Meine Anmerkungen zu Deutschland: der anglo-amerikanische Kreuzzugsgedanke im 20. Jahrhundert 9783878471035, 3878471033

430 111 5MB

German Pages [380] Year 1990

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Meine Anmerkungen zu Deutschland: der anglo-amerikanische Kreuzzugsgedanke im 20. Jahrhundert
 9783878471035, 3878471033

Table of contents :
Titelbild
Rückseite
Klappentext
Titel
Copyright
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1 - Die Ausgangslage im Bismarckreich
2 - Die Krisenzeit um den Ersten Weltkrieg
3 - Hitlers politische Entwicklung
4 - Zum Dritten Reich
5 - Gespaltenes Deutschland und Revisionismus
Nachwort des Verlegers
Anhang
Personenverzeichnis
errata

Citation preview

David L. Hoggan MEINE ANMERKUNGEN ZU DEUTSCHLAND Der anglo-amerikanische Kreuzzugsgedanke im 20. Jahrhundert Mehr als 50 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges ist die Erforschung seiner Ursachen und Gründe — und damit auch die Frage nach der Schuld an diesem Völkerringen — noch nicht einvernehmlich abgeschlossen. Der westdeutsche Historikerstreit ab 1986 brachte die längst überfällige Forderung zahlreicher Geschichtsforscher nach vorurteilsloser Betrachtung auch der Zeit des Dritten Reiches und nach Ablösung der bisherigen einseitigen moralischen Urteile durch objektive Feststellungen. Da zahlreiche alliierte Quellen sowohl im Westen als auch im Osten noch immer unter Verschluß gehalten werden und vorrangig Deutschland belastendes Material veröffentlicht wurde, kam der Revisionismus in der Zeitgeschichte gegen das deutschfeindliche Geschichtsbild der Umerzieher nur langsam voran. In dem vorliegenden Werk, das er noch kurz vor seinem Tode 1988 abschließen konnte, hat Hoggan Gedanken und Urteile zur Geschichte Deutschlands und Europas in den letzten 100 Jahren zusammengestellt und damit eine weitausholende Schau der Ereignisse seit 1871 geliefert. Deutschlands Lage und Möglichkeiten unter den verschiedenen Regierungsformen seit der Bismarckzeit werden verglichen und die wesentlichen Vorgänge mit großem Hintergrundwissen dargeboten. Dabei wird die Schuld der US-Kriegspräsidenten Wilson und Roosevelt hervorgehoben, die ohne jede Bedrohung seitens Deutschlands in die Weltkriege eingriffen und dadurch jeweils einen Verständigungsfrieden in Europa verhinderten, so daß sich der Bolschewismus bis an die Elbe ausbreiten konnte. Überraschende Ausblicke werden auch zur kommenden Wiedervereinigung Deutschlands und zu seiner Bedeutung als neuer Gesamtstaat geboten.

DAVID L. HOGGAN, geboren am 22. März 1923 in Portland im US-Staat Oregon, im Zweiten Weltkrieg Dienst in der US-Army, dann Studium der Geschichte, 1948 Promotion an der Harvard-Universität mit einer Dissertation über die deutsch-polnischen Verhandlungen 1938/39. Nach kurzer Lehrtätigkeit am Massachusetts Institute of Technology in Boston. 1949-52 Assistenz-Professor und Mitarbeiter des Rektors an der Universität München, danach Professor für Geschichte an den Universitäten Berkeley, Carthage (Illinois) und San Francisco sowie am Menlo College. Wegen seiner revisionistischen Haltung wurden seine Anstellungsverträge schließlich nicht mehr verlängert, und er fand keine akademische Stellung mehr, so daß er in wirtschaftliche Not geriet. Er verstarb überraschend am 7. August 1988 nach einer Herzattacke. Buchveröffentlichungen in deutscher Sprache: Der erzwungene Krieg, 1961, 141990; Frankreichs Widerstand gegen den Zweiten Weltkrieg, 1963; Der unnötige Krieg, 1976, 21977; Das blinde Jahrhundert, Teil 1: Amerika — Das messianische Unheil, 1979; Teil 2: Europa — Die verlorene Weltmitte, 1984; Meine Anmerkungen zu Deutschland, 1990.

GRABERT-VERLAG-TÜBINGEN

GRABERT-VERLAG-TÜBINGEN

Veröffentlichungen des Institutes für deutsche Nachkriegsgeschichte BAND XVII In Verbindung mit zahlreichen Gelehrten des In- und Auslandes herausgegeben von Wigbert Grabert

David L. Hoggan

MEINE ANMERKUNGEN ZU DEUTSCHLAND Der anglo-amerikanische Kreuzzugsgedanke im 20. Jahrhundert

GRABERT-VERLAG-TÜBINGEN

Vom Verfasser autorisierte Erstausgabe, aus dem Amerikanischen übersetzt von Günter Deckert Schutzumschlag: Creativ GmbH, Stuttgart Satz: Grabert Verlag Druck und Bindung: Ebner Ulm

Gescannt von c0y0te. Seitenkonkordant. Dieses e-Buch ist eine Privatkopie und nicht zum Verkauf bestimmt!

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hoggan, David L.: Meine Anmerkungen zu Deutschland : der anglo-amerikanische Kreuzzugsgedanke im 20. Jahrhundert/David L. Hoggan. Vom Verf. autoris. Erstausg. aus d. Amerk. übers, von Günter Deckert. Tübingen: Grabert, 1990 (Veröffentlichungen des Institutes für Deutsche Nachkriegsgeschichte; Bd. 17) ISBN 3-87847-103-3 NE: Institut für Deutsche Nachkriegsgeschichte : Tübingen Veröffentlichungen des Institutes …

ISBN 3-87847-103-3 ISSN 0564-4186 © 1990 Grabert-Verlag, Tübingen D-7400 Tübingen, Postfach 1629 Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen dieses Buches oder von Buchteilen auf fotomechanischem Weg (Fotokopie, Mikrokopie) nicht gestattet.

Inhaltsverzeichnis I.

Einführung »Wie schnell schlägt Deutschlands Herz?« Wirtschaftskrise zerstört Weimarer Republik Hitler-FDR-Stalin Das FDR-Stalin-Bündnis von 1933 Die Front gegen Hitler

II.

Die Ausgangslage im Bismarckreich Zum Bismarck-Reich Unglückliche US-Führer Bismarck—Stresemann Deutsche Verfassungen Schwierigkeiten im Bismarckreich Die Polen im östlichen Preußen Wilhelm als Nutznießer von Bismarcks Politik

III.

Die Krisenzeit um den Ersten Weltkrieg Deutschland und seine Kolonien Deutschlands soziale Lage um 1900 Das eifersüchtige England Kolonialismus am Ende des 18. Jahrhunderts Deutschland in Europa vor 1914 Eduards VII. Deutschlandhaß Gesamtbewertung der Lage vor 1914 Mitteleuropa vor 1914 Deutsche Außenpolitik vor 1914 Die Daily-Telegraph- Affäre Das Treffen von Björkö Englands Beitrag zum Kriegsbeginn 1914 Die Frage Elsaß—Lothringen Abschied von der Sicherheit Der Beginn des Weltkrieges 5

9 11 13 14 18 22 25 27 28 29 31 39 41 44 47 49 50 51 52 54 58 59 60 61 63 68 70 72 75 77

Wilsons Anteil am Ersten Weltkrieg Gründe für Deutschlands Niederlage 1918 Weimarer Schwierigkeiten Zum deutschen Charakter Schlesiens Ebert und Hindenburg Wilsons Wortbruch und die Folgen Gründe für Roosevelts Deutschlandhaß

IV.

Hitlers politische Entwicklung Zur Beurteilung Adolf Hitlers Deutsche Kultur vor 1914 Hitlers Familie Hitlers politische Tradition Kriege vor 1914 Zu Hitlers politischer Tradition Der anglo-amerikanische Einfluß auf Deutschland Großdeutsche Bestrebungen seit 1848 Sarajewo Zu Hitlers politischen Anschauungen Hitler und der Verrat Festung Deutschland 1943 wie im Ersten Weltkrieg Hitler und die USA Harvard-Professor zu FDR Deutschlands Lage 1943 Die Unwissenheit und Korruptheit der USA Die Heuchelei der Atlantic-Charta Eisenhower Präsident statt Taft US-Probleme in der Zukunft Präsidents Nixons Machenschaften Hitlers Vaterlandsliebe Hitlers Ansehen in der USA

V.

Zum Deutschen Reich Der deutsche Aufbruch Anfang der dreißiger Jahre Die polnische und tschechische Frage der dreißiger Jahre Englands Behandlung anderer Staaten FDRs Kriegstreiberei 6

79 84 88 91 92 94 95 97 99 103 106 108 111 113 114 116 122 124 129 136 141 145 147 150 152 154 155 157 161 162 165 167 169 172 177

VI.

Die Weltlage 1937 bei der Quarantäne-Rede Die Nachteile der US-Verfassung Zum Inhalt der Quarantäne-Rede Roosevelts Heuchelei Die Lage in Deutschland 1937 Halifax‘ Drängen auf Krieg »Der unnötige Krieg« Churchill und der Bolschewismus Englands Manipulationen 1939 wie im Ersten Weltkrieg Weitere britische Schlechtigkeiten Mangelnde Kriegsbegeisterung in Deutschland Fehler anderer zuungunsten Deutschlands Die Entwicklung im Fernen Osten Europas Lage nach dem Frankreichfeldzug 1940 Zur sowjetischen Politik 1940-41 Zum deutsch-russischen Krieg Verrat in Deutschland Das Ende des Dritten Reiches

180 184 186 189 192 195 199 202 207 215 221 223 229 231 235 237 241 244

Gespaltenes Deutschland und Revisionismus

247 249 256 258 260 267 272 273 276 278 280 283 286 288 290 292 292 293

Westdeutschlands Vergangenheitsbewältigung Westdeutschland und die USA Wer wollte die Weltherrschaft? Die Schwierigkeiten der USA Die falsche deutsche Haltung Die Haltung der USA zu Deutschland US-Präsidenten und Deutschland Bemerkungen zur Verfassung der USA Zur Berlin-Frage US-Imperialismus Revisionismus heute Über Shirers Pamphlet Das Schicksal der Juden in Osteuropa Polens Verluste im Zweiten Weltkrieg Ostdeutschland und die Vertreibungen Richtigstellungen zugunsten Deutschlands Internationale Rechtsverletzungen und der Internationale Gerichtshof 7

US-Kriegsgewinnler Die Rolle der US-Präsidenten Die Abhängigkeit der US A von England FDRs Schuld Die drei deutschen Staatsformen Aussichten für das 21. Jahrhundert Ausblick

Nachwort des Verlegers Anhang Polens Streben nach territorialer Expansion Die 14 Punkte Wilsons Roosevelts Chicagoer Rede am 5. Oktober 1937 Münchener Abkommen vom 29. September 1938 Churchills Rede zum Münchener Abkommen Chamberlains Rede in Birmingham Die Atlantic-Charta Die Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945.

296 298 305 306 311 313 316 319 330 331 334 337 342 344 350 353 356 366

Personenverzeichnis

8

Einführung Der deutsche Staat im 21. Jahrhundert könnte die schöpferische Rolle spielen, die das Deutsche Reich des 20. Jahrhunderts nach der deutschen Befreiung Kiews von der bolschewistischen Herrschaft im Jahre 1918 gespielt hatte. Jener Vorgang, die Befreiung von Kiew, wurde von so verschiedenen antibolschewistischen russischen Führern, wie den Generalen Wrangel und Krasnow, gerühmt. Zunichte gemacht wurden die sich eröffnenden Aussichten durch einen zweitklassigen politischen Winkeladvokaten, drittrangigen Lehrer und viertklassigen politischen Autor, der jedoch ein erstrangiger Salonbolschewist und Lieblingskind subversiver reicher Juden, wie Bernard Baruch, Louis Brandeis und Henry Morgenthau sen., war. Es handelt sich um US-Präsident Woodrow Wilson (1856-1924). Sein bedeutendster Schüler, Franklin Delano Roosevelt (1882— 1945) war einschließlich Marx, Lenin und Stalin der größte Werber aller Zeiten für den Kommunismus und auch der größte Militarist, auch wenn man Churchill, Stalin und Kaiser Hirohito einbezieht (siehe hierzu Leonard Mosley, Ein Gott dankt ab, Hirohito, Kaiser von Japan, Oldenburg 1967). Die mit Bedingungen verknüpfte Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg vom August 1945 — im Gegensatz zur bedingungslosen deutschen Kapitulation im Mai 1945 — setzte fest, daß Hirohito nicht als Kriegsverbrecher behandelt werde. Diese Bedingung hatte Japan gestellt, als es zum erstenmal im Dezember 1944(!) Roosevelt (FDR) die Kapitulation anbot. Niemand, die japanischer Führer der Jahre 1944—45 einbezogen, stritt ab, daß der Kaiser, der in Japan selbst 9

brutale militärische Säuberungen durchgeführt und persönlich die Plünderung von Nanking (1937) befohlen hatte, wegen zahlloser Ausschreitungen unter die auf keiner gesetzlichen Grundlage stehenden alliierten Anschuldigungen fallen würde. Die Plünderung von Nanking war schlimmer als die gewalttätigen Ausschreitungen der Italiener in Addis Abeba im Jahre 1936, nachdem zwei Eriträer versucht hatten, General Rodolfo Graziani zu ermorden. Sie war fast genauso gräßlich wie die Plünderung von Peking durch die Engländer im Jahre 1860 (siehe D. Hoggan, Das blinde Jahrhundert, Bd. 2, Tübingen 1984, S. 235ff.). Die Tatsache, daß der japanische Kaiser im Rahmen seiner Politik im Zweiten Weltkrieg es fertig brachte, mit jüdischen Kreisen, einschließlich des weltweiten zionistischen Imperialismus, gute Beziehungen zu unterhalten — unter anderem erlaubte er den Zehntausenden von mitteleuropäischen Juden, die ins japanisch besetzte Shanghai gekommen waren, weiterhin ihr Luxusleben zu leben, während zahllose amerikanische und britische Kriegsgefangene geradewegs vor ihren Augen mißhandelt und geschlagen wurden —, mindert in keiner Weise die Feststellung, daß Hirohito manchmal ein brutaler und übelgelaunter Herrscher war (siehe John Dos Passos, Wilsons verlorener Friede, Wien 1964). Als Bismarck ein Jahr nach seinem Sieg über den von Metternich gegründeten Deutschen Bund vor dem Norddeutschen Reichstag erklärte, Deutschland, das er 1871 schließlich wieder nach dem Untergang des Ersten Reiches im Jahre 1806 (also neun Jahre vor Bismarcks Geburt) in den Sattel gehoben hatte, werde zeigen, daß es auch reiten könne, war er ein großer Prophet. Sein Kaiser Wilhelm II. hätte 1918 die Befreiung Rußlands von Lenins Terroristen geschafft, hätte man Deutschland im Verlauf des Ersten Weltkrieges nicht ständig Dolche in den Rücken gejagt. Dies begann mit Wilsons Neutralitätsverletzungen in den Jahren 1914 und 1915. Es setzte sich fort mit seiner unechten Sussex-Erklärung von 1916, um zu einem 10

Verhandlungsfrieden zu kommen. Weiter ging es mit seinen verzerrten Darstellungen im Kongreß, die ihm die erwünschte Kriegserklärung im Jahre 1917 einbrachten. Das Ganze endete in seinen betrügerischen 14 Punkten — dem Waffenstillstandsschwindel von 1918, an dessen Ende der erste Mann der USA öffentlich bewiesen hatte, daß er kein Ehrenmann war, sondern ein Lügner und fügsamer Handlanger des englischen Imperialismus (siehe Gene Smith, When the Cheering Stopped, New York 1964; Mathew Josephson, The President Makers 1896—1919, New York 1940). Nachdem die Weimarer Republik Deutschland gegen wiederholte Versuche, es zu zerstückeln, erfolgreich beisammengehalten hatte, wurde der nachfolgende Versuch Hitlers, der wieder ein starkes Deutschland führte, Europa vom Bolschewismus zu retten, von FDR unterlaufen und zunichte gemacht, wobei Halifax und Churchill nur als Helfershelfer wirkten. FDR hatte Stalin schon 1933 wissen lassen, daß er ihn England gegenüber vorzog (W. C. Bullitt, der erste FDRGesandte in der UdSSR, in einem Gespräch mit dem Autor). Die Hauptopfer des US-Imperialismus im 20. Jahrhundert waren die Deutschen, und dies unabhängig von den fünf hier abzuhandelnden Regierungsformen (eine sechste, nämlich die Österreichs seit dem Jahre 1955, ist ebenfalls zu beachten ). Aber Amerika mit seinen überholten Vorstellungen aus dem 18. Jahrhundert und seiner Korruption gehört der Vergangenheit an oder seinem ursprünglichen Provinzialismus. Deutschland dagegen gehört mit seinem Erbe aus dem 20. Jahrhundert die Zukunft.

»Wie schnell schlägt Deutschlands Herz?« Ein Leitartikel einer Quick-Ausgabe im Jahre 1950 lautete: »Wie schnell schlägt Deutschlands Herz?« Er bezog sich auf die Übergänge vom Kaiserreich zu Weimar, zum Dritten Reich und zur BRD und DDR 11

innerhalb der kurzen Zeitspanne von 50 Jahren, von 1900 bis 1950. Ein Film aus demselben Jahr mit dem Titel Herrliche Zeiten beschrieb die maßgebenden öffentlichen Ereignisse in diesen fünfzig Jahren in gewissen Einzelheiten. Dem aufmerksamen Beobachter stellte sich natürlich die Frage, ob es das deutsche Volk war, das in diesen fünfzig Jahren so außerordentlich unruhig war, oder ob die ganze Unruhe in erster Linie die deutsche Antwort auf das Einwirken globaler Kräfte darstellte. Kurzum, im nationalen Rahmen war es die ständige Frage von Erbgut (Veranlagung) oder Umwelt (-einflüssen), wobei die internationalen anglo-amerikanischen Heuchler 1919 in Versailles, 1946 in Nürnberg und 1948 mit dem Vertrag von Paris, der den Ersten und Zweiten Weltkrieg zusammenfaßte, Deutschland als dem angeblichen internationalen Störenfried die ganze Schuld anlasteten. Als der marxistische SPD-Politiker und Philosoph Karl Kautsky anfing, die deutschen Dokumente über die Ursachen des Ersten Weltkrieges zu untersuchen, erwartete er auf Grund seiner Voreingenommenheit gegenüber deutschem Weltmachtstreben zu Wasser und zu Lande, einen beachtlichen deutschen Schuldanteil zu finden. Er war überrascht festzustellen, daß die Deutschen frei von Schuld waren, während die Engländer und die Franzosen den russischen Zaren in die törichte Mobilmachung von 1914 getrieben hatten. Später sprach das 48bändige Werk von Dr. Thimme und seinen Mitarbeitern über Die große Politik der europäischen Kabinette Deutschland völlig frei. Es folgten dann die Veröffentlichungen so herausragender Autoren wie Sidney Bradshaw Fay mit Der Ursprung des Weltkrieges (2. Bde., Berlin 1930) sowie Hermann Lutz mit Lord Grey und der Weltkrieg (Berlin 1927). Der Freispruch Deutschlands wurde abgeschlossen mit dem Werk von M. H. Cochran, Germany not Guilty in 1914 (Boston, 1931). Der Übergang vom Kaiserreich zu Weimar wurde ausschließlich als Ergebnis der Manipulation von Woodrow Wilson und des un12

günstigen Kriegsausgangs dargestellt, der in erster Linie auf die Schuld der Alliierten zurückzuführen war. Wilson verlangte die Revolution als Gegenleistung für maßvolle Friedensbedingungen. Und dann weigerte er sich, sie einem republikanischen Deutschland zu geben. Darüber hinaus waren diese maßvollen Friedensbedingungen in einem feierlichen Waffenstillstandsvertrag versprochen worden. Wirtschaftskrise zerstört Weimarer Republik Der sozialdemokratische Reichskanzler Hermann Müller erklärte 1928 in einer Rede in Berlin, daß die Weimarer Republik nach den unruhigen Anfangsjahren, die für alle aus Revolutionen hervorgegangenen Staaten typisch seien, nunmehr auf einem festen Untergrund ruhe. Aber schon im Jahre 1927 war Montagu Norman, der Präsident der Bank von England, in die USA gereist und hatte Minister Mellon überredet, die Zinsen der Federal Reserve Bank spürbar zu senken, um den englischen Ausfuhren, die unter dem zu hoch bewerteten englischen Pfund Churchills litten, zu helfen. Das Ergebnis waren eine den Markt sprengende Spekulation sowie ein wirtschaftlicher Zusammenbruch, der in den USA mit einem Schlag ein Drittel der Arbeitsplätze und in Deutschland gar die Hälfte vernichtete, und zwar infolge der in den zurückliegenden Jahren hohen US-Investitionen. Eine Londoner, nicht eine Berliner Aktion veranlaßte die US-Führung zu dem Fehler, der zum Zusammenbruch führte. Müller hatte einen weiteren Aufschwung, den die meisten Leute 1928 erwarteten, angenommen. Seine Voraussage wäre eingetroffen, wenn, wie die Wirtschaftswissenschaftler sagen, andere Faktoren gleichgeblieben wären. Zum Beispiel versuchte FDR in Speaking Frankly (New York 1933), alle Schuld an dem Zusammenbruch Herbert Hoover zu geben, der zum Zeitpunkt von Mellons Fehleinschätzung nur Handels13

minister war. FDR selbst hatte verkündet, der Markt sei festgefügt, als Hoover im März 1929 Präsident der USA wurde. Im Gegensatz zu FDR hatte Hoover im März 1929 erklärt, daß der Markt zu aufgeblasen sei. Weder FDR noch Hoover hatten jedoch das Problem erkannt, das seit Anfang 1929 drohend aufgetaucht war. Müllers Voraussage blieb, soweit es die Stabilität der Weimarer Republik betraf, unwidersprochen. Es steht fest, daß die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 Deutschland weitaus schlimmer als irgendeinen anderen Industriestaat, einschließlich des Anstifters England und des Verursachers USA, traf. Obwohl Galbraith, der frühere FDR-Wirtschaftsberater, recht haben könnte, daß mit Ausnahme der verspäteten Wirtschaftsbelebung Frankreichs im Jahre 1938 Hitlers System das einzige war, das ohne Rückgriff auf künstliche Produktion von Militärgütern und entsprechende Abenteuer in der Lage war, mit der Weltwirtschaftskrise fertig zu werden, bleibt die Tatsache bestehen, daß die 2,8 %, die Hitler bei den Reichstagswahlen 1928 erhielt, den außergewöhnlichen Stimmenzuwachs bei den Wahlen von 1930 und 1932 kaum möglich gemacht hätten — was mittelbar zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Jahre 1933 führte —, wäre da nicht die US-Wirtschaftskrise von 1929 gewesen, die in Deutschland eine starke Arbeitslosigkeit hervorrief, und dies zudem kurz nach den Krisenjahren von 1914—24. Insofern war der zweite Regierungs- und Systemwechsel das Ergebnis einer weltweiten Lageentwicklung, und nicht ein Wunsch seitens der Deutschen. Diese unterstützten und schätzten Hitler erst dann, als sie das Opfer des US-gemachten Unglücks geworden waren. Hitler— FDR—Stalin Kein normaler Mensch würde behaupten, daß die dritte deutsche Staatsform im Zeitraum 1900—50, das Dritte Reich, von einem launischen deutschen Volk zufällig beiseite gelegt wurde. Nach wie 14

vor gibt es zwei völlig verschiedene Weisen, die Person Hitler zu ergründen. Die eine behauptet, daß es ihm nur um den Krieg ging, und dies beinhaltete auch die Vernichtung der Juden. Er sei auch ein Lügner, wenn er über seine persönlichen Erfahrungen von den Schrecken des Ersten Weltkrieges spreche. Die andere Weise, die ich in meinem Buch Der erzwungene Krieg (Tübingen 1990, 14. Auflage) dargelegt habe und die in unzähligen anderen Büchern enthalten ist, zum Beispiel bei Ziegler, Degrelle, Giesler, Kubizek und Birkenhead (viele, etwa John Tolands Hitler-Biographie, sind Ausdruck seelischer Zerrissenheit), sieht in Hitler den vernünftigen und in vielerlei Hinsicht überlieferten deutschen Staatsmann, so wie er von A. J. P. Taylor in Die Ursprünge des 2. Weltkrieges (Gütersloh 1962) und von Francis Neilson in The Tragedy of Europa (5 Bde., Appleton 1940 - 46) dargestellt wird. Wie jedermann weiß, war Hitler Künstler, Maler und vor allem Architekt. Er war nicht irgendein Bankräuber wie Stalin, der den tölpelhaften und mittelmäßigen FDR erheiterte. Und jener FDR verdankte es nur dem Vermögen seiner Eltern, daß er Harvard nicht ohne Abschluß verlassen mußte. Nach nur einem Jahr Studium schaffte er es, dank des Reichtums seiner Eltern eine Stellung im Justizwesen zu bekommen. Francis Perkins, FDRs Arbeitsminister im Jahre 1933, erwähnte, daß John Maynard Keynes während seines einzigen USA-Besuches Reportern erzählte, daß FDR kein Wort von dem, was er über Wirtschaft sagte, verstanden habe. Und jener FDR ließ die Theologieprofessoren Taylor und Murphy von der ColumbiaUniversität in Springfield, Missouri, ins Gefängnis werfen, so daß Murphy auf Dauer wahnsinnig wurde. Und es war jener FDR, der es dem alkoholabhängigen englischen Diktator Churchill erlaubte*, einen hervorragenden US-Karrierediplomaten (Tyler-Kent) ohne Gerichts*

Siehe D. Irvings Untersuchung über Churchills Alkoholabhängigkeit in Journal of Historical Review, 1986-1987. 15

verfahren fünf Jahre lang in ein englisches Gefängnis zu werfen. Und es war jener FDR, der 1942 Hunderttausende von US-Bürgern ohne Rücksicht auf die Gesetzeslage in Konzentrationslager verbringen ließ. Trotz seiner vor Moral triefenden Chicagoer Quarantäne-Rede gegen Hitler vom 5. Oktober 1937 bewegte sich FDR eher auf der Ebene eines Stalin und Churchill denn eines Adolf Hitler. FDR, nicht Hitler, war das Unglück für das 20. Jahrhundert. FDR behauptete, das Verhalten Deutschlands im Jahre 1938 sei ein Unglück für die Zivilisation, und das New Yorker Magazin Times schilderte Hitler am 2. Januar 1939 als einen Mann, der die Hymne des Hasses spiele. Der Schlüssel zum Verständnis für den Niedergang des Britischen Weltreiches und die Niederlagen von Polen, Frankreich, Italien und Deutschland im Zweiten Weltkrieg ist der geheime Roosevelt-StalinPakt von 1933. Dieser Pakt besteht immer noch, auch wenn Truman im Jahre 1947 auf Wunsch einer Gruppe englischer Imperialisten, die vergeblich hofften, England könne die USA weltweit wieder ablösen, den Kalten Krieg erklärte, der eigentlich unecht ist. Das amerikanisch-russische Bündnis ist das fatale Ergebnis von FDRs verruchtem Denken. Lange vor seinem Präsidentschaftskampf gegen Hoover 1932 hatte FDR zusammen mit Harry Hopkins, seinem Berater für soziale Fragen in seiner New Yorker Gouverneur-Zeit, einen groß angelegten Feldzug für Ausgaben im Sozial- und Wohlfahrtsbereich geplant, wenn er Präsident werden sollte (siehe R. Sherwood, Roosevelt und Hopkins, Hamburg 1950). Seinen Wahlkampf gegen Hoover hatte er jedoch mit der falschen Anschuldigung geführt, Präsident Hoover habe zuviel Geld ausgegeben (FDR, Speaking frankly, aaO.). FDR war nicht nur ein zynischer und mittelmäßiger Lügner, sondern auch wie Churchill mit seinen Flächenbombardierungen (Lindeman-Plan) und Stalin mit seinen massiven Säuberungen ein Verbrecher im Weltmaßstab. Lenin bemerkte einmal, das Einsetzen von Verbrechern für politische Ziele sei gut; Stalin aber hat mit diesen 16

CHURCHILL über STALIN (12. 11. 1942): »Dieser große, rauhe Kriegsmann … eine außerordentliche Persönlichkeit, den dunklen und stürmischen Zeiten gemäß, die sein Leben geformt haben …«

ROOSEVELT(28. 5.1939): »Ich denke, die Vereinigten Staaten werden auch in jedem Fall in den Krieg einzutreten haben.«

HITLER (5. 8. 1934): »Soweit es an Deutschland liegt, wird es keinen neuen Krieg geben …« 17

Elementen vorzugsweise Umfang gepflogen. Man muß kein Trotzkist sein, um zu erkennen, daß Stalin, dessen Rolle als Doppelagent im Zarenreich aufgedeckt wurde, nachdem die Unterlagen der Ochrana (zaristische Geheimpolizei) von Paris ans Hoover-Institut nach Stanford verbracht worden waren, ein internationaler Verbrecher war. Nachdem er mit dem im Exil befindlichen Trotzki in verschiedenen Ländern Katz und Maus gespielt hatte, ließ er ihn 1940 in Mexiko ermorden.

Das FDR—Stalin—Bündnis von 1933 Die Tatsachen des FDR-Stalin-Bündnisses von 1933 sind von den offiziellen Vertretern nie öffentlich zugestanden worden. Königin Elisabeth I. von England lehnte vor Jahrhunderten ein Heiratsangebot Iwans des Schrecklichen als einen schlechten Scherz ab (Iwan der Schreckliche: »Wenn mein Volk mich stürzt, leben wir in England, wenn Ihr Volk Sie stürzt, leben wir in Rußland.«). Aber Iwan der Schreckliche mit seinen oprichini (den Polizeigewaltigen) war im Vergleich zu Stalin und seiner Tscheka sowie dem NKWD (der Geheimpolizei in den Anfangsjahren des Bolschewismus; siehe hierzu Walter Duranty, Stalins Rußland, New York 1944) ein geachteter und gesetzmäßiger Herrscher. Von 1917 an hatten es nacheinander vier US-Präsidenten abgelehnt, das bolschewistische Regime unter Lenin und Stalin diplomatisch anzuerkennen, obwohl eine solche immer wieder beteuerte Verweigerung das internationale Recht in Frage zu stellen hieß, vor allem dann, als die Bolschewisten die unumstrittenen Herrscher Rußlands geworden waren. Das Geheimnis des FDR-Stalin-Bündnisses von 1933 wurde mir 1947 persönlich bestätigt, als ich Gast in Bullitts Haus in Washington, DC, war. Ich wurde Bullitt durch meinen bedeutendsten Harvard18

Professor William Langer (1896—1977) vorgestellt. Langer war im Zweiten Weltkrieg Chef der geschichtlichen Abteilung des OSS, des damaligen CIA. Bullitt war zum Ende des Ersten Weltkrieges Wilsons wichtigster diplomatischer Unruhestifter in Rußland — er diente auch dem fortschrittlichen Romanschriftsteller Upton Sinclair in einer Reihe von Romanen als Vorbild für den weltweiten Reisediplomaten. Wie ich in meinem Buch Der erzwungene Krieg (aaO.) ausgeführt habe, hat Bullitt (zu seinem späteren Leidwesen) als FDRs wichtigster Kriegsschürer in Westeuropa gewirkt, und zwar von der Münchener Konferenz im September 1938 an bis zum Kriegsausbruch zwischen Polen, Frankreich, England und Deutschland im September 1939. Bullitts Buch, das das Bündnis von FDR mit Stalin insgesamt verurteilte, erschien erst 1943. Bullitt war von 1933 bis 1936 als FDRs Wunschbotschafter in Moskau, wurde aber dann auf eigenen Wunsch an die Botschaft in Paris versetzt. In seinem letzten Bericht aus Rußland machte Bullitt keinerlei Geheimnis daraus, daß er froh war, Moskau zu verlassen, weil er Stalin und dessen Helfershelfer und Methoden verachtete, ja haßte. Daß er weiterhin Stalins Verbündetem FDR in Paris dienen konnte, zeigt, daß er zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt war, folgerichtig zu denken und zu handeln. Trotz seiner zunehmenden Verachtung des FDR-Stalin-Bündnisses war er immer noch bereit, seinen Dienst zu machen, genauso wie William Donavan und Joseph Kennedy (Botschafter in London), und zwar als Teil undWerkzeug des etablierten Grenville Clark/James Conant-Klüngels von Harvard. Dieser Kreis spiegelte die Hinterlassenschaft des J.P. Morgan/John D. Rockefeller-Klüngels aus dem Ersten Weltkrieg wider. Und dieser Kreis war nie bereit gewesen, den Nye-Bericht für den Kongreß aus dem Jahre 1934 über die ruchlosen Verbrechen der ›Händler mit dem Tod‹ der Jahre 1914—18 im offiziell neutralen Amerika anzuerkennen. Erst 1943 veröffentlichte Bullitt sein Buch The Great Globe Itself. Im selben Jahr fing Joseph Kennedy, der Vater des späteren Präsidenten 19

John F. Kennedy, an, gegen FDRs prostalinistische Außenpolitik anzugehen. 1940 hatte Kennedy FDR geraten, auf Churchill Druck auszuüben, mit Hitler einen Kompromißfrieden zu schließen. Kennedy forderte auch Papst Pius XII. auf, etwas gegen den wachsenden Einfluß Stalins in Europa zu tun. Der. Papst unterrichtete Kennedy, daß FDR und Churchill vergeblich versucht hätten, ihn schon im Anfangsstadium des Krieges gegen Hitler und Mussolini auf ihre Seite zu bekommen. Er ließ ihn auch wissen, daß seinen Bemühungen, FDR gegen Stalin einzunehmen, kein Erfolg beschieden war. FDR war zu jener Zeit derart auf das Vorrangbündnis mit Stalin festgelegt, daß nicht einmal Churchill in der Lage war, ihn zu beeinflussen. Bullitt berichtete mir auch von seinen Gesprächen mit den sowjetischen Führern nach seiner Ankunft in Moskau im Jahre 1933. Stalin, der oberste sowjetische Voshd (Führer), hatte es soeben mit Hilfe des Gosplan und seines Schwagers im Obersten Sowjet, Lazar Kaganowich, geschafft, Millionen ukrainischer Bauern zu vernichten — unter dem Vorwand, es müßten Lebensmittelvorräte für die sowjetischen Fernosttruppen, die Japan gegenüberstanden, gesammelt werden (siehe Robert Conquest, Die Ernte des Todes, München 1988). Er ließ Bullitt wissen, er liebe es, die englischen und französischen Botschafter endlos warten zu lassen. Als FDRs Gesandter könne er, Bullitt, ihn jedoch zu jeder Tages- und Nachtzeit in seiner KremlWohnung erreichen. Der US-Gesandte war einschließlich des deutschen Gesandten die Nummer 1 der dem Kreml genehmen Diplomaten. Hitler war erst unlängst an die Macht gekommen, und die geheimen militärischen wie wirtschaftlichen Abmachungen des deutsch-sowjetischen Vertrages von Rapallo sowie des Berliner Freundschaftsvertrages von 1926 wurden noch immer erfüllt (siehe Gordon Lang, … die Polen verprügeln, Lindhorst 1989). Stalin selbst hat sie dann aufgekündigt. Bei seinen Verhandlungen mit dem sowjetischen Außenminister Maxim Litwinow 1933 in Washington 20

über internationale Schulden und diplomatische Anerkennung hatte FDR ein amerikanisch-sowjetisches Bündnis durchgekämpft, dessen Dauer davon abhängen würde, wie lange FDR oder ein ernannter Nachfolger, wie Henry Wallace, an der Macht bleiben könnte. All dies geschah ohne Unterrichtung des US-Kongresses und ist mit der IranContra-Affäre der Reagan-Verwaltung der achtziger Jahre vergleichbar. Churchill entdeckte erst 1942, daß er bei Stalin hinter FDR erst die zweite Geige spielte. Der Versuch von Ex-Präsident Herbert Hoover, im Jahre 1941, also noch vor Pearl Harbor, die Öffentlichkeit und den Kongreß zu mobilisieren, damit das FDR-Stalin-Bündnis nach dem Ausbruch des deutsch-russischen Krieges nicht in Kraft trete, war ein vollständiger Mißerfolg. Selbst der höchste US-Richter, Charles Evan Hughes, ein Republikaner, der noch von Hoover ernannt worden war, weigerte sich, bei dem mitzumachen, was er verächtlich eine verlorene Sache nannte. So macht die Gewohnheit aus uns allen willfährige Kreaturen: Nachdem sich Hughes schon vier Jahre zuvor FDR im Amt ergeben hatte, war er nun nicht bereit, sich FDR in einer Sache mit weltweiten Auswirkungen entgegenzustellen, obwohl AI Smith, 1928 FDRs Vorgänger als Präsidentschaftskandidat der Demokraten, bereit war, FDR öffentlich als »Handlanger der Kommunisten« zu bezeichnen. Bullitt erwähnte mir gegenüber einen Zwischenfall mit Litwinow im Europa-Expreß (Litwinows richtiger Name war Finkelstein, und ehe er sich Lenin anschloß, hatte er in London Damenunterwäsche verkauft). Dieser Mann hatte das FDR-Stalin-Bündnis in die Wege geleitet. Litwinow war von 1929 bis 1939 sowjetischer Außenminister; sein Vorgänger war Tschitscherin und sein Nachfolger Molotow. Er erwähnte Bullitt gegenüber, daß die Stadt Bialystok, die im mittleren Teil Polen zwischen 1922 und 1939 lag, seine Geburtsstadt sei. Als Bullitt daraufhin einwarf, er habe nicht gewußt, daß der jüdische Außenminister der Sowjetunion Pole sei, habe dieser geschrien, die Stadt werde nicht mehr lange polnisch bleiben. Bialystok ist heute eine 21

polnische Grenzstadt, obwohl es im Herbst 1939 von Stalin annektiert worden war. Erst später wurde es an die »Lublin-Polen«, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg die getreuen Statthalter sowjetischer Interessen in Polen waren, zurückgegeben. Derselbe Stalin hatte Churchill und Truman auf der Konferenz von Potsdam im Juli 1945 mitgeteilt, die Schlesier seien nicht länger in Schlesien erwünscht (!) (siehe hierzu Helmut Sündermann, Potsdam — ein kritischer Bericht, Leoni 1962). Stalin hatte auch zugelassen, daß Litwinow als polnischer Jude aus einer polnischen Stadt endete. Er hatte dies so beiläufig getan wie FDR, der es Earl Warren, der von Eisenhower 1953(!) zum obersten US-Richter ernannt wurde, erlaubte, 1942 die US-Bürger japanischer Abstammung auf Betreiben von Eleanor Roosevelt einzusperren. Kann es irgend etwas Ironischeres geben als die Tatsache, jemanden in das höchste Richteramt zu berufen, der für seine verfassungswidrige Politik bekannt war? Bullitt berichtete mir 1947, er habe mit FDR gebrochen und sei nach der Entscheidungsschlacht von Stalingrad 1942—43 offen gegen dessen Politik aufgetreten, als er erkannt hatte, daß FDR das Bündnis mit Stalin aus dem Jahre 1933 nicht nur als geeignet ansah, um der amerikanischen Weltmachtpolitik zu dienen, sondern daß ihm dieses Bündnis auch über alles ging. FDR war auch bereit, dieses Bündnis zu benutzen, um den englischen Imperialismus zu zerstören, was Churchill 1942 im Weißen Haus in Washington herausgefunden hatte (siehe auch Elliott Roosevelt, As he Saw It, New York 1947).

Die Front gegen Hitler Man wird dabei an jene Bemerkung des früheren US-Botschafters in England Joseph Kennedy gegenüber dem früheren Marineminister James Forrestal auf dem Golfplatz erinnert. FDR habe Kennedy 22

angewiesen, Chamberlain das Rückgrat zu stärken, um gegen Hitler Front zu machen bis hin zur Kriegsbereitschaft. Zum damaligen Zeitpunkt war es Hitlers einziges Ziel, freundschaftliche Beziehungen und sogar ein Bündnis mit England zu haben. Und damals sei es auch allen aufmerksamen Beobachtern klar gewesen, daß das restliche Europa nur wegen Hitler nicht unter Stalins Knute geraten sei (siehe The Forrestal Diaries, New York 1951). Hitler, der notwendige und unerläßliche Gegenpol und Gegenspieler des Bolschewismus im Europa der dreißiger Jahre, wurde daher von Roosevelt, der im Sinne Stalins — des größten Massenmörders aller Zeiten — handelte, als der Mann dargestellt, den es anzugreifen gelte. Und er bot alle seine Kräfte auf, die korrupt-dekadenten konservativen Kreise Englands davon zu überzeugen. Und tatsächlich haben sie ihn im Jahre 1939 unter dem denkbar schwächsten Vorwand angegriffen. Als das Jahr 1939 begann, hatte Hitler nicht die entfernteste Absicht, Krieg zu führen, vor allem nicht mit jenen drei Ländern, die schließlich seine Gegenspieler wurden: England, Frankreich und Polen. Daß das Deutschland Hitlers trotz seiner geringeren Bewaffnung im Vergleich zum kleineren England diesen drei Ländern mehr als nur gewachsen gewesen wäre, wäre da nicht die massive illegale Unterstützung Englands durch die USA gewesen, versteht sich von selbst. Nach dem Kriegsausbruch im September 1939 machte FDR sogar den feigen und korrupten US-Kongreß zum Mittäter bei der Verletzung internationalen Rechts. FDR beschwatzte den Kongreß, die offizielle Neutralitätsgesetzgebung der USA aus den Jahren 1934 bis 1937 zu Gunsten Englands zu ändern, obwohl seit der Pariser Konferenz von 1856 das internationale Recht festlegte, daß ein neutraler Staat seinen Neutralitätsstatus nicht nach Kriegsausbruch ändern durfte. Adolph Ochs, der jüdische Herausgeber der überwiegend jüdischen New York Times, sagte 1934 zu dem hervorragenden 23

amerikanischen Historiker Charles Beard, seine Zeitung und er hätten den Weg Hitlers an die Macht trotz einiger Nachteile für die Deutschen unterstützt, weil Hitler der einzige und daher der unerläßliche Retter Europas und möglicherweise der USA vor dem Bolschewismus sei (siehe hierzu Clyde Millers Tonband in der Bücherei der Columbia-Universität sowie eine in meinem Besitz befindliche Ampex-Kopie).

24

Gescannt von c0y0te.

Die Ausgangslage im Bismarckreich

»Möge die Wiederherstellung des Deutschen Reiches für die deutsche Nation auch nach Innen das Wahrzeichen neuer Größe sein, möge dem Deutschen Reichskrieg, den wir so ruhmreich geführt, ein nicht minder glorreicher Reichsfrieden folgen, und möge die Aufgabe des deutschen Volkes fortan darin beschlossen sein, sich in dem Wettkampfe um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen.« Otto von Bismarck bei der Eröffnung des 1. Deutschen Reichstages am 21.3.1871

25

26

Zum Bismarck-Reich Will man den wesentlichen Unterschied zwischen dem BismarckReich und dem Dritten Reich finden, muß man nicht weit suchen. Was Bismarck anbelangte, so war dessen Verfassungsentwurf während der Monate nach dem entscheidenden Sieg über die Habsburger bei Königgrätz fertiggestellt. Bismarck, der seine Deutschen gut kannte, sagte in seinen Erinnerungen an einer bekannten und oft zitierten Stelle, daß die alten Frauen in Deutschland das Recht gehabt hätten, ihn mit dem Besen zu schlagen, wenn Moltke die Schlacht verloren hätte. Oder anders ausgedrückt: wie die alten Khasaren, deren Anführer nach verlorener Schlacht hingerichtet wurden, so verlangten auch die Deutschen von ihren Führern Erfolg und duldeten keinen Mißerfolg, ob der nun heldenhaft, idealistisch und selbstlos war. Bismarck wußte dies. Auch überraschte ihn nicht der Widerstand aus den Kreisen des preußischen Adels — so zum Beispiel von den Gerlach-Brüdern und von Harry von Arnim, um nur einige aus der 28jährigen Regierungszeit (1862—1890) zu nennen. Es überraschte ihn auch nicht, als der Reichstag in mehrheitlicher Abstimmung und trotz Bismarcks Erfolge und Verdienste es 1895, drei Jahre vor seinem Tod, ablehnte, ihm zum 80. Geburtstag Glückwünsche auszusprechen. Indes kamen ausländische Politiker von China und Brasilien, um ihn in den letzten drei Jahren seines Lebens um politischen Rat zu bitten. Bismarck kannte die Geschichte der Deutschen. Er wußte um den Verrat an Friedrich Barbarossa nach zwanzigjährigen Erfolgen im Jahre 1167 und erneut zur Zeit des dritten Kreuzzuges im Jahre 1190. Selbst wenn deutsche Führer Erfolg hatten, wurden sie nicht allgemein anerkannt, geschweige denn, wenn sie Mißerfolg hatten. 27

Jedermann weiß, daß sich Bismarck zwecks Erholung sechs Wochen lang auf seine geliebte Ostseeinsel Rügen zurückziehen mußte, nachdem er nach vielen Widerständen und nach vielen Debatten die Verfassung für den Norddeutschen Bund mit seinem allgemeinen Wahlrecht durchgesetzt hatte. Im damaligen Amerika war dieses Recht noch nicht völlig erreicht, und in England waren nur 5 Prozent der damaligen Engländer wahlberechtigt. Unglückliche US-Führer Ehe wir uns den Verfassungsproblemen zuwenden, die von Bismarck nicht gelöst wurden, wenden wir uns noch einmal den Überlegungen zu, daß die alten Frauen Bismarck mit dem Besen geschlagen hätten, hätte er nicht gegen die großartige böhmische Kavallerie gesiegt und hätten die Habsburger ihren besten General nicht in Italien, sondern in Böhmen eingesetzt. Wäre Bismarck unterlegen gewesen, dann hätte er die alleinige Verantwortung übernommen, und all sein Idealismus und all seine Träume hätten ihn nicht gerettet. Lassen Sie uns einen Blick auf eine der größten Niederlagen der modernen Zeit werfen, nämlich die Vernichtung der Konföderierten Staaten von Amerika am Ende eines vierjährigen Krieges, der zu jenem Zeitpunkt der bislang größte aller Kriege war. Dieser Krieg nahm praktisch mit der Missouri-Krise des Jahres 1819 seinen Anfang. Die Niederlage der Südstaaten war im Jahre 1865 endgültig besiegelt. Auf Grund der Verwüstungen und der Taktik der verbrannten Erde, der schlimmsten der modernen Zeit, herrschten Hungersnöte in vielen Gebieten noch vierzig Jahre nach Kriegsende. Von Texas ausgenommen, wurde der gesamte Süden fünfzehn Jahre lang militärischem Besatzungsrecht unterstellt. Und Georgia drohte sogar die Entvölkerung von allen Weißen zugunsten schwarzer Ansiedlung. Überall im Süden sangen die Neger ihr Lied: »Vorwärts Weiße. Ihr kommt zu spät. Wir sind die Farbe, die gewinnt!« 28

Sowohl Südstaaten-Präsident Jefferson Davis als auch SüdstaatenOberbefehlshaber Robert E. Lee übernahmen die volle Verantwortung für die Niederlage einschließlich vieler einzelner Handlungen, für die keiner von ihnen verantwortlich war. Und dennoch blieben sie vom Tag der Niederlage an bis heute die beiden am meisten bewunderten Führer des Südens. Ein New Yorker, der Richmond in Virginia besuchte, bat einen schwarzen Taxifahrer, ihn zu dem Haus zu fahren, wo der »verdammte Schuft Jeff Davis« lebte. Der Neger stieg sofort auf die Bremsen, fuhr an den Randstein und sagte: »Wenn wir beide lebend wieder aussteigen wollen, dann vergessen Sie bitte sofort, was Sie gesagt haben.« Es gibt noch heute in Italien viele Gebiete, wo es gefährlich wird, Mussolini zu beleidigen. Und in Japan ist es natürlich überall gefährlich, den Kaiser trotz seiner furchtbaren Niederlage 1945 zu beleidigen. Bismarck—Stresemann Vor der Behandlung von Verfassungsfragen werfen wir noch einen Blick auf die religiösen Überlieferungen. Bismarck, der mit einer Pietistin verheiratet war, war normaler Lutheraner, der den Katholizismus wie auch das Judentum duldete. Hitler unterstrich das positive Christentum aus der Sicht eines Katholiken, der den Protestanten guten Willen entgegenbrachte, aber das Judentum in Deutschland wegen seines schädlichen Einflusses in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ablehnte. Diesen Standpunkt teilte auch Eleanor Roosevelt in einem Brief an Mrs. Hicock im Jahre 1939. Der Heiligen Schrift zufolge endete Jesus, ans Kreuz genagelt, zwischen zwei Dieben. Und dies war in der alten Welt, unabhängig von späteren Deutungen des Vorganges, das größtmögliche Sinnbild für das Scheitern. Die Khasaren waren keine Christen, und daher ging sie das nichts an. Aber sollte man von Leuten, die in der christlichen Überlieferung leben, nicht erwarten können, daß sie gegenüber 29

ehrenhaftem Versagen die Achtung erweisen, die sie ihrem späteren Heiland und Erlöser erweisen ? Und gibt es nicht auch einen praktischen Anlaß, ein Scheitern positiv zu sehen, wenn man daraus lernen kann? Wenn man sich nur darauf konzentriert, genau das Gegenteil von dem zu tun, was der Kaiser oder Hitler gemacht haben würden, kann das sowohl zum Erfolg als auch ins Verhängnis führen. Der Erfolg von Gustav Stresemann und seiner jüdischen Frau, die während des Krieges beide noch zu den Anhängern von Gebietsabtretungen zugunsten Deutschlands gehörten, ist in den Medien sehr übertrieben worden. Obwohl es ihm vor seinem Tode im Jahre 1929 noch gelang, daß Deutschland einen Sitz im Völkerbund erhielt, konnte er bei wichtigeren Fragen keine Fortschritte erzielen, so in der Frage der Rüstungsgleichheit oder der Minderung der Reparationszahlungen. Und selbst der Locarno-Vertrag von 1925 war nur ein Teilerfolg, und zudem wurde damit auch die Abtretung von EupenMalmedy an Belgien anerkannt, ohne daß es gleichzeitig gelang, Polen und Franzosen zu einem Gespräch über eine deutsch-polnische Grenzberichtigung zu überreden. Das kann mit der Unfähigkeit Hardenbergs verglichen werden, auf dem Wiener Kongreß 1815 Elsaß-Lothringen zurückzugewinnen; aber auch mit den Schwierigkeiten Bismarcks nach dem Wiedererwerb Elsaß-Lothringens 1871 sowie dem Scheitern seines Plans eines europäischen Staatenbundes, von dem Kant und Fénelon im 18. Jahrhundert geträumt hatten. Die Bereitschaft der Weimarer Nationalversammlung, die harten Friedensbedingungen sofort anzunehmen, die durch das alliierte Verhalten anläßlich der Abstimmung in Oberschlesien 1921 noch schlimmer gemacht wurden, sowie die Unfähigkeit Stresemanns, in Locarno und auch später eine ernsthafte Überprüfung der deutsch-polnischen Grenzregelung zu erreichen, überließen das Problem 1933 Hitler. Anzumerken ist, daß keine der 21 Weimarer Regierungen bereit war, die im Versailler Diktat festgelegte Grenze zwischen Deutschland und Polen anzuerkennen. 30

Hitler hatte 1933 einen guten Start. Nachdem die Franzosen polnische Vorschläge für einen Präventivkrieg zurückgewiesen hatten, reagierte Hitler bereitwillig auf Pilsudskis Aussöhnungsangebot mit Polen. Und es besteht keinerlei Zweifel, daß Hitler eine langfristige Zusammenarbeit mit Polen anstrebte. Er hatte sicherlich auch nicht unrecht in der Annahme, daß es England ohne den vorzeitigen Tod von Pilsudski im Jahre 1935 nicht gelungen wäre, 1939 Polen genauso zu benutzen wie 1914 Belgien, um einen Krieg anzufangen. Mit erheblichem diplomatischem Geschick war es Bismarck zumindest zweimal gelungen, einem europäischen Krieg (1878 und 1887) während seiner neunzehnjährigen Regierungszeit als Reichskanzler aus dem Wege zu gehen. Deutsche Verfassungen Bismarck, der die Absicht hatte, eine Bundesverfassung für das ganze Land auszuarbeiten, die befriedigende Lösungen einer Zusammenarbeit zwischen Preußen und anderen deutschen Staaten vorsah, war nicht in der Lage, etwas am Wahlrecht der bestehenden modernen preußischen Verfassung von 1850 zu ändern. Diese Verfassung war von den gemäßigten Gegnern der Revolution von 1848 erarbeitet worden, nachdem das Frankfurter Parlament, das verschiedene Verfassungsentwürfe ausgearbeitet hatte, gewaltsam aufgelöst und verjagt worden war, ohne daß es seine Arbeit hätte beenden können. Obwohl es sich um ein allgemeines Wahlrecht handelte — und in technischer Hinsicht war es auch eines —, war es in der Praxis nur wenig umfassender als das bestehende englische. Nach der englischen Wahlrechtsreform von 1885, die Bismarcks allgemeinem Wahlrechtsentwurf folgte, war das englische Wahlrecht umfassender als das deutsche Dreiklassenwahlrecht, das auf drei Steuergruppen zurückging. Kaiser Wilhelm II. hoffte, mit diesem Anachronismus, der bis September 1918 andauerte, fertig zu werden. 31

Der wichtige Punkt, der bei der Erörterung der drei deutschen Regierungssysteme (Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittes Reich) zu beachten ist und der einen Vergleich zwischen dem Bismarck- und dem Hitler-Reich schwierig, wenn nicht unmöglich macht, ist die Tatsache, daß die Weimarer Verfassung des Dr. Hugo Preuß bis zum Ende des Dritten Reiches am 23. Mai 1945 (Regierung Dönitz) in Kraft war. Sie war in Kraft einschließlich jenes Artikels 48, der Hitler später im gleichen Maße die Sondervollmachten gab, wie er sie den Reichskanzlern Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher gegeben hatte. Nicht nur das, sondern auch der Unfug, daß es mit Reichspräsident und Reichskanzler zwei ausführende Gewalten mit vergleichbarer Macht gab (in der 3. französischen Republik gab es einen starken Premierminister und einen Präsidenten, der nur repräsentative Aufgaben hatte), veranlaßte Hitler dazu, am Ende des Jahres 1933 im Reichstag ein Gesetz verabschieden zu lassen, das diesen Zustand beenden sollte, wenn Reichspräsident von Hindenburg, der Anfang August 1934 starb, die politische Bühne verlassen sollte. Daß die Streitkräfte nach Hindenburgs Tod am 2. August 1934 auf Hitler einen persönlichen Eid leisteten, was Preuß eigentlich nach dem vorherrschenden Brauch in den meisten anderen Staaten in die Weimarer Verfassung hätte schreiben müssen, ist weniger wichtig als die Tatsache, daß sich Hitler im August 1934 als Ausführender des Artikels 48 nicht nur die Wählbarkeit, sondern auch das Ansehen des Amtes sicherte. Damit hatte er machtpolitisch in etwa mit dem amerikanischen Präsidenten gleichgezogen. Hitler hätte aber zum Beispiel selbst in Kriegszeiten keineswegs einfach Großadmiral Raeder entlassen können, wie das Roosevelt zu Friedenszeiten, als die USA offiziell neutral waren, mit Großadmiral Richardson gemacht hatte. Dieser hatte Roosevelt der Kriegstreiberei beschuldigt, weil er gegenüber Japan ungesetzlich vorgegangen sei und dann die ganze US-Pazifik-Flotte in einem einzigen Pazifik-Hafen, nämlich Pearl 32

Harbor, konzentriert habe, um so die Japaner zu einem Angriff herauszufordern. Damit habe dann Roosevelt den Krieg bekommen, den er sich so sehr wünschte: den Krieg gegen Hitler. Erst sehr lange nach dem Kriege, und dann noch in tendenziöser Art, wurden den Marineoffizieren und der amerikanischen Öffentlichkeit Gründe für die Entlassung von Großadmiral Richardson gegeben. Hätte Hitler versucht, in gleicher Weise gegen Raeder vorzugehen, dann hätte dies zum geschlossenen Rücktritt all seiner höheren Marineoffiziere geführt. Die Machtfülle, die ein amerikanischer Präsident hat, ist nur schwerlich vorstellbar. Als Churchill 1943 Roosevelt in Tunis fragte, wieso er einen derartig einfältigen Mann wie Eisenhower zum Befehlshaber der sogenannten zweiten Front im kommenden Jahr in Frankreich machen konnte (die Anweisungen für diesen Plan gab FDR noch vor dem japanischen Angriff; siehe Sherwood, aaO., und Wedemeyer, Der verwaltete Krieg, New York 1958), beruhigte FDR Churchill damit, daß es sich bei Eisenhower um einen guten »Public relations«–Mann mit ordentlichen politischen Ideen handle. Obwohl Roosevelt wußte, daß Eisenhower keinerlei militärisches Talent hatte, hatte er ihn innerhalb von zwei Jahren vom Major zum Vier-Sterne-General befördert. Er hatte ihn ernannt, um Hitler mit Eisenhowers deutschem Namen zu ärgern, ohne sich groß um dessen politische Ansichten sorgen zu müssen, wie es im Falle des befähigten deutsch-amerikanischen Generals Albert Wedemeyer der Fall war. Roosevelt beruhigte Churchill weiterhin, indem er ihn wissen ließ, daß er General George Marshall ein absolutes Einspruchsrecht bei allen militärischen Entscheidungen von »Ike« (Lieblingsname von Roosevelt und seiner Tochter für Eisenhower) gegeben habe. Eisenhower sei zudem in so viele Sex- und Bestechungsskandale verwickelt, daß er es nicht wagen werde, sich irgendwelchem Druck zu widersetzen. Churchill ließ sich beruhigen, wunderte sich aber dennoch, wie militärische Angelegenheiten in einem Präsidialsystem geregelt wurden. Im Gegensatz zu 33

Churchills formal erklärter Alleinherrschaft hatte es Roosevelt auf Grund seiner diktatorischen Machtfülle als Präsident nicht nötig, sich seine diktatorische Macht offiziell bestätigen zu lassen. In Tunis unterzog Roosevelt Churchill auch einer kurzen Prüfung über dessen amerikanische Geschichtskenntnisse. FDR sagte, er wisse, daß Churchill die Namen der führenden amerikanischen Frontoffiziere im Bürgerkrieg kenne. Er bezweifle aber, ob er die Namen der Stabsoffiziere kenne. Churchill kannte sie nicht, obwohl er sich seiner guten amerikanischen Geschichtskenntnisse rühmte und immer wieder darauf verwies, daß er von seiner Mutter Seite ein »Viertel«Amerikaner war. In seiner Rede an das deutsche Volk am Abend des 20. Juli 1944 erinnerte Hitler daran, daß die Weimarer Verfassung, die der Jude Dr. Hugo Preuß ausgearbeitet hatte, noch immer in Deutschland in Kraft sei, daß die ursprünglichen Ermächtigungsgesetze, denen ein Reichstag mit mehreren Parteien zugestimmt hatte, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen, erweitert worden seien und daß er nach wie vor der rechtmäßig gewählte Vertreter des deutsche Volkes sei. Hitler hatte nie an eine lebenslange Amtszeit gedacht, wie dies aus den »Tischgesprächen« 1942 und 1943 hervorgeht und von seinem Architekten Hermann Giesler (Ein anderer Hitler, Leoni 1977) bestätigt wird; anders als FDR, Churchill und Stalin, wobei allerdings nur Roosevelt und Stalin, bis zuletzt nicht in Frage gestellt, ruhig im Amt verstarben. Churchill wurde 1945 in der ersten Wahl nach 1935 durch eine große Mehrheit ausgebootet. Im Alter von 76 Jahren gelang es ihm, 1950 noch einmal an die Macht zu kommen, doch konnte er sich nicht halten. Auch sein Liebling und Nachfolger Anthony Eden schaffte das nicht. Es ist weiterhin aus den gleichen Quellen bekannt, daß Hitler nicht die Absicht hatte, sein geliebtes Deutschland auf Dauer durch eine Notstandsverfassung regiert zu sehen, eine Verfassung, die jedoch erforderlich geworden war, um mit der Krise, der sich Deutschland seit 34

1918 gegenübersah, fertig zu werden. Hitler sprach häufig und engagiert von einer Verfassung, die einen gesetzmäßigen Senat einrichten und das Land in den Normalzustand zurückführen solle. Das Stauffenberg-Attentat kam etwa zu dem Zeitpunkt, als Hitler plante, sich nach Linz zurückzuziehen und Eva Braun zu heiraten, nachdem er die Last der Staatsführung abgegeben habe und seine Nachfolge fest geregelt sei. Politologen machen sich gern über den Artikel 48 der Weimarer Verfassung lustig, weil dieser den Übergang zu einer Notstandsverfassung mit präsidialen Vollmachten erleichterte. Aber war dieser Artikel für Preuß nicht eine Notwendigkeit, um der durch den Versailler Diktatfrieden bedingten inneren Krise Deutschlands Herr zu werden? Mit Ausnahme der trügerischen Jahre 1925 bis 1929 in der Weimarer Republik, der Jahre 1936 bis 1941 im Dritten Reich, vom Sieg über die Arbeitslosigkeit bis hin zur Kriegslast 1941, als die USA und Rußland in den Krieg eintraten, der Zeit in der BRD und DDR seit 1949 und in Österreich seit dem Vertrag von 1955, gab es trotz des wirtschaftlichen Wachstums keinerlei Normalzustand in Deutschland: im letzteren Zeitabschnitt vor allem, weil das Land genauso wie seine Hauptstadt geteilt und Deutsche aus ihren angestammten Gebieten vertrieben wurden. Insofern stellen die Nachkriegsjahre eine Fortsetzung der deutschen Krise über die fünfziger Jahre bis zum heutigen Tag dar. Und damit wird fast das ganze 20. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Krise für das deutsche Volk. Und geht man noch über Wilson hinaus bis zur »Entente Cordiale« des Jahres 1904, dann bedeutet dies einen Zeitraum von über 83 Jahren, und das, obgleich das Ziel sowohl Bismarcks als auch des Kaisers die Freundschaft mit den Engländern war. Durch den Tausch von Helgoland gegen Sansibar (1890) war das deutche Kolonialreich 1914 kleiner als zum Zeitpunkt von Bismarcks Amtsrücktritt im Jahre 1890. Unabhängig von den Debatten über 35

Gebietsaneignungen im Verlauf des Ersten Weltkrieges bleibt festzustellen, daß sich Deutschland auch nach dem Vertrag mit dem besiegten Rußland vom März 1918 (Brest-Litowsk) keinen Quadratmeter Land angeeignet hat. Was sich Deutschland von der Befreiung Finnlands, Estlands, Lettlands, Litauens, Polens und der Ukraine wirtschaftlich und politisch erhoffte, steht auf einem anderen Blatt. Die Regierung hatte sich zudem die Friedensentschließung des Reichstages aus dem Jahre 1917, die jeglichen Gebietserwerb ausschloß, zu eigen gemacht. — Die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie kam in den Nutzen gewisser geringfügiger Grenzberichtigungen gegenüber Rumänien. Die Engländer dagegen haben sich als mittelbares Ergebnis des Ersten Weltkrieges eine Million Quadratmeilen Land angeeignet; dies entspricht der fünffachen Fläche von Frankreich. Nachdem das Zweite Reich der Deutschen 1871 ausgerufen worden war, wurde die Bismarcksche Reichsschöpfung zum stärksten Pfeiler an Ruhe und Festigkeit nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Und Bismarck wandte sich ständig gegen den Ausbruch von jeder Art von Krieg in Europa. Verschiedene Vorgänge führten zum damaligen Zeitpunkt zu einer gewissen gemeinsamen ideologischen Ausrichtung, die nicht unwesentlich durch die konstitutionelle deutsche Monarchie beeinflußt war. Welche Haltung Bismarck gegenüber dem bolschewistischen Koloß, dem sich die Weimarer Republik und das Dritte Reich gegenübersahen, eingenommen hätte, steht ebenfalls auf einem anderen Blatt. Die harten Friedensbedingungen von Versailles sowie der furchtbare alliierte Druck veranlaßten Preuß, im Jahre 1919 den Artikel 48 der Weimarer Verfassung durchzusetzen. Aber der ständige Rückgriff auf diesen Artikel 48 seit dem Jahre 1930 unter den Reichskanzlern Brüning, von Papen und von Schleicher ließ zwar weiterhin das parlamentarische Regierungssystem funktionieren, auch wenn der Artikel 48 zeitweilig oder auch auf Dauer eine Art präsidiale 36

Diktatur schuf. Seine Anwendung war nicht das Ergebnis der alliierten Ruhr-Besetzung oder des Young-Planes, sondern eindeutig der Auswirkungen der US-gemachten Weltwirtschaftskrise. Hinter der Fassade dieser Präsidialdiktatur war die von Franz von Papen geführte Reichsregierung, die sich nur auf die 8 Prozent des Reichstages, die Abgeordneten der DNVP (Deutschnationale Volkspartei) stützen konnte, ein Witz. Das Ende der Weimarer Republik war absehbar. Es gab nur die Wahl zwischen den Kommunisten und den Nationalsozialisten. Hindenburg entschied sich schließlich Ende Januar 1933 für die letzteren. Zu Anfang jedoch handelte es sich beim Hitlerkabinett um eine Koalitionsregierung aus NSDAP und DVNP. Eine dritte Möglichkeit gab es nicht. Die Reichstagswahlen von 1930 hätten überhaupt nie stattgefunden — die letzte ordentliche Wahl war 1928 —, wenn die Sozialdemokraten die Regierungskoalition nicht verlassen hätten. Der Grund für ihr Ausscheiden lag einzig und allein in den harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Die damalige Regierung war der Auffassung, daß weitere Ausgabenerhöhungen, vor allem im sozialen Bereich, zu einer zusätzlichen Erhöhung der Inflationsrate führen würden. Die Reichstagswahlen vom September 1930, die etwa zehn Monate nach dem New Yorker Börsenkrach und den damit zusammenhängenden wirtschaftlichen und politischen Problemen stattfanden, versetzten der Weimarer Republik den Todesstoß. Die ständige Anwendung des Artikels 48 zeigte selbst schon an, daß das liberal-demokratische parlamentarische System, so wie es von Preuß geschaffen worden war, schon längst zu funktionieren aufgehört hatte. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte es nach diesen Wahlen möglich sein können, daß sich die Parteien zwecks einer neuen Regierungsbildung neu formierten, um statt mit Verordnungen richtig regieren zu können. Es wurden auch Versuche in dieser Richtung unternommen; doch war ihnen kein Erfolg beschieden. Unabhängig vom Gegensatz zwischen KPD und NSDAP, die beide nach Lösungen 37

außerhalb des Weimarer Systems suchten, gab es auch andere Gegensätze, so zwischen DNVP und SPD, die eine Koalition ausschlossen. Natürlich war im Rahmen der nächsten fälligen Reichstagswahlen an eine Regierungsbildung unter Ausschluß der DKP und NSDAP nicht zu denken. Beide Parteien, obwohl außerhalb des Systems stehend, waren dennoch bereit, legal an die Macht zu kommen und die Macht zu ihren Bedingungen legal zu übernehmen. Der Zeitraum zwischen dem Kapp-Putsch des Jahres 1920 und dem Scheitern der Weimarer Regierungskoalition von 1930 ist nicht lang. Hätte der in den USA geborene Wolfgang Kapp, der unter den Hohenzollern Forstdirektor in Ostpreußen war, das taktische Geschick eines Hitler oder Lenin besessen, dann hätte er die Weimarer Republik schon in ihren Anfangsjahren mit Hilfe der zu ihm strömenden Freikorps zu Fall bringen können. Er hatte zwar Berlin problemlos einnehmen können, doch zeigte sich bald, daß weder er noch seine Gruppe das entsprechende Format hatten, die Macht zu übernehmen und an der Macht zu bleiben. Das gleiche trifft auch auf Karl Liebknecht für die USPD und den KPD-Spartakusbund für Januar 1919 zu. Liebknecht hatte um ein Vielfaches mehr Menschen auf den Straßen Berlins als Lenin zur Zeit seiner Machtübernahme 1917 in Petersburg. Die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung im Jahre 1918, die Lenin zerschlagen ließ, zeigten, daß es in Rußland weniger Marxisten gab als in Deutschland. Man erinnere sich nur an Weihnachten 1918, als reguläre deutsche Truppen sich weigerten, die Kommunisten aus strategisch wichtigen Stellungen zu treiben. Aber Karl Liebknecht und seine Beraterin, die polnische Jüdin Rosa Luxemburg, bewiesen, daß es ihnen am taktischen Geschick eines Lenin und Hitler fehlte. Dies traf auch auf den jüdischen Führer der Münchener Räteregierung Kurt Eisner zu, der 1919 von dem Münchener Universitätsstudenten Arco-Valley nach einer törichten Rede erschossen wurde. In dieser Rede hatte Eisner öffentlich erklärt, ihm würden für 38

die Durchführung seiner politischen Ziele zwei Prozent der Wählerstimmen ausreichen. Obwohl es KPD-Aufstände vor allem in Thüringen und Hamburg gab und auch Hitler 1923 seinen Münchener Putschversuch wagte — schließlich wollte er damit einen Austritt Bayerns aus dem Reich verhindern, so wie es Kahr und Lossow geplant hatten —, kam die Weimarer Republik allmählich zur Ruhe. Dazu trug auch die von Karl Helfferich durchgeführte und von Schacht und Stresemann gebilligte Währungsreform 1923 bei. Das Jahr 1924 war noch ziemlich turbulent, aber der aufkommende Wohlstand der Jahre 1925 bis 1929 gab Weimar die trügerische Hoffnung von Stabilität. Schwierigkeiten im Bismarckreich Im Bismarckschen Reich verlief alles anders, obwohl die wirtschaftlichen Bedingungen zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der Gründerzeit und der ebenfalls von den USA ausgehenden Wirtschaftskrise von 1873, als die Europäer viel Kapital investiert hatten, sehr schwierig waren. In der damaligen Zeit war Europa das Bankhaus für die ganze Welt (siehe Herbert Freis, Europe, the World‘s Banker, Princeton, New York 1953). Der Skandal um den Eisenbahnkönig Bethel Strouberg, der mehr Presseaufmerksamkeit erfuhr als die königliche Familie der Hohenzollern, war schnell vom Tisch, als bekannt wurde, daß Strouberg zum Zeitpunkt seines Selbstmordes 1877 in Rumänien pleite war. Weitere bekannte Juden wie Albert Ballin (HAPAG) und Walther Rathenau (AEG) lernten daraus. Ein großes Wirtschaftsproblem, das Bismarck seit der Reichsgründung kannte und nie richtig lösen konnte, war die Landflucht, obwohl sich Bismarck frühzeitig des fachlich überaus geeigneten Bundes der Landwirte bediente, um das Problem in den Griff zu bekommen. Mit der Entwicklung der Industrie im westlichen Deutschland vor allem 39

Bevölkerungsentwicklung und Anwachsen der Städte und Industriegebiete in Mitteleuropa 1870 bis 1930.

Gescannt von c0y0te.

40

nach der Einführung der Schutzzölle auf billige englische Einfuhren (1879) — man kann dies mit der gleichzeitigen Schutzzollpolitik gegen englische Billigeinfuhren in den USA vergleichen (W. G. Sumner) — war eine beachtliche Bevölkerungsverschiebung von Ost nach West festzustellen, die in erster Linie zu Lasten der bäuerlichen Bevölkerung ging. England erzeugte bereits 1880 nur noch die Hälfte der von ihm erforderten Nahrungsmittel. Bismarck war jedoch genauso wie die Führer des modernen Japans (seit 1868) der festen Überzeugung, daß ein gesunder Staat eine gesunde bäuerliche Bevölkerung benötige, die zudem auch für die Bewahrung des nationalen Charakters unerläßlich sei. Eine überwiegend wurzellose städtische Bevölkerung würde zweifellos ein anderes Deutschland hervorbringen. Und ein solches Deutschland würde nach Meinung Bismarcks einige seiner wesentlichen Tugenden verlieren. Obwohl Frankreich um 1880 herum bevölkerungsmäßig auf der Stelle trat, war dort das Verhältnis zwischen städtischer und bäuerlich-ländlicher Bevölkerung ausgewogen, wobei die Hälfte der Menschen im bäuerlichen Bereich tätig war. Die Polen im östlichen Preußen Was Deutschland anbelangte, so gab es auch noch ein völkisches Problem (siehe Thomas/Zaniencki, The Polish Peasant in Europe and America, 4 Bde., New York 1956). Es handelte sich hier vor allem um das polnische Element in Ostdeutschland. Wahrscheinlich hatte kein Staatsmann in Deutschland mehr Kenntnis von der Zeitbombe, die der Engländer Castlereagh 1815 auf dem Wiener Kongreß Preußen, Rußland und Österreich hinterlassen hatte, als er die vierte Teilung Polens durchsetzte, anstatt den Vorschlag von Hardenberg und Speransky anzunehmen: nämlich ein mit Rußland in Personalunion verbundenes Königreich Polen. Zur Zeit der Übereinkunft von Alvensleben im Jahre 1863 mit den Russen anläßlich eines größeren polnischen 41

Aufstandes erklärte Bismarck vor dem Preußischen Landtag, daß die von den Engländern geschaffene Lage eine Zusammenarbeit zwischen Rußland und Preußen in der polnischen Frage erforderlich mache. Es gehe nicht um einen vorübergehenden romantischen propolnischen Unsinn, der für Preußen neue Probleme schaffe, wenn andere Probleme zur Lösung anstehen würden. Bismarck sah vor allem die Notwendigkeit, einen deutschen Schutzwall gegenüber Polen zu haben, und zwar zu einer Zeit, da polnische Chauvinisten, die auf englische und französische Hilfe hofften, nicht nur Teile der Ukraine bis Kiew, sondern auch deutsches Gebiet bis nach Berlin forderten. Diese Polen wollten ein Großpolen unter Einschluß Litauens, aber auch das Reich Boleslaws mit Teilen von Deutschland (siehe Anhang). In der polnischen Frage gab es handfeste gemeinsame Interessen mit den Romanows. Und wenn man sich nicht beeilen würde, könnte das Deutschland und Preußen teuer zu stehen kommen. Die ganze Lage wäre anders gekommen, wenn England der Gründung eines polnischen Staates 1815 zugestimmt hätte; die Polen hätten sich dann daran gewöhnt. Obwohl Bismarck 1863 seiner Politik gegenüber Rußland treu blieb, mußte er doch feststellen, daß der Landtag in seiner Mehrheit propolnisch eingestellt war, so daß er mit einer Notverordnung regieren mußte (sie war in der Verfassung von 1850 vorgesehen und entsprach in etwa dem Artikel 48 der Weimarer Verfassung). Bismarck erklärte gegenüber dem Landtag, seine Abgeordneten seien die einzige Gruppe, die davon ausgehe, daß Nächstenliebe die Grundlage von Außenpolitik sei. Natürlich gab es auch eine große Wanderungsbewegung von Polen in die Industriegebiete an Rhein und Ruhr, aber auch nach Belgien und ins nordfranzösische Industriegebiet um Lille. Im Vergleich zu seinen westlichen und nördlichen Nachbarn war Polen sehr ärmlich. Doch war dies größtenteils die eigene Schuld der Polen, denn ihr Land war fruchtbar, aber die Polen selbst waren durchweg wenig arbeitsam. 42

Hitler wies häufig darauf hin, daß die Deutschen aus Abenteuerlust nach Amerika gingen und dann für Deutschland verloren seien. Die polnische Auswanderung erfolgte durchweg aus rein wirtschaftlichen Gründen. Die Polen, die ins Ruhrgebiet kamen, stellten für das deutsche Element keinerlei Bedrohung war. Im Osten, vor allem nach der Landflucht der Deutschen, war dies jedoch der Fall. Auch die Engländer hatten im 16. und 18. Jahrhundert das Problem der Landflucht gekannt, als der Adel anfing, das Allmendegelände zur Viehzucht einzuzäunen. Auch die heutigen USA sind davon nicht verschont, wobei nun meist illegale Mexikaner die Landarbeit machen. Im amerikanischen Südwesten können heute Bismarcks Überlegungen nachvollzogen werden: ein Gebiet nach dem anderen wird mehrheitlich mexikanisch. Es gab auch Probleme mit den polnischen Juden, und daher baten die deutschen Juden Bismarck, etwas gegen deren Einströmen zu tun. Als im Jahre 1885 die zaristischen Behörden die Pässe zahlreicher in Deutschland lebender polnischer Juden für abgelaufen erklärten, zögerte Bismarck nicht lange und ließ sie alle nach Kongreßpolen abschieben. Bei der Landflucht ist anzumerken, daß in erster Linie die deutschen Landarbeiter, nicht die deutschen Landeigentümer von den höheren Löhnen in den Industriegebieten des Westen angelockt wurden. Die Notwendigkeit völkischer Einheitlichkeit und bäuerlicher Selbstversorgung ist für viele moderne Staaten ein Problem geworden. Kein Staat hat dies besser gelöst als Japan, das bei der Größe Kaliforniens auf einem Achtel anbaufähigen Bodens seine 120 Millionen starke Bevölkerung zu 70 Prozent ernähren kann. Es ist Bismarcks Verdienst, daß er das Problem der Landflucht zu einem frühen Zeitpunkt erkannte und viel tat, um sie zu bekämpfen. Der Anfang der Bismarckschen Schutzzollpolitik im Jahre 1879 war in den ersten Jahren hart. Sie brachte anfänglich höhere Preise, ohne daß dabei die Löhne stiegen. Zudem war die ganze 43

Weltwirtschaft noch durcheinander und hatte sich von den Schwierigkeiten des Jahres 1873 noch nicht wieder völlig erholt. Doch wurden ab 1871 in diesen Gründerjahren zahlreiche deutsche Fabrikanlagen geschaffen, so daß in den neunziger Jahren, als Bismarck von der politischen Bühne abtrat, eine günstige Verbindung von Markt, Rohstoffen und Produktivfaktoren vorhanden war. »Made in Germany« wurde bald weltweit ein Markenbegriff. Das von Bismarck geschaffene soziale Absicherungssystem funktionierte, und die Löhne stiegen schneller als in der Gründerzeit. Darüber hinaus wandte sich die SPD mit ihrem Erfurter Programm von 1891 dem revisionistischen Marxismus Eduard Bernsteins zu und begünstigte somit einen evolutionären und keinen revolutionären Weg in Richtung Sozialismus. Wilhelm II. war darüber sehr erfreut. Wilhelm II. als Nutznießer von Bismarcks Politik Es wird also deutlich, daß der junge Kaiser der unmittelbare Nutznießer der Bismarckschen Politik auf den Gebieten der Landwirtschaft (Landflucht), der Sozialgesetzgebung und der Schutzzollpolitik wurde. Nicht vergessen werden darf auch die Aussöhnung mit dem Vatikan, als Bismarck 1885 die höchste Auszeichnung erhielt, die einem Nichtkatholiken zuteil werden kann — noch 1870 hatte der Vatikan Bismarck als Sohn des Teufels bezeichnet. Immerhin hatte Bismarck jahrelang im »Kulturkampf« mit der ultramontanen Politik eines Ludwig Windhorst und anderer katholischer Gegner zu kämpfen. Auch Klein-Deutschland hatte immerhin ein Drittel Katholiken. Wilhelm II. konnte als protestantischer Fürst auf Grund der guten Beziehungen, die Bismarck nach jahrelangem Kampf mit den Katholiken erreicht hatte, seine Regierungszeit beginnen. Natürlich hatte der Kaiser mit anderen Problemen zu ringen: mit der Frage der Einkommens- und Erbschaftssteuer, dem Jagdentschädigungsgesetz für die Bauern und anderen mehr. 44

Man muß jedoch Nicholas Murry Butler, 1913 Präsident der Universität Columbia in New York, zustimmen, wenn er feststellt, daß Wilhelm II. in den ersten 25 Jahren seiner Regierungszeit die Deutschen enger als je zuvor zusammenschweißte. Er war als fähiger Politiker hervorgetreten, der mit oder ohne königliches Blut in die höchsten Ämter hätte gewählt werden können. Einer der Gründe war das politische Geschick des Kaisers, auch die andere Wange hinhalten zu können und seinen Gegner einfach in dessen eigener Schuld schmoren zu lassen, so wie er es mit Bernhard von Bülow anläßlich der Daily Telegraph-Affäre im Jahre 1908 (siehe unten) praktizierte. Oder er konnte zu wiederholten Malen anderer Meinung mit einem Diplomaten sein — so mit Marschall von Bieberstein im Fall des ungünstigen Ohm Krüger-Telegramms 1896, wodurch der Ausbruch eines Krieges zwischen den USA und England in Venezuela verhindert wurde. Dankten die Buren dem Kaiser für seine Unterstützung nach dem von Cecil Rhodes organisierten Überfall? Keineswegs, denn mit

Kaiser Wilhelm II. auf dem Gipfel seiner Macht. 45

Ausnahme einiger unwesentlicher und wirkungsloser Anhänger kämpften die burischen Truppen im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland in Deutsch-Südwest, und vor allem gegen LettowVorbeck in Deutsch-Ostafrika, genauso hart wie die übrigen Truppen des britischen Weltreiches. Obwohl Außenminister Kiderlen-Wächter Marschall von Bieberstein scharf kritisierte, als dieser Botschafter in Konstantinopel war, empfing ihn der Kaiser stets freundlich und ohne ein Wort der Kritik. So benahm sich der Kaiser als ein Politiker, der Versöhnung wollte und Leute ganz verschiedener Auffassung zusammenbringen konnte. Als sich der Kaiser 1895 wieder mit Bismarck versöhnte, verlangte er keinerlei Entschuldigung, obwohl Bismarck der deutschen Presse wesentliche Staatsgeheimnisse mitgeteilt hatte. Es ist immer wieder zu betonen, und es ist auch bewiesen, daß die wirkliche Macht nicht beim Kaiser lag, sondern bei der Regierung, die wiederum dem Reichstag verantwortlich war — dieses Verhältnis wurde unter den Reichskanzlern von Bülow und Bethmann Hollweg deutlicher als unter deren Vorgängern von Caprivi und Prinz Hohenlohe. Der Kaiser selbst wurde als Herrscher kraft seiner Persönlichkeit und seiner geistigen Fähigkeiten ebenfalls ein führender Politiker im Staate.

46

Gescannt von c0y0te.

