Mathematik für Ingenieure: verständlich erklärt für Studium und Praxis [4. Aufl.] 9783658317324, 9783658317331

Das Buch in der vollständig überarbeiteten und erweiterten vierten Auflage eignet sich sehr gut als Lehrbuch und zum Sel

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Mathematik für Ingenieure: verständlich erklärt für Studium und Praxis [4. Aufl.]
 9783658317324, 9783658317331

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XII
Grundwissen (Ziya Şanal)....Pages 1-39
Elementare Funktionen (Ziya Şanal)....Pages 41-80
Differentialrechnung (Ziya Şanal)....Pages 81-165
Integralrechnung (Ziya Şanal)....Pages 167-248
Matrizen und lineare Gleichungssysteme (Ziya Şanal)....Pages 249-322
Vektorrechnung (Ziya Şanal)....Pages 323-401
Koordinatentransformation (Ziya Şanal)....Pages 403-418
Elementare analytische Geometrie (Ziya Şanal)....Pages 419-441
Stochastik (Ziya Şanal)....Pages 443-485
Gewöhnliche Differentialgleichungen (Ziya Şanal)....Pages 487-593
Fourier-Reihen (Ziya Şanal)....Pages 595-614
Multivariable Differentialrechnung (Ziya Şanal)....Pages 615-691
Partielle Differentialgleichungen (Ziya Şanal)....Pages 693-718
Eigenwertaufgaben (Ziya Şanal)....Pages 719-768
Lösung von nichtlinearen Gleichungen (Ziya Şanal)....Pages 769-790
Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme (Ziya Şanal)....Pages 791-804
Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen (Ziya Şanal)....Pages 805-815
Komplexe Zahlen (Ziya Şanal)....Pages 817-826
Mathematik mit Maple (Ziya Şanal)....Pages 827-868
Anhang (Ziya Şanal)....Pages 869-899

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Ziya Şanal

Mathematik für Ingenieure verständlich erklärt für Studium und Praxis 4. Auflage

Mathematik für Ingenieure

Ziya Şanal

Mathematik für Ingenieure verständlich erklärt für Studium und Praxis 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage

Ziya S¸anal Türkisch-Deutsche Universität Istanbul, Türkei

ISBN 978-3-658-31732-4 ISBN 978-3-658-31733-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail­ lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2004, 2009, 2015, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Das vorliegende Buch spiegelt die Sichtweise eines Ingenieurs auf die Mathematik wider. Es gibt auch andere gute Bücher, die ebenfalls das Ziel verfolgen, den Bedarf am notwendigen Mathematikwissen für Studierende des Ingenieurwesens zu decken. Das besondere Merkmal dieses Buches ist das Bestreben des Verfassers, im Rückgriff auf seine langjährigen Erfahrungen als Ingenieur in industrieller Forschung sowie als Lehrender im akademischen Umfeld, Mathematik in möglichst leicht verständlicher Form zu vermitteln. Zahlreiche technische Anwendungsbeispiele sollen die besondere Bedeutung von Mathematik sowohl fürs Studium als auch für die berufliche Praxis verdeutlichen. Mathematik können wir uns vereinfacht als eine gigantische Sammlung von Gedanken vorstellen, die miteinander in strikt logischem Zusammenhang stehen. Kein Baustein dieses Gedankengebäudes darf sich mit einem anderen Baustein im Widerspruch befinden. Zur Sicherstellung dieser Widerspruchsfreiheit legen Mathematiker bei ihren Herleitungen, Sätzen und Beweisen daher äußerst penibel fest, unter welchen Bedingungen ihre Aussagen gültig sind. In Mathematikvorlesungen wird beispielsweise ein mathematischer Satz ungefähr nach folgendem Schema vermittelt: Satz (Theorem) formulieren, Gültigkeitsgrenzen der Variablen präzisieren, falls nötig vorher einen Hilfssatz (Lemma) beweisen – und schließlich den fraglichen Satz beweisen. Diese Vorgehensweise, welche für Studierende des Studiengangs Mathematik zweifellos absolut richtig ist, treibt Studierende der Ingenieurwissenschaften allerdings oft in die Verzweiflung und macht Mathematik zum gefürchteten Fach. Daher wird in diesem Buch bewusst auf die mathematische Strenge verzichtet - der Fokus ist eher auf Verständlichkeit gerichtet. Beweisführungen sind selten, und wenn doch eine geführt wird, dann nicht auf mathematisch strenge Art, sondern eher in Form eines gut nachvollziehbaren Beispiels. In vergangenen Jahrhunderten war das Experiment der Ausgangspunkt zur Gewinnung neuer physikalischer Erkenntnisse - man denke z.B. an die Experimente von Galilei zum freien Fall von Körpern. Der Ausgang eines Experiments kann allerdings manchmal von unserer Erwartung abweichen. Beispielsweise können wir nicht intuitiv erklären, warum sich die Aufprallgeschwindigkeit eines frei fallenden Körpers im Vakuum nicht auch verdoppelt, wenn wir die Fallhöhe verdoppeln, sondern sich genau um 41,4% erhöht. Mit Hilfe des zweiten Newtonschen Axioms und der Infinitesimalrechnung lässt sich jedoch leicht √ zeigen, dass zwischen der Aufprallgeschwindigkeit v und der Fallhöhe h die Beziehung v = 2gh besteht und deshalb diese Erhöhung genau 41,4% beträgt. Auch ist es nicht sofort einleuchtend, dass die experimentell ermittelte Knicklast eines beidseitig gelenkig gelagerten Stabes auf ein Viertel seines ursprünglichen Wertes absinkt, wenn seine Länge l verdoppelt wird. Dieses Phänomen lässt sich mit Hilfe von Differentialgleichungen allerdings lückenlos nachvollziehen. Durch scharfsinnige Deutung zahlreicher Experimente und Beobachtungen gelangten Forscher im Laufe vergangener Jahrhunderte zu naturwissenschaftlichen Gesetzen, unter denen die Axiome von Newton wohl den größten Bekanntheitsgrad erlangt haben dürften. Die Kenntnis eines Naturgesetzes hilft uns allerdings nicht immer unmittelbar, technische Probleme vollständig zu verstehen und zu lösen. Beispielsweise lautet das zweite Newtonsche Axiom im übersetzten

VI

Originalwortlaut:1 Die Änderung der Bewegung ist stets proportional zur aufgebrachten treibenden Kraft und erfolgt in der Richtung der geraden Linie, in der die Kraft wirkt. Auf den ersten Blick klingt dieser Satz nicht gerade nach enormer Tragweite - ja nicht mal sonderlich aufregend. Erst die Unterwerfung dieses Axioms dem Denksystem und der Symbolsprache der Mathematik führt zu der so einfachen und dennoch so mächtigen Formel F = m · a (Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung). Ohne diese Transformation des Wortlauts in die mathematische Symbolik wäre das Newtonsche Axiom möglicherweise sogar wieder in Vergessenheit geraten. Für die kompakte und präzise Umsetzung von Naturgesetzen und wissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Lösung äußerst komplexer technischer Probleme steht uns die Mathematik als mächtiges und elegantes Werkzeug zur Verfügung. Erst durch Mathematik verstehen wir, was sich hinter der Szene abspielt. Computerprogramme, die heute in der Entwicklung anspruchsvoller technischer Produkte und der Regelung von hochkomplexen physikalischen Prozessen eingesetzt werden, basieren auf mathematischen Algorithmen. Mathematische Modellierung gestattet uns mittels computer aided engineering, ein technisches Produkt zunächst nur virtuell im Computer zu entwerfen, seine Funktionsfähigkeit zu simulieren, seine Sicherheit zu analysieren und seine Eigenschaften zu optimieren (virtual prototyping) - noch lange bevor es tatsächlich hergestellt wird. Die Zielgruppe dieses Buches sind Studierende in Bachelor- und Master-Programmen der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge sowie mathematisch interessierte Ingenieure in Forschung und Praxis. In der vorliegenden Auflage wurde der Stoff inhaltlich und didaktisch vollständig überarbeitet und erweitert, ferner wurden neue durchgerechnete technische Anwendungsbeispiele aufgenommen. Die farbliche Gestaltung des Textes und der Bilder erleichtern das Verständnis. Für Hinweise, Anregungen und Kritik ist der Autor dankbar. Istanbul, Juli 2020

Ziya S¸ anal [email protected]

1 Isaac Newton: The Mathematical Principles of Natural Philosopy. Herausgabe durch Daniel Adee, New York, 1848 (Englische Übersetzung von Andrew Motte), Seite 87.

Inhaltsverzeichnis 1

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Grundwissen 1.1 Arten von Zahlen . . . . . . . . . . 1.2 Potenzen und Wurzeln . . . . . . . 1.3 Summation, Produkt und Fakultät . 1.4 Logarithmus . . . . . . . . . . . . . 1.5 Mittelwert einer Zahlenreihe . . . . 1.6 Winkelmaße Grad, Radiant und Gon 1.7 Zinsrechnung . . . . . . . . . . . . 1.8 Das SI-System der Einheiten . . . . 1.9 Technische Beispiele . . . . . . . . 1.10 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . 1.11 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . .

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1 1 7 10 13 16 18 20 24 25 30 35

Elementare Funktionen 2.1 Polynomfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Potenz- und Wurzelfunktion . . . . . . . . . . . . 2.3 Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Logarithmische Funktion . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Symmetrie und Antimetrie von Funktionen . . . . 2.6 Stetigkeit und Glattheit von Funtionen . . . . . . . 2.7 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . 2.8 Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Kegelschnitt-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 2.11 Explizite und implizite Darstellung von Funktionen 2.12 Funktionen in Parameterdarstellung . . . . . . . . 2.13 Weitere Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.14 Technische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 2.15 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 2.16 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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41 41 46 47 51 56 58 59 65 66 67 70 72 74 76 78 78

Differentialrechnung 3.1 Differenzenquotient . . . . . . . . . . 3.2 Differentialquotient . . . . . . . . . . 3.3 Definition der Ableitung . . . . . . . 3.4 Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . 3.5 Ableitung logarithmischer Funktionen 3.6 Ableitung impliziter Funktionen . . . 3.7 Ableitung von Parameterfunktionen .

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81 82 83 85 87 93 94 96

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VIII

3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15 3.16 3.17 4

5

6

Inhaltsverzeichnis

Linearisierung einer Funktion . . . . . . . . . . . Höhere Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Formeln für die zweite Ableitung . . . Entwicklung von Funktionen in Potenzreihen . . . Unbestimmte Ausdrücke und Regel von l’Hospital Lokale Extremwerte einer Funktion . . . . . . . . Krümmungsradius einer Kurve . . . . . . . . . . . Technische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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98 102 102 105 110 118 122 125 138 157

Integralrechnung 4.1 Unbestimmtes Integral . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bestimmtes Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Numerische Integration . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung 4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung . . 4.6 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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167 168 174 179 188 203 221 243

Matrizen und lineare Gleichungssysteme 5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Definitionen für Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Addition und Subtraktion von Matrizen . . . . . . . . 5.4 Transposition von Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Multiplikation von Matrizen . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Lösung linearer Gleichungssyteme . . . . . . . . . . . 5.7 Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit einer Matrix 5.9 Rang einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Inverse einer Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11 Weitere Eigenschaften von Matrizen . . . . . . . . . . 5.12 Bedeutung der Inverse in der Statik . . . . . . . . . . . 5.13 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14 Technische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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249 249 252 257 258 260 268 277 287 290 292 296 297 298 310 314

Vektorrechnung 6.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Definitionen für Vektoren . . . . . . . . . . . . . 6.3 Rechtshändiges Kartesisches Koordinatensystem 6.4 Komponentenschreibweise für Vektoren . . . . . 6.5 Linearkombination von Vektoren . . . . . . . . . 6.6 Vektordarstellung mit Basisvektoren . . . . . . . 6.7 Skalarprodukt von Vektoren . . . . . . . . . . .

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323 323 324 326 327 330 333 335

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Inhaltsverzeichnis

6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 7

Kreuzprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Anwendungsbeispiele für das Kreuzprodukt Spatprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lineare Abhängigkeit von Vektoren . . . . . . . . . . Vektoren in der analytischen Geometrie . . . . . . . . Technische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Koordinatentransformation 7.1 Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . 7.2 Koordinatentransformation in der xy-Ebene 7.3 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . 7.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IX

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340 348 353 356 358 370 378 398

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403 403 409 414 417

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Elementare analytische Geometrie 419 8.1 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 8.2 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440

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Stochastik 9.1 Deskriptive Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie . . . . . . 9.3 Zufallsvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Verteilungsfunktion F(x) . . . . . . . . . . . . . 9.5 Dichtefunktion f (x) . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 Maßzahlen einer stetig verteilten Zufallsvariable . 9.7 Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.8 Weitere Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . 9.9 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . 9.10 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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443 445 455 465 467 468 470 472 478 480 484

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen 10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Definitionen für gewöhnliche Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . 10.3 Lösung einer Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Arten der Lösungen von Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . 10.5 Lösungsstrategie für ein physikalisches Problem . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten 10.8 Technische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . 10.10Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . 10.11Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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487 487 493 496 498 501 503 519 530 559 584 589

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11 Fourier-Reihen 595 11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595

X

Inhaltsverzeichnis

11.2 11.3 11.4 11.5

Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fourier-Reihen gerader und ungerader Funktionen . . . Fourier-Reihe einer bereichsweise definierten Funktion Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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12 Multivariable Differentialrechnung 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Partielle Ableitung von Funktionen mit zwei Variablen . . . . . . 12.3 Partielle Ableitung von Funktionen mit n unabhängigen Variablen 12.4 Totales Differential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Implizite Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Skalarfelder und Skalarfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Niveaulinien und Niveauflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.8 Gradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.9 Richtungsableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.10Orthogonalität des Gradienten zu Niveaulinien und Niveauflächen 12.11Extremwerte multivariabler Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 12.12Technische Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.13Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.14Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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615 615 618 624 625 632 635 637 639 644 647 651 657 663 686

13 Partielle Differentialgleichungen 13.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Biegeschwingungen eines elastischen Balkens . . . . . . 13.3 Axialschwingungen eines elastischen Stabs . . . . . . . 13.4 Schwingungen eines vorgespannten Seils oder einer Saite 13.5 Plattenbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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693 693 693 703 709 713 716

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14 Eigenwertaufgaben 719 14.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 14.2 Spezielle und allgemeine Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 720 14.3 Direkte Lösung der speziellen Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 14.4 Direkte Lösung der allgemeinen Eigenwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 14.5 Transformation der allgemeinen Eigenwertaufgabe in die spezielle Eigenwertaufgabe730 14.6 Kenngrößen einer Matrix und Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 14.7 Vektornorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 14.8 Iterative Lösung von Eigenwertaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 14.9 Mises-Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Power-Methode) . . . . . . . . 738 14.10 Inverse Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Modifizierte Mises-Iteration) 746 14.11Iteration bei Eigenschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 14.12 Inverse Iteration bei Stabilitätsaufgaben der Strukturmechanik . . . . . . . . . . . 758 14.13Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 14.14Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765

Inhaltsverzeichnis

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen 15.1 Regula Falsi . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Fixpunkt-Iteration . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Newton-Verfahren für Nullstellenbestimmung 15.4 Technische Beispiele . . . . . . . . . . . . . 15.5 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . 15.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

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769 769 773 777 783 787 789

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme 16.1 LU-Faktorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Cholesky-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Gauß-Seidel-Iteration . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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791 791 796 798 803 803

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17 Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen 805 17.1 Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805 17.2 Zusätzliche Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 17.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 18 Komplexe Zahlen 18.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Algebraische Operationen mit komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

817 817 822 825

19 Mathematik mit Maple 19.1 Einführung in Maple . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Elementar-Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Lineare Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5 Vektorrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.7 Gewöhnliche Differentialgleichungen . . . . . . . 19.8 Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.9 Differentialrechnung für multivariable Funktionen 19.10 Partielle Differentialgleichungen . . . . . . . . . . 19.11 Eigenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.12 Nichtlineare Gleichungen . . . . . . . . . . . . . 19.13 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . 19.14 Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . .

827 828 836 838 842 845 847 849 851 853 855 857 864 865 867

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XII

Inhaltsverzeichnis

Anhang A Ausgewählte Formeln und Beziehungen A.1 Verschiedene Konstanten und Symbole . . A.2 Abgeleitete SI-Einheiten . . . . . . . . . A.3 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . A.4 Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . A.5 Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . . . A.6 Ableitung elementarer Funktionen . . . . A.7 Unbestimmte Integrale . . . . . . . . . . A.8 Einige bestimmte Integrale . . . . . . . . A.9 Potenzreihen für einige Funktionen . . . . A.10 Näherungsformeln . . . . . . . . . . . . A.11 Verschiedene Ausdrücke . . . . . . . . . A.12 Verteilungsfunktion der Normalverteilung

869 . . . . . . . . . . . .

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871 871 872 873 875 875 876 877 885 887 887 888 889

Literaturverzeichnis

895

Stichwortverzeichnis

897

1

Grundwissen

In diesem Kapitel werden einige elementare Beziehungen und Themen der Mathematik, die in der Ingenieurpraxis häufig benötigt werden, behandelt. Das Ziel ist die Auffrischung der Kenntnisse aus der Schulmathematik.

1.1 Arten von Zahlen Im Alltag und Beruf haben wir oft mit natürlichen und reellen Zahlen zu tun: z.B. im Supermarkt 6 Brötchen kaufen, Fläche eines Grundstücks mit Seitenlängen 20,6 m×25,8 m berechnen, Vermögensaufbau durch Investition von jährlich 3000 C in 20-jährige Staatsanleihen mit 2,5% Jahreszins analysieren, Hubvolumen eines Verbrennungsmotors mit Zylinderdurchmesser 8,25 cm und Kolbenhub 7,9 cm ermitteln. Eine reelle Zahl bildet den Oberbegriff für nachfolgend erläuterte Zahlentypen. Natürliche Zahlen N bestehen aus nicht negativen ganzen Zahlen:1 0

1

2

3

···



Ganze Zahlen Z erstrecken sich wie folgt vom negativen Unendlichen zum positiven Unendlichen: −∞

···

−3

−2

−1

0

1

2

3

···



Rationale Zahlen Q kennen wir als Dezimalzahlen (Brüche), z.B. −4,8

− 2,5

− 0,5

0

0,8

3,2

5,4

Eine rationale Zahl ist als Quotient von zwei ganzen Zahlen definiert - die obigen Dezimalzahlen lassen sich auch schreiben als: −24 5

−5 2

−1 2

0

4 5

16 5

27 5

Eine Dezimalzahl ist entweder abbrechend oder periodisch. Die Rationalzahl 1/4 = 0,25 endet mit der letzten Ziffer 5, bei der Rationalzahl 1/7 = 0,142857142857 . . . hingegen wiederholt sich die Ziffernfolge 142857 unendlich oft. Irrationale Zahlen R \ Q lassen sich nicht als Quotient von zwei ganzen Zahlen darstellen und 1 Der internationale Standard ISO 80000-2 für mathematische Zeichen und Symbole betrachtet 0 als natürliche Zahl. Ein Teil der mathematischen Literatur zählt 0 jedoch nicht zu den natürlichen Zahlen. Diese unterschiedliche Betrachtung hat jedoch keine praktischen Konsequenzen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_1

2

1 Grundwissen

sind weder abbrechend noch periodisch. Beispiele für irrationale Zahlen sind: √ 2 = 1.4142135623730950488016887242096980785696718753769 . . . ≈ 1.41421 π = 3.1415926535897932384626433832795028841971693993751 . . . ≈ 3.14159 e = 2.7182818284590452353602874713526624977572470937000 . . . ≈ 2.71828 Zwar lassen sich die obigen irrationalen Zahlen nicht durch den Quotient von zwei ganzen Zahlen ausdrücken; es ist allerdings möglich, zwei ganze Zahlen zu finden, welche sie mit jeder gewünschten Genauigkeit näherungsweise wiedergeben. Reelle Zahlen R bestehen aus der Gesamtmenge der ganzen sowie der rationalen und irrationalen Zahlen. Stellt man sich alle denkbaren Zahlen grafisch auf einer Linie angeordnet vor, so bilden die reellen Zahlen eine unendlich dichte Abfolge von Punkten dar, d.h. enthalten alle Punkte zwischen −∞ und +∞ auf der Zahlengeraden. Reelle Zahlen kennen wir üblicherweise in Form von Dezimalzahlen, wobei wir bei Handrechnungen die Länge der signifikanten Dezimalstellen nach Belieben festlegen können; beispielsweise hat die reelle Zahl 1.5248 fünf signifikante Stellen, währenddessen 1.5248621 acht signifikante Stellen besitzt.2 In heutigen Digitalcomputern wird für reelle Zahlen nicht die Anzahl von signifikanten Dezimalstellen festgelegt, sondern die Anzahl von Bits, die zur binären Darstellung von Zahlen verwendet werden. Für sog. einfach genaue Gleitkommazahlen -sie haben eine Präzision von etwa 7-8 Dezimalstellen- werden 32 Bits benötigt.3 . Für doppelt genaue Gleitkommazahlen mit einer Genauigkeit von 15-16 Dezimalstellen werden 64 Bits verwendet. Mit Computer-Algebra-Systemen wie z.B. Maple, Mathematica, Matlab bzw. Octave hingegen lässt sich fast unbegrenzt hohe Dezimalgenauigkeit erreichen. Die oben angegebenen Beispiele für die irrationalen Zahlen wurden mit Maple berechnet, wobei die Dezimalgenauigkeit auf 50 Stellen festgelegt wurde. Imaginäre Einheit i Wir betrachten folgende quadratische Gleichung und ihre formale Lösung. √ x2 + 1 = 0 x =? Lsg.: x2 = −1 x = ± −1 √ Aber was bedeutet die Lösung −1 konkret? Im Bereich der reellen Zahlen gar nichts! Der Ver√ such, mit Taschenrechner −1 zu berechnen, scheitert mit einer Fehlermeldung! Die Gleichung x2 + 1 = 0 ist also in der Welt der reellen Zahlen nicht lösbar, weil es bekanntlich keine reelle Zahl x gibt, deren Quadrat (−1) ist. Mathematiker haben dieses Dilemma künstlich gelöst, indem sie eine neue Zahl eingeführt haben: Die imaginäre Einheit.4 Mit ihrer Hilfe wird der Zahlenbegriff über die reellen Zahlen hinaus erweitert. Die imaginäre Einheit wird mit dem Symbol i (oder auch oft mit j) gekenn2 Die Zahl der signifikanten Stellen ändert sich nicht, wenn wir diese beiden Zahlen in der Form 0.15248 bzw. 0.15248621 schreiben. 3 Ein Bit ist eine Abkürzung für binary digit, d.h. Binärziffer. 4 Natürlich geschah die Erfindung von i nicht von heute auf morgen, sondern über Jahrzehnte verzweifelten Kopfzerbrechens.

1.1 Arten von Zahlen

3

zeichnet und ist wie folgt definiert: i=



−1

i2 = −1

imaginäre Einheit i

(1.1)

Die imaginäre Einheit i ist, wie schon der Name sagt, eine sehr abstrakte Zahl, die anschaulich nicht vorstellbar ist.5 Die Gleichung x2 + 1 = 0 lässt sich jetzt mit Hilfe der imaginären Einheit i wie folgt lösen: √ √ x = ± −1 = ±i bzw. x2 = −1 = i2 ⇒ x = ± i2 = ± i Natürlich können wir mit diesem Resultat in der realen Welt des Alltags recht wenig anfangen. Die Einführung der imaginären Einheit i und die Erweiterung des Zahlenbegriffs auf komplexe Zahlen zeigt ihren wahren Nutzen und ihre Mächtigkeit erst bei der Lösung von Differentialgleichungen (s. Seite 522) sowie bestimmten physikalischen Problemen. Beispielsweise wird die Behandlung gedämpfter Schwingungen in der Mechanik oder Elektrotechnik wesentlich einfacher, wenn wir mit der imaginären Einheit i arbeiten. 1.1.1 Lösung einer quadratischen Gleichung Für die Lösung einer quadratischen Gleichung lassen sich zwei Lösungsformeln angeben: Allgemeine Form ax2 + bx + c

=0

√ −b ± b2 − 4ac x= 2a

Normalform x2 + px + q

=0

p x=− ± 2

  p 2 −q 2

(1.2)

(1.3)

Beispiel 1.1: Die Formeln 1.2 und 1.3 sind allseits geläufig. Wie sind sie aber entstanden? Existiert eine einfache Herleitung? Die Herleitung ist nicht schwierig - wenn man sie bereits einmal gesehen hat! Ansonsten sollte man bereit sein, an mathematischen Ausdrücken fleißig herumzutüfteln und braucht dabei auch ein wenig Glück.6 5 In der Elektrizitätslehre wird die imaginäre Einheit in der Regel mit j gekennzeichnet, weil dort der Buchstabe i bevorzugt für elektrichen Strom verwendet wird. 6 Nicht nur in Physik (man denke an die berühmte Anekdote, Newton hätte das Gravitationsgesetz entdeckt aufgrund eines Apfels, der auf seinen Kopf fiel!), sondern auch in der Mathematik ist Glück gelegentlich hilfreich. Die hier vorgestellte und im Internet leicht auffindbare Herleitung erscheint uns nachträglich so selbstverständlich und naheliegend, dennoch bereitet es ganz große Mühen, die Formel ganz von alleine herzuleiten - sie können es ja im Freundeskreis mal ausprobieren!

4

1 Grundwissen

Wir gehen von der quadratischen Gleichung ax2 + bx + c = 0 aus (für Gl. 1.3 kann man ganz analog vorgehen) und bringen c auf die rechte Seite: ax2 + bx = −c Die Gleichung wird auf beiden Seiten mit 4a multipliziert: 4a2 x2 + 4abx = −4ac Wir addieren auf beiden Seiten b2 hinzu: 4a2 x2 + 4abx + b2 = b2 − 4ac Die linke Seite kann auch als Quadrat geschrieben werden: (2ax + b)2 = b2 − 4ac Bildung der Quadratwurzel von beiden Seiten und anschließende einfache Umformung liefert die Formel (1.2), die umgangssprachlich Mitternachtsformel oder abcFormel genannt wird: √   −b ± b2 − 4ac 2 2 2ax + b = ± b − 4ac ⇒ 2ax = −b ± b − 4ac ⇒ x = 2a 1.1.2 Absolutwert Der Absolutwert |x| einer reellen Zahl x ist ihr Betrag, d.h. ihr positiver Wert ohne Rücksicht auf das Vorzeichen (der Betrag einer komplexen Zahl wird anders berechnet, s. Seite 818). Tabelle 1.1 zeigt einige Regeln für Absolutwert.  |x| =

Beispiel 1.2: |5| = 5

x

für x ≥ 0

−x

für x < 0

(1.4)

Absolutwert

| − 5| = −(−5) = 5

| − 5 + 1| = | − 4| = 4

| − 5 − 1| = | − 6| = 6

Tabelle 1.1: Regeln für Absolutwert |x|



0

|x · y|

=

|x| · |y|

|x| + |y|



|x ± y|

|x|   x    y |x ± y|

= = ≥

| − x| |x| |y| | |x| − |y| |

1.1 Arten von Zahlen

5

1.1.3 Absoluter und Relativer Fehler Jedes mathematische Näherungsverfahren bringt unvermeidlicherweise einen gewissen Fehler mit sich. Dieser Fehler kann für ingeneurtechnische Anwendungen völlig unbedeutend sein, oder aber auch so groß, dass die ganze Lösung in Frage gestellt werden muss. Deshalb wird in diesem Buch bei vielen Aufgabenlösungen auch der relative Fehler angegeben, welcher infolge einer Näherungsmethode ensteht. Natürlich kann der Fehler nur dann errechnet werden, wenn die exakte Lösung bekannt ist (es gibt zwar auch fortgeschrittene Fehlerabschätzungsmethoden, die ohne Kenntnis der exakten Lösung auskommen; sie werden hier jedoch nicht behandelt). Der absolute Fehler Eabs (E für »error«) einer Näherungslösung entspricht dem Betrag der Differenz zwischen der exakten und der näherungsweisen Lösung. Eabs = | f − fn |

absoluter Fehler

(1.5)

fn : Näherungslösung

f : exakte Lösung

Der relative Fehler Erel der Näherungslösung ergibt sich aus folgender Beziehung:    f − fn   Erel =  f 

(1.6)

relativer Fehler

Beispiel 1.3: Die Querschnittsfläche des Stahl-Walzprofils HEAA-300 beträgt exakt A = 88,91 cm2 . Berechnen Sie die Querschnittsfläche des Profils unter der vereinfachenden Annahme, dass wir uns das Profil als aus drei idealen Rechtecken zusammengesetzt denken dürfen (zwei Flansche und ein Steg), d.h. der Rundungsradius r wird vernachlässigt. Wie groß sind der absolute und relative Fehler der Handrechnung? Die vereinfachte Flächenberechnung liefert: A = 2 · b · t f + (h − 2 · t f ) · tw = 2 · 300 · 10,5 + (283 − 2 · 10,5) · 7,5 = 8265 mm2 = 82,65 cm2 tf

r

tw

h

b

Stahlprofil (links) und vereinfachtes Rechenmodell (rechts)

Eabs = |A − An | = |88,91 − 82,65| = 6,26 cm2      A − An   88,91 − 82,65  .    = 0,070 =  = 7% Erel =    A 88,91

(absoluter Fehler) (relativer Fehler)

6

1 Grundwissen

1.1.4 Binomische Formeln und Pascalsches Dreieck Der Potenzausdruck (a + b)2 wird durch Ausmultiplikation von (a + b) (a + b) berechnet. Auf die gleiche Art können höhere Potenzen von anderen Ausdrücken ermittelt werden. Die in der Praxis am häufigsten benötigten Potenzausdrücke sind: (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 (a + b)3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3 (a − b)3 = a3 − 3a2 b + 3ab2 − b3

binomische Formeln

(a + b) = a + 4a b + 6a b + 4ab + b 4

4

3

2 2

3

(1.7)

4

(a − b)4 = a4 − 4a3 b + 6a2 b2 − 4ab3 + b4 a2 − b2 = (a + b)(a − b) Eine sorgfältige Inspektion der konstanten Koeffizienten in den obigen Potenzausdrücken zeigt, dass ihre Anordnung durch das sog. Pascalsche Dreieck beschrieben wird: 1 1 1 1 1

1 2

3 4

0. Potenz 1. Potenz 2. Potenz 3. Potenz 4. Potenz

1 3

6

1 4

1

(1.8)

Das Pascalsche Dreieck hat auch in der Technik weitere Anwendungsgebiete. Beispielsweise werden in der Finite-Elemente-Methode (FEM) sog. vollständige Ansatzfunktionen für das Verschiebungsfeld einer Biegeplatte mit Hilfe des Pascalschen Dreiecks aufgestellt.

1.1.5 Signum-Funktion Die Signum-Funktion einer Zahl x (auch Vorzeichen-Funktion genannt) ist wie folgt definiert. sign x =

x |x|

für x = 0

(1.9)

Signumfunktion

Die Vorzeichenfunktion kann also nur zwei Werte annehmen7 : wenn x ≥ 0 : sign x = 1

bzw.

wenn x ≤ 0 :

sign x = −1

7 In der Literatur ist mitunter auch die Festlegung anzutreffen, dass sign (0) nicht definiert sei. Diese Definition wird hier nicht übernommen, weil man damit bei Ingenieuraufgaben wenig anfangen kann.

1.2 Potenzen und Wurzeln

7

Eine Zahl x und ihr Absolutwert |x| sind über die sign-Funktion miteinander wie folgt verknüpft. x = |x| · sign x Beispiel 1.4: sign (−3) = −1

(1.10)

sign 4,6 = 1

sign π = 1

sign (−π) = −1

1.2 Potenzen und Wurzeln 1.2.1 Natürliche Potenzen Die n-fache Multiplikation einer Zahl bzw. Variable x mit sich selbst wird als die n-te natürliche Potenz von x bezeichnet. xn =



x·x·x···x

n-mal x

für n = 0,1,2,3, · · ·

x : Basis n : Exponent

(1.11)

Bespiel: x = 3, n = 4 : 34 = 3 · 3 · 3 · 3 = 81

x = 3, n = 4 : 1,23 = 1,2 · 1,2 · 1,2 = 1,728

Der Exponent n oben ist eine natürliche Zahl8 . Wir wissen aus der Schulmathematik, dass stets x0 = 1 gilt. Aber woher kommt diese Beziehung? Die unmittelbare Berechnung von x0 aus der obigen Definition bereitet durchaus Kopfzerbrechen: Was bedeutet die 0-fache Multiplikation von x mit sich selbst? Auf den ersten Blick ist es naheliegend zu spekulieren, dass x0 gleich Null (oder einfach nichts) sein könnte, weil ja im Ausdruck »x0 =« rechts vom Gleichheitszeichen nichts steht. Dass diese Vermutung nicht zutrifft, werden wir gleich sehen. Herleitung der Formel xn · xm = x(n+m) : xn · xm = x · x ·

x · · · x · x · x ·

x · · · x = x · x · x

· · · · · · x = x(n+m) n-mal x m-mal x (n + m)-mal x

(1.12)

Herleitung der Formel xn /xm = x(n−m) : Wir wenden einen einfachen Trick auf den Zähler:9 (n − m)-mal x n-mal x m-mal x

  (n − m)-mal x



 x·x·x···x x·x·x···x · x·x·x···x = = x · x · x · · · x = x(n−m) = xm x · x ·

x · · · x x · x ·

x · · · x xn

m-mal x

(1.13)

m-mal x

8 Eine natürliche Zahl ist eine nicht-negative ganze Zahl, z.B. 0, 1, 2, 3, 4 · · · (siehe auch Abschnitt 18). 9 Mathematik macht oft Gebrauch von Tricks (oder besser gesagt von zulässigen Manipulationen). Manipulationen sind stets erlaubt - solange sie keinen Widerspruch erzeugen und die übrigen mathematischen Regeln nicht verletzen.

8

1 Grundwissen

Bestimmung des Wertes für x0 . Mit Hilfe der Beziehung (1.13) erhalten wir: x0 = xn−n =

xn =1 xn

Der schon etwas seltsame Ausdruck x0 hat nun eine mathematisch widerspruchsfreie und vom Menschen leicht interpretierbare Bedeutung erhalten10 . Die Potenz 00 ist an sich undefiniert, es wird jedoch i.a. 00 = 1 vereinbart. Auch die Beziehung 1/xn = x−n lässt sich mit Hilfe von (1.13) sehr leicht herleiten, wenn wir dort zunächst n und m vertauschen, dann m = 0 wählen: xm = x(m−n) xn



x0 = x(0−n) = x−n xn

Daraus folgt mit x0 = 1 :

1 = x−n xn

1.2.2 Reelle Potenzen Die Interpretation der oben behandelten natürlichen Potenz macht keinerlei Schwierigkeiten, x3 z.B. bedeutet einfach die dreimalige Multiplikation von x mit sich selbst. Was passiert aber, wenn der Exponent n keine natürliche Zahl ist, sondern eine reelle Zahl, z.B. n = 1,5 - was können wir uns unter x1,5 vorstellen? Wenn wir mit einem Taschenrechner 3/2 berechnen, sehen wir im Display das Ergebnis 1,5 - diese Zahl ist eine reelle Zahl. Die reellen Zahlen unterteilen sich in rationale und irrationale Zahlen (s. Seite 1). Eine rationale Zahl ist definiert als der Quotient von zwei ganzen Zahlen - die Zahl 1,5 ist also nicht nur reell, sondern auch rational, weil sie darstellbar ist als 3/2. Die irrationalen Zahlen hingegen sind nicht darstellbar als Quotient zweier ganzer Zahlen. Beispielsweise √ existieren keine zwei ganze Zahlen, deren Quotient 2 = 1,41421356 · · · liefern würde. 11 Wir wollen uns jetzt mit der Frage beschäftigen, was die Potenz xn/m bedeutet (hierbei sind n und m ganze Zahlen, n/m ist also eine reelle Zahl). Der Ausdruck x1/m ist die m-te Wurzel von x, wie es im folgenden Abschnitt 1.2.3 erläutert wird. Die n-fache Multiplikation von x1/m mit sich selbst liefert unter Berücksichtigung von (1.11) - wobei in (1.11) jetzt x1/m anstelle von x eingesetzt wird: √ √ 1/m 1/m 1/m 1/m n n · 1/m = xn/m = ( m x)n = m xn x · x · · · x = (x ) = x n-mal Wir erkennen aus dem Ergebnis, dass xn/m gleichbedeutend ist mit der n-ten Potenz der m-ten Wurzel von x. Alle Regeln für natürliche Potenzen bleiben auch für reelle Potenzen gültig. In Tabelle 1.2 sind die wichtigsten Potenzregeln zusammengestellt.12 10 Beinahe die gesamte Welt der Mathematik funktioniert auf ähnliche Weise: Man postuliert einige »Wahrheiten« (sog. Axiome) -stellt also deren Richtigkeit nicht mehr in Frage- und baut darauf dann Stein für Stein das monumentale Gebäude der Mathematik. 11 Nachfolgende Betrachtungen gelten strenggenommen nur für rationale Zahlen. Es lässt sich jedoch zeigen, dass die hergeleiteten Beziehungen auch für irrationale Zahlen Gültigkeit haben - auf Einzelheiten wollen wir jedoch nicht eingehen. 12 Es sei darauf hingewiesen, dass die Größen x, y, a, b in Tabelle 1.2 bestimmten Anforderungen im Einzelfall genügen müssen. Im Interesse der leichten Verständlichkeit des Buches wird jedoch auf diese mathematische Strenge verzichtet. Für die praktische Ingenieurtätigkeit hat dies i.d.R. keine Konsequenzen.

1.2 Potenzen und Wurzeln

9

Tabelle 1.2: Potenzregeln Nr.

Regel 00

Beispiel

1. 2. 3. 4. 5.

0a x0 1a x1

= = = = =

6.

x−1

=

7.

xa

=

8.

x−a

=

9.

xa xb

=

1 0 1 1 x 1 x 1 x−a 1 xa xa+b

10.

xa xb

=

xa−b

11.

(xa )b

=

12.

xa/b

=

13.

(xy)a  a x y

=

15.

x1/n

=

ya √ n x

16.

xa/b

=

√ √ b a x = ( b x)a

14.

=

b a x = xab 1 x−a/b xa ya xa

s. Fußnote 13 01 = 0 02,5 = 0 0 2,8 = 1 12,5 = 1 2,81 = 2,8 2,8−1 = 1/2,8 = 0,3571 2,82,5 = 1/(2,8−2,5 ) = 13.1188 2,8−2,5 = 1/(2,82,5 ) = 0.0762 2,82,5 · 2,81,2 = 2,83,7 = 45,1320 2,82,5 /2,81,2

= 2,8(2,5−1,2)

= 2,81,3

13

= 3,8133

(2,81,2 )2,5 = 2,81,2 · 2,5 = 2,83 = 21,952 2,85/2 = 1/(2,8−5/2 ) = 13.1188 (2,8 · 1,6)2,5 = 2,82,5 · 1,62,5 = 42,4810 (2,8/1,6)2,5 = 2,82,5 /1,62,5 = 4,0513 √ 3 2,8 = 1.4095  √ 2,83/5 = 5 2,83 = ( 5 2,8)3 = 1.8548 2,81/3 =

x, y, a, b : reelle (einschließlich der ganzen) Zahlen bzw. Variablen.

1.2.3 Wurzel √ Das Symbol a x wird als die a-te Wurzel der Zahl x bezeichnet (a eine beliebige reelle Zahl und x eine beliebige positive reelle Zahl) und ist gleich der Zahl y, deren a-te Potenz gleich x ist14 . √ a

x=y



ya = x

(1.14)

13 Die Regel 00 = 1 in der Tabelle 1.2 ist in der Literatur nicht einheitlich. Während viele Mathematiker 00 als undefiniert stehen lassen (womit man in der Ingenieurpraxis leider nicht viel anfangen kann), definieren wiederum andere Wissenschaftler, wie z.B. die Entwickler des Computer-Algebra-Systems MAPLE, 00 = 1. Im diesem Buch wird aus praktischen Erwägungen ebenfalls 00 = 1 gewählt.  14 Für eine ungerade natürliche Zahl a, z.B. a = 3, darf x auch negativ sein, z.B. 3 (−27) = −3.

10

1 Grundwissen

√ √ Für die Quadratwurzel 2 x wird in der Regel die vereinfachte Schreibweise x verwendet. Einige Grundregeln für Wurzeln lauten: √ a √ a √ a

√ a

0=0 xy =

1=1 √  a x x a =√ a y y  √ √ a b x = ab x

√ √ a x ay

√ −b x−b = ( a x)

√ a

x = x1/a



−a

x = x−1/a

√ a

√ xb = ( a x)b = xb/a √ −a b x = x−b/a

√ √ √ ab a x b x = xa+b (1.15)

Wurzeln und Potenzen sind mathematisch zueinander äquivalent, Beziehungen einer Kategorie lassen sich in die andere überführen. Für mathematische Manipulationen von Ausdrücken ist die Potenzschreibweise meistens übersichtlicher. Spezialfall für Wurzel Folgende Näherungsformel wird in technischen Anwendungen oft verwendet, weil sie erlaubt, Wurzelausrücke loszuwerden und damit übersichtliche Formeln herzuleiten (z.B. Aufgabe 28 auf Seite 164). Unter der Voraussetzung |x| 1 gilt: √ n

1+x ≈ 1+

x n

für |x| 1

(1.16)

Beispiel 1.5: Die Formel (1.16) wird für verschiedene Werte von x und n verifiziert. a) x = 0,01 b) x = 0,1 c) x = 0,6 d) x = 0,1 e) x = −0,1

√ 2 √ 2 √ 2 √ 3 √ 3

1 + 0.1 = 1.00499 1 + 0.1 = 1.048809 1 + 0.6 = 1.26491 1 + 0.1 = 1.03228 1 − 0.1 = 0.94868

0.01 = 1,005 2 0.1 = 1,05 näherungsweise: 1 + 2 0.6 = 1,3 näherungsweise: 1 + 2 0.1 = 1,03333 näherungsweise: 1 + 3 0.1 = 0,95 näherungsweise: 1 − 2

näherungsweise: 1 +

Aus dem Beispiel ist zu ersehen, dass (1.16) sogar bei relativ großen Abweichungen von der Regel |x| 1 für technische Zwecke brauchbare Ergebnisse liefert.

1.3 Summation, Produkt und Fakultät In vielen technischen Anwendungen und der Statistik werden zahlreiche skalare Größen bzw. symbolische Ausdrücke addiert oder multipliziert. Als kompakte Schreibweise für solche Operationen werden das Summensymbol ∑ und das Produktsymbol ∏ verwendet.

1.3 Summation, Produkt und Fakultät

11

1.3.1 Summation Das Summensymbol ∑ ist eine Abkürzung für die Addition von beliebig vielen Termen: Summation von Zahlen, Variablen, Ausdrücke und Funktionen von beliebiger Komplexität. Nachfolgende Beispiele zeigen einige Möglichkeiten für die Verwendung des Summationssymbols.15 1+2+3+··· = ∑ i

b)

x1 + x2 + x3 + · · · = ∑ xi

c)

e1 + e2 + e3 + · · · = ∑ ei

d)

e−x + e−2x + e−3x + · · · = ∑ e−ix

e)

2π π iπ + · · · = ∑ sin sin + sin 2 2 2 i=1

f)

a)

i=1

i=1

i=1

i=1

f1 (x) + f2 (x) + f3 (x) + · · · = ∑ fi (x) i=1

Wenn, wie in obigen Beispielen, die Summationsobergrenze fehlt, enthält die Summation unendlich viele Terme - deshalb haben die Schreibweisen ∑i=1 und ∑∞ i=1 die gleiche Bedeutung. Falls die Summation nur eine begrenzte Anzahl von Gliedern enthält, wird das durch die Angabe einer Summationsobergrenze n zum Ausdruck gebracht: n

a)

∑ i = 1+2+3+···+n

i=1 n

c)



ei

i=1 n

e)

=

∑ sin

i=1

e1 + e2 + e3 + · · · + en

n

b)

∑ xi = x1 + x2 + x3 + · · · + xn

i=1 n

d)

∑ e−ix = e−x + e−2x + e−3x + · · · + e−nx

i=1

π 2π 3π nπ iπ = sin + sin + sin + · · · + sin 2 2 2 2 2

Es kann vorkommen, dass der Zähler i nicht mit 1 startet, sondern mit einem beliebigen Wert m der Summationsuntergrenze: n

∑ xi = xm + xm+1 + xm+2 + · · · + xn−1 + xn

i=m

Beispiel 1.6: 6

a) ∑ xi = x3 + x4 + x5 + x6 i=3 5

b) ∑ i = 0 + 1 + 2 + 3 + 4 + 5 = 15 i=0 3

c)

∑ i = (−2) + (−1) + 0 + 1 + 2 + 3 = 3

i=−2 3

d) ∑ i2 = 02 + 12 + 22 + 32 = 1 + 4 + 9 = 14 i=0 3

e) ∑ (i2 − 1) = (12 − 1) + (22 − 1) + (32 − 1) = 0 + 3 + 8 = 11 i=1

15 Der in folgenden Beispielen verwendete Summationsindex i darf nicht mit der imaginären Einheit i auf Seite 3 verwechselt werden; hier handelt es sich bei i lediglich um einen Zähler.

12

1 Grundwissen 4

f) ∑

i=1



i=



√ √ √ 1 + 2 + 3 + 4 = 1 + 1,41421 + 1,73205 + 2 = 6,14626

3

g) ∑ ei = e0 + e1 + e2 + e3 = 1 + 2.718 + 7.389 + 20.086 = 31,193 i=0 3

h) ∑ sin iπ = sin 0 + sin π + sin 2π + sin 3π = 0 + 0 + 0 + 0 = 0 i=0 5

i) ∑ sin i=1

π 2π 3π 4π 5π iπ = sin + sin + sin + sin + sin = 1+0−1+0+1 = 1 2 2 2 2 2 2

5

j) ∑ cos iπ = cos π +cos 2π +cos 3π +cos 4π +cos 5π = −1+1−1+1−1 = −1 i=1 4

k) ∑ cos i=0

π 3π iπ = cos 0 + cos + cos π + cos + cos 2π = 1 + 0 − 1 + 0 + 1 = 1 2 2 2

Geometrische Summe Wir betrachten folgende geometrische Summe16 , welche insbesondere in der Finanzmathematik besonders oft vorkommt (vgl. Abschnitt 1.7.3 auf Seite 23): n

∑ xi = 1 + x + x2 + x3 + · · · + xn

geometrische Summe

(1.17)

i=0

Hierbei bedeutet xk die k-te Potenz von x. Die Herleitung von (1.17) ist in Beispiel 1.25 auf Seite 30 gezeigt. Für die Praxis ist die nachfolgende Formel zu schnellen Berechnung der geometrischen Summe besonders nützlich: ⎧ n+1 −1 ⎨x i= x x−1 ∑ ⎩ i=0 n+1 n

falls x = 1

(1.18)

falls x = 1

Regeln für die Summation 1. Falls die Ober- und Untergrenzen von zwei verschiedenen Summationsausdrücken gleich sind, dürfen die Summanden zusammengefasst werden. n

n

n

i=m

i=m

i=m

∑ xi + ∑ yi = ∑ (xi + yi )

(1.19)

2. Das Symbol für den Summationsindex darf beliebig gewählt werden. n

n

n

i=1

j=1

k=1

∑ xi = ∑ x j = ∑ xk

(1.20)

16 Der Name geometrische Summe kommt von der geometrischen Reihe. Das ausschlaggebende Merkmal einer geometrischen Reihe ist, dass der Quotient eines beliebigen Reihenglieds zum unmittelbar vorausgehenden Glied über alle Glieder hinweg konstant bleibt: x/1 = x2 /x = x3 /x2 = · · · = xn /xn−1 = x.

1.4 Logarithmus

13

3. Der Summationsindex darf um einen beliebigen Betrag k verschoben werden. n+k

n

∑ xi = ∑

i=1

n

n+k

i=0

i=k

∑ xi = ∑ xi−k

und

xi−k

i=1+k

(1.21)

Beispiel 1.7: Die Regel (1.21) soll für n = 3 und k = 4 überprüft werden. 3

∑ xi = ?

i=1

3+4



3

Linke Seite:

xi−4

i=1+4 3+4

Rechte Seite:

∑ xi = x1 + x2 + x3

i=1



i=1+4

7

xi−4 = ∑ xi−4 = x5−4 + x6−4 + x7−4 = x1 + x2 + x3  i=5

1.3.2 Produkt und Fakultät Produkt. Mit dem Produktsymbol ∏ wird die Multiplikation einer beliebigen Anzahl von Termen in eine mathematische Kurzform gebracht. n

n

· · · x = xn ∏ x = x · x

i=1

∏ xi = x1 · x2 · · · xn

(1.22)

i=1

n-mal

Beispiel 1.8: 5

∏ i = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 = 120

a)

i=1

5

b)

∏ i2 = 12 · 22 · 32 · 42 · 52 = 14400 i=1

Fakultät. Die Fakultät n! (gesprochen als »n-Fakultät«) einer natürlichen Zahl n ist wie folgt definiert: n

n! = ∏ i = 1 · 2 · 3 · · · n i=1

Beispiel 1.9: 1! = 1

2! = 1 · 2 = 2

Spezialfall:

0! = 1

3! = 1 · 2 · 3 = 6

(1.23)

5! = 120

12! = 479001600

1.4 Logarithmus Wir betrachten den Ausdruck 10 p = 100 und wollen wissen, welches p diese Gleichung erfüllt. Die Antwort ist natürlich sehr simpel: p = 2. Im Falle von 10 p = 500 lässt sich der Wert von p von Hand schon ziemlich mühsam ermitteln. Schon vor Jahrhunderten haben sich die Mathematiker dieses Problems von praktischer Bedeutung angenommen und entsprechende Zahlentabellen

14

1 Grundwissen

Tabelle 1.3: Logarithmus-Regeln für beliebige Basis a Nr.

