hatte Villon übersetzt, die Dichter um Dante, die Vita Nuova. Die Begeisterung für die Kunst der Primitiven, die die Brotherhood zusammengeschlossen hatte, war bei Rossetti, der die überragende und führende Künstlerpersönlichkeit des Kreises war, am tiefsten gewesen, weil sie ihn in seinem wesentlichsten ergriffen hatte. Die mittelalterliche Materie, die Legenden und Chroniken, die illuminierten Manuskripte, die Bildtafeln der frühen Italiener und Niederländer, besonders aber die Dichtungen Dantes und der frühitalienischen Sonnettisten bildeten seine Welt. Rossetti hatte wie sein Meister Keats keinerlei historisches In-

23 teresse a m Mittelalter. In seinem schroffen Aesthetizismus, der sich eigensinnig alles fernhielt, w a s nitht K u n s t war, e r k l ä r t e er z. B. die historische Treue, die absolute Echtheit des Lokalkolorits, den Verismus, diesen Eckpfeiler des präraffaelitischen Dogmas, f ü r uukünstlerisch. W i r f i n d e n sein Verhältnis zum Mittelalter erschlossen in den W o r t e n Stendhals, die Pater in seiner Rossettikritik a n f ü h r t : «ces siècles de passions où les âmes pouvaient se livrer f r a n c h e m e n t à la plus haute exaltation, q u a n d les passions qui f o n t la possibilité comme les sujets des b e a u x arts existaient.» 2 5 I n diesem Sinn u n d aus diesen G r ü n d e n ist Rossetti Mediaevalist. D i e große Passion (die aber immer eine quietistische F ä r b u n g hat), den spiritualisierten Sensualismus, malte er in den D a n t e b i l d e r n , dichtete er in den Balladen von der Seligen J u n g f r a u u n d Helena von T r o j a . Die F r e u d e a n den schönen Dingen j e n e r wundervollen Zeiten ; d a die lesser die greater arts w a r e n , ist ausgebreitet über den Bildern, die die A t m o s p h ä r e burgundischer M i n i a t u r e n haben, u n d von denen m a n sagt, d a ß sie in ihrer leuchtenden Farbigkeit selbst wie J u w e l e n seien: The Tune of Seoen Towers, The Blue Closet, A Christmas Carol, The Wedding of St. George, Before the Battie, The Loving Cup. A n den Stickereien u n d Gobelins, den phantastischen G e w ä n d e r n u n d Brokaten, den seltsamen F o r m e n mittelalterlichen Gerätes, den strahlenden F a r b e n berauschte sich der Ästhet, a n diesem Material schulte der Maler seine dekorativen F ä h i g keiten, die die G r ö ß e u n d Einzigartigkeit seiner K u n s t bilden sollten. Rossetti g a b die letzte ästhetische A u s a r b e i t u n g des MediaevaIismus. E r w u ß t e u m alle koloristischen u n d linearen Reize, u m die Halbtöne, die Grenzzustände, die imponderabilen Dinge, die subtilsten seelischen Stimmungen u n d konnte sie in sein e n Schöpfungen reinkarnieren. Er h a t t e die intensive mittelalterliche A t m o s p h ä r e — nicht historischer — sondern der w a h r e n künstlerischen Observanz. I n seinen W e r k e n w u r d e der Mediaevalismus, dem immer noch etwas vom Akademismus 25

Pater, Appréciations, pg. 216.

24 und Eklektizismus, d. h. Rationalismus geblieben war, als die einzig wesensgemäße Ausdrudesform völlig assimiliert. Aber bis ins Letzte vergeistigt und artistisch verwandelt war er zu einer sehr fragilen und esoterischen Kunst geworden: l'art pour l'art. Es war Morris' Aufgabe, diesem spiritualisierten Mediaevalismus die substantielle Form wiederzugeben und seine nurmehr artistische Wirksamkeit in eine lebendige zu wandeln. „Durch Morris wird der Mediaevalismus zum zweiten Male populär." 86 Er wird sein Vollender, ohne sein Ende zu sein. « Beers, 1. c. pg. 320.

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DRITTES KAPITEL. Nur ein Segment aus dem Kreis Morrisscher Ideen und Gestaltungen ist der Gegenstand dieser Arbeit. Aber um das Segment begrifflich bestimmen zu können, muß man die Kreisfigur zu Hilfe nehmen. Bevor deshalb die Frage nach Aufnahme und Gestaltung des mittelalterlichen Komplexes bei Morris gestellt wird, sei in sparsamsten Linien der Kontur des aus der Fülle gelebten Lebens hier gezogen. Das reiche und leidit zugängliche biographische Material verbietet größere Ausführlichkeit (38). William Morris wurde am 24. März 1834 in Elm House, Clay Hill, Walthamstow, Essex, als erster Sohn eines wohlhabenden Wechselmaklers geboren und wuchs auf in der behäbigen Fülle eines englischen Landsitzes und in engster Verbundenheit mit der Natur. Die Schuljahre in Malborough College, 1848—1851, greifen nicht irgendwie hemmend oder verwirrend in die Ausbildung eigenwilliger Neigungen und Fähigkeiten des geistig ungewöhnlich selbständigen Knaben ein. 1853 tritt Morris in Exeter College, Oxford, ein, wo er die Freunde seines Lebens und die Kameraden seiner Arbeit findet. Das ist vor allem Edward Burne-Jones, der, eine bedeutsame Fügung, am gleichen Tag mit ihm die Universität bezog; das ist Dante. Gabriel Rossetti, der für beide zum Mann des Schicksals wurde, sie, die Geistliche werden wollten, an ihren Künstlerberuf glauben machte. 1856 veröffentlicht Morris in einer Zeitschrift The Oxford

and Cambridge

Magazine,

d i e er m i t s e i n e n F r e u n d e n

gegründet hatte, seine ersten Gedichte und die Prosaerzählung e n m i t t e l a l t e r l i c h e n G e i s t e s The Story of the JJnknoron Church, Gertha's Looers, Lindenborg Pool, The Hollom Land u n d a n d e r e .

Im gleichen Jahr verläßt Morris die Universität und tritt in das Architekturbüro von Street ein.

26 Bis dieser verschwenderisch und eigenartig begabte junge Mensch die ihm bestimmte schöpferische Form findet, vergehen Jahre. Es ist ein Tasten und Suchen in den verschiedensten künstlerischen Disziplinen: Architektur, Malerei, Plastik, Dichtung. 1858 erscheint und bleibt unbeachtet The Defence of Guenevere and other Poems (39). 1859 heiratet er die wunderschöne J a n e Burden und baut sich in Upton das Red House. Von hier aus nimmt die Revolution des dekorativen Denkens ihren Anfang. Red House gibt Morris die Erkenntnis seiner Lebensaufgabe: die Schönheit der Welt und des Lebens den Menschen wiederzubringen. 1861 wird die Morris Company (40) gegründet, das Mittel zur Verwirklichung dieser Aufgabe. Nach langem Intervall erscheint 1865 The Life and Death of Jason. Ein dramatischer Zyklus: Scenes from the Fall of Troy war Ende der fünfziger Jahre entworfen, blieb aber leider Fragment. L. D. J. war ursprünglich f ü r den größeren Zusammenhang des Earthly Paradise gedacht, einer Rahmenerzählung von überlebensgroßen Maßen — sie hat ungefähr den Umfang des ganzen homerischen Werkes, 42 000 Verse — und besteht wie die Canterbury Tales aus zwölf Verserzählungen antiker und zwölf mittelalterlicher Stoffwelt. Das E. P. erschien in den Jahren 1868—1870. Schon während der Gestaltung des dritten Teiles (41) beginnt die Beschäftigung mit dem "matter of Island". Zwei Reisen nadi Island bestätigen und vertiefen das neue Erlebnis, das künstlerisch fixiert wird in Sigurd the Volsung, 1876, und anderen Dichtungen. Es folgen die großen Übersetzungen der Aeneis 1874/75, der Odyssee 1886, des Beomulf 1893; die sozialistischen Dichtungen A Dream of John Ball 1886/87, Neros from Nowhere 1891, das Maskenspiel Love is Enough 1872; Gedichte, die in Poems by the Way gesammelt sind. Viele Aufsätze und Vorträge setzen sich mit dem Problem der Beziehung von Kunst und Leben auseinander. Seit dem Ende der achtziger Jahre k n ü p f t der Dichter mit seinen Prosaromanzen wie The House of the Wolfings, The Roots of the Mountains, etc. wieder an die früheren Erzählungen des O. a. C. M. an.

27 D a s literarische Schaffen des Künstlers ist immer nur Entspann u n g und Spiel. Seine eigentliche Berufsarbeit, aber auch sie niemals als Nötigung oder Zwang e m p f u n d e n , ist die dekorative, kunstgewerbliche. Er schreibt und illuminiert Manuskripte, webt und f ä r b t Stoffe, zeichnet und druckt Tapeten, — die weltberühmten Morris-chintzes und wall-papers entstand e n so —, er k n ü p f t Teppiche, webt Gobelins, schafft neue Stilformen f ü r Möbel. Endlich revolutioniert er das ganze Buchgewerbe durch die G r ü n d u n g seiner Kelmscott-Presse. Auf tausend Gebieten schafft er, immer im A n k n ü p f e n an alte, meist vergessene und verschleuderte Traditionen, Neues, Einzigartiges, Unerhörtes. Spielend und meisterhaft beherrscht er fast jede kunstgewerbliche Technik, die nicht gelernt, sondern wie erinnert wird. Es ist keine Hyperbel, wenn man sich jetzt umschaut und findet: "a world that in most respects has been transformed, very largely through the work and influence of William Morris." 27 Die ungeheure Vitalität dieses Mannes, die fast eine Ausschweif u n g zu nennen ist, erschöpft sich nicht im künstlerischen Werk. Seit dem Ende der siebziger Jahre beschäftigt sich Morris besonders mit politischen und sozialen Fragen. Nicht nur in der Theorie. Er ist immer Aktivist. 1883 wird er eingetragenes Mitglied der Democratic Federation, 1884 gründet er die Socialistic League, jetzt offizieller Parteiführer des radikalen Sozialismus. Auch der beschwerlichsten Parteiarbeit entzieht er sich nicht. Jahrelang hält er allsonntäglich parteipolitische Werbereden an irgendeiner londoner Straßenecke. Er bereist zu Agitationszwecken das Land, er gründet, finanziert und redigiert das Parteiblatt Commonmeal. Erst 1890 zieht er sich nach innerer Wandlung vom aktiven Parteileben zurück. 1896 erlischt rasch ein Leben, das sich in jeder Stunde rückhaltlos verschwendet hatte. Die Todesursache? Sein Arzt schrieb: "I consider the case is this: the disease is simply being William 27

H. Halliday Sparling, 1. c., pg. 1.

28 Morris and having done more work than most ten men."28 Die Form, in der Morris sein Leben gelebt und sein Werk geschaffen hat, ist sein Mediaevalismus. Es war zu Eingang dieser Arbeit versucht darzustellen, wie das Leiden an der häßlich gewordenen Welt Morris zu der Flucht in den Mediaevalismus getrieben hatte, dessen Geschichte weiterhin untersucht wurde mit der Absicht, die Voraussetzungen für die Wahl gerade dieser Epoche aufzuzeigen, den Künstler in eine lebendige Tradition einzugliedern, für sein Werk das Recht organischer Bedingtheit zu beanspruchen und es als letzte Konsequenz dieser Stilepoche darzustellen. Damit sind aber noch nicht die Gründe angegeben, warum schon das Kind das Mittelalter (42) suchte und liebte, noch nicht die Rationale aufgefunden für die unerhörte Intensität im Erlebnis, diese bis ins letzte gesteigerte Einfühlungsmöglichkeit, zu der wir vergebens nach einer Parallele suchen. Man hat viele mühsame Erklärungen erdacht: die kraftvolle Menschlichkeit, die Farbigkeit und Plastik des mittelalterlichen Lebens, seine sozialen Verhältnisse, die künstlerischen Möglichkeiten, die bunte Romantik sollten die monomanische Liebe geweckt haben, mit der das Mittelalter erfaßt wird. Alles das sind wesentlich konstituierende Faktoren, von denen man einen wertbetonter machen kann als den anderen, je nachdem man die Künstlerpersönlichkeit erlebt hat und sich zu deuten bemüht. Aber es rührt noch nicht an das Letzte. Wahrscheinlich kommt man einer Auflösung nicht näher als Mackail, der die sehr schlichte Formel fand: "The love of the Middle Ages was born in him." Das Entscheidende ist nicht von außen an ihn herangebracht, will das heißen. Es gibt keinen Punkt, auf den man den Finger legen kann: das war es, was diese fast mystische Verbundenheit mit dem Mittelalter schuf, diese monomanische Liebe, von der es kein Weichen gab, die nie zurücktrat hinter neuen Eindrücken und Interessen. Sein Dichten wandelte sich, seine Lebensauffassung und Weltanschauung. Nicht wandelte 28

Mackail, 1. c. II, 352.

29 sich das Gefühl, wie nach langer Metempsychose aus dem dreizehnten in das neunzehnte Jahrhundert wiedergeboren zu sein. Der Mediaevalismus ist bei Morris kein zerebraler Akt, wie mehr oder weniger bei allen anderen Mediaevalisten. Nur bei Pugin hatten wir ähnliches gefunden, allerdings in der Distanz des Nichtkünstlers vom Künstler. Was diese rätselhafte Besessenheit vom Mittelalter bedingte, entzieht sich, also der Erkenntnis. Wir müssen uns begnügen, festzustellen, welche Einflüsse diese vorhandenen Neigungen weiterentwickelt haben und wie und wo sie hervortreten. Das Leben auf einem englischen Landsitz um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte sich noch nicht ganz von mittelalterlichen Uberlieferungen gelöst, die nicht nur im Kunst- und Geistesleben der Nation ein so außergewöhnlich langes Nachleben hatten. Woodford Hall, wo Morris seine erste Jugend verlebte — "brewed its own beer, and made its own butter, as much as a matter of course as it baked its own bread. Just as in the fourteenth century, there was a meal at high prime, midway between breakfast and dinner, when the children had cake and cheese and a glass of small ale. Many of the old festivals were observed, Twelfth Night especially was one of the great days of the year, and the Masque of St. George was always then presented with considerable elaboration. Among Morris's toys curiously enough was a little suit of armour, in which he rode on his pony in the park."29 Wenn auch die Erinnerungen an diesen Mediaevalismus des täglichen Lebens mit dazu beigetragen haben mögen, die unerhörte Unmittelbarkeit, mit der Morris das Mittelalter sah, zu schaffen, so darf man ihren Eiüfluß doch nicht überschätzen. Nicht durch das Milieu, sondern durch die Kunst wurden ihm die entscheidenden Erlebnisse vermittelt. Es war die Lektüre der Waverley Novels, die er mit sieben Jahren bereits alle verschlungen haben soll, und Bücher im Stil des Old English Baron,30 die ihm die Bilder des mittelalterlichen Lebens einprägten und in seine Träume trugen. 29 30

Mackail, 1. c. I, pg. 9 ffg. Vgl. K. II, pg. 18.

30 Und T r a u m und Leben war keine Dissonanz. Die Landschaft, in der das K i n d aufwuchs, war seit jenen ritterlichen Tagen k a u m verwandelt. Noch dehnten sich nur Wiesen und Felder und verstreute Weiler um Walthamstow, das jetzt einer der billig und häßlich gebauten Vororte von London geworden ist. Der P a r k des elterlichen Hauses grenzte an den romantischen E p p i n g Forest, dessen geheimnisvolle Hainbuchendickichte in vielen Dichtungen von Morris wiederkehren. In dieser unberührten Natur lebte das Kind. In seinen Tagträumen konnte an jeder Wegbiegung die Rüstung des Ritters aufschimmern, unter jeder Weide am Bach die N i x e singen. Der T r a u m vom Mittelalter bekam seine Realität beim Anblick der alten gotischen Essexkirchen und der schönen Landhäuser des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts. Mackail berichtet, 31 daß der achtjährige Knabe in Canterbury war und einen unverlierbaren Eindruck; vom Glanz der Kathedrale empfing. Zu derselben Zeit sah er auch das Münster in Thanet. Nach f ü n f z i g Jahren, ohne die Kirche wiedergesehen zu haben, war er fähig, Details aus dem Gedächtnis zu beschreiben. Zwei für Morris bedeutsame Züge werden sichtbar hinter diesem Erlebnis. Einmal die scharfe und frühe Ausprägung des visuellen T y p u s : „das Auge war das Organ, womit er die Welt erfaßte." "No landscape, no building, that the had once seen did he ever forget, or ever confuse with another." 3 2 D a s ganz besondere Verhältnis zur Architektur ist schon in diesen frühen J a h r e n gebildet. Nur wo irgendwelche rational nicht faßbaren und erklärbaren Beziehungen schweben, erkennt man so deutlich und so tief, daß es für ein Leben reicht. Ein anderes frühes Beispiel für die Aufnahmefähigkeit und Intensität und eben diese metaphysische Bezogenheit im Erleben mittelalterlicher dekorativer Kunst ist die Episode, die Morris in The Lesser Arts of Life (1882) erzählt: "How well I remember as a boy my first acquaintance with a room hung with faded greenery at Q u e e n Elizabeth's Lodge, b y Chingford 31 32

Madcail, 1. c. I, pg. li. Mackail, 1. c. I, pg. 11.

31 Hatch, in E p p i n g Forest. (I wonder w h a t has become of it now), and the impression of romance t h a t it made upon me; a feeling that always comes back on me when I read, as I o f t e n do, Sir Walter Scott's Antiquary, and come to the description of the Green Room at Monkbarns . . . yes, that was more t h a n upholstery, believe me." 33 In Malborough College, das, am Rande des Savernake Waldes in einer der schönsten englischen Landschaften gelegen war, umwittert von großen historischen Erinnerungen, f a n d der j u n g e Morris eine reiche Bibliothek archäologischer und architektonischer Werke, die er, ohne Anleitung, ohne Hinweis, las und in so überraschender Vertiefung und Durchdringung verarbeitete, d a ß er, wie er später sagte: "left Malborough a good archaeologist and knowing most of w h a t there was to be known about English Gothic." Auf langen Streifen durch das Land setzte er das Buchwissen in lebendige Anschauung um, sammelte bronzene Grabplatten, sah Kirchen. Ein Brief an seine Schwester vom 13. April 1849 schildert diese ganz allein unternommenen kunsthistorischen Exkursionen: er erzählt von einem Besuch in A b u r y : "I also saw a very old church the tower was very pretty indeed it had four little spires on it of the decorated order, and there was a little Porch a beautiful Norman doorway loaded with mouldings, the chancel was new and was paved with tesselated pavement this I saw through the Window for I did not know where the sexton's house was so of course I could not get the key . . . " Wie e x a k t ist diese Beschreibung, die doch aus dem Gedächtnis geschah! Wie ist das Wesentliche des architektonischen Eindrucks e r f a ß t ! Wie entwickelt ist schon die Kenntnis der Stilunterschiede, wie lebendig das Interesse dieses F ü n f z e h n j ä h r i gen, der sich nur ungern mit einem Blick durch das Fenster begnügt! In j e n e n Schuljahren wirkte auch zuerst die anglo-katholische Bewegung auf den jungen Morris ein. Es w a r weniger die 33

Coli. Works XXII, pg. 254.

32 dogmatische als die rituelle Potenz der Bewegung, die ihn anzog. So t r a t er in den Kirchenchor der Schule ein, wo man hauptsächlich mittelalterliche Musik pflegte, die auf Morris immer den größten Zauber ausübte. Mackail schreibt: "The older church music appealed to him with a force only less than that of mediaeval architecture." 34 Bislang hatten die mediaevalistischen Einflüsse ohne inneren Zusammenhang und n u r von wenigen Ansatzpunkten aus einwirken können. In O x f o r d schließt sich alles zusammen und vermittelt Morris ein einheitlich mittelalterliches Weltbild. Zugleich aber werden diese Einflüsse so vielgestaltig, d a ß sie hier nur in Umrißlinien angegeben werden können. Das Stadtbild von O x f o r d um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war "a vision of grey-roofed houses and a long winding street, and the sound of m a n y bells." 36 Fast unberührt war die Schönheit und Geschlossenheit mittelalterlicher Architektur ins neunzehnte J a h r h u n d e r t hinübergerettet. Die Gotik hatte gerade in O x f o r d tief Wurzel gefaßt und das zähe Festhalten an gotischen Traditionen im Wandel der Stilepochen war hier besonders evident (43). O x f o r d wird Morris ein ganz tiefes Erlebnis. Die kostbare Schönheit der Architektur brennt sich so in seine Seele ein, daß seine Traum- und Phantasiestädte immer anklingende Formen zeigen. In allen Zeiten ist O x f o r d von allen Städten "the most beautiful of them all," "a most precious jewel, whose beauty was to be preserved at a n y cost." 36 Morris k a m nach O x f o r d bereits mit der Kenntnis der zwei ersten Bände der Modern Painters. 1853 erschien The Stones of Venice mit dem berühmten Kapitel Of the Nature of Gothic (44), das von Morris u n d seinen Freunden wie das Evangelium geglaubt u n d geliebt wurde. Carlyles Past and Present, das den mittelalterlichen Menschen im mittelalterlichen Staat darstellte, wirkte ebenfalls stark und richtunggebend. Mit34 35 36

Mackail, 1. c. I, pg. 18. Morris, A Dream of John Ball. Coll. Works XXIII, pg. 171, Art under Plutocracy.

33 telalterliehe Chroniken und Versepen, lateinische Kirchenpoesie bildeten den Hauptteil seiner privaten Lektüre. Mit den Ritterromanen Fouques, die ihm in der Ubersetzung zugänglich waren, machte ihn die Lektüre von The Heir of Redcliffe, Miß Yonges einst berühmtem Buch, bekannt. Fouque, so sagt Mackail, "supplied Morris with the germ of his own carly tales." Doch den Beweis für die Behauptung bleibt er schuldig. Gerade die frühen mediaevalis tischen Erzählungen von Morris scheinen uns in allem, auch schon im „Keim", im schärfsten Gegensatz zu der sentimentalen und ganz konventionellen, flachen Ritterromantik Fouques zu stehen. Morris* Mediaevalismus ist keinesfalls durch den Einfluß des Sintram oder des Zauberring geformt worden (45). Erst 1855 lernte Morris Malorys Morte ¿'Arthure in Southeys Übertragung kennen, während Froissart, in Lord Berners' Ubersetzung, ihm schon früher bekannt war. Im selben Jahr (1855) liest er mit Burne-Jones den ganzen Chaucer. Malory, Froissart, Chaucer: das sind die großen Namen, die für die Formbestimmung seines Mediaevalismus entscheidend wurden. Hier sah er die mystisch-symbolistischen, die aristokratisch-feudalen und die demokratisch-bürgerlichen Manifestationen des mittelalterlichen Lebens. Der Stern Malorys flammte auf, funkelte über den frühen Prosaromanzen und den Gedichten der D. o. G.-Sammlung. Er erblaßte in den Jahren des Lebens- und Gestaltungswandels, der begrenzt wird von The Defence of Guenevere, 1858 und The Life and Death of Jason, 1865. Allerdings ist der Einfluß des Morte d'Arthure auch aus den späteren Dichtungen von Morris nicht wegzudenken, nur gab er seiner Kunst nicht die spezifische Färbung wie bei BurneJones. Trotz seiner walisischen Abstammung war Morris für keltische Sagenstoffe wenig empfänglich. Nur dem nordischen Sagenkreis fühlte er sich wirklich verwandt (46). Die Umdichtung des Sigurdepos hielt er für seine bedeutendste Schöpfung, weil ihr Stoffliches für ihn das größte dichterische Objekt war: a world-wide and tremendous subject (47). Neben den Zyklus der vom Morte d'Arthure inspirierten GeKüster, Morris

3

34 dichte trat in der Sammlung von 1858 eine Gruppe, deren Motive Morris bei Froissart gefunden hatte, dessen Lebendigkeit und Schärfe der Charakterprofilierungen, behaglich breite und bunte Schilderung und genaue Detaillierung die Plastik seines Bildes vom mittelalterlichen Leben kräftig herausarbeiten geholfen hatte. Es sind Gedichte wie: Sir Peter Harpdon's End, The

Haystadc

in the Floods,

Concerning

Geffray

Teste

Noir,

The Eoe of Cregy, um nur die repräsentativsten zu nennen. In einem oft zitierten Brief, den Morris einem deutschen Studenten auf die Frage nach seinem Verhältnis zu Chaucer schrieb, heißt es: " I admit that I have been a great admirer of Chaucer, and that his work has had, especially in early years, much influence on me, but I think not much on my style" . . . "the Islandic Sagas, our own Border Ballads, and Froissart have had as much influence over me as (or more than) anything else." 37 D a hier nicht der Ort ist, den Einfluß Chaucers auf Morris zu untersuchen, sei auf Mackail verwiesen. Nach seiner Ansicht ist es die Bekanntschaft mit Chaucer, die die kruden, makabren und mystischen Töne des Morrisschen Mediaevalismus milderte und aufhellte. An Chaucer bildete der junge Dichter sein Erzählertalent, von ihm lernte er den ruhigen Fluß der Yerse. Von formal-kompositorischen Elementen übernahm Morris für E. P. nur die siebenzeilige Chaucerstrophe, das fünffüßige und das vierfüßige Couplet und den Wechsel antiker und mittelalterlicher Stoffe. Die Rahmenerzählung ist dagegen inhaltlich viel mehr mit Boccaccios Dekamerone verwandt. Idiomatisch steht der Dichter des E. P. im schärfsten Gegensatz zu seinem Meister, der, wie Morris einmal gesagt hat, nur eine Art normannisch-französischen Dialekt schreibt. Es ist dagegen die prägnanteste Stileigenart unseres Dichters, daß bewußt auf den sonoren romanischen Klang verzichtet wird und die Verse aus den vielfachen sächsischen Monosyllaben zusammengeknüpft werden. Froissart und Chaucer waren die bedeutendsten mittelalter3

' Mackail, 1. c. I, pg. 203.

35 liehen Autoren, die Morris eine Kenntnis ihrer Zeit übermittelten. Aber sie waren nicht die einzigen. Wir wissen, daß Morris in diesen J a h r e n auch Monstrelet las, der das Werk von Froissart fortgesetzt hat. Er wird auch Chastellain und Molinet und Gerson und Commynes gekannt haben und neben den burgundisch-französischen Chronisten selbstverständlich alle ihm erreichbaren englischen Historiographen und Legendenschreiber. Verhältnismäßig spät, jedenfalls erst nach 1870, scheint Morris mit Caxton und dem ganzen Kreis mittelalterlicher romances, die auf Benoit de St. More und Guido delle Colonne zurückzuführen sind, bekannt worden zu sein. 38 Zwar war das dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert die Zeit, in der die ganze Existenz des Künstlers verwurzelt war, aber auch die Dark Ages konnte seine mittelalterliche Katholizität einbeziehen in den magischen Kreis. D i e nordisch-isländischen Epen gehörten j a jenen frühen Jahrhunderten an! Mit zunehmendem Alter wird sogar eine Schwerpunktsverlagerung in das frühe Mittelalter ganz deutlidi. Seit 1868 begannen die isländischen Studien unter der Leitung Eirikr Magnüssons, der seinen Schüler mit der vorbereitenden einschlägigen Literatur schon vertraut f a n d : den Werken Desants, Thorpes und Mallets. Die Reisen nach Island waren Pilgerfahrten zu den heiligen Stätten, an denen sich das Leben der großen Sagahelden abgespielt hatte: Herdholt und Bathstead, Grettirs Lagerplatz, Gunnars Halle und die Stätte, wo Gudrun starb. Von den Werken der östlichen Literatur, die er mehr schätzte, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt, gehörten nur mittelalterliche in Morris' Interessenkreis, O m a r K h a y y a m , Shahnameh, das er zum Teil übersetzte und andere arabische und persische Literatur der Zeit. Das Interesse an der altenglischen Literatur wurde erst durch die Beschäftigung mit der nordischen E p i k geweckt, manifestierte sich aber dann überzeugend in der Ubersetzung des Beowulf. Ein anderer Beleg f ü r die Würdigung altenglischer Zeugnisse findet sidi in einem Vortrag, den M a y Morris in der 38

Mackail, 1. c. I, pg. 172.

3*

36 Einleitung zum 18. Bamd der Collected Works referiert: "[he] speaks of the lost poenns of the ancient English with regretful longing, musing over thie picture of what England might have been had its native genüus been allowed to develop undisturbed," hätte nicht der „Schattem Roms" sich über das englische Geistesleben gelagert. Morris: war tief ergriffen von der Pathetik jener Pilgerströme, die alle Beschwerden und Gefahren nichtachtend durch Europa zur Ewigen Stadt zogen, Könige und Fürsten, die ihre Kroiuen vor dem Stuhl des Heiligen Vaters niederlegten: "And yet all that pomp of religion does not make u p to me for the loss ©f the stories I might have had of how the folk of Middlesex a t e and drank and loved and quarrelled and met their death im the tenth century." 3 ' Burne-Jones erzählt eimmal, daß man — in den Oxforder Tagen — Morris als Lamzelot oder Tristanmodell gebrauchen wollte, und er dazu eine Rüstung tragen sollte, die so altertümlich sein mußte, dtaß man kein entsprechendes Exemplar auftreiben konnte: "Therefore Morris, whose knowledge of all these things, seemed to haue been born in him40 and who never at any time needed books of reference for anything, set to work to make designs for an ancient kind of helmet called a basinet and for a great surcoat of ringed m a i l . . . " Die fertig geschmiedete Rüstung wurde ein großer Erfolg. Burne-Jones' Äußerumg, von unbegrenzter Bewunderung für den Freund diktiert, entsprach wohl dem Geist, in dem Morris mittelalterliche Materie aufnahm, aber nicht den Tatsachen, denn der Dichter, u n d in erhöhtem Maße der Kunsthandwerker Morris, war immer bemüht, sich authentische Kenntnis mittelalterlicher Realien zu verschaffen: "how they ate and drank in Middlesex." Immer an alte, vergessene Traditionen anknüpfend, wenn er eine alte Kunsttechnik wieder beleben wollte, war es für Morris eine conditio sine qua non, die literarischen Zeugnisse dafür zu studieren, bevor "art got off the track," d. h. f ü r ihn im ausgehenden Mittelalter. 41 Auf mittelalterliche " Coli. Works XVIII, pg. XVI. 40 Von mir ausgezeichnet. — D. Verf. 41 Vgl. Kap. I.

37 Berichte mußte er deshalb meist zurückgehen, um Angaben über die verlorene Technik zu finden. Als er, unbefriedigt von den Resultaten der Anilinfärberei, sich über das Verfahren mit Kräuterfarben zu arbeiten, unterrichten wollte, fand er z. B. wertvolles Material in Gerards Herbai und anderen alten Herbarien. Arthur Compton-Ridcett stellt mit entschuldigender Geste die Behauptung auf, daß Morris trotz der gründlichsten und vielseitigsten Kenntnisse vom Leben des Mittelalters einer der am wenigsten literarischen Dichter gewesen sei. Es ist gewiß nicht anders! Morris lebte und schaffte nie aus zweiter Hand. Um die Dinge selbst war es ihm zu tun, nicht um ihr Spiegelbild. Dieser Wille, der auf jedes Medium verzichtete, war die Voraussetzung f ü r die auffällige Unabhängigkeit, mit der der junge Künstler seine ersten Gedichte schrieb, der, wie Swinburne es aussprach, "held of none, stole from none, clung to none, as tenant, or beggar, or thief;" die Voraussetzung auch f ü r den Eigensinn, mit dem der reife Gestalter in seinen dekorativen Arbeiten immer eigene, selbsterschlossene Wege ging, wenn er auch durch die Benützung fremder Vorarbeiten manchmal rascher zum Ziele gekommen wäre. Morris beherrschte souverän die mittelalterliche Materie, aber er war kein Archäologe oder Antiquar. Er las mit der Intuition des Künstlers, der nicht nur die Dinge aufnimmt und registriert, sondern der sieht, was hinter den Erscheinungen steht, ihre immanente Idee, und der diese Idee sich anverwandelt und etwas Neues aus ihr schafft. So schien es, als ob Morris nie aus Büchern geschöpft hatte, weil alles ihm Gestalt und zu eigen geworden war (48). Die anglo-katholische Bewegung war die transzendentale Komponente unter den wirkenden Kräften, die das Weltbild des jungen Morris gestalteten. The Oxford Movement war j a im Grunde nichts anderes als der Versuch, der englischen Kirche ihre mittelalterliche Macht wiederzugeben auf dem Weg über die faszinierende Wirkung ihres ästhetisch raffiniert ausgebildeten Ritus. Newmann, der

38 Führer, war: "a great mediaeval ecclesiastic astray in the nineteenth Century." 4 ®

Die religiös-mystische Seite des Mittelalters, selbst wie sie ästhetisch ornamentiert wurde durch den katholischen Ritus, konnte nur vorübergehend auf den ausgesprochen sensualistischen (im psychologischen, nicht im moralischen Sinne) und gar nicht spekulativ beanlagten Menschen ihre Anziehung ausüben. Auch diese temporäre religiöse Erregung hat mittelalterlichen Stil. Morris will ein Kloster gründen im Sinn einer ästhetischreligiösen Vereinigung (49). Künstlerische Interessen, die immer mehr in den Vordergrund treten, fangen diese religiösen Impulse auf und leiten sie ab in ihre eigene Sphäre. Die Brotherhood des O. a. C. M. entwickelte sich daraus; im weiteren Sinn die Morris Company. Die mittelalterliche Kunst, die einen Pugin in die mittelalterliche Kirche geführt hatte und ihn dort verlor, erwies sich Morris gegenüber als die stärkere Kraft (wie auch bei Scott und Ruskin!). Er las seine mittelalterlichen Hymnen, Stundenbücher und Missale. Er druckte die Laudes Mariae Virginis und komponierte das feierliche Farbenspiel von Kirchenfenstern. Er liebte mit der ganzen Hingabe des Künstlers die sakrale Kunst des Mittelalters. Immer sind es aber die ästhetischen, nicht die spiritualistischen Ausdrucksformen der mittelalterlichen Kirche, die ihn anziehen und beschäftigen. Morris ging den umgekehrten Weg wie Pugin. Bestimmt für den geistlichen Stand, unter oxforder Einflüssen fast bewogen, dem Beispiel von Wilberforce zu folgen, entwickelte Morris sich immer mehr — obwohl er ihm Rahmen der englischen Kirche blieb — zu dem Diesseits-Typus des mittelalterlichen Menschen, eine Haltung, die umschrieben wird in dem Bekenntnis: "In religion I am a pagan." 13 Die pagane, diesseitsgläubige Religiosität wird einer der bedeutsamsten Züge seines Mediaevalismus. Es ** Beers, 1. c. II, pg. 355. Notes of a biographical talk by W. M. at Kelmscott House, Nov. 28. 1892, taken by Mr. Cockerell. Coll. Works XXII, pg. XXXI/XXXII.

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39 wird noch mehr davon zu reden sein, wenn die „Gestaltung" der mittelalterlichen Erlebniswelt uns beschäftigen wird. Den stärksten Akzent in das immer reicher, glühender, atmosphärisch sich verdichtende Bild des Mittelalters brachten die Kathedralenreisen in Nordfrankreich und Belgien. 1853 war Morris in den Großen Ferien im L a n d herumgereist und hatte englische Kirchenarchitektur studiert. 1854 sah er Amiens, Beauvais, Chartres. In Rouen w u r d e n letzte Sehnsüchte befriedigt (50). Alle andere Kunst, auch jede Architektur, vergeht vor dem Mirakel der gotischen Kathedralen. Sie werden sein Schönheitskanon, sein ästhetisches Kriterium, sein immer wieder aufgenommenes künstlerisches Motiv. Vor ihnen erkennt sich der Künstler. Es war schon mehrfach darauf hingewiesen, wie f ü r Morris die Architektur im Zentrum des Lebens und Gestaltens steht. Architektur ist Sammel- und Oberbegriff f ü r alle Künste, die nur Ausstrahlungen dieser einen höchsten Kunst sind. Sie ist das mystische Zeichen f ü r Schönheit und Gesetz, die F u n d a mente menschlicher Kultur. Weit mehr noch als von der Literatur e m p f ä n g t der hervorragend visuell veranlagte Künstler Entscheidendes durch die mittelalterliche Architektur. Erst wenn man diese Uberwertung des Architektonischen bei Morris herausgestellt hat, findet man den Punkt, wo man ansetzen muß, um das dekorative Prinzip, dem Morris alles zu Gestaltende unterordnet, zu erklären, denn Architektur und Dekoration sind relative, wenn nicht identische Begriffe f ü r ihn, das schöne und schön geschmückte H a u s erst das vollendete Kunstwerk. Die Beschäftigung mit der Architektur lag der Generation von 1850 sehr fern, wie Burne- J o n e s " bezeugt. Um so überraschender und überzeugender waren daher Morris' architektonische Interessen. Es war oben gezeigt worden, wie sie schon in f r ü h e r Kindheit deutlich wurden. Der junge Student las regelmäßig die Architekturzeitschrift " Vgl. Memoir.

40 The Builder; alle Hefte und Bücher bekamen Marginalien von Fenstern, Bögen, Giebeln, Ornamenten, wozu die so sehr bewunderte Architektur Oxfords die Modelle lieferte. Seine freie Zeit verbrachte er mit kunsthistorischen Streifen durch die Umgebung. Wie weit er mit den Arbeiten der Gothic Revivalists in Kontakt war, wissen wir nicht, aber Butterfield hatte eben Merton Chapel restauriert, Street, seit 1852 Diözesanarchitekt, hatte mittelalterliche Erneuerungsbauten vorgenommen und J. C. Buckler errichtete 1854 einen Neubau für Jesus College im Stil des fünfzehnten Jahrhunderts.*6 Es ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß diese Vorgänge den mit der gotischen Architektur so Vertrauten zu Vergleichen und neuen Problemstellungen angeregt haben. Der Kathedralenreise von 1854 folgte die von 1855. Es war von neuem Überwältigung, Erschütterung, tiefstes künstlerisches Erlebnis vor den Kathedralen von Chartres und Amiens und Rouen. Auf der Rückreise, in einer Augustnacht am Quai von Le Havre, faßten die Freunde, Morris und Burne-Jones, den endgültigen Entschluß: der eine Architekt, der andere Maler zu werden. «C'étaient les pierres du Moyen Age, qui lui avaient donné toute son éducation profonde,.. c'est l'architecture du Moyen Age, qui avaient donné à Morris son premier but dans la vie, c'est elle qui devait lui fournier,... toute son éthique et sa philosophie sociale.» 18 Noch oft in seinem Leben sah Morris in Nordfrankreich und Belgien die Glorie der gotischen Kathedralen aufstrahlen, — nicht mehr im Sturm der Gefühle wie damals, aber mit einer durch Wissen und Werten-Können gesteigerten Liebe. Es ist seltsam, daß Morris nie deutsche Gotik sah oder vielmehr nie dazu Stellung genommen hat, denn wahrscheinlich sah er den einen oder anderen der oberrheinischen Dome, als er 1858 den Rhein bis Basel hinaufreiste. Eastlake, I. c., pg. 390. Vgl. Lucien Wolff, Le Sentiment Médiéval en Angleterre au XIXe siècle et la première Poésie de W. M.

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41 In Italien konnten nur die Bauten des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts ihm etwas bedeuten. Aber die Intensität des Erlebnisses von Florenz oder Siena ist nicht im geringsten vergleichbar dem englischer oder französischer Gotik. Seine mittelalterlichen Sympathien waren eindeutig auf transalpine Kunst bezogen (51), wenn er sich audi verpflichtet fühlte, einzugreifen, als etwa St. Marco verrestauriert werden sollte. Die Wertschätzung jeder anderen großen Baukunst mußte der Monomane des Mittelalters seinem Intellekt abringen. Selbst innerhalb der gotischen Stilepoche ist Morris noch Eklektiker. Nur zu der englischen und französischen Gotik stand er in jener fast mystischen Beziehung, von der wir sprachen. Nur sie hat sein Schaffen entscheidend beeinflußt. Es gab kaum ein Denkmal englischer Gotik, das Morris nicht kannte und um dieser oder jener Schönheit willen bewunderte, die er mehr noch mit dem Spürsinn des Liebhabers, als des Archäologen, entdeckt hatte. Alle seine Briefe sind durchsetzt von diesen liebevollen Beschreibungen englischer Architektur, zu deren Genuß er immer aufgeschlossen war. Es traf ihn wie ein Schmerz, wenn diese Liebe und Bewunderung einmal enttäuscht wurde. In seinem Tagebuch schreibt er so: "The chapel [of Roslyn Castle] strange indeed: unquestionably romantic, but the work coarse and quite lacking the deft skill and crispness of mediaeval work, the romance laid on with a trowel, as if by an amateur determined to be romantic; and all this before the end of the fifteenth century!" 47 Man sieht: schrankenlose Liebe mittelalterlicher Architektur ist nicht kritiklos bei Morris, wie man so oft behauptet hat. "It invariably was the work which counted, and counted for its inherent worth, not its age or the name of the man who had wrought it."49 Morris erwähnt in einem Brief, wie er sich dabei gemüht habe, Shadows of Amiens zu schreiben, einen Aufsatz, der als Nr. 1 von The Churches of North France [nicht fortgesetzt] Februar 1856 im O. a. C. M. erschien. 47 48

Coli. Works XX, pg. XXII. H. Halliday Sparling, 1. c., pg. 31.

