Methoden der Informationsbedarfsanalyse [Reprint 2015 ed.] 9783110835625, 9783110065404

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Methoden der Informationsbedarfsanalyse [Reprint 2015 ed.]
 9783110835625, 9783110065404

Table of contents :
Vorwort
1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen
1.1 Begriff und Zielsetzung der Systemforschung
1.2 Problemstellungen der Systemforschung
1.3 Der Begriff des Informationssystems als methodischer Ansatz im Rahmen der Systemforschung
1.3.1 Die allgemeine Definition des Informationssystems
1.3.2 Das Informationssystem als Abbildung realer Systeme
1.3.3 Architektur des Informationssystems
1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzungen eines MIS
1.4.1 Abgrenzung und Definitionen
1.4.2 Die Aufgaben- und Informationscharakteristik der MIS-Benutzer
1.4.3 Der instrumentale Charakter des MIS
1.4.4 Zentrale Problemstellungen des MIS
2. Methoden und Verfahren der Informationsbedarfsanalyse
2.1 Methodische Grundlagen
2.2 Problemstellung und Zielsetzungen
2.3 Definitorische Abgrenzung
2.4 Forschungsansätze und Instrumente der Informationsbedarfsanalyse
2.4.1 Ansätze der Benutzerforschung
2.4.2 Methoden und Verfahren der Organisationsanalyse
2.4.3 Computergestützte Verfahren der Informationsbedarfsanalyse
2.4.4 Datentechnische Analysen
2.4.5 Modelle als Hilfsmittel der Informationsbedarfsanalyse
2.4.6 Die informationelle Analyse von Problemlösungsprozessen
3. Grundsätzliche Überlegungen zu einer Strategie der Systemgestaltung im MIS
3.1 Aufgaben und Zielsetzungen
3.2 Der mehrdimensionale Charakter der Systemgestaltung
3.2.1 Die organisationssoziologische Gestaltungsebene
3.2.2 Die Problemlösungsprozeß-bezogene Gestaltungsebene
3.2.3 Die informationstechnologische Gestaltungsebene
3.3 Ansätze einer integrierenden Betrachtungsweise
3.4 Kritische Würdigung der Methoden der Informationsbedarfsanalyse
3.4.1 Beurteilungskriterien und Methodenauswahl
3.4.2 Die Ableitung eines Bewertungsschemas
3.5 Ansätze und Modell einer Strategie der Systementwicklung
3.5.1 Ansätze für eine Strategie der Informationsbedarfsanalyse
3.5.2 Der evolutorische Entwicklungsansatz für die Gestaltung des MIS
4. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Koreimann · Informationsbedarfsanalyse

Dieter S.Koreimann

Methoden der Informationsbedarfsanalyse

mit 65 Abbildungen

w DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1976

Dr. rer. pol. Dieter S. Koreimann, Leitender Berater für Datenverarbeitung und Projektsteuerung bei der Fa. IBM Deutschland GmbH, Lehrbeauftragter für Betriebsinformatik an der Universität Erlangen-Nürnberg

C1P-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Koreimann, Dieter S. Methoden der Informationsbedarfsanalyse. ISBN 3-11-006540-1

© Copyright 1975 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gösch'sche Verlagshandlung J.Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30 - Alle Rechte, iiisbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.— Satz: Fotosatz Tutte, Salzweg-Passau. Druck: Color-Druck, Berlin — Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin — Printed in Germany

Vorwort Die Arbeit geht von folgender Hypothese aus: Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wird maßgeblich von der Güte der im Unternehmen getroffenen Entscheidungen geprägt. Diese Entscheidungen wiederum werden vom Informationssystem des Unternehmens beeinflußt, so daß zwischen dem Informationssystem und der Leistungsfähigkeit des Unternehmens eine direkte Beziehung über die Benutzungs-, Transformations- und Veredelungsfunktion der Informationen durch die Entscheidungsträger hergestellt wird. Alle Bemühungen, die sich auf die Verbesserung des Informationssystems eines Unternehmens beziehen, müssen somit die Funktionen und Verhaltensweisen der Entscheidungsträger berücksichtigen. Damit ergibt sich als zentrale Problemstellung die Frage, inwieweit durch eine Verbesserung des Informationssystems eine Verbesserung der Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse erzielt werden kann. Als weitere Hypothese wird daher dieser Arbeit die Aussage zugrundegelegt, daß ein Management-Informationssystem (MIS) primär der Unterstützung, der Objektivierung und Rationalisierung der Aufgabenerfüllung des Managements dient, wobei unter „Management" derjenige Personenkreis eines Unternehmens subsumiert wird, der Entscheidungen trifft und Probleme löst, die das Gesamtunternehmen betreffen; dazu zählen auch jene vorwiegend in Stabsabteilungen tätigen Mitarbeiter, die durch Informationsverarbeitungsprozesse maßgeblich an den Entscheidungs- und Problemlösungsprozessen beteiligt sind. Die Zielsetzung dieser Arbeit ist insofern pragmatisch orientiert, als beabsichtigt wird, die bisher bekannt gewordenen Methoden und Verfahren der Systemanalyse kritisch in ihrer Anwendbarkeit auf die Gestaltung eines MIS zu überprüfen, um anhand eines wesentlichen Gestaltungskriteriums des Informationsbedarfs der Systembenutzer — eine Strategie der Systemgestaltung ableiten zu können. Für die Ermittlung des Informationsbedarfs werden dabei primär die empirisch orientierten Vorgehensweisen und Methoden dargestellt: Nicht so sehr die Frage, welche Informationen das Management eines Unternehmens aufgrund seiner Aufgabenstellungen benutzen müßte, um optimale Entscheidungen zu treffen, steht im Vordergrund als vielmehr die Frage nach den Methoden, die eingesetzt werden können, um den Informationsbedarf zu erfahren und darzustellen. Dabei ist eine Differenzierung des Informationsbedarfs entsprechend den verschiedenen Informationsarten erforderlich, da für die Ermittlung der ei-

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Vorwort

ner Aufgabe zuzuordnenden Informationen unterschiedliche Methoden eingesetzt werden können. Allerdings muß hierbei eine Einschränkung vorgenommen werden: Zwar wird die Bedeutung und Notwendigkeit prognostischer Informationen für die Aufgabenerfüllung dargestellt, jedoch wird auf die Problematik der Prognosegewinnung und der Methoden für die Ableitung prognostischer Informationen nicht in extenso eingegangen, da es sich hierbei um Methoden und Modelle handelt, die dem Bereich der Statistik zuzuordnen sind. In diesem Zusammenhang sei auf die Arbeiten von Wild [199] und Schmidt [vergl. 161 und die dort zitierte Literatur] verwiesen, die die Problematik und Methodik der Prognosegewinnung ausführlich dargestellt haben. Ebenso werden bestimmte Gütekriterien und Anforderungen an die Informationsarten nicht einer kritischen Prüfung unterzogen, da es das primäre Ziel dieser Arbeit ist, das methodische Instrumentarium im Rahmen der Informationsbedarfsanalyse darzustellen und weniger die Frage nach der einer bestimmten Aufgabe zuzuordnenden „optimalen" Informationsstruktur. Derartige Fragestellungen entsprechen ohnehin mehr spekulativer Wissenserkundung, sofern empirische Grundlagen fehlen. Entsprechend muß auch der Einfluß des subjektiven Elements auf die Problematik der Informationsnachfrage und -bewertung zwar behandelt, aber nicht grundlegend diskutiert werden, da hier Grenzgebiete zur Psychologie und Soziologie vorliegen. Die dargestellten Ansätze der Benutzerforschung dienen hierbei als Hinweis auf weitere intensive Forschungen, die auf diesem Sektor nach Uberzeugung des Verfassers notwendig sind. Die Analyse des Informationsbedarfs stellte in den bisherigen Bemühungen um den Aufbau eines MIS einen „neuralgischen" Punkt dar, der zu entscheidenden Divergenzen zwischen ursprünglichen Systemleistungs-Erwartungen, Benutzer-Erwartungen und effektivem Leistungsangebot etablierter Systeme geführt hat. Da automatisierte bzw. teilautomatisierte Verfahren der Computertechnologie nur auf der Basis der realen Phänomene unter Miteinbeziehung der Benutzer entwickelt werden können, ist es erforderlich, das methodische und verfahrenstechnische Instrumentarium der Informationsbedarfsanalyse zu behandeln und zu bewerten. Neuere Ansätze und theoretische Grundlagen werden dabei insoweit berücksichtigt, als sie in einem erkennbaren Zusammenhang mit der Generalzielsetzung - Β ewertung der Methoden und Ableitung einer Strategie der Systemgestaltung - stehen. Dies trifft besonders für die Benutzerforschung und für die Problemlösungs- und Organisationsverhaltensmodelle zu. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile: In Teil I - Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen -

Vorwort

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werden zunächst die Grundlagen der Systemforschung in ihrer Beziehung zu den realen Phänomenen des Unternehmens behandelt. Dies erscheint für den Gang der Arbeit insofern erforderlich, als das Wesen des MIS in der gängigen Fachliteratur viel zu einseitig auf der Ebene der Informationsund Computertechnologie dargestellt wird. Die Systemforschung bietet in ihren Ansätzen die Möglichkeit einer integrierenden, interdisziplinären Analyse und Gesamtschau des realen Phänomens „Unternehmen" und schlägt damit die für die wissenschaftliche Betätigung fruchtbare Brücke zur Informationswissenschaft. Der Systemansatz führt unmittelbar zum Begriff des Informationssystems, das sich als eine in speziellen Dimensionen operierende Gesamtschau des „Systems" Unternehmen erweist. Daraus folgt eine eindeutige, an den realen Gegebenheiten orientierte Abgrenzung des Management-Informationssystems und dessen Zielsetzungen. Der zweite Teil ist dem potentiellen verfahrenstechnischen und methodischen Instrumentarium der Informationsbedarfsanalyse gewidmet. Dabei werden die verschiedenen Verfahren und Methoden der Informationsbedarfsanalyse dargestellt, soweit sie in einem Zusammenhang mit der MISGestaltung stehen. Dementsprechend befaßt sich der dritte Teil mit dem Problem der Klassifizierung und Bewertung dieser Methoden. Die Grundlage für eine effiziente Informationsbedarfsanalyse bildet die für verschiedene Aufgabenstellungen und Problembereiche vorgenommene Zuordnung der Methoden. Dies führt zu einem Rahmenmodell der MIS-Gestaltung, mit dem der Verfasser die Absicht und Hoffnung verbindet, daß es sowohl als eine generelle Orientierungshilfe im Sinne einer „Anleitung zum praktischen Handeln" dienen kann als auch als Basis für weitere, vorwiegend empirisch fundierte Betätigung eingesetzt wird. Schließlich soll auf eine grundsätzliche Orientierung des Verfassers hingewiesen werden, deren Motivation sich aus der Tatsache erklärt, daß er seit über zehn Jahren in der praktischen Organisations- und EDV-Praxis engagiert ist: Die Überzeugung nämlich, daß die oftmals nur scheinbare Komplexität, Leistungsfähigkeit und Anwendungsproblematik des informationstechnologischen Potentials zu einer Überschätzung des „Aggregates" i.w.S. geführt hat bei einer gleichzeitigen Vernachlässigung benutzerspezifischer - im konkreten Sinne: humaner - Gestaltungs-, Arbeits- und Implementierungsziele der Informationssysteme. W. Kirschs Frage „Auf dem Weg zu einem neuen Taylorismus?" kann u.E. nicht abschließend beantwortet werden, solange sich der praxeologisch und wissenschaftlich engagierte Systemgestalter um eine mehrdimensionale Betrachtung bemüht, wobei diese Mehrdimensionalität auch das Verhalten, die Situation und die

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Vorwort

Motivation des im Informations- und Realprozeß engagierten Menschen umfaßt. Böblingen 1975

Dieter S. Koreimann

Inhalt Vorwort 5 1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen 13 1.1 1.2 1.3

1.4.3 1.4.4 1.4.4.1 1.4.4.2

Begriff und Zielsetzung der Systemforschung Problemstellungen der Systemforschung Der Begriff des Informationssystems als methodischer Ansatz im Rahmen der Systemforschung Die allgemeine Definition des Informationssystems Das Informationssystem als Abbildung realer Systeme .. Architektur des Informationssystems Struktur, Aufgaben und Zielsetzungen eines MIS Abgrenzung und Definitionen Der organisatorisch-ganzheitliche Ansatz Der Aspekt der Modularität im MIS Die Aufgaben- und Informationscharakteristik der MIS-Benutzer Der instrumentale Charakter des MIS Zentrale Problemstellungen des MIS Die Problematik der Management-Information Die Problematik des Informationsnutzens

2.

