Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2021 ed.] 9783112508701, 9783112508695

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Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2021 ed.]
 9783112508701, 9783112508695

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Mmna von HNrnnelm ober

das S'oldatenglüek.

Lustspiel in fünf Aufzügen. Von

G. E. Lessing. Zum Uebersetzen in's Englische mit erläuternden Noten versehen

von

W. C. Wrankmore.

Leipzig, G. I. Göschen'sche Verlagshandlung.

1858.

Minim von HnrnKelm oder

das Sotdatenglüek.

Lustspiel in fünf Aufzügen. Von

G. E. Lessing. Zum Uebersetzen in's Englische mit erläuternden Noten versehen von W. C. Wrankmore.

Leipzig,

G. I. Göschen'sche Verlagshandlung. 1858.

PREFACE. It is generally admitted that — when the Student is suffi-

ciently advanced in the grammar — the best course for him to pursue towards attaining the idiom of a foreign language, is to translate from bis own into another tongue, and vice versa; not to pore over a nurnber of dry unconnected sentences which only weary him, but to take a complete work which from its uniformity and agreeable diction will rivet bis attention, and awaken his genius. A sterling Comedy for instance, comprising variety of character with sprightly and familiär dialogue, will form a source of entertainment as well as instruction to him, and — what is of vast importance — by this means the Student will instinctively acquire a free and pleasing conversational style. In the wide Leid of German Literature no work can be found more suitable for our present purpose than Lessing’s „Minna von Barnhebri*, indisputably the best German Comedy of ancient or modern times, and what is very remarkable — as far as we have been able to ascertain — no English translation of this charming Comedy has ever appeared in print, nor has it ever been prepared as in the following pages.

IV As an assistance to teachers, and for the convenience of students who may desire to test the correctness of their translation, an edition of Minna von Barnhelm in English with numerous notes in German is just published by Mr. A. Gumprecht in Leipsic, so that as the German edition serves as the groundwork for translation into English, the English edition may be used for a corresponding purpose by the English Student learning German — in fact, one is a key to the other. Reudnitz near Leipsic, November 1857.

W. C. Wrankmore.

Minna von Parnhelm, oder

das Soldatenglück. Lustspiel in fünf Aufzügen.

Personen.

Franeiska, ihr Mädchen.

Paul Werner, gewesenerWachtmeister des Majors. Der Wirth. Eine Dame in Trauer. Ein Feldjäger.

Just, Bedienter des Majors.

Rieeaut de la Marliniöre.

Major von Tellheim, verabschiedet. Minna von Barnhelm. Graf von Bruchsall, ihr Oheim.

Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirthshauses und einem daran stoßenden Zimmer.

Erster Auszug. Erster Auftritt. Just

in einem Winkel, schlummert*, und redet im Traume).

Schurke von 3 einem Wirthe! Du, uns? — Frisch,

Bruder! —

Schlage ju5, Bruder! (er holt aus6, und erwacht durch die Bewegung) He da! schon wieder? Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum.7 Hätte er nur erst die Hälfte8 von allen den Schlägen!--------- Doch sieh, es ist Tagl^ Ich muß nur bald meinen

1. 2 dosing. 3 of. 4 quick. 5 al him. if to strike. 7 but Fm fighling wilh him. 9 morning.

6 raises bis arm as 8 if he had but half.

Minna von Parnhelm, oder

das Soldatenglück. Lustspiel in fünf Aufzügen.

Personen.

Franeiska, ihr Mädchen.

Paul Werner, gewesenerWachtmeister des Majors. Der Wirth. Eine Dame in Trauer. Ein Feldjäger.

Just, Bedienter des Majors.

Rieeaut de la Marliniöre.

Major von Tellheim, verabschiedet. Minna von Barnhelm. Graf von Bruchsall, ihr Oheim.

Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirthshauses und einem daran stoßenden Zimmer.

Erster Auszug. Erster Auftritt. Just

in einem Winkel, schlummert*, und redet im Traume).

Schurke von 3 einem Wirthe! Du, uns? — Frisch,

Bruder! —

Schlage ju5, Bruder! (er holt aus6, und erwacht durch die Bewegung) He da! schon wieder? Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum.7 Hätte er nur erst die Hälfte8 von allen den Schlägen!--------- Doch sieh, es ist Tagl^ Ich muß nur bald meinen

1. 2 dosing. 3 of. 4 quick. 5 al him. if to strike. 7 but Fm fighling wilh him. 9 morning.

6 raises bis arm as 8 if he had but half.

Minna von Parnhelm, oder

das Soldatenglück. Lustspiel in fünf Aufzügen.

Personen.

Franeiska, ihr Mädchen.

Paul Werner, gewesenerWachtmeister des Majors. Der Wirth. Eine Dame in Trauer. Ein Feldjäger.

Just, Bedienter des Majors.

Rieeaut de la Marliniöre.

Major von Tellheim, verabschiedet. Minna von Barnhelm. Graf von Bruchsall, ihr Oheim.

Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirthshauses und einem daran stoßenden Zimmer.

Erster Auszug. Erster Auftritt. Just

in einem Winkel, schlummert*, und redet im Traume).

Schurke von 3 einem Wirthe! Du, uns? — Frisch,

Bruder! —

Schlage ju5, Bruder! (er holt aus6, und erwacht durch die Bewegung) He da! schon wieder? Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum.7 Hätte er nur erst die Hälfte8 von allen den Schlägen!--------- Doch sieh, es ist Tagl^ Ich muß nur bald meinen

1. 2 dosing. 3 of. 4 quick. 5 al him. if to strike. 7 but Fm fighling wilh him. 9 morning.

6 raises bis arm as 8 if he had but half.

2 armen Herrn aufsuchen. Mit meinem Willen soll er keinen Fuß mehr1 in das vermaledeite Haus setzen. Wo wird2 er die Nacht zugebracht haben?

Zweiter Auftritt.

Der Wirth.

Just.

Der Wirth.

Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen! Ei, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf?

Just. Sage Er, was Er will. Der Wirth. Ich sage nichts,

als guten Morgen; und das verdient doch wohl, daß Herr Just großen Dank darauf sagt? 3

Zust.

Großen Dank! 4

Der Wirth. Man ist verdrießlich, wenn man seine gehörige 6 Ruhe nicht haben kann. Was gilt's3, der Herr Major ist nicht nach Hause gekommen, und Er hat hier auf ihn gelauert? Zust. Was^ der Mann-nicht alles errathen 3 kann! Der Wirth. Ich vermuthe, ich vermuthe. Just (kehrt sich um, und will gehen»). Sein Diener! Der Wirth (hält ihn). Nicht doch, Herr Just! Just. Nun gut,10 nicht Sein Diener! Der Wirth. Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen, Just, daß Er noch von gestern her böse ist? über Nacht behalten? 11

Herr Wer wird seinen Zorn

Zust. Ich42; und über alle folgende Nächte. Der Wirth. Ist das christlich? Zust. Eben so christlich, als einen ehrlichen Mann,

der nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause ftofjen13, auf die Straße werfen13.

Der Wirth. Pfui, wer könnte so gottlos sein? Zust. Ein christlicher Gastwirth. — Meinen Herrn!

so einen

Mann! so einen Osficier!

Der Wirth. Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? aus die Straße geworfen? £)a$u14 habe ich viel zu viel Achtung für einen Osficier, und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten! Ich habe ihm aus Noth ein ander Zimmer einräumen müssen. — Denke Er nicht mehr daran, Herr Just (Er ruft in "die Scene). Holla! — Ich will's auf andere Weise wieder gut13 machen. (Ein Junge kommt.) 1 never set foot again. 2 can. 3 and surely that at least... says thank’e, good morning in return. 4 thank’e! 5 proper. 6 w hat’s the bet. 7 if. 8 hit upon. 9 is going. 10 very well. 11 hoard up .... all night long. 12 I would. 13 turning ... out... into ... 14 . . . to do that. 15 no more about it. 16 off 17 in. 18 right.

3 Bring ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben; und waS Gutes!

Just. Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirth. Der Tropfen soll zu Gift werden,1 den? — Doch ich will nicht schwören; ich bin noch b nüchtern. Der Wirth (zu dem Jungen, der eine Flasche Liqueur und ein Glas bringt). Gieb her; geh! — Nun, Herr Just, was ganz Vortreff­ liches; stark, lieblich, gesund. (Er füllt, und reicht ihm zu.) Das kann einen überwachten Magen wieder in Ordnung bringen!4 Zust. Bald dürfte ich nicht!---------- Doch warum soll ich meine Gesundheit seine Grobheit entgelten lassen3? — (Er nimmt und trinkt.)

Der Wirth. Wohl bekomm's, Herr Just! Just (indem er das Gläschen wieder zurückgiebt). Nicht ubd!6 — Aber Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian!

Der Wirth. Nicht doch, nicht doch! — Geschwind noch eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen. 7

Just (nachdem er getrunken). Das muß ich sagen: gut, sehr gut! — Selbst gemacht, Herr Wirth?

Der Wirth. Behüte!8 Veritabler Danziger! Echter, doppelter LachS!

Just. Sieht Er, Herr Wirth; wenn ich heucheln^ könnte, so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muß raus — Er ist doch ein Grobian, Herr Wirth! Der Wirth. In meinem Leben hat mir das noch Niemand gesagt. — Noch eins, Herr Just; aller guten Dinge find drei! 10

Just. Meinetwegen!" (Ertrinkt.) Gut" Ding, wahrlich gut Ding! — Aber auch die Wahrheit ist gut Ding! — Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian! Der Wirth. Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit anhören? 13

Just. O ja; denn selten hat ein Grobian ®atfe.14 Der Wirth. Nicht noch eins, Herr Just? Eine vierfache*3 Schnur halt desto besser.

Just. Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilft's Ihm, Herr Wirth? Bis auf16 den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei meiner Rede bleiben.*7 Pfui, Herr Wirth; so guten Danziger zu

1 turn. 2 before. 3 as yet. 4 put ... to-rights again — put in Order. 5 let suffer through ... 6 bad. 7 always whet (sharpen) both eyes. — 8 „graciousl“ 9 play the hypocrile. 10 odd numbers areJucky. 11 1 don’t mind i. e. I have no objection. 12 a good.— 13 quietly stand and listen to this — put up with.— 14 feelings. 15 four times twisted. 16 lo. 17 stick to what I said.

4 haben, und so schlechte MoreS! — Einem Manne, wie meinem Herrn, der Jahr und Tag* bei Ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Thaler gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein Paar Monate her2 nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt,3 — in bet4 Abwesenheit das Zimmer auszuräumen!5

Der Wirth. Da ich aber das Zimmer nothwendig brauchte? da ich voraus sah,3 daß der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, 7 wenn wir nur lange auf seine Zurückkunft hätten warten können? Sollte ich denn so eine fremde Herrschaft8 wieder von meiner Thüre wegfahren lassen? Sollte ich einem andern Wirthe so einen Verdienst muthwiüig in den Rachen jagen?9 Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonst wo unternommen10 wäre. Die Wirthshäuser find jetzt alle stark besetzt.11 Sollte eine so junge, schöne, liebenswürdige Dame auf12 der Straße bleiben? Dazu ist sein Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt?

Just. Hinten an dem 13 Taubenschlage; die Ausficht zwischen des Nachbars Feuermauern14---------Der Wirth. Die Ausficht war wohl15 sehr schön, ehe fie der verzweifelte Nachbar verbaute. Das Zimmer ist doch sonst galant,*3 und tapeziert — Zust.

Gewesen!

Der Wirth.

Nicht doch, die eine Wand ist es noch. Und Sein Stübchen daneben, Herr Just; was fehlt17 dem Stübchen? Es hat einen Kamin, der zwar im Winter ein wenig raucht —

Just. Aber doch im Sommer recht hübsch läßt.*3 — Herr, ich glaube gar,*9 Er vexirt uns noch obendrein?29 — Der Wirth. Nu, nu, Herr Just, Herr Just — Zust. Mache Er Herr Justen den Kopf nicht toatm,21 oder — Der Wirth. Ich machte Ihn warm? Der Danziger thut's! — Just. Einen Officier wie meinen Herrn! Oder meint22 Er, daß ein abgedankter Officier nicht auch ein Officier ist, der Ihm den Hals brechen kann? Warum wäret ihr denn im Kriege so geschmeidig,23 ihr Herren Wirthe? Warum war denn da jeder Officier ein würdiger

1 years. 2 for a monlh or two. 3 no longer spends so much money — spends so much money as he used — as form er! y. 4 his. 5 turn him out of his room. 6 knew — supposed. 7 given itup — gone out. 8 strangers of rank. 9 on purpose to throw them into the clutches.— 10 found accommodation. 11 choke full. 12 in. 13 behind the. — 14 party-walls. 15 indeed. 16 pleasant. 17 what’s the matter with. 18 does very well. 19. in fact. 20 into the bargain. 21 don’t make me warm — put me into a passion — rage. 22 do you think. 23 smoothfaced.

5 Mann, und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das Bischen 1 Friede schon so übermüthig?

Der Wirth. Just. Ich will

Was ereifert 2 Er sich nur, Herr Just? — mich ereifern.----------

Dritter Auftritt.

v. Tellheim.

Der Wirth.

v. Tellheim (im Hereintreten). Just! Just (in der Meinung,b daß ihn der Wirth bekannt

Just. nenne).

Just? — So

find wir? —

v. Tellheim. Just! Just. Ich dächte, ich wäre wohl8 Herr Just für Der Wirth (der den Major gewabr wird). St! St!

6 Ihn! Herr, Herr,

Herr Just — seh Er sich doch um; sein Herr----------

v. Tellheim.

Just, ich glaube, du zankst? *

Was habe ich

dir befohlen?

Der Wirth. O, Jhro Gnaden, zanken? Da sei Gott vor!8 Ihr unterthänigster Knecht sollte fich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken? Just. Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel 9 geben dürfte!---------Der Wirth. Es ist wahr, Herr Just spricht für10 seinen Herrn, und ein wenig hitzig. Aber daran thut er recht; ich schätze ihn um so viel höher; 11 ich liebe ihn darum. —

Just. Daß ich ihm Der Wirth. Nur

nicht die Zähne austreten soll!12

Schade,*8 daß er fich umsonst erhitzet. ** Denn ich bin gewiß verfichert, daß Jhro Gnaden keine Ungnade des­ wegen auf mich geworfen16 haben, weil — die Noth — mich noth­ wendig —

V. Tellheim. Schon' zu viel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir, in meiner Abwesenheit, das Zimmer auö; Sie müssen bezahlt werden; ich muß wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich!

Der Wirth.

Woanders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr?

1 this short. 2 fuming about. 3 supposing — thinking. 4 fami­ liär — intimate. 5 most likely — probably. 6 to. 7 quarrelling. 8 good gracious! — God forbid! 9 his sneaking knob. 10 sticks up — sides wilh. 11 like him the better for it. 12 that I don’t knock his teeth down his throat. 13 It’s only a pity. 14 he gets into a passion about nothirig. 15 looked upon me with displeasure.

6 Ich unglücklicher Mann! Ich geschlagener Mann! Nein, nimmermehr! Eher muß die Dame das Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer-nicht lassen;1 das Zimmer ist sein; fie muß fort; ich kanir ihr nicht helfen. — Ich gehe, gnädiger Herr----------

v. Teilheim. Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen!2 Die Dame muß in dem Besitze des Zimmers bleiben —

Der Wirth. UndJhro Gnaden sollten glauben, daß ich aus2 Mißtrauen, aus Sorge für 4 meine Bezahlung---------- ? Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Jhro Gnaden bezahlen können, so bald Sie nur wollen. — — Das versiegelte Beutelchen, — fünfhundert Thaler Louisdor, stehet drauf,8------ welches Jhro Gnaden in dem Schreibe­ pulte stehen gehabt,---------- ist in guter Verwahrung.

t>. Tellheim. Das will ich hoffen; 6 so wie meine übrigen Sachen. — Just soll fie in Empfang nehmen,'" wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat.

Der Wirth. Wahrhaftig, ich erschrak recht,2 als ich das Beutelchen fand. — Ich habe immer Jhro Gnaden für2 einen ordent­ lichen 10 und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgiebt.11--------- Aber dennoch, — wenn ich baar Geld in dem Schreibe­ pulte vermuthet hätte — — v. Tellheim. Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie. — Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen.

Der Wirth. v. Tellheim.

Aber, gnädiger Herr----------

Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause sage, was du thun sollst.'2

Der Wirth. Ich gehe ja schon, ganzes Haus ist zu 13 Ihren Diensten.

gnädiger Herr! — Mein

Vierter Austritt. v. Tellheim. Just (der mit dem Fuße stampft, v. Tellheim. Was giebt's?

Just.

und dem Wirthe nachspuckt "). Pfui!

Ich ersticke vor16 Bosheit.

V. Tellheim.

Das wäre so viel,16 als an 17 Vollblütigkeit.

1 give up to. 2 do not commit two pieces of folly, one is enough. 3 from. 4 uneasiness about. 5 marked upon it. 6 I hope so. 7 fetch — receive. 8 I was quite srightened. 9 „für" bleibt weg. 10 methodical, 11 lays out all bis money. 12 art to do. 13 al. 14 Spilling alter the. 15 I am cboking with. 16 as bad as. 17 from.

7 Zust, Und Sie, — Sie erkenne ich luchs' mehr,1 mein Herr. Ich sterbe vor Ihren Augen,8 wenn fie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers3 sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad, hätte ich ihn — hätte ich ihn mit diesen Händen erdros­ seln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen.

v. Tellheim. Zust. Lieber v. Tellheim.

Bestie'.

Bestie, als so ein Mensch!

Was willst du aber?4 Zust. Ich will, daß Sie es empfinden sollen," wie sehr man Sie beleidiget."

v. Tellheim. Und dann? Zust. Daß Sie fich rächten.

— Nein, der Kerl ist Ihnen zu

gering.7

V. Tellheim. Sondern, daß rächen? Das war von Anfang mein wieder mit Augen sehen," und seine empfangen sollen. Ich weiß, daß du ziemlich verächtlichen Miene hinwersen Just. So?" v. Tellheim.

ich es dir Gedanke. Bezahlung eine Hand kannst.

auftrüge, mich zu Er hätte mich nicht aus deinen Händen voll Geld mit einer

eine vortreffliche Rache!

Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keine» Heller baares Geld mehr! Ich weiß auch keines aufzutreiben. 10

ZUst. Kein baares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel, mit fünfhundert Thaler Louisdor, den der Wirth in Ihrem Schreib­ pulte gefunden?

v. Tellheim.

Das ist Geld, welches mir auszuheben gegeben"

worden.

Just. Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor 13 vier oder fünf Wochen brachte?

v. Tellheim.

Die nehmlichen, von Paul Wernern.

Warum

nicht?

Just. Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verant­ wortung —

v. Tellheim. Just. Werner

Wahrhaftig?

hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die Generalkriegskaffe18 auszieht.14 Er hörte —

1 now — any longer. 2 I wish I may die betöre your eyes — in your presence. 3 cur. 4 but what dost thou want. 5 feel. 6 how much you are insulted — people insult you. 7 too insignificant — contemptible for you. 8 lo set eyes on me. 9 Ahl 10 nor do I know how to procure any — to raise any. 11 given into my care — given me to take care of. 12 ago. 13 War-office. 14 trifling.

8 V. Tellheim. Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre. — Ich bin dir sehr verbunden, Just. — Und diese Nachricht vermochte * Wernern, sein Bischen Armuth 2 mit mir zu theilen. — Es ist mir doch lieb, daß ich es errathen habe. — Höre? Just, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir find geschiedene Leute.4 Zust.

Wie? waS?

V. Tellheim. Kein Wort mehr; es kömmt6 Jemand — Fünfter Auftritt.

Eine Dame in Trauer,

v. Tellheim.

Just.

Die Dame. Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! — V. Tellheim. Wen suchen Sie, Madame? — Die Dame. Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen. Sie kennen mich nicht mehr? Wittwe Ihres ehemaligen Stabsrittmeisters —

V. Tellheim. Um welche8 Veränderung! —

des

Himmels

willen, 8

Ich bin die

gnädige Frau!7

Die Dame. Ich stehe von dem Krankenbette auf? auf das mich der Schmerz über10 den Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen früh11 beschwerlich fallen, Herr Major. Ich reise auf18 das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht fürs erste14 angeboten. v. Tellheim (zu Just).

Geh, laß uns allein.

Sechster Auftritt. Die Dame.

v. Tellheim.

v. Tellheim. Reden Sie frei?8 gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin 16 dienen? Die Dame. Mein Herr Major — V. Tellheim. Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit17 diesem Titel.

Die Dame. Wer weiß es besser, als ich, wie werth Sie seiner Freundschaft waren, wie werth er der Ihrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton 18 seiner sterbenden 1 induce. 2 bis little all — savings. 3 d’ye hear. 4 we pari. 5 is coming. 6 Heavens 1 For Heaven's sake! 7 Madam. 8 what a. 9 1 have just risen from. 10 on. 11 untimely—early. 12 inlrude upon. 13 am going into. 14 for the present. 15 unreservedly. 16 in ’what way. — 17 sparing of — with. 18 the last his.... utlered.

9 Lippen gewesen sein, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert —

v. Tellheim. Hören sie auf,1 Madame! Weinen wollte ich mit Ihnen gern; aber ich habe heute keine Thränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo 2 ich leicht zu ver­ leiten wäre, wider die Vorsicht zu murren. — O, mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was haben Sie zu befehlen?3 Wenn ich Ihnen zu dienen im Stande bin, wenn ich eö bin — Die Dame. Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten Willen zu vollziehen. Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als Ihr Schuldner sterbe, und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten Baarschaft zu tilgen. Ich habe seine Equipage6 ver­ kauft, und komme, seine Handschrift einzulösen.7 v. Tellheim. Wie, gnädige Frau! darum kommen Sie? Die Dame. Darum. Erlauben Sie, daß ich das Geld auf­ zähle.«

v. Tellheim. Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig?« das kann schwerlich sein. Lassen Sie doch sehen.10 (Er zieht sein Taschenbuch heraus, und sucht.) Ich finde nichts. Die Dame. Sie werden seine Handschrift verlegt" haben, und die Handschrift thut nichts zur Sache.12 — Erlauben Sie —

v. Tellheim. Nein, Madame! so etwas pflege ich ntdjt13 zu verlegen. Wenn ich fie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder daß sie getilgt" und von mir schon zu­ rückgegeben worden.

Die Dame. Herr Major! — V. Tellheim. Ganz gewiß, gnädige Frau.

Marloff ist mir nichts schuldig geblieben. Ich wüßte mich auch nicht, zu erinnern," daß er mir jemals etwas schuldig gewesen wäre.16 Nicht anderst Madame; er hat mich vielmehr als seinen Schuldner hinterlassen. Ich habe nie etwas thun können, mich mit einem Manne afe zufinden," der sechs Jahr Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir getheilt. Ich werde es nicht vergessen, daß ein Sohn von ihm da ist." Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein

1 have done — cease. 2 when. 3 what are your commands. 4 able — in a Situation. 5 to discharge — liquidate this debt with the first money (1 sbould receive). 6 equipments. 7 redeem bis Signatare — bond. 8 band over — pay down. 9 in my debt! 10 but Jet me see — allow me to look. 11 mislaid bis acknowledgment. 12 the paper is of- no consequence. 13 I am not accustomed to — in tbe habit of-------ing. 14 paid — settled. 15 nor do 1 recollect. 16 Ins ever having been so. 17 to make any acknowledgement to. 18 is living.

10 Vater sein befinde —

kann.

Die

Verwirrung,

in

der

ich

mich

jetzt

selbst

Die Dame. Edelmüthiger Mann! Aber denken Sie auch von mir nicht zu fleht.1 Nehmen sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenigstens beruhigt.2

v. Tellheim.

Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung wei­ ter, als meine Versicherung, daß mir dieses Geld nicht gehört? Oder wollen Sie, daß ich 3 die unerzogene Waise meines Freun­ de- bestehlen^ soll? Bestehlen, Madame; das würde es in dem eigentlichsten Verstände sein. Ihm gehört es; für ihn legen Sie es an.§

Die

Dame. Ich verstehe Sie; verzeihen Sie noch nicht recht weiß, wie man Wohlthaten annehmen wissen es denn aber auch Sie,8 daß eine Mutter mehr thut, als sie für ihr eigen Leben thun würde?9 Ich

nur, wenn ich mu£.7 Woher für ihren Sohn gehe -—

v. Tellheim.

Gehen Sie, Madame, gehen Sie? Reisen Sie glücklich! Ich bitte Sie nicht,10 mir Nachricht von Ihnen zu geben. Sie möchte mir zu einer Zeit kommen, wo 11 ich sie nicht nutzen könnte. Aber noch eüteS,12 gnädige Frau; bald hätte ich das Wich­ tigste vergessen. Marloff hat noch an der Kasse unsres ehemaligen Regiments zu fobent.13 Seine Federungen find so14 richtig, wie die meinigen. Werden meine bezahlt, so müssen auch die seinigen bezahlt werden. Ich hafte dafür.16

Die Dame. O! mein Herr —- Aber ich schweige lieber. — nftige Wohlthaten so vorbereiten, heißt sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben. Empfangen Sie seine Belohnung, und meine Thränen! (Geht ab.)

K

Siebenter Auftritt. v. Tellheim. Armes, braves Weib! Ich muß nicht vergessen, den Bettel ,r zu vernichten. (Er nimmt aus seinem Taschenbuche Briefschaften die er zerreißt.) Wer steht mir bafüt,18 daß eigener Mangel" mich nicht einmal verleiten könnte, Gebrauch davon zu machen?^

1 too lightly of. 2 il will . . . reiieve my mind. 3 would you have me. 4 rod. 5 in the strictest sense of the word. 6 lay it by. 7 ought to — must. 8 bul bow can you know. 9 than she would to save her own life. 10 I will not ask you. 11 reach me at a time, when. 12 one thing more. 13 a demand on the treasury of. 14 as. 15 1 will guarantee it. 16 conferred. 17 this triste. 18 who can answer forit — who knows. 19 my own poverty — wants. 20 to make use of them.

11 Achter Auftritt. Zust.

v. Tellheim.

-v. Tellheim. Bist du da? Zust (indem er sich die Augen wischt *). Ja! V. Tellheim. Du hast geweint?2 Zust. Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben,3 und die Küche ist voll Rauch.

Hier ist sie, mein Herr!

v. Tellheim. Gieb her. Just. Haben Sie Barmherzigkeit mit mir,4 mein Herr.

Ich

weiß wohl, daß die Menschen8 mit Ihnen keine haben; aber —

v. Tellheim. Was willst bu?6 Zust. Ich hätte mir eher^ bcn8 Tod als meinen Abschied vermuthet.

V. Tellheim. Ich kann dich nicht langer brauchen;9 ich muß mich ohne Bedienten behelfen^ lernen. (Schlägt die Rechnung auf und liest:) „Was der Herr Major mir schuldig:11 Drei und einen halben „Monat Lohn, *2 den Monat 6 Thaler, macht 21 Thaler. Seit dem „ersten btefee,13 an *4 Kleinigkeiten ausgelegt 1 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. „Summa Summarum 22 Thaler 7 Gr. 9 Pf." — Gut, und es ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.13

Zust. Die andre Seite, Herr Major — V. Tellheim. Noch mehr? (liefet:) „Was dem Herrn Major „ich schuldig: An den Feldscheer für mich bezahlt 25 Thaler. Für „Wartung und Pflege während meiner Kur für mich bezahlt 39 Thlr. „Meinem abgebrannten und geplünderten Vater, auf16 meine Bitte, „vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen,17 die er ihm ge„schenkt, 50 Thaler. Summa Summarum 114 Thaler. Davon abgezogen 18 vorstehende 22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. Bleibe dem Herrn „Major schuldig 91 Thlr. 16 Gr. 3 Pf." — Kerl, du bist toll! —

Zust. Ich glaube es gern,19 daß ich Ihnen weit mehr29 koste. Aber es wäre verlorne21 Dinte, es dazu zu schreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollends22 die Livree nehmen, die ich auch noch nicht verdient23 habe, — so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarethe krepiren lassen.24 1 wiping bis eyes. 2 been crying. 3 been writing out. 4 on nie. 5 people. 6 what dost thou want. 7 sooner. 8 my. 9 have no further occasion for thy Services — I can no longer make use of you. 10 learn to make sh ist. 11 owes me — is in my debt. 12 wages. 13 of this month. 14 for. 15 pay up tbe current month in full. 16 at. 17 taking into account. 18 deducted. 19 l’ve no doubt. 20 a great deal more. 21 waste of ink. 22 moreover. 23 earned. 24 let me rot.

12 V. Tellheim. Wofür siehst du mich an?1 Du bist mir nichts schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem2 du es besser haben 3 sollst, als bei mir. Zust. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen?

v. Tellheim. Weil ich dir nichts schuldig werden will. Zust. Darum? nur darum? — So gewiß ich Ihnen schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen. — Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben.

V. Tellheim. Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz; dein wil­ des ungestümes Wesen gegen4 Alle, von denen du meinst,6 daß sie dir nichts zu sagen haben,6 deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht — — Zust. Machen Sie mich so7 schlimm, wie Sie wollen, ich will darum doch nicht schlechter von mir denken,6 als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging ich^ in der Dämmerung an dem16 Kanäle, und hörte etwas winseln.11 Ich stieg hinab, und griff nach bet12 Stimme, und glaubte16 ein Kind zu retten, und zog einen Pudel aus fcem14 Wasser. Auch gut;16 dachte ich. Der Pudel kam mir nach;16 aber ich bin kein Liebhaber Mn17 Pudeln. Ich jagte ihn sott,18 umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor der Thüre auf der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stieß ich ihn mit dem Fuße;2" er schrie, sah mich an, und wedelte mit dem21 Schwänze. Noch hat er keinen Bissen Brod aus meiner Hand bekommen; und doch bin ich der einzige, dem er hört, und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her, und macht mir seine Künste22 unbefohlen28 vor. Es24 ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu26 guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den Pudeln gram zu sein.

v. Tellheim (bet Seite). So wie ich ihm! Nein, es giebt keine völlige Unmenschen!---------- Just, wir bleiben beisammen.

