Mein Lebenslauf - Erstausgabe des deutschen Originals - und Tagebuch 1939-1944: Herausgegeben und eingeleitet von Jerzy Axer, Alexander Gavrilov und Michael von Albrecht 9783631631638, 9783653023787, 3631631634

Thaddäus Zielinski (Tadeusz Zielinski), von Mommsen und Wilamowitz hochgeschätzt, ist als Autor des epochemachenden Buch

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Mein Lebenslauf - Erstausgabe des deutschen Originals - und Tagebuch 1939-1944: Herausgegeben und eingeleitet von Jerzy Axer, Alexander Gavrilov und Michael von Albrecht
 9783631631638, 9783653023787, 3631631634

Table of contents :
Cover
Inhalt
Vorwort
Jerzy Axer (Warszawa),Tadeusz Zielinski unter Fremden
A. K. Gavrilov (St. Petersburg), Thaddäus Zielinski im Kontext der russischen Kultur
Michael von Albrecht (Heidelberg), Brückenschlag zwischen Kulturen und Nationen: Der Philologe Thaddäus Zielinski
Michael von Albrecht, THADDAEI ZIELINSKI Monumentum Schondorfiense
Tadeusz Zielinski, Mein Lebenslauf
Anatolij Ruban, Kommentar zur Autobiographie
Tadeusz Zielinski, Tagebuch 1939-1944, Hanna Geremek
Piotr Mitzner, Editorische Notiz
Tadeusz Zielinski, Tagebuch 1939-1944
Register der Personennamen

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Studien zur klassischen Philologie Herausgegeben von Prof. Dr. Michael von Albrecht

Band 167

Peter Lang

Frankfurt am Main · Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Wien

Thaddäus Zielinski

Mein Lebenslauf — Erstausgabe des deutschen Originals — und Tagebuch 1939-1944 Herausgegeben und eingeleitet von Jerzy Axer, Alexander Gavrilov und Michael von Albrecht Unter Mitwirkung von Hanna Geremek, Piotr Mitzner, El z˙ bieta Olechowska und Anatolij Ruban

Peter Lang

Internationaler Verlag der Wissenschaften

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. The manuscript of Tadeusz Zieliński’s Mein Lebenslauf is part of the collection of the Library of the University of Warsaw (BUW), call number: Rps BUW nr 4586. This edition of T. Zieliński’s text is published with the permission of Professor Jerzy Axer and the Institute for Interdisciplinary Studies Artes Liberales, University of Warsaw (IBI AL, UW) who hold the publication rights for the manuscript. The German translation of texts by Hanna Geremek and Piotr Mitzner, excerpted from Tadeusz Zieliński, Autobiografia. Dziennik 1939-1944. Podali do druku Hanna Geremek i Piotr Mitzner. Warszawa: OBTA & DiG, 2005, is published here with the permission of IBI AL, UW (formerly OBTA).

ISSN 0172-1798 ISBN 978-3-631-63163-8 (Print) ISBN 978-3-653-02378-7 (E-Book) DOI 10.3726/978-3-653-02378-7 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2012 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.peterlang.de

THADDAEI ZIELINSKI PRAECEPTORIS EVROPAE PIAE MEMORIAE ET STVDIOSAE IVVENTUTI OMNIUM GENTIUM HVNC LIBRUM DEDICANT EDITORES

Inhalt

Vorwort des Herausgebers der Reihe

9

Würdigungen Jerzy Axer (Warszawa), Tadeusz Zieliski unter Fremden

11

Alexander Gavrilov (St. Petersburg), Thaddäus Zielinski im Kontext der russischen Kultur

25

Michael von Albrecht (Heidelberg), Brückenschlag zwischen Kulturen und Nationen: Der Philologe Thaddäus Zielinski

41

Michael von Albrecht (Heidelberg) Thaddaei Zielinski monumentum Schondorfiense

49

Texte und Erläuterungen Thaddäus Zielinski, Mein Lebenslauf

51

Kommentar von Anatolij Ruban

147

Tagebuch 1939-1944 Vorwort von Hanna Geremek †

169

Editorische Notiz von Piotr Mitzner

193

Tagebuch 1939-1944

197

Register der Personennamen

279

7

Vorwort Thaddäus Zielinski (Tadeusz Zieliski) ist neben Theodor Mommsen fast der einzige klassische Philologe, der in Deutschland eines Denkmals gewürdigt wurde. Eine führende Gestalt in der Altertumswissenschaft des 20. Jh., gehört er allen europäischen Nationen, besonders aber den drei Ländern, mit denen er schicksalhaft verbunden war: Polen, dem Land seiner Ahnen, verdankt er die Liebe zum Latein und ist dort unter anderem zum Begründer einer bedeutenden Schule der Cicero-Forschung geworden. In Russland hat er eine besonders glänzende Lehrtätigkeit entfaltet, die weit über die Grenzen der Universität hinaus eine ganze Kulturepoche befruchtete. Deutschland schenkte ihm die Schul- und Hochschulbildung, vor allem aber die Sprache, in der er bahnbrechende Arbeiten veröffentlichte. Sein unsterbliches Buch über Cicero im Wandel der Jahrhunderte ist nebenbei auch ein Meisterwerk des deutschen Stils. Auf Deutsch hat Zielinski nicht zuletzt auch seine vor kurzem neu entdeckte Autobiographie Mein Lebenslauf verfasst, zweifellos ein historisches Dokument und wohl auch eine Bereicherung der deutschen Memoirenliteratur. Hier wird erstmals der deutsche Originaltext vorgelegt, um der dokumentarischen Vollständigkeit willen verbunden mit dem ebenfalls neu entdeckten Tagebuch, das von Olof Mathei-Socha aus dem Polnischen übersetzt wurde. Wissenschaftler der drei Nationen, denen Zielinski besonders nahe stand, haben an der Veröffentlichung mitgewirkt und in einleitenden Essays die europäische Bedeutung dieses Forschers von unterschiedlichen Standpunkten aus gewürdigt. Der Dank der Herausgeber gilt Zielinskis Erben Ayako Mori und Harumi Muraguchi sowie den Herausgebern der polnischen Ausgabe, Hanna Geremek † und Piotr Mitzner (Tadeusz Zieliski, Autobiografia. Dziennik 1939-1944, Warszawa 2005). Die Transkription des Manuskripts der Autobiographie stammt von Monika Satizabal Niemeyer; um die Lesung und Identifikation der russischen Namen und Zitate hat sich Anatolij Ruban verdient gemacht, dem auch – zusammen mit Vsevolod Zel’enko – die Kommentierung des Textes zu verdanken ist. Dank gebührt den Übersetzern: Marion Rutz (Beitrag Alexander Gavrilov und Teile der Kommentare von Anatolij Ruban), Magorzata Wilk (Beitrag Jerzy Axer), Olaf Mathei-Socha (Beiträge Hanna Geremek und Piotr Mitzner) und Elbieta Olechowska (Teile der Kommentare von Anatolij Ruban). Darüber hinaus haben Elbieta Olechowska und Marion Rutz mit Fachkompetenz und großer Humanitas in allen Stadien der Arbeit wesentlich zum Gelingen des Projekts beigetragen. Eine russische Übersetzung der Autobiographie zusammen mit dem Kommentar von A. Ruban erscheint gleichzeitig in St. Petersburg. Ergänzend sei auf folgende wichtige Neuerscheinung hingewiesen: Tadeusz Zieliski (1859-1944): Spuren und Zeugnisse seines Lebens und Wirkens aus süddeutschen Beständen. Hrsg. und erl. von U. Dubielzig. Torunii / Toru, 2009.

9

Jerzy Axer (Warszawa)1 Tadeusz Zieliski unter Fremden Die Überzeugung, man müsse Tadeusz Zieliski in Polen in guter Erinnerung behalten, habe ich als ein verpflichtendes Vermächtnis von meinen akademischen Lehrmeistern geerbt. Professor Kazimierz Kumaniecki2 war der erste, der während des politischen Tauwetters der Jahre 1956-1959 den Band der Zeitschrift Meander herausgab, in dem er an diesen großen Wissenschaftler mit einer eigenen, deutlich formulierten Huldigung für dessen Werk3 erinnert. Meine zweite Lehrerin, eine Schülerin von Zieliski aus seiner Warschauer Zeit, Lidia Winniczuk4, arbeitete auch an dem Band, zusammen mit einer anderen seiner Schülerinnen – Gabriela Pianko. Bis an ihr Lebensende nutzte auch sie jede Möglichkeit, den guten Ruf ihres Meisters zu verteidigen. In meiner Erinnerung lebte dank ihr seit Studienbeginn die nebulöse Vorstellung eines gutmütigen Meisters, der ehedem in diesen Mauern unterrichtet hatte. Später war ich mit Professor Marian Plezia5 befreundet, dem treusten Wächter der Erinnerung an Zieliski unter den polnischen klassischen Philologen, der unermüdlich an dessen Biographie und der Herausgabe noch unveröffentlichter Werke arbeitete. Seit sich also die Möglichkeit eröffnet hatte, bestimmte ich die Herausgabe von Quellen, die das Leben und Werk von Tadeusz Zieliski beleuchteten, als eine der Aufgaben des Forschungszentrums für antike Tradition in Polen und Ostmitteleuropa (OBTA), welches 1991 von mir an der Universität Warschau eingerichtet wurde. Nacheinander gaben wir seine Korrespondenz mit einem 1

Forschungszentrum für antike Tradition im IBI AL,Interdisziplinäre Studien „Artes Liberales“, Universität Warschau. 2 Kazimierz Kumaniecki (1905-1977), Professor an der Universität Warschau seit 1936, Vorsitzender des Polnischen Vereins für Philologie 1950-1977, der bedeutendste klassische Philologe im Polen der Nachkriegszeit. 3 Meander XIV, Heft 8-9, Warschau 1959, S. 387-463. 4 Lidia Winniczuk (1904-1993), bedeutende Latinistin, eine der wichtigsten Personen in der Geschichte der klassischen Philologie in Warschau; neben wissenschaftlichen Arbeiten auch ein immenses populärwissenschaftliches Werk. Nach dem Vorbild ihrer Lehrer legte sie besonderen Wert auf die Entwicklung der studentischen wissenschaftlichen Bewegung. 5 Marian Plezia (1917-1996), bedeutender Latinist und Mediävist aus dem Krakauer Milieu; Autor des Lateinisch-Polnischen Wörterbuches und Schöpfer der Werkstatt für Mittelalterliches Latein an der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Seine Arbeiten über den Nachlass von T. Zieliski sind in den Abhandlungen enthalten, die im Band zum 100jährigen Bestehen des Polnischen Vereins für Philologie herausgegeben wurden: „Z modzieczych lat Tadeusza Zieliskiego“ (Aus den Jugendjahren von Tadeusz Zieliski) und „Dzieci niedoli” – ostatnie dzieo Tadeusza Zieliskiego („Kind des Elends“ - das letzte Werk von Tadeusz Zieliski) (M. Plezia, Z dziejów filologii klasycznej w Polsce (Aus der Geschichte der klassischen Philologie in Polen), PTF: Warschau 1993, S. 168-235). 11

seiner bedeutendsten polnischen Schüler, dem Erforscher des antiken Theaters, Stefan Srebrny6 heraus, dann seine Publizistik aus den Jahren 1917-1922 unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrung der Februar- und Oktoberrevolution7, schließlich die von Hanna Geremek entdeckten und bearbeiteten autobiographischen Texte von Zieliski: die eigene geistige Biographie (Mein Lebenslauf, geschrieben 1924) und das Tagebuch (Dziennik) aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, das er auf Polnisch vom November 1939 bis zu seinem Tod im April 1944 in Schondorf geführt hatte.8 OBTA war auch mitbeteiligt an der Errichtung des Denkmals zu Ehren von Tadeusz Zieliski in Schondorf im Jahr 1997. Gegenwärtig erscheint die russische Version der Autobiographie zusammen mit der Studie von Hanna Geremek zum Tagebuch. In Polen wird gerne über Tadeusz Zieliski als „den größten polnischen klassischen Philologen” geschrieben. Diese Formulierung ist sowohl wahr als auch vom Grunde aus falsch. Wahr, da er als Pole geboren wurde und noch im Sterben sein Polentum deklarierte. Falsch, da sein ganzes großes Werk in eine Periode fällt, als das Polentum in ihm verdrängt war, bis auf Kindheitserinnerungen und das Bewusstsein, dass die polnische Abstammung eine stetige Bedrohung für die Karriere in einem russischen Milieu sei. Das ganze Leben hindurch waren sein Herz und seine Seele – in Bezug auf ihn ist eine solche Formulierung angemessen – erfüllt von der Liebe zur deutschen Kultur. Diese Liebe stand in keinem Widerspruch zu dem festen Entschluss, im russischen Milieu, zum Wohle der russischen Kultur, die Lehrermission zu erfüllen – und wieder ist in Bezug auf ihn das Wort „Mission” in höchstem Maße angebracht. Diese Situation macht uns bewusst, wie unzutreffend und oberflächlich es ist, sich beim Denken und Schreiben über Zieliski darauf zu konzentrieren, welche von seinen Nationalidentitäten die „wahre” sei, oder darüber zu sinnieren, welche von ihnen er wann „verraten“ habe und aus welchen Beweggründen. Zieliski selbst beschrieb das Verhältnis zwischen den russischen, deutschen und polnischen Komponenten seiner Persönlichkeit je nach den Umständen in unterschiedlicher Weise. Er griff gerne auf Metaphern zurück. Solche Deklarationen sollte man im Kontext der Ziele erörtern, die er sich bei bestimm6

Tadeusz Zieliski, Listy do Stefana Srebrnego (Briefe an Stefan Srebrny), bearb. von G. Golik-Szarawarska, Serie “Ludzie i Teksty (Menschen und Texte)”, Band 1, u.d.Red. von J. Axer, OBTA: Warszawa 1997. 7 Tadeusz Zieliski, Kultura i rewolucja. Publicystyka z lat 1917-1922 (Kultur und Revolution. Publizistik aus den Jahren 1917-1922), bearb. Von H. Geremek, Serie „Ludzie i Teksty (Menschen und Texte)”, Band 2, u.d.Red. von J. Axer, DiG: Warschau 1999. 8 Tadeusz Zieliski, Autobiografia. Dziennik 1939-1944 (Autobiographie. Tagebuch 19391944), zum Druck gegeben: H. Geremek und P. Mitzner, OBTA UW (Serie: „Ludzie i Teksty (Menschen und Texte)”, Band 3, u.d.Red. von J. Axer) und DiG (Serie: „Pamitniki z XVIIXX w. (Tagebücher aus dem 17. bis 20. Jahrhundert”): Warszawa 2005. 12

ten Aussagen setzte. In einer von ihnen stellte er fest, sein Körper sei polnisch, sein Geist deutsch, die Seele aber russisch. Auch der Artikel, den er 1918 über die Begriffe Nationalismus, Internationalismus und Supranationalismus9 veröffentlicht hat, sollte nicht als ideologische Deklaration gesehen werden, sondern als politische Publizistik, geschrieben unter sehr schwierigen Umständen. Deswegen werde ich, wenn ich an das Verhältnis Zieliskis zur nationalen Identität denke, mich nicht auf den Begriff des Supranationalismus beziehen, der ihm bei der Polemik mit der bolschewistischen Propaganda diente, sondern auf die Idee der Wiedergeburt der Antike, die aus seiner wissenschaftlichen und Lehrertätigkeit organisch hervorgeht. Meine Lehrer wurden durch historische Umstände gezwungen, das Gedenken an Zieliski zu verteidigen, dessen Entschluss, nach der Naziaggression auf Polen 1939 nach Deutschland auszureisen, während des kommunistischen Regimes als spezifischer Verrat galt. Auf eine weniger offene Art, in der einige Zieliski gegenüber feindselige Stimmen aus der Zwischenkriegszeit fortwirkten, wurde er eines unheilbaren Philorussizismus beschuldigt. Die Verteidigung musste darauf beruhen und beruhte auch darauf, Beweise für sein Polentum zu suchen und sich auf seine Erklärungen nationaler Loyalität und Identität zu berufen. Heute ist dies nicht mehr notwendig. *** Mir drängt sich, wenn ich mich an die russischen Leser der Autobiographie wende, eine andere Überlegung auf. Ich möchte ihnen die Veränderung erläutern, die das Kennenlernen der Autobiographie und des Tagebuchs in meiner Vorstellung von Zieliski hervorgerufen hat. Der erste Text ist eine bewusste, sorgsam durchdachte Apologie des eigenen Lebensweges, dem die Wahl der eigenen Kinder als Empfänger Intimität verleiht. Der Vater macht sie auf diese Weise zu Wächtern der kanonischen Version des eigenen Lebenslaufes. Wir kannten diese Formulierungen und Deklarationen früher bruchstückweise aus Erinnerungen der Familie und Zieliskis Aussagen während der „polnischen Periode” in seinem Leben. Hier bilden sie ein Ganzes – eine sorgfältig ausgewogene Geschichte de se ipso für die Allernächsten und die Nachkommenschaft, der Tochter Weronika auf Deutsch diktiert. Im Tagebuch hingegen wurden die Aufzeichnungen bis in die letzten Lebenswochen auf Polnisch geführt, adressiert an keinen anderen, nur an sich selbst. Ich würde es heute für unrichtig halten, sich auf Versuche zu konzentrieren, die nationale Zugehörigkeit des Autors dieser Texte zu bestimmen. Was mich zutiefst bewegt und was ich für erinnerungswürdig halte, ist gerade diese 9

Nasz Wiek vom 7. August. 13

nationale Entfremdung als fester Bestandteil geistiger Zerrissenheit und der Suche dieses Mannes, der die große Kraft eines analytischen Geistes mit großem künstlerischen Talent und maßloser Emotionalität in sich verband. Meines Erachtens kann manZieliskis Werk nur schwer verstehen , ohne seine ständige Angst vor der Einsamkeit zu berücksichtigen und das Gefühl, er befinde sich ständig unter Fremden und alle Verbindungen und Beziehungen, die er anzuknüpfen vermochte, seien immerzu gefährdet. Zieliski lebt beständig in der Angst, was er für stark halte, sei in Wirklichkeit schwach; immer wieder findet er heraus, dass, was er für Garantien der Akzeptanz und emotionalen Gegenseitigkeit gehalten hatte, anderen nur für einstweilig, vorübergehend galt. Nach der Lektüre der Autobiographie und des Tagebuchs bin ich mehr denn je davon überzeugt – obwohl ich es schon seit langem vermutet hatte – dass hierin das Außergewöhnliche der Beziehung dieses Gelehrten zur Welt der antiken Kultur liegt, die er zum Gegenstand seiner wissenschaftlichen Forschung und popularisierenden Mission gemacht hat. Diese spezifische Enterbung aus der Zugehörigkeit zu jedweder ethnischen und nationalen Kultur kompensierte Zieliski mit dem Entschluss, ein Bewohner der antiken Welt zu werden, und in ihrem Gebiet – ein Bürger von Athen. In dieser Lage musste er, um ein Vaterland zu haben, in seinem eigenen Interesse diese antike Kultur auf jede erdenkliche Weise nähren und am Leben erhalten. In Bezug auf Zieliski stimmt solch eine psychologische Perspektive der Beurteilung seines Werkes völlig überein mit seiner eigenen Methode der wissenschaftlichen Arbeit und der Art, wie er die Rolle des Gelehrten und Künstlers verstand. Er interessierte sich nur für das, was er lieben und bewundern konnte. Ohne zu zögern, nahm er die Gefühlssphäre mit hinein in den Forschungsprozess. Er bejahte seine Fähigkeit zur emotionalen und intuitiven Durchdringung der Vergangenheit und hielt sie für die Hauptquelle seiner eigenen Größe. Indem er sich bewusst der eigenen Emotionalität bediente, um intuitiv die Wahrheit zu erkennen (Zieliski sprach geradezu vom „Hellsehen”), würdigte er das Schöpfen aus den eigenen Kindheitserfahrungen als eine spezifische Vorbedingung seiner wissenschaftlichen Arbeit. Ich werde jetzt versuchen, einige Aspekte der nationalen Entfremdung Zieliskis zu erörtern, gesehen als Bestandteil seiner schöpferischen Originalität und zugleich der Empfindung der subjektiven Tragik seines Schicksals. *** Wenn jemand nicht von dem Gedanken überzeugt ist, dass Zieliski, vergöttert durch Zuhörermassen, umringt von enthusiastischen Frauen und bewundert von Künstlern, ein Mann, dem zu Lebzeiten viel Ehrerbietung entgegengebracht 14

wurde und dem auch nach seinem Tod die treue Liebe vieler Schüler galt, einsam und entfremdet war, der möge doch die Fakten erwägen, die einen Bestandteil im Drehbuch des Lebens eines sensiblen Menschen bilden, der ständig andere brauchte („für mich ist die Einsamkeit Gift”, schrieb er am Ende seines Lebens10). Er wurde in einer polnischen Adelsfamilie im Umland von Kiew geboren. Die Landschaft seiner Kindheit war das ukrainische Dorf, die Sprache zu Hause Polnisch und Französisch. Der Hausunterricht umfasste auch die polnische Literatur, mit einem besonderen, ja sogar kultischen Verhältnis zu Adam Mickiewiczund unter völligem Ausschluss der russischen Literatur. Russisch wurde (obwohl die Stiefmutter Russin war) nur mit den Bediensteten gesprochen, erinnerte sich Zieliski. Das Gefühl, Waise zu sein, keimte schon sehr früh in ihm auf, nach dem Tod seiner Mutter. In der Erinnerung an die Kindheit herrscht eine intensive Angst vor der Einsamkeit. In der Autobiographie wird er diese Jahre die „polnische Periode” in seinem Leben nennen. Sie schließt mit dem Tod seines Vaters 1873. Aus Angst vor Verfolgungen seitens russischer Kommilitonen (der Januaraufstand 1863-64 lag noch nicht lange zurück) ging der Junge 1869 in eine durch die evangelische Gemeinde in Petersburg geführte Schule, mit Deutsch als Unterrichtssprache. Er sprach fast kein Deutsch, als er in die Schule kam, und Russisch nicht ganz ohne Mühe. Sehr schnell spürte er aber die Freundlichkeit der deutschen Kommilitonen und Fremdheit seitens der russischen. Die Schule und das spätere Studium an deutschen Universitäten bewirkten, dass er mit Enthusiasmus in die deutsche Sprache und Kultur hineinwuchs. Unter Deutschen fand er seine Meister und Jugendautoritäten, seine Freunde und seine Frau. In Deutschland fand er auch neue Landschaften „zum Lieben“. Dieses Verhältnis zur Natur war eine wichtige Eigenschaft seiner Emotionalität. Mit der Zeit erlangte er in der deutschen Sprache, auch seiner eigenen Überzeugung nach, eine Perfektion, die „aus Liebe” floss, wie er meinte. Die deutsche Kultur wurde ihm in dieser Zeit zweifellos zur neugeschenkten Heimat. Zieliski erklärt in der Autobiographie, seit 1895 habe eine neue Phase in seinem Leben begonnen – die russische. Ihre Entwicklung war verbunden mit dem Erfolg als Dozent an der Universität Petersburg. Vorher war er dem akademischen Milieu so entfremdet gewesen, dass er nur dessen Feindseligkeit bemerkte oder die eigene Ahnungslosigkeit in Hinsicht auf das Streben des besten Teils dieses Milieus (etwa den Kampf gegen die Abschaffung der Autonomie der Hochschulen im Jahr 1885). Für die nächsten zwei Jahrzehnte sollte er nun 10

Brief an einen der Schüler aus dem Jahr 1943/1944 (Witold Klinger) in: M. Plezia, 1993, S. 235. 15

zu einer großen Persönlichkeit dieser Universität heranwachsen und mehr noch – zu einer Gestalt des öffentlichen Lebens in St. Petersburg. In dieser Periode entstanden Zieliskis wichtigste wissenschaftliche Werke. Der Durchbruch kam, seines Erachtens, mit dem Beginn der Arbeiten an Cicero. Ein Gelegenheitsvortrag zum zweitausendsten Geburtstag des Arpinaten brachte Erfolg, auch – wie man heute sagen würde – medialer Natur, und durchbrach das Misstrauen des russischen liberalen Milieus hinsichtlich des klassischen Erbes. Aus diesem Ansatz entstand das außerordentlich wichtige Buch Cicero im Wandel der Jahrhunderte (Teubner, Leipzig 1897), welches ihm internationalen Ruhm brachte. Diese in weiteren Ausgaben ausgebaute Studie wurde zu einer eigenen Geschichte der europäischen Kultur, gesehen durch das Erbe Ciceros. Ich glaube, dieses Werk erwächst aus Zieliskis besonderer Zugehörigkeit zu mehreren Kulturen; dies ließ ihn den Anticiceronianismus von Mommsen kritisch betrachten und an das freiheitliche Potential der Ciceronischen Tradition anknüpfen. Ich sehe hier auch die Spur der Lehre seines Vaters, aus der Zieliski behalten hatte, dass Latein und eine Lesart des römischen Republikanertums zur altpolnischen Adelstradition gehörten. Welche Rolle auch immer dieser Mythos gespielt haben mag, es besteht kein Zweifel daran, dass Zieliski durch seine Studien über Cicero die sog. polnische Cicero-Schule schuf, die in unserem Bewusstsein durch drei Namen bezeichnet wird: Zieliski – Morawski – Kumaniecki11. Zieliskis Triumphe als akademischer Lehrer verbanden sich in jener Epoche mit der Rolle eines besonderen intellektuellen Gurus, mit dem Gefühl der Chance, eine slawische Wiedergeburt der Antike ins Leben zu rufen. Es ist hier nicht der Ort, um diese Strömung zu beschreiben, aber zweifelsohne fand sie bei russischen Dichtern und Dramatikern großen Anklang, der ihm das Empfinden vermitteln konnte, Anführer einer Bewegung zur geistigen und religiösen Wiedergeburt zu sein, eines besonderen heidnisch-christlichen Synkretismus – nietzscheanisch dem Geiste nach, aber Nietzsche so umwandelnd, dass das „Dionysische” auch zum Christlichen wurde. Dies ist die Atmosphäre, in der die 11

Kazimierz Morawski, Zeitgenosse von Zieliski (1852-1925), Professor und Rektor der Jagieonen-Universität, gab die Historia literatury rzymskiej (Geschichte der Römischen Literatur) in sieben Bänden heraus (Krakau 1909-1921), deren zweiter Band gänzlich der Person und dem Werk von Cicero gewidmet war. Kazimierz Kumaniecki (vgl. Fußnote 12) gab 1959 eine Monographie über Cicero und seine Zeitgenossen heraus, die dann ins Italienische übersetzt wurde. In dieser Monographie verteidigte er Cicero gegen die Kritik an seiner politischen und intellektuellen Einstellung – vor allem seitens italienischer und französischer Wissenschaftler. Das Bild der polnischen Schule der Cicero-Forschung, die eine eigene republikanische Tradition repräsentiert, hat M. Plezia dargestellt (vgl. „Luminarze polskich studiów nad Cyceronem“ (Die Leuchten der polnischen Studien über Cicero), Ciceroniana VII, 1990, S. 33-43). 16

deutschen, russischen und antiken Komponenten in Zieliskis Seele anscheinend eine Chance auf harmonische Verbindung hatten. Seine Aktivitäten unter den russischen Literaten und Dichtern erscheinen mir grundlegend für die letztendliche Ausformung von Zieliskis Überzeugung, er sei dazu berufen, eine neue Ära mitzugestalten, nicht nur in der Lehre über die Antike, sondern in erster Linie im modernen Leben; er sei mitverantwortlich für das Synthetisieren dessen, was in der griechischen, römischen und „wahrhaft slawischen” Kultur das Beste ist, mit der russischen Nationalkultur und für ihren Aufstieg auf den führenden Platz in Europa. In diesem Sinne gab er auch den Zyklus seiner eigenen Sophokles-Übersetzungen heraus, die für einen großen Rezipientenkreis Träger einer großen Idee sein sollten. Er war auch der Patron der Entwicklung der russischen neoklassizistischen Tragödie. Aus dem Geist des griechischen Theaters sollte das russische Nationaltheater geboren werden12. Er kam dann zu der Überzeugung, die slawische Welt sei immer ein besonders guter Rezipient dionysischer Emotionen gewesen und auf diesem Grund sei die Wiedergeburt der klassischen Kultur im Einklang mit dem Christentum möglich. Auf jeden Fall sollte die „slawische Renaissance” ein Gegengift gegen die neue „barbarische Ära” werden, deren Herannahen er spürte. Dieser Vision blieb Zieliski treu bis ans Ende seines Lebens. Ihre Niederlage in der realen Welt zeigte sich aber noch, bevor er Russland 1921 endgültig verließ. Mindestens seit 1914 sah man, dass die Veränderungen in eine ganz andere Richtung gehen würden als diejenige, von der die poetae docti in ihrem Streben nach Massenwirkung träumten. Nach der Revolution erinnerte sich ein enthusiastischer Student von Zieliski, Lev Pumpjanskij, dass die „slawische Wiedergeburt” schon bald eher als Beschreibung der Vergangenheit denn als Beschreibung der Zukunft werde gelten müssen: als Testament, verfasst in dem Augenblick, da sich der tragische Epilog des im Sterben liegenden großen kulturellen Experimentes auf der russischen Erde vollzog: der Symbiose der antiken Kultur mit der russischen, eines Prozesses, der schon seit der Zeit Peters des Großen andauerte, wobei die deutsche Kultur als Katalysator wirkte. Diese kulturelle Veränderung traf zusammen mit dem für Zieliski traumatischen Erlebnis eines plötzlichen Hasses zwischen dem, was deutsch, und dem, was russisch war, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges einhergingen. In einer solchen Atmosphäre wurde Zieliski, der sich auf dem Gipfel der Popularität und des Erfolges befand, gleichzeitig aus dem akademischen Milieu gedrängt. Er hatte das Gefühl, als würde er von den Russen wieder als Fremder gesehen. Im Rückblick begann er alle akademischen Freundschaften 12

Zara Martirosova Torlone, Russia and the Classics. Poetry’s Foreign Muse, Duckworth: London 2009, s. dort im Index unter Zieliski.. 17

der vergangenen zwanzig Jahre als konjunkturell und falsch anzuzweifeln; er vertraute nun nur noch seinen Schülern. Gleichzeitig keimte in ihm die Überzeugung, auch die Deutschen hätten ihn verworfen. Mit Entsetzen stellte er fest, dass sein einziger Vortrag, in dem er versuchte, die Kritik am Geist des deutschen Militarismus mit dem Lob der Größe der deutschen Kultur und ihres wohltuenden Einflusses auf die russische Kultur zu verbinden, ihn in den Augen mancher Deutschen zu einem Verbannten aus dem Deutschtum machte. Er wurde 1914 frühzeitig pensioniert, zuvor versuchte man ihn moralisch zu kompromittieren. Ringsum zerstörte die Oktoberrevolution die Welt, die er kannte. Davon überzeugt, ihm drohe das Schicksal des russischen Emigranten, der in der Verbannung umherirren müsse, rief er die Erinnerung an das Vaterland aus seiner Kindheit auf, mit dem er seit Jahrzehnten keinen Kontakt gesucht hatte – wie er selbst zugab. Der Zufluss von Polen nach St. Petersburg seit 1916 (nach der deutschen Einnahme der polnischen Gebiete) erleichterte dieses Näherkommen. Es war dieses Milieu, das sich an Zieliski mit der Bitte um Zusammenarbeit wandte. Er begann in stockendem Polnisch zu den Polen zu sprechen – „das alte Vaterland rief mit all der Kraft seiner Liebe nach dem verlorenen Sohn”, so schreibt Zieliski in der Autobiographie. So kam er 1919 nach Warschau, enthusiastisch begrüßt, um die Professur an der Warschauer Universität zu übernehmen. Es war jedoch, da er russischer Staatsangehöriger war, aus russischer Sicht nur eine einjährige Delegierung. Also kehrte er 1920 ins bolschewistische Russland, nach St. Petersburg, an die Universität, die Bibliothek und zur Tochter zurück. Er verließ Warschau – woran viele Anstoß nahmen – in dem Augenblick, als sich Tuchaczewskis Armee der polnischen Hauptstadt näherte. Noch zwei Jahre lang verabschiedete er sich vom einstigen Leben und Milieu. Seinen letzten Vortrag in St. Petersburg, über die Bakchen, behielt man in Erinnerung als Abschied vom Traum über die griechische Wiedergeburt Russlands. Nach dem Friedensschluss in Riga ließ er sich endgültig in Warschau nieder. In Polen war Zieliski seit 1922 Professor an der Józef-PisudskiUniversität in Warschau und Gegenstand eines besonderen Kultes. Er wurde mit der Formel: Habemus papam begrüßt, – daraus sprach die ungeheure Größe der Hoffnung, die sich an die Ankunft eines solchen Gelehrten in das wiedergeborene Land knüpfte. Diese Erwartungen wurden insoweit erfüllt, als Zieliski der polnischen Altertumswissenschaft in den 1920er und 1930er Jahren großen Ruhm brachte, da sein akademisches Wirken weltweit Anerkennung fand. Er war sich jedoch bewusst, dass er in einem ganz anderen Milieu agierte als in Russland. 18

Es war ihm zwar gelungen, in Polen in einem kleineren Ausmaß einen Kreis wiederherzustellen, ähnlich dem St. Petersburger – eine Gruppe Schüler und Künstler, die von dem Meister fasziniert waren. Für immer behielt man in Warschau seine gewaltige Gestalt, gekleidet in einen kunstvollen Umhang und breitkrempigen Hut13 in Erinnerung (in der polnischen Erfahrung verband sich ein solches Aussehen mit der Neuromantik des Jungen Polen der Jahrhundertwende). Er erweckte Bewunderung und Liebe, faszinierte mit seiner Exotik. Man schrieb Gedichte und Kabarettstücke über ihn. Es war jedoch nur ein Schatten dessen, was er gewohnt war. Desto beharrlicher versuchte er außerhalb seiner wissenschaftlichen Arbeit seine Entscheidung, nach Polen überzusiedeln, durch seinen Dienst an der Nation, der er beigetreten war, zu bestätigen. Aus dieser Perspektive könnte man den 1917 in St. Petersburg anlässlich der Übernahme der Nachfolge von Henryk Sienkiewicz in der Russischen Akademie der Wissenschaften gehaltenen Vortrag als einen Ausgangspunkt, als eigentümliche Vorbereitung ansehen. Der Vortrag über diesen Schriftsteller wurde nun zu einer Studie erweitert und als Buch über die Stellung von Sienkiewicz in der polnischen und europäischen Kultur14 herausgegeben. Zum wichtigsten Bezugspunkt jedoch wurde für Zieliski Mickiewicz, von dem er schon in Russland und später in Polen sprach und schrieb; er begann, sein Werk und sein Leben auszuwerten, um den eigenen Platz in der polnischen Kultur zu bestätigen. In den Jahren 1922-1939 sorgte Zieliski dafür, dass die meisten seiner in Russland entstandenen Arbeiten, insbesondere die populärwissenschaftlichen, ins Polnische übersetzt wurden. Er schrieb auch viel auf Polnisch, zunächst mit Hilfe von Übersetzern, später selbständig und konzentrierte sich insbesondere auf das Propagieren der Idee der Aktualität der Antike und ihrer kulturellen Lebendigkeit. *** Wenn wir annehmen, dass es Zieliskis Schicksal war, unter Fremden zu sein (er musste sich seine ‚Nächsten‘ als eine Art Sekte schaffen), gab ihm dies dann die Kraft zu intellektuellem, künstlerischem und wissenschaftlichem Wirken? Unserer Meinung nach ja, da es die Antike zur einzigen Chance werden ließ, ein geistiges Vaterland zu finden, und eine mächtige Motivation war, andere zu 13

Vgl. meinen Essay „Tadeusz Zieliski. Wywoywanie ducha“ (Tadeusz Zieliski. Die Heraufbeschwörung eines Geistes), Gazeta Petersburska, No 1 (47) 2003 (17 Januar), S. 6 (vorher anlässlich der Enthüllung des Zieliski-Denkmals: „Tadeusz Zieliski – Wissenschaft, Kunst, Intuition,“ in: Ein Denkmal für Tadeusz Zieliski, „Schondorfer Berichte“, November 1997, S. 138-147) 14 Idea Polski w dzieach Sienkiewicza (Die Idee Polens in den Werken von Sienkiewicz), Zamo 1920. 19

Bürgern der Antike zu machen, um mit ihnen dann auf gleicher Ebene zu verkehren. Die kulturelle ‚Enterbung‘ ließ ihn das Verhältnis zwischen der Welt und der zeitgenössischen Kultur als einen dramatischen Umbruch sehen. Er selbst gehörte scheinbar der Vergangenheit an, und es wäre leicht, seine Überzeugungen und Visionen als anachronistisch abzutun. In seiner ganzen Unzeitgemäßheit war er jedoch konzentriert auf das Entwerfen der Zukunft, auf den Versuch, die Menschheit vor der Katastrophe zu bewahren, ehe sie eintrat, und dann auf das beharrliche Festhalten an dem gewählten Weg, als sie endlich, in zwei Phasen – der bolschewistischen und nazistischen – Wirklichkeit wurde. Von diesem Standpunkt aus gesehen hatte der Zweite Weltkrieg nur das Schicksal erfüllt, welches seit 1917 besiegelt war. Seit er Russland verlassen hatte und bis ans Ende seiner Tage versuchte Zieliski, eine große Synthese unter dem Titel Religie wiata antycznego (Die Religionen der antiken Welt) zu schreiben. Die ersten beiden Bände schrieb er auf Russisch (St. Petersburg 1917 und 1922): der Titel lautet in polnischer Übersetzung: Religia staroytnej Grecji (Die Religion des antiken Griechenland) und Religia hellenizmu (Die Religion des Hellenismus). Sie wurden in westliche Sprachen übersetzt, erfuhren allerdings in der europäischen, vor allem der deutschen Wissenschaft keine günstige Aufnahme.. Zieliski fasste dann den Entschluss, die Fortsetzung ausschließlich auf Polnisch zu schreiben und herauszugeben, mit einem ausführlichen wissenschaftlichen Apparat, so dass die vollständige Ausgabe erst in unabsehbarer Zukunft zum ausländischen Leser finden sollte. Der erste Band dieses Zyklus, Hellenizm a judaizm (Hellenismus und Judaismus) erschien 1927 in Warschau; der nächste, Religia Rzeczpospolitej Rzymskiej (Die Religion der römischen Republik) – ebenda im Jahr 1933. Der fünfte Band, größtenteils schon zur Veröffentlichung vorbereitet, verbrannte 1939 im durch die Deutschen bombardierten Warschau. In Schondorf, in den Jahren, in denen er auch das Tagebuch schrieb, verfasste er diesen Band aufs Neue (Religia Cesarstwa Rzymskiego (Die Religion des römischen Kaiserreiches) und arbeitete an Band sechs – Chrzecijastwo antyczne (Das antike Christentum). Er wollte so lange und nur so lange leben, bis er dieses Werk beendet hatte. Die letzten beiden Bände bezeichnete er als „Kind des Elends” und die schriftstellerische Anstrengung als „Arbeit beim Licht einer erlöschenden Lampe”. Er erstellte ein merkwürdiges Bauwerk, voller Winkel, wunderbarer Gedanken und sonderbarer Einbildungen. Er vollendete es kurz vor seinem Tod. Während der letzten Jahrzehnte blieben die letzten beiden Bände unveröffentlicht. Das Manuskript, vom Sohn geschenkt, wurde in der Bibliothek der

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Warschauer Universität aufbewahrt. Marian Plezia15 verfasste eine kompetente Zusammenfassung des Werkes. Für die ausländische Wissenschaft existiert dieses Werk nicht. Ich war vor mehr als zehn Jahren Teilnehmer einer Sitzung, während der das Für und Wider einer möglichen Publikation des Werkes erörtert wurde. Das „Wider” überwog – man befürchtete, das Gedenken an den Meister könne durch diejenigen geschmälert werden, welche die letzten Bände der Religionen der antiken Welt als Lehrbuch betrachten oder zu ideologischen Zwecken missbrauchen würden. Wenn wir anerkennen, dass wir es nicht mit einer religionswissenschaftlichen Abhandlung zu tun haben, sondern mit einem spezifischen ideologischen Testament eines großen Intellektuellen, so wird dies meines Erachtens den Text gegen unangebrachte Kritik16 immun machen. Es ist eine künstlerische Komposition, in der sich das Nachsinnen über das eigene Leben, ein letzter Versuch, die Antike mit dem Christentum zu versöhnen und letztendlich eine neue, gleichsam nachgeborene Version der Idee der „slawischen Wiedergeburt” miteinander verknüpfen. Innerhalb dieses Werkes vollzieht sich ein ständiger Dialog Zieliskis nicht nur mit den größten heidnischen und christlichen Autoren der Antike, sondern auch mit dem gesamten kulturellen Erbe Europas, mit Dante, Goethe, Nietzsche, Dostoevskij und Mickiewicz an erster Stelle. Das Polnisch dieses Textes erreicht stellenweise den Reichtum und die Bildhaftigkeit seines Russisch aus den besten Sophokles-Übersetzungen und des Deutschen aus der Periode, in der er seine wichtigsten Studien über die römische Poesie und Prosa verfasste. Diese große geistige Beichte, wie er sie selbst nannte, schrieb Zieliski – nach seinen eigenen Worten – in der Überzeugung, dass er in einer Zeit sterben müsse, in der der Teufel sich verdoppelt habe und jetzt mit sich selbst kämpfe – so kämpfe das neue Russland mit dem neuen Deutschland. Wenn sie vergehen, kann der Mensch überleben, wie Faust bei Goethe. Zieliski beendet sein Buch mit einer großen Marienapostrophe, in der der junge Mickiewicz, der alte Goethe und der alte Zieliski dasselbe Gebet an die heilige Mutter zu sprechen scheinen. Ich stelle somit die These auf, dass das letzte Werk Zieliskis das sein sollte, was seiner Meinung nach Mickiewicz geschrieben hätte, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, sich dieser Aufgabe zu widmen. Die Welt der antiken 15

Dzieci niedoli – ostatnie dzieo Tadeusza Zieliskiego, op. cit., S. 190-207. Beide Bände erschienen 1989 im Druck in einer sehr unvollkommenen Form (Verlag Adam Marszaek in Toru) mit einer großen Zahl von Fehlern und ohne wissenschaftliche Bearbeitung. 16

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Kultur sollte mit der Welt der christlichen Religion verschmelzen, über alle konfessionellen Unterschiede hinweg Gott finden, der sich (so gibt uns Zieliski unzweideutig zu verstehen) in Propheten, wie er selbst, offenbare. Seine Beziehung zu Mickiewicz legt er offen, indem er einen Teil dieses Werkes dem Schatten von Adam Mickiewicz widmet, dessen Kult ihn, wie er meinte, „auf der Wanderung begleitete”. Nachdem er den letzten Band vollendet hatte, verspürte er den Wunsch, sich mit einem der größten polnischen Mickiewicz-Kenner, Stanisaw Pigo17, schriftlich über ihn zu unterhalten. Er suggeriert deutlich die Verwandtschaft seines Werkes mit dem von Mickiewicz, indem er auf Pan Tadeusz18 hinweist und erklärt, eine solche Sehnsucht sei nur mit dem polnischen Wort „tsknota” auszudrücken19. Die Wahl einer solchen Rolle ließe sich ableiten aus den Kindheitserinnerungen, aus dem väterlichen Mickiewicz-Kult, aus dem Dritten Teil der Totenfeier, die seine russische Stiefmutter in einem Muff aus Paris geschmuggelt hatte. In der russischen Periode konnte Zieliski seine Beziehungen zu Russen mühelos als ähnlich der Erfahrung von Mickiewicz ansehen, der nach Russland verbannt wurde und dort mit den „geliebten Feinden”20 verkehrte. Er konnte sich sowohl im Schicksal des ewigen Emigranten, als auch des Professors am Lehrstuhl für slawische Sprachen am Collège de France erkennen, der den rechtmäßigen Platz der Slawen sowohl in der Kulturgeschichte, als auch auf der Karte Europas wiederherstellen wollte. Während er sich in die Lausanner Vorlesungen und Pariser Vorträge einlas, konnte er die Ähnlichkeit der Art, in der er sein Auditorium fesselte, mit dem, was Mickiewicz mit seinen Zuhörern und vor allem Zuhörerinnen tat, nicht übersehen. Die Kommunion der Herzen, nach der Mickiewicz am Ende seiner Vorträge verlangte, ist sehr ähnlich dem, was Zieliski21, wie er selbst schreibt, von seinen Schülern erwartete, die ihn wirklich verstehen wollten. *** 17

Brief vom 18. Januar 1944. Polnisches Nationalepos, beginnt mit einer Invokation, welche die Sehnsucht nach dem Vaterland ausdrückte. 19 Alle diese Überlegungen entwickelte Zieliski später in der Einleitung zu Chrzecijastwo antyczne (das antike Christentum), geschrieben am letzten Arbeitstag, dem 22. Dezember 1944. 20 Mickiewicz nannte so seine russischen Freunde, unter denen auch Aleksandr Puškin war. 21 In dieser Beziehung ungemein interessant ist eine von Zieliski verfasste, wenig bekannte Einleitung zu den Lausanner Vorlesungen in den Dzieach wszystkich (Sämtlichen Werken) von Mickiewicz, veröffentlicht als Wstp ogólny (Allgemeine Einleitung) zu Wydanie Sejmowe Dzie Wszystkich Adama Mickiewicza (Sejm-Ausgabe der Vollständigen Werke von Adam Mickiewicz), Warschau 1936. 18

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Die Autobiographie und das Tagebuch stellen uns ein Wissen über Zieliski, über die Milieus, in denen er aktiv war und über die Welt, in der er lebte, zur Verfügung. Sie sind eine unschätzbare Quelle an Informationen über die Geschichte der Intellektuellen (intelligencija) in Mittel- und Osteuropa zum Zeitpunkt der grundsätzlichen Veränderung der europäischen Kultur und deren Verhältnis zu ihren antiken Wurzeln. Ich meine, das letzte, nur auf Polnisch existierende Werk, die zwei die Religionen der antiken Welt abschließenden Bände sollten als Quelle einer ähnlichen Art angesehen werden. Es sind nämlich Texte, in denen Zieliski zum ersten Mal so offen das künstlerische Vorhaben als Dominante deklariert und die Wissenschaftlichkeit allein als die Kompetenz des Schreibenden. Die Beichte abzulegen und ein Zeugnis zu hinterlassen sind sein Wille und sein Testament. Die Materialien müssten also in polnisch-russischdeutscher Kooperation als Ergänzung der Autobiographie und des Tagebuches in Form einer einsichtig getroffenen Auswahl mit entsprechenden Kommentaren herausgegeben werden.

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A. K. Gavrilov (St. Petersburg) Thaddäus Zielinski im Kontext der russischen Kultur 22 Das überraschende Auffinden von Thaddäus Zielinskis Lebenslauf in Polen ließ all diejenigen aufhorchen, die sich schon mit dem Gedanken abgefunden hatten, dass man das Werden, die Beziehungen und Lebensumstände dieses berühmten Philologen auf eben die Art und Weise würde erforschen müssen, wie, sagen wir, die Biographie des von ihm so verehrten Cicero. Und selbst wenn im Laufe akribischer wissenschaftlicher Recherchen noch vereinzelt weitere Nachrichten zu Tage kommen sollten, würde man über vieles nicht mehr als Vermutungen anstellen können, insbesondere darüber, wie diese oder jene Situationen und Ereignisse erlebt wurden. Der kunstvoll geschriebene autobiographische Text, ebenso reich an Spannungen wie Zielinskis Leben selbst, schenkt uns mit einem Schlag mehr, als wir lange Zeit zu träumen gewagt hätten. Allerdings: Während die Autobiographie es einerseits erlaubt, manche Fragen ohne Mühe zu beantworten, stellt sie uns andererseits vor neue Aufgaben. Dass in Zielinskis Persönlichkeit Elemente dreier Nationen zusammentrafen, steht fest; nun möchte man aber im Detail verstehen, wie polnisches Blut, deutsche Wissenschaft und die russische Erfahrungswelt23 zu einer Synthese fanden. In der Tat gewinnt man beim Lesen des hier edierten, von Zielinski zu Beginn seines polnischen Lebensabschnitts niedergeschriebenen Textes den Eindruck, dass Russland ihm nie ganz Heimat gewesen sei. Aber schon angesichts seiner nach Außen sichtbaren Erfolge in Petersburg kommen Zweifel an dieser Vorstellung auf: Denn er ist nicht nur Universitätsprofessor, sondern Dekan der Historisch-Philologischen Fakultät; er unterrichtet am HistorischPhilologischen Institut wie auch in den „Frauen-Kursen“ (an der Bestužev’schen und der Raev’schen Lehranstalt); er inspiziert Gymnasien; er publiziert nicht nur in Fach-Zeitschriften, sondern auch in solchen, die in Russland von den gebildeten Kreisen gelesen wurden. Seit 1893 ist er korrespondierendes Mitglied der Historisch-Philologischen Abteilung der Kaiserlichen Akademie der Wissen-

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Bei der Konzeption dieses Essays war neben den Kollegen Michael von Albrecht und Jerzy Axer die ausführliche und liebevoll geschriebene biographische Skizze von S. Srebrny: „Tadeusz Zieliski“. In: Eos XLII (1947), fasc. 1, [Wratislaviae 1948,], S. 5 – 65 äußerst hilfreich. Noch zu Zielinskis Lebzeiten verfasste in Russland I. M. Tronskij einen Eintrag für die Literaturnaja nciklopedia , Bd. 4 (1930), S. 332 – 334. Die mündlichen Erinnerungen gehen meist auf Ja. M. Borovskij, A. N. Egunov, M. E. Sergeenko und A. I. Dovatur zurück. 23 Einen schönen Beitrag hierzu verfasste der russische Schriftsteller und Enkel Zielinskis, O. A. Luk’janenko: „Vertikal’ žizni Faddeja Zelinskogo“ < Die Lebensvertikale von 25

schaften in St. Petersburg und seit 1916 – nach dem Tod von Henryk Sienkiewicz – Ehrenmitglied der Literarischen Sektion der nunmehr Russischen (wörtlich: Russländischen) Akademie der Wissenschaften; eine Ehre, die echov und kurz darauf auch K. S. Alekseev (Konstantin Stanislavskij) zuteilwurde, die aber literarischen Größen wie Vjaeslav Ivanov und Innokentij Annenskij verwehrt blieb. Zwar wurde Zielinski nie vollwertiges Mitglied der HistorischPhilologischen Sektion der genannten Akademie,24 aber bei Weitem nicht alle herausragenden Wissenschaftler erhielten diesen Ruf, und dies auch in solchen Fällen, wo es sich um ethnische Russen handelte (Dmitrij Mendeleev!). Mit anderen Worten: Zielinski wurde bald anerkannt, bald nicht, genauso wie andere hervorragende Zeitgenossen auch. Schwerer als solche offiziellen, äußeren Ehrentitel wiegt die Tatsache, dass Zielinski – dies zeigt sogar die unvollständige Bibliographie25 – in den wissenschaftlichen und den literarischen Kreisen Russlands außerordentlich gefragt war, was voll und ganz mit seiner inspirierten und engagierten wissenschaftlich-literarischen Tätigkeit in Einklang stand. Dann hatten also vielleicht diejenigen seiner Landsleute Recht, die es mit dem Polnischsein sehr genau nahmen und dem Repatriierten eine „russische Seele“ anhängen wollten? Nein, wohl kaum: Zielinskis Selbstverständnis, die Abschiedsworte seiner Mutter „Bd dobry, bd poczciwy!“ , die auf den Vater zurückgehende bedingungslose Liebe zum Lateinischen und die Begeisterung für Mickiewicz, die Anfeindungen gewisser russischer Altersgenossen gegenüber dem polnischstämmigen Waisenjungen, als Reaktion hierauf von Kindesbeinen an das Gefühl, von den russisch-polnischen Konflikten persönlich betroffen zu sein – dies alles prägte schon während der in Russland verbrachten Jahre eine polnische Identität. Und auch Zielinskis literarischen Stil kann man wohl kaum typisch russisch nennen – nicht zufällig sprach der dem Wesen der Sache gegenüber keineswegs gleichgültige Formalist Viktor Šklovskij in Bezug auf den berühmten Petersburger Gelehrten von „jesuitischem Barock“.26 Thaddäus Zielinski>. In: Rostovskaja lektronnaja gazeta vom 23.11.2000, http://www.relga.rsu.ru/n52/cult52.htm [zuletzt eingesehen am 25.01.2010]. 24 Zeichen der Anerkennung durch die wissenschaftlichen Kreise sind z. B. in folgender Edition von Briefen und biographischen Dokumenten fassbar: Tadeusz Zieliski (1859 – 1944). Spuren und Zeugnisse seines Lebens und Wirkens aus süddeutschen Beständen. Hrsg. und erläutert von Uwe Dubielzig. Torunii MMIX. S. 190 (=Xenia Toruniensia, ser. nov. 1 [XI], ed. W. Appel). 25 Die bislang vollständigste Bibliographie Zielinskis von G. Pianko erschien in der polnischen Zeitschrift Meander 14 (1959), H. 8-9, S. 441 – 461. 26 Boris Paramonov machte in einer Sendung seiner einflussreichen, von Radio Svoboda ausgestrahlten Reihe „Russische Fragen“ (Russkie voprosy) das erneute Interesse an Zielinski zum Thema und erwähnte im Besonderen diese spöttische Kritik Šklovskijs. 26

Und tatsächlich: Zielinskis Wortschatz ist überaus reichhaltig, jeder Gedanke wird in üppigen Satzperioden dargelegt; alles ist in solchem Maße ausbalanciert und ausgewogen, dass bisweilen der Eindruck einer gewissen Weitschweifigkeit entsteht, während die russische Ausdrucksweise eine solche, aufdringlich logische Durcharbeitung der Gedanken eher meidet. Bei echov, bei Bunin, vom späten Tolstoj ganz zu schweigen, findet sich dieser tropische Überfluss an Details und Worten, welcher Zielinski hochliterarisch erscheint, nicht; und der in den Nacherzählungen der griechischen Mythen zutage tretende Hang zu einem latent-beharrlichen Erotizismus erinnert eher an das europäische fin de siècle als an die graue Vorzeit. Ebenso nimmt Zielinskis moralisierender Ton manchmal ein wahrhaft barockes Ausmaß an, welches man schon damals höchstens noch orthodoxen Lehrern erlaubte, in Fortsetzung der ehrwürdigen christlich-belehrenden Literaturtradition. Wie soll man Zielinskis in der letzten Vorlesung aus Die Antike und wir enthaltene Parabel von den zwei Brüdern Orientius und Occidentius bewerten?! Die Allegorie trifft unbestritten zu, aber etwas Ähnliches fasste einst ein russischer Romancier als Gegenüberstellung von Oblomov und Štol’c und folgte dabei den Gesetzen der Kunst, nicht einem vorgefertigten Schema. Wie dem auch sei, Zielinski ist als russischsprachiger Literat bedeutend, er verfügt über eine märchenhafte Sprachbegabung, die durch die Kenntnis eines guten Dutzends europäischer Sprachen samt der entsprechenden Nationalliteraturen nur potenziert wurde. Sein enzyklopädisches Wissen und seinen universalen Verstand nutzt er dazu, das russische Publikum über die Weltkultur aufzuklären – ein weites Feld, auf dem er sich als unvergleichlicher Connaisseur erweist. Was den Stil angeht, ist Zielinski demnach kein besonders „russischer“ Autor, doch seine aktive Teilhabe an den Peripetien des russischen Literaturlebens war bedeutsam – dabei handelte es sich keineswegs um temporäre Ausflüge eines Wissenschaftlers in das Leben der Haute-Volée, sondern um die auf breites Interesse stoßende Tätigkeit eines europäischen Kulturaktivisten. Allzu tief reichende russische Wurzeln waren in der Hauptstadt des Russischen Reiches aber auch nicht notwendig: St. Petersburg war damals unbestritten eine europäische Metropole, das Europäertum war hier beinahe schon obligatorisch, bis hin zu einem Gefühl der Entfremdung bei den eigenen Landsleuten. Natürlich kämpfen wir manchmal mit Europa, aber wer in Europa tut dies nicht? Und ganz selbstverständlich der allgemein-europäische Imperativ: die Antike als Leitidee, Klassizismus in den Künsten, Griechisch und Latein in den besten Lehranstalten. In Petersburg vermischte sich das Slawische mit dem Westeuropäischen. Ist es nicht bezeichnend, dass z. B. Modest Musorgskij die deutsche Petri-Schule auf dem Nevskij-Prospekt besuchte? Nicht ohne Grund formulierte eine geist27

reiche polnische Dame: „Petersburg ist wirklich schön, aber warum liegt es so weit im Norden und dann auch ausgerechnet in Russland?“ Auch Zielinski musste sich hier, um den an ihn herangetragenen Erwartungen zu entsprechen, weder von seiner in Deutschland erfahrenen Prägung noch von seinem Polnischsein lossagen.27 Um etwas anderes handelt es sich bei der (unschwer dem Zielinski’schen Lebenslauf zu entnehmenden) Tatsache, dass der Konkurrenzdruck in den damaligen Petersburger Intellektuellenkreisen insgesamt sehr stark war; Neider griffen nur zu gerne das Stereotyp der „unzuverlässigen Polen“ auf, das sich nicht mit der Frage aufhält, warum diese denn eigentlich zuverlässige Untertanen sein sollten. So ergab sich eine zwiespältige Situation: Menschen wie Zielinski wurden in Petersburg benötigt und waren im Wesentlichen auch erfolgreich; aber in jedem beliebigen Moment konnte irgendjemand sagen oder auch nur denken, dass „pan Tadeusz“, natürlich, ein Fremder sei. Jedoch wusste dieser Tadeusz, dem solche Situationen seit seiner Kindheit nur zu gut bekannt waren, für sich selbst einzustehen und parierte die Provokationen mit einem entsprechenden Gegenangriff. Auf diese Art und Weise verteidigte Zielinski nicht sein Polentum und die eigene Person, sondern die europäischen Wertvorstellungen, die er generell für richtig hielt und von denen er sich darüber hinaus großen Nutzen für Russland versprach. Er wollte hier ein lebendiges europäisches Leben sehen, dass sich mit der besonderen Dynamik einer noch entwicklungsfähigen Kultur vereinigen sollte. Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht seine Ratschläge in Bezug auf die, wie man heute sagen würde, touristische Erschließung der Kungurischen Höhle – man müsse ja nicht immer in die Alpen fahren, warum denn nicht auch in den heimischen Ural.28 Ebenfalls als echter Europäer trat er auf, wenn er auf der Stärkung der einzig wahren (scil. der altsprachlichen) „Mittelschule“ (dem deutschen Gymnasium / Oberschule entsprechend) bestand. Aus diesem Kontext stammt die berühmte These des Pädagogen Zielinski: „Eine leichte Schule ist ein soziales Verbrechen“ (gemeint ist: ein Verbrechen an der Gesellschaft). Klar zwischen schematischem Pseudo-Klassizismus und schöpferisch-lebendiger Klassik unterscheidend, lehrte er, dass die Antike „keine Norm, sondern ein Same“ sei, für dessen Gedeihen man an jedem Ort einen jeweils geeigneten Boden 27

L. Bazylow, Polacy w Petersburgu . Wrocaw – Warszawa – Kraków 1984 (Dieser Überblick war mir aufgrund der Liebenswürdigkeit der Veranstalter der Warschauer Konferenz anlässlich des 150. Zielinski-Jubiläums im Winter 2009 zugänglich.) 28 S. Zielinskis Aufsatz „Ural’skie vpeatlenija“ [Eindrücke aus dem Ural] in seinem Buch: Iz žizni idej [Aus dem Leben der Ideen], Bd. 1, Petrograd 31916 [ND: Moskau 1995], S. 436 – 455. 28

bereiten müsse. Zielinski gehörte zu denen, die Hoffnungen auf eine neue Renaissance nährten, in der schließlich das Slawentum neues Licht auf die Antike werfen und diese die slawische Kultur in weit stärkerem Maße als früher befruchten würde. *** Zielinskis freie und selbstbewusste Art wurde nach seinem langjährigen Aufenthalt im westlichen Ausland als etwas Selbstverständliches wahrgenommen. Indessen pflegte die sich in Russland zu dieser Zeit noch im Prozess der Konsolidierung befindende Klassische Philologe ein vorsichtigeres Selbstverständnis. Nach der deutschen Schulbildung in der Petersburger Annenschule erwies sich Zielinski für das Studium in Leipzig bei Otto Ribbeck und anderen Koryphäen (z. B. dem Psychologen Wilhelm Wundt) bestens gerüstet. München, Wien, Bildungs- und zugleich Erlebnisreisen durch Italien und Griechenland vervollkommneten seine Ausbildung. Seit dieser Zeit ist Zielinskis Verkündigung der klassischen Antike begleitet von einem umfassenden Eintreten für die glücklicherweise schwierige humanistische Bildung. Zielinskis gediegene KlassikerKommentare für den Gymnasialunterricht, seine Schulvisitationen, die Abschlussreden vor Abiturienten etc. klangen überzeugend, denn die Panegyrici auf das altsprachliche Gymnasium wurden nicht nur aufrichtig empfunden, sondern auch klar durchdacht präsentiert. Vom Nutzen dieser Ausbildung überzeugte außerdem der offenkundige berufliche und gesellschaftliche Erfolg dieses Fürsprechers der Antike – sowie sein Erscheinungsbild und Auftreten. Übrigens hinterließ auch hier der scharfzüngige Šklovskij eine prägnant formulierte Charakteristik: Zielinski sei ein „nietzscheanischer Beamter“. Diese Bezeichnung, angewandt auf einen kreativen Forscher mit offensichtlich liberalen Ansichten, erscheint auf den ersten Blick befremdlich. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch zu erkennen, dass Šklovskij auch in diesem Fall einen bemerkenswerten Sachverhalt erfasste; denn es ist nicht zu leugnen, dass der echt empfundene Hymnus auf die altsprachlich-humanistische Ausbildung vor einem des Schul-Klassizismus überdrüssigen Publikum erklang und darüber hinaus im höchsten Maße dem Programm der russischen Regierung entsprach. Es zeigt sich, dass besagte Begriffsprägung das zum Ausdruck bringt, worin Zielinskis große Stärke bestand und was sein Wesen ausmachte: Als „Beamter“ mochte er insofern erscheinen, als er sich nicht schämte, mit leidenschaftlichem Eifer das zu predigen, was die zaristische Regierung seit dem Zeitpunkt von ihm erwartete, als sie den bedürftigen Absolventen in das neu geschaffene Leipziger Russische Seminar entsandt hatte.

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Zielinskis rhetorischem Talent ist zu verdanken, dass sein Credo, die Darlegung der Vorzüge des klassischen allgemeinbildenden Schulsystems, so überzeugend klingt. Hieraus erklärt sich der einmalige Erfolg dieser pädagogischen Paränese und die Tatsache, dass im Anschluss ein gutes Dutzend Übersetzungen der in Die Antike und wir zusammengefassten Vorlesungen in verschiedene europäische Sprachen erschien, welche dann mehrmals ediert wurden; es überrascht nicht, dass die italienische Academia Vivarium Novum gegenwärtig erwägt, diese vor hundert Jahren an die russische Jugend gerichteten Reden ins Lateinische zu übertragen. Ein Beweis für das beständige gesellschaftliche Interesse an Zielinskis Predigt der Antike, die auch in unserer Zeit ihre Aktualität nicht eingebüßt hat, ist die (vorläufig bescheidene) Erneuerung der klassischen Bildung im heutigen St. Petersburg, die untrennbar mit Jakov M. Borovskij und über diesen mit seinem großen Lehrer verbunden ist. Das Lob der altsprachlichen Schulbildung erklang bei Zielinski derart machtvoll, da es von einem Menschen angestimmt wurde, der selbst zur rechten Zeit und im rechten Maße ihren wohltuenden Einfluss erfahren hatte. Der Österreicher Josef König – sein Lateinlehrer, später Direktor der Annenschule – zeigte dem großen deutsch-russischen Philologen August K. Nauck, in Petersburg tätig und ebenda Akademiemitglied,29 eine griechische Komposition des Abiturienten Zielinski, und der Absolvent der berühmten Schola Portensis bei Naumburg erkannte sofort, dass dieser Jüngling es zu etwas Rechtem bringen würde. Tatsächlich vereinte Zielinski den gerade in den geisteswissenschaftlichen Fächern ausgeprägten polnischen Esprit, die deutsche wissenschaftliche Disziplin im souveränen Umgang mit umfangreichen Wissenskomplexen und schließlich das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Aufgaben, die es im russischen Bildungssystem zu bewältigen galt. Zielinski als Verfechter der klassischen Gymnasialbildung stellt einen der in Russland äußerst seltenen Fälle dar, in dem persönliches Anliegen, staatliche Kulturpolitik und die ureigensten Interessen der Gesellschaft zusammentreffen. Sogar wenn er generell nichts dagegen gehabt hätte, den russischen Behörden gefällig zu sein, so hielt er es auch für seine Pflicht, sich dafür zu bedanken, dass man ihm ermöglicht hatte, seine Ausbildung durch sechs Jahre Aufenthalt im Ausland zu vervollkommnen. Hinter dem satirischen „nietzscheanischen Beamten“ steht, wie zu sehen ist, ein Kulturschaffender, der Aufgaben von höchster Relevanz für den Staat löst – ein sozialer Typus, den die russische Intelligenzija seit jeher für zu gut hält, um wahr zu sein. Und die Ergebenheit dem Fach ge29

Die Grabsteine von J. König (1845 – 1910) und A. K. Nauck (1822 – 1892) mitsamt den Inschriften sind bis heute auf dem Smolensker Lutherischen Friedhof in St. Petersburg erhalten. 30

genüber, das Zielinski als etwas über jede Ideologie Erhabenes verstand, erlaubte es ihm tatsächlich, in dieser Zeit schwerer Zusammenstöße von Studentenschaft und Regierung mit Erfolg zwischen der bürokratischen „Vertikalen“ und den Aufrührern zu vermitteln (Lebenslauf, S.120, 128f.). *** Dass die Wissenschaft sich neben der reinen Forschung auch der Didaktik zuwendet, ist nicht verwunderlich, lautet die Grundidee der neu-humanistischen Universität doch: Einheit von Forschung und Lehre. Und wenn es sich wie im Fall von Zielinskis „Cicero im Wandel der Jahrhunderte“ um eine Untersuchung handelt, die tatsächlich allgemeinverständlich geschrieben ist (ein erster, russischer Entwurf wurde in einer sog. „dicken“, d. h. einer an ein breiteres intellektuelles Publikum gerichteten literarisch-kulturellen Zeitschrift publiziert), so ist dies eigentlich natürlich, wenn vielleicht auch nur selten in diesem Ausmaße anzutreffen. Etwas anderes ist die Adressierung der Wissens-Predigt an neue Zuhörerkreise, z. B. die Studentinnenschaft, die in diesen Jahren ihren Platz in der Kultur und im gesellschaftlichen Leben suchte. Darüber hinaus wandten sich seine Mythennacherzählungen Die märchenhafte Frühzeit von Hellas auch an Jugendliche und Kinder;30 ganz allgemein für ein breites Publikum gedacht ist Zielinskis bei den Gebrüdern Sabašnikov erschienene dreibändige SophoklesAusgabe, die Kommentare für verschiedene Leserkreise enthält.31 Manchmal erweitert sich übrigens nicht der Kreis der Eingeweihten, sondern die Anzahl der Fragen, die der Lehrer zu thematisieren bereit ist. Dies ist nicht nur nicht identisch mit der Art von Popularisierung, von der zuerst die Rede war, sondern es handelt sich eigentlich um etwas völlig Entgegengesetztes. Denn in diesem zweiten Fall bemüht sich der Pädagoge nicht darum, allgemein akzeptierte Erkenntnisse möglichst anschaulich darzustellen, sondern macht sich daran, vor den Augen des Publikums ewige Lebensfragen zu lösen, welche wohl kaum eine wissenschaftliche Lösung zulassen. Genau hier treten Elemente der Allegorie, des Märchens, sowie Essays, Prosagedichte, Hymnen u. ä. in Erscheinung, d. h. von Genres, die auf eine Synthese aus Wissenschaft und Kunst zielen. Kein Wunder, dass eine solche Form der Vermittlung vom Publikum geschätzt und von der Zunft nicht gern gesehen wurde, da letztere nicht das untersucht, was gerade jetzt wünschenswert und nützlich erscheint, sondern unabhängig von Bedürfnissen und Moden das, was zu einem bestimmten Zeitpunkt eine wissenschaftliche Erforschung zulässt.

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Skazo naja drevnost’ llady, hg. v. G. Gusejnov, Moskau 1993, S. 15. Sofokl. Dramy. Moskau 1914. 31

Das von Zielinski in diesem akademischen Niemandsland entfaltete intellektuelle Programm rief scharfe Diskussionen hervor: auf der einen Seite die Ablehnung durch die Fachkollegen, auf der anderen der begeisterte Enthusiasmus der Studierenden, im Besonderen der jungen „Kursteilnehmerinnen“ (kursistki). Es muss anerkannt werden, dass, insoweit in diesen Jahren entscheidende Fortschritte in der Frauenbildung stattfanden, die Macht dieser Bewegung nicht zuletzt auf Zielinski zurückzuführen ist. Von Zielinskis leidenschaftlicher Stellungnahme zu den drängenden Fragen der Revolutions- und Bürgerkriegsjahre zeugen seine in russischen Zeitungen dieser Zeit erschienenen Artikel. (Dazu, diese Texte erstmals zu sammeln und als Ganzes zu untersuchen, entschlossen sich dankenswerterweise erneut unsere polnischen Kollegen.32) Die Aufsätze beschäftigen sich mit den verschiedensten Themen: Theaterrepertoire und Theaterleben in Petrograd, die Eröffnung des Instituts des Lebendigen Wortes (Institut živogo slova),33 kontrovers diskutierte Fragen wie Zensur oder Inter-, Supra- oder auch „nur“ Nationalismus.34 Nicht zufällig kam dieser ganzheitliche Zugriff auf die Kultur später in Polen voll zum Tragen, nicht nur im Rahmen der Universitätsprofessur, sondern auch in der Tätigkeit als Vorsitzender der Vereinigung der polnischen Intellektuellen (Unia intelektualna). Jedoch war Zielinski letztendlich sowohl die Synthese von Wissenschaft und Kunst als auch das Wirken im Spannungsfeld zwischen Staat und Gesellschaft zu wenig. Er wandelt sich zum hellseherischen Propheten, der nicht nur die Prähistorie, sondern auch das Zukünftige schauen will. Und mehr als schauen – er will Werte und Leidenschaften vergangener Weltalter nicht nur rekonstruieren, auch nicht nur durchleben, sondern durch sie die Mentalität der Zukunft gestalten. Im Hier und Jetzt genießt Zielinski das Leben und alle Facetten der menschlichen Erfahrung in vollen Zügen: Wenn er vom Meer spricht, hören wir die Begeisterung über das ungezähmte Element, kein Klagen über das Schaukeln; im Flugzeug berauscht er sich an der Weite des Himmels und beschwert sich nicht über die Enge an Bord; mit dem Alpenstock in der Hand fühlt

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Tadeusz Zieliski. Kultura i Rewolucja. Publicystyka z lat 1917 – 1922. Przeoya, opracowaa i wstpem opatrzya Hanna Geremek , Warszawa 1999. 33 Zielinskis Rede anlässlich der Eröffnung des Instituts am 15. November 1918: (Stenogramm). In: Russkaja ritorika. Chrestomatija , zusammengestellt v. L. K. Graudina, Moskau 1996. 34 „Nacjonalizm, Internacjonalizm, Supranacjonalizm“ < Nationalismus, Internationalismus, Supranationalismus>. In: Tadeusz Zieliski. Kultura i Rewolucja (Anm.32), S. 69 – 77. 32

er sich in den Bergen zu Hause, kriecht durch Höhlen; er glaubt nicht, im weiblichen Gegenüber die Frau ignorieren zu müssen und genießt die Resonanz. Zielinski erlebte allerdings auch die Schrecken der menschlichen Existenz. Der durchdringende Aufschrei des Vaters, der den Sohn Adrian (Piotrovskij) vor dem Schicksal bewahren will, das diesem wie auch der Familie seiner Tochter Ljudmila-Amata in der UdSSR drohte, ist heute klarer zu vernehmen, als in den janusköpfigen 30er Jahren selbst.35 Und erst kürzlich wurde bekannt, wie stark Zielinski an der Lage seiner in Russland zurückgebliebenen Kinder Anteil nahm: Seine Briefe an die Tochter Ariadna,36 die in einer Welt des vom Staat geschürten Klassenhasses aufwuchs, erinnern bisweilen an Lev Tolstoj (dort, wo der große Schriftsteller sich nicht an die eigenen Kinder wandte). *** Der Glaube an die kulturelle Blüte der slawischen Völker, mit denen Zielinski sein Schicksal verband, die Ahnungen, dass der lebensspendende Geist der Antike sie erleuchten würde, waren vor dem Hintergrund der damaligen Erfolge der Slawen – insbesondere angesichts der Manifestationen des russischen „Silbernen Zeitalters“, in dem Zielinski selbst eine nicht zu verkennende Rolle zukam37 – nur natürlich. Allerdings verblassten diese Träume im Laufe des desillusionierenden 20. Jahrhunderts allmählich. Als die Idee der slawischen Renaissance vom sog. „Kreis von Nevel“ aufgegriffen wurde, in dem die Gebrüder Nikolaj und Michail Bachtin sowie Lev Pumpjanskij erneut über das Wesen der Literatur nachsannen, nahm sie mitten in der Revolutionszeit eine recht unerwartete Form an. Die jungen Denker kamen zu dem gegenteiligen Schluss, dass nämlich die Wiedergeburt, auf welche man so sehnsüchtig gewartet hatte, schon vorbei sei: Sie hätte im nachpetrinischen Russland begonnen und fände mit der proletarischer Revolution ihr jähes Ende. Die Herausgabe von Zielinskis russischem Sophokles Seite an Seite mit den Übersetzungen von Vjaeslav Ivanov (Aischylos) und Innokentij Annenskij (Euripides) – die nicht „nur“ Dichter waren, sondern ebenfalls über eine ordentliche philologische Ausbildung verfügten – bezeugt, dass Zielinski an den ehrgeizigsten Aufgaben mitwirkte, die sich der damaligen russischen Literatur stell-

35 Tadeusz Zieliski (1859 – 1944). Spuren und Zeugnisse seines Lebens und Wirkens aus süddeutschen Beständen (Anm. 24), S. 7 (Fußnote 2, sub fin.). 36 Publiziert in Novaja Pol’ša 2009, H. 7-8, S. 51 – 59 von O. A. Luk’janenko, dem Sohn von Zielinskis noch lebender Tochter Ariadna Faddeevna. 37 N. I. Nikolaev: „ nciklopedija gipotez“ < Enzyklopädie der Hypothesen>. In: L. V. Pumpjanskij: Klassi eskaja tradicija. Sobranie trudov po istorii russkoj literatury , Moskau 2000, S. 18, vgl. S. 685. 38 S.D. Rudneva: Vospominanija š astlivogo eloveka . Moskau 2007. Stefanida Rudneva, Begründerin der Heptachor-Gruppe (1914– 1935), lebte 1890–1989. 34

fühl für die Heiligkeit der Arbeit.39 Ob hier der zum Neopaganismus neigende Nietzscheaner dem guten Katholiken gegenüber die Oberhand gewann? Hinter den Prophezeiungen einer Slawischen Renaissance ist heute, nach hundert Jahren, wohl Ostmitteleuropa zu erkennen, dem nichts anderes übrig bleibt, als eine Wiedergeburt zu wagen – diese wäre tatsächlich umso strahlender, wenn der Schmelztiegel des Echt-Klassischen ein weiteres Mal seine formbildende Rolle spielen würde. Als günstig könnte sich erweisen, dass man in diesem Fall kein anderes, weniger universales, dazu noch kaum erprobtes Prinzip der Erneuerung suchen müsste. In Russland z. B. war der Klassizismus im 18. und 19. Jahrhundert dermaßen stark, dass man heute einfach dort neu ansetzen müsste, wo die natürliche Entwicklung unterbrochen wurde. Dabei könnte sich dieses Unglück sogar zum Vorteil wandeln: Heute mischt sich kaum etwas Einschläferndes, Mechanisches, Äußerliches bei, im Unterschied zum Ende des 19. Jahrhunderts, als Zielinski dem sinnentleerten staatlichen Antikenkult, der aus der blinden Nachahmung Preußens und Frankreichs entstanden war, neues Leben einhauchte. Ohne staatliche Mittel wird es keine erneute Vorherrschaft des faden Staats-Klassizismus geben. Damit erweist sich vielleicht gerade das Fernbleiben des Staates als Segen. Doch kehren wir zu Zielinski und dem Wesen des von ihm verkörperten, bemerkenswerten Kulturtypus zurück. Ein „Wilamowitz des Ostens“ und zugleich ein Nietzscheaner – beides hat man in ihm gesehen. Meines Wissens wurde jedoch noch nicht erkannt, dass die seltsame Verknüpfung dieser Antagonisten eine Art Formel von Zielinskis einzigartiger Persönlichkeit einschließt. Nicht umsonst war sein Schicksal mit beiden Parteien verbunden: Prägend war einerseits die berufliche Förderung durch Theodor Mommsen und Ulrich von Wilamowitz (Lebenslauf, hier S. 79 und 107 mit Kommentar); andererseits die wissenschaftlichen Ideale Otto Ribbecks, des Schülers von Friedrich Ritschl, und das Schaffen des getreuen Nietzsche-Freundes Erwin Rohde, dessen Biographie40 der Zielinski-Intimus Otto Crusius verfasst hatte (ebd., S. 107 f.). Nicht zufällig bemühte Zielinski sich in seinem Nachruf auf Wilamowitz darum, ungeachtet des klar hervortretenden Antagonismus die innere Verwandtschaft zwischen diesem und Nietzsche aufzuzeigen.41 Wenn man beide Namen als kulturhistorische Metaphern versteht, kann man sagen, dass Zielinski in gewissem Sinne lange Zeit Wilamowitz war, der dann jedoch eine immer stärker metaphilologische Richtung einschlug und sich immer mehr zu Nietzsche wandelte. 39

Drevne-gre eskaja religija . Petrograd 1918, S. 41. O. Crusius: Erwin Rohde. Ein biographischer Versuch, Tübingen und Leipzig 1902. 41 Der Nekrolog ist abgedruckt in der Revue de l’Université de Bruxelles 37 (1931/1932), übersetzt von dem Herausgeber der Zeitschrift, dem berühmten Henri Grégoire. 40

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Eben in dieser Vereinigung von Gegensätzen wurzelt Zielinskis vielseitige Kreativität – im Wissen und im Träumen. *** Es ist bemerkenswert, dass im Leningrader Milieu der 1930 – 80er Jahre die gedankliche Verarbeitung von Zielinskis persönlichen Äußerungen und seines kulturellen Experiments andauerte. Bis Anfang der 90er gab es noch vereinzelte Zeitzeugen, die seinen Einfluss gespürt hatten oder zumindest einen Eindruck von seiner Persönlichkeit sowie die Erinnerung an einzelne Episoden bewahrten, welche schon öfter ihren Wert bei der Rekonstruktion der damaligen Atmosphäre bewiesen haben. Über Aleksandr Blok, der gerade sein Poem „Die Zwölf“ zu Papier gebracht hatte, soll Zielinski gesagt haben: „Blok – elovek kon enyj“ (auf Deutsch etwa: „Blok ist am Ende“); andererseits gratulierte er Ivan Iv. Tolstoj und Sofja V. Melikova(-Tolstaja), die im revolutionären Petrograd geheiratet hatten, und dankte beiden dafür, quod de re publica non desperaverint (cf. Liv. 25. 6. 7). Bisweilen, so die Erinnerungen seiner jüngeren Zeitgenossen, zeigte sich gegenüber seinen Kollegen eben jener Charakterzug, welchen Zielinski selbst nur zu oft bei anderen missbilligte. So erinnerte man sich an seinen Satz: „Fragen Sie Malein, es gibt da so einen ...“ (Bei A. I. Malein, 1869 – 1938, handelt es sich um einen vielleicht weniger glänzenden Professor, aber nichtsdestotrotz um einen soliden Gelehrten und Pädagogen.) Es wurde auch erzählt, dass Zielinski sich als Spitze gegen Latyšev dazu bereit erklärt habe, die gesamte griechische Epigraphik gegen ein Euripides-Fragment einzutauschen – den großen Epigraphiker hätte dieses Geschäft wohl eher amüsiert, da es für Zielinski selbst kaum von Vorteil gewesen wäre: Latyševs Danksagungen in den von ihm besorgten Ausgaben der nordpontischen Inschriften zeigen deutlich, dass Zielinski nicht nur keine Abneigung gegen epigraphisch überlieferte Texte empfand, sondern ganz im Gegenteil, wertvolle Ratschläge zu deren Exegese erteilt hatte. Auch wenn in den Beziehungen zu den Kollegen, wie so häufig, Schwierigkeiten auftauchten, so hatte Faddej Francevi treue Schüler, die sich in seinem der antiken Tragödie gewidmeten Petersburger Seminar sammelten. Unter ihnen befanden sich auffällig viele Polen und Balten: Stefan Srebrny, Witold Klinger, Erich Diehl oder auch der spätere (umstrittene) litauische Politiker Augustin(as) I. Voldemar(as), der vorerst noch als Philologe zur Aussprache des griechischen dzeta forschte; den eigentlich deutschstämmigen Sergej Radlov hingegen verschlug es erst später, ebenfalls unter dramatischen Umständen ins Baltikum.

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Etwas außerhalb stand Salomo Luria (Solomon Ja. Lur’e), ein Liberaler, der anarchistisch-sozialistische Einstellungen vertrat und sich weder zum Christentum noch zum Judentum bekannte. Dieser fühlte trotz seiner methodisch strengeren Ausrichtung lebenslang Begeisterung für einige Innovationen Zielinskis. Zu erwähnen sind insbesondere Zielinskis sog. „rudimentäre Motive“, die Luria quellenkritisch nutzbar zu machen strebte.42 Alle Genanntenwaren bemerkenswerte Intellektuelle, die verschiedenen politischen Richtungen angehörten, was an den Kreis um Sokrates erinnern mag. Rostovcev bekannte, einer der frühen Schüler Zielinskis gewesen zu sein, gehörte jedoch ebenfalls nicht zu diesem engeren Seminar-Zirkel. Für ihn war eine ambivalente Haltung dem Lehrer und Kollegen gegenüber kennzeichnend, die von der kritischen Einschätzung durch die ältere russische Gelehrtengeneration und auch einige jüngere Wissenschaftler beeinflusst war. So erinnerte man sich an Rostovcevs Rede anlässlich des Zielinski-Jubiläums (wohl 1914): „Der Professor sieht die Antike in hellen (Pause) – vielleicht sogar zu hellen – Farben.“ Wie dem auch sei, zweifellos kam Zielinskis europäische Ausrichtung Rostovcev zu Gute – seine Leistungen und sein Talent wurden im Ausland früh bemerkt und sofort anerkannt, wozu in Russland sonst oft ein ganzes Gelehrtenleben nicht ausreicht. Die „russische Partei“, d. h. die „Petersburger Schule“ unter der Ägide der Faktenverehrer (faktopoklonniki) F. F. Sokolov und N. P. Kondakov zog es vor, ihre Kritik an Zielinski auf dessen Methode zu beschränken. Bei Žebelëv nahm dies folgende Form an: „Wir greifen nicht nach den Sternen am Himmel“, im Sinne von: Wir zielen nicht auf Genialität (wie z. B. Zielinski), sondern urteilen über Einzelfälle im Rahmen des in unserer Wissenschaft Möglichen. Zielinskis Replik entbehrte zwar nicht eines gewissen Pathos, war jedoch im Wesentlichen zutreffend: Mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stehend, lenken wir den Blick empor zu den ewigen Werten. Beide Herangehensweisen vereinigte Rostovcev, der gerade dadurch zum Ruhm der russischen Wissenschaft beitrug, dass er die kompromisslos skeptische Position der „Faktenverehrer“ mit wagemutigem intellektuellen Suchen vereinte: Sich stets an die Quellen haltend, scheute er sich nicht, zu verallgemeinern, Neues zu entdecken und an das großartige Potential des wissenschaftlichen Denkens zu glauben. 42

„Wspomienia o prof. Tadeuszu Zieliskim i jego metodzie motywów rudymentarnych“ < Erinnerungen an Prof. Thaddäus Zielinski und seine Methode der rudimentären Motive>. In: Meander 14 (1959), H. 8-9, S. 406–418. Wie Voldemaras wandte sich Luria übrigens auch dem griechischen dzeta zu, und verfasste den glänzenden Aufsatz: „O nekotorych slitnych soglasnych v staroslavjanskom i drevnegreeskom jazykach“ < Zu einigen Konsonantenverschmelzungen im Altslavischen und Altgriechischen>. In: Pitannja slov’janskogo movoznavstva. L’viv 1958, S. 75–87. 37

Was Jakov Borovskij (1896 – 1994) angeht, so begann er noch als Student am Polytechnischen Institut damit, Zielinskis Seminar zu besuchen, und es waren die dort gewonnenen Eindrücke, die sein weiteres Schicksal prägen sollten. In den 1920er war er mit Adrian Piotrovskij befreundet, und der direkte Austausch mit Felix Zielinski in den späten Lebensjahren führte dazu, dass ein Teil von Zielinskis Papieren an die Petersburger Filiale (damals die Leningrader Abteilung) des Archivs der Akademie der Wissenschaften der UdSSR übergeben wurde (trotz erheblicher Einwände der offiziellen Stellen gegen den Emigranten Zielinski).43 Schon gegen Ende seines langen Lebens resümierte Borovskij die zentralen Wegemarken in Zielinskis Werk – auf Latein, dem für einen solchen Anlass geeignetsten Idiom:44 T. Zielinskij (1859 - 1944), vir egregia doctrinae amplitudine et subtilitate praecellens, qui usque ad annum 1922 in Universitate Petropolitana docuit, iuvenis inclaruit, cum omne suum studium in historia comoediae, ut dicitur, “antiquae” collocasset. Quo in genere commemoranda sunt O sintagmach v drevnej gre eskoj komedii (1883), Die Gliederung der altattischen Komödie (1885), pluraque alia cum per se edita tum in commentariis periodicis Russicis et externis publici iuris facta. Sed quam late patuerint Zielinskii illius eruditio et doctrina, praeclarum specimen exstat liber sexies typis expressus ab anno 1895 (Russice) usque ad annum 1967 (Germanice) sub titulo Cicero im Wandel der Jahrhunderte; ibi enim quasi per breviatam circumscriptionem omnia quae ad historiam cultus humaniorum litterarum pertinent summatim sed luculente attingit. Idem vir doctus plurimum operae collocavit in “structuris” (ut nostris temporibus vocantur) et proprietatibus poesis epicae explorandis, quorum studiorum summa subducitur in opusculo quod inscribitur Die Behandlung gleichzeitiger Ereignisse im antiken Epos (Philologus, Suppl. VIII, 3). Egregie etiam est meritus de tragoedia antiqua, cum adhibita ratione a se novata quam ipse “locorum rudimentalium” nominavit (Rudimentarnyie motivy v gre eskoj tragedii [Odessae 1912]), plurimum contulerit ad fabularum deperditarum, praesertim Sophoclis et Euripidis, argumenta restituenda. Maximum vero et gravissimum opus, quod Zielinskij sibi tamquam totius vitae laborum summam proposuit, erat historia cultus divini ab Homeri aetate usque ad aevum quod dicitur Christianum 43

Siehe die verschiedenen Materialien zu Borovskijs Beziehungen zu Zielinskis Nachfahren und dem Nachlass in: Ja. M. Borovskij. Opera philologica, St. Petersburg 2009, S. 94 ff., 396ff., 569, 610ff. u. a. 44 Ibid. S. 357ff. 38

perducta. Dolendum tamen est huius magni operis ultimam partem ad ineuntem Christianam aetatem pertinentem publici iuris factam non esse et unico tantummodo exemplo machina scriptoria exarato asservari.

