Memorix Kindernotfälle [2 ed.]
 3132411159, 9783132411159

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Memorix Kindernotfälle Sönke Müller Matthias Thöns

2., aktualisierte Auflage 218 Abbildungen

Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York

Dr. med. Sönke Müller Internist, Notfallmedizin Leitender Notarzt Fischersberg 30 69245 Bammental [email protected]

Dr. med. Matthias Thöns Arzt für Anästhesiologie Notfall-, Palliativmedizin spez. Schmerztherapie Wiesenstr. 14 58452 Witten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ihre Meinung ist uns wichtig! Bitte schreiben Sie uns unter: www.thieme.de/service/feedback.html © 2019 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Deutschland Printed in Italy

Zeichner: Christiane und Dr. Michael von Solodkoff, Neckargemünd Umschlaggestaltung: Thieme Gruppe Redaktion: Susanne Drohsin Satz: Druck: Druckhaus Götz GmbH, Ludwigsburg Druck: L.E.G.O. S.p.A., Vicenza DOI 10.1055/b-006-14 9721 ISBN 978-3-13-241115-9

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Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-241116-6 eISBN (epub) 978-3-13-241121-0 Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die abgebildeten Personen haben in keiner Weise etwas mit der Krankheit zu tun.

Vorwort Notfälle im Säuglings- und Kindesalter stellen mit ca. 5 % der Ereignisse im bodengebundenen Notarztsystem (im Luftrettungsdienst sind es mit 12 % deutlich mehr) relativ seltene Ereignisse dar, sodass kaum ein Notarzt eine ausreichende Routine in der Versorgung dieser Personengruppe vorweisen können wird. Fast 90 % aller Notärzte beurteilen ihre bislang durchlaufene Ausbildung in diesem Bereich als unzureichend, mit der Folge, dass Kindernotfälle insbesondere durch die hohe emotionale Belastung sowohl für den Notarzt als auch für die Mitarbeiter des Rettungsdienstes die am meisten gefürchteten Einsätze sind. Ähnliches gilt für das Ambulanzpersonal von „NichtKinderkliniken“, das aufgrund der nicht flächendeckenden Versorgung mit Kinderkliniken plötzlich dazu in der Lage sein muss, ein akut erkranktes Kind primär fachgerecht zu versorgen. Dieses Buch möchte einen Beitrag zur Reduktion der Unsicherheit im Umgang mit Kindernotfällen leisten, zu einer Optimierung der Notfallversorgung beitragen und im bewährten, kompakten Memorix-Kitteltaschenformat vor allem eins tun: dem Helfer einen Rückhalt und eine Sicherheit vermitteln, die es ihm ermöglicht, das Bestmögliche für seine kleinen Patienten zu tun! Die 2. Auflage wurde gründlich überarbeitet und gemäß den aktuellen Leitlinien (ERC 2015) aktualisiert, korrigiert und ergänzt. Möge das Buch wiederum gute Dienste all denjenigen leisten, für die es geschrieben wurde: den Rettern „aller Couleur“ und damit vor allem den kleinen Patienten! Bammental im Juni 2018

Vorwort

Vorwort

Sönke Müller

5

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Notfallmaßnahmen 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

Allgemeine Notfallmaßnahmen ► 9 Das leblose Kind: Pathogenese Herzstillstand ► 9 BAP-Schema ► 10 Bewusstsein ► 11 Atmung ► 11 Puls (Kreislauf, Zirkulation) ► 15 Herzdruckmassage ► 16 Zusammenfassung der Basismaßnahmen ► 18 Lagerung ► 22

2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12

2 2.1 2.2 2.3

Erweiterte Notfallmaßnahmen ► 25 Blutstillung ► 25 Venöser Zugang ► 26 Intraossärer Zugang ► 29

2.13 2.14

Endobronchiale Medikamentengabe ► 36 Intranasale Medikamentenapplikation ► 37 Beatmung ► 39 Notfallmonitoring ► 61 Elektrische Stimulation ► 66 Medikamente bei der Reanimation ► 69 Zusammenfassung der erweiterten Maßnahmen ► 70 ROSC und Postreanimationsbehandlung ► 72 Sedierung – Analgesie – Narkose ► 72 Geburt ► 84 Erstversorgung des Neugeborenen ► 90

Notfälle 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15 3.16 6

Vom Symptom zur Diagnose ► 96 Apnoeanfall ► 96 Atemnot ► 96 Bauchschmerz ► 97 Bewusstlosigkeit ► 97 Bronchospasmus ► 98 Brustschmerz ► 98 Dehydratation ► 98 Diarrhö ► 99 Erbrechen/Übelkeit ► 99 Fieber ► 99 Harnverhalt ► 100 Hautausschlag, generalisierter ► 100 Husten ► 102 Kopfschmerzen ► 102 Obstipation ► 103 Schreien („Dauerschreien“) ► 103

3.17 3.18

Stridor ► 103 Zyanose ► 104

4

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge ► 105 Akutes Abdomen ► 106 Amputationsverletzung ► 108 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock) ► 110 Akute Atemnot ► 117 Augenverletzungen ► 126 Diabetes mellitus ► 128 Elektrounfall ► 130 Ertrinkungsunfall (Beinahe-Ertrinken) ► 132 Exsikkose (Dehydratation) ► 133 Extremitätenfrakturen ► 136 Fremdkörper ► 137

4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11

4.12 4.13 4.14 4.15 4.16

4.17 4.18 4.19 4.20 4.21 4.22 4.23 4.24 4.25 4.26

Herz-Kreislauf-Stillstand ► 137 Herzrhythmusstörungen ► 137 Hitzeschäden ► 147 Hodentorsion ► 149 Hyperventilationstetanie (Hyperventilationssyndrom) ► 150 Krampfanfall ► 151 Meningitis ► 155 Plötzlicher Kindstod ► 157 Psychiatrische Notfälle ► 159 Schock ► 162 Traumatologische Notfälle ► 166 Unterkühlung ► 183 Verbrennungen und Verbrühungen ► 185 Vergiftungen ► 190 Zahnschäden ► 196

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

6 6.1 6.2 6.3

Notfälle beim vorerkrankten Kind ► 197 Herzfehler/Herzerkrankungen ► 197 Weitere Erkrankungen ► 199 Syndrome mit Intubationsschwierigkeiten ► 201 Tracheostoma ► 201 Shuntverschluss (ventrikuloperitoneal) ► 202

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Besonderheiten ► 203 Recht und Patientensicherheit ► 203 Kindesmisshandlung/ Sexueller Missbrauch ► 205 Sekundärtransport ► 210

Notfallmedikamente 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

A ► 214 Adenosin ► 214 Adrenalin ► 214 Aktivkohle ► 215 Amiodaron ► 216 Atropin ► 217

8 8.1 8.2 8.3

B ► 218 Beclometason ► 218 Biperiden ► 218 Butylscopolaminiumbromid ► 219

9 9.1 9.2 9.3

C ► 220 Cimetidin ► 220 Clemastin ► 220 Clonazepam ► 221

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5

D ► 222 Dexamethason ► 222 Diazepam ► 222 Dimenhydrinat ► 223 Dimeticon ► 224 Dimetinden ► 224

11.2 11.3

E ► 225 Epinephrin-Autoinjektor ► 225 Epinephrin-Spray ► 225 Etomidat ► 226

12 12.1 12.2 12.3 12.4

F ► 227 Fenoterol ► 227 Fentanyl ► 227 Flumazenil ► 228 Furosemid ► 229

13 13.1

G ► 230 Glukose 5 % - 40 % ► 230

14 14.1

H ► 231 Hydroxocobalamin ► 231

15 15.1

I ► 232 Ipratropiumbromid ► 232

16 16.1 16.2

K ► 233 S-Ketamin ► 233 Kohle, medizinische ► 234

11 11.1

7

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

17 17.1

L ► 235 Lorazepam ► 235

21 21.1

R ► 244 Rocuronium ► 244

18 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5

M ► 236 Magnesium ► 236 Metamizol ► 236 Methylprednisolon ► 237 Midazolam ► 237 Morphin ► 238

22 22.1 22.2 22.3

S ► 245 Salbutamol ► 245 Succinylcholin (Suxamethoniumchlorid) ► 245 Sufentanil ► 246

19 19.1

N ► 239 Naloxon ► 239

23 23.1 23.2

T ► 247 Theophyllin ► 247 Thiopental ► 248

20 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6

P ► 240 Paracetamol ► 240 Phenobarbital ► 240 Piritramid ► 241 Prednisolon ► 241 Prednison ► 242 Propofol ► 242

24 24.1

U ► 249 Urapidil ► 249

25 25.1 25.2 25.3

Infusionslösungen ► 250 Elektrolytlösungen ► 250 Humanalbumin ► 250 Anwendung in der Praxis ► 250

Anhang 26

Literatur ► 251

27

Glossar ► 253 Sachverzeichnis ► 259

8

1

Allgemeine Notfallmaßnahmen

Traditionell wird die Wiederbelebung eingeteilt in Basismaßnahmen („basic life support“ = BLS) – also solche Maßnahmen, die auch fortgebildete Nichtmediziner ohne besondere Hilfsmittel durchführen können – und erweiterte Notfallmaßnahmen („advanced life support“ = ALS). Letztere Maßnahmen werden in aller Regel nur durch Ärzte, durch Notfallsanitäter / Rettungsassistenten oder andere besonders geschulte Personen durchgeführt werden. Diese Grundgliederung der Maßnahmen wird im Folgenden auch auf andere Notfalltherapien übertragen. Allgemeine Notfallmaßnahmen wird jeder geschulte Ersthelfer und erst recht jeder Mitarbeiter des Rettungsdienstes durchführen können (und sollen), erweiterte Notfallmaßnahmen werden besondere Kenntnisse, Medikamente und meist auch besondere Hilfsmittel erfordern.

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.1 Das leblose Kind: Pathogenese Herzstillstand

1.1 Das leblose Kind: Pathogenese Herzstillstand Im Gegensatz zum Herzstillstand beim Erwachsenen, der meist eine direkte kardiale Ursache hat, ist der primäre Herzstillstand beim Kind äußerst selten. Häufigste Ursache sind Atemstörungen Abb. 1.1. Atemwegserkrankungen

ZNSErkrankungen Krampfanfälle Vergiftungen

Insuffizienz der Atmung

Volumenverluste Trauma Exsikkose Sepsis

Herzerkrankungen angeborener Herzfehler Arrhythmien

Insuffizienz des Kreislaufs

Bradykardie-Arrhythmie

Herzstillstand Abb. 1.1 • Pathogenese Herzstillstand.

9

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.2 BAP-Schema

1.2 BAP-Schema Bewusstsein → s. Bewusstsein (S. 11), Tab. 1.1 Tab. 1.1 • Bewusstsein. Kind < 1 Jahr

Kind > 1 Jahr

Hilfe!

Wie geht es dir?

Bewusstseinslage prüfen • laut ansprechen • leicht an der Schulter rütteln • wenn bewusstlos: um Hilfe rufen

Hilfe!

Wie geht es dir?

Atmung → s. Atmung (S. 11) Tab. 1.2 • Atmung. Kind < 1 Jahr

Kind > 1 Jahr

Atmung überprüfen • sehen, hören, fühlen (nicht länger als insgesamt 10 s) • bei normaler Atmung Seitenlage, Atmung überwachen

Puls → s. Puls (Kreislauf, Zirkulation) (S. 15) Tab. 1.3 • Puls. Kind < 1 Jahr

Kind > 1 Jahr

Suche nach Kreislaufzeichen • normale Atmung, Husten oder Bewegungen (nicht länger als insgesamt 10 s)

Brachialispuls tasten, ggf. Herzspitzenstoß tasten

10

Karotispuls tasten Karotispuls tasten

1.3 Bewusstsein Beurteilung Tab. 1.4 • Beurteilung. Kind < 1 Jahr

Kind > 1 Jahr

Hilfe!

Wie geht es dir?

Bewusstseinslage prüfen • laut ansprechen • leicht an der Schulter rütteln • wenn bewusstlos: um Hilfe rufen

Hilfe!

Wie geht es dir?

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.4 Atmung

Maßnahmen Für Kindernotfälle gilt in Bezug auf die Durchführung des Notrufs in aller Regel das Motto „Call fast“ anstelle des „Call first“ beim Erwachsenen: ▶ Call fast: lebensrettende Sofortmaßnahmen – insbesondere Freimachen der Atemwege und Beatmung ohne Verzögerung beginnen • Hilfe rufen, wenn möglich, ohne das Kind zu verlassen • falls alleine, erst nach einem initialen Reanimationsversuch von z. B. 2 Minuten das Kind zwecks Notruf verlassen (da zumeist Atemstörung die Ursache) ▶ Call first: Nach Feststellung der vitalen Bedrohung zunächst für Notruf sorgen, dazu ggf. auch den Patienten verlassen, erst dann Beginn der Reanimation (da zumeist kardiale Ursache → raschester Defieinsatz)

1.4 Atmung Beurteilung Tab. 1.5 • Beurteilung. Kind < 1 Jahr

Kind > 1 Jahr

Atmung überprüfen • sehen, hören, fühlen (nicht länger als insgesamt 10 s) • bei normaler Atmung Seitenlage, Atmung überwachen

11

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.4 Atmung

Maßnahmen ▶ Atmung vorhanden • Atemwege frei halten (S. 12) • stabile Seitenlage (S. 22) oder Bauchlage (S. 22) (Säugling) ▶ Atmung nicht vorhanden • Atemwege frei machen (S. 12) • 5 Beatmungen (S. 14)

Atemwege frei machen und frei halten ▶ Mund öffnen und sichtbare Obstruktion beseitigen, kein blindes Auswischen mit dem Finger ▶ Kopf positionieren Abb. 1.2

a Säugling

b Kind Abb. 1.2 • Atemwege frei machen.

▶ • Säugling: Neutralstellung, ggf. durch Unterpolsterung der Schultern stabilisieren • Kind: Überstrecken und Kinn anheben ▶ wenn immer noch keine Öffnung der Atemwege → Esmarch-Handgriff Abb. 1.3 (Vorziehen des Unterkiefers und Öffnen des Mundes beim Bewusstlosen) • Kopf des Kindes von hinten so umfassen, dass mit den Fingern die Unterkieferwinkel auf beiden Seiten und mit dem Daumen das Kinn umschlossen werden • mit den Fingern – durch Druck auf die Unterkieferknochen – den Unterkiefer nach vorne schieben, die Daumen öffnen dabei den Mund • mit der einen Hand diese Stellung fixieren, mit der anderen Hand z. B. sichtbare Fremdkörper entfernen

Abb. 1.3 • Esmarch-Handgriff.

12

Vorgehen bei Verlegung der Atemwege durch Fremdkörper Weinen, Husten, Sprechen noch möglich inkomplette Verlegung der Atemwege Kind zum Husten auffordern Schläge auf den Rücken

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.4 Atmung

Position einnehmen lassen, in der das Kind am besten atmen kann

Abb. 1.4 • Inkomplette Verlegung der Atemwege.

Sauerstoffgabe Beruhigung

13

1.4 Atmung

Weinen, Husten, Sprechen nicht möglich rasche Zyanose

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

komplette Verlegung der Atemwege Manöver zur Fremdkörperentfernung (plötzliches Erhöhen des intrathorakalen Drucks)

Säugling bei Bewusstsein

Kind bei Bewusstsein

Schläge auf den Rücken + Thoraxkompressionen

Schläge auf den Rücken + Heimlich-Manöver

bei Bewusstlosigkeit CPR Abb. 1.5 • Komplette Verlegung der Atemwege.

Beatmung ohne Hilfsmittel ▶ Säugling Abb. 1.6: • Kopf neutral lagern, Kinn nur leicht anheben (Abb. 1.6a) • „Schnüffelstellung“: Nase bleibt höchster Punkt • Mund-zu-Mund-und-Nase-Beatmung, evtl. auch Mund-zu-Mund-Beatmung (Abb. 1.6b) • Inspiration über 1–1,5 s • auf Thoraxbewegungen achten • 5 Atemspenden durchführen

a

14

Mund-zu-Mund-und-NaseBeatmung b

Abb. 1.6 • Mund-zu-Mundund-Nase Beatmung beim Säugling.

▶ Kind Abb. 1.7: • leichte Kopfüberstreckung und Anhebung des Kinns (Abb. 1.7a) • Mund-zu-Mund-Beatmung (Abb. 1.7b) • evtl. auch Mund-zu-Nase-Beatmung • Inspiration über 1–1,5 s • auf Thoraxbewegungen achten • 5 Atemspenden durchführen

Abb. 1.7 • Mund-zu-Mundund-Nase-Beatmung beim Kind.

a

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.5 Puls (Kreislauf, Zirkulation)

b

1.5 Puls (Kreislauf, Zirkulation) Beurteilung ▶ Kreislaufzeichen (Abb. 1.8) ▶ • zentraler Puls? • Säugling: Brachialispuls oder Herzspitzenstoß • Kind: Karotispuls

Abb. 1.8 • Kreislaufzeichen.

Brachialispuls tasten beim Säugling

Karotispuls tasten beim Kind

▶ Vitalzeichen • Husten • Atemaktivität • Bewegungen

15

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.6 Herzdruckmassage

Maßnahmen ▶ Puls vorhanden (Abb. 1.9, Tab. 4.33) • mit Beatmung beginnen

Beurteilung max. 10 Sekunden

Mund-zu-Mund-und-NaseBeatmung Abb. 1.9 • Wiederbelebung.

▶ kein Puls oder Puls < 60/min und keine Kreislaufzeichen • mit CPR beginnen • falls AED vorhanden, AED einsetzen (S. 20)

1.6 Herzdruckmassage Allgemeines Die Herzdruckmassage Abb. 1.10 ist nach den heutigen Richtlinien die wichtigste Basismaßnahme bei der kardiopulmonalen Reanimation (CPR). Sie soll unverzüglich und mit möglichst wenigen Unterbrechungen (z. B. bei Atemspende) durchgeführt werden. Bei der Erwachsenenreanimation durch Laien kann sowohl nach den Leitlinien des ERC als auch nach den Leitlinien der AHA sogar auf die Beatmung zugunsten einer kontinuierlichen Herzdruckmassage verzichtet werden. Auf die Kinderreanimation ist diese Empfehlung aber nur bedingt übertragbar, da die meisten Kreislaufstillstände bei Kindern durch Atemstörungen ausgelöst werden Tab. 1.6. Ziel der Herzdruckmassage ist die Aufrechterhaltung eines minimalen Kreislaufs und somit eine Versorgung der lebenswichtigen Organe mit Sauerstoff.

Abb. 1.10 • Herzdruckmassage.

16

Tab. 1.6 • Unterschiede der Herzdruckmassage je nach Lebensalter. Herzdruckmassage

Neugeborenes

Säugling

Kind > 1 Jahr

Jugendlicher ab Pubertät

Druckpunkt

Sternummitte

Technik

2-DaumenTechnik

2-Daumen-/2Finger-Technik

Handballen (Ein- oder Zweihand-Technik)

Handballen (ZweihandTechnik)

Kompressionstiefe

2–3 cm

ca. 4 cm

ca. 5 cm

ca. 5 cm

Frequenz

100–120/min

Kompression: Beatmung

3:1

unteres Sternumdrittel

15 : 2 (nicht trainierte Helfer: 30 : 2)

30 : 2

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.6 Herzdruckmassage

▶ Indikation Kreislaufstillstand, unabhängig von dessen Genese. ▶ Prinzip Für den bei der Herzmassage erzeugten Blutfluss werden 2 Mechanismen als bedeutend angesehen: • Kompression des Herzens zwischen Brustbein und Wirbelsäule • Erzeugung intrathorakaler Druckschwankungen, die zu einer Blutzirkulation führen Möglicherweise sind beide Mechanismen während einer Herzdruckmassage in wechselnder Weise von Bedeutung.

Techniken ▶ Neugeborene • Neugeborenes hinlegen und in beide Hände nehmen • Druckpunkt in Sternummitte, d. h. Daumen etwas unterhalb der Intermamillarlinie platzieren • nur die Daumen zur Herzdruckmassage verwenden • Kompressionstiefe ca. 2–3 cm bzw. ⅓ Thoraxdurchmesser, Frequenz 100–120/ min, Verhältnis Kompression : Beatmung = 3 : 1 ▶ Säuglinge • Säugling auf eine harte Unterlage legen • Druckpunkt in Sternummitte, d. h. die komprimierenden Finger 1 Fingerbreit unterhalb der Intermamillarlinie platzieren • nur 2 Finger (Einhelfertechnik) oder die 2-Daumen-Technik (Zweihelfertechnik) zur Herzdruckmassage verwenden • Kompressionstiefe ca. 4 cm bzw. ⅓ Thoraxdurchmesser, Frequenz 100–120/min, Verhältnis Kompression : Beatmung = 15 : 2 (Laie: 30 : 2) ▶ Kleinkinder • Kleinkind auf eine harte Unterlage legen • Druckpunkt in Sternummitte • Handballen (Ein- oder Zweihand-Technik) verwenden • Kompressionstiefe ca. 5 cm bzw. ⅓ Thoraxdurchmesser, Frequenz 100–120/min, Verhältnis Kompression : Beatmung = 15 : 2 (Laie: 30 : 2)

17

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.7 Zusammenfassung der Basismaßnahmen

Komplikationen ▶ ▶ ▶ ▶

Rippen-Sternum-Fraktur Hämatothorax, Pneumothorax Leber-/Milz-Ruptur sonstige innere Verletzungen Vorsicht Eine nicht indizierte – korrekt durchgeführte – Herzdruckmassage schädigt ein Kind wahrscheinlich nicht! „Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig reanimiert“!

1.7 Zusammenfassung der Basismaßnahmen Das Vorgehen für erweiterte lebensrettende Maßnahmen ist in Zusammenfassung der erweiterten Maßnahmen (S. 70) dargestellt.

Vorgehen beim Auffinden eines regungslosen Kindes Tab. 1.7 • Basismaßnahmen zur Reanimation. Auffinden eines regungslosen Kindes Eigenschutz/-sicherung beachten Kind < 1 Jahr

Kind > 1 Jahr

Hilfe!

Wie geht es dir?

Bewusstseinslageprüfen • laut ansprechen • leicht an der Schulter rütteln • wenn bewusstlos: um Hilfe rufen

Atemwegefrei machen • Kopf leicht überstrecken • Kinn anheben • falls möglich, Notruf absetzen lassen

Atmung überprüfen • sehen, hören, fühlen (nicht länger als insgesamt 10 s) • bei normaler Atmung Seitenlage, Atmung überwachen

18

Hilfe!

Wie geht es dir?

Tab. 1.7 • Fortsetzung Auffinden eines regungslosen Kindes Eigenschutz/-sicherung beachten Kind < 1 Jahr

Mund-zu-Mund-und-NaseBeatmung Mund-zu-Mund- und Nase-Beatmung

Brachialispuls tasten Brachialispuls tasten

2 Finger auf unteres Sternumdrittel, ⅓ Thoraxtiefe komprimieren, Frequenz 100/min 15 : 2 (Laien: 30 : 2)

Kind > 1 Jahr

• bei fehlender Atmung: 5 × beatmen • falls der Brustkorb sich nicht hebt, Atemwege erneut frei machen • bis zu 5 Beatmungsversuche, falls weiter erfolglos → Maßnahmen zum Freimachen der Atemwege

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.7 Zusammenfassung der Basismaßnahmen

Mund-zu-Mund-Beatmung

Suche nach Kreislaufzeichen • normale Atmung, Husten oder Bewegungen (nicht länger als insgesamt 10 s)

Karotispuls tasten Karotispuls tasten • falls keine Kreislaufzeichen: 15 Thoraxkompressionen • CPR fortsetzen • nach 1 min, falls bisher noch nicht geschehen, Notruf absetzen

Handballen einer Hand auf unteres Sternumdrittel, ⅓ Thoraxtiefe komprimieren, Frequenz 100/min 15 : 2 (Laien: 30 : 2)

19

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.7 Zusammenfassung der Basismaßnahmen

Algorithmus der Basismaßnahmen

Paediatric basic life support Reaktion?

Hilferuf

keine normale Atmung?

5 initiale Beatmungen

Lebenszeichen?

15 Thoraxkompressionen

2 Beatmungen 15 Kompressionen

Verständigung des Notfallteams nach 1 Minute CPR

Abb. 1.11 • Vorgehen beim Auffinden eines regungslosen Kindes. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 932.)

Algorithmus bei verfügbarem AED AED-Indikation nach Alter ▶ Säugling • AED nicht empfohlen → manuelle Defibrillation Abb. 1.12 • Einsatz von AED ist aber vertretbar wenn keine andere Option vorhanden ist

Abb. 1.12 • Kennzeichnung eines Defibrillators.

20

▶ Kind 1–8 Jahre Abb. 1.13 • AED mit regelbarer Energie von 4 J/kg KG bzw. • AED mit Verwendung pädiatrischer Klebeelektroden (diese schwächen die abgegebene Energie auf 50–75 W ab) • wenn kein entsprechender Defi vorhanden → AED für Erwachsene ▶ Kind > 8 Jahre • AED für Erwachsene

Paediatric Advanced Life Support keine Reaktion keine Atmung/Schnappatmung?

CPR (5 initiale Beatmungen dann 15:2) Anbringen Defibrillator/Monitor Unterbrechungen minimieren

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.7 Zusammenfassung der Basismaßnahmen

Reanimationsteam verständigen (Einzelhelfer zuerst 1 min CPR)

EKG Rhythmus beurteilen

(VF/Pulslose VT)

(PEA/Asystolie)

wiedereinsetzender Spontankreislauf

1 Schock 4 J/kg

sofort weiterführen: CPR für 2 Minuten Unterbrechungen minimieren nach 3. und 5. Zyklus erwäge Amiodaron bei schockrefrakträrer VF/VT

POST CARDIAC ARREST MASSNAHMEN § ABCDE-Methode anwenden §

sofort weiterführen: CPR für 2 Minuten Unterbrechungen minimieren

gabe und Beatmung § Untersuchungen § Ursachen behandeln § Temperaturkontrolle

während CPR

reversible Ursachen

§ § § § § § §

§ § § § § § § §

optimale CPR: Frequenz, Tiefe, Entlastung Maßnahmen planen vor CPR Unterbrechung

Gefäßzugang (intravenös, intraossär) Adrenalingabe alle 3-5 Minuten invasive Beatmung und Kapnographie erwägen ununterbrochene Herzdruckmassage sobald Atemweg gesichert ist § reversible Ursachen beheben

Hypoxie Hypovolämie Hyper/Hypokalämie, Metabolismus Hypothermie Herzbeuteltamponade Intoxikation Thrombose (cardial oder pulmonal) Spannungspneumothorax

Abb. 1.13 • Algorithmus Auffinden regungsloses Kind mit AED. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 932)

21

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.8 Lagerung

1.8 Lagerung Die Durchführung einer adäquaten – d. h. einer der Notfallsituation angepassten Lagerung – ist als eine grundlegende Sofortmaßnahme von großer Bedeutung, die den Verlauf der Notfallsituation entscheidend beeinflussen kann.

Stabile Seitenlage Jeder bewusstlose, spontan atmende Patient muss so gelagert werden, dass eine Aspiration verhindert wird. Klassischerweise bietet sich dazu die stabile Seitenlage an, bei Kindern < 2 Jahren erfüllt die Bauchlage denselben Zweck Abb. 1.14. Ist eine stabile Seitenlage, z. B. aus räumlichen Gründen, nicht möglich, muss das Kind von einem Helfer in der entsprechenden Position gehalten werden. ▶ Kinder über 2 Jahre • neben dem bewusstlosen Kind auf die Seite knien, zu der es gedreht werden soll • den auf Ihrer Seite befindlichen Arm des Kindes angewinkelt nach oben legen (Handfläche nach oben) • den anderen Arm über den Brustkorb ziehen und die Hand des Kindes auf dessen Wange legen. Hand nicht loslassen! • das auf der Gegenseite befindliche Bein im Kniegelenk beugen und dadurch aufstellen • das Kind am Oberschenkel des angewinkelten Beins fassen und ihn zu sich herüberziehen • den Kopf des Kindes überstrecken, erneut überprüfen, ob Atmung und Puls vorhanden sind! Ist eine stabile Seitenlage., z. B. aus räumlichen Gründen, nicht möglich, muss das Kind von einem Helfer in der entsprechenden Position gehalten werden. Vorsicht Das Ziel der Seitenlage ist es, dass Erbrochenes, Blut oder Schleim nach außen abfließen können, ohne dass es zu einer Aspiration kommt.

Abb. 1.14 • Stabile Seitenlage.

22

Kinder unter 2 Jahren ▶ • Bauchlage • Kopf zur Seite drehen • Mund ggf. öffnen

Spezielle Lagerungsarten Tab. 1.8 • Lagerung bei Atemstörungen. Erkrankung

Lagerungsart

Atemnot (z. B. Asthma bronchiale, Pseudokruppanfall) Oberkörper hoch

1 Allgemeine Notfallmaßnahmen

1.8 Lagerung

Thoraxtrauma

Oberkörper erhöht, Lagerung möglichst auf die verletzte Seite

Tab. 1.9 • Lagerung bei Herz-Kreislauf-Störungen (nur beim nicht bewusstlosen Kind!). Erkrankung

Lagerungsart

Lungenödem, Herzinsuffizienz Oberkörper erhöht Volumenmangelschock, anaphylaktischer Schock

Hochlagerung der Beine, Autotransfusion, ggf. Kopftieflagerung in Rücken- oder Bauchlage

Tab. 1.10 • Lagerung bei Traumata (nur beim nicht bewusstlosen Kind!). Art der Verletzung

Lagerungsart

Schädel-Hirn-Trauma Oberkörper leicht erhöht, Kopf in Mittelstellung, Ziel: Herabsetzung des Hirndrucks Thoraxtrauma

Oberkörper erhöht, ggf. Lagerung auf die verletzte Seite, dadurch bessere Belüftung des unverletzten Lungenflügels

23

Allgemeine Notfallmaßnahmen

1

1.8 Lagerung Tab. 1.10 • Fortsetzung Art der Verletzung

Lagerungsart

Wirbelsäulentrauma

zunächst Belassen in der vorgefundenen Lage, Umlagerung möglichst nur mit 4–5 Helfern, evtl. Schaufeltrage

Flachlagerung auf vorgeformter Vakuummatratze oder harter Unterlage Abdominaltrauma Rückenlage mit angezogenen Knien (Knierolle) und Kopfpolster zur Entspannung der Bauchdecke

Tab. 1.11 • Lagerung bei gynäkologischen Notfällen/Schwangerschaft/Geburt. Erkrankung

Lagerungsart

vaginale Blutung (z. B. Abort, Tumor) Kopftieflagerung, evtl. kombiniert mit Fritsche-Lagerung: Beine gestreckt übereinanderschlagen → Blut sammelt sich zwischen den Oberschenkeln → Stärke der Blutung kann besser beurteilt werden. V.-cava-Kompressionssyndrom Lagerung auf die linke Seite. EPH-Gestose Oberkörper hoch, evtl. linke Seite. bevorstehende Geburt Flachlagerung oder Lagerung nach Wunsch der Schwangeren, evtl. linke Seite Nabelschnurvorfall, Beckenendlage, Placenta praevia Kopftieflagerung Notgeburt

Oberkörper hoch, Beine angezogen

24

2

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.1 Blutstillung Mögliche Maßnahmen Zur Vermeidung eines Volumenmangelschocks müssen bei entsprechenden Verletzungen baldmöglichst Maßnahmen zur Blutstillung ergriffen werden Tab. 2.1. Tab. 2.1 • Maßnahmen zur Blutstillung. Art der Verletzung

Maßnahme

oberflächliche, leicht blutende Wunde

einfacher Schutzverband

stärkere venöse Blutung

Hochlagerung der betroffenen Extremität

arterielle Blutung

Druckverband, Abdrücken

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.1 Blutstillung

Vorsicht Grundsätzlich kann versucht werden, jede Blutung durch direkte manuelle Kompression (Dauer mindestens 3–5 min oder besser bis zur definitiven Versorgung, z. B. durch einen 2. Helfer) zu verringern oder zu stoppen.

Druckverband bei arterieller Blutung ▶ Bei Kindern ist eine arterielle Blutung schnell fatal → Blutung sofort stoppen (direkt abdrücken mit Kompressen in Wunde) Abb. 2.1 Druckpolster Wundauflage Wunde

Binde

Abb. 2.1 • Druckverband.

▶ darauf ein Druckpolster, z. B. ein nicht abgewickeltes Verbandspäckchen, legen und mit einer weiteren Mullbinde unter Druck anwickeln ▶ blutet die Wunde weiter, auf den 1. Druckverband einen 2. Druckverband mit stärkerem Zug aufwickeln ▶ als effektiver Druckverband lässt sich auch eine Blutdruckmanschette verwenden, vorteilhaft dabei ist die Variationsmöglichkeit der Druckverhältnisse Vorsicht Ein einmal angelegter Druckverband sollte normalerweise am Unfallort nicht mehr entfernt werden! 25

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.2 Venöser Zugang

2.2 Venöser Zugang Der venöse Zugang ist bei Notfällen im Säuglings- und Kindesalter aufgrund der im Vergleich zum Erwachsenen schwierigeren anatomischen Verhältnisse nicht immer einfach zu legen. Deshalb stellt der intraossäre Zugang eine etablierte im Zweifelsfall zeitnah anzudenkende Alternative dar.

Mögliche Zugänge Neben den auch beim Erwachsenen verwendeten Zugangswegen (Ellenbeuge, Handrücken, Handgelenk, V. jugularis externa) kommen beim Säugling noch die Vv. capitis, beim Kleinkind die volaren Handgelenke, Venen am Fußrücken und vor dem Innenknöchel hinzu Abb. 2.2. Nur der erfahrene (Kinder-)Arzt kann bei Ermangelung der Möglichkeit eines intraossären Zugangs auch versuchen, die V. femoralis zu punktieren (IVAN = innen Vene Arterie Nerv). Zentralvenöse Punktionen gelingen bei kleinen Kindern selbst erfahrenen Ärzten nur zu 80 % und gehen in 0,7–23 % der Fälle mit teils tödlichen Komplikationen einher. Sie sollten möglichst unter Ultraschallkontrolle – folglich ausschließlich in der Klinik – durchgeführt werden.

Vv. capitis V. jugularis externa +

+ +

V. jugularis interna V. subclavia

+

+

+

Vv. cubitales Vv. dorsales manus

+

++

V. saphena magna (per venae sectionem) V. saphena parva Vv. dorsalis pedis

+ = für zentralen Zugang geeignet = für peripheren Zugang geeignet

geeignete Venen für den peripheren venösen Zugang

Abb. 2.2 • Möglichkeiten eines venösen Zugangs. Geeignete Venen für den venösen Zugang. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

26

Nabelschnurvene beim Neugeborenen Die Gabe von Medikamenten ist bei der Reanimation eines Neugeborenen nur sehr selten erforderlich. Dann aber sollten die notwendigen Medikamente idealerweise über einen Nabelvenenkatheter gegeben werden Abb. 2.3. Kopf Vene

Arterien

Füße

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.2 Venöser Zugang

Abb. 2.3 • Nabelschnur mit zwei Arterien und einer Vene. (Secchi A, Ziegenfuß T. Checkliste Notfallmedizin. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009)

Kanülen Zur Punktion der Venen werden dünne Plastikverweilkanülen (Braunülen, Vygonülen) verwendet. Stahlkanülen (Butterfly) dislozieren bei sich bewegenden Kindern leicht, sie sollten im Rettungsdienst deshalb möglichst nicht verwendet werden, Tab. 2.2. Tab. 2.2 • Plastikverweilkanülen. Farbe

Größe [Gauge]

Außendurchmesser [mm]

Durchfluss [ml/min] Wässrige Lösung

Blut

lila

26

0,6

13

8

gelb

24

0,7

20

13

blau

22

0,9

31

18

rosa

20

1,1

54

31

Prinzipien Folgende Grundsätze sind beim Legen venöser Zugänge bei Säuglingen und Kleinkindern zu beachten, Abb. 2.4: ▶ Zur Stauung der Venen eignet sich eine Kinderblutdruckmanschette besser als ein Stauschlauch (wird oft zu fest angezogen, dadurch bleiben die Venen unsichtbar) – auf einen Wert knapp unter den systolischen Druck aufpumpen. ▶ Venen kommen besser zur Darstellung, wenn man den Kinderarm wiederholt drückt. ▶ In der Ellenbeuge gibt es zahlreiche anatomische Varianten, deshalb nach der Punktion auf die Farbe des Blutes und Pulsationen achten, damit nicht versehentlich arterielle Zugangswege gelegt werden. Läuft die Infusionslösung frei ein, handelt es sich ziemlich sicher um einen Venenzugang, bei arterieller Punktion steigt Blut pulsierend auf. 27

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.2 Venöser Zugang

▶ Der Blutrückfluss in die Kanüle kann bei Kindern relativ lange dauern. Manchmal muss die Kanüle sogar erst 1–2 cm in die Vene vorgeschoben werden, damit der Rückfluss sichtbar wird. Deshalb abwarten! Nicht jeder fehlende Rückfluss ist eine Fehlpunktion! ▶ Im Gegensatz zum großzügigen „Laufenlassen“ beim Erwachsenen muss die Volumensubstitution beim Kind gezielt und streng kontrolliert durchgeführt werden. Als Infusionslösung sollten vorzugsweise Vollelektrolytlösungen (Ringer-Laktat) verwendet werden.

Punktion der Vena saphena

Punktion von Handrückenvenen

Abb. 2.4 • Legen eines venösen Zugangs. a Punktion der Vena saphena. b Punktion der Handrückenvenen.

Vorsicht Die Infusionsmenge liegt bei Schockzeichen bei 20 ml/kg KG. Wird eine Infusion nur zum Offenhalten des venösen Zugangs und als Trägersubstanz für Medikamente benötigt, sollte sie möglichst langsam tropfen (< 1Tr./s). Kleine Kinder tolerieren weder einen Volumenmangel noch eine Überinfusion.

28

2.3 Intraossärer Zugang Wenn bei einem Kind der dringend benötigte intravenöse Zugang spätestens auch nach dreimaligem Versuch nicht gelingt (max. 90–120 s), ist die Applikation von Medikamenten und Volumen über das Knochenmark die erste Alternative. Vorsicht Aufgrund der reichen Gefäßversorgung sind intraossäre Injektion, Infusion und Blutabnahme (Kreuzblut!) der intravenösen absolut vergleichbar.

Material Es existieren verschiedene intraossäre Punktionsverfahren, von der „klassischen“ manuellen Punktion mit der Cook-Nadel bis hin zu automatischen Punktionsverfahren mit halb- oder vollautomatischen Systemen, Abb. 2.5. Grundsätzlich benötigt werden: ▶ intraossäre Punktionsnadel/Bohrsysteme, Tab. 2.3 ▶ Spritze, 5 ml und 10 ml, Aufziehkanülen ▶ sterile Kompressen ▶ Dreiwegehahn ▶ Lokalanästhetikum (z. B. Mepivacain 1 % oder Lidocain 1 %) ▶ NaCl 0,9 % 10 ml ▶ Fixierbinde, Pflasterrolle

Abb. 2.5 • Material für manuelle oder automatische Punktionsverfahren. a Nadeln für intraossären Zugang. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017) b Bone Injection Gun System. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

Nadeln für den intraossären Zugang

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.3 Intraossärer Zugang

Bone Injection Gun System

29

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.3 Intraossärer Zugang Tab. 2.3 • Intraossäre Punktionsverfahren (Auswahl). Hersteller

Beschreibung

Größe

Stahlkanüle mit Handknauf, wird in Knochen gedreht/gedrückt, Dickmann-Modifikation mit seitlichen Löchern am distalen Kanülenende

16 G Kinder

Manuelles Punktionsverfahren Cook-Nadel (Cook Critical Care, Bloomington, IN, USA)

15,5 G Erwachsene

Halbautomatisches Punktionsverfahren EZ-IO (Vidacare, San Antonio, Texas, USA)

Stahlkanüle, wird über eine batteriebetriebene Bohrmaschine eingebracht

15 G Kinder (3–39 kg KG), 1,5 cm lang 15 G Erwachsene (ab 39 kg KG), 2,5 cm lang 15 G, adipöse Erwachsene, 4,5 cm lang

Automatisches Punktionsverfahren Bone Injection Gun (BIG, Waismed, Caesarea, Israel)

Stahlkanüle, wird über einen Federmechanismus in den Knochen getrieben

18 G Kinder < 12 Jahre 15 G Erwachsene

Punktionsstellen

Punktionsorte für den EZ-IO

proximaler Humerus

distales Femur proximale Tibia

distale Tibia

30

Abb. 2.6 • Übersicht über die Punktionstellen für EZ-IO. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

Tab. 2.4 • Geeignete Punktionsstellen. Kinder < 6 Jahre

1. Wahl

proximale Tibia

2. Wahl

distale Tibia

3.Wahl

distales Femur

Kinder > 6 Jahre

Erwachsene

spezielle i. o. Systeme für Erwachsene

Sternum (FAST)

distales Femur

proximaler Humerus

proximaler Humerus (EZ-IO)

Identifikation der Punktionsstellen ▶ Zugangsweg der 1. Wahl • proximale Tibia Kinder Bein stabil lagern, am besten unter dem Knie unterpolstern, Abb. 2.7. Tuberositas tibiae tasten, der korrekte Punktionsort liegt ca. 1(– 2) cm medial davon an der anteromedialen Fläche der Tibia oder Unterkante der Patella tasten, der korrekte Punktionsort liegt etwa 1–2 cm (max. eine Fingerbreite) unterhalb der Patella und etwa 1 cm medial davon an der anteromedialen Fläche der Tibia.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.3 Intraossärer Zugang

Abb. 2.7 • Proximale Tibia Kinder. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

▶ Zugangsweg der 2. Wahl • distale Tibia Kinder (medialer Malleolus) Höchsten Punkt des medialen Malleolus (malleoläre Kuppe) tasten, Abb. 2.8. Die Punktionsstelle befindet sich etwa 1–2 cm (1 Fingerbreite) oberhalb der malleolären Kuppe in der kranialen Verlängerung der Mittellinie des Malleolus.

Abb. 2.8 • Distale Tibia Kinder. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

31

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.3 Intraossärer Zugang

• distales Femur (nur Kinder!) Oberkante der Patella tasten. Die Punktionsstelle liegt am distalen Femur, an der Mittellinie der Vorderfläche des Femurs, 1–2 cm oberhalb der Patella, Abb. 2.9.

Abb. 2.9 • Distales Femur (nur bei Kindern). (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

Technik ▶ Knienaher intraossärer Zugang (proximale Tibiainnenfläche) – manuelles Verfahren • Bein stabil lagern, am besten unter dem Knie unterpolstern. Punktionsstelle aufsuchen • Haut gut desinfizieren, sterile Handschuhe anziehen. Bein zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand fixieren • Intraossärnadel in die Faust der anderen Hand nehmen. Haut und Knochenkortex mit sanftem Druck und leicht drehenden Bewegungen durchbohren. Stichrichtung senkrecht zur Hautoberfläche bzw. etwas nach distal (weg von der Wachstumsfuge) • Unter Rechts-links-Drehbewegungen und konstant kräftigem Druck Kanüle durch den Knochenkortex bohren, bis nach 1–2 cm ein plötzlicher Widerstandsverlust auftritt, Abb. 2.10.

Abb. 2.10 • Kanüle durch den Knochenkortex bohren.

• Dieser Widerstandsverlust ist der Indikator für das Erreichen des Markraums. • Kanüle mit der einen Hand festhalten, mit der anderen Trokar aus dem Schaftgewinde herausdrehen. Korrekte Lage der Kanüle durch festen Sitz im Knochen sowie durch die Aspiration von Mark oder Blut bestätigen, Abb. 2.11.

Abb. 2.11 • Korrekte Lage der Kanüle im Knochen.

32

• Probeinjektion von Kochsalzlösung (leicht) und Aspirationstest (Blut) zeigen die korrekte Lage. • Nadel steril fixieren (z. B. bei Cook-Nadel an der verstellbaren Flügelplatte), Zwischenstück mit Dreiwegehahn zum Zuspritzen und Infusion anschließen. ▶ Nadel steril fixieren Beim Aspirationsversuch ist nicht in jedem Fall Knochenmark zu aspirieren. Wichtig ist die nachfolgende Applikation („flush“) von ca. 10 ml einer kristallinen Lösung über einen Dreiwegehahn mit mobiler Leitung, um den Knochenmarkraum freizuspülen (kein Paravasat). In aller Regel kann erst nach Applikation des „flush“ eine tropfende Infusion erreicht werden. Da diese Applikation jedoch sehr schmerzhaft ist, sollte bei wachen Patienten zuvor ein Lokalanästhetikum injiziert werden (z. B. 2,5 ml Mepivacain 1 %). ▶ Distaler intraossärer Zugang (medialer Malleolus) – manuelles Verfahren • Bein stabil lagern, am besten unter dem Sprunggelenk unterpolstern • Punktionsstelle aufsuchen • Haut gut desinfizieren, sterile Handschuhe anziehen • Bein zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand fixieren • Intraossärnadel in die Faust der anderen Hand nehmen und Haut und Knochenkortex mit sanftem Druck und leicht drehenden Bewegungen durchbohren. Stichrichtung in einem Neigungswinkel von ca. 70° von der Wachstumsfuge weg, Abb. 2.12. • übriges Vorgehen wie bei proximaler Punktion

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.3 Intraossärer Zugang

Kortikalis Markraum

Polster Abb. 2.12 • Intraossärer Zugang (medialer Malleolus).

Wachstumsfuge

▶ Knienaher intraossärer Zugang (proximale Tibiainnenfläche) – halbautomatisches Verfahren (Bohrmaschine, EZ-IO) • passende Nadel wählen • nur für den Einmalgebrauch • Vergewissern Sie sich, dass die Verpackung nicht beschädigt ist. • Bei der Auswahl der geeigneten Nadel sind Gewicht und Gewebedichte des Patienten zu berücksichtigen (Tab. 2.5). • Zur Bestätigung der geeigneten Nadelauswahl muss nach der Insertion durch das Gewebe eine schwarze Linie auf der Nadel sichtbar bleiben.

Abb. 2.13 • EZ-IO-Bohrmaschine. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

33

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.3 Intraossärer Zugang Tab. 2.5 • Nadelauswahl. Nadel

Eigenschaft

15-mm-Nadel-Sets (rosa) können für Patienten von 3–39 kg eingesetzt werden.

25-mm-Nadel-Sets (blau) können für Patienten ab 40 kg eingesetzt werden.

45-mm-Nadel-Sets (gelb) sollten für den proximalen Humerus bei Patienten ab 40 kg sowie Patienten mit übermäßig viel Weichteilgewebe oberhalb der Insertionsstelle verwendet werden.

Nicht steril! Übungsnadel-Sets (rot) sind nur für Übungszwecke konzipiert.

34

a

b

d

e

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.3 Intraossärer Zugang

c

f

Abb. 2.14 • Ablauf der intraossären Applikation. a Tuberositas tibiae tasten, der korrekte Punktionsort liegt ca. 1 cm (Kinder) bzw. 2 cm (Erwachsene) medial davon an der Vorderkante der Tibia. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017) b Punktionsort ausreichend desinfizieren, Einwirkzeit beachten. Behältnis der Nadel öffnen und Nadel mit dem Magnetaufnehmer des Schraubers aus dem Behältnis nehmen. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017) c Schutzkappe entfernen (Abziehen unter Betätigung des Geräts). Nadel zur Knochenfläche senkrecht und ohne Betätigung des Geräts durch die Haut stechen, bis Knochenkontakt besteht. Sicherstellen, dass die 5-mm-Marke zu sehen ist, sonst längere Nadel verwenden. Schalter des Geräts betätigen und ohne Druck bohren, bis spürbar der Widerstand verloren geht, jetzt den Schalter sofort loslassen (wichtig: kaum Druck ausüben, die Arbeit wird vom Gerät geleistet, nach Widerstandsverlust das Gerät nicht zurückziehen, sondern nur den Schalter loslassen !). (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017) d Nadel mit einer Hand fixieren, Gerät senkrecht entfernen. Trokar aus der Kanüle schrauben (gegen den Uhrzeigersinn) und entlüftete Verbindungsleitung (enthält Rückschlagventil !) anschließen. Dreiwegehahn an Verbindungsleitung anschließen. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017) e Bolusgabe von 10 ml kristalloider Lösung, Cave: Injektionsschmerz beim wachen Patienten, dann ggf. Gabe von Lidocain/Xylocain 20–40 mg (Kind 0,5 mg/kg). (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017) f Infusion anschließen, in aller Regel wird eine Druckinfusion erforderlich sein. Punktionszeit dokumentieren (Nadel muss nach spätestens 24 h wieder entfernt werden). (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

Komplikationen ▶ mögliche Akutkomplikationen • Paravasat, evtl. mit Ausbildung eines Kompartmentsyndroms • Embolien (klinische Relevanz fraglich) • Fraktur (→ Bein gut unterpolstern!) ▶ mögliche Spätkomplikation • Osteomyelitis (in ca. 0,6 % der Fälle) 35

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.4 Endobronchiale Medikamentengabe

Kontraindikationen für den intraossären Zugang ▶ ▶ ▶ ▶

Frakturen der unteren Extremitäten auf der Punktionsseite floride Osteomyelitis diverse kongenitale/hereditäre Knochenerkrankungen Vorpunktion am Knochen

2.4 Endobronchiale Medikamentengabe Genau wie beim Erwachsenen wird auch beim Kind die Medikamentengabe über einen liegenden Endotrachealtubus heutzutage nicht mehr empfohlen. In Betracht kommen allenfalls als Ultima Ratio mangels anderer Zugangswege Medikamente, die im Rahmen einer Reanimation erforderlich sind (Adrenalin).

Inhalative/endobronchiale Gabe über Verneblermaske ▶ Indikation • allergische Reaktion mit zuschwellenden oberen und unteren Atemwegen • Pseudokrupp • Asthma bronchiale • COPD ▶ Medikamente Zur Verneblung (Abb. 2.15) geeignet sind: • Adrenalin, z. B. Suprarenin 1 : 1000 unverdünnt 1 mg/ml 2–5 mg • Ipratropiumbromid, z. B. Atrovent Fertiginhalat 250 μg/2 ml Fertiginhalat • Salbutamol, z. B. Salbutamol Fertiginhalat 1,25 mg in 2,5 ml • Kombination Salbutamol + Ipratropiumbromid

Sauerstoffzufuhr Abb. 2.15 • Inhalative Gabe über Verneblermaske. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

▶ Technik • Verneblertopf aufschrauben, mit dem gewünschten Medikament befüllen und wieder zuschrauben • erforderliche Flüssigkeitsmenge in der Verneblerkammer 3–6 ml (je nach Ausführung) • Sauerstoffflasche aufdrehen, am Druckminderer gewünschten Flow einstellen, üblicherweise 6–8–10 l/min • Verneblermaske über Mund und Nase des sitzenden Patienten aufsetzen, Fixiergummi über den Kopf ziehen • Patienten langsam und tief einatmen lassen • dem Patienten empfehlen, die Augen zu schließen, damit möglichst keine Reizungen hervorgerufen werden • Dauer der Anwendung in Abhängigkeit von der Symptomatik, in aller Regel nicht > 15 min 36

2.5 Intranasale Medikamentenapplikation ▶ Eine insbesondere bei Kindernotfä llen wichtige Alternative zur i. v. und i. o. Applikation von Medikamenten ist die Medikamentengabe über die Nasenschleimhaut (transmukosale Absorption): • schneller und einfacher Applikationsweg • Wirkungseintritt annähernd so schnell wie bei intravenöser Gabe • bei zerebralem Krampfanfall schnellerer Wirkungseintritt als bei rektaler Applikation ▶ Nachgewiesen ist die Wirksamkeit fü r folgende Medikamente: • Midazolam (S. 237) • Ketamin, S-Ketamin (S. 233) • Morphin (S. 238) • Fentanyl (S. 227) • Flumazenil (S. 228) • Naloxon (S. 239) ▶ Applikationssysteme Eine effektive Methode zur Gabe von flüssigen Substanzen auf die Nasenschleimhaut sind Zerstä ubersysteme (z. B. MAD = „mucosal atomization device“), Abb. 2.16. Das MAD wird auf eine Standard-Spritze aufgesetzt und zerstäubt das Medikament beim Spritzen durch die feinen Düsen an der Spitze. Das Medikament legt sich wie ein feiner Nebel auf die Schleimhaut und kann optimal resorbiert werden. Der Luer-Lock-Anschluss ermöglicht eine Kombination mit allen Luer- und Luer-LockSpritzen.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.5 Intranasale Medikamentenapplikation

Abb. 2.16 • Nasale Applikation von Medikamenten. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

▶ Technik • ggf. Nasenlöcher reinigen • Medikamente in höherer Konzentration, d. h. mit weniger Volumen, verwenden (z. B. Midazolam (S. 237) 15 mg/3 ml, Morphin (S. 238) 1 mg = 1 ml unverdünnt) • ab 1 ml Gesamtmenge beide Nasenlöcher nutzen, um die Absorptionsflä che zu vergrößern, ca. 0,2–0,5 ml pro Nasenloch • Wiederholung nach 5–10 min möglich ▶ Dosierungen • Eine intranasale Medikamentenapplikation stellt aktuell (2018) immer noch eine „Off- Label“-Anwendung dar! • Es sollten möglichst immer nur 0,5 bis max. 1,0 ml je Nasenloch appliziert werden, ein Totraum des Applikators von 0,1 ml kann hinzugerechnet werden! Tab. 2.6 37

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.5 Intranasale Medikamentenapplikation Tab. 2.6 • Dosierungstabelle zur nasalen Medikamentenapplikation (z. B. MAD). Medikament/ Dosierung

Körpergewicht (kg) 10

15

20

25

30

35

40

50

Morphin (10 mg/ml), 0,1 mg/kg in mg

1 mg

1,5 mg

2 mg

2,5 mg

3 mg

3,5 mg

4 mg

5 mg

in ml

0,1 ml

0,15 ml

0,2 ml

0,25 ml

0,3 ml

0,35 ml

0,4 ml

0,5 ml

Fentanyl (100 µg/2 ml), 1 µg/kg in µg

10 µg

15 µg

20 µg

25 µg

30 µg

35 µg

40 µg

50 µg

in ml

0,2 ml

0,3 ml

0,4 ml

0,5 ml

0,6 ml

0,7 ml

0,8 ml

1 ml

Sufentanil (50 µg/ml), 7 µg/kg in µg

Kein Sufentanil empfohlen

14 µg

17,5 µg

21 µg

25 µg

28 µg

35 µg

in ml

Kein Sufentanil empfohlen

0,3 ml

0,35 ml

0,4 ml

0,5 ml

0,55 ml

0,7 ml

Ketamin (50 mg/ml), 2 mg/kg in mg

20 mg

30 mg

40 mg

50 mg

60 mg

70 mg

80 mg

100 mg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2 ml

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

S-Ketamin (25 mg/ml), 1 mg/kg in mg

10 mg

15 mg

20 mg

25 mg

30 mg

35 mg

40 mg

50 mg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2 ml

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

Midazolam (15 mg/3 ml), Krampfanfall: 0,2 mg/kg in mg

2 mg

3 mg

4 mg

5 mg

6 mg

7 mg

8 mg

10 mg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2l

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

Lorazepam (4 mg/ml), 0,1 mg/kg in mg

1 mg

1,5 mg

2 mg

2,5 mg

3 mg

3,5 mg

4 mg

4 mg

in ml

0,25 ml

0,35 ml

0,5 ml

0,65 ml

0,75 ml

0,9 ml

1 ml

1 ml

Naloxon (0,4 mg/ml) 2 mg für alle Gewichtsklassen Flumazenil (0,1 mg/ml), 40 µg/kg in µg

400 µg

600 µg

800 µg

1000 µg

1200 µg

1400 µg

1600 µg

2000 µg

in ml

0,4 ml

0,6 ml

0,8 ml

1 ml

1,2 ml

1,4 ml

1,6 ml

2 ml

Glukagon (1 mg/ml) 2 mg für alle Gewichtsklassen

38

2.6 Beatmung Indikation Kinder haben aufgrund ihres hohen Sauerstoffbedarfs bei einer gleichzeitig, im Vergleich zum Erwachsenen, niedrigeren pulmonalen Residualkapazität eine deutlich kürzere Apnoetoleranz als der Erwachsene. Ein Sauerstoffmangel führt beim Kind rasch zu Bradykardie und Asystolie. Die Sicherstellung einer ausreichenden Oxygenierung und Ventilation steht daher im Rahmen der Notfallversorgung im Kindesalter an erster Stelle. Die Indikation zur Beatmung eines Kindes wird folglich früh und relativ weit gestellt, immer aber sollte dabei die jeweils am wenigsten invasive Technik gewählt werden. Merke Bei erhaltenen Schutzreflexen und vorhandener Spontanatmung des Kindes kann oft schon durch eine alleinige großzügige Sauerstoffapplikation eine Hypoxämie vermieden bzw. beseitigt werden.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Vorsicht Sobald eine suffiziente Atmung durch einfache Maßnahmen (Freimachen und Freihalten der Atemwege, großzügige Sauerstoffapplikation) nicht mehr gewährleistet ist, muss beatmet werden. ▶ Die Indikationen für eine sofortige Beatmung sind: • jede schwere respiratorische Störung • Herz-Kreislauf-Stillstand (wenn Patient nach erfolgreicher Reanimation sofort wieder atmet, keine Beatmung) • Komata (ab GCS ≤ 8) • Schädel-Hirn-Trauma (ab GCS ≤ 8) • instabiler Thorax • Vergiftungen mit Atemgiften • grundsätzlich nach jeder Intubation (erhöhter Atemwegswiderstand lässt beim spontan über den Tubus atmenden Kind die Atemarbeit steigen [O2-Verbrauch↑] und führt zu Atelektasen) ▶ Abhängig von der Schwere des Krankheitsbilds ergeben sich weitere Indikationen: • schwere exogene Vergiftungen • Polytrauma • Verbrennungen • Ertrinkungsunfall • Lungenarterienembolie ▶ Als messtechnischer Indikator für die Notwendigkeit einer Beatmung dient in erster Linie auch die mithilfe der Pulsoxymetrie gemessene partielle Sauerstoffsättigung (pSaO2): • Werte < 90 % sprechen für eine Hypoxie. • Werte < 75 % gehen in aller Regel mit einer klinischen Zyanose einher. Somit erfasst die Pulsoxymetrie (unter Berücksichtigung der Fehlermöglichkeiten (S. 63)) den klinisch oft nur schwer einzuschätzenden Bereich zwischen 75 % und 90 % relativ gut – und zeigt auch, ob eine alleinige Sauerstoffzufuhr bereits eine deutliche Verbesserung erbringt.

39

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung

Beatmungsformen Die Beatmung ist mit oder ohne Hilfsmittel möglich, Tab. 2.7: ▶ ohne Hilfsmittel: • Mund zu Mund • Mund zu Nase • Mund zu Mund und Nase ▶ mit Hilfsmittel: • Mund zu Hilfsmittel • Atembeutel zu Maske • Atembeutel zu Tubus • Beatmungsgerät zu Tubus Als einfachste Form der Beatmung, die ohne jedes Hilfsmittel und in jeder Situation durchführbar ist, bietet sich die Atemspende in Form der Mund-zu-Mund-Beatmung an. Tab. 2.7 • O2-Konzentration bei verschiedenen Beatmungstechniken. Beatmungstechnik

Inspiratorische O2-Konzentration

Mund-zu-Mund-Beatmung (Ausatemluft)

17 %

Spontan- und Beutel-Masken-Beatmung (Raumluft)

21 %

Beutel-Masken-Beatmung mit 10 l/min Sauerstoffanschluss

bis 40 %

Beutel-Masken-Beatmung unter Verwendung eines Reservoirbeutels, 10–15 l/min O2

bis ca. 95 %

maschinelle Beatmung

100 %

Richtgrößen Atemfrequenz und Atemzugvolumen können bei Säuglingen und Kindern stark variieren, Tab. 2.8. Tab. 2.8 • Richtgrößen für Atemfrequenz, Beatmungsfrequenz und Atemzugvolumen bei Säuglingen und Kindern. Altersstufe

Normale Atemfrequenz/min

Beatmungsfrequenz/min

Atemzugvolumen [ml]

Grundsatz: 6–10 ml/kg KG

40

Neugeborene

40–60

30–40

20–35

Säuglinge

25–40

25–40

40–100

Kleinkinder

20–30

20–25

150–200

Schulkinder

20–25

16–22

300–400

Jugendliche

12–16

15–20

300–500

2.6 Beatmung

Erweiterte Notfallmaßnahmen

Beatmung ohne Hilfsmittel ▶ Säugling, Abb. 2.17: • Kopf neutral lagern, Kinn nur leicht anheben • „Schnüffelstellung“: Nase bleibt höchster Punkt • Mund-zu-Mund-und-Nase-Beatmung • evtl. auch Mund-zu-Mund-Beatmung • Inspiration über 1s • auf Thoraxbewegungen achten • 5 Atemspenden durchführen

Abb. 2.17 • Beatmung ohne Hilfsmittel beim Säugling.

2

Mund-zu-Mund-und-NaseBeatmung

Merke Beim Säugling ist der Kopf in Rückenlage eher nach vorn gebeugt, sodass eine leichte Streckung erforderlich sein kann. Diese Position lässt sich z. B. durch das Unterlegen eines zusammengerollten Handtuchs oder einer Decke unter den Oberkörper/ die Schulterblätter erzielen! ▶ Kind > 1 Jahr, Abb. 2.18: • leichte Kopfüberstreckung • und Anhebung des Kinns • Mund-zu-Mund-Beatmung • evtl. auch Mund-zu-Nase-Beatmung • Inspiration über 1s • auf Thoraxbewegungen achten • 5 Atemspenden durchführen

Abb. 2.18 • Beatmung ohne Hilfsmittel beim Kind.

Vorsicht Sollten die Beatmungshübe ineffektiv bleiben, könnten die Atemwege verlegt sein → Suche nach Fremdkörpern im Mund-Rachenraum → Esmarch-Handgriff versuchen.

41

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung

Freihalten der Atemwege mit Pharyngealtuben ▶ Indikation Pharyngealtuben sollen die Atemwege frei halten, indem sie vor allem das Zurückfallen des Zungengrunds verhindern, Abb. 2.19. Verwendung heute in erster Linie: • zur Erleichterung einer Maskenbeatmung • als Beißschutz nach orotrachealer Intubation

Guedel-Tubus

Wendl-Tubus

Abb. 2.19 • Pharyngealtuben.

Vorsicht Pharyngealtuben werden oral als Oropharyngealtuben (vor allem Guedel-Tuben) und nasal als Nasopharyngealtuben (z. B. Wendl-Tuben) eingesetzt. Anstelle eines Wendl-Tubus hat sich das Einbringen eines entsprechend dünnen Endotrachealtubus bewährt. Hält man den Mund des Säuglings zu, kann man sogar beatmen (via Normkonnektor!). Einführtiefe = Distanz Nase – Ohr. ▶ Vor- und Nachteile Die Vorteile der Nasopharyngealtuben liegen in der Vermeidung von Zahnschäden und in der geringeren Auslösung von reflektorischen Würgereizen (bessere Toleranz). Nachteilig ist das schmerzhafte Einbringen und das leichte Auslösen von Nasenbluten – vor allem bei kleinen Kindern.

Abb. 2.20 • Technik zur Einführung des Tubus durch den Mund.

▶ Technik • richtige Größe des Tubus wählen, Tab. 2.9 • Guedel-Tubus, Abb. 2.20 – Tubus in den Mund einführen, wobei die pharyngeale Öffnung des Tubus zunächst zum Gaumen zeigt – Tubus in dieser Lage dann rachenwärts schieben und dabei um 180° drehen, Zungengrund dabei durch die Drehbewegung nach vorne drängen • Wendl-Tubus, Abb. 2.21 – Tubus wenn möglich anfeuchten – Tubus langsam mit leicht drehenden Bewegungen senkrecht zur Gesichtsachse über ein Nasenloch einführen – unter Kontrolle des Atemgeräuschs vorschieben 42

Tab. 2.9 • Richtwerte für Guedel- und Wendl-Tuben. Altersstufe

Tubusgröße Guedel-Tubus

Tubusgröße Wendl-Tubus

Frühgeborene

000

12 Chv

Säuglinge

00–0

12–14 Chv

Kleinkinder

0–1

16–18 Chv

Kinder

1–2

20–24 Chv

Jugendliche

2–4

26 Chv

Faustregel für Guedel-Tuben: Länge = Entfernung Mundwinkel – Ohrläppchen

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Abb. 2.21 • Technik zur Einführung des Tubus durch die Nase.

Beatmung mit Hilfsmitteln Die Beatmung mit Hilfsmitteln wird in erster Linie als Maskenbeatmung mit Babyoder Kinderbeatmungsbeutel durchgeführt. Alle Beutel funktionieren dabei nach demselben Prinzip, der entscheidende Unterschied liegt in den verschiedenen Volumina. Gesichtsmasken für Kinder passen sich der jeweiligen Gesichtsform an. Obwohl die Beutel-Masken-Ventilation weiterhin als initiale Methode zur kontrollierten Beatmung empfohlen wird, stellen supraglottische Atemwegshilfen, an erster Stelle die Larynxmaske und der Larynxtubus, eine akzeptierte und zunehmend verbreitete Alternative dar. Vorsicht Meistens können Kinder – auch z. B. bei einer Epiglottitis – über Beutel-MaskenBeatmung ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. ▶ Beutel-Maske-Beatmung Die Beutel-Maske-Beatmung ist eine effektive und sichere Methode zur Beatmung von Kindern, Tab. 2.10. Durchsichtige Rundmasken mit weichem Rand sind ideal für Säuglinge und kleine Kleinkinder, geformte Masken bieten bei Kindern ab etwa 15 kg KG Vorteile, Tab. 2.11.

43

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung Tab. 2.10 • Typen verschiedener Beatmungsbeutel. Größe

Erwachsenenbeutel

Kinderbeutel

Babybeutel

Körpergewicht

über 30 kg KG

7–30 kg KG

weniger als 7 kg KG

Tab. 2.11 • Größen von Gesichtsmasken für Säuglinge und Kinder. Alter

Größe

Frühgeborene, Neugeborene, Säuglinge bis 12 Monate

0

12 Monate

1

2. Lebensjahr

1–2

3.–4. Lebensjahr

2

5.–6. Lebensjahr

2–3

7.–10. Lebensjahr

3

11.–12. Lebensjahr

3–4

13.–14. Lebensjahr

4

▶ Technik der Maskenbeatmung • richtigen Beatmungsbeutel und passende Beatmungsmaske wählen • Bei tiefer Bewusstlosigkeit und, wenn trotz korrekter Lagerung (s. u.) nur eine erschwerte Beatmung möglich ist, ggfs. einen Guedel-Tubus einführen; dadurch wird die Zunge sicherer fixiert und der Atemweg bis zum Rachen freigehalten. • Helferposition: hinter dem Kind • Kopf des Kindes vorsichtig überstrecken (nicht bei Säuglingen)! • Maske aufsetzen und halten (normalerweise mit der linken Hand), Abb. 2.22: – Klein-, Ring- und Mittelfinger umfassen das Kinn und ziehen es nach vorne. – mit Daumen und Zeigefinger derselben Hand Maske im sog. C-Griff fest über Mund- und Nasenöffnung des Kindes drücken • Beatmungsbeutel bedienen (mit der anderen [normalerweise rechten] Hand): – Atemfrequenz ca. 10–30 Hübe pro Minute (Tab. 2.8) – Atemstoß zügig (Inspirationszeit ca. 1s) abgeben – Exspirationszeit ausreichend lang, d. h. ca. 1,5–2 s für die passive Ausatmung zulassen – Thoraxbewegung kontrollieren, Kriterium für ein ausreichendes Tidalvolumen ist das sichtbare Heben des Brustkorbs mit jeder Ventilation.