Just. Ganz gewiß! — Sie wollten sich ohne Bedienten be­ helfen? Sie vergessen Ihrer Blessuren, und daß Sie nur eines Armes mächtig sind.26 Sie können sich ja27 nicht allein ankleiden. Ich

1 what dost thou take me for? 2 witb whom. 3 fare better. 4 towards — to. 5 thinkest. 6 have no right to interfere with you. 7 make me out as. 8 that will not make me think worse ol myself. 9 I was walking. 10 along by. 11 moan. 12 groped in the direction. 13 tiinking. 14 of the. 15 iss all the same. 16 followed me. 17 1 don’t like. — 18 drove him away. 19 in vain — it was of no use. 20 kicked bim. 21 wagged bis. 22 tricks. 23 wilhout my bidding. 24 he. 25 real — very. 26 the use of only one arm. 27 even.

13 bin Ihnen unentbehrlich;' und bin, — — ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Bedienter, der — wenn daSchlimmste zum Schlimmen kömmt, — für seinen? Herrn betteln und stehlen kann.

v. Tellheim. Just, wir bleiben nicht beisammen. Just. Schon gut!3 Neunter Allstritt. Ein Bedienter,

v. Tellheim.

Inst.

Der Bediente. $(l!4 Kammerad! Just. Was giebt's? Der Bediente. Kann Er mir nicht den Officier Nachweisen,3 der gestern noch in diesem Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er hcrkömmt) gewohnt hat?3

Just. Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm? Der Bediente. Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen; ein Compliment. Meine Herrschaft^ hört, daß er durch sie verdrängt3 worden. Meine Herrschaft weiß zu leben,3 und ich soll ihn deshalb um Verzeihung bitten.

ZUst- Nun so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er. Der Bediente. Was ist er? Wie nennt man ihn? v. Tellheim. Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit Mit10 (£utet $cnfd)üft, die ich erkenne, wie ich soll." Macht ihr meinen Empfehl. — Wie heißt Eure Herrschaft? —

Der Bediente.

Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräu­

lein heißen.

v. Tellheim. Und ihr Familienname? Der Bediente. Den habe ich noch nicht gehört, und darnach zu fragen, ist meine Sache nidjt.13 Ich richte mich so ein, daß ich meistentheils14 aller sechs Wochen eine neue 10 habe. Der Henker begatte16 alle ihre Namen! —

Zust.

Bravo, Kamerad!

Der Bediente. Zu dieser bin ich erst vor wenig Süden17 in Dresden gekommen. Sie sucht13 glaube ich, hier ihren Bräutigam19 — 1 you cannot do without me — I am indispensable to you. 2 my. 3 very well. 4 hist. 5 direct me to. 6 occupied. 7 my mistress. 8 inconvenienced. 9 knows the courtesies of life. 10 on the part of. 11 accordingly. 12 she is called my lady. 13 is not my business. 14 I generally contriv eto have. 15 master, mistress (place, Situation). 16 take. 17 I came to this only a few days ago. 18 is looking up — for. 19 lover — intended.

14 v. Tellheim. Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herr­ schaft wollte ich wissen; aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur!1 Der Bediente.

Kamerad, daS wäre kein Herr für mich!2

Zehnter Auftritt.

v. Tellheim.

Just.

v. Tellheim. Machet Just, mache, daß wir au«4 diesem Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir empfind­ licher, 6 als die Grobbeit des Wirths. Hier nimm diesen Ring; die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist; von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen! — Versetze4 ihn! laß dir achtzig FriedrichSdor darauf gebens die Rechnung des Wirths kann keine dreißig betragen. Bezahle ihn, und räume8 meine Sachen — Ja, wohin? — Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof, der beste. Du sollst mich hier neben" an, auf dem Kaffeehause treffen.1" Ich gehe; mache deine Sache gut.11 Just. Sorgen Sie v. Tellheim (kommt

nicht12, Herr Major!

wieder zurück). $Dtls allen Dingen, daß meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.

Just. Ich will nicht- vergessen. v. Tellheim (kommt nochmals zurück).

Noch eins: nimm mir auch

deinen Pudel mit; hörst du, Just! —

Elster Auftritt. Just. Der Pudel wird nicht zurück bleiben. Dafür laß ich den Pudel sorgen.^ — !16 auch den kostbaren Ring hat der Herr noch ge­ habt? Und trug ihn in der Tasche anstatt am Finger? — Guter Wirth, wir find so kahl noch nicht, als wir scheinen. 5M16 ihm, bei ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert fich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt wer­ den'.^ — Ah —

1 you may go. 2 that master would’nt suit me. 3 come. 4 let us get out of. 5 pains me more. 6 raise money on it — pawn it — put it in pledge. 7 get eighty.... upon it. 8 remove. 9 close by. 10 meet me. 11 business well — properly. 12 never fear — do not be anxious. 13 above. 14 111 leave that to. 15 umph! 16 with. 17 be spent.

15 Zwölfter Austritt.

Paul Werner.

Just.

Zust. Sieh ba,1 Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!

Werner. Das verwünschte Dorf! Ich kann's unmöglich wieder gewohnt werden. Lustig, Kinder, lustig;a ich bringe frisches 3 Geld! Wo ist der Major? Just.

Er muß dir begegnet sein;

er ging eben die Treppe

hinab.

Werner. Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun wie geht's ihm?^ Ich wäre schon vorige Woche bei5 Euch gewesen; aber — Just. Nun? was hat dich abgehalten? — Werner. — Just, — hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?

Zust.

Heraklius? Ich wüßte nicht.5

Werner. Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht? Zust. Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl, die ums Neujahr mit dem Sterne herumlaufen. Werner. Mensch,7 ich glaube, du liesest eben so wenig die Zeitungen, als die Bibel? — Du kennst den Prinz Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen, und nächster Tage 8 die ottomannische Pforte einsprengen 9 wird? Gott sei Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft, es sollte hier wieder losgehen?o Aber da fitzen sie, und heilen sich die Haut.11 Nein, Soldat war ich, Soldat muß ich wieder sein! Kurz, — (indem er sich schi'ichtern umfiebt, ob ihn Jemand behorcht) im Vertrauen, Just; ich wandere nach^ Persien, um unter Sr. König­ lichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein gett^ü^e13 wider den Türken zu machen. Zust. Du? Werner. Ich, wie du mich hier siehst!^ Unsre Vorfahren zogen fMfng15 totbet ben Kursen; und das sollten wir noch thun, wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen wären. Freilich 16 begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider den Türken nicht halb so lustig 17 sein kann,

1 hollah! 2 be jolly, my dear fellow, be jolly. 3 mors. 4 how is he going on. 5 with. 6 not that I know. 7 why, man. 8 soon — sbortly. 9 blow up. 10 break out. 11 healing their hides. 12 l’m off to. 13 a campaign or so. 14 I myself. 15 vigorously. 16 iVs true — to be sure — of course. 17 jolly.

16 als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto ver­ dienstlicher sein, in diesem und in jenem1 Leben. Die Türken haben dir 2 alle Sabels mit Diamanten besetzt —3

Just. Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten ju4 lassen, reise ich nicht eine Meile. Du wirst doch nicht toll sein, und dein schönes Schulzengerichte verlassen?

Werner. £), das nehme ich mit! — Merkst du was?3 — Das Gütchen ist verkauft---------Just. Verkauft?

Werner. St! — hier sind hundert Dukaten, die ich gestern auf den Kauf bekommen; die bring ich dem Major — Just. Und was soll der damit? Werner. Was er damit soll?

Verzehren soll er sie; ver­ spielen, vertrinken, wie er will. Der Mann muß Geld haben, und es ist schlecht genug, daß man ihm das Seinige so sauer macht! 6 Aber ich wüßte schon, was ich thäte, wenn ich an seiner Stelle wäre! Ich dächte: hol' euch hier Alle der Henker; und ginge mit Paul Wer­ nern nach 7 Persien! — Blitz! 3 — der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben; wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt. Unsre Affaire bei den Katzenhäusern —

Just. Soll ich dir die erzählen? — Werner. Du mir? — Ich merke wohl, daß eine schöne Dis­ position über deinen Verstand geht.v Ich will meine Perlen nicht vor die Säue werfen. — Da nimm die hundert Dukaten; gieb sie dem Major. Sage ihm: er soll mir auch die aufheben. Ich muß jetzt aus den Markt; ich habe zwei SßtSpet10 Roggen hereingeschickt; was ich daraus löse," kann er gleichfalls haben.

Just. Werner, du meinst es herzlich gut; aber wir mögen dein Geld nicht. Behalte deine Dukaten, und deine hundert Pistolen kannst du auch unversehrt" wiederbekommen, sobald als du willst. Werner. So? hat denn der Major noch Geld? Just. Nein. Werner. Hat er sich tvo13 welches geborgt? Just. Nein. Werner. Und wovon lebt ihr denn?

1 the nexl 2 I can teil thee — assure thee. 3 set in diamonds. 4 to have my head split with such a. 5 don’t you see? -6 plague him about — give so much trouble about. 7 to. 8 daran me. 9 is beyond thy comprehension. 10 last. 11 what they bring in. 12 untouched. 13 anywhere.

17 Just. Wir lassen anschreiben.1 und wenn man nicht mehr an« schreiben toiö,® und unS zum' Hause hinauswirft, so versetzen' wir, waS wir noch haben, und ziehen' weiter. — Höre nur,' Paul, bem7 Wirthe hier müssen wir einen Possen' spielen. Werner.

Hat er dem Major was in den Weg gelegt?' —

Ich bin habet!"

Just. Wie toir’6,11 wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kommt, aufpaßten," und ihn brav durchprügelten?13

Werner. Des Abends? — aufpaßten? ihrer Zwei, Einem?" — Das ist nichts.

Just.

Oder, wenn wir ihm das Haus über dem Kopf an­

steckten?"

Werner. Sengen16 und brennen? — Kerl, man hört's, daß du Packknecht gewesen bist, und nicht Soldat; — pfui! Just. Oder, wenn wir ihm seine Tochter —? verdammt häßlich----------

Sie ist zwar

Werner. O da wird's fie'S lange schon sein! Und allenfalls brauchst du auch hierzu keinen Gehülfen. Aber was hast du denn? Was giebt'- beit«?17 Just. Komm nur, bu sollst dein Wunder18 hören! Werner. So ist der Teufel wohl hier gar (o8?19 Inst. Ja wohl; komm nur! Werner. Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!

Zweiter Auszug. Erster Austritt. Minna von Barnhelm.

Franciska.

(Die Scene ist in dem Zimmer des Fräuleins.)

Da8 Fraulein (im Negligee, nach ihrer Uhr sehend).

Franciska,

wir find auch sehr früh aufgestanden. Die Zeit wird uns lang werden.20

1 put down to the account. 2 give us Credit. 3 out of the. 4 we pawn. 5 go. 6 but I say. 7 with — upon. 8joke. 9 annoyed ...in any way. 10 1’11 join in it — Pli make one. 11 what seyest thou. 12 to watching. 13 giving him a good drubbing — licking (vul) beating. 14 two of us against one — two upon one. 15 set fire to — set... on fire. 16 smoking. 17 what is it all about. 18 something that will astonish thee — thou wilt wonder. 19 then there’s the devil to pay here. 20 hang heavily on our hands.

17 Just. Wir lassen anschreiben.1 und wenn man nicht mehr an« schreiben toiö,® und unS zum' Hause hinauswirft, so versetzen' wir, waS wir noch haben, und ziehen' weiter. — Höre nur,' Paul, bem7 Wirthe hier müssen wir einen Possen' spielen. Werner.

Hat er dem Major was in den Weg gelegt?' —

Ich bin habet!"

Just. Wie toir’6,11 wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kommt, aufpaßten," und ihn brav durchprügelten?13

Werner. Des Abends? — aufpaßten? ihrer Zwei, Einem?" — Das ist nichts.

Just.

Oder, wenn wir ihm das Haus über dem Kopf an­

steckten?"

Werner. Sengen16 und brennen? — Kerl, man hört's, daß du Packknecht gewesen bist, und nicht Soldat; — pfui! Just. Oder, wenn wir ihm seine Tochter —? verdammt häßlich----------

Sie ist zwar

Werner. O da wird's fie'S lange schon sein! Und allenfalls brauchst du auch hierzu keinen Gehülfen. Aber was hast du denn? Was giebt'- beit«?17 Just. Komm nur, bu sollst dein Wunder18 hören! Werner. So ist der Teufel wohl hier gar (o8?19 Inst. Ja wohl; komm nur! Werner. Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!

Zweiter Auszug. Erster Austritt. Minna von Barnhelm.

Franciska.

(Die Scene ist in dem Zimmer des Fräuleins.)

Da8 Fraulein (im Negligee, nach ihrer Uhr sehend).

Franciska,

wir find auch sehr früh aufgestanden. Die Zeit wird uns lang werden.20

1 put down to the account. 2 give us Credit. 3 out of the. 4 we pawn. 5 go. 6 but I say. 7 with — upon. 8joke. 9 annoyed ...in any way. 10 1’11 join in it — Pli make one. 11 what seyest thou. 12 to watching. 13 giving him a good drubbing — licking (vul) beating. 14 two of us against one — two upon one. 15 set fire to — set... on fire. 16 smoking. 17 what is it all about. 18 something that will astonish thee — thou wilt wonder. 19 then there’s the devil to pay here. 20 hang heavily on our hands.

18 Franciska. Wer kann in den verzweifelten großen Städten schlafen? Die Karossen, die Nachtwächter, die Trommeln, die Katzen, die Korporals — das hört nicht auf zu raffeln, zu schreien,1 zu wirbeln, zu mauen, zu fluchen; gerade, als ob die Nacht zu nichts weniger wäre, als zur Ruhe. 2 — Eine Tasse Thee, gnädiges Fräulein? Das Fräulein. Franciska. Ich Das Fräulein. Franciska. Für

Der Thee schmeckt mir nichts will von unserer Chocolade machen lassen.* Laß machen für dich!

mich? Ich wollte eben so gern f für mich allein plaudern, § als für7 mich allein trinken. — Freilich wird uns die Zeit so lang werden. — Wir werden vor langer Weile8 uns putzen müssen, und daS Kleid versuchen, in welchem wir den ersten Sturm geben 9 wollen.

Das Fräulein. Was redest du von Stürmen, da ich blos herkomme, di- Haltung der Capitulation zu fodern?

Franciska. Und der Herr Officier, den wir vertrieben, und dem wir das Compliment darüber machen lassen; er muß auch nicht die feinste Lebensart haben;10 sonst hätte er wohl um die Ehre kön­ nen bitten lassen," uns seine Aufwartung machen zu dürfen. Das Fräulein. Es find nicht alle Officiere TellheimS. Die Wahrheit zu sagen, ich ließ ihm das Compliment auch blos machen, um Gelegenheit zu haben, mich nach diesem bei ihm zu erkundigen.12 — Franciska, mein Herz sagt es mtr^ daß meine Reise glücklich sein wtrb,13 daß ich ihn finden werde.

Franciska. Das Herz, gnädiges Fräulein? Man traue" doch ja seinem Herzen nicht zu viel. Das Herz redet uns gewaltig gern nach dem Maule.10 Wenn das Maul ebenso geneigt wäre, nach dem Herzen zu reden, so wäre die Mode längst aufgekommen, die Mäuler unterm Schlosse16 zu tragen. Das Fräulein. Hah! ha! mit deinen Mäulern17 unterm Schlosse! Die Mode wäre mir eben recht!"

Franciska. Lieber die schönsten Zähne nicht gezeigt, als alle Augenblicke das Herz darüber springen tafien!19 Das Fräulein.

Was? bist du so zurückhaltend?

1 bawling. 2 not intended for rest 31 do not like the tea. 4 have some of our ... made. 5 as lief. 6 talk to myself. 7 by. 8 to pass the time. 9 make the first attack. 10 cannot exactly have the best manners. 11 have begged. the honour of permission. 12 of enquiring ab out him. 13 turn out fortunately. 14 place ... dependance on. 15 readily utters what the tongue would speak. 16 lock and key. 17 you and your tongue. 18 would just suit me. 19 have the heart popping out every moment.

19 Franciska. Nein, gnädiges Fräulein; sondern ich wollte es gern mehr friit.1 Man spricht selten von der Tugend, die man hat; aber desto öfter von der, die uns fehlt. a Das Fräulein.

Siehst du, Franciska, da hast du eine sehr

gute Anmerkung gemacht.

Franciska.

Gemacht?

Macht man das, was einem so ein­

fällt?

Das Fräulein. Anmerkung so Tellheim.

Und weißt du, warum ich eigentlich diese gut finde? Sie hat viel Beziehung auf8 meinen

Franciska.

Was

hätte

bei 4 Ihnen

nicht auch

Beziehung

auf ihn?

Das Fräulein. Freund und Feind sagen, daß er der tapferste Mann von8 der Welt ist. Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden hören? Er hat das rechtschaffenste Herz, aber Rechtschaffenheit und Edelmuth8 find Worte, die er nie auf die Zunge bringt.1 Franciska. Von was für8 Tugenden spricht er denn? Das Fräulein. Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.9 Franciska. Das wollte ich nur hören. Das Fräulein. Warte, Franciska; ich befinne mich. Er spricht sehr oft von Oekonomie. Im Vertrauen, Franciska, ich glaube, der Mann ist ein Verschwender.10

Franciska. Noch eins, gnädiges Fräulein. Ich habe ihn auch sehr oft der Treue und Beständigkeit gegen11 Sie erwähnen hören. Wie, wenn der Herr auch ein Flattergeistia wäre? Das Fräulein.

Du Unglückliche! — Aber meinest du das

im Ernste,18 Franciska?

Franciska.

Wie lange

hat er Ihnen

nun

schon nicht ge­

schrieben?18

Das Fräulein. Ach! einziges Mal geschrieben.18

seit dem Frieden hat er mir nur ein

Franciska. Auch ein Seufzer wider den Frieden! Wunderbar! der Friede soll nur das Böse wieder gut machen, das der Krieg ge­ stiftet, und er zerrüttet auch das Gute, was dieser sein Gegenpart18 etwa noch veranlaßt hat. Der Friede sollte so eigensinnig nicht sein! — Und wie lange haben wir schon Friede? Die Zeit wird

1 I wish 1 were more so. 2 of which we are deficient. 3 it applies in many respects to. 4 will). 5 in. 6 honour and uprightness. 7 never pass his lips — never fall from his tongue. 8 of what. 9 in none is he deficient. 10 spendthrift. 11 to. 12 weathercock. 13 art thou serious . . .? 14 how long is it now since he wrote to you? 15 only one- single time — but once. 16 opposite. 2*

20 einem gewaltig lang,' wenn e- so wenig Neuigkeiten giebt. ® — Umsonst gehen die Posten wieder richtig; Niemand schreibt; denn Nie­ mand hat etwa- zu schreiben.

Das Fräulein. ES ist Friede, schrieb er mir, und ich nähere mich3 der Erfüllung meiner Wünsche. Aber, daß er mir diese- nur einmal, nur ein einzige- Mal geschrieben —

Franciska. Daß er4 uns zwingt, dieser Erfüllung der Wünsche selbst entgegen zu eilen:6 finden wir ihn nur;6 das soll er unS entgelten!7 — Wenn indeß der Mann doch Wünsche erfüllt hätte, und wir erführen hier — Das Fräulein (ängstlich und hitzig). Daß er todt wäre? Franciska. Für Sie, gnädige- Fräulein; in den Armen einer Andern.

Das Fräulein. Du Quälgeist!8 Warte, Franciska, er soll dir es gedenken!8 — Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wieder ein.'o — Sein Regiment ward nach dem Frieden zerrissen.77 Wer weiß, in welche Verwirrung7® von Rechnungen und Nachweisungen er dadurch gerathen? Wer weiß, zu welchem andern Regimente, in welche entlegene Provinz er versetzt worben?73 Wer weiß, welche Um­ stände — Es pocht Jemand.74

Franciska.

Herein!73

Zweiter Auftritt. Der Wirth.

Die Vorigen.

Der Wirth (den Kopf voransteckend). gnädige Herrschaft? —

Ist «s erlaubt, meine

Franciska. Unser Herr Wirth? — Nur vollend- herein.16 Der Wirth (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und Schreibzeug in der Hand). Ich komme, gnädige- Fräulein, Ihnen einen unterthänigen guten Morgen zu wünschen, — (zur Franciska) und auch Ihr, mein schöne- Kind.77

Franciska. Ein höflicher Mann! Das Fräulein. Wir bedanken uns.73 Franciska. Und wünschen Ihm auch einen guten Morgen. Der Wirth. Darf ich mich unterstehen zu ftagen, wie 1 very tedious — horribly long. 2 it produces so few. 3 am approaching. 4 that he may — in order to. 5 to bestir ourselves in Order to meet. 6 if we only------- but find him. 7 shall atone for this. 8 tormentress. 9 should he think you capable of this. 10 fall asleep. 11 broken — scattered. 12 intricacies. 13 has been removed. 14 some one knocks. 15 come in. 16 only come in altogether. 17 my beauty — my pretty one. 18 we thank you.

- 21 — Jhro Gnaden ruhet?

die

erste Nacht

unter meinem fd^Ie^ten1 Dache ge­

Franciska. Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirth; aber die Betten hätten können besser sein. Der Wirth. Was höre ich? Nicht wohl geruhet? Vielleicht, daß die gar zu große Ermüdung8 von der Reise — Das Fräulein. ES kann sein.8 Der Wirth. Gewiß, gewiß! denn sonst — — Indeß sollte etwas nicht vollkommen nach Jhro Gnaden Bequemlichkeit gewesen sein, so geruhen8 Jhro Gnaden nur zu befehlen.

Franciska. Gut, Herr Wirth, gut! Wir find auch nicht blöde; und am wenigsten8 muß man im Gasthofe blöde sein. Wir wollen schon sagen, wie wir eS gern hätten. Der Wirth. Hiernächst8 komme ich zugleich — (indem er die Feder hinter dem Ohre hervorzieht) —

Franciska. Nun? Der Wirth. Ohne Zweifel kennen Jhro Gnaden schon die weisen Verordnungen unsrer Polizei.

Das Fräulein. Nicht im geringsten, Herr Wirth. Der Wirth. Wir Wirthe find angewiesen,7 keinen Fremden, weß8 Standes und Geschlechts er auch sei,8 vierundzwanzig Stun­ den zu behausen, ohne seinen Namen» Heimat, Charakter, hiefige Geschäfte, vermuthliche Dauer des Aufenthalts, und so weiter," ge­ hörigen Orts schriftlich einzureichen."

Da- Fräulein. Sehr wohl. Der Wirth. Jhro Gnaden werden fich also gefallen lassen" — (indem er an einen Tisch tritt, und fich fertig macht, zu schreiben) —

Das Fräulein. Sehr gern.18 — Ich heiße" — Der Wirth. Einen kleinen Augenblick Geduld! — (er schreibt:) „Dato, den 22. August a. c. allhier zum Könige in Spanien ange­ langt" 18 — Nun Dero Namen, gnädiges Fräulein?

Das Fräulein. Das Fräulein von Barnhelm. Der Wirth (schreibt), „von Barnhelm" — Kommend woher? gnädiges Fräulein!

Das Fräulein. Von meinen Gütern mtä16 Sachsen. Der Wirth (schreibt). „Gütern aus Sachsen" — Aus17 Sachsen! Ei, ei, aus Sachsen? gnädiges Fräulein, aus Sachsen?

1 poor. 2 over-fatigue. 3 that may be. 4 condescend. 5 less so. 6 to the next point. 7 have had notice. 8 of whatever. 9 may be. 10 and so on. 11 send in. 12 be pleased. 13 with pleasure. 14 my name is. 15 arrived at. 16 in. 17 from.

22 Franciska. Nun? warum nicht?1 Es ist doch wohl,8 hier zu Lande keine Sünde, aus Sachsen zu sein?

Der Wirth. Eine Sünde? Behüte! 3 das wäre ja eine ganz neue Sünde! — ÄuS Sachsen also? Ei, et! aus Sachsen, das liebe Sachsen! — Aber wo mir recht (ft,4 gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein, und hat mehrere — wie soll ich es nennen? — Distrikte, Provinzen. — Unsere Polizei ist sehr exact, gnädiges Fräulein.

Das Fräulein.

Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thü­

ringen also.

Der Wirth. Aus Thüringen! Ja, das ist besser, gnädiges Fräulein, das ist genauer. — (Schreibt und liest:) „Das Fräulein von „Barnhelm, kommend von ihren Gütern aus Thüringen, nebst einer „Kammersrau6 und zwei Bedienten" — Franciska. Einer Kammerfrau? das soll ich wohl sein?6 Der Wirth. Ja, mein schönes Kind. Franciska. Nun, Herr Wirth, so setzen fie anstatt Kammer­ frau, Kammerjungfer.7 — Ich höre die Polizei ist sehr exact; ich möchte ein Mißverständniß geben, welches mir bei meinem Aufgebote8 einmal Händel machen8 könnte. Denn ich bin wirklich noch Jungfer, und heiße Franciska; mit dem Geschlechtsnamen Willig; Franciska Willig. Ich bin auch aus Thüringen. Mein Vater war Müller auf einem von den Gütern des gnädigen Fräuleins. Es heißt Klein-Rammsdorf. Die Mühle hat jetzt mein Bruder. Ich kam sehr jung auf den Hof,10 und ward mit dem gnädigen Fräulein erzogen. Wir find von einem Alter;" künftige Lichtmeß einundzwanzig Jahr. Ich habe alles ge­ lernt, was das gnädige Fräulein gelernt hat. Es soll mir lieb fein,18 wenn mich die Polizei recht kennt.

Der Wirth. Gut, mein schönes Kind; das will ich mir auf weitere Nachfrage merken.13 — Aber nunmehr, gnädiges Fräulein, Dero Verrichtungen1? allhier?

Das Fräulein. Meine Verrichtungen? Der Wirth. Suchen Ihrs Gnaden etwas bet des KönigMajestät?13

Das Fräulein. O, nein! Der Wirth. Oder bet unsern hohen Justizcollegiis?16 Das Fräulein. Auch nicht." 1 well, what of that. 2 1 suppose iss no sin — it is surely no . . . 3 good graciousl 4 if 1 am right — if I mistake not. 5 gentlewoman. 6 a ... am II 7 chamber-maid. 8 being asked in church. 9 which might cause a dispute. 10 up to the manor house. 11 of the same age. 121 shall be glad, 13 bear in mind. 14 business. 15 does your Ladyship want anything fröm his Majesty the King. 16 high court of justice. 17 nothing.

23 Der Wirth. Oder — Das Fräulein. Nein, nein.

Ich bin lediglich in1 meinen

eigenen Angelegenheiten hier.

Der Wirth. Ganz wohl, gnädiges Fräulein; aber wie nennen sich diese eigene Angelegenheiten?

Das Fräulein.

Sie nennen fich — Franciska, ich glaube,

wir werden vernommen.2

Franciska. Herr Wirth, die Polizei wird doch nicht die Ge­ heimnisse eines Frauenzimmers zu wissen verlangen? Der Wirth. Allerdings,4 mein schönes Kind, tottt4 Alles, Alles wissen; und besonders Geheimnisse.

die Polizei

Franciska. Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu thun?4 — So hören Sie nur, Herr Wirth; aber daß es ja unter uns und der Polizei bleibt!4 Das Fräulein. Was wird ihm die Närrin7 sagen? Franciska. Wir kommen, dem Könige4 einen Officier wegzukaperu —

Der Wirth. Wie? was? Mein Kind! mein Kind! Franciska. Oder uns von dem Officjere kapern zu lassen.4 Beides ist eins.10

Das Fräulein. Franciska, bist du toll? — Herr Wirth, dieNaseweise hat Sie zum besten.11 Der Wirth. Ich will nicht hoffen!72 Zwar mit meiner We­ nigkeit^4 kann sie scherzen so viel wie fie will; nur mit einer hohen Polizei — Das Fräulein. Wissen Sie was,'4 Herr Wirth? — Ich weiß mich in dieser Sache nicht zu nehmen." Ich dächte, Sie ließen die ganze Schreiberei bis auf die Ankunft meines Oheims. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, warum er nicht mit mir zugleich angekommen. Er eeninötücfte16 zwei Meilen von hier mit seinem Wagen, und wollte durchaus nicht,17 daß mich dieser Zufall eine Nacht mehr kosten sollte. Ich mußte also voran.18 Wenn er vierundzwanzig Stunden nach mir eintrifft, so ist es das Längste.74

Der Wirth.

Nun ja, gnädiges Fräulein, so20 wollen wir

ihn erwarten.

1 simply on. 2 we are on our trial. 3 of course — certainly. 4 must. 5 — to be clone. 6 bul mind it must remain between us and the —. 7 silly girl. 8 to capture an officer of the king’s. 9 to be captured. 10 it is all the same — all one. 11 the impudent puss is joking you. 12 I bope she won’t. 13 my insignificant seif. 14 1’11 teil you what. — 15 I don’t know what to do in. 16 he had an accident — met with an etc. 17 and positively would not allow. 18 1 was therefore obliged to come on first. 19 he will... at tatest. 20 then.

24 Das Fräulein. Er wird auf Ihre Fragen besser antworten können. Er wird wissen, wem und wie weit er sich zu entdecken1 hat; waS er von seinen Geschäften anzeigend muß und was er davon ver­ schweigen^ darf. Der Wirth. Desto besser! Freilich, freilich kann man von einem jungen Mädchen (die FranclSka mit einer bedeutenden Miene an­ sehend) nicht verlangen, daß eS eine ernsthafte Sache mit ernsthaften Leuten ernsthaft trakttre — Das Fräulein. Und die Zimmer für ihn find doch in Be­ reitschaft, Herr Wirth? Der Wirth. Völlig, gnädiges Fräulein, völlig; bis auf das eine —

Franeißka. Aus dem Sie vielleicht auch noch erst einen ehr­ lichen Mann vertreiben müssen? Der Wirth. Die Kammerjungfern aus Sachsen, gnädiges Fräulein, find wohl sehr mitleidig. Das Fräulein. Doch, Herr Wirth; das haben Sie nicht gut gemacht.4 Lieber hätten6 Sie uns nicht etnnehmen sollen.

Der Wirth. Wie so, gnädiges Fräulein, wie so? Das Fräulein. Ich höre," daß der Officier, welcher durch unS verdrängt* worden —

Der Wirth.

Ja* nur ein abgedankter Officier ist, gnädiges

Fräulein.

Das Fräulein. Wenn schon!" Der Wirth. Mit dem es zu Ende geht.10 Das Fräulein. Desto schlimmer! Es soll ein sehr verdienter Mann sein.

