medium macht mode: Zur Ikonotextualität der Modezeitschrift [1. Aufl.] 9783839414514

Wie wird Kleidung zu Mode? Wer macht Mode? Wie erscheint Mode zwischen Bild und Text? Die Untersuchung der Ikonotextuali

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medium macht mode: Zur Ikonotextualität der Modezeitschrift [1. Aufl.]
 9783839414514

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1. Offenes Feld der Mode
1.1 Eingrenzung
1.2 Einführung
2. Mode in Zeitschriften – Schauplatz der Mode
2.1 Problemstellung
2.2 Forschungsstand
2.3 Methodenreflexion
2.4 Vorgehensweise
3. Medien der Mode
3.1 Die Modekleidung
3.2 Die Modefotografie
Was ist Fotografie?
Fotografie und Mode
Modebild – Medium der Mode
3.3 Die Modeliteratur
Was ist Modeliteratur?
Literatur und Mode
Modetext – Medium der Mode
3.4 Die Modezeitschrift
Was ist eine Zeitschrift?
Zeitschriften und Mode
IkonoModeText – Medium der Mode
4. Medialitäten der Modezeitschrift
4.1 Das Modemedium
Was ist ein Medium?
Die Medialitäten der Mode
Ist Mode ein Medium?
4.2 Die Trans-, Intra- und Intermedialität der Mode
Transmedialität – Struktur der Mode
Intramedialität – Material der Mode
Intermedialität – Mode innerhalb der Medienkombination
4.3 Die Medialität der Modestrecke
Aisthetische und diskursive Medien
Medienclash
Ikonotextuelle Performativität
5. IkonoModeText einer Modestrecke
5.1 Perspektivierungen der Mode
Analysemodell
Exemplarische Analyse
Korpusbeschreibung
5.2 Praxis der Mode
VOGUE »Black Magic«
Mode zwischen Bild und Text
Zwischen den Modestrecken
5.3 Weisen der Mode
Modehandeln
Medienkontamination der Mode
Aisthetische Formation und Rezeption
6. Mode – Ein Dazwischen
6.1 Erkanntes
6.2 Ausblick
7. Bibliografie

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Dagmar Venohr medium macht mode

Band 6

Editorial Medien entfachen kulturelle Dynamiken; sie verändern die Künste ebenso wie diskursive Formationen und kommunikative Prozesse als Grundlagen des Sozialen oder Verfahren der Aufzeichnung als Praktiken kultureller Archive und Gedächtnisse. Die Reihe Metabasis (griech. Veränderung, Übergang) am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam will die medialen, künstlerischen und gesellschaftlichen Umbrüche mit Bezug auf unterschiedliche kulturelle Räume und Epochen untersuchen sowie die Veränderungen in Narration und Fiktionalisierung und deren Rückschlag auf Prozesse der Imagination nachzeichnen. Darüber hinaus werden Übergänge zwischen den Medien und ihren Performanzen thematisiert, seien es Text-Bild-Interferenzen, literarische Figurationen und ihre Auswirkungen auf andere Künste oder auch Übersetzungen zwischen verschiedenen Genres und ihren Darstellungsweisen. Die Reihe widmet sich dem »Inter-Medialen«, den Hybridformen und Grenzverläufen, die die traditionellen Beschreibungsformen außer Kraft setzen und neue Begriffe erfordern. Sie geht zudem auf jene schwer auslotbare Zwischenräumlichkeit ein, worin überlieferte Formen instabil und neue Gestalten produktiv werden können. Mindestens einmal pro Jahr wird die Reihe durch einen weiteren Band ergänzt werden. Das Themenspektrum umfasst Neue Medien, Literatur, Film, Kunst und Bildtheorie und wird auf diese Weise regelmäßig in laufende Debatten der Kultur- und Medienwissenschaften intervenieren. Die Reihe wird herausgegeben von Heiko Christians, Andreas Köstler, Gertrud Lehnert und Dieter Mersch.

Dagmar Venohr (Dr. phil.) ist Kulturwissenschaftlerin und Geschäftsführerin eines Textilgeschäfts. Sie leitet die Sektion »Mode« der Deutschen Gesellschaft für Semiotik und ist aktives Mitglied des »netzwerks mode textil e.V«.

Dagmar Venohr

medium macht mode Zur Ikonotextualität der Modezeitschrift

Dissertation an der Universität Potsdam, Institut für Künste und Medien, Betreuung durch Prof. Dr. Gertrud Lehnert und Prof. Dr. Ottmar Ette, Disputation am 15. September 2009. Gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © 2010 Dagmar Venohr mit freundlicher Genehmigung der Fotografin Katja Ruge, www.katjaruge.de Lektorat & Satz: Dagmar Venohr Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1451-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Vorwort 1. Offenes Feld der Mode

9 11

1.1 Eingrenzung

11

1.2 Einführung

12

2. Mode in Zeitschriften – Schauplatz der Mode

15

2.1 Problemstellung

16

2.2 Forschungsstand

17

2.3 Methodenreflexion

27

2.4 Vorgehensweise

29

3. Medien der Mode

31

3.1 Die Modekleidung

32

3.2 Die Modefotografie

36

Was ist Fotografie?

36

Fotografie und Mode

41

Modebild – Medium der Mode

50

3.3 Die Modeliteratur

62

Was ist Modeliteratur?

63

Literatur und Mode

71

Modetext – Medium der Mode

81

3.4 Die Modezeitschrift

93

Was ist eine Zeitschrift?

94

Zeitschriften und Mode

99

IkonoModeText – Medium der Mode

107

4. Medialitäten der Modezeitschrift

119

4.1 Das Modemedium

120

Was ist ein Medium?

121

Die Medialitäten der Mode

136

Ist Mode ein Medium?

148

4.2 Die Trans-, Intra- und Intermedialität der Mode

151

Transmedialität – Struktur der Mode

152

Intramedialität – Material der Mode

158

Intermedialität – Mode innerhalb der Medienkombination

167

4.3 Die Medialität der Modestrecke

177

Aisthetische und diskursive Medien

178

Medienclash

182

Ikonotextuelle Performativität

191

5. IkonoModeText einer Modestrecke 5.1 Perspektivierungen der Mode

205 206

Analysemodell

207

Exemplarische Analyse

210

Korpusbeschreibung

213

5.2 Praxis der Mode

216

VOGUE »Black Magic«

218

Mode zwischen Bild und Text

230

Zwischen den Modestrecken

263

5.3 Weisen der Mode

273

Modehandeln

274

Medienkontamination der Mode

277

Aisthetische Formation und Rezeption

280

6. Mode – Ein Dazwischen

283

6.1 Erkanntes

283

6.2 Ausblick

284

7. Bibliografie

287

Meinen Söhnen Artur und Edgar

Vorwort Ohne die aufmerksame Anteilnahme, ein stetiges inhaltliches Interesse und die tatkräftige Unterstützung zahlreicher Menschen in meinem nahen und weiten Umfeld hätte ich dieses Buch niemals realisieren können. Ihnen allen möchte ich hiermit danken. An erster Stelle, gewissermaßen noch vor den Menschen selbst steht jedoch eine Institution: die Hans-Böckler-Stiftung. Und hier ist es nicht nur die finanzielle Grundsicherung, sondern insbesondere die gewerkschaftliche Idee selbst, die wesentlich zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen hat: Ohne den solidarischen Schulterschluss mit vielen anderen StipendiatInnen und MitarbeiterInnen und ohne das Seminarprogramm der Stiftung wäre mir der Weg durch die institutionalisierten Irrwege der Universitätslandschaft oft entschieden zu steinig erschienen. Des Weiteren gilt mein Dank meinen Gutachtern Prof. Dr. Gertrud Lehnert und Prof. Dr. Ottmar Ette der Universität Potsdam. Beide haben mir von Beginn an großes Vertrauen entgegengebracht, mich selbständig arbeiten lassen und mir bei fachlichen Fragen immer kompetent kritisch und inhaltlich konkret zur Seite gestanden. Vielen Dank für diese konstruktive und konstante Begleitung meiner Forschungsarbeit. Für die wesentliche Unterstützung auf meinem akademischen und beruflichen Weg und für die freundschaftlich intellektuelle Förderung meiner Person sowohl im weiten Vorfeld wie auch im Verlauf und nach meiner Promotion möchte ich folgenden Menschen von ganzem Herzen danken: Dita Hoffmann, Tilman Borsche, Christian Strub, Katharina Schlieben, Eva Vogt, Jutta Häuser, Petra Höpfner, Elisabeth Gravier, Martina Schuegraf, Dunja Mohr, Anita Barkhausen, Svenja Derichs, Antonia Scholkmann, Regina Brunnett, Dietlind Bachmeier, Gundula Wolter, Sebastian Lux, Ulrich Rüter, F.C. Gundlach und Tania Gehrmann. Jeder für sich markiert individuell wichtige Wegmarken und Wendepunkte meines beruflichen Fortschreitens, alle sind mir entscheidende Wegbereiter. Meinen Eltern danke ich, dass sie mich meinen Weg gehen ließen, diesen finanziell unterstützten, und dass sie mich zu einem zielstrebigen und selbstbewussten Menschen haben werden lassen. Meinem liebsten Wegbegleiter möchte ich sagen: Timo Bodenstein, auf Dich ist immer Verlaß und das ohne große Worte. Danke für alles – auch für das, was Du nicht gesagt hast. Ohne Dich und unsere Kinder wäre mir dieses Buch nicht möglich gewesen!

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Here the object not only looks back at the observer; it makes the observer by looking, and the other way around. What is really happening, what I can never really see or else I will go mad, is that I am not the spider who weaves the web, and I am not even a fly caught in the web: I am the web itself. Streaming off in all directions with no center and no self that I can call my own. James Elkin

1. Offenes Feld der Mode Mode hat kein Zentrum und ist durch keinerlei Grenzen eindeutig zu markieren. Sie ist ein »omnipräsentes alltagskulturelles Phänomen«1, das sich nicht nur auf Kleidung reduzieren lässt, sondern vielmehr als »general form at work in society as a whole«2 gesehen werden muss. Mode ist eine grundlegende Erscheinungsform, die sich im gesellschaftlichen Handeln vollzieht. Alles kann immer irgendwie auch Mode sein. Was aber genau Mode ist, lässt sich nur schwer fassen, da Mode nicht vom handelnden Umgang mit ihren Gegenständen zu lösen ist. Hervorzuheben ist deshalb, welche Arten von Objekten Mode zur Erscheinung bringen und wie dies geschieht. Neben der Kleidung als realem Objekt sind es vor allem die vestimentären medialen Darstellungen, die als Mode wahrgenommen werden. In der Zeitschrift ist es insbesondere die Modestrecke, die Kleidung transformiert und gleichzeitig Mode konstituiert. Innerhalb der Modestrecke ereignet sich Mode zwischen den Medien Bild und Text, und neben diesen medialen Positionen sind es Produktion und Rezeption, die das offene Feld der Mode formieren. Dieses dazwischen liegende offene Feld, jenes Dazwischen als eine »minimale organisatorische Einheit aller Erfassungsvorgänge«3 der Mode zu konzeptualisieren, ist das Ziel dieser Arbeit.

1.1 Eingrenzung 11 Obwohl so vieles Mode sein kann, ist in der Modetheorie die Modekleidung der eigentliche Untersuchungsgegenstand. Dem soll in dieser Arbeit insofern gefolgt werden, als dass auch hier die »Kleiderästhetik«4 als vergleichbare Bezugsgröße den zu untersuchenden Gegenstand prägt. Der Fokus liegt hier jedoch nicht auf dem jeweils konkreten Vestimentären einer Mode, sondern auf dem Prozess seiner Transformation und auf seinem Erscheinen in anderen Medien. Es geht somit um eine auf die

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Lehnert 2005b, 252. Lipovetsky 1994, 131. Iser, 1994, 305. Bovenschen 1986a, 7.

medium macht mode

Modekleidung bezogene Ästhetik des Medialen und um deren Aisthetik5 als eine spezifische sinnliche Wahrnehmungsform. Die Zeitschrift als eine der sowohl historisch, als auch gegenwärtig prägendsten Erscheinungsformen der Mode hat durch die spezifische Kombination von Modefotografie und Modeliteratur in der Modestrecke eine Form geschaffen, die Mode in ihrer besonderen Sinnhaftigkeit erkennbar werden lässt. Während jedoch Roland Barthes in Die Sprache der Mode6 der Auffassung ist, dass »die Analyse der Systeme nach den ihnen eigenen Substanzen zu trennen«7 sei, und sich selbst nur der verbalen Ebene der Mode in Zeitschriften zuwendet, werden hier Bild und Text in Relation zueinander betrachtet.8 Wie bereits W.J.T. Mitchell, geht auch diese Arbeit davon aus, dass die ikonotextuelle Relationalität an sich im »Gewebe von Zeichen, mit dem eine Kultur sich umgibt, eine Konstante«9 ist. Während also bislang insbesondere die Frage nach der Bedeutung vestimentärer Zeichen im Mittelpunkt modetheoretischer Betrachtungen stand, so wird hier vielmehr die Sinnhaftigkeit der Mode im Medialen an sich aufgesucht. Denn die Medien der Mode, Kleidung genauso wie Bild und Text, bilden ihre spezifischen »›phänomenalen Verkörperungsbedingungen‹«10, ohne die sie nicht zu Erscheinung käme. Was gerade Mode ist, zeigt sich erst in der Art und Weise der gegenseitigen medialen Bezüglichkeit, denn das »Veränderliche ist die Webart, die Relation von Kette und Schuss«11.

1.2 Einführung

12

Mode ist im Wesentlichen durch die Ambiguität ihrer strukturalen Vollendung einerseits und ihre prinzipielle Offenheit andererseits gekennzeichnet. Es gibt demnach kein Außerhalb der Mode, dennoch scheinen innerhalb ihrer formalen Logik gewisse Freiräume vorstellbar zu sein. Zwar

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9 10 11

Vgl. Böhme 2001. Barthes 1985. Barthes 2002a, 51. Barthes geht zwar davon aus, dass erst das verbale vestimentäre Sprechen Mode konstituiert, im Sinne seiner Modetheorie wäre jedoch ein Sprechen der Modefotografie genauso denk- und analysierbar. Denn er schlägt das Visuelle einerseits dem realen System zu (vgl. Barthes 1985, 8), um es an anderer Stelle als autonome »Ebene der Formen« (ebd., 14) zu kennzeichnen. Meines Erachtens wird Barthes’ Systematik durch den widersprüchlichen Versuch unschlüssig, eine klare Trennung der Ebenen zu beschreiben, obwohl sie doch »ineinander übergehen« (ebd., 17). Mitchell 1990, 55. Wirth 2002a, 10. Mitchell 1990, 55.

Offenes Feld der Mode

determiniert die Zeitschrift das, was zu sehen ist, sie kann jedoch nicht bestimmen, was sich darin alles zeigt. Ihre Auswahl verweist einerseits indirekt auf das nicht Ausgewählte, andererseits wird das Ausgewählte dargestellt. Und diese Repräsentation bekommt aufgrund ihrer spezifischen medialen Präsenz die Qualität einer Präsentation, die wiederum ihre ganz eigenen Funktionseisen aufweist. Die in einer Zeitschrift präsentierte Kleidung konstituiert Mode deshalb anders, als es bspw. in einer direkten Interaktion zwischen bekleideten Menschen, oder in einem Musikvideo der Fall ist. Die Modestrecke einer Zeitschrift bringt Mode intermedial zwischen Bild und Text zur Erscheinung. Im Verlauf der vorliegenden Untersuchung werden diese Zwischenräume aufgrund der gewählten Sichtweise, Fokussierung und Perspektivierung der Mode deutlich hervortreten, und zwar anhand der modetheoretischen Konzeptualisierung der spezifischen Ikonotextualität, Transmedialität und Performativität des Zeitschriftenformats Modestrecke. Der transmediale Sinn der Mode ist in diesem Dazwischen als eine formale Sinnhaftigkeit und Ereignishaftigkeit wahrnehmbar. Diese spezifisch mediale Sinnlichkeit soll hier nachvollziehbar gemacht werden. Der verkörperte Sinn12 der Mode liegt weder beim Medium, noch beim Produzenten oder Rezipienten, er vollzieht sich zwischen diesen Instanzen und muss in seiner spezifischen Performativität betrachtet werden. Die Transmedialität der Mode ist deshalb anhand der Ikonotextualität der Modestrecke im sinnlich wahrnehmenden Vollzug herauszustellen.

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Vgl. Krämer 1998a.

2. Mode in Zeitschriften – Schauplatz der Mode Dies ist der Schauplatz einer Vertiefung in die Wirklichkeit des augenblicklich Erscheinenden und zugleich einer Überschreitung aller unmittelbaren Wirklichkeit. Hier sind Objekte, die ein Spiel von Erscheinungen entfachen, das die Vorstellung weit über das Spiel der anwesenden Erscheinungen hinaus trägt. Hier ist eine Wahrnehmung, die ihre Objekte in ihrer Besonderheit ernst nimmt, indem sie sich von ihnen in eine andere Gegenwart leiten lässt.1

Der Schauplatz markiert jenes Moment der Wahrnehmung, welches die Modekleidung als ein sinnliches Ereignis erscheinen lässt. Der Schauplatz der Mode ist nicht einfach nur eine Darstellung von aktueller Modekleidung in Zeitschriften, sondern darüber hinaus vielmehr ein Augenblick und Gesichtspunkt, in dem Mode als etwas Ästhetisches zur Anschauung kommt. Mode ereignet sich in der Modestrecke einer Zeitschrift als rezeptive Wahrnehmungsbewegung zwischen Bild und Text. Weder Bild noch Text lassen für sich genommen Mode erfahrbar werden. An diesem Ort zeigt sich die Mode nicht als eine tiefere Bedeutung hinter dem materiellen Vorhang eines vestimentären Zeichens, sondern das vermittelnde Medium selbst bringt den Sinn der Mode innerhalb des Wahrnehmungsgeschehens zum Vorschein. Das folgende Kapitel führt einleitend in einem ersten Schritt aus, was für Fragestellungen und Aufgaben sich aufgrund dieser Prämisse für die Untersuchung des Phänomens Mode ergeben und warum diese für die Weiterentwicklung modetheoretischer Forschung von grundlegender Relevanz sind. Bei der Darlegung des derzeitigen Forschungsstandes wird es vornehmlich um einen kurzen Überblick über die aktuellen Arbeiten zur Modetheorie und eine Verortung dieser Arbeit gehen, da das noch relativ junge Forschungsfeld eher disparat und innerhalb des traditionellen Fächerkanons stark ausdifferenziert ist. Die zu entwickelnde Methode wird in einem dritten Schritt vor allem durch dezidierte Bezugnahmen auf literatur- und bildwissenschaftliche, sowie medienphilosophische Forschungsansätze erläutert. Das Einleitungskapitel schließt mit einer kurzen Schilderung der konkreten Vorgehensweise und einem Ausblick auf den Aufbau der Arbeit.

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Seel 2003, 132.

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medium macht mode

2.1 Problemstellung

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Mode als Medium zu bezeichnen ist heute allgemein üblich: Mode als Medium politischer Anschauungen2, als Medium des Kulturtransfers im 18. Jahrhundert3, als Medium der Gender(de)konstruktion und der Körperkontrolle4, als Medium in Zeiten der Bilderflut5 etc. Es ist zwar immer die Rede von Kleidung, jedoch nicht hinsichtlich ihrer jeweils spezifisch medialen Erscheinungsform in Film, Literatur, Fotografie. Mode scheint als Medium zu fungieren, egal in welcher medialisierten Form die Kleidung vorliegt. Gertrud Lehnert bringt diese mediale Vermittlungsvielfalt auf den Punkt, wenn sie schreibt, dass Mode eines der »vielfältigsten, veränderlichsten, ungreifbarsten und doch hartnäckigsten Medien der Bedeutungsgenerierung, Bedeutungszuschreibung, aber auch der Dekonstruktion von Bedeutung«6 ist. Das heißt aber nicht nur, dass Kleidung eine bestimmte Bedeutung vermittelt, sondern auch, dass die jeweilige, mögliche Bedeutung der Modekleidung immer medial vermittelt ist, und dass dieser Prozess der Medialisierung von Kleidung somit für die Mode konstitutiv ist. Um das Phänomen Mode besser zu verstehen und um zu begreifen, wie und wodurch es in Erscheinung tritt, ist es deshalb unumgänglich die Modekleidung in ihrer jeweils spezifischen Medialisierungsform zu betrachten. Die Zeitschrift ist eine für die Mode typische Erscheinungsform; vor allem die Modestrecke mit ihrer spezifischen Bild-Text-Relation ist eine weit verbreitete informierende und inszenierende Instanz zwischen Produzenten und Konsumenten von Modekleidung. Die Frage jedoch, wie die Bedeutung der Mode in der Modestrecke erscheint, ist bislang nicht analysiert. Ausgehend von der Austinschen Prämisse7, dass bestimmte Zeichen nicht nur eine Welt repräsentieren, sondern zugleich konstituieren, wird deshalb hier davon ausgegangen, dass die Bild- und Textzeichen der Modestrecke in ihrem spezifischen Aufeinandertreffen Mode erst zur Erscheinung bringen, und zwar als ein wahrnehmbares, prozessuales Ereignis zwischen Bild und Text. Dieses Wahrnehmungsereignis in seinen medialen Bedingungen zu beschreiben, ein geeignetes Analysemodell zu entwickeln und das Erscheinen von Mode exemplarisch anhand des Modeteils einer Ausgabe der deutschen VOGUE

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Loschek, Ingrid: »Mode – Medium politischer Anschauungen«, Vortrag (Studium Generale, 2002) und Vorlesung (2003) an der Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft, Pforzheim. Lehnert 2006. Gaugele 2005a, 235; vgl. dies. 2005b. Becker 2002. Lehnert 2003, 216; vgl. dies. 2002, 54. Vgl. Austin 2002.

Mode in Zeitschriften

nachvollziehbar zu machen ist das Ziel der Arbeit. Durch die medienphilosophische und phänomenologische Konzeptualisierung des Phänomens Mode anhand des bislang kaum untersuchten Medienformats der Modestrecke ist es möglich, Mode in ihrem strukturierenden Potential sichtbar zu machen. Zudem wird deutlich, dass sich Mode als ein die sinnliche Wahrnehmung strukturierendes Phänomen aufgrund ihrer spezifischen Transmedialität nur in anderen Medien zeigt. Die Transformation der Modekleidung in die ikonotextuelle Medienkombination der Modestrecke macht nicht nur modische Kleidung sichtbar, sondern vielmehr Mode an sich vollziehbar.

2.2 Forschungsstand Da im Bereich der modetheoretischen Forschung noch keine Untersuchungen zur Bild-Text-Relation in Modezeitschriften vorliegen und auch das Format Modestrecke bisher nur unzureichend analysiert wurde, wird im Folgenden vor allem aufgezeigt, welche Forschungsansätze zu den einzelnen medialen Teilbereichen dieser Arbeit als grundlegend oder impulsgebend herangezogen werden. Da die relevanten Forschungsarbeiten im Verlauf des dritten und vierten Kapitels ausführlich diskutiert werden, um auf dieser Basis die Konzepte der Ikonotextualität, Transmedialität und Performativität der Modestrecke zu entwickeln, wird an dieser Stelle vor allem ein Überblick über die bisherigen Forschungsleistungen gegeben. Es soll deutlich werden, wo die Anknüpfungspunkte für die hier gewählte kulturwissenschaftliche, medienphilosophische und modetheoretische Inblicknahme des Formats Modestrecke liegen, und wie diese im Verlauf der Arbeit zusammenzuführen sind. Im Fokus stehen deshalb Forschungsarbeiten zu den Gegenständen Modezeitschrift, Modejournalismus, Modetext, Modefotografie und Modekleidung, die aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsperspektiven betrachtet werden. Das Spektrum reicht von kunst- bzw. kostümhistorischen, textilanthropologischen, soziologischen oder kulturwissenschaftlichen Arbeiten im Sinne der Cultural Studies, über semiologisch, strukturalistisch oder linguistisch basierten Ansätzen bis zu kommunikations-, literatur- und bildwissenschaftlichen Untersuchungen; oft sind die Studien auch interdisziplinär angelegt. Die Anfänge der Modezeitschriften in Europa sind in den Arbeiten von Anna Zika8, Annika Völkel9, Astrid Ackermann10, Ruth Bleckwenn11, 8 9 10

Zika 2006. Völkel 2006. Ackermann 2005.

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medium macht mode

Annemarie Kleinert12 und dem Sammelband von Angela Borchert und Ralf Dressel13 umfangreich aufgearbeitet. Es handelt sich sowohl um europäische Überblicksdarstellungen, als auch um zeithistorische Darstellungen einzelner Zeitschriften14. Insgesamt lässt sich feststellen, dass entweder der Inhalt der Modebilder im Vordergrund der Betrachtung steht, oder aber Modebild und -text getrennt voneinander betrachtet werden, z.T. auch hinsichtlich unterschiedlicher Fragstellungen. So macht beispielsweise Zika, die zwischen der »Macht der Sprache«15 und der »Macht des Bildes«16 unterscheidet, im Modetext aufgrund seiner »Propagierung des jeweils Neuen«17 einen kategorischen Imperativ der Mode aus, der sich als »Akt sprachlicher Performanz«18 verwirklicht, während sie beim Modebild das Potential der Modefotografie Frauenrollen zu prägen untersucht. Obwohl sie einige interessante Fakten zum Bild-Text-Verhältnis in Modezeitschriften zusammenträgt, z.B. die bislang nicht näher untersuchte Tatsache, dass das Modebild zunächst gar nicht enthalten, der Modetext also das alleinige Vermittlungsmedium war, und dann zunächst nur als Beilage zum bereits entwickelten Zeitschriftenformat fungierte, wendet sie sich nicht dem Verhältnis von Modebild und -text zu. Auch Ackermann untersucht in ihrer komparatistischen Analyse von Mode, Geschmack und Geschlechterbeziehungen Bild- und Textinhalte getrennt voneinander. Und bei Bleckwenn findet sich folgende Randbemerkung, die einen interessanten Hinweis auf die materielle und sinnliche Qualität des Modetextes gibt: Und wie unwesentlich sind die Inhalte der Textbeiträge; man kann ihren Inhalt identifizieren ohne ein Wort Französisch zu verstehen, denn die Vignetten verdeutlichen, es geht hier um Hüte oder Schuhe, um Theater oder Ballett, um Jagd oder Fasching. Unser Auge aber sprechen diese Texte durchaus an, denn es erfasst nicht nur Buchstaben, sondern eine ausgewogene Einheit von kleinen Bildern und klarer Schrift.19

18

Im Bereich der Cultural Studies stehen vielmehr gesellschaftspolitische Fragestellungen beim Betrachten der Modezeitschrift im Vordergrund. Class, Race, Gender, Konsumkritik und Lebensstilbildung sind bei modewissenschaftlichen Forschungsfragen von Jennifer Craik20 , Diana Crane21, 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Bleckwenn 1980. Kleinert 1980. Borchert / Dressel 2004. Vgl. Mentges 2004. Zika 2006, 276ff. Ebd., 281ff. Ebd. Ebd., 280. Bleckwenn 1980, 155. Craik 2000. Crane 2000.

Mode in Zeitschriften

Joanne Entwistle22 und Angela McRobbie23 als Kernaspekte auszumachen, in keiner der Ausführungen wird dementsprechend genauer auf die spezifische Medialität der Modezeitschrift eingegangen. In Bezug auf die Modezeitschriftenforschung bietet die Studie von Leslie Rabine24 einen sehr umfangreichen Überblick zu den genannten Themenbereichen. Sie stellt Mode in Zeitschriften als ein machtvolles symbolisches System dar, das nicht als kultureller Ausdruck von Weiblichkeit, sondern als dessen Produktion gesehen werden muss. Anhand einer Untersuchung von britischen Modemagazinen von den 60ern bis zu den 90ern, wird ein gravierender Wechsel der visuellen und verbalen Modedarstellungen im Jahr 1968 konstatiert, der sich in drei Bereiche einteilt: Look, Realitätsbezug und Selbstreflexivität. Der Körper der Frau wird zum Träger der Dichotomie von Fantasie und Realität und somit zum vermittelnden Bindeglied. Dass diese zwei Seiten sinnlich durch die Verbindung von Modebild und -text medial vermittelt sind, wird von ihr nicht näher analysiert. Im deutschsprachigen Raum untersucht Dora Horvath25 die Modebilder der Frauenzeitschrift Brigitte, allerdings nur hinsichtlich der durch sie vermittelten Frauenbilder. Sie geht davon aus, dass die Fotografien für sich sprechen und die Betrachterin die Aussage »automatisch wahr[nimmt]«26; die begleitenden Texte werden von ihr überhaupt nicht in den Blick genommen. In diesem Zusammenhang taucht auch die Problematik auf, die Modezeitschrift überhaupt zu definieren und von der Frauenzeitschrift abzugrenzen.27 Für die vorliegende Arbeit ist entscheidend, dass es im Bereich der sowieso eher soziologisch orientierten Forschung zu Frauenzeitschriften keinerlei Forschungsansätze zur Ikonotextualität gibt.28 Während im Bereich der kommunikationswissenschaftlich orientierten Zeitschriften- und Zeitungsforschung Beispiele zwar zu nennen sind, die jedoch nicht die ästhetisch motivierte Sinnkonstitution der Mode in den Blick nehmen.29 Eine modewissenschaftliche Aufsatzsammlung zur Modezeitschrift VOGUE findet sich

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Entwistle 2000. McRobbie 2000; dies. 1999. Rabine 1994. Horvath 2000. Ebd., 75. Vgl. zum Begriff der Modezeitschrift vgl. Krempel 1935, 26; vgl. zur Definition der Frauenzeitschrift insb. Volkert 1992. Beispiele für Studien über Frauenzeitschriften: Gough-Yates 2003, Lamperhoff 2003, Zuckermann 1998, Hermes 1995, McCracken 1993, Röser 1992, Dancyger 1978. Vgl. z.B. Liehr-Molwitz 1997.

medium macht mode

2006 in einer Doppelausgabe der Fachzeitschrift Fashion Theory, in der auch in anderen Ausgaben Beiträge zu Modejournalismus30 zu finden sind. Vor allem die Aufsätze von Laird O’Shea Borelli31 und Anna König32 zu den Modetexten der VOGUE schreiben der verbalen, journalistischen Darstellung der Mode eine große Rolle zu. Sie stehen damit in einer modetheoretischen Tradition, die Mode in Zeitschriften basierend auf strukturalistischen, rhetorischen und linguistischen33 Ansätzen, die auf das Grundlagenwerk von Roland Barthes Die Sprache der Mode zurückzuführen sind, erforscht.34 Für die literaturwissenschaftliche Erforschung modejournalistischer Texte35 hat Julia Bertschik36 mit ihrer Arbeit über die Entwicklung der Kleidungsdarstellung in der deutschsprachigen Literatur von 1770 bis 1945 einen umfangreichen, detailgenauen und facettenreichen Überblick geliefert; die Bild-Text-Relation steht jedoch auch bei ihr nicht im Fokus der Untersuchung.37 Parallel zu der bloßen Auseinandersetzung mit den Modetexten findet auf der anderen Seite eine ebenso ausschließliche Beschäftigung mit dem Modebild statt. Sowohl die historische Darstellung der technischen, kulturellen und künstlerischen Entwicklung des Modebildes von der Modegrafik zur Modefotografie, als auch die kulturwissenschaftliche Erforschung ihrer Bildinhalte geht gar nicht, oder nur am Rande auf den das Modebild im historischen Verlauf zunehmend begleitenden Text ein.38 Die Modefotografie an sich, so Gilles Lipovetsky, »will nicht mehr so sehr Modezeichen als vielmehr Kommunikationsmedium sein«39 . Er schreibt ihr die Fähigkeit zu, den Sinn der Mode nicht nur zu transportieren, sondern auch zu pro30

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39

Vgl. z.B. Rocamora 2001; zur modewissenschaftlichen Diskussion um den Modejournalismus vgl. Loscheck 2007, Kaiser 2006, Matthiesen 2000 u. Mackie 1997; zur Journalismusforschung im Bereich der Cultural Studies vgl. Lünenborg 2005. Borelli 1997. König 2006. Vgl. die quantitativ linguistische Erhebung von Hanspeter Ortner 1981. Vgl. Goebel 1975b. Vgl. ders. 1975a. Bertschik 2005. Vgl. ebd., 40f. Bei Bertschiks Betrachtung des Journals des Luxus und der Moden findet sich der Hinweis auf die wenig ausgeprägte Relationalität von Modebild und -text aufgrund der Tatsache, dass entgegen der technischen Möglichkeiten der Zeit, die Modebilder immer noch im Anhang der Zeitschrift angefügt sind. Zur Geschichte der Modefotografie vgl. z.B. Horbas 1994 u. Moderegger 2000. Zur Modefotografie als spezifische Kulturtechnik vgl. Craik 2000, 92-114. Sie sieht Modefotografie im Sinne einer umfassenden »representational technique« (ebd., 114), die entsprechend weitreichende gesellschaftspolitische Konsequenzen mit sich bringt. Zum Gender konstruierenden Bildinhalt vgl. Crane 2000, 202-234. Sie beschreibt die Veränderungen des in den Modefotografien der Vogue von 1947 bis 2000 dargestellten Frauenbildes und sieht Mode als soziales Phänomen der Identitätskonstruktion. Lipovetsky 2002, T8.

Mode in Zeitschriften

duzieren. Ähnlich sieht es auch Ulrich Lehmann, wenn er schreibt, dass »Mode existiert, weil sie als Mode dargestellt wird«40. Für ihn ist »das gebräuchlichste Mittel dazu [...] die Modefotografie als die allgegenwärtige Darstellung von Kleidungsstücken in der Werbung und der Presse«41. Zwar geht er in seinem Aufsatz zur Modedarstellung in Zeitschriften auch auf die Rolle des Modetextes ein, da er sich jedoch vor allem aus einem stark strukturalistisch geprägten Blickwinkel im Sinne Barthes’ dem Gegenstand nähert, vollzieht auch er ein strikte Trennung zwischen Bild- und Textbetrachtung.42 Obwohl sich die Modefotografie demnach zu einem eigenständigen Medium der Mode entwickelt hat, bleibt die Schwierigkeit Modefotografie zu definieren, wie Enno Kaufhold betont, der mit seinen Ausführungen in dem Aufsatz »Fixierte Eleganz. Photographien der Berliner Mode«43 einen wesentlichen Beitrag zur modewissenschaftlichen Forschung leistet. Er vertritt die Ansicht, dass es »neben der entscheidenden Absicht, zeitgemäße modische Kleidung präsentieren zu wollen, also dem intentionalen Gehalt, [...] des gesellschaftlichen Gebrauchs [bedarf], damit man von Modephotographien sprechen kann«44. Der Modefotograf F.C. Gundlach formuliert diesen Aspekt wie folgt: Ein Modefoto, das uns informiert oder inspiriert, das unsere Aufmerksamkeit in der täglichen Bilderflut auf sich zieht, muss mehr sein, als die Reproduktion eines Kleides. Die Modephotographie, die ohne Beschriftung oder den Kontext einer Publikation Bestand hat, entsteht auch in Zukunft auf dem schmalen Grat der Synthese von Inhalt und Form, von innovativer Idee und Information, zwischen künstlerischer Intention und materiellen Zwängen.45

Das Dilemma einer definitorischen Eingrenzung der Modefotografie wie auch ihrer wissenschaftlichen Betrachtung lässt sich am anschaulichsten anhand der Feststellung von Hans Michael Koetzle festmachen, Modefotografie sei »Fotografie im Auftrag«46. Das sei zwar, so Koetzle weiter, »noch keine Wertung, was formale Qualitäten, kreativen Impact, ästhetischen Rang, künstlerische Bedeutung einer fotografischen Arbeit betrifft«47, aber es ist letztlich ein entscheidender Unterschied, ob die Modefotografie im 40 41 42

43 44 45 46 47

Lehmann 2002, T12. Ebd. Vgl. Barthes 1985, 17f. Er strebt für seine Untersuchung eine »strukturale ›Reinheit‹ des Objekts« (ebd., 18) an und verbindet damit folgende Forderung: »[M]an muss die Handlungen oder die Bilder oder die Wörter analysieren, aber nicht alle diese Substanzen zugleich, auch wenn die Strukturen, die sich aus ihnen zusammensetzen, ineinander übergehen und dazu dienen ein Gattungsobjekt zu bilden, dass man der Bequemlichkeit halber ›Modekleidung‹ nennt. Jede dieser Strukturen zwingt uns zu einer eigenen Analyse, und wir müssen wählen.« (Ebd., 17.) Kaufhold 1993. Ebd., 14. Gundlach 1993, 12 (Hervorh. d. Verf.). Koetzle 2006, 91. Ebd.

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Rahmen einer Werbeanzeige, einer Modestrecke oder in einer Ausstellung erscheint, geht es hierbei doch auch und vor allem um die »Frage nach der medialen Konditionierung solcher Bilder«48 . Da die Art und Weise wie Modebilder in den Medien erscheinen somit entscheidend für ihre Wirkungsmacht wird, bleiben in ansonsten sehr aufschlussreichen Untersuchungen, wie jener von Rosetta Brookes49 zur doppelseitigen fotografischen und redaktionellen Bildgestaltung in Zeitschriften, wichtige Fragen offen. Winfried Gerling, der in seinem Aufsatz »We are not going back – Storytelling in der Modefotografie«50 Modestrecken als Geschichten erzählende Bildserien ansieht, betont zwar, dass ein grundsätzlicher Unterscheid zwischen »einer Kampagne und der freien Fotostrecke in einem Magazin«51 besteht, stellt diesen jedoch nicht deutlich heraus. Denn in seiner Untersuchung betrachtet er vielmehr einen Einzelfall der Werbung, nämlich eine Zeitschriften-Beilage des Modelabels Cat in Form einer Bildgeschichte, und keine Modestrecke. Zwar ist der »Anstoß, warum es Modefotografie überhaupt gibt«, wie Cordula Meier in ihrem Aufsatz »Fashion goes virtuell? – Zur schicksalhaften Allianz von Mode und Fotografie«52 hervorhebt, »der, dass Modekollektionen vorgestellt werden und Mode verkauft werden soll«53. Trotzdem bleibt zu berücksichtigen, dass sich mit der Werbekampagne für Modekleidung und der Modestrecke sehr unterschiedliche mediale Formate herausgebildet haben, deren Bild-Text-Relation grundsätzlich unterschiedlich funktioniert. Eine weitere Tendenz lässt sich mit Ulrich Lehmann als das »Verschwimmen der Kategorien«54 von Mode und Kunst bezeichnen, die sich durch ein Crossover-Konzept wie in der von ihm kuratierten Fotografie-Ausstellung »Chic Clicks – Modefotografie zwischen Auftrag und Kunst« zeigt und verstärkt. Bereits Anfang der 1990er hat Stefan Germer55 in Hinblick auf die Arbeiten von Wolfgang Tillmans auf dieses Grenzen überschreitende Potential56 der Modefotografie hingewiesen und gleichzeitig betont, dass das Überschreiten selbst die Grenzen zwischen den Systemen Kunst und Mode nicht nur braucht, sondern auch reproduziert.57 Entsprechend betont auch Esther Ruelfs in ihrem Aufsatz

48 49 50 51 52 53 54 55 56

57

Ebd. Brookes 1992. Gerling 2006. Ebd., 287. Meier 1998. Ebd., 205. Lehmann 2002, T5. Germer 1997. Vgl. Zahm 2002. Zahm konstatiert in diesem Zusammenhang: »Die Modefotografie ist überall.« (Ebd., T28.) Er führt weiter aus, als »Metabild [habe] das Modebild eine unendliche Ausdehnung und nirgends sein Zentrum« (ebd.). Vgl. u.a. Graw 2004 u. Lütgens 2002.

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zur »Wechselwirtschaft zeitgenössischer Kunst- und Modemagazine«58 die Relevanz der Erscheinungskontexte, und in diesem Sinne auch das Zusammenspiel der Bilder mit den sie begleitenden Texten.59 Neben der Frage nach der Kunsthaftigkeit von Modefotografie bildet auch jene nach dem modefotografischen Potential, Authentizität60 zu erzeugen, einen Schwerpunkt in den modewissenschaftlichen Forschungsansätzen. In keiner der Studien wird jedoch dezidiert auf das Mode sinnlich konstituierende Zusammenspiel von Bild und Text eingegangen. Fashion Spreads61 aus dem Jahr 1999 von Paul Jobling ist die einzige Untersuchung, die das Format Modestrecke als solches in den Blick nimmt; sie wurde 2006 erneut von Berg Publisher aufgelegt. Jobling wendet sich nach einer kritischen Revision und Weiterentwicklung der Thesen von Roland Barthes, unter Herausstellung der in der Sprache der Mode bereits enthaltenden dekonstruktivistischen Potentiale, der Analyse von Bild und Text der Modestrecken in den unterschiedlichen Zeitschriftentypen VOGUE, The Face und Arena zu. Er arbeitet die Relation von Modefotografie zu dem sie begleitenden Text anhand des literaturwissenschaftlichen Konzeptes der Intertextualität heraus. Eine dezidiert medienwissenschaftliche Perspektive ist nicht auszumachen, vielmehr geht er von den zwei komplementären Komponenten Bild und Text aus und analysiert »in tandem«62 aufgrund welcher intertextuellen inhaltlichen Bezüge die jeweilige Modeaussage entsteht. Er postuliert deshalb eine spezifische »dialectic between words and images that seeks not to prioritise the one over the other, but to propound instead their complementarity«63. Sein Hauptfokus liegt auf der inhaltlichen Konstruktion von Gender und Identität und ihrer Dekonstruktion in den untersuchten Modestrecken, und nicht auf deren Konstitution innerhalb der Bild-Text-Relation und ihrer modetheoretischen Konzeptionalisierung. Obwohl er sich vielmehr für die medial vermittelten Inhalte interessiert, und nicht für die Art und Weise ihres Erscheinens als Ereignis einer spezifischen Medialität, liefert seine Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Modewissenschaft: erstens als Weiterentwicklung der Bartheschen Modetheorie und zweitens als modewissenschaftliche Grundlegung des Formats Modestrecke. Einen weiteren für die Betrachtung der Mode in Bild und Text der Zeitschrift interessanten Forschungsansatz liefert die Studie Jugendmode und

58 59 60 61 62 63

Ruelfs 2006, 114. Vgl. Venohr 2008b. Vgl. Smedley 2000. Jobling 2006. Ebd., 91. Ebd., 66.

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Jugendkörper64 aus dem Jahr 2002 von Karin Mann. Es handelt sich um eine Analyse der Modedarstellung der Zeitschrift Bravo in Bild und Text in ihrem diachronen Verlauf von den 1950er bis in die 1990er Jahre hinsichtlich der Fragestellung, inwieweit sich das Körperbild Jugendlicher durch die Modedarstellung abbildet und verändert. Mann hat eine »Methode der vestimentären Ikonografie und Ikonologie«65 entwickelt, die sich hervorragend für die Analyse derart übergeordneter Fragen eignet. Sie wendet diese jedoch fast ausschließlich zu Interpretation der Bildebene an, wie auch der Aufsatz »›Stark und soft‹ – Mode, Medien und Geschlecht am Beispiel der Modefotografie in VOGUE«66 zeigt. Die Bild-Text-Relation als solche wird anhand der Anwendungen ihres methodischen Modells nicht zur Anschauung gebracht. Werden in den bislang vorgestellten modewissenschaftlichen Ansätzen überwiegend Bild und Text hinsichtlich ihrer vestimentären Darstellungsfunktion untersucht, so geht es bei der Untersuchung der Mode nach der Mode67 von Barbara Vinken vielmehr darum, eine selbstreflexive Entwicklung innerhalb der Modekleidung als materiellem Designobjekt aufzuzeigen.68 Hinsichtlich der Erforschung der Modekleidung als materielles und kommunikatives Objekt ist neben den Positionen von Elisabeth Wilson69, Gabriele Mentges70, Gertrud Lehnert71, Malcom Barnard72 , Birgit Richard73 insbesondere die kleidungssemiotische Studie The Clothed Body74 von Patrizia Calefato zu nennen, die vor allem anhand ihres modetheoretischen Konzepts der »Massen-Mode«75 versucht, den sozial und global agierenden bekleideten Körper und somit die Bedeutung der heutigen Modekleidung darzulegen. In jeder dieser Arbeiten werden verschiedenste, die Modekleidung vermittelnde Medien analysiert, in keiner wird jedoch dezidiert modetheoretisch auf die konstituierende Rolle der Medien an sich eingegangen; die Ikonotextualität der Modestrecke wird nicht näher betrachtet. Eine Ausnahme bildet Ingrid Loschek, sie geht in ihrem aktuellen modetheoretischen Grundlagenwerk Wann ist Mode?76 von einem systemtheo64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76

Mann 2002. Mann 2005, 415. Ebd. Vinken 1993. Eine interessante und möglicherweise fruchtbare Parallele hinsichtlich einer intermedialen Gestaltungsweise besteht zur Designforschung, vgl. Jonas 2002. Vgl. Wilson 1989. Vgl. Mentges 2005a. Vgl. Lehnert 2004 u. dies. 2001. Vgl. Barnard 2001. Vgl. Richard 1998. Calefato 1996. Vgl. insb. Calefato 2007. Loschek 2007, 34ff.

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retischen Medienbegriff im Sinne Luhmanns aus.77 Dieser ist jedoch durch seine spezifisch systemtheoretische Unterscheidung von Medium und Form für diese Arbeit nicht praktikabel, da er die hier im Fokus stehende Art und Weise sinnlicher Wahrnehmungsprozesse nicht abzubilden vermag.78 Für die vorzunehmende Konzeptionalisierung der Mode als transmediales Phänomen wird deshalb im Folgenden nach einer ausführlichen Erörterung der medienwissenschaftlichen Ansätze von Roberto Simanowski79, Claudia Fraas80 und Jens Schröter81 zur Transmedialität die Systematisierung von Irina Rajewsky82 weiterentwickelt. Hierbei kommen vor allem die medienphilosophischen Konzepte zur Performativität von Sybille Krämer83 und die neue Ästhetik im Sinne Gernot Böhmes84 zum tragen. Beide Ansätze werden unter Bezugnahme auf die von Gertrud Lehnert85 erlangten modetheoretischen Erkenntnisse, die sie insbesondere durch Übertragung der Konzepte Erika Fischer-Lichtes zur Ästhetik des Performativen86 auf die Modekleidung erarbeitet hat, weiter entwickelt. Da im Bereich der modewissenschaftlichen Forschung keine grundlegenden Forschungen zu Bild-Text-Relationen vorliegen, werden nun kurz die Arbeiten vorgestellt werden, die den Kern des Forschungsbereichs zur Ikonotextualität bilden. Neben der kommunikations- und sprachwissenschaftlich verankerten Werbeforschung87 stammen diese insbesondere aus dem noch jungen Bereich der Visual Studies88 . Für erstere sind hier insbesondere die Arbeiten von Nadine Rentel89, Hartmut Stöckl90 und Thomas Schierl91 zu nennen, die die Wechselwirkungen zwischen Bild und Text in 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

90 91

Einen systemtheoretisch basierten Beitrag zur Modetheorie und -geschichte liefert auch Elena Esposito 2004. Vgl. Krämer 1998d. Simanowski 2006. Fraas / Barczok 2006. Schröter 1998. Rajewsky 2003. Krämer 2004a. Böhme 2001. Lehnert 2003 u. dies. 2002. Fischer-Lichte 2004c; vgl. zur Verbindung des Semiotischen und Performativen dies. 2001, 25ff. Vgl. Ziem 2006 u. Geiger 1998. Vgl. Holert 2005, Elkins 2003 u. ders. 1996. Rentel 2005. Anhand der Ergebnisse Rentels lässt sich ein konkreter Unterschied zwischen Modewerbung und Modestrecke feststellen: Die Modewerbung informiert verbal fast überhaupt nicht, sie informiert nur visuell, nur das Bild und lediglich der Name sollen zum Kauf animieren. Die Modestrecke hat hingegen immer ein verbalschriftlich formuliertes Thema, welches durch Kontextualisierung hilft, die Mode zu memorieren. Dieses Thema ist immer sowohl verbal als auch visuell dargestellt. Stöckl 2004 u. ders. 1997. Schierl 2002.

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Werbeanzeigen untersuchen. Aber auch die Studie von Manfred Muckenhaupt92 liefert wichtige Impulse, obwohl sie letztlich auf die audio-visuelle Kombination der Medien im Fernsehen abzielt. Gabriele Rippl kann in ihrem Aufsatz »Text-Bild-Beziehungen zwischen Semiotik und Medientheorie: Ein Verortungsvorschlag«93 vor allem aufzeigen, wie fruchtbar medienwissenschaftliche Erkenntnisse für eine Weiterentwicklung der weitgehend semiotisch orientierten Ansätze für die Visual Studies sind. Barbara Sandig zeigt in ihrem Aufsatz »Textmerkmale und Sprache-BildTexte«94 mögliche Untersuchungskategorien auf, sich aus dem Bereich der Literaturwissenschaft auch auf intermediale, so genannte Sprache-BildTexte übertragen lassen. Weitere Ergebnisse der Erforschung von BildText-Relationen finden sich in der Aufsatzsammlung Lesen ist wie Sehen. Intermediale Zitate in Bild und Text95 von Silke Horstkotte und Karin Leonhard und in Sichtbares und Sagbares. Text-Bild-Verhältnisse96 von Wilhelm Vosskamp und Brigitte Weingart. In beiden steht zwar die Wechselwirkung von Bild und Text im Fokus, nur wenige Aufsätze bearbeiten jedoch jenes Dazwischenliegende an sich. Meistens geht es erneut darum, das eine Medium im anderen aufzuzeigen, den Transformationsprozess sichtbar zu machen oder für diese Phänomene bekannte Begrifflichkeiten zu revidieren. Dementgegen versucht Peter Wagner in dem Aufsatz »Ekphrasis, Iconotexts, and Intermediality – the State(s) of the Art(s)«97 ein Konzept der Ikonotextualität zu entwickeln, das auf einen poetischen Text von Michael Nerlich98 zurückzuführen ist, und das tatsächlich diese Relation zwischen Bild und Text in ihrer jeweils spezifischen Kombination in den Blick nimmt. Anhand dieses Ansatzes, auf den sich auch Ottmar Ette in seinen Ausführungen zum Ikonotext im Werk von Roland Barthes bezieht99, wird im Folgenden die spezifische Ikonotextualität der Mode in Modestrecken zu entwickeln sein. W.J.T Mitchell spricht in diesem Zusammenhang von einer »Vernähung«100 von Bild und Text und nennt die relationale Verbindung eine Konjunktion. Er schließt in diesem Begriff sowohl die Kombination der beiden Medien, als auch ihr prozessuales Entstehen im Rahmen der sinnlichen Wahrnehmung ein. Diese Sichtweise wird nun im Folgenden als grundlegende Forschungsprämisse vorausgesetzt und für die medienphilosophische Modetheorie fruchtbar gemacht. 92 93 94 95 96 97 98 99 100

Muckenhaupt 1986. Rippl 2004. Sandig 2000. Voßkamp / Weingart 2005. Horstkotte / Leonhard 2006. Wagner 1996a. Nerlich 1990. Vgl. Ette 1998, 268ff. Mitchell 2008, 148 u. 151.; vgl. insb. Fußnote 16, 148f.

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2.3 Methodenreflexion Der Bild/Text ist weder eine Methode noch eine Garantie für historische Entdeckungen; eher ist er etwas wie eine Öffnung oder ein Spalt in der Repräsentation, ein Ort, an dem möglicherweise die Geschichte durch die Ritzen schlüpft.101

Zunächst wird es um eine Inblicknahme des Ikonotextes der Modestrecke im Sinne einer phänomenologischen Bestandsaufnahme gehen. Dabei werden sowohl die wesentlichen Funktionen und Erscheinungsweisen der Modekleidung, der Modefotografie, des Modetextes als auch deren verbindende Relation innerhalb der Modestrecke zur Anschauung gebracht. Gleichzeitig werden Modebild und -text auch in ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Verortung betrachtet, um vorhandene für die ikonotextuelle Zusammenführung der Betrachtungsweisen sinnvolle Ansätze herauszustellen. Es handelt sich demnach um eine doppelte Phänomendarlegung: zum einen um die der Objekte und zum anderen um die ihrer theoretischen Reflexionsformen. Anhand der systematischen Erörterung soll die Annahme belegt werden, dass das Erscheinen der Mode in der Modestrecke nur durch die Inblicknahme ihrer spezifischen Relationalität von Bild und Text hinreichend zu analysieren ist. In diesem Zusammenhang werden vor allem die rezeptionsästhetischen Ansätze von Wolfgang Iser102 und Roland Barthes103 für die Betrachtung des Ikonotextes Modestrecke weiterentwickelt. Die deduktive Argumentationsform und die Herausstellung der wesentlichen Aspekte werden zeigen, dass die ikonotextuelle Relationalität an sich als ein Dazwischen in den Fokus der Betrachtung rücken muss, und dass »der Vergleich selbst beim Studium der Bild-Text-Relation kein notwendiges Verfahren ist«104 , da er die »Gesamtheit der Relationen zwischen den Medien«105 nicht in den Blick bekommt. Bezugnehmend auf W.J.T. Mitchell ist somit die phänomenologische Bestandsaufnahme bei der Herausstellung der Aspekte, die in einem weiteren Schritt das Modell für die exemplarische Analyse liefern, vor allem geprägt durch ein unmittelbares »Bestehen auf Wörtlichkeit und Materialität«106 des Medialen. Bei der anschließenden medienphilosophischen Reflexion der Medialitäten der Mode geht es entsprechend um die Erörterung jener medientheoretischen Begriffe und ihrer Funktionen, die für die Betrachtung der Mode als Medium relevant erscheinen. Es handelt es sich dabei um sprach- und bildwissenschaftliche und ästhetische Performativitätskonzepte, die in 101 102 103 104 105 106

Ebd., 166. Iser 1994. Barthes 1989 u. ders. 1990a. Mitchell 2008, 145. Ebd. Ebd., 146.

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diesem Zusammenhang als »methodische Umaktzentuierung«107 kulturwissenschaftlicher Forschungsansätze zu sehen sind. So spielt nach Sybille Krämer diese »performative Orientierung zuerst einmal eine operativkritische Rolle und rückt die im landläufigen Diskurs an den Rand gedrängten und marginalisierten Phänomene ins Zentrum«108 . Für das Phänomen Mode mit seiner wechselhaften, paradoxalen Ambivalenz und seiner scheinbar ausschließenden, abgrenzenden Funktionsweise eignet sich diese Sichtweise deshalb besonders. Sie bietet vor allem die Möglichkeit, die strukturalistischen Grundlagen der Modetheorie zu revidieren und aufgrund der Fokusverschiebung weiterzuentwickeln. Diese performative Orientierung ermöglicht in Bezug auf die Modeerscheinungen der Modestrecke »das Verhältnis von Muster (Form, System, Regelwerk) und Realisierung (Instantiierung, Anwendung, Aktualisierung) [...] nicht mehr im Sinne eines logisch-genealogischen Primats des Musters aufzufassen«109 , sondern anhand ihres Erscheinens zwischen Bild und Text das »formenschaffende und formenverändernde Potential«110 herauszustellen. Die spezifische Medialität der Modestrecke wird dann als ikonotextuelle Performativität konzeptionalisierbar, basierend auf Mitchells Feststellung: Der Bild/Text ist keine Schablone, um solche Dinge auf dieselbe Form zu reduzieren, sondern ein Hebel, um sie zu öffnen. Am besten wäre er zu beschreiben nicht etwa als Begriff, sondern als eine theoretische Figur etwa wie Derridas différance, ein Ort dialektischer Spannung, des Gleitens und der Transformation. 111

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Die spezifische Dialektik des Ikonotextes Modestrecke wird als Spannungsfeld zwischen ihrer strategischen Produktion und ihrem taktischen Gebrauch begriffen und entlang der Handlungskonzepte von Michel de Certeau112 und dem Konzept der ästhetischen Arbeit von Gernot Böhme113 entwickelt. Entsprechend ist die exemplarische Analyse des Modeteils einer Zeitschrift anhand der zuvor herausgestellten Aspekte als eine Dekonstruktion zu begreifen. 114 Sie ist demnach zwar nur eine Praxis, und dennoch ein Vollzug, der nicht nur das Muster zur Erscheinung bringt, sondern auch seine eigene konstituierende Potentialität sichtbar werden lässt. Mode wird dadurch als »Surplus des Gebrauchs gegenüber seinem Programm«115 erkennbar. Durch dieses dekonstruktivistische Analyseverfahren kann gezeigt werden, dass und wie die Mode als Wahrnehmungsbewegung 107 108 109 110 111 112 113 114 115

Krämer 2002, 344. Ebd., 346. Ebd., 345. Ebd., 346. Mitchell 2008, 170. Certeau, 89. Böhme 2001. Es handelt sich um die September-Ausgabe 2006 der deutschen VOGUE. Krämer 2003a, 83.

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zwischen Bild und Text der Modestrecke deren Bedeutung hinterfragt, durchkreuzt und gerade mit solchen paradoxalen Ambivalenzen Sinn schafft. Und obwohl bei der Modestrecke von einem prototypischen Format auszugehen ist, muss deshalb für die gesamte Arbeit von folgender Maxime Mitchells ausgegangen werden: Wichtig ist [...] vor allem, die Antwort auf die Frage des Bild/Text-Problems nicht durch die Annahme vorwegzunehmen, es handele sich um etwas, das in einem fixierten Repertoire von Situationen erscheint und uniforme Beschreibungen oder interpretierende Protokolle erlaubt. 116

2.4 Vorgehensweise Die Arbeit gliedert sich in die drei Hauptteile Medien der Mode, Medialitäten der Modezeitschrift und IkonoModeText einer Modestrecke. Nach der Erörterung dessen, was als Gegenstand der Arbeit zugrunde gelegt werden muss, und der Beschreibung, wie dieser in Erscheinung tritt, wird er so zur Anschauung gebracht, dass sich Mode als ein die Wahrnehmung strukturierendes Phänomen zeigt. Im ersten Teil wird die Modekleidung als realer Gegenstand, das Modebild als Modefotografie in der Zeitschrift, der Modetext als verbal-schriftliche Darstellung der Mode im Rahmen einer Modestrecke in der Zeitschrift und die Modestrecke als IkonoModeText modetheoretisch, historisch und medienspezifisch hergeleitet und erläutert. Dabei werden die jeweiligen Betrachtungsweisen der Gegenstände als phänomenologisch begründete Aspekte herausgestellt, die im dritten Teil das Analysemodell bilden. Der zweite Hauptteil stellt die Beschaffenheit des Phänomens Mode unter Bezugnahme auf ihre jeweils spezifische Medialität dar. Die medienphilosophische und -theoretische Positionierung als eine Klärung dessen, was dieser Arbeit als Medienbegriff zugrunde gelegt wird, kulminiert in der Beantwortung der Fragen was ein Medium und ob Mode ein Medium ist. Nach einer Überprüfung der Übertragbarkeit der Konzepte Trans-, Intra- und Intermedialität auf Mode, Modekleidung und die mediale Erscheinungsform der Mode im Ikonotext der Zeitschrift, kommt es zu einer ersten Konzeption der spezifischen Medialität der Mode in der Zeitschrift durch eine Gegenüberstellung des Aisthetischen des Modebildes und des Diskursiven des Modetextes. Ihre spezifische intermediale Medienkombination wird als Medienclash terminologisch präzisiert, und das Konzept einer spezifischen Ikonotextualität des Phänomens Mode in der Zeitschrift wird ausgestaltet. Die elliptische Formierung des Analysemodells anhand der im ersten Teil herausgearbeiteten Aspekte, eine 116

Mitchell 2008, 146.

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dezidierte Darlegung der methodischen Engführung und inhaltlichen Plausibilität der exemplarischen Anwendung des Modells und eine kurze modetheoretische- und historische Beschreibung des herangezogenen Korpus bilden den ersten Schritt des dritten Hauptteils. Der Analyseteil beginnt mit einer kurzen Gesamtschau der Zeitschrift, die zeigt, wie der Modeteil in die Zeitschrift sowohl formal als auch inhaltlich integriert ist. Bei der anschließenden exemplarischen Analyse der insgesamt fünf Modestrecken des Modeteils wird das Untersuchungsmodell nicht jeweils auf eine einzelne Strecke angewandt, sondern die Aspekte werden entlang des gesamten Modeteils dargelegt, um Redundanzen zu vermeiden. In einem dritten Schritt werden die Reportagen und Berichte untersucht, die sich ebenfalls im Modeteil zwischen den Modestrecken befinden. Hier wird verdeutlicht, dass sich die kombinatorischen Perspektivierungen und Relativierungen, die sich innerhalb der Strecken zwischen Bild und Text abspielen, ebenso auf die vor- oder nachgelagerten Beiträge auswirken. Es wird zudem dargelegt, dass auch das im Verlauf des Heftes bereits Erfahrene bei der Konstitution der Mode eine konstitutive Rolle spielt. Der letzte Teil des dritten Hauptkapitels präzisiert die Konzeption des Modehandelns, der Medienkontamination und der Aisthetischen Formation und Rezeption der Mode. Diese in der exemplarischen Analyse vollzogenen und nachvollziehbaren Konzepte zur Entwicklung einer spezifischen Performativität der Mode in der Zeitschrift werden in diesem letzten Schritt als modetheoretische Essenz der Arbeit zusammenfassend dargelegt.

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3. Medien der Mode Mode ist eines der vielfältigsten, veränderlichsten, ungreifbarsten und doch hartnäckigsten Medien der Bedeutungsgenerierung, Bedeutungszuschreibung, aber auch der Dekonstruktion von Bedeutung.1

Was sind die Medien der Mode? Ist Kleidung ein Medium der Mode? Wie generiert Mode Bedeutung und wem schreibt sie diese zu? Wo findet Mode statt? – Mode und Kleidung werden umgangssprachlich oft synonym gebraucht. Dies ist jedoch insofern unzulänglich, da es unbestreitbar auch Kleidungstücke gibt, die nicht Mode sind. Mode scheint demnach ein Mehr zu sein, das sich auch in anderen Objekten wie Möbelstücken, Autos etc. erkennen lässt. Diese Moden lassen sich an der spezifischen Beschaffenheit des Ausdrucks, der besonderen Materialität etc. in den verschiedensten Bereichen der Kultur festmachen. So auch im Bereich der Bekleidung. Beim Betrachten der Kleidung zeigt sich, dass diese zwar als Mode produziert werden kann, jedoch nicht als solche rezipiert werden muss. Andererseits kann Kleidung Mode werden, die zunächst in einem anderen Zusammenhang hergestellt wurde. In beiden Fällen wird Mode erst durch ihre mediale Vermittlung, durch die damit verbundene Kontextualisierung und ihre Wahrnehmung konstituiert, oder eben nicht.2 In der Regel wird Kleidung allerdings als Modekleidung produziert und durch ihre mediale Vermittlung auch als Mode rezipiert und konstituiert. Ein wichtiges Medium zur Vermittlung und Konstitution von Mode ist die Zeitschrift, die sich aus den Einzelmedien Fotografie und Schrift zusammensetzt. Beide lassen sich einzeln betrachtet als Modefotografie oder Modeliteratur vor einem eigenen, spezifischen Bedeutungshorizont abzeichnen. Roland Barthes formuliert diesen Zusammenhang wie folgt: Um die Modekleidung zu untersuchen, müsste man zunächst jede dieser drei Strukturen gesondert und vollständig betrachten, denn um eine Struktur zu definieren, muss man die substantielle Identität der Einheiten kennen, aus denen sie besteht; man muss die Handlungen oder die Bilder oder die Wörter analysieren, aber nicht alle diese Substanzen zugleich, auch wenn die Strukturen, die sich aus ihnen zusammensetzen, ineinander übergehen […].3

Da in der Zeitschrift gerade die Bild-Text-Kombination in ihrem spezifischen Zusammenwirken das Moment der medialen Vermittlung be1 2 3

Lehnert 2003, 216. Vgl. Kawamura 2005, 39. Barthes 1985, 17.

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stimmt, ist die Analyse ihrer gegenseitigen Bezugnahme das eigentliche Ziel dieser Arbeit. Bevor jedoch das Mode konstituierende Zusammenspiel der Medien Bild und Text in der Zeitschrift untersucht werden kann, muss es in seinen Einzelkomponenten vorgestellt und jeweiligen Kompetenzen dargestellt werden, um daraus, wieder zusammengenommen, ein geeignetes und differenziertes Analysemodell zu entwickeln.4 Die Kleidung, die Fotografie und die Literatur werden deshalb zunächst einzeln als Medien der Mode eingeführt, indem aufgezeigt wird, wie sich die Mode in ihnen zeigt, und was für Strukturen und Funktionen ihrerseits das Erscheinen der Mode ermöglichen. Bei der Betrachtung der Zeitschrift wird dann die spezifische Zusammenführung von Kleidung, Bild und Text in der Modestrecke im Fokus des Interesses stehen. Hier wird die Modestrecke als sinnstiftende ikonotextuelle Einheit der Mode herausgestellt und als eigenständiges Medium der Mode herausgearbeitet.

3.1 Die Modekleidung

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Modekleidung ist Kleidung, die als Mode rezipiert und/oder produziert wird. Diese Modekleidung ist als materieller Gegenstand Teil der Bekleidung. Roland Barthes bezeichnet mit Bekleidung »das Reale der Kleidung«5, d.h. alle Gegenstände, die das menschliche Erscheinungsbild des Körpers bilden, also auch Kopfbedeckungen, Schuhe und andere Accessoires. Diese realen Kleidungsstücke sind jedoch nicht gleichbedeutend mit der Mode, so Barthes: »[D]as System der realen Kleidung ist immer nur der natürliche Horizont, den sich die Mode vorgibt, um ihre Bedeutungen zu bilden […].«6 Denn obwohl Mode und Modekleidung umgangssprachlich oft synonym verwendet werden, ist Mode nicht nur Kleidung, die gerade Mode ist. Mode muss vielmehr als ein umfassendes System verstanden werden. Modekleidung hingegen ist jener Teil der Bekleidung, der gerade Mode ist, und demnach ein realer vestimentärer Gegenstand. Nur Modekleidung ist die »reale Mode«7 im Sinne von Barthes. Das Material und die Struktur der Modekleidung sind einerseits bestimmt durch die spezifischen Funktionen der realen Kleidung (Schutz, Schmuck, Distinktion etc.), den menschlichen Körper (Größen, Proportionen, Symmetrien etc.) und zu einem nicht zu unterschätzenden Teil durch 4

5 6 7

Die für Barthes’ Systematik grundlegende Prämisse der strukturalen Reinheit, wird deshalb zugunsten einer Betrachtung des Zusammenhangs bestimmter Strukturen aufgegeben. Ebd., 9. Ebd. Ebd., 8.

Medien der Mode

die technologischen Möglichkeiten der Kleidungsproduktion selbst, die sowohl auf die Funktionen der Kleidung, als auch auf den menschlichen Körper Einfluss haben. Andererseits ist die Modekleidung aber vor allem auch dadurch definiert, dass sie eine spezifische Struktur aufweist. Diese liegt nicht nur in ihrer Eigenschaft als realer Gegenstand begründet, sondern ist vor allem bedingt durch die Zugehörigkeit dieser Kleidung zum System Mode, d.h. Modekleidung steht immer in diesem spezifischen Kontext. Sie unterscheidet sich somit wesentlich von anderen Bekleidungsformen wie Tracht, Uniform oder Arbeitskleidung etc. Auch die Funktion der Modekleidung ist eine von anderen Arten der Bekleidung zu unterscheidende: Mit Modekleidung wird etwas anderes gemacht als mit anderen Kleidungsstücken, sie ist anders gemacht. Folgende Feststellung Gertrud Lehnerts ist deshalb in zwei Richtungen zu stärken: »Mode besteht nicht nur aus Kleidern, sondern entsteht erst, wenn jemand etwas mit Kleidern macht, sprich: sie trägt.«8 Zum einen hinsichtlich des Konstitutionsmoments von Mode, das Lehnert klar in den Akt des Handelns mit Kleidung hineinlegt. Zum anderen in der Betonung des Tragens, also des Bekleidetseins. Es handelt sich demnach um ein zweifaches Machen: 1. das Machen von Mode (Akt des Entstehens) und 2. das Machen von etwas (das Tragen von Kleidung als Tätigkeit); wobei das Letztere zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung, und somit Ersteres nicht die zwingende Folge ist. Das heißt, es muss sich um ein spezifisches Tragen von Kleidung, um ein bestimmtes Handeln mit Kleidern handeln, damit Modekleidung entsteht. Dabei handelt es sich nach Lehnert um das Aufführen von Kleidung, im Akt der Aufführung von Kleidung entsteht Mode9: Ihr performatives Potential besteht darin, dass sie Handlung zu provozieren vermag und so Medium der Inszenierung beziehungsweise der Selbstinszenierung ist. Anders gesagt, benötigt sie die Inszenierung (im Alltag, auf dem Laufsteg, im Foto etc.), um Mode zu werden […].10

Neben der darin begründeten Betonung der Performativität der Mode, ist hierin vor allem die Öffnung des realen Handlungsraums entscheidend. Denn erst durch die zeitliche und situative Erweiterung der an der Aufführung Beteiligten und das damit verbundene Einbeziehen der Produzenten und Rezipienten von Mode lässt sich Modekleidung innerhalb eines umfassenden Handlungszusammenhangs, eines Modesystems, fassen. Der Handlungsraum ist nun nicht mehr nur das Hier und Jetzt der getragenen Modekleidung, sondern umfasst auch die Akte ihres Entstehens davor, dazwischen und danach: Entwurf, Produktion, Verteilung, Vermittlung, 8 9 10

Lehnert 2005b, 257. Vgl. ebd., 260. Lehnert bezieht sich auf den erweiterten Aufführungsbegriff von Erika Fischer-Lichte (vgl. Fischer-Lichte 2004b). Lehnert 2002, 54.

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Rezeption, Reflexion, Aneignung etc. Die Beteiligten lassen sich nicht mehr auf eine momentane Situation reduzieren, sondern Designer, Näher, Verkäufer, Journalisten, Fotografen, Stars, Models, Konsumenten, Schneider etc. sind einzubeziehen. Jenes zweifache Machen erweitert sich hiermit wesentlich, denn das gesamte Modesystem ist nun an der Konstitution von Mode beteiligt. Oder, wie Lehnert es ausdrückt: Kleider werden zu Mode, indem sie als solche hergestellt, verkauft und inszeniert werden. D.h. es ist auch der Kontext, der darüber entscheidet, ob etwas Mode ist […]. Daran ist die gesamte Modeindustrie ebenso beteiligt wie die Konsumentinnen und Konsumenten.11

Das ganze System der Mode ist demnach im Handeln mit Mode bereits enthalten, denn die Kleidung als reales Objekt verweist auf das Modesystem und konstituiert sich durch dieses als Modekleidung. Kleidung autonom, d.h. nicht in Relation zu diesem System zu betrachten ist nicht mehr möglich, denn es hieße, Kleidung ohne ihren kulturellen Zusammenhang sehen zu wollen. Gleichzeitig ist es ebenso unmöglich, Modekleidung ohne jenes umfassende Modehandeln begreifen zu wollen, denn das Modesystem schließt sowohl Produktion als auch Konsumption ein. Yuniya Kawamura fasst dies in ihrer Fashion-ology, wie folgt zusammen: In modern and post-modern societies, consumption and production are complementary and, therefore, production does not take place within a completely separate sphere in relation to the broader social context of consumption. The relationship between production and consumption in the particular culture industry called fashion has been explored. […] The meaning-making processes and practices do not simply arise out of one autonomous sphere of production but also out of consumption.12

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In diesem Zusammenhang ist auch der modetheoretische Ansatz von Barbara Vinken näher zu betrachten, der sich in ihren Worten folgendermaßen zusammenfassen lässt: »Mode ist nicht gleich Kleidung. Sie ist vielmehr ein Kommentar in Kleidern über Kleider.«13 Mode ist demnach nur durch die offensichtliche Bezugnahme von Kleidung auf andere Kleidung zu verstehen. Mode ist somit von Grund auf referentiell, und Modekleidung ist immer nur in Bezug zu anderen Kleidungsstücken zu erfassen. Mode bildet somit auch auf der Ebene der Kleidung selbst ein System der Bezugnahme. Für Barbara Vinken ist Mode die Tatsache, dass Kleider auf andere Kleider Bezug nehmen. Mode heißt somit, Kleidung als Medium der Bezugnahme auf andere Kleidung zu sehen. Jedes Kleidungsstück ist nur in Bezug zur Modekleidung verstehbar, auch wenn es selbst keine Modekleidung ist. Auch Tracht, Uniform und Arbeitskleidung etc. sind dementsprechend nur in Unter11 12 13

Lehnert 2005b, 257. Kawamura 2005, 103. Vinken 1999, 97.

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scheidung und Relation zur Modekleidung zu umreißen.14 Das System der permanenten Bezugnahme ist somit ein wesentlicher Teil des Modesystems. Es macht Kleidung zu Modekleidung, indem es Kleidung immer in irgendeiner Art und Weise medialisiert. Der gesamte Produktions- und Rezeptionsprozess von Modekleidung ist eine permanente Transformation von einem Medium in ein anderes: vom gezeichneten Entwurf zum Schnitt, vom Papierschnitt zu einzelnen Stoffteilen, von der gezeichneten Linie zur Naht im Stoff, vom Musterstück zum Lookbook, von der Zeichnung zum Text etc. Doch die gegenseitigen Bezugnahmen verlaufen nicht linear, jederzeit kann ein weiteres Medium hinzugezogen oder auf ein bestehendes zurückgegriffen werden. Modekleidung wird also nicht nur als realer Gegenstand, sondern immer auch in ihrer medialisierten Form wahrgenommen. Modekleidung per se ist gar nicht beschreibbar, da sie immer in ein mediales System eingebunden ist, welches mit dargestellt werden muss, um sie adäquat abbilden zu können. Denn sowohl beim modetheoretischen Ansatz von Roland Barthes als auch von Yuniya Kawamura ist dieser permanente Medialisierungsprozess entscheidend für die Verbreitung von Modekleidung und für die Konstitution von Mode überhaupt. Bei Barthes wird die »Transformationstätigkeit, einem Übergang von der technologischen Struktur zur ikonischen und verbalen«15 , zur Grundlage, auf der die Zeitschrift Mode darstellt. Und für Kawamura sind es u.a. die Modejournalisten und Herausgeber von Modezeitschriften, die entscheiden, was auf welche Art und Weise vermittelt wird und die somit am Konstitutionsprozess von Mode beteiligt sind.16 Aber nicht nur die Verbreitung von Mode wird durch diese Transformationstätigkeit von einem Medium in ein anderes bestimmt. Vielmehr ist es die Mode selbst, die sich in diesem permanenten Prozess in diversen Medien konstituiert. So ist es letztlich nicht nur die Modekleidung, die hier vermittelt wird, sondern das, was sie zur Mode macht. Das Agieren mit Kleidung ist somit im Wesentlichen eine Transformationstätigkeit, eine Produktion und gleichermaßen eine Rezeption von Medialisierungen von Modekleidung. Modehandeln ist immer eine Medialisierung des eigentlichen materiellen Objekts Kleidung. Mode ist demnach an ihre Medialisierung gebunden. Modekleidung ist also nicht nur ein realer vestimentärer Gegenstand, sondern dieser muss in irgendeiner Weise bereits medialisiert sein, um Mode sein zu können. Modekleidung ist Mode, die sich im Medium Kleidung zeigt. Es gilt festzuhalten, dass Modekleidung ein realer Gegenstand ist, der als Mode wahrgenommen wird, d.h. eine Art der Kleidung, die in Bezug auf das Modesystem rezipiert wird und 14 15 16

Vgl. Mentges / Richard 2005. Barthes 1985, 16. Vgl. die Rolle der «Gatekeepers« bei Kawamura 2005, 79.

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sich durch diese Bezugnahme als Mode konstituiert.17 Diese Referentialität der Mode ist durch ihre Medialisierung im Medium Kleidung inhärent. Es ist deshalb zu unterscheiden: 1. Modekleidung ist der reale Gegenstand Kleidung, der im Modesystem situiert ist, und 2. Mode kann sich auch in anderen Medien zeigen. Daraus folgernd ergibt sich die Frage, welche Arten von Medialisierungen die Modekleidung im Medium Modezeitschrift konstituieren.

3.2 Die Modefotografie »Mode existiert nur in der bildlichen Darstellung.«18 – Obwohl diese Aussage Ulrich Lehmanns möglicherweise zu weit greift, spielt das Modebild, und hier insbesondere die Modefotografie, eine wichtige Rolle bei der Konstitution von Mode. Im Folgenden werden deshalb zunächst die Funktionen der Fotografie erläutert, um dann die Frage zu klären, wie Modefotografie sich theoretisch und historisch darstellt. In einem dritten Schritt werden die modefotografischen Kennzeichen explizit herausgearbeitet und ableitend das Modebild als Medium der Mode definitorisch erläutert. Denn, so noch einmal Lehmann: »Mode existiert, weil sie als Mode dargestellt wird.«19

Was ist Fotografie?

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Die Theorie der Fotografie findet erst langsam zu einer eigenen umfassenden Wissenschaftshistoriografie.20 Und zwar weil sich die Fotografie in vielfältigen Bildtheorien spezifisch verortet und, so Herta Wolf, »weil es die Fotografie nicht gibt, sondern nur eine Vielzahl von Einsätzen dieses Mediums, das sich einzig auf der Folie des Feldes der visuellen Kultur begreifen

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Interessant ist, dass die Wahrnehmung der Materialität des Mediums Kleidung hinter seiner permanenten Medialisierung, insbesondere seiner Visualisierung, zurücktritt. Entsprechend formuliert Lehmann: »Wir sehen Kleidung jetzt als Bild und nicht unbedingt als etwas, das aus Stoff, einem Schnitt, Säumen, Verschlüssen besteht.« (Lehmann 2002, T12.) Das kann als Hiweis auf die basale Bildlichkeit der visuellen Wahrnehmung nach Waldenfels’ verstanden werden (vgl. Waldenfels 2004, 208ff.). Lehmann 2002, T12. Die Publikation versammelt neben Abbildungen zahlreicher Mode- und Kunstfotografien der letzten Jahre wichtige modetheoretische Texte u.a. von Gilles Lipovetsky, Annelie Lütgens und Oliver Zahm. Lehmann selbst unternimmt eine Strukturierung der Modefotografie in Bezug auf Barthes’ Sprache der Mode. Ebd. Vgl. Kriebel 2007.

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lässt«21. Da aus diesem Grund zahlreiche Antworten auf die vorangestellte Frage möglich sind, werde ich mich hier darauf beschränken, diejenigen Funktionen der Fotografie herauszustellen, die für die Betrachtung der Modefotografie grundlegende Relevanz haben. Diese Funktionen sind bestimmt durch die Gebrauchsweisen von Fotografie, d.h. durch die fotografische Praxis einerseits und das alltägliche Umgehen mit fotografischen Bildern andererseits. Das modefotografische Objekt22 ist deshalb nur durch diese funktionale Perspektivierung sinnvoll beschreibbar. Als die wesentlichen Funktionen sind hier die fünf von Roland Barthes in Die helle Kammer unter dem Begriff ›studium‹ zusammengefassten »vernünftigen Interessen«23 zu sehen, denen sowohl die Produzenten als auch die Rezipienten der Fotografie in einem Handeln mit ihr begegnen können: 1. Informieren, 2. Darstellen, 3. Überraschen, 4. Bedeutung-Stiften und 5. WünscheWecken.24 Im Folgenden werden diese Funktionen jeweils vom Standpunkt der Produktion und der Rezeption mit Blick auf die Fotografie beschrieben. Im Kreuzungspunkt dieser beiden Perspektiven zeichnet sich dann jeweils eine spezifische mediale Seinsweise der Fotografie aufgrund ihrer entsprechenden Funktionalisierung ab. Die erste Funktion INFORMATION ergibt sich einerseits aus der Intention eines Fotografen, über etwas informieren zu wollen, d.h. seinem Wissen eine Form zu geben und dieses Wissen an einen möglichen Rezipienten zu vermitteln. Auf der anderen Seite handelt es sich um einen Rezipienten, der sich informieren will, sich ein Wissen aneignen möchte, das er aus der Fotografie ziehen kann. Bei der fotografischen Information handelt es sich um Detailwissen, um ein Wissen, das hinter oder unter der Oberfläche des fotografischen Objekts liegt. Es ist ein Wissen, das vom Produzenten intendiert ist, das in der Fotografie latent vorhanden ist und das vom Rezipienten erst aktiviert werden muss. Er tritt mit der Intention des WissenWollens selbst handelnd an das Bild heran, um jenes Wissen zu erfassen. Eine Fotografie wird somit zum Vermittler von Wissen, sie ist in diesem Sinne ein Informationsmedium.25 21 22 23 24

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Wolf 2003, 2. Vgl. Wiesing 2005, 44ff. Das Bildobjekt ist in Abgrenzung zum Bildträger die Darstellung an sich. Barthes 1989, 50. Zur Relevanz und wissenschaftlichen Einordnung dieses letzten Buches von Barthes in Relation zu seinem Gesamtwerk vgl. Wolf 2002a. Vgl. Riedel 2002a. In Riedels pragmatischer Sichtweise der Fotografie wird deutlich, dass die Funktionalität in der »photographischen Referenz« (ebd.) gründet. Sie ist das »Produkt eines Zusammenspiels unterschiedlicher Symbol- und Handlungssysteme, in die sie sich je schon eingebunden findet. Sie wurzelt nicht in einem quasinatürlichen Bezug zu einem außersymbolischen Objekt, gewährleistet durch den Status der Photographie als ikonische Spur, sondern ist durch und durch Kulturprodukt« (ebd. 182; vgl. Riedel 2002b). Vgl. Barthes 1989, 38.

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Zudem möchte der Fotograf etwas darstellen, etwas Wirkliches, etwas Inszeniertes oder etwas Imaginäres. In jedem Fall ist das, was er darstellen möchte, ein bestimmter Moment seiner Sichtweise auf die Welt. Diesen Augenblick bringt er fotografisch zur DARSTELLUNG. Fotografieren ist somit der Versuch, das, was sich gerade darstellt, in einer spezifischen Form darzustellen, und zwar so, dass der Betrachter diejenigen Bezüge herstellt, die ihn das Dargestellte in einer bestimmten Art und Weise erfassen lassen. Der Rezipient muss die Fotografie als Darstellung von etwas sehen, d.h. er muss die spezifische Referentialität der Fotografie sehen. Es ist entscheidend, hier mit Nachdruck festzuhalten, dass dieses Etwas nicht etwas Reales oder die Realität ist, die fotografisch festgehalten wird. Bei diesem Etwas, auf das fotografisch, also über das Medium der Fotografie, sowohl vom Produzenten als auch vom Rezipienten Bezug genommen wird, handelt es sich um eine Sicht der Dinge. Ob diese Sicht realistisch, technisch manipuliert oder inszeniert ist, spielt deshalb keine Rolle für die Referentialität der Fotografie. Eine Fotografie ist eine Referenz, sie führt den Betrachter auf etwas zurück, das sich so dem Fotografen darstellte. Sie ist damit als Darstellung gegenwärtig, während das Dargestellte immer schon vergangen ist. Eine Fotografie ist zwar immer ein Bild von etwas, aber an sich ist sie auch immer eine Präsentation: Sie repräsentiert durch ihre spezifische Präsenz. Eine dritte Funktion der Fotografie in der ÜBERRASCHUNG zu sehen, mag zunächst verwundern. Beim Blick auf den alltäglichen Umgang mit dem Medium Fotografie wird allerdings deutlich, dass diese Funktion oftmals dominiert. Fotografen, insbesondere Fotojournalisten, wollen etwas enthüllen. Sie wollen fotografisch das Seltene, den entscheidenden Augenblick, eine Großtat, ihre besondere Kenntnis der fotografischen Darstellungstechniken oder irgendeinen originellen Fund festhalten, um damit zu überraschen, um Aufmerksamkeit zu erregen.26 Eine Fotografie ist immer affektiv.27 So ist auf Seiten des Rezipienten eben jene Erregung zu finden, die im negativen Extrem nicht selten als Schock bezeichnet wird. Diese Funktion ist insbesondere in Hinblick auf die Modefotografie so aufschlussreich, weil sich der Zusammenhang folgendermaßen umkehren lässt:

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Barthes relativiert diese Motive, indem er schreibt, im anderen Extrem sei ein Foto »›überraschend‹, sobald man nicht weiß, warum es aufgenommen wurde« (ebd., 43). Nicht das Wissen um das Besondere, sondern das Sich-Fragen, was das Besondere sein kann, ist demnach das Überraschende, Neue und Andere in der Fotografie. Bal 2006b.

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Zuerst photographiert die PHOTOGRAPHIE, um zu überraschen, das Bemerkenswerte, bald aber deklariert sie, im Zuge einer bekannten Verkehrung, das zum Bemerkenswerten, was sie photographiert. Das ›X-Beliebige‹ wird somit zum snobistischen Gipfel des Wertes.28

Barthes formuliert die Schwierigkeit im Umgang mit überraschenden oder schockierenden Fotografien außerdem wie folgt: Das Schockphoto ist strukturbedingt insignifikant: Keinerlei Wert, keinerlei Wissen, äußerstenfalls nicht einmal verbale Kategorisierung, können auf den institutionellen Prozess der Bedeutung einwirken.29

Die eigentliche Bedeutung einer solchen Fotografie ist der Schock, die Überraschung, im wörtlichen Sinne die Sensation selbst. Und die Intention, die den Betrachter leitet, ist die Neugierde. Sie ist eine Lust an der Sensation, welche genährt wird durch das Unvorhergesehene: das Andere, das Neue, das Besondere einer Fotografie. Eine Fotografie ist deshalb auch ein unvorhersehbarer Sinneseindruck und muss gewissermaßen absichtslos funktionieren, darf nicht zu stark konstruiert erscheinen. Ihre Inszeniertheit sollte nicht die Rezeption stören, bzw. überdeterminieren.30 Die fotografische Funktion der BEDEUTUNG liegt nicht nur im fotografischen Objekt an sich. Der Kontext der Produktion, die Situierung einer Fotografie und die Art und Weise ihrer Rezeption schaffen eine mögliche Bedeutung, eine andere wäre ebenso möglich. Aufgrund dieser Kontingenz der fotografischen Bedeutung, so Roland Barthes, »kann die PHOTOGRAPHIE Bedeutung nur annehmen (auf etwas Allgemeines zielen), indem sie sich maskiert«31 . Sich-Maskieren heißt somit: in der Kultur kontextualisiert sein. Die Maske ist der kulturelle Kontext, und der Sinn liegt immer in der Kultur, die ihn konstituiert. 32 Der Fotograf kann diesen Zusammenhang bedienen, indem er quasi Masken produziert, d.h. für einen bestimmten kulturellen Kontext fotografiert. Entsprechend rezipiert der Betrachter jene Fotografie als einem bestimmten Sinnzusammenhang zugehörig und

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Barthes 1989, 43. Barthes 1990a, 26. Vgl. Barthes 1964. Barthes 1989, 44. Vgl. Goffman 1977. Der Kontext soll als eine reale Rahmenbedingung verstanden werden, die das Ereignis des Erscheinens der Mode bestimmt, und nicht als ein irgendwie gearteter Assoziationsrahmen eines möglichen Rezipienten. Denn, so Goffman, »gewöhnlich schließt der Kontext, wie man sagt, falsche Deutungen aus und bringt die richtige zur Geltung. (Man könnte den Kontext geradezu definieren als unmittelbar vorhandene Ereignisse, die mit einer Rahmenauffassung verträglich sind und mit anderen unverträglich.)« (Ebd., 472.)

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begreift so ihre Bedeutung. Durch diese beiden Arten des Handelns mit Fotografie konstituiert sich die Bedeutung einer an sich kontingenten Fotografie als Maske.33 Die VERLOCKUNG als Funktion der Fotografie liegt einerseits beim Produzenten, der ganz gezielt durch seine Arbeit Wünsche im Rezipienten wecken möchte. Andererseits ist diese Verlockung beim Betrachter des Bildes als ein Begehren erst einmal auszulösen. Denn eine Sehnsucht ist keine Haltung, die eingenommen werden kann, sie muss geweckt werden. Das fotografische Objekt wird hier zum Auslöser selbst. Das fotografische Bild weckt die Begierde. Und zwar so, wie es sich zeigt: als eine Information, eine Darstellung, eine Überraschung und eine Bedeutung. Das Entscheidende hier ist jedoch, dass all diese Funktionen nur ein Begehren auszulösen vermögen, wenn der Betrachter sich seiner »Phantasie, aus einer Art ›zweitem Gesicht‹ hervorgegangen«34 hingibt. Die Verlockung ist demnach disproportional beim Rezipienten und seiner Sicht auf das fotografische Objekt zu verorten. Von den fünf fotografischen Funktionen führt die letzte, die Verlockung, über die vernünftigen Interessen hinaus. Während die Information, die Darstellung, die Überraschung und die Bedeutung nur die »einförmige Photographie«35 hervorbringen, das heißt eine Fotografie, die durch eine ungebrochene Übertragung nur das erzeugt, was unhinterfragt alltägliche Kultur ist, bringt die Verlockung eine unbekannte Größe mit ins Spiel: das »punctum«36. Es handelt sich dabei um die ganze Subjektivität und Individualität des Betrachters, die sich für ihn irgendwo im Detail einer Fotografie einnistet. Das unberechenbare Entwaffnende, das Beunruhigende und gleichzeitig so Betörende am Punctum ist seine Absichtslosigkeit, seine Planlosigkeit, seine Kontingenz, seine Unsagbarkeit. Mit den Worten Roland Barthes’: »Was ich benennen kann, vermag mich nicht zu bestechen. Die Unfähigkeit, etwas zu benennen, ist ein sicheres Anzeichen für innere Unruhe.«37 Oder, wie es Walter Benjamin formuliert:

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Vgl. Barthes 1989, 44. Barthes formuliert: »Die Maske, das ist der Sinn, insofern er völlig unverstellt ist […]. Die Photographie der Maske ist in der Tat hinreichend kritisch, um zu beunruhigen […], doch andererseits ist sie zu diskret (oder zu ›sublim‹), um tatsächlich zu einer wirksamen Instanz sozialer Kritik zu werden […].« (Ebd.) Daran anlehnend lässt sich wie folgt weiterdenken: Wenn nun nicht das Foto zur Maske wird, um sinnvoll zu sein, und die Produzenten und Rezipienten die Fotografie nicht entsprechend kontextualisieren, sondern die Fotografie die Maske selbst und somit das Kulturelle an sich darstellt, und die Rezipienten diese Darstellung der Maske erkennen, müsste das Fotografische den Sinn an sich sichtbar werden lassen. Ebd., 49. Ebd., 50. Vgl. ebd., 50ff. Ebd., 60.

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Aller Kunstfertigkeit das Photographen und aller Planmäßigkeit in der Haltung seines Modells zum Trotz fühlt der Beschauer unwiderstehlich den Zwang, in solchem Bild das winzige Fünkchen Zufall Hier und Jetzt, zu suchen, mit dem die Wirklichkeit den Bildcharakter gleichsam durchsengt hat, die unscheinbare Stelle zu finden, in welcher, im Sosein jener längstvergangenen Minute das Künftige noch heut so beredt nistet, dass wir rückblickend, es entdecken können.38

Fotografie ist demnach mehr als das, was durch ihre Funktionalität zu Tage tritt. Und gleichzeitig sind es ihre Funktionen, die dieses Mehr ermöglichen. So ist die Fotografie ein Medium, das auf geschilderte, spezifische Weise die menschliche Phantasie anregt und damit etwas zur Erscheinung bringt, das über das fotografische Bild hinaus geht. Es ist etwas, dass sich erst im Handeln mit dem Medium zeigt.

Fotografie und Mode By fashion photographs I mean, in this case, the overwhelming majority of contemporary fashion photographs as they appear in the west, those banal images of models – in magazines that target women in different classes and colours – posed so as to be caught by the camera in the midst of action, work, play, and repose, as well as those of figures facing the camera/reader/photographer head on, silhouetted against backdrops, or in cropped close-ups. 39

In diesen Worten von Silvia Kolbowski, die in ihrem Aufsatz »Playing with dolls« einen kritischen Blick auf die Welt der Modefotografie richtet, ist bemerkenswerterweise keine Rede von Modekleidung. Anders bei Ulrich Lehmann, für den die Modefotografie »die allgegenwärtige Darstellung von Kleidungsstücken in der Werbung und der Presse«40 ist. Allerdings wird diese Kleidung erst durch die fotografische Darstellung und durch ihre mediale Kontextualisierung in der Zeitschrift zur Mode, so ebenfalls Lehmann. Diesen Widerspruch verstärkend muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass derzeit auf Modefotografien die Kleidungsstücke oftmals kaum erkenntlich oder teilweise gar nicht dargestellt sind. Sie finden sich dann meist nur verbal erläutert im begleitenden Text wieder. Modefotografie muss demnach mehr sein als die Darstellung von Kleidung, wenn sie Mode bedeuten will. Es scheint also etwas Spezifisches in der Modefotografie zu geben, etwas, das diese in besonderer Weise und in Abgrenzung zu anderen Fotografien auszeichnet.41 Entsprechend enthält eine Modefoto-

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Benjamin 1963, 50. Die Parallelisierung von Barthes und Benjamin in ihrer Suche nach der anderen Seite der Referentialität des fotografischen Mediums, findet sich auch bei Derrida 1987, 13; vgl. Iversen 2002, 131.) Kolbowski 1990, 143. Lehmann 2002, T12. Für die meisten Publikationen zur Modefotografie ist das entscheidende Kriterium die Tatsache, dass die Bilder in renommierten Zeitschriften als Modefotografien erschienen sind (vgl. z.B. Hall-Duncan 1979.)

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grafie weitere wesentliche präsentierte Objekte: das Model, den Raum und in gewisser Weise den Moment ihres Entstehens. Wie bereits erläutert, gehören zu einer (Mode-)Fotografie im Wesentlichen ihre Produktionsund Rezeptionsweisen. So betont F.C. Gundlach, neben der Tatsache, dass Modefotografien immer inszeniert sind, insbesondere die »kollektive Leistung, eine Zusammenarbeit von Photographen, Modellen, Stylisten, Coiffeuren und vor allem Moderedakteurinnen«42. Die besondere fotografische Qualität der Modedarstellung entsteht für ihn durch ein Austarieren unterschiedlicher Ansprüche hinsichtlich des fotografischen Objekts selbst und liegt sowohl in der Produktion, der Modefotografie selbst und in ihrer Wirkung auf den Rezipienten begründet: Ein Modefoto, das uns informiert oder inspiriert, das unsere Aufmerksamkeit in der täglichen Bilderflut auf sich zieht, muss mehr sein, als die Reproduktion eines Kleides. Die Modephotographie, die ohne Beschriftung oder den Kontext einer Publikation Bestand hat, entsteht auch in Zukunft auf dem schmalen Grat der Synthese von Inhalt und Form, von innovativer Idee und Information, zwischen künstlerischer Intention und materiellen Zwängen.43

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Eine historiografische, wissenschaftliche Bearbeitung dieser Modefotografie gibt es nur vereinzelt, meist aus einem eher kostümkundlich oder modehistorisch motivierten Interesse heraus, bei dem die abgebildete Kleidung im Fokus des Interesses steht und nicht die Modeabbildung an sich.44 Modefotografien werden dann überwiegend im Kontext einer sgeschichtlichen Darstellung von Modekleidung als Beleg und Illustration verwendet.45 Oder sie bilden beispielsweise den Gegenstand von soziologischen Untersuchungen zur Konstruktion von Geschlecht. 46 Die Modefotografien werden so jedoch ihres eigentlichen Kontextes beraubt, als Belege für die Modekleidung einer bestimmten Zeit oder eines bestimmten Frauenbildes herangezogen und in ihrer eigentlichen Spezifität nicht erläutert.47 Auf dieses Manko in der wissenschaftlichen Untersuchung der Modefotografie weisen bereits Caroline Evans und Minna Thornton in Women & Fashion. A New Look von 1989 hin, in dem sie beklagen, dass das Genre

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Gundlach 1993, 11. Ebd., 12. Die Lipperheidesche Kostümbibliothek besitzt eine umfassende modefotografische Sammlung, die bislang nur in Ansätzen aufgearbeitet ist (vgl. z.B. Horbas 1994). Auch die umfangreiche Sammlung des Modefotografen F.C. Gundlach, die zum Grundstock des von ihm gegründeten Museum der Fotografie in Hamburg wurde, ist noch nicht nach modetheoretischen Gesichtspunkten erfasst. Vgl. Rennolds 1987. Vgl. Craik 2000, Radner 2000, Crane 2000, Rabine 1994 u. Triggs 1992. Dies zeigt auch Jobling in seiner Untersuchung zu Modestrecken und geht dementgegen davon aus, dass Modefotografie in ihrer spezifischen Aussagekraft nur im Kontext einer Zeitschrift, verstanden werden kann (vgl. Jobling 2006, 5f.).

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»under-theorized«48 ist, zu pauschal instrumentalisiert und oft trivialisiert wird. Obwohl sie die Wichtigkeit der spezifischen Kontextualisierung der Modefotografie erkennen, wenden sie sich in ihrer Analyse bewusst nur der isolierten Bildebene zu, um die spezifische Form weiblicher Konsumption herauszustellen.49 Insgesamt können sie jedoch Folgendes feststellen: Fashion’s representations are marginalized, fragmented, semantically elusive. To some extent these qualities are lost when the pictures are anthologized, or reproduced in a book like this, without captions, details about the clothes, a setting of the glossy magazine, with its own protocols and hierarchies. Here the pictures, separated from caption, text, the paraphernalia of the magazine, are cut off from their only anchor, isolated from their context.50

Das verdeutlicht vor allem, was bei einer solchen isolierten Sicht der Fotografien verloren geht, auch wenn den beiden Autorinnen dieses entkontextualisierte Bild zur Verdeutlichung ihrer These ausreicht, die ja gerade nicht auf die Konstitution von Mode, sondern von Geschlecht abzielt. Zudem werden, wie auch bei ähnlichen Ansätzen, wiederum nur die Bilder bekannter Fotografen zitiert und auch dadurch eine verstärkt einseitige Sicht der Mode transportiert.51 Vor allem die Nähe der Modefotografie zur Werbung und ihr kommerzieller Hintergrund vereiteln oft eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, da es im herkömmlichen universitären Fächerkanon noch keine klare Zuständigkeit für ein so uneindeutiges und kurzlebiges Objekt gibt.52 Es ist jedoch entscheidend, die Modefotografie in ihrem (massen-)medialen Gebrauch, für den sie produziert wird, und der ihre Rezeption bestimmt, zu betrachten, um sie auch theoretisch als Medium der Mode umreißen zu können. Der Fotohistoriker Enno Kaufhold fasst das Problem einer eingrenzenden Zuordnung und fotohistorischen Theoriebildung der Modefotografie wie folgt zusammen: Mit Blick auf die Geschichte der Modefotografie eröffnet sich die grundlegende Frage, was als Modefotografie anzusprechen ist und welche Bedingungen eine Fotografie erfüllen muss, um ihr das Etikett Modefotografie aufdrücken zu können.53

Kaufhold beantwortet jene Frage, indem er Entstehung und Entwicklung der Modefotografie in Berlin bis in die 1980er Jahre darstellt. Die entscheidenden Faktoren zur Formierung einer Modefotografie in Zeitschriften lassen sich, in Anlehnung an Kaufhold, wie folgt zusammenfassen: 1. Weiterentwicklung der Fototechnik (Einführung des Autotypieverfahrens um 1890), 2. Weiterentwicklung des Zeitschriftenmarktes durch Illustrations48 49 50 51 52 53

Evans / Thornton 1989, 81. Sie nehmen lediglich Bezug auf Bildtitel, wie sie beispielsweise nachträglich im Buch mit Fotografien von Helmut Newton verwendet werden. Ebd., 82. Vgl. Koetzle 2006, 91. Vgl. Brookes 1992, 17. Kaufhold 1993, 13.

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fotografie (manchmal auch Fotografien von Kleidern, jedoch ohne Angaben der Herkunft), 3. Beschleunigung der Produktion und des Warenumschlags in der Bekleidungsfertigung (Industrialisierung und Konfektionierung), 4. Etablierung der Porträtfotografie (u.a. persönliche fotografische Visitenkarten), 5. Wandel im Umgang mit Modekleidung (z.B. Reflexion der Mode durch Reformkleidbewegung) und 6. größerer Wettbewerb und verstärktes Werbeaufkommen in der Modebranche. Die Fusion all dieser Faktoren führt um 1910 zu einer enormen sukzessiven Expansion des Zeitschriftenmarktes.54 Die Zeitschrift mit Modefotografien wird zum Wirtschaftsfaktor, zum Anzeigenblatt: »Anders formuliert, man wollte eine publizistische Plattform schaffen, auf der potente Wirtschaftsbetriebe ihre Werbung platzieren konnten und sollten.«55 Das redaktionelle Thema Mode wird so einerseits zum Motor für die Schaltung von Anzeigen der Textilunternehmen, andererseits informieren auch die journalistischen Beiträge über die aktuellen Trends der jeweiligen Modehäuser. Moderedaktionelle Information ist bereits seit den Anfängen des Modejournalismus unlösbar mit der Nennung von Herstellernamen verknüpft. In ihren Anfängen soll die Modefotografie zunächst Modekleidung darstellen. Sie soll zeigen, was das Besondere, das Modische, an einem Kleidungsstück ist. Der Fokus des Fotografen und die Posen der »Konfektioneusen«56 sind auf die Betonung und die Hervorhebung der Modekleidung gerichtet. In mehreren Aufnahmen von verschiedenen Modellen, einer Fotoserie, lassen sich Variationen der modischen Idee nachvollziehen: einer Silhouette, einer Nahtführung oder eines anderen Details.57 Auch die Retusche der Fotografien zu diesem Zweck ist eine gängige Praxis.58 Zunächst entstehen die Fotografien noch im Atelier, dann auch im Modesalon und bald beim Nachmittagstee auf der Terrasse oder beim Ausflug mit dem Auto.59 Der Ort gibt, neben dem dargestellten Raum, auch Auskunft

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Diese Entwicklung ist auch in anderen westlichen Staaten zu verfolgen, z.B. übernimmt Condé Nast 1909 die amerikanische, seit den 1890er Jahren existierende VOGUE und macht sie in den Folgejahren zum wichtigsten Organ der internationalen Modefotografie und -berichterstattung. Ebd., 21. Ebd., 17. So nannte man früher die namenlosen Vorführdamen von Modesalons, die Mannequins, die ersten Models. Heute bezeichnet man mit dem Beruf Model sowohl die Arbeit auf dem Laufsteg, wie auch die vor der Fotokamera. Vgl. Koetzle 2006, 91. Vgl. Horbas 1994, 18. Vgl. ebd., 9. Horbas betont insbesondere die Inszeniertheit der Aufnahmen: »Modefotografien im eigentlichen Sinne, also keine zufällig eingefangenen Schnappschüsse, die gleichwohl auch zur Illustration von Artikeln zum Thema dienen konnten, wurden bis etwa 1913/14 nahezu ausschließlich im Atelier gefertigt.« (Ebd.) Entgegen dieser Feststellung bestätigen die Ausführungen von Enno Kaufhold zu den Aufnahmen aus dem Modesalon von Herrmann Gerson von 1904 ebenso die Ausnahme. Es bleibt festzuhalten, dass sich die Modefotografie

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über die Zeit der Aufnahme, die Gelegenheit oder die Tages- und Jahreszeit. Diese wichtigsten Gestaltungsmerkmale der Inszenierung60 einer Modefotografie, der fotografische Fokus, die Pose, die Serie, die Bildbearbeitung und der Ort, haben sich im Laufe der letzten hundert Jahre entsprechend der technischen und kulturellen Entwicklungen stark verändert. Einen entscheidenden Einfluss übte die fortschreitende Industrialisierung der Bekleidungsbranche auf die Darstellungsweise der Kleidung in der Modefotografie aus: Durch die steigende Massenproduktion in der Textilindustrie und den Niedergang des Schneiderhandwerks werden Modefotografien im Laufe des 20. Jahrhunderts immer weniger als Vorlagen zum Nachschneidern durch kleinere Betriebe, Schneider oder für den Hobbybereich genutzt, so dass in der Modefotografie zunehmend auf die Genauigkeit der Darstellung in Bezug auf Schnitttechnik, Linienführung, Details etc. verzichtet werden konnte.61 Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Modefotografie haben sich demnach geändert: Die Modefotografie muss spätestens seit Mitte des letzten Jahrhunderts nicht mehr Schneidervorlage sein.62 Seitdem kann der fotografische Fokus anders gelegt werden und die Models können sich auch in ihren Posen freier entwickeln.63 Die Kleidung selbst rückt nun immer mehr in den Hintergrund zugunsten einer immer freieren fotografischen Gesamtinszenierung.64

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im Freien jedoch erst allmählich durchsetzt, was vor allem an den technischen Möglichkeiten liegt. (Vgl. Kaufhold 1993, 17, 21ff., 59 u. 61.) Vgl. Fischer-Lichte 1998, 88. Sie formuliert wie folgt: »Als ästhetische und zugleich anthropologische Kategorie zielt der Begriff der Inszenierung auf schöpferische Prozesse, in denen etwas entworfen und zur Erscheinung gebracht wird, auf Prozesse, welche in spezifischer Weise Imaginäres, Fiktives und Reales, Empirisches zueinander in Beziehung setzt.« (Ebd.) Inszenierung soll hier deshalb verstanden werden als ein aisthetisches, d.h. sinnlich erfahrbares, Zusammenspiel von Menschen und Dingen in Zeit und Raum. Es kommt außerdem zu einer stärkeren Segmentierung im Zeitschriftenmarkt: Information (Textilfachzeitschriften), Unterhaltung (Frauen- und Modezeitschriften) und Anleitung (Nähzeitschriften mit Schnittmusterbögen). Ab 1952 erscheint in Deutschland Burda-Moden, die bis heute erfolgreichste Zeitschrift mit Schnittmusterbögen zum Selbstschneidern. Es wäre sicher interessant, die Darstellungsart der Modefotografie dieser Zeitschrift mit einer typischen Modezeitschrift wie der VOGUE zu vergleichen, um möglicherweise die Vermutung bestätigt zu bekommen, dass erstere die Kleidung wesentlich detailgenauer darstellt. Vgl. Lipovetsky 2002, T9. Er nennt weitere Gründe: »Das Ende des Bekleidungsdiktats, die zurückgegangene Bedeutung der Aufmachung für das gesellschaftliche Prestige, die Vervielfachung der Modekriterien, die geringen Ausgaben für Bekleidung, die gewachsene Sorge um Komfort und Lässigkeit, das Primat des Körpers und die diesbezüglichen Obsessionen – das sind allesamt Phänomene, die die Modefotografie von dem Imperativ befreit haben, Kleidung in den Brennpunkt der Darstellung zu rücken.« Dies kann sicher auch als ein Auslöser für die Entwicklung des namenlosen Models zum individuellen Superstar der Modebranche gesehen werden, verlagert sich doch der Fokus nun auch auf die Person im Bild. (Vgl. Lehnert 1996.) Vgl. Moderegger 2000, 133.