Methoden und Verfahren der Informationsbedarfsanalyse

g^

2.1 2.2 2.3 2.4

Methodische Grundlagen Problemstellung und Zielsetzungen Definitorische Abgrenzung Forschungsansätze und Instrumente der Informationsbedarfsanalyse Ansätze der Benutzerforschung Zielsetzungen und Abgrenzung der Benutzerforschung .. Informationsbedarf und Informationsnutzung Das Kreismodell von Paisley und Ergänzungen

61 63 65

1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.4.1 1.4.1.1 1.4.1.2 1.4.2

2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.1.3

13 16 20 20 24 32 37 37 37 38 43 46 52 52 56

71 71 71 72 75

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Inhalt

2.4.1.4 2.4.1.5 2.4.1.6 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.2.1 2.4.2.2.2 2.4.2.2.3 2.4.2.2.4 2.4.2.2.5 2.4.2.3 2.4.3

Das Modell von Allen 77 Die Typologisierung von Benutzern 78 Kritische Würdigung der dargestellten Ansätze 80 Methoden und Verfahren der Organisationsanalyse 82 Definition und Abgrenzung 82 Verfahren und Techniken der Prozeßanalyse 85 Statistische Messung und Beobachtung 85 MIDAS-Technik 87 Entscheidungstabellentechnik 90 Interview-Technik 92 Katalog-Methode 93 Die Analyse der Kommunikationsbeziehungen 96 Computergestützte Verfahren der Informationsbedarfsanalyse 104 2.4.3.1 Methodischer Ansatz 104 2.4.3.2 Verfahrensbeschreibung und Ergebnisse von AUTOSATE106 2.4.3.3 Beurteilung 111 2.4.4 Datentechnische Analysen 112 2.4.4.1 Abgrenzung und Definitionen 112 2.4.4.2 Datenbankdiagramme 114 2.4.4.3 Anwendungsanalyse 117 2.4.5 Modelle als Hilfsmittel der Informationsbedarfsanalyse . 123 2.4.5.1 Methodische Grundlage 123 2.4.5.2 Das Kölner Integrationsmodell (KIM) 125 2.4.5.3 Die Input-, Output- und Prozeßanalyse 127 2.4.5.3.1 Struktur und Zielsetzungen eines Input-Output-Modells 127 2.4.5.3.2 Anwendungsgebiete der Input-, Prozeß- und Outputanalyse 129 2.4.5.3.3 Kritische Würdigung 136 2.4.6 Die informationelle Analyse von Problemlösungsprozessen 137 2.4.6.1 Determinanten eines Problemlösungsprozesses 137 2.4.6.2 Ansatz einer informationellen Analyse 140 3. 3.1 3.2 3.2.1

Grundsätzliche Überlegungen zu einer Strategie der Systemgestaltung im MIS

142

Aufgaben und Zielsetzungen 142 Der mehrdimensionale Charakter der Systemgestaltung . 144 Die organisationssoziologische Gestaltungsebene 144

Inhalt

3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 3.4.1 3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.2 3.5 3.5.1 3.5.2

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Die Problemlösungsprozeß-bezogene Gestaltungsebene . Die informationstechnologische Gestaltungsebene Ansätze einer integrierenden Betrachtungsweise Kritische Würdigung der Methoden der Informationsbedarfsanalyse Beurteilungskriterien und Methodenauswahl Die Beurteilung der Methoden nach Maßgabe ihrer Eignung Die Beurteilung der Methoden nach Maßgabe ihrer Anwendbarkeit Die Ableitung eines Bewertungsschemas Ansätze und Modell einer Strategie der Systementwicklung Ansätze für eine Strategie der Informationsbedarfsanalyse Der evolutorische Entwicklungsansatz für die Gestaltung des MIS

4. Zusammenfassung Literaturverzeichnis Sachregister

147 151 155 158 158 159 163 166 169 169 174 178 178 180 189

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1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen 1.1 Begriff und Zielsetzung der Systemforschung Der Terminus „Systemforschung" verlangt zunächst eine Definition des Begriffs „System", um konkrete Aussagen bezüglich der Forschungsziele und der Forschungsmethoden treffen zu können. Unter einem System versteht man „eine Menge von Elementen und eine Menge von Relationen, die zwischen diesen Elementen bestehen" [94, S. 634; 110, S. 338/339;182, S. 15]. Dieser Systembegriff ist neutral, da keine Aussagen getroffen werden über - die Eigenschaften (Attribute) der Elemente, - die Struktur der sie verbindenden Relationen, - die Anordnung (Struktur, Organisation) der Elemente und - die Zielsetzung (Zwecksetzung) des Systems. Ein System kann formal als ein geschlossener Graph dargestellt werden. Die Elemente heißen dann Knoten, die sie verbindenden Relationen Kanten. Für die Konkretisierung eines Systems sind quantitative und qualitative Beschreibungen seiner Elemente, Relationen und Zielsetzungen erforderlich. Derartige Beschreibungen sind autonom, da explizit zu definierende Zielsetzungen des Forschungsvorhabens für die Abgrenzung und Klassifikation eines Systems bestimmend sind. „Was in einem System als Element bezeichnet wird, hängt von dem Aspekt der jeweiligen Untersuchung, also vom Erkenntnisziel, ab."[115, S. 25]. Als Forschungsvorhaben verstehen wir dabei die Erkenntnisgewinnung zum Zwecke der Aussagenbildung, die ihrerseits die Grundlage für die Systemgestaltung und für die Systemlehre entsprechend definierten Zielkategorien bildet [110, S. 338], Die Systemforschung steht angesichts der Vielfalt existenter bzw. definier-

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

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ab,ac,ad,bc,bd,cd: Relationen, Verbindungen, Kanäle (Kanten). Abb. 1. Formale Darstellung eines Systems

barer Systeme vor dem Problem der Klassifikation bzw. der Typologie. Aus Mangel an wissenschaftlich und empirisch gesicherten Kriterien für eine Klassen- und Typenbildung ist eine gewisse Willkür in der Terminologie der neueren Systemliteratur nicht zu leugnen [19, S. 24], Die Ursache ist weniger im Mangel eines wissenschaftstheoretischen Fundaments [151] als vielmehr in vorwiegend pragmatisch orientierten Zielsetzungen der jeweiligen Forschungsvorhaben zu sehen. Als Beispiel für mögliche Klassifikationsmuster seien aufgeführt [115, S. 26]: • • • • •

Ontologische Einordnung von Systemen, Klassifikation nach der Art der Entstehung von Systemen, Unterscheidung nach der Art der Umweltbeziehungen, Differenzierung nach dem Grade der Komplexitität und Determiniertheit von Systemen.

Klaus unterscheidet darüber hinaus [94, S. 638]: • offene - geschlossene Systeme, • stabile - instabile Systeme, • lineare - nichtlineare Systeme. Grochla [68] schlägt eine Einteilung nach wissenschaftstheoretischen Kriterien vor und interscheidet terminologische, deskriptive, empirisch-kognitive und praxeologische Aussagensysteme im Rahmen der Systemforschung und der Systemlehre.

1.1 Begriff und Zielsetzung der Systemforschung

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Aufgrund der in der neueren Systemliteratur erkennbaren Ansätze und Forschungsbemühungen lassen sich unter dem Aspekt der Zielsetzung dieser Arbeit folgende Sätze und Definitionen ebleiten: (1) Der Begriff „System" ist ein der mathematischen Axiomenlehre verwandter abstrakter Begriff. Objekte, die in ihrer Gesamtheit eine Menge definieren, nennt man Elemente dieser Menge. Die generelle Beziehung zwischen einem Element einer Menge und dieser Menge ist die Elementbeziehung·, a (Element) ist mit Eigenschaften ausgestattet, die typisch für die Menge Μ sind. Ein System ist als eine Menge von Elementen und einer diese Elemente verbindenden Struktur definiert. (2) Die Aufgabe der Systemforschung besteht in der Ableitung von Aussagen bezüglich der Systemkategorie (Typologie), der Attribute der Elemente, der Art ihrer Beziehungen und ihrer Struktur sowie bezüglich der Zwecksetzung und Leistung des Systems. (3) Die Systemforschung hat als Gegenstand ihrer Betätigung (Erfahrungsbereich) ideale und reale Systeme. Sie hat darüber hinaus die Aufgabe, Systembeschreibungen und Systemtheorien zu entwickeln, die als Basis für praxeologisches Verhalten im Sinne einer - Systempolitik, - Systemplanung, - Systemgestaltung und - Systemlenkung dienen können [149]. (4) Die im Rahmen der Systemforschung praktizierten Vorgehensweisen sind sowohl dekutiv-analytisch als auch induktiv-synthetisch. Ein wesentliches Kennzeichen systembezogener Erkenntnismethoden ist die systematische Zerlegung eines Gesamtsystems in seine einzelnen Elemente bzw. Subsysteme und die Entwicklung eines Soll- oder Idealzustandes, um über einen Integrationsprozess (Synthese) die Elemente und die Art ihrer Beziehungen zu gestalten und zu ordnen, damit das System als Ganzes ein Optimum bezüglich seiner Zielsetzungen erreicht. Der Ansatz der Systemforschung kann als interdisziplinär1 bezeichnet werden, da ein reales System (z.B. das Unternehmen) in Abhängigkeit von den 1

E. Kosiol et al. [110, S. 359]: „Alternativ kann unter Systemforschung nicht eine eigenständige Disziplinforschung im üblichen Sinne, sondern der Tatbestand interdisziplinärer Forschung verstanden werden."

16

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

jeweils definierten Untersuchungszielen unter dem Systemaspekt eine Vielfalt möglicher Elementbestimmungen und Elementbeziehungen zuläßt: z.B. soziologische, produktive, juristische, finanzielle, personelle und informationelle Elemente, Elementbeziehungen und Elementeigenschaften.

1.2 Problemstellungen der Systemforschung Die wissenschaftlichen und pragmatischen Bemühungen um die Anwendung der durch die Systemforschung eröffneten Methoden zielen darauf ab, Erkenntnisse bezüglich der Gestaltung realer Systeme zu gewinnen[180, S. 18]. Dabei erweist sich der generelle Begriff des Systems allerdings eher als Hemmnis denn als Förderung für die interdisziplinäre Forschung, da es bislang nicht gelungen ist, quantitative und qualitative Merkmalskriterien zu bestimmen, an Hand derer Systemtypen und Betrachtungsebenen ableitbar und abgrenzbar wären. Ulrich [180] betrachtet das Unternehmen beispielsweise als „produktives soziales" System mit dem gedanklichen Hintergrund, Produktionsprozesse und soziale Beziehungen bestimmter Elemente bzw. bestimmter Subsysteme zu analysieren. Dies ist eine Betrachtungsebene, die allerdings nicht ausreichend erscheint, um alle Erscheinungsformen der Phänomenebene zu erfassen; z.B. Phänomene der Kommunikation, der kognitiven Prozesse der Entscheidungsträger oder die Beziehungen der Randelemente zu Umsystemen des Marktes und/oder der Gesellschaft. Der vielzitierte Begriff des „sozio-technischen" Systems orientiert sich ebenso einseitig an technischen und sozialen bzw. soziologischen Eigenschaften der Elemente des Systems Unternehmen. Die Erkenntnis, daß das Unternehmen als ein System interpretiert werden kann, ist zunächst als trivial zu bezeichnen. Die Forderung, dieses Systems in Subsysteme zu gliedern bzw. als eine Menge von Subsystemen zu betrachten, ist wissenschaftlich nicht haltbar, solange keine allgemeingültigen Kriterien für die Klassenbildung und für die Zielsetzungen derartiger Gestaltungsprinzipien erarbeitet sind. Dies ist eine Aufgabenstellung der wissenschaftlich orientierten Systemforschung im Unternehmen, die sowohl noch der Artikulation als auch der methodischen Durchführung harrt. Die Systemforschung unterscheidet quantitative und qualitative Analysen. Quantitative Analysen befassen sich mit den Problemen der Struktur, der Menge zulässiger bzw. denkbarer Beziehungen und Elemente und mit Fra-

1.2 Problemstellung der Systemforschung

17

gen der formal-logischen Beschreibung von Systemen. 2 Qualitative Analysen orientieren sich an den Problemstellungen der Eigenschaften und Eigenschaftsrelationen von Elementen sowie an den Problemen der Gestaltung von Systemen entsprechend explizit definierten Zielsetzungen und Zielfunktionen. Der Begriff der Struktur gibt erste Ansatzpunkte für die Beschreibung eines Systems. Struktur wird als Ordnungsbeziehung von Elementen verstanden. Die Art der Ordnung wird auch als Netz interpretiert: „ . . . denn unter Struktur soll ein Beziehungsnetz von Elementen oder elementaren Prozessen verstanden werden" [187, S. 12]. Kirsch kommt zu dem Ergebnis, daß die relative Invarianz eines Systems als dessen Struktur zu bezeichnen ist. „Relativ" bedeutet dabei, daß das Beziehungsnetz zwar im Zeitablauf einer Änderung unterliegt, dennoch aber gewissen Regelmäßigkeiten folgt. Struktur bedeutet „Innenaufbau" des Systems und ist als „Aufbauorganisation" oder „Strukturorganisation" des Systems interpretierbar. Organisieren wäre demnach die Gestaltung von Ordnungsbeziehungen zwischen Elementen. 3 Unter dem Begriff der Struktur verstehen wir im folgenden das Beziehungsnetz einer Menge geordneter Elemente. 4 Das Beziehungsnetz ist quantitativen Analysen bezüglich seiner Größe, Gestalt und Redundanz zugänglich. Die moderne Graphentheorie hat sich dieses Gegenstandes bereits angenommen, um Möglichkeiten der analytischen Untersuchung realer und abstrakter Systeme zu definieren [47]. Ein Netz kann beispielsweise entsprechend Abb. 2. dargestellt werden. Bezeichnet man mit η die Knoten (Elemente) des Systems und mit m die Beziehungen (Kanäle, Kanten), dann ist die Größe dieses Netzes durch die Anzahl der Kanten durch

bestimmt. Das Minimum η-1 der Beziehungen gilt für gerichtete Graphen, ζ. B. für Bäume und listen. Das Maximum der Beziehungen (n 2 -n)/2 ist für „probabilistische Kommunikation" gegeben, d. h. für den Fall, daß jedes Element mit jedem anderen verbunden ist. Als Maß für die Redundanz eines Graphen dient die zyklomatische Zahl γ , die angibt, wieviele Kanten 2 3

4

Ein Beispiel ist die Anwendung der Graphentheorie im Rahmen der Systemforschung. Vergleiche hierzu den Begriff der „integrativen Strukturierung", den Kosiol in die moderne Organisationstheorie eingeführt hat. Vergl. auch J. Wild [189], der von „strukturiertem Gefüge" spricht.