Der Wirth. Ich sage Ihnen ja," daß er abgedankt ist. DaS Fräulein. Der König kann nicht alle verdiente Männer kennen.

Der Wirth. O gewiß, er kennt fie, er kennt fie alle. Das Fräulein. So kann er fie nicht alle belohnen. Der Wirth. Sie wären alle belohnt, wenn fie darnach gelebt hätten. Aber so leben die Herren während des Krieges, als ob ewig Krieg bleiben würde;12 als ob das Dein und Mein13 ewig14 aufgehoben sein würde. Jetzt liegen alle Wirthshäuser und Gasthäuser von ihnen voll;16 und ein Wirth hat fich wohl mit ihnen in Acht zu nehmen.16

1 explain. 2 what Information he must give. 3 keep secret. 4 managet! well — done well. 5 ’twere beiter you had — you had b etter. 61 understand — hear. 7 inconvenienced. 8 nay. 9 and if so. 10 it’s all up with bim — all over with him — he’s done for. 11 but I say again. 12 as though — as if war was to last for ever. 13 the distinction between mine and thine. 14 to eternity. 15- the hotels and taverns are now all full of them. 16 must take care what he’s about with them.

25 Ich bin mit diesem noch so ziemlich weggekommen.' Hatte er gleich kein Geld mehr,3 so hatte er doch noch Geldeswerth;3 und zwei, drei Monate hätte ich ihn ftetlich noch ruhig können fitzen lassen. Doch besser ist besser. — A Propos, gnädiges Fräulein, Sie verstehen sich4 doch auf Juwelen?

Das Fräulein. Nicht sonderlich. Der Wirth. Was sollten Jhro Gnaden

nicht?3 — Ich muß Ihnen einen Ring zeigen, einen kostbaren Ring. Zwar gnädige» Fräulein haben da auch einen sehr schönen am3 Finger, und je mehr ich ihn betrachte, je mehr muß ich mich wundern, daß er dem meinigen so ähnlich ist. — O! sehen Sie doch, sehen Sie doch! (Indem er ibn aus dem Futteral ° herausnimmt und dem Fräulein hinreicht.) Welch ein Feuer! der mittelste Brillant allein wiegt über fünf Karat.

Das Fräulein

(ihn betrachtend).

Wo bin ich? was seh ich?

Dieser Ring —

Der Wirth.

Ist

seine fünfzehnhundert Thaler unter Brüdern

werth.9

Das Fräulein. Franciska! — Sieh doch! Der Wirth. Ich habe mich auch nicht einen

Augenblick be­

dacht,'9 achtzig Pistolen darauf zu leihen.

Das Fräulein. Franciska. Der

Erkennst du ihn nicht, Franciska? nehmliche! — Herr Wirth, wo haben Sie

diesen Ring her?"

Der Wirth.

Nun, mein Kind? Sie hat doch wohl kein Recht

daran?13

Franciska. Wir kein Recht an'3 diesem Ringe?— Inwärts auf dem Kasten muß der Fräulein verzogener14 Name stehen. — Weisen Sie doch," Fräulein. Das Fräulein. Er ist's, er ist's!'3 — Wie kommen Sie zu" diesem Ringe, Herr Wirth?

Der Wirth. Ich? auf die ehrlichste Weise von der Welt. — Gnädiges Fräulein, gnädiges Fräulein, Sie werden mich nicht in Schaden und Unglück bringen wollen? Was weiß ich,'3 wo sich der Ring eigentlich herschreibt?'9 Während des Krieges hat Manches seinen Herrn, sehr oft mit und ohne Borbewußt33 des Herrn verändert. Und 1 l’ve come off pretty well. — 2 if he hasn’t money exactly. 3 yet still he has property. 4 of course you know something about jewellery — have some knowledge of. — 5 has not — hasn’t------indeed? 6 on your. 7 the more I wonder — am astonished. 8 case. 9 is worth fifteen bundred dollars to a dealer. 10 I did n’t hesitate.— 11 where did you get. — 12 she makes no Claim to it I suppose — should think. 13 to. 14 flowished. 15 shew it him only. 16 that's it. 17 how did you come by. 18 how do — should I know. 19 comes from. 20 foreknowledge.

26 Krieg war Krieg. ES werden mehr Ringe aus Sachsen über die Grenze gegangen1 sein. — Geben Sie mir ihn wieder, gnädiges Fräulein, geben Sie mir ihn wieder!

Franciska. Erst geantwortet: von wem haben Sie ihn? Der Wirth. Von einem Manne, dem ich so was nicht zu­ trauen tflnn;3 von einem sonst

guten Manne —

Das Fräulein.

Von dem besten Manne unter der Sonne, wenn Sie ihn von seinem Eigenthümer haben. — Geschwind, bringen Sie mir den Mann! Er ist es selbst, oder wenigstens muß er ihn kennen.

Der Wirth. Wer denn? wen denn, gnädiges Fräulein? Franciska. Hören Sie denn nicht? unsern Major. Der Wirth. Major? Recht, er ist Major, der dieses Zimmer vor Ihnen bewohnt hat, und von dem ich ihn habe.

Das Fräulein. Major von Tellheim. Der Wirth. Von Tellheim; ja! Kennen Sie ihn? Das Fräulein. Ob ich ihn kenne? Er ist hier? Tellheim ist hier? Er? er hat in diesem Zimmer gewohnt?^ Er! er hat Ihnen diesen Ring versetzt? Wie kommt er in diese Verlegenheit? Wo ist er? Er ist Ihnen schuldig?---------- Franciska, die Schatulle ° her! Schließ auf!6 (Indem sie Franciska auf den Tisch setzet, und öffnet.) WaS ist er Ihnen schuldig? Wem ist er mehr schuldig?'" Bringen Sie mir alle seine Schuldner. Hier ist Geld. Hier find Wechsel. Alles ist sein!

Der Wirth. Was höre ich? Das Fräulein. Wo ist er? wo ist er? Der Wirth. Noch vor einer Stunde* war er hier. Das Fräulein. Häßlicher « Mann, wie konnten Sie gegen'0 ihn so unfreundlich, so hart, so grausam sein?

Der Wirth. Jhro Gnaden verzeihen — Das Fräulein. Geschwind, schaffen Sie mir ihn zur Stelle. Der Wirth. Sein Bedienter ist vielleicht noch hier. Wollen Jhro Gnaden, daß er ihn aufsuchen soll?11

Das Fräulein. Ob ich will?18 Eilen Sie, laufen Sie; für diesen Dienst allein will ich es vergessen, wie schlecht 18 Sie mit ihm umgegangen find."

Franciska. Fix, Herr Wirth, hurtig," fort, fort! (Stößt ihn hinaus.)

1 crossed. 2 can not give Credit for possessing. 3 in other respects. 4 lodged — lived — occupied. 5 casket. 6 unlock il. .7 to whom eise is he in debt? 8 an hour ago. 9 wicked. 10 towards — to._ 11 does . . . desire that he go in quest of him. 12 do l desire. 13 basely. 14 dealt with him — treated. 15 speed.

27 Dritter Austritt.

DaS Fraulein.

FraneiSka.

DaS Fräulein. Nun habe ich ihn wieder, FraneiSka! Siehst du, nun habe ich ihn wieder! Ich weiß nicht, wo ich vor Freuden Mn!1 Freue dich doch mit, liebe FraneiSka. Aber steilich, warum du?2 Doch du sollst dich, du mußt dich mit mir steuen. Komm, Liebe, ich will dich beschenken, damit du dich mit mir freuen kannst. Sprich, FraneiSka, was soll ich dir geben? Was steht dir von meinen Sachen an? 3 WaS hättest du gern? Nimm, was du willst; aber freue dich nur. Ich sehe wohl, du wirst dir nichts nehmen. Warte! (®te faßt in die Schatulle) Da, liebe FraneiSka; (und giebt ihr Geld) kaufe dir,3 was du gern hättest. Fordere mehr, wenn es nicht zu­ langt.3 Aber freue dich nur mit mir. Es ist so traurig, sich allein3 zu freuen. Nun, so nimm doch — FraneiSka. Ich stehle es Ihnen,r Fräulein; Sie find trun­ ken, 3 von Fröhlichkeit trunken.

Das Fräulein. Mädchen, ich habe einen zänkischen Rausch,9 nimm, oder — (sie zwingt ihr daS Geld in die Hand) Und wenn du dich bedankest!10 — Warte; gut, daß ich daran denke (fie greift noch­ mals in die Schatulle nach Geld). Das, liebe Franciska, stecke bei Seite;11 für den ersten blesfirten armen 12 Soldaten, der uns an­ spricht. Vierter Austritt.

Der Wirth.

DaS Fräulein.

Franciska.

Das Fräulein. Nun? wird er kommen?13 Der Wirth. Der widerwärtige,33 ungeschliffene33 Kerl! Das Fräulein. Wer? Der Wirth. Sein Bedienter. Er weigert flch, nach ihm zu gehen. Franciska. Bringen Sie doch 16 den Schurken her. — Des Majors Bediente kenne ich ja wohl alle.17

Das Fräulein.

Welcher wäre denn das?

Bringen Sie ihn geschwind her. uns fleht, wird er schon gehen.18 (Der Wirth geht ab.)

Wenn er

1 I am so overjoyed. 2 but, to be sure, why shouldst thou. 3 what amongst my things will suit thee. 4 buy thyself. 5 is not sufficient. 6 by one’s seif — alone. 7 am robbing you. 8 intoxicated — drunk with. 9 quarrelsome fit. 10 dare to tliank me. 11 put aside. 12 poor wounded. 13 is he coming —«will he come. 14 crossgrained, 15 unmannerly. 16 only bring. 17 I know all the . . very well. 18 directly.

28

Fünfter Auftritt.

Das Fräulein.

FraneiSka.

DaS Fräulein. Ich kann den Augenblick nicht erwarten. Aber, Franeiska, du bist noch immer so falt? Du willst dich noch nicht mit mir freuen?

Franeiska. Ich wollte von Herzen gern;1 wenn nur — Das Fräulein. Wenn nur? Franeiska. Wir haben den Mann wiedergefunden; aber wie haben wir ihn wiedergefunden? Nach allem, waS wir von ihm hören, muß eS ihm übel gehn.^ Er muß unglücklich fein. DaS Jam«wert mich.

Das Fräulein. Jammert dich? — Laß dich dafür umarmen,8 meine liebste Gespielin! DaS will ich dir nie vergessen! * — Ich bin nur verliebt, und du bist gut.6 Sechster Auftritt. Der Wirth.

Just.

Die Vorigen.

Der Wirth. Mit genauer Noth 6 bring' ich ihn. Franeiska. Ein fremdes Geficht! Ich kenne ihn nicht. Das Fräulein. Mein Freund, ist Er bet dem Major von Tellhetm?

Just. Ja. Das Fräulein. Wo ist Sein Herr? Just. Nicht hier. Das Fräulein. Aber Er weiß ihn j«r finden? Just. Ja. Das Fräulein. Will Er ihn nicht geschwind herholen?6 Just. Nein. Das Fräulein. Er erweiset mir damit9 einen Gefallen. Just. Ei! Das Fräulein. Und seinem Herrn einen Dienst.

1 most readily — with all my heart. 2 must be badly off — must go badly with him. 3 let me embrace thee for that. 4 1 will never sorget thee for that. 5 kind. 6 the greatest trouble. 7 where to find him — where he is to be found. 8 fetch. 9 you would oblige me by doing so.

29 Just. Vielleicht auch nichts Das Fräulein. Woher vermuthet Er das? Just. Sie find doch die ftemde Herrschaft, die ihn diesen Morgen complimentiren lassen?

Das Fräulein. Ja. Just. So bin ich schon recht. 8 Das Fräulein. Weiß Sein Herr meinen Namen? Just. Nein; aber er kann die allzu höflichen 4 Damen eben so wenig leiden,8 als die allzu groben Wirthe.

Der Wirth. Just.

Das soll wohl mit auf mich gehn?6

Ja.

Der Wirth. So laß Er es doch dem gnädigen Fräulein nicht entgelten;7 und hole Er ihn geschwind her.

Das Fräulein (zur Franciska). Franciska, gieb ihm etwas — Franciska (die dem Just Geld in die Hand drücken will). Wir ver­ langen Seine Dienste nicht umsonst.8

Just. Und ich Ihr Geld nicht ohne Dienste. Franciska. Eines für das Andere.8 Just. Ich kann nicht. Mein Herr hat mir befohlen, auszu­ räumen. Das thu' ich jetzt, 10 und daran, bitte ich, mich nicht weiter" zu verhindern. Wenn ich fertig bin, so will ich es ihm ja wohl18 sagen, daß er Herkommen kann. Er ist neben an auf13 dem Kaffeehause; und wenn er da nichts Besseres zu thun findet, wird er auch wohl14 kommen. (Will fortgehen.)

Franciska. So warte Er doch. — Das gnädige Fräulein ist des Herrn Majors — Schwester.

Das Fräulein. Ja, ja, seine Schwester. Just. Das weiß ich besser,16 daß der Major keine Schwester hat. Er hat mich in sechs Monaten zweimal an seine Familie nach Kurland geschickt. — Zwar es giebt mancherlei16 Schwestern —

Franciska. Unverschämter!17 Just. Muß man es nicht sein, wenn einen die Leute sollen gehn lassen?" (Geht ab.)

Franciska.

Das ist ein Schlingel!19

1 — not exactly — I don’t know that I should. 2 of course. 3, then l’m right you see — quite right. 4 over-polite. 5 he as much dislikes — can as little bear. 6 he means that for me as well I suppose. 7 well, but don’t let . . . suster for it. 8 without paying. 9 we are quit. 10 I am going to do so now. 11 no longer. 12 certainly. 13 close by at. — 14 most likely — probably. 15 I know beiter. 16 to be sure — it’s very true, there are several sorts of. 17 impudent fellow. 18 won’t let one be quiet. 19 scoundrel.

30 Der Wirth. Ich sagt es ja.. Aber taffen Sie ihn nur! Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist. Ich will ihn gleich selbst holen. — Nur, gnädiges Fräulein, bitte ich unterthänigst,1 sodann ja mich bet dem Herrn Major zu entschuldigens daß ich so8 un­ glücklich gewesen, wider meinen Willen, einen Mann von seinen Ver­ diensten — Das Fräulein. Gehen Sie nur geschwind,8 Herr Wirth. Das will ich alles wieder gut machen.8 (Der Wirth geht ab.) Franciska, lauf ihm nach: er soll ihm meinen Namen nicht nennen! 6 (Franciska dem Wirthe nach.) Siebenter Auftritt.

Das Fräulein.

Franciska.

Das Fräulein. Zch habe ihn wieder! — Bin ich allein? — Ich will nicht umsonst allein sein. (Sie faltet die Hände) Auch bin ich nicht8 allein! (und blickt aufwärts) Ein einziger dankbarer Ge­ danke gen Himmel ist da- vollkommenste8 Gebet! — Ich hab ihn, ich hab ihn! (Mit ausgebreiteten Armen) Ich bin glücklich und fröhlich! Was kann der Schöpfer lieber sehen,10 als ein fröhliches Geschöpf! — (Franciska kommt.) Bist du wieder da, Franciska? — Er jammert dich? Mich jammert er nicht. Unglück ist auch gut. Vielleicht, daß ihm der Himmel Alles nahm, um ihm in mir" Alles wieder zu geben.12

Franciska. in Ihrem Negligee, schwind ankletdeten?

Er kann den Augenblick hier sein. Sie find noch gnädiges Fräulein. Wie, wenn Sie fich ge­

Das Fräulein. Geh! ich bitte dich." nun an öfterer so, als geputzt sehen.

Er wird mich von

Franciska. O, Sie kennen fich," mein Fräulein. Das Fräulein (nach einem kurzen Nachdenken). Wahrhaftig, Mädchen, du hast es wiederum getroffen.16

Franciska.

Wenn wir schön find,

find

wir

ungeputzt am

schönsten.16

Das Fräulein. Müssen wir denn schön sein? — Aber, daß wir uns schön glauben, war vielleicht nothwendig."— Nein, wenn ich ihm, itim18 nur schön bin! — Franciska, wenn alle Mädchen so find, wie ich mich jetzt fühle, so find wir — sonderbare Dinger — 1 most respectfully. 2 apologize for me to. 3 for my having. 4 only go at once quickly. 5 1’11 settle alt that — set that straight. 6 mention. 7 in vain. 8 no, l’m not. 9 best of. 10 be more welcome to. 11 through me. 12 restore. 13 I pray thee, never mind — pry’thee. 14 you know best, you know yourself. 15 hit it. 16 when unadorned we are the most so. 17 it is perhaps requisite that we 18 in his eyes.

31 zärtlich und stolz, tugendhaft und eitel, wollüstig und fromm. — Du wirst mich nicht verstehen. Ich verstehe mich wohl selbst nicht. — Die Freude macht drehend, 1 wirbelig.

Franciska.

Fassen Sie sich, mein Fräulein;

ich höre kom­

men^ —

Das Fräulein.

Mich

fassen?

Ich

sollte3 ihn

ruhig

em­

pfangen?

Achter Auftritt. v. Tellheim.

Der Wirth.

Die Vorigen.

v. Tellheim (tritt herein und indem er fie erblickt, fliegt er auf fie zu). Ah! meine Minna! — Das Fräulein (ihm entgegen fliegend). Ah! mein Tellheim! — v. Tellheim (stutzt* auf einmal und tritt wieder zurück). Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, — das Fräulein von Barnhelm hier zu finden —

Das Fräulein. Kann Ihnen doch so gar unerwartet nicht sein? — (Indem fie ihm näher tritt und er mehr zurückweicht.) Ich soll 6 Ihnen verzeihen, daß id)6. noch Ihre Minna bin? Verzeih Ihnen der Himmel, daß ich noch das Fräulein von Barnhelm bin!

v. Tellheim. Gnädiges Fräulein und zuckt« die Schultern.) Das Fräulein

(Sieht starr« auf den Wirth

(wird den Wirth gewahr und winkt der Franciska).

Mein Herr —

v. Tellheim. Franciska.

Wenn wir uns beiderseits nicht irren 10 —

Je, Herr Wirth, wen bringen" Sie uns denn da? Geschwind kommen Sie, lassen Sie uns den Rechten suchen.

Der Wirth. Ist es Franciska. Ei nicht

nicht der Rechte? Ei ja doch! 12

doch! Geschwind, kommen Sie; ich habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen gesagt.13

Der Wirth. O! viel Ehre — (doch ohne von der Stelle zu gehen). Franciska (faßt ihn an14). Kommen Sie, wir wollen den Küchen­ zettel ma$cn.10 — Lassen Sie sehen, was wir haben werden —

Der Wirth. Franciska. weiß,

Sie sollen haben; vor's Erste —

Still, (Hfle!16 Wenn das Fräulein jetzt schon was fie zu Mittag speisen soll, so ist es um ihren Appetit

1 makes me giddy — turns my brain. 2 some one coming. I to. — 4 Starts. 5 I am to. 6 for being. 7 Heaven you. 8hard. 9 shrugs. 10 if we are not both deceived. 12 eh ! to. be sure! 13 wished — said... to. 14 takes hold 15 arrange the bill of fare. 16 do be quiet.

3 ought pardon lltake. of him.

geschehen.'

32

-

Kommen Sie, das müssen Sie mir allein sagen. (Führt

ihn mit Gewalt* ab.)

Neunter Auftritt. v. Tellhcim.

Das Fräulein.

Das Fräulein.

Nun? irren wir uns noch?

V. Tellheim. Daß es der Himmel wollte!3 — giebt nur Eine, und Sie find.es.

Aber es

Das Fräulein. Welche Umstände!3 Was wir uns zu sagen haben, kann Jedermann hören. v. Tellheim.

Sie hier?

Was

suchen3 Sie hier, gnädiges

Fräulein?

Das Fräulein. Nichts suche ich mehr. (Mit offenen Armen auf ihn zugehend.)

Alles, was ich suchte, habe ich gefunden.

v. Tellheim (zurückweichend).

Sie suchten einen glücklichen, einen Ihrer Liebe würdigen Mann,3 und finden einen — Elenden.

Das Fräulein. lieben eine Andere?

So lieben Sie mich nicht mehr? — Und '

v. Tellheim. Ah! der hat Sie nie geliebt, mein Fräulein, der eine Andere nach Ihnen lieben kann.

Das Fräulein. Sie reißen nur einen 'Stachel 7 aus meiner Seele.3 — Wenn ich ihr Herz verloren habe, was liegt daran,3 ob mich Gleichgültigkeit oder mächtigere Reize10 darum gebracht? — Sie lieben mich nicht mehr, und lieben auch keine Andere? — Unglücklicher Mann, wenn Sie gar nichts lieben! — v. Tellheim. Recht, gnädiges Fräulein; der Unglückliche muß gar nichts lieben. Er verdient sein Unglück, wenn er diesen Sieg nicht über fich selbst zu erhalten weiß;" wenn er es fich gefallen lassen kann,'3 daß die, welche er liebt, an seinem Unglück Antheil nehmen dürfen. — Wie schwer ist dieser Steg! — Seitdem mir Vernunft und Nothwendigkeit befehlen, Minna von Barnhelm zu vergessen: was für Mühe habe ich angewandt! Eben wollte ich ansangen zu hoffen, daß diese Mühe nicht ewig vergebens'3 sein würde: — und Sie er­ scheinen, mein Fräulein!

Das Fräulein. Versteh' ich Sie recht? — Halten Sie, mein 1 she will have no appetite. 2 effort. 3 would to Heaven it were so. 4 ceremony. 5 are you in search of — what is your design. 6 one worthy. 7 thorn. 8 heart. 9 what matters it — do es it signify. 10 allurement. 11 know how to gain. 12 can be Content — suffer — perniit. 13 wholly fruitless — entirely in vain.

33 Herr; lassen Sie sehen, wo wir find, ehe wir uns weiter1 verirren! — Wollen Sie mir die einzige Frage beantworten?

v. Tellheim. Jede, mein Fräulein. Das Fräulein. Wollen Sie mir auch ohne Wendung, 2 ohne Winkelzug, antworten? Nein?

Mit Nichts, als einem trocknen 3 Ja, oder

v. Tellheim. Ich will es,4 — wenn ich kann. Das Fräulein. Sie können es. — Gut: ohngeachtet der Mühe, die Sie angewendet, mich zu vergessen, — lieben Sie mich noch, Tellheim?

v. Tellheim. Mein Fräulein, diese Frage — Das Fräulein. Sie haben versprochen, mit nichts, als^Ja oder Nein zu antworten.

V. Tellheim. Und hinzugesetzt: 6 wenn ich kann. Das Fräulein. Sie können; Sie müssen wissen, was in Ihrem Herzen vorgeht. 6 oder Nein.

Lieben Sie mich noch, Tellheim? — Ja,

v. Tellheim. Wenn mein Herz — Das Fräulein. Ja, oder Nein! v. Tellheim. Nun, Ja! Das Fräulein. Ja? v. Tellheim. Ja, ja! — Allein — Das Fräulein. Geduld! — Sie lieben mich noch: genug für mich.? — In was für einen Ton bin 8 ich mit Ihnen gefallen! Ein widriger, melancholischer, ansteckender Ton. — Ich nehme den meinigen wieder an. 9 — Nun, mein lieber Unglücklicher, Sie lieben mich noch, und haben Ihre Minna noch, und sind unglücklich? Hören Sie doch, was Ihre Minna für ein eingebildetes, albernes Ding war, — ist. Sie ließ, sie läßt sich träumen, Ihr ganzes Glück sei sie. 10 — Geschwind kramen Sie Ihr Unglück aus. Sie mag versuchen, wie viel sie dessen aufwiegt. 11 — Nun?

v. Tellheim. Mein Fräulein, ich bin nicht gewohnt zu klagen. Das Fräulein. Sehr wohl. Ich wüßte auch nicht, 12 was mir an einem Soldaten, nach dem Prahlen, 13 weniger gefiele, als das Klagen. Aber es giebt eine gewisse kalte, nachlässige Art, von seiner Tapferkeit und von seinem Unglücke zu sprechen —

1 further — any für Iber. 2 straight forward — candidly. 3 a plain. 4 I will. 5 added. 6 to what your heart gives the pre­ ference. 7 I am Content. 8 strain have. — 9 I will resinne my own. 10 centred in herseif. 11 counterbalance — outweigh it. 12 I do not know anything that pleases me less. 13 with the exception of — except boasting.

34

V. Tellheim.

Die im

Grunde doch auch 1 geprahlt und ge­

klagt ist.

Das Fräulein.

O, mein Rechthaber, so 9 hätten Sie sich auch gar nicht unglücklich nennen sollen. — Ganz geschwiegen, oder ganz mit der Sprache heraus. — Eine Vernunft, eine Nothwendig­ keit, die Ihnen mich zu vergessen befiehlt? 3 — Ich bin eine große Liebhaberin von Vernunft, ich habe sehr viel Ehrerbietung für die Nothwendigkeit.^ — Aber lassen Sie doch hören, 5 wie vernünftig diese Vernunft, wie nothwendig diese Nothwendigkeit ist.

v. Tellheim.

Wohl denn; so hören Sie, mein Fräulein. — Sie nennen mich Tellheim; der Name trifft ein. — Aber Sie meinen, ich fei6 der Tellheim, den Sie in Ihrem Vaterlande gekannt haben; der blühende Mann, voller Ansprüche, voller Ruhmbegierde; der seines ganzen Körpers, seiner ganzen Seele mächtig war;^ vor dem die Schranken der Ehre und des Glücks eröffnet standen; der Ihres Her­ zens und Ihrer Hand, wenn er schon ihrer noch nicht würdig war, täglich würdiger zu werden hoffen durfte. — Dieser Tellheim bin ich eben so wenig, — als ich mein Vater bin. 8 Beide find gewesen. — Ich bin Tellheim, der verabschiedete, der an seiner Ehre gekränkte, der Krüppel, der Bettler. — Jenem, mein Fräulein, versprachen Sie fich: wollen Sie diesem Wort halten? —

Das Fräulein.

Das klingt sehr tragisch! — Herr, bis ich jenen wieder finde, — in die Tellheims einmal vernarret, — dieser wird mir schon aus der müssen. — Deine Hand, lieber Bettler! (Indem sie ihn ergreift.)

Doch, mein bin ich nun Noth helfen bet der Hand

v. Tellheim

(der die andere Hand mit dem Hute vor das Gesicht schlägt, und fich von ihr abwendet). Das 9 ist zu viel! — Wo bin ich? — Lassen Sie mich, Fräulein! Ihre Güte foltert mich; — Lassen Sie mich. 10

Das Fräulein. Was ist Ihnen?11 wo wollen v. Tellheim. Von Ihnen! — Das Fräulein. Von mir? (Indem sie seine Hand

Sie hin?

an ihr« Brust

zieht) Träumer!

v. Tellheim.

Die

Verzweiflung

wird

mich

todt zu

Ihren

Füßen werfen.

Daß Fräulein.

Von mir?

1 but which is in fact neither 3 bade you. 4 for necessity. for — you think 1 am. 7 sound more that Tellheim than I am my me go. 11 what then?

more nor less than. 2 now. 5 let me hear. 6 you take me in mind and body. 8 I am no own father. 9 Ibis. 10 tet



35

V. Tellheim. Bon Ihnen. — Sie nie, nie wieder zu sehen. — Oder doch so entschlossen, so fest entschlossen, — keine Nieder­ trächtigkeit zu begehen, 1 — Sie keine Unbesonnenheit begehen lassen. — Lassen Sie mich, Minna! (reißt sich los, und ab.) Das Fräulein

(ihm nach).

Minna

Sie lassen?

Tellheim!

Tellheim!

Dritter Aufzug. Erster Austritt. (Die Scene, der Saal.)

Zust

(einen Brief in der Hand).

Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kommen! — Ein Briefchen von meinem Herrn an das gnädige Fräulein, das seine Schwester sein will. 2 — Wenn sich nur da nichts anspinnt! 3 — Sonst wird des Brieftragens kein Ende werden. — Ich wäre es gern log;4 aber ich möchte auch nicht gern in's Zimmer hinein. — Das Frauenszeug fragt so viel; und ich antworte so ungern! 6 — Ha, die Thüre geht auf. Wie gewünscht! das Kammerkätzchen! 3

Zweiter Auftritt. Franciska.

Just.

Franciska (zur Thüre herein, aus der sie kömmt). Sorgen Sie nicht; ich will schon aufpafsen. 9 — Sieh! (indem sie Justen gewahr wird) da stieße mir ja gleich was auf. 10 Aber mit dem Vieh ist nichts anzufangen.11

Zust. Ihr Franciska. Zust. Nu,

Diener —

Ich

wollte so einen Diener nicht —

nu; verzeih Sie mir die Redensart! — Da bring ich ein Briefchen von meinem Herrn an Ihre Herrschaft, das gnädige Fräulein 12 — Schwester. — War's nicht so? Schwester.

1 not to be guilty of — commit a. 2 who calls herseif his sister. 3 if there is not some plot planning there — something in the wind. 4 I wish I were rid of it. 5 still I don’t like going into the room. 6 I hate answering — answer so unwillingly. 7 just the thing. 8 that cat of a chamber-maid. 9 1'11 take care to be on the watch. 10 a thought strikes me. 11 there’s nothing to be done. 12 noble lady.



35

V. Tellheim. Bon Ihnen. — Sie nie, nie wieder zu sehen. — Oder doch so entschlossen, so fest entschlossen, — keine Nieder­ trächtigkeit zu begehen, 1 — Sie keine Unbesonnenheit begehen lassen. — Lassen Sie mich, Minna! (reißt sich los, und ab.) Das Fräulein

(ihm nach).

Minna

Sie lassen?

Tellheim!

Tellheim!

Dritter Aufzug. Erster Austritt. (Die Scene, der Saal.)

Zust

(einen Brief in der Hand).

Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kommen! — Ein Briefchen von meinem Herrn an das gnädige Fräulein, das seine Schwester sein will. 2 — Wenn sich nur da nichts anspinnt! 3 — Sonst wird des Brieftragens kein Ende werden. — Ich wäre es gern log;4 aber ich möchte auch nicht gern in's Zimmer hinein. — Das Frauenszeug fragt so viel; und ich antworte so ungern! 6 — Ha, die Thüre geht auf. Wie gewünscht! das Kammerkätzchen! 3

Zweiter Auftritt. Franciska.

Just.