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In seiner Arbeit über die Modefotografie in Deutschland. 1929-1955 führt Johannes Moderegger die Unterscheidung zwischen Kleider- und Modefotografie ein. Und zwar in erster Linie, um die Kleiderfotos dem Handwerk und die Modefotos der Kunstfotografie zuordnen zu können: Kleiderfotografie ist in erster Linie Gewerbe. Kleiderfotos werden gemacht, um Bekleidung zu zeigen und zu verkaufen, deshalb tritt hier die dienende Funktion der Fotografie ganz besonders deutlich hervor.65

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Diese Unterscheidung ist jedoch nicht länger schlüssig, wenn er weiter ausführt, die wichtigste Funktion der Modefotos sei »Werbung für eine bestimmte Bekleidung zu sein und die damit verbundene modische Information zu transportieren«66. Denn er rechnet diese Fotos der Kunstfotografie zu, obwohl die Werbefotografie als angewandte Kunst zu verstehen ist, also eindeutig ökonomischen Interessen unterliegt. Die Verwirrung ist nach dem Versuch einer definitorischen Unterscheidung nur noch größer, denn »[n]eben diesen mehr sachlichen Informationen transportiert die Kleiderfotografie immer, ob nun beabsichtigt oder nicht, noch eine andere Information, nämlich die der Mode des Kleidungsstückes.«67 Diese Erkenntnis Modereggers berechtigt endgültig zu Zweifeln an einem Nutzen einer solchen Unterscheidung. Denn offen bleibt nach wie vor, was ein Modefoto in Abgrenzung zur Werbe- und zur Kunstfotografie auszeichnet, da er es in seinen Ausführungen versäumt, den kontextuellen Rahmen der Präsentation von Mode- oder Kleiderfotografien mitzudenken und zu reflektieren. Es wird abermals deutlich, dass ein Erfassen dessen, was Modefotografie ist, nur durch eine präzise Beschreibung ihrer spezifischen Erscheinungsweisen möglich ist. Die Schwierigkeit, Modefotografie von anderen Formen der Fotografie abzugrenzen, wird insbesondere zur letzten Jahrtausendwende erkennbar. Die Fotografie und die Modekleidung sind als Kunstformen bereits in den Museen etabliert, und es finden zunehmend Ausstellungen auch zur Modefotografie statt. Der Anspruch, als eigene Kunstform anerkannt zu werden, tritt zunehmend in den Vordergrund der Diskussionen um den Gegenstand, der als grundlegend neu im Ausloten seiner Darstellungsmöglichkeiten und Erscheinungsweisen angesehen wird. Das Neue der Modefotografie der Jahrtausendwende ist, so Gilles Lipovetsky, nicht nur ein abermals Neues des »modernistischen Imperativs«68. Er erkennt darin vielmehr ein Kennzeichen für einen »tiefgreifenden Richtungswechsel in der Modefotografie«69 . Ohne Distanz zum Betrachter sei diese neue Mode65 66 67 68 69

Ebd., 15. Ebd. Ebd., 14. Lipovetsky 2002, T11. Ebd.

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fotografie auf eine »unmittelbare durchschlagende Wirkung mit multidimensionaler Resonanz aus.«70 Das Neue scheint auf den ersten Blick der betörende Realismus der Fotografien71, ihre Schnappschuss-Ästhetik72 und das Authentische der Darstellungsweise73 zu sein. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es sich bei dieser Form modefotografischer Authentizität nur um die Wirkung einer Inszenierung handeln kann, denn allein die Kontextualisierung der Fotografie in der Modezeitschrift reicht für die Herstellung dieses Wissens und der damit verbundenen Reflexionshaltung aus. Es handelt sich demnach einerseits um eine inszenierte Authentizität74, andererseits zeigt sich darin jedoch auch eine authentische Inszenierung, denn die Art und Weise der Modefotografie legt offen dar, dass sie inszeniert ist. Und sie macht gleichzeitig deutlich, dass auf Seiten der Rezipienten eine emotionale Sehnsucht nach Wahrheit besteht, selbst wenn das Wissen um deren Unmöglichkeit vorherrscht.75 Das eigentlich Authentische einer solchen Modefotografie ist somit vielmehr die Tatsache, dass erkenntlich wird, wie differenziert mit ihren Mitteln der fotografischen Inszenierung gespielt werden kann.76 Eine Modefotografie ist dann authentisch, wenn sie nicht hinter ihren Möglichkeiten, Wirklichkeiten zu schaffen zurückbleibt, sondern diese in Hinblick auf die Bedürfnisse des Betrachters selbstreflexiv auslotet.77 In diesem Sinne sind die Modefotografien von Fotografen wie Jürgen Teller, Corinne Day oder Terry Richardson, die als Avantgarde einer jungen Modefotografengeneration verstanden werden, tatsächlich anders als zuvor. Ist doch gerade ihre kenntliche und deshalb scheinbare Authentizität das paradoxale Kennzeichen für das Wissen um die Wirkungsmacht von Fotografien auch auf Seiten der Rezipienten.78 Es handelt sich um ein notwendiges Austarieren des immer noch schwelenden Realitätsanspruches der Fotografie insgesamt. In letzter Konse70 71 72 73 74 75

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Ebd., T9. Vgl. Smedley 2000. Vgl. Stiegler 2005, 266. Er formuliert: »Sie ist Wirklichkeit als Zufall, Zufall als Wirklichkeit.« (Ebd.) Vgl. Meier 1998. Vgl. Knaller / Müller 2006. Vgl. Entwistle 2000, 121ff. Entwistle erläutert den Zusammenhang von Identitätssuche und Authentizität in einem kurzen historischen Überblick. Zur Problematik der Konstruktion einer Rezipientenidentität vgl. Kolbowski 1990. Vgl. Knieper / Müller 2003. Einen vergleichbaren Prozess beschreibt Vinken im Bereich der Modekleidung mit der Mode nach der Mode (vgl. Vinken 1993). Lipovetsky sieht darin jedoch nicht nur das Reflexivwerden der eigenen Mittel, er erkennt in der vollkommenen Durchdringung der Alltagswelt mit dem System der Mode die vollendete Mode (vgl. Lipovetsky 1994). Germer sieht entsprechend den Authentizitätseffekt in den Fotografien von Wolfgang Tillmans in seiner »sich unsichtbar machenden Inszenierungsmethode« (Germer 1997, 55).

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quenz ist deshalb gerade diese Art der Modefotografie eine Absage an diesen Realitätsanspruch und der Beweis für die Inszeniertheit jeglicher medialer Realitätswahrnehmung.79 Die Beschreibung der Modefotografie kommt nicht umhin, die Abgrenzung zu Werbe- und Kunstfotografie aus dem analysierenden Blick auf den fotografischen Gegenstand selbst heraus zu entwickeln, denn in diesem finden bereits die Grenzüberschreitungen und -verwischungen statt: Die (Mode-)Fotografie ist immer ein ästhetisches Medium, egal wie es kontextualisiert ist. Die Aussage von Oliver Zahm, Herausgeber der Zeitschrift purple, dass »Modefotografie keinen spezifisch künstlerischen oder soziologischen Bezugsrahmen mehr«80 besitzt, darf deshalb nur auf das Dargestellte bezogen werden. Die Modefotografie an sich bedarf konstitutiv einer spezifischen Kontextualisierung, nämlich der durch das System der Mode. Eine Modefotografie, die im Kunstkontext rezipiert wird, besitzt nicht mehr die Funktionen einer Modefotografie. Modefotografie ist insofern keine Kunst, kann allerdings einen hohen ästhetischen Wert haben, der im Kunstsystem Würdigung erhält.81 Sie wird dort dann nicht mehr als Mode, sondern als Kunst rezipiert.82 Im Gegensatz zu Esther Ruelfs, die in ihrem Aufsatz »Sexy Kunstwerke und artsy Modefotografien. Wechselwirtschaft zeitgenössischer Kunst- und Modemagazine« sagt, dass allein der »Blick auf den Ort des Erscheinens oder den Rahmen der Institution […] dem Betrachter nicht mehr dabei helfen [kann] zu entscheiden, ob etwas ‚angewandte’ Modefotografie oder ‚freie’ Fotokunst sein soll«83, lassen sich diese Etiketten an den Grenzen der beiden Systeme sehr gut festmachen. Oder wie Stefan Germer es formuliert: »Die Differenzen zwischen beiden Systemen zeigen sich an der Art, wie sie mit Erfolg im jeweils anderen System umgehen.«84 Diese Differenz basiert nicht auf der Einschätzung eines möglichen ästhetischen Werts einer Modefotografie, sondern auf der entsprechenden Wertschätzung oder Ablehnung der ökonomisch freien oder

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Es ist, als verstünden Produzenten und Rezipienten nicht nur die fotografischen Regeln der Mode, sondern als sähen sie den Sinn an sich in ihnen: das Spiel selbst, seine Züge, die Bewegungen, das Immerneue des Immergleichen, keine Überbietung, nur noch Selbstbehauptung auf dem Spielfeld der Mode. (Vgl. Zahm 2002, T34.) Ebd., T30. Vgl. Mukaovský 1970, 73ff. u. insb. 111ff. Die Bewertung des ästhetischen Wertes als ein hoher Wert, setzt nach Mukaovský somit auch einen unabhängigen ästhetischen Wert voraus, der jedoch nicht nur im Artefakt selbst begründet ist, sondern in der gesellschaftlichen Rolle der Kunst liegt und von ihm definiert wird, und zwar als »die Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit als einem Gegenstand des menschlichen Handelns zu leiten und zu erneuern« (ebd., 110). Vgl. Becker 2002, 218f. Ruelfs 2006, 113. Germer 1997, 53.

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abhängigen Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Im Hinblick darauf, dass Modefotografie angewandte Fotografie ist, und das »meint zunächst noch keine Wertung, was formale Qualitäten, kreativen Impact, ästhetischen Rang, künstlerische Bedeutung einer fotografischen Arbeit betrifft«85, lässt sie sich entsprechend als Auftragskunst begreifen. Die in der Werbung verwendete, ebenfalls Mode(-kleidung) darstellende Fotografie, die Anzeigenfotografie, wird in der raren Fachliteratur oftmals ebenfalls als Modefotografie gehandelt. Dabei wird häufig gar nicht auf die beiden zugrunde liegenden differenten Referenzsysteme der Mode und der Werbung hingewiesen. Eine klare Unterscheidung ist jedoch dringend erforderlich, da beide Arten aus unterschiedlichen Intentionen heraus entstehen, was konkrete Unterschiede sowohl für das fotografische Objekt an sich, als auch für seine Produktions- und Rezeptionsweisen bedeutet.86 Modefotografie unterscheidet sich von Werbefotografie vor allem durch eine offensichtliche redaktionelle Bearbeitung und der Einbindung in eine Zeitschrift.87 Der Modefotograf arbeitet im Auftrag der Modezeitschrift, nicht einer Modefirma. Er stellt ein redaktionell erarbeitetes Modethema fotografisch dar, bei dem es vordergründig nicht um die Präsentation einer bestimmten Modefirma geht. Die Modefotografie erscheint in einer mehrere Seiten umfassenden Serie, die einen formalen und inhaltlichen Zusammenhang ergibt. Ziel dieser Modefotografie ist nicht in erster Linie, Kleidung zu verkaufen, sondern im Sinne der Zeitschrift zu informieren, zu unterhalten und in diesem Zuge Mode zu konstituieren und zu vermitteln. Modefotografie ist deshalb in diesem Zusammenhang Modejournalismus und -reportage, wobei allerdings immer ein Zusammenhang zwischen bestimmten Themen und den finanziellen Interessen der Herausgeber besteht. Deswegen ist Modefotografie jedoch keine für ein bestimmtes Produkt werbende Fotografie, sondern Fotografie, die im Modesystem situiert ist und nur dort als solche funktioniert.

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Koetzle 2006, 91. Vgl. Gerling 2006, 287. Gerling weist zwar auf die Notwendigkeit einer solchen Unterscheidung hin, die spezifischen Unterschiede werden in seiner Analyse von Modefotografien jedoch nicht besonders hervorgehoben. In den letzten Jahren finden sich u.a. in der VOGUE immer häufiger Werbeseiten, die entsprechend einer Modestrecke gestaltet sind. Als Werbung kenntlich gemacht werden diese Anzeigenstrecken nur durch den sehr kleinen Hinweis »Anzeige« an einem Bildrand und bei genauerem Hinsehen durch die Tatsache, dass z.B. nur Pelze eines großen Pelzanbieters in München abgebildet werden. (Vgl. VOGUE, 9/2006, 200ff.)

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Modebild – Medium der Mode

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Beim Blick auf die Funktionen einer Modefotografie wird deutlich, dass die spezifischen medialen Eigenschaften der Fotografie zunächst hinter ihrer vermittelnden Funktion zu verschwinden scheinen. Das Medium selbst ist zugunsten seiner Zeichenfunktion transparent. So kann eine Modefotografie über die neueste Modekleidung informieren, Modekleidung darstellen, Emotionen hervorrufen, sie kann als Zeichen für die Modekleidung gelesen werden, und sie stimuliert das Begehren. Die Transparenz des Mediums ist die Bedingung seiner Zeichenfunktion. Schaut man jedoch auf das Medium Modefotografie an sich, wird allerdings deutlich, dass die Sichtbarkeit des Mediums selbst die Mode selbst zur Darstellung bringt und so eine eigene, spezifische Bedeutung erzeugt.88 Die Mode selbst wird nicht durch das fotografische Objekt dargestellt, sondern der Blick auf das Medium Modefotografie und seine spezifischen Eigenschaften macht Mode als System kenntlich. Diese medialen Eigenschaften, die sich für die Vermittlung zwischen Produktion und Rezeption verantwortlich zeichnen, müssen jene modespezifischen Kennzeichen sein, durch die Modefotografie von anderen Arten der Fotografie unterschieden werden kann. Die mediale Sichtbarkeit, die andere Seite der medialen Transparenz, ist im Falle der Modefotografie die Sichtbarkeit der Inszenierung.89 Es handelt sich um das ästhetisch gestaltete Zusammenspiel von Menschen und Dingen in Zeit und Raum. Diese mediale Sichtbarkeit der Inszenierung ist eine wesentliche Eigenschaft der Modefotografie. Sie zeigt sich in den Übergängen von Produktion, Präsentation und Rezeption: In ihnen wird Mode prozessual und performativ konstituiert. Es ist demnach erforderlich, die spezifischen Kennzeichen dieser prozessualen Übergänge herauszustellen. Die zugrunde liegende Fragestellung lautet somit: Wie vermittelt oder konstituiert Modefotografie Mode? Da das Medium sowohl durch die Produktion wie auch anhand seiner Rezeption zu beschreiben ist, sind hier die spezifischen Kennzeichen beider Gebrauchsweisen und die des Mediums selbst aufzuzeigen. Der Herstellungsprozess einer Modefotografie, also der Übergang von der PRODUKTION zum Medium, ist im Wesentlichen eine Transformation, eine Übertragung von Realem in eine mediale, hier modefotografische

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Vgl. Wiesing 2005, 60f. Eine Darstellung ist immer eine Darstellung von etwas, also an eine intentionale Handlung gebunden. Mit Inszenierung ist hier nicht nur jenes In-Szene-Setzen des Models durch den Fotografen gemeint, es geht vielmehr auch um die Inszenierung einer Fotografie im Rahmen der ganzen Strecke, ihre typografische Einbettung, den inszenierten Zusammenhang einer Strecke durch Text etc. Zur näheren Erläuterung des Begriffs im Zusammenhang mit Fotografie vgl. Dorsch-Jungsberger 2003, 177.

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Wirklichkeit. Diese Übertragung ist gekennzeichnet durch Intentionen90, durch Operatoren91, Objekte, Positionen und Technologien. Beim näheren Betrachten wird deutlich, dass Modefotografie vor allem eine Auftragsarbeit ist. Die Beweggründe für ihre Produktion sind bei Fotograf, Model, Stylisten, Layouter, Mode- und Textredakteur etc. neben dem Wirtschaftlichen, vor allem die möglichst freie Realisierung der jeweils eigenen ästhetischen Ansprüche. Modefotografie ist immer ein Spagat zwischen den ersehnten ästhetischen Freiheiten und den gleichzeitigen kommerziellen Zwängen, denen alle Beteiligten unterliegen. Die genannten Operatoren, die darzustellenden Objekte, sowie Raum und Zeit markieren und bilden die Positionen Blick, Pose und Geste, die durch die Übertragung in das Medium Modefotografie als signifikantes Bezugssystem fungieren und gleichsam als Klammer zwischen Produktion, Präsentation und Rezeption dienen. Hinzu kommen die Möglichkeiten der fotografischen Technik, die insbesondere im Bereich der Bildbearbeitung eine wichtige Rolle spielen. Auch die grafische Arbeit des Art Direktors92 und die Inszenierung der Modefotografien durch ihre redaktionelle Einarbeitung, die neben der Auswahl und Serienkonzeption vor allem die sprachliche Kontextualisierung umfassen, sind spezifische Kennzeichen der Modefotografie. Ein Modefoto erzeugt erst durch diese Form der Kontextualisierung Sinn und markiert eine Regel, nach der eine Modefotografie verstanden wird.93

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Vgl. Burgin 2000, 32f. Er bezeichnet die phänomenologische Dimension der Intention bei Barthes als eine »sehnsuchtsvolle ›Zielgerichtetheit‹ der Einbildungskraft« (ebd., 33). Er schreibt, dass »der Geist selbst in einem gewissen Sinne ein Projektor [sei], der eine Welt von Dingen auf diese Erscheinungen projiziert« (ebd., 32). Neben der Absicht stellt somit die Intention im Sinne einer Projektion eine auf etwas gerichtete Sichtweise dar. Vgl. Barthes 1989, 17. Er schreibt über den Komplex »operator/spectrum/spectator« (ebd.): »Ich habe bemerkt, dass ein Photo Gegenstand dreier Tätigkeiten (oder dreier Gefühlsregungen oder dreier Absichten) sein kann: tun, geschehen lassen, betrachten.« (Ebd.) Obwohl der Operator demnach für Barthes lediglich der Fotograf ist, soll der Begriff hier auf alle am Entstehungsprozess beteiligten Personen ausgedehnt werden. Vgl. Koetzle 2006. Koetzle beschreibt in diesem Aufsatz sehr anschaulich anhand historischer Beispiele die entscheidenden Leistungen der Art Direktion beim Zustandekommen des Erscheinungsbildes der Modefotografie. Gleichzeitig macht er auf die Forschungslücke aufmerksam, die entsteht, wenn Modefotografien nur in ihrer darstellenden Dimension betrachtet werden: »Auf der Strecke bleibt die Frage nach der medialen Konditionierung solcher Bilder.« (Ebd., 91.) Vgl. Wittgenstein 1995, 270f., A. 54. »Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen es werde nach den und den Regeln gespielt, weil ein Beobachter diese Regeln aus der Praxis des Spiels ablesen kann […].« (Ebd.) Wiesing vertritt entsprechend die Ansicht, dass ein Bild an sich nicht die Regel enthält, sondern erst im Gebrauch Sinn macht, also erst, wenn es als Zeichen verwendet wird (vgl. Wiesing 2005, 62). Modefotografien sind allerdings so, wie sie dem Betrachter erscheinen, bereits im Gebrauch, da sie im Rahmen der Modezeitschrift entstanden und kontextualisiert sind. Modefotografie an sich

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Insbesondere der Text, ohne den eine Modefotografie nicht erscheint, spielt eine konstitutive Rolle: Text und Bild sind in der Wahrnehmung von Modefotografie nicht zu trennen. Die PRÄSENTATION der Modefotografie ist geprägt durch ihre spezifische Medialität.94 Die modefotografischen medialen Kennzeichen lassen sich als spezifische Kontextualität, Materialität, Transparenz, Funktionalität und Strukturalität der Darstellung herausarbeiten. Es ist wesentlich für die Modefotografie, in welchem Kontext und in welcher Art und Weise sie erscheint.95 Konstitutiv für eine Modefotografie ist demnach, dass sie in der Modezeitschrift, eingebunden in eine thematische Reihe (Modestrecke) und mit einem spezifisch strukturierten Text versehen, publiziert wird. Modefotos werden meist ganzseitig, auf hochglänzendem und festem Papier in Farbe dargestellt, denn es sind auch diese materiellen Qualitäten, die die mediale Transparenz als wesentliche Grundlage für das Gelingen von Referenz ermöglichen. Referentialität ist wiederum die Eigenschaft, die die Funktionalität von Modefotografien überhaupt erst ermöglicht: Durch Bezugnahme kann eine Modefotografie informieren, abbilden, überraschen, Bedeutung stiften und Wünsche wecken. Dieses modefotografische Bezugssystem ist sowohl auf materieller, formaler Ebene als auch auf seiner semiotischen, inhaltlichen Ebene strukturell beschreibbar und zwar einerseits durch die Auswahl, Anordnung, Größe etc. der Fotografien und andererseits durch die interne Syntax des fotografischen Objekts.96 Auch die Beschriftung, d.h. der dem Modefoto immer zugefügte Text, besitzt eine spezifische Struktur.97 Das Ereignis der PERZEPTION kann beschrieben werden als eine Beziehung zwischen Betrachter und Modefotografie. Diese Relation ist zunächst auf Seiten der Rezipienten durch eine perzeptive Synästhesie gekennzeichnet, d.h. eine erste Wahrnehmungsoffenheit aller Sinne. Diese wird spezifiziert durch eine gewisse Haltung, die kausal erklärbar ist: Es sind die jeweiligen Gründe, warum diese Modefotografie hier und jetzt auf diese Weise rezipiert wird. Außerdem kommt ein bestimmtes Wissen der Rezipienten hinzu: ein Allgemeinwissen, ein Spezialwissen oder auch Geheimwissen

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bedeutet aufgrund ihrer Produktionsweise, die sich auch als ein Handeln mit ihr verstehen lässt, bereits Mode. Vgl. Wiesing 2005, 65ff. Die Präsentation ist nicht nur das, was präsentiert wird, sondern auch die Tatsache, wie das Medium Modefotografie an sich präsentiert wird. Der Sinn ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel des präsentierten Bildobjekts und der Art und Weise der kontextuellen Bildpräsentation. Wie Wiesing betont, spielt der umgebende Text eine konstitutive Rolle. Vgl. hierzu den »Erscheinungskontext« bei Wiesing 2005, 65. Zu den verschiedenen Ebenen einer möglichen Bildanalyse vgl. Sachs-Hombach 2003, 100ff. Die pragmatische Ebene der Modefotografie lässt sich insbesondere bei der Bildproduktion und -rezeption herausstellen. Vgl. Barthes 1985.

Medien der Mode

um die Mode an sich und darum, wie Modefotografien im Allgemeinen betrachtet und verstanden werden sollen. Sowohl Haltung als auch Wissen setzen eine bestimmte Form von Ich-Bezug98 voraus und bedingen diesen gleichzeitig. Die Perzeption einer Modefotografie ist immer ein reflektierbarer, also bewusst nachvollziehbarer Wahrnehmungsprozess einer Fotografie durch einen Menschen. Da bei der Betrachtung der POSITIONEN Blick, Pose und Gestus in der Modefotografie sowohl die spezifischen Kennzeichen ihrer Produktion, als auch die der Rezeption deutlich hervortreten, werden sie als für den Gegenstand typische Aspekte besonders hervorgehoben. Offensichtlich liegt ihr Ausprägungsschwerpunkt in der Präsentation selbst, indem sie die Positionen konkret darstellt. Gleichzeitig sind darin jedoch die entsprechenden Kräfte auf Seiten der Produktion und Rezeption erkennbar. Der Blick bündelt beispielsweise den Fokus des Fotografen, die blickenden Augen des Models und die Sehweise der Rezipienten; die Pose beinhaltet die körperliche Situiertheit des Fotografen, das Posieren des Models und die Haltung der Rezipienten; und der Gestus der Produktion lässt sich z.B. als eine Art und Weise der Inszeniertheit begreifen, auf der Präsentationsebene als tatsächliche Handgeste des Models oder anderer Beteiligter, und auf Seiten der Rezeption als kontinuierliches Blättern oder diskontinuierliches Hin- und Herblättern in der Zeitschrift.99 Obwohl sich bei der konkreten Analyse einer Modefotografie im Kontext einer Zeitschrift letztlich nur interpretativ darstellen lässt, welche Dimension diese Positionierungsmodi im Einzelnen haben, wird im Folgenden kurz erläutert, wie ihre Wirkungskraft theoretisch zu fassen ist.100 Hubertus von Amelunxen hebt in seinem Aufsatz »Von der Theorie der Fotografie 1980-1995« neben der verbindenden Rolle der Positionen im Dispositiv101 des Fotografischen vor allem den Blick als eine machtvolle Sinninstanz der Fotografie hervor:

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Vgl. den »Selbstbezug« bei Waldenfels 2004, 142. Indirekt werden alle an der Produktion beteiligten Personen durch ihre Position im Prozess der Entstehung einer Modefotografie markiert, z.B. sagt ein auffälliges grafisches Design des Fotos etwas über die Rolle des Art Direktors im Zusammenspiel mit den anderen Beteiligten aus; ein bestimmtes Kräfteverhältnis wird daran erkennbar. Auf ein weites Forschungsfeld verweisend, werden hier jeweils nur die für die Modefotografie relevanten Konzepte angeführt. Vgl. zum Dispositiv als ein zwischen den Positionen gespanntes Netz Deleuze 1991, 153ff.

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Die apparative Provenienz des Bildes muss als ebenso signifikativ erfasst werden wie sein dispositives Erscheinen (die räumliche bzw. gesellschaftliche Struktur, kraft derer Produktion und Rezeption des Bildes in eine wirksame Differenz zueinander gesetzt werden). Das fotografische Dispositiv drängt uns die Fragen auf, in welchen Räumen welche und wessen Blicke sich kreuzen, verpassen oder wer sich wessen Blick aneignet, wie Blicke gesetzt, enthüllt, verborgen oder ›redupliziert‹ werden.102

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Nicht in Bezug auf die Fotografie, sondern in Hinblick auf die Malerei formuliert Jean Paris in »Drei Augen-Blicke« eine spezifische Beziehung zwischen Produzent, Werk und Rezipient, die sich über den Blick herstellt. Die folgende Frage, die er daraus ableitet, gilt jedoch uneingeschränkt ebenso für die Fotografie: »[U]nd muss uns dies nicht letztlich zu der Auffassung führen, dass der Raum schlechthin die Domäne des Blickes und jegliche Komposition ein Netzwerk aus Blicken ist?«103 Die Blicke konstituieren somit den Raum, in dem sich die Körper situieren. Die Betonung des Augen-Blickes im Titel seines Aufsatzes verweist deshalb auf zweierlei: die Körperlichkeit und die Ereignishaftigkeit des Blicks an sich. Beides zusammen ermöglicht erst ein spezifisches Erscheinen in Raum und Zeit. Die in der Modefotografie dargestellten Blicke indizieren somit ein ganzes Geflecht von Positionen, die es jeweils im Einzelnen über die Trias von Produktion, Bild und Rezeption hinaus aufzuzeigen gilt. In einem einzigen dargestellten Blick kann deshalb eine ganze Kultur des Sehens kulminieren oder auch eine bestimmte Mode ihren Ausdruck finden. In jedem Fall ist im Blick die Fixierung eines spezifischen Raum-Zeit-Körper-Gefüges auszumachen. Für die modetheoretische Forschung mit genderkritischem Schwerpunkt ist vor allem der männliche Blick im Modefoto von großem Interesse, unter den sich auch der Blick des Fotografen, der Zeitschrift oder der technischen Möglichkeiten subsumieren lässt. Leslie W. Rabine schreibt diesem Blick in ihrem Aufsatz »Die zwei Körper der Frau: Modemagazine, Konsumkultur und Feminismus« entsprechend eine umfassende konstituierende Macht zu, indem sie konstatiert, »[a]ußerhalb dieses Blicks würde die modische Frau nicht existieren«104 . Der dargestellte Blick bewirkt, enthält und indiziert demnach Machtverhältnisse, die sich in jenem Netzwerk von Blicken sowohl abspielen als auch widerspiegeln. Bilder im Allgemeinen und Modefotografien im Besonderen sind deshalb niemals harmlos, sondern immer machtvoll und konstitutiv. Michel de Certeau schreibt dem Blick im Bereich des Visuellen deshalb eine Funktion zu, die der des Sprechens im Bereich der verbalen Sprache entspricht. Er geht davon aus, dass »der Blick ein Sprechen [ist], von dem der Raum

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Amelunxen 2000, 17. Paris 1992, 67. Rabine 1994, 63.

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gegliedert wird«105 . Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Vorstellung, dass nicht nur der abgebildete Blick als ein Sehen gesehen werden kann, sondern dass auch den Gegenständen selbst dieses Potenzial zugeschrieben wird. James Elkins belegt diese Sichtweise über die Natur des Sehens in seinem Buch The Object Stares Back106 . Für die Betrachtung der Modefotografie ist diese Einsicht insofern entscheidend, als dass auch die Modefotografie ihre Rezeption mitbestimmt, indem sie den Blick, der auf sie geworfen wird, zurückwirft. In diesem Blickwechsel, einem Wechsel der Sichtweisen und der Positionen des Sehens, findet Identifikation statt: »And seeing is self-definition. Objects look back, and their incoming gaze tells me what I am.«107 Das heißt jedoch nicht, dass nun ein betrachtendes Subjekt fassbar wäre. Denn der Prozess des Blickens und des Sehens, der einen Raum konstituiert und Zeit beansprucht, ist als solcher lediglich diffus rekonstruierbar.108 Das, was Jean Paris als ein Netzwerk von Blicken beschreibt, ist nicht objektivierbar, geschieht es doch nur im Wahrnehmen selbst. Elkins findet für dieses Phänomen entsprechend ein Bild, das dem Betrachter weder die Rolle der Spinne, die das Netz webt, noch die der Fliege, die sich darin verfängt, zuschreibt, sondern der Betrachter selbst wird zum Netz an sich.109 Der Blick bildet demnach Positionen nicht nur ab, sondern muss vielmehr als Prozess verstanden werden, der den Wahrnehmungsraum, sein Subjekt und Objekt in der Zeit aufscheinen lässt, ohne jene gänzlich zu umfassen. Vielmehr lassen sich in dieser Konzeption des Blicks Positionen nur als Relationen und als prozessuale Bewegungen fassen, die Sinn ergeben. Oder wie es Craig Owens formuliert: »Das Subjekt ist im Feld des Sehens weder Sehendes noch Gesehenes; es macht sich selbst sehen. Das Subjekt posiert als Objekt, um ein Subjekt zu sein.«110 Er argumentiert anhand jenes als Objekt posierenden Subjekts gegen eine polarisierende Geschlechterhierarchie und gegen eine Körpermoral, die auf ökonomischen Besitzverhältnissen aufbaut. Nicht nur der Blick des anderen konstituiert das Selbst, sondern jegliche Subjektivierung ist nur im Feld sämtlicher Blicke möglich: Identifikation ist deshalb nur ihm Rahmen eines Selbstbildes möglich, das durch jenes Netz von Blicken gebildet wird. Die Pose hingegen ist als Sinnbild jener Subjekt/Objekt-Differenz beschreibbar, die an sich nicht darstellbar oder benennbar ist. Deshalb ist jede

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Certeau 1990, 352. Elkins 1996. Ebd., 86. Bernhard Waldenfels schlägt in diesem Zusammenhang einen »Seitenblick« (Waldenfels 2003, 23) vor, der gekennzeichnet ist durch eine »Art Entgegenwärtigung, in der das Gegenwärtige sich entzieht« (ebd.). Vgl. Elkins 1996, 74f. Owens 2003, 113.

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»Position selbst als Pose zu sehen«111 . Die Pose wird zu einem Identifikationsmodell, indem sie wiederholbar und gleichzeitig universell ist. Owens betont hinsichtlich des Modellcharakters der Pose auch ihre zunächst augenscheinliche Autorität, die jedoch durch ihre implizite Paradoxie, nämlich dem Setzen von Universalität und gleichzeitiger Aufforderung zur Nachahmung, unterwandert wird. Entsprechend hat die Pose in der Modefotografie immer eine Leitfunktion und eine anleitende Funktion, sie ist Modell und Double in einem. Dennoch ist es entscheidend, mit Kaja Silverman zu betonen, »dass die Mimikry nicht unbedingt eine aufbegehrende oder auch nur bewusste Intentionalität voraussetzt«112 . Denn im Gegensatz zu Roland Barthes, der die Pose als »Begriff für eine ›Absicht‹ bei der Lektüre«113 einer Fotografie ansieht, muss mit Owens nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass »Posieren in Wirklichkeit weder etwas gänzlich Aktives noch etwas gänzlich Passives«114 ist. Und obwohl Silverman eher das unbewusste Moment einer fotografischen Selbstidentifikation betont, lässt sich mit ihr folgendes feststellen: Die Pose muss viel allgemeiner als fotografische Prägung des Körpers verstanden werden, derer sich das Subjekt nicht unbedingt bewusst ist: Sie kann das Resultat eines Bildes sein, das so oft auf den Körper projiziert worden ist, dass das Subjekt beginnt, sich sowohl psychisch wie auch körperlich mit ihm zu identifizieren.115

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Daraus leitet sich für die Betrachtung der Modefotografie einerseits die grundlegende, kultursoziologische, bzw. -anthropologische Fragestellung ab, inwieweit die dargestellten Frauenbilder nahezu unmittelbar die Selbstbilder von Frauen konstituieren.116 Andererseits ergibt sich darüber hinaus vor allem die Suche nach jenem aktiven Moment der Selbstgestaltung, der sich gerade nicht unmittelbar abhängig von einer intentionalen Autorität des Mediums Fotografie ereignet. Denn die so genannte fotografische Prägung des Körpers verweist immer, so Owens, »auf Aktivität bzw. Passivität gegenüber einem äußeren Objekt oder Agens«117 , d.h. sie ist an eine Handlung gebunden, die als Positionierung bezeichnet werden kann und eine spezifische Performativität aufweist, die durch die Medialität des Mediums 111 112 113 114 115

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Ebd., 111. Silverman 1997, 50. Barthes 1989, 88. Owens 2003, 112. Silverman 1997, 50. Das Zitat selbst beinhaltet in Hinblick auf die einseitige Verwendung des Subjektbegriffs bereits jene Ambivalenz, die zuvor durch die Betonung des Posierens eines Subjekts als Objekt herausgestellt wurde. Vgl. Crane 2000. Crane liefert im Kapitel «Fashion Images and the Struggle for Women’s Identity« eine detaillierte Sichtweise der Rolle des Models (vgl. ebd., 224) in der Modefotografie unter besonderer Berücksichtigung der Pose, verstanden im Sinne Goffmans als soziale Inszenierungsdeterminante in Hinblick auf Identitätskonstruktion und Konsumverhalten (vgl. Goffman, 2003). Owens 2003, 112.

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Fotografie bestimmt ist.118 Entsprechend kritisiert Silvia Kolbowski in ihrem Aufsatz zur Modefotografie »Playing with Dolls«119 insbesondere die dichotonomische Einteilung in aktive und passive Wahrnehmungsprozesse. Sie zeigt für die Rezeptionsseite auf, dass bei jeder so genannten passiven Identifikation das Sehen eine aktive Rolle spielt und dass gleichzeitig auf Seiten der Produktion nicht von einer vollkommen bewussten Aktivität ausgegangen werden darf: »All identificatory looks presuppose fluctuating subject/object positions.«120 Vielmehr betont sie, ähnlich Silverman, vor allem das nicht steuerbare Unbewusste jeglicher Wahrnehmungsprozesse und den gerade nicht statischen Blick, der in seiner prozessualen Beweglichkeit diverse Positionen markiert. Posen sind somit als jene markierten Positionen zu begreifen, gewissermaßen als verkörperte Blicke, die fotografisch gesehen und so sichtbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang lässt sich nun auch die Reichweite folgender Aussage von Roland Barthes begreifen, die besagt, dass das, »was die Natur der PHOTOGRAPHIE begründet, [...] die Pose«121 ist. Die Geste ist genauso wenig vom Körperlichen des Sehens zu trennen, wie Blick und Pose. Alle drei markieren Positionen des Sehens im Rahmen des fotografischen Bildes und lassen sich ebenso nicht eindeutig voneinander trennen. Sie bedingen sich gegenseitig und überschneiden sich in ihrer grundlegenden Sichtbarkeit. Die Geste, die vor allem in der Kunstwissenschaft ein geläufiger Topos zur Deutung von Bildaussagen ist122 , soll hier vor allem in ihrer deiktischen Funktion als Handlung des Zeigens begriffen werden. Nicht die nonverbale Mitteilung, sondern der Akt des Mitteilens rückt somit ins Interesse.123 Die Geste, die eigentlich auf einer Bewegung des Köpers, insbesondere der Hände und Finger, beruht, soll nicht auf ihre im fotografischen Bild fixierte Aussage eingeschränkt werden. Es sollen vielmehr die Gesten der Produktion, der Präsentation und der Rezeption in den Blick kommen. D.h. es ist auch nach der produzierenden Geste des Fotografen, nach der präsentierenden Geste des Fotomodels und nach einer möglichen gestischen Bewegung beim Betrachten einer Modefotografie zu fragen. Wobei es allerdings nahezu unmöglich ist, diese isoliert für sich zu betrachten, bedingen sie sich doch gegenseitig. Die be118

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Vgl. Holschbach 2006, 17f. Sie arbeitet in ihrer Untersuchung der frühen Studiofotografie die Pose als eine spezifisch fotografische Inszenierungsform heraus, die Weiblichkeit performativ hervorbringt: »Das heißt, dass die Fotografie nicht als passives Aufzeichnungsmedium der Inszenierungen aufgefasst werden kann, sondern ebenfalls in ihrer produktiven Funktion untersucht werden muss.« (Ebd.) Vgl. Kolbowski 1990, 140ff. Ebd., 140. Barthes 1989, 88. Vgl. bspw. Pasquinelli 2007 u. Rehm 2002. Vgl. Kendon 2004.

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sondere Schwierigkeit, Gesten als Einzelphänomene zu fassen, wird in der Einleitung zum Sammelband Gestik. Figuren des Körpers in Text und Bild von Margreth Egedi wie folgt beschrieben: »Ihr Sinn ist an die konkreten Kontexte des Wahrnehmens, Handelns und Kommunizierens gebunden, die sich verflüchtigen, sobald sie in Segmente zerteilt werden.«124 Wie Claude Gandelmann in seinem Aufsatz »Der Gestus des Zeigers«125 verdeutlicht, ist die Brechtsche Idee des gestischen Zeigens im Theater auch auf die Darstellungstechniken des Bildlichen zu übertragen. Diese Annahme führt ihn in seiner kunsthistorischen Betrachtung zu der Schlussfolgerung, dass derzeit von einem bildlichen Darstellungsmodus ausgegangen werden muss, der auf »einer Darstellung, die nicht mehr Repräsentation, sondern Präsentation sein möchte, [und auf] einer Äußerung, die sich vor allem als Akt konstituiert«126 , beruht. Die Gesten, die anhand einer Modefotografie auszumachen sind, erscheinen demnach so vielfältig wie die Handlungen, die an ihre Produktion, Präsentation und Rezeption geknüpft sind und das Gestische der Modefotografie konstituieren. Sie sind im Einzelnen nur am konkreten Beispiel erläuterbar und nicht kategorisierbar.127 In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache hervorzuheben, dass es zwar etwas gibt, das wahrgenommen wird, dass jedoch dieses Etwas erst im Akt des Wahrnehmens und im Betrachter selbst eine bestimmte Dimension hinsichtlich seiner möglichen Bedeutung erlangt. Dieter Mersch spricht in diesem Zusammenhang von der »blicklockenden Stelle«128 eines Bildes, die erst im Wahrnehmungsereignis selbst erscheint. Der Frage danach, wer was wahrnimmt, tritt damit die Erläuterung dessen, wie etwas wahrgenommen wird und gesehen werden kann, begleitend zur Seite. Dadurch öffnet sich ein perzeptiver Raum zwischen Objekt und Subjekt, der sowohl durch ein körperlich-sinnliches Wahrnehmen des Subjektes, als auch durch ein material-mediales Sein des Objektes gebildet wird. Mit Gernot Böhme lässt sich dieser Raum als Atmosphärisches fassen.129 Dem Erkennen dessen, was an einer Modefotografie Mode ist, geht demnach ein Wahrnehmen voraus, das noch nicht an eine bestimmte mögliche Bedeutung der Mode geknüpft ist. Es ist vielmehr ein Wahrnehmen, das zwi-

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Egedi 2000, 11. Gandelmann 1992. Ebd., 91. Bemerkenswerterweise belegt Gandelmann seine These an dem Poster »I Want You« von John Montgomery Flagg aus dem Jahre 1917, dessen Bildaussage sich unmittelbar ebenso durch den Text konstituiert. Es finden sich bei ihm jedoch keine analytischen Ansätze für eine ikonotextuelle Lesart dieses Bildtextes. Die Geste als Akt des Zeigens ist somit deutlich abzugrenzen von dem Versuch einer Systematik der Gebärden und der Gestik als Kommunikationselemente einer nonverbalen Sprache (vgl. z.B. Müller 1998 u. McNeill 1992). Mersch 2004b, 87. Vgl. Böhme 1998, 11f.

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schen einer rein physiologisch zu verortenden Reizaufnahme und einem bereits verarbeiteten, eingebetteten Sinnverständnis liegt.130 Die Wahrnehmung solcher Bildelemente wie Blick, Pose und Geste, aber vor allem auch anderer, kaum kategorisierbarer individueller Details, ist deshalb eng verbunden mit einer bestimmten Form der AUFMERKSAMKEIT. Nach Bernhard Waldenfels handelt es sich dabei um einen spezifischen »Empfang, der sich ereignet«131 . Das Aufmerken ist kein bewusstes, zielgerichtetes, erkennendes Wahrnehmen. Es ist vielmehr etwas, das durch Wirkungen hervorgerufen wird, die sich innerhalb der Rezeptionsrelation und -situation als Atmosphärisches unwiederholbar abspielen. Aufmerksamkeit ist als ein jeweils eigensinniges Ereignis zu fassen und kaum zu verallgemeinern.132 Dieses Ereignis des Aufmerkens liegt also zwischen Medium und Rezipienten. Es scheint nach Waldenfels genau jenes Dazwischen zu meinen, das sich durch Medialisierungen zeigt: Die Aufmerksamkeit als ein Zwischengeschehen, das sich weder auf etwas stützen kann, das uns auffällt, noch auf jemanden, der aufmerkt, das also weder in objektiven Daten noch in subjektiven Akten einen zureichenden Grund findet, ist und bleibt angewiesen auf Zwischeninstanzen, die Erfahrungen ermöglichen.133

Hinsichtlich der Modefotografie lässt sich deshalb festhalten, dass das Aufscheinen dessen, was an einer Modefotografie Mode ist, weder im fotografischen oder fotografierten Gegenstand noch im Betrachter oder Produzenten begründet liegt, sondern vielmehr in der Medialisierung selbst verortet ist, die als Medium Räume des Aufmerkens erst ermöglicht. Neben der Aufmerksamkeit, die in gewisser Weise an ein Entgegenkommen geknüpft ist, d.h. sowohl an eine Bereitschaft zur Wahrnehmung als auch an eine Form des Auffallens134 , gilt es auf jenen »dritten Sinn«135 hinzuweisen, der vielmehr in ihren Rändern zu verorten ist: das PUNCTUM.136 Es handelt sich dabei um etwas, was nicht dazugehört, etwas,

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Damit sind z.B. Zeichenverständnis, Dekodierung oder Bedeutungsverstehen gemeint. Es geht um die verschiedenen Konnotationsformen, die das Verständnis einer Fotografie beeinflussen können. Roland Barthes stellt in diesem Zusammenhang, wenn es um die Wirkungskraft der Fotografie geht, die Frage: »Heißt das, dass eine reine Denotation, ein Diesseits der Sprache, unmöglich ist?« (Barthes 1990a, 25.) Meines Erachtens ist zumindest bei der Konstitution von Mode immer auch Sprache mit im Spiel, aber nicht im Sinne einer einfachen Konnotation, sondern vielmehr als ein mäandrierendes Verweisspiel zwischen Fotografie und Text, also eine gegenseitige Denotation verschiedener Ebenen. Waldenfels 2004, 86. Vgl. Leutner / Niebuhr 2006 u. Reck 2007. Waldenfels 2004, 137. Vgl. ebd., 84ff. Barthes 1990c, 49ff. Vgl. Barthes 1989, 53ff. Vgl. zum Zusammenhang von ›drittem Sinn‹ und ›punctum‹ im Werk von Barthes vgl. Ette 1998, 456ff.

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etwas, das nicht Thema ist.137 Es ist etwas abgebildet, dessen fotografisches Vor-handensein sich zwar kausal erklären lässt, dessen kontingente Wirkkraft jedoch einen individuellen Spielraum eröffnet, der so nicht intendierbar oder planbar ist. Denn das Aufmerken des Punctum ist ein individuelles, und sein Vorhandensein liegt im Bereich der Privatheit eines Menschen.138 Seine »expansive Kraft […] ist oft metonymisch«139 , so Barthes. Sie verdichtet einerseits die Zeit zu einem »Es ist so gewesen«140 , gleichzeitig stellt diese Dichte ihren eigenen Als-ob-Charakter141 zur Disposition, und andererseits kommt die Wirkung dieser Kraft häufig erst nachträglich in einer Art Nachhall142 zur Geltung. Das Punctum »ist immer eine Zutat: es ist das, was ich dem Photo hinzufüge und was dennoch schon da ist«143 . Es ist, so Barthes, eine nicht zu analysierende Tatsache, »dass es mir mitten aus der Seite ins Auge springt«144 . Er nennt es auch den »springenden Punkt der Wirkung«145 und bezeichnet damit eine Bewegung der Wahrnehmung, die auch die Wirkung der Mode beschreibt. »Der Funke muss überspringen«, sagt der Modefotograf Peter Meissner im Interview über seine Arbeiten.146 Welcher Funke aber wie, wann und bei wem springt, überspringt oder ankommt ist damit noch lange nicht festgeschrieben. Ob Modefotografie Mode transportiert oder konstituiert, hängt immer vom Zusammenspiel aller Instanzen ab. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Modefotografie das medialisierte Bild der Mode ist. Eine Modefotografie ist ein fotografisches Bild, das als Mode wahrgenommen wird, d.h. sowohl die fotografische Produktion und Rezeption, als auch der Erscheinungskontext der Fotografie sind für die Mode konstitutiv. Modefotografie ist nicht nur und nicht unbedingt die Abbildung von Modekleidung, aber sie ist immer ein Bild, das Mode zur Erscheinung bringt. Mode ist nicht allein durch das Abgebildete, die Kleidung, erkennbar, denn diese wird durch ihre Medialisierung längst »von einem Gegenstand mit materiellen Eigenschaften zu einer ästhetischen Idee erhoben«147 . Mode ist vielmehr das, was durch diese Medialisierung hinzu-

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Waldenfels 2004, 102. Vgl. Burgin 2000, 31. Barthes 1989, 55. Ebd, 105. Vgl. ebd., 55. Vgl. ebd., 62. Ebd. Ebd., 52; vgl. ders. 2002e, 387. Barthes 1989, 62. Meissner 1998, 194. Lehmann 2002, T12.

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kommt, das Supplement.148 Sie ist die Art und Weise, die dem Abgebildeten durch das Abbilden und die Wahrnehmung der Abbildung hinzugefügt wird, denn, so Lehmann, die »Vermittlung von Mode verschmilzt mit ihrer Hervorbringung und ihrer Konsumierung«149 . Mode ist deshalb immer ein mediales Bild.150 Dieses MODEBILD ist ein Bild, das Mode konstituiert.151 Der eigentliche Sinn der Modefotografie ist somit nicht Modekleidung abzubilden, sondern Mode zu konstituieren. Eine Modefotografie als Modebild zu bezeichnen, oder eine Fotografie überhaupt als eine Modefotografie zu sehen, heißt, dem Bild einen bestimmten Sinn zu geben, und zwar: Mode zu sein und nicht nur abzubilden. Entsprechend sieht Lambert Wiesing im Sinn eines Bildes eine bestimmte Regel oder Konvention152 , die eine Übereinkunft darüber darstellt, wie ein Bild zu sehen ist, d.h. welche Funktion es in einem bestimmten »Erscheinungskontext«153 inne hat. Für das fotografische Modebild heißt das, dass sowohl die Zeitschrift, als auch der begleitende Text und die Rezeptionshaltung den Sinn festlegen. Diese Konvention bestimmt also, »wie ein Bildobjekt als Zeichen genutzt werden soll«154 . Das Modebild, das Bildobjekt an sich jedoch bestimmt, »was sein Sinn sein kann«155 . Bezogen auf die Modefotografie heißt das, dass der Sinn des Bildes nur dann Mode sein kann, wenn der Erscheinungskontext, also die Zeitschrift als ein Teil im System der Mode, diese Sichtweise festlegt.156 Ein Modebild zeigt demnach nur dann Mode, wenn der Kontext aufzeigt, wie die Mode zu sehen und zu erkennen ist. Diese Funktion übernimmt in der Zeitschrift, oder genauer in der Modestrecke, der Text. Folgender Hinweis von W.J.T. Mitchell ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Relevanz: 148

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Der Begriff ›Supplement‹ ist auf Überlegungen Derridas in der Grammatologie (1983) zurückzuführen: »Supplement fügt sich hinzu, es ist ein Surplus; Fülle, die eine andere Fülle bereichert […] Aber das Supplement supplementiert. Es gesellt sich nur bei, um zu ersetzen. Es kommt hinzu oder setzt sich unmerklich an-(die)Stelle-von; wenn es ausfüllt, dann so wie man eine Leere füllt. […] Diese zweite Bedeutung ist von der ersten nicht zu trennen.« (Ebd., 244; vgl. ders. 1976, 437.) Lehmann 2002, T12. Vgl. Waldenfels 2004, 208. Er geht davon aus, dass jede visuelle Wahrnehmung eine Wahrnehmung in Bildern ist: »Geradezu sehen wir keine Bilder, sondern wir sehen, was wir sehen, im Medium von Bildern.« (Ebd.) Dem Ansatz von Wiesing setzt er eine spezifische »Sichtbarkeit in Bildern« (ebd., 213) entgegen, eine körperliche Form der Visualität: »Wir sehen keine bloßen Dinge, sondern wir sehen die Dinge in ihrer eigenen leibhaften Bildlichkeit.« (Ebd.) Zur Schwierigkeit den Begriff ›Bild‹ zu fassen vgl. Mitchell 1990. Vgl. Wiesing 2005, 63. Ebd., 64. Ebd., 67. Ebd. Nun wird deutlich, warum eine Fotografie Mode und Kunst sein kann. Entsprechend wird die Modefotografie nie mit dem dazugehörigen Modetext in die Kunst übertragen, dort herrschen offensichtlich andere Konventionen.

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Die Erkenntnis, dass Abbildungen zwangsläufig konventionell und von der Sprache infiziert sind, macht den Taumel in den unendlichen Regress der Signifikanten keineswegs unvermeidlich.157

Dementsprechend ist die Aussage von F.C. Gundlach, die »Bilder machen heute die Mode«158 , zwar nachvollziehbar, jedoch nur unter der Prämisse der Konventionalität der Modebilder und in Zusammenhang mit dem sie immer begleitenden Modetext, also ihrer grundlegenden sprachlichen Infiziertheit.

3.3 Die Modeliteratur

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Mode erscheint sowohl als Literatur, als auch in der Literatur. Sie kann zum literarisch beschriebenen Objekt werden, und sie ist in gewisser Weise selbst ein literarischer Text. So kann die Modekleidung zum Thema der Literatur werden oder das Phänomen Mode wird in Texten von Literaten, Psychologen, Soziologen, etc. zum Gegenstand kulturkritischer Reflexionen. Die Modekleidung findet sich auch in den Feuilletons wieder, die über aktuelle Trends, die internationalen Modenschauen oder ähnliches berichten.159 Immer ist irgendwie von Mode und Modekleidung die Rede, jedoch in vollkommen unterschiedlicher, nämlich erzählender, kritischer und informativer Weise, oftmals nicht einmal klar voneinander zu unterscheiden. Dennoch lässt sich diese grobe dreiteilige Kategorisierung vornehmen und näher bestimmen, um den eigentlichen Gegenstand dieser Untersuchung, den Modetext davon abzusetzen, was durch die klare Verortung der Begrifflichkeiten Sprache, Schrift und Text in Bezug zum Modetext noch deutlicher wird. Die Sprache der Mode von Roland Barthes, als Standardwerk zur Vertextung von Kleidermode, wird in diesem Zuge grundlegend und kritisch hinterfragt werden müssen, da es im Laufe seiner modetheoretischen Rezeption oft einseitig instrumentalisiert wurde.160 Insbesondere Barthes’ eigenen Revisionen und Weiterentwicklungen der dort entwickelten Gedanken zur Struktur der Mode sollen nun in die Diskussion einfließen, um das Konzept eines Modetextes zu definieren, das im Rahmen der Analyse der Bild-Text-Kombination einer Modestrecke anwendbar ist. Außerdem muss deutlich werden, dass dieser Modetext nur durch seine Relationalität zum Bild und durch die Rezeption dieser spezifischen Kombinatorik erfassbar wird.

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Mitchell 1990, 54. Gundlach 2005, 16. Vgl. Matthiesen 2000. Vgl. z.B. Lurie 1981.

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Was ist Modeliteratur? Die Frage impliziert, dass Mode im Zusammenhang mit Literatur in Erscheinung tritt.161 Es bleibt jedoch zu klären, welche Form der Mode sich zeigt, und wie sie sich in der Literatur aufzeigen lässt. Da es im Rahmen dieser Arbeit um die Konstitution der Mode in Bezug auf Kleidung geht, lässt sich die Tatsache vernachlässigen, dass es auch Literatur gibt, die gerade Mode ist, also beispielsweise Bestsellerromane, bestimmte Themen oder Autoren: Modeliteratur ist keine Literatur, die gerade in Mode ist. Sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass Literatur in gewisser Weise Mode konstituieren kann. Zunächst soll erläutert werden, was unter einer literarischen MODEBESCHREIBUNG zu verstehen ist. Die metaphorische Einbindung der Kleidung in den literarischen Text ist in der Literatur verbreitetes Stilelement.162 Es gibt Werke der Moderne, deren Aussagekraft hauptsächlich in der eindrucksvollen Verwendung von vestimentären Bildern liegt.163 Julia Bertschik, die in ihrem Buch Mode und Moderne die Rolle der Kleidung in exemplarischen Texten der literarischen Moderne untersucht, versucht vor allem ihre »literarische Illusionsbildung im intermedialen Grenzgebiet von Text und Bild«164 herauszuarbeiten. Nach Bertschik sind mit diesen so genannten »›Romanen der Mode‹ […] fiktionale Texte gemeint, in denen Kleidung nicht nur als allgemein übliches, akzidentielles Charakterisierungsmittel, sondern als wesentliches Handlungsagens, als Thema im Sinne einer obersten Gedankeneinheit […] in Erscheinung tritt«165 . Während Bertschik die »Vertextung von Kleidermode«166 im Sinne des kulturellen

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Einen einführenden aktuellen Überblick über die Diskussion der Frage, was Literatur ist, findet sich bei Gottschalk / Köppe 2007. Ob diese Kleidung per se, d.h. ohne dass sie in irgendeiner Form medialisiert wird, bereits etwas bedeutet, wie es ein breiter Zweig der Modetheorie (vgl. Calefato, Lurie, Wilson etc.) annimmt, ist bereits angezweifelt worden. Diese Zweifel verstärken sich im Laufe der Betrachtung vor allem in Hinblick auf die modetheoretischen Arbeiten von Barthes, auf die gerade von jenem Teilbereich der Modewissenschaft oft missverständlich im Sinne einer Kleidersprache Bezug genommen wird. (Vgl. zum Begriff der Kleidersprache Klein 1990, 20ff.) Geeigneter erscheint mir in diesem Zusammenhang die Bezeichnung »satorial communication« von Landfester, die damit eine spezifische nonverbale Ausdrucksfähigkeit der Kleidung meint, die nur in Zusammenhang mit dem diese inszenierenden Körper verstanden werden kann (Landfester 1994, 67). Die vielen wichtigen vormodernen literarischen Werke, die entscheidende Impulse zum Umgang des Schreibens mit der Kleidung geleistet haben, müssen zugunsten der angestrebten Fokussierung des Themas leider unberücksichtigt bleiben, z.B. Swift 1994. Bertschik 2005, 23. Ebd., 5f. Ebd., 17.

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Habitus nach Pierre Bourdieu167 zu fassen versucht, stellt für andere modetheoretische Studien die Semiotik den methodischen Rahmen zu Verfügung, z.B. für die Untersuchung Die Sprache der Kleider im literarischen Text von Pia Reinacher, die in Texten von Gottfried Keller und Robert Walser die literarische Funktion der Kleidung in der Ausprägung einer »Art Privatcode«168 sieht, der das spezifische Frauenbild des jeweiligen Autors widerspiegelt.169 Der Literaturwissenschaftlerin Ulrike Landfester ist dieser Schluss jedoch nicht weit reichend genug, weshalb sie in der literarischen Kleidungsbeschreibung in Goethes Frühwerk einen »vestimentären Code«170 sieht, den es jeweils in seiner poetischen Spezifität herauszuarbeiten gilt. Hervorzuheben ist außerdem die Analyse zu Honoré de Balzacs171 Comédie humaine von Rolf Klein, der mit einer computergestützten Inhaltsinventarisierung der beschriebenen Kleidung und ihrer werkspezifischen Kontextualisierung den zu Grunde gelegten, zeichentheoretischen Rahmen in Richtung einer vestimentären Kommunikationstheorie erweitert, bei der die Rolle der Wirkung der »›Kostümsprache‹«172 auf den Wahrnehmenden in den Mittelpunkt gestellt wird. In diesem Zusammenhang weist Landfester zudem auf die so genannte »Gattungsdifferenz«173 hin, die besagt, »dass Kleidung je nach Textgattung verschieden funktionalisiert wird«174 . Es gibt demnach je nach Genre durch die Verwendung von vestimentären Bezügen »graduell andere Strategien der textimmanenten

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Vgl. Bourdieu 1987, 277-354. Reinacher 1988, 22. Neben den wissenschaftlichen Untersuchungen liegen auch andere Lesarten von Kleidung und Mode in literarischen Werken vor vgl. z.B. Voß 2002. Landfester 1994, 70. Sie formuliert wie folgt: »So bildet der vestimentäre Code zwischen dem Bereich thematischer Auseinandersetzung und dem Bereich des abstrakten Mediums Sprache eine eigene Ebene poetischer Konstruktion, die zwar beide Bereiche einander vermitteln kann, dennoch aber strukturell autonom bleibt.« (Ebd., 69.) Diese Erläuterung steht in engstem Zusammenhang mit dem Ansatz von Barthes, der seinen Blick richtet auf den »Supercode, mit dem die Wörter die reale Kleidung überlagern. Denn wie wir sehen werden, nehmen hier die Wörter ein Objekt – die Kleidung – in ihre Regie, das selbst bereits ein Bedeutungssystem ist« (Barthes 1985, 18). Zu unterscheiden bleibt jedoch nachdrücklich, dass Barthes diesen Code in Hinblick auf die Funktion und Konstitution von Mode anhand der Texte in Modezeitschriften untersucht, wohingegen Landfester diesen in Hinblick auf die Poetik in Werken Goethes herauszustellen sucht. Vgl. Kleinert 1980, 182-205. Klein 1990, 278. Den Begriff ›Kostüm‹ führt Klein zu Beginn der Untersuchung als die »wahrnehmbaren, mehr noch: die tatsächlich wahrgenommenen Bestandteile des gesamten Inventars« (ebd., 24) ein. Kleidung ist für den Autor demnach alles, was der Mensch trägt, und Kostüm nur das, was wahrnehmbar und kategorisierbar ist. Landfester 1994, 70f. Ebd.

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Sinnstiftung«175 ; zwischen Lyrik, Drama und Prosa sieht Landfester beispielsweise folgende Unterschiede: Die lyrische Kleinform bedient sich primär der Accessoires oder stark verdichteter und deshalb autonomer Motive wie dem des Schleiers. Die dramatische Dichtung unterscheidet zwischen Kleidung, die in der Rede ihrer Figuren erscheint, und dem Kostüm176 , in dem sie zur Aufführung gelangt. Die komplexesten Strukturbildungen durch Kleidung weist die erzählende Prosa auf, die über die Beschreibungsfreiheit der nicht gebundenen Rede verfügt und damit den Code in maximaler Effizienz nutzen kann. 177

Ein besonderes Beispiel für das Ausschöpfen dieser strategischen Fülle von Möglichkeiten der vestimentären Bedeutungskonstitution im Bereich der erzählenden Prosa ist der Roman Sartor Resartus. Leben und Meinungen des Herrn Teufelsdröckh des Schotten Thomas Carlyle, der 1833/34 erstmalig als Fortsetzungsroman in Frazer’s Magazine erschien.178 Es handelt sich um den Bericht eines Verlegers, der das Wirken eines deutschen Professors, dessen wissenschaftliche Arbeit über Kleidung und jenes modetheoretische Werk selbst zum Thema hat. Der Roman spielt mit der eigenen Fiktionalität, der journalistischen Glaubhaftigkeit des Berichtes, und dem Wahrheitsanspruch der Wissenschaft. Verstärkt wird dieses Verwirrspiel vor allem durch seine erste Erscheinungsweise in einer Zeitschrift und durch die der ersten Buchpublikation beigefügten Rezensionen, die auf den Bericht als eine Information der Zeitschrift Bezug nehmen.179 Der Text beinhaltet damit divergierende (meta-)sprachliche Ebenen über Kleidung, stellt so ein komplexes vestimentäres Verweissystem per se dar und ist als paradigmatisch für die modewissenschaftliche Entwicklung und ihre Tragweite in der Zeit der Umbrüche um 1850 zu sehen. Denn die Rolle der Kleidung für den Menschen, in diesem Fall den Wissenschaftler, wird zur Metapher für das Leben an sich: Das Oberflächliche, das äußerliche Allerlei wird zum Gegenstand der kritischen Betrachtung. Carlyle macht deutlich, dass letztlich nicht die Kleidung als Symbol zu lesen, sondern vielmehr zu erkennen ist, »dass alle Symbole eigentlich Kleider sind; dass alle Formen, in denen der Geist entweder äußerlich oder in der Einbildung sich den Sinnen kundtut, Kleider sind«180 . Sowohl der Inhalt als auch die Form des Romans entwerfen ein Bild und eine Möglichkeit der kritischen Reflexion

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Ebd. Landfester verwendet den Begriff ›Kostüm‹ entsprechend seiner zuvor erläuterten Engführung von Klein. Ebd. Carlyle 1991. Vgl. ebd., 402-407. Ebd., 360. Demnach gibt es keinen wahren Inhalt, die Bedeutung liegt für den Protagonisten Teufelsdröckh in der Hülle selbst: Die Oberfläche allein ist sinnvoll (vgl. ebd., 321).

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der Kultur.181 Auf der Inhaltsebene zeigt die fiktive wissenschaftliche Abhandlung »Die Kleidung, ihr Werden und Wirken« des Diogenes Teufelsdröckh, wenn auch ironisch gebrochen und karikaturistisch überzeichnet, eine Entwicklung der modewissenschaftlichen Reflexionsweise auf, die dort vorgedacht, entworfen und im Verlauf der historischen Entwicklung der Modetheorie tatsächlich verwirklicht wird; oder, wie Michael Carter es in seiner Einführung zu Fashion Classics formuliert: »Sartor Resartus founds dress studies not because it causes what comes later but because it is the first to imagine what comes later.«182 Carlyles Sartor Resartus ist demnach mehr als nur ein »Symptom«183 der Auffassung seines Verfassers. Das Werk markiert vielmehr eine Wende in der literarischen Betrachtung von Kleidung und Mode, da es neben der literarischen, sowohl die journalistische als auch insbesondere eine modetheoretische Form der Reflexion über Kleidung anvisiert und aufscheinen lässt. Aber obwohl es somit inhaltlich, wie formal eine entscheidende Schlüsselposition in der Entwicklung der Kleidungsforschung hat, wird es in dieser Rolle insbesondere im deutschen Sprachraum vollkommen unterschätzt und entsprechend modetheoretisch kaum aufgearbeitet.184 Im allgemeinen Fokus modetheoretischen Interesses steht hingegen die kunstkritische Abhandlung Das Schöne, die Mode und das Glück185 von Charles Baudelaire, der eine ähnlich gravierende Schlüsselfunktion zugesprochen wird. Dort stellt sich exemplarisch die Modernität in der Beschreibung der Mode dar.186 Nur, wie Doris Kolesch in ihrem Aufsatz »Mode, Moderne und Kulturtheorie – eine schwierige Beziehung. Überlegungen zu Baudelaire, Simmel, Benjamin und Adorno« treffend feststellt, schreibt Baudelaire »nicht über die getragene Mode, über die Mode auf den Straßen und in den Salons, sondern über die abgebildete Mode, über die Mode, wie sie auf den Modestichen von Guys repräsentiert ist«.187 Es handelt sich also nicht um eine Betrachtung von Modekleidung oder eine literarische Beschreibung derselben, sondern tatsächlich bereits um eine kulturkritische Modereflexion. Baudelaires Schriften, in denen er selbst diese Diskrepanz zwischen realem Gegenstand und der kritischen 181 182 183 184

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Vgl. Keenan 2001, 1-49. Carter, 2003, 15. Staengle 1991, 420. Eine grundlegende Betrachtung findet sich bei Keenan 2001. Die Tatsache, dass es sich bei Teufelsdröckh um einen deutschen Wissenschaftler handelt, könnte von besonderem Interesse sein, bricht er doch ironisch mit dem typisch deutschen Klischee einer grundsätzlichen Ablehnung der Mode als Teil des Gemeinen und Populären durch die Wissenschaft. Baudelaire 1996. Vgl. Kolesch 1998, 23f. Kolesch hebt hervor, dass in der Baudelaire-Forschung die Zentralität der Modekleidung für die von ihm entwickelte moderne Ästhetik noch zu stark vernachlässigt wird (ebd., Fußnote 7, 43). Ebd., 37.

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Betrachtung einer seiner Medialisierungen nicht thematisiert, müssen somit vielmehr als ein Übergang zur Modetheorieschreibung gelesen werden: Er schreibt nicht, was Mode und Moderne sind, sondern wie sie sich in den Bildern eines zeitgenössischen Malers zeigen. Baudelaire reflektiert in dieser Schrift in literarischer Form grundlegend die künstlerische und gesellschaftspolitische Dimension der Modekleidung. Sowohl die Philosophie, die Kulturkritik als auch die Kulturphilosophie188 beschäftigen sich mit der Thematik der Mode, des Kleidungswechsels und der Kleidung an sich: der MODEKRITIK. So finden sich beispielsweise bei Immanuel Kant (1724-1804) die für eine Modetheorie grundlegenden Gedanken zum Geschmack189 , oder bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) grundlegende Überlegungen zum Luxus190 . Der zu seiner Zeit einflussreiche Ästhetiker, Literaturhistoriker und Publizist Friedrich Theodor Vischer (1807-1887) legt im Jahr 1978, die kulturkritische Reflexion Mode und Cynismus191 vor – nahezu zeitgleich mit Friedrich Nietzsches (1844-1900) für die Moderneforschung so entscheidender zweiter Unzeitgemäßer Betrachtung192 . Ebenfalls im Jahre 1878 erscheint in Wien die Naturgeschichte der Kleidung193 von Emanuel Herrmann. Es gibt einige Parallelen und Verweise zwischen den drei Texten, die eine vergleichende Studie zu Mode, Kleidung und Tracht sehr aufschlussreich erscheinen lassen. Der Philosoph und Begründer der modernen Soziologie Georg Simmel (1858-1918) legt mit seinem Essay »Die Mode«194 , erstmals erschienen 1906, den wichtigsten Grundbaustein der heutigen Modesoziologie.195 Und Walter Benjamin (1892-1940) legt 1940 in seinem Pas188

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Vgl. Konersmann 1996, 9-24. Konersmann formuliert wie folgt: »Kulturphilosophie entsteht aus der Erkenntnis, dass Philosophie und Wissenschaften durch die einzigartige Dramatik der Krise zur Überprüfung ihrer theoretischen Grundlagen und ihrer Stellung im Ganzen der menschlichen Welt herausgefordert seien. Kulturphilosophie ist Philosophie diesseits des Zeitschnitts.« (Ebd., 13.) Sie steht somit diesseits jenes Schnitts, dessen erster Höhepunkt der erste Weltkrieg darstellt, der sich bereits um 1900 ankündigt, so Konersmann: »Die Kulturphilosophie entsteht und entwickelt sich in dieser aufgewühlten intellektuellen Umgebung, in der es nicht an Diagnosen fehlt und auch nicht an Therapien.« (Ebd., 11.) Kant 1964. Hegel 1986; vgl. Poschardt 1998, 73. Vischer 2006; vgl. Mattenklott 1986. Nietzsche 1988; vgl. Venohr 2009a. Herrmann 1878. Simmel 1983; vgl. Carter 2003, 59-81. Es handelt sich bei diesem Essay zwar um den im modetheoretischen Kontext am häufigsten zitierten Text von Simmel, es ist jedoch nicht seine erste Auseinandersetzung mit dem Thema, und sie wurde mehrmals unter anderem Titel veröffentlicht. Die erste Veröffentlichung im Jahre 1906 erschien als Monografie mit dem Titel Philosophie der Mode und elfter Band der Reihe Moderne Zeitfragen, hrsg. v. H. Landsberg; datiert ist die Entstehung der Schrift auf 1905. Heute findet sich der Text u.a. in: Ders.: Gesamtausg. Bd.10. Frankfurt/M.:

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sagenwerk196 vor allem die Mode als gesellschaftstheoretisches und prognostisches Phänomen der Kultur dar: »Wer die Mode zu lesen versteht, der weiß im Voraus nicht nur um Strömungen in der Kunst Bescheid, sondern auch um neue Gesetzbücher, Kriege und Revolutionen.«197 Neben diesen kultursoziologischen und kunstkritischen Schriften finden sich aber auch zahlreiche psychologische, politische und historische Schriften, die ihr Hauptaugenmerk auf das Phänomen Mode und die Modekleidung legen.198 Sowohl im englischsprachigen Raum, als auch im Deutschen lassen sich diese Texte zu großen Teilen und in Auszügen in modetheoretischen Anthologien nachlesen.199 Ähnlich fließend, wie sich die Übergänge von der literarischen zur kulturkritischen Schreibweise über Mode und Kleidung darstellen, sind auch jene von der literarischen Modebeschreibung zum journalistischen SCHREIBEN ÜBER MODEKLEIDUNG, das auch kulturkritische Ansätze enthalten kann. Erkennbar beispielsweise in der Geschichte der Moden vom Jahre 1785 bis 1829. Als Beytrag zur Geschichte der Zeit200 der Schriftstellerin Caroline de la Motte Fouqués (1773-1831).201 Es handelt sich dabei um vier Artikel, die in den Jahren 1829 und 1830 in Cottas Morgenblatt für gebildete Stände erscheinen, und die im Wesentlichen eine Reflexion der vergangenen Moden anhand von Modekupfern darstellen. Das geschieht jedoch nicht, um kostümgeschichtliche Fakten zu rekapitulieren, sondern um anhand dieser Modebilder formale Parallelen zur Zeitgeschichte aufzuzeigen und kritisch zu beleuchten. Honoré Balzac (1799-1850) verbindet wie kein anderer Schriftsteller sein literarisches Schaffen mit seinen journalistischen Interessen.202 So konnte Annemarie Kleinert in einer Reihe von Untersuchungen belegen, dass erste journalistische Erfolge und Erfahrungen direkt und konkret sein gesamtes Werk beeinflussen.203 Als Journalist – seine ersten Beiträge erschienen verschlüsselt signiert im Journal des Dames

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Suhrkamp 1995, 7-37; und in: Bovenschen 1986b, 179-207. Bereits zuvor gibt es von Simmel jedoch Studien zur Mode, z.B. Zur Psychologie der Mode. Soziologische Studie (1895). In: Ders. 1983, 131-139; erstmals erschienen in Wiener Zeit am 12.10.1895, 22-24. (Vgl. Lehmann 2000, 135ff.) Benjamin 1983. Ebd.; vgl. Arabatzis 2004a, 151-160. Vgl. z.B. Flügel 1930, Stern 1915 u. Fuchs 1906; vgl. auch Benjamin 1937, 346-381. Vgl. Eicher 2003, Carter 2003 u. Bovenschen 1986. Fouqué 1987. Vgl. Bertschik 2005, 49-73 u. Böck 1987. Vgl. Pankow 2000. Vgl. Kleinert 1980. Die umfassendste Studie der Autorin ist eine umfangreiche und ausführliche Sammlung und literatur-historische Untersuchung der Anfänge der französischen Modepresse, die einschließlich des Abdrucks dreier Exemplare von Modezeitschriften ein unverzichtbares Bezugsmaterial für die Analyse jeglicher Modeliteratur und die Darlegung der ökonomischen Bedeutung und Abhängigkeit des Modejournals ist.

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et des Modes in den Jahren 1819 bis 1822 –, als Redakteur zuletzt 1830 bei der Zeitschrift La Mode und als Herausgeber und Besitzer einer Druckerei, die beispielsweise Modekataloge und Modereklameblätter druckte, sorgte er für eine immer breitere Anerkennung schriftlicher Modeerzeugnisse und die Weiterentwicklung des Mediums Modezeitschrift an sich. Annemarie Kleinert weist jedoch auch darauf hin, dass es sich bei diesen Journalen nicht um eigentliche Modezeitschriften handelt, da sich in ihnen kein »regelmäßiges Vorstellen von Moden in Text und Bild«204 findet, sondern vielmehr ein essayistisches Resümieren eines Autors über die Erscheinungen der Mode und der Kultur.205 Interessanterweise konnte Kleinert in diesem Zusammenhang feststellen, dass es sich bei den ersten Beiträgen von Balzac überwiegend um »die Erfahrungen eines mittellosen und erfolglosen Autors über die Probleme des täglichen Lebens«206 handelt. Tatsächliche Modebeiträge, d.h. Texte, in denen Kleidung beschrieben wird, sind ihm nicht eindeutig zuzuweisen, da diese meistens nicht signiert wurden207 , und auch die »stilistische Analyse bringt keine sicheren Ergebnisse«208 , so Kleinert. Dieses Spiel um die Genres und um die Verschleierung der Autorschaft durch fehlende, falsche oder verschlüsselte Signaturen im Modejournal hat Stéphane Mallarmé (1842-1898) im Jahre 1874 als Herausgeber, Redakteur, Journalist und Autor der Zeitschrift La Dernière Mode auf die Spitze getrieben.209 Durch die Verschiebung der Grenzen zwischen Literatur und Mode und ihre gleichzeitige Kontrastierung und Kanonisierung innerhalb der Ressortaufteilung der Zeitschrift hat er sowohl die Literatur popularisiert als auch die Mode geadelt: Autor ist demnach, wer schreibt, ob literarisch oder journalistisch.210 Dieses Kultur umfassende journalistische Schreiben über Mode und Kleidung211 ist deutlich zu unterscheiden von dem, was wir heute im Rahmen einer Modezeitschrift lesen, das im Wesentlichen informierend und werbend ist und das als Beschriftung von Modeabbildungen anzusehen ist. Das Schreiben jener Modeliteraten ist eher zu vergleichen mit den seltenen Artikeln zu Modekleidung im Feuilleton überregionaler Zeitungen, insbesondere

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Ebd., 175. Vgl. Bertschik 2005, 21. Kleinert 1998, 50f. Vgl. Pankow 2000, 14. Ebd. Vgl. Lyu 2000 u. Link-Heer 2006. Vgl. Barthes 2002c, 76. Vgl. Mackie 1997. Für die Darstellung der Modekleidung britischer Ausprägung stellt die Untersuchung der bürgerlichen Magazinkultur von Mackie eine groß angelegte Materialsammelung dar. Sie wendet sich der Entstehung, Ausprägung und den gesellschaftspolitischen Zusammenhängen der bürgerlichen Mode seit dem Erscheinen von The Tatler im Jahre 1709 zu.

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der Süddeutschen Zeitung.212 Dort wird Modekleidung als kulturelles Gut, als Erscheinung der populären Kultur zunehmend reflektierter dargestellt. In der Untersuchung Weiberkram. Wie der Kulturjournalismus mit der Mode umgeht von Sigrun Matthiesen finden sich die von ihr erarbeiteten »Kriterien für eine relevante Modeberichterstattung«213 , die dieses journalistische Format rehabilitieren. Die Autorin fordert vor allem eine ernstzunehmende Beschäftigung sowohl mit dem Gegenstand Mode, als auch mit seiner Berichterstattung und stellt im deutschen Sprachraum einen erheblichen Mangel an wissenschaftlichem Interesse durch die Kommunikations- und Kulturwissenschaften fest.214 Aber auch im englischen Sprachraum finden sich kaum aktuelle Beispiele, die sich dezidiert mit dieser Form von kritischem Modejournalismus beschäftigen. Eine in ihren Ergebnissen nicht zu unterschätzende komparatistische Untersuchung zur kulturellen und gesellschaftlichen Wertschätzung der Mode in Frankreich und England anhand ihrer journalistischen Darstellung in den überregionalen Tageszeitungen Le Monde und The Guardian stellt Agnès Rocamora in einem Aufsatz von 2001 in der Zeitschrift Fashion Theory vor. Ausgehend von einem diskursanalytischen Ansatz kann sie abschließend feststellen: »All these stories shape discourses on fashion and with them fashion itself.«215 Schreiben über Modekleidung produziert Mode. Damit lässt sich die bis heute relevante Frage Gerhard Goebels, »[w]as geschieht, wenn Literatur (›Literatur‹ im weitesten Sinne: publizierte Rede) in den Modeprozess eingreift«216 , beantworten: Modeliteratur informiert nicht nur über Kleidung, sie konstituiert auch Mode. Es bleibt nun zu klären, wie und in welcher Form sie das macht.

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Vgl. Kleinert 1980, 76. Kleinert trifft eine terminologische Unterscheidung, indem sie feststellt, dass »sich einerseits Erläuterungen zu den Illustrationen, andererseits historische, philosophische, ökonomische oder das Gesellschaftsleben betreffende Kommentare zum Thema Mode [finden]. Erstere wollen wir als Modeberichte oder Modebeschreibungen bezeichnen, die weiter gefassten Kommentare sollen Modecauserien genannt werden.« (Ebd.) Matthiesen 2000, 118-123 u. insb. 157ff. Vgl. ebd., 113f. Rocamora 2001, 140. Goebel 1975a, 73. Goebel führt aus, es gebe einen funktionalen Zusammenhang zwischen Modeliteratur, ihrem Gegenstand und seinem Verwendungszusammenhang, wobei das Ökonomische und Symbolische kaum zu trennen sind. Er sieht die Funktion der Mode vor allem in ihren Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Distinktion. Die jeweilige Mode fungiert lediglich als Metapher, und Zitate dienen als Mittel zur Distinktion. Hinsichtlich der Frage nach der Rolle der Modepublizistik beim Entstehen von Moden kommt er zu dem Ergebnis, dass diese »im Wesentlichen ein Mittel in der Hand der Produzenten [ist, um] den ursprünglich unberechenbaren Modeprozess unter ihre Kontrolle zu bekommen« (ebd., 79). Modeliteratur ist, so Goebel, eine sich »selbst erfüllende Prophezeiung« (ebd., 83).

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Literatur und Mode »Und ist die geschriebene Mode im übrigen nicht auch eine Literatur?«217 – Die Parallele zwischen Mode und Literatur scheint eine strukturale Ähnlichkeit zu sein. Beides, so Roland Barthes, sind formale Systeme, die nicht wesentlich durch ihre Inhalte, sondern durch ihre formale Struktur gekennzeichnet sind. Die Formen und ihre internen Bezüge sind es, die in diesen Systemen Sinn generieren, und zwar auf »homöostatische«218 Weise. Sie lassen sich demnach nicht von Außen oder objektiv beschreiben, sondern nur in ihrem Funktionieren selbst nachvollziehen. Sie sind sinnvoll, indem sie Bedeutung schaffen. Die Bedeutungen sind jedoch nicht der Sinn dieser Systeme, sondern das Schaffen, Konstituieren, Generieren selbst ist ihr Sinn. Im Rahmen dieser Eingrenzung des Sinnhaften lässt sich leichter fassen, auf was Barthes im Folgenden hinweist: Mode und Literatur bedeuten sehr kräftig etwas und zugleich auf ganz subtile Weise mit allen Umwegen einer raffinierten Kunst, aber sie bedeuten gewissermaßen ›nichts‹, ihr Wesen liegt im Bedeuten, nicht in ihrem Bedeuteten.219

Interessant ist nicht mehr der Inhalt, die Bedeutung einer Mode oder eines Buches, sondern die Frage nach den Möglichkeiten und Weisen des Bedeutens an sich. Nicht die Betrachtung ihrer diachronischen Abfolgen, ihrer Veränderungen, Erneuerungen, oder Renaissancen führt zu Erkenntnissen über die Mode selbst, sondern nur ein Erfassen ihrer systemimmanenten und gesellschaftlich perpetuierten Funktionsweisen begreift die Mode ihrem Wesen nach. Barthes fordert deshalb eine andere Betrachtungsart der Mode: Wenn es zutrifft, dass Mode und Literatur bedeutende Systeme sind, deren Bedeutetes aus Prinzip nur vorgetäuscht ist, zwingt das zu einer Überprüfung der Vorstellungen, die man von der Geschichte der Mode haben könnte (glücklicherweise hat man sich noch kaum damit beschäftigt) und die man tatsächlich von der Geschichte der Literatur gehabt hat.220

Mode und Literatur lassen sich nach Barthes durch das Bild des Schiffes Argo beschreiben: [D]ie Stücke, die Substanzen, die Materialien des Gegenstandes wechseln, so dass periodisch der Gegenstand neu ist, und doch bleibt der Name, das heißt das Wesen dieses Gegenstandes ist immer das gleiche; es handelt sich also mehr um Systeme als um Gegenstände.221

Die Systeme Mode und Literatur erneuern sich immer wieder und bleiben doch dieselben. Ihre Substanz verändert sich, aber ihre Form und ihre 217 218 219 220 221

Barthes 1985, 22. Barthes 2006m, 125. Ebd. Ebd., 126. Ebd.

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Funktion bleiben erhalten. Sie werden somit zum Sinnbild der (Post-)Moderne. Gleichzeitig scheint die Mode mit der Literatur in einem strukturalen Zusammenhang zu stehen, sie scheinen gleichsam eine Schnittmenge zu bilden, indem die geschriebene Mode sich auch als ein Teil der Literatur verstehen lässt. Die Mode ist für Barthes zumindest beispielhaft für die Literatur: Im Grunde ist die beschriebene Mode nur eine besondere Literatur, die insofern jedoch exemplarisch ist, als sie durch die Beschreibung eines Kleidungsstückes diesem einen (Mode-)Sinn gibt, der nicht der wörtliche Sinn des Satzes ist. Und ist das nicht die Definition von Literatur?222

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Tatsache ist, dass dieser sich ständig erneuernde, von Gerhard Goebel so genannte, Modeprozess223 immer auch in SPRACHE, SCHRIFT und TEXT stattfindet. Denn Mode entsteht, so die Annahme, in diesem Prozess erst, wenn Sprache mit im Spiel ist. Die Sprache ist gewissermaßen das Rüstzeug der Mode, ohne die sie nicht funktionieren, d.h. Kleidung mit Bedeutung versehen kann. So ist mit Roland Barthes zwar »anzunehmen, dass die Kleidung nur insofern wirklich bedeutungstragend ist, als sie von der menschlichen Sprache aufgegriffen wird«224 . Gleichzeitig ist jedoch mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass dieses Zusammentreffen von Kleidung und Sprache immer auch eine visuelle und bildnerische Ebene enthält, vor allem durch Metaphorik und Imagination. Und obwohl hier auch die entscheidende Rolle der Bilder in Hinblick auf die Konstitution der Mode besondere Beachtung findet, bleibt mit Barthes zu betonen, dass »es ohne Sprache weder Denken noch Innerlichkeit gibt: die Kleidung denken heißt bereits, Sprache in die Kleidung hineintragen«225 . ›Sprache‹ meint an dieser Stelle noch die Sprache in der Gesamtheit ihrer Erscheinungen, d.h. die menschliche Rede im Saussureschen Verständnis, die langage.226 So verstanden ist die »Sprache der Mode […] gewiss keine literarische Sprache«227 , denn beide unterscheiden sich in ihren Substanzen. Daher sind als Materialien der Mode insbesondere Kleidungstücke, ihre Übertragungen, ihre Überschreibungen in Bild und Text und ihr sozialer Gebrauch zu verstehen.228 Die literarische Form setzt sich entsprechend aus den Objek222 223 224 225 226

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Ebd., 125. Vgl. Goebel 1975a. Barthes 2002c, 74. Ebd. Vgl. Saussure 1967, 9ff. Es ist noch nicht die Rede von einer Sprache der Mode im Sinne eines Systems, wie es bei Roland Barthes Système de la Mode, irritierenderweise als Die Sprache der Mode ins Deutsche übertragen, behandelt wird (vgl. Barthes 1985). Barthes 2002d, 173. Vgl. Enninger 1985. Enninger verweist mit Nachdruck auf die Inkommensurabilität der Systeme Kleidung und Sprache, sagt jedoch nichts über das System der Mode und seine möglichen Überschneidungsbereiche mit dem der Literatur, für

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ten Sprache (langue) im Sinne eines Systems, also einer horizontalen Struktur, dem Stil, einer nach innen gerichteten, vertikalen Kraft und der Funktion der Schreibweise, verstanden als »eine andere Wirklichkeit der Form«229 , zusammen. Diese Objekte, Substanzen, Materialien der Mode, die transformiert in verbaler Form vorliegen, lassen sich auch vom System der Literatur aus betrachten, denn sie bilden gleichsam eine Schnittmenge zwischen Mode und Literatur. Sie werden mit den Mitteln der Literatur hervorgebracht, um im System der Mode Sinn zu produzieren.230 Nun lässt sich auch die Aussage Barthes’ nachvollziehen, dass »Modeliteratur [...] eine schlechte Literatur, aber trotz allem eine Schreibweise«231 sei. Denn diese »écriture«232 macht vor allem deutlich, dass es sich auch bei der Modeliteratur um eine gesellschaftlich und traditionell geprägte Form handelt, die in einen weitaus größeren Zusammenhang gestellt werden muss. Sie darf deshalb nicht mit der Schrift als materiellem Produkt, oder dem Schreiben als bloße Handlung, verwechselt werden, wie sie irritierenderweise oft übersetzt wurde.233 Jacques Derrida hingegen geht es darum, einen erweiterten »neuen Schriftbegriff zu schaffen. Man kann ihn gramma oder diffèrance nennen«234 . Schrift steht für ihn demnach nicht mehr nur für die Repräsentation der Sprache im Schriftzeichen, sondern die Schrift wird per se zu einer spezifischen darstellenden Kraft, die parallel zur gesprochenen Sprache eine eigene Qualität der Sinnerzeugung ermöglicht. Derrida macht diesen Unterschied an der nur grafisch bestehenden und visuell nachvollziehbaren Unterscheidbarkeit der Worte ›diffèrrance‹ und ›différence‹ fest.235 Diese Schrift »bringt den Sinn hervor, indem sie ihn verzeichnet, indem sie ihn einer Gravierung, einer Furche, dem Relief einer

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ihn ist Mode nur die Kategorisierung gesellschaftlicher Akzeptanz in ›In & Out‹. Dennoch betont er, dass eine Vermischung der Terminologien zu Ungenauigkeiten führe, die gravierende Folgen für die Modetheorie habe (vgl. insb., 82), und dass der Begriff ›Sprache‹ nicht auf andere semiotische Systeme übertragbar sei, da er nur für verbale Strukturen und Systeme stehe. Ette 1998, 65. Vgl. Klein 1990, 20ff. Nicht zu verwechseln mit der Kleidersprache in literarischen Werken wie sie Klein in Abgrenzung zur Sprache der Mode von Barthes herausgearbeitet hat. Die Kleidersprache, die gleichsam eine Vestignomonie mit literarischen Mitteln darstellt, beruht auf folgenden Prämissen: 1. Kleidung ähnelt der verbalen Sprache, da sie entsprechend Botschaften übermittelt; 2. Kleidung unterscheidet sich von der verbalen Sprache dadurch, dass sie an konkrete Situationen gebunden ist, in diesen jedoch ein »ständig zur Schau getragenes ›Zeichengebilde‹« (ebd., 30) darstellt; 3. »Sprache bietet […] den einzigen Zugang zur vestimentären Kommunikation« (ebd.) außerhalb einer solchen konkreten Situation. (Vgl. Lurie 1981 u. Hoffmann 1985.) Barthes 2002a, 54. Vgl. Barthes 2006j. Vgl. Ette 1998, 65. Derrida 2005, 65. Vgl. ebd., 66.ff. und ders. 2004.

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Fläche anvertraut, von der man verlangt, dass sie unendlich übertragbar sei«236 . Damit werden der Materialität des geschriebenen Wortes ein Gewicht und eine gewisse Plastizität verliehen, die sich erst aus dem Zusammenspiel von Untergrund und Inschrift herleitet, d.h. aus der zur Verfügung stehenden Technik und dem kulturell geprägten Prozess des Schreibens selbst.237 Die Schrift im Derridaschen Sinn wird somit selbst zu einem Sinnbild des sprachlichen Vermögens, der langage, des Menschen. Und da es sich bei der Betrachtung der Mode auch um ein »Wagnis in der Sehweise handelt, um eine Veränderung der Art, Fragen zu stellen«238 , geht es insbesondere darum, das sinnliche Zusammenspiel in den Akten der Wahrnehmung von Schrift und Sprache zu erforschen. Es gilt demnach festzuhalten, dass es mit Derrida möglich ist, eine grundlegende Bildhaftigkeit der Sprache in der Schrift anzusiedeln.239 Neben den Differenzen enthält diese Schrift »Spuren von Spuren«240 , d.h. in ihr ist mehr präsent als das, was sie offensichtlich zu repräsentieren scheint. Jeglicher Sinn konstituiert sich erst, so Derrida, »aufgrund der in ihm vorhandenen Spur der anderen Elemente der Kette oder des Systems«241 : Das Andere, das scheinbar Nichtanwesende wird in der Spur wesentlich erkennbar. Und im Zusammenhang dieser Kette im textilen Sinn, d.h. einer Verschränkung von Kette und Schuss im textilen Gefüge, wird der Derridasche Textbegriff greifbar: »Diese Verkettung, dieses Gewebe ist der Text, welcher nur aus der Transformation eines anderen Textes hervorgeht.«242 Dieser Textbegriff, der wiederum nur im Hinblick auf die Intertextualitätstheorie von Julia Kristeva243 und ihren Einfluss auf die Gruppe Tel Quel244 verständlich ist, steht in engem Zusammenhang mit dem von Roland Barthes beschriebenen Weg in seinem Essay »Vom Werk zum Text«245 und lässt sich mit folgenden Worten Barthes’ auf den Punkt bringen: »[D]as Werk ruht in der Hand, der Text ruht in der Sprache«.246 Daran wird deutlich, dass der

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Ders. 1997, 25. Vgl. Pamminger 1996, 39f. Derrida 1997, 9. Nachvollziehbar wird diese Sehweise der Schrift z.B. in Hinblick auf die Rolle des Logos in der Mode, indem man versucht, sich den Eindruck zu vergegenwärtigen, den ein Schriftzug wie Gucci hinterlässt. Wie es zu einer solchen Einfurchung in der Wahrnehmung durch die Schrift kommt, lässt sich an dem Prozess erkennen, wie ein Kind die Schrift erlernt, d.h. wie die Sprache eine Art sinnliche Heimstätte bekommt, eine Art visuellen Anker. Derrida 2005, 66. Ebd. Ebd. Vgl. Kristeva 2003, 337 u. dies. 1978. Vgl. Angerer 2006. Barthes 2006d. Ebd., 65. Auch an dieser Stelle ist von ›Sprache‹ (noch) im Sinne von einer langage die Rede.

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Text nicht mehr nur als das zu verstehen ist, was erzählt wird, sondern vielmehr als die Art und Weise, wie sich etwas im Rahmen der Sprache zeigt. Diese Seite des Werkes »erweist sich nur in einer Arbeit, einer Produktion«247 , denn sie ist nicht von dieser zu trennen und nicht mit ihr identisch, da sie den endlosen Text umspannt, verwebt und vernetzt. Sie verknüpft sich erst im Leser zu einer aktualisierten Präsenz, die als ein aktives Tun, ein textuelles Begreifen und ein Handeln zu erfassen ist, das die »Distanz zwischen Schreiben und Lesen aufzuheben«248 vermag. Der Autor verknüpft sich selbst spielerisch als ein »Motiv im Teppich«249 seines Werkes und tritt somit hinter seine historisch begründete Vor-machtstellung zurück, und zwar zugunsten eines endlosen Textes und emanzipierten Lesers. Roland Barthes proklamiert den Tod des Autors und ermöglicht somit die Hinwendung zum Leser. Für ihn ist der »Text ein Geflecht von Zitaten, die aus den tausend Brennpunkten der Kultur stammen«250 . Es ist der »Schreiber, der die Nachfolge des ›Autors‹ antritt«251 , und der »Leser ist der Raum, in den sich sämtliche Zitate, aus denen das Schreiben besteht, einschreiben, ohne dass auch nur ein einziges verloren ginge«252 . Mit diesem Leser, der gleichsam einen Raum verkörpert, korrespondiert bildlich der Text, der von Barthes gedacht wird als ein »Spielraum ([, der] wie eine nicht ganz schließende Tür, ein Apparat ›Spiel‹ hat)«253 . Er entsteht als ein Freiraum, der vom Leser bespielt wird, d.h. der Leser vollzieht einerseits spielerisch den Text nach, und indem er so agiert, wird andererseits der Text erst konstituiert.254 Konkreter vorstellbar wird dieses räumliche Agieren und spielerische Produzieren des Bartheschen Lesers durch den Text hindurch anhand des wirkungsästhetischen Textmodells von Wolfgang Iser.255 Beide sehen den Text gleichsam als eine Partitur256 , die der Ausführung durch ein instrumentierendes Individuum bedarf und ohne einen solchen »Mitautor«257 gar nicht in Erscheinung treten kann. Für Iser stellt der Text entsprechend die »Spielregel«258 dar, anhand derer sich Autor und

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Ebd., 66. Ebd., 70. Ebd. Barthes 2006c, 61. Ebd. Ebd., 63. Barthes 2006d, 71. Vgl. McGann 2005. Der erweiterte Textbegriff von McGann sieht die Bedingungen der Produktion und Rezeption eines Textes als ihm zugehörig an. Vgl. Pany 2000. Zu Parallelen, Anschlussmöglichkeiten und gegenläufigen Grundannahmen der texttheoretischen Konzeptionen von Barthes und Iser vgl. insb. 120ff. Vgl. Iser 1994, 177. Barthes 2006d, 71. Iser 1994, 176.

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Leser im Reich der Phantasie orientieren können. Der Text erscheint ihm demnach im Sinne einer »strukturierten Hohlform«259 , die den Leser insofern implizit enthält, als dass sie ihm einen Ort der Entfaltung vorgibt, und gleichsam die Leerstelle für sein Dazutun bereithält: So rückt das Konzept des impliziten Lesers die Wirkungsstrukturen des Textes in den Blick, durch die der Empfänger zum Text situiert und mit diesem durch die von ihm ausgelösten Erfassungsakte verbunden wird.260

Es gilt also zu fragen, wie sich der Text durch seine Rezeption erst konstituiert. Übertragen auf die Frage nach der Konstitution von Mode, ist nun zu klären, inwieweit Mode, verstanden als ein Text, sich auch entsprechend konstituiert. Es ist zu zeigen, wie sich Mode durch die Rezeption eines Modetextes konstituiert. Und es muss deutlich werden, was unter einem solchen Modetext verstanden werden kann.261 Das schließt neben der Frage nach möglichen Schreibweisen der Mode auch die nach einer möglichen Schrift der Mode ein. Es wird zu klären sein, ob es neben der kulturellen, sozialen und historischen Verankerung der Mode auch so etwas wie eine Gravur der Mode, also eine bildhafte Einschreibung gibt, die einer grundlegenden »Metaphorizität«262 als Sinn der Mode entspricht.263 Zudem ist die Offenheit des Modetextes herauszustellen, die den produktiven Handlungsspielraum des Rezipienten erst ermöglicht. Kurz, es ist zu belegen, dass Mode erst durch ihren Vollzug durch die Rezipienten zur Mode wird, denn wenn »sich der Text in der vom Leser zu vollziehenden Sinnkonstitution [vollendet], dann funktioniert er primär als Anweisung auf das, was es hervorzubringen gilt, und kann daher selbst noch nicht das Hervorgebrachte sein.«264 Der Text, der Mode hervorbringt, ist demnach selbst noch keine Mode, sondern allenfalls ein Modetext.

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Ebd., 61. Ebd. Vgl. König 2006. König bezeichnet die glossy words der Modezeitschriften als fashion writing und betont damit ihre Mode konstituierende Rolle. Sie konstruiert für diese Textart ein Untersuchungsmodell anhand der Kategorien »content, tone, lexicon, and cultural references« (ebd., 210ff.). Obwohl sie das Vorkommen dieser Textform immer im Zusammenhang mit Bildern erkennt, und entsprechend einzelne Textformen inhaltlich differenziert, lässt sie die Relationalität des Modetextes zum Bild, besonders im Rahmen einer Modestrecke, außer Acht. Derrida 1998, 287. Es ist zu betonen, dass es nicht um die Ausdehnung des Textbegriffs auf das Bild geht; das Bild soll nicht unter einem allumfassenden Textbegriff subsumiert werden; die spezifischen Qualitäten beider Konzepte sollen erhalten bleiben. Dennoch gilt festzuhalten, dass es sowohl eine erzählende Funktion des Bildes, als auch eine bildnerische Funktion des Textes gibt. Zudem zeichnet sich eine Verschränkung beider Funktionen im IkonoModeText ab, die bedingt, dass sich sowohl das Modebild nicht ohne den Text, als auch der Modetext nicht ohne das Bild analysieren lassen. Iser 1994, 175.

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Im Zusammenhang mit der Frage nach einem möglichen Text der Mode oder einer so genannten Modeliteratur gilt Die Sprache der Mode265 von Roland Barthes als das grundlegende Standardwerk im Bereich der Modetheorie.266 Es muss jedoch an dieser Stelle mit Nachdruck festgehalten werden, dass es sich bei dieser strukturalistischen Analyse weder um die Untersuchung der Modesprache noch des Modetextes, wie er zuvor kurz eingeführt wurde, handelt. Gegenstand dieses SYSTEMS DER MODE ist vielmehr die Inventarisierung der geschriebenen Struktur der Modetexte von Zeitschriften. Weder werden diese Texte bereits hinsichtlich des zuvor dargelegten Textmodells von Barthes aufgefasst, d.h. sie werden nicht als unvollständige Partitur gelesen, noch werden sie als Einschreibungen behandelt, die unabhängig von ihrer modefotografischen Kontextualisierung überhaupt nicht erfassbar sind. Es handelt sich bei dem Werk Système de la Mode267 um die strukturale Analyse der »Modebeschreibung«268 . Das System der Mode nach Barthes, das die Kleidung in zunächst drei Strukturen unterteilt, in die reale, die abgebildete und die geschriebene, behandelt letztlich nur die verbale Sprache, die Beschreibung der Mode. Die Frage, ob es Mode unabhängig von ihrer sprachlichen Realisierung überhaupt gibt, bleibt insofern unklar, als dass Barthes sich dort nicht explizit zu einem möglicherweise erweiterten strukturalistischen Begriff von Sprache äußert. Vielmehr betont er den Vorteil der einschränkenden Wahl für die »Zeitschriftenkleidung«269 , da sie dem Analysierenden die reine Synchronie für zumindest eine Saison und eine strukturale Reinheit böte, und weil sie keinen praktischen Zwecken mehr diene, sie bedeute diese lediglich. Da die abgebildete Kleidung jedoch noch immer den ästhetischen Wert habe, führt er seine grundlegenden Vorüberlegungen weiter, läge die weitere Einschränkung auf die geschriebene Kleidung nahe. Denn nur diese, so Barthes, »erfüllt keinerlei praktische oder ästhetische Funktion mehr: Sie ist 265 266

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Barthes 1985. Vgl. Carter 2003, 143-163. Carter beschreibt Barthes als einen Erneuerer der Modetheorie aufgrund seines hohen Grades an Reflexion. Die Sprache der Mode sieht er als Schlüsselwerk für die zeitgenössische Lesart von Kleidung und Mode. Es finden sich genaue Erläuterung der Barthes’ in ihren Grundzügen und ein Aufzeigen der gesellschaftspolitischen Dimension des Werkes, anhand von Parallelen zu Marx, Durkheim und Mauss. Eine weitere grundlegend bezugnehmende Darstellung des Ansatzes von Barthes findet sich bei Barnard 2001, 96ff. Der französische Originaltitel macht deutlich, dass es sich vielmehr um die langue der Mode handelt, die Barthes mit dieser Arbeit im Blick hat. Die adäquatere englische Übertragung in The Fashion System hat jedoch auch, genauso wie im Deutschen, zu zahlreichen, z.T. für die Semiotik der Kleidung sehr fruchtbaren modetheoretischen Forschungsansätzen geführt, indem die Systematik der geschriebenen Kleidung zur Untersuchung der realen Kleidung genutzt wurde (vgl. z.B. Lurie 1981). Barthes 1985, 22. Ebd., 18.

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vollkommen in Hinblick auf eine Bedeutung geschaffen […] mit keiner parasitären Funktion belastet und enthält keine fließende Zeitlichkeit«.270 Barthes trennt, und das ist in dieser Klarheit einzigartig in der Modetheorie, die praktische und ästhetische Funktion der Kleidung von ihrer Bedeutungsfunktion, also von ihrem Potenzial, die Welt und alles, was gerade Mode ist, zu bedeuten. Gegenstand der Analyse ist demnach die Mode als »der Supercode, mit dem die Wörter die reale Kleidung überlagern«271 . Nun lässt sich der Begriff Mode im Sinne einer Modekleidung mit Barthes als ein abstraktes, die Kleidung strukturierendes System beschreiben, das er im Bereich der Sprache ansiedelt: »Es handelt sich, wenn man so will um eine abstrakte Kleidung, die einem konkreten Sprechen anvertraut ist.«272 Was Barthes »im Blick hat, ist nicht die Sprache, sondern einzig die Struktur der Kleidung, auf die sie sich richtet«.273 Anhand dieser abstrakten Kleidung, nämlich der beschriebenen Kleidung, ließe sich die Kleidung einerseits als »die strukturale, institutionelle Form der Bekleidung (die der langue entspricht)«274 und anderseits die »Aufmachung (habillement) [als] die aktualisierte, individualisierte, getragene Form dieser Kleidung (die der parole entspricht)«275 herausstellen. Wobei für Barthes dieser »paradoxe Status«276 der geschriebenen Kleidung die Quelle zur Kenntlichmachung des Entstehens von Mode ist.277 Die Modebeschreibung der Zeitschrift ist demnach einerseits als langue für die Analyse der realen Modekleidung und andererseits als parole für die Analyse des Modetextes zu sehen: Wir untersuchen also ein zweideutiges Objekt, denn es sperrt sich der vertrauten Unterscheidung zwischen dem Realen auf der einen Seite und der Sprache (langage) auf der anderen.278

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Ebd. Ebd., 18. Es geht also bei der Konstitution von Mode weder um die konkrete bspw. soziale Bedeutung der Kleidung, noch um die konkrete sprachliche Bedeutung, sondern darum, die Funktion der Mode als übergeordneter Code möglich zu machen. Ebd., 28. Es ist somit das Sprechen konkreter Modetexte ausgewählter Modezeitschriften. Ebd., 18. Ebd., 28. Ebd. Ebd. Vgl. Barthes 2006m, 124f. Es ist nochmals zu betonen, dass Barthes neben der Sprache selbst, Mode und Kleidung als zwei voneinander getrennte Systeme versteht, die ihre eigenen Strukturen aufweisen. Barthes 1985, 9. Er formuliert wie folgt: »Im Grunde genommen behandelt diese Arbeit also weder die Kleidung noch die Sprache (langage), sondern gewissermaßen die ›Übersetzung‹ der einen in die andere, insofern auch die erstere bereits Zeichensystem ist.« (Ebd.) Diese Übersetzung ist im Sinne Barthes’ eine strukturale, eine Übertragung von Strukturen; sie findet deshalb im Bereich der langue statt.

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Dieses Changieren der Sichtweisen von Barthes auf seinen Gegenstand ist der kritischste Moment seiner Analysemethode und »wird die gesamte strukturale Analyse der geschriebenen Kleidung beherrschen«279 . Gerhard Goebel beschreibt dieses Vexierbild als das »Zwitterhafte des darin entworfenen System-Modells«280 , da Barthes einerseits versucht, metasprachlich die Beschreibung der realen Kleidung zu systematisieren und sich andererseits gleichzeitig auf die Suche des darin enthaltenen Konstitutionsprozesses der Mode selbst begibt. Das Barthessche Modesystem beschreibt er als unentschieden und zweideutig, d.h. teils dem System der geschriebenen Mode, teils dem der Modeschreibung zugewandt.281 Er vermutet sogar ein anderes Ergebnis der Untersuchung bei konsequenter Scheidung dieser Ebenen. Für eine ideologiekritische Lesart scheint ihm der wissenschaftliche Aufwand, der von Barthes betrieben wird, um das Bestehen jener Tautologie, dass Mode Mode bedeute, zu proklamieren, unangemessen; er sieht darin lediglich die »durchaus lustvolle Resignation ins Spielerische«282 . Roland Barthes versucht, die Struktur des Gegenstandes Modekleidung anhand seiner verbalsprachlichen Erscheinungsweisen herauszuarbeiten. Er schreibt der realen Kleidung also nicht grundsätzlich die Fähigkeit bedeuten zu können ab, sondern versucht zu belegen, wie die verbale Sprache der Mode dieses Bedeutungssystem reguliert und manipuliert. 283 Ob die Bedeutung der Kleidung von Barthes als eine eigenständige, eine zuvor durch die Mode behauptete, oder auch nur eine rein formale284 angesehen wird, bleibt offen. Die Kernfrage seiner Analyse »Was geschieht, wenn ein Objekt und eine Sprache zusammentreffen?«285 müsste, so Goebel, in zwei Schritte unterteilt werden: 1. Wie wird ein reales Objekt sprachlich vermittelt? und 2. Wie wird durch die sprachliche Vermittlung Bedeutung, bzw. Mode konstituiert? Zudem ist zu fragen, ob nicht eine grundlegende Relationsverschiebung vorliegt, wenn Barthes davon ausgeht, dass in der Zeitschrift das Kleidungsobjekt und die Sprache zusammentreffen, oder ob es nicht vielmehr das Modebild, die fotografierte Kleidung ist, die dort mit der Sprache zusammentrifft. Es muss geklärt werden, ob es nicht Bild und Text der Mode sind, die aufeinander prallen und sich so miteinander verschränken.286 279 280 281 282 283 284 285 286

Ebd., 28. Goebel 1975b, 90. Vgl. Barthes 1985, 44. Goebel 1975b, 90. Vgl. Barthes 1985, 18. Vgl. zur formalen Entwicklung der Kleidung Kroeber / Richardson 1986, 264-290. Barthes 1985, 22. Beim redaktionellen Verfassen dieser Texte wird nicht das reale Objekt beschrieben. Meist liegen nur die Informationen der Stylisten über die verwendete Kleidung vor, auf denen dann der Text beruht.