42 Solange er von der Architektur und der Landschaft und der grenzenlosen Hingabe an diesen Zusammenklang schreiben kann, schwingt prachtvoll der Rhythmus der Erzählung, die mühevoll und fast gequält wird, wenn er eine detaillierte Schilderung der Skulpturen geben will. Das beleuchtet sehr charakteristisch Morris' Verhältnis zur Plastik, — selbst mittelalterlicher Plastik —, für dessen Erkenntnis aus dem vorliegenden biographischen Material wenig zu entnehmen ist. Dieser Aufsatz ist eines der wenigen Zeugnisse seiner Stellungnahme, aus dem man wohl das intime Studium französischer gotischer Plastik ablesen kann, doch ist es mehr die Freude am Stofflichen, dem, was die plastischen Szenen vom mittelalterlichen Menschen aussagen, als eine Würdigung der künstlerischen Formgebung. Morris sah die Skulpturen in ihrem Zusammenhang mit und als Teil der Gesamtarchitektur. Er wertete sie vor allem in bezug auf ihre dekorative Wirkung. Es wird bei Morris, wie überhaupt bei den Präraffaeliten, immer die Absicht deutlich, die Wirkungen im Kunstwerk gleichmäßig zu verteilen, nicht dem einen Teil zuungunsten des anderen stärkere Akzente zu geben. Dasselbe liegt zugrunde, wenn Morris in seinen Gobelins die Gesichter nicht ausdrucksvoller und weiter ausgeführt haben will, als Hände und Füße der Gestalten, ja, daß er bei seinen Gobelinwebern besonderes Gewicht auf ihre Kunst, diese wiederzugeben, legte. Der dekorative Gesamteindruck wird gestört, wenn der Plastik zuviel Eigenwert gegeben wird, und man ihr womöglich dramatisches Ausleben gestattet. Eine Bestätigung dieser, in erster Linie dekorativen Wertung der Plastik, findet sich vielleicht in einem Urteil, das Morris über das Werk eines zeitgenössischen Bildhauers, George Tinworth, abgibt: " very pictury sculpture," he called it, "not decorative or beautiful but certainly a genius in them: puritan works you understand akin to fifteenth Century G e r m a n . . Trotzdem, die Plastiken nicht dekorativ sind und dem puritanischen, d. h. asketisch-transzendentalen Typus deutscher SkulpM

Coli. Works XIX, pg. XVII.

43 tureu des fünfzehnten J a h r h u n d e r t s verwandt, ist dieser Künstler ein Talent. Das Wünschenswerte und künstlerisch Wertvollere wäre also die nur dekorative und schöne W i r k u n g der Plastik. Es kommt außerdem, den S t a n d p u n k t von Morris erklärend hinzu, d a ß es keine bedeutend gotische Plastik in England gab, die ihren Eigenwert fordernd geltend gemacht hätte. Bronzene Grabplatten, die aber wieder mehr Votivcharakter hatten oder dekorativ wirken sollten, hat Morris eifrig in Originalen oder in "rubbings" gesammelt und studiert. Die Malerei des Mittelalters trat erst sehr spät in die Einflußsphäre ein. Bis 1854 kannte Morris noch keinen der großen Namen: Giotto, F r a Angelico, Van Eyck. Erst auf der Kathedralenreise sah er im Louvre die Malerei der Primitiven. Unter dem faszinierenden E i n f l u ß Rossettis, der die Parole ausgegeben hatte: Jeder Künstler muß ein Maler sein (52), wandte sich Morris, innerlich zwar widerstrebend, der Malerei zu. Aber er forderte Unmögliches von seiner künstlerischen Ausdrucksk r a f t , die auf ganz andere Gebiete hinwies. Es waren die unbefriedigendsten und qualvollsten Jahre seines Lebens, als er Rossettis Jünger zu sein versuchte. Es war selbstverständlich, daß nur mittelalterliche Motive gewählt wurden. Das Fresko in der O x f o r d Union Debating Hall: Horn Sir Palomydes looed la Belle Iseult war unglaublich rasch entstanden. Es hatte dem jungen Maler Freude gemacht, weil es mehr eine dekorative und flächenhafte Arbeit gewesen war, bei der nicht eine geschlossene Bildwirkung erzielt zu werden brauchte. „Ich habe sozusagen das literarisch-malerische Erinnerungsvermögen, nicht das rein malerische. Ich k a n n nur malen, was ich vor mir sehe, und ich k a n n nicht einen Ausschnitt, einen Rahmen um eine malerische Szene sehen," hat er in späteren Jahren einmal gesagt. Obgleich das malerische Element in seinen literarischen Werken ganz stark hervortritt, scheiterte Morris vor der Leinwand. Sein einziges ausgeführtes Staffeleigemälde: La Belle Iseult50 50

Vgl. Abb. Coli. Works, Bd. XVI.

44 (früher genannt Queen Guenevere) ist im Stil der kleinen frühen Aquarelle Rossettis (The Tune of Seven Towers, etc.), auch ein ganz auf das Dekorative gestelltes Bild: Guenevere, die die schwermutsvollen Züge der Mrs. Morris trägt, steht in ihrer Kemenate vor einem Spiegel und schließt eine Gürtelspange über dem schleppenden Gewand. Die präraffaelitische Manier wird sehr deutlich: Koordination, nicht Subordination der Bildelemente. Dem Muster des Damasttuches über der Truhe ist derselbe Wert zugewiesen wie dem Mund oder den Händen der Königin. Es ist ein unbeherrschtes Schwelgen im dekorativen Beiwerk, die künstlerisch nicht disziplinierte Freude eines Miniaturisten, alle die Dinge, die bislang nur in seiner Phantasie leben durften, malerisch gestalten zu können: die gestickten seidenen Bettvorhänge, das Lager mit dem Faltenwurf seiner Tücher, auf denen sich das Hündchen Petit-cru zusammengerollt hat, der bemalte Spiegel, das illuminierte Gebetbuch, getriebene Leuchter, bunte Teppichgewebe, das Funkeln eines Messingkrugs — das alles erdrückt und überwuchert den Hauptgedanken des Bildes: die schöne traurige Königin, der wohl eine zentrale Stelle in der Komposition gegeben ist, die aber diesen Platz nur äußerlich behaupten kann. Es wiederholt sich in der Malerei, was schon in Morris' Verhältnis zur Plastik klar geworden war: auch die Malerei bekommt, — abgesehen von jener temporären Bedeutung, die sie während der Dauer des zwingenden Einflusses von Rossetti hat —, ihre Stellung nur im Gefüge eines architektonischen Zusammenhangs. Allein das Fresko und die Bildweberei haben für Morris wirkliche Daseinsberechtigung, weil sie ganz den dekorativen Zweck erfüllen. Der dekorative Künstler empfindet ein Tafelbild an der Wand als ein Aufreißen und Hineinstoßen in die Fläche. Es ist für ihn eine Störung des Raumkontinuums und der räumlichen Ponderation, wenn gar emotionelle oder dramatische Effekte versucht werden. Das, was an Burne-Jones' Bildern, die ohnehin von einer besonderen Yerhaltenheit im Ausdruck sind, noch

45 auszusetzen war, ist die zu subtile Ausführung und die vom Gefühl geprägte Bildung der Gesichter, die Morris in seinen Gobelins sehr einfach und fast stilisiert haben wollte, um nicht die Aufmerksamkeit auf einige wenige Punkte konzentriert und vom Gesamtbild der Fläche abgezogen zu sehen. Fra Angelico, Yan Eyck, Holbein waren Morris' Lieblingsmeister. Botticelli kommt vielleicht noch hinzu. Von modernen Werken konnte er nur Burne-Jones' Werke aufrichtig lieben, eben um ihrer mittelalterlichen Grundstimmung willen. Jedoch es scheint, als ob er Burne-Jones am höchsten wieder in seinen dekorativen Arbeiten geschätzt hat und vor allem als Buchillustrator, ebenso wie er die frühen italienischen und flämischen Meister gerade um ihres noch deutlichen Zusammenhangs mit der Miniaturmalerei willen so besonders liebte. Bei aller Bewunderung für die Schätze der englischen Galerien hätte Morris sie doch, ohne zu zögern, gegen die illuminierten Manuskripte der Bodleiana und des British Museums eingetauscht. Das mittelalterliche Buch des 13. und 14. Jahrhunderts war ihm die vollendetste Objektivierung dekorativer Kunst. Dem gründlichen Studium illuminierter Manuskripte widmete er sich schon in der oxforder Zeit (53) und früh begann Morris Manuskripte und Inkunabeln zu kaufen, ohne indessen ein Sammler zu sein. Er konnte sich sogar von einem großen Teil seiner Bücher trennen, als er für Parteizwecke Geld gebrauchte. In den letzten Jahren seines Lebens brachte er aber wieder eine kostbare Sammlung ausschließlich mittelalterlicher Buchkunst zusammen, besonders Manuskripte des 13. und 14. Jahrhunderts (54). Das mittelalterliche Buch war Morris' letzte große Liebe. Seine Neuschaffung: die Gründung der Kelmscott-Presse und die Anregungen, die von ihr ausgingen, werden von manchen für sein wichtigstes Lebenswerk gehalten. Es hat symptomatische Bedeutung, wenn die Freude seiner letzten Tage und Stunden das Betrachten einiger unschätzbarer Manuskripte des 13. Jahrhunderts war. " I am simply steeped in mediaevalism" hat Morris sich einmal zu seiner monomanischen Liebe bekannt.

46 Die phänomenale Intensität seines Mediaevalismus war mitbedingt durch die Ausschließlichkeit, mit der alles, was andere Kulturepochen geben konnten, auch alle Kunst, abgelehnt wurde. Im sechzehnten Jahrhundert begann für ihn die verhängnisvolle Scheidung von Kunst und Leben, intellektueller und dekorativer Kunst. Das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert waren künstlerisch indiskutabel und "the epoch of piggery and periwiggery". Im neunzehnten Jahrhundert kulminierte der Prozeß der Verhäßlichung der Welt, der entwickelt worden war durch den Kunsteklektizismus der Renaissance. Es ist Pathos und Größe und doch auch etwas von kindischem Trotz, daß ein Künstler, der so die Schönheit geliebt und so unter der Häßlichkeit gelitten hat, in dieser einseitigen Kunstauffassung und selbstgewählten Beschränkung verharrte. Umso bedeutsamer und deutungsreicher ist die mittelalterliche Monomanie bei ihm, weil er alles andere als Esoteriker sein wollte, weil er nicht abseits vom Leben sich in ästhetischem Intellektualismus verkapselte, sondern führend und gestaltend in seiner Zeit stand und eine vita activissima lebte. Schwächere künstlerische Potenzen hätten sich in unfruchtbarem Eklektizismus verloren. Morris hatte die Kraft, sich schöpferisch zu behaupten, denn was Pater von Winckelmann sagte, galt auch von ihm. "Within its severe limits his enthusiasm burns like lava."

VIERTES KAPITEL. Es war versucht worden zu zeigen, aus welchen psychischen Tiefen Morris' Mediaevalismus aufsteigt, und daß er nichts Artifizielles ist, keine angenommene mühsame Attitüde, sondern eine selbstverständliche, wesensgemäße Geisteshaltung. Wenn Max Nordau schreibt: „Morris überredet sich, daß er ein fahrender Sänger des 13. oder 14. Jahrhunderts sei, und er gibt sich Mühe, alle Dinge so anzusehen und in solcher Sprache auszudrücken, wie er es getan hätte, wenn er wirklich ein Zeitgenosse Chaucers gewesen wäre...," oder wenn der Kritiker der Edinburgh Review 51 von einer „gespielten Mittelalterlichkeit" spricht, so heißt das, das Wesentliche nicht verstanden haben. Morris überredet sich nicht und zwingt sich nicht. Es ist keine Preziosität. Sein Mediaevalismus ist das ihm Natürliche, so seltsam und selten diese Bemächtigung aller Lebensbeziehungen durch eine historische Zeit auch erscheinen mag. Seine Werke sind die unangreifbaren Beweise dafür, daß der Mediaevalismus die konsequente Form seines Ausdruckswillens war. Nur wenn er seine Gestaltungen in das Mittelalter transponieren konnte, leistete er sein Bestes, strömte der Fluß der Ideen und Bilder. "But once in the nineteenth [century] his imagination is clogged and half crippled."5S Im O. a. C. M. veröffentlichte Morris 1856 eine moderne Erzählung, Franks Sealed Letter. Es war ein mißglückter Versuch, die "whining introspective" Methode, wie er das später genannt hat, anzuwenden. Es ist, als ob er eine fremde Sprache 61 62

Ed. Rev. 1897, No. 379, pg. 63 ffg. Mackail, 1. c. I, 100.

48 spricht, wenn er seinen naiven Vortrag, mit dem er mittelalterliche Dinge behandeln kann, aufgeben muß, und man wird sich der Dissonanz bewußt, die entsteht, wenn er die komplexen psychologischen Vorgänge in modernen Menschen etwa auf die primitiv-naiven Gegensatzpaare gut und böse, schön und häßlich, seelenvoll und herzlos zurückführt. In späteren Jahren begann Morris noch einmal einen modernen Roman. Er scheiterte bald und gab es für immer auf, ein Dichter seiner Zeit zu sein. "Nothing but landscape and sentiment" sagte er in späteren Jahren von diesem Romanfragment. Man hat manchmal über der die dekorative Kunst des Viktoriazeitalters beherrschenden Persönlichkeit Morris' vergessen, daß die Stiltendenzen, die er in solcher Geschlossenheit vertritt, nicht auch von ihm geschaffen sind. Besonders neuere Kritiker haben ihm etwa mittelalterliche Irrlicht erei"3 vorgeworfen: als ob er auf der Stilmusterkarte nach rationellen Erwägungen die mittelalterlichen Kunstformen als die besten und womöglich moralisch höchstwertigen herausgesucht habe, um sich dann künstlerisch in ihnen auszusprechen; als ob Morris' MediaevaIismus ein Willkürakt gewesen sei. Demgegenüber bemühte sich die skizzierte Entwicklung des Mediaevalismus in England zu zeigen, wie alt und wie sicher fundiert die mittelalterliche Tradition hier ist. Morris wächst auf in ihren Bindungen, er zieht mit nieerlebter Schärfe ihre Konsequenzen, ist aber eine so einheitliche Künstlerpersönlichkeit, daß man den Eindruck eines ganz Neuen und Selbständigen bekommt (55). Doch Morris ist ein Kind des Mediaevalismus, nicht sein Vater. Dieses Verhältnis ist immer wieder richtig zu stellen, wenn durch falsche historische Optik die Beziehungen sich umgekehrt haben und man den Künstler zum Inaugurator des im Jugendstil gipfelnden Romantismus ernennen will. Zusammenfassend ist zu sagen: Begründet in psychologischen Gegebenheiten, ohne die nie ein so volles und reiches Werk auf dem mediaevalistischen Substrat sich aufgebaut hätte, ist es ein 53

Werner Hegemann, Wasmuths Monatshefte für Baukunst, 7/8, 1924.

49 o r g a n i s i e r Ablauf stilgeschichtlicher Entwicklung, daß Morris sich ausschließlich dem Mediaevalismus zuwandte, dessen letzte Konsequenzen er zieht und durch den er auf das Neue vorbereitet, ohne es noch zu bringen. Es war schon früher angedeutet, daß in Morris' persönlicher Entwicklung, wie auch in der Gestaltung seines Mediaevalismus zwei Phasen zu unterscheiden sind. Dieser Umbruch in seinen Lebensbeziehungen soll hier deutlich gemacht werden, nur insoweit sein Mediaevalismus dadurch berührt wird. Die erste umfassende Gestaltung mittelalterlicher Materie sind die Prosaromanzen des O. a. C. M. und die Gedichtsammlung The Defence of Gueneoere. Es sind Traumfetzen, flüchtige Impressionen, dramatische Ausbrüche, dekorative Spiele, chaotisch, ohne die Klarheit der Struktur und die Erzählerkunst, die die späteren Werke hervorragend auszeichnen. Das Neue, was sie für die Entwicklung des Mediaevalismus bringen, ist dies: Das Mittelalter ist mit einer Schärfe und Klarheit und geisterhaften Eindringlichkeit gesehen, als ob ein zweites Gesicht dem Dichter den mittelalterlichen Menschen gezeigt, oder vielmehr er selbst in jenen Zeiten gelebt hätte. Die Situation, das Detail werden formuliert, als ob der Künstler von Dingen spräche, mit denen er täglich umgeht, so selbstverständlich, so nebenbei geschieht es. Dieser Eindruck der Nähe und der Wahrhaftigkeit wird vor allem dadurch erzielt, daß die Situation mit allen Sinnen erfaßt und bis in die subtilsten Einzelheiten verwirklicht wird. Es ist der Wille zu letzter Klarheit und Wahrheit im präraffaelitischen Sinn dahinter zu suchen. Man will sich nicht mehr mit einer Klischee gewordenen Attitüde des Schmerzes oder der Furcht oder der Liebe begnügen, sondern allen Gefühlen neue, wirkliche Inhalte geben. Dieser Wille führte den jungen Künstler zu kruden und bizarren Übersteigerungen der Form. So findet sich etwa in The Hollom Land diese Szene: "Then the King understood what he meant, and took in his hand from behind tresses of his long white hair, twisting them round his hand in his wrath, but yet K ü s t e r , Morris

4

50 said no word, till I suppose his hair put him in mind of something, and he raised it in both his hands above his head, and shouted aloud, 'O knights, hearken to this traitor'." 8 * Oder in der gleichen Prosaromanze jenes seltsame und wirklich gesehene Bild: "So Harald turned, and rising in his stirrups, shook his clenched fist at our house; natheless, as he did so the east wind coming down the street caught up the corner of thai scarlet cloth and drove it over his face, and therewithal disordering his long black hair, well nigh choked him, so that he bit both his hair and that cloth" 85 (56). Die frühen Werke von Morris (5?) kündigen das Verlassen der romantischen Auffassung vom Mittelalter an in einem ganz anderen Sinn, als Rossetti es tat, der doch noch auf der Grenze zögert. Es ist ein realistischer, fast naturalistischer Mediaevalismus. Aber es ist eigentümlich zu sehen, wie dieser Bruch mit der Romantik nur in den Jugend werken vollzogen wird. Das E. P. und die späteren Prosaromanzen haben wieder ausgesprochen romantische Tendenzen. Gleichwohl ist es mittelalterlicher Romantismus, den nur ein Künstler wie Morris ausbilden konnte. Er hat keine Nachfolge gefunden. Morris' Mittelalter hat nichts mehr von der Sentimentalität eines Fouque (und in gewissem Sinne eines Tennyson), nichts von dem moralischen Pathos, das Ruskin hinein interpretierte, nichts von der Serenität der Jan van Eyck-Stimmung, in der Keats es gespiegelt sah (58). Es ist eine barbarische, leidenschaftdurchglühte, fiebernde, tief schwermütige und zerrissene Zeit, deren Abbild der junge Künstler gibt. Die Spannung des Lebens im ausgehenden Mittelalter, „das den D u f t von Blut und Rosen in einem Atemzuge vertrug, 8 ' ist schon erfaßt. Kampf ist kein prächtiges Schauspiel mehr, das vor den Augen der Damen sich entrollt. Es ist grauenhafte Wirklichkeit, wo M

Coli. Works, Bd. I, pg. 267, zuerst veröffentlicht im Septemberund Oktoberheft des O. a. C. M. 1856. *6 Coli. Works, Bd. I, pg. 264. 69 Huizinga, 1. c., pg. 30.

51 67

der Rauch verbrannter Knochen aufsteigt, wo die Leichen der Erschlagenen, von SAmerz u n d Angst furchtbar verzerrt oder von den Steinen der Schleudermaschinen zerschmettert, auf dem K a m p f p l a t z liegen, 58 und die Herrin nicht von geschmückter Tribüne das Theatergefecht verfolgt, sondern die geliebte Frau, um deren Rettung man k ä m p f t , in der Agonie des Schmerzes am Boden ihres Gemaches liegt. 59 Auffallend sind die makabren Züge, die besonders in den f r ü h e n Prosaromanzen hervortreten (59). In The Hollow Land findet sich diese grauenvolle Szene: Als Florian de Lilis in Traumland, mit Blut und F a r b e besudelt, nackt, mit dem Maler jener seltsamen Jüngsten Gerichte, die nur in Gelb und Rot gemalt sind, gekämpft hat und sich nach stürmischem Gefecht über den tödlidi Verwundeten beugt und ihm mit Rot und Gelb Q u a drate auf das Gesicht malt, heißt es weiter: "and in each of the squares so made I p u t a spot of black, after the manner of the painted letters in the prayerbooks and romances when they are ornamented." 8 0 Die wilde Leidenschaftlichkeit und Morbidität des spätmittelalterlichen Menschen zeigt sich auch in Gertha's Lovers.61 D a rast Sebald im Wahnsinn unbefriedigter Rache: " O God! to think that I am disappointed in my revenge! yet still it is pleasant to do this . . . and again his heel came down on the dead King's wretched face: then he stooped down and p u t his hands to the w a r m blood that flowed from the wounds, and raised them to his lips und drank, and the draught seemed to please him." In Lindenborg Pool steigert sich diese Tendenz zum Makabren und Morbiden fast bis zum Satanismus: der Priester, der zu einem angeblich Sterbenden gerufen wird, reicht stattdessen das Sakrament einer ihm durch Vermummung unkenntlich gemachten großen Sau, die mit Grunzen ihm die Hostie aus der H a n d reißt. 57 58 5B 60 61

Coli. Coli. Coli. Coli. Coli.

Works, Works, Works, Works, Works,

Bd. I, pg. 78. Bd. I, pg. 215. Bd. I, pg. 306/7. Bd. I, pg. 86. Bd. I, pg. 214. 4'

52 In diesem Moment ertönt ein orgiastischer Schrei, satanisches Gelächter und viele Männer und Frauen, die als Männer gekleidet sind, umtanzen toll den Priester: "...the hundreds of people through all those grand rooms danced and wheeled about me, shrieking, hemming me in with interlaced arms, the women loosing their long hair and thrusting forward their horribly-grinning unsexed faces toward me till I felt their hot breath."92 Matkail gibt an,93 daß Morris in diesen Jahren seiner politischen und religiösen Uberzeugung nach Aristokrat und Hochkirchler war. Audi der Einfluß Froissarts trug dazu bei, daß die frühen mediaevalisierenden Werke von Morris eine aristokratische Grundhaltung zeigen. Mit wenigen Ausnahmen werden immer ritterliche Motive in den Gedichten des Maloryzyklus, des Froissartkreises und der Prosastücke abgewandelt. Seine Auffassung mittelalterlicher Religiosität kennt keine Sentiments und keine Mystik. Er trägt die Mystik eher in das Leben seiner mittelalterlichen Menschen. Das Religiöse durchdringt aber in dem Maß echt mittelalterlich alles Denken und Fühlen, daß es völlig im Leben aufgeht und das Göttliche mit der naiven Selbstverständlichkeit einheitlich katholischer Weltanschauung in menschlichen Formen gesehen wird. Alice de la Barde betet: " come face to face, O Christ, that I may clasp your knees and pray, Let us go, You and I, a long way off, To the little damp, dark, Poitevin church; While you sit on the coffin in the dark, Will I lie down, my face on the bare stone Between your feet, and chatter anything I have heard long ago, what matters it So I may keep you there, your solemn face And long hair even-flowing on each side yea, till o'ver your chin, 92 99

Coll. Works, Bd. I, pg. 252. Matkail, 1. c. I, pg. 48.

53 And cloven red beard the great tears roll down In pity for my misery, and I die, Kissed over by you." Verschiedene Kritiker, auch Beers, weisen darauf hin, daß Morris Maeterlinck von seiner Abneigung, die er gegen zeitgenössische Autoren zeigte, ausgenommen, weil er sich dem Symbolismus der belgischen Schule verwandt gefühlt habe. Indessen scheint uns ein eigentlicher Symbolismus, selbst in Gedichten wie The Tune of Seven Tomers oder Golden Wings oder selbst Rapunzel, nicht beabsichtigt. Vielmehr sollte ein dekoratives Spiel von Linien und Farben in Klängen und Rhythmen gegeben werden. May Morris lehnt überdies Morris' Sympathien f ü r Maeterlinck ab. "When Maeterlinck came into the picture Father read one or two of the plays, was struck by the slender and delicate charm and then read no more Maeterlinck's unexplained mysteries, his vagueness, dissatisfied him The Belgian's representation of the Middle Age, too, in an atmosphere of unrelieved gloom and desolation rather bored him." 85 Das Inbeziehungsetzen zu Maeterlinck lag, wenn man sich an die ersten Werke von Morris erinnert, allerdings sehr nahe, obgleich sein Mittelalter eine viel festere Struktur und eine dichtere Atmosphäre hat als das des belgischen Dichters. Morris' spätere Ablehnung von "unrelieved gloom and desolation", obwohl sie ausgebreitet sind über alle seine frühen Schöpfungen, beweist, wie gründlich seine Auffassung vom Mittelalter sich gewandelt hat. In der ersten Phase seines Mediaevalismus ist Morris flamboyanter Gotiker. Er ist der Auffassung vom ausgehenden Mittelalter, wie wir sie jetzt haben: als einer Zeit der Polarität des Gefühls, der heftigen Leidenschaften und Spannungen, der Düsterkeit und Schwermut und Zerrissenheit vor dem Hintergrund einer wesentlich aristokratischen Lebensauffassung, nie wieder so nahe gekommen, wie in diesen kostbaren frühen Stücken. 64 66

Coll. Works, Bd. I, pg. 59. Coli. Works, Bd. XXII, pg. XXII.

54 Zehn J a h r e vergingen, ehe im E. P. wieder mittelalterliche Stoffe dichterisch verarbeitet wurden. Inzwischen war der Künstler aus seinem literarischen Kreis in weitere Bezirke getreten. Er hatte das Werk, das Handwerk des Mittelalters kennen gelernt und die Aspekte, unter denen er sein "beau idéal" sah, hatten sich gründlich verändert. Sdion in den Tagen der Rossettischülersdiaft war die Verzweiflung an der dekorativen Kunst der Zeit soweit gediehen, daß Morris und Burne- Jones selbst an die Umgestaltung ihrer Umgebung gingen. Sie ließen nach ihren Angaben Möbel gotischen Stils bauen, schwerfällig und riesig in den Maßen, incubi und succubi, wie Rossetti sie genannt hat. Burne-Jones und Rossetti bemalten die glatten Flächen, die nur durch strukturale Gliederung aufgeteilt waren und auf jedes viktorianische Ornament verzichteten. Als Morris dann einen Hausstand gründete und mehr als j e zuvor darauf hingewiesen wurde, w a s oder vielmehr was nicht die "lesser a r t s " der Zeit dazu beitragen konnten, fanden die latenten K r ä f t e endlich die Möglichkeit, hervorzutreten und wirksam zu werden. Morris, der trotz seiner übermächtigen architektonischen Interessen, aus dem Bewußtsein heraus, nicht genügend plastische Gestaltungskraft zu besitzen (60), nie ein Haus gebaut hat, wurde, was wir heute einen Innenarchitekt nennen. Ein unerhörtes Unterfangen im Viktoriazeitalter, das nur eine intellektuelle Kunst anerkennen wollte und das Ausüben der dekorativen Kunst für sozial minderwertig hielt. D a s ewige Widerspiel: Klassik und Romantik bekam im J a h r e 1859, als Morris den Streetschüler Philip Webb mit dem B a u seines Hauses beauftragte, eine entscheidende Wendung. "This house was to be something more than a dwelling, it w a s to stand as a solid declaration of faith. It was to be the architectural statement of the beliefs of the Arts and Crafts Movement. It w a s to rescue architecture from the bonds of scholastic antiquarianism, whether Gothic or classic.®8 M

C. u. A. Williams Ellis, The Pleasures of Architecture, pg. 44.

55 Die klassizistische Tradition war mit Sir William Chambers zugrunde gegangen. Es blieb "the utilitarian brick-box" oder die Pseudo- oder akademische Gotik der Revivalists. Red House, schon in seinem Baumaterial: roter Backstein, ein Protest gegen den gebräuchlichen Stüde oder Sdiiefer, war ein neues Beginnen im Anknüpfen an alte Tradition originaler mittelalterlicher Architektur! An ihr hatte Morris, dessen Intentionen hinter seinem Baumeister standen (61), seine Formensprache gelernt. Die Architektur, ihrer ganzen Bedingtheit nach zu einem langsamen Werden gezwungen und an bestimmte praktische Zwecke gebunden, kann nicht, wie die „freien" Künste, sich kühn losreißen vom alten und in den leeren Raum springen. Morris ist noch Gotiker, doch wie sehr er sich vom mediaevalistischen Akademismus und gotisierenden Historismus befreit hat und zu eigenem Schöpferischen gelangt ist, zeigt schon ein Vergleich zwisdien Red House (62) und Pugins Haus (63). Pugin baute sein Haus in möglichst korrekter und subtiler gotischen Formensprache, ohne die Elemente, die der gotische Formenkanon ihm zur Verfügung stellte, verschmelzen zu können. Morris zeigte seine Unabhängigkeit schon im Grundriß, der gemäß den Zwecken und in bezug auf den Garten gestaltet war. Wohl hatte er nodi gotisches Detail, aber es wurde äußerst sparsam und frei behandelt, wurde nie als bloße Dekoration benutzt, sondern erwuchs organisch aus der Konstruktion. Von der Nachahmung war man endlich zur Neuschöpfung, geleitet von alter Tradition, vorgedrungen (64). Wenn es auch Philip Webb und vor allem Norman Sham waren, die die für den ganzen Kontinent vorbildlich gewordene englische Wohnkultur wesentlich bestimmt haben, so hätte sehr wahrscheinlich die Bewegung nicht solche Triebkraft besessen, wenn Morris sie nicht ausgelöst und durch seine dekorativen Arbeiten ihr neue, wichtige Kräfte zugeführt hätte. Das isolierte architektonische Beginnen wurde so in einen großen Zusammenhang: The Arts and Crafts Movement einbezogen, die von Red House ihren Ausgang nimmt. Denn als Morris an die Innenausstattung seines Hauses ging, zeigte es sich, daß

56 nur delfter Porzellan und Perserteppiche zu kaufen waren. Alles andere, von der Wandbekleidung bis zum Feuerbock im Kamin, mußte selbst geschaffen werden, wenn man nicht täglich Qualen des "aesthetic discontent" leiden wollte. Der Gedanke einer Bruderschaft religiös-mittelalterlicher Färbung, der schon lange im Hintergrund gestanden hatte, trat wieder hervor, verwandelt zu einer Art Bauhüttengemeinschaft, in der man den „Palast der Kunst" aufbauen wollte. Das Unternehmen der Morris Company (65) war nicht ganz neuartig. Pugin hatte schon kunstgewerbliche Arbeiten, allerdings für ausschließlich sakrale Zwecke, ausgeführt. Felix Summersault gründete eine Künstlervereinigung (66) zur Herstellung von Art Manufactures. Das fruchtbare Neue, was die Morris Company brachte, war, daß man den vagen Ideen von Schönheit der Form und Farbe und poetischer Erfindung, wie Summersaults Vereinigung sie in ihrem Prospekt ankündigte, eine solide Basis durch ein Zurückgehen auf erprobte handwerkliche Erfahrungen gab. Man konnte sich aber seiner ganzen romantischen und antiklassischen Einstellung nach nicht entschließen, da wieder anzuknüpfen, wo durch den Kunsteklektizismus und Maschinenindustrialismus die letzte handwerkliche Tradition abgebrochen war, am Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Es lag näher, die andere Verbindung, die nach rückwärts in artistische Zeiten führte, herzustellen, die ins Mittelalter. Das geschah nicht nur um seiner künstlerischen Vorzüge, sondern ebensosehr um der handwerklichen Vollkommenheiten willen. Es war das Werk des Mittelalters in seiner Echtheit und Schönheit, — Begriffe, die für die moderne Material- und Zweckästhetik Synonyme sind, deren Synonymität aber erst durch Morris im weiteren Umfange geschaffen ist —, was dem Künstler den Zugang zum Mittelalter erleichterte und die angeborene Liebe entwickelte und stärkte. Nicht romantische Sentimentalität machte ihn zum Mediaevalisten. H. Halliday Sparling schreibt in seinem 1924 erschienenen wichtigen Buch: The Keimscott Press and William Morris MasterCraftsman: "At no time did he advocate a return to or copying

57 of the Middle Age or any of its methods, even its methods of work, further than these were eternal and universal in their validity. What he did advocate,... was that we should learn from the Middle Age what it alone is able to teach us, not revive or imitate67 it through undiscriminating admiration, and less yet condone its defects of any kind for the sake of picturesqueness." Als Morris so z. B. die Druckerkunst für seine eigenen Druckversuche, an die sich das glorreiche Werk der Keimscott Presse anschloß, studierte, untersuchte er genau die Arbeiten des großen venetianer Druckers Nicholas Jenson, aber nur, um dessen Methoden und Prinzipien zu verstehen, nicht um ihn nachzuahmen. Sein Verhältnis zur alten Kunst hat Morris eindeutig festgelegt, Sparling, der oben zitiert ist, wiederholt nur: "Let us therefore study it wisely, be taught by it, kindled by it; all the while determining not to imitate it or repeat it; to have either no art at all, or an art which we have made our own."68. Aus dieser Einstellung heraus wurde er auch zum Protagonisten der „Gesellschaft zum Schutz alter Baudenkmäler". Frühere, durch historische Kenntnisse unbeschwerte und unverdorbene Zeiten ergänzten und veränderten ein altes Gebäude immer in ihren eigenen Stilformen. Es gibt keine Restauration im Sinne des ursprünglichen Bauwerks, wie man seit der Gothic Revival sie zu bringen beanspruchte (67). Sie wird immer von den Inhalten ihrer Zeit gefärbt und verändert sein. Es gibt keine Wiederherstellung, sondern sollte nur Schutz alter Baudenkmäler geben (68). Bei diesem Gefühl für das Stilphänomen, die Einmaligkeit, die Unwiederholbarkeit, war es für Morris eine formal-stilistische Unmöglichkeit, das Mittelälter zu kopieren. Wohl konnte er von ihm lernen. „Die Romantik neigte dazu, Mittelalter und Ritterzeit kurzweg zu identifizieren. Sie sah da vor allem nickende Federbüsche,"66 wie Keats in seinen charakteristischen Versen: 67 68 69

Von mir ausgezeichnet. D. Verf. Coli. Works, Bd. XXII, pg. 16. Huizinga, 1. c. pg. 76.

58 "Lo! I must teil a tale of chivalry; For large w h i t e plumes are dancing in mine eye." 70 Dieselbe A u f f a s s u n g beherrschte auch den jungen Morris, den Morris der o x f o r d e r Zeit. Aber dadurch, d a ß er durch seine kunstgewerblichen Arbeiten im Z u s a m m e n h a n g mit Red House u n d der Morris C o m p a n y in die handwerklichen Verhältnisse des Mittelalters g e f ü h r t w u r d e , verlor er die chevalereske Einstellung, die ihm besonders durch Froissart n a h e gebracht w o r d e n w a r . E r sah das Mittelalter n u n m e h r vom S t a n d p u n k t des H a n d w e r k e r s oder des K u n s t h a n d w e r k e r s , w a s f ü r Morris dasselbe bedeutete (69). Der ariisan w i r d ihm jetzt der Rep r ä s e n t a n t mittelalterlicher K u l t u r (70). Die Kunst des Mittelalters ist Gemeinschaftskunst. Art of the people for the people ist das Morrissche Schlagwort. K u n s t u n d Leben w a r eine organische Einheit. Die ganze vom Menschen gebildete Welt w a r schön. U m die sozialen Voraussetzungen f ü r eine W i e d e r k u n f t dieser idealen künstlerischen Verhältnisse zu schaffen, w u r d e Morris Sozialist. Es sind also weniger kollektivistische Ideen als ästhetische Orientierungen, die seinen Sozialismus bestimmen: Art of People for the People, aber auf der Kunst liegt das Gewicht der Betonung. Deshalb glaubte Morris auch nicht so sehr durch eine soziale oder ökonomische Umschichtung eine Besserung der bestehenden Verhältnisse erreichen zu k ö n n e n , als vielmehr dadurch, d a ß das ganze Leben wieder in Schönheit g e f a ß t w u r d e . So, in b e w u ß t e r A b w e h r gegen das „Cockney P a r a d i e s " u n d den Maschinenrausch von Bellamys Looking Badcroard, w u r d e die bezaubernde sozialistische Utopie Neros from Norohere geschrieben, sozusagen eine invertierte Utopie, d e n n sogar die Z u k u n f t k a n n der Monomane des Mittelalters n u r u n t e r mittelalterlichen F o r m e n sehen. U n d diese F o r m e n sind immer schön u n d heiter u n d alle Gegensätze, alle Schwierigkeiten sind durch die K u n s t u n d die Schönheit ausgeglichen. Es ist ein Mittelalter eigener Konvention, das Morris j e t z t gibt,, 70

Specimen of an Induction to a Poem.

59 ein demokratisch-pagan-dekoratives Mittelalter, ohne LehnsVerhältnis, Monarchie und Kirche. Der Ritter hat seine Rolle ausgespielt. Es ist das vollkommen unhistorische Mittelalter des dritten Standes (71), das in den Spätwerken erscheint. Neben dem Werkgedanken des Mittelalters hatte, wie bereits angeführt war, der Einfluß Chaucers zu einer Umstimmung im Sinne des bürgerlich-demokratischen Aspektes beigetragen. Es ist auch manchmal betont worden, daß Chaucer für Morris eine Annäherung an das wirkliche Leben bedeutet habe. Wohl wird der junge Dichter unter Chaucers Einfluß durchsichtiger, einfacher und im besten mittelalterlichen Sinn naiver. Die dramatische Krisenstimmung, die er von Browning übernommmen hatte, weicht der Romanzenstimmung, die sich in Liebe und Abenteuer ausbreitet. Er glaubt selbst an die wunderbaren Dinge, er macht uns nicht nur glauben. Seine Motive sind nicht mehr ineinander verknotet, der Aufbau bekommt architektonische Gliederung. Die Situation ist mehr mit malerischer als dramatischer Intensität gegeben, und jede exzentrische Geste wird vermieden. Eine Szene, wie die oben angeführte, 71 ist seit dem L. D. J . nicht mehr möglich. Aber nichts von dem Humor, dem Breughelhaften Chaucers, hat Resonanz gefunden, und auch seine Realität ist nicht erreicht. Zwar hat Morris soviel wahrhaft mittelalterliche Atmosphäre in seinen Werken, wie kein anderer Mediaevalist, aber es ist die dünne Luft des Traums. Die Nähe und scharfe Deutlichkeit ist da, aber wie durch eine gläserne Wand, durch die man nicht in die Wirklichkeit stoßen kann, ist alles gesehen. Es war wohl dies: "Morris cared more for places and things than for men." Die Objekte leben bei Morris mehr als die Menschen und sie leben von sich aus ein geisterhaftes Leben. Das eben fehlte Morris, um vom großen raconteur zum großen Epiker sich zu entwickeln: das Menschliche war ihm fremd. Oder vielmehr, es wurde ihm fremd, denn in den Gedichten der D. o. G. glauben wir, im Gegensatz zu der oben angeführ71

Vgl. S. 51.