Die Krisenzeit um den Ersten Weltkrieg

»Wäre morgen jeder Deutsche beseitigt, es gäbe kein englisches Geschäft, das nicht sofort wüchse … Machet Euch fertig zum Kampf mit Deutschland, denn Germania est delenda«. Sir Peters Chalmers Mitchell in der The Saturday Review am 1.2.1896

47

48

Deutschland und seine Kolonien Das deutsche Kaiserreich der Hohenzollern besaß 1900 mehr Ansehen als irgendein anderes Land in der Welt. Die deutschen Überseebesitzungen waren von Bismarck, dem Begründer des deutschen Kolonialreiches, auf bescheidene Ausmaße beschränkt worden. Wilhelm II. war nach der Entlassung Bismarcks (1890, vor allem wegen der Absicht des neuen Kaisers, den Sozialdemokraten wesentliche Zugeständnisse zu machen) bereit, die deutsche Insel Helgoland, welche die Engländer 1815 in Besitz genommen hatten, gegen Sansibar, das von Karl Peters kurz vorher für das Reich gewonnen worden war, einzutauschen, was dann auch 1890 erfolgte. Die deutsche Kolonialverwaltung stand im Ruf, anständig und ordentlich zu sein und allen gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen. Auch die Möglichkeiten der Ausbildung für die Eingeborenen gingen über das Maß dessen hinaus, was die anderen Kolonialmächte, Frankreich, England und US-Amerika eingeschlossen, taten. Unter der deutschen Überseeflagge waren Grausamkeiten wie die der Belgier im Kongo, der Engländer in Südafrika, auf Sansibar, in Ägypten, Indien und China und die der Amerikaner auf den Philippinen unbekannt (siehe Heinrich Schnee, Die koloniale Schuldlüge. München 1925, vor allem Kapitel 7, sowie Harry Rudin, German Colonial rule in Cameron Compared with the Neighboring Colonies of England and France, New Haven 1938). Rudin traf in dem zwischen England und Frankreich zweigeteilten Mandatsgebiet viele erwachsene Schwarze, die mehr als 25 Jahren nach Abzug der Deutschen in gutem Deutsch Texte aus dem früheren Unterricht aufsagen konnten. 49

Deutschlands soziale Lage um 1900 Lord Bryce, den niemand wegen des die englischen Beobachter des 19. Jahrhunderts kennzeichnenden Vorurteils anklagen kann, war dennoch gezwungen zuzugeben, daß die örtlichen amerikanischen Verwaltungen mit ihren Bestechungs- und Betrugsaffären sowie dem Schmutz in den Städten für die ganze zivilisierte Menschheit eine Schande waren, ganz im Gegensatz zu Deutschland mit seinen sauberen Städten und seinen überaus korrekten Verwaltungen (siehe Lord Bryce, The American Commonwealth, 2 Bde., New York 1889— 1890). Bryce hatte sich auch lange Zeit in Deutschland aufgehalten, als er ein Buch über das mittelalterliche Deutschland schrieb. Seine Attacken gegen Deutschland nach 1914 sind das typische Erzeugnis der englischen Kriegspsychose, die auf die Machenschaften von Sir Edward Grey zurückgehen. Vor 1914 wies der damalige führende englische Wirtschaftswissenschaftler Elfis Barker daraufhin, daß die Spareinlagen der deutschen Arbeiter viermal so hoch waren wie die der englischen Arbeiter. Darüber hinaus gingen die Reallöhne in Deutschland hinauf, während sie in den Vereinigten Staaten und in England zurückgingen. In den USA stiegen die Nominallöhne von 1900 bis 1914 um 12 Prozent, die Inflationsrate betrug jedoch 18 Prozent. Gleichzeitig kannten die amerikanischen Arbeiter nicht den Schutz des sozialen Sicherungssystems, das Bismarck in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts durchgesetzt hatte und das durch den neuen Kaiser weiter entwickelt worden war (siehe Ellis Barker, England and Germany, London 1908, und Lord Ponsonby, Lügen in Kriegszeiten, Berlin 1930). Trotz all des Pomps in Indien, das die Engländer 1763 den Franzosen abgenommen hatten, und bei allem Plündern und Rauben in Peking (1860), wo die Briten viele Einwohner rauschgiftabhängig machten, ließ Deutschlands echter Fortschritt im wirtschaftlichen Bereich und sozialen Wesen England weit hinter sich. 50

Das eifersüchtige England Wie Hans Grimm (Die Erzbischofschrift, Lippoldsberg 1950) ausführte, waren Ausbrüche englischer Eifersucht sowohl in der Presse als auch von der Kanzel schon in den letzten Jahren des ausgehenden Jahrhunderts allzu häufig anzutreffen. Der französische Außenminister Vergennes hatte fünf Generationen vorher dem amerikanischen Gesandten Benjamin Franklin die grundlegende Haltung der Engländer so erklärt: »Sie sind eine ruhelose und gierige Nation, die nicht mitansehen kann, daß irgendein Nachbarland glücklich ist.« (siehe D.L. Hoggan, Das blinde Jahrhundert, Bd. 2, aaO.; vor allem das Kapitel über England) Obwohl Englands Wirtschaft im Mittelalter von der Hanse beherrscht worden war, war die Haltung Englands, nachdem Elisabeth I. 1598 den Londoner Stahlhof, die Niederlassung der Hanse, geschlossen und die Vorrechte aufgekündigt hatte, gegenüber Deutschland herablassend. Es mehrten sich jedoch auch die Anzeichen, Deutschland immer dann Schwierigkeiten zu machen, wenn sich diesem günstige Gelegenheiten boten, so zum Beispiel beim Separatfrieden von Utrecht 1713, als Deutschland im Begriff war, das Elsaß zurückzugewinnen. Der gleichen Gegnerschaft sahen sich die Preußen in der Elsaß-Frage auf dem Wiener Kongreß 1815 gegenüber. 1848 widersetzte sich Lord Palmerston der deutschen Einigung; 1864 versuchte er auch, die Schweden in den Krieg Dänemarks mit Deutschland zu verwickeln. Erinnert sei ebenfalls an Gladstones vergebliche Bemühungen, Bismarck daran zu hindern, DeutschLothringen an das Reich anzugliedern. Diese wenigen Beispiele unterstreichen die Auffassung von Vergennes, das ruchlose Albion sei eine gierige und eifersüchtige Nation, zur Genüge. Nach der angelsächsischen Eroberung Englands 1066 hat es nie einen deutsch-englischen Krieg gegeben. Ganz anders liegen die Verhältnisse mit Frankreich. Allein im Mittelalter haben Deutschland 51

und Frankreich 250 Jahre Krieg miteinander geführt. Erinnert sei auch an einige Kriege zwischen beiden Ländern in der Neuzeit: den Holländischen Krieg von 1672; den Spanischen Erb folgekrieg von 1701; den Österreichischen Erbfolgekrieg von 1740; den Siebenjährigen Krieg von 1756 sowie die vier Koalitionskriege gegen Napoleon in der Zeit von 1793 bis 1813. Der Kolonialismus am Ende des 18. Jahrhunderts Zum Thema Krieg noch einige weitere Anmerkungen. Die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie führte nach dem Ausgleich mit der ungarischen Reichshälfte (1867) bis zum Attentat von Sarajewo 1914, also während eines Zeitraumes von fast fünfzig Jahren, keine Kriege. Dies zur Klarstellung der alliierten Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, die das Habsburgerreich als Brandleger auf dem Balkan hinstellte. Zur selben Zeit hatte England neben den vier Kriegen gegen die Buren in Ägypten zugeschlagen und schließlich das ganze Land in Besitz genommen (1882). Nachdem es in den achtziger Jahren im Sudan zunächst Niederlagen hinnehmen mußte, griff es 1893 das Königreich Sudan erneut an und zerstörte es. Weiterhin führte es verschiedene Grenzkriege im Nordwesten Indiens und weitete gewaltsam seinen Machtbereich in China aus. Außerdem gab es auch bewaffnete Einmischungen in Südamerika. Zweimal in diesem Zeitraum kam es fast zum Krieg: 1878 gegen Rußland wegen der Dardanellen-Frage und 1898 bei Faschoda gegen Frankreich. Dann eignete sich England das Gebiet der Burenstaaten an, nahm die griechisch besiedelte Insel Zypern in Besitz und erhielt weitere Vertragshäfen in China (1898: Weiheiwei am Pichili-Golf). Inzwischen waren auch ganz Ägypten sowie der Sudan britisches Gebiet geworden. Keine einzige dieser Besitzungen wurde friedlich erworben. In diesem Zusammenhang ist auch die Einverleibung von Burma (1885) noch zu erwähnen. 52

Wie schon angedeutet, gab es aus Bismarcks Regierungszeit nur ein bescheidenes Kolonialerbe. Kaiser Wilhelm II. ergänzte es geringfügig um den Besitz des chinesischenTsing-tau (Proving Shantung) und in der Südsee. Daß Kaiser Wilhelm II. über die riesigen Gebietserwerbungen der Engländer, Franzosen, Russen und Amerikaner in dieser Zeit verärgert war, ist leicht verständlich. Unter dem Vorwand, Kuba von Spanien zu befreien — es kam seit 1895 zu Kämpfen — machten die Amerikaner aus der reichsten der Zuckerinseln ein Protektorat mit militärischer Garnison und nahmen ohne große Umstände eine weitere reiche Zuckerinsel, Puerto Rico, in ihren Besitz. Die US-Amerikaner eroberten auch die philippinische Inselwelt, mußten dabei allerdings einen fast drei Jahre dauernden Krieg führen, ehe sie das Inselgebiet ganz unter Kontrolle hatten. Danach folgten die Machenschaften gegen Kolumbien, die zur Unabhängigkeit von Panama führten. Damit waren sie in der Lage, den Panama-Kanal unter amerikanischer Kontrolle zu bauen. 1904 schließlich schwangen sich die USA in einer einseitigen Aktion zur Schutzmacht aller 21 lateinamerikanischen Staaten auf. Diese Aktion begründete Teddy Roosevelt folgendermaßen: Kein Land außer den USA könne in eines dieser Länder Truppen schicken, um Schulden abzukassieren. Die US-Amerikaner hätten einseitig das Recht zu bestimmen, wann und wie sie sich einmischen wollten. Kein Wunder also, daß elf Jahre später FDR an einem einzigen Abend eine Verfassung für Haiti schreiben konnte; eine Ablehnung war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Insofern ist es nicht erstaunlich, daß die Spanier, die in ständigen Geldnöten waren, die Inselgruppen der Karolinen und Marianen an Deutschland verkauften. Der Samoa-Vertrag von 1899 bestätigte die seit 1879 bestehende Dreiteilung der Samoa-Inselgruppe unter Deutschland, US-Amerika und England. Der deutsche Stützpunkt Tsingtau in der Provinz Shantung wurde durch einen Vertrag mit den chinesischen Mandschu-Herrschern erworben. Im Vergleich zum 53

Niedermetzeln von 640 000 philippinischen Zivilisten durch die Truppen von General Funston im Aguinaldo-Krieg — so eigene Angaben — und im Vergleich zu den grausamen Kolonialkriegen der Engländer, Franzosen, Belgier (die belgische Herrschaft im Kongo war am schlimmsten), Amerikaner und Russen (1884 Feldzug gegen die Merv) sieht die deutsche Bilanz (lediglich einige Stammesaufstände und Unruhen in Südwestafrika) ganz gut aus. Die deutschen Kolonien kannten in dieser Zeit nicht die geringste Gewalttätigkeit. Hinzu kommt noch, daß die Deutschen damals auch in Europa keinen Krieg geführt haben. Deutschland in Europa vor 1914 Amerikanische Historiker wie Roland Usher (The Pan-German League, New York 1913) und deutsche wie Fritz Fischer (Der Griff nach der Weltmacht, Hamburg 1961) teilten, auch wenn sie sonst verschiedener Ansicht waren, die Auffassung, in Deutschland seien militärischer Ehrgeiz und Eroberungslust vorhanden gewesen. Kleine Gruppen wie der Alldeutsche Verband, große Interessengruppen wie der Flottenverein und später im Krieg, 1917, der Vaterländische Bund seien eine Bedrohung für die von Bismarck erzielte innere Ausgewogenheit und Stabilität des Reichs gewesen. In eine andere Richtung führt Paul Massing mit seinem Buch Rehearsal for Destruction (New York 1952). Die Tatsache, daß es im wilhelminischen Deutschland kleine Gruppen gab, deren Ziel es war, den jüdischen Einfluß im öffentlichen wie im Wirtschaftsleben zu bekämpfen — sie hatten auch gelegentlich Reichstagsabgeordnete — , sei in gewisser Weise eine Bedrohung für den Wohlstand und sogar für die Existenz des deutschen Judentums gewesen. Die erwähnten Gruppen waren unbedeutender als amerikanische Verbände in den achtziger Jahren. Vor 1914 spielte der Alldeutsche Verband in der deutschen Außenpolitik keinerlei Rolle. Und folgt man Englands 54

führendem Fachhistoriker F. L. Woodward, dann stellte die deutsche Marine, von der Admiral v. Tirpitz annahm, daß sie für die Engländer ein anziehender Bündnispartner würde, nie eine Bedrohung für die britische Sicherheit und Überlegenheit zur See dar. Theodor Fontane (siehe seinen Roman Effi Briest sowie die fünfbändige Geschichte von Brandenburg) teilte die negative Auffassung von Usher und Fischer gegenüber Wilhelm II. nicht. Der Kaiser habe auf die Modernisierung Deutschlands einen großen Einfluß ausgeübt. Kurzum, das Hohenzollernreich war in Europa eine Macht des Friedens und der Stabilität. Es gab keine Pläne für eine deutsche Gebietsausweitung und Inbesitznahme von europäischem Raum. Im Überseehandel wie auch in seiner Kolonialpolitik verhielt es sich zurückhaltender und gemäßigter als die anderen europäischen und außereuropäischen Kolonialmächte dieser Zeit: Engländer, Franzosen, Russen, Belgier und Amerikaner. — Die grausame Ausbeutungspolitik der Holländer in Indonesien war eine Schande. Im Vergleich dazu war die deutsche Bilanz gut. Das Kaiserreich, so wie es von Bismarck gegründet worden war, war im Bündnis mit Österreich-Ungarn eine geniale Lösung für Mitteleuropa. Selbst Leopold von Ranke, der große Historiker des 19. Jahrhunderts — Ranke war übrigens der einzige ausländische Historiker, dem je eine Ehrenmitgliedschaft in der American Historical Association angeboten wurde, die er auch annahm —, glaubte, daß Bismarcks Lösung, die zwischen 1862 (seiner Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten) und dem Abschluß des Zweierbündnisses mit den Habsburgern (1879) getrieben wurde, und seine gegen das Einströmen englischer Waren beschlossene Schutzzollpolitik (die übrigens die Grundlage für den deutschen Wirtschaftsaufschwung in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts legte) eine passende Antwort auf die deutschen Einigungsbemühungen der Moderne darstellen würde (siehe Leopold 55

von Ranke, Geschichte und Politik. Ausgewählte Aufsätze und Meister Schriften, hrsg. von H. Hofmann, Stuttgart 1942, S. 425ff.). Als ein französischer Kollege, der 1870 über die Schweiz mit Ranke in Briefwechsel stand, ihn fragte, warum er trotz der Gefangennahme Napoleons III. am 2. September bei Sedan Bismarcks Krieg gegen die 3. französische Republik immer noch unterstütze, antwortete Ranke: »… Wir Deutsche haben nichts gegen die 3. französische Republik. Wir bekämpfen Ludwig XIV., um Straßburg zurückzuerhalten.« Ranke war mit Bismarck bis zum Jahre 1879 einverstanden. Er stimmte mit dem Reichskanzler auch darin überein, daß, unabhängig von einigen späteren kolonialen Erwerbungen, die in den achtziger Jahren durchweg mit Englands Zustimmung geschahen, dieser Zustand aus Deutschland eine in Europa befriedigte Macht geschaffen habe und daß es daher für Europa insgesamt ein Faktor der Stabilität sei. Die englische Propaganda versuchte sofort nach der Entlassung Bismarcks, das wohlverdiente Ansehen Deutschlands als eines stabilen Faktors in Europa zu untergraben. Disraeli selbst gab zu, daß er ohne Bismarcks Vermittlung 1878 einen sinnlosen englischrussischen Krieg gegeben hätte. Im Zusammenhang mit Bismarcks Entlassung sei an die bekannte Karikatur »Der Lotse geht von Bord!« in der englischen Zeitung Punch erinnert: ein schnöselhafter und albern schauender jugendlicher Kaiser sieht einem düster blickenden Bismarck nach, der in ein kleines Boot steigt. Heutzutage würde eine solche Verunglimpf ung zu diplomatischem Protest führen. Doch damals fiel dies alles unter den Begriff Pressefreiheit. Man denke auch an die Schmähung des Maximilian Harden, eines polnischen Juden, in der Skandalzeitung Die Zukunft gegenüber einem Freund (Philipp Fürst zu Eulenburg) des Kaisers. Die Engländer gingen sogar so weit, eine Ansprache des Kaisers an General Waldersee vor dessen gegen die aufständischen Boxer in China im Jahre 1900 ausrückenden Truppen zu fälschen. 56

»Punch«-Karikatur: Fürst Bismarck verläßt die offizielle Plattform der Politik. 57

Eduards VII. Deutschlandhaß Die Besteigung des englischen Thrones durch Eduard VII., einen Onkel Kaiser Wilhelms II., machte das Ganze im Jahre 1901 noch schlimmer. Königin Victoria hatte ihre deutsche Herkunft wie auch ihren deutschen Ehemann (Prinz Albert, der 1860 starb) nie vergessen. Und sie starb 1901 auch in den Armen ihres Lieblingsenkels, des Kaisers Wilhelm II. Ihren Sohn, der 1901 als Eduard VII. den Thron bestieg, verachtete sie dagegen als Tunichtgut. Die Bemerkung in James Joyces Buch Dubliners (London 1908; dt. 1928), daß der König ständig mit übelbeleumdeten französischen Damen ausgehe, führte bis zur irischen Unabhängigkeit zu einer Zensur und einem Verbot. Der Haß und die Eifersucht des neuen Königs auf den deutschen Kaiser gingen einher mit der Eifersucht mächtiger Kreise in England auf den deutschen Erfolg und Wohlstand. All dies trug dazu bei, den Deutschenhaß in England zu schüren, obwohl die Deutschen weiterhin von den Engländern wie von den Amerikanern gemocht wurden. Das beweist auch die jährliche Zahl von 4000 amerikanischen Studenten an deutschen Universitäten, und dies zu einer Zeit, als die Gesamtzahl der Studenten im Vergleich zu heute nur einen Bruchteil betrug. Es ist eine Art von Ironie, daß des König Eduards VII. Enkel Eduard VIII. von Hitler so begeistert war, wie sein Großvater den Kaiser haßte (siehe hierzu die Bilder von Wally und Eddy auf dem Berghof im Jahre 1937). Der Haß gegen Deutschland, der mit der Thronbesteigung von Eduard VII. neue Nahrung erhielt, zeigte sich auch noch bei seinem Nachfolger Eduard VIII., der nur vom 20. Januar bis 10. Dezember 1936 regierte, dann wegen seiner Bewunderung für Hitler abdanken mußte und 1940 den Posten eines Gouverneurs der Bahamas erhielt. Eduard VII. war ein willfähriges Werkzeug bei der unvernünftigen Einkreisungspolitik gegen Deutschland, die seit dem Rücktritt von Lord Salisbury im Jahre 1902 beständig weiterverfolgt wurde und im 58

Kriegsausbruch von 1914, dem Ziel der englischen Wünsche, gipfelte. 1903 stimmte Eduard VII. einem offiziellen Staatsbesuch in Frankreich zu, und dies zu einem Zeitpunkt, als sich die Franzosen immer noch an das Zurückweichen bei Faschoda (Sudan) und an die englischen Grausamkeiten im 4. Burenkrieg (1899—1902) erinnerten. Bei seiner ersten öffentlichen Ausfahrt in Paris wurde Eduard von der französischen Menge geschmäht und ausgezischt. Sein Kammerdiener, der mit ihm in der Kutsche fuhr, sagte: »Die Franzosen scheinen uns nicht zu mögen!« Des Königs Antwort: »Wer kann es ihnen verdenken?« Doch der König verstand sich auf die Pariser Mentalität, und so gelang es ihm auch, den Boden für die englisch-französische »Entente« von 1904 vorzubereiten. Gesamtbewertung der Lage vor 1914 Bei diesem Überblick, der nahezu ein Jahrhundert umfaßt, scheint es doch klar, daß nicht Deutschland, sondern England eine Gefährdung für das europäische Gleichgewicht darstellte. Nicht die Reden Kaiser Wilhelms II., sondern vielmehr Reden von der Art, wie sie Sir Edward Grey im Unterhaus und Lloyd George am 21. Juli 1911 im Hause des Londoner Oberbürgermeisters hielten, sorgten für Unruhe. Besagte Reden waren nichts anderes als eine Mischung von Unterstellungen und Drohungen. Ohne die englische Kriegstreiberei hätte das 20. Jahrhundert genauso wie das 19. werden können. Raymond Aron (The Centur of Total War, New York 1951) wies vor vielen Jahren darauf hin, daß es zum Zeitpunkt des Ausbruches des Ersten Weltkrieges keine gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Gründe dafür gab, daß der Krieg ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ausbrechen mußte. Woodrow Wilson wäre 1921 nach einer zweimaligen Amtszeit, in deren erstem Teil seine Bankreform und seine Schutzzollpolitik fielen, als nicht besonders erfolgreicher Professor in der geschichtlichen Versenkung verschwunden, hätten ihn nicht die britischen 59

Konservativen und Liberalen, die gleichermaßen auf Krieg aus waren, für ihre Zwecke eingespannt. Es ist erschütternd festzustellen, daß Wilson ein Jahr vor seinem Tod das prächtige, von Bismarck gegründete Hohenzollernreich mit List und Tücke zerstörte. Zuerst bot er ohne jede Vorbedingung im Januar. 1918 seine 14 Punkte an, dann verlangte er die Abdankung des Kaisers und eine Revolution, und schließlich gewährte er der deutschen Revolutionsregierung nicht einmal die versprochenen 14 Punkte. Das Deutsche Reich von 1871 — 1914 war das Ergebnis deutschen Sehnens und solcher Männer wie Roon und Moltke und vieler anderer, die bei dieser Aufgabe tatkräftig mitwirkten. Seine Regierungsform war in vielerlei Hinsicht weit entwickelt, und es wurde in wirtschaftlicher Hinsicht sowie in sozialen Reformen in der ganzen Welt führend. Die Rede und Meinungsäußerung waren in Deutschland freier als in England und Frankreich. Dies beinhaltete auch Kritik am Kaiser und an Bismarck. Aber die meisten Deutschen waren sicherlich mit Recht stolz auf dieses neue Deutschland, das aus sich heraus und ohne ausländischen Einfluß entstanden war. Mitteleuropa vor 1914 Auf Grund der französischen Unnachgiebigkeit gegenüber Deutschland, vor allem nach dem Sturz von Ministerpräsident Jules Ferry im Jahre 1885, sowie des starken russischen Reiches, das im Jahre 1894 mit der Dritten Französischen Republik ein Militärbündnis eingegangen war, glich das von Bismarck geschaffene neue deutsche Kaiserreich mit seinem energischen jungen Kaiser an der Spitze einem belagerten Land, das sich nach dem Bismarckschen Wahlspruch verhielt: »Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt!« Hitler erkannte schon sehr früh, daß der k. u. k.-Vielvölkerstaat ein zweifelhafter militärischer Bündnispartner war: Im Jahre 1914 schafften es die k. u. k.-Truppen nicht, die Donau zu überqueren und 60

Belgrad, die Hauptstadt des kleinen Serbiens, einzunehmen. Und obwohl durchweg deutsch-österreichische Truppen an der galizischen Front standen, mußten sie dort vor den anrückenden Russen zurückweichen. Italien, der andere Partner im Dreierbündnis, hatte gerade in Abessinien eine Niederlage erlitten und war ein weiterer, wenig verläßlicher militärischer Faktor. In der Tat war Italien schon lange vor der »Entente Cordiale« (1904) durch England und Frankreich aus dem Dreierbündnis herausgebrochen worden. Die ruhige, beständige und beredsame Haltung, die der Kaiser trotz allem an den Tag legte, gewann Hitlers Bewunderung. Deutsche Außenpolitik vor 1914 1908 kam es dann zu größeren inneren Spannungen*, in die auch der Kaiser verwickelt war. Diesen Vorgang hat Hitler in Mein Kampf abgehandelt, da es hier um das zentrale Problem von Loyalität und Führung ging. Hitler macht auch deutlich, daß dies die Vorstellungen sind, die er als Neunzehnjähriger hatte und denen er in späteren Jahren treu blieb. Reichskanzler Bernhard von Bülow (siehe Denkwürdigkeiten, 4 Bde., Berlin 1930—1931; und Front wider Bülow, Berlin 1931) war der unfähige politische Führer Deutschlands von 1900 bis 1909, in jenen Jahren also, welche den englischen Frontwechsel und die Vollendung der Edwardschen Einkreisungspolitik sahen. Nach der Auffassung des führenden deutschen Historikers Karl Lamprecht sah sich Deutschland dadurch in der glei* Etwa das Scheitern der Bülowschen Blockpolitik und die nachfolgende

Ablösung von Reichskanzler von Bülow durch Bethmann Hollweg, aber auch jene Affären, die die Position des Kaisers in der Öffentlichkeit schwächten: das bereits angesprochene Daily-Telegraph-Interview und zuvor die Eulenburg-Affäre. Philipp Fürst zu Eulenburg und Hertefeld (1847—1921) war ein langjähriger Freund und Vertrauter Wilhelms II. Der Kaiser mußte sich von ihm distanzieren, als Eulenburg in einer breit angelegten Presseoffensive der Homosexualität verdächtigt wurde. 61

Drei Persönlichkeiten, die im 2. Teil von Wilhelms II. Zeitalter im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen. Von links: Fürst Philipp zu Eulenburg, Fürst Bernhard von Bülow und Theobald von Bethmann Hollweg.

62

chen Lage wie Friedrich der Große am Vorabend des Siebenjährigen Krieges. Friedrich der Große hätte diesen Krieg verloren, wäre Zarin Elisabeth im Jahre 1762 nicht gestorben und hätten die Russen daraufhin nicht die Seiten gewechselt. 1909 folgte Bethmann Hollweg Bülow im Amt des Reichskanzlers. Er nahm allerdings das Amt nur unter der Bedingung an, daß er einen starken Außenminister bekomme, da er sich nur in der Innenpolitik zu Hause fühlte. Er traf mit Alfred von Kiderlen-Wächter eine ausgezeichnete Wahl (siehe die hervorragende Biographie von Ernst Jäck, Alfred von Kiderlen-Wächter — der Staatsmann und Mensch, 2 Bde., Stuttgart 1924). Hitler stimmte der Feststellung von Kiderlen zu, der damit Bismarcks weisen Ausspruch wiederholte, daß die Balkanfrage nicht die Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers lohne. Und er gelobte, daß sich Deutschland, so lange er etwas zu sagen habe, nicht wieder von den Habsburgern in etwas hineinziehen lasse. Doch dies war 1914 der Fall. Kiderlen selbst war leider 1912 überraschend gestorben. Von 1912 bis zur Ernennung von Kühlmann im Jahre 1918 hatte Deutschland keinen starken und wirksamen Außenminister, und dies zu einer Zeit, als es ihn am notwendigsten hätte brauchen können. Der Kaiser, der die notwendigen Kenntnisse und die richtigen Gedanken für die Außenpolitik hatte, wurde zuerst durch das Parlament und dann, besonders nach 1916, von den Militärs Hindenburg und Ludendorff an der entsprechenden Bewegungsfreiheit gehindert. Die Daily-Telegraph-Affäre Es versteht sich von selbst, daß es der Kaiser hätte verhindern können, durch England 1914 in den Krieg hineingezogen zu werden, hätte er zum Zeitpunkt des größten Vorteils für England und dessen Verbündete Kiderlen als Außenminister gehabt anstatt des unfähigen Jagow. Und es trifft ebenfalls zu, daß der Kaiser, der durch Prinz 63

Heinrich über Amerika sehr gut im Bilde war, Wilsons Bemühungen, in den Weltkrieg einzutreten, hätte unterlaufen können, wenn Hindenburg, Ludendorff und die Reichstagsparteien, darunter die Sozialdemokraten, wegen der Auswirkungen des beschlossenen uneingeschränkten U-Boot-Krieges auf ihn gehört hätten (siehe Charles Callan Tansill, Amerika geht in den Krieg, Stuttgart 1939). Bülow, als der eigentlich Schuldige, machte 1908 in der Daily Telegraph-Affäre den Kaiser zum Sündenbock für das Spektakel im Reichstag und zog seinen Souverän vor der ganzen Welt ins Lächerliche*. Kein fanatischer Republikaner hätte es besser machen können. Wie war es mit von Bülows Loyalität bestellt? Bülows Vater hatte Karriere in dänischen Diensten gemacht, da er den Zielen Bismarcks feindlich gegenüberstand. Es ist denkbar, daß Bülow eine Art egozentrischer Weltbürger war, der nur für seine Beliebtheit etwas tun wollte. Anderenfalls läßt sich sein zwielichtiges Verhalten kaum erklären. — Nachdem die deutschen Historiker 1931 seine Erinnerungen gelesen hatten, lehnten sie ihn als lügnerischen wie unfähigen Politiker ab. Bei einem Zusammentreffen auf der Insel Wight hatte der Kaiser zu den deutsch-englischen Beziehungen Stellung genommen. Einer * Reichskanzler von Bülow nahm während der »Daily-Telegraph«-Affäre eine recht merkwürdige Haltung ein. Nicht nur, daß er sich weigerte, die Verantwortung zu übernehmen, er stellte sich auch gegen den Kaiser vor dem Reichstag und schwächte dadurch dessen Position zugunsten des Parlaments. In seiner Reichstagsrede vom 10. November 1908 sagt Bülow u.a. bezeichnenderweise: »… Als der Artikel des Daily Telegraph erschienen war, dessen verhängnisvolle Wirkung mir nicht einen Augenblick zweifelhaft sein konnte, habe ich mein Abschiedsgesuch eingereicht. Dieser Entschluß war geboten, und er ist mir nicht schwer geworden. Der ernsteste und schwerste Entschluß, den ich in meinem politischen Leben gefaßt habe, war es, dem Wunsche des Kaisers folgend, im Amte zu bleiben; ich habe mich hierzu nur entschlossen, weil ich es für ein Gebot der politischen Pflicht ansah, gerade in dieser schwierigen Zeit Seiner Majestät dem Kaiser und dem Lande zu dienen. Wie lange mir das möglich sein wird, steht dahin …« 64

seiner englischen Gastgeber war derart beeindruckt, daß er fragte, ob er die Ausführungen des Kaisers der Presse mitteilen dürfe. Der Kaiser lachte und sagte, daß dies theoretisch möglich sei, doch als konstitutionellem Herrscher gehe es ihm so wie seinem Onkel Edward VII., das heißt, seine Äußerungen müßten vom Kabinett gebilligt und abgesegnet werden. Man wurde sich über die Bedingungen einig, und der Kaiser überlas noch einmal seine schriftlichen Ausführungen, ehe sie mit der Bitte um Zustimmung nach Berlin geschickt wurden. Es war Ferien- und Urlaubszeit, und doch wäre anzunehmen gewesen, daß die Regierung einer Weltmacht auch während einer solchen Zeit funktionierte. In der Hauptstadt war es ein offenes Geheimnis, daß Reichskanzler von Bülow kurz nach dem bedeutsamen Treffen von König Edward VII. und Zar Nikolaus II. in Reval nach Norderney, seiner Lieblingsinsel in der Nordsee, in die Sommerfrische gefahren war. Ein untergeordneter Beamter in Berlin billigte die für die Veröffentlichung in der englischen Presse gedachten Ausführungen des Kaisers, ohne sie jedoch an Bülow weiterzuleiten. Er erklärte, er sei der Meinung gewesen, daß ihre Veröffentlichung sehr wichtig sei. Der Kaiser erhielt so die Billigung, und der Sturm ging los. Was war denn so Furchtbares an den Ausführungen des Kaisers? Heute können wir nur darüber lachen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß gegen den Kaiser genauso eifrig Negativpropaganda getrieben wurde wie gegen Bismarck, obwohl beide völlig verschiedene Charaktere waren. Die Propaganda gegen Bismarck gründete sich auf finanzielle Unregelmäßigkeiten. Charles Vagts zufolge, dem Schwiegersohn des Charles Beard und Kenner der Materie, seien Bismarck und später Hindenburg in finanzieller Hinsicht maßlos gewesen; doch Bismarck hätte nie das Gesetz gebrochen. Finanzielle Bestechlichkeit war dem Kaiser nicht vorzuwerfen und hätte ohnehin nicht gefruchtet. Die Propaganda konzentrierte sich also auf die angebliche moralische Verworfenheit des Kaisers, obwohl sein 65

Eheleben frei von Seitensprüngen war (siehe Das persönliche Regiment Wilhelms II., München 1949). Wie bei einem solchen Vorgehen üblich, wurden auch seine persönlichen Freunde angegriffen, um so die Monarchie ständig in Verruf zu bringen. In den meisten Fällen, so wie hier im Falle Bismarcks, des Kaisers und später auch Hitlers, ging es bei einer derart zerstörerischen Propaganda weniger um etwas Einsichtiges und Vernünftiges oder Moralisches, sondern alles war schlichtweg ein Ausdruck von Nihilismus, so wie ihn Turgenjew in Väter und Söhne (1862) fünf Generationen früher beschrieb (siehe dazu auch E. v. Salomon, Der Fragebogen, Hamburg 1951; und vor allem Johannes Haller, Philipp Eulenburg, des Kaisers Freund, 2 Bde., New York 1930). Sofern man nicht Jude war, so wie Albert Ballin oder Walther Rathenau, bedeutete die Freundschaft mit dem Kaiser nach 1900 den fast sicheren Untergang. Vor allem nach der Daily Telegraph-Affäre blieb der Kaiser für die restlichen Jahre seiner Herrschaft nahezu völlig isoliert. Eine Ausnahme hierzu bildete nur die Zeit nach seiner berühmten Rede von 1914, er kenne keine Parteien mehr, er kenne nur noch Deutsche. Trotz seiner vielen Einsprüche und Proteste wurden seine Reden in der deutschen Presse selten richtig wiedergegeben. Verschiedene Reichstagsabgeordnete warfen dem Kaiser vor, er sei im Buren-Krieg nicht so anti-englisch gewesen wie das deutsche Volk. Er habe sogar dem kommandierenden englischen General Lord Roberts militärische Ratschläge gegeben. Was war daran so schrecklich? Gab es irgend jemanden, der abstreiten konnte, daß die Deutschen wie auch die Franzosen und viele andere Völker im Buren-Krieg gegen England eingestellt waren? Der Kaiser nannte auch die Engländer wegen ihrer Feindschaft gegenüber Deutschland »verrückte Hühner«. Um das Jahr 1908 war der Buren-Krieg schon »Geschichte«. Obwohl anfänglich die Kriegsgefangenen grausam behandelt und mißhandelt wurden, kam am Ende doch ein verhältnismäßig sauberer 66

Dominion-Vertrag heraus, der den Buren 1905 eine eingeschränkte Selbstverwaltung sicherte. Die Probleme, die Deutschland 1908 mit England, Frankreich und Rußland hatte, waren vorrangiger. Als der Kaiser sich in England aufhielt, hatte er die Absicht, mit den Engländern ins reine zu kommen. Er war ein glänzender Unterhalter, wie die herausragenden englischsprechenden Intellektuellen Sidney B. Fay und Harry Barnes aus eigenem Erleben bestätigen konnten. Schloß die angebliche Indiskretion des Kaisers Hinweise auf unangenehme Themen wie die deutsch-englischen Beziehungen ein? Unabhängig von der Meinung, die man über die Äußerungen des Kaisers auf der Insel Wight hat, gibt es sicherlich keinerlei Entschuldigung für den Schritt von Bülows, die Angelegenheit vor den Reichstag zu bringen. Seine Sachdarstellung entsprach nicht der Wahrheit. Die Tatsache, daß der Kaiser das zur Veröffentlichung bestimmte Gespräch seiner Regierung zwecks Kenntnisnahme und Billigung übermittelt, ferner die Zustimmung zur Veröffentlichung erhalten hatte, wurde geflissentlich verschwiegen. Von Bülow ging es wohl darum, seinen Souverän zu disziplinieren und ihn daran zu hindern, unverantwortliche Reden zu halten. Unverantwortlich hat sich in dieser Sache allerdings von Bülow verhalten, und zwar durch seine unwahre Darstellung. Hitler, der den Kaiser als glänzenden Vertreter der deutschen Idee ansah und auch später bereit war, ihm aus freien Stücken mehr als vier Jahre im Ersten Weltkrieg zu dienen, war über die herablassende und verächtliche Art entsetzt, mit der von Bülow seinen Herrscher behandelte, wohl wissend, daß ihn der Kaiser nicht öffentlich angehen würde. Die Kaiserin ist die beste Zeugin für die Tatsache, wie verwundet und niedergeschlagen der Kaiser im privaten Bereich war. Hitler wäre noch entrüsteter gewesen, wenn er alle Einzelheiten des Daily Telegraph-Vorfalles gewußt hätte.

67

Das Treffen von Björkö Der Kaiser beachtete gegenüber von Bülow die gleiche Verschwiegenheit drei Jahre zuvor, beim Abschluß des Vertrages von Björkö* vom 25. Juli 1905, der ein Treffen des Kaisers mit Zar Nikolaus in Finnland besiegeln sollte. Der Zar segelte zu diesem Treffen auf seiner Jacht Polarstern, der Kaiser auf seiner Jacht Hohenzollern. Der Kaiser wußte sehr wohl, daß auf Grund der von England eingeleiteten »Entente Cordiale« von 1904 ein englisch-russisches Bündnis unmittelbar vor dem Abschluß stand. Das englische De-facto-Bündnis mit Frankreich, das seit elf Jahren der Verbündete Rußlands war, legte dies nahe. Der Kaiser hatte einen Vertrag ausgearbeitet, der das russische Bündnis mit Frankreich anerkannte, aber einen Krieg zwischen Deutschland und Rußland in der Tat ausschloß, da Deutschland keinerlei Absicht hatte, England oder Frankreich anzugreifen. Der Kaiser wußte außerdem, daß das französischrussische Bündnis von 1894 genauso wie das Dreierbündnis von 1882 rein verteidigungsmäßiger Natur war. Der Kaiser war bereit zu versprechen, daß Deutschland Österreich-Ungarn in einem Angriffskrieg gegen Rußland nicht zu unterstützen beabsichtige, sofern der Zar in einem offiziellen Vertrag versprechen würde, Frankreich bei einem Angriffskrieg gegen Deutschland nicht zu helfen. Es war vorgesehen, diese Punkte auf andere mögliche Vertragsstaaten der beiden so * Am 25. Juli 1905 — während der 1. Marokko-Krise — besuchte Kaiser Wilhelm II. den Zaren bei Björkö nordwestlich von Petersburg und schlug ihm — in Abwesenheit beider Außenminister — einen Bündnisvertrag vor, wonach bei einem Angriff einer europäischen Macht auf Deutschland oder Rußland der Partner mit allen Kräften Hilfe leisten sollte. Frankreich sollte möglichst auch dazu gewonnen werden. Rußland wollte den von den Herrschern vereinbarten Vertrag von Björkö nur ratifizieren, wenn ein Angriff Frankreichs auf Deutschland ausgenommen werde. Unter den Umständen war der Vertrag für Deutschland wertlos, wurde nicht ratifiziert und erlangte keine Bedeutung. Siehe W. Klein, Der Vertrag von Björkö, 1931. 68

Verbündeten auszudehnen. Auf diese Weise wäre es auch möglich gewesen, zukünftig mit England vertragliche Lösungen zu finden. Zu diesem Zeitpunkt hegte der Zar gegenüber den Engländern keine allzu freundschaftlichen Gefühle, da sie die Japaner mit den Waffen für den Überraschungsangriff auf Port Arthur ausgestattet hatten. Er hegte auch Groll gegenüber den Franzosen, weil sie ihn im Fernen Osten, zum Beispiel durch Überlassung der Hafenstadt Saigon, keine Unterstützung gewährt hatten. Zudem hatten sie die Zeit unmittelbar nach dem japanischen Angriff genutzt, um mit England in der Ägyp-

Zar Nikolaus II. und Kaiser Wilhelm II. auf der russischen Jacht bei Björkö.

ten- und Marokkofrage eine Einigung zu erzielen, die möglicherweise geheime Zusatzpunkte enthielt. Und dies war in der Tat der Fall. Kurzum, der Vertragsentwurf des deutschen Kaisers war wohl durchdacht. Normalerweise hätte es der Zar vorgezogen, seinen Premierminister Peter Stolypin den Vertragsentwurf lesen zu lassen, denn er wußte, daß dieser seine Überzeugung, daß Rußland kein 69

Anhängsel der französischen Politik werden durfte, teilte. Diese Haltung hat er während der Marokkokrise auch deutlich gezeigt. Der russischen Verfassung gemäß war nur die zusätzliche Unterschrift eines Kabinettsministers erforderlich, damit ein Vertrag mit der Unterschrift des Herrschers rechtskräftig war. Der Marineminister Birilew war anwesend. Da der Zar wollte, daß sein Premierminister den Vertrag zuerst lese, fragte er Birilew, ob er bereit sei, den Vertrag zu unterschreiben, ohne ihn gelesen zu haben. Birilew stimmte ohne Zögern zu. Der Zar verdeckte mit seinen Handflächen den Vertragstext, und Birilew unterschrieb. Die Tatsache, daß der russische Ministerrat diesem Vertrag später seine Zustimmung verweigerte, ist oft erörtert worden. Sie geht wohl in erster Linie darauf zurück, daß der deutsche Botschafter in Petersburg sein Bedauern mitteilen mußte, daß Reichskanzler von Bülow den Vertrag abgelehnt habe. Die Russen waren selbstverständlich der Meinung, daß dies in erster Linie wegen Vereinbarungen in Sachen Österreich-Ungarn erfolgt sei. Der ganze Vorgang wurde vor Ausbruch des Krieges nicht bekannt. Man kann sich jedoch die Entrüstung des jungen Hitler in diesem Falle gut vorstellen. Englands Beitrag zum Kriegsbeginn 1914 In den wenigen Jahren vor 1914 hatte England viele Kriege geführt, Länder angegriffen und sich einverleibt oder zerstört: Iran (es wurde 1907 mit Rußland aufgeteilt); Marokko (es wurde 1912 den Franzosen überlassen, obwohl es einen Vertrag mit acht Unterzeichnerstaaten gab, welche die Unversehrtheit Marokkos garantierten); Ägypten (es wurde 1914 einverleibt); den Sudan, Tibet (das trotz chinesischen Protestes als Einflußgebiet zugestanden wurde); Sansibar, Transvaal und den Oranjefreistaat sowie Burma, um nur einige zu nennen. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, daß England, als es ihm in den politischen Kram paßte, Brüssel durch seinen Botschafter 70

Lord Vivian 1887 unterrichten ließ, London erhebe im Falle eines deutschen Zweifrontenkrieges gegen Frankreich und Rußland keine Einwände, wenn Deutschland Belgien als Aufmarschgebiet benutzen werde. England hat weiterhin mit Frankreich, Rußland und Belgien in den Jahren zwischen 1908 und 1912 geheime Abmachungen getroffen, darunter auch die, daß es im Falle eines Krieges zwischen Deutschland einerseits und Rußland und Frankreich andererseits an deren Seite in den Krieg eintreten werde, und dies unabhängig von der sogenannten belgischen Frage. Die Engländer haben es auch verstanden, einen widerstrebenden Zar Nikolaus II. in einen Krieg zu verwickeln, der schließlich ihn und auch sein Volk vernichten sollte. Angesichts dieser Tatsachen muß man sich doch die Frage stellen, wie England es wagen konnte, die Unterstützung der neutralen USA anzufordern! 1913 zog der Englandfreund Wilson in das Weiße Haus in Washington ein. Als er unter Mißachtung der amerikanischen Neutralität unter dem Einfluß der ständigen Bemühungen des englischen Außenministers Sir Edward Grey US-Amerika an der Seite der Alliierten in den Krieg führte und damit die ganze Macht der USA mit einbrachte, hatten es die gerissenen britischen Imperialisten geschafft, die gesamte Welt gegen Deutschland und seine wenigen Freunde zu mobilisieren. Weiß man außerdem, daß im Zuge der ersten großen MarneSchlacht im September 1914 der Vormarsch der deutschen Truppen unter General von Kluck durch einen Befehl des weit hinter der Front liegenden Generalstabes nicht nur zum Stehen gebracht, sondern auch der Rückzug befohlen wurde (damit war die Möglichkeit dahin, zumindest einen der Gegner Deutschlands schnell auszuschalten), dann hat man all die traurigen und heldenhaften Elemente in der Hand, die für eine griechische Tragödie erforderlich sind. Von allen Staaten in der Welt hätte es Deutschland am wenigsten verdient gehabt, von England eingekreist zu werden. Deutschland 71

bedeutete keinerlei Bedrohung für die britische Seeherrschaft, wie dies F. L. Woodward unter Beweis stellte (siehe Great Britain and the German Navy, London 1951). Deutschland stellte auch keinerlei Bedrohung im wirtschaftlichen Bereich dar, sondern trug im Gegenteil dazu bei, den Wohlstand Englands stark zu mehren (siehe R. J. Hoffmann, Great Britain and German Trade Rivalry, New York 1938). Die beiden Staaten hatten ausgezeichnete kulturelle Beziehungen. Die Deutschen schätzten Shakespeare, die Engländer Goethe und die deutsche Musik, und beide schätzten die Malerei des anderen. Selbst das Kinderbuch Der Struwelpeter (1810 von Dr. Hoffmann geschrieben), das in USAmerika praktisch unbekannt war, war in England in einer ausgezeichnet illustrierten englischen Übersetzung weitverbreitet. Auch darf man nicht die zahlreichen Märchen der Brüder Grimm vergessen. Es gab daneben viele Beziehungen ähnlicher Art mit Frankreich und Italien. Obwohl England mit Deutschland kaum echte Streitpunkte hatte und die beiden Länder noch nie miteinander Krieg geführt hatten, spielte England bei der Einkreisung die führende Rolle. Als ein britischer Flottenverband im Juli 1914 Kiel verließ, verkündeten die Signale an den Masten noch: »Freunde in der Vergangenheit und Freunde für immer!« Die einfachen britischen Seeoffiziere hatten keine Ahnung von den Plänen, die bald Wirklichkeit werden sollten. Die Frage Elsaß-Lothringen Nach der Schaffung des deutschen Kaiserreiches war ElsaßLothringen noch ein besonderes Problem: Es war im 17. Jahrhundert von Frankreich dem Reich entrissen worden. Und Bismarck tat gut daran, es als Reichsland, und nicht als eigenen Staat, dem Zweiten Reich der Deutschen wieder einzugliedern. Im Jahre 1911, vierzig Jahre nach dem Frieden von Frankfurt, wurde Elsaß-Lothringen ein deutscher Bundesstaat wie die anderen. 72

Nach dem schnellen Sieg gegen Hannover (Langensalza) und Österreich (Königgrätz) 1866 führten der Norddeutsche Bund und seine süddeutschen Verbündeten 1870—71 den erfolgreichen Krieg gegen Frankreich. Die Beschäftigung mit diesem Krieg regte beim jugendlichen Hitler seine deutsche Vaterlandsliebe an, die im Gegensatz zu den kosmopolitischen Habsburger Ansichten seines Vaters stand. Im unbeirrbaren wie siegreichen Vormarsch der deutschen Truppen gegen den gut ausgebildeten französischen Gegner lag etwas Erregendes. Im Mittelalter waren Deutschland und Frankreich Nachbarn mit freundschaftlichen Beziehungen. Sie hatten beide gemeinsame fränkisch-karolingische Wurzeln, und viele französische Adlige hatten deutsches Blut in den Adern, wie die französischen Revolutionäre von 1789 lauthals beklagten. Unter Ludwig XI. schaffte Frankreich den Übergang vom Feudalstaat zum modernen Zentralstaat viel schneller als Deutschland. Ludwig XI. hat zum Beispiel als erster das stehende Heer in Europa eingeführt. Vom 15. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert hinein hatte sich Frankreich ständig, auch auf deutsche Kosten ausgedehnt — vor allem unter Richelieu, Mazarin und Ludwig XIV. In Versailles fand damals die unsinnige These Eingang, daß die Grenzen des modernen Frankreichs mit den Grenzen von Cäsars Gallien übereinstimmen sollten — dies beinhaltet auch die Rheingrenze vom Rheinknie bei Basel bis zur Mündung. Aus diesem Grund griff Ludwig XIV. 1672 die Holländer und 1688 das deutsche Rheinland an. Obwohl Blücher im Verein mit Wellington zur entscheidenden Niederlage von Napoleon I. bei Waterloo 1815 beitrug, war es kein deutsch-französischer Krieg, sondern Preußen kämpfte in einer Koalition mit England und Österreich. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 war völlig anders geartet. Die beiden Länder waren zu diesem Zeitpunkt etwa gleich stark (Bevölkerungszahl, Material). Es standen sich von Anfang an zwei ebenbürtige Gegner gegenüber. 73

Preußen-Deutschland ging aus diesem Kampf siegreich hervor. Man kann diesen Vorgang nur dann voll ermessen und würdigen, wenn man genaue Kenntnisse von den jahrhundertelangen französischen Angriffen gegen Deutschland sowie von den deutschen nationalen Katastrophen wie dem Dreißigjährigen Krieg hat. Konnte man den Deutschen nicht verzeihen, weil sie nach 1871 glaubten, ihre nationale Sicherheit sei von nun an ungefährdet ? Der große Historiker und Schriftsteller Theodor Fontane wie auch der herausragende Philosoph Friedrich Nietzsche waren über die Selbstgefälligkeit ihrer Landsleute nach 1871 beunruhigt. Stimmt es vielleicht nicht, daß die Franzosen ähnlich handelten, als sie die überheblichen Engländer 1453 nach 250 Kriegsjahren endgültig aus Frankreich vertrieben, nachdem die Engländer bis zu diesem Zeitpunkt fast die Hälfte des Landes besessen hatten. Sie machten nun Front nach Osten und behandelten die Deutschen genauso schlecht wie sie, wie immer wieder von ihnen behauptet, von den Engländern behandelt worden waren. Man sollte auch wissen, daß um 1871 herum das deutsche höhere Bildungswesen einen Höhepunkt erlebte — zu dieser Zeit waren die Deutschen zweifellos weltweit die Nummer eins. Zu erwähnen sind weiterhin die wissenschaftlichen Leistungen, der Optimismus sowie der Glaube an den menschlichen Fortschritt. Insofern kann man dann nach vollziehen, daß ein großartiger Sieg zur damaligen Zeit wie ein berauschendes Getränk wirkte. Aber es sollte nichts aus der erwarteten langdauernden Sicherheit werden. Und obwohl Deutschland sich bemühte, 43 Jahre lang allen Kriegen aus dem Weg zu gehen, dauerte es keine 33 Jahre bis zur Unterzeichnung der verhängnisvollen englisch-französischen »Entente Cordiale« im April 1904. Dies war sowohl der Anfang vom Ende für Deutschland und für Europa als auch der erste Schritt, dieses Europa dem eurasischen Ungeheuer und den grausamen, unwissenden amerikanischen Siedlern auszuliefern. Hier beginnt geschichtlich gesehen 74

das 20. Jahrhundert. Und es wird enden, wenn sowohl die Amerikaner als auch die Sowjets finanziell zugrunde gegangen oder vertrieben worden sind. Im Jahr zuvor, 1903, war der englische König Eduard VII., der in Paris als der größte Hurenbock bekannt war, seitens des hannoveranischen Königshauses (der Ausdruck »Windsor« wurde erst ab 1917 für die Dynastie verwandt) ein Dauerbündnis mit dem Zionismus eingegangen. Der Zionistenführer Theodor Herzl hatte zuvor Kaiser Wilhelm II. ein ähnliches Bündnis unterbreitet. Es wäre das gleiche gewesen, wie wenn Mussolini ein Bündnis mit der Mafia eingegangen wäre. Ein solches Bündnis hätte sein Land entehrt und ihn alles, wofür er lebte, gekostet. Die englische Monarchie hatte seit 1066 schon so viel Schmutz auf ihren Schild geladen, so daß weiterer Unrat sie kaum noch beschmutzen konnte. Bei dem derzeitigen Bündnis zwischen den USA und Israel fällt wohl mehr Schmutz auf letzteres. Der amerikanische »Weltrekord« an Betrügereien, Grausamkeiten, Unwissenheit und Scheußlichkeiten hat keine Parallele. Und dies sollten die westdeutschen Medienmacher und Hofhistoriker eigentlich sehen, aber sie wollen es nicht. Sie scheinen aus irgendeinem irrationalen Grund zu glauben, daß das Geld letzten Endes immer wieder auf der Seite der Amerikaner zu finden ist. Sagt man ihnen, daß das auf die Dauer nicht funktionieren kann, so lächeln sie geistesabwesend und haben jenen Blick, der nichts sieht. Wenn sich jemand versperrt, dann kann man nicht mit ihm sprechen und nicht mit ihm in Verbindung treten. Abschied von der Sicherheit Dieses überschwengliche Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens, das die Geburtsstunde des Zweiten Reiches der Deutschen 1871 begleitet hatte, war zur Zeit des jungen Hitler, als er sich im Alter von sechzehn Jahren seinem Freund August Kubizek in Linz anvertraute, 75

längst verschwunden. Der junge Hitler wußte es noch nicht, aber bald würde er es irgendwie ahnen: er lebte schon im Zeitalter des totalen Krieges. Das glorreiche Jahr 1871 gehörte schon einer fernen Vergangenheit an. Wilhelm II. war noch nicht ganz sechzehn Jahre im Amt, als der Schatten der britisch-französischen »Entente Cordiale« auf ihn fiel. Der deutsche Historiker Karl Lamprecht, der einige Monate später die USA besuchte, sah die Schrift an der Wand. Würde der Kaiser das gleiche Glück haben wie Friedrich der Große durch den Tod der Zarin Elisabeth, wenn es einen weiteren Siebenjährigen Krieg geben würde? Amerika bestand zur Zeit des Siebenjährigen Krieges aus unbedeutenden englischen Kolonien, in denen neben Engländern auch Deutsche, Schotten, Schweden und, nach der Eroberung von Quebec (1759), auch Franzosen lebten. Aber wie stand es mit Rohstoffen, dem Transportproblem und den rund 90 Millionen Amerikanern zur Zeit von Karl Lamprechts Besuch im Jahre 1904 ? Bernhard von Bülow, früherer Außenminister und dann deutscher Reichskanzler (1900—1909), hatte sich stets der trügerischen Hoffnung der deutschen Diplomatie hingegeben, daß England und das zaristische Rußland ihre Differenzen in Asien nie würden beilegen können. Aber für Lamprecht schien es auf der Hand zu liegen, daß es trotz des russisch-japanischen Krieges zwischen Rußland und England über den französischen »Entente«-Partner zu einer Art Abkommen mit Rußland kommen könnte. Und dies traf ein. England brachte es sogar fertig, Japan und Rußland in der Mandschurei-Frage in einer Reihe von Verträgen (zwischen 1907 und 1910) zu Vereinbarungen zu bewegen. Um gegenüber Rußland in der Vorhand zu bleiben und um seine eigenen ehrgeizigen Pläne im Mittleren Osten zu schützen, betrieben die Engländer in der Frage der russischen Forderung, Handelsschiffe durch die Dardanellen zu schicken, eine Hinhaltepolitik. Als Rußland 1915 Zugeständnisse von ihnen erhielt, hatte es schon mehrere Niederlagen hinnehmen müssen. 76

Diese Zugeständnisse hatten nie praktische Folgen, aber es kam zu einem Handel mit den Russen in der Persien-Frage, wobei die beiden Vertragspartner sozusagen als Ausdruck ihres guten Willens sich das Land untereinander aufteilten und damit der liberalen Revolution desselben Jahres ein Ende machten. England behielt darüber hinaus fast ganz China — die Russen blieben hier vor der Tür —, Tibet und Afghanistan als Einfluß- und Interessengebiet. 1908 besuchte König Eduard VII. Zar Nikolaus in Reval. Die russische Öffentlichkeit, also die kleine gebildete Führungs- und Oberschicht, war über die Vereinbarungen nicht erfreut. Aus diesem Grunde machte im folgenden Jahr Außenminister Alexander Iswolsky eine Europarundreise. Es war ein vergeblicher Versuch, die Vereinbarungen mit England zu verbessern. Trotz allem folgten dennoch geheime russisch-englische Abmachungen im militärischen Bereich. Deutschland, der Verbündete der allmählich aus den Reihen der Großmächte ausscheidenden Doppelmonarchie, sah sich mit dem nunmehr neutralen Italien den anderen fünf Weltmächten gegenüber: Frankreich, Rußland, England, die USA und Japan. Dies waren in der Tat schlechte Voraussetzungen. Der Beginn des Weltkrieges Wir haben gesehen, daß trotz des deutschen Erfolges bei Tannenberg am 27.—30. August 1914 — die in Ostpreußen eingefallenen Russen wurden unter anderem auch auf Grund innerer Meinungsverschiedenheit zwischen ihren kommandierenden Generalen Samsonow und Rennenkampf vernichtend geschlagen — im zweiten Kriegsmonat der große Schnitzer von Oberstleutnant Hentsch in Nordfrankreich folgte, der dem General Kluck als vom Generalstabschef Moltke mit allen Vollmachten ausgestattete Ordonnanz am 8. September 1914 den Befehl gab, sich von der Marne auf die AisneLinie zurückzuziehen. Danach folgte zwischen den Deutschen und 77

den Engländern der Wettlauf durch Flandern zu den Häfen am Kanal. In diesen verlustreichen Kämpfen erlebte Hitler seine Feuertaufe. Von Anfang an hatte Hitler eine Ausbildung, die ihn, auch dank seinem eisernen Willen, zum Mustersoldaten werden ließ, der sich auch vor keiner Gefahr scheute. Das konzentrierte Artilleriefeuer der aus den USA stammenden Geschütze an der Somme war sicherlich schwerer, doch der Kampf gegen die erfahrenen regulären englischen Truppen im Oktober 1914 war für den Münchener Freiwilligen auch eine große Herausforderung. Obwohl einige Fachleute von Anfang an die Auffassung vertraten, Deutschland sollte Frieden schließen, sofern der erste Ansturm auf Paris nicht erfolgreich wäre, war dies praktisch nicht möglich. Der deutsche Sieg bei Tannenberg verbesserte auch Deutschlands verzweifelte Lage etwas. Heute wissen wir natürlich, daß es Deutschland 1915 gelungen wäre, England und Frankreich zu besiegen. 1916 wäre dann die endgültige Niederlage der Russen gefolgt. All dies wäre eingetreten, wenn sich US-Präsident Wilson an das internationale Recht gehalten hätte, so wie es sein Außenminister William Jennings Bryan gefordert hatte — alliierte Fachleute geben dies auch zu (siehe Frank Chambers, The War behind the war, aaO.). Die kämpferische Leistung der Deutschen überstieg bei weitem das, was man in Deutschland selbst oder im Ausland erwartet hatte. Obwohl Deutschland 1916 einen reinen Verteidigungskrieg führte, hatte es bewiesen, daß es kämpferisch die Nummer eins unter den kriegführenden Staaten war. Es hätte den Sieg über seine drei Hauptwidersacher England, Frankreich und Rußland verdient. Japan hielt sich in Europa heraus, und im pazifischen Raum spielte der deutsch-japanische Gegensatz trotz eines bedeutenden Handels wegen der unbedeutenden deutschen Kolonialgebiete nur eine zweitrangige Rolle. Was die Deutschen schließlich um den verdienten Sieg brachte und die Verluste fast verdreifachte, war, wie der Historiker Karl 78

Lamprecht vorhergesagt hatte, die ungesetzliche und durch nichts zu rechtfertigende Einmischung der USA. Unter einem Präsidenten Bob LaFollette, wäre er 1912 gewählt worden, wäre das nicht geschehen. Das Verhängnis trat jedoch unter einem wenig ehrenhaften Minderheitenpräsidenten, nämlich Woodrow Wilson, ein. Wilsons Anteil am Ersten Weltkrieg Was hatten William Jennings Bryan, ohne dessen Hilfe Wilson es nie geschafft hätte, den beliebten Champ Clark auf dem Wahlkongreß der Demokraten in Baltimore auszuschalten, und Senator Robert LaFollette, ohne dessen Hilfe Wilson seine einzige bedeutende politische Reform, das Underwood-Schutzzollgesetz, nie hätte durchbringen können, Wilson in den ersten Kriegstagen sagen und mitteilen können ? Die Antwort findet sich bezüglich LaFollette im Congressional Record (aaO., 1914), und in bezug auf Bryan in den Erinnerungen der einzelnen Kabinettsmitglieder, vornehmlich des Marineministers Josephus Daniels (President Wilson and the World War, New York 1921). Beide Politiker, die sich schon lange vorher um das Amt des Präsidenten bemüht hatten, ehe es Wilson in den Sinn kam, hatten ihm alles, und das ist wörtlich zu nehmen, gesagt, was er wissen wußte, um einen Krieg zu vermeiden, und auch, um ernsthaften Reibereien und Probleme aus dem Weg zu gehen. — Wilson war ein Günstling von Hauptmann Harvey, einem Partner J. P. Morgans, und vor allem von Hauptmann Edward Mandell House, einem Juden aus Texas, dessen Vater mit illegalen Schmuggelgeschäften ein Millionenvermögen gemacht hatte. Weder Bryan noch LaFollette hatten Wilson aufgefordert, seine törichte und hysterische Erklärung vom 8. August 1914 abzugeben, an jenem Tag, an dem Wilson im Kabinett erklärte, die Deutschen seien nichts anderes als schmutzige, wilde Tiere und England verteidige mit 79

dem Rücken an der Wand die Zivilisation. Diese Äußerung veranlaßte Bryan zu der Bemerkung, daß es wahrscheinlich auf der Welt kein weiteres imperialistisches System gebe, das so viele Menschen umgebracht habe wie das englische. Mit seiner Erklärung hatte Wilson in alberner Weise praktisch angeordnet, daß jeder Amerikaner bei diesem Krieg in seinem Denken neutral sein müsse. Zumindest heute weiß jeder, daß es so etwas wie eine amerikanische Nation im Sinne einer deutschen oder französischen Nation nicht gibt, sondern daß die USA ein Gebilde aus verschiedenen Nationen sind, ohne daß eine ein Übergewicht hat. So etwas wie eine echte amerikanische Nation wird es auch nicht in absehbarer Zeit geben. In seinem Buch Amerika geht in den Krieg ein (Berlin 1939) beschreibt C. C. Tansill, wenn auch nicht immer fehlerfrei, die Entwicklungen und bezieht hierbei vor allem Wilsons englandfreundlichen Botschafter in London, Walter Hines Page, mit ein. Tansill stellt fest, daß Wilson von Anbeginn des Krieges über mögliche Verwicklungen und Auswirkungen unterrichtet worden war. Tansill beschreibt ferner die deutsche U-Boot-Blockade von Februar 1915, die nach bestehendem Recht weder gesetzlich noch ungesetzlich war. Zudem war sie eine Antwort auf die offensichtlich ungesetzliche englische Seeblockade, die kurz nach dem Übergang zum Stellungskrieg im Oktober 1914 angeordnet worden war. Diese britische Blockade entsprach nicht den Grundsätzen der internationalen Seevereinbarungen von 1856 und 1909, da die englische Marine nicht das Risiko einging, sie in Küstennähe auszuüben. Die Engländer verletzten auch die Doktrin der »indirekten Reise«, indem sie zum Beispiel Ladungen des neutralen Hollands unter der reinen Annahme eines möglichen deutschen Bestimmungsortes beschlagnahmten. Sie beschlagnahmten ebenfalls Lebensmittel und Rohstoffe für die Textilindustrie und beachteten somit auch nicht die Regeln, die für Waren galten, die nicht verboten waren. 80

Monate vor dem Zwischenfall mit der Lusitania machte Bryan schon Wilson darauf aufmerksam, daß die englische Admiralität im Zuge des etwa zehn Jahre dauernden russisch-japanischen Krieges erklärt hatte, englische Bürger, die auf dem Schiff einer am Krieg beteiligten Nation reisen, würden dies auf eigene Gefahr tun. Die Anwesenheit britischer Bürger auf solchen Schiffen beeinflusse weder positiv noch negativ den Status dieser Schiffe. In der Lusitania-Affäre bestand Wilson darauf, daß die amerikanischen Bürger an Bord der Lusitania, eines Kreuzers der englischen Cunard-Linie, waren und somit eines Schiffes einer der am Kriege beteiligten Nationen. Die Lusitania war mit Munition beladen. Der Kapitän tat alles, damit das Schiff auch sank. Später wurde er vom ersten Lord der britischen Admiralität, Churchill, ausgezeichnet. Als Bryan dann Wilsons Mißachtung internationaler Gesetze in der Lusitania-Affäre scharf kritisierte, entließ Wilson ihn als seinen Außenminister. Bryan wurde dadurch jedoch nicht mundtot gemacht. In vielen Reden, die in der Presse gut aufgemacht waren, brachte er seine Anklagen zum Ausdruck. Er spielte auch auf dem Wahlkongreß der Demokraten 1916 in St. Louis eine wichtige Rolle. Von Anfang an wies der republikanische Senator LaFollette Wilson auf die handelsmäßige wie finanzielle Verantwortung eines neutralen Staates hin — LaFollettes Freund George Record war in Wilsons kurzer, aber schwieriger Zeit als Gouverneur von New Jersey dessen wichtigster Berater. Record half Wilson, die Parteioberen, die ihn ins Amt gebracht hatten, ins Gefängnis zu werfen. Später, als Wilson gegen Ende des Krieges nach Frankreich reiste, kritisierte Record ihn deswegen sehr scharf. Er sagte ihm, er habe die Rolle eines Narren gespielt. LaFollette erklärte Wilson, daß es ungesetzlich sei, sich unter den Kriegführenden einen Liebling herauszupicken — es war später genauso nicht rechtens, daß Präsident Reagan, der sowohl mit England als auch mit Argentinien verbündet war, die Engländer im 81

Falklandkonflikt unterstützte. Rechtens war es auch nicht, was Nixon tat, als er 1973 die Israelis gegen die Araber unterstützte. Inzwischen ist es deutlich geworden, wie viele Rechtsverletzungen im Innern wie nach außen diese beiden Republikaner begangen haben. So war es auch nicht rechtens, daß Wilson an England und Frankreich Kriegsmaterial lieferte, es Deutschland aber versagte. Vor dem Senat wies LaFollette darauf hin, daß dieses Vorgehen schon ausreichen würde, um Wilson des Amtes zu entheben. Doch dieses Vergehen, so Bob LaFollette, sei harmlos im Vergleich zu den Geschäften, die Wilson mit einem kriminellen Kriegsgewinnler wie John D. Rockefeller machte. Ida Tarbell zufolge (siehe John D. Rockefeller, 2 Bde., New York 1932) habe Rockefeller mehrmals die Todesstrafe verdient. Und John Flynn zufolge (God‘s Gold — the Story of J. D. Rockefeller, New York 1932) ist dieser Rockefeller ein schlimmerer Verbrecher als Nathan Rothschild gewesen. Männer mit großem Reichtum hatten Wilson schon immer geblendet und erregt. So auch sein jüdischer Freund Bernard Baruch, der mit ihm ausging und ihn in die Freudenhäuser von New York mitnahm. Eines Tages eröffnete Baruch Wilson ganz unverblümt, wie viel er und seine Freunde seit 1890 aus der Börse herausgeholt hätten. Dann schaute er Wilson geradewegs in die Augen und forderte den angeblich fortschrittlichen demokratischen Politiker auf, ihn wegen der unrechtmäßigen Gewinne zu verdammen. Wilson, der Baruch mehr zugetan war als Harvey, Mandell House oder dem jungen Roosevelt, sagte Baruch ganz ruhig, er habe gegen Baruch überhaupt nichts, weder im persönlichen Bereich noch im geschäftlichen (siehe Margaret Coits, Bernard Baruch, New York 1961). Baruch war genauso wie Rockefeller ein Agent des Hauses Rothschild — Baruch seit etwa 1890, Rockefeller seit etwa 1880. Baruch wußte, daß er erfolgreich war und Wilson für den Rest seines Lebens in der Tasche hatte. Gleich Wilson und Roosevelt wollte 82

Baruch bereits 1914 als Verbündeter Englands so schnell wie möglich in den Krieg eintreten. Die Reaktion der unsichtbaren PlutokratenRegierung hatte Karl Lamprecht genau vorhergesagt. Bob LaFollette bezeichnete die endlosen US-Kredite, die Wilson und Rockefeller England zukommen ließen, als Verbrechen gegen die Zivilisation, was sie ja auch tatsächlich waren (siehe hierzu Albert Carr, John D. Rockefeller‘s Secret Weapons, New York 1962, S. 178ff.) Der Vater des ersten Atlantik-Überfliegers Lindbergh, Charles A. Lindbergh sen. — sein Buch Your Country at War, 1917, wurde von Wilsons Geheimpolizei beschlagnahmt, aber nach dem Kriege wieder aufgelegt (Philadelphia 1934) —, bestätigte, daß Bryan und LaFollette jederzeit Wilson über die Pflichten eines neutralen Staates unterrichtet hatten. Wilson hatte es jedoch vorgezogen, auf Baruch und Rockefeller zu hören. J. P. Morgan, der Teddy Roosevelt näher als Wilson stand, zog aus all dem seinen Nutzen. Anzumerken ist auch, daß Teddy Roosevelt zu Kriegsbeginn für die Zeitschrift Outlook Beiträge schrieb, welche den Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien rechtfertigten. Lindbergh sen. führt im oben genannten Buch (S. 215) an, daß die USA in der Zeit von 1914 bis 1917 Kriegsmaterial im damaligen Wert von sechs Milliarden Dollar geliefert haben; über 90 Prozent davon gingen unter Nichtbeachtung des Neutralitätsstatus an England, und Frankreich. Diese Zahl, in heutiger Währung über eine Trillion Dollar, sollte jedem eine Vorstellung von der kriegsentscheidenden Rolle Wilsons im Ersten Weltkrieg geben, und zwar schon lange, bevor die US-Amerikaner am 6. April 1917 unter einem Vorwand in den Ersten Weltkrieg eintraten. Die Kreditgeber für diese Militärhilfe, und das muß hier festgehalten werden, waren Morgan und Rockefeller. Die Sicherheit dafür war Wilsons Kriegserklärung von 1917. Bryan und LaFollette hatten diese Entwicklung schon 1914 vorausgesagt. Charles Lindbergh sen., den man um seinen Gouverneurssitz in Minnesota gebracht hatte, stellte mit Recht fest, 83

daß der Kriegseintritt der USA mehr als einer weiteren Million deutscher Jungen das Leben kosten würde. Für Wilsons ans Verbrecherische grenzendes Vorgehen gab es nicht einmal die geringste Entschuldigung, wie der Nye-Kongreßbericht aus dem Jahre 1934 überdeutlich aufzeigte: Wilson hatte die USA, wo das deutsche Element überstark vertreten war, unnötigerweise in den Ersten Weltkrieg gegen Deutschland hineingebracht. Hitler stellte zum ersten Mal fest, daß das Zweite Reich wegen des äußeren Grundes dem Zusammenbruch entgegenging, als er 1916 auf einem kurzen Genesungsurlaub in Berlin war — Er hatte bei der Somme-Schlacht im Oktober 1915 mehrere Verwundungen davongetragen. Wäre nicht Wilson gewesen, dann wäre der Krieg zu diesem Zeitpunkt schon längst vorüber gewesen. Wilson hatte einen Bericht von Edward Mandell House über die Lage Deutschlands 1915 mit Freude zur Kenntnis genommen. Dieser Bericht sagte nämlich aus, daß Deutschland durch die umfangreichen Waffenlieferungen an England und Frankreich sowie durch die brutale, ungesetzliche britische Seeblockade schon sehr stark angeschlagen sei. Unter solchen Bedingungen war die Stimmung der Deutschen, als Hitler 1916 nach Berlin kam, selbstverständlich nicht die beste. Man kann die damalige Lage mit der der Südstaaten 1863 vergleichen, als General Robert F. Lee in der Schlacht von Gettysburg, Pennsylvanien, von den Nordstaatlern, den Yankies, besiegt worden war — zum Beispiel stammte hier die Hälfte der Nordstaaten-Waffen aus England.

Gründe für Deutschlands Niederlage 1918 Hitler sah das Hauptproblem der deutschen Moral in den zu vielen subversiven Juden, die aus dem von Deutschland besetzten Polen ins Reich einströmten, sowie in der Redefreiheit. In der französischen 84

Nationalversammlung wurde bemerkt, daß die Deutschen innerhalb wie außerhalb des Reichstages zu diesem Zeitpunkt Dinge sagen konnten, für die sie im kriegführenden Frankreich mit langen Freiheitsstrafen hätten rechnen müssen. In Mein Kampf beschreibt dann Hitler, wie er die Heimatfront gefestigt und die deutsche Propaganda entlang der englischen Kampflinie verbessert hätte. Die Engländer konnten sich andererseits eine betrügerische wie zuversichtliche Propaganda leisten. 1916 war es noch immer offen, ob die Deutschen Paris erobern könnten. 1914 hätten sie diese Stadt ohne weiteres einnehmen können, wäre da nicht der schreckliche Schnitzer beim deutschen Oberkommando geschehen: Mackensen war zweifelsohne Deutschlands bester General im Ersten Weltkrieg. Er hätte 1914 zweifellos Paris eingenommen, da er sich im Gegensatz zu Kluck geweigert hätte, den Rückzug, so wie Hentsch es angeordnet hatte, anzutreten. Um seine Verweigerung zu vertuschen, hätte er möglicherweise behauptet, daß Hentsch auf Grund seiner ersten Feuertaufe einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. England hatte nach wie vor die Seeherrschaft. Die riesigen Waffenlieferungen der US-Amerikaner erlaubten es Engländern und Franzosen, den Deutschen erhebliche Verluste zuzufügen. Zudem hatte Grey die persönliche Zusicherung von Wilsons Gesandtem Page, daß Wilson den Kongreß überreden werde, in den Krieg einzutreten, sollte England in eine wirklich bedrohliche Lage geraten. In beiden Weltkriegen war England der Auslöser, konnte aber gleichzeitig sich selbst eine Sicherheitsgarantie verschaffen, von der die Staaten auf dem europäischen Festland wie Frankreich, Deutschland und Italien nichts wußten. Der Zweifrontenkrieg — daneben gab es außer den Kriegen in den Kolonien auch noch die Kriegsschauplätze in Italien, Griechenland, Palästina und im Irak — machte die Lage Deutschlands nur noch schlimmer. Daher hat Hitler in Mein Kampf geschrieben, daß bei einem künftigen Krieg auf jeden Fall ein Zweifrontenkrieg vermieden werden müsse. 85

Tansill (aaO.) stellt fest, daß sowohl Deutschland als auch die USA in der Zeit der amerikanischen Neutralität Fehler begingen, die England nicht machte. Ob die deutschen Gegenmaßnahmen gegen England und Amerika weise waren, steht auf einem anderen Blatt. Was jedoch Teddy Roosevelt 1912 machte, als er Bob LaFollette in den Rücken fiel, die Republikaner spaltete, die Wahl von LaFollette verhinderte, dafür die des Psychopathen Wilson ermöglichte, war auf keinen Fall Weisheit. Wilson wurde ein Mann, der keine außenpolitischen Ratschläge annahm und der unter dem Einfluß des internationalistischen Kapitals eines Baruch und Rockefeller und deren Machenschaften stand. Und das Beispiel Wilsons schaffte die Voraussetzung für einen noch größeren Politverbrecher: seinen Schüler FDR (siehe Anthony C. Sutton, Roosevelt und die internationale Hochfinanz, Tübingen 1990). Eine analytische und eine entwicklungsmäßige Betrachtungsweise geschichtlicher Ereignisse schließen sich nicht aus; sie ergänzen sich. Eine analytische Betrachtung von Hitlers Vorstellungen und Überlegungen läßt die Bedeutung einer solchen Betrachtungsweise erkennen. Man könnte annehmen, daß Hitler nach dem Scheitern des Young-Planes (Wiedergutmachungsmoratorium) um 1930 sowie dem Abbruch der heuchlerischen Genfer Abrüstungskonferenzen (1932— 1934) in bezug auf sein Ziel, Deutschland als eine bedeutende Macht wiederherzustellen, hätte schwach werden können angesichts der Lage Deutschlands 1916 oder 1918. Trotz glänzender militärischer Anstrengungen und Leistungen wurde Deutschland damals sprichwörtlich ausgehungert und in einem Meer amerikanischer Güter und amerikanischen Kriegsmaterials ertränkt. Obwohl der Kampf an der zweiten Front im Osten 1918 zu Gunsten Deutschlands entschieden war, hatte Deutschland dennoch gegenüber den neuen Staaten, die ehemals unter russischer Herrschaft waren, militärische Verpflichtungen zu erfüllen und Hilfe zu leisten. Dies sowie der Nachschub an frischen amerikanischen Truppen, unabhängig von 86

ihrer

Bei der Besetzung des Ruhrgebiets durch die französisch-belgischen Truppen widersetzte sich das deutsche Volk einmütig diesem Gewaltakt. Zahlreiche Plakate riefen zum passiven Widerstand auf. 87

ihrer Kampferfahrung und Güte, ließ das Pendel des Kriegsglücks an der Westfront allmählich zuungunsten Deutschlands ausschlagen. Weimarer Schwierigkeiten Trotz ihrer beachtlichen verfassungsmäßigen Leistungen — wie zum Beispiel beim Verhältniswahlrecht — war die Weimarer Republik ein Kind der Niederlage und der Kapitulation. Die SPD-ZentrumMehrheit im Reichstag stimmte nach Protesten schließlich der Unterzeichnung des Versailler Diktates zu, obwohl dieser Vertrag nicht die anläßlich des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 versprochenen 14 Punkte Wilsons zur Grundlage hatte. Die deutsche Revolution von 1918 war ein Vorgang, dem die heldenhafte Überlieferung fehlte und der auf der Ansicht fußte, daß Ehre und Ansehen der Nation etwas Verdächtiges seien und daß der Schlüssel zum späteren Erfolg in der Erfüllung der Siegerauflagen und deren Wohlgesonnenheit liege. Der deutsche passive Widerstand 1923 an Rhein und Ruhr gegen die Franzosen und Belgier war ein Zeichen von Auflehnung; England billigte dabei das Vorgehen seiner Verbündeten nicht. 1924 wurde in Paris der unnachgiebige Raymond Poincaré durch Edouard Hériot abgelöst. Dieser arbeitete einen belgisch-französischen Rückzugsplan aus. Doch danach kam die Annahme der alliierten Pläne für die Reparationszahlungen — dies beinhaltete den Dawes-Plan von 1924 sowie den Young-Plan von 1928; beide waren nach amerikanischen Bankleuten genannt. Der Young-Plan legte fest, daß Deutschland bis zum Jahre 1988 zahlungspflichtig war. Darüber hinaus ging er wie das Versailler Diktat von der erdichteten Annahme aus, daß Deutschland und seine Verbündeten, nicht jedoch die Alliierten, für den Ausbruch des Krieges verantwortlich wären.— Die Alliierten befrachteten den Young-Plan mit immer höheren Tributzahlungen, so daß schließlich sogar Dr. Hjalmar Schacht, der führende deutsche Bankier und 88

Mitglied der DDP (der Deutschen Demokratischen Partei, der Nachfolgepartei der Progressiven aus dem Kaiserreich), der Weimarer Regierung und dem Reichstag riet, den Young-Plan abzulehnen. Dies war bemerkenswert, denn immerhin war Schacht Mitglied der Verhandlungskommission gewesen. 1927 hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg bei der Tannenberg-Gedenkfeier den Artikel 231 des Versailler Diktates, nämlich den Kriegsschuldparagraphen, auf dem die Wiedergutmachungen fußten, offiziell zurückgewiesen. Auch aus diesem Grunde hätte sich die Weimarer Regierung ein Jahr vor der großen Weltwirtschaftskrise von 1929 der Geldgier der Alliierten widersetzen können. Die Alliierten hatten zudem 1921 selbst das harte Friedensdiktat verletzt, als sie nach der Volksabstimmung vom 10. März 1921 in Oberschlesien (gemäß Artikel 88 des Versailler Diktates), die zu Gunsten Deutschlands ausfiel, einer Teilung des Gebietes zustimmten, so daß Ostoberschlesien an Polen kam. Dies bedeutete für Deutschland den Verlust überaus wertvoller Bodenschätze und Industrieanlagen sowie Hunderttausende von menschlichen Tragödien. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß 1919 die konservativen und nationalen Parteien — zum Beispiel die Deutsche Demokratische Partei und die Deutsche Partei — die Unterzeichnung des Diktatfriedens abgelehnt hatten. Auch der damalige SPDReichskanzler Philipp Scheidemann hatte nach einer ersten Kenntnisnahme des Vertrages in der Aula der Berliner Universität unter begeistertem Beifall erklärt, seine rechte Hand werde eher verdorren, als daß sie den Vertrag unterschreibe. Er trat dann zurück und überließ es seinem SPD-Nachfolger Bauer, das Diktat zu unterschreiben. Es wurde oft bestritten, daß die Engländer die Weimarer Regierung erpreßten, das Diktat zu unterschreiben, indem sie die unmenschliche Hungerblockade noch fast sechs Monate nach Kriegsende aufrechterhielten — dies bedeutete weitere rund 800 000 89

deutsche Todesopfer, und zwar in einer einzigen Aktion. Zudem war auch die vier Jahre zuvor verhängte Hungerblockade nach internationalem Recht unrechtmäßig; eine solche war nur für ein bestimmtes Küstengebiet unter gewissen Umständen zulässig.— Die englische Nachkriegsaktion kostete fast dreimal so viel Tote wie die Konzentrationslager des Dritten Reiches im Zeitraum 1933—45. Lloyd George schrie während des Wahlkampfes 1919: »Hängt den Kaiser auf!« Daraus rührt auch die Verachtung von George B. Shaw (siehe das Vorwort zu Zurück zu Methusalem, London 1919; dt. 1922). — War nicht Lloyd George der Kriegsverbrecher, und hätte nicht er anstelle des Kaisers hängen sollen? Der Vergleich zu 1945 (Nürnberger Prozesse) drängt sich schon hier zwangsläufig auf. Die Fortdauer der britischen Hungerblockade nach dem Waffenstillstand mag darauf abgezielt haben, Deutschland zur Unterzeichnung des verbrecherischen Friedensvertrages zu zwingen (dieser Vertrag verletzte bekanntlich die 14 Punkte Wilsons als der Grundlage des Waffenstillstandsabkommens vom 11. November 1918 zwischen Deutschland und den Alliierten); es trifft dennoch keineswegs zu, daß SPD und Zentrum diesen Vertrag haben unterzeichnen müssen, um eine Aufhebung der Blockade zu erreichen. Die Blockade wurde nämlich schon im April 1919 beendet. Alle Quellen sagen übereinstimmend aus, daß Lloyd George, selbst wenn er gewollt hätte, die Blockade nicht wieder hätte aufnehmen können. Die alliierten Friedensbedingungen, zusammen mit der Drohung, daß weiteres deutsches Gebiet im Falle einer Weigerung, den Vertrag zu unterzeichnen, besetzt würde, wurden erst im Mai 1919 unterbreitet. Die offizielle Unterzeichnung des Versailler Vertrages erfolgte am 28. Juni 1919, dem fünften Jahrestag der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Man muß dies besonders betonen, um die Siegermentalität von Leuten wie Wilson, Clemenceau und Lloyd George 90

beurteilen zu können. Man hatte absichtlich den Jahrestag eines der folgereichsten Verbrechen der Weltgeschichte gewählt. Nur der italienische Vertreter Orlando hatte sich dagegen ausgesprochen. Zum deutschen Charakter Schlesiens John Quincy Adams, der maßgebliche Verfasser der Monroe-Doktrin und Monroes Nachfolger im Amt des Präsidenten, machte 1801, als er US-Gesandter in Preußen war, eine ausführliche Rundreise durch Schlesien. Er stellte fest, daß Schlesien ganz und gar deutsch war. Die Reichstagswahlen bis 1890 lassen erkennen, daß das polnische Element in Schlesien bis 1890 unbedeutend war, und dies trotz der Tatsache, daß das industriell aufblühende Deutsche Reich mehr Ausländer anzog, als Deutsche auswanderten. Obwohl es ein allgemeines Wahlrecht gab, war Korfanty aus Oberschlesien der einzige polnische Reichstagsabgeordnete. Und noch am 20. März 1921 hat Kattowitz - die größte Stadt Oberschlesiens, die an der alten, auf dem Wiener Kongreß gezogenen Grenze lag — trotz französischer Besetzung, polnischem Terror und dem ungesetzlichen Einschmuggeln polnischer Wähler mit 80 Prozent für Deutschland gestimmt. Daß Breslau vor 1945 nie eine polnische Bevölkerung hatte und genauso deutsch wie jede andere deutsche Stadt war, wird durch einen Sonderbericht der Rockefeller-Stiftung bestätigt, die der medizinischen Forschungsabteilung der Universität Breslau beachtliche Spenden zukommen ließ. Anstatt daß sich die Amerikaner heute in dieser Frage zurückhalten, sehen wir nur verstärkten Druck auf die westdeutsche Regierung, Polen mehr Geld zu leihen, obwohl die Polen bereits mit annähernd 40 Milliarden verschuldet sind. Und polnischen Berichten zufolge sollen derzeit lediglich 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Polens arbeiten. Die Polen haben sich darüber hinaus geweigert, Schuldzinsen zu zahlen. Sie haben auch um eine Stundung 91

der Kapitalrückzahlung bis zum 21. Jahrhundert gebeten. Von den Deutschen verlangen sie aber weitere »Wiedergutmachungsleistungen«. Ebert und Hindenburg Friedrich Ebert hätte mit seiner zurückhaltenden und konservativen Art den gleichen Einfluß erreichen können, wäre er nicht schon 1925, in der Mitte seiner Amtszeit als Reichspräsident, gestorben. Nachfolger Eberts wurde Hindenburg, der in gewissen Kreisen keinen guten Ruf hatte, da er den Kaiser verraten und in Spa unter Druck zur Abdankung hatte setzen lassen. Dieser Vorgang war den meisten Menschen nicht bekannt. Noch zweifelhafter ist die Behauptung dieser Kreise, der Kaiser habe gesagt, er wolle ausschließlich der Herrscher der Sozialdemokraten sein. Eine derart unkluge Behauptung paßt nicht zum Kaiser. Und daß man am 29. September 1918 nach einer Rede in Essen der Presse einen anderen Text als den des Kaisers gab, ist mehr als empörend. Der Wandel in Hindenburgs politischer Haltung von seiner Amtszeit seit dem Jahre 1925 zu seiner zweiten im Jahre 1932 ist sehr aufschlußreich. Obwohl Hindenburg 1918 zusammen mit General Gröner von Württemberg ausdrücklich im Interesse der Sozialdemokraten handelte, als er den Kaiser daran hinderte, nach Deutschland zurückzukehren und somit die Monarchie zu retten, waren die Sozialdemokraten 1925 durch Äußerungen Hindenburgs beunruhigt, es bedürfe in Notfällen einer militärischen Diktatur. Daher stimmten sie bei den Präsidentschaftswahlen 1925 in hohem Maße gegen ihn. Hindenburg wurde maßgeblich von der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei unterstützt. Als er dann 1927, anläßlich der Tannenberg-Feier, die im Versailler Diktat niedergelegte angebliche deutsche Schuld am Ersten Weltkrieg bestritt, überließen ihm glühende Anhänger das Gut 92

Neudeck in Ostpreußen. So mußte sich Hindenburg, der wie Ludendorff aus Posen (es kam 1919 zu Polen) stammte, nicht länger in einer Wohnung in Hannover aufhalten, wo er seit 1911 lebte, ehe ihn der Kaiser 1914 reaktivierte. Mit diesem Gut wurde Hindenburg zum liebenswerten Landjunker, und damit eignete er sich mehr als Symbol für das Volk. In den zwei Präsidentenwahlen des Jahres 1932 siegte er zweimal mit großem Vorsprung vor Hitler, und beide Male wurde er, im Gegensatz zu 1925, von den Sozialdemokraten aktiv unterstützt. Hindenburg ernannte am 30. Januar 1933, ein Jahr nach seiner Wiederwahl, Hitler nur sehr widerwillig zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung aus NSDAP und DNVP, und dies nur auf Anraten Franz von Papens. Hindenburg erkannte erst später, daß es unklug war, von Hitler als dem böhmischen Gefreiten zu sprechen. In einer Unterredung mit dem Reichskanzler Hitler erwähnte Hindenburg, er sei während des preußisch-habsburgischen Krieges 1866 in Hitlers Geburtsort Braunau gewesen. Hitler war darüber überrascht. Dann stellte sich allerdings heraus, daß der Marschall im böhmischen Braunau, und nicht in Braunau am Inn, in der Nähe der bayerischen Grenze, gewesen war. Nachdem das Eis einmal gebrochen und es Hitler gelungen war, die von den HindenburgBeratern aufgerichtete Mauer des Hasses zu durchbrechen, entwickelte sich zum Veteranen dreier für Preußen und Deutschland bedeutender Kriege ein freundschaftliches Verhältnis. Natürlich hatte Hitler zu viel Taktgefühl, als daß er dem alten Generalfeldmarschall Vorwürfe wegen dessen Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten 1918 gemacht hätte, was letztlich zur Ausschaltung des Kaisers geführt hatte. Hitler erinnerte Hindenburg auch nicht daran, daß er nicht zurückgetreten sei, als sein Generalstabschef Ludendorff, dem er seine Karriere im Ersten Weltkrieg zu verdanken habe, im Herbst 1918 entlassen wurde, nachdem es im Gefolge verschiedener Ereignisse zu ersten Aufständen und Unruhen 93

sowie dann zur Revolution in Deutschland gekommen war, wobei man fälschlicherweise, wie es sich später herausstellte, annahm, dies würde zu besseren Friedensbedingungen für Deutschland führen. Wilsons Wortbruch und die Folgen Mit Wilsons gebrochenem Versprechen brach auch 1918 die geschichtliche Beständigkeit des Zweiten Deutschen Reiches, und dies zu einer Zeit, als das militärische Triumvirat Hindenburg, Hoffmann und Ludendorff voll und ganz der zivilen Autorität unterstand, als es in Deutschland die gleiche parlamentarische Verantwortung wie in England gab und als das Dreiklassenwahlrecht in Preußen abgeschafft wurde. Zwei Jahre vorher hatte Wilsons Botschafter in Sussex in England erklärt, Wilson werde sich im Falle seiner Wiederwahl für einen Kompromißfrieden unter Gleichberechtigten einsetzen. Wilson hat nicht nur dieses Versprechen gebrochen, er hat auch den Kaiser nicht unterstützt, als dieser am 12. Dezember 1916 sein Angebot eines Verständigungsfriedens unterbreitete. Im Oktober 1918 hat sich Wilson dann in die inneren Angelegenheiten Deutschlands eingemischt, als er erklärte, daß nur eine revolutionäre republikanische deutsche Regierung damit rechnen könne, einen anständigen Frieden auf der Grundlage der 14 Punkte zu erhalten. Diese 14 Punkte waren ursprünglich als Propaganda für Rußland gedacht gewesen. Sie waren nie auf ihre Durchführbarkeit für Deutschland durchdacht worden. Der Wunsch, Wilson zu glauben, hatte in Deutschland die gewünschte Wirkung, und das Zweite Reich ging unnötigerweise an einer leeren Versprechung zu Grunde. Das Risikospiel, auf das sich die Regierung von Reichskanzler Max von Baden eingelassen hatte, als sie im Herbst 1918 Wilson vertraute, ging haushoch verloren. Die Einheit des Reiches war gefährdet, wie anschließend die separatistischen Bewegungen im Rheinland und in Bayern es hinlänglich dokumentierten. 94

Karl Liebknecht hatte fast gleichzeitig mit Philipp Scheidemann, einem gemäßigten Marxisten, die Republik in Berlin aufgerufen. Und nun beeilte sich Scheidemann, einem stürmischen Erzmarxisten zuvorzukommen. Die Entscheidung, die alte Regierung zu stürzen, hatte natürlich dem revolutionärem Marxismus sämtliche Türen weit geöffnet. Und es ist nicht Wilson, sondern eher dem taktischen Unvermögen von Liebknecht zu verdanken, daß es in Deutschland 1919 nicht zur Errichtung einer bolschewistischen Diktatur kam. Andererseits sah Hitlers Nationalsozialismus für sich in dem ständigen Einsatz der KPD für ein kommunistisches Deutschland eine ebenso ständige Rechtfertigung und Herausforderung, denn, so Hitler, wäre erst einmal Deutschland kommunistisch, dann wären es Frankreich und Spanien ebenfalls bald. Ironischerweise hätte eine solche Entwicklung möglicherweise den Sieg für die britischen Faschisten bedeutet. Gründe für Roosevelts Deutschlandhaß Ivy Lee, ein im Auftrag der Rockefeller-Stiftung führender Unruhestifter, der wegen seiner Öffentlichkeitsscheu schwer auszumachen war, bemerkte, daß Hitlers Ernennung zum Reichskanzler durch Hindenburg die nötigen Voraussetzungen für ein Zusammengehen von FDR und Stalin schuf. Denn mit Hitler hatten beide nun ein klar umrissenes Ziel. Selbstverständlich teilten auch beide Männer den sehnlichen Wunsch, das britische Weltreich aufzulösen, im Fernen Osten Japan zu demütigen und auch Mussolini zu bestrafen. Aber die Vorstellung, gegen ein wiedererstarktes Deutschland gemeinsam vorgehen zu können, war das reizvollste aller Ziele. Man kann ganz offen sagen, daß die drei Präsidenten nach Wilson, nämlich Harding, Coolidge und Hoover, keinerlei Abneigung gegenüber Deutschland hatten. Im Gegenteil: alle drei waren der festen Meinung, daß Wilsons Vorgehen gegen Deutschland ein 95

törichter Fehler gewesen war, der zudem keinerlei Grundlage in der internationalen Praxis und im internationalen Recht hatte. Roosevelt hatte sich 1914 zur gleichen Zeit wie Wilson für einen Krieg ausgesprochen. Er war 1919 mit Wilson in Europa gewesen und hatte zu jedem, der es hören wollte, gesagt, der Krieg hätte bis zur militärischen Besetzung Berlins fortgeführt werden sollen. So zeigen sich möglicherweise die langlebigen Auswirkungen eines Spaßes, den sich in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einige gutmütige Mitschüler mit dem Millionärssohn, dem jungen Roosevelt, in einer Privatschule in Bad Homburg, erlaubt hatten (siehe Emil Ludwig, Roosevelt, New York 1937). Wilson und Roosevelt zeigten natürlich nicht nur in ihrem Verhalten zu Deutschland krankhafte Züge, sondern auch in ihrem Privatleben. Aber die Zeichen, man kann auch sagen die Wunden, die sie weltweit hinterlassen haben, gehen vor allem auf ihr krankhaftes Verhalten gegenüber Deutschland und auf lange Sicht gegenüber Europa zurück (siehe hierzu auch Helmut Sündermann, Deutsche Notizen, Leoni 1955).

96

Gescannt von c0y0te.

Hitlers politische Entwicklung

»Hitler war ein Heiliger.« Ezra Pound, 1945 »Er war ein vernunftgemäß handelnder Mann, aber er war auch zweifelsohne bösartig.« Prof. A. J. P. Taylor, 1962

97

98

Zur Beurteilung Adolf Hitlers Mittlerweile gibt es genügend englische Bücher (siehe unter anderen die Abhandlung Emrys Hughes’ und Robert Rhodes James’), die Churchills Irrtümer und Fehler verurteilen, doch versucht die englische Politik seit langer Zeit eine Haltung durchzusetzen, wonach man gegenüber den eigenen politischen Handlungen nachsichtig sein solle und gegenüber den eigenen Taten nicht die gleichen moralischen Maßstäbe anzulegen habe wie bei den Gegnern. Dies zeigt sich nicht nur bei einem Hofhistoriker, wie A.J.P. Taylor (Die Ursprünge des Zweiten Weltkrieges, Gütersloh 1962). In diesem Buch sagt Taylor über Hitler: »Er war ein vernunftgemäß handelnder Mann, aber er war auch zweifelsohne bösartig« (S. 193). Taylor führt dafür jedoch keinen Beweis als Rechtfertigung für eine solche Aussage an. In einem anderen Zusammenhang äußert er sich ganz allgemein zur Vergasung der Juden, jedoch ohne den Versuch zu machen, dies mit Hitler in Verbindung zu bringen. Meine Veröffentlichung Falsehood in Peacetime: The Genocide Mirage (Los Angeles 1969) mag das weltweit erste Buch gewesen sein, das die Vernichtung von sechs Millionen Juden in Frage stellte, sie bleibt dennoch, schon auf Grund der Quellenuntersuchung, in vielerlei Hinsicht die grundlegendste. Sie erschien acht Jahre nach Taylors Abhandlung und meiner Untersuchung über die Ursprünge des Zweiten Weltkrieges. Taylor irrt in seinem Werk aus dem Jahr 1961. Als in Oxford ausgebildeter Historiker, der schon viele ausgezeichnete Bücher veröffentlicht hat, hätte er diesem Propagandamythos nicht einen derartigen Stellenwert beimessen dürfen. George Orwell zum Beispiel mißtraute dem Mythos von Anbeginn an, und zwar schon seit 1945. Taylor zufolge war Hitler bösartig. In welcher Hinsicht war dieser 99

denn bösartig? Will Taylor auch, daß wir glauben, daß die Jungfrau von Orleans bösartig war? Viele englische Schriftsteller haben bestritten, daß sie bösartig war. Bedeutete die Tatsache, daß die Engländer während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges Nathan Hale, Yale College, aufgehängt haben, daß er bösartig war? Sind wir schon so weit gekommen, daß der, der dem englischen Imperialismus in den Weg kommt, als bösartig gilt? Ich hoffe nicht. Ich habe sämtliche Unterlagen der Nürnberger Ankläger sowie das Material der Verteidiger gelesen. Ich habe Hitler-Biographien in sieben Sprachen gelesen — sie sind so zahlreich, daß es zu mühselig wäre, sie hier anzuführen. Ich habe jahrelang Ethik, Logik, Erkenntnistheorie (was ich auch gelehrt habe), politische Philosophie und politische Wissenschaften studiert. Insofern neige ich einer anderen Betrachtungsweise zu und stimme mit dem späten Ezra Pound überein, der im April 1945 in einem Gespräch mit amerikanischen Zeitungsleuten sagte: »Hitler war ein Heiliger!« Wie die Kämpfernatur Bob La Follette in den USA, so wollte auch Hitler im Bereich der Lebensbedingungen das Beste für sein Volk. Viele ihm unterstellte herablassende und herausfordernde Äußerungen, vor allem im Hinblick auf die Völker Osteuropas, hat er nie gemacht. Einer meiner zahlreichen Spiegel-Befrager behauptete, Hitler habe alle Slawen gehaßt. Aber seit seiner Jugendzeit hatte Hitler eine Schwäche und Vorliebe für die Polen und hegte den Slawen gegenüber nie allgemeinen Haß. In den Anfangsjahren seines Aufstieges hatte Hitler auch enge Beziehungen zu weißrussischen Kreisen. Aber die unbewiesenen Anschuldigungen gegen Hitler sind derart Legion geworden, daß man unzählige Bücher schreiben müßte, um sie alle zu widerlegen. Mit Bismarck und Wilhelm II. teilte Hitler die Enttäuschung, daß mit England in keiner Weise zu festen und verläßlichen Beziehungen zu gelangen war. Seine Ansicht äußerte er anläßlich eines privaten Essens am 26. Februar 1939 in München, und zwar einige Tage vor 100

jener Unabhängigkeitserklärung seitens der Slowakei und 21 Tage vor der unseligen Birmingham-Rede Chamberlains, welche das Zuschlagen der Tür, das heißt eine Absage an eine deutsch-englische Verständigung durch das politische England, bedeutete (siehe hierzu Hermann Giesler, Ein anderer Hitler, Leoni 1977, S. 363ff.). Hitler sah die mangelnde Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit in der englischen Politik des »Gleichgewichts der Kräfte« (balance of power), die jedoch wegen weltweiter Machtansprüche veraltet sei. Auf Grund der neuen Weltlage erfordere eine feste europäische Einheit, so wie sie von Hitler gewünscht wurde, die Mitarbeit Englands; England versage sich dem. Hitler äußerte abschließend, von Ribbentrop habe ihn überzeugt, daß England seit der Münchener Konferenz im September 1938 wegen der alten britischen Politik des »Gleichgewichts der Kräfte« Kriegsvorbereitungen treffe. Hitlers Auffassung wird durch E. L. Woodwards Veröffentlichung der Documents on British Foreign Policy voll und ganz bestätigt. Hitler hatte auf die Verwirklichung seiner Traumvorstellung, einer deutsch-englischen Zusammenarbeit, seit dem deutsch-englischen Flottenvertrag von 1935 sowie der Londoner Konferenz — sie fand im Zuge der militärischen Besetzung des Rheinlandes 1936 statt — hingearbeitet. Er erhob keinen Einspruch gegen das neue französisch-englische Bündnis, weil er glaubte, dies würde sie enger zusammenbringen, und zwar entsprechend dem deutsch-italienischen Bündnis (siehe die Münchener Konferenz zur Regelung der Sudetenfrage im Jahre 1938). Hitler unterzeichnete auch bedenkenlos den von England angebotenen deutsch-englischen Freundschaftsvertrag, obwohl er zum Zeitpunkt der Unterzeichnung am 30. September 1938 an Chamberlains Aufrichtigkeit Zweifel hegte. Das am 25. Februar 1939 geführte Gespräch mit Ribbentrop bereitete ihn auf die Kehrtwendung vor, die Chamberlain 21 Tage später mit seiner Rede in Birmingham (im Anhang) vollziehen sollte. Es gibt viele Gründe zu der Annahme, daß die ganze Tragödie 101

anders verlaufen wäre, hätte das britische Außenministerium 1938 vom Roosevelt-Stalin-Bündnis das gewußt, was Churchill erst 1942 mitgeteilt bekam. Man kann sich die Auswirkung derartiger Enthüllungen auf Halifax, der die UdSSR stets verachtet hatte und sich nie vorstellen konnte, daß Roosevelt mit Stalin, und nicht mit Churchill, gemeinsame Sache machte, gut ausmalen. 1942 wirkte Halifax als englischer Gesandter in den USA. Collin Cross arbeitet in seinem Buch The Fall of the British Empire die Fragestellung deutlich heraus: einerseits ein britisches Weltreich, das die Unterstützung eines starken europäischen Staatenbundes nach der Vorstellung Hitlers genoß, oder andererseits die Lage, in welche Churchill durch seine beiden zynischen Verbündeten Stalin und FDR gebracht wurde. Cross arbeitet weiterhin heraus, daß diese Wahl bis zum Ausbruch des deutsch-russischen Krieges für England offen war. Die Begeisterung für Hitlers Regierung in Deutschland ist verständlich. Genauso verständlich war die Unterstützung für ein in Frieden geeintes Europa. Dieses Ziel hatte auch Bismarck mit seiner europäischen Bündnispolitik verfolgt. Trotz England wäre Hitler möglicherweise mit dem polnischen Diktator Josef Pilsudski in der Danzig- und Ostpreußenfrage zu einer Einigung gekommen. Doch der frühe Tod des polnischen Diktators am 12. Mai 1935 setzte solchen Überlegungen ein Ende. Die Schlacht von Kursk im Juli 1943 gegen die Sowjets zeigte, daß es Hitler nicht gelingen würde, das Schicksal zu wenden, wie es sich noch im März 1943 durch die Rückeroberung von Charkow angedeutet hatte. Sechs Wochen nach Pearl Harbor war Japan mit dem Beginn der Midway-Offensive aus dem Pazifik herausgedrängt worden. Die letzten 22 Monate des Zweiten Weltkrieges waren für Deutschland ein einziger Abwehrkampf zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Verhandlungen waren ausgeschlossen und weiterer Widerstand wurde praktisch mit der Verkündigung der Casablanca-Doktrin 102

von der »bedingungslosen Kapitulation« vorprogrammiert. — Churchill stimmte ihr schließlich, wenn auch widerstrebend, zu. Hitler hielt tapfer stand und verkraftete auch den Mordversuch der deutschen Aristokraten vom 20. Juli 1944. Dies zeigte sich noch in einer Rede vor den Gauleitern im Februar 1945, von der Helmut Sündermann berichtet (siehe Deutsche Notizen, Leoni am Starnberger See 1965). Trotz Sabotage und Spionage, die zwar Schaden anrichteten, ging Hitler durch die äußeren Kriegswirkungen unter, nicht durch eine Revolution im Innern. Die meisten Deutschen liebten ihren Führer über dessen Tod hinaus, bis, wie uns Kolbenheyer berichtet (aaO.), die Welt im Meer der Nachkriegspropaganda ertränkt wurde. Deutsche Kultur vor 1914 Wie angesehen das kaiserliche Deutschland unter international führenden Schriftstellern war, zeigt ein kurzer Überblick. Der schöpferischste australische Schriftsteller, Henry Handel Richardson, ein männlicher Deckname für eine Frau, versetzte in seinem Roman Maurice Guests (London 1913), den viele für die treffendste moderne Liebesgeschichte halten, den Haupthelden als Kunststudenten in das gesellschaftlich wie kulturell vollkommene Dresden, sozusagen als Gegenpol für sein Schicksal. Die Liebesgeschichte endet tragisch mit dem Selbstmord des Helden. Die australische Umgebung, wie wir sie in der berühmten Trilogie The Fortunes of Richard O’Mahoney finden, hätte dazu als Rahmen nicht gepaßt. Aus demselben Grund ließ Englands großer Schriftsteller D. L. Lawrence in seinem zeitweise verbotenen Buch Lady Chatterly’s Lover (London 1925) seine Hauptheldin mit dem Wandervogel, jener naturverbundenen deutschen Jugendbewegung, eine herrliche Rundreise durch das wilhelminische Deutschland vor 1914 machen, um der Heldin den notwendigen Rang zu verleihen und sie so vorzüglich wie 103

Bedeutende Geistes- und Naturwissenschaftler sowie Erfinder der Kaiserzeit. 1. Reihe: Leopold von Ranke, Heinrich Schliemann, Heinrich von Treitschke. 2. Reihe: Max Planck, Robert Koch, Wilhelm Conrad Röntgen. 3. Reihe: Rudolf Diesel, Carl Zeiss, Werner von Siemens. 104

möglich erscheinen zu lassen. — Obwohl der Jean-Christophe des Franzosen Romain Rolland — er entstand auf Anregung der früheren Wagner-Freundin Mathilde von Wesendonck — verschwommen an Beethoven erinnert, sind Hinweise auf den Glanz des willhelminischen Deutschland erkennbar. — Henrik Ibsen, der bei wietem einflußreichste Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, schrieb den Großteil seines bedeutenden Werkes in München, das er als seine geistige Heimat betrachtete. Auch Fedor Dostojewski, vor allem nach seiner zweiten Ehe, teilte seine Zeit fast gleichermaßen zwischen Rußland und Deutschland auf. Und Dostojewsky gehört zweifellos zu den größten russischen Literaten. Die großen deutschen Schriftsteller wie Gerhart Hauptmann, Thomas Mann und der junge Friedrich Hebbel hielten sich zu Hause in Deutschland auf. Auch die bedeutenden deutschen Komponisten wie Brückner, Brahms und Richard Strauß blieben im Lande. Diese Epoche war auch eine große Zeit für deutsche Maler und Musiker, für deutsche Dichter und Romanschriftsteller, darüber hinaus auch für ein kulturell sehr interessiertes und aufgeschlossenes Publikum. Die Eintrittspreise für Theater-, Ballett- und Opernaufführungen, die zu den besten der Welt zählten, waren in Deutschland erschwinglich. Das Angebot an Museen wurde ständig erweitert; auch die Symphonieorchester zählten zu den besten der Welt. Die philosophische Überlieferung, die mit Kant begann und sich über Schopenhauer und Nietzsche fortsetzte, war einmalig in der Welt. Ebenso genossen die Architektur und die Bildhauerei Weltruf. Wie man im Deutschen Museum in München nachvollziehen kann, nahm das Kaiserreich eine führende Stellung auf dem Gebiet der Chemie sowie der Technologie ein (siehe Georg Franz-Willing, Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert, Tübingen 1988). Die Deutschen zählten zu den Pionieren im Automobilbau, und deutsche Ingenieure bauten in Budapest die erste funktionierende U-Bahn der Welt. 105

Die deutschen Kreuzfahrtschiffe standen hinsichtlich Ausstattung und Bequemlichkeit ganz vorn. Und es waren vor allem Deutsche, die das Schilaufen zu einem Volkssport machten. Obwohl der große Historiker Leopold von Ranke das Zweierbündnis zwischen dem neuen deutschen Kaiserreich und der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie als eine geeignete Lösung der deutschen Frage in Mitteleuropa erkannt hatte und ihm andere Historiker des Zweiten Reiches darin zustimmten, gab es dennoch viele deutsche Historiker, Gelehrte, Studenten und Bürger, die dazu ihre Zweifel hatten. Das Habsburger Reich schien am Ausgang des 19. Jahrhunderts auseinanderzufallen. Und man wurde unwillkürlich an jene Szene in Auerbachs Keller in Goethes Faust erinnert: »Was hält dieses alte Reich noch zusammen?« Hitlers Familie Nichts ist für einen jungen Geist anziehender als ein schwieriges, dennoch lösbares Problem. Hitlers Vater, ein wohlhabender ehemaliger Soldat und Beamter, der sich nach vierzig Jahren im Habsburger Staat bei voller Pension zur Ruhe setzte, blieb seinem Kaiser Franz Joseph treu. Hitlers Vater war erst elf Jahre alt, als Franz Joseph 1948, in einem Jahr voller Unruhen, den Thron in Wien bestieg. Während Hitler und seine Mitschüler in Linz an der Donau im Geiste eines modernen deutschen Nationalismus dachten und die Habsburger angriffen (für diese waren Ungarn, Polen, Kroaten und Tschechen nützlicher als die Deutschen, die mit 25 Prozent Bevölkerungsanteil das traditionelle Rückgrat der k. u. k.-Monarchie stellten), war sein Vater genauso wie die Dynastie selbst mehr weltbürgerlich ausgerichtet. Und dies betraf auch die Einstellung gegenüber den Juden, die in den letzten fünfzig Jahren vermehrt aus Galizien in die großen Städte der Doppelmonarchie wie Wien, Budapest und Prag eingeströmt waren. Hitlers Vater war schnell bei der Hand, darauf hinzuweisen, 106

daß sich die Ostjuden mit ihrer Umgangssprache Jiddisch, das dem Deutschen sehr ähnlich war — das Hebräische war dem Religiösen vorbehalten —, bereitwillig den Deutschen anpaßten und damit die Germanisierung der nichtdeutschen Volksgruppen begünstigten. Hitlers Vater, dessen Vorfahren aus dem niederösterreichischen Waldviertel kamen, fühlte sich aber, als die Tschechen, wenn auch in geringer Zahl, aus wirtschaftlichen Gründen nach Ober- und Niederösterreich einwanderten, genau so als Deutscher wie als Linzer aus Oberösterreich, ja als Weltbürger des k.u.k.-Vielvölkerstaates keineswegs bedroht. Da Hitler 52 Jahre jünger als sein Vater war, spiegelte sich in ihm die Generation wider, welche die Notwendigkeit sah, diese Frage im Geiste eines aufgeklärten Nationalismus zu lösen. Sein Vater dagegen verkörperte jene Generation der k. u. k.-Monarchie — vor allem nach der Niederschlagung der großdeutschen Revolution in Wien im Jahre 1849 —, deren höchstes Ideal eine Art Weltbürgertum war. Obwohl Hitler in seiner Lebensbeschreibung (Mein Kampf) deutlich macht, daß er sich gegen einige Methoden seines Vaters, seinen beruflichen Werdegang zu beeinflussen, auflehnte, scheint er sich offensichtlich nie gegen dessen entgegengesetzte politische Auffassungen, die er in seiner Biographie unvoreingenommen erörtert, empört zu haben. Später beauftragte er auch seinen Architekten Hermann Giesler, für seine Eltern ein herrliches Grabmal in Linz a. d. Donau zu entwerfen. Sein eigenes Grabmal nach dem Vorbild des römischen Pantheons, das ebenfalls von Giesler entworfen werden sollte, sollte in München, der Hauptstadt der Bewegung, als Anbau an ein Versammlungsgebäude stehen. Hitlers Vater starb 1903 im Alter von 65 Jahren. Sein Weltbild blieb auf die Habsburger und die Doppelmonarchie beschränkt. Sein Sohn war anders. Er war nicht nur durch nationalistische und antijüdische Lehrer während seiner Linzer Schulzeit beeinflußt worden, sondern auch durch zahlreiche Schriften, mit denen er sich von früher Jugend an auseinandersetzte. 107

Hitlers politische Tradition Werner Maser (Das Ende einer Legende, München 1971; eines von vier wissenschaftlichen Anti-Hitler-Büchern) führt Hitlers Erfolg auf Selbsterziehung zurück. Er stellt fest, daß Hitler im Alter von 35 Jahren, also zehn Jahre, nachdem er als einfacher Soldat für vier Jahre in den Ersten Weltkrieg gezogen war, genauso viel wie ein gleichaltriger Universitätslehrer gelesen hatte. Dies ist eine hohe Anerkennung für Hitlers geistige Fähigkeiten und seinen Ehrgeiz, sich möglichst viel Wissen anzueignen. Schon als Junge hatte Hitler neben anderen Themen damit angefangen, sich mit dem deutsch-französischen Krieg 1870—71 und dem deutschen Sieg unter Helmut von Moltkes Führung zu beschäftigen. Für Hitler war das eine andere Art von Erfahrung als irgendein Triumph der Habsburger, der seinen Vater erfreut hätte. Hitler, als Idealist, entschloß sich, in Kriegen nur für Deutschland, und nicht für Habsburg zu kämpfen, obwohl es erst 35 Jahre her waren, daß beide Staaten gegeneinander Krieg geführt hatten. Sobald sich Hitler einmal eine Meinung gebildet und sich entschieden hatte, blieb er dabei. So auch in diesem Fall. Hierin findet jene Aussage Nietzsches ihre Bestätigung, wonach nicht ein großes Gefühl, sondern die Beständigkeit großer Gefühle große Männer macht. Im April 1939, im Alter von 50 Jahren, sagte Hitler zum rumänischen Außenminister Grigore Gafencu, wäre er, Hitler, anläßlich der Krise von 1914 an der Stelle von Bethmann-Hollweg und Jagow gewesen, dann hätte er die Habsburger abgesetzt, ihre deutschen Gebiete aus dem »Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation« Deutschland angegliedert und die anderen Gebiete unter Rumänien und den übrigen Staaten aufgeteilt. Österreich-Ungarn jedoch hatte eine unabhängige Politik verfolgt und kam dem deutschen Kaiserreich auch bei der AlgericasKonferenz 1906 in die Quere. Glaubt jemand, daß Deutschland bei einem Abkommen mit Rußland 1914, vergleichbar dem deutsch108

sowjetischen Abkommen vom 27. August 1939 in Sachen Polen, in Schwierigkeiten geraten wäre, die Habsburger zu entmachten? Um die Jahrhundertwende war die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie schon lange eine taube Nuß.* Je mehr Hitler das Zweierbündnis nach 1900 untersuchte, desto mehr lehnte er das Urteil Leopold von Rankes ab, daß das Bündnis Bismarcks eine befriedigende Regelung der deutschen Frage gewesen sei. Bereits zum Zeitpunkt des Ranke-Urteils erschien ÖsterreichUngarn unter Andrassy stärker, als es in Wirklichkeit war. Auf jeden Fall war es stärker als zur Zeit der dümmlichen Streitereien im österreichischen Reichsrat in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als es manchmal den Anschein hatte, Tschechen und Polen würden im österreichischen Teil des Habsburgerreiches das Sagen haben. Die Politik eines Ährentals und Berchtold zeigte schon mehr Schwächen. Man sprach auch schon häufiger über die nihilistische Auffassung des k.u.k.-Generalstabschefs Conrad von Hötzendorf, die Doppelmonarchie leide an keiner Krankheit, die ein guter Krieg nicht heilen könnte. Hitler war sich dieser Wirklichkeit bewußt und handelte entsprechend. Als er zur k. u. k.-Wehrmacht eingezogen werden sollte, * Auf der Algericas-Konferenz vom 16. Januar bis 7. April 1906 legten die europäischen Groß- und Mittelmächte sowie die USA die 1. Marokko-Krise bei. Frankreich konnte praktisch seine seit 1904 erhobenen Herrschaftsansprüche auf Marokko gegen Deutschland, das in seinen seit dem Marokko-Abkommen von 1880 bestehenden Rechten nur von Österreich unterstützt wurde, durchsetzen. Bei der Algeciras-Konferenz zeigte sich erstmals deutlich das Ergebnis der Einkreisungspolitik gegen Deutschland. Vorausgegangen war ein Besuch Kaiser Wilhelms II. am 31. 3.1905 beim Sultan von Tanger. 1911 kam es dann durch Frankreichs Behinderung der vereinbarten Handelsfreiheit zum »Panthersprung«, dem Besuch des deutschen Kanonenbootes Panther am 1. Juli 1911 in Agadir und damit zur 2. Marokko-Krise, die im Marokko-Kongo-Abkommen vom 4. November 1911 beigelegt wurde. Siehe Diercks, Die Marokko-Frage, 1906. 109

Die europäische Delegation auf der Konferenz von Algeciras. Nach der Konferenz weiß Deutschland, daß es nur noch mit ÖsterreichUngarn rechnen kann. Selbst Theodore Roosevelt hatte Wilhelm II. »gewarnt«, daß im Falle eines Scheiterns Deutschland seinen moralischen Kredit verlieren werde.