Regel

Beispiel

1.

loga 1

=

0

log10 1 = lg 1 = 0

2.

loga a

=

1

log10 10 = lg 10 = 1

=

x

lg 102,5 = 2,5

ax

3.

loga

4.

loga acx

=

cx

lg 103x = 3x

5.

loga a f (x)

=

f (x)

lg 10sin 2x = sin 2x

6.

loga xy

=

loga x + loga y

lg(3 · 4) = lg 3 + lg 4

7.

loga (x1 x2 · · · xn )

=

loga x1 + loga x2 + loga x3 + · · · + loga xn

lg(3 · 4 · 5) = lg 3 + lg 4 + lg 5

8.

loga

x y

=

loga x − loga y

lg

9.

loga x

=

ln x ln a

log10 5 = lg 5 =

10.

aloga

=

x

10lg x = x

11.

ac loga

x

=

xc

103 lg x = x3

12.

aloga

f (x)

=

f (x)

eln

13.

xy

=

ay loga x

xy

14.

loga xy

=

y loga x

lg x3 = 3 lg x

15.

loga ( f (x)g(x) )

=

g(x) loga f (x)

lg (x2 + 1)x = x lg (x2 + 1)

16.

loga f (x)

=

logb f (x) loga b

lg 8 =  ln 8

x

17.

loga xy

=

(loga x)y

18.

loga (x + y)

=

loga x + loga y

5 = lg 5 − lg 2 2

sin 3x

ln 5 ln 10

bzw. eln x = x bzw. e3 ln x = x3

= sin 3x

= ey ln x

bzw. 23 = e3

ln 2

lg e = 0,903 

2,07944 0,43429 3 lg 2 = (lg 2)3

lg(2 + 3) = lg 2 + lg 3

aufgestellt.17 In der Folgezeit, insbesondere nach der Entdeckung der Eulerschen Zahl e, gewann der sog. natürliche Logarithmus ln eine enorme grundlegend wissenschaftliche Bedeutung. Heutzutage sind Ingenieur- und Naturwissenschaften ohne die Begriffe e und ln nicht denkbar (s. auch Abschnitt 2.4 auf Seite 51). Für die formelle Definition von Logarithmus betrachten wir zunächst folgende Beziehung: ap = b

a und b : positive reelle Zahlen, p : beliebige reelle Zahl

(1.24)

wobei a und b vorgegeben und p hingegen unbekannt sind. Die Lösung p dieser Gleichung wird 17 In seiner geschichtlichen Entwicklung entstand das logarithmische Rechnen aus dem Bedürfnis, arithmetische Rechenoperationen zu vereinfachen. Nach frühzeitlichen Vorleistungen indischer Mathematiker hatten insbesondere die arabischen Mathematiker im frühen Mittelalter ganze Tabellenwerke für Logarithmen entwickelt.

1.4 Logarithmus

15

als Logarithmus von b zur Basis a bezeichnet:18 ap = b



p = loga b

Logarithmus von b zur Basis a

(1.25)

Eine negative reelle Zahl hat keinen reellen Logarithmus, z.B. für log (−1) existiert kein reelles Ergebnis (der Taschenrechner würde eine Fehlermeldung liefern). In der Tabelle 1.3 sind die wichtigsten Logarithmenregeln zusammengestellt (s. auch Beispiel 1.33 auf Seite 34). Beispiel 1.10: a) 10 p = 100 b) 10 p = 500 c) 20 p = 400 d) 20 p = 2500

⇒ ⇒ ⇒ ⇒

p = log10 100 = 2 p = log10 500 = 2,69897 p = log20 400 = 2 p = log20 2500 = 2,61173

102 = 100 102,69897 = 500 202 = 400 202,61173 = 2500

Dekadischer Logarithmus lg Beim dekadischen Logarithmus (auch Brigg-Logarithmus genannt) wird für die Basis a = 10 gewählt. Anstelle von log10 schreibt man meistens abkürzend auch »lg«. 10 p = b Beispiel 1.11: 10 p = 1 10 p = 10 10 p = 100 10 p = 1000 10 p = 25 10 p = 0,1 10 p = 0,01 10 p = 0,001



p = lg b

p =? p =? p =? p =? p =? p =? p =? p =?

Lsg: Lsg: Lsg: Lsg: Lsg: Lsg: Lsg: Lsg:

(lg b ≡ log10 b)

p = lg 1 = 0 p = lg 10 = 1 p = lg 100 = 2 p = lg 1000 = 3 p = lg 25 = 1,39794 p = lg 0,1 = −1 p = lg 0,01 = −2 p = lg 0,001 = −3

(1.26)

100 = 1 101 = 10 102 = 100 103 = 1000 101,39794 = 25 10−1 = 0,1 10−2 = 0,01 10−3 = 0,001

Natürlicher Logarithmus ln Die Basis des natürlichen Logarithmus ist die Eulersche Zahl e, die auch natürliche Zahl genannt wird. Die abgekürzte Schreibweise für den natürlichen Logarithmus ist »ln« anstelle von loge . ep = b Beispiel 1.12: ep = 1 ep = e

⇔ p = ln b

⇒ p = ln 1 = 0 ⇒ p = ln e = 1

e = 2,71828182845904 · · ·

e p = 375 1 ep = e

(ln b ≡ loge b)

(1.27)

⇒ p = ln 375 = 5,926926 1 ⇒ p = ln = ln 1 − ln e = 0 − 1 = −1 e

18 Die Bezeichnung »Logarithmus« ist einfach geschichtlich bedingt und hat keinen besonderen wissenschaftlich tieferen Sinn- Mathematiker hätten auch eine völlig andere Bezeichnung verwenden können!

16

1 Grundwissen

Einige wichtige Regeln für den natürlichen Logarithmus sind: a) ln 1 = 0

f) eln x = x

g) eln f (x) = f (x)

b) ln e = 1 x e) ln = ln x − ln y y h) xy = ey ln x

j) ln( f (x)g(x) ) = g(x) ln f (x)

k) ec ln x = xc

l) ln ecx = cx

d) ln xy = ln x + ln y

c) ln ex = x i) ln xy = y ln x

(1.28)

Beispiel 1.13: Wie entsteht z.B. die uns doch etwas rätselhaft erscheinende Regel ln xy = ln x+ln y in Gleichung (1.28) - schließlich wandelt sich hier eine Multiplikation in einen additiven Ausdruck um? Gemäß (1.27) können wir folgende Beziehungen aufschreiben. e p = x ⇒ p = ln x,

eq = y

⇒ q = ln y,

⇒ p + q = ln x + ln y

Ferner gelten folgende Beziehungen: e p · eq = x · y ⇒ e p+q = xy

⇒ p + q = ln(xy)

Der Vergleich der letzten Ausdrücke in den beiden vorangehenden Zeilen liefert die gesuchte Beziehung ln xy = ln x + ln y.

1.5 Mittelwert einer Zahlenreihe Für die Definition des Mittelwertes einer Zahlenreihe x1 , x2 , x3 , · · · gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es existiert nicht die beste Mittelwertdefinition, je nach Einsatzzweck kann sich die eine oder andere als die bessere Wahl heraus stellen. In der Ingenieurpraxis werden das arithmetische Mittel und das quadratische Mittel am häufigsten verwendet. Arithmetisches Mittel xm : xm =

1 1 n (x1 + x2 + · · · + xn ) = ∑ xi n n i=1

(1.29)

Quadratisches Mittel xs :  xs =

1 2 x1 + x22 + · · · + xn2 = n



1 n 2 ∑x n i=1 i

(1.30)

1.5 Mittelwert einer Zahlenreihe

17

Geometrisches Mittel xg : xg =

√ n

 x1 · x2 · · · xn =

n

∏ xi

n

(1.31)

i=1

Harmonisches Mittel xh : xh =

n n = n 1 1 1 1 + +···+ ∑ x1 x2 xn i=1 xi

(1.32)

Für eine Zahlenreihe mit positiven Elementen x1 , x2 , · · · , xn gilt folgende Beziehung: xh ≤ xg ≤ xm ≤ xs

(1.33)

Beispiel 1.14: Für die Zahlenmenge x1 = 3, x2 = 5, x3 = 7, x4 = 9 sollen die verschiedenen Mittelwerte berechnet und die unter ihnen bestehende Beziehung (1.33) überprüft werden. a) Arithmetisches Mittel xm =

4

1 4

1

1

∑ xi = 4 (x1 + x2 + x3 + x4 ) = 4 (3 + 5 + 7 + 9) = 6

i=1

b) Quadratisches Mittel   1 4 2 1 xs = ∑ xi = 4 (32 + 52 + 72 + 92 ) = 6,403 4 i=1 c) Geometrisches Mittel  4 √ 4 xg = 4 ∏ xi = 3 · 5 · 7 · 9 = 5,544 i=1

d) Harmonisches Mittel xh =

4 4



1

=

i=1 xi

4 = 5,081 1 1 1 1 + + + 3 5 7 9

e) Kontrolle der Beziehung (1.33) : ?

?

?

xh ≤ xg ≤ xm ≤ xs

5,081 < 5,544 < 6 < 6,403 

18

1 Grundwissen

1.6 Winkelmaße Grad, Radiant und Gon Grad und Radiant. In der Geometrie wird als Winkelmaß in der Regel das Gradmaß (Symbol ◦ ) verwendet; man sagt z.B. »ein rechter Winkel beträgt 90 Grad« oder »Sinus von 30◦ beträgt 0,5«. Der Vollkreis hat 360◦ . In meisten physikalischen Anwendungen (Schwingungen, Elektrizität, Thermodynamik usw.) wird dagegen bei der Beschreibung von technischen Phänomenen in der Regel als Winkelmaß das Bogenmaß verwendet. Die Maßeinheit für Bogenmaß ist der Radiant (Symbol rad). Der Vollkreis hat einen Umlaufwinkel von 2π rad. Wie in Bild 1.1 dargestellt

r

r

s

a a = 30° = p/6 rad s = a r = p r/6

s

r

s

a = 1 rad

a a = 45° = p/4 rad s = a r = p r/4

s

r a

a = 57,3° = 1 rad s = ar = r

a = 60° = p/3 rad s = a r = p r/3

s s a

r a = 90° = p/2 rad s = a r = p r/2

a

a

r

r a

a = 180° = p rad s = ar = pr s a = 270° = 3p/2 rad s = a r = 3p r/2

r

s a = 360° = 2p rad s = a r = 2p r

Bild 1.1: Verschiedene Winkel als Grad und Radiant

(rotes Segment), entspricht 1 Radiant demjenigen Winkel α, der auf der Umfangslinie eines Kreises vom Radius r einen Bogen von der Länge s = r definiert (die Bogenlänge s ist gleich dem Radius r). Zwischen der Bogenlänge s, dem Radius r und dem eingeschlossenen Winkel α eines Kreisbogens besteht folgende Beziehung (s. auch Kapitel 4 über Integralrechnung): s=αr

(α in Bogenmaß)

(1.34)

Der Vollwinkel eines Kreises beträgt 360◦ in Gradmaß bzw. 2π rad in Bogenmaß, woraus folgt: 1 rad =

180◦ 360◦ = = 57,295779513082309◦ ≈ 57,3◦ 2π π

Die korrekte Wahl des Winkelmaßes ist von großer Bedeutung. Sorgloser Umgang mit dem Winkelmaß kann in Ingenieuranwendungen sehr leicht zu vollkommen falschen Ergebnissen führen. Beispielsweise liefern Formelsammlungen der Statik den Drehwinkel eines beidseitig gelenkig gelagerten Balkens immer in Bogenmaß. Auf der anderen Seite will man sich meistens in ge-

1.6 Winkelmaße Grad, Radiant und Gon

19

wohnter Weise, d.h. in Gradmaß, vorstellen können, wie stark sich der Balken verdreht; in solchen Fällen muss der Drehwinkel vom Bogenmaß in Gradmaß manuell umgerechnet werden. Faustregel: Falls eine technische Formel mit Zeit, Geschwindigkeit oder Beschleunigung zu tun hat (s. Beispiel 2.16 auf Seite 63) oder ein mathematischer Ausdruck differenziert wird (s. Abschnitt 3) muss in aller Regel mit Bogenmaß gearbeitet werden. In anderen Fällen ist die Entscheidung über die Verwendung von Gradmaß oder Bogenmaß anhand der Aufgabenart zu treffen. Es wird empfohlen, Grad nur dort zu verwenden, wo es um rein geometrische Größen geht; in allen anderen Fällen sollte dem Bogenmaß der Vorzug gegeben werden. Auf Taschenrechnern wird das Gradmaß i.a. mit der Kurzform deg (engl. degree) kenntlich gemacht, das Bogenmaß mit rad (Radiant). Die Umrechnung zwischen den beiden Winkelmaßen erfolgt mit folgenden Formeln:

Umrechnung von Bogenmaß ins Gradmaß: Umrechnung von Gradmaß in Bogenmaß:

θdeg = θrad

180 θrad ≈ 57,3 θrad π

π 1 θdeg ≈ θdeg = 180 57,3

(1.35)

Einige häufig vorkommende Winkel in Grad- und Bogenmaß sind: Beispiele für Gradmaß und Bogenmaß Gradmaß

1◦

30◦

45◦

60◦

90◦

120◦

135◦

180◦

270◦

360◦

Bogenmaß

π 180

π 6

π 4

π 3

π 2

2π 3

3π 4

π

3π 2



Gon. Das Gon als geodätisches Winkelmaß geht historisch auf die Landvermessung zurück - seine Verwendung war insbesondere im Rahmen der Metrifizierungspolitik (strikter hierachischer Aufbau aller wissenschaftlichen Maßeinheiten im 10-er System) nach der Französischen Revolution forciert worden, konnte sich allerdings nicht flächendeckend durchsetzen. Heutzutage wird Gon hauptsächlich neben dem Vermessungswesen in der Automatisierungstechnik und Robotik verwendet, weil die meisten Elektroschrittmotoren einen Vollkreis in 200-400 Schritten umlaufen. Auf Taschenrechnern wird ein Gon-Winkel mit dem Symbol »g« hervorgehoben. Die Beziehungen zwischen Grad, Radiant und Gon lauten: 360◦ = 400 gon

2π rad = 400 gon

1 gon = 0,9◦

1 gon = 2π/400 rad

Beispiel 1.15: Ein beidseitig gelenkig abgestüzter Balken aus Plexiglas hat die Länge l = 1 m und die Querschnittsabmessungen b = 10 mm, h = 24 mm sowie den Elastizitätsmodul E = 3000 N/mm2 . Der Balken wird in seiner Mitte durch die Einzellast F = 200 N belastet. Zu berechnen sind die Durchbiegung w und der Verdrehungswinkel θ .

20

1 Grundwissen

l

F w

q

Verformung eines Balkens unter mittiger Einzellast.

Einer Formelsammlung für Statik entnehmen wir die Formeln für w, θ und das Trägheitsmoment I: w=

Fl 3 48EI

θ=

Fl 2 16EI

I=

bh3 12

Als gemeinsames Längenmaß verwenden wir in diesem Beispiel das Millimeter (die gemischte Verwendung von m und mm in den obigen Formeln wäre falsch!). Das Einsetzen der Zahlenwerte liefert: 200 · (1 · 1000)3 10 · 243 = 11520 mm4 = 120,6 mm w= 12 48 · 3000 · 11520 200 · (1 · 1000)2 180 Fl 2 = = 0,3617 rad = 0,3617 = 20,7◦ θ= 16EI 16 · 3000 · 11520 π I=

Wie wir uns auch intuitiv leicht vorstellen können, wäre die Interpretation des Wertes 0,3617 als Verdrehungswinkel in Grad völlig falsch: für einen Balken von 1 m Länge, der sich in der Mitte 12 cm durchbiegt, ist ein Drehwinkel von 0,36◦ arg wenig!

1.7 Zinsrechnung Stellen Sie sich folgende zwei Situationen vor: a) Als Ingenieur werden Sie später mal ganz ordentlich Geld verdienen. Was würden Sie mit Ihren monatlichen Ersparnissen machen? Staatsanleihen kaufen? In Aktien investieren? Immobilie kaufen? In den Vermögensaufbauplan Ihrer Bank einzahlen? b) Sie sind vielleicht in der Geschäftsleitung Ihrer Firma zuständig für Investitionen. Die Produktionsmaschinen sind schon zehn Jahre alt und sollten durch neue ersetzt werden, um Mitbewerbern gegenüber die Konkurrenzfähigkeit zu sichern. Sie könnten natürlich die neuen Maschinen kaufen und die Anschaffungskosten teilweise aus liquiden Mitteln Ihrer Firma und teilweise über einen Bankkredit finanzieren. Für den Bankkredit müssten Sie laufend Zinsen und Tilgung19 an die Bank zahlen. Die Maschinen werden also zum Eigentum der Firma. Es besteht aber auch die alternative Möglichkeit, die neuen Maschinen von einer Leasingfirma für 7 Jahre zu mieten - in diesem Fall bleibt das Barvermögen der Firma erhalten, es ist lediglich jeden Monat eine feste Leasingrate fällig, die allerdings höher ausfällt als die monatliche Kreditrückzahlung an die Bank. Zum Ende der Leasingfrist geben Sie die Maschinen an die Leasingfirma zurück. Welche Entscheidung ist aller Voraussicht nach in langfristiger Hinsicht die bessere? Wie wir sehen, ist die Finanzmathematik auch für Ingenieure privat wie beruflich ein hoch interessantes Thema - in das wir im folgenden nur hineinschnuppern wollen, um ein Mindestmaß an finanztechnischem Verständnis zu gewinnen. 19 Tilgung ist die ratenweise Zurückzahlung der eigentlichen Kreditschuld.

1.7 Zinsrechnung

21

1.7.1 Einfache Verzinsung Unter Zins verstehen wir die Vergütung für das Verleihen eines Anfangskapitals K0 nach einem zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer festgelegten Prozentsatz p. Diese Vergütung p wird Zinssatz (oder Zinsfuß) genannt - im Alltag verstehen wir unter »Zins« eher diesen Zinssatz p, und reden z.B. von »2,5% Zinsen«. Für praktische Zinsrechnungen ist dagegen der aus dem Zinssatz ermittelte Zinsfaktor q praktischer: q = 1+

p 100

Zinsfaktor

p: Zinssatz in Prozent

(1.36)

Das Anfangskapital K0 erhöht sich am Ende der Zinsperiode20 auf das Endkapital K1 : K1 = K0 q

(1.37)

Wenn die gesamte Darlehenszeit n Zinsperioden beträgt, z.B. 5 Jahre, ergibt sich als Endkapital nach n Jahren im Falle der einfachen Verzinsung:  n · p Kn = K0 1 + 100

einfache Verzinsung

(1.38)

Der einfache Zins besitzt für die reale Finanzwelt kaum Bedeutung, weil die bereits gutgeschriebenen Zinsen einer Periode in den nachfolgenden Zinsperioden nicht mitverzinst werden. Es spielt also keine Rolle, ob Sie die Zinsbetrag jedes Jahr sich auszahlen lassen oder einfach im Darlehensbetrag mitlaufen lassen. Dennoch stellt der einfache Zins die Basis für anspruchsvollere Zinsmodelle dar und ist deshalb als Ausgangsgedanke durchaus wichtig. Beispiel 1.16: Sie leihen Ihrem Bekannten 10.000 e für 5 Jahre aus, der Zinssatz beträgt jährlich p = 2,5%. Bei der Zinsberechnung soll einfache Verzinsung zugrunde gelegt werden. Wie hoch ist der gesamte Zinsertrag Z5 nach Ablauf der Darlehensfrist, a) bei jährlicher Zinsauszahlung, b) bei Auszahlung aller gesammelten Zinsen erst nach Ablauf der Darlehensfrist? a) Jährliche Zinsauszahlung. Anfangskapital: K0 = 10.000 e Nach Ablauf eines Jahres erhalten wir gemäß (1.37) :    p  2,5 q = 1+ Endkapital: K1 = K0 · q = 1+ = 1,025 100 100 K1 = 10.000 · 1,025 = 10.250 e Jährlicher Zinsertrag: Z1 = K1 − K0 = 10.250 − 10.000 = 250 e 20 Als Zinsperiode wird im allgemeinen 1 Jahr gewählt.

22

1 Grundwissen

Gesamter Zinsertrag nach Ablauf der Darlehensfrist: Z5 = 5 · Z1 = 1250 e b) Auszahlung am Ende von n = 5 Jahren gemäß (1.38).     5· p 5 · 2,5 Endkapital: K5 = K0 · 1 + = 10.000 · 1 + = 11.250 e 100 100 Zinsertrag in 5 Jahren: Z5 = K5 − K0 = 11.250 − 10.000 = 1.250 e Wir sehen, dass am Ende von 5 Jahren der Zinsertrag in beiden Fällen der einfachen Summe von 5 gleichen Jahreszinserträgen entspricht: 5 · 250 = 1250 e. Es hat für Sie also keinen Vorteil gebracht, dass Sie sich die Zinserträge jährlich nicht haben auszahlen lassen. 1.7.2 Zinseszins Das Szenario in Beispiel 1.16 zeigt, dass die einfache Zinsrechnung nicht praxisgerecht ist. Schließlich haben Sie ja am Ende des ersten Jahres eine höhere Forderung bei Ihrem Bekannten: Erstens den ursprünglich ausgeliehenen Betrag von 10.000 e, und zweitens den Zinsertrag in Höhe von 250 e am Ende des ersten Jahres, den Sie bei Ihrem Bekannten belassen haben. Faktisch haben Sie ihm ein neues zweites Darlehen in Höhe von 250 e gegeben, für welches Sie nun auch eine Verzinsung im kommenden Jahr für gerecht halten. Dieser Vorgang wiederholt sich in zunehmend komplizierter Art auch am Ende des zweiten, dritten und vierten Jahres. Schon am Ende des zweiten Jahres wirft nicht nur der Hauptdarlehensbetrag (10.000 e) erneut Zins ab, sondern auch der Zinsbetrag des ersten Jahres (250 e), den Sie ja bei Ihrem Bekannten belassen hatten.21 Diese erneute Verzinsung eines Zinsbetrages wird Zinseszins genannt und hat erhebliche Auswirkungen auf Geldgeschäfte. Die Herleitung der Zinseszins-Formel für n Zinsperioden lässt sich folgendermaßen herleiten: Endkapital am Ende des 1. Jahres: Endkapital am Ende des 2. Jahres: Endkapital am Ende des 3. Jahres: Endkapital am Ende des 4. Jahres: Endkapital am Ende des n−ten Jahres:

K1 = K0 · q K2 = K1 · q = K0 · q · q = K0 · q2 K3 = K2 · q = K0 · q2 · q = K0 · q3 K4 = K3 · q = K0 · q3 · q = K0 · q4 Kn = Kn−1 · q = K0 · qn−1 · q = K0 · qn

Aus obigen Betrachtungen erhalten wir die Zinseszinsformel für das Endkapital Kn nach Ablauf von n Zinsperioden: Kn = K0 qn

Endkapital bei Zinseszins

Zn = K0 (qn − 1)

Gesamtzins bei Zinseszins

(1.39) (1.40)

21 Natürlich ist es gut möglich, dass Sie nicht kleinlich sein wollen und auf den Zinseszins gern verzichten. Kreditinstitute allerdings würden in aller Regel derartige Zinseszinsen ihren Sparkunden gewähren bzw. von ihren säumigen Kreditnehmern verlangen.

1.7 Zinsrechnung

23

Beispiel 1.17: Nehmen wir an, dass Sie mit Ihrem Kreditnehmer in Beispiel 1.16 vereinbaren, die für den gewährten Kredit fälligen Zinsen nicht jährlich, sondern erst am Ende der Laufzeit nach der Zinseszinsformel auszuzahlen. Wie viel bekommen Sie an Zinserträgen insgesamt? Der Gesamtzins nach 5 Jahren ergibt sich gemäß (1.40) zu: Z5 = 10.000 · (1,0255 − 1) = 1314,06 e Gegenüber der einfachen Verzinsung bringen die Zinseszinsen 64,08 e mehr ein. 1.7.3 Rentenrechnung Unter einer Rente versteht man in der Finanzmathematik eine in gleichen Zeitabständen sich wiederholende Zahlung. Diese Zahlung dient meistens zu einem der folgenden beiden Zwecke: a) Man zahlt selbst regelmäßig -monatlich, jährlich etc.- einen bestimmten (oder variablen) Betrag ein, z.B. in einen langfristigen Vermögensaufbauplan, um von Zinsen und Zinseszinseffekten zu profitieren. b) Man bekommt regelmäßig eine feste (oder variable) Leistung zu Lasten eines bestehenden eigenen Vermögens - dieses Vermögen kann in der Vergangenheit durch die erwähnten Einzahlungen aufgebaut worden sein, oder auch unmittelbar vor dem Beginn der ersten Leistung in Form einer Einmalzahlung entstanden sein.22 Nehmen wir an, Sie zahlen am Ende eines jeden Jahres den Betrag R in einen Sparplan mit garantiertem jährlichen Zins p (in Prozent pro Jahr).23 Das aufgebaute Kapital Kn , der sog. Rentenendwert, nach n Jahren lässt sich wie folgt berechnen.

Einzahlungsjahr 1 2 .. . n−1 n

Zinsfaktor: q = 1 + p/100 Eingezahlter Betrag Endwert am Ende des n-ten Jahres R Rqn−1 R Rqn−2 .. .. . . R R

Rq R

Der am Ende des n-ten Jahres aufgelaufene Rentenendwert Kn entspricht der Summe einzelner Teilrentenwendwerte:

(a) Kn = R 1 + q + qn−2 + qn−1 Der Vergleich des Klammerausdrucks in (a) mit (1.18) auf Seite 12 zeigt, dass es sich hier um 22 Natürlich bieten Finanzhäuser zahlreiche differenziertere Modelle und es gibt diverse Feinheiten der Rententhematik. Hier wollen wir jedoch uns mit einem kurzen Einblick ins Thema begnügen. 23 Diese Rentenart, wo die Zahlungen am Ende der Verzinsungsperiode erfolgen, werden als nachschüssige Rente bezeichnet. Als Alternative dazu existiert auch die vorschüssige Rente mit Zahlung zu Beginn der Verzinsungsperiode.

24

1 Grundwissen

eine geometrische Reihe handelt und Kn sich auch in geschlossener Form angeben lässt: Kn = R

qn − 1 q−1

(1.41)

Rentenendwert

Beispiel 1.18: Ein Anleger zahlt jährlich 5.000ein einen Sparplan in Form einer nachschüssigen Rente ein. Wie hoch ist die Rückzahlung am Ende von 12 Jahren bei einem Zinssatz von 2,4% jährlich? Mit R = 5.000, q = 1 + 2,4/100 = 1,024 und n = 12 liefert (1.41): K20 = 5.000

1,02412 − 1 = 5.000 · 13,7178 = 68.589 e 1,024 − 1

1.8 Das SI-System der Einheiten Das SI-System für Einheiten24 wurde 1960 eingeführt und seitdem einige Änderungen und Ergänzungen erfahren. Es ist das weltweit wichtigste Einheitensystem und dabei, sich als das ausschließliche System in Wissenschaft zu etablieren. Das SI-System basiert auf sieben SI-Basiseinheiten, die in Tabelle 1.4 aufgelistet sind. Tabelle 1.4: Basiseinheiten des SI-Systems. Basisgröße

Einheit

Symbol

Länge Masse Zeit Stromstärke Thermodynamische Temperatur Stoffmenge

Meter Kilogramm Sekunde Ampere Kelvin Mol

m kg s A K mol

Lichtstärke

Candela

cd

Weiterhin gibt eine Reihe von sog. abgeleiteten SI-Einheiten, die alle als Potenzprodukte der Basiseinheiten definiert sind (Tabelle A.1 auf Seite 872). Präfixe. Die enorme technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte brachte uns in tägliche Berührung mit Zahlenwerten, die früher im privaten und ja sogar beruflichen Alltag nur selten vorkamen: Der externe Speicher (Festplatte bzw. SSD) eines marktüblichen Notebooks kann inzwischen mehr als 1012 Bytes speichern (ein Byte entspricht einem »Charakter«, d.h. einem Zeichen) - das entspricht Tausendmilliarden Bytes! Die Kommunikation dieser Zahl im Alltag in der Form »zehn-hoch-zwölf Bytes« ist relativ umständlich und auch wenig verständlich. Genauso umständlich dürfte es sich verhalten, z.B. in einer Konversation über Oberflächentechnik 24 Die Bezeichnung SI kommt vom französischen »Système International d’Unités«.

1.9 Technische Beispiele

25

ständig von 10−9 Meter großen Partikeln zu reden (»zehn-hoch-minus-neun Meter«). Daher hat das Internationale Komitee für Maß und Gewicht Präfixen (Vorsilben) festgelegt, mit deren Hilfe die Wahrnehmung von Einheiten sich leichter gestalten soll. Diese Präfixe werden der jeweiligen Einheit vorangestellt, z.B. Dezimeter, Hektoliter, Hektar, Kilometer, Megatonnen, Gigahertz, Terabyte, Zentimeter, Millimeter, Nanometer. Tabelle 1.5 listet die aktuell definierten Präfixe auf. Tabelle 1.5: Präfixe für Einheiten (SI und Nicht-SI) 101 Deka

102 Hekto

103 Kilo

106 Mega

109 Giga

1012 Tera

1015 Peta

1018 Exa

1021 Zetta

1024 Yotta

10−1 Dezi

10−2 Zenti

10−3 Milli

10−6 Mikro

10−9 Nano

10−12 Piko

10−15 Femto

10−18 Atto

10−21 Zepto

10−24 Yokto

1.9 Technische Beispiele Beispiel 1.19: Schallgeschwindigkeit in der Luft. Druckstörungen der Luft, z.B. infolge eines Donners oder einer Startschusspistole, breiten sich als Schallwellen kugelsymmetrisch aus und werden von uns akustisch wahrgenommen. Die Schallgeschwindigkeit c in der Luft lässt sich aus einer einfachen Beziehung, welche auf thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten beruht, ermitteln:  c = γRT γ = 1,4

R = 287,05 Nm/kgK

(thermodynamische Kenngrößen für Luft)

T : absolute Lufttemperatur in K (Kelvin)

T = 273,15 + Tc

Tc : Lufttemperatur in ◦ C (Grad Celcius) Nachfolgend wollen wir berechnen, mit welcher Geschwindigkeit sich der Schall in der Luft ausbreitet, wenn die Lufttemperatur a) 20◦ C (Südmeer), b) 60◦ C (KalahariWüste), und c) −10◦ C (Winterlandschaft) beträgt?

T=-10°C

T=20°C

T=60°C

a: Meer: c = 343,2 m/s

b: Wüste: c = 365,9 m/s

c: Winter: c = 325,2 m/s

Fall a): Tc = 20◦ C T = 273,15 + 20 = 293,15 K

c30 =



1,4 · 287,05 · 293,15 = 343,2

m s

26

1 Grundwissen

Fall b): Tc = 60◦ C T = 273,15 + 60 = 333,15 K

c−10 =

 m 1,4 · 287,05 · 333,15 = 365,9 s

c−10 =

 m 1,4 · 287,05 · 263,15 = 325,2 s

Fall c): Tc = −10◦ C T = 273,15 − 10 = 263,15 K

Stellen wir uns vor, wir liegen am Meeresstrand und sehen in der Ferne das Licht eines Blitzes, welches uns faktisch ohne Zeitverzögerung erreicht, weil das Licht eine extrem hohe Geschwindigkeit besitzt (≈ 300.000 km/s). Die Messung mit einer Stoppuhr zeigt hingegen, dass es exakt t = 20 Sekunden braucht, bis wir auch den Donner hören. In welcher Entfernung von uns findet der Blitzeinschlag statt? Entfernung: s = c · t = 343,2 · 20 = 6864 m Beispiel 1.20: Pitotrohr. Zur einfachen Bestimmung der Strömungsgeschwindigkeit u von Flüssigkeiten und Gasen in Rohrleitungen sowie von Fluggeschwindigkeiten von Flugzeugen und anderen Flugkörpern wird eine schlanke Sonde verwendet, die als Pitot-Rohr bekannt ist. Die Sonde hat an ihrer Spitze eine Öffnung, an der das anströmende Fluid auf Geschwindigkeit null abgebremst wird (Staupunkt). Seitlich wird die Sonde ebenfalls angebohrt - der dort vorherrschende Fluiddruck ps ist identisch mit demjenigen Druck, der im ungestörten Geschwindigkeitsfeld vor der Sondenspitze vorhanden ist (statischer Druck). Der Gesamtdruck pg am Staupunkt ist die Summe aus dem statischen Druck ps und dynamischen Druck pd (Staudruck) pd = ρu2 /2 (ρ Fluiddichte). Ein eingebauter Manometer zeigt den Differenzdruck Δ p = pg − ps an. Aus vorliegenden Informationen können wir die Geschwindigkeit des Flugzeugs bzw. strömenden Fluids bestimmen:  2Δp ρu2 ρu2 Δ p = pg − ps ⇒ Δ p = u= pg = ps + pd = ps + 2 2 ρ

ps pg u ps

ps

pg

d: Pitotrohr eines Airbus

ps

e: Pitotrohr - Schematischer Aufbau

1.9 Technische Beispiele

Zahlenbeispiel. In einer Rohrleitung fließt Wasser, der vom Manometer angezeigte Differenzdruck beträgt Δ p = 0,8 bar. Wie groß ist die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers? 1 bar = 105 Pa = 105  u=

2Δp =u= ρ

N m2

Δ p = 0,8 bar = 0,8 · 105

N m2

ρ = 1000

kg m3

 2 · 0,8 · 105 m . km = 12,65 = 45,54 1000 s h

Beispiel 1.21: Zugfestigkeit der Aluminiumlegierung AlMg3. AlMg3 enthält etwa 3% Magnesiumanteil zur Steigerung der Festigkeit. Während der Zugprüfung einer gelieferten Charge aus AlMg3-Blechen werden folgende Werte der Zugfestigkeit R ermittelt. Es soll die mittlere Zugfestigkeit R aus den verschiedenen Berechnungsverfahren ermittelt werden. Gemessene Zugfestigkeiten Ri , N/mm2 1 2 3 4 5 6 7 8 190 200 205 220 185 202 194 230 a) Arithmetisches Mittel Rm Rm =

1 n

n

8

1

1

∑ Ri = 8 ∑ Ri = 8 (R1 + R2 + R3 + R4 + R5 + R6 + R7 + R8 )

i=1

i=1

1 = (190 + 200 + 205 + 220 + 185 + 202 + 194 + 230) 8 1626 = 203,250 N/mm2 Rm = 8 b) Quadratisches Mittel Rs   1 n 2 1 8 2 Rs = Ri = ∑ ∑ Ri n i=1 8 i=1  1 (1902 + 2002 + 2052 + 2202 + 1852 + 2022 + 1942 + 2302 ) = 8  332090 = 203,743 N/mm2 Rs = 8 c) Geometrisches Mittel Rg   Rg =

n

n

∏ Ri = i=1

=

8

8

∏ Ri i=1

√ 8 190 · 200 · 205 · 220 · 185 · 202 · 194 · 230

27

28

1 Grundwissen

Rg =

√ 8

2857674781720000000 = 202,769 N/mm2

d) Harmonisches Mittel Rh n

Rh =

n



i=1

1 Ri

=

8 8

1 R i=1 i ∑

8 1 1 1 1 1 1 1 1 + + + + + + + 190 200 205 220 185 202 194 230 8 = 202,301 N/mm2 Rh = 0,03954502693 =

e) Kontrolle der Beziehung (1.33) : ?

?

?

Rh ≤ Rg ≤ Rm ≤ Rs

202,301 < 202,769 < 203,250 < 203,743

Beispiel 1.22: Schalldruckpegel. Der Luftschall entsteht, wenn durch eine Schallquelle eine Störung des normalen Luftdrucks (≈ 1 bar) hervorgerufen wird. Die dabei entstehende Luftdruckschwankung p ist sehr gering; sie liegt i.a. im Bereich von 10−10 ≤ p ≤ 10−3 bar.

Schalldruckpegel dient zur Beschreibung der Schallstärke.

Die Schallstärke wird nicht direkt durch die Druckschwankung p selbst, sondern durch den dazugehörigen Schalldruckpegel quantifiziert, d.h. gemessen. Der Schalldruckpegel L ist definiert durch folgende logarithmische Gleichung: L = 20 lg

p p0

Einheit von L : Dezibel (dB)

p0 = 2 · 10−10 bar

(vom Menschen gerade noch hörbare Luftdruckschwankung)

Für die beiden Extremwerte der Luftdruckschwankung p erhält man: p = 10−10 : p = 10−3 :

10−10 = −6,02 dB (absolute Stille) 2 · 10−10 10−3 L = 20 lg = 133,98 dB (Schmerzschwelle) 2 · 10−10 L = 20 lg

1.9 Technische Beispiele

29

Beispiel 1.23: Dehnungsmaß bei Verformungen. Bei Umformprozessen von Metallen, z.B. bei der Karosserieherstellung von Autos oder dem Walzen von Stahlprofilen, unterscheidet man zwischen den Begriffen technische Dehnung und wahre Dehnung. Als einfaches anschauliches Beispiel betrachten wir einen dünnen Stab aus Stahl, der in einer Zugprüfmaschine auseinandergezogen wird, um die Spannungsdehnungskurve (die sog. σ -ε-Kurve) zu bestimmen (Zugversuch). Während des Versuchs werden kontinuierlich die Zugkraft F und die Längung Δ l des Stabs gemessen. Die technische Dehnung unbelastet

l0

F

l gedehnt

F

l Bild 1.2: Dehnung des Zugstabs

εt ist das Verhältnis der Längung Δ l zur Ausgangslänge l0 : εt =

Δl l − l0 = l0 l0

(a)

Die wahre Dehnung εw ist hingegen definiert als Logarithmus der Endlänge l zur Ausgangslänge l0 : l l0 + Δ l εw = ln = ln = ln l0 l0



l0 Δ l + l0 l0

 = ln(1 + εt )

(b)

Aus (b) lässt sich die technische Dehnung εt auch wie folgt angeben: εw = ln(1 + εt )

⇒ eεw = eln(1+εt ) = 1 + εt



εt = eεw − 1

Beispiel. Ein 25 cm langer Stab wird in der Prüfmaschine auf die Endlänge 30 cm gedehnt. Wie groß sind die technische Dehnung εt und die wahre Dehnung εw ? l − l0 30 − 25 = 0,2 = l0 25 l 30 = 0,1823 bzw. εw = ln(1 + εt ) = ln(1 + 0,2) = 0,1823 εw = ln = ln l0 25 εt =

Anmerkung: Die Differenz zwischen εt und εw ist in üblichen Konstruktionen (Maschinen, Hochhäuser, Brücken) vernachlässigbar klein, weil die zulässigen Dehnungen meistens ohnehin sehr klein sind. In solchen Fällen ist die Festigkeits- und Verfor-

30

1 Grundwissen

mungsberechnung unter Verwendung der technischen Dehnung εt vollkommen ausreichend. Bei der Berechnung von großen plastischen Verformungen hingegen, die z.B. in der Umformtechnik auftreten, muss in der Computersimulation die wahre Dehnung εw verwendet werden.

1.10 Zusätzliche Beispiele Beispiel 1.24: Mit Hilfe eines Taschenrechners sollen folgende Ausdrücke verifiziert werden. √ ? a) 2,5 16 = 161/2,5 √ Taschenrechner : 2,5 16 = 3,03143 161/2,5 = 160,4 = 3,03143  √ ? 5 b) 202 = 202/5 √ √ 5 Taschenrechner : 202 = 5 400 = 3,31445 202/5 = 200,4 = 3,31445  √ −8 2 ? c) 6 = 6−2/8 √ √ −8 2 Taschenrechner : 6 = −8 36 = 0,63894 6−2/8 = 6−0,25 = 0,63894   √ ? 1 ? 1 ? 3 1 ? √ ? 3 = = 8−1 d) −3 8 = 8−1/3 = 1/3 = √ 3 8 8 8 √ 1 1 1 −3 8 = 0,5 8−1/3 = 8−0,3333 = 0,5 = 0,3333 = = 0,5 1/3 8 2 8  √ √ 1 1 3 −1 3 1 √ = 0,5 = 3 0,125 = 0,5 = 8 = 0,5  3 8 8 2 Beispiel 1.25: Es soll der Ausdruck (1.18) auf Seite 12 für die geometrische Summe hergeleitet werden. Wir schreiben für den Ausdruck 1 + x + x2 + x3 + · · · + xn abkürzend s (Summe): 1 + x + x2 + x3 + · · · + xn = s

(a)

Die Multiplikation des obigen Ausdrucks mit x auf beiden Seiten liefert: x + x2 + x3 + x4 + · · · + xn+1 = xs

(b)

Die Subtraktion der Gl. (a) von der Gl. (b) liefert: xn+1 − 1 = s(x − 1)



s=

xn+1 − 1 x−1

n

d.h.

∑ xi =

i=0

xn+1 − 1 x−1



Die obige Formel liefert allerdings für x = 1 in (1.17) einen unbestimmten Ausdruck, nämlich 0/0, was nicht besonders nützlich ist. Dieses Unbestimmtheitsproblem kann mit Hilfe der Regel von L’Hospital (s. Seite 110 und die Aufgabe auf Seite 165), gelöst werden.

1.10 Zusätzliche Beispiele

31

Beispiel 1.26: Die Regeln in Tabelle 1.1 auf Seite 4 sind für x = 4 und y = −6 zu überprüfen. a) |x| = | − x| b) |x · y| = |x| · |y|    x  |x| c)   = y |y|

|4| = 4

| − 4| = 4



|4| = | − 4| 

|4 · (−6)| = | − 24| = 24 |4| · | − 6| = 4 · 6 = 24     −6  | − 6| 6   = =2  3  = | − 2| = 2 |3| 3

d) |x| + |y| ≥ |x + y|

|4| + | − 6| = 4 + 6 = 10

e) |x| + |y| ≥ |x − y|   f) |x| − |y| ≤  |x| − |y| 

|4| + | − 6| = 4 + 6 = 10

|4 + (−6)| = | − 2| = 2  |4 − (−6)| = |10| = 10 

   |4| − | − 6|  = |4 − 6| = | − 2| = 2

|4| − | − 6| = 4 − 6 = −2   g) |x + y| ≥  |x| − |y| 

−2 < 2 

|4 + (−6)| = | − 2| = 2   h) |x − y| ≥  |x| − |y| 

| |4| − | − 6| | = |4 − 6| = | − 2| = 2

2=2

|4 − (−6)| = |10| = 10

| |4| − | − 6| | = |4 − 6| = | − 2| = 2

10 > 2 

Beispiel 1.27: Einige Logarithmenregeln in Tab. 1.3 für den dekadischen Logarithmus, d.h. Basis a = 10, werden zahlenmäßig (mit dem Taschenrechner) überprüft. ?

Beispiel: lg(5 · 8) = lg 5 + lg 8

a) Regel: lg xy = lg x + lg y lg(5 · 8) = lg 40 = 1,60206 b) Regel: lg lg

lg 5 + lg 8 = 0,69897 + 0,90309 = 1,60206

x = lg x − lg y y

Beispiel: lg

16 = lg 3,2 = 0,50515 5

16 ? = lg 16 − lg 5 5

lg 16 − lg 5 = 1,20412 − 0,69897 = 0,50515



?

c) Regel: lg xy = y lg x

Beispiel: lg 53 = 3 lg 5

lg 53 = lg 125 = 2,09691 d) Regel: lg(x + y) = lg x + lg y lg(80+40) = lg 120 = 2,079

3 lg 5 = 3 · 0,69897 = 2,09691



?

Beispiel: lg(80 + 40) = lg 80 + lg 40 aber: lg 80+lg 40 = 1,903+1,602 = 3,505

Beispiel 1.28: Die angegebenen Ausdrücke sollen soweit wie möglich vereinfacht werden. a) lg x1/y + lg x−1/y lg x1/y + lg x−1/y =



1 1 lg x − lg x = 0 y y



32

1 Grundwissen

Alternativer Lösungsweg: lg x1/y + lg x−1/y = lg(x1/y · x−1/y ) = lg x1/y−1/y = lg x0 = lg 1 = 0 b) 10x lg 3 Mit Hilfe der Regel ax loga c = cx in Tabelle 1.3 auf Seite 14 erhält man: 10x lg 3 = 3x

Hinweis: Die Basis a von lg ist 10, d.h. lg x ≡ log10 x

Beispiel 1.29: Folgende Gleichungen sind nach x zu lösen. √ x =? a) lg x2 + 3 lg x + 2 lg 20 = lg x5 − lg x 1 5 lg x + lg 20 = 4 lg x 2 lg x + 3 lg x + 2 · lg 20 = 5 lg x − lg x 2 1 = 0,05 ⇒ x = 20−1 = lg x = − lg 20 lg x = lg 20−1 20 √ 1 b) 8 lg 10 + lg x − lg x2 + lg x3 = lg x4 x =? 3 3 1 ⇒ 4 lg 10 = 4 lg x 8 · lg 10 + lg x − 2 lg x + lg x = 4 lg x 2 3 lg 10 = lg x ⇒ x = 10 c) 2 ln x2 − ln x6 + ln x = ln 10

x =?

4 ln x − 6 ln x + ln x = ln 10 1 x−1 = 10 = 10 ⇒ x

− ln x = ln 10 1 x= = 0,1 10

ln x−1 = ln 10

Beispiel 1.30: Folgende Ausdrücke sind soweit wie möglich -und sinnvoll- zu vereinfachen. a) lg

1 1 1 + lg 1/y + ln −2 x x−1/y x

Unter Beachtung der Potenz- und Logarithmenregeln erhalten wir: lg

1 x−1/y

+ lg

1 x1/y

+ ln

1 x−2

= lg x1/y + lg x−1/y + ln x2   = lg x1/y · x−1/y + 2 ln x 1

1

= lg (x y − y ) +2 ln x = lg 1 +2 ln x = 2 ln x   =1

=0

1.10 Zusätzliche Beispiele

b) ln

 3

(x2 − y2 )2 −

2 ln(x − y) 3

Der erste Term läßt sich wie folgt umformen:   2  ln 3 (x2 − y2 )2 = ln (x2 − y2 )2/3 = ln(x2 − y2 ) 3 2 2 = ln [(x + y) (x − y)] = [ln(x + y) + ln(x − y)] 3 3 Einsetzen des Ergebnisses in die Ausgangsausdruck liefert: 2 2 2 2 ln(x + y) + ln(x − y) − ln(x − y) = ln(x + y) 3 3 3 3 Beispiel 1.31: Folgende Gleichungen sind nach x zu lösen. a) eln(x

2 +x−1)

= x2 − x + ln e3

x =?

Gemäß der Logarithmusregel eln f (x) = f (x) auf Seite 16 lassen sich die linke und rechte Seite der obigen Gleichung auch wie folgt schreiben: eln(x ⇒ b)

2 +x−1)

= x2 + x − 1

und

x2 + x − 1 = x2 − x + 3 ⇒

1 x 1 (e + e−x ) + eln c = c + x 2 e

x2 − x + ln e3 = x2 − x + 3 2x = 4

c : Konstante



x=2

x =?

Die Ausdrücke links und rechts vom Gleichheitszeichen lassen sich wie folgt umformen: 1 1 x (e + e−x ) + eln c = (ex + e−x ) + c 2 2

c+

1 = c + e−x ex

Die Ausgangsgleichung lässt sich jetzt leicht nach x lösen: 1 x (e + e−x ) + c = c + e−x 2



1 x 1 −x e = e 2 2

e2x = 1

x=0

Beispiel 1.32: Folgende Gleichung ist nach x und y zu lösen ohne die ln-Taste des Taschenrechners zu benutzen. √ ln x + 2 ln y = 1,5 mit der Nebenbedingung y = x √ √ ln x + 2 ln x = 1,5 ⇒ ln x + ln(( x)2 ) = 1,5 ln x + ln x = 1,5

33

34

1 Grundwissen

2 ln x = 1,5 ln x = 0,75 ⇒ eln x = e0,75  √ y = x = 2,117 = 1,45499

⇒ x = e0,75 = 2,117

Kontrolle: ln 2,1170 + 2 ln 1,45499 = 0,7500 + 0,750 = 1,5



Beispiel 1.33: Nachfolgend wird für einige Regeln in Tabelle 1.3 auf Seite 14 deren Richtigkeit gezeigt. ?

a) loga xy = loga x + loga y Den Nachweis für diese Beziehung erbringen wir auf eine vom Beispiel 1.13 auf Seite 16 abweichende Weise, um zu zeigen, dass in Mathematik oft nicht nur den einen Weg gibt, eine Aufgabe zu lösen. Aufgrund der Regel aloga aloga xy = xy

f (x)

= f (x) in Tabelle 1.3 gilt:

mit f (x) = xy

(a)

Die Beziehungen aloga x = x und aloga y = y der Tabelle 1.3 werden miteinander multipliziert: aloga x · aloga y = aloga x+loga y = xy

(b)

Die rechten Seiten in (a) und (b) sind gleich, so dass daraus unmittelbar folgt: aloga xy = aloga x+loga y

(c)

Die Exponenten auf beiden Seiten in (c) müssen gleich sein, weil die Potenzausdrücke auf der linken und rechten Seite die gleiche Basis a haben:



loga xy = loga x + loga y

x ? = loga x − loga y y Wir gehen analog dem vorangehenden Beispiel vor und erhalten:

b) loga

a

loga f (x)

= f (x)



loga

a

x y=x y

(a)

Aus den Beziehungen aloga x = x und aloga y = y erhält man: x aloga x = aloga x · a− loga y = aloga x−loga y = y aloga y

(a)

1.11 Aufgaben

35

Die rechten Seiten in (a) und (b) sind gleich, so dass daraus folgt: loga

a

x y = aloga x−loga y

⇒ loga

x = loga x − loga y y



?

c) loga (x1 · x2 · x3 · · · xn ) = loga x1 + loga x2 + loga x3 + · · · + loga xn Aufgrund der Regel aloga

f (x)

= f (x) in Tabelle 1.3 gilt folgende Beziehung:

aloga (x1 · x2 ···xn ) = x1 · x2 · x3 · · · xn

mit f (x) = x1 · x2 · x3 · · · xn

(a)

Mit Hilfe der Regel aloga x = x in Tabelle 1.3 läßt sich ferner folgende Beziehung aufschreiben: aloga x1 +loga x2 +···+loga xn = aloga x1 · aloga x2 · · · aloga xn = x1 · x2 · x3 · · · xn (b) Die rechten Seiten in (a) und (b) sind identisch, so daß auch die linken Seiten gleich sein müssen: aloga (x1 · x2 ···xn ) = aloga x1 +loga x2 +···+loga xn ⇒

loga (x1 · x2 · · · xn ) = loga x1 + loga x2 + · · · + loga xn



?

d) loga xn = n loga x x · · · x in die Aufgabenstellung liefert: Die Substitution des Ausdrucks xn = x · x ·

n−mal

loga xn = loga (x · x · x · · · x) = loga x + loga x + · · · + loga x = n loga x 



xn



n−mal, (s. Tabelle 1.3)

1.11 Aufgaben 1. Vereinfachen Sie folgende Zahlenausdrücke soweit wie möglich (ohne Taschenrechner). √ √ Lsg: 9 Lsg: 6 b) 9 3 27 a) 6−7 68 √ √ c) 2 · 8−1/3 Lsg: 1 d) 3 27 Lsg: 9 √ √ √ √ √ 6 Lsg: 10 + 14 f) 64 Lsg: 2 e) 10 + 14 √ 4 8 Lsg: 49 h) (1/2)−3 Lsg: 8 g) 7 2. Vereinfachen Sie folgende Ausdrücke. a) (x3 )2

b) (x3 )−2

c)

x3,6 x3,1

d)

√ 5

x3

√ e) ( 5 x)3

f)



−3,4

x

36

1 Grundwissen

3. Geben Sie das Ergebnis folgende Ausdrücke an, ohne den Taschenrechner zu verwenden. | sin 90◦ |

| sin(−90◦ )|

| − sin 90◦ |

− | − sin 90◦ |

| − π|

4. Die angegebenen Ausdrücke sind als Potenzen oder Produkte darzustellen. a) x2 − 8x + 16 b) 9x2 − 30x + 25 c) 9x4 − 6x2 + 1 d) x3 + x2 − x − 1

Lsg: (x − 4)2 Lsg: (3x − 5)2 Lsg: (3x2 − 1)2 Lsg: (x + 1)(x2 − 1)

5. Geben Sie das Ergebnis folgender Signum-Funktionen an (ohne Taschenrechner). a) sign x2

b) sign (−2 sin(−90◦ )) c)

sign (sin 90◦ )

Lsg: + 1

sign (− sin 270◦ )

Lsg: + 1 Lsg: + 1

sign (5 cos 180◦ ) sign (sin x) 2

Lsg: + 1 Lsg: − 1 Lsg: +1

6. Verifizieren Sie die Absolutwert-Regeln der Tabelle 1.1 für x = 5, y = 7. 7. Überprüfen Sie Sie die Beziehung (1.33) für die Zahlenreihe 2, 4, 6, 8, 10. 8. Lösen Sie folgende Gleichungen nach x . a) 10x = 0, b) 10x = 50, c) 10x = 7856, d) ex = 0, e) ex = 50, f ) ex = 7856. a) keine Lösung, b) 1,699, c) 3,895, d) k.L., e) 3,912, f ) 8,969 9. Geben Sie das Ergebnis folgender Ausdrücke ohne Benutzung eines Taschenrechners an. √ Lsg: 8 b) 9 · 81−1/4 Lsg: 3 a) 2 3 64 π Lsg: 0 c) sin 4π Lsg: 0 d) cot 2 6 5π iπ e) sin Lsg: 1 f) ∑ sin Lsg: 1 2 2 i=1 6 100 iπ Lsg: −1 h) lg Lsg: −1 g) ∑ cos 2 1000 i=1 i) lg 400 − lg 4 Lsg: 2 j) cos6π Lsg: 1 1 π Lsg: ∞ l) lg Lsg: −0,5 k) tan 2 10 √ √ 1 3 3 m) ln e3 ln e9 Lsg: 1 n) Lsg: 3/2 2 10. Überzeugen Sie sich, dass folgende Beziehungen richtig sind.  √ √ 1 1 a a 1 −a = = x−1 x = 1/a = √ a x x x 11. Verifizieren Sie den zweiten Ausdruck in 1.21 auf Seite 13 für n = 5 und k = 2.