Sowohl über allgemeine Fragen als auch Details, welche mit dem Leben und Werk von Thaddäus Zielinski verbunden sind, kann – und muss – noch viel geforscht und nachgedacht werden. In Russland sind als Folge der historischen Zäsur von vielem nur Spuren geblieben, auf die der aufmerksame Beobachter hie und da stößt. Es ging so viel verloren, dass die Existenz wenn auch nur weniger Nachkommen einer solchen Persönlichkeit wie Zielinski wie ein Wunder anmutet. Mehrere Institute existieren schon nicht mehr; in denen, die die Zeiten mit Mühe überdauert haben – wie die Universität St. Petersburg – blieben verstreute, zufällige Erinnerungen an ihn erhalten. Allerdings war in den Theatern und Theaterinstituten die Zielinski’sche Schule bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch indirekt präsent. Unter der Lehrerschaft der Gymnasien fanden sich noch in den 50ern nicht wenige inspirierte Lehrerinnen, die seinerzeit bei Zielinski und seinen Kollegen Vorlesungen gehört hatten und mit erstaunlicher Beharrlichkeit das kulturelle Erbe in einem von geistiger Verarmung geprägten Umfeld bewahrten. Vor zwanzig Jahren schließlich wurde die Stafette aus dem Bereich der Universität und der Akademie der Wissenschaften an das neugegründete Petersburger Klassische Gymnasium weitergereicht, das sich der Ausbildung von Forschern und Lehrern für die zukünftigen Generationen widmet. Als ein fernes Echo der Slawischen Renaissance kann man vielleicht das noch gegenwärtige Gefühl anführen, dass es im Leben der antiken Völker etwas gab, das die Grundlagen auch unserer Existenz berührt. Dank Zielinski hat uns der Nachhall jenes bedeutsamen Kulturmoments erreicht, als wir über eine eigene Stimme im europäischen Konzert verfügten; schon die persönlichen und kulturellen Verbindungen Zielinskis zeigen, dass, vor allem von Petersburg aus betrachtet, Westeuropa überraschend nahe ist. In Zielinskis Leben wie auch in seinem Lehren steht der Appell für das Gemeinsame, für ein humanistisch geeintes Europa im Zentrum; er sollte daher weder als eine Verkörperung des National-Russischen, noch des NationalPolnischen, noch als ein Nebenprodukt des deutschen Geistes betrachtet werden, sondern als die Vervollkommnung aller drei Kulturen im gesamteuropäischen Rahmen. Die in ihm vollzogene Synthese von Wissenschaftler und Lehrmeister, Historiker und Philologe,45 Denker und Literat zu wiederholen, ist heutzutage 45

Sogar die heutigen Petersburger Historiker mit ihrer Geringschätzung der Philologie, in der sie allein das Schulmäßige zu erkennen glauben, können solche Größen wie Zielinski 39

unerreichbar. Ohne die eigenen Kräfte zu schonen, mühte sich dieser Repräsentant einer großen Epoche auf dem „steinigen Acker“ Russland,46 die Möglichkeit von Tod und Auferstehung voraussehend – das Wiederaufleben der zerzausten, erstarrten Ähren, was uns Kleinmütigen so schwer fällt. Das erinnert uns noch einmal daran, dass Thaddäus Zielinski, genauso wie die klassische Antike selbst, nicht die Norm ist, sondern der Same, der erneut reiche Frucht bringen kann. Übersetzt aus dem Russischen von Marion Rutz (Trier / St. Petersburg).

nicht mit Stillschweigen zu übergehen: Die 11. Žebelevskie tenija im Oktober 2009 widmeten sie dem Andenken Zielinskis und erklärten den Philologen vermutlich zum Kulturhistoriker. 46 So der Titel einer der attischen Sagen aus dem in „Die märchenhafte Frühzeit von Hellas“ eingegangenen Band Eiresione: Kamennaja niva. 40

Michael von Albrecht (Heidelberg) Brückenschlag zwischen Kulturen und Nationen: Der Philologe Thaddäus Zielinski In meiner Geburtsstadt Stuttgart bekam ich schon sehr früh einen Nachklang der hohen Qualität und starken Ausstrahlung der Petersburger klassischen Studien – und eines ihrer glänzendsten Vertreter, Thaddäus Zielinski – zu spüren. Da ich von einer Oberschule auf das humanistische Eberhard-Ludwigs-Gymnasium überwechselte, mußte ich Latein nachlernen. Mein Vater, der sich seit seiner Schulzeit in Petersburg und dem Abitur in Carskoe Selo (an dem vor seiner Zeit von dem Dichterphilologen Annenskij geleiteten Gymnasium) nicht mehr mit dieser Sprache befaßt hatte, redete mühelos Latein mit mir und brachte mir im Laufe der Sommerferien das Pensum des ersten Jahres bei. Das zeigt, wie gründlich früher auf allgemeinbildenden Schulen Rußlands die Alten Sprachen erlernt wurden. Es ist mir eine besondere Freude, dass in Petersburg heute an die seriöse philologische Tradition jener Schulen angeknüpft wird. Später erzählte mir mein Vater von den begeisternden Petersburger Vorlesungen von Thaddaeus Zielinski, die er gleich vielen seiner Altersgenossen besuchte, obwohl er ein anderes Fach – Musik – studierte. Zu den wenigen Büchern, die er 1922 auf die Flucht in den Westen mitnahm, gehörte ein völlig zerlesenes Exemplar von Zielinskis “Altgriechischer Religion” (Drevne-gre eskaja religija, erschienen 1918 in Petrograd in dem Verlag „Ogni“). Die Frische, Lebendigkeit und Originalität dieses zu wenig bekannten Werkes47 fasziniert mich noch heute. Geradezu erstaunlich ist die kulturelle Breitenwirkung Zielinskis in Russland und später in Polen. War er doch nicht nur Philologe und Übersetzer – genannt sei seine Sophokles-Übertragung48 –, sondern auch Theater- und Musikkritiker. Seine Gestalt verkörpert geradezu exemplarisch die kulturellen Wechselwirkungen, die das geistige Leben in Petersburg bis in die zwanziger Jahre so reich machen. Viele wissenschaftliche Anregungen, die von ihm ausgingen, fanden auch im Westen das verdiente Echo: Seine Arbeiten erschienen überwiegend bei Teubner in Leipzig, aber auch in der Oxford University Press und bei Les Belles Lettres in Paris. Man schätzt ihn als den „Wilamowitz des Ostens“, und doch birgt sein Werk immer noch unentdeckte Schätze. 47

Immerhin gibt es eine französische und eine (erweiterte) englische Übersetzung: La religion de la Grèce antique (Paris: Les Belles Lettres 1926); The Religion of Ancient Greece (Oxford 1926). 48 Moskau 1914. Neubearbeitung von M.L. Gasparov und V.N. Jarcho (Moskau: Nauka 1990). 41

Seine Altgriechische Religion eröffnete vielen jungen Menschen jener Generation die Augen für eine Welt der Freiheit, Freude und Schönheit. Ein wichtiges Kapitel dieses Buches trägt die Überschrift: “Offenbarung der Gottheit in der Schönheit” („Ob’’javlenie boga v krasote“: S. 45–65); daraus konnte mancher Leser Kraft schöpfen, um die leidvollen Erfahrungen von Krieg und Revolution zu verarbeiten. Gewiss sind einige Thesen Zielinskis zeitgebunden, aber so mancher originelle Ansatz – etwa die Ausführungen zur Würde der Arbeit und ihrer Heiligkeit („Osvjaš enie truda“: S. 27–45) – harren noch der Entdeckung durch die Fachwelt. Und Zielinski ist immer noch einer der wenigen Religionshistoriker, die von Anfang an die varronische Unterscheidung von “poetischer”, “philosophischer” und “staatsbürgerlicher” Religion (theologia tripertita) in ihrer grundsätzlichen Bedeutung erkannten und für eine angemessene soziale und psychologische Analyse der antiken Religion fruchtbar machten (S. 8 f.). Auch berücksichtigt er gebührend die religiöse Bedeutung von Kunst, Literatur und Philosophie – Gesichtspunkte, die selbstverständlich scheinen, aber in dieser Verbindung bei Religionshistorikern seltener als erwartet anzutreffen sind. Wohltuend und ungewöhnlich wirkt dieses Buch, frei wie es ist vom Staub der Gelehrtenstube, frei auch von dem nordischen Unverständnis für die Urgewalt des Ritus, frei vom tiefeingewurzelten Misstrauen des Philisters gegenüber Kunst und Poesie und – soweit menschenmöglich – frei von dogmatischen Vorurteilen (ganz gelingt ihm dies nicht im Falle des Protestantismus, dem er indessen, ohne es zu wissen, viel von seiner inneren Freiheit verdankt). Ist doch diesem Sohn des freimütigen 19. Jahrhunderts alle Leisetreterei fremd. In einer führenden deutschen Fachzeitschrift veröffentlichte er eine vernichtende Kritik an vier deutschen Gelehrten – wie bei ihm zu erwarten, in brillantem Deutsch. Sie hießen zufällig Maier, Müller, Schulze und Schmidt. Der Aufsatz endet mit dem Zweizeiler: Maier, Müller, Schulze, Schmidt Machen jeden Unfug mit. Ein Autor, der heute solche Töne anschlüge, könnte sich vor Beleidigungsklagen nicht retten. Die Anekdote beleuchtet die damalige geistige Bedeutung Petersburgs als Ort, an dem man ungestraft die Wahrheit sagen durfte, die Veröffentlichung in einer führenden deutschen Zeitschrift stellt aber auch der Meinungsfreiheit im vielgeschmähten Wilhelminischen Zeitalter kein übles Zeugnis aus. Obwohl es Zielinski fern lag, der Masse zu schmeicheln, hat er ein breites Publikum erreicht, vor allem auch junge Menschen. In den letzten Jahren seiner Petersburger Tätigkeit veröffentlichte er in mehreren Lieferungen Nacherzählungen griechischer und römischer Mythen – in einer Diktion, deren Lebendigkeit, Frische und Anschaulichkeit ihresgleichen sucht. Die auf Griechenland be42

züglichen Teile sind unlängst von Gasan Gusejnov neu herausgegeben worden (“Die märchenhafte Frühzeit von Hellas” – Skazo naja drevnost’ llady, Moskau 1993). Der Herausgeber erzählt, wie er dazu kam, das Werk wieder aufzulegen. In den schwersten Jahren des Stalinismus und des Zweiten Weltkriegs halfen diese Mythenerzählungen einer Schar junger Menschen, einen strapaziösen Fußmarsch in den Kaukasus durchzustehen. Viele warfen aus Erschöpfung unterwegs unnötigen Ballast weg; derjenige aber, der diese Bücher trug, dachte keinen Augenblick daran, sich von ihnen zu trennen. Von wie viel unserer heutigen Sekundärliteratur ließe sich hoffen, dass sie einem solchen Härtetest standhielte? Es handelte sich um eine Gruppe von Studenten und Mitarbeitern des hochbegabten Adrian Piotrovskij, des Sohnes und Geisteserben Zielinskis. Bekannt als Übersetzer (Catull, Aristophanes, Aischylos), Theater- und Filmschaffender, fand Piotrovskij 1938 im Leningrader NKVD-Gefängnis den Tod. Überhaupt strahlte Zielinskis Wirken auch auf die Musik- und Theatergeschichte aus. Der große Regisseur Vsevolod mil‘evi Mejerchol’d (Karl Kasimir Meyerhold) hat in seinen Lehrjahren unter Zielinskis Führung an einer Griechenland-Exkursion teilgenommen. Auch Georg von Albrechts Russland gewidmete Oper Das Vaterunser oder das Verzeihen (Ot e naš ili proš enie, entstanden seit 1921, neunzig Jahre später uraufgeführt von Georgij Isaak‘jan [Perm‘ 2011]) wäre ohne Zielinskis Petersburger Wirken wohl nicht in dieser Form geschrieben worden. Der Ernst und der geistige Hunger, mit dem jene Generation Werke eines Philologen las, mag zu denken geben. Zielinskis auch auf Deutsch zugängliche Aufsatzsammlung Die Antike und wir (Leipzig 1905) findet neuerdings, vor allem in Italien, vermehrte Beachtung. Es ist hier nicht der Ort, Zielinskis wissenschaftliche Leistung im Ganzen darzustellen. Für eine kritische Würdigung seiner Auseinandersetzung mit dem griechischen Drama sei auf Viktor Jarchos (1920-2003) Nachwort zu der Neuausgabe seiner Sophokles-Übersetzung (Moskau: Nauka 1990) verwiesen (bei aller Anerkennung verschweigt Jarcho auch nicht die Gefahren eines modernisierenden und psychologisierenden Zugangs). Hier sollen einige persönlich gefärbte Streiflichter genügen. In meiner Tübinger Studentenzeit begegnete mir Zielinskis Name wieder im Zusammenhang mit der narrativen Technik Homers. Meine Tübinger akademischen Lehrer zitierten mit Respekt seine Abhandlung „Die Behandlung gleichzeitiger Vorgänge im antiken Epos“ (Philologus Suppl. 8 [1901] S. 405-449). Seine Art der Fragestellung – sie betrifft die Projektion gleichzeitiger Handlungen ins erzählerische Nacheinander – hat mich später indirekt zu meinen Untersuchungen narrativer Strukturen im römischen Epos angeregt. Zielinski war ein 43

viel zu wenig gewürdigter Bahnbrecher der Erzählforschung. Jahrzehnte bevor sie in Mode kam und aus den modernen Philologien in die klassische reimportiert wurde, behandelte er dieses zukunftsträchtige Thema originell, präzise und in einer vorbildlich klaren Diktion – ohne den terminologischen Aufwand, der spätere “Narratologien” auszeichnet. Ähnliches gilt für literatursoziologische Fragestellungen: Als ich für den Kleinen Pauly einen Artikel über das damals neuartige Stichwort “Arbeit” schreiben sollte, gab mir nach vielfach enttäuschender Literatursuche Zielinskis “Altgriechische Religion” fruchtbare Anregungen. Auch zur Sprachwissenschaft, einem Stiefkind der Klassischen Philologie des 20. Jahrhunderts, hat Zielinski Wichtiges gesagt. Auf der Suche nach einer tragfähigen Grundlage für meine Untersuchungen zu Ciceros Sprache und Stil fand ich diese in einem wenig bekannten, auf Russisch geschriebenen Aufsatz von Zielinski – er trägt den Titel “Wilhelm Wundt und die Philosophie der Sprache” (“V. Wundt i filosofija jazyka,“ in: Voprosy filosofii i psichologii 13 [1902] 533-567; 635-666). – Was den oratorischen Rhythmus in Ciceros Reden betrifft, so mögen heutige Statistiken vielleicht teilweise genauer sein, aber die künstlerische Funktion und die Grundlinie der Entwicklung dieses komplexen sprachlich-musikalischen Phänomens hat nach Zielinski keiner mit gleicher Kompetenz beschrieben.49 Auf literaturwissenschaftlichem Gebiet wegweisend war vor allem sein Buch Cicero im Wandel der Jahrhunderte (Leipzig 1897; sechste Auflage Darmstadt 1973), das, wie allein schon die Zahl der Auflagen zeigt, auch in Mitteleuropa die verdiente Anerkennung gefunden hat. In dem wohl schönsten Deutsch, das ein Philologe seiner Generation geschrieben hat, widerlegt der Petersburger hier implizit, aber mit Erfolg zwei Dogmen der damaligen deutschen Altertumswissenschaft: Seine erste (ungenannte) Zielscheibe war die Einseitigkeit deutscher Historiker, die Caesar als Vollzieher des Willens des Weltgeistes bewunderten, aber nicht imstande waren, Cicero, dem Vorkämpfer einer guten Sache, auch wenn sie verloren war, mit Achtung zu begegnen. Der zweite tief eingewurzelte Irrtum, den er entlarvte, entsprang einer Philologie, die Ciceros selbstironische Behauptung (Att. 12, 52, 3), seine philosophischen Werke seien “bloße Abschriften” ( ) griechischer Quellen, wörtlich nahm. Positiv hat er die kreative Erweckerrolle Ciceros für die Neuzeit im Detail nachgewiesen: “Cicero hat den Menschen eine Kunst gelehrt, die sie vordem nicht kannten: die

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„Das Clauselgesetz in Ciceros Reden. Grundzüge einer oratorischen Rhythmik“, Philologus Suppl. Bd. 9 (1904) 591-844; „Der constructive Rhythmus in Ciceros Reden. Der oratorischen Rhythmik zweiter Teil“ , Philologus Suppl. Bd. 13, 1 (1914) 1- 295. 44

Form ihrer Schriften zum Ausdruck ihrer Individualität zu machen”.50 Zielinski führt in der Ciceroforschung eine kopernikanische Wende herbei. Er setzt an einem neuen Punkt an: der Rezeption. Nach dem Prinzip “wo viel Rauch ist, da ist viel Feuer” zeigt er die geistige Bedeutung eines Autors an Hand von dessen Nachwirkung auf. Damit war jenem Zerrbild Ciceros die Grundlage entzogen, das kein Geringerer als Mommsen zwar nicht erfunden, aber popularisiert hatte. Auch von der Methode her war Zielinskis Buch eine revolutionäre Tat. Er ist ein Begründer der im 20. Jahrhundert aufblühenden Rezeptionsforschung, die heute fast der einzige Weg ist, die Antike im Bewusstsein moderner Leser zu verankern. Wir versuchten bisher, Zielinskis Vorgehen auf ihn selbst anzuwenden und indirekt – an Hand seiner belebenden Wirkung auf die Gesamtkultur wie auf die Fachwissenschaft – etwas von seiner Größe sichtbar zu machen. Nun noch einige Worte über ihn als Europäer. Dass er ein echter Europäer ist, zeigt schon sein Werdegang: Geboren 1859 bei Kiev in der Ukraine, erhält der Sohn polnischer Eltern eine vorzügliche Schulbildung an der bekannten Annen-Schule, dem deutschsprachigen Gymnasium in Petersburg. Sein Studium führt ihn zunächst zu Otto Ribbeck nach Leipzig, wo er 1880 mit einer Arbeit über Die letzten Jahre des Zweiten Punischen Krieges zum Doktor promoviert wird. Die Untersuchung erscheint in Leipzig bei Teubner und wird noch ein Jahrhundert später neu aufgelegt (Aalen 1985). Deutschland verdankt er die strenge methodische Schulung in der Philologie, ein wissenschaftliches Ethos, das er – zusammen mit anderen Gelehrten – der Petersburger Klassischen Philologie bis heute vererbt hat. Mit Ribbeck verbindet ihn die tiefe Kenntnis der Tragödie und – mehr noch – die Kraft zur Synthese und die Gabe packender Darstellung. Weitere Stätten seines Wirkens sind München und Wien; zwei Jahre verbringt er in Italien und Griechenland. Nach einer zweiten Promotion in Dorpat (Tartu) im Jahr 188351 kehrt er 1885 als Professor nach Petersburg zurück. Nach fast vierzigjähriger höchst erfolgreicher Lehrtätigkeit daselbst nimmt er 1921 einen Ruf an die Universität Warschau an (am Bahnhof jubeln ihm die Polen zu: Habemus papam!). Seine Bücher erscheinen zunächst weiterhin in Russland im Verlag der Brüder Sabašnikov, aber auch in Frankreich und England. In Krakau veröffentlicht er 1925 Tragodumenon libri tres auf Lateinisch. Obwohl ihm die Sprache seiner polnischen Ahnen weniger vertraut war als das Russische und das Deutsche, widmet er sich nun dem Aufbau der Kultur seiner Nation und vertritt sie glanzvoll auf internationalen Kongressen und in zahlreichen Akademien. – Nach dem Verlust seiner Wohnung und seiner Bibliothek bei einem Bombenangriff 50 51

Cicero im Wandel der Jahrhunderte (5. Aufl. Darmstadt 1967) 180. Studien zur Gliederung der altattischen Komödie (Dorpat 1886). 45

auf Warschau flüchtete er mit seiner Tochter Weronika zu seinem Sohn nach Schondorf am Ammersee, wo er – im Kontakt mit den Bibliotheken Münchens – den fünften und sechsten Band seiner großen Religionsgeschichte im Dezember 1943 abschließen konnte, genau ein Jahr nach dem allzu frühen Tod der Tochter. Er selbst starb am 8. Mai 1944, ein Jahr vor Kriegsende. Die Linie seines Schicksals fordert dazu heraus, antike Parallelen heranzuziehen: Ähnlich wie Aeneas entdeckt er die ihm unbekannte Urheimat seiner Ahnen erst in reifem Alter. Gleich Ovid, dessen Heroiden er übersetzt und kommentiert (Moskau: Sabašnikov 1913), hat er zunächst eine ungewöhnlich glänzende und erfolgreiche Laufbahn, um dann als alter Baum verpflanzt zu werden und schließlich im Exil zu sterben. Wie der von ihm bewunderte Cicero muss er den Tod der Tochter erleben, wie dieser kämpft er als Intellektueller auf verlorenem Posten. Wie dieser sieht er in der Bildung die wahre Grundlage unserer Existenz und versucht in schwerster Zeit, die Werte des Guten, Schönen und Wahren möglichst breit und tief zu begründen. Eine typisch römische (und wohl auch typisch russische) Eigenschaft besitzt er in hohem Maße: Cicero nennt sie summum vel discendi studium vel docendi (Rep. 2, 1, 1). Im Vorwort zu “Die märchenhafte Frühzeit von Hellas” (S. 18 der Neuausgabe) lesen wir: “Die von Griechen und Römern geschaffene historische Legende besitzt einen unersetzlichen Vorzug: Sie ist künstlerisch schön. Ihre Verbannung aus der Wirklichkeit ist ein Verbrechen an der Jugend.” Und er weiß zu begeistern (ebd. S. 19): “Möge sich auf die Leser dieses Buches wenigstens ein Teil der Freude übertragen, die ich bei seiner Abfassung empfand.” Er ist jedoch mehr als nur ein begnadeter Lehrer. Sieht er doch das Panorama der Weltgeschichte als Evolution und beobachtet, “wie sich mit jeder höheren Kulturstufe auch der Blick für die Antike erweitert und vertieft, wie sich ihr Wert von Kulturperiode zu Kulturperiode steigert.”52 In diesem Zusammenhang hat er eine hohe Meinung von der kulturellen Zukunftsaufgabe der slavischen Länder, in denen sich heute in der Tat eine Renaissance der klassischen Studien anzukündigen scheint. Das geistige Vaterland, das ihm Mut und Leben spendet, ist ein von Griechenland und Rom geprägtes Europa. Was er über Cicero gesagt hat, gilt auch von ihm: Er ist “eine jener im eminenten Sinne des Wortes kulturellen Persönlichkeiten, deren eigentliche Biographie erst mit dem Todestage beginnt.“ In Schondorf haben in jüngster Zeit Deutsche und Polen Thaddäus Zielinski gemeinsam ein Denkmal gesetzt: eine Ehre, die er vermutlich mit kaum einem anderen Philologen teilt. Sein Geist aber, so glaube ich, strahlt in besonderer Weise von Petersburg aus. Als Philologe und als Persönlichkeit des kulturellen Lebens schlägt Zielinski Brücken nicht nur zwischen Antike und Moder52

Cicero im Wandel der Jahrhunderte (5. Aufl. Darmstadt 1967) 273. 46

ne, sondern auch zwischen mehreren modernen Kulturen. Er verkörpert damit die geistige Mittlerrolle Petersburgs, der großen Stadt der Brücken. Ein wesentlicher Faktor seiner Wirkung ist – in all den Sprachen, die er beherrschte – die lateinische Klarheit seiner Diktion, der jede Mystifikation fremd ist; in dieser Beziehung ist er nicht nur ein Erbe Ciceros, sondern erfüllt auch die stilistischen Vorstellungen Puškins. Wichtig und für die deutsche wie die russische Kultur heilsam ist ferner die gleichgewichtige Verbindung lateinischer und griechischer Studien in seinem Werk; seine tiefeingewurzelte Liebe zum Latein darf man als ein kostbares Erbstück seiner polnischen Ahnen verstehen. Der Beitrag der griechischen Tradition zur geistigen Identität Russlands ist in aller Munde und bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Damit kontrastiert die Tatsache, daß die meisten großen Autoren Russlands bessere Lateiner als Griechen waren. Allein schon die Selbstfindung der russischen Literatursprache in Puškins Stil erfolgte ohne tiefere Kenntnis des Griechischen, aber in steter Auseinandersetzung mit den hohen stilistischen Anforderungen der französischen und der lateinischen Kultur. Ähnliches gilt von Deutschland. Man schwärmte für die Griechen, aber mit dem Latein war man vertrauter – so vertraut, dass man zuweilen meinte, es verachten zu dürfen. Welch arge politische Folgen die Geringschätzung Ciceros und seines Republikanertums im 20. Jahrhundert hatte, brauchen wir nicht näher auszuführen. Es erfüllt uns im Rückblick mit besonderer Dankbarkeit, dass der flammende Protest des Polen Zielinski gegen diese Fehlinterpretation in deutscher Sprache erklang und in einem einflussreichen, ja unsterblichen deutschen Buch Gestalt gewann. Heute dürfte es an der Zeit sein, im Westen wie im Osten beide antiken Traditionen in gleichem Maße und mit gleichem Ernst aufzunehmen, so wie Zielinski dies entgegen den Neigungen mancher Zeitgenossen versuchte, die das Formgefühl des Romanen, die Leserfreundlichkeit des lateinischen Stils, die Universalität des römischen Rechtes fälschlich für nur oberflächliche Qualitäten hielten und dadurch, vielleicht ohne es zu wollen, der Barbarei Tür und Tor öffneten.

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Michael von Albrecht THADDAEI ZIELINSKI Monumentum Schondorfiense Mater salutem, nate, Polonia, Thaddaee patrum reddite patriae, hanc mittit, insignem coronam nectit et haec monumenta donat. Seni penates praestitit et locum Germania, altrix quae iuveni fuit : quae terra crescentem docebat, ultima fulsit eum cadentem. Tu liliorum serta, Borysthenes, fers, templa sanctae qui Sophiae rigas ; nam nomen et sacri lavacri tu latices puero dedisti. Iamque Anna praesul gymnasii venit, iamque Alma Mater, quam Neva praeterit, spargitque vivarum tapetem doctus Hyperboreus rosarum. Varsaviensis flos Academiae, gratare civi! Vistula, liberum te vidit, et vidit ruentem, heu senior patriae superstes. Cedant Ulixes et Veneris satus ! Mortes duarum pertulit urbium, Nasonis infelix malorum qui superat seriem bis exul. Tuam renascens audiat, audiat Europa vocem : « Scripta legat mea Ubique terrarum iuventus, Graecaque ament et ament Latina. 49

Neglecta Romae sancta Latinitas ; Germaniae flos, gymnasium, cadit : mei recordantur Poloni, et schola Petropoli renata est. Quicumque cernes hunc lapidem, gradum paulum, viator, siste Latinaque, o civis Europae, retempta verba memor Ciceronis alti, Laudante me quem libera nunc legit Europa ! Caesar, iam valeas, abi ! Auctore me spernant tyrannos dum populi, moriar libenter. In eruditis pectoribus bona insculpta vivant: pax, pietas, decus cum iure libertas fidesque : haec monumenta mihi placebunt. »

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Tadeusz Zieliski Mein Lebenslauf 53 Ich entstamme einem Geschlecht polnischer Edelleute, dessen Schicksale in den Hauptzügen sich nach den Familienpapieren vom XVII. Jh. an verfolgen lassen. Im XVIII. Jh. mäßig begütert, verarmte es während der ersten Hälfte des XIX., so dass mein Großvater Adam sein Brot als Pächter im Kievschen Gouvernement verdienen musste. Immerhin hatte er genug Mittel, um seinen Söhnen – Franz, Alexius und Julian – eine höhere Bildung geben zu können, und zwar dem ältesten eine juristische, dem mittleren eine technische und dem jüngeren (der frühzeitig gestorben ist) eine medizinische. Jurist vom Fach, hatte Franz Zielinski eine allseitig empfängliche und besonders der Poesie zugewandte Seele, dabei ein gesellschaftlich einnehmendes Wesen. Das zeigte sich besonders, als er nach absolviertem Studium – an der Universität Kiev – als Hauslehrer auf das Gut Skrzypczyce geladen wurde, das einem wohlhabenden Edelmann, namens Stephan Grudziski, gehörte. Es war eine sehr kinder-, besonders töchterreiche Familie; der unterrichtete,54 liebenswürdige junge Mann blieb auch nach Erfüllung seiner unmittelbaren Aufgabe ein gern gesehener Gast, und als er später eine bescheidene, aber einkömmliche Stellung am Staatskontrollamt in St. Petersburg erhielt, stand nichts seiner Heirat mit der ältesten, damals noch sehr jungen Haustochter Ludwika (Louise) im Wege, deren Herz er hauptsächlich durch seine gefühlvollen Declamationen der Gedichte unseres Nationaldichters Mickiewicz gewonnen hatte. Nach Wohlstand und Adel stand das Geschlecht meiner Mutter beträchtlich höher als mein väterliches; ihm gehörte u. a. jene Janina (Johanna) Grudziska an*, die als Fürstin von owicz Gattin des Thronfolgers Statthalters Konstantin* gewesen ist. Aber es lastete ein Fluch auf ihr – die Schwindsucht. Zwar erreichten die Eltern meiner Mutter beide ein hohes Alter; dafür fielen ihm sämtliche Kinder zum Opfer mit alleiniger Ausnahme der Töchter, die kinderlos blieben. Die älteste trat als erste in diesen Todestanz – 53

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ohne es zu ahnen, denn sie war, als sie heiratete, nicht nur schön, sondern auch blühend und gesund. Noch wagte sie es nicht, ihrem Mann aus dem geräumigen55 Gutshause in die Enge der St. Petersburger Verhältnisse zu folgen; es war in Skrzypczyce, dass sie ihr erstes Kind zur Welt brachte. Es war ein Mädchen, das der matrilinearen Familientradition zuliebe den Namen Marie erhielt. Diese Tradition bestimmte nämlich, dass die ältesten Töchter in weiblicher Descendenz immer abwechselnd Louise und Marie heißen sollten; sie war symbolisiert in Gestalt einer goldenen Schachtel, die, in dieser Folge vererbt, die Segenswünsche jeder Louise für ihre Tochter Marie und jeder Marie für ihre Tochter Louise enthielt. So wurde nun mit der neu angekommenen, engelsschönen „Maria“ ein neues Glied an jene Kette angereiht – leider das letzte: Kaum ein Jahr alt, starb Maria an einer Kinderkrankheit. Nun war für ihre Mutter der Landaufenthalt erst recht angezeigt, und für meinen Vater gleichfalls, zumal in jener Zeit ein längerer Urlaub für einen gut angeschriebenen Beamten unschwer zu haben war. So war es denn gleichfalls in Skrzypczyce, dass das zweite Kind der beiden am 2. (14.) Sept.56 1859 das Licht der Welt erblickte*. Die Enttäuschung, zumal der Tanten, war groß, denn es war ebenso hässlich, wie seine Schwester schön gewesen war. Dafür war es ein Knabe; nach Ankunft des Vaters getauft, erhielt es Mickiewicz zu Ehren den Namen seines Haupthelden „Pan Tadeusz“, und dazu den Namen seines mütterlichen Großvaters. Also: Thaddäus Stephan Zielinski; das sollte ich werden.

II Noch war meine Mutter vollständig gesund – wie ich denn nichts von erblicher Belastung weder selbst verspürt noch weiter gegeben habe; und so entschloss sie sich denn, meinem Vater nach St. Petersburg zu folgen. Dort brachte sie etwa zwei Jahre nach mir ihr drittes und letztes Kind – meinen Bruder Wadysaw (Ladislaus) zur Welt. Da hatte sich aber bereits jene tückische Krankheit angemeldet. Ein längerer Aufenthalt in Nizza brachte keine Heilung; als eine Verurteilte kehrte sie auf ihr Heimatgut zurück, wo sie ihre zwei Kinder bereits erwarteten – den Mann hielt sein Amt in St. Petersburg zurück. An diesen Aufenthalt knüpfen sich nun meine frühesten Erinnerungen. Vor allem an den großen Garten vor dem Haus mit dem Paradiesapfelbaum in der Mitte und den vielen Tulpenbeeten weiter hinten – an den Fruchtgarten links, etwas tiefer, durch eine für uns Kinder nesselgefährliche Treppe getrennt – an den großen Saal mit seinen unendlichen Stuhlreihen – an das Krankenzimmer meiner Mutter, und an sie selbst, mager und blass, auf ihrem Bette ausge55

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streckt – an den Gang, der zu ihm führte mit dem großen Crucifixe an der Wand und dem Totenkopf unter dem Heilandsbild, der mir eine solche Furcht einflößte, dass ich mich oft kaum überwinden konnte, an ihm vorbei zur Leidenden zu gehen. Eine seltsame Vereinigung lieblicher, trauriger und unheimlicher Eindrücke. Als dauernde Frucht dieses Aufenthaltes blieb mir für die ganze Folgezeit eine große Sehnsucht nach dem Süden mit seinen warmen mondbeglänzten Sommernächten, seinem üppigen Fruchtsegen, dem geheimnisvollen Duft der Nussbaumblätter – und auch nach dem trauten naiven Klang der ukrainischen Sprache, die in Rede und Gesang rings um mich her aus dem Volksmunde erscholl. Ob das Siechtum meiner Mutter tatsächlich so lange dauerte, wie es mir nachher die Erinnerung vorstellte, kann ich nicht mehr sagen. Ich wusste damals noch nicht, was sterben heißt, aber die ernsten traurigen Gesichter im Haus, das unverstandene allgemeine Mitleid mit den „Waisen“ stimmte auch mich ernst und traurig auf lange Zeit hinaus. Und da kam der Tag, an dem wir von der Sterbenden „Abschied nehmen“ sollten. Ich fühlte ihre schwache Hand auf meinem Kopfe; ich hörte ihre geflüsterten Worte: „bd dobry, bd poczciwy!“ („sei gut, sei redlich!“). Und dann die Aufbahrung; dann die zeitweise Beisetzung, bis zur Ankunft meines Vaters aus Petersburg; dann das Begräbnis, für mich schon der schwarzbehangenen Pferde wegen ein langes Schrecknis. Vor der Grablegung wollen die Schwestern die Tote noch sehen, der Sarg wird geöffnet, auch mich hebt man empor, dass ich noch ein letztes Mal meine Mutter sehe. Auch dieses Entsetzen: das soll meine Mutter sein? Die lange Rückfahrt dann in der Abenddämmerung, der blasse Vollmond am Himmel, an dem ich zuerst, aber ganz deutlich, das Gesicht entdeckte: das wird also wohl Gott sein, der Gott, der mir meine Mutter genommen hat – blass, kalt, erbarmungslos. Aber ich murrte nicht, dumpf ließ ich alles über mich ergehen. Nur dass ich seitdem in der Nacht oft mit Schreien erwachte: ein immer wiederkehrender Traum, als ob ich nachts auf dem Friedhof meine Mutter ausgrübe, den Sarg öffnete, und sie mich so schrecklich ansähe wie damals. Auch einen anderen bösen Traum sah ich öfter: als ob Männer in unser Haus einbrächen und meinen Vater verhafteten. Es war 1863, das Jahr des polnischen Aufstandes. Ich verstand nichts davon, aber die allgemeine Furcht teilte sich unwillkürlich auch uns Kindern mit.

III Ich war damals 4 Jahre alt und leidlich gesund; mich beschloss mein Vater mit nach St. Petersburg zu nehmen, mein kleiner kränklicher Bruder sollte einstweilen zurückbleiben. So reisten wir denn ab; aber nicht allein. In der letzten Zeit nämlich lebte bei uns eine junge Dame, meine Erzieherin an Stelle meiner bettlägerigen Mutter, genannt Anna Nikolaevna Kutuzova. 53

Eine Russin, wie schon der Name zeigt, und sogar Tochter des Geistlichen an der russischen Botschaft in Berlin, aber eher deutsch und französisch als russisch erzogen. Mit mir sollte sie französisch sprechen, welche Sprache mir denn auch sehr bald zur zweiten Muttersprache wurde. Sie war recht hübsch und angenehm in der Unterhaltung; mein Herz hatte sie bald erobert, nicht so sehr das Herz der Meinigen – und ich weiß bis jetzt nicht, ob nur ihre russische Nationalität daran schuld war. Die reiste also mit uns. Es ging zu Wagen über ernigov und Mogilev nach Ostrov, erst von dort mit der Bahn nach Petersburg. Ich will nur gleich hinzufügen, dass Anna Nikolaevna später die zweite Gattin meines Vaters geworden ist; aus dieser Ehe sind zwei Kinder entsprossen, eine Tochter, die in Erinnerung an jene erste den Namen Marie erhielt, und ein Knabe, aus mir unbekannten Gründen Alexander genannt. Kinder aus gemischten Ehen mussten nach den damaligen russischen Gesetzen orthodox getauft werden; mein Vater, der ungern diesen Keil zwischen seinen jüngsten Kindern und seiner katholischen Verwandtschaft getrieben sah, verschob die Taufe in der Erwartung, dass eine Auslandsreise ihm die Möglichkeit geben würde, dieses unsinnige Gesetz zu umgehen. Sie sollte nicht in Erfüllung gehen; unterdessen wuchsen die Kinder ungetauft weiter – für meinen Bruder und mich ein religiöses Rätsel. Wenn sie ungetauft sind, was sind sie denn? Offenbar Juden. Wir hatten sie trotzdem sehr lieb. Doch ich greife vor. In Petersburg angelangt, bezogen wir eine Wohnung an der Ecke der großen Podjaeskaja und des Katharinencanals, vier Treppen hoch, mit zwei Balcons; die Aussicht war frei und hübsch, und die Nähe der Himmelfahrtskirche mit ihrem schönen tiefen Glockenklang war ein Reiz mehr*. Das Landleben von Skrzypczyce vermisste ich freilich sehr, zumal meines Vaters bescheidenes Einkommen ihm nicht erlaubte, uns für den Sommer aufs Land zu bringen. Es wurde mit Ausflügen nach Pavlovsk, nach Peterhof kümmerlich abgeholfen. Ich war ein stilles Kind und dem Bücherlesen sehr ergeben. Da war ich freilich gut dran, da die Bibliothek meines Vaters ziemlich reich war, zumal an polnischen und französischen Büchern. Anna Nikolaevna hatte mich lieb und behandelte mich gut. Allerdings machte ich ihr die Pädagogik nicht schwer: wollte sie vor mir Ruhe haben, so gab sie mir einfach ein französisches Verbum schriftlich durchzuconjugieren. Ich tat es nicht nur geduldig, sondern auch mit Lust; die geheimnisvollen Beziehungen der Formen zu einander konnten mich geradezu fascinieren. Gäste kamen zu uns wenige. Dafür wurde ich manchmal ins Theater genommen – natürlich ins Ballet, das damals im „Großen Theater“ florierte*. Die Tänzerinnen gefielen uns gewaltig, durch die Perfektion getäuscht, hielt ich sie für kleine Mädchen. „Eine von ihnen werde ich heiraten“, sagte ich einst zu meinem Vater. „Ach, mein Kind“, antwortete er lachend, „die haben schon jede mehr als einen Mann“. Ich war empört. Eine noch größere Vereinsamung trat für mich ein, als Anna Nikolaevna nach Berlin abreiste – den Grund habe ich nicht erfahren. Nun war ich täglich auf mich allein angewiesen bis 4 Uhr, wo mein Vater zurückkehrte. Die Stunde erwartete ich mit steigender Angst: blieb er aus, so lief ich oft heulend die vier 54

Treppen hinab. Dafür hatte ich es am Abend gut, da er sich viel mit mir abgab: polnische Poesie war im Vordergrund, voran natürlich Mickiewicz, daneben auch etwas Latein, da mein Vater nach altpolnischer humanistischer Tradition diese Sprache sehr liebte und ganze Abschnitte aus Virgil auswendig wusste. Wie er einmal um 4 wieder nicht zu Hause war, schlug ich mich unter die Toilette und conjugierte ganz laut, um meine Angst zu überschreien: amo, amas, amat… Ich war gerade bis amaverunt gekommen – „vel amavere!“ rief eine liebe fröhliche Stimme. Anna Nikolaevna kam indessen zurück und brachte Geschenke mit aus Berlin: für mich eine Zauberlaterne, für meinen Vater eine Pariser MickiewiczAusgabe, die sie sehr geschickt in ihrem Muff u. dergl. durchgeschmuggelt hatte – in Anbetracht der Zeitverhältnisse eine sehr gefahrvolle Aufgabe. Nun konnte ich auch die in Russland verbotenen, patriotischen Schöpfungen meines Lieblingsdichters kennen lernen, voran den dritten Teil der „Ahnen“ („Dziady“)*, der einen tiefen Eindruck auf mich machte. Ergänzend trat die französische Literatur hinzu, soweit sie meinem Alter entsprach; da war Jeanne d’Arc meine Heldin. Seltsam war meine völlige Unkenntnis der russischen Literatur, die ich mir kaum zu erklären weiß, denn mein Vater kannte und liebte sie; überhaupt sprach ich russisch nur mit den Dienstmädchen, und das war darnach.

IV Das Jahr 1867 machte meiner Vereinsamung ein Ende, indem es mir als Spielgenossen meinen Bruder zurückgab. Mit so unendlicher Freude hatte ich ihn erwartet – und so bitter war die Enttäuschung, als er wirklich ankam. Er hatte gerade in Skrzypczyce eine Krankheit durchgemacht und sah sehr elend aus, dazu am ganzen Körper mit Schorf bedeckt. Doch das gab sich mit der Zeit, und wir gewannen einander sehr lieb. Wohl war er kränklich – unsere Mutter war bereits schwindsüchtig, als sie ihm das Leben gab, und das hatte eine böse Anlage zur Folge, die nachher zwar nicht zur Schwindsucht, wohl aber zu einem schweren Leberleiden führte und seinem Leben ein frühzeitiges Ende machte (1916). Damit stand im Zusammenhang sein reizbares, launisches Wesen; im Gegensatz zu mir war er der Bücherweisheit durchaus abhold, hatte aber dafür einen praktischen Sinn, der sich freilich mangels vernünftiger Betätigung in allerhand schlimmen Streichen Luft machte. Ihm gegenüber hatte A.N. eine große Schuld auf sich geladen; wohl war er ein schwer zu behandelndes Kind, aber sie hätte ihn doch nicht so vernachlässigen sollen, wie sie es getan hat. Nun hatte ich aber doch einen Gespielen und nutzte ihn gehörig aus. Das erste war, dass ich ihm die ganze Mythologie aufband – gute und böse Geister mit ihren meist ganz verrückten Namen und schauerlichen Geschichten – die ich mir zu meinem Hausgebrauch ausgedacht hatte; an die hatte er unbedingt zu glauben, wofür ich durch wiederholte Examina sorgte, und schließlich glaubte ich auch selber halb an sie, bis A.N. hinter den Spuk kam und mich bei meinem 55

Vater wegen meiner Ketzerei zur Rede stellte. Leider kann ich mich nicht rühmen, meinem Bruder auch etwas Vernünftiges beigebracht zu haben von dem vielen, was ich bereits wusste; allerdings hatte er auch nicht viel dafür übrig. Die Kränklichkeit meines Bruders veranlasste meinen Vater, von nun an für Landaufenthalt zu sorgen: erst war es (1867) Wyra, ein ziemlich reizloses Dorf in der Nähe Siverskaja (2 ½ St. von Petersburg an der Warschauer Bahn), dann zwei Sommer hintereinander Gatino. Besonders gefiel mir letzteres, nicht so sehr seiner schönen Parks wegen, für die ich wenig Verständnis hatte, als wegen der freien Natur im Umkreis, der Wälder, Felder und Sümpfe. Nun war meine Sehnsucht erfüllt; ich gewann sie abgöttisch lieb, diese Natur, und konnte nicht umhin, wenn ich mich unbeobachtet wusste, die schönsten Bäume zu umarmen und zu küssen, besonders die gesprächigen Zitterespen. Mein Bruder kam gleichfalls auf seine Rechnung, wenn auch auf andere Weise. Er trieb sich gern mit den Bauernjungen herum, und ich sah ihn öfter rittlings auf einem Pferd, oder wenigstens auf einem Wasserfass, oder auch auf geliehenen Stelzen. Meine Sache war das nicht, und zwar nicht aus Hochmut (mein Vater führte mir zwar oft zu Gemüt, dass ich ein Edelmann sei – szlachcic – aber nur im Sinne der Noblesse oblige); eher war eine gewisse Schüchternheit und Verträumtheit daran schuld. Es war jedenfalls ein Nachteil, und als ich es einsah und mich entsprechend zusammen nahm – schon als Student –, war es beinahe zu spät. So kam mein zehntes Lebensjahr heran und damit die höchste Zeit, mich eine Schule besuchen zu lassen. Die Sache war nicht so einfach. Der polnische Aufstand von 1863 zitterte noch immer nach in seinen Folgen, und zu diesen Folgen gehörte auch eine beträchtliche Erweiterung des Risses zwischen der polnischen und der russischen Gesellschaft. Mein Vater hatte sich immer – unbeschadet seiner Loyalität als Beamter – als Pole gefühlt und auch uns in dementsprechenden Gefühlen erzogen; das war ein großes Hindernis für unser Fortkommen in einem russischen Gymnasium, nicht sowohl der Lehrerschaft, als den Kameraden gegenüber. Zum Glück hatten die deutsch evangelischen Gemeinden in St. Petersburg ihre eigenen, gleichberechtigten Schulen mit deutscher Unterrichtssprache und vorwiegend deutscher Schülerschaft; von den beiden bedeutendsten – zu St. Annen und St. Petri – war es aus mir unbekannten Gründen die erste, die ihn anzog. Wir hatten damals bereits eine andere Wohnung bezogen, Ecke Stremjannaja und Povarskoj, so dass die Entfernung nicht allzu groß war; ein schlimmeres Hindernis war meine gänzliche Unkenntnis der deutschen Sprache. Um diese Lücke auszufüllen, wurde ein Primaner aus dieser selben Schule für den Sommer 1869 – den wir, wie gesagt, in Gatino verlebten – ins Haus genommen. Die Hoffnung schlug indessen fehl. Es war ein durchaus liebenswürdiger, anständiger junger Mann; ob es aber Leichtsinn, oder Berechnung war – kurz, statt sich damit abzuquälen, mir Deutsch beizubringen, zog er es vor, mir mein fixes Französisch abzulernen. So war ich denn im August jenes Jahres im Deutschen gerade so weit, als ich im Mai gewesen war. Das zeigte sich mit Schrecken beim Eintrittsexamen. Für die Quinta (der späteren II. Gymnasialclasse entsprechend) geprüft, bestand ich im Russischen befriedigend, in Arithmetik gut, in Latein, Französisch und Geographie ausge56

zeichnet. Dagegen im Deutschen erlitt ich an der Declination von „der Fisch“ vollständigen Schiffbruch. Aufgenommen wurde ich dennoch, aber unter der Bedingung, dass ich in ein Pensionat mit deutscher Umgangssprache getan würde. Mein Vater war auch zu diesem Opfer bereit. So wurde ich denn vom 7. August 1869 an Annenschüler* und zugleich Pensionär beim Kalligraphielehrer Meyer, dicht neben dem Schulgebäude. Mit einem Schlag ein ganz umgewandeltes Leben.

V Der Pensionsvater Meyer war harmlos und bedeutungslos; wir bekamen ihn nicht oft zu sehen und sprachen mit ihm fast nie. Der eigentlich leitende Geist war die Pensionsmutter, eine wohlbeleibte energische Frau, die mit ihrer lauten Stimme in unserer Schar wohl Ordnung zu halten wusste. Außer dem Deutschen beherrschte sie vollständig das Französische, was für mich sehr wichtig war; für die übrigen Fächer war ein Repetitor engagiert, der sich mit uns von 3 bis gegen 8 abgab – meist ein älterer Student. Über Kost und Sauberkeit war nicht zu klagen. Die Zahl der Pensionäre schwankte zwischen 12 und 15; als Schlaf- und Aufenthaltsraum diente ein großes Zimmer; jeder hatte neben seinem Bett ein Schränkchen. Ein anderes großes Zimmer hatte einen Riesentisch in der Mitte; das war das Speise- und Studierzimmer. Aufgestanden wurde um 6 ½; um 7 gab es den Morgentee mit reichlich Zwieback, um 9, manchmal auch um 8, begann der Unterricht im benachbarten Schulgebäude, zu dem jeder ein großes, inwendig belegtes Franzbrot mitbekam – wenn’s gut kam, mit Preiselbeersaft, wenn schlecht, mit kommunem Schweizer Käs. Um 2, oder auch um 3 kam man zurück; dann wurde eine Stunde lang mit dem Repetitor spaziert, oder auch im Schulhof gespielt. um 4 ½ rief die große „Fressglocke“ zum Mittagessen: drei Gänge, von allem reichlich, auch schmackhaft, wenn es gerade nicht zum Fleisch weiße Bohne, oder zum dritten Landkuchen gab, welche Speisen ich nicht ausstehen konnte. Von 5 ½ bis 8 dauerte das Lernen; wer früher fertig wurde, hatte sich still zu verhalten, wer um 8 noch im Rückstand war, durfte (oder musste) sich tags darauf entsprechend früher wecken lassen. Um 8 kam der Abendtee, worauf man bis 9 ½ bei Gespräch und Spiel (Schach, Dame, Domino) beisammen blieb; dann ging es zu Bett in das große Schlafzimmer, in dem die Wandlampe mit gedämpftem Licht die ganze Nacht brannte. Alles in allem, ein gutes Pensionat; der Geist der Ordnung waltete überall, was mir besonders nützlich war, und das verdankten wir der damals vielfach angefeindeten, im Grunde aber trefflichen „Madame Meyer“. Mit mir gab sie sich besonders gern ab – ich glaube deshalb, weil ich von allen am besten französisch sprach. Das tat übrigens meinem Deutschlernen keinen Abbruch; dank der freundlichen Atmosphäre war ich bereits nach einem Semester auf der Höhe der Klasse. 57

Denn darin hatte sich mein Vater nicht getäuscht: Von den deutschen Kameraden wurde ich wirklich kameradschaftlich aufgenommen, von den russischen als Pole abgelehnt, verhöhnt und vielfach misshandelt. Zwar im Pensionat hatte ich Ruhe: Die Knaben waren dort teils Polen, was mir besonders wohl tat, teils Deutsche (Balten); der einzige Russe war jünger als ich und konnte mir daher nicht imponieren. Was die Schule anbelangt, so bestand sie aus einer classischen und einer Realabteilung (die Mädchenschule hatte ihren besonderen Eingang und ging uns nichts an). In der classischen war die deutsche Sprache, in der Realabteilung die russische vorherrschend. Ich selber war nicht nur der Jüngste in meiner Klasse, sondern auch der Kleinste, dabei schmächtig, ungelenk und schwach, was mich natürlich den Misshandlungen besonders aussetzte; mein stilles Morgen- und Abendgebet war damals: lieber Gott, mache mich stark! Denke ich an jene ersten Schuljahre zurück, so steht mir besonders vor Augen die freundliche Gestalt des Lehrers A. Dittmann; sehr wohlbeleibt, dabei aber sehr mickrig, gründlich kahl, das leuchtend rote Gesicht spärlich grau bewachsen. Seine Fächer waren in der Quinta Latein, Deutsch und Geographie. Ein Pädagoge alten halbgeistlichen Schlages, hatte er eine wertvolle Gabe – eine große Lehrfreudigkeit, die denn auch auf unserer Seite eine entsprechende Lernfreudigkeit weckte. Ihm verdanke ich meine erste Bekanntschaft mit der deutschen Poesie, die dann zu Hause durch weitere Lektüre erweitert wurde (zu Weihnachten lernte ich aus eigenem Antrieb Bürgers „Kuh“ auswendig* – das sagt genug). Dass er als Ostpreuße auf Polen schlecht zu sprechen war, erfuhr ich erst viel später; mich hat er immer mit großer Güte behandelt. Die Quarta brachte andere Lehrer und andere Aufgaben – Geschichte, Griechisch und den deutschen Aufsatz. Die beiden ersten ruhten in denselben recht schwachen Händen; Formen und Jahreszahlen wurden eingepaukt, das war alles. Die Methode war abschreckend und hat auch abgeschreckt; ich persönlich darf nicht klagen, denn sie gab mir ein festes morphologisches und chronologisches Gerippe – Fleisch und Blut kamen später. Was den deutschen (und später auch russischen) Aufsatz betrifft, so muss ich gestehen, dass ich es darin bis zuletzt nicht über eine halbwegs anständige Mittelmäßigkeit brachte; das gab mir später in meinen Mannesjahren, als ich in beiden Sprachen ein anerkannt guter Stilist war, viel zu denken. Die Tertia war nur die Fortsetzung der Quarta; das Pensionat hatte ich längst nicht mehr nötig, wurde aber doch drin belassen, weil es mir augenscheinlich gut bekam – ich war der Rangordnung nach stets der Quartus oder Tertius. Vielleicht waren auch andere Gründe maßgebend. Unsere häuslichen Verhältnisse gestalteten sich nämlich immer unerquicklicher. Zwischen A.N. und meinem Bruder war offene Feindschaft; sie vernachlässigte ihn vollkommen, er rächte sich durch allerhand schlimme Streiche. Mit meiner mütterlichen Verwandtschaft waren wir auseinander, besonders seit – es war 1869, dicht vor meinem Schuleintritt – jenes Schwesterchen zur Welt kam. Ich bekam wenig davon zu spüren: während der Schulzeit war ich nur sonntags zu Hause und wurde dann von allen verhätschelt, und im Sommer waren wir auf dem Lande (1870 in Luga, 1871 in der Saratovschen Kolonie an der 58

Neva und 1872 in Pargolovo)*. Aber der Landaufenthalt und meine Pension kosteten Geld; mein Vater verschaffte es sich durch seine Nebentätigkeit als Anwalt, die ihn ihrerseits um seine Nachmittags- und auch Nachtruhe brachte. Er wurde mager und blass; ein zu spät konsultierter Arzt constatierte ein Exsudat in der Lunge. Er wurde bettlägerig. Dass ihm nach vier Monaten Dienstversäumnis das Gehalt entzogen wurde, erfuhr ich erst später. Nach Pargolovo, in der Untersecunda, gab es kein Pensionat mehr – es sei nicht mehr nötig. Einst von der Schule zurückgekehrt, vermisste ich das Klavier – es sei verliehen, wir würden es zurückbekommen. Ein andres Mal verschwand ebenso rätselhaft eine große chinesische Vase, unser kostbarstes Stück – da fragte ich nicht erst. Am Charfreitag 1873 wurde ich in aller Frühe mit einem Brief zum Taufvater des Jüngsten geschickt, einem wohlhabenden Mann (kurz vorher waren nämlich die beiden Kinder getauft worden, beide zugleich, im Alter von 4 und 2 Jahren – natürlich orthodox). Ich musste lange im Vorzimmer warten; als ich vorgelassen wurde, fragte mich der Herr freundlich nach meinen Studien, streichelte mich und gab mir beim Abschied den geöffneten Brief zurück. Er kam mir dicker vor gegen früher; wie ich hinschaute, war ein 25-Rubelschein drin. Soweit war es also mit uns gekommen! – In jener selben Zeit ging auch jene zu Anfang erwähnte goldene Schachtel verloren. Und mein Vater immer elender, immer trauriger. Das gab ein schlimmes Lernen; bei der Weihnachtscensur 1872 war ich nur noch der 18-te. Für meinen Vater ein neuer Schmerz; es rührt mich noch, wenn ich daran denke, dass ich ihm zum Trost einen längeren Abschnitt aus Virgil auswendig declamieren musste; nun sah er doch, dass ich nicht verloren war. Im Frühjahr ging es mit ihm immer mehr abwärts – und mit mir auch. Im deutschen Unterricht kamen als etwas Neues Vorträge auf; ich wusste überhaupt nicht, wie ich so etwas anzugreifen hatte. Als die Reihe an mich kam – das Thema lautete „Friedrich Schiller“ – läpperte ich mühselig aus dem, was ich von meinen Vorgängern gehört hatte, etwas zusammen, das denn auch die wohlverdiente Censur „unter aller Kanone“ erhielt. Meine Gedanken waren ständig daheim – an jenem hoffnungslosen Krankenbett. Nun kam es schon vor, dass mein Vater die Frage nach etwas, wonach er soeben gefragt hatte, wiederholte. Ich hatte einmal die Torheit, darüber zu lachen. „Du lachst über etwas, was meinen Tod bedeutet!“, sagte er mir vorwurfsvoll. Ich schauderte. An einem Sommertage wurde es wahr. Unser ganz wenige gaben ihm das Geleit – nach dem katholischen Friedhof auf der Vyborger Seite*. Ich ging dicht hinter dem Sarge her, immer lauschend, ob es drinnen nicht klopfen würde – und immer betend. Es war vorbei. Das war auf Jahrzehnte hinaus der tiefste Stand meines Lebens. 1863 war gewesen; jetzt schrieb man 1873; 1923 stand in weiter Ferne bevor.

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VI Nun waren wir ganz verwaist. Unser nächster Verwandter war mein Onkel Alexius, der einzige Bruder meines Vaters. Er hatte bisher in unserem Leben keine große Rolle gespielt; als Eisenbahningenieur lebte er beständig in der Provinz und kam nur selten und auf kurze Zeit nach Petersburg – eine gern gesehene Gestalt übrigens, da er uns dabei regelmäßig beschenkte. Als der Tod meines Vaters bevorstand, kam er zu dauernderem Aufenthalt nach Petersburg. Ich sah bei der Gelegenheit, dass er verheiratet war, wenn auch kinderlos, sodann aber, dass seine dem russischen Kleinbürgerstande angehörige, kaum des Schreibens kundige Frau, Eugenia Vasil’evna, die „Frau Staatsrätin“, wie sie A.N. nannte, nicht leiden konnte. Vor dem Sterbebett meines Vaters wurde eine Versöhnung ins Werk gesetzt, die freilich seinen Tod nicht überdauerte. Uns beide nahm Onkel Alexius zu sich mit dem strengen Verbot, jemals Anna Nikolaevna zu besuchen. Was den Hass der beiden und besonders Eugenia Vasil’evnas besonders schärfte, war der Umstand, dass Anna Nikolaevna sich vor dem Tode meines Vaters das bisschen Hab und Gut notariell hatte abtreten lassen. Ich war Zeuge des Acts gewesen und hatte nicht protestiert; auf eine harmlose Äußerung meinerseits, die sie als Vorwurf auffasste, hatte sie unter Tränen geantwortet: „Ich habe doch deinem Vater meine Jugend hingegeben, und da sind die zwei Kinder, und ich bin ganz verlassen!“ Das letztere war insofern richtig, als ihre teils wohlhabenden, teils reichen Geschwister sich um sie durchaus nicht kümmerten und jetzt ferner waren als je. Ich konnte ihr daher diesen Act nicht übel nehmen, und jenes Verbot tat mir weh: sie war immer zu mir gut gewesen, ich hatte sie lieb und die Kinder, besonders das hübsche Schwesterchen, auch. So gab es denn einen Riss mehr. Im Übrigen durfte ich nicht klagen: trotz meiner schlechten Leistungen – ich war nach Obersecunda mit Nachexamina versetzt worden – wurde ich in der Schule belassen, ja sogar – da mein Onkel im Herbst verreisen musste – für ein Semester dem Meyerschen Pensionat zurückgegeben. Das war freilich das letzte Zugeständnis: Mein Onkel, ein erklärter57 Feind der classischen Bildung, hatte in weiterer Ferne für mich seine eigene Carriere in Aussicht genommen, und verlangte, ich sollte mich beizeiten zum Examen ins Wegebauteninstitut vorbereiten – was ich mir gern gesagt sein ließ. Schlimmer stand es mit meinem Bruder, der ganz und gar vernachlässigt war: Der Junge wusste rein gar nichts und wurde mit seinen 12 Jahren mit knapper Not in die I. Classe des Waiseninstituts in Gatino aufgenommen. Wir sahen uns seitdem nur noch selten. Überhaupt war die polnische Periode meines Lebens vorbei; die jetzt folgte, muss ich die deutsche nennen. In der Schule nämlich hatte sich meine Stellung seit dem Wiedereintritt bei Meyers zusehends gebessert, und zu Neujahr 1874 ereignete sich dort etwas, was für mein weiteres Leben von entscheidender Bedeutung werden sollte. Der Lehrer, der uns bis dahin schlecht und recht im Lateinischen unterrichtet hatte, 57

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wurde als Inspektor an ein russisches Gymnasium versetzt und seine Stunden wurden einem gerade damals in Petersburg frisch angekommenen jungen Österreicher übertragen, einem Schüler von Hartel und Vahlen – Joseph Koenig. Der bekam nun mit dem sonstigen Erbe seines Vorgängers auch unsere ersten lateinischen Aufsätze – über Ciceros „Pompejana“ – als Ferienlektüre. In einer der ersten Stunden nach Neujahr wurden sie mit des neuen Lehrers Kritik an die Schüler verteilt; da war ich nun nicht wenig erstaunt, als an allererster Stelle mein Name genannt wurde. Kein Wunder, dass seitdem das Lateinische bei mir obenan stand. Im zweiten Semester wurde Sallust gelesen, noch sehe ich das saubere Heftchen, das ich mir für ihn angelegt hatte, vierspaltig: die beiden mittleren für die Übersetzung, die äußere links für meine Präparation, die äußere rechts für Koenigs Commentar. Das war endlich der Lehrer, der mir Not tat: solider Fachmann, dabei encyclopädisch unterrichtet, elegant im Vortrag, lebhaft, interessant; und vor allem – die Lehrfreudigkeit sprühte aus seinem ganzen Wesen. Was Dittmann auf der unteren Lehrstufe gewesen war, das wurde er in entsprechend vergrößertem Maßstabe für die höhere. Mein Onkel, bei dem ich nun wieder wohnte, ließ sich das kopfschüttelnd gefallen, da er sah, dass meine mathematisch-physischen Privatstudien darunter nicht litten; um den „toten“ Sprachen ein Gegengewicht zu schaffen, ließ er mir – wofür ich ihm noch dankbar bin – englische Privatstunden geben. Es wurden leider nur neun, da der Lehrer nach der neunten – hoffentlich unabhängig davon – verrückt wurde; aber der Grundstock war doch gelegt. So gab es denn viel Arbeit; es ging aber gut, auch in den übrigen Fächern, mit Ausnahme – wie während der ganzen Schulzeit – des Russischen. Aber daran waren nur die Lehrer schuld, die mit ihrem spöttischen Wesen, mit ihrem gänzlichen Mangel an Idealismus gar sehr von den anderen abstachen und die Unlust, die sie erweckten, auch auf ihr Fach ausstrahlen ließen, so dass die vielen Schönheiten der russischen Literatur mir bis zuletzt verborgen blieben. Nur Puschkin war nicht totzukriegen. Nach Unterprima wurde ich als Primus versetzt. Den Sommer musste ich wieder in der Stadt zubringen, so dass mir ein kurzer Besuch in Pargolovo bei Meyers, die mich freundlich eingeladen hatten, sowie wiederholte Sonntagsausflüge zu meinem Bruder in Gatino, wobei wir die Sümpfe um die Parks gründlich durchstöberten, einige Erfrischung brachten. Um so größer wurde die Abwechslung, die die ersten Schulwochen in der Prima brachten.

VII Da die Prima der unmittelbaren Leitung des Directors unterstand, ist es Zeit, auch über diesen einige Worte zu sagen. Er hieß Dr. Julius Kirchner und war ein Philologe theologischer Prägung, wie sie in Deutschland im XVIII. Jh. die ausnahmslose Regel, aber auch im XIX. recht häufig waren – in der Praxis ein 61

durchaus achtungswerter Typus. Hoch gewachsen, das regelmäßige, schöne Gesicht von grauem Haupthaar und Backenbart umrahmt, war er die verkörperte freundliche Würde; es schien undenkbar, dass jemand sich ihm gegenüber eine dreiste Antwort erlauben könnte. Sein Lehrfach in der Prima war deutsche Literatur und außerdem als ein classisches Privileg Homer und Horaz, während die übrigen griechisch-lateinischen Stunden Koenig zugefallen waren; doch war das Unterrichten nicht gerade seine starke Seite, so ehrwürdig er auch im übrigen war. Bisher war ich nicht mit ihm in directe Beziehung gekommen, wenn er auch um mein Unglück wusste und mein Geschick, wie sich’s jetzt herausstellte, mit väterlicher Sorge verfolgte. Eine Veränderung stand wieder bevor: Mein Onkel sollte nach Perm abreisen, um dort die Uralbahn bauen zu helfen, mich wollte er als Kostgänger in einer bekannten Familie placieren. Der Director schlug etwas Besseres vor. Ein gewisser Alex. Dan. Schumacher, als wirklicher Geheimrat und Departementsdirector im Ministerium des Inneren, der hohen Beamtenaristokratie zugehörig, hatte sich an ihn gewandt um einen – nicht sowohl Hauslehrer als älteren Kameraden zu seinen beiden jüngsten Söhnen, deren einer als Untersecundaner die Annenschule besuchte. Der Director empfahl mich – und so wurde ich mit einem mal aus den bescheidensten Verhältnissen ziemlich auf die Höhe des gesellschaftlichen Lebens versetzt. Es war eine mittelgroße Familie: beide Eltern am Leben, die beiden ältesten Söhne Studenten – natürlich Juristen – zwischen den beiden Paaren eine heiratsfähige Tochter, die denn auch bald darauf einen Freund des älteren Bruders, einen Dr. Asche, heiratete. Sie war es hauptsächlich, die den Charakter des Verkehrs bestimmte: Gesellschaften, Bälle wurden besucht und gegeben, und wenn das Getriebe mich auch nicht unmittelbar hereinzog – ich wohnte mit den beiden Knaben in den Oberstuben und bekam nur bei den Mahlzeiten die übrige Familie zu sehen – so merkte ich dennoch den Abstand sehr wohl: Ich mochte noch so sehr durch allseitiges Wissen glänzen – das wurde durchaus anerkannt, wie ich denn von den älteren Geschwistern „das wandelnde Conversationslexikon“ genannt wurde – der gesellschaftliche Schliff gab ihnen eine große Überlegenheit über mich, der ich bis dahin in dieser Beziehung ganz ohne Ratgeber gewesen war. Über Mangel an Freundlichkeit konnte ich nicht klagen; der Vater stellte mich den Gästen gern als seinen „mittleren Sohn“ vor, und auch mit den andren hatte ich nie einen unangenehmen Auftritt. Doch fühlte ich selber auf Schritt und Tritt, was mir fehlte. Bei größerer Beobachtungsgabe hätte ich die Lücken rasch ausfüllen können, zumal meine Herkunft als Edelmann Staatsratssohn keine üble Anwartschaft bedeutete. Aber die mangelte mir gleichfalls; dafür hatte mir die Romantik schon damals ihren Rosaschleier um die Augen geworfen. Nicht in der Weise, dass sie mich zu einer größeren Torheit hingerissen hätte; wohl aber gab sie mir hin und wieder eine kleinere Dummheit ein, so dass ich z. B. den jungen Leuten aufband, ich sei am 29. Februar geboren. Die Strafe bekam ich noch viel später zu spüren, als ich am 29. Febr. 1880, wo ich längst Student und über dieses Sta62

dium hinaus war, von ihnen einen ernst gemeinten Gratulationsbrief zu diesem „so seltenen Tage“ erhielt und darüber schamrot wurde. In der Schule ging es immer besser. Das Herz des Directors gewann ich völlig durch einen über Weihnachten verfassten Balladenkranz, der in Uhlandschen Nibelungenstrophen* das Schicksal der Atriden behandelte; es wurde ihm die Ehre zuteil, an erster Stelle vorgelesen zu werden, aber zutreffender war doch die private Kritik meines Kameraden Ed. Schneider, es sei darin „der antike Stoff mit der germanischen Form eine unerquickliche Zwangsehe eingegangen“. Aber weitaus die Hauptsache war der Verkehr mit Koenig. Denn es war in der Tat ein Verkehr. Da er den Eindruck merkte, den seine geistvolle Interpretation der Schulautoren auf mich machte – es waren in der Unterprima Sophokles’ „König Ödipus“ und Ciceros „Laelius“ – regte er mich zur Privatlektüre an und lud mich dann periodisch zu sich ein, um das Gelesene gemeinsam zu besprechen. Das waren schöne, unvergessliche Stunden; sie waren es denn hauptsächlich, die in meinen Zukunftsplänen einen vollständigen Umschwung herbeiführten. Ich hatte den Wunsch meines Onkels nicht vergessen und studierte ganz fleißig descriptive Geometrie nebst einem paar zum Teil mehrbändigen Handbüchern der Physik; aber die Ingenieurcarriere verblasste immer mehr vor meinen Augen, und als zum Schluss des Schuljahres der Director mich – noch unverbindlich – fragte, was ich studieren wollte, antwortete ich: „classische Philologie“. Er lächelte und drückte mir die Hand. Noch stand jedoch die Oberprima bevor und vor ihr der Sommer 1875; den sollte ich nebst meinem Bruder bei meinem Onkel in Perm zubringen. Ich nahm Abschied von Schumachers; trotz aller Freundlichkeit hatte ich nicht den Eindruck dort gut bestanden zu haben. Für die letzten Tage vor der Abreise bot uns eine dem Onkel befreundete Familie Gastfreundschaft; er hatte geschrieben, ich sollte einstweilen das von Schumachers erhaltene Honorar, etwa 60 Rubel, für die Reise verwenden, wir würden es nachher verrechnen. Nun hatte ich noch auf meinen Bruder zu warten, zu dem ich eines Sonntags hinausfuhr, um das Weitere zu verabreden. Da wurde den ganzen Tag gründlich in den Sümpfen herumgestrolcht. Als ich aber am Abend das Billet für die Rückfahrt lösen wollte, entdeckte ich, dass das Portemonnaie fort war – und die 60 Rubel mit. Das Suchen in den Sümpfen blieb natürlich erfolglos; müde wie ich war, musste ich den Heimweg – 42 Werste – zu Fuß machen. Das dauerte die ganze Nacht, halbtot kam ich an und schlief 24 Stunden in einem fort. Es war nicht das Schlimmste. Das Reisegeld – natürlich nur das allernotwendigste – musste geborgt werden. Von Petersburg über Moskau nach Nižnij Personenzug III. Klasse, zwei Tage und zwei Nächte; von Nižnij über Kazan nach Perm per Dampfschiff, sonst ein Hochgenuss, aber auf Deck, 3 Tage und 3 Nächte, mit nichts, als je einem Franzbrot täglich als Nahrung – Tortur. Aber auch das war nicht das Schlimmste, sondern der Empfang, der auf mich in Perm wartete. Mein Onkel erklärte mir unumwunden, dass er an das alberne Märchen vom verlorenen Gelde nicht glaube: Ich hätte es sicher Anna Nikolaevna gegeben. Ich wäre stolz gewesen, wenn ich es hätte bejahen können: Sie litten arge Not. Aber alles Leugnen war umsonst. Und als ich ihm gar von meinem verän63

derten Entschluss Mitteilung machte, war dem Fass vollends der Boden ausgeschlagen; für so was, meinte er, könnte ich auf ihn nicht rechnen. Und als der Sommer um war und ich mich nicht besserte, gab er mir für die Rückreise 30 Rubel mit den Worten, es sei das Letzte, was er mir gebe. Ich habe ihn auch nicht wieder gesehen. Er war nicht der einzige meinen neuen Vorsatz zu verdammen, auch jener Herr, der mir vor der Abreise Gastfreundschaft gewährt hatte und sie jetzt wieder gewährte, war derselben Meinung. „Als Pole wollen Sie in russische Staatsdienste treten und ihre Kräfte diesem Ministerium der Volksverdummung (das ist ein Kapitel für sich) widmen; wie stellen Sie sich nun Ihre Carriere vor? Ja, zu arbeiten wird man Ihnen erlauben, auch doppelt und dreifach im Vergleich zu den Anderen; wenn aber die Belohnung in Frage kommt, wird man Ihnen den erstbesten Ivanov und Petrov vorziehen“. Damit predigte er jedoch tauben Ohren; und wenn ich auch jetzt, nach fast 50 Jahren, gestehen muss, dass er nicht so ganz unrecht gehabt hat – meinen damaligen Vorsatz bereue ich dennoch nicht. Doch zuerst galt es fürs tägliche Brot zu sorgen. Der Director, an den ich mich wandte, gab mir, was er gerade hatte – eine Gouverneursstelle bei einer alten Generalswitwe. Das war nun eine wahre Hexe äußerlich und innerlich, dabei unsauber und geizig; trotz ihres Reichtums – sie war Eigentümerin eines großen Hauses an der Preobraženskaja mit einem schönen Obstgarten – gab es bei ihr oft kein Mittagessen, wir mussten uns mit Butterbroten begnügen, am Tisch über dem Meerschweinchenterrarium, dessen Geruch die ganze Stube erfüllte. Gott hatte sie mit einem völlig degenerierten Sohne gestraft, der, älter als ich, kaum der Elemente kundig war, und sein Hauptinteresse den sexuellen Vorgängen beider Meerschweinchen zuwandte. Den sollte ich nun unterrichten. Zwei Monate hielt ich’s aus, dann gab es aber ein Ende mit Knalleffekt. Der Bursch hatte sich nämlich erlaubt, der Magd eine Ohrfeige zu verabfolgen; die bekam er zwar sofort von mir zurück, die Folge war aber eine heftige Auseinandersetzung mit der Generalin, worauf ich meine Sachen zusammenpackte und ging… Wohin? Wusste ich selber nicht. Aber die Nachbarn, die von der Sache sofort erfahren hatten – freundliche Leute, die der Hausbesitzerin durchaus nicht grün waren – fingen mich auf der Treppe auf und führten mich in demonstrativem Triumph zu sich. Diese Gastfreundschaft durfte freilich nicht missbraucht werden; für die Folgezeit richtete ich mich also ein. Ein Kamerad namens Gerlach wohnte in einem möblierten Zimmer an der Litejnaja; mit dem machte ich halbpart, wobei ich mir das Geld durch Privatstunden – angefangen mit jenen Nachbarn – verschaffte. So hatte ich zum Überfluss noch einen Studiengenossen; denn Gerlach, von seinem Vater, einem Obersten, zur militärischen Carriere verurteilt, hing stark an den Classicis und trieb gern mit mir Privatlektüre. Natürlich dauerte jene liebreiche Fürsorge Koenigs fort; Sophokles wurde fortgesetzt, von Cicero waren wir zu Plato fortgeschritten, den ich freilich damals mehr ahnte, als begriff. Aber begeistern taten mich beide, und das war die Hauptsache. 64

Mit Schumachers war es lau. Anfangs hatte ich ihre freundliche Aufforderung, hin und wieder zu Mittag zu kommen, in meiner naiv romantischen Weise zu wörtlich genommen; eines schönen Tages erzählte mir die Haustochter die Geschichte von einem bekannten Waisenknaben, der, auf eine bestimmte Zeit in ein gutes Haus geladen, nachher so viel Takt besaß, dass er sich in seine bescheidenen Verhältnisse zurückzog. Ich fand die Geschichte sehr interessant und ließ mir die Moral – sie trat unter den vielen Details nicht so krass hervor, aber doch deutlich genug, um auch durch meinen romantischen Schleier zu dringen – gesagt sein. Auch für die Folgezeit, wo man auf die Bekanntschaft mit mir vielleicht mehr Wert gelegt haben würde. Immerhin brach ich den Verkehr nicht ganz ab, zumal die Knaben mich nicht ungern besuchten. Ich konnte ihnen nämlich mit etwas ganz Besonderem aufwarten: Es war die Chemie, die ich experimentell betrieb und für die ich mir allmählich ein ganzes Laboratorium eingerichtet hatte. Sie faszinierte mich geradezu; wie ich mich auf sie zurückbesinne, war mein Interesse zu ihr durchaus alchemistischer Art, dem nicht unähnlich, das ich später bei dem jungen Goethe wieder fand. Allmählich rückte das Abiturientenexamen heran; Director Kirchner, dessen väterliches Auge beständig auf mir ruhte, hatte mir eine Unterstützung ausgewirkt, so dass ich die Privatstunden aufgeben konnte. Erst die schriftlichen Prüfungen: griechisches Scriptum, lateinisches Scriptum, deutscher Aufsatz, mathematische Aufgaben – alles ganz glatt. Russischer Aufsatz; das vom Lehrbezirk geschickte Thema lautete: „Charakteristik iikovs“. „Ja“, meinte Koenig, „wer das entsprechende Werk nicht gelesen hat, ist verloren“. War es aber möglich, dass ein Abiturient eines Petersburger Gymnasiums die „Toten Seelen“ nicht gelesen haben sollte? Leider gab es doch einen, und das war ich. Ich hatte zwar bei Schumachers, die eine gute Klassikerbibliothek besaßen, recht viel gelesen, auch Minderwertiges, aber zufällig gerade dieses nicht. So war ich denn nicht wenig bestürzt: Es stand für mich alles auf dem Spiel, denn für die Aussichten, von denen gleich die Rede sein soll, war ein gut bestandenes Examen die erste Bedingung. Da fiel es mir ein, dass zu Anfang des Schuljahres der schwächste meiner Mitschüler, Kämmerling, als freien Aufsatz eine Inhaltsausgabe der „Toten Seelen“ geliefert hatte; sie war so miserabel, dass der Lehrer sie zur Strafe vorlesen ließ. Ihr entnahm ich jetzt die nötigsten factischen Data und salbaderte dann kräftig drauf los. Beim „Mündlichen“ musste ich mir freilich ein paar bissige Bemerkungen gefallen lassen, aber da ich mich mittlerweile beeilt hatte, das Werk selbst zu lesen, so konnte ich mich verteidigen und es im ganzen zur Note „Gut“ bringen. Es war alles Mögliche. Was aber jene Aussichten anbelangt, so hatte mich Koenig kurz vorher gefragt, ob ich nicht, statt in Petersburg, lieber in Leipzig studieren wolle. Es klang mir wie ein Märchen. Tatsächlich war aber kurz vorher durch Al. Iv. Georgievskij in Leipzig unter des großen Friedrich Ritschl Directorat ein russisches philologisches Seminar* gegründet worden. Also ein dreijähriges sorgenfreies Studium – und dazu in Leipzig! „Sie werden zu Füßen eines Georg Curtius sitzen“, meinte Koenig. Die Zukunft mit einem Schlage gelichtet! Aber dazu war, wie gesagt, ein gut bestandenes Examen Hauptbedingung. 65

Gleichzeitig war der Geist über mich gekommen. Ich hatte im „Theognis“ von der Hochzeit des Kadmos gelesen, bei der die Musen und Chariten Lieder gesungen hätten über das Thema: „nur das Schöne ist lieb, das Unschöne unlieb“. Es fiel mir nun ein, diese Gesänge zu reconstruieren – es waren ihrer neun plus drei – und zwar auf Griechisch; das also entstandene, ziemlich umfangreiche Poem dedicierte ich dann Koenig. Der zeigte es dem Akademiker58 Nauck, der darin eine ziemlich talentvolle Anfängerarbeit erkannte. Koenig ging aber in seinem Wohlwollen soweit, ausgewählte Teile davon in das Programm des feierlichen Actus aufzunehmen. Dieser Actus nämlich am Schlusse des Schuljahres, mit der Abiturientenentlassung verbunden, gehörte zu den schönen Gebräuchen der Annenschule. Alle Eltern, Freunde und Gönner der Schule wurden aufgefordert, sich in der Aula einzufinden; der Chor der Schüler und Schülerinnen leitete die Feier durch ein geistreiches Lied ein; dann kam die Ansprache des Directors, ein Rechenschaftsbericht über das verflossene Schuljahr; dann die Ansprachen der Abiturienten in lateinischer, russischer, französischer, englischer und deutscher Sprache, letztere mit Abschiedsworten an die Schule verbunden, worauf ein Geleitwort folgte, von einem Unterprimaner gesprochen. Dann bestieg der Director wiederum die Tribüne, um den Abiturienten aller drei Hauptschulen – des Gymnasiums, der Real- und Mädchenschule – ihre Zeugnisse zu übergeben mit den Schulandenken für die Besten, worauf derselbe Schülerchor das Schlusslied sang. Mein griechisches Gedicht war demnach eine Extraleistung; mit großer Begeisterung vorgetragen, imponierte es gewaltig – u. a. auch einer Sängerin des Schülerchors, die als Tertianerin noch im kurzen Röckchen ging bzw. lief. Sie war die Schwester eines damaligen Obersecundaners und hieß Luise Giebel*. Für die Ferien 1876 war ich bereits versorgt: die Mutter des oben genanten Ed. Schneider, Geheimratswitwe, hatte mich aufgefordert, sie in ihrem Landhaus in Pargolovo zu verbringen. Es wurde ein sehr angenehmer Sommer: viel Spaziergänge, etwas gemeinsame Arbeit, ein Ausflug nach Vyborg, das durch seine Felslandschaft besonders im Park Monrepos auf mich einen großen Eindruck machte, und besonders59 unter mit Eduard sowohl als auch mit der ganzen, sehr intelligenten Familie. Er selber, der Benjamin einer stattlichen Geschwisterreihe, war bei den Kameraden seiner Launen wegen wenig beliebt, aber mit mir durchaus bescheiden und liebenswürdig. Von den Schwestern war eine an den Senator Tuhr verheiratet und hatte zwei Kinder; das war für mich insoweit von Bedeutung, als bei ihnen ein junger Doctor, Georg Goetz, Hauslehrer gewesen war – ein Schüler Fr. Ritschls, der sich gerade jetzt in Leipzig als Privatdocent habilitiert hatte. So bekam ich denn einen mir sehr erwünschten Empfehlungsbrief. Auch gelesen wurde sehr viel; aber meine Lieblingslektüre war doch der Baedeker mit dem Plan und der Beschreibung Leipzigs. Voll dämmernder Ahnungen studierte ich diese Namen und Umrisse, die für mich bald Leben gewinnen sollten. 58 59

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VIII Reisepass: „ins Ausland abkommandiert“ – grauer Holzkoffer im Apraxin für 5 Rubel gekauft (lebt aber heut noch) – etwa 60 Rubel in der Brieftasche – so ging es III. Klasse, Tag und Nacht über Wilno nach Eydtkuhnen, über Königsberg nach Berlin und ohne Aufenthalt nach Leipzig. Dort in einem bescheidenen Gasthaus abgestiegen, ausgeschlafen, tags drauf auf die Suche nach Dr. Goetz. Bescheid: Prof. Goetz wohnt Poststraße 7. Begebe mich dahin. Bescheid: Prof. Goetz verreist, kommt erst am 15. Oktober. Schade; wollte noch gern mich orientieren, bevor ich mich dem großen Ritschl vorstellte. So muss ich mit diesem anfangen. „Lehmanns Garten“. Finde ihn bettlägerig – es war seine letzte Krankheit; zwei junge Herren bei ihm. Stelle mich vor; einige Fragen; sodann die Weisung: Sie müssen sich nun unseren beiden Adjutanten vorstellen, Dr. Schoell und Dr. Goetz. Ich: „bei Dr. Goetz bin ich schon gewesen, er ist verreist und kommt erst am 15. Oktober“. Fangen alle drei an herzlich zu lachen, dass ich ganz verdutzt dastand. Endlich sagt Ritschl, auf einen der beiden hinweisend: „Da ist er namentlich!60“ Es klärte sich bald auf, dass man mich fälschlich an einen Juristen gleichen Namens gewiesen hatte. Es war meine einzige Zusammenkunft mit Ritschl; er starb bald drauf, und sein Katheder blieb lange unbesetzt. Nun konnte ich zu Dr. Goetz leicht finden; er nahm sich meiner sehr herzlich an und leitete durch seinen guten Rat meine ersten Schritte. Zunächst in materieller Beziehung. Unser Stipendium, anfangs 105 Mark betragend, wurde bald auf 120 Mark erhöht (Collegia und dergleichen extra bezahlt). Ein „Garçonlogis“ wurde mit Goetzens Hilfe bald gefunden, für 18 M., Morgenkaffee und Bedienung eingeschlossen, in der Bauhofstraße, einem zwar prosaischen, aber sauberen Viertel nach Reudnitz hin, bei einer biederen alten Jungfer, die auch Mittagskost gab (ich glaube zu 1 Mark) für eine kleine Gesellschaft, durchgängig dem Buchhandel angehörig. So blieb nur die Sorge fürs Abendessen nach. Den Petersburger Abendtee vermisste ich anfangs sehr; daran war nicht zu denken, doch gab mir mein guter Genius ein, bei meiner Phileuse61 ein Liter Milch allabendlich zu bestellen; und als ich gar später erfuhr, was Braunschweigerwurst und was Pumpernickel ist, blieb mir in diesem Fach nichts mehr zu wünschen übrig. Sodann das Geistige. Unser „Russisches Philologisches Seminar“ war auf 30 Mitglieder berechnet, die in eine ältere und eine jüngere Gruppe zerfielen. Für jede gab es 6 St. Übungen, bestehend aus Interpretationen, stilistischen Übungen und Repetitorien; ihr Zweck war, weniger vorbereitete Stipendiaten auf das Niveau der deutschen Studenten zu heben – mir konnten sie nach Koe-

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nigs trefflichem Unterricht nicht viel bieten. Für mich war der Schwerpunkt sofort nach den eigentlichen Universitätsfächern verlegt, die mich mit den deutschen Studenten zusammenführten – also den Collegien und Societäten. Hier hatte nun der Tod Fr. Ritschls eine große Lücke gerissen; es dauerte über ein Jahr, bis sein Katheder – durch Otto Ribbeck – neu besetzt wurde. Indessen wurde die Societas philologica, der ich beitrat, durch einen seiner letzten Schüler, Fr. Schoell, einen sehr feurigen jungen Mann, mit Eifer und genügender Sachkenntnis geleitet. Derselbe hielt auch ein Colleg; 1876-1877 war es über Catull, vorwiegend nach der textkritischen Seite. G. Goetz habilitierte sich gleichfalls bald darauf und eröffnete seine Wirksamkeit als Privatdocent mit einem Colleg über Horaz; mir erwies er die Liebenswürdigkeit, mich zu seinem Famulus zu ernennen. Doch blieben beide nicht bis zuletzt in Leipzig. Schoell wurde nach Heidelberg, Goetz nach Jena berufen, beides wohl infolge des Ansehens, das die Ritschlsche Schule an außerpreußischen Universitäten genoss. So war es der Ritschlsche Geist, der auch nach seinem Tode das philologische Studium beherrschte, oder, was dasselbe war, der Geist G. Hermanns, dessen Schüler Ritschl gewesen war, der formale, sprachlich-textkritische Geist, im Gegensatz zu der seinerzeit durch Aug. Böckh in Berlin angebahnten realexegetischen Richtung. Meinem Wesen lag letztere näher; ich ließ mich aber durch die Strömung fortreißen, und es hat auch nachher in Petersburg Jahre gedauert, bis ich mich fand. Ritschl verlangte von jedem Studenten, dass er sich zunächst einen Autor aussuche, um ihn sprachlich-textkritisch durchzuarbeiten; die Blüte der Durcharbeitung bestand in eigenen Conjecturen zu dem Texte, deren Besprechung dann im Seminar bzw. der Societas vorgenommen wurde. Zweifellos eine gute Schule, die aber mit einem doppelten Nachteil verbunden war: einmal einer gewissen Nichtachtung des realen Wissens – das Schlagwort war „Methode“, jenes Wissen könne man ja jederzeit aus den Handbüchern etc. schöpfen; und, dann, der unbewussten eingepflanzten Überzeugung, dass unsere Textüberlieferung schlecht genug sei, sich alle jene Conjecturen gefallen zu lassen, welche Überzeugung erst durch die ägyptischen Funde, wie sie seit den neunziger Jahren in Fülle gemacht wurden, gründlich widerlegt worden ist. Während jener philologischen Ebbe traten die Hilfsdisziplinen um so nachdrücklicher hervor. Da war zunächst die griechische Grammatik, durch G. Curtius glänzend vertreten. Er war gerade damals auf dem Gipfel seines Ruhmes; als erster Sprachvergleicher auf diesem Gebiet hatte er über die exclusive Richtung Krügers auch in der Schule den Sieg davongetragen (in der Annenschule war gerade Koenig sein Prophet gewesen), und sein Streit mit den Junggrammatikern, in dem er unterliegen sollte, stand erst noch bevor – Brugmann habilitierte sich erst zu meiner Zeit in Leipzig, und seine Anfänge waren bescheiden. Übrigens war die Ritschlsche Schule auf ihn nicht gut zu sprechen, und so wurde ich – der ich als Mulus62 durch eifriges Sanskritstudium mich auf die linguistische Carriere vorbereitet hatte – durch jene Strömung von ihm bald 62

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losgerissen. Nachhaltiger wirkte auf mich L. Lange mit seinen römischen Antiquitäten und seiner römisch-antiquarischen Societät*; mit seiner Betonung der römischen Antiquitäten als einer historischen Wissenschaft trat er in Gegensatz zu der durch Mommsen in Berlin vertretenen dogmatisch-staatsrechtlichen Richtung, und ich muss bekennen, dass auch ich ihm später, als Lehrer, zu Gunsten dieses letzteren untreu geworden bin. Aber damals fesselte er mich ganz, und es war in seiner Societät, dass ich meine erste erfolgreiche Seminararbeit „über die V-Tage des römischen Kalenders“ – einreichte. Ferner stand mir, und das war sehr schade, der entsprechende Lehrer auf griechischem Gebiet, I. H. Lipsius mit seiner griechisch-antiquarischen Societät; ein Anschluss an ihn wäre um so natürlicher gewesen, da er nach kurzem Schoellschem Interregnum Director des russischen philologischen Seminars gewesen ist. Von ihm hätte ich u. a. auch griechische Epigraphik lernen können. Aber meine Fächer waren damals schon voll. Trotzdem hat er mir stets das größte Wohlwollen bewiesen, und es ist mir eine Genugtuung, dass ich ihn noch 1920 an seinem Sterbebette habe sprechen und ihm meine Dankbarkeit und meine Ehrfurcht bezeugen können. – Die antike Kunstgeschichte wurde in Leipzig damals durch Overbeck vertreten, der zwar nicht zu den erstklassigen Archäologen gezählt wurde, dennoch aber seinen Zuhörern viel bot und auch mir viel geboten haben würde, wenn ich bei ihm ausgehalten hätte. Aber jene Strömung war auch ihm wenig günstig, und so habe ich es bei einem Semester archäologischer Theorie – leider – bewenden lassen. – Völlig leer gingen antike Geschichte und antike Philosophie aus, die beide keinen speciellen Vertreter hatten. Was übrigens Philosophie überhaupt anbelangt, so wollte es mein guter Stern, dass ich – wie, darüber unten – der Schule eines strengen und nüchternen Empirikers anheim fiel, des Privatdocenten C. Göring, unter dessen Leitung J. St. Mills Logik studiert wurde; durch ihn wurde ich auch W. Wundt näher gebracht. Bei meiner romantischen Gemütsanlage hätte es geradezu verhängnisvoll werden können, wenn ich etwa einem Schopenhauerianer in die Hände gefallen wäre. Das Heilsame dieser strengen Zucht lernte ich noch viel später kennen; sie erzeugte in mir ein klares Bewusstsein von der Beweiskraft der Beweise und verschaffte mir damit einerseits eine reale Überlegenheit meinen philologischen Fachgenossen gegenüber, andrerseits freilich auch eine praktische Benachteiligung, insoweit all die trefflichen Männer, die ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse mehr gefühlsmäßig nach gerade anerkannten Kriterien und durch ergiebiges Geleisfahren zu gewinnen gewohnt waren, meine logisch strengen Beweisführungen als „more geometrico“ etc. geführt „ablehnten“. So kam es, dass meine wichtigsten Ergebnisse eher auf englischem Boden, in Mills Heimat, Anerkennung fanden, als auf deutschem. Am „Schwarzen Brett“, wo alter Tradition gemäß die Collegienzettel von den entsprechenden Famuli und auch die Ankündigungen der wissenschaftlichen Studentenvereine angepappt wurden, fand ich eines Tages – es wird etwa im November 1876 gewesen sein, wo ich mich besonders einsam fühlte – die Ankündigung des „Philologischen Vereines“, Kneipe so und so, mit dem üblichen Anhängsel „Gäste willkommen“. Ich weiß nicht, welcher gute Genius mir den Gedanken eingab, hinzugehen und damit unbewusst einen Schritt zu tun, der 69

mein allerfolgen- und segensreichster werden sollte. Da saßen am langen Tisch, in einem Extrazimmer jener biederen Kneipe etwa 15 junge Männer, es wurde beim Bier Aristophanes gelesen, mit verteilten Rollen; nach jedem größeren Abschnitt wurde das Gelesene besprochen, ganz parlamentarisch („wer verlangt zur Debatte das Wort?“). Nach dem „wissenschaftlichen“ Teil kam der „gemütliche“, in der ersten Zeit nur Unterhaltung beim obligaten Bier, zuletzt, wie es im Liede heißt, „wenn sich der Schwarm verlaufen hat zur mitternächtlichen Stunde, dann findet unter Edleren statt eine würdige Tafelrunde.“ * Eben von diesen „Edleren“ will ich hier reden. Da war zunächst der Präses, Arthur Fränkel, ein Balte, ein sehr bemoostes Haupt, dicht vor dem Doctor stehend, eine herrische Natur, die sich mancherlei erlauben durfte, von großem Ansehen bei den andren und bei mir jüngstem Fuchs ganz besonders. Sodann, an Alter ihm zunächst, Heinrich Schwarz, ein Schlesier, still und tüchtig, von ungemein gewinnendem Wesen. Sodann dreie von etwa gleichem akademischem Alter: Karl Johannes Neumann, aus dem Posenschen, ein blondlockiger, rotwangiger Jüngling mit glänzenden blauen Augen; Wilhelm Lange, Sohn des oben genannten Professors, eine imponierende Persönlichkeit von scharfem Urteil und entschiedenem Wort; endlich Otto Crusius, Hannoveraner oft mit landesüblicher „Sprache“, die aber den Zauber seines Wesens noch erhöhte, entschieden der hübscheste von allen. Und weil ich sie zusammen jetzt anführe, will ich auch des damals gerade abwesenden, weil zeitweilig in Tübingen studierenden Wilhelm Sieglin gedenken, eines Schwaben, treuherzig und fest. Das waren unsre „Leipziger Sieben“; denn dass auch ich zu ihnen gehören sollte, wurde mir noch selbigen Abends klar. Mein exotischer Charakter erregte gleich zu Anfang das Interesse der „Edleren“; im „wissenschaftlichen“ Teil konnte ich meinen Mann stehen, da ich die betreffende Komoedie dank Koenig noch von Petersburg her kannte. Beim „gemütlichen“ wurde ich nach Heimat etc. ausgefragt, war sehr redselig, musste auch ein ukrainisches Lied singen – „oj, ne chodi, Hricju…“,63 das Crusius sofort am Klavier begleitete und in sein Notizbuch eintrug – ich habe es dort wieder gefunden mit den zwei an mich gerichteten Versen: „Bald Moll und bald Dur – ganz deine Natur“. Und als dann „der Schwarm sich verlaufen“ sollte, wozu Fränkel etwas derb das Signal gab, und ich gleichfalls aufstehen wollte, packte mich derselbe Fränkel am Ärmel: „Wohin?“ Ich berief mich auf sein präsidiales Commandowort. „Aber Sie werden doch nicht so stupide sein, das auf sich zu beziehen?“ Ich blieb. Und als ich spät nach Mitternacht heimkehrte, hatte ich vom vielen Lagerbier einen argen Brummschädel – mein erster veritabler „Kater“ – aber auch das selige Gefühl, nicht mehr einsam zu sein.

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< „O geh nicht, H., auf jene Straße ...“> ... 70

IX Das war die Grundlage. Es konnte nicht fehlen, dass die Bande sich enger zogen; allmählich stellte sich allen gegenüber das Duzverhältnis ein. Der erste war Fränkel, was eine hohe Ehre war; sehr wohl erinnere ich mich seines festen Handschlags und der begleitenden Worte „du bist ein famoser Kerl!“; der letzte, erst nach seiner Rückkehr aus Tübingen in meinem dritten Semester, Sieglin. Mit dem gab es nach dem Schmollis64 folgendes erbauliche Gespräch: „Sag mal, wie heißt du eigentlich?“ – „Thaddäus“ – „Ich bitte dich, wie kommst du zu dem Namen?“ – „Bei uns heißen viele so.“ – „Bei uns würde sich jeder hängen, der so hieße!“. Das Vereinsleben, anfangs nur auf Lectüre und Unterhaltung (nebst Bier) gestellt, wurde allmählich voller, indem auf Verlangen des „Schwarms“ dem gemütlichen Teil auch Gesang einverleibt wurde; Fränkel war anfangs dagegen – „was sollen wir uns gegenseitig angrölen?“ – gab aber nach, was mir sehr lieb war. Flugs wurde ein Commersbuch erworben – für meine romantische Natur eine Offenbarung mehr: Wein und Liebe, Volkslied, V. Scheffel.65 Das zog dann einen guten Teil des sog. Comment66 mit, bei dem ich kräftig mittat. Dann besonders im Sommer – „Exkneipe“, Ausflüge, Bootfahrten auf der Pleiße unter den Zweigen der „Nonne“ (an sie muss ich immer denken, wenn ich Schuberts „Auf dem Wasser“ höre). Ich war damals von geradezu strotzender Gesundheit; jenes mein Schulbubengebet war bereits in den höheren Gymnasialklassen in Erfüllung gegangen, ich war unter meinen Kameraden der stärkste, wenn auch ziemlich mager (wie ich mal träumend unter einem Gerüste ging, schnauzte mich von oben ein Arbeiter mit einem „škelet“ < „Skelett“> an). Jetzt, vielleicht dank der wohltätigen Milchkur, wurde ich auch breiter und sah bei meinem hohen Wuchs, wenn auch etwas ungeschlacht, doch recht imponierend aus, so dass Neumann einmal während eines Ausflugs meinte, „in der Nachbarschaft von Zielinskis Fäusten fühlt man sich so sicher“. Einige noch von der Petersburger Verwahrlosung anhaftende Unebenheiten wurden bei diesem kameradschaftlichen Verkehr nach Möglichkeit behoben; denn weil ich unter den Sieben der jüngste war, wurde ich von den andren kräftig erzogen, besonders bin ich in der Beziehung erst Fränkel, nachher W. Lange dankbar. Wissenschaftlich stand ich jedoch Crusius am nächsten – von Anfang an und bis zuletzt. So kam Michaelis 1877 heran. Für die Ferien hatte Fränkel ein idyllisches Häuschen im dichtesten Thüringerwald ausfindig gemacht und schlug mir vor, mitzukommen. Ich war gern bereit. Damals war es noch ein ziemlich abgelegenes Gebiet. Mit der Hauptbahn bis Arnstadt, dann mit der Kleinbahn bis Ilmenau, weiter nur per Post (Sachen) bzw. zu Fuß bis Schmiedefeld, dann nach dem 64

66 < In Zieliskis Text kreuzen sich hier Kommers (feierliche Kneipe) und Komment (studentisches Brauchtum).> 65

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sog. „Stutenhaus“, einem einsam gelegenen Berggasthaus über dem romantischen Vessertal. Pension sehr anständig, 20 Mark wöchentlich. Ich geriet aus einem Entzücken ins andre. Das Haus selbst ein ideales Wirtshaus, wie es in den Liedern steht, mit alten Linden davor, unter ihnen die üblichen Tische. Da kamen am Sonntag die Burschen und Mädchen aus dem benachbarten Dorfe Vesser, tranken Bier und sangen Lieder – echte Volkslieder, dazu „aus dem Volksmunde“ – was konnte ich mir Schöneres wünschen! Und die lauschigen Täler in der Nähe, Spaziergänge unter Buchen, für mich, der ich noch keine Berge gesehen hatte! Schön am Tage und zauberisch in der Nacht, in jenen warmen, mondbeschienenen Sommernächten, für mich seit jenem Paradies meiner Kindheit das Ziel meiner Sehnsucht. Das nun folgende Semester, für mich das dritte, brachte manche Veränderung. Crusius reiste als „Bärenführer“ mit einer reichen Familie nach Italien und Frankreich, W. Lange an eine süddeutsche Universität; für ersteren war die Reise ein Born fruchtreichster Belehrung, für den zweiten der Aufenthalt in der Fremde eher ein Mittel, seine imponierende Persönlichkeit noch mehr zu entfalten, was den tragischen Riss zwischen ihm und seiner Familie noch mehr erweiterte. Ich muss hinzufügen, dass er es hauptsächlich war, der unserem Kreis Göring zuführte, dessen Famulus er war. Dieser war nun als entschiedener Atheist bei der Langeschen Familie besonders schlecht angeschrieben, und als er bald darauf durch Selbstmord endete, wurde dies von ihr als Krach der ganzen Richtung angesehen und entsprechend ausgebeutet. – Ferner kehrte Sieglin aus Tübingen zurück, wo er bei Gutschmid studiert hatte, einem kräftigen Pionier der realistischen Schule; seine Rückkehr gab das Signal zum Sturz Fränkels, der jene Strömung, von der oben die Rede war, mit am einseitigsten verfocht. Allerdings war seine mittlerweile gedruckte Doctorarbeit keine erstklassige Leistung, und was er in der Folgezeit schrieb, konnte auch nicht dazu dienen, ihn wissenschaftlich zu rehabilitieren. Immerhin war diese Herabwürdigung seiner trotz allem bedeutenden Persönlichkeit ungerecht. Am schärfsten befehdete ihn Neumann, der ihn früher am abgöttischsten verehrt hatte; er machte ihn verantwortlich für die unter seinem Einfluss verlorene Zeit und schloss sich einerseits an Gutschmidt an, zu dem er auf ein Semester nach Tübingen ging, andrerseits Harnack, der sich gerade damals in Leipzig als Privatdocent große Achtung erworben hatte – man bewunderte allgemein seine Arbeitskraft, weissagte ihm aber, einem offenbaren Schwindsuchtkandidaten, gerade seines Eifers wegen kein langes Leben. Leider kehrte Neumann auch in andrer Beziehung verändert zurück: der preußische Beamtengeist war über ihn gekommen, und während er früher unsren allbeliebten Professor Lange gemütlich den „alten Molch“ genannt hatte, hieß er jetzt nur noch „Herr Geheimrat Lange“. Besonders widerwärtig wurde er dadurch Crusius. So gab es manchen Riss in unsrem ehemals so trauten Kreise. Mir waren sie nach wie vor meine lieben Freunde, deren ich jedem für das Gute, was ich von ihm erfahren hatte, von Herzen dankbar blieb; aber am nächsten standen mir von nun an Crusius, W. Lange und Schwarz. Auch höheren Orts änderte sich manches. Der lange leer stehende Stuhl Ritschls wurde endlich durch Otto Ribbeck besetzt, der sofort Crusius das 72

Famulat anbot – allerdings gehörten die zwei Künstlernaturen zusammen. Schoell und Goetz erhielten beide Berufungen nach auswärts und heirateten etwa gleichzeitig; an das russische Seminar wurden von Lipsius, seinem nunmehrigen Leiter, Brugmann und Meister berufen, was mich jedoch bei meinen rein äußerlichen Beziehungen zu diesem Institut wenig berührte. Immerhin muss ich, was die Mitglieder anbelangt, einiges nachholen*. Sie zerfielen vorwiegend in drei Gruppen: Tschechen, Balten, Russen. Aus ersteren bestand hauptsächlich die ältere Generation; sie hielten begreiflicherweise zusammen, und ich lernte eigentlich nur zwei von ihnen etwas kennen, Škorpil und Ninger, von denen besonders der erstere später als Archäologe in Südrussland Tüchtiges leistete. Zu den Balten gehörten u. a. C. Schneider, doch der trat mir erst später in Petersburg näher, für jetzt wurde mir der Nächste Fischer, wissenschaftlich nicht gerade hervorragend, aber rechtschaffen und durch seinen trockenen Humor interessant. Später sattelte er um und wurde Lehrer des Russischen an der Berliner Kriegsakademie; und das Schicksal wollte es, dass ich die Bekanntschaft mit ihm 1915 erneuerte, wo er in Russland Civilgefangener war. Die Russen verhielten sich mir gegenüber kühl, gerade wie es in der Annenschule gewesen war. Das wurde erst anders, als Leo Georgievskij, der Sohn des Directors, und mit ihm Serg. Manštejn Mitglieder wurden; ersterem sollte ich auf des Vaters Wunsch Privatstunden im Deutschen erteilen; das brachte uns zusammen, und ich lernte ihn achten als eine gerade und feste Natur. Folgenschwerer war der Eintritt ins Seminar zweier Annenschüler: Ad. Sonny und C. Giebel – es war freilich erst in meinem fünften Semester. Sie waren beide um 2 Classen jünger als ich, aber die Schulverwandtschaft brachte uns dennoch recht nahe. Besonders galt das von dem lebhaften, wissenschaftlich interessierten und dabei sehr anschlussfähigen Sonny, während Giebel, tüchtig, aber schweigsam, aus einer gewissen Reserve nicht heraustrat. Auch von Stern und Lezius, zwei Balten traten damals ein, aber mit ihnen war meine Bekanntschaft ganz flüchtig. Das Schlimmste war, dass, vom Deutschen abgesehen, meine Sprachen vollständig verrotteten. Französisch habe ich während meiner ganzen Studienzeit, glaub ich, kein Wort gesprochen; russisch nur mit L. Georgievskij, ganz miserabel; und was das Polnische anbelangt, so hatte ich mir allerdings gleich zuerst die Werke von Mickiewicz, Sowacki und Krasiski gekauft, aber das gab noch keine Praxis. Im Seminar gab es außer mir noch einen Polen, Krasnosielski, und der war wieder mit ein paar andren polnischen Studenten bekannt. Einmal luden sie mich zu sich ein; da bekam ich milde, sehr milde Vorwürfe zu hören: „Sie halten immer zu den Deutschen – warum nicht lieber zu Ihren Landsleuten?“ Tatsächlich fühlte ich mich gerade als Pole – was ich wahrhaftig nie verleugnete – durch mein schlechtes Polnisch sehr geniert; aber das war es nicht allein. Es hieß für mich mit Umkehrung des Goetheschen Satzes: Willst du geben was, so nimm! Das tat ich denn auch, so gut ich konnte – ich wollte, ich hätte es besser gekonnt. Es bot sich nämlich eine Gelegenheit, die vor Jahren jäh unterbrochenen englischen Studien fortzusetzen: es war eine gute americanische Familie eingewandert, bestehend aus einem unsichtbaren, weil die freien Stunden im „Kaffee73

baum“ verbringenden Hausvater, einer sehr sichtbaren Hausmutter und drei hübschen Töchtern im Alter 19-15 Jahren, genannt Maggie, Julie und Nellie. Deren Wunsch war, sich, da das Schicksal sie in eine Studentenstadt verschlagen hatte, auf americanische Art mit jungen Leuten frei und ehrbar zu amüsieren; und da die Mutter mit der alten, prächtigen Frau Crusius, die mich sehr liebte, bekannt war, oder wurde, war ich dort bald Hahn im Korbe. Es wurde wirklich sehr nett: im Sommer Kahnfahrten, im Winter Schlittschuhlaufen, zu allen Jahreszeiten Spaziergänge im Rosental und in der Nonne. Die wollten mir nun gern zu vielen das Englische beibringen, und einigermaßen gelang es ihnen auch – aber leider nur einigermaßen, und daran war ich schuld. Wissenschaftlich hatte ich mich bis dahin wenig produciert, die oben erwähnte Anfängerarbeit über den römischen Kalender in der Langeschen Societät war so ziemlich das Einzige. Nun aber hatte Ribbeck ein Preisthema aufgegeben über die (später von mir so genannten) Agone in der attischen Komoedie. Ich warf mich mit großem Eifer drauf und lieferte eine ziemlich umfangreiche lateinische Abhandlung ein, die denn auch den Preis erhielt. Letzterer – 150 Mark – war bald zerronnen: Die größere Hälfte schwatzte mir ein Stubennachbar ab, ein versoffener Turner, und ich sah sie nicht wieder, und was die kleinere betrifft, so mussten Blumensträuße und -kränze bestellt werden für Maggie, Julie und Nellie – und noch für jemand – ganz abgesehen von der Festkneipe in der Elsässischen Weinstube. Aber der Haupterfolg wurde, ohne dass ich es wusste, in Petersburg errungen: Auf diesen Preis hin bekam ich nämlich nach Ablauf meiner 3 Jahre das Professorenstipendium.