Französische Karikatur. Kaiser Wilhelm, in Gestalt eines türkischen Galeerenbesitzers, versucht, in Marokko die französische Marianne mit einem Fliegenwedel anzulocken. 110

tauchte er in der Riesenstadt Wien unter, bis er sich 1913 auf den Weg nach München machte. Dort lebte er weiterhin vom Verkauf seiner Gemälde, von denen einige ausgezeichnet waren (siehe B. F. Price, Hitler als Maler und Zeichner. Zug 1983). Er fuhr auch mit seinen politisch-historischen Studien fort. August Kubizek, sein bester Freund aus seinen Linzer und Wiener Tagen sowie ein begabter Komponist und Konzertdirigent, handelte 1914 wie ein normal intelligenter Mensch. Da er Bürger von Österreich-Ungarn war, diente er im Ersten Weltkrieg in der österreichisch-ungarischen Armee. Er hatte, falls überhaupt, höchstens die Hälfte von dem verstanden, was Hitler über die mitteleuropäische Politik gesagt hatte. Es ist durch einen fachlich fähigen Psychiater, der Hitler 1918 in Pasewalk in Pommern wegen eingebildeter Blindheit auf Grund eines Gasangriffes untersuchte, verbürgt, daß Hitler sich erst dort im Alter von 29 Jahren entschloß, in die Politik zu gehen. Kubizek erinnerte Hitler anläßlich der Bayreuther Festspiele 1940 an einen Vorgang in Linz, wo Hitler im Alter von 16 Jahren nach einem Opernbesuch mit ihm spazieren ging. Hitler erinnerte sich sofort und sagte: »In diesem Augenblick begann es!« (Siehe August Kubizek, Adolf Hitler — mein Jugendfreund, Graz 51989) Wäre das Kaiserreich der Hohenzollern, so wie es Hitler von 1914 bis 1918 inbrünstig erhoffte, aus dem Ersten Weltkrieg siegreich hervorgegangen, wäre Hitler nicht in die Politik gegangen. Hatte Churchill nicht recht, als er sagte, nur ein Politiker wie Hitler habe Deutschland retten können? Kriege vor 1914 Als Hitler 25 Jahre alt war und 1914 als Kriegsfreiwilliger mit der Zustimmung und Billigung der Habsburger und Wittelsbacher in einem bayrischen Regiment diente, herrschte zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn Frieden. Um die beiden Länder herum wie 111

auch weltweit hatte es in der letzten Zeit genügend Kriege gegeben. Einer der brutalsten dieser Kriege war der 4. Burenkrieg (1899—1902), den Hitler in Mein Kampf und anderswo erwähnt. Für Hitler war es selbstverständlich, sich mit den Buren, die teilweise deutscher Herkunft waren, zu identifizieren. Die ganze Welt, ausgenommen das imperialistische England und einige englandfreundliche Amerikaner wie Woodrow Wilson, war für die Buren. Die meisten Grausamkeiten wurden auf Seiten der Engländer begangen, und selbst in England gab es seit dem 18. Jahrhundert keinen so ernsthaften Widerstand wie gegen diesen Krieg. Im Zeitraum 1889 bis 1903 fanden drei Kriege statt: zwischen den USA und Spanien, den USA und den Philippinen, und den USA und Kolumbien; ferner verschiedene militärische Eingriffe der USA in einige lateinamerikanische Staaten wie Haiti und Nicaragua. 1894 bis 1895 gab es die beiden Kriege Japans gegen China, später den japanisch-russischen Krieg (1904—1905), den die Japaner mit englischer Unterstützung führten. Dem folgte 1910 die ungerechtfertigte japanische Inbesitznahme Koreas. 1896 führte Italien zwei Kriege in Abessinien und verlor sie. 1911 bis 1912 führten die Italiener Krieg gegen die Türkei, wobei die Kriegshandlungen ohne Kriegserklärung eröffnet wurden. Der Krieg führte zur vorübergehenden Inbesitznahme von Libyen durch die Italiener. Die Italiener hatten dort bis 1934 zu tun, ehe es ihnen gelang, den Widerstand der Senussi-Araber zu brechen. Zehn Jahre später haben sie die harterworbenen Kolonien dann im Zweiten Weltkrieg wieder verloren. 1911 bis 1912 kam es zu den beiden Balkan-Kriegen, die durchweg auf russisches Betreiben zurückgingen. Der erste Balkan-Krieg nahm in Montenegro seinen Ausgangspunkt. Es folgten Serbien, Bulgarien und Griechenland, und jedes Mal ging es gegen die Türken, um ihnen die seit Jahrhunderten beherrschten Gebiete des Balkans zu entreißen. Bulgarien geriet dann in einen zweiten Krieg und wurde wechsel112

weise von den Serben, Rumänen, Griechen und Türken angegriffen. Die Bulgaren wurden Opfer dieses Einkreisungskrieges. Sie verloren ihr ägäisches Küstengebiet, das westliche Thrazien, ein großes Stück von Mazedonien und die Süd-Dobrudscha. Als die Acht-Mächte-Garantie für die Unabhängigkeit Marokkos zusammenbrach und die Deutschen 1911 ihre Schutzzusage zurücnahmen, fielen 1912 die Franzosen in Marokko ein und eroberten es. Etwas früher hatten die Franzosen auch in Nordvietnam Krieg geführt. 1890 hatte England das Sultanat Sansibar angegriffen und vernichtet. Und die ganze Zeit über war es in Grenzkriege im nordwestlichen Indien verwickelt. Die Amerikaner hatten zu diesem Zeitpunkt — was jedermann in Europa wußte — ihren jahrhundertelangen Ausrottungskrieg gegen die Indianer mit dem Massaker von Wounded Knee (1890) beendet. 200 Sioux-Indianer und ihre religiösen Führer wurden dabei umgebracht. In diesem Jahr betrug laut amtlicher amerikanischer Zählung die Zahl der Indianer, ohne die Eskimos, noch 360 000 für das ganze US-Staatsgebiet einschließlich der vier Territorien von Oklahoma, Neu Mexiko, Arizona und Alaska. Zwölf Jahre später meldete US-General Funston die Ermordung von 640 000 Filipinos im Krieg der USA mit den Philippinen (1899-1902). Das war etwa die doppelte Zahl an Toten wie nach meinen Kenntnissen in allen Konzentrationslagern Hitlers in der Zeit von 1933 bis 1945. Doch die amerikanischen Moralprediger wagen es, Hitler gegenüber als Moralapostel aufzutreten. Zu Hitlers politischer Tradition Hitler hätte nach all seinem Studium der verschiedenen Kriege — zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon entschlossen, nicht in der Armee des k.u.k.-Vielvölkerstaates zu kämpfen — nur in zwei Kriegen mitkämpfen wollen: dem deutsch-französischen Krieg von 1870 bis 113

1871 und dem 4. Buren-Krieg von 1899 bis 1902. Aber trotz seiner Zuneigung für die freiheitsliebenden Buren war Hitler wie die meisten Deutschen in seiner Grundhaltung ein Englandfreund. Der Einfluß des englischen Darwinismus sowie von Rudyard Kiplings Auffassung von der »Bürde des weißen Mannes«, welche Hitler in der Schule vermittelt wurden, ist deutlich und zeigt sich auch in seiner Daseinsund Weltsicht. Und dies trotz all der bekannten englischen Grausamkeiten in Neuseeland, Japan, China, Indien und anderswo. Aber im Verhältnis zum 20. Jahrhundert war das Verhalten der Engländer im 19. Jahrhundert noch ehrenhaft zu nennen*. Der anglo-amerikanische Einfluß auf Deutschland Der geistige Einfluß Englands auf Deutschland ist stärker als der marxistische. Und beide sind mit der Hauptgrund für die derzeitige Schwäche Deutschlands. Dennoch wirkt sich der britische Einfluß noch viel verheerender auf die USA aus als auf Deutschland und Norwegen, und das trotz der Tatsache, daß das vorherrschende völkische Element in diesem modernen amerikanischen Turmbau zu Babel das deutsche ist — viele Deutsch-Amerikaner wie auch viele Norweger haben englische Namen angenommen (zum Beispiel Rock Hudson, Doris Day, Veronica Lake, Fred Astaire und andere mehr). In meinem persönlichen Bekanntenkreis kenne ich allein fünfzig deutsch-amerikanische Familien, die ihren Namen anglisiert haben * Auf einer NSDAP-Versammlung am 13. April 1923 in München (Zirkus Krone) sagte Hitler: »England liefert drei Beweise des größten politischen Unrechtes: 1. Burenkrieg: Auf Burenseite gerechter Wunsch nach Freiheit, auf Englands Seite Gier nach Geld und Diamanten. 2. Opiumkrieg gegen China: Englands Militärmacht zwingt das schwächere China zur Annahme des Opiums, wodurch letztes ein ruiniertes Volk wird. 3. Eroberung Indiens: 275 000 Engländer unterwerfen ein Kulturvolk von 300 Millionen. Wo ist hier das Recht gewesen?« 114

(zum Beispiel Wertenbäcker zu Wertenbaker, Breidenbach zu Breidebough, Schwarzwälder zu Blackwelder). Es handelt sich hier um Kollegen aus dem akademischen Bereich. Natürlich machen es andere Volksgruppen ähnlich, aber in wesentlich geringerem Ausmaß. Am schlimmsten sind darin die Norweger. Der Grund liegt darin, daß sie ebenso wie die Deutschen auf Grund ihrer besonderen Beeinflussung in Europa mehr als andere der völligen Anpassung an die angelsächsische US-Gesellschaft erliegen. Auf andere Gruppen, wie zum Beispiel die Franzosen, Italiener und Holländer, trifft dies weniger zu. Amerikaner norwegischer Abstammung genießen in Norwegen großes Ansehen; bei Amerikanern dänischer und schwedischer Herkunft ist das in Dänemark und Schweden nicht der Fall. Im Gegenteil, sie werden mit Verachtung und Lächerlichkeit behandelt. Möglicherweise liegt ein Schlüssel zum Verständnis der Superhaie-Gesellschaft der USA in einer wirklichkeitsnahen Betrachtung des britischen Weltreiches auf seinem Höhepunkt (siehe Ludwig Reiners, Roman der Staatskunst — Leben und Leistung der Lords, München 1951). Die Untersuchung von Reiners, die weit über die ausgezeichnete Vorgängerarbeit von Karl Abshagen (König und Gentlemen, Berlin 1938) hinausgeht, läßt die 700 Jahre alte Mafia im Vergleich zum Welterobererklüngel der englischen Oligarchie, die in erster Linie aus den Nachfahren der anglo-normannischen Eroberer kommt, wie einen kirchlichen Wohltätigkeitsverband erscheinen. Die in den USA vorherrschende doppelbödige Moral nimmt die Verbrechen von England ebenso wie die von Israel hin. Es sollte auch erwähnt werden, daß neben dem Zionismus England eine weitere Quelle für die schreckliche Homosexuellen-Pest in den USA ist. Hinzu kommt noch die starke Einwanderung englischer und australischer Homosexueller. Man wird dabei an den Film von Renoir, dem Sohn des großen impressionistischen Malers, mit dem Titel Die große Illusion aus dem Jahre 1938 erinnert. Ein Teil der Handlung spielt in einem sehr behaglichen, menschlichen Kriegsgefangenenlager für 115

Engländer, Franzosen und Russen in der Zeit des Ersten Weltkrieges. Die englischen und französischen Gefangenen bitten um Erlaubnis, ein Theaterstück aufführen zu dürfen. Man sagt ihnen, es seien Kostüme für die weiblichen Rollen vorhanden. Alle Engländer, aber keine Franzosen wollen diese Rollen spielen. Renoir mag das Opfer von Propaganda sein, aber dennoch steckt ein Körnchen Wahrheit darin. Man wird an Alfred Lord Tennysons »poeta laureatus« zur Zeit, als das britische Weltreich auf dem Höhepunkt seiner Macht war, und seine 18jährige Liebesaffäre mit Arthur Hallam erinnert. Diese Beziehung war keineswegs geheim. Man denke auch an den irischen Dramatiker Oscar Wilde, der nach homosexueller Verführung drei Jahre im Gefängnis von Reading eingesperrt war. Es sei daran erinnert, daß Wilde den Vater seines Liebsten, den Marquis de Queensbury — es ist derselbe Marquis, der die modernen Faustkampfregeln festlegte — beleidigt hatte. Nicht Wildes Homosexualität, der er lange genug frönte, sondern sein Angriff auf die britische Obrigkeit in der Person eines wohlhabenden schottischen Lords hatte ihn ins Gefängnis gebracht. Hitler erwähnt zwar, daß die Tapferkeit der britischen Truppen im Ersten Weltkrieg seine Bewunderung errang, es ist dennoch darauf hinzuweisen, daß diese seine Wertschätzung bereits während seiner Linzer Schulzeit geprägt wurde. Großdeutsche Bestrebungen seit 1848 Hitler, der auch einmal mit dem Gedanken gespielt hatte, im Dienst der Kirche seinen Weg zu gehen, wuchs als Idealist, als Romantiker, als Künstler und vor allem als Utopist auf. 1915, auf dem Krainberg, sagte er zu seinem Freund Kubizek, das größere Deutschland müsse wieder erstehen. Wenn man sich mit der englischen Heuchelei anläßlich der tschechischen Frage im Jahre 1938 beschäftigt (zu erwähnen wären ebenfalls die rumänische, die russische und die 116

griechische Frage), muß man sich daran erinnern, wie die gestandenen demokratischen Liberalen der Frankfurter Paulskirche reagierten, als der tschechische Historiker Frantisek Palacky vorschlug, Böhmen, eines der sieben Kurfürstentümer des Ersten Deutschen Reiches, zweizuteilen und einen eigenen tschechischen Staat im Bündnis mit Rußland zu schaffen. Heinrich von Gagern erinnerte Palacky daran, daß Böhmen seit dem Wiener Kongreß ungeschmälerter Bestandteil des Deutschen Bundes sei. Die verfassungsgebende Versammlung von 1848 war mehr mit weiteren, Deutschland einzugliedernden Gebieten beschäftigt als mit der Frage, aus reiner Nächstenliebe eigenes Gebiet wegzugeben. Dänemark war strenggenommen kein deutscher Staat, war jedoch wegen seiner Herrschaft über Holstein Mitglied des Deutschen Bundes. Schleswig mit seiner mehrheitlich deutschen Bevölkerung gehörte nicht dazu, obwohl Schleswig-Holstein seit urdenklichen Zeiten zusammengehörten. Es war Politik der Paulskirche, in der schleswig-holsteinischen Frage die preußische Armee mit der Zustimmung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. als ausführenden Arm zu nutzen. Zur gleichen Zeit hatte es Preußen mit einem polnischen Aufstand in Posen zu tun. Dem Deutschen Bund gehörten zwar Schlesien und Pommern, nicht jedoch Posen, Westund Ostpreußen an. Er umfaßte auch nicht die habsburgischen Besitzungen in Galizien, Ungarn und Dalmatien. Aber Posen, das auf dem Wiener Kongreß einem Königreich Polen in Personalunion mit Rußland zugesprochen werden sollte, war nach dem Einspruch der Engländer, Franzosen und Österreicher preußisch geblieben. Preußen erhielt aber nicht die versprochenen sächsischen Gebiete. Darüber hinaus wäre Polen mit Posen, aber ohne Galizien kaum lebensfähig gewesen. Wenn die Frankfurter Nationalliberalen bereit waren, wegen all dieser Fragen auch einen Krieg zu wagen, dann ist es auch verständlich, daß sie in der Frage eines mit Rußland verbündeten tschechischen Staates in Böhmen, im Herzen Deutschlands, nicht 117

kompromißbereit waren. Hätte Palacky weiter darauf bestanden, dann wäre er über kurz oder lang im Gefängnis gelandet. Der Traum eines größeren Deutschlands, eines Großdeutschlands, starb zunächst im Jahre 1849, vierzig Jahre vor der Geburt Hitlers, auch mit der Erschießung eines Robert Blum, des Abgesandten der Frankfurter Paulskirche, in Wien und der vorzeitigen Thronbesteigung von Kaiser Franz Joseph. Der Traum von Kleindeutschland starb zunächst 1850 in Olmütz in Mähren, als in Preußen Radowitz und König Friedrich Wilhelm IV gezwungen wurden, das Ultimatum* von Franz Joseph und Zar Nikolaus I. anzunehmen. Trotz der bitteren Rivalität zwischen den Habsburgern und den Romanows auf dem Balkan halfen die Russen den Habsburgern, auch mit zweimaligem militärischen Eingreifen in Ungarn, den Traum einer deutschen Einheit, sehr zur Freude vom britischen Lord Palmerston, zu zerstören und Deutschland in reaktionäre Zustände zurückfallen zu lassen, die sich nicht viel von der Ära eines Metternich unterschieden. Der junge Hitler bewunderte Bismarck und Wilhelm II. schon deshalb, weil beide Männer, jeder auf seine Art, ausgezeichnete Vertreter dessen waren, was Hitler den deutschen Gedanken in der Welt nannte, und das ließ ihn auch über die vorübergehende Entfremdung zwischen den beiden (1890—1895) hinwegsehen. Während einige Negativkritiker behaupten, Bismarck habe die Deutschen, dadurch, daß er ihnen alles abnahm, klein gemacht, sah Hitler in Bismarck wie auch im Kaiser die überzeugenden Vorbilder für sein Volk. Für den jungen Hitler war die Zeit von 1904 (»Entente Cordiale«) bis zur Genehmigung, als Freiwilliger in einem bayrischen Infanterieregiment dienen zu können, eine erregende Epoche. Es wäre * Nachdem Preußen im Frühjahr 1850 in der Erfurter Union eine deutsche

Einigung ohne Österreich, Bayern und Württemberg eingeleitet hatte, mußte es in der »Olmützer Punktation« am 29.11.1850 auf Druck Rußlands in Vereinbarung mit Österreich davon zurücktreten. Die deutsche Frage blieb weiterhin ungeklärt. 118

falsch zu behaupten, daß Hitler einem möglichen großen Krieg gegenüber eine fatalistische Haltung an den Tag gelegt hätte. Aber der Beobachter, der die Gefahren der englischen Einkreisungspolitik für das blühende neue Deutschland übersah, hätte in der Tat blind sein müssen. Zweifelsohne war diese mögliche Gefahr für das »belagerte« Deutschland eine Ursache, die Hitler die Frage der Juden als eines möglichen umstürzlerischen Elementes näher erforschen ließ. Hitlers Vorstellung von einem größeren Deutschland, wie es ihm schon seit 1905 vorschwebte, war nie mit Gedanken an Kolonien verbunden, so wie dies bei gleichaltrigen englischen und französischen Jungen der Fall war. Obwohl der Ausgang des Burenkrieges Hitler irgendwie faszinierte, sprach Hitler der moderne Überseekolonialismus, wie er in der Zeit bis 1914 weltweit Mode war, nie an. Dies geht möglicherweise auf seine Verankerung in klassischen wie mittelalterlichen Überlieferungen zurück. Sein Traum galt Groß-Deutschland mit genügender Fläche, um die Bedürfnisse des Landes für industrielle Rohstoffe und Nahrung sicherzustellen. Dies war in einer Zeit, als sich die Bevölkerung Mitteleuropas vermehrte und Hermann Göring einmal die Aussage machte, Deutschland werde im Jahre 2000 200 Millionen Menschen zählen. Zwei verlorene Weltkriege kamen indes dazwischen. Betrachtet man Hitlers jugendliche Interessen insgesamt, so kann man sagen, daß er sich mehr für das zivile und künstlerische Leben als für das soldatisch-militärische interessierte. Er verbrachte seine Zeit in Wien nicht etwa damit, Kriegskarten zu entwerfen und eingebildete Kriege durchzuspielen. Er schrieb Gedichte und sogar eine Oper. Er malte ganz gut (siehe B. F. Price, Adolf Hitler als Maler und Zeichner, Zug 1983) und konnte damit seinen Lebensunterhalt verdienen. Er führte auch als Autodidakt seine Architekturstudien fort. Was für ein Gegensatz zum Leben Churchills in Sandhurst! Als Folge der Mißhandlung durch seine Eltern wurde aus diesem ein klei119

Ein anderer Hitler. Oben: »Musica« (1910); unten: Ruhequartier in Fournes (1915), Federzeichnung mit gelben, braunen und bunten Stiften.

120

kleiner Zuchtmeister, der zum Trost von exotischen Kriegen träumte. — FDR erfreute sich als Sechzehnjähriger am Angriff seines Vetters Teddy gegen die Spanier bei San Juan Hill sowie an Teddys Ausspruch »Schau dir diese verdammten toten Spanier an!« Man wird dabei an General MacArthurs Ausspruch von Inchon im Jahre 1950 erinnert: »Diese toten Koreaner zu sehen tut meinen alten Augen gut!« FDR träumte zum Beispiel von einer Karriere in der Militärverwaltung. Daher bat er 1912 Wilson nicht um einen Posten in der Finanzverwaltung, sondern bei der Marine. Roosevelt wie Churchill waren in ihrer Jugend schon militaristischer, als es Hitler je werden wollte. Hitler träumte nie von einer militärischen Karriere in Friedenszeiten, so wie dies bei FDR und Churchill der Fall war. Keiner der beiden, und auch nicht ihre Söhne, strebten danach, den Gefahren eines Frontsoldaten ausgesetzt zu sein. Sie kannten auch nicht die Lust und den Abenteuergeist, die Stalin dazu trieben, Banken zu überfallen, was Lenin zu seinem Ausspruch veranlaßte, Stalin habe eine Vorliebe für Kriminelle. Selbst in der siegreichen Phase des »Großen Vaterländischen Krieges« von 1943 bis 1945 war keiner der obersten sowjetischen Heerführer, wie zum Beispiel Koniew und Schukow, frei von der Furcht, daß ein gemachter Fehler sie ihr Leben kosten könnte (siehe hierzu John Frickson, The Road to Berlin — Continuing the History of Stalins War with Germany, Boulder, Colorado, S. 513ff.). Hitler folgte dem Ruf zum Militär erst im Jahre der Krise (1914), und das in einem Land, in dem er erst seit einem halben Jahr lebte. Er war bereit, alle Gefahren auf sich zu nehmen, und verschwendete keinen Gedanken an finanzielle, militärische oder politische Vorteile. Er forderte nicht einmal die deutsche Staatsbürgerschaft, die er erst viele Jahre später erhielt. Und wenn er aus dem Krieg mit der Absicht nach Hause kam, in die Politik zu gehen, so geschah dies, weil Deutschland betrogen, entehrt und besiegt am Boden lag. Hitler war Idealist. Die Jahre des Nachdenkens über die Rolle Deutschlands in 121

der westlichen Zivilisation sowie das Denken an die Leistung, die Bismarck mit der Gründung des Zweiten Reiches der Deutschen vollbracht hatte, gaben ihm die vaterländische Stärke, um im Ersten Weltkrieg ein Mustersoldat zu sein, so wie er auch von seinem Vorgesetzten, Hauptmann Fritz Wiedemann, beschrieben wurde (siehe Fritz Wiedemann, Der Mann, der Feldherr werden wollte. Velbert 1964). Sarajewo Hitler wuchs in dem Bewußtsein auf, daß das glänzende Reich Bismarcks, welches das beste soziale, wirtschaftliche und politische System der damaligen Welt verkörperte, von einem barbarischen Rußland, einem rachsüchtigen Frankreich und einem neidischen England zerstört zu werden drohte. Nach dem Tod des Reichsaußenministers Kiderlen-Wächter im Jahre 1912 schmerzte es Hitler, mitansehen zu müssen, wie Deutschland immer mehr in die habsburgische Balkanpolitik hineingezogen wurde, anstatt im Sinne Kiderlens eine eigenständige und unabhängige Politik zu betreiben. Das letzte Beispiel war die Tragödie von Sarajewo vom 28. Juni 1914, die es England erlaubte, seinen großen Krieg zur Vernichtung Deutschlands zu beginnen. Die Deutschen stimmten einer Österreich-ungarischen Strafexpedition gegen Serbien zu. Dies war eine Woche nach der Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gattin. Niemand konnte sich vorstellen, daß dieser Fürstenmord am fähigsten Habsburger seit Rudolf I. zu einem allgemeinen oder auch nur örtlich begrenzten Krieg führen könnte. Als im Jahre 1903 die serbische Königsfamilie der Obrenovichs ermordet wurde, hatte Edward VII. als Zeichen des Protestes fünf Jahre lang die diplomatischen Beziehungen mit Serbien unterbrochen. Und niemand konnte sich vorstellen, daß Georg V. 1914 anders handeln würde. Niemand hätte geglaubt, daß der englische Außenminister Sir Edward Grey seinen Botschafter in Rußland, Sir 122

Als der neue König Englands, Georg V., im Mai 1913 zur Hochzeit der Kaisertochter nach Berlin kommt, glauben Wilhelm II. und Bethmann Hollweg, daß sich Großbritannien im serbischen Konflikt neutral verhalten werde… Sie überhörten die ständigen Warnungen ihres Botschafters in London, Fürst Lichnowsky. 123

Sir George Buchanan, auffordern würde, auf den Zar Druck auszuüben, um wegen Serbiens sowohl gegen Deutschland als auch gegen Österreich-Ungarn in den Krieg zu ziehen. Doch genau dies trat ein. Das ständige herausfordernde und Vertragsbrüchige Verhalten der Engländer in Europa in den Jahren seit 1904 (»Entente Cordiale«), das Hineinmanövrieren der Russen in den Krieg sowie der heuchlerische Vorwand der belgischen Frage für den eigenen Kriegseintritt (er war auf dem Vertragswege schon Jahre zuvor geplant; siehe den Flottenvertrag mit Frankreich aus dem Jahre 1912, in dem sich England zum Schutz der ganzen französischen Kanalküste bereit erklärte), führten zur unausweichlichen Schlußfolgerung, daß England von allen betroffenen Mächten in voller Überlegung den Krieg als Mittel zur Durchsetzung nationaler Politik betrachtet hatte. 1939 verhielten sich die Engländer entsprechend. Die deutschen politischen und militärischen Führer wurden deswegen 1946 in Nürnberg gehängt, und die Engländer gefielen sich dabei noch in der Rolle von Richtern. Zu Hitlers politischen Anschauungen Obwohl Hitler das britische Weltreich aus nur ihm bekannten mythischen und romantischen Gründen heraus bewunderte, kam ihm nie der Gedanke, daß Deutschland ein gleich großes überseeisches Kolonialreich wie die Briten besitzen sollte. Hans Grimm zum Beispiel war enttäuscht, daß er als schöpferischer Schriftsteller und Dichter in Hitler nicht einmal ein Durchschnittsinteresse für überseeische Kolonien wecken konnte, wie er in seinem 1954 erschienenen Buch Warum, woher — aber wohin (Lippoldsberg) beklagt. Hitler sah Deutschland immer nur fest in Europa verankert, und auch das Lebensraum-Konzept wurde von ihm nicht so eng wie von seinen Kampfgefährten Himmler und Rosenberg gesehen. Hitler mochte beide nicht besonders; auch konnte er sich nicht entschließen, 124

Rosenbergs Buch Der Mythos des 20. Jahrhunderts zu lesen, da dessen geschichtliche Ansätze zu sehr humanistisch waren und im alten Rom und Griechenland fußten. Ich bin mit A. J. P. Taylor der Auffassung, daß Hitler in seinem Verhältnis zu Stalin und der UdSSR durchaus beweglich war und nicht von vornherein die Absicht hatte, die Russen anzugreifen. Ich kann mich immer noch erinnern, wie überrascht ich war, als mir Helmut Sündermann 1965 in Ocean Beach, San Francisco, sagte, es sei eine fixe Idee Hitlers seit der Machtübernahme 1933 gewesen, die Sowjetunion anzugreifen. Ich widersprach ihm natürlich heftig. Als zweiter Mann nach Dr. Dietrich im Pressewesen des Dritten Reiches hatte Sündermann natürlich ein wichtiges Amt inne und viele Möglichkeiten, mit Hitler zu sprechen. Ich fragte ihn, ob Hitler jemals mit ihm über diese fixe Idee gesprochen habe, und Sündermann sagte nein. Er, Sündermann, habe jedoch immer das instinktive Gefühl gehabt, Hitler plane einen Angriff auf Rußland. Trotz aller Achtung für Helmut Sündermann (1911 — 1972) stimme ich in dieser Frage mit Taylor darin überein, daß Hitler bei allem Idealismus in der Außenpolitik pragmatisch genug war und die erforderliche Beweglichkeit besaß, um in diesem Bereich erfolgreich zu sein. Nachdem England 1939 mit Lord Halifax gezeigt hatte, daß es an freundschaftlichen Beziehungen zwischen sich, Polen, Frankreich und Deutschland nicht interessiert war, und Stalin am 10. März 1939 seine Rede vor dem Obersten Sowjet gehalten hatte, in der er eine größere Beweglichkeit auf außenpolitischem Gebiet anstrebte und gleichzeitig verschiedene Gesichtspunkte der englischen Politik kritisierte, deutete Hitler dies zu Recht als Hinweis, daß Stalin gegenüber Deutschland außenpolitisch ansprechbar sei. Hitler knüpfte erste vorsichtige Verbindungen über die sowjetischen Vertreter in Berlin (siehe Karl Höffkes, Deutsch-sowjetische Geheimverbindungen. Tübingen 1988). Und trotz der Anwesenheit westalliierter Sonderbeauftragter schickte 125

er im August 1939 Außenminister von Ribbentrop mit Mitarbeitern nach Moskau, um am 23. August den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt abzuschließen. Selbst als Stalin kurz vor dem deutschfranzösischen Waffenstillstand im Juni 1940 anfing, Vertragsverletzungen im Baltikum und auf dem Balkan zu begehen, hielt es Hitler weiterhin für sinnvoll, durch vertragliche Vereinbarungen einen Zweifrontenkrieg zu vermeiden, so lange er noch mit dem von den USA massiv unterstützten britischen Weltreich zu tun hatte. Dies schien auch sicherer, als sich auf einen gewagten Waffengang mit dem bolschewistischen Koloß einzulassen. Selbst nach dem Scheitern der Molotow-Mission in Berlin im November 1940 — Stalin hatte sie drei Monate lang hinausgezögert — hatte Hitler provisorische, jedoch keine endgültigen Planungen eingeleitet, was einen Präventivkrieg gegen die Sowjetunion anbelangte. Burton Klein weist in seinem Buch Germany‘s Economic Preparations for War (Harvard 1959) mit Deutlichkeit nach, daß England 1939 trotz aller Friedenspropaganda verhältnismäßig besser als Deutschland auf den Krieg vorbereitet war — von Stalins ungeheurem Rüstungsprogramm ganz zu schweigen. Er erwähnt auch Hitlers Wunsch nach Frieden nach seinem Sieg über Frankreich im Jahre 1940, was in der Tatsache Ausdruck fand, daß er im Sommer 1940 eine Verminderung der Streitkräfte anordnete. All dies hätte er nicht getan, wenn er jahrelang nur daran gedacht hätte, die UdSSR anzugreifen. — Harry Elmer Barnes (Revisionism and Brainwashing: a Survey of the War-Guilt Question in Germany after two World Wars, 1963) stellte mit Recht fest, daß Kleins These und seine mehr als genauen Tatsachenangaben wesentliche Schläge gegen die Behauptung von der Hauptkriegsschuld Deutschlands an der europäischen Tragödie von 1939 bis 1945 sind. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist in erster Linie England und Polen anzulasten. Beide haben den Krieg offen als Mittel zur Durchsetzung ihrer Politik benutzt. Ihr Vorgehen zeigt auch, daß beider Politik seit der Münchener Konferenz von 1938 ein Betrug war. 126

Betrug war auch das von Hitler angenommene englische Angebot eines deutsch-englischen Freundschaftsvertrages vom 30. September 1938 sowie das englische Angebot, nach dem Münchener Abkommen die Sicherheit der Tschecho-Slowakei zu garantieren. Wie der französische Außenminister Georges Bonnet später bestätigte, hatte England nie die Absicht, eine solche Erklärung abzugeben. Man hat diese Frage nur als Aufhänger benutzt. Es kann festgestellt werden, daß im August 1938, noch vor der sogenannten Münchener Befriedungskonferenz, Polen und England den Plan ausgeheckt hatten, wie man Hitler zuerst zu einem örtlichen, aber letzten Endes doch zu einem Weltkrieg gegen die beiden großen Verbündeten Stalin und Roosevelt zwingen könnte. — Das Ergebnis war dann anders als erwartet: Die USA und die UdSSR haben 1945 die Welt aufgeteilt, die Engländer waren nach fünfjähriger Führerschaft Churchills als Machtfaktor in der Weltpolitik ausgeschaltet und Polen ein unterdrückter Satellit Moskaus. August Kubizek (Adolf Hitler, mein Jugendfreund, Graz 51989) erinnert an die Bayreuther Festspiele 1940, bei denen Hitler seine Friedenssehnsucht zum Ausdruck brachte, um all seine Friedensvorhaben, die er mit seinem Jugendfreund erörtert hatte, durchführen zu können. Aus Kubizeks Buch geht eindeutig hervor, daß Hitler nicht von militärischem Ruhm träumte, sondern ständig die Literatur, die Kunst, die Malerei, die Architektur und vor allem zivile Leistungen und Errungenschaften betonte, um Deutschland schön und groß zu machen. — Hermann Giesler bestätigt auch, daß sich Hitler selbst zwei Monate vor seinem Tod lieber mit dem Wiederaufbau als mit kriegerischen Zerstörungen beschäftigte (aaO.). A. J. P. Taylor (aaO.) weist in seinem 1961 erschienenen Buch — er spricht Deutschland darin von der Hauptkriegsschuld frei — darauf hin, daß es für Hitler klüger gewesen wäre, 1941 den Auseinandersetzungen mit Stalin und FDR aus dem Weg zu gehen. Selbst wenn man Hitlers Hauptargumente für seinen Präventivkrieg 127

gegen Rußland übernimmt — Vermeidung eines verhängnisvollen Zweifrontenkrieges wie im Ersten Weltkrieg und Zuvorkommen eines sicheren sowjetischen Angriffs auf ganz Europa — , dann wäre Hitler, hätte er vom Ausgang des 47 Monate langen Ringens im Osten eine Ahnung gehabt, genauso wie jeder andere erschreckt gewesen. Dies führt uns zur Frage der militärischen Berater Hitlers (siehe Wheeler-Bennett, The Nemesis of Power: the German Army in Politics, 1918-1945. New York 1954.). Hitler selbst war für die entscheidende Planung im Frankreich- und Rußlandfeldzug verantwortlich, und nicht, wie oft behauptet wird, Manstein für den Frankreich- und Marcks für den Rußlandfeldzug. Die große Mehrheit seiner militärischen Berater hatte vor dem möglichen Ausgang des Frankreichfeldzuges große Furcht. Dennoch war er in sechs Wochen vorbei. Der Polenfeldzug hatte fünf Wochen gedauert - mit sowjetischer Hilfe; den Franzosen hatten die Engländer geholfen. Dieselben Berater waren hinsichtlich des Ausganges des Rußlandfeldzuges sehr zuversichtlich. Dennoch geriet dieser nach fünf Monaten ins Stocken und endete 42 Monate später mit einer unbeschreiblichen Katastrophe. Stalin, der schon seit 1933 Roosevelts Verbündeter war, war nach der Mission von Sir Stafford Cripps in Moskau 1940 wieder zu England umgeschwenkt. Den Aussagen aller sowjetischen Generale zufolge (siehe Bialyer collection, aaO.) hat Stalin unabhängig von seinen Vertragsverletzungen massive Truppenverbände zusammengezogen, um im für ihn günstigsten Augenblick gegen Deutschland loszuschlagen. Der Wert des Sowjetspions Richard Sorge — der aus der Frankfurter Schule um Max Horkheimer hervorgegangen war (siehe Viktor Suworow, Der Eisbrecher — Hitler in Stalins Kalkül, Stuttgart 1989; und Rudolf Künast, Umweltzerstörung und Ideologie, Tübingen 1985) — in Tokio bestand darin, daß er Stalin berichten konnte, daß sich die Japaner aus einem deutsch-sowjetischen Krieg heraushalten würden. Dies gestattete Stalin, viele seiner sibirischen 128

Elitedivisionen im Herbst 1941 aus dem Fernen Osten an die Front bei Moskau zu verlegen und sie gegen die Deutschen zu stabilisieren. Was Roosevelts Deutschlandpolitik anbelangt (siehe Friedländer, Auftakt zum Untergang, Stuttgart 1965), so verdient Hitler Spitzennoten, weil er sich nicht durch die unzähligen Herausforderungen des US-Präsidenten aus seiner Zurückhaltung locken ließ. Aber FDRs Schachzug mit Pearl Harbor sowie der Zusammenbruch des Widerstandes in den USA gegen einen Kriegseintritt führten zur direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen den RooseveltUSA und Hitler-Deutschland.

Hitler und der Verrat Hitler trug schwer daran, 1914 mitansehen zu müssen, wie die Habsburger Deutschland wegen der Balkanfrage in einen größeren Krieg hineinzogen. Seiner Loyalität tat dies jedoch keinen Abbruch. Sein Leben lang war Hitler überzeugt, daß der Krieg von 1914 hätte vermieden werden können, wenn Deutschland von einem Bismarck, einem Kiderlen-Wächter oder ihm selbst geführt worden wäre. So äußerte er sich 1939 gegenüber dem rumänischen Außenminister Gafencu (Europas letzte Tage.). Hitler liebte das bismarcksche Deutschland und, obwohl er Österreicher war, verehrte die preußischen Könige, hier allen voran Friedrich den Großen, der die moderne preußische Großmacht geschaffen hatte. Diese wiederum hatte die deutsche Einheit in der kleindeutschen Form ermöglicht. Und Hitler erhoffte eines Tages das größere Deutschland, in dem Preußen und Österreicher für immer Brüder sein würden. Hitler hatte auch Flugzettel gegen das Gesetz zur allgemeinen Wehrpflicht in Österreich-Ungarn verteilt, da er, im Gegensatz zu seinem Vater, die Habsburger nicht mochte. Im Führerhauptquartier von Vinniza in der Ukraine sagte Hitler zu 129

Giesler, wie sehr er über den Verrat, die Spionage und Sabotage, vor allem in höchsten Stellen, und dies in Zeiten tödlicher Gefahr für Deutschland, beunruhigt sei. Hitler nahm dies alles nie persönlich, noch konnte es seinen Glauben in das deutsche Volk als Ganzes je erschüttern. Dennoch war er einige Tage nach dem StauffenbergAttentat am 20. Juli 1944 noch immer bestürzt, als ihm Kaltenbrunner die vollständige Liste der in die Verschwörung verwickelten bekannten Leute, darunter in erster Linie führende Militärs, übergab (siehe Spiegelbild einer Verschwörung: die Kaltenbrunner-Berichte, Stuttgart 1961). Nicht uninteressant ist es zu erwähnen, daß Hitler dies Giesler noch vor der großen Niederlage bei Stalingrad (Februar 1943) mitteilte — die Schlacht um Moskau im Herbst 1941 kann nicht als Katastrophe gerechnet werden, da sie zu keinem Zusammenbruch der deutschen Front führte; und die Niederlage bei Rostow war mehr ein strategischer Rückzug. Im Spätsommer 1942 befand sich Hitler mit einigen führenden Offizieren im Streit — es sei hier an das Tagebuch des Generalstabschefs Franz Halder erinnert, der sich über den von ihm absichtlich verursachten Verkehrsstau freute, als es darum ging, Panzer und andere Transportmittel in den Kaukasus zu befördern. Eine solche Einstellung wäre zur gleichen Zeit bei einem englischen oder amerikanischen Offizier undenkbar gewesen. Paulus, der nach dem geheimnisvollen Tod des Generals von Reichenau den Oberbefehl über die 6. Armee bei Stalingrad übernahm, hatte dem Tagebuch Halders zufolge den Nachschub für Rommel sabotiert, so daß die Eroberung Ägyptens unmöglich wurde (siehe das Manuskript des unzensierten Halder-Tagebuches, Hoover Institution in Stanford, Kalifornien; Generaloberst Halders Kriegstagebuch, Stuttgart 1962). Während der Zeit, in der Giesler Hitlers Gast in der Ukraine war, vertraute letzterer seinem Architekten auch an, daß er die Gewißheit habe, von Verrätern umgeben zu sein (siehe Giesler, Ein anderer Hitler, S. 402). 130

Hitler sah den Beginn der Sabotageakte schon im Juli 1941, nachdem die deutschen Truppen in drei Wochen zwei Drittel der Strecke nach Moskau zurückgelegt hatten und gleichzeitig tief in der Ukraine sowie kurz vor Leningrad standen. Seit diesem Zeitpunkt konnte Hitler mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, daß nichts mehr wie geplant lief. Wäre es da nicht besser gewesen, wenn General von Manstein, der über die Verschwörungsabsichten im Bilde war, seinen Oberbefehlshaber unterrichtet hätte, anstatt dies aus Korpsgeist seinen Offizierskameraden gegenüber zu verschweigen (siehe Erich von Manstein, Verlorene Siege, Bonn 1955, S. 59ff.). Viele Probleme in der deutschen militärischen Führungsspitze waren die Folge ethischer wie politischer Unwissenheit. Dazu sei folgende bezeichnende Einzelheit angeführt: US-General Wedemeyer, einer der vielen US-Offiziere deutscher Abstammung (auf ihn konnte keine Armee stolz sein, denn er war bekannt für sein unmenschliches Vorgehen, das auch das Hinmorden von Kriegsgefangenen beinhaltete), erhielt Mitte der dreißiger Jahre die Erlaubnis, die Berliner Militärakademie zu besuchen. Als Absolvent von West Point war er überrascht, daß die Offiziere keinen Unterricht in Philosophie und Politik erhielten. Der Schwerpunkt lag voll und ganz auf Militärtechnologie, Strategie und Taktik. Dies war der Schlüssel zum Niedergang der deutschen Wehrmacht. Der englische Hindenburg-Biograph J. W. Wheeler-Bennett (The Nemesis of Power: the German Army in Politics, 1918—1945, aaO.) sowie der deutsch-jüdische Historiker Curt Riess (The Glory and Doom of the German Generals, New York 1949) versuchten, dies aufzuzeigen. Wedemeyer stellte fest, daß die meisten adligen Offiziere der Militärakademie Söhne von Landadligen waren, die Landarbeiter herumkommandieren konnten, die jedoch in politischer wie in ethischer Sicht praktisch keinerlei Wissen hatten. Jegliche Äußerungen Hitlers auf diesem Gebiet fruchteten bei ihnen nichts. 131

Dieser Hintergrund macht auch den Kommentar Fedor von Bocks verständlich. Dieser erklärte nämlich, er werde genau das Gegenteil dessen tun, was Hitler für den Rußlandkrieg angeordnet habe. Anstatt die sowjetischen Kommissare zu erschießen — diese waren nach Kriegsrecht keine rechtmäßigen Mitglieder der Roten Armee —, würde er mit ihnen tafeln. Auf das einfache Volk, das Hitler gut behandelt wissen wollte, würde er spucken. Es ist offensichtlich, daß dieser altmodische preußische General, der stolz darauf war, nie zu lächeln, mit dazu beitrug, jenen Haß bei den Russen heraufzubeschwören, der es Stalin ermöglichte, seinen »Großen Vaterländischen Krieg« zu verkünden. Und es ist auch eine Tatsache, daß viele hauptsächlich adlige deutsche Offiziere eher Deutschland am Boden sehen wollten als Hitler erfolgreich. Liegt der Grund möglicherweise darin, daß Hitler ein gebürtiger Österreicher war? Die sudetendeutschen und österreichischen Offiziere machten sicherlich weniger Schwierigkeiten. Man wird an den Streit der Gerlach-Brüder gegen Bismarck erinnert, die nicht wollten, daß ihr geliebtes Preußen durch Deutschland verseucht werde. Seit 1940 nannten manche Offiziere Hitler in den Kasinos »Gröfaz«. Nur wenn man jemanden haßt, kann man ihn mit solch einem Namen belegen. Was konnte Hitler dafür, daß ihn ein Mitarbeiter des Hamburger Fremdenblattes nach dem Frankreich-Feldzug als »größten Feldherrn aller Zeiten« beschrieb? Es macht große Mühe, sich die Borniertheit dieser Leute vorzustellen. Giesler zufolge soll nach Kriegsende in Landsberg ein deutscher General, der zur Zeit des Stauffenberg-Attentats am 20. Juli 1944 weit weg von Rastenburg war, behauptet haben, Stauffenberg habe zum Zeitpunkt des Attentats keine Pistole mehr abfeuern können (was nicht zutrifft), und Hitler habe in dieser heißen Sommerzeit einen schußsicheren Helm und eine schußsichere Weste getragen — auch dies trifft nicht zu. Ähnliche falsche Ansichten gehen aus den Verschwörer-Geständnissen des Kaltenbrunner-Berichtes hervor. Die 132

darin zum Ausdruck kommende Borniertheit und Unwissenheit, die Vorurteile und das mangelnde Gespür für das Machbare sind wirklich atemberaubend. Rußland wäre 1941 besiegt worden. Nur Sabotage und bornierte Verräter haben Deutschland den Untergang gebracht. Obwohl Deutschlands militärische Ausgangslage im Jahre 1942 noch recht günstig war, war Hitler in Kenntnis all dessen durchaus nicht hoffnungsfroh. Was für Auswirkungen hat es, wenn von drei Nachschubschiffen nach Afrika und Finnland zwei durch Sabotage verlorengehen? Was geschieht, wenn ein General von Thies, dessen Name Hitler nicht einmal kannte und der als Nachfolger für die im Jahre 1941 zerschlagene »Rote Kapelle« fungierte, dafür sorgte, daß höchste militärische Entscheidungen bis in alle Einzelheiten hinein innerhalb von 24 Stunden bei Stalin vorlagen? Was geschieht, wenn auf Grund eines falschen Befehls die 194. Infanterie-Division im Frontabschnitt bei Stalingrad innerhalb weniger Minuten vor die Hunde geht, weil der Befehl eines Seydlitz sie wenige Minuten vor einem russischen Angriff aufforderte, die Unterstände zu verlassen? Muß man weitere Beispiele aufzählen? Der 47 Monate dauernde deutschsowjetische Krieg ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Siegerseite durch Verrat, Sabotage und Spionage zur Verliererseite wurde. Im Sommer 1942 vertraute Hitler Giesler außerdem an, daß seit dem Juli 1941, und besonders seit dem Zeitpunkt, als er den zwielichtigen General Walther von Brauchitsch — dieser versuchte beim 20. Juli-Putsch in Berlin eine Rolle zu spielen — absetzen und selbst das Oberbefehl übernehmen mußte, das tägliche Hauptproblem darin bestand, mit widerspenstigen Offizieren umzugehen, sich mit falschen Berichten abgeben und sich sogar mit offenem Verrat auseinandersetzen zu müssen. Und dies alles neben der ohnehin schon schwierigen Belastung mit dem Oberbefehl. Giesler, der selbst ein ausgezeichneter Veteran des Ersten Weltkrieges war, berichtet, daß man dem Gesicht Hitlers die Furcht 133

ansehen konnte, obwohl er doch sonst ein guter Schauspieler war und seine Gefühle verbergen konnte. Beim geringsten Streit oder Widerspruch würden die Offiziere die Hacken zusammenknallen und sagen: »Ich bitte um meinen Abschied!« Als ob der Krieg ein Spiel wäre und man nach Hause gehen könnte, wenn man wollte. Hitler erinnerte dann an den Feldzug 1941/42 sowie an den Vorschlag Bocks, sich zur polnischen Grenze zurückzuziehen. Dies wäre sicherlich dem Debakel Napoleons gleichgekommen und hätte die Niederlage Deutschlands bedeutet. Aber die deutschen Soldaten kämpften mit bewundernswertem Mut weiter, und die Front hielt. Hitler meinte, daß 1942, spätestens jedoch 1943 die letzte Möglichkeit bestand, den von Deutschland seit 1914 gefürchteten Zweifrontenkrieg zu vermeiden. Daher warf er noch einmal alle Kräfte in die Offensive des Jahres 1942, um Stalin auf die Knie zu zwingen, so daß er spätestens 1943 den letzten Schlag durchführen konnte (siehe Giesler, aaO., S. 403). Giesler versuchte, Hitler zu überzeugen, daß sein Major Groth, der eine Expedition anführte, um den Elbrus, den höchsten Berg des Kaukasus, zu besteigen, zu etwas nütze sei, und zwar auf Grund der guten Propagandawirkung auf Deutschland selbst. Hitler schüttelte jedoch den Kopf und sagte gutmütig, daß die Lage Deutschlands viel zu kritisch für derartige Friedenszeitunternehmungen sei und daß es besser wäre, wenn sich Major Groth und seine Gebirgsjäger auf die Einnahme des Hafens Suchum am Schwarzen Meer konzentrierten (aaO.). Hitler vertraute dann Giesler an, daß er gezwungen sei, Halder wegen dessen ständiger Unbotmäßigkeit, Überheblichkeit und offenen Hasses abzulösen — drei Monate später wurde Halder durch Zeitzler abgelöst, der bis zu seiner schweren Krankheit seine Aufgabe fast zwei Jahre lang zur Zufriedenheit erfüllte. Hitler wies jedoch darauf hin, daß vereinzelte personelle Maßnahmen das Gesamtproblem von Verschwörung, Sabotage und Spionage, das in der Luft lag, aber nicht 134

greifbar war, nicht lösen würden. Irgendwo unter seinen Offizieren, wahrscheinlich sogar in den höchsten Rängen, sagte Hitler, gebe es Menschen, die Deutschland an Stalin verkaufen wollten. Dies erinnert an viele höhere Reichswehroffiziere der Weimarer Zeit, die sich nur ein Bündnis mit Stalin vorstellen konnten, oder auch an Hitlers eigenen Militärattaché bei Stalin (bis 1941), der, obwohl er von den neuesten sowjetischen Waffen wußte, Hitler davon bewußt nicht in Kenntnis setzte. Friedrich der Große pflegte beim Beisammensein mit seinen Generalen zu sagen, er sei ein Philosoph. Und war er mit seinen Philosophen zusammen, dann sagte er, er sei am Morgen ein General spartanischer Art, und am Nachmittag halte er es mit den Generalen Athens. Hitler und Giesler waren auf dem Gebiet der Architektur gewissermaßen Kollegen, obwohl Hitler auf diesem Gebiet keine akademische Ausbildung hatte. Giesler dagegen hatte acht Semester Architektur studiert und seinen Beruf seit 1924 ständig ausgeübt. Giesler, 1898 geboren, war neun Jahre jünger als Hitler. Wie dieser mit seinem Jugendfreund Kubizek die Liebe zur Musik gemeinsam hatte, so teilte er mit Giesler die Liebe zur Architektur. Gieslers Buch läßt vielfach erkennen, daß Hitler nicht nur von der zeitgenössischen Architektur in Europa Kenntnisse besaß, sondern auch ausgezeichnet über die römische und griechische Baukunst Bescheid wußte. Darüber hinaus, und auch das zeigt Giesler auf, war Hitler selbst ein erstklassiger architektonischer Schöpfergeist. Darin unterscheidet er sich von den Freizeitmalern Churchill und Eisenhower, von Woodrow Wilson, dem Sammler schlüpfriger Knüttelverse (»Limericks«), und von dem Briefmarkensammler FDR.

135

Festung Deutschland 1943 wie im Ersten Weltkrieg Womit kann man die militärische Lage des von Hitler geliebten Bismarck-Deutschlands nach der sinnlosen Niederlage an der Marne und nach dem verhunzten Einmarsch in Frankreich im Herbst 1914 vergleichen? Könnte man sie nicht mit der Lage des Dritten Reiches vergleichen, als seit November 1942 nach 38 Monaten unangefochtener Siege alles schief lief, als eine Reihe von Niederlagen einsetzte, die ihren Höhepunkt in der Schlacht um Stalingrad und an der Wolga im Februar 1943 fand? Dazu kam noch im Mai 1943 der Verlust von Libyen und von Tunesien sowie die verlorene Schlacht bei Kursk Anfang Juli 1943 und der Verlust von Sizilien Mitte August 1943! Nach so vielen Siegen eine Reihe schwerer Verluste innerhalb von nur acht Monaten. Aber das war noch nicht alles! Auch die U-Bootflotte von Großadmiral Dönitz erlitt im März 1943 eine schwere Niederlage, als der Feind auf Grund des Einsatzes neuer Technologien die U-Bootwaffe stumpf werden ließ. Auch wenn der U-Bootkrieg bis zum Kriegsende andauerte, so war doch der dem Gegner zugefügte Schaden nun weitaus geringer als die hohen eigenen Verluste, auch die beiden Söhne des Großadmirals gehörten zu den 33 000 toten deutschen U-Bootmännern. Im Jahre 1943 war Hitlers Festung Europa, wie es Helmut Sündermann so treffend formulierte, eine Festung ohne Dach. Wie verzweifelt Hitlers militärische Lage Mitte 1943 auch geworden war — die Alliierten hatten die Luftüberlegenheit, kontrollierten unangefochten die Meere und waren auch zumindest an der russischen Front überlegen, wo sich die Deutschen ständig zurückziehen mußten und wie in den Tagen Friedrichs des Großen keine Schlacht mehr gewinnen konnten —, so unterschied sie sich jedoch kaum von der Deutschlands im September 1914. Die Hauptfront im Ersten Weltkrieg befand sich nicht in Rußland, sondern in 136

Frankreich. Als Deutsche und Engländer im Oktober 1914, dem Beginn der ungesetzlichen und piratenhaften englischen Hungerblockade, ihre gegenseitigen Stellungen in der Gegend der Kanalhäfen bezogen hatten, erschien es aufmerksamen Beobachtern wie Hans Delbrück — er hatte ein Buch über Kriegführung im Weltmaßstab verfaßt — unwahrscheinlich, daß es die deutschen Truppen je schaffen würden, die englisch-französische Front in Frankreich zu durchbrechen. Auch Marschall Pétain, der ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung neuer Waffentechniken hatte (Maschinengewehre, Artillerie und Luftaufklärung), meinte, der Angreifer gehe im Feuer der Verteidigung unter. Natürlich bestand immer noch die schwache Möglichkeit, daß Rußland bezwungen werden könnte, ehe es Deutschland völlig ausgelaugt hatte, und daß damit die Gefahr eines Zweifrontenkrieges gebannt gewesen wäre. Anfänglich war diese Aussicht mehr als ungünstig. Im ersten Kriegsjahr (1914—1915) waren die Verluste an der russischen Front trotz der Unterstützung durch ÖsterreichUngarn weitaus höher als an der Westfront. Falkenhayns Prahlerei im Jahre 1916, daß die deutschen Verluste bei einer Offensive um die Hälfte geringer sein würden als die der Franzosen, stellte sich als großer Irrtum heraus. Nach einem sechsmonatigen Anrennen gegen das Bollwerk Verdun zeigte es sich, daß die deutschen Verluste (500 000 Soldaten) in diesem bislang größten und kostspieligsten Landkrieg aller Zeiten ungefähr denen der Franzosen entsprachen. Darüber hinaus konnte Pétain die ursprünglichen Stellungen bei Verdun halten und einen Verteidigungssieg für sich verbuchen. In der Zwischenzeit hatten die Mittelmächte im Ersten Weltkrieg Polen und Serbien besetzt und sich mit der Türkei verbündet, was sich insgesamt als überaus zweifelhaft herausstellte. Die in Aussicht gestellte Hilfe der Polen gegen die Russen war zu vergessen (ähnlich verhielt es sich mit der Hilfe Francos im Zweiten Weltkrieg in Rußland). Die Alliierten verletzten die griechische Neutralität im 137

Raum Saloniki, um eine unangenehme und immer gefährlicher werdende Front gegen Bulgarien aufzubauen. Die Habsburger erlitten gegen die Russen weitere Niederlagen, so bei der Brussilow-Offensive im Buchenland (Bukowina) im Jahre 1916. Die Verhinderung des Durchbruches kostete weitere deutsche Soldatenleben. Rußland schied im Jahre 1917 aus dem Ersten Weltkrieg aus. Doch die nun in Frankreich eingesetzten Amerikaner waren zweifellos frisch, da sie seit 1865 (Bürgerkrieg) keinen großen Krieg mehr geführt hatten. Sie traten in den Krieg ein, um mit ihrem Blut die finanziellen Investitionen eines J. P. Morgan und eines Rockefeller zu verteidigen. Die Logik bestand darin, der Seite, welche die Blockade ausgelöst hatte, Material und Geld zu leihen, um dann, als die unter der Blockade leidende Seite zu gewinnen schien, den Opfern der Blockade den Krieg zu erklären und sie gnaden- und mitleidlos zu ruinieren. Wenn man sich die endlose Reihe der von Wilson, Roosevelt und all den anderen an Deutschland begangenen Verbrechen vor Augen hält und dabei auch die zahlreichen Verunglimpfungen und Erpressungen berücksichtigt, dann kann ein aufmerksamer Beobachter über die Bereitschaft derer nur lachen, die heute bereitwillig auf die amerikanische Freundschaft hoffen. Es gibt kaum jemanden im etablierten US-Amerika, der bereit wäre, für die Wiederherstellung der deutschen Einheit den kleinen Finger zu rühren. Im Gegenteil: ständig verlangt man von Westdeutschland Finanzspritzen, um die eigene krisengeschüttelte Wirtschaft zu sanieren. Damit tun sich die Amerikaner mittel- und langfristig keinen Gefallen. Und sehr bald werden sie zu schwach sein, um ihre kostspieligen und verhängnisvollen Einmischungen in der östlichen Welthälfte weiterhin durchführen zu können. Durch die Vorgänge der letzten fünfzig Jahre werden die Europäer wegen der zionistischen Dauerpropaganda (in Form der Plutokratie, des Marxismus, des Zionismus usw.) wohl nie auf den Gedanken 138

kommen, die überheblichen und unerträglichen US-Imperialisten im Geiste eines FDR (fast alle Präsidenten nach 1945 sind als FDRHofsänger zu betrachten) nach Hause zu schicken. Doch, ob sie wollen oder nicht, die Entwicklung wird die US-Amerikaner zwingen, sich zurückzuziehen. Der Engländer Graham Greene schrieb 1961 sein Buch The Ugly American. Dieses Buch handelt von der Befreiung Europas und insbesondere der Befreiung Deutschlands, dem am meisten unterdrückten aller europäischen Länder. Zwangsläufig kommt auch verschiedene Male die Sprache auf die amerikanischen Unterdrücker, die hier nicht die häßlichen Amerikaner, sondern die schmutzigen Amerikaner genannt werden, weil seit dem Amtsantritt von W. Wilson 1913 und vor allem seit der Präsidentschaft von F. D. Roosevelt ihre Methoden, und ihr System als schmutzig bezeichnet werden müssen. Selbst Coolidge und Hoover waren nicht in der Lage, den von Wilson hinterlassenen Augiasstall auszumisten. Und dann kam die Roosevelt-Ära! USA werden für England eingenommen Der Historiker Karl Lamprecht (Deutsche Geschichte, 15 Bde., Leipzig 1892-1905) sah den Ausgang des Ersten Weltkrieges richtig voraus, obwohl er bereits 1911 verstarb. Seine Auffassung gewann er vor allem nach einer Rundreise durch die USA nach dem französischenglischen Bündnis von 1904. James Harvey Robinson, der Schöpfer der radikalen und unkonventionellen New History hatte Lamprecht zu Vorlesungen an die New Yorker Columbia-Universität eingeladen. Er erhoffte sich von Lamprecht Unterstützung für seine Bewegung, obwohl Lamprechts sozio-psychologische Geschichtsphilosophie meilenweit von den Auffassungen Robinsons entfernt war. Lamprecht war zudem ein ganz normaler Nationalist und dem Bismarckschen Kaiserreich treu ergeben. Robinson? Er war ein Weltbürger, der ständig mit den meisten menschlichen Einrichtungen im 139

Kriegszustand lebte. Lamprecht nutzte natürlich die Gelegenheit, um sich im Lande umzusehen, und besuchte auch Wisconsin, Oregon und Kalifornien. Zu seinem großen Entsetzen mußte er feststellen, daß die Bevölkerung, darunter auch die Deutsch-Amerikaner, seit dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898-1899 und dem Philippinenkrieg (1899-1902) durch die englischen Imperialisten einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren. Der volkstümliche Teddy Roosevelt regierte damals im Weißen Haus. Teddy war ein eifriger Anhänger und Förderer der englischen Weltoberer und unterstützte zu diesem Zeitpunkt die Engländer bei ihrer Hilfe für die Japaner im russisch-japanischen Krieg. Doch für Lamprecht war es klar, daß der Krieg in Fernost die Russen keineswegs auf lange Zeit in Europa schwächen würde. Ehe es so weit käme, würden sich die Engländer schon als Vermittler einschalten. Und so geschah es auch. Lamprecht gewann die Gewißheit, daß sich gegen Deutschland eine große Kriegskoalition im Stile eines Kaunitz, des Kanzlers Maria Theresias im Streit mit Friedrich dem Großen, zusammenbraute, da die USA, unabhängig von irgendwelchen englischen Verbrechen, offen auf der Seite Englands standen und England zum Krieg mit Deutschland bereit war, gleichgültig welche Anstrengungen der Kaiser unternehmen würde, um England zu beruhigen und zufrieden zu stellen. Der Krieg würde dann ausbrechen, wenn England seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte, zumal ja US-Amerika für London auf Abruf bereit stand. Alles, was Lamprecht sagen und hoffen konnte, war, daß seinem geliebten Deutschland angesichts dieser großen Kriegskoalition das Schicksal eines weiteren Siebenjährigen Krieges beschieden sein sollte (siehe Karl Lamprecht, Americana — Reiseeindrücke, Betrachtungen, geschichtliche Gesamtansicht, Freiburg 1906). Der einzige Unterschied zu Hitlers Auffassung eines belagerten Bismarck-Deutschlands im Jahre 1914 bestand darin, daß der erfahrene Historiker Lamprecht sein zusätzliches Amerika-Erlebnis 140

hatte. Es war zwar kurz, genügte aber vollauf, um die furchtbare Gefahr heraufkommen zu sehen und mit großer Genauigkeit den Verlauf des sich abzeichnenden Krieges vorauszusagen. Hitler und die USA Die Tatsache, daß Hitler 1941 FDR-Amerika den Krieg erklärte und nicht wartete, daß dieses es selber tat — so wie England 1939, sowie die USA und England im Ersten Weltkrieg Deutschland den Krieg erklärt hatten —, sehen amerikanische Historiker wie John Toland (aaO.) in dem Umstand begründet, daß Hitler die Amerikaner als Faktor der Weltpolitik nicht besonders schätzte. Bei aller Belesenheit verfügte Hitler doch nicht über die persönliche Erfahrung, die Lamprecht hatte. Insofern ist seine Beurteilung für die Zeit des Ersten Weltkrieges etwas zweifelhaft. Was den Zweiten Weltkrieg anbelangt, ist sie fundierter, nachdem Hitler fünfzehn Jahre lang in enger Verbindung mit Putzi Hanfstängl stand (siehe Ernst Hanfstängl, Unheard Witness, New York 1957). Putzi Hanfstängl, der an der Harvard-Universität studiert und mehrere US-Präsidenten gekannt hatte, bestätigte, daß Hitler die US-Wirklichkeit recht gut erfaßte. Ex-Präsident Herbert Hoover erklärte nach seinem Gespräch mit Hitler am 8. März 1938, daß Hitler die amerikanische wie englische Politik recht gut durchschaue. Als sich der deutsche Geschäftsträger Thomsen über die zunehmende Einmischung der Amerikaner im Geiste des Jahres 1917 beklagte, antwortete ihm Hitler, er verbringe zuviel Zeit in Washington und er solle mehr durch das Land reisen. Als FDR versuchte, anfangs des Zweiten Weltkrieges Zwischenfälle von amerikanischen Zerstörern, die widerrechtlich englische Geleitzüge begleiteten, mit deutschen U-Booten heraufzubeschwören, erteilte Hitler Großadmiral Dönitz den Befehl, Zurückhaltung zu üben. Und obwohl es einige kleinere Zwischenfälle gab, reichten diese nicht 141

aus, um Roosevelt die Handhabe zu geben, die Öffentlichkeit in einen Krieg gegen Deutschland zu hetzen, der von achtzig Prozent der damaligen Bevölkerung abgelehnt wurde, wie Meinungsumfragen bewiesen. Hätte sich das »American First Committee« (das Komitee ›Amerika zuerst‹), das von wohlhabenden Geschäftsleuten, Kongreßabgeordneten und Senatoren unterstützt wurde, auch nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor weiterhin gegen eine Einmischung in Europa gestemmt, dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß Hitler, dem Rat Ribbentrops folgend, den USA seine Hand angeboten hätte, zumal es sich beim Vertrag der Achsenmächte (Deutschland, Italien, Japan) aus dem Jahre 1940 um einen Verteidigungspakt handelte. Doch das ganze »American First Committee« fiel nach Pearl Harbor wie ein Kartenspiel zusammen. Und Connolly konnte als Sprecher des außenpolitischen Ausschusses des US-Senates erklären, daß der Kriegszustand entweder durch eine Kriegserklärung der Achsenmächte oder eine Kriegserklärung der USA die Folge sein werde. Für die amerikanische Kriegsbereitschaft spielte es keine Rolle mehr, wer den Krieg erklären würde. Ribbentrop, der maßgeblich am Zustandekommen des Dreierbündnisses mit Japan beteiligt gewesen war, versuchte nach dem Zusammenbruch des »America First Committee«, innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden nach dem japanischen Angriff deutlich zu machen, daß Deutschland erst am 8. Dezember 1941 von diesem Angriff unterrichtet worden sei, und Hitler dahin zu beeinflussen, FDR nicht den Krieg zu erklären, zumal die Japaner trotz wiederholter Aufforderungen sich geweigert hatten, in den Krieg gegen Stalin einzutreten. Mussolini hatte schon den USA den Krieg erklärt, ehe Hitler es tat. Hitler, der von Großadmiral Raeder wußte, daß die Japaner bei Pearl Harbor keinen entscheidenden Schlag hatten anbringen können, weil die amerikanischen Flugzeugträger nicht getroffen worden 142

waren und andere Schiffe wieder schnell instand gesetzt werden konnten, entschloß sich dennoch, den USA den Krieg zu erklären. Er tat dies im Rahmen einer öffentlichen Rede am 11. Dezember 1941. Dabei verschärfte er gegenüber seiner Reichstagsrede vom 28. April 1939 seine Kritik an Roosevelt. Hitler stellte ebenfalls FDRs Gesundheitszustand in Frage. Dieser Frage ist der bekannte New Yorker Arzt und Psychologe Dr. E.M. Josephson (The Strange Death of Franklin D. Roosevelt: a history of the Roosevelt-Delano-Dynasty, America‘s Royal Family, New York 1948) bis in die letzten Einzelheiten nachgegangen. Josephsons These lautet: Roosevelt ist schon jahrelang geisteskrank gewesen. Kurz vor seinem Tod wurde er derart wirr und senil, daß er bedeutende Geheimnisse auszuplaudern begann. Daher wurde er mehrere Jahre vor seinem sonst eingetretenen Ableben auf Drängen der Rockefeller-Sippe und weiterer Rothschild-Agenten durch den Geheimdienst umgebracht. Nur eine Autopsie würde letztendlich die wahren Todesursachen feststellen. In Fällen plötzlichen Todes schreibt der Gesetzgeber eine Untersuchung vor; auch die Versicherungsgesellschaften verlangen das. Bis zum heutigen Tag ist eine solche Autopsie noch nicht vorgenommen worden. Im Leben wie im Tode verachtete und verletzte FDR das Gesetz … Es ist in der Tat höchst verwunderlich, daß nicht nach der Todesursache geforscht, sondern sie mit größtem Stillschweigen übergangen wurde. Es ist auch seltsam, daß Roosevelts Sarg weder vor noch bei den Begräbnisfeierlichkeiten auch nur für kurze Zeit für die Öffentlichkeit geöffnet wurde … Eimer Davis vom OWI (»Office of War Information«) verkündete damals den Soldaten über den Rundfunk die Lüge, daß Roosevelt im Weißen Haus aufgebahrt sei und täglich Tausende am Sarg vorbeigehen würden (aaO., S. 287f.). John T. Flynn kommt in seinem The Roosevelt Myth (New York 1948, S.418) zu folgender allgemeinen Feststellung über den geistesgestörten und krankhaften Lügner FDR: »Er brach jedes Versprechen. Er verriet 143

alle, die ihm vertrauten.« Die Ausnahme hierzu sei FDRs Verhältnis zu Stalin, dem einzigen Menschen, dem er sein ganzes Leben ständig diente — es sei hier auch auf die große Trauerbekundung in der staatlich gelenkten Sowjetpresse hingewiesen. — Man muß sich fragen, warum alle jene westdeutschen Historiker wie Grewe und Jacobsen, denen zufolge Roosevelt der beste Freund Deutschlands gewesen sei, nie derartige unabhängige Kommentierungen und Ergebnisse wie die von Flynn und Josephson lesen? Die Meinungsverschiedenheit zwischen Hitler und Ribbentrop hinsichtlich der Kriegserklärung an die USA veranlaßte mich 1946 in Harvard dazu, William L. Langer, der auf Grund seiner während des Krieges ausgeführten Tätigkeit den besten Zugang zu den damaligen Vorgängen und Tatsachen hatte, aufzusuchen. Er war darüber hinaus der führende US-Historiker in der Erforschung der Diplomatie. Langer hatte auch 1941 für die »German Library of Information« Übersetzungen angefertigt und kannte deutsches Denken recht gut, zumal er mehrere Jahre in Europa, besonders in Wien, gelebt hatte. Er sagte mir gegenüber, daß er über diese Frage lange und ausführlich nachgedacht habe, da sie auch zum Thema seines zweibändigen Werkes Challenge to Isolation gehöre — es erschien 1950 —, an dem er damals arbeitete. Er stimme völlig mit Hitler über Ribbentrop überein. Der Widerstand gegen Roosevelts Kriegspolitik war in den USA auf jeder Ebene zum Erliegen gekommen. Für FDR spielte es überhaupt keine Rolle mehr, ob er oder Hitler den Krieg erklärte. Er hatte seine Gelegenheit, Deutschland zu zerstören. Das war auch der Hauptgrund, weshalb er als erster die Japaner zu einem unnötigen Krieg herausgefordert hatte. Hitler dagegen befand sich mitten in der tödlichen Krise des russischen Winters vor Moskau. Psychologisch wäre nichts schlimmer gewesen als eine weitere Kriegserklärung von der andern Seite. Ribbentrops Haltung war von Wunschdenken geprägt, während Langer zufolge Hitlers Meinung die wirklichkeitsnähere 144

war. Nichts konnte dabei gewonnen werden, wenn Deutschland abwartete, bis die USA ihm den Krieg erklärten. Hitlers Dezemberrede des Jahres 1941 übertraf seine meisterliche Reichstagsrede vom 28. April 1939 noch um vieles. Harvard-Professor zu FDR Obwohl ich persönlich bedaure, daß sich Langer im April 1941 an FDR verkaufte, als seine Arbeit in Harvard gefährdet war — er brachte sich mit einem Artikel im New York Times Magazine vollends in Sicherheit, indem er Woodrow Wilson, einen Mann, den er stets verachtete, pries. Aus damaliger Sicht achte ich trotzdem noch immer sein geschichtliches Urteil. Aus privaten Gesprächen wußte ich ohnehin, daß sich Langers gute Meinung von Hitler bis zu seinem Tod im Jahre 1977 nicht geändert hatte. Langers Wechsel zur anderen Seite fiel auch mit Görings Niederlage in der Luftschlacht über England zusammen. Es war auch die Zeit, kurz nachdem Roosevelt unter Bruch der Neutralität Churchill 50 US-Zerstörer geliefert hatte. Weiterhin war es Eingeweihten inzwischen bekannt, daß es zum Bruch zwischen Hitler und Stalin gekommen war. Das HarvardEstablishment zog Langer auf seine Seite, sobald ihm klar wurde, daß der als Sieger erscheinende Adolf Hitler den Krieg doch verlieren werde (siehe W. L. Langer, When German Dreams Come True, Yale Review, Herbst 1938). Wie der Vorsitzende der Historikerfachschaft an der Universität Yale, Harry Rudin, hatte sich Langer aus einfachen Verhältnissen hocharbeiten müssen. Wenn sich Langer nicht von seiner ersten Frau wegen eines blonden Flittchens mit großen finanziellen Ansprüchen hätte scheiden lassen, hätte er sich wahrscheinlich nicht an FDR und dessen Harvard-Klüngel verkauft. Zahlreiche Zeugen bestätigen, daß Langer die Pro-Stalin-Ausrichtung der Harvard-Gruppe verabscheute. Langer sagte mir, daß meine revisionistische Doktorarbeit 145

zum Thema Polen in Harvard schon deshalb auf keine Probleme stoßen werde, da man in Harvard die Polen wegen ihrer Haltung gegenüber Stalin hasse. Felix Frankfurter, der durch Roosevelt in das höchste US-Gericht gelangte, sowie weitere bekannte Intellektuelle waren Roosevelts offizieller Linie nach 1937 gefolgt und hatten ihre Begeisterung trotz der massiven Säuberungswellen in Rußland immer deutlicher zum Ausdruck gebracht. Michail Karpowich, der in Rußland zu den Sozialreformern um Kerenski gehörte, die Lenin einer nach dem anderen ausschalten ließ, war über den Wechsel in Harvard höchst beunruhigt: aus der Gegnerschaft zu Stalin der zwanziger Jahre war eine Befürwortung der Stalinschen Politik geworden. Später stellte es sich heraus, daß Karpowich, der an der Universität einen guten Ruf hatte und einer meiner Lieblingsprofessoren war, dem FBI gegenüber als Faschist verleumdet worden war. Er wurde verhört und hatte es überaus schwer zu einer Zeit, als antikommunistische Russen massenweise ins Gefängnis wanderten (siehe John Stephan, The Russian Fascists, New York 1978, S. 291 f.). Wären englische Beobachter aufmerksamer gewesen, dann hätten sie den Hintergrund für all dies herausfinden müssen, nämlich das zugrunde liegende Bündnis zwischen FDR und Stalin. Henry May, Professor für amerikanische Geistes- und Religionsgeschichte, zeigte dies in einem Brief vom 4. Januar 1940 an Professor Harry Elmer Barnes deutlich auf, der zuvor Professor an der Columbia-Universität war, aber seit 1937 als Korrespondent für die Scripps-HowardZeitungskette arbeitete. Er schrieb, daß Harvard nach dem deutschsowjetischen Nichtangriffspakt mit überwältigender Mehrheit ins isolationistische Lager übergegangen sei. In Harvard schien sich keiner Sorgen zu machen, ob Hitler England angriff oder nicht — der erwähnte Brief befindet sich in meinem Besitz. Jahre später hatte ich mehrere Diskussionen mit May, und ich stellte fest, daß er, wie auch mancher andere, immer noch sehr prosowjetisch war. Als Hitler auf 146

Grund von Stalins Seitenwechsel den Krieg mit Rußland begann, schwenke Harvard über Nacht ins Lager der Kriegsbefürworter über und sprach sich für eine Unterstützung Stalins aus. Der gleiche Vorgang konnte in den sogenannten Elitezirkeln überall in den USA beobachtet werden. Anthony C. Sutton weist in seinem Buch Western Capital Aids to the USSR (3 Bde., Stanford 1967-1971; siehe ebenfalls sein Roosevelt und die internationale Hochfinanz. Tübingen 1990) darauf hin, daß in den USA nicht nur die Aussicht auf Gewinn, sondern auch ideologische Gründe im Spiel waren, als es darum ging, Stalin unter die Arme zu greifen. Obwohl die Masse der Amerikaner auf den Ausbruch des deutsch-russischen Krieges deutschfreundlich reagierte, änderte sich dies auf Grund der OWI-Propaganda nach dem Überfall auf Pearl Harbor. Deutschlands Lage 1943 Daß die militärische Lage Deutschlands im Juli 1943 hoffnungslos, zumindest jedoch so verzweifelt wie im September 1914 war, geht auf die mit dem Verstand nicht zu begründende mörderische Feindschaft des offiziellen Amerikas zurück. Frank Chambers liegt mit seinem Buch The War behind the War (New York 1952, S. 242ff.) richtig, wenn er ausführt, daß im Ersten Weltkrieg die deutsche Kontrolle über die belgische wie die nordfranzösische Industrie im Raum Lille zusammen mit der heimatlichen Industrieproduktion, die doppelt so hoch wie die englische war, einen Material- und Verschleißkrieg im Westen trotz des Fiaskos bei der ersten Marne-Schlacht gewonnen hätte, hätten nicht J.P Morgan und J. D. Rockefeller die anglo-französische Front mit riesigen Munitionsmengen versorgt und hätte der englandfreundliche US-Präsident nicht die internationalem Recht zuwiderlaufende englische Hungerblockade geduldet. Diese US-Anglomanie hat verhindert, daß die 147

Deutschen den Verteidigungskrieg gegen die Einkreisungspolitik der überheblichen Engländer gewonnen haben. Die Lage im Jahre 1943 entsprach der im Ersten Weltkrieg, war jedoch noch schlimmer. Wie aus den jüngsten, vom Pentagon zur Verfügung gestellten Unterlagen hervorgeht, sind wir jahrelang über das Ausmaß der amerikanischen Hilfe für die Russen getäuscht worden. Die bis dahin einzige Darstellung dieser Vorgänge (Georg Jordan, Sowjets siegen durch Spione, Göttingen 1960) gibt an, daß den ganzen Zweiten Weltkrieg hindurch, trotz der Zufahrtstraßen in Persien, die Masse der Schiffe die Pazifikhäfen angelaufen habe und trotz der riesigen Konvois nach Murmansk nur Waren im Wert von 11 Milliarden Dollar an Stalin, jedoch für 50 Milliarden an Churchill gegangen seien. Nun stellt sich heraus, daß schon bis Ende 1942 Material für 11 Milliarden Dollar an Stalin gegangen waren, denen in den nächsten 30 Monaten noch weiteres für 42 Milliarden Dollar folgen sollte. Auf Grund der unsinnigen Zahlenangaben von Major Jordan, die von vielen Autoren als richtig angenommen wurden, mußte ich in einem meiner Bücher (The Myth of the New History, New York 1965; 2. Aufl. Los Angeles 1985) von der Annahme ausgehen, daß die Rooseveltsche Finanzhilfe für Stalins Sieg nicht entscheidend gewesen sei. Zu spekulieren wäre unnötig gewesen, wenn die genaue Zahl von 53 Milliarden Dollar bekannt gewesen wäre — zum Beispiel betrug der ganze US-Verteidigungshaushalt im Jahre 1938 nur 800 Millionen Dollar, also ein Sechzigstel des Betrages der Stalin-Hilfe. Heute kann man mit aller Deutlichkeit sagen, daß es die amerikanische Hilfe für Stalin war, die letztendlich den Krieg in Europa zu Gunsten Stalins entschied und damit all das einleitete, was wir vor und nach 1945 und praktisch bis heute in Ost- und Teilen Mitteleuropas mitansehen müssen. Hat das offizielle Amerika nach der Roosevelt-Ära deswegen jemals Trauer zum Ausdruck gebracht? Wie kann das offizielle 148

Westdeutschland heute so tun, als seien die Amerikaner seine Freunde? Ohne Stalin und seine amerikanischen Helfer gäbe es heute statt 90 Millionen 160 Millionen Deutsche. Die Furcht, daß die Deutschen heute vom Aussterben bedroht sind, wäre nicht gegeben. Es ist jedoch nicht meine Aufgabe, dem offiziellen Westdeutschland vorzuschreiben, wen es zum Freunde nehmen will. Natürlich wehre ich mich gegen den Vorwurf, ich sei verbittert, wenn ich die Aufmerksamkeit auf einige wesentliche Punkte lenke. Ich bin nie das Opfer der in Europa verübten Greueltaten gewesen. Ich wende mich gegen sie aus grundsätzlichen ethischen Überlegungen. Wir werden sehen, wie es mit der Freundschaft Bonn-Washington bestellt ist, wenn sich Amerika auf Grund seiner zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer mehr aus Europa und anderen Gebieten zurückziehen muß. Die Welt seufzte erleichtert auf, als das britische Weltreich 1945 zu einem zahnlosen Löwen geworden war. Wenn »Onkel Sam« auf die Knie geht, wird ein noch größerer Seufzer der Erleichterung zu hören sein, denn die US-Amerikaner haben die Welt am meisten verletzt. Hitler, der loyale Soldat des Ersten Weltkrieges, verlor an provinzielle US-Siedler zwei Vaterländer: einmal das Reich Bismarcks, das er in seiner Jugend bewundert und im Ersten Weltkrieg mit großem Mut verteidigt hatte; zum anderen das Dritte Reich, das er selbst geschaffen hatte. Gab es jemals in der Weltgeschichte den Fall, daß ein Land, das Tausende von Meilen entfernt und durch ein Meer getrennt war, dessen größte Volksgruppe deutscher Abstammung war und das von sich behauptete, es sei eine Demokratie und hege keinerlei imperialistische Absichten, zweimal in gehässiger und feindseliger Weise gegen Deutschland, das ihm nie feindlich gesonnen war, Krieg führte und Deutschland viel Not, Schmach, Elend, Hunger und Tod brachte? Selbst der 700jährige Ausrottungskrieg der Engländer gegen die Iren oder der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich sind leichter zu erklären als die wiederholten amerikanischen Angriffe auf Deutschland. Irland, Frankreich und auch 149

Schottland lagen in unmittelbarer Nachbarschaft zu England und waren immerhin recht ansehnliche Ziele. Dies kann man im Falle USA und Deutschland nicht behaupten. Die Unwissenheit und Korruptheit der USA In seinem Exil in Doorn erzählte Kaiser Wilhelm II. George Sylvester Viereck die Geschichte von jenem amerikanischen Europa-Reisenden, wonach den Amerikanern nicht wohl sei bei der Vorstellung, gegen ihre alten deutschen Freunde Krieg führen zu müssen. Doch die Amerikaner könnten nicht einfach zusehen, wie die Deutschen ständig die zwei französischen Mädchen Elsaß und Lothringen (!) mißhandeln würden. Ein Amerikaner gleichen Zuschnitts hielt Pearl Harbor für eine von den Japanern vergewaltigte Amerikanerin. Giesler berichtet von einem amerikanischen Kommandanten im Lager Landsberg, der von einer Goethe-Feier hörte. Sollte sich herausstellen, daß dieser Goethe Mitglied der »Nazi«-Partei gewesen sei, müsse er die Feier verbieten. Eine Witwe aus besten Kreisen in San Francisco sagte zu dem deutschen Historiker Fritz Fischer, sie fürchte Deutschland, weil es größer sei als Amerika. — Unwissenheit ist in der Tat die Hauptquelle für Verbrechen. Der amerikanische Pragmatismus eines Pierce, James und Dewey — und der Pragmatismus ist die amerikanische Philosophie schlechthin - geht davon aus, daß Platos Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen Unsinn sei. Der russische Jude Iwan Boesky ergaunerte sich unlängst auf .dem amerikanischen Wertpapiermarkt mit verbrecherischen Machenschaften zwei Milliarden Dollar. Er kam mit einer Geldstrafe von 100 Millionen Dollar davon. In den Medien habe ich bislang nur Gutes über diesen »erfolgreichen« Unternehmer gelesen. Kein amerikanischer Jude ist mehr gelobt worden als Bernard Baruch, der sechs (!) USPräsidenten als Berater diente. Baruch verhielt sich 1898 genauso wie 150

Boesky, mußte jedoch keinerlei Strafe zahlen. Auch Nathan Rothschild kam ungeschoren davon, als er 1815 am englischen Markt absahnte. Als Baruch noch 1929 einen riesigen Gewinn machte, schickte er Churchill eine Million Dollar, und dies zu einer Zeit, als Churchill als Journalist — es war dies sein erlernter Beruf — acht Schillinge für ein Wort erhielt. Baruch galt als schlau, weil er sich einen einflußreichen englischen Politiker kaufte. Churchill war später dann um so eher bereit, gegen das Münchener Abkommen zu kämpfen und zum Krieg gegen Deutschland zu hetzen. In den USA nimmt das Analphabetentum zu — derzeit schätzt man es auf 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Die meisten haben noch nie versucht, ein Buch ganz zu lesen, oder werden in den Staatsschulen nicht dazu angehalten, die immerhin 50 Prozent des Haushaltes der Einzelstaaten verschlingen. Bei den landesweiten Wahlen zum Kongreß (sämtliche Abgeordnete des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel des Senates) gingen 1986 nur weniger als 37 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl. Und es ist kaum davon auszugehen, daß die Wahlbeteiligung bei den nächsten Präsidentschaftswahlen wesentlich höher sein wird. Kolumnisten wie Andy Rooney behaupten allen Ernstes, daß die Wahlen um so besser wären, je weniger Leute zur Wahl gingen. Woher weiß er, daß es nicht auch Leute von Format sind, die aus Widerwillen zu Hause bleiben? Viele Kolumnisten behaupten, es sei besser, wenn die USA ein Schuldnerland wären, anstatt ständig eine günstige Handelsbilanz zu haben. Deutet dies nicht alles darauf hin, daß die Stunde der Wahrheit für die amerikanische Nationalphilosophie des Pragmatismus und für die meisten Unwissenden kommt? Je mehr das amerikanische Staatsschiff zu schlingern beginnt, desto mehr Hilfe wird von Deutschland und Japan verlangt werden. Und ironischerweise werden diese Forderungen von der unsinnigen Behauptung begleitet, daß diese Staaten wegen früher erhaltener Hilfe dazu verpflichtet seien. Tatsache jedoch ist, daß Amerika sein Bestes 151

tat, um sowohl Deutschland als auch Japan auszulöschen. Die Marshall-Plan-Hilfen — das meiste ging an England, wobei das neutrale Irland keinen Pfennig erhielt — an Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg betrugen weniger als die Hälfte der amerikanischen Besatzungskosten. Und der deutsche Handel mit Argentinien war mehr wert als die ganze amerikanische Hilfe. Die Heuchelei der Atlantic-Charta Roosevelt und Churchill versprachen bei ihrem Treffen im August 1941 in der Atlantik-Charta beide, daß es im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkriege ohne Zustimmung der betroffenen Völker zu keinerlei Gebietsveränderungen kommen werde. Könnte unabhängig von den menschlichen Tragödien irgend jemand den Wert der deutschen Ostprovinzen Ostpreußen, Danzig, Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien und Sudetenland ermessen? Das Lächeln auf dem Gesicht eines Japaners sagt viel aus, wenn man jemanden sagen hört, er sei Amerika zu Dank verpflichtet. Man darf nicht vergessen, daß der japanische Angriff auf Pearl Harbor nach gültigem internationalen Recht eine gerechtfertigte Gegenmaßnahme war. Auch Hitlers Maßnahmen gegen Stalins Vertragsverletzungen, die dieser im Baltikum wie auf dem Balkan 1939—41 durchsetzte, haben als solche zu gelten. Desgleichen auch die Kriegserklärung an die USA auf Grund des Dreierbündnisses; sie hätte auch schon ein Jahr früher erfolgen können, nachdem FDR unter Verletzung der Neutralität 50 Zerstörer an Großbritannien geliefert hatte. Keine wirklich ernst zu nehmende Person in Japan oder Deutschland nimmt an, daß die in beiden Ländern stehenden amerikanischen Streitkräfte in einem Ernstfall den geringsten Schutz bieten würden. Man stellt auch fest, daß sich Premierministerin Thatcher von Präsident Reagan abzusetzen begann, als er immer mehr in die Iran152

Contra-Affäre verwickelt wurde. Im Pentagon bezweifelt man, ob die USA Nicaragua ohne die im Zweiten Weltkrieg erprobten Flächenbombardierungen, die auch einmal im Vietnamkrieg in Erwägung gezogen wurden, bezwingen könnten. Die Behauptung, in Vietnam seien mehr Bomben als in Europa gefallen, war nichts als Propaganda und Lüge. Indes besteht die Wahrscheinlichkeit, daß alle zwanzig lateinamerikanischen Staaten den USA den Krieg erklären würden, sollten die Bombardierungen im Stile des Zweiten Weltkrieges Anwendung finden. Die ganze Welt hat das amerikanische Barbarentum satt und ruft: »Amis raus!« Politische Führungspersönlichkeiten wie Bismarck, Wilhelm II. und Hitler stehen über jedem amerikanischen Präsidenten in den fünf Generationen nach dem Bürgerkrieg. Und natürlich war FDR viel schlimmer als jeder Politiker, den Deutschland je im Verlauf seiner Geschichte hatte. Die Tatsache, daß nach FDR alle US-Präsidenten bis auf einen erklärt haben, sie seien FDR-Epigonen, also Menschen, die denken, daß das, was Roosevelt machte, richtig war, bedeutet folglich, daß FDR mit Hilfe seiner Schüler Amerika noch immer regiert. Und wie sah Roosevelts Politik aus? Unterstützung Stalins! Grundloser Kriegseintritt gegen Deutschland! Die Ausarbeitung verschiedener Pläne, das deutsche Volk auszurotten! Die Entvölkerung riesiger deutscher Gebiete! Die Einimpfung der deutschen Kriegsschuld sowie des Deutschen als des an allem Bösen Schuldigen vom Anbeginn der Menschheit an! — Dies erklärt auch, warum ein Willy Brandt nicht nur geduldet, sondern es ihm auch gestattet wurde, eine der beiden wichtigsten Parteien bis ins hohe Alter hinein zu führen. Offensichtlich fühlen Millionen von Deutschen keinen Stolz, sondern Scham, wenn sie an ihre geschichtliche Vergangenheit denken. Wie anders erklärt es sich, daß ein großer Prozentsatz von ihnen keine Deutschen sein wollen, wie sich aus Meinungsumfragen ergibt. Kein Volk sollte dagegen stolzer auf seine Vergangenheit und seine Identität sein als das deutsche. 153

Eisenhower Präsident statt Taft Man bedenke, was geschehen wäre, wenn nach einem Mann wie Truman (der wegen seiner zahlreichen Verbrechen eigentlich im Gefängnis hätte landen müssen) nicht eine Figur wie Eisenhower, sondern Robert Taft aus Ohio 1952 die Präsidentschaftswahl gewonnen hätte. Wie wohl jeder weiß, hatte damals erst die Hälfte der Bundesstaaten das Vorwahlsystem eingeführt, das auf den kämpferischen Bob LaFollette aus Wisconsin zurückgeht. Damit sollten die Wähler, und nicht die Parteibonzen auf die Auswahl der Präsidentschaftskandidaten Einfluß nehmen. Obwohl Taft bei den Vorwahlen gegenüber Eisenhower einen klaren Vorsprung hatte, erklärte sich Eisenhower, der noch nie in seinem Leben bei einer Wahl mitgewählt hatte, auf dem Wahlkongreß den Parteibonzen gegenüber bereit, gegen Taft anzutreten. Eisenhower, der sich rühmte, die »Operation Keelhaul« (die Übergabe von fünf Millionen hilfloser nichtdeutscher Flüchtlinge an Stalin) durchgesetzt zu haben, siegte über Taft, der wie Herbert Hoover nach dem Ersten Weltkrieg sämtliche Nürnberger Nachkriegsprozesse als ungesetzliche Farce bezeichnete. Amerika, wohin steuerst du ? Dieser Vorgang liegt nun schon fast 35 Jahre zurück. Und dennoch bleibt Taft der einzige wichtige Präsidentschaftskandidat seit 1933, der nicht zum Kreis des FDR-Stalin-Bündnisses mit allen seinen politischen Auswirkungen und Folgen gehörte. 1936 durfte Hoover seitens der Republikaner nicht mehr gegen Roosevelt antreten. Kandidat der Republikaner war Alf Landon, der »Roosevelt aus Kansas«. 1940 ging Wenden Willkie, der sich auf dem republikanischen Wahlkongreß in Philadelphia gegen Vandenberg, Taft und Hoover durchgesetzt hatte, als Präsidentschaftskandidat ins Rennen. 1944 hieß der republikanische Kandidat Tom Dewey, der vier Jahre später, 1948, auch von Truman geschlagen wurde. Auf diese Weise konnte sich die unselige Roosevelt-Politik weitere 154

zwei Generationen fortsetzen. Mit jedem weiteren Jahrzehnt wird die lügnerische Umklammerung des schwächer werdenden amerikanischen Volkes immer stärker. Man kann sich vorstellen, was es dem deutschen Volk gebracht hätte, wenn ein Mann wie Taft im Jahre 1953 ins Weiße Haus eingezogen wäre. Er hätte die Ausmerzung der amerikanischen Verbrechen gefordert und nicht die sinnlosen Anklagen und Verfolgungen gegen das deutsche Volk. Wäre es LaFollettes Anhängern nach dessen Tod 1925 gelungen, überall das Vorwahlsystem einzuführen, dann wäre die heilende Wahl eines Taft gesichert gewesen. Aber in Amerika wirkt auf nationaler Ebene nichts so vollkommen, als daß die großen Bosse ihr schmutziges Handwerk nicht weiterhin betreiben könnten. Und zu den großen Bossen gehört auch ein Mann wie Grenville Clark mit seinem 200 Mann umfassenden Anwalts- und Rechtsberatungsbüro in Manhattan. US-Probleme der Zukunft Aus all dem wird ersichtlich, daß die seit den Tagen von Roosevelt ausgehende Weltumklammerung nur von innen her zerstört werden kann, und zwar durch eine wirtschaftliche Schwächung. Dadurch werden die USA gezwungen, ob sie wollen oder nicht, nach Hause, in ihr Umfeld zurückzukehren. Der unweigerliche wirtschaftliche Zusammenbruch Amerikas wird die übrigen Länder nicht in dem gleichen Maße treffen wie bei der Weltwirtschaftskrise von 1929, denn die USA haben nicht, wie nach dem Ersten Weltkrieg, noch Gewinne aus dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland ist nicht wie damals mit Krediten und mit hohen Zinsen belastet. Während der Einfluß der amerikanischen Regierung sinken wird, kaufen Ausländer von überall her weiterhin vertrauensvoll amerikanische Firmen, weil die Amerikaner nur zu gut wissen, daß sie das Geld aus diesen Verkäufen zum Überleben benötigen. Auf diese Weise wird der über der Welt hängende böse Geist Roosevelts nicht durch einen Angriff, sondern 155

North America 2084? (Karte von Michael Walker). Steht eine Auseinanderbröckelung des nordamerikanischen Gebietes in mehrere ethnische Republiken bevor? In Südkalifornien, Südtexas und Neumexiko herrscht die mexikanische Ethnie bereits vor. Wird das Gebiet um New York und Washington zu einem neuen Israel? Wird der Süden zur Heimat der Schwarzen? Siehe Hoggans weitere Ausführungen auf Seite 280.