1.11 Aufgaben

12. Berechnen Sie folgende Summen und Produkte. 4 5 √ Lsg: 20 b) ∑ k a) ∑ i2 − i i=1 4

c) ∑ j( j + 1) j=1 4

e) ∑ sin2 i=1 5

iπ 2

g) ∏ (i − 1) i=2 2 3

i) ∏

j=1

∑ j

Lsg: 8,3823

k=1 6

Lsg: 40 Lsg: 2 Lsg: 24

37

iπ 2 i=1 6 iπ f) ∑ cos 2 i=1 4 i

h) ∑ ∏ j

Lsg: −1

j) ∑ i + ∑ i2

Lsg: 70

d) ∑ sin

i=1 5

Lsg: 18

i=1

Lsg: 1

Lsg: 33

j=1 5

i=1

i=1

13. Vereinfachen Sie folgende Ausdrücke mit Hilfe von Wurzelregeln. √ a) 1 + a2 − 2a + 1 Lsg: a  2 b) (x + y) Lsg: x + y  −1/2 (a − b) (a − b)5/2 Lsg: a − b c)  2x − 1 1− Lsg: (x − 1)/x d) x2 14. Kontrollieren Sie mit Hilfe eines Taschenrechners die Potenz-Regeln der Tabelle 1.2 für a = 1,2, b = 1,5, x = 2,3, y = 1,3. 15. Folgende Ausdrücke sind mit Hilfe von Potenzregeln zu vereinfachen. a) x6n−3 x−3n+3 Lsg: x3n 2 · (52 )3 · 82 b) Lsg: 10 43 · 55 2−2 · (62 )0 · 42 Lsg: 16 c) 4−4 · 43 an−1 (cd + ce)n+2 d) Lsg: c3 (d + e)3 (cad + eac)n−1 e)

2x−2 y−3 a0 x2 y−5 a−2 x0

Lsg:

2a2 y2 x4

16. Bestimmen Sie dir Wurzel x folgender Gleichung. e2x − ex − ex+1 = 0

Lsg: x = ln(e + 1)

17. Zeigen Sie die Richtigkeit folgender Wurzelbeziehungen, indem Sie sie als Potenzausdrücke formulieren und die Potenzregeln anwenden. Kontrollieren Sie die Beziehungen zusätzlich mit einem Taschenrechner für die Zahlenwerte x = 2,8 , y = 1,6 , r = 2,5 und p = 1,2 . √  r √ √ √ p x x √ √ r r r = r c) r x p = ( r x) b) √ a) x y = x y r y y √ √ √ √ √ √ d) r p x = r · p x e) q · r xq · p = r x p f) r xr · y = x r y

38

1 Grundwissen

18. Überprüfen Sie mit einem Taschenrechner für a = e = 2,71828, x = 10, y = 15 die Logarithmenregeln der Tabelle 1.3 . 19. Berechnen bzw. vereinfachen Sie folgende Ausdrücke (ohne Taschenrechner). a) lg 103 Lsg: 3 c) ln x4 Lsg: 4 ln x 3 x Lsg: lg x e) lg 2 x n g) lg a10 Lsg: n + lg a  x+y 1 ln(x + y) − ln z Lsg: i) ln 2 z 2

b) ln e2 d) lg xy x3 y4 f) ln 2 z a h) lg n 10

Lsg: 2 Lsg: lg x + lg y Lsg: 3 ln x + 4 ln y − 2 ln z Lsg: −n + lg a

20. Berechnen Sie x mit Hilfe von Logarithmusregeln (ohne Taschenrechner). √ 1 a) x = lg 25 + lg 4 Lsg: x = 1 2 b) x = 2(lg 50 − lg 5) Lsg: x = 2 √ 1 c) x = lg 80 − lg 8 Lsg: x = 0,5 2 d) lg(3x + 5) − lg(x − 3) = 1 Lsg: x = 5 e) 106x 10−3x − 1000 = 0

Lsg: x = 1

Lsg: x = a f) lg x = (n + 1) lg a − lg an √ 1 Lsg: x = −99/101 g) ln 1 − x − ln(1 + x) = ln 10 2 √ √ 1 1 Lsg: x = 4 a2 − b2 h) ln x = ln(a − b) + ln a + b − ln(a2 − b2 ) 2 4 21. Bestimmen Sie die Wurzel x (Nullstelle) folgender Gleichungen. a) lg(ln x) = 0,1 b) ln(lg x) = 0,1 ln(2x + 2) =4 ln 8 ln(x + 3) + ln(x − 3) =2 d) ln 4 2 e) ln + 2 ln x = 0 x ln(x + 2) ln(x − 2) + =2 f) ln 4 ln 4

c)

Lsg: x = 3,5216 Lsg: x = 12,74 Lsg: x = 2047 Lsg: x = 5 Lsg: x = 0,5 Lsg: x = 4,472

22. Zeigen Sie die Richtigkeit der Beziehung ln nung an das Beispiel 1.13.

x = ln x − ln y in Gleichung (1.28) in Anlehy

1.11 Aufgaben

39

23. Bestimmen Sie die Wurzeln (Nullstellen) folgender Gleichungen von Hand (bei den trigonometrischen Gleichungen ist Bogenmaß zu verwenden). a) x4 − 16x2 = 0

Lsg: x1 = x2 = 0

b) 102x · 10−5x = 1000

x3 = +4

x3 = −4

Lsg: x = −1

Lsg: x1 = 1 x2 = −2 c) 6x2 − x + 2 = 8x2 + x − 2 √ Lsg: x1 = 4 x2 = 7 d) x − 6 = 8 − x √ 1/4 Lsg: x1 = −4 x2 = −11 e) x + 8 = (x + 20) √ √ 4x − 3 − x = x − 1 Lsg: x = 1 f) g) sin 3x − 1 = 0

Lsg: x = π/6 Lsg: x1 = π/6

h) sin 2x − cos x = 0 =1

i)

1 − tan2 x

j)

cos2 x − sin2 x

Lsg: x1 = 0 = sin x 2

x2 2 4 cos x + cos x

x2 = π/2 =π Lsg: x = nπ

n = 0,1,2, . . .

24. Geben Sie folgende Winkel –ohne Benutzung eines Taschenrechners– im Bogenmaß an. a) 180◦ d) 45◦

Lsg: π Lsg: π/4

b) 270◦ e) 135◦

Lsg: 3π/2 Lsg: 3π/4

c) 315◦ f) 225◦

Lsg: 7π/4 Lsg: 5π/4

25. Eine Kugel, ein Kreiszylinder und ein Kegel haben den gleichen Radius r. Bestimmen Sie die Höhe hz von Zylinder und hk von Kegel so, dass die drei Körper das gleiche Volumen V haben. Lsg: 4 Vkug = πr3 3

Vzyl = πr2 hz

1 Vkeg = πr2 hk 3



4 hz = r 3

hk = 4r

26. Welche Masse besitzt eine Betonkonstruktion, die sich aus einem hohlen zylindrischen Teil und einer darauf aufgesetzten, ebenfalls hohlen Halbkugel zusammensetzt. Außenradius des Zylinders : ra = 3 m Außenradius der Kugel : rka = 3 m Länge des Zylinders :L = 6 m

Innenradius des Zylinders : ri = 2,7 m Innenradius der Kugel : rki = 2,85 m Betondichte : ρ = 2500 kg/m3

Lsg: mz = 80582 kg

mk = 20163 kg

mtot = mz + mk = 100745 kg

2

Elementare Funktionen

In diesem Abschnitt werden einige für die Ingenieurpraxis wichtige mathematische Funktionen vorgestellt und ihre besonderen Eigenschaften diskutiert.

2.1 Polynomfunktion Ein Polynom n-ten Grades ist eine ganzrationale Funktion der Form n

y = f (x) = a0 + a1 x + a2 x2 + a3 x3 + · · · + an−1 xn−1 + an xn = ∑ ai xi

(2.1)

i=0

wobei a0 , a1 , . . . , an konstante Koeffizienten sind. Die höchste in der Polynomfunktion vorkommende Potenz n bestimmt den Polynomgrad. Bilder 2.1 bis 2.1 d zeigen beispielhaft Schaubilder verschiedener Polynome. Der Koeffizient an muss zwangsläufig = 0 sein; wäre nämlich an = 0 (und gleichzeitig an−1 = 0 ), würde es sich nicht um ein Polynom n-ten Grades, sondern um ein Polynom vom Grad n − 1 handeln. Hingegen dürfen einzelne oder alle Koeffizenten a0 , a1 , . . . , an−1 verschwinden, d.h. gleich Null sein (es muss natürlich nach wie vor an = 0 sein, damit wir von einem Polynom n-ten Grades reden können). Konstante Funktion Das Polynom y = a0 ist vom 0-ten Grad und entspricht einer konstanten Funktion (waagerechte Gerade). Bild 2.1 a zeigt beispielhaft das Schaubild des Polynoms y = 1. Lineare Funktion Das Polynom y = a0 + a1 x ist vom 1. Grad und wird lineare Funktion genannt (allgemeine Gerade in der Ebene). Diese Gerade schneidet die y-Achse bei a0 , die x-Achse bei −a0 /a1 und besitzt die Steigung a1 . Als Beispiel ist der Graph der linearen Funktion y = x + 1 in Bild 2.1 b dargestellt. Quadratische Funktion (Parabel) Die quadratische Funktion y = a0 + a1 x + a2 x2 ist ein Polynom vom 2. Grad (Parabel). In Bild 2.1 c ist das Polynom y = x2 + 2x − 1 als Graph dargestellt. Polynome höheren Grades Bild 2.1 d zeigt exemplarisch das Schaubild des Polynoms y = x5 −x4 −27x3 +41x2 +106x−120 vom 5. Grad. Beispiel 2.1: Temperaturverteilung in einem Metallstab. Der dargestellte Kupferstab sei mittels einer Ummantelung über seine Länge thermisch so isoliert, dass durch die Mantelfläche kein radialer Wärmetransfer nach oder von außen möglich ist; lediglich an den beiden Stirnflächen vorne und hinten ist ein axialer Wärmefluss möglich. Aus Gründen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_2

42

2 Elementare Funktionen

a: y = 1 (konstant)

b: y = x + 1 (linear)

c: y = x2 + 2x − 1 (quadratisch)

d: y = x5 − x4 − 27x3 + 41x2 + 106x − 120

Bild 2.1: Beispiele für Polynomfunktionen

der Kontinuität ist die eintretende Wärme gleich der austretenden Wärme. Die vordere Stirnfläche wird bei konstanter Temperatur T1 = 100 ◦ C gehalten (z.B. Benetzung mit kochendem Wasser), die hintere Stirnfläche bei T2 = 5 ◦ C (fließendes Kaltwasser). Temperaturprol in Längsrichtung T=T(x) Wärmezuuss

T1 =

T(x=0)

Wärmeabuss

T=T(x)

x

L

T2 =

T(x=L)

Die Verteilung der Temperatur über die Stablänge ist eine lineare Funktion der xKoordinate (s. auch das Beispiel auf Seite 207): T (x) = T1 +

5 − 100 x T2 − T1 x = 100 + x = 100 − 95 L L L

2.1 Polynomfunktion

Das Einsetzen einer beliebigen x-Koordinate in diese Beziehung liefert de Temperatur an dieser Stelle, z.B. 5 − 100 0 = 100 ◦ C (Temperatur am Stabanfang, d.h. T1 ) L 5 − 100 L = 52,5 ◦ C (Temperatur in der Stabmitte) T (x = L/2) = 100 + L 2 5 − 100 T (x = L) = 100 + L = 5 ◦ C (Temperatur am Stabende, d.h. T2 ) L T (x = 0) = 100 +

Beispiel 2.2: Freier Fall. Eine Stahlkugel wird zum Zeitpunkt t = 0 aus ihrer Ruhelage in 100 m Höhe, h(t = 0) = h0 , fallengelassen. Der Einfluss des Luftwiderstandes wird vernachlässigt. Die momentane Geschwindigkeit v(t) der Kugel und ihre Höhe h(t) über dem Erdboden nach t Sekunden des freien Falls werden durch folgende lineare und quadratische Gleichungen beschrieben: v(t) = g · t

g = 9,81 m/s2

Luft

v(t)

t : Fallzeit in s

1 h(t) = h0 − g · t 2 2 Nach t = 4 s Falldauer z.B. betragen die Fallgeschwindigkeit v und die momentane Höhe h über dem Boden:

h(t)

v(t = 4) = 9,81 · 4 = 39,24 m/s = 141,3 km/h h(t = 4) = 100 −

1 9,81 · 42 = 21,52 m 2

h=0

Beispiel 2.3: Kragbalken unter Einzellast. Der abgebildete Balken, der an seinem linken Ende fest eingespannt ist, sei an seinem freien Ende durch die Einzellast F belastet und biegt sich infolge der Belastung nach unten durch. Ohne auf Einzelheiten näher einzugehen sei erwähnt, dass nach Regeln der Statik die Funktion y(x) der Biegelinie des verformten Balkens ein Polynom 3. Grades ist. Das negative Vorzeichen in der Formel für y(x) unten resultiert daraus, dass sich der Balken in die negative y-Richtung, d.h. nach unten, verformt. Als konkretes Zahlenbeispiel betrachten wir einen 4 Meter langen Holzbalken mit Rechteckquerschnitt (Breite b, Höhe h), der durch die Einzellast F = 3 kN belastet wird. F = 3 kN

L = 4m

b × h = 10 × 20 cm

E = 1100 kN/cm2

43

44

2 Elementare Funktionen

Das Trägheitsmoment I beträgt nach Regeln der Festigkeitslehre (vgl. Beispiel 4.33 auf Seite 206): I=

10 cm · (20 cm)3 bh3 = = 6666,7 cm4 12 12 y

FL3 y(x) = − EI



x2 x3 − 2L2 6L3



y(x)

EI

F

x 

L

Kragbalken unter Einzellast

F : Größe der vertikalen Einzellast

L : Länge des Balkens

E : Elastizitätsmodul des Werkstoffs

I : Trägheitsmoment des Querschnitts

Die größte Durchbiegung δ an der Balkenspitze ergibt sich nach Auswertung der Durchbiegungsformel (a) für x = L und unter Verwendung zueinander konsistenter Einheiten zu:     FL3 L2 L3 FL3 1 1 FL3 − δ = y(L) = − − = − = − EI 2L2 6L3 EI 2 6 3EI =−

3 kN · (400 cm)3 = −8,73 cm 3 · 1100 kN/cm2 · 6666,7 cm4

Beispiel 2.4: Kragbalken unter Streckenlast. Der Balken des Beispiels 2.3 sei nun anstelle der Einzellast Fdurch die konstante Streckenlast q = F/L = 3/4 = 0,75 kN/m belastet, d.h. die Resultierende R = q · L = 3 kN der Streckenlast ist identisch mit F - allerdings mit dem Unterschied, dass die resultierende Vertikallast R nicht an der Balkenspitze angreift, sondern exakt in Balkenmitte. Alle anderen Parameter bleiben unverändert. Die Statik liefert diesmal als Biegelinie y(x) ein Polynom 4. Grades:   2 qL4 x x3 x4 y(x) = − − + (a) EI 4L2 6L3 24L4

y R=qL q

EI L

y(x)

x 

2.1 Polynomfunktion

Die Durchbiegung δ an de Balkenspitze erhalten wir durch Einsetzen von x = L und anderer Zahlenwerte in die Formel (a):   qL4 L2 L3 L4 qL4 δ =− − + =− 2 3 4 EI 4L 6L 24L 8EI =−

0,75 · 10−2 kN/cm · (400 cm)4 = −3,27 cm 8 · 1100 kN/cm2 · 6666,7 cm4

Wir sehen, dass hier die maximale Durchbiegung δ des Balkens deutlich kleiner ist als in Beispiel 2.3, obwohl die einwirkende Gesamtlast in beiden Fällen identisch ist (R = F). Der mechanische Hintergrund für diese Differenz liegt im kleineren Hebelarm der Resultierenden R der Streckenlast zur Balkeneinspannstelle im Vergleich zu dem der Einzellast F. Wir könnten auch sagen: Die Biegebeanspruchung des Balkens unter q ist geringer als unter F. Unter q beträgt nämlich das Biegemoment an der Einspannstelle Mq = qL2 /2 = (0,75 kN/m) · (4 m)2 /2 = 6 kNm. Die Einzellast F ruft hingegen das Einspannmoment MF = FL = (3 kN) · (4 m) = 12 kNm. Beispiel 2.5: Spannungs-Dehnungslinie von Beton. Unter Dehnung ε eines 1-dimensionalen Bauteils (z.B. Zugstab, Betonstütze unter Axialbelastung usw.) wird das Verhältnis (Quotient) der Längenänderung Δ L zur ursprünglichen Länge L0 verstanden. Wenn es sich bei der Dehnung um eine negative Dehnung handelt (die Länge des Stabs wird kleiner), wird sie als Stauchung bezeichnet. ε=

ΔL L0

Δ L : Längenänderung

L0 : ursprüngliche Länge

In Betonwerken wird zwecks Qualitätssicherung die Betonfestigkeit permanent überwacht, indem erhärtete Betonwürfel in der Prüfmaschine einer Druckbeanspruchung ausgesetzt werden. Unter dieser Drucklast verkürzt sich der Betonwürfel, d.h. es tritt Stauchung ein. Die Beziehung zwischen der Stauchung ε und der Druckspannung σ (in N/mm2 ) z.B. für die Betonsorte C25 wird durch folgende idealisierte Funktion beschrieben.

σ = 25

3,1 ε − 477 ε 2 0,0023 + ε

Man sieht im Schaubild, dass bei einer Stauchung von etwa 0,22% die maximal

45

46

2 Elementare Funktionen

ertragbare Druckspannung des Betons, σu = 25 N/mm2 , erreicht wird. Der Grenzwert σu wird Betondruckfestigkeit genannt. Bei Überschreiten dieser Stauchungs- bzw. Druckspannungsgrenzen würde der Betonwürfel zerplatzen.

2.2 Potenz- und Wurzelfunktion Eine Potenzfunktion ist eine Funktion der Form y = f (x) = xa

(2.2)

Potenzfunktion

wobei x die Basis und a der Exponent der Potenzfunktion sind (s. auch Abschnitt 1.2).1 Einen Sonderfall der Potenzfunktion stellt die Wurzelfunktion dar:2 y = y(x) =

√ a

x = x1/a

(2.3)

Wurzelfunktion

Bild 2.2 zeigt beispielhaft einige Schaubilder von Potenz- und Wurzelfunktionen.

a: Potenzfunktion y = xa

b: Wurzelfunktion y =

√ a

x

c: Funktion y = 1/xa

Bild 2.2: Beispiele für Potenz- und Wurzelfunktion

Beispiel 2.6: Optimale Kornzusammensetzung bei Betonherstellung. Ein wichtiger Einflussfaktor auf die Betonqualität ist die Abstufung des aus Kies, Sand und Zement bestehenden Trockengemischs aus. Diese Kornabstufung wird auch Sieblinie genannt. Bei optimaler Wahl der Sieblinie für das Trockengemisch ist der Beton dichter und fester gegenüber nicht durchdachter Kornzusammensetzung. Unter der idealisierenden Annahme einer 1 Für den Fall x < 0 muss a eine ganze Zahl sein. Bei Verletzung dieser Bedingung ist ein Resultat nur im komplexen Bereich möglich. 2 Wenn der Wurzelparameter a ungerade ganze Zahl ist, darf x auch negativ sein. Bei Verletzung dieser Bedingung ist ein Resultat nur im komplexen Bereich möglich.

2.3 Exponentialfunktion

47

kugelförmigen Kornform ergibt sich die ideale Sieblinie aus folgender Formel:   0,5 x x = 100 A(x) = 100 D D A : Prozentualer Anteil der Korngruppe mit Durchmesser zwischen 0 und x x : Beliebiger Korndurchmesser zwischen 0 und D, mm D : Größtkorndurchmesser des Zuschlaggemisches, z.B. D = 31,5 mm

2.3 Exponentialfunktion Eine Funktion von der Art y = kax , wobei k und a konstante Skalare3 sind, heißt Exponentialfunktion. In vielen Gebieten der Natur- Ingenieurwissenschaften besitzt die in Bild 2.3 dargestellte spezielle Exponentialfunktion mit der Basis e (sog. e-Funktion) y = eax

Exponentialfunktion zur Bsis e

außerordentlich wichtige Bedeutung. Die Zahl e (auch Eulersche Zahl genannt) ist definiert als  e = limn→∞

1 1+ n

n e = 2,71828182845904523536 · · ·

Beispiel 2.7: Gedämpfte Schwingung. Die dynamische Auslenkung einer Hochbaukonstruktion (Fernsehturm, Hochhaus, Rektifikationskolonne einer Erdölraffinerie u.ä.) unter Windeinwirkung bzw. Erdbeben hat Konsequenzen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Konstruktion. Die Schwingung u(t) einer solchen Konstruktion an ihrem oberen Ende 3 Bezüglich der Vorzeichen von k und a existieren im reellen Definitionsbereich einige Einschränkungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

48

2 Elementare Funktionen

b: y = e−ax

a: y = eax

Bild 2.3: Beispiele für die Exponentialfunktion eax und e−ax

als Funktion der Zeit t könnte z.B. lauten: u(t) = A e−ξ ωt cos ωt A: Amplitude, z.B. A = 15 cm −ξ ωt

e

ω: Eigenkreisfrequenz, z.B. ω = 7 rad/s

: Dämpfungsfunktion, z.B. mit Dämpfungsmaß ξ = 0,04

Gedämpfte Schwingungsfunktion u(t) = 15 e−0,04 · 7t cos 7t

Beispiel 2.8: Restmasse radioaktiver Substanzen. Jeder radioaktiv strahlende Stoff verliert mit der Zeit an Masse. Die Verringerung der ursprünglichen Masse m0 auf die Restmasse m(t) nach Verstreichen der Zeit t lässt sich mathematisch wie folgt beschreiben: m(t) = m0 e−λt

λ : Zerfallskonstante

Zahlenbeispiel: Das Radium-Isotop 226 besitzt die Zerfallskonstante λ = −1,373 · 10−11 s−1 . Nach

2.3 Exponentialfunktion

welcher Zeit th ist die Hälfte der ursprünglichen Masse m0 noch vorhanden? m(t) = m0 e−1,373 · 10

−11t

Für t = th :

m(th ) =

−11t m0 = m0 e−1,373 · 10 h 2

Die sog. Halbwertszeit th erhalten wir durch Logarithmieren beider Seiten mit ln: −11t 1 = e−1,373 · 10 h 2



−11 t h

ln 0,5 = ln(e−1,373 · 10

−0,69314718 = −1,373 · 10−11 th

)

th = 5,048413547 · 1010 s ≈ 1600 Jahre

Beispiel 2.9: Freier Fall mit Reibung. In Beispiel 2.2 auf Seite 43 wurde die Funktion h(t) für die augenblickliche Höhe einer Stahlkugel mit der Masse m angegeben, die aus ihrer Ruhelage (Höhe h0 über dem Boden) herunterfällt. Dort war die Luftreibung vernachlässigt worden. Wenn die Kugel jedoch eine geringe mittlere Dichte ρ = m/V besitzt, z.B. eine Hohlkugel aus Balsaholz oder Hartschaum, dann darf die Luftreibung nicht mehr vernachlässigt werden. Die Funktion der augenblicklichen Höhe h(t) über dem Boden lautet dann nach Gesetzen der Dynamik (unter Annahme der sog. Stokes-Reibung mit geschwindigkeitsproportionaler Reibungskraft auf die Kugel): gm gm2 t + 2 (1 − e−ct/m ) h(t) = h0 −  c

c lineare Funktion

Exponentialfunktion

c : Stokes’scher Widerstandsbeiwert

g = 9,81 m/ sec2

Freier Fall eines Körpers mit Reibung

Sonderfall c = 0: Die Funktion h(t) in der obigen Formel stößt für c = 0 an ihre Grenzen, weil Division durch 0 entsteht und die Kurve nicht dargestellt werden kann. Die korrekte Lösung dieses Problems ist ausführlich in Beispiel 3.34 auf Seite 127 erläutert und liefert die aus der Schulphysik bekannte Formel des freien Falls im Va-

49

50

2 Elementare Funktionen

kuum (s. auch Beispiel 2.2 auf Seite 43): h(t)|c=0 = h0 −

gt 2 t2

Beispiel 2.10: Silodruck. Ein Silo wird zur Lagerung von staubförmigem bzw. körnigem Schüttgut (z.B. Zement, Mais, Betonkies) verwendet. Das Schüttgut übt auf die Silowand neben der vertikalen Reibbelastung auch einen radial gerichteten Innendruck aus. Folgende Beziehung liefert z.B. den radialen Silodruck p auf die Wand eines Zementsilos aus Stahlbeton als Funktion der Tiefe z: p = f (z) = 17,8r (1 − e−0,585 z/r ) p : Silodruck in kN/m2

r : Siloradius in m

z : Schüttguttiefe in m (z = 0 : freie Schüttgutoberfläche)

Beispiel 2.11: Abhängigkeit der Betonfestigkeit vom Wasserzementwert. Der Wasserzementwert w ist in der Betontechnologie eine grundlegende Einflußgröße für die erzielbare Druckfestigkeit des Betons. w ist definiert als das Verhältnis der Wassermenge W zur Zementmenge Z (in Gewichtsanteilen, also z.B. jeweils in kg). Zuviel Wasser bei der Betonherstellung ist hinsichtlich der Druckfestigkeit nachteilig. Die mittlere Druckfestigkeit βb einer bestimmten Betonsorte hängt von seinem Wasserzementwert w = W /Z gemäß folgender Beziehung ab (idealisierte Beziehung): βb = 385 w e−3,5w

2.4 Logarithmische Funktion

51

Für w = 0,4 z.B. läßt sich eine Betondruckfestigkeit von βb = 385 · 0,4 · e−3,5 · 0,4 ≈ 38 N/mm2 erzielen. Würde man mehr Wasser zugeben, so daß w = 0,6 wäre, könnte die Betondruckfestigkeit nur noch folgenden deutlich niedrigeren Wert erreichen: βb = 385 · 0,6 · e−3,5 · 0,6 = 28,3 N/mm2

2.4 Logarithmische Funktion Der Begriff des Logarithmus und seine Rechenregeln sind auf Seite 13 behandelt. Hier werden einige technische Beispiele vorgestellt. Die beiden in Technik und Wissenschaft am häufigsten verwendeten logarithmischen Funktionen y = y(x) = ln x y = y(x) = lg x

natürliche Logarithmusfunktion dekadische Logarithmusfunktion

(2.4) (2.5)

sind -im reellen Definitionsbereich- nur für x > 0 definiert. Die allgemeine Logarithmusfunktion f (x) = loga x mit der Basis a ist die inverse Funktion (auch Umkehrfunktion genannt) zur Exponentialfunktion g(x) = ax . Zwei Funktionen f (x) und g(x) nennt man invers, wenn sie spiegelbildlich um die Winkelhalbierende des ersten Quadranten im xy-Koordinatensystem verlaufen. Bild 2.4 zeigt beispielhaft die zueinander inversen Funktionen ex und ln x sowie 10x und lg x . Beispiel 2.12: Geschwindigkeit einer Rakete. Wir betrachten eine in der Leere des Weltalls ruhende Rakete. Zum Zeitpunkt t = 0 besitzt die Rakete die Masse m0 und ihre Geschwindigkeit ist Null (v0 = 0 m/s). Nun soll die Rakete für Weiterflug im Weltall wieder in Bewegung versetzt werden. Die zur Beschleunigung der Rakete benötigte Kraft

52

2 Elementare Funktionen

a: ln x und ex

b: lg x und 10x

Bild 2.4: Logarithmus- und Exponentialfunktion sind inverse Funktionen

stammt aus der Impulsänderung des gesamten Flugkörpers. Die Impulsänderung entsteht durch die (konstant vorausgesetzte) Austrittgeschwindigkeit vg der Verbrennungsgase aus der Rakete (vg wird relativ zur Rakete gemessen) und die stetige Abnahme der Treibstoffmasse (und folglich der Raketenmasse). Die momentane Geschwindigkeit v(t) der Rakete zu einem beliebigen Zeitpunkt t wird durch die sog. ZiolkowskiFormel ermittelt (die Herleitung dieser Formel wird auf Seite 217 ausführlich gezeigt): m0 m(t) m0 : Anfangsmasse der Rakete zum Zeitpunkt t = 0 m(t) : Masse der Rakete zum Zeitpunkt t v(t) = vg ln

v m(t)

Es soll nun die Geschwindigkeit dieser Rakete nach t = 20 s Flug ermittelt werden, wenn sich die Raketenmasse zu diesem Zeitpunkt um 10% verringert hat und die Ausströmgeschwindigkeit der Verbrennungsgase vg = 4 km/s beträgt. t = 20 s

m(20) = m0 − 0,1 m0 = 0,9 m0

va = 4 km/s

Nach 20 Sekunden erreicht die Rakete die Geschwindigkeit v(20) = 4 ln

m0 1 = 0,42144 km/s = 1517,2 km/h. = 4 ln 0,9m0 0,9

2.4 Logarithmische Funktion

53

Beispiel 2.13: Magnitude und Energie von Erdbeben. Die Magnitude M eines Erdbebens ist ein Maß für die bei einem Erdbeben freigesetzte Energie E im Herd. Eine gebräuchliche empirisch ermittelte Beziehung für M ist die in Bild 2.5 dargestellte, auch als Richter-Skala bekannte, logarithmische Funktion: M=

2 (lg E − 11,8) 3

(E in erg, 1 erg = 10−7 J)

(2.6)

Nach Umformung erhält man daraus: lg E = 11,8 + 1,5M



E = 1011,8+1,5M = 1011,8 101,5M

Als Beispiel sei angenommen, dass die während eines Erdbebens freigesetzte Energie von Seismologen mit E = 1022 erg abgeschätzt wurde. Die Magnitude dieses Bebens entspricht daher zu M = 2/3 · (lg 1022 −11,8) = 6,8 nach Richter-Skala. Die Erhöhung der Magnitude um nur eine Stufe, z.B. von 6 auf 7, bewirkt einen enormen Zuwachs der freigesetzten Energie um den Faktor ≈ 31,62, wie man nachfolgend sehen kann. E6 = 1011,8 101,5 · 6

E7 = 1011,8 101,5 · 7

E7 1011,8 101,5 · 7 = 11,8 1,5 · 6 = 101,5 = 31,62 E6 10 10 Ein Erdbeben von der Magnitude M = 8 würde gegenüber einem Erdbeben mit M = 6 gar die 1000-fache Energie freisetzen (102 · 1,5 = 1000)!

Beschädigtes Gebäude nach einem Erdbeben der Stärke 6

2.4.1 Funktionsgraphen in logarithmischer Darstellung Die Beziehung (2.6) zwischen freigesetzter Energie E und der Magnitude M ist in Bild 2.5 a für das Intervall 1012 ≤ E ≤ 1027 dargestellt. Oben haben wir gesehen, dass der Energie E = 1022

54

2 Elementare Funktionen

a: lineare Darstellung

b: halb logarithmische Darstellung

Bild 2.5: Beziehung zwischen Energie und Magnitude eines Erdbebens

erg die Magnitude M = 2/3 · (lg 1022 − 11,8) = 6,8 entspricht. Wenn wir versuchen, aus dem Diagramm den M-Wert für E = 1022 abzulesen, werden wir keinen Erfolg haben, weil für diesen E-Wert der linke nahezu vertikale Kurvenast zuständig wäre. Die Ursache hierfür liegt im extrem breiten Definitionsintervall E = 1012 · · · 1027 , welches in der linearen Achsenskalierung von Bild 2.5 a zu starker Nichtlinearität der Funktionskurve führt. Es ist dann nicht mehr möglich, aus dem Diagramm zuverlässige Werte abzulesen. Die Auftragung technischer Funktionen in einem 2-dimensionalen Achsenkreuz in linearer Skalierung führt in der Praxis nicht selten zu schwer ablesbaren, fehleranfälligen Graphen. Deutlich bessere Resultate für derartige Funktionen liefern die nachfolgend beschriebenen Darstellungstechniken mit Hilfe von logarithmisch unterteilten Achsen.4 a) Halb logarithmische Darstellung In der halb logarithmischen Darstellung wird die problematische Achse (x- oder y-Achse) logarithmisch unterteilt und die andere Achse in linearer Skalierung belassen. Für die E-M-Beziehung in Bild 2.5 heißt dies, dass auf der x-Achse nicht direkt der Zahlenwert von E aufgetragen wird, sondern der Zahlenwert von lg E. Der Abstand des E-Wertes, z.B. E = 1020 , vom Koordinatenursprung ist also nicht mehr proportional zu dieser Zahl selbst, sondern proportional zu ihrem Logarithmus, d.h. proportional zu lg 1020 = 20. So lassen sich auch zwei extrem stark unterschiedliche Werte, z.B. E1 = 1014 und E2 = 1024 über ihre Logarithmen problemlos eintragen: Der Abstand von E1 = 1014 vom Koordinatenursprung ist dann proportional zum Wert lg 1014 = 14 und der Abstand für E2 = 1024 ist proportional zu lg 1024 = 24; also Zahlen, die auf der x-Achse bequem eingetragen werden können. Das Resultat dieser Vorgehensweise zeigt Bild 2.5 b – es handelt sich jetzt um eine perfekte Gerade im xy-Koordinatensystem, auf der auch für kleine Erdbebenenergien die zugehörigen Magnituden M zuverlässig abgelesen werden können. Die Geradengleichung lautet einfach M = a (x + b), wobei a = 2/3, x = lg E und b = −11,8 sind. Anmerkung: In der beschriebenen logarithmischen Darstellungsart kann die x-Achse natürlich nicht bei 0 beginnen, weil Logarithmus von 0 nicht definiert ist. Stattdessen könnte x z.B. bei 4 Für die Darstellung mit logarithmischen Achsen kann man im Handel erhältliche logarithmische Funktionspapiere verwenden, oder auch spezielle Computersoftware, z.B. das public domain Plotprogramm GnuPlot (http://sourceforge.net).

2.4 Logarithmische Funktion

55

1 beginnen (lg 1 = 0); diese Position dient als eine Art Referenzposition. Danach wird jeder in Frage kommende x-Wert über seinen Logarithmus eingetragen, abhängig vom Vorzeichen des logarithmischen Wertes, entweder rechts oder links von der Position x = 1 ein. Selbstverständlich kann auch jede andere Zahl außer 1 ebenfalls als Referenzposition verwendet werden, die zweckmäßige Wahl hängt von der Problemstellung ab. b) Doppelt logarithmische Darstellung Ein ähnliches Ableseproblem ist in Bild 2.6 zu sehen. Im linken Teilbild 2.6 a ist die Funktion y = x3 in linearer Darstellung beider Achsen dargestellt. Für Werte x < 2 ist es nicht möglich, die zugehörigen y-Werte einigermaßen brauchbar abzulesen. Zur Lösung des Problems wird die Funktion auf beiden Seiten logarithmiert: y = x3



lg y = lg x3 = 3 lg x

d.h. y∗ = 3 x∗

mit y∗ = lg y

x∗ = lg x

Aus der Logarithmierung ist die sehr einfache Geradengleichung y∗ = 3x∗ hervorgegangen. Die Darstellung der Funktion lg y = 3 lg x unter Verwendung von zwei logarithmischen Achsen führt auf eine leicht ablesbare Gerade in Bild 2.6 b. Beispiel 2.14: Logarithmische Darstellung der natürlichen Exponentialfunktion eax . Wie bereits im Abschnitt 2.3 auf Seite 47 erörtert, dient die Exponentialfunktion eax der Beschreibung vieler Vorgänge in Natur und Technik. Für die grafische Darstellung der natürlichen Exponentialfunktion kann das oben beschriebene logarithmische Darstellungskonzept sinngemäß verwendet werden, wobei diesmal anstelle des dekadischen Logarithmus lg der natürliche Logarithmus ln herangezogen wird. Beispielsweise kann die Zerfallfunktion m(t) einer radioaktiven Substanz von der Masse m0 = 1g (vgl. Seite 48) durch Logarithmieren von der Exponentialform in die lineare Form überführt werden: −11 t

m(t) = e−1,373 · 10

a: lineare Darstellung



ln m(t) = ln e−1,373 · 10

−11 t

= −1,373 · 10−11t

b: doppelt logarithmische Darstellung

Bild 2.6: Funktion y = x3 in linearer und doppelt logarithmischer Darstellung

56

2 Elementare Funktionen

a: halb logarithmisch

b: linear

Bild 2.7: Zerfallfunktion m(t) = e−1,373 · 10

−11

t

Die Zerfallfunktion m(t) kann jedoch so transformiert werden, dass sie -anstelle der natürlichen Logarithmenskala- auch in der für graphische Darstellung gebräuchlicheren dekadischen Logarithmenskala aufgetragen werden kann. Diese Transformation erfolgt mit Hilfe der Regel loga f (x) = logb f (x) loga b in Tabelle 1.3 auf Seite 14: −11 t

lg m = lg e−1,373 · 10

= −1,373 · 10−11 t

lg e = −0,5963 · 10−11 t  0,43429

Der ganz rechts stehende Term entspricht einer Geradengleichung, d.h. wenn die yAchse logarithmisch eingetragen wird, d.h. als lg m, ergibt sich ein linearer Graph, wie das in Bild 2.7 a dargestellt ist. Bild 2.7 b zeigt die über beide Achsen linear aufgetragene Zerfallsfunktion mit stark gekrümmtem Kurvenverlauf.

2.5 Symmetrie und Antimetrie von Funktionen Die Symmetrie einer Funktion y = f (x) wird mit Bezug auf die y-Achse definiert. Eine bezüglich der y-Achse spiegelsymmetrische Funktion (s. Bild 2.8) wird symmetrisch (auch gerade Funktion) genannt . Mathematisch wird die Symmetrie einer Funktion durch folgende Bedingung ausgedrückt: f (−x) = f (x)



f (x) symmetrisch

(2.7)

Eine antimetrische Funktion (auch ungerade Funktion bzw. punktsymmetrisch genannt) ist bzgl. der y-Achse schiefsymmetrisch (Bild 2.8). Die Antimetrie wird mathematisch durch folgende Bedingung ausgedrückt: f (−x) = − f (x)



f (x) antimetrisch

(2.8)

2.5 Symmetrie und Antimetrie von Funktionen

a: y = x2 (symmetrisch)

b: y = cos x (symmetrisch)

c: y = x3 (antimetrisch)

d: y = sin x (antimetrisch)

Bild 2.8: Beispiele für symmetrische und antimetrische Funktionen

Beispiel 2.15: Wir können die in Bild 2.8 visuell sofort erkennbare Symmetrie bzw. Antimetrie auch auf mathematisch formale Art zeigen. m) Ist y = x2 symmetrisch? y(x) = (+x)2 = x2

y(−x) = (−x)2 = x2

y(−x) = y(x) 

n) Ist y = cos x symmetrisch? y(x) = cos(+x) = cos x y(−x) = cos(−x) = cos(0 − x) = cos  0 · cos x + sin  0 · sin x = cos x =1

y(−x) = y(x) 

=0

o) Ist y = x3 antimetrisch? y(x) = (+x)3 = x3

y(−x) = (−x)3 = −x3

p) Ist y = sin x antimetrisch? y(x) = sin(+x) = sin x

y(−x) = −y(x) 

57

58

2 Elementare Funktionen

y(−x) = sin(−x) = sin(0 − x) = sin  0 · cos x − cos  0 · sin x = − sin x y(−x) = −y(x) 

=0

=1

2.6 Stetigkeit und Glattheit von Funtionen Um den Begriff der Stetigkeit ingenieurmäßig korrekt zu verstehen, braucht man keine mathematisch strenge Formulierung. Unter Stetigkeit einer Funktion versteht man, dass eine extrem kleine (d.h. infinitesimale) Positionsänderung auf der x-Achse eine endliche Änderung des Funktionswertes in y-Richtung zur Folge hat. Man kann sich die Stetigkeit visuell auch so vorstellen, dass

a: Unstetige Funktion (Sprung bei x = 2)

b: Nichtglatte Funktion (scharfe Spitze bei x = 2)

Bild 2.9: Beispiele für unstetige und nicht glatte Funktionen

das Schaubild einer stetigen Funktion an keiner x-Position absolut parallel zur y-Achse sein darf und auf Papier gezeichnet werden kann, ohne den Stift abzusetzen. Eine andere dem Alltag entlehnte Vorstellungsmöglichkeit wäre z.B., dass man bei einer unstetigen Funktion irgendwann »springen« muss, wenn man entlang der Funktionskurve von einem Ende zum anderen Ende wandert. Der Polygonzug entlang der Stufen einer Treppe wäre z.B. eine unstetige Funktion. Eine Funktion f (x) wird glatt genannt, wenn ihre saämtlichen Ableitungen stetig sind, d.h. wenn sie vom sog. Typ C∞ ist. Hier wollen wir jedoch bei Betrachtung der Glattheit einer Funktion auf ihre mathematische Definition verzichten und die Glattheit eher phänomenal verstehen: Wenn wir unsere Fingerspitze auf der Kurve bewegen und an keiner Stelle eine scharfe Spitze erfühlen können, soll die Kurve als glatt angesehen werden. Bild 2.9 a zeigt eine unstetige Funktion. Eine an der Stelle x0 unstetige Funktion besitzt unterschiedliche Grenzwerte an der Stelle x0 , je nachdem ob man sich der Stelle x0 von links oder von rechts nähert. Die Position x0 bei Näherung von links wird auch als x0− bezeichnet, analog bezeichnen wir es mit x0+ bei Näherung von rechts. In Bild 2.9 a hat die treppenförmige Funktion an der Stelle x = 2− den Wert 1 (Linksnäherung), an der Stelle x = 2+ hingegen den Wert 2 (Rechtsnäherung). Exakt an der Stelle x = 2 ist der Funktionswert nicht eindeutig definiert. Bild 2.9 b zeigt eine nichtglatte Funktion. Eine an der Stelle x0 nichtglatte Funktion besitzt zwei unterschiedliche Steigungen an genau dieser Stelle, und zwar in Abhängigkeit davon, ob

2.7 Trigonometrische Funktionen

59

wir uns der Position x0 von links oder von rechts nähern (Positionen x0− bzw. x0+ ). In Bild 2.9 b ist die Steigung des Graphen an der Stelle x = 2− (d.h. unmittelbar links von x0 = 2) gleich +1 (die Steigung +1 entspricht dem Winkel +45◦ ); hingegen erkennen wir an der Stelle x = 2+ die Steigung -1, d.h. der Steigungswinkel beträgt −45◦ . Polynomfunktionen sowie Sinus- und Kosinus-Funktionen sind stetig und glatt, vgl. Bild 2.8 auf Seite 57, Bild 2.11 auf Seite 61 und Bild 2.12 auf Seite 61. Dagegen sind z.B. Tangens- und Kotangens-Funktionen unstetige (und damit automatisch auch nichtglatte) Funktionen, vgl. Bild 2.13 auf Seite 62. Die Unstetigkeitsstelle der Tangens-Funktion liegt z.B. bei π/2 ≡ 90◦ und die der Kotangens-Funktion bei π ≡ 180◦ . Eine unstetige Funktion ist zwangsläufig nichtglatt. Umgekehrt gilt es nicht! Eine nichtglatte Funktion kann durchaus stetig sein. Die Treppenfunktion in Bild 2.9 a beispielsweise ist unstetig (wegen des Sprungs bei x = 2) und damit automatisch auch nichtglatt; hingegen ist die Dreiecksfunktion in Bild 2.9 b zwar nichtglatt (scharfe Spitze bei x = 2) aber trotzdem stetig.

2.7 Trigonometrische Funktionen In der Schulmathematik haben wir die trigonometrischen Funktionen hauptsächlich im Zusammenhang mit Dreiecken kennengelernt. Ihre weitreichenden Einsatzmöglichkeiten haben sie allerdings in Ingenieurwissenschaften: Mechanismen im Maschinenbau, Stabilitätsberechnungen des Bauingenieurwesens (s. Kapitel 10), Schwingungsphänomene, elektromagnetische Untersuchungen der Elektrotechnik sind nur wenige beispielhaft genannte Wissenschaftsgebiete, wo trigonometrische Funktionen eine fundamentale Rolle (neben der Exponentialfunktion eλ x ) spielen. Für die Beschreibung von beliebigen Funktionsverläufen als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen (sog. Fourier-Reihen, s. Kapitel 11 auf Seite 595) stellen sie die elementaren Bausteine dar. Die wichtigsten Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen sind auf Seite 873 zusammengestellt. Sinus-Funktion Bild 2.10 zeigt links einen Kreis mit Radius r im kartesischen uv-Koordinatensystem. Die Radiusgerade OA ist dort für den Winkel α = 45◦ = π/4 eingezeichnet. Die Projektion der Gerade OA in vertikale und waagerechte Richtungen liefert die zu α zugehörige Gegenkathete a und Ankathete b (a und b sind vorzeichenbehaftete Größen und variieren zwischen +r und −r in Abhängigkeit vom Winkel α). Der Sinus von α ist definiert als5 sin α =

a r

(2.9)

Für die Position A in Bild 2.10 mit α = 45◦ = π/4 rad gilt a = b und wir erhalten sin

a a a π 1 =√ =√ = √ = √ ≈ 0,707 4 2a 2 a2 + b2 2a2

5 Das lateinische Wort Sinus bedeutet Bogen bzw. Krümmung; diese Bezugnahme auf einen Bogen geht auf die arabischen Mathematiker des 8. bis 10. Jahrhunderts und über sie auf die indischen Mathematiker zurück.