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Weder Goebel noch Barthes beachten diese Ebenenverschiebung. Vielmehr schreibt Barthes der geschriebenen Kleidung eine Art Autoritätsfunktion zu, da in ihr eine Erläuterung, eine Hervorhebung oder eine Verdopplung und fast immer eine Detailfokussierung der abgebildeten Kleidung stattfänden, die das Bild in diesem Rahmen nicht übernehmen könne.287 Zwar leiste das Bild Entsprechendes in Hinblick auf den zugrunde liegenden realen Gegenstand, doch sei jener in der Zeitschrift nicht präsent und könne deshalb nicht als Vergleichsgröße herangezogen werden. Nur aufgrund seines stark eingeschränkten Untersuchungskorpus kann Barthes konstatieren: »Das Bild hält unendlich viele Möglichkeiten fest; das Sprechen fixiert eine ganz bestimmte.«288 Während die abgebildete Kleidung also viele Bedeutungen habe, neben modisch z.B. warm und weich, bedeute die geschriebene Kleidung lediglich Mode oder eine Welt mit bestimmten Werten, die Mode sind. Und während das Bild durch seine faszinierende Offenheit zum Erträumen des Dargestellten einlade, so Barthes weiter, »leitet die geschriebene Kleidung zum Kauf über«289 . Neben der Genese der Mode würde demnach also auch der Ort ihrer Funktionsbestimmung im Bereich der Sprache liegen und erst die genaue Analyse der Modesprache sowohl die interessengeleitete Entstehung wie auch die ökonomische Funktion der Mode aufdecken. Die in diesem Zusammenhang zu beantwortende Frage lautet deshalb: »Warum spricht die Mode so ausgiebig von der Kleidung.«290 Barthes’ Kernthese ist, dass Sprache (langage) das Fundament jeglichen Sinns bildet: So ist »die menschliche Rede nicht nur das Vorbild, sondern auch die Grundlage des Sinns«291 . Die Frage, ob es Mode ohne Sprache gibt, beantwortet Barthes in einem Interview wie folgt: Diese Distanz zwischen einem sehr armen Kode und einer sehr reichen kulturellen Welt hat mich dazu veranlasst, meine Behauptung umzukehren und anzunehmen, dass die Kleidung nur insofern wirklich bedeutungstragend ist, als sie von der menschlichen Sprache aufgegriffen wird. Wir sprechen von unserer Kleidung auf vielerlei Weise, nicht nur, weil sie ein Gegenstand des Gesprächs, sondern vor allem, weil sie ein Gegenstand der Werbung, des Kommentars, des Katalogs ist. In jedem Augenblick wird die Kleidung von der artikulierten Sprache besetzt, und das reicht sogar noch viel weiter, insofern es ohne Sprache weder Denken noch Innerlichkeit gibt: die Kleidung denken heißt bereits Sprache in die Kleidung hineintragen.292

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287 288 289 290 291 292

Zur Autorität der Sprache vgl. Fohrmann 1999 u. Frey 1999. Barthes 1985, 23. Ebd., 27. Ebd., 10. Ebd., 9. Barthes 2002c, 74; vgl. ders. 2006l, 66.

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Diese Sichtweise wirft jedoch weitere Fragen auf: Welches ist der Ort dieser Hineintragung? Wo und von wem wird Kleidung gedacht? Welches ist das Moment, in dem sich Kleidung mit Sprache verknüpft? Und steht die Kleidung überhaupt als reales Objekt der Wahrnehmung zur Verfügung? Wird nicht vielmehr Kleidung nur in dem Maße mit Sprache verbunden, wie sie auch verbildlicht wird? Ein Denken von Kleidung ohne ihre gleichzeitige Imagination ist meines Erachtens nicht beschreibbar.293 Barthes konstruiert eine Vorzeitigkeit der Sprache im Denken und Wahrnehmen, die so in Hinblick auf die Konstitution von Mode nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere wenn er sich auf Bereiche wie Werbung oder Katalogwesen bezieht, die Kleidung überwiegend in Text und Bild enthalten. Mit anderen Worten ist hier nicht nur das Primat der Sprache anzuzweifeln, um dem Bildlichen den Vorschub zu leisten, sondern es geht vielmehr um die gleichberechtigte Verbindung von beidem. Die Frage muss daher lauten: Wie erscheint Mode zwischen Bild und Text, und wo findet die Verschränkung statt? Somit sind Worte, Literatur und Sprechen über Kleidung zwar in jedem Fall konstitutiv für die Mode, jedoch nicht in der von Barthes geforderten und proklamierten Reinheit, denn die »besonderen Funktionen der Sprache (langage) gegenüber dem Bild, die zumal die geschriebene Kleidung erfüllt«294 , kann diese nur angesichts des ebenfalls anwesenden, unmittelbar mit ihr verbundenen Bildes der Kleidung übernehmen: 1. Fixierung, 2. Ergänzung und 3. Hervorhebung.295 Es ist somit von einer grundlegenden Untrennbarkeit von Bild und Sprache bei der Konstitution von Mode in der Zeitschrift auszugehen. Die folgenden Worte von Roland Barthes sind deshalb hinsichtlich ihrer weit reichenden Bedeutungsebene, die durch die Betonung der visuellen Wahrnehmung evoziert ist, anzunehmen: »Sobald man also die Mode betrachtet, spielt die Schreibweise eine konstitutive Rolle«296 , heißt, dass bei der Betrachtung von Mode als der Medialisierung von Kleidung – sowohl in visueller als auch in verbaler Form – die Schreibweise zusammen mit der Sichtweise eine sinnstiftende Rolle spielt.

Modetext – Medium der Mode Der Modetext ist keine Modeliteratur, er ist kein Schreiben über Mode, wie es zuvor erläutert wurde. Ein Modetext ist der Text, der das Modebild begleitet, und der umgekehrt immer vom Bild begleitet wird. Er ist gewis293 294 295 296

Vgl. Waldenfels 2004, 210. Barthes 1985, 23ff. Vgl. ebd., 22ff. Ebd., 9. Die Hervorhebung d. Verf.; außerdem wurde das Wort ›Schreibweise‹ für écriture gewählt; in der dt. Ausgabe ist es als ›Schrift‹ übersetzt worden.

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sermaßen zwar das Korpus, das Roland Barthes in seiner strukturalistischen Untersuchung analysiert hat, jedoch nur unter Berücksichtigung der zuvor angeführten Erweiterungen: Der Text der Mode kann demnach hier nur unter Einbeziehung sowohl des Modebildes, als auch des wahrnehmenden Rezipienten begriffen werden. Der Modetext ist der verbalschriftliche Teil einer Modestrecke, wie sie in Zeitschriften vorkommt. Dieser Text schreibt Mode, jedoch nur im Zusammenhang mit dem Bild und der changierenden Wahrnehmung beider durch den Rezipienten. Die Mode, die dort konstituiert wird, liegt nicht im Text allein, auch nicht nur in seiner Erweiterung um den Rezipienten, sondern zwischen Text und Bild und ihrer rezeptiven Wahrnehmung. Deshalb sind die Funktionen des Modetextes nur relational zum Bild und zum Rezipienten erfassbar und darstellbar. Und auch die formalen Eigenschaften des Modetextes sind erst bedingt durch diese spezifische Relationalität erfahrbar. Unter Berücksichtigung der genannten Erweiterungen des Textbegriffs lassen sich sowohl spezifische Eigenschaften, als auch Funktionen des Textes festhalten, die hinsichtlich seiner Mode konstituierenden Fähigkeit besondere Relevanz haben. Anhand der im Folgenden vorzustellenden Konzeptionen von Struktur, Stil, Schreibweise, Lesart und Leerstelle des Modetextes, lassen sich seine Besonderheiten auf formaler Ebene herausstellen, wobei letztere sich gewissermaßen wie in einer schließenden Kreisbewegung auf die Struktur rückbezieht. So lassen Struktur und Stil des Modetextes spezifische Eigenschaften erkennen, während Schreibweise und Lesart vielmehr bestimmte Funktionen erfüllen. Die Leerstelle kann sowohl als strukturelle Eigenschaft gesehen, wie auch in ihrer überaus wichtigen Funktion betrachtet werden. Die STRUKTUR des Modetextes ist, wie bereits ausgeführt, nahezu erschöpfend in Die Sprache der Mode von Roland Barthes analysiert worden. An dieser Stelle soll deshalb nur eines ihrer markantesten Kennzeichen herausgegriffen werden: die Unterscheidung in A- und B-Komplexe. Diese Differenzierung ist deshalb von besonderem Interesse, weil auch dort eine Ebenenverschiebung herausgestellt werden muss, die bei der Einbeziehung des Bildes in den Konstitutionprozess von Mode grundlegend ist und jene Unterscheidung in A- und B-Komplexe, die nun kurz vorgestellt wird, letztlich aufhebbar macht. Die A-Komplexe stellen auf der Ebene des realen vestimentären Codes, so Barthes, eine Bedeutungskorrelation zwischen einem Kleidungsstück und der Welt her, während auf der Ebene der geschriebenen Kleidung diese Bezüglichkeit selbst die Bedeutung des Satzes ist. Dieser Satz wiederum ist allein durch seine Notation bereits Mode. Bei den B-Komplexen hingegen findet bereits auf der Ebene des realen vestimentären Codes eine Bedeutungskorrelation zwischen dem realen Kleidungsobjekt und der Mode statt. Mode wird dort als Bedeutung der Kleidung vorausgesetzt. Das heißt, es gäbe Modekleidung auch ohne ihre sprachliche Vermittlung durch die Zeitschrift. Barthes schränkt diese An-

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nahme jedoch sofort ein, indem er einräumt, dass »dieser reale Code in der Zeitschrift nur als Bezugssystem eines geschriebenen vestimentären Codes«297 existiert, und dass deshalb »das Signifikat Mode stets implizit bleibt«298 . Die »vestimentären Züge«299 des Textes, »ihre Organisation, bedeutet als solche unmittelbar die Mode«300 . Entsprechend ist bei den AKomplexen die Modekonnotation, die Barthes der bloßen terminologischen Nennung des Kleidung-Welt-Bezugs zunächst als eigene Ebene übergeordnet hat, »völlig parasitär«301 , denn ihre »Erwähnung ist vom Erwähnten nicht zu trennen«302 . In beiden Komplexen wird also letztlich die Mode als implizite oder parasitäre Bedeutung eines sprachlichen Zeichens auf die Ebene des geschriebenen vestimentären Codes zurück-, bzw. eingebunden: zum einen als Notation der Kleidung und zum anderen als Notation der Kleidung inklusive einer Kontextualisierung. Barthes fasst die Konnotation der Mode als der Ebene der geschriebenen Kleidung zugehörig auf, indem er davon ausgeht, dass der Modetext auf einem realen vestimentären Code aufbaut, der übertragen in die Sprache als Text vorliegt. Der Modetext bezieht sich jedoch viel weniger auf die reale Kleidung, als vielmehr auf das Modebild, also auf die abgebildete Kleidung. Zumindest nimmt der Text den Weg über das Bild, um seine Bedeutung zu konstituieren; allein die hinweisenden Anaphern, wie ‚diese Seite’ oder ‚rechts’ verdeutlichen es. Die von Barthes proklamierte »Reinheit«303 der geschriebenen Kleidung, die »mit keiner parasitären Funktion belastet«304 sei, wird nun getrübt durch ihre konkrete Bezugnahme auf das Bild. Seine Annahme, die Prämisse seiner ganzen Analyse, dass der Modetext »keinerlei praktische oder ästhetische Funktion mehr«305 erfülle, dass er »vollkommen im Hinblick auf eine Bedeutung geschaffen«306 sei, ist dann nicht mehr haltbar. Er selbst hat diese Funktionen des Textes hinsichtlich des Bildes zwar erkannt, indem er die drei Funktionen der geschriebenen Kleidung näher erläutert und deutlich macht, in welcher Beziehung der Text zum Bild steht, er hat sie jedoch nicht in die Modellierung seines Systems der Mode einbezogen.307 Somit ist die Arbeit von Barthes zwar grundlegend für die Analyse des Systems der geschriebenen Mode, wenn 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307

Barthes 1985, 47. Ebd. Ebd., 48. Ebd. Ebd., 50. Ebd. Ebd., 18. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. ebd., 23ff.

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die Ebene des Bildes jedoch mit einbezogen werden soll, ist sie erneut auf ihre Aussagekraft zu überprüfen. Die Bildebene völlig außer Acht zu lassen ist bei der Rezeption einer Modezeitschrift praktisch und theoretisch unmöglich, da der Text sich ausdrücklich auf das Modebild und die Ebene der realen Kleidung und der Welt bezieht. Die nunmehr zwingende Einbeziehung des Bildes hat allerdings sowohl eine Ebenenverschiebung als auch erweiterung zur Folge, die auch der Modekonstitution einen anderen Ort zuweist: Mode erscheint nun einerseits im relationalen Gefüge der Textund Bildebene und dieser zudem übergeordnet. Die entscheidende strukturale Eigenschaft des Modetextes ist somit gerade nicht seine Reinheit, sondern vielmehr die funktionale Verschränkung seiner Erscheinungsweise mit der des Modebildes. Dadurch, dass Kleidung in der Modezeitschrift beschrieben ist, wird Mode geschrieben. Nur ist diese Nennung in keinem der beiden Komplexe eine reine Notation, sondern in Bezug zum Bild immer schon durch dieses denotiert, während der Text das Bild in einem weiteren Schritt wiederum konnotiert. Eine Aussage wie: »Diese Seite: Schwarzes Paillettenkleid mit Stehkragen, um 2290 €, von GUCCI. Plateaustiefelette mit Keilabsatz: Pierre Hardy«308 , ist weder durch eine einfache Bedeutungszuweisung im Sinne der A-Komplexe (Kleidung bedeutet Welt) noch der B-Komplexe (Kleidung bedeutet Mode) aufzulösen, zumal ihr der folgende Text vorangestellt ist: »Pop up! Von Kobalt-Blau bis Zitronen-Gelb: Die Mode schwelgt im flirrenden Farbrausch. Extrem spektakulär: der Mix mit Schwarz«309 . Diese Aussagen beziehen sich unmittelbar auf die Modefotografien, in die der Modetext eingeschrieben ist. Der reale vestimentäre Code, auf den sich in Barthes’ Analyse alle Aussagen beziehen, existiert jedoch so gar nicht, denn jenes schwarze Paillettenkleid mit Stehkragen funktioniert vielmehr als Fixierung des Bildes, als dass es einen realen Code repräsentiert.310 Deshalb ist die geschriebene Kleidung nicht in Bezug auf irgendeine reale Kleidung, sondern vielmehr in Bezug auf das Modebild zu begreifen und umgekehrt. Eine Trennung des Modetextes in A- und B-Komplexe ist dann nicht mehr sinnvoll, da es in keinem der beiden Fälle von Modeschreibungen zu einer vor- oder nachgelagerten expliziten Modedenotation oder -konnotation kommt, sondern vielmehr in beiden Fällen die Mode bereits durch die Notation von Kleidung ins

308 309 310

VOGUE 9/2006, 285. Ebd., 278. Vgl. Barthes 1985, 58. Barthes führt bei der zweiten Transformation, derjenigen vom geschriebenen zum realen vestimentären Code einen so genannten »Pseudocode« (ebd.) ein, der jenes bereits genannte Zwitterhafte zwischen Sprache und Objekt darstellt. Dieser so genannte Mischcode soll die reale Kleidung sprachlich darstellen.

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Spiel kommt.311 Es werden somit auch keine zwei Komplexe sichtbar, sondern vielmehr gewisse Perspektivierungen innerhalb des Textes, der einmal, im Falle der A-Komplexe, nicht nur die Form, sondern auch die Inhalte der Kleidung, d.h. ihren sozialen Gebrauch, zur Sprache bringt, und bei den so genannten B-Komplexen, nur die Form der Kleidung versprachlicht. Hinzu kommt die Tatsache, dass bei Letzteren der Realitätsbezug meist durch das Modebild hergestellt, also nahezu simultan ergänzt wird. Oder das Bild ergänzt oder konterkariert die in den ersten Fällen genannten scheinbar realen Kontexte durch die der Bildwirklichkeit. Da so viele Variationen möglich sind, muss zugunsten einer Perspektiven- und Bezugnahmebeschreibung sowohl von der Zweiteilung, als auch von der Annahme einer semantischen Vollkommenheit der Modeaussage als einer ohne jeglichen Weltbezug Abstand genommen werden.312 Der Modetext muss also sowohl in sich, als auch in seinen Bezügen zum Bild und seinen Anknüpfungspunkten für die Rezipienten kenntlich gemacht werden.313 Das rhetorische System der Mode, das Barthes in drei Subsysteme unterteilt: das rhetorisch Bezeichnende (Form des Modetextes), das rhetorisch Bezeichnete (Inhalt des Modetextes314 ) und die Rhetorik des Bezeichneten

311

312

313 314

Vgl. ebd., 49. – Er formuliert wie folgt: »Nun ist die Mode aber ein rein arbiträrer Wert« (ebd.), d.h. die Notation von Kleidung im Kontext der Mode bestimmt, was Mode ist, unter der Einschränkung, dass dieser Kontext gesellschaftlich als einer der Mode anerkannt ist. Die Modezeitschrift ist ein solcher Kontext und jede Notation von Kleidung ist in gewissem Maße auch motiviert, d.h. ein Kleidungsstück ist dann Mode, wenn es bspw. den Namen eines erfolgreichen Modehauses trägt, von einem berühmten Modefotografen fotografiert wurde, zusammen mit Kleidungsstücken anderer Modedesigner vorgestellt wird etc. (vgl. auch die »Motiviertheit des Zeichens«, ebd., 222ff.). Vgl. ebd., 296f. Barthes sieht zudem die Zeitschriftenlandschaft in zwei Bereiche gespalten, die sich heute so nicht mehr bestätigen lassen. Die Naturalisierung der Mode im Rahmen des Modetextes sieht er als eine Demokratisierungsbemühung der Massengesellschaft, die gleichzeitig am aristokratischen Wert der Mode partizipieren will. Daraus folgt für Barthes »der zweideutige Status der Mode: sie bedeutet die Welt und bedeutet sich selbst, entwirft sich hier als Verhaltensprogramm und dort als luxuriöses Schauspiel« (ebd., 297.) Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung von Ulrich Lehmann in Bezug auf die Bilderzählung, die er als ein rhetorisches System, neben Gestus und Text, ansieht. Er geht nämlich von der gegenteiligen Ansicht der Marktsegmentierung in high and low bei den Modebildern aus (d.h. große Erzählung gleichbedeutend mit High-Fashion, keine oder kaum Erzählerisches entsprechend niedriger Stellenwert im Modesystem): »Progressive und exklusive Kleidung wird so dargestellt, dass sie sich deutlich von der Kleidung abhebt, die in Katalogen oder auf solch deskriptiven Fotografien abgebildet ist, wie sie für gewöhnliche Frauenzeitschriften kennzeichnend sind, welche das Erzählerische aufgrund der Produktionskosten vermeiden.« (Lehmann 2002, T17.) Vgl. Iser 1994. Dies kann z.B. anhand Isers Konzept des Blickpunktes und der strukturalen Leerstellen erreicht werden. Barthes 1985, 236ff. Im Inhalt liegt für Barthes die Ideologie der Mode, d.h. die latente Bedeutung der Mode, die sich gleichsam »unter dem Schein von ›Natur‹«

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(»Poetik der Kleidung«315 ), soll im Folgenden hinsichtlich seiner formalen Eigenschaften betrachtet werden, und zwar daraufhin, inwieweit sich ein spezifischer STIL des Modetextes herausstellen lässt.316 Barthes vertritt die Ansicht, dass es im Zusammenhang mit der Sprache einer Modezeitschrift nicht möglich sei, von Stil zu sprechen, da es sich dabei nicht um ein individuelles Sprechen einer bestimmten Person handelt. Er schlägt deshalb vor, von einer »Stilistik der Schreibweise«317 auszugehen, um sowohl das scheinbar Individuelle einer Zeitschrift als Institution als auch ihren offensichtlich konventionellen und kollektiven Sprachgebrauch zusammen fassen zu können. Dagegen ist jedoch festzuhalten, dass in Modetexten insofern doch ein eigener Stil zu erkennen ist, als dass ihre »sprachliche Ausdrucksweise an das Lebensgefühl«318 gekoppelt ist, das sich im Modebild zeigt und in den Rezipienten widerspiegelt. Der Stil des Modetextes zeigt sich somit erst im Zusammenspiel von Bild, Text und Rezipienten. Erst wenn die Mode etwas individuell Erfahrbares geworden ist, lässt sich ein Stil erkennen, und zwar als eine erfahrene »Distanz, eine Differenz«319 zwischen vorher und nachher, zwischen der Mode, die war und der, die nun sein wird. Der Stil bezeichnet das Phänomen der Mode in seiner gebundenen Zeitlichkeit, seine »Vertikalität«320 . Während die Strukturalität der Mode, sowohl die ihrer Texte, ihrer Bilder und ihrer Wahrnehmungsformen, vielmehr in ihrer horizontalen, diachronischen Verlaufsform erkennbar wird. Nicht zuletzt darin liegt die Erklärung für den Versuch der Historiker, die Mode als Kostümgeschichte fassen zu wollen.321 Die Erscheinungsweise des Stils ist im Falle des Modetextes die einer literarischen Sprache, die jedoch nicht in ihrer sonst typischen schriftlichen »Abgeschlossenheit und […] Sauberkeit«322 erscheint. Vielmehr handelt es sich bei der Literarität des Modetextes um eine Imitation des Modells der Literatur in Fragmenten und Bruchstücken von Zitaten, die erst zusammen mit dem Bild, die für den Stil prägnante Dichte bildet.323 Der Modetext ist gekennzeichnet durch eine spezifische Öffnung und Hinweisung zum Bild, dem wiederum dieser Text eingeschrieben ist: Ihn lediglich als Beschrei-

315

316 317 318 319 320 321 322 323

(ebd., 236) versteckt. Er geht davon aus, dass die ideologische Konnotation der Mode nicht bewusst wahrgenommen wird. Ebd., 241ff. Es wird wiederum deutlich, dass Barthes sich in seiner Analyse auf die Transformation zwischen Realem und Vermitteltem bezieht, während der Modetext sich für die Rezipienten konkret auf das Modebild bezieht. Zur allg. Begriffsbestimmung vgl. Eroms 2008 u. Gumbrecht / Pfeiffer 1986. Barthes 1985, 234. Barthes 2006j, 17. Barthes 2006h, 141. Barthes 2006j, 17. Vgl. Barthes 2006g, 134. Barthes 2006h, 143. Vgl. Barthes 2006j, 17.

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bung aufzufassen, hieße, ihn um Wesentliches zu reduzieren. Auch deshalb ist die Einschränkung Barthes’ in seinem System der Mode äußerst kritisch zu sehen, denn er versucht nicht nur einen reinen Korpus zugrunde zu legen, den es so nicht gibt, sondern auch den schriftsprachlichen Teil der Modestrecke auf eine reine Beschreibung zurückzuführen.324 Diese hat nach seiner Überzeugung »keinerlei Bezug zur Anschauung«325 und ist »von daher von aller Bildlichkeit unterschieden, die sie nur verstellen und beeinträchtigen kann«326 . Wie aber kann Barthes die Reinheit des verbalen Korpus voraussetzen, wenn er um diese entscheidende Sinn konstituierende Beeinträchtigung des Textes durch das Bild weiß? – Insbesondere in Hinblick auf die bereits genannte Verknüpfung von Text und Bild erscheint es sinnvoller, den Modetext im Sinne einer Einschreibung oder Inschrift zu begreifen.327 Das Schreiben und gleichsam das Lesen des Textes muss also zusammen mit dem Bild als ein Geschehen angesehen werden, das Mode konstituiert. Es handelt sich somit um ein performatives Handeln, das bereits durch die Einschreibung des Modetextes in das Bild selbst angezeigt wird. Die Form des Modetextes verbirgt keinen aufzudeckenden Inhalt, sondern gibt vielmehr den Blick frei auf die Form des Bildes. Der Stil zeigt sich in der formalen Vielschichtigkeit des Ikonotextes, der als eine Zwiebel gesehen werden muss, als übereinander liegende Schichtung von Häuten (Ebenen, Systemen), deren Volumen letztlich kein Herz, keinen Kern, kein Geheimnis, kein irreduzibles Prinzip birgt, sondern die Unendlichkeit ihrer Hüllen – die nichts anderes umschließen als die Gesamtheit ihrer Oberflächen328 .

Es ist allerdings möglich, eine gewisse Spurensuche zu betreiben, um die Relationalität dieser Schichtungen zu zeigen, indem man sich auf die »Suche nach Modellen, nach patterns: nach Satzstrukturen, syntagmatischen Klischees, Satzanfängen und -floskeln«329 macht. Denn, so Barthes, »sie sind Wiederholungen und keine Fundierungen; Zitate und keine Ausdrücke; Stereotypen und keine Archetypen«330 . Die stilistischen Merkmale des Modetextes sind somit vor allem als Transformationen in Hinblick auf das

324 325 326 327

328 329 330

Zur ›Beschreibung‹ vgl. Barthes 1985, 22. Barthes 2002a, 53. Ebd. Vgl. Barthes 2006i, 173 u. 177f.; vgl. auch Lapacherie 1990. Lapacherie bezeichnet mit In-Schrift die Ebene der Linie und der Seite, d.h. die Linearität und ihre Aneinanderreihung als Struktur des Textes. Ist diese Ebene in ihrer Ausgestaltung nicht mehr ein »dunkles Rechteck auf weißem Grund« (ebd., 78), dann liegen ikonische Texte vor, die das Ikonische der Schrift nutzen, um ein anderes Lesen zu befördern. Barthes 2006h, 146. Ebd., 145. Ebd.

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Bild zu sehen.331 Diese vielgestaltigen Relationen zum Bild werden auf Seiten des Modetextes als »literarische Sprache«332 erkennbar. Denn diese Art Stil ist, so Barthes, »in der Vielschichtigkeit des Textes zu sehen«333 . Während im spezifischen Stil des Modetextes eine Eigenschaft der formalen Vielschichtigkeit zu erkennen ist, bleibt nun herauszustellen, worin die spezifische SCHREIBWEISE des Modetextes liegt, was die Funktion seiner Form ist und wie diese ihre Inhalte vermittelt. Die so verstandene Schreibweise des Modetextes, ist »wesentlich die Moral der Form«334 . Sie ist frei nur im Rahmen ihrer eigenen Historie und bezeichnet diese geschichtliche Abhängigkeit im Augenblick ihres Erscheinens: Alles Geschriebene bildet eine Ausfällung wie eine chemische Flüssigkeit, die zunächst klar, unschuldig und neutral war, aus der aber, nur durch die einfache Tatsache der Dauer, eine ganze darin gelöste Vergangenheit ausgefällt wird wie eine dichter und dichter werdende Geheimschrift.335

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In der Schreibweise des Modetextes lässt sich also einerseits seine ideologische Funktion und andererseits seine historische Rolle erkennen. Als eine »verhärtete Sprachform«336 werden in ihr die Funktionen des Modetextes und die gesellschaftlichen Konzeptionen von Mode sichtbar. Vor allem aber zeigt sich in ihr das Verhältnis der Form zum Inhalt, der letztlich nur Mode sein kann. Die spezifische Schreibweise des Textes macht also diesen erst zum Modetext: Mode konstituiert sich in der Schreibweise des Modetextes. Und ihre Spezifität liegt in der Relationalität des Textes zum Bild und zu den Rezipienten, in ihr zeigt sich insbesondere das Verhältnis der Mode zur gesellschaftlichen Realität. Sie bildet entsprechend auch die konkrete Verbindung zum monetären System ab. Indem die Nennung des Preises einen festen Platz in der Schreibweise der Mode innehat, wird ein Wert eingeführt, der weder der textlichen noch der bildlichen Ebene zuzuordnen ist. Die Zahlenreihe mit Eurozeichen im Modetext ist Teil des Wirtschaftssystems und führt auch deren Wertigkeit ein: Eine hohe Summe verheißt viel Mode.337 Sie ist gleichsam als eine politische Schreibweise 331

332 333 334 335 336 337

Vgl. Barthes 1985, 52ff. Barthes geht entsprechend seines dreistufigen CodeModells (vestimentärer, terminologischer und rhetorischer Code) von zwei so genannten vertikalen Transformationen aus. Die Operationen innerhalb eines Codes, einer horizontalen Ebene, nennt er Zerlegungen. Da von diesem Modell Abstand genommen wird, handelt es sich bei den hier zu untersuchenden Transformationen vielmehr um quer liegende, facettenreiche Beziehungen, die bereits innerhalb ihrer Transformationen eine reiche Vielschichtigkeit aufweisen und sich nicht in polaren Schemata darstellen lassen. Barthes 2006h, 146. Ebd., 145. Barthes 2006j, 19. Ebd., 20. Barthes 2006k, 22. Vgl. Lehmann 2002, T17.

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zu begreifen, denn »sie entwickelt sich wie ein Keim, nicht wie eine Linie, sie zeugt von einer Essenz und droht mit einem Geheimnis, sie ist eine Anti-Kommunikation und schüchtert ein«338 . Die Schreibweise des Modetextes liegt darin begründet, dass der Inhalt des Textes, also die Mode, erst zustande kommt, wenn der Modetext in seiner historischen Dimension, d.h. in seiner Rückbindung auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, kenntlich wird. Sie zeigt so einen spezifischen Schreib- und Wahrnehmungsprozess an, der Mode konstituiert, und ist in diesem Sinne eine Funktion des Modetextes. Während die Schreibweise gewissermaßen als funktionale Kupplung an reale Verhältnisse verstanden werden kann, ist die LESART des Modetextes ein Eintreten in den Text und in diesem Sinn eine Art Realisierung oder Aktivierung. Mit Wolfgang Iser ist deshalb davon auszugehen, dass »Texte erst im Gelesenwerden ihre Realität gewinnen«339 , und dass der Text gewisse Strategien bereithält, die eine intendierte Lesart ermöglichen. Im Modetext lassen sich folgende die Lesart bestimmende Funktionen aufzeigen: Perspektivierung, Verräumlichung und Einbindung des Lesers. Die Perspektiven des Modetextes bilden gleichsam ein Netz, das sowohl den Text mit dem Bild verknüpft, als auch die Rezipienten einbezieht, indem diese den Perspektivenwechsel vollziehen und somit jenes Netz erst knüpfen. Beim Modetext sind die einzelnen Blickrichtungen jedoch nicht, wie bei einem fiktiven literarischen Text, im Sinne von Isers »Perspektivträgern«340 (Erzähler, Figuren, Handlung etc.) zu verstehen, sondern vielmehr als einzelne Momente des Textes selbst. Diese Momente bezeichnen bestimmte Stellen im Rezeptionsprozess und lenken jeweils einen erneut modifizierten Blick auf das Bild. Diese Perspektivierung des Textes und durch den Text hat auch eine zeitliche Komponente, vor allem weil sie ein Prozess der Vergegenwärtigung ist: Das Gelesene und zu Lesende und das zu Sehende und bereits Gesehene wird in einem fortscheitenden Rezeptionsprozess permanent aktiviert, erneuert und modifiziert. Die Perspektiven des Modetextes bewirken eine Verstrickung341 mit seinem Sinn, der Mode. Neben der zeitlichen Komponente zeichnet sich anhand der Perspektiven auch eine Verräumlichung ab, die deutlicher wird, wenn man die Posi338 339

340 341

Barthes 2006k, 22. Iser 1994, 61. Es ist wichtig nochmals zu betonen, dass hier das Bild unmittelbar einbezogen wird und somit folgende Unterscheidung Isers zwischen Wahrnehmungsobjekt und Text zwingend unberücksichtigt bleiben muss: »Stehen wir dem Wahrnehmungsobjekt immer gegenüber, so sind wir im Text immer mitten drin.« (Ebd., 177.) Es ist davon auszugehen, dass der Modetext zusammen mit dem Bild als Modestrecke in einer Zeitschrift zunächst als materiales Objekt wahrgenommen wird, das sich im prozessualen Gebrauch öffnet und erschließt, indem die Rezipienten die Zeitschrift zur Hand nehmen. Ebd., 61. Vgl. ebd., 210ff.

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tionen des Modetextes näher betrachtet. Nicht nur hält der Modetext unterschiedliche Orte im Rahmen der Modestrecke besetzt, er bezieht sich auch auf verschiedene Ebenen sowohl des Bildes als auch der Wahrnehmung. So kann er beispielsweise die Wahrnehmung auf die Materialität der Schrift lenken oder auf die Leuchtkraft der Farben, sowohl des Bildes als auch der Schrift.342 Iser beschreibt dies als einen Vorgang, in dem sich das bereits Erfahrene in der Wahrnehmung wie ein Horizont nach hinten verlagert, dennoch präsent bleibt und darüber hinaus gleichsam den Hintergrund für aktuell Wahrnehmbares bildet.343 So ergibt sich ein nahezu räumliches Gebilde, bei dem »einiges hervortritt, anderes zurücktritt, wie bei einem Relief, das ähnlich wie die Relevanz sprachlich auf das lateinische Wort relevare (aufheben, abheben) zurückgeht«344 . Die Positionen und derartige Verräumlichungen des Modetextes bedingen eine bestimmte Relevanz des Dargestellten; sie heben hervor, was Mode sein soll: Auf diese Weise wird etwas zum Thema. Was hervortritt, tritt nicht nur aus der Fläche heraus, es bildet auch den Mittelpunkt eines thematischen Feldes, das nach Nähe und Ferne zum thematischen Kern gestaffelt ist.345

So zeichnet sich Mode im Text durch die Synthese346 dieser Positionen als ein Thema ab. Bedenkenswert bleibt, dass die Positionen eine unterschiedliche Gewichtung bekommen, indem sie nämlich bestimmbare Bereiche abgrenzen und zueinander in eine spezifische Proportionalität treten, die allerdings eine gewisse Haltung der Rezipienten widerspiegelt: [B]eim Lesen verleihen auch wir dem Text eine gewisse Haltung, und deshalb ist er lebendig, diese Haltung, die wir erfinden, ist jedoch nur möglich, weil zwischen den Elementen des Textes eine geregelte Beziehung, kurz, eine Proportion besteht.347

Es gibt also auf Seiten der Rezipienten einen Spielraum, das Thema zu konturieren. Die Art und Weise, wie die Rezipienten, die »immer diesseits

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Vgl. VOGUE 9/2006, 278 u. 285. Vgl. Iser 1994, 189. Waldenfels 2004, 102; vgl. Barthes 2006b, 34ff. Waldenfels 2004, 102. Interessanterweise geht das, was nicht Thema ist, nicht ganz verloren. Es verbleibt vielmehr am Rande der Aufmerksamkeit, ist also noch da, obwohl es nicht Teil des Ganzen ist. Isers Horizontkonzeption hingegen sieht für diese Reste keinen Ort vor. Sie sind jedoch auch Teil des Konstitutionsprozesses der Mode, da sie als Ränder gewissermaßen jene Konturen bilden, die identifizierbare Positionen benötigen, um sich voneinander abzusetzen. Wäre es möglich, diese sogenannten Ränder entgegen der Intention eines Modetextes ins Zentrum zu rücken? Vgl. Iser 1994, 219ff. Iser geht beim »Bildcharakter der Vorstellung« (ebd.) davon aus, dass es »passive Synthesen« (ebd., 220) gibt, die dieser Art vorgelagert sind: »Der zentrale Modus passiver Synthesen ist das Bild.« (Ebd.) Da hier jedoch die simultane Anwesenheit von Text und Bild vorausgesetzt wird, steht ein derart vorgelagertes Bilderdenken nicht im Fokus. Barthes 2006a, 31f.

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des Textes«348 stehen, diesen Raum besetzen und auszufüllen wissen, bezeichnet Wolfgang Iser als Leserblickpunkt: »Auf diese Position muss der Text Einfluss nehmen, um den Leserblickpunkt in einer bestimmten Weise ins Spiel zu bringen.«349 Der Text bietet demnach eine bestimmte Lesart an, die zu einer bestimmten Sinnkonstitution führen soll. Im Text selbst findet sich so etwas wie eine funktionale Disposition350 , die im Akt der Rezeption den Handlungsort der Rezipienten markiert. Der Leserblickpunkt kennzeichnet den Raum im Modetext, in dem Mode als Sinn im Zusammenspiel aller Ebenen konstituiert wird. Iser spricht an anderer Stelle auch von der »Feldstruktur des Leserblickpunktes«351 . Das Feld ist ein überaus geeignetes Bild für den Aktionsraum, den die Rezeption des Modetextes erschließt: offen und weit genug für eigene Vorstellungen und Ideen, gleichzeitig jedoch klar umrissen und eindeutig bestimmt in seiner Funktion, Mode zu konstituieren, ähnlich einem Spielfeld. Die Punkte, die markiert, die Positionen, die bezogen und die Perspektiven, die eingenommen werden können, bedürfen einer bestimmten strukturalen Unbestimmtheit, einer gewissen Dezentrierung des Sinns.352 Denn Mode wird durch den Text nicht einfach ausgesagt, im Text gelesen oder im Bild erkannt. Die Konstitution der Mode als Sinn des Modetextes setzt sich aus vielen disparaten LEERSTELLEN zusammen, die nur durch den Akt der Rezeption verbunden und in der strukturalen Beschaffenheit des Ikonotextes, nämlich seiner spezifischen Bild-Text-Relation sichtbar werden.353 Die Leerstelle zeichnet sich im Kern durch »die Besetzbarkeit einer bestimmten Systemstelle im Text durch die Vorstellung des Lesers«354 aus. Die Vorstellung der Rezipienten ist demnach sinnkonstitutiv. Mode wird somit auch von ihren Rezipienten gemacht, indem diese die »konstitutive Leere«355 des Systems der Mode nutzen und selbst füllen. Und während Iser sagt, »[d]iese Kluft indes begründet erst die Kreativität der Rezeption«356 , ist für Barthes die so verstandene Leere »eher das Neue, die Wieder-

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Iser 1994, 246. Es ist auf den Unterschied zwischen Leserblickpunkt und dem wandernden Blickpunkt hinzuweisen (vgl. ebd., 193). Der wandernde Blickpunkt ist demnach als ein Wechsel der Perspektiven und Positionen auf inhaltlicher Ebene zu sehen. Ebd. Iser spricht von »Publikumsdispositionen« (ebd., 248) und der daraus abgeleiteten so genannten »Leserfiktion« (ebd.) des Textes. Ebd., 305. Vgl. Barthes 2006e, 80. Zur ›Leerstelle‹ im literarischen Text vgl. Obermayr 2004, zur ›Leerstelle‹ in der Fotografie vgl. Huber 2000 u. zur ›Leerstelle‹ in der Videokunst vgl. Becker 1999. Iser 1994, 284. Ebd., 263. Ebd., 176.

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kehr des Neuen (das Gegenteil der Wiederholung)«357 . Die Leerstelle bezeichnet eine Stelle im Text, an der sich ein Bruch im Kontinuum seiner Form oder auch seines Inhaltes, ein Sprung zum Bild, eine Störung der Materialität etc. abzeichnet.358 Darin zeigt sich eine gewisse Paradoxie, denn erst diese Freiräume, die das Wahrnehmungskontinuum durchbrechen, ermöglichen gleichzeitig das Erfassen des Textes: »Leerstellen sind als ausgesparte Anschließbarkeit der Textsegmente zugleich Bedingungen ihrer Beziehbarkeit.«359 Sie werden bedingt durch die Struktur des Textes und bedingen gleichzeitig seine Kohärenz.360 So lässt sich mit Barthes sagen, »den Text allein gibt es nicht«361 , denn seine Leerstellen markieren »unmittelbar einen Zusatz an Sinn«362 . Dieser Zusatz ist beim Modetext zudem durch das Bild gegeben. Es gibt dort Freiräume, die gewissermaßen das Bild rahmen, die Bilder und Texte miteinander verbinden.363 Leerstellen bilden die Bindeglieder zwischen Bild und Text und markieren gleichzeitig ihre Unvereinbarkeit, die Kluft zwischen ihnen. Die Frage, ob »die geschriebene Mode im übrigen nicht auch eine Literatur«364 sei, hängt, wie gezeigt wurde, vom zugrunde gelegten Begriff der Literatur ab, den Julia Bertschik beispielsweise »im dazu um Journale, Lexika und Anstandsbücher notwendig erweiterten Kontext«365 verortet. Texte der Mode können als verbal-schriftliche Äußerungen über Mode in diesem Sinne als Literatur aufgefasst werden. Sie können jedoch auch um das Bild und ihre gemeinsame Wahrnehmungsebene erweitert werden und sprengen somit jene Eingrenzungen von Literatur. Sicherlich lassen sich die Texte aus Modezeitschriften mit literarischen Analysemethoden untersuchen, sie greifen jedoch zu kurz, wenn sie nicht jene hier dargelegten Relationen zum Bild erfassen. Modetexte sind keine Beschreibungen, weder eines Kleidungsstückes, noch eines Bildes.366 Modetexte sind Modeschreibungen. Denn in der Modezeitschrift wird Mode durch den Text konstitu-

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Barthes 2006e, 80. Barthes beschreibt eine noch weiterführende Lesart eines Textes, die hier nur angemerkt wird, da sie meines Erachtens eine noch autonomere Art des Lesens bezeichnet, die in der Rezeption von Modezeitschriften aus eigener Erfahrung durchaus verbreitet ist: »Ist es Ihnen noch nie passiert, dass Sie beim Lesen eines Buchs nicht aus Desinteresse, sondern, im Gegenteil, aufgrund von Gedanken, Erregungen und Assoziationen in ihrer Lektüre ständig innehalten? Mit einem Wort, ist es Ihnen nicht passiert, dass Sie aufblickend lesen?« (Barthes 2006a, 29.) Iser 1994, 302. Vgl. ebd., 303f. Barthes 2006a, 31. Ebd. Vgl. Iser 1994, 306. Barthes 1985, 22f. Bertschik 2005, 6. Vgl. Barthes 1985, 22.

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iert, indem er auf bestimmte Art und Weise geschrieben wird. Der Text schreibt gewissermaßen Mode, unabhängig davon, was er beschreibt. In diesem Sinne Modetexte als Literatur zu betrachten, heißt dann auch, Literatur anders zu sehen, und zwar nicht mehr als »Beschreibung (da bisher Literatur vorwiegend das hatte sein wollen)«367 . Literatur liefert vielmehr ein Modell, ein bestimmtes Verständnis, wie Form und Inhalt zueinander in Beziehung gesetzt werden können; und dieses Modell kann auch von Modetexten übernommen werden. Barthes Einschränkung der geschriebenen Mode – und zwar, dass die »Modeaussage […] nicht zur Literatur gerechnet werden [kann], da sie in einer ganz simplen Schreibweise aufgeht«368 – lässt sich nun in einem anderen Licht sehen. Die Texte der Mode sind nicht nur als Nachahmungen der Literatur anzusehen, denn es stellt sich vielmehr die Frage, welche Rolle das Literarische an sich bei der Konstitution von Mode spielt. Indem der Modetext die Literatur als zu imitierendes Modell zugrunde legt, nutzt er dessen Potenzial Sinn zu stiften; er stellt so eine Form-Inhalt-Relation her, um Mode zu generieren. Die Imitation des literarischen Modells durch die Mode muss als eine eigenständige funktionale Form der Mode verstanden werden und ist keinesfalls simpel, da sie auf vielfältige Weise das Bild und die Rezipienten einbezieht. Sie imitiert in Teilen die Funktionen der Literatur, um in einem anderen Zusammenhang etwas ganz anderes zu konstituieren, nämlich Mode. Literatur hingegen kann Mode als Bedeutung nicht konstituieren, sondern nur in ihrer vestimentären Bedeutung beschreiben. Mode und Literatur sind deshalb ähnliche Funktionssysteme, weil sich die Mode bestimmter Strategien der Literatur bedient. Somit ist nicht die Eingangsfrage, ob Modetexte Literatur sind, von Relevanz, sondern die folgende rhetorische Frage von Diana Vreeland, einer der bedeutendsten Chefredakteurinnen der amerikanischen VOGUE (1963-1970), zeigt in sich vielmehr die anvisierte Antwort auf: »Where would Fashion be without literature?«369

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3.4 Die Modezeitschrift Wie sich bereits bei der Frage nach der Modeliteratur keine einheitliche Antwort abzeichnete, so wird auch ein eindeutiger Definitionsversuch der Modezeitschrift scheitern müssen, da bereits die Grenzen des Begriffs ›Zeitschrift‹ nicht klar zu ziehen sind. Deshalb und in Hinblick auf einige sehr umfangreiche historiografische Einzeluntersuchungen der frühen 367 368 369

Barthes 2006l, 65. Barthes 1985, 233. Zit. n. Borelli 1997, 247.

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Modezeitschriften370 , ist es letztlich angebrachter, die so genannten Modezeitschriften eher als Kulturzeitschriften für die Frau zu präzisieren, was auch die Analysen im Einzelnen klar herausstellen. Entsprechend sind zur Eingrenzung des Begriffs ›Modezeitschrift‹ vor allem der spezifische Inhalt und das Zielpublikum entscheidend. Da Mode heute in vielen Zeitschriftentypen vorkommt, wird im zweiten Teil dieses Kapitels die Modestrecke als ein spezifisches Format für Mode in Zeitschriften dargestellt. Und da Mode in der Zeitschrift immer in Form von Bild und Text vorliegt, gilt es dann in einem dritten Schritt die Modestrecke prototypisch als Ikonotext371 zu verstehen und in ihren besonderen Merkmalen herauszustellen.

Was ist eine Zeitschrift? »Die Zeitschriftenforschung kann bis heute die Frage nicht zufrieden stellend beantworten.«372 – Da es diverse, einige jedoch nur im Detail divergierende Definitionsansätze des Begriffs ›Zeitschrift‹ gibt und die Zeitschriftenforschung »bislang unverhältnismäßig stark vernachlässigt«373 wurde, so Edigna Menhard und Tilo Treede in ihrem Einführungsband zur Zeitschriftenforschung, kann mit Wolfgang Duchkowitsch eigentlich nur das »Fehlen eines allgemein anerkannten Zeitschriftenbegriffs«374 festgestellt werden. Bezeichnenderweise lautet der Titel seines Aufsatzes, in dem er das Problem eindringlich historiografisch schildert: »Um zu erfassen, was schwer zu fassen ist. Zur Bilanz der Mühe, Zeitschrift zu definieren«375 . Um den Gegenstand überhaupt begrifflich fassen zu können, wird hier der eher allgemeine Definitionsansatz von Menhard und Treede zu Grunde gelegt: Zeitschriften sind Druckwerke, haben einen eingeschränkten Leserkreis und sind nicht so aktuell wie Tageszeitungen. Der Inhalt ist auf bestimmte Themen begrenzt und die Erscheinungsweise zwar regelmäßig, aber in größeren Abständen als bei der Zeitung.376

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Eine Zeitschrift ist demnach ein Printmedium, obwohl der Begriff auch auf eine elektronische Zeitschrift angewendet wird. Sie kann regelmäßig oder unregelmäßig erscheinen, in gebundener, gehefteter, immer ähnlicher oder gleicher Form. Der Begriff ›Magazin‹ wird meist synonym gebraucht. In Abgrenzung zur Zeitung, die tendenziell aktuellere Nachrichten liefert,

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Vgl. z.B. Borchert / Dressel 2004, Kröll 1978, Bleckwenn 1980 u. zur Übersicht Kleinert 1980 u. Ackermann 2005. Vgl. Montandon 1990. Menhard / Treede 2004, 15. Ebd. Duchkowitsch 2001, 17. Ebd. Menhard / Treede 2004, 17.

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bietet die Zeitschrift meist Hintergrundinformationen und ausführlichere Berichterstattung, die Übergänge sind jedoch fließend. Die Zeitschrift ist meistens nicht regional begrenzt, mit Ausnahme der Stadtzeitschriften, und überwiegend in höherem Maße mit Bildern versehen. Sie wird allgemein als periodisches Presseerzeugnis und Leitmedium bezeichnet.377 Es gibt verschiedene Zeitschriftentypen, z.B. Fachzeitschriften, Kundenzeitschriften oder Publikumszeitschriften, die sich wiederum in eine Vielzahl von unterschiedlichen Zeitschriftensegmenten aufteilen. Die Publikumszeitschrift zeichnet sich durch eine hohe Reichweite und Auflage aus und finanziert sich überwiegend aus Anzeigen. Das Angebot lässt sich nach Zielgruppen und Inhalten ausdifferenzieren, so z.B. Frauenzeitschriften und Programmzeitschriften.378 Besonders schwierig ist eine klare Definition bei der Modezeitschrift, denn sie taucht in den Kategorisierungen der Printmedien als eigener Zeitschriftentypus gar nicht auf und wird meist den Frauenzeitschriften subsumiert. Erschwerend kommt hinzu, dass heute viele Lifestyle-Magazine und Männerzeitschriften der Modekleidung breiten Raum widmen, und dass keine klare definitorische Grenzziehung zwischen Frauen- und Modezeitschriften existiert. Die Feststellung, dass sich die »trendbewusste Frau […] zwischen Dutzenden von Modezeitschriften entscheiden« 379 kann, ist dafür bezeichnend und im Rahmen der einleitenden Kapitel von Menhard und Treede besonders verwirrend, da in dieser Einführung in das Zeitschriftenwesen eigentlich eine Engführung des Zeitschriftenbegriffs erreicht werden soll. Die Modezeitschrift als Zeitschriftentypus taucht dort in der weiteren Bestandsaufnahme gar nicht auf, wohingegen Frauenzeitschriften detailliert beschrieben werden. Es stellt sich deshalb vor allem die Frage, ob nicht Inhalt und Zielpublikum in der Bezeichnung dieses Segments einfach vermischt werden, denn zweifellos ist ein großer Teil der Frauenzeitschriften der aktuellen Modekleidung gewidmet. Ein kurzer Blick auf die geschichtliche Entwicklung der Zeitschrift zeigt allerdings, dass es zwei parallele Entwicklungen zu geben scheint. Und zwar berichtet einerseits Bea Abadas in Spielball der Mode. Von der ersten Frauen- zur Modezeitschrift von der thematischen Verschiebung bei den ersten Frauenzeitschriften, die als Organe der Bildung und Erbauung der Frau in der Gesellschaft gedacht in der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Schwerpunkt von der Darstellung der gesellschaftlichen Konventionen zur Empfehlung bestimmter Modekleidung verlagerten. Als Beispiel für eine 377 378

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Vgl. Venohr 2009b. Als ein weiteres Segment wird auch die Special-Interest-Zeitschrift genannt, das z.B. das Lifestyle-Magazin oder die Popkultur-Zeitschrift umfasst. Es handelt sich um eine Spezifizierung der Inhaltsebene der Zeitschrift (vgl. Ortner 2001). Menhard / Treede 2004, 15.

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der ersten Frauenzeitschriften nennt sie Die vernünftigen Tadlerinnen380 , die in den Jahren 1725-1727 wöchentlich erschien. Abadas sieht den Ursprung der Modezeitschriften in diesen frühen Frauenzeitschriften und präzisiert: Modezeitungen oder -zeitschriften werden definiert als periodische Publikationen, die einem großen Leserkreis zugänglich sein sollen und im Inhalt nach Text und Bild mittelbare und unmittelbare Modethemen veranschaulichen müssen. Sie zeigen hauptsächlich den Wandel der Mode auf, bringen häufig aber daneben auch Themen von allgemeinem Interesse.381

Andererseits zeigt Anna Zika in Ist alles eitel? – Zur Kulturgeschichte deutschsprachiger Modejournale zwischen Aufklärung und Zerstreuung 1750-1950 die Entwicklung der Modezeitschrift für die Frau aus der Tradition solcher Periodika wie dem Journal des Luxus und der Moden auf, die auch das männliche Publikum anvisierten. Sie sieht den Grund für die Veränderung der Zielgruppe in der Entwicklung des Bürgertums und der damit verbundenen Veränderung der gesellschaftlichen Rolle der Frau: Ende des 18. Jahrhunderts richteten sich Periodika wie das Journal des Luxus und der Moden selbstverständlich noch an beide Geschlechter, bis die Beschäftigung mit Mode im 19. Jahrhundert mehr und mehr zu einer reinen ›Frauensache‹ wurde.382

Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass die Übergänge sowohl in der inhaltlichen Konzeption der Hefte als auch in der Fokussierung des Zielpublikums fließend sind.383 Gleichzeitig gilt es das breite Spektrum von Kultur- und Literaturzeitschriften zu beachten, das für die Ausprägung der heutigen Publikumszeitschrift entscheidend ist. Für Lore Krempel, die 1935 mit Die deutsche Modezeitschrift384 aufgrund der definitorischen Differenzierung des Gegenstandes ein Grundlagenwerk für die modetheoretische Zeitschriftenforschung in Deutschland geschaffen hat, führen beide Entwicklungen zusammen ungeachtet ihres Ursprungs zur »gemischten Modezeitschrift«385 :

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Das Endergebnis beider Wege ist meist dasselbe, es lässt sich dann nicht mehr entscheiden, welches der Ausgangspunkt war, die reine Modezeitschrift, oder die rein literarische Zeitschrift.386

Dass sich diese Mischform heute noch in der typischen Frauenzeitschrift wieder findet, zeigt erneut, dass sich die Modezeitschrift nicht eindeutig von der Frauenzeitschrift trennen lässt. Mode muss vielmehr als ein Thema 380 381 382 383 384 385 386

Die vernünftigen Tadlerinnen 1725-1727. Abadas 1996, 35. Zika 2006, 272. Vgl. Lehmann 1914. Krempel 1935. Ebd., 104. Ebd., 105.

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der Frauenzeitschrift verstanden werden.387 In der Beschreibung dieses Zeitschriftentyps durch Krempel heißt es entsprechend: Sie enthält Bilder von Kleidermodellen, Modeberichte, Beschreibung der abgebildeten Kleidermodelle, kleine Aufsätze über Mode, Schmuck, Kosmetik, ferner meist einen Roman in Fortsetzungen, Novellen, kleine Skizzen, Humor, Haushaltecke und dergl. […] Sehr oft sind sie mit einer Frauenzeitung verbunden, was sich schon im Titel ausdrückt […]. Viele davon wollen geschmacksverbessernden Einfluss ausüben und stellen die Mode bewusst unter einen Kulturmaßstab.388

Der Titel richtet sich also direkt an das Zielpublikum und zeigt nach Zika auch die jeweilige Intention der Zeitschrift an. So lässt sich am Ende des 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine Entwicklung von der autoritären, tonangebenden und nationalen Konventionsvorgabe (z.B. Die Damenwelt, Das Blatt der Hausfrau oder Die deutsche Elite) zur beratenden Freundin und Wegbegleiterin (z.B. Hella, Freundin und Brigitte) aufzeigen.389 Gleichzeitig verschiebt sich der intentionale Fokus vom zu vermittelnden Kulturgegenstand Mode zur modeinteressierten Konsumentin Frau. Die Zeitschrift als ursprünglich autoritäres Modeorakel der Frau wird verstärkt zu einer Art Konsumanleitung für die selbstbewusste Leserin. Leslie Rabine formuliert diesen entscheidenden Wandel wie folgt: Die Veränderungen in Modejournalen zwischen 1960 und 1980 – von Zeitschriften, die Leserinnen zeigen, was sie zu tragen, zu sagen und aufzutischen haben, hin zu Zeitschriften, die ihnen zeigen, wie sie sich in verschiedenen Stilen kleiden können – bringen einen grundlegenden Wandel zum Ausdruck. Abgesehen davon, dass die narzisstische Verführung der Modejournale gewachsen ist, repräsentieren sie den Übergang von einer impliziten Leserin, die unkritisch eine etablierte soziale Rolle nachahmt, zu einer Leserin, die ihr Selbst durch die Erweiterung theatralischer Rollen, die der kluge Gebrauch von Kostüm und Maskerade ermöglicht, erst hervorbringt.390 387

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Vgl. Völkel 2006. Bei Völkel findet kein Definitionsversuch statt: Die Begriffe ›Frauenzeitschrift‹ und ›Modezeitschrift‹ werden nahezu synonym verwendet, obwohl die Mode gleichzeitig als eine Rubrik unter anderen bezeichnet wird und in einem eigenen Kapitel mit dem Titel »Das Frauenbild in der Modezeitschrift« explizit gemacht wird. Sie umgeht eine klärende Begriffsbestimmung mit folgender Aussage: »Der Inhalt der Modezeitschrift wurde und wird noch heute in erster Linie auf die Bedürfnisse und Interessen der Frau ausgerichtet, wobei der inhaltliche Schwerpunkt auf dem Bereich der Mode liegt.« (Ebd., 150.) Mit den Zeitschriften Brigitte, Freundin etc. untersucht sie eindeutig die Modekleidung in Frauenzeitschriften. Krempel 1935, 104. Die Begriffe ›Zeitschrift‹ und ›Zeitung‹ sind bei Krempel nicht voneinander abgegrenzt und z.T. synonym verwendet. Vgl. Bertschik 2002 zur Mode in der Zeitschrift im Nationalsozialismus. Rabine 1994, 62. Mode wird von ihr als machtvolles symbolisches System dargestellt, das ein mögliches Selbst der Frau nicht ausdrückt, sondern produziert. Anhand der Untersuchung von Modemagazinen von den 60ern bis zu den 90ern wird ein gravierender Wechsel der visuellen und verbalen Modeaussagen im Jahr 1968 konstatiert, der sich in drei Bereiche einteilt: Look, Realitätsbezug und Selbst-Reflexivität. Die dargestellten Visionen der Mode divergieren zwi-

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Dies zeigen insbesondere soziologische Untersuchungen von Frauenzeitschriften wie beispielsweise die von Anna Gough-Yates, die die Rolle der Frau als Lifestyle kreierende Konsumentin hervorhebt, oder von Ellen McCracken, die in den Frauenzeitschriften ein Mittel zur Absatzsteigerung von Konsumgütern durch das Erwecken von weiblichem Begehren sieht.391 Sicherlich ist eine Einflussnahme auf die Leserschaft auf Produktionsseite intendiert, inwieweit jedoch eine Zeitschrift ein Rollenbild gänzlich erschafft oder nur verbreitet, ist kaum zu sagen.392 Krempel formuliert es so: In welcher Richtung die Modezeitschriften auf das jeweilige Frauenideal eingewirkt haben, ist nicht leicht festzustellen. Hat sich die Zeit ihr Frauenideal geschaffen und ist es in die Modezeitschrift übergegangen, oder hat das Idealbild der Modezeitschrift das Frauenideal bestimmt? Sicher kann man wohl nur sagen, dass durch die Zeitschriften das jeweilige Frauenideal volkstümlich gemacht wird.393

Die Konstruktion und Verbreitung von Frauenbildern durch Modezeitschriften ist deshalb ein Diskurs, der die Konstitution von Mode genau in dem Punkt berührt, in dem Mode als Konsumgut und die Frau als Konsumentin verstanden wird.394 Für die Frage, wie Mode in der Zeitschrift vermittelt wird, ist deshalb vor allem die Tatsache des Konsumierens an sich relevant und wie bereits die Rezeption einer Zeitschrift gewissermaßen als Konsum, d.h. im Sinne Gernot Böhmes als kreative Aneignung und auch als Produktion angesehen werden kann. Die intentionale Einflussnahme und Manipulation wird dadurch in gewissem Maße eingeschränkt und relativiert, da ein schöpferischer Prozess auf Seiten der Leserschaft vorausgesetzt werden muss, der eine direkte autoritäre Beeinflussung vereitelt.395 Willy Fleckhaus bringt an dieser Stelle der Überlegungen eine neue Sichtweise ins Spiel, die insbesondere für Zeitschriften gilt, für die er jahr-

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schen Fantasie und Realität. Der Körper der Frau wird zum Träger dieser Dichotomie und somit zum vermittelnden Bindeglied. Mode wird von Rabine als ein Beispiel für Fetischismus im Sinne Derridas untersucht. Vgl. Gough-Yates 2003 u. McCracken 1993, zur Funktion der Absatzsteigerung vgl. Ackermann 2004. Vgl. Kawamura 2005, 79-82. Kawamura beschreibt in »Gatekeepers: Making Aesthetic Judgements« (Unterkapitel zu Kapitel 5: »Production, Gatekeeping and Diffusion of Fashion«) ausführlich die entscheidende Rollen von Modejournalisten und Moderedakteuren bei der Produktion einer Zeitschrift, gemäß dem Motto der Branche: In ist, was drin ist. Krempel 1935, 107f. Zur unlösbaren Verbindung von Mode, Körperbildern und Geschlecht seit den Anfängen der Modeberichterstattung vgl. Mentges 2004, 57-71. Es stellt sich die Frage, inwieweit dieser Prozess durch die Kategorie ›Gender‹ bestimmt ist. Von großem Interesses wäre auch die Frage nach einem möglicherweise genderbasierten Konsumverhalten, d.h. wer konsumiert was, warum und inwiefern dieses Verhalten durch ein gesellschaftliches und kulturelles Geschlecht determiniert ist. Es gilt jedoch den modetheoretischen Betrachtungsrahmen um die Genderthematik zu verkürzen, um einen fokussierten Blick auf das Phänomen Mode in der Zeitschrift zu werfen (vgl. u.a. Barnes / Eicher 1993).

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zehntelang als Art Direktor gearbeitet hat: »[Ei]ne Zeitschrift ist etwas Dreidimensionales, eine Zeitschrift ist nicht Höhe mal Breite, sie ist mehr, sie ist ein Erlebnis.«396 Er spricht vor allem von der Typografie, die nicht nur aus Buchstaben bestünde, sondern erst im Zusammenspiel mit den Bildern die Mode in der Zeitschrift erfahrbar mache. In diesem Sinne stellt auch Ruth Bleckwenn in ihrer Veröffentlichung zur Gazette du Bon Ton. Eine Auswahl aus dem ersten Jahrgang der Modezeitschrift fest, dass es auf den Inhalt der kleinen Modetexte gar nicht ankomme, sondern vielmehr auf die Art und Weise ihres Erscheinens: »Unser Auge aber sprechen diese Texte durchaus an, denn es erfasst nicht nur Buchstaben, sondern eine ausgewogene Einheit von kleinen Bildern und klarer Schrift.«397 Das Erscheinen der Mode in Zeitschriften zeigt sich in verschiedenen Rubriken, Themenbereichen und Formaten, die sich jeweils durch ein spezifisches Zusammenspiel von Bild und Text auszeichnen. Einer der wichtigsten und prägnantesten Schauplätze der Mode in der Zeitschrift ist die Modestrecke. Betrachtet man sie isoliert als eine bestimmte Form, Mode im Printmedium Zeitschrift zur Erscheinung zu bringen, tritt die Kategorisierungs- und Definitionsproblematik von Modezeitschriften in den Hintergrund, da das Format Modestrecke in vielen verschiedenen Zeitschriftentypen präsent ist.398 Deshalb gilt es vor allem das Spezifische dieser Erscheinungsform der Mode in Zeitschriften herauszustellen.

Zeitschriften und Mode In Untersuchungen zu Mode und Kleidung oder auch zur Rolle der Frau in Zeitschriften wird bislang nicht zwischen bestimmten Darstellungsformen unterschieden, obwohl gerade bei Textformen wie Kommentar, Glosse oder Interview auch die Form unmittelbar den Inhalt bestimmt. Entsprechend liegt auch für die unterschiedlichen Aussageformen von fotografischen Modebildern, wie z.B. die Aneinanderreihung von ModenschauShots, Schnappschüssen von prominenten Frauen in Kleidern berühmter 396 397 398

Koetzle 2006, 102. Bleckwenn 1980, 155. Vgl. Jobling 1999. Jobling hat in seiner Analyse auch herausgestellt, dass die Modestrecke ein Format ist, das sich nicht nur in diversen Zeitschriftentypen (eingeteilt nach der Leserschaft in überwiegend weiblich, jung oder männlich) finden lässt, sondern auch jeweils spezifische Inhalte hat. Gleichzeitig hebt er bei der Wahl der Zeitschriften hervor, dass eine klare Definition der einzelnen Publikumszeitschriften nicht möglich ist: »Moreover, in carving out three different categories of magazine, I do not mean to imply that such boundaries are always so watertight, nor that the readers of one are entirely unaware of or do not consume the others.« (Ebd., 7.) Eine eindeutige Definition von Modezeitschriften lässt sich jedoch auch bei Jobling nicht finden, obwohl er den Terminus ›fashion magazine‹ verwendet.

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Mode-Designer auf Szene-Events oder inszenierte Modefotografie im Rahmen von Modestrecken, bislang keine grundlegende Untersuchung vor. Obwohl jede dieser vielfältigen Erscheinungsformen von Mode in Bild und Text einer Zeitschrift ihren Inhalt anders determiniert, unterschiedliche Aussagen über Mode trifft und Mode besonders wirken lässt. Vor allem aber kommt es in jedem dieser Fälle in unterschiedlichem Maße zu einem Zusammenspiel von Text und Bild: Der Text kann erläuternden, hinweisenden oder ergänzenden etc. Charakter haben, und das Bild kann illustrativ, informativ etc. sein, oder aber auch wie bei den ModenschauShots nahezu ohne Text auskommen. In der modetheoretischen Forschung ist bislang nur am Rande sowohl auf einzelne Darstellungsformen von Text und Bild, als auch insbesondere auf ihre Relation eingegangen worden.399 Es gibt nur einige wenige Untersuchungen zu unterschiedlichen Modetextformaten und auch zu bestimmten Modebildern, eine grundlegende Kategorisierung jedoch liegt nicht vor. Bei diesen Untersuchungen steht immer entweder der Text oder das Bild im Mittelpunkt des Interesses.400 Entsprechend ist eine so umfängliche Untersuchung wie die von Hanspeter Ortner von 1981 über den Wortschatz der Mode401 , die zwar eine klare Definition des spezifischen Texttypus, der Kommunikationskonstellation und Beschreibung einzelner Sprechakte in Modezeitschriften von 1960 bis 1974 darstellt, nur bedingt aussagekräftig für die Frage nach der Konstitution von Mode, die sich eben nicht nur im Rahmen der verbalen Äußerungen abspielt. Denn obwohl er in seiner Analyse zwar die »besondere Art der Verschränkung von Text und nichtsprachlichem Kontext«402 anmerkt, und feststellt, dass spezifische »Identifikationselemente (Ziffern neben der Abbildung und am Beginn des jeweils darauf bezogenen Textes, deiktische Elemente wie rechts unten am Beginn des Textes und grafische Zeichen)«403 die Bezüge der Texte auf die

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Vgl. Volkert 1992, 424f. Sie stellt deutlich heraus, dass es zwischen Bild- und Textebene zu unterschiedlichen und z.T. gegenläufigen Aussagen kommt. Die Bilder liefern demnach die aktuelle modische Information und die Texte die moralische, gesellschaftliche etc. Verhaltenskonvention. Vgl. Jobling 1999 u. König 2006. Eine Ausnahme bilden die Ansätze von Jobling, der sich intensiv mit der Modestrecke in verschiedenen Publikumszeitschriften auseinandergesetzt hat, und von König, die eine klare Unterscheidung von Textformen in der VOGUE anhand der Kategorie ›content‹ vorschlägt. Auf beide Arbeiten wird in der Folge noch ausführlich eingegangen. Ortner 1981. Ebd., 38. Ebd. Einführend findet sich ein Hinweis, der gerade die relationale Dimension der Modetexte einschränkt: »Bei den Zitaten aus den Modezeitschriften können Besonderheiten der typographischen Textgestaltung im Original nicht berücksichtigt werden. Zusätze oder Einschübe in Sätzen des Originals werden beim Zitieren in dieser Arbeit meist weggelassen, sofern sie nur Angaben darüber enthal-

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Bilder strukturieren, sieht er in den Texten lediglich »schematisierte, konventionelle Formulierungsmuster für bestimmte Textintentionen«404 . Er erkennt keine bestimmten textuellen Verweisungsmuster in Bezug auf das Modebild. Insgesamt geht er in Anlehnung an Barthes’ Sprache der Mode von einem direkten Bezug des Textes auf das reale, nicht das dargestellte Kleidungsstück aus. Aber obwohl beide, Barthes und Ortner, dem Bild eine größere Wirkmacht in Form eines weiten Assoziationsspielraums auf Seiten der Betrachter einräumen und den Text als seine Präzisierung und seine Erweiterung ansehen, zeigen sie nicht auf, wie dies geschieht. Sie beschreiben die Transformation eines Kleidungsobjekts in Sprache, nicht aber die sprachlichen Bezüge auf das real vorliegende Objekt, auf das im Text Bezug genommen wird: das fotografische Modebild. Das tatsächliche Zusammentreffen von Bild und Text in der Zeitschrift bleibt vollkommen unberücksichtigt. Mode jedoch entsteht nicht durch die bloße Transformation von Kleidung in Sprache. Mode ereignet sich im Rahmen der Zeitschrift erst in der Relationierung von Text und Bild. Der Beitrag von Laird O’Shea Borelli »Dressing Up and Talking about It: Fashion Writing in Vogue from 1968 to 1993« in der modetheoretischen Fachzeitschrift Fashion Theory versucht die Rolle der verbalen Sprache, in schriftlicher, wie in oraler Form, hinsichtlich der Konstitution von Mode zu stärken.405 Borelli konstatiert, dass der Schwerpunkt modetheoretischer Untersuchungen von Zeitschriften im Bereich der Bildanalysen läge und kommt zu dem Schluss, dass die »importance of language to fashion has been greatly ‚glossed’ over by image clothing«406 . Sie versucht deshalb die Rolle der Sprache erneut hervorzuheben, indem sie die Stimmen hinter den Texten personifiziert, individualisiert und somit bestimmte Schreibweisen von Redakteuren, die die Mode ganzer Jahrgänge von Zeitschriften prägten, herausstellt. Allerdings vernachlässigt sie, indem sie nur die verbalsprachliche Ebene des »Point of View« im Sinne einer Erzählung untersucht, ohne diesen als konkreten Einleitungstext für die Modestrecken zu sehen, somit erneut die Rolle des Bildes im Zusammenspiel mit dem Text. Denn diese Textform funktioniert nur im Zusammenhang mit den ihm folgenden Bildseiten, er eröffnet gewissermaßen den Horizont für das, was kommt. Es reicht deshalb nicht aus, den Text dem Bild zu subsumieren, oder dem Textinhalt eine bildliche Ebene zuzuschreiben, wie es beispielsweise Anne König in ihrem Aufsatz »Glossy Words: An Analysis

404 405 406

ten, wo die besprochenen Gegenstände abgebildet sind, wo sie hergestellt worden sind, wo sie zu kaufen sind oder was sie kosten.« (Ebd., 11.) Ebd., 38. Vgl. Borelli 1997, 248. Ebd.

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of Fashion Writing in British Vogue«407 unternimmt. Auch ihr methodischer Ansatz beschränkt sich auf die Analyse des Textes, obwohl sie anmerkt, dass auch die unterschiedlichen Textformen von jeweils anderen Arten der Fotografie begleitet werden. So findet sich in ihrem modetheoretischen Ansatz zwar ein erweiterter und wesentlich differenzierterer Analyseansatz für »fashion writing«408 , d.h. für journalistische Texte über Modekleidung, nicht aber der notwendige Einbezug der Bilder, auf die sich diese Texte im Rahmen der Zeitschrift fast immer beziehen und von denen sie fast ausnahmslos begleitet werden. Ihre vier Untersuchungskategorien »content, tone, lexicon, and cultural references«409 bleiben entsprechend eindimensional und bilden ohne die Erweiterung um das Bild mitnichten einen geeigneten Untersuchungsrahmen für den Konstitutionsprozess von Mode in der Zeitschrift. Dieses Manko wird insbesondere bei der lexikalischen Kategorie, die den »linguistic style«410 herausstellen soll, deutlich: »Definite and indefinite articles are omitted, and at other times sentences have no verbs, factors which combine to generate the sense of mythic rather than a real garment.«411 König kann nur deshalb von einem so genannten »›word salad‹«412 ausgehen, weil sie nicht beachtet, dass es gerade das Modebild ist, das diesen so genannten Salat zu einer ganz anderen, spezifisch ikonotextuellen Ordnung formt. Denn die Leerstellen des Textes lenken den Blick auf das Bild und werden somit um die Erkenntnis der visuellen Wahrnehmung ergänzt. Andererseits ist auch das Bild oder die Bildfolge einer Modestrecke nur zusammen mit dem Text sinnvoll. Und deshalb greift es auch zu kurz, wenn Lehmann den engen Zusammenhang zwar erkennend, aus der Perspektive der Fotografie schreibt: Das Bild selbst liefert uns seinen eigenen Kommentar, der es nach rein materiellen Gesichtspunkten bewertet. Er nennt uns Stoff und Preis. Wir sollen den Text als logische Grundlage des Bildes lesen.413

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Lehmann vernachlässigt das Gesamtgefüge der Zeitschrift und das der Modestrecke, und mitnichten nennt der Text im Umfeld der Modefotografie nur den Stoff und den Preis des dargestellten Kleidungsstücks. Das bereits erwähnte Statement, der »Point of View«414 , das dem Modeteil der VOGUE vorangestellt ist, oder die Headline und das Intro, die die einzelnen Strecken jeweils einleiten oder den Bildern bereits eingeschrieben sind, und

407 408 409 410 411 412 413 414

König 2006. Ebd. Ebd., 210. Ebd., 213. Ebd. Ebd. Lehmann 2002, T17. Vgl. Borelli 2001, 247-259.

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die Nennung der an der Produktion Beteiligten in Textform werden von Lehman nicht berücksichtigt. Auch welche Rolle der Name des Designers oder Labels in diesem Zusammenhang spielt, lässt er außer Acht. Vor allem aber zeigt er nicht die deiktische Relevanz des Textes auf, die sich sowohl in den vorangestellten Kürzeln wie ›rechts‹ oder ›linke Seite‹ oder aber auch durch die Benennung eines bestimmten vestimentären Details selbst zeigt. Für ihn erscheint der Bezug zwischen Text und Bild lediglich in der erläuternden Funktion des Textes, obwohl er neben der oftmals tautologischen Anmutung erkennt, dass es auch zu anderen Arten der Relation kommt: In einer umgedrehten Tautologie muß die Bildunterschrift in Form eines Textes anmerken, was durch die Kamera in Form eines Bildes beschrieben wird. Doch diese Tautologie verwandelt sich oft in ein komplexes Frage-und-Antwort-Spiel, bei dem ein Kleidungsstück im Text beschrieben wird, während es im Bild nicht gleich ins Auge fällt. Oder die Fotografie weist ein hervorstechendes Merkmal oder Detail auf, das in der deskriptiven Bildunterschrift seltsamer- und ärgerlicherweise übergangen wird und somit eine andere Lesart nahe legt als die von der Zeitschrift vorgeschriebene.415

Lehmann orientiert sich in seinem Verständnis des Zusammenhangs von Modebild und -text sehr stark an den strukturalistischen Vorgaben von Barthes. Entsprechend betont er die drei zu unterscheidenden Strukturen von Fotografie, geschriebenem Text und realer Kleidung: Er sieht die fotografische und die verbale Struktur als eine Transformation eines realen Kleidungsstücks an. In der Praxis und in der Rezeption aber bezieht sich der Modetext gerade nicht auf die reale Kleidung, sondern auf das Modebild an sich und auf andere Systeme, wie z.B. das ökonomische durch die Nennung des Preises. Der Text bezieht sich auf das, was Mode ist. Ob es nun ein konkreter Teil der Fotografie, ein Teil der Realität, einer der Zeitschrift selbst oder vielmehr ein allgemeinästhetischer ist, bleibt variabel. Entsprechend ist auch die Modefotografie selbst kein Vermittler eines bestimmten Kleidungsstücks. Sie ist noch etwas anderes als die Transformation von einer Struktur in die andere: Ihre eigenen medialen und materialen Eigenschaften und Funktionen konstituieren zusammen mit denen des Textes erst die Mode in der Zeitschrift. Auch Lehmann scheint dies annähernd zu erkennen, wenn er bemerkt: Das strukturelle Bindeglied zwischen dem fotografierten Kleidungsstück und dem in der Bildunterschrift scheint oft zu fehlen. Es erscheint, wie Barthes es zugespitzt formuliert, als eine reine Kollision zweier Strukturen. Die beiden Realitäten können nicht kongruent sein, und vom Betrachter wird verlangt, dass er zwei verschiedene Darstellungen als zugleich konstituierend für das Modebild akzeptiert.416

415 416

Ebd. Ebd.

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Die Übereinstimmung von Modebild und -text kann nicht vorliegen, weil eben nur beide zusammen als Kombination – gewisserweise in Addition – erst im Rahmen ihrer Rezeption Mode konstituieren. Nur eines von beiden zu betrachten heißt, den Konstitutionsprozess von Mode in der Zeitschrift um Wesentliches beschneiden. Denn so wertvoll diese Analysen im Einzelnen für die Modetheorie sind, es bleibt trotzdem ihr Mangel an Einordnung und Rückbindung an das Konzept einer Zeitschrift, die wesentlich aus Bild und Text besteht.417 Die Kontextualisierung sowohl des Bildes als auch des Textes bedingt deshalb, jeweils das andere und den Rahmen, den die Zeitschrift bildet, mit einzubeziehen. Das »Foto-mit-Unterschrift ist ein Genre der Publizistik«418 , stellt Michael Rutschky in seinem kaum wissenschaftlich fundierten Textbeitrag »Foto mit Unterschrift. Über ein unsichtbares Genre« fest. Er kommt jedoch zu keinem weiteren Erkenntnisansatz, als dass er jenes beschriebene Modefoto dem Kunstwerk mit Titel gegenüberstellt, da es selbst mittlerweile den Anspruch erhebt, auch Kunst zu sein.419 Dass dies jedoch nicht der erste Anspruch der Modefotografie ist, sondern wiederum einer spezifischen Kontextualisierung bedarf, konnte bereits aufgezeigt werden. Deshalb ist ein Zeitschriftenfoto auch kein Foto mit Unterschrift, sondern beide zusammen bilden vielmehr eine Bild-TextKombination, die ihrerseits eine bestimmte Genre- und Formatabhängigkeit aufweist. Obwohl für den Bereich der Modekleidung die Modestrecke das eigentliche Format ist, das häufig in diversen Publikumszeitschriften420 vorkommt, gibt es nur eine spezifische Untersuchung des Gegenstands, in der ihr Verfasser Paul Jobling allerdings wiederum dem Modebild ein größeres Gewicht zuschreibt. Der Titel drückt es bereits aus, es geht um Verbales und Visuelles im Bereich der Modefotografie: Fashion Spreads. Word an Image in Fashion Photography since 1980.421 Er stellt seiner Arbeit das folgende Zitat von Barthes aus Die Sprache der Mode voran:

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Im Bereich der Zeitungsforschung liegen bereits Untersuchungen zur Bild-TextRelation vor, z.B. Liehr-Molwitz 1997; auch in der Werbung, bzw. Kommunikationswissenschaft, wurde die Spezifität der relationalen Aussagekraft bereits erforscht, vgl. z.B. Rentel 2005. Rutschky 1993, 66. Vgl. ebd., 59. Fälschlicherweise geht er davon aus, dass im Modetext keine Preise genannt werden. Vgl. Mann 2002. Es handelt sich um eine Analyse der Modeseiten in der Jugendzeitschrift Bravo zur Entwicklung des Bild-Text-Verhältnisses von den 50er bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. Jobling 1999.

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[D]ie Modephotographie ist ja nicht irgendeine Photographie; sie hat wenig mit der Presse oder gar Amateurphotographie zu tun; sie enthält spezifische Einheiten und Regeln. Innerhalb der photographischen Kommunikation stellt sie eine besondere Sprache (langage) dar, die gewiß ihre eigene Lexik und Syntax besitzt sowie ihre eigenen, verbotenen und empfohlenen ›Wendungen‹.422

Dennoch erkennt Jobling die Untrennbarkeit von Text und Bild bei der Konstitution von Mode in der Modestrecke einer Zeitschrift, untersucht beide Inhaltsebenen immer in Ergänzung zur jeweils anderen und stellt ihre gegenseitige Abhängigkeit heraus: What I am arguing here is not that the photographs should take priority over the captions, for that would merely be to establish another false opposition. Rather, I wish to restate the case that, in deconstructing the meaning of any fashion shoot, we need to decode both words and images in tandem.423

Es bleibt allerdings festzuhalten, dass er nicht deutlich macht, wie dieser enge Zusammenhang zu verstehen ist. Er interpretiert ihn lediglich und sieht Text und Bild in ihrem jeweiligen Potenzial Bedeutung zu vermitteln. Die Beziehung jedoch, die beide untereinander eingehen, ist für ihn einerseits gleichwertig und andererseits sieht er sie als einander entgegengesetzt und ergänzend an: »I want to postulate a dialectic between words and images that seeks not to prioritise the one over the other, but to propound instead their complementarity.«424 Jobling geht demnach von einem gewissen Gegensatz aus, der Text und Bild quasi komplementär in Beziehung setzt.425 Das entspricht in etwa dem zitierten Ansatz von Roland Barthes, der die Modebeschreibung als eine Ergänzung zum Modebild sieht. Dass jedoch beide – Text und Bild – bestimmte Dimensionen der Mode darstellen, die sich erst im Zusammentreffen beider in der Zeitschrift Mode konstituieren, lässt sich bei Jobling nicht ausmachen. Er bleibt vielmehr einem strukturalistisch geprägten Interpretationsansatz verhaftet, den er allerdings ergänzend auf Bild und Text anwendet. Und obwohl er das Potenzial der Leserschaft bei der Konstitution von Mode in dem Text-Bild-Gefüge ansatzweise erkennt und in diesem Zusammenhang bereits Die Lust am Text426 von Roland Barthes als theoretische Bezuggröße heranzieht, trifft er keine Aussage darüber, wie diese andere Ebene der Wahrnehmung aussehen kann, wie sie zustande kommt oder wie sie kenntlich gemacht werden kann. Die spezifische Art und Weise des Erscheinens ist für ihn nicht explizit darstellbar. Indem er ihr Verhältnis als dialektisch und komplementär

422

423 424 425 426

Barthes 1985, 13. Barthes verweist in diesem Zusammenhang in Fußnote 5 auf »Die Fotografie als Botschaft« (1961) und die »Rhetorik des Bildes« (1964), beide in ders. 1990, 11-27 u. 29-46. Jobling 1999, 91. Ebd., 66. Vgl. Rippl 2004, 53. Barthes 1973.

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beschreibt, greifen für ihn beide Strukturen bereits ineinander. Dadurch verschwindet der Raum zwischen ihnen, obwohl in diesem Bild- und Textebene erst in Beziehung gesetzt werden müssten. Es ist somit vielmehr von einem Zusammentreffen zweier eigenständiger Strukturen auszugehen, die gerade nicht in irgendeiner Form kompatibel sind, sondern in einer Art Kollision oder Clash im Prozess der Wahrnehmung selbst eine ganz eigene Verbindung eingehen und erst darin Mode konstituieren. Das Aufeinandertreffen von Bild und Text in der Wahrnehmung selbst bildet deshalb hier die Basis für die Konstituierung von Mode im Ikonotext der Zeitschrift. Dieser Mode konstituierende Ikonotext der Zeitschrift ist die MODESTRECKE, die sich durch folgende spezifische Kennzeichen als ein typisches Format der Zeitschrift fassen lassen: Sie erstreckt sich über mehrere Seiten und besteht aus einigen ganzseitigen und wenigen doppelseitigen Modefotografien, die einen formalen und inhaltlichen Zusammenhang bilden; sie beginnt immer mit einer oft grafisch akzentuierten Überschrift, der ein meist kurzer Einführungstext oder Untertitel folgt; hinzu kommen dann in kleiner Schrift die Produktionsangaben, wenn sie nicht am Ende der Strecke erscheinen; üblich ist es, dass jede zweite Fotografie Bildbeschriftungen oder -inschriften bereithält, die erkennen lassen sollen, welches Kleidungsstück gemeint ist und wie viel es kostet; auch die Herstellernamen finden sich an dieser Stelle und sind oft sogar typografisch hervorgehoben. Zwar variieren diese formalen Kennzeichen von Zeitschrift zu Zeitschrift, je nachdem wie viel Raum der Mode im Rahmen des jeweiligen Zeitschriftentyps eingeräumt wird, insgesamt lässt sich jedoch dieses Format prototypisch als Grundform herausstellen. Grace Coddington wird als die Erfinderin des »Style Essays« bezeichnet, das als modisches Pendant zur Fotoreportage in anderen Zeitschriftentypen gesehen werden kann. In den 1960ern ein sehr gefragtes Model, begann Coddington 1969 bei der britischen VOGUE unter Chefredakteurin Beatrix Miller als Moderedakteurin zu arbeiten. Beide zusammen sind verantwortlich für die Verbreitung und Etablierung dieses neuen erzählenden Stils der Berichterstattung über Mode. Bis 1986 realisierte Coddington in der britischen VOGUE zahlreiche Modestrecken, die sich durch eine besonders stark ausgeprägte Narrativität auszeichnen: This thematic narrative, designed to generate a sense of surprise and glamour, is framed as an epic visual fantasy and often carries a subtext of commentary relating to a cultural event, mood, or celebration.427

Dieses erzählerische Moment der Modestrecke ist heute Bestandteil jedes IkonoModeTextes. Das Style Essay bildet kein eigenes Format, vielmehr ist es ein Meilenstein in der historischen Entwicklung der Modestrecke. Heute

427

Angeletti / Oliva 2006, 263.

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erzählt jede Modestrecke jedem Rezipienten seine eigene Geschichte. Coddington, die das Erscheinungsbild der amerikanischen VOGUE als Creative Director maßgeblich beeinflusst, fasst die ihr zugeschriebene Innovation und die Funktion des Narrativen sehr pragmatisch zusammen: I hate to show just loose, unconnected pieces of clothing. I’d rather show them linked together through a theme or a story. It is more fun, and readers remember the piece better at the time of choosing their own clothes.428

Dass jenes erzählende Moment der Modestrecke jedoch etwas ist, dass sich zwischen Bild und Text abspielt und zwar erst im Auge des Betrachters, ist bislang nicht weiter untersucht oder aufgezeigt worden. Welche Rolle die Mode an dieser dazwischenliegenden Stelle spielt, soll im Folgenden geklärt werden.

IkonoModeText – Medium der Mode Die Modestrecke, wie sie sich in diversen Zeitschriftentypen findet, bildet vor allem in ihrer spezifischen Verbindung von Text und Bild einen für die Mode prototypischen Ikonotext: den IkonoModeText. Es kommt in ihm zu einem vielschichtigen Wechselspiel zwischen Bild und Text, das die gleichberechtigte Betrachtung beider Strukturen in ihrem spezifischen Zusammenspiel nahe legt. Zwischen beiden herrscht keine Hierarchie bei der Konstitution von Mode, vielmehr sind beide nur in ihrer parallelen Disjunktion als ein spezifisches Zusammenfallen wahrnehmbar. Die disjunktive Verbindung von Bild und Text bedeutet, dass beide Strukturen nicht ineinander überführbar sind. Sie sind nicht komplementär, sie ergänzen sich nicht zu einer Einheit. Vielmehr bilden sie ein Ganzes durch eine formale Zusammenfügung, die jedoch zu keiner strukturalen Verbindung führt. Somit schließen sie einander zwar aus, bilden aber dennoch eine scheinbare Einheit. Bild und Text sind nicht in gleicher Weise zusammen wahrnehmbar, sondern gewissermaßen durch ein changierendes Oder eng miteinander verbunden.429 In ihrem nahezu parallelen Wahrnehmen, das gleichzeitig differente Wahrnehmungsebenen betrifft, bilden sie somit eine spezifische Einheit, die sich nicht durch eine bloße Konjunktion beider beschreiben lässt. 430 Ihre prozessual entstehende, scheinbare Einheit ist vielmehr als ein Hybrid zu sehen, der erst durch die rezeptive Performanz

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Ebd., 265. Vgl. Henderson / Hollingworth 1998. Henderson und Hollingworth können belegen, dass es einen spezifischen Unterschied der Betrachtungsweise von Bildern und Texten gibt: Bei Texten herrscht eine geringere Augenbewegung vor und bei Fotografien eine wesentlich sprunghaftere, d.h. die Fixationskurve verläuft bei Texten kontinuierlicher, aufgrund ihrer visuellen Linearität (vgl. 289). Vgl. Siegel 2006, 53.

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im Rahmen der Kollision beider Strukturen entsteht. Das Format Modestrecke in diesem Sinne als Ikonotext zu begreifen heißt deshalb, es als eigenständige Form anzusehen und weder Text noch Bild im Konstitutionsprozess der Mode dominieren zu lassen. Das setzt voraus, dass der Ikonotext als eine disjunktive Einheit von Text und Bild vorliegt, also beide Strukturen gleichermaßen präsent sind. Michael Nerlich beschreibt diese Hybridform in seinem Aufsatz »Qu'est-ce un iconotexte?« wie folgt: [L’]essentiel est que l’intentionnalité de la production vise un artefact conçu comme unité non illustrative, mais dialogique entre texte(s) et image(s), texte(s) et image(s) qui tout en formant en tant qu’iconotexte une unité indissoluble gardent chacun leur propre identité et autonomie […]. 431

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Für Nerlich stellt der Ikonotext eine unlösbare, dialogische Einheit dar, in der Bild und Text sich gerade nicht gegenseitig illustrieren oder erläutern, sondern in der jede Struktur ihre je eigene Aussagekraft und -richtung behält. Da beide Strukturen somit auch zusammen vorliegen müssen, kann Nerlichs Ikonotext-Begriff als eng gefasst und in diesem Sinne auch als relativ präzise bezeichnet werden, was sich insbesondere in Hinblick auf die Abgrenzung zu anderen Formen von Bild-Text-Bezügen wie z.B. der literarischen Visualisierungsstrategie der Ekphrasis als hilfreich erweist.432 Während Peter Wagner in seinem für die Begriffsbildung des Ikonotextes ebenfalls grundlegenden Einführungstext zur Aufsatzsammlung Icons – Texts – Iconotext. Essays on Ekphrasis and Intermediality433 noch sowohl die enge als auch eine weite Begriffsdefinition für möglich hält434 , distanziert er sich in seinem Nachwort zu dem von Silke Horstkotte und Karin Leonhard herausgegebenen Tagungsband Lesen ist wie Sehen. Intermediale Zitate in Bild und Text von der so genannten engen Sichtweise, indem er bezugnehmend auf einzelne Aufsätze festhält, dass »eine Einengung schlichtweg nicht vertreten werden«435 kann. Nichtsdestotrotz liegt dem Ansatz von Horstkotte und Leonhard explizit folgende enge Definition Wagners zugrunde: »[I]conotext refers to an artefact in which the verbal

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435

Nerlich 1990, 268. Vgl. Ette 1998, 103. Er zeigt im Werk von Barthes eine Entwicklung vom ikonotextuellen Schreiben hin zum Verfassen eines Ikonotextes auf. In Bezug auf Barthes’ »Der Eiffelturm« formuliert Ette wie folgt: »Für die hier vorgelegte Analyse gilt es festzuhalten, dass sich die ikonotextuellen Relationen weit jenseits von Kommentar oder Illustration bewegen. Sie bilden eine offene, dialogische, aber unauflösliche Einheit, die über ein ikonotextuelles Schreiben hinaus geht […].« (Ebd., 270.) Wagner 1996. Vgl. Wagner 2006, 212, Fußnote 2. Er formuliert wie folgt: »Ein Ikonotext ist demnach der Gebrauch eines Bildes in einem Text oder umgekehrt, wobei echte Kopräsenz der beiden Medien vorliegen kann […] oder aber lediglich durch die Allusion entsteht, indem zum Beispiel in einem literarischen Text auf ein echtes oder fiktives Bild verwiesen wird.« (Ebd.) Ebd., 212.

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and the visual signs mingle to produce rhetoric that depends on the copresence of words and images.«436 In Hinblick auf die Frage nach der spezifischen Konstitution von Mode im Zusammenspiel von Text und Bild ist insbesondere der enge Definitionsansatz von Nerlich und Wagner relevant, da nur dieser der spezifischen Bild-Text-Relation der Modestrecke gerecht werden kann, die ja gerade auf einer faktischen Kopräsenz von Text und Bild beruht. Silke Horstkotte geht in ihrem Beitrag »Fotografie, Gedächtnis, Postmemory. Bildzitate in der deutschen Erinnerungsliteratur« im oben genannten Tagungsband davon aus, dass gerade diese spezifische Kombination zu einer weiteren Dimension des »dabei resultierende[n] ›interplay‹«437 des Ikonotextes führt: Auf einer zweiten Ebene ist dieses komplexe Arrangement visueller und verbaler Diskurse, das dem Leser in Gestalt der Integration von Fotografie und Text auf der gedruckten Buchseite vorliegt, dann in der Rezeption interpretativ zu integrieren, wobei sich durch die hergestellten Bezüge und in der Kommunikation von Leser und Text/Autor ein Ikonotext zweiter Ordnung ergibt. 438

Während Horstkotte in diesem Zusammenhang insbesondere die Wahrnehmungsperformanz der Rezipienten hervorhebt, indem sie ihre interpretative Arbeit betont, in deren Verlauf es erst zu einer integrativen Sinnbildung anhand dieser »explizit bimediale[n] Strukturen«439 kommt, weist Wagner darauf hin, nicht die Produktionsseite des Ikonotextes im Zuge poststrukturalistischer Vernachlässigungstendenzen hinsichtlich der Konstitutionsleistung des Autors zu vergessen. Vielmehr muss, so Wagner, die Trias von Produktion/Artefakt/Rezeption jeweils in ihren eigenen Qualitäten und Konstitutionsleistungen berücksichtigt werden. Die allen Instanzen, d.h. Bild und Text ebenso wie Produktion, Artefakt und Rezeption, gemeinsame Kategorie des Visuellen bietet einen konkreten Ansatzpunkt der Analyse, denn sowohl die Intention des Sichtbarmachens, die Sichtbarkeit selbst, als auch die perzeptive Fähigkeit des Sehens werden durch Kenntlichmachung spezifischer bildlicher und textlicher Visualisierungsstrategien näher bestimmbar. Entsprechend stellt Steffen Siegel im Fazit seines Tagungsbeitrags »Bild und Text. Ikonotexte als Zeichen hybrider Visualität« zur Konzeptualisierung des Ikonotextes fest: Die fraglos banale Feststellung, dass sowohl Bilder als auch Texte zuallererst mit dem Auge rezipiert werden, verliert dann an Trivialität, wenn man jene Bilder und Texte genauer in den Blick nimmt, die eben diese Qualität nicht allein implizieren, sondern für ihre Zwecke ausdrücklich funktionalisieren und damit zugleich das dahinter wirksame Prinzip der Kodierung exponieren. 440

436 437 438 439 440

Wagner 1996, 16. Horstkotte 2006, 195. Ebd. Ebd. Siegel 2006, 71.

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Nach Siegel stellt das Visuelle einen »gemeinsamen Fluchtpunkt«441 von Bild und Text dar, den es zu betrachten gilt. Nicht die Aufhebung ihrer grundlegenden strukturalen Differenz soll anvisiert werden, sondern die Art und Weise, wie Bild und Text perspektivisch zusammenlaufen und einen gemeinsamen Fokus des Ikonotextes bilden. Dass bei dieser Art der Betrachtungsweise neben dem Fluchtpunkt des Ikonotextes gleichermaßen der Blickpunkt der Rezipienten und der Standpunkt der Produzenten konstitutiv wirken, ist nun offensichtlich. Betrachten, Schauen und Sehen, sowohl im Akt der Produktion als auch im Prozess der Rezeption, sind immer mit einer spezifischen Positionierung, die als Blick, Pose etc. kenntlich wird, verbunden. Tom Holert, einer der Gründer des deutschen Institute for Studies in Visual Culture442 , formuliert diese gesellschaftspolitische Dimension des Visuellen wie folgt: Dieser Sinn für das Zusammengesetzte, für die Hybridität der visuellen Erfahrung markiert das politische Moment der visual culture: Denn das Schauen ist immer ›positioniert‹, durch optische, technische, kulturelle, soziale, politische und andere Instrumente werden Standpunkte vermittelt.443

In diesem Sinne beschreiben auch Wilhelm Voßkamp und Brigitte Weingart in ihrer Einleitung zu der Aufsatzsammlung Sichtbares und Sagbares das Zusammenspiel von Text und Bild als ein »Verhältnis der Übertragung und Hervorbringung im anderen Medium«444 . Sie betonen, dass es sich bei dem Prozess jener Konstituierung auch um eine »(Un-)Lesbarmachung und (Un-)Sichtbarmachung«445 handelt. Sowohl für den Text als auch für das Bild, aber insbesondere für ihr konstituierendes Verhältnis im Ikonotext, gelten folgende Bedingungen des Sichtbaren: Es ist Gegenstand, Schauplatz und Resultat von Regulierungen, Einschränkungen, Ausschlüssen und Umarbeitungen, von Machtprozessen also, die man ihm keineswegs ansieht, geschweige denn auf den ersten Blick. Vielmehr sind gerade die Verfahren des Vor-Augen-Stellens, der Evidenzstiftung, selbst ein Teil der Prozeduren, auf die Grenzen der Sichtbarkeit einzuwirken und Ausschlüsse als solche zu verunsichtbaren und zu naturalisieren. Entsprechend beinhaltet die Frage nach der Produktion von Sichtbarkeit – etwa als Bedingung gesellschaftlicher Repräsentation – im Anschluss an Foucault immer auch den Blick auf die Herstellung von Unsichtbarkeit.446

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Da im Ikonotext die Sichtbarkeit von Text und Bild nur durch die gegenseitige Bezugnahme hergestellt werden kann, muss auch das Unsichtbare in dieser sinnstiftenden Relation zu finden sein. Mit anderen Worten müssen 441 442 443 444 445 446

Ebd. Vgl. http://www.isvc.org (10.12.2009), zur internationalen Tradition der Visual Culture Studies vgl. Elkins 2003 u. Mitchell 2005, 343. Holert 2005, 233. Voßkamp / Weingart 2005, 11. Ebd. Ebd.

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in der Analyse ihrer spezifisch ikonotextuellen Funktionsweisen auch die Bedingungen ihres Funktionierens kenntlich werden: jenseits dieser Bedingungen liegt jene Unsichtbarkeit. Im Umkehrschluss kann das dann auch heißen, dass eine andere Sehweise oder Lesart eines Ikonotextes etwas anderes sichtbar machen kann, was so nicht intendiert ist. Mit dem Erkennen der spezifischen Funktionsweisen des Ikonotextes einer Modestrecke lassen sich dann auch andere Wege der Sichtbarmachung einschlagen, denn gerade der Ikonotext in seinem ständigen Changieren, in seinem Vexierspiel zwischen Text und Bild lässt viele Wegmarken offen und mehrdeutig erscheinen. Das verbindende gegenseitige Verweisen und Zeigen von Text und Bild im Ikonotext führt jedoch nicht zur Verschmelzung; die Strukturen werden nicht ineinander übertragen; sie sind nicht zur Deckung zu bringen. Besonders deutlich, nahezu paradigmatisch, wird die Komplexität, Verschränkung und Überlagerung von divergierenden Sichtweisen und Lesarten eines Ikonotextes bei der Auseinandersetzung von Michel Foucault mit dem Werk »Ceci n’est pas une pipe« von Rene Magritte447 , wenn er letztlich feststellt: »Über all diese Ebenen huschen Gleichartigkeiten hinweg, die von keiner Referenz festgehalten werden: Übertragungen ohne Getragenes und ohne Träger.«448 Daran wird abermals deutlich, dass weder der Inhalt als das Getragene oder die Form als der Träger selbst die Bewegung der Wahrnehmung und die Funktionalität des Ikonotextes als solche umfassen können. Deshalb ist es unumgänglich, auf das zu schauen, was zwischen ihnen liegt, auf den Prozess der Übertragung selbst und wie er sich gestaltet. Entsprechend ist bei der Modestrecke die Konstitution von Mode eben gerade nicht nur im Bereich der Referenzen, d.h. auf der Ebene des Dargestellten und Beschriebenen zu suchen, sondern in ihren ikonotextuellen Funktionsweisen. Die Art und Weise der strukturalen Verbundenheit muss nun unter Berücksichtigung der Autonomie beider Strukturen herausgestellt werden. Es handelt sich um die dialogische Einheit von Bild und Text im Ikonotext der Mode: die Modestrecke. Bild und Text übernehmen im Ikonotext bestimmte Funktionen der Sinnkonstitution, die bei der Modestrecke immer nach einem relativ konventionellen Schema ablaufen. Dieses Schema gilt es nun prototypisch449 herauszuarbeiten, um deutlich zu machen, wie sich der Ikonotext der Mode in einer Zeitschrift typischerweise zusammensetzt. Da im Rahmen der Modetheorie für das Format Modestrecke keinerlei forma-

447 448 449

Vgl. Böhme 2004, 47-75 u. Mersch 2005. Foucault 1997, 49. Vgl. Sachs-Hombach 2003, 292ff.

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le Analysen vorliegen, und auch in den Bildwissenschaften450 selten formale Aspekte von den Inhaltsanalysen zu trennen sind, soll hier im Rückgriff auf die Systematisierungsleistung der Linguistik ein Modell der Sprachwissenschaftlerin Barbara Sandig451 zu Grunde gelegt werden, das insbesondere den Ikonotext per se in den Blick nimmt. In Ergänzung kommen hier einige wenige bildwissenschaftliche Überlegungen zur Typisierung von »Bildtexten«452 aus der pragmatisch-textlinguistischen Arbeit zur BildText-Relation des Anglisten Hartmut Stöckl zur Anwendung. Es ist jedoch nachdrücklich zu betonen, dass bei der Betrachtung der Modestrecke auch methodisch weder ein Bild- noch ein Textprimat, sondern ausdrücklich eine gleichwertige Kombination beider Ebenen angestrebt wird.453 Die prozessualen Bedingungen der Produktion und Rezeption müssen ebenfalls mit einbezogen werden, insbesondere wenn ein konkreter Einfluss auf die formale Konstitution von Mode im Ikonotext Modestrecke erkennbar ist. Und obwohl auch Class, Race und Gender für die Ausprägung der formalen und inhaltlichen Merkmale sowohl im Rahmen ihrer Produktion als auch hinsichtlich ihrer Rezeption grundlegende gesellschaftspolitische Kategorien darstellen, ist ihre eigentliche Wirkungsmacht nur interpretativ herauszustellen und bleibt hier deswegen unberücksichtigt.454 Aus diesem Grund ist auch die konkrete Konstitutionsweise von Machtkonstellationen durch den IkonoModeText erst bei der exemplarischen Analyse einer Modestrecke darstellbar. Die prototypischen Merkmale des IkonoModeTextes lassen sich in Anlehnung an den Aufsatz »Textmerkmale und Sprache-Bild-Texte« von Barbara Sandig folgendermaßen einteilen: Funktion, Unikalität, Kohäsion, Kohärenz, Thema, Situationalität und Materialität.455 Das »verständnisleitende Zentrum«456 , wie Sandig die Funktion des Bild-Text-Gefüges nennt, ist bei der Modestrecke die Konstitution von Mode durch den rezeptiven Nachvollzug des Ikonotextes selbst. Die Funktion erfüllt sich demnach prozessual im Rahmen der Wahrnehmung. Die Besonderheit einer Modestrecke, ihre Unikalität, ist quasi die Voraussetzung ihres Funktionierens. 450

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454 455 456

Sachs-Hombach 2003. Er unterscheidet in seiner Bildsystematik zwischen Syntax, Semantik und Pragmatik des Bildes, das für ihn ein »wahrnehmungsnahes Zeichen« (vgl. 73ff.) ist. Zum Überblick über die Entwicklung der Bildwissenschaften vgl. ders. 2005. Sandig 2000, 3. Stöckl 2004, 382. Vgl. Muckenhaupt 1986. Er bringt seine kommunikationstheoretischen Überlegungen zu Text-Bild-Zusammenhängen am Beispiel der Fernsehberichterstattung zur Anwendung, d.h. er untersucht letztlich ausschließlich bewegte Bilder und gesprochene Texte. Vgl. Wagner 2006, 224. Vgl. Sandig 2000, 3f. Ebd., 4.

Medien der Mode

Neben dem Anspruch der Neuheit muss die Mode auch im Zusammenspiel zwischen Bild und Text als »besonders individuell, d.h. originell«457 erscheinen, um als solche wahrgenommen zu werden. Das gelingt z.B. durch die Variation oder den Bruch eines konventionellen Bild-TextBezuges. Dieser Bezug ist formal durch die Kohäsion, die äußere Zusammenhangskraft, gekennzeichnet. Sie stellt für die Modestrecke das augenfälligste »Mittel der Verflechtung«458 dar, sie ist gleichsam ihr formales Gerüst, die Struktur des IkonoModeTextes. Zusammen mit der Kohärenz, der Zusammenhangskraft auf der Inhaltsebene, bildet sie die Basis für die Wahrnehmung und das Verständnis einer Modestrecke. Beide zeichnen sich durch eine sukzessive Pendelbewegung der Wahrnehmungsebenen von Text und Bild aus, sind miteinander stark verschränkt und markieren gemeinsam den Wahrnehmungsraum zwischen Text und Bild, in dem Mode performativ stattfindet. In ihrem spezifischen Zusammentreffen legen sie sowohl inhaltlich das modische Thema als auch formal die Mode selbst als strukturales Geschehen im Ikonotext fest. Ebenso ist die Situationalität der Modestrecke, d.h. die Bedingungen ihrer Herstellung, ihre spezifischen Bindung an den Textträger Zeitschrift und die daraus resultierenden spezifischen Rezeptionsweisen, entscheidend für die Funktion, Mode zu konstituieren sowie für die Herausbildung des jeweiligen modischen Themas. Die spezifische Materialität der Modestrecke bildet die Grundlage zur prägnanten Bildung vieler Merkmale, wie z.B. das Hochglanzpapier bei der Brillanz von Farben. Da vor allem Kohäsion und Kohärenz, selbst prozessual ineinander verschränkt, gleichsam als verbindende Kräfte in der Mitte zwischen Bild und Text gesehen werden können, werden nun die einzelnen kohäsions- und kohärenzbildenden Faktoren genauer betrachtet, um die Spezifität der Modestrecke als IkonoModeText klarer herauszustellen. Der formale Aufbau einer Modestrecke kann auch als ikonotextuelle KOMPOSITION der Mode bezeichnet werden. Neben der Ausrichtung und Anordnung von Text und Bild im Gesamtgefüge und zueinander, spielen ihre Lage und Größe, ihre räumliche Nähe oder Ferne, ihre mögliche Überlagerung, z.B. die Texteinschreibung in die Bildfläche, und ihre Reihung eine maßgebliche Rolle für die Erscheinung des Ikonotextes.459 Aber auch die Wahl der Farben, ihre spezifische Korrespondenz und die Wahl strukturierender grafischer Elemente, wie bestimmte Schriftarten, Linien und Farbfelder, bilden wichtige Faktoren und müssen einzeln in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden, vor allem in Hinblick auf mögliche Harmonien, Kontraste etc. Die Kohärenz als der innere Zusammenhang des 457 458 459

Ebd. Ebd., 7. Vgl. Pamminger 1996, 39.