156

durch ständigen Verschleiß und Zermürbung gebrochen werden, obwohl ihn schon Jahre zuvor ein zweiter Hitler nur mit der Macht seines Verstandes und seiner Stimme hätte brechen können. Die Probleme, denen sich Amerika gegenübersieht, werden ihm helfen, seine Lektion zu lernen. Eine Siedlerrepublik hat nicht das Format, ein weltweites Reich zu kontrollieren, noch hat es irgendein göttliches Recht, das Schicksal des europäischen Herzlandes westlicher Kultur und Zivilisation als Schiedsrichter zu beeinflussen. Und wir wissen, daß man auch im großen asiatischen Block, in Indien, China und Japan, genauso fühlt. — Es ist zum Beispiel für die Japaner ärgerlich, aus den Vereinigten Staaten wegen des Verkaufs von Hochtechnologie an die Sowjets Proteste zu hören, während die Amerikaner jahrelang das Gleiche getan haben. Es ist auch für die Franzosen ärgerlich, von den USA gescholten zu werden, weil sie dem Iran Zugeständnisse machen, während die USA Persien insgeheim Waffen verkaufen. Zudem sind viele der Auffassung, daß der iranisch-irakische Krieg durch den CIA vom Zaun gebrochen wurde. Die sich anbahnenden Veränderungen, die einen Rückzug der USA in ihr eigenes Einflußgebiet mit sich bringen werden, können Deutschland nur ein wunderbares Gefühl der Befreiung bringen. Präsident Nixons Machenschaften Als ein weiterer Hinweis für das kriminelle Verhalten der USA auf internationaler Ebene wie auch ihrer Verachtung für internationales Recht sei der Fall eines typischen FDR-Schülers erwähnt. Richard Nixon, obwohl offiziell genauso Republikaner wie Eisenhower, Ford und Reagan hatte alles mit Roosevelt, jedoch nichts mit Hoover und LaFollette gemeinsam. Warum haben all diese sogenannten Republikaner Stunden damit verbracht, Wilson und Reagan zu loben, dagegen nichts getan, um Hoover zu verteidigen, wenn dieser in 157

Wahlen angegriffen wurde — so wie es im letzten Präsidentschaftswahlkampf der Fall war, als Mondale Hoover angriff und Reagan nicht konterte ? Ein gutes Beispiel für die Art der Nixonschen Einmischung in internationale Angelegenheiten ist der israelisch-arabische Krieg von 1973. Innerhalb weniger Tage wurden modernste Waffen im Wert von rund 2,2 Milliarden Dollar nach Israel verschifft, und dies zu einer Zeit, als die USA die letzte Phase der Niederlage in Vietnam erlebten (siehe A. M. Lilienthal, The Zionist Connection, New York 1978, S. 759ff.). Dieser Vorgang war eine genaue Wiederholung der ungesetzlichen Waffenlieferungen an die Alliierten durch Wilson und Roosevelt in den beiden Weltkriegen. Die Nixonsche Waffenlieferung wendete innerhalb weniger Tage das Kriegsglück, obwohl die Araber wegen des israelischen Eroberungsfriedens des Jahres 1967 einen Sieg verdient gehabt hätten. In diesem Zusammenhang sei auch an die 135-Millionen Dollar-Hilfe von Truman im israelisch-arabischen Krieg von 1948/49 erinnert. Israel hätte 1982 auch Libanon nicht aus heiterem Himmel heraus angegriffen, hätte es von Reagan keine entsprechende Unterstützung zugesichert bekommen. Dieser Angriff war der fünfte israelische Krieg im kurzen Zeitraum von 35 Jahren, wobei Israel meist der Verursacher und Angreifer war. Lilienthal weist darauf hin, daß es für ein finanziell bankrottes Amerika billiger sein könnte, die etwa zwölf Millionen israelischer Juden nach New York zu holen, wo heute schon mit sechs Millionen Juden ein Drittel aller amerikanischen Juden lebt. Bei einem bankrotten New York würden auch die Zahlungen nach Israel nur kärglich fließen. Im Jahre 1914 war der jüdische Bevölkerungsanteil in den USA höher als in Palästina. Auch heute noch ist der arabische Bevölkerungsanteil in Palästina doppelt so hoch wie der jüdische. Zudem wurden viele Juden, zum Beispiel aus Marokko, oft gegen ihren Willen und ohne die Möglichkeiten entsprechender Erziehung nach 158

Israel verbracht. Lilienthal führt auch eine Äußerung des Grafen Clermont-Tonnerre in der französischen Nationalversammlung vom 12. Oktober 1798 an: »Dem Juden als Juden — alles. Den Juden als Volk nichts!« Während Nixon eifrig dabei war, den Krieg in Vietnam, den er auch auf Kambodscha ausgedehnt hatte und der nach USSchätzungen fünf Millionen Tote kostete, schnell zu beenden, fand er noch Zeit, die Israelis in ihrem Krieg gegen die Araber zu unterstützen und deren Hoffnung auf Freiheit zunichte zu machen. Zudem herrschte bis zur Ermordung Sadats auch eine israelische Marionettenregierung in Ägypten. Doch dessen Nachfolger Mubarak ist nicht unabhängig, denn seit 1980 sind in Ägypten wie in Griechenland, Spanien und Italien, um nur einige Mittelmeerstaaten zu nennen, US-Truppen stationiert. Aus zuverlässigen Quellen geht hervor, daß Nixon trotz seines guten Verhältnisses zu Kissinger die Juden nie besonders mochte, sondern sie benutzte, um die USA im Mittleren Osten entscheidend ins Spiel zu bringen (siehe auch die Initiative des damaligen US-Vizepräsidenten Nixon bei der Besetzung des Libanons im Jahre 1956). Das ungesetzliche Eingreifen Nixons in den israelisch-arabischen Krieg 1973 geschah ein Jahr nach dem Watergate-Vorfall, der ja schließlich auch zu Nixons Rücktritt im Jahre 1974 führte. Am 30. April 1975 mußten sich die geschlagenen Amerikaner aus Vietnam zurückziehen. Das bedeutendste Buch, da je über Nixon geschrieben wurde, stammt vom StanfordHistoriker Gary Allen (Richard Nixon, Boston 1971). Es behandelt auch Nixons kriminelle politische Machenschaften, auch in den Wahlkämpfen, vor Watergate, und geht bis in die Zeit von FDR und Pearl Harbor zurück (aaO., S.424). Es ist wichtig, daß man die Verbrechen amerikanischer Präsidenten außerhalb der Staaten ebenfalls erwähnt, etwa das überraschende und ungesetzliche Eingreifen Nixons 1973 im Mittleren Osten, dem weitere Verbrechen folgten, etwa das Massaker 159

der Israelis 1982 im Libanon sowie der Einsatz des US-Kriegsschiffes New Jersey bei der Beschießung der Flüchtlingslager mit Frauen und Kindern im Osten von Beirut. Vor allem natürlich der von Reagan befohlene Bombenangriff auf Libyen im April 1986, zu einem Zeitpunkt, als die amerikanischen Geschäftsleute dort noch völlig friedlich ihren Geschäften nachgingen. Wie sich später herausstellte, hatte Ghaddafi nichts mit den Terroranschlägen von Rom Wien und Berlin zu tun, derer ihn Reagan ohne den geringsten Beweis beschuldigt hatte. Wie Wilson, Roosevelt und Churchill ist auch Reagan nichts anderes als ein feiger Tyrann, der dafür bekannt ist, daß er die USGesetze genauso verachtet wie internationale. Wie David Stockman, Sam Donaldson und Daniel Moynihan nachgewiesen haben, hat Reagan in seiner ganzen Amtszeit nie versucht, das verheerende USDefizit abzubauen, obwohl er dies in allen seinen Wahlreden wie auch in der Wahlplattform versprochen hatte. Wenn man dann noch die im Kongreß herrschende Feigheit und Korruption betrachtet sowie das Durcheinander im höchsten Gerichtshof, der sich unter Burger und Rehnquist nie von dem durch Earl Warren angerichteten Schaden erholt hat, wie kann man dann erwarten, daß das derartig angeschlagene US-Staatsschiff die Flotte der Länder der freien Welt anführen soll? Die USA sind auf jeden Fall die in der Dritten Welt am meisten gehaßte Nation — die Abstimmungen in den Vereinten Nationen zeigen das; und diese Dritte-Welt-Länder stellen 70 Prozent der Welt dar. In der Zwischenzeit machen die USA nur noch 4,8 Prozent der Weltbevölkerung aus. Zu FDRs Zeiten waren es noch 5 %, und dies trotz der riesigen weltweiten Zuwanderung. Die weiße Rasse, die nach Artikel 7 des Bürgerrechtsgesetzes von 1964 (Amtszeit von L. B. Johnson) die Rasse mit den geringsten Vorrechten ist, wird sich nach dem Niedergang des amerikanischen Imperialismus in der östlichen Welthälfte in den darauffolgenden 160

Jahren einem furchtbaren Kampf dem gegenüber sehen, was der Harvard-Professor Lothrop Stoddard 1937 in seinem berühmten Buch The Rising Tide of Color (New York 1937) andeutete. Das deutsch-amerikanische Element sollte aufhören zu behaupten, die Kreuzzüge gegen das europäische Herzland seien gerechtfertigt gewesen, weil Leute wie der Kaiser und Hitler verrückte MöchtegernWelteroberer waren. Es wird innerhalb Amerikas zusammen mit den anderen Abkömmlingen der weißen Europäer die Möglichkeit erhalten, Bastionen aufzubauen und zu halten, um ihren natürlichen Führungsanspruch im farbigen US-Meer sicherzustellen. Hitlers Vaterlandsliebe Hitler, zumindest in seiner Einstellung im Jahre 1905, sah im preußisch-hohenzollernschen Erbe seit dem Großen Kurfürsten im Jahre 1640 den Kern für die Wiederherstellung des idealen Ersten Reiches der Deutschen aus den Tagen Barbarossas bis hin zur Hinrichtung von Konradin im Jahre 1268. Er schien irgendwie zu fühlen, daß in absehbarer Zeit der Vielvölkerstaat der Habsburger zusammenbrechen und das größere Deutschland emporsteigen würde. Obwohl sich Hitler weigerte, für das Habsburger-Reich zu kämpfen, war er jedoch auch nicht subversiv tätig wie ein Eduard Benesch in Prag. Im Gegenteil. Während seiner Wiener Zeit beschränkte Hitler seine politische Tätigkeit auf das Bekämpfen des Marxismus, in dem er zu Recht den Hauptfeind aller bürgerlichen Tugenden, einschließlich der Vaterlandsliebe, sah. Als Hitler 1913 nach München kam, wollte er einfach dem deutschen Kaiser Wilhelm und den anderen deutschen Fürsten dienen. Seine mehrfachen Auszeichnungen zeigen, wie er es getan hat. Die Frage, ob an Hitler vor dem Waffenstillstand am 11. November 1918 irgend etwas Messianisches oder Egozentrisches war, ist mit »nein« zu beantworten. Nach Aussagen seiner Vorgesetzten war Hitler genau das 161

Gegenteil: selbstlos und gemeinschaftsbezogen. Dies erklärt auch Hitlers Verwunderung, als er später diese Eigenschaften bei seinen Offizieren, die doch in der preußischen Überlieferung groß geworden waren, vergeblich suchte. Wie groß auch Hitlers Enttäuschung über das Attentat vom 20. Juli 1944 sowie die Verschwörung war, an der 5 000 hochrangige Persönlichkeiten beteiligt waren - 133, und nicht alle 5 000 wurden, wie Toland (aaO., S.701 ff.) berichtet, hingerichtet —, so hat er doch seinen Glauben an das deutsche Volk, das mehrheitlich von der preußischen Überlieferung geprägt war, nicht verloren. Und in ihrer übergroßen Mehrheit blieben die Deutschen ihm bis ans Ende ergeben. Wir haben im vorangegangenen Kapitel gesehen, daß das Reich Bismarcks für den jungen Hitler die Möglichkeiten für ein erneuertes und verjüngtes größeres Deutschland der Moderne andeutete. Das Dritte Reich unterschied sich jedoch vom Zweiten Reich gewaltig. Der Grund liegt nicht darin, daß zwischen beiden durch und durch deutschen Staaten die Republik von Weimar liegt, die immer wieder versuchte, von den Alliierten menschlichere Bedingungen zu bekommen und die ähnlich wie die BRD und DDR weltbürgerlich ausgerichtet war. Alle drei Staaten waren unter maßgeblichem Einfluß des Auslandes zustande gekommen. Sie sollten den Ausländern mehr zusagen als den Deutschen. Hitlers Ansehen in der USA Bailey machte in dem schon erwähnten Buch überaus deutlich, daß Hitler zu Beginn seiner Kanzlerschaft beim Durchschnittsamerikaner natürliche Sympathie genoß. Hitler war der bescheidene Kriegsheld aus der Armee des Kaisers, der in der Stunde der größten Not seines Landes wutentbrannt aufstand, um die Faulenzer und Kriegsgewinnler zu bestrafen und auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit und Überwindung der von den Marxisten geförderten Klassen162

gegensätze ein neues Deutschland aufzubauen. Zur Zeit der Olympischen Spiele 1936 war dieses Gefühl der Sympathie immer noch vorhanden. Aber dann gewann jenes Meer von Propaganda, wie es Kolbenheyer genannt hatte, immer mehr an Boden. Als FDR am 5. Oktober 1937 seine Chicagoer Rede hielt, fürchteten sich die Leute, aus Angst vor Gegenmaßnahmen Hitler lobend zu erwähnen. Wenn, dann taten sie es nur noch hinter verschlossenen Türen. Man brauchte nur zu flüstern, das FBI könne zuhören, um zu erreichen, daß die Leute, die einige wohlwollende Bemerkungen über Hitler gemacht hatten, regelrecht Fersengeld gaben. Nach Baileys Auffassung war Hitler als Führungstyp dem Durchschnittsamerikaner sympathischer als der Plutokrat FDR, der mit dem Vermögen, das er im Opiumhandel mit China verdient hatte, ein verschwenderisches Leben führte. Wir haben gesehen, daß das von Hitler geliebte Kaiserreich von Wilson und die von Frank Thiess geliebte Weimarer Republik von Mellon vernichtet wurden (siehe dazu auch Frank Thiess, Freiheit bis Mitternacht, Wien 1965). Das Dritte Reich, dem Millionen Deutsche vertrauten und an das Millionen von Menschen glaubten, wurde von Roosevelt vernichtet. Und es kommt der Tag, an dem der Ausländer, der Hitler in Deutschland beleidigt, dort nicht länger sicher ist. Obwohl Hitler in den USA der zwanziger Jahre ein größeres Echo als in Deutschland gefunden hätte — man denke an Huey Long, an die sechs Millionen KuKluxKlan-Mitglieder nördlich der MasonDixon-Linie — und wahrscheinlich jede seiner glänzenden Reden ihm eine Million Anhänger zugeführt hätte, hat er doch in Deutschland, zumindest zeitweilig, mindestens neunzig Prozent der Massen hinter sich gebracht. Und es gibt auch heute noch eine beachtliche Gruppe herausragender deutscher Intellektueller, die in ihrer Loyalität zu Hitler nicht schwankend geworden sind. Um Hitler wenigstens eine bescheidene Anerkennung zukommen zu lassen, sollten die Deutschen von heute einmal das genauer unter die 163

Lupe nehmen, was ihnen die Amerikaner von 1900 bis 1950 angetan haben. Als der Kaiser am 1. Januar 1900 erklärte: »Ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen!« (siehe Hamburger Fremdenblatt vom 2. Januar 1900), erlebte Deutschland einen einzigartigen Aufschwung. Diese Prophezeiung wäre Wirklichkeit geworden, wenn nicht ein Wilson dazwischengekommen wäre. Es gibt auch keinen Grund, über die Aussage von Reichskanzler Müller im Jahre 1928 zu lachen, die Weimarer Republik stehe auf soliden Fundamenten. Obwohl der Finanzfuchs Dr. Hjalmar Horace Greeley Schacht zur Zeit des Montagu Norman-Besuches in den USA weilte, wußte Müller nicht, daß Mellon ein derartiger Narr war, die englische Anregung aufzunehmen, die zwei Jahre später zum größten amerikanischen Börsenkrach und zur Weltwirtschaftskrise führte. Schachts beste Beschreibung des Börsenkrachs befindet sich in seinem frühen Erinnerungsbuch (76 Jahre meines Lebens, Düsseldorf 1951). Präsident Hoover würde mit Hitler freundschaftliche Beziehungen gepflegt haben, ohne jedoch die Notwendigkeit zu fühlen, Hitlers sämtliche politische Ansichten zu übernehmen. Welche Führungspersönlichkeit außer einer Marionette übernimmt alles, was ein führender ausländischer Politiker macht? Hoover bewunderte Hitler, und auch FDR zollte Hitler für seine Anfangsleistungen Anerkennung. Aber Roosevelt war der typische Wilson-Schüler — er bat sogar die zweite Frau Wilsons nach dessen Tod 1924 um Wilsons Schreibtisch. Und Wilson war der Zerstörer des Kaiserreichs. Mit einer Reihe von Verbrechen, die denen Wilsons ähneln, wurde FDR zum Zerstörer des Dritten Reiches. Hat sich Amerika dafür entschuldigt? Nein, die USA klagen Deutschland an. Auch das wird sich ändern.

164

Gescannt von c0y0te

Zum Dritten Reich

»Der Krieg als großer nationaler Mythos ist der Schöpfer des Dritten Reiches.« Prof. W.K. Pfeiler, 1941

165

166

Der deutsche Aufbruch Anfang der dreißiger Jahre In War and the German Mind (New York 1941) hat Prof. W. K. Pfeiler ausgeführt: »DerWeltkrieg von 1914—18 endete mit der Weimarer Republik als dem politischen Ergebnis. Der Krieg als großer nationaler Mythos ist der Schöpfer des 3. Reiches.« – Der aus Nebraska gebürtige Wissenschaftler, ein Freund übrigens des Stuttgarter Professors Hermann Pongs (von dem der Grabert-Verlag beachtliche Werke nach 1945 veröffentlichte), hatte die deutschen Kriegsromane in der Zeit von 1916 bis 1938 einer ausführlichen Untersuchung unterzogen. Dabei hatte er festgestellt, daß etwa um 1930 herum der volksbezogene Kriegsroman endgültig ein Übergewicht über den ichbezogenen Kriegsroman errungen hatte. Und dies war drei Jahre vor Hitlers Machtübernahme und zu einem Zeitpunkt, als Hitler erstmalig über eine beachtliche Fraktion im Reichstag verfügte. Der ichbezogene Kriegsroman war in den zwanziger Jahren führend gewesen. Es gab mehrere Hauptgründe, warum das deutsche Volk zwölf Jahre nach seiner Niederlage und der seiner Verbündeten im bisher größten weltweiten Krieg beschloß, etwas für seine Lage zu tun, anstatt weiterhin die von den Siegern diktierten Bedingungen auf Dauer hinzunehmen. Die wichtigsten sind: 1. Die deutsche Gesellschaft war, vor allem in der Generation vor dem Ersten Weltkrieg, die am weitesten entwickelte der ganzen Welt. Sie hatte auch die ausgeglichensten gesellschaftlichen Bedingungen; weiterhin gab es eine Menge wirtschaftlicher Möglichkeiten, die denen der Kolonialgesellschaften von Amerika, Kanada und Australien entsprachen; deren Mangel an Kultur sowie deren Bestechlichkeit kannte sie allerdings nicht. Darüber hinaus hatte Deutschland eine 167

untadelige Verwaltung, an die keine andere herankam. Und Hans Delbrück zufolge (siehe Government and the Will of the People, New York 1913) hatte Deutschland die beste Regierungsform der Welt. Die Zahl der politischen Parteien in Deutschland, mit weniger Zersplitterung als in Frankreich und Italien, verkörperte in besserem Maße als das künstlich aufrechterhaltene Zweiparteiensystem in den USA und Großbritannien die verschiedenen politischen Kräfte (siehe hierzu auch Adalbert Wahl, Deutsche Geschichte 1871—1914, 4 Bde., Tübingen 1926-32). 2. Die endlosen Schikanen, denen sich Deutschland seit dem Waffenstillstand von 1918 ausgesetzt sah, bewiesen, daß es sich nicht um einen Frieden unter Gleichen handelte, wie ihn US-Präsident Wilson gepredigt hatte. Und das Ganze endete dann mit der in den USA hausgemachten Wirtschaftskrise von 1929. Wenn es eines letzten bedeutsamen Ereignisses bedurft hatte, so war es wohl jene Weltwirtschaftskrise. Will man diese bedeutsamen Gründe für das Hochkommen einer revolutionären Bewegung gewichten, so rangiert die Tatsache, daß die Alliierten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ein glückliches und schönes Deutschland vernichtet haben, zweifellos an erster Stelle. Deutschland war 1914 weder ein Vielvölkerstaat wie die Türkei; es war auch nicht zerrissen wie Rußland. Es war eine Art Musterstaat mit Mustergesellschaft für die ganze Welt. Hinzu kommt, daß sich Deutschland fünf Jahre lang selbst verteidigen mußte und danach für zwölf das Opfer von Verrat und Enttäuschungen wurde. Hitler, der im zweiten Jahr der Herrschaft von Kaiser Wilhelm II. geboren wurde und stets den jungen Kaiser in seiner Erinnerung bewahrte, verteidigte ihn auch in Mein Kampf (Bd. 1, 1925, Bd. 2, 1927, EherVerlag, München 1942) gegen die öffentlichen Angriffe Bülows und des Reichstages.

168

Die polnische und tschechische Frage der dreißiger Jahre Hitlers Treffen mit dem polnischen Außenminister Joseph Beck, der das volle Vertrauen der autoritären polnische Kollektivführung hatte, war seitens des deutschen Führers frei und ungezwungen. Hitler hatte auch in den ersten Kabinettssitzungen nach der Machtübernahme im Februar 1933 einer Zusammenarbeit mit Polen den Vorzug gegenüber Rußland gegeben. Er hatte 1934 den Nichtangriffspakt mit Polen unterzeichnet. Er hatte Göring gebremst, der nach der polnischen Annektierung des Olsa-Gebietes anläßlich der Sudeten-Krise im Oktober 1938 eingreifen wollte. Beck andererseits hatte seit November 1938 gegenüber Hitler eine ganz und gar unaufrichtige Politik betrieben, als er es billigte, daß der polnische Botschafter in Berlin, Lipski, Reichsaußenminister von Ribbentrop antwortete, Polen habe im Grunde genommen keinerlei Einwände gegen eine exterritoriale Straße von Pommern und Danzig nach Ostpreußen. In seinen Erinnerungen lobte Beck indes auch Hitlers Ehrlichkeit (siehe Dernier Rapport, Lausanne 1951). 1938 hatte Churchill mit Billigung von Außenminister Halifax unter Führung von Duff Cooper, einem sehr engen Freund Churchills, eine Abordnung nach Finnland und Polen geschickt, um dort Stimmung gegen Deutschland zu machen. Ein Grund für diese Reise war die Tatsache, daß Stalin Gebietsansprüche an Finnland zu stellen plante. Ein anderer Grund war die Vermutung Halifax‘, der Anfang 1938 Antony Eden als britischer Außenminister gefolgt war, daß Hitler versuchen werde, den zehnjährigen Nichtangriffspakt mit Polen in ein Dauerbündnis umzuwandeln. Duff Cooper hatte seine Besprechung mit den Polen auf der Halbinsel Hela im August 1938. Hitler ließ seine Vorschläge für eine Übereinkunft mit Polen dem polnischen Botschafter Lipski im Oktober 1938 übermitteln. Hitler vertrat diese Überlegungen noch im Jahr 1939, als er sich mit Beck traf. Diese Bedingungen enthielten auch die 169

freiwillige deutsche Anerkennung der polnischen Grenzen aus dem Versailler Friedensdiktat, die keine Regierung der Weimarer Republik anerkannt hatte. Das sich für unbesiegbar haltende britische Weltreich hatte Beck jedoch mehr versprochen: die Grenzen eines Großpolens aus dem Jahre 1750. Die Akten zeigen, daß England keinerlei Absicht hatte, seine Versprechungen gegenüber Polen zu halten. Es benutzte die Polen als ein naives Instrument, um einen weiteren unnötigen europäischen Krieg zu beginnen. Es wollte damit FDR, Stalins Verbündetem, einen Gefallen erweisen. FDR wie Stalin waren von der friedlichen Regelung der Münchener Konferenz 1938 enttäuscht. FDR forderte offen »Rache für Königgrätz/Sadowa!« E. G. Kolbenheyer hat diese Hexenbrut am besten in seinem Sebastian Karst (Bd. 3, S. 88, Darmstadt 1958) beschrieben. Ich werde nie vergessen, wie geschockt ich von einer Diskussion mit Rudolf Rahn, dem Verfasser des ausgezeichneten Buches Ruheloses Leben, war. Unter anderem beschreibt er die aufregenden Erlebnisse mit Groba 1941 im Mittleren Osten. Ich hatte gerade in einer vierstündigen Debatte mit Hans-Adolf Jacobsen, dem bekanntesten westdeutschen Forscher auf dem Gebiet der Geschichte der Diplomatie, einen vollen Sieg errungen. Jacobsen arbeitete damals gerade an einem Buch über Reichsaußenminister Ribbentrop, dem er unfairerweise versuchte, eines auszuwischen, zum Beispiel durch die zahlreich verächtlich gemeinten Hinweise auf den »rastlosen« Ribbentrop (siehe H.-A. Jacobsen, Nationalsozialistische Außenpolitik 1933—1938, Frankfurt 1968). Meinen Diskussionssieg über Jacobsen hatte ich gerade im Bereich der Diplomatieforschung und der Ereignisse, die zum Kriegsausbruch führten, errungen. Obwohl Rahn ein diplomatischer Unruhestifter war und später recht geschickt in Italien Dienst gemacht hatte, war er auf dem Gebiet der Diplomatiegeschichte fast ohne jegliche Kenntnisse. Es war rüh170

rend und zugleich entmutigend zu hören, wie er auf der Grundlage des weisen Vertrages, den Hitler am 14. März 1939 nach dem Zusammenbruch der Tschechoslowakei auf Grund der Loslösung der Slowakei mit dem tschechischen Präsidenten Hacha schloß, versuchte, das Urteil der Zuhörer umzudrehen. So unglaublich es auch klingen mag, und trotz all der in der Diskussion vorgebrachten Tatsachen, hielten Rahn genauso wie Raymond Sontag (A Broken World, New York 1971, S.236, und das Journal for Historical Review, Dezember 1983) am propagandistischen Aberglauben fest, England und Frankreich hätten nach der Münchener Konferenz von 1938 den Bestand der verkleinerten Tschechoslowakei garantiert. Es ist jedoch eine nicht zu leugnende Tatsache, daß der englische Außenminister Lord Halifax Anfang November 1938 in Frankreich sagte – einen Monat, nachdem die Forderung der Sudetendeutschen nach Selbstbestimmung erfüllt worden war –, daß der tschechische Rumpfstaat bald auseinanderbrechen werde. Diese Aussicht lasse England völlig gleichgültig, und London würde nie den Bestand eines solchen tschechischen Staates garantieren. Er hoffe dies auch von Frankreich (siehe Woodward, Documents on British Foreign Policy, in: David Hoggan, Der erzungene Krieg, sowie später in: Lord Birkenheads offizieller Biographie Lord Halifax). Die Tatsache, daß England und Frankreich auf der Münchener Konferenz 1928 vorgeschlagen hatten, einen tschechischen Rumpfstaat zu garantieren, um eine friedliche Regelung zu beschleunigen, beinhaltete keineswegs, daß eine solche Garantie je eingelöst werden mußte. An eine solche Garantie war nämlich die Bedingung geknüpft worden, daß die Tschechen aus eigener Kraft eine stabile Lage in Mitteleuropa erreichen sollten. Und so etwas würden die Tschechen nie schaffen. Georges Bonnet, der darüber vier Bücher schrieb (u. a. Vor der Katastrophe, Köln 1951) und mit dem ich jahrelang in Verbindung stand, erklärte, er habe im November 1938 die Besprechung mit Halifax in Lille in der völligen Gewißheit verlassen, daß die Tschechen 171

nie von England und Frankreich irgendeine Sicherheitsgarantie erhalten würden. In der Tat gab es auch nach München das alte französisch-tschechische Bündnis nicht mehr, nachdem Frankreich es einem alten Verbündeten, nämlich Polen, erlaubt hatte, einem anderen früheren Verbündeten, nämlich der Tschechoslowakei, Land wegzunehmen (das Olsa-Gebiet).

Englands Behandlung anderer Staaten Es ist seltsam genug, daß sowohl gebildete Laien als auch berufsmäßige Historiker anscheinend keinerlei Schwierigkeiten haben zu begreifen, wie englische Diplomaten, etwa Urquhartin, in den zehn Jahren zwischen dem Besuch von Louis-Philippe bei Königin Victoria 1844 und dem Ultimatum von Kaiser Franz Joseph an Zar Nikolaus I. (Rückzug aus dem Moldau- und Wallachei-Gebiet 1854, so daß die Dardanellen für England bei einer Invasion Rußlands frei waren; der Plan wurde bereits 1791 von dem jüngeren Pitt geschmiedet, jedoch durch die Französische Revolution und Napoleon verzögert) Jahr für Jahr ernsthaft behaupteten, sie wollten freundschaftliche Beziehungen mit den Russen, obwohl sie deren Vernichtung planten (siehe besonders S. E. Gleason, The Origins of Russophobia in Great Britain, Harvard University Press, 1951). Dieser kennzeichnend englische Stil kann an Hand zahlreicher weiterer Vorkommnisse verdeutlicht werden. Zum Beispiel hatte der deutsche Botschafter in England, Lichnowsky, 1914 keine Ahnung, daß der britische Außenminister Lord Grey auf Krieg mit Deutschland aus war. Daher rührte auch sein ergreifender Versuch, sich die britische Politik in einem anderen, passenderen Zusammenhang zu erklären, nämlich aus der belgischen Frage. In dieser Frage hatte Deutschland vorher von Lord Vivian die englische Erlaubnis zum Durchmarsch bekommen. Wie alltäglich war dies im Vergleich zur 172

Teilung des Irans im Jahre 1901 oder zum Zerreißen des von acht Parteien unterzeichneten Marokko-Vertrages von 1880, dessen Ziel es sein sollte, diesem unglücklichen Land für immer seine gebietsmäßige Unversehrtheit zu garantieren. Eine Propagandaflut von Lügen ergoß sich bis auf den heutigen Tag und verhinderte, daß viele Menschen mit normalem oder höherem geistigen Zuschnitt den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges verstärkte und genauere Aufmerksamkeit schenken. George Lundberg von der Universität Washington pflegte sich zu beklagen, daß seine Examensstudenten die Zeit des Zweiten Weltkrieges »verklärt« betrachteten, das heißt, es gehe ihnen jeglicher Sinn für die Wirklichkeit ab. Dieser Verständnismangel beschränkt sich nicht nur auf die Verzerrungen, die zu Lasten der Achsenmächte gehen, also zu Lasten Deutschlands, Italiens, Japans, des projapanischen Chinas des Wang-Ching-Wei, der achsenfreundlichen indischen Nationalbewegung des Sandra Böse sowie der achsenfreundlichen Machthaber im Irak, in Vichy-Frankreich, Kroatien, Bulgarien, Ungarn, Finnland und in der Slowakei. Dabei darf man auch nicht die zahlreichen Freiwilligen aus anderen Ländern vergessen, die für die Achsenmächte kämpften (siehe Hans Werner Neulen, An deutscher Seite, München 1985). Dieser Verständnismangel bezieht sich gleichermaßen auch auf die traditionellen angloamerikanischen Beziehungen. Ich bot einmal eine Gastvorlesung zu drei Daten und Ereignissen an. 1. Das anglo-zionistische Bündnis, das sich seit dem Jahre 1903 entwickelte, als der deutsche Kaiser das Bündnisangebot Herzls aus religiösen Gründen abgelehnt hatte; 2. Die US-Bundesbank (Federal Reserve Bank), die 1913 von Senator Carter Glass und Präsident Woodrow Wilson gegründet worden war und mit ihren internationalen Verflechtungen ständig das amerikanische Währungssystem, die ausländischen Investitionen in den USA sowie die US-Investitionen im Ausland änderte (siehe Antony Sutton, Roosevelt und die 173

internationale Hochfinanz, Tübingen 1990); 3. Das FDR-Stalin-Bündnis aus dem Jahre 1933. — Wie man auch immer diese drei Entwicklungen miteinander verquicken mag, so kann doch das noch immer bestehende FDR-Stalin-Bündnis von 1933 wegen seiner weitreichenden Folgen als eigener Komplex untersucht werden. Genauso wie Zar Nikolaus I. vom britischen Premierminister Palmerston ausgetrickst und hinters Licht geführt wurde (sein Vorgänger Alexander I. war in der polnischen Frage von Castlereagh aus London eingeschüchtert worden), wurde später Churchill durch FDR mit dem Stalin-Bündnis, das Litwinow ausgehandelt hatte, ausgespielt und hinters Licht geführt. Churchill läßt sich mit jemandem vergleichen, der als Anhalter von San Francisco nach dem nahen Oakland fahren will und fern in Tucson, Arizona, hängenbleibt. Als Churchill im Alter von 66 Jahren zum Alleinherrscher in England wurde (siehe Martin Gilbert, Winston Churchill, Bd. 5: Die Fortsetzung der Biographie von Randolph Churchill), verkündete er noch selbstbewußt: »Ich bin nicht Premierminister des britischen Weltreiches geworden, um den Vorsitz bei dessen Auflösung zu übernehmen.« Als FDR die naiven Japaner in den Pearl-Harbor-Angriff hineinmanövriert hatte (wie konnte das Ganze für die Japaner gut sein, wenn alles darauf hinwies, einschließlich der Ablösung von Admiral Richardson, der sich gegen eine Konzentrierung der US-Flotte in Pearl Harbor ausgesprochen hatte, daß dieser Vorfall von FDR gewollt war), teilte Churchill dem britischen Unterhaus mit, daß nunmehr alle Reserven an Menschen und Material der USA dem britischen Weltreich zur Verfügung stünden. Churchill, der FDRs Haltung erst einige Tage später erfuhr, hätte sagen sollen, daß nunmehr wegen Pearl Harbor alle Mittel der USA sowie des untergehenden britischen Weltreiches Stalin zur Verfügung stehen würden. Die Engländer, die ans Falschspielen gewöhnt waren, waren dieses Mal, wie auch später häufig, die Dummen. Kann sich jemand vorstellen, daß Churchill 1939 174

auf Krieg gedrungen hätte, wenn er gewußt hätte, daß er dies für Stalin tue, den er als den »blutrünstigen bolschewistischen Pavian« bezeichnet hatte? In Band 1 seiner Erinnerungen vom Zweiten Weltkrieg bemerkt Churchill, es habe keinen Anlaß zu der Erwartung gegeben, daß Chamberlain die bösartige Anti-Hitler-Rede, die von Halifax stammte, am 17. März 1939 in Birmingham vortrage. Der Hitler-Hacha-Vertrag von März 1939 war noch weniger, als es die belgische Frage 1914 gewesen war, als Aufhänger geeignet. In meinem Buch Der erzwungene Krieg habe ich die polnischen Nachkriegshistoriker Gasiorowski, Dzieanpowski und Halecki erwähnt, die erklärt haben, sie hätten eine Abmachung mit Hitler auf Grund der Lipski und Beck von Ribbentrop angebotenen Bedingungen einem englischen Angebot vorgezogen. Das englische Angebot habe in der Tat keinerlei Absicht zum Ausdruck gebracht, Polen gegen die Sowjetunion zu schützen. Das englisch-polnische Bündnis wurde vom polnischen Botschafter Edward Raczynski erst am 25. August 1939 unterzeichnet (und zwar nach dem deutschsowjetischen Nichtangriffspakt), und nicht am 6. April 1939, als der polnische Außenminister Josef Beck in London war, da die Engländer nicht bereit waren, Polen Beistand im Falle eines erwähnten Krieges mit Rußland zu garantieren. Diese Lage bedeutete für die polnische Außenpolitik einen Grad höchster Verunsicherung, nachdem der polnische Oberkommandierende Marschall Edward Rydz-Smigly zur Zeit der polnischen Mobilmachung 1939 öffentlich erklärt hatte, daß nicht Deutschland, sondern Rußland Polens Gegner Nummer 1 sei. Zum damaligen Zeitpunkt wurde diese Haltung zweifelsohne vom überwältigenden Teil der Polen geteilt. Tatsache ist, daß die Engländer, selbst wenn sie gewollt hätten — was nicht der Fall war —, den Polen ohne amerikanische Unterstützung überhaupt keine Hilfe hätten gewähren können. Die amerikanische Unterstützung schloß sich auf Grund des FDR-StalinBündnisses von selbst aus. Was den deutsch-russischen Nicht175

angriffspakt vom 23. August 1939 anbelangt, so ertrug ihn Hitler, weil er keinen europäischen Krieg wollte, und Stalin ertrug ihn, weil er einen europäischen Krieg vom Zaun brechen wollte (siehe dazu J. Benoist-Mechin, Geschichte der deutschen Militärmacht 1918-1946, Bd. 7: Wollte Hitler den Krieg, 1971, S.289 ff.). Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß Benoist-Mechins Ausführungen auch die Antwort auf die im Titel des Buches gestellte Frage gibt. Der hervorragende französische Militärhistoriker und Geschichtsfachmann (siehe auch die übrigen sechs Bände seiner Geschichte der deutschen Militärmacht sowie seine gewissenhafte Untersuchung von Mein Kampf) stellte fest, daß nicht Hitler, sondern Stalin, FDR und Halifax 1939 den Krieg wollten. Es sei unter anderem an jene diabolische Äußerung des US-Präsidenten erinnert, als er im Januar 1939 seinen Lieblingsbadeort Warm Springs, Georgia, verließ, wo er früher von seiner Kinderlähmung geheilt war: »Im Herbst bin ich wieder zurück, wenn wir keinen Krieg haben.« Diese Bemerkung machte FDR, der es in seiner Karriere zum größten Kriegsverbrecher aller Zeiten brachte, genau fünfzehn Monate nach seiner provozierenden Chicagoer Quarantäne-Rede (siehe Anhang) vom 5. Oktober 1937, die ihn sogar den Verlust einiger getreuer Gefolgsleute kostete; man denke unter anderen an den Vorsitzenden der Demokratischen Partei Jim Farlay, der für FDRs Wahlkampf 1936 verantwortlich war. Doch die einfachen, unwissenden und unglaublich törichten Amerikaner nahmen die Rede nicht zur Kenntnis. Diese Leute waren zu jedem Verbrechen bereit, so lange es sich auszahlte. Selbst FDR und sein Innenminister Harold Ickes gaben zu, daß das amerikanische Volk unglaublich dumm und töricht sei.

176

FDRs Kriegstreiberei An einem Tag im Jahre 1939, jenem verhängnisvollen Jahr, in dem FDRs englische Handlanger den Zweiten Weltkrieg eröffneten und dabei die Russen übersahen, die Franzosen und Italiener einschüchterten und das unglückliche Polen als Strohman benutzten, hielt FDR eine Rede, in der er vom amerikanischen Volk als dem bestunterrichteten der ganzen Welt sprach. Im Kabinett wurde er später von Ickes daraufhin angesprochen. FDR antwortete, es sei leichter von den Leuten etwas zu bekommen, wenn man ihnen schmeichle. Als Senator William Borah aus Idaho im selben Jahr anläßlich Hitlers Antwort auf die FDR-Europapolitik äußerte, Hitler habe mit dem Versuch, FDR einige Geschichtskenntnisse beizubringen, etwas sehr Gutes getan, reagierte FDR in der gleichen kindischen Weise wie Churchill, der, wurde er kritisiert, stets in Wut geriet (siehe Sherwood, Roosevelt und Hopkins, aaO., S. 79ff.). Rückblickend war FDRs Quarantäne-Rede vom 5. Oktober 1937 für das FDR-Stalin-Bündnis von 1933 die entscheidende Weichenstellung. Es gab zu viele spitzfindige Überlegungen hinsichtlich des innenpolitischen Hintergrundes dieser Rede. Da war etwas mit Harry Black aus Alabama, einem ehemaligen Ku Klux Klan-Mitglied, der der erste von FDR ernannte Richter am obersten US-Gericht war. Da war etwas mit der grauen Eminenz Grenville Clark, dem Vorsitzenden des Inspektorengremiums der Harvard-Universität, mit den 200 Anwälten seiner Manhattan-»Rechtsfabrik«: 1937 unterband er FDRs Plan, die Anzahl der obersten Richter von neun auf fünfzehn, darunter sechs von FDR ernannte, zu erhöhen. Dieser Plan hätte FDR sofort die mehrheitliche Unterstützung für die radikale New DealPolitik von Harry Hopkins gebracht. Und da war vor allem der erneute Fehlschlag auf dem Wertpapier- und Devisenmarkt der Wallstreet, der sich mit dem Mißerfolg im darauffolgenden Jahr vergleichen läßt, die Demokratische Partei zu säubern. Hinzu kam, 177

daß der von FDR eingesetzte neue Ausschuß für Wertpapiere und Devisen Roosevelts Wut und Verärgerung in keiner Weise mildern konnte. FDR hatte Bullitt aufgetragen, Stalin zu berichten, er werde, so lange er lebe, im Weißen Haus bleiben. Es wurde aber von Tag zu Tag deutlicher, daß FDRs zweite Amtszeit in einem Unglück enden würde, wenn er seinen europäischen Krieg nicht bekäme. Hitler wollte diesen Krieg ebensowenig, wie er ihn nicht brauchte. Diesen Krieg brauchten dagegen Leute wie FDR, Stalin und Churchill. Brauchte Hitler für Danzig zu kämpfen oder in Frankreich einzumarschieren? Wem hat das alles genutzt? Das Übel hinter der Quarantäne-Rede von 1937 bestand aus mehr als FDR: es gründete im System des amerikanischen Präsidentenamtes selbst. Genauso wie George Washington versuchte, sein schwindendes politisches Ansehen durch einen unnötigen Krieg gegen Frankreich wiederherzustellen — dieser Versuch wurde ein für allemal von John Adams 1798 unterbunden —, genauso wie Bill McKinley nach der spanischen Kapitulation in fast krimineller Art den Kongreß überredete, Spanien 1898 den Krieg zu erklären — McKinley handelte auf den Rat seines starken Mannes in Ohio, Mark Hanna, mit der Hoffnung, seine Beliebtheit im Volk zu erhöhen —, genauso verhielt sich FDR. Mit dem Stalin-Bündnis als verborgenem Trumpf und angesichts der Schande und des Ruins, die seine zweite Friedensamtszeit unvermeidlich kennzeichnen würden, entschloß sich FDR kompromißlos, die Flucht in die Öffentlichkeit anzutreten und sich überall für einen großen Krieg stark zu machen. Seine Geheimstrategie bestand darin, die Engländer als Auslöser zu benutzen und den Krieg mit Stalin als seinem Hauptverbündeten auszukämpfen. Das Presseecho auf diese Chicagoer Rede von 1937 zeigte deutlich, daß es sich um eine kriegstreiberische Rede gehandelt hat. Die Radiokommentare, und dies sollte unterstrichen werden, offenbarten hinlänglich, daß FDR einen baldigen Krieg befürwortete, wobei Deutschland der 178

Hauptgegner sein sollte — FDR hatte seit dem 11. November 1918 insgeheim immer wieder auf einen neuen Krieg mit Deutschland gehofft (siehe dazu Frank Friedel, Franklin D. Roosevelt, Bd. 2, New York 1954, S.220ff.). Es sei ebenfalls betont, und dies wird sowohl von den USamerikanischen Akten als auch von Bullitt selbst bestätigt, daß die scheußlichen Grausamkeiten während der Tschiska (die großen Säuberungswellen in der UdSSR in den Jahren 1936—39; siehe hierzu das Buch des Stanforder Professors Robert Conquest, Ernte des Todes. Stalins Holocaust in der Ukraine 1929—33. München 1988) in ihrem Ausmaß und in ihren Einzelheiten FDR wie übrigens auch allen anderen Politikern außerhalb der UdSSR bekannt waren. Doch diese Grausamkeiten und Scheußlichkeiten veranlaßten FDR zu keinerlei privater oder öffentlicher Kritik an Stalin. Man hat viel Aufhebens von jenem Vorgang am 15. Februar 1940 gemacht, als FDR auf dem Rasen des Weißen Hauses in Anwesenheit von Studenten Stalin kritisierte. Diese Kritik erfolgte mitten im zweiten finnischrussischen Krieg — der erste fand 1918 statt, und jedesmal waren die Bolschewisten die Angreifer. Doch FDRs Kritik war nur halbherzig, abstrakt und verschwommen (siehe hierzu New York Times, 16. Februar 1940). Die Leute von Chicago erwarteten am 5. Oktober 1937 von Roosevelt genauso wie die Leute von Birmingham am 17. März 1939 von Chamberlain sicherlich keine Rede zur Weltpolitik und haben eine solche Rede bestimmt auch nicht geschätzt (man kann davon ausgehen, daß die Rede, die Halifax 1939 für Chamberlain schrieb, im selben Maß dümmlich war wie die von FDR aus dem Jahre 1937!). Vier Jahre zuvor hatte FDR 1933 den sechzehnjährigen Boykott der UdSSR unter den vorhergehenden Präsidenten Wilson bis Hoover aufgehoben. (Wilson hätte möglicherweise die UdSSR anerkannt, wäre er nicht mitten in seiner verrückten Rede in Pueblo, Colorado, im September 1919 wahnsinnig geworden. Danach übergab Wilsons Frau 179

die Macht seinem erzkonservativen Generalstaatsanwalt Palmer, der damit fortfuhr, radikale eingeborene Bürger in die sowjetische Arche nach Rußland zu schicken.) FDR hatte 1937 sein Geheimbündnis mit Stalin in der Tasche, aber die Chicagoer Bevölkerung wußte davon nichts. Die Weltlage 1937 bei der Quarantäne-Rede Wie sah die Weltlage damals aus ? In China hatten die chinesischen Kommunisten, die ihren Schwerpunkt in Shensin bildeten, ChiangKai-shek 1939 entführt und ihn nur unter der Bedingung freigelassen, daß er gegen Japan einen neuen Krieg beginne (und zwar nach dem Verlust des nichtchinesischen Protektorats Mandschurei; wie die Mongolei, Tibet und Chinesisch-Turkestan war die Mandschurei kein Teil des eigentlichen Chinas, sondern nur ein abhängiges Gebiet). Diesen neuen Krieg hatte Chiang erst einige Wochen vor FDRs Rede von 1937 begonnen. Von Anfang an suchten die Japaner ausländische Vermittler, die ihnen bei der Beendigung des Krieges helfen sollten. Zum Zeitpunkt der FDR-Rede gab es in China noch immer eine deutsche Militärmission, die Chiang und den chinesischen Nationalisten half. Eine deutsche Handelsmission war ebenfalls vorhanden. Nach einem Wahlbetrug wurde die spanische Volksfrontregierung 1936 von Aufständischen bedroht. Diese erhielten massive Unterstützung aus Italien und auch aus Deutschland (siehe hierzu Wilfred von Oven, Hitler und der Spanische Bürgerkrieg, Tübingen 1978). Die spanischen Kommunisten metzelten Teile des katholischen Klerus nieder. Das Gewicht der Petitionen der US-Katholiken an den amerikanischen Kongreß machte es FDR unmöglich, Stalin beizustehen und, wie er es gern getan hätte, sich zu Gunsten der Roten in Spanien einzumischen. Obwohl es sich um einen Bürgerkrieg handelte, der nicht unter die Neutralitätsgesetzgebung fiel, sah sich FDR gezwungen, gegenüber Spanien eine klare Neutralitätspolitik zu verfolgen. 180

Was das Reich anbelangte, so sollte festgehalten werden, daß der deutsch-britische Flottenvertrag von 1935 die gleiche friedenstiftende Wirkung für den Westen hatte wie der deutsch-polnische Nichtangriffspakt von 1934 für den Osten. Die kurze Rheinlandkrise vom März 1936, bei der die Engländer den Franzosen jede Unterstützung verweigerten (letztere hatten die Krise in erster Linie heraufbeschworen, indem sie unter Verletzung des LocarnoVertrages — siehe F. Berger, Locarno, Berlin 1936 — ein Bündnis mit Moskau unterzeichnet und ratifiziert hatten), war auf der Londoner Konferenz, bei der Ribbentrop Deutschland vertrat, bereinigt worden. Zusammenfassend kann man sagen, und dies beweisen auch die Olympischen Spiele von 1936 (nach Auffassung sachverständiger Kritiker die bislang besten Spiele der Neuzeit), daß es nur wenig gab, was die internationale Stellung Deutschlands beeinträchtigte. Es war auch nichts vorgefallen, was dieses Bild ein Jahr danach bis zu FDRs Rede ändern konnte. Dies ist wegen des unbegreiflichen und wütenden Tones in FDRs Rede gegenüber Deutschland besonders zu unterstreichen. Genauso ist der auffallend sanfte und freundliche Ton Roosevelts gegenüber Stalin und der UdSSR hervorzuheben. Dies überrascht in Anbetracht der blutigen Vorgänge in der UdSSR. Diese Rede war sicherlich die bedeutendste und folgenreichste im Zeitraum 1919—39, vor allem aus der Rückschau von FDR, der viermal US-Präsident war. Dennoch überrascht es auf den ersten Blick, daß später ausführliche Geschichtsbücher wie die von John D. Hicks (The American Nation, Boston 1955) und von Sherwood (Roosevelt und Hopkins, Hamburg 1950) Roosevelts Quarantäne-Rede weder im Text noch bei den Anmerkungen überhaupt erwähnen. Wenn man sie genauer untersucht, stellt man fest, daß sie FDR freundlich gesonnen sind. Insofern ist klar, daß die Rede weggelassen wurde, weil sie wie aus heiterem Himmel kam und bei vorurteilsfreier Beurteilung schwierig zu verteidigen ist. Der 181

vollständige Redetext war einen Tag später verfügbar (siehe New York Times vom 6. Oktober 1937). Die Rede wurde auch ständig im Kongreß (siehe hierzu Congressional Record, House, Senat/1937—40) bis zum Ausbruch des europäischen Krieges erwähnt. Als Charles Beard sich zu seinem zweibändigen Werk über FDRs Außenpolitik entschloß (American Foreign Policy in the Making, New Haven 1946, und Präsident Roosevelt and the Coming of the War, New Haven 1948; in diesem Buch betont er mit Nachdruck die Vorteile, die Stalin aus der Rooseveltschen Politik zog), erinnerte er an Roosevelts Rede vom August 1936 in Chautau-qua, im Staat New York. FDR, der sich damals um seine zweite Präsidentschaft bewarb, wiederholte seine Aussage gegenüber William Randoph Hearst aus dem Jahre 1932, bei seiner Wiederwahl werde er eine isolationistische Außenpolitik betreiben. Er werde zum Beispiel die Unabhängigkeitsbestrebungen der Philippinen unterstützen, obwohl eine solche Politik üblicherweise nur auf den westlichen Teil der Welt beschränkt war. Weiterhin wolle er sich aus der Politik des Völkerbundes sowie aus Verwicklungen im östlichen Teil der Welt heraushalten. 1936 ging FDR sogar noch weiter und bezeichnete Krieg im Ausland als verrückt. Beard kam nicht um die Feststellung herum, daß FDRs fragliche Rede (deren Inhalt sich auch 1936 in einer Ansprache anläßlich des 100jährigen Jubiläums der Harvard-Universität fand, die von Rektor Conant, der Fakultät sowie den Studenten begeistert begrüßt wurde) den Höhepunkt in den isolationistischen Aussagen FDRs darstellte. Roosevelt war, sofern er 1932 wie 1936 gewählt werden wollte, zu einer solchen Politik gezwungen. Und diese Politik befand sich in Übereinstimmung mit dem Willen des Kongresses, wie er im NyeBericht aus dem Jahre 1934 über die Irrtümer der Wilsonschen Politik im Ersten Weltkrieg zum Ausdruck kam. Sie befand sich weiterhin in Übereinstimmung mit der ständigen Neutralitätsgesetzgebung, welche der Kongreß in den Jahren 1934 bis 1937 ausarbeitete. Und FDR 182

hat all dies unterzeichnet. In einer Gallup-Meinungsumfrage vor FDRs Chicagoer Rede erklärten 90 Prozent der Befragten, daß Amerikas Eintritt in den Ersten Weltkrieg ein Fehler war. Wie schon ausgeführt, konnte Beard während der kurzen 13monatigen Zeitspanne zwischen den beiden Reden — wenn man die Harvard-Rede hinzunimmt, ist die Zeitspanne noch kürzer — kein außenpolitisches Ereignis finden, das einen derart radikalen Wechsel oder auch nur den geringsten Wandel gerechtfertigt hätte. Obwohl Beard FDR persönlich kannte und ihn früher gelegentlich sogar unterstützt hatte, hatte er später bei seinen verschiedenen Versuchen, Roosevelt zu einer Erläuterung über seine Rede zu veranlassen, keinerlei Erfolg. Auch die Presse hatte kaum mehr Glück. Obwohl Roosevelt die Auswirkungen seiner Rede mit seinen Mitarbeitern besprach und sagte, er komme sich wie ein Hauptmann vor, der einen Befehl gegeben habe und rückschauend feststelle, daß ihm niemand folge, so bleibt dennoch die Tatsache im Raum stehen, daß diese Chicagoer Rede einen Wendepunkt darstellte. Roosevelt hat keine weitere außenpolitische Isolationsrede mehr gehalten. Er hat auch nie behauptet, daß er nicht Wilsons Außenpolitik und dessen Völkerbundsidee bewundere. Er gab auch nie mehr vor, er werde sich aus Verwicklungen im östlichen Teil der Welt heraushalten. Kurze Zeit später schlug er tatsächlich in einer Rede Neville Chamberlain eine europäische Konferenz vor (11. Januar 1938). Der englische Premierminister lehnte jedoch klugerweise ab (14. Januar 1938). Roosevelts Briefwechsel mit führenden Politikern, nicht nur der geheime mit Stalin und Churchill, blühte innerhalb kurzem weltweit auf. Beard untersuchte die falschen Stellen, als er im außenpolitischen Bereich nach einem Beweggrund für den Wechsel in der Rooseveltschen Politik suchte. Der Zeitpunkt wurde durch die Präsidentschaftswahl diktiert. Bei seiner ersten Wahl hatte FDR den Vogel mehr oder weniger mit seinem »New Deal« (das wirtschaftliche Reformprogramm zur Bekämpfung der Auswirkungen der Weltwirtschafts183

krise) abgeschossen. Ähnlich machte es Wilson bei seiner ersten Wahl 1912 mit seiner Zollreform und dem neuen Bankgesetz (siehe Anthony Sutton, Roosevelt und die internationale Hochfinanz, Tübingen 1990). Beide, FDR und Wilson, waren außergewöhnlich rückschrittliche Politiker, die nur vorübergehend die Reformer spielten, dieses Spieles aber bald überdrüssig wurden. Der Krieg schien ihnen mehr Spaß zu machen. Die Nachteile der US-Verfassung Die USA hätten in den dreißiger und vierziger Jahren nie zu einer alles vernichtenden Kriegsmaschinerie aufsteigen können, hätte es nicht die eigennützige und plutokratische Verfassung von 1787 gegeben (siehe hierzu Charles Beard, An Economic Interpretation of the Constitution, New York 1913). Diese Verfassung billigte dem Präsidenten ungeheure diktatorische Vollmachten zu. Die Verfassung sollte George Washington, dem militärischen Idol, der bei der Versammlung in Philadelphia den Vorsitz führte, gefallen. Washington hatte auch als Kandidat bei den ersten Präsidentschaftswahlen 1788 praktisch keinen Gegenkandidaten — einige seiner Anhänger wollten ihn sogar mit »Ihre erhabene Hoheit« ansprechen. Doch Washington war viel zu gerissen, als daß er so etwas angenommen hätte. Selbst Woodrow Wilson hat in seiner Zeit als Universitätsprofessor (siehe Congressional Government, New York 1885), und noch ehe er politischen Ehrgeiz entwickelte, das Amt des Präsidenten, so wie es in Philadelphia in die Verfassung eingearbeitet wurde, als einen Fehlschlag bezeichnet. Er hatte keinerlei Bedenken gegen einen Präsidenten nach dem Vorbild der dritten französischen Republik auf der Grundlage der Gesetzgebung von 1875. Wilson, und das kommt im Titel seines Buches zum Ausdruck, war der Auffassung, daß sich die Macht einer Regierung auf einen Gesetzgebungsapparat mit einem 184

Zwei- oder Einkammersystem gründen sollte. Dies bedeutete keinen Präsidenten, der ohne die Unterstützung einer Partei auskommen kann, dessen Einspruch einem Drittel der Stimmen in der gesetzgebenden Körperschaft gleichkommt und der diktatorische militärische Vollmachten besitzt, wie es zum Beispiel in Teddy Roosevelts Äußerung vom Jahre 1903 zum Ausdruck kommt: »Ich eignete mir den Kanal (von Panama) an und ließ den Kongreß debattieren«; oder in der Antwort von Andrew Jackson auf den Versuch des Obersten Richters Marshall, die Creek-Indianer zu schützen: »Er hat die Entscheidung gefällt, soll er auch versuchen, sie durchzusetzen«; oder bei Abraham Lincoln, der als Minderheitenpräsident den Bürgerkrieg begann, als er gegen den Rat seines gesamten Kabinetts die Festung Sumpter im Hafen von Charleston verstärkte, ohne den Kongreß zu unterrichten. Natürlich können auch politische Führer, die dies nur dem Namen nach sind, bei seltenen Gelegenheiten Unheil anrichten, wie dies bei König Eduard VII., dem Baumeister der englischen Einkreisungspolitik gegen Deutschland, der Fall war. Die Engländer hätten nicht auf ihn hören sollen. Andererseits hat das deutsche Parlament die klugen Ratschläge von Wilhelm II. fast völlig übergangen, als er sich gegen die Marokko-Politik 1905 aussprach und im selben Jahr einen Vertrag mit Rußland ausarbeiten ließ, jedoch von Kanzler von Bülow wiederholt abgewiesen wurde. Deutschland hätte sich möglicherweise aus dem Ersten Weltkrieg heraushalten können, wenn man die Ratschläge des Kaisers ernster genommen hätte. Im Falle der USA haben einige wenige Präsidenten, wie John Quincy Adams und Herbert Clark, mit ihren großen Fähigkeiten und verfassungsmäßigen Skrupeln die diktatorischen Möglichkeiten präsidialer Macht, die üblicherweise im Auftrag einer unsichtbaren plutokratischen Minderheit ausgeübt wird, gemildert. Obwohl weder Roosevelt noch seine Frau Eleanor persönlich viel für die Juden übrig hatten (in dieser Frage sind die Beweise überwältigend), 185

handelte er das Stalin-Bündnis mit dem Sowjetjuden Litwinow aus. Er wußte auch, daß die bolschewistische Bewegung, die ursprünglich in erster Linie eine jüdische Bewegung war, noch immer von einem großen Prozentsatz von US-Juden gefördert wurde. Und unter diesen jüdischen Förderern befanden sich viele wohlhabende, mitunter sehr einflußreiche Juden, die mit der Presse und der Regierung zu tun hatten. Hitlers antijüdische Politik ermöglichte es FDR, diese Politik zu einer überwältigenden Mehrheitspolitik zu machen, obwohl bis zum Jahre 1937 beim Kongreß mehr jüdische Petitionen gegen antijüdische Maßnahmen in Polen als in Deutschland eingingen.

Zum Inhalt der Quarantäne-Rede Der Grundtenor von Roosevelts Chicagoer Rede vom 5. Oktober 1937 war ein weltweites Bündnis unter Führung der USA, der UdSSR, Englands (und des Britischen Weltreiches) sowie von Nationalchina in Verbindung mit den chinesischen Kommunisten gegen Deutschland, Italien und Japan, die zum damaligen Zeitpunkt etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung ausmachten. Daraus ergibt sich Roosevelts Mythos der 90 Prozent friedliebenden gegen die 10 Prozent kriegslüsternen Nationen. Am 21.11.1936 hatten Deutschland und Japan den Antikomintern-Pakt (gegen die weitere Ausbreitung der bolschewistischen Ideologie) unterzeichnet. Italien unterzeichnete ihn am 6.11.1937, unmittelbar nach FDRs Chicagoer Rede. (1939 folgten Ungarn, Mandschuko und Spanien, 1941 Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Finnland, Rumänien, Slowakei und Nationalböhmen.) Indem als Ziel dieser Koalition mit den Sowjets eine »Quarantänemaßnahme« angegeben wurde, verunglimpfte Roosevelt drei Weltmächte auf schamlose Weise, als er sie auf die Ebene des Krankseins verwies. Es wäre viel einfacher und gerechtfertigter gewesen, so mit 186

den USA zu verfahren, bei denen kriegerische Aggressionen im Ausland, der Völkermord an den Indianern sowie die periodenhafte Verfolgung von Iren, Italienern und anderen Volksgruppen zu Buche stehen. Wenn man sich daran erinnert, daß der russische Bürgerkrieg von 1917 bis 1920 blutiger war als der amerikanische (bis 1917 war letzterer der blutigste in der Weltgeschichte), wenn man sich daran erinnert, daß die UdSSR während desselben Zeitraums Kriege gegen Finnland, die baltischen Staaten und Polen geführt hatte — 1920 stießen die Russen bis zu den Toren Warschaus vor —, wenn man sich daran erinnert, daß spätere Aufstände von Minderheiten im Blut ertränkt wurden, wenn man sich daran erinnert, daß Rußland 1939 in einem Fünfmonatekrieg in der Mandschurei gegen China erfolgreich war, und wenn man daran erinnert, daß die Sowjets versucht hatten, den ukrainischen Nationalismus durch eine Hungersnot zu zerbrechen, dann mutet die Bezeichnung »friedliebend« für Stalins Herrschaftsbereich lächerlich an. Bis zum Jahre 1939 war Stalin selbst für den Tod von mehr als 10 Millionen Menschen in der UdSSR verantwortlich. Dies entsprach in etwa der Zahl der Toten aller Kriegführenden des Ersten Weltkrieges. Es gibt noch Überzeugenderes, um FDRs Behauptung in der Quarantäne-Rede zurückzuweisen. In dem Zeitraum von 1929 bis 1945 hat Stalin 750 Milliarden Dollar für Kriegsmaterial ausgegeben. Dazu kommen über elf Milliarden Dollar an offizieller US-Hilfe in den Jahren 1941 bis 1945. Auf dem Höhepunkt seiner Macht, einschließlich des großen Säuberungsjahres 1937, gab Stalin in einer halben Generation mehr Geld für Kriegsmaterial aus als die übrige Welt zusammen. Und zum Zeitpunkt von Roosevelts Chicagoer Rede haben Stalins Anhänger in Spanien immer noch katholische Nonnen gekreuzigt (siehe hierzu Hugh Thomas, Der spanische Bürgerkrieg, Berlin 1961). Wahrscheinlich gibt es kein Reich in der Weltgeschichte, das derartig militarisiert war und von der Polizei beherrscht wurde wie Stalins 187

Rußland im Jahre 1937, jenem Jahr, in dem er Marschall Tuchatschewsky, den bolschewistischen Haupthelden des russischen Bürgerkrieges, hinrichten ließ. Desgleichen ließ Stalin ein Drittel der Roten Armee vom Hauptmann aufwärts umbringen. Man muß sich die militärische Macht vorstellen, die dahinterstand; eine Macht, die sich den Luxus erlauben konnte, Säuberungen von solchem Umfang durchzuführen, und dies mit dem einzigen Ziel, Stalins Autorität noch zu vergrößern und die Kriegsmaschinerie noch wirkungsvoller zu gestalten. Doch damit war Stalin noch nicht zufrieden. Er predigte die kommunistische Weltrevolution und die Errichtung der sogenannten Ein-Welt-Diktatur des Proletariats. In einem gestellten Interview im Jahre 1937 antwortete Stalin auf die Frage, ob die Betonung des Sozialismus in dem Land Lenins Aufgabe der Weltrevolution bedeute, dies sei nur eine erforderliche taktische Maßnahme, um alle Möglichkeiten für eine Weltrevolution gemäß den Überlegungen Lenins voll auszuschöpfen (siehe vor allem Ed Smith, Stalin — the Red Czar, New York 1967, S. 117 ff. Smith war von 1947 bis 1957 der CIASpitzenagent in der UdSSR). Es ist auch bemerkenswert, daß FDR Stalin erst im November 1943 in Teheran traf, zu einem Zeitpunkt also, an dem er schon laut seinem Berater Pa Watson aus Georgia todkrank war und nur noch dreizehn Monate zu leben hatte. Roosevelt behandelte Stalin nicht nur falsch; sein Verhalten war auch akademisch und pedantisch. Als er in Teheran bemerkte, Hitler sei verrückt, mußte er sich von Stalin eine Standpauke gefallen lassen (siehe Sherwood, aaO., S.614ff.). Als Jim Farley — er war 1936 verantwortlich für FDRs Wahlkampf und von 1934 bis 1937 Roosevelts erster politischer Berater — durch die Chicagoer Rede geschockt wurde, begnügte er sich nicht damit, persönlich in der Bücherei des Kongresses nachzuforschen, sondern fuhr unmittelbar nach Berlin, um mit den führenden Politikern Deutschlands zu sprechen, die ihn in seiner Auffassung bestärkten, 188

daß FDRs Ansichten über internationale politische Beziehungen Unsinn waren. Dies traf auch auf Roosevelts Amtsvorgänger Herbert Hoover zu, der am 8. März 1938 mit Hitler ein längeres Gespräch führte (die Aufzeichnungen umfassen 120 Seiten). Auf Grund ihrer Erkenntnisse aus erster Hand folgerten sowohl Farley als auch Hoover, daß die Hauptbedrohung für den Weltfrieden aus Moskau, London und Washington, nicht jedoch aus Berlin, Rom oder Tokio kam. Tatsächlich waren die von FDR als friedliebend bezeichneten Staaten die hauptsächlichen Bedroher des Friedens. Insofern kann man Roosevelts Chicagoer Rede nur als die Rede eines politischen Narren und eines Kriegstreibers bezeichnen. Was Roosevelt hier von sich gab, hätte zu seiner Anklage und schließlich zu seinem Rücktritt führen müssen. 1974 wurde Nixon aus einem viel geringeren Anlaß zum Rücktritt gezwungen, obwohl sein zweiter Sieg bei der Präsidentschaftswahl 1972 genauso überwältigend ausgefallen war wie der von Roosevelt im Jahre 1936 über Alf Landon aus Kansas. Nixon stellte sich als der Präsident dar, der den Vietnam-Krieg beenden könnte (was er tat), und FDR als der Mann, der die Wirtschaftskrise meistern würde (was er nicht schaffte, aber die Japaner für ihn schafften, als sie Pearl Harbor bombardierten).

Roosevelts Heuchelei Betrachtet man die überwältigende Unterstützung seitens der Öffentlichkeit für Roosevelts Rede vom 2. Januar 1936 (die leider unaufrichtig war) und dann die allgemeine Bestürzung und Entrüstung über seine »Quarantäne-Rede«, so fragt man sich, wie dies in Anbetracht der im Jahre 1937 allgemein gültigen Auffassung, die Weltwirtschaftskrise von 1929 sei das unvermeidliche Ergebnis der Wilsonschen Kriegspolitik im Ersten Weltkrieg sowie der Machenschaften der Großkapitalisten J. P. Morgan und J. D. 189

Rockefeller, geschehen konnte (siehe auch John Dos Passos, Wilsons verlorener Friede, aaO.). Es ist eine Schande, daß sich die Leute in den Jahren 1937 bis 1941 nicht entschiedener gegen FDR aufgelehnt haben. Es muß anerkannt werden, daß in den fünfzig Monaten zwischen der Rede von Chicago und Pearl Harbor FDR und das amerikanische Volk in einem Dauerstreit standen. FDR überlebte Pearl Harbor nur um 41 Monate. Nach dem Tode seiner über alles geliebten Mutter Ende 1941 war er nur noch eine menschliche Hülse ohne Saft und Kraft. Während des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 1944 wurde sein Arzt Dr. McIntire aufgefordert, den Bürgern nicht zu sagen, daß FDR ein sterbender Mann war. Thomas Aldrich Bailey weist in seinem Buch The Man in the Street (New York 1949; als Baileys Seminarstudent durfte ich an der Entstehung dieses Buches mitwirken) darauf hin, daß FDR das Problem der Kluft zwischen seinen Ansichten und denen der Öffentlichkeit in einem Zeitraum von fünfzig Monaten dadurch löste, daß er, abgeleitet aus der absolutistischen Lehre, ständig behauptete, der Präsident habe das Recht, das Volk zu belügen, zu betrügen und zu enttäuschen, war er doch der Auffassung, er sei klüger als das Volk und das sei zu dessen Bestem. Nach seiner Chicagoer Rede gab FDR ganz bewußt gegenüber seinen Redeschreibern offen zu, daß er bewußt lüge, wenn er ihre Reden verlese. Nur selten scheint er Gewissensbisse bekommen zu haben, so etwa in einer Erklärung gegenüber Robert Sherwood, wonach er es angeblich satt gehabt habe, stets die gleichen alten Lügen zu erzählen. Dennoch veranlaßte die Kritik an seiner Chicagoer Rede Roosevelt nicht im geringsten, von seiner kriegstreiberischen Politik zu Gunsten Stalins, dessen UdSSR er als eine Demokratie ansah, und zur Ausbreitung des Bolschewismus abzuweichen. Er machte sich oberflächlicherweise die zynische Äußerung zu eigen, daß er das Volk zu dessen Bestem hintergehe. Er hatte wenige Verbündete, aber diese 190

waren mächtig: Felix Frankfurter, Louis Brandeis, Albert Einstein, Bernhard Baruch und die jüdische Frau von Außenminister Cordell Hull. Dann gab es noch die Mayer-Verlegergruppe sowie die jüdische Presse. So bald sich FDR entschlossen hatte, an seiner Chicagoer Haltung gegenüber Stalin festzuhalten, brachte er die Menschen wie den Kongreß dazu, ständig schädliche Zugeständnisse zu machen. Roosevelt brachte zu Gunsten Stalins unnötigen Tod und Verderben über die ganze Welt: Er gab offen zu, er helfe eifrig mit, das britische Weltreich zu zerschlagen. Und offensichtlich machte er sich keinen einzigen Augenblick Gedanken über das Schicksal von Ländern wie Polen, Frankreich, Italien, Deutschland, China oder Japan, obwohl er gewisse Zuneigungen gegenüber Italien, Gambia und anderen englischen Kolonien zum Ausdruck brachte. Er hatte auch nichts gegen die Behauptungen seiner beiden ersten Heerführer vorzubringen, nämlich gegen General Patton, der offen erklärte, nicht Hitler, sondern Stalin sei die ganze Zeit über die Hauptbedrohung Europas gewesen, und gegen General MacArthur, der wiederholt feststellte, die eigentliche Bedrohung Asiens sei Stalins Kommunismus, und nicht der japanische Imperialismus, mit dem man sich hätte einigen können. Zu Gunsten Stalins hatte FDR im Zweiten Weltkrieg 350 Milliarden Dollar Schulden gemacht — das US-Bruttosozialprodukt betrug 1939 nur 80 Milliarden Dollar. Und da solche Summen nicht zahlbar waren, mußte diese Schuldenlast früher oder später die amerikanische Wirtschaft treffen und die USA auf ihren Zustand als Schuldnernation in der Zeit vor 1914 zurückführen. Dieser Punkt wurde 1984 erreicht. Die USA sind heute die meistverschuldete Nation; zudem sind die ausländischen Investitionen in den USA höher als die US-Investitionen im Ausland. Kein Politiker, und wäre er so mittelmäßig und geistig beschränkt, wie FDR dies in gewissen Bereichen war, hätte der Welt mehr Schaden zufügen können, als Roosevelt es nach seinem Bündnis mit Stalin im Jahre 1933 und nach 191

seiner Rede von Chicago am 5. Oktober 1937 tat. Am Bündnis mit Stalin hielt Roosevelt bis zu seinem Tode fest. 1945 konnte FDR leicht als der beliebteste US-Präsident bezeichnet werden, dessen unausgeglichene und unvernünftige Gedanken zu einer Art Heiliger Schrift geworden sind, die von Präsidenten aller Parteien, einschließlich Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon, Carter und Reagan feierlich verkündet werden. Und dies in Anbetracht des Umstandes, daß die amerikanische Öffentlichkeit die gesunden Auffassungen eines Nye, Borah, Wheeler und Borchard aufgab und allmählich zu der verbrecherischen wie auch internationales Recht verletzenden Politik eines FDR überwechselte, die aber den Geldkreislauf zumindest vorübergehend wieder in Schwung brachte. Reagan, der bei FDRs erster Amtsführung gerade 22 Jahre alt war, ist der einzige FDR-Nachfolger, der Roosevelt noch immer verehrt; die anderen lehnten ihn ab, verachteten ihn oder priesen ihn höchstens wegen seiner Berechnung. 1984, während der zweiten Fernsehdebatte, machte Walter Mondale, der demokratische Herausforderer, über ExPräsident Hoover einige unsaubere und verletzende Bemerkungen, um Reagan zu Hoovers Verteidigung zu veranlassen. Doch Reagan reagierte nicht auf die Verunglimpfung Hoovers, sondern fuhr fort, FDR zu preisen. Die Lage in Deutschland 1937 Zum Zeitpunkt von Roosevelts Chicagoer Rede führte Deutschland die sich von der Wirtschaftskrise erholende Weltwirtschaft an, indem es Vollbeschäftigung ohne Inflation erreichte. Und dies, obwohl die Weltwirtschaftskrise Deutschland härter als andere Industriestaaten getroffen hatte. Die alten Parteien aus der Weimarer Zeit wurden 1933 entweder aufgelöst oder lösten sich von selbst auf. Die öffentliche Unterstützung der Hitlerregierung dürfte 1937 bei 90 Prozent der Bevölkerung gelegen haben. 192

Obwohl das Leben für die deutschen Juden mit Einschränkungen versehen war (Nürnberger Gesetze von 1935; sie wurden vom späteren Adenauer-Mitarbeiter Hans Globke ausgearbeitet) und obwohl sie verfolgt wurden (1. April 1933: Boykott jüdischer Geschäfte als Antwort auf die Boykottmaßnahmen von deutschen Waren durch die US-Juden), waren zehn Prozent der tätigen Anwälte noch immer Juden. Diese Tatsache wurde von amerikanischen Diplomaten in Berlin noch im Jahre 1938, also fünf Jahre nach Hitlers Machtantritt, ausdrücklich bestätigt. Darüber hinaus konzentrierte sich bei 17 Prozent der Juden ein großer Reichtum. Am 17. September schrieb Eleanor Roosevelt an eine ihrer lesbischen Freundinnen, daß Hitler mit seinen Maßnahmen gegen die Juden, die nach der Inflation von 1923 eine einzigartige Machtfülle in Deutschland besaßen, recht habe. Sie fügte jedoch auch hinzu, daß die Welt ihn auch nach seiner Vorgehensweise beurteilen werde. Ferner teilte die amerikanische Oberschicht weitgehend die Auffassungen von Henry Ford in seinem Werk Der internationale Jude (2 Bde., Leipzig 1922). Viele dieser Überlegungen sind durch Volksprediger wie Pater Coughlan den amerikanischen Volksmassen nahegebracht worden, so zum Beispiel die Rolle der Juden auf dem internationalen Geldmarkt und ihre Verantwortung für die Entwicklung des Bolschewismus in Rußland (siehe hierzu E. Roth, Jews must live, New York 1934). Es ist keine Übertreibung, wenn man behauptet, daß der Antisemitismus in Deutschland im Vergleich zu dem in Osteuropa verhältnismäßig schwach war. Die deutsche öffentliche Meinung unterschied sich kaum von der in den USA, in England oder Frankreich. Zudem war Deutschland ein Land, in dem es Gesetze, Ruhe und ab 1933 wieder ausreichend zu essen gab. Dies stand in krassem Gegensatz zu der Verknappung und den massenhaften Gesetzesverletzungen im bolschewistischen Rußland. Drahtzieher und Nutznießer dieser ganzen Entwicklung im Osten war natürlich Stalin, der sich sogar der erfundenen fünften deutschen Kolonne 193

bediente, um seine jüngsten Säuberungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Stalins Bemühungen, eine Nation des Massenmenschen (Lenins Ziel) und eine Robotergesellschaft zu schaffen, die auf automatischem Gehorsam gründete, war von dem, was Hitler in Deutschland zu praktizieren versuchte und was von dem großen Dichter Hans Grimm in einer Vorlesungsreihe (Hochwertigkeit und Vermassung) in England beschrieben wurde, weit unterschieden. Der Massenmensch war das erklärte Ziel der Bolschewisten in einer Gesellschaft, in der ein Parteiklüngel die Vorrechte genoß und die Massen auf einer ziemlich niedrigen Stufe lebten. In Deutschland dagegen konnten auch Nichtparteimitglieder bei gleicher Leistung Anerkennung und Wohlstand erlangen. Das ganze System ruhte im Reich auf der Anerkennung des Privateigentums und des persönlichen Unternehmungsgeistes. Während eines Vortrags in Schweden im Jahre 1937, der die Unterstützung des bekannten Forschers Sven Hedin genoß, erklärte die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink den Schweden, daß es für die deutschen Frauen unter anderem vielversprechende Berufschancen im Rechtswesen gebe, auch wenn Hitlers Entscheidung auf dem Parteitag von 1936 es Frauen unmöglich machte, als Richterinnen tätig zu sein, wie dies im sozialdemokratisch regierten Schweden der Fall war. Wenn Hitler der Gedanke, daß Frauen als Richter tätig sein könnten, beunruhigte (und Frau Scholtz-Klink versuchte vergeblich, ihn vom Gegenteil zu überzeugen), dann läßt sich dies auf sein romantisches Frauenideal zurückführen. Dies bedeutete jedoch nicht, daß er das Streben der Frauen nach höherer Ausbildung nicht förderte (siehe hierzu Gertrud Scholtz-Klink, Die Frau im 3. Reich, Tübingen 1978, S.519 ff.). Lord Mottistone, Kriegsminister von Lloyd George im Ersten Weltkrieg, warnte in einem aufrüttelnden Buch, Auf der Suche nach Wahrheit (Berlin o.J.), vor altmodischen und voreingenommenen 194

Leuten in England, die unfähig seien, den gesellschaftlichen Fortschritt in Deutschland zu würdigen. Mottistone wies mit gleichem Nachdruck darauf hin, daß auch in England das Bedürfnis für einen Arbeitsdienst vorhanden sei. Natürlich hatte Deutschland genauso wie England feudale Überbleibsel. Dieser Gesichtspunkt wird von Herbert Grabert in seinem Buch Sieger und Besiegte — der deutsche Nationalismus nach 1945 (Tübingen 1966) rückblickend beleuchtet. Als Hitler an die Macht kam, gab es in Deutschland zu viele altmodische und mit Vorurteilen behaftete Menschen, vor allem in der Wehrmacht, aber auch in wichtigen Verwaltungsbereichen. Und diese Elemente waren von nachteiliger Wirkung; manche gaben sich sogar für Spionage und Sabotage her. Ohne das FDR-Stalin-Bündnis hätten diese Probleme überwunden werden können. Halifax‘ Drängen auf Krieg In der Tat: Ohne das Bündnis FDR-Stalin hätte es keinen Zweiten Weltkrieg geben müssen, denn Roosevelt war nicht bereit, den Lakai für die Engländer zu spielen, so wie es im Ersten Weltkrieg Woodrow Wilson getan hatte, der das von seinem Londoner Botschafter Walter Page und dem englischen Außenminister Grey ausgeklügelte Spiel mitgemacht hatte. Jeder, der Woodwards Documents on British Foreign Policy liest, muß merken, daß Halifax sofort nach Fertigstellung des englischen Luftradarnetzes FDR propagandistisch zusetzte, und zwar in der gleichen Absicht, wie Churchill dies nach Pearl Harbor versuchte, nämlich damit alle Kräfte (Menschen wie Material) der USA nunmehr England zur Verfügung stehen würden. Kann sich jemand vorstellen, daß Halifax sich auf Roosevelt verlassen hätte, wenn er gewußt hätte, daß Stalin dessen Hauptverbündeter war? Man darf versichert sein, daß der edle Lord ohne einen weiteren Gedanken Polen seinem Schicksal überlassen hätte. Und er hätte nie jene Rede verfaßt, die Chamberlain gezwungenermaßen am 17. März 1939 in 195

Birmingham hielt. In dieser Rede (siehe Anhang) äußerte dieser bekanntlich die Überzeugung, daß die Einnahme der alten Reichsstadt Prag durch Hitler als dessen Versuch zu werten sei, die Welt zu erobern. Dabei kontrollierte Hitler nur zwei Drittel des Gebietes des Zweierbündnisses Berlin-Wien aus dem Jahre 1879. Wenn man daran erinnert, daß Halifax in seiner Selbstbiographie Fullness of Days (London 1957) gesteht, daß er nicht umhin konnte, Goebbels zu mögen und zu bewundern, so fragt man sich, wie er eine so minderwertige Propaganda machen konnte — seine Selbstbiographie ist übrigens schwächer als die offizielle Biographie von Lord Birkenhead. 1939 war England in jeder Hinsicht die einzige Weltmacht. Und Hitler strebte mit eben diesem England ein Bündnis an, keinen Krieg. Wie konnte man ihn dann lächerlicherweise bezichtigen, er plane die Welteroberung? Wären Italien und Japan Hitler freundschaftlich verbunden geblieben, wenn sie denken mußten, er habe vor, sie zu verschlucken? Doch Halifax, kannte seine Engländer, die Lord Northcliffe zufolge, eine Zeitung brauchten für Leute, die sehen, aber nicht lesen konnten (eine Art Bildzeitung), eine weitere für Leute, die lesen, aber nicht denken konnten (alles von der Times abwärts, eingeschlossen die Wochenzeitungen, wie Time und Tide), aber keine Zeitung für Leute, die sowohl lesen wie denken konnten, denn es gab davon zu wenige, so daß sich eine solche Zeitung nicht rentiert hätte. — A. P. Scotland, der Sicherheitsbeauftragte von Groß-London, bemerkte (The London Cage, London 1961), daß vor der ChamberlainRede die Meinung über Hitler um London herum besser war als anderswo, daß aber allein die Rede Chamberlains vom 17. März 1939 das Ganze ins Gegenteil verkehrt habe. Geoffrey Gorer (Exploring English Character, London 1958) stellt in seinem Buch fest, die Engländer des 20. Jahrhunderts mußten davon überzeugt werden, daß ein großer Krieg aus moralischen Gründen geführt werden müsse, ehe sie bereit waren, ihn zu unterstützen. Der 196

französische Außenminister Bonnet, der am 21. März 1939, kurz nach der Birmingham-Rede, in London war, war bestürzt, als er bei einem Empfang eine englische Dame vom Hochadel sagen hörte, sie sei gerne bereit, ihre sechs Söhne zu opfern, wenn man Hitler an den Kragen gehen könnte. Es schien Bonnet unverständlich, daß das freundschaftliche Verhältnis von München, wo Hitler und Chamberlain am 29. September 1938 nach Bereinigung der Sudetenkrise durch das Münchener Abkommen einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet hatten, durch eine einzige Rede völlig umgekehrt werden konnte. Der französische Außenminister Bonnet hatte drei Monate vor seinem Londoner Besuch für Frankreich mit Ribbentrop am 6. Dezember 1938 ebenfalls einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen. Beide Länder stellten fest, daß es zwischen ihnen keine ungelösten Gebietsfragen mehr gebe und die bestehende Grenze endgültig sei. Die Rede, die Halifax für Chamberlain geschrieben hatte, hatte es trotz der fehlenden Logik und Beweise fertiggebracht, allzu viele Londoner zu überzeugen, daß Hitler ein Lügner sei, der nach der Weltherrschaft strebe. Die Lügner hießen jedoch Halifax und Chamberlain. Und Halifax wollte den englischen Herrschaftsbereich ausdehnen, doch dieser Versuch mußte unweigerlich am Bündnis Stalin-FDR scheitern. Das Ergebnis war zwangsläufig eine Welt, in deren östlichem Teil die UdSSR eine vorherrschende Stellung einnahm und zudem stark genug war, im westlichen Teil entscheidend mitzureden. Hätte Halifax nur ein Stückchen von dem gewußt, was Bullitt mir 1947 erzählte, dann hätte es 1939 wohl keinen Krieg gegeben. In seinem Buch The Fall of the British Empire (London 1969) führt Colin Cross an vielen Stellen deutlich aus, daß England jederzeit einen günstigen Vertrag von deutscher Seite hätte haben können. Die Engländer begingen den Fehler, einen solchen Vertrag weder vor noch nach der Regierungsübernahme durch Churchill auszuhandeln. Und dieser Fehler kostete sie ihr Weltreich. Churchill wachte allmählich 197

nach einem Gespräch mit FDR im Jahre 1942 auf. Aber zu dieser Zeit waren die Engländer sozusagen schon Geiseln in der Hand von Roosevelt und Stalin. Dies trat bei den Kriegskonferenzen der sogenannten großen Drei von Teheran (1943), Jalta (1945) und Potsdam (1945) sehr deutlich zu Tage. Obwohl FDR zum Zeitpunkt der Potsdamer Konferenz schon tot war, handelte Präsident Truman wie ein Roboter und führte das aus, was er für Roosevelts Absichten hielt. Und obwohl Attlee nach den Wahlen des Jahres 1945 Churchill ablöste, befand er sich gegenüber Roosevelt und Stalin in der gleichen Minderheitenposition wie Churchill zuvor. Der Propagandaerfolg von Birmingham 1939 bedeutete in der Tat den Beginn des Niederganges britischer Macht, die 175 Jahre lang die Weltmacht Nummer 1 gewesen war. Zwischen der Chicagoer Rede Roosevelts vom 5. Oktober 1937 und der Rede Neville Chamberlains am 17. März 1939, also eineinhalb Jahre später, besteht eine Ursache-Wirkung-Beziehung. FDRs Wendung von den friedliebenden Staaten, einschließlich der Sowjetunion, wurde wiederholt. Ein paar Tage später reisten Admiral Drax und General Doumenc nach Moskau, um Stalin, Woroschilow und Molotow um ein sogenanntes gemeinsames Sicherheitsabkommen zu bitten. Die Tatsache, daß Halifax, um den Krieg zwischen England und Deutschland unvermeidlich zu machen, den Polen am 31. März 1939 eine einseitige Sicherheitsgarantie gegenüber Deutschland gegeben hatte — bei dieser Garantie konnten die Polen sogar entscheiden, daß der Einzug der Deutschen in Danzig ein Kriegsgrund war —, machte es für die Sowjets in der Anfangsphase des von England eingeleiteten Krieges leicht, im Hintergrund zu bleiben. Da die Polen deutlich zu verstehen gegeben hatten, daß die UdSSR ihr Hauptgegner war, war ausgeschlossen, daß die Polen russischen Truppen erlauben würden, durch ihr Gebiet zu marschieren und auf polnischem Boden zu kämpfen. Dies um so mehr, als die Polen mittlerweile wußten, daß Rußland einen Teil seines von den Polen 1920—21 eroberten Gebietes 198

wieder seinem Herrschaftsbereich angliedern wolle. Es war für Stalin einfach, dem US-Vertreter zu erklären, warum es unter solchen Bedingungen nicht zu einer Übereinkunft mit den Engländern und Polen kommen konnte. 1943 war es, trotz Katyn — Stalin hatte dort und anderenorts 15 000 polnische Offiziere umbringen lassen — für ihn leichter, mit der polnischen Exilregierung in London zu verhandeln. Rückblickend läßt sich sagen, daß das Schicksal Polens als dauernder Sowjetsatellit ab 1944 — mit weniger echter Unabhängigkeit als in Kongreßpolen nach dem Wiener Kongreß 1815 — in dem Augenblick besiegelt war, als die Polen Chamberlains Birmingham-Rede als Signal für einen Krieg ansahen und Englands Blankoscheckgarantie gegen Deutschland 1939 einlösten.

