Metalleffekt-Pigmente zeichnen sich nicht nur durch besondere optische Effekte, sondern auch durch ihren Schutz gegenübe
216 37 40MB
German Pages 288 Year 2014
Peter Wißling et al.
Metalleffekt-Pigmente 2., überarbeitete Auflage
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 1
03.12.2012 11:53:33
Umschlagsbild: Eckart GmbH
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Peter Wißling et al. Metalleffekt-Pigmente Hannover: Vincentz Network, 2013 Farbe und Lack edition ISBN 978-3-7486-0214-9 © 2013 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029 E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de Satz: Vincentz Network, Hannover ISBN 978-3-7486-0214-9
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 2
03.12.2012 11:53:33
Farbe und Lack Edition
Peter Wißling et al.
Metalleffekt-Pigmente 2., überarbeitete Auflage
Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 3
03.12.2012 11:53:33
Auf ein Wort Silberfarbene Autos, trotz zahlreicher weißer oder schwarzer Autos, metallisch glänzende Handys und Fernseher, trotz weiß und schwarz glänzender Mobiltelefone, goldene Etiketten auf Bierflaschen, trotz abnehmender versilberter Fläche auf Etiketten, glitzernder Lippenstift, Feuerwerke. Dies sind Beispiele des alltäglichen und selbstverständlichen Einsatzes von Metalleffekt-Pigmenten – und ihre Anwendungen werden zunehmend breiter und vielfältiger; auch nach dem Milleniums Hype „silber“. Grund für die ungebrochene Beliebtheit ist der äußerst attraktive optische Effekt. Objekte erscheinen glänzend, metallisch und formbetont. Sie wirken innovativ und zeitlos. Neben den optischen Gestaltungsmöglichkeiten bieten Metalleffekt-Pigmente eine Vielzahl weiterer, funktionaler Anwendungsmöglichkeiten. Traditionell bekannt sind Schutzfunktionen gegen äußere Einflüsse, wie Wetterfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit. Verstärktes Interesse finden derzeit elektrisch leitfähige Metallpigmente. Neue Untersuchungen zeigen, dass sich Aluminiumpigmente hervorragend zur Wärmereflektion in Wandbeschichtungen und auf Textilien eignen und damit den Energiebedarf in Gebäuden senken können. Die sich ändernden Einsatzbereiche erfordern die Neuauflage des bewährten Metalleffektbuches. Hier werden die neuen, funktionalen Anwendungen ausführlich beschrieben. Daneben wird in dieser zweiten Auflage auf ganz neue Einsatzgebiete für Metalleffekt-Pigmente, wie die Verwendung in Bautenfarben oder in funktionalen Beschichtungen auf textilen Substraten, ausführlich eingegangen. Die Neuauflage des Buches greift Bewährtes auf, so den umfassenden Überblick über Herstellungsverfahren und grundlegende Eigenschaften der MetalleffektPigmente. Diese wurden in vielen Punkten überarbeitet und auf den aktuellsten Stand gebracht. Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 4
03.12.2012 11:53:34
Auf ein Wort
5
Das Konzept und der Inhalt dieser zweiten Auflage bleiben auf ein breites Publikum vom Studenten bis zum Chemiker und vom Rohstoffproduzenten bis zum Farben- und Lackhersteller verschiedenster Disziplinen ausgerichtet. Die dargestellten Grundlagen und Anwendungen von Metalleffekt-Pigmenten ermöglichen einerseits Studierenden und technisch interessierten Laien ein Basiswissen und andererseits Fachkräften eine Vertiefung ihre Kenntnisse zu einzelnen Themen. Peter Wißling Hartenstein, September 2012
Die Informationen zu den Richtrezepturen sind aufgrund von gewissenhaft durchgeführten Versuchen zusammengestellt und sollen bestens beraten. Bei der Vielseitigkeit der Verwendungen kann eine Gewähr nicht übernommen werden. Fragen bitte an: Eckart GmbH, Güntersthal 4, D-91235 Hartenstein, Fax: +49 9152 77-4509, Tel.: +49 9152 77-4511 oder +49 9152 77-0
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 5
03.12.2012 11:53:34
ECKART – Effektpigmente für Lacke und Formulierungen ECKART Metalleffektpigmente stehen für High-Tech, Präzision und Eleganz: Das kann man sehen, etwa auf edel glänzenden Oberflächen in der Grafischen- und Automobilindustrie oder auf wetterbeständigen Beschichtungen für Industrieanlagen. Man kann es förmlich riechen, wie bei den umweltfreundlichen und wasserbasierenden Lacksystemen. Oder fühlen, wie bei wärmereflektierenden Innenwandanstrichen. Oder einfach wissen, wie unsere Kunden aus der Lack- und Farbenindustrie. Denn bei ihnen steht ECKART für die Selbstverpflichtung, sich immer wieder neu um maßgeschneiderte optische Effekte, beste Qualität und herausragenden Service zu bemühen. ECKART ist der weltweit führende Hersteller von Metallic- und Perlglanz-Pigmenten für die Lack- und Farbenindustrie, die Grafische, die Kunststoff-, die Porenbeton- sowie die Kosmetikindustrie. Innovation, Forschung und stetige Weiterentwicklung unserer Produkte sorgen dafür, dass wir es bleiben. ECKART – take the brilliant way. www.eckart.net ECKART GmbH · Güntersthal 4 · 91235 Hartenstein Tel +49 9152 77-0 · Fax +49 9152 77-7008 · [email protected]
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 6
03.12.2012 11:53:35
7
Inhaltsverzeichnis
Teil I
Historie................................................................................................12
Teil II Grundlagen......................................................................................... 15 1 Metalleffekt-Pigmente......................................................................... 15 2 Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmente..................................... 17 2.1 Herstellverfahren................................................................................. 17 2.1.1 Aluminiumpigmente nach dem Hall’schen Nassmahl-Verfahren....... 17 2.1.2 Goldbronzepigmente nach dem Hametag’schen Trockenmahl-Verfahren.......................................................................20 2.2 Eigenschaften....................................................................................... 22 2.2.1 Benetzungsverhalten: Leafing und Non-Leafing................................. 22 2.2.2 Optische Eigenschaften....................................................................... 27 2.2.3 Teilchengröße, Teilchengrößenverteilung, Teilchenform.................... 35 2.2.4 Mechanische Stabilität......................................................................... 39 2.2.5 Chemische Stabilität............................................................................ 41 2.2.6 Temperaturstabilität.............................................................................44 3 Prüfmethoden......................................................................................46 3.1 Prüfungen an Pulvern und Pasten........................................................46 3.1.1 Genormte Prüfmethoden nach DIN 55923..........................................46 3.2 Prüfungen am Pigment........................................................................ 47 3.2.1 Methoden der Teilchengrößenmessung............................................... 47 3.2.2 Mikroskopische Charakterisierungsverfahren.................................... 49 3.2.3 Stabilität der Pigmente......................................................................... 50 3.3 Prüfungen an der pigmentierten Beschichtung................................... 53 3.3.1 Goniophotometrie................................................................................ 53 3.3.2 Farbmessung........................................................................................54 Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 7
03.12.2012 11:53:35
8
Inhaltsverzeichnis
Teil III Spezialeffekt-Pigmente......................................................................58 1 PVD-Pigmente..................................................................................... 58 1.1 Herstellprozess..................................................................................... 58 1.2 Spezielle Charakteristik von PVD-Pigmenten.................................... 59 1.2.1 Metalliceffekt der PVD-Pigmente.......................................................60 1.2.2 Deckvermögen..................................................................................... 62 1.2.3 Lichtstreuung....................................................................................... 62 1.2.4 Oberflächenbeschaffenheit der PVD-Pigmente................................... 63 1.2.5 Non-Leafing-Eigenschaften.................................................................64 1.3 Anwendungsbereiche und -hinweise....................................................64 1.3.1 Allgemeines.........................................................................................64 1.3.2 Formulierung.......................................................................................64 1.3.3 Anwendungen in der grafischen Industrie........................................... 65 1.3.4 Anwendungen im Bereich von Lacken und Beschichtungen...............66 2 Farbige Aluminiumpigmente............................................................... 70 2.1 Oxidierte Aluminiumpigmente ........................................................... 70 2.1.1 Oxidbeschichtung................................................................................ 70 2.1.2 Herstellprozess .................................................................................... 71 2.1.3 Strukturierte Oberflächen.................................................................... 72 2.1.4 Farbausprägung.................................................................................... 73 2.1.5 Eigenschaftsprofil................................................................................ 74 Farbige Aluminiumpigmente............................................................... 74 2.2 2.2.1 Farbigkeit durch Schichten mit hohem Brechungsindex..................... 75 2.2.2 Farbigkeit durch Aufbringen von Interferenzfarben........................... 75 3 Plättchen auf Eisenbasis....................................................................... 77 3.1 Eisen-Flakes......................................................................................... 77 3.2 Eigenschaften und Anwendungen........................................................ 78 3.3 Magnetisierbare Eisen-Flakes..............................................................80 Teil IV Anwendungen.....................................................................................83 1 Lacksysteme und ihre Anwendungen.................................................. 83 1.1 Lacksysteme......................................................................................... 83 1.1.1 Lösemittelhaltige Lacke....................................................................... 83 1.1.2 Wasserbasierte Lacke........................................................................... 89
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 8
03.12.2012 11:53:35
Inhaltsverzeichnis
9
1.1.3 Pulverlack-Systeme............................................................................ 110 1.1.4 UV-härtende Lacke............................................................................ 132 1.2 Anwendungen.................................................................................... 138 1.2.1 Automobillacke.................................................................................. 138 1.2.2 Dekorationslacke................................................................................ 145 1.2.3 Industrielacke und funktionale Anwendungen.................................. 158 1.2.4 Bautenfarben...................................................................................... 173 2 Druck................................................................................................. 185 2.1 Offset-Druck...................................................................................... 185 2.1.1 Allgemeines....................................................................................... 185 2.1.2 Offset-Druckfarbe.............................................................................. 185 2.1.3 Offset-Druckprozess.......................................................................... 186 2.1.4 Metalleffekt-Pigmente für Offset-Druckfarben................................. 186 2.1.5 PVD-Pigmente für den Offset-Druck................................................ 192 2.1.6 Verarbeitungshinweise Offset-Druckfarben...................................... 193 2.1.7 Troubleshooting für metallisierte Offset-Farben............................... 194 2.1.8 Empfehlungen für die Veredelung von Offset-Druckfarben............. 196 2.1.9 Applikation von Offset-Druckfarben über das Lackierwerk............. 198 2.2 Tief-, Flexo- und Siebdruck...............................................................200 2.2.1 Tiefdruck............................................................................................200 2.2.2 Flexodruck.........................................................................................203 2.2.3 Siebdruck...........................................................................................205 2.2.4 Metalleffekt-Pigmente in Tief-, Flexo- und Siebdruckfarbenformulierungen........................................................207 2.2.5 Formulierung und Herstellung von Tief-, Flexo- und Siebdruckfarben................................................................................. 210 3 Kunststoff........................................................................................... 215 3.1 Anwendung und Verarbeitung........................................................... 215 3.2 Metalleffekt-Pigmente für Kunststoffe.............................................. 217 3.2.1 Aluminiumpigmente.......................................................................... 217 3.2.2 Goldbronze-Pigmente........................................................................ 218 3.2.3 Lieferformen...................................................................................... 220 3.3 Orientierungsprobleme beim Spritzgießen........................................ 222 3.3.1 Reduzierung der Sichtbarkeit der Bindenähte................................... 223
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 9
03.12.2012 11:53:35
10
Inhaltsverzeichnis
3.4 Scorim-Prozess in Kombination mit In-Mould-Heating-Verfahren.......224 4 Technische Anwendungen................................................................. 228 4.1 Eigenschaften und Anforderungen.................................................... 228 4.1.1 Eigenschaften..................................................................................... 228 4.1.2 Prüfkriterien für technische Metallplättchen.................................... 231 4.2 Anwendungen in der Baustoffindustrie.............................................. 231 4.2.1 Metall-Flakes für die Porenbetonfertigung....................................... 232 4.2.2 Metall-Flakes in Putzen und Mörteln................................................ 235 4.3 Metall-Flakes als Energieträger......................................................... 238 4.3.1 Pyro-Produkte und Slurries............................................................... 239 4.4 Metall-Flakes in der chemischen Industrie.......................................240 4.4.1 Aluminium-Flakes als Reduktionsmittel........................................... 241 5 Korrosionsschutz................................................................................ 243 5.1 Wirkungsweise plättchenförmiger Zinkpigmente............................. 243 5.2 Verarbeitung, Applikation und Lackeigenschaften........................... 245 5.3 Anwendungsgebiete........................................................................... 247 5.4 Umwelt und Wirtschaftlichkeit.......................................................... 247 5.5 Schlussbetrachtung............................................................................248 6 Kosmetik ........................................................................................... 251 6.1 Applikationsbereiche......................................................................... 252 6.2 Formulierung.....................................................................................254 6.2.1 Lip Gloss, Lippenstift, Kosmetikstift, Grundierung, Rouge ............ 254 6.2.2 Gepresste Puder: Kompaktpuder, Lidschatten, Rouge...................... 254 6.2.3 Wimperntusche ................................................................................. 255 6.2.4 Nagellack........................................................................................... 255 6.3 Produktsicherheit............................................................................... 257 7 Textilveredelung................................................................................. 262 7.1 Allgemeines....................................................................................... 262 7.2 Modetextilien..................................................................................... 263 7.3 Technische Textilien oder auch Smart Textiles................................. 265 7.3.1 Elektrische Leitfähigkeit durch Metallpigmente............................... 267 7.3.2 Wärmereflexion..................................................................................268 7.3.3 Abriebfestigkeit.................................................................................. 272
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 10
03.12.2012 11:53:35
Inhaltsverzeichnis
11
Teil V Wirkungen auf Mensch und Umwelt............................................. 273 1 Physiologische Wirkungen................................................................. 273 2 Zulassung von Metallpigmenten........................................................ 273 2.1 Kosmetik............................................................................................ 273 2.2 Lebensmittelverpackungen................................................................ 273 2.3 Spielzeug............................................................................................ 273 Teil VI Sicherheitshinweise.......................................................................... 274 1 Physikalische Gefahren von Metalleffekt-Pigmentpulvern und -pasten................................................................................................ 274 2 Brandbekämpfung bei Metalleffekt-Pigmentpulvern/-pasten........... 275 3 Besonderheiten zum Umgang mit Metallpigmenten in Pulverlacken.... 276 4 Allgemeine Sicherheitsmaßnahmen zum Umgang mit Metalleffekt-Pigmentpulvern/-pasten................................................ 277 Autoren............................................................................................. 278 Index..................................................................................................282
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 11
03.12.2012 11:53:35
12
Teil I – Historie
Teil I Historie Metallische Effekte, ob golden oder silberfarbig, sind seit Jahrtausenden in den verschiedensten Kulturkreisen von besonderer Bedeutung. Ein echter „Hype“ ereignete sich beim Übergang ins dritte nachchristliche Jahrtausend als Silber „Millenium-Farbton“ wurde. Dabei unterliegen alle Farbtontrends, und mit ihnen auch die Metalleffekte zyklischen Schwankungen, die kaum vorherzusehen oder zu berechnen sind. In unserer modernen Gesellschaft finden Metalleffekt-Pigmente immer neue Anwendungen, von Küchenmöbeln über Bekleidungsstücke bis hin zu Verzierungen auf Nahrungsmitteln. Damit eröffnen sich ganz neue Anwendungsgebiete für Pigmente, die bereits im dritten Jahrtausend vor Christus in Ägypten bekannt waren. Edelmetalle – die historischen Wurzeln Gold wurde nachweislich bereits 2500 v. Chr. in Ägypten zu dünnsten Folien ausgeschlagen, welche dann als verzierender Überzug bei Stuckelementen an Bauteilen und Kunstwerken Verwendung fanden. Nur auf edelste Bauwerke, den Palästen der Pharaonen und Tempeln der altägyptischen Gottheiten, konnten derart aufwändige und kostspielige Arbeiten aufgebracht werden, denn reines Gold war (und ist es noch immer) extrem teuer. Dafür verlieh dieses wertvolle Metall den damit verzierten Objekten einen erhabenen Charakter. Vom Nahen Osten breitete sich die Technik des Ausschlagens von Gold zu dünnen Folien über Mesopotamien, Indien und Korea bis nach Japan aus, wo es sich ab etwa 800 n. Chr. nachweisen lässt. Goldschlägerhandwerk in Deutschland Über Griechenland und Italien gelangte diese Form der edlen Verzierung bis nach Deutschland. Im fränkischen Raum von Fürth, Nürnberg und Schwabach entstand ein Zentrum des Goldschlägerhandwerks. Es ist daher verständlich, dass viele der folgenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Metalleffekt-Pigmente in dieser Region gemacht wurden. Beim Ausschlagen von Gold zu hauchdünnen Blattgoldfolien fiel immer auch plättchenförmiger Goldstaub als Abfall- und Nebenprodukt an, das als Pigment weiterverwendet wurde. Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 12
03.12.2012 11:53:35
Historie
13
Goldene Tinten und Farben Goldstaub-Pigmente arbeitete man bald in Tinten und Lackfirnisse ein. Somit war es möglich, goldfarbene Drucke und streichfähige Goldlacke herzustellen, die wesentlich leichter zu verarbeiten waren. Auch konnte man Objekte mit unebenen Oberflächen goldfarben bestreichen. Darüber hinaus ließ sich Pergament goldglänzend bedrucken. Verwendung fanden solche Farben neben der Verschönerung von Bauwerken und Möbeln vor allem zum Bedrucken von Schriften und zum Verzieren von Keramiken und Lederarbeiten. Messing als Ersatzgold Goldverzierte Keramiken und Lederarbeiten waren für lange Zeit nur den höchsten sozialen Schichten vorbehalten, bis etwa um 1760 das wesentlich günstigere Messing als Echtgold angeboten wurde. Erfunden hatte es ein Fürther Meister namens Albert Huber. Er hatte begriffen, dass Messing ähnlich gut verformbar ist wie Gold – ganz anders als die Legierung aus Kupfer und Zinn. Diese ist hart und spröde und lässt sich zwar formstabil verarbeiten (z.B. zu Glocken und Statuen), nicht aber zu feinen Pigmenten ausschlagen. Chemisch gesehen handelt es sich bei Messing um Kupfer-/Zink-Legierungen, die man wegen ihrer Farbe auch als Goldbronzen bezeichnet (vgl. S. 20, Kapitel II-2.1.2, Goldbronze-Pigmente nach dem Hametag‘schen Trockenmahl-Verfahren). Zunächst wurden Echtgold und Goldbronzen zu etwa gleichen Mengen verwendet, denn der beim Schlagen mittels Hammer anfallende Messingstaub ließ sich ähnlich gut wie echtes Gold in Drucke und Firnisse einarbeiten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts bürgerte sich für diese Erzeugnisse der Begriff Bronzefarben ein. Aufgrund ihres niedrigeren Preises fanden Bronzefarben immer weitere Anwendungen. Vor allem handelte es sich dabei um Tapeten und Bordüren, die in Europa und auch in England, Frankreich und sogar in den Vereinigten Staaten von Amerika besonders begehrt waren. Der gestiegene Bedarf konnte nur mit effizient arbeitenden Einrichtungen gedeckt werden. Um 1830 erfand in Nürnberg Georg Benda eine Bronze-Reibemühle. Dieses erste mechanische Gerät zum Ausschlagen der Folien zu feinen Pigmenten fand rasch Verbreitung. Später wurden Bronzepigmente mittels Dampfkraft hergestellt. Dampfhämmer leiteten ab etwa 1860 eine industriell zu nennende Produktion in Franken ein. Aluminiumpigmente für Silbereffekte Mit der Einführung von plättchenförmigem Aluminiumstaub im 19. Jahrhundert ließen sich dann auch Silbereffekte darstellen. Grundvoraussetzung für die intensive Verbreitung der Silberpigmente war die 1892 erfundene Kryolith-Elektrolyse
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 13
03.12.2012 11:53:35
14
Teil I – Historie
als großtechnisches Darstellungsverfahren von bis dahin überproportional teurem Aluminium. In Europa fiel der Aluminiumstaub analog zur GoldbronzeHerstellung beim Ausschlagen von Aluminium zu dünnen Folien an. Anders dagegen in Japan und den USA: Hier war der Rohstoff Abfallprodukt aus der Aluminiumverhüttung und Aluminiumfolienherstellung. Ab etwa 1910 ließ sich Aluminiumstaub großtechnisch produzieren, als ein amerikanisches Unternehmen einen Mahlprozess erfand, bei dem in großen Kugelmühlen Aluminiumgranulat verformt wurde. Dieses Verfahren war zunächst explosionsgefährlich, da die Pigmentherstellung auf trockenem Weg erfolgte. Erst durch die Einführung von Testbenzin als Mahlmedium durch Hall wurde es möglich, Aluminiumpigmente sicher und in großen Mengen darzustellen. Plättchenförmige Aluminiumpigmente wurden in Analogie zu den Goldbronzen als Silberbronzen bezeichnet, ein Begriff, der bis zum heutigen Tag gebräuchlich ist. Neue Anwendungsgebiete Nach dem 2. Weltkrieg fanden Gold- und Silberbronzen weitere neue Anwendungsgebiete. Dazu gehören Schiffsfarben, Applikationen in Kunststoffen und in der Kosmetik. Insbesondere im Automobilbereich ermöglichte die Einführung von Metallics neuartige Effekte, die heute in diesem Sektor nicht mehr wegzudenken sind.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 14
03.12.2012 11:53:35
Metalleffekt-Pigmente
15
Teil II Grundlagen 1
Metalleffekt-Pigmente
Gegenstand dieser Darstellung sind Metall-Flakes, d.h. plättchenförmige Metalleffekt-Pigmente aus Aluminium, Zink, Kupfer oder Messing. Sie werden in der DIN-Norm 55944 als anorganische Pigmente mit rein metallischem und glänzendem Charakter beschrieben. Zur Verbesserung der Stabilität können Metalleffekt-Pigmente auch organisch oder anorganisch beschichtet sein. Metalleffekt-Pigmente bilden lediglich eine kleine Gruppe in der großen Familie der Metallpigmente. Den Begriff Metallpigment definiert die DIN-Norm 55943 [1] als ein Pigment, das aus Metallen oder Metalllegierungen besteht. In der lacktechnischen Praxis umfasst dieser Begriff darüber hinaus auch die Vielzahl der Pigmente, die in irgendeiner chemischen Form Metallatome im Molekül aufweisen. Darunter fällt zum einen die Gruppe der anorganischen Buntpigmente, die als einen Verbindungsanteil ein oder mehrere Metallatome enthält. Wichtige Vertreter sind Eisenoxide, Chromoxidgrün, die ökologisch nicht ganz unbedenklichen Cadmium- und Bismutvanadate sowie auch Chrompigmente in den Farben gelb, orange oder rot. Zum anderen umfasst die Gruppe der Metallpigmente auch die organischen Buntpigmente, die –meistens als zentrales Atom – ein Metall enthalten. Breite Anwendung finden aus dieser Gruppe die Phthalocyanin- und Ultramarinblau-Pigmente. Eine Reihe von Füllstoffen und echten Korrosionsschutzpigmenten enthält ein oder mehrere Metallatome. Die Rede ist hier von Zinksulfid und -weiß sowie Zinkphosphaten, die als moderne Korrosionsschutzpigmente ökologisch bedenkliche Produkte ersetzt haben. Auch Eisenglimmer gehört zu dieser Gruppe. Reine Metallpigmente liegen in ihrer metallischen Form vor, wie etwa Zinkstaub, der weltweit als Korrosionsschutzpigment in Zinkstaubfarben verarbeitet wird. Eine ähnliche Anwendung, wenn auch in einem geringeren Maße, erfolgt mit Edelstahl- und Nickelpigmenten. Sie werden häufig mit anderen Korrosionsschutzpigmenten kombiniert. Eine ganz spezielle Verbindung stellen Ferrite dar, die als magnetisierbare Metallpigmente auf Tonträgern zum Einsatz kommen. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weiterführende Informationen zu den einzelnen Pigmenten finden sich in der Literatur [2, 3]. Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 15
03.12.2012 11:53:35
16
Teil II – Grundlagen
Die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Metalleffekt-Pigmente haben überwiegend die Aufgabe, einen optisch attraktiven Effekt zu erzeugen (hell-dunkel oder Farbflop). Darüber hinaus können einige Pigmente auch funktionale Aufgabe erfüllen (z.B. Zink-Flakes als Korrosionsschutz). Nicht beschrieben werden einige spezielle, mehrphasig aufgebaute Metalleffekt-Pigmente, bei denen Aluminium-Flakes als Träger fungieren und dieses Substrat nachbeschichtet wird. Hier sei auf die Literatur verwiesen [3]. 1.1 Literaturhinweise [1] [2] [3]
DIN 55943, Oktober 2001, S. 1 und 13 Ullmanns Enzyklopädie, Weinheim 1979, Band 18, S. 629ff und S. 545ff Kittel, H.: Pigmente, Füllstoffe und Farbmetrik. Stuttgart 2003, Bd. 5
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 16
03.12.2012 11:53:35
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
17
Teil II Grundlagen 2 Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmente 2.1 Herstellverfahren 2.1.1 Aluminiumpigmente nach dem Hall’schen Nassmahl-Verfahren Vorkommen und Gewinnung Aluminium ist das in der Erdrinde am weitesten verbreitete Metall. Es kommt in Oxid-Form in zahlreichen Mineralien vor. Für die Aluminiumgewinnung hat Bauxit, ein Gemisch aus Eisenoxid und Aluminiumoxyhydrat, die größte Bedeutung. Ergiebige Fundstätten liegen in Frankreich, Ungarn, den USA, Italien, Jugoslawien, China und Australien. Bauxit wird durch einen nasschemischen Aufschluss von Eisenverunreinigungen befreit und anschließend schmelzelektrolytisch in die metallische Form überführt. Angeboten wird dieses Aluminium in Form von Barren, die sich einfach transportieren und lagern lassen. Verdüsung und Vermahlung Bei der Herstellung von Aluminiumgranulat, dem Ausgangsprodukt von Aluminiumpigmenten, werden diese Barren vor Ort in einem Ofen geschmolzen, der auf mindestens 700 °C, leicht oberhalb der Schmelztemperatur von Aluminium, aufgeheizt worden ist. Moderne Öfen arbeiten nach dem Induktionsprinzip. Das Leichtmetall wird in die flüssige Phase überführt, um es dann durch eine Düse unter hohem Luftdruck zu versprühen (Abbildung II-2.1).
Abbildung II-2.1: Verdüsen von flüssigem Aluminium unter hohem Luftdruck
Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 17
03.12.2012 11:53:36
18
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Das verdüste Metall kühlt unmittelbar nach der Verdüsung ab und liegt abhängig von den Verdüsungsparametern als isometrisches Granulat vor (Abbildung II-2.2).
Abbildung II-2.2: Aluminiumgrieß als Ausgangsstoff für die Vermahlung zum Flake
Dieses in der Industrie als Aluminiumgrieß bezeichnete Material ist der Rohstoff für die Vermahlung, bei der Effektpigmente in plättchenförmiger Gestalt, sogenannte Flakes, entstehen. Notwendig ist die Vermahlung zum Flake, weil der sphärische Grieß viel zu grob ist, um in die dünnen Lack- oder Druckschichten eingearbeitet zu werden. Außerdem weist er nicht die geforderten Eigenschaften hinsichtlich Deckvermögen und Brillanz auf, die an ein Effektpigment gestellt werden.
Im Hall’schen Nassmahl-Verfahren, einer Kugelmühlenvermahlung, wird der pulverförmige AluminiAbbildung II-2.3: Kugelmühle für die umgrieß mit dem Mahlmedium Vermahlung von Aluminiumgrieß zum Flake Testbenzin und einer bestimmten Menge eines Schmiermittels, üblicherweise eine C18-Carbonsäure wie Öl- oder Stearinsäure, versetzt und sowohl zu Plättchen verformt als auch zerkleinert. Der Schmierstoff wird von den bei der Kugelmühlenvermahlung (Abbildung II-2.3) vom Aluminiumgrieß zum Plättchen entstehenden freien, hochreaktiven Aluminiumoberflächen adsorbiert und führt zu einer Belegung der sich unmittelbar nach der Vermahlung bildenden hydrophilen Oxidschicht. Vermeiden lassen sich so unkontrollierte Reaktionen, wie zum Beispiel Kaltverschweißungen der Pigmente und Agglomeratbildung. Die beim Mahlprozess entstehende Prozesswärme wird über Kühlsysteme abgeführt. Sieben Das Aluminiumpigment fällt in Form plättchenförmiger Teilchen mit einer bestimmten durchschnittlichen Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung an. Im Prozess entstandene Agglomerate und Grobpartikel werden durch Siebschritte im Zuge einer Nachsiebung entfernt (Abbildung II-2.4).
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 18
03.12.2012 11:53:36
Herstellverfahren
19
Die Siebung hat neben der Entfernung der im Mahlprozess eventuell entstandenen Agglomerate eine weitere wichtige Funktion: Sie begrenzt das Teilchenspektrum nach oben hin. Die Entfernung des sogenannten Überkorns wird auch als Grenzkornsiebung bezeichnet. In den Anfängen der Nassvermahlung waren Zielfraktionen mit weniger als 63 µm und später dann mit weniger als 40 bis 45 µm üblich. Moderne Aluminiumpigmente werden auf Geweben mit weniger als 25 µm Maschenweite gesiebt. Da diese Produkte auch eine enge Teilchengrößenverteilung aufweisen, lassen sich mit ihnen hohe Glanzgrade in Lackapplikationen erreichen. Wichtig sind heute diese feinteiligen, im Grobkorn eng begrenzten Metalleffekt-Pigmente Abbildung II-2.4:Anlage für die Siebung von Aluminium-Flakes vor allem im Automobilbereich, wo bereits Schichtdickenreduktionen von 1 µm eine deutliche Kostenersparnis bringen. Auch bei Einschichtlackierungen für Handys und Computergehäuse, um nur einige zu nennen, sind feinteilige Effektpigmente von Vorteil. Konfektionierung Aluminiumpigmente werden aus Sicherheitsgründen als Pasten in den Handel gebracht. Während der Herstellung, d.h. in der Vermahlung in Kugelmühlen und anschließenden Siebung, darf die Konzentration der Aluminiumpigmente im Medium Testbenzin nicht zu hoch sein. Übliche Aluminiumgehalte liegen deutlich unter 30 %. Anschließend gilt es hingegen in den Pasten, den Aluminiumpigmentanteil so hoch wie möglich einzustellen. Das Aufkonzentrieren des Pigments geschieht in Filterpressen, über die überschüssiges Testbenzin entfernt wird. Der Filterkuchen besteht aus 80 % Aluminiumpigment und 20 % Testbenzin. Das verkaufsfertige Produkt wird auf einen handelsüblichen Gehalt von 65 % Aluminiumpigment und 35 % Lösemittel mit lackverträglichen, aromatenrei-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 19
03.12.2012 11:53:36
20
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
chen Testbenzinen (z.B. Solventnaphtha) eingestellt. Diese Produkte können an Kunden zur Formulierung lösemittelhaltiger Metallic-Lacke oder Druckfarben ausgeliefert werden. Alternativ kann der Filterkuchen zu stabilisierten Pigmenten zur Anwendung in wässrigen Systemen weiterverarbeitet werden (vgl. Teil IV, Kapitel 1.1.2.). Auch ein Austausch des Lösemittels für weitere Anwendungen, etwa in Kunststoffen (vgl. Teil IV, Kapitel 3.), ist möglich.
2.1.2 Goldbronzepigmente nach dem Hametag’schen Trockenmahl-Verfahren Als Goldbronzepigmente werden Pigmentplättchen bezeichnet, die aus Kupfer oder Kupfer-Zink-Legierungen, also Messing, gefertigt werden. Vorkommen und Gewinnung von Zink werden im Kapitel über Zink-Flakes beschrieben, weshalb hier nur auf Kupfer eingegangen wird. Vorkommen und Gewinnung von Kupfer Kupfer kommt überwiegend gebunden als Oxid, Sulfid, Chlorid oder Carbonat in den USA, Kanada, Chile, im Kongo und in Simbabwe vor. Wichtigster Rohstoff ist Kupferkies (CuFeS2), der geröstet wird. In Schacht- oder Flammöfen wird im Zuge eines Röstungsprozesses Eisen als Schlacke abgetrennt. Das verbleibende schwefelhaltige Kupfer wird unter Sauerstoffzufuhr gereinigt und liegt dann als Rohkupfer vor, das in dem folgenden Arbeitsgang elektrolytisch weiter gereinigt und abgeschieden wird. Zusammensetzung von Goldbronzen Das Ausgangsmaterial für den Mahlprozess der Goldbronzen ist hochreines, elektrolytisch gewonnenes Kupfer und Zink. Diese beiden Metalle werden unter Zusatz von etwas Aluminium als Reduktionsmittel legiert. Das Kupfer-ZinkVerhältnis bestimmt den Farbton der Legierung. Im Allgemeinen liegt der Kupfergehalt zwischen 70 und 100 %. Bei Goldbronzepigmenten treten aufgrund dieser Legierungen charakteristische Farbtöne auf, sogenannte Naturfarbtöne (Tabelle II-2.1.): Tabelle II-2.1: Legierungszusammensetzung bei Naturfarbtönen
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 20
03.12.2012 11:53:37
Herstellverfahren
21
Verdüsung und Vermahlung Durch Verdüsen der Metallschmelze erzeugt man spratzigen Metallgrieß, der in Kugelmühlen unter Zugabe von Stearinsäure mit Stahlkugeln zu GoldbronzeFlakes verarbeitet wird. Das Schmiermittel dient beim Mahlen, ebenso wie bei der Aluminium-Flake-Herstellung, in erster Linie der Verhinderung einer Kaltverschweißung der Pigmentpartikel (siehe Kapitel II-2.1.1). Anders als bei Aluminiumplättchen ist der Mahlprozess im Allgemeinen jedoch ein Trockenmahlverfahren, das sogenannte Hametag’sche Trockenmahl-Verfahren. Der Grund liegt darin, dass Goldbronze-Pigmente in Gegenwart von Sauerstoff nicht zu Staubexplosionen neigen, und daher bei entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen trocken in Kugelmühlen vermahlen werden können. Die entstehenden Pulver sind universell in nahezu allen Lösemitteln und Bindemitteln einsetzbar. Wie die Aluminiumpigmente haben auch Goldbronzen eine plättchenförmige Gestalt. Ihre Dichte ist jedoch rund dreimal so hoch wie bei vergleichbaren Aluminium-Flakes. Klassierung Um die verschiedenen Pigmentfeinheiten zu erreichen (z.B. für Bronzierdruck – sehr grobe Teilchen mit einer durchschnittlichen Teilchengröße d50 von 50 µm; für Offsetdruck – extrem feine Teilchen mit d50 kleiner als 5 µm), sind mehrere Mahlstufen mit unterschiedlichen Mahlbedingungen nötig. Hierbei spielen Mühlengröße, -durchmesser, -drehgeschwindigkeit, Kugelgröße, Mahldauer und Schmiermittel eine wichtige Rolle. Durch eine Klassierung mit Zyklonen wird nach der Vermahlung das Pigment im Luftstrom nach dem Prinzip der Schwer- und Fliehkraft aufgetrennt. Um später den metallpigmentierten Beschichtungen bestmöglichen metallischen Glanz zu verleihen, wird bei der anschließenden Nachbearbeitung zusätzliches Schmiermittel auf die Oberfläche der Plättchen „aufpoliert“. Feuerfärbung Das Sortiment an kupfer- und messingfarbenen Naturtönen kann durch die sogenannte Feuerfärbung vor der Weiterverarbeitung erweitert werden. Dabei lässt man über einen bestimmten Zeitraum unter definierter Temperatur Luftsauerstoff auf das Pigment einwirken und erhält so eine dünne Oxidschicht auf dem Metallplättchen. Durch Interferenzreflexion werden interessante Farbnuancierungen hervorgerufen. Gängige Farbtöne sind Zitron-, Dukatengold- oder Feuerrottöne, um die wichtigsten zu nennen. Zink-Flakes Zink kommt überwiegend als sulfidisches oder oxidisches Erz in der Natur vor. Hiervon ist Zinkblende, ein Zinksulfid, das zur Verhüttung am häufigsten verwendete Erz. Abbaugebiete liegen in Polen, Frankreich, England, Australien, Kanada,
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 21
03.12.2012 11:53:37
22
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
den USA und Australien. Zinkblende wird zunächst reduziert und anschließend elektrolytisch gereinigt. Analog zur Aluminium-Flake-Herstellung erfolgt nach der Verdüsung des schmelzflüssigen Metalls mit Luft die Herstellung der Zink-Flakes entweder durch Nassmahlung in Testbenzin oder durch eine Trockenzerkleinerung und Verformung. Als Schmierstoff wird in aller Regel Stearinsäure eingesetzt.