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IkonoModeTextes kann als ikonotextuelle NARRATION verstanden werden: als spezifische Form der Handlung im Sinne einer inhaltlichen Organisation des Zusammenhangs zwischen Bild und Text. Sie ist bestimmbar durch die Deiktika des Textes, z.B. Anaphern oder Ellipsen, und die Vektoren des Bildes, wie beispielsweise die Blickrichtung oder der hinweisende Zeigefinger. Sowohl Text als auch Bild können der Beschreibung bzw. Illustration oder Ergänzung in Hinblick auf eine Leerstelle des jeweils anderen dienen. Es kann ebenso eine Entsprechung vorliegen, die eine gewisse Redundanz zur Folge hat, oder eine Evokation, die scheinbar unabhängig vom jeweils anderen einen weiteren Assoziationsrahmen bildet.460 Wie stark verwoben die Ebenen Text und Bild tatsächlich sind, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass z.B. dargestellte Körperteile bestimmte Richtungen aufweisen, und somit auf formaler Ebene ein prägnantes Gestaltungsmittel darstellen, obwohl sie der eigentlich inhaltlichen, d.h. der Referenzebene der Fotografie entstammen. Genauso bilden die konventionellen Deiktika der Modestrecke, wie z.B. ›rechte Seite‹, eine inhaltliche Ebene, die vielmehr die formale Ebene des Ikonotextes betrifft. Das macht deutlich, dass eine klare Abgrenzung zwischen Kohärenz und Kohäsion nicht sinnvoll ist, sondern vielmehr von einer simultanen, sämtliche Ebenen verschränkenden Bild- und Textwahrnehmung auszugehen ist. Die Bildung einer ikonotextuellen ISOTOPIE, einer gemeinsamen Verständnisebene zwischen Bild und Text, ist deshalb nicht als lineare Verkettung, sondern vielmehr als eine spezifische Webart, als ein Verschlingen von Kette und Schuss, von Form und Inhalt zu sehen.461 Das Zusammenspiel des IkonoModeTextes funktioniert nur durch diese spezifische Verbindung seiner Text- und Bildfunktionen. Hartmut Stöckl zeigt in seiner Arbeit entsprechend auf, dass Bild und Text als »funktionsisomorph«462 angesehen werden können. Für den IkonoModeText heißt das, sie übernehmen bei der Konstitution von Mode gleichberechtigte Funktionen und können aufgrund ihrer wechselseitigen Bezugnahmen die Konstruktionsmechanismen des jeweils anderen sichtbar machen. Sie stellen zusammen somit eine »Kippfigur«463 dar, die in changierender, gegenseitiger Erhellung und nur in Verbindung beider Ebenen eine bestimmte Funktion übernehmen kann. Diese Bewegung zwischen Bild und Text führt im Ikonotext 460

461

462 463

Vgl. Horstkotte / Leonhard 2006, 9f. Insbesondere in diesem Zusammenhang zeigt sich die Iterabilität des Zitats: Nimmt der Text das Dargestellte wieder auf, bildet er dennoch etwas anderes ab. Vgl. Barthes 1990b, 35. Er spricht in diesem Zusammenhang von Verankerung des Bildes durch den Text, was wiederum eine Gewichtung des Textes beinhaltet und deshalb für den Zusammenhang im IkonoModeText ebenfalls nicht das schlüssige Konzept darstellt. Stöckl 2004, 384; vgl. 225. Ebd., 386.

Medien der Mode

zu einer »reziproken Integration«464 , wie Stöckl ihre Relationalität zu fassen versucht. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von einer »›explorativen Semiose‹« und stellt fest: Die wechselseitige Deutung sprachlicher und materieller Bilder ist ein kreativer, kontextsensibler und textgebundener Prozess. Er dürfte sich nur schwer auf formale Muster festlegen lassen.465 Hinzu kommt, dass die Räume für die individuelle Bedeutungskonstruktionen groß sind, denn Sprache-Bild-Kombinationen beruhen aufgrund der Kodeunterschiede zwischen beiden Bildmodalitäten ganz wesentlich auf dem Spiel mit Bedeutung. […] Die Verknüpfung der zwei Bildmodalitäten – sprachlich und materiell – bietet somit einen Mehrwert beim Textverstehen und einen Ausweg aus der Routinisiertheit des Sinnstiftens. So entstehen Spielräume für Mehrdeutigkeiten und eine explorative Semiose.466

Obwohl dieses Konzept die spezifische Einheit von Text und Bild im Ikonotext ansatzweise darzustellen vermag, bleibt der Ansatz von Stöckl jedoch schwerpunktmäßig dem Text verhaftet. Entsprechend entwickelt er kein Konzept der Ikonotextualität, sondern spricht einleitend von »bimodalen Texten«467 und subsumiert das Bild in großen Zügen einer linguistisch dominierten Texttheorie. Für ihn ist das Bild per se Teil der allgemeinen Sprache, die immer auch bildlich verfasst ist. Es liegt in seiner Arbeit eine fachspezifische Dominanz des Textes vor, die gleichsam den Ausgangspunkt der Betrachtung bestimmt.468 Und auch dann, wenn Stöckl einen Dreiklang der Bildmodalitäten einführt – sprachliches, materielles und mentales Bild – ist für ihn das Bild letztlich ein »piktoraler Text«469 , dessen spezifischer Wert anhand seiner, den Sprachtext ergänzenden Merkmale erfasst werden kann, und der nicht über das Werk hinausführt. Den Ikonotext in diesem Sinne zu begreifen, hieße somit, ihn trotz der erkannten Spielräume als relativ geschlossenes System anzusehen. Die reziproke Integration von Bild und Text muss bei der Analyse der Ikonotextualität der Modestrecke wesentlich tiefer und umfassender angegangen werden, da bestimmte ikonotextuelle Aspekte sich nicht nur in Ergänzung, sondern vor allem in ihrer ebenenüberschreitenden Kombination erkennen lassen, also auch in der Überlagerung, dem Zusammentreffen, dem 464 465

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469

Ebd., 228ff. Wie in der durchgeführten exemplarischen Analyse deutlich wird, beruhen die Freiräume auf den relativ eindeutigen, formalen Mustern der Modestrecke. Gerade durch ihre Regelmäßigkeit sind die Freiräume noch deutlicher erkennbar. Ebd., 230. Ebd. Zwar geht Stöckl von einem erweiterten Textkonzept aus, dessen Verständnisursprung liegt jedoch nach wie vor im Verbalen begründet und führt auf dieses zurück. Die Sprache sowie der Text bilden für ihn als diskursive Systeme die Grundlage menschlichen Denkens, auch wenn er von mentalen Bildern spricht. Materielles, sprachliches und mentales Bild sind für ihn letztlich Teile eines vorausgesetzten Werkes, das textlich erfasst ist. Ebd., 382.

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Widersprechen etc. von formaler und inhaltlicher Ebene, von Bild und Text.470 Die Tatsache, dass der Ikonotext keine einfache binäre Struktur bildet, sondern immer ein Drittes zwischen sich bildend zur Darstellung bringt, stellt Ulrike Landfester in der von ihr herausgegebenen Aufsatzsammlung Schrift und Bild und Körper heraus. Sie beschreibt diese Trias als »kulturhistorische Denkfigur«471 : Die trianguläre Struktur der Figur ›Schrift-Bild-Körper‹ bezeugt diese metaphysische Position schon lange vor deren theoretischer Systematisierung, zeigt sich doch die Dreiecksbeziehung zwischen Schrift, Bild und Körper im Blick auf die Geschichte von der Rede vom Menschen in der Kultur als für diese Rede konstitutiv. In dieser Geschichte nämlich konstelliert die Bildung operativer – im Sinne von kontextbezogen aktivierten – Paarbindungen stets auch das scheinbar abwesende Dritte, insofern das Paar, gleich, ob es sich um die Gruppierung Schrift/Bild, Bild/Körper oder Schrift/Körper handelt, in der Differenz im doppelten Sinne von Bruch und Übergang zwischen zwei der drei möglichen Positionen immer auch eine Fluchtlinie zur dritten Person einschließt […].472

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Die spezifische Kombinatorik dieser Dreiecksbeziehung in der Modestrecke als IkonoModeText lässt sich insbesondere an den Konzepten Blick, Pose und Gestus festmachen. Unter ›Position‹ subsumiert, lassen sie sich in allen Bereichen, auch in der Produktion und der Rezeption, aufzeigen.473 Die Positionen werden immer in spezifischer Weise durch das Körperliche per se determiniert, wie Blick, Pose und Gestus bereits anzeigen, und wirken gleichzeitig determinierend. Ohne die Annahme einer grundlegenden Performativität und gleichzeitigen Materialität des Körpers wäre Mode im IkonoModeText nicht fassbar.474 Die Frage nach der Konstitution von Mode muss deshalb die Positionen aller Beteiligten im Blick haben und ihre jeweilige kontextuelle Bedingtheit aufzeigen. Nur so erschließt sich der Sinn der Mode als ein Geflecht von hergestellten, herstellbaren und herzustellenden Subjektivitäten.475 Da die Positionierung im IkonoModeText jedoch nicht isoliert auf einen Bereich, sondern insbesondere im gegenund wechselseitigen Bezug stattfindet, muss vor allem der POSITIONSWECHSEL betrachtet werden, um deutlich zu machen, inwieweit gerade das

470

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475

Vgl. ebd., 239f. Bei Stöckl herrscht vor allem eine eindimensionale Verwendung des Intertextualitätskonzepts vor, die bei Bild-Text-Kombinationen meines Erachtens nicht genügend Reichweite besitzt. Landfester 2002, 9-41. Ebd., 10. Vgl. zur ›Position‹ Foucault 1981, 138f. u. Deleuze 1992, 79. Vgl. Butler 1997. An dieser Stelle soll nur kurz der im Vorwort zur deutschen Ausgabe formulierte, gegen die Annahme eines biologisch determinierten Geschlechts bezogene Hinweis von Butler Erwähnung finden, »dass dieses ›Infragestellen‹ durchaus ein Weg zu einer Rückkehr zum Körper sein kann, dem Körper als einem gelebten Ort der Möglichkeit, dem Körper als einem Ort für eine Reihe sich kulturell erweiternder Möglichkeiten.« (Ebd., 10f.) Vgl. Böhme 2001, 171f.

Medien der Mode

Einnehmen anderer Positionen innerhalb des Rezeptionsprozesses eine spezifische Konstitutionsbedingung der Modestrecke ist. Entsprechend ist z.B. der die Rezipienten anvisierende Blick des Models konterkariert durch die den rezeptiven Blick anleitende Funktion der Deiktika, die mit beispielsweise ›rechte Seite‹ vielmehr auf die Materialität des Bildes und seine Lage im Raum abzielen. Welche Performanz und Performativität die jeweiligen Positionierungen und ihre Wechsel aufweisen, wird erst die konkrete Analyse im Einzelfall beispielhaft darstellen können, da nur das jeweilige rezeptive Agieren selbst zwischen den Medien Bild und Text Mode als Sinn der Modestrecke konstituiert. Zusammenfassend und in Hinblick auf das nächste Kapitel lässt sich mit Barthes festhalten, dass es eine äußerst fruchtbare Untersuchungsprämisse ist, sich »die Zeitschrift einmal als Maschine zu denken, die Mode generiert«476 . Es ist somit für die Analyse notwendig, sich dem gesamten konstitutiven Zusammenspiel der Medien Bild und Text zuzuwenden, »denn beim Übergang von einer Struktur zur anderen entstehen zwangsläufig zusätzliche Signifikate«477 . Sich die Zeitschrift als Maschine zu denken, heißt für den nächsten Schritt dieser Arbeit, die spezifische Medialität der Modestrecke als Ikonotext und die Art und Weise der ikonotextuellen Konstitution von Mode zu klären.

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476 477

Barthes 1985, 61. Er spricht nur von den textuellen Transformationen, Bild und Ikonotext bleiben bei der Betrachtung der Modemaschine unberücksichtig. Barthes 1990a, 22. In diesem Aufsatz geht er explizit von Text und Bild aus.

4. Medialitäten der Modezeitschrift Ist Mode ein Medium? Was ist die Medialität der Mode? Welches Medienkonzept liegt diesen Überlegungen zugrunde? Welches Modekonzept entspricht der Idee einer spezifischen Medialität der Mode? Warum ist es überhaupt sinnvoll, nach der Medialität der Mode zu fragen? Und warum ist die Frage zu klären, ob Mode an sich überhaupt ein Medium ist? – Medialität wird hinsichtlich der spezifischen Materialität, Strukturalität und Relationalität eines Mediums als eine Perspektive auf den Gegenstand selbst verstanden. Denn das, was ist, zeigt sich in besonderem Maße und kann von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlicher Tiefenschärfe betrachtet werden. Einerseits wird durch die Materialität hindurch auf die Strukturen geschaut.1 Und es wird andererseits versucht, die Materialität des Gegebenen in den Vordergrund zu stellen, um zu zeigen, wie sich Mode sinnlich und medial verkörpert.2 Die Medialität in den Blick zu nehmen heißt zu betrachten, wie sich das Vermittelte an den Grenzen seiner Übertragung zeigt, und zu schauen, an welchen Stellen es möglicherweise auf sich selbst verweist; dies geschieht z.B. durch eine Störung des Transformationsprozesses, oder es wird anhand einer intermedialen Bezugnahme durch ein anderes Medium sichtbar gemacht. Nach einer Erläuterung der für das Modemedium relevanten medientheoretischen Ansätze und der sich daraus ergebenden Präzisierung des Medien- und Medialitätsbegriffs, wird zunächst die Frage zu klären sein, ob Mode überhaupt ein Medium ist. Im zweiten Teil des Kapitels wird ein Überblick über Trans-, Intra- und Intermedialitätskonzepte verdeutlichen, wie das Phänomen Mode im Zusammenhang mit den Medien Bild und Text verstanden wird. In einem letzten Schritt wird die spezifische Medialität der Modestrecke anhand der Unterscheidung von aisthetischen und diskursiven Medien profiliert und mit der Konzeptualisierung des Medienclash und der ikonotextuellen Performativität der Mode fundiert.

1

2

Es geht dabei um die Art der Wahrnehmung als eine spezifische Haltung zum Gegenstand, die sowohl den Wahrnehmungsprozess ermöglicht als auch eine Struktur erkennen oder (re-)konstruieren lässt. Vgl. Krämer 2004a, 20f.

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4.1 Das Modemedium »Medien markieren die Nahtstelle, an der Sinn aus nichtsinnhaften Phänomenen entsteht.«3 – Mode wird erst durch ihre spezifische Medialität zur Mode. Sie entsteht erst im Prozess ihrer Medialisierung und erscheint erst innerhalb eines Mediums als sinnliches Phänomen. Demnach ist Mode selbst kein eigentliches Medium, sondern vielmehr ein »kulturelles Speichermedium«4. Mode ist deshalb auch denkbar als eine Struktur5, die sich nur in ihrer jeweiligen Aktualisierung in einem beliebigen Medium wahrnehmen lässt. Sie unterliegt somit den materiellen und strukturellen Potentialen der diversen Medien und zeigt sich nur in ihrer jeweils spezifischen Medialität, d.h. der spezifisch strukturierten Materialität des sie verkörpernden Mediums. Zunächst soll eine grundlegende Engführung der Begriffe ›Medium‹ und ›Medialität‹ erreicht werden, die in dieser Perspektivisierung die Basis bilden für alle folgenden modetheoretischen Überlegungen. Die »Mobilität der Begriffe – ihre ›Wanderschaft‹ durch Raum, Zeit und Fächer –« 6, die im Fall des Medienbegriffs ein breites Spektrum an Konzeptualisierungen bedingt, zwingt zu einer genauen Verortung im weiten Feld der Medientheorien. Es wird jedoch nicht das ganze »Leben des Begriffs«7 ›Medium‹ oder das des Begriffs ›Medialität‹ dargestellt, sondern ein brauchbares und präzises begriffliches Instrumentarium zur näheren Bestimmung der Medialität der Mode herausgearbeitet. Und nach der Beantwortung der Frage, als was Medien angesehen werden können und der Darstellung dessen, was sich als Medialität bezeichnen lässt, wird grundlegend geklärt, ob Mode per se überhaupt »als das weitestverbreitete Medium«8 der Selbstdarstellung bezeichnet werden kann.

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Krämer 1998c, 3. Lehnert 2005b, 255. Vgl. Lehnert 1997, 46f. Sie sieht Mode als Strukturprinzip bezugnehmend auf den Ansatz von Lipovetsky (vgl. Lipovetsky 2002). Bal 2006, 15. Sie formuliert wie folgt: »Begriffe sind niemals bloß deskriptiv. […] Begriffe sind niemals unkompliziert. […] Begriffe werden nie in genau dem gleichen Sinn verwendet. […] Begriffe sind nicht bloß Mittel.« (Ebd., 13.) Ebd. Wilson 1989, 77. Sie spricht von »weiblicher« (ebd.) Selbstdarstellung und plädiert für eine grundlegend feministische Beschäftigung mit Mode, ohne zugleich eine voreingenommene »Feindseligkeit« (ebd.) zu habitualisieren, deren mögliche Gründe sie jedoch in vollem Umfang anerkennt. Denn diese liegen, wie sie zeigen kann, eindeutig im Bereich modeindustrieller Ausbeutung, pauschaler Ablehnung der Konsumkultur und geschlechtsspezifischer, kultureller Rollenzuschreibungen. Ihr Buch endet entsprechend mit dem »Plädoyer gegen die feministische Ablehnung der Mode« (ebd., vgl. 257ff.).

Medialitäten der Modezeitschrift

Was ist ein Medium? In der Einleitung zu Medientheorien zur Einführung beschreibt Dieter Mersch unter dem Titel »Begriffsverwirrungen«9 die Definition der Medien als »chronisch prekär«10. Er diagnostiziert eine »verwickelte Begriffsgeschichte«11 und sieht in »Ästhetik, Sprache und Technik drei disparate Ursprünge von Medientheorie«12. Die Historizität des Medienbegriffs berge jedoch das Potential, sich in seiner Erläuterung entlegener Facetten erneut zu erinnern und zu bedienen. Entsprechend ist das Ziel der medienhistorischen Einführung von Mersch, eine gewisse »rekonstruktive Geschichtsschreibung«13 zu vollziehen, um »den eher liegen gebliebenen ›aisthetischen‹ Strang erneut aufzunehmen und den intimen Zusammenhang zwischen Künsten und Medien zu betonen«14. Die Analyse der historischen Herleitung des Begriffs ›Medium‹ ist vor allem deshalb sinnvoll, da seine diachronische Perspektivierung die im Laufe der Zeit im Sprachgebrauch längst verschütteten oder marginalisierten Verwendungsweisen und Bedeutungsebenen wieder aufdecken und somit für eine heutige Begriffsbestimmung fruchtbar machen kann. Entsprechend steht auch für Stefan Hoffmann in seiner Geschichte des Medienbegriffs15 vor allem die Wiederbelebung des begrifflichen Aspekts der Mitte im Vordergrund. Die damit verbundene Frage nach der Beobachtbarkeit des Medialen, die Feststellung einer Dysfunktionalität des widerständigen Eigensinns und die erneute Klärung der Werkzeughaftigkeit der Medien, also die Frage nach der Gewichtung des instrumentellen Aspekts des Mediums sind für seine Begriffprofilierung wegweisend. Bei der Untersuchung der Modestrecke als Ikonotext geht es jedoch nicht darum, Medien im pragmatischen Verständnis als Werkzeuge oder Instrumente zu begreifen.16 Dieser gebrauchstheoretische Ansatz ist bei der theoretischen Grundlegung der Medialität der Mode in der Zeitschrift nicht praktikabel, nimmt er doch nur den Gebrauch und nicht die Konstruktion des Medialen in den Blick. Deshalb geht es hier vielmehr darum, »Denkwerkzeuge zu schärfen und neue Vokabulare auszuprobieren, um unsere Begriffstexturen an fadenscheinig gewordenen

9 10 11 12 13 14 15 16

Mersch 2006, 9. Ebd. Ebd., 16. Ebd. Mersch 2003, 1.Teil. Mersch 2006, 17. Die gegenseitige Erhellung von Kunst- und Medienkonzeption, wird im Folgenden als ein wesentlicher Aspekt näher betrachtet. Hoffmann 2002. Vgl. den medientheoretischen Pragmatismus von z.B. Sandbothe 2003a u. ders. 2003b.

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Stellen unter Einfädelung des Medienbegriffs neu zu weben«17. Der hier gewählte Fokus liegt deshalb auf einer möglichst präzisen Verortung der modetheoretischen Position innerhalb eines relativ eng gesteckten Rahmens der Medientheorie – nicht zu verwechseln mit einem engen Medienbegriff. Zur Orientierung ist jene, die Medientheorien strukturierende, Perspektive zugrunde gelegt, die Alice Lagaay und David Lauer in der von ihnen herausgegebenen philosophischen Einführung in die Thematik vorschlagen.18 Neben der Antwort auf die Frage, was alles Medien seien, grenzen sie erstens die medientheoretischen Ansätze voneinander ab, indem sie diese nach eng oder weit gefasster Verwendung des Medienbegriffs differenzieren. Zweitens geht es um die Frage der Mediengenese, d.h. um die Ansicht, dass Medien zu einem bestimmten Zeitpunkt auftauchen; diese steht der »›Immer-schon-Perspektive‹«19 entgegen. Und drittens, geht es um die Unterscheidung, ob Medien jeweils als Sinnüberträger oder Sinnerzeuger statuiert werden, d.h. »›Medienmarginalismus‹«20 versus »›Medienapriorismus‹«21. In diesem letzten strukturierenden Gesichtspunkt sehen Lagaay und Lauer die »philosophische Relevanz des Mediendenkens«22. Sie erkennen darin das »Potential einer medientheoretischen Reinszenierung des Konstitutionsgedankens«23 . Für die Klärung der Frage nach der medialen Konstitution und Genese von Mode kann eine Orientierung an dieser Art der medientheoretischen Perspektivisierung somit sehr aufschlussreich sein. Im Folgenden soll deshalb ein für diese Arbeit praktikabler Medienbegriff anhand der von Lagaay und Lauer eingeführten Achsen umrissen und präliminierend folgendermaßen angenommen werden: 1. alles kann auch ein Medium sein, 2. es gibt schon immer Medien und 3. sie erzeugen übertragend Sinn. Der Medienbegriff soll entlang dieser Prämisse anhand der Medientheorien von Sybille Krämer, Hartmut Winkler und Marshall McLuhan präzisiert werden. Medien werden entsprechend als Apparate, Maschinen, Klischees, als Bote und Spur und als Konstituenten aufgefasst. Wie lassen sich nun Medien beschreiben? – Stefan Hoffmann sieht im Rahmen seiner historiografischen Aufarbeitung des Medienbegriffs einen möglichen Ansatz für seine Weiterentwicklung in den Medienkonzepten von Sybille Krämer.24 Er bezieht sich bei seinen abschließenden Darlegun-

17 18 19 20 21 22 23 24

Lagaay / Lauer 2004, 28. Ebd. Ebd., 23. Ebd., 24; vgl. Krämer 2003a, 80. Lagaay / Lauer 2004, 24. Ebd., 27. Ebd. Hoffmann 2002, 156.

Medialitäten der Modezeitschrift

gen mit Hinweis auf die nötige Inblicknahme der »Eigendynamik der Medien«25 positionierend u.a. auf einen Text von Krämer mit dem Titel »Das Medium als Spur und Apparat«26 , indem er den dort ausgeführten Konzept der Medien als »›Welterzeugungsmaschinen‹«27 mit »›Eigensinnigkeit‹«28 ein richtungweisendes Potential zuschreibt. Die so genannten Welterzeugungsmaschinen sind in dem Text von Krämer so jedoch nicht zu finden, sondern vielmehr eine dezidierte Unterscheidung zwischen »›Werkzeuge[n]‹ als technische Instrumente«29 und »›Apparaten‹ als technische Medien«30. Den Begriff ›Maschinen‹ subsumiert Krämer somit einem relativ weiten Werkzeugbegriff, der auch so genannte »Denkzeuge«31 umfasst. Wenn also ein paar Zeilen später von »Welterzeugung«32 die Rede ist, so wird dieses Potential gerade nicht der Technik an sich, also den leistungssteigernden und arbeitserleichternden Maschinen, sondern den Apparaten im Sinne von »Medientechnologien«33 zugeschrieben. Es steht somit die Frage im Zentrum, wie diese technischen Neuerungen die Wahrnehmungsweisen des Menschen und damit den Prozess der Sinnkonstitution verändern. Es handelt sich, so Krämer, bei ihrer Betrachtung der technischen Medien als APPARATE um eine bestimmte Perspektive auf die Technik.34 Übertragen auf die Konstitution von Mode schließt deshalb diese Sichtweise die Betrachtung der an ihr beteiligten Apparate, wie z.B. Druck-, Fotografie-, Verteilungstechnologien der Zeitschrift, aber auch das durch die Entwicklung dieser Medien modifizierte Wahrnehmungsvermögen mit ein. Medien, verstanden als Apparate, »eröffnen Spielräume im Erfahren von und im Umgehen mit symbolischen Universen, die es ohne Medientechnik nicht etwa abgeschwächt, sondern überhaupt nicht gäbe«35.

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35

Ebd. Krämer 1998b. Hoffmann 2002, 154. Ebd. Krämer 1998b, 85. Ebd. Ebd. Ebd., 86. Ebd. Vgl. Krämer 1998c, 3. Sie formuliert wie folgt: »Der Medienbegriff, der in dieser Debatte zum Zuge kommt, ist zwar technisch orientiert, setzt allerdings eine entscheidende Umaktzentuierung im Technikbegriff voraus […].« (Ebd.) Diese wesentlich andere Akzentuierung in der begrifflichen Festschreibung bedeutet eine entscheidende Veränderung der Betrachtungsweise, denn so Krämer an anderer Stelle: »›Technik‹ wirkt dann nicht wie ein Werkzeug, das vom Menschen zweckbewusst und kontrolliert zum Einsatz kommt, sondern eher nach Art eines Dispositivs, welches als implizit bleibende Ordnung innerhalb von Praktiken bestimmte Verhaltensweisen ›hinter dem Rücken der Beteiligten‹ erzwingt.« (Dies. 2004b, 71.) Krämer 1998c, 3.

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Diese Perspektivierung des Technischen, nämlich die Fokussierung des Medialen der Technik, sind in dem Begriff ›Apparat‹ von Krämer angelegt: Etwas als Apparat zu sehen heißt, Technologien als Medien zu betrachten. Und etwas als Medium zu betrachten meint folgerichtig einen »Perspektivenwechsel«36 zu vollziehen. Es geht also darum, den Blick nicht mehr auf die Frage zu richten, was ein Medium ist, sondern sich der Beschreibung dessen zuzuwenden, wie sich etwas als Medium nutzen lässt. Nicht die Frage nach einem möglichen technischen Nutzen, sondern die Fragen nach einer durch das Benutzen der Technologien vollzogenen Veränderung der Verhältnisse, stehen deshalb im Fokus einer solchen Blickrichtung. Übertragen auf das Phänomen Mode führt das direkt zu der Frage, inwieweit die Technologien der Modeherstellung ihre Rezeption determinieren und somit Sinn erzeugen. Hartmut Winkler versucht die Rolle der Technik für die theoretische Betrachtung von Medien zu reanimieren und ihre begriffliche Engführung in der Medientheorie aufzulösen, indem er zunächst »›technik-zentrierte‹ Ansätze von den ›anthropologischen‹ unterscheide[t]«37, um dann beide in einer »zyklischen Einschreibung«38 zu verbinden. Er nennt dieses Vorgehen eine »Einschreibung der Praxen in die Technik und Zurückschreiben der Technik in die Praxen«39. Technik ist für ihn unmittelbar und unlösbar verbunden mit menschlichem Handeln und umgekehrt. Alle Medien sind deshalb für ihn auch technische Medien.40 In diesem Sinn ist auch der Begriff MASCHINE in Winklers »Mediendefinition«41 zu verstehen.42 Er durchwandert die Abhandlung, die ausgehend von einer Basisdefinition in sechs Schritten zwar keine umfassende Kohärenz aufweist, in ihrer Differenzierung jedoch ein klares Feld abzustecken vermag, bis zum »Kern des Medialen«43. Dieser entspricht bildlich dem medientheoretischen Standpunkt Winklers: Medien sind »Maschinen einer übergreifenden Struktur-

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40 41 42

43

Krämer 1998b, 87. Winkler 1999, Abs. 3. Ebd. Ebd. Dieses Modell, so Winkler, entspricht dem der Sprache (langage), deren System (langue) sich im Sprechen (parole) aktualisiert und durch dies erst als Sprache funktioniert. Winkler 2004, Abs. 3.1. Ebd. Ebd. Medien werden von ihm beschrieben als »Maschinen der gesellschaftlichen Vernetzung« (ebd., Abs. 1), »Zeichensysteme sind Maschinen der Welterschließung« (ebd., Abs. 2.3) und »Medien und Zeichen sind Maschinen zur Reduktion von Komplexität« (ebd., Abs. 2.4); Medientechnik wird verstanden als eine »Maschine der Traditionsbildung« (ebd., Abs. 5.5), und »Medien funktionieren als eine Maschine der Kontextentbindung« (ebd., Abs. 5.11). Ebd., Abs. 6.10.

Medialitäten der Modezeitschrift

bildung«44. Sie bilden Strukturen nicht nur ab, sondern bilden gleichzeitig Strukturen aus. Winkler hat bei dieser Vorstellung des Medialen den Mechanismus der Sprache vor Augen. Die Sprache des Menschen (langage) verstanden als die Fähigkeit zu sprechen, die sich im Sprechen (parole) äußert und sich als System (langue) zeigt, wird ihm zum Vorbild für die Medien als Maschinen. Sie stehen für die technischen Fähigkeiten des Äußerns und Zeigens des Menschen. Medien sind für ihn deshalb »symbolische Maschinen«45. Und genauso wie die Sprache ihre Inhalte bestimmt, indem sie diese in gewissem Sinne durch ihre spezifische Materialität formt, bestimmen auch die Medien ihre Inhalte. Medien verschwinden zwar scheinbar im Prozess der Übertragung, bedingen jedoch gleichzeitig die inhaltlichen Grenzen und Möglichkeiten seines Ausdrucks und prägen so das Übertragene. Sie sind demnach nicht neutral, sie haben ein spezifisches »Eigengewicht«46. Medien sind somit nicht bloße Mittel zur Vermittlung einer Botschaft, denn ihnen selbst eignet eine spezifische Form47 an, die Botschaften formt. Winkler nennt diesen Prozess Artikulation, und zwar im doppelten Sinn: einerseits artikulieren sich Mediennutzer innerhalb eines Mediums, gleichzeitig wird dadurch eine innere Struktur artikuliert. Da jedoch das Medium in diesem Prozess die Eigenschaft hat, nach Herstellung von Unmittelbarkeit zu verschwinden, bedarf es wieder der Abstandnahme und der Zuhilfenahme anderer Medien, um spezifische mediale Strukturen kenntlich zu machen. »Medien gibt es nur im Plural«48 heißt deshalb, dass es kein Medien-Außen gibt, keinen anderen theoretischen Ort, von dem aus sich das Mediale betrachten ließe, als nur aus sich selbst heraus. Medien als Maschinen zu begreifen heißt demnach, in diesen Circulus vitiosus einzutreten: »Medien sind Medien der Strukturbildung 44 45 46 47

48

Ebd. Winkler 2006, 49. Vgl. ders. 2004, Abs. 1.11; er formuliert wie folgt: »Symbole sind die Waffen der Machtlosen.« (Ebd.) Ebd., Abs. 4.5; vgl. die ›Eigensinnigkeit‹ bei Krämer 1998b, 76. Vgl. Winkler 2004, Abs. 4.6. Interessant erscheint auch die reproduzierende Wiederaufnahme der Form-Inhalt-Dichotomie durch Winkler. Es ist eine Art der terminologischen Wahl, die an frühe sprachtheoretische Konzepte erinnert, und gleichzeitig in der weiteren Erläuterung die Form in die Nähe der Theorien von Luhmann bringt: »Allgemeinheit: Die Formvorgaben des Mediums sind abstrakter und höher standardisiert als die Inhalte. […] Auf diese Weise sind sie zunächst offener als diese, gleichzeitig aber besonders hart definiert und entsprechend unumgänglich.« (Ebd.) Vgl. Luhmann 1997, 169ff. Luhmann formuliert wie folgt: »Natürlich limitieren Medien das, was man mit ihnen anfangen kann. Sie schließen, da sie ihrerseits aus Elementen bestehen, Beliebigkeit aus. […] [D]as Medium ist stabiler als die Form – eben weil es nur lose Kopplungen benötigt. […] Solche Elemente sind ihrerseits immer auch Formen in einem anderen Medium […]. Medien werden aus immer schon geformten Elementen gebildet, denn anders könnte weder von loser noch von fester Kopplung die Rede sein.« (Ebd.) Winkler 2004, Abs. 3.3.

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und Verdichtung […]«49 . Darin lässt sich auch die Verwandtschaft der Medientheorie zu philosophischen Sprachtheorie erkennen, die nach Wittgenstein lediglich zeigen und nicht sagen kann, wie und dass Sprache funktioniert.50 Begründen im sprachphilosophischen Sinn lässt sich diese Funktion nicht, weil ein Außen der Sprache letztlich unmöglich ist.51 Entsprechend zeigt sich auch bei der Frage nach der Möglichkeit eines ModeAußens sowohl die Unmöglichkeit als letztlich auch die Sinnlosigkeit einer solchen Fragestellung. Ist doch durch das Benennen sofort der Eintritt in ihren spezifischen dialektischen Zirkel markiert, der sich hier kurz mit Kant, wie folgt bezeichnen lässt: I n der Mode sein ist eine Sache des Geschmacks; der a u ß e r der Mode einem vorigen Gebrauch anhängt, heißt a l t v ä t e r i s c h ; der gar einen Wert darin setzt, außer der Mode zu sein, ist ein S o n d e r l i n g . Besser ist es aber doch immer, ein Narr in der Mode als ein Narr außer der Mode zu sein […].«52

Mit anderen Worten: Es scheint nicht möglich zu sein, sich außerhalb der Mode zu befinden.53 Diese Ansicht entspricht dem Winklerschen Medienkonzept, Mode als Maschine, d.h. als Medium der Strukturbildung anzusehen, die nur durch weitere Medien, auch andere Moden sichtbar gemacht werden kann. Genauso so, wie die Mode ihr eigenes Außen immer mit markiert, kennzeichnen auch die Medien ihr eigenes Anderes, das sie gewissermaßen immer mit und in sich tragen. So sind Medien nach Marshall McLuhan nicht nur als Extensionen des Körpers54 zu denken, sondern auch als 49 50

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53 54

Ebd., Abs. 6.10. Vgl. Lagaay / Lauer 2004, 27f. Die Herausgeber dieser Einführung sehen die Verbindung von Medientheorie und Philosophie in der »medientheoretischen Reinszenierung des Konstitutionsgedankens« (ebd., 26), der sprachtheoretisch und philosophisch vor allem durch John Austins Text »How to Do Things with Words« aus dem Jahr 1975 konturiert wird, und dessen kulturwissenschaftliche Relevanz sich derzeit vor allem in der Brisanz der Frage nach der Performativität symbolischen Handelns spiegelt. (Vgl. Austin, 2002.) Vgl. Mersch 2004b, 91ff. Mersch sieht einen Ausweg aus diesem Dilemma in den Potentialen der zeitgenössischen Kunst. Kant 1964, 572. Weiter heißt es bei Kant: »[W]enn man jene Eitelkeit überhaupt mit diesem harten Namen belegen will: welchen Titel doch die Modesucht wirklich verdient, wenn sie jener Eitelkeit wahren Nutzen und gar Pflichten aufopfert. – Alle Moden sind schon ihrem Begriffe nach veränderliche Lebensweisen.« (Ebd.) Vgl. Schnierer 1995. Vgl. McLuhan 1995. Obwohl es zunächst nahe liegend erscheint, auf diesen Text von McLuhan näher einzugehen, weil er dort explizit Kleidung als Medium, als direkte »Ausweitung der Außenfläche unseres Körpers« (ebd.) darstellt, soll hier der Fokus auf weniger bekannten Texten von McLuhan liegen. Und zwar soll anhand einer Lesart, die gerade die bildliche Ebene dieser Texte und ihre spezifische Aussagekraft hervorhebt, versucht werden, in ihnen eine bestimmte medientheoretische Position aufzuzeigen und diese als fruchtbar für einen modetheoretischen Medienbegriff zu kennzeichnen. Vgl. Schultz 2004. Schultz zeigt eine mögliche Lesart der Schriften von McLuhan auf, die das Literarische und Meta-

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KLISCHEES, die aus dem »Misthaufen«55 der Kultur immer wieder neu und anders die gerade brauchbaren Archetypen herausstellen. McLuhans zusammen mit Wilfried Watson verfasstes Buch Vom Klischee zum Archetyp«56 handelt entsprechend von »umweltschaffenden Klischees, die Medien sind«57, es sind neue Technologien, die alte wiederbeleben und weiter schreiben. Umwelten werden somit durch Medientechnologien, also »durch sprachliche und andere Ausweitungen unserer Fähigkeiten erzeugt«58. McLuhan vertritt einen sehr weiten Technikbegriff: Technik ist für ihn die Fertigkeit des handelnden Menschen, die sich in seinen körperlichen Extensionen materialisiert.59 Diese Technologien bilden Archetypen, die auch die nicht in Erscheinung tretenden, nicht animierten, ruhenden, anderen Technologien als solche kenntlich machen: »Tatsächlich ›zitieren‹ wir, wann immer wir einen Bewusstseinszustand ›zitieren‹, auch die Archetypen, die wir ausschließen […].«60 Medien schaffen damit immer auch einen möglichen Raum auf das zunächst Ausgeschlossene aufmerksam zu werden, den Blick in die andere Richtung zu werfen. Medien, im Sinne McLuhans verstanden als Medien der Kommunikation, »sind Klischees, die dazu dienen, den Spielraum der menschlichen Handlungen, seine Assoziations- und Wahrnehmungsmuster zu erweitern«61. Sie sind also nicht nur Extensionen, d.h. materiale Erweiterungen des Körpers, sondern sie dienen, indem sie dies sind, der Erweiterung eines spezifischen medialen Spielraums. In diesem findet das »Wechselspiel«62 der »sich daraus ergebenden zahlreichen symbolischen Systeme«63 statt. Medien bilden so die Basis für symbolische Systeme, deren Elemente die McLuhanschen Archetypen sind.64 Die Funktion des Klischees in diesem Prozess ist es,

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phorische in seinen Texten als einen besonders aufschlussreichen Zugang zu seiner Theorie in den Fokus rückt. Auch er sieht auf der Darstellungsebene der Texte, in ihrer gewissen Inkohärenz einen Spiegel der Auffassung McLuhans von Sinnkonstitution als facettenreiches Zusammenspiel vieler differenter Aspekte. Durch diese Lesart zeigt sich in den Texten ein gewisser Eigensinn, der zu verbildlichen vermag, was sich nicht versprachlichen lässt: der »kulturkritische Subtext« (Winkler 1999, Abs. 7). McLuhan 1997b, 200. Ebd. Baltes 1997, 24. McLuhan 1997b, 200. Vgl. Krämer 1998b. Da sie sich nur auf die Gutenberg-Galaxis und die Magischen Kanäle bezieht, schreibt sie ihm dementgegen ein weitaus engeres Technikverständnis zu, indem sie lediglich die technologischen Materialisierungen als Medien im Sinne McLuhans begreift. McLuhan 1997b, 204. Ebd., 200. Ebd. Ebd. Vgl. Krämer 1998c, 329. Sie formuliert wie folgt: »Technische Medien werden zu Modalitäten unserer Bezugnahme auf symbolische Welten.« (Ebd.)

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Archetypen »aus einem riesigen Misthaufen mythologischen Materials für den Gebrauch auszuwählen«65 und zu aktualisieren. Dieser so genannte Misthaufen, bestehend aus Archetypen, die nur jeweils aktualisiert in einem Medium in Erscheinung treten, ist gleichsam die Gesamtheit aller möglichen Archetypen. Diese »Schrotthandlung«66 bildet das symbolische Potential unserer Kultur. McLuhan zeichnet damit ein auch für die modetheoretische Betrachtung interessantes Bild: »Die Kulturen der Welt wurden eingekleidet und gegründet auf wieder gewonnenem Abfall […].«67 Er umgeht durch die Metaphorisierung des eigentlich Unbeschreibbaren die Unmöglichkeit, das Unsagbare in klare Worte zu fassen. Und, so McLuhan weiter, »[w]ie man aus diesem Misthaufen Kreativität herausholt, ist das Problem der modernen Kultur geworden«68 . Das Medien-Außen kann als dieser Misthaufen beschrieben werden, der sich nicht ohne eine prozessuale, immer wieder andere und neuartige Aktualisierung seiner selbst durch Archetypen fassen lässt. Übertragen auf die Mode heißt das einerseits, dass das Phänomen Mode nur fassbar ist, wenn die McLuhansche Schrotthandlung ein wesentlicher Teil der Darstellung ist, und es heißt andererseits, dass der Verweis auf dieses Medien-Außen in der Darstellung der Mode selbst zu suchen ist. McLuhan sieht im medialen Prozess zwar den engen Zusammenhang zwischen der verbalen Sprache und allen anderen kulturellen Artefakten, er betont jedoch, dass diese Relation immer ein »Wechselspiel zwischen diesen Welten der Wahrnehmung und des Begriffs, des verbalen und des Nonverbalen«69 ist. Sowohl die Einflüsse des Medialen auf die Sprache, wie auch die der Sprache auf die Medien sind in ihrem Ausmaß unerkannt, so McLuhan. Sie ließen sich jedoch beispielsweise in Sprichwörtern wie »›Sprich, damit ich dich sehen kann!‹«70 erkennen – oder entsprechend der Annahme der vorliegenden Arbeit: in der hinweisenden und ergänzenden Funktion der verbalen Sprache in der Modestrecke, die nur im Zusammenhang mit dem Bild Mode ergibt. McLuhan sieht dementsprechend eine »Intensivierung und Ausweitung«71 der medialen Qualitäten nicht in der verbalen Sprache, sondern in der »Form des spezialisierten Artefakts«72. Die verbale Sprache habe zwar die Fähigkeit, als Extension aller menschli65

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McLuhan 1997b, 200. Der Gebrauch muss meines Erachtens an dieser Stelle als aktives, bedeutungsstiftendes Handeln verstanden werden, d.h. als ein Handeln, ein Agieren mit Symbolen, um Sinn zu vermitteln. Ebd., 210. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., 202. Ebd., 203. Ebd.

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chen Sinne aufzutreten, jedoch gelinge es ihr allein nicht, all diese Sinne anzusprechen. Erst medialisiert, d.h. in einer Form, die ein spezifisches Handeln hervorgebracht hat, also z.B. im Umgang mit Schrift wird sie sinnlich wahrnehmbar. Erst die Klischees und in ihnen die Archetypen zeigen das Mediale der Sprache in ihrer Aktualisierung. Wenn allerdings dieses spezialisierte Artefakt zunehmend die Kultur bestimmt, so bedürfen wir in zunehmenden Maße unserer weiteren Sinne, um im kommunikativen Sinn anschlussfähig zu sein. McLuhan sieht in der Kunst einen Raum, diese Fähigkeiten weiter zu schulen, denn sie sensibilisiere die Sinne und ermögliche so eine »Wahrnehmungssteigerung«73. In dem Aufsatz »Formen der Wahrnehmung«74 nennt er die Möglichkeit, die »gesamte Umwelt als Kunstwerk zu behandeln«75, und fordert das »totale Verständnis für die Funktion der Kunst in der Gesellschaft«76. McLuhan stellt damit in den 60ern des letzten Jahrhunderts eine Forderung auf, die erst heute ihre medientheoretische Brisanz voll entfalten kann. Er weist explizit die Potenziale der Kunst für einen medientheoretischen Ansatz auf, der sich nicht auf die so genannten magischen Kanäle beschränkt, sondern Medien als Umwelt generierende Klischees ansieht: »Die vom Künstler geschaffenen Gegenumwelten dienen dazu, diese versteckten Umwelten auf die Ebene einer bewussten Würdigung zu heben.«77 Die Künste und im weitesten Sinne auch die populärsten Künste78 können als »Gegengradienten«79 jene Umwelten kenntlich machen, indem sie das Wahrnehmungsbewusstsein schulen. Um zu zeigen, wie er sich das vorstellt, führt McLuhan einige historische Beispiele an, die die Beziehung des Menschen zum Raum als Umwelt markieren; und in der Kunst seiner Zeit, den Happenings, Action Painting oder der Pop-Art, sieht er Fragen und Thesen formuliert, die die derzeitigen Klischees und ihr Mediales in ihrer ganzen Erfahrungs- und Wahrnehmungsdimension zu begreifen versuchen.80 Beispielsweise bietet so auch die Kleidung als garbage81 und als Klischee Möglichkeiten der

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McLuhan 1997a, 175. Ebd. Ebd., 180. Ebd. McLuhan 1997b, 208. McLuhan 1997a, 175. Ebd. Vgl. ebd., 189. McLuhan formuliert wie folgt: »Es könnte gut sein, dass wir uns seit dem Aufkommen der Synästhesie in den Künsten und den nonvisuellen elektronischen Phänomenen in den Wissenschaften auf eine Art Null-GradientenKultur zubewegen, in der allen Erfahrungsweisen gleichzeitig Aufmerksamkeit zukommt.« (Ebd.) Vgl. McLuhan 1997b, 211.

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Kreativität und zeigt »Lösungen auf dem Gebiet der Kleidung«82. McLuhan sieht entsprechend in der Mode der Hippiebewegung ein »Musterbeispiel für die ganze globale Kultur«83. Das scheint zwar zunächst übertrieben, aber seine Schlussfolgerung, die darauf insistiert, dass diese modernen Moden letztlich nicht mehr kulturelle Werte festschreiben, sondern durch ihre zunehmende Simultanität die Gesellschaft gewisserweise in eine »Stammesgesellschaft«84 zurückführen, erweist sich hinsichtlich seines Kunstbegriffs als schlüssig. Er entwickelt diesen aus seiner Sichtweise auf die so genannte primitive Kunst und präliterale Kultur, um zu zeigen, dass es »nicht länger möglich sein [wird], Kunst der Umwelt bloß hinzuzufügen«85. Kunst und Kleidung als Teil der populären Kultur machen deshalb Medien als Klischees, ihre Archetypen und das Medien-Außen in exemplarischer Weise sichtbar.86 Ein Medium, so Sybille Krämer, ist und »kann vielmehr alles werden, was im Zwischenraum einer Differenz als Instanz einer Vermittlung durch Hybridisierung dient«87. Dem entspricht beispielhaft die Figur des neutralen, vermittelnden, übertragenden, hybridisierenden, aisthetisierenden und substituierenden BOTEN. Gleichzeitig jedoch läuft diesem intentionalen Funktionieren des medialen Boten etwas quer: die SPUR als nichtintentionale Funktion des Boten.88 Etwas läuft mit, das die Neutralität, das MittlerSein, das Übertragungskontinuum, die Hybridbildung, das Wahrnehmbarmachende und die Überführbarkeit des Medialen durchkreuzt: Spuren fungieren nach Krämer als »›unfreiwillige‹ Boten«89 . Beide, sowohl Bote als 82 83 84 85 86

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Ebd., 213. Ebd. Ebd. McLuhan 1997a, 180. Das Potential der Kunst, Medien in ihrer Medialität kenntlich zu machen, wird hier im Kapitel Die Medialitäten der Mode noch näher erläutert, und zwar anhand des medientheoretischen Ansatzes von Dieter Mersch, der allerdings in diesem Zusammenhang keinen Bezug auf die hier zugrunde gelegten Schriften von McLuhan nimmt. Im letzten Teil seiner Einführung grenzt er sich vielmehr kritisch von McLuhan ab, und zwar hinsichtlich des Technikbegriffs, in dem er eine grundlegende Vorannahme einer Strukturalität des Medialen erkennt. Diese versucht Mersch explizit zu umgehen, indem er sich vor allem einem aristotelischen Aisthesisbegriff als eine Grundlegung seiner Medientheorie zuwendet (vgl. Mersch 2006). Krämer 2004b, 80. Vgl. Krämer 1998b, 79ff. Sie erläutert in diesem Text einen Begriff von Spur, der noch nicht so differenziert, jedoch in seiner Bildhaftigkeit leichter zu fassen ist. Die folgenden Zitate, einfach aneinandergereiht, können deswegen als Folie für das Spurkonzept von Krämer verstanden werden: »Spuren sagen uns nichts, sie zeigen uns etwas. […] Das Medium verhält sich zur Botschaft, wie die unbeabsichtigte Spur sich zum absichtvoll gebrauchten Zeichen verhält. […] Das Medium ist nicht einfach die Botschaft; vielmehr bewahrt sich an der Botschaft die Spur des Mediums.« (Ebd.) Ebd., 77.

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auch Spur, verweisen auf ein Anderes, und zwar in dem Sinne, als dass Boten im Auftrag eines Anderen handeln, und dass dieses Andere durch den Akt des Beauftragens Spuren hinterlässt, die erst im Lesen dieser Spuren erzeugt werden. Es ist die »Heteronomie des Boten«90, seine »›Fremdgesetzlichkeit‹«91, die von Sybille Krämer hervorgehoben wird. Das heißt, dass sowohl der Wahrnehmende als auch der Auftraggeber bestimmen, dass die Übertragung von Sinn im Medialen überhaupt stattfindet, und beeinflussen wie etwas übertragen wird. Dadurch lässt sich in der Dysfunktionalität, dem Durchkreuzen des Boten durch die Spur, neben der Materialität auch das Medium als Mitte92 und somit die jeweils andere Seite der medialen Vermittlung erkennen. Krämers These ist, dass das Medium nicht nur erlaubt das Vermittelte wahrzunehmen, sondern dass sich im Medialen auch das Nicht-Intentionale als Spur zeigen lässt. Das führt sie zu dem Schluss, dass Medien »ein Materialitätskontinuum durch Verkörperung stiften«93, nicht aber Sinn. Dieser wird lediglich ermöglicht, indem er mitteilbar wird. Es wird deutlich, dass in diesem scheinbaren Kontinuum Diskontinuitäten enthalten sind, die auf ein gewisses Außen verweisen: Die Form, die im Boten und in der Spur sich kristallisiert, ist keine Form, die aus einem Innern kommt, sondern sich einem irreduziblen ›Außen‹ verdankt; sie ist weniger Ausdruck, sondern eher ›Ein-Druck‹.94

Mit anderen Worten und als Konsequenz der Überlegungen von Krämer, drückt sich das Sinnhafte dann nicht mehr in und als etwas aus, sondern konstituiert sich sinnlich an der Grenze zum Nicht-Sinnhaften. Nur das Wahrnehmbare, das Aisthetische ist sinnvoll, indem sich der Sinn im Prozess des Wahrnehmens erst konstituiert. Es besteht nun die Möglichkeit etwas zu erkennen, was sich sonst so nicht zeigt, denn die Bedingungen des Sinnhaften werden nun erkennbar durch seine Grenzen zum Un-Sinn. Medien generieren also nicht Sinn, bieten aber die Möglichkeit, in ihrem medialen Funktionieren, also anhand ihrer Medialität, das Konstituens des Sinns aufzuzeigen. Übertragen auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Mode, heißt das: Mode wird nicht medial dargestellt, sondern findet erst im Medialen statt. Die Medien der Mode als Boten und Spur zu sehen heißt deshalb, Mode auch in ihrem Nichtdargestellten zu erfassen, also in dem, was sich nicht unmittelbar sondern nur im Rahmen ihrer Vermittlung zeigt. Dieses Andere zeugt nach Krämer von einer »konsequente[n] Exteriorität«95, d.h. von 90 91 92 93 94 95

Ebd., 79f. Ebd., 80. Vgl. zum Begriff ›Mitte‹ in Beziehung zu ›Mittel‹ und ›Medium‹ Hubig 2002, 7. Krämer 1998b, 81. Ebd., 80. Ebd.

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einer Oberfläche und einem Außen, die kein Innen mehr repräsentieren. Mode ist somit nicht mehr als ein Zeichen von etwas zu verstehen, sondern vielmehr nur anhand ihrer spezifischen Zeichenhaftigkeit selbst. Nicht was sie bedeutet, sondern dass sie etwas zur Erscheinung bringt, macht deshalb die Mode an sich aus. Dieses Vermögen zeigt sich als Spur in der Medienkombination von Text und Bild einer Modezeitschrift, und zwar innerhalb ihrer wechselseitigen Bezugnahme, die nur zusammen Sinn ergibt. Die mediale Überbrückung der Grenzen des Bildes und der verbal-schriftlichen Sprache wird zum Konstituens von Mode, denn »ihr Charakteristikum ist die Grenzüberschreitung bzw. die Oszillation zwischen verschiedenen Bereichen«96, wie Gertrud Lehnert betont. Und die Kenntlichmachung dieser Grenze als Spur der Mode wird zur Markierung des Sinn- und Un-Sinnhaften: Mode erscheint so als Wahrnehmungsgeschehen zwischen den Medien Bild und Text. »Erfüllen Medien eine Konstitutionsleistung?«97, fragt Sybille Krämer und weist damit auf die Kluft zwischen den zwei Theorie-Polen von Medienprimat einerseits und Sekundarität der Medien andererseits. Die Entscheidung zwischen dem Verständnis von Medien als KONSTITUENTEN oder als Vermittler von Sinn ist aus Krämers Sicht die »Gretchenfrage der Medientheorie«98. Sie lässt sich jedoch vermeiden, indem »gezeigt wird, wieso Medien im Akt der Übertragung dasjenige, was sie übertragen, zugleich mit bedingen und prägen«.99 Krämer erläutert diesen Vorschlag wie folgt: »Es ist die Idee der ›Verkörperung‹ als eine kulturstiftende Tätigkeit, die es erlaubt, ›Übertragung‹ als ›Konstitution‹ auszuweisen und zu begreifen.«100 Es handelt sich bei der medialen Vermittlung um wiederholte Transformationen von Verkörperungen, die dadurch, dass und indem sie verkörpern auch transformieren, d.h. übertragen und umformen. Die Konstitutionsleistung liegt demnach in der Eigenschaft der Medien zu transformieren, und zwar als Umwandlung von einer Verkörperung in eine andere.101 Das heißt aber auch, dass jeder Transformation eine andere 96 97 98 99 100 101

Lehnert 2005b, 256. Krämer 2003a. Ebd., 80. Ebd., 85. Ebd. Die Verkörperung ist hier sowohl hinsichtlich ihrer Materialität und Strukturalität zu verstehen, da beide in der medialen Übertragung umgewandelt werden, und zwar je nach Medium in zu unterscheidender, spezifischer Weise. D.h. die mediale Übertragung wandelt nicht nur die materielle, sondern im Vollzug auch die strukturelle Beschaffenheit des Vermittelten um. Krämer formuliert dies wie folgt: »Inkorporation: Um das formenstiftende Potenzial des Gebrauchs gegenüber dem darin aktualisierten Muster zu rekonstruieren, ist das, was gewöhnlich ›Realisierung‹ (›Instantiierung‹, ›Erscheinenlassen‹, ›Vollzug‹) genannt wird, als ein Vorgang von Verkörperung zu spezifizieren.« (Ebd., 84.) Unklar ist, ob sie auch eine Wandlung des Musters an sich durch seine Transformation vorsieht. Das ist in-

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vorausgeht, und dass somit Medien immer im Plural und in ihrer gegenseitigen transformativen Relation gesehen werden müssen. Diese kann dann als grundlegende Intermedialität des Medialen herausgestellt werden, denn »[d]ie Annahme, es gäbe Einzelmedien, ist das Resultat einer Abstraktion«.102 Ob jedoch die nähere Betrachtung dieses »für die Sphäre des Medialen grundlegenden Phänomen[s]«103 des Intermedialen zur Erhellung der Medialität an sich beiträgt, problematisiert Dieter Mersch folgendermaßen: Der übliche Verweis auf Intermedialität, auf die Tatsache, dass Medien sich mittels anderer Medien beobachten lassen, der gewiss richtig ist, führt indes auf die doppelte Schwierigkeit, dass auf diese Weise (i) entweder nur Aspekte eines Mediums kenntlich werden, so dass wir lediglich Partialitäten, nie das Ganze haben, nicht einmal wissen, was das Ganze wäre, oder aber (ii) ein Zirkel entsteht, weil derart das beobachtete durch das beobachtende Medium mitkonstruiert würde, so dass die Konstruktivität von Medien selber zu einem Konstrukt von Medien gerinnt.104

Der zweite Punkt setzt, wie Mersch weiter ausführt, einen medienkonstruktivistischen Standpunkt voraus, der Realität erst durch Medien gegeben begreift und aufgrund dieser Ausschließlichkeit hier nicht zur Diskussion herangezogen wird.105 Zudem belegt diese Betrachtungsweise in einem Zirkelschluss letztlich, dass die »Medialität des Mediums […] wesentlich undarstellbar«106 bleibt. Eine andere Schwierigkeit, die Mersch im Konzept der Intermedialität sieht, ist die, dass lediglich nur Aspekte nie aber das Ganze eines Mediums kenntlich gemacht werden können. Das allerdings

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sofern relevant, als dass dann nicht mehr grundlegend von einer sprachlichen oder von einer im weitesten Sinn symbolischen Struktur der Mode in allen Medien ausgegangen werden muss. Das Wahrgenommene kann dann auch begriffen, gesehen, erfasst etc. werden, ohne dass es verstanden wird, d.h. ohne dass eine Bedeutung verstanden wird, die vielleicht gar nicht primär vorhanden ist. Krämer 2003a. Ebd. Mersch 2004b, 76. Vgl. ebd., 77. Mersch formuliert wie folgt: »Werden daher Medien als Konstituenten gefasst, die das Reale, dessen Bedeutungen oder Gegebenheitsweisen allererst hervorbringen, entgehen sie sich selbst in ihrer eigenen Beschreibbarkeit, bleibt ihre Medialität konstitutionell unkenntlich. Mehr noch: Gelten Medien als Konstitutionsbedingungen von Wahrnehmung, Sinn, Kommunikation und dergleichen, besetzen sie als operative Funktionen, wie sie in Vorrichtungen oder Apparaten zum Ausdruck kommen, den Ort der mit dem ›Verschwinden des Subjekts‹ obsolet gewordenen Kantischen Kategorien und kreieren gleichsam einen medialen Schematismus. Wir haben es also mit einem Medienidealismus zu tun, der die Stelle der einstigen Transzendentalphilosophie beerbt, die freilich technizistisch aufgerüstet wird. […] Denn dass wir ohne Medien nicht denken oder Bedeutungen produzieren können, dass es keine Erkenntnis ohne Medien gibt, impliziert nicht notwendig, dass Medien Sinn oder Erkenntnisse generieren – vielmehr generieren Bedeutungen, wie Wissen aus Wissen entsteht, wobei Medien im Prozess als nichtreduzierbare Elemente im Spiel sind.« (Ebd.) Ebd., 79.

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lässt sich für die hier anvisierte medientheoretische Fundierung der Mode vor allem als Option verstehen, denn bislang liegen im Bereich der Modetheorieforschung noch keine medientheoretischen Erkenntnisse vor. Die Analyse der Intermedialität von Mode, im Speziellen die Ikonotextualität des Modemagazins, wird deshalb Aspekte der Konstitution von Mode aufzeigen, die anders nicht deutlich werden. Die entscheidende konkrete Fragestellung zur medialen Konstitution von Mode ist demnach, »wie sie [die Medien] dabei im Spiel sind, welche Relevanz sie genau besitzen und welche Wirkungen sie im einzelnen zeitigen«107 . Mode kann zwar so nicht umfassend dargestellt werden, wenn sich jedoch konkrete Aspekte des Medialen aufzeigen lassen, die an der Vermittlung von Kleidung und bei der Konstitution von Mode beteiligt sind, werden damit auch Bedingungen ihres Erscheinens und ihrer sinnlichen Wahrnehmbarkeit kenntlich. Es wird deshalb dementsprechend nicht von einem Medium ausgegangen, das Sinn erzeugt, sondern von der weitaus schwächeren Annahme, dass Medien am Sinnbildungsprozess konstitutiv teilhaben: Medien visualisieren, machen hörbar, sammeln, ordnen und bewahren; sie setzen dabei Sinn um, ver-setzen ihn oder übertragen, verformen und transformieren ihn, aber sie schaffen keine Bedeutungen, sie setzen sie vielmehr voraus.108

Medien sind die Überträger von semiotischen Strukturen, die sie je nach spezifischer Materialität des Mediums transformieren, d.h. ihren eigenen medialen Bedingungen, ihrer Medialität gewissermaßen anpassen. Dadurch entsteht sowohl ein Mehrwert, als auch möglicherweise ein Verlust; beide sind bezogen auf materiale Qualitäten und Eigenschaften der beteiligten Medien. Während sie ihre vordergründige Aufgabe Sinn zu vermitteln und Bedeutungen zu übertragen erfüllen, leisten sie demnach im Vollzug dessen noch mehr. Alice Lagaay und David Lauer formulieren dies wie folgt: Medien wären stattdessen zu denken als Vermittler von etwas, das sie nicht selbst erzeugt haben, im Vollzug der Übertragung von Medium zum Medium aber gleichwohl konstituieren.109

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Damit wird die Konstitutionsleistung von Medien quasi zum Kristallisationspunkt von etwas Anderem, auch Beteiligten, jedoch nicht Erzeugenden, sondern vielmehr Verkörpernden: dem Medialen selbst. Im Medium lässt sich nun eine Grenzfigur ausmachen, die einerseits Sinn verkörpert, andererseits als eine materiale Trägersubstanz diesen überhaupt erst ermöglicht. Diese »Hybridisierung«110 , die »Übertragung zwischen Heterogenem«111 , 107 108 109 110 111

Ebd., 77. Ebd., 78. Lagaay / Lauer 2004, 25. Krämer 2004b, 73. Ebd.

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ermöglicht es, so Krämer, »die Grenzen des Semiotischen an und in unseren Darstellungspraktiken zu markieren«112 . Es ist nun möglich, auf ein Vorsemiotisches zu verweisen, das Bedeutungsprozesse erst konstituierbar macht. Es handelt sich gewissermaßen um ein Wahrnehmen, ohne verstehen zu können oder zu müssen, um ein sinnliches Wahrnehmen als ein Erfahren, das quasi den Vollzug des bewussten Wahrnehmungsaktes erst einläutet. Sind die Grenzen des Semiotischen in dieser Art markiert, wird ein Anderes als ein anderer Raum jenseits, bzw. diesseits des markierten semiotischen Gebiets wahrnehmbar.113 Diese Art der Wahrnehmung wird dann begreifbar als ein noch unreflektiertes Wahr-Nehmen, ein aisthetisches, sinnliches Wahrnehmen. Damit ist auf einen Ort als den menschlichen Körper selbst verwiesen, der wahrnehmend, aisthetisierend seine Umwelt in dieser Weise erschafft. Somit ist das mediale Konstituens im Prozess des Schaffens, des Handelns verortet, d.h. im wahrnehmenden Vollzug des Medialen, das sich sowohl als Produktion, aber auch vor allem als sinnlich wahrnehmende Rezeption verstehen lässt. Es ist unmittelbar verbunden mit dem menschlichen, sinnlichen Wahrnehmungsvermögen. Krämers Idee der Verkörperung lässt sich dann als Bedingung für die ästhetische Arbeit per se lesen, d.h. als verbindendes Konzept von Mensch und Umwelt anhand der Produktion von Atmosphären.114 Für die Frage nach der Medialität der Mode ergibt sich daraus ein entscheidender Impuls: Mode entsteht erst in ihrem aisthetischen Vollzug. Entscheidend ist also nicht mehr ob Kleidung als Mode gemacht wird, sondern dass sie in einer bestimmten Weise gebraucht wird, mit ihr umgegangen, mit ihr gehandelt wird. Der agierende, sinnliche Vollzug macht aus Kleidung erst Modekleidung. Gertrud Lehnert drückt dies für den Bereich des textilen Kleidungsobjekts wie folgt aus: »Mode besteht nicht nur aus Kleidern, sondern entsteht erst, wenn jemand etwas mit Kleidern macht, sprich: sie trägt.«115 Dieses Tragen muss deshalb im weitesten Sinne als ein performatives Handeln verstanden werden, und zwar als sinnlich wahrnehmbare Inszenierungsleistung, die nicht nur im Bereich des Textilen, sondern auch in vielen anderen medialen Formaten vollziehbar ist, und darüber hinaus nicht nur als Agens sondern auch als Vollzug im Sinne einer (nach-)vollziehenden wahrnehmenden Praxis begriffen werden kann. Die Mode ermöglichende Wahrnehmung der Medienkombination von Text und Bild im Rahmen einer Modestrecke muss demnach als ein konstituierendes Handeln begriffen werden. 112 113 114 115

Ebd. Dieser Raum des Anderen entspricht der Utopie vom herrschaftsfreien Raum, oder der Vision der außer Kraft gesetzten Vernunft, des Verstehenszwangs. Vgl. Böhme 2001, 45ff. Lehnert 2005b, 257.

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Die Medialitäten der Mode

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Die Medialität eines Mediums ist beschreibbar als seine Qualität, übertragend Sinn zu konstituieren. Für die Mode in Zeitschriften heißt das, dass ihr Erscheinen von dieser medialen Qualität abhängt. Sie zeichnet sich durch eine spezifische mediale Materialität und Strukturalität des Ikonotextes aus. In ihr ist das Eigengewicht, der Eigensinn der beiden Medien wahrnehmbar. Da es sich bei dieser Qualität nicht um einen darstellbaren Gegenstand handelt, sondern vielmehr um eine funktionale Eigenschaft, soll im Folgenden gerade das Funktionieren des Mediums als Vermittler erläutert werden. Dies geschieht vor allem in Hinblick auf eine grundlegende Undarstellbarkeit, das Rauschen, das Changieren und das Atmosphärische der Medien. In den medienphilosophischen Arbeiten von Dieter Mersch wird deutlich, dass die »systematische Undarstellbarkeit«116 des Mediums als solches, zur eigentlichen Prämisse seiner Medientheorie geriert. Diese grundlegende UNDARSTELLBARKEIT des »Mediums als Medium«117 begründet seine Theorie der Negativität des Medialen, indem er die Frage nach einem medialen Apriori anhand sprachphilosophischer Erkenntnisse von Ludwig Wittgenstein und Martin Heidegger als nicht sinnvoll, also als unmöglich beantwortbar zurückweist.118 Entsprechend besteht für ihn nicht die Möglichkeit einer erschöpfenden Darstellbarkeit eines Mediums durch ein anderes, sondern nur die erneute Medialisierung im Rahmen der Möglichkeiten dieses anderen Mediums. Das heißt für Mersch, dass das Mediale an sich in der Medialisierung durch ein anderes Medium nicht zu begreifen ist, sondern bestenfalls anhand der Aspekte seiner endlosen Iteration vorstellbar wird. Demnach erscheint also Mode im Ikonotext der Modestrecke anhand bestimmter medialer Aspekte, und das heißt: Mode wird anhand der Analyse der spezifischen ikonotextuellen Aspekte der Modestrecke fassbar. Denn die spezifische Medialität der Mode in der Modestrecke ist ihre Ikonotextualität. Die Möglichkeiten des Erscheinens von Mode sind somit an die Möglichkeiten ihrer Medialisierung und letztlich ihrer Wahrnehmung gebunden. Mode wird immer im Medium ihrer Vermitteltheit wahrgenommen, etwa in Form eines Kleides am Körper einer Frau, in Form eines Romans oder in Form einer beschrifteten Fotografie, einer Modestrecke in einem Magazin. Die zuvor erläuterte grundsätzliche Undarstellbarkeit des Mediums im Sinne von Mersch wird deshalb dem Ver116 117 118

Vgl. Mersch, 2003, Abs. 3. Ebd. Damit ist die unendliche und deshalb unmögliche Begründung der Sprache durch die Sprache gemeint, das ›petitio principii‹ als die Verwendung eines unbewiesenen, erst noch zu beweisenden Satzes als Beweisgrund für einen anderen Satz.

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such einer möglichen Kenntlichmachung, eines indirekten Aufzeigens des Modeereignisses im Medialen zugrunde gelegt. Aber wie lässt sich das Erscheinen der Mode wahrnehmen, und wie lässt sich ein solches Ereignis aufzeigen, wenn es an sich undarstellbar ist? – Ein Versuch das Ereignis des medialen Erscheinens sprachlich zu fassen, spiegelt sich im Bild des RAUSCHENS wieder: einerseits im Rauschen der gestörten Funktion bei Dieter Mersch und andererseits im Rauschen als Geräusch des Funktionierens bei Roland Barthes. Martin Seel hingegen unterscheidet zwischen dem bloßen und dem künstlerischen Rauschen; er versucht jedoch nicht das Medium per se zu fassen.119 Vielmehr geht es ihm um die Erzeugung und das Erkennen des Erscheinens selbst, für ihn wird im Rauschen fassbar, dass etwas erscheint. Die Medialität des jeweiligen Erscheinens steht für ihn nicht im Fokus des Interesses. Das Seelsche Rauschen ist vielmehr ein Geräusch, Flimmern oder auch Vibrieren, entsprechend der jeweiligen Sinneswahrnehmung, und es macht das Wahrnehmen selbst zu einem wahrnehmbaren Ereignis; somit ist »das Rauschen ein Geschehen ohne ein phänomenal bestimmbares Etwas, das geschieht«120 . Es handelt sich, so Seel weiter, um eine »Begegnung mit gestaltloser Wirklichkeit«, um ein »subsinnhaftes Erscheinen«.121 Das trifft zwar auch auf beide zuvor genannten Arten von Rauschen zu, dennoch bleibt zu betonen, dass es sich bei dem künstlerischen Rauschen um ein »arrangiertes Rauschen«122 handelt. Diesen Unterschied gilt es folgendermaßen hervorzuheben: Im Rauschen kommt sowohl die ästhetische Wahrnehmung beliebiger Objekte und Situationen als auch die Kunstwahrnehmung an ihre Grenze. Während das bloße Rauschen nur Effekt eines physischen Prozesses ist – ein Undeutlichwerden des Hörbaren oder Sichtbaren –, ist das künstlerische überdies Effekt eines Artikulationsprozesses – ein Undeutlichwerden der Formen, in denen ein Werk sich ansonsten darbietet.123

Das Rauschen des IkonoModeTextes, wie es hier in Hinblick auf die Werke von Barthes und Mersch herausgestellt werden soll, ist demnach dem Kunstrauschen zuzuordnen, wobei beachtet werden muss, dass die Kunst insgesamt, so Seel, »diese beiden Zustände miteinander kombinieren oder ineinander übergehen lassen kann«124 . Dieter Mersch legt in seinen Ausführungen zum Rauschen einen Schwerpunkt auf die Materialität des Medialen, indem er sich zunächst auf den allgemeinen, in der Kybernetik diskutierten Begriff bezieht, »der die 119 120 121 122 123 124

Vgl. Seel 2003, 223ff. Ebd., 233. Ebd. Ebd., 237. Ebd., 252. Ebd., 253.

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Materialbeschaffenheit und die Störungsanfälligkeit des technischen Geräts markierte« 125 . Für ihn liegt diese Anfälligkeit im Material, das nicht wie vorgesehen funktioniert; sie liegt also auch im Verschleiß und Veralten eines Mediums. Er betont deshalb vor allem den Bruch des Medialen im Rauschen, seine gestörte Funktion126 : In dem Maße, wie zudem Materialien ermüden oder sich verbrauchen, geht die Mediatisierung trotz aller Automatisierung nicht bruchlos ins Format von Wiederholbarkeit auf. So bleibt jenseits aller perfectio der Mediatisierungsstrategien […] ein Nichtaufgehendes oder Widersetzliches, das als Reservoir einer Widerständigkeit ausgewiesen werden kann, woran der mediale Zauber bricht.127

Zur Erweiterung der Sichtweise des Rauschens ist allerdings ein weiterer Aspekt relevant, und zwar das paradoxale Wahrnehmen eines stummen Geräuschs im Sinne Roland Barthes: das störungsfreie Funktionieren der Maschine als ein vermittelndes Medium.128 Für Barthes verwirklicht sich dieses Rauschen letztlich erst in der Rezeption von Medien, also im prozessualen, wahrnehmenden Vollzug medialen Erscheinens. Das Rauschen der Sprache (langue) ist für ihn somit eine lohnenswerte Utopie, das Rauschen der »glücklichen Maschinen«129 jedoch ein wahrzunehmendes Ereignis. Barthes macht an dieser Stelle einen für meine Überlegungen entscheidenden Unterschied zwischen dem Geräusch des Sprechens (parole) und dem Geräusch einer Maschine, bzw. eines Mediums: Das »Sprachgeräusch«130 (bruit de langage) des Sprechens, »›das Gestammel‹«131 ist aufgrund seiner uneinholbaren, d.h. nicht löschbaren materiellen Präsenz das »hörbare Zeichen eines Scheiterns«132 , während das Rauschen als ein »Geräusch des gut Laufenden«133 das »reibungslose Funktionieren der Maschine in einem 125 126 127 128

138

129 130

131 132 133

Mersch 2004b, 83. Vgl. Jäger 2004, 42f. Mersch 2004b, 83. Maschine und Medium entsprechen sich an dieser Stelle, da Barthes keinen einseitig technischen Maschinenbegriff vertritt. Dies zeigt sich u.a. im Aufsatz »Rauschen der Sprache« indem er die Maschine in Bezug auf die Vision eines Roboters als eine Gefahr darstellt, den Körper zu verlieren. Die Maschine ist demnach für Barthes eng verbunden mit dem Körperlichen an sich, »[d]enn das Rauschen setzt […] eine Gemeinschaft der Leiber voraus […]« (Barthes 2006f, 89). Die Maschine kann hier deshalb als ein leibliches Medium verstanden werden, und zwar ähnlich der Medienkonzeption von McLuhan als Extension des Körpers. Damit schließt das Medium als Maschine in gewisser Weise das Körperliche in sich, d.h. in seinen Gebrauch und seine Wahrnehmung ein. Ebd. Ebd., 88; vgl. den frz. Text in: ders. 2002, 800. Es ist darauf hinzuweisen, dass die deutsche Übersetzung keine eindeutige Unterscheidung zwischen langue, parole und langage trifft. Um Uneindeutigkeiten zu vermeiden, sei deshalb in Klammern darauf hingewiesen, welche Sprache gerade gemeint ist Barthes 2006f, 89. Ebd. Ebd.

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musikalischen Wesen«134 verkörpert. Das gestörte Sprechen als »zweifach misslungene Botschaft«135 wird von ihm nicht näher betrachtet, es markiert lediglich den Prozess eines unwiderruflichen, unumgänglichen »Scheiterns«136 im Sprechen. Das Rauschen an sich jedoch birgt ein Paradox, es denotiert, so Barthes, ein »Grenzgeräusch, ein unmögliches Geräusch, das Geräusch des perfekt funktionierenden Geräuschlosen«137 . Das mediale »Geräusch einer Geräuschlosigkeit«138 wird für ihn als utopisch gedachtes Rauschen der Sprache sowohl zu einem »Sinn, der eine Leerstelle des Sinns zu Gehör brächte«139 , als auch zu einem »Un-Sinn, der in der Ferne einen Sinn erklingen ließe«140 . Das wird somit Rauschen zum Platzhalter des Sinnhaften, das den Un-Sinn als eine seiner Erscheinungen einschließt. Es wird zur Möglichkeit und Unmöglichkeit von Sinn überhaupt, und es beschreibt das Sinnhafte in seiner paradoxalen Existenzmöglichkeit; dies geschieht auch in Hinblick auf seine allgemeine mediale Konstitution, also nicht nur mit Blick auf seine sprachliche, strukturelle Verfasstheit im Sprechen. Indem Barthes nämlich darauf hinweist, dass das Rauschen auch »in den Abenteuern des Lebens«141 zu erforschen sei, und es konkret am Beispiel eines Films von Antonioni erläutert, macht er deutlich, dass es sich auch um das Rauschen einer medialisierten Sprache (langue) handeln kann. Er schildert die Filmszene zwar zunächst nur in Hinblick auf die Erscheinungsweisen des Sprachlichen an sich (Bücher, Lesende, diverse Sprechakte, etc.).142 Darauf folgend zielt Barthes jedoch mit aller Verweiskraft des polemisch rhetorischen Fragens auf das begleitende Eigentliche, und zwar auf »eine Erotik (im weitesten Sinn des Wortes)«143 . Es handelt sich dabei um das, was das szenische Bild der Sprache hinzufügt: »das Gesicht der chinesischen Jungen«.144 Das ist der entscheidende Punkt in diesem Text von Barthes: Das Rauschen wird erst vernehmlich im funktionierenden Zusammenspiel von Sprache und Bild. Zunächst noch als utopisch in Bezug auf die Sprache (langue) gehandelt, zeigt es sich nun in der medialen, cineastischen Verquickung von Diskursivem und Aisthetischem, d.h. ihrer spezifischen medialen Struktur. Die Funktionen der so genann-

134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.; ders. 2002, 800f. Ebd., 90; ders. 2002, 802. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. ebd. Barthes formuliert wie folgt: »In einer Dorfstraße lesen Kinder, an eine Mauer gelehnt, laut und jeder für sich alle ein anderes Buch.« (Ebd.) Ebd., 91; ders. 2002, 802. Ebd.; ders. 2002, 803 .

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ten Kino-Maschine als das Funktionieren ihrer Medialität ermöglichen bei Barthes erst das Hören des Rauschens »in einer Art halluzinierten Wahrnehmung«145 . Nicht die Störung als Bruch, Riss oder Kluft der medialen Transparenz, sondern das Gegenteil, ein nahezu zuversichtliches SichEinlassen auf das störungsfreie Funktionieren eines Mediums eröffnet für Barthes den utopischen unendlichen Raum, in dessen weiter »Ferne wie eine Fata Morgana«146 der »ganzheitliche, undurchdringliche, unsagbare Sinn«147 wahrnehmbar scheint. In Hinblick auf die Thesen von Mersch, der das Rauschen diametral zum Bartheschen Begriff verwendet, erschließt sich daraus folgende konstruktive Aneinanderreihung der beiden Ansätze. Für Barthes ermöglicht das Wahrnehmen des Rauschens durch das Funktionieren des Mediums das Erkennen der Tatsache, dass überhaupt Sinn möglich ist. Für Mersch ermöglicht das Wahrnehmen des Rauschens durch die Störung des Mediums das Erkennen der Medialität des Mediums. Beide versuchen, das Wesen der Sprache (langage) im Sinne einer Sprach- bzw. Sprechfähigkeit, also der Fähigkeit Sinn zu erzeugen, zu fassen: Barthes auf der Ebene ihres medial Vermittelten, des Medialisierten, und Mersch auf der Ebene ihrer medialen Vermitteltheit, der Medialität. Barthes versucht die langue in den Blick zu nehmen, Mersch versucht die parole zu fassen. Bezogen auf die Frage, ob Medien Sinn konstituieren, und in der Folge auf die Frage, ob Mode erst in ihrem medialen Erscheinen Sinn macht, lassen sich beide Ansätze in folgender Annahme zusammenführen: Das Erkennen der Medialität des Mediums und das Begreifen seiner Funktionsweise befähigt den Rezipienten allererst über das Medialisierte hinaus, losgelöst von einem vermittelten Inhalt, Lust am Bartheschen Sinn/Un-Sinn zu entwickeln. Und zwar handelt es sich um eine Lust, die möglicherweise im Sinne einer Wollust zu begreifen ist:148 Übertragen auf die Mode heißt das, dass sich erst im Erkennen der Medialität der Mode, d.h. ihrer spezifischen medialen Vermitteltheit eines zweifachen Rauschens, ihr möglicher Sinn aufzeigen lässt: Rauschen zum einen als Geräusch der Störung und zum anderen als ein Lautloses des funktionierenden Medialisierungsprozesses.

145 146 147 148

Barthes 2006f, 90; ders. 2002, 802. Ebd. Ebd. Im Französischen heißt es wie folgt: »[L]e sens serait ici le point de fuite de la jouissance.« (Barthes 2002, 802.) Es scheint eine Übersetzungsungenauigkeit vorzuliegen, denn im deutschen Text wurde jouissance mit ›Lust‹ (plaisir) übersetzt: »[…] der Sinn der Fluchtpunkt der Lust« (ders. 2006f, 90). Insbesondere unter Berücksichtigung der Idee der Wollust in Le plaisir du texte (ders. 1973; bzw. ders. 2002, 219-261) muss meines Erachtens jedoch eher von jouissance gesprochen werden, um diese besondere Dimension des Textes berücksichtigen zu können.

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Es soll nun ein Bild des Rauschens gezeichnet werden, das diese beiden Perspektiven übereinander legt, und zwar in Hinblick auf das rauschende Material, das bei Mersch als Störung die Medialität kenntlich werden lässt, und das bei Barthes als Transparenz durch das Medium hindurch den Sinn allererst ermöglicht. Denn beide Arten des Rauschens »markieren zwei Modi der Sichtbarkeit, die sich in der Regel wechselseitig ausschließen: die Sichtbarkeit des Mediums und die des Mediatisierten«149 , so Ludwig Jäger in dem Aufsatz »Störung und Transparenz. Skizze zur performativen Logik des Medialen«. Es handelt sich demnach beim looking at und looking through nicht um verschiedene Eigenschaften des Mediums, sondern vielmehr um unterscheidbare »Aggregatzustände«150 der einen Materialität des Mediums. Mit anderen Worten geht es bei den verschiedenen Erscheinungsformen um das CHANGIEREN eines medialen Stoffes, das vergleichbar ist mit der Textur des Stofflichen, mit Kette und Schuss eines Changeant.151 Entsprechend beschreibt Jäger das Medium als »Vermittler von etwas, der – je nach kommunikativem Aggregatzustand – zwischen Figur und Grund bzw. zwischen Relevanz und Vertrautheit changiert«152 . Betrachtet man nun das Rauschen der Störung als beispielsweise gelben Schuss und das Rauschen der Transparenz als blaue Kette eines changierenden Stoffes so ergibt sich das schlüssige Bild eines sich gegenseitigen Konstituierens von Störung und Transparenz im Medialen. Auch das Verwobensein beider Arten des Rauschens erscheint nun klarer: [W]obei es genau dieses Changieren ist, das das Medium mehr sein lässt als Ausdruck und Übermittler eines Inneren, nämlich Explikator eines Impliziten, das, indem es expliziert wird, seinen epistemischen Status derart verändert, dass man sagen kann: Das Implizite wird durch seine Explikation nicht nur zum Ausdruck gebracht, sondern in einem gewissen Sinn auch konstituiert.153

So wie eine Reihe paralleler blauer Fäden erst durch die verbindenden gelben Fäden zur Kette wird und diese ihrerseits erst durch jene zum Schuss, bilden nur beide zusammen in dieser Form einen changierenden

141 149 150 151

152 153

Jäger 2004, 61. Ebd., 65. Vgl. Wisniewski 1996, 58. Wisniewski definiert wie folgt: »Changeant (frz. ›wechselnd‹, ›schillernd‹), Gewebe aus unterschiedlich gefärbten Kett- und Schussfäden, die je nach Lichteinfall zur einen oder anderen Farbe tendieren […].« (Ebd.) Jäger 2004, 63. Ebd., 64, Fußnote 139. Jäger formuliert wie folgt: »Tatsächlich markieren synthetische Explikationen im Übergang von ›wissen wie‹ zu ›wissen dass‹ im Kommunikationsprozess den iterativen Übergang von gestörter Transparenz zum Wiedereintritt in Transparenz. Das heißt auch, dass die explizierte Semantik, die nun wieder stilles Wissen wird, in keinem analytischen Verhältnis zu der impliziten Semantik steht, die expliziert wurde. Im semantischen Netz hat eine Verschiebung stattgefunden.« (Ebd.) Diese Verschiebung ist das, was konstituiert wird. Im Modus dieser Verschiebung von Sinnhaftem, der Konstitution einer anderen Bedeutung, findet Mode statt.

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Stoff, der selbst grün das Blaue und Gelbe in sich eint. Vor diesem Hintergrund kann Jägers Begriff der Störung klarer gefasst werden. Entscheidend für seinen Ansatz ist die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Störungen: 1. Störung als eine Art Unfall und 2. Störung als »Auslöser der Bearbeitung von Redesequenzen im Interesse der Klärung der Redeintention«154 . Wobei beide Störungen sowohl im Medium als auch beim Sprecher oder Rezipienten lokalisiert werden können.155 Den zweiten, den entscheidenden Fall von Störungen nennt Jäger transkriptiv in dem Sinne, dass sie »als Fingerzeige für die Notwendigkeit der transkriptiven Weiterverarbeitung der Äußerung fungieren«156 . Sie fordern also eine Nachbearbeitung157 in Form einer korrigierenden, Bezug nehmenden Folgehandlung. Erst diese ermöglicht das Erkennen eines intendierten Sinns. Störungen sind somit nicht mehr nur Hinweise auf ein Nicht-Funktionieren, sondern konstitutiver Teil des Verstehensprozesse, der von Jäger als eine »Rückkopplungsbewegung«158 verstanden wird. Daran wird nun deutlich, wie dieser Begriff eines konstitutiven Rauschens für die mediale Verfasstheit der Mode im Ikonotext fruchtbar gemacht werden kann, und zwar als ein fiktives Geräusch der Wahrnehmungsbewegung zwischen Bild und Text, die zwar Störungen enthält, die jedoch gleichzeitig Bedingung ihres Fortschreitens sind. Jägers medientheoretisches Konzept baut auf diesem Changieren des Sinns als konstituierender Verstehensprozess des Medialen auf. Er beschreibt es als die »autoreflexive Anwendung von Kommunikation auf die Ergebnisse von Kommunikation«159 und macht in diesem Moment des Innehaltens und Zurückgreifens die Performativität des Sprachlichen an sich fest. Wobei diese »rekursive Transkriptivität«160 zwar »in natürlichen Sprachen ihren ursprünglichen Ort hat, aber auch in Verfahren nicht-sprachlicher Mediensysteme in der einen oder anderen Form opera-

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Ebd., 46. Vgl. ebd., 42f., Fußnote 37. Ebd., 46. Vgl. ebd., 41ff. Jäger weist mit dem deutschen Wort ›Nachbearbeitung‹ auf den Begriff ›Repair‹ hin: Es gibt »Beispiele für Repair-Handlungen, ohne dass Irrtümer oder Fehler in der Konversation vorliegen. Die Ersetzung von Wörtern oder die Reformulierung von Äußerungssegmenten darf deshalb in einer großen Klasse von Fällen nicht als Ausdruck eines Korrekturbedürfnisses verstanden werden. Über die zweifellos existierende korrektive Funktion hinaus haben Repairs nämlich eine grundlegendere konstruktive Funktion: Sie ermöglichen die Ausfaltung der zu Redebeginn unartikulierten Intention im Zuge interaktiver Verständigungshandlungen.« (Ebd., 46.) Ebd., 64. Ebd. Er verweist an dieser Stelle auf »Luhmanns Begriff des rekursiven ›Eigenverhaltens‹ von Systemen« (ebd.); vgl. Luhmann 1997. Jäger 2004, 64f.

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tiv anwesend ist«.161 Das Ergebnis ist, dass erst die Transparenz der Medien der Mode und ihre transkriptiven Störungen durch das Gewahrwerden ihrer Medialität gemeinsam changierend Sinn konstituieren.162 Sie sind »zwei polare funktionale Zustände medialer Performanz«163 . Die spezifische Medialität des Mediums ist somit sinnkonstitutiv.164 Übertragen auf die Frage nach der Medialität der Mode heißt das, dass Mode erst im Prozess des Gewahrwerdens ihres Mediums und ihrer medialen Vermitteltheit entsteht: Die spezifische Medialität von Text und Bild und ihr Changieren ermöglicht die Konstitution von Mode in der Zeitschrift. Für die Modekleidung an sich ist dies ein scheinbar offensichtlicher Prozess, ist es doch das materielle Objekt als solches, das im Handeln Mode wird.165 Für Mode, wie sie sich in der Modestrecke zeigt, heißt das jedoch, dass ihr Sinn erst im Wahrnehmen der spezifischen Ikonotextualität der Zeitschrift erscheint. Der Prozess der »rekursiven Selbstverarbeitung«166 in einem weiteren Medium ist deshalb als spezifische Medialität der Mode zwischen Text und Bild kenntlich zu machen. Mode in Zeitschriften ist demnach als die Art und Weise fassbar, wie Bild und Text in der Modestrecke aufeinander verweisen, und wie sie im Prozess ihrer Rezeption diesen Zwischenraum als atmosphärischen Wahrnehmungsraum gestaltbar erscheinen lassen. Jenes ATMOSPHÄRISCHE soll, so Gernot Böhme, »einen Phänomenbereich bezeichnen, nicht ein Einzelnes Etwas«167 . Dieser Bereich wird einerseits durch menschliches Agieren im Sinne ästhetischer 161

162 163 164

165 166

167

Ebd. Es gilt zu betonen, dass das Sprachliche bei Jäger immer auf die grundlegende Fähigkeit des Menschen zu sprechen, Sprachen zu bilden bezogen bleibt. Nach Jäger kann die Sprache als solche »als Archimedium medialer Kommunikativität betrachtet werden« (Jäger 2002, 69f.). Zum Begriff der Transkription und zur »Logik der Transkriptivität« vgl. ebd., 67ff. Jäger 2004, 60. Vgl. ebd., 64f. Für Jäger kommt im Zustand der Störung, indem er ihn mit dem Sichtbarwerden der »materialen Präsenz« (ebd.) des Mediums verbindet, eine Art Aufschub zum Tragen, den er auf das Derridasche Modell der différance zurückführt. Insbesondere Derridas Figur der strukturellen Parasität nutzt Jäger zum Ausformulieren seiner theoretischen Annahme der Transkriptivität: Diese »›Starre‹« (ebd., 48) als »Stillstellung kommunizierter Zeichensequenzen« (ebd.) erzeuge eine Spur, die ihrerseits das Sichtbarwerden der Materialität des Mediums ermögliche und zwar sowohl in der Sprache, als auch in der Schrift und in anderen Formen kommunikativer Medien. (Vgl. Derrida 1988.) Vgl. Lehnert 2005a. Jäger 2004, 64. Er vertritt die These, dass die rekursive Transkriptivität das grundlegende Verfahren Sinn konstituierender Prozesse ist, die ihren Ausgang in der menschlichen Sprachfähigkeit haben; diese lässt sich sozusagen ausgewandert in vielen anderen Medien nachweisen, wenn sich »Spuren dieser Wanderung« (ebd., 65) zeigen lassen. (Vgl. Mersch 2004b, 83. Er formuliert wie folgt: »Keine Wahrnehmung erliegt ganz dem Medium, in das sie schaut […]; stets gibt es ›Unfüglichkeiten‹ und damit auch Unverfügbarkeiten, die gleichsam ›als Spur‹ ›spurlos‹ mitlaufen und die Erfüllung des Medialen hartnäckig vereiteln.« (Ebd.)) Böhme 1998, 11.

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144

Arbeit erzeugt, andererseits ist die Atmosphäre das, was »Umgebungsqualitäten und menschliche[s] Befinden«168 zueinander in Beziehung setzt, also in gewisser Weise Objekte und Subjekte verbindet. Das Atmosphärische bezeichnet nach Böhme Phänomene, »die gegenüber Atmosphären deutlicher vom wahrnehmenden Ich unterschieden sind und bereits eine Tendenz zeigen, Dingcharakter anzunehmen«169 . Er unterscheidet Atmosphären vom Atmosphärischen mit dem Hinweis, dass die Übergänge fließend sind. Festzuhalten ist deshalb zunächst, dass für Böhme das Atmosphärische eine gewisse Art von real Gegebenem darstellt und die Atmosphäre weitaus subjektiver, wahrnehmend gebildet wird. Übertragen auf die zugrunde liegende Fragestellung lässt sich deshalb davon ausgehen, dass eine Kleidermode sich in Atmosphären konstituiert, und dass Mode an sich eher etwas Atmosphärisches zu sein scheint.170 Er will die Seinsweise eines Objektes nicht anhand von Eigenschaften als Bestimmungen gedacht wissen, sondern begreift das Ontische in seinen »Weisen, wie es aus sich heraustritt«171 . Diese Ekstasen werden als Wirkungen eines Dinges auf seine konkrete Umwelt aufgefasst.172 Seine Form, seine Ausdehnung und sein Volumen werden von Böhme zusammen verstanden als seine »Voluminizität«173 . Es geht demnach um die »Mächtigkeit seiner Anwesenheit im Raum«174 in Bezug auf einen Wahrnehmenden. Dinge werden im Sinne von Ekstasen nicht mehr als in sich geschlossene Seinweisen, sondern vielmehr als Wirkungen über ihr materiales Sein hinaus verstanden. Sie öffnen sich so einem Raum, sind in ihrer Relation zu den Rezipienten bedingt und bewirken eine Atmosphäre. Die Präsenz der Dinge, ihre Realität ist demnach wesentlich anhand ihrer Ekstasen und Atmosphären zu erfassen. Von dieser Realität der Atmosphären ist die Wirklichkeit der Erscheinungen abzugrenzen, die sich im Medialen zeigt.175 So gesehen ist das Atmosphärische z.B. eines Bildes, die »Erfahrung der Präsenz des Dargestellten«176 , denn »das Bild ist in gewisser Weise selbst, was es darstellt, d.h., das Dargestellte ist in und durch das Bild präsent«177 . Die Mittelbarkeit eines Kunstwerks, eines Bildes oder eines Textes, ist nicht seine primäre 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177

Böhme 1995, 22. Böhme 2001, 59. Da eine klare Trennung nach Böhme nicht möglich ist, werden hier entsprechend beide Begriffe in Ergänzung und gegenseitiger Erhellung verwendet. Böhme 1995, 33. Vgl. Böhme 2001, 131ff. Böhme 1995, 33. Böhme nennt diese Mächtigkeit an anderer Stelle auch »Voluminösität« (Böhme 2001, 169). Böhme 1995, 33. Zur terminologischen Unterscheidung von Realität und Wirklichkeit vgl. Böhme 2004, 9ff. Ebd., 24. Ebd.

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Eigenschaft, d.h. es nicht Mittel oder Zeichen für etwas, sondern es ist es selbst. Es ist sozusagen seine eigene Präsenz, seine eigene Wirklichkeit. Damit steht es allererst für sich und bedingt eine Atmosphäre, und das heißt für Gernot Böhme: Das Eigentümliche bei einer Geschichte, die man liest oder die vorgelesen wird, ist ja dies: sie teilt uns nicht nur mit, dass irgendwo anders eine bestimmte Atmosphäre geherrscht habe, sondern sie zitiert die Atmosphäre selbst herbei, beschwört sie. Ähnlich sind Bilder, die eine melancholische Szene darstellen, ja nicht nur Zeichen für diese Szenen, sondern erzeugen diese Szene selbst.178

Medien wie Bilder und Texte erzeugen demnach Szenen, und konstituieren somit etwas Atmosphärisches. Es geht dabei also auch um das Potential des Medialen, etwas zu erzeugen. Nur, und das ist das Entscheidende bei Böhmes Ansatz, findet das Konstituens erst im Umgang mit Medien statt, d.h. sowohl im Prozess des ästhetischen Arbeitens und als auch im Vollzug durch den Wahrnehmenden. Das Medium geriert zum Aufbewahrungsort eines mehr oder weniger stillgelegten Prozesses oder Vollzugs: Tatsächlich werden in der Beschreibung oder bildlichen Darstellung die Ekstasen vom Ding abgehoben, d.h. von ihrer Quelle, und nur noch als solche vermittelt. Beschreibung oder bildliche Darstellung gehören also selbst zum Hervorgetreten-Sein des Dinges, sie sind abgehobene, d.h. auch weiter artikulierte und herausgehobene, aber eben auch isolierte und stillgestellte Ekstasen. Daraus folgt, dass die Elemente der Beschreibung oder des Bildes gegenüber denen des Dinges durchaus heterogen sein können. Es kommt nur darauf an, dass sie – wie die Ekstasen des Dinges selbst – das Ding hervortreten lassen und präsent sein lassen.179

Nicht das Medium selbst, sondern der Mensch als ein für die Sinne produzierendes und sinnlich rezipierendes Wesen, erzeugt hiernach die Atmosphäre, und damit die für Sinnbildung basale Voraussetzung. Die »Neue Ästhetik«180 nach Gernot Böhme sieht entsprechend einen veränderten Kunstbegriff vor, der bei der sinnlichen, aisthetischen Wahrnehmung ansetzt und damit die Kriterien des Künstlerischen sowohl beim Produzenten, beim Objekt und beim Rezipienten grundlegend hinterfragt und verändert.181 Ein wichtiger Punkt für die Betrachtung der Medialität der Mode ist, dass diese Atmosphären stillgelegt sein und erst im Vollzug aktiviert werden können, und dass somit ein Performativitätskonzept zum Tragen kommt, dass sich an der Idee der »ästhetischen Praxis«182 orientiert. Das heißt erstens, dass sich das Erscheinen von Mode in der Modezeitschrift

178 179 180 181 182

Ebd., 38. Ebd., 175f. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 22ff. Böhme 2001, 177ff.

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erst im wahrnehmenden Vollzug des Rezipienten ereignet, und zweitens, dass dieser Vollzug auf einer spezifischen Wahrnehmungsweise beruht, die das Stillgelegte des IkonoModeTextes zu aktivieren weiß. Der Begriff der ästhetischen Arbeit bei Böhme ist demnach so zu erweitern, dass auch der Umgang mit der Wahrnehmung von Atmosphären selbst zu einer spezifischen Art ästhetischer Praxis wird. Denn dann ist das kritische Potential dieser Neuen Ästhetik nicht nur, wie Böhme schreibt, in einem »Wissen um diese Inszenierungen«183 zu suchen, sondern auch im konkreten Handeln mit den medialen Wirklichkeiten. An dieser Stelle lässt sich das Aisthetische auch als ästhetische Handlungsfähigkeit auf Seiten der Rezipienten weiterdenken. Diese Fähigkeit, etwas sinnlich zu begreifen, soll hier entsprechend als Aktivität im Sinne einer Arbeit gedacht werden, der ebenfalls eine »Bewusstheit bezüglich der Mittel«184 zugrunde liegt und die etwas im Vollzug herstellt; Böhme spricht in diesem Zusammenhang von ästhetischem Konsum.185 Das soll hier jedoch vermieden werden, da es nicht um ein Konsumieren im Sinne von Verbrauchen geht, sondern um einen Gebrauch der Medien im Sinne eines aktivierenden Vollzugs. Im Gegensatz zum dem eher passiven Konsumieren, wird hier deshalb bei der Rezeption von ikonotextuellen Medien das potentielle Agens betont, das eine eigenmächtige Praxis evoziert. So gesehen sind die Rezipienten ein aktiver Pol des Wahrnehmungsprozesses, sie erobern sich gewissermaßen zwischen den Medien das sinnlich Wahrnehmbare zurück. Die Bewusstheit bezüglich der Mittel ist deshalb mindestens als ein grundlegendes Unterscheidungsvermögen von Realität (Dinge) und Wirklichkeit (Erscheinungen) zu verstehen, und bestenfalls als ein dezidierter und möglichst weitgehend selbstbestimmter Umgang mit Realem und Wirklichem der Medialität. Des Weiteren soll auch das kritische Potential der ästhetischen Theorie des Atmosphärischen beleuchtet werden: Gernot Böhme sieht bereits im »Wissen von ihrer Machbarkeit«186 , d.h. in der medialen Erzeugbarkeit von Atmosphären, die Chance »ihre suggestive Kraft zu brechen und einen freieren und spielerischen Umgang mit den Atmosphären zu ermöglichen«187 . Praktisch hieße das, die mediale Wirklichkeit als gemacht zu erkennen, und sie als sinnlichen Proberaum zu nutzen, bedeute bereits einen Handlungsspielraum zu haben. Böhme geht jedoch noch einen entscheidenden Schritt weiter, indem er die umfassende Ästhetisierung der Realität, die das Merkmal einer späten Phase des Kapitalismus ist, kritisiert. 183 184 185 186 187

Böhme 1995, 43. Ebd., 39. Vgl. Böhme 2001, 177ff. Ebd., 43. Ebd.

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Im Rahmen dieser »Kritik der ästhetischen Ökonomie«188 macht Böhme neben Gebrauchs- und Tauschwert den »Inszenierungswert«189 verantwortlich für die Ausbeutung des Menschen, da durch Inszenierungswerte nicht mehr Bedürfnisse befriedigt, sondern vielmehr die »Begehrnisse«190 gesteigert werden: »Der Mensch will nicht nur leben und überleben, sondern er will sein Leben intensivieren und sein Lebensgefühl steigern.«191 Die spielerische Freude am Inszenieren lehnt Böhme nicht ab, er sieht sie vielmehr als ein Grundbedürfnis des Menschen. Nur die ökonomische und damit politische Vereinnahmung des ästhetischen Inszenierens muss seiner Ansicht nach erkannt und kenntlich gemacht werden. Die Aufgabe einer nachhaltigen Kritik der Politik und Ökonomie auf Grundlage dieser Neuen Ästhetik formuliert er deshalb wie folgt: Fern von allem bildungsbürgerlichen Dünkel ist hier eine Kritik notwendig, die die Freude an Glanz und Lebenssteigerung nicht verdirbt, aber gleichwohl die Freiheit gegenüber der Macht der Atmosphären wahrt.192

Für die Betrachtung der Medialitäten der Mode als etwas Atmosphärisches heißt dies, dass es durchaus Ansätze zur Kritik gibt, die möglicherweise nicht ins Leere greifen. Insbesondere die Vermittlung von Wissen über das Funktionieren von Mode in ihrer ökonomischen Dimension, aber vor allem ihr ästhetisches Potential, Atmosphären auch unabhängig von ihrem Tauschwert zu schaffen, birgt die Möglichkeit einen anderen Umgang mit Mode zu denken. Wie Böhme sagt, kann es nicht um eine Ablehnung des Ästhetischen in der Realität oder medialen Wirklichkeit gehen, sondern es müssen neue, und zwar umfassende Ansätze eines ästhetischen Begreifens, d.h. einer neuen Theorie der Aisthetik, entwickelt werden, die auch die Phänomene des Alltags einbeziehen: Die neue Ästhetik ist eine Auseinandersetzung mit der fortschreitenden Ästhetisierung der Realität. Für diese Aufgabe ist eine Ästhetik als Theorie der Kunst oder des Kunstwerks völlig unzureichend. Mehr noch, da sie sich im handlungsentlasteten Raum und unter Bildungseliten abspielt, täuscht sie darüber hinweg, dass Ästhetik eine reale gesellschaftliche Macht darstellt. Es gibt ästhetische Bedürfnisse und es gibt ästhetische Versorgung. Es gibt allerdings die ästhetische Lust, aber es gibt auch die ästhetische Manipulation. Neben die Ästhetik des Kunstwerks treten gleichberechtigt die Ästhetik des Alltags, die Warenästhetik, die politische Ästhetik. Die allgemeine Ästhetik hat die Aufgabe, diesen breiten Bereich ästhetischer Wirklichkeit durchsichtig und sprachfähig zu machen.193

188 189 190 191 192 193

Ebd., 45ff. Böhme 2001, 21. Dieser Wert wird von ihm an anderer Stelle auch als »Scheinwert« (Böhme 1995, 46) bezeichnet. Böhme 2001, 183. Ebd. Böhme 1995, 47. Ebd., 48.

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Hiermit liegt nun eine ästhetische Theorie vor, die es erlaubt Mode als ästhetisches und »performatives Phänomen par excellence«194 zu begreifen, ohne sie vollends der Kunst zu subsumieren, und gleichzeitig mögliche Frei- und Spielräume – nach Böhme: handlungsentlastende Räume – auch in der Rezeption einer Modezeitschrift auszumachen. Gernot Böhme liefert mit seiner Aisthetik ein für die Betrachtung des Phänomens Mode überaus geeignetes Instrumentarium: Mode als etwas Atmosphärisches zu sehen heißt nun, sie als einen konstitutiven Wahrnehmungsprozess zwischen Medien und Rezipienten zu verorten. Insbesondere bei der Betrachtung von Mode als Ikonotext in der Zeitschrift wird dieser Ort des Dazwischenliegens besonders deutlich, da die Rezeption immer zwischen den Medien Text und Bild stattfindet. Diese spezifische, ikonotextuelle Medialität der Mode in der Zeitschrift evoziert somit gleichsam ein rezipierendes Eintreten in den Konstitutionsprozess.

Ist Mode ein Medium? Mode ist eines der vielfältigsten, veränderlichsten, ungreifbarsten und doch hartnäckigsten Medien der Bedeutungsgenerierung, Bedeutungszuschreibung, aber auch der Dekonstruktion von Bedeutung.195

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Ausgehend von der Prämisse, dass alles als Medium genutzt werden kann, dass dies wahrscheinlich schon immer so war, und dass Medien im Gebrauch Sinn erzeugen, heißt das für das Modemedium, dass alles Mode sein kann, es schon immer Mode gibt, und dass Mode Sinn macht.196 Das scheint so weit schlüssig, wenn man von einem sehr abstrakten Modebegriff im Sinne etwa einer formbildenden Struktur ausgeht, nicht aber von einem bestimmten materialen Gegenstand, wie der Modekleidung. Mode per se ist demnach nicht einfach als Medium zu bezeichnen. Und entsprechend ist es für die weitere Betrachtung des Phänomens notwendig, zwischen Mode und dem sie konkretisierenden Material zu unterscheiden: z.B.

194

195 196

Lehnert 2005b, 260. Sie formuliert wie folgt: »Mode […] realisiert sich als ein produktives und rezeptives Handeln, das auch als ästhetische Arbeit verstanden werden kann. Das bezieht sich nicht nur auf diejenigen, die die Kleider entwerfen und herstellen, oder auf diejenigen, die sie auf dem Laufsteg vorführen, sondern in gleichem Maße auch auf die Rezipienten, die sie tragen.« (Ebd.) Sie betrachtet das vestimentäre Objekt an sich und sieht die Atmosphären von Mode entsprechend als Phänomen des Aufführens von Kleidung (vgl. Fischer-Lichte 2004b), während es hier vielmehr um ein rezeptives Wahrnehmungshandeln geht. Lehnert 2003, 216. Einige Modetheoretiker gehen allerdings davon aus, dass Mode ein Phänomen der Moderne ist. Es wäre zu diskutieren, was genau die Moderne ausmacht, und ob es so genannte moderne Phänomene nicht auch schon in anderen Zeiten gegeben haben kann. Es wäre z.B. zu erläutern, was das Moderne der Mode ist (vgl. Esposito 2004).