Franciska (zur Thüre herein, aus der sie kömmt). Sorgen Sie nicht; ich will schon aufpafsen. 9 — Sieh! (indem sie Justen gewahr wird) da stieße mir ja gleich was auf. 10 Aber mit dem Vieh ist nichts anzufangen.11

Zust. Ihr Franciska. Zust. Nu,

Diener —

Ich

wollte so einen Diener nicht —

nu; verzeih Sie mir die Redensart! — Da bring ich ein Briefchen von meinem Herrn an Ihre Herrschaft, das gnädige Fräulein 12 — Schwester. — War's nicht so? Schwester.

1 not to be guilty of — commit a. 2 who calls herseif his sister. 3 if there is not some plot planning there — something in the wind. 4 I wish I were rid of it. 5 still I don’t like going into the room. 6 I hate answering — answer so unwillingly. 7 just the thing. 8 that cat of a chamber-maid. 9 1'11 take care to be on the watch. 10 a thought strikes me. 11 there’s nothing to be done. 12 noble lady.

36 Franciska. Geb Er her! (reißt Ihm den Brief au» der Hand). Just. Sie soll so gut sein, läßt mein Herr bitten,1 und eS übergeben. Hernach soll Sie so gut sein, läßt mein Herr bitten — daß Sie nicht etwa denkt, ich bitte was! —

Franciska. Nun denn? Zust. Mein Herr versteht den Rummel.

Er weiß, daß der Weg zu den Fräuleins durch die Kammermädchens geht: — bild ich mir ein'. — Die Jungfer soll also so gut sein, — läßt mein Herr bitten, — und ihm sagen lassen, 2 ob er nicht das Vergnügen haben könnte, die Jungfer auf 3 ein Viertelstündchen zu sprechen.

Franciska.

Mich?

Just. Verzeih Sie mir, wenn ich Ihr einen unrechten Titel gebe. — Ja, Sie'. — Nur auf ein Viertelstündchen; aber allein, ganz allein, insgeheim, unter vier Augen. 4 Er hätte Ihr was sehr nothwendiges zu sagen. Franciska. Gut! ich habe ihm auch viel zu sagen. — Er kann nur kommen, 6 ich werde zu seinem Befehle sein.

Zust. Aber, wann kann er kommen? Wann ist es Ihr am gelegensten, Jungfer? So in der Dämmerung? 6

Franseika. Wie meint Er das? Sei» Herr kann kommen, wenn er will; — und damit packe Er sich nur! 7 Just. Herzlich gern!« (Will fortgehen.) Franciska. Hör' Er doch; 9 noch auf ein Wort. — Wo find denn die andern Bedienten des Majors? Just.

Die andern?

Dahin, dorthin, überallhin. 10

Franciska. Wo ist Wilhelm? Just. Der Kammerdiener? den läßt der Major reisen.11 Franciska. So? 12 Und Philipp, wo ist der? Just. Der Jäger? den hat der Herr aufzuheben gegeben. Franciska.

Weil er jetzt keine Jagd hat,

ohne Zweifel. —

Aber Martin?

Just. Der Kutscher? der ist weggeritten. Franciska. Und Fritz? Just. Der Läufer? der ist avancirt. 1 my master says — requests. 2 send him word. 3 for. 4 by your selves. 5 he has only to come. 6 about dusk. 7 and now take thyself off. 8 with pleasure — very gladly. 9 but, I say. 10 here, there, everywhere. 11 he is traveJling — on his travels. 12 indeed?

37 Franciska. Wo war Er denn, als der Major bet UNS in Thüringen im Winterquartiere stand? Er war wohl noch nicht bet ihm?

W-

O ja,

ich

war Reitknecht

bet ihm;

aber ich lag im

Lazareth.

Franciska. Reitknecht? Und jetzt ist Er? Just. Alles in allem; Kammerdiener und Jäger, Läufer und Reitknecht.

Franciska. Das muß ich gestehen! So vielt gute, tüchtige Leute von sich zu lassen,1 und gerade den allerschlechtesten zu behalten! Ich möchte doch wissen, was Sein Herr an Ihm fände! a

Just. Vielleicht findet er, daß ich ein ehrlicher Kerl bin. Franciska. O, man ist auch verzweifelt3 wenig, wenn man weiter nichts ist, als ehrlich. — Wilhelm war ein andrer Mensch! — Reisen läßt ihn der Herr?

Just. Ja, er läßt ihn; da er'S nicht hindern kann. Franciska. Wie? Inst. O, Wilhelm wird fich alle Ehre4 auf seinen Reisen machen.

Er hat des Herrn ganze Garderobe mit.

Franciska. Was? er ist doch nicht damit durchgegangen?3 Just. Das kann man nun eben nicht sagen; 6 sondern alwir von Nürnberg weggingen, kommen.

Franciska. Just.

ist er uns

nur

nicht

damit nachge­

O der Spitzbube!

Es war ein ganzer * Mensch!

er konnte frifiren,

und

rafiren, und parliren, — und scharmiren — Nicht wahr?

Franciska. Sonach hätte tch den Jäger nicht von mir ge­ than, 8 wenn ich wie der Major gewesen wäre. Konnte er ihm schon 9 nicht als Jäger nützen, so war es doch sonst ein tüchtiger Bursche. — Wem hat er ihn denn anfzuheben gegeben? 10

Just. Dem Kommandanten von Spandau. Franciska. Der Festung? Die Jagd auf den Wällen kann doch da auch nicht groß sein.

Just. O, Philipp jagt auch da nicht. Franciska. War thut er denn? Just. Er karrt. Franciska. Er karrt?

1 to part witli. 2 I should just — very much like to know what his master could see in his face. 3 precious — dreadful. 4 will come off wilh Credit. 5 run away. 6 exactly say. 7 clever. 8 I should not have disposed of------- in that way. 9 even. 10 into whose care has he given him?

38 Zust. Aber nur auf1 drei Jahr. Er machte ein kleines Kom­ plet unter des Herrn Kompagnie, und wollte sechs Mann durch die Vorposten bringen.8 — Franciska. Ich erstaune; der Bösewicht! Zust. O, es ist ein tüchtiger Kerl! Ein Jäger, der fünfzig Meilen in der Runde, 3 durch Wälder und Moräste, alle Schleifwege kennt. Und schießen kann er!

Franciska.

Gut,

alle Fußsteige,

daß der Major nur noch den braven Kut­

scher hat!

Zust. Hat er ihn noch? Franciska. Ich denke, Er sagte, Martin wäre weggeritten. So wird er doch wohl wieder kommen? *

Zust. Meint Sie? Franciska. Wo ist er denn hingeritten? Just. Es geht nun in die zehnte Woche, 6 da ritt er mit deHerrn einzigem und letztem Reitpferde — nach der Schwemme. 6

Franciska.

Und ist noch nicht wieder da?

O, der Galgen­

strick!

Zust. Die Schwemme kann den braven Kutscher auch wohl? verschwemmt haben! — Es war gar ein rechter 3 Kutscher! Erhalte in Wien zehn Jahre gefahren. So einen kriegt der Herr gar nicht wieder. Wenn die Pferde in vollem Rennen waren, so durfte er nur machen: Burr!^ und auf einmal standen sie, wie die Mauern.^ Dabei war ein ausgelernter Roßarzt! Franciska. Nun ist mir für das Avancement des Läufers bange. Zust. Nein, nein; damit hat's seine Richtigkeit.11 Er ist Trommelschläger bei einem Garnisonregimente geworden.

Franciska.

Dacht ich's doch.12

Fritz hing fich an 13 ein lüderliches Mensch, kam des Nachts niemals nach Hause, machte auf des Herrn Namen überall Schulden, und tausend infame Streiche. 14 Kurz, der Major sah, daß er mit aller Gewalt höher 15 wollte: (das Hängen pantomimisch an­ zeigend) er brachte ihn also auf guten Weg. Just.

Franciska. O, der Bube! Zust. Aber: ein perfecter Läufer ist er, das ist gewiß.

Wenn ihm der Herr fünfzig Schritte vorgab, so konnte er ihn mit seinem

1 for. 2 through the oulposts. 3 for fifty miles round. 4 I suppose he will most likely come back again. 5 it’s now nearly ten weeks. 6 to water. 7 may have possibly. 8 very good. 9 he only had to say wol 10 still as posls — (walls). 11 that’s all right enough. 12 I thought as rauch'. 13 he got connecled with. 14 pieces of folly. 15 reach the greatest height — elevatlon.

39 besten Renner 1 nicht einholen. Fritz hingegen kann dem Galgen tau­ send Schritte vorgeben, und ich wette mein Leben, er holt ihn ein. — Es 2 waren wohl alles Ihre guten Freunde, Jungfer? Der Wilhelm und der Philipp, der Martin und der Fritz? — Nun, Just empfiehlt fich! (Geht ab.)

Dritter Auftritt.

Franciska

und hernach

der Wirth.

Franciska (die ihm ernsthaft nachfieht). Ich verdiene den Biß! Ich bedanke mich, Just. Ich setzte die Ehrlichkeit zu tief herab.3 Ich will die Lehre nicht vergessen. — Ah! der unglückliche Mann! (kehrt fich um, und will nach dem Zimmer des Fräuleins gehen, indem der Wirth kömmt).

Der Wirth. Warte Sie doch, mein schönes Kind. Franciska. Ich habe jetzt nicht Zeit, Herr Wirth. Der Wirth. Nur ein kleines Augenblickchen! — Noch Nachricht weiter von dem Herrn Major? sein Abschied sein! —

Franciska. Der Wirth.

Was denn?

Franciska.

Von

keine Das konnte doch unmöglich

Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht erzählt? — Als ich Sie, mein schönes Kind, unten in der Küche verließ, so kam ich von ungefähr wieder hier in den Saal —

ungefähr,

in

der Abficht,

ein

wenig

zu

horchen. 6

Der Wirth. Ei, mein Kind, wie kann Sie das von mir denken? Einem Wirthe läßt nichts übler, 6 als Neugierde. — Ich war nicht lange7 hier, so prellte auf einmal die Thüre bei dem gnä­ digen Fräulein auf. 6 Der Major stürzte heraus; das Fräulein ihm nach; beide in einer Bewegung, mit Blicken, in einer Stellung — so was läßt fich nur sehen. 9 Sie ergriff ihn; er riß fich los; fie ergriff ihn wieder. Tellheim! — Fräulein! lassen Sie mich! — Wohin? — So zog er fie bis an die Treppe. Mir war schon bange, 10 er würde fie mit herabreißen. 11 Aber er wand sich noch los. Das Fräulein blieb an der obersten Schwelle stehen; sah ihm nach; rief ihm nach; rang die Hände. Auf einmal wandte fie sich um, lief nach 12 dem Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der Treppe in dem Saal hin und wieder. Hier stand ich; hier 1 racer — race horse. 2 tliese. 3 depreciated too rauch. 4 by chance — accidentally. 5 of lislening. 6 there 's nolhing worse. 7 I had not been long here. 8 when suddenly — — — flew open. 9 it’s not to be described. 10 I was quite afraid. 11 drag her down with bim. 12 to.

40 ging sie dreimal bei mir vorbei, ohne mich zu sehen. 1 Endlich war es, 2 als ob sie mich sähe; aber Gott sei bei uns! 3 ich glaube, das Fräulein sah mich für Sie an,4 mein Kind. „Franciska," rief sie, Darauf sah die Augen auf mich gerichtet, „bin ich nun glücklich?" sie steif an die Decke, und wiederum: „bin ich nun glücklich?" — Darauf wischte sie sich Thränen aus dem Auge, und lächelte, und fragte mich wiederum: „Franciska, bin ich nun glücklich?" — Wahr­ haftig, ich wußte nicht, wie mir war. 6 Bis sie nach ihrer Thüre lief; da kehrte sie sich nochmals nach mir um: „So komm doch,^Franciska; wer jammert dich nun?" — Und damit hinein.

Franciska. O, Herr Wirth, das hat Ihnen. geträumt. 6 Der Wirth. Geträumt? Nein, mein schönes Kind; so um­ ständlich träumt man nicht. — Ja, ich wollte wie viel drum geben,7 — ich bin nicht neugierig, — aber ich wollte wie viel drum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte.

Franciska. der steckt innerhalb; find furchtsam.

Den Schlüssel? zu3 unsrer Thüre, Herr Wirth, wir haben ihn zur Nacht hereingezogen; 9 wir

Der Wirth. Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen, '0 mein schönes Kind, den Schlüssel; die Auslegung gleichsam; so 11 den ei­ gentlichen Zusammenhang von dem, was ich gesehen. —

Franciska. Ja so! — wir bald essen, Herr Wirth?

Nun, Adieu, Herr Wirth.

Werden

Der Wirth. Mein schönes Kind, nicht zu vergessen, was ich eigentlich sagen wollte. 12 Franciska. Nun? aber nur kurz — Der Wirth. Das gnädige Fräulein hat noch meinen Ring; ich nenne ihn meinen —

Franciska. Er soll Ihnen unverloren sein. 13 Der Wirth. Ich trage darum auch keine Sorge; 14 ich will's nur erinnern. Sieht Sie; ich will ihn gar nicht einmal wieder haben. Ich kann mir doch wohl an den Fingern abzählen, 15 woher sie den Ning kannte, und woher er dem ihrigen so ähnlich sah. Er ist in ihren Händen am besten aufgehoben. Ich mag ihn gar nicht mehr, und will indeß die hundert Pistolen, die ich daraus gegeben habe, 16

1 she passed me three Limes without seeing me. 2 it seemed — it was. 3 Lord’ a mercy. 4 Look me for you. 5 I declare 1 didn’t — know whether 1 was upon my head or my feet. 6 youhave been dreaming. 7 I would give something — anything (beide kann man brauchen in diesem Sinne). 8 of. 9 we Lake it inside of a night. 10 I mean. 11 as it were. 12 properly speaking — wanted to say. 13 it shall not be lost. 14 on that point l’ve no fear. 15 it’s as plain as one and one are two. 16 lent upon it.

41 auf des gnädigen Fräuleins Rechnung setzen. 1 schönes Kind?

Nicht so recht, mein

Vierter Auftritt. Paul Werner.

Der Wirth.

Werner. Da ist er ja! Franciska. Hundert Pistolen? Der Wirth. Es ist wahr, nur

Franciska.

Ich meinte, 2 nur achtzig.

neunzig, nur neunzig. will ich thun, 3 mein schönes Kind, das will ich thun.

Franciska. Werner (der

Da­

Alles das wird sich finden, Herr Wirth.

ihnen hinterwärts näher kömmt, und auf einmal der Franciska auf die Schulter klopft). Frauenzimmerchen! Frauenzimmerchen!

Franciska (erschrickt). He! Werner. Erschreck Sie nicht!

4 — Frauenzimmerchen, Frauen­ zimmerchen, ich seh, Sie ist hübsch, und ist wohl gar fremd. — Und hübsche fremde Leute müssen gewarnt werden — Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, nehm Sie fich vor dem Manne in Acht! 6 (auf den Wirth zeigend).

Der Wirth. Je, unvermuthete Freude! Herr Paul Werner! Willkommen bei uns, willkommen! — Ah, eS ist doch immer noch 6 der lustige, spaßhafte, ehrliche Werner! — Sie soll sich vor mir in Acht nehmen, mein schönes Kind! Ha, ha, ha!

Werner. Geh Sie Der Wirth. Mir!

ihm überall aus dem Wege! 7

mir! — Bin ich denn so gefährlich? — Ha, ha, ha! — Hör Sie doch, 8 mein schönes Kind! Wie gefällt Ihr der Spaß?

Werner. Daß es doch immer Seines gleichen für Spaß er­ klären, 9 wenn man ihnen die Wahrheit sagt. Der Wirth. Die Wahrheit! ha, ha, ha! — Nicht wahr, mein schönes Kind, immer besser! 10 Der Mann kann spaßen! Ich ge­ fährlich? — ich? — So vok zwanzig Jahren war was dran. 11 Ja, ja, mein schönes Kind, da war ich gefährlich; da wußte manche davon zu sagen; 12 aber jetzt —

Werner. O Der Wirth.

über den alten Narren!

Da steckts eben! 13

Wenn wir alt werden, ist

1 put down to — in. 2 I thought. 3 I will do so. 4 don’t be afraid — alarmed. 5 beware of — lake care of. 6 just the same. 7 of bis way. 8 but 1 say. 9 all of your sort pul it down as a joke. 10 beiter still. 11 there mighl have been something in it. 12 then many might have said so. 13 that’s just where it is.

42 es mit unsrer Gefährlichkeit aus. 1 gehn, 2 Herr Werner!

Es wird Ihm auch nicht besser

Werner. Potz Geck und kein 6nbe!3 — Frauenzimmerchen, so viel Verstand wird Sie mir wohl zutrauen,4 daß ich von der Ge­ fährlichkeit nicht rede. Der eine Teufel hat ihn verlassen,3 aber es find dafür fieben andere in ihn gefahren.3 Der Wirth. O hör Sie doch, hör Sie doch! Wie er das nun wieder so herum zu bringen weiß!^ — Spaß über3 Spaß, und immer was Neues! O, es ist ein vortrefflicher Mann, der Herr Paul Werner! (zur Franciska, als ins Obr.) Ein wohlhabender Mann, und noch ledig. Er hat drei Meilen von hier ein schönes Frei­ schulzengerichte. Der hat Beute gemacht im Kriege! — Und ist Wachtmeister bet9 unserm Herrn Major gewesen. O, das ist ein Freund von unserm Herrn Major! das ist ein Freund! der fich für ihn todtschlagen ließe!

Werner. Ja! und das ist ein Freund von meinem Major! das ist ein Freund! — den der Major sollte todtschlagen lassen. Der Wirth. Wie? was?— Nein, Herr Werner, das ist nicht guter Spaß.10 — Ich kein Freund vom Herrn Major? — Nein, den Spaß versteh ich nicht.11

Werner. Just hat mir schöne Dinge erzählt. Der Wirth. Just? Ich dachtS wohl, daß Just

durch Sie spräche. 12 Just ist ein böser, garstiger Mensch. Aber hier ist ein schönes Kind zur Stelle;*3 das kann reden; das mag sagen, ob ich kein Freund von dem Herrn Major bin? 14 ob ich ihm keine Dienste erwiesen habe? Und warum sollte ich nicht sein Freund sein? Ist er nicht ein verdienter Mann? Es ist wahr; er hat das Unglück gehabt, abgedankt zu werden: aber was thut das? Der König kann nicht alle verdiente Männer kennen; und wenn er fie auch alle kennte, so kann er sie nicht alle belohnen.

Werner. Das heißt Ihn Gott sprechen!'3 — Aber Just — freilich ist an Just auch nicht viel Besonderes; doch ein Lügner ist Just nicht; und wenn das wahr wäre, was er mir gesagt hat —

Der Wirth. sagt: "

Ich will von Justen nichts ^oren 116 Wie ge­ has schöne Kind hier mag sprechen! (zu ihr ins Ohr) Sie

1 the danger’s all over. 2 you’ll find it will be the same wilh yourself. 3 is there to be no end to it. 4 surely give me Credit for. 5 gone out of. 6 gone into. 7 how he contrives to pervert things. 8 upon — after. 9 to. 10 there is no joke in that. 11 I don’t see the. 12 was speaking. 13 on the spot—athand. 14 to the (nicht of the). 15 lucky for you, you said that. 16 1’11 have nothing to do wilh — I don’t want to hear anything abput. 17 as I said before.

43 weiß, mein Kind; den Ring! — Erzähl Sie es doch Herr Wernern. Da wird er mich besser kennen lernen. Und damit es nicht heraus kömmt, als ob1 Sie mir nur zu gefallen rede; so will ich nicht ein­ mal^ dabei sein. Ich will nicht dabei sein; ich will gehn; aber Sie sollen mir es wiedersagen, Herr Werner, Sie sollen mir es wieder­ sagen, ob Just nicht ein garstiger Verleumder ist.

Fünfter Austritt.

Paul Werner.

Franeiska.

Werner. Frauenzimmerchen, kennt Sie denn meinen Major? Franeiska. Den Major von Tellhetm? Ja wohl kenn ich den braven Mann.

Werner. Ist

es nicht ein braver Mann?

Ist

Sie dem Manne

wohl gut? 3

Franeiska. Vom Grunde meines Herzens. Werner. Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchen;

nun kömmt Sie mir noch einmal so schön vor. 6 — Aber was sind denn das für Dienste, die der Wirth unserm Major will erwiesen haben?

Franeiska. Ich wüßte eben nicht; 6 es wäre denn, 7 daß er sich das Gute zuschreiben wollte, 8 welches glücklicher Weise aus9 seinem schurkischen Betragen entstanden. Werner. So wäre es ja wahr,*0 mir Just gesagt hat? — (gegen die Seite, wo der Wirth abgegangen) Dein Glück, 11 daß du gegangen bist! — Er hat ihm wirklich die Zimmer ausgeräumt? —> So einem Manne so einen Streich zu spielen, weil sich das Esels­ gehirn 12 einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe! Der Major kein Geld?

Franeiska. So? hat der Major Geld? Werner. Wie Heu! 13 Er weiß nicht,

wie viel er hat. Er weiß nicht, wer ihm schuldig ist. Ich bin ihm selber schuldig, und bringe ihm ein altes Nestchen.14 Sieht Sie, Frauenzimmerchen, hier in diesem Beutelchen (das er aus der einen Tasche zieht) sind hundert Louisdor; und in diesem Röllchen (das er aus der andern zieht) hundert Dukaten. Alles sein Geld!

1 that it may not seem — appear as if. 2 even. 3 are you really friendly to him. 4 from my very heart. 5 you look to me as pretty again — twice as pretty as betöre. 6 I don’t know at all. 7 unless it be. 8 he means to take the Credit to himseJf. 9 throngh — from. 10 then it’s ail true. 11 lucky for thee. 12jack-ass. 13 like sand — oceans. 14 the remainder of an old standing debt.

44 Franciska. Wahrhaftig? Aber 'warum versetzt denn der Major? Er hat ja 1 einen Ring versetzt —

Werner. Versetzt! Glaub Sie doch so was nicht.2 Vielleicht, daß er den Bettel hat gern wollen 3 los sein. Franciska. Es ist kein Bettel! es ist ein sehr kostbarer Ring, den er wohl noch dazu 4 von lieben Händen hat. Werner. Das wirds auch fein.5 Von lieben Händen! ja, ja! So was erinnert Einen manchmal, woran man nicht gern erinnert sein will. Darum schafft mans aus den Augen.6

Franciska.

Wie?

Werner. Dem Soldaten gehts in Winterquartieren wunderlich. Da hat er nichts zu thun, und pflegt sich, und macht vor langer Weile Bekanntschaften, die er nur auf den Winter meinet, ? und die das gute Herz, mit dem er sie macht, für Zeit Lebens annimmt. Husch 8 ist ihm denn ein Ringelchen an den Finger prakticirt; 9 er weiß selbst nicht, wie es dran kömmt.10 Und nicht selten gäb er gern den Finger mit drum, wenn er es nur wieder los werden könnte.

Franciska.

Ei! und sollte" es dem Major auch so gegan­

gen sein?

Werner. Ganz gewiß. Besonders in Sachsen; wenn er zehn Finger an jeder Hand gehabt hätte, er hätte fie alle zwanzig voller" Ringe gekriegt.

Franciska (bei Seite). Das klingt ja ganz besonders, und verdient untersucht zu werden.---------- Herr Freischulze, oder Herr Wachtmeister — Werner. Frauenzimmerchen, Wenns Ihr nichts verschlägt:13 — Herr Wachtmeister, höre ich am liebsten.

Franciska. Run, Herr Wachtmeister, hier habe ich ein Brief­ chen von dem Herrn Major an meine Herrschaft. Ich will es nur geschwind herein tragen, und bin gleich wieder da. Will Er wohl so gut fein,14 und so lange hier warten? Ich möchte gar zu getn16 mehr mit Ihm plaudern. Werner. Plaudert Sie gern,16 Frauenzimmerchen? Nun meinet­ wegen;" geh Sie nur; ich plaudre auch gern; ich will warten.

Franciska. O, warte Er doch ja!18 (Geht ab.)

1 why. 2 don’t believe anytbing 'of the kind. 3 wanted. 4 besides — in addition to. 5 that must be it. 6 puts it away out of sight. 7 intended only. 8 all at once. 9 slipped — glided. 10 came by. 11 has. 12 covered wilh. 13 makes no diflerence to. 14 be kind enough. 15 dearly like. 16 are you fond of chatling. 17 I don’t mind — it’s all one to me. 18 but you will be sure to wait.

45 Sechster Allstritt. Paul Werner. Das ist kein unebnes 1 Frauenzimmerchen! — Aber ich hätte ihr doch nicht versprechen sollen, zu warten. — Denn das Wichtigste wäre wohl, ich suchte den Major auf. — Er will mein Geld nicht, und versetzt lieber?2 — Daran kenn ich ihn. — Es fällt mir ein Schneller ein. — Als ich vor vierzehn Tagen in der Stadt war, besuchte ich die Rittmeisterin Marloff. Das arme Weib lag krank, und jammerte, daß ihr Mann dem Major vierhundert Thaler schuldig geblieben wäre, die sie nicht wüßte, wie sie sie bezahlen sollte. Heute wollte ich sie wieder besuchen; 3 — ich wollte ihr sagen, wenn ich das Geld für mein Gütchen ausgezahlt kriegte, daß ich ihr fünf­ hundert Thaler leihen könnte. — Denn ich muß ja wohl4 was da­ von in Sicherheit bringen, Wenns in Persien nicht geht.5 — Aber sie war über alle Berget Und ganz gewiß wird sie den Major nicht haben bezahlen können. — Ja, so will ichs machen; und das je eher, je lieber.7 — Das Frauenzimmerchen mag mirs nicht übel nehmen;3 ich kann nicht warten (geht in Gedanken ab und stößt fast auf den Major, der ihm eutgegenkömmt).

Siebenter Auftritt.

v. Tellheim.

v. Tellheim. So Werner. Da sind

Paul Werner.

in Gedanken, Werner?

Sie ja; ich wollte eben gehn,9 und Sie in Ihrem neuen Quartiere besuchen, Herr Major.

v. Tellheim. Um mir auf den Wirth des alten die Ohren voll zu fluchen..*" Gedenke mir nicht dran. Wernen Das hätte ich beiher gethan; ja. Aber eigentlich wollte ich mich nur bei Ihnen bedanken," daß Sie so gut gewesen, und mir die hundert Louisdor aufgehoben. Just hat mir sie wieder­ gegeben. Es wäre mir wohl freilich lieb, wenn Sie mir sie noch länger aufheben könnten. Aber Sie sind in ein neu Quartier gezogen, das weder sie, noch ich kennen. Wer weiß, wie's da ist^ Sie könnten Ihnen da gestohlen werden; 12 und Sie mi'rßten mir sie ersetzen; 13 da hülfe nichts davor.14 Also kann ich's Ihnen freilich nicht zumuthen.15 1 ... is not amiss. 2 prefers pledging bis things — rather pawns. 3 I called upon her. 4 of course. 5 don’t succeed — won’t do. 6 she was off like a shot (sagen die Engländer). 7 the sooner the Better. 8 must not be offended with me. 9 was just going. 10 Io fill my ears with curses on the iandlord if the old ones. 11 to call and thank you. 12 they might be stolen (from you). 13 be obliged to make thein good. 14 so there’s no help for it. 15 therefore f cannot expect you — it of you.

46

V. Tellheim (lächelnd). Seit wann bist bu1 so vorsichtig, Werner? Werner. Es lernt sich wohl.2 Man kann, heutzutage, mit seinem Gelde nicht vorsichtig genug sein.3 — Darnach hatte ich noch was an Sie zu bestellen, Herr Major; von der Rittmeisterin Marloff; ich kam eben von ihr her. Ihr Mann ist Ihnen ja vierhundert Thaler schuldig geblieben; hier schickt sie Ihnen auf Abschlag hundert Dukaten. Das Uebrige will sie künftige Woche schicken. Ich möchte wohl selber Ursache sein,6 daß sie die Summe nicht ganz schickt. Denn sie war mir auch ein Thaler achtzig 6 schuldig; und weil sie dachte, ich wäre gekommen., sie zu mahnen, — wies denn auch wohl wahr war, — so gab sie mir sie, und gab sie mir aus dem Röllchen, das sie für Sie schon zu rechte gelegt hattet — Sie können auch schon eher Ihre hundert Thaler ein acht Tage noch missen,6 als ich meine paar Groschen. — Da nehmen Sie doch!6 (reicht ihm die Rolle Dukaten).

v. Tellheim. Werner! Werner. Nun? warum sehen Sie mich so starr an? — So nehmen Sie doch, Herr Major!

v. Tellheim. Werner! Werner. Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie? v. Tellheim (bitter, indem er sich vor die Stirne schlägt und mit dem Fuße auftritt).

Daß es — die vierhundert Thaler nicht ganz fint>!10

Werner. Nun, nun, Herr Major! Haben Sie mich denn nicht verstanden?

V. Tellheim. Eben weil ich dich verstanden habe! — Daß mich doch die besten Menschen" heut am meisten quälen müssen! Werner. Was sagen Sie? V. Tellheim. Es geht dich nur zur Hälfte an!12 — Geh, Werner! (indem er die Hand, mit der ihm Werner die Dukaten reicht, zurück stößt.)

Werner. Sobald ich das los bin!13 v. Tellheim. Werner, wenn du nun von mir hörst," daß die Marlosfin, heute ganz früh, selbst bei mir gewesen ist?

Werner. So?

1 how long hast thou been. 2 that'8 to be learnt in time. 3 now a days one cannot be too cautious — cautious enough. 4 to deliver. 5 I believe, I myself am the cause. 6 eighty dollars. 7 put by for you. 8 you are better able to do without... for a week. 9 now do take it 10 have been touched — are not complete. 11 best of men — best men in the world. 12 is applies but partly to thee. 13 as soon as 1 have got rid of that—am rid. 14 when I teil thee—when thou hearest frorn me.

47 V. Tellheim. Werner.

Daß sie mir nichts mehr schuldig ist?

Wahrhaftig?

v. Tellheim. Daß sie mich bei Heller und Pfennigs bezahlt hat, was wirst du dann sagen?

Werner (der sich einen Augenblick besinnt). Ich werde sagen, daß ich gelogen habe, und daß es eine hundsföttsche Sache2 ums Lügen ist, weil man drüber ertappt werden kann. v. Tellheim.

Und wirst dich schämen?3

Werner.