60

2 Elementare Funktionen v

sin p/2=90°

a

+1 A

0,707

r

b

a

a

p=180°

O

b

2p

u

g

p/4=45°

p/2

b

p

g

3p/2

2p

a

-1

3p/2=270°

Bild 2.10: Sinusfunktion mit der Periode 2π

Falls die Sinuswerte nach (2.9) für ausreichend viele α-Winkel ermittelt und im rechten Teilbild als Ordinate eingetragen werden, erhalten wir die rot gezeichnete Sinuskurve im Intervall 0 ≤ α ≤ 2π (0 ≤ α ≤ 360◦ ) – die Sinuskurve schwankt also zwischen +1 und −1. Die Sinuskurve wiederholt sich ab dem Winkel 2π, d.h. die Periode der Sinusfunktion beträgt 2π (360◦ ). Natürlich können wir auch jedes andere Symbol zur Bezeichnung des Arguments der Sinusfunktion benutzen, z.B. sin x, sin y – die zweckmäßige Wahl hängt von der Aufgabenstellung ab. Häufig begegnen wir Sinusfunktionen, deren Argument ein zusammengesetzter Ausdruck ist, z.B. sin(nx + ϕ). Hierbei ist n eine ganze Zahl, und ϕ eine konstante Größe, die als Phasenwinkel bzw. Phasenverschiebung bezeichnet wird. Bild 2.11 zeigt verschiedene Sinusfunktionen. Je größer der Faktor n, umso häufiger wiederholt sich die Sinuskurve innerhalb der Grund-Periode 2π. Ein positiver Phasenwinkel ϕ wie z.B. in Bild 2.11 c bedeutet eine Verschiebung der Sinuskurve nach links – ein negativer Phasenwinkel würde die Kurve nach rechts verschieben. Kosinus-Funktion Der Kosinus (vom lat. complementi sinus stammend) ist in Bild 2.10 definiert als cos α =

b r

(2.10)

und bildet das »ergänzende« Gegenstück zum Sinus - daher die Bezeichnung »complementi«. Bild 2.12 zeigt die Kosinusfunktion y = cos x in Gradmaß und Bogenmaß. Die wohl berühmteste trigonometrische Beziehung »sin2 x + cos2 x = 1« lässt sich mit Hilfe von (2.9), (2.10) und des Satzes von Pythagoras sehr leicht verifizieren: sin2 x + cos2 x =

 a 2 r

+

 2 b a2 + b2 r2 = = 2 =1 2 r r r

Tangens und Kotangens Auf der Grundlage des rechtwinkligen Dreiecks in Bild 2.10 sind die Tangens- und Kotangensfunktionen definiert als tan α =

a b

cot α =

b a

(2.11)

2.7 Trigonometrische Funktionen

(n = 1, ϕ = 0)

a: sin x

c: sin(x + π/3)

(n = 1, ϕ = π/3)

b: sin 2x

d: sin(2x + π/3)

(n = 2, ϕ = 0)

(n = 2, ϕ = π/3)

Bild 2.11: Verschiedene Sinusfunktionen y = sin(nx + ϕ)

a: cos x (x in ◦ )

b: cos x (x in rad)

Bild 2.12: Kosinus-Funktion y = cos x

61

62

2 Elementare Funktionen

Nun setzen wir in obigen Definitionen die Beziehungen a = r sin α und b = r cos α (s. Gl. (2.9) und (2.10)) ein und erhalten: tan α =

r sin α sin α a = = b r cos α cos α

tan x =

sin x cos x

cot x =

cot α = cos x sin x

b r cos α cos α = = a r sin α sin α cot x =

1 tan x

(2.12)

Wie in Bild 2.13 gut zu sehen ist, besitzen beide Funktionen Unstetigkeitsstellen (für den Begriff der Stetigkeit s. Seite 58): die Tangensfunktion hat eine Unstetigkeit an den Positionen π/2 + k · π (k = 0,1,2, · · ·), während die Kotangensfunktion an den Stellen kπ unstetig ist (können Sie begründen, warum an diesen Stellen eine Unstetigkeit und ein Vorzeichenwechsel auftritt?).

a: tan x

b: cot x Bild 2.13: Tangens- und Kotangensfunktion

Sekans und Kosekans Die Sekans- bzw. Kosekansfunktion erhält man als reziproke Ausdrücke von Kosinus bzw. Sinus: sec x =

1 cos x

Sekans

csc x =

1 sin x

Kosekans

(2.13)

Gradmaß oder Bogenmaß verwenden? Auf Seite 18 wurden die beiden gebräuchlichsten Winkelmaße Grad und Radiant erörtert. Es drängt sich selbstverständlich die Frage auf, welches Maß verwendet werden soll und ob wir die Wahl ganz nach Wunsch treffen können. Das Argument x einer trigonometrischen Funktion, z.B. von sin x, wird in der Geometrie meistens in Grad (◦ ) angegeben – in physikalischen Anwendungen (z.B. Schwingungen von Konstruktionen) muss für diese Sinus-Funktion das Bogenmaß verwendet werden, d.h. das Argument x wird in Radiant (rad) angegeben. Die Verwendung von Gradmaß (◦ ) in der Physik wäre zwar prinzipiell auch möglich, würde aber das Problemverständnis unnötigerweise ziemlich erschweren und leicht zu unbeabsichtigten Fehlern führen, z.B. bei

2.7 Trigonometrische Funktionen w

63

A(t) y

r

L

a O

b P

x

u

B(t) u

A'

a: Kinematik der Schubkurbel

b: Verlauf von xA und xB Bild 2.14: Schubkurbel mit L = 4r

der Bestimmung der Geschwindigkeit aus der Ableitung der Weggröße bei einer Pendelbewegung. Daher sollte bei technischen Anwendungen unbedingt Bogenmaß verwendet werden. Bei rein geometrischen Anwendungen kann man sich natürlich für die klassische Winkeldefinition in Gradmaß entscheiden. Beispiel 2.16: Schubkurbel. Eine Schubkurbel (hier idealisiert als eine kreisförmige Scheibe) wandelt kreisförmige Bewegung in eine alternierende Längsbewegung um. Bild 2.14 zeigt schematisch, wie die Umwandlung erfolgt. Eine Stange der Länge L ist an ihrem linken Ende A mit einer kreisförmigen Scheibe (Radius r) gelenkig befestigt, ihr rechtes Ende B kann sich in einem waagerechten Schlitz frei hin und her bewegen. Die Kurbel rotiere mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω (Einheit rad/s). Der von der Kurbel zurückgelegte Winkel ergibt sich aus α = ωt. Die Einheit von α ergibt sich zu »rad/s · s = rad«, d.h. ωt ist immer in Bogenmaß zu verstehen. Zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich die Stange in der waagerechten Position OB mit α = 0◦ (blau). Zum Zeitpunkt t haben wir die rot hinterlegte Position. Das rechte Ende der Stange bewegt sich bei dieser augenblicklichen Konstellation nach links. Zu einem noch späteren Zeitpunkt (Position A , grün hinterlegt) bewegt sich das Stangenende nach rechts. Die Koordinaten des sich bewegenden Punkts A im inertialen (nicht rotierenden) xy-

64

2 Elementare Funktionen

Koordinatensystem ergeben sich zum Zeitpunkt t aus xA = r cos α = r cos ωt

yA = r sin α = r sin ωt

Für den Kurbeltrieb ist die Kenntnis der waagerechten Bewegung des Punkts B erforderlich (eine vertikale Bewegung von Punkt B ist wegen des Führungsschlitzes nicht möglich). Die Position xB von B ist lässt sich herleiten durch Analyse der geometrischen Verhältnisse für die Strecke OB: xB = OB = r cos α + L cos β

mit sin β =

AP r sin α = L L

(a)

Aus der Beziehung sin2 β + cos2 β = 1 erhalten wir:   r2 sin2 α 1 2 cos β = 1 − sin2 β = 1 − = L − r2 sin2 α 2 L L Einsetzen des letzten Ausdrucks in Gl. (a) liefert die gesuchte Position des Punkts B:  xB = r cos α + L2 − r2 sin2 α In Bild 2.14 b ist für L = 4r der zeitliche Verlauf der normierten Stangenposition xB /r für zwei volle Umdrehungen der Kurbel, d.h. 0 ≤ α ≤ 4π, dargestellt. Periodizität von trigonometrischen Funktionen Trigonometrischen Funktionen sind periodisch, d.h. ihr Schaubild wiederholt sich in regelmäßigen Abständen. Die Perioden diverser trigonometrischer Funktion sind in Tabelle 2.1 angegeben. Die Periodizität wird mathematisch durch folgende Ausdrücke beschrieben. sin x = sin(x + n · 2π) tan x = tan(x + n · π)

cos x = cos(x + n · 2π) cot x = cot(x + n · π)

n = 1,2,3, · · ·

Tabelle 2.1: Periode trigonometrischer Funktionen Funktion Sinus Kosinus Tangens Kotangens Sekans Kosekans

Symbol sin cos tan cot sec csc

Periode 2π 2π π π 2π 2π

(2.14)

2.8 Arkusfunktionen

65

Beispiel 2.17: Überprüfen Sie die Periodizität folgender trigonometrischer Funktionen mit dem Taschenrechner. Nicht vergessen: Taschenrechner in rad-Modus umschalten! Was passiert, wenn Sie im Gradmodus des Taschenrechners arbeiten? sin(1,2) = sin(1,2 + 2π) = sin(1,2 + 4π) = sin(1,2 + 6π) = · · · cos(2,5) = cos(2,5 + 2π) = cos(2,5 + 4π) = sin(2,5 + 6π) = · · · tan(3,6) = tan(3,6 + π) = tan(3,6 + 2π) = tan(3,6 + 3π) = · · ·

2.8 Arkusfunktionen Bei einer normalen trigonometrischen Funktion, z.B. beim Sinus, wird ein Winkel vorgegeben und der Funktionswert gesucht, z.B. sin 90◦ , sin π/4. Bei einer Arkusfunktion hingegen sucht man denjenigen Winkel y, dessen trigonometrischer Funktionswert vorgegeben ist. Man sucht z.B. den Winkel y, für den der Sinus-Wert gleich 1 ist. Eine Arkusfunktion ist insofern begrifflich die inverse Funktion zu der korrespondierenden trigonometrischen Funktion. Die Definition der Arkusfunktionen ist wie folgt: y = sin x y = tan x

⇔ ⇔

x = arcsin y y = cos x x = arctan y y = cot x

⇔ ⇔

x = arccos y x = arccot y

(2.15)

Bild 2.15 zeigt diverse Arkusfunktionen. Einige wichtige Beziehungen sind auf Seite 875 zusammengestellt. Anmerkung: In der Literatur begegnet man auch folgenden Schreibweisen für Arkusfunktionen: asin, acos, atan, sin−1 , cos−1 , tan−1 . Die letztere Schreibweise mit hochgestelltem −1, die man vor allem auf Taschenrechnern findet, ist mit Umsicht zu handhaben, weil sie leicht zu Mißdeutungen führen kann; z.B. wäre es vollkommen falsch, Arkussinus folgendermaßen berechnen zu wollen: sin−1 y =

1 sin y

falsch!

Das Symbol sin−1 y auf einem Taschenrechner bedeutet Arkussinus und hat nichts mit dem Aus1 zu tun! druck sin y Beispiel 2.18: Arkusfunktion. Von welchem Winkel α ist die Sinusfunktion gleich 1? sin α = 1

α =?



α = arcsin 1

Grad-Modus (deg):

α = arcsin 1 = 90◦

Rad-Modus (rad):

α = arcsin 1 = 1,5707962327 = π/2 rad

66

2 Elementare Funktionen

a: arcsin x

b: arccos x

c: arctan x

Bild 2.15: Arkusfunktionen

2.9 Hyperbelfunktionen Hyperbelfunktionen werden durch Kombinationen der Exponentialfunktionen ex und e−x definiert (s. auch Bild 2.3 auf Seite 48): Sinus hyperbolicus

sinh x =

1 x (e − e−x ) 2

Kosinus hyperbolicus

cosh x =

1 x (e + e−x ) 2

Tangens hyperbolicus

ex − e−x sinh x = x tanh x = cosh x e + e−x

Kotangens hyperbolicus

coth x =

(2.16)

cosh x ex + e−x = x sinh x e − e−x

Bild 2.16 zeigt verschiedene Hyperbelfunktionen. Auf Seite 875 sind die wichtigsten Beziehungen für Hyperbelfunktionen angegeben. Anmerkung:Trotz ihrer Namensähnlichkeit mit Sinus, Kosinus usw. sind Hyperbelfunktionen keine trigonometrischen Funktionen und sie sind nicht periodisch. Das Argument x der Hyperbelfunktionen ist immer in Bogenmaß zu verstehen. Deshalb macht es z.B. keinen Sinn, sinh 90◦ zu berechnen, indem in der Definitionsformel (2.16) x = 90 eingesetzt wird – als Ergebnis kommt 6,1 · 1038 heraus! Hingegen erhalten wir mit x = π/2 ein glaubwürdigeres Resultat: sinh π/2 = 2,3013. Beispiel 2.19: Kettenlinie. Eine Kette oder die Seildurchhangskurve eines biegsamen Seils unter seinem konstanten Eigengewicht q = const. wird Kettenlinie genannt und durch eine

2.10 Kegelschnitt-Funktionen

a: y = sinh x und y = cosh x

67

b: y = tanh x

Bild 2.16: Hyperbel-Funktionen

cosh-Funktion beschrieben. Der Verlauf der Kettenlinie ist durch folgende Gleichung beschrieben (Ursprung des xy-Koordinatensystems befindet sich im tiefsten Seilpunkt, H ist die durch das Seilgewicht verursachte waagerechte Auflagerreaktion). y=

 H  qx cosh − 1 q H

y [m]

H [N]

q [N/m]

x [m]

y

H

H L/2

x

q(x)

Kettenlinie

2.10 Kegelschnitt-Funktionen Das Bild 2.17 zeigt im 3-dimensionalen Raum die Verschneidung einer Ebene mit einem Körper, der aus zwei sich an ihrer Spitze berührenden Kreiskegeln besteht. Je nach Orientierung der Ebene im Raum (waagerecht, schräg) entstehen verschiedene Schnittkurven. Jede Schnittkurve ist eine räumliche Kurve im 3D-Raum. Wenn man nun in der Schnittebene ein geeignetes kartesisches xy-Koordinatensystem definiert, lässt sich die Schnittkurve mathematisch durch eine Gleichung F(x, y) = 0 beschreiben. Diese Kurvengleichung wird als Kegelschnittfunktion bezeichnet und hat folgenden allgemeinen Aufbau: F(x, y) = Ax2 + By2 +Cx + Dy + E = 0

(2.17)

68

2 Elementare Funktionen

Die Konstanten A, B, C, D, E entscheiden über die Art der Schnittkurve:

Schnittkurve =

⎧ ⎪ Kreis, ⎪ ⎪ ⎪ ⎨Ellipse,

wenn A = B

wenn AB > 0 ⎪ Hyperbel, wenn AB < 0 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ Parabel, wenn entweder A = 0, B = 0

oder

A = 0, B = 0

Nachfolgend werden einfache Typen verschiedener Kegelschnittfunktionen kurz erörtert. Kreis. Die Gleichung eines Kreises mit Mittelpunkt im Koordinatenursprung (Bild 2.18 a) lautet: x2 + y2 = r2

Kreisgleichung

r : Kreisradius

(2.18)

Falls, wie das Bild 2.18 b zeigt, der Kreismittelpunkt vom Koordinatenursprung versetzt ist (in x-Richtung um x0 , in y-Richtung um y0 ), lautet die Kreisgleichung: (x − x0 )2 + (y − y0 )2 = r2

erweiterte Kreisgleichung

(2.19)

Ellipse. Die Gleichung einer Ellipse mit Mittelpunkt im Koordinatenursprung (Bild 2.19 a) lautet: x2 y2 + =1 a2 b2

Ellipsengleichung

a : große Halbachse b : kleine Halbachse (2.20)

Falls der Ellipsenmittelpunkt vom Koordinatenursprung um x0 bzw. y0 versetzt ist (Bild 2.19 b), ergibt sich die nachfolgende Ellipsengleichung: (x − x0 )2 (y − y0 )2 + =1 a2 b2

(2.21)

Hyperbel. Die Gleichung einer Hyperbel mit Mittelpunkt im Koordinatenursprung (Bild 2.20 a) lautet: x 2 y2 − =1 a2 b2

Hyperbelgleichung

a, b : Achsenparameter

(2.22)

Falls der Hyperbelmittelpunkt vom Koordinatenursprung versetzt ist (Bild 2.20 b), gilt: (x − x0 )2 (y − y0 )2 − =1 a2 b2

erweiterte Hyperbelgleichung

(2.23)

2.10 Kegelschnitt-Funktionen

a: Kreis

b: Ellipse

c: Parabel

d: Hyperbel

69

Bild 2.17: Kegelschnitt-Funktionen

Parabel. Die Parabel lässt sich auf zwei verschiedene Arten ausdrücken. 1. Form y = f (x) In Anlehnung an (2.17) auf Seite 67 lässt sich die allgemeine Gleichung dieser Parabelform wie folgt angeben: y = ax2 + bx + c In Bild 2.21 a ist das Schaubild der einfachsten Parabelfunktion y = x2 dargestellt. 2. Form x = f (y)

(2.24)

70

2 Elementare Funktionen

Ebenfalls in Anlehnung an (2.17) auf Seite 67 lautet die allgemeine Gleichung dieser Parabelform: x = ay2 + by + c

(2.25)

Zwei häufig anzutreffende Sonderformen dieser Parabelgleichung werden Scheitelgleichungen der Parabel genannt: a) Scheitelgleichung der Parabel, wenn Scheitel im Koordinatenursprung liegt (Bild 2.21 b). y2 = 2px 2p : Parameter

√ y = ± 2px p : x-Koordinate des Brennpunkts 2

(2.26)

b) Scheitelgleichung der Parabel mit versetzter Scheitel (Bild 2.21 c). (y − y0 )2 = 2p(x − x0 )

(2.27)

2.11 Explizite und implizite Darstellung von Funktionen Eine explizite Funktion besitzt die Form y = f (x), d.h. y ist eine bekannte Funktion der unabhängigen Variable x. Die Funktionsvariable y ist die abhängige Variable, weil sie explizit von x abhängt (»explizit« lat. ausdrücklich). y = f (x)

(2.28)

explizite Form einer Funktion

Aber nicht immer liegt eine Funktion in der expliziten Form y = f (x) vor. Bei der Lösung einer mathematischen oder physikalischen Aufgabe kann es vorkommen, dass das Ergebnis als sog.

a: Kreis mit x0 = 0, y0 = 0

b: Kreis mit x0 = 2, y0 = 1 Bild 2.18: Kreis

2.11 Explizite und implizite Darstellung von Funktionen

a: Ellipse mit x0 = 0, y0 = 0

71

b: Ellipse mit x0 = 2, y0 = 1 Bild 2.19: Ellipse

a: Hyperbel mit x0 = 0, y0 = 0

b: Hyperbel mit x0 = 2, y0 = 1

Bild 2.20: Hyperbel

implizite Funktion F(x, y) = 0 vorliegt. Zwar hängt die Variable y prinzipiell auch hier von der Variable x ab, aber diese Abhängigkeit ist nur implizite (»implizite« lat. inbegriffen). Es gibt Fälle, wo eine implizite Funktion in die explizite Form gebracht werden kann, wiederum könnte es sein, dass eine solche Transformation nicht möglich ist. F(x, y) = 0

bzw.

F(x, y) = c

implizite Formen einer Funktion

Beispiel 2.20: Nachfolgend sind Beispiele für explizite und implizite Funktionen gegeben. a) x2 + y2 = 25 implizite √ Funktion (Kreisgleichung mit Radius 5) Explizite Form: y = 25 − x2 b)

x2 y2 + = 1 implizite Funktion (Ellipsengleichung mit Achsen a und b) a2 b2 b√ 2 a − x2 Explizite Form: y = ± a

(2.29)

72

2 Elementare Funktionen

a: Parabel y = x2

b: Parabel y2 = x

c: Parabel (y − 1)2 = x − 2

Bild 2.21: Verschiedene Parabelformen

c) y4 − 3 x2 + 5 x + 9 = √ 0 implizite Funktion Explizite Form: y = 4 3 x2 − 5 x − 9 d) sin y − x = 0 implizite Funktion Explizite Form: y = arcsin x e) y4 − y3 + x2 + x + 1 = 0 implizite Funktion Sie läßt sich nicht in explizite Form transformieren. f) sin y − x + y = 0 implizite Funktion Sie lässt sich nicht in explizite Form transformieren. √ g) ex+y + x + y − 1 = 0 implizite Funktion Sie lässt sich nicht in explizite Form transformieren.

2.12 Funktionen in Parameterdarstellung In einer Parameterfunktion werden beide Variablen x und y als Funktion einer dritten Variable p, des sogenannten Parameters, ausgedrückt: x = f (p)

y = g(p)

Parameterdarstellung

p : Parameter

(2.30)

Die physikalische Bedeutung des Parameters p hängt von der jeweiligen Aufgabe ab, z.B. kann p Zeit, Winkel, Kraft etc. bedeuten. Als Parametersymbol können auch andere Symbole anstelle von p verwendet werden, z.B. t, θ , ϕ etc. Beispiel 2.21: Kreisgleichung. Der dargestellte Kreis mit dem Radius r wird in der impliziten Standardform durch die Gleichung x2 + y2 = r2 beschrieben. In der Parameterform läßt sich die Kreisgleichung angeben als: a) x = r cos θ

y = r sin θ

Parameter : Umfangswinkel θ

2.12 Funktionen in Parameterdarstellung

b) x = r cos

s r

y = r sin

s r

Parameter : Bogenlänge s y

y

r q

O

s x

x

Die Äquivalenz der Parameterformen mit der impliziten Form wird sofort ersichtlich, wenn die beiden Terme der Parameterform quadriert und dann addiert werden: a) x2 = r2 cos2 p

y2 = r2 sin2 p

x2 + y2 = r2 (cos2 p + sin2 p) = r2  





=1

b)

x2 ⇒

=

s r s s x2 + y2 = r2 (cos2 + sin2 ) = r2  r r 



r2

cos2

s r

y2

= r2 sin2

=1

Beispiel 2.22: Ellipsengleichung. Für die Beschreibung einer Ellipse (Bild 2.19) sind folgende Darstellungsarten möglich: implizite Form: explizite Form: Parameterform:

x2 y2 + =1 a2 b2 b√ 2 y=± a − x2 a x = a cos t

y = b sin t

0 ≤ t ≤ 2π

Der Parameter t entspricht dem von der x-Achse aus gemessenen Umfangswinkel im Gegenuhrzeigersinn. Für jeden beliebigen Wert von t aus dem Definitionsbereich ergibt sich ein xy-Wertepaar, das einem Punkt auf der Ellipse entspricht. Aufgabe: Werten Sie die Parameterform der Ellipse für a = 5; b = 3 und für π 2π 3π , , · · · , π aus und stellen Sie Ihre Ergebnisse grafisch dar. t= , 20 20 20

73

74

2 Elementare Funktionen

Beispiel 2.23: Waagerechter Wurf. Die Flugbahn beim waagerechten Wurf mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 kann mit Hilfe einer Parameterfunktion für Positionskoordinaten x und y beschrieben werden (s. auch Seite 96): x = x(t) = v0 t

y = y(t) = y0 −

1 2 gt 2

(g : Erdbeschleunigung, t : Zeit)

Beispiel 2.24: Die Ganglinie eines Schraubengewindes lässt sich auf elegante Art in Parameterform angeben. Wenn x und y die zur Schraubenachse senkrechten Koordinatenachsen bedeuten und z der Schraubenmittelachse entspricht, lässt sich die Funktion der äußeren Gewindekurve in folgender Form ausdrücken:

x = r cos ϕ

h ϕ 2π h : Ganghöhe

y = r sin ϕ

r : Gewinderadius

z=

ϕ : Parameter (=Umfangswinkel), ϕ ≥ 0

Der Parameter ϕ hat hier die Bedeutung des momentanen Umfangswinkels, bezogen auf eine festgelegte Ausgangsposition mit ϕ = 0.

2.13 Weitere Funktionen 2.13.1 Gaußsche Glockenkurve Die Funktion der Gaußschen Glockenkurve (Bild 2.22) ist definiert als: y = a e−(bx)

2

Gaußsche Glockenfunktion

√ √ Für die speziellen Werte a = 1/ 2π und b = 1/ 2 wird sie als Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion einer normal-verteilten statistischen Variable bezeichnet: 1 2 y = √ e−x /2 2π

Normalverteilungskurve

(2.31)

Die Glockenkurve spielt in der Stochastik eine sehr wichtige Rolle, weil sehr viele Zufallsprozesse in Natur und Technik sich in Form der Gaußschen Glockenkurve wahrscheinlichkeitstheoretisch gut beschreiben lassen. Wir werden ihr später im Abschnitt 9.7 auf Seite 472 nochmals

2.13 Weitere Funktionen

75

begegnen.

Bild 2.22: Glockenkurve

2.13.2 Klothoide Die Klothoide (auch Spinnkurve genannt) ist eine künstlich definierte Parameterfunktion gemäß folgender Gleichung (es gibt auch andere geringfügig abweichende Definitionen, sie alle sind jedoch im Kern gleich): √ x=λ π

t cos 0

πu2 du 2

√ y=λ π

t sin 0

πu2 du 2

−∞ < t < ∞

(2.32)

Wenn wir die Bogenlänge des Kurvenbogens zwischen dem Koordinatenursprung und einem

Bild 2.23: Klothoide

76

2 Elementare Funktionen

beliebigen Kurvenpunkt P mit dem Symbol s bezeichnen, gelten folgende Beziehungen: t=

s √

λ π

r=

λ2 s

Hierbei ist t die dimensionslose Integrationsgrenze in (2.32), λ ein Proportionalitätsfaktor und hat die Dimension einer Länge, r ist der Krümmungsradius der Klothoide im Punkt P. Die Klothoide verläuft wie eine zusammenlaufende Spirale. Der Krümmungsradius r ist umgekehrt proportional zur Bogenlänge s, deshalb wird r mit zunehmendem s kontinuierlich (d.h. ohne Sprünge) kleiner. Die Integralausdrücke in (2.32) werden Fresnel-Integrale genannt – sie haben keine Stammfunktion und eine geschlossene Integration ist daher nicht möglich. Die xy-Koordinaten des Punktes P lassen sich nur numerisch ermitteln. Mathematische Tabellensammlungen enthalten zahlenmäßige Auswertungen des Fresnel-Integrals. Der Krümmungsradius einer Klothoide (Bild 2.23) ändert sich auf stetige Weise, d.h. ohne Sprünge. Aufgrund dieser günstigen Eigenschaft wird sie bei Trassierungaufgaben im Verkehrswesen (Schienen- und Straßenbau) verwendet.

2.14 Technische Beispiele Beispiel 2.25: Durchschlagsproblem. Bild 2.24 a zeigt zwei starre Fachwerkstäbe6 gleicher Länge l, die in C miteinander gelenkig verbunden sind. Der linke Stab ist am festen Lager A gelenkig gelagert. Der rechte Stab stützt sich bei B an eine waagerecht wirkende Feder mit der linearen Federkonstante k. Im unbelasteten Ausgangszustand befindet sich das Fachwerk in der Position ABC. Jetzt wird das System durch eine in C angebrachte vertikale Kraft F langsam belastet. Während der Belastung bewegt sich der Punkt C entlang eines fiktiven Kreises mit dem Mittelpunkt A und Radius l in die Position C ; der Punkt B verschiebt sich horizontal nach rechts in die Position B und drückt die Feder zusammen. Solange die Kraft F gering ist, haben wir es mit sehr kleinen Verschiebungen des Fachwerks zu tun, d.h. es liegt die sog. lineare Theorie der Statik vor, welche es gestattet, die Gleichgewichtsbedingungen an der Ausgangskonfiguration ABC aufzustellen. Mit zunehmender Laststeigerung wachsen die Verschiebungen überproportional und die lineare Theorie verliert ihre Gültigkeit – die Gleichgewichtsbedingungen müssen am verformten System ABC aufgestellt werden. Daraus erhalten wir folgende Beziehung, welche das Gleichgewicht zwischen der Einwirkung F und den inneren Stabkräften bei großen Verschiebungen gewährleistet.7 √ l 2 − h2 F = sin ϕ − tan ϕ (a) 4kl l √ F h−u h−u l 2 − h2  ⇒ = − (b) 2 4kl l l l − (h − u)2 6 Starr bedeutet in diesem Kontext, dass die Stäbe sich weder verkürzen noch verlängern können. 7 N.A. Alfutov, Stability of Elastic Structures, Springer-Verlag, 2000, S. 5.

2.14 Technische Beispiele

77

F

C u

l

h

l

C' k

j

A

B

B'

B

a: Geometrie und Belastung

b: Last-Verformungskurve für l =

√ 2h

Bild 2.24: Durchschlagsproblem

In der Regel interessiert uns die Abhängigkeit der Verschiebung u von der äußeren Kraft F, d.h. wir brauchen eine explizite Funktion u = f (F). Schnell werden wir bei diesem Versuch aber feststellen, dass die Umstellung der Gl. (b) nach u praktisch unmöglich ist.8 Uns bleibt also nichts anderes übrig als Gl. (b) für verschiedene angenommene u-Werte auszuwerten, um die zum jeweiligen u zugehörige Last F √ zu ermitteln und graphisch darzustellen. Bild 2.24 b zeigt z.B. für l = 2h die LastVerformungskurve in dimensionsloser Darstellung, aus der wir für eine gegebene Last F/kl die zugehörige Vertikalverschiebung u/h ablesen können. Mit zunehmender Last F wächst auch die Verschiebung u an - zunächst linear, dann immer stärker nichtlinear. Beim Erreichen des Punkts D ist das Systemverhalten »butterweich« geworden, schon die geringste Steigerung der Last F genügt, dass Punkt C ganz nach unten durchschlägt und sich erst bei u/h ≈ 2,1 stabilisiert. Beispiel 2.26: Windprofil. Die Windwirkung auf hohe und schlanke Bauwerke ist ein wichtiger Lastfall. Die Windgeschwindigkeit u ist in Bodennähe geringer, mit zunehmender Höhe über dem Boden wird sie größer. Die Ursache dieser ungleichmäßigen Verteilung der Strömungsgeschwindigkeit ist die makroskopische Bodenrauhigkeit (Wälder, Sträucher, Bäume, Wohnhäuser, Hochhäuser, Industrieanlagen etc.). Das dabei enststehende mittlere- Windgeschwindigkeitsprofil läßt sich näherungsweise mit folgender Potenzfunktion beschreiben:   α  z 0,28 z z.B.: u = 90 u = f (z) = ug Hg 400 z : Höhe über dem Boden

ug : Gradientwindgeschwindigkeit

Hg : Gradienthöhe

α : Profilexponent

8 Selbst eine extrem anspruchsvolle Mathematiksoftware wie Maple kommt dabei an ihre Grenzen und meldet, dass man vorher eine Gleichung 4. Ordnung lösen muss, was sehr umständlich wäre. Daher müssen wir feststellen, dass Gl. (b) sich praktisch nicht in eine explizite Form überführen läßt.

78

2 Elementare Funktionen

2.15 Zusätzliche Beispiele Beispiel 2.27: Es soll die Richtigkeit der Beziehung sinh 2x = 2 sinh x cosh x gezeigt werden. Wir setzen folgende Definitionen für Hyperbelfunktionen, s. Gl. (2.16) auf Seite 66, in die rechte Seite der zu beweisenden Beziehung ein und erhalten: 1 sinh x = (ex − e−x ) 2

1 cosh x = (ex + e−x ) 2

1 1 2 sinh x cosh x = 2 (ex − e−x ) (ex + e−x ) 2 2 1 x x x −x = (e e + e e − e−x ex − e−x e−x ) 2 1 1 2x = (e + e0 − e0 −e−2x ) = (e2x − e−2x ) = sinh 2x 

2 2

=0



=sinh 2x

2.16 Aufgaben 1. Berechnen Sie die Durchbiegung des in Beispiel 2.4 auf Seite 44 erörterten Kragbalkens unter der konstanten Streckenlast q. Als Zahlenwerte sind qL = 3 kN sowie die sonstigen Werte des Beispiels 2.3 zu verwenden. Vergleichen Sie die Durchbiegung δ der Balkenspitze mit der des Beispiels 2.3. Welche Schlußfolgerung kann man daraus in statischer Hinsicht ziehen? 2. Zeichnen Sie freihändig die Schaubilder folgender Funktionen (ohne Taschenrechner!). a) y = sin (x + π/2)

b) y = sin (x − π/2)

c) y = sin (2x + π/2)

d) y = sin (2x − π/2)

3. Stellen Sie, ohne im Buch nachzuschauen, folgende Funktionen grafisch für x ≥ 0 qualitativ möglichst korrekt dar (ohne Taschenrechner!). Bestimmen Sie zusätzlich den Schnittpunkt der Funktionskurve mit der x-Achse - sofern vorhanden.

2.16 Aufgaben

a) sin x

b) cos x

e) ex

f) e−x

i) y =

e−x

j) y =

cos x

e−x

sin x

c) sinh x 1 g) x k) y = ex cos x

79

d) cosh x h) ln x l) y = ex sin x

4. Überprüfen Sie mit Hilfe eines Taschenrechners die Beziehungen 1 bis 3 für Sinus- und Kosinusfunktion in Abschnitt A.3 auf Seite 873 für den Winkel x = π/6 rad = 30◦ und für n = 1,2,3. 5. Überprüfen Sie mit Hilfe eines Taschenrechners die übrigen Rechenregeln für die trigonometrische Funktionen im Abschnitt A.3 auf Seite 873 für x = π/3, y = π/6, A = 3, B = 2. 6. Überprüfen Sie die folgenden Arkus-Funktionen mit Hilfe eines Taschenrechners (vergessen Sie nicht, Ihren Taschenrechner in den jeweils richtigen Grad-/Radiant-Modus umzuschalten!). a) b) c) d) e) f)

sin 30◦ = 0,5 cos 60◦ = 0,5 tan 45◦ = 1,0 sin π/6 = 0,5 cos π/3 = 0,5 tan π/4 = 1,0

arcsin 0,5 = 30◦ arccos 0,5 = 60◦ arctan 1,0 = 45◦ arcsin 0,5 = π/6 arccos 0,5 = π/3 arctan 1,0 = π/4

7. Überprüfen Sie mit Hilfe eines Taschenrechners die Rechenregeln für folgende Funktionen für den Wert x = π/4. a) Rechenregeln für die Arkus-Funktionen auf Seite 875. b) Rechenregeln für die Hyperbel-Funktionen auf Seite 875. 8. Transformieren Sie folgende Funktionen in eine einfachere Form. a) y = cosh x + sinh x

Lsg: y = ex

b) y = cosh x − sinh x

Lsg: y = e−x

c) y = cosh2 x − sinh2 x d)

cos x − y−1

Lsg: y = 1

(sin x + sin x cos2 x) = 0 3

e) y = sec2 x + csc2 x

Lsg: y = tan x

1 Lsg: y = 2 sin x cos2 x

9. Zeigen Sie die Richtigkeit folgender Beziehungen. a) sin2 x + cos2 x = 1 Tipp: Denken Sie an ein rechtwinkliges Dreieck und die Pytagoras-Beziehung. b) sin 3x = 3 sin x − 4 sin3 x c) sinh(x + y) = sinh x cosh y + cosh x sinh y Tipp: Starten Sie mit der Verarbeitung des rechten Ausdrucks.

80

2 Elementare Funktionen

x 1 = (1 − cos x) 2 2 Tipp: Beziehungen 18 und 19 auf Seite 873.

d) sin2

10. Können Sie eine mathematisch einleuchtende Erklärung dafür finden, warum das Schaubild von tanh (s. Abschnitt 2.9, Seite 66) für ±∞ asymptotisch gegen ±1 strebt? 11. Bestimmen Sie die erste von Null verschiedene positive Wurzel folgender Gleichungen. a) sin x − cos x = 0 b) tan x − 2 sin x = 0 c) 1 − sin2 x + cos3 x = 0

Lsg: x = π/4 Lsg: x = π/3 Lsg: x = π/2

12. Folgende Gleichungen sind zu lösen. sinh x + cosh x = 7,389 cosh x − sinh x = 0 cosh x + sinh x − cos π = 1 sinh x cosh x + cos(arcsin 1) = 0 ex − e−x e) sinh x cosh x = x e + e−x a) b) c) d)

Lsg: Lsg: Lsg: Lsg:

x=2 x = +∞ x = −∞ x=0

Lsg: x = 0

13. Eine Hyperbel mit dem hyperbelmittelpunkt im Koordinatenursprung hat ihren Scheitelpunkt in (2; 0) und geht durch den Punkt P = (3; 5). Stellen Sie die Hypergleichung auf. Lsg:

x 2 y2 − =1 4 20

14. Berechnen Sie die größte Durchbiegung des Kragbalkens in Beispiel 2.4 auf Seite 44 für die Streckenlast q = 0,75 kN/m, die übrigen Größen (L, E, I) sind identisch mit denen des Beispiels 2.3 auf Seite 43. Lsg: ymax = 3,27 cm 15. Stellen Sie die ideale Sieblinie für das Betonzuschlaggemisch grafisch dar (s. Beispiel 2.6 auf Seite 46). Bestimmen Sie außerdem den maximal zulässigen Anteil A von Körnern mit Durchmessern von 0 bis 8 mm am Gesamtgemisch mit Größtkorndurchmesser von 31,5 mm. Lsg: A = 50,4% 16. Die Schwingung eines Maschinenteils ist durch u(t) = 6 e−0,005t gegeben, wobei die Variable t die Zeit in Sekunden bedeutet. Nach welcher Zeit Δt nimmt der Schwingweg um 30% gegenüber seinem Anfangswert ab? Lsg: Δt = 71,3 s 17. Ist die in Bild 2.3 auf Seite 48 dargestellte e-Funktion eine symmetrische Funktion? 18. Eine Kugel aus Balsaholz mit 30 cm Durchmesser fällt aus 1000 m Höhe herunter (vgl. Beispiel 2.9 auf Seite 49). Stellen Sie die Zeit-Höhe-Funktion der Kugel grafisch dar. Recherchieren Sie die benötigten Kenngrößen zur Lösung der Aufgabe (Dichte, Luftreibungskoeffizient) im Internet oder Fachliteratur.

3

Differentialrechnung

Die Differentialrechnung beschäftigt sich mit Änderungen der beteiligten Größen im infinitesimalen Bereich .1 Wörtlich besitzt infinitesimal die Bedeutung »ins unendlich Kleine gehend«. Das Gegenteil einer infinitesimalen Größe ist eine endliche Größe. Als einfachsten Fall betrachten wir die Größen x und y, die im funktionalen Zusammenhang y = f (x) stehen sollen. Die Differentialrechnung beschäftigt sich mit folgender Frage: Wie groß ist die Änderung von y, wenn sich x infinitesimal (sozusagen im mikroskopischen Maßstab) ändert. Welchen zahlenmäßigen Wert diese infinitesimale x-Änderung konkret haben soll, wird nicht festgelegt - wir verlangen nur qualitativ, dass sie unendlich klein ist. Es sind also die Gesetzmäßigkeiten zwischen den Änderungen der beteiligten Größen, die uns interessieren. Wenn also für die Funktion y = f (x) die infinitesimale Änderung von x mit dx und die infinitesimale Änderung von y mit dy bezeichnet werden, interessiert sich die Differentialrechnung für den funktionalen Zusammenhang dy = g(x) · dx.2 Was können wir mit der Beziehung dy = g(x) · dx eigentlich anfangen? Wozu ist sie gut? Ist damit die Lösung des zu untersuchenden Problems bekannt? Die kurze Antwort lautet: Jein! Die Differentialrechnung liefert lediglich den Zusammenhang zwischen Änderungen der beteiligten Größen. Was man damit anfangen kann, hängt von der Aufgabenstellung ab. Mal können wir das Ergebnis des Differentialkalküls direkt verwerten und daraus die Lösung gewinnen, mal dient die Differentialrechnung dazu, ein physikalisches oder mathematisches Problem zu beschreiben - für die eigentliche Lösung wird dann ein anderes mathematisches Werkzeug benötigt. In diesem Kapitel wird die Differentialrechnung für Funktionen y = f (x) mit nur einer unabhängigen Variable behandelt (in Kapitel 12 betrachten wir Funktionen mit mehreren unabhängigen Variablen). Wir beschränken uns auf Funktionen, die im betrachteten x-Intervall stetig und glatt sind.3 Stetig-glatte Funktionen sind in ihrem Definitionsbereich differenzierbar. Beispiele für stetig1 Die auf Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 − 1716) zurückgehende Bezeichnung Infinitesimalrechnung ist der Sammelbegriff für Differential- und Integralrechnung. Allerdings beanspruchte auch Newton (1643-1727) die Urheberschaft für die Differentialrechnung für sich - er sprach allerdings von der Fluxionsrechnung. Den verbitterten Streit darüber, wer als erster die Differentialrechnung erfunden hat, konnten die Kontrahenten nie einvernehmlich regeln. 2 Man könnte einwenden, dass dy nicht zwingend infinitesimal sein muss, selbst wenn dx infinitesimal ist. Ein Beispiel, welches auf den ersten Blick dieses Argument stützt, ist z.B. die Funktion y = tan x. An der Stelle x = 0,999999π/2 wählen wir z.B. dx = 10−9 - offensichtlich ein extrem kleiner dx-Wert (praktisch infinitesimal). Für x = 0,999999π/2 beträgt der Funktionswert y = tan(0,999999π/2) = 636619,772367 (Winkel in Bogenmaß!). An der infinitesimal benachbarten Stelle x + dx = 0,999999π/2 + 10−9 erhalten wir y = tan(0,999999π/2 + 10−9 ) = 637025,315278. Die Änderung von y beträgt dy = 637025,315278 − 636619,772367 ≈ 405,55 - dy ist also nicht gerade infinitesimal, sondern endlich. Es liegt jedoch in unserem Ermessen, welchen Wert wir für dx wählen - es ist ja definiert als unendlich klein, ohne aber gleich Null zu sein. Nun wählen wir dx = 10−16 . Der Funktionswert an der benachbarten Stelle beträgt jetzt y = tan(0,999999π/2 + 10−16 ) = 636619,772408; die Differenz dy beträgt jetzt dy = 636619,772408 − 636619,772367 ≈ 4,1 · 10−5 , also ein sehr kleiner Wert, quasi infinitesimal. Durch Wahl von noch kleineren dx können wir dy beliebig klein machen. Daher lässt sich auch ohne strenge mathematische Beweisführung sagen, dass sowohl dx als auch dy infinitesimale Größen sind. 3 Die Differentialrechnung lässt sich mit entsprechender Umsicht auch auf unstetige und nichtglatte Funktionen anwendbar; in diesem Buch werden diese Feinheiten jedoch nicht weiter vertieft.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_3

82

3 Differentialrechnung

y

y

y1

P1

y=f(x)

te

n ka

Se

yL y0

P0

j

Dy

PL ente

a Tang Dx

x0

y=f(x) P1

y1 yL P 0 y0

DyL

x1

x

PL Dx

x0

DyL

Dy

x

x1

b: kleine Differenz Δx

a: große Differenz Δx

Bild 3.1: Tangente als Grenzfall der Sekante für Δx → 0

glatte Funktionen sind: y=x

y = x2

y = ex

y = e−x

y = sin x

y = cos x

y = sinh x

Wenn im folgenden von einer Funktion gesprochen wird, ist immer eine im betrachteten Intervall stetige und glatte Funktion gemeint, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird.

3.1 Differenzenquotient Bild 3.1 zeigt einen Ausschnitt einer stetigen Funktion y = f (x), welche an der Stelle x0 den Funktionswert y0 = f (x0 ) und an einer benachbarten Position x1 den Wert y1 = f (x1 ) haben soll. Die zugehörigen Punkte auf der Funktionskurve sind P0 = (x0 , y0 ) und P1 = (x1 , y1 ). Aus Bild 3.1 lassen sich folgende Differenzen Δx, Δy definieren: Δx = x1 − x0

Δy = y1 − y0

Anmerkung: Die Differenzen Δx und Δy sind endliche, d.h. nicht infinitesimale, Größen. In technischen Aufgaben wird die Differenz oft auch als Inkrement bezeichnet. Die Steigung der Sekante P0 P1 in Bezug auf die x-Achse ist gegeben durch die folgende, aus der elementaren Trigonometrie bekannte, Beziehung: tan ϕ =

f (x0 + Δx) − f (x0 ) Δy y1 − y0 = = Δx x1 − x0 Δx

(3.1)

Die Position x0 kann beliebig gewählt werden. Um diese Beliebigkeit hervorzuheben, wird im folgenden anstelle von x0 einfach x verwendet (es gilt dann x1 = x + Δx). Der Quotient Δy/Δx für eine beliebige x-Position wird als Differenzenquotient bezeichnet: f (x + Δx) − f (x) Δy = Δx Δx

Differenzenquotient

(3.2)

3.2 Differentialquotient

83

Beispiel 3.1: Gesucht ist der Differenzenquotient Δy/Δx folgender Funktionen. a) y = c

c: beliebige Konstante

f (x) = c

f (x + Δx) = c

f (x + Δx) − f (x) c − c 0 Δy = = = =0 Δx Δx Δx Δx

b) y = x f (x) = x

f (x + Δx) = x + Δx

Δy (x + Δx) − x Δx = = =1 Δx Δx Δx

c) y = x2 f (x) = x2

f (x + Δx) = (x + Δx)2 = x2 + 2x Δx + Δx2

Δy (x2 + 2x Δx + Δx2 ) − x2 2x Δx + Δx2 = = = 2x + Δx Δx Δx Δx d) y = sin x f (x) = sin x

f (x + Δx) = sin(x + Δx) = sin x cos Δx + cos x sin Δx

Δy sin x cos Δx + cos x sin Δx − sin x sin x(cos Δx − 1) + cos x sin Δx = = Δx Δx Δx

3.2 Differentialquotient Zur Herleitung des Differentialquotienten zeichnen wir zunächst in Bild 3.1 a die Tangente P0 PL an die Kurve y = f (x). Anschließend wollen wir wissen, was passiert, wenn der Abstand Δx verringert wird. In Bild 3.1 b ist ersichtlich, dass dabei die Sekante näher an die Tangente heranrückt. Je mehr also Δx verringert wird, umso mehr nähert sich die Sekante der Tangente. Im Grenzfall Δx → 0 (Δx infinitesimal klein, aber nicht identisch Null!) kommen die Punkte P1 und PL kommen in infinitesimale Nachbarschaft und die Sekante P0 P1 geht praktisch in die Tangente P0 PL über. Aus gleichem Grund geht der Sekantenwinkel ϕ in den Tangentenwinkel α über. α = lim ϕ Δx→0

Die unendlich kleine Differenz limΔx→0 Δx wird als Differential dx bezeichnet: dx = limΔx→0 Δx

Differential dx

Das zu dx korrespondierende Differential dy der abhängigen Variable y ist definiert als: dy = limΔx→0 Δy

Differential dy

84

3 Differentialrechnung

Mit vorangehenden Definitionen für dx und dy lässt sich jetzt der Differentialquotient dy/dx definieren als: dy limΔx→0 Δy Δy f (x + Δx) − f (x) = = limΔx→0 = limΔx→0 dx limΔx→0 Δx Δx Δx

Differentialquotient (3.3)

Differentiale dx und dy sind infinitesimale Größen, d.h. sie sind sehr klein. Deshalb spricht man anstelle von infinitesimalen Größen oft auch von differentiellen Größen. infinitesimale Größe = differentielle Größe = Differential Zwar sind dx und dy sehr kleine Größen, allerdings kann ihr Quotient dy/dx dennoch sehr groß werden. Im Tangens-Beispiel der Fußnote auf Seite 81 sind die Differentiale dx = 10−16 und dy = 4,1 · 10−5 zwar sehr klein, ihr Differentialquotient dy/dx = 4,1 · 10−5 /10−16 = 4,1 · 1011 ist hingegen eine sehr große Zahl! Beispiel 3.2: Gesucht ist der Differentialquotient dy/dx der Funktionen in Beispiel 3.1 (die benötigten Differenzenquotienten Δy/Δx werden unmittelbar dem Beispiel 3.1 entnommen). a) y = c

c: beliebige Konstante Δy f (x + Δx) − f (x) c−c dy = lim = lim = lim = lim 0 = 0 Δx→0 Δx Δx→0 dx Δx→0 Δx Δx→0 Δx

b) y = x Δy Δx dy = lim = lim = lim 1 = 1 dx Δx→0 Δx Δx→0 Δx Δx→0 c) y = x2 dy Δy 2xΔx + Δx2 = lim = lim = lim (2x + Δx) = 2x + (≈ 0) = 2x Δx→0 dx Δx→0 Δx Δx→0 Δx Anmerkung: Der Grenzwert von Δx ist infinitesimal klein, d.h. zwar nicht exakt null, aber vernachlässigbar. d) y = sin x Für die Lösung dieser Aufgabe brauchen wir noch zwei Beziehungen aus der mathematischen Analysis, die hier einfach als bekannt vorausgesetzt werden. Für sehr kleine Werte von α gilt: sin α ≈ α

(α in Bogenmaß)

√ α 1±α ≈ 1± 2

Der Differenzenquotienten des Beispiels 3.1 auf Seite 83 wird somit folgender-

3.3 Definition der Ableitung

85

maßen in einen Differentialquotienten transformiert: dy sin x (cos Δx − 1) + cos x sin Δx = lim dx Δx→0 Δx sin x (cos Δx − 1) + cos x · Δx = lim Δx→0 Δx  sin x ( 1 − sin2 Δx − 1) Δx + lim cos x = lim Δx→0 Δx→0 Δx Δx  1 − (Δx)2 − 1 = sin x lim + lim cos x · 1 Δx→0 Δx→0 Δx (Δx)2   −1 1− Δx 2 + cos x = sin x lim − = sin x lim + cos x Δx→0 Δx→0 Δx 2 dy = sin x · (≈ 0) + cos x = cos x dx

3.3 Definition der Ableitung Den in (3.3) definierten Differentialquotienten dy/dx der Funktion y = f (x) bezeichnet man als die erste Ableitung von y und schreibt sie abkürzend als y :4 y =

Δy dy = limΔx→0 dx Δx

erste Ableitung y der Funktion y = f (x)

(3.4)

Die Begriffe Ableitung und Differentialquotient sind also identisch. Den Vorgang des Ableitens nennt man Differentiation. Zum Auffinden der Ableitung wird also die Funktion abgeleitet oder differenziert. Die Ableitungen der wichtigsten elementaren Funktionen sind im Anhang A.6 auf Seite 876 zusammengestellt. Die Ableitung y ist selbst eine eine Funktion der unabhängigen Variable x: y = g(x) Die Ableitung einer Funktion entspricht der Änderungsrate dieser Funktion Geometrische Deutung der Ableitung In geometrischer Betrachtung ist der Zahlenwert der Ableitung y an einer beliebigen x0 -Position identisch mit der Steigung5 der Tangente, welche genau an dieser Position an die Funktionskurve 4 Die Verwendung von y = f  (x) zur Kennzeichnung der Ableitung geht auf J.L. de Lagrange (1736-1813) zurück. Lagrange hat neben Mathematik auch sehr wichtige Beiträge zur analytischen Mechanik geleistet. Von grundlegender Bedeutung sind die nach ihm benannten Langrange-Gleichungen in der Dynamik. 5 Steigung einer Gerade ist gleichbedeutend mit dem Tangens des Winkels zwischen der Gerade und der x-Achse.