»Der unnötige Krieg« Frankreich verhielt sich bei all dem sehr zurückhaltend und widerstrebend und wurde sozusagen 1939 in die englisch-polnische Front hineingezogen. Italien dagegen wurde durch militärische Drohungen Englands seit Januar 1939 eingeschüchtert. Mussolini kam schließlich am 18. August 1939 mit dem englischen Botschafter Sir Percy Loraine überein, daß Italien bei einem Krieg neutral bleiben werde. Obwohl Mussolini ursprünglich den Nichtangriffspakt Hitlers mit Stalin angeregt hatte, verpflichtete ihn die Unterzeichnung (23. August 1939) nicht, seine Politik gegenüber England zu ändern — seine Befürchtungen wegen der Offensivkraft der britischen Marine wurden nicht beseitigt. Mehrere Versuche seitens der Franzosen und Italiener im Streit zwischen England und Deutschland zu vermitteln, blieben erfolglos (siehe Paul Rassinier, Die Jahrhundert-Provokation. Tübingen 1989, S. 266-311). Hitler würde sich den Engländern bei Danzig nicht ergeben. Die Engländer hatten sich selbst in das, was Churchill in seinen 199

Kriegserinnerungen als »unnötigen Krieg« (siehe W. S. Churchill, Der Zweite Weltkrieg, 1985, S. 12) bezeichnete, hineinmanövrieren lassen, weil sie fälschlicherweise annahmen, es sei FDRs Wunsch, ihnen die Menschen wie auch die Hilfsquellen der USA genauso selbstlos zur Verfügung zu stellen, wie dies Wilson getan hatte. Hätten sie erkannt, daß der Liebling Roosevelts Stalin hieß, dann hätten sie sich anders verhalten. Churchill selbst meinte mit dem Ausdruck »unnötiger Krieg« etwas ganz anderes. Diesen Gesichtspunkt erörterte ich 1962 mit dem anglo-jüdischen Schriftsteller Gilbert Martin, der die Churchill-Biographie von Randolph Churchill weiter bearbeitete und der verschiedene Bücher zur Befriedungspolitik verfaßt hatte. Hätten die Engländer das französische Sicherheitssystem, so wie es 1925, nach Locarno, bestand, ferner das französische Bündnissystem und die strenge Einhaltung des Versailler Diktatfriedens unterstützt, wäre es Hitler angesichts eines so engen englisch-französischen Zusammengehens unmöglich gewesen, in eine Lage der Unabhängigkeit zu kommen. Zum Zeitpunkt von Roosevelts Chicagoer Rede hatte Hitler jedoch Deutschlands Unabhängigkeit bereits verwirklicht, weil die Engländer das französische Sicherheitssystem zerschlagen hatten, als sie sich der deutschen Wiederaufrüstung, der Annäherung Hitlers an Italien und dem Einmarsch der Wehrmacht in das entmilitarisierte Rheinland nicht widersetzten. Der Schlußstein in dieser Entwicklung war das deutsch-britische Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 (siehe hierzu Robert Ingram, Hitlers glücklichster Tag, Stuttgart 1962). Martin Gilbert stimmte mir zu, daß es 1935 für Churchills Aktion, zur Rettung des Friedens Deutschland einzuschüchtern, zu spät war. Die britischen Konservativen, die aus den Wahlen 1935 siegreich hervorgegangen waren, hatten sich zwischen zwei Stühle gesetzt, als sie die Einschüchterungsaktion ablehnten, da sie noch funktionsfähig gewesen wäre, und sie dann durchzuführen versuchten, da es schon zu spät war. Dies war ihr Hauptfehler, und hätten sie FDRs Haltung 200

verstanden, hätten sie ihn nie begangen. Daß ein reicher Plutokrat wie Roosevelt Stalin ihnen vorziehen würde, kam ihnen genausowenig in den Sinn wie der polnischen Führungsspitze, die nach dem Tod von Diktator Marschall Josef Pilsudski (er starb 1935 mit 68 Jahren in Warschau an Krebs) Polen weiterhin diktatorisch regierte. Pilsudski war gerissener als seine Nachfolger. Hätte er noch einige Jahre gelebt, dann hätte er sich wohl geweigert, das englische Spiel mitzumachen. Genauso wie Chamberlain FDRs Plan einer Europakonferenz vor dem deutsch-österreichischen Anschluß ablehnte, genauso hätte Pilsudski — wenn er noch gelebt hätte — wohl FDRs Angebot nach dem Münchener Abkommen von 1938 abgelehnt. Mein privater Briefwechsel mit Georges Bonnet, der im Jahre 1965 begann, als Bonnet immer noch Mitglied der französischen Nationalversammlung der 5. Republik war, bewies seine allgemeine Zustimmung zu meinen Büchern Der erzwungene Krieg (aaO.) über das Jahr 1939 und Frankreichs Widerstand gegen den Zweiten Weltkrieg (Tübingen 1963) über die politischen Verhältnisse in Frankreich vor 1939. Er stimmte ebenfalls meiner Ansicht zu, daß Frankreich nahe daran war, den Zweiten Weltkrieg durch seinen mit Italien abgestimmten Konferenzplan zu verhindern (Mussolinis Angebot vom 31. August; die Konferenz sollte am 5. September stattfinden). Wir wissen mittlerweile aus den Akten, daß sich England aus dem Bündnis mit Polen (25. August 1939) zurückgezogen hätte, hätte sich Frankreich geweigert, die polnische Politik zu unterstützen. Und dies hätte der Parole von Ezra Pound entsprochen, der, als er 1939 die USA besuchte, sagte: »Kein Krieg westlich der Weichsel!« — anders ausgedrückt, es hätte sich um einen kurzen deutsch-polnischen Krieg gehandelt. Die Friedensregelung von 1919 bis 1922 im deutsch-polnischen Grenzgebiet war so schlecht und so unvollkommen, daß es keinen vernünftigen Menschen gegeben hätte, der Hitler kritisiert hätte, wenn es nach seinen vielen vergeblichen Friedensbemühungen 201

mit Polen zum Krieg gekommen wäre. Darüber hinaus gab es noch den unvernünftigen polnischen Chauvinismus, den Churchill als verrückt und undankbar bezeichnete. Eine Friedenskonferenz mit Deutschland, Italien, England und Frankreich hätte den guten Geist von München (1938) wiederherstellen können, schon deshalb, weil der Spanische Bürgerkrieg seit dem 28. März 1939 zu Ende war, und dies zu Bedingungen, die sowohl Frankreich als auch England annehmen konnten — Stalin hatte seine Verluste in Grenzen gehalten, da er seit 1938 keine Unterstützung mehr nach Spanien geschickt hatte. Der Zweite Weltkrieg war in einem viel umfassenderen Sinn, als Churchill es meinte, unnötig. Es gab keine Notwendigkeit für »Triumph und Tragödie« — so der gewählte Titel des letzten Bandes seiner Kriegserinnerungen, die er sich zum großen Teil schreiben ließ. Es gab keine Notwendigkeit für eine Operation »Keelhaul« nach dem Krieg, als die Anglo-Amerikaner fünf Millionen nichtdeutscher Flüchtlinge an Stalin auslieferten, der sie dann umbringen ließ. In und nach diesem Krieg starben auch über zehn Millionen Deutsche. Stalin log, was die sowjetischen Verluste anbelangt. Er wollte an die Millionen Todesopfer seiner Säuberungsaktionen nicht erinnert werden. Die Maschinerie des Hasses, die mit den Reden von Chicago und Birmingham ihren Ausgang nahm, war an die falsche Adresse gerichtet gewesen. Der Krieg gegen Deutschland war nie im Interesse der anderen westlichen Staaten. Er paßte jedoch in die imperialistischen Pläne Stalins.

Churchill und der Bolschewismus Sein Zusammenleben mit dem Bolschewismus rechtfertigte Churchill 1941 mit den Worten, er sei freudig bereit, mit dem Teufel und allen Höllenmächten ein Bündnis einzugehen, um Hitler zu vernichten. So versuchte er, seine Bevorzugung und Förderung Stalins zu ent202

schuldigen, den er im Unterhaus als »einen so großen Mann und weisen Herrscher« beschrieb. Noch vier Jahre zuvor hatte Churchill in seinem Buch Große Zeitgenossen (Amsterdam 1938) der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß in England, wäre es in einer ähnlichen Lage wie Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, ein Mann wie Hitler vorhanden wäre, der das Land wieder aufbauen und zur Größe führen würde. Bei einem Besuch bei Hitlers wichtigstem Verbündeten Mussolini — dieser unterstützte Hitler in seinem Kampf gegen den Bolschewismus voll und ganz und mit großer Begeisterung — erklärte Churchill öffentlich, daß er, wäre er Italiener, auch Faschist wäre. Derselbe Churchill lehnte es 1937 bei einem offiziellen Empfang ab, dem spanischen republikanischen Botschafter die Hand zu geben, da er nur ein Strohmann Stalins sei und seine Hände mit Blut befleckt seien. Darüber hinaus hatte Churchill Stalin jahrelang den »blutigen Pavian des Bolschewismus« genannt. Als Churchill in beredter Weise seine Kehrtwendung zu erklären versuchte, hatte er keinerlei Ahnung, daß der Mann, den er als völlig unter seinem Einfluß stehend betrachtete, schon seit fast neun Jahren Stalins geheimer Verbündeter war: FDR! Roosevelts ständiger Gesandter in Moskau, Norman Da-vies (Als USA-Botschafter in Moskau, Zürich 1943), war ein wohlhabender jüdischer Geschäftsmann aus Chicago, der schon jahrelang ein begeisterter Anhänger des Bolschewismus war. Auch FDRs Hauptberater Harry Hopkins, den Churchill erst 1940 traf, zählte zu den Bolschewismus-Anhängern. Ehe Hopkins, der aus bescheidenen Verhältnissen aus Iowa stammte, 1928 FDR begegnete, war er schon stark von dem jüdischen Professor Steinberg beeinflußt worden, der ihn überredet hatte, nach New York zu gehen, um dort im Rahmen jüdischer Vereinigungen Sozialarbeit zu leisten. Zudem war er mit einer Jüdin verheiratet. Hopkins war auch jahrelang ein enger Freund Bernard Baruchs. Von Baruch wird berichtet, er habe zu General George Marshall zur Zeit der Münchener Konferenz 1938 203

Diese deutsche Karikatur aus dem Jahr 1944 veranschaulicht, daß die kleinen Völker als Marionetten der Briten und Amerikaner, Churchill und Roosevelt aber ihrerseits an der Strippe des Kreml-Puppenspielers hingen. Überschrift: »Sie glauben zu spielen, und es wird mit ihnen gespielt.« 204

gesagt: »Wir bekommen den Hitler schon noch; er wird uns nicht entwischen!« Einige Tage nach Churchills Rede im Unterhaus 1941 und dem Ausbruch des deutsch-russischen Krieges hatte Roosevelt Hopkins mit großzügigen, kostenlosen amerikanischen Hilfsangeboten nach Moskau geschickt. Dieser Vorgang liefert eine Erklärung dafür, daß die USA, die auf Grund der Schutzzollpolitik jahrzehntelang einen Überschuß verzeichnen durften, den Zweiten Weltkrieg mit Schulden in Höhe von 350 Milliarden Dollar (nach heutigem Kurswert 4 Trillionen) beendet haben. Sechs Monate nach Churchills Unterhausrede und nur einen Monat nach dem von den USA heraufbeschworenen japanischen Angriff auf Pearl Harbor ließ der Mann im Weißen Haus den britischen Premierminister wissen, wie sehr er das britische Weltreich vor allem in Indien und Afrika ablehnte. Er ließ auch durchblicken, wie sehr er als Junge Königin Victoria mißtraut habe, die doch für viele konservative Imperialisten wie Churchill das Idol war. Hätten britische Konservative wie Halifax, Chamberlain und Churchill gewußt, daß Roosevelt mit Stalin unter einer Decke steckte, anstatt ein Strohmann der britischen Imperialisten zu sein, dann wäre ihre Außenpolitik völlig anders gewesen, und es hätte keinen Krieg mit Deutschland gegeben. Aus eben diesem Grunde hatte Roosevelt mit seiner Meinung zurückgehalten, bis es keine Rolle mehr spielte. Als die Japaner 1942 eilig auf Singapur zumarschierten und dabei waren, die englischen Kriegsschiffe Repulse und Prince of Wales zu versenken, hätte Churchill ein Mann mit Rückgrat und Ehre sein müssen. Er hätte sich, wie 1916 Asquith, zurückziehen müssen, nachdem er das bis 1942 Angerichtete nicht mehr ändern konnte. Doch Churchill war rücksichtslos und liebte die Macht mehr als seine eigenen Überlieferungen. Da Karl der Große genau das Gegenteil von Churchill war, ließ Adenauer diesem den Aachener Karlspreis 205

überreichen. Dieser bundesdeutsche Vorgang spricht für sich selbst. Doch all dies erklärt nicht Churchills Äußerung über ein Bündnis mit dem Teufel und allen Höllenmächten, um Hitler schon 1941 zu zerstören. Die scheußliche Kriegspropaganda, die in anderer Weise bis heute andauert, hatte damals noch nicht richtig eingesetzt. Ernst von Weizsäcker hatte seine zweifelhafte Behauptung von sechs Millionen toten Juden gegenüber Allen Dulles in der Schweiz erst 1942 gemacht. Walter Duranty erklärte, Stalin habe mehr Juden umgebracht, als Hitler je festgenommen habe. Die sogenannte Atlantik-Charta* vom 12.—14. August 1941 war eine Beleidigung für die ganze Welt, denn weder Churchill noch Roosevelt zeigten irgendeine Achtung gegenüber den vier verkündeten Freiheiten (Freiheit von Angst, Freisein von Not, Freiheit der Religion und die Freiheit, sich selbst zu regieren). Churchill, der den Vorsitz bei der Liquidierung des britischen Weltreiches führen durfte, war im März 1941 der Komplize Stalins und Roosevelts, als die rechtmäßige jugoslawische Regierung unter Prinzregent Paul, Premierminister Zwetkowitsch und Außenminister Cincar-Markowitsch am 27. März 1941 gestürzt wurde. Churchill wußte genauso gut wie jeder andere, daß Hitler nach internationaler * Bei dem Treffen zwischen dem britischen Premierminister Churchill und

US-Präsident Roosevelt vom 12.-14.8.1941 - die USA waren noch neutral! — auf dem US-Kriegsschiff Augusta wurde die Atlantik-Charta als Erklärung der Kriegsziele abgesprochen und am 14. August 1941 veröffentlicht, ohne je paraphiert oder unterschrieben zu sein. Die Sowjetunion stimmte am 24.9.1941 zu, weitere 47 Staaten traten 1942—45 bei, bis die Atlantik-Charta Grundlage der UNO-Charta wurde. Die wichtigsten Grundsätze der Atlantik-Charta, die später nicht eingehalten wurden, sind: Verzicht der Sieger auf Gebietserwerbungen, Hoheitsänderung nur mit Zustimmung der betroffenen Bevölkerung, Selbstbestimmungsrecht der Völker, freier Handel und Freiheit der Meere, Gewaltverzicht und Abrüstung der Aggressorstaaten. Siehe G. Zieger, Die Atlantik-Charta, 1963. Wortlaut im Anhang. 206

Rechtslage das Recht hatte, Stalin und seine bolschewistischen Helfershelfer anzugreifen, ehe dieser in Geheimabsprache mit FDR und auch mit Churchill selbst ganz Europa auf den Kopf stellen würde. Churchill hatte nicht nur vor und während des Ersten Weltkrieges vor dem deutschen Militarismus gewarnt. Er hatte auch vor den Weimarer Regierungen unter Brüning, von Papen und Schleicher gewarnt, also lange bevor Hitler an die Macht kam. Englands Manipulationen 1939 wie im Ersten Weltkrieg Die Scheinheiligkeit und Heuchelei des offiziellen England, wie auch der offiziellen englischen Hofgeschichtsschreiber, etwa Trevor-Roper und Wheeler-Bennett, die Hitler die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges geben, ist sprichwörtlich, obwohl gerade doch die Engländer am Ende des Krieges als die Narren dastanden. Es hätte keinen Krieg gegeben, hätte nicht Halifax für FDR und Stalin die Kastanien aus dem Feuer geholt, indem er die polnischen Wünsche nach gebietsmäßiger Ausdehnung anstachelte und die Polen überzeugte, ihre vielversprechenden freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland aufzugeben. Bis in den Oktober 1938 hinein hatte Polen Hitler um Unterstützung gebeten, sollte Stalin den Bereich der diplomatischen Proteste wegen der Teschen-Frage verlassen. Pilsudski selbst hatte 1933 Deutschland um gute nachbarliche Beziehungen gebeten. Der englischen Blankovollmacht vom 31. März 1939 folgte die Weigerung von Außenminister Halifax sowie des englischen Botschafters Sir Howard Kennard, den Polen zu empfehlen, Hitlers letzte Vorschläge vom 29. August 1939 für eine friedliche Regelung überhaupt zu erörtern. Die Engländer nahmen auch keine Kenntnis von den polnischen Grausamkeiten gegen die deutsche Minderheit, welche von neutralen Beobachtern bestätigt wurden. Das offizielle England beachtete ebensowenig die geheime, nichtoffizielle Konferenz 207

des schwedischen Unterhändlers, der noch Ende August 1939 eine friedliche Lösung des Konflikts (siehe Paul Rassinier, Die JahrhundertProvokation, Tübingen 1989, S.278) auszuhandeln versuchte. Nur so konnten FDR und Stalin erfolgreich bleiben. Roosevelt hatte sich schon seit seiner Chicagoer Rede von 1937 als Kriegstreiber entlarvt, und auch Stalin hatte seit 1938 die Finnen wegen sowjetischer Gebietsansprüche nördlich von Leningrad ständig unter Druck gesetzt. Natürlich gingen sowohl Briten als auch Polen von der falschen Annahme aus, daß nicht Stalin, sondern auf lange Sicht sie selbst die Hauptnutznießer der amerikanischen Unterstützung sein würden. Es gibt eine erstaunliche Parallele zwischen der englischen Manipulierung der Polen im Jahre 1939 und der Manipulierung des zaristischen Rußland im Jahre 1914. England hatte 1914 weder Sympathien für Rußland noch 1939 für Polen. Zum zweiten spielte die Frage der allgemeinen Mobilmachung in beiden Fällen die entscheidende Rolle. Sowohl Botschafter Sir George Buchanan 1914 in Petersburg als auch Botschafter Kennard 1939 in Warschau bemühten sich nach Kräften, eine gegen Deutschland gerichtete Mobilmachung zu erreichen — die russische Mobilmachung geschah am 1. August 1914, die polnische am 30. August 1939. Für Buchanan war es wegen des Zögerns von Zar Nikolaus II. — dies führte auch zu einer zweitägigen Verzögerung — weitaus schwieriger als für Kennard, die giftige Saat auszusäen. Wie anders kann man es bezeichnen, wenn ein Diplomat aus einem Land ein anderes Land in den Selbstmord treibt! In Anbetracht des deutsch-russischen Vertrages, der Polen als Kleinmacht isolierte, war dies dennoch verwunderlich. Die englische Haltung gegenüber dem zaristischen Rußland zeigte sich deutlich unmittelbar nach der Rückkehr Lenins aus dem Schweizer Exil im April 1917. König Georg V. von England weigerte sich, seinem Vetter Nikolaus II. Asyl zu gewähren. Der Zar selbst und seine ganze Familie wurden ein Jahr später von den Bolschewiken umgebracht. Schon im Jahre 1915 wurden die Russen durch die 208

Engländer schwer enttäuscht, als Churchill seine Gallipoli-Aktion* startete. Petersburg deutete dieses Vorgehen mit Recht als einen Versuch der Engländer, Konstantinopel einzunehmen, nachdem sie es zuvor in einem Geheimvertrag mit der üblichen Doppelzüngigkeit den Russen versprochen hatten. Die provisorische Regierung des Alexander Kerenski erfuhr 1917 die gleiche Behandlung. Die Engländer, die über die moralische Krise der russischen Truppen wegen der ständigen Niederlagen gegen die Deutschen in den Jahren 1914, 1915 und 1916 bestens unterrichtet waren, brachten Kerenski dazu, die große Offensive des Jahres 1917 unter General Kornilow zu beginnen, welche das letzte Glied in der Auflösung der russischen Truppen darstellte und dem Bolschewismus weit die Tore öffnete. Offiziere, die ihre Soldaten an die Front schicken wollten, wurden häufig von ihren Soldaten zu Tode getrampelt. Der russische Brauch, Frauen an der Front einzusetzen, stammt aus dieser Zeit. Man war der Meinung, daß die Männer den angreifenden weiblichen Soldaten folgen würden; doch hat dies nur selten geklappt (siehe hierzu Maria Botschkarewa, My life as Peasant, Officer and Exile, * Auch auf Betreiben Churchills versuchten England und Frankreich 1915/16

die türkischen Meerengen zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer zu erobern. Ein Versuch britischer und französischer Flotteneinheiten unter dem englischen Vizeadmiral de Robeck, am 18.3.1915 nach vorausgegangener Beschießung bei den Dardanellen durchzubrechen, scheiterte am deutsch-türkischen Widerstand unter dem deutschen Admiral Souchon, wobei zwei britische und ein französisches Linienschiff versenkt wurden. Am 25. April und 6. August 1915 landeten dann starke britische, französische und australische Truppen an verschiedenen Stellen der Halbinsel Gallipoli. Diese wurde von dem preußischen General und türkischen Marschall Liman von Sanders so erfolgreich verteidigt, daß das alliierte Unternehmen am 20.12.1915, endgültig am 9.1.1916 aufgegeben werden mußte. Die alliierten Einheiten unter Sir Hamilton umfaßten 410 000 Briten und Commonwealthangehörige sowie 79 000 Franzosen; ihre Verluste betrugen 115 000 bzw. 27 000 Mann. An dem Kampf um Gallipoli waren etwa 500 Deutsche in führenden Stellen beteiligt. Siehe H. Kannengießer, Gallipoli, 1927. 209

New York 1919). In diesem Buch findet sich auch ein aufschlußreiches Gespräch zwischen Lenin und Trotzky, in der die beiden zu Recht als zynische Intellektuelle beschrieben werden (S. 264ff.).

Die russische Propaganda startete eine antideutsche Vergiftungskampagne in der französischen Presse, um die Öffentlichkeit in den Krieg zu treiben. 210

1939 wurden die Polen früh mißbraucht und auch der Hoffnung beraubt, daß England ihnen gegen Rußland, ihren Hauptfeind, genauso beistehen würde, wie es versprach, sie gegen Deutschland zu unterstützen. Das geschah nur, um eine mögliche deutsch-polnische Verständigung zu verhindern, die letzten Endes den Krieg vermieden hätte. In der Tat war Deutschland das einzige Land, das Polen gegenüber Rußland hätte entscheidende Hilfe geben können. Es bleibt auf jeden Fall festzuhalten, daß wenige Tage vor dem russischen Bombenangriff auf Helsinki vom 30. November 1939 — in Moskau wurde zwischen Finnen und Russen immer noch verhandelt — der britische parlamentarische Unterstaatssekretär im Außenministerium, Butler, im Unterhaus erklärte, England habe nie die Absicht gehabt, Polen gegenüber Rußland zu schützen, obwohl Polen Englands Verbündeter gegen Deutschland war, sich eine polnische Exilregierung in London befand und die UdSSR erst kürzlich 45 Prozent des polnischen Staatsgebietes an sich gerissen hatte. Damals, als Butler seine Unterhaus-Erklärung abgab, stand Polen bekanntlich immer noch im Krieg mit Stalin. Es handelt sich hier wohl um einen einmaligen Fall in der Geschichte, daß ein Verbündeter den Krieg eines anderen Verbündeten mit dessen Hauptfeind ganz und gar nicht wahrnehmen will. Obwohl Churchill und gelegentlich auch Roosevelt zwischen 1939 und der Stalinschen Gründung der polnischen Regierung von Lublin im Jahre 1943 die westlichen Polen halbherzig ermutigten, stimmen sowohl der polnische Botschafter in den USA, Jan Ciechanowski (Vergeblicher Sieg, Zürich 1948), als auch der polnischstämmige Harvard-Historiker Edward Rozek (World War II Allied Diplomacy — a Case Study in Poland, Harvard 1955, S. 398ff.) darin überein, daß weder FDR noch Churchill den Polen im Westen Hoffnung auf wirkliche Freiheit gemacht hatten. Polen habe 1939 töricht gehandelt, als es sein Vertrauen in einer Art Wunschdenken auf Churchill und FDR gesetzt habe. Besonders deutlich sei dies bei der Konferenz der großen Drei in Teheran (28.11.—1.12.1943) 211

geworden, als FDR mehr als der Komplize Stalins denn als der Churchills erschienen sei. Wie hätte Churchill, selbst wenn er nüchtern und aufrichtig und nicht ein trunkenhafter Lügner gewesen wäre, Polen gegen Stalin beschützen können, wenn dieser FDR in der Tasche hatte? Adolf Bochenski, neben W. Konopczynski Polens führender Historiker und Verfasser des Verkaufsschlagers Miedzy Niemcy i Rossija (Krakau 1937) — er gehört zu denen, die sich vor Stalin in den Irak flüchten konnten und von General Anders gerettet wurden. 1943 wurden sie nach Italien geschickt, um den Engländern als Kanonenfutter zu dienen —, ging 1944 bei Ancona ins offene Feuer der Deutschen, als er herausfand, daß England, statt Polen zu unterstützen, die Absicht hatte, die Anders-Legion nach dem Kriege aufzulösen. Zu keinem Zeitpunkt machte man den Polen Hoffnung, sie dürften in irgendeiner Form ihr altes Polen wiederherstellen. Darüber würde Stalin entscheiden. Das Gleiche kann auch von Ungarn, Rumänien und Bulgarien gesagt werden. Obwohl Bulgarien im Gegensatz zu den anderen Balkan-Staaten nicht in den Krieg gegen Stalin eingetreten war, war es in Sofia klar, daß der Ausgang des Kampfes im Osten auch über das Schicksal Bulgariens entscheiden würde. Dies würde auch Gebietsfragen berühren, wie zum Beispiel das 1941 den Jugoslawen abgenommene Mazedonien. Als Molotow im November 1940 in Berlin war, ließ er verlauten, daß die Bulgaren wüßten, Stalin betrachte das Land als sein Einflußgebiet. Hitler weigerte sich, diese Forderung anzunehmen. Sieben Monate später sollte dann der Krieg darüber entscheiden. Eduard Benesch, der Tscheche, wurde von FDR wohl am meisten von allen belogen, obwohl sich FDR noch vor seinem Tod darum bemühte, daß die Tschechen nicht in Stalins Machtbereich fielen. Ein mir bekannter tschechischer Professor beschrieb den Einmarsch der sowjetischen »Befreier« in Brunn in Südmähren. Die Tschechen haben sich dort zunächst gegenüber den deutschen Zivilisten, Frauen 212

und Kindern, verhältnismäßig ordentlich verhalten, im Gegensatz zu den Grausamkeiten in Prag und im nördlichen Sudetenland (vor allem in den Gebieten, in denen vorübergehend Truppen von Eisenhower standen). Als die Russen nach Brunn kamen, säumten die Menschen die Straßen. Sie mußten jedoch zusehen, wie ihnen die Befreier alles abnahmen: Fahrräder, Uhren, Kleidungsstücke, kurzum alles. Die Tschechen, die einen hohen Lebensstandard hatten und keine Rationierung kannten, ließen nun meist die unschuldigen Deutschen dafür büßen, bis im Februar 1948 die Kommunisten die Macht ergriffen und sofort die tschechische Währung abwerteten. Die meisten tschechischen Juden waren zu diesem Zeitpunkt in die USA und nach Israel ausgewandert (siehe Kurt Glaser, Die Tschechoslowakei, Frankfurt/Main 1964). Seit 1948 ist die CSSR einer der ärmsten, bescheidendsten und heruntergekommensten Satelliten der UdSSR. Die Reise, die Benesch Anfang 1945 auf Anraten von Roosevelt und Churchill nach Moskau machte, trug nicht dazu bei, die tschechische Unabhängigkeit zu garantieren. Unglaublich scheint auch Churchills Erfolg, als es ihm gelang, die polnische Exilregierung unter Sikorski nach dem Einmarsch Stalins 1939 in Polen zu überreden, die UdSSR diplomatisch anzuerkennen. Er schaffte dies mit dem dringenden Hinweis, daß die Polen damit später bessere Bedingungen von Stalin erhalten könnten. Sikorski, der dann am 5. Juli 1943 in der Nähe von Gibraltar in einem geheimnisumwitterten Flugzeugabsturz ums Leben kam, reiste, von Churchill ermutigt, am 3./4. Dezember 1941, also kurz nach Ausbruch des deutsch-russischen Krieges, nach Moskau, um von Stalin die Freilassung der polnischen Kriegsgefangenen in der UdSSR zu erreichen. Er wollte so viele wie möglich als Mitkämpfer an der Seite der Engländer gewinnen, mußte aber feststellen, daß einige es vorzogen, in den Diensten Stalins zu kämpfen. Sikorski entdeckte in Rußland jedoch, daß man nur Soldaten rekrutierte; etwa 15 000 polnische Offiziere waren spurlos verschwunden. Als Sikorski Stalin 213

daraufhin nach deren Verbleib fragte, behauptete der sowjetische Führer, er habe nicht die geringste Ahnung vom Verbleiben der Offiziere. Er ließ sich in Anwesenheit Sikorkis mit Woroschilow verbinden und trug ihm auf, die Sache zu überprüfen. Als das Massaker von Katyn im Jahre 1943 bekannt wurde, brach Stalin die diplomatischen Beziehungen mit den Londoner Polen ab. Obwohl das Internationale Rote Kreuz und zahlreiche bekannte neutrale Fachleute Stalins Schuld am Massaker von Katyn schon im April 1943 bewiesen (siehe Janusz Zawodny, Zum Beispiel Katyn, München 1975), kam der Sonderausschuß des US-Kongresses erst Ende 1950, nach dem Ausbruch des Korea-Krieges, zur gleichen Schlußfolgerung (und die Sowjets gaben ihre Schuld offiziell erstmalig am 13. April 1990 zu). Beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß (1945—46) konnte der sowjetische Ankläger Rudenko unter Duldung der zynischen und verderbten Amerikaner und Engländer (Robert Jackson, Maxwell Fife und Geoffrey Lawrence) das Massaker von Katyn den Deutschen anlasten. Die alliierte Entscheidung, daß nur Deutschland belastende Dokumente in den roten, blauen und grünen Reihen veröffentlicht werden durften, schuf ein genauso einseitiges Untersuchungsergebnis in Nürnberg wie der dreibändige Bericht Trotzkys über die russische Revolution von 1917. Dank des Entgegenkommens von Direktor Glenn Campbell vom Hoover-Institut hatte ich Zugang zu den Unterlagen der Nürnberger Verteidiger in der Frage der Weizsäcker-Behauptung vom Mord an den sechs Millionen Juden. Bis auf den heutigen Tag bin ich der einzige, der diese Unterlagen durchgearbeitet hat (siehe Falsehood in Peacetime: the Genocide Mirage, Stanford, oder die Los Angeles-Fassung desselben Textes von 1969, allerdings mit vielen Druckfehlern, da ich nicht mehr Korrektur gelesen habe, mit dem Titel The Myth of the Six Million). Mit diesem Material war es einfach, die Weizsäcker-Behauptung genauso auffliegen zu lassen wie Rudenkos Katyn-Mythos. 214

Als die USA 1950 zugaben, was Stalin bei Katyn gemacht hatte, war es für die Polen zu spät.

Weitere britische Schlechtigkeiten Sir Bernard Pares beklagt in The Fall of The Russian Monarchy (London 1933), daß schlechter englischer Ratschlag sowie offene Doppelzüngigkeit in der Vernichtung der Romanows (der Zarenfamilie) 1917 und beim Aufkommen der Bolschewiken eine große Rolle gespielt hätten. Dietrich Gerhard (Rußland und der Aufstieg Englands, Berlin 1933) weist ebenfalls auf die unschöne Behandlung der Romanows durch die Engländer hin. Gut dargestellt ist dies auch bei Bruce Lockhart (British Agend, London 1933). Lockhart behandelt die letzten schmutzigen Tricks, die zur Vernichtung von Nikolaus II. und Kerenski führten. Gerhards umfassende Darstellung setzt im Mittelalter an, als die Hanse und die Venezianer die einzigen Händler in einem feudalen England waren, das immer noch unter den Auswirkungen des 1453 zu Ende gegangenen Hundertjährigen Krieges litt. Im selben Jahr erlitten die Venezianer einen entscheidenden Rückschlag, als die Türken Konstantinopel eroberten. Außerdem waren die Kriege zwischen einzelnen verfeindeten Adelsfamilien zu verkraften. Und obwohl sich die englische Bevölkerung weitgehend neutral verhielt, litt sie dennoch unter den Kriegsgreueln. Dann folgte die Zeit des weltweiten Handelsaufschwungs, welche durch die Entdeckungsfahrten Kolumbus’ 1492 eingeleitet wurde. Portugal, Spanien, Holland und Frankreich lagen in der Anfangszeit in der Befahrung der Welthandelsstraßen und in der Koloniengründung an der Spitze. Die Engländer versuchten, nach und nach mitzuhalten — sie verkauften zum Beispiel Wolle an die flämische Textilindustrie. Doch sie kamen nur langsam voran. Der 215

Handel mit Osteuropa über die Ostsee wurde von der Hanse, den Dänen und den Holländern kontrolliert, so daß für die englischen Emporkömmlinge kein Raum blieb. Richard Chancellor (gest. 1556), der bei der Umgehung türkischer Beschränkungen im Mittelmeerhandel sich an Kolumbus ein Beispiel nahm, eröffnete eine direkte Seeverbindung von den englischen Handelshäfen an der Nordsee mit Archangels am Weißen Meer, das sechs Monate im Jahr eisfrei war. Die große Zeit der Hanse in Rußland war vorüber. Genauso wie London, das seit 1598 kein Hansekontor mehr hatte, hatte auch Nowgorod zu diesem Zeitpunkt keine Niederlassung der Hanse mehr. Die englischen Händler, die Chancellor folgten, füllten die handelspolitische Leere in Rußland aus und stießen über die Wolga und das Kaspische Meer handelstreibend nach Persien vor, das seit dem 15. Jahrhundert das besondere Interesse der Russen geweckt hatte. Gerhard vertritt die Auffassung, daß der Handelsreichtum, den sich England unter Heinrich V. (1387—1422) und Elisabeth I. (1533—1603) in Rußland erwarb, die Grundlage für die See- und Handelsmacht bei den nachfolgenden imperialistischen Unternehmungen in Amerika, Indien und China bildete. Nietzsche liegt richtig, wenn er sagt, daß kleine Gunstbezeugungen Dankbarkeit und große Gunstbeweise Undankbarkeit mit sich bringen. Mit der Hilfe Friedrichs des Großen hatte London es endlich fertiggebracht, das größte Kolonialreich der Welt an sich zu bringen; der Pariser Friede von 1763 bestätigte den Sachverhalt. Der Dank für Friedrich bestand darin, daß ihm die Engländer nach ihren zwei großen Siegen über die Franzosen im Jahre 1759 die Nachschublieferungen sperrten. Zur Ehrenrettung Pitts des Älteren muß gesagt werden, daß er dies seinem einzigen preußischen Verbündeten nicht angetan hätte. Dies blieb im Jahre 1760 seinem Nachfolger Lord Bute vorbehalten. Der Pariser Frieden (1770) bedeute auch das politische Überleben für Preußen sowie das Ende 216

der Versuche Habsburgs, nach drei vergeblichen Kriegen Schlesien zurückzuerobern. Man wird dabei an die drei vergeblichen Versuche der schwedischen Vasa-Könige erinnert, nach dem Tod Karls XII. Finnland zurückzuerobern. Nur einundzwanzig Jahre nach dem Pariser Frieden sowie nach dem achtjährigen Zwischenspiel des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges sagte der Jüngere Pitt 1791 im Unterhaus, England könnte möglicherweise gegen Rußland in den Krieg ziehen, um zu verhindern, daß die Russen den Türken den Hafen Ochakow, einen ziemlich unbedeutenden Hafen in der Nähe der Bugmündung auf der Nordseite des Schwarzen Meeres, abnehmen (siehe Gleason, aaO., S.43ff.). Obwohl zu dieser Zeit die Abneigung gegen die Russen im Unterhaus neu war, wurde die Aussicht auf einen Kreuzzug gegen die Russen als Verbündete der Türken gut aufgenommen; entsprechende Vorbereitungen wurden getroffen. Doch es kam zu keinem Krieg, weil die Franzosen Krieg gegen Österreich (1792-97) und Preußen (1792-95) führten. Preußen schloß 1795 den Separatfrieden von Basel mit Napoleon und blieb bis zum Jahre 1806 Frankreich gegenüber neutral, ehe es dann an der Seite Englands erneut in den Krieg gegen Frankreich eintrat. Österreich hielt zunächst gegen Frankreich bis zum Frieden von Campoformio 1797 durch. Ohne diesen französischen Schnitzer, der auf die Unerfahrenheit der neuen Machthaber zurückzuführen war, wäre es schon mehr als sechzig Jahre vorher zu einem »Krimkrieg« gekommen. Am eigentlichen Krimkrieg (1853—56) nahmen viel mehr Staaten teil, wobei sich England sogar mit der Absicht trug, diesen Krieg in einen Weltkrieg auszuweiten. Die Abneigung gegenüber Rußland, und dies hat der Erforscher der russischen Diplomatie Anatol Ignatiew in mehreren Untersuchungen gut herausgearbeitet, war für die englische Außenpolitik der letzten rund 200 Jahre kennzeichnend. In minderem Maße hatten die Engländer auch eine Abneigung gegenüber den Polen, und dies seit 217

dem Wiener Kongreß 1815, sowie gegenüber den Tschechen seit Versailles 1919 — damals wurden nicht die Engländer, sondern wurde Wilson von den Tschechen aufs Kreuz gelegt.

Englands Fremdenfeindlichkeit Mißtrauen und Abneigung gegenüber Fremden sowie Provinzialismus waren trotz des britischen Weltreiches Tatsachen, mit denen die Europäer zu rechnen hatten. Zweifelsohne sind Thomas Hardy (er starb 1928) und D. H. Lawrence (er starb 1930) die beiden größten englischen Romanschriftsteller des 20. Jahrhunderts. Evely Waugh ist ihrerseits Waliserin. John Osborne, der Autor des Angry Young Man, zeigte nicht die künstlerische Klasse seiner großen Vorgänger, trotz der dramatischen Fähigkeiten, die er unter anderem in seinem Luther-Stück hatte erkennen lassen, und trotz seines Einflusses auf die englische Jugend. In Hardys größtem Roman, The Mayor of Casterbridge (1886), wird der englische Held schrittweise von einem Schotten, einem Fremden in dieser Gegend, zerstört. Und dessen typisch schottische Charakterzüge, die den englischen gegenübergestellt werden, werden bis zum Überdruß ausgeleuchtet. Hardy geht dabei so weit anzudeuten, daß der Schotte gewöhnlich den Engländer vernichtet, wenn es zwischen den beiden zum Kampf kommt. D. H. Lawrence war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges erst 29 Jahre alt und hatte kurz vorher geheiratet. Seine Frau war Frieda von Richthofen, die Schwester von Manfred von Richthofen, dem »roten Baron« und Jagdfliegeras des Ersten Weltkrieges, der 1918 vom Boden aus, wahrscheinlich von einem australischen Soldaten, erschossen wurde, sein Flugzeug dennoch landen konnte. Lawrence, dieser große Geist, war über die törichte Bündnis- und Einkreisungspolitik der britischen Konservativen und Liberalen so 218

erzürnt, daß er mehrmals versuchte, als deutscher Spion festgenommen zu werden. Er behauptete sogar, er liefere den Deutschen sehr wichtige Nachrichten. Als dies nicht klappte, folgten er und seine Frau dem Beispiel von Francis Neilson und wanderten aus (Frau Neilson ließ sich deswegen von ihrem Mann scheiden). Sie ließen sich in der Künstlerkolonie Taos in Neu Mexiko nieder. Im Gegensatz zu Neilson wurden sie nicht Teil der amerikanischen Szene. Neilson heiratete auch wieder, und zwar die wohlhabende Helen Swift. Den Rest seines langen Lebens widmete er dem Revisionismus in einigen Büchern sowie in der Presse. — In seinem zweifelsohne größten Roman Söhne und Liebhaber (1913; dt. 1925) zeichnet Lawrence den Vater seines Helden als einen Bergmann aus den Cotswolds, der auf brutale Weise das Opfer ortsfremder Londoner Plutokraten wird. Wenn so schon London und seine »City« (das Zentrum der englischen Finanzmacht) für Lawrence ein entfernter und fremder Ort war, wenn für Hardy Schottland fern und fremd war, was konnte dann für Chamberlain am 15. März 1939 im Unterhaus natürlicher sein, als die Tschechoslowakei als »ein entferntes Land« zu beschreiben, von dem er nichts wisse; dies war am Tag nach der Unterzeichnung des Hitler-Hacha-Vertrages. Chamberlain erinnerte das Unterhaus ebenfalls daran — und jeder kann dies im Hansard nachprüfen —, daß die Tschechoslowakei ein Land war, dessen Bestand England einst garantieren wollte, es aber nie tat. Und da sich dieses Land nun aufgelöst habe, stelle sich die Frage einer möglichen Bestandsgarantie nicht mehr. Mit Ausnahme von einigen Kriegstreibern, wie Eden, Duff Cooper und Churchill, und im Gegensatz zu späteren Propagandabehauptungen wurde Chamberlains Rede nicht schlecht aufgenommen. Zudem deutete nichts darauf hin, daß Chamberlain mit seiner großen konservativen Unterhausmehrheit irgendwie in Schwierigkeiten war. In der Tat hatte er mehr Schwierigkeiten mit abtrünnigen Konservativen, als er im Herbst 1938 versuchte, das 219

Münchener Abkommen zu verteidigen. Daher war Churchill zwei Tage später überrascht, als Chamberlain seine von Halifax geschriebene Kriegstreiberrede anstatt der erwarteten Friedensrede hielt. Die tschechische Frage, die noch zwei Tage zuvor in London verständlich und zufriedenstellend begründet worden war, wurde plötzlich durch das Hochspielen von Halifax zu einer für England lebenswichtigen politischen Angelegenheit. Hinzu kamen noch erdichtete Behauptungen von Ansprüchen Deutschlands den Rumänen gegenüber (Tilea-Lüge*). Die Zuhörer in Birmingham konnten über das, was sie * Am Tage nach dem deutschen Einmarsch in Prag erschien am 16. 3.1939 der seit Januar 1939 wegen Wirtschaftshilfe für Rumänien in London weilende rumänische Gesandte Virgil Tilea im britischen Foreign Office und gab die völlig aus der Luft gegriffene Behauptung an, daß eine zur Zeit in Bukarest weilende deutsche Wirtschaftsdelegation Rumänien ultimative Forderungen gestellt habe und eine deutsche Aggression drohe. Am 17.3.1939 wiederholte er diese Falschbehauptungen gegenüber dem britischen Außenminister Lord Halifax, um damit England zu einer großzügigen finanziellen Unterstützung zu bewegen. Halifax, dem an einer Verschärfung der Krise gelegen war, übermittelte diese Angaben, ohne deren Richtigkeit nachzuprüfen oder zu berücksichtigen, daß das Reich mit Rumänien gar keine gemeinsame Grenze besaß und somit eine militärische Aktion gar nicht möglich war, sofort anderen Regierungen, und Sir Vansittart informierte am selben Tag noch die Londoner Presse, die dann wie der Rundfunk am 18.3.1939 unter weiterer Übertreibung vom »deutschen Ultimatum« an Rumänien sowie der angeblich bereits erfolgten Auslieferung sämtlicher rumänischer Bodenschätze an das Reich berichtete. Sofortige Dementis des rumänischen Außenministers, des rumänischen Königs und des britischen Botschafters in Bukarest nutzten ebensowenig wie der strenge Verweis, den Tilea wegen seiner eigenmächtigen und durch nichts begründbaren Erklärungen von seiner Regierung erhielt: die britische Presse und der Rundfunk behielten die Hetzpropaganda gegen Deutschland bei, behaupteten einen kurz bevorstehenden deutschen Einmarsch in Rumänien und erzeugten eine starke deutschfeindliche Stimmung. Dadurch konnte sich die gegen eine Verständigung mit Deutschland eingestellte Haltung des britischen Außenministeriums voll gegen den bis dahin noch auf Verständigung eingestellten Premierminister Chamberlain durchsetzen. 220

von Chamberlain zu hören bekamen, kaum weniger überrascht sein als die Zuhörer von Chicago, die sich die Rede Roosevelts 1937 anhörten. Diese wirre Rede Roosevelts als den eigentlichen Ausgangspunkt des Zweiten Weltkriegs hinzustellen, mag zunächst etwas übertrieben vorkommen. Vergleicht man jedoch diese herausfordernde, unsinnige und kriegstreibende Rede mit der von Chautauqua, New York, zwei Jahre früher — in der Zwischenzeit war international nichts geschehen, und der Spanische Bürgerkrieg war vorüber —, dann muß dieser Rede eine gewisse geistige Verwirrung unterstellt werden. Das gleiche trifft dann auch auf Chamberlains Rede in Birmingham zu. Keine der beiden Reden gründete sich auf echte Tatsachen. Ich stimme William Shirer (Berlin Diary, New York 1941) zu, wenn er folgert, daß die mangelnde Begeisterung der Berliner bei der Militärparade anläßlich des 50. Geburtstags Hitlers am 20. April 1939 nicht für einen weiteren Krieg sprach — und dies darf auch von Teilnehmern der Parade angenommen werden.— Porter Sargent, der das Shirer-Manuskript unmittelbar nach dessen Rückkehr aus Berlin sah, ehe es zum Drucker ging, erklärte, daß das Original Hitler und Deutschland gegenüber viel freundlicher war als die dann gedruckte Fassung. Man kann sagen, daß die Erfahrung mit seinen Verlegern Shirer völlig umgedreht hat. Dies zeigte sich zehn Jahre nach Sargents Tod in Shirers Buch Aufstieg und Niedergang des 3. Reiches (Köln—Berlin 1961). In diesem Buch lobt Shirer nur solche Deutsche, die prokommunistisch oder kommunistisch waren. Mangelnde Kriegsbegeisterung in Deutschland Trotz weiterhin bestehender furchtbarer Belastungen aus dem Versailler Friedensdiktat (die Danzig-Frage, der polnische Korridor und das 1921 an Polen gekommene Ost-Oberschlesien mit insgesamt 80 Prozent aller schlesischen Kohlenbergwerke; Hitler wollte nur die 221

Regelung der Danzig- und Korridorfrage, um mit Polen freundschaftliche Beziehungen zu haben) gründete die mangelnde öffentliche Kriegsbegeisterung in Deutschland am Vorabend des Zweiten Weltkrieges auch in der Tatsache, daß sich die Deutschen immer noch an den Ersten Weltkrieg erinnerten und Verhandlungen einem erneuten Krieg vorzogen. In Polen dagegen war die Kriegsbegeisterung fast allgemein und weitverbreitet, zumal seit der kriegerischen, verzerrenden und teilweise unwahren Rede des polnischen Außenministers vor dem Sejm am 5. Mai 1939. Während zum Beispiel keine der 21 Weimarer Reichsregierungen bereit gewesen war, die auf das Versailler Diktat zurückgehende Grenze mit Polen anzuerkennen, bot Hitler diese Anerkennung an. Ein solches Zugeständnis abzulehnen mußte schon an Verrücktheit grenzen. Beck brachte auch einen falschen Zungenschlag in Sachen Ehre ein, als er behauptete, Außenminister Ribbentrop, der im Januar 1939 mit seiner Gattin zu Besuch in Warschau war, habe Polen nicht als gleichberechtigte Macht behandeln wollen. Dies ist schlicht unwahr. Im Gegenteil. Beck schmeichelte Frau Ribbentrop (sie starb 1973) während des ganzen Besuches, und die Beziehungen unter Verbündeten konnten nicht besser sein. Hitler hatte seit seiner ersten Kabinettssitzung im Jahre 1933 eine propolnische Politik angekündigt. Er hatte alles getan, um Polen für sich zu gewinnen — zu erwähnen sind auch der jährliche GöringBesuch in Polen sowie die gastfreundliche Aufnahme führender Polen im Reich, wie mir von vielen Polen bestätigt wurde. Eine solche Großzügigkeit hätte sich keine Weimarer Regierung leisten können. Sie wäre innerhalb kurzer Zeit weggefegt worden, wenn sie das angeboten hätte, was Hitler in der Zeit von Oktober 1938 bis August 1939 den Polen angeboten hat. Als die Engländer zum Beispiel im August 1939 General Ironside nach Polen schickten, sah dieser, wie polnische Soldaten in den Manövern von Kugeln aus ihren eigenen Gewehren getroffen wurden. Und in den fünf Monaten seit der 222

Blankovollmacht hatten die Engländer keine einzige Patrone geliefert. Zeigt dies alles nicht, wo sich Polens echter Freund befand, ehe es sich dem zum Krieg drängenden England anschloß? Oberst Adam Koc, der infolge der Halifax-Garantie nach England geschickt worden war, um Kriegsmaterial zu erhalten, sagte mir persönlich in Sea Cliff, Long Island, daß die verweigerte Hilfe zeigte, wie sehr die Engländer die Polen in der Tat ablehnten. Julius Lukasiewicz, Becks Botschafter in Paris und Moskau sowie Verfasser des Buches Poland can be a Great Power (Warschau 1937), erklärte wenige Tage vor seinem Selbstmord in einem New Yorker Stadthotel, daß die Jahre russischer Vorherrschaft in Polen mit der Zerstörung des polnischen Staates enden würden. Es sei sein größter Fehler gewesen, den Versicherungen von US-Botschafter Bullitt 1939 in Paris zu trauen, daß entsprechender US-Druck die Engländer veranlassen würde, Polen nach dem nächsten Krieg entscheidend unter die Arme zu greifen. England ging aus dem Krieg als altersschwacher Mann hervor, Amerika war über alle Maßen verschuldet und zu keinen weiteren militärischen Aktionen mehr fähig. Zudem hatten FDR und Churchill zwischenzeitlich schon ganz Polen Stalin überlassen. Der polnische Spitzendiplomat erklärte in seinen letzten Tagen immer wieder, daß Stalin mit den Polen Katz und Maus spielen würde, bis es kein Polen mehr gäbe. Fehler anderer zuungunsten Deutschlands Selbst als FDR seine Maske hatte fallen lassen und offen zugegeben hatte, er dürste als Verbündeter der UdSSR und Großbritanniens nach einem Krieg gegen die Achsenmächte (seine Chicagoer Rede vom 5. Oktober 1937), wußte Hitler aus den amerikanischen Medien und Meinungsumfragen, daß 90 Prozent der Amerikaner der Ansicht waren, daß Wilson sich im Unrecht befunden habe und es ein Fehler gewesen sei, in den Krieg einzutreten, kurzum, daß der Erste 223

Weltkrieg nicht hätte sein dürfen. Es schien zweifelhaft, wenn nicht gar unmöglich, daß Roosevelt unter solchen Voraussetzungen als erster Politiker in der Welt diesen Krieg fordern konnte — ausgenommen natürlich die jüdische Lobby. Wer hätte 1937 glauben können, daß die Japaner, die 1938 und 1939 ohne Kriegserklärung zweimal gegen die Russen gekämpft hatten, es 1941 ablehnen würden, Deutschland gegen die Russen zu helfen, dann jedoch FDR den großen Gefallen taten, indem sie, so wie er es sich erhofft hatte, Pearl Harbor angriffen. Grobe Schnitzer, die anderswo gemacht wurden, minderten Hitlers Erfolgsaussichten. Bei Japan konnte Hitler außenpolitisch keinen Erfolg verbuchen. Bis 1941 war dort auch das Betätigungsfeld des Spions Richard Sorge, der Stalin alles weiterleitete. Gegen den Widerstand des japanischen Botschafters in Deutschland Oshima und des japanischen Außenministers Matsuoka wurden die geheimen Vorbereitungen getroffen, die vor allem von der japanischen Marine vorangetrieben, von Kaiser Hirohito sowie dem Tenno unterstützt wurden und zum verhängnisvollen Pearl Harbor-Schnitzer führten. Dieser Angriff war von japanischer Seite als Antwort auf Roosevelts ungesetzliche Blockade sowie seine unverschämten ultimativen Forderungen vom 26. November 1941 gedacht. Daß es zwischen Deutschland und England auf der Grundlage der in Mein Kampf angesprochenen Überlegungen zu keinem dauerhaften Bündnis kam, ist letzten Endes das Ergebnis des Roosevelt-StalinBündnisses. Aber ähnlich wie bei Bismarck, der immerhin beim Berliner Kongreß 1878 Disraeli einige Dienste* erwiesen hatte, war ein * Auf dem Berliner Kongreß (13.6. bis 13.7.1878) konnte Bismarck als

»ehrlicher Makler« die in den Jahren vorher bei der Orientkrise und nach dem russisch-türkischen Krieg im Frieden von San Stefano (1878) aufgetretenen Spannungen zwischen Österreich, Rußland und England beilegen und zu einem einigermaßen gerechten Ausgleich führen. Insbesondere gelang es ihm, den drohenden russisch-englischen Krieg zu ver224

solcher Fehlschlag zwar ein vorübergehender Rückschlag, keineswegs jedoch ein wesentliches Unglück. Hitler hatte Erfolg mit Frankreich und Italien. Mit Spanien gab es keine Möglichkeiten, zu einer Zusammenarbeit zu kommen, da die Engländer am Ende des Bürgerkrieges dort maßgebenden Einfluß erlangt hatten. Unabhängig von Hitlers Erkrankung im Sommer 1941, der Nichteinhaltung des Zeitplanes im ersten Kriegsjahr des Rußlandfeldzuges sowie der wiederholten Unbotmäßigkeit einiger Truppenführer hätte 1941 ein japanischer Angriff im Osten den Feldzug für Hitler entschieden, weil Moskau ohne die Unterstützung der aus Sibirien abgezogenen Truppen nicht hätte gehalten werden können. Diese Auffassung wird auch von russischen Militärhistorikern sowie in den Erinnerungen russischer Befehlshaber, vor allem Koniew, vertreten. Bei einem japanischen Angriff hätten die Sowjets keine Truppen von Osten nach Westen verlagern können. Man muß es Außenminister Ribbentrop zugute halten, daß er von Juli 1941 an versuchte, den Japanern, deren Schaukelpolitik offenkundig wurde, mit deutlichen Argumenten ins Gewissen zu reden. Er ließ sie auch auf die sich ergebenden möglichen Folgen hinweisen. Zur Zeit, als Truman die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki (in dieser Stadt lebte zufällig die Hälfte der christlichen Bevölkerung Japans) abwerfen ließ, stand die japanische Kwantung-Elitearmee in der nördlichen Mandschurei, um einen möglichen sowjetischen Angriff abzuwehren, und dies trotz der Tatsache, daß Stalin und der japanische Außenminister Matsuoka im April 1941 einen Nichtangriffspakt unterzeichnet hatten. Angesichts des atomaren Holocaust hindern, mit dem die Briten den Zugriff Rußlands auf die Meerengen zwischen Schwarzem und Mittelmeer vereiteln wollten. Nach anfänglichen Gegensätzen zwischen dem britischen Premierminister Disraeli und Bismarck kam es dann zu einem guten Verhältnis zwischen beiden, nachdem auch Disraeli erkannt hatte, daß er und sein Land dem uneigennützig wirkenden Bismarck sehr zu Dank verpflichtet waren. 225

erhielten diese Truppen den Befehl, am 9. August 1945 vorrückenden sowjetischen Streitkräften — die sowjetische Kriegserklärung war am Vortag erfolgt — keinerlei Widerstand zu leisten. Das Ergebnis war, daß die Soldaten der besten japanischen Armee in sibirischen Arbeitslagern endeten — obwohl die Japaner an extreme Kälte gewöhnt sind, kehrten nur etwa zehn Prozent der Soldaten der Kwantung-Armee in die Heimat zurück. Bei einem japanischen Angriff auf Rußland im Jahre 1941 wäre es nicht zu solchen Verlusten gekommen. C. C. Tansill (Die Hintertür zum Krieg, Düsseldorf 1958) zeigt auf, wie Stalins überwiegend jüdische Agenten in den USA, wie zum Beispiel Harry Dexter White, Roosevelt hilfreich zur Hand gingen, als er jene Vorbereitungen traf, die zum 7. Dezember 1941 (Pearl Harbor) führten. Der Vater des amerikanischen Revisionismus, Harry Elmer Barnes, hat dieses Datum als das bedeutendste in der Geschichte des Weltjudentums bezeichnet. Darin war natürlich auch der Bolschewismus eingeschlossen. Daß Stalin die Juden nicht mochte, obwohl seine dritte Frau die Schwester des jüdischen Politbüromitgliedes Lazar Kaganowich war, spielte dabei keine Rolle. Obwohl Pearl Harbor in erster Linie ein Sieg für FDR und ein Verhängnis für Hitler und das deutsche Volk war, spricht Barnes von diesem Tag nicht als einem großen Tag der amerikanischen Geschichte. Dennoch sahen viele Amerikaner den heraufkommenden Krieg, der sie nicht berühren würde, nach zwölf Jahren wirtschaftlicher Krise als einen Segen an, gutes Geld zu verdienen, das jedoch sofort wieder für preislich erhöhte Waren draufging. In seinem Beitrag »The End of Old America« (in der Zeitschrift Modern Age, Frühjahr 1958) bekräftigte Barnes nicht nur sein früheres Urteil, sondern begann auch fast zwanzig Jahre vor John Kenneth Galbraith auf die Anzeichen eines ständigen Niedergangs der USA hinzuweisen, den er mittelbar auf den Erfolg von FDR im Falle Pearl Harbor zurückführte. Damit war Roosevelt sozusagen durch die Hintertür in den europäischen Krieg gegen Hitler eingetreten — und die USA mischten nun wie im Ersten Weltkrieg mit. 226

Als Wilson 1917 dank der Hilfe seines Strategieberaters Bernard Baruch seinen Krieg bekam — Baruch riet ihm unter anderem, der Marine den Auftrag zu geben, Handelsschiffe zu bewaffnen; der Kongreß lehnte seine Zustimmung ab, ähnlich wie zuletzt bei Reagans Nicaragua-Politik — , gab er seinem ersten Mann beachtliche Macht in die Hände. Bei einer Gastvorlesung sagte Wilson damals auch, er gebe einen guten Präsidenten ab (siehe hierzu George Creel, Rebel at large, New York 1947). Creel war unabhängiger Journalist aus Missouri und der Sohn eines Landwirtes. Er hatte eine Schwäche für die mexikanische Geschichte, weil Verwandte von ihm nach der Niederlage der Konföderierten im Bürgerkrieg nach Mexiko ausgewandert waren, da sie nicht unter den »Yankees« leben wollten. Er war jedoch noch nie in Europa gewesen und hatte auch kein einziges Buch über europäische Geschichte gelesen. Wilson gab Creel Millionen Dollar aus öffentlichen Geldern, damit »die Leute wollen, daß Deutschland zerstört wird, und den Kaiser hassen« (aaO.). Genau das leitete Creel ein. Sein CPI — es darf nicht mit Roosevelts späterem OWI (Office of War Information) verwechselt werden — erhielt eine Milliarde Dollar und war innerhalb von zwei Wochen einsatzbereit. In einem Land, in dem die Menschen einen Krieg bis zu dessen Ausbruch abgelehnt hatten, herrschte nun eine Kriegshysterie. Man könnte mit Sicherheit sagen, daß wegen Creel, der keine Ahnung von der Sache hatte, aber ein glänzender Propagandist war, die Häuser von Hunderten von Bürgern in Flammen aufgingen und Tausende von Bürgern verprügelt wurden. Creel traf dann später FDR. Gleich Baruch fühlte er sich nicht persönlich zu Roosevelt hingezogen. Baruch konnte natürlich Roosevelt nicht so persönlich beherrschen, wie ihm das bei Wilson gelungen war. Creel vermißte bei FDR die geschliffene und elegante Rhetorik und den hochtrabenden Idealismus, der Wilson auszeichnete. FDR erschien Creel nur erdverhaftet, gerissen und verschlagen. Als Creel FDR traf, hatte sich die Lage nicht 227

verändert: in Europa herrschte wieder Krieg. Erneut wollten die Amerikaner keinen Eintritt in einen europäischen Krieg. Ihr Präsident hatte diesen Eintritt jedoch schon längst vollzogen. Wie andere, so hatte auch Creel viel aus seiner Erfahrung mit Wilson gelernt — wenn auch nicht über Europa. Einige Kapitel seiner Erinnerungen, die Wilsons Fehler zum Inhalt haben, weisen darauf hin. Wie so viele andere Amerikaner sah Creel nicht ein, warum USAmerika das Fiasko von 1914 bis 1919 wiederholen sollte. Als erfahrener Propagandist packte er den Teufel beim Schwanz und fragte Roosevelt geradewegs, was er denn gegen Hitler habe. FDRs Antwort: Hitler sei ein »Fall für den Nervenarzt«; zudem besitze er gefährliche Waffen und müsse daher vernichtet werden. Waren Reagans Worte nach seinem Angriff auf Ghaddafi nicht eine genaue Kopie dieser Worte? Könnte man nicht eher Roosevelts erfolgloses Programm, Amerika in den dreißiger Jahren auf einen neuen Weltkrieg vorzubereiten, als das Erzeugnis eines krankhaften Hirnes bezeichnen? Creel hatte früher einmal den Vorsitzenden der »United Mine Workers« (Bergarbeitergewerkschaft) John L. Lewis in Colorado getroffen. 1940 kämpfte Lewis gegen Roosevelt wegen dessen Absicht auf eine dritte Präsidentschaft, und er kämpfte auch gegen einen Kriegseintritt. Die Folge war, daß Lewis, der ein anständiger Mann war, von dem Zeitpunkt bis zu seinem Tod von FDR verfolgt wurde. Wäre es nicht anständig zu sagen, daß die im Weißen Haus aufzufindenden psychopathischen Züge, die mit Wilson begannen und sich unter FDR verfestigten, das beste Argument seien, das Amt des USPräsidenten abzuschaffen und durch eine dem Kongreß verantwortliche Regierung zu ersetzen? Wie viele weitere Millionen von Menschen müssen noch durch amerikanische Präsidenten sterben, ehe ein solcher Wandel eintritt? Glücklicherweise wird der sich abzeichnende wirtschaftliche Niedergang der USA diesen tragischen amerikanischen Militärspielen ein Ende bereiten. 228

Was das Durchhaltevermögen des Bismarck-Reiches anbelangt, so war Hitler der Auffassung, daß eine Einschränkung der bürgerlichen Rechte, wie dies in Frankreich durch Clemenceau und in England durch Lloyd George geschah, Deutschland in die Lage versetzt hätte, auszuhalten und einen anständigen Kompromißfrieden auszuhandeln. Amerikanische Historiker wie Thomas Bailey und Ralph Lutth (The Fall of the German Empire, 2 Bde., Stanford 1926) stimmen darin mit Hitler überein. Nachdem die von Ludendorff befürwortete Diplomatie mit Wilson 1918 ins Rollen kam, war eine Kehrtwendung nicht mehr möglich, und das Zweite Reich der Deutschen war verloren. Die Entwicklung im Fernen Osten Man kann sagen, daß die Weltwirtschaftskrise* die noch festen Strukturen der Weimarer Republik (1919—33) hinweggefegt hat. Dixon Webster (The Great Depression 1929—1941) weist darauf hin, daß die Wirtschaftsgrößen der Roosevelt-Mannschaft mit all ihren Wirtschaftsmaßnahmen erfolglos blieben, so daß die Krise mehr als zwölf Jahre dauerte. Erst der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor als Antwort auf die sogenannte Note von US-Außenminister Hull vom * Der Kurssturz an der New Yorker Börse am »Schwarzen Freitag«, dem

29.10.1929, löste die »Weltwirtschaftskrise« aus. Für Deutschland kamen erschwerend die Folgen der Inflation und der unversöhnlichen Reparationspolitik der Westmächte hinzu. Durch den Kapitalmangel in Deutschland bewirkten der Abzug kurzfristiger ausländischer Anleihen schnell den Zusammenbruch deutscher Banken, so am 11.5.1931 der Österreichischen Creditanstalt und am 13.7.1931 der Darmstädter und Nationalbank. Die amtierende Regierung Brüning versuchte vergeblich, mit »Hungernotverordnungen«, Steuererhöhungen, Gehaltskürzungen für Beamte usw. einzugreifen. Die Arbeitslosenzahl stieg bald auf 4, 1932/33 auf über 6 Millionen Arbeitslose, wozu noch mindestens eine weitere Million nicht registrierter Arbeitsloser kam. 229

26. November 1941 mit ihren unerfüllbaren ultimativen Forderungen an Japan brachte die Wende — ihr eigentlicher Verfasser war der litauische Jude und Stalin-Spion Harry Dexter White. Der Hauptnutznießer des japanischen Angriffs war trotz allem Stalin. Er wurde durch die riesige US-Hilfe nach dem 7. Dezember 1941 von der drohenden Niederlage gegenüber Deutschland gerettet. Natürlich erhielt Stalin schon seit Juli 1941 und seit dem Moskau-Besuch von Harry Hopkins am 30. Juli 1941 amerikanische Hilfe, obwohl die USA offiziell noch neutral waren. Doch war dies im Vergleich zu dem, was nach Pearl Harbor und dem offenen Kriegszustand kam, unwesentlich. Zudem konzentrierte FDR seine Kriegsanstrengungen mehr auf Europa als auf Asien. Japan wurde schon am 6. Juni 1942 in der Seeschlacht bei den Midway-Inseln entscheidend besiegt. Dies erlaubte es Roosevelt, sich noch mehr auf den europäischen Kriegsschauplatz zu konzentrieren. Darüber hinaus hat General Wedemeyer in seinem Buch Der verwaltete Krieg (New York 1958) mit General Marshall zur allgemeinen Zufriedenheit aufgezeigt, daß die Pläne für eine Invasion in Europa vom amerikanischen Generalstab schon lange, ehe man von einem Krieg mit Japan sprach, ausgearbeitet worden waren. Dies soll auch für die Pläne von 1944 gelten, deren Ausarbeitung offiziell Eisenhower zugeschrieben wird. A. M. Schlesinger jr., der vor der Eröffnung Wedemeyers eine vielbändige Biographie über Roosevelt in Angriff nahm, war von dessen Eröffnungen über seinen Helden derart entmutigt, daß er sein Vorhaben aufgab. Der Gedanke, daß vollständig ausgearbeitete Invasionspläne gegen ein Land, das Tausende von Meilen entfernt war, von einem Mann gefördert worden waren, der offensichtlich als Wohltäter der Menschheit und als Führer eines Wohlfahrtsstaates gewählt worden war, war so brutal, daß sich viele von FDRs wärmsten Befürwortern im nachhinein von ihm abwandten. Seit Juli 1941, mit dem Vorwand auf Vorgänge in Vietnam, die FDR nicht im geringsten berührten, ließ Roosevelt den japanischen Handel 230

behindern und unternahm kriegerische Aktionen gegen die Japaner, sobald Stalin in den Krieg eintrat. Ob nun verrückt oder nicht, auf Grund des gegebenen internationalen Rechts waren die Japaner berechtigt, Pearl Harbor anzugreifen. Dadurch brachten sie allerdings Hitler in riesige Schwierigkeiten. Europas Lage nach dem Frankreichfeldzug 1940 Zur Zeit des Waffenstillstandes mit Frankreich am 22. Juni 1940 sah die Lage des Dritten Reiches in der Tat gefestigt aus. Man kann sie mit der Lage des Zweiten Reiches nach seiner Gründung am 18. Januar 1871 in Versailles vergleichen. In der Zwischenzeit war Deutschland auf vielen Gebieten zur führenden Industriemacht in der Welt geworden. Bei der Wiederherstellung des militärischen Ruhmes Deutschlands waren die Feldzüge in Polen, Skandinavien und Frankreich entscheidend. König Viktor Emmanuel III. von Italien hätte einen widerstrebenden Mussolini nie zwingen können, am 10. Juni 1940 Frankreich und England den Krieg zu erklären, hätte er nicht angenommen, daß sofort nach der bevorstehenden Kapitulation der Franzosen mit England Friedensverhandlungen beginnen würden. Die öffentliche Meinung in den USA ging davon aus, daß es nunmehr in Europa für Hitler keinen Herausforderer mehr gebe. Ein Blick auf die Karte — Deutschland stand nun England von Trondheim bis Brest gegenüber — überzeugte auch den Unkundigen, daß eine englische Verteidigung auf Dauer nicht möglich war und daß Churchill die günstigen Friedensbedingungen, die ihm Hitler sicherlich anbieten würde, annehmen würde (siehe hierzu auch Hitlers Friedensrede vor dem Reichstag am 19. Juli 1940). Diese Beobachter wußten allerdings nicht, daß Deutschland auf Grund von Einschränkungen in den Verteidigungsmaßnahmen, die auf Schacht und andere zurückgingen, weniger Panzer und nur so viele Flugzeuge wie die Engländer herstellte, obwohl England sein Radarluftabwehrsystem hatte und die 231

englische Industriekapazität nur halb so groß wie die der deutschen war. Schon im April 1940 hatten die Engländer von Canaris den deutschen geheimen Militärcode erhalten. Auch war die englische Abwehr um ein Vielfaches stärker als die deutsche. Zudem erhielten die Briten im Rahmen der geänderten US-Neutralitätsgesetzgebung eine ungeheure Finanz- und Militärhilfe seitens der USA. Diese Gesetzgebung war nach dem Ausbruch des Krieges 1939 unter dem Druck Roosevelts in ungesetzlicher Weise vom US-Kongreß geändert worden (siehe hierzu Burton Klein, Germany‘s Economic Preperations for War, Harvard 1959). Zu erwähnen ist auch die Reise des führenden Labour-Politikers Sir Stafford Cripps zu Stalin kurz nach der Kapitulation der Franzosen. Stalin war über den verhältnismäßig leichten Sieg der Deutschen über die Franzosen verärgert (siehe Smith, Stalin, the Red Czar, aaO., S.226) und verletzte brutal den deutsch-russischen Nichtangriffspakt aus dem Vorjahr, indem er auf dem Balkan das nördliche Buchenland (Bukowina) und Teile der Moldau (Bessarabien) nach dem Ultimatum vom 26. Juni 1940 an Rumänien besetzte. Zudem hetzte er gegen Hitler zuerst in Bulgarien und Rumänien, dann in ganz Europa. Cripps berichtete Churchill von Stalins Feindschaft gegenüber Hitler. Einen Monat nach der französischen Kapitulation war es Hitler klar, daß drei verschiedene Faktoren in seine Friedens- und Bündnisbemühungen mit England, um so Deutschland zu der Stabilität zu verhelfen, die es siebzig Jahre zuvor durch Bismarck erhalten hatte, hineinwirken konnten. Wie Bismarck, so hoffte auch Hitler, über ein allgemeines Abkommen zu einem deutsch-englischen Bündnis zu kommen, so wie dies Collin Cross (The Fall of the British Empire, London 1969, S. 270ff.) dargestellt hat. Ein solches Bündnis hätte das britische Commonwealth als einen bedeutenden politischen Faktor erhalten können. Der erste Faktor lag auf der Hand: Hitler konnte England mit den zur Verfügung stehenden Waffen militärisch zur Aufgabe zwingen 232

(siehe hierzu Admiral Ansei, Hitler confronts England, New York 1962). Der zweite Faktor war die Einmischung der USA und deren militärische Hilfe für England. Hitler rechnete damit, daß eine solche Hilfe beschränkt sein und möglicherweise sogar gekürzt werden könnte, sollte es FDR nicht gelingen, die USA in einen offenen Krieg hineinzubringen. Und er schwor sich, Roosevelt keinen Vorwand zu liefern (siehe hierzu Saul Friedländer, Auftakt zum Untergang, Stuttgart 1965). Der dritte Faktor, mit dem Hitler rechnen mußte, war Stalin. Dieser hatte immer häufiger und mit Absicht den freiwillig mit Hitler geschlossenen Vertrag vom 23. August 1939 und vom 28. September 1939 gebrochen — zum Beispiel durch weitere Inbesitznahme rumänischen Gebietes (also über Bessarabien hinaus, das Deutschland trotz der dortigen deutschen Minderheit Stalin am 26. Juni 1940 zugebilligt hatte). Da das Wartespiel mit den USA seinen Fortgang nahm und auch die Fortführung des Krieges gegen England diesem zwar schaden, aber zu keiner endgültigen Entscheidung führen konnte, blieb bei diesen Überlegungen die Tatsache im Räume stehen, sich mit dem dritten Faktor, der UdSSR, auseinanderzusetzen. Stalins wiederaufgenommene antideutsche Politik machte unmißverständlich deutlich, daß er ein möglicher Aktivverbündeter Englands werden könnte. Und damit war Deutschland dem Alptraum eines Zweifrontenkrieges ausgesetzt, jenem Alptraum, dem sich schon Friedrich der Große und Wilhelm II. gegenüber sahen. Diese Ausgangslage hatte dem Kaiser im Ersten Weltkrieg die Niederlage gebracht, und Friedrich der Große überlebte im Siebenjährigen Krieg nur, weil die Russen nach dem Tod der Zarin die Fronten wechselten. Nichts könnte falscher sein, als anzunehmen, daß Hitler einen Krieg um des Krieges willen mit Rußland suchte. Als der sowjetische Ankläger Rudenko im Nürnberger Prozeß den Kunstsammler Hermann Göring fragte, was er in Rußland gesammelt habe, war die Antwort: »Läuse«! Obwohl bis zu den Zähnen bewaffnet, war 233

Rußland ein von der Armut und Mißwirtschaft gezeichnetes Land. Hitler hätte einen Verhandlungsfrieden mit England vorgezogen, weil dadurch die Gefahr eines Zweifrontenkrieges im Westen wie im Osten beseitigt worden wäre. Obwohl England nicht in der Lage war, sofort eine neue Front aufzubauen, konnte sich die Lage ohne einen Friedensabschluß unversehens ändern, weil dadurch einem feindseligen Stalin die Möglichkeit gegeben wurde, Deutschland im Rücken anzugreifen. Die Sicherheit gebot es, zuerst Stalin auszuschalten. So ergab sich das Dilemma, dem sich Hitler 1941 gegenüber sah, aus den drei erwähnten Faktoren ungenügender Verteidigungsvorbereitungen — andernfalls hätte er auf England Druck ausüben können, um zu einem Kompromißfrieden zu gelangen — sowie aus der Politik der beiden globalen Verbündeten Roosevelt und Stalin. Letzterer enthüllte seine fortgesetzte Feindschaft gegenüber Deutschland, indem er schon im Juni 1940 den Vertrag mit Deutschland verletzte. Diese Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt im März 1941 im Zusammenhang mit der jugoslawischen Revolution sowie dem Freundschaftspakt, den Stalin mit den antideutschen jugoslawischen Revolutionären der Regierung Simowitsch am 5. April 1941 schloß. Sicherlich war Hitlers Präventivschlag gegen Stalin vom 22. Juni 1941 nach internationalem Recht genauso rechtens wie der Schlag der Japaner gegen Pearl Harbor wegen der US-amerikanischen Blockade Japans und des darauf folgenden Ultimatums. Als Hitler 1936 auf dem Nürnberger Parteitag sagte, Deutschland würde im Überfluß schwimmen, wenn es die Uralgebiete hätte, meinte er damit nicht, daß er die Uralgebiete in Besitz nehmen wollte, sondern er wollte nur klarmachen, daß das System, in dessen Besitz sie sich befanden, nicht richtig funktionierte. Die barbarische Behandlung von Rudolf Heß,* dem uneingeladenen Gesandten, der am 10. Mai 1941 durch militärische Luftzonen bis nach Schottland flog, gab Hitler den letzten Beweis dafür, daß die Engländer einen deutsch-russischen Krieg, der das 234

europäische Gleichgewicht auf Dauer aus den Angeln heben könnte, nicht nur nicht fürchteten, sondern sogar in ihrer politischen Blindheit in ihre Überlegungen miteinbezogen. Die Engländer hätten nämlich erkennen müssen, daß ein solcher Krieg einen eindeutigen Gewinner haben würde, der vom britischen Standpunkt aus in jedem Fall die Vorherrschaft und eine übergroße Macht erlangen würde. In meiner Debatte mit Martin Gilbert (siehe oben) räumte dieser ein, daß Churchill sicherlich gezögert und sogar einen Kompromißfrieden mit Hitler geschlossen hätte, hätte er zu dieser Zeit vom Bündnis FDR-Stalin gewußt. Vor allem aber dann, wenn er gewußt hätte, daß Roosevelt mit Churchills Kriegs- und Nachkriegsvorstellungen nichts gemein hatte. Die diplomatische Gelegenheit vom Mai 1941, die Heß günstig ausgewählt hatte, war einmalig und nicht zu wiederholen. Zur sowjetischen Politik 1940—41 Die Einhaltung des deutsch-russischen Nichtangriffspaktes von 1939 kam Stalin sehr gelegen. Er nahm an, daß Hitler in einem blutigen Stellungskrieg mit den Franzosen und Engländern ausgelaugt werde, während er sich in aller Ruhe dem russisch-finnischen Krieg widmen könne, bei dem die Russen den Finnen im Verhältnis von 50:1 überlegen waren. Es war kennzeichnend für Stalin, daß er ohne vorherige Kriegserklärung die finnische Hauptstadt Helsinki am 30. November 1939 bombardieren und Finnlands zweitgrößte Stadt Viborg (Viipuri) völlig entvölkern ließ. Es machte ihm auch Spaß, Estland, Lettland und Litauen unter seine Knute zu bringen. Er errichtete dort ab Oktober 1939 gegen den Willen der betroffenen Regierungen See- und Landstützpunkte. Mit Hitlers Blitzkriegserfolgen in Frankreich und Skandinavien änderte sich für Stalin das Blatt. Möglicherweise waren es jene militärischen Erfolge, die Churchill zu der Überzeugung kommen 235

ließen, Hitler sei schlimmer als die Hölle. Die Verletzung der Neutralität Norwegens durch England zwang Hitler gegen seinen Willen zum Norwegenfeldzug ab April 1940. Und es ist auch zutreffend, daß Hitler noch vor dem Frankreichfeldzug England und Frankreich einen Kompromißfrieden angeboten hatte. Noch vor Unterzeichnung des deutsch-französischen Waffenstillstandes verletzte Stalin im Juni 1940 die deutsch-russische Vereinbarung über Rumänien. Darüber hinaus startete er in geheimer Zusammenarbeit mit FDR und Churchill einen Propaganda-, Spionage- und Sabotage-Feldzug gegen Deutschland. Das Ziel der jugoslawischen Regierung war die Neutralität. Neutral waren die Jugoslawen nicht nur aus Überzeugung, sondern ebenfalls aus der Tatsache heraus, daß es schon seit 1929 schwere innere Zerwürfnisse zwischen Kroaten und Serben gab. Diese traten besonders stark zu Tage, als die jugoslawische Regierung gestürzt wurde: über zwei Millionen Serben und Kroaten kamen anschließend bei den inneren Streitereien ums Leben. Das Ergebnis der sowjetischen und anglo-amerikanischen Einmischung in Jugoslawien war am 27. März 1941 der Sturz der jugoslawischen Regierung, dann der deutsche Balkanfeldzug ab 6. April 1941 und in den folgenden Jahren das Hochkommen des Partisanen und fanatischen Bolschewisten Tito. Tito errichtete 50 Konzentrationslager, in denen viel mehr Menschen umkamen als in denen der zwölf Jahre des Dritten Reiches. Wie Lenin, der Gründer des Bolschewismus und des Konzentrationslagersystems in Rußland, so erfreute sich auch Tito einer guten jüdischen Presse (siehe Isaac Don Levine, Lenin, New York 1924). Aus demselben Grund hatten auch bis vor kurzem die israelischen Konzentrationslager in Palästina eine gute Presse. Erst in jüngster Zeit lassen sich auch jüdische Stimmen vernehmen, welche die israelischen Übergriffe brandmarken. Wie in der früheren Auseinandersetzung mit Polen, so hatte Hitler 236

auch gegenüber Stalin wegen dessen dauernder Verletzungen des deutsch-russischen Nichtangriffspaktes nach internationalem Recht genügend Gründe, Krieg zu führen. Churchill hatte Stalin und sein Regime stets als verachtenswert angesehen. Während des russischfinnischen Krieges 1939—1940 hatte Churchill sogar in Rußland einmarschieren wollen. Zur selben Zeit betrachtete er Hitler als einen politischen Führer, den England benötigen würde, wäre es in einer ähnlichen Lage wie das Deutschland von 1918. Seine Lobeshymnen auf Stalin ein Jahr später lassen sich nur mit einer völligen politischen Kehrtwendung erklären, wobei der Zweck die Mittel heiligt. Zum deutsch-russischen Krieg Kaum hatte der deutsch-russische Krieg nach einmonatiger Verzögerung* am 22. Juni 1941 begonnen, stellte sich bereits wieder die Frage nach einer unabhängigen Ukraine, zumal die schnell vorrückenden deutschen Truppen bis November 1941 die Ukraine mit ihren sechzig Millionen Einwohnern völlig besetzt hatten. Im Cape Code 1-Klub für Männer erörterte ich diese Frage mit dem ausgezeichneten ukrainischen Historiker Basil Dymitrischin, dem Verfasser des Buches Moscou and the Ukraine sowie verschiedener Einzeldarstellungen, darunter einer über die Waffen-SS im Gebiet Galizien, wo Dymitrischin geboren wurde. Als ukrainischer Nationalist bedauerte er das Versäumnis Deutschlands, 1941 nicht mit einem klaren Unabhängigkeitsplan für die Ukraine in der UdSSR einmarschiert zu sein. Obwohl ich für seinen Standpunkt voll und ganz Verständnis hatte, erinnerte ich daran, daß Karl XII. 1709 bei Poltawa wegen der Ukrainer gescheitert war. Die gleiche mangelnde * Grund war der Balkanfeldzug wegen der jugoslawischen Revolution und

des fortdauernden griechisch-italienischen Krieges, der durch den glänzenden Sieg der deutschen Fallschirmjäger über Kreta beendet wurde. 237

Zuverlässigkeit habe sich 1918 bei Hetman Skorpadski gegenüber den Deutschen gezeigt. Auch die Polen unter Pilsudski wären 1920 vor Kiew Opfer der Unzuverlässigkeit des ukrainischen Anführers Petljura geworden. Die Frage, ob die Ukrainer Großrussen oder eine eigenständige Nation sind, stellt sich seit der Zeit des Kosakenaufstandes gegen die Polen im Jahre 1648. Und trotz überragender ukrainischer Historiker, wie Doruschenko Hruschewsky, Dymitrischin und Faris Boris, wurde die Frage nie endgültig beantwortet, da die sowjetischen Herrscher der Ukraine bislang jegliche Erörterung der Frage verhinderten. Die Zeit mag kommen, wenn die Ukrainer zusammen mit anderen Völkern der südlichen UdSSR ihre Angelegenheit in die eigenen Hände nehmen und beweisen, daß sie eigenständige Nationen sind. Bis zu einem solchen Zeitpunkt sollten sich ausländische Beobachter allerdings zurückhalten Zum anderen erfahren Staaten, die in Kriegszeiten aus dem Staatsgebiet eines Kriegführenden ohne dessen Zustimmung herausgeschnitten werden, keine internationale Anerkennung. Der Fall von Brest-Litowsk im März 1918 war anders gelagert. Joffe, Lenin und Trotzky kamen überein, Polen, Finnland, der Ukraine und den baltischen Staaten die Unabhängigkeit zu geben. Einer Politik der Unabhängigkeit gegenüber der Ukraine hätte Stalin nur zugestimmt, wenn er trotz der Unterstützung durch Roosevelt völlig niedergerungen worden wäre. (Erich Kern hat in seinem Buch Der große Rausch — Rußlandfeldzug 1941—1945, Zürich 1948 u. Göttingen 1962, deutscherseits ein sehr gutes Argument für einen eigenen ukrainischen Staat vorgebracht.) Alexander Daliin (Ein Haus auf Sand gebaut, 1958), der Sohn des berühmten russisch-jüdischen Stalinkritikers David Dahin, sammelt in seinem umfangreichen Werk fast jedes mögliche Argument, um Hitler in pragmatischer Weise anzuklagen, er habe seinen Interessen und seinen Zielen zuwider eine kurzsichtige Politik zur Niederringung Stalins verfolgt. Eines der Hauptargumente von Dahin lautet: Hitler 238

hätte den Völkern der Sowjetunion sofort Regierungsverantwortung geben sollen, und er hätte sie vor allem gegen Stalin bewaffnen sollen. Wie erfolgreich eine solche Politik in Anbetracht der Partisanenpolitik Stalins gewesen wäre, läßt sich nicht beantworten. Man wird dabei an das Schicksal des Reichskommissars für Weißrußland Wilhelm Kube im Jahre 1943 erinnert. Kube diente Hitler als eine Art Musterbeamter. Er kümmerte sich in jeder Hinsicht um die Menschen in seinem Bereich. Sein Dienstmädchen war ihm treu ergeben. Aber nachdem man einige ihrer Verwandten entführt und gefoltert hatte, ließ sie sich überreden, eine Bombe unter Kubes Bett zu legen, die diesen am 22.9.1943 tötete. Man wird an Dedijers Versuch erinnert, die Tito-Partisanen reinzuwaschen (The Partisan Movement, New York, mit einem Vorwort von Eleanor Roosevelt) — zum Beispiel: Partisanen bewegten sich friedlich in der Nähe eines kroatischen Klosters, als plötzlich Mönche unter ihren Kutten Maschinenpistolen hervorholten und die Partisanen niederschossen. Ein solcher Vorgang ist kaum vorstellbar. Dedijer zufolge waren dann die Partisanen, wenn auch widerstrebend, gezwungen, das Kloster zu zerstören usw., usw. Es gibt einige Gründe anzunehmen, daß Hitler aus dem Sowjetbereich viele Freiwillige bekommen hätte. Doch stand ihm kein unbeschränkter Nachschub an modernen Waffen zur Verfügung, um außer den deutschen Armeen und ihren Bündnispartnern wie den Finnen, den Rumänen, den Ungarn, den Kroaten und Italienern wietere Truppen mit Kriegsmaterial zu versorgen. In der Nummer 1/85 des Journal of Historical Review weist Walter Sanning darauf hin, daß Stalin bei seinem wohlgeordneten Rückzug die meisten Verwaltungsleute, Techniker und mögliches militärisches Personal mitnahm und Hitler eine riesige wirtschaftliche Last hinterließ. Die Deutschen mußten sich um eine große Bevölkerungszahl versorgungsmäßig kümmern. Bis zu einem gewissen Grad wurde die deutsche Militärverwaltung damit glänzend fertig. Der katholische Feldgeistliche 239

Walter Perlau berichtet in seinem Buch Priester in Hitlers Heer (Stuttgart 1962) vom Mittelabschnitt der Rußlandfront in den Jahren 1942 und 1943, die russische Jugend hinter der deutschen Front sei genauso ziellos wie die polnische. Auf die Frage nach dem Sinn des Lebens sei die typische Antwort russischer Jugendlicher »mehr Wodka« gewesen. Das liegt einfach daran, daß im Vergleich zu Stalins Knute das Leben unter der deutschen Besetzung geordnet und gut war. In den seltenen Fällen, in denen deutsche Soldaten russische Frauen vergewaltigten, wurden sie bestraft, einige sogar mit dem Tode. Als die sowjetischen Truppen deutschen Boden erreichten, forderte der jüdische Propagandachef Ilja Ehrenburg die sowjetischen Soldaten auf, ihre unschuldigen Zivilopfer zu schänden und zu töten. Und die meisten taten dies mit Freude. Was sich die Amerikaner an Vergewaltigungen, Plünderungen und Diebstahl sowie an Morden im Westteil des Reiches erlaubten, ist auch erheblich. Dies ist für jemanden wie mich keine Überraschung, wenn man die bestialischen und lügnerischen Propagandafilme kennt, die den US-Soldaten vor der großen Landung in Europa 1944 gezeigt wurden. Der typisch amerikanische Frauenschänder, oft in Anwesenheit zahlreicher Zeugen, war mit seiner Antwort schnell zur Hand: »Sie wollte es so!« Stalin hatte nicht weniger als 50 jüdische Frontgenerale, als er im Januar 1945 nach Deutschland vordrang. Und diese zögerten nicht, die Aufrufe Ilja Ehrenburgs an die Soldaten weiterzugeben. Stalin brachte erst im letzten Kriegsmonat Ehrenburg zum Schweigen und drohte, ihn wegen Rassismus zu bestrafen. In der amerikanischen Zone wurde ein einundzwanzigjähriger Marxist namens Henry Kissinger (seine aus Fürth in Mittelfranken stammenden Eltern waren ebenfalls Marxisten) Besatzungskommandant in einer Stadt; seine dortigen Maßnahmen waren mehr als drakonisch. Als im Jahre 1941 der Krieg die UdSSR erreichte, kümmerte sich 240

Stalin nicht um die örtliche russische Bevölkerung; er verlagerte die Fabriken zusammen mit den dafür benötigten Fachkräften hinter den Ural und ließ die Masse der Bevölkerung ohne Märkte zum Ein- und Verkaufen zurück. Der Krieg mit dem Reich war weitgehend Stalins Schuld, indem er eine starke Invasionstruppe gegen Deutschland an den Grenzen konzentriert hatte, indem er offen um freundschaftliche Beziehungen mit England buhlte — damit verletzte er seine eigenen Vertragsverpflichtungen — und indem er gemäßigte Bedingungen für eine Übereinkunft mit Hitler ausschlug. — Wie W. Sanning in dem angeführten Beitrag aufzeigt, gelang es den Deutschen im allgemeinen, die Bevölkerung zu ernähren. Doch stellte dies auf die Dauer einen gewaltigen Aderlaß für den deutschen Nachschub dar. Die anglo-amerikanischen Flächenbombardierungen fanden seit dem 11. Mai 1940 ununterbrochen statt — am Vortag hatte Churchill mit FDRs Segen unumschränkte Vollmachten als neuer britischer Regierungschef erhalten. Es ist nicht übertrieben, wenn man feststellt, daß diese Bombardierungen ebensoviele Kriegsverbrechen und Strafmaßnahmen, die alles bisher Dagewesene übertrafen, gegen einen zivilisierten Staat darstellten. Und die Verursacher waren offensichtlich ebenfalls zivilisierte Staaten. Hitlers gelegentliche Vergeltungsschläge gegenüber England waren vergleichsweise unbedeutend. Verrat in Deutschland Ernst von Weizsäcker, der Verräter im deutschen Außenministerium und dort als Staatssekretär ranghöchster Beamte nach Reichsaußenminister Ribbentrop, machte am Vorabend des Zweiten Weltkrieges kein Hehl daraus, daß er ein Gegner der Hitlerschen Politik war (siehe Hamilton Fish, Der zerbrochene Mythos — Roosevelts Kriegspolitik 1933-1945, Tübingen 31989, S. 107ff.). Verrat war im Dritten Reich genauso an der Tagesordnung wie während der 1. französischen Republik Ende des 18. Jahrhunderts. Der einzige Unterschied bestand 241

darin, daß es mehr Verrätern gelang, sich in höchsten Stellungen bedeckt zu halten. Dies traf auf ein Dutzend Generale aus dem Hochadel zu, ging über den Abwehr-Chef Admiral Canaris zu Schacht und einigen anderen Gefolgsleuten im Wirtschaftsbereich bis hin zu vielen Diplomaten — die Botschaft in Tokio zum Beispiel schützte den russischen Meisterspion Richard Sorge. Wie Bullitt mir gegenüber 1947 versicherte, brachte von Weizsäcker den Mythos der sechs Millionen umgebrachter Juden in Umlauf. Er habe dies Allen Dulles, dem Chef der US-Abwehr in der Schweiz, mitgeteilt. Aus dieser Quelle sei sie 1943 zu den amerikanischen Juden gekommen. Mittlerweile ist diese Behauptung zur offiziellen Bonner Politik geworden, wie der große Auschwitz-Schauprozeß in Frankfurt in den Jahren 1963 bis 1967 es unter Beweis gestellt hat. Es erübrigt sich zu betonen, daß die Behauptung des deutschen Verräters höchst umstritten ist. Daß Bonn eine solche Politik betreibt, beruht auf dem Umstand, daß Politiker wie Adenauer und Brandt versuchten, sich so weit wie möglich auf Distanz zu Bismarck, Wilhelm II. und Hitler zu halten. Ohne die militärische Unterstützung der USA würde die Bonner Republik genauso über Nacht zusammenbrechen wie das Ostberliner Regime ohne die russische Unterstützung. Der englische Zeitgeschichtler David Irving ließ die deutsche Ausgabe seines Buches Hitlers Krieg (München 1983) zurückziehen, weil eine Stelle bewußt falsch übersetzt war: Nach der Niederlage bei Rostow hatte Hitler erklärt, er gehe gegen jeden vor, der während des Krieges den Juden etwas antue, nur weil sie Juden seien. In der Übersetzung hieß es dann, daß »nun der Zeitpunkt gekommen sei, gegen die Juden vorzugehen«. Seit den Enthüllungen von Ostrogorski, dem besten Kenner der amerikanischen Parteiengeschichte, ist es erwiesen, daß die amerikanischen Politiker die größten Lügner in der Welt sind. Es sollte daher ein offenes Geheimnis sein, inwieweit sich ihr Einfluß in Bonn bemerkbar gemacht hat. 242

Es steht fest, daß sich die häufig genannten Grausamkeiten der Deutschen nie mit denen ihrer Gegner messen konnten. Harry Elmer Barnes hat in seinen späten Veröffentlichungen immer wieder darauf hingewiesen. Und dies trifft selbst dann zu, wenn man die Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden unterstellt, was natürlich zweifelhaft ist. Walter Sanning (Die Auflösung des osteuropäischen Judentums, Tübingen 1983) weist nach, daß es im Herrschaftsbereich Hitlers gar nicht so viele Juden gegeben hat. Zudem ist die Welt heute voll von Überlebenden und deren Nachkommen. Sanning, der ein ausgezeichneter Statistiker ist, schätzt, daß im Zeitraum 1933—45 mindestens viermal so viele Juden durch Stalin als durch Hitler ums Leben kamen. Als kurze Zeit nach dem unangekündigten sowjetischen Einmarsch in Ostpolen — der deutsche Einmarsch kam nicht überraschend; er wurde von den Polen durch die grausamen Übergriffe gegen die Volksdeutschen sowie eine feindselige Bündnispolitik ausgelöst — Stalin nach Ostpolen geflohene Juden befragte, ob sie hierbleiben oder in den Westen Polens zurückwollten, ließ er all diejenigen, die die letzte Frage mit »Ja« beantworteten, in offenen Wagen und ohne Nahrung nach Nordrußland verfrachten. In seinem Bericht über seine Tätigkeiten im Zweiten Weltkrieg spricht das Internationale Rote Kreuz in Genf 1947 von etwa 300 000 Toten in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches während der Jahre 1933 bis 1945; die Hälfte davon seien Juden gewesen. Viele dieser Todesfälle gehen auch auf das Konto der anglo-amerikanischen Flächenbombardierungen, und zwar direkt durch Bombardieren von Wohn- wie Fabrikgebäuden sowie indirekt durch nicht mehr kontrollierbare Epidemien, wie zum Beispiel die Typhus-Epidemie in Bergen-Belsen, als die Bombardierungen die Verbindung mit draußen unterbanden. Oswald Pohl, der die Lager die ganze Zeit über gewissenhaft mit allem versorgte, war nach einer Besichtigungsreise im April 1945 ein gebrochener Mann, als er nur einen Teil dessen, was die alliierten Bomber angerichtet hatten, sehen konnte (siehe hierzu 243

David Hoggan, The Myth of the Six Million, Los Angeles 1969, S. 77 ff.). Es ist schon vorher erwähnt worden, daß Eleanor Roosevelt bis in den September 1939 die typische Auffassung der amerikanischen Oberschicht (»WASP = White Anglo Saxon Protestant — weißangelsächsisch-protestantisch«) gegenüber den Juden geteilt hatte. Sie wollte sie jedoch weniger boykottieren, als ihren Einfluß zurückdrängen. FDR teilte ihre Meinung, als er zum Beispiel Ibn Saud, dem König von Arabien, sagte, er würde ihm gern fünf Millionen amerikanische Juden geben. Das Ende des Dritten Reiches Hitlers Drittes Reich wurde buchstäblich in den letzten Stunden des Unterganges zerrissen. John Toland ist am Ende seiner HitlerBiographie recht anständig, wenn er feststellt, daß der Nationalsozialismus mit Hitler unterging, obwohl es ihm sicherlich schwer gefallen wäre, dies den Soldaten und Offizieren, die Breslau verteidigten, am 6. Mai 1945 zu erklären. Diesen Eindruck haben Toland und die übrige Welt, weil die grausamen, unbarmherzigen Besatzer Deutschlands, vor allem die Amerikaner, eben eine fanatische Unwissenheit besitzen. Auch Creel hatte diese Unwissenheit, als er seinen primitiven, aber höchst wirksamen Propagandakreuzzug gegen Kaiser Wilhelm II. führte. Dieser kam nur deswegen um seinen Thron, weil sich Hindenburg auf Grund seines Handels mit Noske und den Sozialdemokraten weigerte, den Kaiser zu verteidigen oder ihn verteidigen zu lassen. Er bedrängte ihn, nach Holland zu fahren. Göring machte vor dem Nürnberger Tribunal bei der Verteidigung des Dritten Reiches eine glänzende Figur. Er verdeutlichte gegenüber dem Gerichtshof wie auch der Welt, daß er noch immer Nationalsozialist war. In seinem Münchener Prozeß sagte Otto Ernst Remer viele Jahre später klar und deutlich, daß nur Narren sich 244

verpflichtet sähen, jede Einzelheit des Nationalsozialismus zu verteidigen. Er könne jedoch keinen Grund erkennen, warum ein Großteil der Erbschaft Hitlers für das deutsche Volk in der Zukunft nicht von Nutzen sein könnte. Das ist der springende Punkt. Die Besatzer sind fanatisch entschlossen, dem deutschen Volk jegliches Vermächtnis von Bismarck, dem letzten Kaiser und Hitler vorzuenthalten. Dies ist die schreckliche Bedeutung der schmutzigen Formel »1945, Jahr des Nullpunktes«, mit anderen Worten: zu diesem Zeitpunkt beginne alles aus einem Nichts. Die Geschichte Deutschlands ist weitaus ehrenvoller als die von England. Warum zwang man nicht die Engländer, das Jahr 1988, das Jahr der 400jährigen Wiederkehr der ArmadaSchlacht, als »Jahr des Nullpunktes« zu bezeichnen? Die Amerikaner haben ihren Kommißstiefel noch immer auf dem deutschen Nacken. Und sie beugen noch immer diesen Nacken, wie sie es in den vergangenen vierundvierzig Jahren gemacht haben. Wenn jedoch der amerikanische Anspruch auf Weltherrschaft und der amerikanische Imperialismus zusammenbrechen, wenn alle Amerikaner wie Karnickel nach Hause rasen, dann ist es für Deutschland an der Zeit, sich mit dem Vermächtnis des Nationalsozialismus näher zu beschäftigen. Huey P. Long wurde 1935 in Lousiana ermordet. Dennoch weiß jeder gebildete Amerikaner von seinem Vermächtnis. Auch in Argentinien wissen die Menschen um das Vermächtnis von Juan, Evita und Isabelle Peron, weil Peron soziale Gerechtigkeit brachte und sich gegen die Rockefellers und den amerikanischen Imperialismus stellte. Man wird sich an Long erinnern, weil er gegen FDR vorging und für seinen Staat längst überfällige volksfreundliche Reformen erkämpfte. Aber all dies ist nichts im Vergleich zur Herausbildung des Gemeinschaftsgeistes, der Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit und der Hochführung eines geschlagenen und mißbrauchten Deutschlands 245

zu einer führenden Weltmacht in den dreißiger Jahren. Diese Blütezeit, ehe sie von außen erfolgreich angegriffen und zerstört wurde, hat weniger als ein Jahrzehnt gedauert. Ist es doch auf Dauer nicht vorstellbar, daß auch diese Zeit für das deutsche Volk ein geschichtliches Vermächtnis darstellt?