Aber der, der mich so zu lügen zwingt, was sollte der? Sollte der sich nicht auch schämen? Sehen Sie, Herr Major; wenn ich sagte, daß mich Ihr Verfahren nicht verdrösse, so hätte ich wieder gelogen, und ich will nicht mehr lügen.

v. Tellheim. Sei nicht verdrüßlich, Werner! Ich erkenne dein Herz und deine Liebe zu mir. Aber ich brauche dein Geld nicht. Werner. Sie brauchen es nicht? Und verkaufen lieber, und versetzen lieber, und bringen sich lieber in der Leute Mäuler? v. Tellheim. nichts mehr man ist.

habe.

Werner.

Die Leute mögen es immer5 wissen, daß ich Man muß nicht reicher scheinen wollen, als

Aber warum ärmer? — Wir haben, so lange unser

Freund hat.

v. Tellheim.

Es ziemt sich nicht, 6 daß ich dein Schuld­

ner bin.

Werner. Ziemt sich nicht? — Wenn an einem heißen Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte, sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte; und Sie zu mir kamen, und sagten: Werner hast du nichts zu trinken? und ich Ihnen meine Feld­ flasche reichte, nicht wahr,3 Sie nahmen und tranken? — Ziemte sich das?9 — Bei meiner armen Seele, wenn ein Trunk saules Wasser 10 damals nicht oft mehr werth war, als alle der Quark!11 (indem er auch den Beutel mit den Louisdoren herauszieht, und ihm beides hinreicht.) Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie sich ein,12 es ist Wasser. Auch das hat Gott für alle geschaffen.

v. Tellheim.

Du marterst mich; du hörst es ja, 13 ich will

dein Schuldner nicht sein.

1 to a farthing. 2 scurvy thing. 3 ashamed of thyself. 4 let folks talk about you — have your name in every body’s mouth. 5 welcome to. 6 it is not fit. 7 heated. 8 did I not — did you not. 9 was that fit. 10 ditcji water. 11 trash. 12imagine. ' 13 dost thou not bear.

48 Werner. Erst ziemte es sich nicht; nun wollen Sie nicht? Ja, das ist was anders 1 (etwas ärgerlich). Sie wollen mein Schuldner nicht sein? Wenn Sie es denn aber schon wären, Herr Major? Oder find Sie dem Manne nichts schuldig, der einmal den Hieb auffing,2 der Ihnen den Kopf spalten sollte, 3 und ein andermal den Arm vom Rumpfe hieb,^ der eben losdrücken und Ihnen die Kugel durch die Brust jagen wollte?8 — Was können Sie diesem Manne mehr schuldig werden? Oder hat es mit meinem Halse weniger zu sagens als mit meinem Beutel? — Wenn das vornehm? gedacht ist, bei meiner armen Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt gedacht! v. Tellheim. Mit wem sprichst du so,8 Werner? Wir find allein; jetzt darf ich es sagen; wenn uns ein Dritter hörte, so wäre es Windbeutelei. Ich bekenne es mit Vergnügen, daß ich dir zwei­ mal mein Leben 9 zu danken habe. Aber, Freund, woran fehlte mir es, 10 daß ich bet Gelegenheit nicht eben so viel für dich würde ge­ than haben? He! Werner. Nur an der Gelegenheit! Wer hat daran gezweifelt, Herr Major? Habe ich Sie nicht hundertmal für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins Gedränge gekommen war,11 Ihr Leben wagen sehen?

,

v. Tellheim. Also! Werner. Aber — v. Tellheim. Warum verstehst du mich nicht recht? Ich sage:

es ziemt fich nicht, daß ich dein Schuldner bin; ich will dein Schuld­ ner nicht sein. Nämlich in den Umständen nicht, in welchen ich mich jetzt befinde.

Werner. So, so! Sie wollen es verspüren, bis auf12 beffre Zeiten; Sie wollen ein andermal Geld von mir borgen, wenn Sie keines brauchen, wenn Sie selbst welches haben, und ich vielleicht keines.

v. Tellheim. Man muß nicht borgen, wenn man nicht wieder zu geben weiß.

Werner.

Einem

Mann,

wie

Sie,

kann

es

nicht

immer

fehlen.13

V. Tellheim. Du kennst die Welt! — Am wenigsten muß man sodann von Einem borgen, der sein Geld selbst braucht.

1 another (hing. 2 warded off. 3 which would have split your head. 4 slashed. 5 just raised to send a bullet through your breast. 6 do you value my neck less lhan. 7 nobly. 8 art Lhou speaking thus. 9 for having twice saved my life. 10 should 1 have failed. 11 when hard pressed. 12 for — till. 13 cannot be without for ever.

49 Werner. O ja, so Einer bin ich!1 Wozu braucht ichs denn? — Wo man einen Wachtmeister nöthig hat, giebt man ihm auch zu leben. 2

V. Tellheim. Du brauchst es, mehr3 als Wachtmeister zu werden; dich auf einer Bahn weiter zu bringen, auf der, ohne Geld, auch der Würdigste zurück bleiben kann. Werner. Mehr als Wachtmeister zu werden? daran denke 4 ich nicht. Ich bin ein guter Wachtmeister; und dürfte leicht ein schlechter Rittmeister, und sicherlich noch ein schlechter General werden. .Die Erfahrung hat man.6

V. Tellheim. Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes von dir denken muß,^ Werner! Ich habe es nicht gern gehört, was mir Just gesagt hat. Du hast dein Gut verkauft, und willst wieder herum schwärmen. Laß mich nicht von dir glauben, daß du nicht so wohl das Metier, als die wilde, liederliche Lebensart liebest, die unglück­ licher Weise damit verbunden ist. Man muß Soldat sein, für sein Land; oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da dienen: heißt8 wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts.

Werner. Nun ja doch, Herr Major; ich will Ihnen folgen. Sie wissen besser, was sich gehört. Ich will bei Ihnen bleiben. — Aber, lieber Major, nehmen Sie doch auch Verweile mein Geld. Heut oder morgen muß Ihre Sache aus sein. 10 Sie müssen Geld die Menge bekommen." Sie sollen mir es sodann mit Interessen wieder geben. Ich thu es ja nur der Interessen wegen. v. Tellheim.

Schweig davon!

Werner.

Bei meiner armen Seele, ich thu es nur der In­ teressen wegen! — Wenn ich manchmal dachte: wie wird es mit dir aufs Alter werden? 12 wenn du zu Schanden gehauen bist? 13 wenn du nichts haben wirst? wenn du wirst betteln gehen müssen?" So dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht betteln gehn; du wirst zum Major Tellheim gehn; der wird seinen letzten Pfennig mit dir theilen; der wird dich zu Tode füttern; 15 bei dem wirst du als ein ehrlicher Kerl sterben können.

v. Tellheim (indem er Werners Hand ergreift). das denkst du nicht noch?

Und,

Kamerad,

1 l’m such a one. 2 to live upon. 3 higher. 4 don’t want to be. 5 we have had experience. 6 don’t do that which may cause me to think unjustly of thee. 7 fixed views. 8 is. 9 nothing better. 10 will be settled. 11 you’ll get lots of money — money in abundance. 12 in my old age. 13 am reduced to shame. 14 s’hall be obliged to go a-begging. 15 he will, forage for me till death. 4

50 Werner. Nein, das denk ich nicht mehr. — Wer von mir nichts annehmen will, wenn ers bedarf,t und ichs habe; der will mir auch nichts geben, wenn ers hat, und ichs bedarf. — Schon gut!1 (Will gehen.) V. Tellheim. Mensch, mache mich nicht rasend!^ Wo willst du hin? (Hält ihn zurück.) Wenn ich dich nun auf meine Ehre verfichcre, daß ich noch Geld habe; wenn ich dir auf meine Ehre ver­ spreche, daß ich dir es sagen will, wenn ich keines mehr habe; daß du der erste und einzige sein sollst, bet dem ich mir etwas borgen tottt:3 — bist du dann zufrieden?

Werner. Muß darauf, Herr Major.

ich

nicht? —

Geben

Sie

mir

Hand

die

V. Tellheim. Da, Paul! — Und nun genug davon. kam hieher, um ein gewisses Mädchen zu sprechen * —

Ich

Achter Auftritt. Franciöln

(aus dem Zimmer des Fräuleins),

t). Tellheim,

Paul Werner. Franciska (im Heraustreten). Sind Sie noch da, Herr Wacht­ meister? — (Indem sie den Tellheim gewahr wird.) Und Sie stnd auch da, Herr Major? — Den Augenblick bin ich zu Ihren Diensten3, (geht geschwind wieder in das Zimmer).

Neunter Auftritt.

v. Tellheim. Paul Werner.

V. Tellheim.

Das war sie! — Aber ich höre ja, du kennst

sie, Werner?

Werner. Ja, ich kenne das Frauenzimmerchen. v. Tellheim. Gleichwohl, wenn ich mich recht erinnere,

als ich

in Thüringen Winterquartier hatte, warst du nicht bei mir?

Werner. Nein, da besorgte ich in Leipzig Montirnngsstücke. v. Tellheim. Woher kennst du sie denn also? Werner. Unsere Bekanntschaft ist noch blutjung.6 Sie ist von heute.7 Aber junge Bekanntschaft ist warm.

1 l’ve done. 2 do not drive me mad. 3 from whom I will borrow. 4 speak wilh — to. 5 I shall be al your Service in a. 6 very young. 7 it began to-day.

61 v. Tellheim.

Also hast du Ihr Fräulein wohl auch schon ge­

sehen?

Werner. Ist ihre Herrschaft ein Fräulein? Sie hat mir gesagt, Sie kennten ihre Herrschaft.

v. Tellheim. Hörst du nicht? aus Thüringen her. Werner. Ist das Fräulein jung? v. Tellheim. Ja. Werner. Schön? v. Tellheim. Sehr schön. Werner. Reich? V. Tellheim. Sehr reich. Werner. Ist Ihnen das Fräulein auch so gut, wie da- Mäd­ chen? 1

Das wäre ja vortrefflich!

v. Tellheim. Wie meinst du?

Zehnter Austritt. Franciska (wieder heraus, mit einem Brief in der Hand), n. Tellheim. Paul Werner.

Franciska. Herr Major — v. Tellheim. Liebe Franciska, ich habe dich noch nicht will­ kommen heißen tonnen.2

Franciska. In Gedanken werden Sie es doch schon gethan haben.3 Ich weiß. Sie find mir gut. Ich Ihnen auch. Aber da­ ist gar nicht artig, daß Sie Leute, die Ihnen gut find, so ängstigen.* Werner (vor sich). Ha, nun merk ich. Es ist richtig! v. Tellheim. Mein Schicksal, Franciska! — Hast du ihr den Brief übergeben?

Franciska.

Ja, und hier übergebe ich Ihnen — (reicht ihm

den Brief)

v. Tellheim. Eine Antwort? — Franciska. Nein, Ihren eignen Brief wieder. v. Tellheim. Was? Sie will ihn nicht lesen? Franciska. Sie wollte wohl; 6 aber — wir können GeschriebneS nicht gut lesen.

v. Tellheim.

Schäkerin! 6

1 does the mistress like you quite as well as the maid (does)? 2 able to welcome thee — give thee a welcome. 3 already done so in your thoughts. 4 make so uneasy. 5 very likely. 6 jewess. 4*

52 Franciska. Und wir denken, daß das Briefschreiben für die nicht erfunden ist, die sich mündlich mit einander unterhalten können, sobald sie wollen.1 V. Tellheim. Welcher Vorwand! Sie muß ihn lesen. Er ent­ hält meine Rechtfertigung, — alle die Gründe und Ursachen — Franciska.

Die will das Fräulein von Ihnen selbst hören,

nicht lesen.

v. Tellheim. Von mir selbst hören? Damit mich jedes Wort, jede Miene von ihr verwirre; damit ich in jedem ihrer Blicke die ganze Größe meines Verlustes empfinde? Franciska. Ohne Barmherzigkeit! — Nehmen Sie! (Sie giebt ihm den Brief.) Sie erwartet Sie um drei Uhr. Sie will ausfahren, und die Stadt besehen. Sie sollen mit ihr fahren.

v. Tellheim. Mit ihr fahren? Franciska. Und was geben Sie mir, so laß ich Sie beide ganz allein fahren? Ich will zu Hause bleiben.

v. Tellheim. Ganz allein? Franciska. In einem schönen verschloßnen Wagen. v. Tellheim. Unmöglich! Franicska. Ja, ja; im Wagen muß der Herr Major Katz aushalten! da kann er uns nicht entwischen. Darum geschieht2 es eben. — Kurz, Sie kommen, Herr Major; und Punkte bret.4 — Nun? Sie wollten mich ja auch allein sprechen. Was haben Sie mir denn zu sagen? — Ja so, wir find nicht allein (indem sie Wernern anfieht).

v. Tellheim. DoH, Franciska; wir wären8 allein. Aber da das Fräulein den Brief nicht gelesen hat, so habe ich dir noch nichts zu sagen. Franciska. So wären wir doch allein? Herrn Wachtmeister keine Geheimnisse?

Sie haben vor dem

V. Tellheim. Nein, keine. Franciska. Gleichwohl, dünkt mich, sollten Sie welche vor" ihm haben.

v. Tellheim. Wie das? Werner. Warum das, Frauenzimmerchen? Franciska. Besonders Geheimnisse t>»n7 einer gewissen Art — Alle zwanzig, Herr Wachtmeister? (Indem sie beide Hände mit gespreizten Fingern in die Höhe hält.)8

1 whenever — as soon as they please. 3 at all events. 4 at three precisely. 8 holds up.

2 that is just the reason. 5 are. 6 from. 7 of.

53 Werner. St! st! Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen! V. Tellheim. Was heißt ba8?1 Franciska. Husch ists am Finger, Herr Wachtmeister? (als ob sie einen Ning geschwind ansteckte.)

v. Tellheim. Was habt ihr?2 Werner. Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, Sie wird ja wohl Spaß verstehn?

V. Tellheim. Werner, du hast doch nicht vergessen, was ich dir mehrmal gesagt habe; daß man über einen gewissen Punkt mit dem Frauenzimmer nie scherzen muß? Werner. Bei meiner armen Seele, ich kannS vergessen haben! — Frauenzimmerchen, ich bitte —

Franciska. Nun, wenn es Spaß gewesen ist; 8 dasmal will ich es Ihm verzeihen. v. Tellheim. Wenn ich denn durchaus4 kommen muß, Franciska; so mache doch nur, daß das Fräulein den Brief vorher noch liefet. DaS wird mir die Peinigung ersparen, Dinge noch einmal zu denken, noch einmal zu sagens die ich so gern vergessen möchte. Da, gieb ihr ihn! (Indem er den Brief umkehrt, und ihr ihn zureichen will, wird er gewahr, daß er erbrochen ist.) Aber sehe ich recht? Der Brief, Franciska, ist ja 7 erbrochen.

Franciska. Das kann wohl sein (besieht ihn). Wahrhaftig 8 er ist erbrochen. Wer muß ihn denn erbrochen haben? Doch 9 gelesen haben wir ihn wirklich nicht, Herr Major, wirklich nicht. Wir wollen ihn auch nicht lesen, denn der Schreiber kömmt selbst. Kommen Sie ja; und wissen Sie was,^ Herr Major? Kommen Sie nicht so, wie Sie da sind; in Stiefeln, kaum fnjtrt11 Sie find zu entschul­ digen; Sie haben uns nicht vermuthet. Kommen Sie in Schuhen, und lassen Sie sich frisch frisiren. 12 — So sehen Sie mir gar zu tm,13 gar zu Preußisch aus!14

V. Tellheim. Ich danke dir, Franciska. Franciska. Sie sehen aus, als ob Sie vorige Nacht kampirt hätten. V. Tellheim. Du kannst es errathen haben. Franciska. Wir wollen uns gleich auch putzen, und sodann essen. Wir behielten Sie gern zum Essen, aber Ihre Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern; und sehen Sie, so gar verliebt find wir nicht,16 daß uns nicht hungerte.

1 what means all this. 2 what are you about — doing. 3 was. 4 positively — really. 5 of reflecting on. 6 of repeating. 7 the letter (seal) is indeed. 8 sure enough. 9 for all that. 10 1’11 teil you what. 11 hair not half—scarcely dressed. 12 have — get your hair dressed smart. 13 muchtoo doughty. 14 a great deal too Prussian-like. 15 we are not so desperately in love. 16 that we are never hungry.

54

v. Tellheim. Ich geh! Franciska, bereite sie indeß ein wenig vor; damit ich weder in ihren, noch in meinen Augen verächtlich werden darf. — Komm, Werner, du sollst mit mir essen. Werner. An der Wirthstasel, hier im Hause? kein Bissen schmecken.1 v. Tellheim. Werner. So

Da wird mir

Bei mir auf bet2 Stube.

folge ich Ihnen gleich. dem Frauenzimmerchen.

v. Tellheim. Das

Nur noch ein Wort mit

gefällt mir nicht Übel! 8 (Geht ab.)

Elfter Austritt. Paul Werner. Franciska.

Franciska. Nun, Herr Wachtmeister? — Werner. Frauenzimmerchen, wenn ich wiederkomme,

soll ich

auch geputzter kommen?

Franciska. Komm Er, wie Er will, Herr Wachtmeister; meine Augen werden nichts wider Ihn haben. Aber meine Ohren werden desto mehr auf ihrer Hüt'8 gegen Ihn sein müssen. — Zwanzig Finger, alle voller Ringe! Ei, ei, Herr Wachtmeister! Werner. Nein, Frauenzimmerchen; eben das wollt ich Ihr noch sagen: die Schnurre fuhr mir nun so heraus!8 Es ist nichts dran. Man hat ja wohl an Einem Ring genug. Und hundert und aber hundertmal6 habe ich den Major sagen hören: das muß ein Schurke von einem Soldaten sein, der ein Mädchen ansühren kann! — So denk ich auch, Frauenzimmerchen. Verlaß Sie sich drauf! — Ich muß machen,7 daß ich ihm nachkomme. 8 — Guten Appetit, Frauenzimmerchen! (Geht ab.)

Franciska. Gleichfalls, Herr Wachtmeister! — Ich glaube, der Mann gefällt mit! 9 (Indem fie herein gehen will, kömmt ihr daFräulein entgegen.)

Zwölfter Auftritt Das Fraulein. Franciska. Das Fräulein. Ist der Major schon wieder

fort?10 — Fran» cirka, ich glaube, ich wäre jetzt schon wieder ruhig genug, daß ich ihn hätte hier behalten können.11

1 — not enjoy a bit. 2 with me in my. 3 I do not dislike that. 4 on Iheir guard. 5 1 rattled out a little beyond bounds — too strong — exagerated. 6 hundreds and hundredsj o’f limes. 7 see. 8 that I act up to it. 9 I Jike, 10 gone again. 11 I might have kept him here.

55

Franciska. Und ich will Sie noch ruhiger machen. Das Fräulein. Desto besser! Sein Brief, o sein Brief! Jede Zeile 1 den ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung, mich zu besitzen, betheuerte mir seine Liebe. — Er wird es wohl gemerkt haben, daß wir den Brief gelesen. — Mag er doch; 2 wenn er nur kömmt. Er kömmt doch gewiß? — Bloß ein wenig zu viel Stolz, Franciska, scheint mir in seiner Aufführung zu sein. Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht wollen zu danken habend ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn er mir diesen zu stark werden läfjt,4 Franciska —

Franciska. So wollen sie seiner entsagen?^ Das Fräulein. Ei, sieh doch!« Jammert er dich nicht schon wieder?^ Nein, liebe Närrin, Eines Fehlers wegen8 entsagt man keinem Manne. Nein; aber ein Streich ist mir beigefallen, ihn wegen dieses Stolzes mit ähnlichem Stolze 9 ein wenig zu martern.

Franciska. Nun da müssen Sie ja recht sehr ruhig sein, mein Fräulein, wenn Ihnen schon10 wieder Streiche beifallen. Das Fräulein. Ich bin es auch; komm nur. Du deine Rolle auch dabei zu spielen haben. (Sie gehen hinein.)

wirst

Vierter Auszug. Erster Austritt. (Die Scene, das Zimmer des Fräuleins.)

aber mit Geschmack gekleidet).

Das Fräulein (völlig, und reich,

Franciska. (Sie stehen vom Tische auf, den

ein Bedienter abräumt.)

Franciska.

Sie

können

unmöglich

satt

sein,"

gnädiges

Fräulein.

Das Fräulein. Meinst du, Franciska? mich nicht hungrig niedersetzte.

Vielleicht, daß ich

Franciska. Wir hatten ausgemacht, seiner während der Mahl­ zeit nicht zu erwähnen.12 Aber wir hätten uns auch vornehmen sollen, an ihn nicht zu denken. 1 bespoke — shewed — proved. 2 no matter — let bim. 3 to have to thank. 4 if he shews me too much. 5 renounce bim. 6 ah there now! 7 dost thou not pity bim again already? 8 on account of — for one fault. 9 a piece of pride somewhat similar. 10 so soon. 11 have dined — had sufficient. 12 not to mention bim ,...

55

Franciska. Und ich will Sie noch ruhiger machen. Das Fräulein. Desto besser! Sein Brief, o sein Brief! Jede Zeile 1 den ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung, mich zu besitzen, betheuerte mir seine Liebe. — Er wird es wohl gemerkt haben, daß wir den Brief gelesen. — Mag er doch; 2 wenn er nur kömmt. Er kömmt doch gewiß? — Bloß ein wenig zu viel Stolz, Franciska, scheint mir in seiner Aufführung zu sein. Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht wollen zu danken habend ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn er mir diesen zu stark werden läfjt,4 Franciska —

Franciska. So wollen sie seiner entsagen?^ Das Fräulein. Ei, sieh doch!« Jammert er dich nicht schon wieder?^ Nein, liebe Närrin, Eines Fehlers wegen8 entsagt man keinem Manne. Nein; aber ein Streich ist mir beigefallen, ihn wegen dieses Stolzes mit ähnlichem Stolze 9 ein wenig zu martern.

Franciska. Nun da müssen Sie ja recht sehr ruhig sein, mein Fräulein, wenn Ihnen schon10 wieder Streiche beifallen. Das Fräulein. Ich bin es auch; komm nur. Du deine Rolle auch dabei zu spielen haben. (Sie gehen hinein.)

wirst

Vierter Auszug. Erster Austritt. (Die Scene, das Zimmer des Fräuleins.)

aber mit Geschmack gekleidet).

Das Fräulein (völlig, und reich,

Franciska. (Sie stehen vom Tische auf, den

ein Bedienter abräumt.)

Franciska.

Sie

können

unmöglich

satt

sein,"

gnädiges

Fräulein.

Das Fräulein. Meinst du, Franciska? mich nicht hungrig niedersetzte.

Vielleicht, daß ich

Franciska. Wir hatten ausgemacht, seiner während der Mahl­ zeit nicht zu erwähnen.12 Aber wir hätten uns auch vornehmen sollen, an ihn nicht zu denken. 1 bespoke — shewed — proved. 2 no matter — let bim. 3 to have to thank. 4 if he shews me too much. 5 renounce bim. 6 ah there now! 7 dost thou not pity bim again already? 8 on account of — for one fault. 9 a piece of pride somewhat similar. 10 so soon. 11 have dined — had sufficient. 12 not to mention bim ,...

56

Das Fräulein.

Wirklich, ich habe an 1 nichts, als an ihn

gedacht.

Franciska. Das merkt ich wohl.' Ich fing von hundert' Dingen an zu sprechen, und Sie antworteten mir auf jedes ver­ kehrt. 4 (Gin anderer Bedienter trägt Kaffe auf.) Hier kömmt eine Nah­ rung, bet der man eher Grillen machen kann.' Der liebe, melan­ cholische Kaffe! Das Fräulein. Grillen? Ich mache keine. Ich denk bloß der Lection nach,' die ich ihm geben will. Hast du mich recht be­ griffen, Franciska? Franciska.

O

ja;

am

besten

aber wäre

es,

er ersparte

fie uns.

Das Fräulein. Du wirst sehen, daß ich ihn von Grund 6u6t kenne. Der Mann, der mich jetzt mit allen Reichthümern verweigert, wird mich der ganzen Welt streitig machen-, sobald er hört, daß ich unglücklich und verlassen bin.

Franciska (sehr ernst). liebe unendlich kitzeln.

Und so was muß

die feinste Eigen­

Das Fräulein. Sittenrichterin! Seht doch! vorhin' ertappte fie mich auf Eitelkeit; jetzt auf Eigenliebe. — Nun, laß mich nur, liebe Franciska. Du sollst mit deinem Wachtmeister auch machen können, was du willst. Franciska. Mit Das Fräulein.

meinem Wachtmeister?

Ja, wenn du es vollends leugnest, so ist e« richtig.' — Ich habe ihn noch nicht gesehen; aber aus jedem Worte, was du mir von ihm gesagt hast, prophezeie ich dir deinen Mann.10

Zweiter Austritt.

Riccaut de la Marliniere. Riccaut

Das Fräulein.

(noch innerhalb der Scene).

Franciska.

Est-il permis, Monsieur

le Major?

Franciska.

Was ist das?

Will" das zu uns?

(Gegen die

Thüre gehend.)

Riccaut. Parbleu! Jk bin unrtkttg. — Mais non — Jk bin nit unriktig — (Test sa chambre — 1 of. 2 I observed that plainly. answers to all. 5 increase our wtiims thinking of. 7 thoroughly. 8 but a 9 very well. 10 thy future husband.

3 of a hundred. 4 cross and fancies. 6 I am only little while ago — just now. 11 is.

57

Franeiska.

Ganz gewiß, gnädiges Fräulein, Herr, den Major von Tellheim noch hier zu finden.

glaubt dieser

Riecaut.

Iß so!— Le Major de Tellheim; jliste, ma belle enfant, c’est lui que je cherche. Oü est-il?

Franeiska. Er wohnt nicht mehr ^et.1 Riecaut. Comment? nok vor vier UN logier?

swanzik Stund hier Und logier nit mehr hier? Wo logier er denn?

Das Fräulein Riecaut. Ah,

(die auf ihn zukömmt).

Mein Herr, —

Madame, — Mademoiselle, — Jhro Gnad

verzeih —-

Das Fräulein.

Mein Herr, Ihre Irrung ist sehr zu ver­ geben,^ und Ihre Verwunderung sehr natürlich. Der Herr Major hat die Güte gehabt, mir, als einer Fremden, die nicht unterzukom­ men wußte 3, sein Zimmer zu überlassen.

Riecaut.

Ah voilä de 868 politessesl C’est un tres-galantbomme que ce Major!

Das Fräulein. muß mich schämen,

Riecaut.

Wo er indeß hingezogen, — wahrhaftig, ich

es nicht zu wissen.^

Jhro Gnad nit wiß?

C’est dommage; j’en suis

fache.

Das Fräulein. Ich sollen.

hätte mich allerdings darnach erkundigen Freilich werden ihn seine Freunde noch hier suchen.

Riecaut. Jk bin sehr von 6 seine Freund, Jhro Gnad Das Fräulein. Franeiska, weißt du es nicht? Franeiska. Nein, gnädiges Fräulein. Riceaut. Jk hätt ihn zu sprek, sehr nothwendig 7 Jk



komm

ihm bringen eine Nouvelle, davon er sehr frölik sein wird.

Das Fräulein. Ich

bedauere um so viel mehr. — Doch hoffe ich, vielleicht bald, ihn zu sprechen. Ist es gleichviel, aus wessen Munde er diese gute Nachricht erfährt, so erbiete ich mich, mein Herr — Jk versteh. — Mademoiselle parle frangais? Mais sans doute; teile que je la vois! — La demande etait bien impolie; Vous me pardonnerez, Mademoiselle.

Riecaut.

Das Fräulein.

Mein Herr —

1 he no longer lives here — he does not live here any more. 8 is very much to be excused. 3 knew not where to find accommodation. 4 I am quite ashamed. 5 that I do not know. 6 I am very much. 7 I had something particular to say to him.

58 Riecaut. Nit? Sie sprek nit Französisch, Jhro Gnad? Das Fräulein. Mein Herr, in Frankreich würde ich e- zu sprechen suchen. Aber warum hier? Ich höre ja,1 daß Sie mich ver­ stehen mein Herr. Und ich, mein Herr, werde Sie gewiß auch ver­ stehen; sprechen Sie, wie es Ihnen beliebt.^

Riecaut. Gutt, gutt! Jk kann auk mik auf Deutsch explicier.

— Sachez donc, Mademoiselle, —

Jhro Gnad soll also wiß, daß ik komm von die Tafel -ei der Minister — Minister von — Minister von —- wie heiß der Minister da draus? — in der lange Straß? — aus die -reite Platz?

Das Fräulein.

Ich -in hier noch völlig un-ekannt.3

Riecaut.

Nun, die Minister von der Kriegsdepartement.4 — Da ha-en ik zu Mittag gespeisen;^ — ik speisen ä l’ordinaire M6 ihm, und da iß man gekommen reden7 auf der Major Tellheim; et

le Ministre m’a dit en' confidence, car Son Excellence est de mes amis, et il n’y a point de mysteres entre nous — Se. Excellenz, will ik sag, ha-en mir vertrau, d'as die Sak von unserm Major sei auf den Point zu enden, und gutt zu enden. Er ha-e gemakt ein Rapport an den Könik, und der Könik ha-e darauf resolvir, tout-ä-

fait en faveur du Major. — Monsieur, m’a dit Son Excellence, Vous comprenez bien, que tout depend de la maniere, dont on fait envisager les choses au Roi, et Vous me connaissez. Cela fait uh tres-joli gargon que ce Tellheim, et ne sais-je pas que Vous l’aimez? Les amis de mes amis sont aussi les miens. II coüte un peu eher au Roi ce Tellheim, mais est-ce que l’on sert les Rois pour rien? 11 saut s’entr’aider en ce monde; et quand il s’agit de pertes, que ce soit le Roi, qui en fasse, et non pas un honnel - homme de nous autres. Voilä le principe, dont je ne me depars jamais. — Was sag Jhro Gnad hierzu? Nit wahr, daß iß ein -rav Mann? Ah que Son Excellence a le coeur bien place! Er hat mir au reste versiker, wenn der Major nit schon -ekommen ha-e une Lettre de la main — eine Könikliken Hand-ries, daß er heut infailliblement müsse -ekommen einen.