Medialitäten der Modezeitschrift

zwischen Mode und Modekleidung, Mode und Modezeitschrift, und zwischen Mode und dem Modemedium. Es zeigt sich, dass es viel eher die Kleidung oder die Zeitschrift ist, die als eigentliches Medium im oben beschriebenen Sinne zu fassen ist. Jedenfalls lassen sich diese konkret als Apparate, Maschinen, Klischees, Bote und Spur sehen. Mode per se als Medium zu bezeichnen, unterschlägt die Differenz zwischen einem Gegenstand und seinen möglichen Medialisierungen, sowie die Differenz zwischen Form und Inhalt, Struktur und Material: Kleidung kann zwar Mode sein, aber Mode ist nicht gleich Modekleidung. Mode ist nicht das Medium Kleidung selbst. Mode ist ein Mehr und eine Differenz, jedoch nicht im Sinne einer inhaltlichen Größe. Vielmehr ist es die Form, die Erscheinungsform, die etwas zur Mode macht. Der Sinn der Mode ist durch ihre Form bestimmt. Per se ist es nicht die Bedeutung, die ein bestimmtes modisches Kleidungsstück transportiert. Es ist nicht ein bestimmter Inhalt, der durch Kleidung medialisiert wird, sondern es handelt sich um eine Form, die sich im Medium zeigt. Das Medium Kleidung ist nicht der Vermittler der Form, sondern diese bestimmte Struktur ist ihm zu Eigen. Deshalb ist Mode in diesem Sinne nicht nur an eine mediale Vermittlung, sondern insbesondere an seine mediale Realisierung gebunden. Nicht das, was das Medium vermittelt, sondern wie es als Medium erscheint, ist für die Mode konstitutiv. Mode ist kein Medium, bedarf aber der Realisierung in Medien. Mode ist ein Phänomen medialer Erscheinungsformen. Medien, die Mode sind, wie die Modekleidung oder die Modezeitschrift, verkörpern einerseits das Phänomen Mode, andererseits generieren sie Bedeutungen, die unmittelbar mit der Erscheinungsform der Mode verknüpft sind. Um zu sehen, wie Mode entsteht, und was diesen Prozess auszeichnet, ist es jedoch unabdingbar zwischen seinen komplementären Polen zu unterscheiden: Mode als mediale Erscheinungsform und Mode als medialisierte Bedeutung. Die Frage ist deshalb, wie und womit das Phänomen Mode im Medium in Erscheinung tritt. Betrachtet man das Medium Modezeitschrift als Apparat im Sinne Krämers, so wird deutlich, dass die Technologien, die das Medium Zeitschrift bedingen, einen wesentlichen Part bei der Konstituierung von Mode übernehmen, da sie nur durch ein differenziertes Zusammenspiel von Techniken (Druck, Fotografie, Vertrieb etc.), Produzenten (Redakteure, Layouter, Fotografen, Texter etc.) und Rezipienten erscheint. Die Rezeption der Mode im Medium der Zeitschrift ist durch diese Technologien insofern determiniert, als dass das Erscheinen der Mode unmittelbar mit einer gewissen Kenntnis um die Medialität des Wahrgenommenen verbunden ist. Die Apparate sind quasi die Austräger der Mode und die Bedingungen der Apparate bestimmen die Möglichkeiten der Mode. Das Erscheinen von Mode ist somit unmittelbar an Technologien gebunden. Diese Apparate bilden die zugrunde liegenden technologischen Strukturen

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jedoch nicht nur ab, sie bilden gleichzeitig Strukturen der Bedeutungsgenerierung. Medien determinieren insofern ihre Inhalte, indem sie diesen eine bestimmte Form geben. Das Eigengewicht dieser Medien als Maschinen ist die jeweils spezifische Artikulation der Inhalte. Entsprechend diesem medientheoretischen Ansatz von Winkler, Medien als strukturbildende und symbolische Maschinen zu sehen, findet sich bei Roland Barthes in Die Sprache der Mode folgende Erläuterung der Mode: Als eine Art Maschine, die den Sinn in Gang hält, ohne ihn jemals zu fixieren, ist sie stets enttäuschter Sinn: mit der Mode, diesem Schauspiel ohne Inhalt, führen sich die Menschen wechselseitig ihre Macht vor, Bedeutungsloses bedeuten zu lassen […] Es ist der tätige Prozess einer gleichwohl leeren Bedeutung, der aus der Modezeitschrift eine dauerhafte Einrichtung werden lässt.197

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Obwohl Barthes nicht zwischen Technologie, Produzenten und Rezipienten unterscheidet, wird deutlich, dass er Mode als ein dem sinnstiftenden Bedeutungsprozess übergeordnetes Phänomen ansieht. Mode, Maschine und Mensch sind die zur Sinnerzeugung notwendigen Komponenten: Die Mode wird als formale Erscheinung im Medium realisiert und vom Menschen mit Inhalt gefüllt. Mode ist damit die Bedingung für medial vermittelten Sinn und somit weder Medium noch Bedeutung per se. McLuhan nimmt mit seinem Klischee-Begriff des Mediums Bezug auf den Druckvorgang selbst, indem für ihn der Druckstock, der sowohl Inhalt als auch Form des zu Vermittelnden darstellt, zum Sinnbild für das Medium wird. Der Druckstock schafft Umwelten, und diese Umwelten sind dann quasi Abdrücke des Klischee-Reliefs. Um in diesem Bild zu bleiben, kann Mode nun als die Struktur des Reliefs verstanden werden. Sie ist nicht das Klischee, sondern etwas, was dem Klischee hinzugefügt wird, in gewisser Weise variabel ist und gleichzeitig grundlegend seine Inhalte modifiziert. Gewissermaßen als Muster der Möglichkeiten definiert Mode diesen Raum des Klischees, der dann mit Bedeutungen belegt werden kann. Sie selbst ist jedoch keine Bedeutung und auch kein Archetyp: Sie ist etwas, das sich dazwischen schiebt, zwischen das Vermittelnde und das Vermittelte. Das Medium als Bote hat die Funktion etwas zu vermitteln. Gleichzeitig führt der Bote jedoch etwas mit sich, nämlich die nicht-intentionale Funktion des Boten: die Spur. Diese Spur des Medium verweist auf die Bedingungen seiner vermittelnden Funktion, die Spur der Mode ist gewissermaßen das Erscheinen ihrer Medialität an sich. Mode ist die reine Spur der leeren Form. Sie ist diese besondere Form, die sich im Medialen zeigt und die sich mit Sybille Krämer auch als »›Ein-Druck‹«198 bezeichnen lässt. Die Mode als mediale Erscheinungsform verweist demnach nicht auf einen Inhalt, sondern auf die Möglichkeiten der Konstitution von Bedeutung im 197 198

Barthes 1985, 294. Krämer 1998b, 80.

Medialitäten der Modezeitschrift

Medialen selbst. Sie zeigt sich in den Transformationen des Medialisierten als ein spezifischer Mehrwert oder auch Verlust von strukturalen und materialen Qualitäten. Durch die permanenten Transformationen von Verkörperungen tritt immer etwas hinzu und geht etwas verloren, das jedoch nicht das Phänomen Mode an sich betrifft. Es scheint vielmehr so, als wäre die Mode diesem Transformationsprozess übergeordnet und böte Möglichkeiten bestimmte Verluste durch andere Mehrwerte struktural auszugleichen.199 Das Modische an sich geht bei solchen Transformationen nicht verloren, es entsteht vielmehr immer wieder neu und ist gleichzeitig an sich nur in der übergeordneten Form der Mode vorhanden. Mode ist somit ein medienstrukturierendes Phänomen, das sich in vielen Verkörperungen findet, und das sich bei jeder Transformation dazwischen schalten kann. Mode befindet sich somit nicht im Medium, sondern zeigt sich im Transfer der Medien, in den übertragenden Verkörperungen. Immer wenn etwas medial transformiert wird, kann die Mode sich als formierende Struktur dazwischen schalten. Mode ist demnach kein Medium, bedarf aber der Verkörperung durch Medien. Modekleidung ist das Medium, in dem sich die Mode als eine naheliegende Extension des Körpers am augenfälligsten verkörpert. Mode und Kleidung gehen eine derartig enge Verbindung ein, dass Mode allgemeinsprachlich oft mit Modekleidung gleichgesetzt wird.200 Nur wenn Mode als Modekleidung »unmittelbar auf dem Körper getragen«201 wird, ist es möglich mit Gertrud Lehnert zu sagen, dass sie »als eines der wichtigsten kulturellen Medien gelten«202 kann.

4.2 Die Trans-, Intra- und Intermedialität der Mode Bei der Beschreibung der medialen Erscheinungsformen der Mode ist es entscheidend, möglichst differenziert den Ort und die Art und Weise ihrer Medialisierungen aufzuzeigen. Und es erweist sich an dieser Stelle als sinnvoll, zu schauen inwieweit die verschiedenen Medialitätskonzepte eine für die Mode adäquate Beschreibungsform bieten. Da Mode jedoch als ein mediales Phänomen gilt, das diverse Medien betrifft, muss vor allem die

199

200 201 202

So kann die haptische Qualität der realen Kleidung bspw. durch eine besondere Intensität der Farbbrillanz in der Zeitschrift wenn auch nicht ersetzt, so doch als materialer Mangel überlagert werden. Vgl. Venohr 2009b. Lehnert 2001, 528. Ebd.

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Relationalität der Medien betrachtet und das Erscheinen der Mode im Rahmen dieser Konzepte verortet werden. Nach der vorangegangenen Positionierung der Mode im Feld der relevanten Medien- und Medialitätskonzepte werden nun aktuelle Trans-, Intra- und Intermedialitätskonzepte hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf die zu präzisierende Ikonotextualität der Mode überprüft.203 Da Mode als allgemeine mediale Erscheinungsform vor allem als ein den Medien übergeordnetes und diese strukturierendes Phänomen zu sehen ist, liegt es nahe, sie als Transmedium darzustellen. Die Modekleidung als materieller Gegenstand lässt sich hingegen im Rahmen der Intramedialität wesentlich präzisier erfassen. Durch diese Ein- und Abgrenzung der einzelnen Kategorien soll insbesondere das Konzept der Intermedialität spezifiziert werden, die der Entwicklung der Ikonotextualität der Mode zugrunde gelegt wird. Nach der Betrachtung der Modekleidung als kontaktgebendes Ursprungsmedium, ist deshalb der spezifische Medienwechsel von der Kleidung zur Modezeitschrift zu betrachten, der sich insbesondere in ihrer spezifischen Medienkombination von Fotografie und Text widerspiegelt. Innerhalb dieser Kombination kommen diverse intermediale Bezüge zum tragen, die hinsichtlich ihrer Konstitution von Mode durch ihre spezifische Zusammensetzung und Anordnung herausgestellt werden sollen. Die scheinbare Undarstellbarkeit der Mode als transmediale Erscheinungsform relativiert sich vor allem durch die Kenntlichmachung ihrer voneinander abgrenzbaren medialen Erscheinungsformen.

Transmedialität – Struktur der Mode Man wird ebenso wenig die faszinierende Kraft, die der Begriff der Struktur birgt, auf ein Modephänomen reduzieren können, es sei denn man versucht, was sicherlich keinen Aufschub leidet, den Sinn der Einbildungskraft, der Sensibilität oder der Mode neu zu verstehen und ernst zu nehmen.204

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Im Folgenden soll beleuchtet werden, ob es sich bei Mode um ein transmediales Phänomen im Sinne eines medienübergeordneten und medienübergreifenden Strukturprinzips handelt. Dementsprechend wird der Begriff Transmedialität zunächst erläutert und dann überprüft, ob und wie die Mode als Struktur verstanden werden kann. Irina O. Rajewsky definiert in ihrem Buch Intermedialität die Transmedialität in Abgrenzung zur Intraund Intermedialität, wobei sie nur letztere systematisch kategorisiert. Laut ihrer Beschreibung handelt es sich bei der Transmedialität um folgende Erscheinungen:

203 204

Zur Konzeption der Begriffe vgl. Rajewsky 2002, 12f. Derrida 1997, 10.

Medialitäten der Modezeitschrift

Medienunspezifische Phänomene, die in verschiedensten Medien mit den dem jeweiligen Medium eigenen Mitteln ausgetragen werden können, ohne dass hierbei die Annahme eines kontaktgebenden Ursprungsmediums wichtig oder möglich ist.205

Entsprechend verstehen Claudia Fraas und Achim Barczok in ihrem Aufsatz »Intermedialität – Transmedialität. Weblogs im öffentlichen Diskurs«206 Transmedialität unter anderem als »die Umsetzung einer bestimmten Ästhetik bzw. eines bestimmten Diskurstyps in unterschiedlichen Medien«207 und beschreiben sie als ein »medienunspezifisches Wanderphänomen«208 . Diese Sichtweise entspricht einem Verständnis von Mode als Strukturprinzip, das selbst jedoch keine bestimmte Medienspezifität besitzt. In Rajewskys Worten und übertragen auf das Phänomen Mode bedeutet dies, dass Mode selbst kein »konventionell als distinkt wahrgenommenes«209 Medium ist. Mode besitzt aufgrund ihrer grundlegenden Transmedialität keine eigene spezifische, ursprüngliche Medialität.210 Es scheint zunächst offensichtlich zu sein, dass Rajewsky den Ausschluss eines KONTAKTGEBENDEN URSPRUNGSMEDIUMS vorschlägt, indem sie konstatiert, dass seine Annahme nicht möglich sei. Allerdings zeigt sich in ihrer Formulierung eine gewisse Uneindeutigkeit dadurch, dass sie zugleich die Annahme eines solchen Mediums als nicht wichtig deklariert und beides als Möglichkeiten durch ein oder markiert. Für die theoretische Beschreibung des medialen Phänomens Mode, bedeutet dieses ›oder‹ die Möglichkeit zu einer grundsätzlichen Entscheidung. Entweder man schließt ein kontaktgebendes Ursprungsmedium aus, dann gäbe es Mode auch unabhängig von ihrer Materialisierung im Medium Kleidung: Mode wäre als transmediales Phänomen oder Strukturprinzip zu verstehen. Oder aber ein kontaktgebendes Ursprungsmedium wäre nur nicht wichtig, was bedeutet, es wäre zumindest möglich, Modekleidung als kontaktgebendes Ursprungsmedium auch eines Transmediums zugrunde zu legen. Wie Rajewsky, die durch das ›oder‹ beide Annahmen als grundlegende Definitionskriterien optional offen lässt, erscheint in Hinblick auf das Phänomen Mode beides möglich zu sein. Und es ist weiter anzunehmen, dass beide Möglichkeiten zu definitorisch differenten Modetheoriekonzepten führen, die sich nicht 205 206 207 208

209 210

Ebd., 13. Fraas / Barczok 2006. Ebd., 5 Ebd. Fraas und Barczok betonen außerdem das »Auftreten des gleichen Stoffs (Inhalts) in unterschiedlichen Medien« (ebd.) und legen somit eine Form- und Inhaltunterscheidung zugrunde, die sich im Verlauf ihrer Ausführungen jedoch nicht eindeutig nachvollziehen lässt. Rajewsky 2002, 157. Obwohl das nach Rajewskys Definition nicht möglich ist, liegen andere medientheoretische Ansätze vor, die versuchen, das Internet als Transmedium mit einer spezifischen Medialität zu erfassen (vgl. z.B. Sandbothe 1996).

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widersprechen, sondern lediglich auf differenten Ausgangsprämissen beruhen. Bei einer vorausgesetzten Transmedialität der Mode ohne kontaktgebendes Ursprungsmedium ist entsprechend eine in jedem Medium anders ausdifferenzierte, spezifische Strukturalität des Phänomens Mode denkbar, und zwar jeweils in konstitutioneller Abhängigkeit zur Medialität des konkretisierenden Mediums.211 Es sei denn, ein kontaktgebendes Ursprungsmedium wie die Modekleidung wird angenommen, das durch seine spezifisch vestimentäre Medialität bestimmte Medialisierungen, Realisierungen und Rezeptionsweisen des Vestimentären ermöglicht. In diesem Fall lassen sich bestimmte vorausgesetzte Grundstrukturen übertragen und in anderen Medien darstellen.212 Diese übertragenen Strukturen sind dann immer auf ihre eine vestimentäre Grundstruktur rückführbar, weil sie ein transformierbares Muster und sich ähnelnde strukturelle Bedingungen zur Bedeutungskonstitution haben. Da ein solches Transmedialitätskonzept allerdings in Ansätzen grob den »intermedialen Bezügen«213 entspricht, auf die Rajewsky in ihrer Definition von Intermedialität den Hauptaugenmerk richtet, ist eine klare Abgrenzung der Konzepte so nicht möglich. Es ist daher anzunehmen, dass vielmehr ein ›und‹ im ›oder‹ zu lesen und hierin die notwendige Trennschärfe innerhalb der Begrifflichkeiten von Rajewskys Konzeption zu sehen ist. Denn jenes kontaktgebende Ursprungsmedium ist die definitorische Grundannahme ihres systematischen Neuansatzes, der als differenzierte Kategorisierung intermedialer Bezüge fungiert.214 Muss jedoch damit auch für den Fortgang dieser Untersuchung die Bedingung eines kontaktgebenden Ursprungsmediums für die Transmedialität eines Phänomens sowohl als unmöglich und somit auch als unwichtig angenommen werden? – Die Möglichkeit Mode als ein transmediales Phänomen zu sehen, soll nicht so schnell aufgegeben werden, obgleich die Funktion der Modekleidung bei der medialen Konstitution von Mode eine entscheidende Rolle spielt. Es ist deshalb anzunehmen, dass sich das Medium Kleidung aufgrund seiner spezifischen, vestimentären Medialität wie kein anderes eignet Mode zu materialisieren.215 Modekleidung wird zum vermeintlich kontaktgebenden Ursprungsmedium für die spezifische Medialität der Mode, obwohl lediglich die Kleidung per se eine inter- und

211 212 213 214 215

Die so verstandene Medialität lässt sich nach Mersch nur im Sinne seiner »Exsistenz als Spur« (Mersch 2004b, 83) aufzeigen. Vgl. Barthes 1985, 15ff. Rajewsky 2002, 70ff. Vgl. Rajewsky 2003. Die Gründe für die spezifische vestimentäre Medialität der Mode basieren auf der Funktionalität der Kleidung: 1. die Notwendigkeit zu Schützen, 2. die Möglichkeit zu Schmücken, 3. ihre permanente Wahrnehmbarkeit, 4. ihre Nähe zum menschlichen Körper, 5. die schnelle Wechselbarkeit und 6. die Oszillation zwischen Distinktion und Identifikation.

Medialitäten der Modezeitschrift

intramedialisierbare Referenz ist, die sich leicht durch die meisten aller Medien verfolgen lässt. Mode ist vielmehr ein transmediales Phänomen, das die Kleidung in besonderem Maße kontaminiert.216 Es handelt sich bei der Modekleidung um eine TRANSMEDIALE MEDIENKONTAMINATION; und diese transmedialisierte Kleidung lässt sich sowohl als ein intra- als auch ein intermediales Phänomen betrachten. Modekleidung wird somit zu einem kontaktgebenden Ursprungsmedium, in dem zwei Systeme präsent sind: das System des Transmediums Mode und das des konventionell als distinkt wahrgenommenen Mediums Kleidung. Ist Kleidung jedoch überhaupt distinkt wahrnehmbar? Wenn ja, dann muss Kleidung auch ohne die transmediale Systemkontamination durch das Strukturprinzip Mode möglich und wahrnehmbar sein. Aber wird nicht vielmehr Kleidung in unserer Kultur immer in Relation zur Mode rezipiert? Lässt sich Kleidung überhaupt unabhängig von der Mode erfassen? – Diese Fragen lassen sich mit Blick auf die Intermedialität der Modekleidung erhellen. Und zwar einerseits, indem untersucht wird, wie sich Kleidung als kontaktgebendes Medium und vestimentäres Objekt in den intermedialen Bezügen zwischen einem präsentem Medium und der medialisierten Modekleidung zeigt. Und andererseits durch das Aufzeigen von Mode als Transmedium im Sinne eines medienstrukturierenden Phänomens, das zwischen den jeweils präsenten Medien und der medialisierten Modekleidung erscheint. Diese differenzierte Sichtweise ist nötig, um Ungenauigkeiten in der begrifflichen Abgrenzung von Transmedialität und Intermedialität auszuschließen. Denn die spezifische Medialität des medienunspezifischen Phänomens Mode, d.h. die spezifische Strukturalität dieses übergeordneten Phänomens als Transmedialität, lässt sich nur anhand seiner spezifischen Intermedialität fassen.217 Mode ist somit nur in ihrer medialisierten, somatisierten Form erfahrbar, z.B. als Ikonotext in der Modestrecke oder in der Verkörperung als Modekleidung. Kleidung wird entsprechend erst durch die Kontamination mit dem Transmedium Mode zu Modekleidung. Eine transmediale Medienkontamination ist somit die

216

217

Vgl. die schematische Darstellung der »Systemkontamination« als »Subkategorie der intermedialen Systemreferenz« bei Rajewsky 2002, 157. Sie benennt keine Form einer Systemkontamination zwischen einem transmedialen Bezugssystem als kontaktgebendes System und einem als distinkt wahrgenommenen kontaktnehmenden Medium. Bei ihr findet diese Art intermedialer Bezüge nur zwischen »mindestens zwei als distinkt wahrgenommene[n] Medien« (ebd.) satt. Vgl. Schröter 1998. Er betont in seinem Aufsatz die Tatsache, dass es sich bei dieser Konzeption von Transmedialität um eine Abstraktion handelt, die in der konkreten Analyse zu spezifischen Schwierigkeiten führt, und zwar einerseits die einzelnen Medien in ihrer Besonderheit kenntlich zu machen, und andererseits die Neigung zu hierarchischen Übergangstheorien, die entsprechend ein bestimmtes Medienapriori voraussetzen. Dieser Problematik kann jedoch, wie dargestellt, durch die Annahme einer Medienkontamination begegnet werden.

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strukturelle Durchdringung eines Mediums durch ein übergeordnetes Phänomen, d.h. durch eine andere Struktur oder Form. Diese Form hat eine Funktion, die dem Medium selbst nicht inhärent ist, diesem also zugefügt wird. In diesem Sinne ist die Kleidung als Medium von der Mode als Transmedium durchdrungen. Da die Transmedialität in den Medienwissenschaften sehr disparat konzeptualisiert ist, wird nun die sich daraus ergebende Kategorisierungsproblematik des Phänomens kurz dargestellt. Transmedialität bezeichnet nach Roberto Simanowski »den Wechsel von einem Medium in ein anderes als konstituierendes und konditionierendes Ereignis eines hybriden ästhetischen Phänomens«218 . Er untersucht in seinem Aufsatz »Transmedialität als Kennzeichen moderner Kunst« unter anderem »in welcher Weise die Präsenz des Ausgangsmediums eines hybriden, transmedialen Kunstprojekts dessen Bedeutung im Endmedium konstituiert«219 . Er ordnet das Konzept der Transmedialität der Intermedialität zu und setzt diese dann ähnlich wie Fraas und Barczok erneut als so genanntes »Hyperonym«220 . Gerade das ist es jedoch, was Rajewsky mit ihrer systematischen Kategorisierung ausdifferenzieren und somit vermeiden will, um die einzelnen Phänomene adäquater definieren zu können. Trotz des expliziten Bezugs auf die systematisierende Leistung der Arbeit von Rajewsky, die nicht »im Rahmen ihres konkreten fachlichen Erkenntnisinteresses stecken bleibt«221 , halten auch Fraas und Barczok eine »partielle Uminterpretation«222 der Begrifflichkeiten aufgrund ihrer eigenen Fragestellung für sinnvoll. Sie konzeptualisieren Transmedialität und Medienwechsel als Unterkategorien der Intermedialität223 und intermediale Bezüge als beiden zugeordnete, »konkret wahrnehmbare Einzelphänomene, die Intermedialität herstellen«224 ; Medienkombinationen sind in ihrer Systematik nicht vorgesehen. Diese Vermischung der Kategorien von Rajewsky ist insofern kaum gewinnbringend, als dass sie insgesamt zu einer erneuten Begriffsunschärfe in

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220 221 222 223

224

Simanowski 2006, 3. Ebd., 5. Er betont zwar, dass kombinierte Medien eine spezifische Verbindung eingehen, nennt diese jedoch in Abgrenzung zur Multi- und Hypermedialität wiederum Intermedialität (vgl. ders. 2002, 18). Fraas / Barczok 2006, 6; ebenso bei Rajewsky 2002, 12. Vgl. Simanowski 2006, 5. Vgl. Fraas / Barczok 2006. Ebd., 6. Vgl. Wolf 2002, 178. In seinem Modell zur Strukturierung der Intermedialität ordnet auch Wolf die Transmedialität der Intermedialität unter, und zwar dem weiten, d.h. werkübergreifenden Intermedialitätskonzept. Zuvor stellt er jedoch fest, dass bei vorliegender Transmedialität eines Werkes die »Existenz von Intermedialität […] für die unmittelbare Bedeutungsgenerierung […] nicht relevant« (ebd., 171) ist. Dies lässt sich auch als Hinweis für die anzunehmende Autonomie des Konzepts der Transmedialität verstehen. Fraas / Barczok 2006, 8.

Medialitäten der Modezeitschrift

der Intermedialitätsdebatte führt und die erreichte Abgrenzung der Transmedialität von der Intermedialität als zwei sich überlagernde Kategorien wiederum verwischt. Die Transmedialität als Sammelbegriff für eine bestimmte Gruppe von Phänomenen wird von Rajewsky selbst allerdings nicht weiter in den Blick genommen, da sie ihren Schwerpunkt ausdrücklich im systematischen Neuansatz intermedialer Bezüge sieht. Es muss deshalb noch einiges für die Präzisierung und Praktikabilität des Konzepts der Transmedialität getan werden. Dies ist jedoch möglich, ohne jedoch dem bisher Kategorisierten seinen Platz und Raum zu nehmen, sondern vielmehr diesen bereits definierten Ort zu nutzen, um weitere Ordnungsprinzipien zu modifizieren. Begriffspräzisierungen und möglicherweise Subkategorien sind deshalb für das Konzept der Transmedialität vielmehr im Sinne Rajewskys weiter zu denken und zu führen.225 Für die vorliegende Arbeit bleibt festzuhalten, dass Mode im Sinne der Transmedialität als medienübergreifendes Strukturphänomen gesehen werden kann. Mode ist demnach kein Einzelmedium sondern ein Transmedium, das Einzelmedien wie z.B. die Kleidung kontaminieren kann. Diese TRANSMEDIALISIERTE KLEIDUNG ist deshalb im strengen Sinne kein Einzelmedium, wird jedoch allgemein als distinkt wahrgenommen und lässt sich deshalb sowohl als ein intra- als auch ein intermediales Phänomen betrachten. Im Folgenden wird demnach zunächst die Intramedialität des kontaktgebenden (Ursprungs-)Mediums Kleidung zu erläutern sein. Hier ist insbesondere die spezifische vestimentäre Medialität der Modekleidung zu berücksichtigen, und ihre möglichen Grenzen müssen kenntlich gemacht werden. Sie liegen im Material selbst als abgrenzendes Gegebenes und verweisen auf ein als solches nicht kenntlich zu machendes Außen des Mediums Modekleidung. Das Mediale wird somit zur Funktion des Materials, oder wie Dieter Mersch es ausdrückt:

157 225

Vgl. Meyer u.a. 2006b, 9. Von den Autoren wird zwar explizit auf die Arbeit von Rajewsky verwiesen, dennoch setzen sie sich in ihrem Transmedialitätskonzept vollständig über die bereits vorliegende Kategorisierung von Rajewsky hinweg. Transmedialität wird von Meyer u.a. wie folgt beschrieben: »Transmedialität fokussiert auf die gleichzeitige Anwesenheit der beteiligten Medien und steht somit im Grunde der intermedialen Kopplung nahe. Während dort der Akzent jedoch auf dem Ergebnis als vollzogener Verbindung beider Partner liegt, betont der Begriff der Transmedialität den Transfer. Gegenstand sind die beteiligten Medien im Prozess des Übergangs. Dieser Prozess wird z.B. im Moment der Rezeption wirksam […]« (ebd., 10). Diese Beschreibung trifft jedoch vielmehr auf die von Rajewsky benannte Medienkombination als Subkategorie zu, die die Grundlage der Konzeptualisierung von Ikonotextualität im Verlauf dieser Arbeit darstellt, und die entsprechend ähnliche Eigenschaften und Merkmale des Transmedialitätskonzepts von Meyer u.a. aufweist.

medium macht mode

Die Struktur des Mediums, seine Medialität erweist sich dabei an Materialitäten geknüpft, die diese allererst austragen. Das Medium lässt sich dann als ›materielles Dispositiv‹ verstehen. 226

Intramedialität – Material der Mode

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Wie im vorangegangenen Kapitel bereits ausgeführt, wird davon ausgegangen, dass Mode und Kleidung eine mediale Formation bilden, die als transmediale Kontamination bezeichnet wird. Diese Verschmelzung von materiellen Objekten mit einem Strukturprinzip bewirkt, dass Modekleidung als distinktes Medium wahrgenommen wird. Irina O. Rajewsky beschreibt den Vorgang der Ausprägung eines als distinkt wahrgenommen Mediums aus möglicherweise mehreren Medien in ihrem Forschungsansatz als einen historischen Entwicklungsprozess. Sie weist in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die Tatsache hin, dass die Medienentwicklung nur vor dem Hintergrund ihres historischen Wandels betrachtet werden kann. Medien sind nach Rajewsky »per se polymedialer Natur«227 , obwohl sie als distinkte Medien in Erscheinung treten. Dies führt aufgrund der ihnen je eigenen Historizität zu der Schwierigkeit, sie in ihrer jeweiligen Spezifik fassen und beschreiben zu können.228 Auch beim Phänomen der Kontamination der Kleidung mit dem Transmedium Mode lässt sich diese Problematik erkennen: Kleidung ist heute in den meisten Kulturen nur noch als Modekleidung wahrnehmbar. Entsprechend lässt sich Modekleidung in diachroner Betrachtungsart als mediales Phänomen der Moderne festhalten, d.h. das Medium Modekleidung als distinkt wahrgenommenes Medium lässt sich historisch erst im Zusammenhang mit der Moderne fassen.229 Insbesondere im Bereich der Kleidung nimmt die Berücksichtigung der »Notwendigkeit einer historischen Kollokation«230 von industriellen und medientechnologischen Entwicklungen einen großen Stellenwert ein, haben doch gerade die nahezu zeitgleiche Entwicklung und massenhafte Verbreitung von Nähmaschinen und Druckerzeugnissen einen nicht

226 227 228

229 230

Mersch 2004b, 82. Rajewsky 2003, 26; vgl. Krämer 2003a, 85. Krämer formuliert wie folgt: »Die Annahme, es gäbe Einzelmedien, ist das Resultat einer Abstraktion.« (Ebd.) Rajewsky macht diese Problematik am Beispiel der jüngsten Entwicklung des Mediums Film deutlich, und zwar anhand der zunehmenden Einbeziehung digitaler Produktionsweisen. Heute kann diese zwar noch im Sinne einer Medienkombination begriffen werden, obwohl sie »anzunehmenderweise jedoch schon in naher Zukunft als Teil der Medienspezifik des Films verstanden wird« (Rajewsky 2003, 26, Fußnote 49). Vgl. zu der Frage nach der Mode als ein Phänomen der Moderne Wilson 2005, Lehnert 2005b, Bertschik 2005 u. Lehmann 2000. Rajewsky 2003, 26.

Medialitäten der Modezeitschrift

zu unterschätzenden Anteil an der Ausprägung des als distinkt wahrnehmbaren Mediums Modekleidung. Da es im weiten Feld der Medienforschung nach wie vor keine Einigkeit über die Definitionen von Trans-, Intra- und Intermedialität gibt, sondern im Gegenteil, die konzeptuellen Ausführungen zunehmend weiter auseinanderklaffen, wird der hier verwendete Begriff der Intramedialität abermals anhand der Kategorisierung von Rajewsky vom allgemeinen begrifflichen Umgang mit Intermedialität abgegrenzt. Diese hat als »termine ombrellone«231 zwar insofern ihre Berechtigung, als dass sie versucht all die unterschiedlichsten Phänomene zu fassen, die sich zwischen Medien zeigen. Ihr ist jedoch »das ›Intramediale‹ als Terminus zur Bezeichnung jener Phänomene gegenüberzustellen, die, dem Präfix entsprechend, innerhalb eines Mediums bestehen«232 . INTRAMEDIALITÄT wird also, ebenso wie Transmedialität, nicht der Intermedialität untergeordnet, sondern beiden als differentes Phänomen zur Seite gestellt. Es handelt sich nämlich bei der Intramedialität um »Phänomene, die nur ein Medium involvieren«233 . Es werden keine Mediengrenzen überschritten: Ein Medium rekurriert in einer diachronen oder synchronen Weise qua System nur auf sich selbst. Es liegt demnach keine Mediendifferenz sondern eine intramedial zu verortende Einzel- oder Systemreferenz oder auch -differenz vor. Die Einzelreferenz lässt sich im Bereich der Modekleidung als intramedialer Bezug eines Kleidungsstückes zu einem oder mehreren, konkreten Kleidungsstücken beschreiben. Wobei diese Form heute kaum noch zu beobachten ist, da der größte Teil der Modekleidung Massenware ist. Es ist jedoch möglich, Referenzen auf einzelne Modestile festzuhalten. Insofern scheint es sinnvoll, die Einzelreferenz im Bereich der Modekleidung als Stilreferenz zu sehen. Als Beispiel kann hier der so genannte Lagerfeld-Kragen als Referenz an den bürgerlichen Kragen im ausgehenden 19. Jahrhundert gesehen werden.234 In diesem Zusammenhang ist auch die Selbstreferentialität von Stilen zu sehen, die sich gewissermaßen selbst auf die Spitze treiben und damit nahezu ironisch ihre eigene Formbildung ad absurdum führen: geschehen z.B. im Modezenit der männlichen Schlaghose als Anzughose mit überdimensionaler Weite; sie fungierte gewissermaßen als Zitat ihrer selbst. Die zweite Gruppe intramedialer Referenzarten betrifft nicht die ästhetische Form in ihrer jeweiligen Erscheinung und Ausprägung, obwohl sie sich darin abzeichnet. Sie bezieht sich vielmehr direkt auf ein System, nicht aber

231 232 233 234

Ebd., 17. Ebd. Rajewsky 2002, 19. Gemeint ist der ca. sechs Zentimeter hohe Hemdkragen, den Karl Lagerfeld selbst trägt und der sein persönliches modisches Image seit Jahren maßgeblich bestimmt.

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auf das System Mode an sich, sondern auf so genannte Subsysteme der Kleidung, wie z.B. Uniformen, Freizeitkleidung oder auch Trachten. Es geht bei der Systemreferenz also um die Bezugnahme eines Kleidungsstückes auf ein anderes. Dies kann sowohl als Systemerwähnung als auch im Sinne einer Systemaktualisierung geschehen. Eine Systemdifferenz wird nur bei ersterem zum augenfälligen Kriterium, wie z.B. die Shorts als Rockoder Hosenersatz beim Geschäftsanzug für Frauen als Systemreferenz der Freizeitbekleidung, wobei offensichtlich die Subsysteme Freizeit- und Arbeitskleidung differieren.235 Die Systemaktualisierung kann regelmäßig z.B. bei den Defilees der großen Modehäuser beobachtet werden: Kaum eine Kollektion kommt ohne eine Aktualisierung des kleinen Schwarzen oder auch des Brautkleides aus. Das mediale Material der Intramedialität ist immer die Kleidung, das vestimentäre Objekt an sich. Und auch die Systemreferenz bleibt im weitesten Sinne dem medialen System der Kleidung verhaftet, lediglich innerhalb des Systems Kleidung finden Referenzen auf interne Subsysteme statt.236 Dieses Spiel mit intramedialen Bezügen lässt sich innerhalb der Modekleidung ins Extrem gesteigert beobachten. Das legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um ein spezifisches Strukturmerkmal von Mode handelt: Mode verstanden als eine spezifische Art und Weise sich auf die Welt zu beziehen. Demnach ist die zu beobachtende Selbstreflexivität der Mode, sowohl auf Material und Form als auch auf das mediale System innerhalb eines Mediums wie dem der Kleidung oder z.B. auch der Kunst, als prägnantes Kennzeichen der Moderne und dem Versuch ihrer Überwindung zu sehen. In Anlehnung an Marshall McLuhan lässt sich zwar KLEIDUNG ALS MEDIUM der Erweiterung des menschlichen Körpers verstehen, nur handelt es sich dabei nicht um die Veräußerung eines Innerlichen. Es geht nicht um eine mögliche, verkörperte Darstellung von etwas sonst So-NichtErfahrbaren und Abstrakten: Bei diesen Extensionen handelt es sich nicht um bloße Signifikanten einer angenommenen Bedeutung. Kleidung als Erweiterung des Körpers zu fassen, heißt sie als »eine Ausweitung unserer eigenen Haut zur Speicherung und Verteilung unserer Körperwärme und Energie«237 zu begreifen. Und damit sind zunächst ganz andere Sinne

235 236

237

Vgl. Süddeutsche Zeitung Magazin 10/2007. In der Rubrik »Modeschule« wird die Frage gestellt: »Darf man Bermudas ins Büro anziehen?« (ebd.). Hier noch einmal eine kurze systematische Zusammenstellung in Anlehnung an Rajewsky (vgl. Rajewsky 2003, 60): Ausgehend von Kleidung als kontaktnehmende Produkte, d.h. vestimentäre Objekte, geht es im Falle intramedialer Bezüge um Relationen zwischen einem Kleidungsstück und a) einem oder mehreren Kleidungsstücken (Einzelreferenz bzw. Selbstreferenz), oder zwischen b) einem oder mehreren semiotischen Systemen (Systemreferenz qua Systemerwähnung oder Systemaktualisierung). McLuhan 1995, 191.

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angesprochen als nur der Sehsinn, der in unserer Kultur entsprechend der Devise ›Sehen heißt verstehen‹ scheinbar direkt dem Verstand zuarbeitet.238 Das Medium Kleidung lässt sich vor diesem Hintergrund vielmehr als so genannte Korporalisierung verstehen, weil sie die »Körperlichkeit von Menschen, Dingen und Zeichen im Spektrum eines Materialitätskontinuums gleichermaßen umfasst«239 , wie Sybille Krämer dies als einen Aspekt ihres aisthetischen Performativitätskonzeptes ausführt. Medien, und insbesondere das Medium Kleidung, sind unter dieser Prämisse gerade nicht mehr nur Bedeutungsträger und Vermittler, sondern aufgrund ihrer spezifischen Materialität eine Instanz der sinnlichen Wahrnehmung. Die spezifische Intramedialität der Modekleidung sollte deshalb unter dieser Voraussetzung betrachtet werden, ist doch innerhalb des Mediums eine kontinuierliche, sinnlich rezipierbare textile und vestimentäre Selbstbezüglichkeit erfahrbar, die in keinem anderen Medium entsprechend rekonstruierbar oder nachvollziehbar ist.240 Aufgrund der Materialität des Mediums Kleidung lässt es sich auch als Medium der Grenzerfahrung begreifen, insbesondere hinsichtlich der spezifischen Durchlässigkeit und Transparenz des Stoffes als ein TEXTILES MEDIUM. Entsprechend weist Heide Nixdorff bereits im Titel des von ihr herausgegeben Buches Das textile Medium als Phänomen der Grenze – Begrenzung – Entgrenzung241 auf die nun näher zu erläuternden Erscheinungs- und Wahrnehmungsweisen des Textilen hin. Nixdorf unterscheidet zwischen konstituierenden, ontologischen oder natürlichen und praktischen Grenzen des Textilen. Da sie in ihrer begrifflichen Eingrenzung nicht sehr strikt ist – sie behandelt u.a. auch die textile Metapher als dem textilen Medium zugehörig –, wird hier eine klare Eingrenzung des Begriffs auf das textile Material und seine konkrete Form eingeführt. Entsprechend der intramedialen Perspektivierung des Mediums Modekleidung sollen im Folgenden kurz seine textile Materialität, seine begrenzende und transparente Erscheinungsweise und deren Wahrnehmungen betrachtet werden.242 238

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241 242

Vgl. McLuhan / Parker 1968. Es findet sich in diesem Text eine dezidierte Kritik am visuellen Primat, das nach Ansicht der Autoren zugunsten einer umfassenden Schulung der sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit aufgegeben werden muss; der vertretene Standpunkt lautet entsprechend, dass die Kunst dies leisten kann, indem sie Gegenumwelten bereithält. Krämer 2004a, 21. Vgl. Lehnert 2003, 216f. Sie zielt in ihren modetheoretischen Arbeiten u.a. auch auf diesen Eigensinn der Modekleidung ab, wenn sie betont, dass Mode erst durch den die Kleidung inszenierenden Körper stattfindet. Nixdorff 1999, 7. Vgl. Gale / Kaur 2004. Die Autoren arbeiten im ersten Kapitel die Beziehung von Modekleidung und dem textilen Material und den Textilien heraus. Auch den textilen Materialien, ihrer Rolle in den Kulturen, dem System seiner Herstellung und

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Bei der Beantwortung der Frage, was ein Medium ist, stellte sich die mediale Funktion der Transparenz und ihrer Störung als eine wesentliche heraus. Bezogen auf die textile Materialität der Kleidung lässt sich nun eine Entsprechung anhand der Funktionalität des Textilen festhalten: Da es an sich von einer spezifischen Durchlässigkeit gekennzeichnet ist, die je nach Material und Gewebeart variiert, umformt es den Körper und ist in diesem Sinne Mittler eines sich an der Oberfläche darstellenden Inhaltes. Gleichzeitig und untrennbar ist es allerdings auch Projektions- und Darstellungsfläche eines Wahrnehmenden und Wahrgenommenen. Das Entscheidende daran ist, dass das textile Medium als die spezifische Materialität der Kleidung ein immer wieder neu und anders gestalteter Austragungsort der Mode ist. Ersichtlich anhand des Produzierens und Wahrnehmens von Störungen im textilen Material und seiner Form findet Mode im Textilen statt. Mode konstituiert sich durch das Gewahrwerden von etwas Anderem: Etwas ist anders, stört zunächst, wird daraufhin neu verhandelt und ergibt damit Sinn.243 Mode entsteht im textilen Medium nicht durch semiologische Zuschreibungsprozesse, diese folgen erst nach. Es ist im Material spürbar, »dass die stoffliche Seite, die wirkliche Seite, die gewobene Seite gar nicht für den Wahrheitsdiskurs bestimmt ist, sondern für die Wahrnehmung; Wahrnehmung als ›Warnemung‹ geschrieben, was der Wortbedeutung entspricht, die sich über awareness und Spüren, Achten, Achtung im doppelten Sinne der Verehrung und der Gefahr sprachlich ableitet.«244 So formuliert es Dietmar Kamper in einem kurzen Aufsatz mit dem Titel »Stoff, Wirklichkeit, Gewebe des Lebens«, einem vehementen Plädoyer für die Materialität und ihre sinnlichen Wahrnehmung. Ludwig Jäger erläutert in seiner Theorie der Transkriptivität die Intramedialität als wichtiges »symbolsystem-immanentes Verfahren der semantischen Ratifizierung«245 neben dem der Intermedialität. Transkription lässt sich demnach als ein semantischer Erschließungsprozess begreifen, der im Erfassen (des Prätextes) etwas Neues, Anderes oder Ähnliches (das Skript) konstituiert.246 Die spezifische Intramedialität des Transkriptes, die Jäger

243

244 245 246

Verbreitung, den Konsumenten und einer Prognose für die Zukunft sind einzelne Kapitel gewidmet, die das Textile im Ganzen und seinen Zusammenhang zur Modekleidung sehr umfassend erläutern. Vgl. Richard 1998. Sie formuliert dies in Hinblick auf die gestalterischen Strukturprinzipien des Techno-Stils wie folgt: »Grundlegende Verfahrensweisen wie Transformation und Modulation sind weniger Bruch mit dem Vorhergehenden oder Nebeneinanderstellen von Disparatem, als vielmehr eine Variantenbildung mit geringer, aber sehr bedeutungsvoller Differenz.« (Ebd., 62.) Kampe 1999, 77. Jäger 2002, 29. Vgl. ebd., 30. Jäger formuliert wie folgt: »Tatsächlich stellt also jede Transkription die Konstitution eines Skripts dar, wiewohl das Verfahren zunächst auf ein schon

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beispielhaft anhand des »Archimediums«247 Sprache erläutert, ist nicht uneingeschränkt auf ein Medium wie die Kleidung oder das Textile zu übertragen. Liegt doch seinem Konzept ein Begriff von Semantik zugrunde, der Welterfahrung per se umfassend als Symbolisierungsprozess bestimmt und so Sprache als anthropologische Grundannahme setzt.248 Für Jägers INTRAMEDIALE TRANSKRIPTIVITÄT ist alles bereits vermittelt und somit auch mit Bedeutung versehen und von daher »lesbar«249 . Selbst das Wissen, das einem medialen Gebrauch vorausgeht, also auch das nicht formulierte Wissen, wird so zu einem transkribierbaren Prätext. Vielleicht sind es die Begriffe, die Jäger aus dem eher engen »Wortfeld der Skriptualität«250 stammend, nun auf den gesamten Bereich des Medialen zu übertragen versucht, die über die Schrift immer auf Sprache im engeren Sinne, nämlich verbale Sprache, rekurrieren.251 Oder, das scheint wahrscheinlicher, es ist die darin deutlich werdende Unmöglichkeit, ein Medium ohne ein anderes darzustellen, die letztlich im Medium Sprache immer wieder Bedeutung konstituiert: Die Metaebene der verbalen Sprache wird somit zu einer unumgängliche Instanz. Die Intramedialität eines Mediums wie dem der Kleidung, scheint dann nur in einem weiteren Medium, der verbalen Sprache, explizierbar zu sein. Daraus resultiert die im Folgenden zu klärende Frage, ob eine Intramedialität der Modekleidung im Sinne einer rekursiven Transkriptivität überhaupt im Medium Kleidung stattfinden kann. Indem Barbara Vinken Mode als »Kommentar in Kleidern über Kleider«252 beschreibt, erweist sich jene Intramedialität der Kleidung hinsichtlich ihrer VESTIMENTÄREN MATERIALITÄT zunächst als beschreibbar. Aber auch in dieser Formulierung lässt sich der metasprachliche Bezug auf das System der verbalen Sprache ablesen, der zuvor als konstitutiv für die intramediale Transkriptivität im Sinne Jägers herausgestellt wurde: Es handelt sich um einen Kommentar. Was sie allerdings damit zu fassen versucht, und in ihrer Arbeit zur Mode nach der Mode253 , einer historischen Perspektivierung des Entwicklungsprozesses der Kleidermode, ausführlich

247 248 249 250 251

252 253

vor seiner transkriptiven Behandlung existierendes symbolisches Verfahren trifft.« (Ebd.) Ebd. Vgl. Jäger 2000, 10. Jäger 2002, 32. Ebd., 30. Zur den Schwierigkeiten, die ein so weit gefasster Textbegriff in diesem Zusammenhang bedingt vgl. Rippl 2004, 53. Sie formuliert wie folgt: »Denn wie bereits bei meiner Diskussion der Semiotik als Leitwissenschaft deutlich wurde, besteht die Gefahr, dass der metaphorisch verwendete Text- und Intertextualitätsbegriff materiale oder mediale Spezifika der unterschiedlichen Zeichensysteme eher verwischt als herausstellt.« (Ebd.) Vinken 1999, 97. Vinken 1993.

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darstellt, ist die spezifische Intramedialität »verschiedener Niveaus desselben Systems«254 , so eine Formulierung Jägers. Diese verschiedenen Niveaus sind die differierenden Grade an Selbstreflexivität, die Vinken als wesentliche Merkmale der Mode herausarbeitet. Mode ist ihrem Ansatz nach nicht mehr nur als eine diachron darstellbare Entwicklung von vestimentären Formen zu sehen, und »sie ist kein ewig gleich bleibendes anthropologisches Faktum«255 . Mode ist demnach eine Art Organisationsprinzip, das strukturiert wie der Mensch auf seine Umwelt reagiert und sie kommentiert. Deshalb postuliert Vinken wie folgt: Die Geschichte der Mode kann adäquat nur als Geschichte eines Kommentars gefasst werden; die Mode ändert sich in ihrer Art und Weise, auf Kleider Bezug zu nehmen, und sie ändert sich in der Art und Weise, wie sie auf vorhergängige Moden Bezug nimmt.256

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Mode und Kleidung werden auch von Vinken als zwei voneinander unterscheidbare Größen behandelt. Mode als transmediales Strukturprinzip, das das textile Medium Kleidung kontaminiert, lässt sich somit mit dem modetheoretische Ansatz von Vinken durchaus verbinden. Aber lässt sich dann noch von Intramedialität sprechen, wenn innerhalb des Mediums Modekleidung bereits zwei Referenzgrößen sich gegenseitig kreuzende Bezüge herstellen können? Und wie werden diese Bezüge hergestellt? – Modeproduzenten im weitesten Sinne, also sowohl Designer als auch Träger von Kleidung stellen Referenzen immer auch durch Einbeziehung weiterer Medien her, z.B. Bildmedien wie Malerei oder auch nur der verbale Austausch mit anderen bekleideten Menschen über Kleidung. Deshalb muss auch hier festhalten werden, dass es keine monomediale Intramedialität geben kann. Immer werden andere Medien zur Reflektion oder als Referenz genutzt, um ein anderes, neues Niveau an Differentialität zu erreichen.257 Was sich anhand der Intramedialität allerdings beobachten und festhalten lässt, ist die Rückführung dieser Differenzierung in das Ausgangsmedium Kleidung an sich. Mode strukturiert sowohl diese Rückkop254 255 256 257

Jäger 2002, 37. Vinken 1999, 97. Ebd. Vgl. Krämer 2005, 154. Sie fasst Jägers intramediale Transkriptivität hinsichtlich seiner Schwerpunktsetzung auf verbale Sprache wie folgt zusammen: »Transkriptivität intramedial: Dieses selbstreflexive Verfahren ist eines, das für Sprache typisch ist. Daher ist Sprache nicht nur Medium, sondern das ›audio-visuelle Dispositiv des Medialen‹ schlechthin, denn allein in der Sprache kann ohne Rekurs auf ein anderes Medium über Sprache geredet werden. Diese ›transkriptive Logik der Sprache‹ beruht darauf, dass innerhalb der Sprache distanzierende Mechanismen zu Gebote stehen, die ein Umformen, Paraphrasieren, auch Kommentieren fraglicher Ausdrücke möglich machen. Für alle diese Verfahren wählt Jäger ›Transkribieren‹ als Oberbegriff. Transkribieren schafft eine semantische Ordnung, indem es – was strittig, mithin unlesbar ist – in den Status der Lesbarkeit versetzt.« (Ebd.)

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pelung als auch den Umgang mit Kleidung in anderen Medien. Mode ist demnach das strukturierende Prinzip eines grundlegend referentiellen Umgangs des Menschen mit seiner Umwelt, und Modekleidung ist eine materialisierte Form dieses Strukturprinzips. Deshalb lässt sich an ihr erkennen, wie Mode jeweils funktioniert.258 Die spezifisch vestimentäre Materialität der Mode trägt die eigentliche Intramedialität des Mediums Modekleidung gewissermaßen aus und wird zum Austragungsort der Mode an sich. Entsprechend stellt Sybille Krämer fest: Ludwig Jäger identifiziert Medien mit der materialen Äußerlichkeit der Zeichen, und in eben dieser Eigenschaft sind sie Spur und machen Akte von Transkription überhaupt erst möglich.259

Neben der festgehaltenen Systemveränderung tritt also das Material als Kontinuität, als Konstituierung und als Ort der Selbstreflexivität und refenzialität in den Vordergrund einer intramedialen Betrachtung. In seiner Eigenschaft als vestimentäres Material ist Modekleidung die Spur eines intramedialen, d.h. innerhalb eines Materials vermittelnden Aktes. Diese spezifisch vestimentäre Materialität der Mode kann als intramedialer Überschuss gesehen werden, da sie neben ihrem Potential »Semantik entstehen zu lassen« 260 eine spezifische Qualität hat: In ihr zeigen sich die spezifische Körperlichkeit und Ereignishaftigkeit der Kleidermode. Die vestimentäre Materialität besitzt die Eigenschaft, die Performativität und Aisthetizität der Mode erfahrbar zu machen, und Mode an sich zu konstituieren. In ihr zeigt sich der Sinn der Mode als strukturale Bedingung für konkrete Bedeutungen, nicht aber die Bedeutung der Mode an sich. Denn die spezifische Materialität der Modekleidung geht nicht vollkommen als Trägermaterial eines semiotischen Bedeutungskonzeptes auf. Es existiert ein Überschuss, der auch innerhalb eines Mediums aufgespürt werden kann, – wenn er auch nur durch Zuhilfenahme weiterer Medien kenntlich zu machen ist. Diesen »›ästhetischen Überschuss‹«261 sehen wir im Agieren, im Handeln mit Modekleidung, wie es Gertrud Lehnert schildert:

258

259 260 261

Vgl. Vinken 1993. Vinken erläutert die Mode des ausgehenden 20. Jahrhunderts als Mode nach der »mode de cent ans«, die in den 70ern endete. Trends entwickeln sich nun nicht mehr von high zu low, sondern entgegengesetzt: Punk steht als Wendepunkt. Krämer 2005, 164. Ebd. Lehnert 2002, 55.

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Auf dieser Prämisse kann Mode im Sinne von Kleidern verstanden werden als eines der wesentlichen Medien unserer kreativen Weltaneignung, Weltwahrnehmung und Weltgestaltung; Mode im Sinne unseres Umgangs mit Kleidung ist Vollzug, Inszenierung, Spiel. Mit Hilfe der Mode situieren und re-situieren wir uns – und sei es noch so flüchtig – einerseits sozial, als Individuen einer Gemeinschaft, aber auch ästhetisch als Formen im Raum und in der Zeit. Denn Mode bedeutet immer Ästhetisierung unserer Lebenswelt.262

Für Lehnert ist dieser Überschuss als Mehrwert ein kreativer Akt, mit dem der Mensch sich und seine Beziehung zu anderen Menschen und zur Umwelt ästhetisch gestaltet. Das Ästhetische der Modekleidung wird von ihr aufgefasst als ein aktives, inszenierendes, vestimentäres Handeln, das wiederum als ästhetisches Ereignis aufgefasst werden kann. Modekleidung wird so zu einem ästhetischen Produkt menschlicher Schaffenskraft. Durch ihre Bezugnahme auf das Atmosphären-Konzept von Gernot Böhme wird der Spielraum dieses Handelns noch stärker pointiert: Nicht mehr das vestimentäre Material an sich ist das Objekt und Produkt des ästhetischen Handelns, sondern das Herstellen einer Atmosphäre als gemeinsamer Wahrnehmungsraum von ästhetischem Objekt und Rezipient tritt in den Vordergrund.263 Die spezifische Materialität eines Mediums, wie sie sich intramedial zeigt, wird somit auch als spezifische Atmosphäre im Sinne Böhmes erkennbar, und zwar nicht nur als produzierendes, ästhetisches Handeln, sondern auch durch ein spezifisches Verhältnis von Material und seine ästhetische Rezeption.264 In diesem Zusammenhang lassen sich nun auch Sybille Krämers Fragen am Ende ihres Aufsatzes zu Jägers Transkriptivität verstehen: Was wäre, wenn die Reflexion des Medialen nach dem Modell der Spur eine Perspektive eröffnet, in der unser Selbst- und Weltverhältnis nicht nur Termini des Hervorbringens, sondern auch des Empfangens, nicht nur als Machen, sondern auch als Widerfahren, nicht nur als Handeln, sondern auch als Geschehen sich zeigt?265

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Die Materialität des Medialen wird dann zum Austragungsort einer Sinnstiftung, die die Grundlage jeder Semantik bildet. Die Modekleidung wird zu einer MATERIELLEN KONKRETION der Mode. Unabhängig vom zu Vermittelnden zeigt sich im Material des Mediums Kleidung seine ihm eigene, spezifische Struktur, die eine Vermittlung erst möglich macht. Das Medium Modekleidung ist demnach ein materielles Dispositiv, das sowohl eine spezifische Materialität, das Vestimentäre und Textile, als auch eine spezifi262 263 264

265

Ebd. Vgl. Böhme 1995. Vgl. Böhme 2001, 177. Er formuliert wie folgt: »Bezeichnet man als ästhetische Praxis den Umgang mit Erscheinungen, so könnte man diesen Umgang, wenn man die Härte der Ausdrücke nicht scheut, in ästhetische Arbeit und ästhetischen Konsum einteilen.« (Ebd.) Krämer 2005, 164.

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sche Struktur, die Mode, bereithält, um einerseits Inhalte zu vermitteln und andererseits überhaupt erst Sinn zu ermöglichen.266 Modekleidung ist dann sinnvoll, wenn sie aufgrund ihrer vestimentären Materialität und ihrer Mode-Struktur einen aisthetischen Wahrnehmungsraum eröffnet und bereithält. Zum Aufzeigen dieser Atmosphären sind jedoch weitere Medien nötig, die reflexiv bezugnehmend mit den ihnen eigenen Mitteln versuchen diese Atmosphären darzustellen, was zu einer weiteren Medialisierung, d.h. einer anderen, erneuten Übertragung von Strukturen in weitere Materialitäten führt.267 Das führt zu dem Schluss, dass die Intramedialität der Mode wiederum nur durch weitere intermediale Bezugnahmen kenntlich werden kann und gleichzeitig im strengen Sinne unmöglich gemacht wird. Es ist der aber auch der Grund, warum Mode nur zwischen Medien sichtbar wird und nur im Prozess ihrer Übertragung zu fassen ist.

Intermedialität – Mode innerhalb der Medienkombination »Intermedialität ist ›in‹«268 , schreibt Joachim Paech in seinem Aufsatz »Intermedialität. Mediales Differenzial und transformative Figurationen«, in dem es um das konzeptuelle Potential des Begriffs geht. Intermedialität selbst ist demnach eine Mode, die vor allem in den Geisteswissenschaften um sich greift und zu einem Sammelbegriff geriert, der kaum noch eindeutige Unterscheidungs- und Definitionskriterien aufweist. Es soll hier deswegen vor allem um eine Eingrenzung bzw. Subsystematisierung des Begriffs gehen, um ihn für die Erläuterung des IkonoModeTextes fruchtbar zu machen. Nach der erläuternden und den Begriff differenzierenden Darstellung, wie Intermedialität hier zu begreifen ist, wird vor allem die Medienkombination von Bild und Text als eine besondere intermediale Formation im Mittelpunkt des Interesses stehen. Es wird zu zeigen sein, wie die Mode innerhalb dieser Medienkombination ins Spiel kommt. Die Forschungslage zur INTERMEDIALITÄT stellt sich als relativ disparat dar, und es lässt sich mit Irina Rajewsky auch von »einer prekären Definitionslage ihres Forschungsgegenstandes selbst«269 sprechen. Zudem findet eine starke Ausdifferenzierung der medientheoretischen Ansätze statt, die vor allem auf den unterschiedlichen Auffassungen dessen beruht, was ein Medium ist und wie seine Medialität fassbar wird. Davon abgesehen beziehen sich die meisten Forschungsansätze nahezu einheitlich auf die histo-

266 267 268 269

Vgl. Mersch 2004b, 82. Vgl. Barthes 1985, 15ff. Paech 1998, 14. Rajewsky 2002, 2.

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riografische Entstehung und Verwendung des Begriffs selbst, und zwar zunächst auf jene erste Wortschöpfung durch den englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge im Jahre 1812270 , und in der Folge auf die 1983 erstmalig konzeptionelle Verwendung des Begriffs ›Intermedialität‹ durch den Literaturwissenschaftler Aage A. Hansen-Löve271 bei seiner Untersuchung der Wort-Bild-Korrelation in russischen Kunstwerken der Moderne. Anfänglich steht die Intermedialitätsforschung in unmittelbarem Zusammenhang mit den Erkenntnissen zur Intertextualität und ist ohne die Erweiterung des Textkonzepts und seine Binnenstrukturierung nicht zu verstehen.272 Dennoch ist mit Paech hervorzuheben, dass das »Konzept Intermedialität […], anders als die literarische Intertextualität in der Erweiterung des Textbegriffs, von vornherein auf sehr verschiedenen Ebenen (oder in ganz unterschiedlichen Systemen)«273 angesiedelt werden kann. Wie verwirrend ein unpräziser Intermedialitäts- und Intertextualitätsbegriff insbesondere im Zusammenhang mit der Untersuchung der Mode im Ikonotext der Zeitschrift ist, zeigt sich in der modetheoretischen Arbeit von Paul Jobling, wenn er offensichtlich ausgehend von einem weiten Textbegriff davon spricht, dass Modestrecken als »composite entity«274 aufgrund ihrer Intertextualität andere Medien, wie z.B. Film oder Literatur, evozieren oder zitieren können. Um den Forschungsgegenstand klarer fassen zu können, gilt es deshalb in der medientheoretischen Verortung des Intermedialitätskonzepts klare definitorische Abgrenzungen zu formulieren.275 Wobei es erneut zu einer stark eingrenzenden Textkonzeption kommen wird.276 Dies zeigt insbesondere die folgende grundlegende Begriffsdefinition von Werner Wolf in dem Aufsatz »Intermedialität: Ein weites Feld und eine Herausforderung für die Literaturwissenschaft«277 :

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272 273 274 275 276 277

Coleridge bezieht sich jedoch mit dem Begriff ›Intermedium‹ auf die Allegorie als literarische Instanz zwischen Person und Personifizierung und geht nicht von einem allgemeinen Medienbegriff aus. Hansen-Löve 1983. Einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung intermedialer Konzepte haben auch die Kunstformen Fluxus und Happening (vgl. Schröter 1998). Vgl. Kristeva 2003 u. Genette 1993. Paech 1998, 18. Jobling 1999, 6. Vgl. Pfister 1985 u. Fliethmann 2004. Zum eingeschränkten Text- und Intertextualitätsbegriff vgl. Rajewsky 2002, 57ff. Wolf 2002. Der Autor nimmt in dem Beitrag vor allem auch revidierend Bezug auf seine eigenen früheren Arbeiten zum Thema (vgl. ders 1996).

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Eine Differenzierung von ›Intertextualität‹ und ›Intermedialität‹ empfiehlt sich allein schon deshalb, weil ›Text‹ nicht einfach mit ›Medium‹ gleichzusetzen ist. Zumindest gilt das dann, wenn man […] einen engen Textbegriff im Sinne eines sprachlichen Zeichenkomplexes ansetzt und diesem einen Mediumsbegriff gegenüberstellt, wie er sich in der Intermedialitätsforschung durchgesetzt hat: Im Unterschied zu manchem medientheoretischen Begriffsgebrauch bedeutet ›Medium‹ hier […] nicht vorrangig einen bloß technisch-materiell definierten Übertragungskanal von Informationen […], sondern ein konventionell im Sinn eines kognitiven frame of reference als distinkt angesehenes Kommunikationsdispositiv.278

Wolf entfaltet in diesem Beitrag ein Kategorisierungsmodell der Intermedialität, das die Intertextualität der Intramedialität subsumiert. Die Intramedialität stellt dabei keine Unterkategorie der Intermedialität dar, sondern korrespondiert dem bereits eingeführten Konzept von Rajewsky, auf dessen Systematik sich Wolf ausdrücklich bezieht.279 Folgende Unterscheidbarkeit und klare Grenzziehung ist nun mit Wolf nachvollziehbar: Damit ergibt sich ein erster wichtiger Unterschied zwischen ›Intertextualität‹ und ›Intermedialität‹: Intertextualität überschreitet zwar Textgrenzen, bleibt aber im Bereich des verbalen Mediums und ist insofern ›intramedial‹ […]. ›Intermedialität‹ dagegen überschreitet Grenzen zwischen Medien im obigen Sinn, und daher ist Intermedialität komplementär zu Intramedialität. […] ›Intermedialität‹ ist damit im hier vorgestellten Sinn als Begriff weiter gespannt als ›Intertextualität‹, schließt die jedoch grundsätzlich nicht ein.280

Im weiteren Verlauf der Differenzierung untergliedert Wolf die Intermedialität in eine »werkübergreifende und eine werkinterne Variante«281 . Sein Hauptinteresse gilt den werkinternen »Binnenbezügen«282 , die er als »›Intermedialität im engeren Sinn‹«283 begreift und erneut untergliedert, und zwar in die Typen »Plurimedialität«284 und »intermediale Referenz«285 . Einen möglichst allgemeinen, gemeinsamen Nenner der teilweise im Detail sehr disparaten Theorieansätze formuliert Jürgen E. Müller in seinem Aufsatz »Intermedialität und Medienwissenschaft« folgendermaßen: Ein mediales Produkt wird dann intermedial, wenn es das multimediale Nebeneinander medialer Zitate und Elemente in ein konzeptionelles Miteinander überführt, dessen (ästhetische) Brechungen und Verwerfungen neue Dimensionen des Erlebens und Erfahrens eröffnen.286

278 279 280 281 282 283 284 285 286

Wolf 2002,164f. Vgl. ebd., 170. Zuvor findet sich diese Ein- oder besser Unterordnung der Intertextualität bei Wolf nicht (vgl. Wolf 2001, 284). Wolf 2002, 165f. Ebd., 169, vgl. 167. Ebd., 166f. Ebd. Ebd., 172f. Ebd., 174. Dieser Typus entspricht in etwa der intermedialen Referenz von Rajewsky (vgl. Rajewsky 2002, 78ff.). Müller 1994, 128.

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Auch Müller sieht insbesondere in den Brüchen und Störungen der Medien ihr spezifisches Potenzial, das vor allem im Miteinander unterschiedlicher Medien begründet liegt. Gleichzeitig spricht er von einer gewissen Öffnung des Wahrnehmens, die sich zwischen den Medien ereignet: Diese Prämissen bilden die Grundlage für die Entwicklung einer spezifischen Medienkombinatorik im IkonoModeText. So fordert er am Ende seines Beitrags dazu auf, diese scheinbar randständigen Einzelphänomene für die Theoretisierung der Intermedialität stärker zu berücksichtigen, wenn er schreibt: Intermediale Fusionen, Brüche und Interferenzen müssen von der Peripherie medienwissenschaftlicher Erkenntnisinteressen in deren Zentrum gerückt werden, um […] die medialen Eindimensionalitäten der Theoriebildung und Analyse zu durchbrechen.287

Die Plurimedialität im Sinne von Werner Wolf umfasst die »Medienkombination«288 und die »Medienmischung«289 , womit von ihm eine Binnendifferenzierungsmöglichkeit für das gleichzeitige Vorkommen von mehreren Medien eingeführt wird: Plurimedialität kann gemäß dem Kriterium der Intensität des Bezugs zwischen den medialen Komponenten in mehreren Formen vorkommen, die angesiedelt sind zwischen dem Pol der ›Medienkombination‹ (hier erscheinen verschiedene Medien unmittelbar in ihrer eigentlichen Gestalt und können, da relativ eigenständig, im Prinzip getrennt werden) und dem Pol der ›Medienmischung‹ oder gar ›-verschmelzung‹ (hier bilden Medien Hybridformen, die nicht mehr ohne weiteres in ihre – unselbständigen Bestandteile trennbar sind). Plurimedialität führt aber in jedem Fall zu einer medialen Heterogenität oder Hybridität der Werkoberfläche.290

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Die Heterogenität der MEDIENKOMBINATION wird von Wolf auch als ein Nebeneinander am Beispiel von Text und Bild in einem illustrierten Buch bezeichnet, während die Hybridität der Medienmischung z.B. im Zusammenspiel von Bild, Text und Musik im Film zu sehen sei. Die Grenzen seien jedoch nicht eindeutig aufzeigbar, sondern vielmehr fließend. Und es muss sogar, so Wolf, von einer dritten Variante, der Medienverschmelzung, ausgegangen werden. Denn es »kann in funktionaler Hinsicht auch der Grad der wechselseitigen Interpretation der Bestandteile einer Medienkombination untereinander«291 als entscheidend angesehen werden, da auch Medienkombinationen »mehr sind als eine bloße Addition der medialen Komponenten«292 , wie der Autor am Rande in einer Fußnote an-

287 288 289 290 291 292

Ebd., 135. Wolf 2002, 173. Ebd. Ebd. Ebd., Fußnote 24. Ebd.

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merkt.293 Wolfs Konzeption der Intermedialität unterscheidet sich damit wesentlich von Rajewskys Modell. Neben jener Einbeziehung und Ausgliederung der Transmedialität zeigt sich die konzeptionelle Differenz in zwei weiteren Punkten, die für das Verständnis der Intermedialität als Medienkombination wesentlich sind: 1. führt Wolf mit der Medienmischung und der Medienverschmelzung, neben der Medienkombination, einen möglichen Differenzierungsansatz ein und 2. stellt der Medienwechsel als eine »intermediale Transposition«294 für Wolf einen Typus des weit gefassten Intermedialitätsbegriffs dar und wird von ihm somit in die Nähe seiner Konzeption von Transmedialität gerückt.295 Diese unterschiedlichen Sichtweisen von Wolf und Rajewsky sind vor allem deshalb für die Analysierbarkeit medialer Phänomene wie der Mode relevant, da, wie Wolf betont, nur bei den so genannten werkinternen Bezügen von ihrer Nachweisbarkeit im Forschungsgegenstand selbst ausgegangen werden kann. Wolf insistiert in diesem Zusammenhang darauf, dass die werkübergreifende Intermedialität »in besonderem Maß Funktion einer interpretatorischen Betrachtungsperspektive«296 und nur so erschließbar ist. Diese Ansicht ist für die vorliegende Betrachtung des IkonoModeTextes als Medienkombination jedoch nicht geeignet, da hier explizit sowohl ein weiter Medienbegriff als auch entsprechend ein weit gefasster Werkbegriff zugrunde gelegt ist, der die Produktions- sowie die Rezeptionsseite einschließt. Das Werk per se kann entsprechend keine Differenzierungsprämisse sein, da es immer sowohl formal wie auch inhaltlich die interpretatorische Betrachtungsperspektive bereits einschließt und nur im Rahmen dieser erschließ293

294 295

296

Wolf betont, dass »Plurimedialität bei regelmäßigem Auftreten auch zu neuen Kompositmedien führen« (ebd.). kann und führt als Beispiel die Entstehung des Tonfilms an. Der Ikonotext der Zeitschrift kann demnach entsprechend als ein solches Kompositmedium bezeichnet werden. Der Begriff soll jedoch nicht weiter Verwendung finden, da er erneut die Frage indiziert, ob es überhaupt von Einzelmedien gesprochen werden kann. Es muss deshalb vielmehr insgesamt von einer grundlegenden Multi- oder Plurimedialität der Medien ausgegangen werden, in deren Rahmen bestimmte gegenseitige Bezüge herausgestellt werden können. Mitchell benennt dies wie folgt: »[A]ll arts are ›composite‹ arts (both text and image); all media are mixed media […].« (Mitchell 1994, 94f.) Mersch spricht in diesem Zusammenhang u.a. von einem »unauflösbaren Pluralismus« (Mersch 2004b, 84) als Basis der Medientheorie. Wolf 2002, 171. Vgl. ebd. Die Subsumierung der Transmedialität unter das Konzept der Intermedialität erscheint bereits durch folgende Feststellung Wolfs unschlüssig: »Die Existenz von Intermedialität ist also bei der intermedialen Transposition für die unmittelbare Bedeutungsgenerierung der betreffenden Werke nicht relevant, das gleiche gilt für die Transmedialität und damit für die werkübergreifende Intermedialität allgemein.« (Ebd.) Diese Sichtweise stellt die Unterteilung in werkübergreifende und werkimmanente Intermedialität in Frage und weist eher auf eine Externalisierung derselben oder zumindest der Transmedialität hin, wie es Rajewsky vorschlägt. Ebd., 170.

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bar und nachweisbar ist.297 Dies gilt für alle Arten der Medialität und ist gewissermaßen die grundlegende Prämisse der Funktion des Mediums, Mittler zwischen Produktion und Rezeption zu sein. Eine Differenzierungsmöglichkeit in werkintern und -extern erweist sich deshalb hier als nicht sinnvoll. Somit wird die Transmedialität der Intermedialität nicht untergeordnet sondern dieser vielmehr übergreifend zur Seite gestellt, so dass sie als strukturierendes Prinzip auch in den verschiedenen Varianten der Inter- und Plurimedialität zum tragen kommen kann. Irina Rajewsky sieht in der Intermedialität entsprechend: »Mediengrenzen überschreitende Phänomene, die mindestens zwei konventionell als distinkt wahrgenommene Medien involvieren.«298 Sie untergliedert diese in intermediale Bezüge, Medienwechsel und Medienkombination, wobei letztere auch für sie in engem Zusammenhang mit der Pluri- oder Polymedialität zu verstehen ist.299 Dieser Definitionsansatz der Medienkombination als intermediale Subkategorie durch Rajewsky bildet vor allem durch seine präzise Verortung im Mediensystem und die Möglichkeit seiner weiterführenden Binnendifferenzierung die Grundlage für die Ikonotextualität der Modestrecke in der Zeitschrift:

297

298 299

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Wolf davon aus, dass werkinterne Intermedialität »entweder bereits an der Werkoberfläche, d.h. schon auf der Signifikantenebene, deutlich werden [kann] oder erst unter (zusätzlicher) Beachtung der Signifikate« (ebd., 172). Rajewsky 2002, 157. Es befindet sich auf dieser Seite auch Rajewskys Modell der Intermedialität mit seinen Subsystemen und -kategorien. Rajewsky definiert intermediale Bezüge folgendermaßen: »Subkategorie der  Intermedialität. Verfahren der Bedeutungskonstitution eines medialen Produkts durch Bezugnahme auf ein Produkt ( Einzelreferenz) oder das semiotische System bzw. bestimmte Subsysteme ( Systemreferenz) eines konventionell als distinkt wahrgenommenen Mediums. ›Intermedialität‹ wird hier zu einem kommunikativ-semiotischen Begriff, wobei per definitionem immer nur ein Medium (das  Objektmedium) in seiner Materialität präsent ist. Spezifikum intermedialer Bezüge ist die Überschreitung von Mediengrenzen. Bei der Untersuchung intermedialer Bezüge ist folglich den Konsequenzen Rechnung zu tragen, die sich aus der medialen Differenz zwischen den involvierten Medien für die Möglichkeiten der Bezugnahme ergeben (›Als ob‹-Charakter).« (Ebd., 199.) Medienwechsel definiert Rajewsky wie folgt: »Subkategorie der  Intermedialität, und zwar die Transformation eines medienspezifisch fixierten Produkts bzw. Produktsubstrats in ein anderes, konventionell als distinkt wahrgenommenes Medium; nur letzteres ist materiell präsent (z.B. Literaturverfilmung). ›Intermedialität‹ wird hier zu einem produktionsästhetisch orientierten, genetischen Begriff.« (Ebd., 201.) Sie spricht im Zusammenhang mit der Medienkombination auch von Hybridmedien, »die über eine plurimediale Grundstruktur verfügen« (ebd., 203). Sie führt dies jedoch nicht weiter aus, so dass es sich auch nicht in ihrem Intermedialitätskonzepte wieder findet. Dennoch scheint sie von einem ähnlich fließenden Übergang zwischen diesen Varianten der Medienkombination auszugehen wie Wolf.

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Punktuelle oder durchgehende Kombination mindestens zweier, konventionell als distinkt wahrgenommener Medien, die im entstehenden Produkt materiell präsent sind und mit ihren je eigenen Mitteln zur (Bedeutungs-)Konstitution desselben beitragen (z.B. Photoroman, Film, Klangkunst). ›Intermedialität‹ wird hier zu einem kommunikativ-semiotischen Begriff, der auf Addition verschiedener medialer Systeme beruht.300

Die Addition von einzelnen Medien in einem Medium als ein Nebeneinander, ein Zusammenspiel oder eine Verschmelzung, ist jedoch immer mehr als die Summe der einzelnen Teile. Dieses Mehr bildet sich in einem komplexen Prozess der medialen Sinnkonstitution und spielt sich sowohl auf Produktions- und Rezeptionsseite wie auch im medialen Gegenstand selbst ab. In Bezug auf die Modestrecke als Ikonotext stellt sich demnach zunächst die Frage, in welcher Art und Weise die Einzelmedien Bild und Text zusammentreffen, und was sie für eine Verbindung eingehen. Gleichzeitig muss erläutert werden, wie und wodurch die Mode als transmediales Phänomen in Erscheinung tritt und als solches kenntlich gemacht werden kann. Im Ikonotext der Modestrecke liegt Modekleidung als kontaktgebendes Ursprungsmedium in medialisierter Form vor, d.h. sie wird durch die Medien Text und Bild repräsentiert. Die sich daraus ergebenen intermedialen Bezüge und Medienwechsel lassen sich jeweils im konkreten Einzelfall betrachten und in ihnen zeichnet sich der Transformationsprozess eines vestimentären Gegenstandes in seine medialen Repräsentationsformen ab. Gleichzeitig liegt jedoch im Ikonotext der Modestrecke, also im IkonoModeText der Zeitschrift, eine spezifische Medienkombination vor, die durch ihr besonderes Zusammenwirken Mode als ein wahrnehmungsspezifisches Phänomen erscheinen lässt und zwar als ein Phänomen zwischen Bild und Text. Indem die Rezipienten in besonderem Maße in den wechselseitigen Prozess der Bedeutungskonstitution zwischen Bild und Text einbezogen werden, scheint das medial Dargestellte sich allererst zu ereignen, und zwar durch eine Bewegung innerhalb der unterschiedlichen visuellen Wahrnehmung von Text und Bild und dem damit verbundenen unterschiedlichen Erkenntnisweg und -gewinn. Somit scheidet sich das Visuelle des Mediums IkonoModeText zwar in die differenten Perzeptionsarten des Verbalen und des Bildlichen, führt diese jedoch nahezu gleichzeitig in ein sich gegenseitig befruchtendes und konstituierendes Wechselspiel ein. Dieser prozessuale, rezeptive Vollzug, nämlich die Bewegung der Wahrnehmung selbst, die in ihrem Pendeln die medialen Inhalte immer wieder modifiziert, ist die Bedingung für das Erscheinen von Mode in der Zeitschrift.301 Dieses wahrnehmende Handeln mit den beteiligten Medien und dem damit verbundenen Aushandeln der Mode, ist in seinem konsti-

300 301

Ebd., 201. Vgl. Seel 2003, 82ff.

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tuierenden Prozess vergleichbar mit dem inszenierenden Agieren gekleideter Körper und dem damit verbundenen, Mode erst generierenden Wahrnehmungsprozess als Teil des kommunikativen Handelns.302 Die Medienkombination von Text und Bild bietet die Möglichkeit, durch rein visuelle Perzeption Mode zu vollziehen, und zwar indem sich die Rezipienten in den Wahrnehmungsprozess hineinbegeben und diesen für sich erleben. Weder der Medienwechsel, noch die intermedialen Bezüge allein beziehen die Rezipienten so stark in den Sinn konstituierenden medialen Prozess mit ein, dort wird Sinn quasi nur durch ein vertretendes System generiert. Erst zusammen mit dem medienkombinatorischen Vexierspiel der Mode im Ikonotext werden die unendlich vielfachen Verweise, Anspielungen, Widersprüche, Provokationen, die Mode grundlegend kennzeichnen, medial im Rahmen der Zeitschrift (nach-)vollziehbar. Ob es sich allerdings bei der Medienkombination des IkonoModeTextes um ein Nebeneinander, ein Zusammenspiel oder eine Vermischung der verbalen und bildlichen Wahrnehmungsebene handelt, wird letztlich nicht nur durch die Intention der Produktion oder den Gegenstand selbst, sondern vor allem auch durch die Leistung, d.h. durch die Fähigkeit, die Bereitschaft und den Willen auf Rezipientenseite bestimmt. Die Intensität des Erscheinens von Mode in der Modestrecke und somit ihre Konstitution selbst ist damit unmittelbar von ihrer jeweiligen Rezeptionsweise abhängig. Die Medienkombination von Bild und Text in der Modestrecke bietet dadurch sowohl die Möglichkeit der intentionalen Erzeugung eines spezifischen Erscheinens von Mode und gleichzeitig eine relative, assoziative Offenheit, da ihr Sinnkonstitutionsprozess zu großen Anteilen auf Seiten der Rezipienten liegt. Das spezifische Erscheinen der Mode zwischen Bild und Text beruht somit auf der Tatsache, dass die Intermedialität im Rahmen dieser Medienkombination etwas sichtbar macht, was durch bloßes Vorhandensein nur eines Medium nicht explizit würde, nämlich die besondere Medialität des jeweils anderen Mediums. Der Modetext, der an sich in besonderer Weise schon Modekleidung medialisiert, macht erst durch seinen unmittelbaren Bezug auf das Modebild dessen Medialisierungsform des scheinbar selben Gegenstandes deutlich, und umgekehrt.303 Dies geschieht vor allem durch die somit erkennbar werdende Distanz

302 303

Vgl. Lehnert 2002, 55. Vgl. Brosch 2004a. Als besondere Form eines intermedialen Bezugs, als spezifische »Textsorte« (ebd., 73), muss nach Brosch »die Ekphrasis als beschriebene Bildbetrachtung« (ebd.) angesehen werden, die »die instabile Dialektik zwischen Visualisierung und Vertextung, Bezeichnung und Bedeutung« (ebd.) zum Thema eines Textes macht. Sie grenzt das Phänomen der Ekphrasis zugunsten seiner differenzierten Betrachtung und größerer Praktikabilität als Konzept der Literaturwissenschaft erneut ein. Das entspricht dem Intermedialitätskonzept von Rajewsky (vgl. Rajewsky 2002, 26 u. 196).

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zwischen dem vorliegenden Medium selbst, dem Medialisierten und der Art und Weise seiner Medialisierung. Die Einzelmedien Bild und Text verweisen in ihrer Gleichzeitigkeit immer auch auf die Medialisierungsform und die spezifische Transformationsleistung des jeweils anderen. Die folgende Aussage von Sybille Krämer zu den Transformationsprozessen304 intermedialer Bezüge und des Medienwechsels bekommt bezogen auf die Medienkombination eine weiter führende Dimension: Die Übertragungsverfahren, die diese Art von Transformation vollziehen, können am Vorbild von ›Inszenierung‹ und ›Transskribierung‹ beschrieben werden. Inszenierung (›Aufführung‹) und Transskribierung (›Umschrift‹) charakterisieren jene Art von Erzeugung durch Übermittlung, die Medien ermöglichen und eröffnen. Das heißt: Immer geht dem Medium etwas voraus; doch das, was ihm vorausgeht, ist zwar in einem anderen Medium, nie aber ohne Medium gegeben. Wenn das aber so ist, wird die Intermedialität ein für die Sphäre des medialen grundlegendes Phänomen. Medien werden zu ›epistemischen Gegenständen‹ erst in dem Augenblick, in dem ein Medium die ›Bühne‹ der Inszenierung eines anderen Mediums abgibt, welches seinerseits dabei zur ›Form-in-einemMedium‹ wird.305

Im IkonoModeText liegen demnach zwei Bühnen vor, auf denen gleichzeitig sowohl durch gegenseitige Bezugnahmen das jeweils andere Medium, als auch das kontaktgebende Medium Kleidung aufgeführt werden, und zwar jeweils mit den spezifischen Mitteln eines Mediums. In beiden Fällen ist die Kleidung an sich das Thema, jedoch die Art der Inszenierung in Bild und Text, ihre spezifische Kombination und ihre wechselseitige Wahrnehmung bestimmen erst die Erscheinungsweise der Modekleidung. Da Mode als transmediales Phänomen somit insbesondere die intermediale Kombination kontaminiert, wird sie vor allem zwischen den beteiligten Medien sichtbar, und zwar indem »das Prinzip der aisthetischen Neutralisierung ›gebrochen‹ und das Medium dann doch ins Zentrum der Aufmerksamkeit«306 rückt, wie Krämer es ausdrückt. Die spezifische Intermedialität der ikonotextuellen Medienkombination, die durch gleichzeitige Präsenz und Wahrnehmbarkeit der Medien Bild und Text gekennzeichnet ist, macht die Medialität des jeweils anderen dadurch deutlich, dass sie im changierenden Wechselspiel zwischen beiden Medien einen Grenzraum markiert. Dieser zeigt sich anhand einer unüberbrückbaren Ikommensurabilität. Dieter Mersch spricht in diesem Zusammenhang von »unübersetz-

304

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Vgl. Füger 1998, 51. Füger stellt die wichtige Frage, ob Intermedialität per se als Transferprozess gesehen werden kann, und er macht deutlich, dass der Begriff einer grundlegenden konzeptionellen Differenzierung bedarf, um sinnvoll anwendbar zu sein. Krämer 2003a, 85. Ebd., 82. Krämer formuliert wie folgt: »Das ist dann der Fall, wenn ein Medium selbst zur Form und also in ein anderes Medium übertragen wird. […] Intermedialität ist eine epistemische Bedingung der Medienerkenntnis.« (Ebd.)

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baren Strukturen«307 und sieht in dieser Grenze zwischen Bild und Text eine »Demarkation«308 . Dieser »prinzipielle Hiat der Formate« ist für ihn allerdings ein »unüberspringbarer Riss, der durch keine mediale Strategie überwunden werden kann«, da es immer nur zu einer erneuten »Mediatisierung von Mediatisierungen« kommt »bis ein undurchdringliches Gewebe medialer Formgebungen entsteht«.309 Der IkonoModeText ist ein solches Gewebe aus Medialisierungen, dessen Medialität nur durch die kombinatorische Verbindung unterschiedlicher Wahrnehmungsebenen erfassbar ist. An dieser spezifischen ikonotextuellen Bindungsart der Modestrecke sind beide medialen Formate gleichberechtigt beteiligt. Weder Bild noch Text dominieren die Konstitution von Mode, die erst in jenem Zwischenraum möglich wird. Mode ist somit gleichsam die Füllung jenes »Spalts, den die mediale Performanz als Leere erfährt, der sie die Strategie einer Verdeckung entgegensetzt«310 . Mode zwischen Bild und Text kann deshalb sowohl als sinnvolle Überbrückung der Leere, als auch die sinnlose Verhüllung einer unüberbrückbaren Distanz gesehen werden. Da beiden Sichtweisen eine ikonotextuelle Kombination vorausgeht, ist die Verbindung der Wahrnehmungsebenen schon enthalten und eine Dominanz nicht auszumachen. Sybille Krämer geht in diesem Sinne von einer grundlegenden »Transgressivität«311 des Wahrnehmens aus, die entsprechend auch die Rezeption des Ikonotextes bestimmt: Die Aisthetisierung ist ein Vollzug, in dessen Beschreibung dichotomisch organisierte Begriffsraster an ihre Grenzen stoßen. Bei den Phänomenen, die hier von Belang sind, vermischt sich gerade das, was unsere kategorischen Unterscheidungen gewöhnlich auseinander halten. Diese Phänomene ›besiedeln‹ also eine Grenze, ein Dazwischen.312

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Darin liegt auch eine mögliche Antwort auf die Frage von Horstkotte und Leonhard, ob »im Ikonotext tatsächlich ein intermedialer Zwischenraum«313 entsteht. Denn die Grenze zwischen Bild und Text ist nun als ein Raum zu verorten, der durch mediale Strategien gefüllt werden kann und so sinnstiftend wirksam wird. Die mediale Erscheinungsform der Modestrecke als IkonoModeText ist an sich bedeutsam, da das Phänomen Mode im Ikonotext an sich erst erscheint: Mode ist das, was sich zwischen Bild und Text zeigt. Oder, grundlegend von Krämer formuliert: 307 308 309 310 311 312 313

Mersch 2004b, 84f. Ebd. Ebd. Mersch geht davon aus, dass in diesem Gewebe immer ein »Modus regiert« (ebd., 85.). Mersch 2004b, 85. Krämer 2004a, 21. Ebd. Horstkotte / Leonhard 2006a, 9.

Medialitäten der Modezeitschrift

Was ›von Bedeutung ist‹ liegt nicht hinter der Erscheinung, ist keine unsichtbare Tiefenstruktur, welche jenseits der Oberfläche des Wahrnehmbaren durch Verfahren der Interpretation zu erschließen wäre. 314

Es muss deshalb von einer ikonotextuellen Fülle der Oberfläche ausgegangen werden, die insbesondere die Leere des Spalts gerade nicht zu überbrücken oder zu überwinden versucht, sondern auszufüllen vermag. Nicht die Frage nach einer bestimmten Bedeutung hinter der Darstellung von Modekleidung in der Modestrecke ist deshalb hier von Interesse, sondern es sind vor allem die Bedingungen ihrer ikonotextuellen Konstitution. Um diese medialen Bedingungen, die sowohl auf Seiten des Textes als auch des Bildes, aber insbesondere in deren spezifischer Kombinatorik im IkonoModeText liegen, deutlich hervortreten zu lassen, ist folgender Vorschlag von Gabriele Rippl wegweisend: Anstatt Worte und Bilder im Zuge eines rigiden und letztlich reduktionistischen Medienpurismus als strikt unabhängige Systeme zu verstehen und in der Folge isoliert zu betrachten, scheint es mehr denn je lohnenswert, sie auf ihre Verschränkungen und Interaktionen zu befragen. Dabei sollten Mediendifferenzen jedoch weder nivelliert noch eine einfache Übersetzbarkeit des einen Mediums in das andere postuliert werden.315

4.3 Die Medialität der Modestrecke Die Medialität der Mode zeigt sich in ihrem performativen Rezeptionsprozess der Modestrecke als Atmosphäre und als eine Art aisthetisches Handeln mit den Medien Bild und Text. Sie innerhalb dieser Facettenfülle genau zu betrachten, ist deshalb so entscheidend, weil sich die Kräfte und Potentiale verschieben, wenn danach gefragt wird, wie Sinn entsteht und wer letztlich Bedeutung stiftet. Wenn die Medialität und die in ihrer Prozessualität verankerte Performativität als Möglichkeiten des Konstituierens von Sinn auf Rezipientenseite begriffen werden, führt dies zu einer Zurückeroberung von Handlungsmöglichkeiten und in diesem Sinne auch von Wirkungsmacht. Denn die Frage nach der Macht der Medien und der Modemacht setzt folgende Fragen voraus: Wer macht Mode, und wie wird

314 315

Krämer 2004a, 20. Rippl 2004, 53. Es ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass Rippl die Medienkombination von Wort und Bild als einen intermedialen Bezug ansieht. Sie plädiert nämlich dafür, »Intermedialität als einen weiter gefassten Dachbegriff zu verstehen« (ebd., 52), und sie stellt keine spezifischen Subkategorien heraus. Sie vermischt vielmehr die zuvor erläuterten Subkategorien von Rajewsky und Wolf und arbeitet so einer differenzierten Analyse der unterscheidbaren intermedialen Erscheinungsweisen entgegen, wenn sie z.B. von »ekphrastisch und pikturalistisch verfahrenden Ikontexten« (ebd., 60, Fußnote 26) spricht.

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Mode gemacht? Wer besitzt Macht, wer hat die Verantwortung?316 Es muss deshalb deutlich werden, ob die Modebedeutung an das Objekt gebunden ist, oder ob erst die performative, perzeptive und rezeptive Bezugnahme auf die Medienkombination von Bild und Text Sinn ergibt und somit Mode konstituiert. Die gleichzeitige Unterscheidbarkeit und Unüberführbarkeit des Aisthetischen und des Diskursiven im Ikonotext der Mode lässt sich als Medienclash auffassen, der das besondere Potenzial seiner Bild-TextKombination erst im Rezeptionsprozess freisetzt. Daran anschließend wird die Ikonotextualität der Modestrecke als ihre spezifische Performativität konzipiert, um aufzuzeigen, dass sich Mode erst im Prozess ihrer ikonotextuellen Wahrnehmung konstituiert.

Aisthetische und diskursive Medien

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Die spezifische Medialität der Modestrecke, ihre Ikonotextualität, ist gekennzeichnet durch eine Kluft zwischen den beteiligten medialen Techniken. Dieser offene Grenzraum wird durch das Zusammenspiel der beteiligten Medien Bild und Text einerseits überbrückt, andererseits jedoch auch erkennbar und anders nutzbar. In ihm spielt sich die Konstitution von Mode ab. Dieter Mersch führt das Grenzen markierende Potential der Medien insbesondere auf ihre aisthetische Dimension zurück. Nach Mersch kann das »Denken der Grenze«317 des Medialen, sowie das Erkennen des Medialen, nur sinnlich möglich sein, d.h. unter gleicher Betonung aller Sinne hinsichtlich der Spezifik sinnlicher Wahrnehmung im aristotelischen Verständnis der Aisthetik. Die schriftliche Erkenntnisebene, die lange Zeit den (sprach-)philosophischen Diskurs beherrscht hat, muss nach Mersch als lediglich eine Zeit lang gültige, historische Präferenz betrachtet werden, die es zugunsten eines weiten, sinnlichen und in diesem Sinne auch künstlerischen Wahrnehmungs- und Erkenntnisbegriffs zu überwinden gilt. Und auch im aristotelischen Technikbegriff sieht Mersch die Möglichkeit der Rückbesinnung auf die Reichweiten der Künste und ihrer Funktion im Erkenntnisprozess: Daher fungiert für mich das Ästhetische als Prüfstein der spezifischen Reichweite und Leistungsfähigkeit von Medien als technai – wie auch ihre wechselseitige Beschränkung und Inkommensurabilität.318

316

317 318

Vgl. Mersch 2002a, 294ff. Er unterscheidet zwischen Macht und Verantwortung, wobei letztere – als eine grundlegende Akzeptanz der Machtlosigkeit, des Unwillkürlichen jeder Existenz und eine Achtung des Anderen – das Ereignis des Handelns voraussetzt. Mersch 2003, 1.Teil. Ebd.

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Mersch unterscheidet Techniken von technai, d.h. technische Medien wie Buchdruck, Fernsehen etc. von den medialen Techniken »Wort, Zahl, Bild und Ton«319 . Letztere stellen für ihn die »Grundmedien kultureller Bedeutungs-, Struktur und Wahrnehmungsproduktion«320 dar: Zu unterscheiden wären deshalb die Techniken, die in die Bildgebungs-, Tonerzeugungsverfahren oder Texte und Schriften eingehen, von jenen technai, die diese selbst sind, die ihr eigenes Faszinosum entfalten und allererst Simulakra und Fiktionalitäten hervorbringen, d.h. Kultur als Wirklichkeit und Erinnerung produzieren und mit symbolischer Macht ausstatten.321

Es sind demnach die medialen Techniken Bild und Text als technai, die in der ikonotextuellen Medienkombination Mode als Wirklichkeit produzieren und mit symbolischer Macht ausstatten. Dieses geschieht vor allem durch ihre wechselseitige Beschränkung und Inkommensurabilität. Mersch führt zudem eine Unterteilung der Medienformate in Aisthesis als Zeigen und Diskurs als Sagen ein. Ersteres steht für die medialen Techniken Bild und Ton und führt durch sein spezifisches Erscheinen zu bestimmbaren Präsenzen im Medium. Letzteres Format umfasst Wort und Zahl und verweist aufgrund seiner Textur vielmehr auf Nicht-Präsenzen.322 Die Unterteilung der Medienformate lässt sich mit Mersch wie folgt anhand ihrer Funktionalitäten formulieren: »Diskursive Medien zeigen, wo sie zeigen, im Modus des Sagens, während aisthetische Medien, wo sie sagen, im Modus des Zeigens, sprechen.«323 Das macht einerseits deutlich, was Gabriele Rippl meint, wenn sie von »Wort und Bild als einer kulturellen Leitdifferenz«324 spricht. Andererseits wird ebenfalls deutlich, dass Bild und Wort an sich keine Medien sind.325 Sie stellen, so Mersch, vielmehr mediale Grundformen dar, anhand derer sich Medien insofern einteilen lassen, als dass gezeigt werden kann, »welcher Modus regiert«326 . Bei der Medienkombination des IkonoModeTextes ist jedoch eine bestimmte Dominanz nicht auszumachen: Beide Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Konstitution von Mode, da erst ihre spezifische Kombinatorik, das chan-

179 319 320 321 322 323 324 325

326

Mersch 2002b, 1.Teil. Ebd. Ebd. Vgl. Mersch 2004b, 84. Ebd., 85. Rippl 2004, 44. Vgl. Füger 1998, 54. Er weist explizit darauf hin, dass »[r]elevante Aspekte des Problemfeldes Intermedialität […] verdeckt [bleiben], wenn man das Verbale pauschal als Medium betrachtet« (ebd.). Mersch 2004b, 85. Es scheint nach Mersch nicht nur immer ein Format dominant zu sein, sondern es ist darüber hinaus davon auszugehen, »dass sich beide Darstellungsmodi in ein und demselben medialen Format ausschließen« (ebd.), und zwar in Hinblick auf die Prämisse von Wittgenstein: »Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden.« (Wittgenstein 1963, 43, Abs. 4.1212.)

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180

gierende Wechselspiel der Ikonotextualität, die Mode in ihrem Dazwischen erkennbar werden lässt. Die »Demarkation«327 von aisthetischen und diskursiven Medien beruht zwar auf einer grundlegenden Inkommensurabilität, Inkompatibilität und Inkonvertibilität, gleichzeitig wird jedoch diese Grenzlinie auch als eine »prinzipielle Kluft«328 und somit als ein gewisser Raum sichtbar.329 Diese »Lücke«330 , die auch im IkonoModeText medial nur scheinbar geschlossen wird, ist die Quelle der Mode, und zwar indem sich in ihr eine spezifische Bewegung zwischen Wahrnehmung und Erkenntnis abspielt: Das Sagen des Bildes wird durch das Zeigen des Textes und das Zeigen des Textes wird durch das Sagen des Bildes verdeutlicht, ergänzt und widerlegt. Die Kluft wird also erst durch eine gegenseitige Bezugnahme sichtbar, ist gleichzeitig durch diese Durchkreuzung gekennzeichnet und nur durch ihre Überbrückung quasi im Sprung wahrnehmbar. Darin liegt das »Paradox des Medialen, sein Verschwinden im Erscheinen«331 : Die Mode zwischen Bild und Text wird nur als ikonotextuelles Vexierspiel deutlich. Die Wahrnehmung dieses Raumes zwischen den medialen Formaten des Aisthetischen und Diskursiven geschieht jedoch mitnichten nebenbei, es bedarf vielmehr einer gewissen Reflexionsarbeit und einer ästhetischen Schulung, um diesen grundlegend vorhandenen, medialen Grenzraum erkennen und möglicherweise anders, d.h. jenseits seiner intendierten Bedeutungsweise, nutzen zu können. Es sind insbesondere die künstlerischen Praxen, die ein ästhetisch schulendes Probehandeln ermöglichen, das sich auch im alltäglichen Umgang mit medialen Szenerien zunehmend bewährt. Individuelle Mythologien, Fluxus, Happening, Performance-Art etc. bieten seit spätestens Mitte der 1960er Jahre im Rahmen der Kunst einen Erfahrungsspielraum, der für den heutigen Umgang mit medialer Wirklichkeit paradigmatisch ist.332 Denn die Techniken, die sich im Kunstraum erproben lassen, finden schon lange im Bereich der Sub- und Popkultur ihre unverkrampfte, da häufig unreflektierte und spielerischere Anwendung.333 Dieter Mersch unterteilt 327 328 329

330 331 332 333

Mersch 2004b, 84. Ebd. Vgl. die begriffliche Dimension des Raumes im Gegensatz zur der des Ortes bei Certeau 1988, 218. Der Raum wird bei de Certeau durch die »Handlungen« von »historischen Subjekten« (ebd., 219) bestimmt, und der Ort bildet mit den starren Objekten »das Dasein von etwas Totem« (ebd.): »Insgesamt ist der Raum ein Ort, mit dem man etwas macht. […] Ebenso ist die Lektüre ein Raum, der durch den praktischen Umgang mit einem Ort entsteht, den ein Zeichensystem – etwas Geschriebenes – bildet.« (Ebd.) Mersch 2004b, 84. Mersch 2006, 224. Vgl. Fischer-Lichte 2000, 63. Vgl. zur Verbreitung vestimentärer Kulturtechniken Willis 1991.

Medialitäten der Modezeitschrift

diese künstlerischen Techniken und Strategien in seinem Aufsatz »LifeActs. Die Kunst des Performativen und die Performativität der Künste« in vier Grundformen. Neben »Interventionismus«, »Selbstaussetzung« und dem »Erscheinenlassen des Ereignens unverfügbarer Präsenz« sieht er vor allem im »Medienbruch« die Möglichkeit zur Erfahrung der Mediengrenzen.334 Jenes Erscheinenlassen steht in engem Zusammenhang mit dem hier fokussierten Kenntlichmachen des Medialen der Mode. Zeigt sich jenes Ereignis unverfügbarer Präsenz doch gerade in Momenten des Aufscheinens einer bestimmten Materialität und der ihr jeweils eigenen Ästhetizität. Es ist jedoch neben der damit erkennbar werdenden Grundform des Ästhetischen vor allem das Ereignisgeschehen des reflexiven Aufscheinens von Medialität selbst, das im performativen Kunstwerk sichtbar wird. Das Erscheinenlassen ist so verstanden Funktion und Ergebnis jeder Form von performativer Kunst. Der Medienbruch lässt nach Mersch »durch Eintragung von Störungen und Disfunktionalitäten die spezifische Medialität des Mediums, seine Grenzen zum Vorschein kommen«335 . Er ist demnach eine künstlerische Strategie zur »Erzeugung systematischer double binds«336 , so genannter medialer Paradoxien, die insbesondere die »Entfaltung und Vervielfältigung der Instabilität des Codes«337 zum Ziel haben. In ihnen zeigt sich die Arbitrarität der Codes als grundlegende Abgründigkeit, die zur sinnvollen Bedeutungsstiftung durch Konventionen lediglich überbrückt wird. Was können nun solche Störungen sein, die das Sagen im Zeigen und das Zeigen im Sagen, und somit letztlich den unüberwindlichen Bruch kenntlich machen? Muss es sich immer um einen künstlerisch-strategisch geplanten Medienbruch handeln? Oder lässt sich die mediale Kluft als ein spezifischer Freiraum nicht auch anders wahrnehmen? Voraussetzung für ein solches, andersartiges Wahrnehmen ist nämlich nicht nur eine künstlerische intentionale Strategie auf Seiten der Produktion, sondern auch – vor allem bei der Konstitution von Mode – eine aisthetische Wahrnehmungshaltung auf Seiten der Rezeption, die sich mit Gernot Böhme als »ästhetischer Konsum«338 bezeichnen lässt. Nicht nur »[p]erformative Kunst beutet die chiastische Struktur zur Reflexion, zur Brechung und Differenzsetzung, zur Inversion symbolischer Ordnungen oder Statuierung neuer Möglichkeiten systematisch aus«339 , sondern auch der IkonoModeText. Dieser Chiasmus von Sagen und Zeigen, von Bild und Text bildet in der 334 335 336 337 338 339

Mersch 2004a, 58f. Ebd., 59. Ebd. Ebd. Böhme 2001, 177. Mersch 2004a, 58.

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Zeitschrift die für die Mode notwendige Struktur, um ihr Spiel entfalten zu können; ein Spiel, das offensichtlich nur scheinbar Bedeutungen stiftet, indem es eine Bewegung zwischen den Polen markiert. So weist die spezifische Intermedialität der Medienkombination im Ikonotext sowohl den grundlegenden Spalt, als auch seine Überbrückung auf. Und gleichzeitig verweist diese Überbrückung selbst auf den Spalt, den Grenzraum zwischen den Medien. Die Ikonotextualität der Modestrecke funktioniert nun nicht mehr als Vertuschung der grundlegenden Spaltung der Medien Bild und Text. Sie ist vielmehr deutlich als Überbrückungsstrategie wahrnehmbar, erkannt und ist als Täuschung entlarvt. Gleichzeitig verliert die Mode ihren intendierten Sinn, denn ihre Bedeutsamkeit geht ja gerade aus der scheinbar sinnvollen Verknüpfung von Bild- und Textinhalten hervor.340 Das Spiel der Mode wird dennoch fortgesetzt: Jeder kontinuierlichen Bezüglichkeit beraubt, stoßen nun Bild und Text aufeinander. Oder wie Mersch zusammenfassend und in Hinblick auf das zu initiierende mediale Spiel formuliert: Sagen verweist auf Semiosis, auf die vielfältigen Texturen des Sinns, Zeigen dagegen auf Materialität und Setzung, auf den Augenblick einer Präsenz. […] Doch ist der entscheidende Punkt, dass beide im selben Modus der Handlung ihre Deckung verweigern.341

Medienclash Das Ereignis, das den Spalt oder Bruch als Freiraum eröffnet, zeigt sich im Zusammentreffen von Bild und Text in der Modezeitschrift.342 Im MEDIENCLASH, in der Kombination von differenten Medien, von aisthetischen plus diskursiven Grundmedien, vollzieht sich ein Zusammenprall oder -stoß, eine Art Kollision. Dieser Clash stellt sowohl einen Widerspruch als auch ein Zusammenfallen ursprünglich disparater medialer

182 340 341 342

Vgl. Barthes 1985, 293ff. Mersch 2004a, 57. Auch Barthes spricht in Die Sprache der Mode von einem spezifischen Zusammentreffen, allerdings von dem zwischen Modetext und Modekleidung: »Was geschieht, wenn ein Objekt und eine Sprache (langage) zusammentreffen? Wenn es lächerlich aussieht, eine so weitreichende Fragestellung an einem Gegenstand wie der Modekleidung abzuhandeln, möge man bedenken, dass sich die nämliche Beziehung zwischen Literatur und Welt herstellt: ist es nicht die Institution Literatur selbst, die das Reale in Sprache (langage) umzuwandeln scheint und die ihr Sein, ganz wie unsere geschrieben Kleidung, allein in dieser Umwandlung ansiedelt? Und ist die geschriebene Mode im übrigen nicht auch eine Literatur?« (Barthes 1985, 22.) Es handelt sich somit um eine Begegnung (frz. rencontre), die Bedeutung vielmehr aufgrund einer Transformation konstituiert. Dass im Rahmen der Zeitschrift die zwei Medien Bild und Text zusammentreffen, um Mode zu konstituieren, hat Barthes nicht betrachtet.