X Die Michaelisferien 1878 brachte ich abermals in Thüringen zu, diesmal auf einer Fußwanderung im Zickzack längs der Saale, Schwarza, Ilm, Schleuse und wie die lieblichen Bäche sonst hießen, bis Coburg im Süden und Eisenach im Westen. Aber das drauffolgende fünfte Semester hätte bald meinem Leben ein Ende gemacht. Ich litt nämlich seit meiner Kindheit, ohne es zu wissen, an einem Leistenbruch; das trat von Zeit zu Zeit quälend hervor, ließ sich aber immer durch gelindes Reiben besänftigen. Nun, eines bösen Spätherbsttages 1878 versagte das Mittel; ein von meiner Phileuse67 (es war diesmal die biedere Frau Hatzsch in der Waldstraße, Posaunistengattin) herbeigerufener Arzt verordnete heiße, dann kalte Compressen, umsonst; nach qualvoller Nacht verlangte ich dringend nach einer Operation, die damals – das aseptische Verfahren kannte man noch nicht – recht gefährlich war. Erst gegen Abend gab er nach, machte aber zur Bedingung ein Consilium. Während er nun sich entfernt hatte, um ein solches zu veranstalten, traten Crusius und Lange ein, um mich zu einem Spaziergang nebst Kneipe abzuholen. Sie erschraken nicht wenig über meine Lage 67

Vermieterin, vgl. Anm. 61. 74

und meinen Vorsatz, alarmierten die Universitätsklinik, und die Folge war, dass ich bald drauf im Siechkorb nach dem Jacobshospital und dann gleich in den Operationssaal gebracht wurde, wo des „heillos interessanten Falles“ wegen eine riesige Corona mich erwartete. Mir klang das Wort des Arztes in den Ohren: „unter zehn Fällen neun mit tödlichem Ausgang“; als ich unter der Chloroformglocke die Augen schloss, sagte ich mir: die wirst du wohl nicht wieder auftun. Aber obgleich die Operation in zwölfter Stunde unternommen wurde, Prof. Thierschens Meisterhänden gelang sie doch. Zwei Monate musste ich freilich im Krankenhaus zubringen und beim Wechseln der Verbände unter Salicylnebel wahre Martern ausstehen. Und doch denke ich an jene Zeit gern zurück: Prof. Thiersch mit dem dichten grauen Bart; sein junger Assistent Dr. Gräfe mit seinem bissigen Humor, die sanfte und strenge Schwester Anna; die muntere Pflegerin Pauline; der Stubengenosse, der bei einer Mensur die Nase verloren hatte und nun durch Thiersch eine neue angesetzt bekam (einen grauenhaften Klunker, auf den aber sein Künstler sehr stolz war). Und dann die lieben Freunde, die mich so oft besuchten – und die liebe Frau Crusius – und noch jemand. Ich benutzte das Krankenlager zu fleißiger leichter Lektüre, zu der die wohlversorgte Krankenhausbibliothek das Material bot. Der ganze Zschokke wurde vorgenommen, sodann der noch bändereichere Gutzkow („Ritter vom Geiste“ und „Zauberer von Rom“), namentlich aber V. Hugos „Notre Dame“ und „Les misérables“. Letzteres eigentlich zum zweiten Male, denn ich hatte es bereits – ohne gerade sehr viel davon zu verstehen – im Hause meines Vaters gelesen, dessen Lieblingsroman es gewesen war. Nach Neujahr ging es wieder an die Arbeit. Ich hatte zu wählen zwischen Lange und Ribbeck, zwischen Rom und Hellas; es war Sieglin, der mich zunächst jenem Gebiet zuführte. Er hatte in der Societät eine Arbeit über die Gesandtschaften zu Beginn des zweiten punischen Krieges eingereicht, die ich zu recensieren bekam; die Methode der Quellenuntersuchung reizte mich, und da ich sah, dass der Anfang dieses Krieges vielfach, das Ende so gut wie gar nicht untersucht war, beschloss ich diese Lücke auszufüllen. Das nahm den Rest des fünften und das ganze sechste Semester ein und ergab zunächst eine lateinische Abgangsarbeit für das russische Seminar, an dem ich vor Michaelis 1879 meine Schlussprüfung zu bestehen hatte. Sie fiel gut aus, und da auch jener im Vorjahre erhaltene Preis in Petersburg imponiert hatte, so wurde mir bis auf Weiteres das Stipendium auf das Wintersemester 1879-80 verlängert mit der Verpflichtung – auf die ich sehr gern einging – mir in Leipzig den Doctorgrad zu erwerben. Auf eine größere Ferienreise musste ich diesmal freilich verzichten; um so eifriger wurde mit Crusius und W. Lange verkehrt. Und als das Wintersemester anbrach, beschlossen wir, Lange und ich – uns, da wir uns beide zum Examen vorzubereiten hatten, in Connewitz anzusiedeln, dem hübschesten Vorort („Bierdorf“) von Leipzig, an der Pleiße gelegen und von schönem Hochwald umgeben. Crusius war zwar in derselben Lage, aber er war durch seine prächtige alte Mutter an sein trautes Heim in der Waldstraße gebunden, während Lange, 75

mit seiner Familie gänzlich zerfallen, auch früher in Leipzig eine eigene „Bude“ gehabt hatte. So bezogen wir denn eine gemütliche Wohnung im „Eiskeller“, einem im Sommer sehr belebten, im Winter sehr stillen Local, an der Landstraße zugleich und am Waldessaume gelegen. Das war für mich weitaus der genussreichste Winter. Lange war ein guter Naturkenner: Zu der auf dem Gymnasium erhaltenen soliden naturwissenschaftlichen Bildung besaß er eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, konnte demnach Vögel nach Flug und Stimme und entlaubte Bäume nach Gestalt und Rinde unterscheiden; das lernte ich ihm nun auf unsren vielen Spaziergängen an sonnigen Winter- und Vorfrühlingstagen ab, so gut ich’s konnte. Nebenbei war er als „Panlogiker“, wie ihn Crusius nannte, sehr disputierlustig, was mir gleichfalls zugute kam. Seltsam verband sich freilich mit diesem Panlogismus seine Liebe zur romantischen Poesie – er schwärmte z. B. für R. Baumbach – was ihn freilich nicht hinderte, gelegentlich über mich als Romantiker herzuziehen. Besser vertrug sich damit seine Liebe zum Schachspiel; aber da hatte ich, der ich diese edle Kunst noch von meinem Vater gelernt und seitdem in jeder Lebenslage cultiviert hatte, entschieden die Oberhand. Übrigens war es vielleicht gerade sein scharfer kritischer Geist, der seine Produktivität lahm legte; die Arbeit, mit der er gerade damals beschäftigt war, wurde keine bedeutende Leistung, wie er denn nach erworbenem Doctorgrad „umsattelte“ und sich auf die Juristerei warf, um die diplomatische Carriere zu ergreifen, zu der ihn seine hervorragende Menschenkenntnis und sein imponierendes Wesen durchaus befähigte. Dazu kam, dass dank der guten Pferdebahnverbindung und der Gemütlichkeit unsrer Behausung – Bier und kalter Aufschnitt konnte jederzeit von unten heraufgeholt werden – die Freunde recht oft zu uns herüberkamen. Fränkel allerdings nicht: Er hatte geheiratet und eine Anstellung als Oberlehrer in Schaffhausen bekommen, und als er einmal nach Leipzig kam, wurde das Wiedersehen in der Elsässischen Weinstube begangen; noch denke ich mit Rührung daran, wie wohl es ihm tat, mit uns wieder jung sein zu können nach der greisenhaften Philisteratmosphäre seines Kantönli. Aber Schwärzchen, der in Liegnitz sein Probecandidatenjahr abmachte, und gleichfalls wenigstens Bräutigam war, kam nicht so leichten Kaufs davon: Als er herüberkommen sollte und trotz unsrer Einladung auf Sieglins Stadtbude absteigen zu wollen erklärte, erblickten wir darin sträfliche Faulheit und entführten ihn auf schlaue Weise vom Bahnhof direct zu uns nach Connewitz; er merkte den Betrug erst, als er unter den beschneiten Bäumen des Eiskellers stand, wurde aber bald durch ein solides Abendessen mit Bier und Cigarre besänftigt. Neumann hatte sich in Halle habilitiert, und ich sah ihn nur noch einmal, zum letzten Mal – bei Gelegenheit eines Besuchs, von dem noch die Rede sein wird. Sieglin kam öfter herüber, schon weil ihn meine Arbeit interessierte. Aber der häufigste und liebste Besuch war Crusius. Da er ebenso wie Lange als Nebenfach Philosophie genommen hatte, fiel es den beiden ein, gemeinsam Kants „Kritik der reinen Vernunft“ zu lesen, und auch ich machte gern mit, obgleich die Sache mich offiziell nichts anging – mein Nebenfach war, dem Charakter meiner Arbeit entsprechend, Geschichte. Aber das war es nicht allein: Wir waren alle drei Dichter. An erster Stelle 76

Crusius, dessen Formenschönheit und -kühnheit uns unerreichbar blieb; aber auch ich hatte seit jenem Atridenpoem bedeutende Fortschritte gemacht, und Lange räumte mir bereitwillig die zweite Stelle ein. Er fühlte, dass ihm sein Panlogismus auch hier hemmend in den Weg trat und begnügte sich, auf seine eigenen Leistungen herabsehend, die Rolle eines strengen und wohlwollenden Kritikers zu spielen. Freilich nur mir gegenüber, denn Crusius’ scheue Muse wich jeder Kritik aus. Und da ich dabei bin, von Leipzig Abschied zu nehmen, will ich noch kurz andrer Anregungen gedenken, die ich dieser für meine Entwicklung bedeutsamsten Periode meines Lebens verdanke. Da ist zunächst die Musik zu nennen. Freilich an eigenes Spielen war nicht zu denken; mein Vater hatte mir zwar noch vor Meyers Klavierstunden erteilen lassen, aber die liebenswürdige junge Lehrerin wurde schon nach einem Monat (wie später jener Engländer) verrückt, und bei Meyers hätte die strenge schnurrbärtige Meisterin, eine ältere Tochter des Pensionsvaters, mich beinahe mit ihren Torturen verrückt gemacht, so dass ich froh war, mich losbitten zu können. Dennoch hatte ich einen großen Hang zum Musikhören; aber dazu kam ich nicht während meiner ganzen Schülerzeit. Keine Oper, kein Concert, nur dass bei Schumachers gern Operettenlieder gespielt wurden – das war das Einzige. Und nun in Leipzig hatte ich dieser Genüsse in Fülle. Zwar in die berühmten Gewandhausconcerte ging ich nur ausnahmsweise hin, da waren Plätze schwer zu bekommen. Dafür hatten wir Studenten im lieben Stadttheater Parterreplätze zu 60 Pf., die man bequem im Sekretariat holte, so dass ich mindestens einmal, oft auch zweimal wöchentlich hinging. Sofort rückten zwei für mich an die erste Stelle – Weber und Wagner, von welch letzterem übrigens vorerst nur die vier Jugendopern gegeben wurden. Aber das Beste war, dass ich an Crusius einen so vorzüglichen Hierophanten hatte, der, selber nicht nur ausübender Pianist, sondern auch guter Tondichter, mir manches Geheimnis dieser Kunst eröffnete. Und doch zu Wagner hat er sich erst später bekehrt, so dass diesmal mein kindliches Gemüt in seiner Einfalt dem Verstand des Verständigen einen Vorsprung abgewann. Das zeigte sich besonders, als – in meinem fünften Semester – Angelo Neumann nach Leipzig kam, uns die Trilogie vorzuführen, zu der mein Philister, der Posaunist Hatzsch, mir nicht nur wiederholt Freibillets verschaffte, sondern auch durch fleißiges Üben der Fanfaren eine Art Vorbereitung gab. Wir gingen wohl hin, aber für Crusius war es eine gehäufte Monstrosität, von der er nur mit Entrüstung sprach. Und noch in der Schätzung eines anderen Großen kam ich meinem reiferen Freund zuvor; er war Fr. Nietzsche – damals noch der vorzarathustrischen Periode. Der gehörte freilich in mehr als einer Beziehung Leipzig an: Ein Schüler Ritschls, einer der Stifter des philologischen Vereins, lebte er in der Tradition des letzteren weiter, so wenig er auch anderwärtig anerkannt wurde. Hinsichtlich seiner war W. Lange mein Bundesgenosse, der ihn gern – und mich mit, was mir weniger lieb war – gegen seine Familie als Trumpf ausspielte. Aber auch in andrer Beziehung liebte ich es – etwa von meinem vierten Semester an – zeitgemäße Flugschriften zu erwerben und ihren Inhalt mit den Freunden durchzusprechen. So z. B. spiritistische – über Materialisierungen, über die vierte Dimensi77

on, über die Reichenbachsche Od-Theorie. Besonders interessant fand ich die letztere – wie mir denn Schwarz einmal erklärte, ich hätte ihn und die andren nun gerade genug mit ihr „geödet“; ich wusste damals noch nicht, dass sie so ziemlich identisch war mit meines Landsmanns Tomasz Zan’s „Strahlentheorie“, die auf den jungen Mickiewicz einen solchen Eindruck gemacht hatte. Auch Marrs germanische Streitschriften gegen das Judentum wurden gelesen. Antisemiten waren wir so wenig wie Spiritisten, es war das Für und Wider, das mich und uns interessierte; und jedenfalls war es uns leichter, solchen Fragen einen Reiz abzugewinnen, als z. B. des praktischen Fränkels Empörung über die Verstaatlichung der sächsischen Eisenbahnen zu teilen. Ferner Lassalles Persönlichkeit und Werke, so wie überhaupt der Socialismus, der damals erst in seinen bescheidenen Anfängen war; doch das war mehr als bloßes Gesprächsthema. Da ich nämlich Geschichte als Nebenfach gewählt hatte, hielt ich es für angemessen, mich in die Nationalökonomie zu vertiefen, und zwar gründlich; dazu ließ ich mir das sechsbändige Werk < Karl Heinrich> Rau’s kommen, das damals in Ad Wagners Bearbeitung neu erschien.68 Nun war dieser bekanntlich „Kathedersocialist“ und schlachtete in seiner Bearbeitung Rodbertus, Marx, Engels gründlich aus. So erwarb ich mir Kenntnisse, um die mich W. Lange sehr beneidete; auch kann ich nicht sagen, dass mich die Theorie nicht fasciniert hätte, aber dass ihre schwächste Seite in der Psychologie liege, war mir schon damals klar, wenn auch meine tieferen psychologischen Studien erst viel später einsetzen sollten. Vom philologischen Verein hatten sich die „Sieben“ einer nach dem anderen losgerissen; auf die Fränkelsche Periode war die Crusiussche, auf diese die Zielinskische gefolgt, die recht lange dauerte. Es war eben nach uns ein ganz tüchtiger jüngerer Nachwuchs gekommen – Koetschau, Opitz, Wagler, R. Wagner (die zwei letzten als Lambola und Ny geschieden), Seebass (mit Kneipnamen natürlich „Meersopran“ genannt), Biesendahl der Bierdichter, Jordan u. a. Sodann die jüngste Generation – Sonny, Giebel, Holland. Nicht alle haben sich später wissenschaftliche Namen gemacht, aber gern hatten sie mich alle, soweit ich weiß, und der ehemalige Unterschied zwischen dem „Schwarm“ und den „Edleren“ war von selber verschwunden, wozu auch der Umstand beitrug, dass mit dem Überhandnehmen des Comments69 die „Fidulitas“* eine solche Ausdehnung gewann, dass nachher für alle höchste Schlafenszeit war. Da ließ ich mich einfach von der Strömung tragen. Zu meiner Zeit kam ein cartellmäßiger Anschluss zustande, einerseits an die sonstigen wissenschaftlichen Vereine Leipzigs, andrerseits an die philologischen Vereine der nächsten, im weiteren Sinne „sächsischen“ Universitäten Halle und Jena. Letzterer Umstand hatte für mich wiederholte Bierfahrten nach Halle zur Folge; dass dabei gehörig gekneipt wurde, war selbstverständlich, und ebenso, dass ich um der Ehre Leipzigs nichts 68

< Karl Heinrich Rau, Lehrbuch der politischen Ökonomie. Vollständig neu bearbeitet von Adolph Wagner und Erwin Nasse. Bd. 1: Allgemeine oder theoretische Volkswirthschaftslehre (Leipzig 1876). Der Verf. benutzte eine spätere Auflage dieses Standardwerkes, die unter Wagners Namen erschien..> 69 Vgl. oben Anm. 66. 78

zu vergeben, tüchtig mitmachen musste. Zum Glück hatte ich einen ziemlich starken Kopf, so dass es mir nicht schwer wurde. So kam der Frühling 1880 heran. Meine Dissertation* unter dem Titel „Die letzten Jahre des zweiten punischen Krieges“ wurde, sauber von meiner Hand geschrieben – jawohl, von meiner Hand – bei der Prüfungscommission eingereicht; dem Umfang nach weit über eine normale Doctorarbeit hinausgehend (später ca. anderthalbhundert Druckseiten), wurde sie auch inhaltlich sehr schmeichelhaft attestiert. Die Prüfung selbst war eine Kleinigkeit; ich erinnere mich ihrer kaum mehr. Durch Langes Vermittlung wurde Teubner gewonnen, den Verlag zu übernehmen, unter der Bedingung, dass ich, falls binnen 5 Jahren die Verlagskosten durch den Verkauf nicht gedeckt würden, für den Rest einstehen müsste. Als übrigens die 5 Jahre um waren – um das gleich hier nachzutragen – und ich ihn an diese Clausel erinnerte, erließ er mir diesen Rest „in Hinsicht auf die günstige Beurteilung sowie in der Hoffnung, dass ich später für seinen Verlag ein auch materiell sich rentierendes Werk schreiben würde.“ Zum Glück hat ihn diese Hoffnung nicht getäuscht. Jene „günstige Beurteilung“ ließ übrigens – um das gleichfalls nachzutragen – auf sich warten. Es liegt mir fern, dieser Jugendschrift übermäßigen Wert beizulegen; doch aber war in der Art, wie ich dort aus der Quellenkritik die positive Geschichte hervorgehen ließ, während der gewöhnliche Weg der war, die Geschichte in der Quellenkritik zu ertränken (vgl. z. B. die Schriften Soltaus und B. Nieses) sowie in den Ansätzen zu einer Entwicklungsgeschichte der Tradition etwas Eigenes, vom landläufigen Geleisfahren Abweichendes gegeben, das die Leute stutzig machte. So fielen denn die ersten Recensionen ziemlich verlegen aus, bis Mommsen* mit einem einzigen Machtwort den Zweifeln ein Ende machte, indem er in einem Hermesaufsatz meine Arbeit als eine „gute“ citierte. Dieses Attestat trug mir sofort ein paar Gratulationsbriefe und nachmals eine respectvolle Behandlung ein. Das Werk selbst dedicierte ich begreiflicherweise Prof. Lange, der es auch verdient hatte, nicht nur seines väterlichen Verhaltens mir gegenüber sonst und jetzt, sondern auch, weil er, der es im Manuscript gelesen hatte, mir entschieden von einer allzu schneidigen Polemik abgeraten hatte: „Ihre Leser werden denken: das ist ein dreister junger Patron – und Sie haben den Schaden.“ Ich wollte nur, ich wäre ihm mehr gefolgt – diesmal und auch später. Und nun kam der Abschied. Mit den Freunden hatte ich die traditionelle Doctorkneipe in der Elsässischen Weinstube (Katharinenstraße) abgehalten, die freilich noch lange keinen Abschied bedeutete; aber die Exkneipe des philologischen Vereins sollte es werden, zumal sie mit dem Semesterschluss zusammenfiel. Es ging hoch her. Wir verlegten sie nach Gohlis. Die Vereinsbrüder stifteten mir ein Album mit entsprechender Widmung und den Photographien der Stifter, Bier und Gose70 wurde mächtig getrunken – letzteres ein Leipziger Nationalgetränk, an das sich der Ausländer nur mit Mühe zu gewöhnen pflegt. 70

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Selbstverständlich wurden Reden geschwungen, bis man sich selber kaum verstand. In höchst gehobener Stimmung wanderten wir heimwärts, bis uns die „Kümmelapotheke“ in den Weg lief. Das war laut Reisebuch „ein unvermeidliches Kneipchen, wenn man Gose getrunken hat“ – eine Definition, die mir schon in Petersburg aufgefallen war; jetzt sollte ich sie begreifen lernen. Wir gingen hinein und zechten weiter; einigen anwesenden, dem Stillsuff ergebenen Philistern mochte unsre Fröhlichkeit zu laut vorkommen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, die immer heftiger wurde; der herbeigerufene Wirt gab empörenderweise den Stillsäufern Recht und verlangte von uns, wir sollten das Local räumen – das wollten wir uns nicht gefallen lassen, und der „Hausfriedensbruch“ war da. Plötzlich erscheinen ein paar Schutzleute auf dem Plan, dem Verlangen des Wirts Nachdruck zu geben. Wir räumen das Feld – da besinne ich mich auf das Album. Also zurück. Biesendahl und Jordan mit. Der Eintritt wird uns verwehrt. Ich werde mit einem Schutzmann handgemein; die beiden andren desgleichen. Schließlich breche ich durch – ich denke, die braven Leute werden die Weisung erhalten haben, uns Studenten nicht allzu unsanft anzufassen. Meine Trophäe bekam ich – aber nun gesellte sich zum Hausfriedensbruch auch noch der „Widerstand gegen die Staatsgewalt“, und unsre Studentenkarten, bzw. ich meinen Pass, mussten wir in den Händen der Polizei zurücklassen. Das war eine hässliche Schlussdissonanz. Da ich dicht vor der Abreise stand, begab ich mich bei der ersten Möglichkeit ins Landgericht, um mich dort vernehmen zu lassen. Zum Glück fassten die Herren, selbst noch jung, die Sache durchaus von der jovialen Seite auf; das Verhör glich eher einer freundschaftlichen Unterhaltung, und die Abreiseerlaubnis wurde mir bereitwillig erteilt. Ich will nur gleich vorwegnehmen, dass das „Strafverfahren“ im Laufe des Sommers in meiner Abwesenheit stattfand und für mich sowie für Biesendahl, dem seine Biermuse bei der Gelegenheit eine „glänzende Verteidigungsrede“ eingab, mit Freispruch endete; nur der arme Jordan wurde, ich weiß nicht, warum, zu 20 Mark Strafe verurteilt. Das71 Erkenntnis „im Namen des Königs!“ wurde mir seinerzeit zugestellt, und ich habe es aufbewahrt als ein Geschenk mehr von Frau Aventiurens72 Gnaden. So fand die Sache ein versöhnliches Ende. Aber wenn mir im späteren Leben die offizielle Frage gestellt wurde: „Standen Sie noch nie unter Anklage oder gerichtlicher Untersuchung?“ – pod sudom i sledstviem ne sostojali? – geschah es doch nur mit stockender Stimme, dass ich die erwartete verneinende Antwort gab. Ob ich es überhaupt durfte? Formell – weiß ich bis heute nicht; aber inhaltlich und sachlich ganz gewiss.

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< „Das Erkenntnis“ (altertümlich) für. „Gerichtsurteil“.>

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XI Die Lehrjahre waren um; die Wanderjahre begannen. Das Reisestipendium bekam ich zunächst auf zwei Jahre (vom Herbst 1879 gerechnet); nachher wurde noch ein Jahr hinzugefügt. Die Instruction – wie ich nachher erfuhr, vom biederen alten Prof. Pomjalovskij verfasst – bestimmte mir München, Wien, Venedig, Florenz, Rom und Neapel als Studiumsstätten; was konnte ich mir Besseres wünschen! Dass die Pflicht periodischer Berichterstattung mit dem Genuss des Stipendiums verbunden war, hätte man mir sagen sollen; so begnügte ich mich mit privaten Briefen an den alten Georgievskij, in miserablem Russisch abgefasst, und er erzählte mir später von der Verlegenheit, in die ihn meine sorglosen „Papierfetzen“ (klo ki) brachten. So war für mich, „von allerhöchsten Händen gewickelten Rollmops“ – wie Crusius sich ausdrückte, für eine weitere Spanne Zeit gesorgt. Das Schlimme war, dass das Stipendium, quartaliter gesandt, oft mit großer Verspätung eintraf. So reiste ich denn zum Sommersemester 1880 nach München, aber nicht direkt, sondern in weitem Bogen über Frankfurt am Main, Mainz, Heidelberg, Tübingen, Stuttgart, Ulm, Augsburg, mit Aufenthalt in allen diesen Städten; und da ich in den beiden Universitätsstädten Bierbeziehungen hatte, so wurde ich dort sehr freundlich empfangen und auf gemütlichen Commersen commentmäßig in die Luft gesprengt. In München angekommen, trat ich sofort in den dortigen philologischen Verein ein, aber neue Freundschaften wollten sich dort nicht entwickeln. Näher stand ich dem „norddeutschen Tisch“ im Augustiner; es waren alte Leipziger darunter, mit denen ich auch einen Passionsausflug nach Oberammergau* – man schrieb 1880 – mitmachte; aber von ihnen sind mir selbst die Namen entfallen. Um so mehr Eindruck machten auf mich die Passionsspiele und die Alpen. Das waren doch andere Gebilde als die zahmen thüringischen Waldhügel. Von da datiert sich meine leidenschaftliche Liebe zu ihnen; ich trat dem Alpenverein bei und fuhr hin, so oft ich konnte. Einmal mit meinem ehemaligen Petersburger Stubenflaus Ed. Schneider; er studierte am Polytechnikum Krystallographie – was ihm meinerseits den Namen „Tetraeduard“ eintrug, und machte drei englischen alten Jungfern den Hof, den Misses Sharp. Das gefiel mir schon weniger; doch muss ich dem praktischen Jüngling darin Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er seine „Sharpyien“ sprachlich besser ausnutzte als ich seinerzeit mein frisches americanisches Kleeblatt. Ob auch materiell, weiß ich nicht, möchte es aber glauben; jedenfalls zeigte sich schon damals bei ihm jenes Erpichtsein auf Gewinn, das mir nachmals den Verkehr mit ihm verleidete. Was die Studien anbelangt, so war die Hauptsache für mich die Kunst, alte wie neue. Im Mittelpunkt stand ein Vasenpraktikum bei Heinr. Brunn; wie bereute ich damals, Overbeck in Leipzig untreu gewesen zu sein! Dazu kam angeregtes Arbeiten in der Glyptothek, in der Sammlung der Gypsabgüsse, in der alten Pinakothek unter liebreicher brieflicher Anleitung von Crusius. Eine neue Welt tat sich vor mir auf. Ich versuchte so gut es ging, mich in die Kunstge81

schichte augenmäßig zu vertiefen, Schulen und Meister unterscheiden zu lernen; erst später merkte ich, dass mir ein Wesentliches dazu fehlte – das optische Gedächtnis. Um so mehr muss ich mir nachträglich Anerkennung zollen, dass ich das Menschenmögliche tat, diesem Naturmangel durch Eifer abzuhelfen; und zu etwas habe ich es doch gebracht – zum allerwenigsten zu einer großen Liebe. Leichter ging es mir, zur Architectur ein festes Verhältnis zu gewinnen, die leichter verständnismäßig zu erfassen war; die Gothik hatte es mir auf der Reise angetan. So studierte ich umfangreiche kunsthistorische Werke, die auch das Technische berücksichtigten. Das alles führte mich weitab von den in Leipzig angefangenen Arbeiten; ich ging meinem Sterne nach und legte absichtslos den Grund zu einer umfassenden Synthese, zu deren Ausbau Jahrzehnte gehörten. Besonders erwähnen will ich in diesem Zusammenhang die Werke Burckhardts, zu dessen Studium mich gleichfalls Crusius angeregt hatte; durch ihn ist mir zuerst der Begriff der Renaissance aufgegangen, den ich allerdings später selbst auszuweiten und zu vertiefen hatte. Leipzig war mir fast ausschließlich wegen meiner Freunde wert gewesen; München gewann ich als solches lieb. So kam es, dass es mich nach Leipzig zu ziehen aufhörte, als meine Freunde es verlassen hatten, während München für mich seine Anziehungskraft auf die Dauer und bis jetzt behielt. Der Grund war erstens, dass es eine Kunststadt war und als solche die Vorhalle für Italien; sodann aber, dass sein katholischer Charakter mich entschieden anheimelte, indem er an den abgerissenen Faden meiner Kindheit anknüpfte. Mein Vater war religiös gewesen und hatte auch uns, soviel an ihm lag, entsprechend erzogen; besonders hatte mich die Tragödie der Charwoche ergriffen, zumal sie eine Vorbereitung war zur Beichte und Abendmahl. Nach dem Tode meines Vaters hatte mich die religionsfremde Umgebung auf andre Bahnen gelenkt und zumal Leipzig hatte die entschieden irreligiöse Antithese meines Lebens eingeleitet, die noch lange vorhalten sollte. Aber eine stille Liebe lauerte doch im Herzensgrunde und die war es, die jetzt in München ihr Genüge fand, so einer künftigen, noch fernen Synthese vorarbeitend. In München – und noch mehr in den Alpen mit ihren naiven Kapellen, Marienbildern, Marterln. Dem Zauber konnten sich auch meine Freunde nicht entziehen, auch Lange nicht, der entschiedene Atheist; und gar Crusius hat mir einst ein schönes Gedicht zugesandt über „das Heilige, durch die Natur ergossen“ – das er leider nicht in seine Sammlung* aufgenommen hat. Das Heilige durch die Natur ergossen – das ist ja eben die antike Offenbarung; auch hier – Renaissance, das Hauptstück zu einer künftigen Synthese. Die Michaelisferien gaben reiches Material dazu; Lange kam zu mir und brachte einen neuen persönlichen Freund mit, den Referendar Linkelmann aus Hannover, einen etwas zippen, sonst aber netten Menschen. Ich führte sie in München herum, dann aber ging es in die Alpen. Partenkirchen war unser Einbruchstor; wir bestiegen die „Zuchs-pitze“, wie unser Hannoveraner sie nannte, der überhaupt, ob seiner „vergeblichen Bemühungen, sich mit dem bajuvarischen Bergbewohnern zu verständigen“ gehörig von uns gehänselt wur82

de. Dann ging es nach Tirol und ostwärts durch die nördlichen Kalkalpen bis Zell am See; dort wurde nach mehrtägiger Rast Abschied genommen. Die beiden reisten zurück; ich wanderte allein weiter in die Tauern – Kaprunertal, Gletscherübergang, Großglockner (als Anhängsel einer englischen Gesellschaft, die übrigens in der Stüdlhütte bis auf einen abfiel), Großvenediger (allein) – dann in die Dolomiten – Tofana und noch einige Spitzen, auf die ich mich nicht mehr besinnen kann – wo ich zum ersten Mal die italienische Sprache erklingen hörte, die mir nachher so vertraut werden sollte. An die zwei Monate dauerte die unvergessliche Wanderung; dann ging ich nach München zurück, um es gleich wieder zu verlassen. Doch will ich etwas vorher erwähnen, das für meine künftige Kunstauffassung von Bedeutung werden sollte. Ich hatte in meiner letzten Leipziger Zeit den älteren Bruder W. Langes kennen gelernt, Konrad, den nachmaligen Professor der Kunstgeschichte in Tübingen. Der hatte mir für München seinen Segen gegeben und mir hauptsächlich die Corneliusschen Fresken in der Glyptothek ans Herz gelegt; die waren womöglich noch wichtiger und bedeutender als die antiken Schätze daselbst. Ich handelte nach dem Wort, und sie gefielen mir ganz wohl. Als ich nach ein paar Jahren meinen Mentor wieder sah, berichtete ich ihm darüber, in der Hoffnung, seine Billigung zu verdienen. Ja, freilich! Wie konnte ich nur an solchen Schund meine Zeit wenden? Es hatten sich mittlerweile neue Strömungen an die Oberfläche durchgerungen – Freilicht, Präraffaelitismus, Impressionismus und was weiß ich was noch; und Freund Konrad wollte doch gern auf dem Kamm der modernen Welle sitzen. Es gelang ihm schlecht; noch modernere Wellen spülten ihn erbarmungslos hinunter. Ich war insofern besser dran, als mir der Modernitätsdünkel durchaus fehlte; dafür stellte ich mir selbst und andren die Frage, ob denn die Kunst der Mode gegenüber nicht besser dran sei, als etwa die breiten oder engen Frauenärmel? Ob es nicht doch einige Kriterien des Schönen gebe? Gewiss muss es die geben; sie sind deduktiv aus der Psychologie, sobald sie ausgebaut sein wird, induktiv aus der Erfahrung der Jahrhunderte, auf ihre Fruchtbarkeit geprüft, herzuleiten. Dort also habt ihr sie zu suchen, meine Herren Kunsttheoretiker, und bis ihr sie gefunden habt – keine Kritik ohne Kriterien! Doch das sollte mir erst später klar werden, und damit zugleich die Notwendigkeit tieferer psychologischer Studien; einstweilen war ich meines Münchener Erwerbs froh, packte meinen Koffer und reiste zum Wintersemester nach Wien. Ansiedeln wollte ich mich dort durchaus zwischen Prater und Augarten, also in der Leopoldstadt; was das Charakteristikum dieses Stadtteils war, erriet ich nicht sofort; auch dann nicht, als ich auf dem Wohnungsschild der von mir ausgesuchten Philister auf der Praterstraße den Namen Porges las; sondern erst dann, als mir der kleine Haussohn auf die Frage, was er werden wolle, die Antwort gab „Banquier.“ Ich ließ mich freilich nicht anfechten und nahm die Bude; anfangs ging auch alles glatt, das Unangenehme kam erst, als das Stipendium ausblieb. Die Porgessa war mit dem Zins sehr genau, und ich war in arger Verlegenheit. Auf den Rat einer Cafébekanntschaft bot ich dem Verlag Hartleben meine Dienste an; sie wurden freundlichst acceptiert, und wir kamen überein, 83

dass ich ein Werk Kraszewski’s übersetzen sollte. Die Folge war ein kleiner Briefwechsel mit diesem damals berühmtesten polnischen Schriftsteller und die Ermächtigung, seinen zweibändigen Roman „Capri und Rom“ zu übersetzen*. So war ich schnell aller Not enthoben, denn der liberale Verleger ging auf meine Vorschussbitte ohne weiteres ein, und der Porgessa wurde der Rachen gestopft. Aber die Übersetzung nahm mir viel Zeit weg, die ich besser hätte anwenden können; und eine Opuszahl bekam sie nicht. Das Bessere wären natürlich die Studien gewesen. Die Hauptsache war das Seminar Otto Hirschfelds, damals noch in Wien, bei dem ich – etwas spät – römische Epigraphik lernte; es wurde nämlich das Monumentum Ancyranum interpretiert. Auch Benndorf, der Archäologe, war erreichbar und wäre mir sehr nützlich gewesen; aber zu dem langte es nicht – aus dem angegebenen Grunde – und noch aus einem, der später zur Sprache kommen soll. Koenig, mit dem ich die ganze Zeit über correspondierte, war wenig davon erbaut, dass ich seinem lieben Wien nicht mehr abgewann; und er hatte recht. Gesellschaftliche Beziehungen pflegte ich auch keine – aus dem letztangedeuteten Grunde. In Kirschfelds Seminar waren einige tüchtige junge Leute, darunter auch ein Pole, der sich durch die richtige Aussprache meines Namens verriet. Zuletzt brannte mir der Boden unter den Füßen; als das Stipendium endlich ankam – Mitte Februar, statt Anfang Januar – wartete ich das Semesterende nicht erst ab, sondern machte meine Rechnung mit der Porgessa ab und fuhr durch die schneevergrabenen Alpentäler – mit Nachtlager in Zell am See und in Bozen – nach Verona.

XII In Verona, meiner ersten italienischen Stadt, fiel ich gerade in den Carneval hinein, der damals zwar nicht so rauschend wie zu Goldonis Zeiten, aber doch lustig genug begangen wurde; für mich doppelt interessant, da er auch das alte römische Amphitheater in Mitleidenschaft zog. Das gab einige Tage Aufenthalt. Dann Vicenza, die Stadt des Palladio, dessen architektonische Probleme mir durch die Münchener Studien nahe gemacht waren. Und dann das einzigartige Meereswunder – Venedig. Den Weisungen einer Reisebekanntschaft folgend, logierte ich mich dort billig und gut bei den Signorine Fumagelli ein, drei biederen und hässlichen alten Jungfern, die von den Pensionären le tre Grazie genannt wurden. Das war zugleich für mein Italienisch eine gute Praxis, das ich mir in Wien durch Lektüre von Manzonis „I promessi sposi“ einigermaßen angeeignet hatte. Die Antiken in Dogenpalast waren bald ausstudiert; auch dass ich für Neumann in der Marciana eine Handschrift abschrieb, hatte nicht viel zu bedeuten. Aber die venetianische Malerei von Giovanni Bellini bis Tiepolo, als ein Ganzes und dabei in Verbindung mit der Stadt selbst genossen, war eine Offenbarung von nicht nur ästhetischem Wert. Die Leipziger socialpolitischen Studien spielten herein: Venedig konnte nur durch die Aristokratie geschaffen werden – und Venedig war ein un84

endlicher Menschheitswert. Folglich war die Aristokratie gerechtfertigt – nicht für überall und immer, aber für hier und damals. So ging mir die Seele des alten Patricierstaates auf; die Gedanken begannen zu keimen, denen ich über zwanzig Jahre später in meinem Aufsatz über den „Kaufmann von Venedig“, einem meiner besten synthetischen Aufsätze, Ausdruck gegeben habe*. Nach einem Monat begann ich doch, mich nach dem Erdengrün zu sehnen und begrüßte erfreut das im Frühlingsschmuck prangende Padua. Für die gewichtige Lehre des St. Antoniusdomes hatte ich damals noch nicht das rechte Verständnis. Auch das „wohlräumige“ Bologna war mir nur eine interessante Merkwürdigkeit, auch des putzigen Dialektes wegen. Aber als ich den Apennin erblickte, packte mich der alte Wandertrieb; ich schickte die Sachen nach Florenz und marschierte zu Fuß, auf Dantes und Giottos Spuren, über den Pass von Pietramala und das Tal des Mugello eben dahin. Eine alte Straße, verlassen, seitdem es in einem parallelen Tal die Eisenbahn gibt, stadtähnliche Dörfer mit vierstöckigen Häusern, nur unten bewohnt. Der Wanderer benötigt zwei Tage für die ganze Strecke; mich zwang das stürmische Aequinoctialwetter, deren vier zu verwenden. Umso näher kam ich mit den Leuten in Berührung – in der Jugend ist das viel leichter. Verkehrsverlassenheit auch hier; ein Dorfweiser fragt mich nach der Gesundheit des – Kaisers Nikolaus… Ich muss nachholen, dass ich noch in Venedig auf dem Marcusplatze von der Ermordung des Kaisers Alexander II. gehört hatte – wie fern war mir das alles! – Jetzt mit dem gesteigerten Automobilverkehr ist auch die alte Mugellostraße wieder lebendig geworden. So kam ich nach Florenz, wo ich zwei Monate zu bleiben beschloss. Ein Zimmer bekam ich bei einem braven Florentiner echten Bluts, dessen ich mich wohl erinnere – ich besitze auch sein Bild – wenn ich mich auch auf seinen Namen nicht besinnen kann. Auch hier machten mir die Antiken wenig zu schaffen, zumal das Etruskische Museum geschlossen war und ich auf die kleine Sammlung in den Uffizien angewiesen war; desto mehr abermals die Renaissancekunst und die Stadt, wieder einmal beide aus einem Guss. Aber hier wurde mir der Genuss, wie schon einmal in Wien, durch das Ausbleiben des Stipendiums vergällt; wie es sich später herausstellte, hatten mir die Leute, weil ich meine Florentiner Adresse von Venedig aus angegeben hatte, auch das Geld nach Venedig, nach einer dort nicht existierenden Straße geschickt. Aber ehe es sich herausstellte, verging manche Woche; ich musste mir das Mittagessen abgewöhnen, und als auch der letzte Soldo ausging – mich meinem Wirt anvertrauen. Der war nun nicht vom Schlage der Porgessa: In liebenswürdigster Weise bot er mir an, in seinem Hause zu speisen. So war mir aus der Not geholfen; und als das Geld endlich ankam, war es auch Zeit, Florenz zu verlassen. Es war Frühsommer und herrliches Wetter; Grund genug, die Eisenbahn abermals zu verschmähen und über das toscanisch-umbrische Bergland vorwärts zu wandern. Es war die längere, aber auch die schönere Route: Vallombrosa, so schön wie ihr Name und damals noch nicht überlaufen; Arezzo, Cortona mit dem Trasimenischen See, in dem ich natürlich baden musste; dann namentlich das liebreiche „Perugia“ mit seiner Bildergalerie, Perugino und Pinturicchio, die 85

beide – und besonders der letztere – mein Herz eroberten und mir seitdem als Eideshelfer dienen, wenn jemand den religiösen Gefühlswert der Renaissancemalerei bestreiten will; Assisi, dessen großem Heiligen ich nun dank Giotto besseres Verständnis entgegenbrachte, als dereinst seinem Nachfolger in Padua; Foligno; Spoleto mit der lieblichen Quelle des Clitumnus und seinem (angeblichen) Tempel* davor; endlich Terni mit seinem imposanten Wasserfall und oberhalb dem rätselhaften See, dem „Nabel Italiens“*. Dann aber erst lahmte das Interesse, und als ich mich der heißen Campagna näherte, bestieg ich die Eisenbahn und gelangte wie ein gewöhnlicher Sterblicher nach Rom. Dort wurde ich als Leipziger Doctor vom Deutschen archäologischen Institut sehr freundlich empfangen. Das blühte damals unter des ehrwürdigen alten Henzen verständnisvoller Leitung. Neben ihm, dem „ersten Secretär“, stand als zweiter W. Helbig, nicht so beliebt wie er, aber ein Mann von großen Verdiensten, namentlich um die Erforschung der pompejanischen Wandmalerei. Der hatte es hauptsächlich auf die Bilder abgesehen; den decorativen Teil bearbeitete der dritte Gelehrte des Instituts, der Bibliothekar A. Mau, dessen epochemachendes Werk* darüber damals gerade in Arbeit war. Henzen lebte als Hagestolz in seinem capitolinischen Palast, von seiner jungen Haushälterin, Frl. Rosina, betreut; Helbig war mit einer steinreichen russischen Princess verheiratet (Šachovskaja), deren Herz er einst als Hauslehrer erobert haben soll, einer Dame von unheimlicher Körperfülle, aber auch von unheimlicher Gescheitheit, die ein Gespräch mit ihr zu einer geradezu ermüdenden Geistesgymnastik machte. Mau verehrte im Stillen eine Signora Candida Randanini, die ich gut kennen lernte, da er sie mir als Wirtin empfahl – er heiratete sie später, als ihr Mann gestorben war. Sie war schon damals nicht jung, aber edel gestaltet, eine echte Römerin – sie erinnerte mich an die sitzende sog. Agrippina*. Ich hatte es wirklich gut bei ihr, und wir gingen bald vom steifen „lei“ zum gemütlichen „voi“ über. Auch andre Gelehrte lernte ich kennen. Vor allem den großen Mommsen, der auf längere Zeit herüberkam; das war jedoch später. Im Museum von Neapel, das mir bereits durch längeres Studium bekannt war, hatte ich die Ehre, ihn herumzuführen und mich mit ihm über mancherlei zu unterhalten. Auch Carl Robert, den begeisterten Italianissimo, konnte ich mir aus der Nähe ansehen. Mit Overbeck vollends gab es ein herzliches Wiedersehen. Italienische Archäologen, die Helbig trotz seinem schauderhaften Italienisch heranzuziehen verstand, sah ich nur bei den wissenschaftlichen Sitzungen, ebenso den Director der Ecole Française*. Ein andrer hätte die Gelegenheit besser ausgenutzt; ich war teils ungeschickt, teils sorglos. Besser traf ich es mit den jungen deutschen Stipendiaten, den ragazzi capitolini, wie sie sich nannten. Der bedeutendste war Ed. Schwartz, aber wenig liebenswürdig, zumal mir gegenüber. Vorwiegend receptiv verhielt sich H. Luckenbach, ein redseliger Rheinländer, dessen Schroffheit durch große Aufrichtigkeit annehmbar gemacht wurde. Später kam auch Chr. Hülsen, dem das Institut bleibender Wohnsitz werden sollte, ein seltsames, aber angenehmes Gemisch von Wissenschaftlichkeit und Eulenspiegelei, seinem Wesen nach sehr an den alten Neumann erinnernd. Aber am nächsten stand mir doch der oben 86

genannte Konrad Lange, mit dem ich mich dauernd verband: erstens zu einem längeren Aufenthalt in Neapel und Pompeji, dann zu einer Reise in Sicilien, endlich – schon dicht vor der Heimkehr – zu einer Wanderung im etruskischen Gräbergebiet, jede der vier Unternehmungen etwa einen Monat umfassend. Ich verbinde hier Rom mit Neapel und dem übrigen, weil ich ziemlich unstet hin und herzog, und im Gedächtnis die verschiedenen Aufenthalte nicht mehr auseinander halten kann. So viel weiß ich, dass mein erster Aufenthalt in Rom nicht lange dauerte. Ich machte mit den Ragazzi einen Ausflug in die Sabina (Tivoli, Subiaco, Olevano), dann aber zog mich Signora Candida nach Neapel, wo sie des Hochsommers (zur „stagione romana“) hingereist war. Um recht viel mitzunehmen, wanderte ich über die Albanerberge nach Velletri, von da in die Volskerberge nach Norba-Norma, von wo ich in die pontinischen Sümpfe niederstieg und achtlos im verzauberten, epheubegrabenen Ninfa* das süße Gift der Malaria einsog. In Neapel wurde ich Signora Candidas After-aftermieter, hatte aber gerade noch Zeit, nach Capri zu fahren und (per Marktschiff) zurückzukehren, als mich ein rasendes Fieber aufs Krankenlager warf. Da am meisten muss ich Signora Candidas rühmend gedenken: Sie pflegte mich nicht nur in der freundlichsten Weise, sie schützte mich auch in meinen Delirien vor der Angst der Wirtsleute, die mich durchaus ins Krankenhaus abschieben wollten. In Neapel war es auch, dass ich das Thema zu meiner größeren – und einzigen – archäologischen Arbeit fand. Es war die Gruppe dreier, um ein Schwein beschäftigter Jünglinge, von denen einer, gekauert, in ein unter einem Kessel brennendes Feuer bläst. Die „myronische“ Anlage des letzteren fesselte mich; ich verfolgte die Entwicklung dieses „Feueranbläser“-Motivs durch die Jahrhunderte der antiken Kunst und constatierte den Parallelismus dieses Motivs mit dem bekannten Dornauszieher-Motiv. So kam die Arbeit zustande, die ich zunächst auf italienisch unter dem Titel „il sacrifizio a Cerere“ in einer adunanza des Instituts vorlas, u. a. in Anwesenheit Overbecks, der von ihr ganz entzückt war und meinte, sie würde „viel Staub aufwirbeln“. Tatsächlich ist sie, auch nachdem sie unter dem Titel „der Feueranbläser und der Dornauszieher“ im Rheinischen Museum gedruckt worden war*, meine „archäologische Jugendsünde“ geblieben. Schwerlich mit Recht, wie ich jetzt, nach über 40 Jahren, wohl objektiv genug urteilen zu können glaube: Der Nachweis der parallelen Entwicklung hatte entschieden seinen Wert und der Fleiß, mit dem ich die Fülle des Materials zusammengebracht hatte, verdiente auch Anerkennung, von manchen Einzelfunden abgesehen. So meine ich denn aufrichtig, dass dieser meiner zweiten Arbeit nur ein Mommsen gefehlt hat, der ihr durch sein gewichtiges Wort zu Ansehen verholfen hätte. Aber wahr bleibt wahr: Zu einem Archäologen fehlte mir das optische Gedächtnis. Und so ließ ich es denn dabei bewenden. Ein Torso blieb eine weitere, in Pompeji angefangene Arbeit über den „Pompejanischen Hochbau“, zu deren Vollendung mehr Zeit und wohl auch mehr architektonische Kenntnisse gehörten. Auch hat niemand, soviel ich weiß, bis jetzt das Thema in Angriff genommen. Es war auch von Neapel aus, dass ich – im Frühjahr 1882 – meine erste griechische Reise unternahm, nämlich mit der Bahn bis Brindisi und von dort zu 87

Schiff, zunächst nach Corfu. Dort gab es Aufenthalt vom Morgen bis zum Abend. Ein italienisch sprechender Grieche nahm sich dort meiner an; mir war es peinlich, da ich darin nach Analogie des italienischen accattonaggio73 ein Attentat auf meinen Beutel witterte. Nachdem er mich lange erklärend und plaudernd herumgeführt, lud ich ihn vor der Abfahrt in ein Café, um mich auf anständige Weise zu revanchieren. Beim Aufbruch fragte er mich, ob mir Corfu gefallen hätte. „Sehr“ antwortete ich mit gutem Gewissen. „Möge Ihnen das übrige Griechenland ebenso gefallen!“ sagte er, drückte mir die Hand und empfahl sich. Und als ich zahlen wollte, erfuhr ich, dass die Sache schon erledigt sei. Von Corfu ging es bei Nacht an Zakynth vorbei durch den Korinthischen Meerbusen nach Lutraki, wie der Hafen von Korinth damals unpoetisch hieß, von dort per Omnibus (den Kanal gab es damals noch nicht) nach dem noch unpoetischeren Kalamaki am Saronischen Meerbusen, von dort per Dampfer nach dem Piräus, von dort endlich mit der einzigen Eisenbahn, die Griechenland damals besaß, nach Athen. Dort umfing mich wieder die deutsche Atmosphäre; ein deutsches archäologisches Institut gab es auch dort, nicht so großartig wie das römische, aber unter des bedeutenden Epigraphikers U. Köhler ausgezeichneter Leitung, dem der Topograph Lolling zur Seite stand, sehr rührig und angesehen. Aber der „deutsche Tisch“ im Hôtel d’Athènes versammelte nicht nur Männer der Wissenschaft: Da waren junge Kaufleute (zu denen als preside der treffliche Schaberg, gehörte), Diplomaten (u. a. ein gewisser Oberg, der Vielgehänselte, complett kahl, den man gern deshalb mit dem ersten Vers aus Schillers „Spaziergang“ begrüßte*: „Sei mir gegrüßt, o-Berg mit dem rötlich strahlenden Gipfel“) und zufällige Touristen. Untergebracht wurde ich bei Frl. Hofmann, Leiterin der deutschen Schule, in einem Zimmer, in dem bis dahin „ein junger Archäologe aus St. Petersburg, Gangolph Kieseritzky“ gewohnt hatte. Der stand dicht vor seiner Hochzeit mit einer Deutschgriechin, Frl. Karoline Heldreich, Tochter des Directors des Botanischen Gartens. Einst sah ich vor meinem Fenster ein bildhübsches junges Mädchen stehen: „Sehen Sie“, sagte mir Frl. Hofmann, „das ist die Braut von Herrn Kieseritzky.“ Er selbst war auswärts, ich weiß nicht, warum, und nach der Hochzeit brachten sie ihren Honigmonat in Kephisia zu, einer Sommerfrische am Pentelikon, um dann sofort nach Petersburg zu ziehen. Erst dort lernte ich beide kennen. Aber auch Ausländer wurden am deutschen Tisch gern gesehen. So aus Holland Boissevain, der Herausgeber des Dio Cassius, später und bis jetzt Professor in Amsterdam;* Tudeer, nachmals Professor in Helsingfors, und vor allem zwei Petersburger, Latyšev, der Epigraphiker, und V. Jernstedt , der Paläograph. Das war überhaupt das erste Mal, dass ich mit der russischen Philologie in Berührung kam. Sie war flüchtig und lau; was beide gegen mich hatten, erfuhr ich z. T. erst später, z. T. werde ich es wohl nie erfahren. Meine Hauptbeschäftigung war am Tage Studium des Museums, am Nachmittag und Abend – der Ruinen. Ersteres war damals an der Patisiastraße ganz bescheiden untergebracht, aber ebendort, wo jetzt das stattliche National73

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museum steht. Also ziemlich weit im Norden; hin am Vormittag – Sonne von rechts; zurück am Nachmittag – Sonne abermals von rechts. Und die griechische Sonne kann was, zumal im Frühling; bald war meine vordere Gesichtshälfte gebräunter als die linke. Die Abendspaziergänge durch die Ruinen wurden vielfach in Gesellschaft unternommen. Hauptziel natürlich die Akropolis, dort der Parthenon, und dort der zugängliche Westgiebel. Zugänglich durch die jetzt mit Recht gesperrte Minaretttreppe; sie führte auf die Cellamauer, von der konnte man in schwindliger Höhe über einen verdächtig geneigten Verbindungsquader in den Giebel zu den Tauschwestern gelangen. Wir taten es gern, um für die erstaunten Passanten den durch Morosini* entvölkerten Giebel mit unseren eigenen Figuren zu beleben, einmal sogar mit Flaschen, aus denen wir Iktinos’, Phidias’ und Perikles’ Gesundheit tranken. Später benutzte eine junge Deutsche in ihrer Liebesverzweiflung den Giebel zu einem klassischen Selbstmord, und da wurde das Minarett gesperrt. Auch Ausflüge wurden in Gesellschaft unternommen – nach Eleusis über Daphne, nach Phyle – diese der Archäologie wegen; um auch die Natur nicht zu kurz kommen zu lassen, überredete ich den jungen Baumgarten – den von der „hellenischen Kultur“ – zu einer nächtlichen Besteigung des Hymettus.* Den Eindruck, den der Sonnenaufgang dort auf mich machte, beschrieb ich viel später in meinem „Schloss der Morgenröte“*. Und als der Hochsommer vor der Tür stand, unternahm ich mit einem gerade anwesenden bayrischen Gymnasiallehrer Toussaint – die anderen hatten das bereits hinter sich – einen längeren Ausflug in den Peloponnes. Das war damals in der eisenbahnlosen Zeit nicht so leicht wie heute. Wollene Decken und Conserven mussten wir uns in Athen kaufen; das Schiff brachte uns bis Nauplia, dort wurden Maultiere mit Agogiaten (Führern) gemietet und wir ritten weiter über Tripolitza nach Pavlitza (Tegea), dann den Eurotas hinunter nach Sparta, dann über den Taygetos (sehr schön) nach Kalamata, dann nach dem Kloster Vurkano auf der Ithome, nach Phigalia mit seinem Tempel* und endlich nach Olympia, unserem Hauptzielort. Doch mussten wir dicht davor eine regnerische Nacht am Alpheus zubringen, da wir zur Fähre zu spät kamen. Unsere wollenen Decken waren uns nicht nur hier von Nutzen: Der heutige Reisende macht sich keinen Begriff von der damaligen Wanzenplage. In Olympia verabschiedete sich Toussaint, der es eilig hatte; ich blieb eine Woche länger, studierte gründlich die Altis und vervollkommnete mein Neugriechisch in Gesprächen mit der freundlichen hübschen Wirtin und dem jungen Ephoros Dimitriadis. Von diesem hörte ich zuletzt ein paar Jahre später in Petersburg von einem neu angekommenen Griechen. „Was macht mein Freund, der Ephoros Dimitriadis?“ – Der sah mich groß an: „Er sitzt im Gefängnis“. – „Aus politischen Gründen?“ – „Nein: éklepsen (er hat gestohlen)“. Da hätte ich den „Freund“ gern zurückgenommen. Das war der Hochsommer; und nun hieß es: zurück. Abschied von Athen. Rückreise nach Brindisi, Fußwanderung durch die Basilicata von Candela aus mit Besteigung des Vultur,74 wildeste Gegend bis Benevent, dann über Neapel 74

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nach Rom. Hier erhielt ich meine zweite wissenschaftliche Auszeichnung: die Ernennung zum correspondierenden Mitglied des deutschen archäologischen Instituts. Daran schloss sich jene oben erwähnte etruskische Gräbertour mit K. Lange, an der anfangs auch ein hannoverscher Ragazzo teilnahm; der Durst veranlasste uns, den Lockungen der reifen Trauben in den Weinbergen öfter nachzugeben, als es sich mit dem siebenten Gebote vertrug, und noch klingt mir sein vorwurfsvolles „nun aber nicht mehr s-tibitzen!“ in den Ohren. Aber auch vor meinen Augen erscheint die braune bärtige Gestalt jenes freundlichen toscanischen Winzers, der, als er uns bestäubt herankeuchen sah, lachend eine Riesentraube abschnitt und sie uns reichte. Pisa – Genua – Mailand – Zürich – Bodensee – München; hier Aufenthalt. Dann Crusius in Leipzig. – Lange in Berlin und fort über die Grenze, bei abscheulichem Spätherbstwetter und Frost in dritter Klasse, bei Tag und Nacht nach Petersburg. Dort angekommen im November 1882 nach sechsjähriger Abwesenheit. Das waren meine Wanderjahre. Hätte ich sie nicht besser – noch besser ausnutzen können? Wenn ich an die Erfolge meines nachmaligen und besten Schülers M. Rostovcev denke, muss ich sagen: allerdings. Was mir mangelte, war vor allem jenes optische Gedächtnis, von dem ich oben sprach; sodann die Kunst, mit Menschen umzugehen; und drittens, wie mir später und bis zuletzt bemerkt worden ist, die Fähigkeit und der Trieb, meine Person und mein Wirken zu „mettre en relief“ – bei Fernen sowohl als bei Nahen und Nächsten. Doch daran war und ist nichts zu ändern.

XIII In Petersburg wartete mancherlei auf mich – Altes und Neues. Zunächst das Verwandtschaftliche: Mein Onkel Alexius war mittlerweile gestorben – bis zuletzt unversöhnt. Wie mein Bruder meinte, war es die Tante Eugenia Vasil’evna, die ihn gegen uns aufstachelte, aus Furcht, er könnte das Gütchen, das er sich allmählich zusammengespart hatte, uns hinterlassen. Mir hatte sie nach seinem Tode einen Brief geschrieben, zu Händen jenes Herrn, der mich damals vor dem russischen Staatsdienst gewarnt hatte; den hatte er zwar verlegt, sagte mir aber, er wäre sehr achtungsvoll per „Sie“ geschrieben und hätte die Aufforderung enthalten, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen und mit ihr das Gut zu verwalten. Meinem Bruder hätte sie das vorschlagen sollen, der zum Gutsverwalter wie geboren war; nach Absolvierung des Waiseninstituts war er in die Forstakademie eingetreten, was ein sehr guter Schritt war, hatte sie aber infolge eines Zusammenstoßes mit dem Director – bei seinem heftigen Temperament nichts Ungewöhnliches – aufgeben müssen und war dicht dabei, in die Paulsmilitärschule aufgenommen zu werden*. Herzlich und bieder, war er mir ein richtiger Bruder, wenn auch die grundverschiedene Erziehung und die lange Trennung einen gehörigen Keil zwischen uns getrieben hatten. 90

Anna Nikolaevna lebte in Vinnica mit einem fernen Verwandten meines Vaters, dem sie das Haus hielt; von ihren reichverheirateten Schwestern die eine, Helene, in Sibirien, die andre, Marie, in Petersburg. Das kleine Brüderchen war längst gestorben; die Schwester Mania dagegen, ein Backfisch von 14 Jahren in Petersburg, im Smolnaschen Institut, wo sie, als Staatsratswaise – und orthodox dazu – eine Freistelle erhalten hatte, freilich in der minderbevorzugten, der Alexanderabteilung*. Mir schlug das Herz: meine Schwester! Natürlich fuhr ich sofort hin. Es war gerade ein Samstagabend, die Mädchen waren beim Gottesdienst. Ich wartete. Classe an Classe zog an mir vorüber, hübsch ordentlich, immer je zwei und zwei, in ihrer braunen und weißen Institutstracht. Endlich kam auch ihre Classe. Gierig verschlang ich die Mädchen mit den Augen: welche von euch ist wohl meine Schwester? Vorbei! Und wieder musste ich warten, bis sie zu mir gerufen wurde. Sie kam, rümpfte das Näschen, wie sie mich sah… warum? Ich sah doch wahrlich nicht übel aus, war zudem ihr Bruder, und brachte ihr, was sie freilich nicht wusste und nie erfahren hat, ein so volles Herz entgegen. Sie reichte mir unlustig die Wange zum Kusse, sah sich das Geschenk an, das ich ihr gebracht hatte – ob es ihr gefiel, ob nicht, konnte ich nicht erraten. Es folgte ein kurzes gleichgültiges Gespräch, bei dem ich mich sehr zusammennehmen musste – sehr niedergeschlagen fuhr ich heim. Sie hatte noch ein paar Institutsjahre vor sich, während der ich sie wiederholt bei dem oben genannten Herrn sah, in dessen gastfreiem bescheidenen Hause auch mein Bruder ein ständiges Absteigequartier hatte. Mit dem war sie freier, mit mir immer kühl, verschlossen, fast feindselig, ohne dass ich erraten konnte, warum. Auch ihre Mutter kam auf kurze Zeit her; sie war freundlich zu mir, aber wir waren einander sehr fremd geworden. Sie reiste wieder ab und starb bald darauf. Ihre Schwester Marie holte mich ab, um Mania die Trauerbotschaft zu bringen. Die brach natürlich in Tränen aus. „Weine nicht, Mania“, tröstete sie die Tante, „dein Bruder wird dich nicht verlassen – nicht wahr, Tadja, Sie werden Ihre Schwester nicht verlassen?“ Mir kam dieses sichtliche Bestreben der reichen Frau, meine Rührung auszubeuten, um ihr Schwesterkind von sich auf mich abzuwälzen so widerwärtig vor, dass ich mir kein Wort abpressen konnte. Verlassen habe ich sie freilich nicht – sie war es, die mich verlassen sollte, doch davon später. Zu was Erfreulicherem: Auf Grund meines Doctors wurde mir erlaubt, direct zum Magisterexamen zu schreiten und zur Ausarbeitung der Dissertation ein Jahr mit einem bescheidenen Stipendium bewilligt. Sonny war bereits in Petersburg als Lehrer am V. Gymnasium an der Pokrov-Kirche; er wohnte auch in der Nähe, und da in seinem Zimmer für zweie Platz war, so schlug ich ihm halbpart vor, worauf er gern einging. Auch er bearbeitete ein Magisterthema, so dass wir in gleicher Lage waren. Ich konnte für das Meine meine Neapler Funde nicht brauchen, da eine rein philologische Arbeit verlangt wurde; so griff ich auf das Leipziger Preisthema zurück und schrieb in nicht sehr glänzendem, aber für den Anfang nicht üblem Russisch meine Dissertation* O sintagmach v drevnegre eskoj komedii (den Westphalschen Terminus „Syntagma“ gab ich später zu Gunsten des 91

von mir nachgewiesenen antiken „Agon“ auf). So hatte ich einen angenehmen Wohnungsgenossen und eine angenehme, sorgenfreie Beschäftigung. Wir besprachen unsere Ergebnisse gegenseitig, spielten Schach und trieben allerlei Kurzweil, wobei er, als der Jüngere, sich von mir auf die gutherzigste Weise zum Besten haben ließ. Von auswärtigem Verkehr stand Koenig obenan, der mit seiner jungen Frau – Lolly geb. Serck – in der Kironaja unweit des Taurischen Gartens wohnte; ich hatte die zwei schon auf ihrer Hochzeitsreise, die sie 1880 durch München führte, kennen gelernt, zusammen mit Ed. Schneider, der sich über den Namen „Lolly“ aufhielt und die Inhaberin durchaus für eine Kunstreiterin halten wollte. Dies Jahr 1882 brachte ihnen dicht vor seinem Scheiden als Sylvesterkind ihr erstes, Editha. Auch Director Kirchner war noch am Platz, und sein weißes Alter nicht minder würdig und schön als vormals das graue; von meinen alten Lehrern namentlich Dittmann und der excentrische Mathematiker Kieseritzky, ein entfernter Verwandter des Archäologen; von neuen besonders C. Schneider, mir flüchtig von Leipzig her bekannt, und der Dörpter F. Masing. Aber verkehren tat ich außer bei Koenigs nur noch bei Kirchners, bei denen ich auch ihren Sohn, meinen ehemaligen Schulkameraden Johannes, nach längerem Gymnasial- und Universitätsstudium in Deutschland wieder fand. Nun begann sich aber auch die russische Welt vor mir aufzutun, und zwar gleich an zwei entgegengesetzten Enden. Das eine war das Haus Georgievskij, Vater und Sohn – politisch die äußerste Rechte. Dem Alten gegenüber hatte ich Pietätspflichten, er lud mich öfter ein, und ich kam nicht ungern, obgleich ich da manchmal Menschen sah, denen ich lieber aus dem Wege gegangen wäre, wie unsere bête noire Katkov. Der junge war mir als gerader fester Charakter sympathisch, zumal er wusste, an welchem Punkte wir auseinander gehen mussten, und sich dementsprechend benahm. Aber mein vorbestimmtes Milieu war doch die Universität, und das war vorwiegend die Linke, zum Teil ziemlich radical. Hauptvertreter der Philologie war als Hellenist K. Lugebil < Ljugebil’>, ein Deutschrusse, als Gelehrter sehr belesen, ein scharfer kritischer Geist, aber sehr unfruchtbar, als Lehrer im engeren Kreise beliebt, aber nicht in die Weite wirkend, und in beiden Eigenschaften ein gehöriger Kümmelspalter; seine politische Stellung charakterisiert am besten, dass er einmal, als ich bei ihm von der bevorstehenden Krönung des neuen Kaisers Alexanders III. sprach, in die Worte ausbrach: „Hängen müsste man ihn und nicht krönen!“ – worüber sogar seine sonst geistesverwandte Frau* zusammenfuhr. Im Übrigen die ehrlichste und gutherzigste Haut in der Welt. Sein lateinischer Partner war Iv. Vas. Pomjalovskij, von orthodox-geistlicher Herkunft nur Aussehen, sehr fleißig und produktiv, zumal auf christlich-antikem Gebiete, nicht sehr kritisch und politisch mehr zur Rechten neigend. Ganz dahin gehörte der aufs historische Katheder verschlagene Fed. Fed. Sokolov, ein grundgelehrter griechischer Epigraphiker, kritisch und produktiv zugleich, aber äußerst schreibscheu und seine profunde Gelehrsamkeit nur im Colleg abladend, bis ihm – viel später – Mich. Rostovcev ein paar Abhandlungen entlockte und deutsch publicierte; daneben ein Mann von encyklopädischem Wissen, auch auf neusprachlichem Gebiete (hier charakteri92

siert ihn die Eigentümlichkeit, dass er fließend englisch las, aber kein Wort auszusprechen verstand); als Epigraphiker ein bedeutendes Schulhaupt. Von jüngeren der Docent Pet. Nikitin, eine äußerst sympathische Erscheinung, Hellenist, wenig produktiv, aber gelehrt und gediegen, schweigsam und daher wenig anregend im Colleg, aber im Verkehr die verkörperte Gerechtigkeit.* Sodann der oben erwähnte V. Jernstedt , pietätvoll an Lugebil wie an Sokolov hängend, aber politisch ersterem näher, wissenschaftlich tüchtig und wenig produktiv, im Verkehr etwas gallig infolge eines Leberleidens, das ihn auch frühzeitig ins Grab brachte. Mir gegenüber war nun diese Gruppe, sowie die Facultät überhaupt, teils reserviert, teils feindselig, und es dauerte lange, bis ich den Grund einigermaßen begriff. Es stand das Statut von 1884 bevor, das den Universitäten Russlands ihre Autonomie nahm; als sein wahrer Urheber war eben der alte Georgievskij bekannt, derselbe, der auch Direktor des russischen Seminars in Leipzig war. Nun galt ich, als das beste Mitglied dieses Seminars, das auch selber als eine Art philologische Antifacultät angesehen wurde („er hat in einem fort Ihren Namen ausgebeutet, um nur eine Weiterbestätigung dieser albernen Institution zu erwirken“ – sagte mir einmal in einem Moment wütender Aufrichtigkeit Leonid Nik. Majkov, der Redacteur des Journals des Ministeriums für Volksaufklärung – „als ob Sie nicht auch als Student unserer Universität dasselbe geworden wären, was Sie sind!“). Also hielt man mich für ein Werkzeug in Georgievskijs Händen, dazu bestimmt, ihm die akademische Autonomie aus den Angeln heben zu helfen – und die Atmosphäre um mich war von vornherein vergiftet. Wie in meiner Kindheit – die „Tragödie der doppelten Anhänglichkeit.“ Ich hätte wohl lange blind herumtasten können – ich hatte ja während meiner glückseligen Lehr- und Wanderjahre an alles eher gedacht als an Universitätsautonomie und – statut; es war, wie so oft, weibliche Intrige, die mir die Augen öffnete. Es verkehrte bei Lugebils ein Frl. Lydia Dellevie75– dass sie Jernstedts Braut war, erfuhr ich erst ein Jahr später, als er sie heiratete. Einmal nun, wie ich Abschied von ihr nehmen wollte, wandte sie mir ostentativ den Rücken. Ein andermal fügte es der Zufall, dass ich im Theater neben ihr zu sitzen kam – sie wechselte sofort den Platz mit ihrer Nachbarin. Ob jenes der ganze Grund war? Jedenfalls der einzige, den ich mir deuten konnte. Das war der Winter 1882-83, wenn ich auch einiges vorweggenommen habe, was in den folgenden gehörte. Der Sommer sah mich, dank Director Kirchners Vermittlung, als Hauslehrer beim reichen Wagenfabrikanten C. Nellis auf dessen Gute Skinarvila am Saimasee. Ein äußerst angenehmes Haus: er Däne, sie Engländerin. Haussprache deutsch, der einzige Sohn, ein Untersecundaner, ein aufgeweckter, anhänglicher, braver Junge, das Gut nebst Tannenwald am See mit seinem Granitinsellabyrinth. Wir blieben auch weiterhin gut bekannt, während mit Schumachers die Bekanntschaft ganz auseinander gegangen war.

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In der Handschrift (irrtümlich): Dellovy. Hinweis von A. Ruban. 93

Sonny hatte mittlerweile den Magister erworben und das Professorenstipendium erhalten, mit dem er nach Italien gefahren war. Ich mietete mich in Nellis’ Nähe auf der Petersburger Seite ein; dort fand ich als Nachbar einen ehemaligen Schulkameraden, W. Mac Kibbin, mit dessen Mutter ich etwas englisch radebrechen konnte; zu uns kam gern Joh. Kirchner, um Skat zu spielen, und da unter allen Petersburgern wohl nur noch C. Giebel dieses Spiel kannte, so wurde auch er öfter zugezogen – er war Lehrer am VII. Gymnasium auf den Peski („Sanddünen“), wohnte aber bei seinen Eltern (Galernaja). Im Spätherbst bestand ich mein Magisterexamen, worauf bald die Verteidigung der Dissertation folgte. Sie war recht feierlich; Publicum die Menge. Meine Auftrittsrede hatte ich sorgfältig vorbereitet, und sie wurde mit reichlichem Applaus belohnt. Lugebils, des ersten Opponenten, Kümmelspalterei missfiel allgemein; nachdem es zu Ende war, brauchte ich nur zu constatieren, dass keine einzige meiner Thesen auch nur angegriffen worden war. Sachlicher und triftiger waren die Einwände Nikitins und Jernstedts; letzterer schloss mit den Worten „Und trotzdem eine wichtige Dissertation“ („A vse-taki važnaja dissertacija“). So war ich Magister; der brave alte Nellis schickte mir zur Feier des Tages einen großen Lorbeerkranz und ein halbes Dutzend Flaschen Niersteiner, die sofort Anschluss fanden. Am 21. Januar 1884 eröffnete ich meine Wirksamkeit an der Universität mit einem Colleg über Aristophanes – vor fünf Zuhörern. Doch will ich die Weihnachtsferien nicht ganz überspringen. Am 2. Januar kam Giebel und lud mich zum ersten Mal zu sich ein: Es sei der Geburtstag seiner Schwester, die sei Hauslehrerin in Reval und verbringe ihren kurzen Urlaub im Elternhause. Nun, warum nicht. Da Freund Giebel zwar ein kreuzbraves Haus, aber durchaus nicht schön zu nennen war, erwartete ich von seiner Schwester auch nicht viel Gutes; und ich wollte meinen Augen kaum trauen, als ich ein blühendes, wohlgewachsenes, rosiges Mädchen erblickte. Sie begrüßte mich freundlich und erinnerte mich an den Tag, an dem sie mich zuerst gesehen hatte – am Annenschulactus 1876. Es war ein bescheidenes, aber sehr gemütliches Heim: der Vater schon recht alt, die Mutter rüstig und rührig, dazu eine Schar Freundinnen und junger Leute. Unter den ersteren die kleine niedliche Lisa Novikova, die muntere Emma Neudorf, zwei Schwestern Levy – allgemein „die Kinder Levy“ genannt – von denen die jüngere, Minna, ganz annehmbar. Der Ton war nett und zwanglos; es wurden die üblichen Spiele gespielt, wobei ich die eines Zahnwehs wegen verbundene Lisa, als sie auf dem Moquirstuhl saß, das „rheumatische Kolibri“ nannte und mich dadurch verriet. Der Mutter gefiel die Bezeichnung: „das ist doch etwas zum Mitnehmen“ sagte sie. – Die Haustochter reiste bald darauf nach Reval zurück, und ich sah sie und das Haus in diesem Jahr nicht wieder. Vom Frühling ist nichts zu melden. Als etatmäßiger Privatdocent bekam ich ein Gehalt von 100 Rubel monatlich; das gab mir die Möglichkeit, den Sommer in Deutschland zu verbringen und die Freunde, die freilich sehr verstreut waren, aufzusuchen. Crusius war Privatdocent in Leipzig; dort lernte ich auch den jungen Zarncke (nachmals Redacteur des „Literarischen Centralblatts“) und Ilberg (nachmals Redacteur der „Neuen Jahrbücher“) kennen; nimmt man hinzu, dass 94

auch Crusius die Redaction des „Philologus“ bevorstand, so kann man sagen, dass mir damals die drei Hauptstätten meiner künftigen wissenschaftlichen Schriftstellerei gewiesen wurden. Schwarz war Gymnasiallehrer in Hirschberg; von dort lockte mich das Riesengebirge, vor allem die großartigen böhmischen Felsenstädte Adersbach und Weckelsdorf*. W. Lange präparierte sich in Berlin zum Referendarexamen*. Auch Sieglin sah ich mit seiner jungen Frau und drei Kindern, mit harter Not ringend – ich glaube in Gohlis bei Leipzig; es war das letzte Mal. Bald darauf lachte ihm das Glück in überraschender Weise: Er bekam nach Kieperts Tode sein Katheder für alte Geographie in Berlin. Aber das Ende war traurig: Zwist mit den Kindern und Wahnsinn. Jetzt wird er wohl tot sein. Nach der Rückkehr kam eine große Veränderung. Director Kirchner legte das Directorat nieder; dies Amt wurde Koenig übertragen, und dessen Stunden in der Prima – mir. Da ihm aber die Directorswohnung zu groß war, bot er mir zugleich die beiden Oberstübchen an, die einen gesonderten Eingang hatten. Auch Kost bekam ich in seiner Familie, für die ich mit Frau Koenig eine besondere Remuneration verabredete; so wurde ich „Haustochter“, wie die Collegen sich scherzend ausdrückten, und für die kleine Editha, die gerade sprechen lernte, „Onkel Sika“. Ich hatte es gut in dieser kleinen, damals noch so glücklichen Familie; besonders die gemeinsamen Mahlzeiten bei Koenigs Witz und Frau Koenigs Munterkeit waren sehr angenehm. Auch das Unterrichten machte mir Vergnügen, zumal ich an Koenig einen so trefflichen Berater hatte. Ich kam so auf den Geschmack, dass ich mir fürs nächste Schuljahr von Koenig die Sexta (d. h. die erste Gymnasialclasse) mit Ordinariat ausbat in der Absicht, sie nach und nach durch alle Stufen bis zum Abiturientenexamen zu führen. Es sollte jedoch anders kommen.

XIV Doch bevor ich weitergehe, muss ich auf Vergangenes zurückgreifen und Dinge zur Sprache bringen, die sonst nicht in eine Biographie gehören, und in eine Gelehrtenbiographie schon gar nicht. Ich tue es, weil ich diesen Lebensabriss vorwiegend für euch schreibe, meine Kinder, und das hier angefangene Kapitel ausschließlich. Ich wollte, ich könnte es wie Goethe überschreiben*: „Irre ich, so irre ich mir“; leider aber haben meine Irrungen auch andere in Mitleidenschaft gezogen, die es nicht verdient hatten. Wenn ihr aber davon lest, müsst ihr bedenken, dass ich damals jünger war, als jetzt das jüngste von euch; und dann, dass mir von klein auf die Liebe einer Mutter – die köstlichste von allen – gefehlt hatte und sich so ein Zärtlichkeitsbedürfnis anhäufte, das ohne Befriedigung blieb. Wenn ich wenigstens eine Schwester gehabt hätte! Von der verstorbenen sprach mein Vater viel, obgleich nicht viel von ihr zu sagen war. „Sie wacht als Engel über dir“, war sein ständiges Wort, er glaubte daran, und ich erst recht. 95

Und da sie mit mir wuchs, war mir tatsächlich jedes etwa gleichaltrige Mädchen „wie ein Gebild aus Himmelshöhen“; dies Gefühl wird wohl das Meiste zu meiner späteren Romantik beigetragen haben. Das zeigte sich zuerst, als – in meinem Quartaner- oder Tertianerjahr, ich weiß nicht mehr – zu Meyers eine hübsche kleine Eisgangspensionärin hereinschneite, Olga Reuter genannt (weil nämlich damals noch keine feste Brücke nach der Vyborger Seite führte, gaben dort wohnhafte Annenschuleltern ihre Kinder gern für die Zeit des Eisgangs diesseitigen Familien in Pension). Ich verliebte mich sofort in sie und litt es mit stummem Schmerz, dass das ungezogene Ding, des Vorteils gewahr, meine so sauber gehaltenen Hefte, Bücher etc. mit seinen Kritzeleien verunzierte. Der Schmerz war ein doppelter: ein Mädchen, und ungezogen – das tat weh. Natürlich blieb die Sache nicht verborgen; als Anna Nikolaevna davon erfuhr, sagte sie lachend auf Deutsch: Früh krümmt sich, was ein Haken werden soll. Mit dem Haken hatte es gute Weile; dafür sorgte – Frau Sorge. Und so kann ich die folgende trübe Zeit überspringen. Es war im Herbst 1877, den ich mit Fränkel auf dem Stutenhaus zubrachte, dass die Romantik dauernd von mir Besitz nahm. Ich sagte schon, dass die Burschen und Mädchen – Bauernsöhne und –Töchter – aus dem benachbarten Dorf öfter herüberkamen, um Bier zu trinken und Lieder zu singen. Die jüngste in der Gesellschaft – die ebendeswegen noch keinen „Schatz“ hatte – war die schwarzäugige Ida Lenz; „die ist aber schön!“, sagte Fränkel gleich nach dem ersten Abend. Ich hatte es nur zu gut gemerkt. Der Reiz des Volksliedes, das mir damals zuerst in seiner Schönheit aufging, verklärte auch sie; dazu kam der Zauber der warmen Mondnächte, die Spaziergänge unter Buchenhallen, wohl in Gesellschaft – Bauerntöchter sind nicht so Hergelaufene – aber doch paarweise, und Mondschatten sind tief. Zuletzt ein Kirchweihfest in Schmiedefeld mit seinen Vergnügungen – kurz, als ich nach Leipzig zurückkehrte, war ich beinahe verlobt; wenigstens hatte ich mich in der nächsten Kreisstadt Suhl mit Ida zusammen photographieren lassen, und das Bild muss noch irgendwo unter Mamas Sachen zu finden sein. Die Leipziger Freunde maßen der Angelegenheit keine Bedeutung bei; Crusius, der sich überhaupt viel Mühe gab, auf meinen Namen Reime zu finden, schrieb aus Italien an Neumann einen teilweise versificierten Brief, in dem er u. a. auf meine Person mit folgendem Verspaar Bezug nahm: Linskie Zie – liebt noch „sie“? Und Schwarz, der Heineverehrer, nannte mit seinem gutmütigen Lächeln das Ganze nicht ganz unzutreffend eine „holde Jugendeselei.“ – Ob es drüben auch so harmlos zuging? Ich habe es nie erfahren. Die Kirchweih in Schmiedefeld hatte mir immerhin gezeigt, dass es mit meinen Tanzkünsten nicht weit her sei; und so beschloss ich, was ja ganz vernünftig war, diese Lücke auszufüllen. Ich meldete mich also beim Universitätstanzlehrer zu einem normalen einjährigen Cursus. Es war kein ausschließlich akademischer – außer Studenten nahmen auch junge Kaufleute an ihm teil, und wir vertrugen uns gut miteinander. Das war die männliche Abteilung, die zuerst allein eingeübt wurde; erst später wurde sie mit der weiblichen vereinigt. Die bestand nun durchaus nicht aus Studentinnen (deren gab es damals überhaupt 96

nur zwei, die philosophische Minna und die chemische Marie, wie wir sie nannten, und diesen würdigen Pionierinnen lag alles andere näher als Tanz). Es waren Bürgermädchen, denen die bescheidenen Familienverhältnisse es nicht erlaubten, die Tanzkunst zu Hause zu erlernen; sie kamen meist in Begleitung ihrer Mütter oder Tanten, und es ging überhaupt sehr ehrbar zu. Für mich war das etwas ganz Neues und unsagbar Schönes. Die Technik hatte ich soweit im Besitz, dass ich mich ganz der berauschenden Macht des Rhythmus hingeben konnte – und nun zu diesem Rausch der zweite, eine Tänzerin im Arm – meine Tänzerin. Diese wechselte freilich, aber allmählich löste sich aus dem größeren Kreis ein kleinerer aus und noch allmählicher aus diesem kleineren eine einzige, zu der ich immer, als eben zu meiner Tänzerin zurückkehrte, indem ich fühlte, dass es ihr ebenso ging. An ihr Eigenleben dachte ich gar nicht – der Tanz verklärte alles; es kam mir vor, als ob ich ein Märchen erlebte – mein Tanzmärchen. Sie hieß Emma Reiner, war eine Waise, und lebte bei ihrem kinderlosen Onkel, einem Kaufmann in der Alexanderstraße; Alter – 16 Jahre, Körperwuchs mäßig, rote Wangen, Zopf braun und kranzartig um den Kopf geflochten. Familienbekanntschaft und Hausbesuch verstand sich durchaus nicht von selbst. Solange – im Winter – das Tanzmärchen währte, war es auch nicht erforderlich, eher im Gegenteil; auch im Frühjahr nicht, als der Unterricht aufhörte und sich aus der großen Gesellschaft ein „Kränzchen“ auslöste, zu dem ich und sie gehörten, und Ausflüge und bals champêtres veranstaltete. Als auch das zerfiel und die Trennung bevorstand, da blieb nichts anderes übrig. Onkel und Tante waren nun biedere Philister, nicht ohne Bildung, das bescheidene Heim sauber und freundlich, und sie die Seele darin. Allmählich wurden wir verlobt – es ging so natürlich zu. Dann kamen die Herbstferien 1878, meine Wanderungen in Thüringen, täglicher Briefwechsel, warum nur ihre Briefe ihr so wenig ähnlich sahen! Dann das fünfte Semester: Freunde mussten eingeweiht werden, Schwarz, Lange, Crusius, und vor allem meine mütterliche Freundin, Frau Crusius. Emmeli gefiel allgemein – so hörte ich wenigstens. Freilich hörte Frau Crusius nicht ganz auf zu sagen: „ja, wenn der Otto eine Schwester hätte, – das wäre was für Sie!“ Dann kam meine Krankheit und Reconvaleszenz – die liebe Frau Crusius setzte es durch, mich mit Emmeli zusammen zu besuchen. Es war mir, als ob sie mit ihrer Tochter gekommen wäre. Aber das war es – Emmeli war durch sie gehoben, nicht umgekehrt. Der Tanzrausch war verflogen, und die nüchterne Wirklichkeit war eben sehr nüchtern. Dann der Sommer 1879; um mich herum wurde geheiratet, die beiden älteren Schwestern W. Langes*, auch Sieglin schwärmte von seiner Braut – ja, so sahen Verlobungen aus, die fürs Leben bestimmt waren. Allmählich musste ich mir sagen: was mich an sie hält, ist – vom sinnlichen Zauber eines hübschen Mädchens abgesehen – das Pflichtgefühl, nicht eigentliche Liebe. Das musste denn halten – besonders einer Waisen gegenüber. Aber nun kam der Winter 1879-80 in Connewitz mit W. Lange, der Glockenzug aus Petersburg; ich versetzte sie im Geiste in die dortigen Verhältnisse – undenkbar, rein undenkbar. Dann der Frühling 1880, die bevorstehende Abreise nach München – vorher musste der entscheidende Schritt geschehen, 97

die öffentliche Verlobung. Undenkbar – und doch, das gegebene Wort zurückzunehmen… Aber gesetzt, ich opfere mich auf – wird sie dadurch glücklich werden? Denn nicht meine jetzige Missstimmung ist vorübergehend – jener Rausch war es, das erkannte ich an. In meiner Gewissensnot vertraute ich mich W. Lange an. Er fasste die Sache sehr ernst auf und war mir gegenüber so streng, wie es recht war; „nur mit deiner großen Jugend“, meinte er, „kann man dein Verhalten entschuldigen“ – ich war allerdings zur Zeit jenes Rausches erst 18 Jahre alt. Ähnlich urteilten die anderen Freunde. Am schärfsten las mir Sieglin den Text: „Ich hatte mir immer gedacht, Zielinski ist die Treue selbst!“ Bei Crusius fand ich nach seinem Tode in seinem Tagebuche die Notiz: „Der frühere Z. mit meiner Liebe zu ihm ist für mich hin; ob ich den neuen noch lieben kann, muss sich erst herausstellen.“ Auch Frau Crusius meinte in ihrer etwas derben Art, Bräute seien nicht nur zum Herumküssen da. Am mildesten urteilte Schwarz. Aber darüber, was jetzt zu tun war, konnte kein Zweifel obwalten; W. Lange übernahm es hochherzig, die peinliche Aufgabe auszuführen. Emmeli war so lieb, wie immer: „wenn ich ihn nicht glücklich machen kann – was soll ich da!“ Mir tat es bei aller Bekümmernis wohl, dass die Freunde mir gegenüber so streng waren – ich fühlte, was es mit dem „Recht auf Strafe“ für eine Bewandtnis hat – und auch, dass sie alle auf Emmelis Seite standen. Im Ganzen aber – ich bin öfter im Leben unglücklicher gewesen, vor – und nachher; aber so gedemütigt habe ich mich nie gefühlt. Um mit Emmeli abzuschließen – die liebe Frau Crusius blieb auch ferner in ihrer Nähe; sie konnte ihr besser zusprechen als ihre philiströse Tante. Sie heiratete später, bekam auch ein Kind, aber ihr Mann starb nach kurzer Ehe; und da musste sie mit der Not ringen. Frau Crusius bot mir – ich war schon in Petersburg – die Gelegenheit, ihr hin und wieder unter die Arme zu greifen, indirecter Weise, d. h. ohne dass sie erfuhr, von wem die Unterstützung kam. Ihr ferneres Geschick ist mir unbekannt. Auf mich wirkte der Wechsel des Aufenthalts verjüngend. Sieglin hatte Recht, wenn er mich auf Ekkehart und den Säntis* verwies; ich warf mich der Natur, zumal der Bergnatur in die Arme. Ich hatte ja eine bedeutende wissenschaftliche Leistung hinter mir; meine Dissertation wurde gedruckt, und die Correcturbögen, wenn ich sie „zufällig“ an den „norddeutschen Tisch“ mitnahm, flößten den Tischgenossen einen gehörigen Respekt ein. So durfte ich mir nach der Seite Ruhe gönnen. Und nun befiel mich nach der Leipziger Sesshaftigkeit eine ungezähmte Wander- und Abenteuerlust. Es war nicht gleich und auch nicht bald; aber schließlich musste jene Wunde doch verharschen. Und was ein junger Mann von nicht ganz wüstem Äußeren und akademischem Wesen beim anderen Geschlecht für Vorteile hat, dessen war ich bald innegeworden. Nicht zwar in Bürgerkreisen – das hätte Zeit verlangt, und die hatte ich nicht. Wohl aber eine Schicht tiefer, auf der Wanderung, in Wirtsstuben und im Freien, auf Vorstadt- und (mit Vorsicht) auf Dorftanzböden, und überall sonst, wo Frau Aventiure ihr Wesen treibt. Aber wohlgemerkt, nur eine Schicht; in die wahren Tiefen, wo geschminkter Grimm oder Stumpfsinn tierischen Lüsten dient, stieg ich nie hinab; „Nur das Schöne ist lieb“ – und jenes wäre hässlich gewesen. 98

So steigt denn, während ich das schreibe, manche vergessen geglaubte, liebe flüchtige Gestalt vor mir auf – und wenn ich sie nicht festhalte, wird sie wieder und endgültig ins Meer der Vergessenheit versinken. – Fahret hin! Ich kann euch nicht festhalten. Aber eine wird mir bis an mein Lebensende unvergesslich bleiben. Sie war eine Gärtnertochter aus Giesing bei München und wurde von den Ihrigen Babette (auch Babet, Bawet und Bawed), von mir Bärbl oder auch Waberl genannt. Noch steht ihr kleines zweistöckiges Elternhaus vor mir mit den Namen beider Eltern drauf, wie es in Bayern üblich ist: Anton und Katharina Strobl – und der Jahreszahl, und der große Garten daneben und dahinter. Sie war nicht ungebildet, hatte eine klösterliche Erziehung bekommen, so dass ihr Geist, an Heiligenlegenden groß geworden, still und ahnend, für all das nicht unempfänglich war, was ich ihr von fernen Ländern und Zeiten erzählte. Die Bekanntschaft schien kurz befristet zu sein, denn meine Abreise stand bevor. So hieß es denn eines Tages: „Behüt Gott, Bärbl – morgen reise ich.“ Wie oft hatte ich solche Worte schon gesprochen – aber einen solchen Schmerz hatten sie noch nie hervorgerufen: „Wirklich!“ „So komm mit! Wien ist eine schöne Stadt.“ Das war wohl als Scherz gemeint, wurde aber nicht als solcher aufgenommen. Und als ich die Aufforderung wiederholte, war sie auch mir ein halber Ernst – und wurde zuletzt ein ganzer. Warum auch nicht? Das war doch ganz nach Frau Aventiurens Sinn: „Da brachen sie die Röslein ab, mit großer Freud, ja Freud – Wohlauf mit mir, brauns Mägdelein, jetzt ist es an der Zeit!“ – „Also, kurz und gut, morgen um… Uhr bin ich auf dem Bahnhof; willst du mit, so sei da!“ Mit dem Rösleinbrechen ging es aber nicht so rasch. Wohl hatte ich die Billets nur bis Linz genommen. „Warum nicht bis Wien?“ – „Wir wollen doch die Nacht nicht im Zuge zubringen?“ Aber als wir in Linz, im „Goldenen Schiff“ in unsrem Zimmer waren, da stürzte sie vor mir in die Knie – ich möchte sie doch unberührt lassen, die Mutter Gottes würde es ihr nie verzeihen. Am anderen Morgen begrüßte ich sie mit einem früher von ihr gehörten ziemlich albernen Schnadahüpfl: „Linz is a Stadtl, und Wean is a Stadt; in Linz ess’ne Brotl, in Wean den Salat“. „Gelt, Bärbl, wir haben uns das Brotl auf den Salat verspart?“ Sie warf sich mir um den Hals: „Danke – danke!“ Ich hatte es nicht zu bereuen. In Wien – nun, meine Porgessa kennt ihr schon. Als der heikle Punkt zur Sprache kam, hieß es: „Kinder, geht’s hinaus!“ Es war nämlich außer dem angehenden Banquier noch eine Tochter anwesend, ein Backfisch, die mir aber diese Rücksicht nicht nötig zu haben schien. Der Mutter leuchtete die Möglichkeit, gleich zwei Zimmer vermieten zu können, – denn zwei Zimmer müssten es sein des Anstands halber – bald ein; und so wurden wir handelseinig. Was sie indessen nicht hinderte, uns später vorzuschlagen – natürlich zum selben Mietpreis – mit einem Zimmer vorlieb zu nehmen; warum auch nicht? Da war nun Tieck’s „Glückes Überfluss“ da; wie aber, wenn es einem der Herrn von der Universität einfallen sollte, einmal Herrn Dr. Zieliski seine Aufwartung zu machen? Das war es, warum mir auf die Dauer „der Boden unter den Füßen brannte“. 99

Die Wissenschaft wollte ich nämlich nicht ganz feiern lassen; und um Bärbl derweilen eine entsprechende Beschäftigung zu geben, ließ ich sie einen Nähtereicursus durchmachen, wofür die Porgessa auch Rat wusste. Im Übrigen bietet Wien an Volksvergnügungen unendlich viel, und die lassen sich nur auf diese Weise, zu zweien, voll auskosten. Wohl nahm ich sie auch in Oper und Burgtheater mit, aber so ganz wohl wurde es ihr doch erst in den „Blumensälen“ u. dgl., wo es Volkssänger, Tanz und billige Gastereien gab. Wenn da so ein Straußscher Walzer aufgespielt wurde und die Tanzenden dazu die Worte sangen „einen Schatz, so wie du, hat kein Mensch auf der Welt“ – ich mit, mit dem besten Recht –, da war sie wie im Himmel, und ich durch sie auch. Dass mir bei diesem Leben das Geld bald ausging, ist doppelt begreiflich; aber Hartleben half aus. Und nun gab es auch gemeinsame Arbeit. Meine Handschrift war wohl damals schöner als diese da, aber auch die ihrige war hübsch, und es war viel unterhaltender so. Der Stoff interessierte sie, da in dem Buche auch von den ersten Christen die Rede war, und wenn ich ihr etwa „Plutarch“ dictierte, und sie den „echten“ Namen „Blutarg“ schrieb, da gab es auch viel zu lachen. So waren die drei Monate bald um, und die Abschiedstunde kam. Woran sie bei mir war, wusste sie von Anfang an: dass ich sie nicht heiraten könnte, aber auch nicht verlassen würde, zumal wenn – oder vielmehr: zumal da – Tränen gab es natürlich viel, auch meinerseits, aber sie hatte doch guten Mut und glaubte mir. Ich konnte sie auch für den Anfang gut versorgen – das Hartlebensche Honorar hatte ich ja in der Tasche. So kam sie zu den Ihrigen zurück und wurde, nach einigen heftigen Auftritten, zu Gnaden aufgenommen. Aber freilich – Frau Kathi und Anverwandte sorgten auf ihre Weise dafür – sehr gegen meinen Willen – , dass Ruf und Heiratsaussichten der Ausreißerin keinen Schaden nahmen. Und so schien es, dass es damit aus sei. Italien und Griechenland darf ich wohl hier übergehen; ein Neapler Abenteuer hatte nur ethnologisches Interesse, im Übrigen durfte mir Frau Aventiure meine Entlassung erteilen. Aber ein Nachspiel sollte ich doch noch erleben. Mein Rückweg ging, der Freunde wegen, über München; ein längerer Aufenthalt dort war nicht beabsichtigt. Aber gleich der erste Tag warf mir Bärbl in die Arme. Es war der seltsamste aller Zufälle; sie wohnte ja in Giesing und war nach langer Zeit zum ersten Mal nach München gekommen (eine Straßenbahn gab es damals nicht). Einen solchen Freudenausbruch habe ich nie wieder gesehen; sie weinte und lachte und fragte und erzählte, alles durcheinander, dass die Passanten sich nur so umschauten. Ich suchte wohl strengere Saiten aufzuziehen, aber vergebens. „Es hilft ja doch nichts“, sagte ich zuletzt, „morgen muss ich fort, weit fort, und diesmal kommst du nicht mit.“ –„Nein, nicht morgen“, flehte sie, „nur noch einmal so glücklich sein!“ Ich war schon weich geworden, fing an zu rechnen, ob es nicht anginge, für sie ein paar Wochen abzusparen; da fuhr mir etwas Widerwärtiges durch den Sinn. „Wirst du’s aber nicht wieder tun?“ –„Nein, gewiss nicht, – hab’s auch so bereut.“ Nun galt es ein Nest zu finden – an sich nicht schwer in der Ferienzeit, aber mit diesem Vorbehalt – nein, meine biedere bayrische Wirtin schüttelte den Kopf. Ich suchte ihr 100

klar zu machen, dass es sich um ein braves Mädchen handle, und nicht um „so eine“ – „Ach so, es ist Ihr Schatz? Das hätten Sie gleich sagen sollen.“ Nun ging es mit kleinem billigem Zuschlag. Sie war auch ferner zu meinem Deandl sehr lieb; was mich anbelangt, so gefiel ich ihr augenscheinlich ausnehmend; sie sah mir oft zu, lächelte, schüttelte dann aber auch ihren Kopf, als wollte sie sagen: „Es wird doch nichts Rechtes aus dir“. Nun sollte ich auch Bärbls Heim aufsuchen. Der Vater reichte mir freundlich die Hand: „Grüß Gott, Herr Nachbar“, sprach aber sonst nicht viel. Um so redseliger war Frau Kathi. Sie dankte mir für die Näherei, versicherte, dass sie ihre Tochter immer zur Treue mir gegenüber angehalten hätte – glaube nicht, dass es sie viel Anstrengung gekostet hat. Auch eine Schwester lernte ich kennen, Nanni, ein unbedeutendes Ding; da ein Volksfest auf der Theresienwiese bevorstand, nahm ich sie auch mit, damit sie nicht neidisch wurde. Es war ganz lustig, weil im Freien. Aber auf die letzte Woche nahm ich Bärbl ganz allein mit in ein Waldwirtshaus in Ammerland am Starnbergersee, einem damals ganz weltverlorenen Dorf. Der späteren Jahreszeit wegen waren wir die einzigen Gäste – die einzigen Spaziergänger im herbstlichen Wald mit nur einer Ausnahme – dem königlichen Einsiedler Ludwig II. von Bayern. Es war eine schöne herbstsonnenverklärte Woche, ein rechtes Ausklingen. Auch der Abschied war weich und mild. „Werden wir uns wieder sehen?“ –„Ja, wenn du’s nicht wieder tust“ – „Dann also sicher!“ Aber wir hatten die Rechnung ohne Frau Kathi gemacht – und so war es endgültig vorbei. Und wenn ich an diesen innerlich so reichen Abschnitt meines Lebens zurückdenke – so sehr ich mir vorgenommen habe, mir gegenüber nicht nachsichtig zu sein, ich kann mich doch nicht verurteilen. Zwar Regel ist Regel und soll es auch sein; ob sie aber, verschieden wie die Menschen einmal sind, nicht auch gerechtfertigte Ausnahmen duldet? Zunächst, was mich selber anbelangt: Sinnlichkeit – ich will sie nicht verleugnen, aber auch so preise ich mich glücklich, dass ich meinen ersten Sinnenrausch nicht, wie so viele, in den Armen käuflicher gemeiner Liebe entweiht habe; so blieb er mir veredelt für alle Zeiten. Der Schwerpunkt lag aber doch nicht in ihm; worin – das wollte ich in diesem ganzen Kapitel klarstellen, bin auch deswegen so ausführlich gewesen. Und was den anderen Teil anbelangt – sollte das Bewusstsein, einmal, und noch einmal „so glücklich“ gewesen zu sein, nicht auch hier das spätere graue Alltagsleben verklären, nicht auch hier vor Schlimmerem und Hässlicherem schützen? Eine Rechtfertigung hatte ich jedenfalls – dass die Legende sich meines Erlebnisses in freundlicher Weise annahm und es nach der schönen Seite ausschmückte. Denn verborgen blieb es nicht, schon weil ich meine Freunde eingeweiht hatte; aber wie mir die Legende zu Gehör kam, das war doch seltsam: Es war im Sommer 1884, als ich, wie eben gesagt, von Petersburg aus nach Leipzig zurückkehrte. Ich war gerade mit Fritz Lange – Wilhelms jüngerem Bruder – im Theater gewesen, und wir saßen des Abendessens wegen im benachbarten Restaurant „Zum schwarzen Brett“. Am Tische daneben zwei Studenten; sehr lebhaftes lautes Gespräch; ich höre die Worte „entführen“, „verfüh101

ren“; letzteres meinte der eine, wäre durchaus verwerflich, ersteres manchmal erlaubt, ja rühmenswert. Zum Beweis wird eine phantastische Begebenheit erzählt, die mir aber sehr bekannte Züge aufwies. „Das ist doch merkwürdig“, flüsterte mir Fritz zu, der ganz still geworden war. Der andere, sichtlich interessiert, fragt nach Näherem. „Es war ein Mensch von ungeheurer Körperkraft“, fuhr der erste fort, „er hat einmal bei einem Missverständnis mit der Polizei einen Schutzmann in die Höhe gehoben und ihn 5 Minuten lang in der Luft festgehalten“, – „Wer war es denn?“ –„Ein Pole, und hieß Tadeusz Zieliski; ja, den möchte ich einmal kennen lernen!“ Wörtlich so. Den Wunsch hab ich natürlich sofort in Erfüllung gehen lassen; es gab anfangs eine Bestürzung, dann viel Lachen, und wir haben den Rest des Abends sehr fröhlich zu vieren verkneipt. Ob die Legende nicht auch weitere Kreise zog? Und ob sie nicht zuletzt – Petersburg erreichten? Unmittelbar habe ich nicht gehört; aber folgendes Vorkommnis hat mich stutzig gemacht. Es war um die Zeit der widerlichen Klatschcampagne gegen mich Ende der 00-er Jahre, von der später, wenn auch kurz, zu reden sein wird. Ich hatte den oben genannten Aufsatz über den „Kaufmann von Venedig“ in einer Monatsschrift veröffentlicht mit der Beischrift „Jessica gewidmet“. Das war natürlich ein Symbol, dessen Bedeutung der Leser erfuhr, wenn er bis zu den letzten Seiten gekommen war. Von dem Klatschcomité war Letzteres nicht zu verlangen; ihm wurde Jessica zu einer schönen Jüdin neuesten Datums, die ich nach Wien entführt und dort, selbstredend, im Elend zurückgelassen hätte. Eine freundliche Ausschmückung war Letzteres nun nicht – man wollte ja mein Verderben und war nahe dran. Aber warum gerade nach Wien? Und nun Schluss damit. Es sind vierzig Jahre drüber hinweggegangen; und jetzt umschweben mich andere Geister, tiefe, ernste, traurige, denen ich angehöre. Nur zu einem kurzen Erinnerungsleben habe ich jene zurückgezaubert. Und so – behüt Gott, Bärbl! Diesmal auf ewig.