44

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Abb. 2.22 • Maskenbeatmung.

Merke Für eine erfolgreiche Maskenventilation ist die optimale Lagerung des Kindes obligatorisch. Das Kind sollte mithilfe einer Nackenrolle als Unterlagerung der Schulterregion in Neutralposition (Schnüffelstellung) gebracht werden (Cave: großen Kopf des Kindes beachten), um eine Verlegung des Atemwegs durch Zurückfallen der großen Zunge auf die Rachenhinterwand zu verhindern. ▶ Typische Fehler Ein typischer Fehler durch den Ungeübteren bei der Beutelbeatmung von Kindern ist die „zu kräftige“ Beatmung und eine dadurch bedingte Luftinsufflation in den Magen mit konsekutivem Zwerchfellhochstand, Atelektasenbildung und Verschlechterung der Oxygenierung, Tab. 2.12. Um dies zu vermeiden, sollte man den Beatmungsspitzendruck möglichst < 15mbar halten. Faustregel für Beatmungsdruck: Kinderbeatmungsbeutel rasch komprimiert zwischen • Daumen und Zeigefinger → 10 cmH2O • Daumen und zwei Fingern → 20 cmH2O • Daumen und drei Fingern → 30 cmH2O Tab. 2.12 • Weitere typische Fehler bei der Maskenbeatmung. Fehler

Wirkung

Maske wird nicht von der Nase her aufgesetzt

undichter Sitz

C-Griff wird nicht angewendet

undichter Sitz

Beutel wird zu schnell ausgedrückt: hohe Beatmungsdruckspitzen

Gefahr der Magenüberblähung

nicht angepasste / nicht ausreichende Überstreckung des Kopfes

Gefahr der Magenüberblähung

zu ruckartiges Überstrecken des Kopfes

Gefahr der HWS-Schädigung

Finger drücken zu stark auf die Weichteile zwischen den beiden Ästen des Unterkiefers („Zungendreieck“)

Atemwegsverlegung

45

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung

Supraglottische Atemwegshilfen (SGA) Gestaltet sich die Maskenbeatmung schwierig, bietet sich der Einsatz von supraglottischen Atemwegshilfen an. Prinzipiell sind hier die Larynxmaske (LM) oder der Larynxtubus (LT) verfügbar. Die Evidenz für erfolgreiche Anwendungen der LM im Kindesalter ist im Vergleich zum LT deutlich größer (Stand Oktober 2017). Vor allem bei Kindern unter 10 kg KG erscheint eine Anwendung des LT aufgrund der aktuellen Studienlage nicht sicher durchführbar und kann derzeit nur eingeschränkt bzw. nicht empfohlen werden. Bei supraglottischen Atemwegshilfen ist das Risiko von Magenüberblähungen und damit auch für Regurgitation und Aspiration erhöht. Eine notfallmäßig verwendete SGA sollte über die Möglichkeit einer Magendrainage verfügen. Die Kapnografie im Rettungsdienst ist bei jeder invasiven Form der Atemwegssicherung, also auch beim Einsatz von SGA, zwingend erforderlich, da nur so eine korrekte Lage mit suffizienter Ventilation sichergestellt werden kann.

Larynxtubus (LT) ▶ Indikationen • Sicherung der Atemwege bei unmöglicher endotrachealer Intubation • Alternative zur endotrachealen Intubation für den Ungeübten ▶ Kontraindikation • noch vorhandene Schutzreflexe • erhöhte Aspirationsgefahr • größere Verletzungen im Pharynxbereich ▶ Prinzip Die Standard-LT sind Ein-Lumen-Tuben, die am distalen Ende verschlossen und mit einer ventral gelegenen Öffnung versehen sind. Die Atemwege werden über einen ösophagealen und einen pharyngealen Ballon abgedichtet, die über eine gemeinsame Zuleitung mit Luft gefüllt werden. Der ösophageale Cuff verschließt die Speiseröhre, der pharyngeale Cuff den Nasen-Rachen-Raum, sodass die Luft nur noch über die dem Kehlkopfeingang gegenüberliegende Öffnung entweichen kann, Abb. 2.23. Der Larynxtubus wird blind eingeführt und erfordert demnach kein Intubationsinstrumentarium und auch keine Intubationserfahrung. Zur Verbesserung des Aspirationsschutzes sind auch Larynxtuben mit einem zusätzlichen Drainagelumen erhältlich. Über dieses Lumen kann eine Magensonde eingeführt werden und so eine aktive Druckentlastung und Absaugung des Magens durchgeführt werden. Ein bei Kindern notfallmäßig verwendeter LT sollte möglichst über die Möglichkeit einer Magendrainage verfügen.

Abb. 2.23 • Larynxtubus.

46

Tab. 2.13 • Verschiedene Größen von LT. Größe

Altersgruppe

Farbe des Konnektors

Füllvolumen der Cuffs

0

Neugeborene bis 5 kg KG

transparent

10 ml

1

Babys, 5–12 kg KG

weiß

20 ml

2

Kinder, 12–25 kg KG

grün

35 ml

2,5

Kinder 125–150 cm Größe

orange

40 ml

3

Kinder und kleine Erwachsene bis 155 cm Größe

gelb

60 ml

4

Erwachsene von 155–180 cm Größe

rot

80 ml

5

Erwachsene > über 180 cm Größe

violett

90 ml

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

▶ Tubusgrößen Die verschiedenen Größen der LT sind nachfolgend dargestellt, Tab. 2.13: ▶ Larynx-Tubus-Suction (LTS)

Abb. 2.24 • Doppellumiger Larynx-Tubus-Suction (LTS). Bei der doppellumigen Variante LTS (= LarynxTubus-Suction) wird durch einen 2. Kanal der Magen entlastet und durch Einführen einer Magensonde der Aspirationsschutz nochmals erhöht.

Tab. 2.14 • Verschiedene Größen von LTS. Größen

maximale Magensonde [Charrière]

0, 1

10 CH

0, 2,5

16 CH

3, 4, 5

18 CH

▶ Technik • richtige Größe des LT auswählen • beide Cuffs komplett mit Spritze entlüften, damit diese möglichst eng am Tubus anliegen • den LT ausreichend mit Gleitmittel versehen, notfalls Wasser nehmen, • idealerweise Kopf des Kindes überstrecken (wie bei der endotrachealen Intubation), Abb. 2.25 47

2.6 Beatmung

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

Abb. 2.25 • Ablauf Larynxintubation.

• Mund des Kindes öffnen und den LT zentral einführen, dabei die Unterseite des LT mit der Spitze gegen den harten Gaumen des Kindes drücken und sanft am Gaumen entlang mittig in den Hypopharynx schieben, bis die mittlere Markierung auf Höhe der Zahnreihe liegt. Tubus nicht mit Gewalt einführen! • beide Cuffs aufpumpen: – mit Cuffdruckmessgerät: mehrmalig auf ca. 60 cmH2O aufpumpen (dabei werden automatisch zuerst der pharyngeale und dann der ösophageale Tubus gefüllt, wodurch die korrekte Lage stabilisiert wird); anschließend durch Drücken des roten Ablassventils den Druck auf 60–70 cmH2O einstellen – ohne Manometer: Cuff mit einer 50-ml-Blockerspritze füllen, dabei Füllvolumen abhängig von der Tubusgröße wählen • korrekte Lage des LT durch Auskultation überprüfen: – Beatmung nicht ausreichend: Tubus entweder weiter einschieben oder etwas hinausziehen (jeweils ca. 1 cm) bis auf die jeweilige äußere Markierung – Beatmung immer noch nicht ausreichend: LT entfernen und evtl. andere Größe verwenden • Beißblock einsetzen (fixiert und schützt den Tubus)

Larynxmaske (LM) Die Beatmung mit der Larynxmaske wird als wirkungsvoller und einfacher als die Beatmung mit dem Beatmungsbeutel eingestuft, der Geübte sollte sie der Beutel-Masken-Beatmung vorziehen, sie stellt auch eine echte Alternative zur Intubation dar. ▶ Indikationen • Maßnahme bei nicht unverzüglich beherrschbaren Intubationsschwierigkeiten • Überbrückungsmaßnahme bis zur definitiven (z. B. später innerklinischen) Intubation ▶ Einsatz in der Klinik Im Bereich der klinischen Anästhesie findet die LM bei Kurznarkosen als Alternative zur endotrachealen Intubation und zur Maskenbeatmung zunehmend Verbreitung. Voraussetzungen für den Einsatz der LM im klinischen Bereich sind: • keine erhöhte Aspirationsgefahr, Nüchternheit (die LM schützt nicht sicher vor Aspiration!) • ausreichend tiefe Narkose, ausgeschaltete Schutzreflexe • keine größeren Verletzungen im Pharynx, keine Verlegungen im Larynx • ausreichende Erfahrung des Anwenders 48

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Abb. 2.26 • Larynxmaske.

▶ Einsatz im Rettungsdienst Die Kapnografie im Rettungsdienst ist bei jeder invasiven Form der Atemwegssicherung, also auch beim Einsatz der LM, zwingend erforderlich, da nur so eine korrekte Lage mit suffizienter Ventilation sichergestellt werden kann. ▶ Prinzip LM bestehen aus einem ovalen, maskenähnlichen Silikonkörper mit aufblasbarem Cuff-Rand, verbunden mit einem weitlumigen Tubus, Abb. 2.26. Der Silikonkörper soll mit aufgeblasenem Cuff Epiglottis und Kehlkopf gegen Mundhöhle und Ösophagus abdichten und über den Tubus eine direkte „Luftbrücke“ zwischen Beatmungsbeutel und Larynxeingang ermöglichen. ▶ Maskengrößen LM sind in verschiedenen Größen erhältlich, mit den Standardgrößen 1–5 kann man den Gewichtsbereich vom Neugeborenen bis zum 100-kg-Menschen abdecken, Tab. 2.15. Bei supraglottischen Atemwegshilfen ist das Risiko von Magenüberblähungen und damit auch für Regurgitation und Aspiration erhöht. Aus diesem Grund sollte gerade beim Kindernotfall wenn möglich immer eine Larynxmaske mit Ösophaguskanal zur Anlage einer Magensonde gewählt werden. Tab. 2.15 • Verfügbare Größen der LM und maximale Füllvolumina. Größe

Körpergewicht

Maximales Cuff-Volumen

1

Neugeborene < 5 kg

bis zu 4 ml



Kleinkinder 5–10 kg

bis zu 7 ml

2

Kleinkinder 10–20 kg

bis zu 10 ml



Kinder 20–30 kg

bis zu 14 ml

3

Kinder 30–50 kg

bis zu 20 ml

4

Erwachsene 50–70 kg

bis zu 30 ml

5

Erwachsene 70–100 kg

bis zu 40 ml

49

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung

▶ Vorgehen • richtige Maskengröße auswählen • Helferposition: hinter dem Kind • Kopf des Kindes reklinieren und Reklination durch die linke Hand am Hinterkopf in dieser Position sichern, Abb. 2.27

Abb. 2.27 • Einführen einer Larynxmaske.

• LM mit der rechten Hand mit zungenwärts gerichteter Maskenöffnung und unter Beobachtung der Maskenspitze (darf nicht nach oben umknicken!) am harten Gaumen entlang peroral bis in den Hypopharynx vorschieben • mit der Kuppe des Zeigefingers der rechten Hand die Maske so weit wie möglich abwärts in die richtige Lage drücken • LM mit der linken Hand fixieren und Zeigefinger aus dem Rachen ziehen 50

• Cuff blocken, ohne dabei die LM festzuhalten, dabei zentriert sich die Maske normalerweise selbstständig. • manuelle Beatmung bei gleichzeitiger Lagekontrolle durch Auskultation und Inspektion der Thoraxexkursionen • Fixierung der LM (wie ein Endotrachealtubus)

Intubation Wenn möglich, sollten je nach klinischer Situation zunächst alle möglichen nichtinvasiven Verfahren zur Ventilation ausgeschöpft werden. Eine invasive Atemwegssicherung ist bei Kindern nur selten nötig. Untersuchungen zeigen, dass in der Notfallmedizin vor allem Kinder im Schulalter aufgrund eines Traumas intubiert werden müssen. ▶ Erhöhte Versagensrate Eine passende Gesichtsmaske und richtige Durchführung der Beatmung stellt in den meisten Situationen die sicherste Technik dar. Gelingt eine Intubation nicht, sollte spätestens nach dem 2. misslungenen Intubationsversuch mittels Gesichtsoder Larynxmaske beatmet werden. Selbst erfahrene Notfallmediziner haben bei Kindern eine erhöhte Versagensrate gegenüber der Intubation von Erwachsenen. Die endotracheale Intubation dient der bestmöglichen Sicherung der Atemwege. Sie ist der sicherste Aspirationsschutz und ermöglicht: • eine erleichterte Ventilation und Oxygenierung • eine effektivere Herzdruckmassage, weil sie für die Beatmung nicht mehr unterbrochen werden muss • die endotracheale und endobronchiale Absaugung • einen Applikationsweg für Notfallmedikamente (nach i. v. und i. o. 3. Wahl!) ▶ Indikation • Reanimation • Sicherung des Atemwegs bei Bewusstlosigkeit (ab GCS ≤ 8) • schwere Ateminsuffizienz, die nicht mit Sauerstoffinsufflation behoben werden kann • Polytrauma • SHT (GCS ≤ 8) • großflächige Verbrennungen • Inhalationstraumen • drohendes Zuschwellen der Atemwege bei anaphylaktischer Reaktion • nicht zu durchbrechender Status epilepticus und Status asthmaticus ▶ Zubehör Für eine Intubation ist das folgende Zubehör notwendig, Abb. 2.28, Tab. 2.16:

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Tab. 2.16 • Zubehör für eine Intubation. In jedem Fall notwendig

Zur Erfolgskontrolle, Beatmung und Fixierung notwendig

Evtl. notwendig (schwierige Intubationsverhältnisse, geplante Intubation)

• Laryngoskop mit Spatel • Endotrachealtubus • Blockerspritze

• Stethoskop • Beatmungsbeutel • Fixierpflaster oder -bandage • evtl. Guedel-Tubus • Kapnometer oder Easycap • Pulsoxymeter

• Führungsstab • Gleitmittel • (z. B. Xylocain-Gel oder Silikonspray) • Magill-Zange • Absauggerät • Beatmungsgerät

51

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung

Blockerspritze gebogener Spatel

gerader Spatel (Macintosh-Spatel) Absaugpumpe Laryngoskop Endotrachealtubus

Guedel-Tubus

Führungsstab

Stethoskop Fixierband

Magill-Zange

Gleitmittel Beatmungsbeutel Abb. 2.28 • Übersicht Zubehör Intubation.

▶ Tubusgrößen Die notfallmäßige Intubation wird in aller Regel als orotracheale Intubation durchgeführt. Abhängig von Alter und Geschlecht werden dazu Tuben unterschiedlicher Größe benötigt, Tab. 2.17: Tab. 2.17 • Tubusgrößen.

52

Alter

Innendurchmesser [mm]

Außendurchmesser [Charrière]

Frühgeborene

2,5

12

Neugeborene

3,0

14

6 Monate

3,5

16

12 Monate

4,0

18

2. Lebensjahr

4,5

20

3.–4. Lebensjahr

4,5–5,0

20–22

5.–6. Lebensjahr

5,0–5,5

22–24

7.–8. Lebensjahr

5,5–6,0

24–26

9.–10. Lebensjahr

6,0–6,5

26–28

11.–12. Lebensjahr

6,5–7,0

28–30

13.–14. Lebensjahr

7,0–7,5

30–32

▶ Anhaltspunkte für die Wahl des Tubus bei Kindern: • Innendurchmesser [mm] = (Alter des Kindes/4) + 4 • Außendurchmesser [Charr] = 18 + Alter des Kindes (gilt ab 3. Lebensjahr) • Stärke des Tubus = Stärke des Mittelglieds des kleinen Fingers des Kindes • Einführtiefe des Tubus (cm) = (Alter des Kindes/2) + 12 (bis Zahnreihe) • bei Neugeborenen und kleinen Säuglingen geraden Laryngoskop-Spatel verwenden • Bis zur Tubusgröße von Innendurchmesser 5,5–6,0 ist meist kein Cuff erforderlich, da der Ringknorpel die engste Stelle der kindlichen Atemwege darstellt. • bei Kindern < 6 Jahren meist nicht geblockte Tuben, danach geblockte Tuben • bei Neugeborenen/ Säuglingen immer ungeblockten Tubus verwenden • Vorteile gecuffte Tuben: – Umintubationen kaum notwendig – Aspirationsrisiko geringer – kleiner gecuffter Tubus weniger traumatisch als zu großer ungecuffter Tubus

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Vorsicht Wenn man gecuffte Tuben verwendet, darf man nur so stark blocken, dass der Tubus bei normalen Atemwegsdrücken gerade dicht ist. Cave: Cuff-Druck < 20 cmH2O, andernfalls Drucknekrosen möglich. Deshalb: Verwendung von blockbare Tuben mit Low-Pressure-Cuffs und CuffDruck-Messung! ▶ Spatelgrößen Die Wahl der Spatelgröße richtet sich nach dem Gewicht des Kindes, Tab. 2.18: Tab. 2.18 • Wahl der Spatelgröße. Gewicht

Spatelgröße

< 10 kg

0

10–15 kg

1

15–25 kg

2

> 25 kg

3

Vorsicht Säuglingsalter: Laryngoskop mit geradem Intubationsspatel verwenden. Kindesalter: Laryngoskop mit gebogenem Intubationsspatel verwenden. ▶ Vorgehen orotracheale Intubation • Instrumentarium frühzeitig richten lassen, möglichst vorher Zugang legen und Monitoring anschließen (Minimum Pulsoxymeter), Abb. 2.29 • ausreichende Präoxygenierung: Kind mit Maske und Sauerstoff beatmen, bis eine ausreichende Sauerstoffsättigung und möglichst normale Herzfrequenz erreicht sind. Bei Herzstillstand sollte die Herzdruckmassage für die Intubation höchstens für 30 Sekunden unterbrochen werden. • Kind flach auf den Rücken lagern, größere Kinder werden dabei wie Erwachsene gelagert (Schnüffelstellung, flaches Polster unter Kopf), Säuglinge haben durch den großen Kopf ein „eingebautes Intubationskissen“, hier hilft eine Stoffrolle unter den Schultern. • Laryngoskop mit der linken Hand vom rechten (!) Mundwinkel her so einführen, dass die Zunge nach links und vorne weggeschoben wird 53

2.6 Beatmung

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

Abb. 2.29 • Vorgehen bei orotrachealer Intubation.

Tab. 2.19 • Kriterien für korrekte Lage des Tubus und Gründe für plötzlich auftretende Probleme beim intubierten Kind. (Quelle: Kerbl R, Kurz R, Roos R, Wessel L, Reiter K. Checkliste Pädiatrie. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2015) Kriterien für korrekte Tubuslage

Gründe für plötzliche Probleme bei intubiertem Kind („DOPES“)

• Tubus hat unter Sicht Stimmritze passiert • symmetrische Thoraxbewegungen • Atemgeräusch über beiden Lungen gleichmäßig laut • Atemgeräusch über Magen kaum hörbar, keine Magenüberblähung • bei Thoraxkompression strömt Luft hörbar aus dem Tubus • Kondenswasser im Tubus bei Exspiration • Verbesserung der O2-Sättigung • Kapnografie zeigt korrektes end-pCO2 an

• D: „Displacement“ des Tubus • O: Obstruktion des Tubus • P: Pneumothorax • E: „Equipment failure“ (z. B. O2-Zufuhr, Beatmungsgerät) • S: Stomach (durch Überblähung des Magens ungünstige Rückwirkung auf Zwerchfellmechanik)

▶ Weiteres Vorgehen je nach Alter des Kindes • Säuglingsalter: Laryngoskop mit geradem Intubationsspatel – Larynxspatel zunächst tief einführen, dann in Griffrichtung (!) anheben, nicht hebeln (!) und dann langsam zurückziehen. Die Epiglottis kann beim Säugling mit dem geraden Spatel „aufgeladen“ werden. 54

• Kindesalter: Laryngoskop mit gebogenem Intubationsspatel – langsam vortasten, bis die Epiglottis sichtbar wird – Der Laryngoskopspatel gleitet mit der Spitze zwischen Zungengrund und Epiglottis; durch Zug nach ventral-kaudal richtet sich die Epiglottis nun indirekt auf, die Stimmbänder sind sichtbar. • DOR-Manöver zur besseren Einsicht: Kehlkopf vom Helfer drücken und nach oben und rechts bewegen lassen • Tubus mit der rechten Hand unter Sichtkontrolle in die Trachea einführen, ohne Sichtkontrolle rutscht er meist in die hinten liegende Speiseröhre. • Beatmungsbeutel anschließen und Tubuslage kontrollieren: – Heben sich die Unterschlüsselbeindreiecke oder gar der Oberbauch? – Auskultation – etCO2 (Kapnometrie) • Tubus beim gecufften Tubus mit einer 5-ml-Spritze vorsichtig so weit blocken, bis Beatmung gerade dicht ist • Tubus mit Klebeband oder Mullbinde fixieren; Cave: kleine Kopfbewegungen → Extubation oder Tubus in Hauptbronchus; daher alles gut sichern! • Guedel-Tubus als Beißschutz einführen • Magensonde legen

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Vorsicht Kinder sterben, nicht weil man sie nicht intubieren kann, sondern weil man es nicht lassen kann.

Die notfallmäßige Koniotomie ▶ Indikation Inadäquate Qxygenierung des Patienten UND Beatmung mit Beutel und Maske, der Einsatz supraglottischer Atemwegshilfen und eine endotracheale Intubation misslingen z. B. bei Patienten mit supraglottischer oder auf Glottisebene befindlicher Atemwegsobstruktion: • Zungenschwellung (z. B. allergisch) • Verbrennung von Gesicht und Hals mit Weichteilschwellung • Inhalationstrauma mit Schleimhautschwellung • Blutung in Mund/Rachenraum bei Gesichtstrauma, laryngeales Trauma • Bolusgeschehen • massive Mundöffnungsbehinderung??? Vorsicht Die Koniotomie ist eine Ultima-Ratio-Maßnahme („cannot ventilate – cannot intubate“) und sie gelingt selbst dem aus einem operativen Bereich stammenden Notfallmediziner nicht immer. Die Komplikationsrate wird mit mind. 40 % beziffert, insbesondere präklinisch sind die Möglichkeiten, eine Koniotomie erfolgreich durchzuführen, limitiert. ▶ Definition Bei der Koniotomie wird das Lig. cricothyreoideum (Lig. conicum) zwischen Schildknorpel und Ringknorpel mit einem Querschnitt durchtrennt und dadurch ein offener Zugang zur Trachea geschaffen. Alternativ kann auch ein spezielles Notfallkoniotomiebesteck (z. B. Mini-Trach II, Quicktrach) verwendet werden. ▶ Technik • Hals des Patienten durch Unterpolsterung der Schulter überstrecken, bei Verdacht auf HWS-Verletzungen Kopf durch einen Helfer unter leichter Extension ohne Reklination in Mittelstellung fixieren. 55

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung

• Vorgehen ohne Notkoniotomie-Set, Abb. 2.30: – Schildknorpel (Adamsapfel) mit einer (z. B. der linken) Hand fixieren. Ertasten des Spalts zwischen Schildknorpelunterrand und Ringknorpeloberrand mit dem Zeigefinger. – Kehlkopf durch Vorspannen der Haut mit den Fingern der linken Hand fixieren. – 1–2 cm breite, quere Hautinzision zwischen den beiden Knorpeln setzen. – Wunde spreizen und mit weiterem Schnitt Querdurchtrennung des Lig. conicum im ertasteten Bereich (ca. 1–1,5 cm Schnittbreite), Inzision spreizen, z. B. mit Klemme oder Nasenspekulum. – Trachealtubus mit Schliff zur Trachealhinterwand einführen. Tubus eine Größe kleiner als errechnet, Kontrolle/Fixation. Cave: 40 % Komplikationen.

Quicktrach Notkoniotomieset Abb. 2.30 • Technik Koniotomie. Quicktrach Notkoniomieset

• Vorgehen mit Notkoniotomie-Set, Abb. 2.31: – Kehlkopf mit Daumen und Zeigefinger fixieren, – Spalt zwischen Schildknorpelunterrand und Ringknorpeloberrand ertasten, – Lig. conicum im 90°-Winkel punktieren, eine vorherige Inzision ist wegen der scharfen Spitze und konischen Form des Sets nicht notwendig, – wenn Luft durch die aufgesetzte Spritze aspiriert werden kann, Notfallset auf etwa 60° absenken und bis zum Stopper in die Trachea vorschieben; kann keine Luft aspiriert werden (z. B. Patienten mit adipösem Hals), Notfallset vorsichtig weiter vorschieben (ggf. auch den Stopper jetzt bereits entfernen), bis die Trachea erreicht ist, – Stopper entfernen; danach nur noch die Plastikkanüle vorschieben und die Nadel dabei fixieren (außer bei adipösen Patienten, s. o.), – Nadel und Spritze entfernen, Tubus und Beatmungsbeutel oder -gerät anschließen. 56

Stopper entfernen 45°

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

Abb. 2.31 • Vorgehen mit Notkoniotomie-Set.

Trachealpunktion Vorsicht Die meisten industriellen Sets sind für Kinder zu groß, Trachealpunktion mit einer großlumigen Kanüle möglich, die eine Oxygenierung, aber keine Beatmung erlaubt (z. B. mit einer 14-G-Venenkanüle, auf diese passt ein Normkonnektor des 3,0er Tubus).

Vorsicht Insgesamt ist der Atemwegsquerschnitt bei der Trachealpunktion niedrig, und es gibt keine Möglichkeit zur trachealen Absaugung oder Beatmung.

57

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

58

2.6 Beatmung

Maschinelle Beatmung ▶ Indikation Die Indikationen für eine maschinelle Beatmung in der Notfallmedizin entsprechen im Grundsatz denjenigen, die zu einer Intubation (S. 51) führen. Vorteile gegenüber der manuellen Beatmung sind u. a.: • vorherige Wahl von Atemfrequenz und Atemzugvolumen • Bei modernen Geräten erfolgt die Berechnung und Einstellung dieser Parameter leitliniengerecht automatisch schon mit Hilfe von Patientengröße und Geschlecht. • Erhöhung der O2-Konzentration bis auf 100 % • Möglichkeit der Anwendung eines PEEP • Entlastung des Rettungsdienstpersonals Hinzukommt bei den modernen Beatmungsgeräten die Möglichkeit der Durchführung einer NIV-Therapie (S. 60). ▶ Ziele • SaO2 – 88–95 % beim Frühgeborenen – > 93 % beim älteren Kind • paCO2 – 35–45(–60) mmHg • möglichst geringes Barotrauma der Lunge (→ niedriger PIP) • möglichst geringes Volutrauma der Lunge – Ziel: FG/NG 4–6(–8) ml/kg KG Atemzugvolumen, Kinder 7–9 ml/kg KG Atemzugvolumen • FiO2 – < 0,6 (höhere Konzentrationen über längere Zeit sind toxisch für Alveolarzellen). • möglichst geringe Beeinflussung von Herzzeitvolumen und Gehirnperfusion ▶ Eingesetzte Geräte Notarzteinsatzfahrzeuge und Rettungswagen sind normalerweise mit einfach bedienbaren Beatmungsgeräten ausgestattet, Abb. 2.32. Die präklinisch üblichen Geräte arbeiten primär volumenkontrolliert, d. h., es werden unabhängig vom Atemwegsdruck immer die eingestellten Hubvolumina verabreicht. Die neuen Geräte ermöglichen auch eine präklinische nichtinvasive Beatmung. ▶ Vorgehen • nach auskultatorischer Kontrolle der Tubuslage Beatmungsgerät anschließen • Gerät einstellen, Tab. 2.20

Display MEDUMAT Transport Messwertanzeige Akkuladezustand Nummerische Messwertanzeige

Modusanzeige

O2l 17 : 12 Ti = 1,9 s 40% p (mbar) ml 30

Vte

512 12

(0)

MVe

l/min

5,8

0 0 2 Flow [l/min] 40 0 0 2 CO2mmHg 80

30,4 5mbar

4

6

8

10

Anzeige Alarmstumm

12 Trigger

5 4

6

4

6

8

10

l/min

12

2

8 Freq

O2

12 % To

10

12/min

1:1,7

I:E

FiO2

Funktionsanzeige, kontextabhängige Funktionstasten Alarm-stumm-Taste mit LED

Funktionstaste, kontextabhängig

Bedienelemente MEDUMAT Transport

Vte

O2l 17 : 12 Ti = 1,9 s 40% p (mbar) ml 30

512 (0)

MVe

l/min

5,8

0 0 2 Flow [l/min] 40 0 0 2 CO2mmHg 80

4

6

8

10

12

4

6

8

10

12

30,4 5mbar

Funktionstaste, Hauptmenü

Trigger

5

etCO2mmHg

PEEP

+–

aPCV Mode

f(fsp) 1/min

12

Display Beatmungsverlauf

100%

20 00

plnsp 20mbar pMax 30mbar

Funktionsanzeige, kontextabhängige Stellknöpfe

Funktionstasten, Notfallbeatmung

+–

aPCV

etCO2mmHg

PEEP

Anzeige Akku-/ Netzbetrieb

Mode

f(fsp) 1/min

Funktionsanzeige, kontextabhängige Funktionstasten

Info-Feld

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.6 Beatmung

l/min 100%

20 00

2

4

6

plnsp 20mbar pMax 30mbar

8 Freq

I:E

1:1,7

FiO2

Navigationsknopf

Stellknöpfe, kontextabhängig

aPCV

512

O2

12 % To

10

12/min

Ein-/Stand-by-/ Aus-Taste

Funktionstaste, 100% O2 Funktionstaste, inspiratorische O2-Konzentration

+–

2

12 5,8 30,4

Abb. 2.32 • Beatmungsgeräte im Rettungswagen.

59

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.6 Beatmung Tab. 2.20 • Parameter zur Beatmung. Parameter

Einstellungen

Atemzugvolumen

ca. 4–6(–8) ml/kg KG Säugling: 6–8 ml/kg KG Kinder: 6–8-9 ml/kg KG

Atemfrequenz

Neugeborene 30–50/min Säugling: 25–40/min Kleinkind: 20–30/min Schulkind: 15–20/min

Atemminutenvolumen (Produkt aus Atemzugvolumen und Atemfrequenz)

100–300 ml/kg KG/min

FiO2 (Sauerstoffanteil der Inspirationsluft)

initial 100 %

Verhältnis In- zu Exspirationszeit

1:2

Inspirationsdruck

15–25 cmH2O, Spitzendruck max. 30–40 cmH2O

PEEP

4–6 cmH2O

PEEP Die Möglichkeit der PEEP-Anwendung ist sowohl bei den üblicherweise im Notarztdienst verwendeten Beatmungsgeräten als auch bei den meisten Beatmungsbeuteln durch Adaptation eines speziellen PEEP-Ventils gegeben. ▶ Indikationen PEEP ist bei nahezu jeder Beatmung sinnvoll, z. B.: • Polytrauma • schweres Thorax- und Lungentrauma • Zustand nach Reanimation • Beinahe-Ertrinken • schweres Lungenödem ▶ Prinzip Assistierte und kontrollierte Beatmung werden normalerweise auf einem Ausgangsdruckniveau von 0 cmH2O gehalten. In der Regel empfiehlt es sich jedoch, am Ende einer Exspiration ein positives Druckniveau (PEEP = „positive endexspiratory pressure“) in der Lunge zu erhalten. Über eine dadurch vergrößerte funktionelle Residualkapazität der Lunge kann der Atemwegswiderstand gesenkt und durch den erhöhten intraalveolären Druck eine Abnahme des intraalveolären Flüssigkeitsgehalts erzielt werden. Die Größe des PEEP wird in cmH2O angegeben. In der Notfallmedizin werden bei Kindern in der Regel nur Drücke von 4–6 cmH2O angewendet, um die bei höheren Werten zu erwartenden Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System (Reduzierung des venösen Rückflusses, problematisch im Schock!) zu vermeiden.

Nichtinvasive Beatmung (NIV) Die aktuellen S 3-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin von Ende 2015 empfehlen derzeit eine NIV bei Säuglingen und Kindern präklinisch, d. h. außerhalb einer Intensivstation nicht. Auch bei Asthma wird aufgrund der geringen dokumentierten Fallzahlen derzeit noch keine Empfehlung zur Anwendung gegeben. 60

Beurteilung der Beatmungsqualität Fast noch wichtiger als die schematische Einstellung der Beatmung sind die intensive Beobachtung des beatmeten Patienten (physiologisch aussehende Thoraxexkursionen sichtbar? Exspiration bis in Ruhelage?) und ggf. eine fortlaufende Korrektur der Beatmungsparameter nach den individuellen Bedürfnissen. ▶ Beobachtung: • Thoraxexkursionen ausreichend? • Einziehungen? • Synchronizität? • Überblähtes Abdomen (Zustand nach Maskenbeatmung)? • Spontane Atemanstrengungen? • Qualität der Interaktion zwischen Patient und Beatmungsgerät? • Notwendigkeit einer Analgosedierung? ▶ Auskultation: • Seitengleiche Belüftung? • Pathologische Atemgeräusche? • Leck? (Druck auf Krikoid reduziert das Leck) Monitoring von Beatmung (S. 65).

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.7 Notfallmonitoring

2.7 Notfallmonitoring Monitor-EKG ▶ Indikationen Rasche Erkennung von Herzrhythmusstörungen, Überwachung des Herzrhythmus und der Herzfrequenz. ▶ Vorgehen Die schnellste Möglichkeit, ein Monitor-EKG zu erhalten, ist die Ableitung über die Defi-Paddles. Dazu müssen die Paddles auf den üblichen Stellen (Apex und Sternum) aufgesetzt, angepresst und ruhig gehalten werden, Abb. 2.33. Sobald wie möglich sollte dann zur (bildstabileren) Elektrodenableitung gewechselt werden. 3 oder 5 Klebeelektroden so auf dem Thorax des Kindes befestigen, dass die Herzachse nach Möglichkeit innerhalb der Ableitungen liegt. Für die Langzeitüberwachung ist es zweckmäßig, die Elektroden so zu platzieren, dass die Aktionsspannung mit günstiger Kurvenform (positive R-Zacke) und ausreichender Amplitude störungsfrei abgeleitet werden kann. Der größte Ausschlag wird dargestellt, wenn die Elektroden ober- und unterhalb des Herzens auf der elektrischen Achse angebracht sind. rot gelb

rot

schwarz

gelb

schwarz weiß

grün

Abb. 2.33 • Mögliche EKG-Ableitungspunkte.

61

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.7 Notfallmonitoring

▶ Probleme • Das Stromkurvenbild entspricht in der Regel keiner der „klassischen“ Ableitungen im Standard-EKG. Daher sind keine sicheren Aussagen, z. B. über Herzinfarktzeichen, möglich. • Technische Störungen können Herzrhythmusstörungen vortäuschen, aber auch verbergen. Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Situation des Kindes sollte daher nicht allein das EKG, sondern vor allem der klinische Zustand des Kindes sein.

12-Kanal-EKG ▶ Extremitätenableitungen • rechter Arm = rot (oder 1 Ring), Abb. 2.34 • linker Arm = gelb (oder 2 Ringe) • linkes Bein = grün (oder 3 Ringe) • rechtes Bein = schwarz (Erde)

rot

gelb V1–V6

schwarz

grün

Abb. 2.34 • Extremitätenableitung.

▶ Unipolare Brustwandableitung nach Wilson • V1: 4. ICR (Interkostalraum) parasternal rechts, Abb. 2.35 • V2: 4. ICR parasternal links • V3: zwischen V2 und V4 • V4: 5. ICR in der Medioklavikularlinie links (normalerweise Herzspitze) • V5: vordere Axillarlinie in Höhe von V4 links • V6: mittlere Axillarlinie in Höhe von V4 links

Schlüsselbein I. Rippe (nicht tastbar) II. Rippe ①②





⑤⑥

Wirbelsäule

V1–V6

RV Medioklavikularlinie vordere Axillarlinie (links) (links) 62

Abb. 2.35 • Brustwandableitung.

V1

V6

LV

V5 V2 V3

V4

Pulsoxymetrie ▶ Indikationen Frühzeitige Erkennung von Störungen der aktuellen peripheren Sauerstoffsättigung (mit einem einfachen, nichtinvasiven Verfahren): • als Screening-Maßnahme bei allen Notfallpatienten • wichtigste apparative Überwachungs- und Untersuchungsmethode (4. Vitalzeichen) ▶ Prinzip Unter Oxymetrie versteht man die spektralfotometrische Messung der partiellen Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes (pSaO2). Das Verfahren macht sich die unterschiedlichen Absorptions- und Reflexionseigenschaften des Hämoglobins und seiner verschiedenen Derivate – insbesondere seine oxygenierten und seine desoxygenierten Varianten – zunutze. Dazu wird über eine Lichtquelle Licht mit genau definierten Wellenlängen (660 nm und 940 nm) durch das Messorgan (z. B. Fingerbeere, Ohrläppchen) gesendet und auf der gegenüberliegenden Seite das ankommende Licht mit einem Fotodetektor gemessen, Abb. 2.36. Beim Pulsoxymeter wird der Sättigungsgrad des Hämoglobins immer nur während der Pulswelle gemessen.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.7 Notfallmonitoring

Lichtquelle S2O2 98% Puls 82

Abb. 2.36 • Pulsoxymetrie.

Photosensor

Messgerät

▶ Vorgehen Grundsätzlich soll das Oxymeter auf nackter, sauberer und unbeschädigter Haut angebracht werden: • als Clip am Finger (Fingerbeere) oder Zehe bzw. am Ohrläppchen, Abb. 2.37 • als Klebesensor z. B. am Nasenrücken

Abb. 2.37 • Umgang mit dem Oxymeter.

▶ Normalwerte • 95–100 % • Werte < 92 % → Sauerstoffgabe • Beatmung notwendig bei: – rascher Verschlechterung – Werten < 70–80 % ▶ Fehlermöglichkeiten • Bewegungsartefakte • bei RR-Werten unter 60 mmHg systolisch in der Regel keine Messung mehr möglich 63

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.7 Notfallmonitoring

• bei ausgeprägtem Hb-Abfall (< 8 g/dl) keine korrekte Messung möglich • mit abnehmender peripherer Körpertemperatur und zunehmender Zentralisation oft keine ausreichende Registrierung des Pulssignals möglich • falsch hohe Werte bei Kohlenmonoxidvergiftung • falsch niedrige Werte bei Methämoglobinvergiftung/Methylenblaugabe Vorsicht Niemals blind auf die Messwerte verlassen! Entscheidend ist das klinische Bild! Eine gute Sättigung schließt z. B. einen schweren Asthmaanfall nicht aus.

CO-Pulsoxymeter: Nichtinvasive Kohlenmonoxidmessung im Blut – (%SpCO) Eine zuverlässige Messung des Kohlenmonoxidgehalts, des Methämoglobins und des Gesamthämoglobins ist unterdessen auch präklinisch mit entsprechenden Pulsoxymetern möglich. Diese Geräte analysieren photometrisch über einen Fingersensor bis zu 8 Wellenlängen und ermöglichen es durch die Messungen direkt an der Einsatzstelle, bei Rauchgasvergifteten Behandlungsprioritäten festzulegen und/oder z. B. die Entscheidung für die hyperbare Sauerstofftherapie zu treffen. Zudem kann ein CO-Pulsoxymeter auch „verborgene“ Kohlenstoffmonoxidvergiftungen feststellen sowie eine Kohlenstoffmonoxidbelastung von Einsatzkräften erkennen.

Kapnometrie und Kapnografie ▶ Prinzip Die Kapnometrie ist eine nichtinvasive Methode zur kontinuierlichen Bestimmung und Überwachung des CO2-Anteils an der Ausatemluft. Die Messung erfolgt mittels eines Infrarotanalysators, der entweder mit Hauptstrom- oder mit Nebenstromtechnik in die Ausatemluft des Kindes eingebracht wird, das Messergebnis wird als numerisches Ergebnis auf dem Display angezeigt, Abb. 2.38. Wird zusätzlich noch der Verlauf der CO2-Abatmung, d. h. der Kohlendioxidgehalt der Ausatmungsluft, grafisch dargestellt, spricht man von der Kapnografie.

Abb. 2.38 • Kapnometrie.

Vorsicht Der Parameter, der gemessen wird, ist der endexspiratorische Kohlendioxidpartialdruck (etCO2), auch als endtidale CO2-Konzentration (etCO2) bezeichnet.

64

▶ Physiologische Grundlagen Der CO2-Gehalt der Umgebungsluft liegt normalerweise bei nur 0,4‰. Der CO2-Gehalt der Inspirationsluft liegt demnach auch praktisch bei null. Der CO2-Gehalt der Exspirationsluft ist von der jeweiligen Phase der Ausatmung abhängig: • zunächst kein Anstieg, da nur Totraumluft ausgeatmet wird • dann steiler Anstieg bis zum Erreichen eines endexspiratorischen Plateaus (Ausatmen der Alveolarluft) und dadurch weitgehend Annäherung an den arteriellen Kohlendioxidpartialdruck (PaCO2), Abb. 2.39.

CO2 29/0 mmHg

AF 32/min

Abb. 2.39 • Physiologische Grundlagen der Kapnometrie.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.7 Notfallmonitoring

Vorsicht Kapnometrie: bestes Verfahren zur Sicherung der korrekten Tubuslage, wichtiges Monitoringverfahren für eine Beatmung. Vorhaltung ist DIN-Vorschrift. Indikation ▶ Endotracheale Intubation Sicherster Nachweis einer korrekten intratrachealen Tubuslage. Da nur über die Lunge nennenswerte CO2-Mengen abgegeben werden können, schließt ein Nachweis normaler etCO2-Mengen über 3–5 Atemzüge eine ösophageale Fehllage nahezu 100 %ig aus. Anfänglich nennenswerte CO2-Mengen sind allenfalls möglich, z. B.: • nach vorheriger fehlerhafter Maskenbeatmung mit Einpressen von Exspirationsluft in den Magen • nach vorhergegangener Aufnahme von CO2-haltigen Getränken oder von CO2produzierenden Medikamenten (z. B. Antazida) ▶ Monitoring beim beatmeten Patienten Über die Kapnometrie kann die Ventilation gesteuert werden: • Normoventilation: etCO2 35–40 mmHg • Hyperventilation (z. B. bei SHT): etCO2 30–35 mmHg • Hypoventilation (z. B. chronischer Asthmatiker): PeeCO2 > 45 mmHg ▶ Evtl. zur Erfolgskontrolle einer kardiopulmonalen Reanimation. Bei Zunahme des HZV und der Lungendurchblutung Anstieg des PeeCO2, bei Verstorbenen dagegen kein Nachweis von CO2 in der Ausatemluft (Sistieren des CO2Transports, Abnahme des PeeCO2 bis auf null). Vorgehen ▶ Hauptstromtechnik: Der Messsensor wird als komplette Einheit direkt im Atemstrom des Patienten (z. B. durch Aufstecken auf den Tubus) befestigt, der Sensor ist dabei relativ schwer und zerstörungsanfällig ▶ Nebenstromtechnik: Mit einem Ansaugschlauch (z. B. über einen Adapter am Tubus befestigt) wird kontinuierlich ein Teil der Atemluft zum Messgerät gesaugt und dort gemessen. Bei dieser Methode ist die Verminderung des Atemminutenvolumens um den abgesaugten Betrag (ca. 140 ml/min) zu beachten! Die meisten für den Notfalleinsatz konzipierten Geräte arbeiten nach dem Nebenstromprinzip. ▶ Normalwerte etCO2: 35–45 mmHg, Abb. 2.40

65

2

2.8 Elektrische Stimulation

Erweiterte Notfallmaßnahmen

Kapnografie-Wellenformen

Abb. 2.40 • Kapnografie-Wellenformen. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

▶ Fehlermöglichkeiten • Bei Notfallpatienten mit kardiopulmonalen Störungen (Abfall des HZV und der Lungendurchblutung), z. B. auch bei Lungenembolie, ist die Korrelation etCO2 : PaCO2 nicht mehr gegeben, der gemessene etCO2 kann deutlich unter dem reellen PaCO2 liegen. • Metabolische Komponenten (z. B. Abfall des etCO2 durch tiefe Hypothermie, Sedativa und Analgetika) können in der Notfallmedizin eher vernachlässigt werden. • Es gilt auch für die Kapnometrie: niemals alleine auf die technische Messgröße verlassen!

2.8 Elektrische Stimulation Eine kardiale Schrittmacherstimulation ist unter Reanimation generell – auch bei Kindern – nicht von Nutzen. Sie kann jedoch erwogen werden bei ▶ bradykarden Herzrhythmusstörungen, wie z. B. • AV-Block 2. und 3. Grades, • bradykardem Vorhofflimmern, • Syndrom des kranken Sinusknotens, wenn diese auf Sauerstoff, Ventilation, Thoraxkompression und Medikamente nicht ansprechen. Pacing ist bei Asystolie oder bei Arrhythmien, die durch Hypoxie oder Ischämie verursacht sind, wirkungslos.

Manuelle Defibrillation ▶ Indikationen Die Indikation für eine Defibrillation beim Kind wird wie beim Erwachsenen primär anhand eines zuvor abgeleiteten Monitor-EKG gestellt. In jedem Fall ist die Defibrillation indiziert bei: • Kammerflimmern/Kammerflattern • pulsloser Tachykardie mit dem klinischen Bild eines kardiogenen Schocks • Bei Säuglingen wird derzeit ausschließlich eine manuelle Defibrillation empfohlen (keine AED). Vorsicht Unbedingt altersabhängige Normwerte für die Herzfrequenz beachten! Kammerflimmern ist bei Kindern eine Rarität.

66

▶ Prinzip Bei der elektrischen Defibrillation wird über 2 der Thoraxwand anliegende Elektroden ein Stromstoß durch den Körper des Kindes geleitet. Dieser hat zum Ziel, eine möglichst große Zahl von Myokardzellen gleichzeitig zu depolarisieren, wodurch eine bestehende Herzrhythmusstörung beseitigt werden kann und einem Schrittmacherzentrum des Herzens die Möglichkeit gegeben wird, wieder einen geordneten Erregungsablauf herzustellen. ▶ Zubehör • manueller Defibrillator, Abb. 2.41 • EKG-Monitor mit Klebeelektroden • Elektrodenpaste • Selbstklebende Paddles erleichtern eine gute Ableitungsqualität.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.8 Elektrische Stimulation

60 98

Abb. 2.41 • Defibrillator. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

▶ Vorgehen • Paddles entnehmen, Abb. 2.42

Abb. 2.42 • Vorgehen bei manueller Defibrillation.

• reichlich Gel auf die Paddles (bzw. fertige, selbstklebende Paddles verwenden) • Defibrillatorelektroden platzieren – Kinder > 10 kg KG (> ca. 1 Jahr): Elektroden 8–12 cm Durchmesser – Kinder < 10 kg KG: Kinderelektroden 4,5 cm Durchmesser – Der Stromfluss durch den Herzmuskel soll möglichst groß sein, daher Mindestabstand von 4 cm einhalten. – Zwischen den Elektroden darf kein Wasser oder Gel sein (Gefahr des Kurzschlusses und der Verbrennung). – anterolaterale Position: Ein Paddle liegt/ klebt unterhalb der rechten Klavikula auf der Vorderseite des Thorax, die andere links thorakal über der Herzspitze bzw. in der Axilla. – Anterio-posterior-Position: Falls die Paddles zu groß sind und damit die Gefahr eines Spannungsbogens zwischen den Paddles besteht, kann auch ein Paddle auf den Rückenunterhalb der linken Skapula, das andere links neben das Sternum geklebt werden. 67

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.8 Elektrische Stimulation

• Monitor-EKG ableiten: am schnellsten über die Paddles (nahezu bei allen Geräten möglich!), am besten über Klebeelektroden • Laden; Defibrillationsenergie sowohl bei biphasischen als auch bei monophasischen Geräten bei 4 /kg KG, Tab. 2.21 Tab. 2.21 • Defibrillationsenergie bei Kindern (4J/kg KG). Altersstufe

Defibrillationsenergie

Neugeborene

15 J

Kleinkinder

60 J

Schulkinder

100 J

Jugendliche

150–200 J

• Warnen • Schauen: Während des Stromstoßes dürfen Kind (und ggf. Bettgestell) nicht berührt werden! • eine Defibrillation; Paddles fest an den Thorax pressen (Anpressdruck je Paddle ca. 10 kg!), um den Übergangswiderstand zu reduzieren • sofortiges Weiterführen der Basisreanimation für 2 Minuten • Rhythmuskontrolle ▶ Komplikationen Mögliche Ursachen für eine primär erfolglose Defibrillation können sein: • fehlerhafte Elektrodenposition • keine oder zu wenig Elektrodenpaste verwendet (Hautwiderstand zu hoch) • Elektroden nicht fest genug an den Thorax gepresst • zu niedrige Defibrillationsenergie • mangelhafte Oxygenierung des Herzens • biologisch refraktäres Kammerflimmern

Automatisierte externe Defibrillatoren (AED-Geräte) Ein automatisierter externer Defibrillator (AED) ist ein batterie- bzw. akkubetriebenes Gerät, das selbst ein EKG erstellt, auswertet, bei Kammerflimmern (VF) oder pulsloser ventrikulärer Tachykardie (VT) die Defibrillationsenergie bereitstellt und dem Benutzer genaue Anweisungen gibt, was zu tun ist. ▶ Indikationen Frühdefibrillation durch Ersthelfer bei Kammerflimmern oder defibrillationspflichtiger Kammertachykardie. Ist kein manueller Defibrillator verfügbar, soll ein AED angewendet werden, der über spezielle Analysealgorithmen für pädiatrische Rhythmusstörungen und über die Möglichkeit zur Dosisreduktion für Kinder von 1– 8 Jahren auf 50–75 J verfügt. Falls ein solcher AED nicht vorhanden ist, kann/sollte auch bei Kindern von 1– 8 Jahren ein AED für Erwachsene verwendet werden. ▶ Kennzeichnung DIN-Rettungszeichen: Automatisierter Externer Defibrillator (AED), Abb. 2.43.

Abb. 2.43 • DIN-Rettungszeichen.

68

▶ Vorgehen • Elektroden anbringen • Kinder > 8 Jahre (oder Kinder > 25 kg KG): Standards-AEDs und ErwachsenenPads verwenden • Kinder von 1–8 Jahren: falls verfügbar, pädiatrische Klebeelektroden und/oder pädiatrischen Modus verwenden; sonst Standard-AED verwenden • Anweisungen folgen • Kinder < 1 Jahr: AEDs nicht empfohlen (→ manuelle Defibrillation (S. 66)) → Abb. 1.13

2.9 Medikamente bei der Reanimation ▶ Adrenalin • Adrenalin 1 Amp. = 1 ml = 1 mg • i. v. oder intraossär – initial 0,01 mg/kg KG (10 μg/kg KG), d. h. – bei verdünnter Lösung (1 Amp. Suprarenin + 9 ml NaCl-Lösung) 0,1 ml/kg KG (besser zu merken: 1 ml/10 kg KG) • endotracheal Eine endotracheale Verabreichung von Medikamenten wird nicht mehr empfohlen.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.9 Medikamente bei der Reanimation

Vorsicht Adrenalin ▶ i. v. oder intraossär • 0,01 mg/kg KG (= 0,1 ml/kg KG einer 1:10.000-Lösung) • maximale Dosis: 1 mg • Wiederholung alle 3–5 Minuten möglich ▶ Amiodaron Bei persistierendem Kammerflimmern/ Kammertachykardie nach 3 Defibrillationsversuchen und nach Adrenalingabe. • Amiodaron 1 Amp. = 3 ml = 150 mg (d. h. 1 ml = 50 mg) • i. v. oder intraossär – initial 5 mg/kg KG nach dem 3. Schock – nach dem 5. Schock Wiederholungen möglich ▶ Atropin Die Gabe von Atropin bei der Asystolie bei Kindern ist nicht indiziert. Erwogen werden kann die Gabe bei schwerer vagoton bedingter Bradykardie: • Atropin 1 Amp. = 1 ml = 0,5 mg (d. h. 0,2 ml = 0,1 mg) • i. v. oder intraossär – 0,02 mg/kg KG – Mindestdosis 0,1 mg – Maximaldosis 1 mg Vorsicht ▶ i. v. oder intraossär: • 0,02 mg/kg KG • falls notwendig einmal wiederholen ▶ minimale Dosis: 0,1 mg ▶ maximale Dosis: 1 mg

69

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.10 Zusammenfassung der erweiterten Maßnahmen

2.10 Zusammenfassung der erweiterten Maßnahmen Algorithmus für das Auffinden eines regungslosen Kindes Der Algorithmus für die Basismaßnahmen ist in Zusammenfassung der Basismaßnahmen (S. 18) dargestellt, Abb. 2.44.

Paediatric Advanced Life Support keine Reaktion keine Atmung/Schnappatmung?

CPR (5 initiale Beatmungen dann 15:2) Anbringen De brillator/Monitor Unterbrechungen minimieren

Reanimationsteam verständigen (Einzelhelfer zuerst 1 min CPR)

EKG Rhythmus beurteilen

(VF/Pulslose VT)

(PEA/Asystolie)

wiedereinsetzender Spontankreislauf

1 Schock 4 J/kg

sofort weiterführen: CPR für 2 Minuten Unterbrechungen minimieren nach 3. und 5. Zyklus erwäge Amiodaron bei schockrefrakträrer VF/VT

POST CARDIAC ARREST MASSNAHMEN • ABCDE-Methode anwenden • gabe und Beatmung • Untersuchungen • Ursachen behandeln • Temperaturkontrolle

während CPR • • • • • • •

sofort weiterführen: CPR für 2 Minuten Unterbrechungen minimieren

optimale CPR: Frequenz, Tiefe, Entlastung Maßnahmen planen vor CPR Unterbrechung

Gefäßzugang (intravenös, intraossär) Adrenalingabe alle 3-5 Minuten invasive Beatmung und Kapnographie erwägen ununterbrochene Herzdruckmassage sobald Atemweg gesichert ist • reversible Ursachen beheben

reversible Ursachen • • • • • • • •

Hypoxie Hypovolämie Hyper/Hypokalämie, Metabolismus Hypothermie Herzbeuteltamponade Intoxikation Thrombose (cardial oder pulmonal) Spannungspneumothorax

Abb. 2.44 • Erweitertes Reanimationsschema beim Kind. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 932)

70

Zeitschiene der erweiterten Maßnahmen Zeitschiene der erweiterten Maßnahmen im Rahmen einer Reanimation bei: ▶ nicht defibrillierbaren Rhythmen, Abb. 2.45

KREISLAUFSTILLSTAND NICHT DEFIBRILLIERBARE RHYTHMEN CPR

2 min

2 min

2 min

2 min









Adrenalin 0.01 mg/kg

Adrenalin 0.01 mg/kg

2 min

R OSC



2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.10 Zusammenfassung der erweiterten Maßnahmen

Adrenalin 0.01 mg/kg

Beatmen / Oxygenierung Gefäßzugang i.o. / i.v. Medikamente Intubation

Abb. 2.45 • Zeitschiene der Reanimation ohne Defibrillation. ( © European Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed (2015) 18: 932)

▶ defibrillierbaren Rhythmen, Abb. 2.46

KREISLAUFSTILLSTAND DEFIBRILLIERBARE RHYTHMEN Schock 4 J/kg

CPR

Schock 4 J/kg

Schock 4 J/kg

Schock 4 J/kg

2 min

2 min

2 min







Adrenalin 0.01 mg/kg

Schock 4 J/kg

Schock 4 J/kg

Schock 4 J/kg

2 min

2 min

2 min







Adrenalin 0.01 mg/kg

Schock 4 J/kg

2 min



ROSC

Adrenalin 0.01 mg/kg

Beatmen/ Oxygenieren Gefäßzugang i.o. / i.v. Medikament Intubation

Amiodaron 5 mg/kg

Amiodaron 5 mg/kg

Abb. 2.46 • Zeitschiene der Reanimation mit Defibrillation. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 932)

71

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.11 ROSC und Postreanimationsbehandlung

2.11 ROSC und Postreanimationsbehandlung ROSC („return of spontaneous circulation“) ist der erste Schritt auf dem Weg zur vollständigen Erholung nach einem Kreislaufstillstand, d. h. in aller Regel nach einer Reanimationsmaßnahme. Die Kapnografie, die sowieso standardmäßig zur Überprüfung der korrekten Tubuslage und zum Monitoring der Beatmung eingesetzt werden sollte, kann dabei helfen, den ROSC zu identifizieren: Ein Anstieg des pCO2-Drucks während der Reanimation spricht für das Vorliegen eines ROSC. Unmittelbar an den ROSC schließt sich die Postreanimationsphase an, in der die Besonderheiten der pathophysiologischen Prozesse, die nach einem Kreislaufstillstand den ganzen Körper betreffen, im Sinne des Postreanimationssyndroms (Post-CardiacArrest-Syndrom) berücksichtigt werden müssen. Eine optimale Behandlung in dieser Postreanimationsphase beeinflusst signifikant das allgemeine Ergebnis und insbesondere die Qualität der neurologischen Erholung.

Myokardiale Dysfunktion Nach einer CRP kommt es häufig zu einer myokardialen Dysfunktion. Volumentherapie und vasoaktive Substanzen (Adrenalin, Dobutamin, Dopamin und Noradrenalin) können die hämodynamischen Parameter bei Kindern nach einem Kreislaufstillstand verbessern und sollen so titriert werden, dass der systolische Blutdruck zumindest über der 5. Altersperzentile liegt (Leitlinien 2015 German Resuscitation Council).

PaO2- und PaCO2-Zielwerte Normoxie und Normokapnie sind anzustreben.

Kontrolle und Management der Köpertemperatur Sowohl milde therapeutische Hypothermie (32–34 °C) als auch kontrollierte Normothermie (36–37,5 °C) können bei Kindern eingesetzt werden, Hyperthermie ist zu vermeiden.

Blutzuckerkontrolle Sowohl Hyper- als auch Hypoglykämie sind zu vermeiden.

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose Die früher geübte Zurückhaltung gegenüber Schmerzmitteln und Narkose am Notfallort hat heute nur noch eingeschränkte Gültigkeit. Vorsicht Die positiven Aspekte der Sedierung und der Analgesie im Sinne einer Dämpfung des Sympathikotonus überwiegen die Nachteile (erschwerte Diagnostik in der weiterbehandelnden Klinik) bei Weitem. Die adäquate Therapie bei Zuständen, die eine analgesierende Maßnahme verlangen, ist deshalb eine echte notfallmedizinische Aufgabe. Wie bei allen medikamentösen Maßnahmen im Notfalldienst werden die Substanzen primär über einen sicheren venösen Zugang appliziert, am besten in kleinen fraktionierten Dosen.

72

Vorsicht Sedierung, Analgesie und Analgosedierung verlangen nach gleicher Überwachung wie bei Vollnarkosen → Ausrüstung für Notintubation bereitstellen, Absaugbereitschaft herstellen.

Sedierung ▶ Indikationen • Unruhe, Angstzustände, Schmerzzustände • akute neurologische Krankheitsbilder wie Psychosen, Vergiftungen ▶ Angestrebter Zustand • erweckbar auf Ansprache, vorhandene Schluckreflexe • Schmerztoleranz meist nicht gegeben ▶ Prinzipien Titrierende Dosierung der Medikamente, sodass keine zu tiefe Sedierung eintritt. ▶ Benzodiazepine

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

Lorazepam Tab. 2.22 • Dosierung von Lorazepam zur Sedierung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Lorazepam (S. 235) s. l.

0,05 mg/kg KG s. l.

Tavor Expidet • 15–50 kg KG: Tavor Expidet 1-mg-Plättchen • > 50 kg KG: Tavor Expidet 2,5-mg-Plättchen

Lorazepam (S. 235) i. v.

0,05 mg/kg KG i. v.

Tavor i. v., 1 Amp. = 1 ml = 2 mg + 1 ml Verdünnungsmittel = 2 ml fertige Lösung: 0,5–1–2 ml i. v., Tavor

Vorsicht Als schnell resorbierbare Bukkaltablette ist Lorazepam derzeit „Geheimtipp“ bei krampfendem Kind ohne Zugang. Für Kinder unter 6 Jahren offiziell nicht empfohlen.

73

2

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

Erweiterte Notfallmaßnahmen

Midazolam Tab. 2.23 • Dosierung von Midazolam zur Sedierung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Sedierung

Midazolam (S. 237) nasal

0,2 mg/kg KG verteilt auf beide Nasenlöcher

Midazolam 15 mg/ 3 ml (1 Amp. = 3 ml = 15 mg) • Säugling 0,5 ml in MAD • Kleinkind 1 ml in MAD • Schulkind 1,5 ml in MAD • Jugendlicher 2 ml in MAD

Midazolam (S. 237) bukkal

Buccolam • 3 Mon bis 1 Jahr: 2,5 mg (Verpackung mit gelbem Etikett) • 1–5 Jahre: 5 mg (Verpackung mit blauem Etikett) • 5–10 Jahre: 7,5 mg (Verpackung mit violettem Etikett) • 10–18 Jahre: 10 mg (Verpackung mit orangefarbenem Etikett)

Midazolam (S. 237) i. v.

0,1 mg/kg KG i. v.

oder

oder Midazolam 5 mg/ 5 ml (1 Amp. = 5 ml = 5 mg) • Säugling 1–2 ml i. v. • Kleinkind 2–3– 4 ml i. v.

Vorsicht Midazolam ist ein gut steuerbares Sedativum (wirkt mit 20–30 min deutlich kürzer als Diazepam und hat geringere hämodynamische NW), Mittel der ersten Wahl in der präklinischen Notfallmedizin.

74

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

2

Tab. 2.24 • Dosierung von Diazepam zur Sedierung und beim Krampfanfall. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Initial

• 0,2 mg/kg KG i. v.

Säugling

• rektal 5 mg • i. v. 1–2 mg, ggf. wiederholen

• Dosierung nach Wirkung • Cave: Atemstillstände beschrieben

Kleinkind

• rektal 10 mg (ab 15 kg KG) • i. v. 2–4 mg, ggf. wiederholen

Jugendlicher

• i. v. 5–10 mg, ggf. wiederholen

Erweiterte Notfallmaßnahmen

Diazepam

Vorsicht Diazepam ist aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung in der Praxis weitverbreitet und durch seine zahlreichen Applikationsformen (Tbl., Tr., Rektiolen, Ampullen) gut handhabbar.

Analgesie ▶ Angestrebter Zustand Das therapeutische Ziel der Analgesie in der Notfallmedizin besteht darin, den Schmerz als Faktor der Bedrohung der Vitalfunktionen auszuschalten und somit die anderen jeweils erforderlichen Maßnahmen zu ermöglichen und zu unterstützen. ▶ Prinzipien • kein kritikloser Einsatz hochpotenter Analgetika um jeden Preis • titrierende Analgetikaverabreichung unter besonderer Überwachung und Sicherung von Atmung und Kreislauf • individuelle Analgesie unter Anpassung an die Schmerzstärke sowie deren Ursache und Dauer ▶ Nichtopioidanalgetika Leichtere bis mittelstarke Schmerzen werden auch bei Kindern zunächst mit Nichtopioidanalgetika behandelt, Tab. 2.25. Tab. 2.25 • Wirkprofile und Dosierung von Nichtopioidanalgetika. Wirkstoff

Präparat (Beispiel)

Dosis

Beispiel Dosierung 20 kg KG

Metamizol

Novalgin

15–20 mg/kg KG

300 mg (= 0,6 ml) i. v.

Paracetamol

Paracetamol Supp

10–15 mg/kg KG

250 mg Supp • bis 2 J. 125 mg Supp • 2–8 J. 250 mg Supp

Paracetamol Infusionslsg. 10 mg/ml

• Sgl./Kleinkind 7,5 mg/kg KG

• Sgl.

• Kinder 15 mg/kg KG

• Kind 20 kg 300 mg 30 kg 450 mg

7–10 mg/kg KG

200 mg (10 ml Saft 2 %) 125-mg-Zäpfchen

Ibuprofen

Nurofen Saft

5 kg 40 mg 10 kg 75 mg

Paracetamol wird oft schon von den Eltern gegeben und führt bei Überdosierung zum Leberversagen. Metamizol ist aufgrund seiner krampflösenden Eigenschaft bei Bauchschmerzen sinnvoll, Ibuprofen vor allem bei Entzündungen.

75

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

▶ Opioidanalgetika Bei den Opiaten handelt es sich um die natürlichen oder synthetischen Substanzen, die eine Wirkung analog dem Opium bzw. dem Morphin aufweisen. Die unterschiedlichen Wirkprofile sind nachfolgend dargestellt, Tab. 2.26. Tab. 2.26 • Wirkprofile und Dosierung von Opioidanalgetika. Präparat

Substanz

Wirkungseintritt [min]

Wirkungsdauer [h]

Dosierung (i. v. /i. o. Gabe) [mg]

Nebenwirkungen

Morphinum hydrochloricum

Morphin

5–10

3–5

0,1 mg/kg KG

Dipidolor

Piritramid

5–10

5–6

0,1 mg/kg KG

Übelkeit, Erbrechen, RR-Abfall, Atemdepression

Fentanyl

Fentanyl

2–3

0,5

1–2 μg/kg KG

Sufenta

Sufentanil

< 2–3

0,2–0,3

0,15–0,5 μg/ kg KG

Vorsicht Im Notarztdienst sollte man sich aufgrund der Ähnlichkeit der Substanzen auf 1–2 sinnvolle Präparate, z. B. Morphin, Fentanyl/Sufenta beschränken. ▶ S-Ketamin Die besonderen Vorteile von Ketamin liegen zum einen in der geringen Beeinträchtigung der Atem- und Kreislauffunktion, zum anderen in der Möglichkeit, es – in Abhängigkeit von der Dosierung – sowohl als Analgetikum als auch als Narkotikum einzusetzen, Tab. 2.27. Aufgrund der besseren Verträglichkeit sollte grundsätzlich nur noch S-Ketamin verwendet werden. Nur wenn dieses nicht zur Verfügung steht, kann auf „normales“ Ketamin zurückgegriffen werden, welches grundsätzlich 50–100 % höher dosiert werden muss, Tab. 2.28. Tab. 2.27 • Charakteristika von S-Ketamin.

76

Präparat

Ketanest S • 1 Amp. = 5 ml mit 5 mg/ml = 25 mg • 1 Amp. = 2 ml mit 25 mg/ml = 50 mg • 1 Inj.-Flasche = 20 ml mit 5 mg/ml = 100 mg

Indikationen

• Analgesie und Anästhesie in der Notfallmedizin • Intubation im Status asthmaticus (in Kombination mit Muskelrelaxans)

Kontraindikationen

• Hypertonie (RR ≥ 180/100 mmHg) • fehlende Überwachungsmöglichkeit

Wirkungsweise

analgesierend, anästhesierend

Nebenwirkungen

• Steigerung von Blutdruck und Herzfrequenz • Hirndrucksteigerung möglich • Aufwachreaktion und Träume • bei schneller Injektion Atemdepression möglich • erhöhter Speichelfluss

Tab. 2.28 • Dosierung von S-Ketamin. Indikation

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Analgesie

• i. v./i. o. 0,25–0,5 mg/kg KG • i. m. 0,5–1 mg/kg KG

• Ketanest S 5 mg i. v./i. o. • Ketanest S 10–20 mg i. m.