18

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Abb. 2. Struktur eines abstrakten Systems

des jeweiligen Graphen entfernt werden können, ohne daß die Möglichkeit der Kommunikation eines Elementes mit einem beliebigen anderen Element aufgehoben ist:

γ = m-n+ 1 Gemäß Abb. 2 sind die Kanten a, b, c redundant, da nach ihrer Entfernung die Kommunikation der Elemente untereinander nicht unterbrochen wäre [123, S. 100]. Derartige Struktur-Analysen bieten Ansätze für quantitative Beschreibungen von Systemen. Bei qualitativen Analysen werden die Eigenschaften und Verhaltensweisen der Elemente analysiert. „Eigenschaften" und „Verhaltensweisen" sind mehrdimensional zu betrachten: Ein Element kann sich beispielsweise als Informationsspeicher, als Träger kognitiver Prozesse, als Leistungsgenerator oder als psychosoziales Anspruchsniveau erweisen und dementsprechend unterschiedlich mit den mit ihm gekoppelten Elementen verhalten. „Es ist möglich, daß ein und derselbe Mensch, wenn er als Ökonom, Technologe und Machinenbauer auftritt, eine komplizierte, an vielen Faktoren anknüpfende Entscheidung trifft. Hierbei hat er es jedoch mit verschiedenen Sprachen und Informationssystemen zu tun, die ein „mehrdimensionales Abbild" des Objektes bilden" [123, S. 101]. Ähnliche Problemstellungen der qualitativen Differenzierung ergeben sich aus dem Anspruch, ein Gesamtsystem in Subsysteme zu gliedern. Der Be-

1.2 Problemstellung der Systemforschung

19

griffsapparat der Mengenlehre liefert das formale Instrumentarium für die Definition von Subsystemen: Ein Subsystem ist definiert als Teilmenge M 2 einer anderen Menge Mi, wenn jedes Element von M 2 auch Element von Mx ist. Als Kriterium für die Bildung von Untermengen können die Eigenschaften und Eigenschaftsrelationen der Elemente herangezogen werden. Betrachtet man die Funktionsteilung des Systems Unternehmen als einen Bestandteil seiner „inneren Organisation" und damit seiner Struktur, dann ist die Zugehörigkeit eines Elementes zu einer bestimmten Funktion ein Attribut dieses Elements. Die Zusammenfassung von Elementen mit der Eigenschaftder Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionen führt zur Bildung von funktionalen Subsystemen. Die Frage nach der Bildung und Abgrenzung von Subsystemen ist in diesem Falle derivativer Natur, da die originäre Gestaltung der Struktur zwangsläufig zu Subsystemen führen würde. Dementsprechend breit ist der Katalog definierbarer funktionaler Subsysteme, da die Erscheinungsformen des funktionalen Aufbaus eines Unternehmens entsprechend den organisationsspezifischen Zielsetzungen nahezu beliebig viele Varianten zulassen: „Während strukturelle Subsysteme als Gruppen in der Regel auch von Organisationsteilnehmern als ,Einheit' betrachtet werden (und insofern auch in der Realität ,zu finden' sind), sind funktionale Subsysteme rein analytischer Natur. Sie werden gebildet, um spezifische Probleme einfacher untersuchen zu können. Entsprechend vielfältig sind auch die Möglichkeiten, funktionale Subsysteme abzugrenzen" [91, III, S. 41]. Die Mehrdimensionalität der Elementeigenschaften läßt zwangsläufig eine große Anzahl von Kriterien für die Bildung von Subsystemen zu. Es ist eine Aufgabe der Systemforschung, verschiedene Ziele der Erkenntnisgewinnung zu artikulieren und damit gleichzeitig festzulegen, welche Eigenschaftmerkmale der Elemente dafür in Betracht zu ziehen sind. Damit würde dem interdisziplinären Charakter der Systemforschung Rechnung getragen werden, da dann soziologische, soziale, produktive, informationelle, juristische, kognitive, heuristische und psychologische Elementeigenschaften und Elementbeziehungen analysiert und in ihren Auswirkungen auf das Gesamtsystem bewertet werden könnten. Wissenschaftspragmatisch wären vier Ebenen spezieller Aufgabenstellung der Systemforschung ableitbar [180, S. 135 f.]: (1) Vermittlung faktischen Wissens über die Systemlehre und ihre Anwendbarkeit auf das Unternehmen als ein mehrdimensional zu beschreibendes und zu analysierendes System. (2) Entwicklung von Hypothesen, Sätzen und Aussagen, die als Basis für

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1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

systemgestaltende Aktivitäten dienen können (nomologische Aussagen). (3) Entwicklung eines Methodenwissens, das als Instrumentarium für die Erkenntnisgewinnung und für die Gestaltung dienen kann (Aufgabengebiet der Systemanalyse). (4) Aufbau eines Modellwissens, mit dem Analog- und Simulationsmodelle des Unternehmens entworfen und bezüglich ihrer Anwendbarkeit auf unternehmensspezifische Tatbestände der Real- und Informationsprozesse verifiziert werden können. Der Systemansatz ist geeignet, Erscheinungen der Phänomenebene von verschiedenen wissenschafltichen Disziplinen aus zu betrachten, wobei gleichzeitig sowohl die methodischen Vorgehensweisen als auch wissenschaftliche Termini auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können. Organisatorische, verhaltensrelevante, informationelle und soziale Aspekte werden damit auf das Beziehungsgefüge der in einem Unternehmen gekoppelten Elemente fokussiert.

1.3 Der Begriff des Informationssystems als methodischer Ansatz im Rahmen der Systemforschung 1.3.1 Die allgemeine Definition des Informationssystems Der Begriff „Informationssystem" wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet, obwohl bei verschiedenen Autoren gleiche oder ähnliche definitorische Bestandteile auftreten. Dabei sind zwei Gesichtspunkte prinzipiell zu unterscheiden: a) Der abstrakte Begriff des Informationssystems, der auf den Grundlagen der Systemforschung aufbaut und der das Informationssystem als Spezialfall eines Systems kennzeichnet. b) Das Informationssystem als reales System, das in seiner Stellung und Beziehung zu anderen Subsystemen des Unternehmens betrachtet wird. Ad a): Das Informationssystem hat bei dieser Betrachtungsweise eine „Exklusivität" insofern, als die Elemente unter dem Aspekt der • Informationsaufnahme, • Informationsspeicherung,

1.3 Der Begriff des Informationssystems

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• Informationsverarbeitung und der • Informationsweitergabe betrachtet werden. Die Eigenschaften und Beziehungen der Elemente werden nur dann in die Betrachtung mit einbezogen, wenn es sich um informations-technologische Eigenschaften und Vorgänge handelt. Köhler definiert dementsprechend das Informationssystem als ,,die Gesamtheit der Sender und Empfänger verhaltensrelevanter Nachtichten sowie alle Einrichtungen und Methoden zur Datenverarbeitung und Datenspeicherung, soweit diese Elemente ein geordnetes Beziehungsgefüge bilden" [96, S. 37]. Eine ähnliche Auffassung findet sich auch bei Firmin: „The interrelated networks (with their content) which transmute data into information throughout an organization constitute its information system" [55, S. 75]. Als Element eines in diesem Sinne abgegrenzten Systems dient der Aufgabenträger, der prinzipiell zwei Kategorien kommunikativer Beziehung ausüben kann: aa) Mensch-Mensch-Beziehungen: In diesem Falle stehen organisatorische, informationelle und soziologische Aspekte im Vordergrund der Analyse. Diesen Aspekt hebt besonders Müller hervor, indem er das System Unternehmen als Informations- und Entscheidungssystem betrachtet, da es sich „bei den Elementen um Entscheidungspunkte handelt, die durch Informationsbeziehungen miteinander in Beziehung stehen" [137, S. 42], ab) Mensch-Maschine-Beziehungen: Eine derartige Kombination wird sehr oft als Mensch-Maschine-Kommunikationssystem (MMK) bezeichnet; das MMK wäre demnach ein Subsystem des allgemeinen Informationssystems, da lediglich solche Elemente (Aufgabenträger) betrachtet werden, die gerichtete Kommunikation mit einem technologisch definierbaren Aggregat (einem Automaten, einem Computer) ausüben. Drei Elementarten sind in diesen Definitionen nachweisbar: - Menschen (Aufgabenträger) - Datenverarbeitende Maschinen - Methoden, die allerdings einer Interpretation bedürfen: Hier verstehen wir unter Methoden formalisierte Programme, die entweder als Basissoftware den Betrieb datenverarbeitender Maschinen ermöglichen oder die als institutionalisierte Verfahrenstechniken und Mo-

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1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

delle einen Bestandteil des Aktionsspielraums des Aufgabenträgers darstellen (Anwendungs-Software). 5 Eine umfassende Definition findet sich bei Haberlandt: Das Informationssystem ist als „die Gesamtheit aller untereinander verbundenen personellen Kräfte, sachlichen Mittel und organisatorischen Einrichtungen zu bezeichnen, die im Rahmen des unternehmerischen Leistungsprozesses daten- und damit informationsverarbeitend tätig sind" [69, S. 102], Das Attribut „informationsverarbeitend tätig zu sein" wird als Kriterium für die Abgrenzung des Informationssystems und seiner Elemente herangezogen. Dieses Attribut ist auf Menschen und Sachmittel anwendbar. Der Begriff „organisatorische Einrichtung" wird allerdings nicht deutlich bestimmt. In Anlehnung an die zitierte Literatur soll daher folgende Definition benutzt werden: Unter einem Informationssystem verstehen wir die Menge derjenigen Elemente, die informationsverarbeitend tätig sind und die durch organisatorische Regelungen nach bestimmten Richtlinien und Ordnungsbeziehungen miteinander durch den Austausch von Informationen (i.e. Kommunikation) verbunden sind. Als Elemente werden insbesondere die Aufgabenträger des Unternehmens und die sie unterstützenden technischen Aggregate der Informationsverarbeitung betrachtet. Ein Element wird dann informationsverarbeitend tätig, wenn es Informationen aufnimmt, sucht, speichert, erzeugt, codiert, decodiert, interpretiert und weiterleitet. Die Elemente stellen somit komplizierte „Informationsgeneratoren" dar, womit eine allgemeine Definition gewonnen wird: Ein Informationssystem ist eine geordnete Beziehung von mindestens Informationsgeneratoren.

zwei

Ad b): Gelegentlich wird das Informationssystem als Subsystem des allgemeinen Systems Unternehmen interpretiert: „In neuerer Zeit werden jedoch diese strukturellen Ansätze (organisationstheoretische Untersuchungen, der Verf.) immer mehr durch Untersuchungen ergänzt, die Teilsysteme der Unternehmung, wie z.B. das Informationssystem (Hervorhebung durch den Verf.) unter dynamisch-funktionellen Gesichtspunkten betrachten, . . . " [59, S. 779 f.]. Das Informationssystem wird als ein den anderen 5

Moravec [134, S. 35 ff.] hebt als konstituierende Elemente des Informationssystems „procedures, methodologies and software" hervor. Vergl. auch Ν. Szyperski [175, S. 9]: „Das Informationssystem erweist sich somit als besondere Kombination aus Kommunikations- und Datenverarbeitungs-... Systemen, die als seine Bausteine angesehen werden können." Auch W. Poths [153],

1.3 Der Begriff des Informationssystems

23

Subsystemen des Unternehmens neben-, unter- oder übergeordnetes Teilsystem betrachtet. Ulrich stellt das Informationssystem neben das Materialsystem, das Werkzeug- und Verrichtungssystem, das Energiesystem, das Personalsystem, das Anlagensystem und das unmittelbar produktive System [180, S. 240/241]. Abgesehen von der etwas willkürlich anmutenden Einteilung der Subsysteme ist beispielsweise nicht deutlich, warum das Personalsystem nicht Bestandteil eines Informationssystems sein kann, da gerade die Interaktionen handelnder Personen im Unternehmen primär informationellen Charakter tragen. Eine ähnliche Auffassung, die allerdings dem Informationssystem in Verbindung mit dem Entscheidungssystem eine übergeordnete Bedeutung zuspricht, findet sich bei Klein: „Das Informations· und Entscheidungssystem einer Betriebswirtschaft ist ein funktionales Subsystem, das alle jene Elemente der Betriebswirtschaft zusammenfaßt, die mit der Regelung und Steuerung dieses Systems befaßt sind und Informationen gewinnen, weitergeben, speichern, wieder gewinnen, verknüpfen, transformieren, verschlüsseln, entschlüsseln usw." [95, S. 17]. Die Elemente des Informationssystems sind dementsprechend handelnde Individuen, die informationsverarbeitend tätig sind. Dieser im Grunde aktionsanalytische Ansatz [83, S. 44ff.] wird auch von Heinen verwandt: „Alle Menschen in der Unternehmung haben am organisatorischen Entscheidungsprozeß teil und füllen - soziologisch betrachtet — mehr oder weniger komplexe Rollen aus. Wesentliche Komponenten dieser Rollen stellen die „Tätigkeitsfelder" (fields of actions), d. h. die leitenden, verbindenden und ausführenden Funktionen der Organisationsträger dar" [74, S. 27], Das Informationssystem des Unternehmens stellt somit kein Subsystem dar, das eindeutig gegenüber anderen Subsystemen (ζ. B. das Materialsystem) abgegrenzt werden kann. Handelnde Individuen und informationsverarbeitende Maschinen mit ihren Eingabe- und Ausgabegeräten stellen das Beziehungsnetz (die Struktur) dar, welches das Informationssystem bestimmt. Sie unterscheiden sich durch Strukturierungsmerkmale (z.B. durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten hierarchischen Stufe), durch Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen soziologischen Gruppen, durch besondere Tätigkeiten usw., nicht aber durch das Faktum der Informationsverarbeitung. Insofern ist das Unternehmen ein „zielgerichtetes, informationsgewinnendes und -verarbeitendes Sozialsystem" [74, S. 26]. Das Informationssystem stellt kein eigenständiges Subsystem dar; vielmehr sind alle Subsysteme des Unternehmens und deren Elemente durch den Austausch von Informationen miteinander verknüpft und bilden in ihrer Gesamtheit das „Informationssystem Unternehmen".