Medialitäten der Modezeitschrift

Modi her und dar.343 In dieser Erschütterung (spätlat. collisio) des Medialen kann ein Bruch, ein Riss oder ein Schlitz, der etwas sichtbar macht, erst entstehen. Eine klare Abgrenzung und Trennbarkeit, ebenso wie eine Vermischung oder Zusammenfügung beider Medienarten erweist sich zwar als undenkbar, im Medienclash jedoch wird das Zusammenfallen des Widersprüchlichen möglich: Das Eine lässt sich im Anderen erkennen und umgekehrt. Es wird jedoch nicht nur das Mediale der Mode an sich sichtbar, sondern es wird auch deutlich, dass sich Mode sich im Medienclash von Sagen und Zeigen konstituiert. Die spezifische Medialität eines Mediums ist zwar nicht durch das Medium selbst medialisierbar, wird die spezifische ikonotextuelle Intermedialität der Medienkombination von Bild und Text jedoch als Medienclash wahrgenommen, werden zumindest die jeweiligen Grenzen des Medialen und die Performativität ihrer ikonotextuellen Überschreitungsprozesse zugunsten einer Sinnkonstitution im Wahrnehmungsprozess deutlich. Unter der Prämisse, dass es nicht um eine Parallelisierung oder gar Subsumierung des Systems Mode unter das System Kunst gehen soll, lassen sich der Konstitution und der medialen Bestimmtheit von Mode noch am ehesten künstlerische Strategien vergleichend zur Seite stellen, um sie in gegenseitiger Abgrenzung zu erhellen.344 Vor allem die spezifische Ästhetik performativer Künste bietet hier einen übertragbaren konzeptionellen Rahmen. Mode ist demnach nicht mehr nur als eine bestimmte medial vermittelte Botschaft oder Bedeutung zu verstehen, sondern darüber hinaus als ein konstitutiver Prozess der Aktualisierung einer medialen Materialität und Strukturalität im Wahrnehmen selbst: Durch die Kollision von Text und Bild im Vorgang ihrer prozessualen Wahrnehmung ereignet, aktualisiert und konstituiert sich Mode erst im Rahmen ihrer Rezeption. Die Erzeugung von Mode innerhalb des IkonoModeTextes des Formats Modestrecke lässt sich einerseits als mediale Produktionsstrategie begreifen. Die Wahrnehmung des Ikonotextes der Modestrecke ist prototypisch strukturiert und somit strategisch von Seiten der Produzenten geplant. Mode soll sich somit auf eine bestimmte Art und Weise im rezeptiven (Nach-)Vollzug konstituieren. Die Modestrecke soll eine bestimmte Wirkung hervorrufen. Aufgrund ihrer spezifischen Medialität jedoch, erzeugt sie andererseits gleichzeitig einen relativen Freiraum, der sich durch andere Taktiken der Rezeption vereinnahmen lässt. Die strategisch in der Zeit343

344

Im Englischen bedeutet clash: I. 1. prallen, stoßen 2. (fig.) kollidieren: a) im Widerspruch stehen (zu), unvereinbar sein (mit), b) (zeitlich) zusammenfallen (mit) 3. nicht zusammen passen mit, (Farben) sich beißen II. 4. (feindlicher) Zusammenprall oder -stoß, Kollision 5. Widerspruch 6. (zeitliches) Zusammenfallen. (Vgl. Langenscheidt 2002, 119.) Das Kunstsystem stellt einen ähnlich wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch strukturierten Rahmen dar wie das Modesystem im Sinne Kawamuras.

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schrift eingesetzte Performanz des Ikonotextes zur Konstitution von Mode weist demnach gerade im Zusammentreffen von Bild und Text einen »Nicht-Ort«345 auf, der zwar einerseits von den Strategien ermöglicht, andererseits jedoch nicht durch sie reguliert werden kann. Im Medienclash steht somit ein Ereignisraum zur Verfügung, dessen rezeptives Betreten immer auch ein Ermöglichen und Schaffen von weiteren Freiräumen eröffnet. Bezüglich der strategischen Statik dieses Bild-Text-Raumes lässt sich kurz darauf hinweisen, dass er, z.B. im Vergleich zur offensichtlich konstituierenden Prozessualität einer theatralen Performance, über eine spezifisches Prozesshaftigkeit verfügt, die sich erst in ihrer rezeptiven Wahrnehmung immer wieder anders aktualisiert. Erst der rezeptive, also zurückerobernde und aisthetische Umgang mit der spezifisch medialen Bild-Text-Relation in der Modestrecke konstituiert demnach die Mode im Wahrnehmungsprozess. Die Medialität der Mode in der Zeitschrift ist somit durch die besondere Ereignishaftigkeit und spezifische Prozesshaftigkeit der Medienkombination von Bild und Text gekennzeichnet, die sich erst im wahrnehmenden Vollzug des IkonoModeTextes zeigt. Die Modestrecke wird so zu einem spezifischen Medium, zu einem Aufbewahrungsort eines zeitweise stillgelegten Prozesses oder Vollzugs, der gleichzeitig als Freiraum wahrgenommen werden kann. Daraus ergibt sich die Forderung nach der Entwicklung einer entsprechend spezifischen Modetheorie, die die Konstitution von Mode als ikonotextuelle Performativität eines rezeptiven Vollzugs zu fassen vermag. Die Medienkombination von Fotografie und Schrift im IkonoModeText wird in ihrer Leistung Mode zu konstituieren erst erkennbar, wenn sie als Medienclash wahrgenommen wird. In der Medienkombination an sich, wie sie als eine besondere Form der Intermedialität bereits dargestellt wurde, lässt sich zunächst lediglich nachweisen, wie die Einzelmedien im Rahmen der Zeitschrift strategisch eingesetzt werden, um eine gewisse Performanz zu erzeugen, d.h. um Mode als Mode zu setzen. Kraft der Institutionalität und der damit verbundenen Autorität einer Zeitschrift, wird allmonatlich nach einem bestimmten Schema vorgeführt, was Mode ist. Die zu beobachtende Performanz dieses ritualisierten Vorgangs beruht auf der Zeitschrift als glaubwürdige, kulturell legitimierte Institution. Mode ist demnach etwas, das von einer bestimmten Zeitschrift zu einem bestimmten jeweils aktualisierten Zeitpunkt ausgesagt wird. Die Art und Weise des Aussagens folgt einem bestimmten Schema, das auch als Ritual verstanden werden kann.346 Im materiellen Erzeugnis selbst lässt sich eine 345 346

Certeau 1988, 89; vgl. die »Unterscheidung von Strategie und Taktik« (ebd., 87ff.). Zur Konzeption von Ritual und Performanz vgl. Krämer 2002, 334ff. Performanz ist die produktive Kraft einer rituellen Handlung. Das Ritual und nicht die Illokution wird somit zur Basis des u.a. von Krämer vertretenen Performanzbegriffs:

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gewisse performative Ästhetik nachweisen, die hier zunächst mit Aage A. Hansen-Löve als Performanzästhetik bezeichnet wird: »[E]ine Performanzästhetik, die sich durch ein Näherrücken von Produktion, Performanz und Rezeption innerhalb eines möglichst unmittelbaren raum-zeitlichen Kontextes auszeichnet.«347 Obwohl Hansen-Löve diesen Begriff vornehmlich auf die Entwicklungen der russischen (Theater-)Kunst bezieht, eignet dieser sich insbesondere aufgrund seiner Einbeziehung offener Inszenierungsstrategien zur Konzeptualisierung der Erscheinungsformen von Mode in der Zeitschrift.348 Durch die explizite Unterscheidung zwischen Werk- und Performanzästhetik macht Hansen-Löve deutlich: Die Verbindung von Wort- und Bildzeichen in einer Mediengattung signalisiert das neue Medienbewußtsein der Moderne, die sich gegen eine ‚Schriftkultur’ wandte, in welcher der Werktext (auch jener des Bildes) zum Gegenstand einer privaten, kontemplativen, fiktionalen Betrachtung wird.349

Damit wird nochmals deutlich, warum das Format Zeitschrift vor allem durch die spezifische Kombinatorik von Bild und Text zum bevorzugten Medium der Vermittlung und Konstitution von Mode geriert: Die aktive Rezeption einer Modestrecke, die durch die ritualisierte Kombinatorik von Bild und Text strukturiert ist, ermöglicht erst die Konstitution von Mode im (Nach-)Vollzug. Wie Hansen-Löve bereits ausführt, liegt ein großer Anteil der Sinnkonstitution auf Seiten der wahrnehmenden Rezipienten, und auf der ritualisierten Form, die ihre Kraft erst im Handeln entfalten kann.350 Von der Performanzästhetik und der Betonung des Vollzugs ist es nur ein kleiner, jedoch entscheidender Schritt zur Ästhetik des Performativen. Dieser betrifft insbesondere die Überschreitung der Grenzen dessen, was der ritualisierte Vollzug in sich einschließt: die Kluft der medialen Unvereinbarkeit von Bild und Text. Die Ästhetik des Performativen liegt zwischen den bekannten Größen und nutzt gerade ihre Unvereinbarkeit.

347

348 349 350

»Ursprüngliche Performativa sind Rituale, Restbestände einer quasi-magischen Praktik im zeremoniellen Reden.« (Ebd.) Vgl. zur Ritualforschung Dücker 2007, Michaels 2007 u. Belliger / Krieger 2006. Hansen-Löve 1983, 336, Anm. 2. Auch Hansen-Löve bleibt nicht beim Performanzbegriff Austinscher Prägung stehen, sondern entwickelt ihn hinsichtlich seines Intermedialitätskonzepts bereits entscheidend weiter, wenn er diesen auf künstlerische Akte der russischen Moderne anwendet. Zur spezifischen Form der performativen und theatralen Inszenierung vgl. Fischer-Lichte 2004a, 318ff. Hansen-Löve 1983, 331. Nicht »das Wort selbst wird Kraft« (Barthes 1985, 288), wie Barthes die Mode einschränkend zu fassen versucht, sondern erst dessen Bezug auf das Bild durch die Rezipienten und die Rückwirkungen des Bildes auf die Aussagekraft des Textes lassen Bedeutungen sinnvoll erscheinen. Die Wirkungsmacht des Wortes in Sprache der Mode muss deshalb zugunsten der Performativität des IkonoModeTextes revidiert werden.

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Während Erika Fischer-Lichte in ihrer Grundlegung einer Ästhetik des Performativen die Erfahrung der Grenze zwischen dichotonomischen, unvereinbaren Gegensätzen im Sinne einer Schwellenerfahrung351 als eigentliche ästhetische Erfahrung auffasst, soll hier gerade nicht nur der »Aspekt der Überschreitung und des Übergangs stark« 352 gemacht werden. Es wird somit nicht nur die transformatorische Strategie des Überbrückens als eine spezifische Form dieser Ästhetik des Performativen zu erläutern sein, sondern vor allem der Grenzraum selbst soll als Freiraum erkannt und zum Handlungsspielraum erweitert werden. Fischer-Lichte, die in ihrer Konzeption die Schwelle als verbindendes Glied zwischen den Polen einführt, betont bereits, dass diese »Schwelle als ein Zwischenraum vorzustellen«353 sei. Als Weiterführung dieser Sichtweise, wird im Medienclash des IkonoModeTextes gerade nicht mehr die Schwellenerfahrung als Gewahrwerdung des Sprungs über jene Kluft kenntlich gemacht, sondern – um im Bild zu bleiben – vielmehr der freie Fall in diesen Spalt. Die Inszenierung von Schwellenerfahrungen beruht auf bestimmten Strategien, die eine intendierte Wirkung hervorrufen sollen.354 Ganz ähnlich dem Ritual und im Gegensatz zur Grenzerfahrung »verweist die Schwelle eher auf Magie«355 . Ihr Überschreiten bewirkt eine Verwandlung, so z.B. »den Erwerb eines neuen gesellschaftlichen Status«356 . Die Strategie der Modestrecke in der Zeitschrift funktioniert nach genau diesem Muster. Die Mode findet im Ikonotext erst dann ihren Ort, wenn die strategische Brücke zwischen Bild und Text geschlagen, d.h. die Verbindung zwischen aisthetischer und diskursiver Wahrnehmung als Sinnkausalität vollzogen ist: Mode würde dann genau das bedeuten, was in Bild und Text dargestellt wird. Da diese Schwellenerfahrung jedoch mittlerweile ein prototypisch intendiertes Verfahren zur Modeproduktion im Rahmen der Zeitschrift ist, die Rezipienten also weitgehend im rezeptiven Umgang mit der Modestrecke erfahren sind, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Strategien, die

186 351 352 353 354

355 356

Vgl. Fischer-Lichte 2004a, 305ff. Ebd., 356. Ebd., 358. Es ist einerseits deutlich zu machen, dass die Konzeption einer Ästhetik des Performativen von Fischer-Lichte vor allem von theatralen Aufführungen ausgeht, und dass daraus resultierend ihre Ergebnisse nicht direkt auf die mediale Inszenierung der Mode in der Modestrecke einer Zeitschrift übertragbar sind. Andererseits finden sich genügend konkrete Hinweise, dass die heutigen Massenmedien insgesamt genau diese Strategien der Inszenierung nutzen. Wie Elena Esposito nachweist, ist die zeitgenössische Wahrnehmungsweise insbesondere der Modekleidung kaum noch durch Interaktion von real aufeinander treffenden Akteuren gekennzeichnet. Es wird vielmehr medial eine Illusion der vestimentären Interaktion erzeugt (vgl. Esposito 2004, 162f.). Fischer-Lichte 2004a, 358. Ebd.

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zur Konstitution von Mode Anwendung finden, selbst bereits reflexiv sind. Das hat zur Folge, dass die ästhetische Illusion357 der Erzeugung von Mode als Überschreitung der Kluft zunehmend misslingt. Diese Vereitelung der Strategien durch ihr Erkennen und Bloßlegen auf Seiten der Rezipienten und durch ihr zunehmendes Reflexivwerden, das sich auch in den zahlreichen innovativen Produktionsformen von Publikums-, Lifestyle-, und Popkulturzeitschriften der letzten zehn Jahre aufzeigen lässt358 , führt zum Medienclash als einem Zusammenprall der nun strategisch nicht mehr zu einem Sinn vermittelbaren Gegensätze. Während also Fischer-Lichte »das Projekt einer Ästhetik des Performativen, welche eben solche dichotonomischen Begriffspaare kollabieren lässt«359 , beschreibt und in ihr den »Versuch einer Wiederverzauberung der Welt«360 sieht, muss die Performativität des Medienclash darüber hinausgehen. Erkenn- und darstellbar wird die Erweiterung des Handlungsspielraums im Medienclash durch die Spezifizierung des Begriffs ›Strategie‹ und durch ihren Zusammenhang mit der Performanzästhetik und der Ästhetik des Performativen. Dieser zeigt, wie und dass sich massenmediale Strategien permanent künstlerischer und subversiver Strategien und ihrem performativen Potentialen bemächtigen. Deshalb muss dieser »kalte Begriff der Strategie«361 aufgegeben werden, wenn die Performativität des Ikonotextes ein Residuum schaffen soll, das nicht instrumentalisiert werden kann. Kennzeichen dieses anderen, performativen Umgangs ist, dass dieser nicht als eine bestimmte Ästhetik erfasst werden kann, sondern sich in den ästhetischen Strategien selbst einnistet. Die medialen Strategien erzeugen somit anhand ihrer spezifischen Medialität und der damit verbundenen Performativität gleichzeitig jenen Freiraum, der eher einen Zeitraum als einen spezifischen Ort markiert. Gewissermaßen handelt es sich dabei um den blinden Fleck ihrer eigenen Medialität, der durch eine andere Art der Wahrnehmung, nämlich jenseits der strategisch anvisierten Rezeptionsweise, zu einem Spielraum geriert: Die Mode schafft strategisch einen Raum, der Gegenwart bezeichnet.362 Die Modestrecke in der Zeitschrift ist damit der Prototyp des institutionalisierten Ortes der Mode, an dem sie einerseits als etwas Neues und Vergängliches, d.h. etwas Zeitliches, erzeugt wird und 357 358 359 360 361 362

Vgl. z.B. Koch / Voss 2006 u. Wolf 1993. Siehe z.B. Modestrecken in Popkultur-Zeitschriften wie i-D, purple, Spex, Style etc. Fischer-Lichte 2004a, 357. Ebd. Diederichsen 1993, 50. Vgl. Barthes 1985, 295. Die symptomatische »Gegenwart der Mode« (ebd.) wird von Barthes zwar nur in Hinblick auf die machtvolle Struktur der verbalen Sprache analysiert, die in der Aussage »das Wort selbst wird Kraft« (ebd., 288) kulminiert. Dennoch kann er im Modetext an sich nachweisen, wie sich die Zeit in der Behauptung von Mode ihren Raum schafft.

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andererseits gleichzeitig ihre eigene Beständigkeit als Gesetz und Regel behauptet. Die folgende Definition von ›Strategie‹ von Michel de Certeau muss deshalb in Bezug auf die Mode insofern erweitert werden, als dass sie nicht nur Orte, sondern auch Zeiträume in ihren Bann zieht: Strategien sind somit Aktionen, die aufgrund der Voraussetzung eines MachtOrtes (der Besitz von etwas Eigenem) theoretische Orte (totalisierende Systeme und Diskurse) schaffen, die einen Komplex von physischen Orten artikulieren können, auf die die Kräfte verteilt sind. […] Sie bevorzugen somit die Beziehungen zwischen Orten. Zumindest streben sie danach, alle zeitlichen Relationen darauf zu reduzieren, indem sie analytisch jedem einzelnen Element einen eigenen Platz zuweisen und indem sie kombinatorisch die spezifischen Bewegungen in Einheiten oder in Einheitenkomplexe zusammenfassen.363

Die Strategie der Mode bezieht demnach gerade das zeitliche Moment des rezeptiven Handelns mit ein. Denn der Zeitraum, der sich in der Mode immer als Aktualität des Hier und Jetzt begreifen lässt, muss wörtlich im Sinnes eines Raumes zwischen Bild und Text verstanden werden. Mode behauptet Sinn, indem sie die Gegenwart der Wahrnehmung für sich einnimmt und strukturiert. Mode konstituiert sich im Rahmen der Zeitschrift, indem sie »kombinatorisch die spezifischen Bewegungen«364 der Wahrnehmung zwischen Bild und Text »in Einheiten oder in Einheitenkomplexe«365 zusammenfasst, die Aktualität bezeichnen sollen. Die rezeptive Wahrnehmungsbewegung zwischen Bild und Text als strategische Handlung lässt die zeitliche Dimension der Mode, die immer Gegenwärtigkeit evoziert, hervortreten. Im Wahrnehmungsprozess überschneidet sich jedoch die Strategie der Mode mit der Taktik ihrer potentiellen Subversion. Denn nach de Certeau ist die Inbesitznahme der zeitlichen Komponente als Aktionsspielraum gerade ein Kennzeichen der Taktiken, und zwar im Sinne von:

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Handlungen, die ihre Geltung aus der Bedeutung beziehen, welche sie der Zeit beilegen – und auch den Umständen, welche in einem ganz bestimmten Interventionsmoment in eine günstige Situation verwandelt werden.366

Mode vereinnahmt bereits strukturell den eigentlichen Ansatzpunkt subversiver Taktiken, die Spezifität des Zusammentreffen von Zeit und Ort, während sie gleichzeitig durch das Fortschreiben und Ausbilden von institutionalisierten Zeiträumen in der Zeitschrift andere, blinde Flecken produziert. Um diese jedoch wiederum taktisch (aus-)nutzen zu können, so Diederichsen, muss »die alte Tätigkeit, Lesen und Schreiben von Verschwörungen, mit einem neuen Konzept von Identität und Handlungsfä-

363 364 365 366

Certeau 1988, 91. Ebd. Ebd. Ebd.

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higkeit«367 verbunden werden. Das strategisch instrumentalisierbare Konzept der Subversion muss zugunsten eines »total unprofessionellen Lesen[s] von Signalen«368 aufgegeben werden. Deshalb fordert Diederichsen: Neben altem kapitalistischen Identitätsterror (dem man Komplexität entgegensetzt) und neuem postindustriellen Komplexitätsterror (dem man Stammes- und erfundene Nationsidentitäten entgegensetzt), die weiter existieren, wird man lernen müssen, Geheimnisse (auch des Herzens) zu bewahren, ohne gleich Geheimgesellschaften zu gründen. Oder Wissen zu verbreiten, ohne auszubilden. Entscheidend wird das Ziel, das man nur im Alltag setzen kann, wenn es sich nicht in der Strategie verflüchtigen soll.369

In dieser Zielsetzung von Diederichsen lässt sich eine Parallele zu den von Mersch herausgearbeiteten, bereits erläuterten Aspekten der performativen Künste erkennen.370 Diese so genannten SETZUNGEN jener Performativität der Kunst verweisen nämlich nicht auf eine Bedeutung, ein Dahinter oder ein Geheimnis von etwas, sondern die Tatsache des künstlerischen und rezeptiven Handelns selbst tritt als das Entscheidende in den Vordergrund. Der »Setzungscharakter«371 des Handelns an sich, die Tatsache, dass etwas gemacht wird, »das Sichsetzen einer Handlung jenseits und unabhängig von Intentionalität und deren Erfüllung«372 wird somit zum eigentlichen Ziel. Für die Mode heißt das in letzter Konsequenz, dass Mode nicht als Mode gemacht werden kann, und dass sie an sich nicht als Zeichen verstehbar ist: Mode ist ein Ereignis, dass unmittelbar an die Tatsache des Handelns gebunden ist und nur im Sinne einer Setzung sinnvoll sein kann. Mode kann nur insofern als Sprache aufgefasst werden, als dass sie das performative Moment einer vestimentären Artikulation umfasst.373 Mersch sieht das Moment hinsichtlich des Prozesses der Bedeutungskonstitution wie folgt: Entsprechend ist in Bezug auf die Performanz des Zeichencharakters der Sprache, den symbolischen Gehalt eines Handelns nicht primär deren Bezeichnungsoder Bedeutungsfunktion maßgeblich, sondern in erster Linie ihre Instantiierung auf der Szene, ihre okkasionelle Situierung.374

Die drei folgenden Aspekte, die Mersch als Merkmale einer solchen Setzung beschreibt, sollen hier nicht als künstlerische, performative Strategie ihrer Produktion, sondern vielmehr als Symptome einer taktierenden Sichtweise auf Seiten der Rezeption, aufgefasst werden:

367 368 369 370 371 372 373 374

Diederichsen 1993, 49. Ebd. Ebd., 50. Vgl. Mersch 2004a. Ebd., 52. Ebd. Diese vestimentäre Artikulation wird in diversen Medien ausgetragen werden, in denen sich dann die Transmedialität der Mode aufzeigen lässt. Ebd.

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I. »Einsetzung« beschreibt das Moment des Auftauchens: »Wann, bei welcher Gelegenheit etwas gesagt, eine Handlung vollzogen oder unterlassen wird, wirkt unbotmäßig an seiner Bedeutung mit, zeigt Konsequenzen.«375 II. »Ent-Setzung« meint das Kippen und die Vereitlung der Erwartung, »die buchstäbliche Zerschneidung der Situation, ihre Trans-Position«.376 III. »Aus-Setzung« ist die Preisgabe sowohl der Handlung als auch des Handelnden: »jede Handlung stellt sich selbst aus, führt sich vor, zeigt sich. In diesem Sichzeigen ist der Akt nicht nur in die Welt gesetzt und zur Erscheinung gebracht; er gibt sich ebenfalls in dem Sinne preis, als dass sich der handelnde in ihr selbst preisgibt und seine Handlungen gleichermaßen körperlich präsent macht, wie durch sie angreifbar wird.«377

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Einsetzung, Ent-Setzung und Aus-Setzung lassen sich auch als Beschreibungskategorien einer spezifischen Wahrnehmungsweise nutzen, die sich sowohl ästhetischer wie alltäglicher Dinge annimmt, indem sie diese als Atmosphärisches zu fassen sucht und so auch den Ereignischarakter selbst sinnlich erfasst. Die Einsetzung umfasst das zeitliche Moment im Sinne des AUGENBLICKS, die Ent-Setzung ist das Brüchigwerden der Überbrückungstrategien zwischen Bild und Text und wird durch die ÖFFNUNG des Raumes zwischen beiden sichtbar, und die Aus-Setzung lässt sich als HANDLUNGSSPIELRAUM insofern begreifen, als dass sich darin sowohl die Inszenierung als bloße Setzung in ihrer ganzen Willkürlichkeit zeigt, als auch das eigene strategisch manipulative Wahrnehmungs-Handeln reflexiv unterbrochen wird. Die Preisgabe der Handlung wird hier fokussierend als ein Kontrollentzug aufgefasst, den auch Mersch in seiner Ausführung als einen Zug dieses Aspektes beschreibt. Dieser Entzug der Kontrolle bewirkt in Hinblick auf die Rezeptionssituation der Mode im Ikonotext vor allem Folgendes: a. Das Eigenleben der inszenierten Handlung ist der Kontrolle einer vorgeblichen Intentionalität auf Seiten der Produktion entzogen; b. die Eigensinnigkeit der Rezeptionshandlung wird durch das Erkennen der Unmöglichkeit einer solchen Kontrolle freigesetzt. Während die Performativität der cultural performance378 auf einer Präsenz des Körperlichen der Akteure aufbaut und auf die Bewusstwerdung der Körperlichkeit im Rahmen der ästhetischen Erfahrung abzielt379 , beruht die Performativität des Medienclash im IkonoModeText auf einer grundlegenden Differenz von aisthetischen und diskursiven Medien, dem strategischen Versuch ihrer Vermittlung und ihrer gleichzeitigen Vereite375 376 377 378 379

Ebd., 54. Ebd. Ebd., 55f. Zur Realisierung von Mode in, bzw. als »cultural performances« vgl. Lehnert 2005b, 252 u. 260. Vgl. hierzu insbesondere die »autopoietische feedback-Schleife«, das Konzept des »embodied mind« und das der »ästhetischen Arbeit« bei Fischer-Lichte 2004a, 291f., 301ff. u. 332ff.

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lung im Rahmen ihrer Rezeption. Die Performativität der Mode als spezifische Medialität des IkonoModeTextes wird im ihr inhärenten Medienclash somit erst sichtbar und gleichzeitig anders, und zwar als Taktik der Rezeption nutzbar. Der »Hiat«380 zwischen Bild und Text lässt somit mehr als nur die Strategie einer konsistenten Sinnstiftung erkennen. Die Performanz des Medienclash ermöglicht vielmehr ein Agieren jenseits seiner konventionalen Überbrückung.381 Dieser Hiat muss deshalb als eine Öffnung des Sinns verstanden werden, die die Leere jenseits einer sinnvollen Fülle des Wahrnehmungsraums erfahrbar macht. Dieser Zwischenraum kann somit als Interventions- und Interaktionsmöglichkeit gesehen werden, in dem ein performatives Wahrnehmungs- und Erfahrungsgeschehen stattfindet. Die Performativität der Mode im Ikonotext, verstanden als spezifische Ikonotextualität der Mode, ermöglicht somit ein Modehandeln382 , das sich als Taktik ästhetischer Arbeit anhand der Konzepte des taktischen Handelns bei Michel de Certeau und der ästhetischen Arbeit Gernot Böhmes darstellen und im Konzept des Modehandelns zusammenführen lässt.

Ikonotextuelle Performativität Die Medialität der Mode in Zeitschriften ist, wie bereits dargelegt, im Sinne einer grundlegenden Transmedialität, einer vestimentären Intramedialität und einer spezifischen Intermedialität in Form einer Medienkombination von Bild und Text beschreibbar. Da die Performativität der Mode demnach nur anhand ihrer jeweiligen medialen Form erkennbar ist, muss sie im IkonoModeText als ein spezifisches Potential der medialen Verfasstheit der Modestrecke herausgestellt werden. Diese spezifische Medialität der Modestrecke ist deshalb als IKONOTEXTUELLE PERFORMATIVITÄT zu konzeptualisieren. Die damit verbundene ikonotextuelle Verkörperung der Mode ist weder von der Präsenz eines Kleidung tragenden Körpers abhängig noch auf eine Rückbindung auf das Körperliche an sich angewiesen. Wie Sybille Krämer betont ist »der Leitbegriff der ›Verkörperung‹ […] nicht als Leibapriori im Sinne einer vorgängigen Körperlichkeit«383 zu verstehen, sondern es ist vielmehr grundlegend davon auszugehen, dass »Geist, Ideen, abstrakte Gegenstände, Formen immer nur […] in Gestalt von Inkorpora-

380 381

382 383

Mersch 2004b, 85. Im Vergleich zu Joblings Konzept der Komplementarität als vermittelnde Größe zwischen Bild und Text, wird nun abermals deutlich, dass es gerade nicht um ein gegenseitiges Ineinandergreifen, sondern vielmehr um einen Zusammenprall der Medien geht (vgl. Jobling 1999, 66). Lehnert 2005b, 259f. Krämer 2002, 345.

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tionen«384 , also in ihrer jeweiligen Materialisierung in einem Medium und ihrer jeweiligen Medialität wahrnehmbar sind. Neben der Tatsache, dass sich etwas ereignet, was als eine mediale Aufführung betrachtet werden kann, ist zudem entscheidend, »›wie etwas gemacht wird‹ oder ›wie etwas für uns gegeben ist‹«385 . Die daraus abgeleitete Folgerung Krämers ist hier in aller Deutlichkeit hervorzuheben: »Performativität ist daher als Medialität zu rekonstruieren.«386 Die Performativität der Mode in der Zeitschrift ist somit als Ikonotextualität der Modestrecke zu rekonstruieren, und wird deshalb als ikonotextuelle Performativität der Mode konzeptualisiert. Nachdem die Medienkombination von Modebild und Modetext in ihrer Ereignishaftigkeit und Inkorporationalität durch die Konzeption des Medienclash deutlich erkennbar wird, muss nun aufgezeigt werden, wie dieser so entstehende Freiraum Handlungspotentiale bereithält. Da mit Krämer davon auszugehen ist, dass die »produktive Kraft des Performativen […] sich nicht einfach darin [erweist], etwas zu erschaffen, sondern darin, mit dem, was wir nicht selbst hervorgebracht haben, umzugehen«387 , muss nach genau diesem rezeptiven UMGANG mit den reflexiv werdenden Überbrückungsstrategien zwischen Bild und Text im IkonoModeText gefragt werden. Es muss nun deutlich werden, wo und wie die Mode entsteht, wenn sie nicht mehr über diese brüchig gewordene Brücke der Strategien transponiert werden kann. Es geht demnach um ein anderes, um ein jenseits der strategischen Sinnstiftung, zwischen Bild und Text gelegenes Handeln. Krämer formuliert es wie folgt: Es geht um die ›Handhabung‹ von etwas, das nicht auch gemacht wurde; um den Umgang mit Bedingungen, die nicht völlig in unsere Macht gestellt sind. Tradition und Innovation, Bestätigung und Subversion gehen dabei ein kompliziertes Wechselverhältnis ein.388

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Die spezifische Performativität des IkonoModeTextes, die Ikonotextualität der Modestrecke, weist demnach auch auf Möglichkeiten eines anderen Umgangs mit ihr hin. Diese sind ihr inhärent, liegen in der Unvereinbarkeit von aisthetischen und diskursiven Medien und bilden durch ihre Demarkation ein Dazwischen. Die strategische Intentionalität der Modestrecke wird so durch ihre spezifische Ikonotextualität selbst unterminierbar. Das Andere an diesem Handeln liegt in der veränderten Wahrnehmungshaltung auf Seiten der Rezeption begründet. Es ist »als ein anderer Vollzug der Wahrnehmung zu verstehen«389 , so Martin Seel in seiner Äs-

384 385 386 387 388 389

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Seel 2003, 96f.

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thetik des Erscheinens in Bezug auf die Ausführungen zum ästhetischen Bewusstsein von Christoph Menke.390 Der hier anvisierte andere Umgang mit dem Ikonotext der Modestrecke lässt sich mit den Worten Seels folgendermaßen schildern: Wir nehmen wahr, und wir spüren unser Wahrnehmen, und wir richten die Aufmerksamkeit auf Bezüge, die der Wahrnehmung ansonsten entgehen. Es tritt eine andere Polung der Wahrnehmung ein.391

Nach Seel handelt es sich bei dieser Art des Wahrnehmens um den ästhetischen Vollzug einer »jederzeit offenstehende[n] Möglichkeit«392 . Dieser andere Umgang ist im Gegensatz zur Strategie auch als ein taktischer Vollzug zu sehen, und er ist in Anlehnung an Diederichsen auch als ein absichtsvolles Missverstehen zu begreifen. Michel de Certeau sieht in der TAKTIK »ein Handeln aus Berechnung, das durch das Fehlen von etwas Eigenem bestimmt ist«.393 Es geht demnach bei dieser Art des Handelns um ein Agieren, ein Jonglieren mit fremden Dingen an fremden Orten, ohne einen anderen Einsatz als das Handeln selbst. Diese Besitz- und Ortlosigkeit, die in letzter Konsequenz die reine Machtlosigkeit gegenüber dem ökonomischen System meint, ist geradezu die Bedingung für das Gelingen eines solchen Handelns.394 Denn die Vorraussetzung für das Gelingen der Taktik als das Ausnutzen jenes Spielraums ist, dass man nichts zu verlieren hat, und genau darin seine Handlungsfähigkeit wiederentdeckt. Hinsichtlich der Praktizierbarkeit solcher Taktiken ist die Modestrecke in Zeitschriften nur auf den ersten Blick eine randständige Bastion. Ein zweiter Blick zeigt jedoch sehr deutlich, dass gerade dort insbesondere gesellschaftspolitische und geschlechterspezifische Machtdispositive sowohl reproduziert als auch konstruiert oder strategisch dekonstruiert werden, und zwar immer in Hinblick auf die Konstitution von Mode und ihrer Behauptung von Mode als bedeutungsvolle Form.395 Dieser Sinn der Mode das Paradoxale von Differenzen strategisch so zu nutzen, dass scheinbar Bedeutungsvolles, Konventionales und Regelhaftes entsteht, lässt sich nicht durch sein bloßes Gegenteil, eine Ge-

390 391 392 393 394 395

Vgl. Menke 2002, 46. Seel 2003, 97. Ebd. Certeau 1988, 89. Vgl. ebd., 90. Dieser scheinbaren, behaupteten Kausalität, dass Mode etwas Bestimmtes bedeutet, lässt sich auch mit der Gegenbehauptung einer vollkommen willkürlichen Oberflächlichkeit begegnen, wie es Arabatzis in seinem modetheoretischen Ansatz versucht (vgl. Arabatzis 2004.). Meines Erachtens ist es jedoch aufschlussreicher zu beobachten, wie die Mode trotz oder gerade aufgrund ihrer Oberflächlichkeit dennoch Sinn zu stiften scheint.

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genbewegung oder Ignoranz entkräften. Roland Barthes beschreibt die Resistenz der Referentialität eines an sich Arbiträren des Sinns wie folgt: Der Sinn lässt sich nicht frontal angreifen, durch die bloße Behauptung seines Gegenteils; man muss schwindeln, entwenden, ablisten, das heißt äußerstenfalls parodieren oder, noch besser, simulieren.396

Da Unsinn als das Gegenteil von Sinn diesem sofort subsumierbar ist, bildet er vielmehr einen Teil von ihm; entsprechend bildet das ›In & Out‹ der Mode ihre basale Struktur, die nicht durch die bloße Behauptung irgendeines Gegenteils unterlaufen werden kann.397 Ist doch die Grundfunktion dieser Struktur die immer neue und flexible Instrumentalisierung des jeweils anderen. Deshalb ermöglicht auch jener, von de Certeau so genannte, Nicht-Ort nur bedingt das Refugium einer möglichen Subversion: Er scheint in dieser Bezeichnung doch zu sehr der binären Ordnung verhaftet. Vielmehr gilt es deshalb jenes Dazwischen, welches der inhärente Bruch jener konventionalen Ordnung der Modekonstitution im Ikonotext außerdem bereithält, und welches sich im Medienclash zeigt, taktisch so zu nutzen, dass es zu keiner eindeutigen Markierung des Ortes und entsprechend auch nicht zu seiner Negativsetzung mehr kommen kann. Die Taktik, die de Certeau in Abgrenzung zu Strategie vorschlägt, beruht auf dieser Unterwanderung der binären Ordnung: Keine Abgrenzung einer Exteriorität liefert also die Bedingung einer Autonomie. Die Taktik hat nur den Ort des Anderen. Sie muss mit dem Terrain fertig werden, das ihr so vorgegeben wird, wie es das Gesetz einer fremden Gewalt organisiert. Sie ist nicht in der Lage, sich bei sich selbst aufzuhalten, also auf Distanz, in einer Rückzugsposition, wo sie Vorausschau üben und sich sammeln kann: sie ist eine Bewegung ›innerhalb des Sichtfeldes des Feindes‹ […], die sich in einem von ihm kontrollierten Raum abspielt.398

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Die Taktik ist demnach nicht wie die Strategie eine Brücke zur Konstitution von Bedeutung, sondern ihr Unterschreiten, um sich jene Bewegungsfreiheit zu erobern, die die intentionale und konventionale Beschaffenheit der Bedeutungsgenerierung so nicht vorsieht. Sie setzt im Bereich der Mode viel weniger Kenntnis des Terrains, als vielmehr Wissen um die eigene Machtlosigkeit und Lust zu Handeln voraus. Es ist jenes Handeln, das sich gerade nicht nach den Gesetzmäßigkeiten der herrschenden Ökonomie richtet, sondern mit ihnen spielen kann, weil es nichts zu verlieren und kaum mehr etwas zu behalten oder zu erreichen gilt. Dieses Aktivwerden ist somit vielmehr eine Bewegung, die Zeit gewinnt, weil sie keinen Ort mehr für sich behauptet:

396 397 398

Barthes 2006e, 81. Schnierer 1995. Certeau 1988, 89.

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Sie macht einen Schritt nach dem anderen. Sie profitiert von ›Gelegenheiten‹ und ist von ihnen abhängig¸ sie hat keine Basis, wo sie ihre Gewinne lagern, etwas Eigenes vermehren und Ergebnisse vorhersehen könnte. Was sie gewinnt, kann nicht gehortet werden.399

Das taktische Handeln ist gekennzeichnet von einer unmittelbaren unleugbaren Abhängigkeit von den bestehenden Strukturen, gleichzeitig ist es sich der Tatsache bewusst, dass jeder offene Angriff, jede offensichtliche Auflehnung zum Scheitern führen muss. Dieses Handeln basiert deshalb vielmehr auf Ablehnung als auf Auflehnung. Es ist kein Kampf mehr, sondern ein Tanz an fremden Orten, perfide, insgeheim und lustvoll. Diese Taktik des Handelns ist auf der Hut und nutzt die Zufälle, die sich bieten. Sie ist als Möglichkeit, so und nicht anders zu handeln, grundlegend kontingent: Sie muss wachsam die Lücken nutzen, die sich in besonderen Situationen der Überwachung durch die Macht der Eigentümer auftut. Sie wildert darin und sorgt für Überraschungen. Sie kann dort auftreten, wo man sie nicht erwartet. Sie ist die List selber.400

Da jedoch das Produktionssystem der Mode selbst sich ebensolcher Listen bedient, um sich in ihrer eigenen paradoxalen, sich jederzeit das Gegenteil einverleibenden Logik fortzuschreiben, sind im System der Mode die scheinbaren Spielräume und Lücken, in Form von inszenierten Brüchen offensichtlich. Es entspricht nahezu einem allgemeingültigen, konventionalen Umgang mit Mode, diese Freiräume gemeinschaftlich und gleichzeitig möglichst individuell auszufüllen, um sich gesellschaftlich zu profilieren.401 Das heißt die Mode selbst nutzt jene Taktiken auch wieder strategisch aus, sobald in ihnen ein Muster erkennbar wird. Die immer neuen Strategien der Mode beruhen somit auch auf den immer wieder anderen Taktiken subversiver Unterwanderung des Modesystems als ökonomische Institutionalisierung- und soziale Konventionalisierungsinstanz. Und gleichzeitig ermöglichen diese Strategien der Modedarstellung wiederum einen Spielraum für einen anderen, nämlich taktischen Gebrauch der Modestrecke. Die Ikonotextualität als spezifische Performativität der Mode setzt deshalb immer auch ein Potential frei, das auf Seiten der Produktion so nicht intendiert war: Es ist das Potential, im Umgang mit der Modestrecke etwas anderes zu fabrizieren und letztlich zu produzieren, nämlich einen anderen als den intendierten Sinn.

399 400 401

Ebd. Ebd.; vgl. zur List der Mode Bovenschen 1986a. Esposito nennt dieses typische Phänomen der Moderne »die Differenz von Nachahmung und Authentizität, auf deren Basis jedes Individuum den (wesentlichen) nicht inter-aktiven Anteil seiner Identität konstruiert« (Esposito 2004, 168).

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Während also die Taktik als »ein Handeln aus Berechnung, das durch das Fehlen von etwas Eigenem bestimmt ist«402 , bezeichnet werden kann, sind STRATEGIEN in den Worten de Certeaus: Aktionen, die aufgrund der Voraussetzung eines Macht-Ortes (der Besitz von etwas Eigenem) theoretische Orte (totalisierende Systeme und Diskurse) schaffen, die einen Komplex von physischen Orten artikulieren können, auf die die Kräfte verteilt sind.403

Strategien besetzen demnach Orte, markieren ihr Terrain und versuchen sich durch räumliche Etablierung zu behaupten. Strategien bilden Positionen ab; und während Taktiken die Bewegung, d.h. das zeitliche Moment nutzen, welches unweigerlich ins Spiel kommt, sollen diese Positionen als Wegmarken im Raum erfahrbar werden. De Certeau formuliert diesen Unterschied zwischen Nutzung von Ort und Zeit folgendermaßen: Strategien setzen auf den Widerstand, den die Etablierung eines Ortes dem Verschleiß durch die Zeit entgegenhalten kann; die Taktiken setzen auf einen geschickten Gebrauch der Zeit, der Gelegenheiten, die sie bietet, und auch der Spiele, die sie in die Grundlagen einer Macht einbringt.404

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Gleichzeitig prägt diese unterschiedliche Dimensionszugehörigkeit einen unterscheidbaren Umgang mit diesem Raum. Es bilden sich nach de Certeau zwei Typen des Handelns heraus: einerseits das strategische Produzieren, Aufrastern und Aufzwingen und andererseits das taktische Gebrauchen, Manipulieren und Umfunktionieren.405 Ersteres ist als ein Zeichen einer bestimmten Intention zu verstehen und lässt sich mit der Frage nach dem Warum, der Zweckbestimmung eines Handelns fassen; es ist auf Seiten der Produktion verortet. Das zweite hingegen zeitigt Effekte, die sich vielmehr in ihren Wirkungsweisen beschreiben lassen. Sie sind somit durch die Frage nach dem Wie, nach der Beschaffenheit einer Erscheinung und seiner Wirkung aufzudecken; womit auch die rezeptive Seite der Affekte406 berührt und die Frage nach den Begehrnissen aufgeworfen wird. Es handelt sich also um ein Handeln, das sowohl das Medium als auch seine Rezeption betrifft, ein Handeln, das wechselseitig sowohl mediale Erscheinungen als auch seine Wirkungen erst hervorruft. Strategisches Handeln ist intentional; es handelt sich um ein längerfristiges und planvolles Anstreben

402 403 404 405 406

Certeau 1988, 89. Ebd., 91. Ebd., 92. Vgl. ebd., 78. Vgl. Mitchell 2008, 220. Interessanterweise sieht auch Mitchell einen engen Zusammenhang zwischen Effekt und Affekt, so dass er beide sogar teilweise in eine enge Beziehung setzt, indem er ihn als »›Effekt/Affekt‹« (ebd.) bezeichnet. Diese Schreibweise bezieht sich direkt auf seine Ausführungen zum »›Bild/Text‹« (ebd., 145) als einer Kombination, die zwar nicht getrennt voneinander zu sehen ist, gleichzeitig jedoch durch einen unüberwindbaren Bruch gekennzeichnet ist.

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eines bestimmten Ziels. Während taktisches Handeln, gleichsam im Affekt, Effekte hervorbringt und Wirkungen provoziert. Produktiv und effektiv ist ein taktisches Handeln demnach nur im Moment seiner jeweiligen Anwendung. Die Kunst der Anordnung wird zur Umordnung der durch die Strategie markierten Räume und zur koordinierten Umgehung und Vermeidung eines intendierten Strategiefolgens. Die spezifische Ikonotextualität der Modestrecke als eine ganz eigene Performativität lässt sich nun von zunächst zwei Seiten erfassen: von Seiten einer strategischen Produktion und von Seiten einer Rezeption, die zumindest potentiell taktisch agieren kann. Beide Seiten verfolgen das Ziel Mode zu konstituieren, jedoch unter differenten Vorzeichen: die eine, um Modekleidung unter ökonomischen Interessen zu verbreiten und abzusetzen, die andere, um Identifizierungsprozesse zu initiieren und zu ermöglichen. Der Umgang mit Modekleidung im Rahmen der Zeitschrift vermischt demnach die Pole PRODUKTION und KONSUM. Denn das Konsumieren von Modekleidung lässt sich mitnichten auf das Kaufen derselben reduzieren. Und auch die Produktion von Modekleidung hat neben ihrem konsumistischen finalen Ziel, dem Absatz von Kleidung, diverse ästhetisch arbeitende Vermittlungsinstanzen, die in Hinblick auf die Mode sowohl konstitutiv als auch transformativ wirken. Mit Gernot Böhme lassen sich sämtliche Erscheinungen der Mode, sowohl auf Seiten der Produktion, als auch auf Seiten der Rezeption als »ästhetische Praxis«407 beschreiben, wobei das Ästhetische im Sinne seiner Aisthetik als ein Spüren von Atmosphären begriffen werden muss. Grundlage einer solchen ästhetischen Praxis ist die sinnliche Wahrnehmung des Atmosphärischen.408 Er will gerade nicht auf das Ästhetische als eine spezifische Qualität der Dinge hinaus, sondern hat die aisthetische Bedingtheit von ästhetischen Phänomenen im Blick. Vor diesem Hintergrund kommt er zu folgender Einteilung: »Bezeichnet man als ästhetische Praxis den Umgang mit den Erscheinungen, so könnte man diesen Umgang, wenn man die Härte der Ausdrücke nicht scheut, in ästhetische Arbeit und ästhetischen Konsum einteilen.«409 Durch Anwendung dieses Modells auf die Betrachtung einer Modestrecke wird Mode zwar hinsichtlich der beiden Pole aufzeigbar. Dass sie im Ikonotext der Modezeitschrift allerdings erst im Zusammenspiel zwischen Bild und Text erscheint, wird nur einseitig erfassbar. Denn Böhme verbleibt bei seinem Verständnis der ästhetischen Arbeit bei einem strategischen Handlungsbegriff, wenn er schreibt:

407 408 409

Böhme 2001, 177ff. Vgl. ebd., 172. Ebd., 177.

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Die Ästhetik dagegen kann gewissermaßen die Perspektive zurechtrücken, die Augen wieder dafür öffnen, worum es eigentlich bei ästhetischer Arbeit geht: um die Hervorbringung von Erscheinungen, die auf ein Publikum bestimmte Wirkungen haben sollen.410

Die spezifische Performativität der Ikonotextualität der Modestrecke, die Mode im Rahmen der ästhetischen Praxis erst konstituiert, ist mit Böhmes Ansatz somit nicht darstellbar. Sie verliert sich vor allem deswegen zwischen den Polen Arbeit und Konsum, oder Produktion und Rezeption, weil sie eingeschränkt auf eine strategische Praxis, dem tatsächlichen Wirken der Modestrecke nicht im Mindesten gerecht wird. Ihre Wirkungen auf das Publikum sind mitnichten vollkommen planbar. Im Bereich der Mode, die per se auf Taktiken der permanenten Erneuerung aufbaut, sind diese strategischen Überlegungen schon lange nicht mehr fruchtbar.411 Entsprechend proklamiert de Certeau, dass sich die ästhetische Arbeit, die Produktion von ästhetischen Erscheinungen, vielmehr auf Seiten der Konsumenten wiederfindet: In Wirklichkeit steht der rationalisierten, expansionistischen, zentralisierten, spektakulären und lärmenden Produktion eine Produktion von einem ganz anderen Typus gegenüber, die als ›Verbrauch‹ bezeichnet wird und für die ihr Listenreichtum, ihr Abbröckeln je nach Gelegenheit, ihre Wilddiebereien, ihre Klandestinität und ihr unaufhörliches Gemurmel charakteristisch sind – insgesamt also eine Quasi-Unsichtbarkeit, da sie sich kaum durch eigene Produkte auszeichnet (wo hätte sie auch Platz dafür?), sondern durch die Kunst des Gebrauchs derjenigen Produkte, die ihr aufgezwungen werden.412

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Was auf diese Art und Weise produziert wird, ist tatsächlich und nicht nur potentiell ein anderer Umgang mit Erscheinungen und somit auch mit der medial vermittelten Erscheinung der Modekleidung. Der strategisch geplante Konsum verkehrt sich zu einem Taktieren zwischen den medialen Erscheinungen einer ästhetischen Arbeit. Beides jedoch, sowohl strategisches als auch taktisches Handeln mit dem IkonoModeText, produzieren Mode im Sinne eines transmedialen Strukturphänomens, da beide viel weniger zwei Pole eines konträren und dualen Systems sind, sondern vielmehr gemeinsam auf das paradoxale Moment eines Sinngebungsprozesses verweisen, der quasi aus dem Nichts Differenzen als die Grundlage des Sinns schafft. Mit anderen Worten: Strategie und Taktik bedürfen sich gegenseitig. Mode entsteht erst im Ringen um Sinn, und erst die Performativität der medialen Erscheinung von Mode macht dieses Ringen möglich. De Certeau hat den Zusammenhang von Strategie und Taktik in Bezug auf die Sinnkonstitution von Tex410 411

412

Ebd., 178. Spätestens seit der Etablierung von Punk als Modestil und die damit verbundene Umkehr vom Tripple-Down- zum Buttom-Up-Prinzip in der Modeverbreitung ist auch die Taktik strategisch nutzbar geworden. Certeau 1988, 80f.

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ten herausgearbeitet und kommt zu dem Ergebnis, dass nicht deren Arbeitsteilung hinterfragt werden sollte, sondern die geläufige Negation einer durchaus produktiven Handlungsform auf Seiten der Rezeption. Mode ist nämlich gerade nicht nur das, was präsentiert wird, sondern das, was sich den Rezipienten darin zeigt. Je deutlicher und offensichtlicher die Produktionsseite strategisch handelt, umso klarer wird der zur taktischen Aneignung zur Verfügung stehende Raum auf Seiten der Rezeption. Die Überschneidung, oder Überlagerung der beiden Handlungsformen beschreibt de Certeau wie folgt: Die eine von diesen beiden Geschichten verbirgt, was nicht mit den ›Herren‹ konform geht, und macht es für sie unsichtbar, die andere verlängert es in die Netze des Privaten. Sie arbeiten also beide gemeinsam daran, die Lektüre zu einer unbekannten Größe zu machen, von der einerseits in übertriebener und autoritärer Form die einzige gebildete Erfahrung ausgeht und von der andererseits selten und in parzellierter Form (wie Luftblasen, die aus der Tiefe des Wassers aufsteigen) Hinweise auf eine allen gemeinsame, alltägliche Poetik kommen.413

Will man also den Begriff des Konsums gebrauchen, um jene Handlungsweise, jenen ästhetischen Umgang mit Phänomenen wie der Mode zu fassen, muss diese Form des Konsums eine spezifische Form der Produktion mit einbeziehen. Denn es ist nach wie vor entscheidend, was Rezipienten mit dem Ikonotext der Modestrecke faktisch machen, und nicht nur das, was sie machen sollen: »Der Gebrauch muss also um seiner selbst willen analysiert werden.«414 Der Gebrauch als das Handeln mit Mode muss demnach so weit wie möglich zum Wahrnehmungsgegenstand gerückt werden.415 Das Agieren zwischen Bild und Text einer Modestrecke muss im Medialen verortet werden, und zwar indem der Wahrnehmungsprozess sowohl zeitlich als auch räumlich im IkonoModeText verankert wird.416 Es soll deshalb nun eine Betrachtungsweise der Modestrecke vorgeschlagen werden, die sowohl beiden Seiten, d.h. Produktion und Rezeption, gerecht wird, indem sie strategisches und taktisches Handeln sichtbar macht, als auch die spezifische Medialität des Wahrnehmungsgegenstands als einen Handlungsspielraum nachvollziehbar werden lässt. Die Ikonotextualität der Modestrecke ermöglicht dieses Modehandeln.

413 414 415

416

Ebd., 305. Ebd., 82. Vgl. Bal 2006, 18. Der Wahrnehmungsgegenstand wird von einem Objekt zu einem Subjekt indem ihm ein Handlungsspielraum im Prozess seiner Wahrnehmung – also auch während seiner Analyse – zugestanden wird. Bal fasst entsprechend diesen Aspekt ihrer Kulturanalyse wie folgt zusammen: »Bei diesem Verfahren können wir von den Objekten, die unseren Untersuchungsbereich bilden, etwas lernen. Das ist auch der Grund, warum ich sie für Subjekte erachte.« (Ebd.) An dieser Stelle wird deutlich, worauf die Unterscheidung zwischen einer Atmosphäre und dem Atmosphärischen hinausläuft: Das Atmosphärische steht dem Wahrnehmungsgegenstand wesentlich näher.

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Der Handlungsspielraum, der bei der Modestrecke aufgrund ihrer spezifischen Ikonotextualität deutlich wird, lässt sich anhand des von Mieke Bal entworfenen Konzepts des »Agens«417 näher umreißen weiter entwickeln. Diese HANDHABUNG des IkonoModeTextes mit Bal als ein spezifisches Agieren zu begreifen heißt, das Handeln als ein Geschehen zu fassen, das sowohl die Kräfte der Produktion als auch der Rezeption im Wirken eines Werkes verortet. Es geht ihr nicht darum, eine mögliche Interpretationshoheit von der einen Seite auf die andere zu verlagern, sondern die »Preisgabe der Autorität«418 durch ein »Plädoyer gegen den Begriff der Intention«419 zu erreichen. Die Intentionalität einer möglichen Bedeutung soll weg von der Produktion und hinein in den Vermittlungsprozess an sich gelegt werden. Konsequenterweise führt diese Gewichtsverlagerung zwar zu einer Aufwertung der Rezeptionsseite, jedoch nicht zu einer konkret mess- oder verwertbaren. Es handelt sich vielmehr um eine Erweiterung dessen, was sich alles als machbar erweist. Denn Erfahrungs- und Wahrnehmungsprozesse werden dann als produktive Ereignisse begreifbar, wenn in ihnen Bedeutung konstituierbar ist; in den Worten Bals: Diese Wirkmächtigkeit lässt sich weder dem Künstler noch dem Betrachter zuschreiben, sondern nach meiner Überlegung nur dem Prozeß, der sich zwischen ihnen abspielt, wenn das Produkt des ersteren zum Produkt des letzteren wird, also dann, wenn das Betrachten zu einer neuen Form des Machens wird.420

200

Das »Wesen jenes Agens«421 kann als die Wirkung einer aktivierenden Handlung angesehen werden, die im Gegenstand der Betrachtung zwar im Rahmen seiner Produktion angelegt ist, von dieser jedoch nicht beherrscht werden kann. Sie muss vielmehr immer von Seiten der Rezeption vollzogen werden, um sich so performativ zur Erscheinung zu bringen. Mieke Bal bezieht diese Form des Machens zwar eindeutig und ausdrücklich auf konkrete Kunstwerke und sieht darin ausschließlich ein »künstlerisches Agieren«422 , dennoch kann und muss Handeln in Hinblick auf aisthetische Wahrnehmungsprämissen auch bei gestalteten Alltagsgegenständen festgestellt werden. Das Handeln der Mode wird so als Performativität ihrer ikonotextuellen Erscheinungsform in der Modestrecke erkennbar: Mode ist ein »Tun – sowie dessen Ergebnis, Wirkung und affektive Leistung«423 im Prozess des rezeptiven Vollzugs der Modestrecke. Aus diesem Grund muss Mode um diese Form des Handelns, das Agens, erweitert werden, 417 418 419 420 421 422 423

Ebd., 295ff. Ebd. Ebd. Ebd., 298. Ebd., 296. Ebd., 304. Bal begreift künstlerisches Handeln im Sinne der ›agency‹ als Handlungsfähigkeit bzw. -ermächtigung. Ebd., 312.

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denn nur so wird deutlich, dass Mode nur im Umgang, im Handeln mit ihren medialen Formationen Sinn macht. Da Mode nur in einem Handeln mit ihr erscheint, muss ihre Rezeption immer als ein performativer Akt verstanden werden. Gerade in der Modestrecke wird das Handlungsmoment des Modeereignisses offensichtlich, da es zwischen Bild und Text geschieht und durch diese differenten Wahrnehmungspole gerahmt ist. Mode erscheint als eine sich prozessual revidierende und potenzierende Wirkung; eine Wirkung, die weder das eine noch das andere erzeugt, weder die Offenheit des Bildes noch die Klarheit des Textes. Gerade weil Mode in der Modezeitschrift als ein Handeln, also auch als ein Verhandeln, zwischen Bild und Text erscheint, ist sie auch in ihrer Wirkung grundlegend paradoxal: autoritär und gleichzeitig reaktiv. Sybille Krämer spricht hinsichtlich dieser Aisthetisierung von Wahrnehmungsmodalitäten auch von der »Bipolarität des Wahrnehmens«424 . Die ikonotextuelle Performativität der Mode wird insbesondere in der Modestrecke deutlich, weil in ihrem Dazwischen des Ikonotextes Ereignis und Wahrnehmung so zusammentreffen, dass Mode als transmediales Phänomen erscheinen kann. Und es wird deutlich, dass Mode mehr ist, als das medial vermittelte Kleidungsstück. Mode ist das, was sich im Wahrnehmungsvollzug des IkonoModeTextes als Wirkung einstellt. In diesem Sinne ist die Rezeption einer Modestrecke gerade nicht nur ein konventionaler Zeichengebrauch, sondern ein Mode konstituierendes Handeln. Mode auch in Zeitschriften als ein solches Handeln zu verstehen heißt, dieses transmediale und strukturierende Phänomen nicht nur als ein intentionales und prototypisches System, sondern vor allem auch als ein performatives Agieren zu begreifen. Die Hervorhebung eines solchen Handelns verweist darauf, »dass das, was ein Akteur hervorbringt, von Betrachtern auf eine Weise rezipiert wird, welche die Symbolizität und Ausdruckseigenschaften dieses Vollzugs gerade überschreitet«425 . Die Verlagerung eines sinnkonstituierenden Prozesses weg vom Produzenten, hinein in die jeweils spezifische Medialität, bis hin zum Wahrnehmen von Medien durch den Rezipienten, ist meines Erachtens eine entscheidende, da potentiell ermächtigende Gewichtsverschiebung zugunsten eines anderen Verstehens des Phänomens Mode. Diese Neuaktzentuierung des Performativen der Mode eröffnet einen Freiraum für Eigensinniges. Mit Sybille Krämer lässt sich die spezifische Transmedialität der Mode, die als ikonotextuelle Performativität zwischen Bild und Text der Modestrecke deutlich wird, auch mit folgendem Aspekt des Aisthetischen beschreiben:

424 425

Krämer 2004a, 21. Ebd.

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Transgressivität: Die Aisthetisierung des Vollzugs, in dessen Beschreibung dichotomisch organisierte Begriffsraster an ihre Grenzen stoßen. Bei den Phänomenen, die hier von Belang sind, vermischt sich gerade das, was unsere kategorischen Unterscheidungen gewöhnlich auseinanderhalten. Diese Phänomene ›besiedeln‹ also eine Grenze, ein Dazwischen.426

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Dieses Dazwischen wird, bezogen auf den IkonoModeText, zwar durch die Medien Bild und Text begrenzt. Sie stellen aber keine Pole dar, stehen sich nicht konträr, auch nicht komplementär gegenüber und bilden keine Dichotomie. Vielmehr erscheint erst im Rezeptionsprozess ihrer Kombination jenes Phänomen, das hier als Modehandeln präzisiert wird. Modehandeln ist demnach das dem Medium Ikonotext inhärente Potential, im Prozess seiner Wahrnehmung Mode zu konstituieren. Mieke Bal bezeichnet diesen Bereich des Agens als einen, »in dem das ›Du‹, der Betrachter, und das ›Ich‹, der angebliche bildinterne Erzähler, einander begegnen«427 . Diese so genannte Begegnung kennzeichnet beim IkonoModeText einerseits die inszenierte Modeansicht, andererseits markiert sie gleichzeitig das Moment der Subjektivierung und somit Identifizierung auf Seiten der Rezeption. Das intentionale und autoritäre ›Ich‹ der Zeitschrift, das sich aus den redaktionellen Stimmen, fotografischen Blicken etc. zusammensetzt, ruft zwar nach einem Gegenüber, einem ›Du‹, das seiner spezifischen Intentionalität und der evozierten Machtstruktur entspricht, die Reaktion ist jedoch keine strategisch planbare Antwort.428 Denn indem die Konstitution von Mode erst im Modehandeln stattfindet, liegt die Verantwortung vielmehr bei den Rezipienten, d.h. das evozierte ›Du‹ kehrt sich augenblicklich um in ein zur Disposition stehendes ›Ich‹.429 Das Intendierte wird somit reflexiv und ermöglicht nun eine andere Positionierung: aus dem ich zeige dir, dass etwas so oder so ist, wird das, was ich mir daraus mache. An dieser Stelle findet der für die Mode wesentliche Subjektivierungsprozess statt. Das konstitutive Moment der Mode spielt sich immer in diesem Spannungsfeld von Personalisierungen ab, ist nicht davon zu trennen und immer prozessual. Zusammenfassend lässt sich nun festhalten, dass der Spielraum der Mode im Ikonotext der Zeitschrift durch folgende Parameter markiert wird: Bild/Text, Strategie/Taktik, Produktion/Rezeption, Intentionalität/Performativität und Ich/Du. Sie bestimmen in ihrer grundsätzlichen

426 427

428

429

Ebd. Bal 2006, 330. Mit der Einschränkung, dass Bal sich ausschließlich mit der bildlichen Ebene beschäftigt, also keinen ikonotextuellen Zwischenraum markiert oder konstatiert. Vgl. Benveniste 1974, 287ff. Benveniste beschreibt die tief verwurzelte Subjektivität der Sprache, die als Basis für das Gegenüber des ›Du‹ betrachtet werden muss (vgl. ebd., 293). Vgl. zur ›Verantwortlichkeit‹ Mersch 2002a, 289ff.

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Unvereinbarkeit und ihrem gleichzeitig unvermeidbaren Zusammentreffen im Ikonotext der Modestrecke das Wesen der Mode. Ihre Mode konstituierende Handhabung zeigt sich nur im jeweiligen rezeptiven Gebrauch der Modestrecke, ist immer situativ an das Ereignis ihres Vollzugs gebunden und nicht objektivierbar.430 Für die nun folgende exemplarische Analyse einer Modestrecke heißt das vor allem, dass jenes Modehandeln nur so vollzogen werden kann, dass es nachvollziehbar wird.431 Mit anderen Worten, obwohl eine Modestrecke zwar eine bestimmte Konstitution von Mode intendiert, kann und muss dies nicht eine bestimmte Wirkung hervorrufen. Letztlich entscheidend für den Gebrauch den IkonoModeText ist, dass sich in ihm für die Rezipienten relevante Bedeutungskonstitutionsprozesse verorten lassen. Die Relevanz der Mode in der Zeitschrift ist somit unmittelbar an ihre ikonotextuelle Performativität geknüpft. Entscheidend ist letztlich nicht nur das Objekt, sondern, mit den Worten de Certeaus, das »was der Kulturkonsument während dieser Stunden und mit diesen Bildern ›fabriziert‹«432 , denn das »Vorhandensein und die Verbreitung einer Vorstellung […] gibt keinerlei Aufschluss darüber, was diejenigen, die sie gebrauchen davon halten«433 .

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430 431

432 433

Vgl. Certeau 1988, 16. Vgl. Bal 2006, 302ff. Bei der Diskussion des Ausdrucks ›so dass‹ als mechanische oder psychische Kausalität und bei seiner Verortung als Absicht auf Seiten der Produktion oder als Wirkung auf Seiten der Rezeption durch Bal handelt es sich meines Erachtens um eine Frage der Wirkung, die alle o.g. Parameter einschließt. Certeau 1988, 13. Ebd., 14.

5. IkonoModeText einer Modestrecke Diese ›Fabrikation‹ der hier nachgegangen werden soll, ist eine Produktion, eine Poiesis, – die allerdings unsichtbar ist, da sie sich in den von den Systemen der (televisuellen, urbanen, kommerziellen etc.) ›Produktion‹ definierten und besetzten Bereichen verbirgt. Unsichtbar, da die totalitärer werdende Verbreitung dieser Systeme den ›Konsumenten‹ keinen Platz mehr lässt, um deutlich zu machen, was sie mit diesen Produkten machen. Das Gegenstück zur rationalisierten, expansiven, aber auch zentralisierten, lautstarken und spektakulären Produktion ist eine andere Produktion, die als ›Konsum‹ bezeichnet wird: diese ist listenreich und verstreut, aber sie breitet sich überall aus, lautlos und fast unsichtbar, denn sie äußert sich nicht durch eigene Produkte, sondern in der Umgangsweise mit den Produkten, die von einer herrschenden ökonomischen Ordnung aufgezwungen werden.1

Im konkreten analytischen Umgang mit beliebigen Modestrecken einer deutschen VOGUE soll aufgezeigt werden, dass neben der intentionalen Produktion von Mode eine andere Umgangsweise mit den Medien der Mode möglich ist. Diese wird als ein Parallelgeschehen zum allgemeinen Wahrnehmungsprozess des Ikonotextes sichtbar, wenn der konventionalisierte Ablauf brüchig wird und die Verbindung zwischen Bild und Text Spielräume eröffnet. In der Analyse wird deutlich, dass das Entstehen der Mode weit weniger von einer autoritären Absicht hinter den Kulissen eines Modesystems abhängt, sondern von ihren medialen Objekten ihrer Wahrnehmung. Das Machen der Mode ist demnach ein Prozess auf Seiten der Rezeption, ausgelöst vom medialen Objekt. Diese Art und Weise der Modekonstitution wird nun konkret so herausgestellt, dass Mode als ein Ereignis des aisthetischen Handelns erscheint.2 Die exemplarische Analyse muss deshalb auch als ein mögliches Machen im Prozess des Modehandelns betrachtet werden. Sie wird eine Umgangsweise mit dem Ikonotext von Modestrecken praktisch vorführen, die gleichzeitig die Konventionalität und ihre Hintergehbarkeit deutlich macht, so dass jegliche Bedeutung der Modekleidung letztlich von der konkreten Rezeption abhängig erscheint und nicht umgekehrt.3 Die Analyse wird zeigen, dass Mode so oder anders zwischen Bild und Text stattfinden kann.

1 2 3

Certeau 1988, 13. Vgl. Seel 2003, 98ff. Vgl. Bal 2006, 302.

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5.1 Perspektivierungen der Mode Die Perspektive ist ein Bild dessen, was wir Ideologie nennen würden – eine historische, kulturelle Formation, die sich als universeller, natürlicher Code maskiert. [...] Die Perspektive ist daher sowohl ein bloßes Symptom als auch die diagnostische Synthese, die der Interpretation gestattet, wissenschaftlich zu sein, und den Symptomen gestattet, verständlich gemacht zu werden.4

Mode in den Blick zu nehmen heißt, den Prozess ihrer Entstehung als ein wechselhaftes Beziehungsgeflecht zwischen medialer Produktion, Präsentation und Rezeption zu sehen. Innerhalb dieses Prozesses ist Mode nur in ihrer jeweils spezifischen Medialität beschreibbar. Mode zu betrachten und zu analysieren heißt deshalb, sie nicht als ein bestimmtes Medium zu konzeptualisieren, sondern differente Perspektiven auf einen medialen Gegenstand, der Mode vermittelt und konstituiert, zu markieren. Nicht die Behauptung der Möglichkeit einer Metaebene der Betrachtung sondern die sichtbaren wechselhaften, changierenden Positionierungen im Wahrnehmungsprozess eines Ikono-Mode-Textes selbst werden hier deshalb als Perspektivierungen der Mode aufgefasst. Mit den Worten W.J.T. Mitchells lassen sie sich auch als Vernähungen von Text und Bild auffassen: Normalerweise verlangt die Struktur eines derartigen Bildtexts die direkte diskursive oder narrative Vernähung des Verbalen und des Visuellen: Die Texte erklären, erzählen, beschreiben, beschriften und sprechen dann für die (oder zu den) Photographien; die Photographien illustrieren, veranschaulichen, klären, grundieren und dokumentieren dann den Text.5

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Bezugnehmend auf Mitchell, der nur in den Abweichungen von »›normale[n]‹ Relationen«6 die Möglichkeit zur Offenlegung und Sichtbarmachung jener Nahtstelle sieht, soll hier gezeigt werden, dass es vielmehr von der Art und Weise der Rezeption abhängt, wie sich der Sinn eines Ikonotextes herstellen lässt. Perspektivierungen sind somit nicht auf die Konventionalität des Mediums beschränkt. Sie suchen vielmehr nach einem anderen, eigensinnigen Weg durch das zunächst scheinbar offensichtlich eindeutige Bedeutungsgefüge. Diese Art und Weise von Inblicknahme eines ikonotextuellen Mediums versucht gerade die Brüche und Öffnungen jener normalen Verständnisweise aufzuspüren.

4 5 6

Mitchell 2008, 131f. Ebd., 151. Ebd.

IkonoModeText einer Modestrecke

Analysemodell Ein Untersuchungsmodell, das jener Perspektivierung gerecht werden will, muss einerseits die »konventionelle Arbeitsteilung«7 zwischen Bild und Text aufzeigen und andererseits im selben Analyseschritt die gleichzeitige Relativität ihrer Konventionalität sichtbar machen. Diese Art der Perspektivierung von Mode als transmediales, strukturierendes Phänomen nimmt dezidiert Abschied von der strukturalistischen und semiologischen Analysemethode der Mode von Roland Barthes. Denn sein methodischer Ansatz wird letztlich lediglich der verbalen Struktur der Mode gerecht, obwohl er zu Beginn seiner Analyse konstatiert, dass »die Verbreitung der Mode zum großen Teil auf einer Transformationstätigkeit, einem Übergang von der technologischen Struktur zur ikonischen und verbalen (jedenfalls ist das die Reihenfolge, wie sie die Zeitschrift nahe legt)«8 beruht. Bei diesen so genannten Transformationstätigkeiten handelt es sich, wie gezeigt wurde, um spezifische trans-, intra- und intermediale Medialisierungsprozesse der Mode, die nicht nur die Struktur, sondern auch die Materialität der Medien der Mode und ihre spezifischen Kombinationsmöglichkeiten betreffen. Obwohl Barthes nicht die »besondere Sprache (langage)«9 der Modefotografien betrachtet, »die gewiß ihre eigene Lexik und Syntax besitzt sowie ihre eigenen, verbotenen und empfohlenen ›Wendungen‹«10, geht er davon aus, dass beide zusammen Mode vermitteln und bietet damit zumindest einen durchaus brauchbaren Ansatzpunkt für ein ikonotextuelles Analysemodell: Da die Zeitschrift in der vorteilhaften Lage ist aus, diesen beiden Strukturen gleichzeitig Botschaften zu übermitteln – hier ein photographiertes Kleid, dort dasselbe Kleid beschrieben –, kann sie elliptische shifters gebrauchen und sich dabei möglichst kurz halten.11

Diese Shifters sind so genannte verschiebende Operatoren.12 Im Sinne Barthes’ transponieren sie das zu Vermittelnde von einem Bedeutungssystem in das andere. Er spricht in diesem Zusammenhang von elliptischen Verschiebern und meint damit insbesondere nur die Anaphern der verbalen Sprache, die auf die Fotografie zurückweisen, bzw. hinweisen. Das Elliptische, das Barthes im Blick hat, bezieht sich auf die literarische Figur der Ellipse, auf die Auslassung, d.h. jene Leerstelle im Text, die erst rezeptiv 7 8 9 10 11 12

Ebd. Barthes 1985, 16. Ebd., 13. Ebd. Ebd., 17. Vgl. Jakobson 1974. Für Jakobson, auf den Barthes sich bezieht, besitzen Shifter sowohl indexikalische als auch symbolische Eigenschaften, d.h. ihre Wirkkraft betrifft sowohl die formale, wie auch die inhaltliche Ebene.

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gefüllt wird. Auch Derrida hat diesem Freiraum im Aufsatz »Ellipse«13 seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt.14 Er beschreibt diese Figur als das Aufgeben eines Ursprungszentrums durch das Aufmerken jener Veränderungen, die durch den wiederholenden Nachvollzug deutlich werden. Folgende Beschreibung des Elliptischen als einer »Rückkehr zum Buch«15 durch Derrida erzeugt ein Bild jener Figur, das der anschließenden Konkretisierung des ikonotextuellen Analysemodells in Form einer Ellipse zugrunde gelegt wird: Da dieser Mangel unsichtbar und unbestimmbar ist [...] und wieder durch alle Punkte seines Kreislaufs führt, hat sich nichts bewegt. Und doch wurde der ganze Sinn durch diesen Mangel verändert. Dieselbe Linie ist nicht mehr dieselbe, wenn sie wiederholt wird, die Schleife hat nicht mehr dasselbe Zentrum, der Ursprung hat ausgespielt. Es fehlt etwas, damit der Kreis vollkommen ist. 16

Legt man nun die geometrische Form der Ellipse mit der Metaphorik ihrer rhetorischen Funktion von Derrida übereinander, gelingt es ein Vorstellungsbild des Analysemodells des IkonoModeTextes zu entwickeln, das sich als sowohl symbolisch aussagekräftig als auch praktisch anwendbar erweist:

208 Abb. 1: Abstraktion des formalen Analysemodells

Die Ellipse hat, und das entspricht dem zugrunde gelegten Verständnis des Ikonotextes, zwei gleichberechtigte Brennpunkte, die sich gegenseitig bedingen. Die verbindende Linie zwischen einem der beiden Brennpunkte und einem Punkt der Ellipse wird in der Mathematik Brennlinie oder auch Leitstrahl genannt, da dieser an der Ellipse so reflektiert wird, dass er den jeweils anderen Brennpunkt trifft. Bemerkenswerterweise sind all jene 13 14 15 16

Derrida 1997, 443-450. Vgl. Nancy 2003. Ebd., 445. Derrida 1997, 445.

IkonoModeText einer Modestrecke

Brennstrahlen von einem zum anderen Brennpunkt gleich lang, eine Übertragung von einem Punkt zum anderen wird demnach in keiner Weise verzerrt, z.B. würde bei der Übertragung von Musik, diese unverzerrt, in gleicher Qualität im anderen Brennpunkt hörbar sein. Die Ellipse, die in der Sprachwissenschaft lediglich das Fehlen inmitten von etwas bezeichnet, bietet nun durch diese geometrische Erweiterung um zwei Brennpunkte, für die Betrachtung des IkonoModeTextes ein schlüssiges Analysemodell. In der elliptischen Text-Bild-Relation übernimmt das jeweils andere Medium die Funktion Sinn zu erzeugen, ohne dass es das Ausgelassene darstellt. Die ikonotextuelle Kombination bricht, wie ein elliptisch gewölbter Spiegel, das ihr jeweils entgegentretende Medium, zeigt ihm die Grenzen und Unmöglichkeiten seiner gänzlichen Übertragung auf. Die spezifischen Materialitäten und Strukturalitäten beider bilden somit die Brüche eines elliptischen Wahrnehmungsprozesses im jeweils anderen ab. Das eine Medium begrenzt durch seine eigene Medialität das Erscheinen des anderen. Es zeigt durch sein Erscheinen die Grenzen des möglichen Erscheinens des jeweils anderen auf. Beide lassen sich nicht zur Deckung bringen, gehen nicht ineinander auf und bedingen sich dennoch gegenseitig. Die Bruchstellen liegen zwischen und in den Medien als ihre wahrnehmbaren Grenzen oder die durch sie verursachten Friktionen im Wahrnehmungsprozess.17 Die Form der Ellipse ist vor allem deshalb zur Verbildlichung des Wahrnehmungsprozesses geeignet, weil an ihr deutlich wird, dass der Bezug zwischen Bild und Text gerade nicht direkt, sondern durch Brechung an einer umgrenzenden Form hergestellt wird. Dabei handelt es sich um die Grenzen jeder medialen Wahrnehmung, die sich jeweils erst im Perzeptionsprozess durch die Art und Weise der Rezeption und durch den Gegenstand an sich konturiert. Im Fall der Modestrecke zeigt sich, so die These, der Text nicht in seinem internen Bruch, sondern in seiner materialen Abgrenzung und seinem sinnvollen Überschreiten dieser Grenze zum Bild. Der Text wird in seiner Medialität erst erfahrbar durch seinen bildlichen Kontext, und umgekehrt. Mit ›sinnvollem Überschreiten‹ ist ein perzeptiver Bezug auf ein anderes, hier bildliches Medium gemeint. Dieser Bezug überträgt keine Bedeutungen, sondern macht erst im Zusammenspiel mit diesem anderen Medium Sinn möglich.18 Die Sachverhalte, auf die der Text Bezug nimmt, sind innerhalb einer Modestrecke vor allem die bildlichen Tatsachen. Diese können bestehen oder nicht bestehen. Sinnvoll ist der elliptische Bezug insofern, als dass sich Bedeutungen erst im gegenseitigen Wechselspiel konstituieren. Der Ikonotext einer Modestrecke ist dann sinnvoll, wenn er

17 18

Derrida formuliert wie folgt: »Die Verbindung ist der Bruch.« (Ebd.) Vgl. Wittenstein 1963, 49, 4.2.

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medium macht mode

im Rahmen der Rezeption Mode zur Erscheinung bringt. Da die geometrische Form der Ellipse die besondere Eigenschaft von zwei Brennpunkten hat, die sich gegenseitig bedingen und aufeinander beziehbar sind, bilden die elliptischen Transformationsprozesse des IkonoModeTextes immer auch den jeweils anderen Brennpunkt als ihre Relation zueinander ab. Die Analyse eines IkonoModeTextes ist deshalb als eine elliptische Bewegung zu sehen, die anhand der zwei Brennpunkte Bild und Text die Mode in den Blick nimmt.

Exemplarische Analyse

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Bei der hier anvisierten Analyseform handelt es sich in aller Doppeldeutigkeit des lateinischen Wortes exemplum, d.h. im Sinne eines Abbildes und eines Vorbildes, sowohl um das Beispiel einer möglichen Analyse und als auch um eine beispielhafte Analyse. Sie kann deshalb nur ein Beispiel unter anderen sein, weil nicht nur kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit zugrunde liegt, sondern weil eine solche Konventionalisierung von möglichen differenten Sichtweisen gerade unterminiert werden soll. Dennoch ist die hier vorgeschlagene Art und Weise der Analyse durchaus auch ein Exempel im Sinne eines Vorbildes, da sowohl im mode- als auch im kulturtheoretischen Bezugsrahmen bislang keine Methode zur Untersuchung von Ikonotexten vorliegt, die nicht von einer Schwerpunktsetzung auf Bildoder Textebene ausgeht. Die konkreten Analyseschritte und ihre Abfolge sind nur eine Möglichkeit, Mode zwischen Bild und Text kenntlich zu machen, obwohl gleichzeitig damit eine bestimmte Betrachtungsweise von Mode konstatiert wird. So hat insbesondere die theoretische Abstraktion der bisherigen Betrachtung der Modestrecke als IkonoModeText zu jenen dezidierten Prämissen geführt, die sich nun in der exemplarischen Analyse als konkrete Perspektivierungen des Gegenstandes bewähren müssen. Gebündelt als Modell werden sie als eine mögliche »BeschreibungsPerspektive der Welt«19 in ihren medialen Erscheinungsformen zugrunde gelegt. In der exemplarischen Analyse sollen die einzelnen, herausgearbeiteten Aspekte einerseits dazu dienen, die spezifische ästhetische Formation der Modestrecke als ein Medium der Mode sichtbar zu machen, und andererseits hierin das Modehandeln als aisthetische Praxis zu verorten. Sybille Krämer fasst die Gleichzeitigkeit einer bestimmbaren Struktur des Medialen und seiner Schaffung im Umgang mit Medien wie folgt zusammen: »Medien sind die ›historische Grammatik‹ von Formen, Werken, Sinngehalten etc., die durch kulturelle Praktiken entstehen.«20

19 20

Krämer 2003a, 82. Ebd., 81.

IkonoModeText einer Modestrecke

Dem erweiterten Modell der Ellipse folgend werden in der exemplarischen Analyse die herausgearbeiteten Untersuchungsprämissen zusammengestellt. Sie sind in dieser Form beliebig untereinander kombinierbar oder auch im Einzelnen vernachlässigbar, auch ihre Reihenfolge ist variabel. In jedem Fall markieren sie durch diese Betrachtungsweise nicht nur Modebild oder -text, sondern immer den IkonoModeText. Innerhalb dieses Konstitutionsprozesses erscheint Mode als Sinn der Modestrecke. Im Folgenden werden jeweils die einzelnen, zuvor in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich erläuterten Aspekte der Ana-lyse des IkonoModeTextes kurz zusammengefasst: PRODUKTION als Transformation: Übertragung vom Realen in die mediale Wirklichkeit der Fotografie; Kennzeichen: Intention, Operatoren, Objekte, Positionen, Technologien; Kontextualisierung. Medialität der PRÄSENTATION: Material, mediale Transparenz, Referenz und Syntax/Struktur der Fotografie. PERZEPTION als aktives Wahrnehmungsereignis: Haltung, Wissen, Selbstreflexivität, Aisthesis und Synästhesie als ihre besonderen Kennzeichen. POSITIONEN als Blick, Pose und Gestus: Blick – Raumkonstitution zu Körpersituierung, Raum-Zeit-Körper-Gefüge, Induktion von Machtverhältnissen, Blickwechsel zwischen Fotografie und Betrachter, Blicke bilden Netzwerke (Positionen werden nur als Relationen sichtbar); Pose – Sinnbild der Subjekt/Objekt-Differenz, Identifikationsmodell, paradoxale Autorität (Universalität u. Nachahmung, Leitfunktion und leitende Funktion), weder aktiv noch passiv, Posen als verkörperte Blicke, Markierungen von Identifikationsanlässen; Gestus – deiktische Funktion als Handlung des Zeigens, Akt des Mitteilens als Hinweis, Fotografie als Geste der Präsentation (produzierende Geste des Fotografen, präsentierende Geste des Fotomodels, gestische Bewegung des Wahrnehmens). AUFMERKSAMKEIT als einEreignis des Aufmerkens zwischen Medium und Rezipient: Zwischengeschehen zwischen Auffälligkeit und Auffallen. PUNCTUM als eigensinniges Entgegenkommen der Fotografie: unmittelbare Präsenz von etwas äußerst Bemerkenswertem für den Betrachter (der springende Punkt oder überspringende Funke). STRUKTUR als konnotatives Gefüge der Bild-Text-Relation: nicht der Bezug auf eine (dargestellte) Realität, sondern die Wirklichkeit der Darstellung bedingt ihren Sinn (Form steht nicht für Inhalt, sondern ist der Inhalt); Ebenenverschiebung (Aufhebung der Unterscheidung: A- u. B-Komplex). STIL als formales Zusammenspiel von Bild, Text und Rezipienten: Modetext als Einschreibung in die Bildwahrnehmung, formale Vielschichtigkeit des Ikonotextes, die erst als individuelles Wahrnehmungsgeschehen Sinn macht, d.h. Mode konstituiert. SCHREIBWEISE als ideologische Funktion und historische Rolle: funktionale Kopplung an reale Verhältnisse, jegliche Bedeutung der Form hat den Sinn Mode zu stiften, Politikum: Modebehauptung als autoritäre Setzung,

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medium macht mode LESART als positionierendes Eintreten in den Text: Realisierung oder Aktivierung der bereitgehaltenen Strategien, Funktionen (Perspektivierung, Verräumlichung und Einbindung der Rezipienten), Themensetzung als Spielraum (wandernder Leserblickpunkt). LEERSTELLEN als offene Markierungspunkte für die Vorstellung der Rezipienten: kreative Rezeption; strategische Brüche, die Sinn herstellen; Freiräume, die Bild und Text miteinander verbinden. KOHÄSION als formale Komposition: Ausrichtung und Anordnung von Text und Bild im Gesamtgefüge und zueinander, ihre Lage und Größe, ihre räumliche Nähe oder Ferne, ihre mögliche Überlagerung, z.B. die Texteinschreibung in die Bildfläche, Wahl der Farben, ihre spezifische Korrespondenz und die Wahl strukturierender grafischer Elemente, wie bestimmte Schriftarten, Linien, Farbfelder etc. KOHÄRENZ als inhaltliche Narration: spezifische Form der Handlung, inhaltliche Organisation des Zusammenhangs zwischen Bild und Text, Deiktika des Textes (z.B. Anaphern oder Ellipsen), Vektoren des Bildes (Blickrichtung, hinweisender Zeigefinger); Beschreibung/Illustration, Ergänzung und Redundanz. ISOTOPIE als ikonotextuelle Verwebung: wechselseitige Bezugnahmen, die Konstruktionsmechanismen des jeweils anderen sichtbar machen; Changeant von Inhalt und Form. POSITIONSWECHSEL als ikonotextueller Identifikationsprozess: Wahrnehmungsverlauf, der Mode nicht markiert, sondern als Bewegung umreißt.

212 Abb. 2: Analyseaspekte im Modell

Zusammengenommen bilden diese Aspekte die Performanz des Ikonotextes ab, in der sich die spezifische Performativität der Mode kenntlich machen lässt. Die spezifische Ikonotextualität der Modestrecke markiert den transmedialen Konstitutionsprozess der Mode als ein Modehandeln auf Seiten der Rezeption. Die spezifische Performativität der Mode wird somit als ihre spezifische Transmedialität im Medium Modestrecke beschreibbar.

IkonoModeText einer Modestrecke

Korpusbeschreibung Das Korpus der exemplarischen Analyse ist der Modeteil einer Ausgabe der deutschen Zeitschrift VOGUE. Es ist ein monatlich erscheinendes Magazin, das sowohl als Publikumszeitschrift mit der Zielgruppe ›Frauen‹, als auch als Special-Interest-Zeitschrift mit dem Themenschwerpunkt ›Mode‹ gesehen werden kann. Sie informiert über die neuesten Trends der Modekleidung, Accessoires und Schönheitspflege, über aktuelle kulturelle Themen, über die internationale Modeszene und ihre Stars21, und es finden sich auch Themenrubriken wie Psycho, Design und Reise. Überwiegend wird über Produkte und Lebensart im höheren und hohen Preissegment berichtet, was z.B. die Rubrik Haute Couture Report oder auch En Vogue widerspiegelt.22 Auch die zahlreichen Werbeanzeigen hochwertiger Modehäuser sind ein eindeutiger Hinweis auf die Exklusivität, die das Heft transportiert und produziert. Es finden sich entsprechend auf fast allen rechten Heftseiten ganzseitige Werbeanzeigen, und es gibt viele doppelseitige Anzeigen und einige Werbestrecken. Insgesamt ist annähernd die Hälfte des Heftes von Werbung dominiert. Der eigentliche Modeteil, d.h. der Teil, der die hier anvisierten Modestrecken beinhaltet, umfasst fünf Modestrecken mit jeweils acht bis vierzehn Seiten. Diese Modeseiten der Zeitschrift sind nicht durch Werbeanzeigen unterbrochen. Der Modeteil wird von einem Intro auf der rechten Seite eingeleitet, das als kurze Impression in das Thema des gesamten folgenden Teils der Zeitschrift einführt. Dieser ganze redaktionelle Modeteil umfasst neben den Modestrecken fünf weitere Formate, die hier als Kunst, Engagement, Interview, Interior, Portrait und Gespräch bezeichnet werden.23 Diese Seiten sind, anders als der Rest der Zeitschrift, nicht offen-

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22

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Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen VOGUE, bemerkt zu der Ansicht, dass Modetrends heute insbesondere von Celebrities gemacht werden, das Folgende: »[S]o einfach ist das Gott sei Dank nicht. Mode wird von Designern gemacht und von internationalen Modemagazinen inszeniert. Das ist eine große kreative Herausforderung und verantwortungsvolle Aufgabe. Was Celebrities auf einer Party oder auf dem Roten Teppich tragen, ist in der Regel ein vom Designer oder von Stylisten kreierter Look. Zum einen ein probater Schachzug in einer großen Marketing-Maschinerie, zum anderen aber auch eine nicht neue, sondern seit Jahrzehnten funktionierende Liaison von Modemachern und Celebrities [...].« (in: TextilWirtschaft 12/2006, 129.) Interessanterweise ergeben sich auch Widersprüche zwischen den Werbestrecken und den redaktionellen Statements; z.B. ist dieser Ausgabe ein Werbefolder von H&M beigefügt, obwohl über die Bühnenoutfits von Madonna Folgendes festgestellt wird: »Bühnenreife Mode – Zumindest auf der Bühne bleibt Madonna Jean Paul Gaultier treu. [...] Nach den Gigs trugen sie und ihre Tänzer allerdings nur noch H&M.« (VOGUE 9/2006, 104.) Im Inhaltsverzeichnis der VOGUE werden die Formate dem entgegen anhand ihrer Inhalte zusammengefasst: Engagement, Interview, Portrait und Gespräch finden

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medium macht mode

sichtlich in Rubriken gegliedert, d.h. als solche gekennzeichnet, sondern fügen sich inhaltlich und formal in den Zusammenhang des Modeteils ein. Zusammen mit diesen gut dreißig Seiten umfasst der Modeteil insgesamt ca. neunzig Seiten und befindet sich im letzten Drittel des Heftes.24 Die erste VOGUE 25 erschien 1892 als ein Magazin der feinen New Yorker Gesellschaft und wurde 1909 vom Verleger Condé Nast26 aufgekauft, der im selben Jahr unter seinem Namen einen mittlerweile weltweit führenden Zeitschriftenverlag gründetet. Die VOGUE erscheint in vielen Ländern, z.B. Japan, Frankreich, Russland, Italien, Australien, Brasilien, Indien, als unabhängige Ausgabe mit eigenem Verlag und entsprechend eigenständiger Redaktion.27 Bei wichtigen Themen gibt es untereinander allerdings Absprachen und auch einen Austausch von Beiträgen. In Deutschland erscheint seit 1979 eine eigene Länderausgabe; der Verlag und die Redaktion haben ihren Sitz in München. Herausgeber ist derzeit Bernd Runge, Chefradakteurin ist seit 2003 Christiane Arp. Seit 2001 wird zudem eine deutsche Online-Version von der Firma CondéNet, einem Tochterunternehmen der Verlagsgruppe, produziert. Die Auflage der Printausgabe liegt derzeit bei gut 150.000 Exemplaren, sie ist damit führend im hochpreisigen Segment der deutschsprachigen Frauenzeitschriften. Neben den hohen Umsatzzahlen und der weltweiten Verbreitung, die das Magazin insgesamt zu einem der wichtigsten Organe des Modesystems machen, sind es vor allem die Persönlichkeiten wie z.B. Anna Wintour28 als Chefredakteurin der amerikanischen VOGUE, die der Zeitschrift ihre Rolle als autorisierende und autorisierte Instanz im internationalen Modegeschehen sichern. Die VOGUE wird so zu einem Sinnbild eines machtvollen und willkürlichen Modesystems. Alexandra Shulman, seit 1992 Chefredakteurin der britischen Version, schildert das Phänomen folgendermaßen: Over the years much has been written about VOGUE, the title and the brand, in part because VOGUE is so much more than a magazine. Through its pages you can see the role of fashion and style has played in wider world and the many ways in which those facets have reflected what is happening economically, socially, culturally, and artistically.29

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24

25 26 27

28 29

sich unter VOGUE Menschen, Kunst unter VOGUE Kultur und Interior unter VOGUE Design (vgl. VOGUE 9/2006, 34 u. 43). Diese Einteilung betrifft nur die deutsche VOGUE zum Zeitpunkt der Untersuchung, andere Ausgaben sind z.T. inhaltlich anders gegliedert (vgl. Angeletti / Oliva 2006, 356). Zur Geschichte der Zeitschrift vgl. Watson 2008. Seebohm 1982. Die Länderausgaben sind unterschiedlich innovativ, so gilt z.B. die italienische Vogue durch ihre oft spektakulären und provokativen Modestrecken namhafter Fotografen in der internationalen Modeszene als Ton angebend. Vgl. Oppenheimer 2005. Shulman 2006, 5.

IkonoModeText einer Modestrecke

Für die deutsche VOGUE muss festgehalten werden, dass sie bislang kaum modetheoretisch oder kulturwissenschaftlich untersucht wurde.30 Das mag auch daran liegen, dass sie im internationalen Vergleich für das Modesystem keine so entscheidende Rolle spielt, wie beispielsweise die spektakuläre italienische, die renommierte englische oder legendäre amerikanische Ausgabe.31 Für die hier anvisierte exemplarische Analyse von Modestrecken, d.h. zur Überprüfung ihrer prototypischen Ikonotextualität und der darin zu verortenden Konstitution von Mode als transmediales Phänomen, eignet sich allerdings auch die deutsche VOGUE. Sie bedient sich wie alle anderen sowohl konnotativer als auch denotativer Strategien der Bedeutungsstiftung und steht somit für eine typische Modeberichterstattung und Modestreckengestaltung, an der beispielhaft das Prototypische herausgestellt werden kann. Die deutsche VOGUE steht vermittelnd zwischen der Alltagswelt ihrer Leserschaft und der Vision, die sie von einem luxuriösen Leben entwirft: »[S]ie bedeutet die Welt und bedeutet sich selbst, entwirft sich hier als Verhaltensprogramm und dort als luxuriöses Schauspiel. «32 Roland Barthes spricht in diesen Worten von der Mode an sich, und er macht bereits 1967 deutlich, dass es aufgrund von fortschreitenden Demokratisierungsprozessen und massenmedialer Verbreitungstechnologien zunehmend zu einer Vereinigung der so genannten natürlichen und unmotivierten Sinnstiftung der Mode kommen wird.33 In der deutschen VOGUE wird dieses Schwanken, die Uneindeutigkeit zwischen der konnotativen Darstellung lebensweltlicher Zusammenhänge und einer denotativen Modebehauptung besonders deutlich, wenn man die redaktionelle thematische Einführung und Einbindung der Modestrecken in den Gesamtzusammenhang des Heftes betrachtet. Es wird insgesamt versucht, einen komplexen, vielschichtigen Sinnzusammenhang zwischen Modekleidung und der Lebensrealität der angesprochenen Leserschaft herzustellen, d.h. Mode soll in der deutschen VOGUE für viele verschiedene Frauen nachvollziehbar sein.34 An den Worten der Chefredakteurin Christiane Arp lässt sich das wie folgt nachvollziehen: » VOGUE ist nie eindimensional. Es ist 30 31 32 33 34

Anders als z.B. die Brigitte aus dem Verlagshaus Gruner & Jahr, die Gegenstand einiger, vor allem auch genderspezifischer Studien ist (vgl. z.B. Horvarth 2000). Vgl. z.B. die Untersuchungen zu VOGUE -Covers von Lloyd 1986 u. Packer 1980. Barthes 1985, 297. Vgl. ebd., 47ff. Folgende Vermutung von Roland Barthes lässt sich heute in Bezug auf die deutsche VOGUE nicht mehr bestätigen: »Es scheint, dass die großen Publikumszeitschriften eine naturalisierte Mode praktizieren, die reich an Funktionen mit Zeichencharakter ist, während die ›vornehmere‹ Presse der reinen Mode den Vorzug gibt.« (Ebd.) Es lässt sich vielmehr heute zusammenfassend feststellen, dass das Spiel mit kulturellen Zeichen insgesamt so differenziert geworden ist, das es dieser einfachen Polarisierung nicht mehr entspricht. Auch folgende Aussage Roland Barthes hat spätestens seit der spielerischen Umkehrung des Top-

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medium macht mode

eine Zeitschrift für Frauen, die die unterschiedlichsten Optionen wahrnehmen und ausleben wollen.«35 Die deutsche VOGUE ist heute eine Zeitschrift, die versucht Exklusivität und hohe Verkaufszahlen bei einem sich immer weiter und breiter ausdifferenzierenden Modetrendspektrum zu verbinden. Das eigentliche Ziel ist nach wie vor, Distinktion durch Identifikation zu stiften. Die Modemacher der VOGUE agieren somit, wie die Mode an sich, grundlegend paradoxal.

5.2 Praxis der Mode

216

Dass Mode sich als eine Handlung vollendet, die durch strategisches Produzieren anvisiert wird und durch taktisches Agieren beeinflussbar ist, zeigt sich in der Praxis der Mode. Die exemplarische Analyse weist sowohl die Grenzen als auch die Freiräume der Modekonstitution auf. Gleichzeitig wird allerdings auch deutlich, dass der Konstitutionsprozess der Mode nicht objektivierbar ist. Er muss vielmehr immer möglichst individuell vollzogen werden, um zum Ort einer sinnvollen Identitätskonstruktion werden zu können. Da jedoch grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die heutige Form der Modekleidung auf einer ihr inhärenten grundlegenden Reflexivität beruht, und zwar auch auf Seiten der Produktion, muss eine mögliche Meta-Ebene der Betrachtung ihres Konstitutionsprozesses jenseits dieser Logik ansetzen. Nicht mehr die Beobachtung der Beobachtung führt somit zu einer möglichen taktischen Distanz, sondern vielmehr die Beachtung dessen, was nicht beachtet wird.36 Das heißt, das taktische Potential des Ikonotextes lässt sich nicht dadurch erkennen, dass der Rezipient sich bewusst darüber wird, dass innerhalb der Modedarstellung ein Bild seiner Selbst entworfen wird, das auf einer gewissen Kenntnis seiner Begehrnisse beruht. Sondern es ist vielmehr ein Wahrnehmen dessen, was tatsächlich noch alles im Rahmen einer Modestrecke erscheint, aber nicht Sinn stiftend gemeint ist. Esposito schildert die Suche nach dem Ort der Modekonstitution folgendermaßen:

35 36

Down zum Bottom-Up durch das Phänomen Punk in den späten 1970ern seine Gültigkeit verloren: »Der Traum muß, wie utopisch auch immer, in Greifweite liegen. Steigt man jedoch auf die nächst niedrigere Sprosse der soziokulturellen Stufenleiter, so verarmen mit dem Bildungsniveau auch die Vorstellungsbilder, und das System tendiert wieder zur Denotation.« (Ebd., 250.) Arp 2008. Vgl. insb. die ›beobachtende Beobachtung der Modewahrnehmung‹ bei Esposito 2004, 164.

IkonoModeText einer Modestrecke

Die Mode findet sich nicht so sehr in den Diskursen oder in den Berichten über die Mode, sondern sie ist, insofern in ihr die Beobachtung zweiter Ordnung vorherrschend ist, in der Anlage und der Funktionsweise der modernen Semantik vorausgesetzt – vor allem, wenn von etwas anderem die Rede ist. 37

Es soll hier demnach zunächst die Beobachtung zweiter Ordnung genutzt werden, um das strategische Potential der Modestrecke kenntlich zu machen. In einem weiteren, teilweise parallelen Schritt soll jedoch auch deutlich werden, dass es von der Position der beobachtenden Beobachteten durchaus möglich ist, sich der Reflexion der Beobachtung zu entziehen, indem nämlich bewusst wahrgenommen wird, dass es daneben auch noch etwas anderes gibt, das nicht mit im Blickfeld der Beobachtung liegt. Der Blick fällt dann auf das Nicht-Gemeinte, das am Rande liegt, auf jenes vielmehr Zufällige. Dieser Ort ist nach Esposito der eigentliche Schauplatz der heutigen Mode, die sich nicht nur in der Kleidung, sondern als umfassende moderne »Form der Handhabung und Operationalisierung von Kontingenz«38 insbesondere in den Massenmedien zeigt. Strategie und Taktik greifen dann scheinbar ineinander: Indem man die Mode befolgt, strebt man demnach nicht Vollkommenheit an, sondern sucht vielmehr eine eigene Form der Unvollkommenheit zu entfalten, bei der das, was zählt, nicht sosehr der (eben unvollkommene) Inhalt ist, sondern eher der Sachverhalt, dass es sich um den eigenen Inhalt handelt, den man sucht.39

Der Mode konstituierende Prozess ist demnach immer an den Versuch einer jeweils eigenen Identitätskonstruktion gebunden. Diese Tatsache soll auch in der folgenden Analyse nicht unbeachtet bleiben, sondern erweist sich als Teil der Analyse selbst. Gleichzeitig ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass es »nicht darum gehen [kann] den ›Modeleser‹ aufzuklären«40, wie Roland Barthes es formuliert. Das Verhältnis der Analyse zu ihrem Gegenstand ist nicht von diesem zu isolieren, und es ist diesem auf gar keinen Fall übergeordnet. Vielmehr handelt es sich um eine mögliche Art und Weise im Ikonotext der Modestrecke die Konstitution von Mode kenntlich zu machen. Die Analyse ist selbst ein Teil des Prozess, der hier als Modehandeln aufgefasst wird, und kann nicht aus ihm herausgelöst werden. Sie ist in diesem Sinne somit nur der verbal-schriftlich verfasste Prozess einer möglichen Konstitution von Mode bei der Rezeption eines beliebigen IkonoModeTextes. Diese Praxis der Mode ist nur möglich, wenn ein scheinbarer Verlust, bzw. eine unumgänglich Transformation, berücksichtigt und hingenommen wird: die analysierende Übertragung des Bildes in die verbalschriftli37 38 39 40

Ebd., 165. Ebd., 173. Ebd., 175. Barthes 1985, 300.

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medium macht mode

che Sprache. Es wird darauf verzichtet, die Beispiel-Modestrecken zusätzlich zur Anschauung beizufügen, da der Schwerpunkt der Betrachtung die Mode ist, die sich zwischen Bild und Text abspielt. Diese Mode soll hier in ihrer spezifischen Transmedialität verbal-schriftlich zur Erscheinung gebracht und nachvollziehbar gemacht werden. Um dennoch den gesamten zugrunde liegenden Gegenstand, die Septemberausgabe der deutschen VOGUE, klarer fassen zu können, wird der eigentlichen Analyse zunächst eine Schilderung des Heftes vorangestellt, die deutlich macht, wie der Modeteil und insbesondere die Modestrecken in den Gesamtkontext der Zeitschrift eingebunden sind. Das Thema »Black Magic« dieser Ausgabe wird näher erläutert, und die einzelnen Modestrecken werden in ihren Grundzügen beschrieben, d.h. die vermittelten Informationen über beteiligte Personen, Setting, Inhalt etc. werden kurz zusammengefasst.

VOGUE »Black Magic«

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Das Thema »Black Magic« durchzieht als roter Faden das ganze Heft. Das Titelblatt gibt die vermeintliche Zielrichtung, aber auch die eigentliche Breite des Themas vor: »Black Magic – Eine Liebeserklärung an Mode, Make-up, Kunst und sexy Accessoires, sinnliche Dessous.«41 Jede redaktionell gestaltete Seite nimmt in einer mehr oder weniger offensichtlichen Weise auf dieses Leitthema Bezug, meist in metaphorischer Weise. Wobei die Thematik allerdings so weit gefasst wird, dass »Black Magic« letztlich nur noch als Kontur einer farbigen Erscheinung erscheint, die assoziativ mit vielen und z.T. sehr unterschiedlichen Affekten besetzt werden kann. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass das Titelthema sehr weit ausgelegt werden kann und soll. Die Modestrecken und andere Beiträge werden im Inhaltsverzeichnis nach Rubriken sortiert angekündigt, und es finden sich Beschreibungen wie »Hell-Dunkel-Look« (27), »Some like it Black« (ebd.) oder »Abendkleidern steht am besten Schwarz« (ebd.). Gleichzeitig umspannen die Titel so disparate Themen wie Engel, Tod, Sexyness, Tempelreisen und die »magische Natur« (43). Schwarze Magie als beschwörende Zauberkunst und als Schadenszauber spielt keine vordergründige Rolle; es geht vielmehr um die Magie der Farbe Schwarz im Zusammenhang mit kulturell interessanten und aktuellen Themen, wie z.B. der Modekleidung, der Malerei, des Interiordesigns. Unter der Rubrik VOGUE DESIGN finden sich die »Design News im Herbst: poetische Kontraste und überzeugendes Schwarz« (ebd.) und machen somit aus dem anfänglichen Zauber nunmehr eine Überzeugungskraft. Oder es findet sich bei-

41

VOGUE 9/2006, 1. Die jeweiligen Seitenangaben dieser Ausgabe erscheinen im Fließtext in Klammern.

IkonoModeText einer Modestrecke

spielsweise die Ankündigung des Berichts über eine Ausstellung in München mit dem Titel »Black Paintings«, in der es heißt: »Schwarz bedeutete New Yorks Malern nach 1945 Tiefe und Absolutheit« (ebd.). Gleichzeitig stehen diesem künstlerischen Schwarz »effektvolle Inszenierungen mit zarten Stoffen« (27) und »kurze Kleider in delikaten Farben« (ebd.) zur Seite. Beides, so die redaktionelle Aussage der VOGUE, verstärkt die magischen Wirkungen der Farbe Schwarz: »Extrem spektakulär: der Mix mit Schwarz« (ebd.). Schwarz wirkt wie ein Katalysator für die ihn begleitenden Effekte: »Schwarz verstärkt die Magie noch« (34). Schwarz erzeugt demnach etwas, das als poetisch, überzeugend, tief, absolut und dunkel gesehen werden kann. Diese Annahme kulminiert unter der Rubrik VOGUE BEAUTY/HEALTH in folgender Aussage von Psychologen: »Melancholie macht schlau und sexy« (ebd.). Die Fotos illustrieren auf den Seiten des Inhaltsverzeichnisses die angekündigten Themen und stehen beispielhaft für die Modestrecken. Fast alle Bilder sind nur in Ausschnitten abgebildet und sehr klein gehalten; nur ein Bild, das eines Models mit schwarzem Abendkleid, ist freigestellt. Die Inhaltsverzeichnisseiten stehen in keiner rezeptiven Relation zu den ihnen zur Seite gestellten Werbeanzeigen und den sie unterbrechenden Werbestrecken. Sie bilden vielmehr einen ganz eigenen, deutlich als abgegrenzt wahrnehmbaren, informativen Eingangsbereich der Zeitschrift. Das ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass das Layout der Inhaltsverzeichnisseiten einen stark aufzählenden und auflistenden Charakter hat: Rubriken, Titel, Seitenangaben und Beispielbilder mit kurzen Bildunterschriften. Der Text ist durchgehend auf weißem Grund gesetzt, auf dem auch die illustrierenden Fotografien angeordnet sind. Dadurch setzen sich diese redaktionellen Eingangsseiten relativ deutlich von den Werbeanzeigen, meist ganzseitige Fotografien mit eingeschriebenen Labelnamen, ab. Nur selten findet sich eine weiße oder andersfarbige Bildrahmung, Randgestaltung oder Bildunterlegung bei den Werbeseiten. Und obwohl das Thema »Black Magic« in keinem direkten Zusammenhang mit der Gestaltung der Werbeanzeigen steht, lassen sich diese durch die umfassende inhaltliche Zielrichtung des Heftes nun auch nur innerhalb dieser Kontextualisierung sehen. Sie gewinnen dadurch eine spezifische Eigendynamik: Beim Durchblättern der Werbestrecken ist die so genannte magische Wirkungskraft der Farbe Schwarz durch die intendierte Aussagekraft des Covers und die informativen und assoziativen Erläuterungen des Inhaltsverzeichnisses bereits zum assoziativen Hintergrund und zu einer scheinbar spezifischen Kenntnis auf Seiten der Rezipienten geworden. Schwarz ist somit bereits zu Beginn des Heftes, also nur durch die verbalen und bildlichen Ankündigungen des Covers und des Inhaltsverzeichnisses, und die damit evozierte Aufmerksamkeit für die verschiedensten Aspekte von »Black Magic«, nicht mehr nur eine Farbe, sondern eine Haltung, ein Lebensgefühl, eine Einstel-

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medium macht mode

lung und ein Gestaltungswille. Die ersten vier redaktionell gestalteten Seiten des Inhaltverzeichnisses verankern das Thema mit einer umfassenden intentionalen Gültigkeit in fast allen Lebensbereichen der Leserschaft: Beauty/Health, Menschen, Kultur, Szene, Design und Reise. Der Modeteil mit den eigentlichen Modestrecken ist in diese thematische Klammer eingebunden. Diese Klammer bildet erst den Horizont, vor dem sich die in den Modestrecken dargestellte Kleidung als Modekleidung begreifen lässt. Beispielsweise wird die Farbe Schwarz in dem Bericht »Sozial = Sexy« (120) – angekündigt unter der Moderubrik, überschrieben mit der Rubrik VOGUE LOOK – über das dänische Label Noir mit sozialem Engagement und erotischer Ausstrahlungskraft in Verbindung gebracht. Es wird konstatiert, der Label-Gründer Peter Ingwersen verbände »Sinn und Sinnlichkeit« (122), weil er »›soziale Verantwortung begehrenswert machen‹« (ebd.) will. Der Bericht informiert über die hohen moralischen und ethischen Ansprüche des Labels, das versucht, seine Produkte nach Kriterien des Fair Trade und des Umweltschutzes herzustellen. Die Erkenntnis, die dem Leser letztlich deutlich gemacht werden soll, lässt sich in der Aussage »Noir sei ein politisches Statement« (ebd.) erkennen: Schwarze Kleidung und Kleidung des Labels Noir werden somit gleichermaßen zum Ausdruck einer gesellschaftspolitischen Verantwortung, die anziehend wirkt. Bei dem Bericht über die Modefotografieausstellung »Heartbeat of Fashion« des Sammlers und Fotografen F.C. Gundlach in den Hamburger Deichtorhallen wird unter dem Titel »Alles Pose« (140) das Thema Mode mit Bedeutung und Sinn aufgeladen. Wie zuvor bereits die Fassade abgelehnt und der bedeutungsvolle Inhalt der Modekleidung in den Vordergrund gestellt wurde42, so wird auch in diesem Beitrag die Mode anhand F.C. Gundlachs Erläuterungen zur Modefotografie erweitert: Mode ist zuerst einmal mehr als nur auf ihre Funktion reduzierte Kleidung. Sie ist immer auch integraler Bestanteil des Lebens der Menschen, und das wird in der Modefotografie sichtbar.43

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Die entsprechend zu verneinende Frage, ob Mode »Bloß Fassade?« (140) sei, und die große Bedeutung der Pose für die Modefotografie stehen in einem direkten und zwar unmittelbar ikonotextuellen Bezug zueinander, sobald man die Seitengestaltung des Berichtes betrachtet: Mehr als vierzig Models posieren in unterschiedlichen, überwiegend einfarbigen Kleidern in den Fenstern eines klassizistischen Stadthauses. Es scheint als würden sie versuchen, möglichst viel des geöffneten Fensters mit ihren meist erhobe42

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In dem Bericht zum Modelabel Noir wird der Designer Peter Ingwersen u.a. mit den Worten zitiert: »Die Kunden wollen heute nicht mehr nur Fassade.« (VOGUE, 122.) Das Zitat ist aus dem Fließtext hervorgehoben und im Zusammenhang als ein Credo des Künstlers zu verstehen. Ebd., 143.