2.2 Eigenschaften 2.2.1 Benetzungsverhalten: Leafing und Non-Leafing Bei den verschiedenen Herstellungsverfahren muss zur Vermeidung von Kaltverschweißungen der Pigmentplättchen stets ein Mahlhilfsmittel (Schmiermittel) zugesetzt werden. Dessen Natur beeinflusst in charakteristischer Weise das Benetzungsverhalten der Metallpigmente. Grundsätzlich unterscheidet man bei Aluminiumpigmenten zwischen Leafing- und Non-Leafing-Typen (vgl. DIN 55923). Bei Goldbronze- und Zinkpigmenten werden im Mahlprozess nur Leafing-Typen hergestellt. 2.2.1.1 Leafing-Pigmente
Abbildung II-2.5: Aufschwimmen der Leafing-Pigmente in der Beschichtung
Von Leafing-Pigmenten spricht man, wenn diese aufgrund hoher Grenzflächenspannung vom Bindemittel nicht benetzt werden und deshalb im Nassfilm aufschwimmen und sich an der Oberfläche ausrichten (Abbildung II-2.5). Diesen Effekt erzielt man beispielsweise durch Verwendung von Stearinsäure als Mahlhilfsmittel.
Reflexionseffekte Leafing-Pigmente werden aufgrund ihrer Spiegelwirkung vor allem in Dekorationslacken, zum Beispiel bei Chromeffektlackierungen, und insbesondere im Druck eingesetzt. Neben höchstem Glanz zeigen sie allerdings eine mäßige Wisch- und Kratzfestigkeit, da die Plättchen in der Bindemittelmatrix nur unzureichend fixiert sind. Das Aufschwimmverhalten der Leafing-Pigmente ist in unpolaren Systemen am stärksten ausgeprägt. Aromatische Formulierungsbestandteile, also Löse- oder Bindemittel, fördern das Aufschwimmverhalten der Plättchen. In Lack- oder Drucksystemen mit stark polaren Löse- oder Bindemitteln besteht immer die Tendenz, dass Leafing-Pigmente durch Benetzung „absaufen“ und zu Non-Leafing-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 22
03.12.2012 11:53:37
23
Eigenschaften
Pigmenten werden. Im Bedarfsfall können – besonders in Druckanwendungen – spezielle Leafing-stabilisierende Additive zugesetzt werden. Barriereschutz Leafing-Pigmente sind nebenbei auch ideale Korrosionsschutzpigmente. Sie erzeugen durch ihr Aufschwimmvermögen eine dichte Sperrschicht, welche zunächst einmal das Eindringen von Feuchtigkeit und anderen reaktiven Medien in den Lackfilm erschwert bzw. durch die langen Diffusionswege zumindest stark verzögert (Tortuosität). In der Folge rosten metallische Substrate deutlich weniger (vgl. S. 243, Kapitel IV-5.1, Wirkungsweise plättchenförmiger Zinkpigmente). Zusätzlich wird Strahlung (sowohl im sichtbaren als auch im UV- und IR-Bereich) reflektiert und somit ein beschichtetes Objekt vor Überhitzung geschützt (IRReflexion: Tankanstriche, Dachanstriche) oder die Zerstörung des Bindemittels durch UV-Strahlen, die sogenannte „Kreidung“, stark verzögert. Übersicht über Leafing-Aluminiumpigmente In Tabelle 2.2 findet sich eine allgemeine Übersicht über Leafing-Aluminiumpigmente mit wichtigen Kennzahlen und Anwendungsbereichen. Tabelle II-2.2: Unterteilung der Leafing-Pigmente. Bei den hier beispielhaft genannten Produkten handelt es sich um Fabrikate aus dem Hause Eckart. Feinheit
durchschnittliche Teilchengröße [µm]
Spreitwerte cm2/g
Anwendungen
grob
15 – 30
18.000 – 21.000
Dachbeschichtungen, Lacke für Rohre, Öltanks usw. (zur Strahlenreflexion), hitzefeste Lacke, Schiffsfarben
mittelfein
8 – 15
21.000 – 40.000
Industrielacke, Sprühdosen
fein
8–5
40.000 – 65.000
Chromeffektlacke, Dekorationslacke, Sprühdosen; Reflexionslacke (z.B. Fahrzeuge)
50.000
feinst
poliert s. entsprechende (grob bis fein) z. B. Feinheit „Standart“ Chromal, „Stapa“ Luxal
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 23
s. entsprechende Feinheit
Druckanwendungen brillante Chromeffekte, Reflexionslacke, Druckanwendungen und Pulverlacke
03.12.2012 11:53:37
24
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
2.2.1.2 Non-Leafing-Pigmente Pigmentausrichtung
Abbildung II-2.6: Gleichmäßige Verteilung der Non-Leafing-Pigmente in der Beschichtung
Als Non-Leafing-Pigmente werden solche Pigmente bezeichnet, die vollständig vom Bindemittel benetzt werden, und sich daher gleichmäßig im gesamten Lack-/Druckfilm verteilen (Abbildung II-2.6). Die eingesetzten Bindemittel sind üblicherweise mittel- bis hochpolar.
Man erhält in optischer Hinsicht nicht ganz so metallisch wirkende, aber dafür absolut wischfeste Beschichtungen. Durch die Kombination mit transparenten, d.h. nicht streuenden Buntpigmenten erzielt man überfärbte Metalleffektlackierungen, wie sie beispielsweise bei Automobildecklacken (Metallics) bekannt sind. Des Weiteren sind sie überlackierbar. In bestimmten Fällen können durch Zugabe von stark polaren Additiven oder Bindemitteln, insbesondere aber auch durch Netzmittel, in Druck- und Lacksystemen Leafing-Pigmente in Non-Leafing-Pigmente überführt werden. Vor allem im Druckbereich wendet man diese Technik gezielt an, um die Vorteile des Non-Leafing-Verhaltens (bessere Abriebbeständigkeit bzw. Spaltfestigkeit) nutzen zu können (s. vorher). Gängiger sind heutzutage allerdings Non-LeafingAluminiumpigmente, die durch Verwendung von Ölsäure als Mahlhilfsmittel während des Zerkleinerungsprozesses gezielt hergestellt werden. In Tabelle II-2.3 findet sich eine allgemeine Übersicht über Non-Leafing-Aluminiumpigmente mit wichtigen Kennzahlen und Anwendungsbereichen. 2.2.1.3 Oberflächenbelegung bei Goldbronzepigmenten Goldbronzepigmenten, die im Hametag-Verfahren als Leafing-Typen dargestellt werden, verleiht eine Nachbeschichtung (z.B. mit SiO2) Non-Leafing-Eigenschaften. Neben der Umwandlung zu Non-Leafing-Goldbronzen erreicht man durch die SiO2-Belegung eine Temperaturstabilität der Produkte bis zu 200 °C. Standard Leafing-Typen aus dem Hametag’schen Trockenmahl-Verfahren sind lediglich bis etwa 80 °C stabil. Unter der Bezeichnung „Standart“ Dorolan (aus dem Hause Eckart) sind die beschichteten Qualitäten bekannt geworden. Das Aufbringen einer SiO2-Beschichtung durch einen schonenden Sol-GelProzess verleiht Goldbronzepigmenten zusätzlich eine verbesserte Chemikalienstabilität, da die SiO2-Schutzschicht einer Entzinkung vorbeugt bzw. ein in
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 24
03.12.2012 11:53:37
Eigenschaften
25
Lösung gehen von Kupfer-Ionen verhindert, zumindest solche Vorgänge deutlich verzögert. Dies wird besonders in aggressiven Systemen geschätzt, wie etwa in Bindemitteln mit hoher Funktionalität oder in Nitrocellulosesystemen mit hohen Restgehalten an Nitriersäuren. Die Lagerstabilität steigt beim Einsatz von beschichteten Non-Leafing-Goldbronzen deutlich an. In Einschichtlacken für die Beschichtung von Kunststoffen, beispielsweise bei Handys oder Computer-Zubehör, bringt die Verwendung von beschichteten NonLeafing-Typen ebenfalls Vorteile, weil hier im Vergleich zu den unbeschichteten eine wesentlich bessere Wisch- und Chemikalienbeständigkeit gegeben ist.
Tabelle II-2.3: Beispiele von Non-Leafing-Pigmenten. Bei den hier beispielhaft genannten Produkten handelt es sich um Fabrikate aus dem Hause Eckart.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 25
03.12.2012 11:53:37
26
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Vergleichsweise unbedeutend ist bisher die Verwendung der „Standart“ DorolanTypen in Einbrennlacken. Hier bieten Kombinationen aus Aluminium-FlakeBuntpigmenten ein breiteres Eigenschaftsprofil. In Automobilsystemen haben sich die beschichteten Non-Leafing-Goldbronzepigmente wegen ihrer mangelnden Bewitterungsstabilität und wegen ihrer in Ringleitungssystemen problematischen Sedimentationstendenz nicht durchsetzen können. Ein klassisches Anwendungsgebiet dieser beschichteten Goldbronzepigmente sind Pulverlacke. Das Kapitel 1.1.3 im Teil IV erläutert detailliert und vergleichend die verschiedenen Produktgruppen. 2.2.1.4 Orientierungsphänomene Bei den beschriebenen Non-Leafing-Metalleffekt-Pigmenten ist die Orientierung der Pigmentplättchen im Medium von ausschlaggebender Bedeutung für die Optimierung des Metallglanzes. Maximalen Glanz erhält man bei planparalleler Ausrichtung der Plättchen zur Oberfläche. Lokal abweichende Orientierung – insbesondere auf großen Flächen – führt zu Wolkenbildung oder zu einem unruhigen Salz-und-Pfeffer-Effekt. Im Lackbereich wird die Orientierung der plättchenförmigen Pigmente im Wesentlichen durch die Lackformulierung und die Applikationsbedingungen beeinflusst. In der flüssigen, über Spritzverfahren aufgebrachten Lackschicht, die sich aus den auf das Objekt gelangenden Lacktröpfchen mehr oder weniger schnell bildet, sind – wegen der relativ niedrigen Spritzviskosität – die Pigmente zunächst statistisch ungeordnet verteilt. Durch Abdunsten des Lösemittels schrumpft der Nassfilm und presst die Pigmentblättchen in eine Lage parallel zur beschichteten Oberfläche. Diese Ausrichtung ist umso ausgeprägter, je geringer die Viskosität des Lackfilms ist, d.h. in der Regel je höher der Anteil des Lösemittels im Lack ist. Dies wiederum erklärt, warum die Pigmentorientierung und damit metallischer Glanz in low-solid Lacken wesentlich leichter zu erzielen ist als in High Solid-Lacken (vgl. S. 83, Abbildung IV-1.1, Kapitel IV-1.1.1, Pigmentorientierung und Festkörper). Das abdunstende Lösemittel kann jedoch innerhalb des Nassfilms auch starke Turbulenzen erzeugen und steht dann bei zu langsamer Verdunstung durch Bildung sogenannter Bénard-Zellen einer Pigmentorientierung im Wege (Wolkenbildung durch Nahordnung, Flockung). Hier hilft man sich durch Verwendung von Lackkomponenten, welche die Lösemittel schnell abgeben (z.B. Celluloseacetobutyrate) bzw. durch Zugabe von Additiven, die die Pigmentteilchen in Dispersion halten. In der Literatur wird unter anderem auf die positive Wirkung von Wachsdispersionen als „Abstandshalter“ hingewiesen [1]. Die oben diskutierten Zusammenhänge gelten prinzipiell auch für Druckanwendungen. Zusätzlich ist hier jedoch der Einfluss des Druckträgers zu berücksichti-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 26
03.12.2012 11:53:37
Eigenschaften
27
gen, der – mehr oder weniger – saugfähig für ein Wegschlagen der verwendeten Lösemittel sorgt. Je geringer die Saugfähigkeit des Druckträgers, desto besser ist die Pigmentorientierung und damit der Metalliceffekt. Umso langsamer ist dann auch die Trocknungszeit für den Druck. Fließlinien in Kunststoffanwendungen Beim Spritzgießen metallpigmentierter Kunststoffe orientieren sich die Pigmente entlang der Fließrichtung der flüssigen Polymerschmelze. Damit ist im Allgemeinen für eine optimale Orientierung gesorgt. Beim Zusammentreffen unterschiedlicher Orientierungsebenen kommt es zu den sogenannten Fließlinien in den Spritzgussteilen (vgl. S. 222f, Kapitel IV-3.3, Orientierungsprobleme beim Spritzgießen). Eine Unterscheidung zwischen Leafing- und Non-Leafing-Effekten wird aufgrund der hohen Applikationsviskosität und der geringen Orientierung der Metalleffekt-Pigmente in der Kunststoffmatrix im Vergleich zu Lackanwendungen nicht gemacht.
2.2.2 Optische Eigenschaften Der Metalliceffekt, den unser Auge bei der Betrachtung entsprechender Metalleffekt-Pigmentapplikationen wahrnimmt, ist eine Kombination aus gerichteter Reflexion des einfallenden Lichts an der MetalleffektPigmentoberfläche und Streuung an den Metallpigmentkanten bzw. an Unebenheiten auf der Metallpigmentoberfläche (Abbildung II-2.7). Einflussfaktoren Um den Metalliceffekt zu optimieren, ist es nötig, den Anteil der Abbildung II-2.7: Lichtreflexion und Streuung gerichteten Reflexion an der Plätt- durch den Metalliceffekt chenoberfläche soweit wie möglich zu erhöhen und gleichzeitig die Streuung (an den Ecken und Kanten sowie auch den Unebenheiten der Oberfläche der Metall-Flakes) zu verringern. Der optische Eindruck hängt im Wesentlichen ab von: • Art des Metalls (Aluminium, Messing usw.) • Benetzungsverhalten des Pigments (Leafing- oder Non-Leafing)
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 27
03.12.2012 11:53:38
28
• • • •
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Oberflächenglätte der Pigmentpartikel Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung Formfaktor (Durchmesser zu Teilchendicke) der Plättchen Art der Grenzfläche (Luft oder Bindemittel)
Lichtstreuung und ungerichtete Reflexion sind nicht nur an den Pigmentkanten, sondern auch an möglichen Defekten auf der Pigmentoberfläche anzutreffen. Die Metalleffekt-Pigmente sind während herkömmlicher Herstellverfahren unterschiedlich starken äußeren mechanischen Einwirkungen ausgesetzt, die oftmals zu unregelmäßigen Teilchendicken, vor allem jedoch auch zu Oberflächendefekten führen. Nur das relativ aufwendige PVD-Verfahren (Physical Vapor Deposition (vgl. Teil III, Kapitel 1)) erzeugt fehlerfreie Oberfläche. Die Abwesenheit von Oberflächendefekten hat ein hohes Maß an gerichteter Reflexion zur Folge (vgl. S. 63, Abbildung III-1.4). Einzelmerkmale des Metalliceffekts am nicht applizierten Pigment Es ist nicht einfach, ohne Angaben zur Orientierung der Partikel, den visuellen Eindruck des Metalliceffekts zu beschreiben und messtechnisch zu erfassen, da er sich aus einer Summe charakteristischer Einzeleffekte zusammensetzt. Dies sind im Einzelnen: • • • • • •
Farbton Helligkeit (lightness) Brillanz (brilliance) Deckvermögen (tinting strength oder hiding power) Sparkle-Effekt und Körnigkeit Wolkigkeit
2.2.2.1 Helligkeit Die metallische Brillanz beschreibt das Reflexionsvermögen eines Pigments und wie „metallisch“ ein Metalleffekt-Pigment auf einen Betrachter wirkt. Pigmente sind brillant, wenn sie die Lichtstrahlung in hohem Maße reflektieren und wenig ungerichtete Lichtstreuung bzw. -absorption ins Graue stattfindet. Metalleffekt-Pigmente sind im Allgemeinen umso brillanter, je gröber die Typen und je perfekter die Pigmentoberflächen sind oder auch je enger ihre Teilchengrößenverteilung ist. Liegen sehr feine, irregulär geformte Pigmente in einer weiten Teilchengrößenverteilung vor, verschiebt sich der Farbton nach Grau („schmutziges Grau“). Für die Effektpigmentindustrie stellen sehr feine helle Pigmente mit hoher metallischer Brillanz eine fortwährende Herausforderung dar. 2.2.2.2 Brillanz Grobteilige Metalleffekt-Pigmente mit durchschnittlichen Teilchengrößen von größer als 25 µm werden als Sparkle-Typen (etwa Glitzertypen) bezeichnet.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 28
03.12.2012 11:53:38
Eigenschaften
Bei direkter Beleuchtung (Sonnenschein) vermag das Auge die Spiegelebenen einzelner Partikel wahrzunehmen. Der Sparkle-Effekt verändert sich dabei in Abhängigkeit vom Beleuchtungswinkel. Dieser Glitzereindruck ändert sich völlig bei bedecktem Himmel und nun wird eher die Körnigkeit als ein Hell/Dunkel-Muster wahrgenommen. Die visuelle Wahrnehmung der Körnigkeit hängt von der FlakeGröße oder der Flake-Orientierung ab. Daraus resultiert ein uneinheitliches und unregelmäßiges Muster. Der Beobachtungswinkel ist dabei von geringer Bedeutung.
29
Abbildung II-2.8: Schematische Darstellung der Effektmessung Quelle: Byk
Die herkömmliche 5-Winkelfarbmessung berechnet die Farbwerte, indem die spektrale Reflexion über den gesamten Messfleck gemittelt wird. Daher wird nicht zwischen der Farbe des Basislacks und der Reflexion der Aluminium-Flakes unterschieden. Folglich können Abbildung II-2.9: BYK-Gardner BYK-mac zwei Effektlackierungen die gleiQuelle: Byk chen Werte mit einem 5-Winkel Spektralphotometer haben, jedoch visuell sehr unterschiedlich aussehen. Der visuelle Unterschied resultiert aus den unterschiedlichen Flake-Effekten. Die objektive Erfassung von Sparkle und Körnigkeit wurde in einem neuen Messsystem der Firma Byk-Gardner, Byk-mac mit Hilfe unterschiedlicher Beleuchtungen und moderner Kameratechnologie umgesetzt. Zur Messung der Körnigkeit simuliert eine durch weißbeschichtete Halbkugeln hervorgerufene, diffuse Beleuchtung die visuelle Wahrnehmung bei bewölktem Himmel. Die direkte Beleuchtung zur Simulation von Sonnenschein wird unter drei Winkeln mittels hochintensiver Power-LEDs durchgeführt. Nach jeder Beleuchtung nimmt die Kamera ein Bild auf, das durch Auswertung des Helligkeitshistogramms, numerische Messwerte für den Sparkle-Effekt pro Winkel als auch die Körnigkeit in Sekundenschnelle liefert. Die Algorithmen wurden zusammen mit Partnern aus der Auotmobil-, der Pigment- und Lackindustrie aufgrund visueller Auswertungen empirisch ermittelt. Zur besseren Differenzierung wird der Sparkle-Effekt durch ein zweidimensiona-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 29
03.12.2012 11:53:38
30
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Abbildung II-2.10: Einfluss der Flake-Größe auf Glitzer und Körnigkeit
Quelle: Byk
les System beschrieben: Glitzerfläche und Glitzerintensität. Körnigkeit und Glitzer sind dabei zwei voneinander unabhängige Parameter. Ein Effektlack kann z.B. bei gleicher Körnigkeit unterschiedlichen Sparkle-Effekt zeigen. 2.2.2.3 Wolkigkeit Wolkigkeit ist eine unerwünschte Störung, die besonders bei hellen Effektlacken ins Auge sticht. Der Gesamteindruck der Oberfläche zeigt flächenähnliche, unregelmäßige Bereiche variierender Helligkeit. Ursachen sind zum Beispiel Fehlorientierung der Metallic-Flakes oder Schichtdickenvariationen des Basislacks. Die visuelle Beurteilung wird jedoch stark vom Prüfer und den Lichtverhältnissen beeinflusst. Verschiedentlich werden Spektralphotometer eingesetzt um die Prüfoberfläche in einem flächigen Raster zu vermessen. Allerdings sind hierbei hunderte Messungen erforderlich, was zu enormem Zeitaufwand führt und somit nur im Abbildung II-2.11: Wolkigkeitsmessung (Messprinzip) Quelle: Byk Labor Verwendung findet.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 30
03.12.2012 11:53:38
Eigenschaften
Hierfür hat z.B. die Firma BykGardner ein portables Handgerät entwickelt, mit dem die Helligkeitsschwankungen auf großen Flächen schnell geprüft werden können. Das Messgerät, Cloud-Runner, tastet die Oberfläche optisch über eine definierte Strecke (max. 100 cm) unter verschiedenen Detektionswinkeln ab und nimmt dabei die Helligkeitsschwankungen auf. Dies ist notwendig, weil die Sichtbarkeit von Wolken auch von der Betrachtungsrichtung abhängt.
31
Abbildung II-2.12: BYK-Gardner cloud-runner
Das Messsignal wird nach Wolkengröße gefiltert und Wolkigkeitskennwerte berechnet. Je höher der Messwert ist, umso deutlicher ist die Wolkigkeit erkennbar. Damit sind Unterschiede leicht ersichtlich und es können Zielwerte für Lackfreigabe und Prozesskontrolle definiert werden. 2.2.2.4 Glanz: DOI, Flop und Buntton Hinsichtlich des „Glanzes“ sind in Automobillacken für Aluminiumpigmente von Bedeutung: • Abbildeschärfe (DOI) • Flop- oder Abkippverhalten • Bunttonsättigung Abbildeschärfe (DOI) Der DOI-Wert (Distinctness-ofImage) diente ursprünglich in den USA zur Beurteilung von Einschichtlacken, wird heute auch für Zweischichtlacke benutzt. Bei der Ermittlung des DOI-Wertes handelt es sich um eine den Decklackstand beschreibende Glanzmessung nahe am Reflexionswinkel, welche entweder subjektiv in der Glow-Box oder messtechnisch durchgeführt werden kann (Referenz: z.B. von Byk-Gardner die Wave-Scan Mess-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 31
Abbildung II-2.13: BYK-Gardner Wave-Scan zur Vermessung von DOI Quelle: Byk
03.12.2012 11:53:39
32
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
geräte). Die erhaltenen Messwerte sind Relativzahlen (0 bis 100). Je höher der DOI-Wert, desto schärfer erscheint die Abbildung von kontrastreichen Objekten durch Spiegelung an der lackierten Oberfläche. Der DOI-Wert einer Lackierung wird beeinflusst durch die Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung eines Pigments, seine Bindemittelverträglichkeit und allgemeinen Verlaufseigenschaften des verwendeten Klarlacks. Dieser Begriff darf nicht mit dem Glanz (siehe weiter) verwechselt werden. Flop- oder Abkippverhalten Der Flop (auch Travel genannt) ist wohl die charakteristischste optische Eigenschaft der Metalleffekt-Pigmente und wird oft als der Metalliceffekt schlechthin bezeichnet. Hierunter versteht man die Änderung der Helligkeit in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel. Dies wird bei der Abmusterung der Prüfbleche durch ein leichtes Abkippen der Bleche während der Betrachtung mit bloßem Auge beurteilt, deshalb bezeichnet man den Flop auch als Abkippverhalten. In der Praxis ermittelt man das Flopverhalten am Helligkeitskontrast beim Betrachten von lackierten Oberflächen unter verschiedenen Blickwinkeln (Helligkeitsflop) Je größer der Helligkeitsunterschied zwischen den Betrachtungswinkeln ist, desto mehr werden die Konturen eines Gegenstandes betont. Um die Farbtonänderung von Interferenzlacken zu beobachten, sollte das Probenblech von oben nach unten bewegt werden. Dabei vergrößert bzw. verkleinert sich der Winkel zur Lichtquelle. Bei Perlglanzpigmenten und bei wenigen, modernen Effektpigmenten kann ein sogenannter Farbflop erzeugt werden. Bunttonsättigung bei Metalleffekt-Pigmenten Unter der Bunttonsättigung versteht man hier die Eigenschaft eines MetalleffektPigmentes, einen durch ein Buntpigment erzeugten Farbton zu überdecken bzw. zu beeinflussen. Es besteht ein direkter Zusammenhang mit dem Deckvermögen (siehe im Folgenden). Allgemein ist die Bunttonsättigung umso stärker, je feiner das Metalleffekt-Pigment oder je breiter die Teilchengrößenverteilung (siehe weiter) ist. Messung des Metalliceffekts/Flops Eine anerkannte Methode zur Bestimmung des Abkippverhaltens einer Lackierung ist die Messung des reflektierten Lichtes mit einem Goniophotometer (Abbildung II-2.14). Hierbei wird die Lackierung unter 45° monochromatisch beleuchtet und das reflektierte Licht unter mehreren Winkeln gemessen, die sich zwischen 0° und 90° gezielt einstellen lassen (vgl. S. 53, Kapitel II-3.3.1, Goniophotometrie) Misst man mit Hilfe dieser Anordnung das reflektierte Licht unter verschiedenen Winkeln, zeigt sich ein deutliches Maximum im Reflexionswinkel (Glanzwinkel). Da der Einfallswinkel des Lichtes 45° beträgt, ist auch die höchste Reflexionsin-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 32
03.12.2012 11:53:39
Eigenschaften
33
Abbildung II-2.14: Goniophotometer zur Bestimmung des Metalliceffektes
tensität bei diesem Winkel gegeben. Diese höchste Lichtreflexion entspricht dem hellen visuellen Eindruck in der Aufsicht, alle übrigen Messwerte entsprechen den dunkleren Eindrücken beim Abkippen. Zur Qualitätskontrolle vor Ort, im Lacklabor oder an der Produktionslinie, werden heutzutage meistens portable Mehrwinkelfarbmessgeräte eingesetzt, die mit fünf Betrachtungswinkel das Flopverhalten von Metallicbeschichtungen und mit 6-Winkeln das Farb-Flopverhalten von Perlglanzbeschichtungen beschreiben. Bei der Mehrwinkelfarbmessung bezieht sich die Messgeometrie auf die Differenz zum Glanzwinkel. Der Betrachtungswinkel wird von der spekularen Reflexion in der Beleuchtungsebene weg gemessen. Der Winkel ist positiv, wenn er von der spekularen Reflexion zur Normalen hin gemessen wird. Bei einigen neuen Interferenzpigmenten wandert der Farbort über einen weiten Bereich. Damit die gesamte Farbtonveränderung erfasst wird, ist es notwendig, Beobachtungs- und Beleuchtungswinkel zu ergänzen. Um eine einfache Anwendung in der Praxis mit einem portablen Messgerät zu gewährleisten, wurde ein Beobachtungswinkel „hinter dem Glanz“ bei -15° hinzugefügt. Die glanznahen Betrachtungswinkel (15° und 25°) werden hauptsächlich von der Applikationsmethode beeinflusst, die zu einer nicht parallelen Ausrichtung der Metallicplättchen führen kann. Der 45°-Betrachtungswinkel spiegelt die Farbmessung von Unilacken wieder und die glanzfernen Winkel (75° und 110°) sind notwendig, um den gewünschten Helligkeitsflop zu beurteilen. Außerdem schreiben ASTM und ISO-Normen für Effektlackierungen eine gerichtete Beleuchtung im Gegensatz zur Rundum-Beleuchtung von Unibeschichtungen vor. Eine Rundum-Beleuchtung mini- Abbildung II-2.15: Schematische Darstellung miert den Einfluss eines gerichteten der Mehrwinkelfarbmessung unter 6-Winkeln Quelle: Byk Effekts von Metallicplättchen, dem jedoch mit 6. Winkel bei -15°
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 33
03.12.2012 11:53:39
34
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Tabelle II-2.4. Vergleich von Flop-Indices Produkt
Feinheit
Flop-Index
Abkippverhalten (Flop)
„Stapa“ Metallic 801
fein
11,9
kaum
„Stapa“ Metallux 214
grob
20,2
stark
sogenannte Jalousien-Effekt. Daher, könnten zwei Metallicbeschichtungen mit unterschiedlicher Flake-Orientierung bei der Rundum-Beleuchtung dieselben Messwerte liefern, jedoch wäre ein großer visueller Unterschied wahrnehmbar. Ein weiterer sehr nützlicher Index ist der sogenannte Flop-Index – eine Maßzahl, die das Abkippverhalten einer Metallicbeschichtung beschreibt. Forscher der Firma DuPont Performance Coatings entwickelten einen Algorithmus, der auf den Helligkeitswerten der 15°, 45° and 110°-Winkel basiert [5]. Damit sollen Pigmente beschreibbar und miteinander vergleichbar werden: Flop-Index = 2,69 · (a/b) mit a = [L* (110°) – L*(15°)] 1,11 mit b = [L*(45°)] 0,85 Werden verschiedene Aluminium-Flakes in ein definiertes Lacksystem bei konstant gehaltener Pigmentierungshöhe eingearbeitet und unter gleichen Bedingungen appliziert [3], lassen sich beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Orientierung und vermehrter Kanteneffekte die in Tabelle 2.4. aufgeführten Flop-Indices aus den farbmetrischen Messungen ermitteln [4]: 2.2.2.5 Deckvermögen Der Begriff Deckvermögen beschreibt die Fähigkeit eines Pigments, einen farbigen Untergrund abzudecken. Je gröber das Pigment, desto geringer ist das Deckvermögen. Feinteilige Pigmente mit niedriger mittlerer Teilchengröße zeigen zwar eine eher mäßige, weniger metallische Optik, ihr Vorteil liegt hingegen im hervorragenden Deckvermögen. In Kunststoffbeschichtungen für Mobiltelefone, Kassetten- oder Videorekorder, Spielzeug usw., wo aus Kostengründen nur geringe Schichtdicken aufgetragen werden, nutzt man im Allgemeinen das gute Deckvermögen feinteiliger Metalleffekt-Pigmente. Die Ursache für das gute Deckvermögen feinteiliger Metalleffekt-Pigmente liegt in der hohen Zahl kleiner und sehr dünner Plättchen, was sich in der großen spezifischen Oberfläche dieser Produkte bemerkbar macht. 2.2.2.6 Glanz als Summe der Lichtreflexionen Allgemein gilt weiterhin, dass mit zunehmender Feinteiligkeit der MetalleffektPigmente und mit schärferer Grenzkornsiebung während des Herstellprozesses der Glanz als Summe aller Lichtreflexionen auf der Oberfläche steigt. Dies ist gleich-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 34
03.12.2012 11:53:39
35
Eigenschaften
Tabelle II-2.5: Optische Eigenschaften in Abhängigkeit von den Teilchengrößen Verarbeitungsweise
Bronzierung
Tief-/Flexodruck
Offset
35 – 40 µm
10 – 15 µm
3 – 5 µm
103 %
89 %
63 %
hervorragend
sehr gut
gut
Eigenschaften Teilchengröße Glanz (60° Winkel) Metalliceffekt
bedeutend mit der Zunahme der Abbildeschärfe. Im Pigment enthaltene gröbere Anteile stören den Glanzgrad nicht mehr. Der tabellarische Vergleich (Tabelle II-2.5) der für Druckanwendungen eingesetzten unterschiedlich feinteiligen Pigmente (Bronzierung, Tief-, Flexodruck und Offsetverfahren) verdeutlicht den oben diskutierten Zusammenhang zwischen Teilchengröße, Glanz und Metalliceffekt: Im Kunststoffbereich finden Pigmente mit deutlich größerer mittlerer Teilchengröße Anwendung. Sie weisen eine Größe zwischen 8 µm und 200 µm auf. In Lackanwendungen hingegen liegt die mittlere Teilchengröße zwischen 5 µm und 45 µm.
2.2.3 Teilchengröße, Teilchengrößenverteilung, Teilchenform Durch Zerkleinerung und Verformung der isometrischen Metallgranulate entstehen in der Kugelmühle extrem dünne, plättchenförmige Metalleffekt-Pigmente mit einer Teilchendicke im Bereich von 0,1 µm bis 0,3 µm. Die Flakes liegen nicht in einer exakt definierten Teilchengröße (Durchmesser), sondern in einer (genä-
Abbildung II-2.16:Teilchengrößenverteilung dargestellt in einer Cilas-Kurve
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 35
03.12.2012 11:53:39
36
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
herten) Gauß’schen Verteilung vor. Metalleffekt-Pigmente weisen immer ein Teilchenspektrum mit einer begrenzten Anzahl feiner, einer großen Zahl mittlerer und dann wieder deutlich weniger gröberen Plättchen auf (Abbildung II-2.16). 2.2.3.1 Optische Auswirkungen Teilchengröße, Teilchengrößenverteilung und Teilchenform haben direkten Einfluss auf die Optik der Metalleffekt-Pigmente. Da die optischen Eigenschaften der Beschichtungen im Wesentlichen von der Spiegelreflexion des auftreffenden Lichts an der Pigmentoberfläche und von der Streuung an den Pigmentkanten bestimmt werden, ist der Metalliceffekt in erster Linie abhängig vom Verhältnis Oberfläche zu Kantenanteil der Pigmente. Ist dieses Verhältnis hoch, liegt ein stark ausgeprägter metallischer Charakter vor. Das Verhältnis Oberfläche/Kantenanteil ist bestimmt durch Teilchengröße, Teilchenform und Teilchengrößenverteilung und lässt sich durch die Herstellbedingungen beeinflussen. 2.2.3.2 Mittlere Teilchengröße und ihre Verteilung Mittlere Teilchengröße: d50 Je gröber die Pigmente sind, d.h. je größer die mittlere bzw. durchschnittliche Teilchengröße ist, desto höher ist der Anteil der Spiegelflächen im Vergleich zu den Streukanten, und der zu erwartende Metalleffekt ist hell und metallisch brillant. Für das bereits beschriebene Lacksystem gelten unter definierten Spritzbedingungen folgende Werte [3]: „Stapa“ Metallic 801 [4]: fein (d50 = 14 µm) L*(15°) = 128,0 L*(45°) = 64,7 L*(110°) = 34,9 Flop-Index: 11,9 Charakterisierung: graue Type mit geringem Flop „Stapa“ Metallux 214 [4]: grob (d 50 = 37 µm) L*(15°) = 149,8 L*(45°) = 53,1 Abbildung II-2.17: REM-Aufnahme von L*(110°) = 29,4 Goldbronzepigmenten Flop-Index: 20,2 Charakterisierung: helle, metallisch brillante Type mit hervorragendem Flopverhalten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 36
03.12.2012 11:53:40
Eigenschaften
37
Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Metall-Flakes (Goldbronzepigmente unterschiedlicher Teilchengröße, Abbildung II-2.17.) verdeutlichen diesen Sachverhalt. Teilchengrößenverteilung Metalleffekt-Pigmente entstehen durch Vermahlung nie als Produkte mit einer diskreten Teilchengröße. Vielmehr liegen die Plättchen näherungsweise in einer (genäherten) Gauß’schen Verteilung vor (vgl. Abbildung II-2.16). Für die optischen Eigenschaften bedeutet dies, dass Produkte mit gleicher mittlerer Teilchengröße, aber unterschiedlicher Teilchengrößenverteilung einen sehr unterschiedlichen Eindruck hervorrufen. Pigmente mit einer breiten Verteilung, d.h. mit vielen Partikeln im Verteilungsspektrum, haben einen hohen Feinanteil. Damit liegen viele Ecken und Kanten bei entsprechend großer Oberfläche vor. Das Verhältnis von Oberfläche zu Kantenanteil ist niedrig, woraus eine nur mäßige Optik resultiert. Die Brillanz ist gering, das Abkippverhalten ist schlecht. Metalleffekt-Pigmente mit einer engen Teilchengrößenverteilung haben nur wenig Feinanteil im Verteilungsspektrum. Das Verhältnis von Oberfläche zu Kanten ist hoch. Solche Produkte sind metallisch hell und weisen ein gutes Abkippverhalten auf. Folgende Messwerte wurden in dem bereits charakterisierten Lacksystem [3] für zwei Aluminium-Flake-Typen mit gleicher mittlerer Teilchengröße (d50 = 17 µm) ermittelt: „Stapa“ Metallic 601 [4]: breite Teilchengrößenverteilung L*(15°) = 134,2 L* (45°) = 62,7 L*(110°) = 34,0 Flop-Index: 12,3 Charakterisierung: feinteilige, graue Type mit geringem Flop „Stapa“ Metallux 9157 [4]: enge Teilchengrößenverteilung L*(15°) = 141,7 L*(45°) = 59,0 L*(110°) = 31,6 Flop-Index: 15,5 Charakterisierung: feinteilige, helle, metallisch brillante Type mit ausgeprägtem Flop 2.2.3.3 Teilchenform Neben der Teilchengröße und ihrer Verteilung ist die Teilchenform mit bestimmend für den Metalliceffekt. Je nach Herstellverfahren kann die Gestalt der Teilchen variieren. Sie reicht von unregelmäßigen Plättchen, sogenannten Cornflakes
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 37
03.12.2012 11:53:40
38
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Abbildung II-2.18: Metalleffekt-Pigmente in Cornflake-Form
Abbildung II-2.19: Metalleffekt-Pigmente in Silberdollar-Form
(Abbildung II-2.18) bis hin zu nahezu runden Teilchen mit minimalem Streuanteil. Man bezeichnet sie als Silberdollar (Abbildung II-2.19). Silberdollar sind erst relativ spät entwickelt worden. Sie werden nach einem aufwändigen Verfahren unter Verwendung spezieller, sehr feinteiliger Grießfraktionen produziert. Merkmale der Silberdollar-Typen Silberdollar-Typen weisen neben ihrer speziellen Partikelform auch eine extrem eng geschnittene Teilchengrößenverteilung auf. Damit weisen sie eine hervorragend brillante Optik auf. Ihr Deckvermögen ist allerdings nur mäßig gut. Ihre Anwendung erstreckt sich vom Automobilbereich über hochwertige Kunststofflackierungen bis hin zu hochbrillanten Drucken. Typische farbmetrische Werte ergeben sich unter definierten Applikationsbedingungen in dem beschriebenen Lack [3] wie folgt: „Stapa“ Metallux 9157 [4]: Cornflake L*(15°) = 141,7 L*(45°) = 59,0 L*(110°) = 31,6 Flop-Index: 15,5 Charakterisierung: mittelfeines Pigment mit akzeptablen optischen Eigenschaften „Stapa“ Metallux 2156 [4]: Silberdollar L*(15°) = 151,1 L*(45°) = 50,8 L*(110°) = 28,7 Flop-Index: 19,8 Charakterisierung: mittelfeines Pigment sehr mit guten optischen Eigenschaften
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 38
03.12.2012 11:53:40
Eigenschaften
39
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass je gröber ein Pigment und je runder die Form der Plättchen ist, desto höher ist bei konventionell hergestellten Pigmenten der Reflexionsanteil und damit die metallische Brillanz und die Helligkeit, umso geringer ist die Bunttonsättigung in eingefärbten Metallics. Ausgeprägter ist auch der Flop, d.h. die Änderung der Helligkeit in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel. Besonders in Europa sind helle, brillante Metalleffekt-Pigmente mit starkem Abbildung II-2.20: Einfluss der Teilchengröße Flop gefragt. Sie sollen gleichzeitig auf die Eigenschaften der Metalleffekt-Pigmente ein hohes Deckvermögen und eine hohe Abbildeschärfe aufweisen. Wie oben erläutert, erfordern allerdings die erwünschten Eigenschaften zum Teil besondere Maßnahmen in der Herstelltechnik (Abbildung II-2.20).