24

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Damit kann nachgewiesen werden, daß der informationell orientierte Systemansatz geeignet ist, aktionsanalytische Untersuchungen im Unternehmen unter dem Aspekt der Informationswissenschaft und der Systemforschung durchzuführen. Diese Auffassung findet sich auch bei Wacker, der das Informationssystem als eine Methode interpretiert, die es erlaubt, „die Unternehmung in ihren wesentlichsten Zügen zu beschreiben" [182, S. 11].

1.3.2 Das Informationssystem als Abbildung realer Systeme Die Hypothese für dieses Kapitel lautet: Das Informationssystem hat eine generelle Abbildungsfunktion des realen Systems Unternehmen, da alle Real- und Personalprozesse des Unternehmens als Informationen dargestellt, bewertet, gespeichert, verarbeitet und benutzt werden können. Das Unternehmen ist prinzipiell als ein komplexes Informationssystem beschreibbar: 6 - Die Aufgaben- und Leistungsträger üben die Funktionen von Sendern, Empfängern und Speichern von Informationen aus. - Die Beziehungen zwischen den Aufgaben- und Leistungsträgern sind durch den Austausch von Informationen gekennzeichnet (Kommunikation). - Die Struktur des Systems ist durch das Netz der Informationskanäle weitgehend determiniert (z.B. Berichts-, Weisungs- und Instanzenwege)· - Die Zwecksetzung stellt eine interne/externe Information für jedes, einzelne Element dar, die zugleich verhaltensregulierend und systemerhaltend wirkt (z.B. implizite und explizite Modelle des Entscheidens und Verhaltens der Entscheidungsträger). Die Abbildungsfunktionen des Informationssystems kann im Zuge einer zunehmenden Abstraktion erklärt werden. Szyperski stellt diesen Sachverhalt wie folgt dar: „Ausgangsebene ist die Realität, die hier ah Phänomenebene (P) bezeichnet wird. Auf sie sind die Informationen gerichtet. Die 6

Vergl. hierzu T. Lutz u. H. Klimesch [120, S. 18]: „Jedes Unternehmen, jede Verwaltung s t e l l t . . . ein Informationssystem dar." Auch H. Beutler [24, S. 170]: „Realtimesystem soll in dem Sinne gebraucht werden, daß es einfach darum geht, die Wirklichkeit, d. h. die Dinge so, wie sie tatsächlich passieren, mit möglichst geringer Zeitdifferenz in Form der abgespeicherten Daten abzubilden." Auch W.H. Wacker [182, S.145]: „Material, Geld, menschliche Energie und Informationen sind Stufen zunehmender Abstraktion."

1.3 Der Begriff des Informationssystems

Ebene

25 Beispiele f ü r I n h a l t der

Ebenen

Phänomenebene (P)

Information Aussagenebene

(A)

• Baum —

Gewächs - Lebewesen

Begriff Aussage

Terminus Sprachebene

(L) Code Zeichenebene ( Z )

Baum • tree

•Β

Wort Satz

• Bcuwi •BAUM

Schrift

Morseschrift Graphitsignal

Nachricht

Lochungen Zustände auf Magnetbändern

Abb. 3. Stufen zunehmender Abstraktion zur Erklärung des Abbildungsprozesses des Informationssystems (Quelle [174, S. 33])

Phänomenebene ist durch raum-zeitliche Wandlung und grundsätzliche Unabhängigkeit von Informations- und Wissensprozessen, die auf sie gerichtet sind, charakterisiert" [174, S. 34], Es läßt sich das in Abb. 3 wiedergegebene Schema ableiten. Abb. 3 ist zunächst als ein Begriffsschema zu betrachten. Die von Szyperski genannte „raum-zeitliche Wandlung" soll daher in ihrer Wirkung auf die Abbildungsfunktion näher untersucht werden. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden: (1) Die Abbildung realer Phänomene durch Informationen bzw. durch ein Informationssystem Hierbei ist die Abbildungsfunktion unter zwei unterschiedlichen Aspekten zu betrachten: Neben der Veränderungsmöglichkeit der Phänomenebene tritt als zweites Faktum die Tatsache hinzu, daß die Darstellung eines Realprozesses als Informationsprozeß zeitkonsumierend wirkt. Daraus läßt sich als Problemstellung ableiten: Da das Informationssystem

26

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

eine abstrakte Beschreibung der Phänomenebene darstellt, ist das Problem der Identität zwischen Realprozeß und Informationsprozeß gegeben. Es ergibt sich der Satz der unvollkommenen Identität: Das Informationssystem stellt eine Abbildung eines realen Systems dar. Da die Umsetzung realer Prozesse in Informationen eine Funktion der Zeit ist, dem Realprozeß aber eine Tendenz zur Wandlung inhärent ist, entsteht eine Distanz zwischen dem Realprozeß und dem ihn beschreibenden Informationsprozeß. Diese Distanz wird als Informationslücke bezeichnet. Die auftretenden Distanzen sind zu unterscheiden in: a) Stetige Distanzen Als Beispiel gelte die Lager-Disposition eines Fertigungsbetriebes. Für die Disposition des Lagers sind innerhalb der Periode t 0 - t x laufend Informationen erforderlich, um die Zielsetzung - 100%ige Lieferbereitschaft - erfüllen zu können. Die Entwicklung des Lagerbestandes stellt den Realprozeß dar. Der Informationsprozeß I, ist als die Beschreibung dieses Realprozesses (d. h. Informationen über die Höhe der Lagerbestände) gekennzeichnet. Es ergibt sich die in Abb. 4 dargestellte Übersicht. Mengen/Informationen

Der Informationsempfänger (Disponent) erhält die Informationen über die Lagerbewegungen mit einer zeitlichen Verzögerung A t. Die Ursachen sind in der Abhängigkeit der Informationen von der Leistungsfähigkeit der Kommunikationsnetze und der Informationsverarbeitung begründet. Als Ergebnis dieser permanenten Phasenverschiebung ergibt sich die Tatsache, daß der Disponent mit einem relativ veralteten Informationsstand Entscheidungen bezüglich der Steuerung des Realprozesses trifft. Das „System" neigt zu Schwingungen, die Stabilität desselben ist von der Distanz zwischen Realprozeß und Informationsprozeß abhängig.

27

1.3 Der Begriff des Informationssystems

b) Zyklische Distanzen Herkömmliche Methoden der Informationsorganisation des Unternehmens („Berichtswesen") neigen zu kalendarisch terminierter Informationsverarbeitung und Informationsübermittlung. Operiert beispielsweise die Geschäftsleitung eines Unternehmens mit Halbjahres-Bilanzen als Grundlage der Entscheidungs- und Planungsprozesse, dann unterliegen die Bilanzinformationen in Abhängigkeit von der Zeit einem Veralterungsprozeß.7

Distanz

μ\ /

V-

/

/

/

/

/

/

/

/

t,

/

/

/

/

/

/

/

2

/

/

/

/

/

Λ

•t

Abb. 5. Zyklische Distanzen

Trägt man gemäß Abb. 5 auf der Ordinate die Distanz ein, so ergibt sich in Abhängigkeit von der Zeit eine „sägezahnförmige" Kurve, die als aktuelles Wissen über den Realprozeß interpretiert werden kann: Zum Zeitpunkt t 0 besteht Identität zwischen Real- und Informationsprozeß: Die Bilanzinformationen stimmen mit den realen Gegebenheiten des Unternehmens überein, 8 d. h. die Distanz beträgt Null. Unter der Voraussetzung einer dynamischen Weiterentwicklung der Realprozesse ist die Konfidenz zum Zeitpunkt ti-/it am geringsten: Die Informationen des Zeitpunktes t 0 sind nicht mehr repräsentativ für den Zeitpunkt t a , die Distanz weist ein relatives Maximum auf, oder: eine „echte" Abbildung des Realprozesses ist ausgeschlossen. Das Ergebnis ist als mangelndes Wissen des Entscheidungsträgers über den Realprozeß zu interpretieren. 7

In diesem Zusammenhang wird auch oft von der sog. „Halbwertszeit des Wissens" gesprochen. Dieser Begriff ist allerdings nicht korrekt, da bei der Halbwertszeit ein stetiger exponentieller Verfall der Ausgangsmaterie vorliegt. 8 Die Zeit für die Bilanzerstellung wird hier außer Acht gelassen.

28

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Wir haben damit zunächst isolierend das Problem der zeitlichen Distanz dargestellt. Ein weiterer Tatbestand ist in diesem Zusammenhang zu betrachten: Das Problem der sachlichen Distanz, die als Fehlinterpretation der Realität durch unvollkommene oder fehlerhafte Informationsverarbeitungsprozesse zustande kommt. Der Informationsempfänger erhält in diesem Falle ein Abbild über die Realität, das dieser nicht entspricht. Hieraus folgt als notwendige Maßnahme die Verbesserung der Informationsleistung. (2) Die Abbildung einer „gedachten" Realsphäre durch Informationen bzw. durch ein Informationssystem In diesem Falle handelt es sich vorwiegend um Planungsprozesse resp. Prognosen; eine Realität an sich liegt noch nicht vor, sondern lediglich Hypothesen über reale Phänomene der Zukunft. Es handelt sich um die Reproduktion eines „fiktiven" Geschehens der Realsphäre in Form von Informationen. Der Vorgang ist prozessual wie folgt als Phasenschema erklärbar: a) Zum Zeitpunkt t 0 wird eine Prognose (ein Plan) über die Entwicklung eines Realprozesses aufgestellt. Diese Prognose beschreibt in Form von Informationen die gedachte (erwartete, geplante) Entwicklung. b) Bei allen Zeitpunkten > t 0 können nunmehr tatsächliche (zeitliche/sachliche) Distanzen auftreten: Sofern sich die Realität entgegen den Erwartungen entwickelt, entstehen Distanzen zwischen dem Realprozeß und dem bereits vorliegenden Informationsprozeß. Der Informationsprozeß ist in diesem Fall dem Realprozeß vorgeschaltet. Die Maßnahmen zur Reduzierung der Distanzen lauten: Beeinflussung der Realsphäre und/oder Veränderung (Anpassung) der vorliegenden Informationen. In diesem Falle sprechen wir von einer informationellen Distanz", um dadurch darauf hinzuweisen, daß es sich um ein Distanzenproblem zwischen prognostischer und faktischer Information handelt. (3) Die Abbildung gedanklicher Vorstellungen durch Informationen bzw. durch ein Informationssystem Hierbei handelt es sich um das Problem einer informationellen Darstellung von Werten, Zielen und Wünschen eines Individuums, sowie um Prognosen, die ein Aktor von zukünftigen Wirkungszusammenhängen besitzt. Man bezeichnet derartige Vorstellungen auch als implizite Modelle des Systembenutzers; die explizite Darlegung dieser „inneren Modellstruktur" ist als äußerst problematisch zu betrachten, da hierbei Verhaltensformen und subjektive Eigenschaften eine bedeutsame Rolle spielen. Modellartig läßt

1.3 Der Begriff des Informationssystems

29

sich ableiten, daß das Individuum eine bestimmte Vorstellung über die Realität (i. e. seine „Umwelt") hegt und diese teils bewußt, teils unbewußt (im Sinne eines bestimmten Verhaltens) in seinen Handlungen äußert. Witte hat beispielsweise nachgewiesen, daß das Modell eines „homo informaticus", das eine eindeutige Beziehung zwischen der Güte einer Entscheidung und der Güte einer Information konstatiert, nicht aufrechterhalten werden kann [200], Vielmehr sind in den Prozeß der Informationsverarbeitung durch ein Individuum Prozesse eingelagert, die nur durch heuristische Iterationen näherungsweise bestimmbar sind [58], Informationen, die Aussagen über derartige implizite Modelle eines Individuums darstellen, haben demnach den Charakter von Hypothesen, die durch empirische Forschungen verifizierbar bzw. falsifizierbar sind. Die Überprüfung bleibt insofern problematisch, als nicht davon ausgegangen werden kann, daß das Individuum in der Lage ist, seine Vorstellungen und Verhaltensweisen explizit zu artikulieren. Allerdings finden die Zielvorstellungen und Bewertungen (Risikoeinschätzungen) ihren Niederschlag in betrieblichen und unternehmerischen Plänen, so daß formuliert werden kann: Sofern Bestandteile der impliziten Modelle (Bewertungen, Normen, Ziele, Risiken) als Pläne bzw. als Zielkonzeptionen des Unternehmens definiert werden, reduziert sich das Problem der informationellen Abbildung auf den Tatbestand der „informationellen Distanz". Die Divergenz zwischen impliziter Modellstruktur und explizit formuliertem Modell nennen wir „kognitive Distanz". Die potentielle Möglichkeit der Verursachung von Distanzen durch die informationelle Abbildung führt zuRisiken der Entscheidung [196]. Eine Reduzierung dieser Risiken ist möglich durch: a) Aufbau von Puffern Puffer üben die Funktionen von Sicherheitsfaktoren aus: Die Bestimmung eines Sicherheitsbestandes am Lager überbrückt die durch die informationelle Distanz bedingte Aufgabenunsicherheit bezüglich der Entwicklung des Lagerbestandes. b) Effizienzsteigerung des Informationssystems Die Zielsetzung besteht in diesem Fall in einer Verringerung der zeitlichen, sachlichen und informationellen Distanzen (im letzteren Fall durch den Einsatz verbesserter Methoden der Informationsverarbeitung) durch die Benutzung des informationstechnologischen Potentials (ζ. B. durch den Aufbau sog. Real-Time-Systeme). Die dadurch erzielbare Verringerung der Dispositionsunsicherheit (i. e. Risiko der Fehlentscheidung) kann im Grenzfall dazu führen, daß eine „Disposition" durch

30

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Aufgabenträger überflüssig wird (ζ. B. Prozeßsteuerung einer Fertigungsstraße). Beispiele - Bedarfssteuerung einer verbrauchsorientierten Fertigung mit den Teil-Anwendungen Bedarfsprognose, Stücklistenauflösung, Ermittlung optimaler Bestell- und Fertigungslose, Bestandsführung, Terminierung und Bestellung. In diesem Fall ist unter der Voraussetzung der Strukturiertheit aller Teilprozesse ein Disponieren im Sinne einer durch Aufgabenträger bewirkten Beeinflussung des Realprozesses nicht mehr erforderlich (automatische Bestandsführung). - Kapazitätsplanung und Fertigungssteuerung: Eine optimale Maschinenbelegung, Bandabstimmung und Kapazitätsbelegung schränkt die ursprüngliche Dispositionsfreiheit des „Meisters" ein. - Numerisch gesteuerte Werkzeugmaschine: Der Bediener (Aufgabenträger) hat lediglich Überwachungs-, nicht aber Dispositionsfunktionen. Es liegt Identität zwischen Informationsprozeß (auf Lochband codierte SteuerungsInformationen) und Realprozeß (Bearbeitung von Werkstücken) vor.