86

3 Differentialrechnung

gelegt wird (s. auch Bild 3.1 a):  y (x0 ) = f  (x0 ) = tan α x=x

0

Dieser Zusammenhang lässt sich sehr gut am Bild 3.1 auf Seite 82 demonstrieren. Unter Berücksichtigung von Gl. (3.1) ergibt sich die Steigung der Tangente im Punkt P0 zu: tan α = limΔx→0 tan ϕ = limΔx→0

Δy f (x + Δx) − f (x) dy = limΔx→0 = = y Δx Δx dx

(3.5)

Beispiel 3.3: Gegeben sei die Funktion y = f (x) = sin x. Gesucht ist der Steigungswinkel α der Tangentengerade am Punkt P der Kurve an der x-Position xP = π/3. Die Tangente berührt die Sinus-Kurve an der y-Position yP = sin π/3 = 0,866. Die Tangentensteigung m im Punkt (xP , yP ) ergibt sich zu: Ableitung: y = (sin x) = cos x



Steigung: m = y = cos x

Steigung an der Stelle (xP , yP ) = (π/3; 0,866): m = y (π/3) = cos π/3 = 0,5 Steigungswinkel: α = arctan m = arctan 0,5 = 26,6◦

Differentialoperator Die Ableitungsdefinition (3.4) kann unter Verwendung des Differentialoperators d/dx auch ausgedrückt werden als y =

d dy = y dx dx

bzw.

y =

d d f (x) = f (x) dx dx

d : Differentialoperator dx

(3.6)

Der Differentialoperator d/dx ist keine neue mathematische Größe, sondern lediglich eine andere -in manchen Fällen allerdings sehr zweckmäßige- Darstellungsart für den Ableitungsvorgang.

3.4 Ableitungsregeln

87

Für die Ableitung y der Funktion y = f (x) können auch andere Bezeichnungen verwendet werden. Folgende Ausdrücke sind alle gleichwertig: y = f  (x) =

d Δ f (x) d f (x) = f (x) = limΔx→0 dx dx Δx

alternative Schreibweisen für Ableitung

3.4 Ableitungsregeln Als schnelle Referenzquelle für das leichte Verständnis nachfolgender Beispiele werden zunächst die Ableitungen einiger Elementarfunktionen zusammengestellt (eine umfassendere Sammlung ist auf Seite 876 zu finden): y = f (x)

y

y = f (x)

y

y = f (x)

y

xn

nx(n−1)

sin x

cos x

cos x

− sin x

ln x

1/x

eax

aeax

tanh x

1 − tanh2 x

(3.7)

3.4.1 Faktorregel, Summenregel, Produktregel, Quotientenregel Faktorregel Ein konstanter Multiplikationsfaktor c der Funktion bleibt bei der Ableitung unverändert und beeinflusst den Ableitungsvorgang nicht. y = c f (x)

y = c f  (x)

(3.8)

Faktorregel

Beispiel 3.4: a) y = 5 x3

y = (5 x3 ) = 5 (x3 ) = 5 (3x2 ) = 15 x2

b) y = π sin x

y = (π sin x) = π (sin x) = π cos x 3 1 y = (−3 ln x) = −3 (ln x) = −3 · = − x x

c) y = −3 ln x

Summenregel Die Ableitung einer Funktion f (x), die als Linearkombination anderer Funktionen f1 (x), f2 (x) usw. zusammengesetzt ist, entspricht der Summe der Ableitungen der einzelnen Funktionen: y = f (x) = c1 f1 (x) + c2 f2 (x) + · · · + cn fn (x) y = f  (x) = c1 f1 (x) + c2 f2 (x) + · · · + cn fn (x)

Summenregel

(3.9)

88

3 Differentialrechnung

Beispiel 3.5: a) y = 5x3 − 8x2 y = (5x3 − 8x2 ) = (5x3 ) − (8x2 ) = 15x2 − 16x b) y = 2 sin x − 5 cos x y = (2 sin x − 5 cos x) = (2 sin x) − (5 cos x) = 2 cos x + 5 sin x c) y = 3eax − 4 ln x + 6 tanh x Mit Hilfe der Ableitungsformeln in (3.7) erhalten wir: y = (3eax ) − (4 ln x) + (6 tanh x) = 3aeax −

4 + 6(1 − tanh2 x) x

Produktregel Für eine Funktion f (x), die als Produkt von zwei Funktionen u(x) und v(x) definiert ist, gilt folgende Ableitungsregel: y = u(x) · v(x)

y = u (x) v(x) + u(x) v (x)



y = u v + u v

y = uv

In Kurzschreibweise:

Produktregel

(3.10)

Die Produktregel lässt sich mit Hilfe des Differentialoperators folgendermaßen auch schreiben: du dv d (uv) = v + u dx dx dx

(3.11)

In Beispiel 3.46 auf Seite 139 ist die Herleitung der Produktregel ausführlich besprochen. Beispiel 3.6: a) y = (x − 1) (x2 − 2)   u

v

y = (1) (x2 − 2) + (x − 1) (2x) = 3x2 − 2x − 2     u

v

u

v

b) y =  x  sin x u

v

y = 1 · sin x + x cos x = sin x + x cos x c) y =  e3x cos  x u

v

y = 3e3x cos x − e3x sin x = e3x (3 cos x − sin x)

3.4 Ableitungsregeln

89

Produktregel für Funktionen mit mehreren Termen Die Produktregel kann auch auf Produkte mit mehr als zwei Termen angewandt werden. Für die Funktionen y = u(x) · v(x) · w(x) und y = u1 (x) · u2 (x) · u3 (x) · u4 (x) gelten folgende Regeln: y = uvw

y = (uvw) = u vw + uv w + uvw

y = u1 u2 u3 u4

y = (u1 u2 u3 u4 ) = u1 u2 u3 u4 + u1 u2 u3 u4 + u1 u2 u3 u4 + u1 u2 u3 u4

(3.12)

Beispiel 3.7: ⇒

sin x  ln x y =  x2  u

v

u = 2x

v = cos x

w

w =

1 x

1 2 2 y = 2x  sin x ln x + x cos x ln x + x sin x x  u v w u v w 

u v w

= 2x sin x ln x + x cos x ln x + x sin x 2

Quotientenregel Die Quotientenregel wird bei der Ableitung von Funktionen benötigt, die als Quotient von zwei Teilfunktionen definiert sind. Die Ableitung der Funktion y=

u(x) v(x)

oder abgekürzt: y =

u v

ist gegeben durch folgende Quotientenregel: y =

u v − u v v2

(3.13)

Quotientenregel

Wir können (3.13) auf relativ einfache Weise herleiten.6 Hierfür formen wir die gegebene Funktion y = u/v einfach um und wenden dann darauf die Produktregel an: y=

u v

⇒ yv = u

(yv) = u

y v + yv = u

u u − v     u − yv v = u − uv = u v − uv = ⇒ y = 2 2 v v v v v 

Beispiel 3.8: y=

sin x cos x

y =?

6 Neben der hier vorgestellten einfachen Methode gibt es weitere mathematisch noch strengere Herleitungmöglichkeiten, die hier allerdings nicht weiter erläutert werden sollen.

90

3 Differentialrechnung

u = sin x y =

v = cos x



u = cos x

v = − sin x

1 u v − uv cos x cos x − sin x (− sin x) cos2 x + sin2 x = = = 2 v cos2 x cos2 x cos2 x

Beispiel 3.9: y=

x2 sin x

u = x2 y =

y =? v = sin x



u = 2x

v = cos x

u v − uv 2x sin x − x2 cos x = v2 sin2 x

3.4.2 Kettenregel Leibniz-Kalkül In der Infinitesimalrechnung gestattet das Leibniz-Kalkül7 mit Differentialen so umzugehen als wären sie ganz gewöhnliche mathematische Größen. Aus Differentialen zusammengesetzte Terme können in diesem Kalkül nach Bedarf (natürlich nur in mathematisch zulässiger Weise) beliebig umgeformt, erweitert, miteinander multipliziert, dividiert werden usw. So kann man z.B. schreiben: dy dy du dy/du du/dx = = = dx du dx dx/du du/dy

Leibniz-Kalkül

(3.14)

Das Leibniz-Kalkül kann auch auf mehrere Variablen ausgedehnt werden: dy dy du dv = dx du dv dx

dy dy du dv dw = dx du dv dw dx

usw.

Auf der Grundlage des Leibniz-Kalküls können wir jetzt die Herleitung der Kettenregel angehen. Kettenregel Schon bei relativ einfachen Funktionen kommt es häufig vor, dass die elementaren Ableitungen (z.B. (3.7) auf Seite 87) nicht ausreichen, um eine Funktion abzuleiten. Folgende Funktionen beispielsweise lassen sich mit Hilfe der Elementarregeln nicht differenzieren: y = f (x) = sin(x2 )

y = f (x) = ln(x2 − 2x)

y = f (x) = sin2 (3x − 3)

(a)

Wenn f (x) so aufgebaut ist, dass das Argument von f (x) in sich selbst eine Funktion g(x) ist, d.h. f (x) = f (g(x)) gilt, kann durch Einführung einer neuen abhängigen Variable u = g(x) die ursprüngliche Funktion auch als Funktion von u ausgedrückt werden: y = f (x) = f (g(x)) = f (u)

(b)

7 Unter einem Kalkül wird ein logisches System von Regeln verstanden, mit deren Hilfe aus grundlegenden Beziehungen durch Umformungen weitere Beziehungen gewonnen werden können.

3.4 Ableitungsregeln

91

Die Variable y hängt jetzt unmittelbar von u ab, d.h. y = f (u). Selbstverständlich hängt y letztlich von x ab, weil u ja selbst eine Funtion von x ist. Die Funktionen f (x) in (a) lassen sich nun in der Form y = f (u) schreiben: y = f (x) = sin(x2 ) = f (u) = sin u

mit u = g(x) = x2

y = f (x) = ln(x2 − 2x) = f (u) = ln u

mit u = g(x) = x2 − 2x

y = f (x) = sin2 (3x − 3) = f (u) = sin2 u mit u = g(x) = 3x − 3 Die Ableitung von y in (b) lässt sich mit Hilfe des Leibniz-Kalküls (3.14) wie folgt formulieren: y =

dy dy du d f (u) dg(x) = = dx du dx du dx

Für die Funktionen f (u) und g(x) haben sich folgende Bezeichnungen eingebürgert: f (u) : äußere Funktion

g(x) : innere Funktion

Die Ableitungen von f (u) und g(x) werden dementsprechend bezeichnet: d f (u) : äußere Ableitung du

dg(x) : innere Ableitung bzw. Nachdifferenzierung dx

Wir können die Kettenregel in kurzer Schreibweise in nachfolgender Form zusammenfassen: y =

dy dy du = dx du dx

(3.15)

Kettenregel

Beispiel 3.10: Gesucht ist die erste Ableitung der Funktion y = sin(x2 ). u = g(x) = x2

innere Funktion

y = f (u) = sin u

äußere Funktion

d dy = sin u = cos u du du

äußere Ableitung

du d = (x2 ) = 2x dx dx

innere Ableitung (Nachdifferenzierung)

y =

dy du = (cos u) · (2x) = 2x cos u du dx

y = 2x cos(x2 )

Verkettung beider Ableitungen Rücksubstitution von u = x2

92

3 Differentialrechnung

Beispiel 3.11: Die erste Ableitung der Funktion y = 2 sin(3x2 − x) soll bestimmt werden. u = g(x) = 3x2 − x



y = f (u) = 2 sin u

du d(3x2 − x) dy d(2 sin u) = = 2 cos u = = 6x − 1 du du dx dx dy du = (2 cos u) · (6x − 1) = 2(6x − 1) cos(3x2 − x) y = du dx Kettenregel bei mehrfach verschachtelten Funktionen Wie bereits oben bei der einfachen Kettenregel erläutert, gelangt man mit Hilfe der Substitution u = g(x) von der Funktion y = f (x) zur Funktion y = f (u). Falls die Ableitung von u = g(x) in einer Formelsammlung zu finden ist (wie z.B. im Anhang A.6 auf Seite 876), kann die oben beschriebene Kettenregel direkt angewandt werden. Gelegentlich ist die Sache allerdings ein wenig komplizierter und die Substitution muss mehr als einmal durchgeführt werden. Die Funktion y = f (x) = sin(ln(x2 − 3x)) lässt sich beispielsweise mit Hilfe einfacherer Funktionen wie folgt auf die Form y = f (u) zurückführen: Die Substitution v = x2 − 3x liefert :

y = g(v) = sin(ln v)

Die nächste Substitution u = ln v liefert :

y = h(u) = sin u

Die Funktion y = f (x) lässt sich daher in folgender verschachtelter Form ausdrücken: y = f (u(v(x)))

(a)

In (a) ist y also eine Funktion von u, die ihrerseits eine Funktion von v ist, wobei v wiederum eine Funktion von x ist - es handelt sich um eine verkette Funktionsdefinition. Man führt diesen Substitutionsprozess so lange fort, bis jeder Ausdruck in der Kette elementar differenzierbar ist oder mit anderen Worten: bis kein Grund mehr besteht für weitere Substitutionen. Die Ableitung y lässt sich dann auf der Basis des Leibnis-Kalküls durch folgende zweifache Kettenregel bestimmen: y =

dy dy du dv = dx du dv dx

zweifache Kettenregel

(3.16)

Beispiel 3.12: y = sin(ln(x2 − 3x))

y =?

Für den innersten Ausdruck wird folgende Substitution eingeführt: v = h(x) = x2 − 3x



y = sin(ln v)

Die Funktion y = sin(ln v) ist immer noch nicht elementar differenzierbar, so dass eine

3.5 Ableitung logarithmischer Funktionen

93

erneute Substitution vorgenommen wird: u = g(v) = ln v



y = f (u) = sin u

Die Funktion y = sin u kann jetzt elementar differenziert werden. Mit Hilfe der Kettenregel (3.16) erhalten wir: dy dy du dv = dx du dv dx du d(ln v) 1 dv d(x2 − 3x) dy d(sin u) = = cos u = = = = 2x − 3 du du dv dv v dx dx 1 1 y = cos u · · (2x − 3) = cos(ln v) (2x − 3) v v 2x − 3 1 (2x − 3) = 2 cos(ln(x2 − 3x)) = cos(ln(x2 − 3x)) 2 x − 3x x − 3x y =

3.5 Ableitung logarithmischer Funktionen Für die Ableitung einer logarithmischen Funktion y = ln f (x) wird die Kettenregel angewandt. Mit der Variablentransformation u = f (x) ergibt sich: y = ln f (x) = ln u dy dy du = dx du dx Nach Einsetzen der folgenden äußeren und inneren Ableitungen y =

d 1 1 dy = ln u = = du du u f (x)

(äußere Abl.)

du d = f (x) = f  (x) dx dx

(a)

(innere Abl.)

in (a) erhält man die Ableitung der logarithmischen Funktion y = ln f (x): y = ln f (x)

y =

Beispiel 3.13: y = ln(sin x) f (x) = sin x

Beispiel 3.14: y = − ln(cos2 x)

f  (x) f (x)

Ableitung logarithmischer Funktion

y =? y =

cos x f  (x) (sin x) = = = cot x f (x) sin x sin x

y =?

(3.17)

94

3 Differentialrechnung

f (x) = cos2 x

y = −

(cos2 x) −2 cos x sin x f  (x) =− =− = 2 tan x 2 f (x) cos x cos2 x

3.6 Ableitung impliziter Funktionen Wie auf Seite 71 erörtert, kann es vorkommen, dass eine Funktion mit einer unabhängigen Variablen nicht in der expliziten Form y = f (x) sondern in der impliziten Form F(x, y) = 0 vorliegt. Die Bestimmung der Ableitung y = dy/dx aus der impliziten Form F(x, y) = 0 bedarf besonderer Überlegungen. Hierbei existieren folgende Möglichkeiten: a) Man bringt die Funktion von der impliziten Form F(x, y) = 0 in die explizite Form y = f (x) und differenziert f (x) mit Hilfe von Ableitungsregeln vorangegangener Abschnitte. F(x, y) = 0

−→

y = f (x)

Beispiel. Explizite Ableitung der impliziten Funktion √

y − x2 + 3 = 0







y = x2 − 3

√ y − x2 + 3 = 0 nach Transformation.

√ ( y)2 = (x2 − 3)2

y = (x2 − 3)2 = f (x)

y = f  (x) = 2(x2 − 3)(2x) = 4x(x2 − 3)

b) Jetzt sei die Funktion y + sin y − x = 0 betrachtet. Um die Ableitung y dieser Funktion zu ermitteln, könnten wir auch hier versuchen, die Gleichung in die explizite Form y = f (x) zu bringen. Diesmal wird unser Versuch jedoch scheitern. Es existiert einfach keine Möglichkeit, die Gleichung nach y aufzulösen. Trotzdem existiert ein Weg, auch für diese Funktion die Ableitung y zu bestimmen. Man differenziert eine implizite Funktion F(x, y) = 0 mit Hilfe der Kettenregel nach x, wobei zu berücksichtigen ist, dass y selbst eine Funktion von x ist: Es gilt ja prinzipiell y = f (x), auch wenn wir f im vorliegenden Fall nicht angeben können. Daher ist bei der Ableitung von Termen nach x, wo immer y vorkommt, die Kettenregel (äußere und innere Ableitung, s. Seite 90) anzuwenden. Beispiel. Ableitung der impliziten Funktion y + sin y − x = 0 mit der Kettenregel. d(y + sin y − x) d(y) d(sin y) d(−x) = + + =0 dx dx dx dx d(y) d(sin y) d(y) d(−x) = + + =0 dx d(y) dx dx = y + cos y · y − 1 = y (1 + cos y) − 1 = 0 1 ⇒ y = 1 + cos y c) Oder man differenziert die Funktion F(x, y) = 0 mit Hilfe des impliziten Ableitungskonzeptes,

3.6 Ableitung impliziter Funktionen

95

welches in Abschnitt 12.5 auf Seite 632 ausführlich vorgestellt wird. y = −

F,x F,y

implizite Ableitungsformel nach (12.18) auf Seite 632

Beispiel. Implizite Ableitung der impliziten Funktion



(3.18)

y − x2 + 3 = 0.

√ dF(x, y) d( y − x2 + 3) = = 0 − 2x + 0 = −2x dx dx √ 1 1 dF(x, y) d( y − x2 + 3) = = √ −0+0 = √ F,y = dy dy 2 y 2 y

F,x =

y = −

Fx −2x √ = 4x y = 4x(x2 − 3) =− 1 Fy √ 2 y

Beispiel 3.15: Für die implizite Funktion F(x, y) = x2 + y2 − r2 = 0 (Kreisgleichung) soll die erste Ableitung y nach oben beschriebenen Methoden bestimmt werden. a) Transformation der impliziten Funktion in die explizite Form.  x x2 + y2 = r2 ⇒ y = ± r2 − x2 = ±(r2 − x2 )1/2 ⇒ y = ∓ √ r 2 − x2 b) Anwendung der Kettenregel auf die implizite Funktion. d(x2 + y2 − r2 ) d(0) = dx dx

d(x2 ) d(y2 ) d(−r2 ) + + =0 dx dx dx

d(x2 ) d(y2 ) d(y) + +0 = 0 dx dy dx

⇒ 2x + 2yy = 0

y =

−2x −x = 2y y

√ Das Ergebnis für y lässt sich weiter vereinfachen, weil y = ± r2 − x2 gilt: y =

x −x = ∓√ 2 y r − x2

c) Implizite Ableitung mit Hilfe von (12.18) auf Seite 632: y = −

F,x F,y

F,x = 2x

F,x = 2y

y = −

x x 2x = − == ∓ √ 2y y r 2 − x2

96

3 Differentialrechnung

3.7 Ableitung von Parameterfunktionen Funktionen in Parameterform sind in Abschnitt 2.12 auf Seite 72 behandelt. In einer Parameterfunktion werden beide Variablen x und y als Funktionen einer dritten Variable p ausgedrückt: x = f (p)

y = g(p)

p : Parameter (z.B. Zeit, Winkel, Bogenlänge etc.)

Anmerkung: Die Bezeichnung des Parameters ist frei wählbar und gestaltet sich i.d.R. nach der Aufgabenstellung, so sind z.B. t, α, ϕ usw. auch denkbare Parameterbezeichnungen. In ingenieurwissenschaftlichen Anwendungen, insbesondere in der Dynamik, tritt die Zeit t am häufigsten als Parameter auf. Die Ableitung einer Parameterfunktion erfolgt nach der Kettenregel und unter Beachtung des Leibniz-Kalküls (s. Seite 90): dy dy dp dy 1 = = dx dp dx dp dx dp Mit den Abkürzungen

(a)

dx dy = y˙ und = x˙ erhalten wir aus (a): dp dp

Ableitung der Parameterfunktion x = f (p), y = g(p) : dx dy dy y˙ = mit x˙ = y˙ = y = dx x˙ dp dp

p: Parameter

(3.19)

Beispiel 3.16: Waagerechter Wurf. Die Flugbahn beim waagerechten Wurf einer Stahlkugel lässt sich physikalisch mit den Positionskoordinaten x und y als Funktion der Zeit t beschreiben (Luftwiderstand vernachlässigt): x = x(t) = v0 t

1 y = y(t) = y0 − gt 2 2

(a)

Der Zeitpunkt t = 0 markiert den Wurfbeginn, v0 ist die Wurfgeschwindigkeit für t = 0, y0 ist die Wurfhöhe. In Gl. (a) ist die Flugbahn der Kugel als Parameterfunktion mit dem Parameter t beschrieben. Gesucht ist der Bahnwinkel α der Kugel gegenüber der waagerechten x-Achse , wenn sie gerade den Boden berührt hat. Die Steigung y der Flugbahn erhalten wir aus (3.19):   dx d d dy 1 2 x˙ = = (v0 t) = v0 = y˙ = y0 − gt = −gt dt dt dt dt 2   −gt y˙ −gt   = tan α Bahnwinkel: α = arctan y = arctan (b) y = = x˙ v0 v0 Um aus (b) den Bahnwinkel bei Bodenberührung bestimmen zu können, benötigen

3.7 Ableitung von Parameterfunktionen

97

wir den Berührungszeitpunkt T , der sich aus (a) errechnen lässt:  Bei Berührung gilt: y(T ) = 0



1 y0 − g T 2 = 0 2



T=

2y0 g

(c)

Den Bahnwinkel α bei Bodenberührung erhalten wir durch Substitution von (c) in (b):  2y0 √ √ −g − 2gy0 − 2gy0 −gT g = = ⇒ α = arctan (d) tan α = v0 v0 v0 v0

y y0

v0 t

y(t)

v(t)

x(t)

xT

x

a

vT Flugbahn beim waagerechten Wurf

Zahlenbeispiel: Für v0 = 20m/s, y0 = 40 m, g = 9,81 m/s2 berechnen wir den Bahnwinkel α bei Bodenberührung aus (d): √ √ − 2gy0 − 2 · 9,81 · 40 = −54,48◦ α = arctan = arctan v0 20 Die Flugdauer T und waagerechte Flugstrecke xT sind:  2 · 40 = 2,8557s xT = v0 · T = 20 · 2,8557 = 57,11m T= 9,81 Wegen der Vernachlässigung des Luftwiderstands ist die totale Geschwindigkeit der Kugel bei Bodenberührung größer als beim Wurfstart: Horizontale Geschwindigkeit: Vertikale Geschwindigkeit: Totale Geschwindigkeit:

vh = v0 = 20 m/s vv = −gT = −9,81 · 2,8557 = −28,01 m/s   vt = v20 + v2v = 202 + (−28,01)2 = 34,42 m/s

98

3 Differentialrechnung

y Dx

y=f(x)

y1 yL y0

P1 PL P0

a

x0

DyE

Dy

DyL

n te Tange

x1

x

P1 exakter Funktionswert, PL linearisierter Funktionswert Bild 3.2: Linearisierung einer Funktion

3.8 Linearisierung einer Funktion Aus der in Gl. (3.4) auf Seite 85 formulierten Ableitungsdefinition erhalten wir: dy = y dx

(a)

Aufgrund der Tatsache, dass y die Steigung der Tangentengerade an die Kurve darstellt, können wir die obige Beziehung wie folgt interpretieren: dy entspricht der linearisierten Änderung der Funktion y = f (x), wenn wir uns von der aktuellen x-Position um den infinitesimalen Betrag dx entfernen, d.h. wenn wir uns an der Stelle x + dx befinden. Linearisierung bedeutet also, dass in der Nachbarschaft der aktuellen x-Position nicht der tatsächliche Funktionsverlauf betrachtet wird, sondern die an dieser x-Stelle an die Funktionskurve angelegte Tangente die Rolle dieser Kurve übernimmt. In Bild 3.2 bedeutet also die Linearisierung der rot gezeichneten Funktionskurve an der Position x0 , dass die blau eingezeichnete Tangentengerade als näherungsweiser Ersatz für die rote Linie betrachtet wird. Dort ist gut ersichtlich, dass in unmittelbarer Nachbarschaft des Punkts P0 die Differenz zwischen der roten Kurve (exakter Wert) und der blauen Linie (linearisierter Wert) so klein ist, dass es tatsächlich gerechtfertigt erscheint, die blaue Linie und die rote Kurve als gleichwertig zu akzeptieren. Natürlich wird diese Gleichwertigkeit umso fragwürdiger, je mehr man sich von der Position x0 entfernt. In der Auffassung der modernen Mathematik lässt sich somit die Differentiation auch besonders einprägsam formulieren: Differentiation bedeutet Linearisierung in infinitesimaler Nachbarschaft. Falls in der obigen Beziehung (a) anstelle der infinitesimalen Größe dx der endliche (d.h. nichtinfinitesimale) Inkrement Δx verwendet wird (s. Bild 3.2), erhält man den linearen Zuwachs ΔyL des Funktionswertes entlang der Tangentengerade: ΔyL = tan α · Δx = y (x0 ) · Δx

mit Δx = x1 − x0

lineares Inkrement

(3.20)

3.8 Linearisierung einer Funktion

99

Wenn der Abstand Δx infinitesimal klein wird, d.h. Δx → dx, bewegt sich der Punkt PL in die infinitesimale Nachbarschaft von P1 , d.h. PL → P1 . Die Differenz ΔyE zwischen dem exakten und dem linearisierten Funktionswert wird ebenfalls infinitesimal klein. Für Δx → dx : yL → y1 Für den Grenzfall geht der linearisierte Funktionswert (Punkt PL ) in den exakten Wert (Punkt P1 ) über: lim PL = P1

Δx→0

lim yL = y1

Δx→0

Mit wachsendem Δx hingegen wird die Abweichung zwischen P1 und PL größer. Je nach betrachteter Funktion f (x) und dem Abstand Δx könnte diese Abweichung evtl. durchaus klein sein, unter Umständen aber auch riesig groß werden. In den Funktionsschaubildern der Beispiele 3.17 und 3.18 ist die Zunahme dieser Abweichung mit zunehmendem Abstand Δx gut erkennen. Der beschriebene Vorgang wird Linearisierung der Funktion y = f (x) an der Stelle x0 genannt. Der Punkt P0 ist der Linearisierungspunkt. Wie aus Bild 3.2 leicht zu ersehen, ergibt sich der linearisierte Funktionswert yL zu: yL = y0 + ΔyL = y0 + y (x0 ) · Δx

oder yL = y0 + y (x0 ) · (x1 − x0 )

Durch Einführung der allgemeinen Variable x anstelle von x1 in der obigen Gleichung erhält man die an der Stelle x0 linearisierte Funktion yL : yL (x) = y0 + y (x0 ) · (x − x0 )

linearisierte Funktion

(3.21)

Vor allem in technischen Anwendungen, z.B. der nichtlinearen Mechanik, ist die Linearisierung von Funktionen die unverzichtbare mathematische Basis für Computerprogramme. Beispiel 3.17: √ Die Funktion y = 3 3 x soll an der Stelle x0 = 0,4 linearisiert werden. Ferner sollen an folgenden Positionen xi der absolute und der relative Fehler zwischen dem exakten und dem linearisierten Funktionswert berechnet werden. i xi

0 0,40

1 0,41

2 0,50

3 1,00

Die Linearisierung der Funktion bedeutet die Aufstellung der Gleichung der Tangentengeraden. Die y-Koordinate der Tangente an die Funktionskurve an der Stelle x = 0,4 √ ergibt sich zu y0 = 3 3 0,4 = 2,21042. Die Steigung der Tangente im Punkt (x0 , y0 ) = (0,4; 2,21042) lässt sich wie folgt errechnen: Ableitung der Funktion: Steigung an der Stelle (x0 , y0 ) :

√ 1 3 x) = (3 x1/3 ) = 3 x−2/3 = x−2/3 3 m = y (x0 ) = y (0,4) = 0,4−2/3 = 1,842016

y = (3

100

3 Differentialrechnung

α = arctan m = arctan 1,842016 ⇒ α = 61,5◦

Steigungswinkel:

Der exakte Inkrement Δyi an der Stelle xi wird aus der Differenz der exakten Funktionswerte berechnet: Δyi = yi − y0

wobei yi = y(xi ) und y0 = y(x0 ) = y(0,4) = 2,21042

Der linearisierte Inkrement ΔyL,i an der Stelle xi ergibt sich aus: ΔyL,i = y (x0 ) · Δxi

mit y (x0 ) = 1,842 und Δxi = xi − x0

Der absolute Fehler Eabs und der relative Fehler Erel zwischen dem exakten und dem linearisierten Inkrement wird anhand von (1.5) und (1.6) auf Seite 5 wie folgt berechnet:    Δyi − ΔyL,i   Erel =  Eabs = |Δyi − ΔyL,i |  Δyi Die Auswertung obiger Beziehungen liefert in tabellarischer Zusammenstellung: i xi Δxi = xi − x0 √ yi = 3 3 xi Δyi = yi − y0 ΔyL,i = y (x0 ) · Δxi Eabs Erel

0 0,40 0,0 2,21042 0 0 0 0%

1 0,41 0,01 2,22869 0,01827 0,01842 0,00015 0,8%

2 0,50 0,10 2,38110 0,17068 0,18420 0,01352 7,9%

3 1,00 0,60 3,00000 0,78958 1,10520 0,31562 40%

Wir sehen, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft von x0 der Fehler zwischen dem exakten und dem linearisierten Ergebnis noch ziemlich klein ist, mit zunehmendem Abstand aber rasch groß wird.

√ Linearisierung von y = 3 3 x an der Stelle x0 = 0,4

3.8 Linearisierung einer Funktion

Beispiel 3.18: Es soll die Funktion y = e−x an der Stelle P = (xP , yP ) = (−1; 2,7183) linearisiert werden. Anschließend ist der relative Fehler an der Stelle x = −0,5 aufgrund der Linearisierung zu berechnen. Die Geradengleichung ergibt sich auf der Basis der Linearisierung gemäß (3.21) zu: yL = yP + y (xP ) · (x − xP ) yP = y(xP ) = e−(−1) = 2,7183  y (xP ) = −e−(−1) = −2,7183 y = e−x = −e−x yL = 2,7183 − 2,7183(x − (−1)) = −2,7183x An der Stelle x = −0,5 ergibt sich der linearisierte Funktionswert zu: yL (−0,5) = −2,7183 · (−0,5) = 1,3592 Der exakte Funktionswert für x = −0,5 beträgt: y(−0,5) = e−(−0,5) = 1,6487 Den relativen Fehler: Erel berechnen wir aus (1.6) auf Seite 5:      y − yL   1,6487 − 1,3592     = 0,176 = 17,6%  = Erel =   y   1,6487 Mit zunehmendem Abstand vom Linearisierungspunkt xP vergrößert sich auch der Fehler E, z.B. ergibt sich für x = 0 ein sehr großer Fehler:      y − yL   1 − 0  0  = 1 ≡ 100%    yL (0) = −2,7183 · 0 = 0 y(0) = e = 1 Erel =  = y1   1 

101

102

3 Differentialrechnung

3.9 Höhere Ableitungen Die Ableitung der ersten Ableitung heißt die zweite Ableitung, die Ableitung der zweiten Ableitung heißt die dritte Ableitung usw. Für die formale Bezeichnung verschiedener Ableitungen einer Funktion y = f (x) können folgende alternative Schreibweisen verwendet werden:

y =

d d dy d(y) = = y= (y) dx dx dx dx

y =

d  d2 y d(y ) d = y = = dx2 dx dx dx

y



d  d3 y d(y ) d = y = = 3= dx dx dx dx

(3.22)

1. Ableitung

dy dx





d2 y dx2

(3.23)

2. Ableitung 

d = dx



d dx



dy dx

 3. Ableitung

(3.24)

Beispiel 3.19: Für die nachfolgenden Funktionen werden verschiedene Ableitungen ermittelt. a) y = x

y = 1

y = (y ) = (1) = 0

y = 0

b) y = x2

y = 2x

y = 2

y = 0

c) y = 5x3 − 8x2

y = 30x − 16 3 y = 2 x y = 3a2 eax

y = 30

e) y = 3eax

y = 15x2 − 16x 3 y = − x y = 3aeax

f) y = sin(3 − x) g) y = 2 sin(3x)

y = − cos(3 − x) y = 6 cos(3x)

y = − sin(3 − x)

y = cos(3 − x)

y = −18 sin(3x)

y = −54 cos(3x)

d) y = −3 ln x

6 x3 y = 3a3 eax y = −

3.10 Alternative Formeln für die zweite Ableitung Mit Hilfe des Leibniz-Kalküls (Seite 90) lässt sich eine besondere Formel für die 2. Ableitung einer Funktion y = f (x) nach x herleiten, die von der oben angegebenen Formeln abweicht. Wir gehen zu diesem Zweck von der sofort einleuchtenden Identitätsbeziehung y = y



y =

1 2y y 2y

(a)

aus. Den Term 2y y können wir durch einen anderen Term ersetzen. Zu diesem Zweck definieren wir zunächst die Hilfsfunktion g, die von y abhängt. Anschließend leiten wir g einmal formal

3.10 Alternative Formeln für die zweite Ableitung

103

und einmal unter Beachtung der Kettenregel nach x ab. Definition: g = g(y ) = (y )2 d  2 dg dy (y ) =  dx dy dx





d  2 dg = (y ) dx dx

Die Ableitungen lauten:

Kettenregel:

dg dy dg =  dx dy dx

dg d(y )2 = = 2y  dy dy

dy = y dx

d  2 (y ) = 2y y dx Nach Umstellung von (b) erhalten wir die alternative Formel für die zweite Ableitung: ⇒

y =

1 d(y2 ) 2y dx

1. alternative Form für die zweite Ableitung

(b)

(3.25)

Aus (3.25) lässt sich eine zweite Alternative für die zweite Ableitung herleiten, die bei der Behandlung von physikalischen Aufgaben mitunter nützlich ist (s. Beispiel 3.21). Im Nenner der Beziehung (3.25) setzen wir anstelle von y den gleichwertigen Ausdruck dy/dx ein und erhalten nach Streichen der dx-Terme im Zähler und Nenner folgendes Ergebnis: y =

1 d  2 1 d x d  2 1 d 2 (y ) = y (y ) = dy dx 2 dy  2 dy d x 2 dx

y =

d2 y 1 d(y2 ) = dx2 2 dy

2. alternative Form für die zweite Ableitung

(3.26)

Diese Formel besagt, dass die 2. Ableitung y einer Funktion y = f (x) auch ermittelt werden kann, wenn man die 1. Ableitung y = dy/dx zunächst quadriert und dann das Ergebnis y2 nach y differenziert und durch 2 dividiert. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Formel (3.26) ist allerdings, dass y ausschließlich von y, nicht aber von x, abhängt. In der Regel muss man vorher durch geeignete Substitution alle x-Terme aus y eliminieren. Falls es sich um ein zeitabhängiges Problem handelt, z.B. Bewegung von Körpern, können die Beziehungen (3.25) und (3.26) sinngemäß angepasst werden. Bezeichnen wir mit s = f (t) die von der Zeit t abhängige Wegstrecke, so lautet die zweite Ableitung von s nach t, d.h. die Beschleunigung in alternativer Darstellung:

s¨ =

1 d(s˙2 ) 2s˙ dt

mit

s˙ =

ds dt

(3.27)

s¨ =

d2 s 1 d(s˙2 ) = dt 2 2 ds

(3.28)

Beispiel 3.20: Wir wollen die 2. Ableitung der Funktion y = 3eax mit Hilfe der Formeln (3.25) und (3.26) bestimmen (s. auch Beispiel 3.19).

104

3 Differentialrechnung

Die erste Ableitung von y = 3eax nach x lautet: y = 3aeax

⇒ y2 = 9a2 e2ax

Anwendung von (3.25) liefert:

d(y2 ) d 9a2 e2ax = = 18a3 e2ax dx dx

y =

18a3 e2ax 1 d(y2 ) = = 3a2 eax 2y dx 2 · (3aeax )



Für die Anwendbarkeit der Formel (3.26) darf y2 keine x-Terme enthalten. Das gelingt uns durch geeignete Substitution: 3eax = ay y = 3aeax = a 

⇒ y2 = a2 y2



y

y =

1 d(y2 ) 2a2 y = = a2 y = a2 · 3eax = 3a2 eax 2 dy 2

d(y2 ) = 2a2 y dy



Beispiel 3.21: Die von einem sich geradlinig bewegenden Körper zurückgelegte Strecke sei durch die Beziehung s = 2 t 2 gegeben. Die Beschleunigung a des Körpers für t = 5 s soll sowohl klassisch mittels zweiter Zeitableitung von s(t) nach t als auch nach (3.27) und (3.28) berechnet werden. a) Klassische Ermittlung der Beschleunigung über zweimalige Ableitung von s(t) nach t: ds = s˙ = 4 t dt

d2 s = s¨ = 4 dt 2

a = s¨ = 4 m/s2

b) Berechnung nach Gl. (3.27): s˙ = 4t

s˙2 = 16t 2

s¨ =

1 d(16t 2 ) 1 1 d(s˙2 ) = = · 32t = 4 m/s2 2s˙ dt 2 · 4t dt 8t

c) Berechnung nach Gl. (3.28): s˙ = 4t

s˙2 = 16t 2

s¨ =

1 d(s˙2 ) 1 d(16t 2 ) = 2 ds 2 ds

Der Ausdruck 16t 2 kann nicht unmittelbar nach s abgeleitet werden. Dazu wird t 2 als Funktion von s aufgestellt. Die durch die Aufgabenstellung vorgegebene Beziehung s = 2t 2 liefert t 2 = s/2. Wir erhalten somit: s¨ =

1 d(16 · s/2) 1 d(8s) 1 = = · 8 = 4 m/s2 2 ds 2 ds 2

3.11 Entwicklung von Funktionen in Potenzreihen

105

f (x) = ex + sin x + tan x − x/(x2 − 4) g(x) = 1 + (13/4)x + (1/2)x2 Bild 3.3: Graph der Funktionen f (x) und g(x)

3.11 Entwicklung von Funktionen in Potenzreihen In Bild 3.3 sind beispielhaft die Graphen der Funktionen f (x) = ex + sin x + tan x − g(x) = 1 +

x x2 − 4

13 1 x + x2 4 2

(a) (b)

dargestellt. Es fällt sofort auf, dass im Intervall 0 ≤ x ≤ 0,4 kaum ein Unterschied zwischen ihnen zu erkennen ist. Ferner stellen wir fest, dass der mathematische Ausdruck in (b) (lediglich eine Polynomfunktion 2. Grades) deutlich einfacher aufgebaut ist als der Ausdruck in (a), wo mehrere unterschiedliche Funktionsarten vorkommen. Ferner sei angenommen, dass für die uns vorliegende technische Aufgabe nur der Bereich 0 ≤ x ≤ 0,4 von Interesse ist. Unter diesen Umständen wären wir eher dazu geneigt, mit der Polynomfunktion g(x) zu arbeiten als mit f (x). Die Frage ist nur: gibt es eine allgemeine Möglichkeit, eine beliebig komplizierte Funktion in eine einfache Polynomfunktion zu überführen? Die Antwort lautet »ja« - wenn wir zunächst mal von diversen mathematischen Voraussetzungen und Feinheiten absehen. Eine Potenzreihe ist ein Polynom der Form P(x) = a0 + a1 x + a2 x2 + · · · + an xn

(3.29)

Die Transformation einer beliebigen Funktion in eine Polynomfunktion wird Entwicklung in eine Potenzreihe genannt. Jede beliebige Funktion y = f (x) lässt sich als eine Potenzreihe ausdrücken, sofern sie genügend oft differenzierbar ist. Für diesen Zweck stehen uns zwei Hilfsmittel zur Verfügung: die Taylor-Reihe und die Maclaurin-Reihe als Sonderfall der Taylor-Reihe.

106

3 Differentialrechnung

3.11.1 Taylor-Reihe und Maclaurin-Reihe Taylor-Reihe. Eine beliebige Funktion f (x) kann in der näheren oder weiteren Umgebung der Stelle x = x0 durch folgende Taylor-Reihe exakt wiedergegeben werden, sofern an der Stelle x0 der Funktionswert sowie die Werte aller Ableitungen existieren: f (x) = f (x0 ) +

f  (x0 ) f  (x0 ) f  (x0 ) (x − x0 ) + (x − x0 )2 + (x − x0 )3 + · · · 1! 2! 3!

(3.30)

Die obige Transformation der Funktion f (x) in eine Potenzreihe bezeichnet man auch als Entwicklung von f (x) in eine Taylor-Reihe. Die Stelle x0 ist der Entwicklungspunkt. Die Festlegung von x0 erfolgt natürlich nach den Gegebenheiten der zu behandelnden Aufgabe. In der Praxis ist es nicht machbar und meistens auch nicht erforderlich, in (3.30) unendlich viele Glieder zu erfassen. Vielmehr wird es i.d.R. ausreichend genau sein, die Potenzreihe nach dem n-ten Glied zu beenden und die Summe aller Glieder jenseits des n-ten Glieds einfach mit dem Symbol R zu kennzeichnen: f (x) = f (x0 ) +

f  (x0 ) f  (x0 ) f (n) (x0 ) (x − x0 ) + (x − x0 )2 + · · · + (x − x0 )n + R 1! 2! n!

(3.31)

Der Ausdruck f (n) (x0 ) bedeutet die n-te Ableitung der Funktion f (x) an der Stelle x = x0 . Durch den Reihenabbruch nach dem n-ten Glied entsteht ein Fehler von der Größe R gegenüber dem exakten Wert mit unendlich vielen Gliedern. Dieser Restfehler R wird jedoch i.d.R. vernachlässigbar klein sein, wenn man »genügend« viele Glieder erfasst hat. Wie viele Glieder genügend sind, kann nur mit Hilfe von mathematischen Fehlerabschätzungsmethoden näherungsweise berechnet werden. In der Praxis wird man jedoch pragmatisch vorgehen: Man nimmt so viele Glieder mit, wie es sinnvoll erscheint. Natürlich ist die Taylor-Reihe nur dann ein brauchbarer Ersatz für die Funktion f (x), wenn sie konvergiert. Eine Reihe ist konvergent, wenn die Reihenglieder immer kleiner werden, so dass ein Grenzwert für die Potenzreihe existiert (diese Definition ist etwas unscharf formuliert zugunsten der Anschaulichkeit). Durch Weglassen des Restglieds R in (3.31), d.h. Vernachlässigung aller Glieder jenseits des n-ten Glieds, erhält man eine abgebrochene Potenzreihe fn (x), die eine näherungsweise Wiedergabe der gegebenen Funktion f (x) gestattet. Die Taylor-Approximation fn (x) einer Funktion f (x) in der Umgebung des Entwicklungspunktes x0 lautet daher: Taylor-Reihe f (x) ≈ f (n) = f (x0 ) +

f  (x0 ) f  (x0 ) f (n) (x0 ) (x − x0 ) + (x − x0 )2 + · · · + (x − x0 )n 1! 2! n! (3.32)

Die Anzahl der Reihenglieder beträgt n + 1, d.h. ist endlich; daher ist die abgebrochene TaylorReihe nur eine Näherung für die tatsächliche Funktion f (x) und besitzt stets einen Restfehler R, der allerdings umso kleiner wird, je mehr Glieder betrachtet werden. Der Restfehler R hängt sowohl vom höchsten Grad der in der Taylorreihe vorkommenden Ableitung n, als auch von der Stelle x0 , an der die Entwicklung stattfindet, ab. In fortgeschritte-

3.11 Entwicklung von Funktionen in Potenzreihen

107

nen Anwendungen, z.B. numerische Mechanik nach der Finite Element Methode FEM, lässt R sich mit vertretbarem Aufwand nicht berechnen. Die Festlegung von n wird daher in der Praxis erfahrungsgemäß durch Konvergenzverfolgung empirisch getroffen. Für ingenieurtechnische Anwendungen ist der zweckmäßigste Weg zur Festlegung von n eine Beobachtung des Abfalls der Reihenglieder mit zunehmendem n. Die Reihe wird bei jenem n-ten Glied abgebrochen, wenn das nächste Glied jenseits von n unterhalb eines -zweckmäßig zu wählenden- Schwellenwertes liegt. Maclaurin-Reihe. In (3.32) ist der Entwicklungspunkt x0 nicht fixiert - er hängt von der Aufgabenstellung ab. Falls von vorneherein x0 = 0 ist bzw. durch eine geeignete Transformation zu 0 verschoben wird, resultiert aus (3.32) die einfacher aufgebaute Maclaurin-Reihe: Maclaurin-Reihe f (x) ≈ f (n) = f (0) +

f  (0) 2 f  (0) f (n) (0) n x+ x +···+ x 1! 2! n!

(3.33)

Alle vorherigen Ausführungen über die Taylor-Reihe behalten auch für die Maclaurin-Reihe ihre Gültigkeit ohne Einschränkung bei. Die Taylor-Reihe in Beispiel 3.22 ist gleichzeitig eine Maclaurin-Reihe, weil dort x0 = 0 vorliegt. Die Maclaurin-Reihe darf also als Spezialfall der Taylor-Reihe angesehen werden.

Beispiel 3.22: Gesucht ist die Entwicklung der Funktion f (x) = ex in eine Taylor-Reihe an der Stelle x0 = 0 mit n = 3. Ferner soll der relative Fehler gemäß (1.6) auf Seite 5 an den Stellen x = 0,2 und x = 1,0 bestimmt werden. f  (x) = ex

f (x) = ex x0 = 0

⇒ f (0) = e0 = 1

f  (x) = ex f  (0) = 1

f (3) (x) = ex f  (0) = 1

f (3) (0) = 1

Die Taylorreihe mit n = 3 ergibt sich nach (3.32) zu: fn (x) = 1 +

1 1 1 1 1 (x − 0) + (x − 0)2 + (x − 0)3 = 1 + x + x2 + x3 1! 2! 3! 2 6

1 2 1 3 x + x 2 6 Fehler an der Stelle x = 0,2: ex ≈ fn (x) = 1 + x +

Exakter Funktionswert für x = 0,2: f (0,2) = e0,2 = 1,22140 Funktionswert der Taylor-Reihe für x = 0,2 gemäß (a): 1 1 fn (0,2) = 1 + 0,2 + 0,22 + 0,23 = 1,22133 2 6 Relativer Fehler zwischen exaktem und angenähertem Funktionswert:

(a)

108

3 Differentialrechnung

     f − fn   1,22140 − 1,22133     = 5,7 · 10−5 ≡ 0,0057%  = Erel =   f   1,22140 Fehler an der Stelle x = 1: Exakter Funktionswert für x = 1:

f (1) = e1 = 2,718

Funktionswert der Taylor-Reihe für x = 1 gemäß (a): 1 1 fn (1) = 1 + 1 + 12 + 13 = 2,667 2 6 Relativer Fehler zwischen exaktem und angenähertem Funktionswert:      f − fn   2,718 − 2,667  =  = 0,0188 ≈ 1,9% Erel =   f   2,718 Das Bild unten zeigt den Graph der Funktion f (x) = ex und ihrer Taylor-Approximation fn (x) mit 3 Reihengliedern. Wir erkennen leicht, dass die Übereinstimmung für x < 1 sehr gut ist, mit zunehmendem x jedoch immer schlechter wird.

Taylor-Approximation der Funktion y = ex für x0 = 0 und n = 3

Die Tabelle unten zeigt für verschiedene x-Positionen den absoluten und den relativen Fehler zwischen dem exakten Wert und dem Taylorschen Näherungswert. Fehler der Taylor-Reihe für f (x) = ex ,

x0 = 0,

n=3

x

0,2

1,0

2,0

3,0

4,0

f (x)

1,22140

2,718

7,389

20,09

54,60

fn (x)

1,22133

2,667

6,333

13,00

23,67

Eabs

0,000069

0,0516

1,056

7,09

30,93

Erel

0,0057%

1,9%

14,3%

35,3%

56,7%

Man sieht, dass mit zunehmender x-Koordinate der Fehler rapide zunimmt. Abhilfe würde hier die Berücksichtigung von mehr Gliedern schaffen. Beispielhaft wurde für x = 3 der Fehler in Abhängigkeit von der Anzahl n der berücksichtigten Reihenglieder

3.11 Entwicklung von Funktionen in Potenzreihen

mit M APLE berechnet und nachfolgend zusammengestellt. Fehler an der Stelle x = 3 in Abhängigkeit von n n

1

2

3

4

5

6

f (x)

20,09

20,09

20,09

20,09

20,09

20,09

fn (x)

4,0

8,50

13,00

16,38

18,40

19,41

Eabs

16,09

11,59

7,09

3,71

1,69

0,67

Erel

80,09%

57,7%

35,3%

18,5%

8,4%

3,4%

Beispiel 3.23: Die Funktion f (x) = sin x soll in eine Maclaurin-Reihe 8-ter Ordnung entwickelt und der relative Fehler gemäß (1.6) für x = π/2 bestimmt werden. Da n = 8 ist, werden die ersten 8 Ableitungen benötigt: f  = cos x

f  = − sin x

f  = − cos x

f (4) = sin x

f (5) = cos x

f (6) = − sin x

f (7) = − cos x

f (8) = sin x

An der Entwicklungsposition x = 0 erhält man: f (0) = 0

f  (0) = 1

f  (0) = 0

f  (0) = −1

f (5) (0) = 1

f (6) (0) = 0

f (7) (0) = −1

f (8) (0) = 0

f (4) (0) = 0

Die Maclaurin-Reihe für sin x ergibt sich gemäß Gl. (3.33) zu: 0 1 −1 3 0 4 1 5 0 6 −1 7 0 8 x + x2 + x + x + x + x + x + x 1! 2! 3! 4! 5! 6! 7! 8! −1 3 1 5 −1 7 1 x3 x5 x7 x+ x + x + x = ⇒ sin x ≈ x − + − 1! 3! 5! 7! 3! 5! 7!

fn (x) = 0 +

Relativer Fehler an der Stelle x = π/2: Die Maclaurin-Reihe liefert: sin

π (π/2)3 (π/2)5 (π/2)7 π ≈ fn (π/2) = − + − 2 2 3! 5! 7! ≈ 1,57079 − 0,64596 + 0,08969 − 0,00468 = 0,9998

Der exakte Wert ist sin(π/2) = 1. Der relative Fehler Erel beträgt nach Gl. (1.6):      f − fn   1 − 0,9998     = 0,0002 ≡ 0,02%  = Erel =   f   1

109

110

3 Differentialrechnung

3.12 Unbestimmte Ausdrücke und Regel von l’Hospital Mathematische Operationen liefern gelegentlich Ergebnisse, mit denen man »nicht viel anfangen« kann, nämlich sog. unbestimmte Ausdrücke. Die Motivation für die Regel von l’Hospital liegt in diesen unbestimmten Ausdrücken. Als einführendes Beispiel betrachten wir die nachfolgenden Grenzwerte. Dabei sollten wir vor Augen halten, dass limx→x0 f (x) = f (x0 ) gilt. a)

sin x sin 0 0 = = x→0 x 0 0 lim

b)

cos x − 1 cos 0 − 1 1 − 1 0 = = = x→0 x 0 0 0 lim

Mit den beiden Resultaten lässt sich nicht viel anfangen, weil 0/0 nicht eindeutig ist. Wenn wir unseren Fokus zunächst auf die Null im Zähler richten, müsste nach den Regeln der Mathematik das Ergebnis ebenfalls Null sein (Null dividiert durch eine Zahl ergibt Null). Richten wir unsere Aufmerksamkeit hingegen zunächst auf die Null im Nenner, würde das Ergebnis gleich ∞ sein, weil die Division einer Zahl durch Null ∞ ergibt. Das Resultat ist also nicht eindeutig. Deshalb wird der Ausdruck 0/0 ein unbestimmter Ausdruck genannt. Die nachfolgende Tabelle zeigt das numerische Ergebnis von sin x/x für verschiedene x-Werte (für die Berechnung des Sinus ist x in rad einzusetzen!). Mit Ausnahme von x = 0 sind die Resultate unauffällig. Mit kleiner werdendem x rückt das Ergebnis immer näher an 1 heran. Für x = 0 kommt allerdings ein unbestimmtes Ergebnis heraus. Es wäre aber nur logisch, auch für x = 0 ein Resultat zu erwarten, welches sich in der Größenordnung seines vorherigen Nachbarwertes, d.h. bei 1,0 befindet. x sin x/x

10−1 0,9983342

10−2 0,9999833

10−3 0,9999998

10−4 0,9999999

10−5 1,0000000

0 0/0 (!)