2.2.4 Mechanische Stabilität Voraussetzung für eine optimale Effektausbildung ist die vollständige Dispergierung der plättchenförmigen Metalleffekt-Pigmente im Farbsystem bzw. vorab beim Pigmentaufschluss im Lösemittel. Es empfiehlt sich, die Pigmentpaste mit der ein- bis zweifachen Menge an Lösemittel zu versetzen und dann langsam durch schonendes Rühren zu dispergieren. Im Allgemeinen genügt der Eintrag von nur wenig Scherenergie, um die Effektpigmente in die „monodisperse Form“ zu überführen. Die Pigmentpartikel sind aufgrund ihrer Form und Materialeigenschaften gegen hohe mechanische Scherkräfte überaus empfindlich. Es empfiehlt sich deshalb, Rühraggregate zu verwenden (z.B. Butterfly-Rührer mit niedriger Umdrehungszahl), welche die einzelnen Teilchen mechanisch nicht deformieren. Der Einsatz von Walzenstühlen, Knetern, Mixern oder Rührwerkkugelmühlen, wie er beim Dispergieren von Farbpigmenten üblich ist, schädigt die Effektpigmente. Pigmentaufschluss Als Pigmentaufschluss bezeichnet man die schonende Vermischung der Pigmentpulver, -pasten oder -konzentrate mit Lösemitteln. Anschließend erfolgt die Überführung in Lacke, Farben oder Drucksysteme. Bewährt haben sich für den Aufschluss Rührzeiten von etwa 20 Minuten bei Umdrehungsgeschwindigkeiten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 39
03.12.2012 11:53:40
40
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Abbildung II-2.21: Deformierte Metalleffekt-Pigmente
von maximal 4 m/s. Zur Reduzierung der mechanischen Belastung beim Pigmentaufschluss können längere Standzeiten des Pigment-Lösemittel-Gemisches hilfreich sein. Dadurch wird dem Lösemittel die Möglichkeit gegeben, in die Zwischenräume zwischen den einzelnen Plättchen einzudringen und so eine verbesserte Dispergierung herbeizuführen. Metalleffekt-Pigmente werden bei Einwirkung von hohen Scherkräften verbogen und reißen teilweise ein (Abbildung II-2.21). Dies führt zu einer deutlichen Minderung des Metalliceffekts. In wässrigen Systemen kann durch zu hohe Scherkräfte die stabilisierende Schutzschicht von Aluminiumpigmenten geschädigt werden. Als Folge davon kann eine Gasentwicklung auftreten, mit dem sich das Kapitel IV-1.1.2. im näher beschäftigt. Scherstabilere Pigment-Typen Dickere Aluminium-Flakes, sogenannte Non-Degrading-Flakes, sind wesentlich scherstabiler. Sie sind z.B. unter der Handelsbezeichnung „Tufflakes“ erhältlich. Ein Maß der Klassifizierung dieser Flakes stellt der sogenannte Formfaktor dar, der das Verhältnis aus mittlerem Teilchendurchmesser (ermittelt aus der Messung der Teilchengrößenverteilung mit Hilfe der Lasergranulometrie) und Teilchendicke (ermittelt aus Dichte und Spreitwert) angibt. Typische Werte liegen bei etwa 150 für Leafing-Pigmente, sowie zwischen 150 und 250 für Non-LeafingPigmente. Für Non-Leafing-Silberdollars liegt der Formfaktor zwischen 50 und 70. Bei gezielt hergestellten scherstabilen Aluminium-Flakes beträgt der Wert etwa 30. Meistens werden in der Automobilindustrie Metalliclacke über längere Zeiträume in Ringleitungen umgepumpt. Dabei führen beispielsweise Zahnradpumpen zur Schädigung der Metalleffekt-Pigmente. Zudem treten vielfach auch an den Druckregelventilen zwischen Ringleitung und Sprüheinrichtung hohe Scher-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 40
03.12.2012 11:53:40
41
Eigenschaften
Tabelle II-2.6. Scherstabilität verschiedener Pigment-Typen ∆L*(20°) 10
Stabilität
Type
non-degrading/scherstabil
üblicherweise „Tufflakes“
medium degrading /semi-stabil
üblicherweise Silberdollars
degrading/nicht scherstabil
üblicherweise Cornflakes
kräfte auf, die zur Beschädigung von Metalleffekt-Pigmenten führen können. Eine größere mechanische Stabilität ist vor allem bei der Beanspruchung von Metalleffektlacken in Ringleitungen mit „aggressiven“ Pumpsystemen gefragt. Prüfmethodik Die Scherstabilität von Metalleffekt-Pigmenten wird üblicherweise in einem gegebenen Lacksystem vor und nach der Scherbelastung an Hand von Farbwerten gemessen. Vergleichswerte zeigt Tabelle II-2.6. Geprüft wird die Belastung in einer definierten Menge Lack mit Hilfe eines wassergekühlten Mixers, über eine definierte Zeit (z.B. 15 Minuten), bei ca. 20.000 U/min. Das Mischerblatt des Mixers weist sehr scharfe Kanten auf, ähnlich denen eines Küchenmixers. Neben diesem nach dem Hersteller des Mischaggregates Turrax-Test benannten Verfahren haben sich viele weitere Einrichtungen etabliert, die zum Teil das Pigmentverhalten in Ringleitungen großer Lackierstraßen nachstellen.
2.2.5 Chemische Stabilität Resistenz Aluminium ist ein amphoteres Metall, das von Laugen und Säuren angegriffen wird. In vielen Beschichtungen reicht die dünne Oxidschicht in Verbindung mit der aufgebrachten Fettsäureschicht aus, um das Aluminiumpigment in der Beschichtung gegen den Angriff aggressiver Agenzien zu schützen. In der Anwendung stabil verhalten sich insbesondere Non-Leafing-Pigmente, die von einer Bindemittelmatrix umgeben sind, welche dem Pigment zusätzlichen Schutz gewährt. Grundsätzlich gilt, dass mit zunehmender Reinheit des Aluminiumpigmentes eine Verbesserung der Chemikalienstabilität einhergeht. Standard Aluminiumpigmente werden in einer Normalreinheit von höher als 99,7 % angeboten. Hochreine, chemisch stabilere Pigmente sind als R- (bzw. AR-) Typen bekannt und weisen eine Metallreinheit von höher als 99,9 % auf (R von englisch resistant für beständig, widerstandsfähig; AR von englisch acid resistant für säurebeständig).
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 41
03.12.2012 11:53:40
42
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Hochreine Pigmente bieten Vorteile in Lacken, die aggressive Komponenten enthalten, beispielsweise Bindemittel mit hohen Säurezahlen. Die Metallreinheit hat kaum einen Einfluss auf die Reflexionseigenschaften der Pigmente, so dass bei ähnlicher Teilchengröße und -verteilung vergleichbare optische Effekte erzielt werden können. Produziert werden die Standardtypen bzw. hochreinen Aluminiumpigmente im oben beschriebenen Hall’schen Nassmahl-Verfahren unter Verwendung der entsprechend reinen Aluminiumgrieß-Typen. Sollen die Pigmente darüber hinaus besondere Stabilitäten aufweisen, muss je nach Anforderung auf beschichtete Typen zurückgegriffen werden (siehe weiter). Trotz der bekannten Reaktivität der Metalleffekt-Pigmente mit ihren großen spezifischen Oberflächen ist es der Pigmentindustrie gelungen, die Produkte durch Oberflächenausrüstung – unter Erhalt ihrer Glanzeigenschaften – weitgehend inert bereitzustellen. Moderne Metalleffekt-Pigmente genügen, eingebettet in ein entsprechendes Bindemittelsystem, in ihren Echtheitsansprüchen in der Regel den höchsten Anforderungen. Verbesserte chemische Resistenz durch Beschichtung Wasser, organische Löse- und Bindemittel mit Säuregruppen oder säureabspaltende Löse- und Bindemittel (z.B. chlorierte Kohlenwasserstoffe) können die Metalleffekt-Pigmente chemisch angreifen. Bei Aluminiumpigmenten äußert sich dies in einer optischen Vergrauung oder durch Wasserstoffentwicklung der pigmentierten Systeme. Zur Stabilisierung von Aluminiumpigmenten für Pulverlacke und Kunststoffe stehen SiO2-beschichtete Aluminiumpigmente zur Verfügung (vgl. Kapitel IV-1.1.3. und Kapitel IV-3.). Mit Hilfe von SiO2-Barrieren kann eine hervorragende Chemikalienstabilität erzielt werden. Entsprechend stabilisierte Aluminiumpigmente für den Einsatz in wässrigen Systemen erhält man durch Zusatz von Additiven oder durch Beschichtung mit anorganischen Chemikalien (vgl. Kapitel IV-1.1.2). Polymerbeschichtungen ergeben chemisch widerstandsfähige Typen, die überwiegend als elektrisch isolierende Produkte in Kunststofflackierungen in der Elektronikindustrie Verwendung finden. Spezielle Pigment-Reaktionen bei Goldbronzepigmenten Bei Kupfer/Zink-Pigmenten sind die Vorgänge hinsichtlich ihrer chemischen Reaktivität komplex. Je nach Bedingungen beobachtet man entweder eine Entzinkung oder ein simultanes in Lösung gehen beider Legierungskomponenten. Dies äußert sich meistens in einer Grünfärbung des pigmentierten Bindemittels
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 42
03.12.2012 11:53:40
Eigenschaften
43
oder der Beschichtung. In einem Ansatz können die entsprechenden Schwermetallkationen katalytisch auf die Polymerisation oder Polykondensation des Bindemittels wirken. Die Folge ist eine Eindickung oder Gelierung des Systems. Ähnliches gilt auch bei Anwesenheit von alkalischen Rezepturkomponenten, wobei bei Kupfer- und Kupfer/Zink-Pigmenten unter Umständen Komplexierungsreaktionen eintreten können. Beschleunigt werden derartige Reaktionen in der Regel durch die Anwesenheit von Wasser oder Feuchtigkeit, so dass nicht nur auf Verwendung neutraler Systeme mit möglichst niedriger Säurezahl, sondern auch auf die Abwesenheit von Feuchtigkeit geachtet werden sollte. Auch mechanische Einwirkungen, die zur Oberflächenverletzung der Pigmente führen, erhöhen deren Reaktivität. Die unerwünschten Reaktionen mit Wasser, Lösemittel und Bindemittel kann man durch Beschichtung der Goldbronzepigmente mit einer SiO2-Hülle (s. vorher Ausführungen zu „Standart“ Dorolan Goldbronzepigmenten) entgegenwirken. Chemisch gesehen unterliegen dabei die Goldbronzepigmente gemäß folgender chemischer Pauschal-Gleichung der Oxidation, wobei die Kupfersalze (Kupferoxid, Kupfersulfid, Kupfersulfat usw.) farbig sind und so die angesprochenen Verfärbungen verursachen: 2 Cu/Zn + O2 + 4 H+
2 Cu2+/Zn2+ + 2 H2O
Die freigesetzten Kupfer- und Zinkionen sind befähigt, chemische Reaktionen mit anderen im Farbsystem vorhandenen Komponenten einzugehen bzw. zu katalysieren. Altbekannt ist die Reaktion von Bronzepigmenten mit Nitrocellulose. Sie führt unter Wärme- und Stickstoffmonoxidbildung zum Eindicken des entsprechenden Systems, wobei eine (katalytische) Komplexierung der NC-Polymerketten durch die freigesetzten Kupferionen eine Rolle spielt. Goldbronzepigmente in wässrigen Systemen Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass auch Goldbronzepigmente für Anwendungen in wässrigen Systemen entsprechend geschützt werden müssen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Goldbronzepigmente mit hydrophoben Additiven gegen eine mögliche Reaktion mit Wasser zu stabilisieren. Derart nachbehandelte Produkte kommen unter anderem als wässrige Pigmentkonzentrate unter der Bezeichnung „Shinedecor“ (aus dem Hause Eckart) in den Handel [4]. Hauptanwendungsgebiete sind wässrige Druckfarben, aber auch wasserbasierte Dekound Industrielacke. Übersicht über Goldbronzepigmente In Tabelle II-2.7 findet sich eine allgemeine Übersicht über Goldbronzepigmente mit wichtigen Kennzahlen und Anwendungsbereichen.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 43
03.12.2012 11:53:40
44
Teil II – Aluminium-, Goldbronze- und Zinkpigmenten
Tabelle II-2.7: Kenzahlen und Anwendungsbereiche der Goldbronzepigmente
Zink-Flakes Zink hat entsprechend seiner Stellung in der Spannungsreihe ein gewisses Reaktionspotential in wässrigen Lacksystemen. In den Formulierungen ist diesem Umstand durch Auswahl von Rohstoffen mit geringer Funktionalität Rechnung zu tragen. Eine Nachbehandlung durch Additive oder durch eine Beschichtung kommt bei dieser Pigmentgruppe nicht infrage, da durch sie die korrosionsschützende Wirkung als Opferelement verloren ginge.
2.2.6 Temperaturstabilität Aluminiumpigmente schmelzen ab etwa 650 °C. Diese Temperaturen werden selbst in Anwendungsgebieten mit sehr hohen Verarbeitungstemperaturen – wie beispielsweise Coil Coating, Pulverlack und Kunststoff – nicht erreicht, deshalb ist die Verwendung von Aluminiumpigmenten im Bereich dieser klassischen Anwendungsgebiete problemlos möglich. Bei Beanspruchung durch höhere Temperaturen, etwa bei Auspufflackierungen für Fahrzeuge, sintert zuerst das Bindemittel und die dann schmelzenden Aluminium-Flakes bilden einen Metallicfilm. Goldbronzepigmente sind temperaturempfindlicher als Aluminiumpigmente. Die beschriebenen Leafing-Goldbronzepigmente ändern bereits ab etwa 80 °C ihren Farbton. Dies macht man sich unter anderem bei der Feuerfärbung (siehe vorher) zu Nutze. Für Kunststoffe, Pulverlacke oder Einbrennbeschichtungen sind Goldbronzepigmente daher ungeeignet, da dort Verarbeitungs- bzw. Aushärtungstemperaturen von 80 °C bei weitem überschritten werden. Allerdings ist es gelungen,
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 44
03.12.2012 11:53:41
Literaturhinweise
45
für solche Anwendungen beschichtete Goldbronzepigmente zur Verfügung zu stellen, die thermostabiler sind. Dabei handelt es sich z.B. um die bereits beschriebenen silikatbeschichteten „Standart“ Dorolan Goldbronzepigmente. Zink als Metall schmilzt bei etwa 420 °C. Diese Temperatur liegt oberhalb der üblichen Verarbeitungstemperatur von Beschichtungen mit Zink-Flakes, wie etwa bei lufttrocknenden Systemen und zum Teil auch Einbrennlacken. Probleme bezüglich der Temperaturstabilität sind daher bei diesen Produkten nicht bekannt. 2.3 Literaturhinweise [1] Goldschmidt, Artur et. al.: Glasurit Handbuch Lacke und Farben. Hannover 198411, S. 470 [2] Huff, Karl: Visuelle Abmusterung und praktische Farbmessung in der Kunststoffindustrie. Bayer AG 1993, S. 51 [3] Lösemittelhaltiger low-solid Lack auf Basis Polyester/CAB/Melamin (Kundenlack); 5 % Pigmentierung, 65 %ige Pigmentpaste (Volltonapplikation); Spritzbedingungen: SATA-Pistole, 4 bar Spritz- und Steuerdruck (pneumatische Applikation); Nadelöffnung Nr. 4; 5 Spritzgänge/Hübe [4] Produkte aus dem Hause Eckart [5] DuPont: Rodrigues, A.B.J., Measurement of Metallic & Pearlescent Colors, Prosceeding of the AIC INTERIM SYMPOSIUM ON INSTRUMENTATION FOR COLOUR MEASUREMENT; Berlin, September 4, 1990
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 45
03.12.2012 11:53:41
46
Teil II – Prüfmethoden
Teil II Grundlagen 3 Prüfmethoden Metalleffekt-Pigmente bilden eine Pigmentklasse (vgl. DIN 55944), die anderen Prüfungen unterzogen wird, als diese von anorganischen oder organischen Buntpigmenten bekannt sind. Grundsätzlich unterscheidet man bei den Prüfmethoden zwischen Prüfungen am Pigment selber, also an den Pulvern bzw. Pasten, und an pigmentierten Beschichtungen.
3.1
Prüfungen an Pulvern und Pasten
3.1.1 Genormte Prüfmethoden nach DIN 55923 Gängige Prüfmethoden für Aluminiumpigmente (Leafing und Non-Leafing) sind in der DIN 55923 „Aluminiumpigmente und Aluminiumpigmentpasten für Anstrichmittel – Technische Lieferbedingungen“ zusammengefasst. Aluminiumpigmente werden unter anderem aus Gründen der Sicherheit und der besseren Dispergierbarkeit häufig als lösemittelhaltige Pasten in den Handel gebracht, deshalb ist neben der Prüfung an Pulvern auch diejenige an Pasten von Interesse. Zum Teil finden die genannten Prüfungen auch für Goldbronze- und Zink-Flake-Pigmente Anwendung. Übersicht über Standardprüfmethoden Gemäß DIN 55923 sind folgende Prüfungen standardisiert: • Deckfähigkeit auf Wasser (Spreitung), bevorzugt für Leafing-Pigmente • Nasssiebung mit organischen Spülflüssigkeiten (unter Berücksichtigung von DIN 53196 bzw. DIN 4188) • Gehalt an in organischen Lösemitteln löslichen Anteilen • Gehalt an bei 105 °C flüchtigen Bestandteilen • Gehalt an metallischen Verunreinigungen • Aufschwimmvermögen (Spatelprobe), bevorzugt für Leafing-Pigmente 3.1.1.1 Dichtebestimmung Bei Metalleffekt-Pigmentpulvern kommt außerdem die Bestimmung der Schüttdichte in Anlehnung an ISO 3923 hinzu und Pigmentpasten werden unter Berücksichtigung der DIN 53217-2 in speziellen Pasten-Pyknometern vermessen. Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 46
03.12.2012 11:53:41
Prüfungen am Pigment
47
3.1.1.2 Spezielle Prüfmethoden Zur eindeutigen Charakterisierung der Metalleffekt-Pigmente und zur Abgrenzung der verschiedenen Produkte untereinander sind weitere Abprüfungen über die genormten Vorschriften hinaus notwendig. Über die im Folgenden beschriebenen speziellen Prüfmethoden lässt sich die für die Anwendung in hochwertigen Lack-, Druck- und anderen Anwendungen benötigte Produktqualität und -konstanz gewährleisten.
3.2
Prüfungen am Pigment
• Teilchenform • Teilchengröße • Teilchengrößenverteilung Die Prüfung der Teilchengröße und der Teilchengrößenverteilung ist sehr wichtig, weil diese Qualitäten maßgeblich den Metalliceffekt, wie im vorausgehenden Kapitel II-2 beschrieben, beeinflussen.
3.2.1 Methoden der Teilchengrößenmessung Prinzipiell stehen zur Bestimmung der Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung pulverförmiger Feststoffe und deren Zubereitungen (z.B. Pigmentpasten) eine Reihe verschiedener Verfahren zur Verfügung: • • • • •
Siebanalyse Sedimentationsanalyse elektronische Zählverfahren (z.B. Coulter Counter) Lichtbeugungsverfahren (z.B. Lasergranulometer) Bildanalyse (Mikroskopie)
Die meisten Verfahren werden in ihrer Aussagekraft durch die Tatsache eingeschränkt, dass die Teilchenform der Metalleffekt-Pigmente von der regelmäßigen Kugelform abweicht. 3.2.1.1 Siebanalyse In der Siebanalyse wird die prozentuale Menge der Pigmente bestimmt, die auf einem Siebgewebe mit definierter Maschenweite zurückbleibt oder durch diese hindurch geht. Bei plättchenförmigen Partikeln ist zu berücksichtigen, dass sie die rechteckige Sieböffnung diagonal oder in ihrer Längsachse passieren können, auch wenn die Längenausdehnung größer als der Siebquerschnitt ist. Weiterhin muss man zur Bestimmung der Teilchengrößenverteilung Siebe mit unterschiedlichen Maschenweiten verwenden, was besonders bei den für die graphische Industrie feinteiligen Pigmenten äußerst zeitaufwendig ist, da es sich hier
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 47
03.12.2012 11:53:41
48
Teil II – Prüfmethoden
um durchschnittliche Teilchengrößen zwischen 5 bis 10 µm handelt. Siebanalysen sind aus diesem Grund für eine schnelle Routinekontrolle ungeeignet. 3.2.1.2 Sedimentationsanalyse In der Sedimentationsanalyse wird die Teilchengröße aus der Sinkgeschwindigkeit in definierten Flüssigkeiten ermittelt. Sedimentationsverfahren sind für die Charakterisierung plättchenförmiger Pigmente ebenfalls nur bedingt aussagekräftig, da die mathematische Auswertung der Sinkgeschwindigkeit nur für die Kugelform bzw. quasi-Kugelform gilt. Das besondere Sedimentationsverhalten plättchenförmiger Pigmente führt unter solcher Voraussetzung zu verfälschten Ergebnissen. 3.2.1.3 Elektronische Zählverfahren Mit diesen Verfahren ermittelt man unter Zuhilfenahme elektronischer Einrichtungen, wie viele Teilchen einer bestimmten Größe durch definierte Öffnungen unterschiedlichen Durchmessers gelangen. Die Aussagekraft dieser Verfahren, wie z.B. dem „Coulter Counter“, ist ebenfalls aufgrund der extremen Anisotropie der Partikel eingeschränkt, so dass auch sie nur bei speziellen Fragestellungen (z.B. zur Beurteilung des Grobkornanteils) Eingang in die Qualitätskontrolle plättchenförmiger Pigmente finden. 3.2.1.4 Lasergranulometrie Das heute am häufigsten verwendete Verfahren zur Bestimmung der Teilchengrößenverteilung von Metalleffekt-Pigmenten ist die Lasergranulometrie. Obwohl es auch hier prinzipiell Vorbehalte gibt, erfüllt das Verfahren die Voraussetzungen hinsichtlich Schnelligkeit und Reproduzierbarkeit. Es ist jedoch nicht genormt und stark abhängig von der Auslegung des jeweiligen Messgeräts. Einflussfaktoren auf Messungen mit der Lasergranulometrie Bei den Messungen mit Hilfe des Lasergranulometers hat die Probenvorbehandlung eine besondere Wichtigkeit. Es ist üblich, die Pigmente vor der Vermessung im Ultraschallbad ideal vor zu behandeln. Dadurch wird das Metalleffekt-Pigment optimal „aufgeschlossen“. Eventuell auf größeren Plättchen aufsitzende Feinanteile werden abgelöst, so dass das einzelne Flake diskret vorliegt und vermessen werden kann. Die Dauer der Vorbehandlung und die Frequenz des Ultraschallbades sollten bei Messergebnissen mit angegeben werden, da der Energieeintrag den Dispergierzustand des Pigments beeinflusst. Im Extremfall können die Metalleffekt-Pigmente bei zu langer Exposition sogar mechanisch zerstört werden, was das Messergebnis verfälscht.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 48
03.12.2012 11:53:41
Prüfungen am Pigment
49
Einen weiteren Einfluss auf das Messergebnis hat die zur Dispergierung und Messung verwendete Flüssigkeit. Je nach ihrer Benetzungsfähigkeit ergeben sich unterschiedliche Dispergierzustände und damit konsequenterweise unterschiedliche Messergebnisse. Charakteristische Messgrößen Die mit Hilfe der Lasergranulometrie ermittelte Teilchengrößenverteilung (vgl. S. 35ff, Kapitel II-2.2.3, Teilchengröße, Teilchengrößenverteilung, Teilchenform) wird prägnant durch drei Werte charakterisiert: d10 als Maß für den Feinanteil in der Teilchengrößenverteilung d.h. 10 % aller gemessenen Partikel sind kleiner als dieser Wert, 90 % sind größer d50 als Maß für die durchschnittliche Teilchengrößenverteilung d.h. 50 % aller gemessenen Partikel sind kleiner als dieser Wert, 50 % größer d90 als Maß für den Grobanteil in der Teilchengrößenverteilung d.h. 90 % aller gemessenen Partikel sind kleiner als dieser Wert, 10 % größer Grundlagen der Lasergranulometrie Beim Erstellen der Teilchengrößenverteilungskurven wird mit Hilfe der Lasergranulometrie die Messung der Beugung und Streuung von Licht an den Pigmenten genutzt. Das kohärente Licht eines Lasers fällt auf eine Küvette, in der sich fein verteilt eine geringe Menge des zu vermessenden Metalleffekt-Pigments befindet. An den Pigmentpartikeln wird das Licht in Abhängigkeit von der Pigmentgröße auf charakteristische Weise sowohl gebeugt (Fraunhofer’sche Lichtbeugung) als auch gestreut (Mie’sche Streuung). Intensität und geometrische Lage des resultierenden Beugungsbildes werden vermessen und hieraus mit Hilfe geeigneter Algorithmen eine Teilchengrößenverteilung errechnet. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Partikel ideale Kugeln sind. Diese Voraussetzung wird von Metalleffekt-Pigmenten, die eine plättchenförmige Gestalt haben, in keiner Weise erfüllt. Aus diesem Grund entsprechen die errechneten Verteilungskurven auch nicht realen Verteilungen. Insbesondere lassen sich Verteilungskurven, die vom gleichen Produkt mit Geräten verschiedener Hersteller ermittelt wurden, aufgrund unterschiedlicher Modellannahmen bei den Auswertalgorithmen, nicht miteinander vergleichen. Dennoch sind die errechneten Verteilungskurven hervorragend geeignet, um die Konstanz einer gegebenen Teilchengrößenverteilung bei definierten Produkten zu überwachen und die Abweichung vom Sollwert zu dokumentieren.
3.2.2 Mikroskopische Charakterisierungsverfahren Aussagen über Größe, Form und Oberflächenbeschaffenheit der Pigmentpartikel liefern mikroskopische Verfahren. Dabei kommen sowohl die Lichtmikroskopie
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 49
03.12.2012 11:53:41
50
Teil II – Prüfmethoden
wie auch die Rasterelektronenmikroskopie zum Einsatz. Es zeigt sich, dass erst ein Ensemble von mehreren hundert Pigmentteilchen repräsentative Aussagen über die Gesamtheit aller Pigmentpartikel einer Probe liefert.
3.2.3 Stabilität der Pigmente 3.2.3.1 Leafing-Stabilität Leafing ist Folge einer Oberflächenunverträglichkeit zwischen dem Pigment und dem Lacksystem, in dem sich das Pigment befindet. Die Pigmentoberfläche wird nur unzureichend benetzt, was zum Aufschwimmen der Pigmente führt. Bestimmte Additive im Lack können diese Benetzung unter bestimmten Umständen wiederherstellen und damit das Leafing zerstören (vgl. S. 22, Kapitel II-2.2.1.1, Reflexionseffekte und S. 24, Kapitel II-2.2.1.2, Absatz: PigmentausrichAbbildung II-3.1: Leafing-Stabilität in tung). Deshalb ist die Messung der Anlehnung an DIN 55923 (Spatelprobe), Leafing-Stabilität wichtig. Sie gibt Pigment: „Stapa“ Leafing VS, Prüfmedium: an, wie lange in einem definierten Nitrocellulose-Lack Lacksystem ein Leafing-Pigment aufschwimmt und wann es visuell wahrnehmbar benetzt wird. Alternativ können zwei Leafing-Pigmente vergleichend in ihrem Aufschwimmvermögen gemessen werden. Zur Messung wird ein definiertes Lack- oder Firnissystem mit dem LeafingPigment versetzt. Unmittelbar nach Ansatz erfolgt eine Spatelprobe. Anschließend wird der Ansatz bei Raumtemperatur oder verschärfend bei 50 °C gelagert. Weitere Spatelproben werden nach ein, zwei, drei und sieben Tagen durchgeführt. Ermittelt wird, wie lang der Ausgangswert der Spatelprobe erhalten bleibt oder alternativ, wie weit dieser Wert abfällt (Abbildung II-3.1). 3.2.3.2 Scherstabilität Für die Verwendung von Aluminiumpigmenten unter starker mechanischer Belastung, wie sie etwa in Ringleitungen der Automobilindustrie auftreten kann, ist die Prüfung der mechanischen oder auch Scherstabilität von Bedeutung. Die entsprechende Prüfung wurde im Teil II, Kapitel 2. beschrieben.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 50
03.12.2012 11:53:41
Prüfungen am Pigment
51
3.2.3.3 Lagerstabilität Metalleffekt-Pigmente sind reaktive Pigmente. Sie können bei längerer Lagerung oxidieren oder mit Feuchtigkeit (besonders im Tropenklima) reagieren. Die Folge kann eine Veränderung des Farbtons (bei Goldbronzepigmenten) oder eine Veränderung der Teilchengrößenverteilung sein. Im letztgenannten Fall kann der Feinanteil verloren gehen, was zum Verlust des Deckvermögens führt, oder Metalleffekt-Pigmente „backen zusammen“, d.h. sie agglomerieren. Daher wird die Lagerstabilität der Metalleffekt-Pigmente geprüft, indem bei einer Temperatur von 40 oder 50 °C eine Lagerung in geschlossenen Druckdeckelbehältern durchgeführt wird. Durch Nasssiebung gemäß DIN 55923, Messung der Teilchengrößenverteilung mit Hilfe der Lasergranulometrie sowie der farbmetrischen Messungen der auf Bleche oder Karton applizierten Proben werden geprüft. Dabei zeigt sich, ob die Pigmente bei Lagerung unter den genannten Bedingungen verändern bzw. ob sie stabil bleiben. 3.2.3.4 Gasungsstabilität in wässrigen Systemen Aluminiumpigmente reagieren mit Wasser unter Bildung von Wasserstoffgas. Diese Reaktion möchte man in Lack- und Druckanwendungen vermeiden. Daher kommt der Messung der erzeugten Menge Wasserstoff in einem vorgegebenen Lack- und Drucksystem besondere Bedeutung zu. Die für diesen Test eingesetzte Apparatur ist in Abbildung II-3.2 dargestellt. Ein Volumen von 300 ml des jeweiligen wasserbasierten Lackes (z.B. mit 5 % Pigmentierung) wird in Abbildung II-3.2: Apparatur für den einer Waschflasche bei 40 °C gela- 40 °C-Gasungstest von Metalleffekt-Pigmenten gert. Auf der Waschflasche befindet sich ein Gasblasenzähler mit zwei Kammern. Dabei enthält die untere Kammer etwa 30 ml Wasser. Die freigesetzte Gasmenge (Wasserstoffmenge) entspricht dem Wasservolumen, das aus der unteren in die obere Kammer verdrängt wird. Verschärfter Test der Gasungsstabilität Ein besonders anspruchsvoller Stabilitätstest von Aluminiumpigmenten kann bei höherer Pigmentierung und in Gegenwart von transparenten Eisenoxidpigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 51
03.12.2012 11:53:41
52
Teil II – Prüfmethoden
durchgeführt werden. Transparente Eisenoxidrot- und Eisenoxidgelbpigmente werden in einer Vielzahl von Lackformulierungen verwendet, weil sie kostengünstig, lichtecht und chemisch beständig sind. Es ist bekannt, dass diese Pigmente die korrosive Wirkung von Wasserlacken auf Aluminiumpigmente erheblich verstärken können. Diese Besonderheit hängt vermutlich mit der großen spezifischen Oberfläche und der desorbierenden Wirkung von transparenten Eisenoxiden zusammen (BET >100 m2/g). Deshalb machen sich selbst geringste Fehlstellen auf der Pigmentoberfläche durch intensive Wasserstoffentwicklung bemerkbar. Für die verschiedenen Anwendungen und kundenspezifischen Formulierungen sind unterschiedliche Spezifikationen gültig. Als akzeptable Werte gelten 20 bis 30 ml Wasserstoff, der im Zeitraum von einigen Tagen bis zu sechs Wochen bei Lagerung der Prüflackwaschflasche in einem 40 °C warmen Wasserbad übergeht. Dabei sollte eine Nullprobe, d.h eine mit reinem Wasser gefüllte Waschflasche, zum Ausschluss von Schwankungen der Füllmenge in der unteren Kammer des Gasblasenzählers infolge des Luftdrucks immer zur Kontrolle herangezogen werden. Kochtest Eine wesentlich schnellere Methode zur Ermittlung der Gasungsstabilität ist der sogenannte Kochtest. Er ist aufgrund der schnellen Durchführung für Standard-Qualitätskontrollabprüfungen geeignet. Mit diesem Verfahren wird die Zeit gemessen, in der 1 g Aluminiumpigment in kochendem Wasser 400 ml Wasserstoff entwickelt (Abbildung II-3.3). Der Rundkolben wird mit 150 ml Wasser befüllt und zum Sieden gebracht. Dann werden 1 g Aluminiumpigmente (als Pulver oder Paste) in 10 g eines wassermischbaren Lösemittels aufgeschlossen und in den Kolben eingefüllt. Im Niveaugefäß wird die Sperrflüssigkeit auf Abbildung II-3.3: Apparatur für den Kochtest gleichen Stand gebracht. Durch die von Aluminiumpigmenten Gasentwicklung verschieben sich die Schenkel der Sperrflüssigkeit. Abgelesen wird die Zeit (üblicherweise in Stunden), die benötigt wird, um 400 ml der Sperrflüssigkeit infolge von Gasung
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 52
03.12.2012 11:53:41
Prüfungen an der pigmentierten Beschichtung
53
in das Niveaugefäß zu drücken. Zu beachten ist, dass dieser Test recht schnell abläuft. Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse ist jedoch nicht mit denen des 40 °C Gasungstests vergleichbar.