Sowohl Puffer als auch Informationssysteme sind kostenintensiv. Soll aus organisatorischen und/oder ökonomischen Zwängen heraus die Dispositionsunsicherheit (und damit das Risiko) reduziert werden, dann sind Puffer- und/oder Informationsleistungen zu erhöhen. Betrachtet man die unterschiedlichen Distanzen, dann ist folgende Differenzierung erforderlich: a) Zeitliche Distanzen Zeitliche Distanzen führen in der Regel zu verspäteten Entscheidungen. In Abhängigkeit von Kosten und Risikobereitschaft sind daher Puffer und Informationsleistungen zu erhöhen. b) Sachliche Distanzen Hierbei sind die Informationsleistungen zu erhöhen, da offensichtlich Fehlleistungen des Informationssystems vorliegen. c) Informationelle Distanzen Hierbei sind primär die Informationsleistungen zu erhöhen, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einmal durch den Einsatz von Methoden zur verbesserten Verarbeitung des Informationsmaterials und zum anderen Methoden der Erfassung und Verarbeitung faktischer Informationen. Zugleich ist eine Beschleunigung des Informationsverarbeitungsprozesses erforderlich, um möglichst schnell Anpassungsentscheidungen und Plankorrekturen durchzuführen.

1.3 Der Begriff des Informationssystems

31

d) Kognitive Distanzen: Hierbei sind primär die methodischen Probleme der Darstellung und Quantifizierung der individuellen Verhaltensweisen und der sie kennzeichnenden Informationen zu lösen: Informationsbedarfsanalysen als Hilfsmittel der Beschreibung und Erfassung individueller Informationswünsche. Zwischen Pufferleistung und Informationsleistung besteht bezüglich der zeitlichen und informationellen Distanzen grundsätzlich eine Substituierbarkeit. Bei gegebener Risikobereitschaft werden die Kosten beider Leistungen zum Entscheidungsparameter für die Auswahl. Es kann als eine bisher ungelöste Fragestellung sowohl der angewandten Informatik wie auch der Betriebswirtschaftslehre angesehen werden, daß Kriterien, Bewertungsmaßstäbe und Gesetze der Substitution von Pufferleistungen durch Informationsleistungen noch nicht erarbeitet sind. Theoretisch gilt folgender Zusammenhang, der allerdings noch empirischer Absicherung bedarf: Kosten Informationsleistung

Puffer

„ , Distanz

Abb. 6. Puffer- und Informationsleistung In den Schnittpunkten x t und x 2 besteht prinzipiell eine Substituierbarkeit, da hier bei gleichen Distanzen gleiche Kosten sowohl für die Pufferleistung als auch für die Informationsleistung auftreten. Der Bereich S kennzeichnet den Präferenzbereich für eine Steigerung der Informationsleistung.

Daraus läßt sich dieser Grundsatz für die Substitution von Pufferleistung durch Informationsleistung ableiten:

32

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Sofern eine Substituierbarkeit zwischen Puffer und Informationsleistung nachweisbar ist, wird man bei gleicher Distanz die kostengünstigere Lösung, bei gleichen Kosten die Lösung mit der geringeren Distanz realisieren.

1.3.3 Architektur des Informationssystems Unter Architektur verstehen wir die Gliederung des Informationssystems (Segmentierung) in logisch abgrenzbare Teilsysteme. Da das Informationssystem als Abbildung des realen Systems Unternehmung interpretiert wird, orientiert sich die Segmentierung an Strukturierungs-Parametern, die ihren Ursprung im realen System haben. Die Notwendigkeit einer Segmentierung ist primär gestaltungspragmatisch bedingt: Die technologische und organisatorische Unmöglichkeit der Gestaltung eines „totalen" Informationssystems zwingt zu einer modularen Struktur des Gesamtinformationssystems, um eine schrittweise Realisierung, die sich an den unternehmensindividuellen Zielsetzungen orientiert, zu ermöglichen. Für die Segmentierung des Gesamtinformationssystems sind folgende Strukturierungsparameter („Dimensionen") praktikabel: a) Unternehmensfunktionen Betrachtet man die Hauptaufgaben der realwirtschaftlichen Transformationsprozesse und der sie steuernden Hilfsprozesse, so lassen sich bestimmte, typische Grundfunktionen erkennen. Funktionen stellen dabei im Sinne der Organisationslehre Teilbereiche des Unternehmens dar, denen jeweils spezifische, eindeutig definierbare Aufgaben im Rahmen der Zielfunktion des Unternehmens zugeordnet sind. Diese Aufgaben resultieren in der Regel aus der Verantwortung für ein spezielles Unternehmens-Objekt (Kapital, Produkte, Sachmittel, Märkte, Methoden). Abb. 7 gibt einen Uberblick über diese Grundfunktionen, die im Rahmen einer industriellen Unternehmung nachweisbar sind. b) Strukturorganisatorischer Aufbau Ausgehend vor der durch komplexe Aufgabenstellungen bedingten Arbeitsteilung hat jedes Unternehmen eine hierarchische Ordnung, die zugleich Ausdruck institutionalisierter Macht- und Kompetenzverhältnisse ist. Prinzipiell unterscheidet man in der „Management-Lehre" folgende Ebenen hierarchischer Ordnung:

1.3 Der Begriff des Informationssystems

33

- Strategisches Management: Die Primäraufgaben bestehen in der Zieldefinition, der Planung und Kontrolle des Gesamtunternehmens. - Taktisches Management: Die Primäraufgaben bestehen in der mittelfristigen Zieldefinition, Planung und Kontrolle innerhalb eines definierten, begrenzten Unternehmensbereiches, der mit einer Funktion identisch sein kann. Darüber hinaus befaßt sich das taktische Management im Gegensatz zum strategischen Management vorwiegend mit Detailfragen (z.B. Budgetierung) der unternehmerischen Pläne. - Operierendes Management: Die Primäraufgaben bestehen in der Steuerung und Überwachung operativer Teilprozesse (Einzelaufgaben) im Rahmen einer Funktion. Die Tätigkeiten sind vorwiegend kurzfristiger Natur und repetitiv. c) Regelungstechnische Aktivitäten Der Regelkreis ist ein Analogmodell zur Darstellung typischer betrieblicher und unternehmerischer Aktivitäten. Abb. 8 zeigt, daß die im Kommu-

Funktion

Aufgaben

Unternehmensleitung

Festlegung und Kontrolle der Unternehmensziele, langfristige (strategische) Planung

Forschung und Entwicklung

„Produkt-Entdeckung" (product innovation), Entwurf eines technisch realisierbaren und marktfähigen „Produktes"

Technik

Vorbereitung der Produktionsprozesse und der Produktionsanlagen

Beschaffung

Bereitstellung von Produktionsmitteln

Produktion

Leistungserstellung

Personal

Quantitative und qualitative Bereitstellung, wicklung und Steuerung des Personals

Finanzen

Bereitstellung, Verwaltung, Steuerung und Kontrolle der den Unternehmenszwecken entsprechenden finanziellen Mittel

Organisation

Strukturierung der Leistungskomponenten, Aufbauund Ablauforganisation, Informationsverarbeitung

Vertrieb

Vermarktung der produzierten Leistungen Abb. 7. Unternehmensfunktionen und deren primäre Aufgaben

Ent-

34

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

nikationsprozeß anfallende Informationsverarbeitung in die vier Aktivitäten - Planung - Steuerung - Realisierung - Kontrolle eingeteilt werden kann. Die Planungsfunktion umfaßt alle Aufgaben, die sich mit der Zielfindung, der Erarbeitung und Bewertung von Alternativen, Entscheidungen und Plänen befassen. Das Ergebnis der Planung sind Plangrößen. OieSteuerungsfunktion umfaßt alle Aufgaben, die operative Größen für die unmittelbare Beeinflussung der betrieblichen Prozesse und Personen erzeugen. Operative Größen können durch eine Zerlegung von Plangrößen

Abb. 8. Die Zuordnung von Aufgaben zu regelungstechnischen Aktivitäten

1.3 Der Begriff des Informationssystems

35

Hierarchie

oder als Ergebnis von Kontrollvorgängen entstehen. Eine typische Aufgabe im Rahmen der Steuerungsfunktion stellt die Budgetierung dar. Die Realisierungsfunktion umfaßt alle Aufgaben, die im Zusammenhang mit dem Vollzug der durch die Plan- und Steuerungsgrößen bestimmten Aufgabenstellungen stehen. Das Ergebnis der Realisierungsaufgaben sind Regelgrößen. Typische Aufgaben sind ζ. B. Bestandsverwaltung, Buchungen, Abrechnungen, Lagerentnahme usw. Die Kontrollfunktion bezieht sich auf alle Aufgaben, die sich mit der Kontrolle, Analyse und Überwachung der Realprozesse beziehen. Typische Kontrollfunktionen stellen die Arbeiten der Revision dar. In Abb. 8 ist der Zusammenhang zwischen den regelungstechnischen Aktivitäten und den ihnen zuzuordnenden betrieblichen Aufgaben dargestellt. Das regelungstechnische Aktivitätenschema erweist sich somit als ein Ordnungs- und Klassifizierungsschema betrieblicher und unternehmerischer Aufgaben und Tätigkeiten. Unternehmensfunktion, hierarchische Ebene und regelungstechnische Aktivität bilden die Dimensionen des Informationssystems (Abb. 9). Ein Segment ist nach diesem Schema als eine Untermenge von Aufgaben definiert, die sich entsprechend dem Zweck (Planung, Steuerung, Realisierung, Kontrolle), der organisatorischen Zuordnung und der Unternehmungsfunktion gegenüber anderen Aufgaben bzw. Untermengen von Aufgaben eindeutig abgrenzen läßt. Damit soll dem Prinzip einer schrittweisen Realisierung eines Gesamtinformationssystems Rechnung getragen werden, die sich an einheitlichen und relativ konstanten Bedingungen und Gliederungsmerkmalen orientiert. Ordnet man den Aktivitäten jene Objekte zu, die Gegenstände der unternehmerischen und betrieblichen Aufgaben sind, dann führt dies zu einer Verfeinerung der Gliederungsmöglichkeiten eines Informationssystems.

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmet!

36

Funktion

Aktivität

Objekt /Geld Personen Organisation Sachmittel Produkte s Marktbeziehg.

Vertriebskosten-Planung Vertreter-Einsatz-Planung Vertriebsorganisationsplanung Fuhrpark-Ersatzmittelplanung Sortiment-Planung Potentialplanung

/Geld Personen Organisation Sachmittel ^-Produkte s Marktbeziehg.

Vertriebskosten-Vorgabe Montage-Personal-Steuerung Werbeaktions-Steuerung Ausstellungsraumbelegung Versandsteuerung Kundenseminare

/Planung

/Steuerung

Anwendungs-Beispiel

Vertrieb^

Realisierung^

^Geld ^Personen -Organisation -Sachmittel ^Produkte s Marktbeziehg.

Rechnungs-Schreibung Vertreter-Berichts-Schreibung Geschäftsstellen-Aufbau Packmittel-Bereitstellung Auftragsbearbeitung Kundenberatung

Kontrolle

,Geld Personen Organisation Sachmittel Produkte Marktbeziehg.

Umsatzkontrolle Vertreter-Erfolgskontrolle Organisations-Analyse Fuhrpark-Auslastungskontrolle Sortiments-Analyse Marktanalyse

\

Abb. 10. Gliederungsschema betrieblicher Aufgaben entsprechend den Dimensionen des Informationssystems

Durch die Einführung der drei Dimensionen wird das Informationssystem prinzipiell beschreibbar. Alle Teilinformationssysteme des Unternehmens stellen eine Menge der Mächtigkeit Ν dar: I { I ( h . F . A , } I = N

Es lassen sich Untermengen entsprechend den Dimensionen bilden: {I(Fi)}£{I(H,F,A,}

Ein spezielles Teilinformationssystem ist beschrieben durch: {I(Hi, Fi, A-i)} e {I(H, F, A)} Η = Hierarchie, F = Funktion, A = Aktivität, I = Informationssystem.

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems

37

Ein Element (Teilinformationssystem) nennt man auch „Segmenttyp" oder „Anwendungsfamilie", um damit zum Ausdruck zu bringen, daß innerhalb eines Teilinformationssystems mehrere Aufgaben zu realisieren sind, die u. U. unterschiedliche lösungstechnische Varianten erfordern.