Narkose oder Asthmaanfall

• i. v./i. o. 1 mg/kg KG • i. m. 2 mg/kg KG

• Ketanest S 20 mg i. v. • Ketanest S 40 mg i. m.

Narkoseführung

½ Dosis alle 10 Min. wiederholen

• Ketanest S 10 mg i. v. • Ketanest S 20 mg i. m.

Vorsicht Cave: Großes Ampullenverwechslungsrisiko, da 5-fache Überdosierung bei falscher Ampulle!

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

Analgosedierung ▶ Angestrebter Zustand • schlafend • allenfalls ungezielte Reaktionen Die Übergänge zwischen Analgosedierung und Vollnarkose sind fließend, die individuelle Dosis variiert extrem von Kind zu Kind, Tab. 2.29. Daher gibt es keine allgemeingültigen „Kochrezepte“, und die Indikationsstellung muss streng erfolgen

Tab. 2.29 • Analgosedierung-Schema (ohne Beatmung). Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Midazolam

0,05–0,1 mg/kg KG i. v. nasal/bukkal s.→ Tab. 2.23

2 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

S-Ketamin

0,25 mg/kg KG i. v. nasal s. → Tab. 2.28

5 mg Ketanest S i. v.

0,1 mg/kg KG i. v.

2 mg Morphin i. v.

1–2 μg/kg KG i. v. nasal s. → Tab. 2.26

0,02 mg (2 ml = 0,1 mg ad 10 ml NaCl, von dieser Lösung 2 ml)

Einleitung

oder Morphin oder Fentanyl

Fortführung (alle 10–20 Minuten) S-Ketamin

0,1–0,25 mg/kg KG i. v.

2,5–5 mg Ketanest S i. v.

0,1 mg/kg KG i. v.

2 mg Morphin i. v.

1–2 μg/kg KG i. v.

0,02 mg (2 ml = 0,1 mg ad 10 ml NaCl, von dieser Lösung 2 ml)

oder Morphin oder Fentanyl

77

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

(meist nicht nüchterne Kinder, ungesicherter Atemweg, viel Luft nach Schreien geschluckt, Gefahr des Erbrechens↑ → Aspirationsrisiko↑). Sollte nur eine leichtere Analgosedierung notwendig sein, sollte der Nichtanästhesist antagonisierbare Substanzen bevorzugen: • Midazolam (Antagonist: Anexate 0,01 mg/kg KG) • Opioide wie z. B. Morphin/Fentanyl/Piritramid (Antagonist: Naloxon 0,01 mg/kg KG) ▶ Analgosedierung-Schema (ohne Beatmung)

Narkose ▶ Angestrebter/provozierter Zustand • Schmerztoleranz • Verlust protektiver Reflexe • Atemweg und Atmung gestört ▶ Indikationen • stärkste, anders nicht zu beherrschende Schmerzen bei verunfallten Kindern (Reicht nicht doch etwas S-Ketamin?) • Hypoxie trotz O2-Gabe • zunehmende Vigilanzstörungen, unzureichende Schutzreflexe (GCS ≤ 8) • respiratorische Erschöpfung (steigendes etCO2) • Atemstillstand • Polytrauma ▶ Kindernarkose im Rettungsdienst Die Narkose des Kindes ist selbst für den routinierten Notarzt geradezu eine Riesenhürde: ungewohnte, enge Umgebung, unbekanntes, ungeübtes Assistenzpersonal, technische Schwierigkeiten (Intubation/Zugang) und der große Druck – dem Kind darf nichts passieren. Daher sollte man sich stets fragen: • Ist der Nutzen einer Narkose größer als ein möglicher Schaden? • Reicht meine Erfahrung und die des Teams? • Ist wirklich alles gut vorbereitet? • Ist der zügige Transport und die Beorderung des Anästhesisten in den Schockraum möglicherweise die bessere Wahl? Selbst bei der Reanimation wurde bis heute die Überlegenheit einer Intubation nicht nachgewiesen. Vorsicht Vorteile der endotrachealen Intubation und Narkoseeinleitung: ▶ Verhinderung einer Aspiration ▶ effektive Analgesie ▶ Optimierung der Oxygenierung ▶ Probleme/Komplikationen Atemwegskomplikationen sind das häufigste Problem bei Kindern. • Nüchternheit: Als „nüchtern“ und somit nicht mit erhöhtem Aspirationsrisiko behaftet gelten Kinder, die 6 Stunden vor dem Notfallgeschehen nicht mehr gegessen und allenfalls klare Flüssigkeiten bis 2 Stunden vor dem Geschehen (Muttermilch: 4 Stunden) getrunken haben. • Erbrechen während Narkoseeinleitung – atmet Kind noch ausreichend → sofort in Seitenlage bringen – Absaugen – Intubieren, vor Beatmung endotracheal absaugen – Beatmung mit PEEP – Out: Sellick-Handgriff vor Narkose bei Kindern (kann Erbrechen auslösen), Magensonde vor Intubation (unmenschlich)

78

• Kind verschlechtert sich nach Intubation? Mögliche Ursachen: – Fehllage des Tubus („in doubt take it out“) – falsch zusammengesetztes Beatmungsgerät – Pneumothorax – Obstruktion (Schleim, Knick) Vorsicht Muskelrelaxanzien verbessern in aller Regel die Intubationsbedingungen (Kind wehrt sich nicht, Stimmritze ist weitgestellt), können aber eine problemlose Intubation nicht garantieren. Was aber garantiert wird, ist ein Atemstillstand! ▶ Narkoseablauf • Hypnose (= Tiefschlaf): – Hypnotika, z. B. Benzodiazepine, z. B. Midazolam (Dormicum), Propofol (Disoprivan) – Barbiturate, z. B. Thiopental (Trapanal) – Morphin (s. Tab. 2.29) und Ketamin (z. B. Ketanest) wirken in hoher Dosis ebenfalls hypnotisch! • Analgesie (= Schmerzausschaltung): – Opioide (wirken in hoher Dosis auch hypnotisch !), z. B. Morphin (s. Tab. 2.26) oder Fentanyl (Fentanyl-Janssen, s. Tab. 2.26) oder Sufentanil (Tab. 2.26) – Ketamin (wirkt in hoher Dosis auch hypnotisch), z. B. Ketanest S • Muskelrelaxanzien (= „Weichmacher“): Nur vom Erfahrenen anzuwenden! – depolarisierende Muskelrelaxanzien bei Narkoseeinleitung, z. B. Succinylcholin (Lysthenon) – nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien bei Narkoseaufrechterhaltung, z. B. Rocuronium (Esmeron), Vecuronium (Norcuron) ▶ Succinylcholin Succinylcholin ist das einzige depolarisierende Muskelrelaxans, sollte aufgrund der potentiellen höheren NW-Gefahr bei Kindern aber Situationen vorbehalten bleiben, in denen eine sofortige Relaxierung erforderlich ist (also typische präklinische Situation).

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

Vorsicht Insbesondere bei Kindern mit schweren Verbrennungen, Lähmungen, Weichteiltraumen, Kompartment-Syndrom, Sepsis sowie neuromuskulären Erkrankungen kann es zu einer lebensbedrohlichen Kaliumausschüttung und Herzrhythmusstörungen kommen. Weitere Kontraindikationen bestehen bei Disposition zu maligner Hyperthermie und Cholinesterasemangel. Dosierung: Bei Kindern muss hinsichtlich der Dosierung Folgendes beachtet werden: • Neugeborene und Säuglinge bis 6 Monaten besitzen, bezogen auf ihr Körpergewicht, eine noch verminderte Muskelmasse → Dosisreduktion. • Kinder unter 2 Jahren benötigen deutlich höhere Dosen: – (Teilweise befinden sich an der Muskelzellmembran noch zusätzlich unreife, embryonale Acetylcholinrezeptoren, die relativ unsensibel auf Succinylcholin reagieren, aber trotzdem besetzt werden müssen → Dosiserhöhung. – Weiterhin ist der extrazelluläre Flüssigkeitsraum bedeutend größer als beim Erwachsenen → Dosiserhöhung). • Kinder über 2 Jahre – Erwachsenendosis von Succinylcholin, Tab. 2.30 79

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose Tab. 2.30 • Succinylcholin. Dosierung

Wirkbeginn

Wirkdauer

1,0–3,0 mg/kg KG

1 Minute

6–8 Minuten

▶ Rocuronium Das derzeit am schnellsten wirkende nicht depolarisierende Muskelrelaxans ist Rocuronium. Wegen seiner schnellen Anschlagszeit findet Rocuronium Anwendung bei der klassischen „Rapid Sequence Induction“ (RSI), wenn auf Succinylcholin verzichtet werden soll. Bei diesem Vorgehen ist die lange Wirkdauer von bis zu 40 Minuten und mehr zu beachten, Tab. 2.31. Eine weitere Besonderheit ist, dass es einen Antagonisten gibt, der die Wirkung sehr schnell und zuverlässig vollständig aufhebt (Sugammadex, z. B. Bridion). Tab. 2.31 • Rocuronium. Dosierung

Wirkbeginn

Wirkdauer

0,5–0,6 mg/kg KG;

1–3 Minuten (abhängig von Dosierung)

20–40 Minuten (abhängig von Dosierung)

für Rapid Sequence Induction: 0,9–1,2 mg/kg KG

▶ Vecuronium Vecuronium wird in der klinischen Pädiatrie oft bevorzugt, weil es die geringsten vegetativen Nebenwirkungen hat und keine relevante Histaminausschüttung verursacht, Tab. 2.32. Tab. 2.32 • Vecuronium. Dosierung

Wirkbeginn

Wirkdauer

0,1 mg/kg KG

2–3 Minuten

20 Minuten

bei Neugeborenen/Säuglingen: 0,05 mg/kg KG

bei Neugeborenen/Säuglingen: 30–40 Minuten

▶ Narkosevorbereitung Sobald man erwägt, eine Narkose einzuleiten, sollte ein Rettungsassistent/Notfallsanitäter mit der Vorbereitung beginnen. Gerade der Ungeübte braucht dazu gerne einmal mehr als 10 Minuten, eine Checkliste sollte verwendet werden. Vorsicht Checkliste Narkosevorbereitung ▶ Pulsoxymetrie anschließen, Ton an! ▶ Medikamente: z. B. Succinylcholin, S-Ketamin, Midazolam, beschriftet ▶ Venenzugang gesichert, evtl. intraossärer Zugang ▶ Absaugung: großlumiger (grün/rot) Absaugkatheter bereit ▶ (nicht dauernd laufen lassen, ängstigt das Kind) ▶ Beutel, Maske/Sauerstoffreservoir, Sauerstoffschlauch, Guedel-Tubus ▶ Laryngoskop (Kaltlicht ist Pflicht – heller und zuverlässiger!) 80

▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Tubus: Größe: ________ (immer einen kleineren und größeren bereitlegen) Laryngoskopspatel Kapnometer alternativer Atemweg (Larynxmaske/-tubus) Stethoskop Beatmungsgerät

▶ Präoxygenierung Es ist stets eine gute Präoxygenierung anzustreben → beim noch spontan atmenden Kind mit einer Sauerstoffmaske oder Bedampfen mit einem Sauerstoffschlauch („Sauerstoffdusche“). Die Präoxygenierung mit dichtsitzender Maske sollte bei noch nicht bewusstlosen Kindern nicht „erzwungen“ werden (z. B. wenn sie Angst haben), da Stress die Sauerstoffbilanz unnötig negativ beeinflusst.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

Vorsicht Beim kleinen Säugling kommt es nach nur 7 Sekunden Apnoe zur Hypoxie – niemand schafft es, in dieser Zeit zu intubieren/beatmen → Präoxygenierung verschafft 5-mal mehr Zeit! Einschränkend ist anzumerken, dass je jünger der Patient, desto geringer ist der Effekt einer Präoxygenierung, da das Residualvolumen (als „Sauerstoffspeicher“) relativ gesehen kleiner und der Sauerstoffverbrauch relativ gesehen größer ist. ▶ Narkoseeinleitung Trotz fehlender Nüchternheit ist in jedem Fall eine Maskenbeatmung (100 % O2) vor der Intubation obligat (entgegen den Regeln beim Erwachsenen) (s. Präoxygenierung (S. 81)). Cave: Die meisten Narkosezwischenfälle ereignen sich durch eine zu flache Narkose. Insbesondere ist bei einem nicht ausreichend betäubten Kind die Intubation erschwert bis unmöglich. Die klassische RSI (Rapid Sequence Induction) ohne Zwischenbeatmung führt bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern meist unvermeidbar zur Hypoxämie. Um diese gefährliche Situation mit dem Risiko von weiteren Sekundärschäden zu vermeiden, muss ein Kind daher in der sensiblen Phase zwischen Narkoseinduktion und vollständiger Muskelrelaxierung vorsichtig mit Beutel und Maske beatmet werden! Tab. 2.33 • Schema zur Narkoseeinleitung. Hypnose

+

Analgesie

+

Muskelrelaxanzien**

Midazolam

+

S-Ketamin oder Morphin/ Fentanyl/Sufentanil

+

Succinylcholin oder Rocuronium

Propofol

+

Fentanyl/Sufentanil

+

Rocuronium

Thiopental

+

Morphin/Fentanyl/Sufentanil

+

Succinylcholin oder Rocuronium

** Relaxierung für den Erfahrenen dringend empfohlen, sonst Intubation deutlich erschwert, traumatisch und nach Intubation heftiges Husten möglich (HWS-Bewegung↑ evtl. fatal bei Fraktur)

▶ Narkosefortführung Fortsetzung der Gabe von Hypnotika und von Analgetika ggf. auch von Muskelrelaxanzien (in aller Regel in der Notfallmedizin bei Kindern keine weitere Gabe erforderlich), Tab. 2.34. 81

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose Tab. 2.34 • Schema zur Narkosefortführung. Hypnose

+

Analgesie

Midazolam

+

S-Ketamin

+

Morphin oder Fentanyl oder Sufentanil

+

Fentanyl oder Sufentanil

oder Midazolam oder Propofol

▶ Narkoseschema Intubation und Beatmung Patientenkollektiv: Kinder mit instabilem/drohend instabilem Kreislauf, Polytrauma, Verbrennungen. Tab. 2.35 • Kinder mit instabilem/drohend instabilem Kreislauf, Polytrauma, Verbrennungen. Maßnahme

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Narkoseeinleitung Präoxygenierung

Maskenbeatmung (S. 43)

Hypnose

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v./i. o.

2 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

Analgesie + Hypnose

S-Ketamin

1 mg/kg KG i. v./i. o.

20 mg Ketanest S i. v.

ggf. Relaxation

Succinylcholin

2 mg/kg KG i. v./i. o.

40 mg Lysthenon i. v.

Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder zur schnellen Narkoseeinleitung

0,3 mg/kg KG 0,5 mg/ kg KG 1–1,2 mg/kg KG

oder Rocuronium

Narkosefortführung (alle 10–20 Minuten) Analgesie-Repetition

S-Ketamin

0,5 mg/kg KG i. v./i. o.

10 mg Ketanest S i. v.

Hypnose-Repetition (alle 20 min)

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v./i. o.

2 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

Analgesie-Repetition ca. alle 20–30 min

Morphin

0,1 mg/kg KG i. v. /i. o.

2 mg Morphin i. v.

1–2 μg/kg KG i. v. /i. o.

0,02–0,04 mg Fentanyl i. v.

oder Fentanyl oder Sufentanil

82

0,15–0,5 μg/kg KG/i. o.

2.12 Sedierung – Analgesie – Narkose

2

Tab. 2.36 • Kinder mit stabilem Kreislauf. Maßnahme

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG oder kg KG

Narkoseeinleitung Präoxygenierung

Maskenbeatmung (S. 43)

Hypnose

Thiopental

Neugeborene Säuglinge Kleinkinder/Kinder

3–5 mg/kg KG 7–10 mg/kg KG 5–7 mg/kg KG

Propofol

Neugeborene Säuglinge Kleinkinder/Kinder

1–2 mg/kg KG 3–4 mg/kg KG 2–3 mg/kg KG

Fentanyl

1–2 μg/kg KG i. v. /i. o.

0,02–0,04 mg Fentanyl i. v.

oder

Analgesie + Hypnose

Erweiterte Notfallmaßnahmen

Patientenkollektiv: Kinder mit stabilem Kreislauf.

oder

ggf. Relaxation

Sufentanil

0,15–0,5 μg/kg KG i. v. /i. o.

Succinylcholin

2 mg/kg KG i. v. /i. o.

40 mg Lysthenon i. v.

Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder zur schnellen Narkoseeinleitung

0,3 mg/kg KG 0,5 mg/ kg KG 1–1,2 mg/kg KG

oder Rocuronium

Narkosefortführung (alle 10–20 Minuten) Analgesie-Repetition

S-Ketamin

0,5 mg/kg KG i. v./i. o.

10 mg Ketanest S i. v.

Hypnose-Repetition (alle 20 min)

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v./i. o.

2 mg Dormicum V 5 mg/5 ml i. v.

Morphin

0,1 mg/kg KG i. v./i. o.

2 mg Morphin i. v.

1–2 μg/kg KG i. v./i. o.

0,02–0,04 mg Fentanyl i. v.

Analgesie-Repetition ca. alle 20–30 min

oder Fentanyl oder Sufentanil

0,15–0,5 μg/kg KG i. v./ i. o.

83

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.13 Geburt

2.13 Geburt Der Notarzt wird im Rettungsdienst hin und wieder auch mit Notfällen konfrontiert, die im Rahmen einer Schwangerschaft oder Geburt auftreten können. Auch wenn die fachliche Kompetenz des Notarztes in diesen Fällen sicherlich nicht der eines Gynäkologen oder erfahrenen Geburtshelfers entspricht, sollten zumindest die wesentlichen Fakten über Schwangerschaft, normale Geburt und einige spezifische Krankheitsbilder präsent sein. Im folgenden Kapitel werden deshalb die wichtigsten geburtshilflichen Daten und Maßnahmen, die Erstversorgung des Neugeborenen sowie spezifische Krankheitsbilder während der Schwangerschaft in Kürze dargestellt.

Schwangerschaft ▶ Mutterpass Die wichtigsten Daten über die Schwangerschaft finden sich in dem üblicherweise vom betreuenden Gynäkologen angelegten Mutterpass, Tab. 2.37. Deshalb immer danach fragen und den Pass in die Klinik mitnehmen. Tab. 2.37 • Abkürzungen im Mutterpass. Abkürzung

Erläuterung

BEL

Beckenendlage

KL

Kopflage

M

Mens

QL

Querlage

SL

Schädellage

Sp

Spontangeburt

SSW

Schwangerschaftswoche

VE

Vakuumextraktion

▶ Schwangerschaftsdauer Die Schwangerschaft dauert normalerweise 9 Kalendermonate oder 40 Wochen, gerechnet vom 1. Tag der letzten Periode an. Innerhalb einer Schwankungsbreite von ± 2 Wochen, d. h. also zwischen der 39. und 42. SSW, werden ca. 80 % aller Kinder geboren. Eine abweichende Schwangerschaftsdauer wird wie folgt bezeichnet: • Frühabort: < 16 SSW • Spätabort: > 16 SSW • Frühgeburt: < 37 SSW mit Lebenszeichen • Spätgeburt: > 42 SSW Alle Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 2500 g werden ebenfalls als Frühgeburt bezeichnet. ▶ Fundusstand Der Fundusstand erlaubt eine ungefähre Abschätzung des Schwangerschaftsalters. Mit dem 1. Leopold-Handgriff wird die Höhe des Fundusstands bestimmt. Der Uterusfundus steht normalerweise: • am Ende der 16. Woche: 1–2 Querfinger oberhalb der Symphyse • am Ende der 20. Woche: 2–3 Querfinger unterhalb des Nabels • am Ende der 24. Woche: genau in Nabelhöhe (Abb. 2.47) • am Ende der 28. Woche: 2–3 Querfinger oberhalb des Nabels • am Ende der 32. Woche: in der Mitte zwischen Nabel und Proc. xiphoideus • am Ende der 36. Woche: am Rippenbogen 84

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.13 Geburt

36 40 32 28 24 20 16

Höhenstand des Uterusfundus im Verlauf der Schwangerschaft Abb. 2.47 • Fundusstand.

• am Ende der 40. Woche: 1–2 Querfinger unterhalb des Rippenbogens In den ersten Tagen der 37. Woche senkt sich der Uterusfundus und hat dann etwa die gleiche Höhe wie in der 32. SSW. Von diesem Zeitpunkt an kann man nach 3–4 Wochen mit der Geburt rechnen. ▶ Wehenhemmung • Indikationen Die Wehenhemmung ist bei einer drohenden Frühgeburt (vor allem < 34 SSW) und bei Komplikationen unter der Geburt (z. B. Nabelschnurvorfall, Fehllage des Kindes, Placenta praevia) indiziert. • Durchführung Die Wehenhemmung wird mit β-Sympathikomimetika durchgeführt. Dazu eignen sich im Notarztdienst in erster Linie Dosier-Aerosole, Tab. 2.38: Tab. 2.38 • Wehenhemmung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Wehenhemmung per inhalationem

Fenoterol-Aerosol

0,2–0,3 mg, ggf. nach 5 min repetieren

2–3 Hübe BerotecAerosol, ggf. nach 5 min repetieren

Wehenhemmung p. o.

Nifedipin (Off-LabelUse)

10 mg alle 20 min (max. 4 ×)

Nifedipin 10-mg-Kps. alle 20 min (max. 4 ×)

Wehenhemmung i. v.

Die i. v. Verabreichung von Fenoterol sollte nur vom damit vertrauten Arzt durchgeführt werden.

Wehenhemmung per infusionem

Fenoterol

10–30 μg langsam i. v.

1–3 ml einer 5-fach verdünnten Partusistenlösung i. v. 1 Amp. (10 ml) = 0,5 mg 1 ml aus der Amp. mit 4 ml Glukose 5 % verdünnen

Fenoterol

1–3 μg/min i. v.

10–30 Trpf./min einer Infusionslösung aus 2 Amp. Partusisten und 500 ml Glukose 5 %

85

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

86

2.13 Geburt

Normale Geburt Als normale Geburt bezeichnet man die spontane Geburt am Ende der Schwangerschaft eines normal großen Kindes aus der vorderen Hinterhauptslage. Zeichen einer bevorstehenden Geburt sind: ▶ Fruchtwasserabgang ▶ Blutung ▶ Abgang von blutigem Schleim ▶ eindeutige, weitgehend regelmäßige Wehentätigkeit Die Hauptfrage ist, wie weit die Geburt bereits fortgeschritten ist. ▶ Geburtsablauf • Eröffnungsperiode Die Eröffnungsperiode beginnt mit den ersten Geburtswehen und endet mit der vollständigen Eröffnung des Muttermunds (etwa 10 cm Durchmesser). Kennzeichen der bevorstehenden Geburt ist eine regelmäßige Wehentätigkeit (mindestens über ½ h alle 10 min Wehen). Gegen Ende der Eröffnungsperiode kommt es im typischen Fall zum Blasensprung, wobei normalerweise klares Fruchtwasser aus der Scheide abläuft. Verfärbungen des Fruchtwassers (grünliche Farbe) deuten auf eine Störung hin, z. B. Sauerstoffmangel des Kindes, in diesem Fall unverzüglich unter Voranmeldung in den nächsten Kreißsaal, ggf. Notsectio erforderlich. Die Dauer der Eröffnungsperiode beträgt durchschnittlich: – bei Erstgebärenden 5–10 h – bei Mehrgebärenden 2–4 h In der Eröffnungsphase genügt es, die Schwangere in eine geburtshilfliche Abteilung zu transportieren, weitere medizinische Maßnahmen sind normalerweise nicht erforderlich. Solange die Fruchtblase noch intakt ist, darf die Patientin zum Transportmittel laufen, wenn dies die Stärke ihrer Wehentätigkeit erlaubt. Berichtet die Patientin allerdings von größerem vaginalem Flüssigkeitsverlust, so ist von einem Blasensprung auszugehen. In diesem Fall darf die Patientin nur aufstehen, wenn der kindliche Kopf sicher fest im mütterlichen Becken sitzt, um einen Nabelschnurvorfall zu vermeiden (i. d. R. nach der 36. Schwangerschaftswoche). In jedem Fall sollte der Transport in Linksseitenlage erfolgen, um ein Vena-cavaKompressionssyndrom zu vermeiden. • Austreibungsperiode Die Austreibungsperiode reicht vom Zeitpunkt der vollständigen Eröffnung des Muttermunds bis zur Geburt des Kindes. Sie dauert bei Erstgebärenden normalerweise 15–30 min, ist bei Mehrgebärenden jedoch oft erheblich kürzer. Ist die Austreibungsperiode voll im Gang, so treten alle 2–3 min Presswehen mit einer Dauer von 60–70 s auf. Der Transport in eine Klinik sollte nicht mehr durchgeführt werden, wenn die Austreibungsphase bereits so weit fortgeschritten ist, dass der kindliche Kopf in der Vulva zu sehen ist und regelmäßige Presswehen im Gange sind. • Nachgeburtsperiode Innerhalb von etwa 30 min nach der Geburt sollte sich die Plazenta völlig gelöst und durch die Nachgeburtswehen abgestoßen haben. Der Blutverlust beträgt dabei normal nicht mehr als ca. 300 ml. Durch einen leichten Zug an der Nabelschnur (Cave: nur vom Erfahrenen durchzuführen) können die Nachgeburtswehen unterstützt werden. Außerdem Verabreichung eines kontraktionsfördernden Medikaments (z. B. Oxytocin 3 IE i. v. = 1 Amp. Orasthin).

Tab. 2.39 • Normale Geburt aus Schädellage. Ablauf

Eintritt des Kopfs in den Beckeneingangsraum: die Pfeilnaht verläuft quer. Durchtritt des Kopfs durch die Beckenhöhle: die kleine Fontanelle wird zur Leitstelle.

Frontal

Seitlich

Von unten

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.13 Geburt

Vollständige Drehung des Kopfs: Die Pfeilnaht verläuft gerade.

Austritt des Kopfs aus dem Geburtskanal.

Äußere Drehung des Kopfs: Durchtritt der Schultern im geraden Durchmesser. Vollendung der äußeren Drehung des Kopfs: Geburt der hinteren Schulter über den Damm.

87

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.13 Geburt Tab. 2.40 • Normale Geburt aus Beckenendlage. Ablauf

Eintreten des Steißes in den Beckeneingangsraum.

Der kindliche Steiß ist auf dem Beckenboden angekommen.

Geburt des Rumpfs.

Geburt des Rumpfs: Sobald die Beine durchgetreten sind, dreht sich der Rücken. Geburt der Schulter.

Geburt des Kopfs.

88

Frontal

Seitlich

Von unten

▶ Geburtshilfliche Maßnahmen Die normale Geburt bedarf in der Regel keiner spezifischen ärztlichen Hilfe. Unterstützende Maßnahmen wie Dammschutz, Episiotomie und Versorgung des Kindes nach der Geburt sollten jedoch auch dem nicht gynäkologisch tätigen Arzt bekannt sein. Falls unter der Geburt, z. B. durch eine Fehllage des Kindes, Komplikationen auftreten, muss so schnell wie möglich ein gynäkologisch erfahrener Arzt hinzugezogen bzw. eine gynäkologische Krankenhausabteilung angefahren werden. • Dammschutz Der Sinn des Dammschutzes ist es zum einen, den Damm während des „Durchschneidens“ des kindlichen Kopfes zu schützen, zum anderen, den Austritt des kindlichen Kopfes zu leiten und ein zu schnelles Herauspressen zu verhindern, Abb. 2.48. Auf diese Weise soll die Druckentlastung des kindlichen Schädels möglichst langsam erfolgen.

Abb. 2.48 • Dammschutz.

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.13 Geburt

Dammschutz beim „Durchschneiden“ des Kopfes

• Episiotomie Zur Vermeidung von Einrissen im Beckenboden- und Dammbereich während der Austreibungsperiode, insbesondere während der Phase des „Einschneidens“ des kindlichen Kopfes, wird eine rechtzeitige Episiotomie (Dammschnitt) empfohlen, Abb. 2.49. Dieser Schnitt kann als mediane, mediolaterale oder laterale Episiotomie erfolgen, soll aber nur von einem in dieser Technik erfahrenen Notarzt durchgeführt werden. Indikationen sind: – drohender Dammriss (Blasswerden des Damms) – straffe Weichteile – Frühgeborene (Reduzierung des Drucks auf den Kopf) – Beckenendlagenentbindung – hypoxieverdächtiges CTG

1 2 3

Abb. 2.49 • Episiotomie.

Vorsicht Schnitt am besten während einer Wehe durchführen! 89

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen Der Geburtsnotfall ist eine seltene Notfallsituation. Risikoschwangere werden in aller Regel engmaschig kontrolliert und frühzeitig einem Zentrum zugeführt. Die normale Geburt im Notarztdienst ist deshalb in aller Regel eher ein aufregendes und freudiges Ereignis, dass „trotz Anwesenheit eines Notarztes“ einen guten Verlauf nehmen sollte. Aber Vorsicht: „Nach dem letzten Lebenstag – der ja immer mit dem Tod endet – ist der erste Tag im Leben der gefährlichste!“

Frühgeburt Die Grenze des Überlebens hat sich in den letzten Jahren immer weiter nach vorne verschoben (derzeit 22.–26. SSW). Wenngleich Frühgeburtlichkeit als Geburt vor der 37. SSW definiert ist, so sind schwerwiegende Probleme bei einem Geburtsgewicht von < 1500 g (< 32. SSW, 1,2 % der Geburten) zu erwarten. Die Letalität liegt hier bei ca. 10 %, bei Kindern mit extrem niedrigem Geburtsgewicht von unter 1000 g bei 20 %. Die weitere Lebensqualität wird in besonderem Maße durch das Auftreten von Hirnblutungen begrenzt, daher gilt das Prinzip „minimal handling“. Vorsicht Es ist immer besser, das Baby noch im Mutterleib zu transportieren.

Grundlagen der Versorgung eines Neugeborenen Nach der Geburt das Kind abnabeln, abtrocknen, absaugen und anschließend mit Stethoskop über dem Herzen abhören (Atmung? Herzfrequenz?). Bei ausreichender Herzfrequenz, Atmung und rosiger Hautfarbe den Apgar-Score bestimmen (Tab. 2.41) und das Neugeborene – vor Wärmeverlust geschützt – erst einmal der Mutter übergeben. Das ist bei 90 % der Neugeborenen ausreichend, 10 % benötigen initial eine Atemunterstützung, nur 1 % eine Reanimation. ▶ Absaugen • Das Kind muss nur dann abgesaugt werden, wenn es nicht gleich nach der Geburt zu schreien beginnt und die Atemwege wahrscheinlich verlegt sind. Leicht grünliches Fruchtwasser alleine ist keine Indikation, grünlich verfärbtes zähes Fruchtwasser (Mekonium) schon eher. • Wird ein Neugeborenes abgesaugt, ist zu bedenken, dass zu heftiges oropharyngeales Absaugen das Einsetzen einer suffizienten Spontanatmung verzögern und zu einem Laryngospasmus sowie zu einer vagusinduzierten Bradykardie führen kann. • Orosauger verwenden, die Länge des Absaugkatheters entspricht der Distanz zwischen Mundwinkel und Nasenspitze. • Zuerst Mundhöhle und Rachenraum, dann Nasenraum absaugen. • Auf keinen Fall das normale Absauggerät aus dem Notarztwagen verwenden (zu starker Sog), es sei denn, die Sogstärke lässt sich entsprechend regulieren. Mekoniumaspiration Häufigster schwerwiegender Geburtszwischenfall (13 %, 50 % der übertragenen Kinder). ▶ Klinik: • grünes zähes Fruchtwasser, evtl. auch in Mund/Rachen • Bradykardie – Zyanose – unzureichende Atmung • evtl. grünliche Haut ▶ Therapie: • möglichst frühzeitiges Absaugen (schon nach Entwicklung des Kopfes! Möglichst vor Intubation/Beatmung) mit kleinem OP-Sauger (Yankauer-Sauger) 90

▶ Cave: ■

Mit Baby-Orosauger kommt man bei zähflüssigem Mekonium nicht

weit!

▶ Überprüfen der Vitalfunktionen Das wichtigste Kriterium für die Beurteilung der Vitalfunktionen des Neugeborenen ist seine Spontanatmung. Diese sollte spätestens 1–1,5 min nach der Geburt einsetzen und durch kräftiges Schreien deutlich werden. Setzt nach 1–1,5 min keine Spontanatmung ein, muss das Kind sofort beatmet werden. Dazu wird am besten ein Säuglingsbeatmungsbeutel mit Sauerstoffzufuhr verwendet. Beatmungsparameter: • Atemfrequenz ca. 30–40/min • Atemzugvolumen ca. 15–20 ml Weitere therapeutische Maßnahmen (S. 93) ▶ Abnabeln Das Abnabeln des Neugeborenen muss nicht sofort nach der Geburt durchgeführt werden. Vielmehr sollte – sofern keine lebensbedrohliche Situation für das Neugeborene besteht – mit dem Abnabeln gewartet werden, bis das Pulsieren der Nabelschnur aufgehört hat. Dies ist normalerweise nach ca. 1,5–2 min der Fall. Das Neugeborene erhält dadurch noch eine für seine Hämodynamik bedeutende plazentare Blutmenge. Abgenabelt wird mit 2 sterilen Klemmen, Abb. 2.50: • 1. Klemme mindestens 20 cm vom kindlichen Nabel entfernt setzen • 2. Klemme ca. 2 cm weiter distal setzen • Nabelschnur mit einer sterilen Schere oder einem Skalpell zwischen den Klemmen durchschneiden • Klemmen belassen

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen

20 cm

Abb. 2.50 • Abnabeln.

Abnabelung

▶ Wärmemanagement Zwischen Hypothermie und Mortalität von Neugeborenen besteht ein signifikanter Zusammenhang, Frühgeborene sind besonders gefährdet! Nackte, feuchte Neugeborene sind nicht dazu in der Lage, in einem für Erwachsenen angenehm warm scheinenden Raum ihre Körpertemperatur zu halten. Dem Schutz vor Auskühlung kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu! ▶ Beurteilung des Neugeborenen Das Befinden des Neugeborenen wird durch die Kriterien des Apgar-Schemas definiert, bei dem Hautfarbe, Atmung, Muskeltonus, Reflexerregbarkeit und Herzaktion nach einem Punktesystem bewertet und dokumentiert werden. Der Apgar-Score ist die Summe der den Befunden entsprechenden Punktwerte, Tab. 2.41. Erhoben wird der Apgar-Score 1, 5 und 10 min nach der Geburt. Beim reifen, gesunden Neugeborenen beträgt er 8–10 Punkte. 91

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen Tab. 2.41 • Apgar-Schema. Lebensäußerung

Punkte 0

1

2

Herzschlag

nicht hörbar

unter 100/min

über 100/min

Atmung

fehlt

langsam, unregelmäßig, schwach

gut, Schreien

Muskeltonus

schlaff

mäßig

gut, aktive Bewegungen

Reflexerregbarkeit (Grimassieren, Niesen als Antwort auf Absaugkatheter)

keine Reaktion

verminderte Reaktion

normal

Hautfarbe

zyanotisch oder blass

Körper rosig, Akren blau

völlig rosig

Tab. 2.42 • Beurteilung des Neugeborenen.

92

Befund

Maßnahmen

Fruchtwasser grün

absaugen

Mekonium im Pharynx und kindliche Depression (s. u.)

• Absaugung, bei fehlender Spontanatmung: Beatmung. Bei V. a. Obstruktion der Trachea Intubation und endobronchiale Absaugung

Stabil • effektive Atmung • schreit sofort • Herzfrequenz > 100 • guter Muskeltonus

• abtrocknen, einwickeln in warme Tücher • abnabeln nach Ende der Nabelschnurpulsation • Kind der Mutter übergeben

leichte bis mittelschwere Depression • unregelmäßige Atmung • Herzfrequenz < 100 • Zyanose • träger Muskeltonus

• abtrocknen, einwickeln in warme Tücher • ggf. absaugen • Maskenbeatmung • abnabeln • EKG-Monitoring

schwere Depression • Atmung insuffizient oder fehlend • Bradykardie oder Herztätigkeit nicht nachweisbar • Zyanose oder Blässe • fehlender Muskeltonus

• abtrocknen, einwickeln in warme Tücher • ggf. absaugen • Maskenbeatmung • abnabeln • EKG-Monitoring • Thoraxkompressionen, evtl. Medikamentengabe

Reanimation des Neugeborenen – Newborn Life Support Nur eine sehr geringe Anzahl von Neugeborenen benötigt nach der Geburt eine Reanimation! Allerdings brauchen einige Neugeborene in der Anpassungsphase unterstützende Maßnahmen, die meistens lediglich aus einer kurzen assistierten Belüftung der Lungen bestehen müssen, Abb. 2.51. Nur eine kleine Minderheit bedarf zusätzlicher Thoraxkompressionen, Abb. 2.52. ▶ Indikation Keine suffiziente und regelmäßige Spontanatmung und/oder Herzfrequenz < 100 ▶ Maßnahmen Öffnen der Atemwege: • Kind in Rückenlage bringen • Kopf in Neutralposition bringen ① • Unterkiefer anheben, z. B. mit Esmarch-Handgriff • ggf. Guedel-Tubus verwenden • Maskenbeatmung mit Raumluft beginnen ② + ③ • Herzfrequenz sollte umgehend ansteigen! • falls weiter keine ausreichende Spontanatmung: 30-mal/min beatmen • falls weiter keine Besserung/kein Anstieg der Sauerstoffsättigung: Erhöhung der Sauerstoffkonzentration erwägen • falls Herzfrequenz trotz adäquater Beatmung < 60/min bleibt: Herzdruckmassage: – 2-Daumen-Technik ④ – Eindrucktiefe ⅓ des Thoraxdurchmessers – Algorithmus 3 : 1





2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen





Abb. 2.51 • Reanimation des Neugeborenen.

93

Erweiterte Notfallmaßnahmen

2

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen

Paediatric basic life support Reaktion?

Hilferuf

keine normale Atmung?

5 initiale Beatmungen

Lebenszeichen?

15 Thoraxkompressionen

2 Beatmungen 15 Kompressionen

Verständigung des Notfallteams nach 1 Minute CPR

Abb. 2.52 • Algorithmus der Neugeborenenreanimation. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Wyllie, J., Bruinenberg, J., Roehr, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 964)

▶ Advanced Life Support Die Gabe von Medikamenten ist bei der Reanimation von Neugeborenen nur selten erforderlich. Falls die o. g. Maßnahmen aber nicht effektiv sind (Anstieg der HF > 60), soll die Gabe von Medikamenten erwogen werden. Diese verabreicht man idealerweise über einen Nabelvenenkatheter (s. → Abb. 2.3). • Nabelvenenkatheter: Schlinge um Nabelschnurbasis, Nabelschnur 2 cm über Bauchwand abschneiden; Katheter bis 7 cm in die Nabelvene (⅔ der Distanz Nabel – Kinn) einführen (Körpergewicht < 1500 g: 3,5 Charr; Körpergewicht > 1500 g: 5,0 Charr; Cave: einzelne Nabelvene nicht mit den 2 Nabelarterien verwechseln!) • alternativ intraossär

94

Auch wenn die Datenlage nicht eindeutig ist. Wenn die Herzfrequenz trotz adäquater Beatmung und suffizienter Thoraxkompressionen nicht über 60/min ansteigt, wird Adrenalin empfohlen: • Adrenalin 10 μg/kg KG i. v. • (1 ml Adrenalin auf 10 ml NaCl = 100 μg/ml), • 0,1 ml/kg KG der 1 : 10 000 Lösung = 10 μg/kg KG • weitere Gaben • 0,1–0,3 ml/kg KG der 1:10 000-Lösung = 10–30 μg/kg KG

2 Erweiterte Notfallmaßnahmen

2.14 Erstversorgung des Neugeborenen

95

Vom Symptom zur Diagnose

3

Vom Symptom zur Diagnose

3

Vom Symptom zur Diagnose

3.1 Apnoeanfall Symptome, Kennzeichen Atempausen > 15 Sekunden und/oder Zyanose/Blässe/Bradykardie.

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

ZNS: Krampfanfall, Schütteltrauma hochfebriler Infekt ( Meningitis, Bronchiolitis, Keuchhusten, …) Herzrhythmusstörungen Hypoglykämie psychogen („Affektkrampf“ – selbstlimitierend – bei Ärger und Schmerz) Vorsicht Bei Eintreffen des Notarztes kann der Säugling wieder völlig unauffällig sein, auch wenn die Eltern berichten, „er sah aus wie tot“ → ernst nehmen → mitnehmen!

3.2 Atemnot 80 % der Todesfälle bei Kindern sind primär respiratorisch bedingt, Sauerstoff ist das wichtigste Notfallmedikament, die Pulsoxymetrie die wichtigste Überwachung („das 4. Vitalzeichen“). Vorsicht Kleine Kinder sind sehr rasch hypoxisch (keine Reserven)!

Symptome, Kennzeichen Zeichen der Atemnot: ▶ Nasenflügeln ▶ SO2↓ ▶ Einsatz der Atemhilfsmuskulatur ▶ Schwitzen ▶ Einziehungen: interkostal, jugulär (paradoxe Atmung: Brustkorbsenken bei Einatmung) ▶ verschiedene Atemgeräusche (Spastik, Grunzen, Rasseln, Stridor) ▶ verlängertes Exspirium ▶ Bradypnoe oder Tachypnoe ▶ Zyanose (Cave: Spätzeichen, je kleiner das Kind, desto rascher ist es gefährdet) ▶ Silent Chest (kaum hörbare Atemgeräusche) ▶ Bradykardie ▶ Bewusstseinsstörungen

Ursachen, mögliche Diagnosen

96

Bei Kindern am häufigsten sind: ▶ Fremdkörperaspiration (S. 117) ▶ Pseudokrupp (S. 122) ▶ Epiglottitis (S. 125) ▶ Fehlbildungen von Kehlkopf und Luftröhre ▶ Asthma (S. 120)

3.3 Bauchschmerz Symptome, Kennzeichen ▶ perakuter Schmerz (z. B. Invagination, Volvulus, inkarzerierte Hernie, Perforation) ▶ Schmerzen bei Trauma (Organverletzung mit Blutung) ▶ leichte Schmerzen: Kind einfach ablenkbar, guter Allgemeinzustand (AZ), isst und trinkt, kein Fieber, keine Schmerzzunahme beim Husten/Springen, „je näher am Bauchnabel, desto harmloser“

Ursachen, mögliche Diagnosen Meist (90–95 %) ist der Bauchschmerz harmlos. Bei ernsten Erkrankungen ist zu berücksichtigen, dass Kleinkinder viele Beschwerden auf den Bauch projizieren, sodass sich hinter Bauchschmerzen nur in den seltensten Fällen ein akutes Abdomen verbirgt (z. B. auch bei basaler Pneumonie, akutem Skrotum, Otitis media, diabetischer Ketoazidose).

3 Vom Symptom zur Diagnose

3.4 Bewusstlosigkeit

Vorsicht Wichtig: Kind nüchtern lassen!

3.4 Bewusstlosigkeit Symptome, Kennzeichen ▶ Lethargie: schlechter oder fehlender Augenkontakt, Eltern werden nicht erkannt, kein Kontakt zur Umgebung. ▶ Delir: fluktuierende Verwirrung ▶ Koma: Zustand der Bewusstlosigkeit, präklinisch Definition anhand der GlasgowKoma-Skala (GCS): • Werte über 8 = kein Koma • GCS 8 = Grenzbereich • Werte unter 8 = Koma (fehlende Schutzreflexe anzunehmen)

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ ZNS: Fieberkrampf (rasche Erholung), Krampfleiden (S. 151), Meningitis (S. 155), Tumor, intrakraniale Blutung, Schädel-Hirn-Trauma (S. 169) ▶ andere: Hypoxie, Intoxikation (S. 190), Hypoglykämie (S. 129), Exsikkose (S. 133), Stoffwechselentgleisungen ▶ harmlose DD: hysterischer Anfall, Hyperventilation (eigene Hand auf Gesicht fallen lassen, nur beim echten Koma fällt Hand aufs Gesicht!)

Vorgehen Vorsicht Störungen des Bewusstseins entsprechen nicht notwendigerweise Wahrnehmungsstörungen. „Nicht über ihn, sondern mit ihm reden.“ Fragen: ▶ Trauma → Trauma und Koma = schweres Schädel-Hirn-Trauma ▶ Vorerkrankungen des Gehirns? ▶ Vormedikation 97

Vom Symptom zur Diagnose

3

3.5 Bronchospasmus

▶ Entwicklung: langsam (Diabetes? Intoxikation?), perakut (Krampfanfall, Blutung) ▶ Beginn mit fokalen Störungen → struktureller Schaden (intrakraniale Blutung, Tumor) Vorsicht Auf einem wachen Kind bestehen, keinesfalls darauf einlassen, dass „das Kind heute ja noch nicht geschlafen hat“ oder: „Es ist immer sehr schwer zu wecken“! Wenn kein Grund gefunden wird: an Enzephalitis denken (Eigenschutz!).

3.5 Bronchospasmus Symptome, Kennzeichen ▶ Giemen, Brummen, Pfeifen

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

postinfektiöse Bronchospastik (nach Virusinfekt, häufigste Ursache) Asthma (S. 120) – aber nicht jede Bronchospastik bedeutet Asthma Bronchiolitis (S. 125) (häufigster Grund beim Kleinkind < 2 Jahre) Fremdkörperaspiration (S. 117) Anaphylaxie (S. 110) (Hautzeichen) Reizgasvergiftung

3.6 Brustschmerz Symptome, Kennzeichen Der vom Herzinfarkt bekannte „Vernichtungsschmerz“ ist bei Kindern eine Rarität, häufiger sind unbestimmte, stechend-dumpfe Schmerzen.

Ursachen, mögliche Diagnosen Brustschmerz bei Kindern ist meistens harmlos, nicht jedoch, wenn er bei Belastung, Fieber oder einem anderen körperlichen Befund auftritt. Mögliche Ursachen sind: ▶ muskuloskeletal ▶ psychosomatisch ▶ pulmonal Pneumothorax (S. 174), Pleuritis bei Pneumonie, Asthma (S. 120)) ▶ kardial (Herzrhythmusstörungen (S. 137), Myokarditis, Vitien)

3.7 Dehydratation s. Exsikkose (S. 133)

98

3.8 Diarrhö Symptome, Kennzeichen Häufige (mindestens 3 × täglich), wässrig-flüssige Stühle mit der Gefahr von Wasserverlusten (Exsikkose).

Ursachen, mögliche Diagnosen Häufigste Ursache ist eine Gastroenteritis, bei der die Kinder durch die Exsikkose (S. 133), Gastroenteritis) gefährdet sind. Blutige Durchfälle sind bis zum Beweis des Gegenteils schwerwiegende bakterielle Infektionen (Salmonellen [Typhus], Shigellen, E. coli – EHEC), die stets als hochinfektiös (oral-fäkal) anzusehen und meldepflichtig sind.

3 Vom Symptom zur Diagnose

3.10 Fieber

3.9 Erbrechen/Übelkeit Symptome, Kennzeichen ▶ Erbrechen (= aktiv, oft mit Speichelfluss, Blässe, Schwitzen, Tachykardie, Mydriasis) ▶ Regurgitation (= harmloses Zeichen, „Bäuerchen“) Je kleiner das Kind, desto größer ist die Gefährdung durch mangelnde Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitsverlust!

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Gastroenteritis Nahrungsmittelallergien (kann erstes Zeichen der Anaphylaxie sein) GIT-Probleme bis hin zum Ileus (Cave: galliges Erbrechen bei Kindern) Infektionen (Atemwege, Harnwegsinfekt, Meningitis (S. 155)) Vergiftungen (S. 190) Diabetes mellitus (S. 128) (→ BZ-Stix) Hirndruck (morgens Kopfschmerz und Erbrechen, 74 %!) Augendruck psychisch

Vorgehen Erbrechen ist Ausdruck einer anderen Störung und wird bei Kindern nicht symptomatisch (mit Antiemetika) behandelt. Eine schwere Dehydratation ist sorgfältig auszuschließen (s. Exsikkose (S. 133) (Dehydratation))!

3.10 Fieber Symptome, Kennzeichen ▶ Fieber ist eine Erhöhung der Körperkerntemperatur auf > 38 °C. ▶ Ein Kind hat bis zum 2. Lebensjahr im Schnitt 5-mal Fieber. Tageszeitlich finden sich die höchsten Temperaturen um 18:00 Uhr, während um 04:00 Uhr bis zu 1,3 °C tiefere Werte gemessen werden können. ▶ mögliche Begleitsymptome • Anstieg der Herzfrequenz um 10–15/min pro Grad Fieber • Anstieg der Atemfrequenz um 5/min pro Grad Fieber • Petechien (Cave: Fieber + Petechien = Meningokokkensepsis bis zum Beweis des Gegenteils, Meningitis (S. 155)) • Hautausschlag (S. 100) • Entzündungszeichen (Schmerzen, Rötung, Schwellung, Erwärmung, eingeschränkte Funktion)

99

Vom Symptom zur Diagnose

3

3.11 Harnverhalt

Vorsicht Fieber bis 42 °C ist nicht gefährlich, nur bei sensitiven Kindern können Fieberkrämpfe ausgelöst werden! Gefährlicher kann Fieber sein bei: ▶ Neugeborenen (< 1 Monat): bis zum Beweis des Gegenteils schwere bakterielle Sepsis ▶ Kindern < 3 Jahren, chronisch kranken Kindern (Vitium, Diabetes, Asthma, fehlende Milz), Kortisonmedikation, hohes Fieber (> 40 °C) ▶ nicht geimpften Kindern (Pneumokokken machen 90 % der gefährlichen Infektionen aus) ▶ Fieber und Petechien = Meningokokkensepsis bis zum Beweis des Gegenteils

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ meist harmlose virale Infekte ▶ Zahnwechsel: Fieber bis max. 38,8 °C ▶ seltener bedrohlichere bakterielle Infekte: Otitis media, Angina tonsillaris, Pneumonie, Meningitis, Harnwegsinfekt ▶ Mädchen ohne Atemwegsinfekt/Meningismus, > 39 °C, > 2 Tage → meist Harnwegsinfektion

3.11 Harnverhalt Unmöglichkeit des Wasserlassens, bei Kindern zumeist Blasenabflussstörung.

Symptome, Kennzeichen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Harndrang Unruhe Blässe Kaltschweißigkeit tastbare Blase (Perkussion!)

Ursachen, mögliche Diagnosen Mögliche Ursachen sind: ▶ ambulante OPs (z. B. Zirkumzision) ▶ Phimose ▶ Balanoposthitis ▶ Harnröhrenklappen ▶ Nebenwirkung einer Opioidgabe

Vorgehen ▶ Hausmittel: warme Badewanne, Wasserhahn laufen lassen ▶ Versuch der Katheterisierung mit dünnem Thiemann-Katheter (6–9 Charr)

3.12 Hautausschlag, generalisierter Symptome, Kennzeichen

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▶ Masern • Katarrh/Husten • großfleckig konfluierendes, vom Ohr absteigendes Exanthem, Konjunktivitis, Koplik-Flecken Wange, Enanthem • Cave: Pneumonie/Otitis/Krupp/Enzephalitis (→ Voranmeldung und Info Gesundheitsamt)

▶ Röteln • ältere Kinder • leichter Katarrh • mittelfleckiges Exanthem, vom Ohr absteigend, linsengroß, weißer Hof, leichtes Fieber, Lymphknotenschwellung, Enanthem ▶ Dreitagefieber • Kinder von 6 Monaten bis 2 Jahre • Fieber • mittelfleckiges Exanthem unter Fieberabfall ▶ Erythema infectiosum: Exanthem ohne Katarrh ▶ Scharlach • plötzlich, feinfleckiges Samtexanthem von Axilla oder Leiste ausgehend • blasses Munddreieck, Himbeerzunge/Enanthem, Schuppung • Therapie mit Penicillin V ▶ Varizellen • plötzlich kleine Bläschen behaarter Kopf/stammbetont • Enanthem, Jucken ▶ Mumps • geschwollene Speicheldrüsen • Cave: Orchitis/Meningitis! ▶ Pfeiffer’sches Drüsenfieber • Fieber/Tonsillitis (graue Beläge, Foetor) • Lymphknotenschwellung, Milzschwellung • keine Therapie • Cave: DD Diphtherie: Schmerzen beim Schlucken, Membranfetzen ▶ Pertussis • Husten • Säuglinge: Apnoeanfälle → einweisen

3 Vom Symptom zur Diagnose

3.12 Hautausschlag, generalisierter

Ursachen, mögliche Diagnosen Neben den meist harmlosen Kinderkrankheiten sollte bei hochfebrilen Infekten mit Hautausschlägen/Petechien stets an die Meningitis (S. 155) (Nackensteife, reduzierter Allgemeinzustand) gedacht werden. Bei Blasenbildung/Hautablösungen (Pflaster vermeiden, z. B. EKG-Elektroden?): ▶ Epidermolysis bullosa (genetischer Defekt, Säuglinge) ▶ Stevens-Johnson-Syndrom (Arzneimittelreaktion: Antikonvulsiva, Antibiotika, NSAR) ▶ SSSS („staphylococcal scalded skin syndrome“) ▶ Herpes generalisatus (vor allem bei Kindern mit Neurodermitis eine lebensbedrohliche Komplikation) ▶ Kawasaki-Syndrom (S. 199)

Vorgehen Die notärztliche Therapie bei Kinderkrankheiten ist rein symptomatisch und beruhigend, Hygieneaspekte sind zu bedenken. Bei Blasenbildung/Hautablösungen ggf. Notfallbehandlung wie bei großflächigen Verbrennungen (S. 185).

101

Vom Symptom zur Diagnose

3

3.13 Husten

3.13 Husten Symptome, Kennzeichen Unterschieden werden der produktive Husten (mit Auswurf, zumeist bei Infekt) vom trockenen Reizhusten (z. B. Asthma, Pseudokrupp, Aspiration).

Ursachen, mögliche Diagnosen Unterscheidung des Hustens nach Dauer, Auslösern und Begleitsymptomen, z. B.: ▶ dauernder Husten nach einem Erstickungsanfall → Fremdkörperaspiration (S. 117) ▶ paroxysmale Hustenanfälle mit Keuchen/Erbrechen/Zyanose/Apnoe → Keuchhusten ▶ „habitueller Husten“: besonders aufgeregte Eltern – wenig beeinträchtigtes Kind Vorsicht Ein Kleinkind mit dauerndem Husten nach einem Erstickungsanfall hat eine Fremdkörperaspiration bis zum Beweis des Gegenteils (vor allem Nüsse, Popcorn, Karotten, rohe Äpfel, Pistazien). (→ s. Aspiration (S. 117)).

Vorgehen Säuglinge wegen Apnoen/Bradykardien immer stationär monitorüberwachen.

3.14 Kopfschmerzen Symptome, Kennzeichen ▶ pulsierend, oft bilateral, verstärkt bei Anstrengung, Übelkeit, Photo-/Phonophobie → Migräne ▶ bilateral, anstrengungsunabhängig, keine Übelkeit → Spannungskopfschmerz ▶ schlimmste Schmerzen „wie nie zuvor“ → Subarachnoidalblutung ▶ Kopfschmerzzunahme im Liegen → gesteigerter Hirndruck ▶ fokale Zeichen (Lähmungen/Augenmuskelstörungen, Pupillenveränderungen?) → SHT??

Ursachen, mögliche Diagnosen Häufigste Ursache ist ein febriler Infekt. Ernsthaftere Erkrankungen können sein: ▶ hypertensive Krise → Blutdruck messen ▶ Meningitis (S. 155) → Nackensteifigkeit? Fieber? Hautausschlag, Petechien? ▶ Subarachnoidalblutung

Vorgehen Wenn keinerlei Hinweise auf eine ernste Erkrankung vorliegen: Paracetamol rektal 20 mg/kg KG oder Ibuprofen 10 mg/kg KG.

102

3.15 Obstipation Symptome, Kennzeichen Subjektiv Verstopfung: „zu selten (weniger als 3 Stühle pro Woche), zu wenig, zu hart“.

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ meist harmlos durch Virusinfekte, bei Harnwegsinfektion ▶ Invagination, Appendizitis, Ileus (s. Akutes Abdomen (S. 106))

Vorgehen ▶ evtl. Einlauf mit 20 ml/kg KG NaCl 0,9 %

3 Vom Symptom zur Diagnose

3.17 Stridor

3.16 Schreien („Dauerschreien“) Symptome, Kennzeichen Hauptgrund sind Dreimonatskoliken: Das Schreien dauert 3 Stunden am Tag, 3 Tage die Woche, mehr als 3 Wochen lang und hört nach dem 3. Lebensmonat auf. Erbrechen, Durchfall und Gewichtsverlust gehören nicht dazu!

Ursachen, mögliche Diagnosen Dreimonatskoliken als häufigste Ursache sind harmlos, problematisch ist aber, dass alle möglichen ernsten Erkrankungen dahinterstecken können. Auszuschließen sind z. B.: ▶ akutes Abdomen (Invagination, Ileus; s. Akutes Abdomen (S. 108)) ▶ Schütteltrauma (Augenhintergrund; s. Sonderform: Schütteltrauma (S. 208)) ▶ Meningitis (Fontanelle vorgewölbt, Fieber; s. Meningitis (S. 155))

3.17 Stridor Symptome, Kennzeichen Stridor ist ein pfeifendes Atemgeräusch bei Verengung der oberen Luftwege. Er kann beim Einatmen (inspiratorischer Stridor) und/oder beim Ausatmen (exspiratorischer Stridor) vorkommen.

Ursachen, mögliche Diagnosen Inspiratorischer Stridor entsteht bei Obstruktionen der großen Atemwege (oberhalb der Carina), exspiratorischer Stridor bei Enge in den kleinen Atemwegen (z. B. Asthma bronchiale). ▶ Tracheo-/Laryngomalazie – häufigster, meist harmloser Grund ▶ Pseudokrupp (S. 122) ▶ Epiglottitis (S. 125) ▶ Fremdkörperaspiration (S. 117) ▶ Anaphylaxie (S. 110) ▶ kann auch kardial, neurologisch und gastrointestinal ausgelöst sein

103

Vom Symptom zur Diagnose

3

104

3.18 Zyanose

3.18 Zyanose Symptome, Kennzeichen Zeichen des desoxygenierten Blutes, sichtbar ab 4g% desoxygeniertes Hb (Hb 12g%: SO2 < 75 %). ▶ zentrale Zyanose: auch Mundschleimhäute blau (= gesamtes Blut betroffen, meist Atemstörung) ▶ periphere Zyanose: nur Nagelbetten/Peripherie (= Kreislaufstörung)

Ursachen, mögliche Diagnosen ▶ Atemstörungen: Hypoventilation – Lungen-/Atemwegserkrankung ▶ Bluterkrankung: Anämie, Methämoglobinämie ▶ Kreislaufstörung: Schock (S. 162), Herzinsuffizienz, Herzfehler (S. 197)

4

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

Tab. 4.1 • Übersicht Notfälle. Notfall

Hauptstichwort

Abdomen, akutes

Akutes Abdomen (S. 106)

Abdominaltrauma

Traumatologische Notfälle (S. 166)

Aggression

Psychiatrische Notfälle (S. 161)

Amputationsverletzung

Amputationsverletzung (S. 108)

Anaphylaxie

Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock) (S. 110)

Anorexia nervosa

Psychiatrische Notfälle (S. 162)

Appendizitis

Akutes Abdomen (S. 106)

Aspiration

Akute Atemnot (S. 117)

Asthma bronchiale

Akute Atemnot (S. 117)

Atemnot, akute (Übersicht, Verweise)

Akute Atemnot (S. 117)

Augenverletzungen

Augenverletzungen (S. 126)

Herzrhythmusstörungen

bradykarde Herzrhythmusstörungen (S. 143)

Bronchiolitis

Bronchiolitis (S. 125)

Delir

Psychiatrische Notfälle (S. 160)

Diabetes mellitus

Diabetes mellitus (S. 128)

Elektrounfall

Elektrounfall (S. 130)

Epiglottitis

Akute Atemnot (S. 106)

Epilepsie

Krampfanfall (S. 151)

Ertrinkungsunfall

Ertrinkungsunfall (S. 132)

Exsikkose

Exsikkose (S. 133)

Extremitätenfrakturen

Extremitätenfrakturen (S. 136)

Fieberkrampf

Krampfanfall (S. 151)

Fremdkörper in Nase

Fremdkörper Nase (S. 137)

Fremdkörper in Ohr

Fremdkörper Ohr (S. 137)

Gewalttätigkeit

Psychiatrische Notfälle (S. 161)

Halluzinationen

Psychiatrische Notfälle (S. 160)

Herz-Kreislauf-Stillstand

Herz-Kreislauf-Stillstand (S. 137)

Herzrhythmusstörungen

Herzrhythmusstörungen (S. 137)

Hitzeschäden

Hitzeschäden (S. 147)

Hodentorsion

Hodentorsion (S. 149)

Hyperventilation

Hyperventilation (S. 150)

Invagination

Akutes Abdomen (S. 106)

Krampfanfall

Krampfanfall (S. 151)

Meningitis

Meningitis (S. 155)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

105

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.1 Akutes Abdomen Tab. 4.1 • Fortsetzung Notfall

Hauptstichwort

Plötzlicher Kindstod

Plötzlicher Kindstod (S. 157)

Polytrauma

Traumatologische Notfälle (S. 167)

Pseudokrupp

Akute Atemnot (S. 106)

Psychiatrische Notfälle

Psychiatrische Notfälle (S. 159)

Schädel-Hirn-Trauma

Traumatologische Notfälle (S. 169)

Schock

Schock (S. 162)

Selbstbeschädigung

Psychiatrische Notfälle (S. 161)

Suizidhandlungen

Psychiatrische Notfälle (S. 160)

tachykarde Herzrhythmusstörungen

Herzrhythmusstörungen (S. 139)

Thoraxtrauma

Traumatologische Notfälle (S. 173)

Traumatologische Notfälle

Traumatologische Notfälle (S. 166)

Unterkühlung

Unterkühlung (S. 183)

Verbrennungen

Verbrennungen und Verbrühungen (S. 185)

Verbrühungen

Verbrennungen und Verbrühungen (S. 185)

Vergiftungen

Vergiftungen (S. 190)

Wirbelsäulentrauma

Traumatologische Notfälle (S. 180)

Zahnschäden

Zahnschäden (S. 196)

4.1 Akutes Abdomen Definition, Symptome und Ursachen Beim akuten Abdomen handelt es sich um einen klinisch gebräuchlichen Sammelbegriff für alle Schmerzen und Störungen im Bereich der Bauchhöhle, die ein akutes Eingreifen – meist in Form einer Operation – erfordern. Da Kleinkinder viele Beschwerden auf den Bauch projizieren, verbirgt sich hinter Bauchschmerzen aber nur in den seltensten Fällen wirklich ein akutes Abdomen, Tab. 4.2. Merke Ruhe und Behutsamkeit des Untersuchers, warme Hände, Maßnahmen zum Vertrauensgewinn des Kindes und Zeit lassen helfen bei der Beurteilung. Bei einem sich wehrenden, weinenden Kind wird sich das gespannte Abdomen nicht beurteilen lassen. Aktuellen Gesamthabitus des Kindes mit einbeziehen: Still liegend, angstvoll, blass → sehr verdächtig! Häufigste Ursachen für ein akutes Abdomen (geordnet nach Häufigkeit): ▶ Appendizitis (häufig!) ▶ Schwere Enterokolitis (häufig!) ▶ Schwere akute Obstipation (häufig!) ▶ Inkarzerierte Hernie (häufig bei Säuglingen) ▶ Peritonitis (Perforation, Durchwanderung) 106

Tab. 4.2 • Symptome und mögliche Ursachen eines akuten Abdomens. Merkmal

Verdachtsdiagnose

• perakuter Schmerz

• Invagination • Volvulus, inkarzerierte Hernie, Perforation

• Trauma

Organverletzung mit Blutung

• initial Übelkeit • rektal-oraler Temperaturunterschied > 1 °C • Druckschmerz McBurney (rechter Drittelpunkt der Verbindung der Spinae iliacae) • kontralateraler Loslassschmerz • Psoasschmerz beim Beinhochheben rechts • meist jedoch nur unspezifisch: diffuser Bauchschmerz – mildes Fieber – Appetitlosigkeit • Kinder < 3 Jahre: oft Diarrhö, sehr häufig fehldiagnostiziert (< 2 Jahre: 95 % Perforation)

Appendizitis

• Kinder zwischen 6 Monaten und 3 Jahren • stärkster kolikartiger Bauchschmerz aus völliger Gesundheit („Schreianfälle“) • Beinchen angewinkelt • evtl. tastbare Walze • klassischer himbeergeleeartiger Stuhl ist Spätzeichen

Invagination (Selbsteinstülpung des Darms mit konsekutiven Durchblutungsstörungen und Darmverschluss)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.1 Akutes Abdomen

▶ Ileus (angeborene Obstruktion, Adhäsion, Invagination, Volvulus; gefährlich!) ▶ Sigmatorsion ▶ Urolithiasis ▶ Cholelithiasis ▶ Akute Pankreatitis ▶ Stumpfes Bauchtrauma mit Massenblutung (gefährlich!) ▶ Hodentorsion ▶ Vergiftung ▶ Coma diabeticum ▶ Adnexitis Wenn das Kind einfach ablenkbar ist, isst und trinkt, kein Fieber hat und die Schmerzen beim Husten/Springen nicht zunehmen, handelt es sich nicht um ein akutes Abdomen, sondern um (meist harmlose) Bauchschmerzen. Erkrankungen außerhalb des Abdomens mit abdomineller Symptomatik: ▶ Basale Pneumonie ▶ Akutes Skrotum ▶ Otitis media ▶ Diabetische Ketoazidose, Pseudoperitonitis diabetica (BZ-Stix!) ▶ Lebervergrößerung bei Herzinsuffizienz ▶ Harnwegsinfekt

107

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.2 Amputationsverletzung

Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.3 • Basismaßnahmen beim akuten Abdomen. Maßnahme

Details

Kind nüchtern lassen Lagerung

• Beine angezogen, falls möglich Knierolle • ggf. bei Schocksymptomatik leichte Schräglage (Kopf und Oberkörper tief)

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

venöser Zugang

4–6 l O2/min Ringer-Laktat

Tab. 4.4 • Medikamentöse Maßnahmen beim akuten Abdomen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Volumensubstitution (bei Schockzeichen)

kristalloide Lösung

20 ml/kg KG i. v.

400 ml NaCl 0,9 %/Ringer-Laktat

Analgesie

Metamizol

10 mg/kg KG i. v.

200 mg Novalgin i. v. (langsam injizieren!)

Piritramid/Morphin

0,1 mg/kg KG

2 mg i. v.

4.2 Amputationsverletzung Definition Traumatische (oft nicht ganz vollständige) Abtrennung einer Gliedmaße. Kinder sind im besonderen Maße durch den Blutverlust gefährdet.

Symptome ▶ schwere Weichteilverletzung ▶ Schockzustand

Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.5 • Basismaßnahmen bei Amputationsverletzungen.