Das Fräulein. Gewiß, mein Herr, diese Nachricht wird dem Major von Tellheim höchst angenehm sein. Ich wünschte nur, ihm den Freund zugleich mit Namen nennen zu können, der so viel Antheil an seinem Glücke nimmt —

Riecaut.

en moi

Mein Namen wünscht Jhro Gnad? — — Jhro Gnad seh in mik le Chevalier Riecaut

Vous voyez de la Mar-

1 I find evidently — I perceive. 2 as you please. 3 I am but a perfect stranger — quite stränge. 4 ... of war. 5 dined to-day. 6 witli. 7 the conversation turned.

59 liniere, Seigneur de Pret-au-val, de la Branche de Prensd’or. — Jhro Gnad steh verwundert, * mtk aus so ein groß, groß Familie zu hören, qui est veritablement du sang Royal. — II saut le dire; je suis sans doute le Cadet le plus aventureux, que la maison a jamais eu.— Jk dien von meiner elfte Jahr. Ein Affaire d’honneur makte mik fliehen. Drauf haben ik gedienet Sr. Päpstliken Eilikheit, der Republik St. Marino, der Kron Pohlen, und den StaatenGeneral, bis ik endlik bin worden gezogen hierher. Ah, Mademoiselle, que je voudrais n’avoir jamais vu ce pays-lä! Hätte man mik gelaß im Dienst von den Staaten-General, so müßt ik nun sein, auf wenikst Oberst. Aber so hier immer und ewik Capitaine geblieben, und gar sein ein abgedankte Capitaine —

Das Fräulein.

Das ist viel Unglück.

9tiCCaut Oui, Mademoiselle, me voilä reforme, et par-Iä mis sur le pavö!

Das Fräulein. Ich beklage sehr.* Rieeaut. Vous £tes bien bonne, Mademoiselle.

— Nein, man kenn fik hier nit auf den Verdienst. Einen Mann, wie mik, su reformir! Einen Mann, der sich not dasu in diesem Dienst hat rouinir! — Jk haben dabei sugesetzt, mehr denn swanfik tausend Livres. Was hab ik NUN? Tranchons le mot; je n’ai pas le sou, et me voilä exactement vis-ä-vis du rien.

Das Fräulein. Riccaut. Vous

Es thut mir ungemein leid.

etes bien bonne, Mademoiselle. Aber wie man pfleg su sagend ein jeder Unglück schlepp nak stk seine Bruder; qu’un malheur ne vient jamais seul: so mit mir arrivir. Was ein Honnät-homme’tton mein Extraction kann anders haben für Ressource, als das Spiel? Nun hab ik immer gespielen mit Glück, so lang ik hatte nit von Nöthen der Glück. Nun ik ihr hätte von nöthen, Made­ moiselle, je joue avec un guignon, qui surpasse toute croyance. Seit funssehn Tag iß vergangen feine,7 wo sie mik nit hab gesprenkt. Nok gestern hab sie mik gesprenkt dreimal. Je sais bien, qu'il y avail quelque chose de plus que le jeu. Car parmi mes pontes se trouvaient certaines dames — Jk will niks weiter sag. Man muß sein galant gegen die Damen. Sie haben auk mik heut invitir, mir su geben revanche; mais — Vous mentendez, Made­ moiselle —Man muß erst wiß, wovon leben; ehe man haben kann, wovon su spielen. 1 wonders. 2 I pity you very much. 3 I am very sorry indeed — uncommonly sorry. 4 as the saying is — as they say. 5 one missortune follows another. 6 for the last fortnight. 7 not a day has passed. 8 they broke me Ihree times yeslerday.

60 Das Fräulein. Ich will nicht hoffen, mein Herr — Riccaut. Vous ötes bien bonne, Mademoiselle — Das Fräulein (nimmt die Franciska bei Seite). Franciska,

der Mann dauert mich im Ernste.* Ob er mir eS wohl übel nehmen würde, wenn ich ihm etwas anböte?a

Franciska. Der Das Fräulein.

steht mir nicht darnach au$*3

Gut! — Mein Herr, ich höre, — daß Sie spielen; daß Sie Bank machen; ohne Zweifel an Orten, wo etwas zu gewinnen ist. Ich muß Ihnen bekennen, daß ich — gleichfalls das Spiel sehr liebe4 —

Rieeaut. Tant mieux, Mademoiselle, tant mieuxl Tons les gens d’esprit aiment le jeu ä la fureur.

Das Fräulein. Daß ich sehr gern gewinne; sehr gern mein Geld mit einem Manne wage, der — zu spielen weiß. — Wären Sie wohl geneigt, mein Herr, mich in Gesellschaft zu nehmen?3 mir einen Antheil an Ihrer Bank zu gönnen?

Riccaut. Comment, Mademoiselle, moitie avec moi? De tout mon coeur.

Vous

voulez

ötre de

Das Fräulein. Bors erste, nur mit einer Kleinigkeit — (Geht und langt Geld aus ihrer Schatulle.) Rieeaut. Ah, Mademoiselle, que Vous 6tes charmante! — Das Fräulein. Hier habe ich, was ich ohnlängst^ gewonnen; nur zehn Pistolen — ich muß mich zwar schämen, so wenig '—

Rieeaut.

Donnez toujours, Mademoiselle, donnez (nimmt es.)

Das Fräulein.

Ohne Zweifel, daß Ihre Bank, mein Herr,

sehr ansehnlich ist —

Rieeaut. Ja wohl sehr ansehnlik. Sehn Pistol? Ihr Gnad soll sein dafür interessir bei meiner Bank auf ein Dreitheil, pour le tiers. Swar auf ein Dreitheil sollen sein — etwas mehr. Dok mit einer schöne Damen muß man es nehmen nit so ge­ nau. Jk kratulir mik, su kommen dadurch in liaison mit Jhro Gnad, et de ce moment je recommence ä bien augurer de ma fortune.

Das Fräulein. Ich

kann aber nicht dabei sein,3 wenn Sie

spielen, mein Herr.

1 I sincerely pity the man. 2 I wonder if he would be offended were I to offer him something. 3 to me, he does not look as if he •would. 4 very fond of play. 5 who understands the garne. 6 take me into partnership — as partner. 7 recentJy. 8 present-by.

61 Riecaut. Was brau! Jhro Gnad dabei fu sein? Wir andern Spieler find ehrlike Leut unter einander.1

Das Fräulein. Wenn wir glücklich find, mein Herr, so werden Sie mir meinen Antheil schon2 bringen. Sind wir aber unglücklich — Riecaut.

So komm ik holen

Rekruten.

Nit wahr,

Jhro

Gnad?

Das Fräulein. Auf die Länge dürften die Rekruten fehlen? Vertheidigen Sie unser Geld daher ja wohl,^ mein Herr.

Riecaut. Wofür seh mit Jhro Gnad an? ptnfe?6 für ein dumme Teuff?

Für ein Einfals-

Das Fräulein. Verzeihen Sie mir — Riecaut. Je suis des Bones, Mademoiselle. Savez-vous ce que cela veut dire? Ik bin von die Ausgelernt



Das Fräulein. Aber doch wohl, mein Herr 7— Riecaut. Je sais monier un coup — Das Fräulein (verwundert). Sollten Sie? Riecaut. Je file la carte avec une adresse •— Das Fräulein. Nimmermehr! Riecaut. je sais sanier la coupe avec une dexteritö — Das Fräulein. Sie werden doch nicht, mein Herr? Riecaut. Was nit? Jhro Gnade, was nit? Donnez-moi un pigeonneau ä plumer, et —

Das Fräulein. Falsch spielen? betrügen? Riecaut. Comment, Mademoiselle? Vous appellez cela betrügen? Corriger la fortune, l’enchainer sous ses doigts, ötre sür de son fait, das nenn die Deutsch betrügen? Betrügen! O, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak!^ sür ein plump Sprak!

Das Fräulein. Nein, mein Herr, wenn Sie so denken — Riecaut. Laissez-moi faire, Mademoiselle, und sein Sie ruhik!

Was

gehn Sie an,9 wie ik spiel? — Gnug,

1 amongst ourselves. 2 immediately. 3 he wanting. 4 take great care of ... 5 6 I am a Professional - practised. 7 but 8 what a poor language is the German. 9 you — is it to you.

morgen

for a time the .. may take me for a ninny. still — for all that. what does it concern

62 entweder sehn mtk wieder Jhro Gnad mit hundert Pistol, oder seh mik wieder gar nit — Votre tres- humble, Mademoiselle, votre tres humble — (eilends ab).

Das Fräulein (das ihm mit Erstaunen und Verdruß nachfieht). wünsche das letzte, mein Herr, das letzte!

Ich

Dritter Austritt.

Das Fräulein.

Franciska.

Franeiska (erbittert). Kann ich noch reden? O Das Fräulein. Spotte nur; ich verdiene es. nen Nachdenken und gelassener.) es nicht.

schön! o schön!

(Nach einem klei­ Spotte nicht, Franciska; ich verdiene

Franciska. gethan; 1

Vortrefflich! da haben Sie etwas allerliebstes einem Spitzbuben wieder auf bte2 Beine geholfen.

Das Fräulein. Es war Franciska. Und was das

einem Unglücklichen zugedacht.'

beste dabei tfh4 der Kerl hält Sie für seines gleichen. — O ich muß ihm nach, und ihm das Geld wieder abnehmen. (Will fort.)

Das Fräulein.

Franciska, laß den Kaffe nicht vollends kalt

werden; schenk ein.

Franciska. Er muß es Ihnen wiedergeben; Sie haben sich anders besonnen;6 Sie wollen mit ihm nicht in Gesellschaft spielen. Zehn Pistolen! Sie hörten ja, Fraulein, daß es ein Bettler war. (Das Fräulein schenkt indeß selbst ein) Wer wird einem Bettler so viel geben? Und ihm noch dazu die Erniedrigung, es erbettelt zu haben, zu ersparen suchen?^ Den Mildthätigen, der den Bettler aus Großmuth verkennen will, verkennt der Bettler wieder. Nun mögen Sie es haben,' Fräulein, wenn er Ihre Gabe, ich weiß nicht wofür, ansieht. — (und reicht der Franciska eine Tasse.) Wollen Sie mir das Blut noch mehr in Wallung bringen?^ Ich mag nicht trinken.^ (Das Fräulein setzt sie wieder weg.) — „Parbleu, Jhro Gnad, man kenn fik hier nit auf den Verdienst" (in dem Tone des Franzosen). Freilich nicht, wenn man die Spitzbuben so ungehangen herumlaufen läßt.n 1 you have done a famous thing. 2 on bis. 3 intended for an unfortunate one. 4 and the best of it is. 5 takes you for one of his own kind — dass. 6 changed your mind. 7 and furthermore than that, try to spare him the disgrace of having begged it. 8 now you will see. 9 will you throw me into a higher fever still? 10 I do not like it. 11 run about unhanged.

63

Das Fräulein (kalt und nachdenkend, indem fie trinkt). Mädchen, du verstehst dich so vortrefflich auf die1 guten Menschen: aber, wenn willst du die schlechten ertragen lernen? — Und sie sind doch auch Menschen. — Und öfters bei weitem so schlechte Menschen nichts als fie scheinen. — Man muß ihre gute Seite nur aufsuchen. — Ich bilde mir ein, 3 dieser Franzose ist nichts, als eitel. Aus bloßer^ Eitelkeit macht er sich zum3 falschen Spieler; er will mir nicht ver­ bunden scheinen; er will sich den Dank ersparen. Vielleicht, daß er nun hingeht, seine kleine Schulden bezahlt, von dem Reste, so weit er reicht, still und sparsam lebt, und an das Spiel 6 nicht denkt. Wenn das ist, liebe Franciska, so laß ihn Rekruten holen, wenn er will. — (Giebt ihr die Tasse.) Da, setz weg! — Aber sage mir, sollte Tellheim nicht schon da sein?

Franciska. Nein, gnädiges Fräulein; ich kann beides nichts weder an einem schlechten Menschen die gute, noch an einem guten Menschen die böse Seite aufsuchen. Das Fräulein.

Er kömmt doch ganz gewiß?

Franciska.

Er sollte wegbleiben!3 — Sie bemerken an ihm, an ihm, dem besten Manne, ein wenig Stolz, und darum wollen Sie ihn so grausam necken?

Das Fräulein. Kömmst du da wieder hin? 9 — Schweig, das will ich nun einmal so.10 Wo du mir diese Lust verdirbst; 11 wo du nicht alles sagst und thust, wie wir es abgeredet haben! — Ich will dich schon allein mit ihm lassen; und dann---------- Jetzt kömmt er wohl.^

Vierter Auftritt. Paul Werner (der in einer steifen Stellung, gleichsam im Dienste, herein­ tritt). Das Fräulein. Franciska.

Franciska.

Nein, es ist nur sein lieber Wachtmeister.

Das Fräulein.

Lieber Wachtmeister?

Auf wen bezieht sich

dieses Lieber? 13

Franciska. Gnädiges Fräulein, machen Sie.mir den Mann nicht verwirrt.^ — Ihre Dienerin, Herr Wachtmeister; was bringen Sie uns?

1 how to deal with. 2 far from being so bad. 3 fancy. 4 from pure. 5 he plays the character of a. 6 of play-gambling. 7 neither. 8 he stay away. 9 thou beginst again. 10 I will do so. 11 if thou dost spoil this humour of mine. 12 here he comes 1 think. 13 to whom does this dear apply. 14 out of countenance.

64 Werner (geht, ohne auf die Franciska zu achten, an das Fräulein). Der Major von Tellheim läßt an das gnädige Fräulein von Barn­ helm durch mich, den Wachtmeister Werner, seinen unterthänigen Respekt vermelden, und sagen, daß er sogleich hier sein werde.

Das Fräulein. Werner. Jhro

Wo bleibt er denn?

Gnaden werden verzeihen; wir find, noch vor dem Schlage btet,1 aus dem Quartier gegangen; aber da hat ihn der Kriegszahlmeister unterwegens angeredt; und weil mit dergleichen Herrn des Redens immer kein Ende ist,2 so gab er mir einen Wink, dem gnädigen Fräulein den Vorfall zu rapportiren.

Daß Fräulein. Recht wohl, Herr Wachtmeister. Ich wünsche nur, daß der Kriegszahlmeister dem Major etwas angenehmes möge zu sagen haben.

Werner. Das haben dergleichen Herren den Officieren sel­ ten. — Haben Jhro Gnaden etwas zu befehlen? (Im Begriffe wieder zu gehen.)

Franciska. meister?

Nun, wo denn schon wieder hin, 3 Herr Wacht­ Hätten wir denn nichts mit einander zu plaudern?^

Werner (We zur Franciska, und ernsthaft). Hier nicht, Frauenzimmerchen. Es ist wider den Respekt, wider die Subordination. — Gnädiges Fräulein —

Das Fräulein. Ich danke für Seine Bemühung, Herr Wachtmeister. — Es ist mir lieb gewesen, Ihn kennen zu lernen.6 Franciska hat mir viel gutes von Ihm gesagt.6 (Werner macht eine steife Verbeugung, und geht ab.)

Fünfter Austritt. Das Fräulein.

Franciska.

Das Fräulein. Das ist dein Wachtmeister, Franciska? Franciska. Wegen des spöttischen Tones habe ich nicht

Zeit, dieses Dein nochmals aufzumutzen.7---------- Ja, gnädiges Fräulein, das ist mein Wachtmeister. Sie finden ibn, ohne Zweifel, ein wenig steif und hölzern. Jetzt kam er mir fast auch so vor.^ Aber ich merke wohl;d er glaubte, vor Jhro Gnaden, auf die

1 of three. 2 there is no end to their Speeches. 3 well, where are you going again then. 4 something to say to... 5 I am pleased at having made your acquaintance. 6 has said much to me in your favour. 7 1 have no time to rake up the word „thy“ again since you lay such a jeering stress on it. 8 I almost thought bim so myself. 9 but 1 see how it is.

65

Parade ziehen zu müssen. Und wenn die Soldaten paradiren, — ja freilich scheinen sie da metyr1 Drechslerpuppen, als Männer. Sie sollten ihn hingegen nur sehn und hören, wenn er sich selbst gelassen ist2

Das Fräulein. Franeiska. Er

Das müßte ich denn wohl.

wird noch auf dem Saale sein. gehn, und ein wenig mit ihm plaudern?

Dars ich

Das Fräulein. Ich versage dir ungern dieses Vergnügen. Du mußt hier bleiben, Franeiska. Du mußt bei unserer Unter­ redung gegenwärtig sein. — Es fällt mir noch etwas bei.3 (Sie Sieht ihren Ring vom Finger.) Da, nimm meinen Ring, verwahre * ihn, und gieb mir des Majors seinen dafür.5 Franeiska. Warum das? Das Fräulein (indem Franeiska

den andern Ring holt). Recht weiß ich es selbst nicht; 6 aber mich dünkt, ich sehe so etwas vor­ aus, wo ich ihn brauchen könnte. — Man pocht. — Geschwind gieb her! (Sie steckt ihn an.) Er ists!

Sechster Auftritt. v. Tellheim (in dem nämlichen Kleide, aber sonst so, wie es Franeiska verlangt). Das Fräulein. Franeiska.

v. Tellheim.

Gnädiges

Fräulein,

Sie

werden

mein Ver­

weilen entschuldigen.

Das Fräulein. O, Herr Major, so wir es mit einander nicht nehmen.3 Sie find gnügen erwarten,9 ist auch ein Vergnügen. ihm lächelnd ins Gesicht sieht) lieber Tellheim, hin Kinder?

gar militärisch wollen ja da! Und ein Ver­ — Nun? (indem fie waren wir nicht vor­

v. Tellheim. Ja wohl Kinder, gnädiges Fräulein; die fich sperren, wo fie gelassen folgen sollten.10

Kinder,

Das Fräulein. Wir wollen ausfahren, lieber Major, — die Stadt ein wenig zu besehen, — und hernach, meinem Oheim entgegen.

v. Tellheim.

Wie?

1 they do look more like. 2 lest to himself — feels himself free. 3 another thing occurs to me. 4 do not lose it — take care of it. 5 give me ... instead. 6 I do not exactly know myself. 7 give it me. 8 we will not observe such military precision. 9 the expectation of. 10 ought patiently to have obeyed.

66 Das Fräulein. Sehen Sie; auch das Wichtigste haben wir einander noch nicht sagen können. Ja, er trifft noch heute hier ein. Ein Zufall ist schuld, daß ich, einen Tag früher, ohne ihn ange­ kommen Mn.1

V. Tellheim.

Der Graf von Bruchsal?

Ist er zurück?

Das Fräulein. Die Unruhen des Krieges verscheuchten ihn nach Italien; der Friede hat ihn wieder zurückgebracht. — Machen Sie sich keine Gedanken, Tellheim. Besorgten wir schon ehemals das stärkste Hinderniß unserer Verbindung von seiner Seite —

v. Tellheim.

Unserer Verbindung?

Das Fräulein. Er ist Ihr Freund. Er hat von zu Vielen zu viel Gutes von Ihnen gehört, um es nicht zu sein. Er brennet, den Mann von Antlitz zu kennen,3 den seine einzige Erbin gewählt hat."1 Er kömmt als Oheim, als Vormund, als Vater, mich Ihnen zu übergeben.

v. Tellheim. nicht gelesen?

Ah, Fräulein, warum haben Sie meinen Brief Warum haben Sie ihn nicht lesen wollen?

Das Fräulein. Ihren Brief? Ja, ich erinnere mich, Sie schickten mir einen. Wie war es denn mit diesem Briefe, Franciska? Haben wir ihn gelesen, oder haben wir ihn nicht gelesen? Was schrieben Sie mir denn, lieber Tellheim?

v. Tellheim.

Nichts, als was mir meine Ehre befiehlt.

Das Fräulein. Das ist, ein ehrliches Mädchen, die Sie liebt, nicht fitzen zu lassen.3 Freilich befiehlt das die Ehre. Gewiß ich hätte den Brief lesen sollen. Aber was ich nicht gelesen habe, das höre ich ja.

v. Tellheim.

Ja, Sie sollen es hören —

Das Fräulein. Nein, ich brauch es auch nicht einmal 6 zu hören. Es versteht fich von selbst. Sie könnten eines so häß­ lichen Streiches fähig sein, daß Sie mich nun nicht wollten? Wissen Sie, daß ich aus Zeit meines Lebens beschimpft wäre? Meine Landsmänninnen würden mit Fingern ans mich weisen. — „Das ist fie," würde es heißen, „das ist das Fräulein von Barnhelm, die fich einbildete, weil fie reich sei, den wackern Tellheim zu bekommend als ob die wackern Männer für Geld zu haben wären’."9 So würde es heißen:1" denn meine Landsmänninnen find alle neidisch auf11

1 the cause of my arriving here a day earlier . . 2 be not uneasy. 3 to become personally acquainted. 4 bas made cboice of. 5 to forsake — to leave in the lurch. 6 altogether. 7 that’s a matter of course. 8 catch. 9 were to be had for — attracted by. 10 that is what would be said. 11 of.

67 mich. Daß ich reich bin, können sie nicht leugnen, aber davon wollen sie nichts wissen, daß ich auch sonst noch ein ziemlich gutes Mädchen bin, das seines Mannes werth ist. Nicht wahr,* Tellheim?

v. Tellheim. Ja, ja, gnädiges Fräulein, daran erkenne^ ich Ihre Landsmänninnen. Sie werden Ihnen einen abgedankten, an seiner Ehre gekränkten Ofstcier, einen Krüppel, einen Bettler trefflich beneiden. Das Fräulein. Und das Alles wären3 Sie? Ich hörte so was,4 wenn ich mich nicht irre, schon heute Vormittage. Da ist Böses und Gutes unter einander. Lassen Sie uns doch jedes näher beleuchten. — Verabschiedet sind Sie? So höre ich. Ich glaubte, Ihr Regiment sei blos untergesteckt6 worden. Wie ist es gekommen,8 daß man einen Mann von Ihren Verdiensten nicht bei­ behalten? v. Tellheim. Es ist gekommen, wie es kommen müssen. Die Großen haben sich überzeugt, daß ein Soldat aus Neigung für sie ganz wenig, aus Pflicht nicht viel mehr, aber alles seiner eignen Ehre wegen thut. Was können sie ihm also schuldig zu sein glauben? Der Friede hat ihnen mehrere meines gleichen entbehrlich gemacht; und am Ende ist ihnen Niemand unentbehrlich.*'

Das Fräulein. Sie sprechen wie ein Mann sprechen muß, dem die Großen hinwiederum 8 sehr entbehrlich find. Und niemals waren sie es mehr, als jetzt. Ich sage den Großen meinen großen Dank, daß sie ihre Ansprüche auf einen Mann haben fahren lassen," den 10 ich doch nur sehr ungern mit ihnen getheilet hätte. — Ich bin Ihre Gebieterin, Tellheim; Sie brauchen weiter keinen Herrn.— Sie verabschiedet zu finden, das Glück hätte ich mir kaum träumen lassen!11 — Doch Sie find nicht blos verabschiedet: Sie find noch mehr. Was find Sie noch mehr? Ein Krüppel: sagten Sie? Nun, (indem sie ihn von oben bis unten betrachtet)^ der Krüppel ist doch nod?13 ziemlich ganz und gerade; scheinet doch noch ziemlich gesund und stark. — Lieber Tellheim, wenn Sie auf14 den Verlust ihrer ge­ sunden Gliedmaßen betteln zu gehen "denken: so prophezeie ich Ihnen, daß Sie vor den wenigsten15 Thüren etwas bekommen werden; ausgenommen vor den Thüren der gutherzigen Mädchen, wie ich.

1 am I not. 2 admit that of . . 3 are all these. 4 something of the Kind. 5 incorporated. 6 how came it to pass. 7 cannot dispense with one — there is not one who is indispensable to them. 8 on the other band. 9 relinquished — given up. 10 whose Services — whom. 11 I should scarcely have dreamt. 12 eying him from head to foot. 13 aller all is. 14 for — on account of. 15 at very few. ö*

68 v. Tellheim.

Jetzt höre ich nur das muthwillige Mädchen,

liebe Minna.

Das Fräulein. Und ich höre in Ihrem Beweise nur das Liebe Minna. — Ich will nicht mehr muthwillig sein. Denn ich besinne mich, daß Sie allerdings ein kleiner Krüppel find.1 Ein Schuß hat Ihnen den rechten Arm ein wenig gelähmt. — Doch alles b wohl überlegt; so ist auch das so schlimm nichts Um so viel sichrer bin ich vor° Ihren Schlägen.

v. Tellheim.

Fräulein!

Das Fräulein.

Sie wollen sagen: Aber Sie um so viel weniger vor meinen. Nun, nun, lieber Tellheim, ich hoffe, Sie werden es nicht dazu kommen lassen.

V. Tellheim. Sie wollen6 lachen, mein Fräulein. klage nur, daß ich nicht mit lachen kann.

Ich be­

Das Fräulein. Warum nicht? Was haben Sie denn gegen das Lachen? Kann man denn auch nicht lachend sehr ernsthaft sein? Lieber Major, das Lachen erhält uns vernünftiger, als der Ver­ druß. Der Beweis liegt vor uns. Ihre lachende Freundin beurtheilt Ihre Umstände weit richtiger, als Sie selbst. Weil Sie verabschiedet find, nennen Sie fich an Ihrer Ehre gekränkt: weil Sie einen Schuß in dem Arme haben, machen Sie fich zu einem Krüppel. Ist das so recht? Ist das keine Uebertreibung? Und ist es meine Einrich­ tung, daß alle Uebertreibungen des Lächerlichen so fähig ftnb?7 Ich wette, 8 wenn ich Ihren Bettler nun vernehme, daß auch dieser eben so wenig Stich halten wird.9 Sie werden einmal, zwei­ mal, dreimal ihre Equipage verloren haben; bei dem oder jenem Banquier werden einige Kapitale jetzt mit schwinden; Sie werden diesen und jenen Vorschuß, den Sie im Dienste gethan, keine Hoff­ nung haben, wieder zu erhalten: aber find Sie darum ein Bettler? Wenn Ihnen auch nichts übrig geblieben ist, als was mein Oheim für Sie mitbringt — v. Tellheim.

Ihr Oheim, gnädiges Fräulein, wird für mich

nichts mitbringen.

Das Fräulein. Nichts, als die zweitausend Pistolen, Sie unsern Ständen so großmüthig vorschoffen.10

die

1 somewhat crippled. 2 a shot has lamed your right arm a little. 3 but all things. 4 none the worse for that — even then iss not so bad. 5 I am the more secure from — so much the more. 6 are disposed. 7 can I help it if all exaggerations have a tendency to the ridiculous — liable to provoke laughter. 8 1’11 wager now. 9 as little able to stand his ground — keep his 10 so generously advanced.

69 V. Tellheim.

Hätten

Sie

doch

nur

meinen

Brief gelesen,

gnädiges Fräulein!

Das Fräulein. Nun ja, ich habe ihn gelesen. Aber was ich üfcer1 diesen Punkt darin gelesen, ist mir ein wahres 2 Räthsel. Unmög­ lich kann man Ihnen aus einer edlen Handlung ein Verbrechen machen wollen. 3 — Erklären Sie mir doch, lieber Major —

v. Tellheim. Sie erinnern sich, gnädiges Fräulein, daß ich Ordre hatte, in den Aemtern^ ihrer Gegend die Kontribution mit der äußersten Strenge baar beizutreiben.6 Ich wollte mir diese Strenge ersparen, und schoß die fehlende Summe selbst vor. Das Fräulein. Ja wohl erinnere ich mich. — Ich liebte Sie um dieser That willen, ohne Sie noch gesehen zu haben.

V. Tellheim. Die Stände gaben mir ihren Wechsel, und diesen wollte ich, bei Zeichnung des Friedens, unter6 die zu ratihabirenden Schulden eintragen lassen. Der Wechsel ward für gültig erkannt, aber mir ward das Eigenthum desselben streitig gemacht. Man zog spöttisch das Maul,^ als ich versicherte,3 die Valute baar hergegeben zu haben. Man erklärte ihn für etne9 Bestechung, für das Gratial der Stände, weil ich sobald mit ihnen mit der niedrigsten Summe einig geworden war, mit der ich mich im äußersten Nothfalle zu be­ gnügen, Vollmacht hatte.10 So kam der Wechsel aus meinen Hän-' den, und wenn er bezahlt wird, wird er sicherlich nicht an mich be­ zahlt. — Hierdurch, mein Fräulein, halte ich meine Ehre für ge­ kränkt; 11 nicht durch den Abschied, den ich gefodert haben würde, wenn ich ihn nicht bekommen hätte. — Sie sind ernsthaft, mein Fräulein? Warum lachen Sie nicht? Ha, ha, ha! Ich lache ja.12

Das Fräulein. O, ersticken Sie dieses Lachen, Tellheim! Ich beschwöre Sie! Es ist das schreckliche Lachen des Menschenhaffes! Nein, Sie find der Mann nicht, den eine gute That reuen kann, weil sie üble Folgen für ihn hat. Nein, unmöglich können diese üble Folgen dauren! Die Wahrheit muß an den Tag^ konlmen. Das Zeugniß meines Oheims, aller unsrer Stände —

v. Tellheim.

Ihres Oheims! Ihrer Stände!

Ha, ha, ha!

Das Fräulein. Ihr Lachen tödtet mich, Tellheim! Wenn Sie an Tugend und Vorsicht ßfoufcen,15 Tellheim, so lachen Sie so

1 on. 2 perfect. 3 it cannot possibly be their intention to pervert a noble action into a crime. 4 on the provinces. 5 levy. 6 amongst. 7 they sneered. 8 when I declared. 9 it was pronounced — declared a. 10 was authorised. 11 throngh Ibis I considerw my honour insulted. 12 forsooth. 13 produces evil consequences to himself. 14 come to light — be brought to light. 15 trust to.