60 ten Auffassung, eine zwar phantastische und bizarre, aber doch lebenswirkliche und lebenswärmere Welt zu finden. Eine Strophe wie diese aus Concerning Geffray Teste Noir "I saw you kissing once, like a curved sword That bites with all its edge, did your lips lie, Curled gently, slowly, long time could afford For caught-up breathings . . ." 72 wird in den Werken nach 1865 etwa aufgelöst in ein "kisses sweet" oder in ein "she kissed him heartily." Das bedeutet aber kein puritanisches Ausweichen vor aller Erotik, auch nicht den Verlust der Fähigkeit, geistiges Geschehen in Sinneseindrücke — fast immer sind es optische — zu verwandeln. Morris kann nicht anders, als stets das Ideogramm zu geben. Es ist vielmehr das Aufgeben einer individuellen Lebensäußerung zugunsten einer großen, einfach gezogenen Linie und einer durch die Stilisierung notwendig gewordenen Lebensentfremdung. Die Rationale dieser Unterdrückung des Individuellen hat man wohl wieder in der dekorativen Grundeinstellung Morrisscher Kunst zu suchen (72). Ebenso ist die breite, flämische Lebensfreude, wie sie aus der Chronik Froissarts, des Urbanen Chorherrn von Chimay, hervorklingt: Tanz und Gesang, das Knallen der Pfropfen, ausgelassene Geselligkeit, Tafeln, die unter der Last ungeheuerlich getürmter Schüsseln sich biegen, bei Morris nur sehr gedämpft ausgesprochen. Trotzdem Morris einem heiteren und kraftvollen Lebensgenuß zugeneigt war, wofür nicht nur seine Biographen, sondern auch das in seiner vitalen Kraft so schöne Portrait von Watts zeugen; wenn er auch wissen wollte, „wie sie in Middlesex aßen und tranken": bot sich die Gelegenheit, ein Bild derber mittelalterlicher Menschlichkeiten zu malen, wie etwa die Wirtshausszene in The Dream of John Ball sie gegeben hätte, hört man mit Ausführlichkeit nur von der Wandbemalung in der Taverne „Zur Rose", dem Kamin und wunderlich geschnitzten Schenktisch, der Kleidung der Wirtstochter, die ein hellblaues 72

Coll. Works, I, pg. 80.

69 "I saw a thing and deemed it fair And longed that it might tarry there And therewithal with words I wrought To make it something more than nought." Es ist eines der seltenen Selbstzeugnisse des Dichters, wo er das Gesetz, unter dem er sein Leben stehen fühlt, aufdeckt: den Willen zur Sdiönheit: die Flüchtige zu bannen, die Tote wieder lebendig zu machen, die für immer Verlorene neu zu erschaffen. Es war bereits klar geworden, wie dieser Wille zur Schönheit immer im Kampf mit den ästhetischen Gegebenheiten des neunzehnten Jahrhunderts liegen mußte (Morris als Typus des aesthetic discontent, vgl. K. I) und er gezwungen war, sich in anderen artistischen Zeiten die Form (Mediaevalismus) zu suchen, in der er sich erfüllen konnte. Deshalb ist, trotz seiner "passion for the past" das Mittelalter bei Morris nicht Selbstzweck, wie bei Chatterton, Scott, Pugin, und z. T. auch bei Rossetti, sondern Medium; nicht Ziel, sondern Weg zur Schönheit, die nicht als ein Abstraktum außerhalb des Lebens gesetzt wird, sondern gerade im Leben sich offenbaren soll. Die Projektion des Willens zur Schönheit auf die künstlerische Gestaltung ist die dekorative Kunst (86). „Alle große Kunst ist Dekoration" hatte Ruskin gezeigt: die Fresken Giottos, die Stanzen Raffaels, die Sixtina Michelangelos. Es bedurfte nicht erst dieser historischen Assoziationen, um die dekorative Kraft bei Morris zum Durchbruch zu bringen. Es war ein Urtrieb, der hervortrat und, wie gezeigt war, auf allen Gebieten der dekorativen Kunst wirksam wurde. In Morris finden wir vielleicht zum erstenmal seit den anonymen Meistern des Mittelalters wieder den ganz reinen Typus des dekorativen Künstlers (87), der die Kunst nicht als Selbstzweck (88), sondern nur in ihrer Beziehung auf das Leben wertet. Die Kunst soll dem Leben dienstbar sein. Niemals darf aber das dekorative Wollen bei Morris verstanden werden im Sinn unorganischer Oberflächendekoration, des Schmuckes um jeden Preis, wie seine Nachfolger es verstanden

62 einem "Wardourstreet"-Mediaevalismus gesprochen. Indessen hatte Morris gar nicht den Ehrgeiz, diese letzten Modifikationen seines Mediaevalismus f ü r historisch unterbaut und echt auszugeben. Unbekümmert um jede Kritik, nur sich selbst zur Freude, wie wir unsere Tagesträume träumen, schreibt er und ist traurig, wenn das Ende seiner Geschichten da ist. Trotz aller Phantastik der Sujets verzichtet Morris aber auch jetzt nicht auf die Genauigkeit des Details (73), das nur sparsamer und nicht mehr mit der übergroßen Schärfe der f r ü h e n Werke gegeben wird. Die epischen Elemente überlagern nun die malerischen. Niemals steht der schließlich ganz unhistorisch und ganz romantisch gesehene mittelalterliche Mensch vor einem religiös-kirchlichen Hintergrund. Auch diese Bindung, die das Essentielle mittelalterlichen Geisteslebens überhaupt ist, wird aufgegeben. Das Transzendentale wird bei Morris allein durch die Natur vertreten. Es ist eine pagan-antike L u f t um seine Menschen. Ein ganz eigenartiger Chiasmus der Begriffe entwickelt sich. Um das auf eine, allerdings überspitzte Formel zu bringen: ein antikes [paganistisches] Mittelalter und eine mittelalterliche Antike. Das paganistisch gesehene Mittelalter ist sowohl einer der bedeutsamsten Züge in Morris' Gestaltungen, als auch ein wichtiger Ausgangspunkt zum Verständnis seiner Auffassung der Antike, deren eigen- und einzigartige Formulierung später in Ausführlichkeit aufzuzeigen sein wird. Morris hat stets verzichtet, transzendentale Bezogenheiten auszudrücken. Er w a r trotz der vita activa, die er gelebt, trotz seines Sozialismus ein sehr Einsamer (74) und sein W e r k ist bis auf wenige Ausnahmen von ganz besonderer Unpersönlichkeit. D a die D i a p h a n i t ä t der Künstlerpersönlichkeit, wie sie etwa die Darstellung religiösen Lebens erfordert, vermieden ist, überrascht es kaum, wenn man bei Morris nichts von mittelalterlicher Transzendentalität findet. Er ist zwar ein T r ä u mer, aber ein Tagträumer. Seine T r ä u m e reichen nicht in die andere Welt hinein, sie weben um irdische Dinge, sie verk n ü p f e n und lösen diesseitige Verhältnisse. Der Dichter ist

63 mit seinem ganzen Sein und allen Sinnen an die Erde geb u n d e n . Es ist das irdische Paradies, das er sucht, u n d dessen Verwirklichung seine ganze Lebensarbeit gilt. Morris ist ein Künstler von besonders geringen metaphysischen Bedürfnissen. Der G l a u b e an die Immanenz des Seins konstituiert so auch seine Weltanschauung und bestimmt wesentlich seine A u f f a s sung vom Mittelalter. Die mittelalterlichen Geistesformen scheinen ausschließlich unter der Herrschaft transzendentaler Bewertungen gebildet zu sein. Indessen folgt Morris selbst da, wo er scheinbar dem Geist des Mittelalters sich entzieht, mittelalterlichem Vorgang. Die Immanenz der Werte ist auch im Mittelalter in mehr oder weniger verhüllter Form verkündet (vgl. z. B. Abälard, die Troubadourpoesie). Ganz offen und eindeutig war sie aber vertreten worden von einem Menschentypus, den Hennig Brinckmann in seinem Aufsatz 7 3 als den Diesseitstypus dem transzendentalen (der diesen schließlich besiegt) gegenüberstellt (75). Er entsteht im Übergang vom 10. zum 11. J a h r h u n d e r t , also in jener Zeit, die vor der eigentlich ritterlichen liegt, und der Morris sich in seinen späteren J a h r e n immer mehr zugewandt hatte. Die Vagantenpoesie ist nun die literarische Repräsentanz dieses Diesseitstypus, dessen Geisteshaltung charakterisiert wird durch religiösen Indifferentismus, Kult der Schönheit und des Genusses, was fast in ästhetischen Immoralismus sich ausweiten kann, sinnenhafte Erfassung der Welt, starke ästhetische Rezeptivität überhaupt. Fast alle diese Elemente finden wir auch bei Morris, und zwar in steigendem Maße sich entwickelnd, ohne d a ß aber eine literarische Abhängigkeit festzustellen ist, obwohl die Vagantenlieder internationalen Charakter haben und es möglich (nicht wahrscheinlich) wäre, d a ß Morris das Cambridge Textbuch (76) gekannt hat. Die Frage nach Beeinflussungen ist auch hier nicht wesentlich. Vielmehr scheint es wichtig, einen neuen Beweis f ü r die tiefreichenden Wurzeln seines Mediaevalismus dadurch zu erbringen, d a ß auch dieser 73

Diesseitsstimmungen im Mittelalter, pg. 772 ffg.

64 für Morris so bezeichnende und ganz modern anmutende Zug, keine Interpolation von ihm ist, sondern historische Analogien hat. Das Religiöse hat für Morris immer nur einen bescheidenen Part in der großen Symphonie des Mittelalters bedeutet. Er wird in der ersten Phase seines Mediaevalismus indessen noch in gewissem Umfange durchgeführt, 71 schwindet aber in der zweiten mehr und mehr. In A Dream of John Ball wird der erwachenden Skepsis des Heckenpriesters das neue Evangelium der Bruderschaft und des Lebens verkündet. In N. f. N. ist auf die Kirche oder eine andere religiöse Gemeinschaftsform überhaupt verzichtet. Die späten Romanzen, insofern sie nicht vor der Christianisierung lokalisiert sind, haben kaum noch religiöse Motive, die dann immer nur ästhetisch ausgewertet werden: die Pracht einer Kirche oder einer kirchlichen Handlung wird geschildert. Jedoch ist es auffällig, wie knapp selbst diese ästhetische Ausgestaltung gegeben wird. 78 Wenn der Priester Leonard in W. W. I., von glühender Liebe zu Birdalone erfaßt, sie küssen möchte, wird durchaus nicht das Sündhafte dieser Liebesleidenschaft empfunden, und der Kampf, der im Priester vorgeht, ist nur, daß er liebt und diese Liebe nicht erwidert weiß. 79 Wohl schwören die Ritter und "carles" bei Allen Heiligen, aber von religiösem Inhalt liegt nichts mehr darin. Die mittelalterliche Religiosität ist zur bloßen Dekoration herabgesunken, auf die Morris auch dann noch, soweit er kann, verzichtet. "In religion I am a pagan", oder milder gefaßt: religiöser Indifferentismus spricht aus seinen mediaevalistischen Gestaltungen. In A Dream of John Ball hatte Morris geschrieben: "Friend, I never saw a soul save in the body". Das sind Walt Whitmansche Anklänge (behold, the body includes und is the meaning, the main concern and includes and is the soul, "Leaoes of Grass") und mit Whitmans antiker Auffassung von 74 75 76

Vgl. S. 52 ffg. Vgl. The Sundering Flood, Coli. Works XXI, pg. 239/40. Vgl. W. W. I., Coli. Works XX, pg. 156.

65 Mensch und Eros hat man Morris' sinnenhafte Menschengestaltungen mit Recht verglichen. Eine Abhängigkeit ist indessen nicht anzunehmen. Morris gestaltete aus seiner Diesseitsgläubigkeit, seiner sinnenhaften Erfassung der Welt und des Lebens und seinem Streben nach dem Einfachen und Naturhafteri' heraus selbständig den neuen Menschen, dessen Beziehungen zu Antik-Paganem nach diesen Voraussetzungen klar sind. Es ist aber eine Auffassung, zu der Morris sich erst entwickeln mußte. Die frühen Werke — wobei L. D. J . als ein Übergang aufzufassen ist — sind noch von der spiritualistischen, mittelalterlich-mystischen und femininen Erotik Rossettis erfüllt, und seine Frauengestalten zeigen den fragilen, phthisischen Typus Rossettischer Bilder. Wie dann mit den siebziger Jahren immer mehr virile Akzente in seinen Mediaevalismus hineinkommen, nach Klarheit und Vereinfachung aller Beziehungen und Gefühle gestrebt wird, wird auch die fieberhafte Atmosphäre mittelalterlicher Liebeshöfe verlassen und eine pagane, naturhafte, fast primitive (77) Form aufgefunden, die zu der mittelalterlichen Stilisierung und Kultivierung der Liebe in deutlichem Widerspruch steht und wieder nur ihre Parallele in der naturhaft erfaßten Erotik der Vagantenpoesie hat, die auch bezeichnenderweise meist die schäferlich - ländliche Liebe besingt. 77 Morris zog sich den Vorwurf des Immoralismus zu, weil er in seiner mittelalterlichen Utopie N. f. N. auch keine festen Ehebindungen mehr kennt, und Mann und F r a u sich zusammenfinden und trennen, wie das Gefühl sie treibt (78). Dieser Immoralismus ist derselbe, den man Whitman zur Last gelegt hat. Es ist keineswegs eine Emanzipierung der Triebe im Genuß, — es ist bei ihm nur das Bestreben deutlich, zu Lebensformen zu gelangen, die ganz einfach, naturgegeben, unkonventionell sind (79). Trotzdem Liebe immer das zentrale Motiv ist, herrscht nie eine sinnliche Atmosphäre. Francesca und Paolostimmungen (80). wie sie aus den Versen: "I saw Vgl. z. B. C.B. 120,1 C . B . 52,4 C. B. 62, C . B . 119 (C. B. ist Carolina Burana).

77

Küster, Morris

5

66 you kissing o n c e . . a u f s t e i g e n , sind, als sich die paganen Züge voll entwickelt haben, nicht mehr möglich. Die Menschen sind immer schön bei Morris, sie leben von der Schönheit und sie genießen und lieben nur die Schönheit aneinander, wie man die Schönheit eines Tieres oder einer Landschaft liebt. Das "love of loving" wandelt sich zu "love of beauty" und damit ist schon Distanz geschaffen und Kühle. Mit diesem neuen Verhältnis zur Liebe verbindet sich auch ein neuer Frauentypus. Kinder von Sonne und Wind und Regen sind diese Frauen, Whitmansche Frauen, groß, schlank, gebräunt, mit gestählten Muskeln. Das Bild der sog. elischen Läuferin (Tänzerin)78 oder einer Atalanta liegt näher, als selbst das der Frauen von Botticellis Primaverabild, wenn Morris in Kilian of the Closes die Fee, die Ritter Kilian am Quell des Durstes trifft, so schildert: "I shall tell thee that she is little like this fashion reputed of the faery kind, that they be as if wrought of blossoms and sunbeams, having nought to do with the wind and weather, and the rough earth of the woodland, and the raggedness of the thicket. For however she is of slender grace, und all carefully fashioned from head to heel, she is tall and well-knit, her arms strong, her limbs brawny and firm; nor is the skin of her made of snow and rose-leaves by seeming, however sweet and fragrant she may be; for her face is tanned by the sun and wind, so that the grey eyes gleam therefrom, and her lips be full red and sweet; and even so tanned or yet more are the hands of her from the wrists down; and her feet to the ancles not much less. So that again I tell thee that she is more like to a fair and dear lady who haunteth the summer woodland for her health and her pleasure, than any wight of strange fashion that hateth the race of Adam.78 Ganz im Sinn antiker Ästhetik ist diese Freude am schönen, kraftvollen Körper, am Spiel der Glieder, am Zusammenklang von Mensch und Natur und ganz unmittelalterlich. Immer wieder finden sich Schilderungen, die die Erinnerung Marmorkopie, Rom, fünftes Jahrhundert. Fragment aus der späten Romanzenzeit, vgl. Coli. Works Bd. XXI, pg. 289. 78

7*

67 an antike Kunstwerke wachrufen, die aber für Morris nicht archäologische Reminiszenzen, sondern nachgelebte und nachempfundene Wirklichkeit sind. Wer dächte nicht an die Amazonen vom Mausoleum zu Halikarnass (British Museum), wenn es heifit: " . . . none of them hid over-much of their bare bodies; for either the silk slipped from the shoulder of her, or danced away from her flank;80 and she whose feet were shod, spared not to show knee and some deal of thigh; and she whose gown readied unsheared from neck to heel, wore it of a web so thin and fine that it hid but little betwixt heel and neck",81 und an eine Dianaskulptur, als Birdalone sich rüstet: "Birdalone (81) . . . did on the green hunting-gown and the sandal shoon, and girt her with the fair g i r d l e . . . and drew up the laps of her gown therethrough till her legs were all free of the skirts . . . and took down her bow and hung her quiver at her back and thrust her sharp knife into her g i r d l e . . ,"S2 Wie pagan gerade die Gestalt der Birdalone gesehen ist, mögen die Verse dartun, die Orpheus in L. D. J. den Verlockungen der Sirenen entgegensingt und die ein Bild nachzeichnen, oder vorzudeuten scheinen, das immer wieder in W. W. I. erscheint: "'There by the stream, all unafraid Shall stand the happy shepherd maid, Alone in first of sunlit hours, Behind her, on the dewy flowers, Her homespun woollen raiment lies, And her white limbs and sweet grey eyes Shine from the calm green pool and deep, While roundabout the swallows sweep, Not silent..." 8 3 Während die Menschen der D. o. G.-Sammlung noch in Burg, Halle, bower sich bewegten, streifen sie nun durch die Wälder und Wiesen, segeln sie übers Meer, schwimmen sie in der grü80 81 88 88

Von Coli. Coli. Coll.

mir ausgezeichnet. — D. Verf. Works. Bd. XX, pg. 298. Works, Bd. XX, pg. 330. Works II, L. D. J. XIV, pg. 301.

68 nen Kühle eines Waldsees und der Wind atmet um sie, und der T a u k ü h l t ihre Glut. Die atmosphärischen Erscheinungen sind es, die bei Morris am eindringlichsten gegeben werden, und so verstärkt sich noch die Stimmung des Pleinair, die seinen Mediaevalismus in steigendem Maße erfüllt. Das Pleinair wird zuerst durch Morris in den Mediaevalismus eingeführt (82). Es ist seine eigenartigste Note. Ein ganz neuer Zugang zu Verständnis und Würdigung der mittelalterlichen Welt wird dadurch erschlossen. Trotz seiner mittelalterlichen Monomanie ist keine antiquierte Atmosphäre um Morris, wie etwa um Scott oder Pugin. Er sammelte außer Manuskripten und Inkunabeln keine mittelalterlichen Dinge und umgab sich nicht mit gotischem Hausrat. Der Atem des Windes, des Korns und der Wälder ist immer spürbar in seiner Lebensgestaltung wie in seinen Werken. Das tritt z. B. hervor im Kontrast mit den deutschen Mediaevalisten, Schwind (83), Schnorr von Carolsfeld, die ihre Gestalten „Aus niederer Häuser d u m p f e n Gemächern" nur selten ans Licht bringen, und wenn sie es einmal tun, so ist das Licht Rampenlicht, und die L u f t ist kleinbürgerlich und modrig. Das Pleinair, die enge Verbundenheit mit der Natur, die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Landschaft und Atmosphäre, die n a t u r h a f t e Zeichnung der Menschen, die nicht nur in seinen literarischen, sondern ebensosehr in seinen kunstgewerblichen Schöpfungen vollzogen ist (84), w a r das Fruchtbarste, was Morris dem Mediaevalismus zugeführt hat (85). Es ist aber nur ein Akzidenz jener größeren Tat: die Einigung von Idee (Mediaevalismus als historisch-antiquarische Gegebenheit) und Sinnlichkeit (Mediaevalismus als sinnenhaftes Erlebnis und sinnenh a f t e Gestaltung). Was Keats und Rossetti begonnen hatten, das vollendete Morris: Der Mediaevalismus wird nicht nur durch Intellekt u n d Gefühl, sondern nun auch durch die Sinne e r f a ß t und bewältigt. In der früheren Fassung des Titelgedichtes 94 von The Roots of the Mountains hießen die Schlußverse: 81

Coli. Works, Bd. XV, pg. XXXII.

"I saw a thing and deemed it fair And longed that it might tarry there And there withal with words I wrought To make it something more than nought." Es ist eines der seltenen Selbstzeugnisse des Dichters, wo er das Gesetz, unter dem er sein Leben stehen fühlt, aufdeckt: den Willen zur Schönheit: die Flüchtige zu bannen, die Tote wieder lebendig zu machen, die f ü r immer Verlorene neu zu erschaffen. Es w a r bereits klar geworden, wie dieser Wille zur Schönheit immer im Kampf mit den ästhetischen Gegebenheiten des neunzehnten Jahrhunderts liegen mußte (Morris als Typus des äesthetic discontent, vgl. K. I) und er gezwungen war, sich in änderen artistis And arrows at their backs in goodly sheaves . , Die einzige Handzeichnung von Morris, die einen menschlichen Körper gibt, ist ebenfalls eine Artemis in der Gewandung, wie die genannten Verse sie schildern (137). Selbst wenn der Künstler seine Frauengestalten in den langen Chiton kleidet, verzichtet er nicht auf den ästhetischen u n d sinnlichen Reiz, die Körperformen unter dem G e w a n d sichtbar zu machen. Mehr noch, das Gewand dient ihm, wie den antiken Künstlern um die Wende des vierten J a h r h u n d e r t s — man denke etwa an Alkamenes oder Kallimachos — dazu, den Körper zu enthüllen. Morris geht damit weit über das hinaus, was die Präraffaeliten und besonders Burne-Jones (man k a n n den eminent malerischen Dichter mit den bildenden Künstlern vergleichen!) gaben. Bei Burne-Jones findet sich k a u m je, — ausgenommen in seinen Venusdarstellungen —, solche ausgesprochene Erotisierung des Gewandes. Er bleibt, um im Gleichnis zu reden, mehr im Stil der klassischen Zeit. Antike Plastik von der Wende des vierten J a h r h u n d e r t s fand Morris im Britischen Museum reich vertreten: die Friese von Phigalia, vom Mausoleum in Halikarnass, das Nereidenmonument von Xanthos. Immer ist es die Zartheit und Durchsichtigkeit der Stoffe, das weiche Fließen der Falten, wie sie nur ein dünnes Seidengewebe (138) hervorbringt, oder die schwingenden, flatternden Linien der hauchzarten Gewänder, die betont werden: "The temple-damsels passed them, shy and fair, With white limbs shining through their thin attire." 273 "Their slender hands did d r a w Closer about them the thin f r a g r a n t weed." 274 272

L. D. J„ II, v. 514. L. D. J., XVII, v. 620. 27 * L. D. J., XVII, v. 681. 279

"The thin black raiment of the sisters three Blown out, and falling backward as they went." 276 "And heavy gown Medea cast a w a y And in thin clinging silk alone was clad."27® Wenn Kirke auf ihrem Thronsitz erscheint, ist es, als ob etwa die Aphrodite von F r e j u s (Louvre) dem Dichter vor Augen gestanden habe: "And her fair body a thin robe did touch." "With silken folds, but hid it not so much As the cool ripple hides Diana's feet." 277 Audi Tänzerinnenszenen auf griechischen Yasen (171) mögen widerklingen in diesen Versen: "The smooth-paved gilded palaces, Where the shy thin-clad damsels sweet Make music with their gold-ringed feet." 279 "And 'twixt the pillars, at a gentle pace, Passed lovely damsels, raising voices sweet And shrill unto the music, while their feet From thin dusk raiment now and then would gleam." 278 Es erinnert an die Gewandung der Tänzerin auf einer Schale des Euphronios (Pfuhl, 1. c. 405), wenn die Töchter des Pelias f ü r Medea bringen: "snowy linen w r a p p e d in m a n y a fold." 280 Mittelalterliche Sitten finden sich in dem antik-märchenhaften Umkreis selbstverständlich dort am ehesten und am deutlichsten herausgearbeitet, wo es sich um kriegerische Ereignisse handelt. D a n n ist die ritterliche Atmosphäre des Morte D a r t h u r e und Chaucers übermächtig. Aetes verheißt P h r y x u s : "And long time mayst thou dwell with us in bliss, Not doing a n y service worse than this, To bear in war my royal banner forth." 281 275 278 277 278 278 280 281

L. L. L. L. L. L. L.

D. D. D. D. D. D. D.

J., J., J., J., J., J., J.,

XV, v. 1094 IX, v. 58. XIII, v. 223. XII, v. 356. VI, v. 500. XV, v. 572. II, v. 757. 9*

132 Aeson sagt von dem zurückgekehrten Sohn: "Therefore certainly Full seldom will he ride afield with me."" ! Kermode hat schon darauf hingewiesen, daß der Heldenkatalog im dritten Bande weniger durch antike Vorbilder, als von dem Nachleben dieses epischen Stilmittels in den mittelalterlichen Ritterromanen beeinflußt wurde, in der Art, wie hier mit mittelalterlicher Detailfreude die Persönlichkeit und die heimische Umwelt der herbeieilenden Fürsten gegeben wird. Drei Zeilen bei Apollonius Rhodius: i>AIAX &' aßt' èrti rotöiv 'Apaiik>pér|&Ev ixavev, év8>' àcpveiòq Evaie Aicovuöoio 6xt)Ti, jrarpoq éoù, jit\yÜ 0 i v ècpéorioq ' A g c o t i o ì o . formen sich bei Morris zu diesem anmutigen Bild:*8' "Next Phlias came, forgetful of the hill That bears his name, where oft the maidens fill Their baskets with the coal-black clustering grapes Far on in autumn, when the parched earth gapes For cool November rain und winter snow; For there his house stood, on the shaded brow Of that fair ridge that Bacchus loves so well." 2 " Trotz dieser antiken Szenerie fühlt man sich doch an Morte Darthure 288 und besonders an jene Stelle in der Knightes Tale erinnert, wo Palamon und Arcite mit ihren Rittern zum Turnier an Theseus' Hof kommen,288 ohne daß Morris jedoch mit den naiv-realistischen Formen des mittelalterlichen Künstlers arbeitet. Mit so großer Kunst ist Antikes und Mittelalterliches hier verschmolzen, daß es oft schwierig ist, die Mediaevalismen aus ihren antiken Bindungen herauszulösen. Eindeutig im mittelalterlichen Sinn bestimmbar sind natürlich solche Verse: 282 283 284 286 Me

L. D. J„ II, v. 245. Argon. A., v. 115 ffg. L. D. J„ III, v. 227. Malory, 1. c„ VII, 26. Chaucer, 1. c„ 1260.

133 "Therefore, from many a lordship forth they rode, Leaving both wife and child and loved abode,"287 "then o'er the drawbridge passed Aetolian Palaemonius . . ," 288 "No tide was there of fainting and recall, No quivering pennon o'er their heads to flit."* 89 Oder noch ein Beispiel aus dem Bereich der frühen Büdier: "He bade the horn-blowers the challenge blow.. .2B0 Während antike Welt entsteht, wenn Ediion in Iolkos einzieht: "And then Echion, who would nowise sleep Amid Ephesian roses, or behold Betwixt gold cups and lovely things of gold The white limbs of the dancing girl, her hair Swung round her dainty loins and bosom bare; But needs must try the hollow-sounding sea, As herald of the heroes . . ," 291 Ganz und gar mittelalterliche Lebensform ist die Ablehnung des Lehnseides, als Herkules zu Jason kommt: "And now, O prince, I bid thee take my hand, And hear me swear that till unto this land Thou hast born back the Fleece across the sea, Thy liege-man and thy servant I will be."" 2 (140) Es ist auffallend, wie besonders die Tischsitten in mittelalterlichem Lebensstil vorgeführt werden. Es sind fast sdion SagaTöne, die anklingen, wenn z. B. eine Aufforderung zum Gastmahl ergeht: "But on this day, I pray thee, be my guest, While yet upon my head I wear the crown, Which, ere this morn's new flowers have dropped adown, Your head shall bear again; for in the hall, ' L. L. 289 L. 280 L. 281 L. 282 L. 28

288

D. D. D. D. D. D.

J„ J., J., J., J., J.,

III, v. 7. Ill, v. 428. VIII, v. 324. VIII, v. 88. Ill, v. 156. Ill, v. 301.

134 Upon the floor the fresh-plucked rushes fall, Even as we speak, and maids and men bear up The kingly service; many a jewelled cup And silver platter; and the red fires roar About the stalled ox and the woodland boar; And wine we have.. ."293 Auch wenn Jason und Kreon mit ihrem Gefolge in das Haus der Glauke kommen, herrscht diese Wikingstimmung, nordischderbe Sitte, nicht das sorgfältige Zeremoniell homerischer Gastlichkeit: "And there they ate and drank, making such cheer As ffisting men will do .. ." 2M Mit ihren starken Akzenten fällt eine Szene wie diese ganz aus der im Ton verhaltenen, zeremoniösen, schönheitsgesättigten Stimmungswelt der Dichtung: Jason in Aetes' Halle beim Willkommensmahl: "He drank, and swore for nought to leave that quest Till he had reached the worst end or the best; And down the hall the clustering Minyae Shouted for joy his godlike face to see."2®5 (141) Das frappanteste Beispiel für den Einbruch scharf konturierter Mediaevalismen in antik-märchenhafte Umwelt ist endlich der Auszug der Argonauten. Als ob König Arthur aus Camelot reitet, wird das geschildert: "And as they went the roses rained on them From windows glorious with the well-wrought hem Of many a purple cloth; and all their spears Were twined with blossoms that the fair earth bears; And round their ladies' token-gifts were set About their helmets, flowery wreaths, still wet,.. eine mittelalterliche Genreszene, die geschlossen wird durch die Verse von der Dame, die um ihren Ritter trauert: "And many such an one was there that morn, Who, with lips parted and grey eyes forlorn, — L. D. J., II, v. 262. L. D. J., xvn, v. 31 i. L. D. J., VII, v. 109.

135 Stood by the window and forgot to cast Her gathered flowers as the heroes passed, But held them still within her garment's hem, Though many a winged wish she sent to them."2"8 Eine gleich deutliche und ausführliche mittelalterliche Sittenschilderung findet sich nidit wieder in L. D. J. Audi sie ist nicht eigentlich typisch für die Art der Handhabung mediaevalistischer Fakten. Vielmehr gehört sie wieder in die Reihe der gelegentlichen Mediaevalismen. Neben dem kriegerisch-ritterlichen Komplex gaben dann die Liebesepisoden die beste Gelegenheit, Mediaevalismen in der Sittenschilderung einzuführen. Die romantisch-courtoise Idylle: Hylas und die Nymphe wird ganz im Stil einer mittelalterlichen Liebesszene eingeleitet: der irrende Ritter, der im Wald ein klagendes Fräulein findet: "He drew nigh, singing, free from any care; But when he saw her glittering raiment fair Betwixt the green tree-trunks, he stayed a space, For she, with fair hands covering up her face, Was wailing loud .. Es sind „Scenes de la Vie Seigneuriale", wenn Ritter Hylas mit chevaleresker Höflichkeit eine kleine preziöse Prinzessin durch den Wald geleitet. Ist es Broceliant?: "Therewith he reached his hand to her, and she Let her slim palm fall in it daintily."'®8 Mit weißer Hand rafft das Ritterfräulein ihr langes goldenes und pelz verbrämtes Gewand und klagt bald, müde vom Weg: "Soft is the air in your land certainly, But under foot the way is rough and dry Unto such feet as mine, more used to feel The dainty stirrup wrought of gold and steel, Or tread upon the wild bear's f e l l . . L. L. 288 L. *» L. 2,7

D. D. D. D.

J., J„ J., J.,

IV, IV, IV, IV,

v. v. v. v.

13, 31 415. 469. 503.

136 Die Liebesbeziehungen zwisdien Jason und Medea hat Morris bezeichnender Weise niemals in ausgesprochen mittelalterlichen Formen dargestellt. Die antiken Quellen, die, wie angegeben war, der Künstler dieses Mal in viel größerem Umfang als in S. F. T. herangezogen hatte, übten durch ihren festgeprägten Typus der Medea wohl eine zu große suggestive Kraft aus. Es lag vielmehr im Charakter der ganzen Glaukeepisode (142), daß sie sich mit romantisch-mittelalterlichen Farben malen ließ. Der von den antiken Schriftstellern nur schattenhaft gezeichnete Typus erlaubte dem Dichter alle gestalterische Freiheit. Das alte Requisit der Märchen und romantisch-mittelalterlichen Erzählungen hilft etwa bei der Schürzung des Knotens: auf einer Jagd im Wald verirren sich Kreon und Jason und finden Unterkunft in Glaukes Marmorhaus. Nach mittelalterlichem Brauch muß Glauke auf Geheiß des Vaters Jason den Willkommensbecher reichen, und im Tempel der Venus gibt die Prinzessin ihrem Ritter heimlich als Liebespfand einen Ring. Einer Untersuchung mittelalterlicher Geistesformen, die vom Künstler in die antike Dichtung eingeführt sind, muß noch ein anderes voraufgehen. Um Morris' Verhältnis zu Mittelalter und Antike volle Plastik zu geben, kann nicht darauf verzichtet werden, festzustellen, welche essentiellen mittelalterlichen Geistesformen der Künstler nicht in seinem Werk ausgebildet hat: nämlich den religiösen und den moralisch-allegorischen Gedanken. Als Morris' religiöse Einstellung war entwickelt worden: Glaube an die Immanenz des Seins, Diesseitigkeit, religiöser Indifferentismus, der zu einem ausgesprochen religiösen Paganismus gereift sein würde, wenn Morris, wie etwa Swinburne, spekulative und metaphysische Bedürfnisse gehabt hätte. S. F. T. waren noch von konventionell und ornamental behandelten christlich-religiösen Anschauungen durchsetzt, die aber verfärbt wurden durch den Versuch, die unbeholfenen Paganismen der mittelalterlichen Meister nachzuahmen. In L. D. J . entscheidet der Dichter sich nun ohne Vorbehalt für eine pagane Religiosität. Aber nie wird sie streng historisch und philologisch dargestellt. Morris gestaltet das Verhält-

137 nis seiner Menschen zu den Göttern mit großer Freiheit. Es ist sehr viel vom Traum und vom Märchen in diesen Beziehungen. Wenn das Mittelalter antike mythologische Phantasien darstellte, dämonisierte es die antiken Götter — so schwebte z. B. über dem Apoll von der Miniatur des Jasonromans (MS. 331) ein geflügeltes Teufelchen, um die Sündhaftigkeit des Heidengottes darzutun (143) — oder es assimilierte sie im christlichdogmatischen Sinn und betete zu Yenus, Mars und Apoll wie zur J u n g f r a u und den Heiligen. Arcite gelobt Mars alle Banner und Waffen, eine ewige Lampe und sein Haupt- und Barthaar, wenn er ihm den Turniersieg gäbe. Und die Marsstatue klirrt mit den Ringen der Halsberge wie ein wundertätiges Heiligenbild, das ein Zeichen der Gewährung gibt. Wenn Arcite in den Tempel geht, so naht er sich dem Götterbild ganz in der Geisteshaltung des mittelalterlichen Christen: "With pitous herte and heigh devocioun." 800 Andrerseits hat der mittelalterliche Dichter die olympischen Götter aller Transzendenz entkleidet, sie sind mittelalterlich-bürgerliche Menschen geworden. Die Apostrophierung der Gottheit mit "O Queen" oder etwa die Bezeichnung Dianas als "Lady of the Moon", Heras als "Queen of heaven" sind die einzigen Konzessionen, die Morris mittelalterlichen Vorstellungen von antiken Gottheiten noch macht. Es spielt wohl hier und da noch in die Formenwelt christlicher Religiosität hinüber: ein Tedeum nach errungenem Sieg, wenn man die Verse findet: "Then, in such guise, they went triumphantly To all the temples of that city fair, And royal gifts they gave the great Gods there, But chiefest from the Queen of Heaven's own close The clouds of incense in the air uprose, And chiefly thither were the white lambs led, And there the longest, Jason bowed the h e a d . . . " Aber sofort wird man durch ein kleines suggestives Detail in die antike Atmosphäre zurückgeholt: ,0°

Chaucer, Knighte's Tale.

138 "Well garlanded with lily blossoms white." 301 Die mittelalterlichen Dichter beschränkten sich darauf, nur einige wenige Kulthandlungen anzugeben, und taten es meist in der summarischen Form, die Chaucer verwendet, wenn er Arcite das Opfer darbringen läßt: "With all the rites of his payen wise." 302 Morris sieht in S. F. T. von Kulthandlungen überhaupt ab. Erst in L. D. J . werden sie vorgeführt und zwar in so liebevoller Ausführlichkeit und so häufig werden sie vollzogen, daß ersichtlich ist, wie vertraut der Dichter mit dem antiken Kult und wie innerlich beteiligt er dabei war. Unendlich viel stärker als das transzendentale Geschehen eines christlichen Gottesdienstes im Dämmer einer gotischen Kathedrale ergriffen den mit der Natur und der sinnenhaften Welt so innig verbundenen Künstler die einfachen, mit schlichter, plastisch-sinnlicher Symbolik erfüllten antiken Kulthandlungen. Aber das, was sie ihm so besonders nahe brachten, war, daß diese antiken Zeremonien sich vollzogen im Glanz der Sonne, am Ufer des Meeres. Die weiten Tempelhallen erheben sich: From 'midst a grassy apple-planted close," 303 und graue Taubenschwingen umflügeln das Götterbild. Immer ragte das Religiöse in die diesseitige Welt des antiken Menschen hinein. In der Form eines pantheistischen Naturgefühls prägte es alle seine Lebensbeziehungen und manifestierte sich in den zahllosen Spenden und Opfern, die sein tägliches Leben begleiteten. Morris hat Form und Geist antiker Religiosität durchaus begriffen. So wird z. B. der schöne, sinnlich wirkungsvolle Ritus der Libation mit antiker Häufigkeit und mit antiker Gefühlsbetonung vollzogen. Immer wieder finden sich solche Verse: "When they with poured-out wine the Gods had blessed."* 04 "Therewith he bade them light the torches up, And to the mountain Gods to pour a cup, L. D. J., ^ Chaucer, 803 L. D. J., 304 L. D. J., 301

XVI, v. 364. Knighte's Tale, 2370. XVII, v. 592. X, v. 287.

139 305

A n d one u n t o the river G o d s . . ," " T h e n Jason p o u r e d . . ." 30e Ebenso g u t k e n n t der Dichter die a n t i k e n O p f e r b r ä u c h e . U m ein Beispiel zu geben: " . . . a n d a t the d a w n of d a y D i d all m e n land, nor s p a r e d t h a t d a y to wear T h e best of all t h e y h a d of gold-wrought gear, A n d everyone, being crowned w i t h olive grey, U p to t h e h e a d l a n d did they t a k e their w a y , W h e r e n o w a l r e a d y stood the crowned priests About t h e altars b y the gilt-horned beasts. There, as the f a i r sun rose, did Jason b r e a k O v e r the a l t a r the thin barley-cake, A n d cast the salt abroad, and there were slain T h e milk-white bulls, a n d there red w i n e did r a i n O n to the fire f r o m out the ancient j a r , A n d high rose u p the red f l a m e . . ."307 A u d i mit den K u l t b e w e g u n g e n ist Morris v e r t r a u t . Im T e m p e l der A p h r o d i t e k ü ß t G l a u k e den F u ß der Statue, ehe sie ihr Gebet beginnt. D a s entsprach dem a n t i k e n G l a u b e n a n die heilige S d i u t z k r a f t des Götterbildes (144). Die E i n f ü h r u n g antiker Realien bleibt aber immer Akzidenz, geschieht nie aus i rgendwelchem archäologischen Ehrgeiz, sondern soll n u r d a z u beitragen, den plastisch-sinnlichen Eindruck zu verstärken. D a s Wesen der a n t i k e n Götter, ihre hoheitsvolle A n m u t , i h r e sinnliche Plastik, die A u r a von Licht, dem D u f t der E r d e u n d des Waldes, die um sie schwebt, ist aus antikem Geist gebildet. Ein Beispiel d a f ü r , wie Morris die aus N a t u r u n d A t m o s p h ä r e sich zur Gestalt f o r m e n d e Gottheit darstellt u n d zugleich f ü r die Zurückhaltung, mit der der Dichter das Übernatürliche e i n f ü h r t , ist die Schilderung vom Zug der D i a n a u n d i h r e r N y m p h e n : "But in the night-time once did Jason wake, A n d seem to see the moonlit branches shake 3M

307

L. D. J., XI, v. 79. L. D. J„ II, v. 839. L. D. J„ XIV, v. 742.

140 With huge, unwonted clamour of the chase; Then up he sprung . . . " "Then Jason lay and trembled, while the sound Grew louder through the moonlit woods around, And died off slowly, going toward the sea, Leaving the fern-owl wailing mournfully." 308 Ebenso ist der antike Mensch in seinem Verhältnis zum Göttlichen im paganen Geist gestaltet. Der Grieche konnte das Ubersinnliche nur im Sinnlichen, Plastischen, in der klar umrissenen, abtastbaren Form begreifen. Ehrfürchtig erschauernd vor der himmlischen Macht, aber zugleich sinnlich ergriffen von ihrer Schönheit, steht der Mensch vor der Gottheit. Morris zeigt das etwa, als Hera dem Jason erscheint: "So, doubtful, he held back, nor dared to love Her rosy feet, or ivory knees above, And with half-lifted eyes, could scarcely dare To gaze upon her eyes or golden hair, Or hidden bosom.. ."®09 Es ist ferner ganz antike Denkform — denn die Götter als sittlich höherstehend, reiner und vorbildlicher aufzufassen lag den Menschen jener Zeit, die Morris schildert, noch durchaus fern, — wenn die Götter als eifersüchtig erscheinen: "With fear did they the jealous Gods appease,"* 10 als "uncertain dreadful Gods,"' 11 und wenn Medea Venus gegen Hekate ausspielt und diese zur Gewährung zwingt, als ihrem Gebet keine Erfüllung wird: " . . . but if indeed I am forsaken of thee utterly, The naked knees of Venus will I try; And I may hap ere long to please her well.. . " , , s Mit solcher Ausführlichkeit wurde bei Morris' Verhältnis zur 308 300 310 311 3,2

L. L. L. L. L.

D. D. D. D. D.

J., J., J., J„ J.,

I, v. 267, 281. I, v. 292. XI, v. 22. IX, v. 337. VII, v. 254.