Es gibt auch andere Formen von unbestimmten Ausdrücken, s. Tabelle 3.1. Unbestimmte Ausdrücke lassen sich mit Hilfe der Regel von l’Hospital recht elegant berechnen. Tabelle 3.1: Beispiele für unbestimmte Ausdrücke f (x)

x0

f (x0 )

sin x/x

0

0/0

(1 − ex )/x

0

0/0

ex /x



∞/∞

x(e1/x − 1)



∞·0

(ex − 1)x

0

00

(1/x)x

0

∞0

3.12 Unbestimmte Ausdrücke und Regel von l’Hospital

111

3.12.1 Unbestimmte Ausdrücke der Form 0/0 Für den unbestimmten Ausdruck der Form 0/0 ist es zweckmäßig, dem Zähler und dem Nenner jeweils eine eigene Bezeichnung zu geben, z.B. f (x) bzw. g(x): f (x) sin x = x g(x)

mit f (x) = sin x,

Daraus folgt:

lim f (x) lim sin x sin 0 0 sin x f (x) x→0 x→0 = lim = = = = x→0 x x→0 g(x) lim g(x) lim x 0 0

g(x) = x

lim

x→0

x→0

Für einen unbestimmten Ausdruck der Form 0/0 erhalten wir das korrekte Resultat aus folgender Regel von l’Hospital: Falls lim

x→x0

f (x) 0 = : g(x) 0

lim

x→x0

f (x) f  (x) = lim  g(x) x→x0 g (x)

Regel von l’Hospital

(3.34)

Die Funktion f (x) im Zähler und g(x) im Nenner werden also voneinander unabhängig nach x abgeleitet. Anschließend wird der Grenzwert gebildet (s. Beispiel 3.24). Wenn der neue Grenzwert wieder ein unbestimmter Ausdruck ist, ist die Regel von l’Hospital erneut anzuwenden, d.h. diesmal wird der Grenzwert limx→x0 f  (x)/g (x) gebildet. Liefert auch dieser Schritt erneut einen unbestimmten Ausdruck, werden die dritten Ableitungen gebildet. Falls nötig, wird dieser Vorgang solange wiederholt bis die Form 0/0 nicht mehr vorhanden ist. Herleitung der Formel (3.34) für die Form 0/0:8 Es ist instruktiv und vermittelt einen guten Eindruck von der Leistungsfähigkeit der Differentialrechnung, die Formel (3.34) herzuleiten. Der Ausdruck limx→x0 f (x)/g(x) kann auch wie folgt geschrieben werden: lim

x→x0

lim f (x + Δx) f (x) f (x + Δx) x→x0 ≡ x→x lim = lim 0 g(x + Δx) Δx→0 lim f (x + Δx) g(x) Δx→0

(a)

x→x0

Zähler und der Nenner des letzten Ausdrucks in (a) können mit Hilfe der Taylor-Reihe gemäß Gl. (3.32) linearisiert werden: lim f (x + Δx) = f (x0 ) + f  (x0 )Δx

x→x0

lim g(x + Δx) = g(x0 ) + g (x0 )Δx

(b)

x→x0

Nach Einsetzen von (b) in (a) erhalten wir: lim

x→x0

 f (x) f (x0 ) + f  (x0 )Δx 0 + f  (x0 )Δx f  (x0 ) Δx f  (x0 = lim = lim = lim =  g (x0 ) g(x) Δx→0 g(x0 ) + g (x0 )Δx Δx→0 0 + g (x0 )Δx Δx→0 g (x0 ) Δx

8 Für die Herleitung der l’Hospital-Regel für andere Formen wird auf Spezialliteratur verwiesen.



112

3 Differentialrechnung

Beispiel 3.24: sin x =? x→0 x lim

Einsetzen von x = 0 liefert:

sin x sin 0 0 = = x→0 x 0 0 lim

Mit f (x) = sin x und g(x) = x liefert die l’Hospital-Regel (3.34): sin x (sin x) cos x = lim = lim cos x = cos 0 = 1 = lim x→0 x x→0 (x) x→0 1 x→0 lim

Das Ergebnis »1« bestätigt unsere Vermutung hinsichtlich des Funktionsgrenzwerts für x → 0, die wir aufgrund der Tabellenergebnisse auf Seite 110 angestellt hatten.

3.12.2 Unbestimmte Ausdrücke der Form ∞/∞ Für unbestimmte Ausdrücke der Form ∞/∞ gilt ebenfalls die Formel (3.34): Falls lim

x→x0

f (x) ∞ = : g(x) ∞

lim

x→x0

f (x) f  (x) = lim  g(x) x→x0 g (x)

(3.35)

Beispiel 3.25: lim

x→π/2

tan x =? tan 3x

Standardauswertung: lim

x→π/2

tan π/2 ∞ tan x = = tan 3x tan 3π/2 ∞

Mit f (x) = tan x und g(x) = tan 3x liefert die l’Hospital-Regel (3.35): 1 2x tan x (tan x) 1 + tan2 x cos lim = lim = lim = lim 2  3 x→π/2 tan 3x x→π/2 (tan 3x) x→π/2 3 + 3 tan 3x x→π/2 cos2 3x 2 2 cos 3π/2 0 cos 3x = = ! = lim 3 cos2 π/2 0 x→π/2 3 cos2 x

(a)

Der letzte Ausdruck ist wieder ein unbestimmter Ausdruck, so dass die l’HospitalRegel auf den Ausdruck in (a) nochmals anzuwenden ist: tan x (cos2 3x) −6 cos 3x sin 3x = lim = lim x→π/2 tan 3x x→π/2 (3 cos2 x) x→π/2 −6 cos x sin x −6 cos 3π/2 sin 3π/2 −6 · 0 · (−1) 0 = = = −6 cos π/2 sin π/2 −6 · 0 · 1 0

(b)

lim

!

Weil das Resultat erneut ein unbestimmter Ausdruck ist, müssen wir die l’HospitalRegel auf (b) wieder anwenden. Nach Kürzen des konstanten Faktors −6 im Zähler

3.12 Unbestimmte Ausdrücke und Regel von l’Hospital

113

und Nenner von (b) erhalten wir: tan x (cos 3x sin 3x) −3 sin 3x sin 3x + 3 cos 3x cos 3x = lim = lim − sin x sin x + cos x cos x x→π/2 tan 3x x→π/2 (cos x sin x) x→π/2 −3 sin 3π/2 sin 3π/2 + 3 cos 3π/2 cos 3π/2 −3 = =3 = − sin π/2 sin π/2 + cos π/2 cos π/2 −1 lim

Die nachfolgende Tabelle zeigt die numerische Auswertung des Ausdrucks tan x/ tan 3x in der Nachbarschaft von x → 0. Die Zahlenwerte konvergieren erwartungsgemäß gegen das obige Resultat 3. x tan x/ tan 3x

π − 10−1 3,083044

π − 10−2 3,000800

π − 10−3 3,000008

π − 10−4 3,000000

π − 10−5 3,000000

3.12.3 Unbestimmte Ausdrücke der Form 0 · ∞ Unbestimmte Ausdrücke dieser Art können in die Form 0/0 bzw. ∞/∞ umgeformt und dann mit Hilfe der Regel von l’Hospital gemäß (3.34) bzw. (3.35) bestimmt werden. lim f (x)g(x) = 0 · ∞,

x→x0

wenn f (x0 ) = 0 und g(x0 ) = ∞

(a)

Aus (a) lassen sich folgende gleichwertige Beziehungen durch Umformung gewinnen: lim f (x)g(x) = lim

x→x0

x→x0

lim f (x)g(x) = lim

x→x0

x→x0

f (x) 1 g(x) g(x) 1 f (x)

⇒ lim

x→x0

⇒ lim

x→x0

f (x) f (x0 ) 0 0 = = = 1 1 1 0 g(x) g(x0 ) ∞ g(x) g(x0 ) ∞ ∞ = = = 1 1 1 ∞ f (x) f (x0 ) 0

(3.36a)

(3.36b)

Hinweis: Es ist nicht gleichgültig, ob die Umformung (3.36a) oder die Umforung (3.36b) verwendet wird. Es kann vorkommen, dass die Variante (3.36a) zum Ziel führt während die Variante (3.36b) versagt bzw. auch umgekehrt. In Beispiel 3.26 lässt sich dieses Verhalten gut erkennen. Beispiel 3.26: lim (e1/x − 1)x =?

x→∞

Mit f (x) = e1/x − 1 und g(x) = x lautet die Aufgabe: lim f (x)g(x) =? x→∞

Die Standardauswertung des Ausdrucks liefert: lim (e1/x − 1)x = (e1/∞ − 1)∞ = (e0 − 1)∞ = (1 − 1)∞ = 0 · ∞

x→∞

114

3 Differentialrechnung

Lösung 1: Umformung nach (3.36a) lim f (x) lim (e1/x − 1) e1/∞ − 1 f (x) x→x0 x→∞ lim f (x)g(x) = lim = = = 1 1 1 1 x→x0 x→x0 lim lim x→x x→∞ g(x) x ∞ 0 g(x) =

e0 − 1 1 − 1 0 = = 1 0 0 ∞

Durch Einführung einer neuen Funktion G(x) lässt sich der Ausdruck in der vorangehenden Zeile formal etwas übersichtlicher auch wie folgt schreiben: G(x) =

1 g(x)



lim f (x)g(x) = lim

x→x0

x→x0

f (x) f (x) = lim 1 x→x0 G(x) g(x)

(a)

Für g(x) → ∞ ergibt sich jetzt unmittelbar G(x) → 0.

Im letzten Ausdruck in (a) liegt also die Form 0/0 vor und die Anwendung der Regel von l’Hospital (3.34) auf Seite 111 liefert: lim f (x)g(x) = lim

x→x0

x→x0

f  (x) f (x) = lim  G(x) x→x0 G (x)

1 1 = erhalten wir: g(x) x     1 1 1 1 f  (x) = (e1/x − 1) = e1/x = − 2 e1/x G (x) = =− 2 x x x x

Mit f (x) = e1/x − 1 und G(x) =

1 1/x e 2 x ⇒ lim (e − 1)x = lim = lim e1/x = e1/∞ = e0 = 1 1 x→∞ x→∞ x→∞ − 2 x Lösung 2: Umformung nach (3.36b) −

1/x

lim g(x) lim x ∞ g(x) x→x0 x→∞ = = = 1 1 1 1 x→x0 lim lim 1/∞ x→x0 f (x) x→∞ e1/x − 1 f (x) e −1 ∞ ∞ ∞ ∞ = = = = 1 1 1 ∞ 0 e −1 1−1 0

lim f (x)g(x) = lim

x→x0

Auch in dieser Lösungsvariante lässt sich durch Einführung einer neuen Funktion F(x)

3.12 Unbestimmte Ausdrücke und Regel von l’Hospital

115

der Ausdruck in der vorangehenden Zeile formal etwas übersichtlicher schreiben: F(x) =

1 f (x)



lim f (x)g(x) = lim

x→x0

x→x0

g(x) g(x) = lim 1 x→x0 F(x) f (x)

(b)

Für f (x) → 0 ergibt sich jetzt unmittelbar F(x) → ∞. Im letzten Ausdruck in (b) liegt die Form ∞/∞ vor und mit Hilfe der Formel (3.35) auf Seite 112 erhalten wir: lim f (x)g(x) = lim

x→x0

F(x) =

x→x0

g(x) g (x) = lim  F(x) x→x0 F (x)

1 1 = f (x) e1/x − 1

F  (x) =



1 e1/x − 1



=

e1/x x2 (e1/x − 1)2

g (x) = (x) = 1

g(x) = x

g (x) x2 (e1/x − 1)2 ∞2 (e1/∞ − 1)2 = lim =  1/x x→∞ F (x) x→∞ e e1/∞

lim (e1/x − 1)x = lim

x→∞

=

∞(e0 − 1)2 ∞(1 − 1)2 = ∞·0 = 0 e 1

!

Die Umformung nach (3.36b) hat also im vorliegenden Beispiel keine Lösung gebracht - das Ergebnis ist wieder ein unbestimmter Ausdruck. Da jetzt auch der neu entstandene Grenzwertausdruck komplizierter geworden ist als in der Aufgabenstellung, macht es keinen Sinn, diesen Weg weiter zu verfolgen (s. Hinweis auf Seite 113). 3.12.4 Unbestimmte Ausdrücke der Form ∞0 oder 00 Wenn der Ausdruck f (x)g(x) als Ergebnis ∞0 oder 00 liefert, kann der Ausdruck zunächst mit Hilfe von Logarithmusregeln wie folgt umgeformt werden: f (x)g(x) = eln f (x)

g(x)

= eg(x) ln f (x)

Für die Grenzwertbetrachtung erhalten wir: lim f (x)g(x) = lim eg(x) ln f (x) = elimx→x0 g(x) ln f (x)

x→x0

x→x0

(3.37)

Der Grenzwert des Ausdrucks limx→x0 g(x) ln f (x) im Exponenten kann bestimmt werden, indem der Ausdruck g(x) ln f (x) durch geeignete Umformung in eine Formen 0/0 oder ∞/∞ gebracht wird. Beispiel 3.27: Gesucht ist der Grenzwert des Ausdrucks limx→0 (ex − 1)x .

116

3 Differentialrechnung

Standardauswertung liefert einen unbestimmten Ausdruck als Ergebnis: lim (ex − 1)x = (e0 − 1)0 = (1 − 1)0 = 00

x→0

!

Mit Hilfe von (3.37) lässt sich schreiben: f (x) = (ex − 1)

g(x) = x



x −1)

lim (ex − 1)x = elimx→0 x ln(e

(a)

x→0

Der Exponent limx→0 x ln(ex − 1) ist als nächstes zu bestimmen. Die einfache Auswertung liefert für x → 0 wieder einen unbestimmten Ausdruck: lim x ln(ex − 1) = 0 · ln(e0 − 1) = 0 · ln(1 − 1) = 0  ln 0 = 0 · (−∞)

x→0

!

(b)

−∞

Für die Berechnung von limx→0 x ln(ex − 1) in (b) wird (3.36b) auf Seite 113 verwendet: lim f (x)g(x) = lim

x→x0

x→x0

g(x) 1 f (x)

ln(ex − 1) −∞ = 1 x→0 ∞ x

⇒ lim x ln(ex − 1) = lim x→0

(c)

Mit Hilfe der Regel von l’Hospital erhalten wir aus (c):

lim

x→0

ln(ex − 1) 1 x

= lim

x→0

(ln(ex − 1))   1 x

ex x 0 −x2 ex = = lim e − 1 = lim x 1 x→0 x→0 e − 1 0 − 2 x

!

(d)

Die nochmalige Anwendung von l’Hospital auf (d) liefert schließlich: −x2 ex (−x2 ex ) ex (−2x − x2 ) = lim x = lim = lim (−2x − x2 ) = 0 x  x→0 (e − 1) x→0 (e − 1) x→0 x→0 ex lim



lim x ln(ex − 1) = 0

(e)

x→0

Die endgültige Lösung der Aufgabe ergibt sich dann durch Einsetzen von (e) in (a): x −1)

lim (ex − 1)x = elimx→0 x ln(e

x→0

= e0 = 1

Aufgabe: Versuchen Sie den Grenzwert mit Hilfe der Formel (3.36a) zu berechnen. Wie beurteilen Sie diesen Lösungsweg?

3.12 Unbestimmte Ausdrücke und Regel von l’Hospital

117

3.12.5 Unbestimmte Ausdrücke der Form ∞ − ∞ Ausdrücke der Form limx→x0 ( f (x) − g(x)) = (∞ − ∞) sind zunächst so umzuformen, dass eine der oben behandelten Fälle 0/0 bzw. ∞/∞ entsteht. Durch Einführung der neuen Ausdrücke F(x) =

1 f (x)

G(x) =

1 g(x)

(3.38)

entsteht folgende Korrelation zwischen den Grenzwerten: lim f (x) = ∞

x→x0

⇒ lim F(x) = 0

lim g(x) = ∞

und

x→x0

x→x0

⇒ lim G(x) = 0 x→x0

Nach Substitution von F(x) und G(x) aus (a) in den Grenzwertausdruck erhalten wir ein neues -aber dem alten äquivalentes- Grenzwertproblem:   1 1 1 1 f (x) = g(x) = ⇒ lim ( f (x) − g(x)) = lim − x→x0 x→x0 F(x) F(x) G(x) G(x) lim ( f (x) − g(x)) = lim

x→x0

x→x0

(G(x) − F(x)) F(x)G(x)

lim ( f (x) − g(x)) = ∞ − ∞



x→x0

lim

x→x0

(3.39) (G(x) − F(x)) 0 − 0 0 = = F(x)G(x) 0·0 0

Die Transformation (3.39) wandelt also die unbestimmte Form ∞ − ∞ in die unbestimmte Form 0/0 um. Nun kann der Grenzwert mit Hilfe von (3.34) auf Seite 111 bestimmt werden.

Beispiel 3.28:



Gesucht ist der Grenzwert des Ausdrucks limx→0  Standardauswertung:

lim

x→0

1 1 − sin x x

 =

 1 1 − . sin x x

1 1 1 1 − = − = ∞−∞ sin 0 0 0 0

Nun werden die neuen Ausdrücke F und G gemäß (3.38) eingeführt: f (x) =

1 sin x

g(x) =

1 x



F(x) =

1 = sin x f (x)

G(x) =

1 =x g(x)

Entsprechend (3.39) lautet das equivalente Grenzwertproblem: lim ( f (x) − g(x)) = lim

x→x0

x→x0

(G(x) − F(x)) x − sin x 0 − sin 0 0 = lim = = x→0 x sin x F(x)G(x) 0 · sin 0 0

118

3 Differentialrechnung

Die l’Hospital-Regel (3.34) auf Seite 111 kann jetzt angewendet werden: x − sin x (x − sin x) 1 − cos x 1 − cos 0 0 = lim = = ! = lim x→0 x sin x x→0 (x sin x) x→0 sin x + x cos x sin 0 + 0 · cos 0 0 lim

Die l’Hospital-Regel (3.34) muss noch einmal herangezogen werden, weil das letzte Resultat ebenfalls ein unbestimmter Ausdruck der Form 0/0 ist: 1 − cos x (1 − cos x) sin x = lim = lim  x→0 sin x + x cos x x→0 (sin x + x cos x) x→0 cos x + cos x − x sin x 0 sin 0 = =0 = 2 cos 0 − 0 · sin 0 2 · 1 − 0 lim

3.13 Lokale Extremwerte einer Funktion Bild 3.4 zeigt mehrere Hochpunkte (Maxima) und Tiefpunkte (Minima) einer Funktionskurve y = f (x). Solche Hoch- und Tiefpunkte werden Extrema der Funktion genannt. Bei einem Extremum kann es sich um ein lokales oder absolutes Extremum handeln. Wie wir gleich sehen werden, ist das Vorhandensein einer waagerechten Tangente die notwendige Bedingung für ein lokales Extremum. Ist die Tangente an die Funktionskurve am untersuchten Punkt nicht waagerecht, kann auch nicht von einem lokalen Extremum an diesem Punkt gesprochen werden. Bei den Punkten B, D, F handelt es sich um lokales Maximum. Hingegen liegt an den Punkten C, E, G ein lokales Minimum vor. Die Gesamtheit aller lokalen Maxima und Minima wird unter dem Sammelbegriff lokale Extrema zusammen gefasst. In Punkt H liegt ein absolutes Maximum vor, weil alle anderen Punkte auf der Kurve sich unterhalb von H befinden. Trotzdem handelt es sich bei H nicht um ein lokales Maximum, weil die Tangente dort nicht waagerecht ist. Der Punkt A ist kein absolutes Minimum (C liegt tiefer als A), gleichzeitig ist er auch kein lokales Minimum, weil die Tangente dort nicht waagerecht verläuft. Anmerkung: Die in diesem Abschnitt behandelte lokale Extremwertberechnung erfasst nicht die Randpunkte einer Kurve. Die y

absolutes Max. lok. Max.

H

D

y=f(x)

lok. Max. F G lok. Max. A

B

E C

lok. Min.

lok. Min.

lok.+abs. Min.

x

Bild 3.4: Extremwerte einer Funktion y = f (x)

3.13 Lokale Extremwerte einer Funktion

119

Punkte H und A in Bild 3.4 können mit den Methoden der lokalen Extremwertbestimmung nicht identifiziert werden, obwohl H sogar das absolute Maximum ist. Deshalb müssen die Randpunkte einer Funktion zusätzlich zur normalen Extremwertberechnung daraufhin überprüft werden, ob dort evtl. ein absolutes Maximum bzw. absolutes Minimum vorliegt. Man spricht von einem lokalen Maximum an der Stelle x0 , wenn in der engeren Umgebung von x0 der Funktionswert stets kleiner ist als derjenige bei x0 . Ist dagegen in der Umgebung von x0 der Funktionswert stets größer als derjenige bei x0 , dann liegt ein lokales Minimum an der Stelle x0 vor, d.h.

Lokales Extremum =

 lokales Maximum,

wenn f (x) < f (x0 )

für x = x0

lokales Minimum,

wenn f (x) > f (x0 )

für x = x0

Die notwendige Bedingung für ein Extremum an der Stelle x0 ist eine waagerechte Tangente, d.h. es muss gelten: f  (x0 ) = 0

notwendige Bedingung für lokales Extremum

(3.40)

Wenn eine Funktion die notwendige Bedingung (3.40) nicht erfüllt, besitzt sie kein lokales Extremum. Auf der anderen Seite ist die Erfüllung von (3.40) aber auch keine Garantie für die Existenz eines lokalen Extremums. Damit eine Funktion tatsächlich ein Extremum hat, muss sie auch noch die hinreichenden Bedingungen erfüllen. Notwendige und hinreichende Bedingungen für ein Extremum. Die Art des lokales Extremums an der Stelle x0 hängt vom Vorzeichen der Funktionkrümmung ab. Ein Maximum liegt vor, wenn die Funktionskurve in der Umgebung von x0 rechts gekrümmt ist. Für eine links gekrümmte Kurve liegt dort ein Minimum vor. Notwendige und hinreichende Bedingungen für lokales Extremum: Maximum: Minimum:

f  (x0 ) = 0 

f (x0 ) = 0

f  (x0 ) < 0

(3.41)



f (x0 ) > 0

Wendepunkt und Sattelpunkt. Ein Wendepunkt stellt kein lokales Extremum dar. Von einem Wendepunkt an der Stelle x0 wird gesprochen, wenn die Krümmung links und rechts von x0 unterschiedliches Vorzeichen besitzt, d.h. wenn die Kurve z.B. von Rechts- auf Linkskrümmung wechselt oder umgekehrt. Weil das Vorzeichen der Krümmung von f  abhängt, bedeutet der Vorzeichenwechsel, dass f  (x0 ) = 0 sein muss. Bei einem Sattelpunkt handelt es sich um den Sonderfall eines Wendepunkts, wo die Tangente waagerecht verläuft. Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Wende- und Sattelpunkte lauten: Wendepunkt:

f  (x0 ) = 0

f  (x0 ) = 0

f  (x0 ) = 0

Sattelpunkt:

f  (x0 ) = 0

f  (x0 ) = 0

f  (x0 ) = 0

(3.42)

120

3 Differentialrechnung

Spezialfall. Es kann gelegentlich vorkommen, dass sowohl die 2. wie auch 3. Ableitung gleich Null sind, d.h. f  (x0 ) = 0 als auch f  (x0 ) = 0. Wie lässt sich dann bestimmen, ob ein Extremalpunkt oder ein Wendepunkt vorliegt? Wenn der Fall mit f  (x0 ) = 0 und f  (x0 ) = 0 eintritt, differenziert man die Funktion f (x) so lange weiter, bis die momentane Ableitung an der Stelle x0 einen von Null verschiedenen Wert annimmt (natürlich vorausgesetzt, dass die Funktion so oft differenzierbar ist). Wenn die erste von Null verschiedene Ableitung allgemein mit f (n) bezeichnet wird, kann eine Aussage über lokale Extrema anhand der Tabelle 3.2 getroffen werden: Tabelle 3.2: Erweiterte Entscheidungskriterien für Extrema

Situation f  (x0 ) = 0 f  (x0 ) = 0 f  (x0 ) = 0 f  (x0 ) = 0

und und und und

f (n) (x0 ) < 0 f (n) (x0 ) > 0 f (n) (x0 ) = 0 f (n) (x0 ) = 0

n ist

Art des Extremums

gerade

Maximum

gerade

Minimum

ungerade

Wendepunkt

ungerade

Sattelpunkt

Beispiel 3.29: Die Funktion y = f (x) = x3 − 3x ist hinsichtlich aller lokalen Extrema und Wendepunkte zu untersuchen. Zunächst wird aus der notwendigen Bedingung (3.40) für das Vorhandensein lokaler Extrema die Position/en lokaler Extrema bestimmt. Erste und zweite Ableitung: y = 3x2 − 3

y = 6x

Die Bedingung (3.40) fordert: y = 3x2 − 3 = 0



x2 = 1



x0 = ∓1

An den Stellen x0 = +1 und x0 = −1 existieren also lokale Extrema. Die Art des Extremums lässt sich gemäß (3.41) anhand der zweiten Ableitung bestimmen: Stelle x0 = +1 : y (1) = 6 · 1 = 6 > 0

⇒ Minimum bei x = 1

Funktionswert: y(1) = 13 − 3 · 1 = −2 Stelle x0 = −1 : y (1) = 6 · (−1) = −6 < 0

⇒ Maximum bei x = −1

Funktionswert: y(−1) = (−1)3 − 3 · (−1) = 2 Die Frage, ob evtl. auch Wende/Sattelpunkte vorliegen, lässt sich anhand von (3.42) beantworten. Die zweite Ableitung der Funktion y = f (x) wird auf die Existenz von

3.13 Lokale Extremwerte einer Funktion

Nulstellen untersucht: y = 6x = 0



An der Stelle x0 = 0 liegt ein Wende- bzw. Sattelpunkt

Die Auswertung von (3.42) für x0 = 0 zeigt, ob es sich um einen Wende- oder Sattelpunkt handelt: y (0) = 3 · 02 − 3 = −3 Wir haben also: y (0) = 0

y (0) = 6 · 0 = 0 y (0) = 0

y = (y ) = (6x) = 6 y = 0

⇒ Wendepunkt

Extrema der Funktion y = x3 − 3x

Beispiel 3.30: Die lokalen Extrema sowie Wende-/Sattelpunkte der Funktion y = f (x) = y = 5x2 e−x sind im Intervall −1 ≤ x ≤ 3 zu bestimmen.

y = 10xe−x − 5x2 e−x = 5xe−x (2 − x) Positionen der Extrema: y = 0

y = 5e−x (x2 − 4x + 2)

⇒ 5xe−x (2 − x) = 0

⇒ x0 = 0, x1 = 2

121

122

3 Differentialrechnung

Stelle x0 = 0 : Funktionswert: y(0) = 5 · 02 · e0 = 0 y (x0 ) = y (0) = 5e0 (0 − 0 + 2) = 10 > 0 Stelle x1 = 2 :

⇒ Minimum

Funktionswert: y(0) = 5 · 22 · e−2 = 2,71 y (x1 ) = y (2) = 5e−2 (22 − 4 · 2 + 2) = −1,35 < 0

⇒ Maximum

Wende- bzw. Sattelpunkt: Bedingung: y = 0 ⇒ x2 − 4x + 2 = 0

⇒ 5e−x (x2 − 4x + 2) = 0 ⇒ Nullstellen: x1∗ = 0,58579, x2∗ = 3,4142

Maßgebend ist x1∗ = 0,58579 y = −5e−x (x2 − 6x + 6)

⇒ y (x1∗ ) = y (0,58579) = 2,30 = 0 ⇒ y (x1∗ ) = y (0,58579) = −7,87 = 0

Der Vergleich mit (3.42) zeigt, dass ein Wendepunkt vorliegt.

3.14 Krümmungsradius einer Kurve Bild 3.5 zeigt einen Kreis mit dem Mittelpunkt M und dem Radius ρ. Dieser Kreis möge im Punkt P die rot gezeichnete Kurve y = f (x) berühren. Wenn ferner der Kreis und die Kurve dieselbe erste und zweite Ableitung in P besitzen, dann haben sowohl der Kreis als auch die Kurve in P a) die gleiche Krümmung κ, b) den gleichen Krümmungsradius ρ, c) die gleiche Tangente, und d) die gleiche Normale. Wenn die Funktion y = f (x) und der anschmiegende Kreis yK = g(x) die gleiche Krümmung haben sollen, müssen also folgende Bedingungen erfüllt sein: y (P) = yK (P)

und

y (P) = yK (P)

Die Krümmung und der Krümmungsradius lassen sich wie folgt ermitteln: Krümmung κ κ=

y [1 + (y )2 ]3/2

Krümmungsradius ρ  3/2 1 + (y )2 ρ= |y |

(κ kann positiv oder negativ sein, κ : Kappa)

(3.43)

(ρ ist immer positiv, ρ : Rho)

(3.44)

Zwischen der Krümmungsradius und Krümmung existiert daher folgende Beziehung: ρ=

1 |κ|

Krümmungsradius ist gleich dem reziproken Wert der Krümmung

(3.45)

3.14 Krümmungsradius einer Kurve

y

y progressive Kurve

yK=g(x)

f''>0

123

regressive Kurve f'' 0



κ >0

Rechtskrümmung: die konkave Seite der Kurve zeigt nach unten, s. Bild 3.5 b y < 0



κ m(x), weil −1 algebraisch gesehen größer ist als −2 (daher ist die Kurve links gekrümmt). Eine Rechtskrümmung liegt vor, wenn die Funktionskurve sich im Uhrzeigersinn krümmt. Eine rechts gekrümmte Kurve wird auch degressive Kurve genannt. Die Steigung der Tangente einer rechts gekrümmten Kurve wird mit zunehmendem x algebraisch immer kleiner. Beispielsweise sei die Steigung m an der Stelle x gleich −1 und an der Stelle x + Δx gleich −2. Dann ist m(x + Δx) < m(x), weil −2 algebraisch gesehen kleiner ist als −1. Beispiel 3.31: Es soll die maximale Krümmung κmax und der zugehörige Krümmungsradius ρ der Funktion y = e−x berechnet werden. Die 1. und 2. Ableitung der Funktion y lauten: y = −e−x

y = e−x

124

3 Differentialrechnung

Die Krümmung κ ergibt sich aus (3.43): κ=

y [1 + (y )2 ]3/2

=

e−x [1 + (−e−x )2 ]3/2

=

e−x (1 + e−2x )3/2

(a)

Bestimmung der Position der maximalen Krümmung: Für die Existenz der maximalen Krümmung κmax muss gemäß (3.40) die erste Ableitung von κ verschwinden: 3 −e−x (1 + e−2x )3/2 − e−x (1 + e−2x )1/2 · (−2e−2x ) d e−x d 2 κ= = dx dx (1 + e−2x )3/2 (1 + e−2x )3 =

−e−x (1 + e−2x ) + 3e−3x =0 (1 + e−2x )5/2



−e−x (1 + e−2x ) + 3e−3x = 0

Bestimmung der Nullstelle von −e−x (1 + e−2x ) + 3e−3x = 0 :



e−x 1 − 2e−2x = 0 −e−x (1 + e−2x ) + 3e−3x = −e−x 1 + e−2x − 3e−2x = −  =0

1 1 1 1 = ln e−2x x = − ln ln = −2x 2 2 2 2 An der Stelle xP = (−1/2) ln(1/2) = 0,34657 tritt also die maximale Krümmung auf. ⇒

1 − 2e−2x = 0



ln

Die y-Ordinate an der Stelle der maximalen Krümmung beträgt: yP = e−xP = e−0,34657 = 0,70711 Punkt P der Kurve mit der max. Krümmung:

P = (0,34657; 0,70711)

3.15 Technische Anwendungen

125

Bestimmung der maximalen Krümmung: Aus (a) erhalten wir nach Einsetzen von xP = 0,34657 die maximale Krümmung: κmax =

e−x e−0,34657 = = 0,38490 (1 + e−2x )3/2 (1 + e−2 · 0,34657 )3/2

Der zugehörige Krümmungsradius beträgt gemäß (3.45): ρ=

1 1 = = 2,59808 |κ| 0,38490

3.15 Technische Anwendungen Beispiel 3.32: Gedämpfte Schwingung. Ein Einmassenschwinger mit der Eigenfrequenz f = 0,318 Hz führt nach einer Betriebsstörung (ohne weitere Lasterregung) freie Schwingungen aus. Die Momentanauslenkung u(t) des Schwingers ist durch folgende Funktion der Zeit t gegeben. u(t) = 0,2 e−0,15t sin 2t

u(t) in m, t in s

(a)

Zu welchem Zeitpunkt t0 nach Beginn der freien Schwingung wird das erste Mal die maximale Auslenkung erreicht? Wie groß ist diese Auslenkung? Gemäß (3.40) auf Seite 119 tritt die maximale Auslenkung auf, wenn u˙ = 0 ist. Daraus ergibt sich: du = −0,03e−0,15t sin 2t + 0,4e−0,15t cos 2t dt = e−0,15t (−0,03 sin 2t + 0,4 cos 2t) = 0

u˙ =

=0



−0,03 sin 2t + 0,4 cos 2t = 0 ⇒ tan 2t = 13,33 2t = arctan 13,33 ≈ 1,5 ⇒ t0 = 0,75 s

126

3 Differentialrechnung

Die maximale Auslenkung zum Zeitpunkt t0 = 0,75 s ergibt sich aus (a) zu: umax = 0,2 e−0,15 · 0,75 sin(2 · 0,75) = 0,18 m

Beispiel 3.33: Schleudern eines Autos in der Kurve. Ein Auto mit der Masse m fährt mit konstanter Geschwindigkeit v in eine Kurve, die durch die Funktion y = 100 ln x (x in Metern und x > 0) beschrieben wird. Die auf das Auto wirkende Zentrifugalkraft kann nach der Formel F = mv2 /ρ berechnet werden. Diese Kraft F ist nicht konstant, weil der Krümmunsradius ρ der Kurve von der momentanten Position des Wagens abhängt. Der Reibungsbeiwert zwischen den Reifen und der Straße beträgt μ. Die Reibungskraft FR zwischen den Autoreifen und dem Asphalt (Rückhaltekraft) lässt sich nach der Formel FR = μG = μmg berechnen (g : Erdbeschleunigung). m = 1500 kg

v = 162 km/h = 45 m/s

μ = 0,7

g = 9,81 m/s2

Bleibt das Auto während der Kurvenfahrt stabil oder kommt es ins Schleudern?

Für die Berechnung der Zentrifugalkraft auf das Auto benötigen wir den Krümmungsradius ρ(x) der Kurve. Aus (3.44) auf Seite 122 erhalten wir:  3/2 1 + (y )2 ρ= |y |

100 mit y = (100 ln x) = x 



 1,5 100 2 1+ x (x2 + 1002 )1,5   = ⇒ ρ=  −100  100x    x2  





y =



100 x



=

−100 x2

3.15 Technische Anwendungen

127

Die Zentrifugalkraft F auf das Auto beträgt: F=

1500 · 452 · 100x 3,0375 · 108 x mv2 = = ρ (x2 + 1002 )1,5 (x2 + 1002 )1,5

(a)

Die maximale Zentrifugalkraft Fmax ergibt sich aus (3.40) auf Seite 119: F  = dF/dx = 0 F =

Extremalbedingung

3,0375 · 108 (x2 + 1002 )1,5 − 3,0375 · 108 x · 1,5 (x2 + 1002 )0,5 · 2x (x2 + 1002 )3

=0



3,0375 · 108 (x2 + 1002 )1,5 − 3,0375 · 108 x · 1,5 (x2 + 1002 )0,5 · 2x = 0



3,0375 · 108 (x2 + 1002 )0,5 (1002 − 2x2 ) = 0 

=0

Der Ausdruck (x2 + 1002 )0,5 in der letzten Gleichung ist für alle x-Werte = 0. Daher muss folgende Bedingung gelten, damit F  = 0 erfüllt ist: √ 1002 − 2x2 = 0 ⇒ xP = 5000 = 70,71 m Die größte Zentrifugalkraft tritt also an der Stelle xP = 70,71 m auf. Die dazugehörende y-Koordinate beträgt:yP = 100 ln 70,71 = 426 m. Nach Einsetzen dieses Wertes in (a) ergibt sich die Zentrifugalkraft Fmax zu: Fmax =

3,0375 · 108 · 70,71 = 11691 N (70,712 + 1002 )1,5

Die auf das Auto wirkende Rückhaltekraft aufgrund der Reibung zwischen Reifen und Straße beträgt: FR = μmg = 0,7 · 1500 · 9,81 = 10300 N Das Auto kommt während der Kurvenfahrt am Punkt P ins Schleudern, weil dort Fmax > FR ist. Beispiel 3.34: Freier Fall ohne Reibung. In Beispiel 2.9 auf Seite 49 haben wir die Bewegung eines aus der Höhe h0 fallenden Objekts unter Berücksichtigung der Luftreibung untersucht. Die augenblickliche Höhe ergab sich dort zu h(t) = h0 −

gm2 gm t + 2 (1 − e−ct/m ). c c

(a)

Für drei verschiedene Reibungskoeffizienten c sind die h(t)-Kurven im Bild auf Seite 49 dargestellt. Die Kurve für c = 0, d.h. ohne Luftreibung, verdient besondere Aufmerksamkeit. Einfaches Einsetzen von c = 0 in Gl. (a) liefert kein brauchbares Resul-

128

3 Differentialrechnung

tat, weil Division durch null entsteht. Die Herausforderung liegt also darin, aus Gl. (a) das Resultat für c = 0 herzuleiten. Mit Hilfe der Regel von l’Hospital (s. Abschnitt 3.12 auf Seite 110) können wir die Division durch Null umgehen. Zu diesem Zweck bringen wir Gl. (a) zunächst in folgende Form: h(t) = h0 − gmt 2

−ct/m ) ct 2 2 (1 − e + gm t (ct)2 (ct)2

(b)

Wir können schnell verifizieren, dass für c = 0 in Gl. (b) unbestimmte Ausdrücke der Form 0/0 enthalten sind: h(t)|c=0 = h0 − gmt 2

0 0 + gm2t 2 2 =? 2 0 0

weil (1 − e−0 · t/m ) = 1 − 1 = 0

Das Vorhandensein unbestimmter Ausdrücke der Form 0/0 gestattet uns, auf Gl. (b) die Regel von l’Hospital anzuwenden. Es ist zwar nicht notwendig, zwecks Übersichtlichkeit jedoch durchaus zweckmäßig, in Gl. (b) die Abkürzung ct = α einzuführen: h(t) = h0 − gmt 2

−α/m ) α 2 2 (1 − e + gm t α2 α2

(c)

Die zweimalige Anwendung der l’Hospital-Regel auf (c) liefert die korrekte Lösung: ⎤ ⎡ d(α) d(1 − e−α/m ) ⎥ ⎢ dα ⎥ h0 − gmt 2 dα2 + gm2t 2 h(t)|c=0 = lim ⎢ 2 ⎦ α→0 ⎣ d(α ) d(α ) dα  dα  1 e−α/m + gmt 2 α→0 2α 2α   1 − e−α/m 0 = lim h0 − gmt 2 = h0 − gmt 2 =? α→0 2α 0 ⎡ ⎤ −α/m d(1 − e ) ⎢ ⎥ dα ⎥ h0 − gmt 2 h(t)|c=0 = lim ⎢ ⎦ d(2α) α→0 ⎣ = lim h0 − gmt 2

 = lim h0 − gt 2 α→0

= h0 −

e−α/m

dα 

2

gt 2 −0/m gt 2 e  = h0 − 2 2

3.15 Technische Anwendungen

Beispiel 3.35: Windenergie. Die theoretisch erzielbare Leistung einer Windtrubine ergibt sich aus der folgenden Formel.

P P ρ D v0 v

πD2 1 ρ = v30 2 4 2



v2 1− 2 v0

   v 1+ v0

Leistung der WEA in Nm/s = W Luftdichte in kg/m3 (ρ ≈ 1,25 kg/m3 ) Rotordurchmesser in m Ungestörte Windgeschwindigkeit in m/s (vor dem Rotor) Geschwindigkeit der austretenden Luft in m/s (hinter dem Rotor)

Die Größen ρ, v0 , D sind für den gewählten Standort und das Investitionsvolumen fest stehende Werte, d.h. Konstanten. Die Luftströmungsgeschwindigkeit v hinter dem Rotor hingegen ist eine durch den Rotorblatt-Anstellwinkel steuerbare Größe, d.h. eine Variable. Die Leistung P der WEA ist daher eine Funktion der Variable v. Es soll bestimmt werden, wie hoch die theoretisch maximal mögliche Energieausbeute der Windturbine aus der kinetischen Energie des Windes sein kann. Die maximale Leistung stellt sich nach (3.40) auf Seite 119 für die Bedingung dP/dv = 0 ein, weil P = f (v) ist:   " ! dP ρ 3 πD2 1 d v v2 = v 1+ 1− 2 dv 2 0 4 2 dv v0 v0 P0 =konst.

  " 1 v v2 2v − 2 (1 + ) + 1 − 2 v0 v0 v0 v0 ! " ! " 2 2 P0 v v v P0 −2vv0 − 2v2 + v20 − v2 = −2 − 2 2 + 1 − 2 = 2v0 v0 2v0 v0 v0 v20

P0 = 2



!

−2vv0 − 2v2 + v20 − v2 = 0

− 3v2 − 2vv0 + v20 = 0

v0 und v2 = −v0 . Die zweiDie Lösungen dieser quadratischen Gleichung sind v1 = 3 te Lösung macht physikalisch keinen Sinn, weil die Luft nicht gegen den Wind (wegen des negativen Vorzeichens) zurückströmen kann! Die richtige Lösung lautet daher v = v0 /3. Wenn also die ungestörte Windgeschwindigkeit vom Rotor durch Energieentnahme auf ein Drittel verringert wird, erreicht die WEA ihre maximale Leistung.     P0 v0 /3 (v0 /3)2 1 + = 0,593 P0 Pmax = 1− 2 v0 v20

129

130

3 Differentialrechnung

P0 entspricht physikalisch der im Wind vorhandenen gesamten kinetischen Energie. Man kann also mit einer idealen reibungsfreien WEA (d.h. mit einem traumhaft hohen Wirkungsgrad η = 1!) höchstens 59% der im Wind vorhandenen kinetischen Energie nutzbar machen. Anmerkung: Aufgrund unvermeidbarer Reibungsverluste und anderer Ursachen erreichen moderne Windkraftanlagen in Wirklichkeit ca. 50% Energieausbeute. Beispiel 3.36: Baumtransport im Kanal. Ein Forstbetrieb transportiert Baumstämme in einem Wasserkanal von der Breite b = 3 m. Der Kanal mündet in einen anderen senkrecht zu ihm fließenden Kanal von der Breite c = 6 m (Fließrichtungen sind durch Pfeile angedeutet). Die Länge L der Baumstämme darf einen Höchstwert nicht überschreiten, damit sie nicht an der Ecke E festsitzen. Es soll die maximale Länge Lmax berechnet werden, die noch durchkommt (der Baumstamm soll mathematisch wie eine Linie behandelt werden, d.h. der Einfluss seines Durchmessers auf die Berechnung wird vernachlässigt).

b

E v

L

a

c

Wir drücken die Baumstammlänge als Funktion des Winkels α aus. L(α) =

c b + sin α cos α

Die höchst zulässige Länge ergibt sich als Extremwert der obigen L-Funktion. Die Ableitung von L nach α lautet: −b cos α c sin α −b cos3 α + c sin3 α dL = = + dα cos2 α sin2 α sin2 α cos2 α Aus der Extremalbedingung (3.40) auf Seite 119 erhält man: dL =0 dα



3 b tan α = − b cos α + c sin α = 0 c  3 3 = 0,7937 ⇒ α = arctan 0,7937 = 38,44◦ tan α = 6

3

3

b tan α = c 3

3.15 Technische Anwendungen

L=

131

6 3 + = 12,48 m sin 38,44◦ cos 38,44◦

Beispiel 3.37: Krümmung eines Kragbalkens unter Einzellast. Der abgebildete Balken, der an seinem linken Ende fest eingespannt ist, sei an seinem freien Ende durch die Einzellast F belastet und biegt sich infolge der Belastung nach unten durch. Die Biegelinie des verformten Balkens ist durch die nachfolgende Funktion y(x) gegeben.   2 x x3 FL3 − (a) y(x) = EI 2L2 6L3 y EI L

y(x) x

F

M



M

x

F : Größe der vertikalen Einzellast L : Länge des Balkens E : Elastizitätsmodul des Werkstoffs I : Trägheitsmoment des Querschnitts Folgende Zahlenwerte sind gegeben: F = 10 kN

L = 5 m = 500 cm

E = 1200 kN/cm2

I = 6000 cm4

Zwischen dem Biegemoment M(x) und der Krümmung κ der Biegelinie besteht nach Regeln der Festigkeitslehre der Zusammenhang: M(x) = EI · κ(x)

(b)

Die Krümmung κ ist nach (3.43) auf Seite 122 gegeben durch: κ(x) =

y

(c)

[1 + (y )2 ]3/2

Gesucht ist das Biegemoment im Balken an der Einspannstelle. Die 1. und 2. Ableitung der Biegelinienfunktion y(x) in (a) lauten:     x 1 x2 x FL3  − = K − y mit K = y = K L2 2L3 L2 L3 EI Für die Einspannstelle x = 0 erhält man:

(d)

132

3 Differentialrechnung

y0

 =K

0 02 − L2 2L3



y0

=0

 =K

1 0 − 3 2 L L

 =

K L2

(e)

Die Krümmung und das Biegemoment ergeben sich mit (e), (c) und (b) zu: κ0 = 

y0 1 + (y0 )2

3/2 =

M0 = EIκ0 = EI

K/L2 [1 + 02 ]3/2

=

K FL = L2 EI

FL = FL EI

Beispiel 3.38: Biegemoment. Ein einfeldriger Biegebalken der Länge L aus dem Stahlprofil IPE-200 ist an seinem linken Ende gelenkig gelagert und am rechten Ende eingespannt. Die Belastung ist die konstante Streckenlast q. w q x w(x) L

E : Elastizitätsmodul des Werkstoffs

I : Trägheitsmoment des Querschnitts

Der Verlauf der Durchbiegung w über die Balkenlänge ist gegeben durch:   x 3x3 2x4 qL4 − 3 + 4 w(x) = − 48EI L L L Das Biegemoment M und die Biegelinie w des Balkens hängen über die MomentenKrümmung-Beziehung miteinander zusammen: M(x) = EI · κ(x)

mit κ =

w [1 + (w )2 ]3/2

vgl. (3.43) auf Seite 122

Gesucht ist M sowie der Krümmungsradius ρ an der Stelle x0 = 0,375L für folgende Werte: q = 0,05 kN/cm

L = 600 cm

  9x2 8x3 1− 2 + 3 L L   3 ql 18x 24x2 w (x) = − − 2 + 3 48EI L L w (x) = −

qL3 48EI

w (x0 ) = −8,63 · 10−4

E = 21000 kN/cm2 ⇒

w (x0 ) = −



w (x0 ) =

I = 1940 cm4 qL3 307,2EI

ql 2 14,222EI

w (x0 ) = 3,107 · 10−5 cm−1

3.15 Technische Anwendungen

κ(x0 ) =

w (x0 ) (1 + [w (x0 )]2 )3/2

=

3,107 · 10−5 [1 + (−8,63 · 10−4 )2 ]3/2

= 3,107 · 10−5 cm−1

Biegemoment: M(x0 ) = EI · κ(x0 ) = 21000 · 1940 · (3,107 · 10−5 ) = 1265,7 kNcm Krümmungsradius: ρ=

1 1 = = 32185 cm ≈ 322 m |κ| 3,107 · 10−5

Beispiel 3.39: Balkenbiegung. Ein beidseitig gelenkig gelagerter Biegebalken von der Länge L wird in der Mitte durch eine senkrecht stehende Einzellast F auf Biegung belastet. Die Durchbiegungskurve y des Balkens unter dieser Belastung ist durch folgende Gleichung gegeben (Koordinate x vom linken Balkenende aus gemessen). # $ x x3 FL3 − 0 ≤ x ≤ L/2 y= EI 16L 12L3 a) An welcher x-Position des Balkens tritt die größte Durchbiegung auf? b) Welchen Wert besitzt die größte Durchbiegung ymax ? c) Wie groß ist das Biegemoment M an der x-Position von ymax ? a) Die Position der größten Durchbiegung ergibt sich aus y = 0: # $ 1 x2 FL3  − = 0 ⇒ x0 = L/2 y = EI 16L 4L3 FL3 b) y = EI

#

x − 3 2L

$ y (L/2) = −

FL 0 gesucht)

Lsg: Wendepunkt bei x = π/4

f  (π/4) = 0 

f  (π/4 = 0 

19. Bestimmen Sie die maximale Druckfestigkeit σmax des Betons C25/30, dessen SpannungsDehnungslinie (σ -ε-Linie) in Beispiel 2.5 auf Seite 45 angegeben ist. Lsg: σmax = 25 N/mm2 bei ε0 = 0,0022. 20. Die Druck-Zeit-Funktion eines explosiven Stoffes ist für t ≥ 0 durch die Funktion p(t) = 2 te−t gegeben. a) Bestimmen Sie den höchsten Druck pmax , b) Zeigen Sie, dass es sich um ein Maximum handelt, c) Stellen Sie die Funktionskurve im Intervall 0 ≤ t ≤ 3 grafisch dar. dp 2 = (1 − 2t 2 )e−t = 0 ⇒ t0 = 0,7071 pmax = p|t=t0 = 0,429 Lsg: p˙ = dt

3.17 Aufgaben

163

21. Ein Stein wird vertikal nach oben mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 geworfen. Der Luftwiderstand wird vernachlässigt. Die vom Stein zurückgelegte Strecke s als Funktion der Zeit lautet s(t) = v0 t − gt 2 /2 . Bestimmen Sie die maximale Steighöhe des Steins. Lsg: smax = v20 /2g 22. Berechnen Sie das lokale Extremum folgender Funktionen im angegebenen Intervall. Für die Bestimmung der Extremwertposition sollte ein numerisches Verfahren, z.B. RegulaFalsi oder Newton-Verfahren, angewendet werden. Stellen Sie zusätzlich mit Hilfe eines Kurvenplotprogramms den jeweiligen Funktionsverlauf im angegebenen Intervall grafisch dar. a) y = (1 + x) cos x

[0; 2].