3.3 Prüfungen an der pigmentierten Beschichtung Zur Feststellung der Eignung einer Pigmenttype für eine gewählte Anwendung sind weitere optische Abprüfungen in der Applikation nötig. Dazu gehören die visuelle Abmusterung nach DIN 55923 sowie die Prüfung der Schwitzwasserstabilität nach DIN 50017-kk bzw. ISO 6270 und der Salzsprühtest nach DIN 50021 bzw. ISO 7253. Ein großes Spektrum zum Teil firmenspezifischer Prüfungen zur Beurteilung der koloristischen Eigenschaften, der Echtheit und auch der mechanischen Stabilität einer pigmentierten Beschichtung ist heute bekannt. Hierbei wird stets das Lacksystem als solches beurteilt, also das Zusammenwirken von Pigment, Bindemittel, Lösemittel, Additiven, Zusatzstoffen usw. Als Beispiel einer in der Branche allseits akzeptierten Systemprüfung sei der Florida-Test genannt. Dieser hat sich im Automobilbereich eingebürgert, um die Echtheit von Pigmenten im Außenbereich (Wetterechtheit, UVStabilität usw.) zu beurteilen. In allen genannten Fällen stehen eine Reihe von Prüfgeräten als Hilfsmittel bei der Beurteilung zur Verfügung, die im Folgenden vorgestellt werden.
3.3.1 Goniophotometrie Eine farbmetrische Charakterisierung des Metalliceffekts, d.h. der Helligkeitsänderung einer beschichteten Fläche in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel, erfordert eine variable Messgeometrie. Eine zweckdienliche Methode ist die Remissionsmessung mit einem Goniophotometer. Man beleuchtet die Probenoberfläche unter einem konstanten Winkel
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 53
Abbildung II-3.4: Remissionskurve (ermittelt mit Goniophotometer)
03.12.2012 11:53:41
54
Teil II – Prüfmethoden
(z.B. 45°) und misst die Remission unter verschiedenen Winkeln. Trägt man die Maßzahlen in Abhängigkeit vom Beobachtungswinkel auf, so erhält man Remissionskurven (gemessen an deckend gespritzten Zweischicht-Lackierungen). Je höher die typische Schulter in der Kurve, desto heller und brillanter ist das Pigment. Je steiler der Kurvenabfall, desto ausgeprägter der Flop oder Metalliceffekt (Abbildung II-3.4). Der Flop wird durch den sogenannten Metalleffektwert (ME-Wert) charakterisiert. Er ergibt sich aus dem Verhältnis der Remissionswerte bei 38° und bei 0°, wobei die Oberfläche unter 45° beleuchtet wird: ME-Wert = R (45°/38°) · 100/R (45°/0°)
3.3.2 Farbmessung Farbton- und Helligkeitsänderungen, auch Helligkeitsflop genannt, in der pigmentierten Beschichtung können aufgrund von Rezepturänderungen (Rohstoffe) aber auch aufgrund von Veränderungen der Applikationsmethode im Prozess auftreten. Daher wurden Ende der 1990er Jahre hauptsächlich von Automobilanwendungen forciert, in Normenausschüssen der ASTM und DIN standardisierte Messgeometrien zur Mehrwinkelfarbmessung von Effektlackierungen erarbeitet. In Teil II, Kapitel 2 sind diese Messgeometrien detailliert beschrieben (Quellen: ASTM, DIN). 3.3.2.1 Grundlagen der Farbmetrik Helligkeitsunterschiede (Aluminiumpigmente) oder Farbdifferenzen (Goldbronzepigmente) lassen sich anhand von farbmetrischen Werten sehr gut erfassen und miteinander vergleichen. Die farblichen Unterschiede stellen einen visuellen, wenig quantifizierbaren Sinneseindruck dar, deshalb ist es für die Forderung notwendig, derartige Farbnuancen mathematisch exakt zu beschreiben. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Systeme konzipiert, von denen das von der „Commission Internationale de l‘Eclairage“ (CIE) entwickelte CIELAB-System (veröffentlicht 1976) in der Lackindustrie sicherlich am weitesten verbreitet ist. Das CIELAB-System ist auch meistens die Basis für im Laufe der Zeit weiter entwickelte Farbsysteme bzw. Farbdifferenzgleichungen, die mit Hilfe von Gewichtungsfaktoren anstreben, dem visuellen Toleranzempfinden näher zu kommen (siehe DIN 6175-2), denn die Toleranzempfindung ist im gesamten Farbraum nicht gleichabständig. Das CIELAB-System wurde aus Experimenten mit visuellen Abmusterungen der drei Grundfarben rot, grün und blau für normalsichtige Beobachter die Normspektralwertkurven ermittelt, die sich mathematisch zu Normfarbwerten umrechnen lassen. Damit sind alle Farben in einer Grafik durch drei Normfarbwerte
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 54
03.12.2012 11:53:42
Prüfungen an der pigmentierten Beschichtung
55
in ihren Rot-, Grün- und Blauanteilen darstellbar. Diese Grafik hat die „Form einer Schuhsohle“. In ihr sind allerdings nicht alle Farben im gleichen Abstand zueinander angeordnet, was einen großen Nachteil darstellt. Daher wurde das CIELAB-System eingeführt, in dem Helligkeit (L*), Rot-Grün-Farbigkeit (a*) und Blau-Gelb-Farbigkeit (b*) in gleichen Abständen zueinander, und zwar in Form eines dreidimensionalen Achsenkreuzes, darstellbar sind. Für die unbunten Aluminiumpigmente hat in der Volltonapplikation nur der Helligkeitswert L* Bedeutung, für die bunten Bronzepigmente auch a* und b*. Sollen nach diesem Verfahren Metalleffekt-Pigmente miteinander verglichen werden, müssen sie unter identischen Bedingungen, d.h. im gleichen Lack (gleiche Pigmentierungshöhe) zur gleichen Zeit und unter gleichen Bedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftströmungen) von Spritzautomaten appliziert werden. Dies ist deshalb wichtig, weil bei einer Variation der genannten Parameter leicht eine unterschiedliche Ausrichtung der Metalleffekt-Pigmente erfolgt, die zu signifikant unterschiedlichen Messergebnissen führt. Nur über eine gewissenhafte Einstellung identischer Bedingungen lassen sich die in der Industrie etablierten Chargenschwankungen einhalten. Aus Helligkeitsmessungen unter unterschiedlichen Beobachtungswinkeln nach dem CIELAB-System lässt sich für Aluminiumpigmente darüber hinaus der Flop abschätzen. 3.3.2.2 Deckvermögen Neben der farbmetrischen Messung ist auch die Beschreibung des Deckvermögens ein wichtiges optisches Beurteilungskriterium der Applikation. Diese Produkteigenschaft, die auch als Opazität bekannt ist, beschreibt die Fähigkeit, einen farbigen Untergrund abzudecken, so dass ein einmal vorhandener Kontrast verschwindet. Das Deckvermögen steigt mit zunehmender Breite der Teilchengrößenverteilung, da im Pigmentspektrum zunehmend mehr Feinanteil enthalten ist, und nimmt generell mit zunehmender Pigmentfeinheit zu. Im einfachsten Fall wird das Deckvermögen vergleichend durch Aufrakeln oder Spritzen des Lacks auf eine transparente Trägerfolie ermittelt. In der Durchsicht sind dann Unterschiede zweier Muster leicht erkennbar. Exakter ist die Beurteilung des Deckvermögens durch Applikation des pigmentierten Systems auf vorgedruckte schwarz-weiße Kontrastkarten. Ist das Pigment deckend, ergibt der Quotient der farbmetrischen Werte über der schwarzen und der weißen Fläche den Wert 1. 3.3.2.3 Effektcharakterisierung Der Metalliceffekt wird nicht nur durch die Helligkeit und das Flopverhalten beschrieben, sondern auch durch die visuelle Wahrnehmung von Glitzern und
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 55
03.12.2012 11:53:42
56
Teil II – Prüfmethoden
Körnigkeit. Diese Wahrnehmung ist abhängig von den Beleuchtungsbedingungen, d.h. direktem Sonnenlicht oder diffuser Beleuchtung wie bei einem bewölkten Tag. Bei diffuser Beleuchtung und naher Beobachtung ist bei grobkörnigen Lackierungen ein Hell-Dunkel-Muster erkennbar. Bei direkter Beleuchtung hingegen nehmen wir ein Glitzern, d.h. ein mehr oder weniger intensives Aufblitzen der Effektpigmente wahr. Im Gegensatz zur Körnigkeit hängt das Glitzern, auch Sparkle-Effekt genannt, vom Beleuchtungswinkel ab. Auch diese Effekte können sich aufgrund von Rezepturveränderungen oder unterschiedlicher Applikationsbedingungen ändern und müssen daher objektiv kontrolliert werden. In Teil II, Kapitel 2 ist ein Messsystem beschrieben, das den Sparkle- und Körnigkeitseffekt mit Hilfe der Kameratechnologie und unterschiedlichen Beleuchtungsbedingungen (direkte und diffuse Beleuchtung) messtechnisch erfasst und mit Messzahlen eine effiziente Qualitätskontrolle ermöglicht. Wolkigkeit Wolkigkeit (siehe auch Seite 30), ein besonders bei hellen Metallictönen auffälliges Problem, äußert sich in unregelmäßigen Flecken variierender Helligkeit von ca. 5 bis 20 cm Größe. Sie können sowohl von der Lackformulierung, als auch von Schwankungen im Applikationsprozess herrühren. Ursachen sind zum Beispiel Fehlorientierung der Metallic-Flakes und/oder Schichtdickenvariationen des Basislacks. Solche Wolken, vor allem an großflächigen Teilen, fallen störend auf, deshalb ist es erforderlich, diesen Effekt über einen großen Probenbereich zu prüfen. Wolkigkeit wurde bislang weitgehend visuell beurteilt, da mit der traditionellen Helligkeitsmessung von Spektralphotometern keine großflächige Aussage getroffen werden kann. In Teil 2, Kapitel 3 wird ein neues Verfahren beschrieben, mit dem Wolkigkeitsindizes ermittelt werden, indem Flächen bis zu 1 m Scanlänge vermessen werden. Das Verfahren kann direkt an der Lackierlinie oder im Labor eingesetzt werden. Glanz Mit der Glanzmessung an Metalliclackierungen oder auch von Drucken beschäftigt sich das Kapitel 2. im Teil II. Wie erwähnt, hat sich neben der Messung mit üblichen Glanzgrad-Messgeräten im Lackbereich ein besonderes Verfahren, die DOI-Bestimmung, eingebürgert. Die Anwendungsbreite der Metalleffekt-Pigmente erfordert über die beschriebenen Prüfverfahren hinaus weitere spezielle Tests, auf die in den folgenden Kapiteln eingegangen wird.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 56
03.12.2012 11:53:42
Allgemeine Literaturhinweise
3.4
57
Allgemeine Literaturhinweise
ASTM Standard E 2194 - 03, Standard Practice for Multiangle Color Measurement of Metal Flake Pigmented Materials DIN 6175-2: Farbtoleranzen für Automobillackierungen, Teil 2: Effektlackierungen ASTM Standard E 2539 - 08 Standard Practice for Multiangle Color Measurement of Interference Pigments T. Bäurle et al., Coloristik für Lackanwendungen, Vincentz Network, Hannover 2012
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 57
03.12.2012 11:53:42
58
Teil III – PVD-Pigmente
Teil III Spezialeffekt-Pigmente 1
PVD-Pigmente
Dieses Kapitel beleuchtet eine spezielle Klasse von Aluminiumpigmenten, die trotz ihres mittlerweile fortgeschrittenen Alters von ca. 20 Jahren nach wie vor eher zu den „exotischen“ kommerziellen Metalleffekt-Pigmenten zu zählen ist. Dieser Umstand ist in erster Linie auf den einzigartigen Spiegel-Effekt zurückzuführen, den diese Art von Metalleffekt-Pigment dem Anwender bietet und ihm somit Dimensionen beim Gestalten von Oberflächen mit Metalleffekt-Pigmenten eröffnet, die in diesen Applikationen einzigartig sind. Die Rede ist von Aluminiumpigmenten, die in einem PVD-Verfahren (Physical-Vapour-Deposition) hergestellt werden und aufgrund dieses Produktionsprozesses eine einzigartige Charakteristik besitzen, die von konventionellen Pigmenten, d.h. von jenen, die in Kugelmühlen vermahlen werden (vgl. Teil II, Kapitel 2.), nicht oder nur in Ansätzen erreicht wird. Beschrieben wurden PVD-Pigmente erstmalig Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre in zwei Patenten [1]. In den folgenden Abschnitten werden die Entstehung, die Herstellung, die Eigenschaften und die Anwendungsbereiche dieser Pigmente behandelt [2].
1.1
Herstellprozess
Wie bereits zu Anfang erwähnt, bedient sich der Herstellprozess dieser Pigmente der aus vielen anderen Anwendungen bekannten PVD-Technologie, bei der Stoffe (in diesem Fall reinstes Aluminium) im Hochvakuum verdampft und auf einem Trägermaterial in extrem dünner Schicht abgeschieden werden. Die Herstellung der hier beschriebenen Pigmente (s. Abbildung III-1.1) beginnt, indem eine konventionelle Folie (z.B. PET, OPP etc.) mit einem sogenannten Release-Coat beschichtet wird. Dieser Beschichtungsvorgang bedient sich in der Regel eines standardisierten Druckverfahrens, wie beispielsweise dem Tief- oder Flexodruckverfahren. Als Release-Coat, d.h. Ablöseschicht, kommen Lacke bzw. Bindemittel zum Einsatz, wie sie auch in anderen Druckanwendungen beheimatet sind, so z.B. Acrylate, Cellulosesysteme, Vinylharze etc. Die mit Release-Coat beschichtete Folie wird im darauf folgenden Schritt im PVDVerfahren mit einer extrem dünnen Aluminiumschicht bedampft. Das Aluminium Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 58
03.12.2012 11:53:42
Spezielle Charakteristik von PVD-Pigmente
59
Abbildung III-1.1: Herstellprozess von PVD-Pigmenten
wird hierbei im Hochvakuum direkt auf den zuvor applizierten Release-Coat aufgebracht. Dem Bedampfungsverfahren kommt dabei eine Schlüsselfunktion bei der Definition der später erhaltenen Pigmentqualität zu, weil sich in Abhängigkeit von dem Bedampfungsverfahren die maßgeblichen Pigmenteigenschaften wie Pigmentpartikeldicke und Oberflächenbeschaffenheit ergeben (s. weiter). Im weiteren Verlauf durchläuft die mit Release-Coat und Aluminium beschichtete Folie ein Lösemittelbad (hierbei verwendete typische Lösemittel sind Ketone, Ester und Alkohole), in dem der Release-Coat aufgelöst und die Aluminiumschicht letztendlich in Form grober Partikel abgelöst wird. Die so erhaltene Dispersion aus groben Aluminiumfragmenten, Release-Coat und Lösemittel wird aufkonzentriert und gewaschen. Der erhaltene Filterkuchen wird im letzten Schritt im jeweils gewünschten Lösemittel dispergiert und mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitsrührern auf die endgültige Partikelgröße von durchschnittlich ca. 10 bis 12 µm zerkleinert. Die fertigen Produkte sind im Handel beispielsweise unter dem Markennamen „Metalure“ [3] in Form von 10 oder 20 %igen lösemittelhaltigen Dispersionen erhältlich, wo sie die Basis für lösemittelbasierende, wässrige und UV-härtende Lacke sowie Druckfarben und Beschichtungssysteme bilden.
1.2 Spezielle Charakteristik von PVD-Pigmenten Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels angedeutet, bieten PVD-Pigmente Effekte, wie sie zwar typischerweise auch mit Aluminiumpigmenten erzielt werden kön-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 59
03.12.2012 11:53:42
60
Teil III – PVD-Pigmente
nen, die in ihrer optischen Qualität allerdings mit keinem anderen konventionell hergestellten Metalleffekt-Pigment zu erreichen sind. Die Rede ist hier von einer Brillanz bzw. von einem Reflexionsvermögen, das es beispielsweise gestattet, spiegel- und chromartige Effekte zu erzielen, die von echten Spiegeln oder metallbedampften Oberflächen (z.B. metallisierte Folien, Kunststoffe und Papiere) kaum noch zu unterscheiden sind. Damit diese außergewöhnlichen Eigenschaften zu verstehen sind, werden an dieser Stelle die Prinzipien des metallischen Effekts und den diesen bestimmenden Parameter erläutert (vgl. Teil II, Kap. 2).
1.2.1 Metalliceffekt der PVD-Pigmente Der Metalliceffekt, den unser Auge bei der Betrachtung entsprechender Metalleffekt-Pigmentapplikationen wahrnimmt, ist eine Kombination aus Reflexion des einfallenden Lichts an der Metalleffekt-Pigmentoberfläche und Streuung an den Metalleffekt-Pigmentkanten bzw. an Unebenheiten auf jener Oberfläche (vgl. S. 27, Abbildung II-2.7, Kapitel II-2.2). Das Ziel eines jeden Metalleffekt-Pigmentherstellers muss es daher sein, das Verhältnis von Reflexion zu Streuung so groß wie möglich zu gestalten, um eine maximale Brillanz bzw. den größten ausgeprägten Metalliceffekt zu gewährleisten. Die üblichen Diskussionen, wie eine derartige Maximierung zu erzielen wäre, behandeln meistens Aspekte wie Pigmentform (z.B. Cornflake-Pigment gegenüber Silberdollar-Pigment), Pigmentgröße und Teilchengrößenverteilung (vgl. Teil II, Kap. 2.2.3). Derartige Überlegungen können die Gegebenheiten bei PVD-Pigmenten jedoch nur partiell wiedergeben. Sicherlich sind die genannten Parameter mitentscheidend für das hohe Reflexionsvermögen dieser Pigmente, tiefergehende Betrachtungen fördern zudem zwei andere Faktoren ans Licht, die letztendlich maßgeblich für die beschriebenen Eigenschaften sind: • Teilchendicke • Oberflächenbeschaffenheit der Pigmente 1.2.1.1 Teilchendicke von PVD-Pigmenten Die Dicke von PVD-Pigmenten ist mit durchschnittlich 30 bis 50 nm um das 5 bis 10fache geringer als diejenige konventioneller Aluminiumpigmente. Dies hat zur Folge, dass PVD-Pigmente eine wesentlich höhere Mobilität aufweisen, die es ihnen erlaubt, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. der Trocknungszeit eines lösemittelbasierenden Lacks) parallel zum Untergrund auszurichten, was ein Höchstmaß an gerichteter Reflexion (die einfallenden Lichtstrahlen werden ausschließlich in eine Raumrichtung reflektiert) bedeutet. Die resultierende Pigmentausrichtung ist demnach nur noch von der Oberflächenbeschaffenheit des Untergrunds, den Formulierungsparametern des PVD-pigmentierten Systems (z.B. Lack oder Druckfarbe) und der Applikationstechnik abhängig, wird
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 60
03.12.2012 11:53:42
Spezielle Charakteristik von PVD-Pigmente
61
aber kaum noch durch eventuell existierende Defizite in der Pigmentmobilität beeinflusst. 1.2.1.2 Pigmentorientierung Abbildung III-1.2. zeigt den Einfluss der Pigmentorientierung auf die Reflexion des einfallenden Lichts und belegt den Unterschied zwischen PVD-Pigmenten und konventionellen Pigmenten anhand einer elektronenmikroskopischen Aufnahme eines Querschnitts durch entsprechende Druckerzeugnisse. Anhand dieser Aufnahmen ist ebenfalls die geringe Teilchendicke der PVD-Pigmente zu erkennen, die es gestattet, dass sich jedes einzelne Pigmentteilchen – vergleichbar mit einem dünnen Blatt Papier – dem Untergrund anpasst. Hieraus wird wiederum der wichtige Einfluss der Untergrundbeschaffenheit deutlich.
Abbildung III-1.2: Einfluss der Teilchendicke auf Pigmentorientierung und daraus resultierendes Reflexionsvermögen
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 61
03.12.2012 11:53:42
62
Teil III – PVD-Pigmente
1.2.2 Deckvermögen Eine optimierte Pigmentorientierung hat jedoch nicht nur ein hohes gerichtetes Reflexionsvermögen des Pigments bzw. der Beschichtung zur Folge, was letztendlich das Maximum an Brillanz (bzw. Metalliceffekt) und Flop-Effekt definiert, sondern jedes einzelne Pigmentteilchen steuert zudem ein Höchstmaß an Deckvermögen bei. Dies ist durch die gute Überlappung der Pigmente gewährleistet. Außerdem wird deutlich weniger Untergrund sichtbar als bei Beschichtungen mit konventionellen Pigmenten. In Glanz und Ergiebigkeit haben PVD-pigmentierte Druckfarben und Lacke einen deutlichen Vorsprung.
1.2.3 Lichtstreuung Vergleicht man elektronenmikroskopische Aufnahmen von Applikationen konventioneller Pigmente mit denen von PVD-Pigmenten in der Aufsicht (Abbildung III-1.3), so wird zudem offensichtlich, dass es aufgrund der geringen Dicke der besagten PVD-Pigmente kaum möglich ist, sie als einzelne Teilchen zu identi-
Abbildung III-1.3: REM-Aufsicht auf Druckerzeugnisse mit konventionellen Aluminiumpigmenten (hier Silberdollar) und PVD-Pigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 62
03.12.2012 11:53:42
Spezielle Charakteristik von PVD-Pigmente
63
fizieren, während dies bei den konventionellen Pigmenten problemlos gelingt. Somit wird an den PVD-Pigmenten nur ein geringer Anteil des einfallenden Lichtes gestreut. Eine Reduktion des reflektierten Lichtes tritt daher kaum auf.
1.2.4 Oberflächenbeschaffenheit der PVD-Pigmente Lichtstreuung und ungerichtete Lichtreflexion ist nicht nur an den Pigmentkanten, sondern auch an Defekten auf der Pigmentoberfläche anzutreffen. Konventionelle Pigmente sind während des Herstellverfahrens (vgl. Kapitel II-2) starken äußeren mechanischen Einflüssen unterworfen, die oftmals zu unregelmäßigen Teilchendicken, aber vor allem auch zu Oberflächendefekten führen. PVD-Pigmente zeigen dagegen aufgrund des speziellen Herstellverfahrens eine ausgeprägt glatte Oberfläche, nahezu ohne Defekte, sowie eine homogene Teilchendicke. Die Abwesenheit von etwaigen Oberflächendefekten hat ein hohes Maß an gerichteter Reflektion zur Folge (Abbildung III-1.4).
Abbildung III-1.4: REM-Aufnahmen der Oberflächenbeschaffenheit von konventionellen Aluminiumpigmenten (hier Cornflake) und PVD-Pigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 63
03.12.2012 11:53:43
64
Teil III – PVD-Pigmente
1.2.5 Non-Leafing-Eigenschaften Eine weitere Eigenschaft von PVD-Pigmenten muss noch erwähnt werden, nämlich ihr hervorragendes Non-Leafing-Verhalten in den gängigen Beschichtungssystemen. PVD-Pigmente werden ohne die bekannten Schmiermittel (z.B. Stearin- oder Ölsäure) hergestellt und weisen folglich ausgezeichnete Non-Leafing-Eigenschaften auf, was sie für diverse Anwendung prädestiniert, wo es auf Abriebfestigkeit, Zwischenhaftung und Einfärbevermögen (z.B. Erzeugung polychromatischer Effekte) ankommt.
1.3
Anwendungsbereiche und -hinweise
1.3.1 Allgemeines In den vorangehenden Abschnitten dieses Kapitels III-1 werden die speziellen physikalischen und vor allem geometrischen Aspekte der hier diskutierten Pigmente erklärt, die die Grundlage für die außergewöhnlichen Eigenschaften dieser Pigmente darstellen. Damit diese Effekte vollständig gewährleistet werden können, müssen auch die Rahmenbedingungen bei der Anwendung dieser Pigmente angepasst und falls notwendig optimiert werden. Hierbei ist in erster Linie die Rede von den Formulierungsparametern entsprechender PVD-Pigment-haltiger Systeme (Lacke, Druckfarben etc.), den Applikationsbedingungen (Spritz-, Streich-, Druckprozess etc.) sowie den jeweiligen Untergründen bzw. Substraten, auf die die oben genannten Systeme aufgebracht werden sollen. Um letztendlich ein Höchstmaß an gerichteter Reflektion zu erhalten, müssen die Rahmenbedingungen so gewählt werden, dass die notwendige Mobilität der Pigmente gewährleistet und die parallele Ausrichtung zum Untergrund garantiert ist.
1.3.2 Formulierung Grundsätzlich sollten folgende Aspekte bei der Formulierung mit PVD-Pigmenten beachtet werden: Die Viskosität des Farb- oder Lacksystems muss so niedrig wie möglich sein. • Der Bindemittelgehalt der Formulierung muss möglichst gering bzw. das Pigment/Bindemittelverhältnis möglichst hoch sein. • Die Pigmentierung darf nicht zu hoch gewählt werden, da dies die Bewegung der Pigmentpartikel einschränkt. • Die Dicke der applizierten Lack- bzw. Farbschicht muss so gering wie möglich sein. • Das Substrat muss glatt und eben sein (z.B. polierte Metalle, qualitativ hochwertige Folien, gestrichene Papiere, grundierte Kunststoffe).
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 64
03.12.2012 11:53:43
Anwendungsbereiche und -hinweise
65
Ungünstige Bedingungen sind beispielsweise bei hochviskosen Formulierungen oder Systemen mit einem hohen Bindemittelgehalt (z.B. bei herkömmlichen Offset- oder Siebdruckfarben, High Solid-Lackformulierungen) anzutreffen, ferner bei Anwendungen mit hoher Filmschichtdicke (z.B. im Siebdruck) oder bei Anwendungen auf unebenen oder stark absorbierenden Substraten (z.B. Andrucke auf saugfähigem Papier).
1.3.3 Anwendungen in der grafischen Industrie Obwohl PVD-Pigmente ursprünglich in der Lackindustrie vorgestellt wurden, begann ihre industrielle Verbreitung in den letzten Jahren primär im Bereich der Druckfarbenindustrie. PVD-Pigmente werden in diesem Markt als kostengünstige Alternative zu metallisierten Bedruckstoffen bzw. Folienprägungen eingesetzt. Bei entsprechender Anpassung der Druckfarbenformulierung und bei geeigneter Auswahl der Bedruckstoffe lassen sich hochbrillante Effekte erzielen, die von den genannten Alternativen kaum noch zu unterscheiden sind (vgl. auch Abbildung III1.5). So finden PVD-Pigment-basierte Druckfarben bereits breite Verwendung in der Etiketten- und Verpackungsindustrie, speziell in Anwendungen, wo nur ein gewisser Teil des Bedruckstoffs mit dem hochbrillanten Metalliceffekt belegt sein soll. PVD-Pigment-basierte Druckfarben können in solchen Fällen selektiv in den definierten Bereichen des Druckmotivs aufgebracht werden, wohingegen beim
Abbildung III-1.5: Metallischer Glanz von Drucken auf der Basis von PVD-Pigmenten im Vergleich zu metallisiertem Papier und konventionellen Aluminiumpigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 65
03.12.2012 11:53:43
66
Teil III – PVD-Pigmente
Einsatz von metallisierten Bedruckstoffen die nicht-metallischen Bereiche mit Buntfarbe überdruckt werden müssen bzw. die Metallisierung in aufwendigen Nacharbeiten wieder entfernt werden muss (Demetallisierung). Aufgrund der einzigartigen Effekte und der um ein Vielfaches höheren Kosten stehen PVD-Pigmente in diesem Marktsegment nur selten in Konkurrenz zu konventionellen Metalleffekt-Pigmenten. Weitere Informationen zum Einsatz von PVD-Pigmenten in Druckfarben finden sich im Kapitel 2., Teil IV.
1.3.4 Anwendungen im Bereich von Lacken und Beschichtungen Die außergewöhnliche Brillanz und Deckfähigkeit sowie der ausgeprägte FlopEffekt dieser Pigmentklasse haben in den vergangenen Jahren auch zu verstärktem Interesse aus den Bereichen der Industrie- und Automobillackierung geführt. PVD-Pigmente sind heute fester Bestandteil der Lackindustrie und werden in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, wo sie zum Teil alternative Beschichtungen (z.B. Metallisierung, Verchromung), und auch konventionelle Pigmente ersetzen. Anwendungsbeispiele sind: • Autoinnenausstattung • Fahrradlackierung
Abbildung III-1.6: Glanzmessungen von Lackierungen mit PVD- und konventionellen Pigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 66
03.12.2012 11:53:43
Literaturhinweise
• • • •
67
Consumer Electronics (Gehäuse von Audio- und Video-Geräten) Mobiltelefone Verspiegelung von Kunststoffteilen, z.B. im Sanitärbereich in begrenztem Maße auch Felgenlackierung im Automobilbereich
Abbildung 1.6. zeigt Glanzmessungen an Lackapplikationen auf der Basis von PVD-Pigmenten und konventionellen Metalleffekt-Pigmenten. Weitere Informationen zum Einsatz von PVD-Pigmenten im Bereich der Lackindustrie finden sich im Kapitel 1.1, Teil IV. 1.4 Literaturhinweise [1] [2]
US Patent 3,949,139 und US Patent 4,321,087 a) Seubert, J., Fetz, A.: Surface Coatings International Part A. 2001/06 b) Seubert, J., Fetz, A.: High Performance Pigments Conference. Miami 1999 c) Seubert, J., Fetz, A.: PVD aluminium pigments: Superior brilliance for coatings & graphic arts, Paint & Coatings Industry, June 2000 [3] „Metalure“ ist ein eingetragenes Markenzeichen der Avery Dennison Corp. mit weltweit exklusivem Vertrieb durch Eckart GmbH & Co. KG
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 67
03.12.2012 11:53:43
68
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 68
Teil III – PVD-Pigmente
03.12.2012 11:53:43
Rezepturen
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 69
69
03.12.2012 11:53:43
70
Teil III – Farbige Aluminiumpigmente
Teil III Spezialeffektpigmente 2
Farbige Aluminiumpigmente
Farbige Metalleffekt-Pigmente werden am einfachsten durch Verwendung farbiger Metalle hergestellt. Die gängigsten sind hier Kupfer- und Messingpigmente, deren Farbspektrum durch gezielte Oxidationsvorgänge (Anlauffarben) noch erweitert werden kann (vgl. S. 44 Kapitel II-2, Feuerfärbung). Interferenzpigmente auf Basis von Aluminiumsubstraten sind seit ca. 15 Jahren zunehmend im Handel. Mit ihnen können neuartige optische Effekte erzeugt werden, die den coloristischen Bereich der klassischen Metallics deutlich übersteigen. Aluminium eignet sich aufgrund seiner hohen Reflektivität für sichtbares Licht besonders gut als Substrat.
2.1
Oxidierte Aluminiumpigmente
Am Markt haben sich heutzutage vor allem oxidierte Aluminiumpigmente durchgesetzt, die beispielsweise unter dem Handelsnamen „Aloxal“ angeboten werden. Hier entstehen die farbigen Schichten durch kontrollierte nasschemische Oxidationsreaktion der suspendierten Aluminium-Flakes mit Wasser [1–3]. Es entsteht eine Aluminiumoxid-/hydroxidschicht, die zu einer „champagnerfarbenen“ Optik der Aluminium-Flakes führt (vgl. Abbildung III-2.1). Der Farbeffekt beruht auf einer Kombination von Eigenabsorption und Interferenzerscheinungen.
Abbildung III-2.1: Schematisch: Oxidation von Aluminiumpigmenten
2.1.1
Oxidbeschichtung
Die Oxidbeschichtung hat neben der gewünschten Farbgebung noch weitere Vorteile: Sie dient als Korrosionsschutz (chemische und Gasungsstabilität) und Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 70
03.12.2012 11:53:44
Oxidierte Aluminiumpigmente
71
verleiht dem Pigment erhöhte mechanische Stabilität. Diese Pigmente stellen ein Pendant zu eloxierten Aluminiumoberflächen dar, deren Oxidschicht elektrochemisch durch anodische Oxidation erzeugt wird. Da an dispergierte Pigmentteilchen jedoch kein definiertes äußeres Potenzial mit einem Potentiostaten angelegt werden kann, hilft man sich mit einer chemischen Oxidation: Aldisp. + (3+n) H2O → Al/(Al2O3 · n H2O) + 3 H2 Mit dieser Reaktion wird allerdings keine Beschichtung im klassischen Sinne auf die Aluminiumpigmentteilchen aufgefällt. Vielmehr wächst die Oxidschicht auf dem Aluminiumpigment auf, wobei das im Vergleich zum elementaren Aluminium voluminösere Oxid eine kompakte kristalline Schicht bildet. Die Oxidschichtdicke liegt im Bereich von 70 bis 100 nm.
2.1.2 Herstellprozess Der Herstellprozess der oxidierten Aluminiumpigmente ist schematisch in Abbildung III-2.2 dargestellt. Aluminiumpigmente werden in einem Reaktionsgefäß in einem wassermischbaren Lösemittel suspendiert. Im Anschluss der Zugabe entsprechender Mengen des Oxidationsmittels Wasser wird auf Reaktionstemperatur aufgeheizt. Nach einer gewissen Induktionsperiode wird das Pigment unter heftiger Wasserstoffentwicklung oxidiert. Ab einer gewissen Stärke der Oxidschicht zeigt sich die für dieses Pigment typische champagnerfarbene Optik. Abschließend wird der gesamte Reaktorinhalt auf Raumtemperatur gekühlt und nach einer Grenzkornsiebung über eine Filterpresse eingedickt. Der Filterkuchen wird unter Vakuum getrocknet und schließlich mit Lösemittel zur fertigen Paste verarbeitet.
Abbildung III-2.2. Produktionsschema für oxidierte Aluminiumpigmente (z.B. „Aloxal“)
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 71
03.12.2012 11:53:44
72
Teil III – Farbige Aluminiumpigmente
2.1.3 Strukturierte Oberflächen In den Abbildungen III-2.3 und 2.4 sind Raster-Elektronen-Mikroskopische (REM) und Transmissions-Elektronen-Mikroskopische (TEM) Aufnahmen oxidierter Aluminium-Flakes dargestellt. In Abbildung III-2.3 ist ab 25.000facher Vergrößerung (Abbildung III-2.3 B) eine strukturierte Oberfläche von oxidierten Aluminiumpigmenten am Beispiel „Aloxal“ zu erkennen. Die 48.000fache Auflösung (Abbildung III-2.3 C) zeigt die Ausbildung kristalliner Strukturen mit einer Dimension von ca. 50 nm. Eine scheinbar poröse Oxidschicht von ca. 80 nm Dicke ist in Abbildung III-2.4 erkennbar. Trotz der teilweise offenen Struktur der Aluminiumoxid/-hydroxidschicht verhält sich das Pigment im Wasserlack gasungsstabil. Vermutlich bildet sich bei der Oxidation der Aluminium-Flakes unterhalb der porösen Oxidschicht eine weitgehend dichte Oxidschicht. Von polierten Aluminiumoberflächen, welche
Abbildung III-2.3 (A bis D): REM-Aufnahmen von oxidierten Aluminiumpigmenten am Beispiel „Aloxal“
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 72
03.12.2012 11:53:44
Oxidierte Aluminiumpigmente
Abbildung III-2.4: TEM-Aufnahmen am Querschliff von oxidierten Aluminiumpigmenten am Beispiel von „Aloxal“-Pigmenten
73
in feuchter Atmosphäre bei erhöhten Temperaturen oxidiert werden, ist ein ähnliches Verhalten bekannt. Auch hier ist unterhalb der kristallinen Schicht eine dichte amorphe Aluminiumoxidschicht vorhanden, die für den Korrosionsschutz verantwortlich ist [4]. Bei den oxidierten Pigmenten ist der Anstieg der spezifischen Oberfläche (BET) auf Strukturen zurückzuführen, die sich nicht zuletzt durch die Entstehung von gasförmigem Wasserstoff bei der Oxidation von Aluminium bilden.