108

Maßnahme

Details

Blutstillung

direkte Kompression/hochlagern/zunächst Abbinden mit Blutdruckmanschette, Tourniquets

Lagerung

betroffene Gliedmaße, wenn möglich, hochlagern

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang / i. o. Zugang

Ringer-Laktat/NaCl 0,9 %

Tab. 4.6 • Erweiterte Maßnahmen bei Amputationsverletzungen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20 ml/kg KG bei Schockzeichen

400 ml NaCl 0,9 %/Ringer-Laktat

Analgesie

S-Ketamin

0,25 mg/kg KG i. v.

5 mg Ketanest S i. v.

Sedierung

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v.

2 mg Midazolam i. v.

Falls i. v. / i. o. Zugang nicht vorhanden/möglich auch intranasale Gabe über MAD Zerstäuber erwägen.

▶ Tourniquets Die Anlage eines Abbindesystems ist eine sichere und effektive Maßnahme zur schnellen temporäreren Blutstillung z. B bei: • Amputationsverletzungen großer Gliedmaßen • lebensbedrohlicher Extremitätenblutung • Extremitätenblutung bei gleichzeitigem A-, B- oder C-Problem • multiplen Blutungen an einer Extremität • Unmöglichkeit der Blutstillung durch Druckverbände • keine Erreichbarkeit der Verletzung (z. B. eingeklemmte Person) • bei Zeitdruck in Gefahrensituationen (taktische Medizin)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.2 Amputationsverletzung

Tab. 4.7 • Spezifische Maßnahmen bei Amputationsverletzungen. Maßnahme

Details

Stumpfversorgung

• Blutstillung am Stumpf durch Druckverband und Hochlagerung (häufig bei partieller Durchtrennung schwerer als bei vollständiger → evtl. zusätzliche direkte Kompression) • Wunde nicht säubern, Fremdkörper nicht entfernen (Blutungen könnten verstärkt und zusätzliche Läsionen gesetzt werden) • kuppenförmigen Druckverband unter leichtem Zug anlegen (Druckkraft soll von distal und nicht von proximal wirken); Haltepflaster sparsam und in Längsrichtung der Extremität einsetzen, um eine Einschnürung (Tourniquet-Effekt mit Verstärkung der Ischämie) zu verhindern • Extremität schonend lagern (möglichst faltenarm angepasste Vakuummatratze)

109

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock) Tab. 4.7 • Fortsetzung Maßnahme

Details

Amputatversorgung

• Asservierung: mit steriler Kompresse abdecken und in einem Plastikbeutel (alternativ auch zusätzlich in Alufolie) wasserdicht verpacken (vermeidet Gewebequellung und -mazeration) • Kühlung: Plastikbeutel mit Amputat in einen 2. Beutel mit Eiswasser (Verhältnis Wasser : Eis = 1 : 1) legen (Kühlung bei ca. 4 °C [sog. „kalte Ischämie“] verlängert die Ischämietoleranz des Gewebes deutlich), Amputat darf nicht anfrieren!

Transport

• rascher Transport in das Replantationszentrum (häufig Indikation für RTH)

Vorsicht Der Zustand des Amputates hat für den Erfolg der Operation die größte Bedeutung, wobei die Kürze der Ischämiedauer ein wichtiges Kriterium darstellt.

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock) Definition Die Anaphylaxie wird definiert als „eine schwere, lebensbedrohliche und generalisierte Hypersensitivitätsreaktion“. Wenngleich pathophysiologisch die IgE-vermittelte allergische Sofortreaktion im Vordergrund steht, so werden heute unter dem Begriff auch die klinisch vergleichbar verlaufenden „nicht immunologisch ausgelösten Anaphylaxien“ subsumiert. Die Lebenszeitprävalenz wird mit bis zu 2 % angegeben, 0,65–2 % der Ereignisse enden tödlich. Kennzeichnend ist die dramatische Entwicklung: Je schneller sich die Symptome einstellen, desto gefährlicher ist der Verlauf. Die Hälfte tödlicher Anaphylaxien entwickeln sich nach parenteraler Medikation im Mittel nach 5 Minuten, je ein weiteres Viertel verteilt sich auf Insektenstich- (15 min) und Nahrungsmittelallergien (30 min). Insbesondere nach unzureichender Initialbehandlung kann es aber auch zu biphasischen Verläufen kommen, sekundäre Beschwerdezunahmen entwickeln sich nach 2–38 Stunden in 30 % der Fälle, Tab. 4.8. Die Anaphylaxie ist die wahrscheinlichste Diagnose, wenn ein Patient nach Exposition gegenüber einem Trigger (Allergen) plötzlich (meist innerhalb von Minuten) erkrankt mit rasch sich entwickelnden, lebensbedrohlichen Störungen der Luftwege, der Atmung und des Kreislaufs, meist verbunden mit Veränderungen der Haut und der Schleimhäute. Die Reaktion ist häufig unerwartet. 110

Ursachen Allergische Reaktion auf Medikamente: ▶ Muskelrelaxanzien ▶ Antibiotika ▶ Lokalanästhetika ▶ jodhaltige Kontrastmittel Allergische Reaktion auf Fremdeiweiß und Polysaccharide: ▶ Insekten- (vor allem Bienen- und Wespenstiche) und Schlangengifte ▶ Nahrungsmittel (z. B. Milch, Hühnereiweiß, Fisch, Nüsse) ▶ Seren, Vakzinen ▶ Organextrakte

Stadieneinteilung Tab. 4.8 • Stadieneinteilung bei anaphylaktischem Schock. Stadium

Symptome

I

Schwindel, Kopfschmerzen, Tremor, Hautreaktion: z. B. Erythem, Flush, Juckreiz, Angioödem, Rachenkribbeln, Niesreiz, Heiserkeit, Nasenlaufen

II

zusätzlich: Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, Tachykardie, Atemnot, Stridor, Diarrhö, Defäkation

III

zusätzlich: Bronchospasmus, Schock, zerebrale Krämpfe, Hypotonie, Synkope

IV

Herz-Kreislauf-Stillstand

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock)

Therapeutische Maßnahmen Neben den in Tab. 4.9 beschriebenen allgemeingültigen Maßnahmen beim Schock stehen beim anaphylaktischen Schock die Unterbindung einer weiteren Allergenzufuhr und eine antiallergische Medikation im Vordergrund. Tab. 4.9 • Basismaßnahmen bei Anaphylaxie. Maßnahme

Details

Lagerung

• bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage • bei Atemnot Oberkörper hochlagern • bei Hypotonie Schocklage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

2–4 l O2/min

weitere Maßnahmen

• Unterbinden weiterer Allergenzufuhr • Atemwege frei machen/ frei halten • Infusion • Racheninspektion: Uvulaödem? Zungenschwellung? → Atemwegsverlegung droht

Ringer-Laktat, 20 ml/kg KG bei Schockzeichen

111

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock)

Medikamentöse Maßnahmen Adrenalin ist das wichtigste Medikament zur Behandlung einer Anaphylaxie und muss deshalb allen Patienten mit lebensbedrohlichen Symptomen (Stadium III und IV) gegeben werden, Tab. 4.10. Tab. 4.10 • Medikamentöse Maßnahmen bei anaphylaktischem Schock (Stadium 3–4). Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Anaphylaxie Stadium 3–4

Adrenalin i. v.

0,1–0,5 mg frakt.

1 ml Adrenalin + 9 ml NaCl 0,9 % fraktioniert 0,5–1 ml, wiederholt verdünntes Adrenalin i. v. • Säugling: 0,5–1 ml • Kleinkind: 1–2 ml • Schulkind: 3–4 ml

i. v.-Gabe nur durch den „Profi“ alle Anderen: i. m.-Gabe

sicherere und einfachere Alternative: i. m.-Gabe Adrenalin i. m.

• Erwachsene: 500 μg i. m. (0,5 ml) • Kinder > 12 J.: 500 μg i. m. (0,5 ml) • Kinder 6–12 J.: 300 μg i. m. (0,3 ml) • Kinder < 6 J.: 150 μg i. m. (0,15 ml)

alternativ Autoinjektor, z. B. Jext 150 μg, Fastjekt junior, Emerade 150 u. a. (einfachste Handhabung, Tab. 4.11): Kinder > 30 kg KG: 1 Jext/Fastjekt/ Emerade 300 μg i. m.

▶ Intramuskuläre Gabe von Adrenalin (ERC 2015) Die intramuskuläre (i. m.) Gabe von Adrenalin ist für die meisten Anwender der sicherste und schnellste Applikationsweg zur Behandlung der Anaphylaxie. Der Patient soll so rasch wie möglich am Monitor überwacht werden (Blutdruck, EKG, Pulsoximetrie), damit die Wirkung der Adrenalingabe festgestellt werden kann. Der i. m. Applikationsweg hat mehrere Vorteile: • größere therapeutische Sicherheit, • Anwendung auch ohne i. v. Zugang möglich, • einfachere Erlernbarkeit der Methode, • Patienten mit bekannten Allergien können sich Adrenalin selber i. m. verabreichen. Der beste Applikationsort ist die anterolaterale Seite des mittleren Drittels des Oberschenkels. Die Injektionsnadel soll lang genug gewählt werden, sodass das Adrenalin in den Muskel injiziert werden kann. Wegen der schlechteren Wirksamkeit der subkutanen oder inhalativen Anwendung ist der i. m. Applikationsweg zu bevorzugen.

112

Tab. 4.11 • Anwendung eines Adrenalin-Fertigpens am Beispiel des Fastjekts. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Anwendung Fastjekt

orangefarbene Spitze (Nadelaustritt)

blaue Sicherheitskappe (nur im Notfall abziehen)

Schaft

Fastjekt® Junior ① Blaue Sicherheitskappe gerade abziehen. Die orangefarbene Spitze nicht mit den Fingern oder der Hand berühren oder darauf drücken.

mind. 10 sec

② Den Schaft des Fastjekt Junior mit der dominanten Hand fest umfassen und die orangefarbene Plastikspitze im rechten Winkel mit einer schnellen Bewegung kräftig gegen die Außenseite des Oberschenkels aufsetzen und drücken, bis die Injektionsnadel deutlich hörbar auslöst. Fastjekt Junior mindestens 10 Sekunden in dieser Stellung festhalten. Die Injektion ist danach vollständig erfolgt und das Sichtfenster des Autoinjektors verdunkelt. Danach den Autoinjektor entfernen und die Injektionsstelle ca. 10 Sekunden massieren. Der orangefarbene Nadelschutz ragt jetzt weiter heraus und verdeckt die Nadel.

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock)

Kommt es durch die allergische Reaktion zu Larynx-Ödem, Quincke-Ödem und/oder Bronchospasmus, ist der Einsatz von Katecholaminen per inhalationem (Verneblermaske) indiziert. Katecholamine per inhalationem

Adrenalin p. i.

Epinephrin Sprühlösung/ Pumpspray

Infectokrupp Inhal 2–4 Sprühstöße tief in den Rachen, 1 Hub = 0,5 mg

Adrenalin 2–4 ml unverdünnt über Verneblermaske 1 Amp. = 1 ml = 1 mg

Adrenalin 2–4 ml unverdünnt über Verneblermaske bis zur Symptombesserung inhalieren lassen

113

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock) Tab. 4.11 • Fortsetzung Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

▶ Intravenöse Adrenalingabe (ERC 2015) Das Risiko von gefährlichen Nebenwirkungen durch unsachgemäße Dosierung oder Fehldiagnose einer Anaphylaxie ist bei der intravenösen (i. v.) Adrenalingabe viel größer. Adrenalin soll deshalb i. v. nur durch Erfahrene und im Umgang mit Vasopressoren Geübte eingesetzt werden. Bei Patienten mit Spontankreislauf kann i. v. appliziertes Adrenalin lebensbedrohliche Hypertensionen, Tachykardien, Rhythmusstörungen und Myokardischämien verursachen. Wenn kein i. v. Zugang vorhanden ist oder nicht rasch genug gelegt werden kann, soll der i. m. Applikationsweg gewählt werden. Patienten, die i. v. Adrenalin erhalten, müssen am Monitor überwacht werden. Liegen keine lebensbedrohlichen Symptome vor (Stadium I, II), sondern andere Zeichen einer systemischen Reaktion, muss der Patient sorgfältig überwacht werden und erhält zunächst Medikamente der 2. Reihe (Antihistaminika, Kortikosteroide etc.), Tab. 4.12. Tab. 4.12 • Medikamentöse Maßnahmen bei anderen systemischen Reaktionen (Stadium I und II). Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Antihistaminika

Clemastin 1 Amp. = 5 ml = 2 mg

0,03 mg/kg KG i. v.

Tavegil i. v. • 1 Jahr: 0,5 ml • 2–3 Jahre: 1 ml • 9–10 Jahre: 2 ml • 12–15 Jahre: 2–3 ml

Dimetinden 1 Amp. = 4 ml = 4 mg

1 ml/10 kg KG i. v.

Fenistil i. v. • 1 Jahr: 1 ml • 2–3 Jahre: 2 ml • 9–10 Jahre: 3 ml • 12–15 Jahre: 4–5 ml

Prednisolon

10 mg/kg KG

Solu-Decortin H i. v.

oder

Kortikosteroide

114

Tab. 4.12 • Fortsetzung Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

• Säugling: 50–100 mg • Kleinkind: 100–200 mg • Schulkind: 250–500 mg • Infectocortikrupp rektal 1 Supp. 100 mg oder Dexamethason

0,5 mg/kg KG i. v.

¼–½ Amp. Fortecortin Inject 100 mg i. v.

ca. 10–20 mg/kg KG i. v.

Urbason solubile forte i. v. • Säugling. 100 mg • Kleinkind: 100–200 mg • Schulkind: 250–500 mg

oder Methylprednisolon

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock)

Reanimation bei anaphylaktischem Schock (Stadium IV mit HerzKreislauf-Stillstand) Der Herz-Kreislauf-Stillstand bei anaphylaktischem Schock ist mit massiver Vasodilatation, intravaskulärem Kollaps, Gewebehypoxie und Asystolie verbunden, Abb. 4.1. Daraus ergeben sich folgende Besonderheiten: ▶ Beatmung Ursache für einen Atemstillstand kann ein Angioödem oder eine obere und untere Atemwegsobstruktion im Sinne einer primären Hypoxie sein. In diesem Fall ist eine Beutelbeatmung, aber auch eine Intubation erfolglos. Auch eine Koniotomie kann schwierig bis erfolglos sein, stellt aber die Ultima Ratio dar. ▶ Katecholamine Bei der Reanimation ist Adrenalin das Medikament der Wahl, gerade bei Vasodilatation und Hypotension. Hierfür bieten sich verschiedene Applikationswege an. ▶ Reanimationsdauer Bei Kreislaufstillstand bei anaphylaktischem Schock sollte eine Reanimation über längere Zeit durchgeführt werden, da vor allem bei jungen Patienten keine Vorschädigungen von Herz und Kreislauf anzunehmen sind. ▶ Volumengabe Eine rasche Flüssigkeitstherapie muss mit ausreichenden Volumina – in der Regel isotone Elektrolytlösung – begonnen werden. ▶ Antiallergika Systemische Antihistaminika bringen in dieser Situation ebenso wie Steroide keinen therapeutischen Effekt. ▶ Sauerstoff In jedem Fall muss ein hohes O2-Angebot sichergestellt sein.

115

4.3 Anaphylaxie (anaphylaktischer Schock)

Anaphylaktische Reaktion?

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

Airway, Breathing, Circulation, Disability, Exposure

Diagnose: • akuter Krankheitsbeginn? • Lebensbedrohliche ABC Probleme1 • Hautmanifestationen (meist)

• Hilfe anfordern • Beine anheben (falls es die Atmung erlaubt) Adrenalin2

Falls Erfahrung und Ausrüstung vorhanden: • Atemwegssicherung Monitorüberwachung: • • Pulsoximetrie 3 • i.v. Flüssigkeitsbolus • EKG 4 • Chlorphenamine (Antihistaminika) • Blutdruck • Hydrocortison5 1

2

4

Lebensbedrohliche ABC Probleme: • A: Schwellung der Luftwege, Heiserkeit, Stridor • B: Tachypnoe, Giemen, Müdigkeit, Zyanose, SpO 2 < 92%, Verwirrtheit • C: Blässe, Schwitzen, Hypotonie, Schwäche, Schläfrigkeit, Bewusstlosigkeit

Adrenaline (i.m. außer Sie haben Erfahrung mit i.v. Adrenalin) (wiederholen sie nach 5 min, falls keine Besserung) 500 µg i.m. (0,5 ml) • Erwachsene • Kinder >12 J. 500 µg i.m. (0,5 ml) • Kinder 6–12 J. 300 µg i.m. (0,3 ml) 150 µg i.m. (0,15 ml) • Kinder < 6 J. Adrenalin soll nur durch erfahrene Spezialisten i.v. gegeben werden Titration mit Boli von 50 µg (Erwachsene), 1 µg/kg (Kinder)

3

IV Flüssigkeitsbolus (Kristalloide): Erwachsene: 500 – 1000 ml Kinder: 20 ml/kg Stoppen Sie i.v. Kolloide, falls diese als Ursache in Frage kommen.

Chlorphenamine Injektionslösung ist in deutschsprachigen Ländern nicht im Handel

Dimetinden/Clemastin (langsam i.v.) 0,1 mg/kg Erwachsene oder Kinder > 12 J 0,03 mg/kg Kinder ab 1 Jahr

5 Hydrokortison (i.m. oder langsam i.v.)

Erwachsene oder Kinder > 12 J Kinder 6–12 J. Kinder 6 Monate – 6 J Kinder < 6 Monate

200 mg 100 mg 50 mg 25 mg

Abb. 4.1 • Algorithmus bei Anaphylaxie. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council Truhlár, Deakin, Soar et al. Notfall Rettungsmed 2015;18: 833-903)

116

4.4 Akute Atemnot Notfälle, die mit einer Beeinträchtigung der Atmung einhergehen, sind im Kindesalter (im Gegensatz zu kardiologischen Notfällen) relativ häufig. Gleichzeitig aber stellt die Versorgung eines respiratorischen Notfalls bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern den Notarzt vor erhöhte Anforderungen, insbesondere in Bezug auf die Intubations- und Beatmungstechnik. Vorsicht Jede Dyspnoe kann das Vorstadium eines akuten Atemstillstandes sein!

Symptome einer Dyspnoe ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Tachypnoe (Normwerte der Atmung s. Tab. 2.8) Einziehungen In- oder exspiratorischer Stridor Nasenflügeln beim Säugling Einsatz der Atemhilfsmuskulatur beim älteren Kind Evtl. Zyanose oder grau-blasses Aussehen des Säuglings Sehr leise Atemgeräusche

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.4 Akute Atemnot

Krankheitsbilder Jeder notärztlich tätige Arzt sollte die wichtigsten Krankheitsbilder, die zur akuten Atemnot führen, differenzialdiagnostisch abschätzen können. Die wichtigsten Krankheitsbilder, die zu einer akuten Atemnot führen können, sind: ▶ Aspiration von Fremdkörpern (S. 117) ▶ Asthma bronchiale (S. 120) ▶ Epiglottitis (S. 125) ▶ Pseudokrupp (S. 122)

Erstmaßnahmen Alle Maßnahmen möglichst behutsam und beruhigend einleiten, Kind wenn möglich auf dem Arm / auf dem Schoß der Bezugsperson lassen. Die Intubation lässt sich oft durch gezielte Erstmaßnahmen umgehen. Meist genügen dann für die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Atmung, folgende Maßnahmen: ▶ stabile Seitenlage oder Oberkörperhochlagerung ▶ O2-Gabe über vorgehaltene Maske, aufgesetzter Maske, Nasenbrille, Nasensonde ▶ ggf. Freimachen/ Absaugen des Nasopharynx

Aspiration (Fremdkörperverlegung der Atemwege) Die Aspiration von Nahrung kommt bevorzugt bei Säuglingen in den ersten 2–3 Lebensmonaten vor, besonders bei Erbrechen in Rückenlage. Die Aspiration von in den Mund gesteckten Gegenständen (z. B. Erdnusskerne, Erbsen, Bohnen, kleine Spielsachen) tritt gehäuft im Kleinkindalter auf, Abb. 4.2. Selten, aber äußerst bedrohlich ist die Aspiration von Kinderpuder, da dieses tief in die Atemwege eindringen kann. Die meisten aspirierten Fremdkörper gelangen in den Bronchialbaum, lediglich 10– 15 % verbleiben im laryngotrachealen Bereich und sind damit potenziell durch den Helfer zu entfernen, Abb. 4.3.

117

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.4 Akute Atemnot

Allgemeine Zeichen der Fremdkörperverlegung der Atemwege Beobachteter Vorfall Husten/Ersticken Plötzlicher Beginn Während oder unmittelbar nach dem Spielen mit kleinen Gegenständen bzw. dem Essen Ineffektives Husten kann nicht Sprechen Stilles oder leises Husten Kann nicht Atmen Zyanose Sich verschlechternder Bewusstseinszustand

Effektives Husten Weinen oder verbale Reaktion auf Ansprache Lautes Husten Kann vor dem Hustenstoß einatmen Bewusstseinsklar

Abb. 4.2 • Zeichen der Fremdkörperverlegung der Atemwege. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 932)

Fremdkörperentfernung beim Kind Einschätzung

ineffektives Husen

effektives Husten

bewusstlos

bei Bewusstsein

zum Husten ermutigen

Atemwege öffnen 5 Beatmungen Beginn mit HLW 15:2

5 Rückenschläge 5 Thoraxkompressionen (nur Säugling) 5 Oberbauchkompressionen (Kind > 1 Jahr)

kontinuierliches Beobachten der klinischen Situation

Abb. 4.3 • Fremdkörperentfernung beim Kind. (® German Resuscitation Council und Austrian Resuscitation Council 2015. Maconochie, I., Bingham, R., Eich, C. et al. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 932)

▶ Symptome • plötzlicher Husten • Würgen, Keuchen • Dyspnoe, im schlimmsten Fall auch Apnoe • Stridor • Giemen • abgeschwächtes oder fehlendes Atemgeräusch im betroffenen Lungenabschnitt

118

▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.13 • Basismaßnahmen bei Aspiration. Maßnahme

Details

Keine Zyanose, keine sonstigen Zeichen einer unzureichenden O2-Versorgung. Lagerung

• stabile Seitenlage • Kopf leicht überstrecken • alternativ Oberkörperhochlagerung

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

weitere Maßnahmen

notärztliche Begleitung in die nächste Kinderklinik

4–6 l O2/min

Zeichen der O2-Minderversorgung (zunehmende Zyanose, Atemnot). Fremdkörperentfernung

• Fremdkörperentfernung durch Freiräumen des Mund-Rachen-Raums mithilfe der Absaugung oder geeignetem Instrumentarium (Magill-Zange) • bei ausbleibendem Erfolg bei Säuglingen oder Kleinkindern: – Kind in Bauchlage und mit dem Kopf nach unten halten – mit der flachen Hand zunächst leicht – bei Misserfolg zunehmend kräftiger – bis zu 5-mal zwischen die Schulterblätter schlagen – bei ausbleibendem Erfolg Kind in Rückenlage bringen (Kopf wieder tiefer als Thorax!) und 5 Stöße gegen das Sternum verabreichen (ähnlich wie bei der Herzdruckmassage, jedoch sollten die Thoraxstöße etwas schärfer und heftiger sowie mit etwas langsamerer Frequenz [alle 3 s 1 Stoß] durchgeführt werden) – nach 5 Schlägen auf den Rücken und 5 Thoraxstößen Mund-RachenRaum erneut überprüfen und sichtbare Fremdkörper ggf. entfernen – bei ausbleibendem Erfolg Vorgehen wiederholen

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.4 Akute Atemnot

119

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.4 Akute Atemnot Tab. 4.13 • Fortsetzung Maßnahme

Details

• bei ausbleibendem Erfolg bei größeren Kindern: Heimlich-Handgriff • bei weiter ausbleibendem Erfolg Rachenbereich unter endoskopischer Sicht absaugen und ausräumen, ggf. intubieren • Notfallkoniotomie (S. 55) als letzte (verzweifelte) Maßnahme • bei Kreislaufstillstand CPR

Heimlich-Handgriff beim stehenden Kind

Vorsicht Prinzipiell soll im Kindesalter das „blinde Auswischen“ des Mund-Rachen-Raums mit dem Finger vermieden werden, da ein Fremdkörper dadurch möglicherweise nur weiter nach hinten verlagert wird und eine komplette Obstruktion hervorruft!

Asthma bronchiale Beim Asthmaanfall sind die Bronchien verengt. Da der Bronchiendurchmesser durch den intrathorakalen Druck bei der Ausatmung abnimmt, ist die Exspiration zunehmend behindert und unvollständig. Die Ausatmung gelingt immer weniger (= Air Trapping), es kommt zu einem emphysematischen Fassthorax und der Atemstrom nimmt ab. Diese reduzierten Atemgeräusche (Silent Chest, Silent Lung) kündigen die lebensbedrohlichen Zustände Status asthmaticus oder maligne Asthmakrise an. ▶ Status asthmaticus Der Status asthmaticus ist durch ein kurzfristiges Einsetzen der Atemnot aus scheinbarem Wohlbefinden oder rasche Verschlechterung eines chronischen Asthma bronchiale gekennzeichnet. Symptome sind: • Hustenreiz • Atemnot • verlängerte Exspiration mit Giemen • evtl. Stridor • Tachykardie und Hypertonie • Unruhe, Angst, Schwitzen • prall gefüllte Halsvenen ▶ Maligne Asthmakrise Die maligne Asthmakrise tritt meist nachts im Schlaf als akute Hypoxie bei Kindern mit Asthma bronchiale auf. Die typischen Symptome des Status asthmaticus fehlen meist. Typisch sind: • rasch zunehmende Atemnot • Atemgeräusche auskultatorisch fast nicht mehr wahrnehmbar (Silent Lung) 120

4.4 Akute Atemnot

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

• Bewusstseinsverlust • Krampfäquivalente mit Stuhl- und Urinabgang ▶ Differenzialdiagnose • Fremdkörper in den Luftwegen • Verätzung, Verbrühung von Pharynx oder Larynx • Insektenstich in Pharynx oder Larynx • allergisches Ödem • akute Tonsillitis • Pseudokrupp und echter Krupp • Keuchhusten ▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.14 • Basismaßnahmen bei Asthma bronchiale. Maßnahme

Details

Lagerung

mit erhöhtem Oberkörper

bei Zyanose Sauerstoff

am besten über Maske

weitere Maßnahmen

Kind beruhigen

4

4–6 l O2/min Ziel: Sättigung > 92 %

Tab. 4.15 • Medikamentöse Maßnahmen bei Asthma bronchiale. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Wichtigste Maßnahme: hochdosierte, inhalative Applikation von β2-Sympathomimetika β2-Sympathikomimetika per Inhalation

Salbutamol

Salbutamol Inhalat 1,25 mg (= 2,5 ml) als Fertiginhalat + 3 ml NaCl 0,9 %

Salbutamol Fertiginhalat 2,5 ml + 3 ml NaCl 0,9 %

(+ 1 ml Ipratropiumbromid Fertiginhalat 250 μg s. u.)

(+ 1 ml Atrovent s. u.) in Verneblermaske

plus falls möglich zusätzlich/ gleichzeitig Anticholinergika per inhalationem

Ipratropiumbromid

Ipratropiumbromid Fertiginhalat 250 μg

Atrovent 500 μg/2 ml: 1 ml = 250 μg (6–12 Jahre) ½ml = 125 μg (< 6 Jahre)

falls keine Verneblermöglichkeit: Dosieraerosol

Salbutamol 1 Hub = 0,1 mg

Salbutamol 1 Hub = 0,1 mg

2–4–6 Hübe Salbutamol DA

121

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.4 Akute Atemnot Tab. 4.15 • Fortsetzung Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Fenoterol

Fenoterol 1 Hub = 0,1 mg

2–4–6 Hübe Fenoterol DA

falls Inhalation nicht möglich: β2-Sympathikomimetika s. c.

Terbutalin 1 Amp. Bricanyl = 1 ml = 0,5 mg

5–10 μg/kg KG

Säuglinge und Kleinkinder: 0,1– 0,2 ml Bricanyl s. c.

Kortikosteroide

Prednisolon

2–4 mg/kg KG i. v.

20–125 mg SoluDecortin H i. v.

2–4 mg/kg KG i. v.

20–125 mg Urbason solubile i. v.

100 mg rektal

1 Supp. Infectocortikrupp 100 mg

oder Methylprednisolon oder Prednisolon oder Prednisolon

100 mg rektal

1 Supp. Rectoldelt

Bronchospasmolyse

Magnesium (Magnesium 5 Sulfat Amp. 10 %)

50 mg/kg KG als Kurzinfusion über 15 min, solange Herzfrequenz > 100

10 ml ad 100 ml NaCl über 15 min, solange Herzfrequenz > 100

(präklinisch nur sehr eingeschränkt empfohlen)

Theophyllin 1 Amp. Bronchoparat 10 ml = 200 mg

5 mg/kg KG langsam i. v.

Bronchoparat 200 mg/10 ml bei 20 kg KG: 5 ml sehr langsam i. v.

ggf. leichte Sedierung

Midazolam 1 Amp. Midazolam 5 mg/ 5 ml

0,05 mg/kg KG ggf. wiederholen

Midazolam bei 20 kg KG: 1 ml = 1 mg i. v.

ggf. Narkose

S-Ketamin 1 Amp. Ketanest S 25 mg/ 5 ml

1–2 mg/kg KG i. v. i. m. Gabe notfalls möglich

bei 20 kg KG: 20– 40 mg Ketanest S

S-Ketamin ist aufgrund der sedierenden und bronchodilatatorischen Wirkung sowohl beim nicht intubierten als auch beim intubierten Kind einsetzbar.

Kruppsyndrom und Epiglottitis Unter dem Begriff „Kruppsyndrom“ werden der echte Krupp und der Pseudokrupp zusammengefasst. ▶ Krupp Der echte Krupp tritt im Rahmen einer Diphtherie auf. Diese Erkrankung ist durch die obligatorische Schutzimpfung sehr selten geworden.

122

▶ Pseudokrupp Pseudokrupp ist die Bezeichnung für eine stenosierende Laryngotracheitis, die durch eine Virusinfektion mit entzündlicher Einengung des subglottischen Raums ausgelöst wird, Abb. 4.4. Umwelteinflüsse (kaltes Wetter, Wetterwechsel, Luftverschmutzung) begünstigen möglicherweise die Entstehung, die Erkrankung dauert eine Woche und ist häufig rezidivierend. Normal

1 mm Ödem

Atemwegswiderstand

Querschnittsfläche

16-fach erhöht

um 75% erniedrigt

3-fach erhöht

um 44% erniedrigt

Kinder 4 mm

Erwachsene

8 mm

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.4 Akute Atemnot

Abb. 4.4 • Pseudokrupp.

▶ Symptome Oft geht es den Kindern tagsüber gut, mitten in der Nacht kommt es dann zum Anfall. Der Husten klingt wie Hundebellen, der Stridor wie der Ruf eines Seelöwen. Vorsicht Die Kombination febriles Kleinkind mit Atemnot und Stridor ist ein häufiger Notfall und wird in 90 % durch einen Pseudokruppanfall ausgelöst. ▶ Differenzialdiagnose von Kindern mit Fieber, Atemnot und inspiratorischem Stridor Tab. 4.16 • Differenzialdiagnose Pseudokrupp. Merkmal/ Symptom

Stenosierende Laryngotracheitis (Pseudokrupp)

Epiglottitis

Retropharyngealer Abszess

Bakterielle Tracheitis

Krankheitsbeginn

erst „Schnupfen“

stürmisch

langsam

langsam

Alter des Kindes

½–3 Jahre

2–7 Jahre

½–4 Jahre

verschieden

Haltung im Bett

liegend, atypisch, unruhig

sitzend, nach vorn gebeugt, ruhig

Hals steif, ruhig

verschieden

Fieber

um 38 °C

> > 38 °C

> > 38 °C

> 38 °C

Stimme

heiser!!!

leise, kloßig

leise

leise

Blässe

–/ +

+++

++

++

Husten

bellender Husten





schmerzhaft

Speichelfluss

–/(+)

+++

+++



Schluckbeschwerden



++

+++



123

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.4 Akute Atemnot

Vorsicht Vom Pseudokrupp sind die bedrohliche Epiglottitis, der retropharyngeale Abszess und die bakterielle Tracheitis abzugrenzen. Der echte Kruppanfall tritt bei Diphtherie auf und ist aufgrund der hohen Durchimpfung eine Rarität. ▶ Therapeutische Maßnahmen Während ein Kind mit einer leichteren Form eines Pseudokrupps oft nach der Behandlung zu Hause gelassen werden kann, muss bei schwereren Formen sowie beim geringsten Verdacht auf eine Epiglottitis die stationäre Aufnahme in eine Kinderklinik eingeleitet werden. Da der Sauerstoffverbrauch des Kindes durch die atemnotbedingte Unruhe erheblich gesteigert ist, ist die Beruhigung des Kindes (und seiner Angehörigen) die erste wichtige Maßnahme. Gleichzeitig sollten die Manipulationen am Kind auf das Allernötigste beschränkt werden. Sämtliche Maßnahmen und insbesondere die vorsichtige Racheninspektion (ohne Spatel!) sollten in Bereitschaft zur Maskenbeatmung durchgeführt werden, Tab. 4.17, Tab. 4.18.

Tab. 4.17 • Basismaßnahmen bei Pseudokrupp. Maßnahme

Details

Beruhigung

Kind auf dem Arm der Mutter an die frische Luft bringen

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

Luftbefeuchtung

Wasserdampf erzeugen

4 l O2/min

Tab. 4.18 • Medikamentöse Maßnahmen bei Pseudokrupp. Anwendung

Medikament

Inhalation

Epinephrin-Sprühlösung

Dosierung

Beispiel

2–4 Hübe Infectokrupp Inhal tief in den Rachen

Adrenalin-Vernebelung über Sauerstoffmaske

0,5 mg/kg KG (max. 5 mg)

0,5 mg/kg KG Adrenalin ad 5 ml NaCl 0,9 % über Inhalationsmaske

Kortison

Prednison/ Prednisolon rektal

Rectodelt 100 Supp. oder Infectocortikrupp Supp.

Prednisolon/ Methylprednisolon i. v. (4 mg/kg KG)

20–125 mg Solu-Decortin H i. v. oder 20–125 mg Urbason solubile

weitere Maßnahmen

124

bei lebensbedrohlicher Ateminsuffizienz Maskenbeatmung, Intubation nur, wenn unausweichlich

Epiglottitis Perakut verlaufende bakterielle Infektion der Epiglottis zumeist durch Haemophilus influenzae (HIB). Kann unbehandelt oder falsch behandelt rasch zum Erstickungstod führen. Einerseits verhindert die HIB-Impfung nur die klassischen Fälle, andererseits nimmt die Inzidenz aufgrund der Impfmüdigkeit in letzter Zeit deutlich zu. ▶ Symptome • leichter Stridor, hohes Fieber und Speichelausfluss, Schluckbeschwerden • zur Abgrenzung z. B. von Pseudokrupp oder retropharyngealem Abszess s. → Differentialdiagnose Tab. 4.16 Vorsicht Zunehmende Inzidenz? Daher Vorsicht bei Kindern mit diesen Symptomen! ▶ Therapeutische Maßnahmen Bei der Epiglottitis kann durch zu viel ärztlichen Aktionismus perakut der Atemweg zuschwellen, nur sehr erfahrenen Ärzten gelingt dann durch Intubation oder Koniotomie noch eine Rettung → bei jedem Verdacht auf Epiglottitis rasch in eine Klinik mit erfahrenem Anästhesisten/HNO-Ärzten/Pädiatern, Voranmeldung! Die wichtigste präklinische Maßnahme ist es, jegliche Aufregung des Kindes zu vermeiden, da jede zusätzliche Anstrengung zu einem akuten Erstickungsanfall führen kann. Daher • alles unterlassen, was das Kind ängstigen könnte („das Kind nur berühren, wenn es einen Atemstillstand hat“) • Transport im RTW am besten auf dem Schoß eines Elternteils sitzend • eilig in die Klinik • Sauerstoffdusche (8 l/min), ggf. assistierende Maskenbeatmung des sitzenden Kindes • Voranmeldung (Epiglottitis: Anästhesist/HNO/Pädiater in Ambulanz-OP, Inhalationseinleitung fertigmachen, Koniotomiebereitschaft herstellen)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.4 Akute Atemnot

Vorsicht Die endotracheale Intubation sollte außerhalb des Krankenhauses wegen zu erwartender Intubationsschwierigkeiten nur in Extremfällen und nur durch Intubation sehr erfahrener Personen unter Sedierung durchgeführt werden (schwierig, Gefahr der Blutung aus Schleimhaut). Scheitert der erste Intubationsversuch, ist wahrscheinlich nur noch eine Notfallkoniotomie möglich (Larynxmaske/-tubus nützt nichts).

Bronchiolitis Häufige Erkrankung von Säuglingen im Winter fast immer ausgelöst durch das RS-Virus. Da die Bronchiolen ein deutlich kleineres Lumen als die größeren Bronchien aufweisen, führt die entzündungsbedingte Schleimhautschwellung oft zu erheblich bedrohlicheren Symptomen als die Bronchitis. ▶ Symptome: • beginnt mit „Schnupfen“ • Atemnot, Tachypnoe, Nasenflügeln • Husten, teils mit Erbrechen • Bronchospastik, teils Rasselgeräusche, hypersonorer Klopfschall • Cave: Apnoen und Zyanose (vor allem bei Säuglingen < 3 Monate)

125

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.5 Augenverletzungen

▶ Therapeutische Maßnahmen: • Immer stationär nehmen! Intensivpflicht! • O2-Gabe, notfalls assistierte Beatmung • Bronchodilatatoren (S. 120) z. B. ß2-Symphatomimemetika) inhalativ versuchen, Kortison nur begrenzt und spät wirksam • Isolieren, da hochinfektiös

4.5 Augenverletzungen Definition, Ursachen und Symptome Die häufigsten Verletzungsarten im Augenbereich sind, Tab. 4.19: ▶ mechanische Verletzungen • Fremdkörper im Auge (ohne Penetration) • penetrierende/perforierende Verletzungen • stumpfe Verletzungen (Contusio bulbi) ▶ Verbrennungen/Verätzungen Tab. 4.19 • Häufigste Verletzungsarten im Augenbereich.

126

Art der Verletzung

Beispiele

Symptomatik

Vorgehen

Fremdkörper ohne Penetration

kleine Fremdkörper wie z. B. Staubkörner, Rost, Ruß oder kleine Insekten

• Augenreizung (starke Reizung möglich bei etwas größeren oder unter einem Augenlid festgesetzten Fremdkörpern) • Tränen • Schmerz • Blepharospasmus (Lidkrampf) • Lichtscheu

• werden meist von selbst durch die Tränenflüssigkeit aus dem Auge herausgespült • Entfernung mittels Augenspülung (Tab. 4.20) vor Ort, außer wenn die Art des Fremdkörpers unklar ist oder er aus Metall, Holz oder einem anderen harten Material besteht

penetrierende Verletzungen (können Hornhaut, Bindehaut und Augenadnexe betreffen)

Glassplitter von Windschutzscheiben oder Brillengläsern, Metallsplitter, Feuerwerkskörper

• wie oben, Schmerz kann bei glatter Perforation weitgehend fehlen! • akute Bedrohung des Sehvermögens möglich (primär durch die Verletzung direkt, sekundär durch Infektion, Sekundärglaukom u. a.)

• Oberkörper hochlagern • sterile Abdeckung: beide Augen locker mit sterilen Mullkompressen abdecken (Ruhigstellung der Augen) • ggf. venöser Zugang

stumpfe Verletzungen (Contusio bulbi)

Tennis-/Squash-Ball, Schlägerei, Autounfall

• wie oben, insbesondere Schmerz • einfache Prellung bis hin zur Orbitafraktur und • Schädelbasisbruch möglich

Tab. 4.19 • Fortsetzung Art der Verletzung

Beispiele

Symptomatik

Vorgehen

Verätzungen

Laugen (z. B. Waschmittel, ungelöschter Kalk, Chemikalien) oder Säuren (z. B. Batteriesäure, Reinigungsmittel)

• wie oben, Schmerz oft sehr stark • Sehstörungen bis hin zum totalen Sehverlust • rotes Auge – leichte Verätzung: Bindehaut teils hyperämisch (rot), teils ischämisch (blass) – schwere Verätzung: partielle oder totale Hornhauttrübung („gekochtes Fischauge“)

• bei Kalkverätzungen: zunächst Entfernung aller sichtbaren Kalkpartikel möglichst trocken (Tupfer, Wattestäbchen) • ausgiebige Augenspülung (Tab. 4.20)

Verbrennungen/ Verbrühungen

Stichflamme, heiße Dämpfe oder Gase, kochendes Wasser, heißes Fett/Öl, glühendes Metall

• wie oben, Schmerz oft sehr stark • Sehstörungen bis hin zum totalen Sehverlust

sofortige, ausgiebige Augenspülung (Tab. 4.20)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.5 Augenverletzungen

Therapeutische Maßnahmen Vorsicht Keine unnötigen Manipulationen am Auge, präklinische spezifische Therapie nur bei Verdacht auf nicht penetrierenden Fremdkörper → evtl. Versuch der Entfernung Augenverätzung und Augenverbrennung → sofortige Augenspülung.

Tab. 4.20 • Maßnahmen bei Augenverletzungen. Vorgehen

Medikament

Dosierung

Beispiel

Augenspülung ggf. Lokalanästhesie

Oxybuprocain

Conjuncain-EDO 1–2 Tr. eintropfen

notfalls Lidocain

Xylocain 1–2 Tr. eintropfen

Vorbereitung

• grobe Partikel mit Kompressenzipfel oder Wattestäbchen entfernen • Kopf zur Seite des erkrankten Auges hin drehen lassen • Auge durch Helfer öffnen und offen halten lassen

Vorgehen

• Flüssigkeit – Wasser (z. B. unter laufendem Wasserstrahl am Waschbecken) – Ringer-Lösung (z. B. über Infusionsschlauch) – Isogutt mit Spülflasche/Spülbeutel o. Ä.

127

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.6 Diabetes mellitus Tab. 4.20 • Fortsetzung Vorgehen

Medikament

Dosierung

Beispiel

• Flüssigkeit ausgiebig über Horn- und Bindehaut laufen lassen • gezieltes Nachspülen der Bindehautumschlagsfalten mit 10- oder 20ml-Spritze mit aufgesetzter Plastikverweilkanüle, dazu ggf. Oberlid ektropionieren • Fortführung der Spülung auch während des Transports zur (Augen-) Klinik

4.6 Diabetes mellitus In Deutschland sind etwa 16 000 Kinder an Diabetes mellitus erkrankt. Zumeist handelt es sich um Diabetes mellitus Typ 1, der zu 50 % im Kindesalter beginnt (Cave: bei Adipositas auch Typ 2). Beim Typ 1 bedingt der absolute Insulinmangel bei ca. 20 % eine Erstmanifestation als Ketoazidose. Hauptgründe für Notfälle sind allerdings Therapiefehler und Stoffwechselstörungen aufgrund von Infekten. Grundsätzlich gilt: Bei jedem Notfallpatienten, insbesondere bei ZNS-Zeichen (Verwirrung, Aggressivität, Krampfanfall, Bewusstseinsstörung), immer BZ-Stix!

Hyperglykämie (Erstmanifestation des Diabetes, Insulinfehler, Infekt) ▶ Symptome • Polyurie → Durst ↑, Enuresis → Exsikkose (Herzfrequenz↑, Rekapillarisierungszeit↑, Blutdruck↓, Zentralisation, trockene Schleimhäute) • Übelkeit/Erbrechen → Pseudoperitonitis diabetica • Azetongeruch, „stille“ Hyperventilation, Luftnot (bei niedrigem pH) • Schwäche, Bewusstseinsstörungen → Koma kann sich in Stunden entwickeln • BZ > 200 mg% (11 mmol/l) Die Gefahr eines Hirnödems mit entsprechenden Hirndruckzeichen (heftige Kopfschmerzen, Erbrechen, Frequenzabfall, Eintrübung) ist nicht präklinisch am größten, sondern in der blutzuckersenkenden (klinischen) Therapiephase! ▶ Allgemeine therapeutische Maßnahmen Tab. 4.21 • Basismaßnahmen bei diabetischem Koma.

128

Maßnahme

Details

Lagerung

stabile Seitenlage, ggf. Schocklage

Tab. 4.21 • Fortsetzung Maßnahme

Details

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4–6 l O2/min

weitere Maßnahmen

• venöser /i. o. Zugang • bei GCS ≤ 8 Intubation/Beatmung

10 ml/kg KG* NaCl 0,9 % oder Ringer-Laktat-Lösung

Keine präklinische Insulingabe! * Es gibt Empfehlungen für eine initiale Volumengabe von 20 ml/kg KG; aufgrund der erheblichen Hirnödemgefahr sollte allerdings – so der Kreislauf stabil ist – vorsichtiger Volumen gegeben werden.

Tab. 4.22 • Medikamentöse Maßnahmen bei diabetischem Koma mit Hirndruckzeichen. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Hirndruckzeichen

Hyperhaes

4 ml/kg KG

80 ml schnell i. v.

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.6 Diabetes mellitus

außerhalb der Klinik keine Insulingabe und keine Gabe von NaHCO3

Hypoglykämie (Insulinüberdosierung, Ernährungsfehler, ungewohnte körperliche Belastung) ▶ Symptome • ZNS: Von Aggressivität bis Krampfanfall/Koma ist alles möglich!!! → bei jedem ZNS-Zeichen BZ-Stix erforderlich! • Vegetativum: Schweißausbruch, Zittern, Tachykardie, Heißhunger • Kopfschmerz • BZ < 60 mg% (3,3 mmol/l), Säuglinge < 40 mg% ▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.23 • Basismaßnahmen bei Hypoglykämie. Maßnahme

Details

Waches Kind zuckerhaltige Getränke, Traubenzucker, Kekse

Nicht bewusstseinsklares Kind Lagerung

stabile Seitenlage, ggf. Schocklage

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

weitere Maßnahmen

venöser / i. o. Zugang

4 l O2/min

129

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.7 Elektrounfall Tab. 4.24 • Medikamentöse Maßnahmen bei nicht bewusstseinsklaren Kindern im hypoglykämischen Koma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

i. v. Glukosegabe

Glukose 20 % i. v.

2 ml/kg KG bis zum „Aufklaren“ des Kindes

40 ml Glukose 20 % i. v.

Infusion

Glukose 5 % in Ringer-Laktat

250 ml Ringer-Laktat + 30 ml Glukose 40 %

200 ml langsam i. v.

Glukagon Glukagon ist ein körpereigenes Hormon, das die Glukosereserven aus Muskulatur und Leber mobilisiert und somit den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt. Insulinpflichtige Diabetiker, die zu schweren Hypoglykämien neigen, sind mitunter mit einem Glukagon-Notfall-Set ausgestattet. Im Rettungsdienst ist dessen Einsatz in den (seltenen) Fällen zu erwägen, in denen beim komatösen Patienten ein venöser oder ggf. intraossärer Zugang aufgrund der anatomischen Gegebenheiten nur mit großem Zeitaufwand möglich ist (z. B. extreme Adipositas). Das Glukagon-Notfall-Set besteht aus einem kleinen Fläschchen (Glukagon in Pulverform) und einer Spritze (enthält Wasser als Lösungsmittel). Das Glukagon wird mit dem Lösungsmittel aufgelöst, in die Spritze aufgezogen und subkutan (z. B. in den Oberschenkel, Bauchfalte, Gesäß, Oberarm) injiziert. ▶ Dosierung: • Kinder unter 6–8 Jahren bzw. unter 25 kg KG: ½ Amp. s. c. • alle anderen Patienten: 1 Amp. s. c. • Wirkungseintritt normalerweise nach ca. 10 Minuten !

4.7 Elektrounfall Definition ▶ Niederspannungsunfälle: Spannung < 1000 V, 80 % aller Stromunfälle, 3 % davon verlaufen tödlich ▶ Hochspannungsunfälle: Spannung > 1000 V, 20 % aller Stromunfälle, zu 30 % tödlich. Die Folgen der Stromeinwirkung auf den menschlichen Körper sind abhängig von: ▶ Stromart (Gleich-, Wechselstrom) ▶ Spannung (Nieder-, Hochspannung) ▶ Stromfrequenz (die im Haushalt üblichen 50 Hz sind für das Herz besonders gefährlich!) ▶ Widerstand an den Stromübertrittsstellen (z. B. Hautwiderstand an trockener, dicker Haut ca. 10 000–20 000 Ohm, an dünner, feuchter Haut 110 Ohm) ▶ Stromstärke und Stromdichte (diese Werte sind wiederum von Spannung und Widerstand abhängig; die Stromstärke wird in Ampere [A] gemessen. Werte < 0,5 mA sind nicht spürbar, Werte > 15–25 mA rufen Muskelkontraktionen hervor, die ein selbstständiges Lösen aus dem Stromkreis meist unmöglich machen) ▶ Stromweg (liegen wichtige Organe, wie z. B. Herz, Gehirn, auf dem Stromweg?) ▶ Einwirkungszeit (je länger die Einwirkungszeit, desto größer die Schädigung)

130

Symptome Die Symptome sind von allen o. g. Faktoren abhängig und entsprechend variabel: ▶ Kind „klebt“ evtl. durch Muskelkrämpfe an der Stromquelle ▶ Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit ▶ Tachykardie, Rhythmusstörungen ▶ evtl. Herz-Kreislauf-Stillstand (in ca. 70 % durch Kammerflimmern, in ca. 30 % durch Asystolie bedingt) ▶ Atemstillstand ▶ Verbrennungen I.–III. Grades (Strommarken)

Therapeutische Maßnahmen Vorsicht Eigensicherung: ▶ Sicherheitsabstände einhalten: • bis 30 000 V mindestens 1,5 m • bis 110 000 V mindestens 2,0 m • bis 220 000 V mindestens 3,0 m • bis 380 000 V mindestens 4,0 m ▶ Abschalten des Stromkreises und Sicherung gegen Wiedereinschaltung durch Fachleute (Feuerwehr, E-Werk, Bundesbahn) ▶ Überprüfen der Spannungsfreiheit durch Fachleute ▶ Absicherung gegen unter Spannung stehende benachbarte Teile

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.7 Elektrounfall

Reanimation (S. 18) Defibrillation (S. 66) und (S. 68). Tab. 4.25 • Basismaßnahmen bei Elektrounfall. Maßnahme

Details

Lagerung

• in Abhängigkeit vom Bewusstseinszustand Oberkörper hoch/stabile Seitenlage • HWS-Immobilisierung (HWS-Verletzung durch starke Muskelkontraktionen möglich)

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

4 l O2/min

Infusion

venöser/i. o. Zugang mit Ringer-Laktat

bei Schockzeichen 20 ml/kg KG Ringer-Laktat

weitere Maßnahmen

• ständige Überwachung von Puls, RR und EKG • ggf. Intubation und Beatmung • steriles Abdecken von Brandwunden • Schutz vor Unterkühlung

131

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.8 Ertrinkungsunfall (Beinahe-Ertrinken) Tab. 4.26 • Medikamentöse Maßnahmen bei Elektrounfall. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Volumensubstitution

Ringer-Laktat/NaCl 0,9 %

20 ml/kg KG bei Schockzeichen

400 ml NaCl 0,9 %/ Ringer-Laktat

Analgesie

S-Ketamin

0,25 mg/kg KG

Ketanest S 5 mg i. v./i. o., nasal

Sedierung

Midazolam

0,1 mg/kg KG

2 mg Dormicum V i. v./i. o., nasal

nur behandeln bei vitaler Bedrohung → Herzrhythmusstörungen (S. 137)

4.8 Ertrinkungsunfall (Beinahe-Ertrinken) In Deutschland gab es 2017 insgesamt 537 Todesfälle durch Ertrinken (alle Altersklassen zusammen), die Zahl der ertrunkenen Kinder < 15 Jahre lag bei 46. Ertrinken ist somit die zweithäufigste unfallbedingte Todesursache, vor allem Kinder < 4 Jahre! Säuglinge typischerweise Unfallort: Badewanne. Bei Kindern 1–4 Jahre beim Spielen am Wasser.

Pathophysiologie Lebensbedrohlich ist primär die akute Hypoxämie und nicht die Aspiration! Auch beim „feuchten“ Ertrinken hat die Menge des aspirierten Wassers normalerweise eine Größenordnung, in der sie von den Alveolen problemlos resorbiert werden kann. ▶ Ertrinkungsunfall ohne Aspiration: reflektorischer Atemstillstand beim Eintauchen des Kopfes unter Wasser und reflektorischer Glottisschluss beim Eindringen von Wasser in den Kehlkopfbereich ▶ Kinder können aufgrund ihrer großen Körperoberfläche schneller auskühlen (wirkt als Hypoxieschutz); außerdem Verlängerung der Hypoxietoleranz durch Blutumverteilung (O2-Verbrauch↓ des peripheren Gewebes zugunsten von Herz und Gehirn). ▶ Kinder, die einen akuten Ertrinkungsunfall überlebt haben, sind noch nicht endgültig außer Gefahr, da sich nach Minuten bis Stunden ein schweres Lungenödem ausbilden und zum „sekundären Ertrinken“ führen kann.

Symptome ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

panische Angst, Erregung angestrengte, unregelmäßige Atmung Bewusstlosigkeit, Apnoe, Zyanose Zeichen eines Lungenödems Krämpfe Kreislaufstillstand Hypothermie

Therapeutische Maßnahmen Tief hypotherme Kinder im Kreislaufstillstand müssen an der Herz-Lungen-Maschine wiedererwärmt werden (Kardiochirurgie ansteuern?). Zerebraler Hypothermieschutz ist aber nur bei Wassertemperaturen unter 10 °C zu erwarten. Feststellungen zur Submersionszeit und zur Wassertemperatur (Feuerwehr kann die messen) sind hilfreich, um eine Entscheidung zum Einsatz der Herz-Lungen-Maschine zu treffen. Bei Problemgewässern (z. B. Jauchegrube, Ententeich) sollte die Feuerwehr eine Wasserprobe asservieren. 132

Tab. 4.27 • Basismaßnahmen bei Ertrinkungsunfall. Maßnahme

Details

Lagerung

abhängig vom Bewusstseinszustand: • Flachlagerung, stabile Seitenlage • Oberkörperhochlagerung 30° (Hirnödemprophylaxe)

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

2–4 l O2/min

Infusion

venöser Zugang

Ringer-Laktat

weitere Maßnahmen

• Atemwege frei machen/ frei halten • falls erforderlich, Reanimation • großzügige Indikation zur Intubation und Beatmung mit PEEP (4–6 cmH2O) • Cave: Maskenbeatmung mit hoher Aspirationsrate (80 %) verbunden • frühe Intubation oder früher Einsatz von Larynxmaske/-tubus • Magensonde • Hypothermie verhindern (nasse Kleidung ausziehen!), unnötige Bewegungen vermeiden (Umverteilung von kaltem Peripherieblut in zentrale Kompartimente → Bergungstod) • BZ-Stix: Hypoglykämie behandeln, Hyperglykämie zeigt schlechte Prognose

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.9 Exsikkose (Dehydratation)

4.9 Exsikkose (Dehydratation) Der zweithäufigste Grund einer notfallmäßigen Krankenhausaufnahme ist die isotone Dehydratation durch Flüssigkeitsverluste bei Gastroenteritis, Dyspepsie und bei Erkrankungen mit hohem Fieber. Da der Wasserverlust im Kindesalter rasch in eine lebensbedrohliche Situation führen kann, wurde das Krankheitsbild früher auch als „Toxikose“ bezeichnet. Präklinisch ist eine Unterscheidung in hypotone (5 %), isotone (80 %) oder hypertone (15 %) Dehydratation ohne Belang, da initial grundsätzlich zunächst Vollelektrolytflüssigkeit zu ersetzen ist und ein vorsichtiger Ausgleich in der Klinik zu erfolgen hat (sonst Hirnödem oder zentrale pontine Myelinolyse). Gleiches gilt für die bei ausgeprägter Dehydratation stets kombinierte Azidose. Eine leichte Dehydratation ist bei einem Gewichtsverlust von ca. 5 % anzunehmen, eine schwere bei einem Gewichtsverlust von ca. 10 %. 133

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.9 Exsikkose (Dehydratation) Tab. 4.28 • Klinische Zeichen einer Dehydratation (aus AWMF Leitlinie 068/003). Klinische Zeichen

Minimale oder keine Dehydratation (< 3 % Gewichtsverlust)

Leichte bis mittelschwere Dehydratation (3–8 % Gewichtsverlust)

Schwere Dehydratation (≥ 9 % Gewichtsverlust)

Allgemeinzustand, Bewusstsein

gut, wach

unruhig, irritabel oder müde

apathisch, lethargisch, bewusstlos

Durst

normal

durstig, gierig zu trinken

trinkt schlecht oder kann nicht mehr trinken

Herzschlag

normal

normal bis erhöht

Tachykardie, bei weiterer Verschlechterung Bradykardie

Pulsqualität

normal

normal bis vermindert

schwach bis fehlend tiefe Azidoseatmung

Atmung

normal

normal bis vertieft

Augen, Fontanelle

normal, im Niveau

eingesunken

tief eingesunken

Tränen

vorhanden

vermindert

fehlend

Schleimhäute (Mund, Zunge)

feucht

trocken

ausgetrocknet

Hautfalten (Hautturgor)

verstreichen sofort

verstreichen verlangsamt, aber < 2 Sek.

bleiben > 2 Sek. stehen

Rekapillarisierung

normal

verlängert

stark verlängert

Extremitäten

warm

kühl

kalt, zyanotisch

Urinproduktion

normal oder vermindert

vermindert

minimal

Symptome bei (mittel-)schwerer Dehydratation ▶ Bei 2 der folgenden Zeichen besteht eine mittelschwere, ab 3 eine schwere Dehydratation (> 10 %): • Rekapillarisierungszeit > 2 Sek. (dieser Wert ist altersunabhängig und das wichtigste Schockzeichen bei Kindern!) • trockene Schleimhäute • keine/kaum Tränen • Lethargie oder Agitiertheit ▶ Weitere Symptome: • Verlust des Hautturgors (Hautfalte bleibt > 2 Sek. stehen) • blassgraues Hautkolorit, zentralisiert (Tipp: Kalt-warm-Grenze mit Kuli und Uhrzeit markieren) • Tachykardie, Hypotonie • schnelle, flache Atmung, spätes Zeichen: Cheyne-Stokes-Atmung • eingesunkene Fontanelle und eingesunkene Bulbi • Bewusstseinsstörung, evtl. Krampfanfälle • keine nassen Windeln für 8 Stunden = Dehydratation

134

Therapeutische Maßnahmen Kinder mit nur mittelgradiger Exsikkose können problemlos oral ernährt werden, initial evtl. Elektrolytlösungen (z. B. Oralpaedon Apfel/Banane, Erdbeer, neutral; kein Apfelsaft [zu viel Zucker!], keine Kohlensäure), eine kindadaptierte Ernährung kann rasch folgen (natürlich auch Muttermilch). Tab. 4.29 • Basismaßnahmen bei Exsikkose. Maßnahme

Details

Lagerung

stabile Seitenlage

Sauerstoff

ggf. Beatmung über Maske

2–4 l O2/min

Infusion

venöser Zugang

Ringer-Laktat

weitere Maßnahmen

• Atemwege frei machen/frei halten • Temperaturmessung • Blutzuckerbestimmung

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.9 Exsikkose (Dehydratation)

Tab. 4.30 • Medikamentöse Maßnahmen bei Exsikkose. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumenersatz

kristalloide Lösung

10–20 ml/kg KG i. v.

10–20 ml/kg KG Ringer-Laktat i. v.

10–20 ml/kg KG i. v.

10–20 ml/kg KG NaCl 0,9 % i. v.

Glukose 40 %

1–1,5 ml/kg KG i. v.

1–1,5 ml/kg KG Glukose 40 % i. v.

Paracetamol

125–250 mg rektal

• Säugling: 1 Supp. Paracetamol 125 mg • Kleinkind: 1 Supp. Paracetamol 250 mg

oder

oder bei Hypoglykämie

bei Fieber

Orale Rehydratation Empfehlung der ESPGHAN (European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition) 2014 s. Tab. 4.31. Der Gehalt dieser Lösung an Na+, K+, Cl- und HCO3- orientiert sich an den Elektrolytverlusten bei Enteritiden durch in Europa häufige Erreger (z. B. Rotaviren). Cholera z. B. führt zu höheren Na+-Verlusten, deshalb enthält die für die Rehydratation in den Tropen entwickelte sog. „WHO-Lösung“ mehr Natrium. Dosierung: Bei Gewichtsverlust < 5 % 50 ml/kg KG/4 h, bei Gewichtsverlust von 5–10 % 80 ml/kg KG in 3–4 h. Zufuhr am besten löffelweise gekühlt alle 5 Minuten. Motilitätshemmer (z. B. Immodium) sind kontraindiziert, Übelkeit kann mit Vomex A oder Ondansetron (0,1 mg/kg KG) behandelt werden.

135

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.10 Extremitätenfrakturen Tab. 4.31 • Zusammensetzung oraler Rehydratationslösungen*. ESPGHAN -Empfehlung

GES 60 (Milupa, Deutschland)

Oralpädon 240 (Fresenius, Deutschland)

Humana Elektrolyt (Humana, Deutschland)

Elotrans

Normolyt

Natrium (mmol/l)

60

60

60

46

90

60

Kalium (mmol/l)

20

20

20

35

20

20

Chlorid (mmol/l)

≥ 25

50

60

45

80

50

Bikarbonat (mmol/l)

0

30

0

0

0

0

Zitrat (mmol/l)

10

0

10

12

10

10

Glukose (mmol/l)

74–111

110

90

100

220

111

Glukose (g/l)

13,3–20,0

19,8

17,8

18,0

40

20,0

Osmolarität (mosm/l)

200–250

270

240

215

* Präparate auf Glukosebasis

4.10 Extremitätenfrakturen Kinder haben einen sehr belastbaren Bandapparat: Knochenbrüche sind daher wahrscheinlicher als Bandzerreißungen (bei Erwachsenen umgekehrt).

Symptome ▶ bedrohliche Blutungen möglich ▶ Durchblutung, Motorik und Sensibilität können eingeschränkt sein. ▶ Kompartmentsyndrom: kündigt sich am häufigsten durch „distalen Schmerz“ oder „zunehmenden Schmerz“ an ▶ offene Frakturen: • I: Wunde über der Fraktur • II: Durchspießen eines Knochenfragments • III: ausgedehnte Weichteilverletzung oberhalb der Knochenfraktur Vorsicht Möglichkeit einer Kindesmisshandlung immer bedenken, daher sorgfältig die Umgebungsbedingungen dokumentieren.

136

Therapeutische Maßnahmen Die meisten Extremitätenverletzungen brauchen nur: ▶ Schmerzbehandlung ▶ Ruhigstellung ▶ Kühlen ▶ Kompression ▶ Hochlagern ▶ offene Frakturen: • Blutungskontrolle • vor Verband Fotodokumentation – erspart das unnötige Öffnen des Verbandes vor der OP • steril abdecken

4.11 Fremdkörper Nase

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.13 Herzrhythmusstörungen

▶ Mutter oder Vater des Kindes fest in den Mund blasen lassen oder AmbubeutelKonnektor in den Mund nehmen und fest einblasen, das Kind soll dabei die Luft anhalten → 80 % Erfolg. ▶ sonst Versuch mit Nasenspekulum, HNO-Pinzette

Ohr Vor allem lebende Insekten können erhebliche Beschwerden auslösen. Insekt mit Öl (nicht Wasser – Insekt quillt auf!) abtöten, anschließend mit Lidocain spülen.

Atemwege Fremdkörperaspiration s. Atemnot, Aspiration (S. 117)

4.12 Herz-Kreislauf-Stillstand s. Reanimation (S. 70)

4.13 Herzrhythmusstörungen Allgemeines ▶ Symptome: Die Symptome einer Herzrhythmusstörung sind allein von den direkten oder indirekten hämodynamischen Auswirkungen der Störung bestimmt. Ein einheitliches Bild gibt es dabei nicht, deshalb: immer daran denken und EKG-Monitoring als Screeningmaßnahme bei jedem Notfallpatienten! Differenzialdiagnostisch erwogen werden müssen Rhythmusstörungen insbesondere bei • Synkope • Blutdruckabfall • Bewusstlosigkeit • klinischem Bild des Herz-Kreislauf-Stillstands • Dyspnoe • Angina pectoris

137

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.13 Herzrhythmusstörungen Tab. 4.32 • Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen. Störung

Häufigkeit

gelegentliche, gutartige Herzrhythmusstörungen • Extraschläge • Pausen • Fehlregulationen im Langzeit-EKG

10 von 100 5–20 % 4–8 % 5–10 %

chronische Probleme mit Herzrhythmusstörungen • angeborene Fehlanlagen, z. B. WPW-Syndrom, angeborener AV-Block • erworbene Defekte/Störungen z. B. Herz-Operationen, Entzündungen

1 von 100 am häufigsten immer mehr

genetisch bedingte Herzrhythmusstörungen z. B.: Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, Kardiomyopathie

1 von 5 000

▶ Symptome bei Säuglingen und Kleinkindern • unerklärliche Veränderungen des Verhaltens • Trinkunlust, Müdigkeit, Teilnahmslosigkeit • Kraftlosigkeit, Blässe, Schwitzen • Husten, Atemnot, Blauverfärbungen ▶ Symptome und Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen • Herzstechen, Herzstolpern, Herzpausen • Auftreten von Herzrasen (oft aus Ruhe) • Herzschlag bis in den Hals spürbar • akute Schwäche, Übelkeit, Schwindel • häufig schlagartiges Ende der Symptome („Lichtschaltereffekt“) Vorsicht Inwieweit Rhythmusstörungen im Rahmen eines Notarzteinsatzes therapiert werden, hängt immer von den hämodynamischen Auswirkungen und dem klinischen Gesamtzustand des Kindes ab. Grundsätzlich gilt: Nur Lebensbedrohliches präklinisch behandeln – das Gefährlichste an Rhythmusstörungen bei Kindern ist die Übertherapie. ▶ Diagnostisches Vorgehen Tab. 4.33 • Herzfrequenz bei Kindern (modifiziert nach Keck, Hausdorf, Pädiatrische Kardiologie, Elsevier, 5. Aufl. 2002). Alter

138

Bradykardie unter

Mittelwert

Tachykardie über

Neugeborenes

100

123

155

6 Monate

110

134

170

1–2 Jahre

90

119

150

3–4 Jahre

75

108

140

5–7 Jahre

65

100

135

8–11 Jahre

60

90

130

Herzfrequenz (palpatorisch/EKG-Monitor)

regelmäßig ja

bradykard

normal

nein

tachykard

bradykard

normal

tachykard

EKG-Diagnostik wenn Kind instabil, immer 12-Kanal-EKG anstreben

• Sinusbradykardie • AV-Blockierungen

• Sinustachykardie • supraventrikuläre • Tachykardie • Vorhofflattern mit regel• mäßiger Überleitung • Kammertachykardie

• Sinusarrhythmie • Extrasystolie • Vorhofflimmern • AV-Block 2. Grades • (Wenkelbach)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.13 Herzrhythmusstörungen

Abb. 4.5 • Diagnose bei Herzrhythmusstörungen.