XV In Petersburg war mein gesellschaftlicher Verkehr durch meine Zugehörigkeit teils zum Annenschul- teils zum Universitätskreis gegeben, besonders aber zum ersteren; erst später und allmählich verschob sich der Schwerpunkt nach dem letzteren hin. Bei Koenigs wohnte ich; die nächsten wurden Schneiders – mein älterer Leipziger Commilitone nämlich, C. Schneider, war Inspector geworden, hatte die muntere Martha Willkomm, Tochter eines Prager Professors, geheiratet, und lebte sich ganz in den Annenschulkreis hinein. Und die dritten – Masings, der Oberlehrer Ferd. Masing mit seiner hübschen Frau Olga, damals noch kinderlos. Anschlossen sich die oben genannten Kieseritzkys, eigentlich durch mich zugeführt, hauptsächlich aber wohl durch die baltischen Sympathien gefesselt, die zwischen Schneider und Kieseritzky obwalteten. Der andre Schneider, ich meine Eduard, war abwesend, und seine Mutter tot; aber sein äl102

terer Bruder, der Geheimrat Schneider, der nebst Frau im Sommer 1876 mit uns in Pargolovo gewohnt hatte, lud mich öfter zu sich ein. Dort lernte ich auch seine verheiratete Schwester kennen nebst ihrem Mann, dem Senator Thur. Der war ein steinreicher Mann, besaß ein herrschaftliches Haus in Petersburg und eine Villa in Baden-Baden und wer weiß, was noch. In Baden-Baden ließ er auch seine Kinder erziehen, Sohn und Tochter; es waren dieselben, bei denen mein Lehrer Prof. Goetz – jetzt in Jena – Hauslehrer gewesen war, als sie noch Kinder waren und in Petersburg wohnten. Jetzt hatte die Tochter – Marie genannt – ihren Cursus absolviert und war – es war der Winter 1883-84 – nach Petersburg zurückgekehrt; da hieß es, sie in die Gesellschaft einzuführen. Also Bälle, Gesellschaftsabende und dgl. Es ging glänzend her, besonders bei den Bällen; da wurde dem Paradeeingang an der Znamenskaja eine Art Zelt vorgespannt, damit die Herrschaften von der Kutsche direct unter Dach und Fach kamen. Und zu den Herrschaften gehörte auch ich, obgleich ich keine Kutsche hatte. Getanzt wurde, wie sich’s gehört, von Mitternacht bis in den halben Morgen hinein. Da kamen mir meine Leipziger Künste zugute – denn auch der Dreischrittwalzer war etwa mit mir zusammen über die Grenze gewandert. Nicht, dass ich zu den flottesten Tänzern gehört hätte; nie wäre es mir eingefallen, etwa das „Monstre“ zu commandieren. Aber ich wurde gern acceptiert, ja ausgezeichnet, und konnte mich an Zahl der Cotillonorden mit den Gesuchtesten messen. Darunter freilich waren mir die liebsten die, die ich von der Haustochter bekam. Eine blühende Jungfrau, von hohem Wuchs und majestätischer Erscheinung, eine wahre Prinzessin; das Gesicht von edlem Schnitt, die Wangen eher blass, wenn nicht der Tanz sie rötete. Mit mir war ihr Benehmen um so ungezwungener, da ich die Ehre hatte, außer den Gesellschaftsabenden auch zu den engeren Familienabenden, die en petit comité begangen wurden, geladen zu werden. Da sprach ich oft mit ihr und konnte mit Muße ihr mädchenhaftes Wesen studieren; und ob es mir auch manchmal wehtat, wenn sie ihr loses Zünglein an meinem lieben Goetz übte, und seinen pädagogischen Refrain von ehemals: „schon wieder nicht gelernt?“ – so gefiel sie mir doch immer mehr. Freilich waren ihre Launen wechselvoll. Bald sprach sie anerkennend von einer Dame in Baden-Baden, die täglich in einem neuen Kleid erschien: „das wäre was für mich!“ Bald wünschte sie, die Gattin eines Missionars zu werden und ihre Tätigkeit bei den Kabylen zu entfalten. Aber immer war sie lebhaften Geistes, anregend und angeregt. So hatte für mich ein neues Tanzmärchen begonnen. Trotz Leipzig? – Da gab es doch keine Ähnlichkeit; wie sollte ich in meinen bescheidenen Verhältnissen im Ernst an diese reiche Erbin denken? Nein, das war mir von vornherein klar, dass ich mich nur vorübergehend am Glanz dieser jungen Sonne freuen durfte und die Ansprüche eines ernsthaften Bewerbers neidlos anzuerkennen hatte. Aber angenehm war es doch, dass sich ein solcher weit und breit nicht zeigte und ich vor der Hand zweifellos – auch von den Eltern – bevorzugt wurde. So gab es im Frühjahr 1884 einen freundlichen, herzlichen Abschied mit „auf Wiedersehen im Herbst!“ 103

Den erwartete ich nicht ohne Sehnsucht. Sie kam zurück aus BadenBaden, womöglich noch frischer und blühender, und wusste vieles zu erzählen, aber nichts, was meine Besorgnis erregt hätte. Dann war der erste Ball zu erwarten; aber die Ballsaison beginnt spät, im October, wenn nicht im November. Immerhin, er kam, und mir ihm die alten Gäste, der alte Glanz, der alte Zauber. Ich hatte ihre Tanzkarte so oft belegt, als es anstandshalber zulässig war; um die anderen kümmerte ich mich nicht viel. So stand ich während einer meiner Pausen auf dem erhöhten Umgang, sah sie, den Kopf etwas seitwärts geneigt, im Tanzschritt an mir vorüberschwebend, reizend wie noch nie. Da fühle ich meine Schulter von einer Hand berührt – es war die ihrer unverheirateten Tante. Ich mag errötet sein, wie auf frischer Tat ertappt. „Gefällt Ihnen Mašen’ka?“ – „O ja, sehr“ – „Dann kommen Sie nächsten Donnerstag Abend zu mir – dann reden wir weiter darüber.“ – Mir schwindelte: „wird Ma… wird Frl. Tuhr auch da sein?“ – Was Sie nicht alles wissen wollen! Nur nicht so ungeduldig!“ Ihr nächster Tanz gehörte mir. Mit wie andren Gefühlen umfasste ich sie – schon halb als mein Eigentum. Ich glaube, jeder Zug meines Gesichtes musste die Frage enthalten: „mein?“ – und in ihrem Aufblick, in ihrem Lächeln war wenigstens keine abweisende Antwort zu lesen. Von Stunde zu Stunde stieg der Rausch bis zum letzten Tanz, dann Cotillon mit seinem jetzt für mich so bedeutungsvollen Abschied- und Rückkehrspiel… Ich ahnte nicht, dass es der letzte Tanz meines Lebens sei. Das war der Rausch im Festsaal – und dann kam der nasskalte graue Petersburger Morgen mit seiner Ernüchterung. Und dann eine Reihe nasskalter Tage. Verloben – nicht wahr? Sie wird ja ihrer Welt nicht entsagen wollen; und was soll ich in der? Was werde ich in der zu bedeuten haben mit meiner Wissenschaft – le mari de Madame, nicht wahr? Das Wort war mir wie ein Schlag; der ganze Zauber war vernichtet. Jener Donnerstag kam – ich blieb zu Hause. Und der nächste Gesellschaftsabend kam – ich blieb erst recht zu Hause und ließ den Gedanken an mir nagen, wer sich wohl jetzt mit ihr unterhalten mag. Und so den ganzen November, den ganzen December. Und da kam der Neujahrstag 1885 mit seinem Visitenzwang. Ich konnte doch unmöglich Tuhrs auslassen. So fuhr ich denn hin. Ich war der erste Besucher, wurde von der Magd ins leere Gastzimmer geleitet. Alles so wohlbekannt, auch die Causeuse, auf der wir so oft nebeneinander saßen. Dann kam die Mutter; ob die Tochter ausbleiben wird? Doch, sie kam, schön wie immer, ein Lächeln auf den Lippen, aber ein anderes, hochmütig und bitter. Unterhaltung war kalt; ich hätte mich wohl allzu tief in die Wissenschaft versenkt, das sollte ich nicht. Die Glocke kündigte einen neuen Besucher an. Ich empfahl mich. Keine Aufforderung. – Das war der letzte Eindruck. Auf Umwegen vernahm ich nachher, dass sie, wie Puškins Tat’jana, einen älteren General namens Timašev* geheiratet hätte. Dann, dass der Mann gestorben wäre; dann, dass sie gestorben wäre. Viel später, schon in der Bolschewikenzeit, forderte mich die schon sehr alte Geheimrätin Schneider auf, sie zu besuchen, um mich über den Nachlass ihres Mannes zu consultieren. Ich fragte nach ihren Angehörigen, zuletzt nach der verstorbenen Mašen’ka, ob sie 104

in ihrer Ehe glücklich gewesen. Nein, das wäre sie nicht. Das tut mir leid, sagte ich, sie war ja so lieb. Sie sah mich streng an: lieb? Reden wir nicht davon. Doch zurück zu jenem Neujahrstage 1885. Ich hatte eine böse Nacht – und nachher einen bösen Tag. Reue? Nein, aber ein Gefühl tiefer Verlassenheit. Koenigs hatten vollauf zu tun mit den Vorbereitungen zum Annenschulfest am 3. Januar. Ach, meine Freunde, warum wart ihr so weit! Nicht anvertrauen wollte ich mich, nur sprechen, menschlich nahe sein. Wenn doch Sonny da wäre! Der war in Italien; aber Giebel war da. Ob wohl noch in der gemütlichen Wohnung auf der Galernaja? Will mal hin. Richtig, da wohnen sie noch. Ich wurde freundlich begrüßt; auch die Schwester ist da. „Das ist aber schön, dass Sie meinen Geburtstag nicht vergessen haben!“ – „Ihren Geburtstag?“… Den hatte ich freilich nicht vergessen, wohl aber, dass er auf den 2. Januar fiel. Nun war dort das Erstaunen groß. Wie? Also Zufall? Ich konnte es leider nicht leugnen. Da wurde viel und fröhlich gelacht. Ich bemerkte bei der Gelegenheit, dass sie beim Lachen den Oberkörper leicht nach vorne neigte, ein Zug, den Jean Paul seiner Lenette zuschrieb und als „ländlich“ bezeichnete. Mir gefiel es sehr. Jene hatte ihn nicht. Schlank war übrigens auch diese; wohl nicht so hoheitsvoll. Unwillkürlich kam ich ins Vergleichen hinein. Nein, ihr ganzes Wesen war nicht so hoheitsvoll; dafür strahlte es so reine Güte aus, dass mir warm ums Herz wurde. Und wie sie selbst für ihre Gäste sorgte – denn auch die waren erschienen, der alte Kreis, auch die kleine dralle Lisa, diesmal unverbunden. Aber für die hatte ich nichts übrig, die Haustochter interessierte mich allein. Ich hatte gar nicht auf sie gerechnet, da ich sie in Reval glaubte. Und nun traf ich sie doch, ganz unverhofft, und dazu an ihrem Geburtstag. Zufall oder Fügung? Ob ich durch diese Gestalt jene bannen konnte? Was wir spielten und redeten, weiß ich nicht mehr; aber als ich nach Hause ging – es war ein weiter Weg – begleitete mich jenes Gefühl der Wärme durch die Winternacht. Und es kam der Frühling; Frl. Giebel war nicht nach Reval zurückgereist, da sie ihre pädagogische Aufgabe erfüllt hatte. Einmal – es war gegen Ostern – erzählte mir Frau Koenig, sie habe Giebel mit einem bildhübschen jungen Mädchen gesehen – sollte das wirklich seine Schwester sein? Ich stellte mich unschuldig. Und es kam der Mai. Es wurde eine Bootfahrt von Krestovskij ab verabredet; nicht alle, die von der Partie waren, mochte ich leiden – u. a. einen gewissen Wertberg, auch Karls Neffen, den Sohn seiner älteren, verwitweten Schwester Bertha. Aber sie war dabei; und das war die Hauptsache. Wir waren zur Mündung hinausgerudert, da überfiel uns ein Sturm. Es war ziemlich schwer, gegen Wind und Strömung zusammen zu kämpfen, aber ich konnte nicht umhin, ihre Fassung zu bewundern, wie ruhig und mutig sie am Steuer saß. Damit hatte sie mich vollends gefesselt, und auf dem Rückwege flüsterte ich ihr die Frage zu: wollen Sie meine Braut sein? – Nie werde ich ihren Gesichtsausdruck vergessen: es war nicht freudige Überraschung, eher schmerzliche Resignation. Sie drückte mir heiß die Hand: antworten würde sie mir schriftlich. Die Antwort kam; – ich habe sie aufbewahrt. Sie fühle sich so unfertig, so unwert; ich solle selbst entscheiden, ob ich eine solche Lebensgefährtin brauche. Der Brief gefiel mir; da war nichts von Mache drin, ein ehrliches Bekenntnis. Da 105

schwankte ich erst recht nicht mehr. Wir hätten noch beide zu lernen – so wollten wir denn mit und voneinander lernen. Am 13. Mai verlobten wir uns – am 13-ten! Und dazu noch an einem Freitag! Und die Hochzeit sollte gleich nach dem Actus stattfinden, damit wir die Ferien für uns hatten, also am 6. Juni. Die Trauung fand in der katholischen Maltheserkirche statt* (dass ich sie in den goldumränderten Einladungskarten die „Magdalenenkirche“ nannte, hat noch die verstorbene Anna Nikolaevna zu verantworten, die mir in meiner Kindheit weisgemacht hatte, „Malte“ wäre eine Abkürzung von „Madeleine“; gemeint war natürlich die Johanneskirche). Als Hochzeitshaus boten Koenigs in freundlichster Weise der „Haustochter“ ihre Wohnung an; dort fand für die Gäste – immerhin eine stattliche Anzahl – die fröhliche Feier statt, dann im engsten Kreise eine Nachfeier bei Giebels – worauf wir nach Carskoe Selo fuhren, um unser schon vorher ausgesuchtes, dreizimmriges Nest zu beziehen. So weit, meine Kinder, wollte ich euch ein volles Bild meines Lebens geben; von jetzt ab – also vom Sommer 1885 – will ich der ursprünglichen Absicht gemäß nur meine öffentliche Tätigkeit als Lehrer und Gelehrter schildern. Es ist zwar nicht leicht, diesen Abschnitt für sich zu nehmen: Infolge jener Synthese, der ich zustrebte, waren alle meine Lebensbezeigungen fester miteinander verbunden, als es sonst zu geschehen pflegt. Es wird also wohl ohne gelegentliche Übergriffe nicht abgehen. Aber die Richtlinien will ich festzuhalten suchen – schon um in absehbarer Zeit hier, in Schondorf, mit meiner Aufgabe fertig zu werden.

XVI Für das Schuljahr 1885-86 hatte ich mir, wie gesagt, von Koenig die Sexta mit dem Ordinariat ausgebeten*. Ich durfte dort ziemlich frei schalten, hatte Freude an den frischen Kleinen und sie an mir – aber weiter ging es auch nicht. Die gesteigerten Ansprüche der Universität zwangen mich, mich in meinem dritten Lehrerjahr 1886-87 auf mein ursprüngliches Gebiet, die Prima – jetzt Selecta und Suprema – zurückzuziehen. Trotzdem ging auch jenes Jahr in der Sexta für die Synthese nicht verloren; in meinem Buche Die Antike und wir konnte ich die dort gemachten Erfahrungen verwerten. Unterdessen hatte ich auch fleißig an meiner Doctordissertation gearbeitet; ich hatte sie etwas rätselhaft „Vom dorischen und ionischen Stil in der altattischen Komoedie“ (O dori eskom i ioni eskom stile v drevneatti eskoj komedii)* betitelt. Es war die Fortsetzung meiner Kunstformenstudien, von einem Teil der Komoedie auf die ganze ausgedehnt und dem Wesen nach etwa Goethes „Metamorphose der Pflanze“ parallel: ein Grundschema der „Epirrhematischen Composition“ in verschiedenen Erscheinungsformen erkannt. Gleichzeitig verarbeitete ich die Ergebnisse beider Dissertationen in einem deutschen Buch, „Die Gliederung der altattischen Komoedie“ betitelt, das, verdientermaßen, meinem Lehrer Ribbeck gewidmet, bei Teubner in Leipzig gedruckt 106

wurde*. Da traf mich – im ersten Jahre meines Ehestands – ein Donnerschlag aus heiterem Himmel: Der brave alte Lugebil lehnte meine Dissertation ab. Solche Studien seien nichts wert, er erwarte von mir eine „analytische“ Arbeit. Das war die alte Forderung des Geleisfahrens – mir gegenüber und meinen neuen Wegen, für die ihm eben das Verständnis abging. Ich nahm es ihm durchaus nicht übel, besonders da er einmal, auf einer Droschke meiner ansichtig, mit seinem lahmen Fuß herunterstieg, mir die Hand drückte und mich bat, nicht auf ihn böse zu sein. Aber die Sache wurde nicht besser dadurch. Gegen ihn war die Annahme von der Facultät nicht zu ertrotzen; Provinz? Erfolg fraglich, und auch im besten Falle keine Genugtuung. Der einzige Areopag, den ich in Ehren Petersburg entgegenstellen konnte, war das damals noch deutsche Dorpat – und zum Glück hatte ich, ohne an diese Eventualität zu denken, meine neuen Ergebnisse deutsch niedergelegt im genannten Buche. So fragte ich denn bei Prof. Hoerschelmann nach, ob mein Buch gegebenenfalls als Doctordissertation acceptiert würde. Die Antwort ließ längere Zeit auf sich warten, lautete aber positiv. Die Disputation fand 1886 statt und fiel sehr ehrenvoll aus; Opponenten waren außer Hoerschelmann* noch Mendelssohn und Loeschcke.* Ich war nun auch russischer Doctor und um eine schöne Erinnerung reicher. Den Grund der Verzögerung teilte mir Hoerschelmann bei der Gelegenheit mit: Er hatte nach Empfang meines Buches, um gegen etwaige Anzapfungen gesichert zu sein (ich hatte ihn natürlich von meinem Misserfolg in Petersburg in Kenntnis gesetzt), privat Erwin Rohde, ein anerkanntes Haupt der philologischen Wissenschaft, um sein Gutachten ersucht, und das wäre durchaus günstig ausgefallen; besonders hätte Rohde meine Eigenschaft als homo academicus betont: „Der Mann gehört an die Universität und nirgendwohin sonst“. Viel später, nach Hoerschelmanns Tode, bat ich mir dies Gutachten von seiner Witwe aus; und noch später, als auch Rohde gestorben war, hat es sein Biograph, mein Freund Crusius, abgedruckt*. Wäre es doch früher geschehen! Aber nein; die Aufnahme, die mein Buch in Deutschland fand, schien zunächst Lugebil Recht zu geben. Den Reigen eröffnete Fr. Blass, ein angesehener Philologe, mit seiner abfälligen Recension in der Deutschen Literaturzeitung*. Wohl hatte ich leichtsinnigerweise der Kritik Handhaben gegeben durch gewisse unhaltbare Aufstellungen, besonders die Chronologie betreffend, die ich später selber zurücknahm; aber das waren eben Auswüchse, die den Kern der Sache nicht betrafen. Der Kern aber – die von mir entdeckte Kunstform der altattischen Komoedie – war ihm nicht aufgegangen, und denen, die sich ihm anschlossen – Zacher* u. a. – ebenso wenig. Der ihn zuerst begriff, war bezeichnenderweise ein Angloamericaner, Humphreys, der denn auch in seiner für mich sehr günstigen Besprechung über den „generous German way“ eine bittere Bemerkung einflocht*. So ging es denn ein paar Jahre, bis Kaibel in einem Aufsatz*, den er in Hermes druckte (ich glaube 1890) auf mein Buch zu sprechen kam und alle Hauptresultate als richtig anerkannte. Nun war ich rehabilitiert – wie damals für meine „letzten Jahre“ durch Mommsen; man durfte mich citieren – erst schüchtern mit dem Zusatz „vgl. Kaibel, Hermes da und da“, nachher auch einfach. Und seit gar Wilamowitz in seiner „griechi107

schen Literaturgeschichte“ mein Buch unter die 12 überhaupt citierungswerten aufgenommen hat*, ist seine Stellung in der Wissenschaft gesichert. Aber das alles kam erst später: Zunächst hatte ich hart zu ringen. Meine Dörpter Apostasie hatte die Petersburger Facultät mir gegenüber nicht besser gestimmt; und nun kam die Blasssche Recension – für meine Neider und Feinde (Modestov, Novosadskij, Krašeninnikov) auf Jahre hinaus ein willkommenes Mittel, meinen wissenschaftlichen Unwert zu beweisen. In meinem Unmut antwortete ich ihnen sehr scharf* und machte die Sache dadurch hüben und drüben nicht besser. Auch der milde Akademiker Nauck,* der mir sonst wohl wollte, sprach sich darüber missbilligend aus: „Ihre Stellung in der Wissenschaft“, sagte er mir bei der Gelegenheit, „wird nicht davon abhängen, was andre über Sie schreiben, sondern davon, was Sie selbst schreiben.“ Ich merkte mir das Wort und richtete mich danach. Etwa gleichzeitig mit der „Gliederung“ ließ ich zwei verwandte Broschüren erscheinen; die eine auf Deutsch, „Die Märchenkomoedie in Athen“*, als Annenschulprogramm 1885, die paar hundert Abzüge, die mir gewährt wurden, zu meinem Hochzeitstage (6 VI) meinen Freunden Crusius und Schwarz, die gerade gleichfalls geheiratet hatten, gewidmet; die andre auf Lateinisch, „Quaestiones comicae“, im Journ. d. Min. für Volksaufklärung gedruckt*. Ihre Aufnahme war die gleiche; die „Märchenkomödie“ erklärte Zacher für ein „echt Zsches Buch“*. Leider wurden beide wegen der geringen Zahl der Abzüge wenig bekannt; dafür hatte ich die Genugtuung, sie später in den antiquarischen Katalogen auf je 20-25 Mark bewertet zu sehen. Nachher trat in meiner wissenschaftlichen Production eine längere Pause ein; die Universität nahm meine ganze Tätigkeit in Anspruch. Das Statut von 1884 gab die Ernennung der Professoren in die Hand der Regierung, indem es die Facultäts- und Conzilwahlen abschaffte; das Princip war verderblich (es entsprang dem Misstrauen der Regierung Alexanders III. gegen die Universitäten), mir kam es aber insofern zugute, als ich bereits 1887 dank dem Einfluss Georgievskijs zum Extraordinar ernannt werden konnte. Und da die Professur mit der Gymnasialtätigkeit unvereinbar war, musste ich letztere im Sommer 1887 ganz aufgeben. Es war ein entscheidender Schritt auch in meinem Eheleben. Wir konnten nun die kleine Wohnung in Carskoe Selo, die wir zwei Jahre lang Sommer und Winter bewohnt hatten, aufgeben, uns eine größere in der Stadt selbst mieten und sie bescheiden möblieren. Auch wurde im Sommer 1887 die Hochzeitsreise nachgeholt, über Wien in die Alpen. Salzburg (Untersberg, auf dem wir uns verirrten); Königssee, Hallein, Golling, Zell am See, Pfandlscharte, Kärnten, Cortina d’Ampezzo und die Dolomiten (ich bestieg die Marmolata), oberitalienische Seen, Gotthardbahn, Vierwaldstättersee, Schaffhausen. Dann kamen die Freunde: in Schaffhausen Fränkel, den ich zum letzten Mal sah, in Tübingen Crusius, im Taunus W. Lange, der dort den Sommer genoss. Ob wir damals schon Schwarz mitnahmen, weiß ich nicht mehr, ebenso wenig, wie wir zurückkehrten – ich glaube, zur See. Unser Erstgeborener, Felix, den uns der Frühling 1886 gebracht hatte, blieb unterdessen in der Großeltern und seines Onkels Karl treuer 108

Pflege in Carskoe zurück – eben fällt mir ein, dass wir dort schon eine andere, größere Wohnung hatten; ich nahm meine Schwiegereltern zu mir, wodurch Karl entlastet wurde und seinerseits heiraten konnte – eben die oben erwähnte kleine, dralle Lisa Novikova. Auch nach dem Umzug blieben die Schwiegereltern bei uns; der Großvater starb bald darauf, still und friedlich, die Großmutter blieb noch lange als liebe, stets sorgende Hausgenossin bei uns. Unsere besten Freunde blieben nach wie vor die oben genannten: Koenig und Frau Schneider waren Felix’ Taufpaten*, Masing und Tante Lisa Amatas, des Weihnachtskindes von 1887. Sonny und Frau Kieseritzky Cornelias, des Pfingstkindes von 1889, und mein Bruder nebst Frau Dr. Westphalen Weronikas, die zuletzt sich im Advent 1892 präsentierte. Allmählich aber verrückte sich der Schwerpunkt doch nach Universität hin. Zwar wollte sich lange aus den oben genannten Gründen kein Verkehr von Haus zu Haus anbahnen lassen, besonders da Lugebil bald starb – das durch seinen Tod erledigte Ordinariat bekam ich (1890), diesmal von den Collegen gewählt. Das trug sich also zu. Als ich nach Erlangung der Professur 1887 ins Collegium eintrat, waren die Verhältnisse höchst unerquicklich. Der erste von der Regierung ernannte Rector, der Philosoph Vladislavlev, bekam das ganze Odium dieser Stellung auszukosten: Er wurde von Studenten und Collegen buchstäblich zu Tode gehetzt. Sein Nachfolger, der Philologe Nikitin, hatte es schon dadurch besser; außerdem wusste er sich durch seine strenge Gerechtigkeit und sein taktvolles Wesen bei allen Achtung zu verschaffen. Decan war Pomjalovskij, auch ein Philologe – „die blinde Herzensgüte“ (slepoe blagoutrobie), wie ihn Prachov spottend nannte. So wurden die Gegensätze allmählich gemildert. Und da beide Herren bei der Regierung gut angeschrieben waren – langjähriger Minister der Volksaufklärung war Deljanov, wie denn Alexander III. seine Minister ungern wechselte – , so wurde es ihnen nicht schwer, speziell für Petersburg die Facultätswahlen factisch wieder einzuführen. War eine Vacanz da, so wurde bei aufgehobener Sitzung über den Candidaten abgestimmt, und der von der Facultät gewählte dann höheren Orts bestätigt, d. h. officiell ernannt. So geschah es auch mit mir; die Facultät, deren Mitglied ich seit 1887 war, hatte sich mittlerweile überzeugt, dass ich nichts weniger als ein Obscurant sei, und wählte mich 1890 zum Ordinar. Was meine Collegia anbelangt, so habe ich kaum Grund, auf diese erste Zeit – ich rechne sie bis gegen 1895 – mit besonderem Stolz zurückzublicken. Es waren (und das war für den Anfang gut) fast ausschließlich Interpretatorien mit besonderer Berücksichtigung der Textkritik, wie ich sie von Leipzig her kannte; meine Zuhörerschaft, in den ersten Stunden sehr zahlreich, schmolz regelmäßig zusammen, so dass bis zuletzt nur einige zehn aushielten*. Dass es meinen übrigen classischen Collegen – Pomjalovskij, Nikitin, Jernstedt – ebenso ging, war ein schwacher Trost; ein besserer, dass zu diesen aushaltenden auch ein gewisser Michail Ivanovi Rostovcev gehörte, der von Kiev hergekommen war und sich sofort an mich anschloss. Immerhin: wenn ich an die Erfolge des jungen Alexander Ivanovi Vvedenskij mit seiner Philosophie, des gleichaltrigen Serg. Fed. Platonov mit seiner russischen Geschichte, oder endlich des 109

ebenfalls gleichaltrigen Forsten mit seiner allgemeinen Geschichte hinblickte, war ich beschämt; sollte sich mit der Antike weniger anfangen lassen? Die anderen hatten resigniert: Pomjalovskij mit Gleichgültigkeit, Jernstedt mit Ingrimm; für Nikitin wurde, wie er später bekannte, eben dies Ohnmachtsbewusstsein der Grund, nach Niederlegung des Rectorats die Lehrtätigkeit aufzugeben und sich ganz der Akademie zu widmen. Ich beschloss zu kämpfen. Dass freier Vortrag dazu eine Hauptbedingung sei, war mir klar; ich hatte mit der Sprache zu ringen, konnte ihn mir daher nicht sofort erlauben. Es war auch besser so. Die vorhergehende Niederschrift des Vorzutragenden zwang zu einer durchdachten Composition mit Berücksichtigung des Gedankenfortschritts – und diese Eigenschaft, einmal gelernt, verblieb später auch meinem freien Vortrag. Die Blätter nahm ich wohl mit, suchte sie aber nicht abzulesen, sondern das Auditorium anzusehen, was mir mit jedem Jahr besser gelang und den Schein eines freien Vortrages erweckte. Aber das war es nicht allein. Da Nikitin und Jernstedt Hellenisten waren, wurde ich neben Pomjalovskij zweiter Latinist; und da dieser die beiden systematischen Collegia – römische Literatur und „Altertümer“ (die lateinische Grammatik war einem ungraduierten Privatdocenten Šebor übergeben worden) allein las, so blieben mir in der Tat nur Interpretatorien. Also: Livius (anknüpfend an meine „letzten Jahre“), Ovids Metamorphosen und Fasti (mit Einleitung über griechische und römische Mythographie). Es war nichts Rechtes. Dann Ciceros Briefe: das war schon viel besser. Auch Senecas Briefe. Als dann Pomjalovskij abdankte, übergab ich die römische Literatur einem Privatdocenten, Iv. Iv. Cholodnjak, und übernahm die Altertümer, die ich nach Mommsens Muster als „römisches Staatsrecht“ las. Das war ein sehr gewissenhaft ausgearbeitetes, in gewissem Sinne mein bestes, wenn auch wenig originelles Colleg; ich hatte die Blätter nachher einem andren Schüler, P.P. Mitrofanov, geschenkt, und die sind dann bei dem allgemeinen Schiffbruch umgekommen. Aber das Rechte war es auch nicht. Allmählich erweiterte sich mein Wirkungskreis. Die von Prof. BestuževRjumin begründeten „Höheren Weiblichen Kurse“*, zeitweilig aufgehoben, wurden auf Grund des Statuts von 1884 erneuert, d. h. ohne Autonomie; der neue Director Kulin bot das Katheder für alte Geschichte mir an, und zwar so, dass ich im ersten Jahr 1889-90 Geschichte Griechenlands dreistündig, sodann daneben Geschichte Roms zweistündig lesen sollte. Ich ging sehr gewissenhaft ans Werk, arbeitete fleißig, musste es aber doch merken, dass ich es nicht richtig angegriffen hatte; meine Vorlesungen waren, kurz gesagt, langweilig. Und so beschloss ich, es im nächsten Jahr besser zu machen. Inzwischen erlaubte es der erfolgte und erwartete finanzielle Segen, den Sommer 1890 im Ausland zu verbringen – natürlich in meinem lieben Alpenland, und zwar in Millstatt in Kärnten am schönen blauen See. Zurückgekehrt fand ich die Hiobspost vor: ein Brief Kulins mit der Nachricht, mein Katheder sei anderweit vergeben. Das war freilich sein gutes Recht, da ich mich nicht bewährt hatte, aber er hätte mich nicht erst zu Beginn des neuen akademischen Jahres davon benachrichtigen sollen. Dass es nicht ohne Intrigen abgegangen war, erfuhr ich erst später: Des oben 110

erwähnten Cholodnjak Schwiegermutter war Inspectrice und benutzte diese Stellung, um die Zuhörerinnen sowohl wie den schwachen Kulin gegen mich einzunehmen. Niemand ahnte damals, dass eben diese ‚H W Curse‘ die Stätte meiner glänzendsten Wirksamkeit werden sollten. Das finanzielle Deficit wurde bald compensiert. Der gleichfalls oben erwähnte V. V. Latyšev, alter Zögling des historisch-philologischen Instituts*, hatte nach seiner Rückkehr aus Griechenland einige Stunden an dieser Anstalt bekommen; da er nun als Curator nach Kasan berufen war, wurden diese Stunden mir angeboten. Da lernte ich ein paar neue Leute kennen und die alten besser; denn da der Betrieb zwischen Gymnasium und Universität etwa die Mitte hielt, die Vorlesungen auf die Zeit 9-2 concentriert waren, und man gern 2, auch 3 Stunden nacheinander las, gab es in den Pausen im „Conferenzzimmer“ ein lebhaftes Plaudern. Da war zunächst der Director Konst. Vas. Kedrov, Altphilologe ohne wissenschaftliche Ansprüche, ein Mann von hartem Holz und strenger Rechtlichkeit. Sodann der Inspector Nik. P. Nekrasov, russischer Linguist mit wissenschaftlichen Ansprüchen, als Mensch beschränkt, mit mir äußerlich sehr freundlich, aber als einem Polen und Katholiken sehr wenig gewogen. Sodann von den engeren Collegen: die Hellenisten Nikitin und Weisman (Vejsman), ersterer schon charakterisiert, letzterer Verfasser eines sehr verbreiteten, weil einzigen, griechisch-russischen Lexikons, im Übrigen wissenschaftlich und menschlich eine Nullität, – und die Latinisten Lucian Müller, und Šebor, ersterer ein Original, aber nicht von der guten Sorte, der russischen Sprache nicht mächtig, und daher lateinisch lesend, so dass die Studenten von ihm Latein lernten, sonst aber gar nichts, letzterer eine anima candida, auch wissenschaftlich gut ausgestattet, aber ein großer Zauderer. Ich selbst war als Docent angestellt für Griechisch; neben mir Cholodniak in gleicher Qualität für Latein. Dem muss ich doch ein paar Worte widmen – nicht aus Nachtragerei: Er ist ja längst tot, wie auch die anderen alle, Šebor allein – der gerade als nächster Todeskandidat galt – ausgenommen. Aber Hand aufs Herz: es war eine vollendet plebejische Natur. In jedem Fachgenossen sah er einen Concurrenten, in jedem Concurrenten einen Feind. Besonders abgesehen hatte er es auf Šebor (dessen Schüler er war) und mich. Dabei nicht ohne Witz, auch in der russischen Literatur wohl bewandert, aber ohne jede Spur von Idealismus. Ich werde wohl noch auf ihn zu sprechen kommen. Noch will ich hier nachtragen, dass ich am selben Institut bald darauf, nach Nikitins freiwilligem Weggang trotz Nekrasovs Widerstreben das Extraordinariat (das Institut hatte, vom Statut 1884 unberührt, die Autonomie behalten) und dann, nach Weismans von Kedrov erzwungenem Rücktritt, das Ordinariat erhielt, was meine Einkünfte verdoppelte und mir nebst Familie eine vollkommen sorglose Existenz sicherte mit Auslandsreisen und ausgiebigem Bücherkauf. Höheren Orts blieb man mir gewogen; das zeigte sich u. a. darin, dass ich 1892 zum ersten Mal und seit 1894 ständig zum Vorsitzenden der historischphilologischen Prüfungscommission ernannt wurde, um als solcher – für den ganzen Mai – in die Provinz zu reisen. So kam ich einmal nach Odessa, zweimal nach Kiev (als Gast Sonnys, der dort Professor war), dreimal nach Char‘kov, 111

dreimal nach Kasan, einmal nach Moskau; ich lernte die provinziellen Universitäten gut kennen und gewann an Ansehen bei den Collegen im ganzen Reich. Aber als Universitätslehrer musste ich mich selber erst finden; und das geschah zum ersten Mal im Herbst 1895. Von da ab datiere ich die dritte Periode meines Lebens – die russische, die die über zwanzigjährige deutsche ablöste. Der Übergang war nicht so schroff wie der von 1873; es war eher eine allmähliche Verschiebung des Schwerpunktes. Aber ein Übergang war es doch.

XVII Worüber ich jetzt zu berichten habe, ist die Blütezeit meiner Petersburger Lehrtätigkeit; sie reicht von ungefähr 1895 bis zur bolschewistischen Revolution 1917. Doch muss ich ein paar Bemerkungen über unsere gesellschaftlichen Beziehungen vorausschicken. Erst das Verwandtschaftliche. Mein Bruder hatte sich bis zum Stabskapitän hinaufgedient und war ständig in Polen, meist in der Verwaltung tätig, zu der er auch die meiste Veranlagung hatte. Um der Öde des Regimentslebens zu entgehen, heiratete er eine blutjunge Polin, die sehr hübsch, aber von krankhafter Veranlagung war; dieser Ehe entsprossen zwei Kinder, von denen das ältere, der Knabe Eugen, total degeneriert, seinen Eltern und auch uns viel Kummer bereiten sollte. Die Schwester Mania hatte ich in der ersten Zeit zu uns genommen; sie war hübsch und vertrug sich mit meiner Frau sehr gut. Heimlich von uns knüpfte sie mit einem Obersten von der Gendarmerie ein hoffentlich unschuldiges Verhältnis an, reiste nach Sibirien mit ihm und ließ sich dort trauen. Er war ein widerwärtiger, dem Trunke ergebener Mensch; ich habe nie begriffen, was sie zu ihm zog. Die Ehe blieb kinderlos, woraus ich tröstliche Consequenzen zog. Das Beste war, dass er als General bald starb, und sie als pensionsberechtigte Witwe zurückließ. Ich habe sie seitdem ein paar mal wieder gesehen; wie ich einmal auf ihre Unaufrichtigkeit anspielte, kamen ihr die Tränen in die Augen, aber das war alles. So ist dieses Verhältnis gründlich auseinander geschwiegen worden – nicht durch meine Schuld. In der ersten Zeit unsrer Ehe verkehrte auch ein Vetter viel mit uns, der Sohn meiner Tante Maria, Czesaw Burkat; er spielte mit meiner Frau Klavier vierhändig, und ich hoffte, dass mit seiner Hilfe auch das Polnische in unsrer Familie Boden gewinnen würde. Leider starb er bald darauf, und in der Universität war kein polnischer Verkehr zu finden. Mit dem Annenschulkreis blieben wir nach wie vor in herzlichen Beziehungen; zu den oben genannten trat noch das Ehepaar Dr. Westphalen hinzu (er – ein ehemaliger Schulkamerad). Aber die Gegenbesuche wurden um so seltener, je mehr sich der Schwerpunkt meiner Tätigkeit nach der Universität hin verschob. Und dort wollte sich lange kein Verkehr anbahnen lassen. Da, nach Jernstedts Doctordisputation, bei der ich Hauptopponent war, trat seine Frau auf 112

mich zu – dieselbe, von deren Unfreundlichkeit mir gegenüber oben die Rede war – und bat mich, sie mit meiner Frau bekannt zu machen; das bedeutete einen Verkehr von Haus zu Haus, wozu ich gern bereit war. Aber viel wurde nicht daraus, da seine Galligkeit (er war leberleidend) ihn öfter mir gegenüber zu Äußerungen veranlasste, die ich ihm beim besten Willen nicht hingehen lassen konnte. Auch lebte er nicht mehr lange. Seine beiden Kinder erbten die classischen Prädilectionen ihres Vaters; der Sohn, Peter, Linguist, leider auch seine Reserve mir gegenüber. Die Tochter dagegen, Helene, wurde mir nachmals eine sehr liebe und treue Schülerin – bis zuletzt.* Jetzt ist sie, unverheiratet, Archäologin in der „Ermitage“. Ich habe sie in bestem Andenken, sie mich hoffentlich auch. Herzlicher, wenigstens äußerlich, war ein anderer Verkehr. Ich habe die Betreffenden schon genannt: Platonov, Vvedenskij, Forsten, Latyšev. Ersterer hatte eine etwas steife, aber tüchtige Frau* und eine stets wachsende Kinderschar, bis auf das letzte lauter Mädchen; außerdem war er mit mir durch eine gemeinsame Liebhaberei, das Radeln, verbunden, was zu gemeinsamen Touren Veranlassung gab. Mit Vvedenskijs bescheidener Frau war kein Staat zu machen – sie schien (iz prostych) zu sein – dafür war er selbst ein anregender und geistreicher Mann. Forsten hatte einen furchtbaren Schmerz hinter sich – er hatte seine Frau aus Versehen vergiftet* – , was ihm manche Seltsamkeit nachsehen ließ; es umgab ihn ein reicher Kranz ehemaliger und gegenwärtiger Schüler – vulgo (forstenjata) genannt –, was den Verkehr mit ihm noch interessanter machte. Leider war ihm kein langes Leben vergönnt. Latyšev war aus Kasan zurückgekehrt und hielt als Departementdirector ein großes Haus, wobei ihm seine redselige Frau – sie war aus dem Kaufmannstande – tüchtig mithalf. – Ob schon damals Verrat hinter all der Freundlichkeit lauerte? Oder entwickelte er sich erst allmählich, der schwindenden Jugend entsprechend? Ich hatte ja wohl nie erwartet, dass diese neuen Freunde mir die alten ersetzen würden. Aber auf eine ehrliche, treue Collegialität, durch gemeinsames Wirken verstärkt, hatte ich wohl gehofft. Nein, Deutschland war endgültig das Land meiner Freundschaft gewesen. Russland wurde das Land meiner Lehrerschaft. Und es war somit kein Zufall, dass mein bester Freund in Petersburg ein ehemaliger Schüler war, der oben genannte Mich. Iv. Rostovcev. Er war nach langer, sehr fruchtbarer Auslandsreise zurückgekehrt, hatte durch meine und Platonovs Vermittlung eine Anstellung als Docent an den Höheren Weiblichen Cursen bekommen und las dort mit großem Selbstbewusstsein, was die meisten sofort gegen ihn einnahm. „Wartet nur“, sagte ich, „sein Selbstbewusstsein ist auf Wuchs berechnet“. Meine neuen Freundschaften missfielen ihm sämtlich; als er bald darauf heiratete* – eine ehemalige Cursistin aus reicher Familie – , da schuf er sich mit Hilfe seiner weltgewandten jungen Frau einen eigenen Kreis. Doch nun zurück zu meiner eigenen Tätigkeit. Durch Nikitins Weggang wurde auch die Hellenistik für mich frei; ich kündigte ein Colleg über Euripides’ Bakchen an. Die genaue Durcharbeitung dieser erschütternden Tragödie im Laufe des Sommers packte mich selber; es wurde mir ein Bedürfnis, ihre Seele sozusagen auch meinen Zuhörern mitzuteilen. Ich sah daher vom üblichen Style 113

der Einleitungen ab; in der einen Stunde, die ich dafür bestimmte, machte ich die dionysischen Ideen selber zum Gegenstande der Betrachtung. Die Zuhörerschaft war, wie immer, zu Anfang sehr zahlreich; als ich geendigt hatte, erdröhnte der Saal von einmütigem Beifallklatschen. Es war seit Menschengedenken das erste Mal, dass in Petersburg einem Altphilologen eine solche Ehre widerfahren war. Ich darf wohl sagen, es war nicht die Befriedigung der Eitelkeit, die mich damals so glücklich machte. Das Beifallklatschen war mir ein Beweis, dass ich das, was ich lange gesucht, endlich gefunden hatte – mich selbst und damit auch den Schlüssel zu den Herzen meiner Zuhörer. Nun schmolz ihre Anzahl nicht mehr zusammen im Laufe des akademischen Jahres. Und in späteren Jahren auch nicht. Ich ließ weitere Interpretatorien im selben Style folgen – Ilias, Sophokles’ Trachinierinnen, Horazens Ars Poetica, auch darstellende Collegia – Encyklopädie der Philologie, Religionsgeschichte u. a. Der Zuspruch wuchs mit jedem Jahr. Auch in anderer Beziehung wurde 1895 für mich zu einem Epochenjahr. Ich hatte mich, wie oben gesagt, mit Cicero schon lange vorher beschäftigt, auf das Universitätscolleg war die Übersetzung der Hälfte seiner sämtlichen Reden gefolgt*, die der Vollendung langsam entgegenreifte (sie fand nicht die Beachtung, die sie meiner Überzeugung nach verdiente, was mir die Lust benahm, die zweite Hälfte nachfolgen zu lassen). Nun hatte ich herausgerechnet, dass für meinen 106 v. Chr. geborenen Helden 1895 gerade der 2000jährige Geburtstag war (wenn ihr nachrechnen wollt, so vergesst nicht, dass auf -1 sofort +1 folgte, ohne 0-Jahr dazwischen; das haben manche nicht beachtet). Das gab mir die Veranlassung, in der historischen Gesellschaft einen Vortrag darüber zu halten, was Cicero im Laufe dieser 2000 Jahre für die Menschheit gewesen ist. Der Vortrag gefiel. Der Erfolg gab mir Mut, durch den Vorsitzenden Kareev bei Stasjulevi, dem greisen Redakteur des Vestnik Evropy nachfragen zu lassen, ob er meinen Vortrag in seiner Monatsschrift drucken würde. Nun war dieser Vestnik die angesehenste liberale Zeitschrift Russlands, und für den Liberalismus galt eine abweisende Stellung dem „Classicismus“ gegenüber als selbstverständlich. Eben das sollte anders werden; das hatte ich mir 1895 zugeschworen – und ich habe es erreicht. Leicht wurde es mir freilich nicht. Stasjulevi hielt meinen Aufsatz ein volles Jahr im Pult und druckte ihn – zu eigenem Schaden – zuletzt ohne den Anfang und das Ende* ab. Aber das Eis war doch gebrochen, und seitdem verging nicht leicht ein Jahr, ohne dass der Vestnik einen längeren 2-3 Bogen starken Artikel von mir brachte. Stasjulevi gewann mich auch persönlich sehr lieb. „Ihre Artikel“, sagte er mir einst, „schicke ich ungelesen in die Druckerei“. Und ein anderes Mal: „Wenn Sie mir im Januar Ihren Artikel bringen, ist das Februarheft bereits gesetzt (nabran) und das Märzheft zusammengestellt (sobran) – im Aprilheft erscheint Ihr Artikel“. Auch andere Zeitschriften begannen mich zu begehren; kurz, ich wurde ein vielgelesener wissenschaftlicher Schriftsteller. Durch Stasiulevi lernte ich auch Vladimir Solov’ëv kennen; er fand Gefallen an mir – ich an ihm natürlich erst recht – und es hätte ein schöner Verkehr werden können, als sein frühzeitiger Tod den Hoffnungen ein Ende machte. Unmittelbar Cicero verdanke ich eine andere interessante Bekanntschaft, die des 114

praktischen Juristen Passover, der neben Spasowicz und Koni wohl das größte Ansehen genoss; es folgten auch diese beiden, Passover veranlasste mich, im Verband angehender Rechtsanwälte einen Vortrag zu halten über den Criminalprocess vor 20 Jahrhunderten, den die juristische Wochenschrift Pravo nachher abdruckte*. Spasowicz war ein Landsmann von mir, aber ich lernte ihn nur von seiner russischen Seite kennen, im „Shakespeareverein“, der sich bei ihm versammelte. Auch ich hielt dort einen Vortrag – über „Antonius und Kleopatra“*. Und dort lernte ich wieder andere auserlesene Geister kennen – eben Koni, sodann den allverehrten Arsen’ev, Kotljarevskij (Nestor Aleks.), Vengerov usw. Der Schule war ich bis dahin nicht näher getreten; nun bot sich auch dazu Gelegenheit, und zwar auf die mir angenehmste Art. Meine ehemaligen Leipziger Commilitonen Georgievskij und Manstein unternahmen es, eine Sammlung erklärender Ausgaben griechischer und römischer Autoren erscheinen zu lassen, und wandten sich in erster Linie an mich. Ich war gern bereit; und so erschienen von mir in dieser Sammlung nacheinander vier Ausgaben* – Livius XXI, Cicero In Verrem V, Sophokles‘ König Oedipus und Trachinierinnen. Ich habe Grund, auf sie Wert zu legen; sie sind nach einem neuen, dabei aber einzig richtigen Princip angelegt worden. Ich nenne es das eidographische: Die Tragödie sollte als Tragödie, die Rede als Rede, die Geschichtsdarstellung als solche erklärt werden. Wer da meint, das Princip sei nicht so ganz neu, würde durch Lektüre der Ausgaben selber eines Besseren belehrt werden. Leider sind sie außerhalb Russlands gar nicht bekannt, was ich besonders wegen der Verrina bedauere, für die ich die antike Rhetorik gehörig ausgeschlachtet habe (mein Aufsatz „Verrina“ im Philologus* behandelt nur Einzelfragen). Den König Oedipus betreffend nehme ich die hyperkritische Textgestaltung zurück – mein jetziger Standpunkt ist aus meiner russischen Übersetzung ersichtlich, die bei Sabašnikov in Moskau erschienen ist; aber am Commentar halte ich fest, und an dem zu Trachinierinnen erst recht. Ihn habe ich übrigens in den Hauptrichtlinien dem westeuropäischen Publikum in meinen „Excursen zu den Trachinierinnen* bekannt gemacht; und wenn auch für diesen Aufsatz bis jetzt kein Mommsen und kein Kaibel erschienen ist – recht hat er doch und wird sich mit der Zeit schon durchsetzen. Aber jener Cicerovortrag sollte für mich noch größere Bedeutung gewinnen. Auf der folgenden Auslandsreise erzählte ich Crusius davon; er beredete mich, ihn deutsch erscheinen zu lassen. Teubner war bereit, ihn zu verlegen. Ich arbeitete ihn also um, fügte auch etliche Seiten Anmerkungen bei, und das Ganze konnte 1897 erscheinen unter dem Titel Cicero im Wandel der Jahrhunderte*. Dies Werk war das erste – und fast einzige – das in Deutschland keine Incubationszeit nötig hatte: es wurde sofort voll anerkannt. Die Methode, die Wirkung einer Einzelpersönlichkeit durch die Jahrhunderte zu verfolgen, war neu; sie fand Nachahmung, Teubner konnte mir einen ganzen Stoß beifälliger Recensionen zuschicken; in einer hieß es u. a., mein Vortrag entspreche durchaus Luthers Anforderungen an den Redner: „tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf.“ Es war mir, von allem anderen abgesehen, eine Genugtuung, 115

Teubners bei Gelegenheit meines Erstlingswerkes ausgesprochene Erwartung erfüllt zu haben: das Büchlein war bald vergriffen und ich musste eine zweite Auflage erscheinen lassen, bei der es freilich zu einem dicken Buche auswuchs. Das schreckte jedoch die Menschen nicht ab, und es wurde in einer nicht zu langen Zeit eine dritte nötig – weiteren Erfolgen machte der Krieg ein Ende. Auch Übersetzungsangebote bekam ich, aus England und Italien, die freilich an Teubners Bedingungen zerschellten. Seitdem bin ich im Ausland ziemlich bekannt; in Deutschland ist Zielinski in erster Linie der Verfasser von Cicero im Wandel der Jahrhunderte. So kam das Jahr der Jahrhundertwende: Deljanov war gestorben, der neue Minister Bogolepov sollte die classische Bildung auf ein Minimum reducieren – denn da sie die Erwartung der Regierung, der Ausbreitung revolutionärer Ideen Einhalt zu tun, nicht erfüllt hatte, war höheren Orts das Interesse für sie verschwunden. Die Seele des Unternehmens war aber nicht Bogolepov, sondern der Akademiker76 Sonin, ein tüchtiger Mathematiker, ehemals Curator und Russifikator in Warschau, jetzt Curator in Petersburg; ich war ihm doppelt verhasst, als Pole und als Classiker. Es wurde eine zahlreiche Commission berufen, ich mit auf persönliche Einladung des Ministers. Und da letzterer den Wunsch aussprach, die Verteidiger der classischen Bildung möchten ihre Gründe im Zusammenhang darlegen, hielt ich es für meine Pflicht, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. Eine ganze Sitzung wurde dem Anhören meins Vortrags anberaumt; sie endete mit meinem vollständigen Sieg. Vl. Kovalevskij, der Vertreter des Finanzamts, erklärte mir persönlich: „ich kam gegen Sie eingenommen; aber nun sehe ich, dass ich die Waffen strecken muss.“ Seine Rede in der Versammlung war entsprechend und machte tiefen Eindruck; Sonin, ein schlechter Redner, schwieg, die anderen Feinde erst recht. Ja, wenn damals abgestimmt worden wäre! Aber dazu durfte es Bogolepov nicht kommen lassen. So blieb es beim moralischen Triumph; dieser war dafür um so nachhaltiger. Sonins herzlose Universitätspolitik führte die Unruhen von 1901 herbei, die dem Rector Sergeevi seine Popularität und Bogolepov das Leben kosteten. Der Kaiser Nikolaus II., jetzt wie auch später haltlos zwischen Strenge und Milde schwankend, bestimmte zu seinem Nachfolger den greisen Vannovskij, weiland Kriegsminister. An der Durchführung des anticlassischen Programms änderte das gar nichts – damals begann der Rückgang der Gymnasialbildung. Er wünschte in einer Privataudienz meine Meinung zu hören; ich sagte sie ihm unverhohlen, worauf er den Kopf senkte: „Ich habe getan, was mich das Beste dünkte.“ Er entließ mich in aller Freundlichkeit, aber zu Reformberatungen wurde ich nicht mehr zugezogen, da meine Unfähigkeit, den Mantel nach dem Winde zu hängen, allzu offenkundig war. In der Universitätsfrage wurden mildere Saiten aufgezogen. Sonin, der Hauptschuldige, wurde „die Treppe hinaufgeschmissen“ und an Stelle des inzwischen verstorbenen Al. Georgievskij 76

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zum Vorsitzenden des „Gelehrten Comités“ befördert. Und – nachdem das Statut von 1884 mit Unterdrückung aller legaler Organisation der Studentenschaft ihre Losreißung von der Professur angestrebt hatte, wurde umgekehrt eine Organisation nach Cursen unter sog. „Curatoren“ aus der Professur eingeführt, die wiederum unter sich ein Collegium bilden sollten. Es war zu spät; die Studentenschaft war während der fast 20-jährigen Entfremdung rettungslos der Leitung des allrussischen Geheimbundes anheim gefallen, den ich schon jetzt nach seiner eigentlich treibenden Kraft den „bolschewistischen“ nennen darf. Immerhin musste der Versuch gemacht werden. In unserer Facultät wurden die Curse I + IV sowie II + III vereinigt; zu Curatoren wurden von der Facultät Vvedenskij und ich gewählt als die beiden beliebtesten. Eine Zeitlang ging das auch, wenn auch Vvedenskijs Gradlinigkeit vieles verdarb („weniger Logik“, musste ich ihm oft zurufen, „und mehr Psychologie!“). Ich kam mit den Leuten ausgezeichnet aus, lud die Vertreter der Studentenschaft meiner Curse – Starosten genannt – öfter zu mir ein und gewann gute Einsicht in die Verhältnisse. Natürlich organisierte der Geheimbund einen mächtigen Ansturm gegen die neue Ordnung, und es gelang ihm auch nach etwa Jahresfrist, sie in die Luft zu sprengen. Unter meinen Starosten befand sich auch ein gewisser Leonid Semënov, Enkel des berühmten Geographen Semënov-Tjan-Šanskij, angehender Klassiker; ich fragte ihn einmal, ob es nicht möglich wäre, unter seinen Commilitonen einen auserwählten Zirkel (kružok) zu organisieren zwecks gemeinsamer Lektüre antiker Schriftsteller. Er meinte, bei der aufgeregten Stimmung wäre es kaum möglich, er wolle es aber doch versuchen… Doch da sehe ich, dass ich einiges nachtragen muss, schon um zu erklären, warum mir der Gedanke nicht früher gekommen war. Am historisch-philologischen Institut nämlich hatte sich manches verändert. Der „gelehrte Secretar“ , Iv. N. Ždanov, der in dieser Eigenschaft eine Kronswohnung im Institutsgebäude hatte, war gestorben; der nächste Candidat war ich, die Wahlen hingen von der Conferenz ab, und so wartete ich denn geduldig. Einst sagte mir nun Kedrov so beiläufig, Cholodniak habe sich zur Stelle gemeldet; ich antwortete, dass ich das ungehörig finde, was er auch zugab. Bald darauf rührte ihn aber der Schlag; der stellvertretende Vorsitzende Nekrasov tat alles, um dem verhassten „Polen und Katholiken“ gegenüber die Candidatur Cholodnjaks zu fördern, aber es misslang ihm, Amt und Wohnung bekam ich. Dafür konnte sich dieser anderswo eine Compensation holen; da nämlich im Gelehrten Comité der Vertreter der Hellenistik, Dir. Lemonius, nach langem Leben das Zeitliche gesegnet hatte, lief der nämliche Cholodnjak sofort, obzwar kein Hellenist, zu Sonin, und dieser ließ sich ein so gefügiges Werkzeug nicht entgehen. Item, die Wohnung bekam ich und in ihr ein geräumiges Kabinett, in dem die Sitzungen meines Zirkels recht gut stattfinden konnten. Der bald darauf eingetretene Tod Kedrovs änderte daran nichts; sein Nachfolger wurde Latyšev, zu meiner großen Befriedigung. Semënov konnte mir bald melden, dass zu seinem eigenen Erstaunen die Idee Anklang fände; so wurde der kružok professora Zelinskogo gegründet. Ich konnte bezüglich etwaiger Nebenabsichten der 117

Teilnehmer unbesorgt sein; als einmal ein Auswärtiger einen der Teilnehmer fragte, ob seine eventuelle Mitgliedschaft einen Einfluss auf den Ausfall der Examina haben könne, antwortete ihm dieser: „O ja, Sie haben mehr Chancen bei Prof. Zieliski eine Zwei77 zu bekommen“. Soviel wusste man, dass ich meinen Schülern gegenüber nicht nachsichtiger, sondern strenger war. Versammlungszeit war Sonntag 11-1; es war interessant, und der Ruf des Zirkels verbreitete sich über die Grenzen der Universität. Bald meldeten sich auch zwei Zuhörerinnen von den Höheren Weiblichen Cursen; da es ein privater Zirkel war, stand ich der Aufnahme nicht im Wege. Die eine war Nad. Vlad. Brjullova, eine schwärmerische Natur, der es später seltsam ergangen ist; die zweite, stiller und solider, Soph. Ven. Melikova, jetzt tüchtige Philologin und Gräfin Tolstaja. So gewann trotz der Apostasie der Regierung die classische Philologie an Popularität; es sollte aber noch besser kommen. Curator war an Stelle Sonins Vas. Aleks. Latyšev geworden, ein aufgeklärter Mann und privatim auch ein Freund der classischen Bildung; um auf andere und bessere Weise für sie Stimmung zu machen, forderte er mich auf, vor den Abiturienten der Petersburger Gymnasien einen Zyklus von Vorlesungen über sie zu halten. Das war durchaus in meinem Sinn, und so sagte ich zu, bat mir nur aus, dass der Besuch dieser Vorlesungen für die Jugend nicht obligatorisch gemacht werde. Es wurden vier Sonntage dafür anberaumt, die Zuhörerschaft, anfangs etwa 400 Köpfe, schmolz in der zweiten Vorlesung etwa auf die Hälfte zusammen, diese aber hielt es bis zum Schlusse aus. Das war ein großer Erfolg. Ich gab nachher die Vorlesungen, wie ich sie gehalten hatte, in Buchform heraus unter dem Titel: Drevnij mir i my (deutsch: „Die Antike und wir“)*. Hier war der Erfolg noch größer. In Russland selbst erlebte das Buch drei Auflagen; bald aber erschien ohne mein Zutun eine deutsche Übersetzung, die sehr günstig aufgenommen wurde und es auf vier Auflagen brachte; diese wieder hatte eine italienische zur Folge, die vor einigen Jahren in zweiter Auflage erschien. Gegenwärtig lebt das Buch in zwölf Sprachen, nämlich außer den drei genannten französisch, englisch, polnisch, tschechisch, bulgarisch, rumänisch, schwedisch, lettisch und ukrainisch – wohl das meistübersetzte Buch der classisch-philologischen Literatur. Und doch wäre es beinahe die Veranlassung geworden, dass meine Tätigkeit in Russland ein jähes Ende nahm. Freundlich gesinnte Gymnasialdirectoren wollten es gern für die Bibliotheken ihrer Anstalten anschaffen; dazu war aber die Genehmigung des Gelehrten Comités notwendig. Um meine Pflicht voll zu tun, sandte ich dieser Körperschaft die vorgeschriebenen 2 Exemplare nebst Eingabe ein. Erster Referent für „Philologica“ war der gute altersschwache Pomjalovskij; sein Gutachten war farblos, aber zustimmend. Nun aber erhob Sonin als Vorsitzender seine Stimme, allem Herkommen zum Trotz erklärte er, selbst ein Gutachten liefern zu wollen – er, der Mathematiker, und Vorsitzende dazu! Tatsächlich arbeitete es ihm natürlich Cholodnjak aus, dessen servile Natur gern die Gelegenheit benützte, seinen Hass gegen mich zu entladen und zugleich die Gunst des Vorsitzenden zu erwerben, wenn auch zum Schaden der 77

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Sache, die er zu vertreten hatte. Dabei hatte aber Sonin doch nicht den Mut, sein Gutachten im Journal des Ministeriums drucken zu lassen, wozu ihn ein kaiserlicher Erlass verpflichtete, und es somit der öffentlichen Kritik preiszugeben oder auch nur mir eine Abschrift zukommen zu lassen. Letzteres setzte ich nun doch durch Vas. Vas. Latyšev durch, da es mein gutes Recht war; das Gutachten entpuppte sich als ein gemeines boshaftes Pamphlet voll Verdrehungen, mit reichlichen Anspielungen auf mein Polentum und sonstigen Verdächtigungen meiner Loyalität. Nun war in München, wo Crusius seit längerer Zeit Professor war, ein classisches Katheder vacant; er hätte mich gern hingehabt, und manche andere Collegen auch. München hatte für mich vieles Lockende, zumal mein Sohn gerade Student war und die Aussichten auf ein ruhiges Studium in Petersburg sich immer mehr verdüsterten. Dennoch wiegelte ich ab, da ich es für meine Pflicht hielt, auf meinem Posten auszuharren. Als aber in der Soninschen Affaire mein Verlangen, im Gelehrten Comité auf jene Verleumdungen antworten zu dürfen, vom Ministerium abschlägig beschieden wurde, telegraphierte ich an Crusius, er möge die Action beginnen. Das tat er denn auch; die Facultät wählte mich mit großer Stimmenmehrheit und bald darauf der Senat fast einstimmig*. Nun stand nur noch die Bestätigung durch die Regierung aus; aber ehe es dazu kam, wurde von mir eine Erklärung erwartet, dass ich die Wahl auch annehmen würde. Kein Vorwurf hätte mich treffen dürfen, wenn ich es getan hätte; kurz vorher hatte P. Vinogradov, ein Kernrusse, aus viel geringfügigerem Grunde Moskau aufgegeben und war nach Oxford gegangen.* Aber mittlerweile war mein Zorn verraucht, es tat mir leid, um ein paar elender Menschen willen die Petersburger Studentenschaft, die sich immer zahlreicher zu mir drängte, zu verlassen. So ließ ich denn der Universität München herzlich danken. Von dort wurde mir bald darauf eine schöne Compensation zuteil: Die %ayerische Academie wählte mich zu ihrem correspondierenden Mitglied. Und es währte nicht lange, so tat auch die Göttingsche Gesellschaft der Wissenschaften dasselbe. Das sind die beiden großen Auszeichnungen, die mir deutscherseits zuteil geworden sind.

XVIII Und nun kam das schicksalsschwere Jahr 1905; uns brachte es die Autonomie, und nur insofern soll von ihm die Rede sein. Zum Rector wählten wir Borgmann; für das Decanat in der Facultät waren Braun und ich die Candidaten. Bei der Abstimmung bekam er eine Stimme mehr; ich gab ihm den Friedenskuss und war froh, der Plackerei enthoben zu sein. Mir standen andere lockendere Aufgaben bevor. Auch die Höheren Weiblichen Curse bekamen die Autonomie, worauf der bisherige Director Raev das Amt niederlegte; alsbald erwirkte er sich die Erlaubnis, eine eigene Anstalt zu eröffnen, allerdings in bescheidenerem Umfang – die „Höheren Weiblichen historisch-literarischen Curse“, die seitdem seinen 119

Namen trugen. Mir bot er das Katheder für alte Geschichte an. Ich wusste zwar, dass die erste Tat der autonomen Bestuževschen Höheren Weiblichen Curse die sein würde, mich zum Professor des neu zu errichtenden Katheders für Hellenistik zu wählen; trotzdem sagte ich auch Raev nicht ab, da mir die Gelegenheit, die Geschichte Roms an Mitrofanov abzutreten (ich machte das zur Bedingung), willkommen war. Das war mein zweiter und zweitbester Schüler; auf der Universität war man ihm wegen einer gewissen Petulanz seines Wesens nicht grün, und auch an den Raevschen Cursen wurde anfangs gegen ihn Stimmung gemacht, aber ich hielt ihn, und allmählich setzte er sich durch. An den Bestuževschen Cursen wurde ich richtig gewählt; ich las dort antike Religionsgeschichte (zweijährig), antike Literaturgeschichte, Geschichte der antiken Ethik und philologische Encyklopädie – das waren die „allgemeinen“ Curse, die viel Zuspruch fanden, zweihundert und mehr; daneben las ich für einen engeren Kreis einen griechischen Autor. Das war nun für die folgende Periode meines Lebens mein neues Arbeitsgebiet; auf den Raevschen Cursen wurde die Arbeitsfreude noch dadurch verstärkt, dass auch meine beiden älteren Töchter sich unter den Zuhörerinnen befanden. Diese zwei Positionen eroberte ich sofort und ohne Mühe. Es dauerte nicht lange, so gehörte ich zu den beliebtesten Professoren hier und dort; und wenn ich an jene Zeit zurückdenke, an die Hunderte junger Augen, die in Liebe und Bewunderung an mir hingen, kann ich mir nicht verhehlen, dass die dort auf dem Katheder zugebrachten Stunden zu den glücklichsten meines Lebens gehörten. Den freien Vortrag – fürs weibliche Auditorium eine unerlässliche Bedingung – hatte ich längst gelernt, und so beherrschte ich meine Zuhörerschaft vollständig. Ich selbst ließ mich elektrisieren, und das kam auch meiner wissenschaftlichen Arbeit zugute: In diesem Zustand der Hellseherei konnte ich viele Probleme leichter lösen als am Schreibtisch. Borgmann musste sich allmählich überzeugen, dass er allein der gewaltigen Last des Rectorats nicht gewachsen war (das Inspectorat nämlich mit den Subinspectoren war mit der Autonomie abgeschafft worden); er drang darauf, dass nach Moskauer Muster ein Prorector geschaffen wurde. Das geschah, und zum Prorector wurde seinem Wunsche gemäß Braun gewählt. So wurde das Decanat an unserer Facultät abermals frei: Diesmal war ich der einzige in Betracht kommende Candidat; ich musste mich fügen, so schlecht es mir auch gefiel. Aber nun geschah das Unerwartete: gewählt wurde ich mit knapper Majorität, die übrigen Stimmen fielen auf Žebelëv, meinen ehemaligen Zuhörer, der als das jüngste Facultätsmitglied unter Braun Sekretär gewesen war. Das Schmerzlichste dabei war, dass der Leiter der Opposition niemand anders war als mein ehemaliger Freund Platonov. Eine Abkühlung zwischen uns war schon vor 1905 eingetreten im Zusammenhang mit der Bewegung, die zur Erlangung der Autonomie geführt hatte. Er war ernannter Decan; die Autonomistengruppe der Universität hatte mich zu ihrem Leader gewählt. Folge war, dass die Sitzungen der Gruppe bei mir stattfanden. Das war auch Latyšev nicht recht; er ermahnte mich einmal freundlich und amtlich, dass eine Kronswohnung nicht der Ort wäre, regierungsfeindli120

che Zusammenkünfte zu veranstalten; ich antwortete, dass wir nur Universitätspolitik trieben, und dass mir, als Professor, nicht verwehrt werden könne, Collegen zu mir einzuladen. Es war überhaupt eigen mit diesem unserem Radicalismus. In der Universität bildeten wir freilich die Linke, aber im Petersburger autonomistischen Hochschulverband* saß unsere Delegation ganz rechts, und der Vorsitzende, Prof. Brandt, pflegte mich angelegentlichst einzuladen, damit ich, als guter Redner, die Versammlung von übereilten Beschlüssen abhielte. Und als gar 1905 der allrussische Hochschulverband in Moskau tagte (derselbe, der die Autonomie erzwang), in dem ich unsere Universität vertrat, wurde unsere ganze Petersburger Delegation in die äußerste Rechte gedrängt. Immerhin, ich merkte jene Abkühlung und ging einmal zu Platonov; ob es denn nötig sei, dass diese universitätspolitische Divergenz unsere persönlichen Beziehungen störe? Er schien damals gerührt, drückte mir die Hand und erklärte mir noch auf der Treppe, ich hätte durch meinen Besuch die Wolken zwischen uns vollständig zerstreut. Und wenn ihm meine „Linkheit“ zuwider war – warum störte sie nicht sein Einvernehmen mit Braun, der doch zur selben Partei gehörte? Nein, der Grund war ein anderer: ein Pole durfte nicht Decan werden. Das war seine Meinung, die er zwar nicht mir direct, aber anderen oft genug aussprach. Braun – ja, der war ein Deutscher, das war was anderes. So agitierte er denn, sammelte die Stimmen Abwesender, während ich vollkommen sorglos war. Resultat: knappe Majorität. Ich dankte für die Ehre und lehnte ab. Nun spitzten sich die Gegensätze erst recht zu. Ich verhielt mich ruhig, aber meine Freunde – die politischen, aber ein wahrer Rostovcev voran – waren empört und verblieben auf ihrem Standpunkt. Beim zweiten Wahlgang war meine Majorität schon anständiger; und da die Gegner – Platonov immer an der Spitze – Zweifel äußerten, ob ich mich zum Decan auch eignen würde, nahm ich diesmal an. Nun kam der zweite Angriff: Žebelev, eine redliche Natur, aber fremden Einflüssen zu sehr unterworfen, erklärte das Sekretariat niederlegen zu wollen. Ich merkte Platonovs Plan, mich gleich zu Anfang, den neuen Decan mit einem neuen Sekretär, in schwierige Lage zu bringen; in derselben Sitzung hielt ich an Žebelev eine aufrichtige Ansprache, erinnerte ihn an unser gutes Einvernehmen – er war gerührt und nahm seine Erklärung zurück; hat mir auch während meines ganzen Decanats (1906-08) zur Seite gestanden. So trat ich denn diese neue akademische Würde an, die höchste, die ich erreicht habe und habe erreichen wollen. Nun galt es zu beweisen, dass der polnische Decan seine Sache nicht etwa ebenso gut, sondern besser machen könne als die anderen. Aber gleich zu Anfang kam der dritte, allerheimtückischste Angriff. Der russische Linguist Sobolevskij, als alter Kiever Russificator und Polenfresser, benutzte seine Wahl zum Akademiker, um mir ein Bein zu stellen: ohne vorher mich oder sonst jemand zu prävenieren, legte er die Professur nieder. An ihm war nicht viel verloren: Ein tüchtiger Wissenschaftler, hatte er ein abschreckendes Wesen, und die Studenten hatten es schwer, bei ihm auszuhalten. Aber die Absicht dieser Plötzlichkeit war klar: Es sollte eben eine klaffende Lücke entstehen, damit meine Gegner sagen konnten: natürlich, der Pole lässt die russische Sprache eingehen! – was dann das Novoe Vremja 121

auch faktisch getan hat. Aber auch dieser Angriff schlug fehl: Ich ging zum Akademiker Šachmatov und beredete ihn, die Professur zu übernehmen. Das gab in der Facultät eine freudige Überraschung, als ich diese glänzende Candidatur präsentierte: An Wissenschaft Sobolevskij nicht nachstehend, hatte Šachmatov ein edles Wesen und ein warmes Herz für die Jugend voraus, so dass die Studenten mit diesem Tausch höchlich zufrieden waren. Sobolevskij schnob Rache: Wie er sie ausführte, werden wir sehen. Auch sonst gingen die Sachen gut – wobei ich freilich im sechsgliedrigen Senat (Rector, Prorector und die vier Decane) an Borgmann und Braun treue Bundesgenossen hatte. Es zeigte sich, dass ein paar Herren – auch ein College war darunter, der Astronom Glasenapp – während der Willkürherrschaft Universitätsräume zu Privatwohnungen occupiert hatten; wir baten sie, sich anderwärtig umzusehen (eine Wohnungsnot gab es ja damals nicht), und ich war der erste, der die so entstandenen freien Räume für Seminarien in Anspruch nahm. So bekam die Facultät ein historisches Seminar (besonders geräumig), ein philosophisches, germanoromanisches, russisches, slawistisches, linguistisches (das classisch-philologische war schon früher untergebracht). Ich bestellte schöne, violett und weiße Schilder mit erhabenen Buchstaben und verehrte den Collegen zu Weihnachten diese Räume – die zwar mit den entsprechenden Instituten in Deutschland nicht zu vergleichen waren, aber doch nach der bisherigen Misere als eine wahre Wohltat erschienen. Auch die Stipendien erweiterte ich, indem ich vergessene ausgrub verclausulierte nutzbar machte; und wenn ich bei der Gelegenheit meinem lieben juristischen Collegen im Senat (Dav. Grimm) ein paar Stipendien wegstibitzte, auf die er keinen Wert zu legen schien – er machte wohl ein schiefes Gesicht, als er es merkte, aber nun war es zu spät. Aber ich sorgte auch dafür, dass diese Stipendien sowie die 15 % Freistellen an die Würdigsten vergeben wurden. Die Starosten hatten sich das Recht angeeignet, die Candidaten, deren Bedürftigkeit sie freilich am besten beurteilen konnten, zu designieren; ich ließ ihre Listen hektographieren und an sämtliche Seminarleiter schicken mit der Bitte, diejenigen, die sich irgendwie wissenschaftlich hervorgetan, wenn auch nur mit einem Kreuz zu bezeichnen. So kamen jene Unterstützungen tatsächlich nur an die Würdigsten. Die Privatdocenten erhielten ganz willkürliche Gehälter; ich ordnete sie nach einer festen Norm, wobei die meisten gewannen, einer allerdings verlor – das war Jastrebov, der seitdem nicht aufhörte, die höheren Instanzen mit Klagen gegen mich zu bombardieren. Ich sagte, wenn er die entsprechende Tinte auf wissenschaftlich populäre Artikel verwendet hätte, so hätte er die 25 Rubel monatlich – um die handelte es sich – längst eingebracht. Auch einen zweiten musste ich zügeln, und das war der Byzantinist Regel. Der hatte seit Jahr und Tag Collegia angekündigt und nicht gelesen, dabei aber ein festes Gehalt bezogen. Auf dieses zwar verzichtete er sofort, sobald ich die Privatdocentenfrage in Angriff nahm, aber das war noch lange nicht genug. Sein Plan war, den Privatdocententitel zu führen, sich dann möglichst spät um eine Professur zu bewerben und sich die Privatdocentenjahre für die Pension anrechnen zu lassen. Auf meinen Antrag strich ihn die Facultät aus der Liste. Dabei sorgte ich dafür, dass das „Menü“ der Sitzungen immer in122

teressant war; Vvedenskij, der gegen meine Wahl gewesen war, aber durch das ihm in den Schoß geworfene Seminar gnädig gestimmt wurde, meinte scherzend, ich wäre ein ganz unausstehlicher Decan: Bei keiner einzigen Sitzung könne man wegbleiben. Auch die Übrigen waren zufrieden, besonders weil ich die Fragen sorgfältig vorbereitete und kein leeres Gerede zuließ, so dass in kurzer Zeit viel geleistet wurde. Nur Platonov blieb unversöhnt. Das war mein Decanat; nach zwei Jahren hatte ich aber genug und legte es nieder. Es traf sich, dass auch Braun um diese Zeit, ich weiß nicht mehr, warum, das Prorectorat niederlegen musste; und da er sich gern in der Administration betätigen wollte, so kam ihm meine Resignation (1908) sehr gelegen. Er wurde ohne Schwierigkeit wieder gewählt. Aber nun kam das dicke Ende. Sobolevski hatte die Plünderung der Universitätskasse durch eine bolschewistische Bande dazu benutzt, Rector und Senat in einem Zeitungsartikel wegen sträflicher Connivenz zu verklagen; auch anderes war dabei zur Sprache gekommen, u. a., dass wir die Stipendien nach der Weisung der Starosten verteilten. Wir mussten gegen ihn die Verleumdungsklage einreichen, und er wurde auch in erster Instanz verurteilt. Freilich appellierte er an die zweite Instanz, die „Sudebnaja Palata“, und da diese in viel näherer Beziehung zur Regierung stand, so war zu erwarten, dass sie ihn freisprechen würde – was auch geschah. Immerhin, moralisch hatten wir den Process durch das Urteil der ersten Instanz gewonnen, und darauf kam es uns einzig an. Aber den Rechtsanwalt mussten wir honorieren, und dies Honorar verschlang meinen ganzen Decanatszuschuss. So war ich im Herbst 1908 am Vorabend meines 25-jährigen Jubiläums; aber ehe ich das beschreibe, muss ich nachholen, wie sich meine Beziehungen zu Latyšev entwickelt hatten. Seine Übersiedlung ins Institut hatte den Verkehr gesteigert: wir besuchten regelmäßig ihre Jours fixes, an denen nach langem Wintspiel ein copiöses Abendessen folgte, sie die unseren, die viel bescheidener waren. Mein Conflikt mit Sonin, seinem getreuen Wintcumpan, hatte ihn geärgert, vielleicht auch meine Rolle in der Universitätspolitik; seine Besuche blieben aus, worauf wir nach ein paar einseitigen Proben auch die unsrigen einstellten. Bei einem Festessen war er mein Nachbar; ich erzählte eine harmlose Geschichte aus meiner Kindheit und fügte hinzu, sie wäre noch aus der polnischen Periode meines Lebens; wie er diese Worte hörte, sagte er: „Eben diese Ihre polnische Periode ist dran schuld, dass Sie nicht vorwärts kommen.“ Dann stand er auf, schwankte und fiel auf den Boden. „In vino veritas“, dachte ich; was aber diese Worte bedeuteten, sollte ich erst später erfahren. Nun kam 1905; das Institut, das seine Autonomie nicht verloren hatte, hatte auch keine zu erlangen, und so blieb alles beim Alten. Eben drum gärte es*; die Bolschewiken fanden hier besonders günstigen Boden: weil der einzige Punct des Statuts, der mit der Autonomie im Widerspruch stand, die Person des Directors betraf, der eben ernannt worden war, so wurde der Angriff gegen ihn gerichtet. Der Hauptwühler war ein gewisser Val. Šepkin; es kam zu gräulichen Exzessen, die rote Fahne wurde ausgehängt, Heiligenbilder hinausgeworfen, fremde Elemente hereingelassen, denen Latyšev vergebens mit seinem 123

Ordenstern zu imponieren versuchte. Er war nicht sehr tapfer, dagegen sehr empfindlich; da er sah, dass die Bewegung gegen seine Person gerichtet war, reichte er seine Entlassung ein. Dass es ihm wehe tat, war zu sehen: er hatte das Institut, seine alma mater, wirklich lieb, und die schöne Wohnung zu verlassen war auch schmerzlich. Er tat mir leid; ich versammelte die Collegen, und wir gingen in corpore zu ihm, ihn zu bitten, seine Entlassung zurückzunehmen. Er dankte uns, lehnte jedoch ab. Unterdessen waren die Sachen schlimmer geworden: unter Šepkins Einfluss waren die Studenten in den Ausstand getreten. Und das Gericht über die Exzesse musste auch stattfinden; das Urteil der Conferenz war ziemlich streng, und mir, als „gelehrtem Sekretär“, stand das Vergnügen bevor, es der aufgeregten Studentenschaft zu verkünden. Die Collegen befürchteten Schlimmes: „Sie können von Glück sagen“, meinte Vvedenskij, „wenn Ihnen nur die Fenster eingeschmissen werden.“ Der Tag kam; Latyšev blieb zu Hause, ich ging zu den Studenten, von Vvedenskij und dem alten Sokolov gefolgt. Von der Estrade der Aula verlas ich den Beschluss der Conferenz, dann stieg ich hinab, ging direct auf die Menge zu, die mir Platz machte und mich sofort umgab, und erklärte mich zu weiterer Auskunft bereit. Erst schwieg man, dann brachte einer den Punct von den Directorwahlen vor. Ich sagte, der wäre durch unseren Gang zum Director erledigt, da unsere einstimmige Bitte einer Wahl gleichkäme. Allmählich kamen auch andere Klagepuncte zur Sprache; ich gab Antwort, wies darauf hin, wie wenig sie es verstünden, ihre Jugendzeit auszunutzen, und wie wir es in Leipzig doch viel besser verstanden hätten. Die Stimmung wurde sanfter; ich merkte es, dass meine Worte ihnen zu Herzen gingen, ließ auch Humor einfließen; Šepkin drückte sich mit den Worten, er sehe, dass er hier nichts mehr zu tun habe. Das Spiel war gewonnen; ich plauderte noch gemütlich mit ihnen und verabschiedete mich zuletzt mit der Weisung, sie möchten nun entscheiden, was sie zu tun hätten. Laute und wiederholte spasibo begleiteten mich. Die Entscheidung selbst war im Abendblatt* der Birževye Vedomosti zu lesen; sie lautete: „Professor Zelinskij ubedil studentov vernut’sja k zanjatijam“. Eine einzig dastehende Notiz: sie bedeutete eine empfindliche Schlappe des bolschewistischen Geheimbundes. Ich war nicht lange zu Hause, als mir ein spitzer Brief Latyševs überreicht wurde, ob ich denn nicht kommen würde, ihm von meinem Erfolge zu erzählen. Natürlich: vor allen Dingen ein doklad po na al‘stvu. Dass ich damit den Erfolg selbst aufs Spiel gesetzt hätte, sah er nicht ein. Ich antwortete höflich, ich würde schon zur rechten Zeit kommen.Nun stand noch die Sitzung beim Minister bevor – denn dieser, Gen. Glazov, war so vernünftig gewesen, die Conferenz zur Besprechung der Entlassungsfrage einzuladen. Ich ergriff das Wort und erklärte, die Sache wäre nun gegenstandslos geworden, nachdem die Conferenz den Director gebeten hätte, im Amte zu bleiben, und die Studenten sich beruhigt hätten. „In diesem Falle“, sagte der Minister zu Latyšev, „werden Sie mir erlauben, Ihnen Ihr Entlassungsgesuch, wie üblich, s pozdravleniem zu retournieren“. Er verbeugte sich, 124

und der Zwischenfall war erledigt. Aber dass ich es gewesen war, der ihm Amt und Wohnung gerettet hatte, war zu offenkundig. Er hat es mir nie verziehen. Andere auch nicht. Meine Erzählungen mögen den Eindruck der Ruhmredigkeit machen; es ist aber natürlich, dass ich unter dem Vielen, was sich ereignet hat, das herausgreife, woran sich meine freudigen und stolzen Erinnerungen knüpfen. So ist auch das Folgende, das auch aus anderen Gründen nicht ausgelassen werden darf. Der Geheimbund ließ die Studentenschaft nicht los; alle möglichen Begebenheiten – Arbeiterexecutionen in Sibirien und dergleichen mussten dazu herhalten, sie in Unruhe zu versetzen, und die ultima ratio war immer die Proklamierung des Ausstandes. Gegen unbotmäßige Professoren und Studenten wurde dann die so genannte „chemische Obstruction“ angewandt*, und wenn die Regierung, dem Unfug zu steuern, die Polizei kommen ließ, so wurden die Professoren und Studenten, die unter solchen Bedingungen noch lasen und hörten, an den Pranger gestellt. In dieser Degeneration der öffentlichen Meinung offenbart sich am meisten der Geist, der Russland dem Untergang zutrieb. So kamen denn wohl nahe an 1909 – ich muss für etwaige chronologische Irrtümer um Entschuldigung bitten, da ich hier einzig auf mein Gedächtnis angewiesen bin, und dies zwar die Ereignisse und ihren Zusammenhang, aber nicht immer die Daten festgehalten hat – , also da kamen die (Bestuževschen) Curse dran. Die maßgebende Versammlung proklamierte den sofortigen Ausstand; Delegatinnen begaben sich in die einzelnen Säle, um das Beschlossene zu verwirklichen. Ich las gerade über die Geschichte der antiken Ethik und war dabei, den Zuhörerinnen die Bedeutung des Sokrates zu entwickeln; da kamen die Delegatinnen und verkündeten, was ihres Amtes war. Nun wandte ich mich ans Auditorium: „Fortfahren oder abbrechen?“ – „Fortfahren, fortfahren!“, scholl es allenthalben. Die Delegatinnen verließen den Saal. Es gehörte immerhin Geistesgegenwart dazu, fortzufahren, denn ich war auf weitere Ruhestörungen gefasst; aber nein, es verlief alles ganz ruhig. Ich glaube sagen zu dürfen, ich übertraf mich selbst; und als ich nach Ablauf der Stunden mit den Worten schloss: „Und wenn Zweifel und Versuchungen an Sie herantreten, denken Sie an Sokrates!“, lohnte mich lauter Beifall und „spasibo!“-Rufe , die weit zu hören waren. Sie wurden auch gehört; unten erwarteten mich Rector (Buli) und Decan (Grevs) und wünschten mir Glück. Es sei etwas ganz Unerhörtes: Meine Vorlesung wäre die einzige, die nicht gesprengt worden wäre. Als die Delegatinnen zur Versammlung zurückgekehrt wären, hätte man sie gefragt, warum sie den Saal unverrichteter Sache verlassen hätten; darauf hätten sie geantwortet: „Lekcii professora Zelinskogo my sorvat‘ ne v sostojanii“ Nun aber war das Maß meiner Sünden voll. Ich hatte, von anderem abgesehen, die legale Studentenorganisation von 1901 bis zuletzt als Curator gehalten, hatte vor kurzem das Institut dem Geheimbund aus den Händen gewunden, und nun noch dies! Noch selbigen Abends – oder Tag drauf – bekam ich einen anonymen Brief: „Vashe tor žestvo ne sojdet Vam darom, Vy zaplatite za nego 125

svoim položeniem“. Anonyme Briefe waren für mich nichts Unerhörtes, und auch dieser teilte das allgemeine Schicksal – zerrissen in den Papierkorb geworfen zu werden. Ich sollte aber gerade an diesen zurückdenken. Inzwischen legte sich der Sturm; 1909 brachte herrliches Wetter – mein 25-jähriges Universitätsjubiläum (die letzte Januarwoche). Nie werde ich Rostov ev seinen tätigen Anteil vergessen: Er war als mein ältester und hervorragendster Schüler der leitende Geist; dass ihm aber die Sache so glänzend gelang, das kam doch von der Liebe, die mir allgemein entgegengebracht wurde. Ich mag das Einzelne nicht beschreiben, denn außer der Hauptfeier im Actussaal* und dem Festbanquett, wollte jede Anstalt, an der ich tätig war, eine Feier für sich haben. Die Hauptfeier vereinigte alle – nur Latyšev konnte es nicht über sich gewinnen, zu erscheinen, oder überhaupt einen Vertreter des Instituts erscheinen zu lassen – angefangen mit der Akademie, Nikitin an der Spitze, bis zu den Studentenvereinen. Eine besondere Freude machte mir Koenig, der mir eine schöne lateinische Adresse der Annenschule überreichte. Die der Höheren Weiblichen Curse war von sämtlichen 200 Zuhörerinnen unterschrieben. Keine Festschrift – man wusste, dass ich diese Katakomben nicht liebe; dafür wurde mir ein Katalog meiner eigenen Schriften* überreicht, hübsch bibliographisch zusammengestellt, mit den Namen all der Gelehrten, die sich als meine Schüler bekannten. Adressen die Menge, noch mehr Glückwunschtelegramme aus allen Enden des Reiches. Von wissenschaftlichen Auszeichnungen war die größte die Ernennung zum Ehrenmitglied der Universität Moskau – eine Ehre, die nur ganz wenigen zuteil geworden ist. Und gar die einzelnen Ehrungen! Über alle mussten Zeitungsberichte erscheinen, so dass Novoe Vremja zuletzt missmutig ausrief: Dies Jubiläum dauert nun schon über eine Woche! Es war in der Tat etwas in unserem Kreise Einzigartiges; die vielen, die ich bis dahin und später mitgemacht habe, waren bestenfalls herzlich und bescheiden, gewöhnlich aber steif und offiziell. Hier vereinigten sich Glanz und Herzlichkeit. Eine befreundete Dame schrieb mir daraufhin: „Wenn Sie unmutig sind, denken Sie an Ihr Jubiläum.“ Ich habe es getan – und tue es noch. Seele des Ganzen war außer Rostovcev mein kružok („Zirkel“) gewesen, der mittlerweile, durch weibliche Mitglieder verstärkt, recht stattlich geworden war, besonders, da auch Ausstudierte, wenn sie nur in Petersburg blieben, treu zu ihm hielten. Das verlangte eine Belohnung – und die wurde ihm auch in der Form einer griechischen Reise. Nur nicht in diesem Jahr; da war ich vielmehr noch von meinem Decanat her so übermüdet, dass ich zu einer Nervencur nach Rippoldsau fahren musste. Sie kam erst 1910 zustande, im Mai. Die Ausflügler, etwa 40 Seelen, zerfielen in 3 „Phylen“: die studentische, die < Bestužev- und die Raev- Gruppe> (bestuževki und rai ki ). Erstere führte ich selber an, wobei mein lieber Schüler Erich Diehl* meine „rechte Hand“ war; die beiden weiblichen Phylen hatten jede eine würdige Leiterin aus dem Lehrpersonal. Wir reisten über Odessa mit Aufenthalt in Constantinopel und Smyrna nach Athen, studierten dort Museen und Akropolis, machten einen Ausflug nach Eleusis, dann brachte uns ein russisches Kanonenboot nach Nauplia, von wo aus Tiryus und 126

Mykenae besucht wurden (von einer besonders begeisterten Gruppe sogar das Heraion, was sie die Nachtruhe kostete). Dann kam Delphi, zuletzt Olympia. Der Ausflug dauerte ca. 4 Wochen und kostete dank den vielen Vergünstigungen, die ich in Russland sowohl wie auch in Griechenland erwirkt hatte, nur 75 Rubel pro Person; es wäre sogar noch um je 15 Rubel billiger gewesen, wenn nicht die leichtsinnige Kassiererin der Raevschen Phyle sich das ihr anvertraute Geld, ca. 600 Rubel, in Constantinopel hätte stehlen lassen; sie war ein armes Mädchen und die Gruppe beschloss hochherzig, ihren Verlust auf die Gesamtkasse zu nehmen. Das war der Frühsommer 1910; die schönen Nachwirkungen zogen sich noch in den Herbst hinein. Dann aber kam der Schlag. Doch bevor ich über diesen berichte, will ich von meiner sonstigen Lehrtätigkeit in dieser Periode sowie von meinen wissenschaftlichen Arbeiten reden. Es kam nämlich gerade damals die „Extension“* auf. Nicht zuerst; sie war schon einmal verwirklicht worden, und ich hatte auch tätig mitgewirkt, aber das war vorübergehend. Jetzt erst wurde eine dauernde Institution geschaffen mit dem großen Hörsaal der Teniševschen Anstalt im Mittelpunct* und vielen „Rayons“; diese vorzugsweise für die Arbeiter, jener für die Intelligenz bestimmt. Ich kam nur für jenen in Betracht. Erst machte man mit mir eine Probe; ich hielt einen 3stündigen Zyklus über den „religiösen Wert der griechischen Mythologie“. Der wurde stark besucht und mit gehörigem Beifall belohnt, der zuletzt zu einer Ovation wurde: Man geleitete mich mit Händeklatschen bis zur Straße. Dann wurde ich ständiges Mitglied und Vorsitzender der historischen Klasse, was die Verpflichtung in sich schloss, alljährlich einen 3-4stündigen Zyklus abzuhalten. Da bekam auch das nicht akademische Publikum Petersburgs Gelegenheit, mich zu hören, und nutzte sie fleißig aus: Zu meinen Vorlesungen war der Saal (über 600 Plätze) ausverkauft – und sie galten Sophokles, Homer, dem griechischen Roman und dgl. Nach dem Sophokles-Zyklus im Herbst erschien bei mir eine Deputation der Zuhörerschaft mit der Bitte, auch im Frühling einen Zyklus zu geben. Wie anders war es vor 25 Jahren, als der damalige Nestor der russischen Philologie, der alte Professor Blagovešenskij, eine öffentliche Vorlesung aus seinem Studiengebiet ankündigte, und zu ihr – 7 Mann erschienen! Die veränderte Haltung der Antike gegenüber durfte ich wesentlich als meiner Arbeit Erfolg bezeichnen. Ich hatte es ja nicht so gut wie Platonov, Vvedenskij u. a., die durch ihr Fach getragen wurden: Mein Fach musste ich allmählich und mühselig aus dem unpopulärsten zu einem populären machen, nach A. Tolstojs Wort* sozdavaja te enie vstre noe – protiv te enija. War ich wirklich ein großer Redner? Die Antwort wurde mir ebendort, im Teniševschen Lehrsaal, in einem Gespräch zweier junger Mädchen, das von befreundeter Seite belauscht und mir hinterbracht wurde. Die eine, eine (mir übrigens unbekannte) Zuhörerin von mir, hatte die andere, offenbar eine Fremde, hergebracht. Die war nun enttäuscht: „Was sagten Sie mir nur, dass Zielinski ein Redner sei! Ich habe Karabevskij, Rodiev gehört, das sind wirkliche Redner, aber nicht Ihr Zielinski!“ – „Ob er gerade ein Redner ist“, meinte die Kursistin, „weiß ich nicht; aber er versteht es, in seinen Vorle127

sungen all unser Innerstes herauszukehren.“ Also „Herz zu Herzen schaffen“, nach Goethes Wort*, das war es gerade, was ich erstrebt hatte. Und ebendeswegen blieb mir die Wirkung treu, auch als ich die Vortragssprache wechseln und somit auf den eigentlich rednerischen Erfolg verzichten musste. Für meine wissenschaftliche Tätigkeit war mein Decanat 1906-08 eine tote Zeit; was ich hier zu melden habe, greift zum Teil in die vorige Periode, zum Teil auch in die folgende über. Was diese Zeit charakterisiert, sind eben diese tieferen psychologischen Studien, die ich oben andeutete. Mein Führer war Wilhelm Wundt, dem ich schon in Leipzig durch Göring näher getreten war, aber nicht nahe genug. Jetzt holte ich das Versäumte nach, ohne darum auch andere Psychologen – James, Taine – zu vergessen. Ich gewann die Überzeugung, dass wie die Mathematik den Naturwissenschaften, so die Psychologie den Geisteswissenschaften vorgelagert sei; den Grundsatz entwickelte ich in meinen Beiträgen zu Teubners Buch „Schaffen und Schauen“*, die von Fachgenossen zu wenig, von anderen um so mehr gelesen wurden. Die Wirkung spürte die 2-te Auflage von „Cicero im Wandel der Jahrhunderte“, vor allem aber zwei andere, dem Thema nach fernab voneinander liegende Werke. Das eine war ein mäßiger Aufsatz, von mir kurz und rätselhaft „Das Incompatibilitätsgesetz bei Homer“, von Crusius, der die präcisen, wenn auch schwerfälligen Titel liebte, „die Behandlung gleichzeitiger Ereignisse bei Homer“* betitelt. Das Hauptresultat – dass Homer parallele Handlungen als nacheinander geschehene berichtet, und nie den Faden der Erzählung zurücklaufen lässt – eignete sich die Philologie sofort an, ebenso wie die Forderung einer homerischen Poetik; aber die psychologischen Grundlagen, die Analyse des poetischen Schaffens, die in der Unterscheidung der „scheinbaren“ und der „wirklichen Handlung“ ihren Ausdruck fand, war ihr dauernd fremd – nur Wundt selber verstand mich, der mir auf diesen Aufsatz hin einen lieben Brief schrieb. Überhaupt merkte ich, dass ich mit meinen psychologischen Studien zwischen meinen Fachgenossen und mir einen Abstand geschaffen hatte; da sie selber keine solchen getrieben hatten, konnten sie mir nicht mehr folgen. Das zeigte sich noch mehr bei der folgenden Arbeit, der größten dieser ganzen Periode. Meine Cicerostudien hatten mich auf die Frage nach dem Geheimnis des Ciceronischen Rhythmus gebracht; ihrer Lösung dienten zwei Werke*: Das Clauselgesetz bei Cicero“ und Der constructive Rhythmus bei Cicero, ersteres 1906, letzteres dicht vor dem Ausbruch des Krieges 1914 erschienen – nebst einem in der Zwischenzeit erschienenen Anhängsel „Das Ausleben des Clauselgesetzes“, sodann einem Aufsatz im Archiv für die gesamte Psychologie, und diversen Recensionen. Dem Hauptresultat maß ich eine weit über Cicero hinausgehende Bedeutung bei – daher die lange, entsagungsvolle Arbeit. Er war „der Rhythmus, als unbewusstes Üben“, „die rhythmische Persönlichkeitsmarke“ auf eine leicht fassbare Formel gebracht – nebenbei auch als ein Werkzeug, Echtes und Unechtes auseinanderzuhalten. Das wollte nun den Herren durchaus nicht eingehen – Wundt wiederum ausgenommen, der mir in einem Briefe schrieb: „man muss die classische Philologie beneiden, dass sie sich solche Aufgaben stellen darf.“ Aber die Anderen! Die Persönlichkeit auf eine Formel ge128

bracht – welche Ketzerei! Das durfte nicht sein – und so wurde das erdrückende Tatsachenmaterial einfach „abgelehnt“. Wiederum fand ich außerhalb Deutschlands offenere Ohren. Der verdiente Oxforder Kritiker Albert Clark baute seine neue, gegenwärtig führende Ausgabe der Reden Ciceros auf meinen rhythmischen Gesetzen auf; überhaupt führten meine Aufstellungen zu einem lebhaften Briefwechsel zwischen uns, der bis jetzt dauert; die Universität Groningen erteilte mir 1914 den Ehrendoctor gerade im Hinblick auf meine rhythmischen Studien, wie es das Diplom bezeugt; die größte Ehrung wurde mir aber 1923 zuteil – die Ernennung zum Mitglied der Britischen Akademie. Auch die Religionswissenschaft bekam ihr Teil. Der größere Aufsatz über „Die Orestessage und die Rechtfertigungsidee“* im ersten Heft der Neuen Jahrbücher Ilbergs erschienen, verfolgte die Entwicklung ethischer Anschauungen; die populäre Arbeit „Rom und seine Gottheit“* gab auf psychologischer Grundlage einen kurzen Umriss der inneren Geschichte der römischen Religion; die genauere Ausführung soll mich, wenn ich es erlebe, in den nächsten Jahren beschäftigen. Der bedeutendste Beitrag war ein im Archiv für die Religionswissenschaft erschienener Aufsatz über „Hermes und die Hermetik“*. Durchgesetzt haben sie sich alle drei noch nicht; aber ihre Zeit wird noch kommen.