2.1.4 Farbausprägung Oxidierte Aluminium-Flakes wirken nahe dem Glanzwinkel gelblich und bei entfernten, flachen Beobachtungswinkeln zunehmend unbunt. Bei Kombination mit farbigen Pigmenten ergibt sich ein metallischer und dennoch relativ weicher Farbeindruck, welcher mit konventionellen Aluminiumpigmenten nicht nachgestellt werden kann. Aus Abbildung III-2.5 geht anhand der a*b*-Koordinaten eines blauen Farbtons (steelblue) mit „Aloxal“ und einer Nachstellung mit konventio-
Abbildung III-2.5: Coloristik oxiderter Aluminiumpigmente („Aloxal“) anhand eines hiermit formulierten Farbtons im Vergleich mit einer Nachstellung mit konventionellem Aluminiumpigment Zahlenwerte: Messwinkel bei festem Einfallswinkel von 45°
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 73
03.12.2012 11:53:44
74
Teil III – Farbige Aluminiumpigmente
nellen Aluminium-Flakes hervor, dass mit dem oxidierten Aluminiumpigment ein größerer Farbortbereich abgedeckt wird.
2.1.5 Eigenschaftsprofil Die Aluminiumoxid/-hydroxidschicht von oxidierten Pigmenten führt zu guter Gasungsstabilität, nur in sehr kritischen Wasserlacksystemen muss zusätzlich mit einer Additivbelegung der Pigmentoberfläche nachstabilisiert werden (vgl. S. 90f, Kapitel IV-1.1.2.1, Additivverfahren und phosphororganische Stabilisierung). Die feste Oxidschicht stabilisiert zusätzlich das duktile Aluminiumpigment mechanisch gegen den Einfluss starker Scherkräfte. Somit wird eine ausgezeichnete Ringleitungsstabilität erreicht. Bezüglich Wetterechtheit, Lösemittelbeständigkeit usw. sind oxidierte Aluminiumpigmente mit konventionellen Aluminium-Flakes vergleichbar. Dieses Eigenschaftsprofil, zusammen mit den optischen Eigenschaften, prädestinieren solche Pigmente für Anwendungen im Automobilbereich.
2.2
Farbige Aluminiumpigmente
Einen Überblick über die Möglichkeiten zur Erzeugung farbiger Aluminiumpigmente gibt Abbildung III-2.6.
Abbildung III-2.6: Überblick über die verschiedenen Arten farbiger Aluminiumpigmente
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 74
03.12.2012 11:53:44
Oxidierte Aluminiumpigmente
75
2.2.1 Farbigkeit durch Schichten mit hohem Brechungsindex Eine Möglichkeit farbige Schichten auf Aluminiumplättchen zu erzeugen, besteht in der Beschichtung des Aluminiumträgers mit einer farbigen, transparenten oder semi-transparenten Schicht, die über einen hohen Brechungsindex n (möglichst n größer als 2) verfügt. Der Farbeffekt entsteht in diesem Fall aus einer Kombination von Reflexion, Absorption und Interferenz. Ein typisches Beispiel sind mit Eisenoxid beschichtete Aluminiumpigmente, die unter dem Handelsnamen „Paliocrom“ in brillanten und farbstarken Gold- und Orangetönen von der Firma BASF angeboten werden [5–8]. Die optischen Eigenschaften dieses Effektpigmentes entstehen durch eine Kombination aus der metallischen Reflexion des Grundmaterials, der Absorption der Eisenoxidschicht (Körperfarbe) und Interferenzeffekten. Die Eisenoxidschicht wird mittels eines Chemical-Vapor-Deposition Prozesses (CVD) in einem Wirbelschichtreaktor auf die Aluminiumpigmente aufgebracht.
2.2.2 Farbigkeit durch Aufbringen von Interferenzfarben Besondere Effekte lassen sich herstellen, wenn Interferenzfarben über ein 5-schichtig aufgebautes Pigment erzeugt werden. Hierzu wird das Aluminiumsubstrat zunächst mit einer dicken, farblosen Schicht mit niedrigem Brechungsindex (n kleiner als 1,8) und anschließend mit einer hoch brechenden semi-transparenten Reflektorschicht beschichtet. Die niedrig brechende Schicht besteht meist aus MgF2 [9–13] oder SiO2 [14–17]. Die Reflektorschicht besteht aus Metall oder hochbrechenden Oxiden, wie z.B. Eisenoxid in der Hämatitmodifikation. Sie wird so dünn aufgebracht, dass sie teils reflektierend und teils transparent wirkt. Die Interferenzfarben so aufgebauter Pigmente sind von höherer Ordnung. Derartige Produkte werden u.a. von der Firma BASF unter dem Namen „Variocrom“ und von der Firma Flex unter dem Namen „Chromafflair“ in den Handel gebracht. Diese Pigmente weisen extreme Farbflops auf. Hergestellt werden die Schichten entweder vollständig durch Physical-Vapor-Deposition (PVD-Verfahren) [9–13] oder durch Kombination eines nasschemischen Beschichtungs- (SiO2) mit dem CVD-Wirbelschichtverfahren (z. B. Fe2O3) [14–17]. Schlussbetrachtung Mit den oxidierten Aluminium-Flakes vom Typ „Aloxal“ verfügt man über ein Aluminiumpigment, das aufgrund seines andersartigen Farbtons interessante coloristische Möglichkeiten beim Styling von Autolacken und anderen Effektlacken eröffnet. Diese Produkte sind kostengünstig und bergen in der Anwendung nur wenig Risiko, weil sie sich anwendungstechnisch wie ein konventionelles Aluminiumpigment verhalten.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 75
03.12.2012 11:53:45
76
Teil III – Farbige Aluminiumpigmente
2.3 Literaturhinweise [1] Eckart, DE 195 20 312, 1995 [2] Greiwe, K.: Coloured aluminium pigments. In: 4th Nürnberg Congress 1997, Paper 6 [3] Birner, H.; Greiwe, K.: Eine neue Klasse von eingefärbten Aluminiumpigmenten. In: Coating, November 1997, S. 432 – 435 [4] Wefers, K.; Misra, C.: Oxides and hydroxides of aluminium. In: Alcoa Laboratories, 1987, Technical Paper Nr. 19 [5] Ostertag, W.; Mronga, N.; Hauser, W.: Eisenoxidbeschichtete Aluminiumpigmente. In: Farbe & Lack, Dezember 1987, S. 973 – 976 [6] BASF, EP 033 457 [7] BASF, EP 338 428 [8] Mronga, N; Radtke, V.; Baumann, B.: Paliocrom lustre pigments – their production, properties, and application. In: 3rd Nürnberg Congress 1995, Paper 18 [9] Flex Products Inc., US 5,059,245 [10] Flex Products Inc., US 5,135,812 [11] Flex Products Inc., US 5,569,535 [12] Flex Products Inc., US 5,571,624 [13] Flex Products Inc., US 5,635,792 [14] BASF, EP 0 571 836 [15] BASF, EP 0 668 329 [16] BASF, EP 0 708 154 [17] Schmid, R. et al.: Optisch variable Glanzpigmente. In: Farbe & Lack, 5/1998, S. 44 – 48
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 76
03.12.2012 11:53:45
Eisen-Flakes
77
Teil III Spezialeffektpigmente 3
Plättchen auf Eisenbasis
Metalleffekt-Pigmente auf Basis von Eisenplättchen sind eine vergleichsweise neue Entwicklung. Aktuell gibt es zwei unterschiedliche Gruppen: • Plättchen auf Edelstahlbasis und • Plättchen auf Basis einer hochreinen Eisenverbindung. Beide Pigmente sind (unterschiedlich stark) magnetisierbar. Insbesondere die Edelstahl-Flakes haben neben optischen auch funktionale Eigenschaften.
3.1 Eisen-Flakes Eisenplättchen zeigen in Lacken gewisse optische Eigenschaften, weil sie dort, beispielsweise in einem Industrielack, ein metallisches Aussehen verleihen. Wesentlich bedeutsamer ist jedoch ihr Einsatz in Korrosionsschutzbeschichtungen zum Aufbau von Barriereschichten. Diese lassen Feuchtigkeit deutlich verzögert zum (Stahl-) Untergrund penetrieren und wirken auf diese Weise der Rostbildung entgegen. Am günstigsten haben sich Edelstähle mit einer ungefähren Zusammensetzung von 75 % Eisen, 15 % Chrom, 10 % Nickel sowie weiterer metallischer Legierungsbestandteile (also klassische Chrom-Nickel-Stähle) erwiesen. Nickel in der Legierung führt zu einem leicht gelbstichigen Farbeindruck der Pigmente. Diese werden – analog den klassischen Metalleffekt-Pigmenten – zunächst zu irregulär geformten Partikeln verdüst. In einem weiteren Arbeitsschritt werden diese Partikel unter Zugabe eines Schmiermittels zu plättchenförmigen Partikeln trocken, also ohne Zusatz eines Lösemittels, ausgewalzt. Durch eine Variation der in den Kugelmühlen eingesetzten
Abbildung III-3.1: REM-Aufnahme eines Edelstahlplättchen
Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 77
03.12.2012 11:53:45
78
Teil III – Plättchen auf Eisenbasis
Granulatpartikeln und der Mahlbedingungen in der Kugelmühle lassen sich Edelstahlplättchen unterschiedlicher durchschnittlicher Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung darstellen. Edelstahlpigmente enthalten vergleichsweise viel Feinanteil im Teilchengrößenspektrum, was sie sehr deckend macht und dem Barriereprinzip in Korrosionsschutzbeschichtungen dienlich ist. Vorteilhaft für den Einsatz in Lacksystemen wirkt sich eine Grenzkornsiebung (etwa auf 40 bis 45 µm oder auch 63 µm) aus, um eventuell im Herstellprozess gebildete Grobteilchen zu entfernen. Diese Pigmentklasse kommt vorwiegend im Korrosionsschutz zum Einsatz, deshalb beschränkt sich die Anzahl der Produkte im Wesentlichen auf sehr wenige. Die Optik steht in diesen Lacksystemen eher im Hintergrund. Der Chromanteil im Edelstahlpigment formt passivierende Schutzschichten um das Plättchen, was letztendlich die hervorragenden Korrosionsschutzeigenschaften begünstigt und sogar einen Einsatz in milden wässrigen Lacksystemen erlaubt.
3.2
Eigenschaften und Anwendungen
Korrosionsschutz
Abbildung III.3.2: Weg durch eine edelstahlpigmentierte Beschichtung
Die hervorragende Barrierebildung der Edelstahlpigmente wurde bereits beschrieben. Daneben wirkt die Chromoxidschicht auf den Edelstahl-Flakes zusätzlich korrosionsinhibierend. Eventuell gebildete Schadstellen in der Beschichtung werden durch Chromoxid in ihrer Rost bildenden Wirkung deutlich reduziert.
Ein weiterer Aspekt beim Korrosionsschutz ist die hohe UV-Stabilität der Edelstahlplättchen. Dies führt zu einem Schutz der Polymerschicht durch UV-Strahlung initiierten Bindemittelabbau. Die den Untergrund schützende Bindemittelschicht bleibt länger erhalten, die Rostbildung wird verzögert. Auch wenn diese Pigmente keine „klassischen“ Korrosionsschutzpigmente sind, so können die geschilderten synergistischen Eigenschaften der Edelstahlpigmente vorteilhaft allein oder in Verbindung mit Korrosionsschutzpigmenten als effektives Rostschutzsystem genutzt werden. Eine Kombination mit Leafing-, bevorzugt auch Non-Leafing-Aluminiumpigmenten mittlerer Feinheit werten die Optik der Edelstahlplättchen auf.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 78
03.12.2012 11:53:45
Eigenschaften und Anwendungen
79
Chemische Widerstandsfähigkeit Weiterhin sind die Edelstahlpigmente aufgrund ihrer Legierungszusammensetzung extrem chemikalienresistent. Weder Säuren noch Laugen führen zu einer Reaktion mit den Metallpigmenten und einer nachfolgenden Vergrauung, dies unterscheidet sie deutlich von den Aluminium- oder Goldbronze-Flakes. Das Gleiche gilt analog für andere chemische Agentien, wie Fette, Öle oder Lösemittel. Abrasivität und Festigkeit Edelstahl als Metall ist sehr abrasiv und demzufolge sind dies auch die aus dem Metall dargestellten Plättchen. Diese Eigenschaften macht man sich gern bei Lacken, aber auch bei Textilveredelungen (siehe Kapitel IV.7) zu Nutze. Die hohe Abrasivität und Festigkeit wirkt einer Verdüsung bzw. Kugelmühlenvermahlung entgegen. Die Maschinen würden durch Abrieb schnell unbrauchbar. Daher enthalten Edelstahlpigmente geringe Mengen an Mangan und Molybdän, um eine gewisse Verformbarkeit in den Produktionsaggregaten zu erreichen. Leitfähigkeit und Temperaturstabilität Edelstahlpigmente haben eine sehr gute Temperaturleitfähigkeit und die mit ihnen formulierten Beschichtungen sind sehr temperaturstabil. Beispielsweise lassen sich Silikon-basierte Formulierungen problemlos bis auf 300 °C aufheizen. Ab dann vergilbt das Pigment, ein Schutz des darunterliegenden Substrates bis zu 650 °C (kurzzeitig) oder auch 500 °C (langfristig) ist weiterhin gegeben. Magnetisierbarkeit Ein interessanter Aspekt ist die Magnetisierbarkeit der Edelstahlpigmente – die auf den Eisenanteil in der Legierung zurückzuführen ist. Diese Eigenschaft ist nicht besonders stark ausgeprägt – es empfiehlt sich die Verwendung eines sehr starken Magneten und eines nicht zu dicken Substrates – dennoch ist es möglich, Gimmickeffekte zu produzieren:
Abbildung III-3.3: Gimmickeffekt: Ausrichtung der Edelstahlplättchen durch Magnetisierung
Diese Effektlackierung wurde erreicht, indem in eine kommerziell verfügbare Lösemittel basierende 2K PUR-Formulierung 15 % eines Edelstahlpigmentes einformuliert wurden. Der Lack wurde auf Spritzviskosität eingestellt und in einem
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 79
03.12.2012 11:53:45
80
Teil III – Plättchen auf Eisenbasis
standardmäßigen Lackiervorgang auf eine dünne ABS-Kunststofftafel appliziert. Unmittelbar nach der Applikation und vor dem Trocknen/Vernetzen des Lackes wurde die Kunststoffplatte auf einen entsprechend zugeschnittenen Magneten aufgelegt und dort für ein bis zwei Minuten belassen. Die Edelstahlplättchen richten sich nun entlang der magnetischen Feldlinien aus und reproduzieren das Bild des Magneten – hier eines liegenden Hundes. Die beschichtete Kunststoffplatte kann dann endgültig getrocknet/ausgehärtet werden, bzw. nach einer ausreichend langen Zwischentrocknung auch überlackiert werden. Mit transparenten Buntpigmenten lässt sich das optische Spektrum deutlich erweitern.
3.3
Magnetisierbare Eisen-Flakes
Diese sehr spezielle Klasse von metallischen Effektpigmenten sind aufgrund ihres hohen Eisengehaltes deutlich stärker magnetisierbar als die im vorigen Kapitel beschriebenen Edelstahlplättchen. Ihre Magnetisierbarkeit und die dadurch darstellbare Vielfalt an optischen Effekten macht die Bedeutung der Eisen-Flakes, beispielsweise „Ferricon“, aus. Herstellung von magnetisierbaren Eisen-Flakes Hergestellt werden diese Pigmente aus Eisen-penta-carbonyl (Fe(CO)5, einer organischen Eisenverbindung, die früher als Antiklopfmittel im Benzin, und heute noch bei der Herstellung von magnetischen Tonbandträgern eingesetzt wird. Eisen-penta-carbonyl ist eine ölig gelbe bis rote Flüssigkeit mit muffigem Geruch, die in einem ersten Gasabscheidungsprozess zu Eisen hoher Reinheit (>99,9 %) ergibt. Die Fällungsprodukte sind irregulär geformte Teilchen, die in einem Nassmahlverfahren und Zusatz von Testbenzin und einem Schmiermittel zu echten Non-Leafing-Plättchen ausgewalzt werden. Anwendung von magnetisierbaren Eisen-Flakes Die hohe Reinheit des Eisenpigmentes verhindert den Einsatz dieses sehr speziellen Pigmentes in der Masse der wässrigen Systeme bzw. in Korrosionsschutzlacken. Es gibt im Markt zwar gekapselte Pigmente, doch reicht hier die Verkapselung nur zu einem Einsatz in sehr milden und speziell für diesen Einsatzzweck ausformulierten Wasserlacken. Ihre Berechtigung nehmen sie aus der neuartigen, attraktiven optischen Gestaltungsmöglichkeit für den Designer. Hier sind es vor allem Kunststoffsubstrate (Handy-, Computer-, Kosmetikverpackungs- oder auch Fernsehlacke) und neuerdings auch in Coil Coating-Lacken für Fassaden. Bei letzteren empfiehlt sich wegen der üblicherweise hohen Beständigkeitsforderungen im Fassadenbaubereich, die gekapselten Eisen-Flakes zu verwenden.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 80
03.12.2012 11:53:45
Magnetisierbare Eisen-Flakes
81
Effektausbildung Als reines Pigment in Lacke einformuliert, ergeben die Eisen-Flakes zunächst einen sehr dunklen metallischen Eindruck, der sich in dieser Form durch eine Kombination aus den klassischen Aluminiumpigmenten und Rußen nicht darstellen lässt. Ein weiteres Gestaltungsmerkmal ist die Magnetisierbarkeit. Der hohe Eisenanteil erlaubt es, Formen mit sehr klaren Konturen zu generieren. Bei entsprechender Formulierung und anschließender Magnetisierung lassen sich Beschichtungen mit einem haptischen Effekt erzeugen. Generell sind diese am besten, wenn ein nicht magnetischer Untergrund (besonders geeignet Kunststoff) und ein starker Magnet verwendet werden. Viele Arbeiten verwenden Permanentmagnete, aber auch Elektromagnete sind denkbar. Bei Coil Coating-Applikationen wurde ein Permanentmagnet unter ein beschichtetes Coil-Blech montiert und dieses nach der Beschichtung und vor dem Trocknen über den Magneten gezogen. So ließen sich in der Beschichtungsanlage Linienstrukturen auf den Coils realisieren. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten der Effektausbildung: Zum einen wird wie bei den Edelstahlpigmenten weiter oben beschrieben das lackierte und noch nicht getrocknete Substrat auf einen Magneten aufgelegt. Zum anderen besteht die Möglichkeit, den Magneten unter das zu beschichtende Substrat zu fixieren und dort während der Lackierung zu belassen. Die Ausrichtung der Eisen-Flakes erfolgt in diesem Fall unmittelbar während der Applikation. Vorteilhaft ist dieses Verfahren, weil die Reproduzierbarkeit der Effekte in der Regel höher als beim erstgenannten ist und die Konturen schärfer ausgebildet werden. Durch Einsatz von transparenten Buntpigmenten lässt sich die Gestaltungsvielfalt nochmals erhöhen. Eine Überlackierung ist – nach entsprechender Zwischentrocknung – problemlos möglich. Die Menge an Edelstahlpigment in der Formulierung sollte zwischen 10 % und
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 81
Abbildung III-3.4: Beschichtung einer Crèmetube mit anschließender Magnetisierung
03.12.2012 11:53:45
82
Teil III – Plättchen auf Eisenbasis
15 % liegen, je geringer dieser Anteil gewählt wird, desto schwächer wird der Effekt ausgeprägt.Bei der Formulierung ist in der Regel ein Anti-Absetzmittel zu verwenden, da die spezifisch schweren Eisenpigmente bei Lagerung und während der Applikation zur Sedimentation neigen. Effektpigmente auf Eisenbasis verstehen sich als Nischenprodukte, mit allerdings interessantem Gestaltungspotenzial.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 82
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
83
Teil IV Anwendungen Metalleffekt-Pigmente lassen sich aufgrund ihres Herstellprozesses und anhand von Kenngrößen, wie beispielsweise Teilchengröße und Teilchengrößenverteilung, Helligkeit usw., eindeutig charakterisieren. Die detaillierte Charakterisierung der Metalleffekt-Pigmente ermöglicht eine Abgrenzung und Unterscheidung in einzelne Typen und Produkte. Sie spielt folglich auch eine entscheidende Rolle in der Qualitätskontrolle, die den Standard eines Produktes auf Basis der eingeführten Kenngrößen gewährleistet. Eine ausführliche Beschreibung erfolgte in den vorangehenden Kapiteln. Neben der Charakterisierung ist der Einsatzbereich von Metalleffekt-Pigmenten von großer Bedeutung. Denn Metalleffekt-Pigmente verhalten sich in jeder Anwendung unterschiedlich, so dass nicht jedes Pigment für jede Anwendung geeignet ist. Oft sind bestimmte Rahmenbedingungen erforderlich, damit Metalleffekt-Pigmente ihr spezifisch optisches und technisches Eigenschaftsprofil entfalten können. Der IV. Teil dieses Buches beschreibt die Eigenheiten von Metalleffekt-Pigmenten in den unterschiedlichen Anwendungsgebieten.
1 Lacksysteme und ihre Anwendungen 1.1
Lacksysteme
1.1.1
Lösemittelhaltige Lacke
Wesentliche Aspekte bei der Formulierung von Metalleffekt-Pigmenten in lösemittelbasierenden Lacken erörtert das Kapitel 2 im Teil II. An dieser Stelle sind weitere wichtige Anhaltspunkte für die Rezeptierung zusammenfassend dargestellt. Anpastung von Metalleffekt-Pigmenten Besonders wichtig – und deshalb hier im Detail aufgeführt – ist der „Aufschluss“ der Pigmente. Unter Aufschluss versteht man das Benetzen der einzelnen Pigmentpartikel mit Lösemittel, so dass sie dann in mono-dispergierter Form vorliegen. Bewährt hat sich die Anpastung in einem geeigneten Lösemittel im Verhältnis Pigment zu Lösemittel 1:1 bzw. 1:2, der letzte Fall immer dann, wenn besonders feine (durchschnittliche Teilchengröße kleiner als 12 µm) oder beschichtete PigPeter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 83
03.12.2012 11:53:46
84
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
mente mit einer großen Oberfläche verwendet werden. Gegebenenfalls müssen auch Netzadditive mit in den Aufschluss gegeben werden. Positiv kann sich eine Benetzungszeit von bis zu 10 Stunden auswirken, in der der Pigmentaufschluss ruhen gelassen wird. Günstig sind polare Lösemittel, da sie für Metall-Flakes ein hohes benetzendes Potenzial haben. Sie eignen sich nur für Non-Leafing-Pigmente, da bei LeafingTypen eine Benetzung nicht erwünscht ist. Leafing-Typen würden an Effekt verlieren, weshalb sie in unpolaren Lösemitteln angeteigt werden sollten. Der Rührer sollte keine scharfen Ecken und Kanten aufweisen, da das duktile Pigment ansonsten leicht beschädigt werden kann. Ein Mischaggregat – keine Dispergiermaschine – ist zu bevorzugen. Der Rührer sollte zentral in dem Rührbehältnis positioniert sein, und der Durchmesser der Rührscheibe sollte mindestens halb so groß wie der Durchmesser des Rührbehältnisses sein. Besonders bei den Goldbronzetypen, die häufig in Pulverform zur Auslieferung kommen, ist der einwandfreien Anpastung besondere Bedeutung beizumessen. Pigmentierungshöhe Bei Lacken mit Leafing-Aluminiumpigmenten wird je nach Feinheit eine Pigmentierungshöhe zwischen 8 und 20 % eingehalten. Die Pigmentierungshöhen von Non-Leafing-Aluminiumpigmenten in Vollton-Metallics liegt zwischen 4 % für feinteiligen Typen (d50 ca. 12 µm) und bis zu 15 % für grobteilige Typen (d50 ca. 40 µm). Ausnahmen können Holzlacke und hochtemperaturfeste Lacke bilden, bei denen die Pigmentierung bis zu 35 % betragen kann. In Bunttonabmischungen wird mit wesentlich geringeren Mengen an Metalleffekt-Pigment gearbeitet. Je nach Farbton wählt man eine Pigmentierungshöhe von 0,5 % für dunkle und bis zu 3 % für helle Töne. Goldbronze-Pigmente haben im Vergleich zu Aluminium-Flakes ein geringeres Deckvermögen. Daher werden Kupfer- und Messingpigmente in der Regel etwa doppelt so hoch pigmentiert wie Aluminiumpigmente gleicher Partikelgröße. Pigmentorientierung Bei der Applikation von Lacken mit Effektpigmenten ist auf deren optimale Ausrichtung zu achten. Erreicht wird diese durch eine Reihe von Faktoren. Zu den wichtigsten zählen: • Verwenden eines Lösemittelgemischs aus schnell und langsam verdunstenden Lösemitteln (Das Mischungsverhältnis richtet sich nach Umgebungstemperatur und Applikationsart. Als Richtwert kann eine 1:1 Mischung aus Xylol und Butylacetat gewählt werden.)
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 84
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
85
• Verzicht auf Füllstoffe • Verwenden von Orientierungshilfsmitteln, wie Wachsen und/oder Celluloseacetobutyraten Pigmentorientierung und Festkörper Eine gute Pigmentorientierung wird immer auch dann erzielt, wenn der Lackfestkörperanteil niedrig ist. So kann es zu einer Filmschrumpfung und damit zu einer optimalen Pigmentausrichtung parallel zur Substratoberfläche kommen (Abbildung IV-1.1). Aus dieser Sicht sind die traditionellen Low Solid- gegenüber den High SolidLacksystemen zu bevorzugen. Niedrige Lösemittelemissionen und die damit verbundene niedrigere Umweltbelastung sprechen allerdings für die High Solid-Lacke. Als Anhaltspunkt lässt sich in Lacken mit geringem Festkörperanteil ein Verhältnis von Pigment zu Bindemittel von etwa 1:5 (fest auf fest) nennen, für festkörperreiche Lacke liegt das Verhältnis bei 1:10 bis 1:15. Beständigkeit von Metalleffekt-Pigmenten Aluminium ist wie erwähnt ein amphoteres Metall, welches von Laugen und Säuren angegriffen wird. In vielen Beschichtungen reicht die dünne Oxidschicht, die sich unmittelbar nach der Vermahlung auf der Metalloberfläche bildet, aus, um
Abbildung IV-1.1: Modell der Orientierung von Metallpigmenten in Lacksystemen beim Trocknungsvorgang
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 85
03.12.2012 11:53:46
86
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
das Aluminiumpigment in der Beschichtung gegen den Angriff der aggressiven Agenzien der Umgebung zu schützen. Dies trifft insbesondere auf Non-LeafingPigmente zu, die in eine Bindemittelmatrix eingebaut sind. Grundsätzlich gilt: Je reiner ein Aluminiumpigment ist, umso besser ist die Chemikalienstabilität. Deshalb werden Aluminiumpigmente auch in einer Normalreinheit von größer 99,7 % Aluminiumgehalt angeboten und in einer hochreinen, chemisch stabileren Form. Hierbei handelt es sich um die säurebeständigen Typen. Sie können darüber hinaus auch eine Beständigkeit in Lackformulierungen mit aggressiven Komponenten bieten, beispielsweise Rohstoffe mit hohen Säurezahlen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass jegliche Kontamination mit Feuchtigkeit/Wasser (beispielsweise aus Reinigungsprozessen oder aus mit Wasser verunreinigtem Lösemittel) zur Gasentwicklung führt. Im Zweifelsfall sind Molekularsiebe oder andere Inhibitoren zu verwenden. Bedingt durch ihre Stellung in der Spannungsreihe der Metalle sind Goldbronzen, das heißt Kupfer- und Kupfer-Zink-Legierungspigmente, chemisch noch anfälliger. Der Mechanismus der Entzinkung wurde im Teil II, Kapitel 2 beschrieben. Daher empfiehlt sich bei Verwendung von Goldbronzen unbedingt der Einsatz von Lackrohstoffen geringer Reaktivität, d.h. Produkten mit einer geringen Anzahl funktioneller Gruppen. Auf Wasserfreiheit in der Formulierung sollte ebenfalls geachtet werden. Eine Grünfärbung und im fortgeschrittenen Stadium ein vollständiges Gelieren des Ansatzes sind die Folgen nicht sachgemäßer Formulierung im Lack. Sollen die Pigmente darüber hinaus besondere Stabilitäten aufweisen, ist auf beschichtete Typen zurückzugreifen, auf die im Teil IV, Kapitel 1.1.2 eingegangen wird. Absetzen Bei der Lagerung von Metalliclacken kommt es zum Absetzen der MetalleffektPigmente. Dies trifft insbesondere auf spezifisch schwere Goldbronze-Pigmente zu. Daher müssen geeignete Thixotropierungsmittel dem Lack zugesetzt werden. Dies ist vor allem der Fall, wenn Pigmentkonzentrate verwendet werden, die in einem Mischsystem weiterverarbeitet werden. Ein Bodensatz lässt sich nicht immer vermeiden. Er sollte auf jeden Fall aufrührbar sein, allerdings so, dass eine übermäßige Scherung der MetalleffektPigmente vermieden wird. Vor der Weiterverarbeitung sollte der Lack immer aufgerührt und homogenisiert werden. So vermeidet man Farbtonschwankungen durch ungleichmäßige, nicht konsistente Pigmentierung.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 86
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
87
Applikation von Metalleffekt-Pigment enthaltenden Lacken Hinsichtlich der Applikation ist zu berücksichtigen, dass Lackschichten mit Metalleffekt-Pigmenten nach der Applikation an senkrechten Flächen zum Ablaufen neigen. Das als „sagging“ bezeichnete Phänomen führt zu einer deutlichen Vergrauung der Lackierung. Sie tritt häufig beim Airless-Spritzen im industriellen Bereich auf, wo in einem einzigen Spritzgang hohe Schichtstärken aufgetragen werden (vgl. S. 162f, Kapitel IV-1.2.3.2, Airless-Spritzlackierung). Das Einstellen eines geeigneten Fließverhaltens ist aus diesen Gründen unerlässlich. Wolkenbildung Die Ausrichtung der Pigmente, besonders an großen Flächen, muss gleichmäßig sein. Durch unterschiedliche Orientierung kann es ansonsten zu unterschiedlichen Helligkeiten kommen, die als Wolkenbildung sichtbar sind. Dies ist sehr häufig bei Wasserlacken anzutreffen und muss durch geeignete Formulierung gezielt unterbunden werden. Cornflake-Aluminiumpigmente sind in Bezug auf Wolkigkeit wenig anfällig, weil sich die Flakes über ihre Ecken und Kanten ineinander verhaken und so selbst fixieren. Silberdollarpigmente haben diese Möglichkeit aufgrund ihrer gerundeten Teilchenmorphologie nicht. Sie sind in ihrer Tendenz zur Wolkigkeit anfälliger. Eine höhere Pigmentierung und der Einsatz gröberer Pigmente reduziert des Weiteren die Tendenz zur Wolkigkeit. Bei der Applikation sollten die Spritzgänge möglichst weit überlappen; die Schichtstärke sollte gleichmäßig und der Spritzdruck niedrig sein (Richtwert: 4 bar), um eine möglichst homogene Ausrichtung der Metalleffekt-Pigmente zu erreichen. Ein schneller Filmschrumpf – bedingt durch die Verwendung schnell flüchtiger Lösemittel – und ein niedriger Festkörper tragen außerdem zur Reduzierung der Wolkenbildung bei. Verwendung von PVD-Pigmenten Die Verwendung von PVD-Pigmenten (vgl. Kapitel III-1) macht die Verwendung spezieller Lacke nötig. Nur mit diesen kann eine gute Ausrichtung der Pigmentteilchen und damit der Chromeffekt erreicht werden. Werden Lacke verwendet, wie sie auch für die in Kugelmühlenprozessen hergestellten Aluminium- und Goldbronze-Flakes üblich sind, lässt sich lediglich ein unbefriedigender Effekt erzielen. Wichtig beim Einsatz von PVD-Pigmenten ist ein möglichst niedriger Anteil der Lackfestkörper. Ideal sind Werte zwischen 5 und 8 %. Die Pigmentierungshöhe des PVD-Pigments liegt zwischen 3 und 6 %. Bei höheren Einsatzmengen kom-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 87
03.12.2012 11:53:46
88
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
men die PVD-Plättchen ungeordnet übereinander zu liegen, was die Bildung eines Spiegeleffektes erschwert. Orientierungshilfsmittel wie Celluloseacetobutyrate und/oder Wachse sollten in die Formulierung einbezogen werden, um die planparallele Ausrichtung der PVD-Teilchen zu optimieren. Weiterhin verschlechtern bei den niedrigen Festkörperanteilen jegliche Oberflächenrauigkeiten des Substrates den Chromeffekt. Die niedrigen Schichtdicken von 2 bis 4 µm können Unebenheiten nicht ausgleichen, und es macht sich dann die Struktur des Untergrundes bemerkbar. Daher sollte unter dem PVD-Lack stets eine (hoch-) glänzende Grundierung mit gutem Verlauf appliziert werden. Staubpartikel auf dem Substrat haben die gleichen effektreduzierenden Folgen. Beschichtungen mit niedrigem Bindemittelgehalt haben erfahrungsgemäß nur begrenzte Feuchtigkeits- und sonstige Beständigkeit. Die Kratzfestigkeit bleibt selbst bei Verwendung von 2-Komponentenlacken limitiert. Deshalb wird eine Überlackierung empfohlen, wenn hervorragende Kratzfestigkeiten angestrebt werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die im Klarlack verwendeten Lösemittel den PVD-Pigment-haltigen Lack anlösen, die PVD-Pigmente desorientieren und so den optischen Effekt reduzieren können. Aus diesen Gründen sollten Klarlacke mit unpolaren Lösemitteln, d.h. mit geringer Lösewirkung verwendet
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 88
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
89
werden. Ideal ist die Überlackierung mit einem Wasser- oder Pulverklarlack, der naturgemäß nur gering anlösende Eigenschaften hat.