141 antiken Religiosität verweilt, weil es sowohl besonders aufschlußreich für seine Stellung zur Antike überhaupt ist, als auch die neugewonnene Geisteshaltung des Dichters eindringlich klar macht. Denn obgleich in der unmittelbar vor dem Jason erschienenen Atalanta von Calydon (1865) Swinburne mit so hinreißender Gewalt die orphisch-dionysische Antike dargestellt hatte, erfüllte Morris seine Dichtung mit dem Geist apollinischer, klarer, sinnlich-plastischer Religiosität. Das beweist wiederum die Abkehr von allem Mystischen, Spasmodischen und Schwülen seiner frühesten Kunst. Huizinga sagt, wenn er die Denkformen des mittelalterlichen Menschen charakterisieren will, daß die Gewohnheit bestand, die Dinge stets mit einer Hilfslinie in der Richtung der Idee zu verlängern.'113 Sehr oft sei die Idee von moralisch-allegorischen Inhalten erfüllt. In besonders hohem Maße war die Antike dieser Interpretation unterworfen gewesen. So z. B. las Karl der Kühne die Klassiker und begeisterte sich für Cäsar, Hannibal, Alexander, weil «les quelz il vouloit ensuyre et contrefaire.» 314 Lydgate übernimmt das Werk der Ubersetzung, um Prinz Heinrich zu gehorchen: "By-cause he hath Joye and gret deynte To rede in bokys of antiquite, To fyn [fynde] only, vertu for to swe Be example of hem . . ."*16 Mit aller Wahrscheinlichkeit war es die moralisch-allegorische Deutung der Argonautensage, die sie in Beziehung zu der repräsentativsten Institution mittelalterlicher Gesellschaft: dem Orden vom Goldenen Vliess, gesetzt hatte. Dieser Wesenszug mittelalterlichen Geistes tritt aus allen Antikendichtungen der Zeit klar hervor. Bei Lydgate, der überhaupt keine Gelegenheit vorübergehen läßt, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, findet Medea ein schlimmes Ende: 313 314 315

Huizinga, 1. c„ pg. 310. Huizinga, 1. c., pg. 94. Lydgate, 1. c„ Prolog, v. 79.

142 " . . . lidie as write Guydo, For her gynnyng was nat vertuous, An ende folweth ful contagious."318 Einen Standpunkt von besonders naiver Moral nimmt Chaucer ein: "But unwist of her fader is she goon To Tessaly, with duk Jasoun her leef, That afterward hath broght her to mescheef."317 Audi Gower kann nicht anders schließen, als daß er den moralischen Extrakt herausdestilliert: "Thus might thou se what sorwe it doth To swere an oth which is noght soth, In loves cause namely. My Sone, be wel war forthi, And kep that thou be noght forswore."818 Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß Morris diese typisch mittelalterlichen Denkformen nicht übernehmen konnte, die für den modernen Menschen untragbar sind und zur artifiziellen Spielerei führen müssen. Darüber hinaus waren aber überhaupt alle nicht ästhetischen Ziele, wie Didaxis oder Metaphysik (d. i. symbolhafte Ausdeutung des antiken Stoffes im Sinne Swinburnes) vom Dichter streng vermieden. Der immer bewußt am Dekorativen sich orientierende Künstler begrenzte sich sein Gebiet allein von diesem Blickpunkt aus. Für Morris, den stärksten Hasser des l'art pour l'art, durfte die Dichtkunst ebensowenig Selbstzweck sein wie jede andere Kunst. Sie soll Schmuck, Farbe des Lebens sein: "A shadowy isle of bliss Midmost the beating of the steely sea." 319 Die Lebenstatsachen sind zu allen Zeiten die gleichen, nur die Akzentverteilung ändert sich. Die mann-weibliche Liebe steht für den antiken Menschen (es wird hier immer nur an die vorklassische und klassische Zeit als die eigentliche Repräsentanz 318 317 318 ,,,

Lydgate, 1. c., I, v. 3618. Chaucer, Leg. o. G. W„ v. 1653. Gower. Confessio Amantis, v. 4223. E. P. An Apology.

143 antiken Geistes gedadit) an der Peripherie seines Gefühlslebens. Für den mittelalterlichen Menschen kann sie zum ersten Mal in der Entwicklung des Geisteslebens Lebensmittelpunkt sein. „In keiner anderen Zeit hat sich das Ideal weltlicher Bildung derartig mit dem der Frauenliebe innig verbunden, wie vom zwölften bis zum fünfzehnten Jahrhundert." 320 Ja, Huizinga geht so weit, von einer erotischen Lebensanschauung zu sprechen. Dementsprechend ist auch ihre literarisch-motivliche Wertung. Die große Dichtung des zwölften bis fünfzehnten Jahrhunderts ist auf dieses Zentrum hin geriditet und empfängt von hier ihre Dynamik. Dagegen hat die mann-weibliche Liebesdichtung in der Antike nur akzidentelle Bedeutung. Eine Blüte erlebt sie bezeichnenderweise erst in hellenistischer Zeit. Aber selbst ein typischer Vertreter hellenistischer Dichtung, Apollonius Rhodius (etwa 295/293), der in seiner pseudo-homerischen Dichtung zwar vieles vorweggenommen hat (145), als er Medeas Liebesleidenschaft mit fast moderner psychologischer Technik schilderte, behandelte sie doch mehr episodisch. Erst das Mittelalter konnte das Liebesmotiv in der großen epischen Dichtung selbständig machen. Es ist also im Sinne mittelalterlicher Dichtung (die sich hier mit romantischer deckt), wenn Morris die Liebesdarstellung zum Hauptthema im Leben und Sterben seines Helden macht. Schon einmal war darauf hingewiesen worden, daß Morris sich bei der Gestaltung seiner Medea zu sehr von der reichen antiken Tradition gehemmt fühlen mußte, um sie, wie die Helena der S. F. T., im mittelalterlichen Sinn bilden zu können. Deshalb sind keine deutlich antiken oder mittelalterlichen Konturen vom Dichter herausgearbeitet. Sehr vieles ist modern gefühlt oder überhaupt zeitlos. Medea ist vom Standpunkt heutiger Kritik aus gesehen, vielleicht seine stärkste Schöpfung, aber sie steht ganz abseits in der Reihe seiner Frauengestalten. Für unsere Untersuchung kann sie keinen Beitrag geben (146). 320

Huizinga, 1. c., pg. 152.

144 Was Morris eigentlich hatte darstellen wollen, seine dann für immer zum Typus erhobene Formung des Liebesmotivs, zeigen in verschiedenen Spiegelungen vielmehr die beiden mittelalterlich-romantischen Liebesidylle: Hylas und die Nymphe, Jason und Glauke. Es ist sehr charakteristisch, wie Morris dem Hylasstoff ganz seine antike Textur nimmt. Bei Theokrit so gut wie bei Apollonius Rhodius ist das Grundmotiv der Schmerz des Herkules um den geraubten Liebling. Es wäre aber für das Mittelalter eine Unmöglichkeit gewesen, die mann-männliche Liebe zum Gegenstand großer Dichtung zu erheben (147). Morris macht deshalb das Nebenmotiv zum Hauptthema: die Liebe der Nymphen zu dem argivischen Epheben. Aus den knappen und blassen Andeutungen der antiken Dichter bildet Morris eine reiche mittelalterliche Liebesszene. Schon in ihrer Erscheinung wird die Nymphe, die den Ritter rauben soll, jenen Frauen der D. o. G.-Zeit zugeordnet. Wir kennen die "ivory hands", "wealth of golden hair", "red lips trembling for the Coming kiss", das Ekzessive jedes Gefühlstons, wie er im Körperlichen nachschwingt, "all her body writhing in distress", "a pale wild face", "struggling with sobs and shrinking from his h a n d . " m Die antike Liebesdichtung zeigt unmittelbares Bekennen zum Gefühl. Die mittelalterliche Liebe wird erst zur schönen Form stilisiert, konventionalisiert, das Gefühl wird immer wieder abgebogen durch zeremoniöse Verpflichtungen, ehe es sich verströmen darf. Die Fiktion der Leidenschaftslosigkeit und Selbstlosigkeit wird lange aufrecht erhalten. Die Liebesbeziehungen haben feste, hieratische Formen. Wohl nie wieder hat Morris so chevaleresk, so höfisch zeremoniell eine Liebeswerbung geschildert. Burgundisch-französischer Einfluß ist hier atmosphärisch spürbar. Das preziöse Spiel, das Stammeln und Erröten, das scheue Berühren der Hände, das halbe Gewähren und halbe Versagen, die zierliche Rede der koketten kleinen Nymphe, die listig den tumben Hylas fängt, als er singend durch den Wald kommt: 321

L. D. J., IV, v. 431 ffg.

145 "The fair-limbed Hylas, with his hair of gold, And mighty arms down-swinging carelessly, And fresh-face, ruddy from the wind-swept sea,"*" ist mit soviel Anmut und Leichtigkeit des Tons gegeben, wie er etwa aus der „Bibel der erotisch-höfischen Kultur", dem Rosenroman, dem Dichter des Jason entgegenklang. Ganz im Stil dieser höfisch - spielerischen Dichtung ist der Seufzer des schmachtenden Hylas, der sich als Ritter dem kapriziösen Willen seiner Dame fügen muß: " . . . he said amorously: Ah, God, whatso thou wilt must surely be."323 Dieses Umspielen des erotischen Motivs, die Eleganz des Gefühls, den chevaleresken Idealismus, die so sehr mittelalterlichen Geistes sind (Benoit, Chrestien de Troye!) hat Morris später nicht wiederholt. Eine andere Facette der mittelalterlichen Fassung des Liebesmotivs zeigt die zweite Idylle: Jason und Glauke. Der einzige mittelalterliche Dichter, der eine ausführliche Bearbeitung der Glaukeepisode gegeben hat, ist wieder Raoul Le Fevre, der sich überhaupt durch seine besonders freie und phantastische Bearbeitung des antiken Sagenstoffs von allen anderen mittelalterlichen Versionen unterscheidet. Bemerkenswert ist, daß bei Morris Creon und Jason sich im Walde verirren und dabei, — während der kupplerische Creon die Vorsehung spielt —, das Schloß der Glauke finden; ebenso aber Le Fevre seinen preu Jason sich im Walde verirren läßt, als er voll Entsetzen über den Mord Medeas an Pelias die Gattin verlassen hat. Nur findet bei Le Fevre Jason nicht gleich die Glauke, sondern gelangt aus dem Wald erst nach Korinth, wo King Creante ihn gastlich aufnimmt. Dem König wird von dem burgundischen Dichter gleichfalls eine widitige Rolle zugewiesen, doch handelt Creon hier als weiser Fürst, nicht als ränkevoller Märchenkönig, wie bei Morris: 322 323

L. D. J., IV, v. 394. L. D. J., IV, v. 559.

Küster, Morris

10

146 "But Creon, sitting in his chamber, t h o u g h t : Surely I deem m y hero m a y be b r o u g h t To change his m a t e . . ." 324 Alle Motive u n d Motivierungen sind umgelagert bei Le Fevre. Was Morris dem J a s o n r o m a n in bezug auf diese Episode entnommen h a b e n könnte, ist n u r eine gewisse Stoff menge. Jedenfalls scheinen aber die oben a n g e f ü h r t e n Beziehungen die V e r m u t u n g zu stützen, d a ß Morris schon zur Abfassungszeit von L. D. J. der J a s o n r o m a n vorgelegen hat. F ü r die Gestalt der G l a u k e h a t t e Morris aber keine Anregung e m p f a n g e n k ö n n e n . "Creusa t h a t w a s a right f a i r l a d y / beheld o f t e tymes Jason. / A n d desired w i t h good will to be a c o m p a n y e d w i t h him." 3 2 5 D a s ist alles, w a s der Dichter des Jasonromans zu sagen weiß, wie es j a ü b e r h a u p t typisch ist f ü r die großen romantischen E p e n des Mittelalters, d a ß von der A t m o s p h ä r e der Belle D a m e sans Mer?i oder der L a d y von Shalott wenig zu spüren ist (148). Die F e r m e n t e in Morris' Liebesdichtung sind deshalb nicht Benoits u n d Chrestiens höfische Stilisierungen, als vielmehr das, was e t w a aus den Brief e n Heloises a n A b ä l a r d spricht oder was a n Stimmung und Intensität des G e f ü h l s in der C h a n t e f a b e l Aucassin u n d Nicolette gefangen ist, was C h a u c e r in Troilus a n d Criseyde geben k o n n t e u n d w a s immer wieder aus Malory dem Dichter zuströmte. In diesen G e f ü h l s k r e i s w a r G u e n e v e r e beschlossen u n d Helen of Troy. Das, w a s diesen Kreis aber bestimmt u n d wesentlich a b g r e n z t gegen a n t i k e Liebesauffassung, ist die Spiritualisierung der Liebe. Sie t r a t zum ersten Mal im Mittelalter hervor. In der Vita N u o v a f a n d sie i h r e höchste Ausdrucksform. Rossetti, der Danteschüler, steht deshalb dem Geist mittelalterlichen Liebesempfindens n ä h e r als Morris, der seiner ganzen S t r u k t u r n a d i Sensualist ist. F ü r ihn " t h o u g h t is a colour, anguish a painted emblem." 3 2 6 Er m u ß immer das Ideogramm geben. Seelisches w i r d ihm erst sichtbar durch den Körper, 3S

« L. D. J., XVII, v. 191. Caxton, History of Jason, E. E. T. S., 168, 25. S2i Dixon Scott, The First Morris (Primitiae), pg. 186. 325

147 d e n es formt, wie der Künstler seinen Ton. Mit der mittelalterlichen Spiritualisierung der Liebe verbindet ihn eigentlich n u r dies: d a ß sein Sensualismus vergeistigt, ästhetisch verarbeitet ist. Seine Menschen sind, wie Rudolf Kassner327 es n e n n t : sinnliche Platoniker. Allerdings w a r dieser ästhetisch verarbeitete Sensualismus nicht von vornherein angelegt. Der E r s c h e i n u n g s w e i s e ! , der in L. D. J. sichtbar wird, ist "one of the most astonishing zigzags in letters". In den f r ü h e n Dichtungen sind die Gestalten wie entmaterialisiert, v e r b r a n n t von der F l a m m e der Leidenschaft. D i e Intensität des G e f ü h l s w i r d Gestalt in so f l a m b o y a n t e n Bildern, wie z. B. dem von den Liebenden in The Hollorv Land. Beide sind in ekstatischer Erregung. Sir Florian de Lilis h a t Margaret a n der H a n d v e r w u n d e t u n d das Blut l ä u f t herab. Als der R i t t e r d a n n spricht, zerreißt ihm ein B l u t g e f ä ß im H a l s "and we both stood there with the blood r u n n n i n g frora us on to the grass and summerflowers." 3 2 8 I n L. D. J . ist alles D ä m p f u n g u n d Klarheit. Keine Zickzacklinien, keine j ä h einsetzende u n d unvermittelt abbrechende Bew e g u n g mehr. D e k o r a t i v e Linien setzen sich jetzt fort in unendlichem R a p p o r t . Die Formel f ü r die Menschen des Jason heißt noch immer looe is enough, aber das G e f ü h l ist nicht mehr die Stichflamme, die die K ö r p e r zu Asche verbrennt. In L. D. J. tragen die Menschen i h r e G e f ü h l e wie ein schönes G e w a n d : „Ihre Liebe ist Stil u n d Ästhetik geworden." 3 2 8 Man liebt aneinander nicht die Seele durch den Körper, sondern n u r noch die beseelte Schönheit. Es ist ein sehr sublimierter geistiger Hedonismus. Wie ein Symbol dieser W a n d l u n g ist es, d a ß Jason sich von Medea, mit der ihn Geistiges, "clear seeing wisdom, truth, constancy," v e r b u n d e n hatte, a b w e n d e t und sich f ü r " f a i r Glauce's loveliness" entscheidet. Aus nichts anderem als Schönheit u n d Liebe formen sich Gestalt u n d Wesen der korinthischen Prinzessin. I n große Sze327 328 329

Vgl. Rudolf Kassner, Die Mystik, die Künstler und das Leben. Coli. Works, Bd. I, pg. 278. Kassner, 1. c. 10*

148 nen, die aus Gold u n d Blumen u n d Weihrauch, Flötenspiel und schönen singenden F r a u e n in zarten G e w ä n d e r n komponiert sind, w i r d Jason und G l a u k e s Liebe selbst wie ein dekoratives Element hineingewoben. W i e d e r u m e m p f ä n g t ihre Liebe Glanz u n d F a r b e erst von der sinnlichen Schönheit, die u m sie ist. D a s siebzehnte Buch, das die Glaukeepisode enthält, beginnt mit der b e r ü h m t e n Apostrophe an Chaucer. Der Dichter erinnert dabei a n jenes liebevoll gesehene kleine Detail: "thou whose d r e a m y eyes Beheld the flush to Cressid's cheeks arise, W h e n Troilus rode u p the praising street." 330 Die Stellung ist nicht zufällig. Die Glaukeepisode verbindet vieles m i t dem großen Chaucerschen Liebeslied. Aber das leise Lächeln Chaucers, das Raisonnement über die Liebe, ihre rationale Betrachtung, wie sie gerade von Criseyde immer wieder angestellt wird, k e n n t der Schüler nidit. Morris h a t selbst einmal diesen Unterschied e r k a n n t , als er schrieb: "My t u r n is decidedly more to Romance t h a n was C h a u c e r ' s . " " 1 G e f ü h l ist alles. I n höchster Intensität gibt es sich ohne Spekulation u n d Metaphysik. Im T e m p e l betet G l a u k e : Goddes, a small thing Before this a l t a r do I ask of thee, T h a t I m y hero and m y love m a y see, T h a t I . . .">" D a t r i f f t ihr Blick die hungrigen Augen Jasons u n d zitternd entgleitet ihr der O p f e r k r a n z . Man vergleiche die S t i m m u n g einer solchen Szene e t w a mit derjenigen der Begegnung im T e m p e l (Troilus a n d Criseyde. B. I) oder des Gebets der Medea im J a s o n r o m a n Le Fevres: " h a a right h y g h goddes conceyle me or enseigne & teche me p u t y o u r helpe to this w e r k to your ancell or h a n d m a i d it is now time or n e u e r , " 3 " u m das Anderssein zu f ü h l e n , das nicht n u r zeitlicher A b s t a n d ist, sondern eine andere H a l t u n g , 330

351 332

335

L. D. J., XVII, v. 19.

Mackail, 1. c. I, pg. 203. L. D. J„ XVII, v. 653.

Caxton, E. E. T. S., 124.

149 die Chaucer und die Epiker gegenüber dem Liebesproblem einnehmen. Nur die frühen Provengalen und Italiener und Malory waren Visionäre genug, um die Verabsolutierung der Liebesleidensdiaft darstellen zu können. Von ihnen hat Morris, wenn man schon danadi suchen will, hier seine Einflüsse bekommen. Auch im Vergleich der Szene vom Austausch des Liebespfandes (Troilus and Criseyde) wird das klar. Glauke gibt Jason heimlich ihren Ring, als sie in der Tempelprozession an ihm vorbeischreitet: " . . . trembling like some snow-trapped dove, From her soft eyes sent forth one look of love, Then dropped the lids, as, blind with love und shame, Unto the place where stood the kings she came. And there her hand that down beside her hung She raised a little, and her faltering tongue Just framed the words: o love, for thee, for thee! And with that word she trembled piteously, In terror at the sound of her own voice."334 Die eigentlich mittelalterlichen Akzente werden erst durch Jason in die Liebesidylle gebracht. In ihm wird die echt mittelalterlich-ritterliche Mischung von Abenteuersehnsucht und liebegebundener Passivität gegeben. Als Hera dem jungen Zögling des Zentauren erscheint, bittet er: "Give me good days and peace, and maiden's love," erst dann folgt der Wunsch: "And let great kings send out their sons to rove." 3 ' 5 Jason zieht wohl in das Abenteuer, aber nicht aus eigener Kraft vollbringt er die Tat, die nur Medeas Liebe möglidi macht. Und auch nicht innerstes Wollen treibt ihn, das Abenteuer und die Gefahr zu suchen. Seine Lebenswünsche sind im Grunde doch: "quiet days, And painless life, not empty of delight.""* 334 335 330

L. D. J„ XVII, v. 685. L. D. J., I, v. 309. L. D. J., IX, v: 185, vgl. a. XVII, v. 750.

150 Gar nichts hat er von der heroischen Lebensauffassung eines homerischen Helden, er ist der wahre fair knight amorous der Ritterromanze, der sich in Liebessehnsucht verzehrt: "Jason at last, by many troubles torn, Mounted his horse, and toward Cleonae turned. But as with pale face, and a heart that burned To end all things in sweet love at the last.. ."33? Seltsamer Wahnsinn trieb ihn auf die Fahrt. In der Liebe zu Glauke erkennt er es und erkennt seine Unfähigkeit zur Tat. Er schreibt Medea die Abschiedsworte: "Lo, such an one, the vanquisher of kings, And equal to the Gods should be thy mate. But me, who for a peaceful end but wait, Desiring nought but love.. ,"338 Gänzlich unantik ist diese Liebesknechtschaft des Mannes und erst mittelalterliche Denkbarkeit. Es ist die Tristamnatur, die, wie in Paris, auch in Jason deutlich hervortritt. Die Formung des Liebesmotivs, wie es in der Jason-GlaukeEpisode ausgebildet ist, ist die typische, solange wir im Umkreis des L. D. J. und E. P. bleiben. Um es zusammenfassend noch einmal zu sagen: Bestimmend ist ein ästhetischer Sensualismus, ein vergeistigter Hedonismus, Verabsolutierung der Liebesleidenschaft, Auswertung des Motivs im dekorativen Sinn und Passivität. Daraus ergibt sich, daß Morris seit L. D. J. einer antiken, sensualistischen Auffassung der Liebe näher steht als der mittelalterlichen, deren Spiritualismus bei ihm nur in der ästhetischen Verarbeitung seines Sensualismus ausgedrückt wird. Dagegen ist es mittelalterliche Geistesform, daß für seine Menschen die Liebe zum Wesenszentrum und zum alleinigen Lebensinhalt werden kann. Ein anderes wesentliches Element mittelalterlichen Geisteslebens ist die Sehnsucht nach dem Unbekannten und Wunderbaren. Die ritterliche aventiure, die Kreuzzüge, die Suche nach. 337 338

L. D. J., XVII, v. 548. L. D. J., XVII, v. 740.

151 dem Gral: in Wahrheit lag ihnen kein transzendentales, sondern dieses sinnliche Motiv zugrunde. Selbstverständlich soll damit diese Sehnsucht nicht als eine allein mittelalterliche Erscheinungsform beansprucht werden. Schon die Tatsache, daß die Ur-Argonautika eine der ältesten griechischen Dichtungen überhaupt war, älter als die homerischen Epen, vielleicht sogar vorgriechisch, beweist die ewige Gültigkeit der abenteuernden Sehnsucht. Nur ergreift sie im hohen Mittelalter wieder besonders heftig die Gemüter und durch den Niederschlag in der Literatur prägt sie für uns das Gesicht der Zeit. Dem Stofftrieb des Mittelalters, wie er sich in dem Verweilen bei dem Fabulösen und Wunderbaren kundgibt, trägt Morris in dem antiken Material Rechnung in einer Weise, wie sie seit den mittelalterlichen Gestes d'Antiquité nicht wieder erlebt war. Man hat gesagt, daß die ganze griechische Mythologie allein aus dem Jason zu rekonstruieren sei. Über die antiken Gegebenheiten hinaus, die mit den Wundertaten Jasons und den Zaubereien Medeas ohnehin schon mittelalterlich-romantischen Anforderungen entsprachen, folgt der Dichter freizügig romantisch-mittelalterlichem Fabuliertrieb, als er die Argo nach Norden verschlagen werden läßt, in das Dnjepr- und Weichselgebiet. Da bekämpft Atalanta das Ungeheuer, das: " . . . legged like a lizard, maned with long lank hair," 339 brüllend aus seiner Höhle hervorschießt, und eine geflügelte Gestalt erscheint am Bug der Argo und spricht zu den Helden. Mit großer Kunst wird dem Wunderbaren aber alle materialistische Schwere genommen, und es in die Ebene des Traums und des Übersinnlichen transponiert. Die naive Stofflichkeit des Mittelalters, das sich nicht genug tun kann, etwa den Drachenkampf (Le Fèvre braucht ungefähr fünfzig Zeilen dazu) oder die grausigen Dinge, aus denen Medea ihre Zaubermittel braut, zu schildern, wird aufgelöst in Schönheit und Geheimnis der Stimmung. So tut Medea nicht "addres skin, a » L. D. J„ X, v. 249.

33

152 part ek of the horned Oule, the bouele of the Seewolf" 340 in den Zauberkessel, sondern nur seltsame Hölzer, wundersame Kräuter und Körner, und einzig die von Geheimnis und Schauer erfüllte Atmosphäre des Eibenwaldes, Medeas düstere, phantastische Schönheit, das Spiel der Flamme, müssen die nächtliche Szene zu ihrer mystischen und übernatürlichen Wirkung steigern. Es sind die Kunstmittel eines modernen Dichters, aber sie sind in mittelalterlichem Geist verwendet, insofern eine vollkommen naive Haltung dem Wunderbaren gegenüber eingenommen wird. Es gibt für Morris — und darin ist er immer Mystiker — keine Grenze zwischen dem Sinnlichen und Übersinnlichen. Der Traum ist ihm wirklicher als die Wirklichkeit. Er glaubt selbst er macht uns nicht nur glauben. Das an das Wunderbare, konnten aber bereits Apollonius und die hellenistischen Fabulierer nicht mehr. Erst dem unkritischen, unsophistischen, naiv-gläubigen Mittelalter war es wieder möglich. Bei Morris gibt es keine Änderung in Ton und Darstellung, ob Götter und Feen erscheinen, ob die Nymphe oder die Sirenen singen. Sie sind ebenso real wie Medea und die Argonauten, denn sie haben immer volle, sinnliche Plastik, was vor allem dadurch erreicht wird, daß ihre Beziehungen zu den Menschen und ihre Wirkung auf sie logisch-psychologisch dargestellt werden. Um dafür ein Beispiel zu geben: Der Drache nähert sich Medea: "As thus she sung the beast seemed not to hear Her words at first, but ever drew anear, Circling about them, and Medea's face Grem pale unto the Ups... ."®41 Oder: als Medea sich, um Pelias zu täuschen, in eine alte Frau verwandelt hat und die Wirkung der Zaubersalbe sieht, leidet sie darunter wie eine schöne Frau unter den Zeichen des Alters leidet: 3,0 341

Gower, 1. c., v. 4117. L. D. J., IX, v. 135.

153 "Then she began to murmur, as she cast From changed eyes glances on her wrinkled hands: O Jason! surely not for many lands, Rich and gold-bearing lands, would I do this."' 42 Ein besonders demonstratives Beispiel für diese naiv-gläubige Haltung gegenüber dem Wunderbaren, die eben künstlerisch dadurch erreicht wird, daß das Übernatürliche natürlich in seinen Beziehungen und Wirkungen aufgefaßt wird, bietet die Schilderung — Morris führte sie selbständig ein — wie Medea mit einem Springkraut den Schrein öffnet: "But she across the slippery floor did go Unto the other wall, wherein was built A little aumbrye, with the door o'er gilt, That with the story of King Athamas, And Phryxus and the ram all carven was, There did she draw forth from her balmy breast A yellow flowering herb, that straight she pressed Upon the lock, low muttering all the while."3*3 Es ist höchste Kunst des Dichters, das sinnlich zur Anschauung gebrachte Übersinnliche doch nicht materialisiert zu haben. Es bleibt Traum und Märchen und Phantasmagorie. Man darf wohl sagen, daß allein die religiöse oder ethische Motivierung es ist, was das mittelalterliche Ritterideal wesentlich vom antiken unterscheidet. Nach allem, was bereits über Morris' Verhältnis zu transzendentalen Beziehungen zusammengestellt wurde, ist es selbstverständlich, daß diese mittelalterlichritterlichen Motive der Abenteuerlust nicht zugrunde gelegt werden konnten. Nur einmal wird mittelalterliche Motivierung substituiert. Aeson glaubt, daß sein Sohn sich das ethische Ziel des Kampfes für die Gerechtigkeit setzen werde: "Nor will he long bear at his father's board To sit, well known of all, but with his sword Will rather burst asunder banded throngs Of evil men, healing the people's wrongs."" 4 342 343 344

L. D. J., XV, v. 164. L. D. J., VIII, v. 444. L. D. J., II, v. 247.

154 Jedoch wird der Gedanke von der Sühnung des Unrechts an Phryxus und die Bestrafung des Aetes, den Pelias hier ausspricht, später ganz fallen gelassen. Ruhmliebe, Verlangen nach der Unsterblichkeit des Andenkens bei der Nachwelt und Sehnsucht nach dem Unbekannten sind die einzigen Antriebe, die Jason in das Abenteuer führen. Trotzdem entfernt sich der Dichter damit nicht ganz von mittelalterlichen Geistesformen. Huizinga hat darauf hingewiesen, daß Ruhmliebe und Ehrsucht neben dem Religiös-Ethischen auch schon im Mittelalter dem Ritter- und Heldenideal zugrunde liegen, daß sie nicht erst durch die Renaissance in die Motivation aufgenommen wurden. In dem Bemühen, typische Grundtatsachen mittelalterlichen Geisteslebens in den Antikendichtungen von Morris herauszustellen, kann das Todesmotiv nicht unberücksichtigt bleiben. „Keine Zeit hat mit solcher Eindringlichkeit jedermann fort und fort den Todesgedanken eingeprägt, wie das fünfzehnte Jahrhundert. Unaufhörlich hallt durch das Leben der Ruf des Memento mori."345 Morris, dessen psychische Struktur wir in seiner Frühzeit der eines spätmittelalterlichen Menschen in so vielem gleichgerichtet fanden, h»t seine Jugend und frühen Mannesjahre überschattet vom Todesgedanken zugebracht. Schon in den Dichtungen der D. o. G.-Zeit sind Ansätze zur Ausarbeitung des Todesmotivs gegeben. In S. F. T. verband es sich mit tiefer Melancholie und düsterer Hoffnungslosigkeit. Fast jedes Buch des L. D. J. gibt dann eine Wiederholung desselben Themas, nur daß die düstern und oft grellen Töne sich in eine stille, schwermütige, volksliedhafte Weise gewandelt haben. Doch keine transzendentalen Beziehungen wollen die unablässigen Variationen über das Todesmotiv herstellen. Nicht das Schicksal der Seele in Himmel und Hölle, Gerichtstagsspekulationen, das Lieblingsthema mittelalterlicher Kunst, beunruhigten den Künstler. Es ist vielmehr das Ubi-sunt-Thema, das zugrunde liegt, die Vergänglichkeit des Seins, nicht das Ewigkeitsstreben. Daher auch das immer wache Grauen vor dem Altern MS

Huizinga, I. c., pg. 193.

155 "swift coining eld", wo die Schönheit verblaßt, die Kraft versagt, und die Gefühle abgelebt sind: "When we no more may care to hold White bosoms under crowns of gold, And our dulled hearts no longer are Stirred by the clamorous noise of war, And hope within our souls is dead, And no joy is remembered."3*6 Selbst im höchsten Glück ist das Bild des Todes gegenwärtig. Buch V schließt z. B. mit den Versen: "All cares of mortal men did they forget, Except the vague wish that they might not die,"347 und Buch VI mit den folgenden: " . . . few words they said, because, indeed, their hearts, O'er-burdened with delight, still dreaded death." 348 Der mittelalterliche Mensch beschäftigt sich in solcher Eindringlichkeit mit dem Todesgedanken, um Kraft für die Verneinung und Uberwindung des Lebens zu finden, und den Wert des Lebens im Jenseits zu erhöhen. Dem antiken Menschen der Frühzeit dagegen „kommt es nicht in den Sinn, von dem Leben im Ganzen sich abzuwenden." „ . . . Nichts ist dem Menschen so verhaßt wie der Tod und die Tore des Hades. Denn eben das Leben, dieses liebe Leben im Sonnenlichte, ist sicher dahin mit dem Tod, mag nun folgen was will.349 Die Psyche führte ein kraftloses Schattendasein in dämmerndem Halbbewußtsein, ein Zustand, der dem tatfrohen Hellenen schlimm und beklagenswert dünkte. Morris teilte diesen antiken Glauben an ein nirwanaähnliches Leben nach dem Tode. Er läßt Medea zu Amphinome sprechen: "I say all things are nought, unless I live So long henceforward, that I need not think When into nothing I at last must sink." 350 349 347 348 349 360

L. D. J., IV, v. 155. L. D. J., V, v. 384. L. D. J., VI, v. 506. Erwin Rhode, Psyche, pg. 2. L. D. J., XV, v. 344.

156 Die antik-heidnische Furcht vor der Nacht, da niemand wirken kann, die Vorstellung von K r a f t - und Tatenlosigkeit war der schärfste Stachel, den der Tod f ü r den schaffenden Künstler hatte. Morris verbindet nun antike und mittelalterliche Stellung zum Todesproblem. Es beweist eine wesentlich mittelalterliche Geistesrichtung, d a ß er den Todesgedanken und das Vergänglichkeitsthema immer wieder in die Dichtung einbezieht, ja, es ist in E. P. überhaupt verabsolutiert, denn hier hat ein Werk von dem Umfang der beiden homerischen Epen als zentrales Motiv die Flucht vor dem Tode in ein irdisches Paradies. Wir sahen schon in S. F. T., wie die makabre, todesbange Stimmung einer überreifen Zeit fremd und seltsam über die junge, lebensbejahende, allen eschatologischen Spekulationen abgewandte Welt des homerischen Zeitalters sich ausbreitete. In der noch jüngeren, mythennahen Welt, durch die der Argonautenzug geht, hat diese Geisteshaltung, die als typisch mittelalterlich erkannt werden mußte, nichts von ihrer Besonderheit verloren. Trotzdem wird aber die künstlerische Einheit gewahrt und eine Beziehung zu antiken Denkformen hergestellt dadurch, d a ß bei Morris dem Todesgedanken keine transzendentalen Motive und Strebungen zugrunde gelegt werden. Vielmehr, aus dem antik-paganen Glauben an die Immanenz des Seins und an den alleinigen Wert der diesseitigen Welt bekommt er seine Bitterkeit und Schärfe (149). Es ist die von keinen transzendentalen Wertsetzungen gebundene L e b e n s k r a f t des heidnischen Menschen, die sich bekannte in den Worten des Paris: "O Helen in such wise I cherish it My dear sweet life, that but for death itself, I would forget death and be merry now." 361 Wenn der Dichter in L. D. J. schließlich den Sinn des Todesrätsels gefunden hat, dann ist es keine christliche, sondern eine antik-heidnische Lösung. Der orphische Sänger beginnt sein Lied: "O death, that makes life so sweet." 352 ,M

S. F. T„ 39.

"

157 Die Untersuchung der Jasondichtung als formalen Problems kann für unseren Zweck kurz gefaßt werden. Wie die vorstehenden Verse schon bewiesen haben, hat sich die Diktion gegenüber S. F. T. nicht geändert. Wortschatz und Syntax orientieren sich an einem Mittel- oder Frühneuenglisch anglosächsischer Färbung und zwar ist Malorys Einfluß auf die Sprachbehandlung deutlicher als jeder andere. Im Gegensatz zu S. F. T. ist aber auch das Vorbild Homers bewußt nachgeahmt. Was dort durch eine Vereinzelung in der mediaevalisierten antiken Welt als Entgleisung wirkte, vr\ena töeorkti (Od. 6, 306 u. ö.) homerische Metaphern; die See ist: " . . . restless plain, Unharvested of any," 368 äXbc, dtpuydroio (Od. 6, 226 u. ö.) homerische Epiklesen: Neptun ist: "shaker of the earth," 367 (yair|oxo^) Apoll: the far-darter. 368 (gxaroq, ¿xaepyoc;, ¿xqßöXoc;) Jupiter wird "the Saving God" 368 (Zevq öcoTiip) genannt; homerische oder überhaupt antik-epische Vergleiche: 3M 363 364 355 366 367 958 S59

L. L. L. L. L. L. L. L.

D. D. D. D. D. D. D. D.

J., J., J., J., J„ J., J„ J.,

XII, v. 335. I, v. 178. III, v. 44. VII, v. 128; XI, v. 61. II, v. 730. V, v. 358. III, v. 435. V, v. 51, II, v. 766.

158 "Therewith he ceased; but all the hall did move, As moves a grove of rustling poplar trees Bowed all together by the shifting breeze," 380 oder: "But, O poor King, thy corpse shall not be hurled Hither and thither b y the heedless wave." 3 ' 1 (150) (Vgl. Horn. Od. 1, 162, 163.) Ebenso wie in S. F. T. liegt es Morris auch in L. D. J. nicht an Originalität u n d Umformung des Gegebenen. Wie die mittelalterlichen Dichter, die sich eine Quelle konstruierten, wenn sie keine hatten, will er n u r Nacherzähler, Überlieferer sein, "clinging to the them of those old singers". Dem antiken Stoff gegenüber erlaubt er sich n u r die Freiheit des Weglassens und der Zusätze dort, wo die alten Autoren schwiegen. Die Motive d a f ü r sind dann: tiefere psychologische Durchdringung (Helena und Menelaos), Mediaevalisierung (Hylas und die Nymphe, Jason u n d Glauke) und, seit dem Jason, Milderung allzu heidnisch-wilder oder naturalistischer Züge, die in das zarte Traumspiel seiner Dichtungen nicht hineingepaßt hätten. So wird z. B. die grauenhafte Szene: Pelias wird von seinen Töchtern zerstückelt (151), nicht gegeben, sondern der König stirbt schon an dem vermeintlichen Yerjüngungstrank. Auch die Luftreise Medeas auf dem Drachenwagen, die antikem und mittelalterlichem H a n g zur Phantastik gleichmäßig entsprach, w u r d e nicht aufgenommen: " . . . fleeing somehow, from that fatal spot, She came to A t h e n s , . . ."362 verhüllt der Diditer die grobsinnliche Phantastik der alten Quellen. Die Mediaevalisierung der Antike wird in L. D. J. zwar noch nicht so sorgfältig motiviert, wie das in E. P. durch den Prolog geschieht, aber sie wird immerhin nicht mehr in einer objektiven Dichtung vorgeführt (S. F. T.). Das „Ich" eines Sängers, 3,0

L. D. J., II, v. 798. •M L. D. J., V, v. 108. 3M L. D. J., XVII, v. 1190.

159 der von alten Sagen erzählt, wird angenommen. Dieses Erzähler-Ich will E. Maxwell383 als einen Troubadour identifizieren, der einer Gesellschaft in der Burghalle von der Fahrt nach dem Goldenen Vliess singt. Zu dieser Deutung passen die Verse: "Once more I pray you all to pardon me, If with my feeble voice and harsh I sing From what dim memories,.. ."364 ferner: "Howe'er it be, now clinging to the hem Of those old singers, will I tell of them, In weak and faltering voice, e'en as I can."365 Aber einheitlich ist diese Troubadourvorstellung von dem Dichter nidit durchgeführt. Man könnte audi an einen naiven mittelalterlichen Chronisten denken bei den Versen: "Ah! let me turn the page, nor chronicle In many words .. ."39° Der mittelalterliche point de vue wird vollends aufgegeben in der großen Chaucer apostrophe: " . . . Would that I Had but some portion of that mastery That from the rose-hung lanes of woody Kent Through these fivehundred years such songs have sent To us . . ,"387 Es ist also der Dichter des neunzehnten Jahrhunderts, der gesungen hat von dem: "That unto Jason and his love befell,"398 aber als Schüler des großen Meisters, der in Anelida and Arcite, Legend of Good Women, Knightes Tale, Troilus and Criseyde die antiken Legenden so nacherzählt hatte, wie sie allein nacherzählt werden durften, um für den Mediaevalisten 383

Maxwell, 1. c., Introd.