Tachykarde Herzrhythmusstörungen ▶ Häufigkeit Häufigste tachykarde Herzrhythmusstörungen beim Kind: • Sinustachykardie • supraventrikuläre Tachykardie (SVT) – paroxysmale Tachykardie aufgrund eines Reentry-Mechanismus (LGL, WPW, AV-Knoten-Reentry) – chronisch permanente supraventrikuläre Tachykardie • ventrikuläre Tachykardie – idiopathisch – in Zusammenhang mit Herzfehlern – in Zusammenhang mit speziellen Abnormitäten (z. B. Long-QT-Syndrom: Tachykardie) ▶ Symptome Die klinische Symptomatik richtet sich nach dem Lebensalter, der kardialen Anatomie und dem Typ der vorliegenden Tachyarrhythmie. Bei sonst herzgesunden Säuglingen entwickelt sich bei den paroxysmalen SVT mit Kammerfrequenzen bis 300/min aufgrund der verkürzten diastolischen Füllung der Ventrikel rasch eine Herzinsuffizienz, Tab. 4.34. Tab. 4.34 • Mögliche Symptome bei tachykarden Herzrhythmusstörungen. Herzinsuffizienz

Paroxysmale SVT

Ventrikuläre Tachykardien

• reduzierter AZ • Lebervergrößerung (Cave: DD akutes Abdomen), Venenstau • Luftnot, Giemen, Rasselgeräusche, Tachypnoe, SO2↓ • Tachykardie • Zyanose, Rekapillarisierungszeit↑

• Palpitationen • Schwindel • Unwohlsein Synkopale Ereignisse sind eher selten.

• Palpitationen • Schwindel • Synkopen assoziiert Kammertachykardien mit hohen Herzfrequenzen können zum plötzlichen Herztod führen.

139

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.13 Herzrhythmusstörungen

▶ Diagnostik Monitor-EKG, ggf. 12-Kanal-EKG, Tab. 4.35 Tab. 4.35 • Einteilung/Differenzierung einer Tachykardie im EKG. QRS-Komplex

RR-Abstände

Formen

schmal

regelmäßig

• Sinustachykardie • atriale Tachykardie • AV-Knoten-Reentry-Tachykardie • AV-Reentry-Tachykardie (WPW-Syndrom) • Vorhofflattern mit regelmäßiger AV-Überleitung (2:1, 3:1)

unregelmäßig

• Vorhofflimmern • Vorhofflattern

regelmäßig

• ventrikuläre Tachykardie • Kammerflattern

unregelmäßig

• Kammerflimmern • Vorhofflimmern mit Leitung über eine akzessorische Leitungsbahn (WPW-Syndrom)

breit

Beispiele: ▶ Sinustachykardie Sinustachykardien entstehen meist sekundär, z. B. durch Fieber, Hypovolämie, Schmerz, Sepsis, Stress, Vergiftung oder Hyperthyreose. EKG-Merkmale sind, Abb. 4.6: • normale P-Wellen und schmale QRS-Komplexe • normaler P-Q-Abstand • Frequenz höher als 2 Standardabweichungen

Abb. 4.6 • Sinustachykardie.

▶ Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie Paroxysmale (d. h. Beginn und Ende sind meist abrupt) supraventrikuläre Tachykardien entstehen: • in den Vorhöfen (z. B. Vorhofflimmern, Vorhofflattern, ektope atriale Tachykardie), dann entsteht sowohl eine P-Welle als auch ein tachykarder Rhythmus mit normalem, schlankem QRS-Komplex Abb. 4.7 Abb. 4.7 • Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie mit P-Welle. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 267)

• durch eine duale Leitungsbahn im AV-Überleitungsbereich (AV-Knoten-ReentryTachykardie), dann fehlt die P-Welle und es entsteht ein gleichmäßig tachykarder Rhythmus mit normalem, schlankem QRS-Komplex Abb. 4.8 140

Abb. 4.8 • Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie ohne P-Welle. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 299)

• durch eine akzessorische atrioventrikuläre Leitungsbahn mit einer sich daraus ergebenden Reentry-Tachykardie (z. B. WPW-Reentry-Tachykardie, s. Abb. 4.9)

Abb. 4.9 • Präexzitation. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 253)

▶ Präexzitation, WPW-Syndrom, LGL-Syndrom Wenn es zwischen Vorhöfen und Kammern zusätzliche Verbindungen (akzessorische Bahnen) gibt, über die außerhalb der regulären AV-Überleitungssysteme und unter Umgehung des AV-Knotens atriale Impulse vorzeitig an den Ventrikel übertragen werden können, spricht man von einer Präexzitation. Typische EKG-Merkmale einer Präexzitation sind: • verkürzte PQ-Dauer (< 0,12s) • ein leicht verbreiterter QRS-Komplex mit einem abgeflachten, verzögerten Anstieg (sog. Deltawelle) • evtl. sekundäre ST-T-Veränderungen Die Kombination aus Präexzitation und bestimmten Formen einer paroxysmalen Tachykardie wird als WPW-Syndrom bezeichnet. Beim LGL-Syndrom liegt der Störung nicht eine akzessorische Bahn, sondern ein besonders schnell leitender AV-Knoten zugrunde, es kommt zu einer Verkürzung der PQ-Zeit ohne Deltawelle. ▶ Ventrikuläre Tachykardien Der Ursprungsort einer ventrikulären Tachykardie liegt distal der His-Bifurkation, meist liegt ein Reentry in der Ventrikelmuskulatur zugrunde. Das Erscheinungsbild ventrikulärer Tachykardien kann sehr unterschiedlich sein, sie können nicht anhaltend (< 30s) oder anhaltend (> 30s), regelmäßig oder unregelmäßig sein, die Frequenzen liegen meist unter 200/min. EKG-Merkmale sind, Abb. 4.10: • drei oder mehr verbreiterte und deformierte QRS-Komplexe • P-Wellen nicht erkennbar

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.13 Herzrhythmusstörungen

Abb. 4.10 • Ventrikuläre Tachykardien. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 343)

141

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.13 Herzrhythmusstörungen

▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.36 • Basismaßnahmen bei Tachykardien. Maßnahme

Details

Lagerung

mit erhöhtem Oberkörper

Sauerstoff

über Nasensonde/Maske

weitere Maßnahmen

Vitalfunktionen sichern

2–4 l O2/min

▶ Vorgehen • Hämodynamisch instabile Tachykardien werden primär möglichst elektrisch in Form einer externen Kardioversion mit 1–2J/kg KG in Kurznarkose therapiert. • Hämodynamisch stabile Tachykardien werden entweder gar nicht (nur Transport in Klinik unter Überwachung) oder mit an die Verdachtsdiagnose adaptieren Maßnahmen (S. 142) therapiert.

Tachykardie

Bewusstsein? ja ja, keine Beschwerden

hämodynamisch stabil?

Transport in Klinik ohne Therapie

nein Therapie mit Strom

nein, Beschwerden

EKG-Diagnostik Therapie mit Strom oder Medikamenten

Abb. 4.11 • Algorithmus bei Tachykardie.

Merke Zeigt das Kind bereits Zeichen eines dekompensierten Schocks mit reduziertem Bewusstseinszustand, soll mit vagalen Manövern oder Adenosingabe keine Zeit verloren werden, sondern sofort elektrisch kardiovertiert werden! ▶ Weitere Maßnahmen Bei Verdacht auf supraventrikuläre Tachykardie/Tachyarrhythmie primäre Ursache behandeln: • Fieber senken • Volumen geben • Vagus-Manöver 1. Bauchpresse: tief einatmen, Luft anhalten, Zwerchfell nach unten drücken wie beim Stuhlgang und pressen 2. kaltes Wasser: den Kopf plötzlich in eiskaltes (Eiswürfel!) Wasser untertauchen; weniger effektiv, aber auch möglich ist ein kalter Waschlappen im Gesicht 142

3. eiskalte Getränke trinken 4. Im Notfall kann auch ein Würgereiz/Erbrechen/Abdomendruck den Anfall stoppen. ▶ Medikamente Adenosin ist auch bei Kindern ein effektives Mittel, um eine SVT in einen Sinusrhythmus zu konvertieren. Es muss als rascher intravenöser Bolus möglichst herznah verabreicht werden, gefolgt von einem Bolus physiologischer Kochsalzlösung, Tab. 4.37. Tab. 4.37 • Medikamentöse Maßnahmen bei Tachykardien. Indikation/Alter

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

supraventrikuläre Tachykardie

Adenosin (1 Amp. Adrekar = 2 ml = 6 mg)

0,05–0,25 mg/kg KG i. v.

5 mg = 1,7 ml z. B.: • 1. Bolus ¼ Amp. Adrekar • 2. Bolus ½ Amp. Adrekar • 3. Bolus 1 Amp. Adrekar

• ventrikuläre Tachykardie • persistierendes Kammerflimmern/Kammertachykardie nach 3 Defibrillationsversuchen und nach Adrenalingabe

Amiodaron (1 Amp. Cordarex = 3 ml = 150 mg)

5 mg/kg KG

100 mg = 2 ml i. v. sehr langsam spritzen

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.13 Herzrhythmusstörungen

Cave: strenge Indikationsstellung – kann nicht doch noch bis zur Klinik gewartet werden?

Bradykarde Herzrhythmusstörungen Merke Eine Bradykardie beim notfallmäßig erkrankten Kind ist meist die Folge einer Hypoxie, einer Azidose und/oder einer schweren Hypotension und kann in einen Atem-Kreislaufstillstand übergehen. Deshalb jedem symptomatischen Kind mit Bradykardie/Bradyarrhythmie immer 100 % Sauerstoff geben und falls notwendig Maskenbeatmung durchführen. Dekompensiertes Kreislaufversagen und eine Herzfrequenz von < 60/min erfordern Reanimationsmaßnahmen! ▶ Häufigkeit Häufigste bradykarde Herzrhythmusstörungen beim Kind: • Sinusbradykardie • höhergradige AV-Blockierungen • Sinusknotendysfunktion (Bradykardie-Tachykardie-Syndrom) ▶ Symptome • reduzierte Belastbarkeit bis zur manifesten Herzinsuffizienz • Schwindel • Synkopen in Ruhe oder unter Belastung • Herzfrequenz unterhalb von 2 Standardabweichungen ▶ Diagnostik Monitor-EKG, evtl. 12-Kanal-EKG

143

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.13 Herzrhythmusstörungen

Beispiele ▶ Sinusbradykardie Bei einer Herzfrequenz von < 60/min liegt definitionsgemäß eine Sinusbradykardie vor. Sie ist physiologisch bei Sportlern, gut Trainierten in Ruhe und im Schlaf durch erhöhten Vagotonus. Pathologisch ist sie bei Sauerstoffmangel, Pneumothorax, Hypovolämie, erhöhtem Hirndruck, Hypothyreose oder Intoxikation („PACED“: Propranolol, Alkohol, Clonidin/Kalziumkanalblocker, E605, Digoxin/Drogen). Vorsicht In der Notfallsituation muss bei einer Bradykardie vor allem eine ursächliche Hypoxie sicher ausgeschlossen werden (z. B. durch nochmalige Kontrolle der Tubuslage!). EKG-Merkmale sind, Abb. 4.12: • normale P-Wellen • normaler P-Q-Abstand • unauffällige, nicht verbreiterte QRS-Komplexe

Abb. 4.12 • Sinusbradykardie. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 377)

▶ AV-Blockierungen Unter einem AV-Block versteht man eine permanente oder vorübergehende Störung der atrioventrikulären Überleitung. Die Störung kann im AV-Knoten selbst, im His-Bündel oder in den Faszikeln lokalisiert sein. • AV-Block Grad I Beim AV-Block 1. Grades besteht nur eine verzögerte Überleitung. EKG-Merkmale sind, Abb. 4.13: – jeder Vorhofimpuls wird auf die Ventrikel übergeleitet, wobei die PQ-Zeit aber verlängert ist (bei Normfrequenz > 0,20s) – in der Regel unverändert schmale QRS-Komplexe

Abb. 4.13 • AV-Block Grad I. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 397)

• AV-Block Grad II Es werden intermittierend (meist in einem regelmäßigen Verhältnis, z. B. 2:1, 3:1) nicht alle P-Wellen übergeleitet. Beim häufigeren Typ 1 (Wenckebach) kommt es zu einer zunehmenden Verlängerung der PQ-Dauer mit letztlich blockierter Überleitung einer P-Welle. Die PQDauer ist in der Regel am kürzesten nach einer blockierten Überleitung und nimmt dann im Laufe der nächsten Aktionen wieder zu bis zur nächsten Blockierung. Beim Typ 2 (Mobitz) ist die PQ-Dauer – bis auf den intermittierenden totalen AVBlock (meist in regelmäßigen Abständen 2:1 oder 3:1) mit dem Ausfall einer Kammeraktion – normal.

144

• AV-Block Grad III (totaler AV-Block) Ein AV-Block 3. Grades liegt vor, wenn phasenweise oder permanent keine Vorhofaktionen auf die Kammern übergeleitet werden; die Vorhöfe und Ventrikel werden durch unabhängige Schrittmacher kontrolliert. EKG-Merkmale sind, Abb. 4.14: – Vorhöfe und Kammern schlagen unabhängig voneinander.

a

b P R c

P

R

P

P R

P

R

P

R P

P

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.13 Herzrhythmusstörungen

höhergradige AV-Blockierungen a AV-Block 2. Grades Typ Mobitz-I (Wenckebach) b AV-Block 2. Grades Typ Mobitz-II c AV-Block 3. Grades

Abb. 4.14 • Höhergradige AV-Blockierungen. (aus Horacek, Der EKG-Trainer, 2. Aufl., 2007, Thieme, S. 400)

▶ Therapeutische Maßnahmen • Indikationen Eine Therapie ist nur bei Kindern mit symptomatischen und potenziell gefährlichen bradykarden Herzrhythmusstörungen indiziert, Abb. 4.15. • Vorgehen

145

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.13 Herzrhythmusstörungen

Bradykardie (einschließlich Frequenzen, die zur Aufrechterhaltung eines hämodynamischen Status nicht ausreichen) Instabilitätszeichen? – RRsystolisch < 90 mmHg – Frequenz < 40/min – ventrikuläre Arrhythmien, die – unterdrückt werden müssen – Herzinsuffizienz ja nein

0,01 mg/kg Atropin i.v. ausreichende ja Reaktion? nein ja

Risiko der Asystolie? – kürzlich aufgetretene Asystolie – AV-Block Mobitz II – AV-Block III mit breitem QRS-Komplex – ventrikuläre Pause > 3 sec

Überbrückungsmaßnahmen: – 0,01 mg/kg Atropin i.v, – Wiederholung bis max. 0,05 mg/kg – Transkutane (externe) – Stimulation oder – 1–10 µg/min Epinephrin (Adrenalin)

nein Beobachtung

Expertenmeinung einholen transvenöse Stimulation vorbereiten Abb. 4.15 • Algorithmus bei Bradykardie. (® P. Nolan, C. D. Deakin, J. Soar, B. W. Böttiger, G. Smith (2006) Erweiterte Reanimationsmaßnahmen für Erwachsene (ALS). Abschnitt 4 der Leitlinien zur Reanimation 2005 des European Resuscitation Council, Notfall + Rettungsmedizin 2006 · 9:38–80, DOI 10.1007/s10049-006-0796-0)

146

4.14 Hitzeschäden Definition Durch abnorme Wärmeexposition (z. B. hohe Umgebungstemperaturen, direkte Sonneneinstrahlung, Behinderung der Wärmeabgabe durch unangemessene Kleidung) hervorgerufene Regulationsstörung in Form von Wärmestau und Dehydratation. Kinder sind aufgrund ihres ungünstigen Oberfläche-Gewicht-Verhältnisses besonders gefährdet, da die Umgebungstemperatur stärker auf sie einwirkt, sie eine größere relative Wärmeproduktion haben und sie erst bei höheren Temperaturen anfangen zu schwitzen.

Symptome ▶ Hitzeohnmacht Die Wärmeexposition kann über eine periphere Vasodilatation, insbesondere bei längerem Stehen, zur zerebralen Minderdurchblutung führen und die Hitzeohnmacht hervorrufen. • Vorboten: Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Versagen der Kreislaufregulierung, Ohnmacht, Hypotonie, Schocksymptomatik • feuchtwarme, gerötete Haut • möglicherweise mäßige Steigerung der Körperkerntemperatur ▶ Hitzeerschöpfung Führt die Wärmeexposition zu einem deutlichen Flüssigkeitsverlust im Extrazellulärraum, kommt es zu zunehmender Abgeschlagenheit und Bewusstseinstrübung, man spricht von Hitzeerschöpfung. • Vorboten: Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Benommenheit, Kopfschmerzen, Durst • anfangs warme, später blasse, kaltschweißige Haut • Körpertemperatur normal oder erhöht • Tachykardie, evtl. Hypotonie • Erregung, Verwirrtheit, delirante Erscheinungen ▶ Hitzekrämpfe Hitzekrämpfe treten vor allem bei schwerer körperlicher Anstrengung in hoher Umgebungstemperatur mit starkem Schweißverlust auf. Ein Wärmestau ist bei diesem Krankheitsbild normalerweise nicht vorhanden. • schmerzhafte Muskelzuckungen und Muskelkrämpfe • normale Körpertemperatur • Schwäche, Kopfschmerzen, Übelkeit ▶ Hitzschlag Die schwerste Form der Hitzeerschöpfung ist der Hitzschlag, der durch die extreme Entgleisung der Wärmeregulierung zu einer lebensbedrohlichen Situation führen kann. • Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen • Atmung stark beschleunigt (Tachypnoe) • Tachykardie • Blutdruck anfangs normal, später erniedrigt • Haut zunächst rot, trocken und heiß, später grau, zyanotisch • zerebrale Krämpfe, Reflexe deutlich gesteigert • evtl. Schockzustand, Koma • Körpertemperatur stark erhöht (> 40 °C) • Letalität 30 %! ▶ Sonnenstich Der Sonnenstich stellt eine Reizung der Hirnhäute durch direkte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf dar. Er kann natürlich auch in Kombination mit anderen hitzebedingten Krankheitsbildern auftreten, Tab. 4.38.

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.14 Hitzeschäden

147

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.14 Hitzeschäden Tab. 4.38 • Synopsis Hitzeschäden. Parameter

Hitzeohnmacht

Hitzeerschöpfung

Haut

feuchtwarm, gerötet

Körpertemperatur

Hitzschlag

Sonnenstich

warm, unauffällig später blass, kaltschweißig

rot, trocken und heiß, später grau, zyanotisch

heiß und hochrot (Gesicht und Kopf)

evtl. mäßig erhöht

normal oder erhöht

normal

stark erhöht (> 40 °C)

normal oder erhöht

Kreislauf

Hypotonie, Schocksymptomatik

Tachykardie, evtl. Hypotonie

normal

Tachykardie, evtl. Schockzustand

Kopfschmerzen



+



+

+ (evtl. zusätzlicher Meningismus)

ZNS

Schwindel, Benommenheit

Erregung, Verwirrtheit, delirante Erscheinungen

normal

zerebrale Krämpfe, Reflexe deutlich gesteigert

Schwindel, Unruhe, in schweren Fällen zerebrale Krämpfe, Bewusstlosigkeit

Muskelzuckungen/-krämpfe

Übelkeit, Brechreiz

Übelkeit, Brechreiz

Sonstiges

Hitzekrämpfe

Vorsicht Die Symptomatik tritt oft mit zeitlicher Verzögerung zur Sonnenexposition auf. • Gesichts- und Kopfhaut heiß und hochrot • Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schwindel • Unruhe, Brechreiz • Nackensteifigkeit • in schweren Fällen zerebrale Krämpfe, Bewusstlosigkeit ▶ DD Hitzeschäden • Intoxikation mit Sympathikomimetika, Anticholinergika, Neuroleptika (am häufigsten: SSRI-Intoxikation, Ecstasy-Konsum) • maligne Hyperthermie (Narkosegase, Succinylcholin) • Serotonin-Syndrom • akute Entzugssyndrome

148

Therapeutische Maßnahmen bei Hitzeschäden Tab. 4.39 • Basismaßnahmen bei Hitzeschäden. Maßnahme

Details

Lagerung

Flachlagerung an einem kühlen Ort, evtl. Anheben der Beine

Kleidung

Öffnen bzw. Entfernen beengender Kleidungsstücke

Volumensubstitution

• falls möglich, orale Zufuhr von Elektrolytlimonade, gesalzene Getränke (1 Teelöffel Salz auf 1 l Flüssigkeit) • venöser Zugang in schweren Fällen

weitere Maßnahmen

• äußere Kühlung durch Besprühen mit kaltem Wasser, kalte Umschläge, Abreiben mit Eisstücken • falls möglich, gleichzeitiges Abkühlen der Haut z. B. durch Luftzufächeln, Ventilator

20 ml/kg KG NaCl 0,9 %/Ringer-Laktat bei Schockzeichen

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.15 Hodentorsion

Tab. 4.40 • Medikamentöse Maßnahmen beim Hitzschlag/Sonnenstich. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Schocktherapie – in erster Linie durch Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20 ml/kg KG NaCl 0,9 %/Ringer-Laktat

400 ml i. v./i. o.

antikonvulsive Therapie bei zerebralen Krampfanfällen

Diazepam

0,2 mg/kg KG

4 mg Diazepam i. v.

0,1 mg/kg KG

2 mg Midazolam i. v.

oder Midazolam

4.15 Hodentorsion Durch kleinere Traumen kommt es zu einer Drehung des Hodens mit der Folge akuter Durchblutungsstörungen und schlimmster Schmerzen („als hätte eine Ratte reingebissen“). Betroffen sind Säuglinge und Jugendliche. Normalerweise drehen sich die Hoden „nach medial“, meistens um 720° („zweimal rum“), d. h. der linke im Uhrzeigersinn, der rechte entgegen dem Uhrzeigersinn.

Symptome ▶ perakuter – einseitiger Hodenschmerz – Übelkeit/Erbrechen – kein Kremasterreflex ▶ Hoden deutlich höher stehend ▶ teilweise auch Bauchschmerz Differenzialdiagnostisch an Leistenhernie denken: Schmerz↑ bei Bauchpresse → Versuch der vorsichtigen Reposition; auch eine Orchitis/Epididymitis oder ein Trauma sind möglich.

149

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.16 Hyperventilation

Therapeutische Maßnahmen ▶ Derotationsversuch nach lateral (wie „Buch aufschlagen“, initial Schmerz↑, dann rasch Schmerz↓, 50 % Erfolg) ▶ rasch in urologische Abteilung bringen ▶ Schmerztherapie (s. Sedierung – Analgesie – Narkose (S. 72))

4.16 Hyperventilationstetanie

(Hyperventilationssyndrom) Definition und Ursachen Das in der Regel durch seelische Ursachen ausgelöste Hyperventilationssyndrom bedeutet eine erhebliche Steigerung der Atemtätigkeit, in erster Linie über eine Erhöhung der Atemfrequenz. Durch die gesteigerte Atemtätigkeit wird vermehrt CO2 abgeatmet. Die entstehende respiratorische Alkalose bewirkt eine vermehrte Ausschleusung von H+-Ionen aus den Zellen. Im Gegenzug werden dafür vermehrt Ca2 + -Ionen gebunden, es kommt zu einem Mangel an freiem Ca2 + . Diese relative Hypokalzämie löst dann die typischen Symptome des Hyperventilationssyndroms aus. Vorsicht Es sind bevorzugt jüngere Frauen betroffen.

Symptome ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Atemnot trotz schneller Atmung, Erstickungsgefühl Erregungszustand, Angst Kribbeln in Händen und Füßen „Pfötchenstellung“ der Hände (Abb. 4.16) „Karpfenmund“ Blässe, Schwitzen Tachykardie

Abb. 4.16 • Symptome bei Hyperventilationssyndrom.

Vorsicht Keine Zyanose! Normaler Blutdruck!

150

4.17 Krampfanfall

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.41 • Basismaßnahmen bei Hyperventilationstetanie. Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper hoch

Atmung

• Aufforderung zum langsamen Atmen • Rückatmung in Plastiktüte

4

Tab. 4.42 • Medikamentöse Maßnahmen bei Hyperventilationstetanie. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

evtl. vorsichtige Sedierung

Lorazepam

1 mg

Tavor Expidet 1 mg bukkal

0,1 mg/kg KG

2 mg Midazolam nasal/ i. v.

oder Midazolam

Vorsicht Medikamentöse Maßnahmen sind oft nicht erforderlich bei konsequenter Durchführung der Basismaßnahmen.

4.17 Krampfanfall Im Kindesalter kann ein Krampfanfall ein Krankheitszeichen bei Fieber, Flüssigkeitsmangel, entzündlicher Erkrankung (Meningitis, Enzephalitis), Vergiftung, Stoffwechselstörung, Trauma oder idiopathischer Epilepsie sein. Vorsicht Die häufigste Form ist der Fieberkrampf, der in der Regel als tonisch-klonischer Krampf abläuft. Die entscheidenden Hinweise auf die Krampfursache sind in erster Linie über die Fremdanamnese zu erhalten.

151

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.17 Krampfanfall

Symptome ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

tonisch-klonische Krämpfe Mydriasis Zungenbiss Einnässen evtl. Schaum vor dem Mund Bewusstlosigkeit, Terminalschlaf evtl. Infektzeichen, hohes Fieber Fieberkrampf Um diese harmlose Diagnose stellen zu dürfen, müssen alle folgenden Kriterien erfüllt sein: ▶ febriles Kleinkind 1–5 Jahre ▶ keine schwerwiegenden Vorerkrankungen, bislang höchstens 2 Fieberkrämpfe gehabt ▶ generalisiert tonisch-klonischer Anfall < 10 min ▶ nach kurzem Dämmern gesund, keine Serie!

Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.43 • Basismaßnahmen bei Krampfanfall. Maßnahme

Details

Lagerung

• Vermeidung von Selbstverletzung • bei Bewusstseinsstörung: stabile Seitenlagerung

Sauerstoff

ggf. Beatmung über Maske

weitere Maßnahmen

• Atemwege frei machen/frei halten • Blutzuckerbestimmung (Ausschluss Hypoglykämie)

2–4 l O2/min

Vorsicht Bei fokalen Anfällen und einem einzelnen Grand-mal-Anfall ist keine weitere spezifische Therapie erforderlich. In allen anderen Fällen venöser / i. o. Zugang.

Tab. 4.44 • Medikamentöse Maßnahmen bei Krampfanfall. Indikation

152

Medikament

Dosierung

Beispiel

Diazepam rektal 0,2–0,5 mg/kg KG

• Säugling: 5–10 mg • Kleinkind: 10–20 mg

Diazepam Desitin rectal tube 5 g/10 mg • Säugling: 1 rectal tube 5 mg • Kleinkind (> 15 kg KG): 1 rectal tube 10 mg

Tab. 4.44 • Fortsetzung Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Midazolam nasal

0,2 mg/kg KG verteilt auf beide Nasenlöcher

Midazolam 15 mg/3 ml (1 Amp. = 3 ml = 15 mg) • Säugling 0,5 ml in MAD • Kleinkind 1 ml in MAD • Schulkind 1,5 ml in MAD • Jugendlicher 2 ml in MAD

Midazolam bukkal

Buccolam • 3 Monate bis 1 Jahr: 2,5 mg (Verpackung mit gelbem Etikett) • 1–5 Jahre: 5 mg (Verpackung mit blauem Etikett) • 5–10 Jahre: 7,5 mg (Verpackung mit violettem Etikett) • 10–18 Jahre: 10 mg (Verpackung mit orangefarbenem Etikett)

Midazolam i. v.

0,1 mg/kg KG i. v.

Midazolam 5 mg/5 ml (1 Amp. = 5 ml = 5 mg) • Säugling 1–2 ml i. v. • Kleinkind 2–3–4 ml i. v.

Lorazepam s. l.

0,05 mg/kg KG s. l.

Tavor Expidet 15–50 kg KG: Tavor Expidet 1-mgPlättchen > 50 kg KG: Tavor Expidet 2,5mg-Plättchen

Lorazepam i. v.

0,05 mg/kg KG i. v.

Tavor i. v. 1 Amp. = 1 ml = 2 mg + 1 ml Verdünnungsmittel = 2 ml fertige Lösung: 0,5–1–2 ml i. v.

oder

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.17 Krampfanfall

oder

oder

oder

153

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.17 Krampfanfall Tab. 4.44 • Fortsetzung Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Clonazepam

0,01–0,05 mg/kg KG i. v.

Rivotril i. v. 1 Amp. = 1 ml = 1 mg + 1 ml Verdünnungsmittel = 2 ml fertige Lösung: 0,5–1–2 ml i. v.

Phenobarbital

5–20 mg/kg KG i. v.

Luminal 1 Amp. = 1 ml = 200 mg; ¼–½–1 Amp. i. v.

3–5 mg/kg KG i. v.

Trapanal i. v. 1 Fl. = 500 mg zu lösen in 10 ml Aqua dest., dann ist 1 ml = 50 mg: 1–2–3 ml i. v.

max. 25 mg/min langsam i. v. injizieren unter RR- und EKGKontrolle

Phenhydan i. v. 1 Amp. = 250 mg • Säugling: max. 125 mg • Kleinkind: max. 125–250 mg

und/ oder wenn unzureichend

Nur bei persistierendem Status epilepticus und nur unter Intubationsbereitschaft Barbiturate oder Phenhydan (Cave: Atemdepression und Blutdruckabfall)

oder Thiopental

oder Phenytoin

Die Wirkung von Phenytoin setzt später ein, hält dafür aber länger an als die von Diazepam. Die Kombination der beiden Medikamente ist deshalb unter besonderer Berücksichtigung der Atem- und Kreislaufverhältnisse möglich. bei Fieber

Paracetamol

Ibuprofen Supp (z. B. Nurofen Junior Supp 60 mg/125 mg)

125–250 mg rektal

• Säugling: 1 Supp. Paracetamol 125 mg • Kleinkind: 1 Supp. Paracetamol 250 mg • Kind: 1 Supp. Paracetamol 500 mg • > 6 kg (3–24 Monate) 60 mg • > 12,5 kg (> 24 Monate) 125 mg

Vorsicht Die meisten Beatmungen bei Krampfanfällen sind durch eine zu hohe Initialmedikation provoziert, und auch beim Status epilepticus droht eine iatrogene Todesursache, nämlich eine Medikamentenüberdosierung! 154

4.18 Meningitis Definition Die gefährlichste Entzündung der Hirnhäute ist die bakterielle Meningitis. Die bei Kindern häufigsten Erreger – Pneumo- und Meningokokken – sind durch die zur Verfügung stehenden Impfungen seltener geworden, Haemophilus influenzae spielt dank der Impfung auch fast keine Rolle mehr. Bei Säuglingen (z. B. E. coli) und Kindern nach neurochirurgischem Eingriff (Staphylococcus aureus) finden sich häufig andere Keime.

Pathophysiologie Die größte Gefahr geht bei Kindern vom septischen Schock aus, der sich dramatisch rasch entwickeln kann (sog. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom), daneben kann es zu schweren Hirnschäden kommen.

Symptome ▶ ältere Kinder • Kopfschmerz, Erbrechen, Schwindel • Fieber, Schüttelfrost • Nackensteifigkeit (meist erst ab 2 Jahre, kann bei Säuglingen fehlen!) • Photophobie • Vigilanzminderung bis hin zur Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle • Zeichen eines septischen Schocks: Tachykardie, Hypotonie, Tachypnoe, Fieber • Kernig-Zeichen: bei gebeugter Hüfte kann das Knie nicht gestreckt (bzw. bei gestrecktem Knie die Hüfte nicht gebeugt) werden → Rückenschmerz • Brudzinski-Zeichen: Nacken beugen → Kind beugt Beine, Abb. 4.17

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.18 Meningitis

Abb. 4.17 • Kernig- und BrudzinskiZeichen.

▶ Säuglinge: schwierige Diagnose! • Ausschläge (Petechien, initial nicht wegdrückbare kleine rote Flecken), Photophobie • Vigilanzminderung, vorgewölbte Fontanelle • neu aufgetretenes schrilles Schreien, Erbrechen • Kopfschmerz (Signum malum): frühmorgens oder nachts 155

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.18 Meningitis

Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.45 • Basismaßnahmen bei Meningitis. Maßnahme

Details

Lagerung

bei Bewusstseinsstörung: stabile Seitenlagerung

Sauerstoff

ggf. Beatmung über Maske

weitere Maßnahmen

• Atemwege frei machen/frei halten • Temperaturmessung • Blutzuckerbestimmung (Ausschluss Hypoglykämie) • bei GCS ≤ 8 Intubation

2–4 l O2/min

Tab. 4.46 • Medikamentöse Maßnahmen bei Meningitis. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20 ml/kg KG i. v. ggf. wiederholen (hoher Volumenbedarf)

20 ml/kg KG RingerLaktat i. v.

Krampfdurchbrechung

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v.

Midazolam 5 mg/5 ml i. v. • Säugling ⅕ Amp. • Kleinkind ⅖–1 Amp.

Midazolam nasal

0,2 mg/kg KG nasal oder bukkal Midazolam 15 mg/ 3 ml verwenden!

Midazolam 5 mg/1 ml nasal/bukkal 1 Amp. = 1 ml = 5 mg • Säugling ⅕ Amp. • Kleinkind ½–1 Amp.

Lorazepam s. l.

0,05 mg/kg KG

Tavor Expidet • 15–50 kg KG: Tavor Expidet 1-mg-Plättchen > 50 kg KG: Tavor Expidet 2,5-mg-Plättchen

Paracetamol

20 mg/kg KG rektal

Paracetamol Supp. • Säugling: • 1 Supp. 125 mg • Kleinkind: • 1 Supp. 250 mg • Kind: 1 Supp. 500 mg

bei Fieber

156

4.19 Plötzlicher Kindstod

4

Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Antibiotika (in der Klinik)

Verdacht auf bakterielle Meningitis: Cefotaxim

200 mg/kg KG/d (verteilt auf 2 Dosen)

20 kg KG: 1. Dosis = 2000 mg i. v. (1 Durchstechflasche à 2000 mg)

Verdacht auf virale Meningitis: Aciclovir

30 mg/kg KG/d (verteilt auf 3 Dosen)

20 kg KG: 1. Dosis = 200 mg i. v. (1 Durchstechflasche = 250/ 500 mg)

Vorsicht Die präklinische Anwendung von Antibiotika war in Untersuchungen einer erst klinischen Gabe nicht überlegen, wichtiger sind Atemwegssicherung und Kreislaufstabilisierung durch viel Volumen.

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

Tab. 4.46 • Fortsetzung

▶ Weitere Maßnahmen • Umgebungsprophylaxe von engen Kontaktpersonen!/Rettungsdienstteam?: – Erwachsene: Ciprofloxacin 500 mg einmalig rasch – Kinder Rifampicin 10 mg/kg KG (max. 600 mg) • Meldung bereits im Verdachtsfall, Infektionsschutz (Maske/Haube/Handschuhe/ Kittel) • Voranmeldung Klinik

4.19 Plötzlicher Kindstod Syn.: Sudden Infant Death Syndrome = SIDS

Definition Plötzlicher Tod eines Säuglings oder eines Kleinkindes, der aufgrund der Vorgeschichte unerwartet ist und bei dem postmortal keine Todesursache gefunden wird. Betroffen sind ohne Prävention ca. 0,5–2‰ aller Lebendgeborenen, in Ländern mit Präventionskampagnen unter 0,1‰! 85 % der Todesfälle im 1. Lebensjahr, besondere Häufung findet sich im 2.–4. Lebensmonat.

Ursachen und Risikofaktoren Todesursache ist vermutlich ein komplexes, multifaktorielles Geschehen, das letztlich über eine zentrale Atemregulationsstörung (seltener evtl. auch über eine obstruktive Atemwegsverlegung) zu Apnoe und Herzstillstand führt (Tab. 4.47). Unter dem Begriff „ALTE“ (Apparent Live Threatening Event) versteht man eine vital bedrohliche Episode eines Säuglings, bei der das Kind scheinbar leblos aufgefunden wird und erst nach Stimulation von außen (z. B. Mund-zu-Mund-Beatmung oder Hochnehmen und kräftiges Klopfen) wieder Lebenszeichen von sich gibt. Kinder, die schon eine ALTE hinter sich haben, scheinen ein höheres Risiko für den plötzlichen Kindstod zu haben.

157

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.19 Plötzlicher Kindstod Tab. 4.47 • Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod. Risikofaktor

Risikoerhöhung um den Faktor

Bettzeug über den Kopf ziehbar

21,6

viele vorausgegangene Schwangerschaften

14,4

Schlafen in Bauchlage

9

Mutter ohne Berufsausbildung

7,6

Rauchen der Mutter

7

Mutter < 20 Jahre

7

Flaschenernährung

4,5

Schlafen im Bett der Eltern

4,4

Drogeneinnahme der Eltern

4,3

Rauchen des Vaters

3,5

Vorsicht Bis heute lassen sich Risikokinder nicht sicher vorher identifizieren – SID ist ein „Schicksalsschlag ohne Schuldige“. 90 % der Todesfälle können verhindert werden, wenn die folgenden Empfehlungen befolgt werden: ▶ rauchfreie Umgebung ▶ Schlafzimmertemperatur 16–18 °C ▶ Rückenlage zum Schlafen, auch keine Seitenlage, wegen Drehens ▶ Schlafen im Elternschlafzimmer ▶ feste, luftdurchlässige Matratze ▶ keine Bettumrandung (Nestchen) ▶ passender Schlafsack, keine Kopfbedeckung und keine zusätzlichen Decken, Felle, Kissen, Nestchen etc. ▶ Stillen

Symptome ▶ ▶ ▶ ▶

Bewusstlosigkeit, Apnoe Zyanose, Marmorierung Kreislaufstillstand Pupillen: Mydriasis, evtl. Entrundung, Blickdeviation

Therapeutische Maßnahmen ▶ beim Fehlen sicherer Todeszeichen → „normale Reanimation“ • Atemwege frei machen • 5-mal beatmen • 15 : 2 Herzdruckmassage/Beatmung (s. Zusammenfassung der Basismaßnahmen (S. 18)) ▶ sichere Todeszeichen vorhanden → keine Reanimation ▶ weiteres Vorgehen • nach ALTE: auch unauffällige Kinder stets mit in die Klinik nehmen • bei Kindstod (S. 159)

158

Besonderheiten notärztlichen Verhaltens beim Kindstod ▶ Nicht nur beim Erwachsenen, sondern auch beim Kind ist es sinnlos, beim Vorhandensein sicherer Todeszeichen (Totenstarre und/oder Leichenflecken) eine Reanimation zu beginnen. ▶ Wenn man sich sicher fühlt, ist es vorteilhaft, Eltern bei Reanimationsmaßnahmen nicht auszugrenzen – dies erleichtert die Trauerarbeit. ▶ Ist man unsicher → Angehörige rausschicken (als Trauerreaktion können evtl. Vorwürfe folgen, wenn die „Intubation unendlich lange gedauert hat“ oder „die Infusion nicht geklappt hat“). ▶ Stets „unklare Todesursache“ angeben und Polizei informieren. Bei 10 % der SIDVerdachtsfälle konnten im Nachhinein Misshandlungen entdeckt werden. ▶ Den Angehörigen sollte anschließend ermöglicht werden, in Ruhe Abschied zu nehmen, deshalb evtl. Polizei nicht sofort verständigen. ▶ Eltern in klaren, eindeutigen Worten aufklären, auch über die Unumgänglichkeit polizeilicher Ermittlungen bzw. einer Sektion. ▶ Selbstvorwürfe durchbrechen: SID ist ein „Schicksalsschlag ohne Schuldige“! ▶ hilfreiche Selbsthilfegruppen: www.geps.de, www.veid.de

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.20 Psychiatrische Notfälle

Vorsicht Mitteilung schlechter Nachrichten durch den Notarzt: ▶ Sag die schlechte Nachricht, dann halte inne und höre zu (Überbringer schlechter Nachrichten sprechen meist zu viel)! ▶ Bleib bei der Wahrheit, beschwichtige nicht, keine langen Trostreden, keine Floskeln! ▶ Sage nie (nie!!!): „Sie sind doch noch so jung, Sie können doch noch ein Kind bekommen.“ ▶ Sage das Wort „Tod“ – mache niemals Vorwürfe – organisiere Notfallseelsorge! ▶ Teile schlechte Nachrichten niemals am Telefon mit (schicke ggf. die Polizei oder den Notfallseelsorger oder fahre selbst hin)! ▶ „Je schlechter die Nachricht, desto eher teile sie mit“. ▶ Sedierende Medikamente behindern die Trauerarbeit, sie haben nur eine Indikation bei schwerst herzkranken Trauernden. ▶ Hinterher stets Teambesprechung, Angebot der Krisenintervention an alle, bei einem Kindertodesfall sind nicht nur die Eltern traumatisiert. ▶ Kommunikation kann man trainieren, aber: selbst die beste Gesprächstechnik ändert nichts an der schlechten Nachricht. ▶ Der Tod eines Kindes ist für Eltern besonders traumatisch – egal wie alt das „Kind“ ist.

4.20 Psychiatrische Notfälle Bei Kindern kommen am häufigsten Suchtmittelabusus, neurotische, depressive und Angststörungen vor. Grundsätzlich soll eine ruhige und ungestörte Atmosphäre geschaffen werden. Vorsicht Der Notarzt kann psychiatrische Probleme nicht lösen, stets sollte die stationäre Aufnahme angestrebt werden. Hinter jeder psychischen Störung kann sich auch eine Misshandlung verbergen.

159

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.20 Psychiatrische Notfälle

Delir/akute Verwirrung ▶ Ursachen Schock, BZ↓, Hypoxie, Intoxikation, Sepsis, Schädel-Hirn-Trauma, Meningitis, Epilepsie, Drogen ▶ Symptome • Störung der Aufmerksamkeit • wechselnde Wachheit • kognitive Defizite (Sprache, Orientierung, Erinnerung) • Halluzinationen • emotionale Labilität, Angst ▶ Therapeutische Maßnahmen • auslösende Ursache therapieren, Tab. 4.48 • nur bei erheblicher Agitation Medikamente!

Tab. 4.48 • Medikamentöse Maßnahmen bei Delir/akuter Verwirrung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Sedierung

Lorazepam

1–2,5 mg p. o. (ab 15 kg)

1 Tbl. Tavor 1 mg Expidet (> 50 kg KG: 1 Tbl. Tavor Expidet 2,5 mg)

0,1 mg/kg KG i. v. nasal (0,2 mg/kg KG)

2 mg i. v. 4 mg nasal

oder Midazolam

Cave: paradoxe Reaktionen möglich oder Haloperidol

50 μg/kg KG

1 mg = 0,2 ml

NW: extrapyramidal-motorische Störungen, z. B. Schlundkrämpfe

Vorsicht Zwangsmaßnahmen nur wenn unausweichlich (akute Eigen- oder Fremdgefährdung).

Halluzinationen Unter Halluzinationen versteht man Sinneswahrnehmungen ohne Realitätsbezug (Psychosezeichen: Stimme von Fremden wird gehört, Angst auslösend, Kind antwortet auf Stimmen oder nimmt Befehle entgegen). Mögliche Ursachen sind Delir, Epilepsie, Migräne, Psychose, PTSD. Therapie: s. Delir (S. 160)

Suizidhandlungen Suizidhandlungen mit schweren Körperschäden fordern vom Notarzt primär somatische Versorgungsstrategien. Er steht bei Kindern in der Behandlungspflicht, eine Therapieverweigerung in dieser Situation bei Minderjährigen kann grundsätzlich nicht als „freies Selbstbestimmungsrecht“ akzeptiert werden. 160

▶ Häufigkeit und Todesursachen Täglich versterben 3 Kinder und Jugendliche durch Suizid, Suizidhandlungen kommen mit dem sich entwickelnden Todesverständnis etwa ab dem Schulalter vor. Rechtsmedizinisch finden sich vor allem Erhängen, Sturz aus großer Höhe und Überfahren durch Schienenfahrzeuge. ▶ Motive Vorsicht Hauptmotiv ist die Furcht vor Bestrafung oder unangenehmen Situationen, 80 % kündigten den Suizid an, 85 % hatten bereits vormals Suizidversuche. Risiko↑: • umfangreiche Planungshandlungen und Vertuschungsversuche • Psychose, Substanzabusus, Alkoholismus • Hoffnungslosigkeit, Gewalterfahrung, sexuelle Übergriffe • männliches Geschlecht und Wahl eines gefährlichen Suizidmittels ▶ Vorgehen Jede (auch harmlose) Suizidhandlung muss zur stationären Einweisung führen, dem Notarzt steht hier die Anordnung von Zwangsmaßnahmen zu („akute Eigengefährdung aufgrund einer nicht auszuschließenden Geistesstörung“). Mit Eintreffen beim Patienten übernimmt der Notarzt die Garantenstellung, läuft der Suizident weg, haftet der Notarzt zivil- und strafrechtlich (Körperverletzung mit Todesfolge). Bei schwer kontrollierbaren Jugendlichen empfiehlt sich daher der Polizeinotruf (damit hat man die Sicherungsverantwortung schon einmal übertragen …). Die gesetzlichen Grundlagen und Vorgehensweisen sind im Landesrecht geregelt, insofern in jedem Bundesland verschieden. Grundzüge im Umgang: • Hinsetzen, ruhige Atmosphäre zum Gespräch, freundlich neutrale Grundhaltung • Akzeptieren des Patienten • offenes Ansprechen von Suizidgedanken und -handlungen • konkretes Vorgehen für die nächsten Minuten/Stunden festlegen: stationäre Einweisung Wichtigste Differenzialdiagnose: Selbstbeschädigung.

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.20 Psychiatrische Notfälle

Selbstbeschädigung/Selbstverletzendes Verhalten ▶ Vor allem bei Mädchen, Coping-Strategie (Bewältigungsstrategie) häufig in Form von Ritzen“: „Du schneidest nicht, um zu sterben, sondern um den Schmerz zu lindern, den das Leben bringt“. ▶ Aufschneiden, Aufkratzen oder Aufritzen der Haut an den Armen und Beinen mit Messern/Rasierklingen, Scheren etc. Häufung von Narben am nicht-dominanten Unterarm. ▶ „Kopfschlagen“, Ausreißen von Haaren, Beißen in erreichbare Körperteile, Verbrennungen und Verbrühungen u. a. ▶ 50 % der „Cutter“ haben eine Anamnese mit sexuellem Missbrauch. ▶ Sie vermeiden eher die Klinikaufnahme wegen „schlechter Erfahrungen“. ▶ Einweisung anstreben, nicht zuletzt zur Wundversorgung (Garantenposition des NA)

Aggression, Gewalttätigkeit ▶ Vorgehen • Eigenschutz: andere (Geschwisterkinder …) entfernen, nicht alleine mit dem Patienten bleiben, weitere Hilfe nötig? Fluchtweg? Mögliche Waffen? • ruhige Gesprächsatmosphäre, „talk down“, dauernden Augenkontakt vermeiden, nach den Wünschen fragen, eigene Gefühle kontrollieren 161

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.21 Schock

• wenn Zwangsmaßnahmen notwendig, vergewissern, dass genügend Kräfte vor Ort sind (Polizei? Jede Extremität ein Helfer + 1. Cave: Hände weit genug vom Mund weg!) • Notfallsedierung siehe Tab. 4.49 Tab. 4.49 • Medikamentöse Maßnahmen bei Aggression, Gewalttätigkeit. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Sedierung

Lorazepam

1–2,5 mg p. o. (ab 15 kg)

1 Tbl. Tavor 1 mg Expidet (> 50 kg KG: 1 Tbl. Tavor Expidet 2,5 mg)

0,1 mg/kg KG i. v. nasal (0,2 mg/kg KG)

2 mg i. v. 4 mg nasal

oder Midazolam

Cave: paradoxe Reaktionen möglich oder Haloperidol

50 μg/kg KG

1 mg = 0,2 ml

NW: extrapyramidal-motorische Störungen, z. B. Schlundkrämpfe

Vorsicht Bei akuter Fremdgefährdung muss die Zwangseinweisung angeordnet werden (Vorgehen unterschiedlich in den Bundesländern, zumeist Polizei hinzuzuziehen).

Anorexia nervosa („Pubertätsmagersucht“) Absichtlicher Gewichtsverlust (> 25 % des durchschnittlichen Alters-Längen-Sollgewichts oder des mittleren BMI), panische Angst vor dem Dickwerden bei falscher Körperwahrnehmung, teils mit selbst ausgelöstem Erbrechen (Bulimie). Stationäre Einweisung bei folgenden „red flags“ dringlich: ▶ erhebliche Bradykardie, Herzrhythmusstörungen oder Hypotonie ▶ Dehydratation ▶ Hypothermie ▶ Muskelschwäche

4.21 Schock Definition Lebensbedrohliche Verminderung der Organdurchblutung (Hypoperfusion) mit nachfolgender hypoxisch-metabolischer Schädigung der Zellfunktion.

Ursachen ▶ hypovolämisch (Flüssigkeits- oder Blutverlust: „Diarrhö oder Trauma“) ▶ kardiogen (Rhythmusstörungen, Vitien, Kardiomyopathie, Folgen von Hypoxie)

162

▶ distributiv (initial „warmer Schock“): • Anaphylaxie • Sepsis • neurogen ▶ obstruktiv (Lungenembolie, Perikardtamponade, Spannungspneumothorax) Vorsicht Neugeborene und Säuglinge sind in erster Linie von Volumenverlusten bedroht und können ihr Herzzeitvolumen fast ausschließlich durch die Herzfrequenz erhöhen.

Symptome ▶ „Kalter Schock“ • Zentralisation → Rekapillarisierungszeit bei Druck auf den Fingernagel > > 2 Sek. ist erstes Alarmzeichen! Kalte Extremitäten (markiere Kalt-warm-Grenze mit Kuli)! • Tachykardie • Tachypnoe • Agitation, Verwirrung • später: Vigilanzminderung, Koma, RR↓ (Cave: präterminales Zeichen), Atemversagen (Cave: präterminales Zeichen) Stadien und Symptome bei Blutverlust: • < 15 %: Herzfrequenz↑, Blutdruck + Rekapillarisierungszeit normal • 15–25 %: Tachykardie, Tachypnoe, Oligurie, Rekapillarisierungszeit↑ • 25–35 %: Zusätzlich Oligurie, Anurie, Somnolenz, Blutdruck↓ • 35–50 %: Koma, Bradykardie ▶ „Warmer Schock“ • bei Sepsis, Anaphylaxie oder neurogenem Schock versagt die Vasokonstriktion → keine Zentralisation

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.21 Schock

Vorsicht Bei Kindern ist ein niedriger Blutdruckwert – im Gegensatz zur Erwachsenenmedizin – ein untaugliches Spätzeichen.

Tab. 4.50 • Grenzwerte des systolischen Blutdrucks. Alter

Blutdruck

Herzfrequenz

Neugeborene

50 mmHg

100–150/min

Säuglinge

70 mmHg

90–170/min

< 10 Jahre

80 mmHg

65–140/min

> 10 Jahre

90 mmHg

60–120/min

163

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.21 Schock Tab. 4.51 • Basismaßnahmen bei Schock. Maßnahme

Details

Lagerung

Schocklage, stabile Seitenlage oder Kombination

Therapeutisches Szenario

Sauerstoff

über Brille/Maske

2–4–10 l O2/min

Infusion

venöser Zugang (möglichst großlumig), ggf. i. o. Zugang

stets initial Vollelektrolytlösung (z. B. NaCl 0,9 %, Ringerlösung, Ringer-Malat!!!), bei Volumenmangel 20 ml/kg KG

weitere Maßnahmen

• Vitalfunktionen sichern • ggf. Intubation und Beatmung • ggf. kardiopulmonale Reanimation • Schutz vor Unterkühlung • ständige Kontrolle von Puls und Blutdruck • ggf. Blutstillung • weitere Maßnahmen in Abhängigkeit von der Schockursache

Therapeutische Maßnahmen Vorsicht Beim Venenzugang sollten höchstens 3 Punktionsversuche unternommen werden, dann i. o. Zugang. Bei schlechten Venen i. o. primär versuchen. Erfahrene: Punktion der V. femoralis („IVAN“: von innen: Vene – Arterie – Nerv). Bei Hinweisen auf kardiogenen Schock oder erhöhten Hirndruck (Gestaute Halsvenen? Hepatomegalie? Pupillendifferenz? Gespannte Fontanelle?) keine Volumengabe! Weitere Maßnahmen bei Schock ▶ Wärmeerhalt („cold can kill“) Kältezittern kann den Sauerstoffverbrauch um 500 % steigern! ▶ ggf. Blutstillung, Abb. 4.18 ▶ ständige Kontrolle von Puls und Blutdruck ▶ weitere Maßnahmen in Abhängigkeit von der Schockursache • Hinweise auf Diabetes mellitus → Ketoazidose → Volumenmangel? • Hinweise auf Trauma → Milzruptur → Entblutungsschock? • Hinweise auf Intoxikation, z. B. Antihypertensiva, Trizyklika → Volumengabe? • Fieber → Sepsis? • Hautausschlag, Petechien → Meningitis? Cave: Narkoseeinleitung führt zu Vasodilatation und möglicher Dekompensation → möglichst mit S-Ketamin (2 mg/kg KG) einleiten, gefolgt von rascher Volumengabe. ▶ Gabe von Katecholaminen Präklinisch kommen am ehesten Adrenalin und Noradrenalin zum Einsatz. ▶ Adrenalin β1, β2- und α-Rezeptor-Agonist, wirkt über positive Inotropie, Chronotropie und Erhöhung des peripheren Gefäßtonus. Indiziert bei myokardialer Insuffizienz und volumenrefraktärer arterieller Hypotension. Fördert die Kontraktilität und das Schlagvolumen, Anstieg des pulmonalen oder systemischen Gefäßwiderstandes. 164

Schock Rekapillarisierungszeit Frequenz Atemfrequenz Vigilanz ABC O2-Gabe 6 l/min Pulsoxymetrie Atmung o.k.?

nicht kontrollierbare innere Blutung? auf Notwendigstes beschränken und schnell in den OP

nein

ABC Atemwege frei machen ggf. beatmen (Beutel-Maske oder Intubation)

ja ABC Zirkulation prüfen Puls < 200, EKG

nein

paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie?

nein

i.o. Punktion Tibiainnenseite, Übergang proximales zu mittlerem Drittel

ja i.v. Zugang max. 3 Versuche

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.21 Schock

Zugang o.k. 20 ml/kg KG NaCl 0,9% während laufender Infusion: • Hepatomegalie? • gestaute Halsvenen • Hirndruck (Pupillen/Fontanelle)? • Anaphylaxie möglich? BZ? ABC, keine Besserung

Spannungspneumothorax kardiogener Schock? Inotropika Hirndruck? Anaphylaxie?

20 ml/kg KG HAES/Gel ABC, keine Besserung • Intubation, wenn erfahren • mit 8 ml/kg KG 20(-40)-mal • beatmen pro Minute • Ursachensuche und rascher • Transport • Wärmeerhalt („cold can kill“) Abb. 4.18 • Algorithmus bei Schock.

Dosierung: • Adrenalin 1 : 1000 10-fach verdünnt, davon 0,01 ml/kg KG bis 0,05 ml/kg KG i. v. nach Effekt, • evtl. Adrenalin-DTI: 0,01–0,1–1(–2)μg/kg KG/min Adrenalin bei der Anaphylaxie (S. 112) s. Tab. 4.10 ▶ Noradrenalin Hauptindikation bei Schockzustand trotz ausreichender Volumensubstitution durch niedrigen systemischen Gefäßwiderstand (z. B. bei septischem oder anaphylaktischem Schock). Dosierung: • 0,01–0,050,1(–2)μg/kg KG/min DTI

165

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle

4.22 Traumatologische Notfälle Nahezu 50 % aller Todesursachen im Kindesalter (1–14 Jahre) sind auf Unfälle zurückzuführen. 70 % der tödlichen Unfälle sind Verkehrsunfälle (Fußgänger, Radfahrer, Beifahrer im Auto). Eine Unfallhäufung findet sich besonders in der Altersklasse der 2bis 5-Jährigen sowie der 11- bis 14-Jährigen.

Abdominaltrauma ▶ Ursachen Vor allem bei Autounfall oder Fahrradsturz kann es zu Verletzungen von Leber/Milz mit Blutungen oder von Pankreas und Darm mit Peritonitis kommen. Vorsicht Sicherheitsgurte können zu schweren Abdominalverletzungen führen (häufigster Grund für Darmperforationen). ▶ Symptome • Schock • Darmgeräusche↓ • Abwehrspannung • Schmerz • Prellmarken (jede Prellmarke muss als ernstes Zeichen gesehen werden!) • Cave: zweizeitige Verläufe (z. B. Milzruptur) Vorsicht Jedes traumatisierte Kind im Schock ohne erkennbare Ursache hat ein Abdominaltrauma bis zum Beweis des Gegenteils → schnellste Versorgung und ab in die Klinik – das Kind braucht keinen beeindruckenden Notarzt, sondern einen Chirurgen! ▶ Therapeutische Maßnahmen Nur das Notwendigste ohne Zeitverzug durchführen. Tab. 4.52 • Basismaßnahmen beim Abdominaltrauma.

166

Maßnahme

Details

Lagerung

• Rückenlage mit angezogenen Knien (Knierolle) und Kopfpolster zur Entspannung der Bauchdecke • bei gestörter Bewusstseinslage: stabile Seitenlage

Beatmung, Sauerstoff

• Atemwege frei machen/ frei halten • Sauerstoffgabe

4–8 l O2/min

Infusion

NaCl oder Ringer-Laktat

20 kg KG: 400 ml Ringer-Laktat i. v./i. o.

Tab. 4.52 • Fortsetzung Maßnahme

Details

weitere Maßnahmen

• Vitalfunktionen sichern • offene Wunden steril abdecken • Fremdkörper bei Pfählungsverletzungen belassen

Schnellstmöglicher Transport in Klinik!

Tab. 4.53 • Medikamentöse Maßnahmen bei Abdominaltrauma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20–40 ml/kg KG i. v. oder i. o.

20–40 ml/kg KG Ringer-Lactat i. v. oder i. o.

Sedierung

Midazolam

1,25–2,5–5 mg (0,1 mg/kg KG)

¼–½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v., i. o., nasal siehe Kap.18.4 (S. 237)

Diazepam

2,5–5-10 mg (0,3–0,5 mg/kg KG)

¼–½–1 Amp. Diazepam i. v., i. o., nasal siehe Kap.10.2 (S. 222)

Morphin

0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

1 Amp. Morphin = 10 mg = 1 ml, mit 9 ml NaCl 0,9 % verdünnen 1–5 ml der verdünnten Morphinlösung i. v., i. o., nasal siehe Kap.18.5 (S. 238)

0,125–0,25 mg/kg KG

2,5–5–10 mg Ketanest S i. v., i. o., nasal siehe Kap. 16.1 (S. 233)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

oder

Analgesie

und/ oder S-Ketamin

Polytrauma ▶ Pathophysiologie Besondere Gefahren birgt ein Polytrauma, da Kinder ein im Vergleich zum Erwachsenen kleines absolutes Blutvolumen haben und ein Blutverlust schneller zum hypovolämischen Schock führen kann. Ein Blutverlust von 500 ml macht z. B. beim Erwachsenen einen Verlust von 10 % des Gesamtvolumens aus, beim 5-jährigen Kind dagegen von ca. 40 %. Gleichzeitig treten die typischen Schocksymptome beim Kind erst spät auf, sind dann jedoch meist gravierend. Da Kinder geringere Puffersystemreserven als Erwachsene aufweisen, droht ihnen zudem schneller eine metabolische Azidose.

167

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle

Vorsicht Eine sachgerechte Erstversorgung des Polytraumas kann die Letalität um bis zu 20 % senken! ▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.54 • Basismaßnahmen bei Polytrauma. Maßnahme

Details

Lagerung

• abhängig von der Bewusstseinslage und dem Verletzungsmuster • in der Regel stabile Seitenlage

Beatmung, Sauerstoff

• Atemwege frei machen/frei halten • Sauerstoffgabe • ggf. Intubation und Beatmung (Indikation großzügig stellen!)

4–6–8 l O2/min

Infusion

venöse Zugänge (möglichst mindestens 2 großlumige Zugänge), i. o. Zugang

Ringer-Laktat

weitere Maßnahmen

• Blutstillung bei bedrohlichen Blutungen (Druckverband, Abbinden) • Ruhigstellung von Frakturen (Schienen, Vakuummatratze, HWSImmobilisierung) • Schutz vor Unterkühlung

Abbinden, Tourniquet

Tab. 4.55 • Medikamentöse Maßnahmen bei Polytrauma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20–40 ml/kg KG i. v. oder i. o.

20–40 ml/kg KG Ringer-Laktat i. v. oder i. o.

kolloidale Lösung

10 ml/kg KG

10 ml/kg KG Gelafundin, HAES-steril 6 %

Midazolam

1,25–2,55 mg (0,1 mg/kg KG)

¼–½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v., i. o., nasal siehe Kap. 18.4 (S. 237)

und/ oder

Sedierung

oder

168

Tab. 4.55 • Fortsetzung Indikation

Analgesie

Medikament

Dosierung

Beispiel

Diazepam

2,5–5–10 mg (0,3–0,5 mg/kg KG)

¼–½–1 Amp. Diazepam i. v., i. o., nasal siehe Kap. 10.2 (S. 222)

Morphin

0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

1 Amp. Morphin = 10 mg = 1 ml, mit 9 ml NaCl 0,9 % verdünnen 1–5 ml der verdünnten Morphinlösung i. v., i. o., nasal siehe Kap. 18.5 (S. 238)

0,125–0,25 mg/kg KG

2,5–5–10 mg Ketanest S i. v., i. o., nasal siehe Kap. 16.1 (S. 233)

und/oder S-Ketamin

ggf. Narkoseeinleitung

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

Ketamin-Midazolam-Narkose Midazolam

0,1 mg/kg KG

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v., i. o., nasal siehe Kap.18.4 (S. 237)

0,5–1,0 mg/kg KG

5–20–40 mg Ketanest S i. v., i. o., nasal siehe Kap.16.1 (S. 233)

und S-Ketamin

Vorsicht Die Vitalfunktionen zu sichern hat Vorrang vor allen anderen Maßnahmen!

Schädel-Hirn-Trauma Das SHT ist im Kindesalter die häufigste Einzelursache für Tod oder bleibende Behinderung! Ursache sind vor allem Verkehrsunfälle, Stürze aus Höhen (> 2 × Kindsgröße), aber auch Kindesmisshandlungen (Schütteltrauma). ▶ Symptome Leitsymptom des Schädel-Hirn-Traumas ist die Bewusstseinsstörung, deren Grad beim jüngeren Kind (< 36 Monate) mit einer modifizierten Glasgow-Koma-Skala abgeschätzt werden kann.

169

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle Tab. 4.56 • Modifizierte Glasgow-Koma-Skala für Kinder (GCS, maximale Punktzahl 15, minimal 3). Kriterium

Öffnen der Augen

beste verbale Reaktion

beste motorische Antwort

Alter über 36 Monate

Alter unter 36 Monate

Punkte

spontan

4

auf Ansprache

3

auf Schmerzreiz

2

fehlt

1

orientiert

Plappern, Brabbeln

5

verwirrt

Schreien, aber tröstbar

4

einzelne Worte

Schreien, untröstbar

3

Laute

Stöhnen oder unverständliche Laute

2

fehlt

fehlt

1

folgt Aufforderungen

spontane Beugung

6

gezielte Schmerzreaktion

auf Schmerzreiz, gezielt

5

Beugemechanismen

auf Schmerzreiz, normale Beugeabwehr

4

atypische Beugereaktionen

auf Schmerzreiz, abnorme Abwehr

3

Streckmechanismen

auf Schmerzreiz, Strecksynergismen

2

fehlt

fehlt

1

Vorsicht 85 % aller Kopfverletzungen sind harmlos, schwere Kopfverletzungen können aber mit einem symptomarmen Intervall einhergehen. Cave: 50 % der intrakraniellen Verletzungen haben ein initiales GCS von 15! ▶ Die häufigsten Formen harmloser SHT, da ohne eine substanzielle Hirnschädigung, sind: • Schädelprellung – Keine Bewusstseinsstörung nach dem Unfall, keine Amnesie, kein Erbrechen, ggf. kleines Hämatom oder Prellmarke • Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) – Kurzfristige Bewusstseinsstörung, Amnesie für das Ereignis und ggf. retrograde und antegrade Amnesie. Häufig anschließend (wiederholtes) Erbrechen. Präklinisch ist die Frage ob harmlos oder nicht aber (s. o.) – wegen des nicht seltenen symptomfreien Intervalls, auch bei SHT mit primärer Hirnschädigung (Contusio cerebri, Compressio cerebri) – häufig nicht abklärbar.

170

Hirndruckzeichen 80 % der Kinder mit schwerem SHT haben einen erhöhten Hirndruck. Mögliche Symptome sind: ▶ Cushing-Trias: Bradykardie – Hypertension – Atemmusterstörung ▶ Pupillenseitendifferenz ▶ vorgewölbte Fontanelle ▶ fehlendes Puppenkopfphänomen (Augenbewegung bei Kopfbewegung) ▶ abnorme motorische Reaktion → HyperHAES 4 ml/kg KG, Oberkörperhochlagerung 30°, Beatmung → etCO2 30–35 mmHg ▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.57 • Basismaßnahmen beim SHT beim nicht bewusstlosen Kind. Maßnahme

Details

Lagerung

• Kombination mit HWS-Verletzung annehmen bis zum Beweis des Gegenteils → HWS-Immobilisierung • Oberkörper leicht erhöht, Kopf in Mittelstellung, Ziel: Herabsetzung des Hirndrucks • bei Vigilanzstörung: Seitenlage mit erhöhtem Oberkörper

Sauerstoff

• Atemwege frei machen/frei halten • Sauerstoffgabe

weitere Maßnahmen

• venöser Zugang • Atmung und Kreislauf ständig überwachen • Schutz vor Unterkühlung • Kapnometrie: Ziel etCO2 35–40 mmHg • RR optimieren (Stabilisierung des Blutdrucks ist nach der Atemwegssicherung die wichtigste Maßnahme beim SHT, sonst ist das Mortalitätsrisiko dreifach erhöht) – Neugeborene > 60 mmHg – Säuglinge/Kleinkinder > 100 mmHg – Schulkinder > 110 mmHg • SO2 > 95 %, BZ 80–120 mg%

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

2–4 l O2/min

Vorsicht Niemals Hypotonie tolerieren (Volumensubstitution), niemals hypotone Glukoselösungen geben (Hirnödem), niemals Hypoventilation tolerieren (Beatmung).

171

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle Tab. 4.58 • Medikamentöse Maßnahmen beim Schädel-Hirn-Trauma bei nicht bewusstlosem Kind. Indikation

Medikament

Venenweg offen halten

kristalloide Lösung

Dosierung

Beispiel

bei Polytrauma Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20–40 ml/kg KG i. v.

20–40 ml/kg KG Ringer-Laktat i. v., i. o.

Sedierung (insgesamt zurückhaltend ! Nur wenn Kind agitiert, unruhig)

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v., i. o. nasal (s. Kap. 18.4) (S. 237)

Diazepam

0,2 mg/kg KG i. v.

¼–½ Amp. Diazepam i. v., i. o.

Diazepam

0,3–0,5 mg/kg KG i. v.

½–1 Amp. Diazepam i. v., i. o., nasal (s. Kap. 10.2) (S. 222)

nur langsam tropfen lassen

oder

bei Krämpfen

Analgesie

immer in Intubationsbereitschaft ! Morphin

0,05–0,1 mg/kg KG i. v.

1 Amp. Morphin = 10 mg = 1 ml, mit 9 ml NaCl 0,9 % verdünnen 1–5 ml der verdünnten Morphinlösung i. v., i. o., nasal (s. Kap. 18.5) (S. 238)

0,125–0,25 mg/kg KG

2,5–5–10 mg Ketanest S i. v., i. o., nasal (s. Kap. 16.1 ) (S. 233)

und/oder S-Ketamin

Tab. 4.59 • Basismaßnahmen beim SHT beim bewusstseinsgestörten Kind.