1.1.2 Wasserbasierte Lacke Wasserlacke stellen eine umweltfreundliche und emissionsarme Alternative zu lösemittelhaltigen Lacken dar. Ihr wesentlicher Lösemittelbestandteil ist Wasser, dennoch sind auch in Wasserlacken geringe Mengen eines organischen Co-Lösemittels enthalten. Der Zweck von Co-Lösemitteln wie z.B. Alkoholen, Glykolen usw. ist, die Filmbildungs- und Viskositätseigenschaften des Lackes zu optimieren [1]. Infolge ihres vergleichsweise niedrigen Festkörpergehaltes tritt beim Abdunsten des Lösemittels Wasser bzw. beim Trocknen und Einbrennen von Wasserlacken eine starke Volumenkontraktion der pigmentierten Bindemittelschicht auf. Dies führt zu einer parallelen Ausrichtung der Pigmentteilchen und einer sehr guten Effektausbildung, die mit der Qualität von konventionellen, lösemittelhaltigen Systemen vergleichbar ist [2]. Die Besonderheit beim Einsatz von Aluminiumpigmenten in Wasserlacken liegt darin, die chemische Reaktion des Metalls Aluminium mit Wasser zu unterbinden. Das Hydrophobieren der Aluminiumoberflächen durch Mahlhilfsmittel wie Ölsäure oder Stearinsäure ist nicht ausreichend, um die exotherm verlaufende Reaktion der Pigmente mit Wasser zu verhindern. Aluminiumpigmente reagieren mit Wasser unter Wasserstoffentwicklung nach folgender Bilanzgleichung: 2 Al + 6 H2O → 2 AL(OH)3 + 3 H2 ↑ Infolge der großen spezifischen Oberfläche von Aluminiumpigmenten (1 bis 10 m2/g, BET-Verfahren [3, 4]) kann die Reaktion sehr heftig ablaufen. Selbst bei langsamer Reaktion sind der Verlust des metallischen Glanzes und eine Beeinträchtigung der Lagerstabilität (Agglomeration) die Folge. Um dies zu verhindern, benötigen Aluminiumpigmente in Wasserlacken einen effizienten Korrosionsschutz, der nicht nur im flüssigen Wasserlack, sondern zweckmäßigerweise auch über die gesamte Lebensdauer einer Lackierung wirksam ist [5]. 1.1.2.1 Stabilisierung von Aluminiumpigmenten Von praktischer Bedeutung sind drei Konzepte des Korrosionsschutzes. Dabei kann als eine Möglichkeit ein Korrosionsinhibitor mit einer hohen Affinität zur Aluminiumoberfläche aufgebracht werden und in gewissen Grenzen eine Schutzschicht bilden. Häufig werden hierfür Verbindungen wie saure Phosphorsäurederivate eingesetzt [6, 7]. Ferner können durch kontrollierte chemische Umwandlungsprozesse auf der Pigmentoberfläche sogenannte Konversionsschichten erzeugt werden. Diese
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 89
03.12.2012 11:53:46
90
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
bestehen aus sehr dünnen Mischoxidschichten von Aluminium und einem weiteren Metall wie z.B. Chrom [8] oder Molybdän [9]. Die Bildung von Konversionsschichten stellt in chemischer Hinsicht einen Grenzfall zwischen Inhibierung und Einkapselung dar. Solche Schichten sind zwar erheblich dünner als die einer echten Einkapselung, haben aber eine vergleichbare Barrierewirkung. Das dritte Stabilisierungsprinzip beruht auf der vollständigen Einkapselung des Aluminiumpigmentes in eine chemisch inerte, weitgehend transparente Schicht. Solche homogenen Schutzschichten werden in der Regel durch radikalische Polymerisation oder Sol/Gel-Prozesse erzeugt und können sowohl organischer wie auch anorganischer Natur sein [10, 11]. Auch Metallpigmente, die mit komplexen anorganisch/organischen Mischschichten stabilisiert sind, wurden bereits entwickelt [12]. Daneben sind Metallpigmente beschrieben, die mit mehreren, aufeinander folgenden anorganischen und organischen Schichten stabilisiert sind [13]. Letztere Pigmente verbinden eine gute Gasungsstabilität mit hoher chemischer Beständigkeit in Einschichtlacken. Allerdings ist die Herstellung dieser Mehrschicht-Metallpigmente vergleichsweise aufwendig und teuer. Von zentraler Bedeutung für die lacktechnische Praxis sind die anwendungstechnischen Eigenschaften eines Effektpigmentes. Deshalb wird auf diese Eigenschaften ausführlich eingegangen. Im Absatz „Anwendungstechnische Eigenschaften“ wird anhand SiO2-beschichteter Aluminiumpigmente gezeigt, welche Pigmenteigenschaften für die erfolgreiche Anwendung in Wasserlacken entscheidend sind. Im Einzelnen sind zu nennen: • • • • • • • •
Benetzungseigenschaften im Bindemittel Optik in Lackanwendungen Gasungsstabilität chemische Stabilität (insbesondere bei Einschichtlacken) Schwitzwasserbeständigkeit Scherstabilität (Ringleitungen der Automobilindustrie) Wetterbeständigkeit (z.B. Floridatest) Lagerstabilität (Pigmentpaste und fertiger Lack)
Die Beispiele im genannten Abschnitt können sinngemäß auf alle Aluminiumpigmente für Wasserlacke übertragen werden. Den Abschluss bilden schließlich Formulierungshinweise für den Anwender. Additivverfahren/phosphororganische Stabilisierung Aus der Vorbehandlung von metallischen Oberflächen ist bekannt, dass insbesondere Verbindungen des Elementes Phosphor eine große Affinität zu Aluminium aufweisen. Als Korrosionsinhibitoren für Aluminiumpigmente haben sich besonders die Ester
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 90
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
91
der Phosphorsäure oder substituierte Phosphonsäurederivate bewährt [6, 7, 14–16]. Falls notwendig, kann der pH-Wert dieser Chemikalien durch den Zusatz von geeigneten Neutralisationsmitteln angepasst werden (in der Regel Amine). Die genannten phosphororganischen Substanzen werden in der Praxis durch einen Mischprozess oder kombinierten Misch- und Trocknungsprozess auf die Aluminiumpigmente aufgebracht bzw. „aufgetrocknet“. Sie bilden durch Adsorption auf der Pigmentoberfläche einen relativ dichten Schutzfilm. Im Vergleich zu unbehandelten Aluminiumpigmenten wird auf diese Weise in milden Wasserlacksystemen eine deutliche und nachhaltige Verringerung der Wasserstoffbildung im Lack erzielt. Die Additive werden auf die Pigmentoberfläche aufgebracht, deshalb wird diese Stabilisierung auch als Additivverfahren bezeichnet. Phosphororganische Schutzschichten ermöglichen es, Aluminiumpigmente als wässrige Pasten anzubieten, die zum Teil ohne jegliche organische Lösemittel formuliert sind. Dies ist besonders wichtig, wenn mit einer Unverträglichkeit des Lösemittels mit dem Bindemittel zu rechnen ist, oder generell organische Lösemittel unerwünscht sind. Beispiele für vollständig lösemittelfreie Wasserpasten sind Aluminiumpigmente der Typenreihen „Stapa Hydroxal“ W und „Hydroxal“ DC. Die beiden Produktreihen sind mit unterschiedlichen Additiven auf phosphororganischer Basis stabilisiert. Welches Produkt am besten geeignet ist, hängt von der jeweiligen Anwendung und ihren spezifischen Anforderungen ab. Im Gegensatz dazu enthalten die ohne Trocknung hergestellten Aluminiumpigmente beispielsweise der Reihe „Stapa Hydrolac“ W (Eckart) Wasser und Testbenzin. Dieses ist ein Restbestandteil aus der in Testbenzin durchgeführten Kugelmühlen-Vermahlung. Derartige Produkte sind auch in den Lösemittelkombinationen Butylglykol/Testbenzin und Methoxipropanol/Testbenzin erhältlich. Die Adsorptionsschichten unterliegen Adsorptions-/Desorptionsgleichgewichten, deshalb lässt sich durch das Aufbringen von Adsorptionsschichten die Diffusion von Wasser zur Aluminiumpigmentoberfläche und damit die Wasserstoffentwicklung nie vollständig unterbinden. Ferner verlieren phosphororganische Schichten bei hohen pH-Werten ihre inhibierende Wirkung. Infolgedessen muss bei besonders aggressiven wässrigen Industrie- oder Automobillacken auf chromatierte bzw. eingekapselte Aluminiumpigmente zurückgegriffen werden. Die phosphororganische Inhibierung von Aluminiumpigmenten bietet jedoch in vielen wässrigen Anwendungen eine ausreichende Stabilisierung. Sie wird empfohlen für Wasserlacke mit pH-Werten zwischen 5 und 8, wie z.B. Industrielacken oder milden Automobillacken sowie für wässrige Druckfarben. Die Anwendbarkeit des jeweiligen stabilisierten Pigmentes sollte stets durch einen Gasungstest (siehe S. 51) im entsprechenden Lacksystem geprüft werden.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 91
03.12.2012 11:53:46
92
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Eine weitere Möglichkeit der Aluminiumpigment-Stabilisierung bietet der Zusatz von Korrosionsschutzpigmenten zu Lacksystemen oder Pigmentpasten. Diese bestehen meistens aus Mischungen schwerlöslicher Phosphosilikate. Die Schutzwirkung beruht hierbei auf der Phosphatbildung an den reaktiven Zentren des Aluminiumteilchens und damit auf der Barrierewirkung dünner Schutzschichten. Die Metallkationen solcher schwer löslichen Phosphate sind in der Regel Zink oder Erdalkalimetalle [17]. Aluminiumpigmente, die auf diese Weise stabilisiert sind, werden auf dem Markt als Pigmentpräparationen in Form von Pasten, Dispersionen und Granulaten angeboten. Konversionsschichten durch Chromatierung Ein wohlbekannter technischer Prozess zur Passivierung von Aluminiumpigmenten ist die Chromatierung. In diesem Verfahren werden Aluminiumpigmente mit einer Lösung von Chromsäure behandelt [8]. Dadurch wird die reaktive Aluminiumoberfläche schnell oxidiert und es bildet sich eine dichte, passivierende Konversionsschicht auf der Oberfläche der Aluminiumpigmente. Diese Schicht setzt sich im Wesentlichen aus einer Mischoxidschicht bestehend aus Aluminiumoxid, Chromoxid und Hydroxiden zusammen. Der Mechanismus der Stabilisierung durch die Chromatierung ist nicht vollständig geklärt. Es besteht Ähnlichkeit mit der industriell verwendeten Gelbchromatierung von Aluminiumblechen, die zu einem sehr guten Korrosionsschutz führt [14]. Eine ähnliche Passierungsmethode ist unter Verwendung von Molybdänsäure beschrieben [9].
Abbildung IV-1.2: Charakteristik der Gasentwicklung bei stabilisierten Aluminiumpigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 92
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
93
Chromatierte Aluminiumpigmente haben eine hervorragende Gasungsstabilität. Sie sind selbst in sehr aggressiven wasserbasierenden Formulierungen stabil. Falls erforderlich tolerieren sie pH-Werte bis etwa 9,5. Darüber hinaus haben derart behandelte Aluminiumpigmente eine sehr gute Beständigkeit im Schwitzwassertest (DIN-50017-KK). Auch die Verarbeitungseigenschaften von Anpastungen der chromatierten Aluminiumpigmente mit lacküblichen Lösemitteln und Additiven sind sehr gut. Die niedrigen Viskositäten solcher Halbfertigprodukte erleichtern die Einarbeitung in das wässrige Bindemittel erheblich. Abbildung IV-1.2 verdeutlicht das Verhalten von unbehandelten, phosphororganisch stabilisierten und chromatierten Aluminiumpigmenten im Gasungstest (siehe S. 51). Es ist offensichtlich, dass die chromatierten Metallpigmente die beste Gasungsstabilität aufweisen. Sie zeigen keine oder eine äußerst geringe Gasentwicklung selbst nach mehrmonatiger Lagerung in wasserbasierenden Lacksystemen. Hierin liegt der wesentliche Vorteil gegenüber der phosphororganischen Stabilisierung. Phosphororganisch stabilisierte Pigmente weisen eine zwar geringe, aber doch kontinuierliche Wasserstoffentwicklung auf. Einkapselung Ziel einer Einkapselung bzw. einer Beschichtung ist es, die Oberfläche eines Aluminiumpigmentteilchens vollständig mit einer inerten Schutzschicht zu umschließen und damit vor dem Zutritt von Wasser zu schützen. Die optischen und anwendungstechnischen Eigenschaften des Pigmentes sollen durch die Einkapselung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Hierbei gibt es die Möglichkeit der organischen und der anorganischen Beschichtung. Die Messlatte für stabilisierte Aluminiumpigmente sind die vorab beschriebenen chromatierten Pigmente. Insbesondere mit Silikatbeschichtungen werden hier sehr gute Ergebnisse erzielt. Polymerbeschichtung Bei einer Polymerbeschichtung werden die Aluminiumpigmente durch die radikalische Polymerisation von ungesättigten Monomeren, in der Regel Acrylat- oder Methacrylatverbindungen, beschichtet. Wenigstens eines der eingesetzten Monomere fungiert hierbei als bifunktioneller Haftvermittler und enthält eine pigmentaffine und eine radikalisch polymerisierbare funktionelle Gruppe (z.B. Acrylsäure). Über die zweite, ungesättigte Funktionalität copolymerisiert dieser Haftvermittler mit weiteren, vernetzbaren Monomeren (z.B. TMPTMA) zu einem dichten Netzwerk [10, 18, 19]. Solche Polyacrylatschichten weisen jedoch eine relativ hohe Porosität auf, was die Anwendungsmöglichkeiten derartig beschichteter Aluminiumpigmente in Wasserlacken aufgrund ihrer unzureichenden Gasungsstabilität einschränkt. Gute Stabilitäten gegen die Einwirkung von Säuren, Laugen und anderen korrosiven Stoffen erzielen polymerbeschichtete Aluminiumpigmente dagegen als
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 93
03.12.2012 11:53:46
94
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Bestandteil von Einschichtlacken wie Pulverlacken, lösemittelbasierten Kunststofflacken oder Coil Coatings. Auch die Haftungsprüfung von mit solchen Pigmenten formulierten Lacken fällt in der Regel gut aus. Als Beispiel sind die Typenreihen „Standart“ PCA (Aluminiumpulver, Fa. Eckart) und „Stapa“ HCP (Aluminiumpaste, Fa. Eckart) zu nennen. Modifizierte SiO2 -Beschichtung Beschichtungsprozess Mit Siliziumdioxid aus Wasserglas beschichtete Aluminiumpigmente sind bereits seit langer Zeit bekannt [20]. Allerdings waren derartig beschichtete Pigmente nicht für Wasserlacke geeignet. Durch Sol-Gel-Prozesse ist der Einsatz silikatbeschichteter Pigmente auch in einem breiten Spektrum von Wasserlacken möglich geworden [11]. Die hervorragenden anwendungstechnischen Eigenschaften stehen denen von chromatierten Pigmenten in keiner Weise nach. Am Beispiel solcher SiO2-beschichteten Pigmente wird stellvertretend für alle anderen stabilisierten Aluminiumpigmente ausführlich gezeigt werden, welches Anforderungsprofil Aluminiumpigmente für Wasserlacke heute erfüllen müssen. Das Verfahren der SiO2-Einkapselung von Aluminiumpigmenten beginnt mit der Dispergierung von unbeschichteten Aluminiumpigmenten in einem alkoholischen Lösemittel. Dazu können alle marktüblichen Aluminiumpigmente verwendet werden. Im nächsten Schritt werden Tetraethylsilikat (TEOS), Wasser und ein basischer Katalysator zu der gerührten Pigmentsuspension gegeben. Die langsame, geschwindigkeitsbestimmende Hydrolyse der Ethoxygruppen des Kieselsäureesters zu Hydroxylgruppen führt über mehrere Reaktionsschritte unter Wasserabspaltung zur Bildung eines Siliziumdioxid-Gels. Durch die richtige Wahl der Parameter Konzentration, Temperatur und Basenmenge werden fein dispergierte SiO2-Gelteilchen gebildet, die sich sehr gleichmäßig auf der Pigmentoberfläche abscheiden [21]. Base Si(OR)4 + 4 H2O → [Si(OH)4] + 4 ROH (Hydrolyse)
Base [Si(OH)4] → SiO2 + 2 H2O
(Kondensation)
Zahlreiche technische Eigenschaften von Effektpigmenten hängen mit ihrer Oberflächenchemie zusammen. Die Sol-Gel-Chemie hat den Vorteil, dass die Benetzungseigenschaften der frisch abgeschiedenen Silikatschicht in kontrollierter Weise modifiziert und dem Lacksystem angepasst werden können. Für eine solche Oberflächenmodifizierung sind bifunktionelle Reagenzien wie beispielsweise Organosilane geeignet.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 94
03.12.2012 11:53:46
Lacksysteme
95
Abbildung IV-1.3: Verfahren zur Sol-Gel-Beschichtung von Aluminiumpigmenten
Technisches Verfahren Technisch wird der beschriebene Beschichtungsprozess in einem Reaktor unter Erwärmen und Rühren realisiert. Nach der Umsetzung des Kieselsäureesters zu SiO2 kann die Oberflächenmodifizierung erfolgen. Dann wird der Reaktor entleert und die Pigmentsuspension von eventuellen Agglomeraten getrennt. Anschließend werden das Pigment und das Lösemittel durch einen Filtrationsprozess getrennt. Schließlich werden die Pigmente getrocknet und mit dem gewünschten Lösemittel zu einer Paste ergänzt. Das gesamte Verfahren ist ein Chargenprozess [22]. Aufnahmen mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) zeigen, dass die Aluminiumplättchen völlig von einer dünnen, homogenen Silikatschicht umschlossen sind. Nebenfällungen feiner SiO2-Teilchen sind nicht erkennbar. Die spezifische Oberfläche der Aluminiumpigmente ist vor und nach dem Beschichtungsvorgang praktisch
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 95
Abbildung IV-1.4: Seitenansicht (REM) von zwei SiO2-beschichteten Aluminiumplättchen (3000-fache Vergrößerung)
03.12.2012 11:53:47
96
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
unverändert (Messmethode: BET-Verfahren [4]). Daraus kann abgeleitet werden, dass die dünne Silikatschicht sehr dicht ist und nur wenige Poren aufweist. 1.1.2.2 Anwendungstechnische Eigenschaften Vorteile der modifizierten SiO2 -Beschichtung Kontrollierte Benetzungseigenschaften Wenn die erste funktionelle Gruppe des bifunktionellen Reagenz mit der SiO2-Oberfläche reagiert hat, steht noch eine zweite Funktionalität zur Verfügung, um mit dem Wasserlack in Wechselwirkung zu treten. Die chemische Natur dieser zweiten Gruppe beeinflusst in direkter Weise die Benetzungseigenschaften und die Orientierung der Aluminiumpigmente im flüssigen Lack. Darüber hinaus kann diese Gruppe beim Einbrennen des Lackes mit dem Bindemittel oder anderen im Lack enthaltenen Komponenten in Wechselwirkung treten. Bei diesem Vorgang können zwischenmolekulare oder kovalente Bindungen entstehen, die in erheblichem Maße die Schwitzwasserbeständigkeit und die Haftung der gesamten Beschichtung verbessern. Das Pigment wird sozusagen ein fest gebundener Bestandteil des Beschichtungssystems [23]. Wird die Pigmentoberfläche mit unpolaren Gruppen, wie beispielsweise Alkylgruppen, modifiziert, so resultiert eine verhältnismäßig schlechte Benetzung der Pigmente in wässrigen Formulierungen. Der sichtbare Effekt ist ein sogenanntes „semi-leafing“ mit einer parallelen Ausrichtung der Aluminiumpigmente nahe an der Oberfläche der Lackschicht. Daraus resultiert eine hohe Brillanz der Lackierung, andererseits aber auch eine verminderte Haftung der Lackschicht. Abbildung IV-1.6 zeigt eine lichtmikroskopische Aufnahme eines Querschnittes durch eine solche Metalliclackierung. Die Schichtgrenze von Wasserbasislack (WBL) und Klarlack ist durch eine gestrichelte Linie verdeutlicht, ebenso ist die Grenze des Klarlackes und der umgebenden Matrix hervorgehoben.
Abbildung IV-1.5: Aluminiumpigment mit SiO2 -Beschichtung und Oberflächenmodifizierung
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 96
03.12.2012 11:53:47
Lacksysteme
Abbildung IV-1.6: Querschnitt durch eine Lackierung mit Aluminiumpigmenten geringer Benetzbarkeit (semi-leafing). Linien: Schichtgrenze von Wasserbasislack (WBL) und Klarlack, weiteres siehe Fließtext.
97
Abbildung IV-1.7: Querschnitt durch eine Lackschicht mit relativ gut benetzbaren Aluminiumpigmenten. Linien = Schichtgrenzen
Wird die Pigmentoberfläche polarer eingestellt, so wird die Benetzung in Wasserlacken besser gewährleistet. Geeignet sind dafür beispielsweise Acrylat-, Amino-, Epoxy- oder Ureido(=Carbamido)gruppen. Die Orientierung der Pigmente in der Beschichtung ist in diesem Fall immer noch gut, aber sie sind wesentlich homogener in der gesamten Lackschicht verteilt. Gewöhnlich ist eine solche Einstellung der beste Kompromiss zwischen einer guten Pigmentorientierung und guten Haftungseigenschaften (Abbildung IV-1.7). Wird die Polarität der Pigmentoberfläche sehr hoch eingestellt, wie das beispielsweise bei reinem SiO2 der Fall ist, so wird die parallele Ausrichtung der Pigmentteilchen beeinträchtigt. In diesem Fall haben die Aluminiumpigmente eine Tendenz zum Absetzen und zur Agglomeration. Infolgedessen führt eine zu gute Benetzung von Effektpigmenten häufig zu Brillanzverlust und zu geringerer Deckkraft (Abbildung IV-1.8). Natürlich beeinflussen die Benetzungseigenschaften der Aluminiumpigmente
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 97
Abbildung IV-1.8: Querschnitt durch eine Metalliclackierung mit Neigung zum Absetzen und zur Agglomeration. Linien = Schichtgrenzen
03.12.2012 11:53:47
98
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
auch erheblich das Fließverhalten des Wasserlackes [24]. So weist eine frisch ausgefällte SiO2-Schicht in Regel zahlreiche Silanolgruppen auf, die zu einem starken Anstieg der Viskosität des Lackes führen können. Durch die kontrollierte Substitution dieser OH-Gruppen durch weniger polare funktionelle Gruppen können die rheologischen Eigenschaften der Pigmente optimal auf die Anforderungen des jeweiligen Bindemittels abgestimmt werden. Brillante Optik Der metallische Effekt hängt von der Teilchengröße der Flakes, der Flake-Form und der Benetzung der Pigmente im gegebenen Beschichtungssystem ab. Durch das beschriebene Sol-Gel-Verfahren mit Modifizierung ist es möglich, Pigmente mit maßgeschneiderten Benetzungseigenschaften herzustellen. Jede Passivierung oder Beschichtung von Aluminiumpigmenten hat Auswirkungen auf ihr optisches Erscheinungsbild. Konkret bedeutet dies, dass dasselbe konventionelle Aluminiumpigment je nach Art der Stabilisierung eine unterschiedliche Optik aufweisen kann. Tabelle IV-1.1 vergleicht bei gleichem Aluminium-Basispigment die farbmetrischen Helligkeitswerte L von SiO2-beschichteten Aluminiumpigmenten („Hydrolan“) mit chromatierten Referenztypen („Hydrolux“). Dabei errechnen sich die einzelnen Helligkeitsdifferenzen ∆L aus der Differenz [L (SiO2-Beschichtung) – L (Chromatpassivierung)]. Positive ∆L-Werte bedeuten also eine größere Helligkeit als die „Hydrolux“, negative eine kleinere. Sämtliche silikatbeschichteten Pigmente erscheinen in der Aufsicht (25°) heller und in Schrägsicht (75°) dunkler als die chromatierten Vergleichstypen. Das Tabelle IV-1.1: Helligkeitsdifferenz ∆L von chromatierten und SiO2 -beschichteten Aluminiumpigmenten Pigment
Charakteristik
Teilchengröße (Cilas) Helligkeitsdifferenz ∆L D10
D50
D 90
25°
45°
75°
„Hydrolan“ 2192
feine SilberdollarTeilchen
8
15
26
2,39
0,16
-0,95
„Hydrolan“ 2156
mittelfeine Silberdollar-Teilchen
10
17
28
2,38
-1,21
-1,56
„Hydrolan“ 501
Cornflake
8
21
41
4,49
1,48
-1,58
„Hydrolan“ 167
Cornflake
11
25
45
3,62
-1,29
-3,6
„Hydrolan“ 214
grobes SparklePigment
17
34
57
3,54
-1
-2,23
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 98
03.12.2012 11:53:48
Lacksysteme
99
bedeutet, dass die Aluminiumpigmente mit SiO2-Beschichtung einen stärkeren Flop aufweisen, also besser orientiert sind und „metallischer“ wirken. Ringleitungsstabilität In den Lackierstraßen der Automobilindustrie werden Wasserlacke in Ringleitungen permanent umgepumpt. Dabei können infolge hoher Scherkräfte die Oberflächen der Pigmentpartikel beschädigt werden, insbesondere wenn Zahnradpumpen eingesetzt werden. Diese starke mechanische Belastung wird üblicherweise im sogenannten Waring Blendor-Test simuliert, bei dem ein spezieller Dissolver mit sehr hoher Drehzahl zur Dispergierung des Lackes verwendet wird (15 min bei 20.000 U/min). In diesem Test können High Solids und Wasserlacke verwendet werden. Die Beurteilung der Testergebnisse erfolgt durch den Vergleich der Applikationen vor und nach der Scherbelastung. Durch ihre „Sandwichstruktur“ sind SiO2-beschichtete Aluminiumpigmente gut gegen mechanische Belastung stabilisiert. Abbildung IV-1.9 verdeutlicht, dass silikatbeschichtete Aluminiumpigmente („Stapa Hydrolan“ IL 8154) eine weitaus höhere Scherstabilität als unbeschichtete („Metallux“ R 8754) oder chromatpassivierte Pigmente („Hydrolux“) aufweisen. Sie besitzen die gleiche mechanische Stabilität wie spezielle, scherstabile Aluminiumpigmente („Stapa“ NDF 160), ohne jedoch deren Nachteil einer verminderten Deckfähigkeit aufzuweisen. Man unterteilt die Scherstabilität von Pigmenten in drei Klassen, je nach ihrer bei 20° bestimmten Helligkeitsdifferenz ∆L im CIELAB-System:
Abbildung IV-1.9: Prüfung der mechanischen Stabilität von Aluminiumpigmenten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 99
03.12.2012 11:53:48
100
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
• ∆L10: degrading (nicht scherstabil) Gasungsstabilität Die beste Gasungsstabilität von Aluminiumpigmenten ist bei pH 7 gegeben. Ist das umgebende Medium saurer oder basischer, so nimmt die Stabilität deutlich ab. Die meisten Wasserlacke haben alkalische pH-Werte, weil sie Carboxylgruppen enthalten, die mit einem Überschuss an Aminen neutralisiert sind. Insbesondere lösliche Harze sind für Aluminiumpigmente kritisch, weil sie häufig pH-Werte von über 8 aufweisen. Die beschriebenen Sol-Gel-beschichteten Pigmente sind speziell für solche korrosiven Medien geeignet und weisen im 40 °C-Gasungstest eine ausgezeichnete Stabilität auf. In der Gasungsstabilität können sie nur mit den chromatierten Pigmenttypen verglichen werden. Eine Abhängigkeit von der Natur des Bindemittels und seinem pH-Wert ist in der Regel nicht zu beobachten. Selbst über einen Lagerzeitraum von 2 Monaten bleibt die gesamte Gasentwicklung typischerweise unter 5 ml Wasserstoff. Diese Gasmenge entspricht weniger als 1/2000 der Gesamteinwaage an Aluminiumpigment in 300 ml Wasserlack (3 % Pigmentierung). In Analogie zu chromatierten Aluminiumpigmenten kann in den ersten Testtagen eine sehr geringe Initialgasung auftreten, danach ist keine weitere Gasentwicklung mehr zu beobachten. Im Kapitel „Prüfmethoden“ ist die Apparatur für den 40 °C-Gasungstest dargestellt (Abbildung II-3.2, siehe S. 51). Optimierte Schwitzwasserbeständigkeit in Automobillacken Alle Haftungsprüfungen wurden in einem handelsüblichen OEM-System durchgeführt. Dieses System besteht aus fünf Schichten: Phosphatierung (1), Kataphorethische Elektrotauchlackierung (KTL) (2), Füller (3), metallpigmentierter Wasserbasislack (4) sowie Klarlack (5). Das Zusammenwirken aller dieser Schichten bestimmt die anwendungstechnischen Eigenschaften der Lackierung. Die Standardprüfmethode für die Schwitzwasserbeständigkeit von Aluminiumpigmenten ist der Test nach DIN 50017-KK. Dabei werden die Prüfbleche bei 40 °C für 240 h einer gesättigten Wasserdampfatmosphäre ausgesetzt. Nach diesen 10 Tagen Feuchtigkeitseinwirkung wird die Haftung sofort mit dem Gitterschnitt nach DIN ISO 2409 überprüft. Tabelle IV-1.2 verdeutlicht hierbei, dass die Benetzungseigenschaften der SiO2-Schicht durch die gezielte Auswahl geeigneter Oberflächenmodifizierungen gesteuert werden können. Falls SiO2-beschichtete Pigmente ohne jede Oberflächenmodifizierung verwendet werden, so fällt die Schwitzwasserbeständigkeit der Lackierung unzureichend
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 100
03.12.2012 11:53:48
101
Lacksysteme
Tabelle IV-1.2: Haftfestigkeit nach dem Schwitzwassertest Funktionalität
Gitterschnitt 1 min
1h
24 h
Reines SiO2
Gt 5
Gt 4
Gt 4
Alkyl
Gt 2
Gt 2
Gt 1
Amino
Gt 0
Gt 0
Gt 0
Acryl
Gt 0
Gt 0
Gt 0
aus (Gt = 4 bis 5). Infolge der großen Hydrophilie des SiO2 dringt leicht Wasser zwischen Pigment und Lackschicht ein und führt so zur Separation der einzelnen Lackschichten. Verwendet man statt dessen nur wenig wasserbenetzbare Oberflächenmodifizierungen (Alkylgruppen), so wird die Schwitzwasserbeständigkeit deutlich verbessert, ist aber immer noch unzureichend. Die besten Ergebnisse erhält man bei einer mäßig guten Wasserbenetzbarkeit, wie sie beispielsweise mit Amino- oder Acrylatgruppen erreicht wird. Tabelle IV-1.2 fasst die Auswirkungen der Oberflächenmodifizierung auf die Schwitzwasserbeständigkeit zusammen. Bei Automobillackierungen wird darüber hinaus die Haftung der gesamten Beschichtung mit einer Stoßprüfung getestet. Dazu lässt man Split oder Stahlkugeln mit definierter Energie auf die Lackoberfläche treffen (Steinschlagtest). Wetterbeständigkeit und Lagerstabilität Für die Automobilindustrie ist der sogenannte Florida-Test von großer Bedeutung. Bei diesem Freilandbewitterungstest werden eine Reihe von OEM-Applikationen des zu prüfenden Pigmentes extremen Klimabedingungen ausgesetzt. Die Witterungsbeständigkeit und die UV-Stabilität der silikatbeschichteten Aluminiumpigmente in handelsüblichen OEM-Systemen sind ausgezeichnet. Nach 2 Jahren Freilandbewitterung sind Helligkeit, Farbstärke und Farbsättigung der Musterbleche praktisch unverändert (∆E < 1). Vergleichsmuster waren in allen Fällen Applikationen der nicht bewitterten Standards. Die Lagerstabilität von lösemittelhaltigen Pigmentpasten der SiO2-beschichteten Aluminiumpigmente ist ebenfalls sehr gut. Sie beträgt mindestens 1 Jahr bei 25 °C und ist damit deutlich höher als die von Pasten unbeschichteter Aluminiumpigmente. Selbst bei einer Temperatur von 50 °C wurden nach 2 Monaten Lagerzeit keine signifikanten optischen Veränderungen festgestellt.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 101
03.12.2012 11:53:48
102
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
1.1.2.3 Formulierungshinweise Leafing-Pigmente Durch die Stabilisierung der Aluminiumpigmente mit phosphororganischen Additiven (s. vorher) bleibt die Grundeigenschaft hinsichtlich des Benetzungsverhaltens – Leafing oder Non-Leafing – erhalten. Bei den Leafing-Typen der Reihen „Stapa Hydrolac“ oder „Stapa Hydroxal“ muss durch sorgfältige Lösemittelauswahl darauf geachtet werden, dass die Produkte bei der Lagerung nicht benetzt werden. Ideal ist Wasser als Anteigelösemittel. Wegen dessen hoher Oberflächenspannung sollte nur ein sehr schwaches Netzmittel zugesetzt werden, um den Aufschluss des Aluminiumpigmentes zu unterstützen. Grundsätzlich haben die Aluminiumpigmente, die Testbenzin im Pastenlösemittel enthalten („Stapa Hydrolac“), ein besseres Aufschwimmvermögen. Der Gegensatz zwischen dem polaren Wasser aus der Rezeptur und dem unpolaren Testbenzin aus der Pigmentpaste unterstützt das Leafing-Verhalten des Metalleffekt-Pigmentes. Wegen ihres günstigen Preis-Leistungsverhältnisses werden grobe Produkte der „Stapa Hydrolac“-Reihe u.a. für wässrige Dachbeschichtungen eingesetzt. Mit feinen Typen lassen sich Reflexions- und Chromeffekte darstellen. Non-Leafing-Typen nach dem Additivverfahren Die Non-Leafing-Typen finden wiederum überwiegend in Industrie- und Kunststofflacken Verwendung. Der Grund ist auch hier im guten Preis-Leistungsverhältnis zu suchen. In sorgfältig formulierten OEM-Lacken finden die nach dem Additivverfahren stabilisierten Typen ebenfalls Verwendung. Zur Anteigung sollte bei diesen Typen ein 1:1 Gemisch aus Wasser und einem Lack-verträglichen Co-Lösemittel verwendet werden. Unter Umständen sind zur Unterstützung des Netzprozesses geeignete Tenside empfehlenswert. Doch ist in Vorversuchen zu klären, ob diese Netzmittel die Additivstabilisierung nicht vom Metalleffekt-Pigment verdrängen und so zur Gasentwicklung bei Lagerung führen. Die Adsorptionsschichten auf dem Metallpigment unterliegen chemischen Gleichgewichten, deshalb können sie durch zu starke Netzmittel von der Metallpigmentoberfläche verdrängt werden. Nebenwirkungen der Additivbelegung von Aluminiumpigmenten Alle Additive haben in Rezepten neben den gewünschten auch unerwünschte Wirkungen. Dies kann auch bei Metalleffekt-Pigmenten beobachtet werden, die im Additivverfahren gegen Gasentwicklung stabilisiert sind. Festgestellt wurden in bestimmten
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 102
03.12.2012 11:53:48
Lacksysteme
103
Anwendungen Einflüsse auf das Trocknungsverhalten der Beschichtung sowie auf ihre Wasserfestigkeit und/oder Zwischenschichthaftung. Um diese Nebenwirkungen zu minimieren, kann die Menge an Additiven, die den Metalleffekt-Pigmenten zugesetzt werden, halbiert bzw. auch noch weiter reduziert werden. Die Beständigkeit gegen Gasentwicklung muss dann erneut im gegeben Bindemittel ermittelt werden. Non-Leafing-Pigmente nach dem Einkapselungsverfahren Der eventuell vorhandene Leafing-Charakter der Aluminiumpigmente kann durch die beschriebenen Beschichtungen verloren gehen. Beschichtete Pigmente gibt es deshalb nur als Non-Leafing-Produkte. Sie werden über eine Pigment-Slurry in das Bindemittel eingearbeitet. Aufgrund der etwas größeren Oberfläche ist – insbesondere bei den feinen Typen mit einem d50 < 15µm – das Aluminiumpigment/Lösemittel-Verhältnis 1:2 zu wählen. Geeignete Netzmittel tragen zu einem verbesserten Aufschluss bei. Anwendungsbeispiele eingekapselter Aluminiumpigmente Das Hauptanwendungsgebiet dieser Produktgruppen sind Automobillacke. Insbesondere in wässrigen Reparaturlacken bieten beschichtete Aluminiumpigmente aufgrund ihrer hervorragenden Gasungsbeständigkeit wesentliche Vorteile. Ihre Oberfläche ist chemisch inert, so kommt es auch nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen in der Beschichtung, wie sie bei den Additiv-stabilisierten Typen beschrieben wurden. In einschichtig applizierten Lacken auf Kunststoffsubstraten (beispielsweise für Consumer Electronics) haben die beschichteten Aluminiumpigmente den großen Vorteil der hohen Chemikalienresistenz. Viskosität wässriger Metalliclacke Für wässrige Metalliclackierungen ist eine Thixotropie des Systems unabdingbare Voraussetzung zur optimalen Effektausbildung. Nur dadurch wird bei Lagerung die Sedimentation des Metalleffekt-Pigmentes im Lack verhindert. Bei der Applikation ist eine Zerstäubung des Lackes nach der Einwirkung von Scherkräften möglich. Unmittelbar nach dem Auftreffen des Lackes auf dem Substrat steigt die Viskosität so an, dass ein Ablaufen (Fachbegriff „sagging“) vermieden wird. Durch Ablaufen an senkrechten Flächen würde sich die Orientierung der Plättchen verschlechtern, so dass selbst ein hochwertiges Pigment nur noch einen grauen, unansehnlichen Effekt ergäbe. Wolkenbildung in wässrigen Metalliclacken Besonders bei Wasserlacken ist an großen Flächen die Gefahr einer ungleichmäßigen Orientierung der Pigmente gegeben. Diese „Wolkigkeit“ kann vermieden
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 103
03.12.2012 11:53:48
104
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
werden, wenn dem Lack geeignete Orientierungshilfsmittel zugesetzt werden. In der Praxis haben sich Wachsemulsionen bewährt. Cellulose-aceto-butyrat-Verbindungen, wie sie im Lösemittelbereich eingeführt sind, befinden sich auf wässriger Basis erst in der Entwicklung. Bewährt haben sich hier eine Reihe von Wachsdispersionen, die in den Beschichtungen ein dreidimensionales Netzwerk ausbilden und somit die Orientierung der Pigmentplättchen günstig beeinflussen. Die Wahl der geeigneten Applikationsparameter kann sich signifikant positiv auf die Reduktion der „Wolkigkeit“ ausbilden. Unterstützend wirkt eine Verringerung der Abdunstzeit. Es gilt, je schneller die Lösemittelemission, desto geringer die Ausbildung der „Wolken“. Gasung wässriger Metalliclacke Die Gasungstendenz in Wasserlacken wird zum einen durch das Stabilisierungsverfahren des Metalleffekt-Pigmentes bestimmt. Zum anderen kann auch über die Rezeptur Einfluss auf die Gasungsbeständigkeit genommen werden. Die Scherkräfte sollten beim Aufschluss des Metalleffekt-Pigmentes so gering wie möglich gehalten werden (siehe vorher). Bestimmte Bindemitteltypen haben sich als „aggressiver“ gegenüber Aluminiumpigmenten erwiesen als andere. Empfehlungen können hierzu beim Pigmenthersteller erfragt werden. Ein entscheidender Parameter ist der pH-Wert des Lackes. Dieser sollte so nah wie möglich am Neutralpunkt pH 7 eingestellt werden. Zur Neutralisierung empfiehlt sich eine milde Base wie Triethanolamin oder Dimethylethanolamin. Starke Basen wie Ammoniak reagieren naturgemäß mit dem Aluminiummetall und führen zu einer Erhöhung der Gasungstendenz des Lacksystems. Bei der Formulierung von Metalliceffekten haben sich darüber hinaus Kombinationen mit transparenten Eisenoxiden als tendenziell kritischer für die Gasung erwiesen. Chemie und Geometrie der Partikel der Eisenoxidpigmente können eine Erklärung für dieses Phänomen und für ihren hohen Bindemittelbedarf sein. Das folgende Schema in der Tabelle IV-1.3 bietet einen Überblick über häufig anzutreffende Probleme und Lösungsansätze ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Goldbronze-Pigmente für wässrige Lacksysteme Die Verwendung von Goldbronze-Pigmenten in wässrigen Lacksystemen erfordert ebenfalls den Einsatz stabilisierter Pigmente. Anders als in Aluminiumpigment-haltigen Wasserlacken kommt es bei den Goldbronzen nicht zu einer
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 104
03.12.2012 11:53:48
105
Lacksysteme
Tabelle IV-1.3: Häufig auftretende Probleme mit Metalleffekt-Pigmenten in Wasserlacken und ihre Lösungsmöglichkeiten Problem
mögliche Ursachen
Lösungsvorschlag
Gasen des Lackes
Aluminiumpigment nicht stabil genug für diesen Lack
Verwenden einer besser stabilisierten Wasserlack-Type
pH-Wert zu hoch
pH-Wert ändern: • unter ph 8: „Stapa“ Hydrolac/Hydroxal/ „Shinedecor“ • unter pH 9: „Stapa“ Hydrolan, „Stapa“ Hydrolux geeignetes Neutralisierungsm. verwenden
zu aggressive Dispersion
Verwenden von „Rotovario“ Aqua Verwenden von • „Stapa“ Hydrolac PG/PM • „Stapa“ Hydroxal BG/PM • „Stapa“ Hydrolux PM • „Stapa“ Hydrolan IL Verwenden von Lösemittel u./o. Additiven
schlechte Optik
schlechte SchwitzwasserStabilität
schlechte Reprod. des Farbtons
Aluminiumpigment mit breiter Teilchengrößenverteilung
Pigment mit engerer Teilchengrößenverteilung
zu hoher Festkörper
geringerer Festkörper
Rheologie
Formulieren einer Rezeptur mit Thixotropie
schlechte Orientierung
Orientierungsaddtive
schlechte Dispergierung
Dispergieradditiv
zu viel Dispergieradd. verw.