364

L. L. L. L. L.

366 3M 3,7 368

D. D. D. D. D.

J., J„ J., J., J.,

XIV, v. 120. III, v. 22. XVII, v. 707. XVII, v. 5. XVII, y. 3.

160 ihren alten Zauber und einen neuen geheimnisvollen Reiz entfalten zu können. S. F. T., so konnte schon festgestellt werden, war unter den Dichtungen antiker Stoffwahl die mittelalterlichste. Sie war bei aller Eigenwilligkeit der Form so verhaftet in den Werken und in den Anschauungen mittelalterlicher Dichter, daß immer wieder die Parallelen zu ihnen gezogen werden mußten. Scharf setzte sich der Kontur des mittelalterlichen Komplexes gegen den antiken Hintergrund ab. Die klare Abgrenzung der stofflichen Mediaevalismen kann in L. D. J. in dieser Prägnanz nicht mehr gefunden werden. Die shifting vanes und die Glocken über Kolchis waren nicht die typischen Beispiele dafür, wie Morris das Mittelalter als Stoff in die Dichtung einführt, sondern mußten als bewußte Uberschreitung eines enger gezogenen Kreises angesehen werden. Ein Gleiches ergibt sich, wenn man die Stellung untersucht, die in L. D. J. das Mittelalter als Geistesform einnimmt. Mit großem künstlerischen Takt hat Morris nur noch solche antiken Geistesformen mittelalterlich konzipiert, die schon mit mittelalterlichen Elementen durchsetzt waren und zu denen andererseits sein Paganismus die Brücke schlagen konnte. Das "I loathe all classic art and literature" konnte nicht standhalten vor dem Gegenbeweis der umfassenden antiken Realien- und Quellenkenntnisse sowohl, als auch der pagan-antiken Atmosphäre, die trotz der Mediaevalisierung von Form und Gehalt L. D. J. erfüllt. Die Konturen der beiden Kulturkomplexe: Mittelalter und Antike sind aufgelöst und, wenn man so sagen darf, malerisch geworden. Die Meisterung des Stilphänomens: Mittelalterliche Antike im neunzehnten Jahrhundert ist erreicht. Indessen scheinen nun die Bindungen an die Antike stärker zu sein, als an das Mittelalter. Morris gibt im Jason seine am meisten antike Dichtung. Ganz ausgeglichen ist das Kräftespiel erst in E. P.

ACHTES KAPITEL. Es ist nidit das Ziel dieser Untersuchung, das Material von Morris' Antikendichtungen zu erschöpfen und die Behandlung des Stilphänomens durch alle Phasen zu begleiten. Für den vorliegenden Zweck muß es genügen, daß die Mediaevalisierung der Antike in ihren beiden extremsten Fassungen vorgeführt ist. Die Synthese des E. P. kann zu den bisherigen Feststellungen überdies nichts wesentlich Neues beitragen. Sie bringt nur eine verfeinerte Durcharbeitung der mediaevalistischen Methode, indem sie die ausgleichschaffenden Tendenzen verstärkt. Ein Zeitabstand, der einen bedeutsamen Wandel begründet haben könnte, bestand nicht. Die Jasondichtung wuchs j a aus den Arbeiten des E. P. hervor. Der Einfluß der isländischen Sagas tritt erst seit 1869 ein und zeigt sich nur in der mehr epischen (im Gegensatz zur romantischen) Grundhaltung der letzten antiken Erzählungen. Sehr beachtenswert ist es aber, daß Morris in E. P. für seine mediaevalistische Methode eine außerordentlich sorgfältige Motivierung gibt und sie nun • a posteriori voll rechtfertigt. Mackail weist die architektonische Struktur der Dichtung im einzelnen nach. Hier sei nur ein Beispiel dieser fast skrupulösen Fundamentierungen aufgeführt: Der erste Prolog*69 im kurzen Balladenvers, der zu dem frühesten gehört, was Morris von E. P. ausgearbeitet hat (1865) und der noch eng mit dem Mediaevalismus der D. o. G.-Zeit zusammenhängt, führte nur einen Sprecher: Sir Rafe, ein, der mit seinen Gefährten, vom Norden kommend, ausgezogen war, das Irdische Paradies zu suchen (152). Um sich alle Quellen für romantisch-mittelalterliche Stoffe freizulegen, erfindet Morris im zweiten Prolog den Schwaben Lo*» Coli. Works, Bd. XXIV, pg. 87 ffg. Küster, Morris

11

162 renz, der die mittelalterlichen Chroniken, und den Bretonen Nikolaus, der die französischen Epen kennt. Der Normanne Rolf vertritt die nordische Stoff weit und, da er seine Jugend in Byzanz verbracht hat, ist er auch mit dem arabischen Zyklus vertraut geworden. Es war eine Lieblingsidee von Morris, daß sich eine antike epische Tradition ununterbrochen bis zum Ausgang des Mittelalters fortgesetzt habe, ein Vorgang, der nicht ohne tatsächliche historische Analogien ist. Diese Idee führt der Dichter aus, wenn er die müden und gealterten Sucher nach dem Irdischen Paradies schließlich gelangen läßt zu einer nameless city in a distant sea. Es ist eine jonische Kolonie, die irgendwie in eine unendliche See verschlagen ist und die in ihrer Abgeschlossenheit antike epische Tradition bewahrt hat bis zu den Tagen Eduards III. Die Kolonisten erzählen die antiken Geschichten des E. P. Nun der Dichter sich von den mittelalterlichen Meistern gelöst und seine eigene Form sicher ausgebildet hatte, erfolgte die Wahl der antiken Themen nicht mehr im engen Zusammenhang mit mittelalterlichen Vorlagen. Der Künstler wählte frei und nicht immer Stoffe, die dem Mittelalter bekannt gewesen sein mögen. Die Geschichte der Rhodope (153) wird es gewiß nicht gekannt haben. Doch sind es immer Stoffe, die ihrem Charakter nach eine romantisch-mittelalterliche Behandlung zuließen. Wenn diese Stilisierung bei der Ausarbeitung sich als unmöglich erwies, wurden schon weit geförderte Erzählungen schließlich doch nicht aufgenommen. Das war unzweifelhaft der Grund, warum die geplante Story of Tkeseus nicht ausgeführt und The Story of Aristomenes, von der bereits rund dreitausend Verse geschrieben waren, ausgeschieden wurde.370 Der Abschluß von Morris' Beschäftigung mit der Antike sind Übersetzungsarbeiten. Uberraschend scheint, daß der Künstler gerade eine AeneisUbertragung unternahm (begonnen 14. Dezember 1874, erschienen Oktober 1875), aber schon der Titel, den er ihr gibt, The 3,0

Vgl. Vorbemerkung T. II.

163 Aeneids (154), bezeichnet die Auffassung, die er von der Dichtung hatte. Es ist wieder der Weg durch das Mittelalter, der ihm Zugang zur Antike ist. Denn Morris sah Virgil wie das Mittelalter ihn gesehen hatte, als den großen Zauberer und Seher, und arbeitete in der Aeneis, die die Quelle europäischer Romantik ist, die romantisch-mittelalterlichen Elemente besonders heraus (155). Bei der Odyssee-Übersetzung (begonnen Februar 1886, erschienen April 1887) zog sich der Dichter noch engere Grenzen als bei der Aeneis. Er hatte den Ehrgeiz, eine genaue Übertragung zu geben und nicht eine Paraphrase. Nur die Sprache konnte da Mediaevalistisches vermitteln, und zwar ist es, wie auch in der Aeneis, der Sagaton, auf den Morris die Mittelalterlichkeit durch Sprach- und Versbehandlung zu stimmen sucht. Jeder moderne Übertrager — es sei an Bürgers Homerfragmente, Rudolf Borchardts Dante-Deutsch, Albrecht Schaeffers Apuleius-Ubertragung erinnert — steht vor der Notwendigkeit, eine Kunstsprache zu schaffen, um den Geist der zeitfernen Dichtungen nicht modern zu verfälschen. Die von Morris angewandte, auf mittelalterlicher Sprachbasis aufgebaute Diktion, ist hier also durchaus berechtigt, erklärbar und nicht originell. Beide Übersetzungen können deshalb für unsere Betrachtungen keine neuen Gesichtspunkte ergeben.



N E U N T E S KAPITEL. Weder die zeitgenössische noch die spätere Kritik h a t sich mehr als flüchtig mit dem Stilphänomen der mediaevalisierten Antike bei Morris beschäftigt (156), trotzdem es in einer Zeit hervortrat, die vornehmlich dem Historismus ihre Wertkategorien entnahm. Das Stilphänomen an sich und die Behandlung der Stildissonanzen gaben keinen Anlaß zu wirklicher Auseinandersetzung. Es müssen deshalb G r ü n d e vorgelegen haben, die die Aufmerksamkeit abgelenkt und die Morrissche Methode selbst f ü r eine am Historismus orientierte Kritik tragbar und u n a u f fällig, j a selbstverständlich gemacht haben. Einschränkend muß allerdings hinzugefügt werden, daß die bizarrste Formulierung des Stilphänomens, die in S. F. T. aufgezeigt wurde, sich der Kritik nicht gestellt hatte. S. F. T. wurde erst posthum veröffentlicht u n d zwar thesauriert im vierundzwanzigsten Band der Collected Works. Gegenüber dieser Dichtung wäre die Kritik gewiß nicht blicklos geblieben f ü r das Mittelalter in der Antike! D e n n nichts war getan, um die Stildissonanzen aufzulösen. Mittelalterliches Lokal, mittelalterliches Kostüm, mittelalterliche Sitten, mittelalterliche Geistesformen und Affekthaltungen waren unvermittelt in die Welt Homers und des Kyklos gebracht. Die Antike dagegen gab nicht n u r einen Hintergrund von verblasener F a r bigkeit her, sondern w a r durchaus als wirklich u n d historisch im Sinne der Epen gedacht. Die Szene ist in allen Dimensionen bestimmbar. Es sind die Mauern und Wälle Trojas, das skäische Tor, das Haus des Deiphobos, die Skamanderebene mit den weißen Zelten der Belagerer. Es sind auch nicht etwa P h a n t a siefiguren (157), sondern die bekanntesten Gestalten der homerischen Epen: Priamus u n d Hekuba, Ulysses, Menelaos, die auf der Szene stehen, u n d was sie agieren, wird manchmal bis in Einzelheiten (z. B. d a ß bei der Schilderung von Priamos' Tod

165 der König vor der Ermordung die W a f f e n wieder ablegt) im Anschluß an die überlieferte Formulierung gegeben. Wortschatz und Syntax zeigen wohl viele mittelalterliche Elemente, aber nur wenige sind darunter, die nicht auch zugleich allgemeine poetische Geltung hätten. Der Vers ist flüchtig, reimlos, jedoch ganz anders behandelt als Chaucers oder Lydgates F ü n f t a k t e r . Ebenso hält die Diktion sich frei von bewußter mittelalterlicher sogenannter Naivität. Die äußere Form klärte also über die innere nicht auf und erwies die Dichtung als Nachahmung einer historischen Stilform, wie es etwa Swinburnes Masque of Queen Bersabe ist. Man m u ß von so abseitigen Dingen wie den Antikendichtungen und Antikenbildteppichen des Mittelalters und von den Miniaturen zu den mittelalterlichen Handschriften der antiken Klassiker wissen, um S. F. T. zu verstehen, und einen Vergleichspunkt in der Kunstentwicklung f ü r sie finden zu können. G a n z anders bot sich das Stilphänomen in L. D. J. der Kritik dar. Um noch einmal zu wiederholen: Morris hatte aus seiner mittelalterlichen Welt die historischen Grundlagen, das hierarchischtranszendentale und das aristokratisch-ständische Prinzip, ausgeschieden, u n d sie ersetzt durch Diesseitigkeit, religiösen Indifferentismus mit der Tendenz zum religiösen Paganismus u n d eine antifeudalistische Gesellschaftsordnung, wenn man die märchenhaften, romantischen Beziehungen, die geschildert werden, so nennen darf. Statt der spiritualistisch-mystischen Liebe, dem repräsentativen Ideal des Mittelalters, w u r d e ein ästhetischer Sensualismus ausgebildet. Statt der Schönheit Gottes oder der Seele wird die Schönheit der menschlichen Gestalt verkündet. Es sind Zug um Zug integrierende Bestandteile antiken Seins, die der Dichter in die mittelalterliche Welt einführte. Morris verschmolz also in wesentlichen Dingen homogen geformte Komplexe miteinander. N u r in gewissem, eingeschränkten Sinn unterlag deshalb seine Antike einer Mediaevalisierung. Die Paganisierung des Mittelalters in seinen geistigen G r u n d lagen hatte seine Entsprechungen ebenso im Sinnlichen. Ein

166 äußerer Hinweis dafür ist die Tracht, die kauf ig am antiken Gewand orientiert sich zeigte. Menschen, die in den ziselierten Eisengehäusen oder den starren Brokatgewändern burgundischer Hoftrachten steckten, konnten nichts wissen von der lebendigen Macht des Windes und Wassers, des Blatts und der Blüte, die der antike Mensch, den sein organisches Gewand nicht davon abschloß, unmittelbar körperlich empfand. Diese gleichsam hautnahe Verbundenheit mit Natur und Atmosphäre ist ein sehr wesentliches Element in Morris' Dichtungen, ohne das keine detaillierte Situation, kein intensives Gefühl gegeben wird. Es ist der Ausdruck für die "passionate love of the earth" des Dichters, der, wie es in N. f. N. ironisierend heißt: "had a quite exaggerated interest in the weather, a fine day, a dark night, or a brilliant one," 371 der den dramatischen Ablauf der Jahreszeiten nicht erleben konnte, "as if I were sitting in a theatre seeing the play going on before me, myself taking no part of i t . . . I am part of it all, und feel the pain as well as the pleasure in my own person. It is not done for me by somebody e l s e . . . but I myself do my share of it." Es gibt kaum einen Brief von Morris, in dem nicht die atmosphärische Situation und die Natur, in der der Schreibende sich befindet, genau festgelegt wird: wie Blüte und Frucht des Gartens ist, welche Yögel singen, wie Wolken und Himmel sind, ob der Wind ging oder Regen fiel. Aber sehr selten nur hören wir von der psychischen Situation des Briefschreibers. Obgleich die Natur ihm niemals Idee oder Symbol wird, der Künstler sich an der objektiven, rein deskriptiven Darstellung genüge sein läßt, ist sie doch der Ausdruck für das Transzendentale in seiner Kunst. Sie steht für Reflexion und Gefühl, selbst für Zeit und Raum. Wenn ein zeitlicher Ablauf angegeben werden soll, finden sich z. B. solche Verse: "and the day Through sunshine and through shadow passed away,"'™ 871

372

N. f. N„ Coll. Works, Bd. XVI, pg. 206/0?. L. D. J., XV, 978.

167 und für ein räumliches Geschehen etwa folgende: "And with some fair love side by side Thou wanderest 'twixt the sun and rain." 373 Die Naturverbundenheit, die sich in Mythos und Kult und allen Ausdrucksformen des Lebens erwies, ist das, was Morris trotz des "I loathe all classical art and literature" zwangsmäßig zur Antike führte und ihm Zugang zu ihrem Wesen war. Trotz aller Verschiebungen und Umformungen konnte antike Welt an diesem Punkt erfaßt und aus diesem überzeitlichen Gefühl mit überzeugender Wahrheit gestaltet werden. Man hat von L. D. J . gesagt, es sei "an almost entirely open-air poem." Dasselbe gilt von E. P., das in den Rahmen der Monate und in das Wediselleben der Natur nun ganz und gar eingespannt ist. Der Pleinairstimmung wird sogar die Schilderung von Innenräumen, die dem dekorativen Künstler besonders Gelegenheit gegeben hätte, sich zu entfalten, geopfert. Die einzigen Innenräume, die in L. D. J. dargestellt werden, sind der Palast des Aetes, der Tempel am Meer, wo Medea den Pelias jung zaubern soll, und der Tempel, in dem Jason und Glauke sich sehen. Aber auch dann ist Natur und Atmosphäre nicht ausgeschlossen. Von Aetes' Palast heißt es: "Aetes' marble house: silent it stood, Brushed round by doves .. . " m Der alte Tempel öffnet sich der Nacht und dem Meer,*75 das Venusheiligtum erhebt sich aus einer mit Apfelbäumen bestandenen Wiese, und Tauben gurren unter dem goldenen Dach seiner Cella. 378 Fast alles Geschehen und Erleben in den Dichtungen von Morris vollzieht sich im Zusammenhang mit der Natur und unter freiem Himmel. Die Göttererscheinungen verdichten sich aus Natur und Atmosphäre zur Gestalt; dem Liebenden wächst die " 3 L. 374 L. 375 L. 376 L.

D. D. D. D.

J., J„ J„ J„

XIV, v. 210. VI, v. 435. XV, v. 1016. XVn, v. 591.

168 Geliebte gleichsam aus Blatt und Blüte entgegen, wie Phyllis dem Demophon. So erblickt Acontius die Cydippe: "Against a flowering thorn-bush fair, Hidden by tulips to the knee, His heart's desire his eyes did see." " . . . Panting she was As from the daisies of the grass She raised her eyes . . . " "Then standing there in mazèd wise He saw the blade-heart tulips bow Before her knees, as wavering now A half-step unto him she made." Das Entschwinden der Geliebten: " . . . and withal A mist across his eyes did fall, And all seemed lost indeed, as now Slim tulip-stem and hawthorn-bough Slipped rustling back into their place, And all the glory of her face Had left the world . . Es ist nicht mit Sensualismus abzutun, wenn man bei Morris Bilder findet, wie sie die englische Dichtung überhaupt noch nicht kannte, und die wie Versübertragungen französischer impressionistischer Gemälde wirken (vgl. Manet: Le Déjeuner sur l'herbe 1863). Orpheus singt: "Shall not July bring fresh delight, As underneath green trees ye sit, And o'er some damsel's body mhite The noontide-shadows change and flit?""*1*7* Oder es finden sich diese Verse: "Three damsels stood, naked from head to feet Save for the glory of their hair, mhere sun And shadow flickered, while the wind did run S77

E. P., Acontius and Cydippe, pg. 129 ffg. L. D. J., XIV, v. 180. S7 ° Von mir ausgezeichnet. — D. Verf.

169 Through the grey leaves o'erhead, and shook the grass Where nigh their feet the wandering bee did pass . . ."38° Es ist der Wunsch, paganes, naturhaftes Leben, engste Verbundenheit von Mensch und Erde darzustellen, der den Anreiz zu diesen Bildern gab. Das Pleinair, das Mittelalter und Antike bei Morris in gleichem Maße erfüllt, wird nun das wirksamste Mittel, die beiden Komplexe zu verschmelzen. Die Konturen verlieren ihre Schärfe, weil sie umspielt werden von Sonne und Wind, und Schatten des Waldes und Licht der Ebene über sie hingehen. Der Heldenkatalog im dritten Buch von L. D. J. ist dafür ein Beispiel. Es mußte an die gleichartige Szene aus The Knightes Tale erinnert werden, denn wie mittelalterliche Ritter, die zum Turnier einreiten, kamen die Helden über die Zugbrücke. Hercules schwor Jason den Lehnseid. Die zeitgeschichtlichen Assoziationen, die man mit drawbridge, liege-man, minstrel, mell-Toalled c i t y , high-seat of the prince verbindet, werden nun abgedrängt, überschnitten, beunruhigt durch Vorstellungen von Natur- und Landschaftsbildern, die gleichzeitig aus den Versen des Heldenkatalogs aufsteigen. Mit größter Kunst ist die Riesenzahl der Namen — es sind 61 Helden (und zirka 75 andere Namen!) — eingebettet in skizzenhaft angedeutete griechische Landschaften, oder sie sind verbunden mit irgendwelchen allgemeinen Naturschilderungen. Der ganze Katalog ist aufgelöst in filmartig vorüberhuschende Bilder von Natureindrücken. Die schönsten, der Echion- und der Phliasbericht, wurden schon in anderem Zusammenhang zitiert. Um noch Beispiele zu geben, sei wahllos der Anfang des Heldenkatalogs angeführt: "Asterion, dweller on the windy down Below Philaeus, far up in the north; Slow-footed Polyphemus, late born forth In chariot from Larissa, that beholds Green-girt Peneus cleaving fertile wolds; Erginus, son of Neptune; nigh the sea 384

E. P., The Golden Apples, pg. 11.

170 His father set him, where the laden bee Flies low across Maeander, and falls down Against the white walls of a merdiant town Men call Miletus."' 8 1 Man braucht kaum noch hinzuzufügen, daß Morris bei Apollodorus nichts dergleichen hatte finden können. Ebenso gibt Apollonius in seinem ausführlichen Katalog kaum eine Landschafts- oder Naturschilderung. Selbst einem solchen gewaltsamen Anachronismus, wie die shifting vanes es sind, konnte von seiner Schärfe genommen werden dadurch, daß er in eine mächtige Gewitterszene eingefügt wurde. Man wird immer beobachten können, wie einer stark mediaevaIistischen Szene eine pleinairistische entgegengesetzt wird, die die Auflösung der zeitgebundenen Stimmung in eine überzeitliche möglich macht. Die Beunruhigung der Formeinheiten und das Verschleifen ihrer Grenzen wird noch durch ein anderes suggestives Stilmittel herbeigeführt: durch Märchen- und Traumstimmung. Sie wiederum geht hervor aus der Simplizität der Dichtungen. In L. D. J., in E. P. gibt der Dichter zwar eine unendliche Fülle der Gesichte, aber die Motive, an die sie sich kristallisiert, sind sehr einfache, und eine feste Gliederung, die in E. P. geradezu architektonisch zu nennen ist, bleibt erkennbar. So wie in L. D. J . gegenüber des Apollonius Verkomplizierung der Anlage die Motive und Verknüpfungen sehr viel einfacher gestaltet sind, ist auch das Grundthema des E. P. und aller seiner Erzählungen nur das, was der Titel ausspricht. Die schlichte, naiv-deskriptive Form der Naturschilderungen verbindet sich ihrem Inhalt, denn sehr selten werden die großen Theaterwirkungen der Natur aufgesucht: Gewitter und Sturm, aber sehr oft die stillste Stunde: das graue, kühle Morgendämmern. Pathetische Landschaften liebte Morris ebensowenig, es sei denn "the glorious simplicity of Island." "This unromantic, un361

L. D.

J., in, v. 90.

171 eventful-looking land of England" war das Urbild seiner Ideallandschaften "where there are no great solitudes of forests, no terrible untrodden mountain-walls: . . . little rivers, little plains, swelling, speedily-changing uplands, all beset with handsome orderly trees,... it is neither prison nor palace, but a decent home."382 Es ist deshalb meist südenglisdie Landschaft und Landschaftsstimmung, die in den Antikendichtungen gegeben wird, ganz im Gegensatz zu Keats, der Natur und Landschaft im Endymion z. B. „zu tropischer Üppigkeit" steigerte. Die einfache Linienführung, die Technik des Märchens, läßt sich aus allen Elementen der Dichtungen ablesen. Zustandsschilderungen werden gern in ganz summarischer Form gegeben: "while little like a king, As we call kings, but glad with everything, The wise Thessalian sat and blessed his life So free from sickening fear and foolish strife," 383 und Ereignisse mit der vereinfachenden Optik des Märchens betrachtet: "and Cretheus the king Had died, and left his crown and everything To Aeson . . ." 384 Beschreibungen geben, wie im Märchen, der Phantasie nur Hilfen und werden nicht ausgeführt: "And every cloth was made in daintier wise Than any man on earth could well devise."385 Märchenrequisite, die Verknüpfung und Lösung vereinfachen, fanden sich schon in der Glauke-Episode verwendet. Auch in E. P. wird auf Traum, Weissagung oder Jagd im Wald und Verirrung, die das gewollte Begegnen ermöglichen, nicht verzichtet. "Naturally without effort I shrank from rhetoric" hat Morris 382 383 384 385

Mackail, 1. c. I, pg. 14 (vgl. Coll. Works, Bd. XXII, pg. 17). E. P., The Love of Alcestis, pg. 90. L. D. J., I, v. 15. E. P., The Story af Cupid and Psyche, pg. 23.

172 einmal geschrieben. Vor jeder Rhetorik der Geste scheute der Dichter ebenso instinktiv zurück: "And straight the king took Jason by the hand,"' 88 oder: "Him Proteus met half-way, and, in the face Of all the people, in a straight embrace Held him awhile, and called him his dear son, Then hand in hand did they go up the street." 387 Das ist weder Mittelalter noch Antike. Es ist die Uberzeitlichkeit und die Stilisierung des Märchens, die durch solche Einfachheit erreicht wird. Am eindrucksvollsten wird die Simplizität in psychologischen Darstellungen, wo der Künstler bewußt auf den ganzen Reichtum psychologischer Erkenntnisse und die feine Instrumentierung, die eine künstlerische Entwicklung ausgebildet hatte, verzichtete. Morris nannte die moderne psychologische Kunst "mhining introspection" und wenn er sich selbst einmal zu introspectiven Versen hatte hinreißen lassen, wurden diese Teile seiner Dichtungen später wieder ausgeschieden, wie es z. B. in The Hill of Venus geschah.388 Morris gibt — mit wenigen Ausnahmen, wie etwa Medea, Alcestis, Gudrun, wo er aber dann zu großer Höhe sich erhebt — nur die ganz elementare Psychologie des Märchens. Von Aeson heißt es z. B.: "He thought, 'Small use of arms in this distress, — Needs is it that I use my wiliness'." 889 Jason in Gewissensqualen: "Then groaning from her would he turn away And wish he might not see another day, For certainly his wretched soul he k n e w . . Eine Charakteristik der Sthenoboea wird so angelegt: 888

888 888 8,8

L. D. J., VI, y. 467. E. P., Bellerophon at Argos, pg. 101. Coll. Works, Bd. XVII, XVI, Anmerk. L. D. J., II, v. 165. L. D. J., XVII, v. 419.

173 „For pain was wont to rouse her rage, and she Was like the beasts that slaughter cruelly Their wounded fellows — truth she knew not of. And fain had killed folk babbling over love; Justice she thought of as a thing that might Balk some desire of hers, before the night Of death should end it all: nor hope she knew, Nor what fear was, how ill soe'er life g r e w . . ." ael Oder aber, statt der psychischen Emotionen werden physische gegeben. Wenn Danae von ihrer Befreiung aus dem ehernen Turm träumt, wird das Glück der Freiheit dergestalt empfunden: "here I shall not die But live to feel dew falling from the sky, And set my feet deep in the meadow grass And underneath the scented pine-trees pass, Or in the garden feel the western breeze.. ,"'92 Die Simplizität überzeugte aber nodi nicht allein von ihrer Echtheit, wenn sie nur aus Stoff und Gehalt herausgefühlt werden könnte und nicht auch in der Form hervortreten würde. Morris gebraucht die simpelsten Worte. "He would sooner have used in his verse the word hatter..., than instantaneous, penetrative, or insuperable."'*3 Und diese Worte, die niemals um ihres eigenen Wertes willen gewählt werden, setzt der Dichter aneinander — um das Bild von Dixon Scott zu gebrauchen — wie lauter kleine Blöckchen. So wie es keine intellektuellen Tricks gibt, gibt es auch keine prosodischen. Die Verse sind niemals "of their own arduous fulness reverent," sondern sehr dünn, ohne metrische Schwere, oft durchgehend monosyllabisch, kaum noch Verse zu nennen, wie z. B.: "And longed for this and that and on his tongue," der in der Struktur unendlich oft wiederholt wird. sel

m

E. P., Bellerophon at Argos, pg. 85. E. P., The Doom of King Acrisius. O. Elton, 1. c. II, pg. 52.

174 Es ist die unbekümmerte formale Technik mittelalterlicher Yersromane und Verschroniken, mit der ein großer Dichter hier arbeitet, ohne sie jedoch zu imitieren, indem etwa ihre Unbeholfenheiten bewußt nachgeahmt würden, wie Swinburne es in The Masque of Queen Bersabe oder St. Dorothy getan hat. Es ist nicht die mittelalterliche Technik als Form, sondern als Geist, die hier bei Morris wiedererstanden ist, und es ist viel eher der Märchenton, als derjenige mittelalterlicher Versromanzen, der schließlich erreicht wird. In S. F. T. war es, als ob man spätmittelalterliche Antikenbildteppiche und Illuminationen beschaute. Die Szene war in allen Dimensionen bestimmbar. Es waren die feste Erde und die Straßen einer belagerten mittelalterlichen Stadt, auf der die "Scenes" vorüberzogen. L. D. J. und E. P. sind Traumland, "land East of the Sun and West of the Moon," ob es auch Colchis heiße oder Larissa. Morris hat sich immer als "dreamer of dreams" e m p f u n d e n und sein Werk als "the embodiment of dreams" aufgefaßt. Die Traumstimmung ist seiner Kunst immanent. T r a u m wird Stoff, Form und Gehalt. Die großen Dichtungen, seine charakteristischsten Schöpfungen: The Dream of John Ball und N. f. N. sind überhaupt ganz als Traumerlebnis aufgefaßt. T r a u m ist in L. D. J. um Menschen und Götter, um Palast und Hain, j a Märchen und Mythen und das Wunder selbst werden Traum. Die Traumstimmung, das graue Frühlicht, in dem die Dinge sind "half seen and strange" ist die Schwäche der Dichtungen, aber zugleich Erklärung und Rechtfertigung von Morris' Stilform. "A dream it is, friends, and no history" beginnt einer der Wanderer in E. P. seine Geschichte, "wondrous things together there are brought, strange to our waking w o r l d " . . . So ist es nicht einmal das Wundersamste unter den Erscheinungen, daß auch Mittelalter und Antike in einer Weise zusammengeführt werden „wie die wache Welt sie nicht kennt," denn was ist unmöglich und wunderbar im Traum, wo alle Grenzen verfließen, alles Licht d i f f u s ist, was man tastend anrührt, sogleich ins Dunkel zurückweicht, und Erscheinungen sich so voreinander

175 schieben und geisterhaft durchdringen können, daß man die eine durch die andere hindurdisdiauen kann und aus den sich überschneidenden Linien ein neues, wunderbares Gebilde vor dem träumenden Auge entsteht? Ist die Traumstimmung herauf geführt, so werden die Konturen von Mittelalter und Antike mühelos ineinander verfließen können. Antike, dem Dichter und Träumer selbst zum Traumgebilde geworden, kann durch den zarten, farbigen Nebel, in den die Erscheinungsform des Mittelalters sich aufgelöst hat, gesehen werden und sich mit ihm zu neuer Form verdichten. Es ist j a Traum, der das Recht und den Sinn gibt und macht, daß das Wunderbare als das Natürliche und Schöne erscheint. Unter den ausgleichschaffenden Elementen: paganistisches Mittelalter — mittelalterliche Antike, Pleinair. Märchenton, Traumstimmung hat dieses Letzte die stärkste, versdileifende, bindende und formende Kraft. Es ist also in L. D. J. und E. P. manches getan, um das Stilphänomen, das der junge Dichter in S. F. T. zuerst ausgebildet hatte, von den Härten seiner frühen Formulierung zu befreien, und mehr als ein interessantes literarisches Experiment: eine wirkliche Kunstform daraus zu madien. Einer weiteren Untersuchung ergibt sich dann, daß die Morrissche Methode nicht nur eine ästhetisch mögliche, sondern daß es scheint, als ob sie die einzig mögliche war. Burne-Jones hat es einmal einen unersetzlichen Verlust genannt, daß der moderne Maler nicht mehr auf die Perspektive verzichten und die Figuren im Hintergrund ebenso groß wie die am vorderen Bildrand malen dürfe 3 " (und kompensierte diesen Verlust, indem er statt auf die optische ebenso wie Morris nun auf die Zeitperspektive verzichtete). Was der Perspektivismus für den Maler ist der Historismus für den Dichter. Der Dichter kann nidit mehr das Gestern in der Form und im Geist des Heute geben. Dieses souveräne Mittel, künstlerische Einheit zu gewinnen, hat der Historismus und Evolutionismus ihm aus der Hand gewunden. SM

G. Burne-Jones, 1. c.

176 Wer ein soldi ungeheures Werk wie das E. P., das die Märchen und Mythen von Jahrtausenden zu einer künstlerischen Einheit zusammenschließen wollte, im neunzehnten Jahrhundert unternahm, hatte nicht mehr die natürlichen Möglichkeiten eines Chaucer, der The Knightes Tale und The Shipmannes Tale im gleichen Ton und im gleichen Geist geben konnte. Jeder feste Standpunkt, den der moderne Dichter dieser vielheitlichen Fülle gegenüber einnahm, mußte in einem Sinn notwendig historisch falsch sein, und wechselte er die Darstellungsbasis je nach dem Stoff, war wieder die Einheit zerstört. Es blieb nichts anderes übrig, als sich in eine Uberzeitlichkeit zu begeben, damit nicht wie ein bunter Maskenwirbel, sondern als ein geschlossener, in Formen und Farben schön abgestimmter Zug das E. P. sich darbot. Nicht die Einheit der Idee und der rhythmische Wechsel der Erzählungen, auch nicht die Gruppengliederung durch die Monatsgedichte hätten den Zusammenschluß und die Harmonie der Teile allein bewirkt. Erst die Uberzeitlichkeit, die aus der Amalgamierung von Mittelalter und Antike, Traum und Märchen und Natur gewonnen war, raffte das Auseinanderstrebende zusammen. Fast alle großen Viktorianer hatten ihre Formung eines antiken Stoffes gegeben. Ihr Symbolismus, ihre Philosophie, ihre formalen und psychologischen Subtilitäten waren nicht Morris' Sache. Um ganz andere Werte ging es ihm: sinnliche, bildhafte Schönheit, Naivität, Frisdie, Naturverbundenheit, Wunder und Abenteuer und eine einfache Menschlichkeit wollte er darstellen. Was Manier und Experiment schien, wird Notwendigkeit: einzig durch den Mediaevalismus (wie er von Morris modifiziert war), d. h. durch eine märchennahe, wundergläubige, naive Haltung gegenüber allen Erscheinungen, kann der Dichter in seiner Darstellung der Antike die Simplizität von Form und Gehalt, die Betonung des Fabulösen und eine Gestaltung antiker Welt nur von den Sinnen her rechtfertigen. Wenn die Antike nicht in das große System des Mediaevalismus eingebunden gewesen wäre, hätte sidi ihre Auffassung als those old simple days, die doch f ü r Morris die einzig mögliche war, notwendig

177 als Raffinement, artistisches Experiment erweisen müssen. Nur durch die mediaevalistische Methode mit ihrer primitiven Psychologie, ihrem Verzicht auf Reflexion, den gleichsam stenographierten Schilderungen, die sie erlaubt — "and left his crown and everything" — ist es möglich, daß der Dichter den langen Atem behält, um die Handlungsfülle seines großen Märchenbuches vorzutragen. Der Schönheitsbegriff bei Morris ist der additive der Präraffaeliten. Wie die präraffaelitischen Maler Blumen und Brokate und Frühling und menschliche Schönheit zusammenkomponierten, so werden hier die antike und die mittelalterliche künstlerische Kultur zusammengeführt, die für Morris die Höchstleistungen des europäischen Menschen waren. Wo der antiken Welt ein Glanzlicht fehlte oder eine leuchtende Farbe, da fand sie der Künstler in der mittelalterlichen. Nur der Mediaevalismus, die Form, die das Streben nach Einfachheit, Naivität, sinnenhaftem Erfassen der Welt angenommen hat — "the lower scale of values" nennt es Noyes — kann aber die überschwängliche Fülle sinnlicher Schönheit, die aus der Amalgamierung von Mittelalter und Antike entsteht, aufnehmen. In dem schlichten Rahmen des Mediaevalismus kann die dekorative Pracht der Tempelprozessionen, der Hesperidengärten, der Göttererscheinungen entfaltet werden, ohne daß sie massiv wird. Nur durch die Ökonomie der Form kann diese Schönheit trotz ihrer monumentalen Fülle die klaren und bei aller Lieblichkeit herben Linien sich bewahren. Bei den Voraussetzungen, die der Mediaevalismus gewährte, durfte der Künstler die Schönheit mit Lokalfarben malen und ohne Grundierung, wie es die Präraffaeliten zu Beginn getan hatten. Er konnte wieder "gold and cinnabar and blue" sagen, er brauchte weder Halbtöne noch "purple patches". "After the minute and exquisite art of Tennyson, it was not unrefreshing to be told simply that the sea was green." 895 Durch die vom Mediaevalismus bedingte "lower scale of values" hatte schließJ95

Noyes, 1. c„ pg. 48.

Küster, Morris

12

178 lieh der Dichter audi die Möglichkeit, die sogenannten niederen Sinnesempfindungen: Tastgefühl und Geruch viel zur Darstellung heranzuziehen. Immer formen z. B. "delicious unnamed odours" am Bild der Götter oder der Geliebten, und wenn Psyche im Palast des Cupido ist — zugleich ein Beispiel für die große Kunst einer indirekten Schilderung — erfährt sie den Schönheitsreichtum durch Tastempfindungen: "And stooped to feel the web her feet did press," "Or she the figures of the hangings felt," "Or touched rich vessels with her fingers fair, And o'er her delicate smooth cheek would pass The long-fixed bubbles of strange works of glass."'8* Es ist gerade dieses: die Erfassung einer Situation mit allen Sinnen, was die Verdichtung der Atmosphäre in L. D. J. und E. P. schafft. ** E. P., The Story of Cupid and Psydie, pg. 19.

ZEHNTES KAPITEL. Wenn man von dem absieht, was die Mediaevalisierung als Methode für die ästhetische Wirkung von Morris' Antikendichtungen bedeutet hat, und die Frage stellt: Was ist unabhängig von dem speziellen Fall ästhetisch gewonnen, so ergibt sich dies: ein neues Mittelalter, eine neue Antike und ein drittes, das aus ihrer beider Vereinigung entsteht. Das neue pagan-dekorativ-pleinairistische Mittelalter dürfte hier schon erschöpfend behandelt sein. Über die neue Konzeption der Antike bliebe aber noch dieses zu sagen: Morris führte fort, was Keats begonnen hatte: Die sensualistische Auswertung der Antike. Aber er ist viel konsequenter und viel doktrinärer. Aller Intellektualismus wird unterdrückt. Nur aus sinnlichen, bildhaften Elementen baut er seine antike Welt auf, und er findet diese Elemente naturgemäß eher in der bildenden Kunst, als in der Literatur der Antike. Wenn man auch nicht, wie bei Keats, den Finger auf die Stelle legen kann: die Sosibios- und die Borghesische Vase des Louvre haben eingewirkt (Ode to a Grecian urn),397 so muß doch, wie in L. D. J. wiederholt festgestellt werden konnte, ein unmittelbarer Einfluß der bildenden antiken Kunst angenommen werden. Weniger die Großplastik als die Vasenmalerei dürfte daran teilgenommen haben. Hinweise auf griechische Vasen finden sich auch verschiedentlich, so z. B. in Bellerophon at Argos: "In bowls whereon old stories pietured were.. ."" 8 Wir wissen zwar nichts darüber, aber griechische Vasenmalerei, die in den hervorragenden Sammlungen des British Museum B. Fehr: Die englische Literatur des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, S. 123. " 8 E. P„ 1. c.