70 nicht!* Ich habe nie fürchterlicher fluchen hören, als Sie lachen.2— Und lassen Sie uns das Schlimmste fetzen! Wenn man Sie hier durchaus verkennen will: so kann man Sie bei uns nicht verkennen. Nein, wir können, wir werden Sie nicht verkennen, Tellheim. Und wenn unsere Stände die geringste Empfindung von Ehre haben, so weiß ich was fie thun müssen. Doch ich bin nicht ffug:3 was wäre das nöthig?^ Bilden Sie fich ein, Tellheim, Sie hätten die zwei­ tausend Pistolen an einem5 wilden Abende verloren. Der König war eine unglückliche Karte für Sie: die Dame (auf sich weisend) wird Ihnen desto günstiger sein. — Die Vorsicht, glauben Sie mir, hält den ehrlichen Mann immer schadlos;6 und öfters schon im voraus. * Die That, die Sie einmal um zweitausend Pistolen bringen sollte, erwarb mich Ihnen.3 Ohne diese That, würde ich nie begierig ge­ wesen sein, Sie kennen zu lernen.9 Sie wissen, ich kam uneingeladen in die erste Gesellschaft, wo ich Sie zu finden glaubte. Ich kam blos Ihretwegen. Ich kam in dem festen Vorsatze, Sie zu lieben, — ich liebte Sie schon! — in dem festen Vorsatze, Sie zu besitzen, wenn ich Sie auch so schwarz und häßlich finden sollte, als den Mohr von Venedig. Sie find so schwarz und häßlich nicht; auch so eifersüchtig werden Sie nicht fein.10 Aber Tellheim, Tellheim, Sie haben doch noch viel ähnliches mit ihm!** O, über die ivüben,12 unbiegsamen Männer, die nur immer ihr stieres Auge auf das Gespenst der Ehre heften! für alles andere Gefühl fich verhärten! — Hierher Ihr Auge! auf mich, Tellheim! (Der indeß vertieft, und unbeweglich, mit starren Augen immer auf eine Stelle gesehen.) Woran denken Sie? Sie hören mich nicht?

v. Tellheim (zerstreut). O ja! Aber sagen Sie mir doch, meinFräulein: wie kam der Mohr in Venetianische Dienste? Hatte der Mohr kein Vaterland? Warum vermtethete er seinen Arm und sein Blut einem fremden Staate?

Das Fräulein (erschrocken). Wo find Sie,*3 Tellheim? — Nun ist es Zeit, daß wir abbrechen. — Kommen Sie! (Indem fie ihn bet der Hand ergreift.) — Franciska, laß den Wagen Vorfahren.*^ v. Tellheim (der fich von dem Fräulein los reißt, und der Fran­ ciska nachgeht). Nein, Franciska; ich kann nicht die Ehre haben, das Fräulein zu begleiten. — Mein Fräulein, lassen Sie mir noch heute meinen gesunden Verstand und beurlauben Sie mich. Sie find 1 do not . . so. 2 your laughter. 3 I talk nonsense. 4 what need of that. 5 on some. 6 from harrn. 7 foresees that which is to happen. 8 won me. 9 know. 10 nor will you be. 11 you resemble — are like him in many respects. 12 the fierce. 13 you are wandering. 14 draw up i. e. before the Street door (Hausthür).

71 auf "dem besten Wege mich darum zu Bringen»1 Ich stemme mich, so viel ich kann. Aber weil ich noch bei Verstände Bin,2 so hören Sie, mein Fräulein, was ich fest Beschlossen habe; wovon mich nichts in der Welt abbringen soll. — Wenn nicht noch ein glücklicher Wurf für mich im Spiele ist, wenn fich das Blatt nicht völlig wendet, wenn —

Das Fräulein. Ich muß Ihnen ins Wort fallen,3 Herr Major. — Das hätten wir ihm gleich sagen sollen, Franciska. Du erinnerst mich auch an gar nichts. — Unser Gespräch würde ganz anders gefallen fein,6 Tellheim, wenn ich mit der guten Nachricht angefangen hätte, die Ihnen der Chevalier de la Marliniere nur eben zu Bringen kam.

v. Tellheim. Der Chevalier de la Marliniere? Wer ist das? Franciska. Es mag ein ganz guter Mann sein, Herr Major, Bis ans6 —

Das Fräulein. Schweig, Franciska! — Gleichfalls ein ver­ abschiedeter Osficier, der aus Holländischen Diensten —

V. Tellheim. Ha! der Lieutnant Riccaut! Das Fräulein. Er versichertes daß er Ihr Freund sei — v. Tellheim. Ich versichere, daß ich seiner nicht Bin. Das Fräulein. Und daß ihm, ich weiß nicht welcher Minister, vertraut habe, Ihr Sache sei dem glücklichsten Ausgange nahe.3 müsse ein Königliches Handschreiben an Sie unterwegens sein.

Es

v. Tellheim. Wie kämen Riccaut und der Minister zusammen? — Etwas zwar muß in meiner Sache geschehen sein. Denn nur jetzt erklärte mir der Kriegszahlmeister, daß der König alles nieder­ geschlagen habe, was wider mich urgiret worden; und daß ich mein schriftlich gegebnes Ehrenwort, nicht eher von hier zu gehen, als Bis man mich völlig entladen habe, wieder ^ntütfneBnten10 könne. — DaS wird es aber auch alles sein. Man wird mich wollen laufen lassen." Allein man irrt fich; ich werde nicht laufen. Eher soll mich hier das äußerste Elend, vor den Augen meiner Verleumder, verzehren — Das Fräulein. Hartnäckiger Mann! V. Tellheim. Ich Brauche keine Gnade; ich will Gerechtigkeit. Meine Ehre —

Das Fräulein.

Die Ehre eines Mannes, wie Sie —

1 to drive me mad. 2 retain my senses. 3 I must Interrupt you. 4 . . not remind me of anything at all. 5 taken a different turn. 6 as far. 7 declared himself. 8 that your affairs are nearly brought to a most satisfactory conclusion — terminalion. 9 fully exonerated. 10 take me back again. 11 they would have me run away.

72 V. Tellheim (hitzig). Nein, mein Fräulein, Sie werden von allen Dingen recht gut urtheilen können, nur hierüber nicht. Die Ehre ist nicht die Stimme unsers Gewissens, nicht das Zeugniß weniger Rechtschaffnen — Das Fräulein.

Nein, nein, ich weiß wohl.1

Die Ehre

ist — die Ehre.

v. Tellheim. Kurz, mein Fräulein, — Sie haben mich nicht ausreden? lassen. — Ich wollte * sagen; wenn man mir das Meinige so schimpflich vorenthält, wenn meiner Ehre nicht die vollkommenste Genugthuung geschieht; * so kann ich, mein Fräulein, der Ihrige nicht sein. Denn ich bin es in den Augen der Welt nicht werth,6 zu sein. Das Fräulein von Barnhelm verdienet einen unbescholtenen Mann.6 Es ist eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trägt,7 ihren Gegenstand der, Verachtung auszusetzen. Es ist ein nichtswür­ diger Mann, der fich nicht schämet, sein ganzes Glück einem Frauen­ zimmer zu-verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit — Das Fräulein. Und das ist Ihr Ernst,10 Herr Major? — (Indem sie ihm Plötzlich den Rücken wendet.) Franciska!

v. Tellheim. Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein — Das Fräulein (bei Seite zur Franciska). Jetzt wäre es Zeit! Was räthst du mir, Franciska?

Franciska. Ich rathe nichts. Aber freilich macht er es Ihnen ein wenig zu bunt."

v. Tellheim (der fie zu unterbrechen kömmt). Sie find ungehalten, mein Fräulein —

Das Fräulein (höhnisch). Ich? im geringsten nicht. V. Tellheim. Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein — Das Fräulein (noch in diesem Tone). O gewiß, es wäre mein Unglück! — Und sehen Sie, Herr Major, ich will Ihr Unglück auch nicht. — Man muß ganz uneigennützig12 lieben. — Eben so gut, daß ich nicht offenherziger gewesen bin! Vielleicht würde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre Liebe versagt." — (Indem fie den Ring langsam vom Finger zieht.)

v. Tellheim.

Was meinen Sie damit, Fräulein?

Das Fräulein. Nein, keines muß das andere, weder glück­ licher noch unglücklicher machen. So will es die wahre Liebe! Ich 1 exactly — perfectly well. 2 flnish. 3 meant to. 4 be not done. 5 unworthy. 6 a man of unblemished character — unstained reputation. 7 unscrupulously. 8is not ashamed. 9 owe — thank. 10 are you serious. 11 carries it rather too far. 12 from munterested motives — disinterestedly. 13 perhaps bad I been less frank, your pity would have granled

73





glaube Ihnen, Herr Major; und Sie haben zu viel Ehre, als daß Sie die Liebe verkennen sollten.1

v. Tellheim. Spotten Das Fräulein. Hier!

Sie, mein Fräulein?

Nehmen Sie den Ring wieder zurück, mit dem Sie mir Ihre Treue verpflichtet. ? (Ueberreicht ihm den Ring.) Es sei drum!3 Wir wollen einander nicht gekannt haben.

v. Tellheim. Was höre ich? Das Fräulein. Und das beftemdet

Sie? — Nehmen Sie, mein Herr. — Sie haben sich doch wohl nicht blos gezieret?

v. Tellheim (indem er den Ring aus ihrer Hand nimmt). So kann Minna sprechen!

Gott!

Das Fräulein. Sie können der Meinige in Einem Falle nicht sein; ich kann die Ihrige in keinem sein. Ihr Unglück ist wahrscheinlich; meines ist gewiß. — Leben Sie wohl! (Will fort.)

v. Tellheim. Wohin, liebste Das Fräulein. Mein Herr,

Minna? Sie beschimpfen mich jetzt mit

dieser vertraulichen Benennung.

V. Tellheim. Was ist Ihnen Das Fräulein. Lassen Sie Ihnen zu verbergen, Verräther!

mein Fräulein?

Wohin?

mich. — Meine Thränen (Geht ab.)

vor

Siebenter Austritt.

v. Tellheim. V. Tellheim.

Ihre

Franciska.

Thränen?

Und

ich

sie

sollte

lassen?

(Will ihr nach.)

Franciska (die ihn zuriickhLlt). Nicht doch, Herr Major! Sie werden ihr ja nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen? v. Tellheim. Franciska.

Ihr Unglück? Sprach fie nicht von Unglück?

Nun

freilich,-

das Unglück,

Sie

zu

verlieren,

nachdem —

v. Tellheim. Nachdem? was nachdem? Hier hinter steckt mehr.^ Was ist es, Franciska? Rede, sprich —

Franciska.

Nachdem fie, wollte ich sagen, — Ihnen so vieles

aufgeopsert.

v. Tellheim.

Mir aufgeopfert?

1 to mistake love for anything eise. 2 with wbich you plighted your Iruth lo me. 3 lei it be so. 4 tbere’s something more in Ibis — something bebind the curlain.

74 Franciska. Hören Sie nur kurz. — Es ist — für Sie recht gut, Herr Major, daß Sie auf1 diese Art von ihr losgekommen find. — Warum soll ich es Ihnen nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimniß bleiben. — Wir find entflohen! — Der Graf von Bruch­ sall hat das Fräulein enterbt, weil fie keinen Mann von^ seiner Hand annehmen wollte. Alles verließ, alles verachtete fie hierauf. WaS sollten wir thun? Wir entschlossen uns, denjenigen aufzusuchen, dem wir — V. Tellheim. Ich habe genug. — Komm, ich muß mich zu ihren Füßen werfen. Franciska. Was denken Sie? Gehen Sie vielmehr, und danken Ihrem guten Geschicke3 — V. Tellheim. Elende! für wen hältst du mich? — Nein, liebe Franciska, der Rath kam nicht au64 deinem Herzen. Vergieb meinem Unwillen!3

Franciska. Halten Sie mich nicht länger auf. Ich muß sehen, was Sie macht. Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen sein.6 — Gehen Sie! Kommen Sie lieber wieder, wenn Sie wieder kommen wollen. (Geht dem Fräulein nach.)

Achter Auftritt. v. Tellheim. Aber Franciska! — O, ich erwarte euch hier! — Nein, das ist dringender! — Wenn fie Ernst fieht, kann mir ihre Vergebung nicht entgehen. — Nun brauch ich dich, ehrlicher Werner! — Nein, Minna, ich bin kein Verräther! (Eilends ab.)

Fünfter Auszug. Erster Austritt. (Die Scene, der Saal.)

v. Tellheim von der einen und Werner von der andern Seite.

V. Tellheim.

Ha,

Werner!

ich

suche

dich

überall.

Wo

steckst du?

Werner. Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so gehts mit dem Suchen.3 — Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht. ? 1 in. 2 at. 3 Stars. 4 from. 5 pardon my anger. 6 something may have happened to her. 7 I have sought thee everywhere — I bave been looking for you every where. 8 so seeking is the Order of the day. 9 very good — excellent news.

74 Franciska. Hören Sie nur kurz. — Es ist — für Sie recht gut, Herr Major, daß Sie auf1 diese Art von ihr losgekommen find. — Warum soll ich es Ihnen nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimniß bleiben. — Wir find entflohen! — Der Graf von Bruch­ sall hat das Fräulein enterbt, weil fie keinen Mann von^ seiner Hand annehmen wollte. Alles verließ, alles verachtete fie hierauf. WaS sollten wir thun? Wir entschlossen uns, denjenigen aufzusuchen, dem wir — V. Tellheim. Ich habe genug. — Komm, ich muß mich zu ihren Füßen werfen. Franciska. Was denken Sie? Gehen Sie vielmehr, und danken Ihrem guten Geschicke3 — V. Tellheim. Elende! für wen hältst du mich? — Nein, liebe Franciska, der Rath kam nicht au64 deinem Herzen. Vergieb meinem Unwillen!3

Franciska. Halten Sie mich nicht länger auf. Ich muß sehen, was Sie macht. Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen sein.6 — Gehen Sie! Kommen Sie lieber wieder, wenn Sie wieder kommen wollen. (Geht dem Fräulein nach.)

Achter Auftritt. v. Tellheim. Aber Franciska! — O, ich erwarte euch hier! — Nein, das ist dringender! — Wenn fie Ernst fieht, kann mir ihre Vergebung nicht entgehen. — Nun brauch ich dich, ehrlicher Werner! — Nein, Minna, ich bin kein Verräther! (Eilends ab.)

Fünfter Auszug. Erster Austritt. (Die Scene, der Saal.)

v. Tellheim von der einen und Werner von der andern Seite.

V. Tellheim.

Ha,

Werner!

ich

suche

dich

überall.

Wo

steckst du?

Werner. Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so gehts mit dem Suchen.3 — Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht. ? 1 in. 2 at. 3 Stars. 4 from. 5 pardon my anger. 6 something may have happened to her. 7 I have sought thee everywhere — I bave been looking for you every where. 8 so seeking is the Order of the day. 9 very good — excellent news.

75 v. Tellheim. Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten: ich brauche dein Geld. Geschwind, Werner, gieb mir so viel du hast; und dann suche so viel aufzubringen, als du kannst. Werner. Herr Major! — Nun, bei meiner armen Seele, habe ichs doch gesagt:1 er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.

V. Tellheim. Du suchst doch nicht Ausflüchte?2 Werner. Damit ich ihm nichts vorzuwerfen habe, so nimmt er mirs mit der Rechten, und giebt mirs mit der Linken wieder.

v. Tellheim. Halte mich nicht auf, Werner! — Ich habe den guten Willen, dir es wieder zu geben; aber wann und wie? — das weiß Gott! Werner. Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaatskasse Ordre hat,3 Ihnen Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bei —

v. Tellheim. Was plauderst t)it?4 Was lässest du dir weiß machen?^ Begreifst du denn nicht, daß. wenn es wahr wäre, ich es doch wohl am ersten wissen müßte? — Kurz, Werner, Geld! Geld!

Werner. Je nu, mit Freuden! hier ist was! Das find die hundert Luisdor, und das die hundert Dukaten. — (Giebt ihm beides.) v. Tellheim. Die hundert Louisdor, Werner, geh und bringe3 Justen. Er soll sogleich den Ring wieder einlösen, den er heute früh versetzt hat. — Aber wo wirst du mehr hernehmen, Werner? — Ich brauche ivett7 mehr.

Werner. Dafür lassen Sie mich sorgen.3 — Der Mann, der mein Gut gekauft hat, wohnt in der Stadt. Der Zahlungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagens aber das Geld liegt parat,10 und ein halb Procentchen Abzug — v. Tellheim. Nun ja, lieber Werner! — Siehst du, daß ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme? 11 — Ich muß dir auch alles vertrauen. — Das Fräulein hier, — du hast sie gesehen, — ist unglücklich — Werner. O Jammer! V. Tellheim. Aber morgen ist fie meine Frau — Werner. O Freude! V. Tellheim. Und übermorgen geh ich mit ihr fort. fort; ich will fort.

Ich darf Lieber hier alles im Stiche gelassen!12 Wer weiß,

1 if I didn’t say — sure enough I said. 2 thou art surely not finding excuses? 3 treasury bas Orders. 4 what art thou chattering about. 5 why dost thou suffer thyself to be made a fool of. 6 fetch Just — bring Just to me. 7 a great deal. 8 leave that to me. 9 it wants a forlnight — 10 ready. 11 I betake myself to thee only — my only refuge is in thee. 12 lest in the lurcb.

76 wo mir sonst ein Glück aufgehoben ist1 Wenn du willst, Werner, so komm mit. Wir wollen wieder Dienste nehmen.3

Werner.

Wahrhaftig? *



Aber doch wo's Krieg

giebt,6

Herr Major?

V. Tellheim.

Wo sonst? — Geh, lieber Werner, wir sprechen

davon weiter.

Werner. O Herzensmajor!6 — Uebermorgen? Warum nicht lieber morgen? — Ich will schon alles zusammenbringen. — In Per­ sien, Herr Major, giebts einen trefflichen Krieg; was meinen Sie! v. Tellheim. Wir wollen das Werner. Juchhe! es lebe* der

überlegen; geh nur, Werner! Prinz Heraklius!

(Geht ab.)

Zweiter Auftritt.

v. Tellheim. Wie ist mir? — Meine ganze Seele hat neue Triebfedern be­ kommen. Mein eignes Unglück schlug mich nieder; machte mich ärger­ lich, kurzsichtig, schüchtern, lässig: ihr Unglück hebt mich empor,3 ich sehe wieder frei um mich,^ und fühle mich willig und stark,10 alles " für sie zu unternehmen — Was verweile üty?12 (Will nach dem Zim­ mer des Fräuleins, aus dem ihm Franctska entgegen kömmt.)

Dritter Auftritt.

Franciska.

v. Tellheim.

Franciska. Sind Sie es doch! — Es war mir,13 als ob ich Ihre Stimme hörte. — Was wollen Sie, Herr Major? v. Tellheim.

Was ich will? — Was macht dein Fräulein? —

Komm! —

Franciska. V. Tellheim. Franciska. v. Tellheim. sie gereizt,

und

Sie will den Augenblick ausfahren.

Und allein? ohne mich? wohin? Haben Sie vergessen, Herr Major?

Bist du nicht flug,14 Franciska? — Ich habe sie ward empfindlich: ich werde fie um Vergebung

bitten, und fie wird mir vergeben.

1 who knows what fortune may be in störe for me elsewhere. 5 but where’s war. 4 to be sure we will. 2 wi(h me. 3 take to. 8 elevates me. 9 I breathe afresh. 6 trump of a . 7 long live. 12 wby 11 anything i. e. everything. 10 ready and strong enough. 14 art thou in thy senses. lose time. 13 I fancied.

77 Franciska.

Wie? — Nachdem Sie den Ring zurückgenommen,

Herr Major?

V. Tellheim. Ha! — das that ich in der Betäubung. — Jetzt denk ich erst wieder an den Ring. — Wo habe ich ihn hingesteckt? — (Er sucht ihn.) Hier ist er. Franciska. Ist er das? (Indem er ihn wieder einsteckt, bei Seite.) Wenn er ihn doch genauer besehen wollte!

V. Tellheim. Sie drang ihn mir auf mit einer SBitterfeit1 — Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen. Ein volles Herz kann die Worte nicht wägen. — Aber sie wird sich auch keinen Augenblick weigern, den Ring wieder anzunehmen. — Und habe ich nicht noch ihren? Franciska. Den erwartet sie dafür zurück. — Wo haben Sie ihn denn, Herr Major? Zeigen Sie mir ihn doch!

v. Tellheim (etwas verlegen). Ich habe — ihn anzustecken ver­ gessen. — Just — Just wird mir ihn gleich nachbringen. Franciska. Es ist wohl einer ziemlich wie der andere; 2 lassen Sie mich doch diesen sehen; ich sehe so was gar zu gern.^ V. Tellheim.

Ein andermal, Franciska.

Franciska (bei Seite). Irrthume bringen lassen. v. Tellheim.

Jetzt komm —

Er will sich durchaus nicht von seinem

Was sagst du? Irrthume?

Franciska. Es ist ein Irrthum, sag ich, wenn Sie meinen, daß das Fräulein doch noch eine gute Partie sei. Ihr eignes Ver­ mögen ist gar nicht beträchtlich; durch ein wenig eigennützige Rech­ nungen können es ihr die Vormünder völlig zu Wasser machen. Sie erwartete alles von dem Oheim; aber dieser grausame Oheim —

v. Tellheim. Laß ihn doch! — Bin ich nicht Manns genug, ihr einmal alles zu ersetzen?

Franciska.

v. Tellheim.

Hören Sie? Sie klingelt; ich muß herein.

Ich gehe mit dir.

Franciska. Um des Himmels willen nicht!6 Sie hat mir ausdrücklich verboten, mit Ihnen zu sprechen. Kommen Sie wenig­ stens mir erfl7 nach. — (Geht herein.)

1 she forced it upon me with such asperity. 2 one is most likely pretty — much the same as the other — pretty nearly alike I suppose. 3 1 am so fond of looking at such things. 4 at any rate he will not be shewn his error. 5 reduce it to nothing. 6 for Heaven’s sake, no — do not. 7 come at least in a little while aller me.

78

Vierter Austritt. v. Tellheim. (Ihr nachrufend.) Melde mich ihr! — Sprich für mich, Franciska! — Ich folge dir sogleich! — Was werde ich ihr sagen? — 1 das Herz reden darf, braucht es keiner Vorbereitung. — Das einzige möchte eine studirte Wendung bedürfend ihre Zurückhaltung, ihre Bedenklichkeit, sich als unglücklich in meine Arme zu werfen; ihre Beflissenheit, mir ein Glück vorzuspiegeln, das fie durch mich ver­ loren hat. Dieses Mißtrauen in meine Ehre, in ihren eignen Werth, vor ihr selbst zu entschuldigen, vor ihr selbst — Vor mir ist es schon entschuldiget!3— Ha! Hier kömmt ste.

Fünfter Auftritt.

Das Fräulein.

Franciska.

v. Tellheim.

Das Fräulein (im Heraustreten, als ob fie den Major nicht ge­ wahr würde). Der Wagen ist doch vor der Thüre, 4 Franciska? — Meinen Fächer!

v. Tellheim (auf fie Das Fräulein (mit

zu).

Wohin, mein Fräulein?

einer affektl'rten Kälte). Aus, Herr Major. — Ich errathe, warum Sie fich nochmals her bemühet haben: mir auch meinen Ring wieder zurück zu geben. — Wohl, Herr Major; haben Sie nur die Güte, ihn der Franciska einzuhändigen. — Franeiska, nimm dem Hern Major den Ring ab! — Ich habe keine Zeit zu verlieren. (Will fort.)

V. Tellheim ich erfahren,

(der ihr vertritt). Mein Fräulein! — Ah, was habe mein Fräulein! Ich war so vieler Liebe nicht werth.

Das Fräulein.

So, Franciska?

Du hast dem Herrn Ma­

jor —

Franciska. v. Tellheim.

Alles entdeckt.

Zürnen Sie nicht auf mich,6 mein Fräulein. Ich bin kein Verräther. Sie haben um mich,^ in den Augen der Welt, viel verloren, aber nicht in meinen. In meinen Augen haben Sie unendlich durch diesen Verlust gewonnen. Er war Ihnen noch zu neu;

1 when. 2 may require consideration. 3 I make every excuse for her — I have excused it. 4 is the carriage at the door, pray. 5 learnt. 6 be not angry with. 7 on my account.

79 Sie fürchteten, er möchte einen allzunachtheiligen Eindruck auf1 mich machen; Sie wollten mir ihn vors erste verbergen. Ich beschwere mich nicht über dieses Mißtrauen. Es entsprang aus dem Verlangen, mich zu erhalten. Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie fanden mich selbst unglücklich; und Sie wollten Unglück nicht mit Unglück Hausen. Sie konnten nicht vermuthen, wie sehr mich Ihr Unglück über das meinige hinaus setzen würdet

Das Fräulein. Alles recht gut, Herr Major! Aber es ist nun einmal geschehen. 3 Ich habe Sie Ihrer Verbindlichkeit entlassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes — v. Tellheim. In nichts gewilliget! — Vielmehr halte ich mich jetzt für gebundener als jemals. — Sie find die Meinige, Minna, auf ewig die Meinige. (Zieht den Ring heraus.) Hier, empfangen Sie es zum zweitenmale, das Unterpfand meiner Treue — Das Fräulein. Ich diesen Ring wiedernehmen? diesen Ring? v. Tellheim. Ja, liebste Minna, ja! Das Fräulein. Was muthen Sie mir zu?3 diesen Ring? v. Tellheim. Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus meiner Hand, als unser beider Umstände einander gleich,3 und glück­ lich waren. Sie find nicht mehr glücklich, aber wiederum einander gleich. Gleichheit ist immer das festeste Band der Liebe. — Er­ lauben Sie, liebste Minna! — (Ergreift ihre Hund, um ihr den Ring anzustecken.)

Das Fräulein. Wie? mit Gewalt, Herr Major? — Nein, da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen soll, diesen Ring wieder anzunehmen! — — Meinen Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt? — O, Sie sehen ja wohl, (auf ihren Ning zeigend) daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgiebtN

Franeiska. v. Tellheim

Wenn er es noch nicht merkt!3

(indem er die Hand des Fräuleins fahren läßt.) Was ist das? — Ich sehe das Fräulein von Barnhelm, aber ich höre es nicht. — Sie zieren sich, mein Fräulein. — Vergeben Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbrauche.

Das Fräulein (in ihrem wahren Ton). beleidiget, Herr Major?

1 upon. 2 outweigh 4 ever — before. 5 upon an equality. 7 8 if he does not see it

Hat Sie dieses Wort

— would lend to outweigh. 3 it is now all over. for what do you take me. 6 when we were not at all — not in any way inferior to yours. now!

80 v. Tellheim.

Es hat mir weh gethan^

Das Fräulein (gerührt). Verzeihen Sie mir, Tellheim.

Das sollte es nicht, Tellheim. —

V. Tellheim. Sie wieder zu lieben, Minna.

Ha, dieser vertrauliche Ton sagt mir, daß sich kommen, mein Fräulein; daß Sie mich noch

Franciska (herausplatzend).

wäre

der

Das Fräulein (gebieterisch). Ohne -dich mengen, Franciska, wenn ich bitten bars!2

in

Bald

auch

zu

unser Spiel

zu

Spaß

weit gegangen.

Franciska (bei Seite und betroffen). Noch nicht genug?

Das Fräulein. Ja, mein Herr; es wäre weibliche Eitel­ keit, mich kalt und höhnisch zu stellen. Weg damit! Sie verdienen es, mich eben so wahrhaft zu finden, als Sie selbst find. — Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie noch; aber dem ohngeachtet— V. Tellheim. Nicht weiter, liebste Minna, nicht weiter! greift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken.)

(Er­

Das Fräulein (die ihre Hand zurückzieht). Dem ohngeachtet, — um so viel mehr werde ich3 dieses nimmermehr geschehen lassen; nimmermehr! — Wo denken Sie hin,^ Herr Major? — Ich meinte, 6 Sie hätten an Ihrem eigenen Unglücke genug. — Sie müssen hier bleiben; Sie müssen fich die allervollständigste Genug­ thuung — ertrotzen. § Ich weiß in. der Geschwindigkeit kein ander Wort. — Ertrotzen, — und sollte Sie auch das äußerste Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!

v. Tellheim. So dacht ich, so sprach ich, als ich nicht wußte, was ich dachte und sprach. Aergerniß und verbissene Wuth hatten meine ganze Seele umnebelt: die Liebe selbst, in dem Vollesten Glanze des Glückes, konnte fich darin nicht Tag schaffen. ? Aber fie sendet ihre Tochter, das Mitleid, die, mit dem finstern Schmerze ver­ trauter, die Nebel zerstreuet und alle Zugänge meiner Seele den Ein­ drücken der Zärtlichkeit wiederum öffnet. Der Trieb der Selbsterhal­ tung erwacht, da ich etwas Kostbareres zu erhalten habe, als mich, und es durch mich zu erhalten habe. Lassen Sie fich, mein Fräu­ lein, das Wort Mitleid nicht beleidigen. Von der unschuldigen Ur­ sache unsers Unglücks, können wir es ohne Erniedrigung hören. Ich bin diese Ursache; durch mich, Minna, verlieren Sie Freunde

1 given me pain — pained me. 2 I desire — if you piease* 3 1 am resolved. 4 what are you thinking about. 5 I should think. 6 in a spirit of defiance. 7 no ray of light.

81 und Anverwandte, Vermögen und Vaterland. Durch mich, in mir muffen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner Seele. Lassen Sie mich keine Zukunft denken, wo ich mich selbst hassen müßte. — Nein, nichts soll mich hier länger halten. Von diesem Augenblicke an will ich dem Unrechte, das mir hier widerfährt, * nichts als Verachtung entgegen setzen. Ist dieses Land die Welt? Geht hier allein die Sonne auf?2 Wo darf ich nicht hinkommen? Welche Dienste wird man mir verweigern? 3 Und müßte ich fie unter dem ent­ ferntesten Himmel suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns an nichts fehlen. — Ich habe einen Freund, der mich gern unterstützet.

Sechster Auftritt.

Ein Feldjäger, Franeiöka

v. Tellheim.

Das Fräulein.

(indem fie den Feldjäger gewahr wird).

Franeiska. St!

Herr

Major —

v. Tellheim (gegen den Feldjäger). Zu Der Feldjäger. Ich suche den Herrn

wem wollen Sie?

Major von Tellheim. — Ah, Sie find es ja selbst. Mein Herr Major, dieses Königliche Handschreiben (daö er aus einer Brieftasche nimmt) habe ich an Sie zu übergeben.

v. Tellheim. An mich? Der Feldjäger. Zufolge3 der Aufschrift Das Fräulein. Franeiska, hörst du? —



Der Chevalier hat

doch wahr geredet!

Der Feldjäger (indem Tellheim den Brief nimmt). Ich bitte um Verzeihung, Herr Major; Sie hätten es bereits gestern erhalten sollen; aber es ist mir nicht möglich gewesen, Sie auszufragen. Erst6 heute, auf der Parade, habe ich ihre Wohnung von dem Lieutnant Riccaut erfahren.