reduzieren oder ändern andere Aluminiumpigment-Type verwenden
zu viel Dispergieradditiv auf der Aluminiumoberfläche
Verwenden von • „Shinedecor“ • „Stapa“ Hydrolac/ Hydroxal • „Stapa“ Hydrolac/ Hydroxal H • „Stapa“ Hydrolux • „Stapa“ Hydrolan
Zunahme der Stabilität
zu hydrophiles Bindemittel
Verwenden eines hydrophob. Bindemittels
Überprüfend der Dispersion
organische Pigmente: Konzentrate verwenden
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 105
Aluminiumpigment: Dispergierung verbessern
03.12.2012 11:53:48
106
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Gasentwicklung, sondern zu einer Vergrünung durch die Oxidation des Kupfers und des Zinks: + H 2O 2 Cu/Zn + O2 + 4 H + → 2 Cu2+/Zn2+ + 2 H2O
| |→ Verfärbung Gelieren des Bindemittels
Das Auflösen des Kupfers und des Zinks führt zu Verfärbungen und kann bewirken, dass das Bindemittel polymerisiert und der komplette Lackansatz geliert. Gute Stabilitäten erreicht man mit SiO2-beschichteten Goldbronze-Pigmenten, wie sie z.B. unter der Bezeichnung „Standart“ Dorolan (Fa. Eckart) im Handel sind. Es ist jedoch unbedingt notwendig, die Stabilität der Pigmente in ihrer spezifischen Anwendung zu testen. Nicht immer reicht die SiO2-Hülle allein als Stabilisierung aus. In diesen Fällen sollte die Formulierung durch den Zusatz geeigneter Additive angepasst werden. Generell ist zu empfehlen, den pH-Wert mit einer milden Base auf Werte zwischen 7 und 8 einzustellen. Aufgrund ihres hohen spezifischen Gewichtes neigen Goldbronzen zum Absetzen und erfordern eine höhere Pigmentierung als Aluminiumpigmente, bei Volltonapplikationen zwischen 8 bis 10 %. Zinkpigmente in wässrigen Lacksystemen Zink hat in wässrigen Medien ein hohes Reaktionspotenzial. Es ist daher nur schwer gegen den Angriff von Wasser zu stabilisieren. Darüber hinaus würde eine wirksame Stabilisierung des Zinks den kathodischen Korrosionsschutz unterbinden, den Zinkpigmente z.B. für Stahloberflächen gewährleisten. In der Praxis werden Zink-Flakes deshalb in eine wasserfreie Komponente eingearbeitet und erst unmittelbar vor der Verarbeitung mit einer zweiten, wasserhaltigen Komponente gemischt (2K-Systeme). Die Verarbeitungszeit solcher Formulierungen bei Raumtemperatur beträgt etwa acht Stunden. Wegen des hohen spezifischen Gewichtes ist auch hier die Absetzneigung des Zinks zu beachten. Literaturhinweise zu Kapitel 1.1.1 und 1.1.2 [1] B. Müller, U. Poth; Lackformulierung und Lackrezeptur; Vincentz Network, Hannover 2009 [2] K. Dören, W. Freitag, D. Stoye; Wasserlacke: Umweltschonende Alternative für Beschichtungen; Technische Akademie Wuppertal, Verlag TÜV Rheinland, Köln 1992 [3] T. Brock, M. Groteklaes, P. Mischke; Lehrbuch der Lacktechnologie, 4. Auflage, Vincentz Network, Hannover 2012 [4] DIN ISO 9277:2003-05; Bestimmung der spezifischen Oberfläche von Feststoffen durch Gasadsorption nach dem BET-Verfahren
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 106
03.12.2012 11:53:48
Lacksysteme
107
[5] D. R. Karsa, W. D. Davies; Waterborne Coatings and Additives; The Royal Society of Chemistry, Cambridge 1995 [6] Imperial Chemical Industries; EP 0 170 474 A2 (1985) [7] Vianova Kunstharz AG; EP 206 140 A3 (1986) [8] BASF Lacke und Farben AG; EP 0259 592 A1 (1987) [9] Toyo; EP 0 633 297 A1 (1994) [10] Toyo Aluminum K.K.; DE 31 47 177 C3 (1981) [11] A. Kiehl, K. Greiwe; Progress in Organic Coatings 37, 179-183; Elsevier 1999 [12] Eckart; DE 10 2005 037 611 (2005) [13] Toyo; EP 1 953 195 A1 (2006) [14] Toyo; EP 0 240 367 B1 (1987). [15] J. Ruf; Organischer Metallschutz; Vincentz Verlag, Hannover 1993 [16] K.-P. Müller; „Praktische Oberflächentechnik“; Vieweg Verlag, Wiesbaden 1999 [17] Silberline; US Patent 5348579 (1993) [18] Asahi Kasei Metals Ltd.; EP 0 280 749 B1 (1987) [19] Eckart-Werke; EP 0 477 433 B1 (1990) [20] DuPont, US Patent 2885336 (1956) [21] W. Stöber, A. Fink, E. Bohn; Journal of Collloid and Interface Science 26, 62-69, Elsevier 1968 [22] E. Ignatowitz; Chemietechnik; Verlag Europa-Lehrmittel; Haan-Gruiten (1994) [23] Eckart, EP 1 084 198 (1998) [24] T.G. Metzger; Das Rheologie-Handbuch; Vincentz Network; Hannover 2009
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 107
03.12.2012 11:53:48
108
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 108
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
03.12.2012 11:53:49
Lacksysteme
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 109
109
03.12.2012 11:53:49
110
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
1.1.3 Pulverlack-Systeme 1.1.3.1 Allgemeines Pulverlacke sind pulverförmige Beschichtungsstoffe, die aus einem festen, polymeren Bindemittel-Härtergemisch bestehen. Nach dem elektrostatischen Aufbringen und Aufschmelzen härtet das Pulverlack-System, das durch Aufschmelzen und ineinander fließen einen geschlossenen Film gebildet hat, durch und ergibt so eine Lackierung. Sie werden seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts als ökonomische und ökologische Alternative zu Flüssiglacken eingesetzt [1, 2]. Die Vorteile von Pulverlacken gegenüber Nasslacken sind vielfältig: • 1. Die Reglementierung des Lösungsmittelgehalts durch sogenannte VOCWerte (volatile organic compounds = flüchtiger, organischer Bestandteil) ist im Pulverlack eher nachrangig, auch wenn sich durch flüchtige Additive oder Entfernen von Schutzgruppen von verkappten Funktionen ein VOC-Wert ergeben kann. • 2. Durch das elektrostatische Auftragsverfahren ist es möglich hohe Schichtdicken von mehr als 100 µm in nur einem Arbeitsgang zu erzielen. • 3. Der größte Vorteil besteht jedoch in der Rückgewinnbarkeit des „Oversprays“. Dabei wird der Pulverlack, welcher bei der Applikation die zu beschichtende Oberfläche (im folgenden „Substrat“ genannt) verfehlt, dem Beschichtungsprozess über den Pulvervorratsbehälter zurückgeführt. Dieses ist nur möglich, weil sich weder die chemische noch physikalische Zusammensetzung des festen Pulverlacks bei der Applikation verändert. Die Rückgewinnung des Oversprays führt zu einer nahezu vollständigen Materialausnutzung. Nachteile gegenüber Nasslacken sind die nötigen relativ hohen Einbrenntemperaturen (140 bis 200 °C) und der etwas schlechtere Verlauf (Orangenhaut). Aufgrund der hohen Einbrenntemperaturen beschränkt sich die Anwendung im Wesentlichen auf die Beschichtung von Metall, Keramik und Glas. Auch spezielle Holzpräparationen können elektrostatisch mit Pulverlacken beschichtet werden. Der Verlauf von Pulverlacken wird durch immer geschicktere und vielfältige Synthese von Pulverlackharzen, -additiven sowie durch immer mehr Formulierungswissen verbessert, wodurch sich die Optik der Pulverlacke in den letzten Jahrzehnten stark verbessert hat. Die Entwicklung hat auch dazu geführt, dass technologisch anspruchsvolle Einschichtlackierungen bequem durch den Einsatz von Pulverlacken durchgeführt werden können (z.B. bewitterungs- oder chemikalienstabile Anwendungen). Anwendungsgebiete für Pulverlacke sind Haushaltsgeräte (z.B. Kühlschränke, Waschmaschinen), Einrichtungsgegenstände (z.B. Stühle, Tische), Investitionsgüter (z.B. Maschinengehäuse), Baugüter (z.B. Fassaden), Freizeitartikel (z.B. Fahrräder) und der Fahrzeugbau.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 110
03.12.2012 11:53:49
Lacksysteme
111
1.1.3.2 Effekt-Pulverlacke Neben dem Trend zu umweltfreundlichen Lacksystemen, ist in der Beschichtungstechnologie ein wachsender Bedarf nach kreativer Oberflächengestaltung mit hohen ästhetischen Ansprüchen zu beobachten. Ohne Beschränkung werden hierbei Gesamtkonzepte konstruiert, bei denen das Design des Substrates und die erwünschte „Farbe“ bzw. der erwünschte „Farbeffekt“ symbiotisch betrachtet werden. Das heißt, dass beim Entwerfen einer Automobilkarosse oder eines Gebäudes immer häufiger auch schon bestimmte Formen mit gewünschten originellen optischen Effekten kombiniert werden. Die Nutzung der z.B. metallisch grauen Farbeigenschaften zusammen mit den physikalischen Lichtstreuungsbzw. Spiegeleigenschaften (sogenannter Flop) von Aluminiumpigmenten lassen Substrate attraktiver und moderner erscheinen. Aufgrund der geschilderten Situation erzielten Pulverlacke und hier speziell die Effekt-Pulverlacke in den letzten Jahren hohe Zuwächse. Als Effekt-Pulverlack werden hierbei Pulverlacke bezeichnet, die optische Eigenschaften mit sich bringen, die über eine Farbe hinausgehen (z.B. metallischer Spiegeleffekt). „Effekt-Pulverlack“ wird hier als ein Pulverlack definiert, der ein oder mehrere plättchenförmige Effektpigmente, die aus Aluminium, Messing (sogenannte Bronzepigmente), Kupfer, Zink, Edelstahl, natürlichem Mica, synthetischem Mica oder Glas bestehen können, enthält. Dieses Kapitel ist den Metalleffekt-Pigmenten gewidmet. Für Perlglanzpigmente kann einschlägige Fachliteratur herangezogen werden [4]. Der Anteil der Effekt-Pulverlacke am gesamten Pulverlack-Marktvolumen liegt geschätzt bei etwa 13 % und damit deutlich niedriger als im Bereich Flüssiglack. Bei Flüssiglacken, z.B. bei Autoserienlacken, werden Effektlackanteile bis zu 70 % erreicht. Aufgrund dieses „Nachholbedarfs“ der Effekt-Pulverlacke zeigten diese in den letzten Jahren starke Zuwächse, die in den nächsten Jahren noch anhalten dürften. 1.1.3.3 Herstellung von Effekt-Pulverlacken Für die Herstellung von Effekt-Pulverlacken gibt es 3 Hauptprozesse: • Einsatz von Effektpigment in der Extrusion • Einsatz von Effektpigmenten im Dry Blend • Einsatz von Effektpigmenten im Bonding-Verfahren Die Komplexität des Prozesses und auch die damit verbundenen Prozesskosten steigen in der genannten Reihenfolge. In den folgenden Unterkapiteln sollen die Prozesse mit ihren Möglichkeiten vorgestellt werden.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 111
03.12.2012 11:53:49
112
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Extrusion von Metalleffekt-Pigmenten Die Herstellung von Pulverlacken erfolgt durch die Vormischung von pulverförmigen Bestandteilen wie Bindemitteln, Härtern, Additiven und – wenn gewünscht – auch Pigmenten bzw. Effektpigmenten. Dazu werden die Effektpigmente oder auch spezielle Effektpigmentpräparationen mit allen anderen Lackrohstoffen im sogenannten „pre-mix“ intensiv vermischt. Für diesen Mischprozess verwendet man heute meistens Containermischer, die mit Wechselbehältern ausgestattet sind. Der Wechselbehälter dient dann später als Vorratsbehälter für den anschließenden Extrusionsprozess. Nach diesem Schritt erfolgt eine Extrusion, um die Bestandteile des Pulverlackes zu homogenisieren. Zum Einsatz kommen dabei Einschneckenund Zweischneckenextruder, wie sie ähnlich auch in der Kunststoffindustrie eingesetzt werden. Beim Extrusionsprozess werden die Bindemittelkomponenten bei etwa 80 bis 100 °C aufgeschmolzen und alle Pulverlackkomponenten intensiv vermischt. Durch Scherkräfte werden vorhandene, plättchenförmige Effektpigmente de-agglomeriert, können jedoch teilweise auch geschädigt werden. Unmittelbar nach dem Verlassen des Extruders wird die entstandene Schmelze zwischen Kühlwalzen zu einem flachen Band gepresst und somit schnell abgekühlt. Das erhaltene Polymerband wird zu Chips gebrochen, die in einer Sichtermühle zum fertigen Pulverlack vermahlen werden. Bei der Vermahlung treten deutlich höhere Scherbelastungen als im Extruder auf, so dass es hier zu einer massiven Schädigung der Effektpigmente kommen kann. Anschließend wird der Pulverlack in einem Zyklonabscheider vom Luftstrom getrennt, gesiebt und dann verpackt. Aufgrund der Scherbelastung im Extruder und vor allem in der Sichtermühle wird ein Teil der Effektpigmente stark verbogen und zerbrochen (Abbildung IV-1.10). Diese Schädigung verursacht den deutlich verminderten Metalleffekt der mit dem Extrusionsverfahren hergestellten Effekt-Pulverlacke. Die folgende Abbildung IV-1.11a zeigt den verminderten Effekt im Vergleich zu einem im schonenderen Bonding-Verfahren hergestellten Pulverlack (Abbildung -1.11b). Aus diesem Grund konnten früher mit dem Extrusionsverfahren nur dunkle und mit leichtem Metalleffekt versehene Pulverlacke hergestellt werden. Heutzutage ist es durch besondere EffektpigmentpräparatiAbbildung IV-1.10: Extrudierter, Effektpigment onen (siehe Tabelle IV-1.4a, Pigment F) jedoch möglich helle, Pulverlacke enthaltender Pulverlack; Pigmente befinden sich größtenteils innerhalb des Pulverlackparmit schönem Metalleffekt herzusteltikels; die außerhalb des Partikels befindlichen len. Der Vorteil der Herstellung von Pigmentränder sind teilweise verbogen Effekt-Pulverlacken mit dem Ext-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 112
03.12.2012 11:53:49
Lacksysteme
113
rusionsverfahren liegt darin, dass dieser mit dem Herstellprozess für unifarbene Pulverlacke identisch ist. Es entstehen keine zusätzlichen Prozessschritte und Kosten. Metalleffekt-Pigmente im Dry-Blend-Verfahren Das am häufigsten angewandte Verfahren zur Herstellung von EffektPulverlacken ist das sogenannte Abbildung IV-1.11: Effekt-PulverlackherstelDry-Blend- oder Trockenmisch- lung im Extrusionsverfahren und Bondingverfahren. Bei diesem Verfahren Verfahren a: im Extrusionsverfahren; werden die Effektpigmente dem im b: im Bonding-Verfahren Extrusionsverfahren hergestellten, unifarbenen Pulverlack in einem zusätzlichen Fertigungsschritt „trocken“ zugemischt. Trocken bedeutet hier, dass der Pulverlack bei diesem Herstell- oder besser Veredelungsverfahren nicht geschmolzen wird, also im festen, trockenen Zustand vorliegt. Zum Einsatz kommen hier Mischaggregate mit mechanisch bewegten Mischelementen wie z.B. vor der Extrusion eingesetzte Container-Mischer und auch Mischaggregate ohne bewegte Mischelemente wie Taumel-, Konus- oder Röhnradmischer. Zur Durchführung des Mischvorgangs wird der Basispulverlack im Mischer vorgelegt, das entsprechende Effektpigment zugegeben und dann, abhängig vom Mischertyp, die Komponenten mit den vorgegebenen Parametern gemischt. Nach dem Mischvorgang wird der entstandene Effekt-Pulverlack gesiebt. Die Schutzsiebung soll ausschließen, dass während des Mischvorgangs entstandene Agglomerate im Produkt verbleiben und bei der Verarbeitung zu Problemen führen. Der Vorteil des Trockenmischverfahrens liegt darin, dass das Verfahren relativ einfach ist und mit den beim Pulverlackhersteller meist schon vorhandenen Containermischern durchgeführt werden kann. Aufgrund der geringen Scherkräfte beim Mischprozess werden im Gegensatz zum Extrusionsverfahren die Effektpigmente nicht oder kaum geschädigt, so dass sich helle und brillante Effektpulverlacke erzielen lassen (Abbildung IV-1.12). Die so hergestellten Effekt-Pulverlacke neigen bei der Verarbeitung
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 113
Abbildung IV-1.12: REM-Aufnahme eines Dry-Blends; Effektpigmente und Pulverlackpartikel liegen nebeneinander vor
03.12.2012 11:53:50
114
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
manchmal zur Mikro-Wolkigkeit durch schlecht dispergierte Pigmente oder sogar zur Entmischung. Die Entmischung wird durch die großen Unterschiede zwischen Pulverlackkorn und Effektpigment hinsichtlich Dichte, Teilchengröße, Teilchenform und elektrischen Eigenschaften und der nur losen Durchmischung verAbbildung IV-1.13: Effekt-Pulverlack ursacht (Abbildung IV-1.12). Diese hergestellt im Dry-Blend-Verfahren mit und Entmischungsneigung führt beim ohne Rückgewinnungspulver a: Frischpulver eines im Dry-Blend-Verfahren Pulverbeschichten dazu, dass rückhergestellten Pulverlacks gewonnene „Oversprays“, sogeb: Rückgewinnungspulver eines im Drynannte Rückgewinnungspulver, Blend-Verfahren hergestellten Pulverlacks einen anderen Gehalt an Effektpigmenten aufweisen als das Frischpulver. Dies führt dann dazu, dass je nach Anteil an Rückgewinnungspulver in der Beschichtungsanlage Substrate mit ungewünschten Farbtonänderungen erhalten werden. Die folgende Abbildung (Abbildung IV-1.13) zeigt die Farbtonunterschiede zwischen Frischpulver und Rückgewinnungspulver wie sie bei der Verwendung von durch Trockenmischung hergestellten Effekt-Pulverlacken auftreten können. Solche Pulverlacke lassen sich meistens nur mit Abstrichen hinsichtlich der Farbtonkonstanz der einzelnen beschichteten Teile oder durch den Verzicht auf die Rückgewinnung des Oversprays verarbeiten. Durch den Verzicht auf die Rückgewinnung käme jedoch der ökologisch und ökonomisch wichtigste Vorteil der Pulverlacke gegenüber den Nasslacken nicht mehr zum Tragen. Bonding-Verfahren von Metalleffekt-Pigmente Bei dem thermomechanischen Bonding-Verfahren werden die plättchenförmigen Effektpigmente an das Pulverlackkorn geklebt (Abbildung IV-1.14). Das Ankleben der Effektpigmente am Pulverlackkorn erreicht man durch Erwärmen des Pulverlacks bis etwa zur Glasübergangstemperatur unter ständiger Mischbewegung. Die Prozessführung ist sehr schwierig zu kontrollieren, da bei zu niedriger Temperatur die Effektpigmente nicht vollständig an die Pulverlackpartikel gebunden werden und bei zu hoher Temperatur die Pulverlackpartikel untereinander verkleben oder sogar die Härtungsreaktion einsetzt. Zusätzlich muss eine vollständige Dispergierung der Effektpigmente erreicht werden, wobei die Scherbelastung dabei nicht zu stark sein darf, um die Effektpigmentteilchen nicht zu beschädigen. Hierbei bewähren sich besondere Dispergierwerkzeuge, die eine gute Durchmischung mit geringer Scherung kombinieren. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 114
03.12.2012 11:53:50
Lacksysteme
115
Pulverlackmischung nach dem Prozess sehr schnell wieder abgekühlt wird, um ein Starten der chemischen Härtungsreaktion des Pulverlacks zu verhindern. Das Verfahren wird meistens in speziellen, hintereinander geschalteten Mischern unter Schutzgas durchgeführt. Die Verwendung von Schutzgas muss aus Gründen des Explosionsschutzes erfolgen, weil eine sauerstoffhaltige Abbildung IV-1.14: REM-Aufnahme eines im Atmosphäre zusammen mit beweg- Bonding-Verfahren hergestellten Effektpulverlacks („Starbonding“, Fa. Eckart); Pigmente ten Pulvern ein hohes Gefahrenpo- sind an die Außenseite des Pulverlacks tenzial birgt. Nach dem eigentlichen verklebt, die Kanten des Pulverlackpartikels Bonding-Prozess ist eine Schutz- sind abgerundet siebung zwingend notwendig, weil beim Prozess Pulverlackagglomerate entstehen können. Durch die Anwendung des Bonding-Verfahrens lassen sich im Gegensatz zu den beiden vorher beschriebenen Herstellverfahren sowohl sehr helle und brillante als auch rückgewinnungsstabile Effekt-Pulverlacke herstellen. Denn anders als beim Dry-Blend ist die Entmischung der Effektpigmente durch das Ankleben an die Pulverlackpartikel nicht möglich. Außerdem können beim Bonding-Verfahren höhere Effektpigmentanteile eingesetzt werden, wodurch sich hellere, metallischere Effekt-Pulverlacke als im Trockenmischverfahren darstellen lassen. Als Folge der homogenen Verteilung der Effektpigmentteilchen im Lackfilm, zeigen gebonderte Pulverlacke ein sehr gleichmäßiges Lackierbild. Das Verfahren führt auch zur Abrundung der Ecken und Kanten des Pulverlackkorns und sehr feine Pulverlackpartikel werden zu größeren Agglomeraten verschmolzen (Abbildung IV-1.14). Beides wirkt sich zusätzlich positiv auf die Verarbeitungseigenschaften aus. Als Nachteil des Bonding-Verfahrens ist der technisch schwierige, zusätzliche Prozessschritt zu nennen, welcher nur mit speziellen Anlagen, unter Schutzgasatmosphäre und mit geschultem Personal durchgeführt werden kann. Abschließend zu den Prozessen kann also folgendes festgehalten werden: Einsatz von Effektpigment in der Extrusion – einfacher Prozess – kostengünstiges Verfahren – wenig schonendes Verfahren für Effektpigmente – nur Erstellung von Farbtönen mit geringerem metallischen Effekt verglichen mit den anderen Verfahren möglich – rückgewinnungsstabiles Endprodukt •
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 115
03.12.2012 11:53:50
116
• •
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Einsatz von Effektpigmenten im Dry Blend – zusätzlicher Prozessschritt zur Extrusion – schonendes Verfahren für Effektpigmente – schöne, helle Farbtöne bis zu einer bestimmten Pigmentkonzentrationsgrenze möglich – schlechte Rückgewinnungsstabilität Einsatz von Effektpigmenten im Bonding-Verfahren – Prozessschritt mit hohem maschinellem Aufwand – hoher Kostenaufwand – sehr gute Rückgewinnungsstabilität – schöne, helle Farbtöne mit höheren Pigmentkonzentrationen als beim DryBlend möglich
1.1.3.4 Einflüsse bei der Metalliceffekt-Ausbildung bei Pulverlacken Die Darstellung eines Effektpulverlacks für spezifische Anwendungen, bedarf der Berücksichtigung vieler verschiedener Parameter. Neben dem Pulverlack selbst spielen schon genannten Herstellungsmethoden, die verwendeten Effektpigmente und die Applikationsmethode eine große Rolle. Das Fischgräten-Diagramm (Abbildung IV-1.15) zeigt verschiedene Parameter, die in Betracht gezogen werden, um das Ziel der Anwendung optimal zu erreichen. Dabei spielen Haupteinflussfaktoren wie Eigenschaftsprofil des Pulverlackes, das genutzte Herstellungsverfahren, die optimale Effektpigmentauswahl
Abbildung IV-1.15: Einflussfaktoren für die Herstellung von Effektpulverlacken
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 116
03.12.2012 11:53:50
Lacksysteme
117
und das Wissen um die geeigneten oder angewandten Applikationseigenschaften eine große Rolle, um das Ergebnis zu beeinflussen. Der Pulverlack unterstützt die Orientierung der plättchenförmigen Pigmente oder deren chemisches Korrosionsverhalten durch hohe Beständigkeit und niedrige Wasser-/Säure-/Basedurchlässigkeit. Auch die Applikationsmethode unterstützt das Ergebnis durch die Wahl geeigneter Pistolen, Spannung etc. Zusätzlich können bestimmte regionale Anforderungen, zum Beispiel regulatorischer Art, dazu führen, bestimmte Komponenten zu verwenden oder aus der Formulierung auszuschließen wie beispielsweise die in der EU verbotenen TGIC-Härter, die jedoch in den USA oder China breite Anwendung finden). Effektpigmente für Pulverlacke Grundlegend für das Einschätzen des Verhaltens von Effektpigmenten in Pulverlacken ist das Verständnis für das Pulverlacksystem und die Bedingungen, denen das Pigment ausgesetzt ist. In der Theorie wird der fertige Effekt-Pulverlack appliziert, und es verbleibt durch elektrostatische Haftung ein pulverförmiges Gemisch aus Pulverlack und Effektpigment auf dem Substrat. Die elektrostatische Applikation der Pulverlacke wird dabei entweder mit Hilfe von Corona- oder triboelektrischer Aufladung vorgenommen. Der Vorteil der Corona-Applikation liegt in höheren Auftragsraten, der universellen Einsetzbarkeit und der jahrelangen Erfahrung mit diesem System. Bei wachsenden Ansprüchen an den Verlauf hat sich hingegen die tribolelektrische Applikation zunehmend durchgesetzt. Auch ist die triboelektrische Applikation vorteilhaft beim Vorhandensein von Substraten mit Aussparungen oder ungünstiger Geometrie, bei der durch Bildung von ungünstigen Feldlinien eine gleichmäßige Beschichtung schlecht möglich ist (Faraday’scher Käfig). Während bei der Corona-Applikation negativ aufgeladene Partikel erzeugt werden, entstehen bei der Tribo-Applikation positive Ladungen auf den Teilchen. Bei der Corona-Applikation schwankt das Erscheinungsbild des eingebrannten Pulverlackes abhängig von der Spannung und der Schichtdicke in relativ engen Grenzen. Anders verhält es sich bei der Tribo-Applikation. Zum einen erscheint bei hiermit erzeugten Beschichtungen der Farbton deutlich dunkler, und zum anderen kann die Aufladung während des Beschichtungsvorganges sehr schnell zusammen brechen, so dass die Pulverlackteilchen nicht mehr auf dem Substrat haften. Im nächsten Schritt kommt es im Ofen zur Bildung des Filmes durch Schmelzen und ineinander fließen des Pulverlackes. An dieser Stelle beginnt schon die Härtungsreaktion. Außerdem ist die Viskosität des geschmolzenen Pulverlacks recht hoch. Wäre dieses nicht der Fall, würde ein niedrig viskoser, geschmolzener Pulverlack vom Substrat tropfen. Im Flüssiglack werden für die Rheolo-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 117
03.12.2012 11:53:50
118
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
gie- und Viksositätseinstellungen oft SCA (sagging control agents) angewandt. Im Pulverlack wird die Schmelzviskosität durch die Chemie der Harze und der Lackformulierung gesteuert. Ein geschmolzener Pulverlack hat bei 200 °C eine minimale Viskosität von 2000 mPas bis 8000 mPas (ICI-Platte/Kegel-Methode), die sich wegen der parallel verlaufenden Härtungsreaktion schnell erhöht. Daher sind die Länge der Zeit und die Höhe der Viskosität nicht optimal, um ein Pigment im stetig härtenden Lack optimal zu orientieren. Trotzdem ist es durch bestimmte physikalische und chemische Eigenschaften möglich, einen Pulverlack mit einer schönen Optik zu erhalten. Ohne Berücksichtigung der Farbe der Pulverlackbasis und der Beständigkeit des Pigments ist das zu Tage treten eines metallischen Charakters und der Effektbildung von folgenden Faktoren abhängig: Wahl des Effektpigments (z.B. Aluminium, Kupfer, Messing (Goldbronze)), Größe der Pigmente und Verhalten der Pigmente (Leafing oder Non-Leafing). Die Wahl des Pigments hat dabei einen ästhetischen Charakter in der Frage, welcher Metallicfarbton getroffen werden soll. Die Größe der Pigmente ist für die Entscheidungsfindung, ob im Lack ein Glitzern oder ein Seidenglanz gewünscht wird, essentiell. Generell führen grobe Pigmente z.B. 50 µm zu einem starken Glitzern und setzen starke Akzente in ein Lacksystem, während feine Pigmente einem gewünschten Farbton einen eleganten, metallischem Effekt und Flop verleihen (Abbildung IV-1.16). Der physikalische Grund, warum Pigmente Leafing oder Non-Leafing-Verhalten zeigen, ist ein Unterschied in der Oberflächenspannung. Ist die Differenz der Oberflächenspannung hoch, so hat das Pigment ein Verlangen an die Oberfläche des Lackes zu schwimmen – wie Fettaugen auf der Suppe. Ist der Unterschied der Oberflächenspannung jedoch gering, so verbleibt das Pigment in der Position, in dem es zum Zeitpunkt der Filmbildung ist. Dementsprechend gut ist jeweils auch die Benetzung des Pigments durch den Pulverlack. Pigmente, die von der Oberfläche her mit der gleichen Polarität ausgestattet sind wie die Pulverlacke, lassen sich gut benetzen, während andersherum eine Differenz der Polarität von Pigment zu Lack zu einer schlechten Benetzung führt.