XIX Das war die Höhe; was nun kommt, ist nicht der Fall, doch aber etwas, was wohl jeden anderen zu Falle gebracht hätte. Ob ich Feinde hatte? Niemand, um den ich’s verdient hätte. Drei habe ich schon oben genannt: Modestov, Novosadskij, Krašeninnikov; die hatten mir nicht ganz zustimmende Recensionen übel genommen; aber den ersten versöhnte ich mir mit der Zeit, der zweite kam nicht in Betracht und der dritte, ein tüchtiger Gelehrter, aber furchtbar eitel, dessen Replik gegen mich zu einem ganzen Buch unter dem Titel „ein sonderbarer Gelehrter“ angeschwollen war (sein Haupttrumpf war „Pan Zieliski“), schadete sich, und nicht mir*; seine Strafe war, dass er als Decan der historisch-philologischen Facultät in Dorpat (jetzt Jur’ev) gezwungen wurde, mich zu meinem Jubiläum mit einem Glückwunschtelegramm zu ehren. Unversöhnlich war auch Cholodniak – ich sage „unversöhnlich“, da ich meinerseits alles tat, um dem immerhin nicht unbefähigten Mann entgegenzukommen, von dem Princip ausgehend, dass bei der geringen Anzahl der Philologen in Russland jeder seine Verwendung finden könne und müsse. So hatte ich, um meine „antike Literaturgeschichte“ an den Höheren Weiblichen Cursen zu entlasten, meinen Zuhörerinnen ans Herz gelegt, seine „römische Literaturgeschichte“ zu hören. Da füllte sich plötzlich sein Hörsaal – aber nur auf wenige Stunden: sie erklärten mir, sie wären nicht im Stande, seine pošlosti anzuhören. Der veränderten Stimmung uneingedenk, glaubte der arme Mann, sich auf Kosten seines Gegenstandes salvieren zu müssen; so apostrophierte er seine, d. h. meine Zuhörerinnen mit den Worten: 129

„Wenn eine von euch das Unglück haben sollte, alte Sprachen zu lehren…“ – was sie gerade als ein Glück erstrebten und in ihrer jugendlichen Begeisterungsfähigkeit auch empfanden. Um meiner Erklärung griechischer Dichter entgegenzuarbeiten, kündigte er auch seinerseits Aischylos an, von dem er nichts verstand, nur um zu zeigen, was für ein schlechter Dichter der gewesen sei. Natürlich las er in leeren Sälen; sein Jubiläum, mit dem meinen etwa gleichzeitig, verging ganz unbeachtet, da er keinen einzigen Schüler hatte – leider auch nicht allzu lange darauf sein trauriger Tod. Nein, der schadete mir nicht; viel mehr – von Unbekannten abgesehen – meine einstigen Freunde, Platonov, Vvedenskij, Latyšev. Es war im Winter 1909-10. Eine in Rippoldsau sich langweilende russische Dame, Fabrikantengattin aus Riga – ehemalige Cursistin –, hatte meine europäisch übertünchte Höflichkeit für was Besseres (oder Schlimmeres) gehalten und verfolgte mich auch in Petersburg, wohin sie extra deswegen reiste, mit ihrer Liebe: sie hatte das wunderbare Talent, an den unvermutetsten Stellen plötzlich aufzutauchen. Einmal verkündete sie mir triumphierend, sie hätte was über mich erfahren – meiner ganzen Situation (položenie) drohe Gefahr. Da sie aber die nähere Aufklärung von einem Besuch in ihrem Hotel abhängig machte, und mir die Rolle des biblischen Joseph wenig verlockend erschien, erfuhr ich nichts. Immerhin machte mich die Ähnlichkeit mit jenem anonymen Brief stutzig. Der Ausflug nach Griechenland drängte diese Gedanken in den Hintergrund; aber im folgenden Winter 1910-11 begann ich etwas, was ich schon frühe vereinzelt bemerkt hatte, stärker und unangenehmer zu empfinden: Es war, als ob sich die Atmosphäre um mich herum verdichtete*. Aber gesagt wurde mir nichts. Es war abermals eine Frau, der das aufrichtige Wort entfuhr – die Schwester von Nestor Kotljarevskij; mit dem jungen und scheuen Philosophen Lebedev verheiratet, hübsch, munter und mir sehr gewogen.* Da sie auch in den großen Klatsch hineingezogen worden ist, will ich hier gleich bemerken, dass sie als verheiratete Frau für mich in jenem Sinne moralisch und, was vielleicht mehr sagen will, physisch unmöglich war; aber im anderen Sinne war zwischen uns allerdings das freundschaftlichste Verhältnis; meine symbolische Prosadichtung „Vince, Sol!“* ist von ihr inspiriert, und sie war auch die einzige, der ich sie vorlas, in einer schönen weihevollen Stunde am brennenden Kamin in ihrem Hause, in völliger Abgeschiedenheit. Der Pflege einer wahnsinnigen Mutter ergeben, hat sie sich später selbst in den Wahnsinn hineincocainisiert, und als ich sie zuletzt traf, 1922, wo sie mir im (Dom u enych) vor dem gesamten Publicum ihre Liebe beteuerte, da lachte niemand, so erschütternd war der Anblick – in der Tat „der Natur zerbrochnes Meisterstück“. Doch zurück zu ihrer Blütezeit zehn Jahre vorher. Sie verkehrte viel bei Rostovcev als nahe Freundin der Hausfrau, hatte dort einen Platz neben mir abonniert und pflegte mich mit den scherzenden Worten zu empfangen: Nu, Vy kone no po prežnemu svodite s uma svoich slušatel‘nic Einmal fügte sie aber hinzu: no i sami, kažetsja, s uma 130

schodite. Ich bat mir nähere Aufklärung aus und fragte dann, wie viel „ihrer“ denn seien. Vorhin wären es sechzehn gewesen, nach dem letzten Berichte wären noch neun dazu gekommen. – also im Ganzen fünfundzwanzig; wenn es so in Quadraten weiterginge, könnte ich bald König Salomo übertreffen: „Scherzen Sie nicht“, sagte sie, „die Lage ist sehr ernst“. Es hätte sich ein Comité gebildet, das suche der Reihe nach die Collegen auf, um gegen mich Klage zu führen. Neulich war es sogar bei Rostovcev gewesen: „Nicht wahr, Michail Ivanovi?“, fragte sie ihn, der zufällig in der Nähe saß. – „Nein“. – „Aber wie, Sie erzählten mir selbst neulich…“ – „Wenn ich sage, es war nicht, so war es nicht.“ Nun wusste ich, dass es war. Ich fragte ihn privatim aus. Ja, sie waren bei ihm, lauter Unbekannte. „Die Namen?“, hätte er gefragt. – „Die dürfen wir nicht verraten“. – „Dann“ – eine ausdrucksvolle Gebärde, nach der Tür hinweisend. Auch den Frauenschutzverein hätten sie zu interessieren versucht, und die Vorsitzende Miljukova, die Frau des Bekannten, hätte nicht übel Lust gehabt, die Sache an die große Glocke zu hängen, aber es wäre ihr energisch abgeraten worden. Das war es also. Und die Atmosphäre um mich herum verdichtete sich immer mehr. Nun sollte die Bombe zum Platzen gebracht werden; aber man fing es ungeschickt an, an der falschen Stelle, nämlich auf den Raevschen Cursen. Dort hatte ich nämlich bei den Hörerinnen den stärksten Anhang – nicht als ob sie von anderem Teig gewesen wären als die anderen, sondern weil sie nach dem dortigen Unterrichtsplan alle auf dem I. Cursus durch mich hindurch mussten und mich somit alle kannten, während auf den großen Höheren Weiblichen Cursen mein Auditorium, so groß es auch war, doch nur einen kleinen Bruchteil des Ganzen ausmachte. So haben denn die rai ki mit wenigen Ausnahmen nie in ihrer Treue gegen mich gewankt; im Gegenteil, ich war ihnen nun erst recht naš Faddej Francevi . Das hätte sich Vvedenskij sagen sollen; aber freilich, „zu viel Logik, zu wenig Psychologie“. Denn er war es, der die führende Rolle übernahm. Ihm wurde selber viel Hässliches – gerade Hässliches – auf jenem Gebiete nachgesagt; und dass es nicht ohne Grund geschah, hat er selbst in einer Anwandlung von Cynismus mir und Braun gegenüber bekannt. Wahrscheinlich hielt er die Gelegenheit für günstig, sich auf meine Kosten weiß zu waschen. Zum Vorwand wurde der Umstand genommen, dass ich mein Seminar – aus zwingenden Gründen – bei mir zu Hause abhielt. Das geschah nun zwar seit fünf Jahren, und niemand hatte daran Anstoß genommen; aber nun sollte es nicht mehr stattfinden. Ich entwickelte meine Gründe, konnte auch documentarisch nachweisen, dass bei mir – und zwar nur bei mir – die Zahl der Teilnehmerinnen nicht im Laufe der Zeit zusammenschmelze – einerlei: Zu meinem Erstaunen schlugen sich auch die meisten anderen Collegen auf seine Seite. Nun stellte ich aber die personale Frage. Das wirkte: Es war klar, dass mein Weggang einen Aufruhr zur Folge haben würde, der das nicht ganz feste Gebäude bedenklich erschüttern würde. Freilich stellte nun Vvedenskij seinerseits die Personalfrage, aber da es 131

nicht zum ersten Mal geschah, wurde es von niemand tragisch genommen – und er ließ sich auch bereden, zurückzukehren, ohne sein Ziel erreicht zu haben. Ich hatte nachher mit Mitrofanov, der mir als gewesener Schüler im Raevschen Collegium am nächsten stand, ein Gespräch über den Vorfall, der mir unbegreiflich schien. „Fast möchte ich glauben“, sagte ich ihm, „dass auch hier jenes Klatschcomité dahinter steckt“. – „Aber natürlich“, sagte er, „wie können Sie nur daran zweifeln?“ – „Aber erlauben Sie“ – ich zeigte ihm meinen Stundenplan –, „hier sehen Sie: fünfundzwanzig Stunden wöchentlich. Würde jemand leicht glauben, dass ein so beschäftigter Mann noch zu wissenschaftlich literarischen Arbeiten Zeit fände? Und hier sehen Sie die Zahl der im letzten Jahre von mir erschienenen Werke: beiläufig auch fünfundzwanzig. Wenn mir nun jemand unter solchen Umständen noch fünfundzwanzig Romane andichtet – sagen Sie, verdient ein solcher nicht selbst… fünfundzwanzig ...?“ Er lachte, fuhr aber ernsthaft fort: A vse-taki, Faddej Francevi , dymu bez ognja ne byvaet. – Vo-pervych, byvaet, – antwortete ich, – a vovtorych, ne zabyvajte, chto ogon‘ jarok i prekrasen, meždu tem, kak dym zlovonen i tjažel. Worin freilich jenes „Feuer“ bestand, das, meine Kinder, kann jetzt nicht beschrieben werden; bei eurer Mutter Lebzeiten wäre es möglich gewesen, jetzt nicht mehr. Aber dass es schön war – es sind bei mir Aufzeichnungen genug, die es beweisen; „nur das Schöne ist lieb“, galt bei mir noch immer. Und mit dem Schönen war ich nicht umzubringen – dazu musste Hässliches hinzugelogen werden. Es wirkte: Mein Auditorium auf den Höheren Weiblichen Cursen, dem Hauptsitz des Klatschcomités, begann sich zu lichten. Mein lieber Zirkel (kružok) leider auch. Erst schwanden Fernerstehende, dann kam die Reihe an diejenigen, die ich zu den treuesten zählte. „to že to zna it, Stenja?“* – . Jur'ev 1896. — 112 S. S.130: – die Atmosphäre um mich herum verdichtete : Die Ursache der sich „verdichtenden Atmosphäre” erläutern teilweise die Erinnerungen von N. P. Anciferov, der damals an der Historisch-philologischen Fakultät studierte: „Im Jahre 1911 erlebte das Heptachor eine Tragödie, die den gesamten Kreis stark erschütterte. Gerüchte von einem „Opfer Zielinskis” gingen um. Eine seiner vertrautesten Schülerinnen gebar ihm ein Kind. Das Heptachor wandte sich von seinem Lehrer ab. Das Gerücht von der „Sünde“ von Herrn Tadeusz wurde öffentlich bekannt. Auch wir Studenten und Bewunderer Zielinskis waren zutiefst schockiert von der Tat des Professors.” (N. P. Anciferov. Iz dum o bylom: Vospominanija . Einl. und Erl. von A. I. Dobkina. Moskau 1992. S. 159). Im Jahre 1910, während der Reise nach Griechenland, begann die Affäre zwischen Zielinski und einer Hörerin der „Höheren Weiblichen Kurse“, S. P. ervinskaja (1892-1978), die ihm zwei Töchter gebar, Tamara (1913-2005) und Ariadna

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(1919). Nach Zielinskis Ausreise wohnte ervinskaja noch über 50 Jahre in Rostov am Don. S.130: – Es war abermals eine Frau, der das aufrichtige Wort entfuhr – die Schwester von Nestor Kotljarevskij; mit dem jungen und scheuen Philosophen Lebedev verheiratet, hübsch, munter und mir sehr gewogen : Die Rede ist von Ol’ga Aleksandrovna Kotljarevskaja (1869-1922), der Schwester des Literarhistorikers, Mitglieds der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (1909) und ersten Direktors des sog. Puškin-Hauses (1910), N. A. Kotljarevskij (18631925). Der Ehemann von O.A. Kotljarevskaja, Sergej Lebedev, Absolvent der philosophischen Fakultät der Petersburger Universität, war als Gymnasiallehrer tätig und arbeitete nach der Revolution im Marinearchiv. Er wird in der Aufzählung der Personen erwähnt, die an der Zusammenstellung der Publikationsliste Zielinskis zu seinem Jubiläum 1909 mitwirkten. S. 130: – meine symbolische Prosadichtung „Vince, Sol!“: – Drevnij mir i my. St. Petersburg 19113. S. 379–412. S.132: – Stenja – Stefanida Dmitrievna Rudneva (1890-1989) – Musikpädagogin, absolvierte die Höheren Weiblichen Kurse (1915), wissenschaftliche Mitarbeiterin des Archäologischen Ausschusses der Russ. Akademie der Wissenschaften (1917-1922), didaktische Leiterin der Musikbewegung „Heptachor” in Petersburg (Leningrad) (1914–1935), lehrte Methodik am Moskauer Bezirkshaus für Künstlerische Erziehung (1935–1956). – Iresiona. Atti eskie skazki . IV. Kamennaja niva. Petrograd 1922. S.133: – (ich) dachte an das Wort in den „Bakchen“ des Euripides – Euripides, Bacchae 498. – treue Levickaja – T. P. Levickaja-Den (1893–1983), schrieb 1968 „Erinnerungen an Tadeusz Zieliski”. Das Manuskript befindet sich im Archiv der Russ.Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (Signatur: fond 977, opis 1, delo 48). S.134: – Istorija anti noj kul'tury . 2 Bände, St. Petersburg 1914. – Drevnegre eskaja literatura pochi nezavisimosti. . 1. Obš ij o erk. Petrograd 1919; . 2. Obrazcy. Petrograd 1920. S.135:– Drevnegre eskaja religija . Petrograd 1918. 163

– Religija llinizma . Petrograd 1922. – Hellenizm i judaizm . 2 Teile. Warszawa 1927. – „Bog i dobro: kak nravstvennost’ stala religioznoj i kak religija stala nravstvennoj“ < „Gott und das Gute: Wie Moral religiös und Religion moralisch wurde“>. Vestnik Evropy. 1917. Kn. 1. S. 113-140; „Vozniknovenie grecha v soznanii drevnejšej Grecii“ . In: Russkaja mysl‘. 1917.  7-8. S. 1-27. – Gomerovskaja psichologija. Gl. 1: Organy duševnoj žizni . Petersburg 1922. (Iz trudov Razrjada izjaš noj slovesnosti Rossijskoj akademii nauk). .

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– Ovidij Ballady-poslanija. Perevod, vstup. stat. i komment. F. F. Zelinskogo . Moskau. 1913. – Sofokl. Dramy. Perevod i vstupl. F. F. Zelinskogo. . I – III . Moskau. 1914-1915. – ...werden wohl allmählich erscheinen. – Teatr Evripida. Perevod s vved. i posleslov. I. F. Annenskogo pod red. i s komment. F. F. Zelinskogo. T. I-III < Die Dramen des Euripides. Übersetzung mit Einl. und Nachw. von I. F. Annenskij, hg. und erl. von F. F. Z.. Bd. I-III]. Moskau 1916-1921 S.136: – …bekam ich doch einmal einen Aufsatz unter dem verrückten Titel „Von Kant zu Krupp“ zu lesen: Das Referat „Von Kant zu Krupp" wurde von Vladimir rn (1882–1917) auf der öffentlichen Versammlung der Philosophisch-Religiösen Gesellschaft zu Ehren von Vladimir Solov’ëv (am 6.10.1914) vorgetragen; der Text wurde gedruckt in der Sammlung: „Me i krest“ . Moskau 1915. – Da hielt ich denn einmal eine sehr beifällig aufgenommene Rede unter dem für Russen sehr verständlichen, für Nichtrussen rätselhaften Titel „Die Göttinger Seele“: – „Göttinger Seele“ ist ein Zitat aus Puškins Evgenij Onegin, II, 6. Zu den Umständen und dem Inhalt von Zielinskis Vortrag vgl. den Brief des Dichters Vladimir Pjast an E. V. Anikov an die Front (2. März 1916): „Die Literatur steht allerdings still – wegen fehlenden Papiers; aber Vorträge, Konzerte usw. gehen ihren üblichen Gang, allerdings ein wenig in kriegerische, sozusagen Khaki-Farben gekleidet, die der umgebenden (zivilen) Sphäre angelegt 164

werden. Es gab z.B. eine Versammlung zur „Englischen Literatur in Russland“. Es sprachen Kotljarevskij, Batjuškov (etwas Langes über Richardson und Puškin, Richardson und Tolstoj) und recht inhaltsreich Zielinski (über die „Göttinger Seele“, die er aus England ableitete, mit einer allgemeinen Konzeption des gegenwärtigen Krieges, mit einer guten Charakterisierung von dessen Zielen)“. (Vl. Pjast. Vstre i. Vstup. st., podgot. teksta i komm. R. D. Timenika. Moskau 1997. S. 391.) S.136: – Nicht zum ersten Mal; bereits 1900 war in Petersburg ein liberales Blatt geschaffen worden… : – Herausgegeben wurde die literarische Monatsschrift Severnyj Vestnik in den Jahren 1897-1900 von Fürst Vladimir Baratynskij (1874-1941, Schriftsteller, Dramatiker und Journalist). Zwischen dem 1. Januar und dem 26. November erschienen elf Beiträge von Zielinski, die bald in einem ersten Band zusammengefasst wurden: Iz žizni idej: Nau no-populjarnye stat'i. (. 1) . St. Petersburg 1905 (19163); Es folgten: Bd. 2: Drevnij mir i my . St. Petersburg 1903 (19113); Bd. 3: Soperniki christianstva: Stat'i po istorii anti nych religij . St. Petersburg 1907; Bd. 4: Vozroždency . Lieferung 1-2. Petrograd 1922. S.137: – nur einzeln konnten sie erscheinen : –Iresiona: Atti eskie skazki . 1-4. Petrograd 1921-1922 (Tajna dolgich skal , U materi-zemli , Solov’inye pesni , Kamennaja niva ); Terem zari . Petrograd 1922; Carica v’jug ( lliny I skify) . Petrograd 1922. – erschienen nur der erste (in drei Lieferungen) : – Anti nyj mir. T. 1 : Skazo naja drevnost'. Vyp. 1-3 < Märchenhafte Frühzeit>. Lief. 1-3]. Petrograd 1922-1923; Grecja niepodlega . Warszawa 1933; Rzeczpospolita rzymska . Warszawa 1935; Cesarstwo rzymske . Warszawa 1938. – Blok : Aleksandr Blok (1880-1921), bedeutender Dichter des russischen Symbolismus, wechselte 1901 an die Historisch-Philologische Fakultät und „war sofort in seinem Element, begeisterte sich für die Vorlesungen ... Zielinskis und einiger weiterer Professoren.“ (M. A. Beketova. Vospominanija ob Aleksandre Bloke . Moskau 1990. S. 54). Diese Worte bestätigt der Brief Bloks an seinen Vater vom 16. Oktober 1901: „Mir gefallen viele Philologieprofessoren schrecklich gut, v. a. natürlich Vvedenskij ... Neben ihm gibt es trotz der Präsenz der „großen Sünder“, der Pri165

vatdozenten, die sich in die politische Ökonomie verbeißen (was meiner Meinung nach an der philologischen Fakultät nicht immer verzeihlich ist) wirklich intelligente und künstlerische Personen – Zielinski, der über die euripideischen „Bacchantinnen“ liest, und Ernštedt (Jernstedt) – über die griechischen Lyriker. Sie beide (besonders der erstere) verstehen das ganze Wesen der klassischen Antike, für mich ist das – ein Schatz.“ (A. A. Blok. Sobranie so inenij v 8 t. . Moskau; Leningrad 1963. S. 26.) Siehe ebenfalls die Tagebucheintragung von Blok als Student (1902): „Das sind Verse. Das ist echte Inspiration. An ihnen, wie am Glauben, an der ‚Tatsache des Glaubens‘ als solcher, ‚zerschellen die Wogen jeglichen Skeptizismus‘ “ mit dem späteren Vermerk: „Die Worte von ... Zielinski in Anführungszeichen“ (ebd. Bd. 7. S. 22). – Annenskij und V. Ivanov waren mir befreundet; –– Zu den Beziehungen zwischen Zielinski und I. F. Annenskij Genaueres bei A. I. ervjakova: I. F. Annenskij. U eno-komitetskie recenzii 1899-1900 gg. . Ivanovo 2000; 226-227; zu den Beziehungen zwischen Zielinski und V. I. Ivanov siehe die Einleitung von A. Tacho-Godi zur Publikation des Korpus der Briefe Zielinskis an Ivanov (19241940) in Archivio italo-russo II. A cura di D. Rizzi e A. Shishkin. Salerno 2002. S. 181-276 (= E. A. Tacho-Godi: Velikie i bezvestnye. O erki po russkoj literature i kul’ture XIX-XX vv. . St. Petersburg 2008. S. 295-392). – Durch Ivanov machte ich auch eine Bekanntschaft, die für mich später von Wichtigkeit wurde – die von Anatolij Luna arskij. Er hatte bei den Studentenunruhen von 1905 eine führende Rolle gespielt, verschwand dann von der Bildfläche, um erst 1917 wiederaufzutauchen. – Der Kritiker und Dramaturg A. V. Lunaarskij, der zukünftige Volkskommissar für Aufklärung (1917-1929), traf im Auftrag des bolschewistischen Zentralkomitees im November 1905 in Petersburg ein und wurde ein Besucher der Treffen im „Turm“ von Vjaeslav Ivanov, wo er und Zielinski sich begegneten. Vgl. in der Memoiren-Notiz von N. A. Berdjaev: „Ich erinnere mich an ein Gespräch über Eros, eines der zentralen Themen der ‚Mittwoche‘. Es bildete sich ein regelrechtes Symposium heraus, und Reden über die Liebe hielten so unterschiedliche Personen wie der Hausherr Vjaeslav Ivanov selbst, der aus Moskau eingetroffene Andrej Belyj, der elegante Professor F. F. Zelinskij und A. Lunaarskij, der im heutigen Proletariat die Verkörperung des antiken Eros sah“ (Russkaja literatura XX v. Pod red. prof. S. A. Vengerova. Moskau 20042. S. 462). Wegen eines drohenden Gerichtsverfahrens ging Lunaarskij im Februar 1907 ins Ausland, von wo er erst im Mai 1917 zurückkehrte. S.138: – Wahl zum Ehrenmitglied der Akademie in der Abteilung für Schöne Künste : – Die Abteilung für Schöne Künste an der Fakultät für russische Sprache und Literatur an der Akademie entstand 1899, anlässlich der Feierlich166

keiten zum 100. Geburtstag von Aleksandr Puškin. Während der ersten Wahl im Januar 1900 wurden L. Tolstoj, A. Koni, A. Žemužnikov, V. Korolenko, A.

echov, V. Solov’ev, V. Stasov zu Akademiemitgliedern gewählt. In den nächsten Jahren wurden K. Alekseev (Stanislavskij), I. Bunin, N. Veselovskij, T. Zielinski, S. Maksimov, A. Suchovo-Kobylin, A. Sumbatov-Južyn u.a. in die Akademie aufgenommen. – in dessen letztem Heft erschienen : – „Genrich Senkevi“. Vestnik Evropy. 1918. Kn. 1/4. S. 5–45. – bei kurzen Ansprachen in den betreffenden Hörsälen : – Siehe: M. I. Rostovcev: „F. F. Zelinskij: K tridcatiletiju ego akademieskoj dejatel'nosti“ . In: Germes. 1914.  3. S. 81–83. – Ich muss zur Erläuterung hinzufügen, dass mit diesen Kathedern ein ansehnliches Gehalt verbunden war: Laut dem neuen Gesetz über die Akademie, 1893 verabschiedet, stand ordentlichen Professoren ein jährliches Gehalt von 4200 Rubeln zu (2400 – Lohn, 600 – «Wohnungszuschuss», 1200 – für den Titel), außerordentlichen Professoren hingegen 3000 Rubel. (Siehe: Vo glave pervenstvujuš ego soslovija Rossii. O erki žizni i dejatel’nosti prezidentov Imperatorskoj Sankt-Peterburgskoj Akademii Nauk. 1725–1917 . St. Petersburg, 2002. S. 196). S.139: – wenn wir Sie zum korrespondierenden Mitglied wählen? : – Korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften wurde Zielinski im Dezember 1893. S.141: – ...so dass ich wenig Hoffnung habe, auch nur etwas gedruckt zu sehen : – Der erste Band erschien 1923, was T. Zieliski nicht wusste, als er die Autobiographie schrieb: F. Grilparcer. P’esy . T. 1. Perevod A. A. Bloka, E. R. Malkinoj, S. Tužimy, red. N. Gumileva i M. Lozinskogo, vstup. st. F. F. Zelinskogo. Moskau; Petrograd. 1923. – ... einen kleinen Artikel in lateinischer Sprache – „De appendice Vaticana observatiuncula.“ Eos. 1894. Vol. 1. P. 129; „Lucretianum.“ Ibid. 1896. Vol. 3. P. 1–2; „Bacchylidea.“ Ibid. 1899. Vol. 5. P. 25–38; „De Accii «Philocteta».“ Ibid. 1911. Vol. 17. P. 129–134; u. a. Nach seiner Ankunft in Polen wurde Zielinski in die Redaktion der Zeitschrift aufgenommen (1922).

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S.142: – Ich habe Deutsch gesprochen, geschrieben und gedichtet : – Siehe: Zelinskij, F. F.: „Iuvenilia.“ In: Drevnij mir i my. Vyp. 2. St. Petersburg, 2000. S. 297–300. – unter dem Titel „Nationalismus, Internationalismus, Supranationalismus“ in der Zeitung Naš vek vom 7. 7.(bzw. 24. 6.) 1918. S. 2. S.144: – Was ich in Petersburg vorfand, war einerseits die Treue meiner Schüler: Das letzte Jahr von Zielinskis Aufenthalt in Petersburg beschreibt B. Losskij folgendermaßen: „Zu Volodjas Studien gehörte auch ein wenig Hellenistik m it Vorlesungen über griechische Skulptur von B. Farmakovskij, und vor allem über Literatur, wo im letzten akademischen Jahr vor seiner Abreise nach Polen T. Zielinski glänzte. Wie sollte man sich nicht erinnern an seine Gestalt und das zeushafte Aussehen und seine hochfliegende Redeweise – mit unauflöslich zusammengebissenen Zähnen. Seine Hörer wussten auch darum, dass ihn die Tränen übermannten, während er antike Dichtung vorlas, die ihn tief bewegte. Einmal, so erzählte mein Bruder, fand die Vorlesung wegen eines Stromausfalls im Auditorium in vollständiger Dunkelheit statt; gerade als er mit bebender Stimme einen besonders pathetischen Passus der Ilias zu Ende deklamierte, ging das Licht wieder an, und er musste schnell und verlegen die Tränen, die ihm über die Wangen herniederrannen, abwischen.“ Losskij, B. N.: „Naša semja v poru licholet'ja 1914-1922 godov“ . In: Minuvšee. Istori eskij al'manach. Vyp. 12. Paris: Athenaeum 1991. S. 75. – zum Jubiläum der Universität Padua (Mai 1922): Zielinskis lateinische Jubiläumsrede anlässlich der 800-Jahresfeier der Universität Padua wurde am 11. Juni 1922 an der Universität Warschau gehalten und danach publiziert („Patavii origines“. Eos. 1921/1922. Vol. 25. S. 118-120). S.145: – Auch ist mein wissenschaftliches Hauptwerk der letzten Jahrzehnte : – Tragodumenon libri tres. I. De locis tragoediae Graecae rudimentaribus. II. De trimetri Euripidei evolutione. III. De Iphigeniae et Danaes mythopoeia tragica. Cracoviae 1925. – Ein Verzeichnis der Akademien, Universitäten und gelehrten Gesellschaften, deren Mitglied (bzw. Ehrendoktor) Zielinski war, findet sich in: Tadeusz Zieliski (1859–1944): Spuren und Zeugnisse seines Lebens und Wirkens aus süddeutschen Beständen. Hrsg. und erläutert von U. Dubielzig. Torunii, 2009. S. 171–176.

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Tadeusz Zieliski Tagebuch 1939-1944 Hanna Geremek Vorwort Im Petersburger Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften, in einer Dokumentensammlung, die Zeugnis über Leben und Werk unseres großen Altphilologen ablegt, befindet sich ein vollkommen einzigartiges Schriftstück, das im Register unter der Signatur fond 977, opis 1, delo 21, als „Dnevnik Veroniki Zelinskoj“ aufgeführt ist. Die genaue Lektüre dieses Dokumentes lässt jedoch keinen Zweifel daran offen, dass wir es hier mit dem Tagebuch von Tadeusz Zieliski höchstpersönlich zu tun haben und nicht mit dem seiner Tochter Weronika Ludwika (18931942). Das Tagebuch beginnt am 10. November 1939, einen Tag vor der Abreise der Zieliskis aus Polen nach Deutschland und wurde fortgeschrieben bis zu seinem Tode am 8. Mai 1944 in Schondorf am Ammersee. Der letzte, recht unbeholfene Eintrag vom 7. Mai 1944 weckte in der ersten und bis dato auch einzigen Leserin dieses Dokumentes verständliche Emotionen. Wie aber kam dieses Tagebuch von Schondorf nach St. Petersburg? Warum wird die Autorschaft Zieliskis Tochter Weronika zugeschrieben, die am 22. Dezember 1942 starb? Warum wurde die wahre Urheberschaft nicht entdeckt? Die Antwort auf die erste Frage bedarf einer etwas ausführlicheren Erläuterung, deren Beantwortung auch zur Klärung der restlichen Fragen aufschlussreich sein wird. Feliks Zieliski (1886-1970), Sohn von Tadeusz und Elisabeth Luise (1863?-1923), geb. Giebel, einer Baltendeutschen, ließ sich 1920 nach der Flucht aus dem von der Revolution erschütterten Russland in Schondorf bei München nieder, gemeinsam mit seiner Frau Karin (1891-1964), geb. Bormann, ebenfalls einer Baltendeutschen. Feliks arbeitete einige Jahrzehnte, auch nach dem Kriege, als Biologielehrer an der örtlichen Schule. Das Städtchen Schondorf, in dem Tadeusz, Weronika, Feliks und Karin Zieliski starben und beerdigt wurden, spielte eine entscheidende Rolle im Leben der Familie des Gelehrten. Nach seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Klassische Philologie an der Warschauer Universität verbrachte Tadeusz Zieliski seit 1922 fast jeden Sommer dort gemeinsam mit Weronika, die ihm seit dem Tode seiner Frau in Warschau nicht mehr von der Seite wich. In den nahen Bibliotheken von München und Leipzig fand er Bücher für seine wissenschaftliche Arbeit und eine schöne Umgebung: ein See und der Blick auf die Alpen boten dem für die Schönheiten der Natur empfänglichen Gelehrten hervorragende Arbeits- und Erholungsmöglichkeiten. Nach Schondorf kamen aber auch andere Mitglieder dieser weit verzweigten Familie. Wie zum Beispiel der 169

japanische Enkel Zieliskis und Sohn Kornelia Zieliska-Kanokogas (18891970), einer, besonders im Bereich der klassischen und deutschen Philologie, ungemein gebildeten Frau, die einen Japaner heiratete, den sie an der Universität Jena noch vor dem Ersten Weltkrieg kennenlernte. Die Ehe wurde gegen den Willen des Vaters geschlossen und veranlasste diesen, die Beziehungen zur Tochter abzubrechen. Die Rolle des Vermittlers zwischen der Familie der aufbegehrenden Tochter und Tadeusz, der den übrigen Familienmitgliedern ungewöhnliche Herzlichkeit angedeihen ließ, kam – neben Weronika – hauptsächlich Feliks zu. In Schondorf gastierte auch die älteste Tochter Ludmila (Amata) Zieliska-Bienieszewiczowa (1888-1967), die Ehefrau des berühmten russischen Byzantinisten Vladimir Bienieszewicz < russ. Beneševi>. Wie durch ein Wunder gelang es ihr für kurze Zeit aus Sowjetrussland zu fliehen, wo sie selbst und ihre Familie starken Repressionen ausgesetzt waren (in den 1930er Jahren starben ihr Ehemann, der seit 1922 mit Vorwürfen drangsaliert wurde, er würde für Polen, den Vatikan und andere Mächte spionieren, und ihre kaum 20-jährigen Zwillingssöhne). Feliks pflegte Korrespondenz mit der gesamten vielköpfigen Familie in Japan und Russland, auch mit den außerehelichen Kindern seines Vaters. Und in eben seinem Hause wurden über Jahrzehnte Andenken an den Vater, dessen Freunde und Verwandte in Form von Briefen, Handschriften und Photographien gesammelt. Die beiden letzten Bände des großen synthetischen Werkes Religie wiata antycznego , die während des Krieges in Deutschland entstanden waren, hielt Feliks für das bedeutendste literarische Erbe seines Vaters. Die Arbeit an diesen Bänden betrachtete der Autor als raison d’être für seinen Aufenthalt in der Fremde. Die Anstrengungen, die Feliks sofort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges machte, dieses Werk in Polen zu veröffentlichen, die Übersendung des Typoskriptes nach Warschau und seine Korrespondenz mit polnischen Wissenschaftlern zeitigten keinen Erfolg. Marian Plezia beschrieb in seinem dieser Arbeit, diesem „Dzieci niedoli“, der „Frucht schwerer Zeiten“81, wie Zieliski sie selbst nannte, gewidmeten Artikel sämtliche Verwicklungen im Zusammenhang mit den Bemühungen, das Werk in Polen zu veröffentlichen. Die Arbeit Zieliskis erschien erst vor kurzem, 55 Jahre nach ihrer Vollendung und drei Jahre nach dem Tode Marian Plezias, der sich so sehr für diese Publikation eingesetzt hatte.82 81

Marian Plezia, „Dzieci niedoli”, Analecta Cracoviensia, Bd. XV, 1983, S. 355-408; Neuauflage in: Marian Plezia, Z dziejów filologii klasycznej w Polsce, Warszawa, 1993, S. 181-235. 82 Tadeusz Zieliski, Religie wiata antycznego, Bd. V: Religia Cesarstwa Rzymskiego, Toru, 1999, S. 512; Bd. VI: Chrzecijastwo antyczne, Toru, 1999, S. 589. Es handelt sich hierbei um die Fortsetzung der bereits früher veröffentlichten Bände: Bd. I, Religia staroytnej Grecji. Zarys ogólny. Übersetzung aus dem Russischen, 1. Ausgabe 1921, 2. Ausgabe 1937; Bd. II Religia hellenizmu, 1. Ausgabe 1935. Beide Bände wurden unter der wissenschaftlichen Redaktion und mit einem Vorwort von Marian Plezia 1991 im OssolineumVerlag in Wrocaw herausgegeben, S. 308; Bd. III, Hellenizm i judaizm, Warszawa, 1927, Tl. 1, S. 303, Tl. 2, S. 306; Bd. IV, Religia rzeczypospolitej rzymskiej, Warszawa, 1933, Tl. 1, S. 383, Tl. 2, S.482. 170

Feliks hatte also Gelegenheit, sich selbst davon zu überzeugen, dass Tadeusz Zieliski in seinem Heimatland eine persona ingrata war. Deswegen entschloss er sich auch, das ungewöhnlich reiche Archiv zu Leben und Werk – darunter auch ein Typoskript von Band V und VI der Religie wiata antycznego – seines Vaters der Stadt Leningrad zu überlassen.83 Aufgrund seiner Aktivitäten während der Revolution und der Emigration nach Polen, war Tadeusz Zieliski in Russland nicht nur eine unerwünschte Person, er unterlag sogar einer wahren damnatio memoriae. Man nahm die Dokumente jedoch an, systematisierte und katalogisierte sie. Ob die Bedeutung Zieliskis für die russische Kultur, der im inoffiziellen wissenschaftlichen Diskurs immer noch stets präsent war, oder ob die Bürokratie und der Polizeistaat, der so viel persönliche Daten wie möglich sammeln wollte, diese Arbeiten begünstigte, ist schwer zu beurteilen. Sicherlich ist es beiden Faktoren zu verdanken, dass sich im Petersburger Archiv außer älteren, den Gelehrten betreffenden Zeugnissen, auch Quellen aus Schondorf befinden, darunter viele in polnischer Sprache. Die handschriftlichen Dokumente in polnischer Sprache, besonders die schwer entzifferbaren, konnten nicht immer in gebührendem Maße bearbeitet werden. Dieses Los teilte auch das Tagebuch, mit dem wir uns beschäftigen, das unerkannt blieb und fälschlicherweise Weronika Zieliska zugeschrieben wurde. Geschrieben wurde es mit Bleistift in ein braunes Notizheft mit den Maßen 19x12 cm, welches auch anderen Zwecken diente. Wir finden dort Einträge, die sich auf die Buchausleihe aus der Münchener Bibliothek beziehen, verschiedene Rechnungen, Informationen über Weronikas Gesundheitszustand, etc. Am Anfang des Notizbuches, auf Seite 4, lesen wir folgenden Eintrag: „Mein Testament“ der wie folgt endet : „Warszawa 11. Juli 1938 Weronika Zieliska“. Inhaltlich sieht dieses Testament wie folgt aus: Der gesamte Besitz, wie auch die Autorenrechte, die ihr, wie es heißt, notariell durch den Vater am 11. Juni 1937 (?) „verkauft“ wurden, fallen nach ihrem Tode an selbigen zurück. In diesem Dokument ist der volle Name Zieliskis zweimal folgendermaßen abgekürzt: „Tad-owi Z-emu“ und „T.Z.“, während der Nachname des Notars „Roman Jelnicki“ ausgeschrieben wurde. Dies zeugt davon, dass wir es nicht mit dem Original, sondern mit einer Kopie oder einer Kladde, die für familiäre Zwecke geschaffen wurde, zu tun haben. Dies legt auch die Analyse der Handschrift nahe: Die vierte Seite wurde von derselben Person niedergeschrieben, wie auch die übrigen 100, mit anderen Worten von Tadeusz Zieliski. Die Zweifel bezüglich der Autorschaft des Tagebuches können schließlich nach der Lektüre der folgenden, fünften Seite ausgeräumt werden, die als "Reise nach Deutschland mit Weronika" betitelt ist, oder durch einen Blick auf das Datum 7. Mai 1944. Der Fehler, das Tagebuch Weronika zuzuschreiben, entstand mit Sicherheit im Archiv, wo man mit der schwierigen Lektüre nicht zurechtkam, man es beim Lesen von "Weronikas Testament" be83

Zur Charakteristik dieser Sammlung siehe: Hanna Geremek, „Nieznane materiay do biografii Tadeusza Zieliskiego (1859-1944) z archiwów petersburskich”, Sprawozdania z Czynnoci i Posiedze PAU, Krakau 1995, S. 37-41. 171

wenden ließ und Weronika als Autorin des Dokuments feststellte. Zu den Personen, die das Tagebuch durchsahen, gehörte auch Sergej Averincev, ein ausgezeichneter Philosoph und Kenner der Antike, der ein Lebensbild Zieliskis84 verfasste, das sich auf neue Materialien und eine Betrachtungsweise stützt, der den betreffenden Text aber auch als Dnevnik Veroniki las. Diese Leseschwierigkeiten haben viele Ursachen. Die Handschrift des Autors, die von gewissen Forschern als unleserlich charakterisiert wurde, stellt für mich nicht das geringste Hindernis dar, das stellenweise verwischte Schriftbild hingegen (er verfasste die Texte mit dem Bleistift) hat schon damals, 1994, Probleme verursacht. Mit jedem neuen Tag wird sich dieses Problem nur noch vergrößern. Formal kann man das Tagebuch in zwei Teile aufteilen. Den ersten Teil vom 10. November 1939 bis 1. Februar 1940 verfasste der Autor in ganzen Sätzen. In diesem Teil sind die wichtigsten Ereignisse dieses Zeitabschnittes notiert: die Reise, die Ankunft in Schondorf, die ersten Treffen mit der Familie und mit den alten Bekannten, die in Verbindung zum Gymnasium standen, an welchem Feliks lehrte. Dort sind auch die Schwierigkeiten beschrieben, mit denen der Gelehrte nicht gerechnet hatte und mit denen er sich wenig erfolgreich abmühte. Dabei handelte es sich vor allem um die Unmöglichkeit, eine Erlaubnis für die geplante Reise nach Italien zu erhalten, oder dass ihm der Umtausch des aus Polen eingeführten Geldes verwehrt wurde, usw. Der zweite Teil des Tagebuches beginnt nach einer mehrwöchigen Pause am 20. März 1940 und wurde in gänzlich anderer Weise fortgeführt. Ins Auge sticht die ungewöhnlich verkürzte Schreibweise. Für die Beschreibung der täglichen Ereignisse ist in der Regel nur eine einzelne Zeile vorgesehen, was bis zum 7. Mai etwa 1500 Tage und eine entsprechende Anzahl von Linien im Notizheft ausmacht. Der erste Teil des Dokumentes umfasst 46, der zweite 50 Seiten. Zieliski veränderte die Form des Tagebuches in einem für ihn sehr wichtigen Moment, und zwar als er sich endgültig von der Illusion trennte, sein Aufenthalt sei nur vorübergehend, eine zeitweilige Etappe auf dem Weg nach Rom, in das Ospizio San Stanislao. Zu diesem Zeitpunkt begann er mit der Rekonstruktion des infolge der Bombardierung der Warschauer Universität im September 1939 zerstörten Manuskriptes der Religia Cesarstwa Rzymskiego , des V. Bandes der Synthese Religie wiata antycznego . Ebenso spielte er mit dem Gedanken, einen VI. Band mit dem Titel Das antike Christentum zu verfassen, der dieses gewaltige Unternehmen abschließen sollte. Der zweite Teil des Tagebuches zeugt von dem ungeheuren Druck, unter dem dieses Vorhaben realisiert wurde. Zieliski war damals von einem ungeheuren Schaffensdrang beseelt. Diese Erscheinung, die er einst selbst in einer Skizze über Nietzsche beschrieb, konnte er nun an sich selbst beobachten. In

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Russkie pisateli, Bd. II, Moskau 1992, S. 336-337. 172

einem Brief an Witold Klinger vom 17. Juli 194285 können wir folgendes lesen: „ sitzt mir im Nacken und treibt mich immerfort an: schreib – was du jetzt nicht vollendest, wirst Du niemals vollenden. Und unterdes findet sich in dem, was ich schreibe, die Rechtfertigung dafür, dass ich lebe“. Rufen wir uns in Erinnerung, dass der Autor sechs Jahre benötigte, um den IV. Band Hellenizm a judaizm zu vollenden, und dass er am V. und unvollendeten Band, der vernichtet wurde, ebenso lang arbeitete. Doch während des Krieges, der elementarsten Arbeitsbedingungen genauso beraubt, wie zahlreicher notwendiger Bücher und darüber hinaus noch am Rande bitterer Armut angelangt, schrieb er innerhalb von vier Jahren 1200 Seiten, welche die beiden letzten Bände seines Werkes bilden sollten. Und wirklich, sein gesamtes Leben ordnete sich der schöpferischen Tätigkeit unter, wie wir aus dem Tagebuch erfahren. Das Schema der Einträge ist immer das gleiche: am Zeilenanfang (beginnend auf der linken Seite) das Datum, die Lufttemperatur und andere Wettereigenschaften: Sonne, Regen, Wind, u.ä., und danach die verschiedensten Ereignisse des Tages, wie beispielsweise alle Besuche der unterschiedlichsten Personen, die Teilnahme an Lesungen, Weronikas Fahrten, die sie für ihn nach München unternahm, um wichtige Bücher zu entleihen, oder auch ins benachbarte Utting, der Einkünfte wegen (dort beschäftigte sie sich mit Porzellanmalerei), Krankheiten der Familienmitglieder und Freunde. Von Zeit zu Zeit gelangen auch allgemeinpolitische Themen und Fakten in die Rubrik der Ereignisse, wie z.B. der „Krieg mit den Sowjets“ (22. Juni 1941). Seit Januar 1941 notierte er auch die ersten Anzeichen physischer Leiden (3. Jan. – „In der Nacht eine Attacke“; 4. Jan. – „Ohne Attacken, schlafe schlecht“), und seit September 1942 beschreibt er die betreffende Nacht nach dem Muster „Nacht+“ und „Nacht-“. Am Ende jeder Zeile dieses Kurzeintrages befindet sich eine Ziffer, die niemals die Zahl 5 übersteigt. Meinen Überlegungen und Rechnungen zufolge bezieht sich diese auf die Zahl der täglich vollendeten Seiten. Die zentrale Rubrik – die Ereignisse des Tages – erlaubt es, das alltägliche Leben des Autors zu rekonstruieren, manchmal auch seinen Seelenzustand. Eine große Rolle spielen aber auch die Notizen zum Fortschritt seiner Arbeit, so z.B. am 17. Januar 1941: „Beend. K. V.“ – die einzige Information zu diesem Tag und darüber hinaus zweifach unterstrichen und am Ende – die Ziffer 4. An dieser Stelle bietet es sich nun an, nach dem Zweck des Tagebuchschreibens zu fragen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Zieliski jemals zuvor die täglichen Ereignisse seines Lebens in dieser Weise dokumentierte. Zum Schreiben trieb ihn sicherlich die außergewöhnliche Situation an: der Krieg, der Abschied von der Heimat, die Unsicherheit über sein eigenes Schicksal. Gewiss war dieses Schriftstück nicht für die Nachkommen gedacht. In ihm 85

Als Anhang zu seinem bereits erwähnten Artikel Dzieci niedoli publizierte Marian Plezia 32 Briefe Tadeusz Zieliskis sowie 2 Briefe aus der Hand Weronika Zieliskas, die sie während des Zweiten Weltkrieges in die Heimat schickten, in chronologischer Reihenfolge. Die Briefe an Stefan Srebrny wurden später in einer gesonderten Publikation veröffentlicht: Grayna Golik-Szarawarska (Hg.), Tadeusz Zieliski: Listy do Stefana Srebrnego, Warszawa, 1997, S. 166. 173

finden sich die intimsten Zeugnisse seines Lebens; es beinhaltet die alltägliche, die „horizontale“ Realität, wie sie der Autor selbst nennen würde. Das Erhabene, das „Vertikale“, finden wir in den Exkursen oder den persönlichen Aussagen in Band V und VI der Religie wiata antycznego oder in den Briefen an seine Freunde. Dennoch war das Tagebuchschreiben für den Autor von außergewöhnlicher Bedeutung, wovon beispielsweise auch die Regelmäßigkeit der Einträge zeugt, die durch alle Tiefen hindurch ungebrochen bis zum Tode besteht. Dieser Akt des Schreibens entsprach wohl ganz bestimmten, tiefenpychologischen Bedürfnissen des Schreibenden, von denen man sicherlich den Willen nach Stetigkeit und Identität hervorheben kann. Es handelte sich dabei ebenso um eine Abrechnung mit sich selbst, um eine Art Beichte. Welchen tieferen Wert hat nun also dieses Dokument für uns, die unerwartete Leserschaft? Vor allem erlaubt die Lektüre des Tagebuches, den letzten Lebensabschnitt Zieliskis genauer zu rekonstruieren, der uns freilich nicht ganz unbekannt ist. Zeichnete doch Marian Plezia in dem oben erwähnten Artikel auf Grund der ihm bekannten Quellen ein ergreifendes Porträt des Gemütszustandes des alten Gelehrten und der Bedingungen, unter denen er damals leben musste. Das Tagebuch bestätigt und illustriert dieses Porträt noch näher. Alles, was Zieliski an seine Freunde in der Heimat in ausführlicher Form schrieb oder in den Exkursen seines Buches Chrzecijastwo antyczne entwickelte, findet seine Entsprechung in den Aufzeichnungen des Tagebuches. Dieser außergewöhnliche Tatsachenbericht eines Gelehrten, von dem alle mit Bewunderung sprachen, welche ihn persönlich kannten, erleichtert es den Wissenschaftlern, welche die von ihm erschlossenen Quellen nutzen, Wort und Leben dieses großen Humanisten miteinander zu verbinden. Und so finden die Plezia bekannte und von ihm beschriebene Ursache für Zieliskis Abreise aus Polen, sein Gesundheitszustand und das damit verbundene Gefühl der vollkommenen Hilflosigkeit (wie bekannt ist, war er seit dem Bombenangriff, der seine Wohnung auf dem Campus der Warschauer Universität zerstörte, teilweise gelähmt) ihre Bestätigung und Ausführung in der Beschreibung der mit der physischen Störung verbundenen Unbequemlichkeiten, wie wir sie im Tagebuch finden. Und obwohl der Autor dies selbst mit Abstand betrachtet, gar mit einem gewissen Humor, ist es offensichtlich, dass er bei den einfachsten Alltagstätigkeiten, wie z.B. dem Waschen, auf seine Kinder Feliks und Weronika angewiesen war. Auch das Gehen bereitete ihm Schwierigkeiten. Sein Einfallsreichtum, der sich in der Auswahl passender Wanderstäbe oder Spazierstöcke äußerte und ebenso in der allmählichen Erweiterung seiner geliebten Spaziergänge, kann man wahrlich bewundern. Auch die körperliche Verfassung Weronikas, der „treuen Antigone seines Alters“, wie František Novotny86 sie nannte, blieb nicht ohne Einfluss auf die Entscheidung, das Land zu verlassen. Sie litt an einer angeborenen Gehörschwäche und einer sich stetig verschlimmernden Herzerkrankung, die, wie sich später herausstellen sollte, zu ih86

František Novotny, Tadeusz Zieliski, „Listy Filologicke“, 1960, S. 1-27; das Zitat findet sich auf S. 10. 174

rem frühen Tod führte. Weronikas bereits weiter oben erwähntes Testament wurde nicht ohne Grund aufgesetzt. All denjenigen, die von Zieliskis Persönlichkeit fasziniert sind, eröffnet dieser Text die Möglichkeit in seine Privatsphäre einzutauchen und möglicherweise auch Antworten auf die schwierige Frage nach der Beziehung zwischen schöpferischer Tätigkeit und Leben zu finden. Auch die Charaktereigenschaften, die der Autor an den Tag legt, bewegen zur Lektüre des Tagebuches: eine trotz allem lebensbejahende Einstellung – ein Optimismus in schwierigen Zeiten, der ihm schon von jeher von seinen Nächsten zugeschrieben wurde und zu dem er sich auch selbst bekannte – sowie die damit einhergehenden Eigenschaften: Güte und Großmut anderen Menschen gegenüber, denen er auf natürliche Weise bereit war, die besten Absichten zu unterstellen. Es lohnt sich, sein Augenmerk auf die Art und Weise zu richten, in welcher er gute und schlechte Nachrichten im Tagebuch notiert. Den Tod Weronikas notiert er am 22. Dezember 1942 durch ein von zittriger Hand gezeichnetes Kreuz, irgendein schlechter Tag (der 11. Juni 1940) ist nur mit zwei Worten beschrieben: „Hiobsbotschaften“ und am Ende: 3 (wie ich vermute, gelang es ihm dennoch, drei Seiten zu schreiben!). Unter den guten Nachrichten finden wir solche Aussagen wie: „Wunderbares Wetter, leichter Wind“, „Herrliche Sonne“, „Wahrhaftig schöner Tag“, alle Spaziergänge, darunter die an den See „zu seiner Bank“, Treffen mit netten Leuten, Musik hören und Freude am Fortschritt seiner Arbeit u.ä. Die Reise nach Deutschland selbst war kein gewöhnlicher Schritt, ein ganz eigenes Zeugnis des Optimismus oder des Glaubens an die Vorsehung. Diese Reise möchte ich hier kurz beschreiben. Die Zieliskis verließen Warschau am 11. November früh um 5.49 Uhr und erreichten Schondorf am Mittag des folgenden Tages, nach Umstieg in Breslau und Augsburg. Bei sich trugen sie die unentbehrlichsten Dinge oder solche, die sie für die kostbarsten hielten. Darunter befanden sich auch ein Käfig mit Weronikas geliebten Kanarienvögeln, das berühmte „Maschinchen", die Schreibmaschine, die der Gelehrte seit 1929 sogar zum Verfassen privater Briefe benutzte, nur einige Bücher (darunter der später noch erwähnte Pan Tadeusz in der Ausgabe von Pigo), ein gewisser Vorrat an Kleidung, die „am Körper“ getragen wurde, wie es in Zeiten des Krieges üblich ist. Sie führen ebenfalls – sicherlich nicht ganz legal – am Tag zuvor auf der Bank abgehobene Dollarnoten mit sich. Der Entwurf eines psychologischen Porträts des großen Humanisten auf der Grundlage seines Tagebuches erweist sich als eine überaus naheliegende und lohnende Aufgabe. Um dieses Porträt zu vertiefen, muss man sich auch mit anderen Problemstellungen befassen, die während der Lektüre auftauchen und die schon vor der Lektüre formuliert wurden. Und zwar: Wie sah das Leben in dieser kleinen Gemeinde aus, in der es Zieliski beschieden war, den Krieg zu verbringen? Wie fand sich der polnische Gelehrte innerhalb der deutschen Gesellschaft während der Zeit des Faschismus wieder? Die Tatsache, dass Zieliskis Einstellung zum Nationalsozialismus eindeutig, nämlich genauso negativ wie jeglicher Art von Totalitarismus gegenüber war, ist hinlänglich bekannt. Dies lag sowohl in seiner humanistischen Einstel175

lung begründet, wie auch in seinen persönlichen Erfahrungen. Seine russischen Veröffentlichungen aus den Jahren 1917-192287 zeugen davon, dass er schnell die Gefahren erkannt hatte, welche die Russische Revolution von 1917 für das gesellschaftliche Leben und insbesondere für die Wissenschaft mit sich brachte. Die Verfolgungen, welchen der russische Teil seiner Familie und viele seiner Freunde ausgesetzt waren, verstärkten Zieliskis negative Einstellung zum Sowjetregime. Er sah ebenfalls keinen Anlass dazu, an den Gefahren zu zweifeln, die mit dem Umsturz durch Hitler einhergingen. Hierzu äußerte er sich in einem unmittelbar nach diesem Ereignis im März 1933 verfassten Brief an Michail Rostovcev, in welchem er seine Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass „beide Gegner sich gegenseitig den Kopf abreißen werden". Zeitgleich verfasst er einen Artikel mit dem Titel „Le culte du Nord et le retour à la Mediterranée“, in dem er sich kritisch zu den rassistischen Ansichten des Kunsthistorikers Josef Strzygowski äußert. In dieser Kritik erwähnt er voller Spott die bête blonde, rouge und noire, welche den Standpunkt des österreichischen Wissenschaftlers charakterisieren soll, der sich nach Jahren fruchtbarer wissenschaftlicher Forschungen dem Faschismus zuwandte. Denn es ist wahr, dass der Humanist und Weltbürger das unglückliche Schicksal, welches die deutsche Gesellschaft traf, von innen erlebte, ähnlich, wie er die sowjetische Tragödie erlebte. Obwohl das Tagebuch hauptsächlich das Leben des Autors selbst widerspiegelt, der sich völlig der Arbeit hingab, erlaubt es doch, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Zieliski die ihn umgebende Welt betrachtete. Diese Problemstellungen habe ich bereits in meinem Referat Schondorf in den Jahren 1939-1944 im Lichte der Tagebücher und der Korrespondenz Tadeusz Zieliskis vorgestellt, das ich während der Konferenz zu Ehren der Verdienste dieses großen Humanisten um die europäische Kultur hielt, die . am 7. und 8. Juni 1997 am selben Ort stattfand. Bereichert durch die Erzählungen der dortigen Einwohner, insbesondere durch die Erzählungen Hans Däumlings, des Sohnes der engsten Freunde unseres Gelehrten, und durch die Lektüre mir bis dahin unbekannter Dokumente kann ich behaupten, dass Schondorf kein durchschnittliches deutsches Städtchen war.88 Seinen hohen gesellschaftlichen und 87

Tadeusz Zieliski, Kultura i rewolucja. Publicystyka z lat 1917-1922. ins Polnische übersetzt, ediert und mit einem Vorwort versehen von Hanna Geremek, Warszawa, 1999, S.106. 88 Mein dreitägiger Aufenthalt in Schondorf, anlässlich der vom Institut zur Erforschung der antiken Traditionen der Universität Warschau (OBTA) organisierten Konferenz, war von großer Bedeutung für die Klärung der topographischen und insbesondere der prosopographischen Realia des Tagebuches. Hans Däumling war so freundlich, mir in den folgenden vier Briefen (27.06. und 14.09.1997 sowie 25.01. und 05.02.1998) umfangreiche Informationen zur Schule und den mit ihr verbundenen Personen mitzuteilen, welche ich in diesem Text als „Berichte“ zitiere. Eine andere wichtige Quelle zur Schule während des Krieges und zu Zieliskis dortigem Aufenthalt stellen die „Mitteilungen des Altlandheimerbundes, Schondorf am Ammersee“, Band XXV, November 1945, dar und insbesondere die Erinnerungsschrift für den Gelehrten Ernst Reisinger (ebenda, S. 36-38). Diese Informationen führten mich weiter zu offen zugänglichen, enzyklopädischen Werken. 176

kulturellen Rang verdankt es der elitären Schule, an welcher Feliks unterrichtete und die nach dem Krieg für ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus ausgezeichnet wurde. Sie wurde 1905 von Prof. Julius Lohmann nach dem Muster englischer Colleges gegründet. Es handelte sich um ein privates Knabengymnasium mit Internat, das den Namen Landerziehungsheim Schondorf trug (auch Zieliski benutzte hierfür die Abkürzung Landheim). In den 1930er Jahren und während des Krieges war Dr. Ernst Reisinger (1884-1952) Schuldirektor. Der studierte Philologe und Schüler des damals schon verstorbenen Otto Crusius, des großen Jugendfreundes unseres Gelehrten (er war derjenige, der Zieliski in die Bayrische Akademie der Wissenschaften einführte), empfing den Ankömmling aus Polen mit, gemessen an den Zeiten des Krieges, beispielloser Herzlichkeit und ebensolchem Verständnis. Begründet lag dies auch in der Wertschätzung, die Tadeusz Zieliski als Mitglied der Bayrischen Akademie der Wissenschaften genoss, ein Gelehrter, der für seine hervorragenden Verdienste um die deutsche Kultur 1932 die Goethe-Medaille erhalten hatte; es lag aber ebenso an der liberalen, antinazistischen Einstellung Reisingers. Dieser verkehrte denn auch während seiner Studienzeit im Kreise des bekannten nationalliberalen Abgeordneten Friedrich Naumann und war darüber hinaus mit Theodor Heuss befreundet, dem ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen des Wahlkampfes engagierte sich Reisinger 1932 auf Seiten Hindenburgs, der als Reichskanzlerkandidat gegen Hitler antrat. Sicherlich, seine Tätigkeit als Schuldirektor war zu gleichen Teilen das Ergebnis seiner persönlichen Überzeugungen einerseits und des Druckes, der vom totalitären System ausging, andererseits. Aufgrund verschiedener Kompromisse behielt die Schule bis April 1943 den Status einer privaten Bildungseinrichtung. Danach wurde sie in eine Staatliche Internatsschule für Jungen und danach wiederum in eine Deutsche Heimschule umgewandelt. Diese Veränderungen wurden sicherlich von Eingriffen in das Lehrprogramm begleitet, um nicht weiter im Konflikt zur nationalsozialistischen Ideologie zu stehen. Die Frage nach der Besetzung des Lehrerkollegiums war in diesem Spannungsfeld verschiedener Einflüsse ein unerhört wichtiges – wie wir aus eigener Erfahrung wissen – und den Charakter der Schule bestimmendes Element. Das Kollegium des Landheims, betrachtet man einmal den Freundeskreis von Tadeusz und Feliks Zieliski, blieb während der Zeit des Krieges unverändert, zumindest was den Kern anbelangt. Ihm gehörten sogar hervorragende Fachwissenschaftler an, denen die Nazis verboten hatten, an anderen angesehenen Einrichtungen zu unterrichten. Bis 1941 fand der Heidelberger Philosophieprofessor und begnadete Kenner des Nikolaus von Cues, Dr. Ernst Hofmann, in der Schule Zuflucht, dessen Frau allem Anschein nach eine deutsche Jüdin war. Zwar betätigte er sich nicht als Lehrer, seine Anwesenheit als Gelehrter hatte aber zweifelsohne einen starken Einfluss auf die Schulatmosphäre. Ebenfalls im Landheim angestellt war Dr. Hermann Ostern, der bis zu seiner Suspendierung die Funktion des Direktors am Humanistischen Gymnasium Heidelberg inne hatte. Sie beide figurieren in Zieliskis Tagebuch als Freunde und wichtige Gesprächspartner. Auf 177

welche Weise und um welchen Preis es der Schule gelang, das hohe Niveau in Fragen von Moral und Bildung aufrecht zu erhalten, ist nicht bekannt. Wir wissen aber, dass sich die örtliche Naziführung nach mehr oder weniger einem Jahr in einem offiziellen Brief an Reisinger darüber beschwerte, dass Tadeusz Zieliski – „irgend so ein Pollacke“ – auf dem Gelände des Landheimes wohnte,89 woraufhin der alte Gelehrte und seine Tochter in das Dorf übersiedeln mussten. Reisinger selbst, der Zieliski gemeinsam mit seiner Ehefrau Julia bis zuletzt zur Seite stand, wurde im August 1944 vom Posten des Schuldirektors suspendiert. Ersetzt wurde er durch eine Person, die dem System bedingungslos ergeben war und die zudem nicht aus Schondorf stammte. Als Zieliski Polen verließ, begab er sich also zu seiner Familie und zu Freunden. Dennoch war ihm schon bewusst, wie sehr Kriege und andere historische Dramen sogar die Nächsten zu entzweien vermögen. Eben dieser Blickwinkel bestimmt die Notizen der ersten Treffen in Schondorf, die am Anfang des Tagebuches stehen. Am wichtigsten für das Schicksal Tadeuszs und Weronikas sind die Reisingers, die sie bereits am Tag nach ihrer Ankunft besuchen. Zu diesem Besuch notiert Zieliski: „sehr angenehmes, herzliches Gespräch“. Weiter lesen wir am 17. November: „Wir haben Besuch von Ostern und Frau Reisinger, angenehmes Gespräch mit politischen Ängsten durchsetzt (nur nicht von meiner Seite), Stimmung bei beiden defätistisch“. Am 27. November lesen wir folgendes: „Um 11 ½ zu den Reisingers, sehr angenehmes Gespräch mit beiden. Ich erzähle von meinem Unglück, er bietet mir sogar an, mir etwas Geld zu leihen: Gott sei Dank brauche ich es noch nicht. Sie politisiert sehr wohlwollend und gesund: ,Polen hat uns doch gar nicht angegriffen‘, ,so wie ich denken viele‘, ,ich fürchte, dass schlechte Zeiten auf uns zukommen werden‘“. Man muss darauf hinweisen, dass die Freundlichkeit Reisingers nicht auf die Intimität der eigenen vier Wände beschränkt blieb. Dr. Reisinger unterstützte unseren Professor auch dabei, Adam Kotarbiski, den Sohn des großen Philosophen Tadeusz Kotarbiski,90 aus einem Kriegsgefangenenlager zu befreien. Vom Mut Reisingers zeugt ebenso die Art und Weise, wie er eine Weihnachtsfeier für die Schüler des Landheims organisiert, zu der auch die Zieliskis eingeladen waren (Tagebuch, 18. Dezember 1939) : „Der Direktor liest aus dem Lukasevangelium Kap. II, wünscht, dass die kommende Weihnacht friedvoll sei, spricht nicht vom Sieg. Im Allgemeinen sehr takt- und würdevoll. Keine Naziauftritte. Wir sind ihm sehr dankbar.“ Reisinger und seine Familie befanden sich in einer ganz besonderen Position. Einerseits aufgrund ihrer liberalen Ansichten, auf der anderen Seite wegen der Verantwortung, die sie im Zusammenhang mit der Leitung des Internats trugen und welche sie zu einiger Vorsicht und gewissen Kompromissen zwang. 89

Zu diesem Brief: Ernst Reisinger, ebenda, S. 24. Die etwas undurchsichtigen Bemerkungen über Reisingers Kontakte zu einem gewissen Kerschensteiner in Königsberg in der Sache Adam Kotarbiski (Tagebuch, 8.-14. Januar 1939) erläuterte mir der Betreffende selbst, der ab Oktober 1939 im ostpreußischen Dorf Róanka bei Dobre Miasto (Rosenthal bei Guttstadt [Ort ist nicht identifizierbar!]) interniert war. Seine unerwartete Befreiung im späten Frühling 1940 schrieb er Reisinger zu. 90

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Doch was diese Kompromisse anbelangte, so ging Reisinger nicht besonders weit, wurde er doch, wie ich bereits erwähnte, letztendlich seines Postens als Landheimdirektor enthoben. Ungenaue Bemerkungen im Tagebuch, ergänzt durch mündliche Zeugnisse, legen die Annahme nahe, dass Zieliski bis an sein Lebensende von ihm materielle Unterstützung erhielt. Noch herzlicheren, in jedem Falle aber direkteren und weniger offiziellen Umgang pflegte Zieliski mit der Familie Däumling, die sich innerhalb der Familie auch Hennen nannten. Sie sind die am häufigsten genannten Personen in seinem Tagebuch. Heinrich Däumling (1886-1958) gehörte zum engsten Kreise derjenigen, die Tadeusz und Weronika Zieliski am Tage der Ankunft im Landheim begrüßten. „Fräulein Wittich und die Hennen begrüßten uns mit Blumen, außerdem das Ehepaar Linn mit einem Korb voller Äpfel“, so der Eintrag vom 13. November. Und eben dieser Heinrich Däumling war es, der Tadeusz Zieliski als treuester Freund eine Grabrede hielt: „Du warst nicht nur einer der umfassendst Gelehrten, Du warst auch einer der adligsten Menschen, mit denen zu verkehren mir die Gnade ward“.91 Das Tagebuch zeugt davon, dass es sich hierbei um eine treue Freundschaft auf vielerlei Ebenen handelte, die von den Däumlings auch große Herzlichkeit und großen Takt verlangte. An dieser Stelle lohnt es sich vielleicht, die Beschreibung eines Neujahrsempfangs zu zitieren, zu dem die Zieliskis eingeladen waren: „1. I 1940, Schondorf. Neujahr. Bei den Hennen spielt Rüssmann auf dem (eigenen) Klavier. Er fängt mit Chopin an (Polonaise in cis, einige Nocturnes), dann Beethoven. Wir werden mit der Mutter der Henne, einer 85-jährigen Alten, bekannt gemacht, die bei der Jugend den Spitznamen Urhenne inne hat. Es sind ungefähr 12 eingeladen, ein angenehmer Abend.“ Frau Henne92 – Zieliski benutzt im Tagebuch fast ausschließlich die adjektivischen Possesivsuffixe „-owa“ und „-ówna“, wenn er von Frauen spricht – ist scheinbar auch der häufigste Gast des nach dem Tode Weronikas vereinsamten Tadeusz Zieliski. Es lohnt sich also, an dieser Stelle einige zusätzliche Informationen zu dieser Familie anzuführen. Das Ehepaar Däumling war mit dem Landheim über zahlreiche Punkte verknüpft und dies schon seit Jahrzehnten. Hier heiratete Dr. Heinrich Karl Wilhelm Däumling, Fremdsprachenlehrer (Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch), der darüber hinaus antike und orientalische Sprachen beherrschte (u.a. Hebräisch, Ägyptisch und Arabisch) 1913 Berta Hermine Sophie Fischer. Sie war die Tochter des Künstlerehepaares Karl Fischer, eines bekannten Bildhauers und seiner Frau, der Pianistin Frieda, bei der es sich um eben die im weiter oben angeführten Zitat erwähnte Urhenne handelt. Im Hause dieser „Urzelle der Sippe“ weilte seinerzeit der Gründer des Landheimes Prof. Julius Lohmann. 91

„Mitteilungen des Altlandheimerbundes, Schondorf am Ammersee“, Bd. XXV, Nov. 1945, S. 38. 92 Anm. d. Ü.: Entsprechung des im Original verwendeten „Hennowa“ wäre das deutsche „die Hennesche“, vgl. „die Müllersche“. Im Polnischen des frühen 20. Jh. ist diese Form allerdings verbreiteter als im Deutschen und sprachlich eher neutral. Aus stilistischen Gründen wird daher die entsprechende Form „Frau ...“ in der dt. Übersetzung verwendet. 179

Zum Kreise der mit unserem Gelehrten befreundeten Lehrer gehörten auch Hermann Ostern und seine Frau, die ich auch bereits erwähnt habe. Ostern hat eine „schöne Bibliothek“, schreibt Zieliski und leiht sich häufig Bücher aus selbiger aus. Die Osterns bieten Tadeusz und Weronika Zieliski an, unentgeltlich eine Wohnung in ihrem Haus zu beziehen (19. November 1939). Tadeusz Zieliski ist hingegen bereit, den kranken Ostern in der Schule zu vertreten (27. November 1939). Mit der Schule ist ebenso eine für die Zieliskis besonders wichtige Person verbunden, die Grundschullehrerin Fräulein Sophie Wittich. Ihre herzliche Anwesenheit ist von der ersten bis zur letzten Seite des Tagebuches dokumentiert. Sie begleitete Zieliski auf seinen Spaziergängen, nach dem Tode Weronikas häufig zu deren Grab. Deutliche Sympathie hegt Zieliski für Ruth Richter, die junge Mutter eines kleinen Jungen, bei der er in der Anfangsphase, noch vor dem Wegzug aus dem Landheim, gemeinsam mit Weronika wohnte. Die „schönen Gespräche mit ihr“ aus dieser Periode sind in den Aufzeichnungen genau dokumentiert. Genauso freundlich behandelt er ihren Sohn Gerhard, dem Weronika ein Weihnachtsgeschenk kauft. Frau Richter bedankt sich einige Tage später, indem sie „Adventszweige“ vorbeibringt. Diese Sympathiebekundungen sind Ausdruck gegenseitigen Verständnisses für die jeweilige Lebenssituation. Ruth Richter ist die Tochter Prof. Wilhelm Casparis, der Zieliski die für seine Arbeit notwendigen Bücher aus der Münchner Bibliothek zukommen lässt. Am Beispiel dieser Familie sieht der polnische Gelehrte, dass die Tragödie des Krieges auch Deutsche treffen kann: Ruths Mann, Dr. Ernst Eberhard Richter, ein laut Auskunft von Hans Däumling musikalisch unerhört begabter Deutsch- und Lateinlehrer, wird zur Wehrmacht einberufen und stirbt kurze Zeit später an der Ostfront. Es ist Ruth Richter, an die Zieliski denkt, als er in einem Brief an Stefan Srebrny vom 12. April 1943 folgende Zeilen schreibt: „diejenige Person, die vermitteln sollte [bei der Bücherausleihe in München – Anm. H.G.] hat ihren Mann an der Front verloren, man darf sie jetzt nicht noch unnötig belasten“. Unter den Personen, die im Tagebuch auftauchen und deren Identität ich imstande war festzustellen, gehörten auch die Ehepaare Engels und Linn zum Kreise des Lehrerkollegiums. Herr Engels, dessen Vornamen ich nicht kenne, war ein Bildhauer, der am Landheim bis zu seiner Einberufung in die Wehrmacht unterrichtete und später gefallen ist. Seine Frau Gertrude Engels wohnte nach dem Zweiten Weltkrieg in Schondorf. Sie war es, die Prof. Plezia die Informationen über die Zieliskis zukommen ließ, welche er in seinem erwähnten Artikel Dzieci niedoli verwendete. Die „Eheleute Linn“, die Äpfel zur Begrüßung mitbrachten, sind Dr. Fritz Linn, selbst ein Zögling des Landheims der 1920er Jahre, Jurist, der auch in deutscher Literatur und Geschichte ausgebildet war, was ihm eine Anstellung als Lehrer ermöglichte, sowie dessen Frau Friedel, die sporadisch in den Lehrbetrieb integriert war. Während des Krieges brach – wie mir mitgeteilt wurde – ihr Kontakt zur Schule ab und sie kehrten erst 1946 nach Schondorf zurück. 180

Das Lehrpersonal des Landheims und dessen Familien waren größtenteils langjährige Bekannte Tadeusz Zieliskis, und sie sollten während des Krieges seine engste Umgebung bilden. Die Liste der Personen, die in seinem Tagebuch auftauchen, ist aber deutlich länger. Hier finden sich der Chauffeur Streidl, der Tadeusz und Weronika Zieliski zum Bahnhof und manchmal sogar bis nach München fährt, Dr. Weber, der sie medizinisch betreut und in diesem Zusammenhang auch Schwester Bona, eine Krankenschwester, ein gewisser Singler, für dessen Bilder sich Weronika interessiert sowie Personen von außerhalb des Landheimes, die Bewohner des Dorfes, in das Tadeusz und Weronika Zieliski – wie ich bereits erwähnte – umziehen mussten. Es treten solche Namen auf, wie der von Frau Portenhauser, bei welcher sie einige Zeit wohnen, der Name einer gewissen Elisabeth, die für die Hauswirtschaft zuständig ist, Frau Schumann, die einen Lebensmittelladen führt, das Ehepaar Portenlängner, die Gegenstände für den täglichen Gebrauch verkaufen sowie die Gebrüder Beerenwolf, die einen Gärtnerbetrieb führen. Eine entscheidende Rolle in Zieliskis Leben spielten zwei Landgasthöfe, in denen er manchmal, insbesondere nach dem Tode Weronikas, seine Mahlzeiten zu sich nimmt und Bekannte trifft, der Klopfersche und der Forstersche Gasthof. Im letzteren fanden auch Filmvorführungen statt. Gehen wir davon aus, dass Kenntnis der Personennamen ein Beweis für eine gewisse Vertrautheit ist, welche Zieliski mit diesen Menschen verband, obwohl es uns nicht immer gelingt, mehr über sie zu sagen. Neben den erwähnten sind auch noch anonyme Personen aufgeführt: der Briefträger, der Gärtner oder schließlich ein „Kerl wie ein Schrank vom Kommissariat“. Die Liste aller im Tagebuch genannten Personen umfasst rund 30 Personen, wenn man Lektürefehler ebenso berücksichtigt, wie auch die Tatsache, dass manche Personen manchmal beim Vornamen, manchmal beim Nachnamen genannt werden und manchmal mit ihrer Berufsbezeichnung aufgeführt sind. Die wichtigste Kontaktform Zieliskis mit der örtlichen Gemeinschaft, vor allem mit deren Elite, war seine Anwesenheit im Landheim (als Gelehrter), in erster Linie aber seine Vorträge. Wir kennen nur den Titel des ersten, den er am 15. Dezember 1939 hielt: „Die Glaubwürdigkeit der Evangelien – Lukas, Kapitel II“. Insgesamt hielt er, wie aus seinem Tagebuch hervorgeht, ein gutes Dutzend. Der letzte vor seinem Tode gehaltene Vortrag war so umfangreich (15 Seiten), dass er in zwei Teile geteilt werden musste. Den ersten hielt er am 22. März, den zweiten am 28. März 1944. Der polnische Gelehrte nahm ebenso an den Vorträgen anderer teil, an den Vorträgen Ernst Reisingers, wie auch an denen eines gewissen Döring und eines gewissen Pechmann, zu denen es mir nicht gelang, Daten zu recherchieren. Die Achtung, deren er sich in der Schule erfreute, sicherte ihm auch eine gewisse Popularität innerhalb der Schülerschaft, was sich vielfach in den Tagebuchnotizen dieses eifrigen Pädagogen widerspiegelt. Und so schreibt er mit wahrer Genugtuung: „Ich habe einen Spitznamen bei den Buben: der liebe Gott. Nicht schlecht“. Freilich fügt er sogleich einen selbstironischen Kommentar hinzu: „Sie notieren sich meine Erfolge und informieren Feliks darüber: Jetzt benutzt er den Wanderstecken nicht mehr, sondern 181

nur noch Spazierstöcke“ (18. Dezember 1939 – drei Tage nach dem ersten Vortrag). Die Freude über diese Anerkennung seitens der Jugend war so groß, dass Weronika kurze Zeit darauf (23. Dezember) ein Porträt ihres Vaters mit dem Titel Der liebe Gott anfertigte. Es handelt sich hierbei allem Anschein nach um das berühmte Abbild des alten Gelehrten, das in der ihm gewidmeten Ausgabe der Zeitschrift Meander93 von 1959 abgedruckt wurde. Im allerengsten Kreise fanden regelmäßige Treffen statt, die thematisch Zieliskis Lieblingsautoren Horaz und Dante gewidmet waren. Das erste wurde von Dr. Reisinger geleitet. Solche Begegnungen hatte es allem Anschein nach bereits vor der Ankunft unseres Philologen in Schondorf gegeben. Dieser war jedoch wie geschaffen für die Teilnahme an eben jenem Vorhaben, hatte er doch kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als Ergebnis langjähriger Forschungen ein Buch über Horaz veröffentlicht. Eines der ersten Bücher, das er aus der Osternschen Bibliothek entlieh, war dann auch ein Werk dieses Poeten. Die Dante-Treffen hingegen, die danteica wurden auf eine Initiative Zieliskis hin eingerichtet. Sie fanden über einen Zeitraum von vier Jahren statt. Das erste erscheint in einer Notiz vom 18. Mai 1940, das letzte am 23. Februar 1944. Der zu Beginn wöchentlich stattfindende Zyklus (man traf sich für gewöhnlich donnerstags), wurde so manches Mal aufgrund der verschiedensten Ursachen unterbrochen, am häufigsten aber durch die Krankheiten der Teilnehmer. Zum „danteischen“ Kreis zählten alle Zieliskis, die Däumlings, Osterns, Hofmanns, was die uns bekannten Freunde des Gelehrten anbelangt, und ebenso – sporadisch – Personen, zu denen ich nicht viel sagen kann. Eine gewisse Blanka, eine Ella M., die Rabsens , ein gewisser Günther. Ernst Reisinger, der Direktor des Landheims, nahm an diesen Treffen allerdings nicht teil. Neben Tadeusz Zieliski hatte der Heidelberger Universitätsprofessor Ernst Hofmann bis zu seiner Abreise aus Schondorf eine leitende Rolle im Rahmen der Danteabende inne. Interessant ist, dass im Tagebuch häufige gegenseitige Besuche der Hofmanns und Zieliskis (Tadeusz und Weronika) bis November 1941 bezeugt sind, bis zu dem Moment, da die ersteren gezwungen wurden, die Schule zu verlassen. Die Struktur der Dantetreffen stützte sich auf Grundlagen, die unser alter Pädagoge zur literarischen Analyse an der Petersburger Universität anwandte: Alle Teilnehmer lasen der Reihe nach bestimmte Gesänge der Göttlichen Komödie vor und analysierten diese. Jeder Auftritt wurde im Voraus vorbereitet und umfasste eine philologische Analyse – die Texte wurden auf Italienisch vorgetragen – sowie eine Interpretation des Werkes unter historischen, philosophischen und allen möglichen anderen Gesichtspunkten. Der Umfang der Interpretation gab Aufschluss über den intellektuellen Horizont der interpretierenden Person. Man muss darauf hinweisen, dass dem Kreise der Teilnehmer ebenso bedeutende Wissenschaftler, wie auch ihre weniger gelehrten Ehefrauen angehörten. Im Zusammenhang mit einer Sitzung wurde die Anwesenheit der zweifelsohne die jüngere Generation repräsentierenden Toch93

Anm. d. Ü.: Seit 1946 in Warschau erscheinende polnische Quartalsschrift für antike Kultur, herausgegeben von der Polnischen Akademie der Wissenschaften. 182

ter der Familie Ostern notiert. Natürlich interessiert uns außerdem, wie der Kriegsalltag in die Diskussionen dieses Kreises einander nahe stehender Personen, zu dem Familie und Freunde gehörten, Eingang fand. Allein die Anwesenheit Zieliskis hatte entscheidenden Einfluss darauf, dass sie sich nicht nur auf literarische und historische Aspekte beschränken konnten, sondern ebenso einen Weg eröffnen mussten, die Welt zu erklären. Vielleicht lohnt es sich sogar, den Versuch zu wagen, einige der von unserem Philologen zur Interpretation ausgewählten Gesänge in Bezug zur damals vorherrschenden, historischen Situation zu setzen. Auf jeden Fall haben wir es hierbei – Danteabende in Deutschland, inmitten des tobenden Krieges – mit einer bedeutenden Erscheinung zu tun. Kommen wir nun zur Schlüsselfrage für das Verständnis der psychologischen Situation Zieliskis zu jener Zeit. Genauer gesagt könnte man fragen: Wie groß war sein Wissen über die laufenden Kriegsgeschehnisse? Mit aller Sicherheit hat dieser Alte, der in einem Voralpendorf ankommt, der fortwährend Probleme mit seiner Lampe und dem Ofen hat (er schreibt von ihnen, dass sie „launisch sind“ oder „grimassieren“) wie auch mit dem Erwerb von Lebensmitteln, der nach dem Tode Weronikas vollkommen einsam und allein wohnt (wie unglaublich traurig sind die Einträge die von diesen Tagen blieben: „Niemand und nichts“, „Nichts“) und der physisch nicht imstande ist, Entfernungen von mehr als einigen hundert Metern zurückzulegen, sicherlich hat dieser Alte ein geringeres Wissen über die Welt und sogar (oder vielleicht gerade?) über Deutschland, als z.B. Thomas Mann auf der anderen Seite des Ozeans. Damit möchte ich nicht sagen, dass unseren Humanisten vom großen Schriftsteller in ihrer jeweiligen Einstellung zur Realität nur die Lebenssituation unterschied. Er war von Natur aus so eingestellt, dass er stets die positiven Aspekte suchte und wenn er sie nicht in seiner Umgebung fand, so flüchtete er sich in die Welt der Transzendenz. Er war ein Mensch tiefen Glaubens, worüber ich zu sprechen noch die Gelegenheit haben werde. Man muss sich allerdings dessen bewusst sein, dass der Zugang zu Informationen über politische Ereignisse, insbesondere über die von den Nazis verübten Vernichtungs- und Gräueltaten, vollkommen der Kontrolle des totalitären Systems unterlag und „irgend so ein Polacke“, wie Tadeusz Zieliski offiziell bezeichnet wurde, kaum die geringste Chance hatte, das in Erfahrung zu bringen, was denjenigen bekannt war, denen man vertraute. Marian Plezia ist aufgrund seiner intensiven Analyse der Briefe Zieliskis auf deren Polenbezug hin der Auffassung, dass dieser nur geringe Ahnung von der Situation im Lande hatte. Davon zeugen die Fragen, die er in diesen Briefen bezüglich des universitären oder kulturellen Lebens stellte – wobei jene ja nur noch im Untergrund existierten – oder die Fragen, welche bestimmte Schüler und Bekannte betrafen, die sich doch aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verstecken mussten. Man sieht sich gezwungen zu fragen, inwiefern Briefe für Zieliski überhaupt eine Informationsquelle darstellen konnten. Solch eine Korrespondenz unterlag mit Sicherheit der Kontrolle durch die Zensurbehörden und die Korrespondierenden, die sich dessen bewusst waren, mussten sich einer Äsopischen Sprache bedienen oder drastische Fakten schlicht verschweigen. Aus vielerlei Gründen scheint es aber 183

sinnvoll zu sein, diejenigen vorzustellen, mit denen unser Gelehrter Briefkontakt pflegte. Die Rekonstruktion dieser Korrespondenz gestaltet sich nicht einfach. Erhalten geblieben sind lediglich einige Briefe von Tadeusz Zieliski und Weronika, wir sind jedoch nicht im Besitz irgendwelcher Antworten, die in Schondorf ankamen. Allem Anschein nach hat Feliks sie nicht in seinem Archiv verwahrt, allein im Falle der Briefe des japanischen Zweiges der Familie machte er eine Ausnahme. Mit selbigen konnte ich mich in den Beständen des Petersburger Archivs der Russischen Akademie der Wissenschaften vertraut machen. Plezia präsentiert die wichtigsten der erhalten gebliebenen Briefe im Supplement zu seinem bereits viel zitierten Artikel. Es handelt sich dabei um Briefe an Stefan Srebrny, Witold Klinger, Janina Niemirska-Pliszczyska, Lidia Winniczukówna und ein Brief an Stanisaw Pigo. Die an Tadeusz Kotarbiski gerichtete Korrespondenz wurde während des Warschauer Aufstandes vernichtet (laut einer Auskunft, die mir Janina Kotarbiska unlängst erteilte). Er war Zieliskis wichtigster Freund in jener Zeit, wie aus der Widmung des fünften Bandes der Religie wiata antycznego hervorgeht. Zu den bekannten und bereits bearbeiteten Briefen kann man auch die an Jarosaw Iwaszkiewicz zählen (sie wurden von Andrzej Bierniacki im Heft 2 der Zeitschrift „Twórczo“ von 1985 veröffentlicht), die an Jerzy Manteuffel sowie an Wodzimierz Antoniewicz, die im Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften erhalten blieben, und die sich im Archiv der Duke University (USA) befindlichen Briefe an Michail Rostovcev, welche ich lesen konnte und die unser Wissen über unseren Untersuchungsgegenstand nicht wesentlich verändern. Es ist bekannt, dass Zieliski regen Kontakt zu František Novotný unterhielt, dem er schon seit seiner Petersburger Zeit freundschaftlich verbunden war. Ebenso rege war der Kontakt zu Gustaw Przychocki (Tagebuch, 26. November 1939), zu András Alföldi (Tagebuch, 4. Dezember 1939), zu seinem treuen Schüler Andrzej Turyn, der sich bereits auf dem Weg in die Vereinigten Staaten befand, als er von sich hören ließ (Tagebuch, 3. Dezember 1939: „er [Turyn – Anm. H.G.] ist schon in Rom. Teufelskerl!“). Eine gewisse Zeit lang korrespondierte er schriftlich mit einer Vertreterin des Verlagshauses der Brüder Mortkowicz, mit Hanna MortkowiczOlczakowa.94 Seine Aufzeichnungen bezeugen sogar, dass er „für die Zeit vom 2. V 40 – 28. IV 41“ Geld für die verkauften Exemplare seiner Werke erhielt. Um eine Liste der Personen zu erstellen, zu denen Zieliski in jener Zeit persönlichen Kontakt hielt, könnte sich die Aufstellung der Personen als hilfreich erweisen, denen er einen Abdruck seines ganz gewiss Anfang 1940 redigierten Artikels La Cosmogonie de Strasbourg (Scientia, Bd. XXXV, 1941) schicken wollte. Auf dieser Liste sind mit den Leuten aus Schondorf insgesamt 49 Personen aufgeführt. Welchen Wert diese Kontakte für seine Kenntnis des Weltgeschehens hatten, bleibt schwer zu sagen.