3,7

12«

180 leicht zugänglich war, mußte für den dekorativen Künstler einen besonderen Reiz haben, und die Szenen aus dem antiken Leben mußten das Verlangen nach plastischer Anschaulichkeit aufs höchste befriedigen. Die Gewandschilderungen, Tempelprozessionen und die vielfach eingelegten Beschreibungen von Tanzszenen sind wohl schwerlich ohne die Hilfen der antiken bildenden Kunst entstanden. Von der Antike als intellektuellem Erlebnis hat dagegen nichts unmittelbar Gestalt bekommen. Es ist seltsam zu denken, daß L. D. J. und Walter Paters Essay über Winkelmann im gleichen Jahr (1867) entstanden sind. Der Gewinn und das besondere der Morrisschen Antike, soweit sie nicht mediaevalisiert ist, ist die Plastik, die sie durch die ganz sinnenhafte Darstellung bekommen hat. Es ist nicht wichtig, daß die Antike historisch wahr heraufgeführt wird, sondern daß sie künstlerisch wahr wird, und Morris erreichte volle künstlerische Wahrheit dadurch, daß die Antike für unsere Sinne wahr geworden ist, daß wir wissen, d. h. sehen, fühlen, hören, tasten können, wie es war, als Danae im Goldregen stand: "And slowly from the bed did she arise, And towards the window drew, and yet did seem, Although her eyes were open, still to dream. There on the sill she laid her slender hand,... But yellower now the sunbeams seemed to grow Not whiter as their wont is, and she heard A tinkling sound that made her, half afeard, Draw back a little from the fresh green sea, Then to a clang the noise rose suddenly, And gently was she smitten on the breast, And some bright thing within her palm did rest, And trickled down her shoulder and her side, And on her limbs a little did abide, Or lay upon her feet a little while Then in her face increased the doubtful smile, While o'er her eyes a drowsy film there came,

181 And in her cheeks a flush as if of shame, And looking round.. ."3"9 Ist es schon eine außerordentliche Tat, eine besondere Freiheit und Kühnheit des Geistes, Formen, die durch historische Einsichten, wie es seinen, unwandelbar geprägt waren, zu sprengen, zu wandeln und ganz neue Inhalte in sie hineinzutragen, so ist die künstlerische Tat noch größer, die aus den zertrümmerten oder gewandelten Formen zweier polarer Wesenheiten ein Neues und dieses als Einheit und Wahrheit schafft. Die Schnittlinien verschiedener Kulturen haben immer einen seltsamen und erlesenen Reiz. Aber es ist ein Reiz für sehr formbewußte und formmüde Geister, die schon jede noch so leise Biegung der Konturen eines Zeitstils abgetastet und nachgefühlt haben und die sich neue ästhetische Erlebnisse nurmehr aus Berührung oder Kontrastierung zweier Kulturen erwarten. Wenn Walter Pater in Denys VAuxerrois oder Apollo in Picardy Mittelalter und Antike zusammenführt, so geschieht es, um raffinierter ästhetischer Sensationen willen, und es ist bedeutsam, daß diese Berührungen immer schicksalhaft für die Beteiligten werden. Es würde nach allem Vorausgegangen zu den größten Uberraschungen gehören, bei Morris ein Aufsuchen solcher raffinierten ästhetischen Erlebnisse feststellen zu müssen. Wir haben es nicht nötig, uns überraschen zu lassen. Antike und Mittelalter sind in einer Weise zusammengeführt, die fern ist jedem Raffinement, das nur aus der bewußt kontrastierenden Verwendung der historischen Differenzierungen entsteht und ganz primitiv ist; denn die naive Methode des Mittelalters, die die Antike einfach im Zeitsinn assimilierte, wurde ja angewandt, vielfach sublimiert zwar und durch den Filter einer schöpferischen Künstlerpersönlichkeit gegangen. Die Verbindung von Mittelalter und Antike wird auch niemals schicksalhaft. Sie kann es nicht sein, weil auch die Gegensätzlichkeit nicht gestaltet ist. Das, was etwa Pater aufsuchte: Berührungs- und Kombinie399

E. P„ T h e Doom of King Acrisius, pg. 180/81.

182 rungsreize, lockte Morris nicht. Er wollte nicht nur Gegebenes neu gruppieren, er wollte neu schaffen. Darum zerschlug er die alten Formen und baute aus einem phantastischen Mittelalter und einer phantastischen Antike ein neues phantastisches Reich. Es konnte im einzelnen gezeigt werden, wie sich aus antiken und mittelalterlichen Elementen etwa ein neuer Liebesbegriff oder eine neue Stellung zum Todesproblem bildete. Das sind Ergebnisse, auf die es Morris nicht eigentlich ankam. Er wollte keine Ideenwelt, sondern eine neue Sinnenwelt schaffen aus allem, was schön war. Die besondere künstlerische Leistung ist, daß Morris Mittelalter und Antike nicht addiert, wie Milton im Samson Agonistes Antike und biblisches Hebräertum addierte, sondern sich durchdringen läßt und die disparaten Elemente völlig einschmilzt. Eine Einheit entsteht, die anders und mehr ist als die Summe ihrer Teile. Mittel und Weg zu ihr zu gelangen ist die mediaevalistische Methode. Unter Morris' Händen ist sie ein Arkanum geworden. Es ist Alchemie, wie er das neue Reich schafft, es als Einheit schafft und doch antike und mittelalterliche Welt in geheimnisvoller Schönheit und seltsam wahr aus der Legierung wieder hervorscheinen. Das ist vielleicht der größte Reiz der Dichtungen, daß aus dem seltsam Neuen die alten, bekannten Formen wieder heraustreten: " . . . Yet as in dreams Of known things still we dream, whatever gleams Of unknown light may make theiii stränge.. ."*00 Man mag denken über die von Morris geschaffene Welt wie man will, aber seit dem Paradise Lost ist kein Versuch gelungen, eine neue Welt von dieser Ganzheit und Fülle und atmosphärischen Dichte zu schaffen, wie Morris sie schuf, mit ihren Göttern und Menschen, ihren Landschaften, ihren Palästen und Tempeln, ihren Jagden und Festen, ihrem Alltagsleben und ihren Träumen. Die Anspruchslosigkeit der Dichtungen, ihre 400

E. P„ The Death of Paris, pg. 23.

183 Bestimmung nur f ü r den leeren Tag läßt feist vergessen, welche große künstlerische Kraft, welch unerhörter Phantasiereichtum dazu gehörte, diese überzeitliche, wunderbare Welt zu schaffen, "without a Single lapse into the light of common day", sie w a h r zu m a t t e n , zu einem realen, mit allen Sinnen erfaßbaren Gebilde zu formen, und ihr doch die Irrealität und das Geheimnis des Traums zu geben. Das konnte Morris nicht von den mittelalterlichen Dichtern lernen, und deshalb ist es so unwesentlich, den Beziehungen zu Le Fevre oder Chaucer oder Lydgate nachzugehen. Sie konnten ihn k a u m das A B C seiner Methode lehren. Bei ihnen ist die Antike assimiliert, mediaevalisiert also, doch dabei blieb Morris ja nicht stehen, wie die Entwicklung von S. F. T. zu L. D. J. zeigt. Das Mittelalter zu paganisieren und die so im wesentlichen genäherten Komplexe zu verschmelzen und daraus eine neue Welt, allein auf der Ebene künstlerischer Wahrheit zu schaffen, ist ein Prozeß, den erst der Dichter des L. D. J. und E. P. vollzieht. Was Chaucer oder Lydgate an Antikendichtungen schufen, blieb dagegen Mittelalter und mittelalterliche Zeitlichkeit, die ihren besonderen Reiz, abgesehen von ihrem immanenten literarischen Wert, nur f ü r den Historiker haben. Eine ästhetische Kritik, die Zensuren austeilen zu müssen glaubt, hat Morris' Antikendichtungen als Kunstgewerbe etikettiert, ein Urteil, auf das der Dichter gewiß stolz gewesen wäre, denn nur eine Kunst, die dem Leben dient, ist die einzige und w a h r e : "Art is the beauty of life."

ELFTES KAPITEL. Es bleibt noch übrig, der Kritik der Methode den skizzierten Versuch ihrer psychologischen Erklärung hinzuzufügen. Er ist bereits in weitem Umfang vorbereitet und bedarf nur noch der Vervollständigung. Die breite Grundlage für die Entwicklung der mediaevalisierten Antike ist der monomanische Mediaevalismus des Dichters. Das ist das Hauptergebnis der bisherigen Untersuchungen. Verfolgt man nun aber wieder die Linie nach rückwärts, so stellt sich der Mediaevalismus dar als Formwerdung eines Urimpulses, der Sehnsucht nach dekorativer Schönheit (158). Sie ist indessen nicht nur Anlaß des Mediaevalismus gewesen, auch abgelöst von dem umfassenden Komplex ist das dekorative Wollen selbständig an der Entwicklung des Stilphänomens beteiligt zu denken. Es ist, als ob die Formen weit der Antike zu karg und ihre Farben zu fahl waren für den dekorativen Künstler und deshalb der Formen- und Farbenschatz des Mittelalters hinzugenommen werden mußte. Gerade wenn große Pracht entfaltet werden soll, finden sich deshalb häufig die mediaevalistischen Einzelzüge: die goldenen Ketten und Kronen und Gewänder, die steif sind von den Perlen und Goldfäden ihrer Stickereien, die edelsteinbesetzten goldenen Pokale, die Bildteppiche mit "knight and king and queen", die goldenen Betten mit seidenen gestickten Behängen, die elfenbeinernen geschnitzten Throne. Hierher gehören auch die Liebesgärten mit Kreuzgang und goldenem, rosenberanktem Gegitter, die minstrels und der Auszug der Argonauten, bei dem Purpurteppiche aus den Fenstern hängen, und Rosen auf die Helden herabregnen. Die Mediaevalisierung der Antike ist selbstverständlich eine durchaus romantische Stilform. Trotzdem ist es schwierig, Mor-

185 ris nun als Romantiker einzuordnen, jedenfalls schwierig im Sinn kontinentaler Romantik. Wenn audi die Stoffe, die er wählt, die Situationen und Gefühle extrem romantisch sind — ist es das Wesen der Romantik, „das innere Leben als das einzig gewisse, wirkliche und objektive zu sehen," die Erscheinungen nur als Symbole zu werten — so ist Morris kein Romantiker. Ihm sind vielmehr die Sichtbarkeiten, die Formen, Farben, Töne, Tastempfindungen das Letzte und Objektivste. Er empfängt die Welt allein durch die Sinne und emaniert sie im Kunstwerk wieder allein durch die Sinne: "What I mean by art is some creation of man, which appeals to his emotions and his intellect by means of his senses," und im Envoi des E. P. wird noch einmal seine Stellung eindeutig bestimmt: "No love of things as vague as autumn wind Earth of the earth lies hidden by my clay," sagt das Buch von sich selbst. Sein Sensualismus ist es, der dem Monomanen des Mittelalters es überhaupt ermöglichte, antikes Sein überzeugend gestalten zu können, und so stark ist diese Kraft in Morris, daß alle mediaevalistischen Elemente das antik empfundene Substrat in L. D. J . und E. P. nicht einmal ganz überlagern konnten. Morris' Sensualismus ist es aber wiederum auch, der gerade die Mediaevalisierung forderte, denn die Antike wurde dem Dichter erst sinnlich faßbar, vollplastisch, lebendig und farbig durch das Medium des Mittelalters. Die wundervoll frischen und bis ins letzte Detail klar geschauten Bilder, die der größte Zauber seiner Dichtungen sind, formen sich erst dann, wenn das Arkanum, die mediaevalistische Methode, angewendet werden kann. Es mußte j a bereits die außerordentlich seltsame Erscheinung bei Morris festgestellt werden,401 daß seine Phantasie und seine Darstellungskraft wie gelähmt waren, wenn er nicht auf dem Boden des Mittelalters stehen konnte. Romantisch im außerstofflichen Sinn ist Morris im Bereich seiner Antikendichtungen nur durch die Mediaevalisierung, d. h. durch die Yerunklärung, Uberschneidung, Beunruhigung und Vgl. K. IV, 47 f f g .

186 Verschleifung der reinen Formen, die dadurch erreicht wird. An diesem Punkt ist es, wo er clie Inhalte romantischer Poetik berührt, die Novalis in seiner berühmten Formulierung als: „Die Kunst, auf angenehme Art zu befremden, einen Gegenstand fremd zu machen und doch bekannt und anziehend," beschrieben hatte. Die Mediaevalisierung der Antike ist Morris' seltsamer Weg, die romantische Forderung der Fremdartigkeit zu erfüllen. Im Zusammenhang mit der Gesamtpersönlichkeit und dem Gesamtkunstwerk gesehen, ist es aber der einzig folgerichtige. Wir wissen, mit welcher Zurückhaltung und in welch sublimierter Form "strangeness was added to beauty" Nur zuweilen durchstießen scharf konturierte Mediaevalismen, die gleich als einer besonderen Absicht untergeordnet erkannt werden mußten, die traumhaft überzeitliche Atmosphäre: Glocken läuteten über Kolchis, goldene Wetterfahnen drehten sich auf dem Palast des Cupido, oder die Argonauten trugen die Liebespfänder ihrer Damen am Helm. Es ist die romantisch-spielerische Freude am Schock, die dem zugrunde liegt. Es ist Morris' Formgebung für das romantische Groteske, aber man sieht dahinter noch wie auf einem Palimpsest die alte Handschrift hervorschimmern: es ist das mittelalterlichmakabre Element der frühen Stücke, das sich in diese Äußerungen umgeformt hat. Niemals aber ist es der artistische Snobbismus des epater le bourgeois, mit dem Aubrey Beardsley diese Kontrastierungen von Zeitstilen später verwendet hat. Das, was hier in einer Einzeltatsache hervortritt, dürfte vielleicht überhaupt auf eine generelle Haltung des Dichters hinweisen: "It is the childlike part of us that produces works of imagination" heißt es in N. f. N.402, und Mackail sagt von Morris: "His way was about everything to make it something different from what it was." 403 Es ist der Spieltrieb im Künstler, das Neuschaffen und Anders-schaffen-müssen, die Lust am 402

News from Nowhere, Coll. Works, Bd. XVI. Mackail, 1. c. I, pg. 21.

187 Sichverkleiden und Verwandeln, was mit an der Heraufführung des Stilphänomens beteiligt sein dürfte. Einen weiteren Beitrag zur psychologischen Motivierung der mediaevalisierten Antike gibt ferner Morris' Stellung zum Historismus. Der Dichter kam von Scott her und stand durch Rossetti mit den frühen Präraffaeliten in Zusammenhang, die, wie Holman Hunt, vor allem das Zeit- und Lokalkolorit forderten. Er hatte die stärksten historisch-antiquarischen Interessen und profunde historische Kenntnisse (159). Trotzdem wird sein Künstlertum niemals von der Historie überwältigt. Morris hatte vielmehr die Fähigkeit, „alles Vergangene, eigenes und fremdes, an sich heran und in sich hinein zu ziehen und gleichsam zu Blut umzuschaffen." Nur so ist es zu erklären, daß sein monomanischer Mediaevalismus kein unfruchtbarer Eklektizismus wurde und er sich als schöpferischer Künstler behaupten konnte. Morris' Haltung ist eine überhistorische und es ist ein Außerachtlassen dieser Tatsache, wenn man von ihm einen historischen Roman nach dem Muster von Scott oder Reade hätte erwarten wollen.404 Die mediaevalisierte Antike von Morris ist vielmehr gerade eine Uberwindung des Historismus. Der Künstler hat die ganz seltene Gabe (für einen Menschen des 19. Jahrhunderts) "to see history in the mass", d. h. er kann die historischen Gegebenheiten abgelöst von ihren Assoziationen sehen und absolut sehen. Jason und homerische Antike gehören ihm nicht untrennbar zusammen, Jason kann auch "a fair knight amorous" sein und vollplastisch als solcher gestaltet werden. Die Kulturen und Kulturtatsachen sind ihm nur wie Farben, die man nebeneinander setzen oder mischen kann. Er kennt ihr Wesen und ihre Möglichkeiten auf das genaueste, aber er bewertet sie einzig nach ihrer dekorativen, bildmäßigen Wirkung und die fand er eben in Kunst und Kultur des Mittelalters am vollendetsten. Eine Sonderexistenz haben die Farben nicht mehr. Morris' Kategorien sind nicht historische Wahrheiten, sondern künstlerische Wahrheiten, die, ,M

Vgl. F r e y : William Morris. Progr. Winterthur 1901/02, S. 131.

188 wie bei Keats, f ü r ihn allein in der Schönheit beschlossen liegen. Es ist aber unabweisbar, d a ß die mittelalterlich-antike Welt mit voller künstlerischer Wahrheit von Morris gestaltet ist. Die dekorative Geschichtsauffassung hat nicht zu einem unwahren, unkünstlerischen, geistlosen Eklektizismus geführt. Allerdings liegt es nahe, die Verschmelzung von Mittealter u n d Antike, wie sie Morris gegeben hat, eine manieristische und ästhetenhafte Lösung zu nennen und man hätte auch das Recht dazu, wenn die Voraussetzungen des monomanisch erf a ß t e n Mittelalters fehlen würden. Aber ebenso, wie der Mediaevalismus bei Morris „nicht Ergebnis sondern Bedingnis ist," nichts Rationalistisches, nichts Artifizielles also, ist es auch seine mediaevalisierte Antike nicht. Nur dem oberflächlich Urteilenden k a n n es so scheinen. Morris ist kein Artist und die mediaevalisierte Antike ist kein Kunststück um des Kunststücks willen. Wir können nicht das artistische Vergnügen am Experiment und der H a n d h a b u n g fremder Stilformen darin erkennen. Nicht einmal S. F. T. gestattet das. Was dort wie das R a f f i n e ment bewußter Primitivität wirkt, ist vielmehr noch nicht gemeisterte mediaevalistische Methode. Der besondere Reiz, den S. F. T. heute ausübt und der uns versucht, sie über die reifen Werke: L. D. J. und E. P. zu stellen, ist nicht ein b e w u ß t vom Künstler geschaffener, sondern der objektive, den Vorstudie und Fragment f ü r den Genießenden haben. Wie der Mediaevalismus nur Medium ist, die Schönheit des Lebens wiederzuerobern, ist auch die mediaevalisierte Antike nicht Ziel, sondern Weg, um zu Simplizität, Überzeitlichkeit, dekorativer Schönheit usw. zu gelangen. Es k a n n daneben ruhig bestehen, d a ß der Künstler auch den seltsamen Reiz der Stilvermischungen e m p f u n d e n hat. Den Beweis, daß er ihm nur ein akzidenteller Wert war, erbringt die Entwicklung der mediaevalisierten Antike von S. F. T. zu E. P. Wenn aber das artistische Experimentieren als psychologische Motivation abgelehnt werden muß: w a r u m war dann dieser seltsame Prozeß der Mediaevalisierung überhaupt nötig? W a r u m verzichtete Morris nicht auf die Antike, die er angeblich haßte?

189 Warum hat er L. D. J . und die zwölf Antikendichtungen des E. P. geschrieben (zirka 22 000 Verse)? Mit viel Wahrscheinlichkeit wäre das Stilphänomen nicht entstanden, wenn Morris die nordische Sagenwelt schon so früh kennen gelernt hätte, daß ihr Einfluß den der klassischen Bildungswelt O x f o r d s hätte paralysieren können. Darauf deutet schon hin, daß nach dem vollen Einsetzen des nordisch-isländischen Einflusses das E. P. wohl noch zu Ende geführt, aber das Motiv der mediaevalisierten Antike nie wieder aufgenommen wurde. Außerdem — das ist das wesentlichere — war der Umkreis, aus dem der Dichter seine Stoffe nahm, ohne die Sagaliteratur wesentlich enger. F ü r das große Märchenbuch des E. P. konnte deshalb auf antikes Sagengut nicht verziditet werden. Doch nicht nur im Hinblick auf E. P.! " I am in sooth a gatherer of tales", sagt der Sprecher und Dichter in The Dream of John Ball. Die Freude a m Geschiehtenhören und Geschichtenerzählen ist außerordentlich charakteristisch für Morris. Deshalb seine Vorliebe für die mittelalterlichen Epiker, für die Borderballaden, für Scott, Dickens, D u m a s père! Jeder Stoff wird zuerst daraufhin untersucht und danach bewertet, ob er eine gute Geschichte abgäbe. Eine gute Geschichte ist die Panazee f ü r jedes Leid. Die müden Sucher nach dem Irdischen Paradies haben es erfahren: " H o w time and taie a long past woe will heal, And make a melody of grief, and give J o y to the world that whoso dies shall live." 4 0 5 Es bezwingt immer wieder zu sehen, wie dieser große Künstler und starke Geist sich alle intellektualistische Dichtung versagt, nidits sein will, als "an idle singer of an empty d a y . " Nur einmal ging er aus seiner Zurückhaltung gegenüber aller Kritik heraus als man in The Wood beyond the World (1895) eine allegorische Bedeutung hineininterpretieren wollte. "It is a taie pure a n d simple" schrieb er voll Sarkasmus und Zorn. Um " a tale pure and simple" zu finden, ging der Dichter zur 405

E. P., The Death of Paris, pg. 22.

190 Antike. Die Geschichte „rein und einfach" wiederzuerzählen, gab es nur die eine, die mediaevalistische Methode. Alles, was hier über den Künstler und seine Stilform vorgebracht werden konnte, geschah in dem Bemühen, zu der letzten Erklärung hinzuführen: „Morris was a curiously complete world of art in himself." 40 * Noyes, 1. c.

ZWÖLFTES KAPITEL. In den vorstehenden Ausführungen ist immer die Singularität des Stilphänomens betont worden. Wir glauben dazu berechtigt zu sein, und der Beweis scheint leicht zu führen, weil in der Literatur nur eine ganz geringe Zahl von Parallelerscheinungen festgestellt werden konnte, die außerdem alle n u r das A u s m a ß des gelegentlichen Experimentes haben. Die bedeutendste dieser Parallelen ist Miltons Samson Agonistes (veröff. 1671): ein biblischer Stoff in der strengen Form des griechischen klassischen Dramas, mit Chören und mit bewußter Innehaltung der Vierundzwanzig-Stunden-Einheit.* 0 7 D a sich Milton aber einerseits „der Antithese Antike-Christentum fast schmerzlich bewußt ist" 408 — er wagte es z. B. nicht, mythologische Anspielungen mit ihrem antiken Namen zu nennen und der Chor singt etwa nur von "the self-begotten bird" (i. e. Phoenix) —, andererseits das Bewußtsein f ü r die historischen Differenzen der hebräischen und hellenischen Kulturen k a u m schon vorhanden war, tritt das Stilphänomen, d. h. die Darstellung einer zweiten Zeit durch das Medium einer dritten, nicht wesentlich hervor. Ein Beispiel dafür, wie Antikes sich mit Bardisch-Druidischem mischt, ist William Masons Caractacus: roritten on the model of the ancient Greek Tragedy ('veröff. 1759), ein Stoff der keltischen Vorgeschichte. Den Chor bilden britische Barden, C h o r f ü h r e r ist ein Druide. Am ehesten tritt das Stilphänomen in Übersetzungsarbeiten auf, die j a ihrem Wesen nach schon dazu auffordern. J. F. Schmidt bearbeitete Gozzis Turandot als: Hermanide oder die Rätsel. Ein altfränkisches Märàien (Ì777). Wie sich schon ,07 108

Vgl. Vorrede zu S. A. W. F. Schirmer: Antike, Renaissance und Puritanismus, S. 63.

192 aus dem Titel ergibt, stilisierte Schmidt seine Ubersetzung der Dichtung, die selbst einen ostasiatischen Stoff in der Beleuchtung des italienischen Rokoko gibt, ins Bardisch-Druidische. 409 Bürger plante eine jambische Übersetzung Homers, ebenfalls im Zeitgeschmack des bardisch-teutschen Tones, um so „den Leser in den süßen Wahn zu versetzen, daß Homer ein alter Deutscher gewesen und seine Ilias deutsch gesungen habe." Dagegen liegen rein dekorative Absichten vor, wenn Hugo von Hofmannsthal und Graf Keßler ein Ballet machen: Joseph in Ägypten [Joseph bei Potiphar] und zwar in Kostümen und im Geist des Paul Veronese. 410 In der bildenden Kunst zeigt N. A. Abildgaard (1743—1809), der dänische Vertreter des Klassizismus, das Stilphänomen, als er Ossian klassizistisch illustrierte, und J . Chr. Ruhl (1764 bis 1842), als er in seiner Darstellung der Hauptszenen aus Ossian „eine Übertragung des griechischen Geistes auf die schöne Heldenzeit der Hochländer" g a b (160), Es ist aber keine selbständige Entwicklung des Stilphänomens zu nennen, sondern es liegt einfache Nachahmung der mittelalterlichen Malerei vor, wenn die Nazarener und später etwa Eduard oon Gebhardt biblische Szenen mit mittelalterlichem Lokalkolorit malen. Die einzigen Künstler, so weit ich zu sehen vermag, die geschaffen haben, w a s nach Wert und Fülle ernsthaft mit der Behandlung des Stilphänomens bei Morris zu vergleichen ist, sind D. G. Rossetti, E. Burne-Jones und Aubrey Beardsley. Rossetti war der erste, der das präraffaelitische D o g m a truth verriet. 411 Der Historismus, den die präraffaelitische Bewegung anfangs vertrat, war dem ahistorischen Menschen künstlich aufg e p f r o p f t worden. Schon aus seiner ganz frühen Zeit hören wir: "noteworthy is the total absence of a n y feeling for Vgl. Conrad Höfer in Einleitung zu Schillers sämtlichen Werken, herausgegeben von O. Günther und G. Witkowski, Leipzig. 410 Vgl. Richard Strauß' Briefwechsel mit H. von Hofmannsthal, Berlin, Wien, Leipzig, 1926. Brief vom 23. 6. 1912. 411 Vgl. Kapitel II.

Phot.:

Graf,

T a f e l III

Berlin

König C o p h e t u a und die Bettlerin Aus:

Tlu- W o r k

of E. B u r n t ' - J o n e s , L o n d o n 1900.

193 costume." 412 Und bald erklärte er historische, ethnographische, lokalkoloristische Treue überhaupt für etwas ganz Unkünstlerisches. Wesentlich sei allein Intensität des Gefühls und dekorative Schönheit. Aus dieser gleichgültigen, j a ablehnenden Haltung gegenüber dem Historischen wird es verständlich, daß Rossetti niemals so vom Mediaevalismus besessen werden, aber auch niemals die Antike so ablehnen konnte, wie Morris. Seine Darstellung der Antike ist deshalb auch nicht konsequent mediaevalistisch. Mediaevalisierte Antike findet sich nur in den Werken der fünfziger Jahre, als der Zeit seiner stärksten Mittelalterlichkeit. Es ist aber nicht so sehr der fast mystische Zwang, unter dem Morris stand, nämlich alles zu Gestaltende aus dem einen, mittelalterlichen Gedanken entwickeln zu müssen, als daß vielmehr der Mangel an dekorativer Schönheit in der Antike empfunden und Rossetti deshalb zu der seltsamen Mediaevalisierung veranlaßt wurde. Das wird besonders deutlich an zweien seiner Bilder: Mary ai the Door of Simon,* 13 eine Federzeichnung von 1856, ist ausgesprochen antikisierend. D a s ziemlich genau nach dieser Studie ausgeführte Aquarell von 1859 (161) (Federzeichnung 1858) erreicht aber durch reiche Brokatmusterung, Stickereien, gepuffte und geschlitzte lange Ärmel und Strümpfe, mittelalterliche Haartracht und Kopfschmuck, Andeutungen mittelalterlicher Architektur nun einen völlig mittelalterlich-präraffaelitischen Eindruck und eine viel stärkere dekorative Wirkung. Nicht so überaschend ist es, wenn für biblische Szenen mittelalterliches Kolorit verwendet wird (162), und in The Seed of David (1856) David als König in Panzer und buntgesticktem Waffenrock, einen Kronreif tragend, auftritt, oder die Parabel vom Weinberg M vollkommen in mittelalterlicher Auffassung vorgetragen wird. 4 l a W. M. Rossetti: D. G. Rossetti, bis Family letters and memorials with memoir. 413 F. Martin Wood: Drawings by D. G. Rossetti. 414 Kartons f ü r Glasfenster.

Küster, Morris

15

194 in dieselbe Reihe gehört audi noch eine Verkündigung (1861 bis 1862) (163), die eine Maria im Rosenhag gibt. Die Madonna ist ein spätmittelalterlicher Bürgerfrauentypus. (Vgl. dagegen Ecce Ancilla Domini, wo orientalisches Kolorit zu schaffen versucht wurde!) Ferner Dantes Vision of Rachel and Leah (Zeichnung 1855).*15 Auch dieses Thema wird mittelalterlich gegeben in Kostüm und Umwelt, die, wie Marillier betont "is of a typically English and most un-Oriental character." In der Bleistiftzeichnung Aspecta Medusa (1860—61) kündigt sich dann bereits das Verlassen der Mediaevalisierung an. Die Arbeit ist weder antikisierend noch mittelalterlich, sondern zeitlos im Eindruck. Die letzte und größte Darstellung der Antike mit mediaevalistischem Einschlag ist Cassandra (164). Besonders eigenartig an der Komposition ist, daß die Mediaevalisierung nur im Bildhintergrund durchgeführt ist. Die Kriegerköpfe am vorderen Bildrand sind ganz klassizistisch, ebenso ist Hektor, die Hauptfigur in der vorderen Bildebene, in Gewand und Gestik empfunden. Cassandra, die in die Bildtiefe hineinführt, ist in einem zeitlosen Gewand. In Typus und Bewegung läßt sich kaum etwas Antikisierendes entdecken. Die Gruppe im Hintergrund: "Helen is arming Paris in a leisurely way on a sofa,"*1' ist dagegen ganz als mediaevalisierende Genreszene aufgefaßt, allerdings weniger im Kostüm, als in der Bewegungshaltung. Hinter dem Liebespaar stehen Priamos und Hekuba, durch den Kronreif als mittelalterlicher König und Königin gekennzeichnet. Ebenso ist Andromache mittelalterlich aufgefaßt. Parallel zur Bildebene läuft eine Backsteinmauer, über der man die Köpfe mittelalterlich Gewappneter sieht, die zwischen dieser und einer zinnengekrönten zweiten Mauer vorbeiziehen. Links oben über die Bastion ragen zwei Steinschleuder (The ramparts are lined with engines for casting stones on the besiegers).'17 416 4,6 417

H. C. Marillier, 1. c„ pg. 67. From a letter of Rossetti, Marillier, 1. c., pg. 108. ibid.

195 Das Bild Helen of Troy (1863, Replik 1864) (165) stellt eine weibliche Halbfigur dar, „eine florentinische Schönheit" nach dem Ausspruch Swinburnes. Für das brennende Troja im Hintergrund wird nun aber keine mittelalterliche Phantasiestadt mehr aufgebaut, sondern Rossetti versucht sogar orientalisches Lokal zu geben (166). Für die Jahre 1863 bis 1868 nennt W. M. Rossetti noch weitere antike Bildmotive: Andromeda, Socrates taught to dance by Aspasia, The Return of Tibull to Delia, Orpheus and Eurydike (1869). Es ist anzunehmen, daß audi für diese Themen kein Zurückgreifen auf die mediaevalisierende Darstellungsweise versucht wurde und sie wie "The Return of Tibull to Delia" 418 antikisierend in der Auffassung und im Beiwerk gegeben wurden (167). In den Pandora- und Proserpma-Bildern (seit 1869 bzw. 1871, seitdem Repliken) Dis Manibus, Astarie Syriaca, Paetus and Arria (1872, Bleist.-Zeichnung) wird die mediaevalisierende Auffassung schließlich ganz abgelegt. Es läßt sich also seit Anfang der 60er Jahre deutlich eine Tendenz feststellen, die von der mittelalterlichen Auffassung fortführt, und die Ansicht, daß das mediaevalistische Kolorit der Ballade Troy Town (1869) (168) immer überschätzt ist, findet auch noch dadurch eine Bestätigung, daß die die Ballade illustrierende Tuschskizze von 1870 (169), soweit man nach dem Vorhandenen urteilen kann, ebenfalls durchaus keine Interpretation im mittelalterlichen Sinn zuläßt. Das einzig Mittelalterliche an Troy Toron wie an Eden Boroer ist der Titel und das Balladenmetrum. Die Gedichte Cassandra, Proserpina, Pandora — "dealing in no very classical spirit with a classical subject" — zeigen andererseits auch keine mediaevalistische Einfärbung. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß bei Rossetti die Mediaevalisierung, die außer auf die Antike auch auf biblische Stoffe ausgedehnt wird, nur in einzelnen Fällen hervortritt und nur für eine Zeit von ungefähr 10 Jahren. Mit der tlberwin418

Mariliier, 1. c., pg. 48. 13*

196 dung des Mediaevalismus in seiner Kunst gibt Rossetti audi die Mediaevalisierung der Antike auf. Die Entwicklung des Phänomens ermöglichte die ahistorische Einstellung des Künstlers, sowie das Streben nach größter dekorativer Schönheit, die Rossetti in den 50er Jahren nur durch Farben und Formen des Mittelalters erreichen zu können glaubte. Eine wechselseitige Durchdringung von Antike und Mittelalter und die Heraufführung einer neuen Form, wie bei Morris, wurden durchaus nicht erreicht. Die mediaevalisierte Antike ist als artistisches Experiment empfunden und Experiment geblieben. Die künstlerischen Beziehungen zwischen Morris und BurneJones sind noch nicht kritisch untersucht worden. Man kann nur aus dem biographischen Material schließen, daß Morris der Führer und Anreger in dieser lebenslänglichen Freundschaft und beispiellosen Zusammenarbeit war. ,Mit der Freundschaft von Morris hat alles erst für mich begonnen," bekannte Burne-Jones einmal. Wie für den Freund, ist auch für Burne-Jones' Leben und Werk der Mediaevalismus die beherrschende Kraft geworden, aber man empfindet den Mediaevalismus des Malers nicht als so bedingungslos, als eine Urkraft, die, wie bei Morris, nur den einen einzigen Weg, in das germanische Mittelalter gehen konnte. In jeder anderen, der Mystik und dem Traum zugewandten Zeit, hätte er sich ebenso erfüllen können. Im Gegensatz zu Morris bekam sein Mediaevalismus eine italienische Färbung; die mystisch-spiritualistische Seite wurde betont, und Morris* Heidentum setzte er positive anglikanische Religiosität entgegen. Das präraffaelitische Dogma von 1850 lehnte Burne-Jones vielleicht noch entschiedener ab, als Rossetti und Morris. "Transcripts from Nature, what do I want with transcripts? I prefer her own signature; I don't want forgeries more or less skilful." — "I mean by a picture a beautiful romantic dream of something that never was, never will be — in a light better than any light that ever shone — in a land no-one can define or remember, only desire and the forms divinely beautiful."

197 Die Verneinung des historischen Realismus, die Sehnsucht nach Überzeitlichkeit und dekorativer Schönheit, die in diesen berühmten Sätzen enthalten ist, bildet die psychologische Voraussetzung f ü r eine Entwicklung des Stilphänomens, das in seiner Grundform wohl durch Morris an Burne-Jones herangetragen ist, das aber dann die selbständige Gestaltung des Malers erfuhr und — ein Problem, das noch nicht näher untersucht ist — wahrscheinlich seinerseits wieder auf L. D. J. und mehr noch auf E. P. eingewirkt hat. Bei der Fülle von Beispielen mediaevalisierter Antike, die sich über das ganze Oeuvre verteilen, kann eine erschöpfende Aufführung nicht unternommen werden. Die Behandlung biblischer oder hagiographischer Themen der Urchristenzeit im mittelalterlichen Sinn ist nun schon selbstverständlich geworden. Es seien d a f ü r genannt The Building of the Tempel (1882)"» und der St. Georgszyklus (1865- 66). Die Hauptmasse der Darstellungen mediaevalisierter Antike bilden dann die Illustrationen zu E. P., die, da das Projekt der illustrierten E. P.-Ausgabe schließlich aufgegeben werden mußte, als Ölbilder oder Aquarelle ausgeführt wurden. Es sind die Zyklen Cupido und Psydie 1865 bzw. 1867 (E. P.: The Story of Cupid and Psyche), Pygmalion 1869—79 (E. P.: Pygmalion and the Image) und Perseus 1877—93 (E. P.: The Doom of King Acrisius) (170). Außerhalb dieser Zyklen stehen dann Die Hesperiden 1870—73, Der Spiegel der Venus 1875, Das Peleusfest 1872—81 und König Cophetua und die Bettlerin 1880—84 (171). Das Stadium der S. F. T. hat Burne-Jones, soweit man nach den zugänglich gewordenen Werken urteilen kann, nicht durchschritten. Seine mediaevalisierte Antike zeigt niemals die Bizarrerien und das schroffe Gegeneinander von Mittelalter und Antike, wie das Frühwerk von Morris und gelegentlich sogar noch L. D. J. und E. P. In den Arbeiten, mit denen er hervortrat, ist gleich das Amalgam gebildet und das Land "no 119 480

Trinity Church, Boston, vgl. Malcolm Bell, 1. c., pg. 101. G. Burne-Jones, 1. c. II, pg. 145.

198 one Can define or remember" ist, ohne einen Irrweg zu gehen, g e f u n d e n . Bewußt arbeitet der Künstler a n der Auflockerung der Stilkonturen u n d a n der Bildung einer überzeitlichen Atmosphäre. " H e designed m a n y pieces [of armour] himself" berichtet L a d y Burne-Jones "in order to l i f t them out of association w i t h a n y historical time" 4 2 0 (für die Perseusserie). Es scheint deshalb unberechtigt, w e n n Malcolm Bell urteilt: "His classical figures, w i t h their surroundings, are such as C h a u c e r imaged them, his T r o y is t h a t of D a r e s Phrygius a n d Dictys Cretensis, not of Homer a n d Virgil" u n d in Bezug auf das Peleusfest zu dem Vergleich k o m m t : "these are the h a l f P a g a n , half-Christianized deities of Chaucer, D a n C u p i d o a n d his mother Saint Venus." 4 8 1 D a s sind sie eben nicht! Die Götter u n d H e l d e n bei BurneJones h a b e n nichts gemein mit der h y b r i d e n mittelalterlichen A u f f a s s u n g , die wir a u s Antikenbildteppichen u n d Klassikerilluminationen k e n n e n . Burne-Jones will ebenso wenig wie Morris Stilimitationen geben. D i e Mediaevalisierung ist vielmehr das souveräne Stilmittel, „schöne, romantische T r ä u m e " , Uberzeitlichkeit, T r a u m s t i m m u n g u n d vor allem dekorative Schönheit zu schaffen. Seine mediaevalisierten Antikenbilder sind keine Übertragung Chaucerscher, sondern Morrisscher Verse. Unlösbar sind sie mit Morris' Dichtungen v e r b u n d e n , denen sie aber nichts hinzufügen, d e n e n sie n u r von ihrer sinnlichen K r a f t u n d Frische u n d Realität nehmen k ö n n e n . So widerspruchsvoll es klingt: der Maler löst mit seinen I n t e r p r e t a t i o n e n die starke Bildhaftigkeit der Morrisschen Verse vielmehr a u f , entkörperlicht sie. Seine Bilder sind m e h r erlebt als gesehen. D a s Stilphänomen, bei einer Beherrschung, die d e r j e n i g e n bei Morris e b e n b ü r t i g ist, w i r d noch romantischer, noch verschliffener b e h a n d e l t u n d seine dekorativen Möglichkeiten jetzt erst ganz ausgewertet. Die G e f a h r des Manierismus, die der Dichter vor allem durch sein ganz starkes N a t u r g e f ü h l ü b e r w u n d e n hatte, ist in BurneJones' Bildern, die i m m e r I n t e r i e u r k u n s t sind u n d die — u m 421

Malcolm Bell: Ed. Burne-Jones, London 1898, pg. 92/93.