172

Maßnahme

Details

Lagerung

Oberkörper um ca. 20–30° angehoben, Kopf Mittelstellung

Sauerstoff

• Atemwege frei machen/ frei halten • Sauerstoffgabe

weitere Maßnahmen

• Indikation zur Intubation und Beatmung (GCS ≤ 8) • ggf. Narkoseeinleitung, wenn erfahren

2–4 l O2/min

Tab. 4.60 • Medikamentöse Maßnahmen beim SHT beim bewusstseinsgestörten Kind. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

wie beim bewusstseinsklaren Patienten, zusätzlich ggf. Narkoseeinleitung Präoxygenierung

Sauerstoff

mindestens 2 min

3–5 l O2/min

Sedierung

Midazolam

0,1 mg/kg KG i. v.

½–1 Amp. Dormicum V 5 mg/5 ml i. v., i. o.

Analgesie/ Narkoseeinleitung

S-Ketamin

0,25–0,5–1,0 mg/kg KG

2,5–5–10–20 mg Ketanest S i. v., i. o.

Vorsicht Falls möglich, Hubschrauber als Transportmittel einsetzen, neurochirurgische Klinik anfliegen lassen!

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

Thoraxtrauma ▶ Allgemeines Das Thoraxtrauma ist die Leitverletzung des Polytraumas, in > 70 % der Fälle bestehen relevante Begleitverletzungen! Die Letalität von Thoraxtraumata ist hoch, sie wird durch potenziell lebensbedrohliche Komplikationen bestimmt, wie z. B. Pneumothorax, Spannungspneumothorax, Hämatothorax, instabiler Thorax, Tracheaoder Bronchusrupturen oder Herzbeuteltamponade. ▶ Symptome Aufgrund des elastischen Brustkorbs können Kinder schwerste Verletzungen ohne äußerlich sichtbare Zeichen erleiden! • Prellmarken, äußere Verletzungen • Dyspnoe • Blässe bis Zyanose • atemabhängige Schmerzen • schnelle, flache, evtl. paradoxe Atmung • evtl. prall gefüllte Halsvenen • Husten, evtl. Hämoptoe • evtl. Hautemphysem • Tachykardie, Blutdruckabfall ▶ Therapeutische Maßnahmen Tab. 4.61 • Basismaßnahmen bei Thoraxtrauma. Maßnahme

Details

Lagerung

• bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage (auf der verletzten Seite) • sonst Oberkörper hoch

Sauerstoff

über Nasenbrille/Maske

4–8–12 l O2/min

Volumensubstitution

• venöser Zugang (möglichst großlumig) • kristalloide Lösung

z. B. Ringer-Laktat i. v.

173

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle Tab. 4.61 • Fortsetzung Maßnahme

Details

weitere Maßnahmen

• Vitalfunktionen sichern • großzügige Indikation zur Intubation und Beatmung • offene Wunden steril abdecken • bei Pfählungsverletzungen Fremdkörper belassen • Schutz vor Unterkühlung • Puls und Blutdruck ständig kontrollieren • bei Hinweisen auf Spannungspneumothorax (S. 175) Entlastungspunktion im 2. ICR medioklavikular

Tab. 4.62 • Medikamentöse Maßnahmen bei Thoraxtrauma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Volumensubstitution

Ringer-Laktat/NaCl 0,9 %

20 ml/kg KG

400 ml Ringer-Laktat

Analgesie

Morphin

0,1 mg/kg KG

2 mg i. v.

oder

ggf. Sedierung

S-Ketamin

0,25 mg/kg KG

5 mg Ketanest S

Diazepam

0,2 mg/kg KG

4 mg Diazepam i. v.

0,1 mg/kg KG

2 mg Midazolam i. v.

oder Midazolam ggf. (z. B. bei instabilem Thorax) Narkose (S. 78)

z. B. Ketamin-Midazolam-Narkose (S. 82) und siehe Tab. 2.35

▶ Einfacher Pneumothorax • Definition Bei Pneumothorax handelt es sich um den Eintritt von Luft in den Pleuraraum, Abb. 4.19. Dadurch wird der dort herrschende Unterdruck aufgehoben und die Lunge kollabiert. Defekt

Inspiration

Exspiration

offener Pneumothorax

174

Abb. 4.19 • Pneumothorax.

• Symptome – akuter Thoraxschmerz – Atemnot – trockener Husten – Atemgeräusch↓ – Klopfschall↑ – atemabhängige Schmerzen – ggf. Hautemphysem (Knistern der Haut) ▶ Spannungspneumothorax • Definition Durch einen Ventilmechanismus baut sich ein Druck im Pleuraspalt auf, der zu einer Verschiebung des Mediastinums zur anderen Seite und zur Kompression des Gefäßsystems führt, Abb. 4.20.

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

Inspiration Defekt mit Ventilmechanismus

Exspiration Abb. 4.20 • Spannungspneumothorax.

offener Spannungspneu

Vorsicht Akut lebensbedrohliches Krankheitsbild! • Symptome und Diagnostik – rasch zunehmende Dyspnoe (z. B. trotz suffizienter Beatmung) – einseitige Trachealverlagerung!!! – Tachypnoe – Tachykardie – Blässe, Zyanose – Unruhe und Angst – einseitige Thoraxvergrößerung (am Notfallort bzw. beim traumatischen Spannungspneumothorax kaum zu erkennen) – obere Einflussstauung (Halsvenenstauung) – Blutdruckabfall – Kreislaufstillstand (eine der stets auszuschließenden Ursachen!) Vorsicht Steigt unter Beatmung der Beatmungsdruck kontinuierlich an, muss an einen Spannungspneumothorax gedacht werden. 175

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle

▶ Sofortmaßnahme: Entlastungspunktion Als Sofortmaßnahme beim Spannungspneumothorax wird zur Druckentlastung eine Entlastungspunktion durchgeführt, Abb. 4.21.

4. Rippe

3. Rippe Clavicula Punktionsstelle

Abb. 4.21 • Entlastungspunktion bei Spannungspneumothorax.

• Risiken der Punktion Liegt kein Pneumothorax vor und der Patient wird dennoch punktiert, kann ein Pneumothorax entstehen. Wird an der falschen Stelle punktiert, besteht außerdem die Gefahr, Lungengewebe oder Interkostalgefäße und Nerven zu treffen. Wird zu weit kaudal punktiert, können das Herz und die angrenzenden Gefäße verletzt werden – Achtung Lebensgefahr!

176

Mondali-Zugang Bülau-Zugang

Abb. 4.22 • Punktionsstellen Thoraxdrainage.

Material – großkalibrige Kanüle (z. B. Plastikverweilkanüle 14G [braun] oder 16G [grau]) – evtl. Fingerling, in dessen freies Ende ein kleines Loch geschnitten wird – Einmalkompressen – Hautdesinfektionsmittel – Stethoskop • Technik – Kind möglichst mit erhöhtem Oberkörper lagern – Die Punktionsstelle liegt medioklavikulär, auf der gedachten Linie durch die Mitte der Klavikula, im 2. oder 3. Interkostalraum auf der vorderen Thoraxseite – ggf. Infiltration der Einstichstelle mit Lidocain – Versieren Sie beim Einstechen immer den Oberrand der Rippen an, am unteren Rand verlaufen Nerven und Gefäße. Der Punktionsort befindet sich auf der Medioklavikularlinie (rotes Band). – Auch der Abstand zum Sternalrand ist wichtig (mindestens 4 cm): – Spannen Sie mit einer Hand die Haut an der Einstichstelle. Zeige- und Mittelfinger ertasten dabei die Rippenbögen. Stechen Sie mit der Kanüle im 90°-Winkel zum Thorax, entweder in Richtung oberer Rand der 3. oder 4. Rippe (= 2. oder 3. Interkostalraum). Das ist wichtig, um die Gefäße und Nerven, die am unteren Rippenrand verlaufen, nicht zu verletzen. Dringt die Nadel in den Pleuraspalt ein, lässt der Widerstand nach und Sie hören ein Pfeifen - die Luft entweicht durch die Kanüle. Meist verbessert sich der Zustand des Patienten rasch: – Die Einstauung der Halsvenen geht zurück. – Der Patient kann signifikant besser atmen bzw. bei einem beatmeten Patienten geht der Beatmungsgegendruck wieder auf Normalmaß zurück, der Widerstand beim Beatmen ist spürbar geringer. – Der Kreislauf stabilisiert sich und Sie können den Radialis-Puls wieder tasten. – Halten Sie die Stahlnadel fest und schieben Sie den Plastikkatheter vollständig vor, bis er die Haut berührt. Jetzt können Sie die Metallkanüle entfernen. Der Katheter verbleibt so lange, bis eine Thoraxdrainage gelegt wird – durch den Notarzt oder in der Klinik. – Damit der Plastikkatheter nicht abknickt, können Sie ihn mithilfe einer Pflasterrolle sichern – fixieren Sie diese gut mit Pflaster. ▶ Weitere therapeutische Maßnahmen: Thoraxdrainage Thoraxdrainagen sollten in der Regel unter stationären und möglichst sterilen Bedingungen gelegt werden, Abb. 4.23. Bei ausgedehntem Spannungs- oder Hämatothorax kann eine Thoraxdrainage bereits am Unfallort erforderlich werden (besonders wenn die Punktion nur unzureichende Entlastung bringt).

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

177

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle

Drainage zur Absaugung von z. B. Luft (Pneumothorax), Blut (Hämatothorax) oder Eiter aus dem Pleuraraum. Dazu wird der Drainageschlauch luftdicht zwischen den Rippen in die Pleurahöhle eingelegt. Es sind 2 verschiedene Zugangswege zu unterscheiden: • anteriorer Zugang im 2.–3. Interkostalraum (ICR) in der Medioklavikularlinie (Monaldi-Drainage) bei Pneumothorax, Lagerung dafür möglichst in sitzender Position • posteriorer Zugang im 4.–5. ICR in der hinteren Axillarlinie (Bülau-Drainage) bei Pleuraerguss oder Hämatothorax, Lagerung dafür auf der gesunden Thoraxseite Am sichersten als Minithorakotomie über Bülau-Zugang (Abb. 4.23): Falls erforderlich Prämedikation (Midazolam/S-Ketamin/ Morphin), ggf. Infiltrationsanästhesie mit 1 % Lidocain (zunächst Haut in dem Inzisions-ICR, dann subkutanes Gewebe in dem darüberliegenden ICR). Abduzieren des Arms der betreffenden Seite, Desinfektion, Lochtuch, sterile Handschuhe. 2–3 cm langer Hautschnitt im Verlauf des 5. ICR (knapp über Mamille) in mittlerer Axillarlinie, dann mit geschlossener stumpfer Schere die Interkostalmuskulatur oberhalb der Rippe bis zur Pleura verdrängen. Pleura mit dem (kleinen) Finger perforieren, Austasten der Pleurahöhle. Drainage (Kinder 18–28 Charr) mit dem Finger als Führungsschiene unter Zuhilfenahme einer stumpfen Klemme durch den Stichkanal dirigieren. Drainage nach kranial und dorsal ca. 3 cm vorschieben. Heimlichventil, Absaugung/Magensondenbeutel anschließen, Fixation durch Naht.

Abb. 4.23 • Thoraxdrainage. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

▶ Hämatothorax • Ursachen Meist im Rahmen einer Rippenfraktur und einer Zerreißung des Rippenfells, durch Verletzung kleiner oder intrathorakaler Gefäße; Verletzungen der Lunge, Abb. 4.24.

178

Abb. 4.24 • Hämatothorax.

• Therapeutische Maßnahmen – halbsitzende Lagerung (bei stabilem Kreislauf) – Sauerstoffgabe – ggf. Intubation und Beatmung – ggf. Thoraxdrainage ▶ Lungenkontusion • Ursachen Meist stumpfes Trauma. Mikro- und makroskopische Zerreißungen und Quetschungen des Lungengewebes (Abb. 4.25). Ausbildung oft erst nach Stunden bis Tagen!

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

Kontusionsherde Abb. 4.25 • Lungenkontusion.

• Therapeutische Maßnahmen: – halbsitzende Lagerung (bei stabilem Kreislauf) – Sauerstoffgabe – ggf. Intubation und Beatmung mit PEEP 5mbar Vorsicht Häufigste Thoraxverletzung bei Kindern (doppelt so häufig wie Rippenfrakturen). Prellmarken, Tachypnoe, Schmerzen, SO2↓ beachten! ▶ Herzbeuteltamponade • Schock mit gestauten Halsvenen (DD: kardial, Spannungspneumothorax → Tracheaverlagerung seitlich) • Therapie: Volumensubstitution, zügiger Transport in die Klinik, Punktion unter EKG-Überwachung durch erfahrenen Arzt 179

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

180

4.22 Traumatologische Notfälle

▶ Commotio cordis • zweithäufigste Todesursache von Ballspielern, z. B. beim Fußball den Ball mit der Brust stoppen → Kammerflimmern • übliches Vorgehen nach ABC

Wirbelsäulentrauma Ein Wirbelsäulentrauma ist bei Kindern eher selten. Aufgrund des relativ schweren Kopfes sind typischerweise die Segmente C 1–3 oder C 7 / Th 1 betroffen, es kommt aber bei Kindern auch ohne Frakturen zu schweren Halsmarkverletzungen. Die Hauptgefahr eines Wirbelsäulentraumas liegt in der Schädigung des Rückenmarks durch Quetschung, Einblutung oder Durchtrennung mit Ausbildung einer Querschnittslähmung. Lebensbedrohlich ist die hohe Querschnittslähmung, bei der es zur zentralen Atemlähmung kommen kann. Durch Hypotonie, Ischämie und Ödembildung ist eine sekundäre Rückenmarkschädigung möglich. ▶ Symptome • starke HWS-Schmerzen, Rückenschmerzen, neurologische Störungen • Zeichen einer Querschnittslähmung: – Bewegungsunfähigkeit, Gefühllosigkeit, schlaffe Extremitäten – fehlende Abwehrreaktion auch bei starken Schmerzreizen – evtl. Bewusstseinsstörung – unwillkürlicher Harn- oder Stuhlabgang, Erektion – Blutdruckabfall • fehlender Analsphinktertonus = initiales Querschnittszeichen Wenn ein Kind den Kopf um 45° drehen kann, ist eine HWS-Verletzung sehr unwahrscheinlich (Cave: nur wenn das Kind das vorher selbst gemacht hat, nicht ausprobieren!). Anhand der radikulären Dermatome lässt sich die Höhe der Rückenmarkläsion grob abschätzen, Abb. 4.26, Tab. 4.63. ▶ Anatomische „Landmarken“ • Ringknorpel → Höhe HWK 6 • Bauchnabel → Höhe BWK 10 • Darmbeinkamm → Höhe LWK 4 ▶ Therapeutische Maßnahmen Die Halswirbelsäule muss insbesondere bei Kindern stabilisiert werden mit: • neurologischen Zeichen, SHT (S. 169) • Vigilanzstörungen • Femurfraktur, Polytrauma • Intoxikation • Schmerzen über der HWS, insbesondere bei Drehung • Kinder mit Down-Syndrom (wegen atlantookzipitaler Subluxation) Eine ausreichende Immobilisation der gesamten Wirbelsäule ist nur durch eine Ganzkörperimmobilisation in Rückenlage mit kompletter Fixierung des Kopfes sowie einer Gurtfixierung des Rumpfes und der Extremitäten zu erreichen. Die alleinige Anlage einer Zervikalstütze bietet keine ausreichende Immobilisation der Halswirbelsäule, Tab. 4.64. Die Ganzkörperimmobilisation kann auf dem Spine board oder der Vakuummatratze erfolgen. Erfolgt bei einem Patienten die Ganzkörperimmobilisation, so erbringt eine angelegte Zervikalstütze keinen weiteren Benefit; angesichts der Nachteile einer anliegenden Zervikalstütze (Erhöhung des intrakraniellen Drucks, Reduzierung der Mundöffnung) sollte vor allem bei Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma der Verzicht auf eine Zervikalstütze erwogen werden.

radikuläre Dermatome C7 C8

V1

VV22

C6

V1

C2

C2 V3 C6

C5

Th1

C3

C3

C4

C4 Th2 Th3 Th4 Th5 Th6 Th7 Th8 Th9 Th10 Th11 Th12 L1

Th2 Th3 Th4 Th5 Th6 Th7 Th8 Th9 Th10 Th11 Th12

Th2

Th1 C8 C7

L2

L1 S2

C5

L1

S4

L2

C6

S3 L3

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.22 Traumatologische Notfälle

C8 C7

S2 L4

L5

L4

S1

LL65 S1

S1

L4 L6

Abb. 4.26 • Radikuläre Dermatome.

Tab. 4.63 • Abschätzen der Höhe einer Rückenmarkläsion. Symptome

Schädigungshöhe

Zwerchfellatmung fällt aus

C 3/C 4

Schulterheben nicht möglich

C5

Ellenbogenbeugung nicht möglich

C6

Fingerbeugung nicht möglich

C 8/C 9

Sensibilität bis Höhe Brustwarzen erhalten

unterhalb Th 4

Sensibilität bis Höhe Bauchnabel erhalten

unterhalb Th 10

Hüftbeugung nicht möglich

L2

Fußhebung nicht möglich

L5

Vorsicht Wichtig: Auswahl des geeigneten Transportmittels (Hubschrauber) und der geeigneten Zielklinik!

181

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.22 Traumatologische Notfälle Tab. 4.64 • Basismaßnahmen beim Wirbelsäulentrauma. Maßnahme

Details

Lagerung

• abhängig vom Bewusstseinszustand • keine unnötigen Umlagerungen! • Umlagerung nur mit mehreren Helfern • Schaufeltrage einsetzen • wenn möglich, flach lagern • so bald wie möglich auf Vakuummatratze in Streckstellung lagern

Schaufeltrage

Sauerstoff

über Nasenbrille/Maske

2–4 l O2/min

Infusion

venöser Zugang

langsam Ringer-Laktat

weitere Maßnahmen

• immer immobilisierende Halskrawatte anlegen • Vitalfunktionen sichern • offene Wunden steril abdecken • Schutz vor Unterkühlung • Puls und Blutdruck ständig kontrollieren • ggf. Intubation und Beatmung

Tab. 4.65 • Medikamentöse Maßnahmen beim Wirbelsäulentrauma. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

20 ml/kg KG NaCl/ Ringer-Laktat

400 ml RingerLaktat i. v./i. o.

Analgesie

Morphin

0,1 mg/kg KG

2 mg Morphin i. v./i. o.

oder

(ggf.) Antiemetika Sedierung

S-Ketamin

0,25 mg/kg KG

5 mg Ketanest S i. v./i. o.

Dimenhydrinat

1,25 mg/kg KG

¼–½ Amp. Vomex A

Midazolam

0,1 mg/kg KG

2 mg Midazolam i. v./i. o.

0,2 mg/kg KG

4 mg Diazepam i. v./i. o.

oder Diazepam

182

4.23 Unterkühlung Von einer Unterkühlung spricht man bei einer Erniedrigung der Körpertemperatur (Rektaltemperatur) unter 35 °C. Eine leichte Hypothermie besteht bei Körpertemperaturen bis etwa 32 °C, eine schwere Hypothermie bei darunterliegenden Temperaturen. Vorsicht Akute Lebensgefahr durch drohendes Kammerflimmern ist bei einer Körperkerntemperatur von 26–30 °C anzunehmen. Je kleiner ein Kind, desto schneller kühlt es aus!

Symptome Tab. 4.66 • Anzeichen bei Unterkühlung, abhängig vom Unterkühlungsgrad. Symptome bei Unterkühlung.

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.23 Unterkühlung

Körpertemperatur 34–36,5 °C • Kältezittern, Erregungszustand • Schmerzen an den Extremitäten • bläulich blasse Haut • Tachykardie Körpertemperatur 30–34 °C • zunehmende Somnolenz • Nachlassen des Schmerzempfindens • Bradykardie, Herzrhythmusstörungen • unregelmäßige Atmung Körpertemperatur 27–30 °C • tiefe Bewusstlosigkeit, weite Pupillen • schwacher, bradykarder Puls • unregelmäßige Atmung Körpertemperatur < 27 °C • Koma • Atemstillstand • Herz-Kreislauf-Stillstand (meist Kammerflimmern)

Therapeutische Maßnahmen ▶ Basismaßnahmen, medikamentöse Maßnahmen Bei mäßiger Hypothermie (Rektaltemperatur > 32 °C) passive Wiedererwärmung durch: • Einhüllen in Alu-Rettungsfolie (silberne Seite nach innen), in Wolldecken • Steigerung der Umgebungstemperatur (RTW vorher aufheizen – z. B. auf Anfahrt) Bei schwerer Hypothermie (Rektaltemperatur < 32 °C): • Kind darf sich nicht bewegen (Gefahr des Einstroms von kaltem Blut aus der Peripherie in den Körperkern, „Bergungstod“) • Infusion angewärmter Lösungen (z. B. Ringer-Laktat) • Wärmepackungen am Rumpf (Hibler-Wärmepackung: feuchtheiße Tücher auf die Unterwäsche von Brust und Bauch, darüber Kleidung und Alufolie nur um den Rumpf).

183

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.23 Unterkühlung Tab. 4.67 • Basismaßnahmen bei Unterkühlung. Maßnahme

Details

Lagerung

Rückenlage, ggf. stabile Seitenlage

Sauerstoff

über Nasenbrille/Maske

4–6 l O2/min

Infusion

venöser Zugang, angewärmte Vollelektrolytlösung

10–20 ml/kg KG Ringer-Laktat

weitere Maßnahmen

• vorsichtige Rettung in horizontaler Lage und erschütterungsfreier Transport (Bergungstod!) • in warme, windgeschützte Umgebung bringen • nasse Kleidung entfernen • Rektaltemperatur messen • ggf. Reanimation • ggf. großzügige und ruckfreie Intubation • ggf. erfrorene Körperteile versorgen

Ideal: • Vakuummatratze, Rettungsdecke • vorgewärmter RTW (Standheizung während Rettung laufen lassen)

Tab. 4.68 • Medikamentöse Maßnahmen bei Unterkühlung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

ggf. Sedierung

Diazepam

0,2 mg/kg KG

4 mg Diazepam i. v./i. o.

0,1 mg/kg KG

2 mg Midazolam i. v./i. o.

oder Midazolam

▶ Reanimation bei Hypothermie Durch die erhöhte Ischämietoleranz der Gewebe und den zerebroprotektiven Effekt einer tiefen Hypothermie (Reduktion des Stoffwechsels, Hemmung von schädlichen Effekten der Hypoxie) kann selbst ein längerer Kreislaufstillstand überlebt werden. Daher müssen bei Unterkühlten die Wiederbelebungsmaßnahmen bis zum Erreichen einer Körperkerntemperatur von mindestens 36 °C durchgeführt werden. Vorsicht „Nobody is dead until warm and dead!“ In der Phase der Hypothermie ist das Myokard außerordentlich vulnerabel, wobei bei Kerntemperaturen unter 30 °C alleine schon Lagerungsmaßnahmen Kammerflimmern auslösen können. Ein Durchbrechen des Flimmerns ist nur nach aktiver Wiedererwärmung möglich. 184

Empfehlungen: • Eine einmal begonnene Reanimation muss bis zur Wiedererwärmung fortgeführt werden. • max. 3 Defibrillationsversuche unternehmen • CPR wie immer, vorher jedoch 1 Minute versuchen Puls/ EKG abzuleiten • bei Kerntemperatur unter 30 °C keine Medikamente geben • keine präklinische Wiedererwärmung, sondern in der Klinik – am besten durch extrakorporale Zirkulation (z. B. Klinik mit Kardiochirurgie) Vorsicht Die Defibrillation und die Gabe von Katecholaminen sind bei Hypothermie meist wenig wirksam. Deshalb bei schwerer Hypothermie max. 3 Defibrillationen, keine Katecholamintherapie der Bradykardie bei suffizientem Kreislauf (Bradykardie ist bei Hypothermie physiologisch!)

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.24 Verbrennungen und Verbrühungen

4.24 Verbrennungen und Verbrühungen Häufigkeit und Ursachen ▶ Verbrühung (90 % der Fälle) = thermische Schädigung durch heiße Flüssigkeiten • 75 % der Kinder sind zwischen 1 und 3 Jahre alt • 70 °C heißes Wasser ergibt bereits nach einer Sekunde, 55 °C heißes Wasser nach 30 Sekunden zweitgradige Verbrühungen; besonders schlimm sind heißes Fett und Öl. • typisch: Tasse heißer Tee vom Tisch gezogen oder Ziehen an der Schnur von Wasserkochern → Latzverbrühung: Gesicht – Rumpf – Oberschenkel ▶ Verbrennung (10 % der Fälle) • durch Feuer, heiße Flächen (Herd), elektrisch; typischerweise sind ältere Kinder betroffen („Zündeln“) oder es kommt zur Stichflammenverbrennung durch Brandbeschleuniger beim Grillen • bei Wohnungsbrand immer an Inhalationstrauma und Kohlenmonoxidvergiftung (häufigste Todesursache bei Vergiftungen) denken • stets die Möglichkeit der Kindesmisshandlung bedenken – Umgebung? Fotodokumentation?

Ausmaß und Schweregrad Um das Ausmaß der geschädigten Körperoberfläche abzuschätzen, kann bei Kindern eine altersmodifizierte Neuner-Regel nach Wallace angewendet werden, Abb. 4.27. Vorsicht Bei einer Ausdehnung der Verbrühung/Verbrennung von ca. 10 % besteht beim Kind Schockgefahr!

185

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.24 Verbrennungen und Verbrühungen

Neugeborenes

Kind Kopf 15%

Kopf 21% Arme je 9,5% vorne 16% Körper hinten 16% Beine je 14%

vorne 16% Körper hinten 16% Arme je 9,5% Kleinkind

Beine je 17%

Kopf 19% Arme je 9,5% vorne 16% Körper hinten 16% Beine je 15%

Abb. 4.27 • Neuner-Regel nach Wallace.

Tab. 4.69 • Schweregrad/Verbrennungstiefe. Grad

Tiefe

Aussehen

Kapillarfüllung

Schmerz

Bemerkung

I

epidermal

rot

++

+

„Sonnenbrand“

IIa

oberflächlich dermal

rot + Blasen, ödematös

+

+++

I und IIa initial schwer zu unterscheiden

IIb

tief dermal

blasser + Blasen/Hautfetzen

+ /-

+

meist narbige Abheilung

III

komplette Dermis

weiß/braun, wie Leder



taub

stets plastische Deckung nötig

IV

inkl. Faszien, Muskeln, Knochen

Verkohlung



taub

vor allem bei Starkstrom

Therapeutische Maßnahmen Die Indikation für eine sofortige stationäre Behandlung ist gegeben, wenn: ▶ bei Säuglingen und Kleinkindern 5–15 % der Körperoberfläche betroffen sind, ▶ bei Schulkindern 10–20 % der Körperoberfläche betroffen sind. Verbrennungen größeren Ausmaßes müssen sofort intensivmedizinisch in entsprechend ausgerüsteten Krankenhäusern mit Betten für Schwerverbrannte behandelt werden. Vorsicht Eigensicherung beachten!

186

Tab. 4.70 • Basismaßnahmen bei Verbrennung und Verbrühung. Maßnahme

Details

Lagerung

• auf Brandwundenfolien (z. B. Metalline) • bei Bewusstlosigkeit stabile Seitenlage • bei Inhalationstrauma Oberkörper hoch • sonst Schocklagerung

Sauerstoff

über Nasenbrille/Maske

4–6–8 l O2/min

Infusion

Venöser, i. o.-Zugang, möglichst großlumig

Ringer-Laktat i. v., i. o.

weitere Maßnahmen

• Atemwege frei machen/ frei halten • ggf. Intubation (S. 187) und Beatmung • Blutdruck und Puls ständig überwachen • Kaltwasseranwendung (S. 187) • alle nicht mit der Brandwunde verklebten Kleidungsstücke entfernen • Wunden steril abdecken

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.24 Verbrennungen und Verbrühungen

▶ Intubation Indikation bei Verdacht auf Inhalationstrauma: periorale Verbrennungen, Ruß im Sputum, zunehmende Heiserkeit – „Kannst du bis zehn zählen?“, Stridor, Verdacht auf CO-Intoxikation, verbrannte Augenbrauen/Wimpern) • wenn zu unerfahren – Intubation kann insbesondere bei einem Inhalationstrauma erheblich erschwert sein – evtl. unter Maskenbeatmung und Voranmeldung in nächsterreichbare Klinik fahren • Cave: Pulsoxymetrie zeigt bei einer CO-Intoxikation fehlerhaft gute Werte an („erstickt bei SO2 100 %“). ▶ Kühlung • maximal 10 Minuten mit kaltem Leitungswasser (niemals Eiswasser!) unmittelbar nach der Verbrennung • Zeitpunkt nach Eintreffen des Rettungsdienstes meist überschritten, daher meist keine Indikation mehr für Burn Back oder Ähnliches • meist zu viel Kühlung: Eine um 1 °C niedrigere Körpertemperatur bedeutet eine um 43 % höhere Letalität → Wärmeerhalt, Messung der Körpertemperatur!

187

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.24 Verbrennungen und Verbrühungen Tab. 4.71 • Medikamentöse Maßnahmen bei Verbrennung und Verbrühung. Indikation

Medikament

Dosierung

Beispiel

Volumensubstitution

kristalloide Lösung

10–20 ml/kg KG

10–20 ml/kg KG Ringer-Laktat i. v., i. o.

Sedierung

Midazolam

1,25–2,5–5 mg (0,1 mg/kg KG)

¼–½–1 Amp. Midazolam 5 mg/5 ml i. v., i. o., nasal, bukkal

2,5–5–10 mg (0,3–0,5 mg/kg KG)

¼–½–1 Amp. Diazepam i. v.

oder Diazepam Analgesie

immer in Intubationsbereitschaft ! Morphin

0,05–0,1 mg/kg KG

1 Amp. Morphin = 10 mg = 1 ml, mit 9 ml NaCl 0,9 % verdünnen 1–5 ml der verdünnten Morphinlösung i. v., i. o.

S-Ketamin

0,125–0,25 mg/kg KG i. v.

2,5–5–10 mg Ketanest S i. v., i. o., nasal

BeclometasonAerosol

200–300 μg

initial 2–3 Hübe Ventolair 100 μg DosierAerosol

und/oder

bei Rauchgasinhalation

Vorsicht Bei schweren Verbrennungen geeignetes Transportmittel (Rettungshubschrauber) und Transportziel (Klinik mit Schwerverbranntenbetten) auswählen! Zentrale Anlaufstelle für die Vermittlung von Betten für Schwerbrandverletzte (Abb. 4.28) Telefon: 040 4 2851–3 998, -3 999 Telefax: 040 4 2851–4 269 E-Mail: [email protected] Internet: www.hamburg.de/feuerwehr

188

15

9,5

14

9,5

17

9,5

16 + 16

19

16 + 16

21

16 + 16

15

15

14

9,5

9,5

17

9,5

Ausdehnung der Verbrennung in %

16–20 kg

26–30 kg

31–35 kg

36–40 kg

8–10

10–12

12–13

21–25 kg

5–6

6–8

14 kg

15 kg

3

4

10–12 kg

13 kg

1–1,5

8–10 kg

½–1

2

6–8 kg

3–6 kg

bis ¼

¼–½

Gewicht [kg]

Alter [Jahre]

320 ml

300 ml

250 ml

220 ml

200 ml

170 ml

160 ml

150 ml

120 ml

90 ml

70 ml

50 ml

380 ml

350 ml

300 ml

250 ml

210 ml

200 ml

190 ml

180 ml

150 ml

110 ml

80 ml

60 ml

450 ml

400 ml

350 ml

300 ml

250 ml

220 ml

210 ml

200 ml

180 ml

130 ml

100 ml

70 ml

500 ml

500 ml

400 ml

350 ml

300 ml

240 ml

230 ml

220 ml

200 ml

150 ml

120 ml

80 ml

40–50 %

0,13 ml

2 ml

0,9 ml

0,75 ml

0,6 ml

0,5 ml

0,38 ml

0,35 ml

0,33 ml

0,3 ml

0,25 ml

0,18 ml

4 ml

3,5 ml

3 ml

2,5 ml

2 ml

1,5 ml

1,4 ml

1,3 ml

1,2 ml

1 ml

0,75 ml

0,5 ml

i. m. (0,25–0,5 mg/ kg KG)

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

600 ml

500 ml

450 ml

400 ml

350 ml

300 ml

250 ml

240 ml

220 ml

170 ml

140 ml

100 ml

> 50 %

i. v. (0,125– 0,25 mg/kg KG)

30–40 %

10–20 %

20–30 %

S-Ketamin (5 mg/ml)

Verbrannte Körperfläche

Tab. 4.72 • Richtwerte für das 1-h-Infusionsvolumen in der außerklinischen Erstversorgung schwerbrandverletzter Kinder.

4.24 Verbrennungen und Verbrühungen

4

189

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.25 Vergiftungen

Lübeck 4 2 6

2

Hamburg Berlin Hannover 6 2 Hamm 2 Gelsenkirchen 4 Dortmund 5 Duisburg Bochum 2 3 8 3 6 Kassel Köln 10 4 Aachen 6

Mainz 2

Halle 8 6 Erfurt 2

Leipzig 6

Offenbach 9

Dresden 2

Erwachsenenbetten Kinderbetten

Mannheim 2 8

12

Nürnberg 8

Ludwigshafen Stuttgart 3 4 Tübingen

1 München 8 8 Murnau 3

Abb. 4.28 • Zentren für Schwerbrandverletzte. (Müller S. Memorix Notfallmedizin. 10., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017)

4.25 Vergiftungen Die Gruppe der 2- bis 5-jährigen Kinder ist von Vergiftungen am häufigsten betroffen, wobei vorwiegend Haushalts- und Gewerbechemikalien (einschließlich Kosmetika) sowie Arzneimittel durch orale Aufnahme zu Vergiftungen führen.

Diagnostik Vergiftungen bedenken, bei jedem Kind mit neuen Verhaltensauffälligkeiten, Vigilanzstörungen, aber auch bei Pupillen-, Herzrhythmus- oder Darmstörungen (Hypo-/Hyperperistaltik). ▶ Sorgfältige Anamnese • Wer? Alter – Gewicht – Vorerkrankungen – Vormedikation • Was? Genauer Name, UBA-Nummer auf Reinigungsmitteln • Wie viel wurde maximal aufgenommen? 190

• Wann? • Warum? (Unfall, Suizidversuch, Kindesmisshandlung?) • Weitere gefährdete Personen? Sonst noch jemand in Gefahr (Spielkameraden, Kohlenmonoxidquelle, …) Im Zweifel immer Kontakt zu Giftnotrufzentrale aufnehmen! Vorsicht Etwa 90 % aller Vergiftungsnotfälle können mithilfe der gründlichen Anamnese und ggf. zusätzlicher Informationen der Giftnotrufzentrale als „unbedenklich“ eingestuft werden.

Informations- und Behandlungszentren für Vergiftungen ▶ einheitliche Telefonnummer 19 240 mit Vorwahl (Ausnahme Erfurt) • Berlin 030 • Bonn 0228 • Erfurt (0361) 730 730 • Freiburg 0761 • Göttingen 0551 • Homburg/Saar 06 841 • Mainz 06 131 • München 089 ▶ Wien/Österreich • Tel. aus Deutschland: 0043 1406 4343 ▶ Zürich/Schweiz • Tel. in der Schweiz: 145 • Tel. aus Deutschland: 0041 251 51 51

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.25 Vergiftungen

Sofortmaßnahmen zur Entgiftung ▶ Dekontamination • Bei Aufnahmen über den Mund Provoziertes Erbrechen – nicht durchführen: – Risiken sind insgesamt größer als Nutzen, wird daher aktuell nicht mehr empfohlen. – Die Reduktion der resorbierbaren Giftmenge liegt bei provoziertem Erbrechen 5 min nach Giftaufnahme bei 30–70 %, – 30 min nach Giftaufnahme beträgt sie nur noch 2–45 %! – Zur Verdünnung des Giftes in kleinen Schlucken und Mengen Wasser, Tee oder Saft zu trinken geben, keine Milch (Ausnahmen: Vergiftung mit Säuren, Laugen oder Fluoriden). • Bei Einatmung – Für frische Luft sorgen, Fenster und Türen öffnen, das Kind ins Freie bringen. – Das Kind warm zudecken und beruhigen. – Auf Selbstschutz achten und das Gift nicht selbst einatmen. • Bei Augenkontakt – Die Augen sofort mindestens 10 Minuten unter fließendem Wasser spülen. – Den Wasserfluss direkt auf das Auge richten, um noch vorhandene Reste so schnell wie möglich zu verdünnen und auszuspülen. • Bei Hautkontakt – Kleidung entfernen und die betroffenen Hautstellen gründlich unter fließendem Wasser abspülen. Asservierung des „Giftes“ nicht vergessen (z. B. Tablettenreste/Packungen/Pflanzenteile). 191

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

4.25 Vergiftungen

Vorsicht Die primäre Giftelimination ist in aller Regel nur nach Rücksprache und auf Empfehlung einer Giftnotrufzentrale sinnvoll und/oder wenn das Kind nicht binnen 60 Minuten in der Klinik sein kann. • Kohletherapie – Aktivkohle 1 g/kg KG in 100 ml Saft, Cola oder Wasser innerhalb von 60 min (bis 4h). Bei relevanten Vergiftungen fast immer durchführbar (außer bei Säuren/Laugen, Alkoholen, Glykolen, Schwermetallen, Elektrolyten) – Aktivkohle zeichnet sich aus durch eine große Oberfläche von mehr als 1000m2/g. – Die Gabe von Aktivkohle führt zu einer Adsorption von Giften im Darmlumen, verändert im Idealfall die Diffusionsrichtung der Gifte zum Darmlumen hin. – Eine frühzeitige Kohletherapie ist bis auf bestimmte Ausnahmen (s. u.) genauso effektiv wie eine frühe Magenspülung und sollte deshalb möglichst < 60 min nach Giftaufnahme durchgeführt werden (Möglichkeit der „Telefonrettung“). • Gabe von Milch Die Gabe von Milch beschleunigt in aller Regel die Resorption und ist daher nicht indiziert! Ausnahmen: Vergiftung mit Säuren, Laugen oder Fluoriden. • Magenspülung – Indikation: Ausnahmefälle (z. B. fehlende Transportmöglichkeiten und Anraten der Giftnotrufzentrale); Gifte gelangen durch provoziertes Erbrechen oder Magenspülung vermehrt ins Duodenum (Resorption↑), zudem wird die wichtige Gabe von Kohle verzögert. – Durchführung: kinderfingerdicken Spülschlauch (z. B. 9–11 mm Durchmesser) und als Spülflüssigkeit physiologische Kochsalzlösung verwenden; Flüssigkeitsmenge bei jedem Spülakt nicht mehr als 4–10 ml/kg KG – Aktivkohle: am Ende der Magenspülung wird Aktivkohle (1 g/kg KG Carbo medicinalis) und ggf. Natriumsulfat (0,5 g/kg KG als salinisches Abführmittel) instilliert • Antidota – in aller Regel präklinisch nicht erforderlich oder Zeit bis zur stationären Behandlung ausreichend – aktuelle Listen von Antidota z. B. unter www.giftinfo.de oder in der Roten Liste

Atoxische oder gering toxische Substanzen Quelle: Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen, Berlin Mit dieser Liste kann in 80 % aller Ingestionsunfälle bei Kleinkindern sofort entschieden werden, was zu tun ist. ▶ Tenside • Handgeschirrspülmittel, Allzweckreiniger, Waschpulver, Pustefix, Duschgel, Shampoo (Cave: medizinisches Haarwaschmittel): Entschäumer verabreichen (sab simplex); evtl. gastrointestinale Symptome möglich ▶ Medikamente • Ambroxol, Azetylzystein, Carbozystein, Bromhexin: unbedenklich, Hypersekretion bei Säuglingen. Cave: Kombinationspräparate mit toxikologisch relevanten Substanzen (z. B. Ambroxol + Betamimetikum) • Fluoride (Kariesprophylaxe, z. B. Zahnpasta, Mundspülung): bei weniger als 100 mg Fluoridanteil nur Gabe von Milch (hier ausnahmsweise sinnvoll) • Ovulationshemmer bis zu einer Monatspackung • Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin): weniger als 500 μg bei herzgesunden Kindern > 1 Jahr unbedenklich

192

▶ Zimmerpflanzen/Zubehör • Ficus-Arten (Gummibaum, Birkenfeige u. a.) ungiftig • Blumendünger: bei Haushaltsprodukten nur Flüssigkeitsgabe. Cave: Produkte für die Landwirtschaft • Blumenwasser, Blumenerde ungiftig ▶ Früchte • Vogelbeere/Eberesche, Feuerdorn, Mahonie: nur Flüssigkeitsgabe; bei größeren Mengen gastrointestinale Symptome möglich • Eibenbeeren: Fruchtfleisch ungiftig; unzerbissene Kerne harmlos; bis zu 3 zerbissene Kerne (sehr bitter!): nur Flüssigkeitsgabe ▶ Verschiedenes • Kosmetika – alkoholhaltige, z. B. Parfüm, Gesichtswasser, Rasierwasser: max. 1 Schluck unbedenklich – sonstige, z. B. Lippenstifte, Pflegecremes, Schminken: kleine Mengen bis ca. 2 g/kg KG unbedenklich. Cave: Puderaspiration bei Säuglingen! • Heizkostenverteilerröhrchen bis zum Inhalt eines Röhrchens ungiftig • Kühltaschenelemente, Beißring: ungiftig • Ostereierfarben (= Lebensmittelfarben) ungiftig • Schreib- und Malutensilien – Wachsmalstifte, Kreide, Tuschkastenfarben, bunt- und wasserlösliche Filzstifte (außer Kopierstifte) in kleinen Mengen unbedenklich – Tinten, Tintenpatronen (außer Spezialtinten) bis zum Inhalt einer Patrone oder 1 ml/kg KG unbedenklich • Silicagel (Trockenmittel z. B. aus Medikamentenpackungen, Fotoartikel) ungiftig • Styropor ungiftig, evtl. Fremdkörperwirkung • Quecksilber bis zum Inhalt eines Fieberthermometers unbedenklich (sofern keine Schleimhautverletzung vorliegt) • Zigaretten – 9–12 Monate: bis ⅓ Zigarette oder ½ Kippe – 1–5 Jahre: bis ½ Zigarette oder 1 Kippe – 6–12 Jahre: bis ¾ Zigarette oder 2 Kippen – ab 12 Jahre: bis 1 Zigarette oder 2 Kippen

4 Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4.25 Vergiftungen

Spezielle Vergiftungen Immer erst Basistherapie (S. 191)

193

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

4

194

4.25 Vergiftungen Tab. 4.73 • Dosis, Symptome und Maßnahmen bei speziellen Vergiftungen. Substanz

Gefährliche Dosis/Symptome

Maßnahmen/Besonderheiten

Paracetamol (in vielen Mischanalgetika)

• > 140 mg/kg KG • bei Dauertherapie/Vorerkr.: > 90 mg/kg KG

• Cave: initial symptomarm • Leberversagen möglich

ASS (Aspirin, in vielen Mischanalgetika)

• > 150 mg/kg KG • Bauchschmerzen/ Erbrechen

• Volumengabe • Hyperventilation

Antihistaminika (Cetirizin, Zyrtec, Loratadin, Lisiono, Terfenadin, Telfast, Zaditen, Allergodil)

anticholinerges Syndrom: • heiß – trocken – rot • Mydriasis • Herzfrequenz↑ • Rhythmusstörungen • verwirrt/vigilanzgemindert

• RR↓ → 20 l/kg KG NaCl 0,9 % • Temperatur↑ → Kühlen • Krampfanfall → Midazolam

ADHS-Medikation (Ritalin, Methylphenidat)

sympathomimetisches Syndrom: • Herzfrequenz↑ • RR↑ • Temperatur↑ • Krampfanfälle • Mydriasis

• ruhige Atmosphäre • agitiert → Midazolam • Krampfanfall → Midazolam • Temperatur↑ → Kühlen

SSRI-Antidepressiva (Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin, Fluvoxamin, Citalopram)

Serotonin-Syndrom: • Verwirrung/Halluzinationen • Ataxie, Hyperreflexie, Schwitzen • RR↑ • Herzfrequenz↑ • Temperatur↑

• ruhige Atmosphäre • agitiert → Midazolam • Krampfanfall → Midazolam • Temperatur↑ → Kühlen

trizyklische Antidepressiva (Imipramin, Amitriptylin, Desipramin, Doxepin)

• anticholinerges Syndrom (s. o.) • + Rhythmusstörungen↑↑ • + Temperatur↑↑ • RR↓

• immer O2-Gabe • RR↓ → 20 ml/kg KG NaCl 0,9 % • Temperatur↑ → Kühlen • Krampfanfall → Midazolam

Eisen (Ferro…)

• > 40 mg/kg KG • viele Todesfälle beschrieben • meist initial nur Erbrechen

• keine Kohle • Giftnotruf → ggf. Magenspülung? • Antidot Deferoxamin 15 mg/kg KG/h

Alkohol (Ethanol) – „Alkopops“

• Übelkeit, Erbrechen • Ataxie, Koma

• Atemwegssicherung!!! • BZ↓ ausschließen • Mischintoxikation möglich

Methanol, Ethylenglykol

• Übelkeit, Bauchschmerz • Krampfanfall, Koma

Antidot: Alkohol → 100 ml Wein/ 12 kg KG trinken lassen, wenn wach

Säuren und Laugen (Toilettenreiniger, Detergenzien, Geschirrspüler, Desinfektionsmittel, Nagellackentferner)

• Ösophagusverätzung: • Speichel↑ • Schluck- und Atemstörungen

• Wasser oder Milch trinken lassen • keine Kohle!! • Kortison umstritten

Schaumbilder (Spülmittel)

• Ersticken durch Schaum • sonst untoxisch

• sab simplex 10–30 ml • keine Kohle

4.25 Vergiftungen

4

Substanz

Gefährliche Dosis/Symptome

Maßnahmen/Besonderheiten

Opioide (Heroin, Methadon, Valoron, Morphin, Codein)

Trias: • Bradypnoe • Miosis • Koma

• Atemwegssicherung • Naloxon 0,01 mg/kg KG

Drogen (Ecstasy, Kokain, Ketamin, Amphetamin, Metamphetamin [„crystal speed“], LSD, PCP, Cannabis, Marihuana)

sympathomimetisches Syndrom: • Herzfrequenz↑ • RR↑ • Temperatur↑ • Krampfanfälle • Mydriasis

• ruhige Atmosphäre • agitiert → Midazolam • Krampfanfall → Midazolam • Temperatur↑ → Kühlen

Kohlenmonoxid (CO) (häufigste tödliche Vergiftung)

• verdrängt O2 vom Hb • ZNS-Symptome • Säuglinge als Erstes betroffen

• 100 % O2-Gabe • Druckkammertherapie bei symptomatischen Kindern • Übersicht bei • taucher.net

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

Tab. 4.73 • Fortsetzung

One pill can kill Für Kinder bis zum Alter von ca. 3 Jahren sind einige Substanzen besonders toxisch, Tab. 4.74. In diesen Fällen sofortiger Kontakt zur Giftnotrufzentrale, Maßnahmen nach deren Vorgabe: evtl. Auslösen von Erbrechen (nur wenn Kind bei Bewusstsein ist!), Aktivkohlegabe und umgehender Transport in die nächste Klinik. Tab. 4.74 • Hochtoxische Substanzen für Kinder < 3 Jahren. Wirkstoff

Handelsname

Campherbaumöl

Kampferöl, Kampfer u. a.

Chloroquin

Resochin (Antimalariamittel)

Clonidin

Catapresan (Antihypertonikum)

Imipramin

Imipramin-neuraxpharm, Pryleugan, Tofranil (Psychopharmaka)

Lindan

Delitex, Jacutin (Antiparasitikum gegen Kopf-, Filz- und Körperläuse)

Propranolol

Dociton, Propra-ratiopharm (Betablocker)

Theophyllin

Euphyllin (Antiasthmatikum, Bronchodilatator)

Verapamil

Isoptin (Antiarrhythmikum)

Die toxische Dosis ist von Alter und Gewicht abhängig, deshalb möglichst genaue Angaben an Giftnotrufzentrale machen!

Intoxikation mit Pflanzen Vorsicht Stets die Pflanzen(teile) asservieren zur Identifizierung.

195

4

4.26 Zahnschäden

Notfälle in alphabetischer Reihenfolge

▶ ungiftige Pflanzen • Früchte: Berberitze, Blutpflaume, Felsenbirne, Feuerdorn, Fuchsie, Hartriegel-Arten, Judenkirsche, Kornelkirsche, Mahonie, Mistel, Rotdorn, Weißdorn, Zierapfel, Zierkirsche, Zierquitte • Blüten oder Blätter: Deutzie, Flieder, Forsythie, Gänseblümchen, Geranie, Grünlilie, Hibiskus, Löwenzahn, Rosen, Stiefmütterchen, Veilchen ▶ wenig giftige Pflanzen • Früchte: Eberesche/Vogelbeere, Edelwicke, Eicheln, Geißblatt-Arten/Heckenkirsche, Liguster, Schneeballarten, Schneebeere, Staudenwicke, Stechpalme, Rosskastanie, Traubenholunder, Zwergmispel (Cotoneaster) ▶ giftige Pflanzen • Aronstab, Christrose, Efeu, Eibe, Fingerhut (Blätter und Samen!!), Gartenbohne (roh), Goldregen (Schoten und Samen), Lebensbaum, Maiglöckchen, Nachtschatten, Oleander, Pfaffenhütchen, Rhododendron-Arten, Sadebaum, Wolfsmilcharten ▶ hochgiftige Pflanzen • Bilsenkraut, Eisenhut, Engelstrompete, Gefleckter Schierling, Herbstzeitlose (Colchicum), Knollenblätterpilz, Seidelbast-Arten, Stechapfel, Tollkirsche (Atropa belladonna), Wasserschierling, Wunderbaum

4.26 Zahnschäden Das Milchzahngebiss entwickelt sich vom 6. Monat bis zum 3. Lebensjahr, das bleibende Gebiss zwischen dem 5. und 16. Lebensjahr. Neben dem Blick in den Mund sollten immer auch die Kiefergelenke und die Sensibilität im Gesicht geprüft werden. Akute Zahnschäden sind zumeist durch Stürze ausgelöst: ▶ Fraktur 1°: nur Zahnschmelz abgesplittert → meist keine Therapie ▶ Fraktur 2°: Offenlegung des Dentins → baldige zahnärztliche Behandlung ▶ Fraktur 3°: Offenlegung der Pulpa → baldige zahnärztliche Behandlung ▶ Luxation eines Milchzahns → kein Reimplantationsversuch, sonst Zahnleistenschaden ▶ Luxation eines bleibenden Zahns → binnen 30 Minuten zum Zahnarzt; falls kein Spezialmedium verfügbar: Zahn in steriler Kochsalzlösung (z. B. 20-ml-Spritze mit Verschlussstopfen als Transportgefäß nutzen), notfalls in Milch oder eigenem Speichel aufbewahren Traumatische Zahnschäden sollten einer raschen zahnärztlichen Kontrolle zugeführt werden, da neben dem einzelnen Zahn auch Verletzungen des Kiefers/Zahnhalteapparates oder der bleibenden Zähne vorliegen können.

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Notfälle beim vorerkrankten Kind

Aufgrund der Zunahme häuslicher Versorgung schwerkranker Kinder kommt der Notarzt zusehends öfter in Kontakt mit Kindern mit schwersten chronischen Erkrankungen. Zahlenmäßig im Vordergrund stehen Kinder mit Herzfehlern, aber auch Kinder mit Down-Syndrom, Mukoviszidose, ADHS oder Blutungsstörungen bieten wiederkehrende Anlässe für Notfalleinsätze.

5.1 Herzfehler/Herzerkrankungen Etwa jedes 100. Kind kommt mit einem Herzfehler zur Welt, Fortschritte der Pädiatrie und Kinderchirurgie lassen immer mehr von ihnen das Erwachsenenalter erreichen. So gibt es einen jährlichen Zuwachs von etwa 6 000 Betroffenen allein mit angeborenen Herzfehlern. Nur wenige Herzfehler sind vollständig korrigierbar, insbesondere Shuntvitien (ASD, VSD, Botalli, Thoraxnarbe?). Kinder mit Herzfehlern haben wegen der Polyzythämie ein hohes Risiko von Thrombosen und Schlaganfällen, oft sind komplexe Fehlbildungen assoziiert.

5 Notfälle beim vorerkrankten Kind

5.1 Herzfehler/Herzerkrankungen

Herzfehler mit Shunt ▶ nach frühem Verschluss keine Spätkomplikationen ▶ bei Defekten (ASD, VSD) und Gefäßkurzschlüssen (aortopulmonales Fenster, persistierender Botalli, AV-Kanal) normalerweise • Links-rechts-Shunt • → Volumenbelastung und pulmonale Hypertonie • Shuntumkehr (rechts → links) bei pulmonalem Hypertonus (z. B. bei Asthmaanfall, Husten) ▶ Merkmale/Besonderheiten • zentrale Zyanose • Cave: Luftembolie ist fatal → auch kleinste Luftmengen können Apoplex auslösen (Spritzen/Infusionen sorgfältig entlüften) • Gefahr: Rechtsherzversagen ▶ Therapiehinweise • Husten vermeiden • Bronchospasmus konsequent behandeln • peripheren Widerstand senken • hohe Beatmungsdrücke vermeiden, möglichst keine Beatmung • Stress vermeiden (Analgosedierung) • SO2 von 85–95 ist normal!

Shuntthrombose ▶ Säuglinge, die von der Kurzschlussdurchblutung abhängen, sind bei einem plötzlichen Verschluss vital bedroht. ▶ Therapiehinweise • vorsichtig Volumen geben • Inotropika (z. B. Adrenalin 1:100000) • optimierte Beatmung

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Notfälle beim vorerkrankten Kind

5

5.1 Herzfehler/Herzerkrankungen

Klappenstenosen ▶ Verengung der Ausflussbahn ist sowohl im pulmonalen (z. B. Pulmonalklappenstenose) als auch im großen Kreislauf (z. B. Aortenisthmusstenose) möglich ▶ Merkmale/Besonderheiten • Stenosen → Ventrikeldruck↑ → Sauerstoffbedarf↑ und Aortendruck↓ → Sauerstoffangebot↓ • → koronare Minderperfusion → Rhythmusstörungen, schwierig zu reanimieren ▶ Therapiehinweise • Stress vermeiden • Inotropika/Tachykardie eher ungünstig • Volumen eher günstig • Cave: Lungenödem, Schock, Synkope

Klappeninsuffizienz ▶ sowohl Aorten- als auch Pulmonalklappeninsuffizienz sind Raritäten ▶ Merkmale/Besonderheiten • Volumenbelastung des betroffenen Ventrikels ▶ Therapiehinweise • Bradykardie und Volumen eher ungünstig • Inotropika (Adrenalin) und milde Tachykardie eher günstig

Transposition der großen Arterien ▶ Shuntkreislauf ist überlebenswichtig ▶ Korrektur durch „Switch-OP“: Arterien werden getauscht, dabei wird der rechte Ventrikel zum linken ▶ Merkmale/Besonderheiten • bei einer gleichmäßigen Verteilung des Blutflusses liegt die SO2 bei 80 % • größte Gefahr: muskelschwacher rechter Ventrikel versagt • Arrhythmien häufig und ernsthaftes Warnsignal

Fallot-Tetralogie ▶ 1. Pulmonalstenose, 2. Ventrikelseptumdefekt (VSD), 3. Dextroposition der Aorta mit Überreiten des VSD, 4. Rechtsherzhypertrophie ▶ Merkmale/Besonderheiten • Fallot-Krise durch Hypovolämie, Stress und Schmerzreize, Abfall des systemischen Gefäßwiderstandes • nach Korrektur oft Rechtsherzversagen, maligne Arrhythmien ▶ Therapiehinweise • O2-Gabe • Volumengabe • Anheben des systemischen Widerstandes durch Abdomenkompression, Beine anwinkeln (Hockstellung) • Esmolol (Frequenzsenkung) • ggf. Noradrenalin • Narkosemedikament der Wahl: S-Ketamin • Adrenalin kontraindiziert, da die Pulmonalstenose zunimmt ▶ Therapie des Rechtsherzversagens • SO2↓ vermeiden, außerdem keine Hypothermie, keine Hyperkapnie, keine Azidose, keine Tachykardie, keine Hypotonie • Beatmung vermeiden, wenn doch notwendig, ausreichende Narkose mit Ketamin/Midazolam; kein Propofol

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Fontan-Zirkulation ▶ Fontan-Operation • Indikation: verschiedene Herzfehler mit nur einer funktionierenden Herzkammer • Prinzip: ein funktioneller Ventrikel versorgt den Körperkreislauf, ein Kurzschluss von V. cava zu A. pulmonalis führt zu einer passiven Durchblutung der Lunge durch den zentralvenösen Druck ▶ Merkmale/Besonderheiten • Druck im kleinen Kreislauf↑ → SO2↓ und Kreislaufversagen ▶ Therapiehinweise • Sauerstoff geben • Hyperkapnie vermeiden • Spontanatmung ist von Vorteil

Trisomie 21, Down-Syndrom

5 Notfälle beim vorerkrankten Kind

5.2 Weitere Erkrankungen

▶ Merkmale/Besonderheiten • oft erhebliche Bradykardien • Atrioventrikularkanal (AV-Kanal) • atlantookzipitale Subluxation (Cave: HWS-Bewegungen! → HWS-Immobilisierung)

Kawasaki-Syndrom ▶ Vaskulitis unklarer Ursache ▶ Hauptursache erworbener Herzerkrankungen bei Kindern (z. B. Herzinfarkt) ▶ in Japan sind 3 von 10000 Kindern betroffen, bei uns ca. 10-mal selteneres Vorkommen ▶ Merkmale/Besonderheiten • Kinder < 5 Jahre, Akutsymptome wie bei einem Herzinfarkt • typisches Fieber > 5 Tage • 4 der folgenden Symptome: gerötete Augen, orale Erytheme, zervikale LK↑, Ausschlag, Hand/Fußschwellung, lackrote Lippen ▶ Therapiehinweise • Abklärung in Klinik • 25 mg/kg KG Azetylsalizylsäure (einzige Indikation bei Kindern!) • Therapie der Herzinsuffizienz

5.2 Weitere Erkrankungen Blutungsstörungen – Hämophilie (Bluterkrankheit) ▶ Am häufigsten sind bei uns der Mangel an Gerinnungsfaktor VIII (Hämophilie A, 85 %), Faktor IX (Hämophilie B) und das Von-Willebrand-Syndrom. ▶ Je größer der Mangel am entsprechenden Faktor, desto größer die Gefahr (spontaner) Blutungen. ▶ Daneben gibt es zahlreiche Störungen bei der Thrombozytenzahl oder -funktion (autoimmun, hämolytisch urämisches Syndrom, Purpura Schoenlein-Henoch). ▶ Merkmale/Besonderheiten: • Der Notarzt kann zu Blutungskomplikationen gerufen werden.

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Notfälle beim vorerkrankten Kind

5

5.2 Weitere Erkrankungen

▶ Therapiehinweise • außerklinisch symptomatische Therapie, d. h. – ABC inkl. Blutstillung durch Kompression – ggf. Volumengabe (s. Tab. 4.51) – „minimal handling“ wegen der Gefahr der Hirnblutung (ggf. leicht sedieren, Oberkörper um 30° hochlagern)

Sichelzellkrankheit ▶ autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung mit Deformierung der Erythrozyten bei Hypoxie/Kälte mit der Folge von Hämolyse, Infektanfälligkeit und Gefäßverschlüssen → Schäden an allen Organen ▶ häufigste Einzelursache des kindlichen Schlaganfalls ▶ Mischform (gesundes und krankes Gen) bietet relativen Malariaschutz, daher sind insbesondere Personen aus dem Mittelmeerraum, dem Mittleren Osten und Afrika betroffen. ▶ Merkmale/Besonderheiten (nur bei der homozygoten Form, Mischform = „gesund“) • Schmerzkrisen (vor allem Hand/Fuß) • gehäufte Pneumonien, Blässe • akutes Thoraxsyndrom (Fettembolie aus dem Knochenmark → SO2↓) • Milzsequestration (fast das ganze Blutvolumen kann in der Milz versacken↑ starke Milzschwellung/akutes Abdomen) • neurologische Symptome bei Schlaganfall ▶ Therapiehinweise • Sauerstoffgabe • guter Wärmeerhalt • Schmerztherapie: bei Opiatgabe streng eine Hypoventilation/Hypoxie vermeiden • Volumen vorsichtig und nur im Schock • schnellstmöglich ins Krankenhaus, nur schnelle Transfusion ist lebensrettend

Malaria ▶ Fast eine Millionen Kleinkinder sterben jährlich an Malaria, in Deutschland nur nach Fernreisen und bei Immigranten ▶ Merkmale/Besonderheiten • Fieber nach Tropenaufenthalt (Inkubationszeit zwischen 5 Tagen und 1 Jahr!) • unspezifische Symptome gastrointestinal – respiratorisch • unzureichende Vorsichtsmaßnahmen (Bettnetze, lange Beinkleider, Repellents) • Schock – Lungenödem – Hypoglykämie

Mukoviszidose (zystische Fibrose) ▶ rezessiv vererbte Erkrankung der exokrinen Drüsen verschiedenster Organsysteme mit konsekutiver Erhöhung der Viskosität von Körpersekreten ▶ zunehmendes Lungenversagen im Vordergrund (ist für 90 % der Mortalität verantwortlich, Häufigkeit 1 : 2000) ▶ Merkmale/Besonderheiten • Risiko Hyperthermie: reduziertes Durstempfinden/verringerte Schweißproduktion • erhöhte Natriumverluste im Sommer • Komplikationen: Infekte, Diabetes, Darmverschluss, Lungenversagen, Pneumothorax

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ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ▶ den Statistiken nach jedes 4. Kind betroffen ▶ rettungsdienstlich oft sehr agitierte Kinder ▶ Merkmale/Besonderheiten • häufige Medikation mit Methylphenidat (Ritalin) oder Amphetaminpräparaten (Dexedrine, Adderall, …) • dadurch Risiko psychotischer Nebenwirkungen und Reduzierung der Krampfschwelle ▶ Therapiehinweise • Notfalltherapeutisch ist diese Medikation wenig von Belang, im Unruhezustand können übliche Medikamente verabreicht werden (z. B. Midazolam).

5.3 Syndrome mit Intubationsschwierigkeiten

5 Notfälle beim vorerkrankten Kind

5.4 Tracheostoma

Grundsätzlich sind Kinder (außer Säuglingen) leichter zu intubieren als Erwachsene. Vorsicht ist geboten bei: ▶ Mikrognathie (Unterkiefer↓) ▶ Makroglossie (Zungenvergrößerung) ▶ vorstehenden Zähnen ▶ schmalem Mund ▶ schlechter Kopfbeweglichkeit ▶ Heiserkeit/Stridor ▶ Verbrennungen (perioralen) ▶ Gesichtsverletzungen ▶ Fremdkörpern ▶ folgenden Syndromen: Pierre-Robin, Goldenhar, Treacher-Collins, Cornelia-de-Lange, Nager, Stickler, Mukopolysaccharidosen/Pfaundler-Hurler, Wiedemann-Beckwith, Klippel-Feil, Zwergenwuchs, Gesichtsfehlbildungen (Unterkieferhypoplasie), Gaumenspalten Besser „die Klinik lebend ohne Tubus erreichen“; sonst auch an Alternativen denken (Larynxmaske, Larynxtubus, Koniotomie bei kleinen Kindern nur für „echte Helden“ möglich).

5.4 Tracheostoma Zunehmend wird der Rettungsdienst auch mit tracheotomierten Kindern konfrontiert. ▶ Hauptgründe: Atemversagen bei bronchopulmonaler Dysplasie, Atemwegsdeformationen, neuromuskuläre Krankheiten, schwere Hirnschäden ▶ Hauptprobleme: • Tubusobstruktion/Dislokation: Im Notfall Absaugversuch, sonst direkt mit altersgerechtem Endotrachealtubus via Tracheostoma intubieren (evtl. erleichtert durch Führungsstab) (Größe in mm = Alter/4 + 4); bei Schwierigkeiten dünneren Tubus verwenden, notfalls Stoma zuhalten und Beutel-Maske beatmen oder intubieren (Cave: oft sehr schwierig) • Pneumonie oder andere Atemwegsinfektionen • Asthma • Blutungen (durch Granulome, Infektionen, Erosionen): Absaugen, bei starken Blutungen Versuch der Blutstillung mit geblocktem Tubus

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Notfälle beim vorerkrankten Kind

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5.5 Shuntverschluss (ventrikuloperitoneal)

5.5 Shuntverschluss (ventrikuloperitoneal) Im Rahmen von Fehlbildungen oder erworbenen Liquorabflussstörungen kann der sich entwickelnde Liquorhochdruck einen Hydrozephalus (Wasserkopf) mit schwersten Hirnschäden bewirken. Ein Shunt dient dem Abfluss von Liquor aus dem Hirnventrikel über ein Reservoir zum Peritoneum, Abb. 5.1. Im ersten Jahr kommt es in bis zu 40 % zu Notfällen. ▶ Shuntverschluss → Hirndruck↑ → Kopfschmerz, Erbrechen, Vigilanzminderung • früh: Unfähigkeit, nach oben zu gucken (Hirnnerv III) • Shuntreservoir hinter rechtem Ohr eindrückbar? balloniert? • bedrohliche Hirndruckzeichen (Pupillenstörungen, Atemstörungen, Koma) → Hyperhaes 4 ml/kg KG, Intubation bei GCS ≤ 8 und moderate Hyperventilation, manche Shunts lassen sich punktieren ▶ Shuntverschluss + Fieber → Shuntinfektion bis zum Beweis des Gegenteils

Abb. 5.1 • Shuntverschluss.

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6

Besonderheiten

6.1 Recht und Patientensicherheit Gerade die pädiatrische Notfallmedizin prädisponiert zu ärztlichen Behandlungsfehlern. Ursachen sind Zeitdruck, unvollständige Anamneseerhebung, Arbeit zu Unzeiten und unter erheblichem Stress, Rechenfehler bei der Medikation (oft um den Faktor 10 wegen eines Kommafehlers!), wenig Erfahrung des Arztes, technische Schwierigkeiten (z. B. Venenpunktion), unbekanntes, oft kinderunerfahrenes Team, juristische Risiken (häufiger Einsatz nicht zugelassener Medikamente).

6 Besonderheiten

6.1 Recht und Patientensicherheit

Vorsicht Medikationsfehler bei Kindern sind die häufigsten Behandlungsfehler: immer überlegen, ob wirklich eine Medikamentengabe sofort notwendig ist und immer die Dosis nachrechnen! Behandlungsfehler sind in kaum einem Bereich so kostenintensiv wie in der Behandlung von Neugeborenen und Kindern. Grundsätzlich gilt: Die notwendige und kunstgerechte ärztliche Behandlung, in die der mündige Patient bzw. sein rechtlicher Vertreter wirksam eingewilligt hat, ist rechtmäßig, mag sie auch misslingen.