Abbildung IV-1.16: Einfluss von Pigmentorientierung und Pigmentteilchengröße auf den optischen Effekt (schematisch)
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 118
03.12.2012 11:53:50
Lacksysteme
119
Das Aufschwimmverhalten wird bei der Pigmentherstellung im einfachsten Fall bei der Vermahlung der Metallgrieße durch die Verwendung von relativ unpolaren (z.B. Stearinsäure, Tabelle IV1.4a, Pigment E) oder relativ polaren (z.B. Ölsäure) Vermahlhilfsmitteln eingestellt. In der industriellen Pulverlackanwendung wird Non-Leafing-Effektpigmenten eine weitaus größere Beachtung geschenkt als den Leafing-Pigmenten. In der technologischen Gesamtbetrachtung sind mit Leafing-Pigmenten schöne, Metall imitierende Oberflächen möglich. Durch die schlechte Benetzung des Pulverlacks und die Nähe zur Lackfilmoberfläche sind sie jedoch Abbildung IV-1.17: Struktukaum abriebs- und korrosionsstabil. Daher werden rierter Pulverlack mit diese Typen nur in Innenbereichapplikationen ange- Leafing-Pigmenten (extruwandt, um Gold-, Kupfer- oder Aluminium- bzw. diert) Chromoptiken zu erzielen. Auch im Bereich der Struktur- und Hammerschlagpulverlacke für den Innenbereich finden diese Pigmente häufig Beachtung. Stabilitätsansprüche an Effektpigmente Das Einsatzgebiet der Pulverlacke ist vielfältig. Genauso vielfältig sind die Ansprüche an die Pulverlacke bezüglich Substratschutz und Farb- bzw. Effekterhalt. Der Pulverlack und das Effektpigment sollen sich für sein Anwendungsgebiet optimal ergänzen, deshalb muss der Pulverlack in anspruchsvollen Applikationen das Effektpigment schützen, jedoch muss das Pigment auch selber eine gewisse Beständigkeit mit sich bringen. Es ist auf jeden Fall offensichtlich, dass nur eine Qualität von Aluminiumpigmenten in verschiedenen Feinheiten für die hohe Zahl an Anwendungsgebieten von der Schubladenschiene bis zur Waschmaschine oder Fassade nicht ausreichend ist. Außerdem ist für bestimmte Anwendungsgebiete, wie z.B. Außenanwendungen, das Bestehen verschiedener Belastungstests für das pigmentierte Pulverlacksystem vorgeschrieben. Durch eine Zertifizierung von Pulverlacken für bestimmte Anwendungsgebiete soll dem Endverbraucher in punkto Korrosionsschutz und Farbsicherheit des lackierten Substrats Sicherheit gegeben werden. So gibt es neben Standardtests wie Chemikalientests, Salzsprühtests, Bewitterungstests, die eine generelle Aussage über das Lacksystem gibt, dem Beschichter jedoch die Verantwortung für das Einsatzgebiet überlässt, auch Tests, die von Vereinigungen vorgeschrieben werden. Diese Tests, wie z.B. Mörteltest und Salpetersäuretest, für äußerst anspruchsvolle Fassadenbeschichtungen können unter www.gsb.de, www. voa.de/qualicoat und www.aamanet.org eingesehen werden.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 119
03.12.2012 11:53:50
120
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Unterm Strich bleibt die Aussage, dass mit der Varianz der Ansprüche und Tests auch verschiedene Qualitäten an Effektpigmenten bezüglich Beständigkeit in den gewünschten Feinheiten vorliegen müssen, um die Farben mit metallischem Charakter in Pulverlacken universell einsetzbar zu machen. Oberflächenmodifikation von Effektpigmenten zur Erhöhung der Beständigkeit Beständige Metalleffekt-Pigmente sind nach momentanem Stand der Technologie immer von der Natur eines Non-Leafing-Pigments. Nur durch eine gute Benetzung und Einbettung in das polymere Lacksystem ist gewährleistet, dass der Angriff durch Wasser, Säuren und Basen erschwert ist. Dabei behindert ein beständiges Lacksystem den Angriff auf das Pigment durch eine niedrige Diffusionsgeschwindigkeit von aggressiven Substanzen durch den Lackfilm. Für die Erhöhung der Pigmentbeständigkeit sind viele Technologien bekannt, von denen nur wenige im Bereich der Pulverlacke Anwendung finden. Grundlegend für diese Technologien sind hierfür Kenntnisse der Korrosion, die für Aluminiumpigmente [5] und Bronzepigmente [6] bekannt sind. Jedoch gibt es neben der nasschemischen Korrosion durch Wetter- und Umwelteinflüsse gerade bei Kupfer und Bronzepigmenten auch andere Gründe das Pigment zu schützen. Beim Einsatz dieser Materialien kommen bei der Verwendung in Pulverlacken erschwerend die hohen Temperaturen bei der Härtung hinzu, die zu einer Oxidation und damit zu einer Verfärbung der Pigmente beim Einbrennen führen können. Um dieses Phänomen zu unterbinden und um nasschemische Korrosion zu vermeiden, werden Metalleffekt-Pigmente häufig zur Erhöhung der Beständigkeit umhüllt oder eingekapselt [7]. Bei der einfachsten Umhüllung werden Fettsäuren verwendet. Diese bieten jedoch kaum Schutz und werden daher nur als Mahlhilfsmittel zur Vermeidung der Kaltverschweißung für die Herstellung von Leafing- bzw. Non-Leafing-Pigmenten verwendet. Weitere Technologien sind Chromatierung und Phosphatierung der Pigmente, die für andere Anwendungsgebiete von Technologien auf Siliziumdioxidbeschichtungen, Polymerbeschichtungen und Doppelbeschichtungen Metalleffekt-Pigmenten bekannt sind. Für Pulverlackeinsätze beschränken sich jedoch die (z.B. Kombination beider Arten). Hierdurch werden Erniedrigungen der Diffusionsgeschwindigkeiten aggressiver Substanzen, die das Pigment angreifen oder auflösen, als auch die Diffusion von Sauerstoff auf die Oberflächen von Bronzen vermieden, der bei hohen Temperaturen zur Verfärbung der Pigmente führen kann. Eine spätestens seit den 1950er Jahren sorgfältig untersuchte Chemie ist die Polymerisation von Silanen, deren Resultat (polymeres Siliziumdioxid) vielfältige Einsatzgebiete in Beschichtungen, Nanopartikeln oder Herstellung von porösen Membranen eröffnet [8]. Das Wissen um diese Technologie hat dazu geführt,
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 120
03.12.2012 11:53:51
Lacksysteme
121
Abbildung IV-1.18 und 1.19: Querschnitt durch Siliziumdioxid beschichtete Aluminiumpigmente. Links einfaches Auffällen von Siliziumdioxid, rechts glatte, homogene Siliziumdioxidschicht
dass Aluminium- [9] und Bronzepigmente zum Schutz vor Wasser oder anderen Umwelteinflüssen mit Siliziumdioxid verkapselt werden. Dabei kann die Qualität der Beschichtung durch die chemische und prozesstechnische Gestaltung variiert werden. D.h. es können einfache Beschichtungen durchgeführt werden, die zerklüftet erscheinen und es kann ein glatter Siliziumdioxidfilm auf das Pigment aufgebracht werden (Abbildung IV-1.18 und 1.19 sowie Tabelle IV-1.4a, Pigment C und D). Mit diesen mehr oder weniger komplexen Prozessvariationen können so die Beständigkeitsqualitäten der Pigmente eingestellt werden. Die Haftung der Siliziumdioxidschicht auf dem Aluminiumsubstrat verläuft problemlos, da das auf dem Aluminium natürlicherweise vorhandene Aluminiumoxid mit dem Siliziumdioxid chemische Bindungen eingehen kann. Wie die Bilder (Abbildung IV-1.18 und 1.19) vermuten lassen, ist die Beständigkeit des rechten Aluminiumpigments deutlich höher als die des auf der linken Seite abgebildeten Pigments. Trotz dessen haben auch Pigmente, wie auf dem linken Bild zu sehen, ihre Daseinsberechtigung in der Pulverlackapplikation. Durch die Struktur auf der Oberfläche, die von einem isolierenden Siliziumdioxid her stammt, können Ladungen auf der Oberfläche sehr gut fixiert werden. Daher haben diese Pigmente meist bessere Applikationseigenschaften als unbeschichtete Non-Leafing-Pigmente. Der Bedarf an noch stabileren Pigmenten steigt und die oben genannten Pigmente reichen für manche Anwendungen nicht mehr aus, um alle Spezifikationen zu erfüllen. Dafür wurde eine spezielle Beschichtung entwickelt, die die Technologie der Siliziumdioxidtechnologie mit der auch bewährten Technologie der Polymerbeschichtung verknüpft (siehe Tabelle IV-1.4a, Pigment A und B). Bei dieser Technologie werden siliziumdioxidbeschichtete Pigmente mit einer Polymerhülle umgeben (Abbildung IV-1.20), wodurch die Chemikalienbeständigkeit stark verbessert wird. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Siliziumdioxidbeschichtung
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 121
03.12.2012 11:53:51
122
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Abbildung IV-1.20: Querschnitt eines doppelbeschichteten Pigments, Siliziumdioxid (weiße Umhüllung) und Polymer (dunkelgraue Umhüllung)
Abbildung IV- 1.21: Vergleich des Deckvermögens von stabilen a: Perlglanz- (links) und b: Goldbronze-Pigmenten (rechts); in gleicher Konzentration, auf schwarzweißen Deckungsblechen
den Einfluss von Säuren und die polymere Pigmentbeschichtung den Einfluss von Basen sehr gut abwehrt. Daher ergänzt sich die Kombination dieser beiden Technologien sehr gut. Die hier genannten Technologien beschränken sich nicht nur auf Aluminiumpigmente. So werden zum Beispiel auch Kupfer-/Bronzepigmente mit Siliziumdioxid beschichtet, um sie gegen die Oxidation im Härtungsprozess zu schützen. Für beständige champagnerfarbene Pigmente sowie Kupfer- und GoldbronzePigmente kann die Doppelbeschichtung eingesetzt werden. Dabei werden äußerst hohe Mörtel- und Chemikalienbeständigkeit erzielt. Der Vorteil beim Einsatz dieser stabilen Metallpigmente ist das weitaus bessere Deckvermögen als die sonst im Außenanwendungsbereich gewählten Perlglanz-Pigmente (Abbildung IV-1.21). Für champagnerfarbene Pigmente wurden in der Vergangenheit häufig Mischungen von Metall- und Perlglanzpigmenten eingesetzt, die bei Dry-Blends oder nicht optimal gebonderten Pulverlacken eine hohe Tendenz zur Separation und damit zur Farbtonverschiebung hatten. Durch den Einsatz bestimmter Aluminiumpigmente, die durch ihre optischen Eigenschaften eine solche Farbe und metallischen Glanz mit sich bringen und einer guten Pigmentbeschichtung (z.B. einer Doppelbeschichtung), ist bei der Applikation eine gute Farbkonstanz und nach der Applikation der Erhalt einer guten Stabilität möglich. Eine Spezialität in der Welt der Effektpigmente für Pulverlacke stellt ein Pigment dar, das mit einer sehr dicken Polymerhülle umgeben wird. Diese Hülle führt nicht nur zu einer guten Stabilität des Pigments, sondern es beeinflusst auch das Applikationsverhalten des Pigments. Durch die dicke Beschichtung ist das Pigment den Pulverlackpartikeln von Masse und Form sehr ähnlich. Dadurch verhält es sich wie ein Pulverlackteilchen und lässt sich gut rückgewinnen, ohne dass das
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 122
03.12.2012 11:53:51
Lacksysteme
123
Pigment gebondert wurde. Dadurch, dass sich Dry-Blends mit diesem Pigment wie gebonderte Pulverlacke verhalten, gewinnen Pulverlackproduzenten zeitliche Flexibilität und vermeiden die hohen Prozesskosten des Bondingverfahrens (siehe Tabelle IV-1.4a, Pigment A). 1.1.3.5 Generelle Hinweise im Umgang mit Effektpigmenten Wie vorher beschrieben werden für die Anwendung von Pulverlacken verschiedene Qualitäten gewünscht. Daher ist es im ersten Schritt der Pulverherstellung wichtig, die richtige Formulierung und auch die richtige Qualität des Pigments zu wählen, um die gewünschte Stabilität von der Innenanwendung bis zu Fassade zu variieren und unnötige Kosten zu vermeiden. Der Umgang mit Metalleffekt-Pigmenten und die entsprechende Qualität des Pulverlackes sind dabei sehr prozessabhängig. Die Herstellung von Pigment enthaltenden Pulverlacken, die ein hohes Maß an Beständigkeit aufweisen sollen, bedürfen eines beständigen Pulverlackes und eines stabilen Pigments. Ein weiterer Punkt ist die Entwicklung eines Prozesses, bei dem die durch Mischen oder Bondern entstehenden Scherkräfte die schützende Oberfläche des Pigments im optimalen Fall nicht oder wenig beschädigen. Daher ist darauf zu achten, die Mischzeiten möglichst kurz zu halten, die Geschwindigkeit des Mischens nicht zu hoch zu wählen und auch die Scher- bzw. Mischwerkzeuge so zu wählen, dass die Oberflächenbelastung der Pigmente minimal ist. Durch diese Maßnahmen können optimale Ergebnisse erzielt werden. Im Folgenden wird ein Überblick über Pulverlackpigmente und ihre Charakteristika gegeben. 1.1.3.6 Effektpigmete für Pulverlack-Systeme Non-Leafing-Aluminiumpigmente Aluminiumpigmente werden von allen plättchenförmigen Pigmenten für die industrielle Anwendung am häufigsten angewandt, wobei innerhalb dieser Pigmentklasse die Non-Leafing-Aluminiumpigmente mit mehr als 80 % den größten Anteil ausmachen. Die gute Einbindung der Siliziumdioxid, Polymer oder kombiniert beschichteten Non-Leafing-Pigmente in die Matrix des Pulverlackfilms leistet einen zusätzlichen Beitrag zum Schutz der Aluminiumpigmente vor mechanischen und chemischen Einflüssen. Pulverlackbeschichtungen, die Non-Leafing-Aluminiumpigmente enthalten, zeigen bei mechanischer Belastung deutlich weniger Metallabrieb und weisen eine deutlich höhere Beständigkeit gegenüber korrosiven Chemikalien aus als Pulverlackbeschichtungen, die Leafing-Aluminiumpigmente enthalten. Die entscheidenden Vorteile von Non-Leafing-Pigmenten sind hervorragende Chemikalienbeständigkeit, gute Abriebbeständigkeit in einschichtigen Pulver-
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 123
03.12.2012 11:53:51
124
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
lack-Applikationen, gute Pigmentbenetzung. Die typische Pigmentierungshöhe von Non-Leafing-Pigmenten beträgt 0,5 bis 5,0 %. Mit Non-Leafing-Pigmenten lassen sich sämtliche optische Effekte von kristallin glitzernd bis seidenmatt problemlos darstellen. Leafing-Aluminiumpigmente Leafing-Aluminiumpigmente zeigen – im Gegensatz zu Non-Leafing-Aluminiumpigmenten – eine ausgeprägte Tendenz, sich planparallel an der oberen Grenzfläche des Pulverlackfilms auszurichten. Während des Einbrennprozesses können sich hierbei feinteilige Leafing-Pigmente leichter und besser planparallel an der Oberfläche der hochviskosen Pulverlackschmelze orientieren als grobteilige Pigmentpartikel. Für die Pulverlack-Applikation gilt deshalb folgende Besonderheit: Je feiner die Leafing-Pigmente, desto ausgeprägter der erzielbare Chromeffekt. Daher lassen sich mit besonders feinen Leafing-Aluminiumpigmenten besonders brillante Effekte mit hohem Lichtreflexionsvermögen und nahezu chromartiger Optik erzielen. Aufgrund ihrer oberflächennahen Orientierung sind Leafing-Aluminiumpigmente weniger stark in die schützende Matrix des Pulverlackfilms eingebunden und daher weniger vor mechanischen und chemischen Einflüssen von außen geschützt als Non-Leafing-Aluminiumpigmente. Es ist deshalb manchmal notwendig, Metallic-Pulverlacke, die Leafing-Aluminiumpigmente enthalten, mit einem geeigneten Klarlack über zu lackieren, um unerwünschten Pigmentabrieb bzw. unerwünschte Korrosionserscheinungen der Metallicpulverlackierung zu verhindern. Zu dem wesentlichen Vorteil der Leafing-Pigmente zählt die sehr gute Pigmentergiebigkeit (vollständiges Deckvermögen bei Pigmentierungshöhen von 1 bis 2 %). Leafing/Non-Leafing-Kupfer- und Goldbronzepulver Die Goldbronze-Pigmente für die Anwendung im Pulverlack bestehen aus einem metallischen Kern (Kupfer bzw. Kupfer/Zinklegierungen), der gleichmäßig von einer dichten Siliziumdioxidschicht oder für höhere Beständigkeit mit einer Siliziumdioxid-Polymerbeschichtung umschlossen ist. Diese Schutzschicht bewirkt eine erhöhte Hitzebeständigkeit gegenüber unbeschichteten Goldbronze-Pigmenten und verhindert unerwünschte Farbtonveränderungen beim Einbrennen des Pulverlacks. Die Goldbronze-Pigmente finden häufig im Innenbereich Anwendung und überall dort, wo die Beständigkeitseigenschaften der Pulverlackbeschichtung eine untergeordnete Rolle spielen. Bei hohen Anforderungen an die chemische Beständigkeit ist die Überlackierung mit einem schützenden Klarlack erforderlich oder der Einsatz der doppelt beschichteten Goldbronze empfohlen.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 124
03.12.2012 11:53:51
Lacksysteme
125
Die wesentlichen Vorteile der silikatbeschichteten Goldbronze-Pigmente sind metallische Brillanz, hervorragende Lichtbeständigkeit, gutes Deckvermögen und hohe Farbstärke sowie exzellente Hitzebeständigkeit (bis zu 200 °C). Die typische Pigmentierungshöhe von Goldbronze-Pigmenten beträgt 1 bis 10 %. Durch ihre coloristische Vielfalt und Teilchengrößenbereiche lassen sich mit Goldbronze-Pigmenten optische Effekte von glitzernd bis seidenmatt problemlos darstellen. Zinkpigmente für Korrosionsschutz-Pulverlacke Zink-Flakes sind plättchenförmige Korrosionsschutzpigmente aus metallischem Zink, die für den Einsatz in Pulverlack-Primern hervorragend geeignet sind. Sie bieten aufgrund ihres metallischen Charakters nicht nur einen guten kathodischen Korrosionsschutz, sondern bewirken im Pulverlackfilm dank ihrer lamellaren Form auch einen hervorragenden Barriereschutz mit deutlich reduzierter Durchlässigkeit gegenüber korrosiven Substanzen. Gewöhnlich kommen die plättchenförmigen Zinkpigmente in Kombination mit anderen Korrosionsschutzpigmenten zum Einsatz. Besonders bewährt haben sich Mischungen mit anderen plättchenförmigen Substraten (z.B. Eisenglimmer oder Aluminiumpigmenten) sowie mit sphärischen anorganischen und metallischen Substanzen wie Eisen-/Zinkphosphaten (-silikaten bzw. -zirkonaten) oder Zinkstaub. Zur Herstellung zinkpigmenthaltiger Pulverlackprimer werden Zink-Flakes (10 bis 15 %) mit den anderen Korrosionsschutzpigmenten (40 bis 60 %) und Pulverlackrohstoffen vermischt, extrudiert, vermahlen und gesiebt. 1.1.3.7 Beispiele für verschiedene Pigmentqualitäten Tabelle IV-1.4a gibt einen Überblick über Metalleffekt-Pigmente, die in EffektPulverlacken eingesetzt werden können und in Tabelle IV-1.4b ist deren Verhalten gelistet. 1.1.3.8 Sicherheitshinweise im Umgang mit entzündlichen Pulvern Metalleffekt-Pigmentpulver und auch Pulverlacke bergen das Potenzial von Staubexplosionen. Daher ist es ratsam sich mit der Vermeidung zündungsfördernder Atmosphären auseinanderzusetzen. Dafür sind Hinweise von verschiedenen Institutionen vorhanden, siehe beispielsweise [10].
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 125
03.12.2012 11:53:51
126
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Tabelle IV-1.4a: Übersicht von Metalleffekt-Pigmenten für Pulverlacke
Tabelle IV-1.4b: Verhalten von Metalleffekt-Pigmente im Pulverlack (www.eckart.net)
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 126
03.12.2012 11:53:52
Lacksysteme
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 127
127
03.12.2012 11:53:52
128
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 128
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
03.12.2012 11:53:52
Lacksysteme
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 129
129
03.12.2012 11:53:53
130
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 130
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
03.12.2012 11:53:53
Lacksysteme
131
Literaturhinweise zu Kapitel 1.1.3 [1] J. Pietschmann, Industrielle Pulverbeschichtung, JOT-Fachbuch, 3. Auflage, 2010 [2] Brock, Groteklaes, Mischke, Lehrbuch der Lacktechnologie, Farbe und Lack Edition 2009 [3] P.G. de Lange, Powder Coatings Chemistry and Technology, Vincentz Verlag, 2004 [4] G. Pfaff: Spezielle Effektpigmente. 2. Auflage. Vincentz Network, Hannover 2007 [5] Vargel, Corrosion of Aluminum, Elsevier, 2004 [6] R. Heidersbach, Corrosion 24, 1968, 38; Horton, Corrosion 26, 1970 160; Jagodzinksy et al., J. Alloy Compd, 2000, 256 [7] Karlsson, Advances in Colloid Interface Science128-130, 2006, 121 [8] Brinker, Sol-Gel Science, Elsevier, 1990; Iler, The chemistry of Silica, John Wiley and Sons, 1979 [9] Kiehl, Greiwe, Prog. Org. Coatings 37, 1999, 179; Schubert, Supplit, Corr. Sci. 49, 2007, 3325 [10] Gesamtverband der Aluminiumindustrie e.V.“Safety instructions for Handling and Processing Aluminium Powder”, 2007, www.aluinfo.de, Downloadbereich www. eckart.net, “Metallic- und Perlglanzpigmente für Powdercoatings”, Anhang
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 131
03.12.2012 11:53:53
132
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
1.1.4 UV-härtende Lacke 1.1.4.1 Grundlagen Lacksysteme, die durch energiereiche Strahlung, beispielsweise UV-Strahlung, ausgehärtet werden, sind eine vergleichsweise junge Entwicklungen. Ihren Erfolg verdanken sie der praktisch fehlenden Lösemittelemission bei der Aushärtung, von nahezu 0 %. Daher gelten strahlenhärtende Systeme als ökologisch unbedenklich. UV-härtende Lacke sind bisher noch von relativ geringer Bedeutung für den Markt. Ihr Anteil am gesamten Beschichtungsmarkt lag im Jahr 2002 in Europa bei 5 % [1]. Hinsichtlich der Bindemittel dominieren mit 75 % die Acrylat-Systeme den UV-Markt, gefolgt von den Polyestern mit etwa 23 % [2]. Energiereiche Strahlung breitet sich im Raum nur geradlinig aus. Daher sind großflächige Objekte mit ebenen Oberflächen für UV-Härtung besonders gut geeignet. Alle gewinkelten Flächen, Hohlräume und komplizierter geformten Werkstücke sind schwerer zu erreichen. Die Beschichtungen sind dann oft nur mit einer Vielzahl von UV-Strahlungsquellen vollständig aushärtbar. Die Voraussetzung ebener Flächen ist bei Druckapplikationen ideal erfüllt. Infolgedessen sind UV-Druckverfahren länger am Markt etabliert als UV-Lackierverfahren. Für UV-härtende Lacke ist die Möbellackierung [1], neben der Beschichtung von Tonträgern (CDs), ein typisches Anwendungsfeld. Es werden plane Oberflächen (meist Holz) mit leicht durch UV-Strahlen zu härtenden Klarlacken beschichtet. Auch plane Kunststoffsubstrate [1] lassen sich hervorragend nach dieser Technologie beschichten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die extrem kurze Aushärtzeit von wenigen Sekunden, die eine schnelle Weiterverarbeitung oder Verpackung erlaubt. Dieser Vorteil ist bei der Handy- oder Computergehäuse-Lackierung von großer Wichtigkeit. Härtung von UV-Metalliclacken Metall-Effektpigmente wirken in einem Lack wie kleine Spiegel für die energiereiche UV-Strahlung. Diese kann nicht bis zum Substrat durchdringen, sondern wird an den Oberflächen der Metall-Effektpigmente reflektiert. Die Folge kann eine mangelhafte Durchhärtung der Metalliclacke sein, wenn sie nicht entsprechend formuliert worden sind (siehe weiter). Druckapplikationen erfolgen in sehr niedrigen Schichtdicken, weshalb sie problemlos aushärtbar sind. Bei den in dickeren Schichten aufgetragenen UVMetalliclacken kann eine wirksame Durchtrocknung nur durch die Verwendung
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 132
03.12.2012 11:53:53
Lacksysteme
133
spezieller, hochwirksamer Initiatoren und Katalysatoren erreicht werden. In der Praxis werden in UV-Metalliclacken Initiatoren kombiniert, die eine Oberflächen- und eine Durchtrocknung der Beschichtung herbeiführen. Eine ausreichende Aushärtung kann auch dadurch erzielt werden, dass die Applikation in mehreren dünnen Schichten erfolgt, die jeweils nach dem Auftragen ausgehärtet werden. Dieses Verfahren ist zwar aufwändiger, führt aber zu guten Ergebnissen im Eigenschaftsprofil der Beschichtung. Neuerdings lassen sich auch gute Aushärtungen mit dem sog. Dual Cure-Verfahren erreichen. Hierbei wird das UV-Bindemittel, wie üblich, in einem ersten Trocknungsgang mit UV-Strahlung gehärtet. In das Bindemittelmolekül sind allerdings auch Isocyanat- und Hydroxylgruppen eingebaut, die dann durch Temperaturbehandlung chemisch nachgehärtet werden. Teilweise erfolgt die Temperaturbehandlung auch vor der Bestrahlung mit UV. Lösemittelfreie Metalliclacke Systeme lösemittelfreier Metalliclacke sind am Markt weit verbreitet. Sie enthalten nahezu keine flüchtigen Lösemittel, sondern nur das Bindemittel und reaktive Lösemittel. Beide Bestandteile reagieren durch die UV-Strahlung miteinander zum Film. Die Metall-Effektpigmente sind mehr oder weniger gleichmäßig im Lack verteilt. Sie haben allerdings nach der Applikation nur eine geringe Chance, sich parallel zum Untergrund auszurichten. Im Vergleich zum Low Solid-Lack mit hohen Anteilen an flüchtigen Lösemitteln und guter Möglichkeit zur Ausrichtung der Plättchen, erscheinen die UV-Systeme daher eher grau und wirken gröber. Der Einsatz von Additiven, die die Orientierung verbessern (wie etwa Celluloseacetobutyrate) ist aufgrund der gewünschten Lösemittelfreiheit ausgeschlossen. Zur Effektoptimierung sollten daher grobe Metalleffektpigmente (Sparkle-Typen) oder Typen mit einer engen Teilchengrößenverteilung, wie sie etwa der Silberdollar bietet, verwendet werden. Lösemittelhaltige Metalliclacke Die mäßige Orientierung der Metalleffektpigmente in lösemittelfreien Metalliclacken führt besonders im asiatischen Raum beim Lackieren von Kunststoffsubstraten (Handys, Fernseh- und Computergehäusen) zum Einsatz von UV-härtenden Lacken mit organischen Lösemitteln. Hierbei verdunstet nach der Applikation zunächst das organische Lösemittel, die Beschichtung wird dann durch UV-Strahlung gehärtet. Obwohl diese Verfahrensweise dem ursprünglichen Gedanken einer umweltfreundlichen, weil VOC-freien, Applikationsmethode zuwiderläuft, liegen die
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 133
03.12.2012 11:53:53
134
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Vorteile in den hervorragenden Beständigkeitsprofilen, der ausgezeichneten Optik sowie der (vergleichsweise) schnellen Verarbeitbarkeit im Produktionsprozess. Zum Einsatz kommen alle Aluminiumpigmente, die auch in Low Solid-Lacken verwendet werden. Dabei gibt es keinerlei Einschränkung hinsichtlich mittlerer Teilchengröße oder Teilchengrößenverteilung wie bei den lösemittelfreien UVMetallics. Von den Goldbronzen werden die beschichteten Typen (siehe weiter) verwendet, die ausreichende Stabilität bieten. Verwendete Metalleffektpigmente Beachtet man die oben genannten Regeln, so lassen sich sowohl Aluminiumals auch Goldbronzepigmente für UV-härtbare Lacke einsetzen. Beide haben ein gewisses Reaktionspotenzial, das häufig dazu führt, dass nicht beschichtete Standard Aluminium- und Goldbronzepigmente katalytisch die Polymerisation der Bindemittelbestandteile herbeiführen. In diesen Fällen können UV-Metallics bereits nach wenigen Stunden Lagerung komplett aushärten. Verwendet man jedoch beschichtete Metall-Effektpigmente, wie etwa Silikatbeschichtete Goldbronze „Standart“ Resist oder „Dorolan“-Typen oder Aluminiumpigmente wie „Standart“ PCR, so lassen sich damit deutlich gegen Polymerisation stabile UV-Metallics formulieren. Im Falle der Aluminiumpigmente kommen auch Polymer-beschichtete Produkte infrage. Alle genannten Metall-Effektpigmente (z.B. aus dem Hause Eckart) liegen als Pulver vor. Damit tragen sie kein Lösemittel in UV-härtbaren Lacken ein. Formulierungshinweise Beim Pigmentaufschluss muss mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden: Die beschichteten Metall-Effektpigmente haben eine hohe spezifische Oberfläche und sind in den schwach benetzenden UV-Bindemitteln häufig nicht gleichmäßig verteilt. Unter Umständen muss deshalb ein geeignetes Netzmittel verwendet werden. Bei den Goldbronzen ist Vorsorge gegen ein Absetzen zu treffen, da diese Pigmente ein hohes spezifisches Gewicht aufweisen. Wässrige UV-härtbare Lacke Eine neue Entwicklung auf dem Gebiet der UV-Lackierung sind wässrige Systeme, bei denen die Bindemittel durch UV-Strahlung genauso aushärten, wie dies von den traditionellen Lacken her bekannt ist. Sie liegen jedoch als Dispersion in Wasser vor.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 134
03.12.2012 11:53:53
Lacksysteme
135
Die Trocknung erfolgt in zwei Schritten: im ersten durch Verdunstung des Wassers und im zweiten Schritt durch Aushärtung des Bindemittels mittels UVStrahlung. Wässrige UV-härtbare Metallic-Systeme Zum Einsatz gelangen in wässrigen UV-Systemen Aluminiumpigmente mit einer entsprechenden Stabilisierung, die einerseits nötig ist, um das Aluminiumpigment vor einer Reaktion mit Wasser zu schützen und so die Wasserstoffgasentwicklung zu vermeiden. Andererseits verhindert die Stabilisierung der Aluminium-Flakes eine Reaktion zwischen dem Metall-Effektpigment und dem reaktiven UV-Bindemittel. Als besonders geeignet hat sich ein mit einer SiO2-Hülle stabilisiertes Aluminiumpigment (wie etwa „Stapa“ Hydrolan-Produkte von Eckart) erwiesen (vgl. S. 89ff, Kapitel IV-1.1.2, Vorteile der modifizierten SiO2-Beschichtung in der Anwendungstechnik). Die Hülle um das Aluminiumpigment hält dem Angriff von Wasser und dem UV-Bindemittel stand und erlaubt die Formulierung lagerstabiler Lacke. Vorteilhaft bei der Formulierung wässriger UV-härtbaren Metallic-Systemen ist im Vergleich zu den lösemittelfreien Systemen die wesentlich bessere Pigmentausrichtung und in Folge davon ein hervorragender optischer Effekt. Er lässt sich durch Mitverwenden wässriger Wachsemulsionen noch weiter optimieren. Goldfarbene wässrige UV-härtbare Lacke Die stabilisierten Goldbronzepigmente „Standart“ Resist und „Dorolan“ haben in wässrigen UV-härtbaren Lacken keine ausreichende Stabilität. Zur Formulierung von Gold- und Kupferfarbtönen müssen daher die genannten Aluminiumpigmente mit organischen Buntpigmenten kombiniert werden. Literaturhinweise zu Kapitel 1.1.4 [1] Beck, E.: UV-Härtung unter Kohlendioxid – für jedermann einsetzbar, Farbe & Lack, März 2002, S. 98 – 107 [2] Balmer, B.: UV market: the latest trends, European Coatings Journal, 2001, Vol. 10, S. 406 – 408
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 135
03.12.2012 11:53:53
136
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 136
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
03.12.2012 11:53:53
Lacksysteme
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 137
137
03.12.2012 11:53:54
138
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
1.2 Anwendungen 1.2.1 Automobillacke Moderne Automobillackierungen bestehen aus vier Schichten, wovon jede eine spezifische Funktion erfüllt. Zusammen sind sie gerade einmal so dick wie ein menschliches Haar. Die erste Lackschicht, der Primer, schützt das Blech vor Korrosion. Die zweite Schicht, der Füller, gleicht auch kleinste Unebenheiten aus und bildet so den optimalen Untergrund für die dünne Farbschicht mit Pigmenten und Effektstoffen, die dem Fahrzeug seine Optik verleiht. Darüber kommt noch der Klarlack, der das ganze System schützt und für den optimalen Glanz sorgt. Warum gerade Silber? Silber – erzeugt durch die Verwendung von plättchenförmigen Aluminiumpigmenten – gilt als die Farbe, die die Form der Karosserie am ehesten heraushebt. Kein anderer Farbton reflektiert das Licht besser als Silber, und Silber ist eine der schmutzunauffälligsten Farben. Sein metallischer Schimmer veredelt die Formen und spielt irisierend mit Licht und Schatten. Silber steht für moderne Technologie und wirkt extrem innovativ. Obwohl der Silberanteil im Automobilbereich inzwischen in Deutschland und Japan weit über 30 % liegt, lässt die Vielseitigkeit der möglichen Silberpalette genügend Spielraum für Individualität. Derzeit sind etwa 6.000 Grau- und Silberfarbtöne mit ihren Rezepturen bekannt. Neben den technisch-kühl wirkenden Farbausmischungen, die durch eine leichte Blau-Nuancierung die moderne High-Tech-Wirkung unterstreichen, gibt es als echte Alternative die sogenannten
Abbildung IV-1.22: Farbtontrends der Autolacke in 2010
Quelle: DuPont
Peter Wißling et al. © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
10_Wißling_Metalleffektpigmente_Teil 4_Kap 01_2.indd 138
05.12.2012 12:52:52
Anwendungen
139
Soft-Silber-Töne. Begünstigt durch die Kombination von Aluminiumpigmenten und Mikrotitan steht eine „kühle“ Farbigkeit mit gelblich-goldenem Farbreflex im Vordergrund. Die Farbtonverteilung ist in Abbildung IV-1.22 dargestellt. 1.2.1.1 Regionale Unterschiede Trotz aller Globalisierung und Internationalisierung der Märkte sind Farbtontrends und Qualitätsanforderungen in den verschiedenen Regionen doch sehr unterschiedlich. Europa ist ein designgesteuerter Markt. Die Anforderungen an die optischen Eigenschaften der Automobillackierung sind dort sehr hoch. Der Käufer erwartet hochglänzende, gleichmäßige Lackierungen in brillanten Farbtönen. Ganz anders in Nordamerika. Dort sind der Markt und die Weiterentwicklung von Lacken klar technologiegesteuert. Generell sind eher gröbere Metallic-Effekte bis hin zu glitzernden Lackierungen im Trend. Dies kommt den verwendeten High Solid-Lacken mit ihrer deutlich schlechteren Orientierung der Metall-Effektpigmente natürlich entgegen (und umgekehrt). Brillanz, Helligkeit, Farbreinheit und Glanzgrad spielen eine eher untergeordnete Rolle. Die Beliebtheit von Farbtönen und Effekten hängt nicht ausschließlich vom persönlichen Geschmack des Käufers ab. Farbe und Effekt müssen auch zur Fahrzeugart und zum Design passen. Lackproduktion Für all die beschriebenen Effekte werden die jeweiligen Produkte global einheitlich produziert. In den letzten Jahren hat bei den Automobilproduzenten und infolge auch bei den Autolackherstellern ein Konzentrationsprozess stattgefunden. Heute gibt es nur noch wenige, dafür jedoch global operierende Hersteller. Ein in Europa produzierter Autolack kann beispielsweise in Asien appliziert werden. Oder für Fahrzeuge, die in Amerika und Asien angeboten werden, kommen nach der gleichen Formulierung gefertigte Lacke zum Einsatz. Für Metall-Effektpigmenthersteller bedeutet dies, dass weltweit das gleiche Pigment in den geforderten Mengen bereitgestellt werden muss. Viele Lackproduzenten bevorraten aus Kostengründen nur geringe Mengen an Rohstoffen und fordern Just-in-Time-Lieferungen, deshalb müssen die gewünschten Produkte auch zum gewünschten Termin geliefert werden. Nicht zu früh und keinesfalls zu spät. Dies stellt eine große logistische Herausforderung dar. Pigmenttypen in Europa In Europa kommen beispielsweise die Metall-Effektpigmente der SilberdollarTypen zum Einsatz. Aufgrund ihrer hohen metallischen Brillanz und wegen ihres guten Abkippverhaltens lassen sich hiermit helle und brillante Farbtöne darstellen.
Wißling_Metalleffekt-Pigmente.indb 139
03.12.2012 11:53:54
140
Teil IV – Lacksysteme und ihre Anwendungen
Bevorzugt werden feine, deckende Produkte (d50