94

Hanna Mortkowicz-Olczakowa, „Erinnerungen an Tadeusz Zieliski“, in: Meander 89, 1959, S. 428-433; zu ihrer Korrespondenz während des Krieges: ebd., S. 432-433. 184

In einem Brief an Klinger vom 23. März 1942 schrieb Tadeusz Zieliski, dass er irgendwelche Neuigkeiten „von jenem Ufer“ erhalten hatte, d.h. aus Russland, seine Tochter Amata betreffend. Auf welchem Weg er diese Neuigkeiten erhielt, ist uns nicht bekannt. Ich habe weiter oben bereits auf solche Personen aufmerksam gemacht, deren Identität sich nicht feststellen ließ, die nur kurze Zeit in Schondorf weilten. In seinem Tagebuch findet sich noch vor Kriegseintritt der Sowjetunion (Eintrag vom 14. April 1941) eine wenig klar zu deutende Notiz: „Russen“. Später taucht auch eine gewisse Galina auf (2. Oktober 1943). Auch solche Informationen gilt es zu beachten. Eine nicht unbedeutende Rolle im Zusammenhang mit der Erweiterung seines Wissens über die Situation in Polen kommt hingegen einer jungen Polin zu, die als Zwangsarbeiterin nach Deutschland kam – Kazia Zwolicka (?)95. Sie tauchte noch zu Lebzeiten Weronikas, im November 1942, im Haus der Zieliskis auf. In einem Brief an Janina Niemirska-Pliszczyska (27. November 1942) schreibt er von ihrer enormen Freundlichkeit und charakterisiert sie als „verirrtes Schäflein“, das „natürlich kein Sterbenswörtchen deutsch spricht“ und das „oh wie schrecklich... zudem noch Analphabetin ist“. Diese letztgenannte Tatsache führte dazu, dass Kazia immer dann bei Zieliski auftaucht, wenn sie einen Brief von daheim erhalten hat. Natürlich ist es unser großer Philologe, der diese Briefe liest und sie auch beantwortet. Eben diese Rolle als Schreiber, die er auf sich nahm, ermöglicht es ihm, sich intensiver und besser über die Lage in Polen zu informieren (das Mädchen kommt aus der Umgebung von Kraków). Der häufige Kontakt (sie sehen sich mindestens einmal pro Woche) zu dieser „Trappistin wider Willen“, wie er sie im oben zitierten Brief nannte, dauert bis an sein Lebensende an. Es kommt vor, dass sie gemeinsam zur katholischen St. Nikolauskapelle gehen, oder zum Grab Weronikas. 1944, im letzten Zeitabschnitt, notierte der alte Professor zwei Besuche aus Polen: der von Jurek (dem Sohn Witold Klingers) im Januar und seines „Neffen“, des Sohnes seiner Schwester im März. Zieliski las mit Sicherheit deutsche Presseerzeugnisse, mit deren Hilfe er sich über alltägliche Nachrichten informierte. Über deren tendenziöse Machart war er sich jedoch schon seit langem im Klaren, was man zumindest aus der Anmerkung 39 auf Seite 301 des sechsten Bandes der Religie wiata antycznego herauslesen kann. Es ist ebenso möglich, dass er bei Feliks (um 10.30 Uhr morgens oder um 5 Uhr nachmittags) die Nachrichten des „Eur“-Radios (alliierte Nachrichten?) hörte, wie es Notizen vom April und Mai 1943 nahelegen. Diese Sendungen hörte man allerdings – wir mir versichert wurde – nur im allerkonspirativsten Kreise und man muss bezweifeln, dass sie auch nur in irgendeiner Form analysiert oder in irgendeiner Gruppe verbreitet werden konnten. Obwohl sich Zieliski dessen bewusst war, dass das totalitäre System noch einen gewissen Freiraum für zwischenmenschliche Beziehungen offen ließ 95

Vor- und Zunamen befinden sich auf einem separaten Papierfetzen in dem Heft, das Zieliski zur Aufzeichnung seines Tagebuches diente. Der Nachname ist deutlich zu entziffern, wird jedoch durch keine andere Nennung im Tagebuch bestätigt. 185

und er dieser Überzeugung auch in seinen Briefen nach Polen Ausdruck verlieh, in denen er von der Liberalität der Münchner Staatsbibliothek schrieb, oder im Vorwort zum fünften Band (S. 12) seines opus vitae sowie in den von mir angeführten Äußerungen im Tagebuch, darüber hinaus wohl auch im täglichen Umgang, so litt er dennoch unter dem Gefühl einer gewissen Vereinsamung, wenn nicht gar Ausweglosigkeit. Ich sehe dies vor allem in der starken Wahrnehmung seines Polentums, das er in seinem Tagebuch mitunter „Zentripetalität“ nennt. Es existierte zweifelsohne eine ständige innerfamiliäre Spannung zwischen deutscher und polnischer Tradition, da Tadeuszs Frau, eine Deutschbaltin, des Polnischen nicht mächtig war und das Deutsche die Erstsprache im Hause der Zieliskis darstellte. Berücksichtigt man das Kriterium der Selbstzuschreibung oder der Akkulturation, so war Feliks Zieliski nie Pole. Polnisch konnte er mehr schlecht als recht, wovon auch ein Brief an Jerzy Manteuffel Zeugnis ablegt, den er am 29. September 1947 in französischer Sprache verfasste (Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften). Ich hatte ebenso die Gelegenheit seine intimsten Eingeständnisse zu lesen und unter ihnen stieß ich auf eine Angelegenheit, die nachdenklich macht. So verfasste er seine Tagebücher während des Ersten Weltkrieges, noch in St. Petersburg, auf Deutsch.96 Seine späteren Aufzeichnungen, die bereits in Deutschland entstehen, schreibt er hingegen auf Russisch. Seine Unangepasstheit an die neue Situation verdeutlichte ihm, dass er sich sowohl in dem einen als auch in dem anderen Land als „Fremder“ ( užoj)97 fühlte. Die Tatsache, dass er sein gesamtes Erwachsenenleben in deutscher Umgebung verbrachte und dass seine Frau Karin und ihre gesamte Familie Deutschbalten waren, entschied schließlich in endgültiger Weise über seine Zugehörigkeit zu einer Nation. Er versuchte aber auch, Tadeusz und Weronika Zieliski den Aufenthalt mit ukrainischen Liedern angenehmer zu gestalten, was der Vater mit Genugtuung in seinem Tagebuch festhielt (3. Dezember 1939). Weronika war hingegen Polin, auch wenn sie Polen erstmals 1922, gemeinsam mit ihren Eltern nach der Abreise aus St. Petersburg betrat und damals noch kein Wort Polnisch sprach. Die Briefe, die uns erhalten blieben und die sie hauptsächlich im Namen ihres Vaters oder in seinem Interesse verfasste, legen davon Zeugnis ab, dass sie innerhalb eines guten Dutzends an Jahren sich nahezu vollkommene Kenntnisse des Polnischen erarbeitete. Die unvermeidliche Abreise aus Polen und die Kriegsereignisse in ihrer Heimat machten Weronika sehr stark zu schaffen. Der Vater schreibt, dass sie den wöchentlich stattfindenden Filmvorführungen in Forsters Gaststätte nicht beiwohnen wollte, in der Angst, dass die Wochenschau, die stets vor dem Hauptfilm gezeigt wurde, Polen in einer Art und Weise darstellen würde, die ihre patriotischen Gefühle verletzten könnte. An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, dass sich diese ungemein 96

PFARAN, Fond 977, op. I, d. 24. Die beschriebenen Erinnerungen und weitere Quellen machte mir die japanische Familie Tadeusz Zieliskis zugänglich, namentlich Ayako Mori und Harumi Muraguchi. Es handelt sich hierbei um ein vierzigseitiges Heft mit dem Titel Avtobiografija. I, die Beschreibung der Entfremdungsphase findet sich auf den S. 1-5. 97

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charakterstarke Person im November und Dezember 1939, zur tiefen Besorgnis des Vaters, in einer schweren Depression befand. Unter den Geschwistern kam es zu Streitigkeiten in der Frage Deutschland vs. Polen. Zieliski notierte dies sogleich nach der Ankunft in Schondorf (19., 20., 22. November 1939). Diese Situation zwang den Vater, das Gespräch mit dem Sohn zu suchen, das er wie folgt in seinem Tagebuch beschreibt: „Langes und herzliches Gespräch, ich sage, dass das zum Teil mein Testament sei – seit dem elementaren Umsturz [der russischen Revolution – Anm. H.G.] bin ich Zentripetalist geworden, Lili [so nannte er seine Frau] und in geringerem Maße die Kinder Zentrifugalisten. Daher auch mein Ehe- und Vaterschaftsmartyrium. Er hört aufmerksam zu. Dieses Gespräch tut mir sehr gut“ (20. November). Der Wert dieses Gespräches beschränkt sich im Grunde genommen darauf, dass Zieliski seinen Standpunkt in dieser problematischen Frage formuliert. Diesen Standpunkt versuchte Feliks sicherlich zu respektieren, er teilte ihn aber nicht. Davon zeugt der nächste Eintrag vom 22. November: „Nach dem Mittagessen erneutes Unglück. Weronika war bei Feliks und stritt sich bezüglich der Muttersprache mit ihm. Sie kam jedoch wieder zu sich, ging ein zweites Mal los, mit dem Ziel sich zu versöhnen, was ihr auch gelang“. Kommen wir aber noch einmal zu dieser „Zentripetalität“ des alten Gelehrten zurück. Sie entstand wirklich während der Zeit der russischen Revolution, wie er seinem Sohn sagte. Am 7. Juli 1918 veröffentlichte er in Naš Vek, der Zeitschrift der russischen konstitutionellen Demokraten, einen Artikel mit dem Titel „Nationalismus, Internationalismus, Supranationalismus“,98 der sein credo in nationalen Fragen darstellen sollte. Er war gegen den sog. Internationalismus gerichtet, den er als leeren Begriff ansah und der als Schlagwort gerechten nationalen Ambitionen gegenübergestellt wurde. Der positive Inhalt dieses Artikels argumentierte dahingehend, dass alle Menschen, da sie in erster Linie die Kinder ihres Volkes waren, sich „in menschlicher Weise vor jedem Volke verbeug[t]en, mit dem uns das Schicksal verbindet“. Im Bereich der Kultur, der Ideenwelt, um die dieser Humanist immer am meisten bemüht war, sollte dies bedeuten, dass sich die Kultur einer Nation fortwährend um die kulturellen Errungenschaften anderer Nationen bereichern sollte. Dieses Streben, das gleichzeitig auch ein Ziel darstellte, nannte er „Supranationalismus“ und benutzte somit einen Begriff, der heutzutage nur allzu häufig in den Programmen des sich vereinigenden Europas auftaucht. Es lohnt sich vielleicht noch darauf einzugehen, wie die Einstellung Zieliskis zu nationalen Fragen in vergleichsweise normalen Zeiten rezipiert wurde. Die folgende Aussage stammt von Salomon Lur’e ( uria), seinem Schüler aus Petersburger Zeiten: „Zieliski wies sich durch seine polnische Nationalität, seine deutsche Bildung, seine russische Kultur aus – seine eigentlich Heimat war aber das antike Hellas“.99 Eine ähnliche Selbsteinschätzung hörte Jan 98

„Nacjonalizm, Internacjonalizm, Supranacjonalizm“ < Nationalismus, Internationalismus, Supranationalismus> , in: Tadeusz Zieliski, Kultura i rewolucja..., S. 69-78. 99 Salomon uria, „Wspomnienie o prof. Tadeuszu Zieliskim i jego metodzie motywów rudymentarnych,” in: Meander, Heft 8-9, 1959, S. 406-418; Zitat von S. 407. 187

Nowak-Jezioraski kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges von den Lippen des damals schon an der Warschauer Universität lehrenden Professors. Das Bekenntnis Zieliskis wich dermaßen vom damaligen Zeitgeist ab, dass sich unser polnischer Landsmann, der einen so ungemein stark ausgeprägten Sinn für eine mit politischen Assoziationen angereicherte Sprache hatte, dieses ausgezeichnet merken konnte und noch nach über 50 Jahren imstande war, es für mich zu wiederholen. Die Wahl dieser Heimat – das antike Griechenland zur Zeit des Perikles – war natürlich ein Bekenntnis zu einem von ihm anerkannten Wertesystem und nicht zu politischen Strukturen, in denen ein ethnischer Faktor eine gewichtige Rolle spielen sollte. Es ist also verständlich, dass der Krieg das Gefühl der Zentripetalität des in Deutschland weilenden Polen nur noch verstärken konnte. Über das Bedürfnis der Zentripetalität in der polnischen Gesellschaft schreibt Zieliski in einem Brief vom 3. Dezember 1941 an Stefan Srebrny. Seine polnische Zentripetalität verwirklichte er in der Arbeit an den Religie wiata antycznego, der er, wie uns bereits bekannt ist, seine gesamte Kraft widmete. Das schöpfte nicht den gesamten Umfang seiner Gefühle aus, die er damals durchlebte. Auch der Briefkontakt nach Polen reichte nicht aus. Das quälende Gefühl der Vereinsamung und Nostalgie tritt deutlich hinter der Fassade der intellektuellen Strenge zutage. Diese Atmosphäre bestimmt auch das Vorwort zum sechsten und letzten Band seiner großen Synthese, welches den bedeutungsvollen Titel Sehnsucht trägt und in welchem er dem Polentum seine Ehrerbietung erweist. Ohne sich in einer inhaltlichen Beurteilung des letzten Bandes der Religie wiata antycznego ergehen zu wollen, darf man doch den Stellenwert nicht übersehen, den er als bedeutendes Zeugnis hat, welches die Geisteswelt seines Autors widerspiegelt – zumal da Zieliski selbst zugibt, dass „dieser Band, obwohl er das wissenschaftliche Niveau der vorherigen Bände beibehält, in viel größerem Maße als diese den Charakter eines Testamentes und einer Beichte trägt“ (S. 19). Und wahrlich, diese Arbeit weicht von den momentan geltenden wissenschaftlichen Standards ab. Das äußert sich zum einen darin, dass sie sich an diversen Stellen in persönlichen Exkursen ergeht, die so manches Mal von hohem Wert für Zieliskis Biographen sind, zum anderen aber auch in der Wahl der zur Anwendung kommenden Methode. Denn obwohl Zieliski, wie Marian Plezia schrieb, nicht nur in bewundernswerter Weise das griechisch-römische Schrifttum, sondern das gesamte Erbe der europäischen Literatur von Dante bis Dostoevskij und Nietzsche100 geistig zu erfassen imstande ist, umgeht sein Werk jedoch, auch wenn er sich in vollendeter Weise literaturhistorischer Methodik bedient und in erheblichem Maße alle möglichen Kunstrichtungen bis hin zur Musik einsetzt, andere Forschungsansätze, wie zum Beispiel einen soziologischen, der sich auf die Analyse von Inschriften stützt. Dies öffnet einem subjektiven Vorgehen ebenso Tür und Tor wie dem Ausufern von Werturteilen, was 100

Marian Plezia, Dzieci niedoli, S. 206; zit. nach der Neuauflage in: Marian Plezia, Z dziejów filologii klasycznej w Polsce. 188

wiederum den Übergang von der wissenschaftlichen Ausarbeitung zu Testament und Beichte erleichtert. Die Bestandteile dieses Testamentes und der Beichte stellen aber eine sehr bedeutende Ergänzung zum Tagebuch dar, welches den Gemütszustand des alten Gelehrten, gemessen am Drama des Zweiten Weltkrieges, am intensivsten wiedergibt. An dieser Stelle möchte ich einen seiner Exkurse zitieren, auf den er sich anlässlich der Analyse des augustinischen „Gottesstaates“ [De civitate Dei] und dessen Gegenspielers, den er die „Teufelsrepublik“ nennt, begibt: „Diese Teufelsrepublik existiert heute in zwei Gestalten und die Tatsache, dass es eben genau zwei sind und dass sie in einen kompromisslosen Kampf miteinander verfallen sind, lässt ihr Ende erahnen, von dem ich nicht weiß, ob es nahe ist, aber dass es unausweichlich ist, so wie es der Erlöser mit den Worten sagte: Wenn aber auch der Satan mit sich selbst entzweit ist, wie wird sein Reich bestehen?“ (Band VI, S. 444). Solch ein apokalyptisches Bild des gegenwärtigen Weltgeschehens ist zweifelsohne ein Ausdruck der Ratlosigkeit des Intellektuellen, dessen Wurzeln noch im 19. Jh. liegen. Der Optimismus sowie der Glaube an die Kraft der Vernunft und die Taten der Vernünftigen, die ihn stets bei der Analyse der Zeitläufte begleiteten, selbst in den wirren Zeiten der russischen Revolution, wovon seine bereits zitierten Veröffentlichungen zeugen, sie hatten sich nun erschöpft, noch mehr, sie wechselten in eine religiös-eschatologische Sphäre hinüber. Diese intellektuelle Ratlosigkeit des großen Denkers, die mit den grausamen Erlebnissen beider Totalitarismen einher ging, hat aber zumindest Beachtung, wenn nicht gar Respekt verdient. Es besteht kein Zweifel daran, dass Tadeusz Zieliskis in der letzten Phase seines Lebens zunehmend religiöser wurde. Wenn man nun der von ihm selbst gelegten Fährte folgt, kann und muss man seine persönliche Religiosität, die er selbst mit dem Begriff „religiöse Gefühle“ umschreibt, von Konfessionalität oder religiösen Ansichten unterscheiden. „Entzünde in deinem Herzen eine helle Fackel religiöser Gefühle, aber wirf die Fesseln der faden Konfessionalität ab, wenn Du willst, dass dir die Heiligtümer der antiken Religionen ihre Wunder offenbaren“ – so appelliert er im ersten Band seiner großen religionswissenschaftlichen Synthese und wiederholt dies als Motto in den nächsten Bänden. Es fällt leichter, über die religiösen Ansichten zu sprechen, so wie sie in der großen, sich durch enorme Gelehrsamkeit auszeichnenden Ausarbeitung zum Ausdruck kommen, als über die persönliche Religiosität des Autors, obgleich diese Ansichten einen überraschend unorthodoxen Charakter hatten: sie stützten sich auf die Überzeugung, dass das Christentum nicht auf jüdische Ursprünge, sondern auf die Religion und Mentalität der antiken Griechen zurückzuführen sei. Ein so verstandenes Christentum hätte die Prinzipien ewiger Männlichkeit und ewiger Weiblichkeit, wie sie in der Religion der Antike existierten, weiterführen sollen, verkörpert in der Person Gottes, des Gottessohnes und der Mutter Gottes. Dieser Standpunkt schloss Zieliski von jedweder Konfessionalität aus, obgleich er selbst sich, vor allem im Werk Chrzecijastwo antyczne , ausdrücklich 189

für den Katholizismus ausspricht und, wie wir im Tagebuch lesen, praktizierender Katholik ist, der die St. Nikolauskappelle besucht, sich mit dem Pfarrer trifft usw. Es handelt sich hierbei aber um eine spezielle Art von Katholizismus, wie er auch einigen Protestanten zugeschrieben wird (Goethe, Schiller, Beethoven101 – die allesamt im Grunde genommen Kryptokatholiken sind), wie auch vielen Heiden (sogar Julian Apostata wäre Christ geworden, das heißt Katholik, wenn er länger gelebt hätte – Band V Religia Cesarstwa Rzymskiego, siehe Kapitel Julian Odstpca, Schlussfolgerung, S. 466). Der Kern eines so verstandenen Katholizismus hätte die den Griechen zugeschriebene Toleranz sein sollen, die man weder im Judaismus, noch im Protestantismus in dieser Form erkennen könne, was diese religiösen Systeme in seinen Augen disqualifizierte. Doch hat er sich auch selbst Einhalt geboten: „Die Verurteilung des Judaismus an sich beinhaltet nicht gleichermaßen die Verurteilung seiner Anhänger“ (Chrzecijastwo antyczne, S. 544) und weiter: „wenn wir den Protestantismus verurteilen, denken wir nicht gleichzeitig daran, seine Anhänger zu verurteilen“ (S. 559). Wenn man von der Religiosität Zieliskis spricht, muss man sich daran erinnern, wie er das Wesen der Religion verstand: „Ein unwiderlegbarer Beweis für die wahre Göttlichkeit einer gegebenen Religion ist ihre Fähigkeit, die Bedürfnisse der dürstenden Seelen in vollem Umfang, die ästhetischen ebenso wie die ethischen und intellektuellen, zu befriedigen. Sie akzeptiert und erkennt an, dass das Göttliche sich im Schönen ebenso wie im Guten und Rechten offenbart“, schrieb er im letzten Band seiner Synthese (S. 570). Die Behauptung, dass „Gott sich im Rechten, im Schönen und im Guten offenbart; dass nur die Religion vollkommen ist, die all diese drei Offenbarungsformen in voller Gänze berücksichtigt“ ist einer der Grundsätze, welche den Religionswissenschaftler Zieliski vom ersten bis zum letzten Band seiner Arbeit begleitet. Dieselbe Ansicht äußerte er in einem an die breite Öffentlichkeit gerichteten Artikel von 1917.102 Wir finden dort solche Gedanken wieder, wie „Religion ist nichts anderes als ein Symbol“, in ihr vereinen sich „allegorisches Gleichnis und Ritus“; die Funktion von Religion ist es, „die Bedürfnisse der menschlichen Seele zu befriedigen, die sich Gott geöffnet hat“ und als Quintessenz folgt: „Wir besitzen einen reichen psychologischen Erfahrungsschatz und können beschreiben, welche der existierenden religiösen Weltanschauungen am vollkommensten die Bedürfnisse der menschlichen Seele befriedigt und auf sie den besten Einfluss hat. Diese Erwägungen entscheiden über den Grad an Sympathie, den wir für sie hegen, aber nur so viel und nicht mehr“. Am Ende seines Lebens, als er auf den letzten Seiten seiner Arbeit, seines Testamentes, die Wahl zugunsten seiner persönlichen Form des Katholizismus trifft, äußert er eine demütige Bitte, in der wir ebenso ein Zeugnis dessen finden, dass er Religion als Symbol versteht: „Und an dieser Stelle bitte ich den Leser um eines. Damit den großen und unsterblichen Symbolen in seinem Bewusstsein nun nicht die Tatsache stören mö101

. 102 Socjalizm i religia in: Tadeusz Zieliski, Kultura i rewolucja..., S. 61-69. 190

ge, dass ihr Schöpfer, der insbesondere jetzt im Scheine einer langsam verlöschenden Lampe arbeitet, es nicht vermochte, sie in vollkommenerer Weise zu entwerfen... bitte ich ihn um seine Mitarbeit“ (S. 578). In diesem Eingeständnis sehe ich ebenso einen Ausdruck der Religiosität Zieliskis, die, wie schon zur Sprache kam, zu jener Zeit sein ganzes Leben umfing, mehr noch – ihn auf ein Hiobsschicksal vorbereitete. Es handelte sich hierbei um eine Religiosität, die Jarosaw Iwaszkiewicz so trefflich in seinem dem großen Humanisten gewidmeten Gedicht von 1928 auszudrücken vermochte: Du sagst nicht viel: Der Mensch steht auf der Erde, Gott steht über dem Menschen. Und alles andere ist wie Iris, wie das Echo eines Gewitters, wie die Tränen eines Kindes.103

103

Jarosaw Iwaszkiewicz, Do Tadeusza Zieliskiego, in: Wiadomoci Literackie, Nr. 32,

1928. 191

Piotr Mitzner Editorische Notiz Die Herausgeber des Tagebuches haben insofern in diese Publikation eingegriffen, als sie sich vor allem der Auflösung der von Tadeusz Zieliski verwandten Abkürzungen gewidmet haben. In jeder Zeile des Manuskriptes, besonders im zweiten Teil des Heftes, finden sich Abkürzungen, die aus einem oder mehreren Buchstaben zusammengesetzt sind. Diese haben wir aus Gründen der Lesbarkeit aufgelöst, ohne sie nachträglich als solche zu kennzeichnen. Jedoch gelang es nicht, alle Abkürzungen vollständig zu dekodieren. Insofern aber keine Zweifel beim Entziffern einzelner Buchstaben bestanden, haben wir an einigen Stellen rätselhafte Abkürzungen stehen lassen. In eckigen Klammern wurden Anmerkungen Hanna Geremeks, durch Auslassungspunkte gekennzeichnete unleserliche Stellen sowie Anmerkungen des Übersetzers ins Deutsche wiedergegeben. In der vom Autor original auf Deutsch verfassten Autobiographie Mein Lebenslauf wurden Tadeusz Zieliskis Werke in derjenigen Sprache aufgeführt, in der sie erstmals publiziert wurden. Sofern Übersetzungen vorhanden sind, welche der Autor eigenhändig anfertigte oder die von ihm autorisiert wurden, sind diese Titel (russische und polnische) in runden Klammern angegeben. Die Schreibung der deutschen Namen, Zunamen und Eigennamen wurde vereinheitlicht (Zieliski verfuhr inkonsequent: Schondorf oder Szondorf, Schubert oder Szubert, Felix oder Feliks, Karyna oder Karin), bis auf die Namen der Kinder Zieliskis wurden in der deutschen Übersetzung auch die deutschen Namen verwendet. Von lateinischen Namen wurden jedoch jeweils zwei Formen verwandt: die originale Schreibweise (z. B. Vergilius) wurde für bibliographische Textteile übernommen und die eingedeutschte (Vergil) im Falle des eigentlichen Textes verwendet. Es wurden alle Unterstreichungen des Autors beibehalten. Die Abschrift des Testaments von Weronika Zieliska wurde vom Beginn des Dokumentes an das Ende dieses Textes gestellt. An einigen Punkten wurden entliehene Bücher oder Rechnungen betreffende Eintragungen in die chronologische Reihenfolge des Textes eingeordnet, also an die Stelle gesetzt, an der sie zeitlich entstanden waren. Wir haben davon Abstand genommen, die Ziffern abzudrucken, die sich am Ende eines jeden täglichen Eintrages befinden (Zahlen von 2 bis 5). Hierbei könnte es sich unter Umständen um eine Selbstbeurteilung mithilfe von Schulnoten handeln, oder ebenso um die Anzahl der täglich produzierten Textseiten. Graphische Zeichen (Kreuze, Sternchen), die wir nicht immer interpretieren konnten, ließen wir hingegen stehen. Wir möchten an dieser Stelle auch in aller Kürze auf die sprachlichen Eigenheiten des Textes aufmerksam machen. Einige davon sind für die LeserInnenschaft durchaus entzifferbar. So zum Beispiel der aus dem jüdischen Ritus stammende Begriff „Mikwa“ (oder „mykwa“), der in diesem Falle einfach einen Badevorgang bezeichnet. Andere Begriffe sind weniger verständlich. „Buben“ 193

oder „Buberei“, soll wohl, so vermutete Hanna Geremek, eine Bezeichnung sein, die Zieliski für die Neffen seiner Schwiegertochter Karin Zieliski verwendet hat. Es lässt sich hingegen nicht eindeutig klären, was das Wort „zamietki“ im polnischen Original bedeutet, das man im Deutschen etwa mit „Verwehungen“ übersetzen könnte. Ein Hinweis könnte darin bestehen, dass der Autor eine Zeit lang an einem Text Zametki v oblasti russkoj prozodii i metriki (special’no belogo sticha) und an den Kommentaren zu Religia wiata antycznego gearbeitet hat, die er auch mit diesem Terminus hätte beschreiben können, da das russische „zametki“ soviel wie Notizen oder Aufzeichnungen bedeutet. Gleichzeitig herrschte zur Zeit dieser Einträge strenger Winter und es könnten rings um das Haus befindliche Schneewehen gemeint sein, die auf Polnisch einst auch „zamietki“ genannt wurden. Hanna Geremek verstarb am 21 Juli 2004 während der Arbeit an ihrer Edition. Es gelang ihr lediglich, einen Druckbogen des Tagebuchs fertigzustellen, es war ihr aber nicht mehr vergönnt, die korrigierte Fassung der polnischen Übersetzung der Autobiographie zu lesen. Zum Glück erwies sich ihr Text „Nieznany dziennik Tadeusza Zieliskiego z okresu drugiej wojny wiatowej. Przyczynek do biografii“ (erschienen in: Przegld Historyczny, Bd. XCIV, 2003, Nr.3, S. 305-322) als äußerst hilfreich beim Lesen des Tagebuches…. Diesem (leicht geänderten) Artikel kommt, gemäß dem Wunsch der Autorin, in der vorliegenden Publikation die Rolle einer Einleitung zu. Zweifelsohne wäre allein Hanna Geremek imstande, die biographischen Materialien in vollendeter Weise zu veröffentlichen. Mit Sicherheit verfügt gegenwärtig niemand mehr über eine so vorzügliche Kenntnis der Biographie Tadeusz Zieliskis. Aus diesem Grunde trägt allein der Unterzeichnende – auch in seiner Funktion als Autor sämtlicher Anmerkungen – die Verantwortung für alle eventuell auftretenden editorischen Unzulänglichkeiten. Beim Aufstellen der biographischen Informationen sowie beim Entziffern der Notizen zu Zieliskis Lektüren erwies sich Tomasz Ososiski als große Hilfe. Ich danke ihm auch für die Übersetzung der meisten deutschsprachigen Einsprengsel im Tagebuch. Die russischen Realia konnte ich dank der Selbstlosigkeit Tatiana Kosinovas vom wissenschaftlichen Informationszentrum „Memorial“ in Petersburg sowie von Olga Blinkina von „Memorial“ in Moskau verifizieren. Besonderen Dank möchte ich Wodzimierz Lengauer aussprechen, der so freundlich war, die polnische Edition noch vor der Drucklegung zu lesen, und mir zahlreiche wertvolle Denkanstöße gab. Es sei mir noch gestattet, darauf hinzuweisen, dass einige Erzählstränge aus der Autobiographie Mein Lebenslauf auch in anderen Texten Zieliskis auftauchen, die nicht in der Bibliographie von Gabriela Pianko (in: Meander 1959, Nr. 8-9) erwähnt werden, wie z.B. „Jak zostaem filologiem?“ (in: Filomata 1929, Nr. 2, 3) oder „Walka o autonomi szkó wyszych“ (in dem Sammel194

band: W obronie wolnoci szkó akademickich , Kraków 1933, S. 157-166.

195

Tadeusz Zieliski Tagebuch 1939-1944 Reise mit Weronika nach Deutschland 11. XI. 1939, Aufzeichnungen zu unseren Ausgaben. Tagebuch 10. XI. (nach dem Kauf der Fahrkarten bei Hartwig*) PLN. In meinem Herzen Kleinere Summe bei Weronika RM in Weronikas Herzen Kleinere Summe in meinem Herzen

6500 1500

Reise mit Weronika nach Deutschland 11. XI. 1939 10. XI., 2. Klasse Warschau – Zduny Lager und Transport unserer Sachen bei Hartwig Mittagessen. Hotel Polonia Äpfel Zimmer. 2 Betten im [Hotel] Central 12+2+3 Für den Liftboy 1.50+3 11.XI Warschau. Gepäckträger Zduny-Breslau Breslau-Augsburg Breslau. Gepäckträger Kaffee für die Thermoskanne Augsburg, Zigarre Kaffee für die Thermoskanne Augsburg - Schondorf *Fuhrunternehmen Für den Gepäckträger Schondorf. Frau Schumann

57 zl 493 10 3 17 4.5 8 5 RM 104 8 2 2 2 34

80 2.40

10. XI., Warschau. Da unser morgiger Zug um 5.49 in der Frühe abfährt, begeben wir uns in das gegenüber dem Bahnhof gelegene Hotel Central; dort hat Hr. Kahlmann bereits im Voraus ein Zimmer mit 2 Betten reservieren lassen, das 12 zl kosten soll - sehr günstig, da das Hotel auch angemessen ist. Schon 1 Uhr mittags, höchste Zeit zum Mittagessen im Polonia, gleich um die Ecke. Das Mittagessen bestand aus 2 Gängen: "ukrainischer" Barszcz (nur anstelle der Sahne geriebener Käse) lecker [?]. Danach "Ministerschnitzel". Dazu Gemüse Rote Beete und Kartoffeln. Zigarillo - 50 Gr - Genuss. Rückkehr ins Hotel; Kuakowski und Turyn zu Besuch. Abschied, insbesondere von Turyn. Zeit zu Bett zu gehen, ich schlafe gut, aber wir stehen um 3 ½ auf. Dienstpersonal 197

tadellos. Sie brachten das Gepäck abends auf den Bahnhof; dort nehmen es die Gepäckträger der Bahn, teuer (je 4zl). An der Kasse berücksichtigen sie mein krankes Bein, kein Schlangestehen. Fahrkarten gibt es aber nur bis zur Grenze. Kein Specialwaggon. Wir gehen auf den Bahnsteig, zum Vorsteher mit roter Mütze. Er ist gleichzeitig Zugführer. Wir zeigen die Bescheinigungen von Kahlmann. Er lässt uns ein Abteil in der 2. Klasse öffnen, es trägt die Aufschrift: bestellt. Wir gehen hinein, bequeme Fensterplätze, Tischchen. Es ist aber kalt, die Heizung funktioniert noch nicht. Wir fahren pünktlich ohne Verspätung um 5.49 ab. Für längere Zeit bleiben wir allein, dann füllt sich das Abteil, u.a. zwei deutsche Offiziere. Sie sind sehr zuvorkommend. Je näher wir der Grenze kommen gegen 1 Uhr mittags - desto größer wird meine Anspannung. Werden sie unsere Devisen durchgehen lassen? Oder wie normalerweise nur 10 Mark pro Person, was bedeuten würde, dass wir nach Warschau zurückkehren müssten? Die Offiziere führen den Schaffner herbei, ich frage ihn: "Findet die Revision im Zuge statt? Worauf er antwortet: „Auf dieser Strecke überhaupt keine Revision.“ [...] in meinem Herzen; so kommt es aber wirklich: der Zug fliegt an Zdunow, Freihau vorbei, wir sind schon in Deutschland, und keine Kontrolle! Gott sei Dank. Um 4 Uhr (1 Std. Verspätung) Breslau. Wir fallen den Rotkreuzschwestern direkt in die Arme und ich ruhe mich auf einer Bank am Flüsschen aus (da der Tag sonnig, heiß war und ich so viele Häute trage – 2 Pullover, einen Mantel, einen Morgenmantel, einen Pelz, einen Umhang. Frage: wird es einen gesonderten Wagen nach Augsburg oder München geben, vielleicht einen Schlafwagen und wo fährt dieser ab? Weronika besorgt die Fahrkarten: „Wenn dort ein Telegraphist ist, werde ich eine Depesche an Feliks aufgeben.“ Ich: „Denk allein an die Fahrkarten.“ Sie geht; ich warte lange, ohne zu liegen, endlich nach 1 ½ Std. kehrt sie zurück. Einen Schlafwagen gibt es nicht, aber einen nach Augsburg, sie hat die Fahrkarten gekauft (teuer!) und geht wieder – direkt zur Stube der Schwestern! Welch ein Glück. Die Schwester ist so zuvorkommend, dass sie selbst das Gepäck holt. Sie bringt es her. Kahlmanns Bescheinigung zeigt ihre Wirkung, sie lassen uns in ein leeres Abteil. Um 6 ½ machen wir uns bettbereit, aber der Wind heult durch das ganze Abteil und die Heizung funktioniert nicht, dafür respektieren sie die Bestelle . Wir haben das ganze Abteil für uns, Schlafwagenkarten hätten sich nicht ausgezahlt und wären zu teuer gewesen. Mit der Zeit arrangiert sich Weronika sowohl mit dem Wind als auch damit, dass es warm wird. Ich hingegen schlafe sehr wenig und schlecht. 12. XI., Augsburg. Wir kommen um 9 Uhr früh an, der Zug nach Schondorf soll um 10 ½ gehen, so verzichten wir also auf einen Gang zum Restaurant. Der Träger bringt unser Gepäck direkt in den Wagen nach Schondorf. Weronika geht, um Fahrkarten und Zigarren zu kaufen und, wenn es ihr gelingt, zum Feinkost (Sonntag), ich warte am Fenster um gute Sicht auf die Uhr bemüht. Schließlich kommt sie mit Zigarren (kaufte sie auf dem Bahnhof), der Feinkost war aber geschlossen. Der Wagen füllt sich, wir fahren ab. 198

Während der Fahrt singen unsere Kanarienvögel zur Freude der Passagiere im abgedunkelten Käfig. Und folgendes vor 12: Schondorf! Auf dem Bahnhof treffen Feliks und Karin, das Automobil ist da, wir fahren. Sie bringen uns zu „Elisabeth“, dort gibt es ein großes, für zwei Personen aufgeteiltes Zimmer; Schränke, es gibt eine Liege und andere Annehmlichkeiten. Ihre eigene Wohnung ist aber bereits reserviert, für die Bormanns, wie sich herausstellte. Es ist nicht ihre Schuld, es sind aber immer […] Wege zu meinen Kindern. Ich hatte erwartet, dass sie uns, während sie auf einen neuen Flüchtlingstransport aus Estland warten (dem Brief zufolge), mehr Zeit schenken können, wenigstens eine Woche lang, aber das Schicksal ist erbarmungslos, sie sollen schon übermorgen anreisen. Für wie lange? Das weiß man nicht. Armer Feliks! Unterdessen warten wir zu viert auf das Mittagessen, Gott sei wenigstens dafür Dank; sogar mit Wein – „Tiroler-Spezial“ von Frau Schumann. Danach ausruhen, als nächstes ein Bad im selben Haus, unten. Die Wanne ist vollkommen ausreichend. Feliks wäscht mich sehr gekonnt. Abendessen, danach zu Bett. Zum ersten Mal wieder ausgezogen, ein frisches Nachthemd – Wonne! Ich schlafe ausgezeichnet. 13. XI., Schondorf. Die Feliksens fahren zum Bahnhof, die Bormanns zu holen, aber zu früh, sie sollen erst morgen ankommen. Also schon morgen; die Freude hielt nur anderthalb Tage vor. Fräulein Wittich und die Hennen begrüßten uns mit Blumen, außerdem das Ehepaar Linn mit einem Korb voller Äpfel. Wohlschmeckend, unsere polnischen schmecken aber besser. Im Allgemeinen gestaltete sich der Tagesablauf wie folgt. Kurz nach 8 bringen sie uns aus dem Landheim Kakao mit Brot, Kaisersemmeln, Pumpernickel (Butter gibt es, leider, keine). Um 1 Mittagessen im Blechgeschirr bestehend aus 2 Gängen in der Menage, wohlschmeckend (solange nur nicht auf irgendeinem Öl: Raps? Lein?) und die Portionen sehr großzügig. Weronika beschwert sich arg, dass das Essen den Magen belasten würde. Um 5 unser Tee, für mich mit Zigarre. Um 8 – Abendessen, für mich mit Wein. Ich beginne an Moltke zu schreiben, um ihm zu danken, aber auch wegen der Dollarfreigabe. Darüber hinaus lese ich Gone with the Wind, das ich allerdings schon in Warschau dank Weronikas Bemühungen begann, ich schreibe auch Briefe. Aber während es mir immer besser geht, kann man das Gleiche von ihr nicht behaupten: Depression. Wir haben gleich zwei Bedienstete: eine putzt noch emsiger als die in Warschau, die zweite bringt die Mahlzeiten und das Schuhwerk. Mit der Musik verhält es sich arg. Wir werden bei Feliks Radio hören, aber außer einem Flötenkonzert von Weber war nichts der Aufmerksamkeit wert. Ein bedeckter und kühler Tag, wo es doch während der Reise sonnig und heiß war. Schade! 14. XI., Schondorf. Morgens fuhren die Feliksens Bormanns abholen, Weronika ebenso. Ich muss noch hinzufügen, dass uns gestern die Reisingers bei Feliks 199

besuchten, sehr angenehmes, herzliches Gespräch. Der Tag ständig bewölkt, Weronika depressiv, sie legt vor allem Patiencen. Am Abend besucht uns Dr. Weber, mein Bein und Weronikas Herz. Medizin, aber mit der für Weronika, Verwirrung. Ich beende den Brief an Moltke, wir senden ihn eingeschrieben. Patience, „Kartenorakel“. Früh zu Bett. 15. XI., Schondorf. Das Wetter bessert sich. Nach dem Mittag zu Frau Schumann Wein („Oldenburger Burgunder“ I.60, sehr gut) und andere Produkte einholen: Wir kaufen etwas Butter und Käse, sehr gut. Ich beginne einen Brief an Goebbels in der Dollarangelegenheit. Es gibt Komplikationen mit unserer Anmeldung und dem Bezugsschein. Die Feliksens sind beide schrecklich beschäftigt, wir sehen sie kaum. Ich lese, rate Weronika, es mir gleich zu tun, aber in ihrer Depression ist sie dazu nicht in der Lage, sie beschäftigt sich mit Patiencen, bestenfalls legt sie mir die Karten. Ich würde gerne arbeiten, aber ich weiß nicht, woran. Wenn sie uns doch nur die Karten schneller ! 16. XI., Schondorf. Das Wetter ist gut und weil Weronika nicht zurückkommt, gehe ich allein im Sonnenschein zu Feliks. Karin gibt einem kleinen Jungen Privatunterricht, ich besuche die Bormanns im Nachbarzimmer, Käthe liegt im Bett: das Herz. Sie ist krank, sieht jedoch nicht schlecht aus. Ich bin freundlich höflich. Ich kehre mit Weronika heim. Abends kommt Feliks vorbei: die Expedition nach München muss auf Sonnabend verschoben werden, da morgen das Auto nicht frei ist. Gespräch über die Kinder und die anstehenden Dinge. Weronika ist ständig depressiv, auch wenn es ihr im Vergleich zu gestern schon etwas besser geht. Ich schreibe an Antoniewicz u.a. wegen der Emeritierung; ebenso wegen Adam Kotarbiski an Litwin und Rumun . 17. XI., Schondorf. Wir haben Besuch von Ostern und Frau Reisinger, angenehmes Gespräch mit politischen Ängsten durchsetzt (nur nicht von meiner Seite), Stimmung bei beiden defätistisch. Danach gehen wir – Sonnenschein – zum Kreisleiter Moltke; weder er noch die Frau sind daheim. Ich hinterlegte meine Visitenkarte. Abends soll ein Konzert im Landheim stattfinden (Max Reger), Weronika hat keine Lust, ich überrede sie, in der Hoffnung, die Musik werde ihr gut tun, sie erregt sich, ich täte ihrem Willen Gewalt an. Feliks kommt, uns zu holen. Sie begleitet uns zu all meiner Verwunderung, aber ihr schmerzt das Herz, es gilt jedoch nicht allzu lange zu zögern, da Reisinger dies als Verspätung ansehen würde. Ich bereue es, sie überredet zu haben, bitte, dass sie mir verzeihe, und sie darauf: „aber tue meinem Willen nicht länger Gewalt an“. Wir kommen an, setzen uns an den Tisch der Feliksens, nicht zu nahe bei der Musik, aber auch nicht zu weit entfernt. Zu Beginn: Präludium und Fuge. Es scheint, als würde es Weronika gut tun, aber nach nur wenigen Akkorden steht sie auf und geht heim. Danach Duett, Violine, Piano, ich kann die Angst um Weronika nicht länger ertragen, bitte Feliks, dass er mich vor der letzten Nummer nach Hause fährt. So ungezogen habe ich dieses Konzert beendet, das ich so herbeisehnte. Das Abendessen war für uns beiseite gestellt; wir essen es auf und gehen zu Bett. Das lange Gespräch mit Feliks verbesserte Weronikas Laune; ich bewirte ihn mit Ungarischem von Frau Schumann. Abschied. 200

18. XI., Schondorf. Wir stehen um 7 auf; schlechtes Wetter, Regen und Wind. Um 8 Kakao, um 8 ½ Auto. Wir fahren gut, unser Chauffeur (Herr Streidl selbst) kennt die Landstraßen gut, ist aber in der Stadt orientierungslos. Nach einer Stunde sind wir in München. Direkt zur Reichsbank (Brienner Str. 50a): ich frage, zu welchem Kurs wir Zoty in Mark umtauschen können. Mein Gegenüber antwortet: zu gar keinem. Ich will verhandeln: Ist es denn gänzlich unmöglich? Nur für die Wehrmacht und Flüchtlinge. Zu der letztgenannten Kategorie gehören wohl auch wir. Wir müssen uns an die zuständige Stelle in der Josephspitalstraße 11 wenden. Wir fahren dort hin, der Chauffeur ratlos, nach ½ Std. haben wir die Adresse gefunden. Warten. Die Antwort: Da wir nicht in München, sondern in Schondorf wohnen, müssen wir uns an dessen Bürgermeister und die Sparkasse wenden, weil diese uns das Geld umzutauschen hätten. Nicht sehr aufmunternd. Die dritte Adresse: der schwedische Konsul, Löwengrube18. Auch diese Adresse finden wir nicht auf Anhieb, dafür aber einen sehr wohlwollenden Empfang. Komelan, sein Sekretär, will mit der Reichsbank sprechen, aber falls nötig besser persönlich mit der Gesandtschaft in Berlin. Bezüglich der Verlängerung unserer Pässe: Wir sollen sie ihm per Einschreiben aus Schondorf schicken. Abschied. Angesichts des wenig erfolgreichen Geldwechsels verzichte ich auf alle persönlichen Einkäufe. Die letzte Adresse suchen wir für Weronika auf – Tietz. Der Chauffeur kalkuliert vernünftig, dass wenn Weronika zu Tietz geht, wir nicht vor Ablauf einer Stunde werden abfahren können. Er nutzt die Pause für eine kleine Stärkung. Ich kann natürlich sehr lange im Auto warten. Schließlich kommt Weronika zurück, wir können heimfahren. Wir kommen gegen 1 an, Mittagessen. Das Wetter hat sich etwas verbessert. Feliks kommt, er spricht mit Weronika über die Kanarienvögel, die einen neuen Käfig bekommen haben und sich in diesem äußerst wohl fühlen. Verabredung, dass wir uns morgen um 10 ¼ an der Post treffen, um eine neue Wohnung zu besichtigen. Überhaupt Mollstimmung angesichts der unerquicklichen Münchener Ereignisse. Früh zu Bett. 19. XI., Schondorf. Um 8 zum Wohle Weronikas Kaffee, kein Kakao und etwas Striezelartiges.104 Schlechtes Wetter, Regen und Wind. Wir machen uns verfrüht zur Post auf und müssen recht lang auf Feliks und Karin warten. Gemeinsam zu Osterns Haus. Wir schauen uns die Zimmer an. Auswahl: entweder 1 mit 3 Fenstern in drei Richtungen, im Sommer hervorragend, im Winter unmöglich. Oder 2 Zimmer mit kleiner Küche und Ofen, das zweite – nein. Es geht wohl nicht. Dazu ein Herd, wie in Warschau? Weronika sehnt sich danach. Karin weist auf die Schwierigkeiten hin. Darüber verschlechtert sich Weronikas Laune. Aber die Osterns sind sehr höflich, schöne Bibliothek, aus der ich sofort Gerhart Hauptmanns Hannele nehme. Nach Hause. Danach Kaffeezeit bei den Feliksens, während der Rückkehr Gespräch mit Feliks über den Herd; er rät, 104

M.v.A. 201

Fräulein Wittich zu fragen, die in diesen Zimmern gewohnt hat und vollkommen zufrieden war. Da wir sie unentgeltlich nutzen können, gehört es sich, zuzustimmen. Ich bitte Feliks um ein Gespräch unter vier Augen. Er verspricht es. Und bitte, Weronika nicht mit politischen Gesprächen zu nerven – dafür bin ich ja da. Abendessen, Kartenorakel, Bett. 20. XI., Schondorf. Hauptaufgabe des Tages: Besuch beim Kreisleiter Moltke wegen des Zoty-Umtauschs. Um 12 ½ bringt man das Mittagessen, wir stellen es auf den Ofen, um 1 sind wir beim Kreisleiter. Er empfängt uns sehr höflich, ich erzähle ihm, worum es uns geht. Er verspricht in dieser Angelegenheit nach Landsberg zu fahren und uns über die Ergebnisse zu unterrichten. Das ist vorerst alles. Am Abend kommt Feliks. Weronika geht zu den Bormanns. Langes und herzliches Gespräch, ich sage, dass das zum Teil mein Testament sei – seit einem grundsätzlichen Wandel bin ich Zentripetalist geworden. Lili und in geringerem Maße die Kinder Zentrifugalisten. Daher auch mein Ehe- und Vaterschaftsmartyrium. Er hört aufmerksam zu. Dieses Gespräch tut mir sehr gut. Wir verabschieden uns. Weronika kehrt zurück, ebenfalls zufrieden. Ins Bett. 21. XI., Schondorf. Schönes Wetter, gegen 11 begebe ich mich allein in die Stadt. Ich ruhe mich auf der steinernen Bank an der Post aus, danach in der Apotheke (Vaseline, Borax), gegenüber in der Papierwarenhandlung (Schreibheft, es wird Klebeband geben, ich vergesse Durchschlagpapier und Bleistift), nach Hause, wieder Ausruhen an der Post, die ganze Zeit Sonne. Daheim unten Fräulein Wittich (habe sie nicht erkannt) und Frau Henne. Weronika verließ gerade das Haus, um mich zu suchen. Die Henne ebenso, langes Gespräch. Ihre Schwiegermutter liegt im Sterben, der Mann ist nach München. Wir verabreden uns zur Visite bei ihnen. Karin kommt vorbei, sie bringt Weronika Farben, was deren Laune sichtlich verbessert. Einen Teil der Möbel hat Feliks bereits mit den Buben in die neue Wohnung gebracht. Es scheint, dass sie auch die Angelegenheit mit dem Herd sehr ärgert. Wir wollen Karten legen, aber Feliks kommt, was wir dem natürlich vorziehen; nachdem er gegangen ist– Spaziergang. Ein schöner, sonniger Tag, aber schon der erste, leichte Schnee. Jetzt windig, in der Apotheke von „Veränderlich“ bis „Schic Walter“. Wir sind sicher, was das Morgen anbelangt, aber vielleicht ist das nur eine Täuschung. 22. XI., Schondorf. Aufgabe des Tages war ein langer Brief an Baum in der Dollarangelegenheit, den ich in 2 identischen Exemplaren verschickt habe, einen nach Berlin (Außenamt), den anderen nach Krakau (Oberrat), wo Baum momentan dient. Darüber hinaus habe ich eine Antwortpostkarte in Sachen Zotytausch an den Dresden Fonds nach München geschickt. Die Sonne ließ sich nicht blicken, so habe ich heute also das Haus nicht verlassen. Nach dem Mittagessen erneutes Unglück. Weronika war bei Feliks und stritt sich bezüglich der Muttersprache mit ihm. Sie kam jedoch wieder zu sich, ging ein zweites Mal los, mit dem Ziel sich zu versöhnen, was ihr auch gelang; Feliks zur Kaffeezeit bei uns, freundschaftliches Gespräch mit der Schwester. Nach dem Abendessen geht Weronika nach unten, zu Fräulein Wittich (sie wohnt jetzt 202

bei Frau Richter), in der Zwischenzeit kommt Karin zu mir; da es mir jedoch gelang, die Zähne einzusetzen, führte ich kein politisches Gespräch mit ihr. Nach Weronikas Rückkehr ins Bett. 23. XI., Schondorf. Das Wetter scheint wie gestern zu sein. Ich stehe um 7 ½ auf. Ein ereignisloser Tag. Ich wollte den Stab mit dem Spazierstock tauschen, aber da dieser kein Endstück aus Gummi besitzt, nahm ich doch mit dem ersteren vorlieb. Am Abend Karin und Feliks bei uns. Ich schrieb Briefe, las Gone with the Wind, saß mit Weronika beieinander. Kartenorakel – das ist alles. 24. XI., Schondorf. Ein sonniger Tag, bessere Laune. Die Antwort von der Dresdner Bank ist da, noch unbestimmt, aber immerhin verleiht sie Hoffnung. Solange ich keine endgültige Sicherheit besitze, muss ich warten, bevor ich mich an die Quäker wende. Ich gehe mit dem Wanderstab am See spazieren; es gibt keine Bänke, ich konnte jedoch ausruhen und mich auf einem Stein in der Sonne wärmen. Eine ganze Stunde. Auf dem Rückweg kaufte ich Durchschlagpapier und Käse, aber dieser schmackhafte Rahmkäse ist schon aus. Möglicherweise wird er wieder angeboten. Ich schreibe Briefe, lese. Ruhiges Wetter, hell, leichter Frost. 25. XI., Schondorf. Wir sollten zu Reisingers gehen, aber die morgendliche Mikwa (abends wegen der Buben nicht angeraten) hat mich so erschöpft, dass ich nicht kann. Ich muss liegen. Nach dem Mittagessen umso mehr. Um 5 bei den Feliksens zur Kaffeezeit. Abends eine Schülervorführung, die Weronika verlässt, da sie schießen. Sie hat nicht viel verpasst, meines Erachtens ein schwaches Stück (Langenbecks Der Hochverräter), schwach gespielt. Der Buben wegen sitze ich entfernt, viel Text dringt nicht zu mir durch. Sie verdrehen das Urteil des Sokrates über Heraklit.105 Aber das Publikum ist zufrieden, besonders mit der karikaturhaften Figur des Majors. Nach Hause, Feliks fährt, Weronika liegt schon im Bett. Etwas Abendessen und zu Bett. 26. XI., Schondorf. Um 9 ½ zu Feliks Radiohören. Don Giovanni. Die Freude ist wegen der Absage der Dresdner Bank getrübt, noch eine weitere gescheiterte Hoffnung. Gleichzeitig ein Antworttelegramm von Przychocki. Ich schicke eine telegraphische Antwort ab, aber der Telegraph empfängt nicht. Przychocki verliert dadurch nichts, da er meine Antwort wegen seines Auftrags schon in meiner Postkarte vom 23. XI. erhalten hat. Er wird sich aber sorgen. Wegen Don Giovanni müssen wir den Besuch bei Reisingers absagen. Zum Mittagessen nach Hause, den gesamten folgenden Tag daheim. Der arme Ostern ist krank, Darmgrippe. Ich verzichte auf die weitere Lektüre von Gone with the wind nach 1/3 des gesamten Buches, weil es mich übermäßig an die Belagerung Warschaus erinnert (Sezessionskrieg), ich lese das von Feliks entliehene Notre Dame de Paris. Abends ist Feliks bei uns. 105

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27. XI., Schondorf. Feliks bringt unter anderem einen Brief von Baum. Es ist keine deutliche Absage, aber er dient nicht bei Oberost und wird uns nicht aktiv unterstützen können. Komme was da wolle, eine weitere Enttäuschung. Karin verkündet uns die traurige Nachricht, dass es keine Milch mehr geben wird, nur noch für Kinder. Ich schreibe einen langen Brief an Konsul Brandtker wegen des Zoty-Umtausches und der Emeritierung. Um 11 ½ zu den Reisingers, sehr angenehmes Gespräch mit beiden. Ich erzähle von meinem Unglück, er bietet mir sogar an, mir etwas Geld zu leihen: Gott sei Dank brauche ich es noch nicht. Sie politisiert sehr wohlwollend und gesund: „Polen hat uns doch gar nicht angegriffen“, „so wie ich denken viele“, „ich fürchte, dass schlechte Zeiten auf uns zukommen werden“. Das Wetter ist schön, Sonnenschein, aber es weht ein starker Föhn. Wir spazieren am See, der sehr aufgewühlt ist, später nach Hause, Mittagessen. Mittagsruhe. Weronika zur Post, meinen Brief an Brandtke aufgeben und noch Medizin holen. Das Wetter ist weiterhin schön, ruhiger. Daheim schreibe ich Briefe und Tagebuch. Abends Feliks. Ostern geht es nicht besonders: Er hat Magen- oder Darmgrippe, hohes Fieber. Seine Stunden wurden unter die Altphilologen Reisinger und Gajtanides aufgeteilt. Ich biete meine Dienste an, Feliks stimmt zu. Angenehmes Gespräch. Um 9 ½ zu Bett. 28. XI., Schondorf. Weronika nimmt ein Bad, ich zum See (die gute Bank in der Sonne). Auf dem Rückweg zu Frau Schumann, ich schlage jedoch eine Flasche Ungarischen (Erlauer106) vor, angesichts des gestrigen Durchfalls. Ununterbrochen sonnig. Weronika geht spazieren, ich biete ihr meine Gesellschaft an, aber sie möchte allein sein. Zentrifugalität. Ich beginne, an den Juvenilia107 zu schreiben. Sie bringen mir noch Milch vorbei (illegal – sei es drum!). Abends die Lampe auf dem Tisch, Weronikas Lieblingslampe, sie geht kaputt, sie war schon immer kapriziös, aber nun versagt sie vollkommen jeden Dienst. Feliks kommt vorbei, er will es selbst versuchen, nimmt sie ins „Labor“ mit. Mein Magen ist in Ordnung. Sie bringen den inneren Fensterrahmen. Nun wird es noch wärmer werden, obwohl es auch so schon heiß war. 29. XI., Schondorf. Aufgabe des Tages: Besuch bei Ostern. Ich bitte Weronika, mich zu begleiten, was mir ermöglichen würde, den Spazierstock anstelle des Wanderstabes zu benutzen, da ich mich allein fürchte, der Wanderstab hat keinen Gummibesatz. Aber sie will nicht, bringt mir nur bei, wie ich zu gehen habe. Ich gehe also mit dem Spazierstock, treffe Karin, die rät, bei Portenlängner vorbeizuschauen. Der hat möglicherweise solche Gummibesätze. Ostern finde ich mit Leichtigkeit: Er liegt im Bett, hat aber keine Temperatur und sieht frisch aus. Lebendiges Gespräch, die Frau ist nicht daheim. Auf dem Rückweg – zu Portenlängner, aber er hat keine Gummibesätze. Bei Ostern nahm ich Horaz mit. Die Sonne scheint nicht, aber angenehmes Wetter, ich kann ohne Probleme 106

M.v.A. 107 Anm. des Übersetzers. 204

gehen, benutze den Spazierstock wie einen Wanderstecken. Frau Richter (Casparis Tochter) kommt vorbei, ist aus dem Saarland zurückgekehrt, wo sie sich einen Mann gefunden hatte. Mit ihr kann ich mich gut unterhalten, abends kommt Feliks, mit der Lampe kam er nicht zurecht, er bringt Karins Nachtlampe mit! Ich bewirte ihn mit Ungarischem, der ihm gut schmeckt. 30. XI., Schondorf. Die Sonne scheint nicht, leichter Wind. Aufgabe des Tages: ein zweiter Brief an Baum, der nächste Besuch bei Frau Richter, die schließlich unsere Wirtin ist. Sie war daheim, angenehmes Gespräch mit ihr. Ich beende die Lektüre von Notre-Dame, schreibe an den Juvenilia und ergänze recht geschickt die Stellen, die sich im Gedächtnis nicht erhalten haben. Ich blättere die Zeitschrift des Alpenvereins durch, darin Korsika. Ein sonniger Tag, Spaziergang. Überhaupt nichts Neues. Die Bolschewisten vergewaltigen Finnland. Frau Reisinger ist empört, die Buben auch. Dies wird ein Stoß für die Popularität dessen sein, der sich daran beteiligt hat. 1. XII., Schondorf. Endlich leuchtete doch ein fröhlicher Tag! Feliks bringt einen Brief vom schwedischen Konsul vorbei. Ich habe die Erlaubnis erhalten, Zoty zum Kurs 100:87 zu tauschen! Ohne zu zögern sende ich 2400 zl als Wertbrief an die Reichshauptbank nach Berlin. Zugegeben, danach ein unschönes Gespräch mit Weronika zum Thema Zentrifugalität. Ich lese Ramuz’ Derborence. Rätselhafter Stil, aber interessant. Weiterhin Juvenilia. Sonniges Wetter, Spaziergang. Hennes Sohn kommt vorbei, er sagt die Einladung zu den Eltern ab, da die Mutter gestorben ist. Anstatt ihnen gehen wir zu den Feliksens. 2. XII., Schondorf. Erzschönes Wetter, warm. Auf meiner Bank am See wärmen sich schon die Bormanns, Frau Schenk kommt mit ihrem Vater dazu. Spaziergang. Um 4 ½ zu Feliks. Er singt Kuda jar, liest seine Gedichte. Den Abend leitet er im Schein einer Taschenlampe. Vor Einbruch der Nacht bringt Fräulein Richter Adventzweige, Tannenzweige mit Naschereien. Schöner katholischer Brauch! Juvenilia, ich beginne mit Fräulein Edeltraut108. Derborence. 3. XII., Schondorf. Das Wetter hat sich verschlechtert, ich sitze daheim. Postkarten von Szykarski, Turyn – der ist schon in Rom! Prachtkerl! Unterricht wie gewöhnlich. Heute Kino bei Forster. Heimatland, etwas Bayrisches, das würden wir uns schon anschauen, aber als Zugabe Krieg in Polen, und das wäre nicht zu ertragen! Also nach Hause. Der liebe Feliks kommt jeden Abend; jetzt brachte er mir eine Dürerbibel für meinen Vortrag und die Romanze Carobóg und Geheimnisse des reifen Lebens [von Hans Carossa]. Er trug die schöne DonKosaken-Ballade Kuda jar vor. 4. XII., Schondorf. Die Sonne scheint nur in der Frühe, danach bewölkt, aber nicht zu kalt. Ich gehe in die Stadt, bei Portenlänger gibt es Heringe nur auf der Karte, im Laden gibt es keine. Ich kaufe Wein („Kellner sec“) bei Frau Schumann, ansonsten Unterricht wie gewöhnlich. Ich schreibe an den Juvenilia,

108

Titel eines der Gedichte von Tadeusz Zieliski aus den Juvenilia. 205

wobei ich die Ballade Fräulein Edeltraut gar nicht mal so schlecht rekonstruiere. Postkarte von Alföldi, er fragt nach Antoniewicz. 5. XII., Schondorf. Die Sonne scheint nur in der Frühe; wir gehen in die Gemeindekanzlei „Punkte“ holen, die wurden aber in das Landheimbüro gebracht, wo wir sie dann erhalten. Karin ist nach Landsberg gefahren. Dort wird sie sich u.a. bemühen, unsere Pässe zu beschleunigen. Ich hatte einen prophetischen Traum: Der Briefträger, – ich frage, ob er nicht Post für uns habe; er antwortet, dass solche Briefe nur am Sonnabend ausgetragen würden. Wir werden sehen. Bei Frau Limm gibt es für mich Mauerwecke; sie ist sehr freundlich! Nach Hause, ich lege den Milanower Mantel an, da es heiß ist, ich schreibe an den Juvenilia und am Tagebuch. Ausgaben: 18. XI., 21. 24. 27. 28. 1. XII., 4.

6, 7.

9.

10. 12. 14.

Auto nach München und Rückkehr Borsalbe – 3,5 Wein 1,50, Käse – 30 Durchschlagpapier –20, Käse 15 für Weronika Wein 1,50, Käse – 23 Cigarillos Palm Wertbrief Käse usw. Apotheke (Medizin für Weronika und Gummibesätze) Wein (1.50 und Käse) Brot … Post (tel. 1.65, Brief 55) Käse und Streichhölzer Post (Pass) Äpfel, Kohl Wein (1.50, Wurst, Butter) Weronika zum Ausgeben Für den Briefträger

22

Kino (Forster) Weronika für München Wein, Hering, Käse

1.80 100 2

206

5 3 1.90 – 50 1.5

1.5 2 3 3 2 2.80 5 1

19. 22.

23. 22. 27. 29. 25. 29. 30. 2. I. 3. 4.

Wein, Käse München. Ratskeller Weronika für Ausgaben Sekt Wein (1.50) etc. Streidler für das Auto Feliks für das Geschenk für Weronika Post (eingeschriebene Briefe) Für das Dienstpersonal (5+5) Für das Gepäck (+4 an Rauschl) Wein etc. Post und Nachnahme Beglaubigungen Wein Für Maria

2 5 30 5.60 3.06 24 10.40 1.18 10 25 3.18 7.10 2.40 1.50 3

6. XII., Schondorf. Ein Brief mit für uns traurigem Inhalt vom schwedischen Konsul: Er wird sich fortan nicht mehr um unsere polnischen Angelegenheiten kümmern, für sie nur noch „staatenlos“.109 Er besorgt uns aber die Pässe, gesetzt den Fall, wir schicken sie alsbald. Jetzt geht es also darum, sie aus Landsberg zu holen. 7. XII., Schondorf. Plötzlicher Schneesturm. Keine Post, Elektrizität etc. Ich ging in die Stadt, zur Gemeindekanzlei und auf die Post (Telegramm an Landsberg), Gehen sehr schwierig. Aufgrund des Elektrizitätsausfalles können wir keinen Tee trinken. Überhaupt ein hässlicher Tag, insbesondere Weronikas trübselige Stimmung. Na, wir werden das schon irgendwie überstehen. Ich las Feliks meine Frau Edeltraut vor, es fand seinen Gefallen. 8. XII., Schondorf. Der Schnee blieb liegen, Schneewehen gibt es aber keine, Sonnenschein und eine wunderbare Aussicht. Der Spaziergang in die Stadt ist sehr angenehm, Post, See, Frau Schumann. Ich fand meine Bank in der Sonne schneeverschüttet, vermochte sie aber mithilfe meines Spazierstockes zu säubern und wärme mich auf. Ein Brief von Kornelia, ich bin Urgroßvater eines Mädchens mit dem Vornamen Harumi. Ich seufze: sic vos non vobis.110 Um 3 gibt es plötzlich wieder Elektrizität, also wird es nun Tee geben. Weronika ist immer noch vergrämt, geht aber spazieren. 9. XII., Schondorf. Endlich ein fröhlicher Tag. Feliks kommt in der Frühe vorbei, um seine Glückwünsche auszusprechen (Weronikas Geburtstag); er kündigt die Ankunft des Briefträgers mit dem Geld und den Pässen an. So 109

Anm. des Übersetzers. „So [arbeitet] ihr nicht für euch selbst…“ Worte aus einem Gedicht von Vergil, in der Fassung von Aelius Donatus (Vita Vergilii 17). Anmerkung des Verfassers. 110

207

kommt also das Geld in deutscher Währung. Mein prophetischer Traum vom Wochenanfang: Geldbriefe werden am Sonntag ausgetragen – und heute [!] haben wir eben einen Sonnabend! Um 4 ½ Weronikas Tee; die Feliksens und Bormanns. Geschenke, Geschirr, sie ist sehr zufrieden: „Das ist mein Geschirr!“ Teetrinken sehr angenehm. Weronika holte Mengen an Kuchen bei Frau Limm ein. Ich trage meine Ballade der versammelten Gesellschaft vor. Wegen der erfolgreichen Geldgeschichte herrscht eine fröhliche Atmosphäre. Ich werde zweimal täglich Wein trinken. Nur das Wetter erfüllt nicht unsere Erwartungen, aber das macht nichts. 10. XII., Schondorf. Heute entsprach auch das Wetter den Erwartungen: Heute ist genauso, wie ich es mir wünschte, ein sonniger Tag. Ich gehe spazieren, meine Bank am See ist sauber. Bei Forsters Bad hängt das heutige Programm für den heutigen Film und ebenso für die Wochenschau: Weil dort nichts gezeigt werden wird, was polnische Gefühle verletzen könnte, schlage ich Weronika vor, hinzugehen. Den Feliksens und Bormanns ebenso. Feliks besetzt Plätze an einem Tischlein, die Tischchen sind allerdings zu nichts nütze, da das Restaurant geschlossen ist. Der Anfang wie gewöhnlich. Zuvor ein Beifilm, irgendetwas Technisches, nicht sehr verständlich, danach die Wochenschau. Der Aufmacher: ‚ruchloses Attentat‘ auf Hitler, 8. November. Danach der Hauptfilm: Walzer einer Nacht. Filmheld: Johann Strauß. Er erinnert an den Warschauer, jener war jedoch interessanter, dieser ist auf das Höchste langweilig. Am Ende ging irgendetwas kaputt. Der letzte Akt fiel aus, wir sind jedoch zufrieden, dass die Veranstaltung zu Ende ist. Nach Hause geht es im Schein der Taschenlampe, Abendessen, Schlaf. 11. XII., Schondorf. Bewölkt, kühl, ein gewöhnlicher Tag. Während Weronikas Abwesenheit (sie ging zu Fräulein Wittich) kommt Feliks auch vorbei. Herzliches Gespräch, ich danke ihm für seine liebevolle Einstellung Weronika gegenüber und für die schönen Aufmerksamkeiten, die sie so erfreuen. Die Post ist heute teilweise positiv, teilweise nicht schlecht. Das Gute kommt von Hartwig: Das Gepäck ist unterwegs, um genau zu sein unfrankiert, aufgrund wessen der größte Teil der Summe bei ihnen verblieb. Wir werden sehen. Eine Nachricht, die nicht schlecht ist, kam vom Ministerium in der Angelegenheit unserer Dollarnoten, man soll sich an das Ministerium für Wissenschaft wenden, usw.; aber das kann man schon wieder hinbekommen. Feliks sagt, dass wir hier noch 2 Wochen bleiben können. Aber darüber hinaus ist heute ein recht gewöhnlicher Tag. Ich war bei Ostern, habe dort viel Verwirrung gestiftet (ich habe die Hausmeisterin für die Dame des Hauses gehalten), es ging um ein Wörterbuch Griechisch-Englisch, ich werde morgen vorbeischauen. Und ist es mir denn nicht im Traum erschienen? Wir werden sehen. 12. XII., Schondorf. Ich schreibe einen Brief an das Finanzministerium in der Dollarangelegenheit, bringe ihn auf die Post, danach zu Frau Ostern. Das Wörterbuch ist da. Ich mache Notizen. Weronika geht wegen der Karten in die Kanzlei; den zweiwöchigen Aufenthalt hat sich Feliks aus den Fingern gesogen, es gilt dies am Sonnabend zu klären. 208

13. XII., Schondorf. Heute ist Weronikas großer Tag: sie fährt nach München. Der Autobus fährt um 7.15 in der Frühe. Ich begleite sie zur Bushaltestelle. Den frühen Morgen verbringe ich bei mir, einsames Mittagessen, zur Kaffeezeit bei Feliks. Sorge um Weronika: Käthe, die gestern in München war, sagt, dass es abends in der Dunkelheit nicht einfach sei, den Autobus zu finden, dass sie selbst ihn nur gefunden habe, weil sie auf die Gesellschaft traf, mit der sie hingefahren war. Also wird Weronika den Autobus nicht finden! Bleibt noch der Zug, aber mit Umsteigen in Geltendorf, und Weronika wird bepackt sein. Eine Übernachtung in München wäre also notwendig (in diesem Fall ein Telegramm); und wenn sie keine Pension findet? Der Autobus kommt um 7 Uhr abends an: Feliks geht zu einem Treffen, ich nach Hause. Langes, ermüdendes Warten. Schließlich kommt er an. Weronika ist auch dabei. Gott sei Dank! Sie konnte in München nicht alles erledigen; was sie wollte, hat sich aber selbst erledigt, und das war das Allerwichtigste. 14. XII., Schondorf. Ein Tag wie so viele andere. Unterricht wie immer, ich bereite den morgigen Vortrag vor. Der Kreisleiter hat doch noch eine Erlaubnis, die Zoty in Landsberg zu tauschen, erwirkt; ich gehe, um ihm zu danken, er ist jedoch nicht daheim. Das war auch besser so, wie sich später herausstellen sollte. 15. XII., Schondorf. Feliks bringt mir die offizielle Erlaubnis für den ZotyUmtausch vorbei – nicht in Landsberg, sondern in München. Also müssen wir uns wohl noch einmal zum Kreisleiter begeben, und München trifft sich sowieso umso besser, da wir sowieso dort hinfahren wollten. Allein wir werden unsere Pässe benötigen, und die liegen noch beim schwedischen Konsul. Ich schreibe ihm und bitte, dass er uns eine Legitimation in der Zwischenzeit schicken möge. Und schließlich ist heute auch mein großer Tag, und abends halte ich bei uns meinen Vortrag zum Thema: Weihnachtsevangelium – das heißt Lukas, Kap. II. Ungefähr 20 sind eingeladen; Stühle von Frau Richter, Feliks hat sich um eine Wandtafel (für den griechischen Text) gekümmert. Meine Stimme verlässt mich nicht, das Gedächtnis tut ebenso seinen Dienst, denn ich spreche frei, obwohl ich sitze. Es hat den Anschein, als würde alles einen guten Eindruck machen. Zu Beginn, da ich mich für das Kommen meiner Gäste bedanke, erzähle ich ein wenig von mir. Der Vortrag dauert ungefähr eine Stunde: 8 ¼ - 9 ¼. Danach Tee und zu Bett. 16. XII., Schondorf. Käthes Geburtstag. Wir verbringen die Kaffeezeitzeit als Gratulanten bei Feliks. Davor gewöhnliche Tätigkeiten: Briefe, Juvenilia. Bad und abends wäscht mir Weronika den Kopf. 17. XII., Schondorf. Schlitterbahn. Feliks rät, das Haus nicht zu verlassen. Er bringt den Brief vom schwedischen Konsul mit der Legitimation eigenhändig vorbei. Er ist so zuvorkommend! Ich schreibe an den Juvenilia, schreibe Briefe und Tagebuch. 18. XII., Schondorf. Heute fahren die Buben fort. Ihnen zu Ehren veranstaltet das Landheim eine Weihnachtsfeier. Wir sind zu 4 ¼ eingeladen. Die Jugend umringt die Tische ihrer Leiter, wir am „Gästetisch“. Weihnachtschor: Stille Nacht, O du fröhliche, Es ist ein Ros’. Der Direktor liest aus dem 209

Lukasevangelium Kap. II, wünscht, dass die kommende Weihnacht friedvoll sei, spricht nicht vom Sieg. Im Allgemeinen sehr takt- und würdevoll. Keine Naziauftritte. Wir sind ihm sehr dankbar. Auf den Tischen kleine Weihnachtsbäume, ein großer in der Mitte, alle erleuchtet. Ich habe einen Spitznamen bei den Buben: der liebe Gott. Nicht schlecht. Und überhaupt sind sie uns gegenüber sehr artig. Sie notieren sich meine Erfolge und informieren Feliks darüber: Jetzt benutzt er den Wanderstecken nicht mehr, sondern nur noch Spazierstöcke usw. Abends daheim, Feliks kommt vorbei. Wir erstellen einen Plan für unsere Expedition nach München. Einer der Buben hat ein Schreibmaschinenband in mein Maschinchen gefädelt, geht nicht schlecht. Schlecht ist aber, dass ich selbst dazu nicht in der Lage bin. 19. XII., Schondorf. Ich gehe zu Streidel, bestelle das Auto. Ein heller Tag, aber wirkliche Sonne haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Ich schreibe an den Juvenilia. Karin wird sie vorerst nicht korrigieren können, da es in der Buchbinderei kalt ist. Also nur eine provisorische Korrektur. Meine Maschine ist schon wieder kaputt gegangen, und der Bub ist schon abgefahren. Aber um sie zu reparieren sind im Grunde genommen nur schlanke Finger notwendig, also nimmt sich Weronika ihrer an, und irgendwie gelingt es ihr. Ansonsten ein gewöhnlicher Tag. Weil ich während der Nacht schlecht geschlafen habe – Gott weiß warum – entschließe ich mich, Sedobrol einzunehmen – und gerade vor dem Zubettgehen vergessen wir es beide. 20. XII., Schondorf. Wieder ein gewöhnlicher Tag, ohne Sonnenschein. Beratung mit Feliks bezüglich des Zotyumtausches. Er meint, dass ein erneuter Tausch vom vorherigen unabhängig zu betrachten sei und rät, die gesamte genehmigte Summe von 2600 Zoty umzutauschen. Ich zögerte ein wenig, da man mit der Inflation verbundene Gefahren nicht ausschließen kann, habe dieses Risiko aber schließlich als das geringere erkannt. Ich lese einen Liebesroman von Tryggve Gulbranssen Und ewig singen die Wälder. Gefällt mir, als könne man den Hauch der norwegischen Wälder spüren. 21. XII., Schondorf. Am Vortag unserer Expedition nach München. Ein gewöhnlicher Tag: die Sonne blass, der Frost etwas weniger streng. Weronika besteht darauf, dass ich den Pelz anziehe, aber ich beharre auf meinem Umhang, sage: Pelz – morgen. Gestern haben wir beide wieder aufgrund irgendeines seltsamen Zufalls die Einnahme von Sedobrol vergessen, aber wir werden uns heut schon irgendwie daran erinnern. Ach, wie schlafe ich ausgezeichnet. Wir stehen beide morgens um 7 auf. 22. XII., Schondorf. Auf Streidl gilt es einige Minuten zu warten, aber auch nicht länger. Wir fahren um 8 ½ ab. Ein angenehmer Tag, die Sonne scheint blass, Raureif. Die Straße ist gefegt, zu beiden Seiten Schneeberge. Ohne Zwischenfälle erreichen wir München um 9 ½. Wir fahren natürlich erst zu Raichsborn (Brienner Str. 50a). Diesmal gelingt uns der Geldwechsel, wenn wir heute auch lange warten müssen – eine reichliche ½ Stunde. Nachdem wir unser Hauptanliegen erfolgreich erledigt haben – weitere Sorgen. Die zweite – auf dem Promenadenplatz, wo Weronika einige Erledigungen zu machen hat. Als 210

nächstes ihr Plan: Zum Marienplatz, dort in die Kayser’sche Buchhandlung im Rathaus, danach in den Ratskeller. Ich verbessere sie: Erst in den Ratskeller, dann Kayser. Aber was hat man die Speisemöglichkeiten verändert. Für fast alles muss man jetzt Marken haben, wenigstens Fettmarken. Markenfrei gibt es heute nur kalte Fischgerichte und das obwohl heute Fastentag (Freitag) ist. Na und Suppen. Wir bestellen Erbsensuppe – ausgezeichnet. Als Hauptspeise – ich Karpfen, Weronika – Mayonnaise sowie Rotwein und für Weronika „Traubensaft“. Dazu noch eine Zigarre, und das war es dann. Und dann beginnt auch schon die Katorga111 bei Kayser. Wir wollen ein Buch für Reisinger aus dem Weihnachtskatalog bestellen, aber alles, was ich nachfrage, ist entweder noch nicht publiziert oder schon ausverkauft. Außerdem herrscht ein dichtes Gedränge, wir müssen warten. Danach geht Weronika zu Oberpollider, ich warte auf sie im Auto. Danach Pause auf einer Bank in irgendeinem Seitengässchen, Strickwolle besorgen, der Chauffeur ist auch ein Früchtchen, Streit. Schließlich zu Tietz (jetzt Hertie), einige Besorgungen, es ist vor allem eine Tortur, weil einige Stockwerke, Gedränge, nur ein Hocker, auf dem ich sitzen kann. Der Sekt („Kupferberg Gold“) für Feliks ist vorrätig, aber Hering gibt es für uns nicht. Mit Tellern ist es ein Kreuz: Karin bat uns, keine zu kaufen, da sie sie uns schenken möchte, ich hatte das aber vergessen und habe sogar eigenhändig das Muster ausgesucht. Lange irren wir umher und sind vollkommen zerschlagen. Schließlich zum Auto, Rückfahrt nach Schondorf, wo wir um 4 ½ ankommen. Das Mittagessen wartet aber noch auf uns. Weronika verzichtet darauf, ich – nicht. Abends um 8 ¼ bei Feliks. Weihnachtsoratorium, Weronika ist dafür aber zu müde. Und schade: Zwar gab es kein Weihnachtsoratorium (die Platten sind kaputt), aber dafür Schuberts Unvollendete und noch einige andere schöne Dinge. Kartenorakel, danach zu Bett. Ich schlafe nicht schlecht, verschiebe die Sorgen auf morgen. 23. XII., Schondorf. Ein erzschöner Tag. Aber ich muss die Juvenilia zu Ende bringen, damit Karin mit der provisorischen Korrektur beginnen kann und erst dann gehe ich spazieren, nur sehr kurz, wegen des Mittagessens. Nach dem Mittagessen ruhe ich mich aus, dann ein zweiter Spaziergang, etwas länger. Aber meine beiden Bänke liegen wie im Schatten. Das Gespräch mit Weronika über die Reise nach Italien ist nicht allzu angenehm: sie ängstigt sich. Kompromiss: nur einen Monat lang, mit garantierter Rückkehr. Nun, mal sehen. Nach Tee und Mittagessen kommt Feliks wegen des Weihnachtsabends vorbei. Von unserem Gepäck erreichte uns ein Korb (darin u.a. mein Fußsack). Vielleicht als Omen? Weronika ist guter Dinge. Na und schließlich Karin wegen der Korrektur. Sie ist sehr freundlich! Danach Kartenorakel, danach schreibe ich Tagebuch und Weronika zeichnet dieweil ein Porträt von mir (der liebe Gott). Um 9 ½ zu Bett. 24. XII., Schondorf. Beißender Frost -13°C – aber ein wundervoller Tag. Meinem Versprechen folgend gehe ich nach dem Kaffee zum Bahnhof. Dort, wo die Bushaltestelle ist, gibt es eine kleine Wartehalle, überdacht, aber zur Sonne 111

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hin offen, auf der Bank kann man sich im Sonnenschein entspannen, was ich auch tue. Danach zur Bahnhofsverwaltung. Nein, unser Gepäck ist noch nicht angekommen, jener Korb („Omen“) kam zufällig, die restlichen Colis112 sind vermutlich in München, in der Zollabfertigung. Vielleicht kommen sie mit dem heutigen Güterzug, vielleicht aber auch nicht. Für Feliks ist irgendein Expressgut angekommen, das ich mitnehme. Nach Hause, ich schaue in der Apotheke vorbei, Tempotaschentücher für Weronika, danach zu Frau Schumann einige Besorgungen tätigen. Zuhause treffe ich Feliks, berate mich mit ihm. Wir müssen bis zur Ankunft des Frachtbriefes warten, danach werden wir tun, was wir können. Mittagessen. Karin kommt wegen der Korrektur vorbei. Erholung, Lektüre (Gulbranssen), Tee, „Octavia Kleine“. Sie ist besser als die, welche ich bei Frau Schumann gekauft habe, aber neue Packungen sind noch nicht angekommen. Wir sind auf 7 bei Feliksens eingeladen, es gilt also zu warten. Fräulein Wittich kommt mit einer Aufmerksamkeit (Blumen) vorbei, sie wohnt wieder unter uns und kümmert sich um Gerhard. Von Weronika bekommt er ein Geschenk (ein Flohspiel, das sie in München gekauft hat), Freude beim Kleinen. Warten. Ich schreibe, zusätzlich, Wünsche der beiden älteren Kinder für Lili: O mater dulcissima. Weronika bereitet irgendein letztes schwesterliches Geschenk vor. Bescherung bei den Feliksens, sehr fröhlich, weil viele Teilnehmer. Ich bekomme von Reisinger eine Schachtel Zigarren (50 Stück) mit sehr herzlichen Glückwünschen; er selbst ist mit seiner Frau in Partenkirchen. Von der alten Bormann Strümpfe, von Karin ein warmer Pullover (eigentlich aus Anlass meines achtzigsten Geburtstages). Weronika bedankt sich und bekommt von mir Farben und Tassen, wir beide ein Aquarell von Feliks. Abendessen, dann nach Hause bei Mondenschein. Wundervoll, wenn ihr nur das Gehen ihres Herzens wegen nicht so schwerfallen würde. 25. XII. und die nächsten Tage. Alarmierende Neuigkeiten von der Reichskreditstelle in Warschau: meine 223 Dollar seien wohl schon in Zoty umgetauscht worden. Ich schreibe nach Oberost und an Kach (schicke es aber erst am 29. ab) und lege eine Bescheinigung der Bayerischen Akademie bei, welche die Notwendigkeit unserer Reise nach Italien und Griechenland attestiert, es ist aber unmöglich, den Bürgermeister wegen der Beglaubigungen der Kopie und meiner Unterschrift anzutreffen. Er geistert zwischen Schondorf und Landsberg umher. Ich schicke die Briefe ohne die Beglaubigungen ab, zunächst. Von Dekan Tretiak kommt hingegen ein angenehmer Brief in Sachen meiner Emeritierung. Es besteht die Hoffnung, dass die Summe auf das normale Niveau angehoben wird. Ich werde mich dieser Sache widmen, nachdem ich die Briefe in der Dollar-Angelegenheit beendet habe. 29. XII., Schondorf. Feliks kommt mit einer freudigen Nachricht: Unser Gepäck ist aus Warschau angekommen und befindet sich schon auf dem Bahnhof. Er wird sogleich einige schwerere Colis selbst abholen. Weronika freut sich, 112

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besonders wegen der 8 ½ Meter langen Leinwand, die sie schon vergessen hatte – eigentlich ist das Schmuggelware. Ungeachtet dessen führt sie mit mir ein bedauerliches Gespräch über die Reise nach Italien; na, vielleicht lässt sie sich besänftigen. Schließlich ist diese Angelegenheit ja nicht einmal sicher: Dollars. Karin kommt auch vorbei, es geht um unseren Umzug am 9. Januar. Und nun scheinen wir doch länger in unserer „Elisabeth“ bleiben zu können, so ja bislang keine Flüchtlinge angekommen sind, und Frau Ostern zufolge auch keine mehr kommen werden? Eine Angelegenheit, die Fingerspitzengefühl verlangt: Ja, wenn die Reisingers es selbst anbieten; Karin wird ihnen schreiben. Denn bei den Osterns wird es kalt sein, vor allem dann, wenn sie selbst ins Hotel umziehen – und das eben aufgrund der in ihrer Wohnung herrschenden Kälte. Es bestünde eine neue Möglichkeit für uns: einstweilen zum Friseur ziehen, wo es ein möbliertes Zimmer gibt: 40 RM im Monat. Die ständigen Umzüge machten uns aber nur verdrießlich, Weronika zieht es vor zu frieren, ich nicht so sehr. Wir werden sehen. Ein kalter Tag (-17°C). Ich gehe mit den eingeschriebenen Briefen zur Post, dann nach Hause, angenehmer Tee, hernach schreibe ich Tagebuch, Weronika näht eine Bluse. 30. XII., Schondorf. Ein gewöhnlicher Tag. Abends um 8.15 zu Feliks, Radio hören; u.a. Schuberts IV. Symphonie, ich höre sie zum ersten Mal; sie gefiel, auch wenn sie seinen anderen (auch der in C) nicht gleichkommt. Aber das Gehen ist nun nicht mehr so angenehm, kein Mond, selbst auf dem Rückweg ist er von Wolken bedeckt. Feliks zieht Weronika auf einem Schlitten, mich führt er, ohne ihn würde ich den Weg niemals finden können. 31. XII., Schondorf. Ein gewöhnlicher Tag. Das Neue Jahr ‚begrüßen‘ wir nicht < d.h. wir bleiben nicht auf bis Mitternacht>. Nach dem Kartenlegen von 9-10 zu Bett. 1. I. 1940, Schondorf. Neujahr. Bei den Hennen spielt Rüssmann auf dem (eigenen) Klavier. Er fängt mit Chopin (Polonaise in cis, einige Nocturnes) an, dann Beethoven. Wir werden mit der Mutter der Henne, einer 85-jährigen Alten, bekannt gemacht, die bei der Jugend den Spitznamen Urhenne hat. Es sind ungefähr 12 eingeladen, ein angenehmer Abend. 2. I., Schondorf. In der Frühe geht Weronika zu Singler, seine Bilder anzuschauen, ich schreibe einen letzten, langen Brief an die Reichskreditkasse in der Dollar-Angelegenheit (zuvor war ich in der Kanzlei, habe endlich den Bürgermeister angetroffen und bekam alle Beglaubigungen). Traumhaftes Wetter, leichter Wind, Sonne, ich sitze lange auf meiner Bank am See. Über dem See tragen die Nebel einen interessanten Kampf mit der Sonne aus. Karin kommt mit einer frohen Botschaft vorbei: Wir können auch weiterhin in der „Elisabeth“ bleiben. Nach dem Tee Feliks. Zu Doktor Weber werden wir morgen gehen, aber mit einem Empfang außer der Reihe sieht es nicht gut aus. Ich schreibe Tagebuch. Weronika näht. 3. I., Schondorf. Aufgabe des Tages: Besuch bei Doktor Weber um 1 Uhr. Karin kommt mich zu holen und führt mich einen anderen Weg, als ich es erwartet hatte. Direkt am Fuße der Anhöhe treffen wir Käthe: Sie sieht vom Arztbesuch ab, weil dort schon 13 Patienten warten und die Sprechstunde noch nicht einmal 213

begonnen hat, Karin überredet sie aber, dennoch hinzugehen; wir gehen gemeinsam. Ich gebe ihr Illustrationen, lese selbst Dreiundneunzig. Die Sprechstunde beginnt, der Doktor erledigt die ersten 3 recht schnell, danach ruft mich die Sprechstundenhilfe auf, außer der Reihe. Ich gehe und Käthe schließt sich mir unbeirrt an. Aber umsonst; weil ich mich ausziehen muss, bittet die Sprechstundenhilfe Käthe, in das benachbarte Zimmerchen zu gehen. Das Ergebnis der Untersuchungen ist sehr ermunternd. Blutdruck 135, gut. Mit dem Bein ist nichts Ernsthaftes. Die Reaktion meiner Pupillen ist ausgezeichnet. Wein ist erlaubt – er nennt sogar den „Erlauer“,113 meine Leibmarke, und sogar Kirschwasser schade nichts. Nach mir ruft er einen der Wartenden auf und danach erst Käthe. So hat sie also doch etwas mit ihrer Energie erreicht. Ich gehe spazieren, wunderbares Wetter, ich sitze auf meiner Bank in der Sonne. Auf dem Rückweg zu Frau Schumann Wein kaufen. Nach Hause; bald geht Weronika zu den Bormanns, Feliks kommt zu mir. Ich bewirte ihn mit Wein und mich selbst auch; ein längeres, angenehmes Gespräch. Der Abend wie gewöhnlich. Ausgaben Für Weronika 2 4. I. Wein, etc. 2 7. Kino und Wein 3 8. Post etc. 3 12. Weronika zum 15 Ausgeben 20. Weronika mit nach 120 München 21. Film etc. 3 29. Landheim für 15.-31. I 30 Finanzen 1. II. 1940 In Weronikas Herzen In meinem Herzen In meinem Herzen In meinem Portefeuille Zusammen Für Adam Kotarbiski

2. II. Finanzen 9. V.

Bankfächer in der Bank Zachodni:

Mein Schließfach: 113

S. oben die Anm. 106 zu Seite 204. 214

1500 RM 2000 RM 2100 ZL 228 RM 3728 RM und 2100 ZL 20 –

Aktien der Bank Zachodni 25 Zoty (Lilpop) 100 Zoty (Lilpop) Aktien der Bank Polski Obligationen

6 Stück

4 ½ % Grundpfandbrief 5 % städt. Pfandbrief 6 % Obligationen der Stadt Warschau 3% Investitionsanleihen

15080 z 8000 “ 8350 “

Mein Girokonto (31. XII 39) Nr. 80699 Weronikas Girokonto “ “ 80700

860 z

44 “ 11 “ 1“ 500 z

Weronikas Schließfach

12 St.

1704 z

4. I., Schondorf und die folgenden Tage. Überwiegend gewöhnliche Beschäftigungen. Das Wetter ist für gewöhnlich milde, zeitweise kommt die Sonne hervor; ich trage den Herbstmantel (er kam mit dem Gepäck). Und ich mache doch Fortschritte beim Gehen; beim Treppensteigen nehme ich nun schon – und das nicht nur beim Hinuntergehen, sondern auch beim Aufwärtsgehen – die Stufen mit einem Bein. Geschwindigkeit und Ausdauer sind auch gestiegen. Also besteht eine gewisse Hoffnung, dass ich genese. 7. I., Schondorf. Heute am Sonntag läuft bei Forster der Film Renate im Quartett. Sie haben mich davon überzeugt (Morgenspaziergang nach Steinbach), dass in der Wochenschau heute nichts Polnisches gezeigt wird, wir gehen also hin (4.30). Dieses Mal denke ich an den Wein für mich selbst und den Kuchen für Weronika. Feliks bereitet dieses und jenes vor. Wir sitzen mit unserer gesamten Kompanie. Der Film ist recht fröhlich, lustige Dialoge; und wieder verstehe ich natürlich nicht alles, darüber hinaus sind die „Quartettisten“ einander sehr ähnlich. 8.-14. I., Schondorf. Heute nur die eine Neuigkeit, dass die Reichskreditkasse vom Umtausch meiner 223 Dollar in Zoty nicht abrückt. Was Weronikas Dollars betrifft, so ist die Sache noch unklar, sie müssen erst mit dem Devisenschatzkommando darüber beraten, was sie auch tun und im gleichen Zuge an die Bank schreiben werden. Bei der möchte ich 100 zl zurückgeben, aber die Post liefert nicht nach Krakau. Ansonsten gewöhnliche Tätigkeiten. Ich habe Das Erbe von Björndal114 durchgelesen, habe Matilde Serao115 114