Rechtsprechung Bei jedem Behandlungsfehler drohen neben der zivilrechtlichen Schadenersatzleistung auch strafrechtliche (Körperverletzung) und berufsrechtliche Konsequenzen (Berufsverbot). Dabei kann man als Arzt Sorgfaltspflichtverletzungen durch fehlerhafte Maßnahmen, aber auch durch das Unterlassen dringend gebotener Maßnahmen begehen. Dem Notarzt obliegt im Rahmen seiner sog. Garantenstellung mitunter eine Handlungspflicht. Im Strafrecht ist der Fehler dem Arzt nachzuweisen, er darf sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Dagegen greifen im zivilrechtlichen Schadenersatzverfahren viele Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten bis hin zur Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern (z. B. fatale Ampullenverwechslung – immer zeigen lassen!), unterlassener Befunderhebung (z. B. Diagnosestellung ohne Untersuchung!), mangelhafter Dokumentation, Medizintechnikfehlern (Verbrennung durch Wärmflasche), Transport- und Lagerungsschäden (Armlähmung bei zu langer stabiler Seitenlage). ▶ Haftpflicht Für eine Haftung müssen alle 3 Voraussetzungen erfüllt sein: • Es liegt eine schuldhafte Fehlleistung des Arztes vor. • Das Kind hat einen auf der Behandlung beruhenden Schaden erlitten. • Der Schaden des Kindes beruht ursächlich auf der ärztlichen Fehlleistung. In Ländern, in denen der Rettungsdienst hoheitlich organisiert ist (z. B. NRW, Bayern) ist der Notarzt einem Beamten gleichgestellt, hier gilt die Amtshaftung. Solange der Notarzt nicht absichtlich (Vorsatz) oder grob fahrlässig handelt, haftet die öffentliche Hand. Dies ist bei Fragen der Haftpflichtversicherung von erheblicher Bedeutung. Der Haftpflichtschutz dürfte in anderen Bundesländern, insbesondere bei freiberuflicher Notarzttätigkeit (Aushilfe in einem anderen Krankenhaus), oft nicht bestehen. Vorsicht Häufigste Haftpflichtfälle Kindernotfall: übersehene Meningitis, Appendizitis, Fraktur oder Hodentorsion. 203

Besonderheiten

6

6.1 Recht und Patientensicherheit

▶ Organisations- und Übernahmeverschulden Auch dem Träger des Rettungsdienstes können gleiche Rechtsfolgen treffen durch das sog. Organisationsverschulden (Einsatz nicht ausreichend qualifizierter Ärzte, unzureichende Ausrüstung der Rettungsfahrzeuge, z. B. Fehlen der Kapnometrie entgegen der DIN-Vorschrift), den Notarzt, der um die Missstände weiß, trifft der Vorwurf des Übernahmeverschuldens. ▶ Medizinproduktgesetz Die jüngeren Regelungen des Medizinproduktgesetzes haben neue Pflichten definiert: Rettungsdienstpersonal muss auf die regelmäßig zu überprüfenden Geräte ordnungsgemäß eingewiesen sein. Ein Riesenfallstrick ist hier die „eilige Verlegung eines kritisch kranken Kindes“: Es laufen Spritzenpumpen, die man noch nie gesehen hat; wenn diese beim Transport falsch bedient werden und es passiert etwas … (→ eingewiesene Intensivschwester mitnehmen). Der Notarzt darf bei einer Verlegung auf eine korrekt laufende Initialtherapie vertrauen (Vertrauensgrundsatz). ▶ Facharztstandard Eine besondere Problematik stellt der sog. Facharztstandard dar: Ein Patient hat das Recht, entsprechend diesem Standard behandelt zu werden. So wird man für die Narkose im Notarztdienst die Messlatte dann entsprechend der Versorgung durch einen routinierten Narkosearzt fordern. Dies kann natürlich nicht für die Notfallnarkose etwa bei SHT und Koma gelten, demgegenüber wird dieser Standard bei Verlegungsfahrten und bei „Elektiveingriffen“ (verschiebbare Maßnahme) einzuhalten sein.

Aufklärung/Einwilligung/Schweigepflicht ▶ Mutmaßliches Einverständnis An die Einwilligung in einen Eingriff wird in der Notfallmedizin kein hoher Anspruch definiert; ist das Kind komatös, handelt der Arzt nach seinem „mutmaßlichen Lebenswillen“. Bei Bewusstlosen oder Kindern ohne erreichbare Erziehungsberechtigte bei dringend gebotenen Eingriffen darf das mutmaßliche Einverständnis angenommen werden. ▶ Einwilligung Jugendlicher Aufklärung und rechtswirksame Einwilligung sind bei Jugendlichen in einem Grenzbereich zwischen 14 und 18 Jahren zunehmend möglich. Dabei zielt die Rechtsprechung auf die Eingriffsschwere ab, je kleiner der Eingriff und je reifer der Jugendliche, desto eher ist er selbstbestimmungs- und damit einwilligungsfähig (im Notarzteinsatzprotokoll dokumentieren: „Jugendlicher wirkt reif, einwilligungsfähig“). Mit zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit wirkt auch die Schweigepflicht gegenüber den Eltern. Grundsätzlich steht diese aber bei offensichtlichen Fehlentscheidungen des Jugendlichen der Aufklärung der Eltern nach: Eine junge Frau hatte die Behandlung und Information der Eltern bei rupturierter Extrauteringravidität verweigert. Sie verblutete, der Arzt wurde vom Bundesgerichtshof verurteilt, hier hätte er die Schweigepflicht brechen müssen. ▶ Patientenverfügung In palliativer (leidenslindernder) Betreuung haben auch Kinder eine sogenannte Patientenverfügung. Hier wird detailliert beschrieben, welche Notfallmaßnahmen abgelehnt werden. Steht diese im Einvernehmen mit den Eltern, so ist sie unbedingt zu beachten. Im Zweifel sollte umgehend Kontakt zum betreuenden Palliativteam (Notrufnummer müsste dort vermerkt sein) gesucht werden.

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Sicherheitskultur im Notarztdienst ▶ Dokumentation Sorgfältige Dokumentation jedes Einsatzes, verschreibt man sich, den Fehler einfach durchstreichen und die Änderung mit Namenszeichen und Datum abzeichnen. ▶ Gefährliche Medikamente Gefährliche, wenig gebräuchliche Medikamente sollten mit Tesafilm festgeklebt werden oder ganz aus dem Notfallzugriff verschwinden (z. B. Glukose 10 % 500 ml oder Dopamin 5-ml-Ampulle, Bikarbonat 250-ml-Flasche in den „Toxkoffer“, Midazolam 15-mg-Amp., Atropin-100-mg-Amp., Ketanest-100-mg Amp.). Kleineren Kindern sollten niemals 500-ml-Infusionsflaschen angehängt werden, denn diese könnten durch unkontrolliertes Einlaufen zum Herzversagen führen.

6 Besonderheiten

6.2 Kindesmisshandlung/Sexueller Missbrauch

Vorsicht Notwendige Medikation auf einem Zettel nachrechnen.

Vorgehen nach einem Fehler Ist ein Fehler passiert, sollte man das Gespräch suchen und sich entschuldigen. Das ist kein Schuldanerkenntnis und man verliert bei Tatsachenschilderung auch nicht den Haftpflichtversicherungsschutz (verboten ist zu sagen: „Ich bin schuld und meine Versicherung wird alles ersetzen“).

6.2 Kindesmisshandlung/Sexueller Missbrauch Syn: nicht akzidentelles Trauma, „battered child syndrome“ Vorsicht Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere einwirkende Maßnahmen sind unzulässig [BGB § 1631]. Kindesmisshandlung ist die „Kinderpest des 21. Jahrhunderts“, die Inzidenz hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. 2,5 % der Kinder – mit steigender Inzidenz – sind betroffen, 20 % der erwachsenen Frauen berichten von sexuellem Missbrauch in der Kindheit.

Definition Kindesmisshandlung ist die nicht zufällige körperliche oder seelische Schädigung eines Kindes, die zu Verletzungen, Entwicklungshemmungen oder zum Tod führen kann, Abb. 6.1. Unterschieden werden die körperliche oder seelische Misshandlung, sexueller Missbrauch und die Vernachlässigung. Täter sind meist Familienangehörige, es handelt sich fast immer um ein Wiederholungsdelikt.

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206 • Handrücken • Thorax • Rücken • Gesäß • Genital • dorsaler Oberschenkel

• Wirbelkörperfraktur • durch Wegwerfen des Kindes • HWS-Schleudertrauma • (z.B. durch Ohrfeige)

• Mastoid • Hals • Nacken

unpassende, unpräzise, vage, wechselnde oder fehlende Erklärungen: • schwerwiegende Verletzungen angeblich durch Geschwisterkinder, Sturz vom • Wickeltisch, Stoß an der Tischkante, „tollpatschiges Kind“: • „geringe Kräfte verursachen keine schweren Verletzungen” • intrakranielle Blutungen bei Wickeltischsturz = Rarität • zufällig entdeckte Verletzung • verzögerter Arztbesuch • Verwahrlosung • Substanzabusus bei den Eltern • Nebeneinander alter und neuer Verletzungen (Cave: Hämatomfarbe blau–violett– • rot = unspezifisch, nur gelb heißt: älter als 18 Stunden)

• linker Leberlappen • Duodenum/Jejunum (Unfall: • Milzruptur, Nierenläsion) • Einriss des Hymens (> 5 mm) • klaffende Vulva/Analring/ • Fissuren (Jegliche Verletzung) • retinale Einblutungen sind • hochverdächtig auf ein • Schütteltrauma

• Schulter • Oberarme • symmetrisch • Beugeseiten der • Extremitäten • (Abwehr• verletzungen)

• Wangen • Oberlippe • Lippenbändchen • (Zwangsfüttern) • Ohren • Kiefernwinkel

jede Lokalisation verdächtig: • Abdrücke von Händen, Doppelstriemen, Würgemale, Bissmarken • punktförmige (Zigarette: 8 mm) oder geformte Verbrennungen • scharf begrenzte strumpf-/handschuhförmige • Verbrühungen (Eintauchen in heiße Flüssigkeiten) • (Unfall: inhomogene Spritz- und Tropfmuster) • symmetrische Verletzungen (Rippenbrüche, Oberarmhämatome …) • beim Säugling jede Verletzung („babys that don’t cruise don’t bruise“)

• Beckenfraktur • Extremitätenfrakturen • bevor Kinder Laufen • können • epi-/,etaphysäre • Eckfrakturen

• Rippenserienfrakturen • Sternumfraktur • Skapulafraktur

empirisch misshandlungsverdächtige Hämatome verdächtig sind mehrere Frakturen in unterschiedlichen Heilungsstadien Organverletzungen

Besonderheiten

6 6.2 Kindesmisshandlung/Sexueller Missbrauch

Abb. 6.1 • Erkennen von Symptomen bei Kindesmisshandlung.

Misshandlung

Körperlich (direkte Gewaltanwendung), emotional. ▶ Symptome Differenzialdiagnose Akzidentelles Trauma (Korrelieren glaubhafter Angaben mit dem Verletzungsbild), Gerinnungsstörungen, Hautkrankheiten, kongenitale Hautveränderungen.

Sexueller Missbrauch ▶ Definition Ausübung von sexuellen Handlungen an einem Kind durch eine andere Person zu dessen sexueller Erregung oder kriminelle Ausbeutung von Kindern. ▶ Kriterien Zwang oder Überreden zu genitalem oder analem sexuellem Kontakt, zu analer, vaginaler oder oraler Penetration bzw. anderen sexuellen Handlungen. Entblößen von Genitalien, Herstellung und Präsentation pornografischen Materials, Anleitung von Kindern zu sexuellen Aktivitäten (z. B. berühren lassen, bei sexuellen Handlungen zusehen lassen). ▶ Epidemiologie • Ca. jedes 7.–8. Kind in Deutschland • Mädchen > > Jungen; • Alle sozialen Schichten betroffen. • Die Täter meist (ca. 75 %) aus dem Familien-/Bekanntenkreis; meist sind es Männer (80–90 %). • In vielen Fällen Missbrauch über Monate und Jahre anhaltend. ▶ Therapeutische Maßnahmen Der Notarzt hat die einmalige Chance, das Kind aus dem Teufelskreis der Gewalt herauszunehmen. Entscheidend ist der Mut zum Verdacht und zum ersten protektiven Schritt, ohne gleich hinter jedem Knochenbruch eine Kindesmisshandlung zu vermuten, Abb. 6.2.

6 Besonderheiten

6.2 Kindesmisshandlung/Sexueller Missbrauch

begründeter Verdacht auf Kindesmisshandlung

bedrohliche Verletzung ja

notfallmedizinische Versorgung

einverstanden

nicht einverstanden

nein

unter Vorwand einweisen z.B. EKG: Rhythmusstörung nicht einverstanden

einverstanden

klare Ansage: Zustimmung zur Einweisung sonst: Information Jugendamt, ggf. Polizei zwangsweise Mitnahme des Kindes (§ 42 SGB 8) immer umfangreiche Ermittlungen (Offizialdelikt) Lebensgefahr: Kind mitnehmen Polizei parallel informieren (§ 34 BGB rechtfertigender Notstand) in Begleitung in die Klinik, Kind nicht mehr alleine lassen, Übergabe Arzt zu Arzt, sorgfältige Dokumentation der Umgebung und der Angaben (in Zitatform), Fotodokumentation wichtiger Umstände, Einbeziehen des Rettungsteams Abb. 6.2 • Vorgehen bei Kindesmisshandlung.

207

Besonderheiten

6

6.2 Kindesmisshandlung/Sexueller Missbrauch

Vorsicht Der Notarzt kann das Problem nicht lösen, daher sollte er grundsätzlich die Eltern nicht mit dem Verdacht konfrontieren, dies ist Aufgabe der Klinik. • Behandlung des jeweiligen Krankheitsbildes (z. B. Polytrauma (S. 166), SHT (S. 169), WS-Verletzung (S. 180)) • bereits bei Verdacht immer stationär einweisen (Abb. 6.2), auch wenn das organmedizinisch nicht notwendig erscheint (den Eltern mitteilen, man habe im EKG eine Rhythmusstörung entdeckt, diese müsste umgehend abgeklärt werden …) • bei dringendem Verdacht auf eine Kindsgefährdung Kind auch gegen den Willen der Eltern in Obhut nehmen (Abb. 6.2) • das Kind entscheidet, wer bei der Untersuchung anwesend sein soll • in der Akutsituation das Kind nicht befragen („War Papa das?“) • dem Kind jeden Untersuchungsschritt erläutern • erläutern, dass auch andere Kinder das erlebt haben und ihnen gut geholfen werden konnte • Fotodokumentation mit Maßstab (notfalls eine Münze danebenlegen) ▶ Weitere wichtige notärztliche Gesichtspunkte • Professionelle des Gesundheitssystems haben eine Schlüsselrolle in der Erkennung, Behandlung und Weitervermittlung von Misshandlungsfällen an die zuständigen Ämter [WHO]. Das gilt besonders für den Notarzt. • Das Jugendamt/im Notfall die Polizei können die Inobhutnahme (§ 42 SGB VII) oder Herausnahme (§ 43) des Kindes aus der Familie anordnen (Abb. 6.2). • Hilfe geht vor Strafe! • Bei nachgewiesener Misshandlung besteht eine Mitwirkungspflicht des Jugendamtes. • Die Schweigepflicht (§ 203 StGB) darf im begründeten Verdachtsfall für eine Einschaltung der Polizei/Jugendamt gebrochen werden, es besteht ein Anzeigerecht (§ 43 StGB), keine Anzeigepflicht (§ 138 StGB). • Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, kann eine Strafanzeige nicht zurückgezogen werden – wurde die Polizei informiert, muss sie ermitteln. Strafanzeige also nur im Ausnahmefall (lebensbedrohliche Verletzung, Gefahr für Geschwisterkinder, sexueller Missbrauch), besser das Jugendamt informieren. • Der Notarzt befindet sich in der Garantenposition (§ 13 StGB): Er hat die Pflicht, weitere Schritte einzuleiten, um das Kind vor weiteren Schäden zu bewahren. • Kinder sind seelisch traumatisiert: „Da meine Eltern nicht schlecht sein können, muss ich schlecht sein“ – damit entstehen stets Schuldgefühle, Selbstzweifel und selbstzerstörerische Tendenzen. Dies kann man sogar anhand struktureller Hirnveränderungen bildgebend darstellen. Vorsicht Infos: www.kindesmisshandlung.de, www.dgfpi.de ▶ Sonderform: Münchhausen-by-proxy-Syndrom Vortäuschen und Produzieren von Symptomen beim Kind zur Erlangung medizinischer Zuwendung. ▶ Sonderform: Schütteltrauma Syn.: „shaken baby“, „shaken infant syndrome“, „shake impact trauma“, „shake slam trauma“, nicht akzidentelle Kopfverletzung ▶ Häufigkeit Es wird eine hohe Dunkelziffer angenommen, gehäuft kommen Schütteltraumen in der „Hauptschreiphase“, also den ersten 6 Monaten, vor.

208

Vorsicht Häufung im 1. Lebensjahr, in 2. Lebenshalbjahr sogar zweithäufigste Todesursache. ▶ Entstehung „Schütteln“ ist eher verharmlosend, die Kinder werden auf das Gröbste hin- und hergeschleudert, etwa 30-mal in 5–10 Sekunden, oft bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit. Beim Schütteln wird der Kopf des Säuglings unzureichend gehalten, durch die groben Scherkräfte kommt es zum Einriss von Brückenvenen (Subduralhämatom) und zu diffusen Hirnsubstanzschäden, insbesondere auch am zervikomedullären Übergang (ist auch bei größeren Kindern, selbst bei Erwachsenen, möglich). ▶ Symptome • gesamte Bandbreite neurologischer Störungen: Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle, schrilles Schreien, Trinkschwäche, Pupillendifferenz, Apnoen, vorgewölbte Fontanelle, … • symptomfreies Intervall ist eher selten ▶ Diagnostik • Griffhämatome an Oberarmen oder Thorax (evtl. symmetrische Rippenbrüche) können die einzigen wegweisenden Zeichen sein. • Wichtigstes diagnostisches Zeichen sind retinale Einblutungen (→ Augenhintergrund spiegeln, fast beweisend, da selbst bei schweren Unfallverletzungen Rarität). • Ein tödliches Schütteltrauma ist auch im Rahmen einer sorgfältigen Leichenschau nicht nachweisbar – daher stets unklare Todesursache bei Säuglingen/Kleinkindern.

6 Besonderheiten

6.2 Kindesmisshandlung/Sexueller Missbrauch

Vorsicht 33 % sterben, 66 % der Überlebenden haben schwere neurologische Störungen, leichtere Formen können später zu Entwicklungsverzögerungen oder Behinderungen unklarer Genese führen. ▶ Therapeutische Maßnahmen • immer Einweisung (Abb. 6.2), notfalls mit Zwang • gute Dokumentation der Umgebungsbedingungen • s. SHT (S. 171), s. Wirbelsäulenverletzung (S. 180)

Vernachlässigung Vernachlässigung ist die häufigste Form der Kindesmisshandlung. Der Notarzt hat die Chance, die häusliche Situation zu beurteilen, ohne dass die Erziehungsberechtigten sich darauf vorbereiten konnten: ▶ Gibt es Zeichen der Verwahrlosung, Vernachlässigung, mangelnden Beaufsichtigung? ▶ Auffälliges Verhalten von Kindern bei Vernachlässigung: • übermäßiges Klammern (Kind gerät in Panik bei Trennung von der Bezugsperson) • undifferenziertes Nähesuchen zu Fremden (Kind sucht Körperkontakt zu Fremden, hat keine erkennbare Bindungsperson) • aggressives Verhalten (Angst wird durch Angriff; nicht durch Nähesuchen beantwortet) • Selbstverletzungen

209

Besonderheiten

6

6.3 Sekundärtransport

Vorsicht Infos: dontshake.org, www.shakenbaby.org, www.kinderschutzbund-sh.de, www.dgfpi.de, www.kindesmisshandlung.de

Kindstötung In den USA sterben 80 % der getöteten Kleinkinder an Misshandlung, überwiegend hatten die toten Kinder Zeichen früherer Kindesmisshandlungen. Täter von Kindstötungen sind zu je 30 % Vater und Mutter. Mehrheitlich hatten die Täter zuvor Warnsignale gegeben (z. B. quälende Zwangsvorstellungen, dem Kind etwas antun zu müssen …, psychotische Gedanken „Dein Kind ist der Satan“ …). Denkt der Notarzt an solche Zusammenhänge, fällt es evtl. etwas leichter, in unklaren Situationen lieber einmal mehr auf eine Einweisung zu bestehen, als ein einziges Mal zu wenig.

6.3 Sekundärtransport Unter einem Sekundäreinsatz versteht man die Verlegung eines Patienten von einem in ein anderes Krankenhaus. Die Konzentration medizinischer Leistungen an spezialisierten Zentren steigert die Zahl solcher Transporte. Auch die DIVI fordert: „Kinder sollen nach der Primärversorgung in ein Zentrum verlegt werden, welches auf die Versorgung der jeweiligen Altersgruppe spezialisiert ist.“

Facharztstandard Der abgebende Arzt ist verantwortlich dafür, das geeignete Transportmittel auszuwählen. Das verbreitete Vorgehen, einen Transport vom jüngsten Weiterbildungsassistenten begleiten zu lassen, ist rechtlich äußerst bedenklich: Ein Kind, welches von einem Krankenhaus aufgenommen wurde, hat ein Recht auf den Facharztstandard. Das betrifft natürlich auch eine ggf. notwendige eilige Verlegung. Bei Kinderverlegungen ist es üblich, dass eine Kinderkrankenschwester und ggf. ein Kinderarzt das Kind begleiten.

Fahrzeuge Als Fahrzeuge werden für Notfallpatienten meist Rettungswagen eingesetzt, diese können mit speziellen Tragen ggf. erweitert werden: Intensivverlegungstrage mit erweitertem Monitoring/Spritzenpumpen, Intensivrespirator oder Inkubatortrage für Neugeborene und Säuglinge. Spezielle Kinderintensivtransportfahrzeuge sind nicht flächendeckend verfügbar. Eine Verlegung mit dem Rettungshubschrauber hat den Vorteil der Schnelligkeit (50–75 % schneller). Wetterbedingungen, Dunkelheit und Landemöglichkeiten können die Einsetzbarkeit limitieren. Platz für erweiterte Notfallmaßnahmen ist kritisch, Umgebungsbedingungen schränken die Überwachung ein (z. B. Pulsoxymeter/EKG durch Vibrationen gestört, Auskultation nicht möglich). Derzeit werden etwa 80 % der Kinder per Hubschrauber in Schwerpunktkliniken verlegt.

Notärztliche Gesichtspunkte ▶ Grundsätze • vor Transport ausreichende Stabilisierung der Vitalfunktionen • nicht losfahren, ehe das Monitoring vernünftig funktioniert • potenzielle Probleme antizipieren → Ausrüstung und Team adäquat? Können sich plötzlich aufwachende Kinder den Tubus ziehen (Ärmchen lieber fixieren)? • Kind für den Transport fachgerecht sichern (niemals „Schoß der Mama“) • auf Wärmeerhalt achten (Säuglinge kühlen auch über den Kopf aus!)

210

▶ Vor Verlegung klären • Ansprechpartner/Telefonnummer abgebende Klinik • Patientenakte in Kopie • Welche Eingriffe wurden unternommen? Welche Zugänge liegen, sind die Zugänge gesichert? Welche Medikation lief und soll weiter laufen? • Welche evtl. notwendigen Blutkonserven und speziellen Medikamente (BtM?) müssen mitgenommen werden? • Muss evtl. erweitertes Monitoring (z. B. invasive Druckmessung/Spritzenpumpen) mitgeführt werden?

6 Besonderheiten

6.3 Sekundärtransport

Vorsicht Dünne Knochen und unverschlossene Schädelnähte schützen den Säuglingskopf nur eingeschränkt und disponieren zum Transporttrauma. ▶ Flüssigkeitsersatz • Berechnung des Flüssigkeitsbedarfs/h anhand der 4–2–1-Formel: – für die ersten 10 kg KG 4 ml/kg KG – für die nächsten 10 kg KG 2 ml/kg KG – für jedes Kilo über 20 kg KG 1 ml/kg KG – Beispiel 28 kg KG: 40 (für die ersten 10 kg KG) + 20 (für die nächsten 10 kg KG) + 8 = 68 ml/h • evtl. auftretende Verluste bei Verbrennungen oder Blutungen zusätzlich einkalkulieren • Vollelektrolytlösung unter Zusatz von 1 % Glukose verwenden, insbesondere bei längeren Verlegungen, sehr kleinen Kindern, Säuglingen, Neugeborenen, Hypoglykämiegefahr, Stoffwechselerkrankungen oder Leberinsuffizienz, Kindern mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand (AZ) Vorsicht Tipp: 10 ml Glukose 40 % auf 250 ml NaCl 0,9 % ≈ 1,6 % Glukose = Kinderlösung für längere Transporte. ▶ Lufttransport (RTH, Learjet) • Gas in Körperhöhlen dehnt sich aus (ist beim Rettungshubschrauber [RTH] wegen der niedrigen Flughöhe eher sekundär) – Pneumothorax↑ (vorher Drainage) – Endotrachealcuff↑ (ggf. mit Wasser blocken oder Druck überwachen) – Magen↑ (ggf. Magensonde) • niedrigerer O2-Partialdruck (ist beim RTH wegen der niedrigen Flughöhe eher sekundär) – Sauerstoffbedarf↑ – bei bestehendem 100 % O2-Bedarf Beatmungsmuster umstellen oder flugunfähig • Beschleunigungskräfte → kreislaufinstabile Kinder: Kopf zum Heck beim Start (andersherum: bei Hirndruck) • Lautstärke → Kopfhörer, Untersuchungsmöglichkeit↓ • Temperatur↓ → überwachen! • Turbulenzen → Kind sicher fixieren • Luftfeuchtigkeit↓ → Volumenersatz

211

Notfallmedikamente 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

A ► 214 Adenosin ► 214 Adrenalin ► 214 Aktivkohle ► 215 Amiodaron ► 216 Atropin ► 217

8 8.1 8.2 8.3

B ► 218 Beclometason ► 218 Biperiden ► 218 Butylscopolaminiumbromid ► 219

9 9.1 9.2 9.3

C ► 220 Cimetidin ► 220 Clemastin ► 220 Clonazepam ► 221

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5

D ► 222 Dexamethason ► 222 Diazepam ► 222 Dimenhydrinat ► 223 Dimeticon ► 224 Dimetinden ► 224

11 11.1 11.2 11.3

E ► 225 Epinephrin-Autoinjektor ► 225 Epinephrin-Spray ► 225 Etomidat ► 226

12 12.1 12.2 12.3 12.4

F ► 227 Fenoterol ► 227 Fentanyl ► 227 Flumazenil ► 228 Furosemid ► 229

13 G ► 230 13.1 Glukose 5 % - 40 % ► 230 14 H ► 231 14.1 Hydroxocobalamin ► 231

15 I ► 232 15.1 Ipratropiumbromid ► 232 16 K ► 233 16.1 S-Ketamin ► 233 16.2 Kohle, medizinische ► 234 17 L ► 235 17.1 Lorazepam ► 235 18 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5

M ► 236 Magnesium ► 236 Metamizol ► 236 Methylprednisolon ► 237 Midazolam ► 237 Morphin ► 238

19 N ► 239 19.1 Naloxon ► 239 20 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6

P ► 240 Paracetamol ► 240 Phenobarbital ► 240 Piritramid ► 241 Prednisolon ► 241 Prednison ► 242 Propofol ► 242

21 R ► 244 21.1 Rocuronium ► 244 22 22.1 22.2 22.3

S ► 245 Salbutamol ► 245 Succinylcholin (Suxamethoniumchlorid) ► 245 Sufentanil ► 246

23 T ► 247 23.1 Theophyllin ► 247 23.2 Thiopental ► 248 24 U ► 249 24.1 Urapidil ► 249

7

A

A

7

A

7.1 Adenosin Tab. 7.1 • Charakteristika von Adenosin. Präparat

Adrekar: 1 Injektionsflasche = 2 ml = 6 mg

Indikationen

supraventrikuläre Tachykardie (atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie, AV-Knoten-Tachykardie)

Kontraindikationen

• AV-Block II. und III. Grades, Sick-Sinus-Syndrom, instabile Angina pectoris, Vorhofflimmern, Vorhofflattern • Asthma bronchiale

Wirkungsweise

Wirkung über Adenosinrezeptoren A1 und Kalziumkanäle am Herzen: Reduktion der Sinusknotenaktivität, Verzögerung der AVÜberleitung, negativ chronotrop, inotrop und dromotrop

Nebenwirkungen

• sind durch sehr kurze HWZ (10s) limitiert • häufig: Flush, Dyspnoe, Bronchospasmus, Übelkeit, Hitzegefühl, Brustdruck • selten: Blutdruckabfall, Asystolie, totaler AV-Block, Bradykardie, Kammertachykardie, -flimmern

Tab. 7.2 • Dosierung von Adenosin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

0,1–0,2 mg/kg KG

2–4 mg = 0,7–1,4 ml

7.2 Adrenalin Vorsicht Katecholamine haben in der Herz-Lungen-Wiederbelebung einen hohen Stellenwert. Adrenalin ist Mittel der 1. Wahl bei der Reanimation.

Tab. 7.3 • Charakteristika von Adrenalin.

214

Präparat

• Suprarenin: – 1 Amp. = 1 ml = 1 mg Adrenalin 1 : 1000 – Injektionslösung = 25 ml = 25 mg Adrenalin 1 : 1000 • Adrenalin-Spray s. Epinephrin (S. 225)

Indikationen

• Asystolie, elektromechanische Dissoziation, Kammerflimmern → jede Form des Herz-Kreislauf-Stillstands • anaphylaktischer Schock

Wirkungsweise

• Stimulierung der α-adrenergen Rezeptoren und in geringem Maße der β1-adrenergen Rezeptoren: – Erhöhung des peripheren Widerstands – Blutdruckanstieg – Zunahme der koronaren und zerebralen Durchblutung • Stimulierung der β-Rezeptoren: – β1: Kontraktilität↑, Herzzeitvolumen↑ – β2: Bronchodilatation • Überführung eines trägen Kammerflimmerns in ein grobes, großamplitudiges Kammerflimmern, das besser auf eine elektrische Defibrillation anspricht

Nebenwirkungen

• Tachykardie • Extrasystolie • Kammerflimmern • Interaktion mit Natriumbikarbonat, deshalb möglichst getrennter Zugang oder zeitlicher Abstand der Verabreichung

7 A

7.3 Aktivkohle

Dosierung Die unverdünnte Originallösung wird am besten mit 0,9 %iger NaCl-Lösung auf 10 ml verdünnt. Dann entsprechen: ▶ 10 ml = 1 mg ▶ 1 ml = 0,1 mg Adrenalin kann i. v., i. o. oder im Rahmen der Reanimation in Ausnahmefällen endobronchial appliziert werden, Tab. 7.4. Tab. 7.4 • Dosierung und Applikation von Adrenalin. Indikation/ Alter

Applikation

Dosierung

Kinder

i. v. oder intraossär

0,01 mg/kg KG = 10 μg/kg KG = 0,1 ml der verdünnten Lösung/kg KG falls erforderlich, erneute Gabe alle 3–5 min wiederholen

initial 0,01 mg/kg KG

endobronchial Verneblung über Sauerstoffmaske

0,5 mg/kg KG (max. 5 mg)

0,5 mg/kg KG Adrenalin ad 5 ml NaCl 0,9 % über Inhalationsmaske

7.3 Aktivkohle s. Kohle, medizinische (S. 234)

215

7

7.4 Amiodaron

A

7.4 Amiodaron Tab. 7.5 • Charakteristika von Amiodaron. Präparat

Amiodaron, Cordarex: 1 Amp. = 3 ml = 150 mg

Indikationen

• Kammertachykardie oder Kammerflimmern: • nach erfolglosem Einsatz von Defibrillator und Adrenalin • tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen wie z. B. Vorhofflimmern/-flattern, Reentry-Tachykardien, Tachykardien bei WPW-Syndrom • schwerwiegende symptomatische ventrikuläre Tachykardien

Kontraindikationen

bei vitaler Indikation keine!

Wirkungsweise

Antiarrhythmikum der Klasse III, hemmt vornehmlich den Repolarisationsprozess durch die Blockade von Kaliumkanälen

Nebenwirkungen

akut: Sinusbradykardie bis hin zum Sinusknotenstillstand (selten), proarrhythmische Wirkungen (selten), anaphylaktoide Reaktionen, selten Bronchospasmen bis hin zur Apnoe (insbesondere bei Asthmatikern), Schweißausbrüche, Hypotension, Flush

Tab. 7.6 • Dosierung von Amiodaron. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

• persistierendes Kammerflimmern/ Kammertachykardie nach 3 Defibrillationsversuchen und nach Adrenalingabe • lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen*

5 mg/kg KG

100 mg = 2 ml Cordarex sehr langsam i. v.

* sehr !! langsam spritzen

216

7.5 Atropin

A

7.5 Atropin

7

Tab. 7.7 • Charakteristika von Atropin. Präparat

• Atropinsulfat B. Braun 0,5 mg Injektionslösung: 1 ml enthalten Atropinsulfat 0,5 mg • Cave: – Es gibt von anderen Herstellern gleich aussehende Ampullen mit 1 oder 2 mg (z. B. Eifelfango), zudem als Antidot – Atropinsulfat-100 mg (gehört in den Intoxkoffer, lebensgefährliches Verwechslungsrisiko)

Indikationen

• Sinusbradykardie, AV-Block I und II, Bradyarrhythmie, Asystolie (nach Adrenalin!) • Vagolyse • als Antidot bei Vergiftungen mit Insektiziden der Organophosphatgruppe

Kontraindikationen

im Notfall keine, sonst Glaukom, Hyperthyreose

Wirkungsweise

Parasympathikolytikum (Vagolyse): Herzfrequenzanstieg, Hemmung der Speichel- und Schleimsekretion, Bronchodilatation

Nebenwirkungen

Tachykardie, Glaukomanfall, weite Pupillen

Tab. 7.8 • Dosierung von Atropin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

allgemein

0,01 mg/kg KG

20 kg KG: 0,2 mg = 0,4 ml Atropin i. v.

Antidot bei Insektiziden

0,01 mg/kg KG repetitiv

Dosis so lange wiederholen, bis Symptomatik gebessert

217

8

B

B

8

B

8.1 Beclometason Tab. 8.1 • Charakteristika von Beclometason. Präparat

• Ventolair 100 μg Dosier-Aerosol • Junik 100 μg Dosier-Aerosol

Indikationen

• Rauch- und Reizgasvergiftung, toxisches Lungenödem (Anwendung umstritten) • als antientzündliche Dauertherapie beim Asthma bronchiale

Kontraindikationen

im Notfall keine

Wirkungsweise

antiödematös, antientzündlich

Nebenwirkungen

in der Kurzzeitanwendung keine relevanten

Tab. 8.2 • Dosierung von Beclometason. Indikation/Alter

Dosierung

Kinder

1 Sprühstoß/20 kg KG

Beispiele/Anmerkungen

8.2 Biperiden Tab. 8.3 • Charakteristika von Biperiden. Präparat

Akineton: 1 Amp. = 1 ml = 5 mg

Indikationen

• Vergiftung mit Neuroleptika, Vergiftung mit organischen Phosphorverbindungen, Nikotinvergiftung • extrapyramidale Symptomatik

Kontraindikationen

Myasthenia gravis

Wirkungsweise

Anticholinergikum

Nebenwirkungen

Tachykardie, Hypotonie, Müdigkeit, Schwindel

Tab. 8.4 • Dosierung von Biperiden. Indikation/Alter

218

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Erwachsene

2,5–5 mg i. v.

langsam injizieren

Kinder

• < 1 J: 1 mg; • < 6 J: 2 mg; • < 10 J: 3 mg i. v.

8.3 Butylscopolaminiumbromid

B

8.3 Butylscopolaminiumbromid

8

Tab. 8.5 • Charakteristika von Butylscopolaminiumbromid. Präparat

Buscopan: 1 Amp. zu 1 ml enthält 20 mg

Indikationen

• spastische Schmerzzustände • Koliken

Kontraindikationen

Hypotonie, Tachyarrhythmie

Wirkungsweise

Parasympathikolyse, Spasmolyse an der glatten Muskulatur

Nebenwirkungen

• selten Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zum Schock • Blutdruckabfall, Tachykardie • Akkommodationsstörungen • Mundtrockenheit

Tab. 8.6 • Dosierung von Butylscopolaminiumbromid. Indikation

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Erwachsene

1 Amp. = 20 mg i. v.

langsam injizieren

Kinder

0,3–0,6 mg/kg KG

219

9

C

C

9

C

9.1 Cimetidin Tab. 9.1 • Charakteristika von Cimetidin. Präparat

• H2-Blocker-ratiopharm 200: 1 Amp. = 2 ml = 200 mg • Tagamet 200: 1 Amp. = 2 ml = 200 mg

Indikationen

Prophylaxe des Säureaspirationssyndroms, Allergieprophylaxe und -therapie in Kombination mit H1-Rezeptor-Antagonisten

Kontraindikationen

im Notfall keine

Wirkungsweise

H2-Blocker

Nebenwirkungen

bei der Notfallanwendung nicht relevant

Tab. 9.2 • Dosierung von Cimetidin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

allergische Reaktionen

10 mg/kg KG

200 mg = 2 ml H2-Blockerratiopharm langsam i. v.

9.2 Clemastin Tab. 9.3 • Charakteristika von Clemastin. Präparat

Tavegil: 1 Amp. = 5 ml = 2 mg

Indikationen

Allergien, anaphylaktische Reaktionen

Kontraindikationen

in Notfällen keine, keine Zulassung bei Säuglingen

Wirkungsweise

H1-Antagonist

Nebenwirkungen

• Wirkungsverstärkung zentral wirkender Pharmaka (Analgetika, Narkotika) • zentral dämpfende Wirkung

Tab. 9.4 • Dosierung von Clemastin.

220

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Anaphylaxie

0,03 mg/kg KG

0,6 mg = 1,5 ml Tavegil langsam injizieren

9.3 Clonazepam

C

9.3 Clonazepam

9

Tab. 9.5 • Charakteristika von Clonazepam. Präparat

Rivotril: • Trockensubstanz 1 mg + Lösungsmittel 1 ml • 1 Amp. = 1 ml = 1 mg

Indikationen

Krampfanfälle (Epilepsie, Status epilepticus)

Kontraindikationen

in Notfällen keine

Wirkungsweise

zentral dämpfend, Unterbrechung von zentralen Krämpfen

Nebenwirkungen

• Wirkungsverstärkung zentral wirkender Pharmaka • Sedierung, Schläfrigkeit, paradoxe Reaktion, Atemdepression • Speichelfluss – Atemwegsverlegung

Tab. 9.6 • Dosierung von Clonazepam. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Kinder

0,01–0,05 mg/kg KG i. v.

• langsam injizieren • Säuglinge 0,25–1 Amp. • Kleinkinder 0,5–1,5 Amp. • Schulkinder 1–2 Amp. • Jugendliche 1–3 Amp.

221

D

10

D

10

D

10.1 Dexamethason Tab. 10.1 • Charakteristika von Dexamethason. Präparat

Fortecortin: • 1 Amp. = 2 ml = 8 mg • 1 Amp. = 5 ml = 40 mg • 1 Amp. = 10 ml = 100g

Indikationen

• anaphylaktischer Schock, Allergien, schwerer Asthmaanfall • Reizgasvergiftung

Kontraindikationen

in Notfällen keine

Wirkungsweise

antiallergisch, gefäßabdichtend, entzündungshemmend

Nebenwirkungen

in der Notfallmedizin ohne Bedeutung, evtl. Übelkeit

Tab. 10.2 • Dosierung von Dexamethason. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

0,5 mg/kg KG

10 mg = 2,5 ml

10.2 Diazepam Tab. 10.3 • Charakteristika von Diazepam.

222

Präparat

• Valium, Diazepam: 1 Amp. = 2 ml = 10 mg • Diazepam rectal tube: 5 mg/10 mg

Indikationen

• Unruhezustände, Durchbrechung von Krampfanfällen • Narkoseeinleitung

Kontraindikationen

• Alkoholvergiftung • Myasthenia gravis, Muskeldystrophien

Wirkungsweise

• sedativ • anxiolytisch • antikonvulsiv • muskelrelaxierend

Nebenwirkungen

• Atemdepression • Blutdruckabfall • paradoxe Reaktionen (Erregungszustände)

10.3 Dimenhydrinat

Indikation/Alter

D

Tab. 10.4 • Dosierung von Diazepam.

10

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

initial

• 0,2–0,5 mg/kg KG rektal • 0,2 mg/kg KG i. v.

Säugling

• 4–10 mg rektal • 1–2 mg i. v.

• 20 kg KG: 4 mg Valium i. v. = 0,8 ml (1 Amp. = 2 ml = 10 mg)

Kleinkind

• 10–20 mg rektal • 2–5 mg i. v.

Sedierung

Epileptischer Anfall Kinder < 3 Jahre

5 mg als Supp.

nach 15–30 min wiederholen

Kinder > 3 Jahre

10 mg als Supp.

ab 15 kg KG: 10 mg Supp.

10.3 Dimenhydrinat Tab. 10.5 • Charakteristika von Dimenhydrinat. Präparat

• Vomex A Amp. à 62 mg (10 ml), • Vomex A Supp. 40/70/150 mg

Indikationen

Übelkeit, insbesondere Kinetosen, Erbrechen, vorbeugende Antiemese bei i. v. Morphingabe

Kontraindikationen

• Verdacht auf raumfordernde intrakranielle Prozesse, akute Vergiftung, akute Asthmaanfälle, Engwinkelglaukom, Krampfanfälle • kann Reaktionsvermögen einschränken

Wirkungsweise

zentrale, kompetitive H1-Rezeptoren-Blockierung

Nebenwirkungen

• langsam spritzen (2–5 min) • Gefahr von Herzrhythmusstörungen, insbesondere bei Patienten mit Herzerkrankungen (KHK) QT-Verlängerung!

Tab. 10.6 • Dosierung von Dimenhydrinat (Injektionslösung). Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Kinder ab 6 kg KG

1,25 mg/kg KG

• 10 kg: 2 ml Vomex A i. v. • 15 kg: 3 ml Vomex A i. v. • 20 kg: 4 ml Vomex A i. v.

Kinder 6–14 Jahre

25–50 mg

4–8 ml Vomex A i. v.

Jugendliche > 14 Jahre und Erwachsene

62 mg

10 ml Vomex A i. v.

223

D

10

10.4 Dimeticon Tab. 10.7 • Dosierung von Dimenhydrinat (Suppositorien). Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Kinder

3–5 mg/kg KG

• bis 6 Jahre: 40 mg Supp. • 6–14 Jahre: 70 mg Supp. • > 14 Jahre: 150 mg Supp.

10.4 Dimeticon Tab. 10.8 • Charakteristika von Dimeticon. Präparat

sab simplex Tropfen: 1 Flasche = 30 ml 1 ml = 66,6 mg

Indikationen

Vergiftung durch perorale Aufnahme von Reinigungsmitteln

Kontraindikationen

keine

Wirkungsweise

Entschäumer, Hemmung der Schaumbildung

Nebenwirkungen

keine

Tab. 10.9 • Dosierung von Dimeticon. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

ca. 1 ml/kg KG, maximal 30 ml p. o.

20 ml

10.5 Dimetinden Tab. 10.10 • Charakteristika von Dimetinden. Präparat

Fenistil: 1 Amp. = 4 ml = 4 mg

Indikationen

allergische Reaktion (Urtikaria, Pruritus, Quincke-Ödem)

Kontraindikationen

• in Notfällen keine • Säuglinge (Apnoen beschrieben)

Wirkungsweise

antiallergisch, Hemmung der H1-Rezeptoren

Nebenwirkungen

Übelkeit, Müdigkeit

Tab. 10.11 • Dosierung von Dimetinden.

224

Alter

Dosierung

Säugling (1 J.)

ca. 1 ml/10 kg KG i. v.

Beispiele/Anmerkungen

1 ml Fenistil

Kind (2–3 J.)

2 ml Fenistil

Kind (9–10 J.)

3 ml Fenistil

Kind (12–15 J.)

4–5 ml Fenistil

11.2 Epinephrin-Spray

E

E

11

11

11.1 Epinephrin-Autoinjektor Tab. 11.1 • Charakteristika von Epinephrin-Autoinjektor. Präparat

• Anapen 150 μg, 300 μg • Emerade 150 μg, 300 μg, 500 μg • Fastjekt 150 μg, 300 μg • Jext 150 μg, 300 μg

Indikationen

• akute allergische Reaktion • Anaphylaxie

Kontraindikationen

Kinder unter 15 kg KG

Wirkungsweise

Vasokonstriktion, Erhöhung des peripheren Widerstands, Blutdruckanstieg

Nebenwirkungen

Angstgefühle, Zittern, Schwindel

Tab. 11.2 • Dosierung von Epinephrin-Autoinjektor. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Autoinjektor auch zur Selbstinjektion geeignet

Kinder 15–30 kg KG

150 μg i. m.

Kinder 30–50 kg KG

300 μg i. m.

Jugendliche > 50 kg KG

500 μg i. m.

11.2 Epinephrin-Spray Tab. 11.3 • Charakteristika von Epinephrin-Spray. Präparat

Infectokrupp Inhal

Indikationen

• akute Atemnot verursacht durch Schwellungen der Schleimhaut im Bereich der Luftwege und/oder Spasmen der Bronchialmuskulatur, z. B. bei Pseudokrupp • allergische Reaktion • Asthma bronchiale, Laryngospasmus

Kontraindikationen

im Notfall keine

Wirkungsweise

lokale Vasokonstriktion, Abschwellung, bronchospasmolytisch

Nebenwirkungen

Tachykardie, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit

Tab. 11.4 • Dosierung von Epinephrin-Inhalat. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

> 6 Monate

muss über speziellen Vernebler appliziert werden. 1–2 ml (4–8 mg Epinephrin) in Vernebler

7–14 Hübe aus Vernebler

225

E

11

11.3 Etomidat

11.3 Etomidat Vorsicht Standardmäßiger präklinischer Einsatz als Einleitungshypnotikum – aufgrund der assoziierten Nebenwirkungen auf die Nebennierenfunktion derzeit nicht mehr empfohlen. Etomidat darf nur in Intubationsbereitschaft verwendet werden.

Tab. 11.5 • Charakteristika von Etomidat. Präparat

Hypnomidate, Etomidat-Lipuro: 1 Amp. = 10 ml = 20 mg

Indikationen

Narkoseeinleitung, Intubation, Status epilepticus

Kontraindikationen

Neugeborene und Säuglinge bis 6 Monate

Wirkungsweise

• zentral und kurz wirkendes Narkotikum, Krampfdurchbrechung • schneller Wirkungseintritt (ca. 20s) • kurze Wirkungsdauer (2–5 min) • nur geringe Atem- und Herz-Kreislauf-Depression

Nebenwirkungen

Muskelzuckungen, Venenschmerzen bei der Injektion

Vorsicht Etomidat hat keine analgetische Wirkung, es muss deshalb ggf. mit einem Analgetikum (z. B. Morphin, Fentanyl) kombiniert werden.

Tab. 11.6 • Dosierung von Etomidat.

226

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

(0,15–)0,3 mg/kg KG i. v.

6 mg = 3 ml i. v.

12.2 Fentanyl

F

F

12

12

12.1 Fenoterol Tab. 12.1 • Charakteristika von Fenoterol. Präparat

• Berotec 100 Dosier-Aerosol: 1 Hub = 0,1 mg • Partusisten Infusionslösungskonzentrat: • 1 Amp. = 10 ml = 0,5 mg • Partusisten intrapartal Infusionslösungskonzentrat: 1 Amp. = 1 ml = 0,025 mg

Indikationen

• Bronchospastik, Asthma bronchiale • Tokolyse bei Geburtskomplikationen

Kontraindikationen

Tachykardie, Arrhythmie, frischer Herzinfarkt

Wirkungsweise

Sympathomimetikum, Spasmolyse der glatten Muskulatur

Nebenwirkungen

• Tachykardie, Unruhe • evtl. Blutdruckabfall

Tab. 12.2 • Dosierung von Fenoterol. Indikation

Dosierung

Bronchospastik, Asthma bronchiale

1–2 Hübe Berotec-Aerosol

Tokolyse bei Geburtskomplikationen

4 Hübe Berotec-Aerosol alle 15 min

Beispiele/Anmerkungen

3–5 Hübe Berotec-Aerosol Partusisten 0,5–3 μg/min

1 Amp. Partusisten intrapartal mit 4 ml Infusionslösung (z. B. 5 %ige Glukose) verdünnen, dann entspricht 1 ml = 5 μg

12.2 Fentanyl Tab. 12.3 • Charakteristika von Fentanyl. Präparat

Fentanyl-Janssen: • 1 Amp. = 2 ml = 0,1 mg • 1 Amp. = 10 ml = 0,5 mg

Indikationen

• Narkoseeinleitung und -führung • Analgesie, z. B. bei Polytrauma

Kontraindikationen

• Atemwege nicht frei zugänglich, fehlende Intubations-/ Beatmungsmöglichkeit • Asthma bronchiale • unbehandelte Hypovolämie

227

12

12.3 Flumazenil

F

Wirkungsweise

• zentral wirkendes Narkotikum, Opioid • schneller Wirkungseintritt (ca. 20s) • Wirkungsdauer: • hypnotische Wirkung ca. 10 min • analgetische Wirkung ca. 20–30 min • atemdepressive Wirkung ca. 60–90 min

Nebenwirkungen

• starke Atemdepression • Blutdruckabfall • Bronchokonstriktion, Bradykardie • Miosis (Fehlbeurteilung beim SHT möglich)

Tab. 12.4 • Dosierung von Fentanyl. Indikation

Dosierung

Beispiele 20 kg KG

Narkoseeinleitung und ‑führung

1–3 μg/kg KG i. v. Repetition mit 0,5–1,5 μg/kg KG i. v.

0,02–0,06 mg i. v. 0,01–0,03 mg i. v.

Analgesie, z. B. bei Polytrauma (nur beim intubierten, beatmeten Patienten)

0,5–1,5 μg/kg KG i. v.

0,01–0,03 mg i. v.

Anwendung: 1 Amp. = 2 ml = 0,1 mg ad 10 ml NaCl, davon 1 ml = 0,01 mg/10 kg KG i. v.

12.3 Flumazenil Tab. 12.5 • Charakteristika von Flumazenil. Präparat

Anexate: • 1 Amp. = 5 ml = 0,5 mg • 1 Amp. = 10 ml = 1,0 mg

Indikationen

Aufhebung der zentral dämpfenden Wirkung von Benzodiazepinen, Vergiftung mit Benzodiazepinen

Kontraindikationen Wirkungsweise

Kompetitiver Antagonismus am GABAergen Rezeptor im ZNS, dadurch werden Benzodiazepine von den Rezeptoren verdrängt, die hypnotische Wirkung wird aufgehoben, der Patient erwacht.

Nebenwirkungen

• Übelkeit, Erbrechen • Blutdruckschwankungen • evtl. Entzugssyndrom

Tab. 12.6 • Dosierung von Flumazenil.

228

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

• 0,01 mg/kg KG langsam i. v. (bis zu 0,2 mg) • 2. Dosis: dieselbe Dosierung, falls sich innerhalb von 45 s keine Wirkung zeigt • bis max. 4 zusätzliche Dosen

0,2 mg = 2 ml

12.4 Furosemid

F

12.4 Furosemid

12

Tab. 12.7 • Charakteristika von Furosemid. Präparat

Lasix, Furosemid-ratiopharm, Furorese: • 1 Amp. = 2 ml = 20 mg • 1 Amp. = 4 ml = 40 mg

Indikationen

• (kardiale) Lungenödeme • Herzinsuffizienz, Nierenversagen • Überwässerung, „Süßwasserertrinken“

Kontraindikationen

• schwere Hypokaliämie • prärenale und postrenale Anurie

Wirkungsweise

Wasserausschwemmung durch Hemmung der Natriumreabsorption in der Niere

Nebenwirkungen

• Hypokaliämie • Blutdruckabfall • bei schneller i. v. Gabe Hörschäden: langsam spritzen

Tab. 12.8 • Dosierung von Furosemid. Indikation/Alter

Dosierung

Erwachsene

20–40–80–250 mg, je nach Indikation

Kinder bis 1 Jahr

2,5–5 mg

Kinder bis 6 Jahre

5–10 mg

Kinder bis 15 Jahre

10–20 mg

Beispiele/Anmerkungen

229

G

13

G

13

G

13.1 Glukose 5 % - 40 % Tab. 13.1 • Charakteristika von Glukose. Präparat

Glukoselösungen 5 %–40 %: z. B. 1 Amp. Glukose 40 % = 10 ml = 4g

Indikationen

Hypoglykämie, hypoglykämisches Koma

Kontraindikationen

• normaler Blutzucker • nicht als Routineinfusion: Todesfälle beschrieben!

Wirkungsweise

Anhebung des Blutzuckerspiegels

Nebenwirkungen

Venenreizung, hyperosmolares Hirnödem

Tab. 13.2 • Dosierung von Glukose.

230

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Hypoglykämie

Glukose 20 % 2 ml/kg KG i. v./ i. o., anschließend Glukose 5 % Infusion (250 ml Ringer + 30 ml G 40 %, 10 ml/kg KG)

40 ml Glukose 20 % i. v.

14.1 Hydroxocobalamin

H

H

14

14

14.1 Hydroxocobalamin Tab. 14.1 • Charakteristika von Hydroxocobalamin. Präparat

Cyanokit 2,5: 1 Injektionsflasche mit Lyophilisat enthält: Hydroxocobalamin 2,5 g, Lösungsmittel: 100 ml NaCl 0,9 %

Indikationen

Antidot zur Anwendung bei akuter Cyanidvergiftung durch Cyanwasserstoff (Blausäure, HCN) und seine Derivate. Stoffe, die die Bildung von Cyaniden hervorrufen nach: • Rauchgasexplosion • Verschlucken • Inhalation oder Resorption über die Haut • Verabreichung durch Nitroprussid-Natrium

Kontraindikationen

bekannte Vitamin-B12-Allergie

Wirkungsweise Nebenwirkungen

• reversible Rotverfärbung der Haut und der sichtbaren Schleimhäute • ausgeprägte Rotverfärbung des Urins über 3 Tage, die dann allmählich nachlässt

Vorsicht Die Wirksamkeit von Hydroxocobalamin hängt von der Schnelligkeit der Anwendung ab. Hydroxocobalamin sollte so schnell wie möglich (an der Unfallstelle), in ausreichender Dosis und ohne irgendwelche Cyanidbestimmungen abzuwarten, verabreicht werden.

Tab. 14.2 • Dosierung von Hydroxocobalamin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Erwachsene

Initialdosis 5 g (ca. 70 mg/kg KG)

Dosis ggf. 1- oder 2-mal wiederholen

Kinder

Initialdosis 70 mg/kg KG

ggf. entsprechend der Schwere des klinischen Bildes wiederholen

231

I

15

I

15

I

15.1 Ipratropiumbromid Tab. 15.1 • Charakteristika von Ipratropiumbromid-Fertiginhalat. Präparat

Atrovent 250 μg/2 ml, Atrovent 500 μg/2 ml

Indikationen

• Atemnot bei COPD • Bei Asthma bronchiale als Ergänzung zu β2-Mimetika im akuten Asthmaanfall

Kontraindikationen

Engwinkelglaukom, Tachykardie > 140 für 7 min

Wirkungsweise

Anticholinergikum somit antiparasympathomimetische Wirkung

Nebenwirkungen

• paradoxe Bronchospastik • Tachykardie • Übelkeit, Blutdruckabfall

Tab. 15.2 • Dosierung von Ipratropiumbromid-Fertiginhalat.

232

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Akuter Asthmaanfall Kinder > 6 Jahre

250 μg/2 ml p. i. über Verneblersystem

z. B. Atrovent 250 μg/2 ml p. i. ggf. wiederholen

Kinder < 6 Jahre

Insgesamt nur eingeschränkte Empfehlung

16.1 S-Ketamin

K

K

16

16

16.1 S-Ketamin Die besonderen Vorteile von Ketamin liegen zum einen in der geringen Beeinträchtigung der Atem- und Kreislauffunktion, zum anderen in der Möglichkeit, es – in Abhängigkeit von der Dosierung – sowohl als Analgetikum als auch als Narkotikum einzusetzen. Aufgrund der besseren Verträglichkeit sollte grundsätzlich nur noch S-Ketamin verwendet werden. Nur wenn dieses nicht zur Verfügung steht, kann auf „normales“ Ketamin zurückgegriffen werden, welches grundsätzlich 50–100 % höher dosiert werden muss, Tab. 16.1. Tab. 16.1 • Charakteristika von S-Ketamin. Präparat

Ketanest S • 1 Amp. = 5 ml mit 5 mg/ml = 25 mg • 1 Amp. = 2 ml = 25 mg/ml = 50 mg • 1 Inj.-Flasche = 20 ml mit 5 mg/ml = 100 mg

Indikationen

Analgesie und Anästhesie in der Notfallmedizin Intubation im Status asthmaticus (in Kombination mit Muskelrelaxans)

Kontraindikationen

• Hypertonie (RR ≥ 180/100 mmHg) • koronare Herzerkrankung • Eklampsie, drohende Uterusruptur, Nabelschnurvorfall

Wirkungsweise

analgesierend, anästhesierend

Nebenwirkungen

• Steigerung von Blutdruck und Herzfrequenz • Hirndrucksteigerung möglich • Aufwachreaktion und Träume • bei schneller Injektion Atemdepression möglich

Tab. 16.2 • Dosierung von S-Ketamin. Indikation

Dosierung

Beispiele 20 kg KG

Analgesie

0,125–0,25 mg/kg KG i. v./ i. o.

• 5 mg Ketanest S i. v. • 10 mg Ketanest S i. m.

Narkoseeinleitung

0,25–0,75–1,0 mg/kg KG i. v./i. o.

• 20 mg Ketanest S i. v. • 40 mg Ketanest S i. m.

Narkoseführung

0,2 mg/kg KG alle 15 min i. v./ i. o.

• 10 mg Ketanest S i. v. • 20 mg Ketanest S i. m.

Status asthmaticus

• initial 1–1,5 mg/kg KG i. v./ i. o. • weiter 4–5 mg/kg KG/h über Perfusor

Analgosedierung beim Kind ohne i. v. Zugang

1–1,5 mg/kg KG i. m./ nasal siehe Tabelle zur nasalen Medikamenten Applikation (S.38) Tab. 2.6

233

K

16

16.2 Kohle, medizinische

Vorsicht Großes Ampullenverwechslungsrisiko; 5-fache Überdosierung bei falscher Ampulle!

16.2 Kohle, medizinische Tab. 16.3 • Charakteristika von medizinischer Kohle. Präparat

Ultracarbon: 50-g-Flasche zur Herstellung von 400 ml oraler Suspension

Indikationen

akute orale Vergiftungen

Kontraindikationen

• Vergiftungen mit ätzenden Stoffen • Intoxikation mit Säuren/Laugen, Alkoholen, Glykolen, Schwermetallen, Elektrolyten

Wirkungsweise

Adsorption von oral aufgenommenen Giften aus dem Magen-DarmTrakt

Nebenwirkungen

Obstipation bis hin zum Ileus

Tab. 16.4 • Dosierung von medizinischer Kohle.

234

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

allgemein

ca. 1 g medizinische Kohle/kg KG

20 kg KG: 20 g Ultracarbon

Kinder < 12 Jahre

25g

½ Flasche der Suspension

Kleinkinder

12,5g

¼ Flasche der Suspension

17.1 Lorazepam

L

L

17

17

17.1 Lorazepam Tab. 17.1 • Charakteristika von Lorazepam. Präparat

• Tavor pro injectione 2 mg: 1 Amp. = 1 ml = 2 mg + 1 ml Verdünnungsmittel • Tavor 1,0 mg Expidet: 1 Plättchen = 1 mg • Tavor 2,5 mg Expidet: 1 Plättchen = 2,5 mg

Indikationen

• schwerer Erregungszustand, insbesondere bei Psychosen, psychomotorischen Unruhezuständen, akuten Angstzuständen • Status epilepticus

Kontraindikationen

Schock-, Kollapszustände

Wirkungsweise

Benzodiazepin: sedierend, anxiolytisch, antikonvulsiv

Nebenwirkungen

Atemdepression, Schwindel

Tab. 17.2 • Dosierung von Lorazepam. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

psychiatrische Indikation

• 0,05 mg/kg KG i. v./i. m. • 1 Amp. = 1 ml = 2 mg + 1 ml Verdünnungsmittel = 2 ml • fertige Lösung: 0,5–1–2 ml i. v.

• 0,5–1–2–4 ml der verdünnten Lösung i. v./i. m. (¼–2 Amp. Lorazepam) • 1–2,5 mg oral (1 Plättchen Tavor) • 15–50 kg KG: 1 mg p. o. • > 50 kg KG: 2,5 mg p. o.

Status epilepticus

0,1 mg/kg KG i. v.

1–4 ml der verdünnten Lösung i. v. (½–2 Amp. Lorazepam)

235

M

18

M

18

M

18.1 Magnesium Tab. 18.1 • Charakteristika von Magnesium. Präparat

Mg 5 Sulfat Amp. 10 % – 1 g Magnesiumsulfat/10 ml

Indikationen

• Torsade de pointes • Reservemittel bei Asthma

Kontraindikationen

• Bradykardie (< 100!) • Myasthenia gravis

Wirkungsweise

muskelentspannend, rhythmusstabilisierend

Nebenwirkungen

Bradykardien, Atemdepression

Tab. 18.2 • Dosierung von Magnesiumsulfat. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Torsade de pointes, Asthma

50 mg/kg KG als Kurzinfusion über 15 min, solange Herzfrequenz > 100

• Torsade de pointes: 10 ml sehr langsam i. v. • Asthma: 10 ml ad 100 ml NaCl über 15 min, solange Herzfrequenz > 100

18.2 Metamizol Tab. 18.3 • Charakteristika von Metamizol. Präparat

Novalgin: 1 Amp. = 2 ml = 1g 1 Amp. = 5 ml = 2,5g

Indikationen

mittelstarke Schmerzzustände, spastische Schmerzen

Kontraindikationen

• Pyrazolonallergie • Säuglinge unter 3 Monaten

Wirkungsweise

analgetisch, spasmolytisch, antipyretisch

Nebenwirkungen

• selten Allergie vom Soforttyp, deshalb müssen bei parenteraler Gabe die Voraussetzungen für eine Schockbehandlung gegeben sein • Blutdruckabfall bei schneller i. v. Gabe • Agranulozytose möglich

Tab. 18.4 • Dosierung von Metamizol.

236

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

15 mg/kg KG

300 mg = 0,6 ml i. v.

18.4 Midazolam

M

18.3 Methylprednisolon

18

Tab. 18.5 • Charakteristika von Methylprednisolon. Präparat

Urbason solubile forte 250/Urbason solubile forte 1000: 1 Trockenamp. bzw. Flasche mit Trockensubstanz enthält 250 mg bzw. 1000 mg.

Indikationen

• Allergien, anaphylaktischer Schock • Status asthmaticus • Reizgasvergiftung, Schock

Kontraindikationen

in Notfällen keine

Wirkungsweise

antiallergisch, entzündungshemmend, stabilisiert Zellmembran

Nebenwirkungen

in Notfällen nicht von Bedeutung

Tab. 18.6 • Dosierung von Methylprednisolon. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

allgemein

10 mg/kg KG

20 kg KG: 200 mg i. v.

18.4 Midazolam Tab. 18.7 • Charakteristika von Midazolam. Präparat

Dormicum: • 1 Amp. = 1 ml = 5 mg (Dormicum 5 mg/1 ml) • 1 Amp. = 3 ml = 15 mg (Dormicum 15 mg/3 ml) • 1 Amp. = 5 ml = 5 mg (Dormicum V 5 mg/5 ml) Midazolam: • 1 Amp. = 1 ml = 5 mg (Midazolam 5 mg/1 ml) • 1 Amp. = 3 ml = 15 mg (Midazolam 15 mg/3 ml) • 1 Amp. = 5 ml = 5 mg (Midazolam 5 mg/5 ml) Buccolam: • 3 Monate bis 1 Jahr: 2,5 mg Midazolam (Verpackung mit gelbem Etikett) • 1–5 Jahre: 5 mg Midazolam (Verpackung mit blauem Etikett) • 5–10 Jahre: 7,5 mg Midazolam (Verpackung mit violettem Etikett) • 10–18 Jahre: 10 mg Midazolam (Verpackung mit orangefarbenem Etikett)

Indikationen

• Unruhe, Krämpfe, Sedierung vor Intubation • Narkoseeinleitung

Kontraindikationen

Alkoholvergiftung, Myasthenia gravis, Schwangerschaft

Wirkungsweise

Schlafförderung, Sedierung (kurzzeitig), leichte Muskelrelaxation

Nebenwirkungen

Atemdepression (selten), Blutdruckabfall, paradoxe Reaktion, Laryngo- und Bronchospasmus

237

M

18

18.5 Morphin Tab. 18.8 • Dosierung von Midazolam. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

0,1 mg/kg KG i. v.

2 mg = 2 ml Dormicum V 5 mg/ 5 ml i. v., i. o.

0,2 mg/kg KG nasal

0,4 ml der 5-mg-/1-mg-Ampulle in 2-ml-Spritze aufziehen, mit MAD in die Nase

Vorsicht Großes Ampullenverwechslungsrisiko; 5-fache Überdosierung bei falscher Ampulle; Antidot: Anexate.

18.5 Morphin Tab. 18.9 • Charakteristika von Morphin-HCl. Präparat

• Morphin Merck 10 mg: 1 Amp. = 1 ml = 10 mg • Morphinum hydrochloricum: 1 Amphiole zu 1 ml enthält 10 mg

Indikationen

• starke Schmerzzustände (z. B. Herzinfarkt, Thoraxtrauma, Polytrauma) • Lungenödem • Narkoseeinleitung und -führung (zusammen mit anderen Medikamenten)

Kontraindikationen

fehlende Beatmungsmöglichkeit, Asthma bronchiale, spastische Schmerzzustände (Gallen-, Nierenkolik)

Wirkungsweise

• zentrale Analgesie, Sedierung, Drucksenkung im kleinen Kreislauf • Wirkungseintritt nach 3 min, Wirkungsmaximum 30 min • Wirkungsdauer 3–5 h

Nebenwirkungen

• zentrale Atemdepression • Übelkeit, Erbrechen • Blutdruckabfall • Pupillenverengung (Miosis) • Histaminfreisetzung

Vorsicht Ständige Pulsoxymetrie, Kontrolle der Atemtätigkeit sowie Intubationsbereitschaft sind bei der Anwendung von Morphin unbedingt erforderlich!

Tab. 18.10 • Dosierung von Morphin.