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzungen eines Management-Informationssystems 1.4.1 Abgrenzung und Definitionen Eine einheitlich akzeptierte Definition des Begriffes „Management-Informationssystem" ist trotz der umfangreichen Literatur über dieses Thema noch nicht erkennbar. Es kann jedoch festgestellt werden, daß eine prinzipielle Ubereinstimmung bezüglich der grundsätzlichen Aufgabenstellungen und Ziele derartiger Systeme besteht, da allgemein postuliert wird, daß das Management-Informationssystem (MIS) der Unterstützung des Entscheidungsprozesses der Führungskräfte eines Unternehmens dient. 9 Diese Zielsetzung ist allerdings sehr weit gesteckt und zahlreichen Interpretationen zugänglich. Für die Abgrenzung und Definition sind zwei Ansätze von Bedeutung: 1.4.1.1 Der organisatorisch-ganzheitliche Ansatz Hierbei wird das MIS als eine besondere „Eigenschaft" des soziotechnischen Systems Unternehmen interpretiert, nämlich als die generelle Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu transformieren und den Entscheidungsträgern zur Verfügung zu stellen. Das MIS ist demnach die Summe der informationsverarbeitenden Prozesse, soweit diese für die Entscheidungsprozesse des Unternehmens und seine Aufgabenträger relevante Informationen erstellen: „Unter einem MIS wird hier der gesamte Komplex verstanden, der immaterielle Objekte, also Informationen, erfaßt und transformiert und diese gewonnenen Informationen für die verschiedenen betrieblichen Zwecksetzungen verwendet. Das bedeutet, daß ein MIS alle Informationsprozesse bis hin zu den Lernprozessen beinhalten muß" [61, 9

Für die allgemeine Beschreibung des MIS siehe [183; 53; 50; 131; 144],

38

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

S. 64], Eine ähnliche Auffassung findet sich bei Szyperski: „Unter Management-Informationssystemen soll hier jede organisatorische und informationstechnische Ausprägung jener Systeme von Aktoren verstanden werden, die deskripitive Informationsaufgaben im Management-System eines zielgerichteten, soziotechnischen Umsystems erfüllen" [174, S. 28 und 95, S. 26]. Die Forderung, daß ein Informationssystem (hier: MIS) alle informationsverarbeitenden Prozesse eines Unternehmens umfassen muß, ist gleichbedeutend mit den Bemühungen um den Aufbau sogenannter „totaler" Systeme („total systems approach") im Sinne eines Maximalkriteriums der Organisation:" Das „Totalsystem" ist Ausdruck für das Bestreben der Verantwortlichen einer Unternehmung, das komplexe reale System über herausgehobene Gebilde- und Ablaufstrukturen mit Hilfe von Information und Kommunikation zu beherrschen, d. h. wunschgemäß zu planen, zu steuern und zu kontrollieren, es zumindest in seinen wesentlichsten Teilen „total" zu lenken"[182, S. 208], Der Ansatz des totalen Systems wird von einigen Autoren generell abgelehnt [95, S. 26]. Die Ursache für eine ablehnende Haltung ist allerdings primär aus pragmatischen Gründen, d. h. aus informationstechnologischen Gestaltungsproblemen verständlich, nicht aber aus methodologischen Gründen. Die bestehenden Kommunikationsschwierigkeiten beruhen auch auf der Tatsache, daß bei der Diskussion um das MIS primär die Leistungsfähigkeit des Informationssystems im Vordergrund steht, nicht aber die auf Begriff, die Funktion und das Wesen des Managements abgestellte Zielsetzung; m. a. W.: Die Benutzeraspekte werden weitgehend eliminiert, die Diskussion bezieht sich vorwiegend auf informationstechnologische Gestaltungsprinzipien. Daraus resultiert auch die bisweilen verwirrende Begriffsdefinition des Managements als „die Summe handelnder und entscheidender Aufgabenträger des Unternehmens". 1.4.1.2 Der Aspekt der Modularität im Management-Informationssystem Unter Modularität eines Informationssystems verstehen wir die Bildung von Teilsystemen. Die Notwendigkeit für die Definition von Teilsystemen resultiert vorwiegend aus gestaltungspragmatischen Gründen, die so charakterisiert werden können: a) Die Konstruktion eines Gesamtinformationssystems ist i. d. R. mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Dadurch besteht die Gefahr, daß sich während der Phasen der Entwicklung und Realisierung des Informationssystems die Realprozesse in ihrer Struktur so verändern, daß sich

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems

39

das Ergebnis der Gestaltungsbemühungen als nicht adäquat für die Steuerung derselben erweist: Das Risiko der Fehlentwicklung nimmt mit wachsender Zeitdauer der Gestaltung zu, so daß aus Gründen der Risikoverminderung eine „schrittweise" Realisation von Teilsystemen angestrebt wird. b) Die Bildung „kleinerer Einheiten" (Teilsysteme) führt zu einer besseren Kontrollierbarkeit der Entwicklungstätigkeiten. c) Die schrittweise Einführung eines Informationssystems schafft günstigere Voraussetzungen für die Schulung und Ausbildung der Systembenutzer und damit u. U. bessere Möglichkeiten für die Akzeptanz (der „Lernaufwand" kann reduziert werden). Die Bildung von Teilsystemen kann jedoch nicht willkürlich erfolgen; vielmehr sind bestimmte Kriterien und Anforderungen zu beachten, die wie folgt charakterisiert werden können: a) Aufgabenbezogenheit: Jede Abgrenzung eines Teilsystems muß weitgehend mit der Aufgabenstruktur der betreffenden Benutzer und/oder den praktizierten Prozessen übereinstimmen. b) Konsistenz: Die für die Abgrenzung von Teilsystemen benutzten Kriterien müssen langfristig gültig sein. Ihre Gültigkeit muß mindestens solange gewährleistet sein, bis das geplante Gesamtsystem, d. h. die Summe aller das Gesamtsystem bestimmenden Teilsysteme, realisiert ist. c) Neutralität: Die Abgrenzung von Teilsystemen erfolgt unabhängig von einem bestimmten Lösungskonzept und vom informationstechnologischen Potential (Hardware/Software). d) Integration: Die Β ildung von Teilinformationssystemen darf eine grundsätzliche Integrationsmöglichkeit nicht ausschließen. Dies folgt aus der Zielsetzung des Gesamtinformationssystems. Für die Abgrenzung und modulare Strukturierung des MIS ist zu prüfen, ob die Dimensionen des Informationssystems den o. g. Kriterien entsprechen und inwieweit zusätzliche Kriterien einzuführen sind. Dabei wird folgende Position eingenommen: These: Jedes formalisierte Informationssystem, das dispositive Prozesse des Managements unterstützt, ist seinem Wesen nach ein MIS. Dispositive Prozesse sind Bestandteil des Aufgabenprofils der Führungskräfte eines Unternehmens. Mithin ist das MIS im wesentlichen aus den Aufgaben, Funktionen, Verhaltensweisen und Anforderungen der Manager eines Unternehmens ableitbar. 10 10

Vergl. J. J. O'Brien [144, S. 7]: „MIS is of, by and for management."

40

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Entsprechend dieser These wäre demnach ein System, das Modelle verwaltet, erzeugt und verifiziert, nicht als ein MIS zu bezeichnen. Erst dann, wenn der Nachweis erbracht werden kann, daß das modell-orientierte System von den Führungskräften akzeptiert wird (.Akzeptanztheorem), benutzt (Utilisationstheorem) wird und mit deren Aufgaben übereinstimmt (Identitätstheorem), kann es den Charakter einer lösungstechnischen Komponente im Rahmen eines MIS einnehmen. Damit kann eine einseitige modell-orientierte Betrachtungsweise des MIS vermieden werden. Der hier vertretene aktionsanalytische Ansatz zielt darauf ab, ausgehend von einer Kenntnis des Verhaltens und der Funktionen der potentiellen Benutzer informationstechnologische, verhaltenspolitische und organisatorische Realisierungsstrategien des MIS abzuleiten. Man könnte diesen Standpunkt auch als implizites Vorgehen bezeichnen, im Gegensatz zu einer expliziten Betrachtungsweise, die dadurch gekennzeichnet ist, daß ausgehend von informationstechnologischen Gegebenheiten (z.B. Modellen, Methoden, Hardware, Software) die Eigenschaften und das Verhalten der Benutzer solange beeinflußt werden, bis Identität, Akzeptanz und Utilisation erreicht sind [Vergl. 118]. Entsprechend den Dimensionen des Informationssystems kann das MIS wie folgt abgegrenzt werden: a) Hierarchie Vom Standpunkt einer aktionsanalytischen Betrachtungsweise sind die Zielsetzungsträger und die Zielerreichungsträger eines Unternehmens als die potentiellen Benutzer eines MIS zu nennen. 11 Grundsätzlich handelt es sich dabei um den Personenkreis, der im Unternehmen - an der Aufstellung an der Zielkonzeption des Unternehmens beteiligt ist, - die Zielkonzeption des Unternehmens definiert und - die Verantwortung für die Realisation (Durchsetzung) der Zielkonzeption bzw. der Teilziele (Bereichsziele) trägt. Für die Wahl der der Zielkonzeption kommen die Unternehmensträger in Betracht [160, S. 127]. Die Zielkonzeption selbst ist Gegenstand umfangreicher Planung (Entscheidungsvorbereitung), um entsprechend den organisatorischen Regelungen des Unternehmens und der sich arbeitsteilig vollziehenden Realisation Bereichsziele zu definieren, die an nachgeordnete Instanzen zum Zwecke der Entscheidungsdurchführung delegiert werden [160, S. 148], 11

Zur Abgrenzung und Charakterisierung von Zielsetzungs- und Zielerreichungsträgern siehe [160, S. 138, S. 151].

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems

41

b) Funktion Die funktionale Gliederung des MIS orientiert sich an den auf Seite 33 dargestellten Grundfunktionen des Unternehmens; dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß auf der Ebene des Top Managements ein Zwang zur Integration beobachtbar ist (z.B. Konferenzentscheidungen), die durch den Austausch von sogenannten Querschnitts-Informationen gekennzeichnet ist. Daraus lassen sich zwei Typen des MIS ableiten: (1) Dezentralisierte Systeme: In diesem Falle ist das MIS entsprechend Funktionen des Unternehmens aufgebaut. Beispiel: MIS des Vertriebs, MIS der Produktionsbereiche usw. (2) Zentralisierte Systeme: Diese Systeme nehmen gesamtbetriebliche Aufgabenstellungen wahr; z.B.: Wachstumsmodelle des Unternehmens, Investitionsmodelle, langfristige Planungsprozesse. Bei derartigen Prozessen ist Koordination erforderlich, und zwar sowohl bzüglich der Benutzer als auch bezüglich der formalen Struktur und des Inhalts der Modelle. c) Aktivität Unter „Aktivität" wird im folgenden die Summe der Tätigkeit verstanden, die als repräsentativ für das Management eines Unternehmens gelten. Der Management-Prozeß kann als ein komplexer, mehrstufiger Informationsprozeß dargestellt werden: „Dabei dürfte es allgemein unstrittig sein, daß Informationen und Informationsprozesse Kernbestandteile und -probleme des Managements bilden: Ohne Information ist Management undenkbar'^ 192, S. 1], Dieser Informationsprozeß besteht - analog dem Transformationsprozeß der realwirtschaftlichen Sphäre - aus den Komponenten („Phasen") der Informationsbeschaffung (Informationsaufnahme), der Informationsverarbeitung (Transformation, Veredelung, Umwandlung) gemäß den expliziten und impliziten Modellen und Normen und aus dem „Informationsabsatz", d.h. der bewußten Steuerung des Produktes bzw. der Leistung der Verarbeitungsprozesse an die „Informationskonsumenten". Diese informationstechnisch erklärbare Aufgabe des Management-Prozesses wird durch Kommunikation bewältigt. Diese Informationsprozesse lassen sich nach den regelungstechnischen Aktivitäten klassifizieren in: • Planungsprozesse Verarbeitung von Basisinformationen zum Zwecke der Prognose, Entscheidungsvorbereitung und Mittelplanung.

42

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

• Steuerungsprozesse Verarbeitung von Informationen mit dem Ziel der Systembeeinflussung. • Kontrollprozesse Verarbeitung und Aufbereitung von Informationen für die Kontrolle der Realprozesse. Unter Beachtung der bisher abgeleiteten Merkmale und Kriterien läßt sich das MIS gegenüber operativen Informationssystemen wie folgt abgrenzen: Das MIS ist ein aufgabenspezifisches Teilinformationssystem, das seine Zwecksetzung aus der spezifischen Aufgabenstruktur der Anwender ableitet. Als Anwender gelten die Zielsetzungs- und Zielerreichungsträger des Unternehmens und ihre Stabsstellen, wobei es weitgehend eine Frage der Praktikabilität, der Flexibilität und des finanziellen Risikos (Realisierungsaspekt) ist, wie weit dabei der Kreis des Managements zu definieren ist. Die Unterstützung des Managements durch den Einsatz von Methoden und Systemen der Datenverarbeitung bezieht sich dabei grundsätzlich auf folgende Tatbestände: a) Informationsbereitstellung entsprechend den Notwendigkeiten der Empfänger. b) Automation strukturierter Prozesse (Einsatz von Modellen). c) Unterstützung bei der Entscheidungsvorbereitung durch - vereinfachte Informationssuche, - Einsatz mathematisch-statistischer Methoden, - Vereinfachung („Entflechtung") ineffizienter Kommunikationsnetze. Das MIS kann in mehrere Teilinformationssysteme gegliedert werden. Es besteht aus funktional abgegrenzten Teilsystemen, die ihrerseits wieder in aktivitätenorientierte (aufgabenspezifische) Systeme aufgeteilt werden können. Folgende Definition ist ableitbar: Ein MIS ist ein durch datentechnische Lösungskomponenten unterstütztes, mehrfach gegliedertes Informationssystem des Unternehmens, das interne und externe Informations- und Kommunikationsaufgaben dahingehend gestaltet, daß den Zielsetzungs- und Zielerreichungsträgern die für die Durchführung ihrer Aufgaben benötigte mehrdimensionale Informationsstruktur zur Verfügung gestellt wird.