Lsg: Maximum bei x0 = 0,5678, b) y =

ex − e−x − sin 3x

ymax = 1,3218.

[0; 0,4].

Lsg: Minimum bei x0 = 0,2693, c) y =

e−x

ymin = −0,1777.

[0,5; 1,2].

sin x

Lsg: Maximum bei x0 = 0,7854, d) y = ln

xsin x

ymax = 0,3224.

[0,2; 0,6].

Lsg: Minimum bei x0 = 0,3522, e) y =

esin x/(x+cos x)

[0; 3].

Lsg: Maximum bei x0 = π/2, f) y = ln

xsin x

ymin = −0,36. ymax = 1,89.

[1,5; 2,5].

Lsg: Maximum bei x0 = 2,1276, ex [1,2; 2,5]. g) y = ln x Lsg: Minimum bei x0 = 1,7632,

ymax = 0,641.

ymin = 10,28.

23. Entwickeln Sie folgende Funktionen an der Stelle x0 = 0 in Taylor-Reihen 4. Ordnung. √ 1 2 d) f (x) = ex c) f (x) = √ a) f (x) = sin x b) f (x) = 1 + x 1+x Lösung: x3 6 x 3x2 5x3 35x4 − + c) fT (x) = 1 − + 2 8 16 128

a) fT (x) = x −

x3 5 x4 x x2 − + − 2 8 16 128 4 x d) fT (x) = 1 + x2 + 2 b) fT (x) = 1 +

24. Entwickeln Sie folgende Funktionen in eine Taylor-Reihe (n = 6) bei x0 = 0 . a) f (x) = cos x Lösung:

b) f (x) = tan x

c) f (x) = cot x

d) f (x) = sinh x

164

3 Differentialrechnung

x2 x4 x6 + − 2! 4! 6! 1 x x3 2 x5 c) cot x = − − − x 3 45 945

a) cos x = 1 −

x3 2 x5 + 3 15 x3 x5 d) sinh x = x + + 3! 5!

b) tan x = x +

25. Bestimmen Sie für folgende Funktionen ihre Taylor-Reihe an der Stelle x = x0 der Ordnung n. Stellen Sie mit Hilfe von M APLE die Funktion und ihre Taylor-Reihe in der näheren Umgebung von x0 graphisch dar. a)

y = 1/x

x0 = 1

n=3

Lsg: y = 1 − (x − 1) + (x − 1)2 − (x − 1)3

b)

y = e−x cos x

x0 = 0

n=2

c)

y = ln x

x0 = 1

n=3

1 Lsg: y = 1 − x + x3 3 1 1 Lsg: y = x − 1 − (x − 1)2 + (x − 1)3 2 3

d)

y = sin(x2 )

x0 = 1

n=3

Lsg: y = 0,8415 + 1,081(x − 1) − 1,143(x − 1)3

26. Zeigen Sie mit Hilfe der Taylor-Reihe bei x0 = 0 die Richtigkeit folgender Beziehungen. a) (sin x) = cos x b) (ex ) = ex c) cosh x ≈ 1 +

x2 2

(für kleine Werte von x)

27. Bestimmen Sie für folgende Funktionen ihre MacLaurin-Reihe der Ordnung n. a) y = e−x

n=3

d) y = ex sin x

n=3

g) y = ln(x + 1)

n=3

b) y = ex sin x e) y = (ex − 1)2 h) y = x2 ex

n=3 n=2

c) y = tan x

n=3

f) y = sin2 x

n=3

n=3

Lösungen: a) y = 1 − x + c) y = x +

x2 x3 − 2 6

x3 3

b) y = x + x2 +

x3 3

d) y = 1 + x2

2 6 x4 + x 3 45 x2 x3 x4 h) y = x2 + x3 + g) y = x − + 2 3 2 √ 28. In der linearen Statik von Konstruktionen treten Ausdrücke auf wie z.B. 2 1 + ε. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Dehnung des Werkstoffs ε sehr klein ist, z.B. ε =√0,001. Bei solchen Wurzelausdrücken, in denen ε 1 ist, wird anstelle des Ausdrucks 2 1 + ε der wesentlich einfachere Näherungsausdruck 1 + ε/2 verwendet (s. auch Formel (1.16) e) y = 2,952 + 9,342(x − 1) + 12,060(x − 1)2

f) y = x2 −

3.17 Aufgaben

165

auf Seite 10). Zeigen Sie mit Hilfe der MacLaurin-Reihe, dass diese Näherungsbeziehung richtig ist. 29. Berechnen Sie folgende unbestimmte Ausdrücke mit Hilfe der Regel von l’Hospital. Anmerkung: Kontrollieren Sie zuerst, ob der jeweilige Ausdruck grenzwertig auf die Form 0/0 oder ∞/∞ führt – falls nicht, können Sie durch geeignete Umformung des Ausdrucks zunächst auf eine dieser Formen kommen, dann können Sie die Regel von l’Hospital anwenden.

1 − ex Lsg: −1 x→0 x ex − 1 c) lim Lsg: 1 x→0 sin x xn+1 − 1 Lsg: n + 1 e) lim x→1 x − 1 sin(n − m)π g) lim = π Lsg: π m→n n−m 3 x3 − 3x + 2 Lsg: i) lim 3 2 x→1 x − x − x + 1 2   cos x 1 − k) lim Lsg: 0 x→0 sin x x   cos(1 − n)π cos 2(1 − n)π m) lim − =0 n→1 1−n 1−n a) lim

ex x→∞ x ln(x − 1) d) lim x→∞ x ln x f) lim x→∞ x   t h) lim − t + −1/t t→∞ e ex − e−x − 2x j) lim x→0 x − sin x x3 l) lim x x→∞ e b) lim

Lsg: 0

Lsg: ∞ Lsg: 0 Lsg: 0 Lsg: 1 Lsg: 2 Lsg: 0

4

Integralrechnung

Die Integralrechnung ist das Komplement der Differentialrechnung und bildet das zweite Standbein der Infinitesimalrechnung. Beide Gebiete hängen sehr eng miteinander zusammen. Bei der Differentiation wird durch Ableitung aus einer gegebenen Funktion F(x) eine neue Funktion f (x) gewonnen. Dieser Vorgang wird formal durch die Beziehung F  (x) = f (x) ausgedrückt. Bei der Integration ist die Situation umgekehrt: Aus einer gegebenen Funktion f (x) wird eine neue Funktion F(x) unter derBedingung gewonnen, dass F  (x) = f (x) gilt. Dieser Vorgang wird formal durch die Beziehung f (x) dx = F(x) ausgedrückt. Integration und Differentiation sind also zueinander inverse Operationen.1

f(x) (x

f F'

F(x) (x

Eine Funktion F(x) wird Stammfunktion von f (x) genannt, wenn folgende Bedingung gilt: f (x) =

d F(x) = F  (x) dx

Definition der Stammfunktion F(x)

(4.1)

Beispiel 4.1: Nachfolgend sind jeweils die Funktionen f (x) und F(x) gegeben. Das Ergebnis der Ableitung von F(x) ist identisch mit f (x), d.h. F(x) ist die Stammfunktion von f (x). a) b) c) d) e) f) g) h)

f (x) = 1 f (x) = 2x f (x) = ex f (x) = cos x f (x) = 1/x f (x) = sinh x f (x) = 1/x2 f (x) = 1/(a − x)

F(x) = x F(x) = x2 F(x) = ex F(x) = sin x F(x) = ln x F(x) = cosh x F(x) = −1/x F(x) = − ln(a − x)

F  (x) = (x) = 1 F  (x) = (x2 ) = 2x F  (x) = (ex ) = ex F  (x) = (sin x) = cos x F  (x) = (ln x) = 1/x F  (x) = (cosh x) = sinh x F  (x) = (−1/x) = 1/x2 F  (x) = (− ln(a − x)) = 1/(a − x) 

1 Die Entwicklung der Infinitesimalrechnung geht auf das 17. Jh. zurück. Das Integralsymbol wurde zum ersten Mal in 1675 von G.W. Leibniz eingeführt – s. F. Cajori: A History of Mathematical Notations, Dover Publ., 1993, S. 187 und F. Cajori: History of Mathematics, Macmillan & Co., 1894, S. 221.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_4

168

4 Integralrechnung

Bild 4.1: Schar von Stammfunktionen F(x) = sin x +C

4.1 Unbestimmtes Integral Durch Hinzufügen einer beliebigen Konstante C zur Stammfunktion F(x) kann die Menge der Stammfunktionen unbegrenzt erweitert werden, weil die Ableitung von C stets Null ist: [F(x) +C] = F  (x) + (C) = F  (x) + 0 = F  (x) = f (x) Sowohl F(x) als auch F(x) +C sind also Stammfunktionen von f (x). Weil C beliebig ist, ergibt sich eine unendlich große Schar von Stammfunktionen. Die Addition von C zu F(x) kann man sich bildlich auch so vorstellen, daß die Funktionskurve y = F(x) im xy-Koordinatensystem in y-Richtung um den Betrag C parallel verschoben wird. Die in Bild 4.1 als Beispiel dargestellten Sinusfunktionen F(x) = sin(x)+C mit verschiedenen Werten von C sind alle gleichwertige Stammfunktionen von f (x) = cos x, weil C sich auf die Ableitung von F(x) nicht auswirkt. Das unbestimmte Integral ist die Gesamtmenge aller Stammfunktionen der Funktion f (x):



f (x) dx = F(x) +C

Definition des unbestimmten Integrals 

(4.2)

Der Ausdruck f (x) innerhalb des -Symbols wird Integrand genannt. An dieser Stelle könnte die Frage auftauchen, weshalb in (4.2) unter dem Integralzeichen der Term dx steht. In der Tat erscheint dort dx auf den ersten Blick überflüssig. Dies hat jedoch einen triftigen Grund:  Das Integralzeichen entstand im 17. Jh. als mathematisches Symbol für das Wort »Summe«. Ihren historischen Ursprung hat die Integralrechnung in der Behandlung von geometrischen Problemen, insbesondere in der Flächenberechnung unter beliebigen Kurven. Wie wir in Abschnitt 4.2 auf Seite 174 noch sehen werden, besitzt dort dx eine ganz klare geometrische Bedeutung, nämlich die infinitesimale Breite eines Rechtecks. Der Ausdruck f (x) dx entspricht daher dem infinitesimalen Flächeninhalt eines Rechtecks von der Höhe f (x) und Breite dx. Daher bedeutet der mathematische Ausdruck f (x) dx »die Summe von unendlich vielen infinitesimalen Flächen«.

4.1 Unbestimmtes Integral

169

Beispiel 4.2: Einige Beispiele für das unbestimmte Integral sind nachfolgend angegeben. f (x) = 4x3 f (x) = − sin x f (x) = −e−x

a) b) c)

f (x) = xk

d)

  f (x) dx = 4x3 dx = x4 +C   f (x) dx = (− sin x) dx = cos x +C   −x −x 

f (x) dx = (−e ) dx = e +C  xk+1 +C f (x) dx = (xk ) dx = k+1

k : Skalar

Beispiel 4.3: Das Bild unten zeigt die Funktionen F(x) = sin x und f (x) = cos x. Die Ableitung von sin x ist bekanntlich cos x, d.h. F(x) ist die Stammfunktion von f (x) und es gilt die Beziehung dF/dx = f (x). Andererseits entspricht die Ableitung einer Funktion an der Stelle x der Steigung ihrer Tangente genau an dieser Stelle.

F(x) = sin x ist die Stammfunktion von f (x) = cos x

Aufgabe: Zeichnen Sie für die Positionen x = 0, π/4, π/2, 3π/4 π mit einem Lineal sorgfältig die Tangente an die Kurve F(x) ein. Anschließend lesen Sie den Winkel α zwischen der Tangente und der x-Achse ab (der Winkel α ist in Bogenmaß zu ermitteln und als positiv anzusehen, wenn er von der x-Achse aus im Gegenuhrzeigersinn zeigt, anderenfalls als negativ). Überprüfen Sie dann, ob die Bedingung tan α = F  (x) = f (x) an den angegebenen Positionen tatsächlich erfüllt ist. Differentiation und Integration sind inverse Operationen. Die Integration ist die Umkehrung der Differentiation. Aus dieser Aussage folgt, dass die Ableitung eines Integrals wieder den Integranden liefern muss. Dass dies tatsächlich auch der Fall ist, sieht man sofort, wenn beide Seiten von (4.2) nach x differenziert werden:  &

d d d d F(x) +C = F(x) + C = f (x) + 0 = f (x) f (x) dx = dx dx dx dx Zwischen Differentiation und Integration gelten die folgenden formalen Beziehungen: d dx



f (x) dx = f (x)

(4.3)

170

4 Integralrechnung



 d f (x) dx = f  (x) dx = f (x) +C dx

(4.4)

Beispiel 4.4: Die Beziehungen (4.3) und (4.4) sollen für die Funktion f (x) = x3 verifiziert werden.   4 & x 4x3 d d 3 +C = + 0 = x3  x dx = dx dx 4 4 &

d 3 x dx = dx

&



3x2 dx = x3 +C = f (x) +C

4.1.1 Regeln für das unbestimmte Integral Faktorregel. Ein konstanter Faktor k darf vor das Integral verschoben werden.



k · f (x) dx = k



f (x) dx

(4.5)

Summenregel. Eine lineare Kombination von Funktionen darf gliedweise integriert werden. f (x) = c1 f1 (x) + c2 f2 (x) + · · · + cn fn (x)



f (x) dx = c1



f1 (x) dx + c2



f2 (x) dx + · · · + cn



fn (x) dx

(4.6)

Potenzregel. Diese Regel basiert auf der Kettenregel der Differentiation.



f (x)a f  (x) dx =

1 f (x)a+1 +C a+1



a+1 Hinweis: f (x)a+1 ≡ f (x)

(4.7)

Logarithmusregel. Diese Regel basiert auf der Ableitung einer logarithmischen Funktion.



f  (x) dx = ln f (x) +C f (x)

(4.8)

Beispiel 4.5: 1. Faktorregel. &

4 sin x dx = 4

&

sin x dx = 4(− cos x) +C = −4 cos x +C

2. Summenregel. &

a)

(cos x − sin x) dx =

&

cos x dx −

&

sin x dx

4.1 Unbestimmtes Integral

171

= sin x − (− cos x) +C = sin x + cos x +C &

b)

(3ex − 2x) dx =

&

=3

3ex dx +

&

&

ex dx − 2

(−2x) dx

&

x dx = 3ex − x2 +C

3. Potenzregel. &

1 ( x2 − ex )3 (2x − ex ) dx = (x2 − ex )4 +C   4 f (x)

f  (x)

4. Logarithmusregel. &

c) &

3x2 x3 + 1

dx = ln(x3 + 1) +C,

weil (x3 + 1) = 3x2

2x dx = ln(x2 − 5) +C, weil (x2 − 5) = 2x x2 − 5 & & 1 x 1 20x dx = dx = ln(10x2 − 5) +C e) 10x2 − 5 20 10x2 − 5 20

d)

4.1.2 Partielle Integration Das Ziel der partiellen Integration besteht darin, den Integranden f (x) soweit zu vereinfachen, dass zum Schluß ein Grundintegral entsteht (etwas vereinfacht ausgedrückt versteht man unter Grundintegral ein besonders einfaches Integral, das man praktisch auswendig kennt, oder zumindest mit ein wenig Überlegung leicht von Hand aufstellen kann bzw. in einer Grundformelsammlung findet). Zur Herleitung der partiellen Integrationsformel betrachten wir die Funktion u(x)v(x), welche aus dem Produkt von Funktionen u(x) und v(x) besteht. Die Ableitung von u(x)v(x) erfolgt gemäß der Produktregel (3.10) auf Seite 88: (u v) = u v + u v

(a)

Die formale Integration beider Seiten in (a) unter Beachtung von (4.4) liefert die partielle Integrationsformel: &

(u v) dx = 

&

u v dx +

&

u v dx

⇒ uv =

&

u v dx +

=uv

Umstellung von (b) liefert die partielle Integrationsformel: ⇒





u v dx = u v − u v dx

&

u v dx

(b)

172

4 Integralrechnung 

Durchführung der partiellen Integration. Bei der Bestimmung des Integrals f (x) dx wird der gegebene Integrand f (x) zunächst in ein Produkt von zwei möglichst sinnvoll zu wählenden Funktionen f1 (x) und f2 (x) zerlegt. Danach wird anstelle der Bezeichnung f1 das Symbol u und anstelle von f2 das Symbol v verwendet: &

f (x) dx =

&

f1 (x) f2 (x) dx =  

Das Integral



u(x) v (x) dx

Anmerk:

u(x) v (x) ≡ f (x)

v (x)

u(x)



&

f (x) dx lässt sich jetzt mit Hilfe folgender partieller Integrationsformel berechnen:

u v dx = u v −



u v dx

(4.9)

Partielle Integration



oder ausführlicher geschrieben:

u(x) · v (x) dx = u(x) · v(x) −



u (x) · v(x) dx

Dabei stellt v(x) die Stammfunktion des Ausdrucks v (x) dar. Beispiel 4.6: &

x sin x dx =

&

x  sin x dx =  x (− cos x) −   v

u

= −x cos x +

&

u

&

1 · (− cos x) dx   u

v

v

cos x dx = −x cos x + sin x +C

Beispiel 4.7: &

ln x dx =

&

ln x ·  1 dx =  ln x ·  x −  v

u

= ln x · x −

&

u

&

v

1 x dx x   u

v

dx = ln x · x − x = x (ln x − 1) +C

Beispiel 4.8: &

x ln x dx =

&

x2 ln x dx = ln x · x −    2  v

u

x2 ln x − = 2

&

u

v

x2

&

1 x2 dx x  2  u

v

x2 x2 x dx = ln x − +C = (2 ln x − 1) +C 2 2 4 4

4.1 Unbestimmtes Integral

Beispiel 4.9: &

x ex dx =

&

x2 x  ex dx = ex −  2 v

&

u

ex

173

x2 dx 2

Der Integrand ist nach partieller Integration komplizierter geworden als im Ausgangsintegral! Die Wahl von u und v war also ungeeignet. Die Integration gelingt jedoch problemlos durch Vertauschung von u und v : &

x ex dx =

&

x  ex dx = x ex − 

&

1 · ex dx = ex (x − 1) +C

v

u

Beispiel 4.10: &

x dx = ex

&

x  e−x dx = (x) (−e−x ) −    u

v

u

v

&

x+1 1 · (−e−x ) dx = − x   e u

v

Hinweise. Folgende Anmerkungen können helfen, größtmögliche Effizienz in der partiellen Integration zu erreichen bzw. Fehlschläge zu vermeiden. 1. Die partielle Integration ist nur dann sinnvoll, wenn u v einfacher zu integrieren ist als f (x). Wenn man z.B. erkennt, dass der Integrand die Bedingungen der Potenzregel (4.7) oder der Logarithmusregel (4.8) erfüllt, dann macht partielle Integration nicht viel Sinn. 2. Erfahrung, Intuition und manchmal einfach auch Glück spielen bei der richtigen Wahl von u und v eine große Rolle. 3. Für die Wahl von u und v existieren keine allgemeingültigen Regeln. Meistens ist es sinnvoll, Potenzfunktionen mit positiver Potenz (z.B. x, x2 usw.) als u zu wählen, weil sich dadurch der Potenzgrad bei der Bildung von u verringert. 

4. Falls der neue Ausdruck u v dx auf der rechten Seite in (4.9) zwar einfacher als der Originalausdruck u v dx geworden ist, aber trotzdem immer noch nicht elementar integrierbar, muss die partielle Integration wiederholt werden. 5. Die ursprüngliche Wahl von u und v kann sich durchaus als ungeeignet herausstellen. Das merkt man daran, dass der neue Integrand noch komplizierter geworden ist als der ursprüngliche Integrand, s. Beispiel 4.9. In diesem Fall müssen u und v vertauscht werden. Falls auch die Vertauschung nicht weiter hilft, ist die partielle Integration für den vorliegenden Fall ungeeignet. 

6. Falls während der partiellen Integration die Ausdrücke u v dx (auf der linken Seite) und   u v dx (auf der rechten Seite) identisch werden, wird u v dx auf die linke Seite gebracht, vgl. Beispiel 4.40. 7. Manchmal führt die partielle Integration zu einem Trivialergebnis, wie z.B. 0 = 0, mit dem man wenig anfangen kann. In solchen Fällen sollte geprüft werden, ob die Ausnutzung

174

4 Integralrechnung

geeigneter mathematischer Gesetzmäßigkeiten, z.B. Substitution von (1 − sin2 x) anstelle von cos2 x, weiter hilft, vgl. Beispiel 4.41. 

8. Statt der Schreibweise u v dx für die partielle Integration kann natürlich auch jede andere     dx = g h − g h dx oder p q dx = g h beliebige Schreibweise verwendet werden, z.B.  p q − p q dx. 9. Partielle Integration ist ein leistungsfähiges Werkzeug, mit dem sich viele Integrationsaufgaben lösen lassen. Ferner ist es bei der Formulierung und Behandlung von Aufgaben der Kontinuumsmechanik (Mechanik deformierbarer Körper) von überragender Bedeutung. Dennoch ist die partielle Integration kein Universalwerkzeug, das für alle Integrationsaufgaben geeignet wäre. Es gibt noch weitere spezielle Integrationsmethoden, die in weiterführender Fachliteratur ausführlich behandelt werden.

4.2 Bestimmtes Integral Historisch gesehen, hängt die Entwicklung der Integralrechnung eng mit Aufgabenstellungen in der Geometrie zusammen.2 Daher soll der Integralbegriff hier etwas eingehender anhand von Bild 4.2 anschaulich vermittelt werden. Die Fläche unterhalb der Kurve f (x) kann näherungsweise dadurch bestimmt werden, dass man das Intervall [a, b] in n Teilintervalle von gleicher Breite Δx unterteilt. Jedem Teilintervall entspricht eine Teilfläche, die sich zwischen der Kurve f (x) und der x-Achse befindet. Jede Teilfläche lässt sich näherungsweise als ein Trapez betrachtet werden (das entspricht der Linearisierung der gekrümmten Randkurve im Intervall Δx entsprechend Abschnitt 3.8). Mit diesem Trapezmodell lässt sich der Flächeninhalt der Teilfläche ΔIi wie folgt bestimmen: Δx =

b−a n

' ( f (xi ) + f (xi ) + f  (xi ) Δx f (xi ) + f (xi + Δx) Δx ≈ Δx ΔIi ≈ 2 2 1 ≈ f (xi ) Δx + f  (xi ) (Δx)2 2 Die Gesamtfläche I unterhalb der Kurve ergibt sich durch Summation aller n Teilflächen: ( n n ' 1 I = ∑ ΔIi = ∑ f (xi ) Δx + f  (xi ) (Δx)2 2 i=1 i=1

(a)

Die Anzahl n der Teilintervalle in (a) kann beliebig groß gewählt werden. Im Grenzfall, wenn n gegen unendlich geht, wird die Intervallbreite Δx infinitesimal und geht in das Differential dx über. Auch die Teilfläche ΔIi geht in die infinitesimale Fläche dI über: lim Δx = dx

n→∞

lim ΔIi = dI

n→∞

lim xi = x

n→∞

(dx)2 dx

(b)

2 Während Integralrechnung bereits im letzten Viertel des 17. Jh. von G.W. Leibniz zu einem effektiven Werkzeug für Anwendungen in der Geometrie eingeführt wurde, erfolgte der Einsatz der Integralrechnung in der Mechanik erst später im 18. Jh. durch Arbeiten insbesondere von L. Euler.

4.2 Bestimmtes Integral

175

y F(b)

F( x)

DFn

DFi+2 DFi+1 DFi

Dx f(xi )

F(a) f(x1)

DI1

f(xi+Dx )

xi

DIn

DIi+1 DIi+2

DIi

x1=a

f(xn )

f(x)

xi+1

xi+2

xn=b

x

Bild 4.2: Zur Definition des bestimmten Integrals

( ∞ ∞ ' ∞ 1 I = ∑ ΔIi = ∑ f (xi ) dx + f  (xi ) (dx)2 ≈ ∑ f (xi ) dx 2 i=1 i=1 i=1

(c)

In (c) wurde der (dx)2 -Term vernachlässigt, weil er verschwindend klein ist. Die unendliche Summe in (c) mit infinitesimaler Intervallbreite dx wird als bestimmtes Integral der Funktion y = f (x) im Intervall [a, b] bezeichnet und ist definiert als: ∞

&b

i=1

a

I = ∑ f (xi ) dx =

f (x) dx

I=

b

f (x) dx

Bestimmtes Integral

(4.10)

a

Mit Hilfe von (4.10) lässt sich die Fläche unterhalb der Funktion f (x) als das bestimmte Integral von f (x) im Intervall [a, b] ausmachen. Allerdings ist es noch nicht klar, wie dieses »IntervallIntegral« berechnet werden kann. Für die Beantwortung dieser Frage betrachten wir Bild 4.2. Im Intervall [xi , xi+1 ] wächst die Funktion F(x) um den Betrag ΔFi an; im Intervall [xi+1 , xi+2 ] um ΔFi+1 . Über das Gesamtintervall [a, b] wächst also die Funktion von Startwert F(a) auf den Endwert F(b) an – daher können wir folgende Beziehung aufschreiben: n

ΔF1 + ΔFn + · · · + ΔFn = ∑ ΔFi = F(b) − F(a)

(d)

i=1

Für n → 0 geht ΔF in dF über und die Summation in (d) kann als Integral ausgedrückt werden: ∞

b

i=1

a

∑ ΔFi = dF = F(b) − F(a)

(e)

176

4 Integralrechnung

Zwischen f (x) und ihrer Stammfunktion F(x) existiert gemäß (4.1) folgende Beziehung: dF = f (x) dx



dF = f (x) dx

(f)

Einsetzen von (f) in (e) liefert: b a

dF =

b a

f (x)dx = F(b) − F(a)

(g)

Das bestimmte Integral von f (x) im Intervall [a, b] entspricht also der Differenz zwischen dem Endwert F(b) der Stammfunktion F(x) von f (x) und dem Startwert F(a). b Nach Einführung des Ausdrucks F(b) − F(a) = F(x)a als Abkürzung erhält man die bekannte Beziehung für das bestimmte Integral:

b

b  f (x) dx = F(x) = F(b) − F(a) a

a

Berechnung des bestimmtes Integrals

Beispiel 4.11: a)

' 1 (2 16 2 3 −0 = 4 x dx = x4 =

4 0 4 ' (2 2 x b) e dx = ex = e2 − e−1 = 7,02 0

−1

−1

c)



' (π sin x dx = − cos x = (− cos π) − (− cos 0) = 1 − (−1) = 2 0

0

d)

2π  0

e)



' (2π sin x dx = − cos x = (− cos 2π) − (− cos 0) = −1 − (−1) = 0 0

' (π cos x dx = sin x = (sin π) − (sin 0) = 0 − 0 = 0 0

0

f)

2π 

' (2π cos x dx = sin x = (sin 2π) − (sin 0) = 0 − 0 = 0 0

0

g)

3π/2  π/2

' (3π/2 cos x dx = sin x = sin(3π/2) − sin(π/2) = −1 − 1 = −2 π/2

' x + 1 (2 dx = − x = 0,594 e 0 0 (3 ' x2 3 (2 ln x − 1) i) x ln x dx = = 2,843 4 0,5 0,5

h)

2 x

ex

(4.11)

4.2 Bestimmtes Integral

177

4.2.1 Eigenschaften des bestimmten Integrals Für das bestimmte Integral gelten prinzipiell die gleichen Regeln wie für das unbestimmte Integral (vgl. Abschnitt 4.1.1) und darüber hinaus einige zusätzliche Aspekte. Faktorregel Ein konstanter Faktor k im Integranden darf vor das Integralzeichen verschoben werden.

b

k · f (x) dx = k

a

b

f (x) dx

(4.12)

a

Beispiel 4.12: π/2 &

π/2 &

0

0

4 sin x dx = 4

π/2

 sin x dx = 4(− cos x) = 4 −0 − (−1) = 4 0

Summenregel Eine durch Linearkombination erzeugte Funktion darf gliedweise integriert werden.

b

b b

c1 f1 (x) + c2 f2 (x) + · · · dx = c1 f1 (x) dx + c2 f2 (x) dx + · · ·

a

a

(4.13)

a

Beispiel 4.13: 1

a)

(3ex − 2x) dx

1

1

0

0

= 3ex dx − 2x dx

0

 1 3 [ex ]10 − x2 0

= 3(e − 1) − (1 − 0) = 4,15 ! 2 "2 2 x 2x3 x4 − + (x − 2x2 + x3 ) dx = = 0,667 − 0 = 0,667 2 3 4 0 0 =

b)

Identische Integrationsgrenzen Bei identischen Integrationsgrenzen ist das bestimmte Integral gleich Null.

a

f (x) dx = 0

a

Beispiel 4.14: &3 3

x dx =

' 1 (3 1 x2 = (32 − 32 ) = 0 2 3 2

(4.14)

178

4 Integralrechnung

Vertauschen von Integrationsgrenzen Das Vertauschen der oberen und unteren Integrationsgrenze bewirkt einen Vorzeichenwechsel des Integrals.

a

f (x) dx = −

b

f (x) dx

(4.15)

a

b

Beispiel 4.15: Es soll überprüft werden, ob tatsächlich

0 π

&0



sin x dx gilt.

0

' (0 sin x dx = − cos x = (− cos 0 + cos π) = (−1 − 1) = −2 π

π



sin x dx = −



π    sin x dx = − − cos x = cos π − cos 0 = −1 − 1 = −2 0



0

Unterteilung des Integrationsintervalls Es ist zulässig, das Integrationsintervall a ≤ x ≤ b in zwei (oder auch beliebig viele) Teilintervalle zu unterteilen.

b

f (x) dx =

a

c

f (x) dx +

a

b

f (x) dx

für a ≤ c ≤ b

(4.16)

c

Beispiel 4.16: &2

2  2x dx = x2  = (22 − 02 ) = 4 0

0

&1

2x dx +

0

&2

1 2   2x dx = x2  + x2  = (12 − 0) + (22 − 1) = 1 + 3 = 4 0

1

1

Partielle Integration

b a

f (x) dx =

b a

' (b b u v dx = u v − u v dx a

a

mit f (x) = u(x) · v (x)

(4.17)

4.3 Numerische Integration

179

Beispiel 4.17: π/2 &

π/2 &π/2  x  sin x dx = −x cos x + cos x dx  0 u

0

v

0

π/2 π/2   = −x cos x + sin x = [−0 + 0] + [1 − 0] = 1 0

0

Die Integrationsgrenzen könnten auch ganz zum Schluß ausgewertet werden: π/2 &

' (π/2 x sin x dx = −x cos x + sin x = [−0 + 1 + 0 − 0] = 1   0

0

u

v

4.3 Numerische Integration Wir reden von geschlossener Integration, wenn die Stammfunktion F(x) des Integranden f (x) gefunden werden kann (vgl. Abschnitt 4.1), das bestimmte Integral wird dann nach den Regeln des vorigen Abschnitts 4.2 berechnet. Existiert dagegen keine Stammfunktion, muss das bestimmte Integral mittels numerischer Integration bestimmt werden. Numerische Integration liefert immer ein individuelles numerisches Einzelergebnis, welches nur für das gerade untersuchte Problem gültig ist. Dagegen liefert die geschlossene Integration ein allgemeines Resultat als Funktion der unabhängigen Variablen x. Beispiele für bestimmte Integrale, die nicht in geschlossener Form ausgewertet werden können, weil für den Integranden keine Stammfunktion existiert, sind in Bild 4.3 gezeigt. Das Ergebnis der numerischen Integration ist (von Einzelfällen abgesehen) ein Näherungswert, dessen Güte vom verwendeten Integrationsverfahren abhängt. Nachfolgend werden einige Standardverfahren für numerische Integration vorgestellt. 4.3.1 Trapez-Verfahren Das Trapez-Verfahren (auch Trapez-Regel genannt) ist eine besonders einfache Methode und lässt sich sehr gut anschaulich herleiten. Die gekrümmte Funktionskurve zwischen zwei Stützstellen wird näherungsweise durch ein Trapez ersetzt (Bild 4.4). Der Integrationsbereich [a, b] wird in n Teilintervalle gleicher Breite unterteilt (äquidistante Intervalle), was insgesamt n + 1 Stützstellen ergibt: Integrationsbereich

:

a≤x≤b

Anzahl der Teilintervalle

:

n

Stützstellen

:

x0 , x1 , x2 , · · · , xn

Schrittweite

:

h=

b−a n

mit

x0 = a, xn = b

180

4 Integralrechnung

a: f (x) = e−x

c: f (x) =

b: f (x) = 20 e−x ln x

2

2

ex ln x

d: f (x) =

1 x sin x

Bild 4.3: Beispiele für Funktionen f (x), die keine Stammfunktion F(x) besitzen

Die xy-Koordinaten der i-ten Stützstelle ergeben sich dann aus: xi = a + i · h

yi = f (xi )

i = 0,1,2, . . . , n

In tabellarischer Form erhält man: Stützstelle i xi yi

0 a y0

1 a+h y1

2 a + 2h y2

··· ··· ···

n b yn

Die Trapezfläche Ii des i-ten Teilintervalls lässt sich auf elementare Weise berechnen: Ii =

yi−1 + yi h 2

i = 1,2,3, · · · , n yi-1 yi

y

y=f(x) y1

y0

I2 h

I1

x0=a x1

yn-1

yn

In xi-1 xi

Bild 4.4: Trapez-Verfahren

xn-1 xn=b

x

4.3 Numerische Integration

181

Das bestimmte Integral I ergibt sich aus der Summe der n Trapezflächen: I=

&b

f (x) dx ≈ I1 + I2 + · · · + In

a

&b

f (x) dx ≈

a

y0 + y1 y1 + y2 y2 + y 3 yn−1 + yn h+ h+ h+...+ h 2 2 2     2 I1

I2

I3

In

Nach dem Zusammenfassen gleicher Terme ergibt sich die Trapez-Regel zu:

b

f (x) dx ≈ h ·

a

y +y  n 0 + y1 + y2 + y3 + · · · + yn−1 2

(4.18)

Trapez-Regel

Sonderfall : n = 2 b a

f (x) dx ≈ h ·

y +y  0 2 + y1 2

gilt nur für n = 2

(4.19)

Die Genauigkeit des Trapez-Verfahrens ist, wie bei allen numerischen Methoden, umso besser, je mehr Teilintervalle benutzt werden. Beispiel 4.18: 2 Es soll der Flächeninhalt unterhalb der Kurve y = f (x) = e−x im Intervall 0 ≤ x ≤ 1 nach dem Trapez-Verfahren mit n = 2 berechnet werden (s. Bild 4.3 a auf Seite 180). Wie groß ist der relative Fehler gegenüber dem »exakten« Wert? 1

Das Integral I = e−x dx ist nicht geschlossen bestimbar, weil für f (x) keine Stamm2

0

funktion existiert, d.h. es gibt auch kein »exaktes« Ergebnis. Als quasi-exaktes Ergebnis soll hier der mit Maple berechnete Wert I = 0,7468 zu Grunde gelegt werden, weil Maple sehr hohe Integrationsgenauigkeit besitzt. −x2

y = f (x)e

a=0 b=1 b−a 1−0 = = 0,5 h= n 2 Aus (4.19) erhalten wir: I=

&1 0

e−x dx = h · 2

i 0 1 2 ∑

xi 0,0 0,5 1,0

n=2 yi 1,0000

yi 0,7788

0,3679 1,3679

0,7788

 y +y   1,3679 0 2 + y1 = 0,5 · + 0,7788 = 0,7314 2 2

182

4 Integralrechnung

Der relative Fehler beträgt gemäß (1.6) auf Seite 5:    0,7468 − 0,7314   = 0,021 = 2,1% Erel =   0,7468

4.3.2 Simpson-Verfahren Das Simpson-Verfahren besitzt eine deutlich schnellere Konvergenz als die Trapez-Verfahren, d.h. eine Erhöhung der Intervallanzahl verbessert die Genauigkeit der Simpsonregel in viel stärkerem Maße als diejenige der Trapezregel. Die Basis dieses Verfahrens ist der Sachverhalt, dass drei Punkte in der xy-Ebene mit einer quadratischen Parabel y = c0 +c1 x+c2 x2 miteinander verbunden werden können. Beispielsweise verläuft durch die folgenden drei Punkte jeweils eine quadratische Parabel (Bild 4.5): Parabel 1: P0 = f (x0 , y0 ) Parabel i:

P1 = f (x1 , y1 )

P2i−2 = f (x2i−2 , y2i−2 )

P2 = (x2 , y2 )

P2i−1 = f (x2i−1 , y2i−1 ) P2i = (x2i , y2i )

Der Integrationsbereich wird in 2n äquidistante Teilintervalle unterteilt. Der Grund für die Wahl von 2n liegt darin, dass die Simpson-Regel eine gerade Anzahl von Teilintervallen benötigt (2n ist immer eine gerade Zahl). Die quadratische Parabel, die sich jeweils über drei Stützstellen erstreckt, kann einen beliebig gekrümmten Kurvenverlauf natürlich nur näherungsweise decken. Der Fehler dieser Näherung ist aber deutlich geringer als die geradlinige Näherung des Trapez-Verfahrens. Daher darf man beim Simpson-Verfahren im allgemeinen eine deutlich höhere Genauigkeit erwarten als beim Trapez-Verfahren. Als beschreibende Parameter der x-Achse erhalten wir: Integrationsbereich

:

a≤x≤b

Anzahl der Teilintervalle

:

2n

Stützstellen

:

x0 , x1 , x2 , · · · , x2n−1 , x2n

Schrittweite

:

h=

mit

x0 = a, x2n = b

b−a 2n

P2i-2 P2i-1 P2i

y

y=f(x)

P2 P1

P0

I2 I1

x0=a x1 x2

P2n-2 2h

P2n-1

P2n

In x2i-2 x2i-1 x2i

Bild 4.5: Simpson-Verfahren

x2n-1 x2n=b

x

4.3 Numerische Integration

183

Die xy-Koordinaten der i-ten Stützstelle ergeben sich dann aus: xi = a + i · h

yi = f (xi )

i = 0,1,2, . . . ,2n

In tabellarischer Form erhält man: Stützstelle i xi yi

0 a y0

1 a+h y1

2 a + 2h y2

··· ··· ···

2n b y2n

Der Flächeninhalt I1 der ersten Doppelteilfläche zwischen den Stützstellen x0 und x2 beträgt: h (y0 + 4y1 + y2 ) 3

I1 =

(a)

Anmerkung: Die Formel (a) zur Berechnung des Flächeninhalts eines Quasi-Rechtecks, dessen vierte Randlinie durch eine quadratische Parabel beschrieben wird (farbig hinterlegte Fläche in Bild 4.5), wurde gängigen Formelsammlungen entnommen und soll hier nicht erneut im Detail hergeleitet werden. Der Flächeninhalt I2 der zweiten Doppelteilfläche zwischen den Stützstellen x2 und x4 ergibt sich in analoger Weise zu: h (y2 + 4y3 + y4 ) 3

I2 =

Für die i-te Doppelteilfläche Ii zwischen den Stützstellen x2i−2 und x2i gilt: Ii =

h (y2i−2 + 4y2i−1 + y2i ) 3

i = 1,2,3, · · · , n

(4.20)

Die Gesamtfläche ergibt sich aus der Summe von n Doppelteilflächen: I=

&b

f (x) dx ≈ I1 + I2 + · · · + In

a

&b

f (x) dx ≈

a

h h h (y0 + 4y1 + y2 ) + (y2 + 4y3 + y4 ) + · · · + (y2n−2 + 4y2n−1 + y2n ) 3 3 3





  I1

I2

In

Nach dem Zusammenfassen gleicher Terme ergibt sich die Simpson-Regel zu:

b a

f (x) dx ≈

 h y0 + y2n + 4(y1 + y3 + · · · + y2n−1 ) + 2(y2 + y4 + · · · + y2n−2 ) 3

(4.21)

184

4 Integralrechnung

Sonderfälle

b

f (x) dx ≈

h [y0 + y2 + 4y1 ] 3

f (x) dx ≈

h [y0 + y4 + 4(y1 + y3 ) + 2y2 ] 3

a

b a

2n = 2

(eine Doppelteilfläche)

2n = 4

(4.22)

(zwei Doppelteilflächen) (4.23)

Beispiel 4.19: 1

Das bestimmte Integral I = e−x dx des Beispiels 4.18 soll jetzt nach dem Simpson2

0

Verfahren mit 2n = 2 berechnet werden (quasi-exaktes Ergebnis: I = 0,7468).

h=

b−a 1−0 = = 0,5 2n 2

i 0 1 2 ∑

xi 0,0 0,5 1,0

2n = 2 yi 1,0000

yi 0,7788

0,3679 1,3679

0,7788

Das Integral erhalten wir aus (4.22): I=

&1

e−x dx = 2

0

0,5 (1,3679 + 4 · 0,7788) = 0,7472 3

Relativer Fehler:

   0,7468 − 0,7472   = 0,0005 = 0,05%  Erel =   0,7468

Der relative Fehler des Simpson-Verfahrens ist in diesem Beispiel also mehr als 40mal kleiner gegenüber dem Trapez-Vefahren. 4.3.3 Gauß-Quadratur Die numerische Integration nach Gauß wird Gauß-Quadratur genannt. Sie stellt ein sehr leistungsfähiges Werkzeug dar und ist in technischen Anwendungen die wohl am häufigsten verwendete numerische Integrationsmethode. Die Herleitung der Gauß-Quadratur ist relativ aufwändig und soll hier nicht wiederholt werden. Nachfolgend werden nur die wesentlichen Teile des Verfahrens vorgestellt. Die zu integrierende Funktion f (x) wird an einigen genau festgelegten Stellen innerhalb des Integrationsintervalls [a, b] ausgewertet und mit tabellierten Gewichtungsfaktoren Wi multipliziert. Anschließend werden die einzelnen Terme addiert. Die Rechenprozedur ist nachfolgend

4.3 Numerische Integration

185

zusammengefasst (die Koeffizienten αi und ξi sind (4.26) zu entnehmen):

b a

n

f (x) dx ≈ ∑ fi Wi

Gauß-Quadratur der Funktion f (x)

i=1

(4.24)

n : Anzahl der Stützstellen (üblicherweise 1 bis 4) fi : Funktionswert an der Stelle xi fi = f (xi )

mit

xi =

a+b b−a + ξi 2 2

(4.25)

ξi : Dimensionsfreie Koordinate der Stützstelle i αi : Gewichtungsfaktor

n 1 2

3

4

Wi = αi

b−a 2

Koeffizienten der Gauß-Quadratur i ξi αi 1 0 2 1 −0,5773502692 1 2 +0,5773502692 1 1 −0,7745966692 0,5555555556 2 0 0,8888888889 3 +0,7745966692 0,5555555556 1 −0,8611363116 0,3478548451 2 −0,3399810436 0,6521451549 3 +0,3399810436 0,6521451549 4 +0,8611363116 0,3478548451

(4.26)

Mit der Gauß-Quadratur lässt sich ein Polynom (2n − 1)-ten Grades bereits mit n Stützstellen exakt, d.h. ohne Näherungsfehler, integrieren. Im Unterschied zum Trapez- bzw. SimpsonVerfahren verwendet die Gauß-Methode nicht-äquidistante Stützstellen – diese sind bereits so festgelegt, dass die höchstmögliche Genauigkeit bei der Integration erreicht wird. Für Polynomfunktionen liefern die Simpson- und Gauß-Regel generell genauere Ergebnisse als die Trapez-Regel. Bei Transzendentalfunktionen (trigonometrische Funktionen, Exponentialfunktion) ist die Genauigkeit fallabhängig.

186

4 Integralrechnung

Beispiel 4.20: Das bestimmte Integral

1 −x2 e dx in Bild 4.3 a soll mittels Gauß-Quadratur mit 2 0

Stüzstellen berechnet werden (quasi-exaktes Ergebnis: I = 0,7468). a=0

b=1

i 1 2

ξi -0,57735 +0,57735

I=

&1

a+b = 0,5 2

b−a = 0,5 2

n=2 xi fi 0,2113 0,9563 0,7887 0,5369

αi 1 1

xi = 0,5 + 0,5ξi

Wi 0,5 0,5

e−x dx = 0,9563 · 0,5 + 0,5369 · 0,5 = 0,7466 2

0

   0,7468 − 0,7466   = 0,0003 = 0,03%  Erel =   0,7468

Relativer Fehler:

Beispiel 4.21: 2

Das bestimmte Integral 20e−x ln x dx in Bild 4.3 b ist mit Hilfe von Gauß-Quadratur 2

1

mit 2 Stüzstellen zu berechnen (quasi-exaktes Ergebnis: I = 0,6522). a=0

b=1

i 1 2

ξi -0,57735 +0,57735

I=

&2

a+b = 0,5 2

b−a = 0,5 2

n=2 xi fi 1,2113 0,8840 1,7887 0,4743

αi 1 1

xi = 0,5 + 0,5ξi

Wi 0,5 0,5

20e−x ln x dx = 0,8840 · 0,5 + 0,4743 · 0,5 = 0,6792 2

1

   0,6522 − 0,6792   = 0,041 = 4,1%  Relativer Fehler: Erel =   0,6522 Die Bedeutung der Ortskoordinate ξ in der Gauß-Quadratur Die geometrische Bedeutung der Koordinate ξi in(4.25) wird deutlich, wenn die dimensionsbehaftete Ortskoordinate x mit Hilfe folgender linearer Transformation durch die dimensionslose

4.3 Numerische Integration

187

Koordinate ξ ausgedrückt wird: x = g(ξ ) =

a+b b−a + ξ 2 2

− 1 ≤ ξ ≤ +1

(a)

Die Richtigkeit dieser Transformation sieht man sofort, wenn die Endpunkte der neuen Variable ξ eingesetzt werden: ξ = −1 :

x=

a+b b−a + · (−1) = a 2 2

a+b b−a + · (+1) = b 2 2 Die Stützstellen xi lassen sich also aus den dimensionslosen Stützstellen ξi bestimmen: ξ = +1 :

xi =

x=

a+b b−a + ξi 2 2

Mit Hilfe von (a) transformieren wir das Differential dx in einen Ausdruck von dξ : x=

a+b b−a + ξ 2 2



dx b−a = dξ 2



dx =

b−a dξ 2

(b)

Die neuen Integrationsgrenzen hinsichtlich der Integrationsvariable ξ lassen sich ebenfalls mit Hilfe von (a) ermitteln: x=a :



x=b :



a+b b−a + ξ 2 2 a+b b−a + ξ b= 2 2 a=



ξ = −1



ξ = +1

(c)

Unter Berücksichtigung von (a), (b) und (c) verwandelt sich das ursprüngliche Integral (4.24) in die nachfolgende Gestalt: &b a

f (x) dx =

b−a 2

&+1 −1

f (g(ξ )) dξ =

n n b−a b−a n αi f (xi ) = ∑ Wi fi αi f i = ∑ ∑ 2 i=1 i=1  2 i=1 Wi

Gauß-Quadratur und FEM. In der Finite-Element-Methode (FEM), die einen Zweig der computergestützten Mechanik (computational mechanics) bildet, findet die Gauß-Quadratur weit verbreiteten Einsatz wegen seiner extrem hohen Genauigkeit bei der Integration von Polynomfunktionen, die man schon mit sehr wenigen Stützstellen erreichen kann. Die sog. Formfunktionen, welche die Grundlage für die Steifigkeitsmatrix K eines finiten Elementes bilden, sind i.d.R. Polynomfunktionen und damit besonders prädestiniert für die Gauß-Quadratur. In der FEM wird die Gauß-Quadratur bevorzugt in der dimensionslosen Form mit der Variable ξ durchgeführt.