199 ein geistvolles Wort von Rudolf Kassner zu gebrauchen — „ n u r M e t a p h e r n von Bergen u n d B ä u m e n geben", nicht vermieden. U n t e r den Nachfolgern von B u r n e - J o n e s gibt noch Strudmick d a s Beispiel einer transponierten A n t i k e n d a r s t e l l u n g : "when a s u b j e c t from classic m y t h , such as Marsyas a n d Apollo, a t t r a c t s the artist, the rendering is such as one might expect f r o m a n Italian of the quattro-cento."*" G a n z manieristisch u n d ganz dekorativ wird das Stilphänom e n schließlich von Aubrey Beardsley, der auch von BurneJones herkommt, behandelt. La Beale Isoud at Joyous Gard"m w a n d e l t in langem, pfauenaugenbesticktem Schleppengewand, ein Fichu u m das Dekollete u n d mit riesenhafter, ornamental behandelter Rokokoperücke durch einen präraffaelitischen, mittelalterlichen Garten. O d e r ein antikes Fäunchen stelzt, die S y r i n x blasend, über eine Wiese, die von einer Mauer mit Zinn e n k r a n z abgeschlossen wird, u n d das Ganze i3t d a n n eine Kapitelvignette von Malorys spätmittelalterlichem Morte D a r t h u r . D e r ursprüngliche Sinn des Stilphänomens w i r d von Beardsley ganz in sein Gegenteil verkehrt. Es ist n u n das Verlangen des D e k a d e n t nach neuen, unerhörten ästhetischen Erlebnissen, das, w a s ein berühmter Vers der neunziger J a h r e den Schrei "for m a d d e r music a n d for stronger wiiie"" 4 nannte, die diabolische F r e u d e am Bürgerschreck, w e n n der Maler seine a n t i k e n Het ä r e n in pariser Toiletten der 90er J a h r e steckt (Salome, Lysistrata, Messalinazyklus) oder Isolde, einen Riesenhut mit Mohnb l ü t e n auf dem Kopf, den Liebestrank trinkt, und Rokokomöbel, japanische Dekoration den Wirbel der Zeiten u n d Stile noch bunter und toller machen. Mit Beardsley f i n d e t die V e r w e n d u n g des Stilphänomens, das n u n seine Gefährlichkeit ganz enthüllt hat, den vorläufigen Abschluß. Wie w i r sahen, ist die Stilform: eine zweite Zeit durch das Med i u m einer dritten historischen Zeit zu geben, eine fast aus123 M3 ,!l

Percy H. Bate: The English Pre-Raphaelite Painters. Illustration für Malorys Morte Darthure bei S. M. Dent & Co. Ernest Dowson: Non sum qualis eram bonae sub regno Cynarae.

200 schließlich präraffaelitische Angelegenheit. Der Grund dieser auffälligen Tatsache mag darin liegen, daß die im wesentlichen dekorativen Künstler von den dekorativen Möglichkeiten, die in den Stilmischungen und Transponierungen lagen, besonders angezogen wurden. Das Stilphänomen organisch zu entwickeln und es zum Ausdruck anderer als bloß formaler Werte zu machen, gelang nur einmal ganz: unter den exzeptionellen Bedingungen der Kunst von William Morris.

ANMERKUNGEN, EXKURSE, INDEX, LITERATUR-VERZEICHNIS.

203

ANMERKUNGEN. Bei der Zitierung von J. Mackail, The Life of William Morris, lag die bequeme einbändige Taschenausgabe von 1922 zugrunde. (1) Vgl. z. B. Stopford Brooke: Four Poets, pg. 186: "He fled away from the dull world around him, beset as it was with the questions of the understanding only; and fled farther away with horror, from the world outside Oxford, where material aims and material ugliness were wickedly despotic. He refused to live in this decay, shut his eyes to the ugliness among which he lived, felt too much life in him, to endure the exhaustion of passion and beauty whidi characterized society,... flung off his shoulders, with a grim laugh, the whole atmosphere of the time, and went, as if it were round the corner, to live, and move, and have his being in the thirteenth and fourteenth centuries", und Edinburgh Review 1897: " . . . Morris' uncompromising pessimism, which could see nothing to sympathize with in modern life." (2) Oliver Elton: A Survey of English Literature 1830—1880, Bd. II, pg. 47. "There is nothing esoteric about him. He cannot think of art as in a corner, severed from the people... Art and life to him are almost conterminous, but not at the expense of life." (3) Morris: Art under Plutocracy. Coll. Works, Bd. XXIII, pg. 165. "The first kind [Intellectual Art) addresses itself wholly to our mental needs; the things made by it serve no other purpose but to feed the mind, and, as far as material needs go, might be done without altogether. — The second [Decorative Art], though so mudi of it as is art does also appeal to the mind, is always but a part of things which are intended primarily for the service of the body." Morris gebraucht also den Terminus: dekorative Kunst in umfassenderem Sinn als sonst üblich, und in dieser Erweiterung ist er in den folgenden Ausführungen auch verwendet. (4) Nur die Firma Gillow fertigte noch Möbel in diesen Stilformen an. (5) H. W. Franke: Das Artifizielle in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts, pg. 6. L'ennui: „Uberempfindlichkeit, Steigerung der Vorstellungskraft, die Ablehnung der bestehenden Gesell-

204 schaft und ihrer sittlidien Ordnung... die Analyse seiner selbst, die Selbstzersetzung . . . " (6) A. Clutton Brock, 1. c., pg. 14: "Now many men before him had denounced the evils of their day; but he was the first to be turned into a prophet by aesthetic discontent, and the fact he was so turned was one of a great significance." (7) Das ist einer der Gründe, warum wir in Deutschland kaum einen Mediaevalismus in der bildenden Kunst haben, außer bei den sehr eklektischen Nazarenern (deren stärkstes Talent, Peter Cornelius, in den Klassizismus einmündete). Von Schinkels zahlreichen gotischen Entwürfen — es wird erinnert an die als Siegesdenkmal auf dem Leipziger Platz oder Spittelmarkt in Berlin geplante gotische Kathedrale, das Mausoleum für Königin Luise (vgl. Aus Schinkels Nachlaß, 3. Bd., A. v. Wolzogen) — wurde nichts ausgeführt. Mit der Reaktion setzte auch bald eine klassizistische Strömung gegen die Neugotik englischer Observanz ein. Erst die Spätromantik, in Schwind und Ludwig Richter, hat stärkere mediaevalistisdie Tendenzen; vgl. a. H. Schmitz, Die Gotik im deutschen Kunst- und Geistesleben. (8) "Romanticism, then, in the sense in which I shall commonly employ the word, means the reproduction in modern art and literature of the life and thought of the Middle Ages." Beers, I. c. I, Introd. (9) "But for him, then and always, the word architecture bore an immense and one might almost say a transcendental meaning." Mackail. 1. c. I, pg. 81. (10) Ygl. a. The Hall, Trinity College, um 1609; Wadham Coll. 1610—13; Oriel Coll. 1620 bzw. 1637; Jesus Coll. 1621 etc. (11) Meist war es wohl „weniger". Eastlakes Urteil über Wrensche Gotik ist recht abfällig. Es sei die Gelegenheit benützt, um auszusprechen, daß mit diesen Ausführungen über Gotik und Neogotik in England keinerlei Werturteil abgegeben werden soll. Hier ist nur die historische Entwicklung wesentlich. (12) In Schottland, dessen Geistesleben in höchstem Maße national gebunden ist, „ist es nicht verwunderlich, daß sich in breiten Kreisen des schottischen Volkes audi ein ursprüngliches, innigeres Verständnis wachhielt für die mittelalterliche Architektur, die von der Atmosphäre des historischen Geschehens umweht ist." Haferkorn, Gotik und Ruine, S. 27. (13) Smollet, der sich sonst sehr ablehnend gegen die Gotik verhält, findet ungewöhnlich warme Töne dafür: "The duke of Argyll has an old castle at Inverary, where he resides when he is in Scotland, and hard by is the shell of a noble Gothic palace, built

205 by the last duke, which, when finished, will be a great ornament to this part of the Highlands. S., Humphrey Clinker, Taudinitz, S. 277. (14) Der Autor erfand z. B. fünf „gotische Ordnungen". (15) Schon seit dem siebzehnten Jahrhundert hatte man sich übrigens archäologisch f ü r die Gotik interessiert. 1655—73 erschien Dodsworth and Dugdales Aufnahmewerk "Monasticon Anglicanum"; 1658 Dugdales "History of St. Paul's Cathedral"; 1683 begann Lord Clarendon seine "History and Antiquities of Winchester Cathedral". (16) Illustrationen geben die Titelkupfer der Collect. Letters, ed. P. Cunningham. Am bezeichnendsten f ü r das bizarre Formgefühl Walpoles ist wohl die Gartenbank (Bd. IX), die mit ihrem wilden Muschelwerk beinahe der Phantasie eines Möbelzeidiners von 1860 entsprungen sein könnte. (17) Walpole nahm auch dies seiner Zeit vorweg: la maladie du XIXe siècle: Ennui; vgl. W. to Chute, 20. August 1743: "I literally seem to have murdered a man whose name was Ennui, for his ghost is ever before me." (18) . . . wie Pugin das später in seinem schroffen Gotizismus getan hat. (19) Eine fatale Berühmtheit unter diesen Bauten, die durch Walpole angeregt waren, erwarb sidi Fonthill Abbey, die James Wyatt f ü r William Beckford baute (1796 bis etwa 1826). Der riesige, oktanguläre Turm, der die ganze großartige Anlage beherrschte, stürzte zweimal ein. Die Baukosten betrugen über 273 000 Pfund. (20) Selbst diese Palladine des Klassizismus bauten zuweilen gotisch, vgl. Wilton Castle, Yorkshire; Off ley Place, Hertfordshire, von Smirke (Eastlake, 1. c., pg. 79). Ebenso bauten die Brüder Adam, die feinsinnigsten und genialsten Klassizisten, gotische Landhäuser. (21) Vgl. z. B. "Recollections of A. N. W. Pugin and his Father Augustus Pugin", by Benjamin Ferrey, pg. 422. (22) Pugin war Gotiker bis in die kleinsten Alltagsdinge hinein. Natürlich baute er sich ein gotisches Haus, das aber so genau nach dem Kanon puginesker Gotik und so unwohnlich gebaut war, daß er es nicht vermieten konnte, als er es aufgeben mußte (vgl. dagegen S. 11 unten). (23) Z. B. eine katholische Stadt im Jahre 1440 und 1840: die reichen gotischen Kirchen und Kapellen sind — die häßlich und materialistisch gewordene Welt! — durch Gaswerk, Gefängnis, Irrenhaus oder die Betsäle der Denominationen ersetzt. Die Häuser sind, um ein Wort von Morris zu gebrauchen, "square boxes with a slate lid". Statt des feinen Gitterwerks der Kirchtürme ragen rauchende Schornsteine empor.

206 (24) " . . . it is the only form of faithful, strong, enduring, and honourable building." Stones of Venice, vol. II. (25) Vgl. a. D. N. B., London, 1909, vol. XXII, Supplement, pg. 1192 oben: R u s k i n : "It is not reported that he received with unmixed gratitude the homage of a disciple who spent most of his time in traversing the country with his own letters for delivery by foot, in order to discountenance the accursed railway-system." (26) Wie lange diese moralisierende Kunstauffassung Ruskins nachgewirkt hat, zeigt, daß Van de Velde 1925 nodi erklärt, die Möglichkeit einer Wiedergeburt der Architektur und des Kunstgewerbes einzig auf der Ebene der Moral zu sehen. Vgl. Wasmuths Monatshefte für Baukunst, 1925, H. 12, S. 522. (2?) Nachdrucke seiner Werke 1687, 1721, 1737. Kritische Ausgabe von Tyrrwhitt 1775—78. (28) Es ist interessant zu vergleichen, wie ähnliche Einflüsse bei Warton und 100 Jahre später bei Morris aufgenommen und umgesetzt wurden. "Warton's biographers track his passion for antiquity to the impression left upon his mind by a visit to Windsor Castle when he was a boy. He used to spend his summers in wandering through abbeys and cathedrals. He kept notes of his observations... The Bodleian Library was one of his h a u n t s . . . he delighted in illuminated manuscripts and black - letter folios." Beers, 1. c. I, pg. 204. (29) Nachgedruckt 1778 als "The Old English Baron". (30) Vgl. a. Coll. Works, Bd. XXII, pg. XVI. "I should like to say here that I yield to no one, not even Ruskin, in my love and admiration for Scott." (31) Bezeichnend ist, daß Burne-Jones von der Kathedralenreise in Frankreich, die er mit Morris machte, schreibt: "We took a volume of Keats with us, and no other book." Mackail, 1. c. I, pg. 74. (32) Vgl. Achim von Arnims Auffassung von historischer Dichtung in den Kronen Wächtern: . . . „denn wo sich der Geist verkörpert, da verdunkelt er sich auch. Es gab aber zu allen Zeiten eine Heimlichkeit der Welt, mehr wert als alles, was in der Geschichte laut geworden ist, und diese macht die Dichtung offenbar, die damit in einem tieferen Sinn die Geschichte erst zur Wahrheit läutert." (33) Coleridge war in "The Rime of the Ancient Mariner" und "Christabel" allerdings vorangegangen. Aber C. als Exponenten des Mediaevalismus aufzuführen, konnten wir uns nicht entschließen. Dazu ist der Beitrag, den er geben konnte, zu schmal, und sind die Konturen seines Mediaevalismus zu wenig deutlich. (34) Um Overbeck geschart, schloß man sich hier zur St. Lukas-

207 bruderschaft zusammen, sagte dem akademischen Manierismus den Kampf an und setzte an Stelle des rein malerischen Prinzips das inhaltliche. Man wollte „Herz, Seele, Empfindung" (vgl. Brief von Overbeds, 27. 4. 1808). Die Farbe verliert ihren Eigenwert und bekommt symbolische Bedeutung. Die Sujets sucht man vornehmlich in der glanzvollsten Epoche nationaler Vergangenheit, im Mittelalter. Es ist aber falsch, diese Künstler in Analogie „die deutschen Präraffaeliten" zu nennen. Sie sind vielmehr ausgesprochene Raffaeliten, wenn auch Raffaels Vorläufer sie beeinflußt haben. (35) Keats an seinen Bruder Georg, 31. XII. 1818: " . . . I looked over a Book of Prints taken from the fresco of the Church at Milan,... in it are comprised Specimens of the first and second age of art in Italy. I do not think I ever had a greater treat out of Shakespeare... But Grotesque to a curious pitch — yet still making up a fine whole, — even finer to me than more accomplish'd works, — a s t h e r e w a s l e f t s o m u c h r o o m f o r I m a g i n e t i o n." Letters of John Keats, ed. by Sidney Colvin, London, 1891. (36) Vgl. Holman Hunt, "Pre-Raphaelitism and the P. R. B.": "Millais und ich beurteilen den zeitgenössischen Gotizismus als einen tödlichen Meltau auf der schönen Blüte des fortschreitenden Geschmacks. Rossetti verwirrte Mittelalterlidikeit mit Präraffaelismus." (37) Spirituell ist hier im weiteren Sinn als dem christlich-religiösen gefaßt. Es ist auch Mystik, Symbolismus, irdische und himmlische Minne. (38) Die Standardbiographie schrieb John W. Mackail: The Life of William Morris. Sie wird ergänzt durch die Einleitungen, die Miss May Morris jedem Band der von ihr herausgegebenen Collected Works voranstellt. Ausführliche Darstellungen findet man audi bei: E. L. Cary, A. Clutton Brods, John Drinkwater, Eugen Frey, Holbrook Jackson, Alfred Noyes, A. Compton Rickett, H. Halliday Sparling, Aymer Vallance. Betreffs weiterer Morris-Literatur vgl. das Literaturverzeichnis. (39) Für genaue bibliographische Angaben wird auf die Coli. Works verwiesen. (40) Eigentlich Morris, Marshall, Faulkner and Co. In dieser Form wurde sie 1875 aufgelöst, und Morris wurde alleiniger Leiter und Inhaber der Firma. (41) The Lovers of Gudrun, die 18. Erzählung. The Fostering of Aslaug, die 20. Erzählung. (42) Bei der Untersuchung von Morris' Stellung zum Mittelalter konnten die Grenzen dieses Kulturkomplexes nicht auf Grund des

208 Standes heutiger Forschung gezogen werden. Sie mußten vielmehr so weit gesteckt werden, wie Morris sie gesehen hat, für den etwa der Zeitraum vom achten bis zum fünfzehnten Jahrhundert „Mittelalter" bedeutete. (43) Vgl. Anmerkung 10. (44) Morris fühlte sich diesem Werke so verpflichtet, daß es als eines der ersten Bücher (Nr. 4) in der Keimscott Presse nachgedruckt wurde. (45) Auch wenn, wie Lady Burne-Jones in Übereinstimmung mit Mackail berichtet, Fouques Werke zur Lieblingslektüre des oxforder Freundeskreises gehörten. (46) Die Muse des Nordens ist: "Mother and Love and Sister all in one." (47) "It [Sigurd the Volsung] is the central work of my father's l i f e . . . that, first and l a s t . . . he held most highly and wished to be remembered by." Coll. Works, Bd. XII, pg. XXIII. (48) Vgl. Morris' Stellungnahme zum Historismus, Kap. XI. (49) Das war im Rahmen seiner Zeit allerdings kein ungewöhnlicher Gedanke: vgl. die monastische Einstellung der Gemeinschaft von Littlemore, Streets, der Brüder von St. Isidoro. (50) Wir haben ein wundervolles Zeugnis davon, was ihm Rouen bedeutet hat: "Less than forty years ago I first saw the city of Rouen, then still in its outward aspect a piece of the Middle Ages: no words can tell you how its mingled beauty, history and romance took hold on me, I can only say, that looking back on my past life, I find it was the greatest pleasure I have ever had." (51) " . . . I really have had more sympathy with the North from the first in spite of all the faults of its work. Let me confess and be hanged: with the later work of Southern Europe I am quite out of sympathy. In spite of its magnificent power and energy I feel it as an enemy; and this much more in Italy, where there is such a mass of it, than elsewhere. Yes, and even in these magnificent and wonderful towns I long rather for the heap of grey stones with a grey roof that we call a house north-away." Mackail, 1. c. I, pg. 381. (52) "If any man has any poetry in him, he should paint, for it has all been said and written, and they have scarcely begun to paint it." (Rossetti.) (53) "From the earliest days my father had an intimate knowledge of French and English mediaeval painted manuscripts, knowing the finest books in the Bodleian and the British Museum as though they belonged to him. Indeed, he would say laughing that they d i d

209 belong to him, because he enjoyed them so." Coll. Works, Bd. IX, pg. XVIII. (54) Ein großer Teil davon ging nach seinem Tode in die Pierpont Morgan Bibliothek, New York, über. Vgl. H. H. Sparling, 1. c., pg. 9. (55) "Dependent as his work seemed upon the past, he seemed also to begin everything a n e w . . . " A. Noyes, pg. 142. (56) Vgl. dasselbe Bild: Gediditfragment, Coll. Works, Bd. XXI, pg. XXV: "I held within my mouth lodes of my long lank hair," und Bd. XXIV, pg. 68: "The strong west wind that drove the summer hay, Driving my hair too all about my face." (57) Audi die kunstgewerblichen Arbeiten. Man vergleidie z. B. seine frühen und seine späten Flachmuster. (58) Vgl. etwa Keats: The Eve of St. Marc. (59) Es ist das, was seinen malerischen Ausdruck etwa bei Hieronymus Bosch gefunden hat. (60) Audi das ist bezeichnend f ü r die dekorative Grundeinstellung. Die dritte Dimension ist Morris immer verschlossen geblieben. Die Menschen und Tiergestalten seiner Teppiche und Tapeten und Cretonnes ließ er sich von Burne-Jones, Philip Webb oder Charles F. Murray zeichnen. Sein Bedeutendstes leistete Morris im Fladimuster. (61) " . . . the scheme and details were the joint invention of the two." Madcail I, pg. 143. (62) Erbaut 1859/60, vgl. die Abb. in Mackail, 1. c. (63) Erbaut 1835/36. Vgl. die Abb. in Ferrey, 1. c. (64) Vgl. als eine ähnliche Erscheinung etwa den jetzigen dänischen Neoklassizismus. (65) Morris war nicht der geistige Gründer: "Ford Madox Brown being probably the first to suggest the actual idea of an establishment for the sale of products made under the new conditions." H. Jackson, 1. c„ pg. 77. (66) Die Mitglieder waren: Creswick, Dyce, Maclise, Mulready, Bell, Westmacott. (67) Morris äußerte sich sehr scharf über die Gothic Revival: "We think that those last fifty years of knowledge and attention have done more for their destruction than all the foregoing centuries of revolution, violence and contempt." Mackail, 1. c. I, pg. 353. (68) Durch die Initiative von Morris wurde die Society for Protection of Ancient Buildings gegründet (1877). (69) "Every body that made anything made a work of art besides a useful piece of goods." 14 Kiister, Morris

210 (70) Es ist bezeichnend für diese Einstellung, daß z. B. in "The Water of the Wondrous Isles" Birdalone aus dem Kreis ihrer ritterlidien Freunde in die Stadt geht, sich in die Stickerzunft aufnehmen läßt und jahrelang dort, wie eine große Künstlerin geehrt, lebt. (71) Eigentlich des vierten Standes, aber Bürger, Bauern und Arbeiter sind bis zur französischen Revolution nicht getrennt. (72) Vgl. dasselbe Verhalten gegenüber Malerei und Plastik. (73) Nach dem Erscheinen von "The House of the Wolfings" richtete ein deutscher Archäologe die Anfrage an Morris, welche, dem Frager unbekannte Quellen, er dafür benutzt habe. Er müsse ihnen eine bewundernswerte und nicht genug zu rühmende Fülle und Genauigkeit zuschreiben. H. H. Sparling, 1. c., pg. 50. (74) "He lives absolutely without the need of man or woman." Madtail, 1. c. II, pg. 367. (75) Symbolhaft ist der Kampf dieser beiden Mächte in Walter Paters wundervoller Erzählung: Denys l'Auxerrois dargestellt. (In Imaginary Portraits, Coll. Works, Bd. IV.) (76) Das C. T. enthält keine repräsentativen Stücke. "The Latin Poems commonly attributed to Walter Mapes" waren aber bereits 1841 von Thomas Wright veröffentlicht. (77) Wie z. B. in "The Story of the Glittering Plain" sich die Frauen Hallblithe nähern (vgl. Coll. Works, Bd. XIV, pg. 254), scheu und lächelnd und mit dem unverhüllten Ausdrude ihrer Gefühle, erinnert zwingend an Gauguins oder Stevensons Darstellungen primitiver Liebesszenen. (78) Vgl. auch die Ehe, die Birdalone (W. W. I.) eingeht: eine Göttin, die sich einem Gott vermählt. (79) Aber Morris hatte nichts mit den "Simple Lifers" Tolstoischer Richtung gemein, die in den achtziger und neunziger Jahren in England auftraten. Vgl. Coli. Works, Bd. XXII, pg. XXIV. (80) Vgl. Rossettis Bild: Francesca da Rimini. (81) In der ersten Fassung des Prologs zu E. P. finden sich schon diese Verse (Coli. Works, Bd. XXIV, pg. 89): " . . . therein were images As of Diana, b u r d - a l o n e , Trim-shod, with dainty naked knees." (82) Bei Rossetti, der kein Verhältnis zur Natur hatte, findet sich selbstverständlich gar nichts davon. (83) Vgl. etwa: Ritter Kurts Brautfahrt, Karlsruhe, Badische Kunsthalle. (84) Vgl. z. B. seine Flachmuster: To his mind there was no pleasure to be got out of ornament i n w h i c h w a s n o m e m o r y o f

211 m e a d o w o r w o o d o r g a r d e n . (Lewis F. Day, t h e Contemp o r a r y Rev., 1903); vgl. a. sein Haus, das ausdrücklich in Beziehung zur Landschaft gesetzt war. (85) Maurice Hewlett zeigt sich in " T h e Forest Lovers", 1898, stark von Morris' pleinairistisdiem Mittelalter beeinflußt, ohne indessen auch n u r a n n ä h e r n d die zwingende W a h r h e i t der Atmosphäre, das Ineinander-versdilungen-sein von Mensch u n d Natur, erreicht zu haben. D i e N a t u r bleibt hier Kulisse f ü r Menschen des neunzehnten Jahrhunderts, die von einem bewußt ironisierenden Autor als mittelalterliche Ritter und F r ä u l e i n verkleidet sind. Von Malory (Fehr) oder La Belle D a m e Sans Merci (Beers) scheint uns der Dichter gleich weit e n t f e r n t zu sein. (86) "Without beauty, however, decoration has no reason for existence, indeed it can h a r d l y be said to exist." Walter C r a n e in "Arts and C r a f t s Essays". (87) Vgl. K. I: Was versteht Morris u n t e r d e k o r a t i v e r Kunst. (88) Vgl. seine Stellung zur Malerei. (89) Damit ist sein W a p p e n gemeint, wie: Two Red Roses across the Moon. (90) Vgl. a. sein Bild: La Belle Iseult und die Behandlung des Dekorativen. (91) "These tales [Prosaromanzen] belong to t h e 'lesser decorative arts'; in each of t h e m t h e whole can be j u d g e d f r o m almost a n y p a r t of it. T h e y a r e pattern." Oliver Elton, 1. c. II, pg. 48. (92) Aber er w a r kein so sentimentaler Romantiker, daß er die Maschine ü b e r h a u p t verneint hätte (wie Ruskin). "His objection to machinery, again, was thoroughly practical, not being to machinery in itself but t h e evil use m a d e of i t . . . Here also, his attitude was determined b y q u a l i t y o f w o r k . " H. H. Sparling, 1. c., pg. 41. (93) Vgl. e t w a : „Wenn einmal kommt nach h u n d e r t J a h r e n — Ein Luftschiff hoch mit G r i e c h e n w e i n " . . . (94) Auch Julius Riegels Arbeit, von der Morris mit Respekt a b e r auch mit der Ironie des Künstlers spricht, der lächelnd zusieht, wie man sich müht, seine Werkstattgeheimnisse aufzuspüren, hat durchaus nicht die Quellen, die Morris benützt hat, angegeben. Nur die Provenienz der einzelnen Motive vermochte er nachzuweisen. Vgl. dazu H. H. Sparling, 1. c., pg. 97: . . ."in identifying their quellen, Dr. Riegel has b y no means always identified t h e place or shape in which Morris found them." (95) Homer ist dem Mittelalter nicht u n b e k a n n t gewesen. Es existierte die gekürzte Fassung des sogenannten P i n d a r u s Thebanus. (96) O s k a r Sommer schreibt in der Einleitung zu Caxtons " T h e Recuyell of t h e Historyes of Troye", pg. XL: " T h e MS Digby 232 14*

212 in the Bodleian Library, Oxford, to conclude from its elaborate get-up and the miniatures, appears to be the presentation copy." Es ist sehr gut möglidi, daß Morris bei seinem eingehenden Studium (vgl. Kap. III) der Manuskripte in der Bodleiana dieses Manuskript gekannt und von den Miniaturen in manchen Einzelzügen seiner Dichtung beeinflußt ist. In den Einführungsbemerkungen zu Bd. IX der Coli. Works, pg. XVIII findet sich eine Bekräftigung dieser Annahme. May Morris schreibt: "This intimate feeling for the manuscripts often reveals itself in his literary work. Sometimes, when he has a town to describe in one of the poems, one is tempted to say that the visualization of it is made up of three elements: of the poet's vision, of the memory of places actually seen, and of the picture of them by the mediaeval artist, who draws Troy-town with fortified walls and steep-roofed houses where ladies cluster at arched windows and mailed knights ride through the city gates." (97) Doch gehen in der Renaissance beide Auffassungen von der Antike, die mittelalterliche und die humanistische nebeneinander her. (98) Vgl. zu folg. Betty Kurth: „Die deutschen Bildteppiche im Mittelalter", und dtt.: „Gotische Bildteppiche aus Frankreich und Flandern". — Im Galerentroman des Dichters Renant wird ein großer Teppich beschrieben, auf dem der Raub der Helena dargestellt war. — Anseis de Carthago schildert in seinem Chanson de Geste einen Teppich und die Segel eines Schiffes mit Darstellungen aus der trojanischen Sage. — In der „Cröne" Heinrich von Türlins wird zu einem großen Fest am Artushof „ein köstlich Laken, mit dem man den ganzen Saal behängen konnte", geschickt. Dargestellt waren Szenen aus dem trojanischen Krieg. „Da was von golde geworht an, Wie von Kriechen entran Von Paris vrouwe Helena Ouch war geworht anderswä Wie Troie zerüeret lac..." Sogar in die Kirche drang im Gefolge festlicher Anlässe die Antike ein. In einer Speierischen Chronik im Archiv zu Karlsruhe, vermutlich 1435 bei der Zusammenkunft Kaiser Friedrichs III. mit Herzog Karl dem Kühnen in Trier abgefaßt, findet sich dieser Bericht: „Item der römische Keyser und der hertzog von Borgundien stunden by einander in der kirchen... in dem core was uffgehangen das lijden und der gantz passion Christi, da waren auch thucher der hystorien Troyana gar kostlich gewirckt." (99) Ein Bildteppich in S. Maurice (vgl. Carl Meyer: Der griechische Mythus in den Kunstwerken des Mittelalters) gibt Darstellungen der Oedipussage in einer „bürgerlich-familiären Auffassung". Laios

213 wird von Oedipus mit einer Lanze vom Pferd gestochen (in der antiken Uberlieferung erschlägt Oedipus seinen Vater mit dem Wanderstab). (100) Nadi den Kartons des Malers Baudouin de Bailleul im Atelier des Robert Dary und Jean de l'Ortie zu Tournai. (101) Burne-Jones, der selber ein Triptydion mit einer Predella, die die Geschichte Trojas darstellen sollte, zu malen beabsichtigte, hatte sie ausführen sollen. G. Burne-Jones, 1. c. I, pg. 308. (102) Vgl. wie die Argo immer "with shielded bulwarks" (L. D. J.) in See geht, (103) Solche Szenen hatte Morris auf dem Bayeuxteppich sehen können. (104) Bei Caxton nimmt der eigentliche Inhalt der Ilias nur die Hälfte des dritten Buches (i. G. 3 B.) ein, bei Lydgate sind B. I und II Vorgeschichte, B. III Iliasstoff, B. IV und V Trojas Fall. (105) Sie ist in den Exzerpten aus der Chrestomathie des Proklos erhalten. Als ihr Verfasser gilt Lesdies. 106. Sie wird Arktinos zugeschrieben. Vgl. Carl Robert: Bild und Lied, Exkurs. (107) Ein späterer Epiker (um 350), der sein T& fied' " O p p o v nicht mit Benutzung der Epen des Kyklos, sondern nur der mythologischen Schulbücher über den Stoff, schrieb. Vgl. Lübker, Reallexikon des klassischen Altertums. (108) Diese englischen Versionen sind (vgl. Sommer, 1. c., Tafel): Josephus Iscanus, "De Bello Troiano" libri sex. "Seege (Batayle) of Troye" (3 MSS). William Caxton's "Recuyell". Shakespeare's "Troilus and Cressida". Chaucer, "Troilus and Criseyde". "The Gest Hystoriale of the Destruction of Troye" (1 MS). Barbour Fragments (2 MSS). Version of MS Laud 595, Bodleian Library. John Lydgate's "Troy-Book". Prose Version of the "Rawl Misc. D. 82". (109) Lydgate, 1. c. II, Vers 4677 ffg. "And ouermore, to teilen of Cryseyde, Mi penne stumbleth, for longe or he deyde My maister Chaucer dide his dilligence To discryve the gret excellence Of hir bewte, and that so maisterly, To take on me it were but highe f o l y . .

214 (109a) Lydgate, 1. c. II. Vers 4108 ffg. "And after that, Parys fro Tenedoun Shapeth hym to lede hir in-to Troye; And Priamus mette hem on the weye Ful ryally, as faste as he may hye, With many a lord in his companye, Ful many lady freshe & wel be-seyn, And many mayde that riden hem ageyn — First estatis and after comwneris. Now had Parys alle his prisoneris Set be-forn in ordre tweyn & tweyne, And he rood next with the quene Eleyne, And Dephebus vp-on the tother syde, And his knyghtes enviroun dide ride; But nexte hym rood the worthi Eneas And the Troyan, callid Pollidamas, His meyne swyng edie in his degre So gentilmanly, that Joye it was to se — Edie from other kepyng a certeyn space. And furthe thei ride but a soft [e] pace, Til that the kyng hem mette sodeynly, And hem receyveth ful solempnely, As he best coude, & goodly toke the reyne In-to his hond of the quene Eleyne, And hir conueyeth furthe to his cite. Gret was the pres that abood to se, Of sondri folke, that shove fast and croude; The shrille trumpettis wern y-reised loude — Yp to the skye goth the blisful sown Whan al this peple entreth in the toun — And many a-nother divers instrument, That al to-forn in at the gatis went, In sondry wyse that made melodie, That to heren the heuenly armonye Be musik toudiid vp-on string & corde, So euen in on & iustly thei acorde, It wold an hert rauisdie in-to Joye. And whan thei wern entred in-to Troye, Amyd his paleys kyng Priamus a-light, And anoon, as fast as euere he myght, In-to a diambre, riche & wel be-seye, The quene Eleyne in hast he doth conueye..."

215 Vgl. Lydgate, 1. c. II, Vers 4108 ffg., mit S. F. T., pg. 28: " . . . the merry days are gone When 'twixt the sunny houses and the sun You rode with Helen through the streets of Troy." (110) Bei Lydgate ist die Reihenfolge: Hector, Paris, Deiphobus, Helenus, Troilus (I. c. II, 236 ffg.). Morris widerspricht sich audi, wenn er Paris einmal den dritten Lord nennt (S. F. T., pg. 34) und Troilus: Priam's youngest son (S. F. T., pg. 24). (111) "Mother Venus": vgl. Spenser, Fairie Queene, cant. X, 5, 4. (112) Hawberk: "a sleeved outer coat of mail." (113) Wambeson (gambison, wambasium etc.): "a padded and quilted body garment of leather, canvas, silk, worn indifferently beneath — or less frequently above the armour." (N. E. D.) (114) Von starker demonstrativer Wirkung sind die Abbildungen, die Gerhard Rodenwaldt gibt (Das Relief bei den Griechen und Römern). Er konfrontiert einen antiken Gewappneten: Grabstele des Aristion, 6. Jahrhundert, und einen mittelalterlichen Ritter: Grabstein des Konrad von Schaumburg, 1499. (115) Auf den Bildteppichen von Bayard und Issoire und den Zeichnungen der Westminsterteppiche ist das Amazonenheer beritten, aber die Reiterinnen sitzen in Schleppkleidern und mit den spitzen burgundischen hennins zu Pferde. (116) "Belonging to the time ere I was bought By Arthur's great name and his little love..." D. o. G., Coll. Works, Bd. I, pg. 5. (117) " . . . take note, How almost all men, reading that sad siege, Hold for the Trojans; as I did at least, Thought Hector the best knight a long way. —" Sir Peter Harpdon's End, Coll. Works, Bd. I, pg. 43. (118) Vgl. denselben Vers in L. D. J.: "If thou wert Jason, I were Jove to-day." L. D. J., B. II, V. 847. (119) Man erinnere sich an das Gebet der Rapunzel: "Give me a kiss, Dear God, dwelling up in heaven! Also, Send me a true knight, Lord Christ, with a steel sword, bright..." Coll. Works, Bd. I, pg. 68. (120) Achilles Liebe zu Polyxena ist überhaupt erst in hellenistischer Zeit erfunden. (121) Allerdings ist in Senecas T r o a d e s die Opferung Polyxenas am Grabe des Achill als eine Vermählung im Tode dargestellt.

216 (Polyxena miseranda, quam tradi sibi cineremque Adiilles ante mactari suum, campo maritus ut sit Elysio, iubet.) Es führt nicht weiter, wenn man weiß, daß die Darstellung des Mythus zum ersten Mal in der bildenden Kunst, und zwar auf einem Marmorrelief im Museum zu Madrid sich findet. (Hübner, Antike Bildwerke in Madrid, pg. 148. 292.) P., in langem Chiton, Uber den der Brautsdlleier geworfen ist, legt die Hand beteuernd auf die Brust und wendet das Gesicht dem Achill zu. Dieser, in kurzer Chlamys, blickt P. an. In der linken Hand hält er eine Rolle, die als Ehevertrag gedeutet wird (vgl. Otto Jahn i. Arch. Zeitg. 1869, pg. 1 ffg.). Es ist unmöglich, daß Morris dieses Relief kannte, das überdies 1869 zum ersten Mal gedeutet und, wie Jahn vermutet, als Motiv aus unbekannter hellenistischer Dichtung geholt wurde. (122) Im Kommissionsverlag bei Bell and Daldy, 1867. (123) Der Jasonroman war vermutlich 1456 beendet (vgl. O. Sommer, 1. c., pg. LXXVIII). Le Fèvre kompilierte ihn nach seiner eigenen Angabe aus "plusieurs livres", von denen eines mit Wahrscheinlichkeit Guidos Historia Trojana gewesen ist. (124) Caxton, der das «liure de Jason» oder «Histoire de la Conquête de la Toison d'Or» übersetzte, schreibt in seinem Prolog dazu: "And also the sayde boke shulde haue ben to grete if he had sett the saide historié in his boke." (125) (Philipp der Gute]: "The whiche hath ben in all his time enclined and of grete affeccion to here and see red the auncient histories. I And to here told the faytes of the worthy and noble somtyme flourisshing in vertues in valyauce and prudence for his singuler passetemps." E. E. T. S., Extra Series, No. CXI, 3. (126) In Bezug auf die Länge dieses und der meisten anderen Zitate muß das Wort von Burne-Jones zur Erklärung angeführt werden: "You cannot find short quotations in him, he must be taken in great gulps." G. Burne-Jones, 1. c. I, pg. 265. (127) Das Vorbild f ü r diese Schilderung muß Old London Bridge (erbaut im 12. Jahrhundert von Peter of Colechurch, vgl. Englisches Reallexikon, C. Klöpper) gegeben haben. L. Br. war in ihrer ganzen Länge mit mehrstöckigen Häusern bebaut. In der Mitte stand eine Kapelle des Hl. Thomas von Canterbury. (128) Dieses oft beanstandete Detail findet sich noch einmal in E. P.: The Story of Cupid and Psyche: "Upon that day when for my birth men sung And o'er the feasting folk the sweet bells rung," sagt Psyche. (129) Dasselbe vgl. L. D. J, XIV, 693: "Down in a valley they could see the gleam

217 Of brazen pillars and fair-gilded vanes," und E. P., The Story of Cupid and Psyche. "And swung round from the east the gilded v a n e s . . . " . . vane and pinnacle Rose up, of some great house"... (130) Es ist nicht unmöglich, daß Morris zu diesem grotesken Zug wieder durch einige Abbildungen bei Jubinal angeregt wurde. Auf einigen Bildteppichen (Beauvais) sind verschiedene französische Städte mit ihren sogenannten antiken Gründern (Dardanus, Jasus, Beigus, Paris) dargestellt. Besonders das Stadtbild von Paris zeichnet sich in ganz auffälliger Weise aus durch eine Unmenge sehr großer Wetterfahnen, die auf jeder sich bietenden Spitze angebracht sind. (131) The famus knyghtes arme hem in that place, And some of hem gan ful streite lace Her doublettis made of lyne cloth, And dide on firste, aftir her desires, Sabatouns, grevis, cusschewis, & voideris — A peire breke, aldirfirst, of maille..." Lydgate, 1. c. B. III, 43 ffg. (132) Die Verse bei Morris heißen: "Then through the gates one with a lion's fell Hung o'er his shoulders, on a huge grey steed Came riding, with his fair Phoenician weed Glittering from underneath the tawny hair, Who loosely in his dreadful hand did bear A club of unknown wood, bound round with brass, And underneath his curled black hair did pass A golden circlet o'erwrought cunningly With running b e a s t s . . . " — L. D. J. Ill, pg. 234. Man vergleiche sie mit den Versen der Knighte's Tale, 1271 ffg., die manche Ähnlichkeiten im Stofflichen zeigen und anregend gewirkt haben mögen; andererseits wieder besonders treffend den Unterschied zeigen zwischen dem massiven Realismus des mittelalterlichen Dichters und dem modernen Künstler, der auf den scharfen Kontur verzichtet und nur durch Suggestionen: "Then through the gates one with a lion's f e l l . . . . . . on a huge grey steed Came r i d i n g . . . " mittelalterlich-ritterliche Atmosphäre schafft: "Ligurge him-self, the grete king of Trace; Blak was his berd, and manly was his face.