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems

43

Die Mehrdimensionalität der Information umfaßt dabei: Zeitbezogenheit, Aktualität und Rechtzeitigkeit, formale Eindeutigkeit, quantitative und qualitative Optimierung, Beachtung des Informationsnutzens im Verhältnis zu den Informationskosten, Aufgabenbezogenheit, Bedarfsgerechtigkeit und Sicherheit der Informationen. Mit der obigen Definition wird implizite unterstellt, daß die Aufgabenstruktur und die Informations- und Kommunikationsstrukturen der Benutzer hinreichend bekannt sind — eine Voraussetzung, die zunächst als spekulativ bezeichnet werden muß, solange nicht analytische und empirische Untersuchungen ein genaues Bild über den Informationsbedarf der jeweiligen Benutzer erbracht haben.

1.4.2 Die Aufgaben- und Informationscharakteristik der MIS-Benutzer Als Benutzer des MIS haben wir die Zielsetzungs- und Zielerreichungsträger des Unternehmens gekennzeichnet. Dieser Benutzerkreis kann durch die Aufgabenstellungen, die für ihn als repräsentativ gelten, bzw. durch eine besondere Art der Aufgabenerfüllung beschrieben werden. Die Aufgabenstuktur, die als typisch für Führungskräfte angesehen wird, ist in der Literatur nicht einheitlich bestimmt. Übereinstimmend werden allerdings die Aufgaben „Zielbildung", „Problemlösung", „Planung" und „Entscheidung" als Bestandteile bzw. als Phasen des Führungsprozesses genannt. 1 2 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Tatsache der Entscheidung, Planung, Problemlösung etc. keine hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer Management-Aufgabe bzw. Management-Funktion im Rahmen des Unternehmens darstellt. Die Phasen des Entscheidungsprozesses sind in nahezu allen Bereichen menschlichen Handelns nachweisbar und stellen letzten Endes ein Modell für die Erklärung bewußten Handelns eines Individuums dar. Die Besonderheiten einer Management-Aufgabe resultieren vielmehr aus folgenden Tatbeständen: a) Eine Management-Entscheidung wird jeweils im Rahmen einer spezifischen Organisation - d. h. in der Institution Unternehmung bzw. in der Verwaltung - realisiert. Sie ist daher stets unter den organisatorischen 12

Diese Aufgaben werden oft als Phasenschema des Führungsprozesses dargestellt. Siehe [192; 91, S. 70ff. u. die dort zitierte Literatur],

44

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Bedingungen dieser Einheit zu betrachten, wobei die Einflußmöglichkeiten und die Bedeutung externer Entscheidungsträger (i.e. Grad der Fremdentscheidung) mit zu berücksichtigen ist. Dabei ist die Phase der Entscheidungsvorbereitung von der Phase der Entscheidung zu unterscheiden: Die Entscheidungsvorbereitung stellt in der Regel einen intraoder interpersonellen Kompromiß dar, während die eigentliche Entscheidung einen Wahl- oder Willensakt der Unternehmensträger bedeutet [160, S. 127], b) Management-Entscheidungen sind mit einem hohen Maß an Verantwortung verbunden; diese resultiert aus den Kompetenzen, die Führungskräfte innerhalb einer Organisation besitzen und die sich als potentielle Verfügungsgewalt über Menschen, Kapital und Sachmittel definieren läßt. c) Eine Management-Entscheidung hat integrierenden Charakter, d. h. sie ist nicht auf isolierende Einzelsituationen beschränkt. Verschiedene Informationen aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens und aus den Umsystemen sind zu erfassen und zu bewerten. Daraus resultiert die Notwendigkeit für eine weitgefächerte Informationsstruktur bei gleichzeitiger Konsolidierungsmöglichkeit der Basisinformationen. d) Eine Management-Entscheidung ist teilweise novativer Natur 13 , d.h. es handelt sich z.T. nicht um sich wiederholende Entscheidungsprobleme. Sie ist insofern von der Routine-Entscheidung abgrenzbar. Daraus folgt eine erhöhte Anforderung an spezielle Methoden der Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung (man vergl. hierzu den Begriff der Methodenbank). Als konkrete Aufgaben für die Unternehmensträger sind zu nennen: (1) Setzen der Zielkonzeption: a) Auswahl von Unternehmungszielen. b) Berücksichtigung von staatlichen Auflagen, die die Zielkonzeption beeinflussen. c) Gewichtung und Ordnung der Unternehmungsziele Cj) Auflösung von Zielkonflikten Cj) Definition einer Rangordnung der Ziele (2) Koordination der durch die verschiedenen Interessenlagen der Unternehmensträger möglichen Konflikte. 13

Wir sprechen hier bewußt von „teilweise" novativ, da sich der Prozess der Entscheidungbildung i. d. R. innerhalb institutionalisierter Rahmenbedingungen abspielt und bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt; z.B. Planungsperioden, Planungs-Objekte, Verantwortungsbereiche und Arbeitsteilung.

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems

45

(3) Durchsetzung der Zielkonzeption [161]. Als weitere Aufgabe ist u. E. die Kontrolle des Zielerreichungsgrades anzuführen. Für die Erfüllung dieser Aufgaben sind Informationen erforderlich: „Um ihre Ziele zu erreichen, müssen alle Elemente (Stellen, Abteilungen, Divisions etc.) eine bedarfsgerechte Informationsversorgung erfahren, und zwar möglichst in der Weise, daß Risiken und Chancen besser und früher erkannt, adäquater beurteilt und durch entsprechende Strategien (Entscheidungen, Pläne, Programme) wirksamer vermieden bzw. genutzt werden können" [196, S. 681], Die für die Erfüllung der o. g. Aufgaben erforderlichen Informationen weisen folgende Eigenschaften auf: Es handelt sich i. d. R. um verdichtete, repräsentative externe und interne Informationen; es besteht eine Dominanz prognostischer Informationen; es handelt sich um Querschnittsinformationen mit hohem Informationsgehalt. Der Zusammenhang zwischen Informations- und Dispositionscharakteristik ist in Abb. 11 dargestellt. Aus Abb. 11 lassen sich wesentliche Kriterien für die Bestimmung des Informationsbedarfs von Führungskräften ableiten: a) Die Aufgabenstruktur und die für die Durchführung der Aufgaben notwendigen Informationen. Informationscharakteristik

Dispositionscharakteristik

Repräsentative externe und interne Informationen; Querschnittsinformationen, ad-hocInformationsbedarf

Zielsetzung, Planung, Organisation, Motivation, Kontrolle; integrierte und langfristig wirksame Prozesse Problem- und Konfliktlösung

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Objektgebundene, funktionstypische Steuerungs- und Kontrollinformat.

Τ

Massendaten über die betrieblichen Prozesse

Τ

Repetitive Einzelinformat.

•1 Funktionale Orientierung, mittelfristige Planung und Kontrolle der Ressourcen

1 Begrenzter Entscheidungsspielraum, Einzelfälle, vollzugs-orientiert ι Operation mit Einzelereignissen

Abb. 11. Informations- und Dispostionscharakteristik der Management-Ebenen

46

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

b) Die Organisationsstruktur des Unternehmens, d.h. der Instanzenaufbau und die sich im Rahmen dieser Struktur abspielenden Kommunikationsprozesse. c) Das Verhalten der den einzelnen Ebenen zuzuordnenden Personen. d) Die Struktur der Problemlösungsprozesse, die von diesen Personen durchgeführt werden.

1.4.3 Der instrumentale Charakter des MIS Der instrumentale Charakter des MIS ist dadurch gekennzeichnet, daß das MIS ein Instrument darstellt, das die Unternehmensträger und ihre Stabsstellen benutzen, um ihre Ziele sicherer zu erreichen, mögliche Chancen besser zu nutzen und um Risiken zu vermeiden bzw. besser abschätzen zu können. Wild unterscheidet zwischen sachlich/personellen Gesichtspunkten des MIS, die sich primär auf die Verbesserung des Informationsstandes beziehen und zwischen zeitlichen Gesichtspunkten, die auf die Funktionen (Aufgaben) des Managers abzielen (Entscheidung, Planung, Kontrolle, Kommunikation) [196, S. 688]. Die w.o. dargestellten Aufgaben der MIS-Benutzer bilden die Grundlage für die Ableitung von Funktionsanforderungen, die von Benutzern an ein MIS gestellt werden. Die generelle Funktionsanforderung resultiert aus dem instrumentalen Charakter des MIS, indem gefordert wird, daß das MIS bei der Aufgabenerfüllung unterstützend wirksam wird. Ausgehend von den Management-Aufgaben kann für die Darstellung der Funktionsanforderungen die Ubersicht (Abb. I I a ) benutzt werden. Die Funktionsanforderungen an das MIS lassen sich in einen Zielkatalog umformen; dabei gilt grundsätzlich, daß das MIS als Mittel zur Erreichung der von den Zielsetzungsträgern definierten Ziele benutzt wird (Instrumentalfuktion des MIS). Bei der Aufstellung eines Zielkatalogs stellt sich das Problem, die w. o. genannten Funktionsanforderungen in operationale Ziele umzuformen. Die Forderung nach Operationalität der mit Hilfe eines MIS zu erreichenden Ziele ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: a) Ein operationalisierter Zielkatalog bildet die Grundlage für die Gestaltung und für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit (Nutzen der Zielerreichung im Verhältnis zum Aufwand für die Realisierung der Systems). b) Operationale Ziele bilden die Basis für die Steuerung und Kontrolle der Realisationsbemühungen. Die generellen Zielsetzungen des MIS sind in der „besseren Informations-

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems

MANAGEMENTAUFGABE

BESCHREIBUNG (BEISPIELE)

FUNKTIONSANFORDERUNG AN DAS MIS

Definition der Zielkonzeption des Unternehmens

Bestimmung einer Rangordnung der Ziele.Präzisierung von bereichsbezogenen Zielkonzeptionen.

Feasibility-Studien, statistische Auswertungen faktischer Informationen, Simulationen und Trendanalysen.

Entscheidung

Auswahl einer optimalen Alternative.

Simulation und Prognose der Auswirkungen.

Planung

Ausgehend von den Zielen werden Unternehmenspläne erstellt und diese in funktionale Teilpläne zerlegt.

Planerstellung durch Verarbeitung der Basisinformationen, Integration von Teilplänen zu Gesamtplänen.

Koordination der durch verschiedene Interessenlagen möglichen Konflikte. Lösung von Problemen und Konflikten.

Probleme und Konflikte entstehen durch: a) Unvereinbarkeit der Ziele und Pläne mit der Wirklichkeit - Durch falsche Hypothesen - durch novative, nicht prognostizierbare Ereignisse. b) Unvereinbarkeit der Präferenzen, Normen und Werte der Willensträger in der Organisation.

Aufbereitung und Verarbeitung von repräsentativen faktischen Informationen zu Prognosen. Ermittlung von Alternativen und Strategien der der Entscheidung. Analyse und Prognose des Risikos alternativer Entscheidungen in ihrer Auswirkung auf potentiell mögliche Konflikte.

Organisation

Schaffung der organisatorischen Voraussetzunfür die Realisierung der Entscheidungen und den Vollzug der Pläne.

Verbesserung der Kommunikation in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht.

Kontrolle

Messung der Ergebnisse an den Zielen und Plänen. Bewertung und Analyse der Planabweichungen.

Sensitivitätsanalysen, „Exceptional-Reporting", Früh-Warn-Systeme und Signalsysteme.

Repräsentation

Vertretung des UnterSpeicherung und Aufbenehmens nach außen, ζ. B. reitung interner und Hearings, Mitgliedschaften externer Informationen. Abb. IIa. Funktionsanforderungen an ein MIS

47

48

1. Systemforschung und Informationssystem im Unternehmen

Versorgung", in der „Entscheidungsunterstützung" und in der „Verbesserung der Kommunikation" zu sehen. Diese Ziele sind in dieser Formulierung als nicht operabel zu bezeichnen, so daß sich die Notwendigkeit ergibt, Operationalitätsbedingungen zu definieren, die eine Messung der Ziele bzw. des Zielerreichungsgrades zulassen. Nach Schmidt sind für die Operationalisierung von Zielen folgende Bedingungen zu erfüllen [160, S. 124 f.]: a) Verfolgbarkeit: Die Ziele müssen durch die Unternehmung überhaupt verfolgbar, d. h. erfüllbar sein. Die Forderung nach Verfolgbarkeit bezieht sich dabei auf die Zielerreichungsentscheidungen und dabei insbesondere auf die Wahl der einzusetzenden Mittel. Das bedeutet, daß die Ziele stets im konkreten Bezug zum verfügbaren und ökonomisch nutzbaren Instrumentarium ihrer Realisation zu bestimmen sind. b) Meßbarkeit: „Zieloperationalität b e d i n g t . . . die Erfaßbarkeit gesetzter Teilziele in Größenordnungen, d. h. sie erfordert Meßbarkeit" [160, S. 125]. Die Meßbarkeit" hat zur Voraussetzung, daß Regeln über die Maßeinheiten existieren bzw. aufgestellt werden; dies können kardinale und/oder ordinale Skalierungen sein, mit deren Hilfe die Teilziele quantitativ bestimmt werden. c) Zeitbezug: Zeitbezug bedeutet, daß die Ziele zeitlich fixiert werden, d. h. die Zeitspanne ihrer Gültigkeit bzw. Erfüllbarkeit ist jeweils zu bestimmen. Die mit Hilfe eines MIS zu erreichenden Ziele sind entsprechend diesen Operationalitätsbedingungen zu bestimmen. Der sachliche Inhalt der Operationalitätsbedingungen, ζ. B. die Angabe einer konkreten Zeitspanne, das Aufstellen einer Meßvorschrift, die Wahl eines bestimmten Instrumentariums für die Verfolgbarkeit, ist jedoch nur unternehmensindividuell und personenspezifisch faßbar. Der im folgenden skizzierte Zielkatalog hat daher den Charakter eines Beispiels; nur durch die Analyse der Ziele und der entsprechenden Informationsbedarfsstrukturen kann es gelingen, den für ein Unternehmen und ihre Träger gültigen Zielkatalog konkret zu bestimmen; denn das MIS hat „an sich" keine originären Ziele - dies folgt aus der Instrumentalfunktion des MIS. Wir unterscheiden im folgenden sog. Hauptziele - Informationsversorgung, Kommunikationsunterstützung und Entscheidungsunterstützung und daraus abgeleitete Teilziele, die als Beispiele operationalisiert dargestellt werden.