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nen Armen und weit gespreizten Beinen auszufüllen. Fassade und Pose bilden in der Fotografie »Girls in the Windows« von Ormond Giglis aus dem Jahr 1960 eine gemeinsame Bildebene: Die Posen sind Teil der Fassade und gleichzeitig ein Hinweis auf den Raum dahinter. Der Fassade wird somit ein bedeutungsvoller Inhalt hinter der äußerlichen Form zugeschrieben, der sich in der Pose zeigt. Bild und Text wirken somit gemeinsam bedeutungsstiftend. An dieser Stelle wird, übrigens unter der Rubrik VOGUE BLICKPUNKT, im Zusammenhang mit der Tradition der Modefotografie reflexiv auf das Bild Bezug genommen, und es wird vor allem hinsichtlich seines ästhetischen Wertes konnotativ aufgewertet. Die Modefotografie wird somit sowohl auf Textebene als auch durch ihre Nebeneinanderstellung mit Fotografien bildender Künstler als Kunstform markiert: Werke von Laurie Simmons und Martin Kippenberger sind eingereiht zwischen Modefotografien von George Hoyningen-Huené und einem sehr frühen Porträt von Octavius Hill und Robert Adamson aus dem Jahre 1843. Diese Inkunabeln der Fotografiegeschichte adeln letztlich die Modefotografie als Kunst ohne ihrer Spezifität gerecht zu werden. Der HAUTE COUTURE REPORT (148-156) verstärkt den allgemeinen Eindruck, dass die deutsche VOGUE bemüht ist, die Modekleidung (kunst-) historisch als Pariser Haute Couture zu verankern und ihre weltweite Gültigkeit fortzuschreiben: »In Paris reisten die Designer bei den HauteCouture-Défilés durch viele Länder – und in die Vergangenheit.« (Ebd.) Sogar die klaren Linien der Kollektion von Jean Paul Gaultier und die Schlichtheit farblicher Monochromie bei Givenchy lassen sich durch diese thematische Überschreibung mit den prachtvollen Entwürfen von John Galliano für Christian Dior oder den »opulenten Details« (156) bei Chanel scheinbar zu einem Gesamteindruck bündeln. Die Modemetropolen Mailand, Hollywood und Rom werden zu Stationen einer Zeitreise durch sämtliche kunsthistorische Epochen und durch die diversen Ethnien von »Afrika bis Asien« (154): Das Zentrum und der Ausgangspunkt bleibt jedoch Paris. Kulturhistorisch bemerkenswerte Filmwerke werden zitiert, die disparater nicht sein können: Marcel Carnés Kostümfilm von 1942 Die Nacht mit dem Teufel und George Lucas’ Science-Fiction-Saga Star Wars. Der Report subsumiert alles noch so Widersinnige unter seiner vereinenden Sicht auf das vergangene Kunstvolle und der Beschwörung dessen Wiederkehr. Das Mittelalter, die spanische Renaissance, das französische Empire, die Gotik kombiniert mit den Sixties, und auch die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts lassen sich erst durch die redaktionelle Hilfestellung in Form von Kurztexten auf den dokumentarisch anmutenden Fotografien entdecken. Die Assoziation mit den manieristischen Gemälden von Bronzino wird der Betrachterin hinsichtlich der Kollektion von Karl Lagerfeld für Chanel und ihrer »Renaissancepracht« (156) im begleitenden Text nahe gelegt. Pointieren lässt sich sowohl die Wirkung der abgebildeten

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Kleidung als auch ihrer redaktionellen Aufarbeitung mit den ebenfalls abgedruckten Worten John Gallianos, der seine Schau durch den Auftritt eines männlichen Models in einem Raumanzug beendete: »Es ist ein Traum auf dem Planeten Botticelli zu landen.« (149) Das eigentliche Thema »Schwarz« wird beim HAUTE COUTURE REPORT durch die Metapher des Reisens »Durch Raum und Zeit« (148), so der Titel, überlagert. Nur bei der Beschreibung der Kollektion von Riccardo Tisci für Givenchy findet sich der Hinweis auf »magisch anmutende Schwarz- und Brauntöne« (154). Die Tatsache, dass das eigentliche Heftthema an dieser Stelle in den Hintergrund tritt, lässt sich allerdings inhaltlich sehr leicht nachvollziehen und begründen, da es sich bei dem Report um eine Aussicht auf das handelt, das noch kommen wird. Es sollen vielmehr Visionen der kommenden Trends erzeugt und nicht bereits konkrete konsumierbare Kleidungsstücke dargestellt werden: Schwarz ist aktuell, und Opulenz kommt. Wie es der Zeitschrift gelingt das Gegensätzliche zu vereinen und somit gewisserweise die Ambivalenz und das Paradoxale der Mode per se zu veranschaulichen, wird bei der Betrachtung der Rubrik VOGUE BEAUTY besonders auffällig. Überschrieben mit »Pur & Cool« (170) sind sieben überwiegend schwarze Duftflakons auf einer Doppelseite abgebildet. Die Flakons spiegeln sich auf einem sehr dunklen, glatten, kalt anmutenden Untergrund, der fast unmerklich in den ebenfalls dunkelgrauen Hintergrund übergeht. Das Pure und Kalte wird in der Fotografie überaus deutlich. Widersinnig bis nahezu absurd wird die Wirkung des Bildes erst, wenn man den einführenden Text liest: »Minimalistisch, elegant, geheimnisvoll: Schwarz ist das neue Pastell der Duftwelt.« (177) Was kann damit gemeint sein? Ist Pastell doch einerseits eine künstlerische Maltechnik und bezeichnet auch die dazugehörigen Kreiden, während es gleichzeitig alltagssprachlich als Farbton für zarte und duftige Farben steht. Doch auch dieser zunächst offensichtlich scheinende Widerspruch klärt sich beim Weiterlesen auf: Die dominanten Duftkomponenten der dargstellten klaren und kühlen Parfüms sind zurückzuführen auf das zarte Gelbgrün der Bergamotte, das helle Rosa der Mairose und das weißliche Apricot »geeister Mango« (ebd.). Liest man jedoch weiter, tritt die Ambivalenz des Schwarzen nicht nur besonders deutlich hervor, sie wird tatsächlich absurd: so »feiert die Orangenblüte« (ebd.) von Armani letztlich »mit schwarzen Veilchen« (ebd.) von Kenneth Cole.44 44

Ohne die von Seiten der Redaktion intendierte Assoziationskette überstrapazieren zu wollen, muss angemerkt werden, dass die unbewusst evozierten Bilder durch das Wurzelwerk des Süßgrases Vetiver und durch das Sandelholz kaum in den Kontext der Farbe Schwarz und des Pastells passen. Und beim ebenfalls genannten Duftstoff Moschus, der ursprünglich aus dem Drüsensekret des im ostasiatischen Hochland lebenden Moschushirschen gewonnen wird, möchte der Rezipient vermutlich nicht mehr weiter frei assoziieren.

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Ein anderes Thema, das parallel zum Schwarzen durch alle Rubriken Präsenz zeigt, ist das Haar. Nicht nur die Tatsache, dass seine Pflege im Beautyteil besonders viel Raum einnimmt, ist auffällig.45 Rückblickend wird es insbesondere in den Werbeanzeigen dieser Ausgabe besonders eindrucksvoll inszeniert: Auf fast jeder zweiten Werbefotografie wirbeln natürlich anmutende, lange Haarmähnen wie vom Wind zerzaust wild durcheinander oder sind entsprechend voluminös gestylt. Es überwiegen lange Haare, ohne Pony, meist seitlich gescheitelt in natürlichen Farbtönen. Nachdem die Rubrik VOGUE MENSCHEN mit »Einfach magisch« (226) überschrieben ist und sich dort porträtierende Schnappschüsse und Zitate von Joanne K. Rowlings, der Autorin der Harry-Potter-Romane, Jean Reno, einem Darsteller der Romanverfilmung des Bestsellers »Sakrileg« von Dan Brown, und dem Papst finden, verwundert es kaum wie weit der Assoziationsraum von »Black Magic« von Seiten der Redaktion intendiert ist. Entsprechend wird die Seite eingeleitet mit den Worten: »›Unheimlich‹ schöne Erlebnisse und Gedanken zum Zauber des Lebens«.46 Die Rubrik VOGUE DESIGN handelt von »Design News« (230) im Bereich Inneinrichtung, den »Design-Legenden« (232), der Liebe des Audi-Chefdesigners Walter de Silva zur Farbe Rot und von technischen Neuigkeiten auf dem Design-Markt (249). Das Dargestellte und die Seitengestaltung an sich sind überwiegend in der Farbe Schwarz kontrastierend mit Weiß gehalten. Es handelt sich, so die Redaktion, um »poetische Kontraste und überzeugendes Schwarz« (230), die sich vor allem in Wortkonstruktionen wie »Gefellig« (ebd.) als Beschreibung für einen Hocker aus schwarzweißem Kuhfell, »Massiv filigran« (ebd.) für einen Paravent aus geschwungenen, schmalen und geschwärzten Eisenstangen und »Schön schief« (ebd.) für einen weißen Sessel mit schwarzen verschobenen Kantenbändern zeigen. Die Farben Schwarz und Weiß werden auf diesen Seiten in ihrem ganzen Facettenreichtum betont, und der Autodesigner wird mit den Worten »Farben sind ein Kommunikationsmittel« (236) zitiert.47 Überraschenderweise folgt diesen sehr monochromen Seiten dann unter der Rubrik VOGUE REISE eine vielschichtige Farbimpression, die sich aus 45

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Die Rubrik VOGUE BEAUTY wird von einer Haarfotografie eingeleitet und dominiert von einer fünfseitigen Werbeanzeige von L’Oreal, die nur durch einen kleinen Hinweis am Bildrand als VOGUE PROMOTION kenntlich gemacht ist. VOGUE, 226. Papst Benedikt XVI. wird in diesem Zusammenhang zitiert mit den Worten: »Als ich merkte, dass die Wahl auf mich zulief, hatte ich das Gefühl, als sause ein Fallbeil auf meinen Nacken herab.« (Ebd.) Fraglich bleibt, was daran magisch oder »›unheimlich‹ schön« (ebd.) ist. Und offen bleibt, warum der Papst mit gerade diesen Worten an diesem Ort präsentiert wird. Der Designer berichtet »über die Macht der Farben und warum Autos weiblich sind« (VOGUE, 234). In diesem Zusammenhang lässt sich auch folgende Aussage von ihm nicht mehr in einem farbpsychologisch unbelasteten oder relativ neutralen Zusammenhang sehen: »Nie würde ich in ein grünes Auto steigen.« (Ebd.)

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acht Einzelbildern zusammensetzt und kulinarische, religiöse und ornamentale Eindrücke von Laos und Kambodscha liefert. Überschrieben ist die insgesamt fünfseitige Reportage mit »Buddhas Hangout« (251), und es geht um das »Tempelparadies, magische Natur – und gutes Karma als Souvenir« (ebd.). Entgegen dem bisher dominierenden Schwarzen stehen nun die Leuchtkraft der Farben, das strahlende Helle und der Glanz der Sonne im Fokus des Interesses. Das Magische wird nun verbunden mit einer verklärenden Naturästhetik, die sich vor allem in der symbolischen Kraft von Blüten zeige (»Pure Schönheit – die Lotusblüte, mythisches Symbol für die heilenden Kräfte der Zeit« [252]), und einer distanzlosen Darbietung der buddhistischen Religion (»Glanzlichter – Buddha, der Erleuchtete im Abendschein« [251]).48 Der so genannte Lieblingsort Buddhas ist eine Reiseberichtseite weiter auch ein »Badeparadies für Reisende nach ausgiebiger Kulturtour« (254). »Glücksmomente« (ebd.), »Augenschmaus« (ebd.) und »Nahrung für die Seele« (ebd.) ermöglichen »Rauschende Feste« (256). Der augenfällige Sinn dieser Reise ist – so drängt es sich auf: »Wellness für die Augen« (254). Entsprechend entspannt und beglückt berichtet die Autorin über »in leuchtenden Farben gekleidete Menschen, die freudestrahlend von überfüllten Busschiffen herüberwinken« (ebd.). Die vermittelte Stimmung entspricht dem reinen Rosarot der Lotusblüte und der Morgensonne: »Knallpink färbt sie den bräunlichen Mekong« (251). Der Bericht erzählt im Plauderton von dem Erlebten, enthält sich jeglicher gesellschaftspolitischer oder ökologischer Fragestellungen und scheut sich dennoch nicht, diese Leichtigkeit einer unkritischen Haltung in der entsprechend unreflektierten Aussage »Mit Lichtgeschwindigkeit vom Steinzeitkommunismus zum Wellness-Paradies« (265) münden zu lassen.49 Zudem ist die Bildunterschrift »Sexy Angkor: barocke Statue einer Tempeltänzerin« (256) ein offensichtlicher Beleg für das unverhohlene eurozentrische Kulturverständnis der Verfasserin. Der ReiseReportage folgen noch vier weitere Seiten der Rubrik VOGUE REISE, und zwar die »Reise News« (260), das »Hotel des Monats« (262), die »City News« (264) und »Ferienhaus zu mieten« (265). Die dort empfohlenen Städte sind z.B. Berlin oder Istanbul, die Regionen liegen in Italien oder Südfrankreich und die »Hacienda statt Finca« (ebd.) auf Mallorca. Es handelt sich durchweg um exklusive Hotels und Restaurants aus einem hohen Preissegment.

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Folgende Beschreibung eines buddhistischen Rituals verstärkt diesen Eindruck: »Die Gewänder leuchten Safrangelb in der Morgensonne, die kahlen Köpfe schimmern wie Elfenbein.« (VOGUE, 251.) Die Autorin Patricia Engelhorn ist freie Reisejournalistin und schreibt u.a. für Die Zeit, Die Weltwoche und Die Welt.

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Die hier angeführten Beispiele können und sollen nur ansatzweise einen Eindruck vermitteln, wie eng das thematische Netz das ganze Heft durchzieht und wie weit die Assoziationsspielräume angelegt sind. Und die nun folgende, kurze, auf den Inhalt bezogene Schilderung des Modeteils wird zeigen, dass auch die Reiserubrik, die ja zunächst losgelöst vom Thema »Black Magic« erscheint, den Modeteil in einen durchaus konkreten informativen und intentionalen Rahmen stellt. Dieser weite Kontext führt den Leser insbesondere bei der Betrachtung der einzelnen Modestrecken immer wieder in das bereits Erfahrene zurück und verbindet somit die Modestrecken assoziativ zu einem Gesamtzusammenhang. Gleichzeitig wird deutlich, dass der ganze Zusammenhang nur assoziativ hergestellt werden kann, und dass dieser eine sehr große Spannbreite aufweist, vor allem aufgrund der teilweise sogar absurden Zusammenstellung von Widersinnigem, Gegensätzlichem und inhaltlich nicht nachvollziehbaren Zusammenhängen. Einerseits verstärkt sich dieser widersprüchliche Eindruck zwar, andererseits wird das Netz der Eindrücke jedoch immer dichter; sie beginnen sich zu überlagern, so dass die Brüche und Widersprüche weniger offensichtlich in Erscheinung treten. Entsprechend wird der Modeteil mit folgendem Einleitungstext eingeführt: Die Nacht beginnt, wenn das Bunte sich in der Dämmerung verliert. Deshalb ist Schwarz auch keine Farbe, sondern deren Abwesenheit. Mal empfinden wir es als aufregend bedrohlich, mal als wohltuend beruhigend in einer Welt, in der grellgezeichnete Enthüllungen um Aufmerksamkeit buhlen. Doch wir sehnen uns nach dem Wesentlichen: Die außergewöhnlichen Silhouetten dieser Saison entfalten erst durch zurückhaltende Coloration ihre ganze Faszination. Auch für die New Yorker Maler nach 1945 bedeutet Schwarz Tiefe und Absolutheit, wie eine Ausstellung in München zeigt. Absolut mag Schwarz sein, egoistisch ist es nicht: Mit Weiß geht es in der neuen Tages- und Abendmode eine dramatisch kontrastreiche Allianz ein, aktuellen bunten Pop-Looks verleiht es einen Touch von Provokation.«50

»Schwarz ist keine Farbe« (267), sondern vielmehr eine Einstellung zu allen gestaltbaren Facetten des Lebens. Es geht demnach um Empfindungen, die zwischen »aufregend bedrohlich« (ebd.) und »wohltuend beruhigend« (ebd.) schwanken, es geht also um eine ganze Bandbreite emotionaler Intensitäten. Das Magische des Schwarzen und Dunklen wird zum Sinnbild einer Sehnsucht »nach dem Wesentlichen« (ebd.). Das Besondere zeigt 50

VOGUE, 267. Vgl. zu diesem Format Borelli 1997. Borelli untersucht in dem Aufsatz »VOGUE’S Point of View«. Dieser modische Standpunkt der britischen VOGUE ist ähnlich wie der Einleitungstext der deutschen VOGUE dem Modeteil vorangestellt. Mittlerweile findet sich jedoch in der deutschen VOGUE kein Text mehr vor dem Modeteil, sondern ein typografisch gestalteter VOGUE-Schriftzug, der das Thema des Heftes in seiner besonderen Gestaltungsform widerspiegelt. Die Zeitschrift wird nun von einem VOGUE EDITORIAL eingeleitet, in dem sich die Redaktion informierend und weitaus weniger impressionistisch, pathetisch und metaphorisch an die Leserschaft wendet, um das jeweilige Thema vorzustellen.

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sich in der Zurückhaltung und das Absolute in der Verbindung mit seinem Gegensatz. Die Nicht-Farbe Schwarz ist in dieser Art Zusammenschau eine Omnipotenz, die zurückhaltend provoziert. Und obwohl sich das Bunte bereits in der Dämmerung verliert, wie es die Redaktion ausdrückt, zeigt sich die Nacht in »aktuellen bunten Pop-Looks« (ebd.). Die angesprochenen Kontraste sind tatsächliche Widersprüche, die das permanente Spiel um die Konstitution von Mode im Ikonotext immer wieder aufs Neue in Bewegung setzen. Und zwar nicht nur in Hinblick auf die Mode von gestern oder morgen, sondern insbesondere die augenblickliche Wahrnehmung einer Modestrecke wird von diesem Paradoxalen motiviert. Sie ist nicht ohne dieses Pendeln zwischen den Konstruktionen inhaltlicher Gegensätze begreifbar. Genauso wie die Mode in der Zeitschrift nur durch ihre spezifische ikonotextuelle Kombination, die die Unüberführbarkeit des Paradoxalen an sich durch die Verschränkung von Bild und Text im Wahrnehmungsprozess widerspiegelt, in Erscheinung tritt. Der zitierte Text findet sich vor dem Modeteil auf einer rechten Heftseite, die linke Seite ist eine Werbeseite des Schweizer Modelabels AKRIS. Image und Credo des Firmenbesitzers und Chefdesigners Albert Kriemler, der das Haus von seinem Vater übernahm, ist vor allem die Betonung der materialen Qualität der Kleidungsstücke. Der wesentliche Fokus der Kollektionen liegt demnach explizit beim Tragegefühl des Kunden. Für die vorliegende Untersuchung ist der Umgang des Labels mit dem Wissen um die Macht des Visuellen von Belang, wie es folgende Aussage Kriemlers auf der Website des Unternehmens auf den Punkt bringt: Mode ist eine visuelle Branche. Kleidung trägt man jedoch auf der Haut, daher ist das Gefühl für uns sehr wichtig. Unsere Sensibilität verlässt sich nicht auf den visuellen Eindruck und setzt nicht auf das Demonstrative.51

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Neben der Materialität setzt das Label vor allem auf »schnörkellosesSchnitte« und die daraus resultierenden »unkomplizierte[n] Silhouetten«.52 Die »Schlichtheit«53, die das visuelle Erscheinungsbild der Kollektionen dominiert, korrespondiert in der Zeitschrift zu Beginn des Modeteils vor allem mit der Betonung des Schwarzen als »wohltuend beruhigend« (267), der Sehnsucht »nach dem Wesentlichen« (ebd.) und den »außergewöhnlichen Silhouetten« (ebd.) auf der rechten Seite. Betrachtet man die beiden Seiten als Doppelseite, kann der Text anfänglich nahezu als Erläuterung der Werbefotografie verstanden werden. Der Hell-Dunkel-Kontrast des Schwarzauf-Weiß des Textes und des Kleides auf der Haut des Fotomodells stehen in einem weiteren Kontrast zum Weiß auf Schwarz des Firmenlogos im linken unteren Bildrand der Werbefotografie. Folgende, so genannte »Phi51 52 53

Kriemler 2008. Ebd. Ebd.

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losophie«54 des Labels bringt die paradoxale Wirkmacht und den Eindruck permanenten Wechsels der Mode zum Ausdruck: »Mode zu schaffen bedeutet ein Hin- und Herschalten zwischen Kontrasten.«55 Übertragen auf die Konstitution der Mode zwischen Werbefotografie und redaktionellem Text auf dieser Doppelseite heißt es dasselbe: Mode entsteht auch an dieser Stelle, d.h. im Bereich Werbung und ihrer kontextuellen Einbettung, nur im permanenten Hin- und Herschwanken zwischen den Medien Bild und Text. Mode erscheint zwischen den schwarz-weißen Polen visueller und verbal-schriftlicher Vermittlung. Der so bereits deutlich gewordene Hell-Dunkel-Kontrast wird nun auf den folgenden zehn Seiten der Modestrecke »Kunst-Stücke« (268-277) zum »Hell-Dunkel-Look« (ebd.). Die Szenen spielen in einem alten Bildhauer-Atelier mit all seinen künstlerischen Utensilien, das namenlose Model geriert zur Muse.56 Obwohl es auf einer Fotografie selbst das Klopfholz eines Bildhauers in der Hand hält, erscheint es auf den folgenden Seiten doch vielmehr selbst als Ausstellungsstück, wenn es über einer Werkbank im Regal sitzt (273), sich zwischen großformatigen Fotografien von Skulpturen einreiht (274), oder wenn es auf einer Art Sockel eine äußerst artifizielle Pose einnimmt (276). Neben monochromen Farbfotografien finden sich auch drei braunstichige Schwarz-Weiß-Fotografien, die farblich sowohl mit dem abgebildeten Holz als auch mit dem kupferfarbenen Haar des Models eine Verbindung herstellen. »Pop Up!« (278-291) ist geradezu eine Aufforderung das Schwarz der Nacht mit knalligen Farbeffekten aufzupeppen, aus dem Dunkel herauszutreten, herauszuwirbeln und mit lautem Farbgetöse aufzutauchen. Diese 14-seitige Modestrecke vom Fotografen Thomas Nützl »schwelgt in flirrendem Farbrausch« (278). Sie ist im New Yorker Stadtraum aufgenommen und spielt exzessiv mit der Verschränkung von Körperhülle und Urbanität. Symbole des Städtischen wie Graffiti, Leuchtreklamen, Plakate oder andere Hinweisschilder gehen eine visuelle Allianz mit der inszenierten Kleidung ein. Wieder wechseln sich Farb- und Schwarz-WeißAufnahmen ab. Wie bereits bei der BEAUTY-Rubrik bemerkt, stehen wiederum glatte lange, natürlich braune Haare im Fokus des Interesses: Sie werden herumgewirbelt, bedecken fast immer eine Gesichtshälfte und somit ein Auge des Models und sind meist in der Mitte gescheitelt. Die Silhouetten, die bereits beim Einleitungstext im Zusammenhang mit der Werbeanzeige des Labels AKRIS als spezifische modische Qualität 54 55 56

Ebd. Ebd. In allen Strecken werden weder die Namen der Fotomodelle genannt, noch deren Agentur. Die Namen der Produktionsleitung und die der Hair- und Make-UpStylisten werden neben den verwendeten Produkten im letzten Text genannt.

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hervorgehoben wurden, sind bei den zwölf Seiten der Strecke »Form: Schön« (292-303) das wichtigste Gestaltungsthema. Der Hintergrund ist immer einfarbig hell gehalten, und die bekleidete Figur des Models hebt sich dunkel davor ab. Oft füllt das Model den ganzen Bildraum aus von der Schuhspitze bis zum Haarschopf, der in dieser Strecke übrigens streng zurückgekämmt oder von einem Hut bedeckt ist. Einige Male ist der Bildausschnitt oben und unten leicht angeschnitten. Das Fotomodell nimmt auffällige Posen einer eleganten Selbstbehauptung ein: Die Hände sind oftmals zu Fäusten geballt oder in die Hüfte gestützt.57 Der unmittelbar anschließende Bericht »Paint it black!« (304-307, Fortsetzung 356) handelt von etablierten und berühmten Malern aus dem New York der Aufbruchsstimmung nach dem zweiten Weltkrieg: Robert Rauschenberg, Frank Stella, Mark Rothko und Ad Reinhardt. Schwarz wird im Zusammenhang mit ihren Werken als »›heilige Farbe‹ der amerikanischen Moderne« (307) bezeichnet, zu besichtigen in einer derzeit aktuellen Ausstellung mit dem Titel »Black Paintings« im Haus der Kunst in München. Die Farbe Schwarz wird als »Nullpunkt für einen neuen Anfang« (356) in der Kunst gehandelt, als »Läuterung« (ebd.) in Zeiten der Reizüberflutung. Quittiert wird diese Einschätzung mit einem Zitat von Paul Klee: »Wir müssen Schwarz nicht verstehen, es ist der Urgrund.« (Ebd.) Der folgende Beitrag schließt daran insofern an, als dass er ebenfalls auf die Suche nach dem Ursprünglichen zielt, und zwar auch unter Betonung des Heiligen. Bei dem so genannten »Engel von Benares« (308-315) handelt es sich um die Deutsche Stella Deetjen, die in der Pilgerstadt Benares (offiziell: Varanasi) eine Straßenklinik für Leprakranke und ein Heim für Straßenkinder aufgebaut hat. Es ist ein achtseitiger Bericht, der mit einem Ganzkörperporträt auf einer Doppelseite beginnt; es folgen zwei ganzseitige Fotografien, eine Doppelseite mit acht Fotografien und zwei Seiten, die jeweils ca. ein Drittel Text und ein Bild enthalten. Zudem wird der Text im Anschluss an den Modeteil mit zwei Seiten fortgesetzt (357f.). Bei den Bildern handelt es sich sowohl um Farb- als auch um Schwarz-WeißFotografien von Matthias Ziegler. Es sind überwiegend Menschen in ihren unmittelbaren urbanen Lebenssituationen dargestellt. Die Bilder wirken einerseits durch ihre große Farbintensität und andererseits durch die ausdrucksstarken, fremdartigen Antlitze ihrer Akteure sehr beeindruckend. Stella Deetjen, »die schön ist wie ein Model« (ebd.) wird von der Journalistin Britta Petersen als »[g]roß, schlank, auffallend« (ebd.) beschrieben. Sie, die von anderen als »verrückt oder eine Heilige« (ebd.) angesehen wird, denkt selbst »nicht in diesen Kategorien« (ebd.). Stella Deetjen, so schreibt 57

Insgesamt erinnert die Strecke offensichtlich an das Werk F.C. Gundlachs, das hinsichtlich der von ihm zusammen gestellten, derzeit aktuellen Ausstellung bereits zuvor Thema der Zeitschrift war.

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die Autorin, »vereint Sinnsuche und bürgerliche Arbeitsethik in einer Person« (ebd.). Die Vermittlung eines sozialkitschigen Eindrucks soll, so scheint es, so gut es geht vermieden werden; die Reportage endet mit einer direkten Spendenaufforderung für den Trägerverein der Projekte Deetjens. Die anschließende Modestrecke »Dark Angel« (317-327) thematisiert die Farbe Schwarz als prägendes Zeichen der »modische[n] Avantgarde« (317). Ein sehr hellhäutiges Fotomodell mit platinblond gefärbten, sehr kurzen Haaren und teilweise extrem außergewöhnlichen Kopfbedeckungen58 posiert mit meist direktem Blick in die Kamera vor einer ParkhausKulisse, die sich überwiegend durch Beton und Nummernschildlose Neuwagen auszeichnet. Auffällig sind vor allem die dezent eingesetzten farbintensiven Accessoires wie lila- und rosafarbene Schleifen, eine pinkfarbene Samthose, oder auch die Rückscheinwerfer der Autos und Motorroller. »Tief im Herzen bist Du« (328-331) ist der Titel eines vierseitigen Interviews mit der Schriftstellerin Cornelia Funke nach dem Tod ihres Mannes. Es handelt sich um zweieinhalb Seiten Text, ein ganzseitiges SchwarzWeiß-Fotoportrait vor einem gestickten Wandteppich59 und um ein halbseitiges farbfotografisches Portrait, auf dem sie die Hände wie zum Gebet und als Zeichen innerer Versenkung vor dem Gesicht zusammengeführt hält; der Text wird im Anschluss an den Modeteil mit eineinhalb Seiten, d.h. drei Spalten, fortgesetzt (359f.). Die deutsche »Geschichtenerzählerin« (359), wie sich Cornelia Funke selbst bezeichnet, berichtet offen und tiefsinnig über den erlittenen Verlust. Thema ist die alltägliche Vermischung von Freude und Trauer, der »Glücksmomente« (331) im Zusammensein mit Familie und guten Freunden mit dem Vorhandensein »melancholischer Moment[e]« (359). »Schwarz auf Weiß« (332-337) lautet der Titel einer sechsseitigen Fotoserie über ein so genanntes »Haus der Kunst in Neuss« (332). Es handelt sich um ein doppelseitiges Foto, zwei ganzseitige Fotos und eine Doppelseite aus einer Textspalte (Fortsetzung 360) und sieben kleinen Einzelfotos, neben diversen Hausansichten auch ein kleines Ganzkörperportrait der Hausbesitzerin. Kernaussage der Reportage ist, dass die Gestalterin des Hauses neben Schwarz und Weiß nur »Grau, Silber und hie und da ein leuchtendes Azurblau oder Rostrot« (336) zulässt. Die außerdem zu grundgelegte Devise war, so die Hausherrin, »’nur die beste und lieber die teurere Version zu wählen« (ebd.).

58 59

Z.B. ein »schwarzweißes Foulard« (322) mit einem geflochtenen Haarzopf als Motiv, das quasi eine bei dem Model nicht vorhandene Frisur darstellt. Es ist eine Ackerbauszene mit Menschen und einem Hund zu sehen. Der textile Wandbehang spiegelt die mystisch literarische Welt der Kinderbuch- und Fantasybuch-Autorin wider.

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Der folgende Beitrag (338-341) von Birgit Schönau ist der Bericht über ihr Treffen mit dem Modedesigner Roberto Cavalli, den »Signore Sexy« (338), in dem er sich u.a. über die »vulgäre Weise« (341) echauffiert, in der manche Frauen seine Kleider tragen. Die fotografischen Porträts von Ralph Mecke, eines über Zweidrittel einer Doppelseite und ein zweites, kleineres den Text begleitend, zeigen einen alternden Playboy mit trübem Blick. »Zart besaitet« (342-349) lautet der Titel einer achtseitigen Modestrecke von Jenny Gage und Tom Betterton. Es geht um »kurze Kleider in delikaten Farben« (343), die von einem mittelblonden, langhaarigen Fotomodell in einem dunklen Innenraum mit nostalgischer Anmutung lasziv präsentiert werden. Die glatten, glänzenden Haare des Models treten im Verlauf der Modestrecke zunehmend in den Mittelpunkt. In dem VOGUE-GESPRÄCH »Herz über Kopf« (350-355) unterhalten sich der britische Multimilliardär Sir Richard Branson und der amerikanische Schauspieler Kevin Spacey über den derzeit aktuellen Superman-Film, in dem beide mitspielen, den ersten Flug einer Privatperson ins All, den Richard Branson plant, über das Leben in New York und London, über die Organisation des Alltags als viel beschäftigter Unternehmer und Schauspieler und über weiteres für die Modekonstitution belanglos Erscheinendes wie z.B. biografische Details der beiden. Flankiert wird die Aufzeichnung der Unterhaltung durch zwei, jeweils einseitige, als Doppelseite zusammengestellte Schwarz-Weiß-Portraits und ein einseitiges Doppelportrait. Im Anschluss an diese letzte Rubrik des Modeteils finden sich die gesammelten Text-Fortsetzungen der einzelnen Berichte. Dann folgen nur noch ein paar Seiten VOGUE BEI, einer Rubrik, die kurz die wichtigsten Events des vergangenen Monats und deren prominente Gäste fotografisch und namentlich aufzählt, die VOGUE SZENE, einer kurzen Rubrik weiterer »Shoppingnews« (366), die Bezugs- und Herstelleradressen unter VOGUE ADRESSEN und ein paar Seiten VOGUE HOROSKOP. Bemerkenswert ist nur noch eine VOGUE-Promotion-Seite (367), auf der redaktionell aufgearbeitet im Namen der VOGUE, Werbung für Produkte gemacht wird, die thematisch in das Heft passen. Das Heft endet mit der Seite VOGUE FAVORITEN, die die aktuellen neun schwarzen Top-Trends des Septembers proklamiert.

Mode zwischen Bild und Text Die bereits kurz vorgestellten fünf Modestrecken der Septemberausgabe der deutschen VOGUE von 2006, werden nun anhand des entwickelten Analysemodells untersucht.60 Um Redundanzen zu vermeiden und um

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Eine detaillierte Einzelanalyse der Modestrecke »Zart besaitet« (VOGUE, 342-349) anhand des hier entwickelten Modells findet sich in Venohr 2008b.

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den Gesamtblick auf die Kontextualisierung des Modeteils nicht zu vernachlässigen, wird nicht jede Modestrecke einzeln anhand des ganzen Modells, sondern hinsichtlich folgender Fokussierungen analysiert: I. »Kunst-Stücke« – Produktion, Präsentation und Perzeption II. »Pop Up!« – POSITIONEN, AUFMERKSAMKEIT und PUNCTUM III. »Form: Schön« – STRUKTUR, STIL und SCHREIBWEISE IV. »Dark Angel« – LESART, LEERSTELLEN und KOHÄSION V. »Zart besaitet« – KOHÄRENZ, ISOTOPIE und POSITIONSWECHSEL

I. »Kunst-Stücke« – Produktion, Präsentation und Perzeption

Der kurze Einführungstext, das Intro, bringt auf den Punkt, was mit der Modestrecke erreicht werden soll: Ein bestimmtes Material, nämlich real vorhandene Kleidungsstücke aus zarten Stoffen wie z.B. Chiffon61, soll hinsichtlich des Hell-Dunkel-Themas möglichst effektvoll inszeniert werden. Entsprechend lautet das Intro auf der linken Seite der ersten Doppelseite wie folgt: »DAS THEMA: MODE IM HELL-DUNKEL-LOOK. DAS MATERIAL: ZARTE STOFFE VON CHIFFON BIS SEIDE. DAS ERGEBNIS MEISTERHAFT EFFEKTVOLL.« (268) Die PRODUKTION der Modestrecke ist als Transformation zu begreifen, d.h. es findet eine Übertragung von Realem in die mediale Wirklichkeit der Fotografie statt. Kennzeichen dieser Übertragung ist, dass daran bestimmte Operatoren, Objekte, Positionen und Technologien beteiligt sind, die zusammen mit der bereits herausgestellten Intention und der jeweiligen konkreten Kontextualisierung der Strecke das Erscheinungsbild der Mode konstituieren. Der Kontext, in dem die Modestrecke erscheint, ist grundsätzlich durch die thematisch informierende Funktion des Modeteils der Zeitschrift VOGUE determiniert, d.h. in diesem Fall vor allem durch das Mode-Thema »Black Magic«. Dieser Erscheinungskontext der Modestrecke ist einerseits durch den Einleitungstext des Modeteils, aber auch durch die thematische Ausrichtung des ganzen Heftes bestimmbar. Betrachtet man die Modestrecke als einzelnes Format sind im Wesentlichen jedoch die jeweilige Überschrift und das kurze einführende Intro entscheidend. Beide bilden in Zusammenhang mit der Fotografie der ersten Doppelseite den Raum, in dem sich alles Weitere abspielen wird. In diesem Fall handelt es sich um zwei Fotografien, eine ohne und eine mit Fotomodel, auf denen jeweils die gleiche Ecke eines Bildhauer-Ateliers mit einem großen schwarzen Brennofen abgebildet Er steht vor einer verschmierten

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Die Art der Formulierung, dass Materialien »von Chiffon bis Seide« (VOGUE, 268) dargestellt werden, ist insofern missverständlich, als dass Seide vielmehr das Material und Chiffon eine Stoffart ist.

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schwarzen Wand, die in Brusthöhe nach oben hell abgesetzt ist. Das zunächst relativ dreckig und schäbig anmutende Szenarium wird unmittelbar durch den Titel »Kunst-Stücke« (ebd.) und das Wort »meisterhaft« (ebd.) zu einer kreativ künstlerischen Produktionsstätte; verstärkt wird dieser Eindruck durch die Vokabeln »Empire« (269) und »opulent« (ebd.) des ersten Beschreibungstextes auf der rechten Seite. Gleichzeitig bildet jede einzelne Seite der Strecke innerhalb der Verbindung von Bild und Text einen spezifischen Kontext, und zwar indem das fotografisch und verbalschriftlich Dargestellte einen jeweils eigenen Zusammenhang darstellt, der wiederum die gesamte Kontextualisierung des Modeteils voranschreiten lässt. Auf dieser ersten Seite stellt insbesondere die Betonung der »goldenen Stickereien« (ebd.) einen Zusammenhang sowohl mit den noch folgenden »goldfarbenen Paspeln« (277) her, während sie gleichzeitig vor dem Hintergrund des HAUTE COUTUTRE REPORTS (148-156), in dem die Rede von »opulenten Details wie festlich verzierten Gürteln« (156) ist, die »an Gemälde von Bronzino« (ebd.) erinnern, auf die bildende Kunst und deren Einflüsse auf die Mode verweist. Die Operatoren der Modestrecke, der Redakteur, der Fotograf, das Model, der Texter, Art Director etc. erwirken durch ihr jeweiliges praktisches Vorgehen eine bestimmte Erscheinungsweise des IkonoModeTextes. Zwar lassen sich anhand einer Modestrecke nicht die jeweils konkreten Entscheidungen rekonstruieren, die zu ihrem spezifischen Erscheinen geführt haben. Es lässt sich aber grundlegend festhalten, dass der Großteil ihres Erscheinens intentional von diesen Operatoren bestimmt worden ist, d.h. die Kleidungsstücke, der Ort, der Typus des Models, der Titel der Strecke etc. sind ausgewählt worden, weil sie so und nicht anders die intendierte Mode konstituieren können. Die Funktion der Operatoren ist demnach letztlich, durch eine bestimmte Auswahl aus einer Reihe von Möglichkeiten, etwas Bestimmtes zur Erscheinung zu bringen. Die meisten Objekte einer Modestrecke sind demnach ausgewählt und aufgrund dieser Auswahl hinlänglich determiniert. Sie umfassen sowohl die dargestellten als auch die darstellenden Objekte, d.h. sowohl die fotografierte Kleidung als auch die Fotografie an sich und der beschreibende Text, sowie das Assoziationsräume eröffnende Intro sind immer auch Objekte einer spezifischen Transformation. So verweist beispielsweise der Text »Diese Seite: Schwarzer Blazer mit integrierter Weste, um 745 €, und dazu passender Hose, um 300 €, von John Richmond« (271), einerseits auf das konsumierbare, reale Kleidungsstück, indem sein Preis genannt wird. Andererseits übermittelt der Text auch eine vestimentäre Information, die das Bild so nicht wiedergeben kann, nämlich die Tatsache, dass der Blazer eine integrierte Weste hat. Gleichzeitig macht der Modetext durch die hinweisende Bewegung des »diese Seite« (ebd.) deutlich, dass er nur in Zusammenhang mit dem entsprechenden Bild zu verstehen ist. Das Text-

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objekt übernimmt demnach mindestens drei verschiedene Transformationstätigkeiten: a. vom Bild zum konsumierbaren realen Kleidungsstück, b. vom Textinhalt zum erweiterten Bildwissen, c. von Text zu Bild als gleichwertige Komponenten einer Zeitschriftenseite. Im weitesten Sinne als Transformation lässt sich zudem die Fettschreibung des Designernamens verstehen. Findet doch die typografische Hervorhebung im Modetext eine Entsprechung in der derzeitigen überragenden Rolle des Labels vor dem eigentlichen Kleidungsstück im Modesystem selbst. Bei dieser Modestrecke sind es insbesondere die fotografierten Attribute des Kunstschaffens, die an sich auf der inhaltlichen Ebene des Bildes weitere Transformationstechniken abbilden, und die denen der Mode nicht unähnlich sind. So finden sich in vielen reflexiven Doppelungen Skizzen, Skulpturen, fotografierte Skulpturen, und z.T. Werkzeuge für die einzelnen Fertigungsschritte in der Bildhauerei, während gleichzeitig die Flächigkeit der fotografisch abgebildeten Skulptur aufgezeigt wird, wenn in der Modefotografie die Fotografie einer Skulptur neben einer Marmorskulptur erscheint. Die augenfälligste Position die in dieser Produktion auszumachen ist, liegt im direkt auf den Fotografen, bzw. auf den Betrachter gerichteten Blick des Fotomodells: Je nach räumlicher Lage des Models findet sich, wenn überhaupt, nur eine leichte Unter- oder Aufsicht. Durch diese direkte Blickrichtung quasi auf Augenhöhe tritt der Betrachter sofort in das Bildgeschehen ein und fühlt sich unmittelbar angesprochen. Dadurch wir auch erst auf einen zweiten Blick deutlich, daß die erste Doppelseite aus zwei Einzelbildern besteht, die jeweils aus einer anderen Perspektive den gleichen Raum abbilden. Der Fotograf hat demnach zunächst einen noch nicht erwiderten Blick in den Raum an sich geworfen. Da der Blick des Betrachters auf dieser linken Seite jedoch unmittelbar von dem eingeschriebenen Titel- und Introtext eingefangen wird, kann er sich kaum dem eigentlich leeren Raum zuwenden. Die der Modestrecke zugrunde liegenden Technologie ist neben der Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografie und der Textverarbeitung vor allem die Drucktechnik, die für Modestrecken deswegen so entscheidend ist, da von ihr unmittelbar die Wiedergabequalität der Modefotografie abhängt.62 So bevorzugen teure Zeitschriften mit vielen Modestrecken vor allem leicht glänzendes festes Papier, das insbesondere Farben sehr brillant wiedergibt. Der Text ist bei dieser Modestrecke immer den Bildern eingeschrieben, d.h. 62

Interessanterweise haben sich in letzten Jahren einige Mode-Magazine etabliert, die auf wesentlich weniger hochwertigem Papier, beispielsweise auf Zeitungspapier, gedruckt sind. Der Effekt, der damit erzielt wird, ist einerseits der Eindruck einer höheren Aktualität ähnlich dem Informationsmedium Wochenzeitung, andererseits tritt jedoch auch die Materialität des Papiers stärker in den Vordergrund. Die Modefotografie verliert an medialer Transparenz und wirkt vielmehr durch ihre eigene bildnerische Flächigkeit, als durch ihre Darstellungsqualitäten.

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vom Bild unterlegt. Entsprechend ist er je nach Helligkeit des Untergrundes weiß oder schwarz, meist oben oder unten in der rechten oder linken äußeren Seite einer Doppelseite gesetzt. Ein Modetext beinhaltet immer die Beschreibung für zwei einzelne Seiten und kennzeichnet diese durch hinweisende Vokabeln, wie ›diese‹, ›linke‹ oder ›rechte‹ Seite. Alle Fotografien dieser Strecke füllen die ganze Zeitschriftenseite aus, somit entsteht kein Rand. Es handelt sich bei allen Modebildern um Hochformate. Diese technologischen Entscheidungskriterien bedingen letztlich die Medialität der PRÄSENTATION, die durch ihr spezifisches Material, ihre mediale Transparenz, ihre Referentialität und ihre spezifische Struktur der Ikonotextualität bestimmt wird. Neben dem schon benannten Material, ein festes leicht glänzendes Papier, und der spezifischen Struktur der Ikonotextualität, die sich erst im Ganzen dieser Analyse erkennen lässt, sind hier vor allem die scheinbare mediale Transparenz der Modestrecke und die damit zusammenhängende scheinbar offensichtliche Referentialität von besonderem Interesse. Denn die Unschärfe der Fotografie und die Unkenntlichkeit der Kleidung bewirken einerseits ein Sichtbarwerden des Mediums Fotografie und andererseits einen Verlust des Realitätsbezugs zugunsten der Ikonotextualität der Bild-Text-Relation. Besonders deutlich wird diese andere Qualität der medialen Erscheinung demnach, wenn das Dargestellte zugunsten seines spezifischen Erscheinens in der Modestrecke hinter der Darstellung selbst zurücktritt. Entsprechend ist der dargestellte blaue Hut (vgl. 275) nicht mehr als Hut erkennbar, sondern nur noch in seiner Bild füllenden tiefblau-schwarzen Dunkelheit erfahrbar, die den hellen nackten Körper des Models umfängt. Diese Erfahrung ist in einem weiteren Schritt durch das Erfassen des Textinhalts zu erweitern, und zwar als ein Wissen, dass es sich um einen »Nachtblaue[n] Hut mit Schleppe, von YOSHJI YAMAMOTO« (274) handelt. Der Preis wird in diesem Zusammenhang nicht genannt, d.h. die Referenz auf das ökonomische Modesystem wird vernachlässigt, während der fettgedruckte Designername durch die Betonung der Materialität der Schrift auf die gleiche Wahrnehmungsebene rückt wie die Fotografie selbst. Bild und Text begegnen sich nun im direkten intermedialen Kontakt: Nicht die Transparenz und Referentialität der Medien sind an dieser Stelle sinnkonstitutiv, sondern das Sichtbarwerden ihrer ikonotextuellen Medialität selbst. Die PERZEPTION als aktives Wahrnehmungsereignis tritt nun in den Vordergrund. Sie ist vor allem durch ein unmittelbares sinnliches Reagieren geprägt, d.h. das Wahrnehmbare wird nicht willentlich oder wissentlich auf eine bestimmte Art und Weise erfahren, sondern es wird vornehmlich unbewusst zu individuellen Ansichten des Wahrgenommenen geformt. Gleichzeitig sind jedoch eine bestimmte Haltung und ein bestimmtes Wissen latent vorhanden und werden im Wahrnehmungsprozess so aktiviert, dass sich eine relativ konkrete Vorstellung herausbilden kann. Nachdrück-

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lich zu betonen ist, dass weder die Haltung als eine Bereitschaft zu ästhetischer Erfahrung, noch ein mögliches Hintergrundwissen, an dieser Stelle als solche reflektiert werden, so dass ihre konkrete Beschreibung unmöglich bleibt. Dennoch soll hier eine Ahnung dieses Wahrnehmungsvorgangs vermittelt werden, indem ich die emotionalen Vorgänge meines individuellen Empfindens beim Betrachten und Lesen dieser Strecke anhand der entstandenen Vorstellung erläutere: Es handelt sich um die Vorstellung einer ›Verlogenen Kunst weißer Unschuld‹. Hier sind zunächst die weiße, rosa und durchscheinend wirkende Haut des Fotomodells und der weiße Seidenchiffon, wie er im Dreck des Ofens liegt, zu nennen. Überhaupt ist dieser Ofen unwahrscheinlich unheimlich in seiner Größe und schwarzen Massivität, es könnten leicht Menschen in ihm verbrannt werden. Dieses Monströse in Verbindung mit jenen meisterhaften und effektvollen Kunststücken erzeugt in mir ein diffuses Misstrauen, das allerdings auf einen Schlag, beim Lesen des Namens Koto Bolofo, dem Fotografen der Modestrecke, Kontur gewinnt. Denn entgegen der auf diesen Bildern zitierten Kunst – einer in meinen Augen althergebrachten heute kaum mehr aussagekräftigen Ausdrucksform, die sich in der modernistischen Klassizität weißer stilisierter Marmorfiguren zeigt (vgl. 270) – steht Koto Bolofo für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Apartheid und afrikanischer Kunst.63 Er selbst ist Schwarzafrikaner, als Kind aus Südafrika geflohen und in England aufgewachsen. Als Anekdote über seinen ersten Auftrag für die britische VOGUE erzählt er in einem Interview, er habe diesen nur bekommen, weil er der zuständigen Redaktion schwärzer als Schwarz und somit äußerst »hot«64 erschienen sei. Dieses spezifische Wissen über Bolofo (irgendwann einmal hatte ich über Bolofo etwas gelesen) verbleibt zwar im ersten Wahrnehmungsgeschehen im Hintergrund und wird nicht bewusst, gleichzeitig produziert es jedoch jenes erste, grundlegende Misstrauen gegenüber dem vermeintlichen Kunstszenario. Es wird vielmehr erst im Verlauf des Reflektierens auf das sinnlich Wahrnehmbare evident. Erst in dem Moment, in dem ich dieses Misstrauen spüre, beginne ich mich zu fragen, woran es liegen kann. Dann erst stolpere ich über den verbalschriftlich vermittelten Namen, den ich zwar zuvor gelesen, aber 63

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Im Jahr 1995 hat er einen Dokumentarfilm über den ersten Besuch mit seinem Vater in Südafrika gemacht, von wo die Familie Jahrzehnte vorher als politisch Verfolgte geflohen ist. Der Titel »The Land Is White, the Seed Is Black« spiegelt den Kern seiner politischen Auseinandersetzung wider. Über den afrikanischen Künstler Sibusiso Mbhele hat er sowohl einen Film (2000) als auch ein Buch (2002) gemacht. In diesem Bildband zeichnet er ein vollkommen anderes Verständnis von Kunst und ihrem ästhetischen Wert nach als es in dieser Modestrecke auf den ersten Blick erscheint: Kunst entsteht für Bolofo aus ihrer lebenswirklichen Notwendigkeit heraus und ist für ihn entsprechend nur so zu begreifen. (Vgl. Bolofo 2002.) Gray 2006.

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nicht verinnerlicht habe. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Prozesse der Perzeption einer Modestrecke immer in diesem Wechselspiel von Wahrnehmen und Reflexion auf dieses Wahrnehmungsgeschehen verlaufen.65 Wie kritisch das Reflektieren auf das Wahrzunehmende letztlich ist, hängt dann letztlich zu einem großen Teil von dem jeweils individuellen Hintergrundwissen der Rezipienten ab. Die eingenommene, rezeptive Haltung, die sich als eine Aisthetische fassen lässt, ist die Voraussetzung für eine solche Perzeption, wie sie eben beschrieben wurde. Es handelt sich um eine grundlegende Offenheit der Sinne, die sich in erster Linie nicht informieren, sondern sich vielmehr stimulieren lassen wollen, und zwar so, dass es zu einem anderen, neuartigen Bezug auf die Wahrnehmungsreize kommen kann. Es entsteht dann eine spezifische Atmosphäre, die hier versucht wurde als ›Verlogene Kunst weißer Unschuld‹ zu umschreiben. Parallel, vor allem beim Weiterblättern, bekommt dieses Atmosphärische für mich jedoch noch einen weiteren Anmutungsinhalt, der sich mit ›Weibliche Muse edlen Gestüts‹ umschreiben ließe und nicht weniger kritisch erschiene, wüsste ich nicht um das vornehmliche Interesse Bolofos für Pferdemotive.66 Dieses Hintergrundwissen scheint das kritische Potential der visuellen Überblendung des Weiblichen mit der Faszination für das Pferd zu überdecken.67 Wohingegen die Objekthaftigkeit und Gegenständlichkeit der weiblichen Muse immer deutlicher hervortritt: Während das Fotomodell zu Beginn auf einem Podest sitzend noch den Hammer in der eigenen Hand hält und kurioserweise ein undefinierbar befestigtes Notenblatt auf dem hocherhobenen Kopf trägt (vgl. 271)68, sitzt es nach zwei weiteren Seiten in einem Regal (vgl. 273) und wenige Seiten später verkrampft auf einem rohen Sandsteinblock, den Kopf so stark geneigt, als würde es versuchen, in das 65

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Entsprechend ist jener »Selbstbezug« bei Waldenfels als ein Sich-Beziehen auf das sinnliche Wahrnehmen zu verstehen: Sinnliches Wahrnehmen und wahrnehmen, dass und was ich als Rezipient sinnlich wahrnehme, führen somit zu jenem Selbst, das sich nur im Bezug auf seine Wahrnehmungen fassen lässt (vgl. Waldenfels 2004, 142). Für die Modefirma Hermès entstanden zahlreiche Fotoarbeiten über das Labellogo, das eine Kutsche mit Pferd darstellt. Die Arbeiten wurden in einigen Ausstellungen gezeigt, und es wird in einschlägigen Chats darüber spekuliert, ob es noch eine Publikation geben wird. Das Pferdemotiv taucht in dieser Modestrecke konkret als Skulptur und als Wandzeichnung auf, gleichzeitig finden sich schwarze hohe Stiefel zusammen mit einem Blazer mit Posamenten besetzt, die an eine Reitermontur erinnern (vgl. VOGUE, 277). Im Modetext ist von einem »Plastron« (ebd., 271) die Rede, einer Art mehrfach gebundener Krawatte, die heute fast nur noch im Reitsport zu finden ist. Die über allem schwebende Partitur, die der Rezeption die Wahrnehmungsrichtung vorgibt und die Komposition festlegt, ist für mich in dieser Strecke ein so starkes Symbol, dass es fast aus dem Rahmen fällt und mir irgendwie entgegenkommt: Es scheint mir nur als Punktum fassbar zu sein.

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Bildformat gerade noch hineinzupassen (vgl. 276). Das Model erscheint in diesem Verlauf der künstlerischen und fotografischen Bildordnung immer stärker untergeordnet. Abschließend lässt sich festhalten, dass das eingangs eigentlich anvisierte »Material: zarte Stoffe von Chiffon bis Seide« (269) sehr schnell in den Hintergrund geraten ist, und auch das »Thema: Mode im Hell-DunkelLook« (ebd.) vor dem Eindruck sowohl des Kunstszenarios als auch vor dem Gedanken an die Blackness des Modefotografen selbst verblasst. Das Ergebnis dieser Modestrecke in der rezeptiv-individuellen Zusammenschau ist deshalb viel weniger »meisterhaft effektvoll« (ebd.) als vielmehr ein zweifellos mehrdimensionales Erscheinen der Mode. II. »Pop Up!« – Positionen, Aufmerksamkeit und Punktum

Kaum aufgeblättert fängt die erste Doppelseite den betrachtenden Blick sofort durch einen zunächst undefinierbaren leuchtend gelb-schwarz karierten schräg zulaufenden Streifen im oberen rechten Bildrand ein. Es handelt sich um einen Hut im Yellow-Cab-Style, der über dem Kopf des Fotomodells zu schweben scheint. In seiner fotografischen Schärfe setzt er sich deutlich vom grell-bunten Leuchtreklamen-Hintergrund und den ihn umgebenden herumwirbelnden langen glatten braunen Haaren ab und verbindet gleichzeitig durch seine enorme Farbintensität Vorder- und Hintergrund. Ein Schriftzug der Leuchtreklamen verrät sehr schnell den Ort des Geschehens und leitet unmittelbar zum Titel der Strecke über. Beide, zusammen mit der Intensität der Farben und der z.T. hartkantigen Überschärfe der Farbeindrücke, rufen sofort die Erinnerung an eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort wach: Wir befinden uns in der New Yorker Bowery auf einem zeitlichen Brückenschlag in die 1960er bis Anfang 1980er Jahre als die Pop Art in den USA für immer mehr Aufsehen sorgte. Das Intro ist kaum in der Lage diesen Assoziationsschub zu erwidern oder gar zu erweitern: » VON KOBALT-BLAU BIS ZITRONENGELB: DIE MODE SCHWELGT IN FLIRRENDEM FARBRAUSCH. EXTREM SPEKTAKULÄR: DER MIX MIT SCHWARZ.« (278) Es bleibt vielmehr formelhaft in seiner Aufzählung und der Betonung dessen stecken, was längst visuell erfahrbar ist. Darin ist es hinsichtlich der Aussagekraft des ersten Modebildes weniger redundant als vielmehr schwach. Dessen ungeachtet behauptet der Titel seine Strahlkraft, indem er als Aufforderung »Pop Up!« den Rezipienten direkt anspricht und gleichzeitig durch den ähnlichen Klang der Worte die Nähe zur Pop Art herstellt. Die markierten POSITIONEN sind vielfältig und erscheinen zunächst als seien sie nicht konkret fassbar, gleichsam wie in Bewegung und »in flirrendem Farbrausch« (278) entäußert. Sie bilden ein dichtes Netz an Bezügen, das einem sowohl entgegenkommt als auch in das Bildgeschehen hinein-

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zieht. Gleichzeitig erzeugt die starke visuelle Korrespondenz zwischen Raum und Fotomodell eine Flächigkeit der Fotografie, die nur durch den Modetext eine erneute Tiefe und somit einen weiteren Assoziationsraum erhält. Und zwar, wenn ihn ihm z.B. die Rede von einem »[s]chwarz-blau gestreifte[n] Paillettenkleid mit Rippenstrick-Schalkragen« (286) ist, der Betrachter jedoch nur eine Schwarz-Weiß-Matrix aus Pailletten, Postern und einem aufgerissenen Auge erkennt. Der Blick als eine Position markierende Instanz spielt in dieser Modestrecke eine besonders augenfällig auffordernde Rolle. Nicht nur das Fotomodell blickt, auch die Wände der Stadt und die Kleidung selbst werfen ihre Blick und konfrontieren den Betrachter mit einem verwirrenden Gefühl von gleichzeitigem Beobachten und Beobachtet werden. Besonders eindringlich ist dieser affektiv irritierende Augenblick beim Betrachten jenes Modebildes, auf dem das Fotomodell in Brusthöhe vor einer Wand mit Postern abgelichtet ist (vgl. 286/287). Die Poster sind mit einem psychedelischen Seventies-Schriftzug und einem weiblichen Augenpaar in schwarzer Druckgrafik auf packpapierfarbenen Untergrund gestaltet; durch die Wahl des fotografischen Bildausschnitts und der Platzierung des Fotomodells ist von den zwei Posters jeweils nur das rechte Auge zu sehen. Das Model trägt ein gestricktes Kleidungsstück mit einem eingestrickten sehr großen schwarz-weißen Augenpaar im Comic-Style, das im unteren Bildbereich erscheint. Neben diesen drei Augenpaaren, von deren Blick der Betrachter getroffen wird, ist jedoch gleichzeitig von seinem, diese Blicke erwidernden Blick auszugehen. Es ist quasi ein direkter Blickkontakt möglich, da der Betrachter zudem den Blickpunkt des Fotografen einnimmt, der dem Fotomodell, dessen Blick direkt auf die Kamera gerichtet ist, direkt auf Augenhöhe gegenübersteht.69 Der Modetext evoziert einen weiteren Blick, und zwar indem er einerseits den Fokus auf etwas richtet, was in dem Bildausschnitt gar nicht enthalten ist, und andererseits den Blick des Betrachters verstärkt auf das Augenpaar selbst lenkt: »Strickkleid mit glockigem Rock und Augen-Motiv auf Brusthöhe« (287). Bemerkenswerterweise ist dieses Modebild der Strecke das einzige, auf dem sich die Blicke von Betrachter und Fotomodell treffen. Bei allen anderen ist der Blick entweder in eine offensichtlich andere Richtung gewandt, die Blickrichtung ist leicht verschoben, oder der Blick ist so einseitig oder starr, dass er sich kaum einfangen lässt, was bislang zu einem eher undefinierbaren Kräfteverhältnis der Blickrichtungen führt.70 Auf diesem Bild aber fordern die Blicke zu etwas auf, das sich nicht nur im Titel

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Beim Fotografen handelt es sich um den Münchner Thomas Nützl, der viele Jahre Mario Testino assistierte und mittlerweile ein weltweit gefragter Modefotograf ist. Diese Starrheit wird insbesondere durch die ungewöhnliche Schräghaltung des Kopfes erzielt (vgl. VOGUE, 281).

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widerspiegelt. Es ist ein »[i]dealer Komplize« (ebd.), der zwar im Textzusammenhang nur für das lange Haar gefordert wird. Und dennoch hat allein das Wort ›Komplize‹ eine Wirkkraft, die den Blick des Betrachters auf das bereits wahrgenommene Schwarz-Weiß-Foto der linken, gegenüberliegenden Seite zurücklenkt und dort nun ein ängstliches, verschrecktes Model sieht, das tatsächlich eines Verbündeten bedarf (vgl. 286). Dadurch, dass der Blick des Fotomodells jedoch sehr oft durch die Haare verdeckt ist (vgl. 280 u. 291), stellt sich beim Betrachten der Modebilder ein undeutliches Gefühl der Unsicherheit ein: Der Rezipient ist sich nicht mehr sicher, ob sein Betrachten beobachtet wird. Das Beobachten wird somit selbst zum reflektierbaren Thema: Der Betrachter beobachtet sich dann beim Beobachten einer möglichen Beobachtung. Dieses Spiel mit den betrachtenden Blicken ist zwar nicht neu, allerdings wird es in dieser Strecke als mögliches Spiel sehr offensichtlich vorgeführt. Durch den Einsatz der vielen Augenpaare wirkt es nahezu plakativ. Wie das beschriebene Netz aus wechselnden Blicken und Blickwechseln zur Konstituierung des ikonotextuellen Raums und zur Köpersituierung in diesem Gefüge beiträgt, ist insbesondere anhand des schwarz-weißen Ganzkörper-Porträts im Stadtraum (vgl. 285) zu erkennen. Das Fotomodell steht auf dem Bürgersteig einer kopfsteingepflasterten kleineren Nebenstraße und ist mit einer starken Untersicht so aufgenommen, dass die außerordentlich große Plakatwerbung an der provisorischen Gerüstverstrebung einer Häuserfassade im Hintergrund deutlich sichtbar ist. Es handelt sich um eine Sonnenbrillenkampagne des Modelabels Gucci: Ein zartes Mädchengesicht mit offenen, natürlich wirkenden, dunklen Haaren trägt eine überdimensional große Sonnenbrille, wie sie aus den 1970ern von Brigitte Bardot bekannt ist. Eine ähnliche Aufnahme mit einer ebenso imposanten Brille von Louis Vuitton ist zwei Seiten zuvor Teil dieser Modestrecke (vgl. 282/283). Auch auf jenem doppelseitigen Modebild scheint das Model vor einer ähnlichen Plakatwand oder großen Werbeaufnahme fotografiert zu sein. Nur etwas größer erscheint dort im Hintergrund der Aufnahme ein fast identisches junges Frauengesicht mit einer sehr großen Sonnenbrille. Bei einem ersten Betrachten handelt es sich scheinbar um eine Doppelung der eigentlichen Aufnahme. Dass es sich hierbei jedoch wahrscheinlich auch um ein Werbebild derselben Gucci-Kampagne handelt wird erst auf den nächsten Seiten ersichtlich.71 Das Fotomodell vor der Gucci-Plakatwand schaut 71

Auch zwischen diesen beiden Modebildern befindet sich eine Aufnahme des Models vor einer Werbeplakatwand (vgl. VOGUE, 284). Es trägt dort ein pinkfarbenes »[k]nielanges gepunktetes Kleid mit Schulterpolstern« (ebd.) und direkt über seiner rechten gepolsterten, sehr geraden Schulter befindet sich eine runde weibliche Schulter in einem weißen Kleid mit schwarzen Punkten auf dem Plakat. Es scheint, als fordere die Aufnahme zu einem Vergleich der beiden Schultern auf, allerdings mit einer deutlichen Präferenz für die untere.

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wieder vielmehr diffus und nur scheinbar direkt in die Kamera. Seine Augen befinden sich auf gleicher Höhe wie die Brille auf dem Werbebild, das sich in seiner Kopf-, Brust- und Taillenhöhe befindet. Der Betrachter sieht sich erneut einem mehrdimensionalen Bezugsspiel zwischen zu betrachtendem (Stadt-)Raum, blickender (Werbe-)Fläche und beobachtendem Modebild ausgesetzt. Die eigentliche Verschränkung aller Ebenen wird jedoch erst durch den Modetext erwirkt: »Diese Seite: Schwarzes Paillettenkleid mit Stehkragen, um 2290€, von GUCCI.« (285) Die Beschreibung der dargestellten Kleidung und der Preis treten an den Rand der Aufmerksamkeit, da die Hervorhebungen von »[d]iese Seite« (ebd.) durch Unterstreichung und des Labels Gucci durch Fettschreibung nun ganz anders ins Auge springen. Sie markieren in einer besonderen ikonotextuellen Eigentümlichkeit die Präsenz eines performativen Raum-Zeit-KörperGefüges, das von der Modewerbung über die Modekleidung zum Modetext und wieder zurück führt. Gucci erscheint nun nicht mehr nur als internationales Modelabel, sondern als ein verbindendes Extrakt des IkonoModeTextes. Diese changierende Relativierung der Ebenen durch den Betrachter, ihre jeweils zu vollziehende Aktivierung und somit Konstituierung erzeugt hier deshalb Mode als transmediale Erscheinung. Gleichzeitig schwingt bei den Positionierungen dieser Art auch die Pose als Sinnbild der Subjekt-Objekt-Differenz in ihrer ganzen paradoxalen Autorität zwischen Behauptung von Universalität und der Aufforderung zur Nachahmung mit. Sie ist in ihrer Erscheinung weder aktiv noch passiv, changiert zwischen einer universalen Statik und einer fotografisch festgehaltenen Bewegung, die gleichsam durch den bewegten Blick des Betrachters wieder animierbar scheint. Die doppelseitige Aufnahme des Fotomodells vor dem Eingang zur New Yorker Metro in einem schwarz-gelb gestreiften Strickkleid mit dem bereits bekannten Augen-Motiv (vgl. 288/289) zeigt die besondere Konstitutionsleistung der Pose für das Modebild in aller Deutlichkeit: Die körperliche Haltung des Fotomodells und die daraus resultierende fotografische Prägung des Körpers markiert ein bestimmtes Handeln, das Mode konstituiert. Das Model stützt ihre Hände auf einen gelben Metallkasten, die Hüfte befindet sich in Höhe des typischen, grünen Geländers eines Subway-Eingangs: Der Körper des Models findet Halt anhand bekannter urbaner Objekte des New Yorker Stadtraums, den Zeitungskästen.72 Der Kopf jedoch wird mit Schwung so gedreht, dass die langen Haare herumwirbeln, wie ausgebreitet erscheinen und so gleichzeitig sehr viel Raum einnehmen. Links im Hintergrund befindet sich ein 72

Ein Zeitungskasten ist der der internationalen kostenlosen Tageszeitung »Metro« eines schwedischen Nachrichtenkonzerns. Verwirrend ist das Wort ›Metro‹ im ersten Augenblick, da es an die Pariser U-Bahn erinnert, obwohl die Aufnahme vor einer New Yorker Subway-Station fotografiert ist.

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schwarz-weißes Graffiti und rechts sieht man das Schild eines sehr angesagten und etablierten baskischen Tapas-Restaurants in der East Houston Street Ecke Allen Street mit dem Namen Oliva; der Name findet sich auch in dem Graffiti wieder. Ein Auge des Fotomodells schaut rechts am Betrachter vorbei, das andere ist wieder von den Haaren bedeckt. Mehrere gestrickte Augenmotiv-Paare auf Hüfte und Armen des Models schauen ebenfalls dorthin, während das gleiche Augenmotiv im Hintergrund erneut auftaucht und den Körper des Fotomodells selbst ins Visier nimmt: Es ist das Auge des Fahrers eines über und über mit Taggs beschrifteten Vans im Graffiti. Beim genaueren Hinsehen wird deutlich, dass dieses Auge digital bearbeitet und eingefügt worden ist. Das sich permanent durchkreuzende Wechselspiel der Blicke ist demnach offensichtlich vom Fotografen so intendiert. Der Identifikationsanlass, der somit markiert werden soll, tritt nun überaus deutlich hervor: Das Model agiert als beweglicher Teil der Stadt, ist mit ihm einerseits verbunden und anderseits von ihm bewegt, wird von ihm geformt und modelliert gleichzeitig neue Zusammenhänge durch seine vestimentäre Präsenz. Es wird zum Modell weiblicher urbaner Identifikationsprozesse und präsentiert damit Möglichkeiten großstädtischer Korporalisierungsanlässe. Dass Posen in der Modefotografie als verkörperte Blicke funktionieren, wird allerdings auch ohne das Motiv Auge deutlich. Es kann in Form von dargestellten Blicken sogar gänzlich fehlen, wie auf dem letzten Bild der Modestrecke (vgl. 291): Die Hände des Models sind hinter dem Körper verschränkt; die eine Hand umgreift den anderen Arm und hält ihn fest, genauso wie sich die Augen und Blicke hinter dem Haar verschanzen. Der mit einem signalroten, glänzenden »Etuikleid aus Seide« (290) bekleidete Körper wirkt als Pose nur noch statisch und hebt sich hyperscharf, wie aufgeklebt vom verschwommenen Leuchtreklamen- und Lichterpanorama der Großstadt ab. Gleichzeitig scheint das Körperliche selbst hinter dem Kleid und den auf der Brust drapierten, schwer und glatt herunterfallenden Haaren zu verschwinden. Das Körperliche selbst verharrt zwischen Hinter- und Vordergrund des Bildes und verbindet dennoch beide an der Stelle, an der sich aufgrund einer leichten Verwackelung der Fotografie die Konturen und Farbflächen überschneiden: So erscheint der rechte Arm des Fotomodells wie durch einen leichten Schatten hinterlegt und grenzt sich damit scharf vom Hintergrund ab, während der linke Arm durch eine sehr helle weißflächige Leuchtreklame überblendet wird. Der Effekt ist, dass alles, die Stadt, der Körper, das Kleid und der unerwiderte Blick des Rezipienten, auf die Flächigkeit des Modebildes zurückgeworfen werden. Das Raum-Zeit-Körper-Gefüge verdichtet sich somit in der hyperrealen Kontur des roten Schosses. Wie schon zuvor in vielen Aufnahmen dieser Strecke Hüfte und Taille durch bestimmte Posen markiert oder auch durch Gürtel (vgl. 279 u. 289) oder Schleifen (vgl. 281) betont worden sind, wird

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auch in diesem Modebild jener Teil des weiblichen Körpers besonders hervorgehoben, und zwar durch den Gestus des Zeigens in Form eines Pfeils. Es ist der weiße Pfeil des Einbahnstraßenschildes im Hintergrund, der genau auf jenen hyperrealen roten Schoss hinweist (vgl. 291). Bereits zu Beginn der Strecke, auf dem zweiten Modebild übernimmt ein solches Straßenschild eben diese, deiktische Funktion: Es zeigt dort direkt auf die leicht ausgestellte Hüfte des Models, das eine »[s]ilberne Lederhose« (280) und einen »[s]chwarzen Smoking-Bolero« (ebd.) trägt. Dieses »knappe Jäckchen, oberhalb der Taille endend«73, findet in den Texten der Modestrecke nicht aufgrund seines folkloristischen Ursprungs, sondern aufgrund seiner besonders körpernahen, kurzen, Hüfte und Taille besonders stark betonenden Form so große Beachtung (vgl. 287).74 Das Benennen des Kleidungsstücks als ›Bolero‹ ist deshalb auch als ein gestisches Zeigen und Hinweisen auf Taille, Schoss und Hüfte zu begreifen. Und auch die abgebildete Gestik des Fotomodells selbst übernimmt im IkonoModeText eine Bild und Text verschränkende Funktion, indem bereits auf der ersten Seite der ausgestreckte Ellenbogen des in die Hüfte gestützten Armes auf den, neben dem Foto auf weißem Grund platzierten Titel der Strecke zeigt: Die gestische Form des Ellenbogens fungiert gleichsam als Pfeil, der mit den urbanen Schriftzügen im Hintergrund, diese quasi durchkreuzend, den Modetext zum fokussierten vorläufigen Ende der Blickbewegung auf dieser Fotografie macht (vgl. 278). Die Aufnahme-Position des Fotografen ist auf fast allen Modebildern durch eine auffällige Untersicht markiert. Die Kamera befindet sich ungefähr auf Höhe der Hüfte oder Taille des Models. Die Aufnahmen wirken entsprechend – um im Bild zu bleiben – wie aus der Hüfte heraus geschossen, und die produzierende Geste des Fotografen ließe sich deshalb als die gezielter Schnappschüsse beschreiben. Dem hier Beschriebenen geht etwas voraus, das an sich nicht reflektiert werden kann, ohne seine eigentliche Qualität zum Verschwinden zu bringen: das Aufmerken der Mode als ein Ereignis zwischen Bild, Text und deren Wahrnehmbarkeit. Die genannten Positionierungen durch Posen, Blicke und Gesten können nur als Hinweise oder als Belege für einen bestimmten Konstitutionsverlauf der Mode beschrieben werden. Die AUFMERKSAMKEIT als solche liegt jedoch dazwischen, zwischen einer spezifischen Auffälligkeit des Ikonotextes der Modestrecke und deren Auffallen auf Seiten der Rezipienten. Hinsichtlich der vorliegenden Modestrecke lässt 73 74

Wisniewski 1996, 43. Auch auf dieser bereits an anderer Stelle besprochenen Seite ist im Modetext die Rede von einem »Bolero im Frackstil« (VOGUE, 278). Das wirkt zunächst äußerst befremdlich, da die Nennung des Boleros als Kleidungsstück vielmehr an seinen traditionelle Kontext erinnert, der in diesem Zusammenhang nicht Sinn konstituierend erscheint: »Jacke der spanischen Toreros, Teil der spanischen Volkstracht« (Wisniewski 1996, 43.)

IkonoModeText einer Modestrecke

sich das Aufmerksamkeitsgeschehen allerdings metaphorisch anhand ihres Titels »Pop Up!« (278) umschreiben: Es ist als würde die Mode zwischen dem Bild, dem Text und ihrer Rezeption plötzlich auftauchen. Und das Intro gibt den Zustand jenes unerwarteten Erscheinens an: »Die Mode schwelgt in flirrendem Farbrausch.« (Ebd.) Mode spielt sich in diesem IkonoModeText demnach als visueller Rausch ab, ausgelöst durch die flirrende Leuchtkraft der Farben und verstärkt durch den kontrastierenden und konturierenden »Mix mit Schwarz« (ebd.). Wichtig ist, dass die Aufmerksamkeit nicht als ein Fokussieren der Leuchtkraft der Farben verstanden werden darf, sondern als das Wahrnehmen des durch die flirrenden Farben ausgelösten Rauschzustandes selbst. Mode erscheint dann in der Modestrecke im (Nach-)Vollzug dieses Rausches. Während jedoch die besondere Auffälligkeit des Flirrens von Farben ein bestimmtes Auffallen in Form eines Rauschens nahe legt, ist das Entgegenkommen des PUNCTUM vielmehr eigensinnig. Der Rezipient trifft auf etwas, das ihn angeht, ihn betrifft oder unsagbar berührt, ohne dass er es irgendwie schlüssig erläutern können muss. Es ist etwas Spezifisches, das in der Fotografie seinen Ursprung hat, jedoch auch im Modetext spürbar werden kann. Obwohl es etwas ist, das nicht unbedingt auftauchen muss, kommt mir als Betrachterin im Verlauf dieser Modestrecke etwas im Bild entgegen, was für mich unfassbar bleibt und gleichzeitig etwas Unbeschreibbares berührt: Es ist ein eigenartiges gelbgrünes, um nicht zusagen schmutzig gelbes, rundes Etwas auf der Schulter des Fotomodells (vgl. 282). Es ist weich, wirkt wie die gebündelten Schnittkanten von Wollfäden, wie man sie als verpacktes Material zum Knüpfen von Kissen und hochflorigen Teppichen kennt; das klingt in diesem Zusammenhang allerdings absurd. Gleichzeitig erinnert es an Schminkpinsel oder Puderquasten, die Farbe bleibt zusammenhangslos. Bei dem Modebild handelt es sich um die bereits beschriebene Doppelseite, auf der das Gesicht des Models vor einem ähnlichen Gesicht ebenfalls mit großer Sonnenbrille im Hintergrund abgebildet ist (vgl. 282/283). Aus dem Bildzusammenhang ist mein Punctum nicht erklärbar, aber beim Lesen des Modetextes, der auf den hellen, rosafarbenen Lippenstift verweist, wird deutlich, dass der schmutzig gelbe, textile Farbkörper im Bild auf den ebenfalls rosa geschminkten Mund im Hintergrund weist und gleichzeitig auf der Schulter des Models im Vordergrund ruht. Er scheint eine Ebenen verschränkende Funktion zu haben. Diese Feststellung ändert jedoch nichts an seiner Unergründlichkeit aus dem Kontext der Modestrecke heraus. Aufgrund der mangelnden Strahlkraft seiner Farbigkeit und seiner weichen unkonkreten textilen Oberfläche scheint er die Kernaussage der Strecke, jenes »Pop Up!«, geradezu zu konterkarieren. In jedem Fall bleibt sein Erscheinen unlösbar und gleichzeitig materiell greifbar: Es markiert, auch im Rahmen dieser Analyse, einen

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unbeschreiblichen blinden Fleck, einen Verweis auf das eigentlich Unsagbare Erscheinen der Dinge. Die Modestrecke »Pop Up!« zeigt insgesamt einerseits sehr deutlich, wie die Verschränkung von Bild- und Textebenen anhand der Positionen Pose, Blick und Gestus funktioniert, andererseits wird dabei auch deutlich, wie weit das eigentlich dargestellte Kleidungsstück innerhalb der Modestrecke in den Hintergrund der Aufmerksamkeit geraten kann.75 Eine mögliche transformative Darstellung der besonderen Qualitäten der tatsächlichen Materialität oder Funktionalität der Kleidung wird zugunsten einer ikonotextuellen Konstitution von Mode als transmediales Phänomen aufgegeben: Nicht das dargestellte Kleidungsstück stellt demnach Mode dar, sondern Mode ereignet sich im Wahrnehmungsprozess der Modestrecke zwischen Bild und Text. III. »Form: Schön« – Struktur, Stil und Schreibweise

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Die erste Seite dieser zwölfseitigen Strecke beginnt mit großen schwarzen Lettern auf weißem Grund: »FORM: SCHÖN« (292-303). Das macht sofort deutlich, dass nicht nur die dargestellte, formschöne Kleidung Mode ist, sondern dass bereits die Form als das Schöne an sich, Mode zum Ausdruck bringt. Der Fokus des Rezipienten wird somit nicht auf einen bedeutungsvollen, konnotativen Inhalt der Kleidung, also z.B. einen bestimmten Anlass zu dem ein Mantel getragen werden sollte, gelenkt, sondern auf die Mode konstituierende Form ihrer Erscheinung selbst. Die oberflächliche Form, so könnte man sagen, wird zum eigentlichen Inhalt der Mode.76 Diese Form spielt sich vor allem in einer spezifischen ikonotextuellen Flächigkeit ab, die sich im Modebild durch einen konturlosen Hinter- und Untergrund und im Text der Bildbeschriftungen durch einen immer wiederkehrenden Verweis auf die textile Oberflächenbeschaffenheit der dargestellten Kleidung bemerkbar macht. Es entsteht ein Scherenschnitt artiger Ikonotext: Bild und Text scheinen sich auf einer Ebene, einer stark konturierten Oberfläche, zu begegnen. Wie die schwarzen Lettern auf weißem Grund das allgemeinübliche Erscheinungsbild eines verbalschriftlichen Textes prägen, so erscheinen die vestimentären dunklen Silhouetten vor einem hellen Hintergrund. Die Tiefe ihrer Aussagekraft liegt in ihrer Oberflächlichkeit und Oberflächenbeschaffenheit. Struktur und Material bilden 75

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Entsprechend wird z.B. auf die Erläuterung der Textilien weitestgehend oder auf den Vorschlag, zu welchem Anlass das Kleidungsstück zu tragen sei, vollkommen verzichtet. Bei Barthes bilden die Konnotationen der A-Komplexe eine Modebegründung anhand ihres Bezuges zur Welt, die Denotationen der B-Komplexe bilden eine Modebehauptung anhand ihres Bezuges zur realen Kleidung; diese Einteilung ist nun aufgehoben.

IkonoModeText einer Modestrecke

Formen annähernd einer Fläche auf der Ebene des IkonoModeTextes der Zeitschrift. Das Intro bringt mit seiner besonderen Wortwahl diesen Eindruck auf den Punkt: »AUSSERGEWÖHNLICHE SILHOUETTEN ENTFALTEN IN DUNKLEN TÖNEN IHRE GANZE FASZINATION« (292). Es ist die performative Bedeutungskraft der ›Faszination‹, jene fesselnde Wirkung als eine Beschreiung und Behexung (vom lat. Wort fascinatio), die dem Moment des Erscheinens der Mode verbalschriftlich und wortwörtlich zugesprochen wird. Es ist die bindende Kraft des spezifischen Zusammenspiels von Bild und Text, die die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Form lenkt und somit im Rezeptionsprozess selbst Mode als die Schönheit dieser Form setzt. Mode entsteht innerhalb der ikonotextuellen STRUKTUR als konnotatives Gefüge eines grundlegenden Hell-Dunkel-Kontrastes. Sie entsteht, indem sich das Dunkle sowohl des Textes als auch des Bildes von einem hellen Untergrund absetzt, dadurch an Kontur gewinnt und eine bestimmte Form bildet. Die bildliche Benennung und verbalschriftliche Bezeichnung dieses Kontrastes führt in ihrer Kombination zur Fixierung der Struktur dieser Mode. So führen die »dunklen Töne« (292) des Intros zum Erfassen der feinen Abstufungen des Hell-Dunkel-Kontrastes auf dem Modebild, das zuerst lediglich als Silhouette, d.h. als konturiertes Dunkel vor hellem Grund wahrgenommen worden ist. Diese Abstufungen werden als Materialunterschiede sichtbar, und sie werden im Zusammenhang mit dem Modetext zu Material- und Oberflächenbeschaffenheiten, wenn dort die Rede vom »Fischgrätmuster« (ebd.) des »schwarz-grauen Mantels« (ebd.) mit »dunkelbraunem Nerzbesatz« (ebd.) ist. Die Formgestaltung der Fläche wird nun zum Muster der Mode (Fischgrät) und das Material der Oberfläche zum Form gebenden und konturierenden Element (Nerz). Das wird insbesondere dann deutlich, wenn man die Korrespondenz des Zackigen des Musters mit der Gesamtsilhouette und die Kontur differenzierende Kontrastlinie des Nerzes auf dem Modebild betrachtet. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich auf der folgenden Doppelseite machen: Ist der Fokus auf die Material- und Oberflächenbeschaffenheit gerichtet, tritt die außerordentliche Glätte des schwarzen Leders vor allem durch die hellen Glanzeffekte und Reflektionseigenschaften hervor (vgl. 294/295). Die Kontur der Silhouette, die eine sonst fast gänzlich schwarze Fläche umfängt, wird durch diese besonders hellen, fast weißen Glanzlichter gebrochen, unterbrochen und gestört. Das »Cape aus schwarzem Glattleder« (294) bekommt erst durch die Fixierung sowohl der Helligkeit des Lichtes, als auch durch die der Dunkelheit des Schattens eine spezifische Form. Es ist eine Form, die durch die enorme Beweglichkeit des offenbar sehr weichen Leders gebildet wird, das den an sich konturlosen, schwarzen Körper des Fotomodells wirbelnd umschwingt. Die pyramidale Form eines Capes wird zwar durch den Text angezeigt aber vom Bild nicht eingelöst,

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sondern anhand der wahrgenommenen Betonung der Bewegung kontradiktorisch unterlaufen. Die Information, es handele sich bei dem Kleidungsstück um ein »knielanges Cape« (ebd.), verliert dermaßen an Wirkkraft, dass das Gesamtensemble, d.h. der Umhang zusammen mit dem darunter getragenen »Kleid aus Seidenmousseline« (ebd.) überhaupt nicht mehr vorstellbar ist. Wie das Modebild endet die Aussagekraft des Textes oberhalb des Knies und liegt hauptsächlich im Bereich der glatten Lederoberfläche, ihrer Materialität und Strukturalität und ihrer möglichen Schichtung.77 Die wellenschlagende Bewegung des Lederumhangs setzt sich entsprechend in den wenigen sichtbaren, helleren Flächen des Kleides fort. Die Feinheit des leichten und sehr dünnen leinwandbindigen Gewebes und die daraus resultierende Transparenz des fließenden Stoffes werden insbesondere im unteren Bereich der Fotografie sichtbar. Der weiche Griff und das gleichzeitige Volumen dieser aus leicht überdrehten Einzelfäden gewebten Stoffart erkennt man an der Raffung des Ärmelabschlusses, der durch die sehr helle Hautfarbe der Hand betont wird. Neben der bezeichnenden Funktion des Textes spielt aber auch die formale Erscheinungsweise der Schrift dieser Modestrecke eine augenfällige Rolle. Das wird insbesondere bei der Betrachtung der Modetexte deutlich, die den Fotografien eingeschrieben sind. Zwei Aspekte treten besonders hervor: die Farbe des Textes in Kontrast zu seinem Untergrund und die Fettschreibung der Herstellernamen im Verhältnis zu den HellDunkel-Kontrasten des Modebildes. Die dritte Doppelseite der Modestrecke zeigt zwei farbige Ganzkörper-Aufnahmen auf weißem Grund (vgl. 296/297).78 Wenn bei diesen Modebildern überhaupt die Rede von einem Hintergrund sein kann, dann nur deshalb, weil sich auf dem rechten Bild am unteren Rand eine ganz leichte Dunkelfärbung eines möglichen Bodens erahnen lässt. Ansonsten scheinen die Models wie ausgeschnitten, bzw. wie frei gestellt. Das hat den Effekt, dass die Silhouetten wie Buchstaben wirken und somit in Korrespondenz mit den fettgedruckten, groß geschriebenen schwarzen Lettern der Herstellernamen treten.79 »LANVIN« (ebd.) und »JIL SANDER« (ebd.) bilden somit nicht mehr nur das ökonomische Modesystem ab, sondern treten vor allem aufgrund ihres grafischen Wiedererkennungswertes in den Vordergrund. Dieser fällt besonders ins Auge, da beide Modemarken sich insbesondere durch einen puristischen Namenszug im Label auszeichnen und der Rezipient diese Schriftzüge sofort assoziiert. Es zeichnet sich im Rezeptionsverlauf nun eine strukturale

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Vgl. »Darunter ein doppellagiges Kleid [...].« (VOGUE, 294.) Die beiden ersten Bilder sind zwar Schwarz-Weiß-Fotografien, aber auch die Farbaufnahmen funktionieren vorwiegend aufgrund ihrer starken Monochromie und dem Hell-Dunkel-Kontrast. Vgl. Schabert 1998.

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Entsprechung zwischen dem grafischen Moment der Silhouette und dem der Modemarke ab: Der bekleidete Körper erscheint sinnbildlich als grafisches Zeichen der Mode. Während also auf beiden Seiten offensichtlich mit dem Schwarz-auf-Weiß-Kontrast gespielt wird, der sich grundlegend auch im Schriftbild des Textes wieder findet, ist die nächste Doppelseite durch ein Spiel mit den Nuancen dazwischen gekennzeichnet (vgl. 298/299). So ist der weiße Text auf einem sehr hellen, grauen Untergrund nur wenig kontrastreich gestaltet, tritt vielmehr in den Hintergrund und verstärkt so indirekt den Hell-Dunkel-Kontrast des Modebildes, dem er eingeschrieben ist. Selbst der fettgedruckte, weiße Herstellername tritt nicht mehr in den Vordergrund der Aufmerksamkeit, sondern wird erst sehr spät beim konzentrierten Lesen des Textes entzifferbar. Insgesamt beruht somit die Struktur des ikonotextuellen Gesamteindrucks auf der Flächigkeit der vestimentären Oberflächen, des konturlosen Hintergrundes und des HellDunkel-Kontrastes der Bild-Text-Kombination. Der STIL dieser Modestrecke, als ein spezifisches Ineinandergreifen der Bild- und Textwahrnehmung durch den jeweiligen Rezipienten, soll hier nun anhand der Wirkungskraft folgender Worte und der ihnen jeweils entsprechend antwortenden Bildsprachlichkeit erläutert werden: »im Fischgrätmuster« (292), »aus schwarzem Glattleder« (294), »darunter ein doppellagiges Kleid«(ebd.), »mit hautfarbenem Tülleinsatz« (297), »durchgeknöpftes Kleid« (ebd.), »mit ¾ -Ärmeln im Ballonschnitt« (301), »mit plissiertem Rock« (303), »Flechtgürtel« (ebd.) und »Pencilskirt« (ebd.). Ausgehend von dem Titel »Form: Schön« (292) über das »Aussergewöhnliche« (ebd.) und das »Entfalten« (ebd.) im Intro bis hin zu der »hochgeschlossenen Jacke mit überlangen Ärmeln« (303) eröffnet sich eine ganz eigene Erscheinungsweise der Modestrecke, die zwischen Bild und Text ein Vexierspiel des Schichtens, Durchscheinens, Glänzens und des Formierens von Oberflächen ermöglicht. Aufgrund der Tatsache, dass die Modebilder der Strecke eine besondere Flächigkeit aufweisen, d.h. scherenschnittartig vor einem hellen Untergrund erscheinen, spielt sich die Entfaltung des Aussergewöhnlichen, das Ausdifferenzieren des Stils dieser Modestrecke vor allem zwischen der textilen und der sprachlichen Textur ab. So findet sich bspw. der »Seidenmousseline« (294), ein zarter und luftiger, leicht transparenter Stoff, der in dieser französischen Schreibweise sofort an die ›mousse‹, den Schaum, erinnert, unter dem abweisenden, undurchlässigen »schwarzen Glattleder« (ebd.). Ihre besondere Schichtung ist durch ein »Darunter« (ebd.) nochmals hervorgehoben. Entsprechend wird auch das Durchgeknöpfte des Kleides (vgl. 297) zu einer möglichen Öffnung und verweist so ebenfalls auf eine weitere Schicht. Ähnliches geschieht beim »hautfarbenem Tülleinsatz« (297), der nicht nur durch seinen Stoff eine bekannte Durchlässigkeit markiert, sondern zudem selbst die Farbe der darunterliegenden Oberfläche, der Haut hat. Gleichzeitig wird er als etwas »am Dekolleté«

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(ebd.) Eingesetztes bezeichnet, so dass zudem eine bestimmte Körperregion markiert wird. Diese hautfarbene Schicht wird »hinten zu einer Schleife gebunden« (ebd.). Hinten heißt in diesem Fall jedoch rechts, da das Fotomodell in der Seitenansicht aufgenommen ist. Beide, das Dekolleté und die Schleife sind nicht wirklich zu erkennen, es wird durch den Text lediglich eine Ahnung evoziert, die gleichzeitig durch die Verschiebung von hinten und seitlich ein lediglich diffuses Gefühl von Plastizität in die Flächigkeit der Darstellung bringt. Ähnliches geschieht beim »Ballonschnitt« (S.301) und beim »Pencilskirt« (302), nur dass zudem die metaphorisch modellierende Ebene der Sprache hinzukommt. Die Bildsprachlichkeit geht jedoch nicht so weit, dass hier die Rede von Ballons oder Bleistiften sein müsste, sondern sie verharrt in einer Zwischenebene, in der lediglich die Form der Gegenstände assoziiert wird und nicht deren eigentlich realer, objektbezogener Kontext. Was bleibt und das Modebild prägt, ist vielmehr das Luftgefüllte, Aufgeblasene, Voluminöse des Ballons und das Steife, Schmale, Zylindrische des Bleistiftes. Daran wird wiederum deutlich, dass die in ihrer Außergewöhnlichkeit angesprochenen Silhouetten eine spezifische Tiefe und Plastizität der Fläche bezeichnen. Gleichzeitig wird in jedem Modetext der Strecke explizit darauf hingewiesen, dass es sich um dunkle Farbtöne und somit -flächen handelt; die vorherrschenden Farben sind schwarz, dunkelblau und dunkelbraun. Die Farben bilden jedoch nur noch unwesentliche Nuancen ihrer selbst ab. Ihre Nennung erscheint redundant und evoziert keine neue Wahrnehmungsebene, da die Modebilder an sich schon monochrom sind. Vielmehr sind es die formalen Muster der textilen Techniken, die meines Erachtens jene ganz eigene Wahrnehmungsebene dieser Modestrecke bezeichnen: Fischgrät, Flechten und Plissieren erscheinen als flächenstrukturierende Techniken des IkonoModeTextes. Sie erzeugen sowohl eine gewisse und jeweils spezifische Plastizität sowohl des faktisch Dargestellten im Modebild als auch des assoziativ im ikonotextuellen Wahrnehmungsgeschehen Erscheinden. Die Modestrecke »Form: Schön« erzeugt somit eine Faszination für die dunkle Tiefe textiler Oberflächen, womit zusammenfassend der Stil dieser Modestrecke benannt ist. Die ideologische Funktion der Erzeugung einer so genannten ›schönen‹ Form lässt sich durch die Erläuterung ihrer spezifischen SCHREIBWEISE nachvollziehen: Jedes Benennen des Modetextes und jedes Zeigen des Modebildes hat den Sinn Mode zu stiften und enthält somit auch eine Modebehauptung in Form einer auktorialen Setzung. Es sind jedoch differente Intentionen auszumachen: Das Bild erscheint in einer künstlerischen, der Text in einer ökonomischen Schreibweise und beide bilden Vestimentäres ab, das in dieser Art der ikonotextuellen Zusammenstellung zu Mode wird. Mode erscheint immer im Zusammenspiel dieser drei Ebenen, wobei letztere sich am weitesten ausdifferenzieren lässt, da die Rezipienten im

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IkonoModeText ihre eigenen Erfahrungsschatz und Assoziationshorizont mit ins Spiel bringen.80 Bei beiden ersteren, der ökonomischen und der künstlerischen Schreibweise handelt es sich um funktionale Kopplungen an reale Verhältnisse; beide haben die Funktion, Modekleidung so darzustellen, dass sie sich als reale Kleidungstücke verkaufen lassen. Deshalb sind einerseits die Nennung des Preises und der Bezugsadressen (vgl. 303) und andererseits die Abbildung einer bestimmten beispielhaften Inszenierbarkeit der Besonderheiten der Kleidungsstücke von großer Bedeutung für die Konstitution der Mode. Die Höhe des Preises spricht vor allem ein bestimmtes Käuferklientel an, welches sich dadurch gleichzeitig von diversen anderen Zielgruppen abgrenzt. Beim einzelnen Modetext ist diese Wirkungskraft der Aus- oder Abgrenzung durch die Nennung des Preises jedoch nicht so stark wie zunächst angenommen. Denn ein Textteil wie »um 5090 €, [...] von HERMES« (294) erscheint im Gesamtzusammenhang der Zeitschrift VOGUE kaum distinguierend, sondern erst im Vergleich zu anderen Zeitschriften und anderen Zielgruppen, d.h. bereits Wahl und Kauf dieser Zeitschrift erzeugen einen bestimmten Distinktionszugewinn. Entsprechend markiert dieser Preis nur ein bekannt hohes Preissegment.81 Die künstlerische Inszenierungsform der Kleidungsstücke durch den Fotografen lässt sich ebenfalls als eine »verhärtete Sprachform«82 im Sinnes Roland Barthes’ ansehen. Das wird vor allem deutlich, wenn man sich andere Arbeiten des Fotografen dieser Strecke Thomas Schenk anschaut.83 Er arbeitet demnach immer nach dem gleichen Muster, d.h. er stellt immer das Fotomodell, seine Pose und die Form, Plastizität und Materialität der Kleidung in den Fokus seines künstlerischen Blickes. Seine Bilder erscheinen wie die permanente Wiederholung, Zitation und Variation von modefotografischen Archetypen, die sich bereits, und vor allem im Werk von F.C. Gundlach finden lassen.84 Seine Bildsprache drückt damit eine modische Tradition, gewisse Zeitlosigkeit und Klassik aus, die wiederum das im internationalen Vergleich eher gemäßigte Erscheinungsbild der deutschen VOGUE widerspiegelt. Bereits der Titel, aber auch die Strecke insgesamt spielt mit diesem Inbegriff grundsätzlich undefinierbarer klassischer Schönheit, die der Fotograf mit seiner nahezu puristischen Inszenierungsweise illustriert. Wenn nicht dieser schwarze Hut auf den Modebildern wäre, eine im Modetext unbeschriebene Leerstelle und ein Punctum, das

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Vgl. die Analyse des Aspektes der Lesart bei der Betrachtung der nächsten Modestrecke. Weit höhere Preise werden fast nie benannt, sondern meist kommentarlos von der Redaktion weggelassen. Barthes 2006k, 22. Vgl. die Seite des Fotografen unter www.art-dept.com/artists/schenk (09.12.2009). Vgl. Gundlach 2005.

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für mich eine ganz eigene Lesart ermöglicht, dann würde die Modestrecke lediglich als ein prototypisches Beispiel für das strategische, modevermittelnde Handeln der Zeitschrift gelten können. Diese unbenannte und doch so präsente Kopfbedeckung jedoch lässt die so eindeutig konstituierende Produktionskraft von Seiten der Redaktion misslingen: Dieser schwarze Hut mit seiner doppelten Krempe – möglicherweise sind es zwei Hüte übereinander – taucht in fünf von neun Modebildern dieser Strecke auf, prägt den Gesamteindruck der Modestrecke wesentlich und wird dennoch nirgends benannt. Seine Form erinnert sowohl an eine Reitkappe als auch an einen Stahlhelm. Er ruht auf dem Kopf des Models wie ein Deckel, obwohl er seiner Größe nach über den ganzen Kopf nach unten rutschen müsste. Er nimmt auch deswegen eine so exponierte Rolle ein, da er, wenn er schräg getragen wird (vgl. 293) oder auch gänzlich fehlt (vgl. 297, 298 u. 303), das sehr streng und straff zurückgekämmte Haare betont. Diese ans klassische Ballett erinnernde Haargestaltung bricht mit der Anmutung der bisher dargestellten Frisuren, die in ausdrücklicher Natürlichkeit in dieser Ausgabe der VOGUE meist offen getragen werden. Der Hut scheint an die Pferdethematik der ersten Strecke anzuknüpfen und gleichzeitig auf die Rolle der Kopfbedeckungen in der folgenden Modestrecke anzuspielen. Vor allem tritt somit auch die eine andere Kopfbedeckung dieser Strecke, die »Fellkappe von Nina Ricci« (303), in den Fokus des Interesses. Sie kommt zwar wie alle genannten Accessoires ohne Preisangabe und Fettschreibung aus, und erregt doch vor allem durch die besagte Leerstelle und das irritierende Entgegenkommen des Hutes ein besonderes Aufsehen. Dadurch dass diese Kappe aus Fell oder besser mit Fell besetzt ist, bringt sie das Oberflächen- und Schichtungsthema der Strecke nochmals anders im Detail auf den Punkt. Haut und Leder, Haare und Fell beginnen zu korrespondieren und lösen in ihrer Doppelung nochmals die Grenzen dessen auf, was als das Körperliche bezeichnet werden kann: (Tier-)Haare bedecken wiederum Haare und (Tier-)Haut umhüllt wiederum Haut. Die ikonotextuelle Verkörperung ihrer Materialität und Strukturalität wird zum eigentlichen Austragungsort sowohl des dargestellten Körpers des Models als auch des Modehandeln des Rezipienten. Mode zeigt sich somit auch in diesem IkonoModeText erneut als ein Dazwischen von Sagbarem, Sichtbarem, Ausgeschlossenem und Offensichtlichem. IV. »Dark Angel« – Lesart, Leerstellen und Kohäsion

»PUR ODER IN AUFREGENDEM COLOR MIX: SCHWARZ PRÄGT DIE MODISCHE AVANTGARDE.« (316) Der so genannte dunkle Engel und seine intendierte Vorreiterrolle in der Mode, wie sie in Überschrift und Intro dieser Modestrecke proklamiert werden, gerieren angesichts der weltweit verbreiteten und sich seit den 1980ern immer weiter ausdifferenzierenden Subkultur-

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szene der Gothics, in der der »Dark Angel« eine wichtige Rolle spielt, zu einer bloßen Attitüde einer etablierten und ganz andere Kreise ansprechenden Zeitschrift wie der VOGUE.85 Da gerade solche Subkulturen seit langem wichtige Impulse für die Formentwicklung in der Modekleidung liefern, ist diese Zitation vor allem in Hinblick auf das innovative Potential der Kleidung solcher Szenen zu sehen.86 Außerdem steht der Titel in direktem Zusammenhang mit der unmittelbar vorangegangenen Fotoreportage »Engel von Benares« (308-315) und verflacht in seiner offensichtlichen Bezugname durch das Wortspiel dessen Eindrücklichkeit. Die LESART der Modestrecke als ein positionierendes Eintreten des Rezipienten in das Bild-Text-Gefüge findet demnach vor allem an der Stelle der Nennung einer durch die Farbe Schwarz geprägten Avantgarde statt, die zur strategischen Realisierung oder Aktivierung bereitgehaltene Zusatzinformation des Textes »Pur oder in aufregendem Color-Mix« (ebd.) verbleibt zunächst am Rande der rezeptiven Wahrnehmung. Die Perspektivierung dieser ersten Doppelseite der Strecke verläuft vielmehr ausgehend von dem Wort »Avantgarde« des Intros hin zu einer befremdlich wirkenden Kopfbedeckung im Modebild. Dieses bestimmte Lesemoment des Textes lenkt somit auf das Bild, und umgekehrt lenkt das Bild den Blick insofern zurück zum Text, als dass der Rezipient darin nach Erläuterungen zur Kopfbedeckung sucht. Die ikonotextuelle Perspektivierung und die damit verbundene zeitliche Prozessualität des visuellen Wahrnehmens einer Modestrecke werden somit deutlich erkennbar: Durch das neuartige Fremde der schwarzen Mütze neugierig geworden, wird daraufhin das »Dazu eine Strickmütze mit Ohrenklappen und Leggings« (317) des Modetextes aufgesucht. Durch die eigenartige, additive Wortaneinanderreihung von Kopfbedeckung und Beinbekleidung folgt der Blick danach sofort der Suche nach den Leggings, die jedoch im Modebild nicht sichtbar ist. Nur ein undefinierbarer Schatten links unten im Bild springt dort, neben den vermuteten Leggings, sofort ins Auge und erzeugt neue Fragen. Diese lassen sich allerdings beim Lesen der sehr klein gedruckten Information auf gleicher Höhe im rechten unteren Teil des Bildes beantworten: Der Hinweis »Fotos: Claudia Knoepfel+Stefan Indlekofer« (ebd.) nämlich zeigt, dass bei der Produktion der Aufnahmen zwei Fotografen beteiligt waren.87 Da dieses Team so arbeitet, dass immer beide das gleiche, minutiös von beiden geplante Arrangement von verschiedenen Positionen aus aufnehmen, scheint der Schatten nun ein Hinweis auf diese Arbeitsweise zu sein: Der Schatten ist nun der Schatten des Fotografen. Die Einbindung des 85 86 87

Vgl. insb. Richard 2003. Vgl. zum Begriff der Szene Bucher 2005, 19ff.; Erläuterungen zur ›Schwarzen Szene‹ vgl. ebd., 69ff. Vgl. die Seite der Fotografen unter www.p28.ch (10.12.2008).