115

215

durchgelesen, Suor Giovanna della Croce, machte einen bedrückenden Eindruck auf mich. Viel Sonne, ich spaziere sogar bis Badestag, weiterhin schwer, weil bergauf und Glatteis. Weronika bereitet Tee für Frau Richter und Fräulein Wittich, schön. Sie zeigt ihnen und Feliks ihre Alben. Dieser besucht uns in der Regel jeden Abend. Wir haben jetzt die dritte Dienstmagd, nicht mehr Marie sondern Anna. 15.-31. I., Schondorf. Meine Verhandlungen mit den deutschen Behörden in folgenden Angelegenheiten dauern an: 1. Dollars, 2. Pension. Die erste erweist sich als aussichtslos; was die zweite anbelangt, so hat der ungemein höfliche Brief von Direktor Tretiak die Hoffnung geweckt, dass das Generalgouvernement in Krakau die Pension von 200zl auf die üblichen 1000 bzw. 890 erhöht, aber meine diesbezügliche Eingabe erhielt eine abschlägige Antwort, weswegen ich mich unmittelbar an den Generalgouverneur wandte, auf die Antwort warte ich noch. Kotarbiski hat Antwort von dem erhalten, der in Ostpreußen ist, von ihm schreibt auch Präsident Kerschensteiber in Königsberg an Reisinger; da ich auf meinen Brief an Adam Kotarbiski keine Antwort erhielt, bezweifle ich, dass er überhaupt ausgehändigt worden ist, ich habe an Kerschensteiber geschrieben, ob er Adam eine kleine Unterstützung zuschicken könnte. Auf die Anwort warte ich. In der vergangenen Woche ist Käthe sehr schwach geworden, man sorgt sich um ihr Leben – der Doktor – die Schwester (Bona). Ihr Zustand hat sich aber bereits ein wenig gebessert, wir warten, was weiter geschehen wird. Ich bereite Lesung Nr. 2 vor, die am 1. Februar stattfinden soll. Meine Stunden: Montag 12.35 – 1.10 Donnerstag 12.15 – 1 Freitag ½ 1 obere Wannen Nicht neid‘ ich der Welt ihre Wonnen, Noch allen neunfarbigen Dunst. Still liegen und einsam sich sonnen: Ist auch eine tapfere Kunst. Frau Aventiure.116 Die Herberge au lac März [1940] 116

M.v.A. 216

20. Bewölkt. Nach Landsberg wegen des Passirscheins. 21. ,, . Karins Abfahrt. 22. Sonnig. Der Pass kommt an. Weronika. Mikwa. 23. Bewölkt. 24. Sonnig. Osterfeiertage. Spaziergang mit Feliks. Film Der Fall Deruga. 25. Nichts. 26. Sparkasse. Karte mit bedauerlichem Inhalt von Kotarbiski. 27. Sonnig. Danach Gewitter. 28. Bewölkt, kühl, Schnee. Weronikas Farben. 29. Sonnig, Winter, Schnee und Kälte. 30. Wärmer, aber Schnee. Apotheke. 31. Bewölkt. Kotarbiski wegen 1204zl. Film: Der Tiger von Eschnapur. April 1. Sonne, kühl. Zeitumstellung. 2. Sonne, warm. Sparkasse: nichts. Karin kommt zurück. 3. Bewölkt. Abends: Konzert (Weronika). 4. Bewölkt. Wind. Mollstimmung. 5. Kühl, Regenwetter. Gespräch über Umzug. 6. Schnee; teilweise Umzug, Mikwa. 7. Sonne, kühl. Feliks’ Geburtstag. 8. Sonne, kühl. Umzug. 9. ,, ,, . Gespräch mit Feliks (Wehrpflicht). 10. ,, ,, . Frau Reisinger bei uns. 11. ,, ,, . Weronika nach München. Ich: Mittagessen bei Feliks. Post. 12. Bewölkt, Schnee. Bei Reisinger. 13. 2 ½ °C, Schnee, Sparkasse, Zoty. 14. Winter, 2 ½ °C. Zu Hause. 15. Weronika zeichnet Feliks. 16. Sonne, 5 ½ °C, Wind. Zu Hause. 17. ,, , 5 ½ °C, ruhig. Spaziergang, wunderbar. 18. ,, , 8°C. Post. Genehmigung. 19. ,, , 6°C. Sparkasse – Versenden. 20. ,, , 8°C. Friseur. Konzert. 21. ,, , 9°C. Führers Geburtstag. 22. ,, , 8°C. Film: Der singende Tor. 23. ,, , 9°C. Beim Hl. Nikolaus. 24. ,, , 11°C. Beim Doktor. 25. Bewölkt, 8°C. (Bei Ostern). Apotheke. 26. Bewölkt, 8°C. Bei Ostern. 27. ,, , 9°C. Sonne, warm. 28. ,, , 10°C. Feliksens bei uns (Kaffeezeit). 29. ,, , 11°C. Regen. Film: Das Lied der Wüste. 30. ,, , 10°C. Kanzlei. 1-te Sitzung. 217

31. ,, , 8°C. Ein Bild (von Rena) kommt an. Mai 1. 10°C. Die Maifeier fällt aus. Gewitter. 2. 14°C. Schön. Schreibmaschinchen kaputt. 3. 11°C. Bewölkt. 2 Sitzung. Dörings Vortrag (Parks). 4. 11°C. Sonne. Mikwa. Film: Mit meinen Augen. 5. 10°C. Bewölkt. Weronikas Fragebogen. 6. 8°C. Bewölkt. Kanzlei. 3 Sitzung. 7. 8°C. ,, 8. 8°C. ,, , danach Sonne. 9. 10°C. Sonne. 4 Sitzung. 10. 10°C. Nebel, Sonne. [Hl.] Nikolaus. Frau Ostern. 11. 10°C. Wärmer. Abend mit den Osterns bei Feliks. 12. 8°C. Regen. Kühl. Bei Ostern […]. 13. 8°C. Kühl. Frau Schenk mit den Feliksens bei uns. 14. 9°C. Kühl. Kanzlei. Fräulein Wittich. 15. 15°C. Es wird wärmer. Ich bereite den Vortrag vor. 16. 4°C. Regen. 5 Sitzung. Lesung (Dichtung und Wahrheit). 17. 4 ½°C. Regen. Abends Konzert (Sonatina von S.). 18. 8°C. Bewölkt. Mikwa. Sinfonia dantesca (Ostern). 19. 10 ½°C. Sonnig und bewölkt. 20. 14°C. Sonne. 6 Sitzung. Eingabe. 21. 14°C. Sonne, wärmer. 22. 14°C. Sonne, warm. Weronika nach Dießen am Ammersee. 23. 14°C. Bewölkt. Frau Reisinger. 7 Sitzung, Dante. 24. 11°C. Weronika nach Dießen. Dr. Weber. Engels. 25. 15°C. Warm. Kaffeezeit bei Feliks (die Romers). 26. 17°C. Warm. 27. 12°C. Regen. Diät muss nicht mehr eingehalten werden. 28. 12°C. Sonne, warm, Gewitter. Kanzlei. 29. 13°C. Bewölkt. Reisingers Geburtstag. 30. 10°C. Bewölkt, Wind, Regen. Weronikas Arbeitsbuch. Reisinger bei uns. 31. 10°C. Regen. Mein Dante-Vortrag. Juni 1. 10°C. Mikwa. Film: Aus erster Ehe. 2. 8 ½°C. Sonne. Spaziergang mit Karin. 3. 10°C. Bewölkt. Hochwasser. 4. 12°C. Sonne. Hl. Nikolaus. 5. 20°C. Sonne. Weronika nach Dießen. Hut. 6. 24°C. Sonne. Dante (Frau Däumling). 7. 24°C. Sonne. Pechmanns Vortrag. 218

8. 22°C. Sonne. Hofmann bei uns. 9. 29°C. Sonne. Spaziergang. Die Buben; Kaffeezeit bei den Hennen. 10. 25°C. Sonne. 11. ,, ,, . Hiobsbotschaft. 12. ,, ,, . Karin. Bei Fräulein Wittich und den Hofmanns. 13. 12°C. Bewölkt. Dante (Däumling). 14. 15°C. ,, . Spaziergang mit Karin (1 Std.). 15. 15°C. Bewölkt. Mikwa. Gewitter. 16. 14°C. Bewölkt. Nach dem Mittagessen „Maiwein“ bei Feliks. 17. 13°C. Es regnet den ganzen Tag über. 18. 14°C. Bewölkt, Wetter. Spaziergang mit Karin. 19. 25°C. Sonne. 20. 25°C. Sonne. Dante (Frau Ostern). 21. 25°C. Nebel. Weronika nach Dießen. Spaziergang mit Karin. Chor. 22. 25°C. Kanzlei. 23. 25°C. Sonne. 24. 31°C. ,, , Hitze. Gewitter. 25. 14°C. Bewölkt. Kanzlei (Karten). 26. 13°C. ,, , Regen. 27. 19°C. ,, . Dante (Däumling). 28. 10°C. ,, . „Rheinisch Elterntag“. Gymnasium, davor Feliks. 29. 12°C. ,, , Mikwa. 30. Radio Juli 1. 2. Biographie beendet. 3. 22°C. Hitze. Heidelbeeren holen. Gewitter. 4. 22°C. Sonne, danach Regen. Dante (ich). 5. 13°C. Heidelbeeren holen (Wolf). Konzert (Klarinette). 6. 26°C. Sonne. Mit Feliks im Boot unterwegs. Ostern, Hofmann. 7. 32°C. Zu Feliks. Abends Osterns und Hofmanns. 8. 9. 14°C. Weronika nach Dießen, Spaziergang mit Karin. 10. 12°C. Nebel. Beim Doktor. Gespräch mit Feliks. 11. 30°C. Sonne. Inhalator. Dante (Frau Däumling). 12. 11°C. Bewölkt Fräulein Rose. Hofmanns Vortrag (Cur.). 13. 12°C. Bewölkt. Kaffeezeit bei den Feliksens. Mikwa. 14. °C 12°C. Um 9 Frau Ruessmanns Konzert (Appassionata). 15. 16°C. Sonne. Spaziergang, nachts, Gewitter. 16. 14°C. Bewölkt. Den ganzen Tag über Regen. 17. 13°C. Bewölkt. Von Rosenthal. 18. 14°C. Bewölkt. Ohne Dante. Negus. 19. 12°C. Bewölkt. Spaziergang mit Karin. 219

20. 18°C. Hitze. Bootsfahrt. Streidl und Auto. 21. Bei Ostern. Schülerkonzert. 22. 15°C. Kanzlei 23. Dante (Ostern). 24. Wechselhaft. München. Privatissimum bei Hofmann. 25. 16°C. 26. 20°C. Sonne. Weronika nach Dießen. Koncert (Cello). 27. 21°C. Bewölkt. Bücher aus Warschau. Mikwa. 28. Sonne. Spaziergang mit Karin. Feliksens bei uns (Kaffeezeit). 29. Feliks und Karin mit Mutter reisen ab. 30. 8°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. RCR [Religie Cesarstwa Rzymskiego ] 31. 10°C. Bewölkt. August 1. 14°C. Bewölkt. Hofmann bei uns. 2. 20°C. Sonne. Hl. Nikolaus. Frau Schenk bei uns. 3. 21°C. Sonne. Fräulein Wittich bei uns. 4. 16°C. Sonne. Zu den Engels. 5. 19°C. Sonne. 1050 RM. 6. 19°C. Sonne. 7. 17°C. Sonne. Zu Ostern der Bücher wegen. 8. 17°C. Bücher aus der Staatsbibliothek. Sommerlicher Wolkenbruch. Egert. Feliks. 9. 16°C. Sonne. Bootsfahrt, ich, St-. Frau Schumann, Feliks Mittagessen. 10. 20°C. Hitze. Mikwa. Gewitter. 11. 16°C. Bewölkt. RCR. Einleitung. Schach (+-0). 12. 16°C. Bewölkt. 13. 9°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. 14. 10°C. Bewölkt. Feliks, Kaffeezeit, Schach (+-0). 15. ,, 16. ,, . Abends bei den Engels (Gesang). 17. 10°C. Karin kommt mit Mutter an. 18. Bewölkt, danach sonnig. Kaffeezeit bei Feliks. 19. 12°C. Pension November – August. Schach. 20. 12°C. Regen. Weide †,. 21. 12°C. Regenwetter. Zu Weilheim Schuhe holen. 22. 8°C. Wechselhaft. Spaziergang mit Karin. Feliksens. Sekt. 23. 8°C. Kühl. Schach (-). 24. 7°C. Mikwa. H. J. Wärmer. 25. 7°C. Bei Ostern (-). 26. 8°C. Nebel, danach Sonne, Spaziergang. Osterns bei uns. 27. 9°C. Sonne. Bücher von Foch. 28. 11°C. Bewölkt. Kaffeezeit bei den Feliksens. Schach (+). 220

29. 12°C. Bewölkt. Spaziergang mit Feliks nach Stegen. […] 31. Spaziergang mit Karin. September 1. 9°C. Sonne, warm. Karin nach München. 2. 14°C. Sonne, warm. Feliks nach München. 3. Beide kommen zurück. Warm 4. Warm, schönes Wetter. 5. 8°C. Weronika nach Dießen. 6. 11°C. Sonne. Tag der Eule. 7. 14°C. Sonne. Mikwa. Fräulein Wittich bei uns. 8. 14°C. Hitze. Kaffeezeit bei Fräulein Wittich. Gewitter. 9. 14°C. Den ganzen Tag über Regen. Spaziergang mit Karin. 10. 10°C. Den ganzen Tag über Regen. Schach (+). 11. 8°C. Den ganzen Tag über Regen. Weronika nach Augsburg. 12. 7°C. Sonne. 13. 7°C. Bewölkt, Sonne. Zimmer geheizt. 14. 10°C. Hell. Mein Geburtstag. Feliks zum Mittagessen. 15. Regen. Nach dem Abendessen (8 ½ die Engels und die Hennen). 16. Bewölkt. Bücher zu Foch. Frau Däumling. 17. 10°C. Sonne. Däumling: Dante. 18. 14°C. Bewölkt. Ankunft der Buben. 19. 10°C. Nebel, danach Sonne. Däumlings Schwiegermutter. 20. 14°C. Sonne. Arbeitsbuch. Konzert. 21. 14°C. Bewölkt. Mikwa. 22. 14°C. Karin krank. 23. 14°C. Wechselhaft. Bücher aus der Bibliothek. 24. 13°C. Es nieselt. 25. 10°C. Es nieselt. Mit Weronika nach München. Dunkelheit. 26. 9°C. Es nieselt. Hofmann. Dante (ich). 27. 5°C. Es nieselt. Das Zimmer ist geheizt. Reisingers Vortrag. 28. 13°C. Wind. Kaffeezeit bei den Hofmanns. 29. 7°C. Regenwetter. 30. 10°C. Regenwetter. Zu Ostern. Oktober 1. 7°C. Bewölkt. Horaz-Abend. 2. 8°C. Beihilfe (250 RM). Kaffeezeit: die Unsrigen, Antje. Dante. Frau Däumling. 3. 9°C. Bewölkt. 11-12 Spaziergang mit Karin. 4. 5°C. Leichter Nebel. Weronika nach Dießen, ich mit ihr nach Utting, von dort zu Fuß. 221

5. 8°C. Sonne. Mikwa – nicht. Erkältung. 6. 10°C. Schönes Wetter. Kaffeezeit bei den Feliksens mit Weronika. 7. 15°C. Bewölkt, Wind. 8. Feliks macht einen Ausflug. 9. 10°C. Sonne. Spaziergang mit Karin. 10. 10°C. Sonne. Beim Doktor. 11. 10°C. Bewölkt. Kanzlei. Telegram von Frau Turyn, 50 RM. 12. 6°C. Sonne. Mikwa. her. Kaffeezeit bei den Reisingers. 13. 9°C. Bewölkt. 14. Sonne. 15. Weronika ist krank, liegt im Bett. Horaz. 16. 8°C. Bewölkt. Weronika ist gesund. Dante (Hennrich). 17. Sonne. Telegramm von Frau Turyn. 18. 9°C. Nebel. Warten. Konzert (Vivaldi). 19. 3°C. Nebel. Sonne. 20. 3°C. Nebel. Sonne. Besuch im Carcer. 21. 7°C. Sonne, warm. 22. Wechselhaft. Mit Weronika nach München. Lampe. 23. 7°C. Bewölkt. Horaz, Epistularum I, 3-5. 24. 7°C. Bewölkt. Dante-Abend (Ostern). 25. ,, schlechtes Wetter. Mit Weronika nach München (Porzellan). 26. 1°C. Hagel und Schnee. Liselotte. Konzert (Haydn, Mozart). 27. 1°C. Ebenso. Musikalische Matinée (Schubert, Der Tod und das Mädchen). 28. 1°C. Ebenso. Schreibmaschinchen. Anfang zab. um Vergh. 29. 0°C. Bewölkt. Schreibmaschinchen (Nikolaus). Eingabe an Moltke. Horaz mit Wein. 30. 0°C. Zu Moltke. Dante XVIII (Offenbach). 31. 10°C. Warm. Spaziergang. November 1. Chopin-Konzert. 2. 8°C. Bewölkt. Regen. 3. 9°C. Sonnenaufgang. In der Nacht weht es wie verrückt. 4. 13°C. Wind, warm. Ich habe Kapitel III abgeschlossen. 5. 6. Am Abend Horaz mit Wein. 7. 6°C. Sonne. Dante-Abend (ich: XIX). 8. 4°C. Spaziergang mit Karin. Ich beginne mit Dichtung und Wahrheit. oh. Horaz. Komplikationen im Zusammenhang mit unserem Aufenthalt. 9. -2°C. Karin sucht eine Wohnung. [Hl.] Nikolaus. 10. -2°C. Kaffeezeit bei den Feliksens. 11. 4°C. Weronika nach München, ich nach Theresienbad. Mond. 12. 4°C. Karin sucht. Ich habe Dichtung und Wahrheit zu Ende gelesen. 13. 4°C. Eingabe an den Landrat. Engels bei uns. Bewölkt. 222

14. 5°C. Ein wunderbarer Morgen. Ich habe Kapitel IV begonnen. Frau Reisinger bei uns. Feliks’ Geschichte. 15. 6°C. Leichter Regen. Wohnungsbesichtigung. 16. 1°C. Sonne. Pension. Die Däumlings bei uns. 17. 5°C. Sonne. Karin zu den Unterkunftsmöglichkeiten. 18. 3°C. Bewölkt, danach Sonne. Spaziergang. 19. 0°C. Hagel. Sonne. Spaziergang. 20. 3°C. Feliks. Spaziergang ohne Spazierstock. 21. 5°C. Sonne. Mit Weronika nach München. Die Bibliothek ist geschlossen. Kunst. 22. 0°C. Sonne. Hl. Nikolaus. Bugiardo gen. rep. 23. 5°C. Bewölkt. Mikwa. Korczain. 24. 4°C. Bewölkt.* Karin. Caspari zu Besuch bei mir. 25. 0°C. Bewölkt. Frau Däumling und Hofmann bei uns. 26. -2°C. Sonne. Ein Bild für die neue Wohnung. 27. 0°C. Wunderschöne Sonne. Kanzlei. Die Reisingers bei uns. 28. 3°C. Schnee. Wir packen. 29. 0°C. Schnee und Sonne. Umzug. Mittagessen bei Feliks, Engels. 30. Frost. Mittagessen bei Klopfer. Reisinger mit Eiresione117. Dezember 1. Frost, Sonne. Frau Bormanns Geburtstag. 2. ,, ,, 3. ,, ,, Beim Bürgermeister. Fräulein Wittich bei uns. 4. -4°C. Schönes Wetter. 5. -10°C. Heftiger Wind, danach Stille. 6. Weronika nach Dießen. Wind, Regen, Tauwetter. 7. Tauwetter. Torte. Bier. 8. Weronikas Geburtstag. Wir bleiben. Abends: die Unsrigen und Fräulein Wittich. 9. Nichts. 10. Immer noch Tauwetter. Nichts. Ich schlafe schlecht. 11. Wind, Tauwetter. Feliks und Hiobsbotschaft. Guter Schlaf. 12. Nichts. 13. Karins Abschiedsfeier. 14. Karins Abreise. Kleiderschlaufe +. 15. Keine Mikwa. 16. Die Kontaktleute vom Isarwerk waren nicht da. 17. -14°C. 18. -16°C. Zu Marks . 117

Aus der lateinischen Titelnotiz kann man schließen, dass es sich um einen Sammelband Tadeusz Zieliskis handelt: Iresione. Tomus II dissertationes ad antiquorum religiones spectantes continens, Lwów 1936; russ. Original: Iresiona: Atti eskie skazki . 1-4. Petrograd 1921-1922. 223

19. -10°C. 20. -5°C. Iserwerke. Ostern Antw. 21. -10°C. Kanzlei. Marks. 22. -9°C. Karin kommt an. 23. -9°C. Sonnig. Kohle. Beim Bürgermeister. Karin. 24. -9°C. Die Däumlinge. Abend bei Forster. 25. -7°C. Bei den Feliksens. Thomaner und Mittagessen. 26. -14°C. 27. -9°C. Rechnung. Am Abend Feliksens. 28. -2°C. Weronika verschnupft. 29. -2°C. Mikwa! Weronika zu Hause. 30. 0°C. hers Bücher. 31. +2°C. Feliks in der Frühe. Ausgaben in Zoty (von Kotarbiski) Für Marychna 100 – Für Kuakowski (weiter oben berücksichtigt) 50 – Zachvig Gordiejeff geliehen für Powzki118 [Abrechnung Verlag Mortkowicz] [von der] Verlagsgesellschaft für die Zeit vom 2. V. 40 – 28. IV. 41: Historia kultury antycznej Klechdy attyckie ,, ,, Religia staroytnej Grecji Religia Rzeczypospolitej Rzymskiej Rzeczpospolita Rzymska Cesarstwo Rzymskie

33,60 14,35 13,76 22 27 241,20 266 -

zusammen Finanzen 5. III. 40 In meinem Herzen: 1600+1000 In Weronikas Herzen 19. VIII. bei Feliks

617,91 RM 2600 1500 700 Z

Schließfächer in der Bank Zachodni s.unten Bei Kotarbiski: Rest von Hartwig 200 118

Für die Pflege des Grabes von Elisabeth Zieliska. 224

Äquivalent 223 Dol. – 1204 Pension für April

1597 193

Ausgaben in RM: Für Dessau aus meinem Herzen 100 26. IX. Für Lübker aus meinem 40 Portefeuille 2. X. 1940 In meinem Herzen: 1850+900= 2750 In Weronikas Herzen: 1500 Bei Feliks 700 Zusammen 4950 z Schließfächer: in der Bank Zachodni bei Kotarbiski 1553 13. X. aus meinem Herzen RM 100 genommen 17. ,, ,, ,, ,, ,, 100 23. ,, zurück in mein Herz ,, 100 12. XI. aus meinem Herzen ,, 50 genommen 16. ,, zurück in mein Herz ,, 100 (in meinem Herzen: 1800 + 1000) 20. XI. aus meinem Herzen 60 genommen (1740 + 1000) 8. XII. ,, ,, ,, 40 (1700 + 1000) 1941 Januar 1. 5°C. Kaffeezeit und Abendessen bei Feliks. Wilhelm Meisters Wanderjahre, III. 2. -3°C. 3. -10°C. Beim Bürgermeister. In der Nacht Attacke. 4. -9°C. Karin. Keine Attacke. Ich schlafe schlecht. 5. -7°C. Mittagessen bei den Feliksens. In der Nacht Attacken. 6. -8°C. Bei Doktor Weber. Marks (bez.). Ich schlafe schlecht. 7. -9°C. Sedobrol. 8. -9°C. Bardia. Schmerzen. 9. – Weronika nach Dießen. 10. -10°C. Ärger mit den Lampen. 11. -11°C. In der Nacht Schmerzen. Ich schlafe schlecht. Rechnungen. 12. -10°C. Sonnig. Keine Medikamente, leichte Schmerzen. 225

13. -19°C. In der Nacht Bauch. Pension. 14. -14°C. Bei Marks. Briketts. Sedobrol. 15. -12°C. Die Egerlands. 16. ,, . Weronika nach Dießen. Karin. 17. -9°C. Ich habe Kapitel V abgeschlossen. 18. -7°C. Sonnig. 19. +1°C. Weronika ins Kino. 20. +2°C. Bücher von AR – Bücher von Hofmann. 21. +2°C. In der Nacht leichte Schmerzen. 22. +3°C. Die Richters. 23. Vorfrühling. Missglückter [Ausflug] nach München. Weronika nach Weilheim. 24. +6°C. In Gummistiefeln. Karin. 25. +5°C. Bewölkt. 26. +4°C. Große Mikwa +. Sonnig. Kaffeezeit bei den Feliksens. 27. +2°C. Schnee. Apotheke. 28. -6°C. Bewölkt. Apotheke. 29. -4°C. Rechnung. Sonnig. Marks. Bier. Ofen. 30. -4°C. Päckchen für Weronika. Karin. 31. -6°C. Sonnig. Rechnungen. Februar 1. + ½°C. Bewölkt. Feliks mit Roland. 2. 0°C. Wind. Sonnig. 3. -4°C. Sonnig. Bier. Frau Schumann, Apotheke und Hofmann. 4. -9,½°C. Adresse für Ostern. 5. -5°C. Sonnig. Der Ofen ist launisch. Karin. 6. -5°C. Sonnig. Ofen. Am Abend Fräulein Wittich. 7. -3°C. Bewölkt. Fräulein Wittich. Sonnig. Schornsteinfeger. 8. +5°C. Bewölkt. Wind. Kaffeezeit bei den Feliksens. 9. +4°C. Sonnig, Frühling. Mikwa (+-). 10. 0°C. Sonnig, Frühling. Bücher aus der Bibliothek: - Beethoven. Nacht. Bücher. 11. +5°C. Bewölkt. Bier, Rechnungen, Reisinger. Apotheke, Wein. 12. 0°C. Sonnig. Feliks auf der Bank. Karin. 13. +3°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen (+). Mittagessen bei Karin. 14. +3°C. Sonnig. Bier. Am Abend bei Fräulein Wittich. 15. +6°C. Bewölkt. Sonnig. Stuhl. Feliks kehrt zurück. 16. +2°C. Bewölkt. Feliks. Anthrazitkohle. 17. 0°C. Die Sonne scheint blass. Feliks: Neubeuren. 18. 0°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. In der Nacht Schnupfen. 19. +1°C. Bewölkt. Danach sonnig. 20. -3°C. Sonnig. Ich rauche einen Zigarillo – Feliks. 21. ½°C. Die Sonne scheint blass. Bier. Frau Schumann und Apotheke. 226

22. -2°C. Bewölkt, Frühstück. Rechnungen. Reisinger. Der Ofen wird repariert. 23. -2°C. Bewölkt. Mikwa. Kaffeezeit bei den Feliksens. [Anton?] Bruckner. 24. -1°C. Bücher aus der Bibliothek. 25. ½°C. Weronika nach Dießen. Bewölkt. Bier. Ich treffe Weronika auf dem Bahnhof. 26. -8°C. Ich zu Frau Schumann. Karin. 27. -7°C. Sonnig. Frau Däumling. 28. +4°C. Bewölkt. Rechnungen, Hausw. Frau Reisinger. März 1. +9°C. Bewölkt. 2. +2°C. Frühling. Karin mit Mutter von Feliks. Ich beende Kapitel VI. 3. +5°C. Bewölkt. Feliks. Fräulein Wittich. Schlaganfall alt. 4. +6°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. 5. +2°C. Bewölkt. Rechnungen. Rosi. Karin. 6. 0°C. Sonnig. Der Alten geht es besser. Feliks. 7. +3°C. Sonnig. Frühling. Ich zu Frau Schumann. 8. +3°C. Die Sonne scheint blass. Unser Abend: die Unsrigen und Fräulein Wittich. 9. +1°C. Sonnig. Mikwa (+). Bier. In der Nacht ein Gewitter. 10. +1°C. Schnee. Frau Hofmann. 11. +3½°C. Die Sonne scheint blass. Weronika nach Dießen. Bier. Bürgermeister. 12. 0°C. Zwei Kanzleien. Marks. 13. -3°C. Sonnig. Feliks zu Dante. 14. +2°C. Sonnig, aber kühl. Treffen mit Hofmann. Bier 15. 1½°C. Sonnig. Vorfrühling. 16. +5°C. Sonnig. Frühling. Kaffeezeit bei Feliks (Brahms). 17. +3½°C. Bewölkt. Weronika Schnupfen. Marks. 18. -1°C. Sonnig. Karin. Weronika Schnupfen. 19. -3°C. Sonnig. Bier. Weronika zeichnet eine Mitra. 20. +7°C. Sonnig. Weronika nach Dießen. Telegramm mit Neuigkeiten. 21. -1°C. Sonnig. Bier. Karin. 22. +3°C. Bewölkt, windig, Regenwetter. 23. +6°C. Wolkenbruch. Mikwa (+). 24. 0°C. Schnee. Sonnig. Kanzlei und Marks (-). 25. +2°C. Bewölkt. Weronika nach von . Frau Marks. 26. +2°C. Bewölkt. Windig. Rechnungen. Rosi. Karin. 27. +9°C. Sonnig. Post. Feliks. 28. +4°C. Nebel, danach Sonne. Pottasche. 29. +6°C. Bewölkt. Karin. Während der Nacht 4 kleine Attacken. 30. +4°C. Sonnig. Rechnungen, Hausw. Kaffeezeit. Feliks (Nied. Len. IV). 31. +6°C. Bewölkt. Päckchen für Marks. Zu Frau Schumann. 227

April 1. +4°C. Schnee. Weronika nach Dießen. Feliks. Bier. 2. +3°C. Bewölkt. 3. +1°C. Sonnig, Frühling. Nach München. 4. +9°C. Sonnig, Frühling. Feliks. 5. +7°C. Sonnig. Feliks. 6. +6½°C. Wolkenbruch. Rechnungen. Rosi. Feliks Geburtstag (Tannah). 7. +4°C. Wolkenbruch. Leichter Schnee. Post. 8. ½°C. Schneeregen. Weronika zu Frau Schumann. Karin. 9. -3°C. Sonnig. Feliks und Gespräch mit ihm. 10. 0°C. Schneeregen. Karin. 11. +-0°C. Bewölkt und blasse Sonne. Feliks. Bier. 12. 4°C. Abreise der Feliksens. 13. +6°C. Bewölkt, windig. 14. 11°C. Fantastisches Wetter. Am Abend Spaziergang. 15. 10°C. Bewölkt. Russen. Bier. 16. 7°C. Bewölkt. Wolkenbruch. Weronika nach Dießen. Rechnungen. Rosi. 17. 5°C. Bewölkt. Am Abend ein Spaziergang, Fräulein Wittich. 18. 7°C. Sonnig. Spaziergang. Am Abend ein Spaziergang. Bier. 19. 10°C. -7°C. Bewölkt. Es kühlt ab. Fräulein Wittich. 20. 11°C. Die Sonne scheint blass. Mikwa (+). 21. 10°C. Sonne wechselhaft. Fräulein Wittich. 22. 7°C. Sonne wechselhaft. Weronika nach Dießen. Feliks. Die Henne. Bier. 23. 3½°C. Nebel. Danach sonnig, Spaziergang. Feliks. 24. 4°C. Wolkenbruch. Apotheke (in der Frühe). Karin kommt zurück. 25. 3°C. Wolkenbruch. Karin Feliks. Bier. Rechnungen. Rosi. 26. 5°C. Am Abend bei den Feliksens (Sekt). 27. 7°C. Bewölkt. Weronika im Kino. Feliks. 28. 9°C. Sonnig. Ich beende Kapitel VII. Vortrag für Reisingers Töchter. 29. 3°C. Weronika nach Dießen. Tessi. Feliks. 30. 10°C. Ich gehe mit Weronika spazieren. Feliks. Wirtsch.Rechnungen. Mai 1. 10°C. Regen. Spaziergang mit Weronika. 2. 10°C. Bewölkt. Bier. 3. 3°C. Es schneit. Am Abend die Feliksens bei uns. 4. 4°C. Sonnig. Mikwa (+). Feliks. 5. 6°C. Die Sonne ist fahl. Spaziergang Feliks (60 RM). 6. 5°C. Sonnig. Weronika nach Dießen. Bier. Rosi. Rechnungen. 7. 8°C. Sonnig. Zu Frau Schumann. Treffen mit Marks. Feliks. 8. 7°C. Bewölkt. Kanzlei, Marks. Treffen mit Feliks. 9. 5°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin (Schwestern). Bier. 228

10. 9°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Es wird wärmer. Feliks. 11. 3°C. Wolkenbruch. Es wird kühler. Feliks. 12. 8°C. Sonne, aber blass. Feliks. 13. 2°C. Sonnig. Weronika nach Dießen. Bier. Spaziergang. Es wird wärmer. 14. 10°C. Karin. Spaziergang mit Weronika. Feliks. 15. 15°C. Sonnig. Langer Spaziergang (Badetag). 16. 3°C. Wolkenbruch. Rechnungen. Rosi. Feliks. 17. 11°C. Sonnig. 2x Gärtner. Feliks. 18. 16°C. Die Sonne scheint blass. Mikwa (+). Kaffeezeit bei den Feliksens (Reger). 19. 13°C. Um 8 Blumenkohl. Regenwetter. Feliks […]. 20. 4°C. Schlechtes Wetter. Weronika nach Dießen […]. 21. 7°C. Bewölkt. Es gibt kein Bier. Feliks. Frau Schumann. 22. 13°C. Die Sonne scheint blass. Bier. Spaziergang mit Weronika. 23. 17°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Ruhr. Bier. 24. 8½°C. Leichter Regen. Feliks. 25. 10°C. Sonnig. Hl. Messe (mit Karin und Frau Bormann). Feliks. 26. 17°C. Um 8 Blumenkohl. [Sz.] Streidl. Rechnungen. R. 27. 9°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen, ich nach Utting und zu Fuß Weronika abholen, Soldaten. 28. 18°C. Sonnig. Ich zu Frau Schumann. Feliks. Spaziergang mit Weronika. 29. 7°C. Windig, Regenwetter. Mit Weronika über Weilheim nach München. In München weht ein kräftiger Wind. In Dießen Karin essen ers. ab. 30. 14°C. Sonnig, windig. Spaziergang mit Karin. Feliks nimmt das Schreibmaschinchen mit. 31. 11°C. Regen. Wirtsch. Rechnungen. Am Abend die Feliksens bei uns (das Maschinchen kommt zurück). Juni 1. 15°C. Sonnig. Mikwa (+). Bier. Spaziergang mit Weronika. Feliks (Gesch.). 2. 16°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Feliks. Antje. Am Abend ein Spaziergang. 3. 15°C. Bewölkt. 8 Gärtner. Sonnig. Ich beende Kapitel VIII. 4. 13°C. Weronika nach Dießen, ich nach Utting (Kaffee) und zu Fuß. Feliks. 5. 20°C. Die Sonne ist fahl. Um 8 Gärtner. Karin. Am Abend Gewitter. 6. 12°C. Bewölkt. Spaziergang mit Karin. Bier und Rechnungen. R. 7. 15°C. Sonnig. Hosen. Spaziergang. Feliks. 8. 15°C. Bewölkt. Es nieselt. Kaffeezeit bei Antje (Tschaikowskys VI.). 9. 15°C. Sonnig. Um 8 Gärtner (-). Feliks. Spaziergang. 10. 14°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen am Ammersee. Um 8 Gärtner. Bier. 11. 12°C. Bewölkt. Feliks. Regen, Kälte, schlechtes Wetter. 12. 10°C. Karin. Es hellt sich auf. 13. 13°C. Wolkenbruch. Ich zu Frau Schumann. Bier. Feliks. 14. 8½°C. Bewölkt, danach sonnig. Spaziergang. Feliks. 229

15. 10°C. Bewölkt. Mikwa (-). Kaffeezeit bei den Feliksens. 16. 13°C. Um 8 Gärtner (-). Bewölkt. Rechnungen. Rosi. 17. 10°C. Sonnig. Weronika nach Dießen, ich mit ihr nach Utting. Kaffee, zu Fuß. 18. 12°C. Sonnig. Beerenwolf. Bier. Karin. Feliks 19. 20°C. Sonnig. Mit Karin nach Theresienbad. Bier. Ich beginne mit Kapitel IX. 21. 22°C. Sonnig. Um 8 Gärtner. Karin. Spaziergang. Fräulein Wittich. 22. 20°C. Sonnig. Krieg mit den Sowjets. Feliks. 23. 20°C. Sonnig. Streidl. Feliks. 24. 15°C. Weronika nach Dießen, ich Utting, Kaffee, zu Fuß. 25. 25°C. Sonnig. Feliks. Er singt oben aus dem offenen Fenster heraus. 26. 19°C. Bewölkt. Mit Weronika nach München. Mittagessen in D.K. 27. 19°C. Bewölkt. Rechnungen. Rosi. Bier. 28. 21°C. Sonnig. Um 8 Gärtner, Blumenkohl. 29. 16°C. Bewölkt. Mikwa (+). Bier 30. 17°C. Bewölkt. Spaziergang. Feliks. Juli 1. 11°C. Sonnig. Weronika nach Dießen, ich nach Utting, Kaffee, zu Fuß (+). Rechnungen. 2. Nichts. Frau Schumann, ich bestelle Torte. 3. Um 8 Gärtner. Karin. Weronika zu Antje. 4. 15°C. Regen. Am Abend: Die Feliksens und Antje bei uns. 5. 18°C. Sonnig. Frau Bormanns Ankunft. 6. 16°C. Die Herren Offiziere am Vorabend ihrer Abfahrt. 7. 5°C. Bier. 8. 15°C. Sonnig. Weronika nach Dießen, ich nach Utting, Kaffee, zu Fuß. Bier. Rechnungen. Rosi. 9. 16°C. Sonnig. Beerenwolf, Erdbeeren. 10. 16°C. Um 8 Gärtner: Blumenkohl, Klopfer: Erdbeeren. 11. 19°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin. Bier. Feliks. 12. 23°C. Sonnig. Weronika ist erschöpft, ich gehe zu den Feliksens. 13. 22°C. Sonnig. Mikwa (+). Bier. Kaffeezeit bei den Feliksens, Kalender (-). 14. 21°C. Sonnig. Linde. Am Abend erneut Gewitter. 15. 18°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen, ich [nach] Utting, Kaffee – […]. Bier. Gewitter. 16. 17°C. Leichter Regen. Gewittrig. Frau Schumann. Feliks. 17. 14°C. Den ganzen Tag über Regenwetter. 8 Gärtner. Rechnungen. Rosi. 18. 20°C. Bewölkt. Danach sonnig. Spaziergang mit Karin. 19. 20°C. Sonnig, Regen, sonnig. 8 Gärtner (Blumenkohl, Gurken). Feliks. 20. 19°C. Die Sonne scheint blass. Spaziergang mit Weronika neu. Bier. 21. 18°C. Sonnig. Spaziergang mit Feliks (Gespräch mit Reisinger). 230

22. 11°C. Sonnig. Weronika nach Dießen, ich [nach] Utting, Kaffee, zu Fuß (+). Bier. 23. 23°C. Sonnig. Beerenwolf (Johannisbeeren, Mohrrübe). Frau Schumann. Feliks. 24. 16°C. Sonnig. Um 8 Gärtner (Äpfel). Spaziergang mit Weronika. 25. 16°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin (See). Bier. Post. Feliks. 26. 25°C. Sonnig. Um 8 Gärtner (Kartoffeln). Beerenwolf (Johannisbeeren, Radieschen). Bier, Rechnungen. Rosi. Kaffeezeit [bei] Feliksens (Antje). Gewitter (+). 27. Die Sonne scheint blass. Mikwa (+). Bier. Regen. 28. 15°C. Leichter Regen. Feliks und doppelte Pension. 29. 14°C. Regen. Weronika allein nach Dießen. Bier. 3x Streidl. 30. 15°C. Leichter Regen. Beerenwolf (Johannisbeeren). Karin 2x Streidl. Sonnig. 31. 7°C. Sonnig. Mit Weronika nach München (mit dem Auto zu IR, Sparkasse). August 1. 15°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin. Bier. 2. 19°C. Sonnig. 8 Gärtner (Kohl). Wirtsch.Rechnungen Fräulein Wittich. Spaziergang mit Weronika; Feliks. 3. 18°C. Sonnig. Bewölkt. Spaziergang mit Weronika. 4. 15°C. Bewölkt. Seife. Brief von Diehl. Feliks. 5. 14°C. Sonnig. Weronika nach Dießen, ich [nach] Utting, Kaffee. Bauer (-), zu Fuß (+-). P. 6. 12°C. Sonnig, windig. Beerenwolf (Johannisbeeren). Frau Schumann. Frau Ostern. Pension. 7. 11°C. Bewölkt. 8 Gärtner (Spargel). Frau Stiebler (Torte). Feliks. 8. 18°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin Gradliv nach dem Mittagessen. Am Abend die Unsrigen und Fräulein Wittich. 9. 14°C. Bewölkt. Bürgermeister. Feliks ins Bett (das Bein). Karin. 10. 15°C. Bewölkt. Mikwa (+-). Ich nach dem Mittagessen zu Feliks; schon besser. Regen. 11. 18°C. Sonnig, schönes Wetter. Um 4 ½ Kaffeezeit bei den Feliksens (Prometheus). Am Abend Feliks. 12. 15°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen, ich [nach] Utting, Kaffee, zu Fuß (Feliks, danach Regen). Nach dem Mittagessen habe ich Kapitel IX beendet. 13. 15°C. Bewölkt. Beerenwolf (Johannisbeeren). Frau Schumann (Hochprozentiger). 14. 15°C. Sonnig. Um 8 Frau Schumann (Hochprozentiger, Karten). 15. 15°C. Sonnig. Frau Schumann (Einzahlung). Spaziergang mit Karin. Ruhr. Klopfer hat geschlossen. 16. 13°C. Bewölkt, Schnaps – Päckchen. Gewitter. 17. 13°C. Bewölkt. Langer Spaziergang mit Weronika. Feliks. 231

18. 14°C. Sonnig. Bier. Spaziergang mit Weronika. 19. 16°C. Bewölkt. Schuss. Weronika nach Dießen. Am Abend leichter Regen. 20. 15°C. Beerenwolf (H.). Karin. 21. 15°C. Die Sonne scheint blass. Bei Gall und dem Pfarrer. Karin, Feliks. 22. 17°C. Wechselhaft. Abfahrt der Feliksens. Spaziergang mit Weronika. 23. 17°C. Sonnig. 24. 17°C. Sonnig. Bier. Mikwa (+-). 25. 17°C. Bewölkt, danach Sonne. Der Paläologe. 26. 14°C. Weronika nach Dießen, ich nach Utting, Kaffee, zu Fuß. Hitze. Bier. 27. 16°C. Wechselhaft. Beerenwolf (Reneklodes). 28. 12°C. Sonnig. Spaziergang (Hl. Nikolaus). Bier. 29. 14°C. Sonnig. Persien, Reval. Zu früh zu Bett. 30. 14°C. Bewölkt. 31. 12°C. Bewölkt. Rechnungen. Rosi. Wirtsch.Rechnungen. September 1. 12°C. Wechselhaft. Ich beende Kapitel X. 2. 8°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen, ich nach Utting, zu Fuß (+). Sonnig. Kaffeezeit. Fräulein Wittich. 3. 11°C. Sonnig. Beerenwolf (Pflaumen). 4. 9°C. Sonnig. Nach München (-). Ausstellung (Mittagessen). Hennrich. 5. 16°C. Sonnig. Gall. Frau Posch. Bier. 6. 20°C. Sonnig, 8 Gärtner (Blumenkohl). Hochprozentiger und Abendessen -. 7. 17°C. Die Sonne scheint blass. Mikwa (+). Bier 3. 8. 13°C. Bewölkt. Die Osterns kamen zurück. 9. 6°C. Sonnig. Weronika * Dießen, ich * Utting (+, Hochprozentiger -). Gärtner (Kartoffeln). Bier 4. 10. 9°C. Sonnig. Gärtner: Regenmantel. Beerenwolf (H.). Ostern jr. +. 11. 14°C. Die Sonne scheint blass. Am Abend Regen. 12. 14°C. Wechselhaft. Feuer Pfr. [Pfarrei?]. Die Hauswirtin kommt zurück. 13. 13°C. Wechselhaft. 8 Gärtner (Blumenkohl). Bier 5. Wir erfrieren. Hochprozentiger! 14. 13°C. Bewölkt. Mein Geburtstag. Korrektur aus der „Scientia“. Bier 6. Wir rauchen. 15. 10°C. Bewölkt. Feliksens kommen zurück. Marks. Feliks. 16. 5°C. Sonnig. Weronika: Diessen, ich – Utting, + Marks: Brik. Karin. Bier 7. Feliks. 17. 18°C. Sonnig. Beerenwolf (Pflaumen). Brik. Frau Schumann. Feliks + Karin. 18. – Warm, sonnig. Wir rauchen. 8 Gärtner (Spargel, B.). Antje -. 19. 10°C. Bewölkt. Bier 8. Feliks. 20. 9°C. Sonnig. 8 Gärtner (Kohl). Frau Schumann (Karten). Abends feiern wir meinen Geburtstag: Feliksens, Frau Bormann, Antje, Fräulein Wittich. 21. 12°C. Bewölkt. Mikwa (+). Sonnig. Bier. Spaziergang mit Weronika. Feliks. 232

22. 11°C. Sonnig. Feliks. 23. 9°C. Nebel. Weronika: Dießen, ich: Utting (Hochprozentiger), sonnig. Bier 10. Aus der Kanzlei. 24. 16°C. Nebel, sonnig. Beerenwolf (Pflaumen). Frau Schumann (Weinbeeren). Feliks. 25. 19°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin. Bier 11. Hitze (Wein). 26. 14°C. Die Sonne scheint blass […]. Feliks. 27. 13°C. 8 Gärtner. Nebel. Spaziergang. Feliks. 28. 13°C. Nebel. Hl. Messe. Sonnig. Bier 12. Spaziergang mit Weronika. Kaffeezeit bei Feliksens (Mozart). 29. 12°C. Nebel. Sonnig. Spaziergang. Feliks. 30. 11°C. Bewölkt. Weronika: Dießen, ich – Utting. Bier 13. Rechnungen. Rosi Absch. Oktober 1. 12°C. Wolkenbruch. Beerenwolf (Pflaumen). 2. 12°C. Leichter Nebel. Spaziergang mit Karin (intern.). Sonnig. 3. 12°C. Sonnig. Bier. Spaziergang Feliks (Wein ex). 4. 12°C. Bewölkt. 8 Gärtner (Kartoffeln). Feliks (Wein). 5. 14°C. Sonnig. Mikwa (++). Bier 2. Bei den Feliksens Musik (-). Nebel. 6. 12°C. Bewölkt. Streidl (-). 7. 11°C. Nebel. Weronika: Dießen, ich: Utting. Beerenwolf (Pflaumen). Streidl. Bier 3. 8. 15°C. Sonnig. Karin mit Dante. 9. 10°C. Bewölkt. Nach München. Mittagessen in D.K. (-). 10. 13½°C. Bewölkt. Bier 4 und Apfelsaft. 11. 14°C. Regen. 8 Gärtner (Kartoffeln). Feliks. 12. 5°C. Bewölkt. Bier 5. Feliksens: Äpfel. Abendsonne. 13. 1°C. Hagel. Sonnig. Wir rauchen. Zu Gall. Feliks. 14. -2°C. Hagel. Sonnig. Weronika: Dießen, ich: Utting. Beerenwolf (Pflaumen). Bier 6. 15. 7½°C. Regen und Wind. Am Abend: Frau Schumann. Feliks (Egert ). 16. 3°C. Sonnig. Spaziergang ohne Karin. Am Abend Karin. 17. 6°C. Sonnig. Bier 7. Spaziergang mit Weronika. Feliks. 18. 12°C. Bewölkt, windig. Feliks. 19. 10°C. Wolkenbruch. Mikwa (++). Bier 8. Kaffeezeit bei Feliks (resp. Hod.). 20. 10-12°C. Sonnig. Spaziergang (Fräulein Wittich). Feliks. 21. 10°C. Bewölkt, windig. Weronika: Dießen, ich: Beerenwolf (Pflaumen). Bier 9. 22. 6°C. Sonnig. Karin (Anthrazitkohle). Frau Schumann (Weinbeeren). Feliks (abd. […]). 23. 3°C. Bewölkt. Danach Regen. Karin. 24. 2°C. Regenwetter. Der erste Schnee. 25. 2°C. Bewölkt. Kaffeezeit bei Feliks: Hofmann (Hyperb. 3 Jahre). 233

26. 1°C. Hagel. Bier 10, Apfelsaft 2. Feliks. 27. 2°C. Es schneit. Kaffeezeit bei uns (Hofmann). 28. 1°C. Regenwetter. Weronika: Dießen, ich: über Feliks zu Frau Schumann (Hochprozentiger). 29. 2°C. Schneesturm. Zu Beerenwolf (Äpfel). Feliks. 30. -2°C. Bewölkt. Rechnungen. Feliks. November 1. +- 0°C. Die Sonne scheint blass. Weronika zu Frau Schumann (Hochprozentiger!). Um 8 Gärtner (B.). Feliks. 2. -3°C. Bewölkt. Mikwa (++). Bier 1. Feliks. 3. -1°C. Sonne. Frau Bormann. 4. -1°C. Bewölkt. Streidl (-). 5. -1°C. Bewölkt. Streidl (+). Beerenwolf (-; Äpfel). Frau Schumann (Karten). 6. -1°C. Mit Weronika und Karin nach München. Bibliothek bis 12.00. „Café Greif“; Wein -; Mittagessen auf dem Bahnhof (+). Komme mit Weronika und Karin um 6.45 zurück. 7. +1°C. Schnee und Wind. Am Abend Feliks. 8. +3°C. 8 Gärtner (Kartoffeln). Am Abend bei uns (die Unsrigen, Fräulein Wittich, her). 9. -2°C. Sonnig. Frau Bormann. Bier 2. Apotheke. Spaziergang. Am Abend Feliks. 10. -4°C. Sonnig. Lebensmittelkarten. Am Abend Feliks. 11. -1°C. Sonnig. Weronika nach Dießen. Spaziergang, schön. 12. +3°C. Bewölkt. Bezugskarten für Kleidung. Bier 3. 13. +6°C. Bewölkt. Spaziergang. Am Abend Karin. 14. +1°C. Bewölkt. Bier 4. Am Abend Feliks. 15. -3°C. Gärtner (Kartoffeln, Porree, Kohl). Sonnig. Spaziergang mit Weronika. 16. -1°C. Feliks […]. Mikwa (+). Bier 5. Apfelsaft 2. 17. +3°C. Langer Spaziergang. Feliks. 18. +3°C. Sonnig. Weronika nach Dießen, sie kommt mit einer Grippe zurück. Bier 6. 19. +3°C. Die Sonne scheint nur schwach. Weronika schwach (38, 38,5, 38,3). Russin. 20. +1½°C. Regen. Weronika bettlägerig (37,7; 37,6; 37,6 ½; 37,9). Karin. Am Abend Frau Bormann. 21. Bewölkt. Weronika bettlägerig (37 ½; 36,6; 37,6; 37,2). Fräulein Wittich. Feliks. Bier 7. 22. Sonnig. 8 Gärtner. Weronika bettlägerig (36,9; 37,1; 37,5). Feliks. 37,5. 23. +3°C. Bewölkt. Weronika bettlägerig (37,1; 36,6; 37,6; 37,1). Ich zum Mittagessen zu Feliks. Am Abend ist Weronika schlecht gelaunt. 24. +2°C. Bewölkt. Weronika bettlägerig (36,5; 36,6; 36,6). Bier 8. 25. +3°C. Bewölkt. Weronika steht auf (36,2; 36,5). 234

26. +2°C. Bewölkt. (Weronika 36,1). Weronika beim Mittagessen. Weronikas Pseudogeburtstag: die Unsrigen und Fräulein Wittich. 27. +1°C. Bewölkt. Weronika 36,9. Frau Bormann. Schnupfen. 28. +-0°C. Bewölkt. Blanka: Anschlag. Feliks (Gondorf). 29. -1½°C. Bewölkt. Im Bett (37,1; 36,8). Feliks (Pfarrer). Frau Reisinger: 38. 30. -1°C. Bewölkt. (36,8; 36,6; 36,8) Karin. Rechnungen. Dezember 1. -6°C. Bewölkt (36). Ich stehe auf. Sonnig. 2. -3°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. Ich zum Mittagessen. Feliks. 3. -3°C. Bewölkt. Bier 1. Spaziergang. Feliks. Ich schlafe schlecht. 4. +- 1½°C. Bewölkt. Weiß. Schwach. Anthrazitkohle. 5. -7°C. Bewölkt. Bier 2. Zu Frau Schumann. (i.; Osterns). 6. Sonnig. Weronika nach Weilheim (+). Ich zum Gärtner (B.). Spaziergang. Karin. 7. +1°C. Bewölkt. Hennrich (Dante!). Bier 3. Feliks ([Hl.] Nikolaus). 8. -1°C. Schneesturm. Weronikas Geburtstag, Feliks. ([Hl.] Nikolaus). 9. -1°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. Bier 4. 10. +5°C. Bewölkt. Regen. Weronika. Feliks. 11. Sonnig. Glatteis. Am Abend: Dante (Purgatorio XIII: Hennrich). 12. +6°C. Keine Rutschbahn mehr, schön. Bier 5. Weigl. 13. +3°C. Sonnig. Gärtner (B., Rosenkohl). Windig. 14. +2°C. Mikwa (++). Bier 6. Feliks (Pan T.). 15. +9°C. Sonnig. Zu Frau Schumann (j.) und auf die Post. Karin. 16. +9°C. Sonnig. Weronika: Dießen, ich: Utting (+, Ros.). Bier 7. 17. +2°C. Bewölkt. Um 9 Gärtner (Rosenkohl). Am Abend Feliks. Bayerische Staatsbibliothek

28. VII.

1. VIII.

,,

,,

5. IX.

Toutain, Les cultes pa@ens dans l’Empire romain, Bd. 3 Cumont, Les religions orientales dans le paganisme romain Chantepie de Saussaye, 16. IX. Lehrbuch der Religionsgeschichte M. H. d’Arbois de+ 11. IX. Jubainville, Introduction à l’etude de la littérature celtique G. Paris, La littérature+ 11. IX. 235

11. IX. 30. IX. 23. X.

28. X.

8. XII

française au moyen âge Hyde, Ireland +11.IX. 5.X. Dittenberger, Orient 22.X. Beurlier, Le culte impérial 19. XI. Graillot, culte de Cybèle 8. XII. Tiele Réville, rel. rom. Boissier, rel. rom. Tiele J.Kirchner, Prosopographia attica Kiessling, eng. Hepding Rückgabe 10. II. „Klio“

Bücher von Hofmann aus der Bibliothek in Heidelberg: Venantius (Miguel) Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von August bis zum Ausgang der Antonine, 4 Bd. Miguel, XXI Delahaye – 16. II. 42 Mau Rückg. 25. VII. 41 Reitzenstein, Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur Für Cosmogonia von Skarbona119 Ich Däumling Ostern Reisinger Feliks Rehm Deubner Hofmann Braun Kotarbiski Klinger Gordziejew Przychodzki Sinko Antoniewicz 119

Versandliste für Auszüge des Artikels La Cosmogonie de Strasbourg, der in der Zeitschrift „Scientia“ (Bd. XXXV, 1941) erschienen ist. 236

Tatarkiewicz Popawski Pliszczyska Wojciechowski Crusius Norden (Howald) Kuakowski Tretiak wikliski Wijk Novotny Kumaniecki Eitrem Nilsson Drerup Byvanck Alföldi Cumont Linkomies Patouillet Pettazzoni Funaioli Kowalski Sichau [?] Mahler – kam zurück Frl. Winniczukow Preisendanz Srebrny Witkowski Bertholet Dibelius Rehm (20. IV. 43) Klingner (5. VI.) Caspari Bestellt 2.I. 3.XII.

4.I.

Erhalten Termin Lafaye Hepding Graillot Toutain, I Toutain, II

„Clio“ Gsell

24.I.

Verlängerung

16.I.

10.II. 24.I. 24.I. 18.III., Verl. 24.I.

10.II. 15.II. 237

17.III. 23.III.

Rückgabe

5.V. 17.III. 27.III.

Schmidt Pettazzoni Ebers Lafaye „Rev. philol.“ Cumont. M. Behn Helbig Mon/Linc Usener Geffcken

10.II. 10.II. 24.II. 24.II. 8.III. 17.IV. 8.III. 3.IV. 3.IV.

17.III. 17.III. 28.III. 28.III.

IV

Ich

23.IV.

26.V.

5.IV. 10.IV.

Homo Reitzenstein Bihlmayer Cumont, mitt. Mau h. M. Reitzenstein

23.IV.

26.V.

29.V.

23.IV. 23.IV. 14.IV.

26.V. 26.V.

30.IV. 29.V

All[…]d

14.IV.

15.VI.

Geffcken,

14.IV.

15.VI.

Julianus

14.IV.

15.VI.

10.II.

6.II.

5.V.

10.V.

19.V. 21.V.

6.VI. 2.VII.

27.V. -

17.III. 29.V. 27.III. 27.III.

12.IV. 23.V. 12.IV. 3.V.

10.IV.

5.V. 30.IV. 17.III. 30.IV.

3.V.

5.V., 6.VI., 18.VII. 21.V., 16.VI., 18.VII., 8.IX., 12.X., 21.XI.

8.IX.

15.VI.

Julian Cumont, mitt. Reitzenstein Zwei Arten religionsgeschichtliche Forsch. Gothein Reitzenstein Poimandres. Reitzenstein Das Märchen von Amor und Psyche bei Apuleius Nilsson Geffcken 2 Boissier G. Dietrich

25.IV.

30.VI.

16.VI., 18.VII. 16.VI., 18.VII. 26.VI., 18.VII. 16.VI., 18.VII. 10.V., 6. VI.

8.VIII., 8.IX. 12.X. 21.X. 20.VII.

8.IX. 4.IX. 4.IX. 8.IX. 14.II.42

20.IX? 6.VIII.

16.VI. 16.VI. 10.VII. 238

20.VII. 20.VII. 14.VII.

6.VIII. 31.VII. 8.IX. -

8.VIII.

26.VIII. ,, 8.IX.

3.IX.

1.X.

12.X.

29.X. 1.XII. 21.XI. 1.XII.

2.XII. 10.XII.

26.XII.

24.I.42

14.II.

Naville Eucken Philostratus […] Kirch. Battifol Wolff, p.H. Steinleitner Kern, […] Rtz. Schad. „Zeitschrift für Kultur“ 1896 Rtz. Hum. Zlt. Ipod Rostowcew Wissowa 2 Foucart Carcopino Nauck Hendrick [?] Delatte The Augustan Empire XI

10.VII. 23.VIII. 23.VIII. 23.VIII. 23.VIII. 5.IX. 5.IX. 12.X.

The Imperial Peace XII

10.X.

V. Scholtz Delahaye Newman Funaioli Swoboda „Preußische Jahrbücher“ Mast. Fr. The Cambridge Ancient History X

10.X. 22.X. 22.X. 10.X. 10.XI. 10.XII.

Gauckler Bidez Cambr. V Immermann Büchner Dieter M. Peek Varsovie Miguel XXI Lehner Cichorius Vergilius von Not. Roussel

15.IX. 26.X. 22.IX. 22.IX. 22.IX. 10.X.

12.XII.

12.XII. 12.XII. 12.XII. 12.XII. 15.I. 239

14.VII. 24.IX. 24.IX. 24.IX. 24.IX. 12.X.

22.X.

21.XI. 12.X. 12.X. 20.X. 20.X. 26.X. 26.X. 26.X. 15.XI. 15.XI.

15.XI. 26.XI. 26.XI. 26.XI. 12.XII. 7.I. 18.I.

18.I. 18.I. 18.I. 18.I. 20.II. 20.II. 20.II. 20.II. -

23.I. -

14.II.

7.III. 7.III. -

9.X. 9.X. 26.XI. 22.X. 22.X. 8.I.42 9.X. 26.XI. 22.X. 26.XI. 29.XI. 29.XI. 7. III. 1942 29.XI. 26.XI. 29.XI. 14.II.42 7.III.42 7.III.42 8.I.42 14.II.42 25.I.42 11.IV. 11.IV. 7.III. 7.III. 27.III.

25.I. 27.III. -

7.III.

28.IV.

Oxyrhynchus Papyri XI Augustinus, De civitate Die Codex

15.I. 15.I. 15.I. -

28.III.

Theodosian Jordan Duchesne …

18.III. 8.V.

6.II. Norden, Aus altrömischen 26.II. Priesterbüchern

1.VI.

Norden, E.V. Nauck Dibelius Rom für M. Harnack, M.

11.VI.

1.VII. 30.VII. 15.VIII. 11.IX. 1.X.

24.X. 5.XII.

10.XII. 6.XII.

Denifle „Rev. d. Ph.“ IV. Wendland Renan II, III, IV Neumann Duchesne Gsell Boyesen Apost. Väter, II Harnack, Dogmengeschichte Weizsäcker Benrath Rösch Lehner Lohmeyer Boyesen Soltau Usener, Weihnachtsfest Renan V, VI, VII Patrum Apostolicorum Akad. Wien Kenyon „Rev. bibl.“

28.III. 28.III.

15.III.

15.III. 15.IV. 15.IV. 15.IV. 15.IV. 20.V. 20.V. 20.V. 20.V. 10.VI. 10.VI. 10.VI. 25.VI. 25.VI. 25.VI. 25.VI. 25.VI. 12.VII. 12.VII. -

240

17.IV. 15.V. 15.V. 15.V. 15.V. 21.VI. 21.VI. 21.VI. 21.VI. 10.VII. 10.VII.

10.VII. 28.VII. 28.VII. 28.VII. 28.VII. 28.VII. 10.VIII. 10.VIII. 23.IX. 23.IX. 25.XI. 25.XI. 25.XI. 3.XII. 3.XII. 11.I. 11.I. 11.I.

11.IV. 11.IV. 27.V. 27.V.

1.VI., 1.VII.,30 . VII., 2.X. 22. XI. Siehe 1943 1.VI.22.XII. 22.XII. 22.XII.

22.XII.

22.XII. 2.X. 2.X.

22.XII. 2.X. 22.XII.

2.X. 22.XI. 10.XII. 10.XII.

11.III. 11.III. 22.XII

11.III. 11.III.

11.V. 27.V. Siehe 1943 13.VII. Siehe 1943 Siehe 1943 13.VII. 11.IX. Siehe 1943

Siehe 1943 16.XI. 16.XI. 13.VII. 11.IX. Siehe 1943 16.XI 16.I. 16.XI. ? ? ?

Renan, Les Evangiles

3.XII.

1943 5.I.

8.I.

Lucius Ellinger Koch Acta conciliorum oecumenicorum Pfleiderer Ur. Knopf Tischendorf Gersdorf Lagarde Thilo, I Hofmann Ettmüller, Apokryph. Hennecke, Handbuch zu den Neutestamentlichen Apokryphen

24.VIII. 24.VIII. 24.X. 24.X. 24.X. 3.XI. 3.XI. 12.XII. 12.XII. 12.XII. 19.XII. 19.XII.

18.I.

15.I.

8.II.

8.II.

„Rev. phil. theol.“

25.I.

11.III.

-

8.I.

8.I. 25.I.

II.44 10.III. 16.I. II.44 16.I. III.44 III.44

27.II 27.II.

K. Müller […] Harnack, Dogmengeschichte, III

Duchesne, III Knopf, Ausgewählte Märtyrerakten Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums ... Duchesne I, II Wendland Neumann Harnack, Dogmengeschichte, I-III Weizsäcker Usener, Weihnachtsfest Weizsäcker, Das Neue Testament, 3 Otto, Corpus Apologetarum Christianorum Hennecke,

18.I.

15.I. 11.III. 11.III. 11.III. 11.III. 11.III. 11.III. 11.IIII.

10.III. III.44 II.44

27.II. 10.III. III.44 II.44 II.44 III.44 II.44 II.44

III.44 10.III. 25.I. 18.II. 18.II. III.44 18.II.

241

Neutestamentliche Apokryphen

1941 29.I. Von Feliks 90 RM 19.II. 24.II. 12.III. 29.III. 2.IV.

4.IV. 26.IV. 7.V. 21.V. 11.VI. 26.VI. 6.VII. 31.X.

Aus meinem Herzen (1000+1000) Zurück in mein Herz (1700+1000) Aus meinem Herzen (1600+1000) Zurück in mein Herz Aus meinem Herzen Nochmals aus meinem Herzen (1550+1000) Zurück in mein Herz (1650+1000) Aus meinem Herzen (1600+1000) Zurück in mein Herz (1650+1000) Aus meinem Herzen (1600+1000) Zurück in mein Herz (1650+1000) Aus meinem Herzen (1550+1000) Zurück in mein Herz (1650+1000) Aus meinem Herzen (1550+1000)

100 100 100 100 100 50

100 50 50 50 50 100 100 100

1942 13.III. 31.III. 22.VI. 9.VII. 27.VII.

Zurück in mein Herz (1650+1000) Aus meinem Herzen (1550+1000) In mein Herz (1650+1000) In mein Herz (1700+1000) In mein Herz (1800+1000) 242

100 100 100 50 100

1943 16.I. 18.VI. 4.VIII. 6.X.

Aus meinem Herzen (1700+1000) Aus meinem Herzen (1600+1000) In mein Herz (1700+1000) Aus meinem Herzen (1600+100)

100 100 100 100

Aus Prof. Osterns Bibliothek entliehene Bücher 30.X.1941 Martialis ed. Gilbert Apuleius Caesar ed. Nipperdey Tacitus ed. Halm-Andresen, 2 Bd. Nestle, Griechische Religiosität vom Zeitalter des Perikles bis auf Aristoteles, III Altheim, Römische Religionsgeschichte, III Wissowa, Religion und Kultus der Römer Frankf. Studien.: Koch Domaszewski, Die Religion des römischen Heeres. Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie Vergil Petronius Statius Cicero, 1 Bd. Macrobius, 2 Bd. Chronica Minora Ammianus Marcellinus Plato, Bd. 4 Ovid, Bd. I u. II Diodoros ed. Vogel, Bd. II Catullus – Tibullus – Propertius Scriptores Historiae Augustae Scheffel, Bd. III-IV Grillparzer, Bd. IV Dom. Die Religion der Griechen E. Rohde Paris, Augustin, De civitate Dei, II Cicero, Orationes, II [weiter Tagebuch Dezember 1941] 243

18. + ½°C. Bewölkt. 19. – ½°C. Bewölkt. Ich zum Abendessen zu Feliks, Dante (XIII; ich). 20. +-0°C. Bewölkt. Bier 8. Sonnig. Marks ausgezahlt. 21. -4°C. Sonnig. Ich habe Feliks durchgetippt. Am Abend Feliks. 22. -2°C. Bewölkt. Derna. Am Abend Karin. 23. +1°C. Bewölkt. 8 Gärtner (Sellerie). Sonnig, Spaziergang. Feliks. 24. +2°C. Bewölkt. Windig. Bescherung bei den Feliksens. 25. +4°C. Bewölkt. Windig. Mittagessen bei Kloper bestellt. Am Abend die Feliksens. 26. -5°C. Schneesturm. Bier 9. 27. Hurrikan. Zum Mittagessen schwer. Weronika zu Frau Schumann, leichter. Feliks. 28. Frost. Sonnig. Mikwa (+-). Bier 10. 29. Beißender Frost. Thermometer. Ich zu Frau Schumann (i. -). Feliks. 30. -4°C. Bewölkt. Agedabia. Bier 11. Am Abend Karin. 31. -1½°C. Bewölkt. Weronika zu Frau Schumann. Am Abend Feliks. Rechnungen. 1942 Januar 1. +1°C. Bewölkt, still. Kaffeezeit bei den Feliksens. 2. +1°C. Sonnig, schön. Spaziergang. Am Abend Feliks. 3. +-0°C. Bewölkt. Spaziergang. Am Abend bei Fräulein Wittich mit den Feliksens und Reisinger. 4. -5°C. Sonnig, Bier 1, Spaziergang mit Weronika. Fräulein Wittich. 5. +3½°C. Bewölkt. 6. Tauwetter. Weronika nach Dießen. Bier 2. Streit mit dem Maler. 7. Tauwetter. Bewölkt. Hühnersuppe. 8. -5°C. Bewölkt. Ich gehe auf die Post und zu Plängs. Karin mit Dante. 9. -11°C. Sonnig. Bier 3. Spaziergang. Feliks. 10. -12°C. Bewölkt. Feliks. Karin mit Dante. 11. -8°C. Bewölkt. Mikwa (-). Bier 4. Kaffee. 12. -9°C. Bewölkt. Am Abend Feliks. 13. -7°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. Bier 5. Sonnig. Spaziergang. 14. -14°C. Bewölkt. Danach Sonne. Ich zu Frau Schumann. Feliks. 15. -9°C. Sonnig. Das Wasser ist gefroren. Spaziergang. Dante und Rückkehr -. 16. -11°C. Bier 6. Sonnig. Am Abend freie Schönheit. 17. -13°C. Sonnig. Fräulein Wittich. Am Abend Feliks. 18. -17°C. Sonnig. Feliks. Wieder ist das Wasser gefroren. Bier 7. 19. -12°C. Sollum. Sonnig. – Schönheit. 20. -16°C. Weronika: Dießen. Bier 8. Frau Bormann. Die Feliksens sind krank. 21. -18°C. Mein charmanter Esprit. Zu Frau Schumann und den Feliksens. 22. Unter -20°C. Sonnig. Witz. Weronika zu Feliks. 244

23. Unter -20°C. Sonnig. 24. -19°C. Schnee. Bier 9. Esprit. Am Abend Feliks. 25. +4°C. Windig. Esprit. Feliks. 26. +-0°C. Sonnig. Leichter Wind, viel Schnee. Esprit. 27. -14°C. Sonnig. Weronika nach Dießen. Bier 10. Esprit. Feliks. Weronika um ½ h verspätet. 28. -1°C. Windig. Karin. Ich zu Frau Schumann, zur Apotheke und zu Weigl. 29. -1°C. Schnee. Sonnig. Abendessen mit Feliks (+). Dante, Karin +. Rückkehr Bü. 30. -4°C. Schnee. Bier 11. Esprit. 31. -5°C. Schnee. Rechnungen. Feliks. Weronika 37,4. Esprit. Februar 1. -5°C. Die Sonne scheint blass. Weronika 37,5. Bier 1. Weronika 38,1; 38,9; 38,1; 37. Kaffeezeit: ich bei den Feliksens. Konzert (die Vierte von Beethoven). Rückkehr -. 2. Bewölkt. Weronika 36,9, sie steht auf. Frau Bormann. Ich: Frau Schumann. Weronika steht auf. 3. -7°C. Weronika: Dießen. Bier 2. Sonnig. Spaziergang. Weronika. Feliks: Karin mit Frau Bormann zur Tante. 4. -7°C. Schnee. Weronika hustet. Post. Feliks (Schreibmaschinchen). 5. +2°C. Schnee. Am Abend zu Dante mit Feliks, dunkel. 6. -3°C. Bewölkt. Bier 3. 7. -6°C. Bewölkt. Danach sonnig. Spaziergang mit Weronika. Fräulein Wittich. Feliks. 8. -7°C. Bewölkt. Bier 4. Feliks – Karin kehrt zurück. 9. -9°C. Bewölkt. Weronika hustet. Karin. Weronika 36,4. 10. -7°C. Weronika: Dießen. Bier 5. Feliks: der junge Hennrich ist tot. 11. -12°C. Schneesturm. Um 12 wird es weniger. Um 4 ruhig. Feliks. 12. -17°C. Sonnig. Frau Bormann. Spaziergang; schön. (Mehr -5°C). 13. +-0°C. Windig. Bier 6. 14. -2°C. Windig und Schnee. Sonnig. Am Abend: mein Vergil. Feliks + Karin. 15. -4°C. Schnee. Bier 7. Am Abend: Feliks über seine Vorlesung. 16. -7°C. Gerbertshammer. Weronika. Antje. 17. -6°C. Sonnig. Um 8 ½ Gärtner. Bier 8. Spaziergang. Feliks. Weronika mit Frau Bormann um 8.50. 18. -5°C. Bewölkt. Danach sonnig. Ich zu Frau Schumann. Reisinger. Feliks. 19. -5°C. Bewölkt. 20. -7°C. Schnee. Danach sonnig. Bier 9. Spaziergang. Feliks (Ph. Wft). 21. -7°C. Sonnig. Bewölkt. Danach sonnig. 22. -12°C. Sonnig. Bier 10. Kaffeezeit bei den Feliksens (Schumanns IV.). 23. -5°C. Bewölkt. 24. +-0°C. Bewölkt. Weronika: Dießen. Bier 11. Herbstmantel. Spaziergang. Feliks. 245

25. -1°C. Bewölkt. Ich zu Frau Schumann (Hochprozentiger). Karin. 26. +-0°C. Bewölkt. Mein Abendessen bei den Feliksens, Dante, XVIII (Ostern). 27. +1°C. Bewölkt. Bier 12. Frau Bormann. In der Nacht schneit es. 28. +2°C. Weiß, bewölkt. Rechnungen. Feliks. März 1. +-0°C. Bewölkt. Bier 1. Am Abend: Feliks. 2. +1°C. Bewölkt. Ich zu Frau Schumann (Hochprozentiger). 3. +1°C. Bewölkt. Weronika nach Dießen. Bier 2. Sonnig. 4. -4°C. Sonnig. Missverständnis mit der Mikwa. Mikwa! (+ p.). Feliks. 5. +6½°C. Windig. Abendessen bei den Feliksens. Dante (Off. -). Rückweg (-). 6. +4°C. Bewölkt. Bier 3, Fisch. 7. +3°C. Bewölkt. Weronika. Feliks: die Angelegenheit Pfr. S.R. 8. +-0°C. Bewölkt, Schnee. Bier 4. Sonnig. Am Abend Feliks. 9. +1°C. Sonnig, schön, Spaziergang. 10. -3°C. Bewölkt. Weronika: Dießen. Bier 5. Um 3 -+10°. Feliks. Deckel. 11. -3°C. Bewölkt. Karin, Schreibmaschinchen, es schneit […]. VI Dante. 12. +3°C Bewölkt. Abendessen bei den Feliksens; Dante (Hennrich). 13. -3°C. Bewölkt. Bier 6. Sonnig. Geld (alte 50). 14. Leichter Frost, sonnig. Sparkasse (alte 50). Spaziergang mit Weronika. Feliks. 15. +4°C. Sonne. Etwas zu wenig, Hagel. Bier 7. Bei den Feliksens (Schumann). 16. +6°C. Bewölkt. Hundsessen zu Mittag. Apotheke (Wein). 17. +-0°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Bier 8. Um 3 -+18°C. Feliks. 18. +9°C. Bewölkt. Zu Frau Schumann. Feliks (Assunta). 19. +8°C. Bewölkt. Spaziergang. Abendessen bei Feliks: Dante (Purgatorio, XXI: ich). 20. +6°C. Bewölkt. Karin verabsch. Bier 9. Spaziergang. 21. +4°C. Sonnig. Gärtner (-). Hundsessen zu Mittag. Spaziergang. Feliks. 22. +1°C. Bewölkt. Mikwa. Mittagessen (+; Bier 10, Kaffee), saftg. 23. +2°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika zum Anleger. 24. +1°C. Bewölkt. Weronika: Dießen, ich zum Bahnhof. Bier 11. Sonnig. Feliks: brgt. R. 25. Raureif. Sonnig. Spaziergang. Feliks. Zu Frau Schumann (Gefll.). 26. Raureif. +5°C. Sonnig. Spaziergang nach Badestag. Feliks. 27. +11°C. Sonnig. Bier 12. Ohne Überbekleidung. Spaziergang. Streidl. 28. +10°C. Bewölkt. Gärtner (Kartoffeln). Marks (die Alte). Feliks. 29. +1°C. Bewölkt. Bier 13, zu Klopfer. Feliks. 30. +6°C. Spaziergang. Zu Frau Schumann. Feliks. 31. +5°C. Bewölkt. Weronika: Dießen. Sonnig. Bier 14. Treffen. Rechnungen.

246

April 1. +10°C. Bewölkt. Es regnet Sturzbäche. Feliks (Vergil). 2. +6°C. Bewölkt. Feliks (Vergil). 3. +6°C. Sonnig. Klopfer (Fisch). Spaziergang. Karin kommt an. 4. +5°C. Unwetter. Bier 1. Gärtner (B.). 5. +9°C. Mittagessen bei den Feliksens (Achilles). Engels, Hennrich. 6. +10°C. Wechselhaft. Klopfer +. Spaziergang. Sonnig. 7. +8°C. Sonnig. Bier 2. Spaziergang. Apotheke. Um 5 die Feliksens mit Frau Bormann. 8. +9°C. Bewölkt. Weronika: Dießen, ich: Utting (+-). Caspari (sp.). Feliks. Attacke. 9. +11°C. Sonnig. Karin. Fräulein Wittich. Streidl (Verlegenheit). 10. +9°C. Hurrikan, sonnig. Nach München. Frau Bormann . 11. +10°C. Sonnig. Gärtner (Ampfer). Streidl. Feliks. Windig. 12. +5°C. Sonnig. Mikwa (+). Frau Bormann. (Feliks und Karin sind krank). Bier 3. Kaffee. 13. +9°C. Sonnig. Frau Bormann (Feliks und Karin geht es besser). Feliks. 14. +2°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Bier 4. Spaziergang. Weronika. 15. +5°C. Sonnig. Kaffeezeit bei den Feliksens (Schumanns I.). Post. 16. +10°C. Wechselhaft. Seit dem Morgen Warten auf die Pension. 17. +6°C. Sonnig. Warten. Bier 5. Karin mit Dante. Purgatorio, XXIV. 18. +10½°C. Sonnig. Warten (+). Spaziergang. Post. Feliks. 19. +9°C. Bewölkt. Am Abend Karin mit D. Bier 6. Fräulein Bormanns Gesang. 20. +13°C. Sonnig. Am Abend Feliks. Es regnet und kühlt ab. 21. +7°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Regen. Wechselhaft. Feliks (Froster). 22. +9°C. Bewölkt. Bier 7. Gewitter. Weronika 37,2; 37,6; 37,4. 23. 9°C. Bewölkt. Weronika ist gesund (36; 37,2; kehrt zurück (-), 37,6, 37,1). Dante (Feliks). 24. +13°C. Sehr bewölkt, sonnig. Weronika ist gesund (36,1). Ich beende den „Inhalt“. 25. 8°C. Bewölkt. Weronika 36,2. Frau Schifful ist tot. Gärtner. 26. 7°C. Bewölkt. Mikwa (+). Bier 8. Kaffee. 27. 10°C. Bewölkt. Gärtner (Blumen). Frau Schiffuls Beerdigung. Arzt (mit Weronika). Feliks. 28. 3°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Bier 9 (-). Bewölkt. Es kühlt ab (Attacke). 29. 2°C. Windig, bewölkt. Karin (ich gebe Expl. 2 ab). 30. 4°C. Windig, bewölkt. Gärtner (Salat). Abendessen bei den Feliksens. Karin: Dante XXIX. Mai 1. 4°C. Wechselhaft. Schnee. Ich zu Frau Schumann. In der Nacht 2 Attacken. 2. 3°C. Schnee. Zuhause Feliks mit Dante. In der Nacht Träume. 3. 3°C. Bewölkt. Der Schnee bleibt liegen. Bier 1 (+). Feliks. 247

4. 5°C. Bewölkt. Karin. 5. 6°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Bier 2. Spaziergang. 6. 12°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika, wunderb. Am Abend Feliks. 7. 16°C. Sonnig. 8 Gärtner. Abendessen bei den Feliksens. Meine Vorlesung. 8. 19°C. Sonne blass. Lampe in der Dämmerung. 9. 13°C. Sonnig. 8 Gärtner (-), dort Fräulein Wittich. Feliks. Spaziergang mit Weronika. 10. 14°C. Sonnig. Mikwa (+). Bier 3, Kaffee 1. Kaffeezeit bei Feliksens (Frau Bormann). 11. 12°C. Bewölkt. Feliks: Spargel (meine [...]). Der gelbe Kanarienvogel . 12. 8 ½°. Sonnig. Um 8 Gärtner (Spargel). Weronika: Dießen. Bier 4. Regen. 13. 11°C. Bewölkt. 14. 11°C. Bewölkt. Abendessen bei Feliksens (Gewitter). Dante (Ostern, XXIV). 15. 11°C. Bewölkt. Kühle Zofia. 16. 12°C. Sonnig. 8 Gärtner (Wassermelone, Blumenkohl). Feliks 17. 14°C. Bewölkt, wechselhaft. Ich beginne mit Band VI. Feliks. (Traum) 18. 14°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Karin. 19. 17°C. Bewölkt. Um 8 Gärtner (Blumenkohl). Weronika: Dießen. Beerenwolf (-). Bier 5. 20. 14°C. Sonnig. Ich zu Frau Schumann. Feliks. 21. 19°C. Sonnig, Wind. Zu Beerenwolf (+), die Alte. Weronika bei Feliks, Dante (Hennrich, XXV). 22. 12°C. Sonnig, Wind. 23. 12°C. Sonne scheint blass. 8 Gärtner (Spargel). Spaziergang mit Weronika (Apotheke). die Unsrigen (mit Weronika und Frau Bormann). 24. 11°C. Bewölkt, Wind. Mikwa (-). Mittagessen (Rosenkohl). 25. 13°C. Sonnig. Waage (75 ½; 52 ½). Spaziergang mit Weronika. Bier 6. Kaffee 2. Feliks. 26. 17°C. Sonnig. Ich zu Frau Schumann. Marks. Feliks (Tante). 27. 19°C. Sonnig. Weronika: Diessen. Spaziergang mit Weronika. Feliks. 28. 16°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika (Hitze). Weronika holte die Tante. Gewitter. Dante. 29. 20°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Es kühlt ab. Weronika holt die Tante (-). 30. 12°C. Sonnig. Gärtner (Spargel). Abends bei Feliks (Tante). Dante (Fräulein Off). 31. 14°C. Hennrich. Kaffeezeit bei Feliks (Schubert III). Rechnungen. Juni 1. 8°C. Starker Wind. Bei Klopfer (Benzin). Meine Karte, Gemüse. Feliks. 2. 10°C. Sonnig. Weronika: Dießen. 8 Gärtner (Spargel). 3. 11°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Um 4 zu Frau Schumann. In der Nacht Attacke. 248

4. 14°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin. Abends bei Feliks. Dante (XXVII, die Henne). 5. 16°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. In der Nacht um 6 kleine Attacke. 6. 18°C. Sonnig. 8 Gärtner (Kartoffeln). Spaziergang mit Weronika. Feliks. 7. 19°C. Sonnig. Mikwa (-). Bier 1, Kaffee. Spaziergang mit Weronika (Hitze). 8. 19°C. Sonnig. Meine Pension (Mai?). Spaziergang zu Frau Schumann (-). Feliks. 9. 16°C. Sonne scheint blass. 7 Gärtner (+ Rettich, Blumenkohl). Weronika: Dießen. Spaziergang. Nacht (- um 3 Attacke). 10. 17°C. Sonne scheint blass. Spaziergang mit Karin (Arzt). Feliks. Dante. Feliks. 11. 17°C. Sonne scheint blass. Die Henne. Spaziergang. Bei Feliks Abendessen. (Karin: Dante). 12. 17°C. Sonne. Mittagessen und ganzer Tag zu Hause. Regen. 13. 11°C. Sonne scheint blass. Um 11 Karin mit Dante. Abends Feliks (Ella M.). 14. 14°C. Sonnig. Mein Spaziergang. Abends Feliksens – Ella M. 15. 11°C. Regen. Apotheke. Polizeirevier. 16. 10°C. Weronika: Dießen. Um 7 Gärtner (Spargel). Regen. Apotheke (Pillen). (Um 1 – Weronika Attacke, ich auch). 17. 13°C. Wechselhaft. Karin. Abends Attacken: Weronika und ich. 18. Abendessen bei Feliks. Dante (XXIV Karin). Bier 2. 19. 16°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin (Gespräch). Mittagessen zu Hause. 20. 14°C. Sonnig. 8 ½ Gärtner (Frau Schenk). Nach dem Abendessen Feliks (geheim), Attacke. 21. 13°C. Sonnig. Mikwa (+ es dampft). Kaffee 2. 22. 14°C. Sonnig. Spaziergang. Weronika bei Fräulein Wittich. Karin. Apotheke. 23. 10°C. Sonnig. Um 7 Gärtner (+ Blumenkohl). Spaziergang. In der Nacht um 3 ½ Attacke. 24. 10°C. Sonnig. Zu Beerenwolf. Feliks. Bier 3. 25. 16°C. Sonnig. Karin. Um 8 ½ Dante (XXX, ich). Bier 4. 26. 12°C. Mittagessen und ganzer Tag zu Hause. 27. 8°C. Sonnig. Um 7 Gärtner (-). Feliks (Motte +). 28. 12°C. Bewölkt. 29. 14°C. Sonne scheint blass. Unser Spaziergang. Ich: Frau Schumann, Feliks. 30. 16°C. Sonnig. Um 7 Gärtner (Blumenkohl, Süßkirschen +). Bootsfahrt (+). Bier 4. Juli 1. 17°C. Sonnig. Weronika zu Frau Schumann (Erdbeeren, Radieschen). Karin und Gewitter. 2. 18°C. Sonnig. Feliks: wie im Traum. Dante verschoben. 3. 18°C. Bewölkt. Karin nach München. 4. 18°C. Sonnig. Karins Rückkehr. Weronika bei Feliks. Dante (XXXI, Ostern -) Rückkehr +. 249

5. 16°C. Sonnig. Bier 2, Kaffee 1. Mikwa (-). Pillen. 6. 20°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Ich: Frau Schumann (+). Feliks. Pillen. 7. 17°C. Bewölkt. Bootsfahrt Rieden–Stiftskirche St. Maria–Schondorf. Pillen. Um 12 mittlere Attacke. 8. 14°C. Bewölkt. Zu Beerenwolf (weiße Johannisbeeren). Karin - . 9. Sonnig. Karin. Spaziergang mit Weronika. Abends bei Feliks Dante (XXXII, die Henne). 10. 20°C. Sonnig. Zu Beerenwolf (schw. Johannisbeeren; Himbeeren). Um 1 in der Nacht Attacke. 11. 15°C. Bewölkt. Um 7 Weronika: Gärtner (Blumenkohl). Feliksens, mein Vortrag. 12. 12°C. Wind. 13. 13°C. Sonnig. Wind. Feliks. 14. 12°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Um 7 Gärtner (Blumenkohl). Ich habe Kapitel I beendet. 15. 12°C. Bewölkt. Bei Beerenwolf Karin, Johannisbeeren. 16. 10°C. Wechselhaft. Feliks. Dante verschoben. 17. 16°C. Wechselhaft. her. Beerenwolf, Johannisbeeren. 18. 11°C. Bewölkt. Um 7 Gärtner (Gr.B.). Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Feliks. 19. 12°C. Bewölkt. Mikwa. Bier, Kaffee. Blondinger. 20. 12°C. Bewölkt. Zu Frau Schumann. Marks. Abends bei Feliks Dante XXXIII (Hennrich, neuer Abfüh. Feliks und her). 21. 12°C. Bewölkt. Ich beginne Kapitel II. Weronika: Dießen. 22. 14°C. Sonnig. Mit Karin zu Beerenwolf (Johannisbeeren). Feliks. 23. 16°C. Regen. Abends Karin, mein Vortrag. 5 Minuten Attacke. 24. 14°C. Bewölkt. Zu Beerenwolf. Bei Fräulein Wittich (her). 25. 14°c. Sonnig. Gärtner (Tomaten). Spaziergang mit Weronika (wunderv.). Bei Börner. 26. 20°C. Sonne. Spaziergang mit Weronika. Feliks. In der Nacht Durchfall. 27. 16°C. Kein Mittagessen. Abschied der Feliksens. 28. 16°C. Weronika: Temperatur 37,3. Weronika: Dießen. Um 11 ½: 36,9. Abfahrt der Feliksens. 29. 13°C. Wind. Weronika zu Frau Schumann. Abends Fräulein Wittich und her bei uns. Um 1 mittlere Attacke. 30. 16°C. Sonnig. Post. Zu den Hennen der Adresse wegen (+). Streidl. 31. 12°C. Mit den Augen geht es besser. Zu Beerenwolf. Mittagessen zu Hause. August 1. 10°C. Sonnig. Zum Gärtner mit Weronika (Blumenkohl). Zu Frau Schumann (Fisch). Mittlere Attacke. 2. 17°C. Sonnig. Mikwa (+). Klopfer voll; Bier 1. 3. 17°C. Bewölkt, bei Klopfer. Günther. Gewitter. 4. 13°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Gärtner (Blumenkohl, Tomaten). 250

5. 14°C. Bewölkt. Abends Frau Bormann. Weronika: Frau Schumann (Äpfel). 6. 12°C. Bewölkt. Zu Beerenwolf (1 Pfund Johannisbeeren). 7. 12°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. Spaziergang, Apotheke (-). 8. 11°C. Sonnig. Spaziergang zu Frau Schumann (-). In Begleitung von Fräulein Off. 9. 13°C. Sonnig. Langer Spaziergang mit Weronika. Rückkehr der Feliksens. 10. 15°C. Bewölkt. Feliks. Abends Karin. 11. 10°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Der Gärtner (r.t.) Karin Spaziergang (theol.). Hurw. Um 2.5 in der Nacht Aura. 12. 17°C. Sonne scheint blass. Karin (Gärtner). Beerenwolf […]. 13. 13°C. Sonnig, danach Regen. Feliks (Morgenmantel). 14. 13°C. Bewölkt. Mittagessen zu Hause. Weronika: Frau Schumann (Äpfel). 15. 13°C. Sonne scheint blass. Streidl. Karin. 16. 13°C. Nebel, sonnig. Mikwa (+-). Feliks (Abschied). 17. 13°C, sonnig. Abfahrt der Feliksens. Spaziergang mit Weronika. Frau Bormann. 18. 15°C. Sonnig. Gärtner (Rettich). Weronika: Dießen. Spaziergang. 19. 17°C. Sonnig. Ich beende Kapitel II. Streidl. Spaziergang mit Weronika. Um 4½ [in der] Nacht Attacke. 20. Sonnig. Mit Weronika nach München. Illig. Bibliothek (+-). Mittagessen auf dem Bahnhof (-). Gewitter. 21. 17°C. Bewölkt. Mittagessen bei Klopfer. 22. 15°C. Bewölkt, danach sonnig. Elisabeth hat Urlaub. 23. 16°C. Sonne scheint blass. Am Abend bei Frau Bormann. In der Nacht Gewitter. 24. 15°C. Bewölkt. Bei Klopfer Engels. Spaziergang mit Weronika. Ich zu Frau Schumann. 25. 16°C. Bewölkt. 2x Gärtner (Kartoffeln). Weronika: Dießen. Bei Klopfer Beerenwolf. 26. 16°C. Nebel. Sonne. Spaziergang mit Weronika. 27. 16°C. Sonnig. Fräulein Ostern. Rückkehr […]. 28. 16°C. Sonnig. Mit Fräulein Ostern zu Beerenwolf (RM).