218 In-stede of cote-armure over his harnays, With nayles yelwe and brighte as any gold, He hadde a beres skin, col-blak, for-old, His longe heer was kembd bihinde his bak, As any ravenes fether it shon for-blak: A wrethe of gold arm-greet, of huge wighte. Upon his heed, set ful of stones brighte, Of fyne rubies and of dyamaunts." (133) Allerdings nur bestimmte Handwerkergruppen, aber auch die Dioskuren. Zur antiken Reiseausrüstung gehörte der JiBTdQoc;, eine Tatsadie, die Morris sidier geläufig war. Doch wird die groteske Form des griechischen Reisehutes seinem poetisch-dekorativen Formenkanon nidit entsprochen haben. (134) Ursprünglich hatte Burne-Jones die Dichtung illustrieren sollen, ein Plan, der nidit ausgeführt werden konnte. Das ganze Jasonmanuskript hindurdi sind die zu illustrierenden Szenen den ausgewählten Versen gegenüber auf der Rückseite des vorhergehenden Blattes aufnotiert. (135) Vgl. MS des Jasonromans No. 331 früher 6953, Bibl. Nat., Paris. — Eine reichhaltige Sammlung mittelalterlicher Antikendarstellungen ist auch MS 606 Bibl. Nat., Paris, Epître d'Othéa à Hector von Christine de Pisan. "Pallas la déesse" steht wie eine Hl. Katharina mit dem Schwert da. Bacchus thront wie Gottvater auf seinem Himmelssitz. Ceres, in mittelalterlicher Tracht, steht in den Wolken und sat aus einem Saatleinen Körner auf die Äcker. (136) In "The Wood beyond the World" wird das direkt ausgesprochen: "Clad she was for the greenwood as the hunting-goddess of the Gentiles, with her green gown gathered unto her girdle, and sandals on her feet, a bow in her hand and a quiver at her back..." Coll. Works, Bd. XVII, pg. 283 ffg. — Wie das Mittelalter sich eigentlich eine Diana vorstellte, zeigt ein illuminiertes Blatt in Les Échecs amoureux (Bibl. Nat., Paris) vgl. Durrieu: «La Miniature Flamande», wo "dyane" in einem langen, faltigen Gewand, das die Gestalt ganz verhüllt, erscheint. Sie ist in einen Schnürleib gepreßt und trägt um die Taille einen festen Gürtel, in dem die Pfeile stecken. Auf dem Kopf hat sie einen phantastischen Putz, der an die burgundischen Hauben erinnert. (137) Artemis, design by W. M. for one of the figures in the Red House dining-room embroidered hangings. Coll. Works, Bd. IX. (138) Die koischen Seidengewänder der Antike. Auf die tarentinischen Schleierkleider scheint hingedeutet (E. P., Cupid and Psyche): "And round the dance were gathered damsels fair Clad in rich robes adorned with jewels rare, Or little hidden by some w o v e n m i s t."

219 (139) Z. B. die Brygossdiale mit dem Tanz einer Hetäre (Hartwig, Meistersdialen, Taf. 35) war in London. (140) Dass. vgl. E. P.: The Love of Alcestis. pg. 91. "And let me put mine hand in thine and swear To serve thee faithfully a changing year." (141) Bei diesem Zitat kann wieder auf Lydgate verwiesen werden, dessen Verse vielleicht Z. 110 angeregt haben mögen. Jason sagt zu Aetes: "But for al this, w h e t h e r I w y n n e o r l e s e , Or life or dethe be fyn of my l a b o u r . . . " Lydgate, 1. c. I, 1432. Auch Gower gibt eine ganz ähnliche Fassung: "But Jason wolde him noght esmaie, And seide, "Of every worldes cure Fortune stand in aventure, Per a u n t e r wel, per a u n t e r wo: Bot hou as evere that it go It shal be with myn hond a s s a i e d . . . " Gower, Confessio Amantis, v. 3348 ff. (142) Die antiken Quellen für die Glaukeepisode sind nicht zahlreich (Apoll. 1, 9, 28; Diod. 4, 54; Hygin f. 25; Myth. Vat. 1, 25; Paus. 2, 3, 6; Tzetz L. 175 13/8; Athen, 13, 556c, 560d; Eurip. Medea, Sdiol. 19) und außerdem ganz kurz gehalten. Sie geben kaum die Hauptziige von Morris' Idylle. Diodor ist etwas ausführlicher, wenn er die Brandszene beschreibt; Euripides erwähnt nur die Episode, nennt aber nicht einmal den Namen der Glauke. (143) Vgl. a. E. P.: The Ring given to Venus, wo der Teufel der Führer des vorüberziehenden Zugs von Göttern und Menschen ist. (144) Eine Parallelstelle zu dieser kleinen Szene bei Morris findet sich z. B. im Roman des Chariton I, 1, 7; VIII, 8, 15, wo auch die Füße des Aphroditebildes geküßt werden. (Allerdings ist das mehr frühchristliche Gebärde, vgl. Sittl, 1. c„ pg. 181.) (145) "The Medea of Apollonius Rhodius is at the beginning of medieaval p o e t r y . . . " Ker, Epic and Romance. (146) "Medea is not the queen of a court of love, who takes Jason's devotion as a conventional homage; she is a modern woman, surrendering all to her love and putting her fortunes in her lover's hands, with her eyes fully open to the risks which she willingly runs. In this respect, Morris comes nearer to classical antiquity than to his medieval model." Swinburne: Essays and Studies, pg. 110. (147) Die Vagantenlieder haben vereinzelt das Motiv des Mignontums.

220 (148) Ker hat darauf in Epic and Romance hingewiesen: " . . . the true romantic interest is very unequally distributed over the works of the Middle Ages, and there is least of it in the authors who are most representative of the 'age of diivalry'. Ker, 1. c., pg. 399. (149) W. S. Blunt schreibt von Morris: "As to the last he does not b e l i e v e . . . I think, in any future life. But he is not a pessimist, and thinks mankind the 'crown of things'." My Diaries, vol. I, pg. 149. (150) Vgl. a. L. D. J. VIII, 293 (Apoll, Rhod., Argon. Ill, 1375—76); L. D. J. IX, 401; L. D. J. XI, 261; L. D. J. XVII, 321; L. D. J. XI, 261. (151) Typisch f ü r die raffinierte Grausamkeit des späten Mittelalters ist es, daß z. B. bei Le Fevre Medea den Töchtern des Pelias befiehlt, dem Vater, der vom Zaubertrank eingeschläfert ist, sdiwere Wunden beizubringen, und ihn dann wieder aufweckt, um mit ihren Radieworten seine Qualen nodi zu vergrößern. (152) Die Urzelle des E. P. ist in St. Brendan's Fahrt Aurea) zu suchen.

(Legenda

(153) Richtig Rhodopis. Morris wurde erst zu spät auf den Irrtum Lemprieres aufmerksam. Ein ähnlicher Fall liegt übrigens auch in L. D. J. vor. Die eine der Töchter des Pelias ersdieint dort als Eradne, während Roscher und Pauly-Wissowa nur eine Euadne angeben. (154) Caxton übertrug seine Eneydos aus dem französischen «Luire des eneydes». Es ist möglidi, daß Morris davon bei seiner Titelgebung angeregt wurde. (155) "Morris took all the pains he could, short of writing a preface, which was a thing he scorned to do, to emphasize the fact that he approached Virgil from this romantic or medieval side." Mackail, 1. c. I, 332. (156) Mit Ausnahme von A. Noyes in seiner Monographie: William Morris, London, 1908. (157) Vgl. dagegen etwa: Drinkwater: x = 0 , A Night of the Trojan War, London, 1926. (158) In diesem Zusammenhang sei auf eine Tagebuchnotiz bei W. S. Blunt, 1. c. I, pg. 229, hingewiesen. "We had a long discussion", schreibt Blunt, "whether the love of beauty was natural or acquired". "As for me," he (Morris) said, "I have it naturally, for neither, my father, nor my mother, nor any of my relations had the least idea of it. I remember as a boy going into Canterbury Cathedral and thinking that the gates of heaven had been opened to me, also when I first saw an illuminated manuscript. These first pleasures which I discovered for myself were stronger than anything else I have had in life."

221 (159) Cockerell in seinen biographischen Notizen schreibt: "Whatever study he undertook was interesting only or mainly for the light it threw on history." Coll. Works, Bd. XXII, pg. XXX. (160) Ich entnehme den Hinweis auf Ruhl: Klaus Graf von Baudissin, „Georg August Wallis", Heidelberg, 1924, 7. Beil.: Ossian in der bildenden Kunst. Eine Durchsicht des Illustrationsmaterials würde vielleicht noch mehrere klassizistische Behandlungen des gälischen Stoffes zutage fördern. (161) 1857/58 entstanden auch S. F. T. Es ist also nicht zu entscheiden, ob Rossetti oder Morris die Priorität in der Mediaevalisierung der Antike zukommt. (162) Sogar Holman Hunt gibt dann gelegentlich seinen absoluten Verismus auf. In den Kartons für Glasfenster: Christ Blessing Little Children 1862 ist das umringende Volk mittelalterlich gegeben. Auf dem Karton: The Archangels Uriel and Michael trägt Uriel eine mittelalterliche Rüstung. (163) Vgl. H. C. Marillier: D. G. Rossetti, an ill. Memorial of his Art and Life. London 1904. Zeichnung für eine Predigtkanzel. Die Autorschaft ist nidit unbestritten. (164) Federzeichnung 1861, übergangen 1869. Leider ist für mich nicht feststellbar, welchen Zustand ich beschreibe. (Abb. bei H. C. Marillier.) (165) Hamburg, Kunsthalle. Das einzige Bild Rossettis in Deutschland. (166) "Would you give Baker the photograph of Old-Cairo — or pictures which represent general views of cities. I want to use them in painting Troy at the back of my Helen." Rossetti, Family Letters II, pg. 173. (167) Allerdings findet sich auch hier noch ein mittelalterliches Requisit, der bauchige Spiegel, wie wir ihn etwa von Van Eycks Bild des Arnolfini und seiner Gattin kennen. Rossetti hatte einen solchen Spiegel in seinem Haus in Cheyne Walk hängen. (168) 21. IX. 1869. "I wrote some more poetry and one Ballad, which is my best thing, I think — Troy Town." Rossetti, Family Letters II, pg. 220. (169) H. C. Marillier, 1. c.: "Above the altar on which stands the image of the goddess, Venus and Cupid are seen peeping down from behind a veil at the lovely suppliant." (170) Im ganzen wurden mehr als 100 Zeichnungen — geplant waren 500 — von Burne-Jones für E. P. gemacht, davon allein 46 Bleistiftzeichnungen zu Cupido und Psyche (Universitätsgalerie Oxford).

222 (171) Cophetua ist, wie der Kommentar zu Tennyson von Morton Luce angibt, ein mythischer afrikanischer (ägyptischer?) König (vgl. a. E. Th. A. Hoffmann: „Prinzessin Brambilla", wo er als Gründer Trojas genannt wird). Burne-Jones scheint sich dieses mythisch-afrikanischen Hintergrundes wohl bewußt zu sein — die Architektur seines Bildes trägt Hieroglypheninschriften —, aber dann wird doch wieder ein schwermütiger mittelalterlicher Ritter in schimmernder Rüstung aus dem afrikanischen König. Auf der minstrels' gallery stehen mittelalterlich gekleidete Knaben, die aus einem Buch mit mittelalterlicher Notenschrift singen (vgl. Abb.). — Die Mediaevalisierung ist hier aber nicht so überraschend, weil schon die Volksballade die Geschichte von Cophetua und der Bettlerin assimiliert hatte, und Tennyson ebenfalls dem Stoff etwas Mittelalterlich-Romantisches gegeben hatte. Sogar noch in neuester Zeit hat sich John Drinkwater in "Cophetua" (1911) der mittelalterlich-balladesken Atmosphäre, die sich um das Motiv verdichtet hat, nicht entziehen können.

223

EXKURS I. In der Tagebuchnotiz vom 26. I. 1887 (vgl. oben S. 79) ist ein Besuch im South Kensington Museum, das einen der Trojabildteppiche angekauft hatte, geschildert. Morris schreibt: "I chuckled to think that properly speaking it was bought for me, since scarcely anybody will care a damn for it." Im C a t a l o g u e of T a p e s t r i e s (1924) des Victoria and Albert Museums wird dieser Teppich folgendermaßen beschrieben: "On the left, Queen Penthesilea comes to join the Trojan forces against the Greeks; she is accompanied by her Amazon warriors, and kneels before King Priam at the gate of Troy. The next scene shows the Queen and her warriors in the battle; Diomedes is thrown to the ground, while his horse is led away by an Amazon; behind him A j a x son of Telamon attacks the Queen with his uplifted sword; in the background, the Greeks are hard pressed by the Trojan warriors, led by Polydamas and "Philimenes". The third scene represents the arming of the youthful Pyrrhus with the armour of his father Achilles; he stands at the entrance of a tent, with A j a x son of Telamon on one side, and Agamemnon on the other." (Vgl. pg. 25 ffg., pl. X und XI.) Der Teppich war ursprünglich im Besitz des Chevalier de Bayard. Er kam im 19. Jahrhundert in die Bibliothèque Nationale in Paris, wurde aber nach dem Brand des Treppenhauses, 1869, den Erben des Stifters zurückgegeben. In liebenswürdigster Weise machte Mr. Eric Maclagan, C. B. E., Verfasserin auf eine Abhandlung von H. C. Marillier im Burlington Magazine, Januar 1925, aufmerksam. Die Ausführungen sind für die Geschichte der Trojateppiche von besonderem Interesse und bekräftigen auch die Tatsache, daß Morris intuitiv die große Bedeutung des Trojamotivs in der Bildweberei erkannt hat.

224 Auf einer Auktion bei Sotheby, 1924, kam eine Kollektion von Zeichnungen zum Vorschein, die um 1800 nach den Teppichen (letztes Viertel 15. Jahrhundert) des Painted Chamber in Westminster gemacht waren. Sie stellten dar: T h e G r e a t H i s t o r y o f T r o y . Leider sind sie seit etwa 1825 verschollen. Morris würde aufs höchste von ihnen entzückt gewesen sein, denn sie sind eine reiche Fundgrube für die Kenntnis mittelalterlichen Lebens, ein Blick in intimes 15. Jahrhundert, der den Historiker wie den Künstler außerordentlich fesseln mußte. Das Victoria and Albert Museum besitjt nun acht getönte Originalskizzen des Louvre, nach denen die großen Kartons für die Weber angefertigt worden sind. Sie scheinen die mehr oder weniger genau befolgte Vorlage für die meisten großen Trojateppiche, von denen man weiß, gewesen zu sein, denn die Zeichnungen nach den Westminster-Teppichen (jetzt im Victoria and Albert Museum) korrespondieren in drei Fällen mit den Louvreskizzen, der Bayardteppich mit der sechsten Skizze, ein Trojateppich der Kathedrale von Zamora mit der achten, ein anderer (Sammlung Schuwaloff) mit der siebenten. Einige der hervorragendsten Trojateppiche, wahrscheinlich von Pasquier Grenier in Tournai gewebt, jetzt in Issoire (früher Aulhac) korrespondieren ebenfalls mit einigen der Louvreskizzen, gehen aber auch, wie die Westminster-Teppiche, darüber hinaus. Wichtig ist nun zu wissen, was Morris von diesen Teppichen gekannt hat. Der Ankauf des Bayardteppichs erfolgte zwar erst 1887, aber bis 1869 schmückte er das Treppenhaus der Bibliothèque Nationale in Paris, und dort muß Morris ihn bei seinen verschiedenen pariser Aufenthalten gesehen haben. Unbedingt vorauszusetzen ist ferner die Kenntnis von Achille Jubinal: Les Anciennes Tapisseries Historiées, einem großen Tafelwerk, das bereits 1838 in Paris erschienen war und das neben anderen, für mittelalterliche Interna sehr wertvollen historischen Teppichen (darunter der Berner Cäsarteppich), sowohl den Bayard- wie den Issoire-Teppich abbildet. Auf Tafel 1 des letzteren findet sich nun eine Darstellung, die in

225 ihrer Anordnung mit großer Wahrscheinlichkeit Sc. II der S. F. T. beeinflußt haben muß (vgl. oben S. 93 und Tafel II). Ebenso liegt es nahe, daß Tafel 4 des Issoireteppichs (vgl. Anmerkung 130) ihm bei der Einführung eines frappanten Details vor Augen gestanden hat. Da Issoire bzw. Aulhac in der Auvergne liegen, die Morris nicht bereist hat, und er somit nicht durch Autopsie zu der Kenntnis dieses Teppichs kommen konnte, ist die Vorlage des Jubinalschen Werkes so gut wie sichergestellt. Nodi ein anderer Umstand gesellt sich dazu. In der angezogenen Brief stelle, (vgl. unten, S. 90ffg.) Mackail I, 173, hieß es: "We talked h a r d . . . how Penthesilea came to be tenderly dealt with in ancient tales and t a p e s t r i e s." Der Bayardteppich (vgl. Cat. of Tap.) wie der Issoireteppich behandeln gerade dieses Motiv mit liebevoller Ausführlichkeit. Wie eine Jeanne d'Arc sitzt «la reine Penhtesilee» zu Pferde. (Issoire Taf. 5, Bayard Taf. 2, Westminsterskizze B.) Andere Penthesileateppiche wie diese beiden (resp. die jetzt zu Tage gekommenen Zeichnungen nach den Westminsterteppichen) sind aber nicht bekannt.

EXKURS 2. (Vgl. Rosdier: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, und Iwan Müller: Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft.

Nach der Odyssee (VIII, 517 ffg.) eilte Menelaos mit Odysseus zum Haus des Deiphobos, der, als Paris erschlagen war, Helenas Gatte geworden war, und tötete dort den Priamiden nach schwerem Kampf. Quintus Smyrnaeus (13, 354 ffg.) stellt es so dar, daß Menelaos den im Rausch des Siegesfestes Entschlafenen auf dem Lager Helenas tötet und dann furchtbar verstümmelt (Dictys 5, 12 und Aeneis 6, 494 ffg.). Helena ist geflohen und hat sich in einem Winkel des Palastes versteckt. Als Menelaos die Zitternde findet und sie mit dem Schwert bedrohen will, muß er, überwältigt von ihrer Schönheit, die Waffe sinken lassen (Quintus Smyrnaeus 13, 385). Küster. Monis

15

226 In ähnlichem Sinn hat Ibykos die Begegnung gestaltet. Helena flieht in den Tempel der Aphrodite (oder Athena) und spricht von dort mit Menelaos, der, aufs neue entflammt, das Schwert wegwirft. Bei Pausanias (Kypseloslade) wird der Moment der Bedrohung durch das Schwert gegeben. Am abstoßendsten schildert Virgil: Helena, die sich bei den Siegern einschmeicheln will, ruft selbst den Menelaos ins Haus des Deiphobos. Das weitere Sdbicksal Helenas ist schon in der Iliupersis des Proklos angegeben. Nach der Ermordung des Deiphobos wird die Griechin zu den Schiffen hinabgeführt. Ubereinstimmend haben Lydgates T r o y b o o k und Caxtons R e c u y e l l die Version, daß Helena gleich bei dem Waffenstillstand, als die Griechen den Abzug versprechen, ihrem früheren Gatten ausgeliefert wird: "But to conclude with, the quene Elayne, Duri(n)ge the trete, vp-on the same day Delyured was to kyng Menelay." (Lydgate, 1. c., 6162—64.) "The kynge pryant delyuered helayne to menelaus her husbond and prayd hym and other kynges and prynces of grece that they wold pardone helayne wyth oute suffryng to be doon to her ony Iniurye or hurte." (Caxton, 1. c., S. 664 Z. 21—25.) Ebenso halten sich die Vasenbilder (vgl. Overbeck, Die Bildwerke zum thebischen und troischen Sagenkreis), von denen Morris einige im Britischen Museum sehen konnte (Nr. 510 Sammlung Durand, Nr. 877 Sammlung Hamilton, Nr. 807 Sammlung Canino), in ihren Darstellungen an die literarische Tradition, entweder im Sinne des Arktinos: Menelaos mit gezogenem Schwert Helena als Kriegsgefangene fortführend, oder im Sinne Lesches, den Umschlag des Gefühls schildernd. EXKURS 3. Wenn die Gottheiten nicht selbsthandelnd hervortreten, werden sie meist gegeben, wie die Antike den Typus ausgebildet hatte, und zwar zeigt Morris dann ganz überraschende mytho-

227 graphische Detailkenntnisse. Z. B. findet sich in L. D. J., Bd. VI, 426, die Beschreibung zweier Götterstatuen: " . . . two great images set up before The brazen doors; whereof the one was She, Who draws this way and that the fitful sea; The other the great God, the Life of man, Who makes the brown earth green, the green earth wan, From spring to autumn, through quick following days, The lovely archer with his crown of rays." E. Maxwell in seinen Noten zu L. D. J. gibt an, daß sich im British Museum ein Apollo (Helios?) mit einer Strahlenkrone befindet. Mit größerer Wahrscheinlichkeit wird aber eine Stelle bei Pausanias für die Verse herangezogen sein, wofür besonders die auffallende Zusammenstellung von Helios und Selene spricht, die sich hier wie dort findet; Pausanias: YI, 24, 5: ¿fspcoih fee 'HXtcp TTETioirycai xat XtXtivtj Xtöou rä äyäXfiaza, xal TR|c; |uev xepata ¿x r f ^ xecpaXife TOU fee ai dxrtveq (ivexouöw. (Es ist charakteristisch, daß Morris nur die Attribute des Helios übernommen hat. Der Dichter hat gar kein Interesse daran, Kultsymbolik zu geben, und die Hörner der Selene paßten nicht in seinen Schönheitskanon.) Nahe bei der oben zitierten Stelle findet sich bei Pausanias die Schilderung eines Aphroditetempels in Elis. Pausanias VI, 25, 1: eon fee . . . . Tifc 'Acppofemjq vctöc; . . . . xcti tf)v fiev ¿v tcp vacp xaXouöiv Oipavt'av, ¿X&pavroc; fee ¿cm xal xpvöou, TEXVT) eifetou, Tip &e ¿r£pcp Jiofel ¿m ßißipce. Dieses auffallende Attribut gibt auch Morris der Aphrodite in der großen Tempelszene des XVII. B. bei: "And she too goes with flower-bearing hands To kiss the foot that on the tortoise stands." (L. D. J. XVII, 573.) Das Motiv der Schildkröte findet sich außer in dem Bericht des Pausanias nur bei Plutarch (Coniug. praecept. 32, de Isid. et Osir. 75, S. Q. 755) erwähnt. Die bildende Kunst wiederholt es in einigen Kleinbronzen, die ebenso wie die berliner Gewandstatue und die Marmorstatuette aus Scalanova, die gleich15*

228 falls das Motiv zeigen, Morris nicht bekannt gewesen sein können. Allerdings kann Morris das Schildkrötenattribut in irgendeinem mythographischen Handbuch gefunden haben, aber gerade die örtliche Nähe, in der dieses Motiv und das auch ungewöhnliche Helios-Selene-Motiv bei Pausanias stehen, scheint dafür zu zeugen, daß Morris Pausanias vorgelegen hat. Das wäre aber ein weiterer Beweis für gelegentliches Quellenstudium und Eindringen auch in das philologisch-archäologische Substrat der antiken Materie. (Mr. Maxwell ist in seiner Note zu den oben angeführten Versen ein Irrtum unterlaufen. Er kommentiert: "There was a statue of Venus at Elis representing the goddes seated on a goat with one foot on a tortoise." Nach Pausanias VI, 25, 1 befand sich nicht im Tempel, sondern im geheiligten Bezirk nicht weit davon eine Erzstatue des Skopas: Aphrodite Pandemos auf einem ehernen Bock. Maxwell hat also aus den Werken des Phidias und Skopas e i n Kultbild gemacht.)

229 INDEX.

Die Zahlen in Klammer verweisen auf die betreffenden Anmerkungen im Anhang. A Abildgaard, N. A. 192. "Acontius and Cydippe" 168. Adam, William 10. Aeneisübersetzung 26, 162 f. Aesthetic discontent 1 f., 5, 14, 26, 56, 69. Aisdiylos 79. "Andromeda" 195. Antikenbildteppidie des Mittelalters 72 87 f., 100, 118, 125, 165, 174, 198, 223 f., (98 f.), (135). Antikendichtung des Mittelalters 116, 165, 171, 183. "Antiquary, The" 18, 31. Apollodorus 78, 118, 170. Apollonius Rhod. 78, 119, 122, 132, 143 f., 152, 170. Architektur, Stellung zur 7, 39 f., 55. Argonautensage 90, 116 f., 141, 151. Aristophanes 79. Arktinos 226, (105). Arts and Crafts Movement 54 f. "Aspecta Medusa" 194. "Astarte Syriaka" 195. "Atalanta von Calydon" 141. B Bate, Percy H. 199. Bayard-Teppich 224 f. (115). Beardsley, Aubrey 186, 192, 199. Beers, Henry A. 6, 16 f., 24, 38, 53, (8), (28). "Before the Battle" 23. Bell, Malcolm 198. "Bellerophon at Argos" 172 f., 179.

Benoit de St. More 35, 86 f., 91, 116, 145 f. Beowulfübersetzung 26, 35. Blake, William 22. Blomfield, Sir Reginald 12. "Blue Closet, The" 23, 99. Blunt, Wilfried, S. (149), (158). Bordiardt, Rudolf 163. Border Ballads 34, 189. Brinckmann, Hennig 63. Brock, A. Clutton 1, 14 (6), (38). Broederlam, Melchior 3. Brooke, Stopford (1). Brown, Ford M. (65). Browning, Robert 59, 104. Bürger, Gottfr. A. Ib3, 192. "Building of the Temple, The" 197. Burger, Fritz 7. Burlington Magazine 118, 223. Burne-Jones, Sir Edward 25, 33, 36, 39 f., 44 f., 54, 79, 90, 126 f., 129 f., 175, 192, 196 f., (31), (60), (100), (126), (134), (170 f.). Burne- Jones, Lady G. 175, 197 f., (100).

"Caractacus" 191. Carlyle, Thomas 6, 32. Carmina Burana 65. Cary, E. L. (38). "Cassandra" (Bild) 194. "Cassandra" (Gedidit) 195. "Castle of Otranto, The" 16. Catull 79. Caxton, William 35, 84, 87, 91, 97, 99, 110 f., 117, 119, 146, 148, 226, (104), (124), (154). Chambers, Sir William 12, 55.

230 "Champion of Virtue, The" 16. Chatterton, Thomas 17, 69. Chaucer, Geoffrey 16, 33 f„ 47, 59, 61, 82, 84, 91, 97, 119, 122, 131 f„ 138, 142, 146, 148 f., 159, 165, 176, 183, 198 (27). Chippendale, Thomas 4. Cholevius, Karl L. 118. Chrestien de Troye 145 f. "Christmas Carol, A" 23. Cicero 80. Cotkerell, S. C. 38 (159). Coleridge, Samuel T. 22 (33). Collected Works 3, 15, 31 f., 38, 41 f„ 50 f., 57, 60, 64, 66 f., 71, 73, 76, 78, 80, 83, 86, 89, 92, 95, 99, 101, 107, 110, 123, 147, 161, 164, 166, 172, 186 (3), (30), (47), (53), (56), (77), (79), (81), (96), (116 f.), (119), (137), (159). "Commonweal" 27. "Concerning Geffray Teste Noir" 34, 60. "Contrasts or a P a r a l l e l . . . " 13. Crane, Walter (86). "Cupido and Psydie" (Bild) 197. D "Dante's Vision of Radiel and Leah" 194. Dares Phr. 86, 116, 198. Day, Lewis F. 74, (84). "Death of Paris, The" 182, 189. "Deeds of Jason, The" 115, 120. "Defence of Guenevere, The" 26, 33, 49, 59, 67, 70, 85, 97 f„ 113, 126, 144, 154, 161. Dickens, Charles 189. Dictys Cret. 86, 110, 198. Diesseits-Typus 38, 63, 75, 165. "Dis Manibus" 195. Dobson, Austin 11. "Doom of King Acrisius, The" 78, 120, 173, 181, 197.

Dowson, Ernest 199. "Dream of John Ball, A" 26, 60 f., 64, 174, 189. Drinkwater, John (38), (157), (171). Dumas pére 189. E Early English Text Society 118, 148, (125). "Earthly Paradise, The" 1, 26, 34, 50, 54, 78, 82, 89, 101, 115 f„ 120, 150, 156, 158, 160 f., 167, 170 f., 174 f., 178, 183, 185, 188 f., 197, (152). Eastlake, Charles 8f., 15, 40, (11). "Ecce Ancilla Domini" 194. "Eden Bower" 195. Ellis, C. a. A. Williams 54. Elton, Oliver 173, (2), (91). "Endymion" 171. Ennui 5, (5), (17). Euripides 77, 80, 91, 105, 119, (142). "Eve of Crecy, The" 34. Eyck, Jan van 3, 22, 43, 45, 50. F Fehr, Bernh. 72, 179. Fergusson, James 12. "First Foray of Aristomenes, The" 82. Fonthill Abbey (19). "Fors Clavigera" 15. Fouqué, F. H. K. Baron De La Motte 33, 50 (45). "Frank's Sealed Letter" 47, 92. Frey, Eugen 78, 187, (38). Froissart, Jean 33 f, 52, 58, 60, 84, 93, 106, 116. G Gebhardt, E. v. 192. Gentleman's Magazine, The 88. "Gertha's Lovers" 25, 51.

231 Gewandstil 66 f., 125 f., 128 f„ 166, Goes, Hugo v. d. 3. [180. "Golden Apples, The" 169. "Golden Wings" 53, 71 f., 92. "Gothic Architecture" 10. Gothic Revival 9, 12, 14 f., 40, 57, (67). Gower, John 119, 142, 152, (141). "Great History of Troy, The" 224. Guido delle Colonne 35, 87, 91, 116, (123). Gurlitt, Cornelius 7 f. Guy, Rev. Dr. 77, 119. H Hawksmoor, Nidiolas 10. "Haystack in the Floods, The" Hegemann, Werner 48. T34. "Heir of Redcliffe, The" L33. "Helen's Chamber" 102. "Helen and Menelaus" 104. "Helen of Troy" 195. Hepplewhite, George 4. "Hermanide" 191. Herodot 79. „Hesperiden, Die" 197. Hesiod 79. Hewlett, M. (85). Hey wood, Thomas 115. "Hill of Venus, The" 172. "History of English Poetry" (Warton) 16, Historismus 19, 55, 83, 164, 175 f„ 181, 187 f., 192 f„ (32). Hofer, Conrad 192. Hofmannsthal, Hugo v. 192. "Hollow Land, The" 25, 49, 51, 147. Homer 18, 79, 86, 100, 103 f., 109 f., 113, 134, 150 f., 156 f., 164, 192, 198, (95). "House of the Wolfings, The" 26, 61, (73).

"How Sir Palomydes loved la Belle Iseult" 43. Hueffer, Ford M. 82. Huizinga, J. 3, 50, 57, 101, 107, 116, 121, 141, 143, 154. Hunt, Holman 22, 187, (36), (162). Hurd, Bishop Richard 81. Hygin 119. I Ibykos 226. Ilias 110. Iliupersis 90, 104, 113, 226. Inverary Castle 10, (13). "Isabella" 20. Island 26, 35, 161, 170, 189. Issoire-Teppich 93, 224 f., (115). Italien 41 (51).

J

Jackson, Holbrook (38), (65). Jenson, Nicholas 57. Jones, Inigo 8 f. „Joseph in Ägypten" 192. Jubinal, Adiille 93, 122, 224, (130). K Kassner, Rudolf 147, 199. Kathedralenreisen 39 f., 43. Keats, John 18 f., 21 f., 50, 57, 68, 70 f., 171, 179, 188, (35). Kelmscott-Presse 27, 45, 57, 87, 119, (44). Ker, W. P. (145), (143). Kermode, H. S. 78, 81, 118, 132. Keßler, Graf 192. Khayyam, Omar 35. "Kilian of the Closes" 66. "King Cophetua" 21, 197, (171). Kleine Ilias 90. "Knighte's Tale, The" 123, 132, 137 f., 159, 169, 176, (132). Kurth, Betty (98). Kyklos 90, 164.

232 L "La Beale Isoud at Joyous Gard" 199. "La Belle Iseult" 43, 99. Langley, Batty 10. "Lectures on Art" 15. Le Fèvre, Raoul 87, 116 f., 119, 125, 145 f., 148, 151, 183, (123), (151). Lemprière, John 78 f., 118. Lesches 226, (105). "Life and Death of Jason, The" 26, 33, 59, 65, 67, 77 f., 91, 115 f„ 118 f., 124 f., 129, 135 f., 138, 146 f., 150, 154, 156 f., 160, 165, 167, 169 f., 174 f„ 178 f„ 183, 185, 188 f„ 197, 227, (118), (129), (132), (150), (153). "Lindenborg Pool" 25, 51. "Looking Backward" 58. Louvreskizzen 224. "Love is Enough" 26, 89. "Love of Alcestis, The" 171, "Loving Cup, The" 23. [(140). Lubbock, Sir John 79. Lukrez 79. Lydgate, John 84, 87, 91, 96 f„ 99, 110 f., 116, 119, 121, 125, 141 f., 165, 183, 226, (104). Matkail, John 18, 28 f., 32 f., 47, 52, 77 f„ 83, 85, 90 f., I l l , 148, 161, 171, 186 (9), (31), (38), (51), (61 f.), (67), (74), (155). Maclagan, Eric 223. Maeterlinck 53. Magnússon, Eirikr 35. Maigron, Louis 18 Malborough College 25, 31, 77. Malerei, Stellung zur 43 f. Mallinger, Léon 116. Malory, Sir Thomas 33, 52, 84, 98, 106 f., 132, 146, 149, 157, 199. "Man born to be King, The" 85.

Manet, Edouard 168. Marillier, H. C. 194 f., 223, (163 f.), (169). "Mary at the Door of Simon" 193. "Masque of Queen Bersabe" 165, [174. Mason, William 191. Maxwell, E. 78, 159, 227 f. "Maying of Guenevere, The" 85. Meyer, Carl 113. Milton, John 182, 191. "Modern Painters" 32. Monstrelet, Enguerrand de 35. Morris Company 26, 38, 56, 58, 74. Morris, May 53, 78, 83, 86, (38), (96). Morris of Twickenham, Robert 10.

"Morthe Darthure" 33, 98, 107, 131 f., 199. Muthesius, Hermann 4. N Nazarener 20, 192, (7). "News from Nowhere" 26, 58, 61, 64 f., 73, 166, 174, 186. Nordau, Max 47. Novalis 186. Noyes, Alfred 177, 190, (38), (55), (156). O "Observations on the Faerie Queene" 16. Odyssee 100, 158. "Old English Baron, The" 29, (29). "On the Nature of Gothic" 15. "Orpheus and Eurydike" 195. Ossian 10, 17, 192, (160). Oxford 32, 36, 38, 40, 43, 45, 79, 92, 121, 189. Oxford and Cambr. Magazine 25 f„ 38, 41, 47, 49, 92, 113.

233 Oxford Movement 6, 37. Oxford Union Debating Hall 43. Overbeck, Johannes 226. Overbeck, Joh. Friedr. (34). Ovid 78, 80, 97, 116, 118f.

P "Paetus and Arria" 195. "Pandora" 195. „Parabel vom Weinberg" 193. "Paradise Lost" 182. Paris, Gaston 117. "Past and Present" 32. Pater, Walter 23, 46, 77, 180 f., Pausanias 82, 91, 226 f. [(75). „Peleusfest, Das" 197 f. Percy, Th. 10, 17. „Perseus" 197 f. Pfuhl 96, 131. Philipp d. Gute v. Burgund 88, 117 f., (125). Pindar 78, 118, 126. Pisan, Christine de 113, (135). Plato 79. Pleinair 68, 129, 167, 169 f., 175, Plutardi 79. [179. "Poems by the Way" 26. Poppenberg, Felix 73. Präraffaeliten 19 f., 42, 44, 70 f., 130, 177, 187, 196, 200, (36). "Praise of my Lady" 99. Proklos (105). "Proserpina" 195. Pugin, A. Ch. 12 (21). Pugin, A. N. W. 11 f., 38, 55 f., 68 f., (18), (21 f.). „Pygmalion" 197. "Pygmalion and the Image" 197. Q Quintus Smyrnaeus 90, 225, (107). R „Rapunzel" 53, 73. Reach, Angus B. 20. Reade, Charles 187.

"Recuyell of the Historyes of Troie, The" 87, 116f„ (96), (108). Red House 26, 55, 58, 90. Reeve, Clara 16. "Return of Tibull to Delia, The" Rhode, Erwin 155. [195. „Rhodope" 162 (153). Rickett, A. C. 37 (38). Richter, Ludwig (7). Riegel, Julius 78 (94). "Ring given to Venus, The" (143). "Roots of the Mountains, The" Rosenroman 123, 145. [26, 68. Rossetti, Dante Gabriel 19, 22 f., 25, 43, 50, 54, 65, 68 f., 71, 74 f., 91, 98 f., 126 f., 129, 146, 187, 192 f., 195 f., (36), (52), (80), (82), (161), (165 f.). Rossetti, W. M. 195. Ruhl, Chr. 192. Ruskin, John 13 f., 18, 21, 38, 50, 69, (25 f.), (30). S "Samson Agonistes" 182, 191. "St. Dorothy" 174. St. Georg's Guild 15. „St. Georgs-Zyklus" 21, 197. "Scenes from the Fall of Troy" 26, 85, 90 f., 101, 103 f., 106, 109, 111, 114, 119, 124, 136, 138, 143, 154, 156 f., 160, 164 f., 174 f., 183, 188, 197, 225, (109a f.), (161). Sdiaeffer, Albredit 163. Schinkel (7). Schirmer, Walter F. 191. Schmidt J. F. 191 f. Schwind, M. v. (7). Schwartz, Ed. 80. Scott, Dixon 146. Scott, Walter 17 f., 31, 38, 68 f., 187, 189, (30). Scudder, Yida L. 108.

234 "Seed of David, The" 195. "Shadows of Amiens" 41. Shahnameh 35. Shakespeare, William 91 f., 97, Shaw, Bernh. 83. [110. Shaw, Norman 55. Sheraton, Thomas 4. "Shipmannes Tale, The" 176. "Sigurd the Volsung" 26, 33, (47). "Sir Peter Harpdon's End" 34, 95, 101, 110. Socialistic League 27. "Socrates taught to dance by Aspasia" 195. Sophokles 79. Sparling, H. Halliday 27, 41, 56 f., 87, 117, (38), (54), (73), (92), (94). „Spiegel der Venus, Der" 197. Stephen, Leslie 11. Sthendal 23. "Stones of Venice, The" 15, 32, (24). "Story of Aristomenes, The" 81, 162.

"Story of Cupid and Psyche, The" 171, 178, 197, (128 f.), (138), (170). "Story of Theseus, The" 162. "Story of the Unknown Churdi, The" 25. Strawberry Hill 11 f., 16. Straufi, Richard 192. Street, George E. 25, 40. Strudwick, J. M. 199. Summersault, Felix 56. "Sundering Flood, The" 89. Swinburne, A. Ch. 37, 79, 82, 136, 141 f., 174, 195, (146). Syntax 113, 157, 165. T Tennyson 50, 82, 177 (171). Theokrit 79, 119, 144.

Todesmotiv 154 f., 182. „Troerinnen" 105. "Troilus and Criseyde" 146, 148 f., 159, (108). "Troilus and Cressida" 91 f., 97, 110, (108).

Trojasage 86 f., 90 f., 116. Troybook 91 (108 f.), (131), (141). "Troy Town" 195. „True Principles of Gothic Architecture" 13. "Tune of Seven Towers, The" 23, 44, 53. V Vagantenpoesie 63, 65, (147). Vallance, A. (38). „Verkiindigung" 194. Versbehandlung 163, 165, 173 f. Virgil 80, 86, 90, 105, 163, 198, 226, (155). W Walpole, Horace 11 f„ 16 f„ (16 f.), (19). Warton, Thomas 16 (28). Watts, A. A. 60. "Water of the Wondrous Isles, The" 64, 67, (70), (78). Waverley Novels 18, 29. Webb, Philip 54 f., (60). "Wedding of Polyxena, The" 112.

"Wedding of St. George, The" 23. Westminster-Teppiche 224 (115). Whitman, Walt. 64 f. Wolff, Lucien 40, 73. Wood, Martin F. 193. "Wood beyond the World, The" 189, (136). Woodford Hall 29. Wortschatz 157, 163, 165, 173. Wren, Christopher 8f., (11).

235

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Gedruckt in fünfhundert Exemplaren bei Carl Küster, Hannover, im F r ü h j a h r 1928.