238

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

0,1 mg/kg KG

2 mg Morphin = 2 ml der auf 10 ml verdünnten Morphinlösung

19.1 Naloxon

N

N

19

19

19.1 Naloxon Tab. 19.1 • Charakteristika von Naloxon. Präparat

Naloxon 0,4 ml/1 ml

Indikationen

Opioidintoxikation/-überdosierung

Kontraindikationen

im Notfall keine

Wirkungsweise

antagonisiert Opioide

Nebenwirkungen

• Entzugssyndrom, Schwitzen, Panik • zu kurze Wirkung: Rückkehr der Intoxikation → immer einweisen/ Pulsoxymeterüberwachung

Tab. 19.2 • Dosierung von Naloxon. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

0,01–0,02 mg/kg KG i. v. in Abständen von 2–3 min bis zur ausreichenden Atemfunktion

0,2 mg = 0,5 ml

239

P

20

P

20

P

20.1 Paracetamol Tab. 20.1 • Charakteristika von Paracetamol. Präparat

• Paracetamol 75–125–250–500–1000 mg Supp. Paracetamol Saft • Perfalgan Infusionslösung 10-mg/ml-Flasche mit 50 ml

Indikationen

leichte bis mittlere Schmerzen, Fiebersenkung

Kontraindikationen

unklare elterliche Vorbehandlung

Wirkungsweise

schmerzlindernd – fiebersenkend

Nebenwirkungen

Lebertoxizität bei Überdosierung! • < 10 kg KG max. Tagesdosis 30 mg/kg KG • < 50 kg KG max. Tagesdosis 60 mg/kg KG • > 50 kg KG max. Tagesdosis 90 mg/kg KG

Tab. 20.2 • Dosierung von Paracetamol. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Fieber, Schmerzen

ca. 20 mg/kg KG

• Säugling: 1 Supp. 125 mg • Kleinkind: 1 Supp. 250 mg • Kind: 1 Supp. 500 mg i. v. Lösung: 1,5 ml (15 mg Paracetamol/kg KG)

20.2 Phenobarbital Tab. 20.3 • Charakteristika von Phenobarbital. Präparat

Luminal: 1 Amp. = 1 ml = 200 mg

Indikationen

Epilepsie (Grand mal), Status epilepticus

Kontraindikationen

Benzodiazepin-, Alkohol- und Schmerzmittelvergiftung

Wirkungsweise

sedierend, hypnotisch, krampflösend

Nebenwirkungen

• Schläfrigkeit, Bewusstlosigkeit • Atemdepression

Tab. 20.4 • Dosierung von Phenobarbital.

240

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Erwachsene

200 mg = 1 ml i. v.

langsam injizieren

größere Kinder (ab ca. 5. LJ)

150 mg = 0,75 ml i. v.

Kleinkinder (ca. 1.–5. LJ)

60–100 mg = 0,3–0,5 ml i. v.

Säuglinge

20–60 mg = 0,1–0,3 ml i. v.

20.4 Prednisolon

P

20.3 Piritramid

20

Tab. 20.5 • Charakteristika von Piritramid. Präparat

Dipidolor 15 mg, 2 ml Amp.

Indikationen

starke Schmerzzustände, Lungenödem, Narkoseführung

Kontraindikationen

fehlende Beatmungsmöglichkeit

Wirkungsweise

vergleichbar mit Morphin

Nebenwirkungen

• vergleichbar mit Morphin • keine Histaminausschüttung

Tab. 20.6 • Dosierung von Piritramid. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

0,1 mg/kg KG

2 mg i. v.

20.4 Prednisolon Tab. 20.7 • Charakteristika von Prednisolon. Präparat

• Solu-Decortin H 250 mg/1g: 1 Trockenamp. bzw. Fl. mit Trockensubstanz enthält 250 mg bzw. 1000 mg • Infectocortikrupp Supp. 100 mg

Indikationen

• Allergien, anaphylaktischer Schock • Status asthmaticus • Reizgasvergiftung, Pseudokrupp

Kontraindikationen

in Notfällen keine

Wirkungsweise

antiallergisch, entzündungshemmend, stabilisiert Zellmembran

Nebenwirkungen

• in Notfällen nicht von Bedeutung • bei schneller Injektion Übelkeit, Hitzegefühl

Tab. 20.8 • Dosierung von Prednisolon. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

4 mg/kg KG

80 mg i. v., 100 mg Supp.

241

P

20

20.5 Prednison

20.5 Prednison Tab. 20.9 • Charakteristika von Prednison. Präparat

Rectodelt 30 mg/100 mg: 1 Supp. enthält 30 mg/100 mg

Indikationen

• Allergien, Asthma bronchiale, asthmoide Bronchitis • bei Kindern stenosierende Laryngotracheitis (Kruppsyndrom)

Kontraindikationen

in Notfällen keine

Wirkungsweise

antiallergisch, entzündungshemmend, stabilisiert Zellmembran

Nebenwirkungen

in Notfällen nicht von Bedeutung

Tab. 20.10 • Dosierung von Prednison. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

• Kinder < 1 Jahr: 30 mg Supp. • Kinder > 1 Jahr: 100 mg Supp.

100 mg Supp.

20.6 Propofol Tab. 20.11 • Charakteristika von Propofol.

242

Präparat

Disoprivan 1 %/2 %, Propofol-Lipuro 1 %/2 % u. a. Infusionsflaschen 20 ml/50 ml 1 ml = 10 mg (1 %) 1 ml = 20 mg (2 %)

Indikationen

• Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung • Sedierung von beatmeten Patienten über 16 Jahre im Rahmen einer Intensivbehandlung • Sedierung bei diagnostischen und chirurgischen Maßnahmen, allein oder in Kombination mit einer Lokal- oder Regionalanästhesie bei Erwachsenen oder Kindern ab 1 Monat

Kontraindikationen

schwere kardiopulmonale Erkrankungen

Wirkungsweise

• Hypnotikum • schneller Wirkungseintritt (30–45s) • kurze Wirkungsdauer (ca. 5 min)

Nebenwirkungen

Blutdruckabfall, Atemdepression, exzitatorische Bewegungen

20.6 Propofol

Indikation/Alter

P

Tab. 20.12 • Dosierung von Propofol.

20

Dosierung

Narkoseeinleitung Kinder ab 1 Monat bis 3 Jahre

2,5–4 mg/kg KG

Kinder > 3 Jahre

ca. 2,5 mg/kg KG

Erwachsene

ca. 1–2 mg/kg KG

Narkoseaufrechterhaltung Kinder ab 1 Monat bis 3 Jahre

ca. 9–15 mg/kg KG/h

Kinder > 3 Jahre

ca. 9–15 mg/kg KG/h

Erwachsene

ca. 4–12 mg/kg KG

243

R

21

R

21

R

21.1 Rocuronium Tab. 21.1 • Charakteristika von Rocuronium. Präparat

Esmeron, Rocuronium 1 ml = 10 mg • 1 Amp. = 10 ml = 100 mg • 1 Amp. = 5 ml = 50 mg

Indikationen

Muskelrelaxation im Rahmen der Narkose/Intubation: • Rapid Sequence Induction* • schwierige Intubation trotz adäquat tiefer Narkose • Narkose bei Schädel-Hirn-Trauma

Kontraindikationen

fehlende Intubations-/Beatmungsmöglichkeit

Wirkungsweise

mittellang wirkendes, nicht depolarisierendes Muskelrelaxans: • Wirkeintritt: 60–120s • Wirkdauer: 30–67 min

Nebenwirkungen

Tachykardie, Injektionsschmerz, allergische Reaktion

* Da zur Rapid Sequence Induction nur begrenzt Erfahrungen vorliegen, wird die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen nicht empfohlen.

Vorsicht Lagerungshinweis: nach Entnahme aus der Kühlung 3 Monate verwendbar – Datum auf die Flasche!

Tab. 21.2 • Dosierung von Rocuronium. Indikation/Alter

Narkoseeinleitung/endotracheale Intubation

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

0,6–1 mg/kg KG

z. B. 20 kg KG → 12 mg

0,6 mg/kg KG bei routinemäßiger Anästhesie 1,0 mg/kg KG zur Rapid Sequence Induction*

Erhaltungsdosis

bei geriatrischen Patienten 0,6 mg/kg KG i. v.

Überwachung der Tubuslage mittels Kapnografie zwingend

0,15 mg/kg KG

z. B. 20 kg KG → 3 mg

* Da zur Rapid Sequence Induction nur begrenzt Erfahrungen vorliegne, wird die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen nicht empfohlen.

244

22.2 Succinylcholin (Suxamethoniumchlorid)

S

S

22

22

22.1 Salbutamol Tab. 22.1 • Charakteristika von Salbutamol. Präparat

Sultanol Dosier-Aerosol, Salbutamol-Dosier-Aerosol: 1 Hub = 0,1 mg, Salbutamol-Fertiginhalat-Phiolen 2,5 ml = 1,25 mg/ forte 2,5 ml = 2,5 mg für Vernebler

Indikationen

Asthma bronchiale, Bronchospastik

Kontraindikationen

Tachykardie, Arrhythmie, frischer Herzinfarkt

Wirkungsweise

Parasympathikolyse, Spasmolyse

Nebenwirkungen

• Tachykardie, Unruhe, evtl. Blutdruckabfall • initial SO2 verschlechtert (Aufheben der pulmonalen Vasokonstriktion)

Tab. 22.2 • Dosierung von Salbutamol. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiele/Anmerkungen

Kinder < 4. LJ

keine offiziellen Dosierungsangaben

Kinder 4.–11. LJ

0,1 mg

1 Hub Salbutamol-Aerosol

Kinder > 11. LJ

0,1–0,2 mg

1–2 Hübe Salbutamol-Aerosol

0,6–1,25 mg zur Inhalation

1/2–1 Phiole über Vernebler

22.2 Succinylcholin (Suxamethoniumchlorid) Tab. 22.3 • Charakteristika von Suxamethoniumchlorid. Präparat

• Lysthenon 1 %: 1 Amp. = 5 ml = 50 mg • Lysthenon 2 %: 1 Amp. = 5 ml = 100 mg • Pantolax 1 %: 1 Amp. = 10 ml = 100 mg • Pantolax 2 %: 1 Amp. = 5 ml = 100 mg • Succicuran: 1 Amp. = 5 ml = 100 mg

Indikationen

kurz wirkende Muskelrelaxierung, Intubation

Kontraindikationen

• fehlende Intubations- und Beatmungsmöglichkeit • Hyperkaliämie • maligne Hyperthermie in der Anamnese • erbliches Muskelleiden

Wirkungsweise

• depolarisierendes Muskelrelaxans • Wirkungseintritt nach 30 s • Wirkungsdauer 5–1 min

Nebenwirkungen

Herzrhythmusstörungen, Hyperkaliämie, Muskelzuckungen, maligne Hyperthermie

245

S

22

22.3 Sufentanil

Vorsicht Succinylcholin ist bei Hypoxie/Hyperkapnie gefährlich, da das Bradyarrhythmierisiko gesteigert wird.

Tab. 22.4 • Dosierung von Succinylcholin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

2 mg/kg KG i. v.

40 mg = 2 ml Lysthenon 2 %

Vorsicht Bei Kindern mit (bislang unerkannter) Muskeldystrophie Herzstillstand durch Hyperkaliämie (kaum reanimierbar: EKG: QRS-Verbreiterung/hohe T-Welle, AVBlock, später „Sinuswelle“ → Calciumchlorid 10 % 0,5 ml/kg KG, NaHCO3 1 ml/kg KG, Salbutamol 2 Hübe).

22.3 Sufentanil Tab. 22.5 • Charakteristika von Sufentanil. Präparat

Sufenta, Sufentanil Generika Unterschiedliche Ampullenstärken beachten! (z. B. 5/10/50 μg je ml)

Indikationen

Analgesie im Rahmen einer Narkose

Kontraindikationen

Fehlende Intubations-/Beatmungsmöglichkeit

Wirkungsweise

• Opioid mit stärkster analgetischer und sedierender Wirkung (analgetische Potenz: 700–1000) • Strukturell mit Fentanyl verwandt, aber 7–10-mal stärker • Wirkeintritt (i. v.-Gabe): 2–3 min • Wirkdauer: 20 min

Nebenwirkungen führt im Vergleich zu Fentanyl seltener zu Atem- und Kreislaufdepressionen

• Atemdepression • Übelkeit • Hypotension v. a. bei Hypovolämie • Bradykardie • Antidot: Naloxon

Tab. 22.6 • Dosierung von Sufentanil. Indikation/Alter

246

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Narkoseeinleitung

0,2–0,5 μg/kg KG i. v.

4–10 µg

Narkoseaufrechterhaltung

0,1–0,3 μg/kg KG i. v.

2–6 µg

23.1 Theophyllin

T

T

23

23

23.1 Theophyllin Cave: Indikationseinschränkungen Beim akuten Asthma führt die intravenöse Gabe von Theophyllin, gegenüber der Standardtherapie mit inhalativen β2-Sympathomimetika und oralen Steroiden, der aktuellen Studienlage zufolge, zu keiner zusätzlichen Bronchodilatation, aber vermehrt zu Nebenwirkungen wie Palpitationen, Herzrhythmusstörungen und Erbrechen. Intravenöses Theophyllin gehört deshalb nicht mehr zur Primärtherapie des Asthmaanfalls. Einen Therapievorteil scheint es lediglich bei Kindern mit schwerem Asthma, welches unter Steroiden und β2-Sympathomimetika nicht mehr anspricht, zu geben, Tab. 23.1. Tab. 23.1 • Charakteristika von Theophyllin. Präparat

Euphylong 200: 1 Amp. = 10 ml = 200 mg Theophyllin

Indikationen

bronchospastische Zustände, Asthma bronchiale (insgesamt Mittel der 3. Wahl), Bradykardie

Kontraindikationen

Schock, Tachykardie, frischer Herzinfarkt

Wirkungsweise

• Erweiterung der Bronchien, Senkung des Atemwegswiderstands, Stimulierung des Atemzentrums • Senkung des venösen Rückstroms, Senkung des Drucks im kleinen Kreislauf

Nebenwirkungen

Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, zentrale Erregung, Krampfanfälle

Tab. 23.2 • Dosierung von Theophyllin. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

5 mg/kg KG i. v.

100 mg langsam i. v.

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247

T

23

23.2 Thiopental

23.2 Thiopental Tab. 23.3 • Charakteristika von Thiopental. Präparat

Trapanal: • 1 Trockenamp. zu 20 ml enthält 500 mg, zu lösen in 20 ml Aqua dest. • 1 ml = 25 mg

Indikationen

• Narkoseeinleitung, Krampfanfälle, Status epilepticus • Hirndrucksenkung beim Schädel-Hirn-Trauma

Kontraindikationen

• Status asthmaticus • schwerer Schock, frischer Herzinfarkt • Porphyrie • fehlende Beatmungsmöglichkeit

Wirkungsweise

• Dämpfung bzw. Ausschaltung zentralnervöser Funktionen • Verminderung des Hirnstoffwechsels • Wirkungseintritt nach 20–45s • Wirkungsdauer 5–15 min

Nebenwirkungen

• dosisabhängige Atemdepression, Apnoe • dosisabhängige kardiovaskuläre Depression • Histaminfreisetzung, Laryngo- und Bronchospasmus

Tab. 23.4 • Dosierung von Thiopental.

248

Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

Narkoseeinleitung 3–5 mg/kg KG i. v.

100 mg i. v.

Krampfdurchbrechung 1–3 mg/kg KG i. v.

50 mg i. v.

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24.1 Urapidil

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24

24.1 Urapidil Tab. 24.1 • Charakteristika von Urapidil. Präparat

Ebrantil: • 1 Amp. = 10 ml = 50 mg • 1 Amp. = 5 ml = 25 mg

Indikationen

Hypertonie/hypertensive Krise

Kontraindikationen

Schwangerschaft, Aortenisthmusstenose

Wirkungsweise

• periphere α-Blockade, dadurch Gefäßweitstellung • zentrale Sympathikolyse

Nebenwirkungen

Schwindel, Kopfschmerzen, Herzklopfen

Tab. 24.2 • Dosierung von Urapidil. Indikation/Alter

Dosierung

Beispiel 20 kg KG

Kinder

1 mg/kg KG i. v.

20 mg sehr, sehr langsam i. v. (ein Drittel geben, RR messen, warten, weiteres Drittel …)

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249

Infusionslösungen

25

Infusionslösungen

25

Infusionslösungen

25.1 Elektrolytlösungen Tab. 25.1 • Charakteristika von Elektrolytlösungen. Präparat

• Ringer-Laktat DAB 7 Braun • Sterofundin • Ringer-Laktat-Lösung • Tutofusin

Indikationen

• Standardinfusionen in der Notfallmedizin • Trägerlösung für Medikamente • zumindest kurzfristiger Ausgleich von extrazellulärem Flüssigkeitsverlust

Kontraindikationen

Herzinsuffizienz, Lungenödem, Überwässerung

Nebenwirkungen

Überwässerung, Lungenödem

25.2 Humanalbumin Tab. 25.2 • Charakteristika von Humanalbumin. Präparat

• Albumin 5 % human • Humanalbin • Human Albumin 5 %

Indikationen

• Volumenersatz • Behandlung von Störungen der Mikrozirkulation

Wirkung

• Hypovolämie, Blut- und Plasmaverluste bei Verbrennungen • Hypoproteinämie

Nebenwirkungen

selten anaphylaktoide Reaktion

Aufgrund der hohen Kosten und der relativ kurzen Haltbarkeit (Verfallsdatum beachten!) stellt das Humanalbumin jedoch nicht die Infusionslösung der Wahl bei Volumenmangel dar. Ausnahmen sind Notfälle bei Säuglingen und Kleinkindern.

25.3 Anwendung in der Praxis ▶ Bei längeren Versorgungen (Verlegungsfahrten) von Säuglingen sollten auf 250 ml 10 ml Glukose 40 % beigefügt werden. Bei Unterzuckerung sollen 30 ml Glukose 40 % hinzugegeben werden. ▶ Zur Vermeidung fataler Überinfusion sollten niemals mehr als 20 ml/kg KG in einer Infusionsflasche sein (250-ml-Flaschen!). ▶ Humanalbumin ist teuer und verzichtbar, zudem kaum sinnvoll präklinisch lagerfähig. ▶ PÄD-Lösungen sind „out“ und gefährlich: sie sind hypoosmolar und enthalten zu viel Glukose. Es sind Todesfälle beschrieben!

250

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26

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27

Glossar

Tab. 27.1 • Erklärung der wichtigen Begriffe. Begriff

27 Glossar

Glossar

Erläuterung

AED

automatisierter externer Defibrillator

Air Trapping

regionale Lungenüberdehnung durch Einfangen („Trap“) von Luft

Alkalose

Blut ist zu alkalisch („zu wenig Säure“)

AHA

American Heart Association – www.heart.org

ALS

Advanced Life Support – erweiterte lebensrettende Maßnahmen

ALTE

„apparent live threatening event“, Beinahe-Kindstod

Amtshaftung

der Notarzt wird haftungsrechtlich einem Beamten gleichgestellt

Analgesie

Schmerztherapie

Analgosedierung

Schmerz- und Bewusstseinsreduktion („kleine Narkose“)

Anaphylaxie

schwere allergische Reaktion

Antagonist

Gegenmittel am Rezeptor (z. B. Betablocker am Betarezeptor)

Antidot

Gegenmittel (z. B. Naloxon gegenüber Opioiden)

Apgar-Schema

Score zur Beurteilung des Neugeborenen nach den Anfangsbuchstaben des Namens der Anästhesistin Dr. Virginia Apgar (1953)

Apnoe

Atemstillstand

Aspiration

Eindringen von Flüssigkeiten/Fremdstoffen in die Atemwege/ Lunge

Austreibungsperiode

Geburtsphase nach vollständiger Eröffnung des Muttermundes

Azidose

Übersäuerung des Blutes

BAP-Schema

Reihenfolge des Erst-Checks: Bewusstsein – Atmungskontrolle – Pulskontrolle

Beckenendlage

Fehllage bei der Geburt → heute zumeist Kaiserschnittentbindung

BLS

Basic Life Support – Basismaßnahmen der Wiederbelebung

Brudzinski-Zeichen

Meningitiszeichen: bei passivem Vorbeugen des Kopfes werden reflektorisch die Beine in den Kniegelenken angewinkelt

Brugada-Syndrom

angeborene Kardiomyopathie mit plötzlichem Herztod aufgrund einer Rhythmusstörung

Call fast

erst nach einem initialen Reanimationsversuch das Kind zwecks Notruf verlassen (Vorgehen bei Atemstörung und Kindern)

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253

Glossar

27

254

Glossar Tab. 27.1 • Fortsetzung Begriff

Erläuterung

Call first

nach Feststellung der vitalen Bedrohung notfalls Patienten sofort verlassen und Notruf absetzen, erst dann Beginn der Reanimation (Vorgehen bei Erwachsenen und kardialen Ereignissen)

C-Griff

mittels eines aus Daumen und Zeigefinger geformten „C“ wird die Beatmungsmaske auf das Gesicht des Kindes gedrückt

Charrière

Maß für den Außendurchmesser von Tuben, Kanülen und Kathetern, abgekürzt Charr; äußerer Tubusdurchmesser : Innendurchmesser × 4 + 2 = Charrière

Cook-Nadel

Nadel zur intraossären Punktion

Cornelia-de-Lange-Syndrom

Syndrom mit vielen Fehlbildungen und geistiger Behinderung

CPR

„cardiopulmonary resuscitation“, kardiopulmonale Reanimation (Herz-Lungen-Wiederbelebung)

Cuff

Ballon am Ende des Endotrachealtubus zur Abdichtung

Cushing-Trias

Zeichen bei Hirndruck: Bradykardie – Hypertension – Atemmusterstörung

Dammschnitt

Einschneiden des Damms unter der Geburt zur Erleichterung des Kopfaustritts (z. B. 45° vom Anus weg)

Dammschutz

unter Geburt wird die Durchtrittsgeschwindigkeit des Kopfes etwas gebremst, um den mütterlichen Damm zu schützen

Delir

akute psychische Störung mit organischer Ursache: Bewusstseinsstörung/Desorientierung/Denkstörung

DOR-Manöver

Maßnahme bei der orotrachealen Intubation: Kehlkopf vom Helfer drücken und nach oben und rechts bewegen lassen

Down-Syndrom

3-fache Anlage des Chromosoms 21 („Trisomie 21“) mit verschiedensten Fehlbildungen

Druckverband

Verbandstechnik bei stark blutenden Wunden.

Durchschneiden

in der Geburtshilfe Bezeichnung für das Sichtbarbleiben des kindlichen Kopfes auch außerhalb einer Wehe

Dyspnoe

Atemnot

Easycap

Einmalartikel zur Bestimmung von Kohlendioxid in der Ausatemluft

Einschneiden

in der Geburtshilfe Bezeichnung für das erste Sichtbarwerden des kindlichen Kopfes während einer Wehe

Enuresis

Einnässen

EPH-Gestose

schwerer Schwangerschaftszwischenfall mit Ödem (Edema), Proteinurie und Hypertonie (= Präeklampsie)

Episiotomie

Dammschnitt zur Verhinderung des unkontrollierten Einreißen des Damms unter der Geburt (z. B. 45° vom Anus weg)

Eröffnungsperiode

anfängliche Geburtsperiode mit Eröffnung des Muttermundes durch Wehentätigkeit

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Tab. 27.1 • Fortsetzung Begriff

Erläuterung

Esmarch-Handgriff

Notfallmaßnahme zum Freihalten der Atemwege bei Bewusstlosen: der Unterkiefer wird nach vorne geschoben und dadurch die Atemwegsverlegung durch die zurückfallende Zunge behoben

etCO2

endtidale CO2-Konzentration – spiegelt in etwa den Kohlendioxidgehalt im arteriellen Blut wider

Exsikkose

Austrocknung

Facharztstandard

Standard, der von einem „normalen Facharzt“ in seinem Fachgebiet einzuhalten ist

Fallot-Tetralogie

komplexe Herzfehlbildung aus: 1. Pulmonalstenose, 2. Ventrikelseptumdefekt (VSD), 3. Dextroposition der Aorta, 4. Rechtsherzhypertrophie

Fieber

Erhöhung der Körperkerntemperatur auf > 38 °C

FiO2

Sauerstoffanteil der Inspirationsluft

fokale Zeichen

neurologische Zeichen, die auf Schäden in bestimmten Hirnarealen (Focus) schließen lassen: z. B. halbseitige Gesichtslähmung

Fontan-Zirkulation

operative Korrektur bei nur einem funktionierenden Ventrikel, dieser versorgt den Körperkreislauf, durch einen Kurzschluss wird die Lunge durchblutet

Fritsche-Lagerung

Lagerung bei vaginalen Blutungen mit Überkreuzung der Beine – so werden stärkere Blutungen rascher erkannt

Frühgeburt

definiert als Geborenes vor der 37. SSW, Komplikationen steigen vor allem bei Geburten vor der 32.-28. SSW stark an

Giemen

asthmatisches Geräusch, ähnlich einer fauchenden Katze

Glasgow-Koma-Skala

Komatiefeneinteilung

Goldenhar-Syndrom

komplexe Fehlbildung mit zu erwartenden Intubationsschwierigkeiten

Guedel-Tubus

Hilfsmittel zur Maskenbeatmung

Heimlich-Handgriff

Rettungsmaßnahme bei Verlegung der Atemwege: Durch Druckausübung im Oberbauch soll ein Fremdkörper aus den Atemwegen gepresst werden.

Hyperglykämie

zu hoher Blutzuckergehalt im Blut (> > 140 mg%)

Hypoglykämie

zu niedriger Blutzuckergehalt im Blut (< 60 mg%)

Hypothermie

zu niedrige Körperkerntemperatur

Hypoxie

zu geringer Sauerstoffgehalt (im Blut)

Invagination

Einstülpung eines Darmanteils in ein anderes → Darmverschluss

Jamshidi-Nadel

Knochenmarkpunktionsnadel/Intraossärnadel

Kapnometrie

Messung des Kohlendioxids in der Ausatemluft (etCO2)

Karpfenmund

Mundstellung („wie beim Kuss“) infolge Krämpfen bei Hyperventilation

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27 Glossar

Glossar

255

Glossar

27

256

Glossar Tab. 27.1 • Fortsetzung Begriff

Erläuterung

Kawasaki-Syndrom

fieberhafte Systemerkrankung mit durch Gefäßentzündungen verursachten Durchblutungsstörungen

Kernig-Zeichen

Meningitiszeichen: bei Hüftbeugung kann das Knie nicht mehr gestreckt werden

Klippel-Feil-Syndrom

Fehlbildungssyndrom der Halswirbelsäule (Intubationsschwierigkeiten)

Koma

Bewusstlosigkeit; Einteilung in verschiedene Grade nach klinischen Gesichtspunkten bzw. nach Ursache (z. B. diabetisches Koma, urämisches Koma)

Kompartmentsyndrom

durch erhöhten Gewebedruck in einem durch Haut oder Faszien abgeschlossenen Bereich kommt es zu Durchblutungsstörungen

Krupp-Syndrom

Atemnotanfall bei Diphtherie

Larynxmaske

Atemwegshilfsmittel, bei dem eine aufblasbare Manschette über den Kehlkopf geschoben wird

Larynxtubus

Atemwegshilfsmittel, bei dem Speiseröhre und Mundhöhle gegen den Kehlkopf abgedichtet werden und so eine Beatmung möglich ist

Leopold-Handgriff

Untersuchungsgriffe des Geburtshelfers

LGL-Syndrom

Lown-Ganong-Levine-Syndrom, Präexzitationssyndrom – zu schnelle Erregungsübertragung vom Herzvorhof zur Kammer durch eine Kurzschlussverbindung

Long-QT-Syndrom

seltene Erkrankung mit verlängertem QT-Intervall mit dem Risiko des plötzlichen Herztodes

Magill-Zange

gebogene Zange zur Instrumentation im Rachen (nasale Intubation, Fremdkörperentfernung)

Mekonium

Kot des Fetus

Methämoglobin

durch Gifte in seiner Struktur geänderter roter Blutfarbstoff mit erschwerter Sauerstoffabgabe

Nachgeburtsperiode

Zeit bis 2 Stunden nach der Geburt

Nager-Syndrom

Fehlbildungssyndrom des Gesichts (Dysostosis acrofacialis)

Neuner-Regel

Regel zur Bestimmung der verbrannten Körperoberfläche

Organisationsverschulden

Verschulden durch unzureichende Organisation des Betriebsleiters. z. B. fehlendes Absauggerät auf dem NEF

PEEP

„positive endexspiratory pressure“; am Ende der Ausatmung verbleibt ein Restdruck in den Atemwegen

Petechien

stecknadelkopfgroße punktförmige Blutungen an der (Schleim-)Haut

Pfaundler-Hurler-Syndrom

Mukopolysaccharidose mit multiplen Skelettfehlbildungen (Dysostosis multiplex)

Pfötchenstellung

charakteristische Fingerstellung bei Hyperventilation

Pierre-Robin-Syndrom

Syndrom aus kleinem Unterkiefer, Gaumenspalte und verlagerter Zunge

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Tab. 27.1 • Fortsetzung Begriff

Erläuterung

Präexzitation

vorschnelle Erregungsüberleitung zur Herzkammer durch Kurzschluss

Präoxygenierung

Auffüllen der Lunge mit Sauerstoff vor einer Narkoseeinleitung

Pseudokrupp

stenosierende Laryngotracheitis mit charakteristischem Atemgeräusch

Pseudoperitonitis diabetica

extrem hohe Blutzuckerspiegel verursachen stärkste Bauchschmerzen

Pulsoxymetrie

Messung der partiellen Sauerstoffsättigung (SO2)

Puppenkopfphänomen

normaler Hirnstammreflex: Blickstabilisierung bei Kopfbewegungen

Rekapillarisierungszeit

Zeit nach Druck auf Nagelbett bis zum erneuten Rosigwerden

Sauerstoffsättigung

prozentualer Anteil an sauerstoffgesättigtem Hämoglobin im Blut

Schädellage

Geburtslage mit („Schädel voran“)

Schnüffelstellung

wie beim Schnüffeln ist der Kopf gerade nach vorne gestreckt (erleichtert Intubation)

Schütteltrauma

schwerste Kopftraumatisierung bei Säuglingen durch Schütteln

Sekundärtransport

Verlegung eines Patienten von einem in ein anderes Krankenhaus

Sellick-Handgriff

Druck auf Kehlkopf zur besseren Sichtbarkeit bei Intubation

SIDS

„sudden infant death syndrome“ – plötzlicher Kindstod

Silent Chest/Lung

schlimmes Zeichen im Asthmaanfall: kaum hörbares Atemgeräusch

SSSS

„staphylococcal scalded skin syndrome“ – Hauttoxikose bei Säuglingen

Stevens-Johnson-Syndrom

schwerste Arzneimittelreaktion mit großflächiger Hautablösung

Stickler-Syndrom

Bindegewebserkrankung mit multiplen Fehlbildungen

Stridor

Atemgeräusch durch Enge in extrathorakalen Atemwegen „wie Seelöwe“

Switch-Operation

Vertauschen („switch“) falsch angelegter Gefäßabgänge am Herzen

Treacher-Collins-Syndrom

erbliche Erkrankung mit Gesichtsfehlbildungen

Übernahmeverschulden

Verschulden aufgrund der Übernahme einer überfordernden Aufgabe (z. B. Notarztdienst ohne vorhandene Fachkunde/ Zusatzbezeichnung)

Vagus-Manöver

Techniken zur Auslösung eines Vagusreflexes (z. B. bei Tachykardie)

Vitalzeichen

Zeichen des Lebens

Wendl-Tubus

Nasenschlauch als Atemwegshilfsmittel bei Bewusstlosen

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27 Glossar

Glossar

257

Glossar

27

258

Glossar Tab. 27.1 • Fortsetzung Begriff

Erläuterung

Wiedemann-Beckwith-Syndrom

genetisch bedingtes Großwuchssyndrom (Intubationsschwierigkeiten)

Wilson-Ableitung

EKG-Brustwandableitungen V1-V6

WPW-Syndrom

Wolff-Parkinson-White-Syndrom; Präexzitationssyndrom – zu schnelle Erregungsübertragung vom Herzvorhof zur Kammer durch eine Kurzschlussverbindung

Zyanose

Blaufärbung des Blutes: sichtbar ab 4g% sauerstoffarmes Blut (Hb 12g%: SO2 < 75 %)

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Sachverzeichnis A

– Beurteilung 11 Analgosedierung 73, 77, 253 – Maßnahmen 12 Anapen 225 Abdomen, akutes 106 Atropin Anaphylaktischer Schock 23 Abdominaltrauma 166 – Charakteristika 217 Anaphylaxie 110, 253 – Basismaßnahmen 166 – Dosierung 217 – Basismaßnahmen 111 – Lagerung 24, 166 – Reanimation 69 – medikamentöse – medikamentöse Atrovent 232 Maßnahmen 112 Maßnahmen 167 Augenspülung 127 Anexate 78, 228, 238 – Symptome 166 Augenverletzungen 126 Anfall, epileptischer 223 Abnabeln 91 – Maßnahmen 127 Anorexia nervosa 162 Abort 24 Austreibungsperiode 253 Antagonist 253 Absaugen, Neugeborene 90 Automatisierter externer Antibiotika Acetylsalicylsäure (ASS), Defibrillator (AED) 68 – allergische Reaktion 111 Überdosierung 194 – Indikation nach Alter 20 – Meningitis 157 Aciclovir 157 AV-Block 144 Anticholinerges Syndrom Adenosin 143, 214 Azidose 253 194 ADHS (AufmerksamkeitsAntidepressiva, Überdefizit-/HyperaktivitätsB dosierung 194 störung) 201 Antidot 192, 253 BAP-Schema 253 Adrekar 214 – bei Eisenvergiftung 194 Barbiturate 79 Adrenalin – gegen Cyanide 231 Basic Life Support (BLS) 9 – bei Anaphylaxie 112 – gegen Insektizide 217 Basismaßnahmen 18, 20 – Charakteristika 214 – von Midazolam 238 Battered Child Syndrome 205 – Dosierung 215 – von Sufentanil 246 Bauchschmerz 97 – inhalativ 36 Antihistaminika Beatmung – intramuskulär 112 – bei Anaphylaxie 114 – anaphylaktischer – intravenös 114 – Überdosierung 194 Schock 115 – Neugeborene 95 Apgar-Score 91, 253 – Indikation 39 – Reanimation 69, 95 Apnoe 96, 253 – Krampfanfall 154 – Schock 164 Appendizitis – Larynxmaske 48 Advanced Life Support – akutes Abdomen 107 – Larynxtubus 46 (ALS) 9 – Haftpflichtfall 203 – maschinelle 58 AED s. Automatisierter Aspiration 117, 253 – mit Hilfsmitteln 40, 43 externer Defibrillator – Basismaßnahmen 119 – nichtinvasive 60 Aggression 161 Aspirin, Überdosierung 194 – ohne Hilfsmittel 14, 40–41 Air Trapping 120, 253 Asthmaanfall 120 – Parameter 60 Akineton 218 – Basismaßnahmen 121 – Polytrauma 168 Aktivkohle s. Kohle, – Lagerung 23 – Qualitätsbeurteilung 61 medizinische – medikamentöse – Richtgrößen 40 Albumin 5 % human 250 Maßnahmen 121 – Sauerstoffkonzentration 40 Alkalose 253 Asthmakrise, maligne 120 Beatmungsbeutel 44 – respiratorische 150 Atemfrequenz Beatmungsdruck 45 Alkoholvergiftung 194 – Beatmung 60, 91 Beatmungsfrequenz 40 ALTE (Apparent Live – Normalwerte 40 Beckenendlage 24, 88, 253 Threatening Event) 157 Atemgeräusche 103 Beclometason 218 Amiodaron 216 Atemminutenvolumen 60 Beclometason-Aerosol 188 – Reanimation 69 Atemnot/-störung 96, 117 Behandlungsfehler 203 – Tachykardie 143 – Beatmung 39 Beinahe-Unfall 132 Amputationsverletzung 108 – Lagerung 23 Benzodiazepine 73 Amputatversorgung 110 – Zeichen 96 Berotec 100 DosierAmtshaftung 203, 253 Atemwege Aerosol 227 Analgesie 72, 75 – Freihalten/Freimachen 12, Beutel-Maske-Beatmung 43 – Abdominaltrauma 167 42 Bewusstlosigkeit 97 – akutes Abdomen 108 – Verlegung 13 – Hitze 147 – Medikamente 75 Atemzugvolumen – Schädel-Hirn-Trauma 172 – Polytrauma 169 – Beatmung 58, 60, 91 Bewusstsein – Schädel-Hirn-Trauma 172 – Normalwerte 40 – Beurteilung 11 – Verbrennung 188 Atmung – Maßnahmen 11 Memorix Kindernotfälle (ISBN 978-3-13-241115-9), © 2019. Thieme. All rights reserved. –Müller, während Narkose 79 – BAP-Schema 10 Bewusstseinsstörungen 97 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Usage subject to terms and conditions of license.

Sachverzeichnis

Bewusstseinsstörungen

259

Sachverzeichnis

Biperiden Biperiden 218 Blasenbildung 101 Blumendüngervergiftung 193 Blutdruck, systolischer 163 Bluterkrankheit 199 Blutstillung 25 – Amputationsverletzung 109 – Maßnahmen 25 Blutung – Polytrauma 167 – vaginale 24 Blutungsstörungen 199 Bone Injection Gun 30 Brachialispuls 10 – regungsloses Kind 19 Bradykardie 138, 143 – Anorexie nervosa 162 – Atropingabe 69 – Hypothermie 185 – Therapie 145 Bronchiolitis 125 Bronchoparat 122 Bronchospasmolyse 122 Bronchospasmus 98 – allergische Reaktion 113 Brudzinski-Zeichen 155, 253 Brugada-Syndrom 253 Brustschmerz 98 Brustwandableitung, unipolare 62 Buccolam 74, 153, 237 Bülau-Drainage 178 Buscopan 219 Butylscopolaminiumbromid 219

C

Cornelia-de-LangeSyndrom 201, 254 Cuff 254 Cuff-Druck 53 Cushing-Trias 254

D Dammschnitt 89, 254 Dammschutz 89, 254 Dauerschreien 103 Deferoxamin 194 Defibrillation, manuelle 66 Defibrillator, Kennzeichnung 20 Dehydratation s. Exsikkose Dekontamination 191 Delir 97, 160, 254 Delitex 195 Dexamethason 115, 222 Diabetes mellitus 128 Diarrhö 99 Diazepam – beim Krampfanfall 75, 152 – Charakteristika 222 – zur Sedierung 75, 169 Dimenhydrinat 223 Dimeticon 224 Dimetinden 114, 224 Dipidolor 76, 241 Disoprivan 242 Dociton 195 Dokumentation 205 DOPES 54 DOR-Manöver 55, 254 Dormicum 237 Down-Syndrom 199, 254 Dreimonatskoliken 103 Dreitagefieber 101 Drogen 195 Druckverband 25, 254 – Stumpfversorgung 109 Durchfall 99 Durchschneiden 254 Dyspnoe 117

Endexspiratorischer Kohlendioxidpartialdruck 64 Endotrachealtubus 36, 51 Entgiftung 191 Entlastungspunktion 176 Entzündungszeichen 99 Enuresis 254 Enzephalitis 98 EPH-Gestose 24, 254 Epidermolysis bullosa 101 Epiglottitis 124–125 Epileptischer Anfall 223 Epinephrin-Autoinjektor 225 Epinephrin-Inhalat 225 Epinephrin-Spray 225 Episiotomie 89, 254 Erbrechen 99 – während Narkoseeinleitung 78 Eröffnungsperiode 254 Erstickungsanfall 102 Ertrinkungsunfall 132 – Basismaßnahmen 133 Erythema infectiosum 101 Esmarch-Handgriff 12, 255 Esmeron 244 Ethylenglykolvergiftung 194 Etomidat 226 Euphyllin 195 Euphylong 200 247 Exsikkose 133, 255 – Basismaßnahmen 135 – Erbrechen 99 – klinische Zeichen 134 – medikamentöse Maßnahmen 135 Extremitätenableitungen 62 Extremitätenfrakturen 136 EZ-IO 30

C-Griff 254 Call fast/Call first 11, 253 F Campherbaumölvergiftung 195 Facharztstandard 204, 210, Catapresan 195 255 Cefotaxim 157 Fahrzeuge 210 Charrière 254 Fallot-Tetralogie 198, 255 E Chloroquinvergiftung 195 Fassthorax 120 Cholera 135 Fastjekt 113, 225 Easycap 254 Cimetidin 220 Fehlerverhalten 205 Eibenbeerenvergiftung 193 Ciprofloxacin 157 Femur, intraossäre PunkEinlauf 103 Clemastin 114, 220 tion 32 Einschneiden 254 Clonazepam 221 Fenistil 114, 224 Einwilligung 204 – Krampfanfall 154 Fenoterol 85, 122, 227 Eisenvergiftung 194 Clonidinvergiftung 195 Fentanyl 76, 227 EKG (Elektrokardiografie) 61 CO-Pulsoxymeter 64 – intranasal 38 – Tachykardie 140 Commotio cerebri 170 Feuerdornvergiftung 193 Elektrolytlösungen 135, 250 Commotio cordis 180 Fieber 99, 255 Elektrounfall 130 Compressio cerebri 170 – Meningitis 156 – Basismaßnahmen 131 Contusio bulbi 126 Fieberkrampf 100 – medikamentöse Contusio cerebri 170 Flumazenil Maßnahmen 132 Cook-Nadel 30, 254 – Charakteristika 228 Elotrans 136 Coping-Strategie 161 – Dosierung 228 Emerade 225 © 2019. Thieme. All rights Müller, Memorix Kindernotfälle (ISBN 978-3-13-241115-9), reserved. Cordarex 143, 216 – intranasal 38

260

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H

– medikamentöse Maßnahmen 149 Hitzschlag 147 Hochspannungsunfall 130 Hodentorsion 149 – Haftpflichtfall 203 Humana Elektrolyt 136 Humanalbumin 250 Husten 102 Hydroxocobalamin 231 Hydrozephalus 202 Hyperglykämie 128, 255 Hyperhaes 129 Hyperventilationssyndrom/ -tetanie 150 – Basismaßnahmen 151 – medikamentöse Maßnahmen 151 Hypnose 79 Hypnotika 79 Hypoglykämie 129, 135, 255 – Glukose, Dosierung 230 Hypothermie 183, 255 – Reanimation 184 Hypotonie – Anaphylaxie 111 – Anorexie nervosa 162 – Hitzeschäden 148 – Schädel-Hirn-Trauma 171 Hypoxie 255 – Koma 97

Haftung 203 Halluzinationen 160 Haloperidol – Delir/Verwirrung 160 – Sedierung 162 Halswirbelsäule, Stabilisierung 180 Hämatothorax 173, 178 Hämophilie 199 Handrückenvenen, Punktion 28 Harnverhalt 100 Hauptstromtechnik 65 Hautablösung 101 Hautausschlag, generalisierter 100 Heimlich-Handgriff 255 Herpes generalisatus 101 Herz-(Kreislauf-)Stillstand – Adrenalin 214 – Elektrounfall 131 – Intubation 53 – Pathogenese 9 – Unterkühlung 183 Herz-Kreislauf-Störung, G Lagerung 23 Herzbeuteltamponade 173, Ganzkörperimmobilisa179 tion 180 Herzdruckmassage 16 Gastroenteritis 99 – Komplikationen 18 Gaumenspalte 201 I – Lebensalter 17 Geburt 84 – Technik 17 – bevorstehende 24 Ibuprofen 75 Herzfehler 197 – normale 86–88 Imipramin-neuraxpharm 195 – mit Shunt 197 Geburtshilfliche Imipraminvergiftung 195 Herzfrequenz Maßnahmen 89 Infectocortikrupp 122, 241 – Grenzwerte 163 Gehirnerschütterung 170 Infectokrupp Inhal 225 – Mittelwert 138 GES 60 136 Infusion Herzklappeninsuffizienz 198 Gesichtsfehlbildungen 201 – Infusionslösungen 250 Herzklappenstenose 197 Gesichtsmasken 44 – Verbrennung 189 Herzrhythmusstörungen 138 Gewalttätigkeit 161 Infusionsmenge 28 – Anorexia nervosa 162 Giemen 255 Insektenstichallergie 110 – bradykarde 143 Giftpflanzen 195 Inspirationsdruck 60 – diagnostisches Glasgow-Koma-Skala Insulinfehler 128 Vorgehen 139 (GCS) 97, 255 Insulinüberdosierung 129 – EKG 61 – modifizierte, Schädel-HirnIntubation 51 – Symptome 137 Trauma 169 – erschwerte bei Syndro– tachykarde 139 Glukagon 130 men 201 Hirndruckerhöhung – intranasal 38 – Indikation 51 – Schädel-Hirn-Trauma 171 Glukose 135, 230 – nasotracheale 53 – Shuntverschluss 202 – Dosierung 230 – orotracheale 52–53 Hirndruckzeichen 129 Goldenhar-Syndrom 201, 255 – Spatelgröße 53 Hirnhautentzündung 155 Guedel-Tubus 42, – Tubuswahl 53 Hirnödem 255 – Verbrennung 187 – Hyperglykämie 128 Gynäkologischer Notfall, – Zubehör 51 – nach Glukosegabe 171 Lagerung 24 Invagination 255 Hirnschädigung 170 – akutes Abdomen 107 Hitzeerschöpfung 147 Ipratropiumbromid Hitzekrampf 147 – Asthmaanfall 121 Hitzeohnmacht 147 – inhalativ 36, 232 Hitzeschäden 147–148 Müller, Memorix Kindernotfälle (ISBN 978-3-13-241115-9), © 2019. Thieme. All rights reserved. Isoptin 195 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte – Basismaßnahmen 149 weitergegeben werden! Usage subject to terms and conditions of license.

Sachverzeichnis

Isoptin Fluoridvergiftung 192 Flüssigkeitsersatz, Transport 211 Fokale Zeichen 255 Fontan-Zirkulation/ -Operation 199, 255 Fortecortin 115, 222 Fraktur – Haftpflichtfall 203 – offene 136 Fremdeiweißreaktion, allergische 111 Fremdkörper – Atemwege 13, 117 – Auge 126 – Entfernung 119 – Nase 137 – Ohr 137 Fremdkörperaspiration 102 Fritsche-Lagerung 255 Fruchtwasser, grünes 92 Frühgeburt 90, 255 Fundusstand, Schwangerschaft 84–85 Furorese 229 Furosemid 229

261

Sachverzeichnis

Jacutin

262

J Jacutin 195 Jamshidi-Nadel 255 Jext 225 Junik 218

Krampfdurchbrechung – Meningitis 156 – Thiopental 248 Kreislauf – Beurteilung 15 – Maßnahmen 16 Krupp, echter 122 Krupp-Syndrom 122, 256 Kühlung – Amputatversorgung 110 – bei Verbrennung 187 – Hitzeschäden 149

– Lagerung 23 – Piritramid 241 Lysthenon 245

M

MAD (mucosal atomization device) 37 Magenspülung 192 Kältezittern 164 Magersucht 162 Kammerflimmern 66 Magill-Zange 256 – Amiodarongabe 69 Magnesium – Hypothermie 183 – Bronchospasmolyse 122 Kampfer 195 – Charakteristika 236 L Kampferöl 195 Magnesiumsulfat, DosieKapnografie 46, 64 rung 236 Lagerung 22 Kapnometrie 64, 255 Mahonienvergiftung 193 – Abdominaltrauma 166 Kardiopulmonale ReanimaMakroglossie 201 – Atemstörungen 23 tion (CPR), HerzdruckMalaria 200 – gynäkologischer Notfall massage 16 Masern 100 24 Karotispuls 10 Maskenbeatmung 45 – Herz-Kreislauf– regungsloses Kind 19 – Fehler 45 Störungen 23 Karpfenmund 255 – Technik 44 – Polytrauma 168 Katecholamine Medikamente – Schädel-Hirn-Trauma – Hypothermie 185 – gefährliche 205 171 – Schock 164 – notfallmäßige 214 – Schock 164 Kawasaki-Syndrom 199, 256 Medikamentengabe – Trauma 23 Kernig-Zeichen 155, 256 – endobronchiale 36 – Unterkühlung 184 Ketamin 76, 233 – inhalative 36 – Verbrennung 187 – intranasal 38 – intranasale 37–38 Laryngoskop Ketanest S 233 Medikamentenreaktion, – Intubation 53–54 Kindesmisshandlung 205 allergische 111 – Narkosevorbereitung 80 Kindstod, plötzlicher 157 MedikamentenvergifLaryngotracheitis, stenosie– Risikofaktoren 158 tung 192 rende 123 Kindstötung 210 Medikationsfehler 203 Larynxintubation 48 Klippel-Feil-Syndrom 201, Medizinische Kohle 234 Larynxmaske 46, 48, 256 256 Medizinproduktgesetz 204 Larynxödem 113 Kohle, medizinische 234 Mekonium 256 Larynxtubus 46, 256 – Vergiftung 192 Mekoniumaspiration 90 Lasix 229 Kohlendioxidgehalt der Meningitis 101, 155 Laugenvergiftung 194 Ausatmungsluft 64 – bakterielle 157 Leopold-Handgriff 256 Kohlendioxidpartialdruck, – Basismaßnahmen 156 Lethargie 97 endexspiratorischer 64 – Haftpflichtfall 203 LGL-Syndrom 141, 256 Kohlenmonoxidmessung, – medikamentöse Lidocain 127 nichtinvasive 64 Maßnahmen 156 Lindanvergiftung 195 Kohlenmonoxidvergif– virale 157 Liquorhochdruck 202 tung 195 Metamizol 75, 236 Long-QT-Syndrom 256 Koma 97, 256 – akutes Abdomen 108 Lorazepam – diabetisches 128 Methämoglobin 256 – Charakteristika 235 – hypoglykämisches 130 Methanolvergiftung 194 – Dosierung 235 Kompartmentsyndrom 136, Methylphenidat 194 – intranasal 38 256 Methylprednisolon 115, 122, – Krampfanfall 153 Koniotomie, notfallmäßige 55 237 – Meningitis 156 Kopfschmerzen 102 Midazolam – Sedierung 73, 162 Kopfverletzung 170 – Charakteristika 237 LTS (Larynx-Tubus– nicht akzidentelle 208 – Dosierung 238 Suction) 47 Kortikosteroide 114 – intranasal 38 Luer-Lock-Anschluss 37 – Asthmaanfall 122 – Krampfanfall 153 Lufttransport 211 Kosmetikavergiftung 193 – Meningitis 156 Luminal 154, 240 Krampfanfall 151 – Narkoseeinleitung 81 Lungenkontusion 179 – Basismaßnahmen 152 – Sedierung 74, 162, 168 Lungenödem – medikamentöse Mikrognathie 201 – Ertrinkungsunfall 132 Müller, Memorix Kindernotfälle (ISBN 978-3-13-241115-9), © 2019. Thieme. All rights reserved. Maßnahmen 152 Milchgabe, Vergiftung 192 – Furosemid 229

K

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N

Notgeburt, Lagerung 24 Notkoniotomie-Set 56 Novalgin 75, 108, 236 Nüchternheit 78 Nurofen 75

O Obstipation 103 Ohr, Fremdkörper 137 Opioidanalgetika 76 Opioidvergiftung 195 Oralpädon 240 136 Organisationsverschulden 204, 256 Oropharyngealtuben 42 Ösophagusverätzung 194 Oxybuprocain 127 Oxymetrie 63 Oxytocin 86

P

– Basismaßnahmen 168 – medikamentöse Maßnahmen 168 – Narkose 82 Postreanimationsphase 72 Postreanimationssyndrom (Post-Cardiac-ArrestSyndrom) 72 Präexzitation 141, 257 Präoxygenierung 81, 257 Prednisolon 114, 122, 241 Prednison 242 Propofol 242–243 – Narkoseeinleitung 81 Propranololvergiftung 195 Pryleugan 195 Pseudokrupp 122–123, 257 – Basismaßnahmen 124 – medikamentöse Maßnahmen 124 Pseudoperitonitis diabetica 257 Psychiatrischer Notfall 159 Puls – BAP-Schema 10 – Beurteilung 15 – Maßnahmen 16 Pulsoxymetrie 63, 257 – Atemnot 96 Punktion – intraossäre 29–30 – – Punktionsstellen 31 – – Technik 32 – venöse 26 Puppenkopfphänomen 257

Sachverzeichnis

Rivotril Milchzahngebiss 196 Missbrauch, sexueller 205 Misshandlung 206 Monaldi-Drainage 178 Monitoring 61 Morphin 76 – akutes Abdomen 108 – Charakteristika 238 – Dosierung 238 – intranasal 38 – Polytrauma 169 Mukopolysaccharidose 201 Mukoviszidose 200 Mumps 101 Münchhausen-by-proxySyndrom 208 Mund-zu-Mund-und-NaseBeatmung 14–15 Muskelrelaxanzien 79 Mutterpass 84 Myokarddysfunktion 72

PACED 144 Pantolax 245 Nabelschnurvenenzugang 27 Paracetamol 75, 154, 156, Nabelschnurvorfall 24 240 Nabelvenenkatheter 94 – bei Fieber 135 Nachgeburtsperiode 256 – Charakteristika 240 Nager-Syndrom 201, 256 – Vergiftung 194 Nahrungsmittelallergie 110 Partielle Sauerstoffsättigung Naloxon 78, 239 des arteriellen Blutes 63 – intranasal 38 Partusisten InfusionslösungsNarkose 78 konzentrat 227 – Ablauf 79 Patientenrecht 203 – Einleitung 81 Patientensicherheit 203 – Fortführung 81 Patientenverfügung 204 – Indikation 78 PEEP (positive endexspiratory Q – Probleme 78 pressure) 60, 256 – Vorbereitung 80 Quecksilbervergiftung 193 Perfalgan 240 Nasenfremdkörper 137 Quincke-Ödem 113 Pertussis 101 Nasopharyngealtuben 42 Petechien 99, 101, 256 R Nebenstromtechnik 65 Pfaundler-HurlerNeugeborene Syndrom 201, 256 Rauchgasinhalation 188 – Absaugen 90 Pfeiffer’sches DrüsenReanimation – Beurteilung 92 fieber 101 – Hypothermie 184 – Erstversorgung 90 Pflanzenvergiftung 195 – Medikamente 69 – Reanimation 93 Pfötchenstellung 256 – Neugeborene 93 – Vitalfunktionen 91 Pharyngealtuben 42 Rectodelt 122, 242 Neuner-Regel 256 Phenobarbital 240 Regurgitation 99 – nach Wallace 185 – Dosierung 240 Rehydratation, orale 135 Nichtinvasive Beatmung – Krampfanfall 154 Rehydratationslösungen 136 (NIV) 60 Phenydan 154 Reizhusten 102 Nichtopioidanalgetika 75 Phenytoin 154 Rekapillarisierungszeit 257 Niederspannungsunfall 130 Pierre-Robin-Syndrom 201, Resochin 195 Nifedipin 85 256 Retropharyngealabszess 124 Nikotinvergiftung 193 Piritramid 76, 241 Rifampicin 157 Noradrenalin 165 – akutes Abdomen 108 Ringer-Laktat DAB 7 Normolyt 136 Placenta praevia 24 Braun 250 Notfallmaßnahmen Plastikverweilkanülen 27 Ringer-Laktat-Lösung 135, – allgemeine 9 Plötzlicher Kindstod 157 250 – erweiterte 25 Pneumothorax 173 Rippenfraktur 178 Notfallmedikamente 214 – einfacher 174© 2019. Thieme. All rights Ritalinvergiftung 194 Müller, Memorix Kindernotfälle (ISBN 978-3-13-241115-9), reserved. Notfallmonitoring 61 Polytrauma 167 Rivotril 221 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Usage subject to terms and conditions of license.

263

Sachverzeichnis

Rocuronium

264

Supraventrikuläre Tachy– Gewalttätigkeit 162 kardie (SVT) 139 – Indikation 73 – paroxysmale 140 – Medikamente 73 Suxamethoniumchlorid 245 – Polytrauma 168 Switch-Operation 257 – Verbrennung 188 Sympathomimetisches Seitenlage, stabile 22 Syndrom 194–195 Sekundärtransport 210, 257 Syndrome mit IntubationsSelbstbeschädigung 161 problemen 201 Sellick-Handgriff 257 Serotonin-Syndrom 194 S T Sexueller Missbrauch 205 Shaken Baby/Infant S-Ketamin 76, 233 Tachykardie 138 Syndrome 208 – Asthmaanfall 122 – Basismaßnahmen 142 Shuntthrombose 197 – intranasal 38 – Medikamente 143 Shuntverschluss 202 – Polytrauma 169 – supraventrikuläre 139 Sichelzellkrankheit 200 sab simplex Tropfen 224 – ventrikuläre 139, 141 SIDS (Sudden Infant Death Salbutamol 245 – weitere Maßnahmen Syndrom) 158 – Asthmaanfall 121 142 Silent Chest/Lung 120, 257 – inhalativ 36 Tagamet 220 Sinusbradykardie 144 Sauerstoff Tavegil 114, 220 Sinustachykardie 140 Tavor 153, 235 – Abdominaltrauma 166 Solu-Decortin H 114, 122, Tensidvergiftung 192 – Atemnot 96 241 Terbutalin 122 – Schädel-Hirn-Trauma 171 Sonnenbrand 186 Theophyllin 122, 247 – Schock 164 Sonnenstich 147, 149 – Überdosierung 195 Sauerstoffsättigung 257 SpannungspneumothoThiopental 248 Säurevergiftung 194 rax 173, 175 – Krampfanfall 154 Schädel-Hirn-Trauma 169 – Entlastungspunktion 176 – Narkoseeinleitung 81 – Basismaßnahmen 171 Spatelgröße 53 Thoraxdrainage 177 – Lagerung 23 Spülmittelvergiftung 194 Thoraxtrauma 173 – medikamentöse SSSS (staphylococcal scalded – Basismaßnahmen 173 Maßnahmen 172 skin syndrome 101 – Lagerung 23 Schädellage 257 Stabile Seitenlage 22 – medikamentöse – normale Geburt 87 Status asthmaticus 120 Maßnahmen 174 Schädelprellung 170 Status epilepticus 154 Tibia, Punktion, intraosScharlach 101 – Etomidat 226 säre 31 Schilddrüsenhormon– Intubation 51 Tintenvergiftung 193 vergiftung 192 – Lorazepam 235 Tofranil 195 Schlaganfall 200 – persistierender 154 Toxikose 133 Schnüffelstellung 257 Sterofundin 250 Trachealpunktion 57 Schock 162 Stevens-JohnsonTracheitis, bakterielle 124 – anaphylaktischer 23, 110 Syndrom 101, 257 Tracheostoma 201 – – medikamentöse Stickler-Syndrom 201, 257 Transport Maßnahmen 112 Stimulation, elektrische 66 – Amputationsverlet– – Stadien 111 Stridor 103, 257 zung 110 – Basismaßnahmen 164 Stromunfall 130 – Fahrzeug 210 – distibutiver 163 Stumpfversorgung 109 – Flüssigkeitsersatz 211 – hypovolämischer 162 Succicuran 245 – Geburt 86 – kalter 163 Succinylcholin 79, 245–246 – in der Luft 211 – kardiogener 162 Sudden Infant Death Syndro– notärztliche Gesichts– obstruktiver 163 me (SIDS), Risikofakpunkte 210 – warmer 163 toren 158 – sekundärer 210 – weitere Maßnahmen 164 Sudden Infant Death – Verbrennungen 188 Schreien 103 Syndrome (SIDS) Transposition der großen Schrittmacherstimulation, 157 Arterien 198 kardiale 66 Sufentanil 76, 246 Trapanal 154, 248 Schütteltrauma 208, 257 – intranasal 38 Trauma 166 Schwangerschaftsdauer 84 Suizidhandlungen 160 – Lagerung 23 Schwangerschaftsnotfall 84 Sultanol 245 – nicht akzidentelles 205 Schweigepflicht 204 Supraglottische AtemwegsTreacher-CollinsSedierung 72 hilfen (SGA) 46 Syndrom 201, 257 – Abdominaltrauma 167 Suprarenin 214 Müller, Memorix Kindernotfälle (ISBN 978-3-13-241115-9), © 2019. Thieme. All rights reserved. Trisomie 21 199 – Diazepam 223 Rocuronium 80, 244 ROSC (return of spontaneous circulation) 72 Röteln 101 RSI (Rapid Sequence Induction) 81 RSV-Bronchiolitis 125 Rückenmarkläsion 180–181 Rundmasken 43

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U Übelkeit 99 Übernahmeverschulden 204, 257 Unfall 166 Unterkühlung 183 – Basismaßnahmen 184 – medikamentöse Maßnahmen 184 Urapidil 249 Urbason solubile 122 Urbason solubile forte 115, 237

V Vagus-Manöver 142, 257 Valium 222 Varizellen 101 Vecuronium 80 Vena-cava-Kompressionssyndrom 24 Vena-femoralis-Punktion 164 Vena-saphena-Punktion 28 Venenzugang 26 Ventolair 188, 218 Verapamilvergiftung 195 Verätzung – Auge 127 – Ösophagus 194 Verbrennung 185 – Auge 127 – Basismaßnahmen 187 – Infusion 189 – medikamentöse Maßnahmen 188 – Narkose 82 – Schweregrade 186 – Transport 188

Verbrühung 185 – Auge 127 – Basismaßnahmen 187 – medikamentöse Maßnahmen 188 Vergiftung 190 – Dekontamination 191 – Diagnostik 190 – Notrufnummern 191 Verkehrsunfall 166 Vernachlässigung 209 Verneblermaske 36 Verneblung 36 Vernichtungsschmerz 98 Verstopfung 103 Verweilkanülen 27 Verwirrung, akute 160 Vitalfunktionen – Neugeborene 91 – Polytrauma 169 Vitalzeichen 257 Vogelbeerenvergiftung 193 Volumenersatz 135 Volumenmangelschock – Blutung 25 – Lagerung 23 Volumensubstitution – Abdominaltrauma 167 – akutes Abdomen 108 – Amputationsverletzung 109 – Elektrounfall 132 – Meningitis 156 – Polytrauma 168, 172 – Schocktherapie 149 – Thoraxtrauma 174 – Verbrennung 188 – Wirbelsäulensubstitution 182 Vomex A 223 Von-WillebrandSyndrom 199 Vorerkrankungen 197

W Wahrnehmungsstörungen 97 Wärmeerhalt 164 Wasserkopf s. Hydrozephalus Wehenhemmung 85 Wendl-Tubus 42, 257 WHO-Lösung 135 Wiedemann-BeckwithSyndrom 201, 258 Wiederbelebung 9, 16 Wilson-Ableitung 62, 258 Wirbelsäulenimmobilisation 180 Wirbelsäulentrauma 180 – Basismaßnahmen 182 – Lagerung 24 – medikamentöse Maßnahmen 182 WPW-Syndrom 141, 258

Sachverzeichnis

Zystische Fibrose Tubusgrößen 52 Tutofusin 250

Y Yankauer-Sauger 90

Z Zahnschäden 196 Zahnwechsel, Fieber 100 Zigarettenvergiftung 193 Zimmerpflanzenvergiftung 193 Zirkulation s. Kreislauf Zugang – intraossärer 29 – venöser 26 Zwergenwuchs 201 Zwölf-Kanal-EKG 62 Zyanose 104, 258 Zystische Fibrose 200

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265

Faustregeln Tubusgröße (> 1 Jahr) in mm (16 + Alter)/4 Einführtiefe des Tubus (cm) = (Alter des Kindes/2) + 12 (bis Zahnreihe)

Gewichtsschätzung 1.–10. Lebensjahr: Gewicht (kg) = 2 × (Alter + 4) ● 1. LM – 5 kg ● 1. LJ – 10 kg ● 6. LJ – 20 kg ● 10. LJ – 30 kg

Parkland-Formel für Kinder (Verbrennung) ● ● ●

3 ml Ringer-Laktat × % verbrannte Körperoberfläche × kgKG über 8 Stunden (max. 50 % KOF berücksichtigen) z. B.: Kleinkind mit 10 kgKG und 20 % verbrannte Körperoberfläche: 3 × 20 × 10 = 600 ml in den ersten 8 Stunden, entsprechend 75 ml pro Stunde bei Schockzeichen anfangen mit 20 ml/kgKG

Berechnung des Flüssigkeitsbedarfs/h anhand der 4-2-1-Formel ● ● ● ●

für die ersten 10 kgKG 4 ml/kgKG für die nächsten 10 kgKG 2 ml/kgKG für jedes Kilo über 20 kgKG 1 ml/kgKG Beispiel 28 kgKG: 40 (für die ersten 10 kgKG) + 20 (für die nächsten 10 kgKG) + 8 = 68 ml/h

Medikamentendosierung ● ● ●

bis 30 kgKG: Gewicht als % der Erwachsenendosis × 2 > 30 kgKG: Gewicht + 30 als % der Erwachsenendosis (bis max 100 %) Beispiel – Lidocain 100 mg bei Erwachsenen – z.B. Kind 20 kgKG: 20 kgKG → 20 % von 100 mg = 20 mg → × 2 = 40 mg – z.B. Kind 40 kgKG: (40 kgKG + 30) = 70 → 70 mg Viele Medikamente sind bei Kindern nicht zugelassen. Gleichwohl werden sie in vielen Situationen mit Erfolg angewendet und empfohlen, da es an zugelassenen Alternativen mangelt. Über diesen sog. „off label use“ müssen Eltern – abhängig von der Eiligkeit – aufgeklärt werden.

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7

15

20–60

Glukose 20 % (ml) i.v./i.o. (nur bei Hypoglykämie)

Theophyllin (mg) i.v./i.o.

Ringer-Laktat (ml) i.v./i.o. ca. 20 ml/kgKG o. NaCl 0,9 %

3,5 1

0,7 2,5

Diazepam (mg) i.v./i.o. Rektiole

S-Ketamin (mg) i.v./i.o. Narkose Schmerz

0,3

Morphin (mg) i.v./i.o.



4 12

Kortikoide (mg) i.v./i.o. Dexamethason Prednisolon

Paracetamol-Supp. (mg)

15

0,04

0,4

Adrenalin (ml) i.v./i.o. 1:10.000 (1:10 verdünnen)

Atropin (mg) i.v./i.o.

3,5

Gewicht (kg)

Amiodaron (mg) i.v./i.o.

Neugeb.

Alter

7 2

125

150

35

14

1,5 5

0,7

4 30

0,07

35

0,7

7

6 Mon.

Notfallkarte Kinder Medikamente

9 3

250

200

50

18

2 5

1,0

5 40

0,1

50

1,0

10

1 J.

15 4

250

300

75

30

3 5–10

1,5

8 60

0,15

75

1,5

15

3 J.

20 5

500

400

100

40

4 10

2,0

10 80

0,2

100

2,0

20

5 J.

30 8

500

600

150

60

6 10

3,0

15 120

0,3

150

3,0

28

8 J.

40 10

1000

750

200

80

8 10

4,0

20 160

0,4

200

4,0

40

12 J.

50 13

1000

1000

250

100

10 10–15

5,0–7,5

25 200

0,5

250

5,0

50

15 J.

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140 75/50 40–50 20–35 3,0 14 8–11

Normwerte Herzfrequenz/min

Normwerte RR (mmHg)

Normwerte Atemfrequenz/min

Normwerte Atemzugvolumen (ml)

Tubusgröße ∅ innen (mm) ∅ außen (Charr) Länge (cm) oral

1,5 120

Kompressionstiefe (cm)

Frequenz/min

Herzdruckmassage Druckpunkt

15

50

Größe (cm)

Defibrillationsenergie Joule (4 J/kgKG)

3,5

Gewicht (kg)

30

60

100

120

geblockt

6,0 26 19

300–400

2,5–4

80

110/60

95

130

28

8J

16–20

100/60

105

110

20

5J

4,5–5,0 20–22 14–17

unteres Sternumdrittel

40

4,0 18 13

20–30

100/60

105

95

15

3J

150–200

95/65

110

75

9

1J

1,5–2,5

3,5 16 11–13

40–100

30–40

80/50

120

70

7

6 Mon.

ungeblockt

Neugeb.

Alter

Notfallkarte Kinder

200

7,5 32 22

400–500

ca. 5

Sternummitte

160

7,0 30 20

120/65

80

165

50

15 J

14–16

115/60

95

150

40

12 J