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Rezipienten geschieht demnach einerseits durch die strategische Erregung von Neugierde und gleichzeitig durch das jeweils individuelle Hinzufügen von bild- und textexternem (Mode-)Wissen, wie hier der Arbeitsweise der Fotografen. Nach dem Lesen aller Textteile, die dem Bild eingeschrieben sind, wandert der Blick zum letzten, noch nicht erfassten Text rechts oben im Modebild, dem bekannten Schriftzug der Automarke RENAULT am Heck eines fotografierten Wagens in Augenhöhe des Fotomodells. Fast im selben Augenblick wird deutlich, dass das Autokennzeichen rechts neben dem Renault-Markenzeichen gänzlich fehlt. Der Rezipient fragt sich nun, wo sich diese Szene überhaupt abspielt. Der Modetext auf gleicher Höhe, quasi in Aneinanderreihung, rechts neben dem Modebild auf einem weißen rahmenden Streifen am rechten Rand gibt dazu bekanntlich keinerlei Hinweise; trotzdem wird er nochmals gelesen. Diesmal treten die Benennung der Kleidungsstücke, des Preises und der Herstellername wesentlich stärker in den Vordergrund der Aufmerksamkeit. Das visuelle Erfassen der verschiedenen Bild- und Textebenen in ihrer spezifischen Relationalität führt somit zu einer Verräumlichung des Erfahrenen, d.h. etwas Bestimmtes steht im Wahrnehmungsgeschehen im Vordergrund, etwas anderes am Rande oder im Hintergrund. Zusammengenommen bildet jene visuelle Erfahrung des Ikonotextes das spezifische thematische Feld dieser Modestrecke. Die Themensetzung der Modestrecke muss deshalb als ein Spielraum gesehen werden, der je nach Rezipient, diverse Spielzüge und auch Regelverstöße zulässt und gleichermaßen ermöglicht. Abschließend fokussiert ein letzter Blick noch einmal kurz die dargestellte Kleidung, insbesondere den Pailettengürtel. Und wieder fällt die Mütze ganze besonders auf, diesmal durch die herunterhängenden Bindebänder, die eher an Schnürsenkel erinnern, und durch ihre Form, die eine nicht näher spezifizierbare, aber besondere Funktion und Herkunft vermuten lässt. Beim anschließenden Weiterblättern liegt deshalb der augenblickliche Interessenfokus neben der Frage nach der Verortung dieser so genannten modischen Avantgarde vor allem auf den möglicherweise noch folgenden Kopfbedeckungen. Sowohl das fehlende Nummernschild, aber auch die merkwürdige Kopfbedeckung, die an irgendetwas zu erinnern scheint, dienen dem Rezipienten innerhalb der Modestrecke als noch offene Markierungspunkte einer möglichen hinzuzufügenden Vorstellung. Sie sind ikonotextuelle LEERSTELLEN, die weder vom Bild noch vom Text geschlossen werden, sondern zwischen ihnen einen Raum eröffnen, in dem sich durch das rezeptive Wahrnehmungsgeschehen Mode ereignet. Mode erscheint erst in dieser Öffnung des Ikonotextes, und nicht in seiner Setzung: die Diffusität, Uneindeutigkeit und Befremdlichkeit der Kopfbedeckungen und die offenen Fragen nach dem Ort des Geschehens bleiben nämlich faktisch ungeklärt. Tatsächlich häufen sich vielmehr konkrete Indizien, die es nicht

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vermögen eindeutige Hinweise zu geben: Maske (320), Kopftuch (322 u. 326), Turban (324) und helle, flache Häuser mit kleinen röhrenförmigen Schornsteinen, wenige weit entfernte Hochhäuser in gleißender Sonne (325) vor einem dunstigen oder leicht bewölkten eher grauem Himmel (319) bilden ein nicht zu verortendes Beieinander. Eine große lilafarbene Seidenschleife provoziert eine kreative und assoziative Rezeptionsweise, die die schwarz gekleidete mit Pailletten bestickte Frau als Geschenk einer zarten Weiblichkeit erscheinen lässt (vgl. 318). Die kleine Zackenkante des »capeartigen Oberteils und Ballonrockes« (319) erinnert stark an Kantenverzierungen weiblicher Trachten oder traditioneller Gewänder, und auch die Farbe Schwarz des Stoffes markiert dann die in anderen Kulturkreisen oftmals in dieser Farbe verhüllte Weiblichkeit ihrer Trägerin. Der Eindruck wird vor allem durch die gitterartige Maske vor dem Gesicht des Fotomodells verstärkt, die vielleicht an eine Art Haarnetz, aber in diesem Zusammenhang vor allem an die Verschleierung erinnert und das somit gleichsam an das vestimentäre Gefangensein der Frau in der Burka gemahnt (vgl. 320). Gleichzeitig wird diese undeutliche Assoziation zusätzlich gebrochen, und zwar sowohl durch die kurzen platinblond aufgehellten Haare, durch die partielle und z.T. plakative Nacktheit des Fotomodells (vgl. 323), die nur durch ein wiederum weiblich konnotiertes Symbol, eine rosa Schleife, bedeckt wird, und insbesondere durch den als Kopftuch getragenen Foulard, auf dem ein blonder Zopf dargestellt ist (vgl. 322). Diese strategischen Brüche, die ein Spiel mit den kulturellen Gegensätzen von Weiblichkeitssymbolen provozieren, stellen demnach den paradoxalen Sinn der Mode dieser Strecke dar.88 Entsprechend verweist das Kopftuch auf das, was sowieso schon zu sehen ist und eigentlich verdeckt werden sollte: der zu kurzen gebleichten Haaren mutierte geflochtene lange blonde Zopf. Die kulturell determinierten Bilder von Weiblichkeit werden in dieser Modestrecke überlagert und konterkarieren sich so gegenseitig. Was dadurch suggeriert wird, ist ein weites Feld möglicher Spielarten von Weiblichkeit, auf dem die modebewusste Frau voranschreitet und bestenfalls eine Vorreiterrolle einnimmt, indem sie die Farbe Schwarz »[p]ur oder in aufregendem Color-Mix« (317) trägt. Ein Farbmix findet in diesem IkonoModeText jedoch gar nicht statt: Lediglich die Nicht-Farbe Schwarz wird mit anderen Farben kontrastreich kombiniert, und zwar offensichtlich lediglich mit den Farben Lila, Rosa und Pink. Die Farben Dunkelblau (vgl. 320) und Mocca (vgl. 325) sind zwar im Modetext benannt, treten jedoch aufgrund ihrer Dunkelheit und fehlenden Strahlkraft kaum in Erscheinung. Sie sind in den Modebildern nur dann zu erahnen, wenn man durch den Modetext 88

Weiblichkeit wird jedoch als kulturell determinierte Größe nicht hinterfragt, und die genderkonstituierende Kategorie des Weiblichen bleibt somit unreflektiert bestehen.

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bereits um sie weiß. Was somit erfahrbar ist, ist eine dezente, gedeckte, dunkle Farbton-Mischung mit lediglich zwei grellfarbigen Schleifen (vgl. 318 u. 323) und einer pinkfarbenen Samthose (vgl. 324). Weitere Freiräume, die einerseits Bild und Text miteinander verbinden und andererseits ihre Unvereinbarkeit und somit die Kluft zwischen ihnen erkennbar machen, lassen sich anhand folgender Textstellen aufzeigen: »knielanges Seidenkleid« (320), »aus dunkelblauem Wollgabardine« (ebd.), »das bis zu den Knien reicht« (322). Denn das im ersten Fall gemeinte Kleid ist auf dem Modebild weder als knielang noch als ein Kleid aus dem Material Seide zu erkennen; so könnte es sich bei dem einen Vorstellungsbild bspw. um einen schweren, fließenden Seidenjersey und bei einem anderen um ein leichtes, körniges Georgette-Gewebe aus Seide handeln, beides wäre denkbar. Der Modetext öffnet somit das Modebild um diese Erweiterung und evoziert jeweils andere Möglichkeiten der Vorstellung beim Rezipienten. Das zweite Beispiel eines dunkelblauen Kleides zeigt, dass eine zuvor evozierte Rezeptionshaltung durch das Modebild zwar aufrecht gehalten, durch den Text jedoch gebrochen wird, denn das zunächst vor allem durch das allem übergeordnete Thema Schwarz auch als Schwarz wahrgenommene Kleid entpuppt sich erst durch den Modetext als dunkelblau (vgl. 321). Nach dieser Erfahrung wird die Aufnahme auch erst als eine Schwarz-Weiß-Fotografie deutlich. Das nächste Kleid, »das bis zu den Knien reicht« (322), eröffnet für die Lesart des Bildes eine Blickrichtung, die weit über den unteren Bildrand hinaus führt. Denn durch die besondere Art der Beschreibung, die entgegen der sonst üblichen kurzen Form wie »knielang« o.ä., das Reichen des Kleides bis zum Knie in einem Relativsatz ausformuliert, bekommt auch der Blick über den Rahmen des Bildes hinaus mehr Raum, um sich in der weißen Randgestaltung der Seite zu verlieren. Alle genannten Bild- und Textstellen markieren somit einerseits klar bestimmbare Positionen und Aussagen und eröffnen doch gleichzeitig in ihrem ikonotextuellen Wechselspiel einen spezifischen Freiraum, der innerhalb des Rezeptionsprozesses immer wieder anders und neu bespielt werden kann. Wie eng, weit oder offen das offensichtlich strategisch intendierte Bedeutungsfeld der Mode ist, hängt vor allem von der Art und Weise ihrer jeweiligen Komposition im Verlauf der Rezeption ab. Als ein eindeutig bestimmbarer Rahmen der Modestrecke lässt sich allerdings die ikonotextuelle KOHÄSION beschreiben. Sie ist faktisch gesetzt, besticht durch ihre konkrete Materialität und setzt somit auch deutliche Grenzen innerhalb der formalen Komposition von Bild und Text. Die Ausrichtung und Anordnung von Text und Bild im Gesamtgefüge der Modestrecke ist in der deutschen VOGUE ausgesprochen einheitlich: Neben kleinen Akzentverschiebungen gibt es keine große Varianzen. Alle Modestrecken sind mit großen Lettern überschrieben, und auch die Intros in einer sind in Majuskeln gesetzt. Unter dem kurzen Einleitungstext findet

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sich immer der Name des Fotografen, oder wie in diesem Fall beide Namen des Teams. Die erste Doppelseite zeigt immer ein Modebild, das oft, wie auch bei dieser Strecke, ein Querformat hat und somit über den Bruch der Doppelseite hinausgeht. Diesmal sind der Titel, das Intro und der Hinweis auf die Fotografen dem Bild eingeschrieben, wobei das untereinander geschriebene »Dark« der Überschrift schwarz und das »Angel« weiß gedruckt ist. Dieser schwarz-weiße Schriftzug befindet sich an einer Stelle im Bild, die durch einen Schatten auf einer hellen Betonmauer in einem mittleren Grau erscheint. Das weiße Wort ›Angel‹ markiert mit seiner unteren Kante direkt das Ende eines Schattens auf weißem Grund, so dass das direkt darunter platzierte Intro bereits in schwarzen Lettern gedruckt ist, um lesbar zu sein. Es ist in wesentlich kleineren Kapitälchen gedruckt. Der Hinweis auf die Fotografen erscheint nochmals kleiner und ebenfalls durchgehend großgeschrieben, beide Namen sind mit einem Pluszeichen verbunden. Der direkt auf das Modebild zu beziehende Text mit den vestimentären Beschreibungen findet sich oben auf einem schmalen weißen Streifen, der die Fotografie auf der rechten Seite rahmt. Diese weiße Fläche findet sich im Verlauf der Strecke sowohl als Rahmung als auch im Sinne einer Unterlegung der Fotografien neben ganzseitigen Abbildungen wieder. Die weiß unterlegten Fotografien im leichten Querformat wirken fast quadratisch und sind mit Bildunterschriften versehen (vgl. 319, 322 u. 325). Die weiß gerahmten Modebilder im Hochformat, deren Rahmung einem typischen Passepartout gleichkommt, sind hingegen mit Bildinschriften markiert (vgl. 320 u. 326). Da beiden Arten jeweils eine ganzseitig abgebildete Aufnahme zur Seite gestellt ist, befindet sich in den jeweiligen Modetexten auch der zu diesen gehörige Text. Bei allen Bildern handelt es sich sowohl um Farb- als auch um Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Der Modetext ist im Verlauf der Strecke überwiegend schwarz gedruckt, nur in einem Fall ist er weiß und auf grauem Grund dem Bild eingeschrieben. In beiden Fällen dieser Art Einschreibung des Textes in das Modebild ergibt sich eine bemerkenswerte Analogie zur dargestellten Kopfbedeckung: Im ersten Fall korrespondiert das grafische, filigrane Moment der schwarzen Schrift mit der textilen, überdimensional erscheinenden Struktur der netzartigen Gesichtsmaske, und beim zweiten Bild tritt der weiße Text in einen direkten Bezug zum glänzenden Weiß des Foulard, der über und um einen schwarzen Hut als Kopftuch gebunden ist. Insgesamt handelt es sich um eine sehr monochrome Farbgestaltung. Visuell wirkt die Strecke deshalb vor allem durch dunkle Flächen vor grau nuancierten oder differenzierten Hintergründen mit nur wenigen deutlichen Farbimpulsen.

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V. »Zart besaitet« – Kohärenz, Isotopie und Positionswechsel

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Etwas, das als zart besaitet bezeichnet wird, gilt gemeinhin als auf äußere Einflüsse hypersensibel reagierend. Gleichzeitig klingt bei dem Titel allerdings auch etwas Tönendes an, ein besaitetes Instrument, ein Klangkörper, der mit zarten Saiten versehen ist. Der folgende Einleitungstext fügt diesem ersten Eindruck noch weitere Assoziationsfelder hinzu: »KURZE KLEIDER IN DELIKATEN FARBEN VERFÜHREN MIT SINNLICHER UNSCHULD. SCHWARZ VERSTÄRKT NOCH DIE MAGIE. « (343) Das Thema dieser von Jenny Gage und Tom Betterton fotografierten Modestrecke ist demnach die Magie der Verführung durch sinnliche Unschuld, die durch das Schwarze verstärkt wird.89 Verführung und Unschuld, Sinnlichkeit und Magie treffen gegenläufig aufeinander, genauso wie die delikaten Farben mit dem sie verstärkenden Schwarz. Es wird an dieser Stelle im Modetext noch nicht deutlich, ob das Schwarz die Farbe der Kleider ist, oder in welcher Form es sonst in Erscheinung tritt, um zu wirken. Erst die KOHÄRENZ als das inhaltliche Wechselspiel zwischen Bildgeschehen und Textverlauf macht die Bedeutung ihres Zusammentreffens deutlich und weist der Mode als ein formund sinnstiftendes Phänomen erneut den Ort zwischen Bild und Text zu. So wird auch beim Betrachten des inhaltlichen Zusammenhangs der Modestrecke, Mode nur in ihrer nachzuvollziehenden Kombinationsvielfalt erkennbar, und zwar nicht als ein bestimmbarer Wert, sondern als ein möglicher Sinn unter anderen. Die Kohäsion macht deutlich, wie sich die formale Bild-Text-Kombination zu einer Erzählung zusammenfügen kann. So sind es bspw. die Deiktika des Textes, die sowohl die Texte untereinander in Beziehung setzen als auch eine ikonotextuelle Verbindung herstellen. So fungiert die Nennung des Chiffon auf mehren Seiten der Strecke als eine auf die Stoffart zeigende Repetition, obwohl der Stoff nicht jedes Mal im Bild erkennbar ist (vgl. 342, 344/345 u. 348). Aber auch die Anapher »Diese Seite: [...]« (345) hat eine deiktische Wirkkraft, die dem ikonotextuellen Wahrnehmungsgeschehen als Movens dient, und zwar indem sie den Blick an- und auf das Bild weiterleitet. Auch die Längenbezeichnung der Kleider, wie z.B. knielang, wirkt deiktisch hinsichtlich dessen, was auf dem Bild sichtbar wird oder gerade nicht gezeigt wird. So ist die Länge der Kleider z.T. gar nicht erkennbar (vgl. 342), oder aber das Knie selbst ist zu sehen und das Kleid erscheint hoch gerutscht und gebauscht (vgl. 347). Wie im Intro findet sich auch im Verlauf der Strecke der Hinweis »Kurzes Kleid« 89

Das Fotografen-Paar Gage/Betterton arbeitet nur gemeinsam: Gage gibt die Anweisungen und Betterton fotografiert nach ihrer Regie. Gage sieht sich selbst als Feministin, ihre Inszenierungen von Frauen und Kleidung sollen Mode in ihrer ganzen Ambivalenz sichtbar machen. Gleichzeitig bezeichnet sie sich selbst als »female stalker« (http://www.believermag.com/issues/200309/?read=interview_gage, 10.12.2008), womit sie das von ihr praktizierte, fotografische Heimsuchen des Weiblichen meint; ihre Vorbilder sind Cindy Sherman und Laurie Simmons.

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(348), und wieder ist die eigentliche Länge des Kleidungsstückes anhand der Fotografie nicht nachvollziehbar. Aber nach der Rezeption der bisherigen Modebilder und –texte und in ihrer Zusammenschau ist nun zu schließen, dass ›kurz‹ soviel wie ›knielang‹ zu bedeuten hat. Am Ende der Strecke ist zudem von einem »Minikleid« (348) die Rede, das nicht als solche gesehen werden kann, da der Bildausschnitt in Höhe der Oberschenkel endet (vgl. 349). Letztlich weiß der Rezipient jedoch nun, dass dieses Minikleid kurz über dem Knie enden muss, also knielang ist. Bei einem anderen Modetext der Strecke sind im ersten Teil, der sich auf das rechte Bild bezieht, detaillierte Angaben zur Länge des Kleides, zu seinem Schnitt, dem Stoff und seiner aufwendigen Verarbeitung zu finden: »Knielanges Tüllkleid mit weit ausgestelltem, besticktem Rock« (347). Im zweiten Teil des Modetextes, der sich auf das linke, gegenüberliegende Bild bezieht, das einen ähnlichen Ausschnitt und eine ähnliche Informationsdichte hinsichtlich Stoff, Schnitt und Länge eines anderen Kleides bietet (vgl. 346), findet sich nur noch folgender Hinweis: »Duchessekleid mit Volants« (347). Weder die Länge des Kleides noch die Art und Weise der Volants, die nicht im Bild erkennbar sind, werden näher erläutert. Dieser Verzicht wirkt im Sinne elliptischer Auslassungen diffuse Ahnungen verstärkend und führt zur genaueren Inblicknahme der dargestellten Kleidung auf dem linken Modebild. Es handelt sich um ein Trägerkleid aus einem hellblauen, fast türkisfarbenen, stark glänzenden Kettatlasstoff, der oft aus Seide hergestellt wird und extrem empfindlich aufgrund der an der Oberfläche flott liegenden feinen Fäden ist. Das fotografisch unscharf abgebildete Kleid wird auf dem Modebild vor allem dadurch betont, dass der rechte Arm und die Hand des Models lasziv auf seinem deliziösen Duchessestoff ruhen (vgl. 346). Die Ellenbeuge weist außerdem auf den weißen sehr hochhackigen Schuh am rechten Fuß, der sich im selben Unschärfebereich am rechten unteren Bildrand befindet. Die Arme und Hände des Fotomodells dells wirken, wie in fast allen Modebildern der Strecke, durch die besonders hell ausgeleuchtete Haut des Models richtungweisend. Sie fungieren als bildinterne Vektoren (vgl. z.B. 347: Hinweis auf den Teppich), als zwischen zwei Bildern vermittelnde Wegweiser (vgl. z.B. 344: Hinweis auf die Geste des gegenüberliegenden Bildes) und als ikonotextuelle Hinweise (vgl. z.B. 342/343: die Zeigerichtung des Armes und der Hand als hinweisende Bewegung vom Text der Überschrift und des Intros zum Text links oben neben dem Bild). In einem ähnlichen, Zusammenhänge stiftenden Sinn lassen sich im Gesamtzusammenhang einer Modestrecke auch die Blickrichtung des Fotomodells und die Aufnahmeposition der Kamera begreifen. So ist bei dieser Strecke eine Umkehrung der Sichtweise des Models zu beobachten: Während es zunächst abwesend mit z.T. geschlossenen oder verdeckten Augen und wie ausgeliefert auf dem Boden liegend dargestellt wird, richtet sich sein Blick später direkt auf den Betrachter und stellt sich

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auf dem letzten Bild dessen Blick in einer dann annähernd selbstbewusst wirkenden Geste mit erhobenem Kopf entgegen.90 Die Frage nach der den Text illustrierenden Funktion des Bildes und der das Bild beschreibenden Funktion des Textes ist im ikonotextuellen Wechselspiel immer nur hinsichtlich der jeweils gegenläufigen Betrachterpositionierung zu beantworten: welche Funktion im Vordergrund steht, hängt davon ab, ob vom Text zum Bild oder vom Bild zum Text gewechselt wird. Neben der bildlichen Illustration und der textuellen Beschreibung, die häufig redundant und somit verstärkend erscheinen, ist vor allem die jeweils ergänzende Funktion von Bild und Text Sinn stiftend. So wirkt z.B. der Anfang des Satzes »Asymmetrisch geschnittenes lindgrünes Seidenkleid [...]« (345) in Bezug auf das Bild zunächst wiederholend, da jenes Kleid auf dem Bild erkennbar ist. Im weiteren Verlauf ergänzt er den IkonoModeText jedoch um etwas wesentliches Schwarzes, wenn er hinzufügt: »[...] mit schwarzem Stretchgürtel« (ebd.). Beim Blick zurück auf das Modebild ist zwar nur eine Ahnung dieses Gürtels erkennbar, der Satzteil des Einleitungstextes »Schwarz verstärkt noch die Magie« (343) scheint jedoch nun Gestalt anzunehmen. An anderer Stelle ergänzt das Modebild die für die Strecke so wesentliche Länge des Kleides, die diesmal im Text nicht genannt wird, während der Text das Material doppelt, das im Bild gut erkennbar ist. Er verstärkt somit den Eindruck: »Kleid aus Chiffon und Organza« (345, Abb. 344). Oder der Text fügt mit »Spitzensöckchen« (347) dem visuellen Eindruck etwas hinzu, was überhaupt nicht nachvollziehbar ist, da auf dem Bild lediglich ein schwarz bestrumpftes Bein und ein ebensolcher Fuß in einem weiß-schwarzen Pumps zu sehen sind. Kein Hauch von Spitze ist bildlich wahrnehmbar. Dieser Modetext des rechten Bildes produziert eine Ahnung, die sich vielmehr auf dem Bild der linken Seite nachvollziehen lässt, auf die der Blick entlang des Beines überleitet. Dort trifft er fast auf gleicher Höhe auf denselben Schuh, nur scheint in dem

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Die vollständige, aufzählende Beschreibung der Blicke im Verlauf der Strecke lässt erkennen, wie sich langsam eine Hinwendung zum Rezipienten und eine gewisse Selbstbehauptung entwickelt: 1. Blick: nach rechts oben, Kamera: von einer leicht erhöhten Position auf Brustbereich und Gesicht (vgl. VOGUE, 342/343); 2. Blick: nicht sichtbar, Augen von Haaren bedeckt, erscheint anhand der Kopfhaltung nach unten gerichtet, Kamera: in Augenhöhe auf den ganzen Körper (vgl. ebd., 344); 3. Blick: nicht genau erkennbar, Augen kaum geöffnet, anhand der Kopfhaltung nach rechts oben gerichtet, Kopf liegend, Kamera: vom Kopf aus kaum erhöht über das Gesicht hinweg auf den liegenden Körper (vgl. ebd., 345); 4. Blick: Augen geschlossen, Kopf überstreckt nach hinten gebeugt, quasi über Kopf in Richtung des Betrachters, Kamera: nur leicht erhöht von oben (vgl. ebd., 346); 5. Blick: nach oben, Kamera: erhöht, von oben auf das liegende Model (vgl. ebd., 347); 6. Blick: direkt auf den Betrachter, Kopf leicht zur Seite geneigt, Kamera: fast auf Augenhöhe leicht von der Seite (vgl. ebd., 348); 7. Blick: direkt auf den Betrachter, quasi von oben herab, Kopf in den Nacken gelegt, Kamera: leichte Untersicht, auf Brusthöhe (vgl. ebd., 349).

IkonoModeText einer Modestrecke

linken Bild das fotografisch unscharfe Schwarz des Strumpfes hell durchbrochen (vgl. 346). Die Bilder dieser Doppelseite erscheinen nun fast als ein zusammenhängender Bildstreifen, als eine zusammengehörige Bildsequenz, als eine Komposition, was durch den sie beide oben und unten rahmenden weißen Streifen noch verstärkt wird. Nahezu absurd wird es jedoch, wenn der Modetext etwas sehr Konkretes aussagt, und nichts davon auf dem Bild erkennbar ist: »Diese Seite: Kurzes Kleid aus Seide und Chiffon mit gerüschten Partien und einer Schleife am Ausschnitt, von ALBERTA FERRETTI.« (348.) Die Absurdität wird durch das deiktische Moment und die bezeichnende Funktion der Anapher ›diese Seite‹ noch betont, da sie lediglich ein wenig schwarzen Stoff im Brustbereich des Fotomodells zeigt. Diese Seite ist entgegen der Aussage des Modetextes vor allem durch die unausweichliche und verwirrende Präsenz der Haare, durch die bordeauxroten Lippen und den direkten Blick des Models bestimmt. Zudem wird in diesem Modetext der Preis des Kleides nicht genannt. Diese nicht erscheinende Käuflichkeit wirkt als bedeutungsvolle Leerstelle, die die Nichtpräsenz des Kleides auf dem Bild verstärkt. Ähnlich leer ist der Raum, den nun der fettgedruckte Name des Modelabels einnimmt, wenn der Gegenstand auf den er sich bezieht kaum in Erscheinung tritt: Er erzeugt keinen assoziativen Widerhall, behauptet sich nur noch kraft seines Markennamens, der keine bestimmbare Modekleidung mehr markiert. Insgesamt verschwindet das eigentliche Kleidungsstück hinter einem ikonotextuellen Gesamteindruck. Der Text ist dann nicht mehr nur eine vestimentäre Information, und das Bild nicht nur eine vestimentäre Abbildung.91 Zwischen ihnen bildet sich eine Geschichte heraus, die nicht nur bestimmte Kleidung zum Inhalt hat, sondern sich vor allem durch die spezifische Narrativität einer vestimentären Inszenierung im IkonoModeText auszeichnet. Es ist das erzählerische Moment der Mode, das sich im Rezeptionsprozess zwischen Bild und Text zeigt, und das nun deutlicher hervortritt. Allerdings zeigt sich auch dieses inhaltliche Wechselspiel nur durch die ikonotextuelle Verwebung der inhaltlichen mit der formalen Verschränkung von Bild und Text, da sich beide Betrachtungsweisen der Modestrecke nicht voneinander abgrenzen lassen. Kohäsion und Kohärenz sind unmittelbar voneinander abhängig, jede für 91

Der Text dieser Seite umfasst zudem folgende Informationen, die jedoch aus dem gleichen Grund an Aussagekraft verlieren: »Auf diesen und den vorherigen Seiten: Frisuren von Dennis Lanni für Bumble & bumble. Make-up: Mariel Barrera für Joe, mit Produkten von Yves Saint Laurent (Lippenstift: »Rouge Pur 131«). Moderedakteur: Claudia Englmann. Assistenz: Karo Brandi. Propstylist: George Xenos für Marek & Assoc. › Vogue Adressen‹: ab Seite 368.« (VOGUE, 346.) Der Propstylist ist für das Arrangement des Raumes, das Interieur und mögliche weitere Accessoires zuständig. Aufgrund der langen Aneinanderreihung von unbekannten Namen, tritt die Wirkkraft noch weiter zurück. Lediglich die Farbinformation zum Lippenstift scheint tatsächlich interessant.

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sich macht die Konstruktionsmechanismen der jeweils anderen Sichtweise sichtbar. Die Modestrecke per se ist deshalb nur als ein Changeant von Inhalt und Form, als Wechsel von gegenseitigen Bezugnahmen im Sinne der ISOTOPIE zu verstehen. Nur auf dieser gemeinsamen, Form und Inhalt verbindenden Verständnisebene kann der IkonoModeText als ein ästhetischer Zusammenhang sukzessive erfahren und verstanden werden. Rückblickend auf den bei dieser Modestrecke vollzogenen Rezeptionsverlauf drängt sich vor allem die ambivalente Bedeutung und erzählende Kraft der »delikaten Farben« (342) auf: Sie sind nicht nur auserlesen, fein und wohlschmeckend, sondern auch wählerisch und anspruchsvoll, wollen mit Zurückhaltung und Takt behandelt werden und erfordern Diskretion; sie bezeugen eine Subtilität bei der Wahl der Kleidungsstücke und bezeichnen gleichzeitig deren besondere Empfindlichkeit und die Empfindsamkeit des sie tragenden Körpers, den sie zart umfangen. »Zart besaitet« (ebd.) ist das Körperliche hingegen vielmehr von den weichen Haaren, die tönenden Saiten gleich einen Körper zum Schwingen bringen. Sie bezeichnen sowohl ein haptisches als auch quasi auditives Moment der aisthetischen Wahrnehmung. Der Mund des Fotomodells, der auf allen Bildern leicht geöffnet und in immer dem gleichen fleischfarbenen Rot geschminkt ist, korrespondiert mit den so genannten delikaten Farben insofern, als dass er neben der Assoziation des Verspeisens von Delikatessen auch die Erinnerung an die veraltete Redewendung ›etwas mit Delikatesse, also mit Vorsicht oder Taktgefühl, zu tun‹ hervorruft. Das Delikate der Mode dieses IkonoModeTextes erscheint nun zusammenfassend als im wahrsten Sinne des Wortes geschmack- und taktvoll zugleich: Mode wird mit allen Sinnen genießbar. Die Rolle der Farbe Schwarz in dieser Modestrecke ist es, so der Einleitungstext, die Magie zu verstärken. Was aber ist diese Magie? Und was bezeichnet sie in Verbindung mit der Farbe Schwarz? Was ist schwarze Magie? Die Antwort darauf innerhalb dieser Modestrecke ist vor allem ein Assoziieren von Zauberei, Geistern, Verwünschungen, Beschwörungsformeln, Zaubersprüchen, kultischen Ritualen, Hexentum etc. All diesen Erscheinungen und Praktiken ist etwas gemein, was mit Umkehrung und Verkehrung der Verhältnisse und Relationen und mit Erschaffung von etwas anderem zu tun hat. Obwohl mit der Mode etwas Neues geschaffen werden soll, handelt es sich demnach doch vielmehr um das strategische Einnehmen eines anderen Standpunktes, um die Veränderung der eigenen Perspektive oder um das Übertreten von Grenzen etc. Ein solcher POSITIONSWECHSEL im Sinne eines ikonotextuellen Identifikationsprozesses ist im Rahmen der Rezeption einer Modestrecke möglich, und in diesem Fall ist er sinnbildlich bereits von Beginn an durch das Thema »Black Magic« auf dem Cover der Zeitschrift angelegt. Mode tritt nun nicht mehr nur als auktorial gesetzte Funktionalität und Strukturalität eines Ikonotextes in Erscheinung, sondern auch als ein jeweils individueller Wahrnehmungs-

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verlauf auf Seiten des Rezipienten auf. Dieser individuelle Prozess, der Mode nicht festsetzt, sondern als eigensinnige, aisthetische Bewegung zwischen Bild und Text erst erfahrbar macht, wird nun exemplarisch als eine mögliche Art und Weise des Positionswechsels vorgestellt. Dadurch, dass im Titel dieser Modestrecke das Besaiten eine vordergründige Rolle spielt, öffnet sich mir sofort ein weiter, alle Sinne ansprechender Assoziationsraum. Saiten erscheinen nun als etwas aus Haut, Haaren und Fasern, die mit Händen bearbeitet werden können, um zu klingen und zu tönen. Gleichzeitig scheinen sie selbst in Handarbeit gefertigt und umspannen sanft einen zarten Körper, der ihnen die nötige Resonanz verleiht. Auf dem ersten Modebild drängen sich meinem Blick insbesondere die Haare auf, die sowohl die Haut des Models als auch die Biesen des Kissens fedrig benetzen, und die fein gefältelte Kleidstruktur, die fast im Schwarz versinkt (vgl. 342/343), verstärkt den Eindruck einer diffizil strukturierten Textur und Körperlichkeit. Der Blick und die ganze Augenpartie des Models sind auf fast allen Bildern von Haaren mehr oder weniger verdeckt. Diese Haare erscheinen am Anfang der Strecke natürlich Blond mit vielen hellen Lichtreflexen und bekommen in ihrem Verlauf immer auffälliger werdende dunkelrote Strähnen, die auf dem letzten Bild mit der Farbe des Lippenstiftes korrespondierend übereinstimmen (vgl. 349). Dieses besonders auffällige, fleischfarbene Rot begegnet mir bereits auf der dritten Seite und führt mich gedanklich dorthin zurück, und zwar zum bestickten Patchworkmuster der Decke im Vordergrund, die in dem selben Rot wiederum von den Haaren des auf ihr liegenden Models strähnig bedeckt ist (vgl. 345). Es ist die besondere Wirkungskraft dieser alten handgefertigten Textilie, die in mir nun ganz andere Bilder hervorruft: arbeitsame, geschundene Hände von Frauen und Kindern in ärmlichen, fremd anmutenden Verhältnissen, die in mühsamer Handarbeit diese alten textilen Kulturtechniken noch praktizieren, die hinsichtlich des Welthandels ökonomisch nur noch rentabel scheinen, wenn diese Menschen faktisch unterbezahlt werden. Diese Bilder und das damit verbundene Wissen um Ausbeutung von Frauen, Kindern und Textilarbeitern überhaupt, schiebt sich nun vor den durch die Modestrecke zunächst gewonnen Eindruck einer zart besaiteten Weiblichkeit, die auf den ersten Blick delikat in Szene gesetzt wird. Es entsteht für mich nun ein Bruch zwischen dem durch Bild und Text eröffneten Wahrnehmungsfeld und der augenscheinlichen ersten, strategisch intendierten Bedeutungsebene des Ikonotextes. Ich bin nicht mehr bereit, mein aisthetisches Wahrnehmen und somit den Sinn der Modestrecke auf dieser ersten Rezeptionsstufe zu belassen, vielmehr will ich nun weiter voranschreiten und noch etwas anderes entdecken. Auf der nächsten, dritten Doppelseite der Strecke liegt das Fotomodell wiederum willenlos lasziv und ergeben herum: links auf einem alten Herrensofas mit Kaminzimmerflair (vgl. 346) und rechts auf einem alten, abgetretenen

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Perserteppich, durch zwei Kissen noch bequemer drapiert (vgl. 347). Etwas fällt mir sofort ins Auge: die Farbe des Kleides wirkt alles andere als delikat. Es handelt sich vielmehr um einen undefinierbaren schlammigen Mischton zwischen dunkelbraun und moosgrün. Die Farbe mutet morbide an, erinnert an Holz und Moor, an Moder und Vergänglichkeit, ähnlich wie die zerschlissene textile Oberflächenstruktur des Teppichs. Das zarte Helle der Haut wirkt nun blutlos und leer, die Hand auf dem Teppich kraftlos und ergeben. Der »weit ausgestellte, bestickte Rock« (ebd.) im Modetext weist mich noch einmal auf textile Handarbeiten hin, und ich assoziiere wieder stickende zerschundene Hände. Der Teppich und das Sticken fungieren somit als Auslöser einer direkten Assoziationskette zur Macht- und Hilflosigkeit der weltweiten Textilarbeiter. Und darüber hinaus provoziert die verbalschriftliche Benennung und somit Hervorhebung durch den Modetext Fragen nach der Produktionsweise und den Bedingungen des dargestellten Kleides: Ist auch dieses Kleidungsstück von jenen zerschundenen Händen hergestellt worden, die hier immer noch als assoziiertes Bild mitschwingen? Und weiter: In welcher Beziehung stehen sie zu den feingliedrigen, zarten und hellen Händen auf dem Modebild? – Wie die Haare, die nun eine andere Anmutung annehmen, so erscheinen auch die zarten Hände auf dem letzten Bild der Modestrecke in einer zunehmend anderen Art: zuvor immer eher schlaff, lasziv oder Halt suchend sind sie nun zu einer sich fast selbst behauptenden Pose geworden. Sie wirken nun kraftvoll und herausfordernd. Und auch das Kleid ist alles andere als zart und delikat: Es ist ein dunkelbraunes Strickkleid, das im Brust- und Taillenbereich, der sowohl durch die Beleuchtung als auch die Handhaltung betont wird, aus sehr grob, patentgestrickter Wolle besteht, die wie drapiert wirkt. Insgesamt erscheint das Kleidungsstück aus verschiedenen Wolltextilien zusammengesetzt: Der Rock besteht aus kleineren relativ fein gestrickten braunen Streifen, der Bustierteil scheint aus einem grobem, köperbindigem Wolltweed ebenfalls drapiert. Anhand dieses Modebildes sind weder die »DELIKATEN FARBEN« (343) nachvollziehbar, noch ihr »VERFÜHREN MIT SINNLICHER UNSCHULD« (ebd.). Die Farbe Schwarz, die auf dem letzten linken Bild (vgl. 348) nur noch ansatzweise erahnbar ist und im Modetext keinerlei Erwähnung mehr findet, spielt nun überhaupt keine Rolle mehr. Farbig erscheinen auf dieser letzen Seite vielmehr Haut und Haare: die Lippen in »Rouge Pur 131« (348), die Arme und Schultern wie leicht gebräunt und die Haare offensichtlich mit rougeroten Strähnen durchzogen. An dieser Stelle, am Ende der Modestrecke setzt für mich nun eine vollkommen andere Art möglicher Sinnstiftung ein, die auf der Offenheit der ikonotextuellen Assoziationsräume und dem vollzogenen Bruch mit den augenscheinlichen Strategien der Modeproduktion beruht: Das konstitutive Spiel mit der Modebedeutung erweist sich ein weiteres Mal als verflixt und zugenäht. Die Erscheinungen der Mode sind aufgrund ihrer willkürli-

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chen Umkehrbarkeit und paradoxalen Regelhaftigkeit wie verhext, und es scheint möglich immer wieder andere Saiten aufzuziehen. Die Mode der Modestrecke, die thematisch mit »Zart Besaitet« überschrieben ist, ist nun durch den Prozess einer steten rezeptiven ikonotextuellen Verschränkung nicht mehr eindeutig fassbar, sondern erscheint vielmehr verhandelbar. Sie bleibt letztlich nur als ambivalentes, changierendes Wechselspiel zwischen Bild und Text erfahrbar und rückblickend als ein individueller Wahrnehmungsverlauf rekonstruierbar. Ein Verlauf, der Mode nicht markiert, sondern als eine rezeptive Bewegung, als Modehandeln umreißt.

Zwischen den Modestrecken Zwischen den Modestrecken findet etwas statt, was auf sie abstrahlt, sie verbindet, inhaltliche und formale Beziehungen ermöglicht, aber auch augenfällige Bruchstellen aufweist. Die allzu offensichtlich intendierten assoziativen Inhaltsverschränkungen wirken in dieser konzentrierten Engführung und Dichte oftmals aufgesetzt und teilweise sehr konstruiert. Es scheint als sollten diese Zwischenstationen der schönen Oberfläche einen wahren, tiefen Gehalt beifügen. Entsprechend sind die Themen von einer unterweisenden Moral durchsetzt, die Berichte und Bildreportagen erscheinen viel weniger informativ als belehrend. Diese moralische Unterweisung gelingt jedoch nicht mehr, wenn sich der Rezipient der Tatsache bewusst ist, dass es sich bei Mode vielmehr um sein eigensinniges Spiel mit den Erscheinungsweisen und nicht vordergründig um ein auktoriales Festschreiben von möglichen Bedeutungen handelt. Die Formate zwischen den Modestrecken des Modeteils, die in die sechs Rubriken Kunst, Engagement, Interview, Interior, Portrait und Gespräch unterteilt sind, werden nun hinsichtlich ihrer sinnstiftenden, strategischen Funktion und hinsichtlich ihres die Intention der Zeitschrift unterminierenden, taktischen Potentials untersucht. Diesen kurzen Analysen wird eine Äußerung des Chefredakteurs der amerikanischen VOGUE Alexander Liberman vorangestellt, um zu verdeutlichen mit welchem Impetus und Anspruch die Verantwortlichen der Zeitschrift ihrem Zielpublikum und der Kunst gegenüberstehen: I used to think we were communicating civilization, communicating culture, treating woman in a serious way by offering them intelligent features. I even thought that by publishing all those essays and photographs on arts and artist – not frivolous artists ... but the major School of Paris masters, and Rauschenberg and Johns, and Richard Serra, and de Kooning and Newman and Rothko – that we were performing a real service, because one of the magical things about exposing people to art is that art allows you to dare, and maybe, maybe, maybe some of that remains and the reader is subliminally altered.92

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Angeletti / Oliva 2006, 370.

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I. Kunst: »Paint It Black!« – Schwarzmalen als Erneuerung

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Der vierseitige Bericht über die Verwendung der Farbe Schwarz nach 1945 durch New Yorker Maler wie Frank Stella, Robert Rauschenberg, Mark Rothko u.a. beginnt mit dem Hinweis, dass sie »Tiefe und Absolutheit« (304) bedeutet. Dass es jedoch viel weniger um die Bedeutung als um das Ausloten von malerischen Erscheinungsmöglichkeiten ging, um die Frage wie tief eine Fläche wahrgenommen werden kann, zeigt sich beispielhaft in dem Zitat Stellas, das sich im Text unter dem abgedruckten Bild findet: »Was Sie sehen, ist, was sie sehen« (305). Obwohl sich der Betrachter bei dieser Abbildung nur schwer vorstellen kann, was damit gemeint ist, da das Bild abgedruckt in einer Zeitschrift seine eigentliche Wirkkraft überhaupt nicht entfalten kann, bekommt die Aussage nach der Rezeption der Modestrecke »Form: Schön« (292-303), in der es kurz zuvor um das Ausloten der Tiefe und die Schichtung von Oberflächen ging, tatsächlich eine tiefere Dimension. Umgekehrt scheint diese künstlerische Thematik einer möglichen Tiefe der Flächigkeit auf die zuvor dargestellte Modekleidung zurückzuwirken und ihr so nachträglich einen tieferen In-halt zuzuschreiben. Ebenso erweiternd erscheint der Verweis auf die Materialstudien des Robert Rauschenberg, in denen die Materialität und Strukturalität der Fläche und ihres Trägers, der Leinwand ausgelotet werden. Der Bericht zeigt vier großformatige Abbildungen von Rauschenberg, Stella, Rothko und Reinhardt, der mit seinem »Abstract Painting«, einer rein schwarzen Fläche, den Abschluss bildet. Die Bilder des Abstrakten Expressionismus wirken in dem kleinen Abbildungsformat auf Hochglanzpapier lediglich wie bemalte Farbflächen, vor deren Hintergrund folgendes Zitat von Barnett Newman nicht mehr nachvollziehbar erscheint: »Wenn ein Künstler sich wandeln will, wenn er etwas erfinden will, dann greift er zu Schwarz; das ist eine Methode, um neue Ideen zu entwickeln.«93 Hinsichtlich des Gesamtzusammenhangs der VOGUE-Ausgabe und der Thematik des Modeteils wirkt das Statement nun vielmehr entlarvend: Es scheint, als sei die Farbe Schwarz nur ein Zwischenstadium, bevor in der Mode etwas Neues geschieht. Schwarz erscheint nun als Methode, als Strategie der Wandlung. Es ist, als markiere es vielmehr den Prozess des Sich-Veränderns, als dass es die Proklamation von etwas Neuem bewirkt. Der Eindruck verstärkt sich durch die Assoziationen der vorangegangenen Modestrecken: »KünstStücke« (268-277) steht dann nur noch für den Rehabilitierung eines traditionellen Kunstverständnisses, und »Pop Up!« 278-291) erscheint lediglich als Reminiszenz an die Ausdruckskraft der Popart. Dass dieser Bericht vor allem eine laufende Ausstellung im Münchener Haus der Kunst vorstellt und bewirbt, tritt letztlich in den Hintergrund. 93

Ebd., 307.

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II. Engagement: »Engel von Benares« – Das schöne Heilige und seine brutale Schilderung

Die Reportage über das soziale Engagement von Stella Deetjen in der indischen Stadt Varanasi am Ganges stand bereits bei ihrer kurzen Schilderung zu Beginn der Analyse im Verdacht, soziale Rührung provozieren zu wollen und diese als Kitsch zu inszenieren. Und tatsächlich geht es in diesem Bericht vordergründig um die Weckung der Anteilnahme bei den Rezipienten durch die Schilderung selbstloser, guter Taten und ihre entsprechend ästhetische, prächtig gestaltete fotografische Darstellung. Das Gute und das Schöne scheinen in der liebevollen Zuwendung zum armen, kranken und ausgelieferten Dasein vereint. Der Text bringt es, nahezu selbstkritisch und reflexiv, auf den Punkt, der sich als ein moralisch gerechtfertigter Standpunkt darstellt: »Klingt wie ein Hippie-Trip. Ist es aber nicht. Stella Deetjen vereint Sinnsuche und bürgerliche Arbeitsethik in einer Person.« (315) Gleichzeitig steht diesen hehren, immer wieder betonten, inneren Werten eine auffallend schöne äußere Erscheinung zur Seite, die nicht nur durch die farbintensiven fotografischen Impressionen der indischen Lebenswelt und seiner Menschen transportiert wird, sondern die sich auch und vor allem erst in der ikonotextuellen Kombination durch die Zeitschrift zeigen. Der Engel von Benares, der »so schön ist wie ein Model« (ebd.), wird nicht nur wie ein solches fotografisch in Szene gesetzt (vgl. 309 u. 315), sondern auch die Bekleidung wird entsprechend der ikonotextuellen Erscheinung einer Modestrecke in Worte gefasst: Sie trägt einen Salwar Kameez, die indische Landestracht, bestehend aus einer langen Tunika und weiten Hosen in leuchtendem Rot oder Orange. Dazu viel Silberschmuck und ein Bindi, einen strassverzierten Schönheitsfleck über der Nasenwurzel.94

Diese Schilderung ist jedoch mehr als unpräzise und faktisch sogar falsch. Eine Tunika ist das Gewand aus der Zeit der alten Römer und des europäischen Mittelalters, sie wurde immer gegürtet getragen und vorn oft mit einer Fibel geschlossen, ganz anders hingegen das angesprochene, abgebildete südasiatische Hemd Kamiz, das locker über der Hose, genannt Salwar, getragen wird. Außerdem gehört zur traditionellen Tracht der Frauen noch die Dubatta, ein langer und breiter Schal, oft aufwendig mit Stickereien verziert oder farblich stark akzentuierend gemustert. Auf dem Bild über dem Text ist jedoch lediglich das lange, an den Seiten geschlitzte Hemd zu erkennen. Auf das weitaus bekanntere traditionell indische Kleidungsstück, den Sari, der auf dem ersten Bild der Reportage, einer schwarzweißen Fotografie, abgebildet ist, wird im Text nicht weiter Bezug genommen. Auf diesen ersten Eindruck von Stella Deetjen, wie sie, den Blick hoffnungsvoll 94

VOGUE, 315.

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in die Ferne gerichtet, am Ufer des Ganges steht, wirkt im Verlauf des Berichtes vielmehr ihre Beschreibung als »[g]roß, schlank, auffallend; die blonden Dreadlocks am Hinterkopf zusammengebunden« (ebd.) zurück. Es ist somit insbesondere der Text, der aus den eindrucksvollen und ästhetisch wirkmächtigen Fotografien von Matthias Ziegler eine dem Klischee verhaftete und kitschige Erzählung macht. Die Geschichte erscheint im Zusammenspiel von Bild und Text als zu schön, um noch real wirken zu können. Die Autorin Britta Petersen schreibt einerseits, dass es »Stella Deetjen aus[zeichnet], dass sie sich und ihre Arbeit nicht mystisch überhöht« (357), andererseits vollzieht sie selbst in ihrem Bericht genau dies, und zwar auf eine offensichtlich sehr plakative Art, wenn sie beispielsweise die Herkunft Deetjens aus einer »bürgerlichen deutschen Familie« (358) als »Tochter eines Anwalts und einer Oberstudienrätin aus Friedrichsdorf im Taunus« (315) ihrer so genannten »Berufung« (357) als »Engel von Benares« (S.308) gegenüberstellt. Petersen bezeichnet sie am Ende des Berichts sogar als »Mutter Tara« (358), das Weiblich-Göttliche der Weisheit Buddhas. Als nahezu pietätlos liest sich in diesem religiösen Zusammenhang vor allem die Bildbeschreibung »einer vorsintflutlichen Nähmaschine« (310), nachdem im Satz zuvor vom »heilige[n], aber auch brutale[n] Gesicht« (ebd.) Indiens die Rede war. Insbesondere weil auf dem Bild, dem der Text eingeschrieben ist, das Ufer des Ganges zu sehen ist, erscheint das Wort ›vorsintflutlich‹ an dieser Stelle zutiefst fragwürdig. Es spiegelt in diesem Zusammenhang vielmehr eine blinde, westliche Überheblichkeit wider, die in diesem Fall vor allem die permanente Überflutungsgefahr durch den Fluss Ganges, der jährlich Tausenden das Leben kostet, ignoriert. Die erst im Rahmen der kritischen Inblicknahme dieser Reportage durch den Rezipienten erfahrbare Wahrnehmungsebene, die sich vor allem durch das Bild eines jungen Mannes an einer alten, kaum funktionstüchtigen Nähmaschine und durch die Portraits von ärmlich und traditionell gekleideten Menschen manifestiert, bildet nun einen wesentlichen Resonanzboden für die noch folgenden Modestrecken und Berichte. So klingt der Titel der unmittelbar anschließenden Modestrecke »Dark Angel« (317), der an das Mystische des Engelthemas nun in einer metaphorischen Umdeutung anzuknüpfen versucht, nun nur noch wie eine banale Farce. III. Interview: »Tief im Herzen bist Du« – Entsprechung von Innen und Außen

Dem Interview-Text mit Cornelia Funke auf der ersten linken Seite ist rechts ein ganzseitiges Fotoportrait der Schriftstellerin gegenübergestellt, dessen Bildhintergrund von einem die ganze Fläche einnehmenden, textilen Wandbehang in dunklen Tönen bestimmt wird. Es scheint sich um ein gesticktes und z.T. gewirktes Wandbild zu handeln, das eine Ackerszene

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darstellt: ein Feld mit einem Mann im Vordergrund, mit einem Kind rechts oben, das mit einem Hund spielt, und mit mehreren vermutlich weiblichen Figuren im hinteren, linken Bildteil, die offenbar etwas Geerntetes sortieren. Die berühmte Kinderbuchautorin steht vor dieser textilen Szenerie, nur ihr Oberkörper ist zu sehen; sie selbst schaut nach rechts in Leserichtung der Zeitschrift, wie dem Zukünftigen zugewandt, aus dem Bild heraus. Sie erscheint tatsächlich, ohne dass man bereits etwas gelesen hat, quasi auf den ersten Blick als »zart und stark« (329), wie es die Bildbeschriftung nun zu verdoppeln scheint. Und auch das textile Bild im Hintergrund verkörpert diese Gegensätze in seiner dargestellten Materialität: Die Zartheit des Stoffes zeigt sich in den starken Hell-Dunkel-Kontrasten der detailliert ausgearbeiteten Konturen und Lichtreflexe. Wie der Titel es bereits andeutet, geht es in dem Interview indirekt, neben den Schilderungen der konkreten Trauerarbeit der Schriftstellerin hinsichtlich des plötzlichen Todes ihres Ehemanns, vor allem um die Innen-Außen-Thematik der körperlichen Verortung von emotionalem Schmerz. Die Schilderung des Bewahrens und Durchlebens von gemeinsamen Erinnerungsbildern kulminiert in der Aussage: »Früher lebte ich meine Ehe außen, nun erlebe ich sie innen.« (331) Diesem Bild entspricht ein zweites Portrait von Cornelia Funke auf dieser Seite der Zeitschrift: Mit geschlossenen Augen, die Hände wie zum Gebet vor den Lippen zusammengeführt, wendet sie sich innerlich zurück und faktisch nach links dem Text zu (vgl. ebd.). Diese zurückgewandte Pose der Besinnung ist mit dem Hinweis auf »Glücksmomente« (ebd.) beschriftet. Wieder korrespondieren Bild und Text, sie drücken zusammen die widersprüchliche Einheit eines besonderen ›Weh-Muts‹ der Trauer aus und wirken darin nicht redundant, sondern sich gegenseitig verstärkend. IV. Interior: »Schwarz auf Weiss« – Namedropping und bunter Stilmix

Die Bildreportage zeigt zeitgenössische bildende Kunst in einem weißen Wohnambiente mit viel Art Decó, Empire und aktuellem, hochpreisigem Design. Zur Betonung der Exklusivität der Gestaltungsweise fallen vor allem Namen von Künstlern und Designern: Martin Walde, Herbert Zangs, Zipora Rafaelov, Katsuhito Nishikawa, Jasper Johns, Beatrix Sassen, Markus Lüppertz, Djambul, Volkmar Schulz-Rumpold, Michael Bernstein, David Ireland, F.H. Ehmke, Peter Behrens, Bernhard Korte, Angelika Hülser-Stöhr, Tom Marioni, der »Rietveld-Stuhl« (336), die »PoggenpohlKüche« (ebd.), der »Putman-Stil« (ebd.) etc. Die Namen scheinen die fotografierten Eindrücke aufwerten und zu einem Gesamteindruck zusammenfügen zu wollen, sie sollen das Künstlerische belegen, fungieren als legitimierende Garanten für das »Haus der Kunst in Neuss« (332). Sie tauchen zum größten Teil mehrfach auf, der Text doppelt die Bildbeschrif-

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tungen, der Leser erfährt kaum Neues. Der Stil der Reportage geriert zum bloßen Auflisten von Namen, Stilen und auch von Farben. Der Titel, der auch grafisch schwarz auf weiß verspricht, dass das vorgestellte Interior diesem Leitthema folgt, und der Text, der zusätzlich behauptet, das Thema sei »konsequent bis ins kleinste Detail« (332) umgesetzt, der sogar aussagt: »In diesem Haus ist alles schwarzweiß« (ebd.), erscheinen bereits auf der zweiten Doppelseite als widersinnig, widersprüchlich und widerlegbar. Obwohl der Text behauptet: »Die einzig zugelassenen Farben sind Grau, Silber und hie und da ein leuchtendes Azurblau oder Rostrot« (336), sieht der Rezipient vor allem viel Holz und viel Gold, d.h. viele warme, braune Naturtöne und immer wieder ein warmer, glänzender und volltönender Goldton. Auch die vielen Gemälde sind eindeutig bunt und aufgrund ihrer Vielfarbigkeit sehr kontrastreich. Alles erscheint zwar wohl komponiert, aber dennoch bunt gemischt. Konsequent erscheint somit nur der bunt zusammen gewürfelte Stil der Hausherrin, der vielmehr durch das ebenfalls genannte Wort »Kontrastharmonie« (333) erfasst wird. Das, was auf diesen Seiten tatsächlich »Schwarz auf Weiss« (332) erscheint, sind vielmehr die grafische Gestaltung und der Inhalt des Textes: der große, schwarze Anfangsbuchstabe ›K‹ des Wortes ›konsequent‹, mit dem der Text beginnt (vgl. 336), oder auch das Wort »Marmorkarmin« (360), das an sich etwas Weißschwarzes auszudrücken scheint. Eigentlich jedoch hält nur das Bad, was der Titel verspricht, da es im so genannten »Putman-Stil« (336) schwarz-weiß gefliest ist. Während sich der Text bislang nur als widersprüchlicher Behauptungsversuch eines aufgesetzt erscheinenden Themas und bloße namentliche Referenznennung verstehen lässt, ist es vor allem diese kleine Abbildung des schwarz-weißen Kachel-Looks (vgl. 337), die die ganze Reportage bildlich und inhaltlich in den Modeteil einbindet. Denn an dieser Stelle wird quasi ein Anker zur zweiten Modestrecke »Pop Up!« (278-291) geworfen, der sofort das Wissen um die schwarz-weißen Fliesen im New Yorker Morgans Hotel wachruft, mit denen die französische Designerin Andrée Putman in der Mitte der 1980er bekannt geworden ist.95 V. Portrait: »Signore Sexy« – Süffisanz und Machismo

»Das ist wie der schmale Grat zwischen sexy und vulgär« (341), sagt Roberto Cavalli über das Gelingen seiner Mode. Es hängt, so Cavalli, vielmehr von der Frau ab, als von dem Kleid. Die Frau muss in sich elegant sein, denn Eleganz ist »nur Ausdruck einer inneren Haltung« (ebd.); und: »Eleganz ist angeboren« (ebd.). Mit anderen Worten ist demnach nur eine 95

Sie hat sich damals auch von den schwarz-weiß karierten Streifen der New Yorker Taxen inspirieren lassen (vgl. »Schwarzgelber Hut von Giles«, VOGUE, 279).

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elegant erscheinende Frau auch sexy, alles andere ist oberflächlich und gewöhnlich. Der Text macht aus dieser dezidierten Haltung Cavallis jedoch auf den ersten Blick etwas ganz anderes. Cavalli sagt auf der vierten Seite im Fließtext des Berichts, also relativ spät im Rezeptionsprozess, dass er es bedauere, dass seine Kleider viel zu oft »auf vulgäre Weise getragen« (ebd.) würden, und dass es ihn deshalb reize, »sie diesen Frauen zu entreißen« (ebd.). Der Titel und das Intro des Portraits verkehren diesen Sinn vollkommen, wenn sie Cavalli als »Signore Sexy« (338) betiteln und konstatieren: »Stars, die gern eine Extraportion Sexappeal anziehen, verehren ihn. Manchen von ihnen würde Roberto Cavalli seine Kleider jedoch am liebsten wieder vom Leibe reißen« (ebd.). Es findet eine feine aber entscheidende Nuancenverschiebung statt: Sexyness erscheint als in den Kleidern von Cavalli enthalten und somit nun anziehbar, und Cavalli erscheint als Casanova, der die Frauen nicht an- sondern ausziehen möchte. Er wird unterschwellig süffisant »zum grössten Frauenhelden seiner Zunft« (340) degradiert, was sich durch die häufige Betonung seiner tiefen und rauchigen Stimme verstärkt (vgl. 338), der zuletzt unterstellt wird, dass bereits sie die Kundin »bezaubern« (341) könne, und nicht nur seine Kleider. Folgender Bruch zwischen der Aussage des Textes und der des Bildes verstärkt den Eindruck, dass Cavalli als Modeschöpfer nicht das verkörpert, was die Redaktion oder zumindest die Autorin Birgit Schönau in dem Augenblick als Mode im Visier hat: Während das fotografische Portrait einen älteren Mann mit einem äußerst trüben, nahezu müdem Blick zeigt, der direkt auf den Rezipienten gerichtet ist, spricht der Text unmittelbar neben dem Bild von Cavallis »scharf beobachtenden Blick« (ebd.). Die zweite Fotografie auf der nächsten Doppelseite zeugt zusammen mit dem ihr zur Seite gestellten Zitat, in großen Majuskeln fett geschriebenen und mit sehr großen Anführungszeichen versehen, noch eindrücklicher vom sich distanzierenden Zynismus der verantwortlichen Journalisten: Die Fotografie zeigt ein weit geöffnetes schwarzes Hemd, das die Sicht auf ein reich verziertes silbernes Kruzifix an einer langen Kette frei gibt, eine halb getönte Sonnenbrille, die den trüben Blick nun verstellt, und ein Armgelenk, das eine große, sehr auffällige Armbanduhr ziert (vgl. 341). Cavalli, der auf der Fotografie vor einer großen, ihn reflektierenden Spiegelwand steht, erscheint somit als alternder Gigolo, während ihn der Text neben dem Bild mit folgenden Worten zitiert: »Wie alt ich schon bin sehe ich nur im Spiegel.« (341) Bild und Text, auf diese süffisante und widersprüchliche Art und Weise verschränkt, lassen die Person Roberto Cavalli letztlich lächerlich dastehen.96 Für Cavalli sind jedoch seine Kundinnen, die heute 96

Insbesondere Cavallis Liebe zu Plüschtieren wird sehr ausführlich geschildert und jener für bildende Kunst, vertreten in Form eines Porträts des Designers von Julian Schnabel, gegenübergestellt. Die Art und Weise wirkt distanzierend und na-

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alles über Mode wissen, und dementsprechend auch die Rezipienten der Zeitschrift das eigentliche Problem der Mode: »›Heute wissen alle alles. Die Frauen gehen ins Geschäft und wissen schon, was sie wollen. Jede Frau ist ihre eigene Designerin geworden.‹« (356) Dieses Zielpublikum lässt sich auch von der Zeitschrift VOGUE nichts mehr vormachen, ihre Strategien sind zu offensichtlich. So wird Cavalli gerade deshalb in dieser Ausgabe präsentiert, weil ihn und seinen Kleidungsstil ein Revival-Trend erwartet: Im November bekommt er den Bambi 2006 verliehen und im folgenden Jahr gestaltet er die Bühnenoutfits für die Comeback-Tour der Spice-Girls und entwirft eine H&M-Kollektion97. Der alternde Modedesigner erkennt die Zeichen der Zeit und wendet sich der Jugend zu, und die Zeitschrift berichtet bereits einige Monate zuvor ausgiebig vom Schaffen des Designers und gibt so wiederum den Ton an. Besonders auffällig wird der trübe alternde Blick eines als Playboy bekannten Mannes, jedoch erst rückblickend beim Umblättern: Es ist als würde der Betrachter selbst nun mit einem eben solchen Blick auf die dargebotene Verführungsszene der folgenden Modestrecke »Zart besaitet« (342-349) schauen. Die Thematisierung und unterschwellige Distanzierung von einem solchen, sexistischen Blick prägt deshalb die Rezeption jener Strecke und befördert geradezu ein kritisches Hinterfragen des dargebotenen Zusammenspiels von lasziven Körpern, halb geöffneten Lippen, abgewandten Blicken, »delikaten Farben« (343), »sinnlicher Unschuld« (ebd.) und durch Schwarz verstärkter »Magie« (ebd.). Die Zeitschrift erzeugt somit, zusammen mit der eigentlichen Intention Modekleidung und Modethemen zu vermitteln, per se eine mögliche Distanznahme und die Möglichkeit eines reflektierenden Standpunkts innerhalb ihrer Rezeption. VI. Gespräch: »Herz über Kopf« – Unter Männern

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»Mutige Männer« (351) unterhalten sich in diesem Format über ihre Lieblingsbeschäftigungen, wie Theater-Spielen oder In-den-Weltraum-Fliegen. Offen bleibt jedoch, warum sie außerhalb ihrer Rollen im derzeit aktuellen Superman-Film als mutig zu bezeichnen sind. Vielmehr leben beide erfolgreich nach dem Motto: »Das Leben ist zu kurz, um es sich und anderen unnötig schwerzumachen.« (350) Im entsprechend seichten Plauderton

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hezu überheblich (vgl. VOGUE, 338). Cavalli, der vor allem durch seine Kleider mit großflächigen Raubtier-Prints bekannt geworden ist, kann demnach als jemand verstanden werden, der sich mitnichten an der Kunst, sondern vielmehr an den sinnlichen Reizen banaler Alltagsästhetik orientiert. Frei weiter assoziiert, wird die von ihm bekleidete Frau zum Kuscheltier in Leopardenlook, das er tätschelt und mit dem er sich gern umgibt. Bezeichnenderweise entsprechen einige Modelle dieser Kollektion älteren CavalliKreationen (vgl. http://www.stern.de/lifestyle/mode/:H&M-Cavalli-Kollektion-OlleKamellen/601962.html?cp=1 (20.11.2008)).

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plätschert das Gespräch dahin, ohne wesentliche Informationen neben aktuellen Rollenplänen und dem geplanten Weltraumflug zu vermitteln. Obwohl die VOGUE-Gespräche im Allgemeinen sehr interessante Ansichten und Einblicke vermitteln, bleibt dieses weit hinter seinem Anspruch zurück.98 Zwei sympathische Männer unterhalten sich und werden dabei fotografiert. Was dabei herauskommt, sind lediglich zwei Einzelportraits, ein Doppelportrait und ein belangloser Text. Selbst der Titel »Herz über Kopf« (ebd.), die darin offensichtliche Betonung des Intuitiven, findet weder im Text noch in den Bildern eine Resonanz. Das Thema »Black Magic« spielt keine Rolle mehr; nur die Kleidung des in weiß gekleideten Sir Richard Branson und der schwarze Anzug von Kevin Spacey erweisen sich noch als Anzeichen eines Kontrastes, der auch am Ende des Modeteils kaum noch bedeutungsvoll erscheint. Die Betonung des Mutigen und des Intuitiven bekommen dann eine spezifische Aussagekraft, wenn sie der bereits zitierten Bemerkung Alexander Libermans zur Seite gestellt wird, die besagt, dass die Kunst es einem möglich macht etwas zu wagen, und dass somit die Möglichkeit besteht, dass sich der Leser unbewusst zu ändern vermag. Es scheint nun so, als müsste diese Kraft am Ende des Modeteils nochmals beschworen werden, um der zuvor ikonotextuell dargestellten Kleidung, abermals eine besondere Wirkungsmacht zuzuschreiben, die sie ohne diese Zuschreibung nicht hat. Wie jedoch die Analyse der Berichte und Reportagen zwischen den Modestrecken zeigt, handelt es sich bei diesen Formaten nicht um »intelligent features«99. Es werden vielmehr häufig belanglose und (ab-)wertende Details geschildert, die vor allem eine emotionale und kaum informative Wirkkraft entfalten. Der intendierten Rezeption der Modestrecken wird damit jedoch faktisch entgegengearbeitet, da die Rezipienten bereits ein großes Wissen über die narrative Evozierung von Bedeutung mitbringen, oder wie es Cavalli auf den Punkt bringt: »Heute wissen alle alles« (356.), d.h. heute können die Leser einer Zeitschrift alles wissen, wenn sie es wollen. Die eingangs genannte Hoffnung Libermans, dass die Möglichkeit zu einer unbewussten Veränderung auf Seiten der Leser bestehe, erweist sich deshalb mittlerweile als kaum mehr realistisch. Die Leserschaft einer Zeitschrift erwartet zwar einen »real service«100 , aber es muss sich um einen Service handeln, der das Wissen um das bereits vorhandene, umfassende Wissen der Rezipienten mit einschließt, und sie somit tatsächlich Ernst nimmt. Mit Barbara Vinken lässt sich dieses Wissen auch als Fähigkeit zur Entlarvung der Naturalisierungsversuche der Modeproduktion verstehen. Alles, auch das Authentische wird nun als rhetorischer Effekt deutlich, als 98 99 100

Vgl. Runge 2004. Angeletti / Oliva 2006, 370. Ebd.

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ein »Effekt, den Mode produzieren kann«101 . Das heißt für die Rezipienten, daß Mode im Zusammenspiel von Bild und Text einer Modezeitschrift erst als ein transmediales Phänomen im Dazwischen zu konstituieren ist; und es heißt auch, dass Authentizität, wenn überhaupt, nur als Effekt dieses rezeptiven Vollzugs des IkonoModeTextes erfahrbar ist. Jede andere Strategie ihrer Erzeugung wird somit als solche durchschaubar. Eine glaubhafte Modedarstellung durch die Zeitschrift muss diese Reflexivität berücksichtigen und jede Form der ikonotextuellen Darstellung als Effekt kennzeichnen, und zwar einerseits als »anti-authentischer Diskurs«102 und auch als bewusstes Spiel mit den Inszenierungsmöglichkeiten und der Inszeniertheit der Mode in der Zeitschrift: »Die Mode nach der Mode stellt diesen Effekt dar als das, was er ist: als Effekt.«103 Das heißt für Berichte wie den über Stella Deetjen oder Roberto Cavalli, aber auch für den über die Kunstausstellung »Black Paintings« im Münchner Haus der Kunst, dass in ihnen wesentlich konkreter, offensiver und faktischer mit der zur Verfügung stehenden und zu vermittelnden Information umgegangen werden muss. Der Versuch, aus allen Themen eine gemeinsame Erzählung rund um das Mode-Thema »Black Magic« zu schreiben, muss demnach misslingen und wird deshalb nur noch, wie gezeigt werden konnte, verkrampft und aufgesetzt erscheinen. Diese eine, große Modeerzählung durch die Zeitschrift ist nicht mehr glaubhaft. Die Rezipienten sind längst ihre eigenen Erzähler geworden, indem sie innerhalb des Rezeptionsverlaufs den Prozess selbst anhand seiner kritischen Reflexion die behaupteten Werte hinterfragen und sich so mit ihren eigenen Sichtweisen positionieren können. Nicht mehr die Nachahmung des intendierten Wertes, sondern das Wissen um die Möglichkeiten der Umwertung und die Arbitrarität des Bedeutungsvollen an sich bestimmen nun die Konstitution der Mode in der Zeitschrift. Vinken formuliert diesen Mechanismus der Mode unter Bezug auf Charles Baudelaires Bettlerin-Gedicht104 wie folgt: »Der entlarvte Wert des Entwerteten fällt als Mehrwert des Entwertens auf den zurück, der ihn erkennt – als einzig möglicher Erkenntniswert.«105 Dieser Mehrwert des Entwertens jedoch muss auf Seiten der Rezipienten stattfinden, er darf nicht von der Zeitschrift vorgegeben werden, wie beispielsweise bei dem Bericht über Roberto Cavalli, um als tatsächlich glaubhaft erfahrbar zu sein. Denn auch, oder insbesondere die wertende Kritik ist vor ihrer Umwertung im Rahmen der Rezeption nicht gefeit. Da Mode auch in der Zeitschrift somit erst im erkennenden Prozess des Umwertens als Wert erfahrbar wird, ist sie 101 102 103 104 105

Vinken 1993, 47. Ebd., 48. Ebd., 47f. Vgl. ebd. »Auf ein rothaariges Bettlerkind«, 166f. Ebd., 44.

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zwar ein von Grund auf »anti-authentischer Diskurs«106 , der gleichzeitig jedoch performativ die Authentizität jener Erkenntnis erfahrbar macht und die Identifikation mit seinem Vollzug ermöglicht. Gertrud Lehnert formuliert dies – allerdings hinsichtlich der konkreten Inszenierungen von Identität und Individualität durch »das Tragen bestimmter Stile, bestimmter Kleidungsstücke«107 – wie folgt: »Die Mode schafft auf diese Weise, was den großen Meta-Erzählungen nicht mehr gelingt: Sinn hervorzubringen, und sei dieser noch so fragmentarisiert und vergänglich.«108

5.3 Weisen der Mode Mode zeigt sich im Rahmen dieser Analyse als ein bestimmtes Ereignis ihres Erscheinens, d.h. durch die herausgearbeiteten Aspekte ihres Erscheinens wird sie zu einem scheinbar bestimmbaren Element der Modestrecke. Da sie jedoch immer zwischen der bildlichen und textlichen Erscheinungsweise changiert, und nur im Wahrnehmen dieses Zwischenraumes tatsächlich (nach-)vollziehbar ist, bleibt auch ihr eigentliches Erscheinen nur im Prozess des Interagierens zwischen beiden erfahrbar. Die jeweiligen wahrnehmbaren Erscheinungen des Modebildes und des Modetextes ermöglichen deshalb nicht nur die Wahrnehmung derselben, sondern eröffnen gleichzeitig einen »anderen Vollzug der Wahrnehmung«109 . Dieser ästhetisch wahrnehmende Vollzug zielt nicht nur auf ein bestimmbares Verstehen, sondern bezieht den Prozess des sinnlichen Wahrnehmens des IkonoModeTextes in die begreifende Konstitution der Modebedeutung mit ein. Das, was Mode hier ist, lässt sich deshalb nur als eine je unvergleichbare Wahrnehmungsweise ihres Erscheinens beschreiben, diese Weise ist »das Wie ihres Gegebenseins hier und jetzt«110 . Sie ist somit auch nur ein möglicher Vollzug der ästhetischen Wahrnehmung einer Modestrecke. Mode ist deshalb immer (nur) die augenblicklich wahrnehmbare Gegenwart der Mode im Zusammenspiel der gegenwärtigen Erscheinungen. Mode antwortet auf die Frage danach, wie sich etwas zeigt. Alle anderen Fragen, z.B. die nach der Bedeutung oder der Begründung von Mode, treten so hinter das Spiel ihrer Erscheinungen zurück. Diese hier kenntlich

106 107 108 109 110

Ebd., 48. Lehnert 1997, 48. Ebd., 47. Seel 2003, 96ff.; vgl. insb. ebd., 97, Fußnote 33. Ebd., 83; vgl. ebd., 84f.

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gemachte, besondere Aufmerksamkeit der Rezeption zielt auf die WEISE der Mode: dieses »ästhetische Verweilen lässt etwas in seiner Fülle sein«111 . In Anlehnung an Martin Seel, der in diesem Zusammenhang entsprechend den »Ausdruck ›Erscheinen‹ [...] für die Interaktion der am Gegenstand je gegenwärtig vernehmbaren Erscheinungen«112 setzt, steht nun die Frage nach dieser Interaktion im Fokus des Interesses. Das folgende Kapitel wird deshalb aufgrund der in der Analyse zur Erfahrung gebrachten Wahrnehmungsweisen entsprechende Konzepte entwickeln, die den zuvor exemplarisch vollzogenen spezifischen Umgang mit dem IkonoModeText sowohl aufschlüsseln als auch verallgemeinern. Die differenzierende und generalisierende Konzeption des Modehandelns, der Medienkontamination durch die Mode und ihrer aisthetischen Formation und Rezeption wird deutlich machen, inwieweit Mode heute in einer »Kultur, in der persönliches Vergnügen und subjektive Innerlichkeit ein größeres Gewicht haben als die Imperative gesellschaftlicher Repräsentation und die persönliche Ausdruckskraft mehr Sinn macht als die institutionellen Kräfte«113 , überhaupt noch als übergeordnetes Strukturphänomen gesehen werden kann.

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Mode erscheint zwischen Bild und Text, indem das ikonotextuelle Beziehungsgefüge auf Seiten der Rezeption handelnd erschlossen wird. Beim MODEHANDELN werden Bild und Text also nicht vergleichend nebeneinander gestellt, sondern ihr Aufeinandertreffen im Medienclash wird als ein Wechsel- und Zusammenspiel wahrnehmend gestaltet. Dieser Wahrnehmungsprozess ist jeweils sowohl strategisch intendiert, als auch taktisch unterminierbar, im Einzelnen jedoch nie vollkommen plan- oder steuerbar. Modehandeln heißt somit, dass sich das Erscheinen der Mode im Ikonotext erst durch einen, nur jeweils bestimmbaren, handelnden Umgang mit den Medien Bild und Text ereignet. Diese prozessuale, Mode konstituierende Umgangsweise mit dem IkonoModeText ist durch drei Aspekte des Handelns gekennzeichnet: I. Das Agens als das vollziehende HANDELN zwischen Bild und Text. II. Das Faktum als eine ikonotextuelle HANDLUNG. III. Das Negotium als HANDEL, eine aushandelnde Tätigkeit.

Die drei Aspekte sind nicht voneinander zu lösen. Sie geschehen gleichzeitig und bilden zusammen den Rezeptionsprozess der Mode. Nur im reflektierenden Nachvollzug sind sie trotz ihrer Parallelität getrennt voneinander 111 112 113

Ebd., 85. Ebd., 82. Lipovetsky 2002, T9.

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als Facetten eines handelnden Umgangs mit Mode benennbar. Beim Modehandeln spielen alle drei eine gleichwertige und konstitutive Rolle.114 I. Das Agens, die Praxis des HANDELNS, ist zu verstehen als die prozessuale Bewegung des Vollziehens von Mode, d.h. ihre Wirksamkeit zwischen Bild und Text. Anhand der Beschreibung der prozessualen Wahrnehmung des IkonoModeTextes in Form von: ›Ich nehme Mode wahr‹, wird deutlich, dass ein konkretes Subjekt Bild und Text interagierend aufeinander bezieht. Das Ich handelt zwischen Bild und Text, indem es sinnlich wahrnehmend eine Verbindung zwischen Bild und Text herstellt. Mode zeigt sich somit im individuellen, konstituierenden Vollzug dieser kombinatorischen Relation. Das wahrnehmende Handeln zwischen Bild und Text einer Modestrecke erzeugt somit einerseits Mode als eine bestimmte vollziehbare Kombinatorik und andererseits das Ich als Subjekt dieses Vollzugs. Modebild und Modetext sind als Objekte der Mode weiterhin objektiv gegeben, ihre sinnliche Wahrnehmung ist jedoch jeweils vom praktischen Handeln zwischen ihnen abhängig. Dieser Zwischenraum, in dem Mode als ein Handeln stattfindet, ist deshalb immer nur unmittelbar subjektiv erfahrbar. Das Agens der Modestrecke hält somit einen performativen Spielraum der Mode bereit, der erst im rezeptiven Gebrauch des ikonotextuellen Mediums als individueller Freiraum wirksam wird. II. Das Faktum, die ikonotextuelle HANDLUNG, entspricht der Mode als einer beschreibbaren Tatsache. Und zwar ist es der wahrnehmende Vollzug der Mode zwischen Bild und Text an sich. Es ist das Ereignis des Erscheinens der Mode in der subjektiven Wahrnehmung. Diese Handlung ist das konkrete Aufeinanderbeziehen von Bild und Text im Verlauf ihrer wahrnehmenden Verschränkung zum IkonoModeText.115 Sie ist als performative Tatsache eine subjektive und konstitutive Setzung von Mode und in diesem Sinne auch als auktorial zu bezeichnen. Sie lässt sich beschreiben als: ›Ich nehme wahr, dass etwas Mode ist.‹ Es ist die Tatsache des wechselseitigen Konstitutionsprozesses der Mode zwischen Bild und Text, die nur durch ihre Reflektion nachvollziehbar ist. Inhalte oder Bedeutungen spielen nur hinsichtlich ihrer Funktion Differenzen anzuzeigen eine Rolle. Die ikonotextuelle Handlung, die sich erst in der rezeptiven Wahrnehmung vollzieht, ist somit die grundlegende Gelingensbedingung für die Performativität der Mode in der Modestrecke.

114

115

Neben den drei Aspekten des Modehandelns ist noch seine Verweigerung zu nennen, die jedoch ebenso eine Positionierung im Rezeptionsprozess bedeutet und mitnichten außerhalb seiner stattfindet. Mersch formuliert den Versuch des sich Heraushaltens wie folgt: »Auch das Nichthandeln bedeutet in diesem Sinne noch eine Handlung; selbst wenn man ausweicht oder sich verweigert, hat man sich schon eingebracht und Stellung bezogen.« (Mersch 2002a, 239.) Vgl. die Verwendung des Begriffs ›Handlung‹ bei Butler 1997, 296.

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III. Das Negotium als Mode konstituierender Transfer zwischen Bild und Text, der teilweise auch eine Transformation des Wahrgenommenen in das jeweils andere Medium darstellt, lässt sich vor allem als ein HANDEL mit intendierten, assoziierten und so wiederum modifizierten Inhalten begreifen. Es gleicht einem permanenten Aushandeln und Verhandeln von Sichtweisen der Mode zwischen Bild und Text. Es ist der transformative Prozess ihrer Konstitution, der ihre Bedeutung niemals objektiv festschreibt, sondern immer in einer subjektiven Potentialität zwischen Bild und Text hält. Denn in der Beschreibung: ›Ich nehme wahr, was Mode sein soll‹, ist nicht nur das Intendierte, sondern gleichzeitig das enthalten, was demnach zwar ›nicht sein soll, aber ebenso sein kann‹. Das strategisch intendierte Modeverständnis ist ebenso wahrnehmbar, wie das Potential seiner taktischen Unterminierung. Beides ist im IkonoModeText enthalten und kann aktiviert werden. Diese Ambivalenz ist das Wesen der Mode. Die Aufmerksamkeit116 des Rezipienten gibt den Ausschlag: Entweder ist sie auf das gerichtet, was die Modestrecke medial vermittelt, oder sie ist offen für das, was sich im Medium IkonoModeText zwischen Bild und Text ereignet. Das Vollziehen der Mode (Agens): ›Ich nehme Mode wahr‹, die Tatsache ihres Vollzugs (Faktum): ›Ich nehme wahr, dass etwas Mode ist‹, und das Aushandeln von Positionen (Negotium): ›Ich nehme wahr, was Mode sein und nicht sein soll, aber ebenso sein kann‹, bilden zusammen den performativen Prozess ab, der das Ereignis des Erscheinens der Mode erst ermöglicht. Es wird deutlich, dass Mode nicht lediglich als ein Medien strukturierendes Phänomen gesehen werden kann.117 Darüber hinaus muss etwas geschehen: ein MODEHANDELN, das den ikonotextuellen Zwischenraum, in dem sich Mode ereignen kann, erst ermöglicht. Dieses Ereignis, so Mersch, »folgt nicht der Kombination der eingesetzten Mittel, sondern es bricht aus deren Mitte hervor: Es geschieht – buchstäblich – ›zwischen‹ ihnen. Keine Struktur erfüllt je das Ereignis«.118 In diesem Sinne lassen sich die Freiräume des IkonoModeTextes durch Konventionen erkennen, findet Selbstkonstitution innerhalb der Mode durch Fremdbestimmung 116 117

118

Vgl. Waldenfels 2004, 136 u. 172. Barthes, der in Die Sprache der Mode noch davon ausgeht, dass die Struktur der Mode gegenüber seinem Ereignis ein eindeutiges Übergewicht hält, schreibt: »Struktural geht es darum, die Struktur hinter dem Ereignis zu maskieren.« (Barthes 1985, 254.) Er bezeichnet sie aufgrund ihrer stereotypen Erscheinungsform auch als »niedere Form einer Struktur« (ebd., 253) und »schüchterne Form eines Ereignisses« (ebd.). Das hat sich entscheidend gewandelt: Die Mode weist heute eine sehr komplexe und selbstreflexive Struktur auf, die unmittelbar auf eine veränderte, wesentlich ausdifferenziertere Rezeptionshaltung zurückzuführen ist. Das Ereignis der Maskierung, wie der Demaskierung von strukturalen Stereotypen ist zum grundlegenden Bestandteil ihrer Struktur geworden. Mersch 2002a, 233.

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statt, und die Spielräume der Mode eröffnen sich durch ihre Setzungen. Mode zeigt sich somit erst im Dazwischen, das sowohl durch die »strukturelle Differenz zwischen Konzeption und Geschehnis«119 , als auch durch die Unüberführbarkeit der Medien Bild und Text und ihre spezifische Kombinatorik in Form des ikonotextuellen Medienclash gebildet wird.

Medienkontamination der Mode In diesem sich ereignenden Zwischenraum, in der Mitte von Produktion und Rezeption, zwischen Bild und Text, ist die MEDIENKONTAMINATION DER MODE als wesentlicher, konstitutiver Teil des medialen Vermittlungsprozesses zu verorten. Mode erscheint in diesem Zusammenhang als ein medienunspezifisches Phänomen und lässt sich in diesem Sinne als Transmedium auffassen, das in verschiedensten Medien ausgetragen werden kann. Transmedialität bezeichnet eine Medialität, die über das Medium an sich hinaus geht und dort, jenseits des Medialen zu verorten ist. Das heißt, es geht gerade nicht darum, etwas von einem Medium in ein anderes zu übertragen. Nicht die Übertragung, sondern die mediale Austragung an sich spielt bei transmedialen Erscheinungen die konstitutive Rolle. Eine Medienkontamination ist – bildlich gesprochen – die porentiefe Verunreinigung eines Mediums durch ein übergeordnetes Strukturphänomen.120 Mode ist die Art und Weise, wie etwas erscheint. Es handelt sich um ein spezifisches Muster an Formen und Inhalten, die in der Modestrecke zwischen Bild und Text das Knüpfen eines bedeutungsvollen Netzes ermöglichen. Philipp Sarasin beschreibt jene Muster, die sowohl die menschliche Sprache als auch kulturelle Objekte durchdringen, als ein »Netzwerk der Signifikanten«121 , das sich durchaus »als ›infektiös‹ metaphorisieren«122 lässt. Es sind die so genannten »Assoziationslogiken der Sprache«123 , die weit über das Bezeichnete hinaus wuchern und neben der intendierten andere Lesarten bereithalten. Diese Netze, die jede Vermittlung durchziehen, sind nicht mit den Signifikanten an sich gleichzusetzen, sie sind vielmehr in deren je spezifischer Zusammensetzung zu erkennen, aus der sich ihre besondere Funktionsweise ergibt. Der Ikonotext einer Modestrecke ist zwar weiterhin eindeutig durch die »eingrenzende, einschränkende Funktion der Mechanismen des Ausschlusses, die das Sagbare in engen Schran-

119 120

121 122 123

Ebd., 234. Vgl. zur Etymologie des Begriffs der Kontamination Bauhöfer 2001, 264ff. Bauhöfer kommt in seinem Text zu dem Schluss, dass Kontamination im weitesten Sinne »Kontakt und Kommunikation zugleich« (ebd., 282) sei. Sarasin 2005, 93. Ebd. Ebd., 94.

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ken halten«124 gekennzeichnet. Gleichzeitig ist ihm jedoch eine weitere Funktionsweise inhärent, die mit Sarasin als »Logik der Assoziation, der Ähnlichkeiten und des Kontakts«125 benennbar ist. Die transmediale Medienkontamination kann deshalb als Verunreinigung, bzw. Durchdringung der Medien mit etwas Anderem, das über sie hinaus geht und sich dennoch gleichsam im Medialen ereignet, verstanden werden. Kontamination ist als Prozess der Verunreinigung die Voraussetzung jener Unreinheit, die zur Ansteckung führen kann. Etwas Kontaminiertes kann deshalb infektiös wirken und zur Ansteckung führen, ist jedoch selbst insofern nicht infiziert, als dass es sich nicht um etwas Körperlich-Lebendiges handelt. Es ist vielmehr eine Seite der Übertragung, während die andere durch Ansteckung gebildet wird. Beide bleiben jedoch an den Prozess der Übertragung gekoppelt, sind nicht von diesem zu lösen.126 Entsprechend ereignet sich die Medienkontamination durch Mode erst im Modehandeln, d.h. im wahrnehmenden Vollzug der ikonotextuellen Medienkombination. Und ähnlich wie die Aufmerksamkeit beim Modehandeln nicht willentlich lenkbar ist, sondern vielmehr geschieht, ist diese Form der Ansteckung ein Ereignis, bei dem seine »Zufälligkeit, die Unmittelbarkeit, die Plötzlichkeit, aber auch die innere Notwendigkeit, die Unvermeidlichkeit«127 als Potential mitgedacht werden müssen, so Mirjam Schaub und Nicola Suthor in der Einleitung des von ihnen herausgegeben Buches Ansteckung. Zur Körperlichkeit eines ästhetischen Prinzips.128 Zudem diagnostizieren sie dem Begriff eine »– für die Theoriebildung lästige – Flüchtigkeit«129 , die zunächst fraglich erscheinen lässt, ob »Ansteckung auch als ästhetisches Phänomen überhaupt zu dauerhafter Veränderung führen kann«130 . Es ist hier nun offensichtlich, dass gerade diese Flüchtigkeit, die sowohl ein Merkmal der Ansteckung, als auch der gleichzeitig vorhandenen Kontamination durch den so genannten Erreger ist, mit der impliziten Vergänglichkeit und Kurzlebigkeit der Mode an sich korrespondiert.131 Abgesehen von der Tatsache, dass die Verbreitung von Moden umgangssprachlich als Ansteckung oder die Mode selbst als Virus bezeichnet 124 125 126 127 128

129 130 131

Ebd. Ebd. Vgl. den Begriff der Übertragung bei Krämer 2008; insb. die Ausführungen zu Michel Serres, ebd., 70ff. Schaub / Suthor 2005, 9. Die Herausgeberinnen profilieren den Begriff der Ansteckung u.a damit, dass sie ihn dezidiert vom »literaturwissenschaftlichen Topos der Rezeption« (ebd.) abgrenzen, der »bekanntlich immer eine individuelle Form der Aneignung und Verarbeitung« (ebd.) meint. Ebd., 10. Ebd. Darüber hinaus hinterlässt sowohl eine Infektion als auch eine Mode oft eine gewisse Immunität gegen dieselbe.

IkonoModeText einer Modestrecke

wird132 , liegt im Medialen an sich etwas, dass mit dem Prozess einer viralen Ansteckungsweise durchaus vergleichbar ist.133 Entgegen der vielfach negativen Konnotation der Krankheitserreger- und Ansteckungsmetaphorik134 sieht Sybille Krämer in dieser »Übertragung durch Kontakt«135 mit dem kontaminierten Wirt, insbesondere »[p]roduktive Dimensionen des Parasitentums«136 , so z.B. im »Wechselverhältnis von Infektion und Immunisierung«137 . Auch sie betont, dass das Potential der Metaphorik einer solchen »Ansteckung als Form ästhetischer Erfahrung«138 zu sehen ist, und zwar als Möglichkeit zu einer Erfahrung, die »das Gefälle zwischen Fremden und Eigenem so raffiniert wie radikal außer Kraft [...] setzt, ohne dass ›Instanzen‹ ins Spiel kämen, die diese ursprüngliche Differenz markierten«139 . Medienkontamination, verstanden als eine Durchdringung des Medialen mit einem anderen Muster, kann somit zu einer ästhetischen Erfahrung führen, die grundlegende Differenzen überwindbar erscheinen lässt. Boehm spricht beispielsweise von der »visuellen Kontamination«140 zwischen den unterschiedlichen Realitäten des Bildmediums und des Medialisierten. Mitchell begegnet der vielfach negativ konnotierten Kontamination des Bildes durch den Text, indem er dieser die durch ihn positiv konnotierte Kontamination der Sprache durch das Sichtbare entgegenstellt.141 Diesen intra- und intermedialen Kontaminationsprozessen – Rajewsky spricht von möglichen Systemkontaminationen142 – ist die transmediale Kontamination insofern übergeordnet, als dass sie sowohl in den Medien, als auch zwischen ihnen stattfindet. Die Medien der Mode sind somit gleichsam Austragungsort und Konstituenten der Mode. Ohne sie wäre Mode nicht erfahrbar und diesem Sinne auch nicht existent, oder wie Krämer es in Bezug auf virale Kontaminationen formuliert: »Ohne ihren Wirt sind Viren leblose Strukturen.«143 Medienkontamination ist eine Durchdringung von Medien mit einem ihnen übergeordneten, (um-)strukturierenden, transmedialen Phänomen wie dem der Mode.144

279 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144

Z.B. das zum Sprichwort avancierte Zitat George Bernard Shaws: Die Moden sind eigentlich nur eingeführte Epidemien. Vgl. zur allgemeinen viralen Metaphorik Mayer / Weingart 2004. Vgl. zu Herleitungen dieser Konnotation z.B. Sarasin 2007. Krämer 2008, 139. Ebd., 147. Ebd., 149. Ebd., 153. Ebd., 265. Boehm 2007, 49. Vgl. Mitchell 2008, 155f. Vgl. Rajewsky 2002, 205. Krämer 2008, 144. Die Feststellung Gertrud Lehnerts, dass Mode »kein Oberflächenphänomen, sondern strukturierendes Element unseres Lebens« (Lehnert 2005b, 252) ist, be-

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Aisthetische Formation und Rezeption Mode lässt sich nun anhand ihrer spezifischen Medien (um-)strukturierenden Transmedialität als AISTHETISCHE FORMATION beschreiben. Diese erscheint zwischen den Medien und ist dort als ein Dazwischen nur rezeptiv vollziehbar.145 Das Erscheinen der Mode im Rahmen der Zeitschrift, insbesondere in der Modestrecke, ist an den wahrnehmenden Vollzug der Medienkombination von Bild und Text durch den Rezipienten gebunden; es liegt zwischen ihnen und ist weder Bild noch Text allein zuzuordnen. Die damit verbundene changierende Wahrnehmung ist weder auf das eine noch auf das andere gerichtet, ihre Intention ist es vielmehr Mode innerhalb des Ikonotextes zu erfahren. Da Bild und Text in einer prototypischen und jeweils spezifischen Art und Weise aufeinander bezogen sind, also eine bestimmte Kombination aufweisen, bildet sich zwischen ihnen eine jeweils konkrete aisthetische Formation aus. Diese ist als ein bestimmbares sinnliches Wahrnehmen und Gestalten der Zusammenstellung von Bild und Text zu verstehen. Es handelt sich um das aisthetische Bilden eines Zusammenhangs zwischen den Medien, das den Raum für das Erscheinen der Mode allererst eröffnet. Eine solche ikonotextuelle aisthetische Formation ist noch keine Atmosphäre oder etwas Atmosphärisches, sondern mediale Bedingung und transmediale Bedingtheit des IkonoModeTextes. Als Prämisse für die mediale Verortung des transmedialen Phänomens Mode als aisthetische Formation dient folgende Feststellung W.J.T Mitchells: Der notwendige Gegenstand ist vielmehr die Gesamtheit der Relationen zwischen den Medien, und die Relationen können außer in Gleichartigkeit, Ähnlichkeit und Analogie noch in sehr viel mehr bestehen.146

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Diese Relationen bilden jene konkrete Formation, die erst im Wahrnehmungsereignis in Erscheinung tritt. Dieses Wahrnehmungsereignis ist der aisthetische, »verstanden als der bipolar strukturierte«147 , Vollzug der Mode im Modehandeln zwischen Bild und Text der Modestrecke. Es handelt sich dabei um die »Bipolarität des Performativen im Sinne dieser Gleichzeitigkeit von Ereignis und Wahrnehmung«148 . Die Performanz einer solchen aisthetischen Formation liegt jedoch weder nur im Universalisierbaren, im Iterabilisierbaren, noch im Korporalisierbaren des Phänomens Mode.149

145

146 147 148 149

kommt hier nun einen konstruktiven, plastischen Hintergrund; ihre spezifische »Grenzüberschreitung bzw. die Oszillation zwischen verschiedenen Bereichen« (ebd., 256) wird anhand des Konzepts der Medienkontamination darstellbar. Aisthetische Formationen sind somit eindeutig von Gernot Böhmes Konzeption der Ekstasen abzugrenzen, da diese vielmehr aus etwas heraus treten und der Wahrnehmung entgegenkommen (vgl. Böhme 2001, 131ff.). Mitchell 2008, 145. Krämer 2004a, 14. Ebd., Fußnote 6. Vgl. zu diesen drei Schwerpunkten des Performativitätsdiskurses ebd., 14ff.

IkonoModeText einer Modestrecke

Denn nicht nur das Regelhafte, die Wiederholbarkeit oder das Körperliche der Mode, sondern vor allem die auf der sinnlichen Wahrnehmung jedes einzelnen Rezipienten beruhende Aktivierung jener Relationalität zwischen Bild und Text ermöglicht erst ihr Erscheinen in der Modestrecke.150 Der Rezipient wird somit zum Akteur, der im Rezeptionsprozess die Mode als aisthetische Formation vollzieht und sie damit konstituiert. Dieser Vollzug ist immer wieder unterschiedlich, aktiviert jeweils andere mediale Überschüsse des Ikonotextes, assoziiert nach einer jeweils differenten Assoziationslogik und aktualisiert das prototypische Kombinationsmuster im Vollzug seiner Relationen jeweils erneut und andersartig. Gernot Böhme spricht in seinen Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre von »ästhetischer Produktion«151 auf der einen und von »ästhetischem Konsum«152 auf der anderen Seite. Diese Formulierung geht aus seinem Konzept einer ästhetischen Ökonomie hervor, die aus dem Gebrauchs- und Tauschwert einen Inszenierungswert der Waren entwickelt, der nicht der Befriedigung von Bedürfnissen, sondern der permanenten Weckung und Erneuerung von Begehrnissen dient. Dieser so genannten »Eskalation der Begehrnisse«153 soll nun ein Konzept von AISTHETISCHER REZEPTION entgegengesetzt werden, das die Wahrnehmung der Produkte ästhetischer Arbeit gerade nicht mehr als Konsum ansieht, sondern als eine ästhetische Eroberung von Freiraum. Unter aisthetischer Rezeption soll demnach ein Zurückholen, ein aufnehmendes Wiedererobern verstanden werden, und zwar im Sinne des lat. recipere (zurücknehmen, wiedererhalten, erobern) und in Abgrenzung zu lat. consumare (gebrauchen, verbrauchen). Dieser Freiraum auf Seiten der Rezeption kann entstehen, wenn der Inszenierungswert154 der Produkte erkannt wird, und daraufhin die darin intendierten Begehrnisse155 von den eigenen Bedürfnissen unterschieden werden können. Im konkreten Fall der Wahrnehmung einer Modestrecke, die nach einem bestimmten Muster produziert bzw. inszeniert wird, um eine bestimmte Mode als Wahrnehmungsereignis erfahrbar zu machen, heißt aisthetische Rezeption: Mode aufgrund ihrer transmedialen Performativität sinnlich zwischen Bild und Text zu erfahren

150

151 152 153 154 155

Diese Aktivierung läßt sich möglicherweise auch als Friktion beschreiben, die in der Folge den Medienclash von Bild und Text ermöglicht. So betont z.B. Ette, dass Barthes’ Vorstellung dieser Friktion zwischen Bild und Text »nicht die eines Oszillierens, sondern die einer körperlichen, ja akustisch wahrnehmbaren Reibung« (Ette 1998, 455) ist. Auch Mersch bezeichnet dieses Dazwischen u.a als mögliche »Friktionen« (Mersch 2004b, 83). Böhme 2001, 177. Ebd. Ebd., 184. Ebd. Vgl. Waldenfels 2004, 136.

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und gleichzeitig ihren Inszenierungswert in seiner Intentionalität zu erkennen. Der Freiraum ist dann, nicht wie bei Böhme als eine »Unabhängigkeit vom Überfluss«156 , sondern als ein Erkennen des eigenen Begehrens und der Unmöglichkeit seiner Befriedigung durch den ästhetischen Konsum an sich zu verstehen. Mit dieser aisthetischen Rezeptionshaltung lässt sich auch in prototypisch erscheinenden Modestrecken etwas entdecken und in diesem Sinne zurückerobern, was so auf Seiten der ästhetischen Produktion, bei den so genannten Modemachern, nicht intendiert war. Im Prozess einer aisthetischen Rezeption ist man sich seiner Begehrnisse, deren Erzeugung und ihrer Unstillbarkeit bewusst und stellt somit die Erfahrung der eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund der sinnlichen Wahrnehmung. Durch diese Rezeptionshaltung treten mögliche Brüche und Störungen innerhalb der strategischen Modekonzeption im Ikonotext der Modestrecke deutlicher hervor, und die grundlegende Kluft zwischen Bild und Text wird als möglicher Freiraum erkennbar. Der intendierte Sinn stellt sich nicht mehr scheinbar unmittelbar zwischen beiden ein, sondern verzögert sich und ist somit als gemacht und als machbar zu erkennen. Beim aisthetischen »Reiz der Sinne«157 durch die Mode liegt die Aufmerksamkeit beim sinnlichen Genießen dieses Reizes selbst. Das heißt, die Aufmerksamkeit ist bei der aisthetischen Rezeption nicht mehr am Entgegenkommen der strategisch programmierten Ordnung einer prototypischen Modestrecke orientiert, sondern sie wird vielmehr gelenkt durch die Suche nach Befriedigung der eigenen Bedürfnisse.158 Der Schauplatz dieser aisthetischen Rezeption, der einerseits Austragungsort der Mode ist und andererseits als ihr Gestaltungsfreiraum zurückerobert wird, liegt deshalb zwischen Bild und Text, wird erst durch das Modehandeln erfahrbar. Die aisthetische Eroberung eines solchen Freiraums ist jedoch kein subversiver Akt. Sie ist vielmehr das Potential einer grundlegenden Ambivalenz und Paradoxie des Transmediums Mode und ist somit auch in all ihren anderen medialen Erscheinungen aktivierbar. Der Sinn des IkonoModeTextes liegt demnach in der reflektierten Wahrnehmung der sinnlichen Eroberung seines formalen, ikonotextuellen Musters und der damit unwillkürlich vollzogenen jeweiligen aisthetischen Formation der Mode. Die Nahtstelle der Entstehung von Mode aus nichtsinnhaften Phänomenen liegt deshalb in der Zeitschrift zwischen den Medien Bild und Text und ihrem jeweiligen ikonotextuellen Wahrnehmungsvollzug. 156 157 158

Böhme 2001, 184. Lehnert 2005b, 258. Bezugnehmend auf Serres, ließe sich dem Inszenierungswert des Objekts von Böhme ein Genusswert auf Seiten des Subjekts gegenüberstellen, und zwar vor allem in Hinblick auf das für jede mediale Übertragung oder Vermittlung grundlegende parasitäre Handeln des Menschen: »Was man genießt, dazu hat man einen Bezug, und ist mithin Parasit an ihm.« (Serres 1987, 130.)

6. Mode – Ein Dazwischen Dies ist der Schauplatz, an dem sich die beiden gegenläufigen Bewegungen des ästhetischen Bewusstseins treffen. [...] Hier ist eine Imagination, die sich an die Choreographie realer Prozesse des Erscheinens bindet und an ihnen in Situationen eines erweiterten oder unerreichbaren Daseins findet.1

Der Ikonotext einer Modestrecke kann zu einem Schauplatz der Mode werden, da er einerseits aufgrund seiner spezifischen Ikonotextualität die Möglichkeit zu Imagination von Mode bietet, und andererseits die Modestrecke an sich bereits eine bestimmte Form imaginierter Mode darstellt. Das Ästhetische der Mode erscheint innerhalb der aisthetischen Formation und Rezeption der Modestrecke als deren Medienkontamination. Dieser Sinn der Modestrecke ist nur durch das Modehandeln zwischen Bild und Text, zwischen Objekt und Subjekt erfahrbar. DAZWISCHEN konstituiert sich der Sinn der Mode als performatives Ereignis sinnlicher Wahrnehmung.

6.1 Erkanntes Wir leben im Zeitalter der ›vollendeten Mode‹, die der gesellschaftlichen Verallgemeinerung der Modeform, ihrer unendlichen Fraktionierung entspricht, und das bis in die Sphäre des Sinns hinein, welcher sich nunmehr zum Hauptakteur der Mode erhebt.2

Dass Mode sämtliche Bereiche des heutigen Lebens durchdringt, zeigt Gilles Lipovetsky eindrucksvoll in seiner Modetheorie. Wie dieser Sinn konstituierende Prozess der Mode jedoch konkret vorstellbar und nachvollziehbar ist, konnte hier anhand der Ikonotextualität, der Transmedialität und Performativität der Modestrecke aufgezeigt werden. Mode ist nicht von ihrer jeweiligen medialen Erscheinungsform zu lösen, wer über Mode spricht muss auch ihre spezifische Medialität in den Blick nehmen. Da Mode in Zeitschriften nur über Bild und Text vermittelt wird, muss sie auch innerhalb dieser Kombination betrachtet werden und das schließt die spezifische Wahrnehmungsform der Ikonotextualität ein. Mode ist somit als ein die Wahrnehmung strukturierendes, den Medien an sich überge1 2

Seel 2003, 132. Lipovetsky 2002, T11.

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ordnetes Phänomen anzusehen. Ihre spezifische Transmedialität zeigt sich im medialen Vermittlungsprozess sowohl anhand der Medienkombination von Bild und Text als auch anhand ihrer relationalen Wahrnehmung. Die Performativität der Modestrecke beruht auf der Tatsache, dass sich Mode erst innerhalb ihrer ikonotextuellen Wahrnehmung konstituiert, der Sinn der Modestrecke erst in ihrem Vollzug entsteht und die jeweilige Bedeutung der Modekleidung davon unmittelbar abhängig ist. Modekleidung bedarf dieser relationalen und paradoxalen Offenheit ihrer medialen Vermittlung, um als kreatives und ästhetisches Gestaltungsmittel von Körpern und Umwelten überhaupt wirksam werden zu können. Mode strukturiert die medialen Formen der aisthetischen Wahrnehmung, bestimmt jedoch nicht deren Inhalte. Mode erscheint als etwas, das Sinn macht ohne an sich unmittelbar zu bedeuten, und erregt damit unsere Aufmerksamkeit, unsere Neugierde und unser Interesse: »Was ich benennen kann, vermag mich nicht eigentlich zu bestechen. Die Unfähigkeit, etwas zu benennen, ist ein sicheres Anzeichen für innere Unruhe.«3

6.2 Ausblick

284

Die intensive Auseinandersetzung mit der (post-)strukturalistischen und dekonstruktivistischen Mode- und Medientheorie und der Versuch, die von Roland Barthes fundierte Modetheorie durch die Einbeziehung des Modebildes weiterzudenken, bilden die wissenschaftliche Grundlage dieser Arbeit, die Frage nach einer möglichen Subversion jenes Modesystems aber ist ihr eigentlicher Nährboden. Da Mode selbst als Konstitution von Sinn in Erscheinung tritt, schließt sie auch das Potential seiner Subversion mit ein. Diese paradoxale Ambiguität ist der wesentliche Erneuerungsmechanismus der Mode, der sich vor allem in der massenmedialen und industriellen Modeproduktion widerspiegelt. Da die Subversion der Mode längst innerhalb des Modesystems instrumentalisiert ist, gilt es heute die folgende Aussage Barthes’ für die modewissenschaftliche Forschung fruchtbar zu machen: Der Sinn lässt sich nicht frontal angreifen, durch die bloße Behauptung seines Gegenteils; man muss schwindeln, entwenden, ablisten, das heißt äußerstenfalls parodieren oder, noch besser, simulieren.4

Um Mode in ihren spezifischen Funktionsmechanismen begreifen zu können, ist es deshalb notwendig, dieses Schwindeln, die Listen und Parodien aktueller Modeerscheinungen immer wieder aufs Neue aufzusuchen, 3 4

Barthes 1989, 60. Barthes 2006e, 81.

Mode – Ein Dazwischen

sie kenntlich und nachvollziehbar zu machen. Und da das Erscheinen der Mode immer medial vermittelt ist, sind es die medialen Beziehungen zwischen Modeproduktion und -rezeption, die das System der Mode bilden und es gleichzeitig öffnen. Es sind die jeweiligen Medien der Mode, die ihren Sinn und Un-Sinn ermöglichen; oder wie Michel Serres es formuliert: Das System ist offen, das allein ist wirklich, und es gibt stets Beziehungen – und Parasiten: Öffnungen und Mittler, die uns in die Ferne schweifen lassen, mit den Hunden und auf den Pferden.5

Diese relationale Offenheit der Mode und ihre Fähigkeit die Vorstellungskraft zu aktivieren beruhen auf dem Potential der Medien, Sinn sinnlich erfahrbar zu machen. Diese Wirkmacht des Medialen scheint sich mit jeder technologischen Weiterentwicklung zu vergrößern. Deshalb muss das mediale Erscheinen der Mode heute vor allem in Hinblick auf die Funktionsweisen des Internets und das Medium Kleidung hinsichtlich seiner veränderten ästhetischen Erscheinungsweisen aufgrund neuartiger textiler Stoffe erforscht werden. Die grundlegende Relationalität diskursiver und aisthetischer Medien, wie sie hier im Ikonotext der Modestrecke exemplarisch aufgezeigt wird, kann deshalb als Folie für weitere modewissenschaftliche Untersuchungen dienen. »Meine Hoffnung ist«, um zum Schluss W.J.T. Mitchell, dessen Sichtweise mich zu diesem Forschungsansatz inspiriert hat, das letzte Wort zu lassen, »dass diese einführenden Gesten genügend Neugier erregt haben, um weitere Forschung zu motivieren«6.

285

5 6

Serres 1987, 130. Mitchell 2008, 171.

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Stefanie Diekmann, Winfried Gerling (Hg.) Freeze Frames Zum Verhältnis von Fotografie und Film Januar 2010, 232 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1363-6

Jan Distelmeyer, Christine Hanke, Dieter Mersch (Hg.) Game over!? Perspektiven des Computerspiels 2008, 164 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN 978-3-89942-790-5

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Metabasis – Transkriptionen zwischen Literaturen, Künsten und Medien Martina Hessqler, Dieter Mersch (Hg.) Logik des Bildlichen Zur Kritik der ikonischen Vernunft 2009, 280 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1051-2

Gertrud Lehnert (Hg.) Raum und Gefühl Der Spatial Turn und die neue Emotionsforschung Januar 2011, ca. 350 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1404-6

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de