Verlagsgesellschaft für die Zeit vom 2. V. 40 – 28. IV. 41 - 617,41 “ “ “ “ vom 29. IV. 41 – 1. XI. 41: 34 Historia kultury antycznej [Geschichte der antiken Kultur], Bd. I à 4 - 10% - 13,60 7 klechdy antyczne [Antike Legenden] III à 3,50 -10% - 2,45 7“ “ IV à 3,20 -10% - 2,24 44 Religia staroytnej Grecji [Die Religion des antiken Griechenland] à 4 10% - 17,60 44 “ “ staroytnego Rzymu [des antiken Rom] à 7,50 -10% - 33, – 76 Rzeczpospolita Rzymska [Römische Republik] à 18 -10% - 136,80 251

Cesarstwo Rzymskie [Römisches Kaiserreich] Dispositionsliste am 29 IV 41 Verkauft 80 à 20 -10% Im Verlagsbestand verblieben Zusammen

- 1287 - 160 1207 365,69

29. 16°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika (Hitze). In der Nacht 20-minütige Attacke. 30. 17°C. Sonnig. Mikwa (-). Weronika zu Fräulein Wittich. 31. 17°C. Wind. Abends um 9 treffen wir die Feliksens […]. September 1. 19° C. Sonnig. Weronika: Dießen. Ich mit dem Gärtner (Blumenkohl, Spargel); Karin, Feliks. 2. 15°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika. Bei Frau Schumann. Karin. Feliks. Keine Aura. Dante. 3. 15°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Mit Feliks zum Bahnhof 2x Eis, Aura. 4. 15°C. Sonnig. Mit Karin Bootfahren. Beerenwolf krank. Waage. 5. 16°C. Sonnig. Fräulein Wittich. Kaffeezeit bei Fräulein Wittich. 6. 16°C. Sonnig. 2x Eis. Kaffeezeit bei den Feliksens. Mein Vortrag (auf Latein). 7. 8. Sonnig. Weronika: Dießen. Gärtner (Kartoffeln, Blumenkohl, Spargel). 9. Sonnig. Weronika geht es schlecht (die Atmung). Morgen nach München. Am Abend geht es Weronika besser. 10. 12°C. Sonnig. Weronika geht es schlechter, München wird abgesagt. Dr. Weber. Dante. 11. 16°C. Nebel. Durchfall. Karin. 12. Sonnig. Krankenschwester. Weronika geht es schlecht. Neues Zimmer. 2x Fisch. Bier 1. Die Feliksens. Aura. 13. Sonnig. Weronika hat gut geschlafen, schwach. Karin. Bier 2. Bürokraft. 14. Sonnig. Weronika hat gut geschlafen, schwach. Es sind da: Karin, Feliks, Kazimiera.120 15. Ebenfalls: Krankenschwester, Karin, Frau Ostern. Ich: Feliks. 16. 18°C. Bewölkt. Krankenschwester. Tischler. Apotheke. Fräulein Wittich. 17. Sonnig. Krankenschwester, Fräulein Wittich. Karin. Eis. Weronika zieht um. Dante (-). Antje. 18. Sonnig. 18°C. Karin, Engels. Bei Beerenwolf (Pflaumen). Nachts Aura. 19. Sonnig. Gärtner (20 Pfund Kartoffeln). Karin. Weronika geht es besser. Nachts Luftangriff. 20. 10°C. Sonnig. Mikwa (+). Bier 3. Kazia.121 Feliks. Aura. 120 121

Kazimiera = weibliche Form von Kazimierz (Kasimir) [Anm. d. Ü.] Kazia = Koseform von Kazimiera [Anm. d. Ü.] 252

21. Sonnig. S. letzt. Weronika malt. Feliks: Dante. Aura. 22. 10°C. Bewölkt. Karin. Fräulein Wittich. 1-te. Die Rabsens. Nacht +. 23. 9°C. Sonnig. Zu Beerenwolf (Pflaumen). Nacht +. 24. 15°C. Bewölkt. Mit Weronika zu Klopfer. Abends Dante (ich). Aura 10min. 25. 13°C. Bewölkt. Misér.122! Nacht +. 26. 11°C. Wechselhaft. Gärtner (Kartoffeln). Mein Geburtstag (die Unsrigen, Fräulein Wittich). Nacht +. 27. 12°C. Bewölkt. Nacht +. 28. 6°C. Sonnig. Ich zu Frau Schumann (Ostern). Tisch. Nacht +. 29. 8°C. Sonnig. Mit Weronika in den Garten. A. (Morgenmantel). Marks. Nacht +. 30. 6°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin. Haushlt.Rechnungen. Nacht +. Oktober 1. 13°C. Sonnig. Streidl. Hitze. Dante (die Henne -). Um 7 Aura 5min. 2. 13°C. Sonnig. Die letzten. Beerenwolf (Pflaumen). Weronika bei Weber. Bier 1. 3. 12°C. Nebel. Gärtner (Sellerie). Bei Klopfer Engels (Wein). Feliks. Lampe. Nacht +. 4. 12°C. Sonnig. Bier 2. Apfelsaft. Bibliothek. Nacht +. 5. 9°C. Sonnig. Karin. Spaziergang mit Weronika. Nacht +. 6. 9°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Tohu wabohu. Bier 3. Schlechte Nacht. Rom. Aura. 7. 19°C. Sonnig. Mit Karin. Bier 4. Nacht +. 8. 13°C. Sonnig. Gute Neuigkeiten. Fräulein Wittich, Dante (V, Hennrich). Nacht +. 9. 8°C. Sonnig. Wind. Karin. Mittagessen hundsmiserabel. Fräulein Wittich. Nacht +. 11. 5°C. Sonnig. ½ Traubensaft, ½ Apfelsaft. Nacht +. 12. 5°C. Sonnig. 13. 7°C. Wechselhaft. Wind. Gärtner (Porrée). Weronikas Treffen -. Nacht +. 14. 4°C. Sonnig. Karin Spaziergang (Ofen). Nacht +. 15. 7°C. Sonnig. Klopfer. Er raucht. Bier 5. Feliks: Dante fällt aus. Nacht: es kommt ein Anfall. 16. 11°C. Wechselhaft. 17. 9°C. Bewölkt. Gärtner (Zwiebel). Bier 6. Band Feliks. 18. 9°C. Wechselhaft. Wind. Mikwa (+). Bier 7. Apfelsaft 2. Kaffezeit Feliks (M.+). Rückkehr -. Nacht +. 19. 7°C. Bewölkt. Zu Frau Schumann. Feliks stellt die Regale auf. Nacht +, aber wenig. 20. 12°C. Bewölkt. Weronika: Dießen. Abends sonnig. Mehr Bücher. Nacht +. 21. In der Frühe sonnig, danach bewölkt. Nacht +. 122

Möglicherweise ist hier die Lektüre von Les Misérables von Victor Hugo gemeint. 253

22. In der Frühe sonnig. Karin und Paula, Augen. Zu Dante (Weronika + Feliks), Feliks VI. Nacht +. 23. 8°C. Bewölkt, Wind, schlecht. Streidl. Nacht +. 24. 7°C. Sonnig. Spaziergang mit Weronika, wundervoll. Abends Feliks. Nacht +. 25. 9°C. Sonnig. Karin. Fisch, Bier 8, Traubensaft. Nacht; s. 10½ Std., Attacke. 26. 6°C. Sonnig. Unschöne Überraschung bei Klopfer. Feliks. Nacht +. 27. 7°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Gärtner (Kohl). Gespräch mit den Klopfers. Treffen. Um 2½ Attacke. 28. 11°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause (Kartoffeln) Feliks. Morgenmantel! Ich: Frau Schumann. Nacht +. 29. 4°C. Sonnig. Mittagessen bei Forster (+). Dante (Hennrich VII +) Nacht +. 30. 4°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. Nacht +. 31. 9°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. Spaziergang, Ofen. Feliks Änderung Dante. Nacht +. November 1. 9°C. Bewölkt. Mittagessen zu Hause. Fräulein Wittich. Nacht + (Pause). 2. 5°C. Sonnig. Mittagessen bei Forster. Seife. 3. 6°C. Sonnig. Weronika: Dießen. Ich bei Forster. Gärtner (Rettich). Habe Weronika nicht getroffen. Nacht +. 4. 5°C. Nebel. Mittagessen zu Hause. Kaffeezeit mit Fräulein Wittich und Feliks. Streidl. Antje. Nacht +. 5. 8°C. Bewölkt. Mittagessen zu Hause. Ich beende Kapitel VI. Dante. Um 11 Attacke. 6. 6°C. Bewölkt. Mit Weronika und Karin nach München. Im Auto Aura. In der Bibliothek Arbeit -. In Schondorf trifft man Wirt mit Taschenlampe. 7. 6°C. Wechselhaft. Gärtner (Kohl). Mittagessen bei Forster. Zu Frau Schumann. Nacht +. 8. 6°C. Bewölkt. Mikwa (+-). Die Feliksens. Um 5½ Kazia. 9. 6°C. Bewölkt. Ich zu Klopfer und Dr. Mittagessen seitdem bei Klopfer. Aura. 10. 2°C. Bewölkt. Weronika: Dießen. Die Amerikaner in Afrika. Nicht getroff. Nacht Attacke ½ Std. 11. 2°C. Bewölkt. 12. 2°C. Bewölkt. Dante (IX, Hennrich). Nacht +. 13. 2°C. Bewölkt. Karin. 14. 1°C. Bewölkt. Bei Klopfer zum letzten Mal in der Küche. Zu Frau Schumann, Apotheke. Feliks. Nacht +. 15. 0°C. Bewölkt. Zu Klopfer – allein. Weronika: 37,4; 37,3. Aber Nacht ++. 16. +1°C. Bewölkt. Schnee. Bier 1. Traubenkur mit französischem Wein. Feliks. Nacht +. 17. +1°C. Bewölkt. Weronika: Dießen. Bei Klopfer: her. Weronika zufrieden. Nacht +. 18. +½°C. Bewölkt. Günther. Kaffeezeit bei Fräulein Wittich, Heimkehr mit Attacke. Nacht +. 254

19. +2°C. Bewölkt. Weronika geht es schlechter. Ich beende die Anmerkungen zu [Kapitel] III. Dante X. Ostern. Heimkehr mit Günther. 20. +2°C. Bewölkt. Ich beginne mit Kapitel IX. Karin. Nacht +. 21. +3°C. Bewölkt. Günther. Ich zu Frau Schumann. Feliks. Nacht: Aura. 22. 0°C. Schnee, Sonne. Ich beende Misér. Weronika: Wanne […]. Bier 3. Karins Geburtstag. 23. -2°C. Bewölkt. Karin. Ofen – Apotheke. Feliks. Schneesturm. 24. -2°C. Weronika zu Hause. Sonnig. Bier 4! Kaffee. Abends Dante (ich: XI). Von Feliks nach Hause begleitet. 25. -5°C. Karin. Ofen. Um 3.30 Frau Schumann. Marks. Gespräch. Feliks. Nacht +. 26. -7°C. Weronika: Dießen. Sonnig. Ich treffe nicht. Weronika geht es besser. Nacht +. 27. -4°C. Bewölkt. Elisabeth zu Frau Schumann. Feliks. Karin. Schwester Bona. Nacht +. 28. -4°C. Bewölkt. Ofen -. Weronika: Frau Schumann. Fräulein Wittich. Frau Reisinger. 29. -1°C. Wechselhaft. Tauw. Fisch. Kazia. 30. +1½°C. Bewölkt. Schnee. Abends Feliks. Nacht, Ärger mit dem Ofen. Dezember 1. -4°C. Sonnig. Abends Weronika bei Frau Bormann (Geburtstag). Um 2 Attacke ½ Std. 2. +2°C. Wechselhaft, Wind. Ich: Frau Schumann (Wein). Marks. Schwer. Um 2 Attacke 1 Std. 3. +1°C. Still, Bewölkt. 1/8 Wein. Abends Feliks. Zum Danten nicht. Um 2 Attacke. 4. -5°C. Sonnig, still. 1/8 Wein 2. Karin. Apotheke. Um 3 Attacke 1 Std. 5. -4°C. Bewölkt. Fräulein Wittich Abschied. Abends Feliks. Sedobrol. Nacht +. 6. -5°C. Bewölkt, Wind. Ohne Mikwa. Frau Bormann. Feliks. 2 Anfälle. 7. 0°C. Sonnig. Weronikas Geburtstag; Feliks, Blumen und Kuchen. Nacht +. 8. -1½°C. Sonnig. Weronika: Dießen; um 2 in der Sonne 30°C [!], 1/8 Wein. Nacht +. 9. -3°C. Sonnig. Ärger mit den Weihnachtskarten. Weronika zu Frau Schumann und zu Frau Bormann. Feliks. Nacht -. 10. -2°C. Sonnig, Raureif. Zu Klopfer alleine. 1/8 Wein. Um 2 in der Sonne 31°C. Weronika um 6: 37,9. Nacht -. 11. -4°C. Sonnig, Raureif. Weronika hat geschlafen, besser. Zu Klopfer alleine. Um 1 in der Sonne 3-4°C. Ich zu Frau Schumann (Weihnachtskarten, Marks (-) und die Feliksens). Nacht: um 3 Anfall, 1 Std. 12. +3°C. Wechselhaft. Karin. Ich früh zu Marks, Frau Schumann, Apotheke. Dr. Weber. Feliks. Nacht -. 13. -1°C. Nebel. Karin. Sonnig, schön. Suppe. Feliks (Wein). Nacht -. 255

14. -1½°C. Feliks (Krankenhaus!). Sonne scheint blass. Ich zu Mos. Frau Schumann. St. (-Hawr!). Feliks. Nacht +. 15. 0°C. Nebel. Krankenschwester. Karin. 1/8 Wein. Um 9h Weronika zum Bahnhof. Feliks bringt sie nach Weilheim (Krankenhaus), dort ist sie hungrig. Um 8 erzählt Feliks. Nacht +. 16. +3°C. Sonnig. Karin äußert sich zu meinen Mahlzeiten. Um 5 Feliks (Vögelchen). Nacht +. 17. +½°C. Bewölkt. Karin. 1/8 Wein. Feliks. Nacht +. 18. +1°C. Nebel. Zu Frau Schumann und zur Station. Ostern getroffen. Karin. Nacht +. 19. +3°C. Bewölkt. Mikwa mit Feliks. Bei Klopfer Französin. Kazia. Nacht -. 20. – 1°C. Sonnig. Karin. Spaziergang, auf der Bank. Die Feliksens. Um 2 – 26°. Nacht +. 21. +3°C. Sonnig. Um 3¾ mit Karin nach Weilheim. Weronika schwach. Nebel. Nacht +. 22. -1°C. Sonnig. Karin, Feliks zu Weronika. Weronika . Nacht +. 23. +2°C. Bewölkt. Feliks mit Neuigkeit. Zu den Feliksens. Nacht +. 24. +½°C. Bewölkt. Beerdigung. Bescherung. Feliks auf dem Friedhof. Nacht -. 25. 0°C. Bewölkt. Nacht +. 26. 0°C. Bewölkt. Abends Tannhäuser. Nacht +. 27. -3°C. Sonnig. Ich zu Portenlängner. Ich schreibe einen Brief an Kazia. Schenk, Maschinchen. 28. -5°C. Bewölkt. Ich bereite die Lesung vor. Lesung (15 z). Nacht -. 29. -8°C. Sonnig. Ich arbeite. Gespräch mit Feliks über die Seele seiner Dame. Nacht +. 30. -2½°C. Bewölkt. Mein Spaziergang und zu den Feliksens. Ich lese den Feliksens [Kapitel] I vor. Nacht -. 31. -1½°C. Sonnig, Wind. Ich arbeite. Abends lese ich den Feliksens Kapitel II vor. Nacht + 1943 Januar 1. -1½°C. Schnee, bewölkt. Mit Feliks zu Weronika (1 Std. 35 M). Abends L III. Nacht -. 2. +2°C. Bewölkt, Wind. Mikwa mit Feliks. Ich arbeite. Abends L IV. Nacht -. 3. -2°C. Bewölkt, Schnee. Ich arbeite. Abends L IV. Nacht +. 4. -3°C. Sonnig, Wind. Ich beende Kapitel IX. Abends L IV b. Nacht +-. 5. -6°C. Sonnig, still. Misslungener Versuch zu Portenlängner. Nacht +. 6. -7°C. Bewölkt. Spaziergang. Abends L V a. Nacht +-. 7. -9°C. Bewölkt. Spaziergang. Kazia. Beende Vergil. Ich beginne [mit Kapitel] X. Nacht +. 8. +1½°C. Tauwetter, bewölkt, Glatteis. Abends L V b. Nacht +-. 9. -10°C. Bewölkt, still. Spaziergang +. Um 8 meine Lesung. Nacht +. 10. -12°C. Bewölkt. Spaziergang +, Abends abends L V c. Nacht +. 256

11. -9°C. Sonnig. Langer Spaziergang +. Feliks liest die Odyssee. Musik. Nacht +. 12. -7°C. Bewölkt. Spaziergang. Musik. Abends L VI a. Nacht -. 13. +3°C. Tauwetter, Glatteis Zu Hause. Abends L VI b. Nacht +-. 14. +1°C. Tauwetter, Glatteis. Zu Hause. Abends Musik (Carmen). Nacht +-. 15. +1°C. Tauwetter, Glatteis. Ärger mit dem Stecken. Feliks liest die Odyssee. Nacht +. 16. 0°C. Schnee, sonnig. Mikwa mit Feliks +. Treffler. Kazia. 17. -5°C. Sonnig, schön. Rückkehr zu Portenlängner. Kazia. Nacht -. 18. -8°C. Wechselhaft. Karin. Von nun an Mittagessen bei Klopfer. Rechnungen Feliks. Nacht -. 19. -6°C. Sonnig. Karin suchen. Feliks. Nacht -. 20. –1½°C. Sonnig, schön. Karin. Abends Feliks. Nacht -. 21. -2°C. Sonnig. Bier 1. Karin. Ärger mit der Kohle. Dante bei mir (Feliks: Paradiso XIV). Pillen. Nacht +. 22. +1°C. Sonnig. Spaziergang mit Karin und Frau Bormann. 3°C. Nacht +. 23. +4°C. Bewölkt. Karin. Halbschuhe. Kazia (Brief). Feliks. Nacht +. 24. +4°C. Bewölkt, Regenwetter. Karin. Feliks. Augen. Nacht -. 25. 0°C. Bewölkt. Karin. Apotheke. Feliks. Ich beende Kapitel X. Nacht -. 26. -2°C. Sonnig. Karin nach München. Nacht +. 27. +3°C. Bewölkt, Wind. Karin kommt zurück. Abends Feliks. Nacht 20 min. 28. +2½°C. Sonnig, still. Kohle. Karin. Zu Frau Schumann. Ofen. Feliks. Kazia. Nacht+. 29. -2½°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Karin. Nacht. 15 min. 30. -2½°C. Sonnig. Karin. Bei Klopfer Frau Engels. Spaziergang zur Bank. Nacht +. 31. +1°C. Sonnig, schön. Feliks; zu den Feliksens, Musik (V Sinfonie). Ich beginne mit Kapitel XI. Nacht 20 min. Februar 1. +9°C. Bewölkt, Wind. Karin: Gespräch. Sonnig. Abends Feliks. Nacht 30 min. 2. +2°C. Bewölkt. Karin. Streidl. Die Feliksens bei mir (II a). Nacht 7 min. 3. +3°C. Wechselhaft. Karin. Ich bereite Dante vor. Feliks. Nacht 15 min. 4. +2°C. Sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank. Feliks. Dante. Nacht +. 5. +½°C. Sonnig. Karin. Feliks wäscht mich. Nacht +. 6.-5°C. Sonnig. Karin. Der Streidl-Junge, Ofen. Feliks. Nacht, 15 min. 7. + 2½°C. Bewölkt. Feliks, wir politisieren. Nacht … 8. 0°C. Bewölkt. Es liegt Schnee. Karin. Ich kann schlecht gehen. Feliks. Nacht – 2 Std.). 9. -7°C. Karin. Um 3.45 mit Feliks nach Utting (Weronika). Wir kommen um 7½ zurück. Nacht +. 10. +1°C. Wechselhaft. Karin. Marken für Blanka. Abends Feliks. Nacht ½ Std. 11. -3°C. Sonnig. Karin. Abends gehe ich zu Dante (P.XXVIII: Hennrich). Nacht +. 257

12. +-1½°C. Sonnig, Wind. Karin. Spaziergang zur Bank. Abends Feliks. Nacht +. 13. +5°C. Karin. Es liegt Schnee. Am Nachmittag Schneesturm. Nacht +. 14. +3°C. Wechselhaft, Wind. Feliks. Kazia. Nacht 15 min. 15. +4°C. Sonnig, Wind. Zur Kanzlei. Karin. Priester. Feliks. Nacht +. 16. +1°C. Bewölkt, es liegt Schnee. Karin. Ich zu Frau Schumann, Post. Nacht +. 17. +1½°C. Bewölkt, es liegt Schnee. Karin. Abends Feliks. Nacht ++. 18. -1°C. Bewölkt. Karin. Misslungener Spaziergang zu Dante. Nacht -. 19. -3°C. Sonnig. Feliks (Maschinchen). Spaziergang zur Bank und zu Streidl. Nacht +. 20. -1½°C. Sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank. Abends die Feliksens: IX a. Nacht +. 21. -1°C. Nebel, sonnig. Spaziergang zur Bank. Kazia (1 Brief). Feliks. Nacht +. 23. -3°C. Sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank, ¾ Std. Feliks. Nacht 10 min. 23. -2°C. Sonnig. Um 11½ mit Karin auf den Friedhof. Feliks. Nacht +. 24. -1°C. Sonnig. Karin. Abends Fräulein Wittich und Feliks. Nacht +. 25. 0°C. Sonnig. Zu Frau Schumann. 26. +2°C. Karin. Apotheke (Nachricht von Feliks: das Maschinchen ist wieder kaputt). Nacht +. 27. +3°C. Bewölkt. Karin. Feliks: wieder das Maschinchen. Um 4½ bei Fräulein Wittich (-). Nacht +. 28. 0°C. Bewölkt. Rechnungen Karin. Feliks kurz. Nacht +. März 1. -1°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Feliks um 3 (-), Sz. Nacht +. 2. +3°C. Sonnig. Ärger mit dem Maschinchen. (Karin; Hennrich). Abends die Feliksens: IX b. Nacht +. 3. +4°C. Bewölkt. Ich beende den Text des III. Kapitels. Karin. Nacht +. 4. 0°C. Sonnig, Wind. Um 3 zur Post, zu Frau Schumann. Feliks. Nacht – 1½ Std. 5. +2°C. Bewölkt, warm. Karin. Spaziergang zur Bank. Nacht +. 6. +4°C. Schnee. Karin. Kohle. Von M. Feliks wäscht. Nacht +. 7. +1°C. Bewölkt. Suche. Feliks. Nacht +. 8. -2°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Feliks. Ich beende die Anmerkungen zu Kapitel III. Nacht -. 9. +1°C. Sonnig, schön. Karin. Spaziergang zur Bank. Kazia. Dante. Nacht +. 10. 0°C. Nebel, sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank. Ich koche Dante. Nacht – ¼ +¼. 11. 0°C. Nebel, sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank. Dante bei mir (die Feliksens, Hennrich, Ostern). Nacht +. 12. 0°C. Nebel, sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank. Nacht ¼. 13. +3°C. Sonnig, Wind. Karin. Ich beginne mit Kapitel IV. Feliks. Nacht +. 14. +1°C. Sonnig. Feliks. Spaziergang zur Bank. Kazia. Priester. Die Feliksens IX c. Nacht … 258

15. +4°C. Sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank. Kazia (Brief). Nacht +. 16. +4°C. Sonnig. Karin. Blanka: Füller. Noc +. 17. +4°C. Sonnig. Karin. Bei Klopfer: Fisch. Feliks. Abends schmerzhafte Attacke. Nacht +. 18. +4°C. Sonnig. Für Blanka „Füller“. Karin. Spaziergang zur Bank und Marks. Feliks: Dante. Nacht +. 19. +8°C. Sonnig. Blanka: Wein. Spaziergang zur Bank. Zu Dante (Ostern). Nacht +. 20. +3°C. Sonnig. Karin. Spaziergang. Feliks: sie bewirten mit . Kazia. Nacht +. 21. +4°C. Sonnig. Karin. Priester. Spaziergang zur Bank. Nacht +. 22. +6°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Nacht +. 23. +5°C. Sonnig. Karin. In der Frühe Spaziergang. Zu Frau Schumann (Käse). Nacht +. 24. +5°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Karin. Abends Feliks. Nacht ½ Std. Attacke. 25. +7°C. Sonne scheint blass. Zu Klopfer ohne Pol. Um 6 zu Feliks, von dort Dante. Nacht +. 26. +11°C. Sonnig. Karin kurz. Elisabeth heizt überflüssigerweise. Nacht -. 27. +10°C. Bewölkt. Karin. Regenschauer. Feliks (Brief von Kotarbiski). Nacht +. 28. +8°C. Sonnig. In die Kirche. Priester (über Kazia, Beichte). Feliks (die Rabsens). Nacht +. 29. +5°C. Feucht. Karin. Kälteeinbruch. Feliks. Nacht +. 30. Frost, +5°C, bewölkt. Karin. Kl-s synt. Spaziergang zu Frau Schumann. Nacht +. 31. 10°C. Sonne scheint blass, Wind. Fisch. Kein Spaziergang. Briefe. Feliks. Hauswirtsch. Rechnungen. Nacht +. April 1. 10°C. Regen, Wind. Karin. Fisch. Kehre von Feliks und Karin heim – (Oma). Kazia. Nacht +. 2. 5°C. Bewölkt, Wind. Karin (Carpau). 2-ter Tag ohne Gas. Nacht +. 3. 5°C. Bewölkt, Wind. Wir heizen. Karin. Leichter Schnee. Abends die Feliksens IX d. Nacht +. 4. 6°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Kazia (Brief). Nacht +. 5. 1°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Caspari. Feliks. Nacht +. 6. 10°C. Wind, Hagel. Karin. Zimmer für […]. Nacht ¾ Std. 7. 4°C. Bewölkt, es liegt Schnee und schneit. Feliks (die Rabsens). Nacht ¾. 8. 4°C. Bewölkt, es liegt Schnee und schneit. Karin. Eisregen. Feliks (Horaz). Nacht ¼. 9. +1°C. Bewölkt, es liegt Schnee und es schneit. Karin. Im Wintermantel. Feliks. Nacht +. 10. 5°C. Bewölkt. Karin. Ren. Ich zu Frau Schumann (Wein). Ess. Nacht +. 11. 5°C. Bewölkt. In die Kirche. Kazia. Heimkehr. Nacht +. 259

12. 9°C. Sonnig. Mutter. Die Henne. Spaziergang zur Bank. Feliks. Apotheke. Nacht +. 13. 12°C. Sonnig. Bier. Post. Feliks. Nacht +. 14. 12°C. Nebel, sonnig. Gespräch mit Portenlängner. Feliks (die Rabsens). Nacht +. 15. 15°C. Sonnig. Mutter (Zucker). Feliks (Pawe). Bank. Nacht +. 16. 14°C. Sonnig. Zur Bank, heiß. Feliks. Nacht +. 17. 14°C. Sonnig. Zu Feliks (-); Wanne (-). Bier 2. Kazia. Nacht 25 min. 18. 16°C .Sonnig. Bei Klopfer Kazia mit Mutter; mit Kazia zur Bank. Eur. Feliks. Nacht +. 19. 16°C. Sonnig. Feliks (Priester). Bei Klopfer (Kazia mit Mutter), Spaziergang. 5 Eur. Nacht +. 20. 14°C. Bewölkt. Feliks bei Klopfer ohne Karin. Um 5 Eur. Regen. Noc +. 21. 11°C. Sonnig. Bei Klopfer Kazia mit Mutter. Feliks. Um ½8 Eur. Nacht +. 22. 11°C. Bewölkt. Bei Klopfer ohne Kazia. Spaziergang mit ihr. Um 5 Eur. Feliks. Nacht +. 23. 21°C. Sonnig. Karin. Mittagessen zu Hause (+). Spaziergang. Feliks. Kazia. Nacht ½. 24. 15°C. Sonnig. Bei Klopfer beide [Frauen – Anm. d. Ü.]. Regen. Um 5 Eur. Karin. Nacht +. 25. 15°C. Sonnig. Priester. Feliks. Bei Klopfer – beide. Um 4¼ bei den Feliksens (die Rabsens). Nacht … 26. 15°C. Bewölkt, Wind. Um ½ 11 Eur. Bei Klopfer beide [Frauen – Anm. d. Ü.]. Kazia mit Brief. Nacht + +. 27. 11°C. Bewölkt, Wind. Klopfers krank. Um 5 Eur. Feliks. Nacht +. 28. 18°C. Sonne scheint blass. Um 10½ Eur. Post. Feliks (Maschinchen). Um 8 Mickiewicz. Nacht +. 29. 8°C. Bewölkt, Regen. Um 5 Eur. Feliks. Nacht -. 30. 10°C. Bewölkt. Um 10½ Eur. Mittagessen zu Hause. Um 8 Mickiewicz. Nacht – ½. Mai 1. 8°C. Sonne. Um 10 ½ Eur. Spaziergang zur Bank, besetzt. Feliks. Gewitter. Nacht + … 2. 13°C. Sonnig. Elisabeth kommt zurück. Feliks. Nacht ½. 3. 8°C. Bewölkt. Brief aus München. Wir heizen. Feliks. Nacht + … 4. 7°C. Bewölkt. Wir heizen. Kaffee 1. H. Kazia. Nacht +. 5. 12°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Karin: Hand. Feliks: Schuhe. Nacht +. 6. 12°C. Sonnig. Ich beende Kapitel IV. Karin. Feliks […]. Nacht +. 7. 12°C. Bewölkt. Feliks. Mittagessen zu Hause. Um 6¾ Wanne +. Nacht+. 8. 14°C. Sonnig. Karin. Gespräch mit Klopfer. Spaziergang zu Feliks (Jack.) Feliks (die Rabsens). Nacht +. 9. 17°C. Bewölkt. Kaffee 2 mit Kuchen. Regen, kühl. Karin. Nacht +. 10. 9°C. Sonnig. Ich heize. Fräulein Wittich. Feliks. Alben. Nacht … 260

11. 12°C. Bewölkt. Feliks. Ich beginne mit Kapitel V. Kazia (Brief). Karin (Butter). Nacht +. 12. 13°C. Bewölkt. Halbsommerlich gekleidet. Nacht … 13. 17°C. Nebel, sonnig. Karin. Ohne Kaffeetrinken zu Feliks: Dante. Purgatorio XXV (ich). Nacht +. 14. 19°C. Nebel, sonnig. Karin (Album). Mittagessen. Heiß. Apotheke. Spaziergang. Mond. Nacht ½. 15. 18°C. Sonnig. Sommerlich gekleidet. Nach dem Mittagessen zum Friedhof. Feliks. Nacht … 16. 14°C. Bewölkt. Halbsommerlich gekleidet. Karin und Feliks. Sonne, Kaffee 2 und Kuchen 2. Nacht ¾. 17. 14°C. Sonnig. Karin, Kuchen 3. Spaziergang. Sonja 1. Attacke 1 Std. Feliks und Karin. Nacht +. 18. 17°C. Sonnig. Karin mit Sonja. Nach dem Mittagessen mit Sonja zur Bank und zu Frau Schumann. Feliks, Karin. Nacht +. 19. 17°C. Sonnig. Mit Sonja auf dem Schiff. Apotheke. Feliks. Gespräch mit Sonja (Sa.). Nacht ½. 20. 17°C. Sonnig. Dante verschoben. Nach dem Mittagessen mit Sonja zum Friedhof. Nacht +. 21. 18°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. 2 mal Karin. Abends Spaziergang mit Sonja. Nacht … 22. 19°C. Sonnig. Spaziergang mit Sonja zu Feliks. Abends Dante (P. XXV) bei mir. Nacht +. 23. 12°C. Bewölkt. Kazia (Brief). Um 4½ bei den Feliksens (Schubert, Die Unvollendete). Nacht +. 24. 17°C. Nebel, sonnig, bewölkt. Feliks (Belege) nach Weilheim. Album IV. Nacht -. 25. 13°C. Bewölkt Wind. Frau Bormann. Kaffee 4. Nacht +. 26. 13°C. Bewölkt, Regen. Kaffee 5 mit Kuchen 3. Zu Frau Schumann. Attacke. Feliks. Nacht +. 27. 11°C. Bewölkt, Regen. Mit Sonja zu Dante (Purgatorio). Nacht +. 28. 17°C. Sonnig. Für Sonja Kapitel II. Mittagessen zu Hause. Sonja im Konzert. Nacht ½ Std. 29. 16°C. Sonnig. Wanne bei H. Kaffee 6 mit Kuchen 4. Album VII. Sonja ins Kino. Nacht +. 30. 17°C. Bewölkt, Feliks, sonnig. Nachspiel. Langer Spaziergang mit Sonja. Album VII. Nacht +. 31. 13°C. Bewölkt. Kaffee 7 und Kuchen 5, sonnig. Feliks, Kazia mit einem Brief. Nacht 20 min. Juni 1. 18°C. Sonnig. Gewitter. Gespräch mit der Hauswirtin. Mit Sonja aus VI a. Nacht +. 2. 17°C. Sonne scheint blass. Sonja nach Partenkirchen. Karin. Nacht +. 261

3. 12°C. Bewölkt. Kaffee 1, Kuchen ½. Gespräch mit Sonja. Dante verschoben. Nacht +. 4. 12°C. Mittagessen zu Hause. Mit Sonja IX. Karin. Feliks. Nacht +. 5. 18°C. Sonne scheint blass. Sonjas Abreise. Spaziergang zur Bank. Feliks. Wein 6. Nacht +. 6. 20°C. Sonnig. Karin. Höchstsommerlich gekleidet. Spaziergang zur Bank. Nacht +. 7. 15°C. Bewölkt. Karin. Halbsommerlich gekleidet. Nacht +. 8. 17°C. Sonnig. Karin. Höchstsommerlich gekleidet. Spaziergang zur Bank, Apotheke (-). Feliks. Nacht +. 9. 15°C. Bewölkt. Karin. Feliks. Nacht +. 10. 12°C. Regen. Karin. Keine Kaffeezeit. Zu Dante – (Attacke). Karin. Nacht +. 11. 13°C. Bewölkt. Mittagessen zu Hause. Um 5½ zu Hennrich. Gewitter. Wanne. Nacht +. 12. 18°C. Sonnig. Karin. Sommerlich gekleidet. Spaziergang zur Bank. Feliks. Nacht +. 13. 15°C. Bewölkt. Bei Klopfer Huhn. Kazia: Brief. Feliks. Nacht +. 14. 18°C. Sonnig. Feliks. Kazia mit einem Brief. Um 4½ zu Feliks (Schumann, Beethoven). Nacht +. 15. 12°C. Bewölkt. Mit Karin zum Friedhof. Kaffee. Nacht + (wenig). 16. 15°C. Bewölkt. Feliks (Maschinchen). Kaffee mit Kuchen. Fisch. Nacht, 1 Std. 17. 9°C. Bewölkt. Kaffee 2. Zu Dante erneut – Attacke 3 Std. Nacht +. 18. 12½ °C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. Zu Marks (-) und Frau Schumann. Feliks. Seife. Nacht +. 19. 15°C. Bewölkt. Karin. Die Henne (Blumen). Kaffee mit Kuchen. Feliks (Rat). Nacht +. 20. 20°C. Sonnig. Feliks. Spaziergang zur Bank. Höchstsommerlich gekleidet. Gewitter. Nacht ½ + ¼. 21. 20°C. Sonnig. Karten. Karin. Spaziergang zur Bank (heiß). Gewitter. Nacht […]. 22. 20°C. Sonne scheint blass. Karin. Spaziergang zur Bank. Kühler. Nacht ½ + ¼. 23. 20°C. Sonnig. Spaziergang, Apotheke. Weigl. Feliks. Sedobrol. Nacht +. 24. 20°C. Bewölkt. Bei Klopfer Beerenwolf. Nacht 1/3. 25. 20°C. Sonnig. Mittagessen zu Hause. Karin. Nacht ½. 26. 17°C. Bewölkt. Karin. Feliks (Rabsens). Nacht + 20 min. 27. 22°C. Sonnig. Spät zu Klopfer. Um 5 zu den Feliksens (Schubert). Nacht +. 28. 15°C. Wechselhaft. Die Henne (Blumen). Feliks. Nacht +. 29. 14°C. Sonnig. Bei Klopfer voll (Kaffee mit […]). H. (Karin, Wein). Nacht +. 30. 12°C. Bewölkt. Karin und die Henne (Erdbeeren). Nacht + 20 min. Juli 1. 16°C. Bewölkt. Zu Beerenwolf (½ Erdbeeren) – Karin. Gewitter. Nacht + ¼. 262

2. 15°C. Sonnig. Zu Frau Schumann und Wanne (-) – Kazia (Brief). Nacht ¼ + 40 min. 3. 21°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. + Ich beende die (Text-)Montage. Nacht -. 4. 22°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Heiß. Bier 1. Nacht… 5. 20°C. Sonnig. Bier 2. Nacht… 6. 15°C. Regen. Die Linde blüht. Dante (Feliks). Nacht + … 7. 15°C. Bewölkt. Apotheke (+). Ich bereite Dante vor. Nacht + … 8. 15°C. Bewölkt. Karin (Johannisbeeren). Regen. Dante bei mir (ich: P. XXXI). Nacht +. 9. 15°C. Regen. Karin. Sonnig. Taschenmesser. Feliks. Nacht ¼ + ¼. 10. 12°C. Bewölkt. Feliks (Hexenschuss). Nacht… 11. 13°C. Bewölkt. Karin (Feliks geht es schlechter). Um 10 Attacke. Nacht… 12. 20°C. Bewölkt. Sonnig. Zu Feliks (Neuralgie). Post. Nacht… 13. 15°C. Regen. Karin (Feliks geht es nicht besser). Fisch. Schnupfen. Nacht… 14. 19°C. Sonnig. Karin (Feliks geht es nicht besser, kein Fieber mehr). Fräulein Wittich + die Henne. 15. 19°C. Sonnig. Karin (Feliks geht es nicht besser). Schnupfen. 16. 24°C. Sonnig. Karin (Feliks geht es mit dem Fieber besser, aber im Kreuz). Schnupfen. Nacht +. 17. 24°C. Sonnig. Karin (Feliks geht es besser). Leichterer Husten. Um 5 zu Feliks. Nacht +. 18. 24°C. Sonnig. Karin (Feliks geht es besser). Um 8 bei Fräulein Wittich (Karin, Fräulein Körber, Fräulein Denel, Frau Schenk). Nacht+. 19. 24°C. Sonnig. Karin. Spaziergang zur Bank, schwarz. Die Fenster. Gewitter. Frau Bormann. Nacht +. 20. 23°C. Sonnig. Kein Fisch. Zu Feliks: ein bisschen schlechter. Die Fenster. Nacht… 21. 20°C. Sonne scheint blass. Karin: Feliks geht es etwas besser. Fisch 2. Nacht ½. 22. 24°C. Sonne scheint blass. Karin (Feliks geht es besser). Zu Beerenwolf + (4 Pfund Johannisbeeren). Kazia (Brief). Um 8 Dante bei Feliks (Ostern, XXXII). Von Karin nach Hause begleitet. Nacht friedlich +. 23. 24°C. Sonne scheint blass. Karin. Riemen in der Maschine. Zu Frau Schumann und Feliks – (I.). Abends Kazia mit einem Brief. 24. 23°C. Sonnig. Karin. Fisch 2. Frau Schenk (Maschinchen -). Nacht ¼. 25. 17°C. Nebel, sonnig. Fisch 4. Um 5 zu den Feliksens (Szmd). Nacht. 26. 22°C. Sonnig. Karin holt das Maschinchen. Die Henne. Feliks mit der Maschine. Nacht… 27. 19°C. Bewölkt, sonnig. Karin (Buch). Elisabeth (die Fenster). Nacht +. 28. 20°C. Sonnig. Nacht +. 29. 22°C. Sonnig. Feliks. Zu Beerenwolf (+4). Putzen: Elisabeth. Nacht friedlich +. 30. 21°C. Sonnig. Zum Bahnhof, Hitze. Feliks. Dante bei mir (P. XIX, XX – Hennrich). Nacht +. 263

31. 23°C. Sonnig. Um 11 Wanne im Landheim (+). Löffel. Mücken? Nacht -. August 1. 24°C. Sonnig. Feliks. Bier, Fisch. Um 6.50 Feliks […]; Bankett zu Ehren Hennrichs, Wein, Zigarre, mein Maschinchen. Nacht +. 2. 29°C. Bier 2. In der Sonne 43°C. Karin (Gajtanides). Nacht -. 3. 25°C. Sonnig. Feliks. Bier 3. Spaziergang zur Bank. Fräulein Wittich. Karin. Nacht4. 25°C. Sonnig. Feliks (Depositum). Zur Nacht Sedobrol. Nacht +. 5. 23°C. Zu Beerenwolf + (H., Johannisbeeren). Die Henne. Feliks, Karin spät Feliks (Maschinchen). Nacht +. 6. 19°C. Bewölkt. Die Feliksens zur Hütte. Die Henne (Maschinchen). Nacht +. 7. 17°C. Sonnig. Fräulein Wittich. Zu Frau Schumann (+ Wein). Die Hennen. Nacht +. 8. 17°C. Bewölkt. Spaziergang zur Bank (Fräulein Wittich). Nacht +. 9. 19°C. Sonnig, Wind. In der Frühe zu Frau Schumann (-). Kaffee, Kuchen. Nacht +. 10. 18°C. Sonne scheint blass, Wind. Nacht +. 11. 19°C. Sonnig. Zum Friedhof. Ich beende Kapitel V (Anmerkungen). Hennrich Pos. 3 Nacht +. 12. 17°C. Bewölkt. Karin. Zu Beerenwolf. Feliks (amtliche Unterlagen; Erbe). Nacht +. 13. 22°C. Sonnig. Feliks (amtliche Unterlagen). Zum Bahnhof. Nacht +. 14. 20°C. Sonnig, Wind. Wanne im Landheim (-). Bei Klopfer Soldaten. Karin. Nacht +. 15. 20°C. Regen. Feliks. Klopfer: in Ordnung. Karin. Nacht +. 16. 17°C. Sonnig. Reich-Gall (Äpfel). Post. Nacht +. 17. 22°C. Sonnig. Bei Klopfer – voll. Spaziergang zur Bank. Hitze. Uhr. Nacht +. 18. 23°C. Sonnig. Fräulein Wittich und Frau Gyzis bei mir. Zu Frau Schumann. Nacht +. 19. 27°C. Sonnig. Feliks. Bei Klopfer Engels. Bier 4. Zu Beerenwolf. Frau Bormann. Nacht +. 20. 27°C. Sonnig. In der Sonne 44°C. Zu Frau Schumann. Frau Gyzis. Nacht +-. 21. 24°C. Sonnig. Kazia mit einem Brief. Bier 5. Mücken. Nacht -. 22. 25°C. Sonnig. Bier 6. Hitze. Nacht +-. 23. 17°C. Regen. Frau Bormann (Rabs.). Nacht +. 24. 23°C. Nebel, sonnig. Zur Kanzlei und zum Friedhof. Zu Frau Schumann. Nacht +. 25. 23°C. Bewölkt. Zur Bank. Fräulein Wittich (spät). Nacht +. 26. 19°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank. Nacht +. Mücken. 27. 19°C. Bewölkt. Spaziergang zur Bank. Frau Bormann (Rabsens). Nacht +-. 28. 14°C. Bewölkt. Kazia (Brief). Frau Gyzis. Nacht +-. 29. 14°C. Bewölkt. Ich beginne mit Kapitel VIII. Nacht +. 30. 19°C. Sonnig Um 7¾ treffe ich Feliks auf dem Bahnhof. Nacht +. 264

31. 17°C. Sonnig. Misslungener Spaziergang zu Frau Schumann (Attacke). Nacht +. September 1. 15°C. Bewölkt. Kaffee mit Kuchen. Zu Frau Schumann. Feliks. Nacht +. 2. 22°C. Sonnig. Zu Beerenwolf (Pflaumen). Feliks und Frau Günther. Nacht -. 3. 17°C. Sonnig. Wanne nicht gut. Post. Frau Bormann. Nacht +. 4. 15°C. Feliks. Nacht +, Mücken. 5. 12°C. Bewölkt. Feliks. Spaziergang zur Bank. Sonne. Wir treffen Karin. Nacht +. 6. In der Sonne 43°C. Zur Station, ich treffe Feliks. Bier 1. Feliks. Nacht +-. 7. 20°C. Sonnig. Karin. Kaffee 2. Zu Frau Schumann und zur Station. Karin: her. Nacht +. 8. 22°C. Sonnig. Frühstück mit Günther. Kazia mit einem Brief. Regen. Nacht +-. 9. 27°C. Sonnig. Kopieren. Mit den Günthers zu Beerenwolf. Feliks. Nacht +. 10. 18°C. Bewölkt. Apotheke und Weigl (-). Kaffee 3. Nacht +. 11. 18°C. Bewölkt. Karin. Spaziergang zur Bank. Kazia (Brief). Nacht +-. 12. 17°C. Bewölkt. Die Hennen + Krankenschwester. Mein Geburtstag – der erste ohne Weronika. Die Feliksens und Günther (Kaffeezeit). Nacht 1 Std. 13. 24°C. Sonnig. Bei Klopfer Glühwein. Spaziergang zur Bank. Apotheke. Bier 2. Nacht +. 14. 22°C. Sonnig. Karin. Bei Klopfer Glühwein. Post und Frau Schumann. Feliks. Nacht -. 15. 20°C. Sonnig. Karin. Nacht +. 16. 16°C. Regen. Karin. Zu Beerenwolf: Pflaumen. Kaffee 4. Dante bei mir. Nacht +. 17. 16°C. Sonnig. Die Günthers. Feliks. Nacht +. 18. 17°C. Nebel, sonnig. Um 6 Wanne bei den Hennen. (+Attacke). Nacht -. 19. 15°C. Bewölkt. Karin. Kazia mit einem Brief. Nacht +. 20. 13°C. Regen. Kaffee 5. Nacht +. 21. 12°C. Bewölkt. Such. Mohrrü. Rosi. Feliks: Frau Bormann geht es schlecht. Nacht +. 22. 14°C. Regen. Zu Frau Schumann. Feliks: Frau Bormann geht es nicht besser. Nacht +. 23. 9°C. Bewölkt. Ich heize. Feliks: Frau Bormann – besser. Dante bei mir, ich. 24. 12°C. Sonnig. Karin: (Frau Bormann – besser). Attacke. Nacht 15 min., Schlaf (Ldes). 25. 20°C. Sonnig. Apotheke. Kazia (Brief) Feliks. Bromus. Nacht +. 26. 10°C. Regen. Kaffee 6. Feliks (Bose). Nacht +. 27. 10°C. Regen. Karin. Schwach. Ich heize. Nacht +. 28. 8°C. Bewölkt. Ich heize. Niemand. Stimmung besser. Nacht + (Attacke). 29. 9°C. Bewölkt. Stimmung schlecht. Feliks. Nacht ½ Std. 30. 9°C. Sonnig. Karin. Kaffee 7. Zu Beerenwolf (+ Pflaumen). Dante. Nacht ½. 265

Oktober 1. 12°C. Bewölkt. Karin (Pflaumen). Feliks. Nacht - -. 2. 12°C. Sonnig. Galina. Spaziergang zur Bank. Nacht: Attacke 1. 1 Uhr All[iierte?]. 3. 14°C. Sonnig. Beerenwolf. Karin. Spaziergang zur Bank. Feliks. Nacht + Brom. 4. 10°C. Nebel. Ich friere. Karin -. Kazia mit einem Brief. Nacht +. 5. 10°C. Änd. Plau Karl. Kaffee. Zu Marks, Frau Schumann. Post. Feliks + Hennrich. Nacht +. 6. 11°C. Sonnig. Klopfer: Kind. Feliks: Äpfel. Nacht +. 7. 13°C. Bewölkt, sonnig. Hanni, Kazia, Brief. Dante (Feliks). Nacht +. 8. 12°C. Bewölkt. Karin. Marks, Frau Schumann, Post. Bein. Nacht +. 9. 14°C. Bewölkt. Ich heize. Feliks (Rohde). Nacht (Brom) +. 10. 11°C. Bewölkt. Rohde. Feliks. Nacht +. 11. 12°C. Bewölkt. Karin. Nacht +. 12. 12°C. Bewölkt. Feliks mit Äpfeln (Reich). Nacht +. 13. 13°C. Sonnig. Spaziergang zur Bank (schwach). Nach der Kaffeezeit schreckliche Attacke. Halb ausgezogen zu Bett. Nacht +. 14. Karin. Kein Mittagessen. Feliks. Dr. Weber. Schwester Bona. Feliks liest, übernachtet bei mir. Nacht +. 15. 7°C. Ich heize. Karin. Feliks. Supposit. Nacht + Atmung. 16. 10°C. Sonnig. Ich heize. Karin. Feliks liest. Ich arbeite. Nacht +. 17. 12°C. Sonne scheint blass. Ich heize. Mittagessen: Huhn. Feliks liest. Reisinger. Nacht +. 18. 16°C. Sonnig. Karin. Ich heize. Nacht + (Brom). 19. Sonnig. Ich heize. Feliks liest. Spaziergang mit Karin zur Bank. Nacht +-. 20. Sonnig. Elisabeth heizt nicht. Zu Frau Schumann -. Nacht ++. 21. 15°C. Sonnig. Ich heize. Karin. Kurzer Spaziergang. Dante und Attacke. Nacht (Brom). 22. 10°C. Sonnig. Karin. Kurzer Spaziergang und die Henne. Feliks liest. Nacht +. 23. Sonnig, Karin. Um 5½ zu den Hennen (+), Wanne (+). Feliks. Nacht +. 24. 16°C. Sonnig. Feliks liest. Nacht +. 25. 9°C. Bewölkt. Karin (j). […] (Tomaten). Nacht +. 26. 11°C. Bewölkt. Karin. Priester, Sakram. Feliks liest. Nacht +. 27. 10°C. Bewölkt. Karin. Kazia mit einem Brief. Kr. Feliks liest. Nacht + (Brom). 28. 10°C. Bewölkt. Fräulein Börner. Dante. Nacht +-. 29. 11°C. Sonnig. Ein Kerl wie ein Schrank vom Kommissariat. Karin. Kurzer Spaziergang. Feliks liest. Nacht +. 30. 9°C. Bewölkt. Feliks. Nacht +. 31. 5°C. Sonnig. Karin. Feliks (Maschinchen, Lesen, kurzer Spaziergang). Nacht + (Brom). Seit dem 14 X Mittagessen zu Hause.

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November 1. Karin (gr). Kurzer Spaziergang (geschl.). Leber. Nacht +. 2. 9°C. Sonnig. Die Henne. Zu Frau Schumann (-). Nacht 20 min. 3. 7°C. Sonnig. Karin (Gespräch). Kurzer Spaziergang (+). Feliks liest. Nacht +. 4. 3½°C. Bewölkt. Feliks (Banknoten). Bahnhof. Dante (ich). N +-. 5. 2°C. Bewölkt. Ich schreibe Briefe. Feliks liest. Nacht +. 6. 2°C. Bewölkt. Nacht +. 7. 4°C. Sonne scheint blass. Feliks liest. Kazia mit einem Brief (Teof.). Nacht: Attacke abgewendet. 8. 2°C. Bewölkt. Karin. Ofen. Aura. Nacht + (Brom). 9. 4°C. Sonnig. Um 3 lange Attacke. Der erste Schnee. Nacht +. 10. 2°C. Sonnig (Frost). Karin + die Henne. Weigl (+). Feliks (j) liest. Nacht +. 11. 1°C. Bewölkt. Dante bei mir: Ostern, die Henne. Nacht +. 12. 3°C. Sonne scheint blass. Karin. Feliks liest. Grütze. Temperatur 39 +. Nacht -. 13. 7°C. Sonnig. Apotheke. Mädchen mit Äpfeln. Feliks liest. Nacht +. 14. 8°C. Sonnig, Wind. Nacht + (Brom). 15. 8°C. Sonnig. Die Henne. Feliks liest nicht. Nacht+. 16. 2°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Feliks liest. Nacht +. 17. 4°C. Sonnig. Karin. Kurzer Spaziergang. Feliks liest. Nacht +. 18. 2°C. Bewölkt. Doctr. chr. Dante (Feliks). Nacht +. 19. 0°C. Bewölkt. Doctr. Euch. + Feliks liest. Nacht +. 20. 1½°C. Bewölkt. Karin. Um 3 Wanne. (+ Feliks begleitet nach Hause). Nacht +. 21. 2°C. Bewölkt. Kazia, ich schreibe eine Karte. Feliks liest. Nacht + (Brom). 22. 2°C. Bewölkt. Karin putzt. Frau Klopfer. Apotheke. Feliks. Nacht +. 23. 2°C. Bewölkt. Karin putzt. Sauber. Feliks liest. Nacht 20 min. 24. 3½°C. Sonnig. Karins Geburtstag. Karin: mich. Kazia mit einem Brief. Nacht +. 25. 2°C. Bewölkt. Feliks auf einen Sprung: Dante wird nicht stattfinden. Nacht ½ Std. 26. 4°C. Wechselhaft. Karin bei mir. Es liegt Schnee. Feliks liest. Nacht -. 27. 2°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Feliks liest. Nacht + (Brom). 28. Wechselhaft. Feliks (Wiederh.). Kazia mit einem Brief (evang.). Nacht +. 29. 8°C. Wechselhaft. Kurzer Spaziergang. 30. 3°C. Wechselhaft. Weiß. Um 2½ Attacke abgewehrt. Feliks liest. Nacht +. Dezember 1. 2. Still. Zu Frau Schumann – Fölisch; Karin. Nacht + (Brom). 3. 3½°C. Bewölkt. Fölisch (Wein). Feliks liest. Es taut. Nacht +. 4. 1°C. Bewölkt. Ich beende den Text von Kapitel VIII. 5. 1°C. Bewölkt. Karin (Äpfel). Kazia (Brief, M. Frau Schumann). Nacht +. 6. 1°C. Bewölkt. Briefe; zum Bahnhof. Feliks kurz. Nacht +. 7. 1°C. Bewölkt. Ich komme langsam zu den Anmerkungen zurück. Nacht +. 267

8. 5°C. Bewölkt. Weronikas Geburtstag. Niemand. Nacht +-. 9. 4°C. Sonnig. Nach dem Lesen langer Spaziergang mit Karin. Feliks. Kazia mit einem Brief. Nacht +. 10. 2°C. Bewölkt. Es liegt Schnee. Apotheke (supposit). Feliks. Karins Abreise. Dante. Nacht +. 11. 1°C. Ich beende die Anmerkungen VIII, beginne mit dem Vorwort. Kazia. Feliks liest. Nacht (Brom) +. 12. 1°C. Bewölkt. 13. 1°C. Bewölkt. Hauswirtin krank. Kurzer Spaziergang. Nacht +. 14. -1°C. Bewölkt. Zur Hauswirtin (bettlägerig, die Blase). Feliks liest. 15. -1°C. Bewölkt. Hund. Zur Hauswirtin. Kazia (Geographie). Nacht+. 16. -2°C. Bewölkt. Um 11 liest Feliks. Dem Ende nahe. Nacht +. 17. Einsamkeit. -2°C, bewölkt. Abends Karin. Feliks. Nacht +. 18. -3°C. Sonnig. Wanne +, Weg – (Genzl.). Um 5 lange Attacke. Nacht +. 19. -3°C. Bewölkt. Feliks kurz. Zur Schenke. Nacht -. 20. +5°C. Bewölkt. Feliks liest. Um 8¼-9¼ Attacke. Nacht +. 21. -3°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Feliks holt Karin ab (4 Uhr). Nacht +. 22.+1°C. Sonnig. Weronikas Tod jährt sich zum ersten Mal (Traum von […]). Kazia mit einem Brief. Karin. Nacht +. 23. +2°C. Sonnig. Kurzer Spaziergang. Hauswirtin. Feliks liest. Nacht +. 24. +1°C. Bewölkt. Mit Karin und Frau Bormann zum Friedhof. Die Hennen. Mit Feliks zu den Feliksens (-). Attacke. Nacht -. 25. Feliks bringt mich nach Hause. Sonnig. Nacht +. 26. +1°C. Bewölkt. Feliks seit der Frühe, liest. Nacht + (Brom). 27. +1°C. Bewölkt. Briefe. Um 5 Feliks. Um 7 Attacke. Nacht -+. 28. +4°C. Bewölkt. Karin: Weiß. Feliks: ich lese die Sakr., Bitte. Nacht +. 29. +3°C. Bewölkt. Feliks liest (Knolf). Übelkeit. Nacht + (Brom). 30. +2°C. Bewölkt. Karin putzt – Kazia: Brief. Kaffeezeit: die Hennen, die Feliksens, Frau Bormann (+), ich bin energiegeladen. Nacht +. 31. -1°C. Bewölkt, weiß, Sonne. Hennrich. Schneesturm. Apotheke. Feliks liest. Nacht +.

1944 Januar 1. -3½°C. Sonnig. Karin. Feliks (Eiresione). Nacht -. 2. +3½C. Bewölkt. Nacht + (Brom). 3. +5°C. Sonnig. Karin. Versuch eines Spazierganges (w.). Der Schnee ist geschmolzen. Feliks (Eiresione). Nacht + (ohne Brom). 4. +5°C. Wind. Kühler, Feliks’ Hl. (Knolf). Um 7 Attacke. Nacht -. 5. -1°C. Weiß. Habe den Spaziergang verschlafen. Karin. Nacht + (Brom). 6. -9°C. Sonnig. Mit Elisabeth Ä. holen. Kurzer Spaziergang. Kazia mit einem Brief. Feliks: Muse. Nacht +. 7. 0°C. Bewölkt. Wieland. Feliks auf dem Schlitten, Wanne (+). Bona. Nacht +. 268

8. +1°C. Sonnig. Versuch eines Spaziergangs (-). Karin krank. Feliks (pol.). Nacht +. 9. +4°C. Sonnig. Priester. Zu Hause (w.). Nacht +. 10. +6°C. Bewölkt. Der Schnee ist geschmolzen. Grün. Weronika. Nacht +. 11. +1°C. Weiß. Karin (Marken). Feliks (Schulausgaben; psych.) Nacht -. 12. 6°C. Grün. Feliks (Schulausgaben, Kr.). Nacht +. 13. +7°C. Sonnig. Karin (Haa.). Kurzer Spaziergang (+). Feliks und Dante (Hennrich). Nacht +. 14. +6°C. Sonnig, danach Regen. Kazia mit einem Brief. Feliks (ich: Mittagessen). Karin. Nacht +. 15. +4°C. Sonnig. Feliks kurz. Spaziergang, Apotheke. Nacht + (Schlaf). 16. +4°C. Bewölkt. Priester + Karin. Spaziergang nach Vronibauch (+). Nacht +. 17. +2°C. Bewölkt. Feliks kurz. Spaziergang zur Apotheke (Wein). Nacht +. 18. -1½°C. Bewölkt. Spaziergang zum Bahnhof (+). Feliks (½ Aug.). Nacht +. 19. +1°C. Bewölkt. Karin. Spaziergang zum Bahnhof (+). Feliks (2/3 Aug.) Nacht -. 20. +1°C. Bewölkt, sonnig, Vorfrühling. Spaziergang zum Bahnhof und Vronibauch (+). Fräulein Wittich. Nacht +. 21. +8°C. Sonnig. Karin (kü.). Spaziergang zum Bahnhof. P. Nacht 15 min. 22. +2°C. Sonnig. Spaziergang zum Bahnhof. Feliks. Jurek [Klinger] übernachtet. Nacht + (Brom). 23. +2°C. Sonnig. Versuch eines Spaziergangs mit Jurek. Feliks […]. Knolf. Nacht 10 min. 24. +2°C. Bewölkt, weißlich. Karin. Sonnig, Wind. Apotheke. Weigl (-). Feliks. Nacht -. 25. +6°C. Bewölkt, Wind. Apotheke. Karin. „Meine Nachlese“. Feliks (Kn.+). Nacht +. 26. +3°C. Sonne scheint blass, Wind. Apotheke. Weigl (-). Kazia mit einem Brief. Feliks. Nacht +. 27. +3½°C. Bewölkt, hässlich. Karin w.w. Um 6½ Attacke: diland. Dante: ich (+). Nacht, Brom. 28. +8°C. Bewölkt, Wind. Karin kurz. Feliks länger. Nacht -. 29. +6°C. Bewölkt, sonnig. Vorfrühling. Zum Friedhof. In der Sonne 26°C. Feliks. Nacht + (Brom). 30. 3°C. Raureif, sonnig. In der Sonn 23°C. Um 3½ Attacke. Kurzer Spaziergang. Nacht -. 31. +2°C. Nebel, sonnig. Karin (Äpfel). Zum Bahnhof und Vronibauch (gebr!), Temperatur 36°. Nacht +. Februar 1. 0°C. Raureif, sonnig. Kurzer Spaziergang (querfeldein). Feliks (Alk.). Nacht – (Brom). 2. +7°C. Bewölkt, Wind, Regen. Karin. Feliks (Alk.). Nacht +. 3. +9°C. Bewölkt. Um 10 Attacke. Dante bei mir (Ostern). Nacht + (Brom). 4. +4°C. Schnee, Schneesturm. Karin (kü.). Kazia, Brief. Nacht +. 269

5. 0°C. Weiß, Schneesturm. Verwehungen. Feliks (Parc.). Nacht +. 6. -1°C. Weiß, Schnee. Versuch eines Spazierganges (½ Std.). Verwehungen. Nacht +. 7. -6°C. Sonnig. Blumen im Fenster. Karin (bez.). Verwehungen. Nacht +. 8. +2°C. Bewölkt, weiß. Karin. Feliks (Maschinchen, Parc.). Nacht –. 9. 0°C. Bewölkt, weiß, 12. Kazia mit einem Brief. Feliks (Parc.). Verwehungen. Nacht +. 10. +1°C. Bewölkt, weiß, Wind, Schnee. Karin krank. Dante (Feliks). Verwehungen. Nacht +. 11. -3°C. Bewölkt, weiß, Schnee. Verwehungen. Feliks. Nacht – (Brom). 12. -2°C. Bewölkt, weiß. Feliks nach München. Verwehungen. Nacht +. 13. -2½°C. Bewölkt, weiß. Fräulein Wittich. Verwehungen. Feliks (Hyperion). Nacht +. 14. -1½°C. Bewölkt, weiß. Nacht. Nacht -. 15. -1°C. Bewölkt, weiß. Fräulein Wittich. Schneewehchen +. Nacht +. 16. 0°C. Bewölkt, Schnee, weiß. Feliks (Hyperion). Dante (die Henne). Nacht + (Brom). 17. -2°C. Bewölkt, Schnee, weiß. Revision. Nacht +. 18. -6°C. Bewölkt, weiß. Um 12 Attacke. Revision. Niemand. Nacht +([szl.]). 19. -2°C. Bewölkt, weiß. Um 3½ lange Attacke. Feliks (Hyperion). Um 9 zweite Attacke. Nacht; 3. Attacke. 20. -6°C. Bewölkt, weiß. Nacht +. 21. -4°C. Sonnig, Schnee, weiß. Frau Bormann (Rabsens). Nacht + (Brom). 22. -5°C. Bewölkt, weiß, sonnig. Die Henne. Feliks (Hyperion). Nacht +. 23. -5°C. Bewölkt, weiß. Karin (Äpfel). Kazia, Brief. Dante (Feliks). Nacht +. 24. -5°C. Sonnig. Karin (spät, Ofen). Nacht +. 25. -5°C. Bewölkt, weiß. Feliks (Rabsens). Um 11 Attacke. Nacht +. 26. -7°C. Sonnig, weiß. In der Sonne +25°C. Karin (khl.). Wein 1. Nacht, Attacke 20 min. 27. -3°C. Sonnig. Feliks (Hyperion). Wein 2. Nacht -+. 28. +1°C. Wechselhaft. B. Junge, Ofen. Wein 3. Nacht (5+5+5). 29. +3°C. Wechselhaft. Karin früh. Meine Else. Feliks (verschl.). Wein 4. Nacht -. März 1. +2°C. Weiß, bewölkt. Günther ist nicht da. Feliks (Hyperion). Wein 5. Nacht (w.w.). 2. +2°C. Weiß, bewölkt. Niemand und nichts. Wein 6. Nacht ohne Suppositum. Von 12-2 Aura. 3. +1°C. Weiß, sonnig. Die Henne, Karin. Wein 7. Schnee. Schwere Nacht, ohne Suppositum anstrengend. 4. +2°C. Sonnig. Leichter. Feliks (Hyperion). Nacht (Traum). Wein 8, Aura […]. 5. -1½°C. Bewölkt. Schlechter. Niemand. Wein 9. Nacht + (Brom). 270

6. -1°C. Bewölkt, Schnee. Besser. Karin (Ischias). Wein 10. Um 9½ verängstigter Feliks. Frau Posch. Nacht +. 7. +3°C. Bewölkt, Schnee. Wein 11. Karin. Abends Feliks (Hyperion). Nacht Husten, neues Suppositum. 8. +3°C. Bewölkt. Fräulein Wittich. Frau Wittich. Feliks (Hyperion). Frau Posch verspätet. Nacht (digital). 9. 0°C. Bewölkt, sonnig. Wein 13. Brief nach Krakau. Niemand. Rabsens mit Frau Posch. Nacht (Tertiana) +. 10. +3°C. Sonnig. Karin + die Henne. Wein 1. Weber. Schwach und schläfrig. Feliks. Nacht -. 11. +4°C. Sonnig. Feliks (Apotheke) + Kazia (Tratschtanten). Wein 2. Fräulein Wittich (ich). Nacht + (Die Alliierten). 12. +5°C. Sonnig. Annecke. Wein 3. Feliks (Hyperion). Frau Posch (Rabsens). Nacht -. 13. +3°C. Schnee, Wind. Keine Milch. Karin (Äpfel) – Schwester Bona. Wein 4. Abends wäscht Feliks. Nacht. 14. +1°C. Tauwetter. Keine Milch. Karin. Abschied von Frau Posch. Wein 5. Günther! Feliks. Nacht +. 15. +1°C. Bewölkt. Günther + Feliks. In der Nacht Alarm + (Die Alliierten). Wein 6. 16. +3°C. Karin + Günther. Karin ([…] Neffe). Wein 7. Nacht – (Husten). Karin (Spaziergang). 17. +2°C. Die Henne (hlb.). Günther (Frau Edeltraut). Feliks (Hyperion). Wein 8. Nacht Husten + Feliks. 18. +8°C. Sonnig. Karin krank. In der Sonne 25°. Kazia mit einem Brief. Wein 9. Die Alliierten. Nacht + Die Alliierten. 19. +8°C. Günther (Lessing). Feliks (pol.!). her. Obst. Nacht (Die Alliierten) +. Wein. 20. +4°C. Bewölkt. Günther (Lessing). Feliks (rechtf.). Obst. Die Alliierten. Nacht +. Wein 11. 21. +3°C. Bewölkt, Schnee, Wind. Günther (Apotheke). Karin (wenig). Wein 12. 22. +2°C. Bewölkt, Schnee, Wind. Meine Lesung (1) mit Reisinger (+). Nacht. Wein. Nacht. Wein 13. 23. -1°C. Schneesturm. 24. Wein 2. 25. +6°C. Sonnig. Wein 3. 26. +1°C. Bewölkt. Günther + Karin (pax). Gait. Wein 4, Schnee. Meine Lesung (+). Nacht – (Die Alliierten). 27. +4°C. Bewölkt. Karin (Absch.). Günther (Äpfel). Wein 5. Günther (pol.). Nacht (Die Alliierten). Obst. 28. +10°C. Sonnig. Günther (Absch., Nimm.). Spaziergang mit d. Hausw. (¼ + ¼), Dörfchen. Fräulein Wittich. Feliks (veräch.). Wein 6. Nacht – (Die Alliierten, 5 Tierg). Kazia. 271

29. +5°C. Bewölkt. Um 3 Spaziergang mit Fräulein Wittich (25 Meter). Wein 1. Schwestern. Nacht + (Die Alliierten). 30. +5°C. Schnee. Um 3 Spaziergang mit Kazia (¼), Brief. Gait. Feliks (Hyperion). Wein 2. Nacht +. 31. +6°C. Schnee. Wein 3. Fräulein Wittich. Kein Spaziergang. Nacht +. April 1. +5°C. Sonnig. Um 3 Spaziergang mit Fräulein Wittich (½ Std. +). Wein 4. Frau Bormann. Feliks (Maschinchen). Nacht -. 2. +8°C. Sonnig. Feliks mit Frau P. Um 2½ Spaziergang mit Fräulein Wittich (½ Std. +). Wein 5. Frau Bormann (Rabs.). Nacht +. 3. +10°C. Sonnig. Uhr. Wein 6. Frau Posch mit Nichte zur Apotheke (40 Minuten +). Feliks (Hyperion +; p.+). Nacht -. 4. +11°C. Sonnig. Wein 3. Mit Fräulein Wittich zum Bahnhof (1 Stunde +), Frühling. Nacht + Die Alliierten. 5. +11°C. Sonnig, grün; ich heize nicht. Um 3 Die Alliierten, Fräulein Wittich, Gewitter. Wein 8. Feliks (spät). Nacht + (Brom). 6. +10°C. Sonnig. Wein 9. Mit Fräulein Wittich zu Vronibauch (50 Minuten +). Kazia (ev.). Nacht +. 7. 7°C. Bewölkt, sonnig. [Spaziergang] mit Fräulein Wittich (50 Minuten). Wein 10. Frau Posch (Parz.). Nacht +- (Die Alliierten). 8. +7°C. Nebel, sonnig. Um 3 Uhr mit Fräulein Wittich auf den Friedhof (1 Stunde 25 Minuten). Nacht -. Wein 11. 9. +12°C. Wechselhaft. Ostern, Fräulein Wittich mit Schwester: allein und mit Fräulein Wittich zum Bahnhof. Frau Bormann. Wein 12. Nacht +. [Bücher] Pfleiderer 2 Bd. Hatch Rückgabe II 44 Hilgenfeld Von Prof. Caspari: Irenaeus von Jordan Hilgenfeld, Die Ketzergeschichte des Urchristentums Eusebius IV von Dinding Von Prof. Rehm: Geffcken, Zwei griechische Apologeten Irenaeus von Stieren 2 Bd. Tertullian von Oehler 3 Bd.

{

Universitätsbibliothek München

Eusebius von Schwartz Epiphanius von Holl 3 Bde Augustin, Confessiones ed. Knopf Universität München Troeltsch, Augustin, die christliche Antike und das Mittelalter 272

Nor. Ed.123 [?] Myst. 10. 11°C. Bewölkt, Regen. Kein Spaziergang. Kazia. Fräulein Wittich. Wein 13. Nacht -. 11. 9°C. Sonnig. Kein Heizen. Mit Fräulein Wittich zum Bahnhof und weiter. Wein 14. Nacht + […]. 12. 9°C. Sonnig. Wein 15. Mit Fräulein Wittich nach Vronibauch (Brett). Ich heize nicht. Nacht +. 13. 11°C. Sonnig. Ostern +. Wein 16. Kazia mit einem Brief, Spaziergang ½ Stunde, Brief. Nacht + (Die Alliierten). 14. 13°C. Sonnig. Mit Fräulein Wittich zur Apotheke und Weigl. Nacht +. 15. 13°C. Wechselhaft. Mit Fräulein Wittich auf die Wiese. Hennrich. Nacht +. 16. 15°C. Sonnig, ich heize. Feliks. Priester. Allein zum Bahnhof. Karin + […]. Wein 11. Nacht +. 17. 12°C. Bewölkt. Wein 2. Zum Bahnhof, Heimkehr mit Fräulein Wittich. Karin. Kazia (Spaziergang). Nacht +. 18. 11°C. Bewölkt. Mit Fräulein Wittich zur Post, […]. Wein 3. Feliks (Lesung). Nacht (½ Stunde). 19. 9°C. Bewölkt. Ich heize. Karin. Fräulein Wittich ([…] kein Spaziergang). Wein 4. Die Gaitens. Nacht +. 20. 9°C. Nebel. Ich heize. Karin (Fingernägel). Kazia mit einem Brief. Allein Spaziergang ¼. Feliks. Nacht +. 21. 9°C. Bewölkt. Ich heize nicht. Niemand. Nacht +. 22. 9°C. Bewölkt. Karin. Spaziergang zur Apotheke (-). Feliks wäscht. Nacht +. 23. 8°C. Sonnig. Feliks. Mit Feliks (Hocker) zu den Feliksens (Beethoven VII!). Nacht +. 24. 14°C. Sonnig. Spaziergang zum Bahnhof und Vronibauch (Brett!). Feliks wäscht. Nacht +. 25. 7°C. Bewölkt. Fräulein Wittich. Feliks (Maschinchen). Kein Spaziergang, ich heize. Nacht + (die Alliierten). 26. 8°C. Bewölkt. Karin (Butter). Kein Spaziergang, ich heize. Feliks. Nacht + (die Alliierten). 27. 9°C. Sonnig. Ich heize. Kurzer Spaziergang mit Fräulein Wittich. Feliks. Nacht + (die Alliierten). 28. 6°C. Bewölkt, ich heize. Karin. Die Henne. Kazia mit einem Brief. Nacht +. 29. 7½°C. Bewölkt, ich heize […] Frau Danzer. Nacht + (die Alliierten). 30. 7°C. Bewölkt, Wind, ich heize. Fräulein Wittich. Äpfel. Karin. Nacht – (Attacke).

123

273

[Buchausleihe] Leipzig Bestellung

8. IX

15. IX

Titel

Erhalten

Termin

Duchesne IV

6. VII

30. VII

Verlängerung 26.VII

Rückgabe 29. X

Bonwetsch





Hatch Harnack, Beiträge zur Einleitung in das Neue Testament [Harnack], Augustinus Konfessionen Bousset Neumann, Hippolytus von Rom [Kurzer Handkommentar zum Alten Testament] 4 Bd. Battifol, Le catholicisme de Saint Augustin Koch […] Harnack […] Mansbach Aug. d. Chr. Misch Bruckner Henzen Thimme





26. VIII, 29. IX 26. VII ? 26. VIII, 29. IX 26. VII





26. VII





29. X.

25. I

? 25. I

13.IX

20. IX “ “ “

29. X 29. X 29. X

274

Tübingen Bestellt 12 I, erhalten 25 I: Augustinus, De civitate dei, I Thimme, Augustins Selbstbildnis in den „Konfessionen“ Monceaux, IV Augustinus, Epistolae Wilamowitz, Griechische Literatur des Altertums Mai 1. 7°C. Bewölkt. Feliks (Maschinchen). 2. 12°C. Sonnig, aber Wind. Kurzer Spaziergang, Erkältung. 18, 3. Nacht +-. 3. Den ganzen Tag im Bett. 16,8-17,5. Feliks. Karin. Fräulein Wittich. Nacht +. 4. 12°C. Sonnig. Ich stehe auf. Karin. 5. 6. Temperatur: 36, ich stehe auf. Um 5 – 37,5, im Bett. W.K. 7. 8°C. Bewölkt. 36,2. Hadlers Telefon: 213 Weronikas Gewicht 1939 in Warschau: 60 kilo 1942 23 IV 50 “ 4 IX 48 ½ “ Fehlende Belege Pfarrer (20 Mk) Grabeinfassung Blumenschmuck der Kapelle Kreuz Anpflanzung Weilheim 268,85 Leichenfrau 58,65 Grabstätte 60 (203,75) Sykutris Wilhelm Hertz […] Frau Dr. Zieliski Brannenburg/Inn bei H. Feling /Thann [?] Hegesias Peisithanatos124 Verona 16 September 1786

124

Hegesias aus Cyrene, genannt Peisithanatos (der den Tod Ratende), Philosoph im 3. Jh. vor unserer Zeitrechnung. Seine Ansichten stellte er im Apokarteron (der Hungrige) dar: das Glück ist unerreichbar, der einzige Ausweg des Weisen scheint der Selbstmord zu sein. 275

Dom. Der Tizian. […] Der Gedanke gefällt mir, dass er die himmelfahrende Maria nicht hinaufwärts sondern nach ihren Freunden niederwärts blicken lässt.125 Sie schauen gen Preußen [und ergehn sich in Tränen], Sie schauen gen Kaunas – und empfehlen sich Gott. [Adam Mickiewicz, Konrad Wallenrod – Wajdelotengesang] Priester Gelsenderg. Telephon 18 Pfarrer Witgar I vot pošël ja žit’ v pustynju S poslednej do erju svoej. Eë chranil ja, kak svjatynju; Vsë, to imel ja, bylo v nej.

No as udaril neizbežnyj, I uletel ptenec moj nežnyj!...

Lermontov, Chadži Abrek

[Eintrag von der Hand des Autors. Der Herausgeber Piotr Mitzner hat ihn von der ersten Seite des Manuskriptes an diese Stelle verschoben.] Mein Testament Meine Habe, so wie sie nach meinem Tode zurückbleiben wird, vermache ich als bedingungsloses und ausschließliches Eigentum meinem Vater, Professor Doktor Tadeusz Zieliski.

125

Diese Worte zitiert T. Zieliski auch im letzten Band von Religie wiata antycznego (Bd. VI, Kapitel VIII, Par. 42, Anm. 24.). Sie beschreiben die Himmelfahrt Mariens von Tizian in der Kathedrale Santa Maria Matricolare in Verona. 276

Die mir von ihm verkauften Autorenrechte, deren Verkauf in der Kanzlei von Herrn Rechtsanwalt Roman Jelnicki am 11. Juni 1938 beglaubigt wurde, vermache ich ebenfalls meinem Vater, Professor Doktor Tadeusz Zieliski. Warschau, den 11. Juli 1938 Weronika Zieliska

277

Register der Personennamen126 Aischylos ................................................ 33, 43, 130 Aleksej ................................................................ 161 Alexander ................... 3, 7, 9, 54, 85, 109, 135, 137 Alexius ...................................................... 51, 60, 90 Alföldi................................................. 184, 206, 237 Altheim ............................................................... 243 Amata ........................................... 33, 156, 170, 185 Ammianus........................................................... 243 Andreev .............................................................. 138 Andresen ............................................................. 243 Angelo .................................................................. 77 Anna .... 49, 53, 54, 55, 60, 63, 75, 91, 96, 106, 148, 158, 216 Annenskij .................. 26, 33, 41, 135, 138, 164, 166 Antoniewicz ................................ 184, 200, 206, 236 Apuleius ...................................................... 238, 243 Aristophanes ............................................. 43, 70, 94 Aristoteles ................................................... 157, 243 Asche .................................................................... 62 Augustin ....................................... 36, 243, 272, 274 Babet ..................................................................... 99 Babette .................................................................. 99 Bärbl ............................................. 99, 100, 101, 102 Battifol ........................................................ 239, 274 Baudouin de Courtenay ...................................... 141 Baum............................... 46, 89, 152, 202, 204, 205 Baumbach ............................................................. 76 Baumgarten................................................... 89, 152 Bawed ................................................................... 99 Bawet .................................................................... 99 Beethoven ........... 179, 190, 213, 226, 245, 262, 273 Bellini ................................................................... 84 Beneševi .................................................... 156, 170 Benndorf ............................................................... 84 Benrath ............................................................... 240 Berta ................................................................... 179 Bertholet ............................................................. 237 Bestužev-Rjumin ........................................ 110, 157 Beurlier ............................................................... 236 Bienieszewicz ............................................. 156, 170 Biesendahl ...................................................... 78, 80 Bihlmayer ........................................................... 238 Blagovešenskij .................................................. 127 Blass ........................................................... 107, 155 Blok ...................................................... 36, 138, 165

Böckh.................................................................... 68 Bogolepov .......................................................... 116 Boissevain .................................................... 88, 151 Boissier ....................................................... 236, 238 Bonwetsch .......................................................... 274 Bormann .... 169, 212, 229, 232, 234, 235, 244, 245, 246, 247, 248, 250, 251, 255, 257, 261, 263, 264, 265, 268, 270, 272 Bousset ............................................................... 274 Boyesen .............................................................. 240 Brahms................................................................ 227 Brandt ................................................................. 121 Brandtker ............................................................ 204 Braun .. 119, 120, 121, 122, 123, 131, 140, 144, 236 Brjusov ............................................................... 138 Bruckner ..................................................... 227, 274 Brugmann ....................................................... 68, 73 Büchner .............................................................. 239 Buli ................................................................... 125 Bunin .................................................... 27, 138, 167 Bürger ................................... 14, 140, 142, 143, 148 Burkat ................................................................. 112 Byvanck .............................................................. 237 Caesar ..................................................... 44, 50, 243 Carcopino ........................................................... 239 Carmen ............................................................... 257 Carossa ............................................................... 205 Caspari ................................ 223, 237, 247, 259, 272 Cassius .................................................................. 88 Catull .............................................................. 43, 68 Cenzor ................................................................ 138 Cholodnjak ................................. 110, 111, 117, 118 Chopin ................................................ 179, 213, 222 Cicero .... 9, 16, 25, 31, 38, 44, 45, 46, 64, 114, 115, 128, 158, 159, 243 Clark ................................................................... 129 Crusius35, 70, 71, 72, 74, 75, 76, 77, 81, 82, 90, 94, 96, 97, 98, 107, 108, 115, 119, 128, 134, 143, 150, 154, 177, 237 Cumont ............................................... 235, 237, 238 Curtius ............................................................ 65, 68 wikliski .......................................................... 237 Cybulski.............................................................. 141 Dante ... 21, 182, 188, 218, 219, 220, 221, 222, 227, 233, 235, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 252,

126 126

Verglichen wurden die Indices der polnischen Edition [T. Zieliski, Autobiografia. Dziennik 1939-1944; hg. H. Geremek und P. Mitzner, Warszawa 2005, 387-393] sowie ein russisch geschriebenes erklärendes Namensverzeichnis zu Zielinskis Autobiographie von A. Ruban (das Teil der gleichzeitig in St. Petersburg erscheinenden russischen Ausgabe der Autobiographie ist). Die Schreibung nicht weniger russischer und deutscher Namen wurde teils von A. Ruban, teils vom Reihenherausgeber stllschweigend berichtigt. Bei russischen Namen wurde die in Deutschland übliche wissenschaftliche Transkription durchgeführt. In Zweifelsfällen sind mehrere mögliche Schreibungen angegeben. Bei der Internationalität der Wissenschaft bedeutet die Entscheidung für eine bestimmte Orthographie in keinem Falle eine Vereinnahmung des betreffenden Gelehrten für nur eine Nation. 279

Goetz .................................. 66, 67, 68, 73, 103, 149 Gordziejew ......................................................... 236 Göring ..................................................... 69, 72, 128 Gorodeckij .......................................................... 137 Gothein ............................................................... 238 Gradliv ................................................................ 231 Graillot........................................................ 236, 237 Grevs .......................................................... 125, 133 Grillparzer .................................................. 140, 243 Grimm .......................................................... 98, 122 Grudziska.................................................... 51, 147 Grudziski ............................................................ 51 Gsell ........................................................... 237, 240 Gulbranssen ........................................ 210, 212, 215 Gutzkow ............................................................... 75 Hans .................................................... 176, 180, 205 Harnack ........................................ 72, 240, 241, 274 Hartel .................................................................... 61 Hartleben .............................................. 83, 100, 150 Hatch .......................................................... 272, 274 Haydn ................................................................. 222 Hegesias.............................................................. 275 Heineverehrer ....................................................... 96 Heinrich .......................................... 70, 78, 179, 216 Helbig ........................................................... 86, 238 Heldreich .............................................................. 88 Hennecke ............................................................ 241 Henzen .......................................................... 86, 274 Hepding ...................................................... 236, 237 Heraklit ............................................................... 203 Hermann ..................................................... 177, 180 Hermine .............................................................. 179 Hertz ................................................................... 275 Hilgenfeld ........................................................... 272 Hoerschelmann ........................................... 107, 154 Holland ........................................................... 78, 88 Homer ................................................... 62, 127, 128 Homo .................................................................. 238 Horaz ................ 62, 68, 89, 182, 204, 221, 222, 259 Hugo ................................................................... 253 Hülsen ................................................................... 86 Humphreys ................................................. 107, 154 Hyde ................................................................... 236 Ilberg .................................................................... 94 Immermann ................................................ 141, 239 Irenaeus .............................................................. 272 Ivanov ....................................... 26, 33, 64, 138, 166 James .................................................................. 128 Janina ............................................ 51, 147, 184, 185 Jastrebov ............................................................. 122 Jean Paul ............................................................. 105 Jeanne d’Arc ......................................................... 55 Jernstedt .... 88, 93, 94, 109, 110, 112, 138, 139, 166 Jordan ............................................. 78, 80, 240, 272 Joseph ........................................................... 61, 130 Julia .................................................................... 178 Julian .................................................... 51, 190, 238 Justinian .............................................................. 135 Kahlmann ........................................................... 197 Kaibel ................................................. 107, 115, 154 Kanokogi ............................................................ 156 Kant ............................................................ 136, 164 Karabevskij ....................................................... 127

253, 254, 255, 257, 258, 259, 261, 262, 263, 265, 266, 267, 268, 269, 270 Däumling ... 176, 179, 180, 218, 219, 221, 223, 227, 236 Delahaye ..................................................... 236, 239 Delatte................................................................. 239 Deljanov ..................................................... 109, 116 Dellevie................................................................. 93 Denifle ................................................................ 240 Deubner .............................................................. 236 Dibelius....................................................... 237, 240 Diehl ............................................. 36, 126, 161, 231 Dieter .................................................................. 239 Dietrich ............................................................... 238 Diodoros ............................................................. 243 Dittenberger ........................................................ 236 Dittmann ................................................... 58, 61, 92 Domaszewski ...................................................... 243 Donatus ............................................................... 207 Dostoevskij ........................................... 21, 136, 188 Drerup ................................................................. 237 Duchesne ............................................ 240, 241, 274 Ebers ................................................................... 238 Editha.............................................................. 92, 95 Eduard................................................... 66, 102, 273 Eitrem ................................................................. 237 Elisabeth Luise ................................................... 169 Ellinger ............................................................... 241 Engels .. 78, 180, 218, 220, 221, 222, 223, 247, 251, 252, 253, 257, 264 Ernštedt ........................................... 88, 93, 157, 166 Eucken ................................................................ 239 Eugen .................................................................. 112 Euripides . 33, 36, 113, 133, 135, 137, 163, 164, 203 Eusebius .............................................................. 272 Feliks . 169, 170, 171, 172, 174, 177, 181, 184, 185, 186, 187, 193, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 242, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 275 Felix .............................. 38, 108, 109, 143, 156, 193 Forsten ................................................ 110, 113, 157 Foucart ........................................................ 151, 239 Fränkel ........................................ 70, 71, 76, 96, 108 Franz ..................................................................... 51 Friedländer .......................................................... 236 Friedrich ................................... 35, 59, 65, 149, 177 Funaioli ....................................................... 237, 239 Gauckler ............................................................. 239 Geffcken ..................................................... 238, 272 Georgievskij.......... 65, 73, 81, 92, 93, 115, 116, 148 Gerlach ................................................................. 64 Gersdorf .............................................................. 241 Gertrude ...................................................... 153, 180 Giebel ........... 66, 73, 78, 89, 94, 105, 148, 151, 169 Giotto .................................................................... 86 Glasenapp ........................................................... 122 Glazov................................................................. 124 Goethe....................... 21, 65, 95, 153, 161, 177, 190 280

Lehner ......................................................... 239, 240 Lemonius ............................................................ 117 Lermontov .......................................................... 276 Lessing................................................................ 271 Lev .................................................................. 17, 33 Levickaja-Den .................................................... 163 Lezius ................................................................... 73 Linkomies ........................................................... 237 Lipsius ............................................................ 69, 73 Livius .......................................... 110, 115, 150, 159 Ljudmila ............................................................... 33 Loeschcke ................................................... 107, 154 Lohmeyer............................................................ 240 Lolling .................................................................. 88 Lolly ..................................................................... 92 Louise ............................................................. 51, 52 Lübker ........................................................ 155, 225 Lucian ................................................................. 111 Lucius ................................................................. 241 Luckenbach .......................................................... 86 Ludmia .............................................................. 156 Ludwig........................................................ 101, 148 Ludwika ........................................................ 51, 169 Lugebil.................................. 92, 107, 109, 148, 152 Luise ............................................................. 66, 148 Lunaarskij ......................................... 138, 143, 166 Luria ..................................................................... 37 Mac Kibbin ........................................................... 94 Macrobius ........................................................... 243 Mahler ................................................................ 237 Majkov.................................................................. 93 Mansbach............................................................ 274 Manštejn ............................................................... 73 Marie .................................. 52, 54, 91, 97, 103, 216 Martha ................................................................ 102 Marx ............................................................. 78, 223 Masing .................................................. 92, 102, 109 Mau............................................... 86, 151, 236, 238 Max..................................................................... 200 Meister .......................................... 15, 19, 21, 73, 82 Melikova....................................................... 36, 118 Mendelssohn ............................................... 107, 154 Meyer.................................................................... 57 Mickiewicz .. 19, 21, 22, 26, 51, 52, 55, 73, 78, 141, 260, 276 Miljukov ............................................................. 158 Miljukova ........................................................... 131 Misch .................................................................. 274 Mitrofanov .................................. 110, 120, 132, 138 Mommsen .... 9, 16, 35, 45, 69, 79, 86, 87, 107, 115, 150 Monceaux ........................................................... 275 Morosini ....................................................... 89, 151 Mortkowicz-Olczakowa ..................................... 184 Mozart ........................................................ 222, 233 Müller ........................................... 42, 111, 155, 241 Muraguchi ...................................................... 9, 186 Nanni .................................................................. 101 Nauck.............................. 30, 66, 108, 156, 239, 240 Naville ................................................................ 239 Nekrasov ..................................................... 111, 117 Nellis .............................................................. 93, 94 Nestle .................................................................. 243

Kareev......................................................... 114, 133 Karin .. 169, 186, 193, 194, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 206, 210, 211, 212, 213, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 273, 275 Karl ................................... 43, 70, 78, 108, 179, 266 Karl Johannes ....................................................... 70 Karoline ................................................................ 88 Karsavin ...................................................... 140, 144 Katharina ...................................................... 99, 148 Käthe................................... 200, 209, 213, 214, 216 Katkov .................................................................. 92 Kayser ................................................................. 211 Kazia .. 185, 252, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273 Kazimiera ........................................................... 252 Kedrov ........................................................ 111, 117 Kenyon ............................................................... 240 Kern ............................................ 107, 177, 190, 239 Kerschensteiber .................................................. 216 Kerschensteiner .................................................. 178 Kieseritzky ...................................... 88, 92, 102, 109 Kiessling ............................................................. 236 Kirchner ................................ 61, 65, 92, 94, 95, 236 Klinger .................... 15, 36, 173, 184, 185, 236, 269 Klingner .............................................................. 237 Knopf .......................................................... 241, 272 Koch ................................................... 241, 243, 274 Koenig ... 61, 62, 63, 65, 66, 68, 70, 84, 92, 95, 105, 106, 109, 126, 153, 156 Koetschau ............................................................. 78 Köhler ................................................................... 88 Koni .................................................... 115, 148, 167 König ...................................... 30, 63, 115, 131, 159 Konrad .................................................... 83, 87, 276 Konstantin....................................... 26, 51, 139, 147 Kornelia .............................................. 156, 170, 207 Kotarbiska......................................................... 184 Kotarbiski 178, 184, 200, 214, 216, 217, 224, 225, 236, 259 Kotljarevskij ............................... 115, 130, 163, 165 Kowalski ............................................................. 237 Krašeninnikov ............................. 108, 129, 155, 162 Krasiski ............................................................... 73 Krasnosielski ........................................................ 73 Kraszewski.................................................... 84, 150 Kuakowski ......................................... 197, 224, 237 Kulin ................................................................... 110 Kumaniecki............................................. 11, 16, 237 Kutuzova............................................................... 53 Kuzmin ............................................................... 138 Ladislaus ............................................................... 52 Lafaye ......................................................... 237, 238 Lagarde ............................................................... 241 Lange . 69, 70, 71, 72, 74, 75, 76, 77, 79, 82, 87, 90, 95, 97, 101, 108, 148, 153, 211 Latyšev .. 36, 88, 111, 113, 117, 118, 119, 120, 123, 124, 126, 130, 138, 139, 140, 142, 157, 160 Lebedev ...................................................... 130, 163 281

Richter ................................ 180, 203, 205, 209, 216 Ritschl ................................................. 35, 65, 67, 68 Robert ................................................................... 86 Rodiev ............................................................... 127 Rohde.................................... 35, 107, 154, 243, 266 Romanov ............................................................ 147 Rösch .................................................................. 240 Rostovcev 37, 90, 92, 109, 113, 121, 126, 130, 133, 135, 139, 150, 152, 156, 157, 167, 176, 184 Roussel ............................................................... 239 Rüssmann ................................................... 179, 213 Ruth .................................................................... 180 Sabašnikov................ 31, 45, 46, 115, 135, 137, 140 Šachmatov .......................................................... 122 Šachovskaja .......................................................... 86 Sallust ................................................................... 61 Šepkin ............................................................... 123 Schaberg ............................................................... 88 Scheffel........................................... 71, 80, 216, 243 Schiller.................................................. 59, 151, 190 Schmidt ......................................................... 42, 238 Schneider ..... 63, 66, 73, 81, 92, 102, 104, 109, 149, 156 Scholtz ................................................................ 239 Schubert .............................. 193, 222, 248, 261, 262 Schumacher .......................................................... 62 Schumann .. 181, 197, 199, 200, 204, 205, 207, 212, 214, 220, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267 Schwartz ....................................................... 86, 272 Schwarz .................. 70, 72, 78, 95, 96, 97, 108, 143 Šebor........................................................... 110, 111 Seebass ................................................................. 78 Serao ................................................................... 215 Serck ..................................................................... 92 Sergeevi ............................................................ 116 Shakespeare ........................................................ 159 Sharp..................................................................... 81 Sichau ................................................................. 237 Sieglin ................. 70, 71, 72, 75, 76, 95, 97, 98, 153 Sienkiewicz ............................................ 19, 26, 138 Sinko................................................................... 236 Škorpil .................................................................. 73 Sowacki ............................................................... 73 Sobolevskij ................................................. 121, 139 Sokolov ................................................... 37, 92, 124 Sokrates ................................................ 37, 125, 203 Sologub ............................................................... 138 Soltau .................................................................. 240 Sonin........................................... 116, 117, 118, 123 Sonny .................................. 73, 78, 91, 94, 105, 109 Sophie ................................................... 51, 179, 180 Sophokles .. 17, 21, 31, 33, 41, 43, 63, 64, 114, 115, 127, 135, 137, 142, 159, 164 Spasowicz ........................................................... 115 Srebrny ............. 12, 25, 36, 173, 180, 184, 188, 237 Stasjulevi .......................................................... 114 Statius ................................................................. 243 Steinleitner.......................................................... 239 Stern ............................................................... 69, 73 Strauß.......................................................... 134, 208

Neudorf ................................................................. 94 Neumann.... 70, 71, 72, 76, 77, 84, 86, 96, 240, 241, 274 Newman .............................................................. 239 Niemirska-Pliszczyska.............................. 184, 185 Nietzsche ............................ 16, 21, 35, 77, 172, 188 Nikitin ........... 93, 109, 110, 111, 126, 138, 139, 152 Nikitskij .............................................................. 139 Nikolaus II. ......................................................... 116 Nilsson ........................................................ 237, 238 Ninger ........................................................... 73, 149 Nipperdey ........................................................... 243 Norden .................................... 28, 89, 237, 240, 273 Novosadskij ........................................ 108, 129, 155 Novotný .............................................................. 184 Oberg ............................................................ 88, 151 Oehler ................................................................. 272 Offenbach ........................................................... 222 Opitz ..................................................................... 78 Ostern 105, 177, 178, 180, 183, 200, 203, 204, 208, 213, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 224, 226, 231, 232, 236, 246, 248, 249, 251, 252, 253, 255, 256, 258, 259, 263, 267, 269, 272, 273 Otto ............. 29, 35, 45, 68, 70, 72, 84, 97, 177, 241 Overbeck................................................... 69, 81, 86 Ovid ...................................................... 46, 164, 243 Paris .... 3, 22, 41, 143, 145, 157, 168, 203, 235, 243 Passover .............................................................. 115 Patouillet ............................................................. 237 Peck .................................................................... 239 Petraycki ........................................................... 141 Petronius ............................................................. 243 Petrov ............................................................ 64, 133 Pettazzoni ................................................... 237, 238 Pfleiderer .................................................... 241, 272 Platonov ...... 109, 113, 120, 121, 123, 127, 130, 157 Plau ..................................................................... 266 Pliszczyska........................................................ 237 Plutarch ............................................................... 100 Pomjalovskij ........................... 81, 92, 109, 110, 118 Popawski ........................................................... 237 Prachov ............................................................... 109 Preisendanz ......................................................... 237 Przychocki .......................................... 144, 184, 203 Puškin ........................... 22, 153, 159, 163, 165, 167 Raev .............................. 25, 119, 126, 131, 134, 138 Ramuz ................................................................. 205 Randanini .............................................................. 86 Rau ........................................................................ 78 Rauschl ............................................................... 207 Reger........................................................... 200, 229 Rehm................................................... 236, 237, 272 Reiner ................................................................... 97 Reisinger .... 176, 177, 178, 182, 200, 204, 205, 211, 212, 216, 217, 218, 223, 226, 227, 230, 235, 236, 244, 245, 255, 266, 271 Reitzenstein ................................................ 236, 238 Remizov .............................................................. 138 Renan .......................................................... 240, 241 Reuter ................................................................... 96 Réville................................................................. 236 Ribbeck ........................... 29, 45, 68, 72, 74, 75, 106 Richard ....................................................... 153, 155 282

Wagler .................................................................. 78 Wagner ................................................... 77, 78, 152 Weber .. 77, 181, 199, 200, 213, 218, 225, 243, 252, 253, 255, 266, 271 Weizsäcker ................................................. 240, 241 Wendland.................................................... 240, 241 Weronika 13, 46, 156, 169, 171, 173, 174, 179, 180, 181, 182, 184, 186, 187, 193, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 265, 269, 277 Westphalen ................................................. 109, 112 Wilamowitz-Moellendorff .................................. 154 Wilhelm .... 29, 44, 70, 128, 153, 179, 180, 225, 275 Winniczuk ............................................................ 11 Wissowa ..................................................... 239, 243 Witgar ................................................................. 276 Witkowski .......................................................... 237 Wittich 179, 180, 199, 202, 208, 212, 216, 218, 219, 220, 221, 223, 226, 227, 228, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 244, 245, 247, 248, 249, 250, 252, 253, 254, 255, 258, 260, 263, 264, 269, 270, 271, 272, 273, 275 Wojciechowski ................................................... 237 Wolff .................................................................. 239 Wundt ............................................... 29, 44, 69, 128 Zacher ................................. 107, 108, 154, 155, 156 Zachvig ............................................................... 224 Zan ........................................................................ 78 Zarncke ................................................................. 94 Žebelëv ................................................. 37, 120, 156 Zielinski ... 1, 7, 9, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 51, 52, 98, 116, 127, 147, 148, 149, 150, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 160, 162, 165, 166, 167, 168 Zschokke .............................................................. 75 Zvereva ............................................................... 133 Zwolicka ............................................................. 185

Strobl .................................................................... 99 Subbotina .................................................... 133, 134 Swoboda ............................................................. 239 Szykarski ........................................................... 205 Tacitus ................................................................ 243 Taine ................................................................... 128 Tatarkiewicz ....................................................... 237 Tertullian ............................................................ 272 Teubner ............... 16, 41, 45, 79, 106, 115, 150, 154 Theognis ............................................................... 66 Thiersch ................................................................ 75 Thilo ................................................................... 241 Thimme....................................................... 274, 275 Thur ............................................................ 103, 153 Tieck ..................................................................... 99 Tiele .................................................................... 236 Tiepolo .................................................................. 84 Timašev ...................................................... 104, 153 Tischendorf ......................................................... 241 Tizian .................................................................. 276 Tolstaja ......................................................... 36, 118 Tolstoj ....................... 27, 33, 36, 134, 161, 165, 167 Toten Seelen ......................................................... 65 Toussaint............................................................... 89 Toutain ........................................................ 235, 237 Tretiak................................................. 212, 216, 237 Troeltsch ............................................................. 272 Tudeer ................................................................... 88 Tuhr ...................................................... 66, 104, 153 Turyn .......................................... 184, 197, 205, 222 Usener ................................................. 238, 240, 241 Vahlen................................................................... 61 Vannovskij .................................................. 116, 159 Vejsman .............................................................. 111 Venantius ............................................................ 236 Vengerov .................................................... 115, 159 Vergil .......................... 193, 207, 243, 245, 247, 256 Vinogradov ................................................. 119, 159 Vivaldi ................................................................ 222 Vladislavlev ........................................................ 109 Vvedenskij . 109, 113, 117, 123, 124, 127, 130, 131, 160, 165 Waberl .................................................................. 99

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