246

1

Gespaltenes Deutschland und Revisionismus

»Vieles spricht dafür, daß noch in diesem Jahrhundert die deutschen Gebiete — Westdeutschland, Mitteldeutschland, Österreich — vereint sein werden.« Prof. David L. Hoggan, 1987

247

248

Westdeutschlands Vergangenheitsbewältigung Den bestmöglichen Zugang, das Weimarer Deutschland nicht nur mit dem vorangegangenen Zweiten Reich (»Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt!«) und dem ihm nachfolgenden Dritten Reich (»Gemeinnutz geht vor Eigennutz!«), sondern auch mit dem amerikanischen Marionettenstaat Westdeutschland von 1949 zu vergleichen — im Vergleich zur DDR und Österreich ein Paradies an Duldsamkeit — , bietet wiederum das Buch von Harry Elmer Barnes (Revisionism and Brainwashing, aaO.). Barnes vergleicht darin unter anderem seine freundliche Aufnahme im Deutschen Reich als ausländischer Revisionist bei der Verteidigung Deutschlands in den Jahren 1926 und 1927 mit der Ablehnung von ausländischen Revisionisten in der heutigen Bundesrepublik. Kurz vor meiner Vortragsrundreise durch Westdeutschland und Österreich im Jahre 1964 besuchte ich noch Barnes — für Österreich habe ich lebenslängliches Einreiseverbot erhalten. Was dem österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim kürzlich widerfuhr, ist nichts im Vergleich zu dem, was mir in Österreich, mit Ausnahme von Graz, geboten wurde. Ich erinnerte Barnes daran, daß er seit 1950 nicht mehr in Europa war, und damals hatte er die meiste Zeit damit verbracht, zu Revisionisten in Frankreich und Italien zu sprechen. Ich sagte ihm, daß 1947 die amerikanische Propaganda noch nicht gefruchtet hatte und daß die meisten Deutschen, mit denen ich gesprochen hatte, von Vorurteilen frei waren und noch immer das Schicksal ihres Führers bedauerten. Fünf Jahre später, 1952, als ich noch immer im Land war, hatte sich alles geändert. Ein ehemaliger Frontsoldat des Zweiten Weltkrieges, dessen Schwester in einem Warschauer Gefängnis saß, weil 249

sie einen SS-Mann geheiratet hatte, schrieb eine Abhandlung über die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation. Er behauptete, Roosevelt habe eine menschliche Politik betrieben. Und wie das von der Schlange hypnotisierte Kaninchen war er für keinerlei Argumente mehr zugänglich.

Der Spruch Bismarcks vom 6. 2. 1888 wurde als Postkarte kurz vor dem Krieg weit verbreitet. Der ganze Wortlaut: » Und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen läßt.«

Ein großer blonder Pommer sagte, es sei ein gerechter Ausgleich für Hitlers Übeltaten, daß sein Heimatland Pommern an Polen gefallen ist. Gegen Ende meines Lehrauftrages in München sagten mir Studenten nach und nach, daß meine Vorlesungen einseitig wären, da ich Wilson und Roosevelt gegenüber zu kritisch, Hitler und vor allem 250

dem deutschen Volk gegenüber zu großzügig sei. Viele Studenten betrachteten Bismarck als einen überheblichen Spitzbuben, und Ernest Hemingway war ein beliebter Schriftsteller, da ihnen die Art gefiel, wie er die Erschießung von Deutschen beschrieb. Im Zusammenhang mit den Geschwistern Scholl wurde es Hitler auch nicht als Verdienst angerechnet, daß er ihren professoralen Ziehvater, Professor Huber, sein Buch über Leibniz beenden ließ. Touristen gegenüber gaben sie auch eine völlig verzerrte Schilderung über das Lager Dachau. All dies machte mir deutlich, daß ich mich auf feindlichem Boden befand, als ich 1964 meine Vortragsrundreise begann. In der Weimarer Republik waren ausländische Revisionisten willkommen, in der BRD lehnt man sie ab. Was uns hier begegnet, ist nichts, was man persönlich nehmen sollte oder was ich persönlich genommen habe. Die Geschichte bewegt sich in entsprechend großen Zyklen, die der Historiker Karl Lamprecht als die psychologischen Gesichtspunkte der Geschichte beschreibt. Dazu ein Beispiel. Hellmut Diwald (Deutsche Geschichte, Propyläen, Frankfurt 1978) berichtigt in seiner Zusammenfassung des Siebenjährigen Krieges den großen Leopold von Ranke, der mehr als jeder andere auf diesem Gebiet geforscht hat. Diwald führt auch keines der Argumente an, die Ranke zu seiner Schlußfolgerung veranlassen. Nach Rankes Auffassung waren beide Kriegführende im Recht — Friedrich der Große bei seiner mutigen Kriegführung wegen Schlesiens und Maria-Theresia wegen ihrer heldenhaften, aber letzten Endes erfolglosen Verteidigung. Diwald zufolge war nur die Tochter Karls VI. im Recht. Sicherlich gibt es Kriege, in denen eine Seite im Recht ist, so wie Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg, und die andere Seite im Unrecht, so wie England und seine Verbündeten.— Ranke hat in seiner Deutschen Geschichte den Sachverhalt bis in Einzelheiten hinein untersucht, wie dies auch Sidney B. Fay (Der Ursprung des Weltkrieges, 2 Bde., Berlin 1930) getan hat. Jeder, der Fays Buch gelesen hat, muß 251

feststellen, daß Deutschland das Opfer, nicht jedoch der Verursacher der Zustände von 1914 bis 1918 war. Die Lage zwischen 1740 und 1763 war eine völlig andere. Ranke zeigt auf, daß Preußen einen Anspruch auf drei der sieben schlesischen Herzogtümer hatte. Dies hatte Friedrich Wilhelm I. zwecks Abrundung des preußischen Gebietes in diesem Raum mit den Habsburgern ausgehandelt, die dafür mit Besitz im Rheinland entschädigt wurden. Friedrich Wilhelm I., der im Jahre 1713 den Thron bestieg, als der spanische Erbfolgekrieg mit dem Frieden von Utrecht zu Ende ging (Österreich machte noch ein Jahr bis zum Vertrag von Rastatt weiter), liebte seine Soldaten. Er war mehr für eine gute Verteidigung denn für Kriege. Er hielt sich aus dem polnischen Erbfolgekrieg heraus, in dem Prinz Eugen seine erste Niederlage erlitt. Als Österreich die Rheinland-Schlesien-Abmachung in Frage stellte, wartete der »Potsdamer Führer« (Titel einer Biographie von Robert Ergang über Friedrich Wilhelm I., New York 1941) erst einmal ab. Doch sein Sohn, der spätere Friedrich der Große, griff nach der Thronbesteigung zum Schwert. Wie kann Diwald behaupten, daß die Hohenzollern keinerlei Grund hatten? Und wie kann Diwald auf den großen Ranke herabblicken? Wer behauptet, Bismarck habe die Deutschen klein erscheinen lassen, weil er so viel für sie tat, ist im Unrecht. Und ich bin mir auch sicher, daß dies die Leute von Hitler gesagt hätten, wäre er nicht in seinem Wirken durch den Krieg des Jahres 1939 und vor allem durch die unvermeidbaren Auseinandersetzungen mit den bösartigen Verbündeten Roosevelt und Stalin unterbrochen worden. 1982 brachte ein wohlhabender deutscher Geschäftsmann namens Köster seinen Sohn nach Menlo College, an dem ich damals lehrte — zur Zeit meiner Vortragsrundreise durch Westdeutschland und Österreich im Jahre 1964 lehrte ich an der kalifornischen Staatsuniversität von San Francisco. Ich stand in der Nähe des Menlo-Leiters O‘Brien und unterhielt mich mit einem einheimischen Deutschamerikaner namens 252

Bill Moser. Ich hörte, wie Köster in fließendem, jedoch nicht akzentfreiem Englisch zu diesem Verwaltungsbeamten von Menlo sagte: »Das Dumme mit Euch Amerikanern ist, daß ihr überhaupt keine Ahnung habt, was für ein furchtbarer Mensch Hitler gewesen ist!« Selbstverständlich ist dies die Äußerung eines unwissenden Tölpels, denn jedermann müßte eigentlich wissen und weiß es auch, daß die USA wie kein anderes Land auf der Welt in den letzten fünfzig Jahren mit Lügenpropaganda über Hitler überrollt worden sind. Natürlich wußte Köster, der schon mehr als einmal in den USA war, dies genauso gut wie ich, vielleicht noch besser. Seine Äußerung hatte er eindeutig gewählt, um sich vorteilhaft in Szene zu setzen. Ehrlichkeit und Anstand blieben dabei auf der Strecke. Ich begegnete jedoch dieser Geisteshaltung bei vielen Mitgliedern des deutschamerikanischen Klubs in San Francisco, wenn bekannte deutsche Redner, Klaus Mehnert zum Beispiel, kamen, um Hitler im besonderen und Deutschland im allgemeinen lächerlich und verachtenswert darzustellen. Von Anfang an war ich im Klub als schwarzes Schaf gebrandmarkt, als ich einmal zwei deutschen Geschäftsleuten in einem Gespräch mitteilte, daß ich schon lange mit der hochgebildeten und reizenden Frau von Ribbentrop, der Witwe des hingerichteten Reichsaußenministers, bekannt sei. Da dieser bundesdeutsche Haß (vom mitteldeutschen DDR-Haß ganz zu schweigen) auf das Wahre, das Gute und das Schöne, was natürlich auch einen echten Zugang zu den Epochen des Zweiten Reiches, der Republik von Weimar und des Dritten Reiches versperrt, ins Psychologische hineinreicht, hatte ich mich am Ende meines Vergleichs der drei Staatsformen an Dr. Thomas Engelsing gewandt. Dr. Engelsing, dessen Vorfahren aus Holstein kommen, ist in Berlin geboren und hat lange in München gelebt. Er besitzt die höchste psychiatrische Auszeichnung der Harvard-Universität sowie die höchste psychologische Auszeichnung der Cornell-Universität. Dr. 253

Engelsing ist zufällig auch Direktor des größten DrogenRehabilitationszentrums im Süden der Bucht von San Francisco. Zudem leitet er verantwortlich sieben Erziehungsprogramme. Dr. Engelsing ärgert sich schon seit dem Jahr 1981 über Präsident Reagans törichte Versuche, den Vietnamkrieg mit seinem riesigen Schwarzmarkt, seinem Drogenmißbrauch, seinem sexuellen Mißbrauch bis hin zu Vergewaltigungen, die oft mit dem Tod ihrer Opfer endeten, und dem unaufhörlichen Abschlachten von unbewaffneten Zivilisten jeden Alters und Geschlechts reinzuwaschen und aufzuwerten. Die Propaganda von Lord Bryce aus dem Ersten Weltkrieg über deutsche Grausamkeiten in Belgien, die sich später als Lüge herausstellten (siehe Ponsonby, aaO.), nimmt sich im Vergleich zur Verworfenheit der Amerikaner in dem mehr als vierzehn Jahre dauernden Krieg recht harmlos aus. Der Vietnamkrieg endete nicht »unentschieden« wie im geteilten Korea, sondern in einer völligen und schändlichen Niederlage für die US-Amerikaner. Warum die Amerikaner die Franzosen ermunterten, nach 1945 noch länger dort zu bleiben — ihre Niederlage war 1954 besiegelt — , und warum dann die Amerikaner sechs Jahre später bis zu ihrer Niederlage dort blieben, wurde nie begründet. Nun fühlen sich Millionen von Vietnamesen zusammen mit Millionen von Mexikanern, Koreanern und Chinesen ermutigt, in Amerika einzuwandern, sozusagen in einer Art letzter Anstrengung, um die Weißen in einer Woge von Farbigen zu überrollen. Dr. Engelsing sagt aus, daß er nach Tausenden von Gesprächen mit ehemaligen Vietnamsoldaten keinen einzigen getroffen habe, der den amerikanischen Einsatz und Krieg in Vietnam als berechtigt und gerechtfertigt bezeichnet habe. Dr. Engelsing sagt von sich, er stamme aus einer vaterländischen Familie, aus der viele hervorragende Wissenschaftler hervorgegangen seien. Er habe auch alle seine Verwandten nach Amerika geholt, damit sie so dem Eigenhaß, der Selbsterniedrigung und der Selbstentwürdi254

gung in Deutschland entgehen würden. Er betrachtet genauso wie ich Bismarck, Wilhelm II. und vor allem Hitler als die größten politischen Führer der Moderne, und er ist ein noch größerer Bewunderer Friedrichs des Großen als ich. Im Vergleich zu den Vorgenannten sind für ihn Roosevelt, Stalin und Churchill nicht nur Mindermaß, sondern auch geistige Krüppel. Ich fragte Engelsing, wie er unter solchen Umständen zufrieden sein könne, in den USA zu arbeiten, in denen zur Zeit mit Reagan ein zweitrangiger FDR-Schüler an der Macht sei, in einem Land, in dem im Gegensatz zu Deutschland mindestens 40 Prozent der 239 Millionen Einwohner mehr oder weniger Analphabeten sind, also kaum oder wenig lesen können. Er sagte, dies sei nicht einfach, doch helfe es ihm, daß er sich gefühlsmäßig nicht an das Schicksal Amerikas, für das er keine großen Erwartungen hege, gebunden fühle. Darüber hinaus sei es ihm möglich, jedes Jahr einen längeren Urlaub in Europa zu verbringen, in erster Linie in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern wie in Griechenland und Italien. Er ließ mich auch wissen, daß er nicht geheiratet habe, weil er nicht seinen Kindern erklären wolle, warum die Deutschen Hitler nicht mögen. Ich erinnerte ihn daran, daß zur Zeit der Weimarer Republik selbst der österreichische Marxist Karl Kautsky Revisionist war, ganz zu schweigen auch von Alfred von Wegerer und seinen Berliner Monatsheften (Fortsetzung seiner überaus revisionistisch ausgerichteten Zeitschrift Die Kriegsschuldfrage). Fast alle führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, von denen Gustav Stresemann und Reichspräsident von Hindenburg die herausragendsten gewesen seien, hätten sich gegen das »Versailler Diktat« aufgelehnt und sich gleichzeitig gegen das alliierte Dogma der deutschen Alleinkriegsschuld am Ersten Weltkrieg gewehrt. Engelsing erinnerte mich daran, wie es der Adenauer-Nachfolger Erhard zugelassen habe, daß die auf Veranlassung des US-Generals Lucius D. Clay erfolgte ungerechte Währungsreform als seine Tat 255

dargestellt wird und daß Adenauer selbst bereit war, eine von außen diktierte Verfassung anzunehmen, die unter anderem auch auf der Stalinschen Verfassung von 1936 beruhte, in der jede Freiheit, die in einem Paragraphen gewährt, im selben oder nächsten Paragraphen wieder aufgehoben wurde. Engelsing erwähnte weiterhin, er sei für das deutsche Volk im Jahre 1946 in München — damals hungerte er — hoffnungsfroher gestimmt gewesen als 1955, als sich schon die wirtschaftliche Wiederbelebung zeigte, die letzten Endes ein Ergebnis des US-Einsatzes im Koreakrieg war. Gleichzeitig ließen es aber die meisten Deutschen geschehen, daß sie, auf Grund der furchtbaren US-Propaganda geistig manipuliert, dahinsiechten. Er äußerte weiterhin die Auffassung, daß die manipulierte jüdische Frage nicht der entscheidende Faktor sei. Seiner Meinung nach sei der entscheidende Faktor der egozentrische amerikanische Empirismus, der Deutschland angesteckt und es seiner selbst überdrüssig gemacht habe. Dies sei das Ergebnis der amerikanischen Besetzung und Kontrolle ganz Westdeutschlands, von über zwei Drittel des gesamten deutschen Gebietes. Ich fragte ihn: Was wäre, wenn sich die Amerikaner auf Grund des wirtschaftlichen Niederganges zum Rückzug gezwungen sähen? Dann würde er nach Deutschland zurückkehren. Westdeutschland und die USA Westdeutschland befindet sich unter weitgehender US-Kontrolle. Hinzu kommt eine nunmehr schon 40jährige militärische Besatzungszeit durch Soldaten, die als Vergewaltiger und Drogenabhängige bekannt sind. Mitteldeutschland befindet sich hundertprozentig unter sowjetischer Kontrolle — Berlin, das in vier Zonen aufgeteilt ist, bildet eine Ausnahme. Die Ostgebiete, aus denen man die Deutschen vertrieben hat, befinden sich ebenfalls völlig unter sowjetischer, polnischer und tschechischer Herrschaft. In Österreich 256

haben auf Grund des Vertrages von 1955 die Sowjets großen Einfluß; hätten die Russen etwas gegen die Wahl von Kurt Waldheim einzuwenden gehabt, hätten sie gegen dessen Wahl Einspruch erheben können. So bildet das »moderne Deutschland« ein Durcheinander, welches das Ergebnis nicht etwa des Friedens, sondern des furchtbarsten Krieges aller Zeiten ist. Nur ein Blinder vermag nicht zu erkennen, daß ein halbes Jahrhundert später der Krieg immer noch andauert (siehe F. A. App, Der erschreckendste Friede der Geschichte, Salzburg 1947). Hat sich US-Amerika je für Roosevelts unverschämte und beleidigende »Quarantäne-Rede« vom 5. Oktober 1937 entschuldigt? Hat sich England je mit einem Wort für Chamberlains unwahre und beleidigende Rede vom 17. März 1939 über deutsche Welteroberungsabsichten entschuldigt ? Haben sich Gorbatschow oder irgendein anderer hochrangiger Sowjetpolitiker für den blutigen Rachefeldzug eines Ilja Ehrenburg im Jahre 1945 entschuldigt? So lange zumindest Derartiges nicht geschieht, kann man nicht von einer Beendigung des Zweiten Weltkrieges sprechen. Das Schlimmste jedoch ist eine Entwicklung, die ich schon vor vierzig Jahren im Gespräch mit jungen Menschen in Deutschland kommen sah. Da Deutschland in beiden Kriegen so viele Feinde hatte, war es nur natürlich, sich einen dieser Feinde herauszupicken, um ihn sich zum Freund zu machen. Warum also nicht US-Amerika, das mehr als andere, auch als England, einen großen Anteil deutschen Blutes hatte. Oberflächlich betrachtet schien dies im Nachkriegsdeutschland von 1947 durchaus logisch. Ich warnte jedoch vor dieser Einschätzung. Auf Grund der Schlechtigkeit sowohl von Wilson als auch von Roosevelt gegenüber Deutschland war US-Amerika bis in die absehbare Zukunft hinein der schlimmste Feind geworden, den Deutschland je in seiner ganzen Geschichte gehabt hatte. Kein Feind hatte Deutschland je so gehaßt und für immer seine Vernichtung gewünscht wie die USA. Man glaubte mir 1947 nicht, und man glaubt mir auch 257

heute kaum. Die geistige Krankheit und Verwirrung, die in Deutschland vorherrschen, gehen auf die Unfähigkeit zurück, in USAmerika seinen schlimmsten Feind zu erkennen. Zur Zeit sieht es so aus, als würde die amerikanische Besetzung Deutschlands jahrhundertelang dauern, vielleicht sogar ein Jahrtausend, und dies mit der Zustimmung der proamerikanischen westdeutschen Politiker, würde sich nicht schon glücklicherweise ein wirtschaftlicher Zusammenbruch US-Amerikas abzeichnen, der natürlich auch Folgen für das gesellschaftliche und politische System hätte. Als einfache, bodenverwurzelte, naive Siedlerrepublik ist USAmerika an der Bürde von Imperialismus, Weltherrschaft und Weltpolitik allmählich krank geworden. Sicherlich kann es wieder zu sich selbst zurückfinden, wenn es aufhört, sich in die Angelegenheiten der östlichen Welthälfte einzumischen. Wer wollte die Weltherrschaft? Mit Blick auf all die falschen Anschuldigungen gegenüber Hitler mutet es fast ironisch an, wenn man feststellen muß, daß er zu keinem einzigen Zeitpunkt des Zweiten Weltkrieges irgendeinen Ehrgeiz für eine weltweite Politik gehabt hat. Seine drei Hauptwidersacher jedoch verfolgten eindeutig weltpolitische Ziele. Churchill strebte im Zweiten Weltkrieg genau das gleiche an wie Earl Grey und Lloyd George im Ersten Weltkrieg, nämlich die Festigung und Ausweitung des britischen Weltreiches. Stalin wiederholte immer wieder, er wolle im Einzugs- und Grenzgebiet der UdSSR nicht nur Vasallenstaaten schaffen, sondern dabei gleichzeitig auch Lenins Programm einer Weltrevolution durchsetzen. Roosevelt betrachtete dies als verständliches und berechtigtes Anliegen (siehe George N. Crocker, Schrittmacher der Sowjets, Tübingen o. J.). Seit dem Jahr 1933 sah sich Roosevelt zusammen mit Stalin als Partner in einer weltumfassenden Politik, die dann möglicherweise in 258

das System einer »One World« einmünden würde. Insofern freute er sich über das gleichnamige Buch seines republikanischen Gegenkandidaten im Jahre 1940, Wendell Willkie (One World, New York 1942). Ihn hatte er auch 1941 zu einem Freundschaftsbesuch in die UdSSR geschickt. — Willkie, der bis 1938 bei den Demokraten war, wurde 1940 auf Grund der Taktik des republikanischen Parteiapparates zum FDR-Gegenkandidaten aufgebaut und aufgestellt. Nach Alf Landon, den man 1936 Hoover vorzog, ging im Jahre 1944 mit Thomas Dewey ein weiterer schwacher republikanischer Kandidat gegen FDR ins Rennen.— Ein gewichtiger Herausforderer wie Huey Long — er hatte bis 1932 unter gewissen Einschränkungen Roosevelt unterstützt —, der 1936 gegen Roosevelt hatte antreten wollen, wurde 1935 von dem Juden Dr. Weiss ermordet. So hatten die Amerikaner nie eine richtige Möglichkeit, Roosevelts politisches Programm und politische Ziele zu beurteilen. Alle drei Kandidaten waren ein »FDRAbklatsch«. Im Gegensatz zu Roosevelt hatten Hitler, Wilhelm II. und Bismarck ihre politischen Absichten und Ziele nie vor dem deutschen Volk verheimlicht. Dies trifft auch für die Mehrzahl der Weimarer Politiker zu. Bismarck verschleierte nie die Tatsache, daß er nach dem Ausschluß Österreichs aus dem Zweiten Reich (»kleindeutsche Lösung«) die Vormachtstellung Preußens, wenn auch unter neuen Einschränkungen, die durch nationaldeutsche Politik und gesamtdeutsche Überlegungen entstanden waren, bewahren wollte. Dennoch war er großzügig, als er im Bundesrat den anderen Staaten des Zweiten Reiches eine höhere Vertretung zubilligte, als ihnen auf Grund ihrer Bevölkerungszahl zustand. Die Verfassung des Zweiten Kaiserreiches gab Preußen ein wirksames Vetorecht — zum Beispiel gegen einen Antrag eines Mitgliedsstaates, den Bund, das Zweite Reich, aufzulösen. Natürlich wurde auch den anderen Bundesstaaten ihre eigene Verfassung zugestanden, wobei Hamburg, Lübeck und Bremen Republiken, Bayern und Sachsen Königreiche innerhalb des 259

Kaiserreiches waren. Bayern und Sachsen hatten auch Sonderrechte im Militärwesen, bei der Post und bei der Eisenbahn. Die Schwierigkeiten der USA Der Materialismus ist zweifelsohne in allen Ländern mehr oder weniger ein unbestreitbarer Wesenszug. Die USA müssen jedoch heute als das materialistischste Land schlechthin gelten, so wie es beim Römischen Weltreich im 4. Jahrhundert der Fall war. Man spricht mehr über Religion als zu den Zeiten der Besiedlung, als die Prediger noch mehr Macht als heute hatten. Der materialistische Niedergang ist das Hauptthema meines Buches Das blinde Jahrhundert (Bd. 1, Tübingen 1979). Dieses Buch behandelt außerdem die Schwäche der derzeitigen amerikanischen Politiker und ihr Unvermögen, mit dem zunehmend schwierigen Problem des Handelsdefizits sowie der Verschuldung der öffentlichen und privaten Hand fertigzuwerden. Zum erstenmal seit 1914 sind die USA in den letzten Jahren zu einer internationalen Schuldnernation geworden, und zwar zur größten überhaupt. Die Medien haben nichts unternommen, um die Bürger auf die Auswirkungen dieses Sachverhaltes hinzuweisen. Wenn die Amerikaner die größten Schuldner sind, dann bedeutet dies, daß sie härter als andere Völker arbeiten müssen, und dies zu einer Zeit, da die Amerikaner ebenso lässig und bequem wie die Polen werden. Es erscheint fast unmöglich, daß sie in der Lage sein werden, ihren Haushalt jemals auszugleichen und ihre Auslandsschulden zu bezahlen. Das beste Buch für den interessierten Laien, das jüngst erschienen ist und dazu beitragen kann, die Wirklichkeit zu sehen und das Problem zu verstehen, ist David Stockmans The Triumph of Politics and the Failure of the Reagan Revolution (New York 1987). Stockman war von 1981 an bis vor kurzem Reagans Haushaltsexperte und zuständig für die Haushaltsplanung. In seinem Buch beschreibt er auch eine 260

Kabinettssitzung aus dem Jahre 1981, auf der Wirtschaftsfragen diskutiert wurden. Obwohl Reagan ein großer »New Deal«-Anhänger und FDR-Bewunderer war, zog er unter anderem mit der Forderung in den Wahlkampf, die aufgeblasene Bundesbürokratie zu verringern. Auf dieser Sitzung schlug Edwin Meese, ein etwas anrüchiger Unternehmer, der zudem noch immer wegen Bestechungsaffären mit dem Gesetz zu tun hat, aber nach der Reaganschen Regierungsübernahme dessen Hauptberater wurde (später diente er Reagan als Generalbundesanwalt), Reagan gegen den heftigen Widerspruch von Stockman vor, die Frage der Bundesfinanzen auf die lange Bank zu schieben, da dies im Augenblick nicht sehr populär sei. Statt dessen sollte man zuerst die Steuern senken. Das Ergebnis war, daß die Steuern gewaltig gesenkt wurden — nicht für die kleinen Leute, sondern für die großen Unternehmen. Zur gleichen Zeit stiegen die Bundesausgaben schnell an, vor allem wegen des sogenannten Verteidigungshaushaltes von Caspar Weinberger. Weinberger selbst beklagte sich, daß er jährlich von den großen Rüstungsfirmen um rund 100 Milliarden Dollar betrogen wurde. Es sollte jedem klar sein, daß Reagan, der nicht besonders intelligent ist, genauso wie FDR von Wirtschaft nichts versteht, zudem von schlechten Beratern umgeben war und voller ehrgeiziger militärischer Pläne steckte, geradezu geeignet war, sämtliche amerikanischen Defizite schneller zu vermehren als jeder andere Verantwortliche vor ihm. In einer Rede anläßlich des Besuches des japanischen Regierungschefs Nakasone hat Reagan den republikanischen Präsidenten Herbert Hoover beschuldigt, den Amerikanern die sogenannte zwölfjährige Wirtschaftskrise gebracht zu haben, weil er das von Smoot-Harley ausgearbeitete Schutzzollpaket unterzeichnet habe. Aus dem Munde Reagans ist dies eine dümmliche Feststellung. Wahrscheinlich nach dem Korea-Krieg wurde aus dem roten Demokraten Reagan der Republikaner Reagan; doch greift er noch immer Herbert Hoover an, während er FDR und Kennedy in den 261

Himmel lobt. Auf jeden Fall war Smoot einer der besten Wirtschaftsfachleute im Senat. Als Hoover das Schutzzollgesetz unterzeichnete, gab es bei 130 Millionen Werktätigen in den USA bereits 15 Millionen Arbeitslose. Würde Reagan etwas von Ursache und Wirkung verstehen, könnte er nicht behaupten, daß das Schutzzollgesetz aus dem Jahre 1931 die Wirtschaftskrise von 1929, die 1931 schon auf dem Höhepunkt war, hätte verursachen können. So weit zum Thema Meese, der Reagan den törichten Rat gab, erst die Steuern zu senken und die Ausgaben zu kürzen. Stockman war in der Lage, Beispiele anzuführen, die das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war, bewirkten. Doch diese wurden beiseite geschoben. Stockman stellte in seinem Buch die schlecht anzuzweifelnde Behauptung auf, daß Reagans zweimalige Präsidentschaft, ein Zeitraum von acht Jahren, schon in den ersten drei Monaten hoffnungslos und unwiderruflich gescheitert war. Stockman ist jedoch auch einer der ersten, der einräumt, daß Reagan ein sehr volkstümlicher und beliebter Präsident ist, weil er sehr erfahren ist und sorgfältig und gut mit der Öffentlichkeit umzugehen weiß. Und trotzdem wird er nach Stockman als der letzte US-Präsident vor dem Ruin in die Geschichte eingehen. Als die »Fortschrittlichen« in Kalifornien im Aufwind (Hirama Johnson war damals Gouverneur) waren, fingen viele Leute an zu glauben, eine ehrliche, aufrichtige und mutige Politik sei durchaus möglich. Damals schrieb Franklin Hirchborn, Journalist an der Stanford-Universität, den Aufsatz »Scum at theTop« (siehe HirchbornDokumente, Stanford). Hirchborn war wie Gustavus Myers (siehe Das blinde Jahrhundert, Bd. 1, aaO., S. 149): er ging bis an die Ursprünge zurück. 1987 wurde unter anderem die Zweihundertjahrfeier der zweiten und derzeit gültigen US-Verfassung abgehalten. Der von Präsident Nixon ernannte Oberste Bundesrichter Burger hatte sich sozusagen in den Vorruhestand versetzen lassen, um die in den Monat September 262

fallende Feier richtig vorbereiten zu können. Aber für Leute wie Hirchborn, Myers und Hiram Johnson (nicht zu vergessen Ignatius Donelly aus Iowa, Bob Lafollette aus Wisconsin, George Record aus New Jersey, Henry U‘ren aus Oregon und Rush D. Holt aus West Virginia) war die Unterzeichnung und Annahme dieser Verfassung ein Schritt in die falsche Richtung. Das Ziel dieser Verfassung war es, eine Altschuld zu gleichen Teilen bezahlen zu lassen und somit künftige Geschlechter mit Schulden und Steuern zu belasten, die nur einigen Plutokraten zugute kommen konnten. Häufig, wie zum Beispiel in Pennsylvanien, wurden damals betrügerische Methoden angewandt, damit die neue Verfassung auch in den Staaten, die dagegen waren, angenommen wurde. Um George Washington zu gefallen, wurde ein Überpräsidentenamt geschaffen, das ihm mehr Rechte zubilligte, als der englische König Georg III. je in Amerika besessen hatte. So wurde die Möglichkeit geschaffen, daß das Übel von der Spitze her einsetzte: bei einem falschen Regierungs- und Verwaltungssystem sind schlechte und schwache Persönlichkeiten sowie Bestechlichkeit und Verderbnis die Regel — August Belmont, der jüdische Vorsitzende der Demokratischen Partei nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, sagte zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten Sam Tilden: »Wir wollen Männer als Präsidenten, die nicht stehlen, die aber auch nichts gegen die unternehmen, die stehlen.« Das ist Engelsgeläut für die Ohren eines unaufrichtigen Plutokraten, der im Hintergrund die Fäden zieht. Auf jeden Fall kommen so Leute ins Präsidentenamt, die entweder direkt oder indirekt stehlen. Henry Ford sen., der 1915 das Friedensschiff für Europa zu einer letztlich erfolglos gebliebenen Vermittlung angeheuert hatte und der 1940 Charles Lindbergh aufgefordert hatte, im Präsidentschaftswahlkampf gegen FDR anzutreten, um zu verhindern, daß die USA durch Roosevelt in einen weiteren europäischen Krieg hineingezogen würden, befand sich 1941, also noch vor dem japanischen Angriff auf 263

Zwei Jahrhunderte Demokratie in Amerika, und immer noch kein echtes »Volk«!

264

Pearl Harbor, bei seiner Rouge River-Fabrik, um mit dem Bau von Panzern und LKWs riesige Gewinne zu machen. Der Schlüssel zu Roosevelts Erfolg war Bestechung. Reagan ist der einzige FDR-Nachfolger, von dem mit Recht gesagt werden kann, daß er FDR verehrt. Obwohl die anderen Nachfolger (Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon, Ford und Carter) Roosevelt entweder ablehnten oder nicht mochten, so haben doch alle anerkannt, daß er mit seinen vier Wahlsiegen einer der beliebtesten amerikanischen Präsidenten war. Roosevelt hatte wenig Achtung vor der Verfassung und behauptete, er könnte mit zehn Millionen Dollar jede Änderung verhindern. Er hatte auch wenig Achtung vor dem Gesetz. Dies wird unter anderem durch die Tatsache belegt, daß er und Joseph Kennedy sen. noch kurz vor der Aufhebung der Prohibition ein Vermögen mit illegalem kanadischen Schnaps machten. Und das, obwohl die Verfassung eindeutig vorschreibt, es sei Aufgabe des Präsidenten, dem Kongreß die Gesetze vorzulegen. Nixon vergaß dies, als er seine Helfer zu Einbrüchen anstiftete (Watergate). Reagan ließ dies außer acht, als er die sogenannten »Contras« in Nicaragua weiterhin mit Waffen versorgen ließ, obwohl der Kongreß ein Gesetz verabschiedet hatte, das ein solches Tun nach amerikanischem Recht als Verbrechen einstufte. Ähnlich verhält es sich mit der Verminung des nicaraguanischen Pazifikhafens Cortina. Mit sieben zu null Stimmen verurteilte der Weltgerichtshof dieses Vorgehen der Reagan-Regierung. Reagans typische Bemerkung, für ihn sei die Entscheidung des Weltgerichtshofes ohne Belang, übersieht die Tatsache, daß die USA 1907 die Haager Vereinbarung anerkannt und bislang nicht aufgekündigt haben. Reichskanzler Brüning hatte nach einer Haager Entscheidung, die wohl unter starkem französischen Druck zustande gekommen war, seinen Plan einer Zollunion mit Österreich im Jahre 1931 fallen lassen müssen. 265

Reagans Unglück ist und war es, daß er glaubte, nur FDR nachahmen zu brauchen, und dies würde als Antwort ausreichen. Roosevelt, der Hoover als Geldverschwender beschimpft hatte, gab in den ersten hundert Tagen mehr Geld aus als sein Vorgänger in vier Jahren Amtszeit. Auch Reagan griff Carter wegen der Ausgabenpolitik heftig an. Er kam an die Macht und verdoppelte nicht nur seinen eigenen Apparat, sondern schraubte auch die öffentliche Verschuldung auf eine Höhe, die Carter als einen Stümper auf diesem Gebiet erscheinen läßt. Als Ergebnis dieser Reagan-Politik läßt sich vorhersagen, daß die USA wirtschaftlich schneller auf den Hund kommen, als dies die pessimistischsten Wirtschaftspolitiker für möglich gehalten hatten. Der große deutsche Wirtschaftsfachmann August Lutz hatte vor zwanzig Jahren (1967) erklärt, daß sich die amerikanische Wirtschaft auf dem absteigenden Ast befinde und ein Zusammenbruch unvermeidlich sei. Er hatte jedoch nicht gewagt, einen Zeitpunkt vorauszusagen. Das Gleiche hatte auch John Kenneth Galbraith vor zehn Jahren (1977) gesagt. Er stellte fest, die amerikanischen Politiker seien zu feige, um letztmögliche Schritte in die Wege zu leiten, welche den Zusammenbruch vermeiden könnten. Doch auch er ließ sich auf keinen Zeitpunkt für einen Zusammenbruch ein. Reagans unfähiger Umgang mit internationalem Recht, US-Recht sowie der US-Wirtschaft hat das Problem zumindest insoweit geklärt, daß nach allgemeiner Auffassung internationaler Fachleute das globale System des militärischen US-Imperialismus das, was der amerikanische Publizist Henry Luce das »20. amerikanische Jahrhundert« nannte, nicht überleben wird (siehe D. L. Hoggan, Das blinde Jahrhundert, Bd. 1 u. 2, aaO.). Reagan kann nie hoffen, ein zweiter FDR zu werden, der als Weltkriegsverbrecher Nummer eins nicht mehr einzuholen ist. Dennoch besteht die Möglichkeit, daß sich Deutschland heute einer ähnlichen Lage wie einst Hitler gegenüber sehen kann: der in den USA 266

gemachten Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929. Und dieses Problem kann auf die Verantwortlichen der Bundesrepublik, der DDR sowie der Republik Österreich sehr schnell zukommen.— Der amerikanische Journalist Richard Threlked äußerte anläßlich der 750-Jahrfeier von Berlin, wohl in einer großzügigen Geste, seine Hoffnung, daß die Stadt ihren 800. Geburtstag wieder als eine Einheit feiern könne. Die politische Gesamtlage wie auch die politischen Änderungen werden schneller sein: man kann die sichere Wette eingehen, daß man nicht erst bis zum Jahre 2037 wird warten müssen, sondern daß schon gegen Ende des 20. Jahrhunderts Berlin wieder eine von ausländischer Besetzung freie geeinte Stadt und als solche die rechtmäßige Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschland sein wird. Die falsche deutsche Haltung Für die deutschen Intellektuellen stellt sich nun die notwendige Aufgabe, politische Programme und Pläne für die Zeit zu entwickeln, wenn die tödliche Umarmung des amerikanischen Einflusses in Europa ein für allemal vorüber sein wird. Erwin Guido Kolbenheyer (aaO.) traf einmal in München einen Bekannten, der ihn gerade in der US-Lizenzzeitung Die neue Zeitung in hämischer Weise angegriffen hatte. Auf seine entrüstete Frage nach dem Warum erhielt er zur Antwort: »Die Amerikaner, die Amerikaner …« Kolbenheyer verbat sich eine solche windige Entschuldigung. Kolbenheyers Entrüstung gegenüber deutschen Bekannten, welche die Amerikaner vorschieben, um ihr jammervolles charakterliches Verhalten zu entschuldigen, ist durchaus verständlich. — Ich erinnere mich noch gut an eine Diskussion mit fünfzig jungen Deutschen im Jahre 1947. Damals warnte ich die jungen Leute mit folgenden Worten: »Ihre Einstellung gegenüber den Polen, den englischen Imperialisten und den Sowjets läßt sehr zu wünschen übrig. Die optimistische Meinung, daß Amerika nur vorübergehend vom rech267

ten Weg abgekommen sei, ist unrealistisch, weil erstens Amerika am Zweiten Weltkrieg glänzend verdient hat und zweitens die amerikanische Bevölkerung durch eine teuflische Kriegspropaganda total verseucht ist. Im Vergleich dazu war die Propaganda des George Creel-Büros im Ersten Weltkrieg fast harmlos. Unrealistisch ist ebenfalls die Einstellung, daß Amerika, in dem Deutsche seit 1683 siedeln und zur insgesamt stärksten Volksgruppe geworden sind, bald zu jener Art Freundschaft zurückfinden wird, wie sie um 1870 herrschte, als der US-Botschafter Bancroft Moltke mitteilte, Präsident Grant wünsche, daß Deutschland das Frankreich Napoleons III. besiege. (Siehe Gazley, American and German Unification, New York 1926) Man antwortete mir, Deutschland habe so viele Feinde und man müsse erreichen, daß das Land, in dem so viele Deutschstämmige leben, wieder zu einer Politik echter Freundschaft zurückfinde. Natürlich ist es heute leicht einzusehen, daß ich damals einen zentralen Punkt angesprochen hatte. Seitdem sind vierzig Jahre vergangen, und man sieht immer noch nicht das leiseste Anzeichen dafür, daß die deutsch-amerikanische Freundschaft so werden könnte wie zur Zeit Bismarcks. Im Gegenteil: die offizielle antideutsche Propaganda ist heute in den USA schlimmer als zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. In den USA wie auch in Westdeutschland gibt es keine akademische Lehrfreiheit. Niemand kann, gleich auf welcher Stufe, Geschichte unterrichten oder lehren, der gegenüber Wilhelm II. oder Hitler positiv eingestellt ist. Die offizielle Meinung ist die, daß alle guten Deutschen nach der Revolution von 1848 nach Amerika gegangen seien. Nach diesem Zeitpunkt seien alle führenden deutschen Politiker gewissenlose und machthungrige Tiere gewesen. Und die Deutschen nach 1945 seien nichts anderes als zynische Opportunisten, denen man niemals trauen könne. Die selbstgefällige und überlegen tuende Haltung des mangelhaft gebildeten Durchschnittsamerikaners (man denke nur daran, wie wenig Wissen ein Mann wie Ronald Reagan besitzt) ist zum Teil auch 268

das Ergebnis der schmeichelnden deutschen Haltung, wie sie schon 1947 sichtbar wurde. Kurt Ziesel (Das verratene Gewissen, Darmstadt 1961) ist offensichtlich durch das unglaubliche Zurschaustellen eines schlechten Charakters, eines schlechten Gewissens und offenen Lügens, das für 98 Prozent der Deutschen nach 1945 kennzeichnend ist, verwirrt, weil er nie vermutete, diese ganze Schauspielerei gehe auf den vergeblichen Versuch zurück, die Freundschaft der Amerikaner zu gewinnen. Selbst den Engländern wurde übel bei dem Gedanken an einen Kollaborateur wie Adenauer, der später erster Bundeskanzler innerhalb einer von außen diktierten Verfassung wurde. Im Vergleich zu Brandt, der ihm sechs Jahre nach seinem Rücktritt als Kanzler nachfolgte, war Adenauer ein Engel. Der verzweifelte Versuch, die Freundschaft der amerikanischen Etablierten nach 1945 zu gewinnen, dauert an. Doch wird einem solchen Versuch kein endgültiger und dauerhafter Erfolg beschieden sein. Hätte Hitler nach 1945 noch gelebt, dann hätte er darüber gelacht, und zwar so, wie er immer über die Dummheit anderer lachte. Er erkannte deutlich, daß die Deutschen in politischer Hinsicht das einfältigste Volk auf der Welt sind. Wie sonst läßt sich die Tatsache erklären, daß sie in ihrer mehr als 1000jährigen Geschichte im Gegensatz zu den Engländern, Franzosen und Polen nur 74 Jahre geeint waren? Kennzeichnend dafür ist ein Vorgang aus dem Jahre 1948. Ludwig Erhard, einer der späteren Kanzler, beklagte sich anläßlich der Währungsreform bei General Lucius Clay, warum dieser ihn als den führenden Wirtschaftsfachmann nicht bei dieser Reform um Rat gefragt habe. Clay hatte bei diesem Vorgang seine jüdischen Glaubensgenossen reich gemacht, indem den Deutschen 20 Mark zugestanden wurden. Clays Antwort war genial: »Was wollen Sie denn? Ich überlasse Ihnen die Ehre für diesen ganzen Mist. Ich werde ankündigen, daß der Plan, der zur wirtschaftlichen Normalisierung in 269

A. M. Langs Karikatur aus dem Jahr 1952 zeigt, daß der deutsche Adler an der Kette Amerikas bleibt – trotz offenen Käfigs. Westdeutschland führen soll, ganz und gar Ihren Überlegungen und Ihrem praktischen Einsatz entsprach. Darüber hinaus wird ein getrenntes Währungssystem dem sowjetischen Unfug ein Ende setzen, ein vereinigtes Deutschland unter ihrem Einfluß zu schaffen.« — Erhard, ein sogenannter freier Marktwirtschaftler, konzentrierte sich wie die meisten Deutschen darauf, die Freundschaft der Amerikaner und der amerikanischen Juden zu gewinnen. Nach zwei Generationen, während derer die Deutschen gegenüber 270

den dümmlichen US-amerikanischen Imperialisten die dummen Auguste und Hofnarren spielten, wären die Deutschen für immer verloren, gäbe es da nicht jenen Deus ex machina. Und dieser liegt in dem verrotteten und selbstzerstörerischen US-Amerika selbst. Ob die Deutschen es wollen oder nicht, sie werden die Gelegenheit bekommen, zu jenem Idealismus und jener moralischen Lauterkeit zurückzufinden, die sie unter Bismarck, Wilhelm II. und Hitler hatten. Die Tage, in denen sie im amerikanischen Müllhaufen mitleben mußten, sind fast vorüber. Man wird an Alain de Benoists Alptraum erinnert (siehe Die entscheidenden Jahre, Tübingen 1982, S. 88), an einem Morgen in Brooklyn aufzuwachen und an einer Imbißbude einen Hamburger zu essen. Die »Freundschaft« der Westdeutschen (mit 62 Millionen stellen sie den größten Teil der mehrfach geteilten deutschen Nation; grenznahe Minderheiten gibt es auch in den russisch, polnisch und tschechisch besetzten Ostgebieten sowie in Italien — Südtirol — , Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark) gegenüber US-Amerika ermöglichte es einem Herrn Reagan, bei seiner Rede an der Berliner Mauer im Juni 1987 zu behaupten, die amerikanischen Streitkräfte würden die Westdeutschen und ihre Freiheit weiterhin verteidigen. Trotz Adenauers verräterischem, wenn auch erfolglosem Versuch, die Rückkehr der Saar 1955 nach Deutschland zu verhindern, sollte man dennoch anständigerweise zugeben, daß er die deutschfranzösische Freundschaft und Zusammenarbeit, die auf Hitler und Petain zurückgehen, fortführte. 1963 wurde sie von de Gaulle erneuert. Dasselbe taten später Pompidou, Giscard d’Estaing und Mitterrand. Diese Freundschaft und Zusammenarbeit, die Vorbedingung für den Erfolg dieser beiden Länder im 21. Jahrhundert, konnten ihre Möglichkeiten wegen der verwerflichen Anbiederung der Westdeutschen gegenüber den Amerikanern noch nicht voll ausschöpfen. Sobald die Amerikaner nicht mehr da sind, wird sich dies alles ändern. 271

Die Haltung der USA zu Deutschland Man wird in diesem Zusammenhang auch an das bedeutende Buch des bekannten deutsch-jüdischen Intellektuellen Hans Habe erinnert: Our Love Affair with Germany (»Unsere Liebesaffäre mit Deutschland«), New York 1960. Dieses Buch bereitete für Bahr und viele andere Juden die politische Bühne in Westdeutschland vor. Wie so viele Vorlesungen der US-Hofhistoriker Henry Steele Commager und Alan Nevins im US-Fernsehen bietet es die vorherrschende, wenn auch völlig unsinnige Meinung an, das siegreiche Amerika habe sich gegenüber dem geschlagenen Deutschland in einmaliger und einzigartigerWeise großherzig verhalten. Nehmen wir 1914, 1939 und 1949 als Beispiele.- 1914: einseitige und unfaire amerikanische Neutralität beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges bis hin zum militärischen Eingreifen, um die wirtschaftlichen Interessen der Alliierten zu schützen und Deutschland in eine Revolution hineinzumanövrieren. — 1939: de facto-Kriegseintritt der USA unter Roosevelt bei kennzeichnender Verletzung internationaler wie nationaler Gesetze vom ersten Kriegstag an. Erst die Schlüsselrede FDRs von Chicago 1937, sodann die Zerschlagung Deutschlands 1945, wobei Deutschland, und dies kann man wörtlich nehmen, aus Millionen von Wunden blutete. — 1949: Das Nato-Bündnis, das ich ablehnte (Radiodebatte 1949 in Boston), da es ein offensichtlich imperialistisches Mittel war, um Europa mit der UdSSR zu teilen und es dem Mörder Stalin zu erlauben, den östlichen Teil, und den USA, den westlichen Teil zu kontrollieren. Frankreich hat später mit der Nato gebrochen. Mit Hilfe Deutschlands wäre es den Franzosen noch leichter gefallen. In Kenntnis der drei oben knapp skizzierten Ereignisse müßte jeder aufrichtige Mensch feststellen, daß die amerikanische Politik gegenüber Deutschland durch Grausamkeit und bewußten, die Seele zerstörenden Sadismus gekennzeichnet ist. Und dieser Haß und diese 272

Verfolgung lassen sich mit dem vergleichen, was die Engländer in 700 Jahren den Iren angetan haben. Mit dem Ausdruck »Großzügigkeit« kann man die amerikanische Deutschlandpolitik nicht beschreiben. Es wäre sicherlich keine übertriebene Behauptung, daß Reagan und die anderen FDR-Epigonen gegenüber Deutschland den gleichen Haß teilten wie Wilson und Roosevelt. Am 8. August 1914 erklärte Wilson in seinem Kabinett, daß die Alliierten im Kampf gegen Deutschland wie gegen wilde Tiere kämpfen würden. Und Roosevelt behauptete am 11. November 1938, es sei schwierig zu glauben, daß Deutschland Teil der Zivilisation des 20. Jahrhunderts sei. Wenn es anders wäre, warum hat dann niemand von den genannten das ruchlose FDR-Stalin-Bündnis von Teheran und Jalta angeprangert? Warum hat Reagan nicht die Lüge von Papst Johannes Paul II. bei seinem zweiten Besuch 1983 in Polen angeprangert, als dieser behauptete, Breslau sei eine alte polnische Stadt? Würde Reagan genauso ruhig bleiben, wenn irgendein Politiker die Welt daran erinnerte, daß die israelischen Imperialisten keinen gültigen Rechtsanspruch auf Palästina haben? US-Präsidenten und Deutschland Es wurde schon erwähnt, daß zur Zeit des deutsch-französischen Krieges der US-Präsident deutschfreundlich eingestellt war. Dies war auch der frühere Präsident Thomas Jefferson, als er im Jahre 1787 die deutschen Rheinlande besuchte — Jefferson hat mit der plutokratischen Philadelphia-Verfassung, die 1987, vor allem von den wenigen Auserwählten, gefeiert wurde, nichts zu tun. Präsident John Quincy Adams war ebenfalls deutschfreundlich und über Deutschland gut unterrichtet. Das gleiche trifft auf Präsident Herbert Hoover zu, der mehrere Male in Deutschland war und zusammen mit seiner Frau ein sehr berühmtes sächsisches Bergmannslied aus dem 16. Jahrhundert — 273

damals galten die Sachsen als die besten Bergleute der Welt — ins Englische übersetzte. Nach dem Ersten Weltkrieg verfaßte Hoover ein Buch und kritisierte Wilsons unfaire, einseitige Deutschlandpolitik (siehe Americas first Crusade, New York 1938). Die Hauptthese dieses Buches lautet: Die Amerikaner können wie jede andere große Industrienation Krieg führen. Aber als hoffnungslos naive und provinzielle Siedler (mit der Schnelligkeit, mit der sie sich entwickeln, kann das noch weitere 500 Jahre dauern) mangelt es ihnen an dem Geschick und der Fähigkeit, Frieden zu schließen. Hoover zufolge bedeutet dies, daß die Teilnahme Amerikas an wichtigen Kriegen zwangsläufig weitere Nachfolgekriege auslösen werde. Es muß nicht unterstrichen werden, daß ein solches Denken tief philosophisch ist und bei US-Präsidenten durchaus selten anzutreffen ist, ja bei den übrigen US-Präsidenten dieses Jahrhunderts nicht vorhanden war. William Henry Chamberlin, der Verfasser von Geschichte der russischen Revolution (2 Bde., Frankfurt/M. 1958), ist einer der besten englischsprechenden Kenner der russischen Revolution. Als Fachmann kann man ihn zweifelsohne mit Karl Staehlin und Erdmann Hanisch in Deutschland vergleichen. Auf jeden Fall ist er ein besserer Kenner als viele russische Historiker, darunter Pokrowsky und Trotzki. Chamberlin beriet Hoover in Fragen bezüglich Polens, Rußlands und Deutschlands. Er bat Hoover um Erlaubnis, ein Buch über Roosevelt und Truman von 1939 bis zum Ausbruch des Koreakrieges zu schreiben. Hoover stimmte zu. Das Buch wurde geschrieben und erhielt den Titel Americas Second Crusade (»Amerikas zweiter Kreuzzug«, Chicago 1950). Jeder, der Chamberlin als zurückhaltenden und gemäßigten Menschen kannte, würde zögern, ihn wegen Übertreibungen zu brandmarken. Doch Chamberlin ging mit FDR und seinen Epigonen scharf ins Gericht. Wenn westdeutsche Historiker glauben, daß sie das Ansehen ihres Vaterlandes gegenüber den USA steigern, indem sie in ihren Büchern 274

Bismarck, Wilhelm II. und Hitler verurteilen, dafür Roosevelt und Wilson preisen, dann irren sie sich gewaltig. Zwar mag der eine oder andere von ihnen eine Gastprofessur in den USA erhalten. Ihre Verpflichtung gegenüber der eigenen Hofgeschichtsschreibung vermindert aber ihre Einwirkungsmöglichkeiten. Präsident Nixons Beitrag zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen bestand in der Aussage, daß seine Frau deutscher Abstammung sei. — John Kennedy erklärte seinerseits in seiner berühmten Berliner-Rede, er sei ein Berliner, und meinte damit, er stehe mit den (West-)Berlinern auf den Verteidigungsmauern der Freiheit. Dennoch pries er zwanzig Jahre nach dem russischen Sieg in Stalingrad immer noch die Sowjets, obwohl jener Sieg denjenigen Vorgang einleitete, der die Hälfte Europas in ein riesiges Gefängnis und eine riesige Hinrichtungsstätte verwandelte. Die Amerikaner mögen Schmeicheleien und Schmeichler; und sie verlangen dies sogar. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie deswegen Dankbarkeit zeigen. Kein amerikanischer Politiker setzt sich heute, 44 Jahre nach Kriegsende, für einen Friedensvertrag mit Deutschland ein. John Winant, US-Botschafter in England, einer jener typischen amerikanischen Diplomaten mit wenig Kenntnissen, wurde von Truman beauftragt, bei den Verhandlungen über die vier Sektoren in der deutschen Reichshauptstadt den US-Anteil abzustecken. Obwohl die alte Hauptstadt ringsum von sowjetischem Besatzungsgebiet eingeschlossen war, versäumte es der geistig weggetretene Winant, einen garantierten Landzugang für die drei westlichen Zonen auszuhandeln. 1947 erklärte dann Truman den Russen den Kalten Krieg, und bald kam es zu den üblichen amerikanisch-russischen Zerwürfnissen, obwohl das alte FDR-Stalin-Bündnis hinter den Kulissen bis auf den heutigen Tag wirksam blieb. Um Truman in Schwierigkeiten zu bringen, erklärte Stalin die Blockade von Berlin und hielt sie ein Jahr lang (1948—49) aufrecht, bis schließlich eine Vereinbarung über den freien Zugang zur alten Reichshauptstadt ausgehandelt wurde. Das 275

offizielle Amerika beutete die Luftbrücke sehr aus. Dabei handelte es sich weniger um eine freundschaftliche Geste gegenüber den Westberlinern als vielmehr um eine reine Machtfrage. Man braucht sich nur den Luftangriff auf Berlin vom 20. April 1945 in Erinnerung zu rufen! Bemerkungen zur Verfassung der USA Die Amerikaner feierten den 200. Geburtstag der Verfassung, bei deren Verabschiedung zwei der reichsten Amerikaner — beide heirateten wohlhabend — den Vorsitz innehatten. George Washington war Sklavenhalter und besaß die meisten Sklaven in Amerika. Benjamin Franklin, ein Plutokrat, versuchte noch 1765 für seine Verwandten Stellungen in der englischen Kolonialverwaltung zu erhalten, zu einer Zeit also, als Patrick Henry und Sam Adams, die eigentlichen Väter des amerikanischen Freiheitskampfes, für die Unabhängigkeit Amerikas schon ihr Leben aufs Spiel setzten. Beide lehnten die Verfassung von 1787 ab und bekämpften sie. Sie behaupteten nicht zu Unrecht, sie gäbe dem Präsidenten diktatorische Gewalt, sofern eine starke und rücksichtslose Persönlichkeit willens wäre, diese Möglichkeit zu nutzen. Sie beklagten sich auch, daß der US-Bundesregierung ihrerseits zuviel Macht übertragen werde. Diese Kritik kann wohl heute als allgemeine Erkenntnis angesehen werden. Es sei auch an die berühmte Rede von LBJ (Lyndon B. Johnson) 1964 in Ann Arbor, Michigan, erinnert. In dieser Rede über einen »schöpferischen Föderalismus« beklagte LBJ das unausgewogene Machtverhältnis zwischen Zentralregierung und den Regierungen der Einzelstaaten. Die Zentralregierung, so LBJ, habe den Einzelstaaten Macht zurückzugeben. Die politische Macht vor Ort würde immer zerfallen. Es braucht nicht besonders erwähnt zu werden, daß all dies nur lose Worte waren. LBJ hat vor seinem Präsidentschaftswahlkampf nie etwas für die örtlichen Verwaltungen getan, 276

ehe er 1968 wegen des Vietnamkrieges (dieser wurde am 30. April 1975 beendet) ausschied. Bedeutet das Urteil von Lord Bryce, einem skrupellosen englischen Propagandisten des Ersten Weltkrieges — er schrieb mittelmäßige Abhandlungen über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und die USA — , daß die US-Verfassung von 1787 das wundervollste Dokument sei, das je von Menschenhand geschrieben wurde, eine ehrliche und aufrichtige Aussage? Oder wurde die Bemerkung nur gemacht, um seiner Propaganda in den USA mehr Nachdruck zu verleihen? Seine Bemerkung war England gegenüber keineswegs verletzend, denn die Engländer haben keine geschriebene Verfassung. Und muß die Tatsache, daß die amerikanische Verfassung das älteste geschriebene Verfassungsdokument ist, für seine Vollkommenheit sprechen? Trug das Alter des polnischen Sejm im 18. Jahrhundert zu seinem Wert als gesetzgebender Körperschaft bei? Obwohl Bismarcks Reich und sein Verfassungssystem — wie jedes andere Verfassungssystem war es der Änderung unterworfen — nur 47 Jahre (1871—1918) dauerte, kämpften die Deutschen im Ersten Weltkrieg wie Löwen ums Überleben. Will jemand die Weisheit von Lloyd Georges Aussage aus dem Jahre 1916 bezweifeln, wonach der Preis, den die Menschen für diese Schau zu zahlen hatten, zu hoch war, und die Staaten, die diesen Krieg verlieren würden, unweigerlich in eine Revolution gestürzt werden würden ? Und dies treffe nicht nur für die absterbende österreichisch-ungarische Doppelmonarchie und das russische Zarentum, sondern auch für England und Deutschland zu. Was die USA anbelangt, so verloren sie den Krieg 1812—1815 gegen England nach Punkten. Sie verloren auch den Koreakrieg nach Punkten und sie erlitten im längsten ihrer Kriege, dem Vietnamkrieg, eine niederschmetternde Niederlage. Hätten sich die USA mitten im Ersten Weltkrieg befunden, und nicht an seinem Rand, und hätten sie gleich den Konföderierten Staaten 1865 die Niederlage erlitten, gäbe es wohl keinen Zweifel, daß die 277

Verfassung von Philadelphia aus dem Jahre 1787 abgeschafft worden wäre. Im Deutschland Bismarcks gab es weder verhängnisvolle oder auch nur bedeutsame Schwächen, die es zum Fall brachten, noch kann man sagen, daß es Deutschlands Fehler war, wenn es Opfer der heuchlerischen Kriegspolitik der USA und Englands geworden ist. Möglicherweise gewährt das 21. Jahrhundert einige späte Entschuldigungen an die Adresse Deutschlands. Zur Berlin-Frage Die Berliner werden es nun (1987) allmählich leid, daß zynische und plutokratische Politiker, für die Kennedy und Reagan als gute Beispiele gelten könnten, die Mauer, die ihre Stadt teilt, für billige Reden benutzen, denen es an Aufrichtigkeit und echter Großzügigkeit mangelt. Das geteilte Berlin ist eines der Hauptergebnisse der globalen Diplomatie Stalins und Trumans (zu Truman siehe Jules Abels, The Truman Scandale, Chicago 1955). Es wäre wirklich einfältig anzunehmen, daß es einen dieser amerikanischer Redner kümmert, ob Berlin in den nächsten hundert oder in den nächsten tausend Jahren wieder geeint ist. Mit seinen Berliner Äußerungen zur Mauer vom 8. Juni 1987, die auf Gorbatschow zielten, hatte Reagan die Befriedigung sich einzubilden, er mache billig Punkte, und diese würden ihn nicht einmal etwas kosten. Überdies wußte er, daß für das noch immer intakte FDRStalin-Bündnis keine Gefahr bestand. Es war dies für einen ›billigen‹ Politiker eine geradezu ideale Sache. Keines der weiter oben angeführten Beispiele läßt erkennen, daß die Amerikaner an Deutschland als Ganzem wirkliches Interesse haben. Das Buhlen westdeutscher Historiker um amerikanische Imperialisten wie Wilson und Roosevelt oder um einen FDR-Liebling wie den 1980 gestorbenen Tito kann der deutschen Sache nicht 278

dienlich sein. Die ständige Verunglimpfung herausragender deutscher Führungspersönlichkeiten wie Bismarck, Wilhelm II. und im gewissen Sinne auch Hitler kann nur Verachtung hervorbringen. Man darf versichert sein, daß diese Führungspersönlichkeiten, hätten die USA sie in den letzten 150 Jahren besessen, in den Himmel gelobt worden wären. Auch die Verehrung der 200jährigen US-Verfassung kann die Tatsachen nicht ändern, daß besonders das Amt des Präsidenten ein ständiger Fehlschlag ist, daß der Kongreß durch oligarchische Klüngel, die langfristig planen, verdorben ist und daß der Oberste Gerichtshof seit der Zeit Earl Warrens im Jahre 1953 dazu übergegangen ist, die Gesetze im Sinne radikalen gesellschaftlichen Wandels auszulegen. Doch all dies tritt in den Hintergrund angesichts der Tatsache, daß der globale amerikanische Imperialismus sich einem wirtschaftlichen Kollaps gegenübersieht. Dies wird die amerikanischen Imperialisten dazu zwingen, ihre Außenposten im östlichen Teil der Welt aufzugeben, um sich auf den verzweifelten Überlebenskampf im westlichen Teil der Welt zu konzentrieren. In diesem Überlebenskampf ist ausländische Hilfe, gleich von welcher Seite, stets willkommen. Dies wird jedoch eine weitere Abhängigkeit von ausländischem Kapital zur Folge haben. Es mag eingewendet werden, daß Deutschland für einen solchen weltweiten Machtwechsel unvorbereitet ist. Das ist sicherlich zutreffend, da Deutschland politisch immer noch von der Grundlage des Status quo ausgeht und im Westen die Amerikaner, im Osten die Sowjets umschmeichelt. In Österreich umschwänzelt man beide, Amerikaner wie Russen. Es gibt jedoch geschichtliche Entwicklungen, welche die politische Linie von Staaten auf drastische Weise ändern, ob sie das nun wollen oder nicht. Und in der heraufkommenden USWirtschaftskrise wird sich Deutschland als eine solche Nation herausstellen — im Gegensatz zu Deutschland sind nämlich die USA 279

keine Nation, sondern ein Konglomerat, ein Brei vieler Völker, in dem allerdings keine Gruppe vorherrscht. Es wäre dabei verfehlt, im Falle der USA von einer Nation zu sprechen, wie dies auf Frankreich und Deutschland zutrifft. Das erste Engelsgeschenk, das Deutschland in Zukunft erhalten wird, wird die Unabhängigkeit und Souveränität sein, die Deutschland seit 1945 nicht mehr besessen hat. Und es gibt viele Gründe zu der Annahme, daß diese Gabe schnell umgesetzt werden wird, sofern die drei deutschen Teilstaaten das Wiedervereinigungsprogramm erfolgreich betreiben. US-Imperialismus Das Herzstück des Bündnisses, das sich gegenüber der EGGruppierung zum Ausgang des Jahrhunderts durchsetzen wird, sozusagen das Kernstück des Ganzen, wird die ursprüngliche Sechsergemeinschaft mit einem vereinten Deutschland, Frankreich, Italien und den Beneluxstaaten mit einer Gesamtbevölkerung von rund 260 Millionen Einwohnern sein. Damit zieht man mit den beiden Supermächten gleich — etwas mehr Einwohner als die USA und etwas weniger als die UdSSR. Diese Gleichstellung mag eine Zeitlang bestehen bleiben, weil es unmöglich ist vorherzusagen, wann sich das Sowjetimperium, vor allem in Asien, aufzulösen beginnt. Gebietsmäßige Verluste sind auch für die USA denkbar, vor allem dann, wenn das lateinische Element im Südwesten der USA (Neu Mexiko, Arizona und Kalifornien) die Oberhand gewinnt. Doch wohnt dieser Entwicklung nicht das Element der Unvermeidlichkeit inne wie etwa im Falle der UdSSR. Andererseits ist auch eine Rückkehr zur Chapultepec-Doktrin der Nichteinmischung in mittelamerikanische Fragen südlich des Rio Grande durchaus wahrscheinlich. Dies würde notwendigerweise mit sich bringen, daß die Monroe-Doktrin, sofern sich die ABC-Staaten (Argentinien, Brasilien 280

und Chile) nicht anders entscheiden, aufgegeben werden müßte. In diesem Zusammenhang ist aufschlußreich festzuhalten, daß Mexiko heute an erster Stelle der US-Investitionsländer rangiert, wie dies auch vor 1914 der Fall war. Die Deutschen, die in Mexiko bereits zum zweitgrößten Investitionsland aufgestiegen sind, sind derzeit dabei, die Amerikaner zu überholen. Ironischerweise wird Israel, ein Staat, der weder militärisch noch wirtschaftlich aus eigenen Kräften bestehen kann, mit dem Niedergang der USA fast völlig von Deutschland abhängen, das bislang zusammen mit den USA die Hauptlast der Israel-Hilfe getragen hat. Das gleiche wird auch für den gegenwärtigen Sowjetsatelliten Polen zutreffen. Es besteht Hoffnung anzunehmen, daß die Polen die geraubten deutschen Gebiete im Ausgleich gegen Wirtschaftshilfe zurückgeben. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gibt es mit Deutschland keinen Friedensvertrag — nicht einmal einen solchen, der dem einseitigen Vertrag zwischen Japan und den USA aus dem Jahre 1950 entspricht. Natürlich war die dümmliche Geste Willy Brandts, die Oder-Neiße-Demarkationslinie als politische Grenze anzuerkennen, die Tat eines Narren ohne rechtliche Wirkung, da Brandt nur Repräsentant der Marionettenregierung einer Besatzungszone war und nicht für das ganze Deutschland sprechen konnte. Das sowjetisch gewordene Gebiet um Königsberg (Nordostpreußen) muß wohl auch mittels wirtschaftlicher Gegengaben herausgehandelt werden. Obwohl fast 43 Jahre seit dem Untergang des Dritten Reiches im Jahr 1945 verstrichen sind, wäre es müßig sich vorzustellen, daß der Idealismus jener Tage einschließlich der Vorstellung einer Gemeinschaft, die auf »Gemeinnutz vor Eigennutz«, und nicht auf plutokratisches Eigeninteresse, aufgebaut war, aus der deutschen Seele verschwunden ist. Genauso schwierig, wie die Freudengefühle beschrieben werden können, die Europa überkamen, als der schwarze Tod endlich besiegt war, genauso schwierig wird die Beschreibung 281

der Freudengefühle sein, wenn sich die amerikanischen Imperialisten aus diesen Ländern zurückziehen und ihre Rolle als Herren der sogenannten »freien Welt« an den Nagel hängen. Da die Amerikaner die Herren und Führer dieser Länder sein wollen, können die fraglichen Länder erst frei werden, wenn dieser furchtbare Zustand ein für allemal zu Ende ist. Selbst die Franzosen, die freier als die anderen, aber doch nicht ganz frei sind, wurden im April 1986 wie Kinder gescholten, als sie sich weigerten, bei Reagans militärischem Schlag gegen Libyen mitzumachen. Reagan hatte keinen einzigen klaren Beweis gegen Libyen, und dennoch beinhaltete der US-Angriff den teuflischen Plan, den libyschen Führer und seine ganze Familie umzubringen. Die Züchtigung Frankreichs ging über mehrere Wochen. Die Franzosen haben nicht vergessen, daß sie in ihren eigenen Vietnamkrieg nach 1945 hineinmanövriert wurden, um ebenfalls im Rahmen des MarshallPlans wirtschaftliche Hilfe zu erhalten. Der Krieg, der 1954 bei Dien Bien Phu zu Ende war, kostete die Franzosen das Doppelte von dem, was sie von US-Amerika erhielten (siehe Philippe de Pirey, Operation Waste, London 1954). Alle diese Länder gewinnen dadurch, daß die schmutzigen Machenschaften der amerikanischen Imperialisten ausgeschaltet werden. Und der größte Nutznießer dieser Entwicklung wird zweifellos Deutschland, das größte US-Opfer beider Weltkriege, sein. Trotz der Dauerbesetzung und -einmischung durch die groben, provinziellen Amerikaner und ihre jüdischen Berater seit 1945 wird sich Deutschland am schnellsten deren Einfluß entziehen und sie, wenn sie einmal abgezogen sind, auch vergessen. Denn dies ist eine unvermeidliche und natürliche menschliche Neigung. Als der Bürgermeister von Salzburg mich 1954 an der Stanford-Universität besuchte, fragte ihn irgendein Provinzonkel, was ihm an Amerika am besten gefalle. Der Bürgermeister dachte eine Minute nach und sagte: »Ihre Truppen scheinen sich hier besser zu benehmen als in meinem 282

Land.« War Bürgermeister Pacherl seinen amerikanischen Gastgebern nicht diese Offenheit schuldig? Sollte nicht jemand dem offiziellen Amerika in Europa sagen, daß es versagt hat und sich zurückziehen soll? Revisionismus heute Deutsche Revisionisten von heute, wie Dr. Stäglich und Thies Christophersen, die allmählich den Kampf gegen Geschichtsfälschungen gewinnen, bezahlen diese Siege sehr teuer: Verlust von Titeln (im Fall von Dr. Stäglich), Verlust der Arbeitsstelle, Hausdurchsuchungen, Geld- und Gefängnisstrafen (im Falle Christophersen). Sie nehmen das in Kauf, weil sie wissen, daß der Schmutz, den man auf Deutschland abgeladen hat, nicht von Dauer sein kann und daß das deutsche Volk gegebenenfalls eines Tages wieder zu sich selbst finden wird. Die Geschichte vom Massenmord an den Juden geht auf den damaligen Staatssekretär im Außenministerium, Ernst von Weizsäcker, zurück, der sie seit 1942 verbreitete und auch an den USAgenten Allen Dulles in der Schweiz weiterleitete, der sie dann 1943 den amerikanischen Juden weitererzählte (siehe dazu abweichend David Irving in Vorträgen 1988-90). Deutschlands Nachbarländer erinnern sich noch immer daran, daß die deutsche Besetzung unter Hitler anständig und sauber war. Wissenschaftler aus diesen Ländern, wie etwa Professor Robert Faurisson, verbuchen ebenfalls große Erfolge im Kampf gegen die amerikanische Propagandalüge »Nummer eins«. Selbst die eifrigsten Anhänger des US-Imperialismus in den europäischen Ländern wenden sich allmählich von den USA ab, da deren Überschreitungen immer schlimmer und unüberlegter werden. Die Aussicht auf gute Geschäfte mit den Amerikanern geht ebenfalls ständig zurück. All diese Anzeichen weisen darauf hin, daß sich 283

Deutschland wieder erholen wird. Deutschland wird mit sich selbst wieder ins reine kommen, wird sich wohlfühlen, wie dies schon einmal vor vielen Jahren der Fall war. Das Dritte Reich und Hitler werden wahrscheinlich auf Dauer die Anerkennung finden, wie sie von Hitlers Architekten Hermann Giesler in seinem 1977 erschienenen Buch vorhergesagt wurde: da es, vor allem auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit und seiner Leistungen in der Friedenszeit, seiner Zeit weit voraus war. Die Versuche, das Dritte Reich auf Dauer mit Berichten über Internierungs- und Konzentrationslager anzuschwärzen, werden erfolglos bleiben. Auf die Nürnberg-Äußerung des früheren bayerischen Justizministers Hans Frank, der Hitlers bevorzugter Verteidiger in der Weimarer Zeit und später als Generalgouverneur für das besetzte Polen zuständig war, wurde bereits hingewiesen. In Kenntnis des US-Propagandafilms Die Todesmühlen meinte er in Nürnberg, tausend Jahre würden vergehen und die deutsche Schuld werde nicht getilgt sein. Frank war nicht der einzige Angeklagte, der durch die Propagandaluft sowie die verwerfliche Vorgehensweise, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß Angeklagte gefoltert und geschlagen wurden, vorübergehend beeindruckt war. Frank hat später seine spontane Äußerung widerrufen und gesagt, die Verbrechen von US-Amerika und England seien weitaus schlimmer als die, die man Deutschland anlaste. Franks letztes Buch Im Angesicht des Galgens (München 1953) ist eines der besten Erinnerungsbücher über das Dritte Reich, auch wenn es kleinere Schwächen aufweist — so zum Beispiel, wenn er versucht, den im ägyptischen Alexandrien geborenen Auslandsdeutschen Rudolf Heß als naiver darzustellen, als er in Wirklichkeit war (Rombesuch im Mai 1935). Es ist zutreffend, daß es weder im Kaiserreich noch in der Weimarer Republik Internierungs- oder Konzentrationslager gegeben hat, obwohl die Zahl der politischen Häftlinge gerade in der 284

Weimarer Republik zeitweise sehr groß war. Weder das Kaiserreich noch die Weimarer Republik hatten es bei ihrer Gründung mit einflußreichen jüdischen Gegnern zu tun, wie das beim Dritten Reich der Fall war. Mit der Machtübernahme 1933 erklärte das Weltjudentum mit Samuel Untermeyer dem Dritten Reich den Krieg. Mit den Kommunisten hatte es auch die Weimarer Republik in den Anfangsjahren zu tun. Was die Juden anbelangt, so hat Thies Christophersen (siehe »Die Auschwitz-Lüge«, aaO.) recht, wenn er sagt, daß das Dritte Reich, anstatt eines eintägigen Boykotts am 1. April 1933, sofort und gesetzlich so viele der fast 500 000 deutschen Juden hätte internieren können, wie es gewollt hätte. Seit dem Basler Kongreß von 1897 hatte das Weltjudentum deutlich gemacht, daß es tatsächlich weltweit politisch zusammenarbeitete und mit Sicherheit die politische Gruppe war, die international über die besten politischen Beziehungen verfügte. Wilson ernannte zum Beispiel Louis Brandeis zum Richter am obersten amerikanischen Gerichtshof und hatte nichts dagegen, daß dieser weiterhin Vorsitzender der amerikanischen Zionismusbewegung blieb, und dies sogar bis zu seinem Tode im Jahre 1941. Hätte Wilson es zugelassen, daß der Führer einer polnischen Partei einen so hohen Posten innehatte und gleichzeitig weiterhin Vorsitzender der polnischen Partei blieb? Die getretene Kreatur war 1933 nicht das Weltjudentum, sondern Deutschland. 1939 befanden sich in den sechs verbleibenden Konzentrationslagern (1933 hatte es vorübergehend einige mehr gegeben) 21 000 Häftlinge, darunter 3000 Juden. In den USA befanden sich zu dieser Zeit über eine Million Menschen in den Gefängnissen, darunter auch politische Gefangene. Vergleiche zwischen deutschen und amerikanischen Lagern (Macos, Colorado, und Germfask, Minnesota) im Zweiten Krieg zeigen, daß die Bedingungen in den deutschen Lagern menschlicher waren, vor allem hinsichtlich der Arbeitsnorm und der Verpflegung. In den amerikanischen Lagern gab es auch mehr töd285

liche Unfälle. Alle diese Lager hatten nichts mit den Lagern für die Hunderttausende US-Bürger japanischer Herkunft oder der Auslandsjapaner zu tun. Bekannt wurde vor allem das Lager bei Tule Lake, einem ausgetrockneten See in einer Wüstengegend, weil dort einige Scheußlichkeiten vorkamen. Hier ereignete sich ein Massaker an einer großen Zahl japanischer Frauen (siehe Morton Grodzins, Americans Betrayed, Chicago 1949). Der jüdische Historiker an der Universität New York T. L. Jarman erklärte in seinem Buch »The Rise and Fall of Nazi Germany« (New York 1956), daß Deutschland am Vorabend des ihm von England und Polen aufgezwungenen Krieges eine offene und normale Gesellschaft in einer Art und Weise gewesen sei, wie sie die UdSSR nie gewesen war. Diese Aussage Jarmans, der in der Einleitung aus seiner jüdischen Ablehnung Hitlers keinen Hehl macht, spiegelt einfach einen Ehrgeiz wider, im Sinne Rankes objektiv zu sein. Über Shirers Pamphlet Wir haben gesehen, daß Porter Sargent William Shirer zur Objektivität seines Manuskriptes Berlin Diary beglückwünschte. Er war jedoch erschreckt, als er es gedruckt las — es erschien im jüdischen Verlag Knopf. Sargent stellte als erster fest, daß der Umgang mit Knopf Shirer völlig umgedreht hatte, nicht nur in bezug auf das Buch, sondern auf seine ganze berufliche Entwicklung. Sargent erlebte das Erscheinen von Shirers Aufstieg und Fall des 3. Reiches (Köln 1961) nicht mehr (siehe hier auch D. L. Hoggan, »Contra Shirer,« Sonderdruck der Deutschen Hochschullehrerzeitung, Tübingen 1961). Die einzigen Politiker aus der Weimarer Zeit, die Shirer lobt, sind Kommunisten und Prokommunisten. Die übrigen, selbst Leute wie Noske und Scheidemann, werden als Reaktionäre verdammt: Alle führenden Politiker des Dritten Reiches werden nicht nur verdammt, sondern auch mit widerwärtigen Gestalten aus dem Tierreich verglichen. Roosevelt und 286

seine Politik der bedingungslosen Kapitulation werden in den höchsten Tönen als das Bestmögliche für Deutschland gelobt. Als dieses ruchlose Erzeugnis gemeinsamer kommunistischer und jüdischer Propaganda in New York erschien, wurden zum Beispiel auch Tausende von Werbeklebern an den Telefonsäulen in San Francisco angebracht, sozusagen als Startsignal für einen fünfjährigen ununterbrochenen Werbefeldzug von der Kanzel, im Radio und im Fernsehen. Kollegen aus dem Universitätsbereich wurden aufgefordert, günstige Besprechungen zu schreiben. Als H. E. Barnes eine wohlgesonnene Shirer-Besprechung von Walter Dorn (Staatsuniversität Ohio) las, einem alten Freund, der an einem Band der Langer-Reihe The Rise of Modern Europe mitgearbeitet hatte, und ihn deswegen ansprach, erhielt er die typische Antwort, er, Dorn, habe keine einzige Seite dieses »schmutzigen Buches« gelesen, habe es aber gelobt, um seine eigene Stellung nicht aufs Spiel zu setzen. Erst als Professor Klaus Epstein (Notre-Dame-Universität Indiana) mein »Contra Shirer« las, war es mit der akademischen Lobhudelei Shirers plözlich aus. Epstein besprach 1962 das Shirer-Buch für die US-Zeitschrift American Political Science Review (2/1962), die sowohl von den Juden als auch von der katholischen Kirche gefördert wurde, und erklärte, daß die akademische Verherrlichung eines solchen Journalisten aufhören müsse, der fordert, die Radikalmarxisten hätten 1919 sofort alle Macht an sich reißen und alle anderen Parteien ausschalten sollen. Und dieser Journalist verherrliche auch jetzt noch Roosevelts Politik der bedingungslosen Kapitulation, die selbst ein gemäßigter Weltbürger vom Schlage einer Anne Amstrong (Unconditional Surrender, Rutgers New York 1961) als noch nie dagewesen und barbarisch bezeichnete. Und wie von Zauberhand war es mit der akademischen Shirer-Verherrlichung aus. Shirer kehrte dann wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück und brachte vor, daß selbst Präsident Wilson 1919 den Wunsch hatte, 287

nur Marxisten in der deutschen Revolutionsregierung zu sehen. Die Politik der bedingungslosen Kapitulation sei nicht kommunistisch, da sie selbst von Stalin als dümmlich abgelehnt worden sei. Doch es nutzte nichts. Epstein hatte gesprochen. Und da es aus dem akademischen Bereich keine Lobeshymnen mehr auf Shirer gab, fielen die Verkaufszahlen für das Shirer-Buch praktisch auf Null zurück. Er versuchte sein Glück einige Jahre später mit einem anderen Buch — er wollte den französischen Faschisten an den Kragen gehen. Doch gab es dafür keinen Markt. Auch dieser Fall zeigt, daß Kleider Leute machen, wie es im Andersen-Märchen heißt. Noch heute gilt: Jemand muß es zuerst sehen und aussprechen. Kommt dann noch unerwartete und unverlangte Hilfe, die Autorität beinhaltet, dann ist das Problem gelöst (siehe auch J. Epstein, Operation Keelhaul, New York 1972). Das Schicksal der Juden in Osteuropa Walter Sanning (Die Auflösung des osteuropäischen Judentums, Tübingen 1986) weist nach, daß viele polnische Juden auf Grund harter antijüdischer polnischer Politik das Land zwischen den Volkszählungen von 1931 und 1939 verlassen haben. Wir haben gesehen, daß viele Juden, die beim deutsch-sowjetischen Einmarsch in Polen aus dem westlichen Teil zu Stalin geflohen waren, von diesem in offenen Eisenbahnwagen ins nördliche Rußland verfrachtet worden sind. Birobaijan, das sowjetische Gegenstück zu Israel im sibirischen Amur-Bereich, durfte sich unter Stalin verhältnismäßig gut entwickeln. Doch zog Stalin eine gemischte Bevölkerung vor. Und nach 1939 war er vorsichtig, als es darum ging, mehr Juden dorthin zu schicken. Andererseits benötigte er für seine Kriegsindustrie jüdische Techniker. Daher nahm er sie größtenteils zusammen mit den entsprechenden Fabriken mit, als sich die Rote Armee 1941 zurückzog. 288

Sanning weist darauf hin, daß viele Juden wegen der harten Bedingungen auf der Fahrt zum Ural ums Leben kamen. Doch ist dies Stalin, nicht Hitler anzulasten. Die jüdische Bevölkerungszahl in anderen europäischen Ländern wie Rumänien, Ungarn und Griechenland wurde ebenfalls übertrieben; in Wirklichkeit war sie zur Zeit Hitlers nicht so hoch. Ein klassisches Beispiel für dieses Zahlenspiel kam bei den Nürnberger Prozessen 1946 ans Tageslicht. Das »Joint Jewish Distribution Committee« hatte gerade erklärt, daß in Rest-Polen, also im Polen ohne die von Stalin besetzten östlichen Gebiete, nur noch 60 000 Juden leben würden. Dann gab es die Zwischenfälle in der Stadt Kielce in Südpolen. Dort behaupteten die Polen, daß die Juden auf Grund eines Programmes, das stark von Juden gesteuert war, die besten Neuwohnungen erhielten. Dann schuf man auch ein Programm, um die Polen zu beruhigen. Doch diese antworteten mit antijüdischen Ausschreitungen, bei denen viele Juden getötet wurden. Innerhalb von zwei Wochen verließen dann weitere 80 000 Juden Polen und kamen meist als D.Ps (Displaced person) nach Westdeutschland. Zu diesem Zeitpunkt etwa zeigte mir der Direktor der Frankfurter Staatsbibliothek Aufstellungen, aus denen hervorging, daß die jüdische Nachkriegsbevölkerung im westlichen Teil Deutschland höher war als die jüdische Bevölkerung 1933 in Hitler-Deutschland. Einige dieser Juden sind natürlich später nach Amerika ausgewandert. Mit 18 Millionen ist dort die jüdische Bevölkerung stärker, als sie es je in Rußland war. Die US-Juden stellten die größte jüdische Bevölkerungszahl in einem Land, die es je in der Geschichte des Judentums, einschließlich des alten Griechenlands und Roms, gegeben hat. Warum die jüdische Bevölkerungszahl in Israel nach mehr als einem Jahrhundert jüdischer Einwanderung und Siedlung in Palästina die Zahl von drei Millionen kaum überschreitet, ist eine andere Frage. 289

Polens Verluste im Zweiten Weltkrieg Hinsichtlich der deutsch-polnischen Beziehungen unter Hitler sowie der sowjetisch-polnischen unter Stalin verdient ein Buch besondere Erwähnung. Es handelt sich um Clifford Barnetts Poland, its People, its Society, its Culture (Yale University Press 1958). Das Buch bringt sehr genaue Angaben zur Bevölkerungszahl. Es zeigt auf, daß die deutschen und russischen Verluste an Männern weitaus höher als die der Polen waren; die polnischen Verluste waren geringer als die der Franzosen im Krieg von 1870/71. Und dies trotz der 15 000 Offiziere, die Stalin umbringen ließ (Katyn), sowie der polnischen Verluste der Anders-Truppen in Italien. Selbst die Engländer, die es fertig brachten, ihre Verluste an Soldaten geringer als im Ersten Weltkrieg zu halten — sie verloren auch ›nur‹ 30 000 Menschen in den Bombenangriffen, während die deutschen Verluste bei den Bombardierungen rund 990 000 betrugen — hatten höhere Menschenverluste als die Polen. Beim Bor-Komorowski-Aufstand 1944 in Warschau wurden die Polen von der Wehrmacht ehrenvoll behandelt, obwohl die Deutschen alle Gefangenen nach internationalem Recht als Partisanen hätten erschießen können. Ihre Verluste waren zudem nicht allzu hoch. Das westliche Polen befand sich fast sechs Jahre lang unter deutscher Herrschaft. In dieser Zeit verübten junge Polen zahlreiche Sabotageakte und Einbrüche. Die Bestrafungen waren meist nicht drastisch, und Hinrichtungen waren selten. Obwohl die Polen immer wieder für sich in Anspruch genommen hatten, das Opfer Nummer eins schlechthin zu sein — seit jüngstem sprechen sie von etwa sieben Millionen Opfern, um wohl die sechs Millionen Juden zu übertreffen — , tut der fließend polnisch sprechende Barnett auf Grund seiner in Polen selbst durchgeführten Nachforschungen diese Angabe als wilde polnische Übertreibungen ab; Übertreibungen, wie sie in der polnischen Geschichte schon häufig waren. Barnett stellt 290

bei seinen Nachforschungen große Verluste in den jüngeren Altersgruppen bei Deutschen und Russen, kaum jedoch bei Polen fest. Wie für Sanning, so steht auch für Barnett fest, daß ein Großteil der russischen Verluste auf Stalin selbst zurückzuführen ist, insbesondere seit dem Jahre 1936. Man wird an jene Karikatur erinnert, auf der ein russischer Soldat zum anderen sagt: »Ich wollte, wir hätten einen Krieg, damit unsere Verluste zurückgehen!« Zusammenfassend findet es Barnett irgendwie ironisch, daß Polen bei Kriegsende so reichhaltig entschädigt wurde, obwohl es am wenigsten litt und nur wenig zum Sieg der Alliierten beitrug. Barnett schätzt, daß das von Stalin in Besitz genommene nichtpolnische Gebiet (»Ostpolen«) nur 10 Prozent von dem Gebiet ausmacht, das sich die Polen von Deutschland aneignen durften. Die Engländer belohnten Mussolini einmal mit einem Saharastreifen. Mussolini nahm ihn natürlich, sagte jedoch: »Ich bin kein Sammler von Wüsten.« Jedermann in England, und nicht nur in Deutschland und Ungarn, versteht den Ausdruck »polnische Wirtschaft«. Das »Blaumachen« wegen Saufens ist in Polen sprichwörtlich. Die Romane von Stefan Zeromski (Ashe, u. a.), in denen die Menschen einen ganzen Winter nur gegenseitige Besuche machen, sind sehr bekannt. Man ließ es in einem dichtbevölkerten Europa zu, daß das nördliche Ungarn, das Sudetenland, Südostfinnland, ein Großteil der baltischen Staaten, Ost- und Westpreußen, Pommern, PosenWestpreußen und Schlesien entvölkert wurden, um diese Gebiete dann mit primitiven, faulen und unfähigen Leuten dünn zu besiedeln. Diesen Vorgang kann man nur als Verbrechen bezeichnen. Das Ganze erinnert auch an das Buch von J. M. Keynes über Versailles (Die wirtschaftliche Folgen des Friedensvertrages, München 1920).