1.4 Struktur, Aufgaben und Zielsetzung eines Management-Informationssystems 49

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Strategie

3.5 Ansätze und Modell einer Strategie der Systementwicklung

171

stimmte Prioritätenfolgen, die die relative Dominanz einzelner Methoden untereinander charakterisieren. Jedoch wird durch die Bewertung in der Regel keine „eindeutige" Situation für die Methodenauswahl geschaffen: Vielmehr sind mehrere Methoden kombinierbar, um zur Erfassung, Strukturierung und Bewertung des Informationsbedarfs zu gelangen. Akzeptiert man im Gestaltungsprozeß des MIS als Ziel den Aufbau einer Führungsgrößendatenbank als zentrales Medium der Datenverarbeitung, dann eignet sich als Methode für die Definition einer Strategie der Informationsbedarfsanalyse die zunehmende Abstraktion. Als generellen Leitfaden für die Darstellung des mehrstufigen Prozesses der Informationsbedarfsanalyse eignet sich dabei der Gestaltungsprozeß des MIS, der in Abb. 61 schematisch dargestellt ist. Diese Darstellung impliziert die Vorstellung einer phasen weisen Entwicklung, wobei die Phasen der Informationsbedarfsanalysen wie folgt gekennzeichnet werden: 1. Phase Als Ausgangspunkt der Informationsbedarfsanalyse werden die Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse der Benutzer gewählt. Damit werden zunächst die Bedingungen, Motive und Komponenten des subjektiven Informationsbedarfs analysiert. 2. Phase Die benutzerbezogene Analyse wird durch die Analyse der realen Prozesse erweitert. Hierbei handelt es sich um eine aufgaben-, prozess- und organisationsbezogene Analyse. 3. Phase Untersuchung und Bewertung der Speicherungsmöglichkeiten des in Phase 1 und Phase 2 ermittelten Informationsbedarfs, d. h. Überprüfung bezüglich der datentechnischen Bewältigung der von den Prozessen und den Benutzern geforderten Informationen. Es ist hervorzuheben, daß Phase 1 und Phase 2 prinzipiell austauschbar sind; d. h. als Phase 1 kann ebenso die Aufgaben- und Problemanalyse dienen, deren Ergebnisse durch die Anforderungen der Benutzer ergänzt und modifiziert werden. Innerhalb der dargestellten Phasen sind die ihnen zuzuordnenden Methoden der Informationsbedarfsanalyse unterschiedlich kombinierbar. Die in Abb. 61 dargestellten Phasen sind vorwiegend analytisch-deskriptiver Natur. Sie sind mithin induktiv-faktisch orientiert. Darüber hinaus ist grundsätzlich eine weitere Vorgehensweise möglich, die vorwiegend deduktiv orientiert ist; zunächst wird ein auf Hypothesen beruhender Infor-

172

3. Grundsätzliche Überlegungen zu einer Strategie

„ QrganisationsSYSTEM-

analysen

ANALYSE

Datenanalyse

SYSTEM GESTALTUNG

Systementwurf und System entwicklung

Abb. 61. Schematische Darstellung des Entwicklungsprozesses eines MIS

mationsbedarf postuliert. Dieser wird anschließend durch faktische Erhebungen und Analysen verifiziert und die Hypothesen und Ergebnisse einer Überprüfung unterzogen. Dies kann zu Rückkoppelungen dergestalt führen, daß neue - bessere - Hypothesen über den Informationsbedarf aufstellbar sind. Die Ergebnisse sowohl der induktiven als auch der dekutiven Vorgehensweise bilden die Grundlage für den Aufbau eines computergestützten Informationssystems. Dazu ist erforderlich, daß die Bedingungen datentechnischer Manipulationsmöglichkeiten des Informationsbedarfs analysiert werden. Dies leistet die Anwendungsanalyse und die Strukturierung von Informationen in Form von Datenbankdiagrammen. Die Entwicklung einer Datenbank ist gestaltungsorientiert, d. h. die Anwendungsanalyse stellt die Schnittstelle zwischen Systemanalyse und Systemgestaltung dar. Auch hier ist zu berücksichtigen, daß die Gestaltungsbedingungen der Datenbank zu Rückkoppelungen zu früheren Phasen der Informationsbedarfsanalyse führen können, die u. U. zu Modifikationen des Informationsver-

3.5 Ansätze und Modell einer Strategie der Systementwicklung

173

haltens der Benutzer führen. Es ist eine weithin verbreitete irrtümliche Annahme, daß bei der Gestaltung einer Datenbank von einem nahezu unbegrenzten Freiheitsgrad auszugehen sei. Die bisherigen Erfahrungen lassen vielmehr erkennen, daß die Bedingungen der Datenbank-Software limitierend wirken können, sofern die Zielsetzung der Wirtschaftlichkeit des einzusetzenden technologischen Potentials verfolgt wird. Nimmt man im Rahmen der Informationsbedarfsanalyse eine Zuordnung der Methoden nach strukturierten bzw. teil- oder unstrukturierten Prozessen vor, dann lassen sich die bisherigen Ausführungen zu einem Gesamtmodell der strategischen Vorgehensweise bei der Informationsbedarfsanalyse entsprechend Abb. 62 darstellen.

D a t e η e r f a s s u η

Strukturierte Prozesse

Teil- bzw. unstrukturierte Prozesse

- Entscheidungstabellen - Statistische Messung und Beobachtung - MID AS-Technik - Quantitative Kommunikationsanalyse - Empirische Erhebungen - Integrationsmodelle

-

Bedarfsgruppenanalysen Benutzerforschung Interview und Fragebogen Aktive Mitarbeit Informationskosten- und nutzungsanalysen - Analyse des Berichtswesens - Kataloge

g Datenbewertung

Computergestützte Input- Output-

Datens trukturierung

Verfahren

undProzessanalyse

Anwendungsanalyse und Datenbankdiagramme

Systemgestaltung

Abb. 62. Strategisches Vorgehen im Rahmen der Informationsbedarfsanalyse

3. Grundsätzliche Überlegungen zu einer Strategie

174

3.5.2 Der evolutorische Entwicklungsansatz für die Gestaltung des Management-Informationssystems Die Realisierung eines MIS stellt nach den vorangegangenen Ausführungen einen iterativen Prozeß dar, bei dem mehrere Phasen der Analyse und der Gestaltung zeitlich und sachlich zu koordinieren sind. Analog dem Phasenkonzept der Informationsbedarfsanalyse unterscheiden wir für den Prozeß der Systemgestaltung mehrere Phasen. PHASE

AUFGABEN

ERGEBNISSE

INITIALISIERUNG

Problemanalyse Problemabgrenzung

Bewertung und Festlegung der zu lösenden Probleme und Aufgaben

Zieldefinition Sollvorstellung Modelle und Strategien

Entwicklung eines Gestaltungsrahmens und der Vorgehensweisen Grobplanung der Mittel

Ermittlung des Informationsbedarfs und Analyse der technologischen Bedingungen

Informationsbedarf Speicherbedarf. Datentechnische Voraussetzungen und Bedingungen, Operationsweisen

Verifikation der Ergebnisse aus Phase-2 und Modifikation der Sollvorstellung

Systembeschreibung Systembewertung Detailplanung der Mittel und des Personals Organisationsvorschläge

Programmierung Dokumentation Schulung Test

Überprüfbare Ergebnisse der Module des MIS, implementierbare Datenbank

INSTALLATION

Sequentielle Einführung der einzelnen Module des MIS

Operable Systemtypen des MIS stehen dem Benutzer für Test zur Verfügung Datenorganisation

OPERATION

Nutzung durch Benutzer Überprüfung Dokumentation

Aussagen über die Wirtschaftlichkeit und denNutzen, Akzeptanz des Systems oder Rückkoppelung

ENTWURF

ANALYSE

ENTWICKLUNG

AUSFÜHRUNG

Abb. 63. Phasenkonzept der MIS-Entwicklung

3.5 Ansätze und Modell einer Strategie der Systementwicklung

175

Dabei stellt eine Phase im Rahmen der Systemgestaltung eine Menge sachlogisch zusammengehörender Aktionen (Aufgaben) dar, die zu einem bewertbaren Ergebnis führen. Dieses Ergebnis ist Gegenstand einer Entscheidung, die von den für die Systemgestaltung verantwortlichen Entscheidungsgremien getroffen wird. Die Entscheidung kann prinzipiell in einer Akzeptanz oder in einer Verwerfung bestehen. Bei Akzeptanz erfolgt die Planung und Mittelfreigabe für die nächste Phase, bei Verwerfung erfolgt entweder eine Rückkoppelung zu einzelnen Aktionen (Aufgaben) der Phase oder eine Beendigung des gesamten Projektes. Im Rahmen der MIS-Gestaltung sind die auf Seite 174 dargestellten Phasen unterscheidbar. Das Phasenkonzept der Systemgestaltung und das Konzept der strategischen Vorgehensweise bei der Informationsbedarfsanalyse bilden die konstituierenden Merkmale des Entwicklungsansatzes für das MIS. Dieser Entwicklungsansatz ist dynamisch und orientiert sich am Prinzip der Rückkoppelung, indem einzelne Phasenergebnisse als Kontrollpunkte für vorangegangene Aufgaben, Tätigkeiten und Strategien bzw. Methoden dienen, um nach erfolgter Prüfung und Verifikation eine neue Entwicklungsphase zu beginnen. Die Gestaltung des MIS hat demnach den Charakter eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses. Die Gestaltung verläuft nicht linear im Sinne einer stetigen Entwicklung auf ein exante definierbares operationales Ziel hin, sondern zyklisch. Dadurch wird eine ständige Anpas-

Anspruchsniveau Qualität Integration Phase 3

Phase 2

Phase 1

Methoden

Strategien

Systementwicklung

Abb. 64. Der evolutorische Entwicklungsansatz des MIS

176

3. Grundsätzliche Überlegungen zu einer Strategie

sung an sich verändernde Umweltbedingungen erreicht und das Risiko einer Fehlentwicklung minimiert. Das Phasenkonzept derMIS-Entwicklung! kann dadurch modifiziert werden, daß man von der grundsätzlichen Modularität eines komplexen MIS ausgeht und für einzelne Systemtypen jeweils spezifische Phasenpläne erstellt. Dadurch ergibt sich ein evolutorischer Verlauf des Gesamtentwicklungsprozesses entsprechend dem in Abb. 64 gezeigten Schema. Diese Abbildung ist wie folgt zu interpretieren: Als Ausgangs- und Bezugspunkt dient in einer Phase 1 zunächst eine Ziel- und Modellvorstellung des zu entwickelnden Systems. Über die Auswahl geeigneter Methoden und Strategien wird eine Systemdefinition, Systemkonzeption und Systemrealisierung entsprechend dem Phasenkonzept erarbeitet. Die Uberprüfung, Korrektur und Systemverbesserung senkt in der Regel das Anspruchsniveau des Benutzers: die Überprüfung der Systemleistung, der Strategien und der Methoden führt zu einer verbesserten Modell- und Zieldefinition, die wiederum zum Ausgangspunkt für die Entwicklung eines neuen Moduls des Gesamtsystems wird. Dieses Konzept basiert auf der Vorstellung der modularen Gliederungsmöglichkeit des MIS. Dies ist - in Anlehnung an das von uns dargestellte informationstechnologische Rahmenmodell (Seite 151) - prinzipiell zu bejahen: die primären Systemtypen stellen - jede für sich betrachtet - einen abgrenzbaren, modularen Teilaspekt des gesamten MIS dar. Dieser Entwicklungsansatz schafft die Voraussetzung für intervenierende Beendigung des gesamten Entwicklungsprozesses: Sobald ein für ausreichend erachtetes qualitatives Niveau erreicht ist, das dem Anspruchsniveau der Benutzer entspricht, wird der Gestaltungsprozeß beendigt. Diese Ansätze, die in ihrem Gesamtzusammenhang in Abb. 65 wiedergegeben sind, entsprechen der von Kirsch erhobenen Forderung nach einer „Echtzeit-Wissenschaft": Die Systementwicklung verläuft „parallel" mit der Uberprüfung der Hypothesen, Modelle, Methoden und Strategien: „Eine echtzeitwissenschaftliche Entwicklungsstrategie des evolutionären Experimentalismus i s t . . . keine größere Utopie als die heute diskutierten Informationssysteme selbst, die - um einen neuen Taylorismus zu vermeiden - eine derartige Entwicklungsstrategie nahelegen" [92, S. 347],

177

3.5 Ansätze und Modell einer Strategie der Systementwicklung

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