Franeiska. Gnädiges Fräulein, hören Sie? — Das ist des Chevaliers Minister. — „Wie heißen der Minister, da draus aus die breite Platz?" 7 V. Tellheim. Ich

bin Ihnen für Ihre Mühe sehr verbunden.

1 done me here. 2 does the sun rise here only. 3 what Ser­ vice would refuse me. 4 most remote parts. 5 according to. 6 it was only. 7 open place.

82

Der Feldjäger.

Es

ist

meine Schuldigkeit,

Herr Major.

(Geht ab.)

Siebenter Austritt.

v. Tellheim.

Das Fräulein.

Franciska.

V. Tellheim. Ah, mein Fräulein, was habe ich hier? enthält dieses Schreiben?

Das Fräulein. Ich

Was

bin nicht befugt, meine Neugierde so weit

zu erstrecken.

v. Tellheim. Wie? Sie trennen mein Schicksal noch von dem Ihrigen? — Aber warum steh ich an, es zu erbrechen? — Es kann mich nicht unglücklicher machen, als ich bin; nein, liebste Minna, es kann uns nicht unglücklicher machen; — wohl* aber glücklicher! — Erlauben Sie mein Fräulein! (Erbricht und liest den Brief, indeß daß der Wirth in die Scene geschlichen kömmt.) Achter Auftritt. Der Wirth. Die Vorigen. Der Wirth

(gegen die Franciska).

Bst!

mein

schönes Kind!

auf ein Wort!

Franciska (die ihm sich nähert). Herr Wirth? — Gewiß, wir wissen selbst noch nicht, was in dem Briefe steht.

Der Wirth. Wer will vom Briefe wissen?'* — Ich komme des Ringes wegen. Das gnädige Fräulein muß mir ihn gleich wiedergeben. Just ist da, er soll ihn wieder etnlösen. Das Fräulein (die sich gleichfalls dem Wirthe genähert). Sagen Sie Justen nur, daß er schon eingelöset sei; und sagen Sie ihm nur von wem; von mir.

Der Wirth. Aber — Das Fräulein. Ich nehme

alles auf mich; gehen Sie doch!

(Der Wirth geht ab.)

Neunter Auftritt.

v. Tellheim.

Das Fräulein.

Franciska.

Franciska. Und nun, gnädiges Fräulein, lassen Sie es mit dem armen Major so gut fein»3

the

1 on the contrary. 2 who wants to know about the.. ? alone — let us have done wilh ...

3 let

83

Das Fräulein. £>, über die Vorbttterin! MS ob der Knoten sich nicht von selbst1 bald lösen müßte. v. Tellheim

(nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung). er hat fich auch? hier nicht verleugnet! — O, mein Fräu­ lein, welche Gerechtigkeit! — welche Gnade! — Das ist mehr, als ich erwartet! — Mehr, als ich verdiene! — Mein Glück, meine Ehre, alles ist wiederhergestellt! — Ich träume doch nicht? (Indem er wieder in den Brief sieht, um sich nochmals zu überzeugen.) Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche! — Lesen Sie selbst, mein Fräulein; lesen Sie selbst!

Ha!

Das Fräulein. Ich

bin nicht so unbescheiden? Herr Major.

v. Tellheim. Unbescheiden? Der Bries ist an mich; an Ihren Tellheim, Minna. Er enthält, was Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann. Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch!

Das Fräulein. Wenn Ihnen ein Gefalle damit Herr Major — (sie nimmt den Brief und liefet).

geschieht,

„Mein lieber Major von Tellheim! „Ich thue Euch zu wissen, daß der Handel, der mich um „Eure Ehre besorgt machte, sich zu Eurem Vortheil aufgekläret „hat. Mein Bruder war des Nähern davon unterrichtet, und sein „Zeugniß hat Euch für mehr als unschuldig erkläret. Die Hof„staatskasse hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel wieder auszu„liefern, und die gethanen Vorschüsse zu bezahlen;^ auch habe ich „befohlen, daß Alles, was die Feldkriegskassen wieder Eure Rech„nungen urgiren, niedergeschlagen werde. Meldet mir, ob Euch Eure „Gesundheit erlaubet, wieder Dienste zu nehmen. Ich möchte nicht „gern einen Mann von Eurer Bravour und Denkungsart ent„behren. Ich bin Euer wohlaffektionirter König re."

v. Tellheim.

Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein?

Das Fräulein zurückgiebt).

(indem sie den Brief wieder zusammenschlägt und Ich? nichts.

v. Tellheim. Nichts? Das Fräulein. Doch

ja: daß Ihr König, der ein großer Mann ist, auch wohl ein guter Mann sein mag. — Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König.

V. Tellheim.

Und sonst sagen Sie nichts?^ Nichts von Rück­

sicht auf uns selbst?

1 of itself. 2 neither has he. 3 wanting in modesty — immodest. 4 to pay all moneys advanced. 5 have you nothing further to say — nothing to say besides. 6 with respect to ourselves.

84 Das Fräulein. Sie treten wieder in seine Dienstes der Herr Major wird Oberstleutnant, Oberster vielleicht. Ich gratulire von Herzen. v. Tellheim. Und Sie kennen mich nicht besser? — Nein, da mir das Glück soviel zurückgiebt, als genug ist, die Wünsche eines vernünftigen Mannes zu befriedigen, soll es einzig3 von meiner Minna abhangen, ob ich sonst noch jemandem wieder zu­ gehören soll, als ihr. Ihrem Dienste allein fei4 mein ganzes Leben gewidmet! Die Dienste der Großen find gefährlich, und lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die fie kosten. Minna ist keine von den 6üeht,5 die in ihren Männern nichts als den Titel und die Ehrenstelle6 lieben. Sie wird mich um mich selbst lieben; und ich werde um fie die ganze Welt ver­ gessen. Ich ward Soldat, aus Partheilichkeit, ich weiß selbst nicht für welche politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sei, fich in diesem Stande eine Zeit­ lang zu versuchen, um fich mit allem, was Gefahr heißt, vertrau­ lich zu machen, und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Noth hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche8 eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäftigung ein Hand­ werk zu machen. Aber nun, da mich nichts mehr zwingt,9 nun ist mein ganzer Ehrgeiz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedner Mensch zu sein. Der werde ich mit Ihnen, liebste Minna, unfehlbar11 werden; der werde ich in Ihrer Gesellschaft unveränder­ lich bleibens— Morgen verbinde uns das heiligste Band; und so­ dann wollen wir um uns sehen, und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt, als ein glückliches Paar. Da wollen wir wohnen; da soll jeder unsrer Tage — Was ist Ihnen, mein Fräulein? (die fich unruhig hin und her wendet, und ihre Rührung zu ver­ bergen sucht.)

Das Fräulein (fich fassend). Sie find sehr grausam, Tellheim, mir ein Glück so reizend darzustellen,13 dem ich entsagen muß. Mein Verlust —

v. Tellheim. Ihr Verlust? — Was nennen Sie Ihren Verlust? Alles, was Minna verlieren, konnte, ist nicht Minna. Sie find noch das süßeste, lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf unter der Sonne; ganz Güte und Großmuth, ganz Unschuld und 1 you enter bis Service again — reenter.. 2 I beartily congratulate you. 3 alone. 4 shall. 5 not one of those vain ones. 6 rank and title. 7 for myself alone. 8 alter going through this trial. 9 that 1 am no longer under constraint — nothing compels me. 10 solely — simply. 11 that I cannot fail to be — am sure to be. 12 what is the matter. 13 to paint such a picture of happiness.

85 Freude! — Dann und wann ein kleiner Muthwille;1 hier und. da ein wenig Eigensinn — Desto besser! desto Lesser! Minna wäre sonst ein Engel, den ich mit Schaudern verehren müßte, den ich nicht lieben könnte. (Ergreift ihre Hand, sie zu küssen.)

Das Fräulein (die ihre Hand zurückzieht). Nicht so, mein Herr, — Wie auf einmal so verändert? — Ist dieser schmeichelnde, stür­ mische Liebhaber der kalte Tellheim? — Konnte nur sein wieder­ kehrendes Glück ihn in dieses Feuer setzen? — Er erlaube mir, daß ich, bei seiner fliegenden Hitze, für uns beide Ueberlegung behalte. — Als er selbst überlegen konnte, hörte ich ihn sagen, es sei eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trage, ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen. — Recht; aber ich bestrebe mich^ einer eben so reinen und edlen Liebe,4 als er. — Jetzt, da ihn die Ehre ruft, da sich ein großer Monarch um ihn bewirbt,5 sollte ich zugeben, daß er sich verliebten Träumereien mit mir über­ ließe? daß der ruhmvolle Krieger in einen tändelnden Schäfer aus­ arte? — Nein, Herr Major, folgen Sie dem Wink Ihres bessern Schicksals 6 —

v. Tellheim. Nun wohl! Wenn Ihnen die große Welt reizender ist,? Minna, — wohl! so behalte uns die große Welt! — Wie klein, wie armselig ist die große Welt! — Sie kennen sie nur erst5 von ihrer Flitterseite. Aber gewiß, Minna, Sie werden — Es sei! Bis dahin, wohl! Es soll Ihren Vollkommenheiten nicht an Bewundrern fehlen, und meinem Glücke wird es nicht an Neidern gebrechen.9 Das Fräulein. Nein, Tellheim, so ist es nicht gemetnt!10 Ich weise Sie in die große Welt, auf die Bahn der Ehre zurück,11 ohne Ihnen dahin folgen zu wollen. — Dort braucht Tellheim eine unbescholtene Gattin! Ein Sächsisches verlaufenes Fräulein, das sich ihm an den Kopf geworfen15—

v. Tellheim (auffahrend und wild um sich sehend). Wer darf so sprechen?14 — Ah, Minna, ich erschrecke ton:15 mir selbst, wenn ich mir vorstelle, daß jemand anders dieses gesagt hätte, als Sie. Meine Wuth gegen ihn würde ohne Grenzen sein.15

Das Fräulein. würden würden

Nun da! Das eben besorge ich.1? Sie nicht die geringste Spötterei über mich dulden, und doch Sie täglich die bittersten einzunehmen haben. — Kurz;

1 inclined to mischief — to be mischievous. 2 excite. 3 pursue. 4 cöurse of love. 5 Stands in need of him. 6 follow where . . .. beckons .. 7 more charms for you. 8 only. 9 no lack of those envious of my success. 10 I did not mean that. 11 I set you at liberty.... 12 runaway. 13 who set her cap at him. 14 who dare say so. 15 I am afraid of myself. 16 would know no bounds. 17 just what I fear.

86 hören Sie also, Tellheim, was ich fest beschlossen, wovon mich nichts in der Welt abbringen fvH1 —

V. Tellheim. Ehe Sie ausreden, Fräulein, — ich beschwöre Sie, Minna! — überlegen Sie es noch einen Augenblick, daß Sie mir das Urtheil über Leben und Tod sprechen!a —

Das Fräulein. Ohne weitere Ueberlegung! — So gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben, mit welchem Sie mir ehemals Ihre Treue verpflichtet, so gewiß Sie diesen nämlichen Ring zurückgenom­ men: so gewiß soll die unglückliche Barnhelm die Gattin des glück­ lichern Tellheims nie werden!

v. Tellheim. Und hiermit brechen Sie den Stab,b Fräulein? Das Fräulein. Gleichheit ist allein das festeste Band der Liebe. — Die glückliche Barnhelm wünschte, nur für den glücklichen Tellheim zu leben. Auch die unglückliche Minna hätte sich endlich überreden lassen, das Unglück ihres Freundes durch sich, es sei zu vermehren, oder zu lindern. — Er bemerkte es ja wohl, ehe dieser Brief ankam, der alle Gleichheit zwischen uns wieder aushebt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch weigerte.

V. Tellheim. Ist das wahr, mein Fräulein? — Ich danke Ihnen, Minna, daß Sie den Stab noch nicht gebrochen. — Sie wollen nur den unglücklichen Tellheim? Er ist zu haben. (Kalt.) Ich empfinde eben, daß es mir unanständig ist, diese späte Gerechtigkeit anzunehmen;4 daß es besser sein wird, wenn ich das, was man durch einen schimpflichen Verdacht entehret hat, gar nicht wiederverlange. — Ja; ich will den Brief nicht bekommen haben. Das sei alles, was ich darauf antworte und thue!^ (Im Begriffe ihn zu zerreißen.) Das Fräulein (das ihm in die Hände greift). Was wollen Sie, Tellheim?

v. Tellheim. Sie besitzen. Das Fräulein. Halten Sie! v. Tellheim. Fräulein, er ist unfehlbar zerrissen, wenn Sie nicht bald fich anders erklären. § — Alsdann wollen wir doch sehen, was Sie noch wider mich einzuwenden haben!7

Das Fräulein. Wie? in diesem Tone? — So soll ich, so muß ich in meinen eignen Augen "verächtlich werden? Nimmermehr? Es ist eine nichtswürdige Kreatur, die sich nicht schämet, ihr ganzes Glück der blinden Zärtlichkeit eines Mannes zu verdanken!

1 nothing in the world shall turn me. 2 pass sentence.... upon me. 3 you destroy all my hopes. 4 to accept Ibis protracted act of justice. 5 if that be all I have to do, and answer for. 6 ex­ press yourself differently, 7 what further remonstrances you have to urge.

87

V. Tellheim. Falsch, grundfalsch! Das Fräulein. Wollen Sie es wagen,

Ihre eigne Rede in

meinem Munde zu schelten?1

v. Tellheim. Sophistin! So 2 entehrt fich das schwächere Geschlecht durch alles, was dem stärkern nicht ansteht? So soll fich der Mann alles erlauben, was dem Weibe geziemet? Welches be­ stimmte die Natur zur Stütze des andern? Das Fräulein. Beruhigen Sie fich,b Tellheim! — Ich werde nicht ganz ohne Schutz sein, wenn ich schon die Ehre des Ihrigen ausschlagen muß. So viel muß mir immer noch werden, als die Noth erfordert. Ich habe mich bei unserm Gesandten melden lassen. Er will mich noch heute sprechen. Hoffentlich wird er fich meiner annehmen.4 Die Zeit verfließt. Erlauben Sie, Herr Major —

V. Tellheim. Ich werde Sie begleiten, gnädiges Fräulein. Das Fräulein. Nicht doch, Herr Major; lassen Sie mich — V. Tellheim. Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen! Kom­ men Sie nur, mein Fräulein; wohin Sie wollen; zu wem Sie wollen. Ueberall, an Bekannte und Unbekannte, will ich es erzählen, in Ihrer Gegenwart des Tages hundertmal erzählen, welche Bande Sie an mich verknüpfen, aus^ welchem grausamen Eigenfinne Sie diese Bande trennen wollen —

Zehnter Austritt. Just.

Die Vorigen.

Just (mit Ungestüm). Herr Major! Herr Major! v. Tellheim. Nun? Just. Kommen Sie doch geschwind, geschwind! v. Tellheim. Was soll ich? Zu mir her! Sprich, was Just. Hören Sie nur — (redet ihm heimlich ins Ohr) Das Fräulein (indeß bei Seite zur Franciska). Merkst Du

ists? was,

Franciska?

Franciska.

O, Sie Unbarmherzige!

Ich

habe hier gestanden

wie auf Kohlen!

v. Tellheim

(zu Justen).

Was sagst

du? — Das ist nicht

1 refute your own assertion from my lips. 2 does it follow. 3 make yourself easy. 4 it is to be hoped he will interest himself for me — in my behalf. 5 the lies which bind you to me. 6 from.

88 möglich! —Sie? (Indem er das Fräulein wild anblickt.) — Sag es laut; sag es ihr ins Gesicht!1 — Hören Sie doch, mein Fräulein!

Just. Der Wirth sagt, das Fräulein von Barnhelm habe den Ring, welchen ich bei ihm versetzt, zu sich genommen;? sie habe ihn für den ihrigen erkannt, und wolle ihn nicht wieder herausgeben. *

Ist

v. Tellheim.

das wahr,

mein Fräulein? — Nein, da­

kann nicht wahr sein?

Das Fräulein (lächelnd). Und warum nicht, Tellheim? — Warum kann es nicht wahr sein? v. Tellheim (heftig). Nun, so sei es wahr! — Welch schreckliches Licht, das mir auf einmal aufgegangen!4 — Nun er­ kenne ich sie, die Falsche, die Ungetreue! Das Fräulein (erschrocken). Wer? wer ist diese Ungetreue? v. Tellheim. Sie, die ich nicht mehr nennen will! Das Fräulein. Tellheim! v. Tellheim. Vergessen Sie meinen Namen! — Sie kamen hierher, mit mir zu brechen. ° Es ist klar! 6 — Daß der Zufall so gern dem Treulosen zu Statten kömmt!7 Er führte Ihnen Ihren Ring in die Händel Ihre Arglist wußte mir den meinigen, zuzuschanzen.9

Das Fräulein. Tellheim,. was für Gespenster sehen Sie! Fassen Sie sich doch, und hören Sie mich.

Franciska

(vor sich).

Nun mag sie es haben!

Elster Austritt.

Werner

(mit einem Beutel Gold),

Franciska.

v. Tellheim. Das Fräulein. Just.

Werner. Hier bin ich schon, Herr Major — v. Tellheim (ohne ihn anzusehen). Wer verlangt dich? Werner. Hier ist Geld; tausend Pistolen! v. Tellheim. Ich will sie nicht! Werner. Morgen können Sie, Herr Major, über noch

ein­

mal so viel befehlen.

v. Tellheim.

Behalte dein Geld!

1 to her face. 2 has got. 3 give it up. 4 suddenly dawned upon me. 5 break off. 6 it is evident. 7 casualty should fain so serve the turn. 8 to your. 9 your arlifice served you in slipping my ring into mine.

89 Werner. Es ist ja 35t1 Geld, Herr Major. — Sie sehen nicht, mit wem Sie sprechen? v. Tellheim. Weg damit! sag ich. Werner. Was fehlt Ihnen? — Ich bin v. Tellheim. Alle Güte ist Verstellung;

Zch

glaube, 2

Werner. alle Dienstfertigkett

Betrug.

Werner.

Gilt das mir?

V. Tellheim. Werner. Ich

Wie du willst!

v. Tellheim.

So vollziehe auch den, und packe dich!

Werner.

habe ja nur Ihren Befehl vollzogen. —

Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch —

v. Tellheim.

Da

bist du was rechts!8

Werner. Der auch V. Tellheim. Gut!

Ich v. Tellheim. Werner.

Galle hat — Galle ist noch da« beste, was wir haben.

bitte Sie, Herr Major, — Wie vielmal soll ich dir es sagen?

Zch

brauche

dein Geld nicht!

Werner (zornig). Nun so brauch es, wer da totfl!4 (Indem er ihm den Beutel vor die Füße wirst, und bei Seite geht.)

Das Fräulein (zur Franciska). Ah, liebe Franciska, ich hätte dir folgen sollen. Zch habe den Scherz zu weit getrieben. — Doch er darf mich ja nur hören 6 — (auf ihn zugehend). Franciska (die, ohne dem Fräulein zu antworten, sich Wernern nähert). Herr Wachtmeister! —

Werner (mürrisch). Franciska. Hu!

Geh Sie! —

was find das für Männer!4

Das Fräulein. Tellheim! — Tellheim! (der vor7 Wuth an den Fingern naget, das Gesicht wegwendet, und nichts höret.) — Nein, das ist zu arg! — Hören Sie mich doch! — Sie betrügen sich! — Ein bloßes 8 Mißverständniß, — Tellheim! — Sie wollen Ihre Minna nicht hören? — Können Sie einen solchen Verdacht fassen?" — Zch mit Ihnen brechen wollen? — Zch darum hergekommen?10 — Tellheim! 1 your own. 2 I do not think. 3 and that’s all. 4 'well, let bim use it who pleases. 5 he has but to Bear me. 6 what men these are. 7 with. 8 simply a. 9 entertain such a suspicion. 10 I came here on purpose.

90

Zwölfter Austritt. Zwei Bediente (nach einander, von verschiedenen Seiten, über den Saal laufend). Die Vorigen.

Der eine Bediente.

Gnädiges

Fräulein,

Ihrs

Excellenz,

der Graf! —

Der andere Bediente. Er kömmt,1 gnädiges Fräulein! — Franciska (die ans Fenster gelaufen). Er ist es! er ist es! Das Fräulein. Ist ers? — O nun geschwind, Tellheim — t>. Tellheim (auf einmal zu sich selbst kommend). Wer? wer kömmt? Ihr Oheim, Fräulein? dieser grausame Oheim? — Lassen Sie ihn nur kommen, lassen Sie ihn nur kommen! — Fürchten Sie nichts! Er soll Sie mit keinem Blicke beleidigen dürfen! Er hat eS mit mir zu thun.2---------- Zwar verdienen Sie es um mich nicht 3 —

Das Fräulein. Geschwind umarmen Sie mich, Tellheim, und vergessen Sie alles —

v. Tellheim.

Ha,

wenn

ich

wüßte,

daß

Sie

es

bereuen

könnten! —

Das Fräulein. Nein, ich kann es nicht bereuen, mir den Anblick Ihres ganzen Herzens verschafft zu haben! — Ah, was find Sie für ein Mann! -- Umarmen Sie Ihre Minna, Ihre glückliche Minna! aber durch nichts glücklicher, als durch Sie! (Sie fällt ihm in die Arme). Und nun, ihm entgegen! —

v. Tellheim. Wem entgegen? Das Fräulein. Dem besten Ihrer unbekannten Freunde. v. Tellheim. Wie? Das Fräulein. Dem Grafen, meinem Oheim, meinem Vater, Ihrem Vater.---------- Meine Flucht, sein Unwille, meine Enterbung; — hören Sie denn nichts daß alles erdichtet ist? — Leichtgläubiger Ritter!

v. Tellheim. Erdichtet? — Aber der Ring? der Ring? Das Fräulein. Wo haben Sie den Ring, den ich Ihnen zurückgegeben?

v. Tellheim. Sie nehmen ihn wieder? — O, so bin ich glücklich! — Hier, Minna! (Ihn herausziehend.)

1 is coming. 2 he has to deal with me. 3 though 1 must say, you do not deserve it from me. 4 do you not see then.

91 Das Fräulein. So besehen Sie ihn doch erst! — O über die Blinden, die nicht sehen wollen! — Welcher Ring ist es denn? Den ich von Ihnen habe, oder den Sie von mir? — Ist eS denn nicht eben der, den ich in den Händen des Wirths nicht lassen wollte?

v. Tellheim.

Gott! was seh ich? was hör ich?

Das Fräulein. Soll ich ihn nun wieder nehmen? soll ich? — Geben Sie her, geben Sie her! (Reißt ibn ihm aus der Hand, und steckt ihn ihm selbst an den Finger.) Nun? ist alles richtig? v. Tellheim. Wo bin ich? (Ihre Hand küssend.) Engel! — mich so zu quälen!

O boshafter

Das Fräulein. Dieses zur1 Probe, mein lieber Gemahl, daß Sie mir nie einen Streich spielen sollen, ohne daß ich Ihnen gleich darauf wieder? einen spiele. — Denken Sie, daß Sie mich nicht auch gequält hatten? v. Tellheim.

O

Komödiantinnen, ich hätte euch doch kennen

sollen!

Franciska. Nein, wahrhaftig; ich bin zur Komödiantin ver­ dorben. Ich habe gezittert und gebebt, und mir mit der Hand daMaul zuhalten müssen.

Das Fräulein. Leicht ist mir meine Rolle auch nicht ge­ worden. — Aber so kommen Sie doch! 3 v. Tellheim. Noch kann ich mich nicht erholen.* — Wie wohl, wie ängstlich ist mir! 6 So erwacht man plötzlich aus einem schreck­ haften Traume!

Das Fräulein.

Wir zaudern. —

Ich

höre ihn schon.

Dreizehnter Auftritt. Der Graf von Bruchsall, von verschiedenen Bedienten und dem Wirthe begleitet. Die Vorigen.

Der Graf (im Hereintrete»). Sie ist doch glücklich angelangt? Das Fräulein (die ihm entgegenspringt). Ah, mein Vater! — Der Graf. Da bin ich, liebe Minna! (Sie umarmend.) Aber was, Mädchen? (Indem er den Tellheim gewahr wird.) Vierundzwanzig Stunden erst* hier, und schon Bekanntschaft, und schon Gesellschaft?

1 as a. 5 I am.

2 in return. 6 but — only.

3 pray.

4 I cannot recover myself yet.

92

Das Fräulein. Rathen Sie, wer es ist? — Der Graf. Doch nicht dein Tellheim? Das Fräulein. Wer sonst, als er? — Kommen

Sie, Tell­

heim! (Ihn dem Grafen zufiihrcnd.)

Der Graf. Mein Herr, wir haben uns 1 nie gesehen; aber 6d2 dem ersten Anblick glaubte ich. Sie zu erkennen.2 Ich wünschte, daß Sie es sein möchten. — Umarmen Sie mich. — Sie haben meine völlige Hochachtung. Ich bitte um4 Ihre Freundschaft. — Meine Nichte, meine Tochter liebt Sie. —

Daß Fräulein.

Das wissen Sie, mein Vater! — Und ist

sie blind, meine Liebe?

Der Graf. Nein, Minna; deine Liebe ist nicht blind; aber dein Liebhaber — ist stumm. v. Tellheim (sich Ihm in die Arme werfend). Lassen Sie mich zu mir selbst kommen, mein Vater! —

Der Graf. So recht, mein Sohn! Ich höre es; wenn dein Mund nicht plaudern kann, 8 so kann dein Herz doch reden. — Ich bin sonst den Ofstcieren von dieser Farbe (auf Tellbeims Uniform weisend) eben nicht gut. Doch Sie find ein ehrlicher Mann, Tellheim; und ein ehrlicher Mann mag stecken, in welchem2 Kleide er will, man muß ihn lieben.

Das Fräulein. O, wenn Der Graf. Was hinderts,

Sie alles wüßten! —

daß ich nicht alles erfahre? 5 — Wo find meine Zimmer, Herr Wirth?

Der Wirth. Wollen Jhro Excellenz nur die Gnade8 haben, hier herein zu treten.8 Der Graf. Komm, Minna! Kommen Sie, Herr Major! (Geht mit dem Wirthe und den Bedienten ab.) Das Fräulein. Kommen Sie, v. Tellheim. Ich folge Ihnen

Tellheim!

den Augenblick, mein Fräu­ lein. Nur noch ein Wort mit diesem Manne! (Gegen Wernern sich wendend.)

Das Fräulein. Und ja ein recht gutes;10 mich dünkt, Sie haben es nöthig. — Franeiska, nicht wahr? n (Dem Grafen nach.) 1 each other. 2 at. 3 1 knew you. tongue cannot say much. 6 whatever. knowing all ? 8 have the condescension. kind one. 11 what dost thou think?

4 desire. 5 though thy 7 whal’s to prevent my 9 to walk in here. 10 very

93

Vierzehnter Auftritt.

v. Tellheim.

Werner.

Just.

Franeiska.

v. Tellheim (auf den Beutel weisend, den Werner weggeworfen). Hier, Just'. — hebe den Beutel auf, und trage ihn nach Hause. Geh'. (Just damit ab.) Werner (der noch immer mürrisch im Winkel gestanden, und an nichts Theil zu nehmen geschienen; indem er das hört). Ja, nun'.

v. Tellheim (vertraulich, auf ihn zugehend). ich die andern tausend Pistolen haben?

Werner, wann kann

Werner (auf einmal wieder in seiner guten Laune). Major, morgen. —

Morgen, Herr

v. Tellheim. Ich brauche dein Schuldner nicht zu werden; 1 aber ich will dein Rentmeister sein. Euch gutherzigen Leuten sollte man allen einen Vormund setzen. Ihr seid eine Art Verschwender. — Ich habe dich vorhin erzürnt, Werner! — Werner. Bet meiner armen Seele, ja! — Ich hatte aber doch so ein Tölpel nicht sein sollen. Nun seh ichs wohl. 3 Ich ver­ diente hundert Fuchtel. Lassen Sie mir fie auch schon geben; nur weiter keinen Groll, lieber Major! — v. Tellheim. Groll? — (Ihm meinen Augen, was ich dir nicht alles besseres Mädchen, und einen redlichern ich sehen 4 — Franeiska, nicht wahr?

die Hand drückend.) Lies es in sagen kann. — Ha! wer ein Freund hat, als ich, den will (Geht ab.)

Fünfzehnter Auftritt.

Werner.

Franeiska.

Franeiska (vor sich). Ja gewiß, es ist ein gar zu guter Mann! — So einer kommt mir nicht wieder vor. 5 — Es muß heraus! (Schüchtern und verschämt sich Wernern nähernd.) Herr Wacht­ meister —

Werner (der sich die Augen wischt). Nu? — Franeiska. Herr Wachtmeister — Werner. Was will Sie denn, Frauenzimmerchen? Franeiska. Seh Er mich einmal an,6 Herr Wachtmeister.— 1 no necessity — no occasion — no need to be. 2 a guardian should always be placed over you good-hearted people. 3 I see plainly — well enough now. 4 I should like to see him. 5 such a one I sh all not meet with again. 6 just look at me.

94 Werner. Ich kann noch nicht; die Augen gekommen.1

ich weiß nicht,

was mir in

Franciska. So seh Er mich doch an!2 Werner. Ich fürchte, ich habe Sie schon zu viel angesehen,2 Frauenzimmerchen! — Nun, da seh ich Sie ja! WaS giebts denn?

Franciska.

Herr Wachtmeister,---------- braucht Er keine Frau

Wachtmeisterin?

Werner. Ist das Ihr Ernst, Frauenzimmerchen? Franciska. Mein völliger! Werner. Zöge Sie wohl auch mit nach Persien? Franciska. Wohin Er will! Werner. Gewiß? — Holla! Herr Major! nicht groß gethan!* Nun habe ich wenigstens ein eben so gutes Mädchen, und einen eben so redlichen Freund, als Sie! — Geb Sse mir Ihre Hand, Frauen­ zimmerchen! Topp! — Ueber2 zehn Jahr ist Sie Frau Generalin, oder Wittwe!

1 what’s got into my eyes. 2 well, but do look at me. 3 looked at you too osten already — too much. 4 not so fast. 5 in.

Druck von I. S. Wassermann in Leipzig.