291

Ostdeutschland und die Vertreibungen Über die Vertreibung der Deutschen aus Ostdeutschland gibt es inzwischen unzählige Bücher, und das mit Recht. Eines der besten ist wohl das Buch von Charles Wassermann Europe’s Forgotten Territories (Kopenhagen 1960). Dieses Buch spiegelt eine große Fahrradrundfahrt im Jahre 1959 wider, also dreizehn Jahre, bevor Willy Brandt versuchte, alle diese Gebiete von Lyck in Ostpreußen bis Gleiwitz in Oberschlesien rechtlich den Polen zu überlassen, wozu er natürlich nicht berechtigt war. Die Radtour wurde vierzehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg unternommen. Und dennoch war in der Tat nichts unternommen worden, das fast leere Land wirtschaftlich wiederaufzubauen. Auch der hochstehende Kohlebergbau in Oberschlesien hatte einen allmählichen Niedergang erlebt. Die Bilder, die am meisten auffallen, zeigen Tausende arbeitsfähiger junger Polen, die nur herumhängen und mit ihrem Nichtstun zufrieden zu sein scheinen. Die Erfahrung, die man kurz nach dem Ersten Weltkrieg gemacht hatte, die Versandung der unteren Weichsel nach einigen Jahren polnischer Verwaltung, hätte ein klarer Hinweis sein sollen, was in diesem Stalinschen Marionettenstaat geschehen würde. Richtigstellungen zugunsten Deutschlands Auf Dauer wird man sich im Zusammenhang mit dem Dritten Reich mehr an die geistigen Leistungen erinnern, an die Landgewinnung, den medizinischen Fortschritt, die Verbesserung des Gesundheitswesens, die Verbesserung der städtischen und ländlichen Umwelt, den Fortschritt im Erziehungswesen, den Bau der besten Autobahnen der Welt, die glänzenden Leistungen in der Malerei, Bildhauerei und Architektur — als kennzeichnende Beispiele seien das Diplomatenhaus und das Haus der Deutschen Kunst genannt, denn an die 292

Konzentrationslager, die nicht schlimmer als die der Briten und Amerikaner in diesem Jahrhundert waren; auf jeden Fall waren sie menschlicher als fünfzig Lager Titos oder die tausend Lager Stalins (es handelt sich hier um Schätzungen von Robert Conquest, des Fachmannes für die Stalinschen Säuberungsaktionen; siehe sein Buch Ernte des Todes. München 1987). Es ist nicht einzusehen, warum ein solches Vermächtnis nichts zur deutschen und europäischen Zukunft beitragen sollte. Wenn man sich die sprichwörtliche Verachtung internationalen Rechts in England und vor allem US-Amerika vor Augen hält, dann nehmen sich die Einstellung und Haltung des Bismarck-Reiches, der Weimarer Republik und des Dritten Reiches auf diesem Gebiet wirklich erfrischend aus. Zudem trugen sie in hohem Maße zur Weiterentwicklung und zum Erhalt der Zivilisation bei. Deutschland zuallererst ist in den vierundsiebzig Jahren seiner Einheit in der Moderne, von der Reichsgründung am 18. Januar 1871 bis zur Festnahme der Regierung Dönitz durch die Engländer am 23. Mai 1945, nicht für die beiden englischen Kriege, in die es widerwillig hineingeraten ist, zu tadeln. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 wurde unnötigerweise vom französischen Außenminister Graf de Gramont erklärt. Es wurde schon zuvor erwähnt, daß Bismarck beim Erwerb seiner bescheidenen Kolonien zuerst immer die Engländer befragte, um unnötige Reibereien zu vermeiden. Er machte gegenüber den USA 1899 unerwartete Zugeständnisse in der Samoa-Frage, um die guten Beziehungen nicht aufs Spiel zu setzen. Internationale Rechtsverletzungen und der Internationale Gerichtshof Deutschland und auch die USA gehören zu den Unterzeichnerstaaten der Vertragswerke (1899 und 1907), die zum 293

Weltgerichtshof führten. Wir haben gesehen, wie sich Präsident Reagan in verächtlicher Weise über eine Entscheidung dieses Gremiums hinwegsetzte, als es sich bei Verminung der Pazifikhäfen für Nicaragua und gegen die USA aussprach. Der Plan einer unpolitischen, nichtmilitärischen Zollunion mit Österreich (1931) lag dem Weimarer Reichskanzler Heinrich Brüning sehr am Herzen. Als der Weltgerichtshof auf französischen Druck hin entschied, die geplante Zollunion stelle eine Vertragsverletzung dar (Versailles/St. Germain), gab Brüning das Vorhaben auf. Im Gegensatz zur Medienpropaganda beging Hitler zwischen dem Zeitpunkt seiner Ernennung durch Hindenburg am 30. Januar 1933 und den rechtlich einwandfreien Gegenmaßnahmen gegen die Polen am 1. September 1939 keine internationalen Rechtsverletzungen. Graham Stuart, der die offizielle Geschichte des US-Außenministeriums schrieb und nach dem die Bücherei für politische Wissenschaften in Stanford benannt ist, hat das Vorgehen Hitlers gegen Polen so eingestuft. Obwohl ein zusätzlicher Band erforderlich wäre, die Recht- und Gesetzmäßigkeit der Hitlerschen Außenpolitik abzuhandeln, sind wir schon auf ein Hauptereignis, nämlich den Einmarsch in das Rheinland (1936) eingegangen. Es handelte sich dabei um rechtlich zulässige Gegenmaßnahmen gegen die französische Verletzung des LocarnoVertrages. Die Weigerung der Abrüstungskonferenzen (1932 -1934), entweder abzurüsten oder Rüstungsgleichheit zu gewähren, rechtfertigte Hitlers Austritt aus dem Völkerbund 1933 (siehe Paul Rassinier, Die Jahrhundert-Provokation. Tübingen 1989, S. 65-85). Die Wiederaufrüstung seit 1935 war eine rechtmäßige Antwort auf die Nötigungen; dies wird auch im deutsch-englischen Marineabkommen vom 18. Juni 1935 bestätigt. Auch wenn Hitler erklärte, es sei unrechtmäßig, daß Roosevelt Deutschland Helium verweigerte, während dieser es anderen Staaten gab, auch wenn er den Roosevelt-Gefolgsmann in New York, den 294

jüdisch-italienischen Bürgermeister Fiorello LaGuardia, wegen dessen unflätigen Bemerkungen über Mussolini nicht mochte, behandelte Hitler im Rahmen seiner Politik eines sicheren und starken Deutschlands trotzdem Roosevelt stets höflich und taktvoll — bis zum törichten Angriff der Japaner auf Pearl Harbor. Mit diesem Angriff löste sich der innere Widerstand der US-Bürger gegen FDR plötzlich auf, und Roosevelt konnte in den lange ersehnten europäischen Krieg eintreten. Selbst Hitlers Reichstagsrede vom 28. April 1939, in der er höflich einige der unglaublichen Schnitzer in Roosevelts beleidigender Note vom 15. April 1939 berichtigte, war die eines feinen Herrn, war höflich und durchweg versöhnlich. Wilhelm II. besaß den gleichen Takt und enthielt sich höflich jeglicher Kritik an Teddy Roosevelts unglaublich dümmlicher Rede von 1910 in der Berliner Aula. Hitler und der Kaiser, aber auch Bismarck, waren bestrebt, die Interessen ihres Landes voranzutreiben. Fritz Tobias, der Mitglied der SPD ist, hat seit Jahren in seinen Büchern und Artikeln nachgewiesen (siehe Fritz Tobias, Der Reichstagsbrand, Legende und Wirklichkeit. Rastatt 1962; mit U. Backes u. a.: Reichstagsbrand. Auflösung einer historischen Legende. München 1986), daß Hitler nichts mit der Brandstiftung beim Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 in Berlin zu tun hatte. Auch Hitlers kommunistische, jüdische und einige reaktionäre Widersacher hatten keinen Erfolg bei ihrem Versuch, ihn wegen des Aufstandes der österreichischen Nationalsozialisten am 25. Juli 1934 gegen Kanzler Dollfuß festzunageln. Dollfuß, der kleine ultramontane österreichische Diktator, wurde von den verzweifelten Aufständischen versehentlich erschossen. Daß Hitler für die Ausreise nach Österreich bis zur Einigung am 11. Juli 1936 hohe Visagebühren verlangte, um österreichische Verantwortliche an den Verhandlungstisch zu bringen, war völlig in Ordnung. Andere Länder haben ebenfalls zu solchen Maßnahmen gegriffen. Auch der Zwischenfall im Spanischen Bürgerkrieg, in dem Hitler dem Schlachtschiff »Deutschland« befahl, 295

die Hafenanlagen von Almeria zu beschießen, war eine rechtmäßige Gegenmaßnahme gegen rotspanische Luftangriffe auf das deutsche Schiff auf hoher See. Und da Franco als gleichberechtigter Kriegführender gegenüber Juan Negrin und den anderen rotspanischen Führern anerkannt worden war, war Hitlers beschränkte Hilfe, im Gegensatz zu der massiveren italienischen, im Rahmen des vorherrschenden Rechts nicht ungesetzlich. Zudem gab es den ganzen Krieg über auf beiden Seiten ausländische Einmischung und Hilfe. Während des italienisch-abessinischen Krieges beachtete Hitler das, was Anthony Eden als höchstmögliche Neutralität bezeichnete. Die deutsche Weste ist also im Vergleich zu der der Briten und Amerikaner fast völlig rein. US-Kriegsgewinnler Sowohl der Nye-Kongreßbericht als auch das Buch von H. C. Engelbrecht (er schrieb auch eines über Fichte) und F. C. Hanighen (er verfaßte eine Abhandlung über den mexikanischen General Santa Anna) Merchants of Death — a Study of the International Armament Industry (New York 1934) weisen meiner Ansicht nach mit Recht daraufhin, daß es in Amerika in erster Linie die kapitalkräftigen Gruppen um D. Rockefeller und J. P. Morgan waren, welche den einzelnen Rüstungsfirmen die persönlichen Gewinne ermöglichten — es sind zu viele, um sie anzuführen; immerhin gab es durch den Ersten Weltkrieg 25 000 neue amerikanische Millionäre. Ein Wallstreet-Spekulant wie Baruch machte seine Gewinne vornehmlich an der Börse. Der Kongreßbericht wie auch Engelbrecht und Hanighen betonen jedoch zuwenig die Rolle eines kraftvollen und mächtigen Präsidenten, der allerdings weniger auf Grund seiner Persönlichkeit als auf Grund der Machtfülle, die ihm sein Amt irrtümlicherweise gab, mächtig war. Der Nye-Bericht, wie aus Merchants of Death hervorgeht, vermittelt das Bild eines Präsidenten, der ein mehr oder 296

weniger harmloser Professor war und der nicht in der Lage war, mit diesen mächtigen, gewinnsüchtigen Kräften umzugehen. Heute mag dies so aussehen, doch auf Grund unserer vorhergehenden Untersuchung über die Haltung Wilsons wie seiner Möglichkeiten infolge des ihm angebotenen fachmännischen Rates sieht die Sache anders aus. Einige wenige hypothetische Beispiele werden wohl genügen, um die nötige Verantwortung der politischen Führungspersönlichkeiten zu unterstreichen. Die Beispiele berühren das Bismarck-Reich wie das Dritte Reich. Wir haben bereits festgestellt, daß C. C. Tansill in seinem Buch über Wilsons Krieg (1938) das Problem der persönlichen Verantwortung und Einflußmöglichkeit auf Grund seines Vorgehens falsch sieht und sogar verzerrt. John Dos Passos verfällt bei seinem Buch über Wilsons Krieg (1964) in diesen Fehler nicht so stark. Glaubt jemand ernsthaft, daß der dreimalige Präsidentschaftskandidat William Jennings Bryan, der fest an die Vorteile einer amerikanischen Neutralität glaubte und der das internationale Recht sehr gut kannte, sich durch teilweise kriminelle Aktionen der britischen Propagandisten, von Rockefeller, Baruch, J. P. Morgan und den einzelnen Rüstungsgewinnlern wie DuPont, hätte in einen Krieg hineinmanövrieren lassen? Würde das gleiche nicht auf die Kämpfernatur Bob LaFollette zutreffen, der 1914 an Stelle von Wilson ins Weiße Haus eingezogen wäre, hätte es nicht die verräterischen und lügnerischen Aktionen eines Teddy Roosevelt gegeben? Und wenn schließlich 1940 Jim Farley oder Robert Taft anstatt FDR ins Weiße Haus eingezogen wären, würde dann jemand annehmen, daß fünfzig amerikanische Zerstörer an die im Krieg liegenden Engländer geliefert worden wären? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der Zeit der New History des James Robinson — er hatte Karl Lamprecht eingeladen, um seiner Schule Ansehen zu verleihen —, gab es sehr viel Sympathie für den Marxismus im besonderen und für eine gelenkte Wirtschaft im 297

allgemeinen. Robinson gefiel es, Einzelmenschen, einschließlich höchster Führungskräfte, als Ergebnis unpersönlicher Ereignisse zu sehen. Er führte gern Tolstois Kommentierung des Schlußkapitels in Krieg und Frieden an — wäre Napoleon etwas zugestoßen, dann hätte General Pichegru dessen Platz eingenommen und seine schicksalhafte Aufgabe genau so ordentlich durchgeführt. Auf diese Weise wird die Bedeutung einer herausragenden Persönlichkeit gemindert. Die Hauptthese in Sidney Hooks Buch The Hero in History (New York 1939) besteht darin, daß es in der Geschichte keine Helden gibt, sondern daß es sich um billige Schauspieler handelt, die vorgeben, mehr zu sein, als sie in Wirklichkeit sind. Die Rolle der US-Präsidenten Sicherlich waren Wilson und sein Hauptschüler FDR billige Schauspieler, die Helden sein wollten. Mit Ausnahme von Roosevelts Gier nach Blutvergießen beschreibt diese Feststellung beide sehr gut. Doch damit stellt sich auch die Frage: Macht das Amt den Mann, oder macht der Mann das Amt? 1787 haben die »Gründerväter« — das klingt wie eine Beschreibung der Gründung der englischen Freimaurerei zu Beginn des 18. Jahrhunderts — in Philadelphia unter dem Vorsitz von George Washington etwas ausgearbeitet, was sich sofort als ungeheuer machtvolles Präsidentenamt herausstellte, obwohl damals die Verwaltung der ganzen USA leichter war als die der heutigen Stadt New York. Es ist sicherlich aufschlußreich, daß die US-Verfassung von 1777 kein Präsidentenamt kannte. Merril Jensen hat in The Articles of Confoederation (New York 1955) überzeugend nachgewiesen und sich später auch gegen seine Kritiker behauptet, daß die Verfassung von 1777 besser funktionieren würde als die jetzige mit ihrem machtvollen Präsidentenamt, das nur geschaffen wurde, um General Washington einen Gefallen zu tun. 298

Sicherlich behauptet niemand, Ronald Reagan sei eine starke Persönlichkeit, vor allem nachdem er zwei Verlierer (Kissinger und Nixon) fragen mußte, ob er den deutschen Soldatenfriedhof in Bitburg besuchen könne. Aber sein Amt ist derart machtvoll, daß er in der Tat gut und gefährlich aussieht. Beim Stand der Industrialisierung und des nationalen Wohlstandes, den die USA 1914 erreicht hatten, Schuldnernation hin oder her, kann eine genaue Geschichtsschreibung die Rolle des Präsidenten in der Neutralitätspolitik nicht außer acht lassen. Lobbies und Interessengruppen haben bei politischen Entscheidungen schon immer eine Rolle gespielt. In der Außenpolitik konnte jedoch nur der Präsident über rechtmäßige oder unrechtmäßige Neutralitätspolitik entscheiden. Im August 1914 hatte Bryan, der zu diesem Zeitpunkt noch immer Wilsons Außenminister war, empfohlen, ein Embargo für Kriegslieferungen an alle Kriegführenden zu erlassen. Er hatte auch ein Embargo für amerikanische Kredite an alle kriegführenden Nationen vorgeschlagen. Diese politischen Maßnahmen hatte zuvor Senator Bob LaFollette unter lebhaftem Beifall im Senat gefordert. Sollte man annehmen, daß die politischen Vorschläge von Wilsons Außenminister im Falle einer Umsetzung auf gesetzliche Schwierigkeiten gestoßen wären, dann sei daran erinnert, daß eine solche Politik auf Druck der amerikanischen katholischen Kirche im Spanischen Bürgerkrieg (1936—39) von Roosevelt betrieben wurde. Die Rechtmäßigkeit dieser politischen Maßnahmen wurde nie in Frage gestellt. Darüber hinaus fanden die politischen Vorschläge von Bryan und LaFollette in der Neutralitätsgesetzgebung des USKongresses von 1934—37 in hohem Maße ihren Niederschlag. Roosevelt hat diese Gesetze unterzeichnet — das letzte in der Sitzung vor seiner berüchtigten Chicagoer Rede vom 5. Oktober 1937. Auch das oberste US-Gericht hat diese Gesetze nie in Frage gestellt. 299

Diese Hinweise lassen erkennen, daß es voll und ganz in der Hand Wilsons lag, der Neutralitätspolitik seines Außenministers entsprechend der Rechtslage zu folgen. Die Tatsache, daß er dem Rat eines Baruch, Rockefeller und Morgan gefolgt ist und eine betrügerische, unehrenhafte und nichtrechtmäßige Pseudoneutralitätspolitik getrieben hat, kann den Historiker nicht veranlassen, die Schuld nur den drei selbstsüchtigen Beratern anzulasten, da Wilson zuvor schon entsprechend und richtig beraten worden war und ausreichend Zeit hatte, die Sache zu überdenken. Nicht die amerikanischen Börsenspekulanten, Bankleute und Rüstungsfabrikanten, sondern Wilson selbst ist der Hauptschuldige. Bryan gab sich keinerlei Selbsttäuschung hin in der Annahme, es sei leicht, Wilson von der richtigen Politik zu überzeugen, denn er hatte

Woodrow Wilson, der »Friedensschiedsrichter«, hatte von der europäischen Geschichte und Ethnographie überhaupt keine Ahnung. Aus London konnten Benesch und Masaryk um so leichter ihre Wünsche auf dem Versailler Grünen Tisch durchsetzen. 300

seit der Zeit, als er irrtümlicherweise auf dem Wahlkongreß der Demokraten 1912 in Baltimore Wilson gegen Champ Clark aus Missouri unterstützte, viel gelernt. Im Jahr darauf entdeckte Bryan ein von Edward Mandell House geschriebenes Buch in Romanform, das jedoch eine Art politisches Testament war. Sein Titel: Philipp Dru, Administrator. Bryan sagte, ihm hätten sämtliche Haare zu Berge gestanden, als er es las. Der Held löste das Arbeits- und Klassenproblem, griff in einen Krieg ein und ging nach Europa, um den Völkerbund zu gründen. Obgleich sowohl Wilson als auch House dann Bryan versicherten, das Buch sei reine Phantasie, und Wilson hinzufügte, sein Interesse (1913) gelte den inneren Reformen (siehe Roosevelt in Chautauqua im Jahre 1936), wurde es Bryan klar, daß mit der Wilson-Regierung die Gefahr der unverantwortlichen und unrechtmäßigen weltweiten Einmischung verbunden war. Als England 1914 den Ersten Weltkrieg auslöste, hatte Bryan es schon lange bedauert, daß er sich beim Wahlkongreß in Baltimore von House dazu hatte übertölpeln lassen, Wilson zu unterstützen, indem er mitteilte, was Clark angeblich über Bryan gesagt haben sollte. Die House-Lüge lautete: »Bryan mag denken, daß ich wie ein Fisch saufe, aber ich weiß, daß er wie ein Schwein frißt.« So können kleine billige Tricks wie so häufig große Wirkungen in der Weltgeschichte erzeugen, denn Clark, der im Gegensatz zu Teddy Roosevelt und Wilson ein echter Fortschrittler war, ließ später verlauten, daß er eine Neutralitätspolitik im Stile eines Bryan-LaFollette betrieben hätte, wäre er Präsident geworden. Ein weiteres Beispiel für die Möglichkeiten des Präsidenten, im Bereich der Außenpolitik unbeeinflußt von Lobbies, Bankleuten und Wünschen der »Händler mit dem Tode« eine rechtmäßige Politik zu betreiben, ist der japanische Präventivschlag gegen China im Jahre 1931, nachdem das Gleichgewicht in diesem Bereich als Folge des sowjetischen Sieges im achtmonatigen Mandschureikrieg durchein301

andergeraten war. Das durcheinandergebrachte Gleichgewicht war jenes, das 1907 und 1910 durch Verträge zwischen Rußland und Japan unter englischer Aufsicht zustande gekommen war. Die UdSSR beanspruchte natürlich alle Rechte des zaristischen Rußlands aus diesen Verträgen, obwohl sie aus Propagandagründen aufgehört hatte, die chinesischen Wiedergutmachungszahlungen aus dem Boxeraufstand anzunehmen. Dadurch wurden die USA gezwungen, ebenso zu verfahren (siehe dazu J. Christopher, Conflict in the Far East, New York 1949). Zur Zeit von Herbert Hoovers Wahl zum Präsidenten (1928) stellte Henry Stimson, ein Schulfreund Roosevelts aus der Nobelschule Groton, in der Republikanischen Partei einen bedeutenden Machtfaktor dar. Hoover machte ihn zu seinem Außenminister. Aber im Gegensatz zu England ist das amerikanische Außenministerium keineswegs vom Präsidenten abhängig (siehe Graham Stuart, The History of the United States Department of State, Washington, D. C., 1967). Der erste Streit zwischen Hoover und Stimson wurde durch Hoovers »Rundreise einer guten Nachbarschaft« bei den mittelamerikanischen Staaten zwischen seiner Wahl 1928 und seiner Amtseinführung 1929 ausgelöst. Hoover versprach dabei, daß es während seiner Präsidentschaft zu keinen Einmischungen in die inneren Angelegenheiten wie bei Teddy Roosevelt 1904 kommen werde — und wie es in diesem Jahrzehnt wieder unter Reagan in Nicaragua, Guatemala, San Salvador, Costa Rica und Bolivien der Fall gewesen ist. Stimson machte Einwände, aber Hoover erinnerte ihn daran, daß gemäß der Verfassung alle Kabinettsmitglieder abhängig seien und daß er das Recht habe, seine eigene Außenpolitik zu machen. Stimson versuchte, 1929 den Kellog-Briand-Pakt (1928) gegen die UdSSR anzuwenden, wurde aber vom sowjetischen Außenminister Tschitscherin in sarkastischer Weise zurückgewiesen. Hoover lehnte 302

Stimsons Forderung nach Wirtschaftssanktionen gegen die UdSSR ab. 1931 spielte sich das gleiche zwischen Stimson und den Japanern ab, und natürlich unabhängig von dem, was der Völkerbund tat, dessen Mitglied die USA nicht waren. Erneut und heftiger als zuvor forderte Stimson Wirtschaftssanktionen gegen Japan, aber Hoover lehnte ab. Wäre Hoover anstelle Roosevelts 1941 Präsident gewesen, dann wäre ein Krieg mit Japan undenkbar gewesen. Dies hat Hoover bei mehreren Anlässen immer wieder betont. Der springende Punkt ist jeweils ein anständiger Präsident: In den fast 56 Jahren, seit Hoover aus dem Amt ist, gab es nur Präsidenten, die das internationale Recht verachteten: FDR und alle seine ›Schüler‹, wie Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon, Ford, Carter und besonders Reagan. Festzuhalten ist, daß es der ›Mann‹ und nicht das System ist, der es den Bankleuten und den »Händlern mit dem Tode« erlaubt, ihre Geschäfte zu betreiben. Das Problem liegt darin, daß die USA nie eine demokratische Methode kannten, ihren Präsidenten abzuwählen, nachdem es LaFollette nicht gelungen war, durch das Dazwischengehen des Apparats der Politoligarchie ein allgemeines Vorwahlensystem auf der Grundlage der Einzelstaaten zu schaffen. Wer behauptet, das politische System der USA sei demokratisch, ist entweder ein naiver Unwissender oder ein offenkundiger Lügner. Das Beispiel von Robert Taft (siehe oben) unterstreicht dies deutlich. Taft wäre 1952 gewählt worden, wäre da nicht der Apparat der alten Politoligarchie gewesen. Mit der Wahl Tafts wäre die FDRÄra ein für allemal zu Ende gewesen. Es besteht kein Zweifel daran, daß in Sachen politischer Freiheit das amerikanische System so unfrei ist wie jedes andere, das entwickelt wurde. Ich kann mich noch gut an einen Besuch auf dem Sommersitz von William L. Langer im August 1952 erinnern — es war die Zeit der Tragödie des Robert Taft. Ich lehrte zuvor am »Massachusetts Institute of Technology«, hatte dann drei Jahre in München Gastvorlesungen 303

gehalten und war nun auf dem Weg zum Ort meiner neuen Tätigkeit, dem sehr prokommunistischen »History Department« der Universität von Kalifornien in Berkeley. Langer und ich hofften, deren dortiges Monopol zu brechen, denn alle dreißig Mitglieder des Instituts befürworteten die Wahl von Adlai Stevenson, dem Weggefährten und Busenfreund der noch immer rührigen Eleanor Roosevelt. Sie war hoch entzückt, daß Taft enttäuscht war, und es machte ihr nichts aus, daß ein prokommunistischer »Republikaner« gewählt wurde. Langers Sommersitz befand sich in Gloucester, Massachusetts. Wir schwammen, schon weit draußen in der Bucht, als er mir eine typische Frage stellte — Langer war noch nicht zu seiner ersten Reise ins Nachkriegsdeutschland aufgebrochen: »Versuchen jene amerikanischen Dummköpfe dort drüben, den Deutschen die Demokratie beizubringen?« »Ja«, erwiderte ich sofort. »Verdammt«, sagte Langer. »Die Deutschen wissen tausendmal mehr über Demokratie als wir, und sie hatten auch viel mehr Möglichkeiten, sie auszuprobieren.« So viel zur Frage zwischen Einbildung und Wahrheit. Ich erinnere mich an einen Artikel, den ich in Deutschland auf Wunsch des United States Department Bulletin (12/1949) geschrieben hatte. Sie haben ihn veröffentlicht. Er war aber derart redigiert, daß er völlig unkenntlich geworden war. So viel zu amerikanischer Wahrheit und Demokratie. Und wenn der Präsident sowohl fähig als auch aufrichtig ist — dies war nur zweimal der Fall, und zwar bei den Präsidenten, die nur einmal im Amt waren: John Quincy Adams (1885—1829) und Herbert Hoover (1929—1933) —, dann kenne ich niemanden, der einen anderen zu sehen erwartet. Das einzige Mittel besteht also darin, das Amt des Präsidenten abzuschaffen, den Kongreß auszumisten und die Abgeordneten zu beauftragen, die Bankleute, die Börsenspekulanten und die »Händler mit dem Tode« zu beaufsichtigen. Ich bin der ehrlichen Überzeugung, daß dies alles schon versucht wurde. Zudem macht der ständige Niedergang des öffentlichen wie privaten Erziehungswesens in den USA in den letzten 304

fünfzig Jahren alles noch viel schlimmer. Daher freuen sich viele; daß die Klauen des amerikanischen Adlers schließlich durch Luxus, Verschwendung, Korruption und allgemeine wirtschaftliche Unfähigkeit gestutzt werden, so daß der Adler auf Grund seiner eigenen wirtschaftlichen Unfähigkeit aufhören wird, den Rest der Welt in Stücke zu reißen. Wenn dann der Adler langsam nach Hause fliegt, wird der rote Bär, den er jahrzehntelang unterstützt hat, wohl das gleiche tun. Die Zerstörung des Bismarck-Reiches, der Weimarer Republik und des Dritten Reiches durch die Amerikaner — das Bismarck-Reich wurde von Wilson zerstört; die Weimarer Republik ging an der Weltwirtschaftskrise zugrunde, die von Coolidge-Mellon auf Wunsch des Montagu Norman von der »Bank von England« ausgelöst wurde; das Dritte Reich wurde durch FDR zerstört — bürdet die Verantwortung für die unstabilen deutschen Regierungssysteme im 20. Jahrhundert weder dem deutschen Volk noch seinen politischen Verantwortlichen auf. Die Abhängigkeit der USA von England Hitler glaubte, daß Bismarck-Reich sei unbesiegbar. Und es schien auch unbesiegbar, wäre Wilson nicht törichterweise in den Krieg eingetreten, der ihn nichts anging und Tausende von Meilen entfernt war. Wilson und weniger McKinleys Außenminister John Hay schufen die amerikanische Abhängigkeit von England, die später noch durch die schlimmere Abhängigkeit von der UdSSR unter FDR ersetzt wurde (siehe hierzu George Crocker, Schrittmacher der Sowjets, aaO.). Die von Wilson geschaffene Abhängigkeit von England führte dazu, daß der US-Finanzminister und Kupfermillionär Andrew Mellon, mit Billigung von Präsident Calvin Coolidge, sich bereit erklärte, dem Präsidenten der »Bank von England« aus der Klemme zu helfen. Diese hatte Schatzkanzler Winston Churchill 1925 geschaffen, als er 305

das englische Pfund Sterling auf den Vorkriegskurs von 4.85 Dollar festlegte. In der Folge wurde die englische Ausfuhr nach Übersee durch die höheren Preise vermindert. Dies veranlaßte ihren Präsidenten Norman dazu, die amerikanische Bundesbank zu bitten, den Zinssatz in wirklichkeitsfremder Weise zu senken. Dadurch wurden die englischen Waren billiger, aber auch die amerikanischen Kredite. Im Jahre 1927, als Norman sich in den USA aufhielt, kam es schon zu Billigkäufen von Aktien. Bis 1929 geriet die Börse völlig aus den Fugen, und das führte zum größten Börsenkrach in der amerikanischen Geschichte. Dabei kam es innerhalb weniger Wochen zu Verlusten von über 40 Milliarden Dollar. Dies hatte wiederum einen Niederschlag in der Zahl der Arbeitslosen, die ein Drittel der Arbeitnehmer in den USA ausmachte. Auf Grund der Hochzinspolitik für amerikanische Anleihen führte dies auch dazu, daß die Hälfte der Arbeiter in Deutschland arbeitslos wurde. Die Erinnerung an die nur wenige Jahre zurückliegende Inflation und den Zusammenbruch des Währungssystems im Jahre 1923 veranlaßte die deutschen Behörden zu einer vorsichtigen Inflationspolitik, die noch unwirksamer war als die in den USA gegen die Wirtschaftskrise ergriffenen Maßnahmen. Die Entscheidung Hitlers und des Nationalsozialismus, die Wirtschaftskrise anzugehen, brachte die öffentliche Unterstützung und auch die Stimmen ein, die zu seiner Ernennung zum Reichskanzler durch Hindenburg erforderlich waren. FDRs Schuld F.D. Roosevelt, der ein noch größerer Kriegstreiber als Churchill war, trägt mehr als jeder andere die Verantwortung für die Zerstörung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Es war dies die schlimmste Vernichtung einer großen Nation in einem Krieg der Weltgeschichte und übertraf die Japans bei weitem. Bei den alliierten Bomben306

angriffen auf Dresden kamen mehr Menschen ums Leben als bei den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki; Japan wurde, im Gegensatz zu Deutschland, auch nicht geteilt. Im Vergleich zur Vernichtung Deutschlands nimmt sich die Vernichtung der Konföderierten Staaten von Amerika, die 1865 abgeschlossen war, bescheidener aus — damals handelte es sich um einen Staat mit acht Millionen, bei Deutschland immerhin um einen Staat mit über achtzig Millionen Einwohnern. Roosevelts erster Schritt in diese Richtung war sein Bündnis mit Stalin im Jahre 1933, das unter dem Deckmantel diplomatischer Anerkennung erfolgte. Dies wird vom ersten US-Botschafter William C. Bullitt, aber auch von der sowjetischen Presse anläßlich deren Nachrufe beim Tode Roosevelts bestätigt (siehe Prawda v. 13. April 1945: »Präsident Roosevelt war der beste Verbündete, den Marschall Stalin und die UdSSR je hatten …«). In Deutschland fand ein politischer Kampf auf Leben und Tod zwischen Bolschewismus Stalinscher Prägung und dem Nationalsozialismus statt. Diese Tatsache war FDR bekannt. FDR wußte weiterhin, daß der Bolschewismus seit Lenin eine Ideologie war, die auf Ausdehnung und Erweiterung, auf Weltrevolution ausgerichtet war. Der Sprung von der Nichtanerkennung der Sowjetunion durch die Amerikaner zum Bündnis mit Stalin würde somit den sowjetischen Ausdehnungsdrang unvermeidlicherweise ermuntern und die Aussichten einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Hitler und Stalin erhöhen. Zur selben Zeit war Roosevelt schlau genug, sein Bündnis mit Stalin vor den Engländern geheimzuhalten, vor allem nachdem die Labourregierung unter MacDonald 1935 nach dem überwältigenden Wahlsieg der Konservativen unter Stanley Baldwin abgelöst worden war — die letzte Wahl, bis Churchill 1945 dann wieder vom Wähler während der Potsdamer Konferenz abgewählt wurde. Roosevelt wußte, daß England nach dem Mord von Sarajewo nie 307

den Ersten Weltkrieg ausgelöst hätte, hätte es statt eines englandfreundlichen Präsidenten, den man manipulieren konnte, einen starken und unabhängigen US-Präsidenten wie LaFollette gegeben. Roosevelt, der England für die Auslösung des Zweiten Weltkrieges genauso brauchte wie die Engländer die Polen, wußte, daß die Engländer nie einen Weltkrieg beginnen würden, wenn sie sich dessen klar wären, daß sie zwischen Roosevelt und Stalin zerrieben werden könnten. Aus diesem Grunde verheimlichte Roosevelt Churchill gegenüber seine Verachtung für das britische Weltreich, ehe sie sich zum ersten Mal nach Pearl Harbor trafen. Obwohl Roosevelt Chamberlain bei seinen drei Begegnungen mit Hitler im September 1938 Glück wünschte, um den Schein zu wahren und gut angeschrieben zu sein, schloß er sich sofort der Stalinschen Politik an und verunglimpfte das Münchener Abkommen in den ersten Monaten nach der Ratifizierung durch das englische und französische Parlament. Er ließ auch seine Diplomaten in Warschau (Biddle) und Paris (Bullitt) ständig Unruhe schüren und zum Krieg gegen Deutschland hetzen. Und daß Churchills englische Kritiker sagten, die Alternative zum Abkommen sei Krieg, war nichts anderes als Kriegstreiberei. Daß Hitler selbst den Frieden wollte, zeigt sich darin, wie schnell er den von Chamberlain angebotenen deutschenglischen Freundschaftsvertrag unterzeichnete, unabhängig von der Überlegung, ob es Chamberlain aufrichtig meinte oder nicht (siehe hierzu Keith Feiling, The Life of Neville Chamberlain, London 1947). In der Zwischenzeit hatte FDR damit begonnen, die Amerikaner für den Zweiten Weltkrieg zu erziehen. Den Auftakt bildete seine Rede vom 5. Oktober 1937. Obwohl die Meinungsumfragen auf Grund der geschickten Politik Hitlers noch ergaben, daß 80 Prozent der Menschen in den USA einem Krieg ablehnend gegenüberstanden, gibt dies ein schiefes Bild, wie sich beim schnellen Zusammenbruch der »Amerika-zuerst-Bewegung« (siehe oben) nach Pearl Harbor zeigte. Die Öffentlichkeit war durch die Flut an Falschpropaganda 308

durch FDR und seine Helfershelfer seit 1937, durch die ständige jüdische Propaganda seit 1933 sowie durch die englische seit 1939 sichtlich erdrückt worden. Dies veranlaßte Charles Lindbergh in seiner Rede in DesMoines am 31. Oktober 1941 zu der Erklärung, daß die Möglichkeiten für den Frieden maßgeblich vermehrt und sogar gesichert werden würden, würden diese drei Hauptkräfte mit dem Kriegschüren aufhören. Zweifellos dachte er vor allem an FDR und seine Helfershelfer, weil deren Propaganda mit Abstand die tödlichste und wirksamste war. Zudem erhielt sie alle erforderlichen Finanzmittel von der Regierung. Roosevelt war auch ein viel schamloserer Lügner als die meisten anderen Präsidenten. Dies mußte Hoover während des Wahlkampfes 1932 feststellen, als vier gefälschte Hoover-Biographien ihn grausamer und verabscheuungswürdiger Verbrechen während seiner weltweiten Arbeit als Bergwerksingenieur beschuldigten. Darüber hinaus wurden ihm Aussagen in den Mund gelegt, die nicht sein Stil waren — zum Beispiel: »Wenn ich nicht wiedergewählt werde, wird in den Straßen von hundert amerikanischen Städten Gras wachsen.« Wer Hoover so kannte wie ich, wußte, daß er so etwas nicht gesagt haben konnte. Ähnlich verhält es sich mit den FDR-Lügen über Hitler. Roosevelt, der im Wahlkampf 1920 — er bewarb sich damals als Kandidat der Demokraten zusammen mit Cox — sich dessen rühmte, 1915 als damaliger Unterstaatssekretär im Marineministerium in einer einzigen Nacht eine Verfassung für Haiti geschrieben zu haben, die dann durch die US-Marinetruppen, als Besatzer, aufgezwungen wurde, kann nicht übermäßigen Einfühlungsvermögens beschuldigt werden. Er behauptete, daß Dakar, ehe es von den de Gaulle-Franzosen mit englischer Unterstützung eingenommen wurde — Dakar war nie von deutschen Truppen besetzt gewesen —, wie ein Dolch sei, der mitten in das »Herz von Brasilien« ziele, und das, obwohl der ganze Atlantik dazwischen lag. Andererseits hatte er Hitlers richtige Feststellung, die Tschecho309

slowakei Beneschs, die ein offizielles Militärbündnis mit Stalin hatte, sei ein potentieller sowjetischer Flugzeugträger in Mitteleuropa, lächerlich gemacht. FDR log auch, als er von einem vorhandenen deutschen Plan sprach, den Staat Iowa zu besetzen. Bei den Nürnberger Prozessen wurde festgestellt, daß es nicht den geringsten Beweis für militärische Pläne der Deutschen für Gebiete jenseits des Atlantiks gab — im Gegensatz zu Roosevelts Plänen lange vor Pearl Harbor (siehe Wedemeyer, aaO.). Schon im Oktober 1940 hatten FDR und sein Kriegsminister Stimson in Verbindung mit ihrer neuen Wehrverfassung in Friedenszeiten, für die sich Roosevelt seit den zwanziger Jahren eingesetzt hatte, einen Plan, wie man zehn Millionen amerikanische Soldaten über den Atlantik schicken konnte, um Frankreich einzunehmen. Die Einzelheiten für diesen Plan waren vor Pearl Harbor fertig. Dennoch erklärte Roosevelt in einer Rede vor dem »Massachusetts Institute of Technology« am 31. Oktober 1940: »Ich sage ihnen immer wieder, daß ihre Söhne nicht in ausländische Kriege geschickt werden!« Danach sagte er zu seinem Redenschreiber Robert Sherwood: »Ich habe es satt, immer wieder die gleiche alte Lüge zu erzählen.« (siehe Sherwood, aaO.). Thomas Bailey (The Man in the Street, Stanford 1949) führte aus, daß der Grund, weshalb FDR keine Hemmungen hatte, die Amerikaner über seine eigenen sowie Hitlers und Stalins Pläne ständig anzulügen, darin zu suchen sei, daß er, obwohl nur von durchschnittlicher Intelligenz, sich als Mitglied der plutokratischen Elite fühlte. FDR war der Ansicht, daß die Masse der armen Durchschnittsbürger, die nach Ferdinand Kundberg (America’s Sixty Families, New York 1938) nur einige Möbelstücke hatten und das an Kleidung, was sie trugen, auf Grund ihrer Armut verdummt seien und daher mit ehrbaren Mitteln nicht erzogen werden könnten, um über das zu entscheiden, was das Beste für sie ist. Damit befand sich FDR in krassem Gegensatz zum Populisten LaFollette. 310

Obwohl Roosevelt genauso wie Wilson den Ausdruck Volksregierung häufig gebrauchte, haßte er ihn. Er sah sich lieber in der Rolle eines mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Machthabers auf einer Ebene mit Diktator Vargas aus Brasilien. Daher waren für Roosevelt Lug und Trug ganz gewöhnliches Beiwerk einer von ihm genossenen machiavellistischen Politik, zu der Machiavellis Il Principe den Rat gegeben hatte, seine vorrangigste Beschäftigung sei das Führen von Kriegen. In einem privaten Gespräch sagte Roosevelt 1940: »Hitler kann nicht einmal den Kanal überqueren. Er kann uns keinen Schaden zufügen.« Roosevelt beschäftigte sich nicht vorrangig damit, die USA zu verteidigen, sondern nur damit, Angriffskriege zu führen. Die drei deutschen Staatsformen Zwischen den drei hier verglichenen deutschen Staatsformen können wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen. Die drei ähneln sich sicherlich mehr als die Bundesrepublik (seit 1949), die Deutsche Demokratische Republik (seit 1949) und die Republik Österreich (seit 1947) — auf Grund des Friedensvertrages von 1955 ein neutraler Staat mit starken russischen Vorbehalten. Im Gegensatz zur USA-hörigen BRD und der sowjethörigen DDR hat Österreich seit 1955 keine Besatzungstruppen mehr. Obwohl die DDR zusammen mit Ungarn die beiden blühendsten sowjetischen Satellitenstaaten sind, ist die DDR genauso wie die UdSSR und im Gegensatz zu Ungarn durchmilitarisiert und wird für militärische Aktionen getrimmt. Die BRD dagegen, die im Gegensatz zu Österreich nicht entmilitarisiert ist, hängt von den ausländischen Besatzern, vor allem den USA, weit mehr ab. Auch wird die BRD wiederholt aufgefordert, beachtliche Zahlungen an die USA und Israel zu leisten — die DDR zahlte an Israel, das von Moskau als imperialistischer Raubstaat bezeichnet wird, bisher nichts. 311

Diese drei Teile Deutschlands sind, oberflächlich gesehen, stärker geteilt und weiter auseinander, als dies jemals in der Geschichte Deutschlands der Fall war. Aber hinter der durch den ausländischen Imperialismus verzerrten Fassade befindet sich die gemeinsame Erfahrung des Dritten Reiches. Sobald der amerikanische Einfluß weg ist, und dies wird in absehbarer Zeit auf Grund des finanziellen Zusammenbruches der USA, den kein Satellit wird aufhalten können, der Fall sein, dann werden diese alten Bindungen stärker sein, und Deutschland wird wieder zusammenfinden. Eine der Gemeinsamkeiten der drei älteren miteinander verglichenen Staatsformen, die sie von den drei jüngeren unterscheidet, ist natürlich der Nationalismus, der eine mächtige Kraft war, die Bismarck benutzte, um das Zweite Reich der Deutschen zu schaffen. Dieser Nationalismus zeigte sich auch in der Unterstützung des geschichtlichen Revisionismus (unter anderem nach dem Versailler Diktat) in der Weimarer Republik, und zwar unabhängig von ihrem revolutionären Beginn. Dieser Nationalismus erreichte unter Hitler seinen Höhepunkt mit dem Versuch, ein für allemal Deutschlands Stellung als einer geeinten europäischen Großmacht zu sichern. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges kam dann die Vorstellung hinzu, ganz Europa vor dem räuberischen Imperialismus der USA und der UdSSR zu retten. Eine weitere Gemeinsamkeit war der fortlebende Stolz auf die deutsche Wirtschaft, die deutsche Landwirtschaft und die deutsche Industrie (siehe Gustav Stolper, A History of the German Economy, New York 1941). Viele Einrichtungen funktionierten ohne Unterbrechung in allen drei Staatsformen. Die konstitutionelle Monarchie, eine liberale Republik und der nationalsozialistische Wohlfahrtsstaat kapitalistischen Zuschnitts stellen in der Tat eine verwirrende ideologische Vielfalt an Systemen dar. Alle drei funktionierten, unabhängig von ihren Unterschieden, ausgezeichnet.

312

Aussichten für das 21. Jahrhundert Um die Rolle Deutschlands im 21. Jahrhundert festzulegen, braucht man nicht weit zu suchen. Unabhängig von allen wirtschaftlichen und technologischen Faktoren muß der deutsche Schwerpunkt im kommenden Jahrhundert in der deutschen Überlieferung liegen. Erwin Guido Kolbenheyer hatte recht, als er sagte, daß ein Meer an Propaganda selbst intelligente Leute daran hinderte, klar zu sehen. Doch dies wird sich ändern. Das einstmals blühende Amerika als die Geldgebernation schlechthin befindet sich am Rande des Ruins und ist zur größten Schuldnernation geworden. Im Jahre 1987 belief sich die US-Schuldenlast auf 262 Milliarden Dollar bei einem jährlichen Handelsdefizit von 150 Milliarden Dollar. Man kann sich schwer vorstellen, daß im Verlauf von 100 Jahren eine amerikanische Erneuerung, von einer weltweiten ganz zu schweigen, erfolgen kann, wenn man die Demoralisierung, die Krankheiten und die mindere Leistungsfähigkeit eines großen Teils der amerikanischen Bevölkerung vor Augen hat. In der Zwischenzeit hat die UdSSR, in der die Russen nur noch 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen, Probleme mit Aufständischen und unruhigen Völkern in den südlichen Teilen bis hin zu den Grenzen im Fernen Osten. Und da die gewohnte amerikanische Hilfe in naher Zukunft wegfallen dürfte, wird die UdSSR versorgungsmäßige Engpässe haben; nicht zuletzt deswegen, weil die Kolchosenwirtschaft wie auch die Industrie schlecht funktionieren. Das 21. Jahrhundert könnte möglicherweise das Jahrhundert sein, in dem die Russen in Asien, wo sie nie etwas zu suchen hatten, ausgeschaltet werden. Die Tage des britischen Weltreiches sind schon lange vorbei, und das britische Commonwealth ist nur ein schwacher Trost. Seit fast 50 Jahren hängt England von bedeutender amerikanischer Hilfe ab. Es ist eine Art auswärtiges Arbeitslosenprogramm, das viele Engländer als 313

gegeben ansehen, das aber in Anbetracht der Schwierigkeiten der amerikanischen Industrie wie auch des amerikanischen Handels bald zu einem bitteren Erwachen führen könnte. Japan, die glitzernde Handelsmacht im Osten, wird seinerseits auch mit eigenen Problemen zu tun haben, wenn ihm der US-Markt neben anderen Märkten entgleitet. Es ist zweifelhaft, ob China all dies aufnehmen kann, doch bietet der chinesische Markt die besten Möglichkeiten für die Japaner. Es könnte erforderlich sein, daß die EG England ausschließt, wenn es weiterhin jedes Jahr mit unnötigen Schwierigkeiten kommt — wie zum Beispiel in der Frage des deutschen Bieres. Auf jeden Fall wird England ohne die amerikanische Hilfe zu einem unwägbaren Faktor. Deutschland unterhält ausgezeichnete Beziehungen zu Frankreich und Italien, den beiden anderen Ländern aus der Erbmasse Karls des Großen. Und es scheint, als sei der Handelsaustausch innerhalb der EG nicht zu verhindern. Auf jeden Fall wird der unvermeidbare Niedergang der USA wie der UdSSR für Deutschlands Erneuerung und Einheit aus eigener Kraft, wie in der Ära Bismarcks, und nicht als Geschenk einer anderen Macht, den entsprechenden Rahmen bilden. Bei einem Historikertreffen im Jahre 1955 in Illinois fragte ich den früheren österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (19341938), der damals an der Katholischen Universität von St. Louis lehrte, wie er als der ultramontane Gegner des Hitlerschen ÖsterreichAnschlusses vom Jahre 1938 über einen Nachkriegs-»Anschluß« von Österreich an die BRD—DDR denke. Der frühere österreichische Diktator dachte eine Weile nach, um dann lächelnd zu antworten, er habe dagegen keinerlei Einwände. Natürlich ist unter den Bedingungen des österreichischen Neutralitätsvertrages von 1955 eine solche Entwicklung ausgeschlossen, doch Schuschnigg wußte genauso gut wie jeder andere, daß die Wendung, Verträge sind einzuhalten (pacta 314

sunt servanda), der Formel unterworfen ist, daß eine Vereinbarung nur so lange gilt wie die Umstände, die zu ihr geführt haben (rebus sic stantibus). Vieles spricht dafür, daß noch in diesem Jahrhundert die drei oben erwähnten deutschen Gebiete vereint sein werden. Es gibt auch Gründe anzunehmen, daß die derzeitige niedrige Geburtenrate in der Bundesrepublik, ausgenommen die der ausländischen Arbeitnehmer, genauso wieder ansteigen wird, wie dies ab 1942 in Vichy-Frankreich unter Pétain der Fall war. Daß Deutschland bis zum 21. Jahrhundert seine führende Rolle in Anbetracht des Niedergangs der USA und der UdSSR wieder erreichen wird, scheint unvermeidlich. Eine Ironie der Geschichte wird dann möglicherweise in dem Umstand liegen, daß Israel von der deutschen Auslandshilfe abhängig wird. Deutschland könnte dazu bereit sein, wenn dafür Israel einige seiner ehrgeizigen Pläne aufzugeben bereit ist, nämlich das Besetzthalten syrischen Gebietes, die Kontrolle über den Libanon, den Wunsch nach der Hauptstadt Jerusalem und den Aufbau einer eigenen Atomstreitmacht. Deutschland wäre wahrscheinlich auch nicht bereit zuzulassen, daß Israel mit seinen ausländischen Waffenlieferungen Handel treibt. Daß ein starkes, wiedervereinigtes Deutschland ein beachtlicher Friedensfaktor in der modernen Welt wäre, versteht sich von selbst. Diese Rolle spielte sowohl Bismarck als auch Wilhelm II. im Zweiten Reich. Auch Hitler hätte ein solcher stabilisierender Friedensfaktor werden können, wenn dies England (vor dem Zweiten Weltkrieg) zugelassen hätte oder wenn er einen schnellen Frieden gewonnen hätte (Sieg über die Russen im Jahre 1941 und kein japanischer Angriff auf Pearl Harbor). Es gibt genügend Gründe anzunehmen, daß sich die Welt an die neue Rolle Deutschlands (die übrigens die überlieferte Rolle Deutschlands seit dem Mittelalter ist) gewöhnen wird, ehe das 21. Jahrhundert weiter vorangeschritten ist. Die Menschen werden sich die Augen reiben, wenn sie die falsche und gehässige Propaganda 315

gegen Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg lesen. Auch wird man die Behandlung Deutschlands durch die USA, die UdSSR und England als unglaublich ansehen.

Ausblick Wenn man die Geschichte Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der weltgeschichtlichen Verflechtung untersucht, dann überkommt einen unvermeidlich ein Gefühl der Genugtuung über die Leistungen, die Deutschland in einer Zeit, die für die Deutschen und alle übrigen Menschen als eine der schwierigsten Abschnitte in der Geschichte anzusehen ist, vollbracht hat. Wenn es schon menschliches Fehlverhalten gegeben hat, dann wurde jedes einzelne Fehlverhalten hundertmal durch persönliche Tapferkeit, Heldenmut, Pflichterfühlung und selbstlose Liebe für die deutsche Volksgemeinschaft aufgewogen. Die Menschen, die so gut gekämpft haben, werden eines Tages Deutschland wieder aufbauen und zu neuen Höhen führen. Helmut Sündermann (aaO.) hatte 1965 recht, als er sagte, daß die seltsame Welt der Sieger des Zweiten Weltkrieges irgendwie erstarrt sei. Sein Urteil ist auch heute noch zu einem großen Teil richtig. Aber auch Herbert Grabert (Sieger und Besiegte, aaO.) hat recht, wenn er darauf hinweist, daß sowohl Sieger als auch Besiegte in dieser Welt der ständigen Prüfung der Clio unterliegen, wie das Fichte zur Zeit der Napoleonischen Besetzung Preußens in so beredter Weise zum Ausdruck gebracht hat. Wenn man geduldig und klug einer Sache ergeben ist, kann aus einer Niederlage auch wieder ein Sieg entstehen. Der Zeitpunkt, an dem sich der Besiegte von gestern aus den Klauen der Sieger von gestern befreien kann, nähert sich schnell. Ist das heutige Deutschland den Unterdrückern von 1945 nicht an Erfahrung und Fähigkeiten weit voraus? 316

Es ist nun an der Zeit für eine neue Ära in der deutschen Geschichte, aber keine Ära, die auf der nihilistischen Auffassung der »Gnade des Nullpunktes« fußt. Eine Ära, die auf der deutschen Hauptströmung selbst gründet, von der sie durch ausländische Einmischung abgelenkt wurde. Deutschland hat der Welt auf vielen Gebieten vieles zu geben. Aber dies ist weiterhin nur möglich, wenn man die Deutschen ihr eigenes Geschick entscheiden läßt und sie auch die Hoffnung genießen läßt, die sich daraus ableiten läßt. Ein bankrottes Amerika wie ein anderes Rußland sind bald so weit, daß die Besatzer sich aus Mitteleuropa zurückziehen. Möge sich an diesen Vorgang eine glückliche und gedeihliche Wiedervereinigung Deutschlands anschließen, die dann dieses Mal ewig dauern wird.

317

318

Nachwort des Verlegers Das vorliegende Werk ist das letzte des großen amerikanischen Historikers David L. Hoggan. Kurz vor seinem Tode, der ihn am 7. August 1988 nach einem arbeitsreichen Leben plötzlich abrief, konnte er es noch fertigstellen und uns zur Übersetzung und Veröffentlichung übersenden. Nach seinen bedeutenden Monographien zu geschichtlichen Fragen des 20. Jahrhunderts, insbesondere zu den Ursachen und Schuldfragen des Zweiten Weltkrieges, hat sich Hoggan in seinen letzten Werken mehr der Geschichtsphilosophie zugewandt und die Ereignisse unseres Jahrhunderts in größerer Gesamtschau und im Vergleich mit anderen Epochen europäischer Geschichte betrachtet. Dabei verlor er nie das zentrale Ereignis des 20. Jahrhunderts aus dem Auge: die Zerschlagung des Deutschen Reiches durch die Anglo-Amerikaner in beiden Weltkriegen. Aus der Fülle seines geschichtlichen Wissens und persönlichen Befragens vieler Zeitzeugen hat Hoggan in diesem Band interessante Gedanken und Überlegungen zur deutschen und europäischen Geschichte der letzten hundert Jahre zusammengestellt. Wie in allen seinen Büchern scheut er sich auch hier nicht, begründete Urteile zu fällen und in aller Deutlichkeit auszudrücken, wo hinter den Kulissen der Weltgeschichte die eigentlichen Fäden zum Geschehen gesponnen wurden. Sein unbeirrbares Eintreten für die historische Wahrheit machte ihn zum Begründer des wissenschaftlichen Revisionismus nach dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund seiner Studien wurde er zum mutigen Verteidiger Deutschlands bei der Zurückweisung der Kriegschuld319

vorwürfe. Beides trug dazu bei, daß er vielfach angefeindet wurde, daß seine berufliche Karriere zerbrach und er große persönliche Opfer bringen mußte. Dennoch ließ er sich nicht beirren, sondern blieb bis zu seinem frühen Ende ein Künder der geschichtlichen Wahrheit gegen die Fälschungen der Kriegspropaganda und Umerzieher in den USA wie in Deutschland. David L. Hoggan wurde am 22. März 1923 in Portland im US-Staat Oregon geboren. Er diente im Zweiten Weltkrieg in der US-Army und studierte anschließend Geschichte. An der angesehenen HarvardUniversität promovierte er 1948 mit einer Dissertation über den Zusammenbruch der deutsch-polnischen Beziehungen im Jahre 1939. Nach kurzer Lehrtätigkeit an dem berühmten Massachusetts Institute of Technology in Boston weilte er 1949 bis 1952 als Assistenz-Professor und Mitarbeiter des Rektors am Amerika-Institut der Münchener Universität. Hier beschäftigte er sich eingehender mit dem deutschen Schicksal in unserem Jahrhundert und vervollkommnete seine deutschen Sprachkenntnisse. Er heiratete eine Deutsche. Schon damals wandte er sich gegen die beginnende Schuldbesessenheit der Deutschen und versuchte, die akademische Jugend über die wirklichen Verhältnisse aufzuklären, die zu den Weltkriegen führten. Im folgenden Jahrzehnt war Hoggan Professor für Geschichte an den amerikanischen Universitäten in Berkeley (Kalifornien), Carthage (Illinois) und San Francisco, später am Menlo College. In Weiterführung seiner Dissertation erarbeitete er sein Hauptwerk Der erzwungene Krieg. Die Ursachen und Urheber des 2. Weltkrieges, das 1961 in unserem Verlag erschien und inzwischen in 14. Auflage vorliegt. Mit diesem rund 900 Seiten umfassenden Buch, davon allein mehr als 50 Seiten Literatur angaben, begründete Hoggan den wissenschaftlichen Revisionismus und schuf dessen Standardwerk, das nach mehr als 30 Jahren immer noch Gültigkeit hat. Selbst der Spiegel (13. 5.1964) mußte zugeben, daß es ausgestattet sei »mit dem ausführlichsten Quellenverzeichnis, das je einem Werk über den 320

Kriegsausbruch 1939 beigegeben war«. Und der berühmte amerikanische Historiker Professor Harry Eimer Barnes schrieb 1962 (in Herbert Grabert, Hg., Im Kampf um die Wahrheit, Tübingen 1962, S. 33): »Das nunmehr zuerst in deutscher Sprache veröffentlichte Werk Hoggans ist nicht nur die erste umfassende, auf Quellen gestützte Darstellung der Vorgeschichte und der Ursachen des 2. Weltkrieges, es wird auch auf lange Zeit das maßgebende Werk auf diesem Gebiet bleiben. Es übertrifft sogar noch den zweiten Band von Prof. Fays mit Recht so gerühmten Origins of the World War (›Ursachen des Weltkrieges‹) in Wissen und Gelehrsamkeit.« Nach ersten zustimmenden Kritiken in der Bundesrepublik Deutschland (z.B. Die Welt vom 3.2.1962; Deutsche Zeitung vom 10. 2.1962) fielen dann wie in einem abgestimmten Chore die im Umerziehungswahn befangenen westdeutschen Medien und viele Historiker zwischen München und Hamburg über Hoggan und sein Werk her und versuchten, es verächtlich zu machen. Der Spiegel (18. Jahrgang, Nr. 20 vom 13. Mai 1964) brachte sogar auf 17 Seiten eine Titelgeschichte über Hoggan und seine Arbeit sowie ein ausführliches Interview mit dem Historiker. Schon ein Jahr nach dem Erscheinen des Hogganschen Werkes schlug der Tübinger Zeitgeschichtler Hans Rothfels 1962 auf der 25. Versammlung der (west-)deutschen Historiker in Duisburg Alarm und klagte: »Aus mehreren kleinen Städten ist bekanntgeworden, daß das Hoggansche Buch von einer lokalen Notabilität dem Schuldirektor mit einem Anschreiben zugesandt wurde, das kategorisch auffordert, es hinfort dem Geschichtsunterricht auf der Oberstufe zugrunde zu legen. In so mancher Lehrerbibliothek findet es sich bereits.« Und da solches natürlich nicht einreißen und geduldet werden durfte — weil sonst die Hauptbegründung der Umerziehung zu früh ins Wanken gekommen wäre —, ordneten in den sechziger Jahren westdeutsche Kultusminister sogar an, daß Hoggans Werk aus den Schulbibliotheken zu entfernen sei — die moderne Art der Bücher321

verbrennung, indem man unerwünschte Bücher den Lesern von Amts wegen unzugänglich macht —, und Pädagogen, die auf Hoggans Werk hinwiesen oder es ihren Schülern empfahlen, wurden disziplinarisch verfolgt. Die öffentliche Diffamierung des für die geschichtliche Wahrheit eintretenden Geschichtsforschers erreichte einen Höhepunkt, als er im Frühjahr 1964 zu einer Vortragsreise nach Westdeutschland kam. Bei dieser Gelegenheit sollte er für seine Verdienste um die zeitgeschichtliche Wissenschaft wie um die Entlastung Deutschlands von der »Gesellschaft zur Förderung geschichtswissenschaftlicher Forschung« in Düsseldorf im Rittersaal des Schlosses Burg an der Wupper den mit 10 000.- DM dotierten »Leopold-Ranke-Preis« erhalten. Die Schloß-Verwaltung zog aber auf politischen Druck kurzfristig ihre Zusage auf Überlassung des Saales zurück, so daß die Preisübergabe im Gasthaus »In der Straßen« in der Stadt Burg stattfinden mußte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte Demonstrationen in Burg gegen den amerikanischen Freund der Deutschen organisiert. Der mit 5000.- DM dotierte »Ulrich-von-Hutten-Preis« der »Gesellschaft für Freie Publizistik« (GFP) sollte dem Amerikaner am 9. Mai 1964 im Königssaal des Heidelberger Schlosses in festlichem Rahmen übergeben werden. Nach dem Protest einiger Heidelberger Nachwuchshistoriker, die erklärten: »Das Buch von Hoggan ist … für die zeitgeschichtliche Forschung wertlos«, versagte der nordbadische Regierungspräsident Munzinger den angemieteten Saal, so daß der Vorsitzende der GFP, der Verleger Curt Vowinckel, mit der Veranstaltung kurzfristig auf ein Neckarschiff ausweichen mußte, an dessen Bord der US-Historiker dann auf dem Fluß zwischen Heidelberg und Neckargemünd seinen Vortrag hielt und den Preis in Empfang nehmen konnte. Das »Deutsche Kulturwerk europäischen Geistes« hatte unter seinem Präsidenten Dr. Herbert Böhme den Herkules-Saal der 322

Münchener Residenz angemietet, um dort Hoggan nach seinem Vortrag mit der Übergabe eines »Leuchters für geschichtliche Wahrheit« zu ehren. Die zuständige bayerische Schlösserverwaltung widerrief dann jedoch die getroffene Vereinbarung. Nachdem auch das Münchener »Künstler-Haus« aus politischen Gründen einen Saal verweigert hatte, fand die Veranstaltung schließlich im großen Saal des Hacker-Kellers auf der Theresienhöhe statt. Jedesmal lief eine entsprechende Hetzkampagne in der regionalen Presse gegen Hoggan und sein Werk. Auch der Düsseldorfer Rhein-Ruhr-Klub hatte den amerikanischen Professor zu einem Vortrag eingeladen. Als jedoch eine Anfrage beim Bonner Innenministerium ergab, daß dieses gegen Hoggan eingestellt sei und seine Entlastung Deutschlands nicht wünsche, fiel der angesehene und sonst auf seine liberale Tradition so stolze Klub sofort um und zog seine Einladung an den Wissenschaftler zurück. Das sonst so weltoffene Düsseldorfer Park Hotel gestattete Hoggan nicht einmal eine Presse-Konferenz in seinen Räumen, wo dieser den Medienvertretern Rede und Antwort stehen wollte. In der Intoleranz gegen den ausländischen Geschichtsforscher waren sich auf solche Weise alle westdeutschen »Demokraten« ziemlich einig, auch der damalige Bundesinnenminister Höcherl, der sich im Bundestag auf eine SPD-Anfrage hin gegen Hoggan aussprach. Ebenso bezeichnend war es, daß jahrzehntelang kein Verlag in den USA oder in Großbritannien zur Veröffentlichung der englischen Originalausgabe gefunden werden konnte. Mehrmals zerschlugen sich die Verhandlungen nach bereits erfolgten Druckzusagen, wenn auf die betreffenden Verlage ein solcher politischer und wirtschaftlicher Zwang von verschiedenen Seiten ausgeübt wurde, daß sie sich von dem Vorhaben zurückziehen mußten, so der New Yorker DevinVerlag, der das Werk im Herbst 1964 unter dem Titel »When peaceful Revision failed. The Origins of World War II« herausbringen wollte. Erst im Jahre 1989 erschien die englischsprachige Ausgabe unter 323

demTitel The forced War. When peaceful Revision failed im Verlag des Institute for Historical Review in Costa Mesa in Kalifornien. Die ganze Absurdität der Verhältnisse in Westdeutschland im Bereich der Zeitgeschichtsforschung und ihrer Geschichtsschreibung wird deutlich, wenn man diese Ereignisse um Professor Hoggan von 1964 mit den revisionistischen Bestrebungen in der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg vergleicht. Als damals in den Jahren 1926—27 der amerikanische Historiker Professor Harry Elmer Barnes, später ein Freund Hoggans, nach Deutschland kam und nach entsprechenden Veröffentlichungen (u.a., Genesis of World War, 1926; deutsche Ausgabe: Die Entstehung des Weltkrieges. Eine Einführung in das Kriegsschuldproblem, 1928) hier Vorträge zur Widerlegung der den Deutschen im Artikel 231 des Versailler Vertrags abgepreßten Anerkennung der Alleinkriegsschuld am Ersten Weltkrieg hielt, sandte ihm der amtierende Reichspräsident Paul von Hindenburg seinen Adjutanten zum Empfang entgegen. Barnes sprach dann vor einem begeisterten deutschen Publikum von Hochschullehrern und Studenten im Auditorium Maximum bedeutender deutscher Universitäten, so in Berlin und München, wurde auch in den Medien gefeiert, weil er die Deutschen in ihrer berechtigten Ablehnung des Kriegsschuldvorwurfes unterstützte, und erhielt öffentliche Ehrungen. David L. Hoggan schrieb in den folgenden Jahren weitere Werke, die ebenfalls zunächst in Westdeutschland in unserem Verlag erschienen, so 1963 Frankreichs Widerstand gegen den Zweiten Weltkrieg; 1976 erschien Der unnötige Krieg (2. Auflage bereits 1977). Eine Gesamtbetrachtung der letzten beiden Jahrhunderte legte Hoggan in seinem zweibändigen Werk Das blinde Jahrhundert vor, dessen Teil 1: Amerika — das messianische Unheil 1979 erschien, während Teil 2: Europa — die verlorene Weltmitte 1984 herauskam. In den USA erschienen u. a. The Myth of the ›New History‹ (New York 1965, 2. Auflage Los Angeles 1985) und Falsehood in Peacetime. The Genocide of Mirage (Los 324

Angeles 1969). Mit der Frage der den Deutschen vorgeworfenen Massenvernichtungen im Osten befaßte sich Hoggan bereits 1969 in dem Buch The Myth ofthe Six Millions (Los Angeles 1969). In zahlreichen Artikeln, auch in unserer Vierteljahreszeitschrift Deutschland in Geschichte und Gegenwart wie in deren Vorgängerin, der Deutschen Hochschullehrer-Zeitung, hat Hoggan darüber hinaus zu Problemen der Zeitgeschichte Stellung genommen. Mit allem hat er sich nicht nur als Bahnbrecher des wissenschaftlichen Revisionismus in der Zeitgeschichtsforschung einen Namen geschaffen, sondern sich auch um die Ehre des deutschen Volkes verdient gemacht. Wegen seiner ungeschminkten Darstellung der Gründe und Hintergründe, die zum Zweiten Weltkrieg führten, insbesondere der unablässigen Kriegstreiberei des US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt in den dreißiger Jahren, wurde Hoggan dann von einflußreichen Gruppen systematisch aus den amerikanischen Hochschulen vertrieben. Seine Lehr- und Forschungsverträge wurden nicht mehr erneuert, so daß der hochqualifizierte Wissenschaftler schließlich keine entsprechende Anstellung mehr fand und in wirtschaftliche Not geriet. Doch trotz aller Hindernisse, die man ihm in den Weg legte, und trotz aller Anfeindungen wich er nicht vom Wege des allein am Ethos des Wissenschaftlers sich ausrichtenden Historikers und blieb seiner Pflicht als Objektivität erstrebender Geschichtsforscher treu. Er hat nicht nur auf den Beifall der breiten Öffentlichkeit verzichtet, sondern auch seine Karriere geopfert, weil er sich nicht wie die meisten anderen nach dem Zeitgeist richten wollte. Er hat es auf sich genommen, in unsicheren und beengten Verhältnissen zu leben, weil er die Prinzipien seiner Wissenschaft nicht verraten wollte. Hoggan konnte noch erleben, wie sich der Revisionismus langsam durchzusetzen begann, ja wie — etwa im westdeutschen »Historikerstreit« ab 1986 — der allgemeine Ruf der Fachwissenschaftler nach »Revision« des bisherigen viel zu einseitigen und die Wahrheit 325

verfälschenden Geschichtsbildes der Umerzieher einsetzte. Schon vorher hatte es aus westdeutschen akademischen Kreisen eine Rehabilitation für ihn gegeben, als in der Nummer 22 der angesehenen Fachzeitschrift Der Staat (1983, S. 107-123) der durch mehrere Bücher und Fachartikel vor allem zur Rechtslage Deutschlands hervorgetretene Bochumer Politologe Professor Dr. Helmut Rumpf einen Artikel über die jüngere Geschichtsschreibung zur nationalsozialistischen Außenpolitik schrieb. Darin kritisierte der Wissenschaftler, daß »maßgebliche und einflußreichste Werke« der bisherigen westdeutschen Zeitgeschichtsforschung »von politischen Feinden, ideologischen Gegnern und Opfern des Hitlersystems, seien es Zeitgenossen, Emigranten und Nachfahren, verfaßt wurden« und daß die allgemeine Darstellung der Zeit des Dritten Reiches »von nur allzu verständlichen Leidenschaften und haßerfüllten Werturteilen getragen war«, so daß sie sich »durch die vorzeitige Einführung von Werturteilen um den Erfolg gebracht hat«. Dann widmete Rumpf ein Kapitel seiner Ausführungen David L. Hoggan und führte darin aus (siehe auch DGG 83/4, S. 38): »Das Buch des amerikanischen Historikers David L. Hoggan, Der erzwungene Krieg — die Ursachen und Urheber des Zweiten Weltkrieges (1962, 11. Aufl. 1977), hat in der Geschichtsschreibung über die Entstehung des Zweiten Weltkrieges eine einzigartige Rolle gespielt: viel weniger wegen seines mit Recht umstrittenen Inhalts als wegen des empörten Widerspruchs, den es gerade und namentlich bei deutschen Historikern gefunden hat. An der gegen dies Buch entfesselten Polemik zeigt sich paradigmatisch der tiefgehende Unterschied zwischen Ideologie und Tendenz der deutschen Geschichtsschreibung nach dem Zweiten und nach dem Ersten Weltkrieg. Während nach dem Ersten Weltkrieg historische Darstellungen der Entstehung des Krieges, die der These von der deutschen Alleinschuld entgegentraten, wie das Werk des Amerikaners Sidney B. Fay dankbar begrüßt und lobend zitiert wurden, erntete Hoggan mit dem 326

entsprechenden Versuch nach dem Zweiten Weltkrieg von zur Zunft gehörigen deutschen Historikern nur Schimpf und Schande. Die Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte ließen sein Buch 1962 durch den damaligen wissenschaftlichen Assistenten am Institut für politische Wissenschaften in Erlangen, Gotthard Jasper, zusammen mit A. J. P. Taylors Werk über den Zweiten Weltkrieg verreißen, nachdem Hans Rothfels das Stichwort gegeben hatte. Hermann Graml veröffentlichte gleich eine ganze Anti-Hoggan-Monographie und Hans Adolf Jacobsen tat ihn in seinem Standardwerk Nationalsozialistische Außenpolitik 1933—1938 (1968) in einer Fußnote als ›völlig unbrauchbar und wissenschaftlich wertlos‹ ab. Prominentester Sprecher der deutschen Autoren, die Hoggans historiographische Entlastungsoffensive, wenn auch mit Vorbehalt, begrüßten, war wohl Frank Thiess, Verfasser romanhafter Geschichtswerke, der seine Rezension in einer großen südwestdeutschen Tageszeitung mit den Worten schloß: ›Dennoch … haben wir Hoggan für sein Werk zu danken, und auch die Verächter Hitlers sollten einer Leistung, die mit wissenschaftlicher Sorgfalt, seltener Noblesse und beispielhafter Gerechtigkeit von einem Amerikaner für Deutschland vollbracht wurde, ihre Achtung nicht versagen.‹ Nach 20 Jahren wieder gelesen, wird man Hoggan die Achtung weder vor seinem umfangreichen mehrsprachigen Aktenstudium (auch slawischer Sprachen) noch vor seinem Streben nach Gerechtigkeit versagen dürfen. Das strahlende Bild britischer Friedensliebe und selbstloser Beschwichtigung des deutschen Diktators hat er nachhaltig angekratzt, indem er nachweist, mit welcher kühlen Kriegsentschlossenheit die britische Außenpolitik ab Mitte 1939 im Konflikt um das deutsche Danzig dem polnischen Nationalismus gegen den deutschen Nationalsozialismus den Rücken stärkte. Letztlich war auch die britische Außenpolitik Machtpolitik und mußte es immer stärker werden, wollte sie der nationalsozialistischen Expansion Einhalt gebieten.« 327

Hoggan war nicht nur ein Künder der historischen Wahrheit und ein Erforscher der Vergangenheit. Er verfolgte auch kritisch die aktuellen politischen Vorgänge und scheute sich nicht, Entwicklungen für die Zukunft vorauszusagen. In seinen Briefen und persönlichen Erklärungen wie auch an mehreren Stellen dieses Buches gab er seiner festen Zuversicht Ausdruck, daß die Wiedervereinigung Deutschlands bald bevorstehe — zu einer Zeit, als niemand das zu erhoffen wagte, was sich dann im Herbst 1989 in wenigen geschichtsträchtigen Wochen in Mitteldeutschland ereignete. Er war auch davon überzeugt, daß sein geliebtes Deutschland über kurz oder lang international wieder eine wichtige Rolle spielen und allgemein anerkannt werde, während er für die weitere Zukunft der Sowjetunion wie seines Heimatstaates, der USA, aus verschiedenen Gründen schwarz sah. Schon zwei Jahre nach seinem Tode können wir feststellen, daß er mit seinen Zukunftsaussichten für Deutschland die wirkliche Entwicklung richtig vorausgesehen hat, die zu seiner Zeit noch völlig unwirklich erscheinen mußte. Auch hierin möchten wir eine Bestätigung dafür sehen, daß Hoggan ein großer Historiker war, dessen Blick zu den verborgenen Ursachen und Quellen der Geschichte vordrang. Mit David L. Hoggan hat das deutsche Volk einen großen Verteidiger seiner Ehre und einen aufrichtigen Freund verloren. In der Deutschen National-Zeitung und Soldaten-Zeitung hatte Hoggan Ende November 1963 über seine Stellung zu Deutschland erklärt: »Wenn ich das Leben Deutschlands im 20. Jahrhundert sehr genau betrachte, kann ich nur sagen: Wenn ich nicht als Amerikaner geboren wäre, dann möchte ich nationaler Deutscher sein und sehr stolz sein, einem so großen, hervorragenden Volke anzugehören.« Noch wird er weithin verkannt, und die großen Massenmedien nahmen von seinem Tode keine Notiz, geschweige, daß sie diesem um die Zukunft Deutschlands so verdienten Manne eine Würdigung oder einen ehrenden Nachruf widmeten. Doch sein Werk wird die 328

kleinlichen Anfeindungen der schuldbesessenen deutschen Umerzieher überdauern und sich gegen das wissenschaftsfeindliche Verschweigen durchsetzen. Möge das vorliegende Buch als sein persönlicher Abschluß seines Kampfes um die historische Wahrheit aufmerksame Leser finden und in weite Kreise auch der jüngeren Generation gelangen, damit die jahrzehntelang mit allen Mitteln durchgeführte Verfälschung der geschichtlichen Wirklichkeit in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts endlich ein Ende findet. Möge es damit zur geistigen Gesundung unseres Volkes beitragen, auf das David L. Hoggan so große Erwartungen setzte. Tübingen, am 17.Juni 1990

Wigbert Grabert

329

Anhang Polens Streben nach territorialer Expansion Die 14 Punkte Wilsons Roosevelts Chicagoer Rede am 5. Oktober 1937 Münchener Abkommen vom 29. September 1938 Churchills Rede zum Münchener Abkommen Chamberlains Rede in Birmingham Die Atlantik-Charta Die Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945.

330

331 334 337 342 344 350 353 356

Polens Streben nach territorialer Expansion Die Ziele der nationalpolnischen Agitation am Ausgang des vorigen Jahrhunderts waren unzweideutig. Die Wiedergeburt bzw. Auferstehung Polens, ein neues unabhängiges oder selbständiges Polenreich, ein Polen von Meer zu Meer (das heißt von dem Schwarzen Meer bis zur Ostsee) waren beliebte Leitmotive in der damaligen polnischen Presse. In ihrem »Polenspiegel« haben Franz Wagner und Fritz Vosberg 1908 (Neuauflage Struckum 1989) einen repräsentativen Querschnitt dieser Pressestimmen zusammengestellt. Die nachstehend wiedergegebene Pressestimme soll den allgemeinen Willen zur Expansion dokumentieren, der im 20. Jahrhundert, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, noch aggressivere Züge erhielt (siehe Werner Fuchs, »Selbstzeugnisse polnischen Eroberungswillens«, Struckum 1988): Przeglond W, Nr. 1 v. Januar 1899 Das Erhalten der östlichen Provinzen, in denen die polnische Bevölkerung ansässig ist, bildet für die preußische Monarchie das größte Interesse, ist für sie geradezu eine Lebensfrage. Ein mächtiger Staat kann sich mit der, und sei es auch in der fernsten Zukunft liegenden Möglichkeit des Verlustes eines bedeutenden Landesteiles mit etwa 7 Millionen Einwohnern, darunter über 3 Millionen Deutsche, nicht aussöhnen. Mit dem Augenblick, als die polnische Nationalbewegung sich auf die Volksmassen erstreckte und sich über anscheinend längst germanisierte Provinzen verbreitete, als das Nationalbewußtsein auf der ganzen zweiten und breiten Linie von Myslowitz bis Putzig erwachte, mußte die preußische Politik sich zwei Ziele stecken; die Verdeutschung der polnischen Bevölkerung innerhalb der Grenzen Preußens und die Verhinderung der Gründung eines selbständigen polnischen Staates, überhaupt der Regelung des Verhältnisses der Polen zu Rußland. Es hat sich herausgestellt, daß die polnische Bevölkerung sich schneller vermehrt als die deutsche und daß die Macht des polnischen Volkes nicht nur ziffernmäßig, sondern auch in kulturell-politischer und wirtschaftlicher Beziehung wächst; das polnische Element ist in jeder Beziehung jetzt stärker in Preußen, als es vor 30 oder sogar 50 Jahren war (sic!). Es hat nicht nur den Fortschritten des Deutschtums in den Ostmarken Einhalt getan, sondern auch die verlorenen Positionen wiederzugewinnen, ganze Landesteile, wie Oberschlesien und das preußische Masowien zu erobern 331

(sic!) begonnen, ja es ist sogar auf dem Gebiet wirtschaftlicher Verhältnisse durch Bildung von polnischen Arbeiter-Ansiedlungen in der Hauptstadt von Preußen und Deutschland aggressiv (sic!) vorgetreten … Die preußische Politik ist der polnischen Bevölkerung gegenüber in eine Lage ohne Ausweg geraten. Durch Zugeständnisse an das Polentum kann sie sich das Besitztum der östlichen Provinzen nicht sichern, denn wenn sie auch die polnische Ortsbevölkerung für sich gewinnen sollte, würde sie das natürliche Streben unserer Nationalpolitik nicht aufhalten, nämlich die Vereinigung aller früher polnischen Landesteile. Preußen oder gar Deutschland kann nicht freiwillig auf die östlichen Provinzen verzichten, nicht nur mit Rücksicht auf die dort ansässigen 3 Millionen Deutsche, sondern mehr noch mit Rücksicht auf seine territoriale Lage. Der Verlust dieser Gebiete würde ein Todesstoß für die Macht Deutschlands sein … Die polnische Frage hat nicht nur für Preußen, sondern auch für das ganze vereinte Deutsche Reich den Charakter, wie wir ihn oben schilderten. Eine Politik, deren Quintessenz das Programm der Hakatisten bildet, hat in Sachsen, Bayern und am Rhein eifrige Anhänger. Wir müssen also nicht nur mit Preußen, sondern auch mit ganz Deutschland, nicht mit einzelnen Parteien, sondern mit der ganzen deutschen Gesellschaft einen Kampf führen, einen Kampf auf Tod und Leben. Das Lebensinteresse beider Nationen kommt hier in Betracht, der Kampf wird um unsere nationale Zukunft und um diejenige der deutschen Macht geführt … Deutschland kann sich mit dem Gedanken an den Verlust der östlichen Gebiete der preußischen Monarchie mit einigen Millionen deutscher Bevölkerung nicht vertraut machen, und da es wohl weiß, daß, wenn die Entscheidung darüber der natürlichen Entwicklung der Dinge überlassen würde, diese in Zukunft den Polen den Sieg verschaffen würde, so muß es mit allen Mitteln dahin streben, per fas et nefas, das Polentum zu schwächen oder wenigstens ein gewisses nationales Gleichgewicht zu erhalten. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, ist die deutsche Politik eine defensive (sic!), obwohl sie sich aggressiver Mittel bedient … Das Deutschtum wird in den Ostmarken nicht unterdrückt, aber es wird darin, was es auf Grund der Annektierung besitzt, bedroht. Diesen defensiven Charakter der deutschen Politik stellen wir um so lieber fest, als sowohl in der Politik als auch im Kampfe mit bewaffneter Hand gewöhnlich derjenige verliert, welcher sich verteidigt … Die Erhaltung des nationalen Gewichts im preußischen Anteil würde mit der Aufhaltung unserer Entwicklung gleichbedeutend sein, denn alles, was sich entwickelt, muß wachsen. Unsere politische Tätigkeit muß daher nicht nur sichernde, sondern auch das Wachstum (sie!) des polnischen Elements 332

beschleunigende Bedingungen schaffen, der Kampf aber, der an unseren Westmarken geführt wird, ist nicht Sache eines Teiles, sondern der ganzen Nation. »Dumm ist Polen ohne Posen.« Armselig würde tatsächlich das künftige Polen, für das wir leben und handeln, das Polen, welches wir sicherlich nicht erleben, welches aber unsere Kinder und Enkel schauen werden — nicht nur ohne Posen, sondern auch ohne Schlesien (sic!), ohne Zutritt zum Meere, also ohne Danzig und Königsberg sein (sic!) … Wir bilden eine Kraft, die da wächst und eine wirkliche Gefahr für die Macht des deutschen Staates, wenn auch nicht jetzt, so doch für die Zukunft darstellt.. Wir müssen solche Arten des Kampfes vermeiden, in denen das ziffernmäßige Übergewicht und die staatliche Organisation den Sieg sichern. Wir müssen daher für unsere Nationalsache auf gesetzlichem, im Rahmen der preußischen und deutschen Verfassung, so lange dies möglich ist (!), sich bewegenden Boden vorgehen. Die jetzt zu Preußen gehörenden Provinzen bilden eine notwendige Bedingung für das Erstehen des Polenreiches, so wie sie heute die Hauptbedingung für die Erhaltung der deutsch-preußischen Macht sind. Von einem Kompromiß in dieser Sache kann bei uns keine Rede sein. Wir dürfen es nicht bei jeder Gelegenheit wiederholen, doch fest und stets daran glauben, daß Polen ohne diese Landesteile nicht bestehen kann, daß es, wenn es auch in anderen Grenzen entstehen sollte, zur Wiedergewinnung dieser Provinzen Schritte tun müßte (sic!).

333

Die 14 Punkte Wilsons (Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918) Wir sind in diesen Krieg eingetreten, weil Rechtsverletzungen vorgekommen sind, die an unseren Lebensnerv rührten und das Leben unseres eigenen Volkes unmöglich machen würden, falls sie nicht abgestellt werden und die Welt ein für allemal gegen ihre Wiederholung gesichert wird. Was wir in diesem Krieg fordern, ist also nichts Besonderes für uns selbst. Es ist, daß die Welt für das Leben der Menschen tauglich und sicher gemacht werde; und insbesondere, daß sie sicher gemacht werde für jede friedliebende Nation, die gleich der unsrigen wünscht, ihr eigenes Leben zu leben, ihre eigenen Einrichtungen zu bestimmen, der Gerechtigkeit und Biederkeit seitens der anderen Völker der Welt versichert zu sein, im Gegensatz zu Gewalt und selbstsüchtigem Angriff. Alle Völker der Welt sind in Wirklichkeit Teilhaber an diesem Interesse, und wir für unseren eigenen Teil sehen sehr klar, daß, wofern Gerechtigkeit den anderen nicht widerfährt, sie auch uns nicht widerfahren wird. Das Programm des Weltfriedens ist daher unser Programm, und dieses Programm, das einzig mögliche Programm nach unserem Dafürhalten, ist folgendes: I. Offene Friedensverträge, offen zustande gekommen, nach denen es keinerlei private Abmachungen mehr geben soll, sondern nur mehr Diplomatie, die stets freimütig und angesichts der Öffentlichkeit vorgeht. II. Vollständige Freiheit der Schiffahrt auf den Meeren außerhalb der Territorialgewässer, gleichermaßen im Frieden wie im Krieg, außer wenn die Meere kraft internationalen Vorgehens zur Durchführung internationaler Bündnisse ganz oder teilweise geschlossen werden. III. Größtmögliche Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken und Herstellung einer Gleichheit der Handelsbedingungen unter allen jenen Nationen, die dem Frieden zustimmen und sich zu seiner Aufrechterhaltung verbünden. IV. Angemessene Gewährleistungen, dafür gegeben und entgegengenommen, daß nationale Rüstungen auf den niedrigsten Grad, der mit der inneren Sicherheit vereinbart ist, herabgesetzt werden. V Freie, offenherzige und vollständig unparteiische Ordnung aller kolonialen Ansprüche, gegründet auf strenger Befolgung des Grundsatzes, 334

daß bei der Entscheidung aller dieser Fragen der Oberhoheit die Interessen der beteiligten Bevölkerungen genau so gleiches Gewicht haben müssen wie die billigen Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel zu entscheiden ist. VI. Räumung des gesamten russischen Gebiets, und eine solche Erledigung aller Rußland berührenden Fragen, wie sie die beste und freieste Zusammenarbeit der anderen Nationen der Welt sichern wird, um ihm eine ungehemmte und unbelastete Gelegenheit zur unabhängigen Bestimmung seiner eigenen politischen Entwicklung und nationalen Politik zu verschaffen und ihm eine aufrichtige Bewillkommnung in der Gesellschaft freier Nationen unter selbsterwählten Staatseinrichtungen zuzusichern; und mehr als eine Bewillkommnung, auch Beistand jeder Art, den es benötigen und selbst wünschen mag. Die Rußland seitens seiner Schwesternationen in den kommenden Monaten zuteil werdende Behandlung ist die Feuerprobe ihres guten Willens, ihres Verständnisses für seine Bedürfnisse, im Unterschied von ihren Interessen und ihres intelligenten und selbstlosen Mitgefühls. VII. Belgien muß, dem wird die ganze Welt beipflichten, geräumt und wiederhergestellt werden, ohne jeden Versuch, die Oberhoheit, die es mit allen anderen freien Nationen gemein hat, einzuschränken. Keine andere einzelne Handlung wird so dazu dienen, wie diese dazu dienen wird, Vertrauen unter den Nationen in diejenigen Gesetze wiederherzustellen, die sie selbst aufgestellt und für die Führung ihrer Beziehungen zueinander festgesetzt haben. Ohne diese heilende Tat wird die ganze Struktur und Gültigkeit des Völkerrechts für immer beeinträchtigt sein. VIII. Alles französische Gebiet soll freigegeben und die Teile, in die ein Einfall stattfand, wiederhergestellt werden, und das Frankreich durch Preußen im Jahr 1871 in Sachen Elsaß-Lothringens angetane Unrecht, das den Frieden der Welt nahezu fünfzig Jahre lang gefährdet hat, soll berichtigt werden, um den Frieden im Interesse aller wieder sicherzustellen. IX. Eine Bereinigung der Grenzen Italiens soll nach genau erkennbaren Linien der Nationalität bewerkstelligt werden. X. Den Völkern von Österreich-Ungarn, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, soll die freieste Gelegenheit selbständiger Entwicklung gewährt werden. XI. Rumänien, Serbien und Montenegro sollen geräumt, besetzte Gebiete zurückgegeben werden; Serbien soll ein freier und sicherer Zugang zur See gewährt werden, und die Beziehungen der verschiedenen Balkanstaaten zueinander sollen durch freundschaftliche Verhandlungen nach bestehenden historischen Linien der Zugehörigkeit und Nationalität geregelt werden; und 335

internationale Gewährleistungen der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit und territorialen Unverletzlichkeit der verschiedenen Balkanstaaten sollen geschaffen werden. XII. Den türkischen Teilen des heutigen ottomanischen Reichs soll eine sichere Oberhoheit verbürgt werden, aber den andern Nationalitäten, die zur Zeit unter türkischer Herrschaft stehen, soll eine unbestrittene Sicherheit des Lebens und eine durchaus ungestörte Gelegenheit selbständiger Entwicklung verbürgt werden, und die Dardanellen sollen unter internationalen Gewährleistungen als freie Durchfahrt für die Schiffe und den Handel aller Nationen dauernd geöffnet werden. XIII. Ein unabhängiger polnischer Staat soll errichtet werden, der die von unbestreitbar polnischen Bevölkerungen bewohnten Gebiete umfaßt, dem ein freier und sicherer Zugang zum Meer verbürgt werden soll und dessen politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit durch einen internationalen Bund gewährleistet werden soll. XIV. Eine allgemeine Vereinigung der Nationen muß gebildet werden mit besonderen Bundesverträgen zum Zweck der Gewährung gegenseitiger Bürgschaften politischer Unabhängigkeit und territorialer Unverletzlichkeit gleichermaßen für große und kleine Staaten. Wir haben hiermit gewiß in zu deutlichen Ausdrücken gesprochen, als daß weiterhin noch ein Zweifel oder eine Frage offenbleiben könnte. Ein klar ersichtlicher Grundsatz zieht sich durch das ganze Programm, das ich entworfen habe. Es ist der Grundsatz der Gerechtigkeit für alle Völker und Nationalitäten und ihr Recht, unter gleichen Bedingungen der Freiheit und Sicherheit miteinander zu leben, ob sie stark oder schwach sind. Wenn dieser Grundsatz nicht zur Grundlage gemacht wird, vermag kein Teil des Gebäudes internationaler Gerechtigkeit zu bestehen. Das Volk der Vereinigten Staaten konnte aus keinem anderen Grundsatz heraus handeln; und zur Rechtfertigung dieses Grundsatzes ist es bereit, sein Leben, seine Ehre und alles, was es besitzt, hinzugeben. Dieser größte und letzte aller Kriege für menschliche Freiheit hat jetzt seinen moralischen Höhepunkt erreicht, und unser Volk ist bereit, die Probe auf seine eigene Stärke, seine eigenen höchsten Ziele, seine eigene Redlichkeit und Hingebung zu bestehen.

336

Roosevelts Chicagoer Rede am 5. Oktober 1937

Es freut mich, daß ich wieder einmal nach Chicago kommen konnte, und ganz besonders, daß ich wieder Gelegenheit habe, an der Einweihung eines so bedeutenden gemeinnützigen Werkes teilzunehmen. Auf meiner Reise kreuz und quer über den Kontinent habe ich viele Beweise dafür gesehen, was eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen den Kommunalbehörden und der Bundesregierung zuwege bringen kann. Zehntausende von Amerikanern haben mich begrüßt und mir mit jedem Blick und jedem Wort zu verstehen gegeben, daß in den letzten paar Jahren ihr materielles und seelisches Wohlbefinden große Fortschritte gemacht hat. Aber als ich mit meinen eigenen Augen die blühenden Farmen, die prächtigen Fabriken und den lebhaften Eisenbahnverkehr sah, als ich das Glück und die Sicherheit und den Frieden sah, die in unserem großen Lande herrschen, war ich fast unvermeidlich gezwungen, unsere friedlichen Zustände mit recht anders gearteten Szenen zu vergleichen, die in anderen Gegenden der Welt sich abspielen. Da das Volk der Vereinigten Staaten unter den heutigen Umständen, im Interesse seiner eigenen Zukunft, auch an die übrige Welt denken muß, habe ich als verantwortlicher Chef der Exekutive diese große Stadt im Zentrum des Landes und diesen feierlichen Anlaß gewählt, um über ein Thema zu sprechen, das für uns selber von wesentlicher Bedeutung ist. Die politische Weltlage hat sich in der letzten Zeit immer mehr verschlimmert und ist nun geeignet, allen den Völkern und Ländern, die mit ihren Nachbarn in Frieden und Eintracht leben wollen, ernste Besorgnisse und Befürchtungen einzuflößen. Vor etwa fünfzehn Jahren, als über sechzehn Nationen sich feierlich verpflichteten, nie mehr zur Förderung ihrer nationalen und politischen Ziele zu den Waffen zu greifen, stiegen die Hoffnungen der Menschheit auf eine dauerhafte Friedensära zu den höchsten Höhen. Die im Briand-Kellog-Pakt verkörperten hohen Erwartungen und die durch diesen Pakt erweckten Friedenshoffnungen sind in der letzten Zeit einer schleichenden Angst vor kommenden Katastrophen gewichen. Das Gewaltregime und die internationale Gesetzlosigkeit, denen wir heute begegnen, haben eigentlich erst vor wenigen Jahren eingesetzt. Es begann damit, daß man sich ohne Berechtigung in die inneren Angelegenheiten anderer Völker einmischte oder im Widerspruch zu geltenden

337

Verträgen fremdes Gebiet besetzte, und nun ist ein Stadium erreicht, da die eigentlichen Grundlagen der Zivilisation ernstlich bedroht sind. Die Marksteine und Traditionen, die die Entwicklung der Zivilisation zur Gesetzlichkeit, Ordnung und Gerechtigkeit kennzeichneten, werden allmählich zerschlagen. Ohne Kriegserklärung, ohne irgendwelche Warnung, ohne irgendwelche Berechtigung wird die Zivilbevölkerung, einschließlich der Frauen und Kinder, rücksichtslos durch Luftbombardements hingemordet. In sogenannten Friedenszeiten werden ohne Anlaß oder Warnung Schiffe von U-Booten angegriffen. Völker schüren den Bürgerkrieg — und ergreifen Partei — in fremden Ländern, die ihnen nie etwas zuleide getan haben. Völker, die für sich selber die Freiheit fordern, verweigern sie andern. Unschuldige Völker und Länder werden grausam hingeopfert für eine Machtgier und ein Herrschaftsbestreben, die kein Gerechtigkeitsgefühl und keine menschlichen Rücksichten kennen. Wie neulich ein Verfasser schrieb: »Vielleicht gehen wir einer Zeit entgegen, da die Menschen, schwelgend in der Technik des Mordens, mit solcher Raserei über die Welt hinstürmen werden, daß alle Kostbarkeiten in Gefahr sind, jedes Buch, jedes Bild, jede Harmonie, alle die Schätze, die unter zwei Jahrtausenden angehäuft wurden, alles Kleines, alles Zarte, alles Wehrlose — daß alles verlorengeht, zerstört oder völlig ausgetilgt wird.« Wenn so etwas in anderen Gegenden der Welt passiert, dann soll niemand sich einbilden, daß Amerika entrinnen werde, daß es Pardon erwarten dürfe, daß die westliche Hemisphäre keinen Angriff zu befürchten habe, daß sie auch weiterhin ruhig und friedlich die Traditionen der Moral und der Zivilisation bewahren könne. Wenn dieser Tag kommt, »dann wird man von den Waffen keine Sicherheit zu erwarten haben, keine Hilfe von den Behörden, keine Antwort von der Wissenschaft. Der Sturm wird so lange wüten, bis alle Blüten der Kultur zu Boden geschlagen und alle menschlichen Wesen in ein ungeheures Chaos aufgelöst worden sind«. Wenn dieser Tag nicht kommen soll — wenn wir eine Welt haben wollen, in der wir frei atmen können und in Eintracht leben, ohne Furcht — , dann müssen die friedliebenden Nationen sich gemeinsam anstrengen, um die Gesetze und Grundsätze aufrechtzuerhalten, die die einzigen sicheren Grundlagen des Friedens sind. Die friedliebenden Nationen müssen sich gemeinsam bemühen, Front zu machen gegen diese Vertragsbrüche und diese Verachtung für menschliche Gefühle, die einen Zustand der internationalen Anarchie und Unsicherheit schaffen, dem man nicht einfach durch Isolierung oder Neutralität entrinnen kann.

338

Alle, die ihre Freiheit lieben und ebenso ihren Nachbarn das Recht zubilligen, frei zu sein und in Frieden zu leben, müssen gemeinsam für den Sieg des Rechtes und der Moral wirken, damit Friede, Gerechtigkeit und Zuversicht in der Welt vorherrschen. Es muß wieder dahin kommen, daß man an das gegebene Wort und an den Wert eines unterzeichneten Vertrages glaubt. Es muß als eine Tatsache gelten, daß ein moralisches Verhalten für eine Nation genau so wichtig ist wie für den einzelnen. Neulich hat mir ein Bischof folgendes geschrieben: »Ich halte es für sehr notwendig, daß jemand im Namen der einfachsten Menschlichkeit gegen die neueste Methode protestiert, die Zivilbevölkerung, besonders Frauen und Kinder, den Schrecken des Krieges zu unterwerfen. Vielleicht werden viele, die sich Realisten nennen, einen solchen Protest für zwecklos halten. Aber sind nicht vielleicht die Herzen der Menschen so erfüllt von Entsetzen vor diesen überflüssigen Leiden, daß diese innere Kraft in genügendem Ausmaß mobilisiert werden könnte, um künftighin solche Grausamkeiten zu mildern? Wenn es auch, was Gott verhüten möge, vielleicht zwanzig Jahre dauern wird, bevor der gemeinsame Protest der zivilisierten Welt gegen diese Barbarei sich geltend macht, können doch sicherlich kraftvolle Stimmen den Tag näherrücken.« In der modernen Welt existiert sowohl technisch wie moralisch, eine zwangsläufige Solidarität und gegenseitige Abhängigkeit, die es keinem Volk gestatten, sich von den wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen in der übrigen Welt völlig zu isolieren, besonders wenn diese Umwälzungen allem Anschein nach nicht einschlafen, sondern weitergehen. Weder im Innern eines Landes noch zwischen den Ländern können Stabilität und Friede herrschen, wenn nicht alle sich zu denselben Gesetzen und moralischen Richtlinien bekennen. Internationale Anarchie zerstört die Grundlagen des Friedens, gefährdet die unmittelbare oder künftige Sicherheit jeder einzelnen Nation, mag sie groß oder klein sein. Daher ist es für das amerikanische Volk von vitaler Bedeutung, daß man wieder dahin gelangt, die internationalen Verträge zu achten und die internationale Moral zu bewahren. Die Völker und Länder der Welt in ihrer überwiegenden Mehrzahl wollen in Frieden leben. Sie wollen die Handelsschranken beseitigt sehen. Sie wollen in der Industrie, in der Landwirtschaft, im Geschäftsleben ihre Kräfte auf die Herstellung solcher Produkte konzentrieren, die den Wohlstand steigern und damit das Nationalvermögen — statt nach der Erzeugung von Waffen zu streben, von Kriegsflugzeugen, Bomben, Maschinengewehren und Geschützen, die nur den einen Zweck haben, Menschenleben und nützlichen Besitz zu zerstören. In den Ländern, die sich nicht genug tun können in ihren Aufrü-

339

stungsbemühungen, weil sie mit Angriffsplänen umgehen, und ebenso auch in den anderen Ländern, die einen Angriff auf ihre Grenzen und auf ihre Sicherheit befürchten, wird ein großer Teil des Nationaleinkommens unmittelbar für Rüstungszwecke verwendet, zwischen dreißig und fünfzig Prozent. Für uns in den Vereinigten Staaten ist der Prozentsatz ein viel geringerer - elf oder zwölf. Wie glücklich müssen wir uns schätzen, daß die augenblicklichen Umstände es uns erlauben, unser Geld für den Bau von Brücken und Straßen, für die Errichtung von Dämmen, für die Wiederaufforstung, für Bodenmelioration und viele andere nützliche Arbeiten zu verwenden, statt gewaltige stehende Heere und riesige Kriegsvorräte zu schaffen. Aber wir sind gezwungen, in die Zukunft zu blicken. Friede, Freiheit und Sicherheit für neunzig Prozent der Weltbevölkerung werden durch die restlichen zehn Prozent bedroht, die drauf und dran sind, die gesamte internationale Rechtsordnung zu zerschlagen. Die neunzig Prozent, die in Frieden leben wollen, im Einklang mit Gesetzen und moralischen Prinzipien, die im Laufe der Jahrhunderte fast allgemeine Geltung erlangt haben, können und müssen einen Weg finden, um ihren Willen durchzusetzen. Die Probleme, um die es sich heute handelt, sind ohne Zweifel universeller Art. Hier geht es nicht nur um die Verletzung einzelner Bestimmungen in besonderen Verträgen, hier geht es um Krieg und Frieden, um das Völkerrecht und besonders um die Grundsätze der Humanität. Freilich sind eindeutige Vertragsbrüche vorgekommen, vor allem soweit es sich um die Bestimmungen des Völkerbundes, um den Briand-Kellogg-Pakt und den Neunmächtevertrag handelt. Aber es geht gleichzeitig auch um Probleme der Weltwirtschaft, der allgemeinen Sicherheit und der Humanität. Freilich muß das Weltgewissen einsehen, wie wichtig es ist, Ungerechtigkeiten zu beseitigen und wohlbegründeten Beschwerden nachzugeben. Gleichzeitig aber gilt es, das Weltgewissen wachzurütteln, damit es begreift, wie unerhört notwendig es ist, die Heiligkeit der Verträge zu schützen, die Rechte und Freiheiten der andern zu achten und allen Angriffshandlungen ein Ende zu machen. Es scheint leider zuzutreffen, daß die Epidemie der allgemeinen Gesetzlosigkeit immer mehr um sich greift. Wenn eine ansteckende Krankheit sich zu verbreiten beginnt, verordnet die Gemeinschaft eine Isolierung der Patienten, um die eigene Gesundheit vor der Epidemie zu schützen. Ich bin entschlossen, eine Politik des Friedens zu führen und alle zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden, um den Krieg von uns fernzuhalten. Es sollte eigentlich undenkbar sein, daß in dieser modernen Welt und angesichts aller

340

bisherigen Erfahrungen ein Volk so töricht und rücksichtslos sein könnte, die Gefahr eines allgemeinen Weltkrieges heraufzubeschwören, indem es unter Mißachtung aller Verträge das Territorium anderer Völker, die ihm eigentlich gar nichts getan haben und die zu schwach sind, um sich entsprechend zu schützen, überfällt und besetzt. Aber gerade das ist es, was heute den Weltfrieden und den Wohlstand und die Sicherheit jedes einzelnen Landes bedroht. Eine Nation, die sich weigert, Nachsicht zu üben und die Freiheit und die Rechte anderer Völker zu respektieren, kann nicht auf die Dauer ihre Stärke behalten und das Vertrauen und die Achtung der anderen genießen. Keine Nation vergibt sich etwas oder schädigt die eigene Position, wenn sie bereit ist, alle Schwierigkeiten gütlich zu bereinigen, wenn sie große Geduld an den Tag legt und die Rechte anderer Nationen berücksichtigt. Krieg — ob mit oder ohne Kriegserklärung — ist ansteckend. Er kann Staaten und Völker erfassen, die von dem ursprünglichen Kriegsschauplatz weit entfernt sind. Wir sind entschlossen, uns nicht in einen Krieg verwickeln zu lassen, aber es gibt keine wirksame Versicherung gegen die verheerenden Auswirkungen eines Krieges und gegen die Gefahr, mit hineingezogen zu werden. Wir treffen alle Maßnahmen, die geeignet sind, unser Risiko auf ein Mindestmaß zu reduzieren, aber in einer verwirrten Welt, in der das Vertrauen und die Sicherheit zusammengebrochen sind, kann es keinen vollständigen Schutz geben. Wenn die Zivilisation weiterleben soll, müssen die Grundsätze des Friedensfürsten wieder zu Ehren kommen. Das erschütterte Vertrauen zwischen Volk und Volk muß wieder ins Leben gerufen werden. Und das Allerwichtigste ist: der Friedenswille der friedliebenden Völker muß sich so deutlich geltend machen, daß diejenigen Nationen, die in Versuchung geraten, ihre Verträge zu brechen und die Rechte anderer zu verletzen, von ihren Vorhaben abstehen. Positive Anstrengungen sind notwendig, um den Frieden zu bewahren. Amerika verabscheut den Krieg. Amerika hofft auf Frieden. Deshalb ist Amerika nach Kräften bemüht, an der Sache des Friedens mitzuwirken. (Aus: Roosevelt spricht. Die Kriegsreden des Präsidenten. Stockholm 1945)

341

Münchener Abkommen vom 29. September 1938 Abkommen zwischen Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien getroffen in München, am 29. September 1938 Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien sind unter Berücksichtigung des Abkommens, das hinsichtlich der Abtretung des sudetendeutschen Gebiets bereits grundsätzlich erzielt wurde, über folgende Bedingungen und Modalitäten dieser Abtretung und über die danach zu ergreifenden Maßnahmen übereingekommen und erklären sich durch dieses Abkommen einzeln verantwortlich für die zur Sicherung seiner Erfüllung notwendigen Schritte. 1. Die Räumung beginnt am 1. Oktober. 2. Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien vereinbaren, daß die Räumung des Gebiets bis zum 10. Oktober vollzogen wird, und zwar ohne Zerstörung irgendwelcher bestehender Einrichtungen, und daß die Tschechoslowakische Regierung die Verantwortung dafür trägt, daß die Räumung ohne Beschädigung der bezeichneten Einrichtungen durchgeführt wird. 3. Die Modalitäten der Räumung werden im Einzelnen durch einen internationalen Ausschuß festgelegt, der sich aus Vertretern Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei zusammensetzt. 4. Die etappenweise Besetzung des vorwiegend deutschen Gebietes durch deutsche Truppen beginnt am 1. Oktober. Die vier auf der anliegenden Karte bezeichneten Gebietsabschnitte werden in folgender Reihenfolge durch deutsche Truppen besetzt: Der mit I bezeichnete Gebietsabschnitt am 1. und 2. Oktober, der mit II bezeichnete Gebietsabschnitt am 2. und 3. Oktober, der mit III bezeichnete Gebietsabschnitt am 3., 4. und 5. Oktober, der mit IV bezeichnete Gebietsabschnitt am 6. und 7. Oktober. Das restliche Gebiet vorwiegend deutschen Charakters wird unverzüglich von dem obenerwähnten internationalen Ausschuß festgestellt und bis zum 10. Oktober durch deutsche Truppen besetzt werden. 5. Der in § 3 erwähnte internationale Ausschuß wird die Gebiete bestimmen, in denen eine Volksabstimmung stattfinden soll. Diese Gebiete 342

werden bis zum Abschluß der Volksabstimmung durch internationale Formationen besetzt werden. Der gleiche Ausschuß wird die Modalitäten festlegen, unter denen die Volksabstimmung durchgeführt werden soll, wobei die Modalitäten der Saarabstimmung als Grundlage zu betrachten sind. Der Ausschuß wird ebenfalls den Tag festsetzen, an dem die Volksabstimmung stattfindet: dieser Tag darf jedoch nicht später als Ende November liegen. 6. Die endgültige Festlegung der Grenzen wird durch den internationalen Ausschuß vorgenommen werden. Dieser Ausschuß ist berechtigt, den vier Mächten Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien in bestimmten Ausnahmefällen geringfügige Abweichungen von der streng ethnographischen Bestimmung der ohne Volksabstimmung zu übertragenden Zonen zu empfehlen. 7. Es wird ein Optionsrecht für den Übertritt in die abgetretenen Gebiete und für den Austritt aus ihnen vorgesehen. Die Option muß innerhalb von sechs Monaten vom Zeitpunkt des Abschlusses dieses Abkommens an ausgeübt werden. Ein deutsch-tschechoslowakischer Ausschuß wird die Einzelheiten der Option bestimmen, Verfahren zur Erleichterung des Austausches der Bevölkerung erwägen und grundsätzliche Fragen klären, die sich aus diesem Austausch ergeben. 8. Die Tschechoslowakische Regierung wird innerhalb einer Frist von vier Wochen vom Tage des Abschlusses dieses Abkommens an alle Sudetendeutschen aus ihren militärischen und polizeilichen Verbänden entlassen, die diese Entlassung wünschen. Innerhalb derselben Frist wird die Tschechoslowakische Regierung sudetendeutsche Gefangene entlassen, die wegen politischer Delikte Freiheitsstrafen verbüßen. München, den 29. September 1938 gez. Daladier, Mussolini, Hitler, Chamberlain

343

Churchills Rede zum Münchener Abkommen (Rede im Unterhaus am 5. Oktober 1938) … Ich will zuerst etwas aussprechen, was jedermann nicht zur Kenntnis zu nehmen oder zu vergessen wünscht, was aber dennoch festgestellt werden muß: nämlich, daß wir eine völlige, durch nichts gemilderte Niederlage erlitten haben und daß dabei Frankreich noch mehr gelitten hat als wir. Das Äußerste, was mein sehr ehrenwerter Freund, der Premierminister, durch all seine ungeheuren Anstrengungen, durch all die großen Bemühungen und Mobilisierungen, die in unserem Lande stattfanden, und durch all die Angst und Spannung, die wir hier durchgemacht haben, zu sichern imstande war, das Äußerste, was er in den zur Diskussion stehenden Angelegenheiten für die Tschechoslowakei herausschlagen konnte, ist, daß der deutsche Diktator, anstatt die Speisen vom Tisch zu rauben, sich damit zufrieden gibt, sie sich nun Gang für Gang servieren zu lassen. Der Schatzkanzler [Sir John Simon] sagte, dies sei das erstemal gewesen, daß Hitler überhaupt in gewissem Ausmaße zu einem Rückzug gebracht wurde — das, glaube ich, waren seine Worte. Wir sollten wirklich keine Zeit mehr vergeuden, nach all diesen langen Diskussionen über die Differenz zwischen den Positionen, die in Berchtesgaden, in Godesberg und in München erreicht wurden. Man kann es — wenn Sie mir die Variierung des Gleichnisses gestatten — in wenigen Worten zusammenfassen: 1 Pfund wurde mit vorgehaltenem Revolver gefordert. Als man es hergab, wurden zwei Pfund mit vorgehaltenem Revolver gefordert. Schließlich fand sich der Diktator bereit, 1 Pfund, 17 Schilling und 6 Pence zu nehmen und den Rest in Zusicherungen von guten Absichten für die Zukunft. Nun komme ich zur Sache, an die ich eben von einem Punkt des Hauses aus gemahnt wurde: zur Rettung des Friedens. Niemand ist ein entschlossenerer, kompromißloserer Vorkämpfer des Friedens gewesen als der Premierminister. Das wissen alle. Niemals hat es solch eine leidenschaftliche und kühne Entschlossenheit gegeben, den Frieden zu erhalten und zu sichern. Das ist völlig richtig. Nichtsdestoweniger bin ich mir nicht darüber im klaren, wieso in diesem kritischen Augenblick die Gefahr, daß England und Frankreich in einen Krieg mit Deutschland verwickelt werden könnten, so groß gewesen ist, wenn diese Länder doch tatsächlich während der ganzen Zeit bereit waren, die Tschechoslowakei zu opfern. Die Bedingungen, die der Premierminister heimbrachte, hatten, so glaube ich, mit Leichtigkeit jederzeit 344

während des vergangenen Sommers auf den gewöhnlichen diplomatischen Wegen vereinbart werden können. Und ich will nur das eine sagen: ich glaube, wenn man die Tschechen sich selbst überlassen und ihnen gesagt hätte, daß sie von den Westmächten keine Hilfe zu erwarten haben, so wären sie imstande gewesen, bessere Bedingungen zu erzielen, als sie sie nun nach all der schrecklichen Unruhe erhalten haben; schlimmer hätten sie schwerlich sein können. … Diese Beispiele [Tschechoslowakei, Donaustaaten, Polen] sind typisch. Sie werden Tag für Tag, Woche für Woche eine völlige Entfremdung dieser Gebiete beobachten können. Viele dieser Länder haben, aus Furcht vor dem Aufstieg der Nazimacht, bereits prodeutsche Politiker, Minister und Regierungen; aber es gab stets in Polen, Rumänien, Bulgarien und Jugoslawien eine mächtige Volksbewegung, die zu den westlichen Demokratien hinblikkte, die den Gedanken einer ihnen aufgezwungene Willkürherrschaft eines totalitären Systems haßte, und darauf hoffte, daß Widerstand geleistet werden würde. All das ist über Bord gegangen. Wir sprechen von Ländern, die weit entfernt sind. Aber welches wird, so frage ich, die Situation Frankreichs und Englands in diesem und im nächsten Jahre sein? Wie wird es an der Westgrenze aussehen, deren erklärte Garanten wir sind? Die deutsche Armee ist gegenwärtig stärker an Zahl als die französische, wenn auch bei wietem nicht so gut entwickelt und vollendet. Im nächsten Jahr wird sie viel größer sein und viel besser entwickelt. Von allen Sorgen im Osten befreit, im sicheren Besitze von Hilfsquellen, die die Schrecken einer Seeblockade wesentlich vermindern, wenn nicht ganz beseitigen werden, werden die Beherrscher Deutschlands vor der freien Wahl stehen, in welcher Richtung sie sich wenden sollen. Sollte der Nazidiktator den Entschluß fassen, sich gegen Westen zu wenden, was leicht geschehen kann, so werden Frankreich und England den Verlust dieser ausgezeichneten Armee des alten Böhmens, von der vergangene Woche geschätzt wurde, daß zu ihrer Zerstörung zumindest dreißig deutsche Divisionen erforderlich wären, sehr bitter zu bereuen haben. Können wir vor der großen Veränderung, die in unserer militärischen Situation eingetreten ist, können wir vor den großen Gefahren, die uns bedrohen, die Augen verschließen? Wir sind, glaube ich, im Begriffe, der britischen Armee im Laufe von vier Jahren vier Bataillone hinzufügen. Nicht weniger als zwei davon sind bereits aufgestellt. Und da gibt es nun zumindest dreißig Divisionen, die jetzt für die französische Front in Rechnung 345

gestellt werden müssen, abgesehen von den zwölf Divisionen, die erbeutet wurden, als Osterreich verschlungen wurde. Viele Leute meinen, zweifellos in gutem Glauben, daß sie bloß die Interessen der Tschechoslowakei preisgegeben hätten, während ich fürchte, daß wir uns davon werden überzeugen müssen, daß wir die Sicherheit, ja selbst die Unabhängigkeit Großbritanniens und Frankreichs empfindlich beeinträchtigt und vielleicht tödlich gefährdet haben. Es handelt sich nicht lediglich um die Übergabe der deutschen Kolonien, wozu man uns sicherlich auffordern wird. Noch handelt es sich bloß darum, daß wir in Europa an Einfluß verlieren. Mehr als das steht auf dem Spiel. Man muß den Charakter der Nazibewegung und die Herrschaftsform, die sie in sich schließt, in Betracht ziehen. Der Premierminister hegt den Wunsch nach freundschaftlichen Beziehungen zwischen unserem Land und Deutschland. Es bestehen überhaupt keine Schwierigkeiten für freundschaftliche Beziehungen zwischen den Völkern. Unsere Herzen schlagen dem deutschen Volk entgegen. Aber das Volk ist machtlos. Niemals jedoch kann es Freundschaft mit der gegenwärtigen deutschen Regierung geben. Wir müssen diplomatische und korrekte Beziehungen zu ihr unterhalten; niemals aber kann es Freundschaft geben zwischen der britischen Demokratie und der Nazimacht, jener Macht, die die christliche Ethik mit Füßen tritt, sich auf ihrem Vormarsche an einem barbarischen Heidentum berauscht, sich ihrer Aggressionslust und Eroberungssucht rühmt, Kraft und perverse Lust aus Verfolgungen schöpft und, wie wir gesehen haben, mit unbarmherziger Brutalität sich der Drohung mörderischer Gewalt bedient. Niemals kann diese Macht ein verläßlicher Freund der englischen Demokratie sein. Ich finde den Gedanken unerträglich, daß unser Land in die Gewalt, in den Macht- und Einflußkreis Nazideutschlands fallen könnte, daß unsere Existenz von seinem guten Willen oder seinem Gutdünken abhängen sollte. Dies zu verhindern, habe ich mein Möglichstes versucht, um zur Erhaltung jedes Bollwerks der Verteidigung zu drängen: erstens zur rechtzeitigen Schaffung einer Luftwaffe, die jeder anderen in der Reichweite unserer Küsten überlegen sein sollte; zweitens zur Sammlung der kollektiven Kraft vieler Nationen; drittens zum Abschluß von Bündnissen und militärischen Vereinbarungen, alle im Rahmen der Völkerbundssatzungen, um dadurch Kräfte zu sammeln, die zumindest der Aufwärtsentwicklung dieser Macht Schranken setzen könnten. Alles war vergebens. Eine Position nach der anderen wurde unter schönklingenden und scheinbar plausiblen Entschuldigungen untergraben und aufgegeben. 346

Wir wollen nicht in eine Straße geführt werden, die uns zu einem Trabanten des nazideutschen Systems der Beherrschung Europas macht. In wenigen Jahren, vielleicht schon in wenigen Monaten, werden wir uns Forderungen gegenübersehen, denen uns zu fügen man uns zweifellos einladen wird. Diese Forderungen können die Preisgabe von Territorien betreffen oder die Preisgabe der Freiheit. Ich sehe und sage voraus, daß diese Politik der Unterwerfung Einschränkungen der Rede- und Diskussionsfreiheit im Parlament und in öffentlichen Versammlungen und Beschränkungen der Pressefreiheit mit sich bringen wirdfdenn, so wird man sagen — ja, ich höre es jetzt manchmal schon — , wir können nicht gestatten, daß das Nazisystem der Diktatur von ganz gewöhnlichen englischen Politikern kritisiert wird. Dann, nachdem die Presse unter Kontrolle gestellt ist, zum Teil eine direkte, aber wirksamer eine indirekte, nachdem jedes Organ der öffentlichen Meinung bis zur Gefügigkeit vergiftet und chloroformiert ist, dann werden wir zu weiteren Etappen unserer Reise geleitet werden. … Ich habe meine Blicke umherschweifen lassen, um zu finden, welche Maßnahmen getroffen werden können, uns vor dem Vordringen der Nazimacht zu schützen und die Lebensformen zu sichern, die uns so teuer sind. Welches ist der einzige Weg, der uns offensteht? Der einzige Weg, der uns offensteht, ist der, daß wir unsere alte insulare Unabhängigkeit wiedergewinnen, indem wir jene Überlegenheit in der Luft erreichen, die man uns versprochen hat, jene Sicherheit in unserer Luftverteidigung, von der man uns erklärt hat, daß wir sie besitzen, und daß wir unser Land auf diese Weise wieder zu eine Insel machen. Bei all den düsteren Aussichten leuchtet dies als die überwältigende Tatsache hervor. Unverzüglich muß alles aufgeboten werden, um eine Aufrüstung herbeizuführen, derengleichen die Welt nicht gesehen hat, und alle Hilfskräfte unseres Landes, all seine vereinte Kraft, müssen dieser Aufgabe dienstbar gemacht werden. Ich habe mit großer Befriedigung gelesen, daß Lord Baldwin gestern im Oberhaus sagte, er werde morgen mit der Mobilisierung der Industrie beginnen. Ich glaube aber, es wäre bei weitem besser gewesen, Lord Baldwin hätte das vor zweieinhalb Jahren gesagt, als die Schaffung eines Kriegsversorgungsministeriums allgemein gefordert wurde. Ich möchte meinen ehrenwerten Freunden, die hinter der Regierungsbank sitzen und denen ich für die Geduld zu danken habe, mit der sie dem, was ich zu sagen habe, zugehört haben, den Vorwurf nicht ersparen, daß sie für all das die Verantwortung tragen; denn hätten sie den zehnten Teil des 347

Beifalls, den Sie anläßlich der Preisgabe der Tschechoslowakei spendeten, der kleinen Gruppe von Abgeordneten gezollt, die um die rechtzeitige Ingangsetzung unserer Aufrüstung bemüht waren, so wären wir heute nicht in der Situation, in der wir uns befinden. Die ehrenwerten Abgeordneten auf der anderen Seite des Hauses und die auf den Bänken der Liberalen Partei haben kein Recht, mit Steinen zu werfen. Ich erinnere mich, daß ich zwei Jahre hindurch nicht nur der Mißbilligung der Regierung, sondern auch ihrem entschiedenen Mißfallen ausgesetzt war. Lord Baldwin hat nun das Signal gegeben, so verspätet es auch kommt; und das mindeste, was wir tun können, ist, ihm zu folgen. Schließlich und endlich ist es kein Geheimnis mehr, was sich in der Luftwaffe und bei der Mobilisierung unserer Luftverteidigung abgespielt hat. All dies ist, wie mein ehrenwerter und tapferer Freund, der Abgeordnete für den Abteibezirk, sagte, von Tausenden Menschen wahrgenommen worden. Sie können sich Ihre eigene Meinung über den Charakter der Angaben bilden, die uns die Minister in diesen Fragen beharrlich gemacht haben. Wer wagt es heute noch, zu behaupten, wir hätten die Luftparität mit Deutschland erreicht? Wer behauptet heute, daß unsere Luftverteidigungen entsprechend bemannt und bewaffnet seien? Wir wissen, daß der deutsche Generalstab über diese Dinge wohl unterrichtet ist; das Unterhaus aber hat bisher seine Pflicht, diese Angelegenheiten zu untersuchen und zu verfolgen, nicht ernst genommen. Der Innenminister [Sir Samuel Hoare] sagte gestern, er würde eine Untersuchung begrüßen. Vieles von dem, was getan worden ist, macht den Regierungsbehörden alle Ehre. Aber über den Stand der lebenswichtigen Angelegenheiten wünschen wir unterrichtet zu werden. Ich habe während der letzten drei Jahre immer wieder eine Geheimsitzung gefordert, in der man diese Fragen gründlich durchbesprechen könnte, oder eine Untersuchung durch ein parlamentarisches Sonderkomitee, oder irgendeine andere Methode. Ich verlange nun, daß dies, wenn wir im Herbst wieder tagen, als eine Angelegenheit betrachtet werde, in der die Regierung das Parlament ins Vertrauen zieht; denn wir haben ein Recht darauf, zu wissen, wo wir stehen und welche Maßnahmen zur Sicherung unserer Position getroffen werden. Keineswegs mißgönne ich unserem loyalen, tapferen Volke, das bereit war, seine Pflicht zu erfüllen, was immer es kosten möge, das unter der Spannung der letzten Woche niemals auch nur mit der Wimper zuckte — ich mißgönne ihm durchaus nicht den natürlichen, spontanen Ausbruch der Freude und Erleichterung in dem Augenblick, als es hörte, daß es nicht 348

weiter auf diese harte Probe gestellt werden würde; aber es soll die Wahrheit erfahren. Es soll wissen, daß grobe Nachlässigkeiten und schwere Mängel in unserer Verteidigung existieren; es soll wissen, daß wir, ohne Krieg, eine Niederlage erlitten haben, deren Folgen uns für eine lange Strecke begleiten werden; es soll wissen, daß wir einen schrecklichen Meilenstein in unserer Geschichte passiert haben, wobei das ganze europäische Gleichgewicht gestört wurde, und daß jetzt das furchtbare Urteil über die westlichen Demokratien gefällt worden ist: »Man hat dich in einer Waage gewogen und zu leicht gefunden.« Glauben Sie nicht, daß dies das Ende ist. Das ist der Beginn der Abrechnung, bloß der erste Schluck, der erste Vorgeschmack des bitteren Trankes, der uns Jahr für Jahr vorgesetzt wird, es sei denn, daß wir in einer großartigen Wiedergewinnung unserer moralischen Gesundheit und kriegerischen Stärke von neuem erstehen und mutig für die Freiheit eintreten, wie in alter Zeit. (Aus Winston S. Churchill: Reden 1938-1940, Europa-Verlag, Zürich 1946)

349

Aus Chamberlains Rede in Birmingham Am 17. März 1939 Es ist behauptet worden, daß die Besetzung der Tschechoslowakei die unmittelbare Folge meines Besuches in Deutschland vom letzten Herbst war; und da das Resultat dieser Ereignisse der Bruch der Abmachungen von München ist, so beweise das, daß überhaupt die Beweggründe zu jenen Besuchen verfehlt waren. Es wird gesagt, da dies die persönliche Politik des Premierministers war, so müsse die Verantwortung für das Schicksal der Tschechoslowakei auf seinen Schulter ruhen. Das ist eine völlig unhaltbare Folgerung … Nun ich habe nie in Abrede gestellt, daß die Bedingungen, die ich in München sichern konnte, nicht diejenigen waren, die ich selbst gewünscht hätte. Aber wie ich damals erklärte, hatte ich mit keinem neuen Problem zu tun. Es war etwas, was seit dem Versailler Vertrag immer existiert hatte, ein Problem, das schon längst hätte gelöst werden sollen, wenn bloß die Staatsmänner der letzten zwanzig Jahre eine großzügigere, umfassendere und aufgeklärtere Auffassung von ihrer Pflicht gehabt hätten. Es war wie ein lang vernachlässigtes Übel geworden, und ein chirurgischer Eingriff wurde notwendig, um das Leben des Patienten zu retten … Ich brauche meine Reisen nach Deutschland vom vergangenen Herbst wirklich nicht zu verteidigen, denn welches war die Alternative? Nichts, was wir hätten tun können, nichts, was Frankreich hätte tun können oder Rußland hätte tun können, wäre imstande gewesen, die Tschecho-Slowakei vor der Invasion und der Vernichtung zu bewahren. Selbst wenn wir anschließend in den Krieg gezogen wären, um Deutschland für seine Handlung zu bestrafen, und wenn wir nach den entsetzlichen, über alle Kriegsteilnehmer verhängten Verlusten am Ende siegreich gewesen wären, so hätten wir die Tschecho-Slowakei niemals wiederherstellen können, so wie sie vom Versailler Vertrag gestaltet worden war … Jetzt aber stehen wir vor einem ganz anderen Problem. Der gestern in Prag erlassenen Proklamation zufolge sind Böhmen und Mähren dem Deutschen Reich angeschlossen worden. Nichtdeutsche Einwohner, zu denen natürlich auch die Tschechen gehören, werden dem Deutschen Protektor im Deutschen Protektorat unterstellt. Sie haben sich den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Reiches zu unterwerfen. Sie werden Staaten mit Selbstverwaltung genannt, aber das Reich übernimmt ihre Außenpolitik, ihre Zölle und Akzisen, ihre Bankreserven und die Ausrüstung der entwaffneten tschechischen Armee. Und vielleicht das 350

Unheimlichste: wir hören wieder vom Auftauchen der Gestapo, der geheimen Staatspolizei, und von der gewohnten Geschichte der Massenverhaftungen prominenter Persönlichkeiten mit den Folgen, die uns allen vertraut sind … Wer kann hindern, daß sich sein Herz in Sympathie dem stolzen und tapferen Volk zuwendet, das so plötzlich ein Opfer dieser Invasion wurde, dessen Freiheiten beschnitten sind und dessen nationale Unabhängigkeit dahin ist? Was ist aus der Erklärung »keine territorialen Ansprüche mehr« geworden? Was ist aus der Versicherung, »wir wollen keine Tschechen im Reich«, geworden? Wieviel Rücksicht hat man genommen auf den Grundsatz der Selbstbestimmung, worüber Herr Hitler in Berchtesgaden mit mir so heftig diskutierte, als er die Trennung des Sudetengebietes von der Tschecho-Slowakei und dessen Einverleibung in das Reich forderte? Jetzt wird uns gesagt, daß diese Gebietsergreifung notwendig geworden sei durch Unruhen in der Tschecho-Slowakei … Wenn es zu Unruhen kam, waren sie nicht von außen geschürt worden? Und kann irgend jemand außerhalb Deutschlands die Idee ernst nehmen, daß sie eine Gefahr für dieses große Land bildeten …? Eine weitere Reihe von Fragen muß sich fast mit Notwendigkeit in uns und in anderen und vielleicht sogar in Deutschland selbst erheben. Deutschland hat der Welt unter seinem jetzigen Regime eine Serie von unangenehmen Überraschungen bereitet. Das Rheinland, der Anschluß Österreichs, die Lostrennung des Sudetengebietes — alle diese Dinge erregten und empörten die öffentliche Meinung der ganzen Welt. Jedoch, soviel wir auch einwenden mögen gegen die Methoden, die in jedem einzelnen dieser Fälle angewandt wurden, etwas ließ sich doch sagen zugunsten der Notwendigkeit einer Änderung der vorhandenen Lage. Aber die Dinge, die sich diese Woche unter völliger Mißachtung der von der Deutschen Regierung selbst aufgestellten Grundsätze ereignet haben, scheinen einer anderen Kategorie anzugehören, und sie müssen uns allen die Frage nahelegen: »Ist dies das Ende eines alten Abenteuers, oder ist es der Anfang eines neuen?« »Ist dies der letzte Angriff auf einen kleinen Staat, oder sollen ihm noch weitere folgen?« »Ist dies sogar ein Schritt in Richtung auf den Versuch, die Welt durch Gewalt zu beherrschen?« Das sind schwere und ernste Fragen. Ich habe nicht vor, sie heute abend zu beantworten … Es scheint in der Tat, mit den Lehren der Geschichte vor Augen, unglaublich, daß es eine solche Herausforderung geben könne. Ich fühle mich verpflichtet zu wiederholen, daß ich zwar nicht bereit bin, unser 351

Land durch neue, nicht spezifizierte und unter nicht voraussehbaren Bedingungen funktionierende Verpflichtungen zu binden, daß aber kein größerer Fehler begangen werden könnte als der, zu glauben, unsere Nation habe, weil sie den Krieg für eine sinnlose und grausame Sache hält, so sehr ihr Mark verloren, daß sie nicht bis zur Erschöpfung ihrer Kraft einer solchen Herausforderung entgegentreten werde, sollte sie jemals erfolgen. Für die Erklärung habe ich, davon bin ich überzeugt, nicht nur die Unterstützung, die Sympathie und das Vertrauen meiner Mitbürger und Mitbürgerinnen, sondern ich werde auch die Zustimmung des gesamten Britischen Weltreiches und aller anderen Nationen haben, die zwar den Frieden hochschätzen, aber die Freiheit noch höher. (Aus: Jacques Benoist-Méchin, Geschichte der deutschen Militärmacht 19181946, Bd. 7: Wollte Hitler den Krieg, Oldenburg--Hamburg 1971)

352

Die Atlantik-Charta Im Sommer 1941 drängte US-Präsident F. D. Roosevelt immer mehr auf den Kriegseintritt seines Landes. Nachdem er bereits seit zwei Jahren einen geheimen Telegrammwechsel mit Churchill geführt hatte, traf er als Präsident der noch neutralen USA sich am 12. August 1941 vor Neufundland mit Churchill zur persönlichen Aussprache über den Kriegseintritt der USA. Für die Öffentlichkeit wurde als Ergebnis der Aussprache am 14. August 1941 die »Atlantik-Charta« verkündigt, die allgemeine Kriegsziele und später nicht gehaltene Friedensversprechungen enthält. Der Text der »Atlantikcharta« lautet (nach: Heinrich von Siegler, Dokumentation zur Deutschlandfrage, Bonn—Wien—Zürich, Bd. 1, 2. Aufl. 1970, S. 2-3): Der Präsident der Vereinigten Staaten und Premierminister Churchill als Vertreter seiner Majestät Regierung des Vereinigten Königreiches trafen sich auf See. Sie haben die Gefahren betrachtet, die der Weltzivilisation aus der Politik der auf Eroberung beruhenden Militärherrschaft drohen, welche die HitlerRegierung Deutschlands und andere mit ihr verbündete Regierungen eingeschlagen haben; sie haben ferner die Schritte klargestellt, die ihre beiden Länder im Hinblick auf diese Gefahren zu ihrer Sicherheit unternehmen wollen. Sie einigten sich auf folgende gemeinsame Erklärung: Der Präsident der Vereinigten Staaten und Premierminister Churchill als Vertreter Seiner Majestät Regierung des Vereinigten Königreiches halten es nach gemeinsamer Besprechung für richtig, gewisse allgemeine Grundsätze der nationalen Politik ihrer beiden Länder bekanntzumachen, auf die sie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die Welt gründen: 1. Ihre Länder erstreben keinerlei Gebiets- oder sonstige Vergrößerung; 2. Sie wünschen keine Gebietsveränderungen, die nicht mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der betreffenden Völker übereinstimmen; 3. Sie anerkennen das Recht aller Völker, die Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen; und sie wünschen, daß denen souveräne Rechte und Selbstregierung zurückgegeben werden, die ihrer gewaltsam beraubt worden sind; 4. Sie werden sich unter gebührender Berücksichtigung ihrer bestehenden Verpflichtungen bemühen, allen Staaten, groß oder klein, Siegern oder Besiegten, fördernd zu helfen, daß sie unter gleichen Bedingungen Zutritt 353

zum Handel oder zu den Rohstoffen der Welt haben, die zu ihrem wirtschaftlichen Gedeihen notwendig sind; 5. Sie wünschen vollste Zusammenarbeit zwischen allen Nationen auf wirtschaftlichem Gebiet zu erreichen mit dem Ziel, für alle einen gehobenen Arbeitsstandard, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Sicherheit zu gewährleisten; 6 .Sie hoffen, daß nach der endgültigen Zerstörung der Nazityrannei ein Friede geschaffen wird, der allen Nationen die Möglichkeit gibt, in Sicherheit innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu leben, und der Gewähr dafür bietet, daß alle Menschen in allen Ländern der Welt ihr Leben frei von Furcht und Mangel leben können; 7. Ein solcher Friede sollte es allen Menschen ermöglichen, die Meere und Ozeane ungehindert zu überqueren; 8. Sie glauben, daß aus sachlichen wie aus ideellen Gründen alle Nationen der Welt dazu gelangen müssen, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten. Da künftig kein Friede erhalten werden kann, wenn von Nationen, die mit Angriffen außerhalb ihrer Grenzen drohen oder drohen könnten, weiterhin ihre Land-, See- und Luftaufrüstung aufrechterhalten werden, glauben sie, daß bis zur Schaffung eines umfassenderen und dauerhaften Systems allgemeiner Sicherheit die Entwaffnung solcher Nationen wesentlich ist. Sie werden ebenso alle anderen durchführbaren Maßnahmen unterstützen und fördern, die den friedliebenden Völkern die erdrückende Last der Rüstung erleichtern. Dazu wurde bekanntgegeben (Vertrags-Ploetz II, Bielefeld 1953, S. 385), daß die Charta Deutschland nicht zunutze kommen sollte. Am 24. September 1941 stimmten auf einer Sitzung des Interalliierten Rates in London andere Alliierte der »Atlantik-Charta« zu. Am 1. Januar 1942 stellte sich eine Reihe weiterer Staaten in einer gemeinsamen Erklärung hinter die Atlantik-Charta. Die Erklärung lautet (nach: Heinrich von Siegler, aaO., S. 3—4): Gemeinsame Erklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Chinas, Australiens, Belgiens, Kanadas, Costa Ricas, Kubas, der Tschechoslowakei, der Dominikanischen Republik, El Salvadors, Griechenlands, Guatemalas, Haitis, Honduras', Luxemburgs, der Niederlande, Neuseelands, Nicaraguas, Norwegens, Panamas, Polens, Südafrikas und Jugoslawiens. 354

Nachdem die hier unterzeichneten 26 Regierungen einem gemeinsamen Programm beigepflichtet haben, dessen Ziele und Grundsätze in der gemeinschaftlichen Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und des Premierministers des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland vom 14. August 1941, bekannt unter dem Namen »Atlantik-Charta«, niedergelegt sind, und in der Überzeugung, daß ein vollständiger Sieg über ihre Feinde notwendig ist zur Verteidigung des Lebens, der Freiheit, der Unabhängigkeit und der Religionsfreiheit, zur Wahrung der Menschenrechte und der Gerechtigkeit in ihren eigenen sowohl als in anderen Ländern, und da sie derzeit in einem gemeinsamen Kampf gegen wilde, brutale Gewalten begriffen sind, die die Welt zu unterwerfen streben, erklären sie: 1. Jede Regierung verpflichtet sich, alle ihre militärischen und wirtschaftlichen Kräfte gegen jene Mitglieder des Dreierpaktes und seine Anhänger einzusetzen, mit denen sie sich im Kriege befindet. 2. Jede Regierung verpflichtet sich, mit den hier unterzeichneten Regierungen zusammenzuarbeiten und keinen separaten Waffenstillstand oder Frieden mit den Feinden zu schließen. Dieser Erklärung können sich andere Nationen anschließen, die im Kampfe um den Sieg über Hitlerismus materielle Hilfe und Beistand leisten oder leisten werden. Dieser Erklärung schlössen sich in den folgenden Jahren an (nach: VertragsPloetz, aaO., S.386): Mexiko, Philippinen, Äthiopien, Irak, Brasilien, Bolivien, Iran, Kolumbien, Liberia, Frankreich, Ekuador, Peru, Chile, Paraguay, Venezuela, Uruguay, Türkei, Ägypten, Saudi-Arabien. Der Inhalt der »Atlantik-Charta« sollte von vornherein nicht für Deutschland gelten. Insbesondere erklärte Churchill am 22. 2.1944 vor dem britischen Unterhaus (nach Churchill: Zweiter Weltkrieg IV, S. 318): So kommt es beispielsweise nicht in Frage, die Atlantik-Charta auf Deutschland im Sinne einer Rechtsgrundlage anzuwenden oder territoriale Veränderungen und Grenzberichtigungen bei feindlichen Ländern auszuschließen. Wir werden keinerlei Argumente gelten lassen, wie sie Deutschland nach dem letzten Krieg mit der Behauptung, auf Grund der »Vierzehn Punkte« Wilsons kapituliert zu haben, vorgebracht hat.

355

Die Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 Nach der militärischen Kapitulation arbeitete die Reichsregierung unter Reichspräsident Dönitz in Flensburg-Mürwik weiter. Am 10. Mai 1945 nahm eine alliierte Kommission in Mürwik mit ihr Amtsverbindung auf und erwies ihr militärische und protokollarische Ehren. Am 23. Mai 1945 wurden Reichspräsident und Reichsregierung unter entehrenden und entwürdigenden Umständen verhaftet, gefangen gesetzt und an der Weiterarbeit gehindert. Am 5. Juni 1945 übernahmen die Alliierten durch die »Berliner Erklärung« amtlich die Verwaltung und Regierungsbefugnis in ganz Deutschland und setzten dazu einen Alliierten Kontrollrat ein. Reichspräsident Dönitz protestierte aus der Gefangenschaft gegen diese Maßnahme und verwies unter Hinweis auf das Völkerrecht und die lediglich für den militärischen Bereich vorgenommene Kapitulation auf die Legitimität seiner Regierung hin, die nur durch die Gewalt der Sieger an ihrer Amtsausübung gehindert sei. Dem deutschen Volk wurden die am 5. Juni 1945 gefällten Entscheidungen durch die »Proklamation Nr. 1« (Aufstellung des Kontrollrates) vom 30. August 1945 und durch die »Proklamation Nr. 2« (Zusätzliche an Deutschland gestellte Forderungen) vom 20. September 1945 mitgeteilt (nach: Vertrags-Ploetz, Teil II, Bielefeld 1953, S. 407). Der Text der »Berliner Erklärung« lautet (nach: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr. 1):

A. Die Viermächte-Erklärung Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik. Die deutschen Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft sind vollständig geschlagen und haben bedingungslos kapituliert, und Deutschland, das für den Krieg verantwortlich ist, ist nicht mehr fähig, sich dem Willen der siegreichen Mächte zu widersetzen. Dadurch ist die bedingungslose Kapitulation Deutschlands erfolgt, und Deutschland unterwirft sich allen Forderungen, die ihm jetzt oder später auferlegt werden. Es gibt in Deutschland keine zentrale Regierung oder Behörde, die fähig wäre, die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung, für die Verwaltung des Landes und für die Ausführung der Forderungen der siegreichen Mächte zu übernehmen.

356

Unter diesen Umständen ist es notwendig, unbeschadet späterer Beschlüsse, die hinsichtlich Deutschlands getroffen werden mögen, Vorkehrungen für die Einstellung weiterer Feindseligkeiten seitens der deutschen Streitkräfte, für die Aufrechterhaltung der Ordnung in Deutschland und für die Verwaltung des Landes zu treffen und die sofortigen Forderungen zu verkünden, denen Deutschland nachzukommen verpflichtet ist. Die Vertreter der obersten Kommandobehörde des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen SowjetRepubliken und der Französischen Republik, im folgenden: Alliierte Vertreter genannt, die mit der Vollmacht ihrer betreffenden Regierungen und im Interesse der Vereinten Nationen handeln, geben dementsprechend die folgende Erklärung ab: Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Provisorische Regierung der Französischen Republik übernehmen hiermit die oberste Regierungsgewalt in Deutschland, einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden. Die Übernahme zu den vorstehend genannten Zwecken der besagten Regierungsgewalt und Befugnisse bewirkt nicht die Annektierung Deutschlands. Die Regierungen des Vereinigten Königreiches, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und die Provisorische Regierung der Französischen Republik werden später die Grenzen Deutschlands (und die rechtliche Stellung Deutschlands [nach Keesings Archiv der Gegenwart, XV. Jahrgang 1945, Essen 1949, S. 257]) oder irgendeines Gebietes, das gegenwärtig einen Teil deutschen Gebietes bildet, festlegen. Kraft der obersten Regierungsgewalt und Befugnisse, die die vier Regierungen auf diese Weise übernommen haben, verkünden die Alliierten Vertreter die folgenden Forderungen, die sich aus der vollständigen Niederlage und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands ergeben und denen Deutschland nachzukommen verpflichtet ist: Artikel 1 Deutschland und alle deutschen Behörden des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe und alle Streitkräfte unter deutschem Befehl stellen sofort auf allen Kriegsschauplätzen die Feindseligkeiten gegen die Streitkräfte der Vereinten Nationen zu Lande, zu Wasser und in der Luft ein. Artikel 2 a) Sämtliche deutschen oder von Deutschland kontrollierten Streitkräfte,

357

einschließlich Land-, Flugabwehr- und Seestreitkräfte, die Schutzstaffeln, die Sturmabteilungen, die geheime Staatspolizei und alle sonstigen mit Waffen ausgerüsteten Verbände und Hilfsorganisationen, wo sie sich auch immer befinden mögen, werden restlos entwaffnet, indem sie Waffen und Gerät an die örtlichen Alliierten Befehlshaber bzw. an die von den Alliierten Vertretern namhaft zu machenden Offiziere abliefern. b) Nach dem Ermessen des Obersten Befehlshabers der Streitkräfte des betreffenden Alliierten Staates wird, bis weitere Entscheidungen getroffen werden, das Personal der Verbände und Einheiten sämtlicher im Absatz a) bezeichneten Streitkräfte für Kriegsgefangene erklärt und unterliegt den von den betreffenden Alliierten Vertretern festzulegenden Bestimmungen und Weisungen. c) Sämtliche im Absatz a) bezeichneten Streitkräfte, wo sie sich auch immer befinden mögen, verbleiben bis zur Erteilung von Anweisungen der Alliierten Vertreter an ihren jeweiligen Stellen. d) Gemäß den von den Alliierten Vertretern zu erteilenden Anweisungen räumen die genannten Streitkräfte sämtliche außerhalb der deutschen Grenzen (nach dem Stande vom 31. Dezember 1937) liegenden Gebiete. e) Zivile Polizeiabteilungen, die zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung und der Leistung des Wachdienstes nur mit Handwaffen auszurüsten sind, werden von den Alliierten Vertretern bestimmt. Artikel 3 a) Alle Militär-, Marine- und Zivilflugzeuge jeder Art und jeder Nationalität, die sich in Deutschland und in von Deutschland besetzten oder beherrschten Gebieten und Gewässern befinden, verbleiben bis zur Erteilung von weiteren Anweisungen auf dem Boden bzw. auf dem Wasser oder an Bord. Ausgenommen sind die in Alliierten Diensten stehenden Flugzeuge. b) Alle deutschen oder von Deutschland beherrschten Flugzeuge, die sich auf oder über Gebieten und Gewässern außerhalb des deutschen Machtgebietes befinden, haben sich sofort nach Deutschland oder an irgendeinen anderen von den Alliierten Vertretern zu bestimmenden Ort zu begeben. Artikel 4 a) Alle deutschen und von Deutschland beherrschten Über- und Unterwasserkriegsschiffe, Marinehilfsfahrzeuge, Handelsschiffe und sonstigen Wasserfahrzeuge, wo sie sich zur Zeit der Abgabe dieser Erklärung auch immer befinden mögen, sowie alle anderen in deutschen Häfen befindlichen Handelsschiffe jeder Nationalität haben in den von den alliierten Vertretern zu bestimmenden Häfen oder Stützpunkten zu verbleiben bzw. sich sofort dorthin

358

zu begeben. Die Besatzungen der genannten Fahrzeuge bleiben bis zur Erteilung weiterer Anweisungen an Bord. b) Alle Schiffe und sonstigen Wasserfahrzeuge der Vereinten Nationen, die zur Zeit der Abgabe dieser Erklärung zur Verfügung Deutschlands stehen oder von Deutschland beherrscht sind, begeben sich an die von den Alliierten Vertretern zu bestimmenden Häfen oder Stützpunkte, und zwar zu den Zeiten, die ebenfalls von den Alliierten Vertretern bestimmt werden. Es ist unerheblich, ob der Rechtstitel nach prisengerichtlichen oder sonstigen Verfahren übertragen worden ist. Artikel 5 a) Alle oder jeder einzelne der folgenden Gegenstände im Besitz der deutschen Streitkräfte oder unter deutschem Befehl oder zur deutschen Verfügung sind unversehrt und in gutem Zustand zur Verfügung der Alliierten Vertreter zu halten und für die Zwecke, zu den Zeiten und an den Orten, die von letzteren bestimmt werden: I. alle Waffen, Munition, Sprengstoff, Kriegsgerät, Kriegsvorräte und alle anderen Kriegsmittel sowie sonstiges Kriegsmaterial jeder Art; II. alle Über- und Unterwasserkriegsschiffe jeder Kategorie, Marinehilfsfahrzeuge oder Handelsschiffe, ob schwimmend, zur Reparatur aufgelegt oder im Bau befindlich; III. alle Flugzeuge jeder Art sowie alle Geräte und Vorrichtungen, die der Luftfahrt und der Flugabwehr dienen; IV. alle Einrichtungen und Gegenstände des Verkehrs und Nachrichtenwesens zu Lande, zu Wasser und in der Luft; V. alle militärischen Einrichtungen und Anlagen, einschließlich Flugplätze, Wasserflugzeughäfen, See- und Kriegshäfen, Lagerplätze, ständige und vorläufige Land- und Küstenbefestigungen, Festungen und sonstige befestigte Gebiete, sowie Pläne und Zeichnungen aller derartigen Befestigungen, Einrichtungen und Anlagen; VI. alle Fabriken, Industrieanlagen, Betriebe, Forschungsinstitute, Laboratorien, Prüfstellen, technischen Unterlagen, Patente, Pläne, Zeichnungen und Erfindungen, die bestimmt oder geeignet sind, die unter I., IL, III., IV., V. oben bezeichneten Gegenstände und Einrichtungen zu erzeugen bzw. deren Erzeugung oder Gebrauch zu fördern oder überhaupt die Kriegführung zu unterstützen. b) Auf Verlangen sind den Alliierten Vertretern zur Verfügung zu stellen: I. die Arbeitskräfte, Versorgungsmittel und Betriebsanlagen, die zur Erhaltung oder zum Betrieb jeder der sechs unter a) oben bezeichneten Kategorien erforderlich sind; und

359

II. alle Auskünfte und Unterlagen, die in diesem Zusammenhang von den Alliierten Vertretern verlangt werden können. c) Auf Verlangen der Alliierten Vertreter sind alle Mittel und Einrichtungen für die Beförderung Alliierter Truppen und Dienststellen mit deren Ausrüstung und Vorräten auf Eisenbahnen, Straßen und sonstigen Landverkehrswegen oder zur See, auf Wasserstraßen und in der Luft zur Verfügung zu stellen. Sämtliche Verkehrsmittel sind in gutem Zustand zu erhalten und die hierzu notwendigen Arbeitskräfte, Versorgungsmittel und die Betriebsanlagen müssen zur Verfügung gestellt werden. Artikel 6 a) Die deutschen Behörden übergeben den Alliierten Vertretern nach einem von letzteren vorzuschreibenden Verfahren sämtliche zur Zeit in ihrer Gewalt befindlichen kriegsgefangenen Angehörigen der Streitkräfte der Vereinten Nationen und liefern vollständige Namenslisten dieser Personen unter Angabe der Orte ihrer Gefangenhaltung in Deutschland bzw. in von Deutschland besetzten Gebieten. Bis zur Freilassung solcher Kriegsgefangenen haben die deutschen Behörden und das deutsche Volk ihre Person und ihren Besitz zu schützen und sie ausreichend mit Lebensmitteln, Bekleidung, Unterkunft, ärztlicher Betreuung und Geld gemäß ihrem Dienstrang oder ihrer amtlichen Stellung zu versorgen. b) Die deutschen Behörden und das deutsche Volk haben auf gleiche Weise alle anderen Angehörigen der Vereinten Nationen zu versorgen und freizulassen, die eingesperrt, interniert oder irgendwelchen anderen Einschränkungen ausgesetzt sind, sowie alle sonstigen Personen, die aus politischen Gründen oder infolge nationalsozialistischer Handlungen, Gesetze oder Anordnungen, die hinsichtlich der Rasse, der Farbe, des Glaubensbekenntnisses oder der politischen Einstellung diskriminiert, eingesperrt, interniert oder irgendwelchen anderen Einschränkungen ausgesetzt sind. c) Die deutschen Behörden haben auf Verlangen der Alliierten Vertreter die Befehlsgewalt über Orte der Gefangenhaltung den von den Alliierten Vertretern zu diesem Zweck namhaft zu machenden Offizieren zu übergeben. Artikel 7 Die zuständigen deutschen Behörden geben den Alliierten Vertretern: a) alle Auskünfte über die im Artikel 2 Abs. a) bezeichneten Streitkräfte; insbesondere liefern sie sofort sämtliche von den Alliierten Vertretern verlangten Informationen über die Zahl, Stellung und Disposition dieser Streitkräfte sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands; b) vollständige und ausführliche Auskünfte über Minen, Minenfelder und sonstige Hindernisse gegen Bewegungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft,

360

sowie über die damit verbundenen sicheren Durchlässe. Alle solche Durchlässe werden offen gehalten und deutlich gekennzeichnet; alle Minen, Minenfelder und sonstigen gefährlichen Hindernisse werden soweit wie möglich unschädlich gemacht, und alle Hilfsmittel für die Navigation werden wieder in Betrieb genommen. Unbewaffnetes deutsches Militär- und Zivilpersonal mit der notwendigen Ausrüstung wird zur Verfügung gestellt und zu obigen Zwecken sowie zum Entfernen von Minen, Minenfeldern und sonstigen Hindernissen nach den Weisungen der Alliierten Vertreter eingesetzt. Artikel 8 Die Vernichtung, Entfernung, Verbergung, Übertragung, Versenkung oder Beschädigung von Militär-, Marine-, Luftfahrt-, Schiffs-, Hafen-, Industrie- oder ähnlichem Eigentum und Einrichtungen aller Art sowie von allen Akten und Archiven, wo sie sich auch immer befinden mögen, ist verboten. Ausnahmen können nur von den Alliierten Vertretern angeordnet werden. Artikel 9 Bis zur Herbeiführung einer Aufsicht über alle Nachrichtenverkehrsmittel durch die Alliierten Vertreter hören alle von Deutschland beherrschten Funkund Fernnachrichtenverkehrseinrichtungen und sonstigen Draht- und drahtlosen Nachrichtenmittel auf dem Lande und auf dem Wasser zu senden auf; Ausnahmen können nur von den Alliierten Vertretern angeordnet werden. Artikel 10 Die in Deutschland befindlichen, von Deutschland beherrschten und in deutschem Dienst oder zu deutscher Verfügung stehenden Streitkräfte, Angehörigen, Schiffe und Flugzeuge sowie das Militärgerät und sonstiges Eigentum eines jeden anderen mit irgendeinem der Alliierten in Kriegszustand befindlichen Staates unterliegen den Bestimmungen dieser Erklärung und aller etwaigen kraft derselben erlassenen Proklamationen, Befehle, Anordnungen oder Anweisungen. Artikel 11 a) Die hauptsächlichen Naziführer, die von den Alliierten Vertretern namhaft gemacht werden, und alle Personen, die von Zeit zu Zeit von den Alliierten Vertretern genannt oder nach Dienstgrad, Amt oder Stellung beschrieben werden, weil sie im Verdacht stehen, Kriegs- oder ähnliche Verbrechen begangen, befohlen oder ihnen Vorschub geleistet zu haben, sind festzunehmen und den Alliierten Vertretern zu übergeben. b) Dasselbe trifft zu für alle die Angehörigen irgendeiner der Vereinten

361

Nationen, von denen behauptet wird, daß sie sich gegen die Gesetze ihres Landes vergangen haben, und die jederzeit von den Alliierten Vertretern namhaft gemacht oder nach Dienstgrad, Amt oder Stellung beschrieben werden können. Artikel 12 Die Alliierten Vertreter werden nach eigenem Ermessen Streitkräfte und zivile Dienststellen in jedem beliebigen Teil oder auch in allen Teilen Deutschlands stationieren. Artikel 13 a) In Ausübung der obersten Regierungsgewalt in Deutschland, die von den Regierungen des Vereinigten Königreiches, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik übernommen wird, werden die vier Alliierten Regierungen diejenigen Maßnahmen treffen, die sie zum künftigen Frieden und zur künftigen Sicherheit für erforderlich halten, darunter auch die vollständige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands. b) Die Alliierten Vertreter werden Deutschland zusätzliche politische, verwaltungsmäßige, wirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Forderungen auferlegen, die sich aus der vollständigen Niederlage Deutschlands ergeben. Die Alliierten Vertreter bzw. die ordnungsmäßig dazu ermächtigten Personen oder Dienststellen werden Proklamationen, Befehle, Verordnungen und Anweisungen ergehen lassen, um solche zusätzlichen Forderungen festzulegen und die übrigen Bestimmungen dieser Erklärung auszuführen. Alle deutschen Behörden und das deutsche Volk haben den Forderungen der Alliierten Vertreter bedingungslos nachzukommen und alle solche Proklamationen, Befehle, Anordnungen und Anweisungen uneingeschränkt zu befolgen. Artikel 14 Diese Erklärung tritt in Kraft und Wirkung an dem Tage und zu der Stunde, die nachstehend angegeben werden. Im Falle einer Versäumnis seitens der deutschen Behörden oder des deutschen Volkes, ihre hierdurch oder hiernach auferlegten Verpflichtungen pünktlich und vollständig zu erfüllen, werden die Alliierten Vertreter die Maßnahmen treffen, die sie unter Umständen für zweckmäßig halten. Artikel 15 Diese Erklärung ist in englischer, russischer, französischer und deutscher

362

Sprache ausgefertigt. Die englischen, russischen und französischen Fassungen sind allein maßgebend. Berlin, den 5. Juni 1945 18.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit.

B. Einsetzung des Kontrollrates Feststellung seitens der Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen SowjetRepubliken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über das Kontrollverfahren in Deutschland vom 5. Juni 1945. 1. Während der Zeit, in der Deutschland die sich aus der bedingungslosen Kapitulation ergebenden grundlegenden Forderungen erfüllt, wird in Deutschland die oberste Gewalt von den Oberbefehlshabern Großbritanniens, der Vereinigten Staaten, Sowjetrußlands und Frankreichs auf Anweisungen ihrer Regierungen ausgeübt, von jedem in seiner eigenen Besatzungszone und gemeinsam in allen Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten. Die vier Oberbefehlshaber bilden zusammen den Kontrollrat. Jeder Oberbefehlshaber wird von einem politischen Berater unterstützt. 2. Der Kontrollrat, dessen Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen, trägt für eine angemessene Einheitlichkeit des Vorgehens der einzelnen Oberbefehlshaber in ihren entsprechenden Besatzungszonen Sorge und trifft im gegenseitigen Einvernehmen Entscheidungen über alle Deutschland als Ganzes betreffenden wesentlichen Fragen. 3. Unter dem Kontrollrat sind ein ständiger Koordinationsausschuß, der sich aus je einem Vertreter der vier Oberbefehlshaber zusammensetzt, und ein Kontrollstab tätig, der aus folgenden Abteilungen besteht (wobei auf Grund praktischer Erfahrungen vorgenommene Änderungen zulässig sind): Heer, Marine, Luft, Transport, Politik, Wirtschaft, Finanzen, Reparationen und Wiedererstattung, Innere Angelegenheiten und Nachrichtenwesen, Rechtswesen, Kriegsgefangene und Zwangsverschleppte, Arbeitseinsatz. Jede Abteilung hat vier Leiter, von denen einer von jeder der vier Mächte ernannt wird. Die Abteilungsstäbe können sowohl aus Zivil- als auch aus Militärpersonal bestehen und in besonderen Fällen auch in persönlicher Eigenschaft ernannte Angehörige anderer Vereinter Nationen einschließen. 4. Die Funktionen des Koordinationsausschusses sowie des Kontrollstabes bestehen in der Beratung des Kontrollrates, der Ausführung seiner Beschlüsse und deren Weiterleitung an die entsprechenden deutschen Behörden sowie in der Überwachung und Kontrolle der laufenden Tätigkeit dieser Behörden. 5. Die Verbindung zu den anderen hauptsächlich interessierten Regierungen

363

der Vereinten Nationen wird durch Ernennung von Militärmissionen (denen auch Zivilpersonen angehören können) bei dem Kontrollrat seitens dieser Regierungen hergestellt. Diese Missionen haben zu den die Kontrolle ausübenden Dienststellen auf dem entsprechenden Dienstweg Zutritt. 6. Organisationen der Vereinten Nationen, sofern sie von dem Kontrollrat in Deutschland zugelassen werden, sind dem Alliierten Kontrollapparat untergeordnet und ihm gegenüber verantwortlich. 7. Die Verwaltung des Gebietes von Großberlin wird von einer Interalliierten Behörde geleitet, die unter der Leitung des Kontrollrates arbeitet und aus vier Kommandanten besteht, deren jeder abwechselnd als Hauptkommandant fungiert. Sie werden von einem Stab von Sachbearbeitern unterstützt, der die Tätigkeit der örtlichen deutschen Behörden überwacht und kontrolliert. 8. Die oben dargelegte Regelung gilt für die der deutschen Kapitulation folgende Besatzungszeit, innerhalb welcher Deutschland die sich aus der bedingungslosen Kapitulation ergebenden grundlegenden Forderungen erfüllt. Eine Regelung für die darauffolgende Zeit wird Gegenstand einer Sondervereinbarung bilden.

C. Einrichtung der Besatzungszonen Festlegung seitens der Regierung des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen SowjetRepubliken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über die Besatzungszonen in Deutschland vom 5. Juni 1945. 1. Deutschland wird innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestanden, für Besatzungszwecke in vier Zonen aufgeteilt, von denen eine jeder der vier Mächte wie folgt zugeteilt wird: eine östliche Zone der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken; eine nordwestliche Zone dem Vereinigten Königreich; eine südwestliche Zone den Vereinigten Staaten von Amerika; eine westliche Zone Frankreich. Die Besatzungstruppen in jeder Zone unterstehen einem von der verantwortlichen Macht zu bestimmenden Oberbefehlshaber. Jede der vier Mächte darf nach ihrem Ermessen in die unter dem Befehl ihres Oberbefehlshabers stehenden Besatzungstruppen Hilfsverbände aus den Streitkräften irgendeiner anderen alliierten Macht, welche an den militärischen Operationen gegen Deutschland aktiv beteiligt war, aufnehmen. 2. Das Gebiet von Großberlin wird von Truppen einer jeden der vier Mächte besetzt. Zwecks gemeinsamer Leitung der Verwaltung dieses Gebietes wird eine Interalliierte Behörde (russisch Kommandantura) errichtet, welche aus vier von den entsprechenden Oberbefehlshabern ernannten Kommandanten besteht.

364

D. Festlegung seitens der Regierungen des Vereinigten Königsreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der UdSSR sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über Beratungen mit den Regierungen anderer Vereinter Nationen Durch den Beschluß betreffend die Niederlage Deutschlands, ausgefertigt in Berlin am 5. Juni 1945, übernahmen die Regierungen der Sowjetunion, Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und der Französischen Republik die oberste Autorität in Deutschland. Die Regierungen der Vier Mächte erklären hiermit, daß sie beabsichtigen, die Regierungen anderer Vereinter Nationen hinsichtlich der Ausübung dieser Autorität zu konsultieren.

365

Personenverzeichnis

Abels, Jules 278 Abshagen, Karl 115 Adams, John Quincy 91, 178, 185, 304 Adams, Sam 276 Adenauer, Konrad 193, 205, 242, 255, 269, 271 Ährenttal 109 Albert, Prinz 58 Alexander I., Zar 174 Allen, Gary 159 Amstrong, Anne 287 Anders, Wladislaw 212, 290 Andrassy 109 Ansel, Admiral 233 App, RA. 257 Arco-Valley,A. 38 Arnim, Harry von 27 Aron, Raymond 59 Astaire, Fred 114 Attlee, Clement Richard 198

Barnes, Harry Elmer 67, 126, 146, 226, 243, 249, 287, 321, 324 Barnett, Clifford 290f. Baruch, Bernard 9, 82f., 86, 105f., 191, 203, 227, 296f., 300 Bauer, Gustav 89 Beard, Charles 24, 65, 182ff. Beck, Josef 169f., 175, 222f. Benesch, Eduard 161, 2121, 310 Benoist, Alain de 271 Benoist-Mechin, Jacques 176,352 Berchtold 109 Bernstein, Eduard 44 Bethmann Hollweg, Theobaldvon 46, 61, 63, 108 Biddle 308 Bieberstein, Marschall von 46 Birilew, Minister 70 Birkenhead, Lord 15, 171, 196 Bismarck, Otto von 10, 25, 27-32, 35f., 39, 41-44, 46, 49, 51, 53-56, 60, 63, 65f., 72, 100, 102, 109, 118, 122f., 129, 132, 136, 139f., 153, 162, 224, 229, 232, 242, 251f., 254, 259, 268, 271, 275, 277ff., 293, 295, 297, 305, 312, 3141 Black, Harry 177 Blücher, Gebhardt Leberecht 73 Blum, Robert 118 Bochenski, Adolf 212 Bock, Fedor von 132,134 Böhme, Herbert 322

Backes, Uwe 295 Baden, Max von 94 Bahr, Egon 272 Bailey, Thomas Aldrich 162f, 190, 229, 310 Baldwin, Lord 347f. Baldwin, Stanley 307 Ballin, Albert 39,66 Bancroft, Botschafter 268 Barker, Ellis 50 366

Boesky, Iwan 150f. Boleslaw 42 Bonnet, Georges 127,171, 197, 201 Borah, William 177,192 Borchard 192 Boris, Faris 238 Bor-Komorowski, Tadeusz 290 Böse, Sandra 173 Botschkarewa, Maria 209 Brahms, Johannes 105 Brandeis, Louis 9,191, 285 Brandt, Willy 153,242, 269, 281, 292 Brauchitsch, Walther von 133 Braun, Eva 35 Brückner, Anton 105 Brüning, Heinrich 32, 207, 265, 294 Brussilow, Alexei Alexejewitsch 138 Bryan, William Jennings 78-81, 83, 297, 299ff. Bryce, Lord 50, 254, 277 Buchanan, Sir George 124, 208 Bülow, Bernhard von 45f., 61, 63ff., 67f., 70, 76, 168, 185 Bülow, sen. 64 Bullitt, W. C. 11,18-22, 178f., 197, 223, 242, 307f. Burger, Richter 160, 262 Bute, Lord 216 Butler, Nicholas Murry 45 Butler, Unterstaatssekretär 211

Chamberlain, Neville 101, 175, 179, 183, 195-199, 201, 205, 219ff., 257, 308, 343f.,346,350,355 Chamberlin, William Henry 274 Chambers, Frank 78,147 Chancellor, Richard 216 Chiang-Kai-shek 180 Christopher, J. 302 Christophersen, Thies 283, 285 Churchill, Randolph 174, 200 Churchill, Winston 9,11 13, 15f., 20ff., 33f., 81, 99, 102f.,111, 119, 121, 135, 145, 148,151f., 160, 169, 174f., 177f., 183, 195, 197-200, 202f.,205ff., 209,211ff.,219f.,223, 231f.,235ff.,241,255, 258, 305-308, 344, 353 Cinkar-Markowitsch 206 Clark, Champ 79,301 Clark, Grenville 19,155, 177 Clark, Herbert 185 Clay, Lucius D. 255, 269f. Clemenceau, Georges Benjamin 90, 229 Clermont-Tonnere Graf 159 Cochran, M.H. 12 Coits, Margaret 82 Commager, Henry Steele 272 Conant, James 19 Conant, Rektor 182 Connolly 142 Conquest, Robert 20,179, 293 Conrad von Hötzendorf, Franz Graf 109 Coolidge 95,139,305 Cooper, Duff 169, 219 Coughlan, Pater 193 Cox 309 Creel, George 227f., 244, 268

Cäsar, Gaius Julius 73 Campbell, Glenn 214 Canaris, Wilhelm 232, 242 Caprivi, Georg Leo Graf von 46 Carr, Albert 83 Carter, Jimmy 192, 265f., 303 Castlereagh, Robert Stewart 41,174 367

Cripps, Sir Stafford 128, 232 Crocker, George N. 258, 305 Cross, Colin 102,197, 232

Eduard VIII. 58 Ehrenburg, Ilja 240, 257 Einstein, Albert 191 Eisenhower, Dwight D. 22, 33, 135, 154, 157, 192, 213, 265, 303 Eisner, Kurt 38 Elisabeth I. von England 18, 51, 216 Elisabeth, Zarin 63, 76 Engelbrecht, H. C. 296 Engelking, Thomas 253-256 Epstein, Klaus 287f. Ergang, Robert 252 Erhard, Ludwig 255, 269f. Eugen, Prinz von Savoyen 252 Eulenburg, Philipp zu 56, 61, 66

Daladier, Edouard 343 Daliin, Alexander 238 Dallin, D. 238 Daniels, Josephus 79 Davis, Elmer 143 Davis, Jefferson 29 Davis, Norman 203 Dawes, Charles Gates 88 Day, Doris 114 Dedijer 239 Degrelle, Léon 15 Delbrück, Hans 137,168 Dewey, Tom 150, 154, 259 Diercks 109 Dietrich, Otto 125 Disraeli, Benjamin 56, 224f. Diwald, Hellmut 251f. Dönitz, Karl 32, 136, 141, 293, 356 Dollfuß, Engelbert 295 Donaldson, Sam 160 Donavan, William 19 Donelly, Ignatius 263 Dorn, Walter 287 Dos Passos, John 10, 190, 297 Dostojewski, Fedor 105 Doumenc, General 198 Drax, Admiral 198 Dulles, Allen 206, 242, 283 DuPont 297 Duranty, Walter 18, 206 Dymitrischin, Basil 237f.

Falkenhayn, Erich von 137 Farlay, Jim 176, 188f., 297 Faurisson, Robert 283 Fay, Sidney Bradshaw 12, 67, 251, 321, 326 Feiling, Keith 308 Fenelon 30 Ferry, Jules 60 Fichte, Johann Gottlieb 296, 316 Fife, Maxwell 214 Finkelstein, s. Litwinow Fischer, Fritz 54f., 150 Fish, Hamilton 241 Flynn, John T. 82, 143f. Fontane, Theodor 55, 74 Ford 157, 265, 303 Ford, Henry 193, 263 Forrestal, James 22 Franco, Francisco 137, 296 Frank, Hans 284 Frankfurter, Felix 146, 191 Franklin, Benjamin 51, 276 Franz Ferdinand, Erzherzog 90,122

Ebert, Friedrich 92 Eden, Anthony 34,169, 219, 296 Eduard VII. 58f., 65, 75, 77,122, 185 368

Franz Joseph, Kaiser 106, 118, 172 Franz-Willing, Georg 105 Freis, Herbert 39 Frickson, John 121 Friedel, Frank 179 Friedländer, Saul 129, 233 Friedrich I., Barbarossa 27, 161 Friedrich II., der Große 63,76, 129, 135f., 140, 216, 233,251f.,255 Friedrich Wilhelm I. 252 Friedrich Wilhelm IV. 117f. Fuchs, Werner 331 Funston, General 113

233, 244 Goethe, Johann Wolfgang von 72,106,150 Gorbatschow, Michail 257, 278 Gorer, Geoffrey 196 Grabert, Herbert 195, 316 Graml, Hermann 327 Gramont, Graf de 293 Grant, Ulysees Simpson 268 Graziani, Rudolfe 10 Greene, Graham 139 Grewe 144 Grey, Sir Edward 12, 59, 71, 85, 122, 172, 195, 258 Grimm, Brüder 72 Grimm, Hans 51, 124, 194 Grodzins, Morton 286 Gröner, Wilhelm 29 Große Kurfürst 161 Groth, Major 134

Gafencu, Grigore 108, 129 Gagern, Heinrich von 117 Galbraith, John Kenneth 14, 226, 266 Gasiorowski 175 De Gaulle, Charles 271, 309 Gazley 268 Gerhard, Dietrich 215 Gerlach, Gebrüder 27,132 Georg III. 263 Georg V. 122, 208 George, Lloyd 59, 90f., 194, 229, 258, 277 Ghaddafi 160, 228, 282 Giesler, Hermann 15, 34, 101, 107, 127, 130, 132-135, 150, 284 Gilbert, Martin 174, 200, 235 Giscard d’Estaing,Valery 271 Gladstone, William Ewart 51 Glaser, Kurt 213 Glass, Carter 173 Gleason, S. E. 172, 217 Globke, Hans 193 Goebbels, Joseph 146 Göring, Hermann 119, 145,169, 222,

Habe, Hans 272 Hacha, Emil 171, 175, 219 Halder, Franz 130, 134 Hale, Nathan 100 Halecki 175 Halifax, Lord 11,102, 125, 169, 171, 176, 195-198, 205, 207, 220, 223 Hallam, Arthur 116 Haller, Johannes 66 Hamilton, Sir 209 Hanighen, F. C. 296 Hanisch, Erdmann 274 Hanna, Mark 178 Harden, Maximilian 56 Hardenberg, Karl August von 30, 41 Harding, Warren Gamaliel 95 Hardy, Thomas 218 369

Harley 261f. Harvey, Hauptmann 79, 82 Hauptmann, Gerhart 105 Hay, John 305 Hearst, William Randolph 182 Hebbel, Friedrich 105 Hedin, Sven 194 Heinrich V. von England 216 Heinrich Prinz von Preußen 63 Helfferich, Karl 39 Hemingway, Ernest 251 Henry, Patrick 276 Hentsch, Oberstleutnant 77,85 Heriot, Edouard 88 Herzl, Theodor 75, 173 Heß, Rudolf 234ff.,284 Hicks, John D. 181 Hicock, Mrs. 29 Himmler, Heinrich 124 Hindenburg, Paul von 32, 37, 63, 65, 89, 92-95, 131, 244, 255, 306, 324 Hirchborn, Franklin 262f. Hitler, Adolf 11, 14ff., 20, 22ff., 2930, 43, 58, 60f., 63, 66f., 70, 73, 75f., 78, 84ff., 93, 95, 97, 99-103, 106-109, 111-116, 118f., 121f., 124-136, 140-145, 149, 152f.,157, 161ff., 167ff., 171, 175-178, 186, 188f., 191-200, 202f.,205ff., 212, 219, 221-229, 231-245, 249-255, 258f., 266, 268f., 271, 275, 279, 284, 286, 289f., 294ff., 305-312, 315, 343f., 351f., 355 Hitler sen. 73, 106f, 129 Hoare, Sir Samuel 348 Hoffmann, Dr. 72 Hoffmann, R. J. 72 Hoffmann 94

Hofmann, H. 56 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig von 46 Holt, Rush D. 263 Hook, Sidney 298 Hoover, Herbert 13-16, 21, 95, 139, 141, 154, 157f., 164, 179, 189, 192, 259, 261f., 266, 273f., 302ff., 309 Hopkins, Harry 16, 177, 181, 203, 205, 230 Horkheimer, Max 128 House, Edward Mandell 79, 82, 84, 301 Hruschewsky, Doruschenko 238 Huber, Prof. 251 Hudson, Rock 114 Hughes, Charles Evan 21 Hughes, Emrys 99 Hull, Cordell 191, 229 Ibn Saud, Abd Al Asis 244 Ibsen, Henrik 105 Ickes, Harold 176f. Ignatiew, Anatol 217 Ingram, Robert 200 Ironside, General 222 Irving, David 242, 283 Iswolsky, Alexander 77 Iwan der Schreckliche 18 Jackson, Andrew 185 Jackson, Robert 214 Jacobsen, Hans-Adolf 144, 170, 327 Jäck, Ernst 63 Jagow, Gottlieb von 63, 108 James, Robert Rhodes 99 James 150 Jarman, T. L. 286 Jasper, Gotthard 327 370

Jefferson, Thomas 273 Jensen, Merril 298 Jesus Christus 29 Joffre, Joseph 238 Johannes Paul II. 273 Johnson, Hirama 262f. Johnson, Lyndon B. 160, 192, 265, 276, 303 Joice, James 58 Jordan, Georg 148 Josephson, E. M. 143f. Josephson, Mathew 11

Koc, Adam 223 Köster 252f. Kolbenheyer, Erwin Guido 103, 163,1 70, 267, 312 Kolumbus, Christoph 215 Koniew 121, 225 Konopczynski, W. 212 Konradin 161 Korfanty, Wojciech 91 Kornilow, General 209 Krasnow 9 Kube, Wilhelm 239 Kubizek, August 15, 76, 111, 116, 127, 135 Kühlmann 63 Künast, Rudolf 128 Kundberg, Ferdinand 310

Kaganowich, Lazar 20, 226 Kahr, Gustav Ritter von 39 Kaltenbrunner, Ernst 130, 133 Kannengießer, H. 209 Kant, Imanuel 30 Kapp, Wolfgang 38 Karpowich, Michail 146 Karl der Große 205, 314 Karl VI. 251 Karl XII. 217, 237 Kaunitz, Wenzel Anton Graf 140 Kautsky, Karl 12, 255 Kennard, Sir Howard 207f. Kennedy, John F. 20, 192, 262, 265, 275, 278, 303 Kennedy, Joseph 19, 22f., 265 Kerensky, Alexander 146, 209, 215 Kern, Erich 238 Keynes, John Maynard 15, 291 Kiderlen-Wächter, Alfred von 46, 63, 122, 129 Kipling, Rudyard 111 Kissinger, Henry 159, 240, 299 Klein, Burton 126, 232 Klein, W 68 Kluck, Alexander von 71, 77,85

LaFollette 79, 81ff., 86, 100, 154f., 157, 263, 297, 299, 301, 303, 308, 310 LaGuardia, Fiorello 295 Lake, Veronica 114 Lamprecht, Karl 61, 76, 79, 83,139t, 251, 297 Landon, Alf 154,189,259 Lang, Gordon 20 Langer, William L. 18f., 144f.,303f. Lawrence, D. L. 103 Lawrence, D.H. 218f. Lawrence, Geoffrey 214 Lee, Ivy 95 Lee, Robert F. 29, 84 Leibnitz, Gottfried Wilhelm von 251 Lenin, Wladimir Iljitsch 9f., 16, 18, 21, 38, 121, 146, 188, 208, 210, 236, 238, 258 Lettow-Vorbeck, Paul von 46 371

Levine, Isaac Don 236 Lewis, John L. 228 Lichnowski, Karl Max Fürst 172 Liebknecht, Karl 38, 95 Lilienthal, A. M. 158f. Liman von Sanders, Otto 209 Lincoln, Abraham 185 Lindbergh, Charles A. sen 83 Lindbergh, Charles A 83, 263, 309 Lindeman, Alexander 16 Lipski 169 Litwinow, Maxim 20ff., 174, 186 Lockhart, Bruce 215 Long, Huey P. 163, 245, 259 Loraine, Percy 199 Lossow, General von 39 Louis Philippe 172 Luce, Henry 266 Ludendorff, Erich 63, 93f.,229 Ludwig XI. 73 Ludwig XIV. 56, 73 Ludwig, Emil 96 Lukasiewicz, Julius 223 Lundberg, George 173 Luther, Martin 218 Lutth, Ralph 229 Lutz, August 266 Lutz, Hermann 12 Luxemburg, Rosa 38

Marshall, Richter 185 Martin, Gilbert 200 Marx, Karl 9 Maser, Werner 108 Massing, Paul 54 Matzuoka 224f. May, Henry 146 Mazarin, Jules 73 McIntire, Dr. 190 McKinley, Bill 178, 305 Meese, Edwin 261 f. Mehnert, Klaus 253 Mellon, Andrew 13f., 163, 305 Miller, Clyde 24 Mitterrand, François 271 Molotow, Wjatscheslaw Michailowitsch 21, 126, 198, 212 Moltke, Helmut von 27, 60,108, 268 Moltke, Helmuth von 77 Mondale, Walter 158,192 Monroe, James 91, 280 Morgan, John Pierpont 19, 79, 83, 138, 147,190, 296f., 300 Morgenthau, Henry 9 Moser, Bill 252 Mosley, Leonard 9 Mottistone, Lord 194f. Mountbatten, Wally 58 Moynikan, Daniel 160 Mubarak 159 Müller, Hermann 13f., 164 Murphy, Professor 15 Mussolini, Benito 75, 142, 199, 201, 203, 231, 291, 295, 343 Myers, Gustavus 262f.

MacArthur, Douglas 121, 191 MacDonald, James Ramsey 307 Machiavelli, Niccoló 311 Mackensen, August von 85 Mann, Thomas 105 Manstein, Erich von 131 Maria Theresia 140, 251 Marshall, George 33, 152, 205, 230, 282

Napoleon Bonaparte 134, 172, 217, 298 Napoleon III. 268 372

Negrin, Juan 296 Neilson, Francis 15, 219 Neulen, Hans Werner 173 Nevins, Lalan 272 Nietzsche, Friedrich 74, 105, 108, 216 Nikolaus I. 118, 172, 174 Nikolaus II. 65, 68-71, 77, 208, 215 Nixon, Richard 82, 157ff., 189, 192, 262, 265, 275, 299, 303 Norman, Montagu 13, 164, 305f. Northcliffe, Lord Alfred Charles 196 Noske, Gustav 244, 286 Nye 19, 84, 192, 296

Peron, Isabelle 245 Peron, Juan 245 Pétain, Philippe 137, 271, 315 Peters, Karl 49 Petljura 238 Pfeiler, W K. 165, 167 Pichegru, General 298 Pilsudski, Josef 102, 201, 207, 238 Pirey, Philippe de 282 Pitt d. Ältere 216 Pitt d. Jüngere 172, 217 Pius XII. 20 Plato 150 Pohl, Oswald 243 Poincaré, Raymond 88 Pokrowsky 274 Pompidou, Georges 271 Pongs, Hermann 167 Ponsonby, Lord 50, 254 Pound, Ezra 97, 100, 201 Preuß, Hugo 32, 34-37 Price,Billy F. 111, 119

O’Brien 252 Ochs, Adolph 23 Orlando, Vittorio Emanuele 91 Orleans, Jungfrau von 100 Orwell, George 99 Osborne, John 218 Oshima 224 Ostrogorski 242 Oven, Wilfred von 180

Queensbury, Marquis de 116 Quincy, John 273

Pacherl, Bürgermeister 282f. Page, Walter Hines 80, 85, 195 Palacky, Frantisek 117f. Palmer, Staatsanwalt 180 Palmerston,Viscount 51, 118, 174 Papen, Franz von 32, 37, 93, 207 Pares, Sir Bernard 215 Patton, George Smith 191 Paul, Prinzregent 206 Paulus, Friedrich 130 Perkins, Francis 15 Perlau, Walter 239 Peron, Evita 245

Raczynski, Edward 175 Radowitz, Joseph Maria 118 Raeder, Erich 32f., 142 Rahn, Rudolf 170f. Ranke, Leopold von 56, 106, 109, 251f., 286 Rassinier, Paul 199, 208, 294 Rathenau, Walther 39, 66 Reagan, Ronald 21, 81, 152, 157f., 160, 192, 227f., 254f., 260ff., 265f., 269, 271, 273, 278, 282, 294, 299, 302f. Record, George 81, 263 373

Rehnquist 160 Reichenau, Walter von 130 Reiners, Ludwig 115 Remer, Otto Ernst 244 Renoir, Auguste 115 Renoir jun. 115f. Rhodes, Cecil 45 Ribbentrop, Joachim von 101, 126, 142, 144, 169f., 181,197, 222, 225, 241 Ribbentrop, Annelies von 222, 253 Richardson, Henry Handel 103 Richardson, Großadmiral 32, 174 Richelieu 73 Richthofen, Frieda von 218 Richthofen, Manfred von 218 Riess, Curt 131 Robeck, Vizeadmiral de 209 Roberts, Lord 66 Robinson, James Harvey 139, 297f. Rockefeller, John D. 19, 82f., 86, 138, 147,190, 245,296f.,300 Rolland, Romain 105 Rommel, Erwin 130 Roon, Albrecht Graf von 60 Rooney, Andy 151 Roosevelt, Eleanor 22, 29, 185, 239, 244, 304 Roosevelt, Elliott 22 Roosevelt, Franklin Delano 9,11,1323, 32ff., 53, 82, 86, 95f., 102, 120, 127ff., 135, 138f., 141-148, 152160, 163f., 170, 173-192, 195, 197f., 200f., 203, 205-208, 211ff., 221-238, 241, 245, 250, 252, 255, 257ff., 261f., 263, 265f., 272-275, 278, 287, 294f., 2981, 301-311, 325, 337, 353 Roosevelt, Tochter 33

Roosevelt, Mutter 190 Roosevelt, Theodore 53, 83, 86, 121, 140, 185, 295, 297, 301f. Rosenberg, Alfred 124f. Roth, E. 193 Rothfels, Hans 321, 327 Rothschild, Nathan 82, 151 Rozek, Edward 211 Rudenko, Roman Andrejewitsch 214f.,233 Rudin, Harry 49,145 Rudolf I. von Habsburg 122 Rumpf, Helmut 326 Rydz-Smigly, Edward 175 Sadat 159 Salisburg, Lord 58 Salomon, Ernst von 66 Samsonow, General 77 Sanning, Walter 239,241, 243,288f.,291 Sargent, Porter 221, 286 Santa Anna, General 296 Schacht, Hjalmar 88f., 164, 242 Scheidemann, Philipp 89, 95, 286 Schleicher, Kurt von 32, 207 Schlesinger, A. M. jun. 230 Schnee, Heinrich 49 Scholl, Geschwister 251 Scholtz-Klink, Gertrud 194 Schopenhauer, Arthur 105 S chukow, Georgi Konstantinowitsch 121 Schuschnigg, Kurt von 314 Scotland,A. P 196 Seydlitz, Walther von 133 Shakespeare, William 72 Shaw, George Bernard 90 Sherwood, Robert 16, 33, 177, 181, 374

188, 190, 310 Shirer, William 221, 286ff. Siegler, Heinrich von 353f. Sikorski, Wladislaw 213f. Simon, Sir John 344 Simowitsch 234 Sinclair, Upton 19 Skorpadski, Hetman 238 Smith, AI 21 Smith, Ed 188, 232 Smith, Gene 11 Smooth 261f. Sonntag, Raymond 171 Sorge, Richard 128, 224, 242 Souchon, Wilhelm 209 Speransky 41 Stäglich, Wilhelm 283 Stalin, Josef 9, 11,15f., 18ff., 21f., 34, 95, 102, 121, 125-129, 133ff., 142, 144-149, 152ff., 169f., 174-183, 186ff., 190-208, 211-215, 223-226, 230-241, 243, 252, 255f., 258, 273, 275, 278, 288f., 290-293, 307-310 Stauffenberg, Claus Graf Schenk von 35, 130, 132 Steinberg 203 Stephan, John 146 Stevenson, Allai 304 Stimson, Henry 302f., 310 Stockman, David 160, 260ff. Stoddard, Lothrop 161 Stolper, Gustav 312 Stolypin, Peter 69f. Strauß, Richard 105 S tresemann, Gustav 30, 255 Strouberg, Bethel 39 Stuart, Graham 294, 302 Sündermann, Helmut 22, 96, 103, 125, 136, 316

Sultan von Tanger 109 Sumner, WG. 41 Sutton, Anthony C. 86, 147, 173, 184 Suworow, Viktor 128 Swift, Helen 219 Taft, Robert 154f., 297, 303f. Tansill, Charles Callan 64, 80, 86, 226, 297 Tarbell, Ida 82 Taylor, A.J.P 15,97, 99f., 125, 127, 327 Taylor, Professor 15 Tenno 224 Tennysons, Alfred Lord 116 Thatcher, Margret 152 Thies, General von 133 Thiess, Frank 163, 327 Thimme, Dr. 12 Thomas, Hugh 41,187 Thomsen, Geschäftsträger 141 Threlked, Richard 267 Tilden, Sam 263 Tilea, Virgil 220 Tirpitz, Alfred von 55 Tito 236,239,278,293 Tobias, Fritz 295 Toland, John 15, 141,162, 244 Tolstoi, Leo Nikolajewitsch 298 Trevor-Roper, Hugh Redwald 207 Trotzki, Leo 18, 210, 214, 238, 274 Truman, Harry S. 16, 22, 154, 158, 192, 198, 265, 275, 278, 303 Tschitscherin, Georgi Wassiljewitsch 21, 302 Tuchatschewsky, Michail Nikolajewitsch 188 Turgenjew, Iwan 66 375

Tyler-Kent 15

Wesendonck, Mathilde von 105 Wheeler 192 Wheeler-Bennett, J.W. 128,131, 207 White, Harry Dexter 226, 230 Wiedemann, Fritz 122 Wilde, Oscar 116 Wilhelm II. 10,30f.,35, 44ff., 49, 53, 55f., 58-61, 63-69, 75f., 90, 92ff, 100, 109,118,150,153, 161, 164, 168, 173, 185, 227, 233, 242, 244f., 255, 259, 268, 271, 275, 279,295, 315 Willkie, Wendell 154,259 Wilson, Woodrow 9f., 12f., 59f., 64, 71, 78-86, 88,90, 94ff.,112, 121, 135, 138f., 145,147, 157f., 160, 163f., 168,173,179,183f., 195, 200, 218, 223, 227f., 250, 257, 273, 278, 285,2 87, 297-301, 305, 308, 311, 334, 355 Wilson, Frau 179 Winant, John 275 Woodward, F.L. 55, 72, 101, 171, 195 Woroschilow, Kliment Jefremowitsch 198, 214 Wrangel, General 9

Untermeyer, Samuel 285 U’ren, Henry 263 Usher, Roland 54f. Vagts, Charles 65 Vandenberg 154 Vansittart, Robert Gilbert 220 Vargas, Getulio Dornelles 311 Vergennes 51 Victoria, Königin 58, 172, 205 Viereck, George Sylvester 150 Viktor Emmanuel III. 231 Vivian, Lord 71, 172 Vosberg, Fritz 331 Vowinckel, Kurt 322 Wagner, Franz 331 Wahl, Adalbert 168 Waldersee, Alfred Graf von 56 Waldheim, Kurt 249, 257 Wallace, Henry 21 Warren, Earl 22,160,279 Washington, George 178, 184, 263, 276, 298 Wassermann, Charles 292 Watson, Pa 188 Waugh, Evely 218 Webster, Dixon 229 Wedemeyer, Albert 33, 131, 230, 310 Wegerer, Alfred von 255 Weinberger, Caspar 261 Weiss, Dr. 259 Weizsäcker, Ernst von 206, 214f., 241f., 283 Wellington, Arthur Wellesley 73

Young 37, 86, 88f. Zaniencki 41 Zawodny, Janusz 214 Zeitzler, Kurt 134 Zeromski, Stefan 291 Zieger, G. 206 Ziegler, Hans Severus 15 Ziesel, Kurt 269 Zwetkowitsch, Premierminister 206 376

Bildnachweis Hans Dollinger (Hg.), Das Kaiserreich. Seine Geschichte in Texten, Bildern und Dokumenten. München 1966: S. 40, 62, 104, 123, 250. Elements, Paris, 52/1985: S. 264. J. A. de Jonge, Wilhelm II., Köln-Wien 1988: S. 45, 62, 69, Roger-Viollet: S. 110,46. Stern, Hamburg, 47/1969: S. 204,270.

377

Korrekturen des Scanners 035: deutche – deutsche 077: ausgetattete – ausgestattete 093: letzlich – letztlich 109: österreischichen – österreichichen 137: deutsche Verluste - deutschen Verluste 141: Putzi Hanfstängl, die – Putzi Hanfstängl, der 152: verpflichet – verpflichtet 186: Lnie – Linie 196: Weltoberung – Welteroberung 200: entmilitarisisierte – entmilitarisierte 208: zweitätigen – zweitägigen 220 (Fußnote): Unterstütztung – Unterstützung 228: Eintrit – Eintritt 229: Fußnote nicht indexiert 234: Fußnote zu Heß fehlt 238: Joffre – Joffe 257: Weltoberungsabsichten – Welteroberungsabsichten 275: amerikanischen-russischen – amerikanisch-russischen 281: Freundengefühle – Freudengefühle 282: teuflichen – teuflischen 286: The Rise – »The Rise 301: unverantworlichen – unverantwortlichen 305: Collidge – Coolidge (2 mal) 358: Schutztaffeln – Schutzstaffeln

377