188

4 Integralrechnung

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung In diesem Abschnitt werden einige geometrische Anwendungsbeispiele der Integralrechnung vorgestellt. 4.4.1 Flächenberechnung Wir haben im Abschnitt 4.2 auf Seite 174 das bestimmte Integral zwischen der Kurve f (x) und der x-Achse kennengelernt:

A=

b

f (x) dx

b a

f (x) dx als Flächeninhalt

(4.27)

Fläche als bestimmtes Integral

a

Die Formel (4.27) gibt jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen den Flächeninhalt korrekt wieder. Die unbedachte Verwendung von (4.27) kann jedoch auch zu »überraschenden« Ergebnissen führen. Bestimmtes Integral = Flächeninhalt? Als Beispiel sei die nachfolgend dargestellte Sinusfunktion betrachtet. Gesucht ist der Flächeninhalt zwischen der Sinuskurve und der x-Achse im Intervall 0 ≤ x ≤ 2π. y

(+) A1

y=sin(x)

p

2p

A2 (-)

x

Die Anwendung von (4.27) liefert als Flächeninhalt: A=

&2π

2π  sin x dx = − cos x = − cos 2π − (− cos 0) = −1 + 1 = 0 0

0

Das Ergebnis ist, obwohl integrationstechnisch absolut korrekt, hinsichtlich der Flächenberechnung falsch, denn der Flächeninhalt A1 + A2 im obigen Bild ist offensichtlich ungleich Null. Die Fehlerursache wird sichtbar, wenn wir das bestimmte Integral in zwei Teilintervallen berechnen: A=

&2π 0

sin x dx =

&π 0

sin x dx +

&2π

π 2π   sin x dx = − cos x + (− cos x) π

0

π

= (− cos π + cos 0) + (− cos 2π + cos π) =  1 + (−1) = 0  A1

A2

Während das Integral A1 positiven Betrag hat, stellt sich das Integral A2 als negativ heraus! Das

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

189



Vorzeichen des Integrals ab f (x) dx hängt allgemein davon ab, ob der Funktionswert f (x) im Integrationsbereich positiv oder negativ ist. Bei Kurven, welche die x-Achse durchschneiden, führt die unmittelbare Addition der Teilintegrale A1 und A2 im Kontext einer Flächeninhaltsberechnung zu einem falschen Resultat. Das bestimmte Integral darf daher nicht generell als Flächeninhalt zwischen der Funktion f (x) und der x-Achse interpretiert werden. Es entspricht nur dann dem Flächeninhalt A zwischen der Funktionskurve und der x-Achse im Intervall x = [a, b], sofern die Funktionskurve in diesem Intervall die x-Achse nicht kreuzt. Das bestimmte Integral I wird negativ, wenn die Funktionskurve f (x) unterhalb der x-Achse verläuft. Da aber nur ein positives Flächenmaß geometrisch Sinn macht, sollte generell als Fläche A der Absolutwert des Integrals I verwendet werden. Vorgehensweise für korrekte Flächenberechnung. Wenn die Kurve von f (x) die x-Achse kreuzt, d.h. der Funktionswert ihr Vorzeichen wechselt, muss die Flächenberechnung mit Hilfe des bestimmten Integrals etwas modifiziert werden. In diesem Fall wird das Intervall [a, b] in n Teilintervalle unterteilt. Die Anzahl der Teilintervalle n ist so zu wählen, dass das Vorzeichen von f (x) sich innerhalb eines Intervalls nicht ändert. Die Gesamtfläche A ergibt sich dann aus der Addition der einzelnen Teilflächen Ai : n

n

i=1

i=1

A = ∑ Ai = ∑ |Ii |

mit Ai = |Ii |

Ii =

x&i+1

f (x) dx

xi

 b  x1   x2         A =  f (x) dx +  f (x) dx + · · · +  f (x) dx a

x1

Flächenberechnung

(4.28)

xn−1

Anmerkung: Leider sieht man der Funktionsgleichung f (x) oft nicht ohne weiteres an, ob sie im Integrationsbereich einen Vorzeichenwechsel erfährt oder nicht. Im Zweifelsfall sollte man daher eine Skizze des Funktionsverlaufes anfertigen – in vielen Fällen wird eine nur von Hand qualitativ gezeichnete Funktionskurve ausreichend sein. Beispiel 4.22: Gesucht ist die von der Funktionskurve y = sin x im Intervall 0 ≤ x ≤ π eingeschlossene Fläche A.

A=



π  sin x dx = − cos x = − cos π − (− cos 0) = 1 + 1 = 2 0

0

190

4 Integralrechnung

Beispiel 4.23: Die von der Sinusfunktion y = sin x und der x-Achse eingeschlossene Fläche im Intervall [0; 2π] soll berechnet werden.

a) Ohne Unterteilung des Integrationsbereiches erhält man ein falsches Ergebnis. A=

&2π

2π  sin x dx = − cos x = − cos 2π − (− cos 0) = −1 + 1 = 0  0

0

b) Unterteilung des Integrationsbereiches und Verwendung der Absolutwerte der Teilintegrale liefert das korrekte Ergebnis.      &2π   &π               A =  sin x dx +  sin x dx = [− cos x]π0  + [− cos x]2π π  = |2| + | − 2| = 4  π  0

Flächenberechnung bei bereichsweise definierten Funktionen. Gelegentlich kommt es vor, dass die Funktion f (x) die x-Achse zwar nicht schneidet, aber aus nur bereichsweise definierten Teilfunktionen besteht (s. Beispiel 4.24). Auch in solchen Fällen ist die Unterteilung des Integrationsintervalls in geeignete Teilbereiche notwendig: ⎧ ⎪ f1 (x) für x0 ≤ x ≤ x1 ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ f2 (x) für x1 ≤ x ≤ x2 f (x) = .. ⎪ ⎪ . ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ f (x) für x n n−1 ≤ x ≤ xn        &x1  &x2   x&n =b             A= f1 (x) dx  +  f2 (x) dx + · · · +  fn (x) dx x  x =a  x  0 1 n−1



 

A1

A2

An

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

191

Beispiel 4.24: Die Fläche unterhalb der bereichsweise definierten Kurve im Bild unten soll berechnet werden. ⎧ ⎨ f1 (x) = x für 0 ≤ x ≤ 1 f (x) = ⎩ f2 (x) = cos(x − 1) für 1 ≤ x ≤ π + 1 2         &1   π/2+1  &1   π/2+1  &        &         A = A1 + A2 =  f1 (x) dx +  f2 (x) dx =  x dx +  cos(x − 1) dx 0   1  0   1  ' 2 (  '  (π/2+1   x 1   +  sin(x − 1)  = |(0,5 − 0)| + |(1 − 0)| = 0,5 + 1 = 1,5 =   2 0  1

Bereichsweise definierte Funktionen x und cos(x − 1)

4.4.2 Fläche zwischen zwei Kurven Bei der in Bild 4.6 a dargestellten Fläche A schneiden sich die Kurven f1 (x) und f2 (x) nicht im Innenbereich des Intervalls [a, b]. Die Fläche ergibt sich aus der nachfolgenden Beziehung.      b   b  b    A =  f1 (x) dx − f2 (x) dx  =  [ f1 (x) − f2 (x)] dx  a a a

(4.29)

Sonderfall: Die Kurven kreuzen sich innerhalb der Intervalls [a, b]. Wenn sich die Kurven f1 (x) und f2 (x) an n Zwischenpunkten innerhalb des Integrationsintervalls [a, b] kreuzen (Kreuzungspositionen: x1 , x2 , · · · , xn ), lässt sich die Fläche A als Summe der Teilflächen Ai berechnen (Bild 4.6 b): n+1

A = ∑ Ai = |I1 | + |I2 | + · · · + |In+1 |

(4.30)

i=1

I1 =

&x1

[ f1 (x) − f2 (x)] dx

a

I2 =

&x2

[ f1 (x) − f2 (x)] dx · · · In+1 =

x1

xn+1 & =b

[ f1 (x) − f2 (x)] dx

xn

192

4 Integralrechnung

y

y=f1(x)

y

yf 12(x)

yf 1a(x)

A

A2

Aa

y=f2(x)

a

]

b

b

x

a: ohne Kreuzungspunkt

xa

= x

b: mit einem Kreuzungspunkt (n = 1)

Bild 4.6: Fläche zwischen zwei Kurven

In verallgemeinerter Form gilt für das Integral Ii : Ii =

xi xi−1

[ f1 (x) − f2 (x)] dx

i = 1,2, · · · , n + 1

wobei x0 = a, xn+1 = b

(4.31)

Beispiel 4.25: Gesucht ist die zwischen den Kurven f1 (x) = 2 + sin x und f2 (x) = 2 − sin x liegende Fläche im Intervall 0 ≤ x ≤ 2π.

Zur Ermittlung der Kreuzungspunkte der Kurven f1 (x) und f2 (x) setzen wir die Funktionen gleich: f1 (x) = f2 (x)

⇒ 2 + sin x = 2 − sin x

⇒ sin x = 0

Innerhalb des gegebenen Intervalls 0 ≤ x ≤ 2π ergeben sich die Koordinaten der Kreuzungspunkte zu: x0 = 0

x1 = π

x2 = 2π

Die Teilintegrale gemäß (4.31) lauten dann: I1 =

&π 0

( f1 − f2 ) dx =

&π '

( 2 + sin x − (2 − sin x) dx

0

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

=



193

π  2 sin x dx = −2 cos x = 4 0

0

I2 =

&2π

&2π

π

π

( f1 − f2 ) dx =

2π ' (  2 sin x dx = −2 cos x = −2 1 − (−1) = −4 π

A = |I1 | + |I2 | = 4 + | − 4| = 8 4.4.3 Flächenberechnung in Polarkoordinaten Der in Bild 4.7 abgebildete Kreis vom Radius r wird durch die Gleichung x2 + y2 = r2 beschrieben. Die Kreisfläche A lässt sich gemäß (4.27) auf Seite (4.27) wie folgt berechnen (es genügt nur ein Viertel des Kreises zu betrachten und das Ergebnis 4-mal zu nehmen):  ⇒ y2 = r2 − x2 y = f (x) = ± r2 − x2 x2 + y2 = r2

A=4

&r

f (x) dx = 4

0

&r 

r2 − x2 dx

0

r  √ x x r 2 − x2 r 2 + arctan √ =4 2 2 r 2 − x2 0 " ! r2 π = 4 0+ − 4 [0 + 0] = πr2 2 2 Die Berechnung der Kreisfläche gestaltet sich aber wesentlich einfacher, wenn man anstelle der kartesischen xy-Koordinaten die Polarkoordinaten r und α verwendet (Definition von Polarkoordinaten vgl. Seite 406). In Bild 4.7 ist die Länge eines infinitesimalen Kurvenstückes auf dem Kreisumfang mit ds bezeichnet. Nach Regeln elementarer Geometrie gilt: ds = r · dα Das im Bild türkis hinterlegte infinitesimale Kreissegment mit dem Segmentwinkel dα besitzt näherungsweise die Form eines Dreiecks. Sein Flächeninhalt beträgt: dA ≈

1 r2 1 r · ds = r · (r dα) = dα 2 2 2

Die Integration über den gesamten Umfang liefert die bekannte Formel für die Kreisfläche: A=

&2π 0

dA =

&2π 2 r

&2π

0

0

r2 dα = 2 2

dα =

r2 2π r2 α  = (2π − 0) = πr2 2 0 2

194

4 Integralrechnung y

ds da

r

a O

x

Bild 4.7: Kreisfläche in Polarkoordinaten

4.4.4 Bogenlänge einer Kurve Die Bogenlänge einer Kurve spielt in Ingenieuranwendungen eine wichtige Rolle (z.B. Bahnen von Flugkörpern, Seillänge einer Hängeseilbrücke, Längenmaße von beliebigen Berandungen). Zur Herleitung der Formel der Bogenlänge wird in der xy-Ebene eine beliebige Kurve y = f (x) betrachtet (Bild 4.8). Am dargestellten differentiellen Bogenelement mit der infinitesimalen Länge ds ergeben sich folgende Beziehungen aus der Pythagoras-Beziehung:   2    dy 2 2 2 (dx)2 = 1 + y2 (dx)2 (ds) = (dx) + (dy) = 1 + dx ds =





1 + y2 dx

Länge eines differentiellen Bogenelements

(4.32)

Die gesamte Bogenlänge s ergibt sich aus der Integration der differentiellen Bogenlänge ds über dem Integrationsintervall [a, b]: s=

&b

ds

s=

a

b  a

1 + y2 dx

(4.33)

Bogenlänge

s

y

f(x) dy dx

ds

dy

dx

a

b

Bild 4.8: Bogenlänge s einer Kurve

x

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

195

Beispiel 4.26: √ Zu berechnen ist die Bogenlänge der Kurve y = x3 im Intervall 0 ≤ x ≤ 2.



y = x3/2

s=

&2





y =

3 1/2 x 1+ 2

0

3 1/2 x 2

2 dx =

&2 

 3/2 2  2 4 9 9 1 + x dx = = 3,53 1+ x 4 3 9 4 0

0

4.4.5 Bogenlängenberechnung in Polarkoordinaten Die Bogenlängenberechnung nach Gl. (4.33) kann sich in Einzelfällen wesentlich vereinfachen, falls die Kurve in Polarkoordinaten (vgl. Seite 406) beschrieben werden kann. Im nachfolgenden Beispiel wird der Umfang U eines Kreises zunächst im kartesischen xyKoordinatensystem und anschließend im Polarkoordinatensystem demonstriert. Beispiel 4.27: Es soll der Umfang des Kreises in Bild 4.7 auf Seite 194 berechnet werden. Berechnung im kartesischen KS. Die Berechnung des Kreisumfangs U nach Gl. (4.33) ergibt sich mit Hilfe des unbestimmten Integrals Nr. 46 auf Seite 879 zu: y=



r 2 − x2

&r 



−x y = √ r 2 − x2 &r

1 + y2 = 1 +

x2 r 2 − x2

=

r2 r 2 − x2

r x  dx = 4r arctan √  r 2 − x2 r 2 − x2 0 0 0  π − 0 = 2πr = 4r (arctan ∞ − arctan 0) = 4r 2

U =4

1 + y2

dx = 4r



1

Diese Rechenmethode führt zwar zum Ziel, die Auswertung des Integrals ist jedoch ziemlich anfällig für Flüchtigkeitsfehler. Berechnung im Polarkoordinatensystem. Die Länge ds eines infinitesimalen Kurvenstückes auf dem Kreisumfang in Bild 4.7 ergibt sich zu: ds = r · dα

196

4 Integralrechnung

Die Integration von ds über 360◦ liefert den Umfang U: U=

&2π

ds =

0

&2π

2π  r dα = rα  = r(2π − 0) = 2πr 0

0

Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass es sich sehr lohnen kann, darüber nachzudenken, ob ein gegebenes mathematisches Problem durch Transformation in einen anderen Variablenraum (hier: vom kartesischen xy-Raum in den polaren rα-Raum) möglicherweise einfacher gelöst werden kann.

4.4.6 Schwerpunkt einer Linie mit Massenbelegung Eine Linie in der technischen Mechanik läßt sich als einen sehr dünnen massebehafteten Draht vorstellen (Bild 4.9). Entlang der Linie ist die Position durch die Linienkoordinate s gegeben. Die Masse pro Längeneinheit des Drahts ergibt sich aus m(s) = A(s) · ρ(s), wobei A die Querschnittsfläche des Drahts und ρ die Dichte des Drahtwerkstoffes bedeuten. A und ρ brauchen nicht konstant verteilt sein, sie dürfen als Funktion der Koordinate s entlang der Linie variabel verlaufen. Die gesamte Länge der Linie wird mit L bezeichnet. M ist die gesamte Linienmasse. Der Schwerpunkt S der Linie ist durch seine Koordinaten xs , ys festgelegt, welche wie folgt gegeben sind. M=



M : Gesamtmasse der Linie

m(s) ds

s

xs =

1 M



ys =

m(s) x ds

s

1 M



y L

ys

s ds

y

a

x

(4.34)

m(s) y ds

s

m( s)

s

xs

b

x

Bild 4.9: Schwerpunkt S einer massebehafteten Linie

Schwerpunkt bei gleichmäßiger Massenbelegung. Für gleichmäßige Massenverteilung m(s) = m entlang der ganzen Linie errechnet sich die Gesamtmasse aus M = mL und die obigen Bezie-

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

197

hungen lassen sich wie folgt vereinfachen: 1 xs = M

ys =

1 M

& s

&

1 m(s) x ds = mL

m(s) y ds =

s

1 mL

mx ds

xs =

1 x ds L s

(4.35a)

my ds

ys =

1 y ds L s

(4.35b)

& s

& s

Beispiel 4.28: Gesucht ist der Schwerpunkt S des abgebildeten Kreisbogens mit gleichmäßiger Massenverteilung m(s) = m.

y

L

S ys

ds

x da a

r

b

y x

Kreisbogen mit gleichmäßiger Massenverteilung

Aus der Abbildung lassen sich folgende Beziehungen ableiten: L = 2β r

ds = r dα

x = r sin α

y = r cos α

(a)

Die Integrale in (4.35) mit der Bogenkoordinate s als Integrationsvariable lassen sich jetzt mit Hilfe von (a) in solche mit dem Winkel α überführen: xs =

1 L

& s

x ds =

1 2β r



r2 sin α dα = −

−β

β r  cos α  2β −β

r r cos β − cos(−β ) = − cos β − cos β = 0 =− 2β 2β 1 ys = L

& s

2 y ds = 2β r

&β 0

r2 cos α dα =

β r sin β r  sin α  = β β 0

Das Ergebnis xs = 0 hätte man natürlich auch aus der Symmetrie des Kreisbogens um die y-Achse leicht erkennen können.

198

4 Integralrechnung

ds

y

dx

dy y=f(x)

y+dy y

dx

a

L

b

x

r2

r1

dAM dV h

a: Rotationsfläche

b: Kegelstumpf

Bild 4.10: Rotationskörper um die x-Achse

4.4.7 Rotationskörper Ein Rotationskörper entsteht, wenn eine in der xy-Ebene liegende Kurve y = f (x) um eine der beiden Koordinatenachsen um 360◦ gedreht wird. Bild 4.10 a zeigt einen Rotationskörper bei Drehung der Kurve um die x-Achse. In Bild 4.11 a ist ein Rotationskörper bei Drehung der Kurve um die y-Achse dargestellt. Die Mantelfläche eines Rotationskörpers entspricht der gekrümmten Oberfläche (enthält also nicht die beiden kreisförmigen Stirnflächen). Das Volumen entspricht dem von der Mantelfläche eingeschlossenen Volumen. Nachfolgend werden die Beziehungen zur Berechnung des Flächeninhalts der Mantelfläche und des Volumens des Rotationskörpers hergeleitet. 4.4.7.1 Mantelfläche um die x-Achse Wenn die Kurve y = f (x) einmal vollständig um die x-Achse gedreht wird, entsteht eine Rotationsfläche, deren Längsachse der x-Achse entspricht (Bild 4.10 a). Für die Berechnung des Flächeninhalts der Mantelfläche betrachten wir den Kegelstumpf in Bild 4.10 b. Der Mantelflächeninhalt AK des Kegelstumpfs ergibt sich aus elementarer Geometrie: AK = π (r1 + r2 ) L

(a)

Zwischen dem Kegelstumpf und dem infinitesimalen, farbig hinterlegten Teilmantel von der Breite dx in Bild 4.10 a bestehen die nachfolgenden geometrischen Analogien: Höhe

h = dx

Mantellänge

L = ds

Radius am linken Ende

r1 = y

Radius am rechten Ende

r2 = y + dy

(b)

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

199

Nach Einsetzen der geometrischen Beziehungen in (b) in die Formel (a) erhält man den infinitesimalen Flächeninhalt dAM der Rotationsfläche: dAM = π (y + y + dy) ds = 2π y ds + π dy ds ≈ 2π y ds

(c)

Die Größen ds und dy sind infinitesimal; daraus folgt, dass (ds · dy) ds. Folglich kann in (c)  2 der zweite Term vernachlässigt werden. Setzt man noch die Beziehung ds = 1 + y dx gemäß (4.32) auf Seite 194 ein, ergibt sich der Flächeninhalt des infinitesimalen Teilmantels zu:  dAM = 2π y ds = 2π y 1 + y2 dx (d) Der Mantelflächeninhalt AM des Rotationskörpers ergibt sich schließlich durch Integration von dAM in (d) im Intervall a ≤ x ≤ b: AM =

&b



dAM

AM = 2π

a

b 

1 + y2 dx

y

a

Mantelfläche um die x-Achse

(4.36)

Beispiel 4.29: Es soll der Flächeninhalt der Rotationsfläche berechnet werden, die durch vollständige Drehung der Kurve y = cosh x um die x-Achse entsteht (0 ≤ x ≤ 2). y = cosh x AM = 2π

y = sinh x

&2

 cosh x



1 + sinh x dx = 2π



0

&2

cosh2 x dx

2

cosh x

2 1  = 2π (x + sinh x cosh x) = 49,15 2 0

0

4.4.7.2 Mantelfläche um die y-Achse Wenn die Kurve y = f (x) um die y-Achse gedreht wird, entsteht die in Bild 4.11 a dargestellte Rotationsfläche. Der Flächeninhalt wird durch ähnliche Betrachtungen wie im Falle der Rotation um die x-Achse berechnet. Zwischen dem Kegelstumpf und dem infinitesimalen, farbig hinterlegten Teilmantel bestehen folgende geometrischen Analogien: Höhe Radius am unteren Ende

h = dy r1 = x

Mantellänge Radius am oberen Ende

L = ds r2 = x + dx

Der Flächeninhalt der infinitesimalen Mantellfläche ergibt sich aus: dAM = π (x + x + dx) ds = 2π x ds + π dx ds ≈ 2π x ds

(dx · ds) ds

200

4 Integralrechnung y yb

dAM, dV

ds dy dx

dy dx

y=f(x)

r2

a

x x+dx

r1

x

b

L

h

ya

b: Kegelstumpf

a: Rotationsfläche Bild 4.11: Rotationskörper um die y-Achse

Der Mantelflächeninhalt AM ergibt sich durch Integration von dAM im Intervall a ≤ x ≤ b: AM =

&b



dAM

AM = 2π

a

b 

x

a

1 + y2 dx

Mantelfläche um die y-Achse

(4.37)

Beispiel 4.30: Es soll der Flächeninhalt der Mantelfläche berechnet werden, die durch vollständige Drehung der Kurve y = cosh x um die y-Achse entsteht (0 ≤ x ≤ 2). y = sinh x

y = cosh x AM = 2π

&2

 x

0

1 + sinh2 x dx = 2π 



&2

x cosh x dx 0

cosh x

2  = 2π (x sinh x − cosh x) = 28,22 0

4.4.7.3 Rotationsvolumen um die x-Achse Das Volumen des in Bild 4.10 b dargestellten Kegelstumpfes beträgt: VKegel =

πh 2 (r1 + r1 r2 + r22 ) 3

Analoges Vorgehen wie in Abschnitt 4.4.7.1 liefert: dV =

( π dx ' 2 y + y · (y + dy) + (y + dy)2 3

4.4 Geometrische Anwendungen der Integralrechnung

=

201

( π ' 2 3y dx + 3y dx dy + dx (dy)2 = πy2 dx   3 ≈0

≈0

In der obigen Gleichung sind Terme, in denen Produkte von dx und dy vorkommen, vernachlässigbar klein gegenüber dem ersten Glied mit dx, so dass sie weggelassen werden können. Das Volumen V um die x-Achse ergibt sich aus der Integration von dV im Intervall a ≤ x ≤ b: V=

&b



dV

V =π

a

b 2 y dx

Rotationsvolumen um die x-Achse

(4.38)

a

Beispiel 4.31: Es soll das Volumen des Rotationskörpers berechnet werden, der durch Drehung der Kurve y = sinh x um die x-Achse entsteht (0 ≤ x ≤ 2). V =π

&2

sinh2 x dx = π

0

2 1  (sinh x cosh x − x) = 18,29 2 0

4.4.7.4 Rotationsvolumen um die y-Achse Für die Bestimmung des Volumens des Rotationskörpers um die y-Achse (Bild 4.11 a) stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Den Ausgangspunkt bei beiden Alternativen bildet das Volumen dV des farbig hinterlegten, infinitesimalen Rotationskörpers. Methode A. Das infinitesimale Volumen dV in Bild 4.11 a entspricht dem Volumen eines Kreiszylinders: dV = π x2 dy



dV = π x2 y dy

(a)

Die Integration über die unabhängige Variable x (s. Bild 4.11 a) liefert das Gesamtvolumen:

V=

&b

dV

V =π

b

x2 y dx

(4.39)

a

a

Wegen y in (4.39) kann das Volumen negativ werden, in diesem Fall ist wie bei Berechnung von Flächeninhalten in Abschnitt 4.4.1 der Absolutwert zu nehmen. Methode B. Die Funktion y = f (x) wird zunächst nach x aufgelöst, d.h. man berechnet die Umkehrfunktion x = g(y). Anschließend wird dV in Richtung der y-Achse integriert (s. Bild 4.11 a).

dV = π x dy 2

V=

&yb ya

dV = π

&yb ya

x2 (g(y)) dy

V =π

yb ya

x2 (y) dy

(4.40)

202

4 Integralrechnung

Es ist zu beachten, dass die Variable x in (4.40) eine Funktion von y ist, d.h. x = g(y). Die Funktion x = g(y) wird durch Auflösen von y = f (x) nach x gewonnen. Anmerkung: Es ist keine allgemeingültige Aussage möglich, welche Methode die zweckmäßigere ist – es kommt auf den Einzelfall an. Beispiel 4.32: Es soll das Volumen des Rotationskörpers berechnet werden, der durch Drehung der Kurve y = sinh x um die y-Achse entsteht (0 ≤ x ≤ 2).

a) Lösung mit Hilfe der Gleichung (4.39): 

y = sinh x

⇒ y = cosh x

V =π

&b

2 

x y dx = π

a

&2

x2 cosh x dx 0

Nach Integral-Nr. 135 auf Seite 884 erhalten wir: &

x2 cosh x dx = (x2 sinh x − 2x cosh x + 2 sinh x)

V =π

&2

2  x2 cosh x dx = π (x2 sinh x − 2x cosh x + 2 sinh x) = 21,09 0

0

b) Lösung mit Hilfe der Gleichung (4.40): y = f (x) = sinh x V =π

&yb

x dy = π

⇒ &yb

2

ya

x = g(y) = arcsinh y

arcsinh2 y dy ya

Die Integrationsgrenzen in y-Richtung sind: ya = f (x = 0) = sinh 0 = 0

yb = f (x = 2) = sinh 2 = 3,627

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

203

Mit Hilfe der Integral-Nr. 143 auf Seite 884 erhalten wir: V =π

3,627 &

arcsinh2 y dy 0

  3,627   = π y arcsinh2 y − 2 y2 + 1 arcsinh y + 2y  = 21,09 0

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung In Technik und Wissenschaft existiert für Integralrechnung ein breites Spektrum von Einsatzmöglichkeiten. In nachfolgenden Abschnitten sollen exemplarisch nur einige wenige Anwendungsbeispiele vorgestellt werden. 4.5.1 Masse und Massenschwerpunkt eines Körpers Die Schwerkraft, die auf einen Körper wirkt, greift in seinem sog. Massenschwerpunkt S (oder kürzer auch: Schwerpunkt) an. Bild 4.12 zeigt einen Körper mit der Gesamtmasse M. Die Dichte ρ des Körpers soll nicht konstant sein, sondern variabel über das Volumen V des Körpers verteilt, d.h. ρ = ρ(rr ). Das infinitesimales Volumenelemen dV mit dem Ortsvektor r = (x, y, z) besitzt die Masse dm = ρ dV . Die Gesamtmasse M des Körpers ergibt sich aus dem Integral über das gesamte Volumen: M=



dm =

 V

ρ(rr ) dV

(4.41)

Gesamtmasse eines Körpers

V

Für die Bestimmung des Schwerpunkts denken wir uns die gesamte Masse M des Körpers in seinem Schwerpunkt S konzentriert. Geometrisch ist die Position von S durch seinen Ortsvektor r s eindeutig beschrieben. Aus Gründen des physikalischen Gleichgewichts (näher soll darauf hier

y dV

dV ys

dx

S

dy dz

r rs

j k

z

i

y

ys z

x

zs

xs

Bild 4.12: Massenschwerpunkt S eines Körpers

x

204

4 Integralrechnung

allerdings nicht eingegangen werden) gilt folgende Bedingung: M rs =

&

r dm =

V

&

ρ(rr ) · r dV

(a)

V

Aus (a) folgt die Bestimmungsgleichung für den Massenschwerpunkt: rs =

1 M



ρ(rr ) · r dV

(4.42)

Massenschwerpunkt

V

Bestimmung des Schwerpunkts S im kartesischen KS. Die Formel (4.42) kann auch im kartesischen xyz-Koordinatensystem angegeben werden. Hierzu drücken wir zunächst die Ortsvektoren r s und r sowie das infinitesimale Volumen dV im kartesischen KS aus: r s = xs i + ys j + zs k

r = xi+y j +zk

dV = dx dy dz

(b)

Einsetzen der Ausdrücke in (b) in 4.42 liefert: 1 xs i + ys j + zs k = M

&

ρ(x, y, z) · (x i + y j + z k ) dV

V

Gleichsetzen der jeweiligen Komponenten auf der linken und rechten Seite liefert die gesuchten Beziehungen für die Koordinaten des Schwerpunkts im xyz-Koordinatensystem: xs =

ys =

zs =

1 M

1 M 1 M



x ρ(x, y, z) dV =

V



y ρ(x, y, z) dV =

V

 V

z ρ(x, y, z) dV =

1 M

1 M 1 M



x ρ(x, y, z) dx dy dz

(4.43a)

y ρ(x, y, z) dx dy dz

(4.43b)

z ρ(x, y, z) dx dy dz

(4.43c)

z y x

 z y x

 z y x

Die dreifachen Integrale in (4.43) werden nach x-, y- und z-Richtung getrennt durchgeführt.

4.5.2 Trägheitsmoment eines Querschnitts Die Durchbiegung des Balkens im Abschnitt 4.5.4 auf Seite 209 hängt unter anderem auch vom Trägheitsmoment I seines Querschnitts ab. Das Trägheitsmoment ist eine relevante Kenngröße eines Balkenquerschnittes hinsichtlich der Biegeverformung – es bringt den »Widerstand« des Querschnitts zum Ausdruck, sich unter der Belastung zu verformen. I bezieht sich auf eine der beiden in der Querschnitssebene liegende Bezugsachsen x und y (Bild 4.13). Man unterscheidet

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

205

y

A

dy

dA

y

S

dx

x

x

dA=0

Bild 4.13: Querschnitt mit Hohlflächen

zwischen zwei Trägheitsmomenten eines Querschnitts: Ix : Trägheitsmoment um die x-Achse Iy : Trägheitsmoment um die y-Achse Bild 4.13 zeigt einen beliebigen Querschnitt, in dessen Schwerpunkt S das xy-Koordinatensystem platziert ist. Bei Querschnitten aus homogenem Werkstoff fällt der Schwerpunkt mit dem sog. Neutralpunkt des Querschnitts zusammen. Der Neutralpunkt ist derjenige Punkt, an dem Biegespannungen gleich Null sind. Die Trägheitsmomente Ix und Iy ergeben sich gemäß Regeln der Technischen Mechanik3 aus den nachfolgenden Integralen über der gesamten materialgefüllten Querschnittsfläche A. Bei der Integration müssen also die Hohlflächen korrekt berücksichtigt werden – sie tragen nichts zum Trägheitsmoment bei. Ix =



y2 dA

Trägheitsmoment Ix um die x-Achse

A

Iy =



(4.44) x2 dA

Trägheitsmoment Iy um die y-Achse

A

Für Vollquerschnitte ohne Hohlräume nach Bild 4.14 lässt sich die Integrationsformel (4.44) vereinfachen: Ix =

y&max

y2 dAy

dAy = b(y) dy

Iy =

ymin



ymin

x2 dAx

dAx = h(x) dx

xmin

ymax

Ix =

x&max



xmax

y2 b(y) dy

Iy =

x2 h(x) dx

Ix , Iy für Vollquerschnitte

xmin

3 S. Timoshenko, Strength of Materials, Van Nostrand Reinhold Co., 1955

(4.45)

206

4 Integralrechnung

ymax

y

dy dAy

b

A

h

S

xmin

b(y)

x

dAx

ymin

x

h(x)

y

dx xmax

Bild 4.14: Vollquerschnitt ohne Hohlflächen

Beispiel 4.33: Rechteck. Gesucht sind die auf den Schwerpunkt S bezogenen Trägheitsmomente Ix und Iy des Rechteckquerschnitts in Bild 4.15 a mit der Breite b und Höhe h. Aus Gleichung (4.45) erhält man mit b(y) = b und h(x) = h: &h/2

Ix =

y2 b dy = b

y3 h/2 b ' h 3  −h 3 ( bh3 = − =  3 −h/2 3 2 2 12

x2 h dx = h

x3 b/2 h ' b 3  −b 3 ( hb3 = − =  3 −b/2 3 2 2 12

−h/2

&b/2

Iy =

−b/2

Beispiel 4.34: Dünner Kreisring. Die Trägheitsmomente Ix und Iy des Kreisrings in Bild 4.15 b sind identisch, d.h. Ix = Iy = I, weil es sich um einen symmetrischen Querschnitt handelt. Gesucht ist das auf den Schwerpunkt S bezogene Trägheitsmoment I des dünnen Kreisrings mit dem mittleren Radius r und der Wanddicke t. Die Integration wird in diesem Fall zweckmäßigerweise im ebenen Polarkoordinatensystem durchgeführt, s. Abs. 4.4.3 auf Seite 193. Aus Gleichung (4.44) erhält man: I = Ix =

&

y2 dA

y = r sin α

dA = t · ds = t · (r dα) = (tr) dα

A

I=

&2π

(r sin α) (t r) dα = r t 2

0

&2π

3

0

sin2 α dα = r3 t

'α 2



(2π 1 sin 2α = π r3t 4

0 π

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung y

y

dAy

b(y)

da

r

dAy

a

x

S

y

dA

y

207

h

S

h

x

S

ys

t

b

b

c: Dreieck

b: Kreisring

a: Rechteck



Bild 4.15: Verschiedene Querschnitte

Beispiel 4.35: Dreieck. Gesucht ist das auf den Schwerpunkt S bezogene Trägheitsmoment Ix des gleichschenkligen Dreieckquerschnitts in Bild 4.15 c. Der Schwerpunkt S ist gleichzeitig der Neutralpunkt des Dreieckquerschnitts und besitzt von der unteren Grundkante den Abstand ys = h/3. Die veränderliche Breite b ist eine Funktion der y-Koordinate:   2 y 2 h − − ≤y≤ h b(y) = b 3 h 3 3 Das Trägheitsmoment Ix um die x-Achse erhält man gemäß Gl. (4.45) wie folgt: Ix =

y&max

y2 b(y) dy =

ymin



2 b = 9



2h 3

3



2h/3 &

y2 b −h/3

b − 4h



2h 3

4 

2 y − 3 h 



2 b − 9

! dy = 

−h 3

2 3 b 4 by − y 9 4h

3

b − 4h



−h 3

"2h/3 −h/3

4 

=

bh3 36

4.5.3 Stationäre Wärmeleitung in einem Stab Wir betrachten in Bild 4.16 a einen in radialer Richtung vollständig wärmeisolierten Stab,4 dessen linke Stirnfläche bei konstanter Temperatur T1 und dessen rechtes Ende bei ebenfalls konstanter Temperatur T2 gehalten werden. Gesucht ist die Temperaturverteilung T (x) über die Stablänge. Nach Gesetzen der Thermodynamik wird die eindimensionale Wärmeleitung im Stab durch fol4 Dadurch wird ein radialer Wärmefluss unterbunden,die Wärme kann ausschließlich in Stabslängsrichtung fließen.

208

4 Integralrechnung

gende Gesetzmäßigkeit nach Fourier beschrieben: q = −k

dT dx

Fourier-Gesetz für eindimensionale Wärmeleitung

(4.46)

Hierbei bedeutet q den Wärmefluss pro Einheitsfläche des Stabquerschnitts und k ist der materialabhängige Wärmeleitkoeffizient (k wird hier als konstant angenommen). Die Ableitung von (4.46) nach x liefert: d2 T dq = −k 2 dx dx

(a)

Im konkreten Fall ist ein stationäres Wärmeleitungsproblem vorgegeben, d.h. der Wärmefluss q ist zeitunabhängig – es fließt stets eine unveränderte Wärmemenge q pro Zeiteinheit durch den Stab. Deshalb muss der Wärmeflussverlauf q über der x-Koordinate konstant sein und es gilt: dq =0 dx

Konsequenz der stationären Wärmeleitung

Aus (a) erhalten wir somit:

k

d2 T = k T  (x) = 0 dx2

Stationäre eindimensionale Wärmeleitungsgleichung

(4.47)

Einmalige Integration von (4.47) liefert (die Konstante k darf weggelassen werden): T  (x) =

&

T  (x) dx =

&

0 dx = C1

(b)

Erneute Integration von T  (x) in (b) liefert die Temperaturverteilung T (x) : T (x) =

&

T  (x) dx =

&

C1 dx = C1 x +C2

(c)

Die Konstanten C1 und C2 können aus den vorgegebenen Temperatur-Randbedingungen für x = 0 und x = L bestimmt werden. Aus (c) folgt: T (0) = T1 : C1 · 0 +C2 = T1



T (L) = T2 : C1 · L +C2 = T2

C1 · L + T1 = T2

C2 = T1 ⇒

C1 = (T2 − T1 )/L

Mit den nunmehr bekannten Konstanten C1 und C2 ergibt sich die gesuchte Funktion der Temperaturverteilung als eine lineare Funktion der Längskoordinate x: T (x) =

T2 − T1 x + T1 L

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

209

T(x)

T1

T(x)

q

x

T2 L

x

T1

T2 L

Isolierung

a: Wärmeleitung

b: Temperaturverteilung

Bild 4.16: Wärmeleitung in einem isolierten Stab

4.5.4 Biegelinie eines eingespannten Balkens unter Einzellast Ein an seinem linken Ende fest eingespannter Balken wird an seinem rechten Ende durch die Einzellast F belastet. Gesucht ist die größte Durchbiegung des Balkens. Die nachfolgenden Beziehungen entnehmen wir der Festigkeitslehre: - Biegemoment M als Funktion der Position : M = −F(L − x)

(a)

- Krümmung der Biegelinie als Funktion des Biegemoments : y =

M EI

(b)

E ist der Elastizitätsmodul, I das Trägheitsmoment des Balkenquerschnitts. y

y(x)

EI

x F



L

Aus den Beziehungen (a) und (b) erhält man: y = −

F (L − x) EI

Mit Hilfe der grundlegenden differentiellen Beziehungen y =

dy dx



dy = y dx

y =

und

dy dx



dy = y dx

erhält man die Biegelinie durch zweimalige Integration: dy = y dx



&

dy = 

&

y dx





y = y dx

=y



dy = y dx



&

dy =  =y

&



y dx



     y = y dx = y dx dx

(4.48)

210

4 Integralrechnung

Für das vorliegende Beispiel erhält man:   F x2 (L − x) dx = − y = Lx − +C1 EI 2   2  & &  & Lx x3 F F x2 − y = y dx = − Lx − dx + C1 dx = − +C1 x +C2 EI 2 EI 2 6 &



F y dx = − EI 

&

(c)

(d)

Die unbekannten Konstanten C1 und C2 werden aus den Randbedingungen am linken Rand, d.h. für x = 0, bestimmt: y(0) = 0

Am linken Rand ist die Durchbiegung y gleich Null

y (0) =

Am linken Rand ist die Tangentenneigung y gleich Null

0

Einsetzen von x = 0 in (c) und (d) liefert für y und y : y(0) = −

F (0 − 0) +C1 · 0 +C2 = 0 EI

0 + 0 +C2 = 0



C2 = 0

F (0 − 0) +C1 = 0 0 +C1 = 0 ⇒ C1 = 0 EI Somit lautet die Biegelinie als Funktion der Ortskoordinate x:  2  Lx x3 F − y(x) = − EI 2 6 y (0) = −

Die größte Durchbiegung δ tritt am rechten Ende des Balkens für x = L auf:   L · L2 L3 FL3 F FL3 − δ = |y(L)| = y(L) = − =− EI 2 6 3EI 3EI 4.5.5 Höhenverteilung des atmosphärischen Luftdrucks Der Luftdruck in der Atmosphäre ist nichts anderes als der hydrostatische Druck in der betrachteten Höhe. Dabei betrachten wir die Luft wie eine Flüssigkeit, alle Gesetze der Hydrostatik bleiben gültig. Unter Beachtung thermodynamischer Gesetze lässt sich die nachfolgende differentielle Beziehung zwischen dem Luftdruck p und der Lufttemperatur T aufstellen: g dT dp =− p mT R T

mit T = T0 + mT (h − h0 )

p

Luftdruck in Höhe h, MPa

T

Absolute Lufttemperatur in Höhe h, K (Kelvin)

g

Erdbeschleunigung, g = 9,81 m/s2

(a)

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

211

Änderungsrate der Lufttemperatur T in Höhenrichtung, K/m

mT R

Gaskonstante der Luft, R = 287,05 Nm/kgK = J/kgK

h

Höhe, für die p berechnet werden soll, m

h0

Bezugshöhe, m (für Meeresspiegel gilt h0 = 0 m)

T0

Absolute Lufttemperatur in Bezugshöhe h0 , K

p0

Luftdruck in Bezugshöhe h0 , Pa

Für die sog. Normatmosphäre gelten folgende Werte: T0 = 288,15 K

p0 = 1,01325 bar = 1,01325 · 105 Pa

(für Meeresspiegel)

mT = −0,0065 K/m (gilt für h ≤ 11 km) Für die Herleitung der Luftdruckverteilung p = p(h) als Funktion der Höhe h über dem Meeresspiegel leiten wir zunächst die Beziehung T = T0 + mT (h − h0 ) nach h ab: dT0 d(h − h0 ) dT = + mT = 0 + mT (1 − 0) = mT dh dh dh

⇒ dT = mT dh

(b)

Einsetzen von (b) in (a) liefert: g mT dh dp =− p mT R T0 + mT (h − h0 )



dp g dh =− p R T0 + mT (h − h0 )

(c)

Die linke Seite von (c) hängt nur von der Variable p und die rechte Seite nur von der Variable h ab. Daher dürfen linke Seite und rechte Seite unabhängig voneinander integriert werden. Integration der linken Seite zwischen p0 und p sowie der rechten Seite zwischen h0 und h liefert:5 &p p0

&h

g dp =− p R

h0

ln p − ln p0 = −

1 dh T0 + mT (h − h0 )

( g ' ln(T0 + mT (h − h0 )) − ln T0 mT R

T0 + mT (h − h0 ) g p ln =− ln p0 mT R T0



p = p0



p

(h g '  ln p = − ln T0 + mT (h − h0 ) mT R p0 h0

T0 + mT (h − h0 ) T0

− g mT R

g ) T + m (h − h ) − * p T 0 0 m TR ⇒ ln = ln p0 T0

Höhenverlauf des Luftdrucks

(4.49)

5 Auf den ersten Blick könnten diese unterschiedlichen Integrationsgrenzen irritieren, weil ein Term von p0 bis p und der andere Term von h0 bis h integriert werden. Wenn man jedoch bedenkt, dass p0 und h0 sowie p und h zueinander korrespondierende Größen sind, löst sich das Rätsel auf.

212

4 Integralrechnung

Mit den vorgegebenen Zahlenwerten erhalten wir: p = p0



9,81    288,15 − 0,0065 h 0,0065 · 287,05 288,15 − 0,0065 h 5,258 = 288,15 288,15

Den Verlauf des bezogenen Drucks p/p0 über die Höhe h zeigt das folgende Bild. Wir sehen, dass in ca. 5,5 km Höhe der Luftdruck nur noch 50% des Wertes für den Meeresspiegel beträgt, und in 10 km auf weniger als 30% abgesunken ist.

An der Spitze des Mount Everest herrscht also ein sehr niedriger Luftdruck, daher können sich nur Extrembergsteiger in solche Höhen wagen. Auch dürfte es sehr schwierig werden, dort Eier zu kochen, weil in dieser Höhe das Wasser bereits bei ca. 70◦ C beginnt zu sieden. 4.5.6 Geradlinige Bewegung Entlang einer geradlinigen Bahn im 3D-Raum bewege sich ein Körper (Bild 4.17). Die von der Masse mit Bezug auf einen Ausgangspunkt O zurückgelegte Wegstrecke s(t) ist eine Funktion der Zeit t. Die momentane Geschwindigkeit v(t) entspricht der ersten Ableitung der Wegstrecke s(t) nach der Zeit t. Die momentane Beschleunigung a(t) wiederum ist durch die erste Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit definiert: v(t) =

ds = s˙ dt

a(t) =

dv = v˙ dt

a(t) =

t

d2 s = s¨ dt 2

t+dt v

O t

s

a

ds

Bild 4.17: Geradlinige Bewegung

(4.50)

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

213

Die Fragestellung könnte auch umgekehrt erfolgen: Wie werden aus bekannter Beschleunigung a(t) die Geschwindigkeit v(t) und die Wegstrecke s(t) berechnet? Aus (4.50) folgen die differentiellen Beziehungen: dv = a(t) dt

ds = v(t) dt

(a)

Die Integration der Ausdrücke in (a) liefert die Geschwindigkeit v(t) und Wegstrecke s(t): &

dv = v(t) =

&

&



a(t) dt

ds =

a(t) dt

s=

&



v(t) dt

(b)

v(t) dt

(4.51)

Beispiel 4.36: Steighöhe eines Flugobjekts. Ein Flugobjekt befindet sich auf der Erdoberfläche und setzt sich vom Ruhezustand aus in vertikale Bewegung, d.h. seine Anfangsgeschwindigkeit ist Null (v0 = 0). Die Beschleunigung der Rakete in Bezug auf die Erdoberfläche sei durch die Funktion a(t) = 10(1 − e−0,1 t ) (in m/s2 ) gegeben. Gesucht sind die Geschwindigkeit und Flughöhe der Rakete nach 20 s Flugzeit. Die Geschwindigkeit v ergibt sich aus (4.51): v(t) =

&

a(t) dt =

&

10 (1 − e−0,1 t ) dt = 10 t + 100 e−0,1 t + c1

Aus der Anfangsbedingung v(0) = 0 folgt: v(0) = 10 · 0 + 100 e−0,1 · 0 + c1 = 100 + c1 = 0 ⇒ v(t) = 10 t + 100 e−0,1 t − 100





c1 = −100

v(20) = 113,5 m/s

Die Flughöhe s ergibt sich ebenfalls aus (4.51): s(t) =

&

v(t) dt =

&

(10 t + 100 e−0,1 t − 100) dt

= 5 t 2 − 1000 e−0,1 t − 100 t + c2 Da sich das Flugobjekt zum Zeitpunkt t = 0 auf dem Boden befindet, ergibt sich: s(0) = 0 = 5 · 02 − 1000 e−0,1 · 0 − 100 · 0 + c2



s(t) = 5 t 2 − 1000 e−0,1 t − 100 t + 1000

s(20) = 864,7 m



Das Bild unten zeigt die Flughöhe als Funktion der Zeit.

c2 = 1000

214

4 Integralrechnung

4.5.6.1 Geradlinige Bewegung mit konstanter Beschleunigung Ein Körper befinde sich zum Zeitpunkt t = 0 an der Position s = s0 und möge die Geschwindigkeit v0 haben (Anfangsbedingungen). Für t ≥ 0 erfährt er die konstante Beschleunigung a(t) = a. Gesucht ist seine Geschwindigkeit v(t) und die zurückgelegte Wegstrecke s(t) als Funktion der Zeit t. t

t=0

v0

O

v(t)

a

s0 t

s(t)

Die Geschwindigkeit v(t) lässt sich aus (4.51) berechnen: v(t) =

&

a(t) dt =

&

a dt = a t + c1

Die Konstante c1 wird aus der Anfangsbedingung für v(t) bestimmt: v(t = 0) = v0

⇒ a · 0 + c1 = v 0

⇒ c1 = v0



v(t) = v0 + at

(a)

Die Wegstrecke s(t) ergibt sich aus der Integration von v(t) gemäß (4.51) und (a): s(t) = s0 +

&

v(t) dt =

&

(v0 + at) dt = s0 + v0 t +

1 2 at + c2 2

Die Konstante c2 lässt sich Anfangsbedingung s(0) = s0 bestimmen: s(0) = s0 = s0 + 0 + 0 + c2

⇒ c2 = 0



s(t) = s0 + v0 t +

1 2 at 2

(b)

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

215

4.5.7 Arbeitssatz der Dynamik Bild 4.18 zeigt eine Kraft F(t), die auf den Körper mit der konstanten Masse m einwirkt. Zum Zeitpunkt t1 habe der Körper die Geschwindigkeit v1 . Unter der Einwirkung von F(t) beschleunigt sich der Körper und legt zum Zeitpunkt t2 die Wegstrecke u zurück. Zu einem beliebigen Zeitpunkt t hat der Körper die Geschwindigkeit v und hat die Wegstrecke s zurückgelegt. Vereinfachend setzen wir eine reibungsfreie Bewegung voraus. Zwischen der angreifenden Kraft F(t) und der Beschleunigung a(t) des Körpers besteht folgende Beziehung (wegen Übersichtlichkeit lassen wir von jetzt an die Zeitangabe t weg): F = ma

Newtonsches Gesetz

(a)

Zwischen der Wegstrecke s und der Geschwindigkeit v sowie der Beschleunigung a bestehen gemäß (4.50) die nachfolgenden Beziehungen: v=

ds = s˙ dt

dv d2 s = 2 = s¨ dt dt

a=

Unter Berücksichtigung der Ableitungsformel (3.28) auf Seite 103 erhalten wir aus (a): F = ma = ms¨ = m

1 d(s˙2 ) 2 ds

1 ⇒ F ds = m d(s˙2 ) 2

⇒ F ds =

1 m d(v2 ) 2

(b)

Nun integrieren wir die letzte Beziehung in (b) zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 : &t2 t1

1 F ds = m 2

&t2

d(v2 )

(c)

t1



Das Integral Fds in (c) entspricht der Arbeit W , die von der Kraft F im Zeitintervall [t1 , t2 ] auf dem zurückgelegten Weg u geleistet wird. Es spielt prinzipiell keine Rolle, ob sich die Integration auf die zurückgelegte Zeit t oder auf die zurückgelegte Wegstrecke s bezieht – daher gilt die nachfolgende Beziehung:

W=

t2 t1

F ds =

u

F ds

(4.52)

Arbeit der äußeren Kraft F

0

v1

F(t)

v2

v

m t1

s

t

ds

t2

t+dt u

Bild 4.18: Bewegung eines Körpers unter Einwirkung der äußeren Kraft F(t)

216

4 Integralrechnung

Hierbei ist W das Symbol für die äußere Arbeit, die von der äußeren Kraft F geleistet wird. Der rechts stehende Term in (c) lässt sich wie folgt integrieren: 1 m 2

&t2

d(v2 ) =

t1

t2 1 1  m v2  = m (v22 − v21 ) 2 2 t1

mit v1 = v(t1 )

v2 = v(t2 )

(d)

Aus (c) und (d) folgt dann die Beziehung zwischen der Arbeit der äußeren Kraft F und der Änderung der kinetischen Energie:

t2

F ds =

1 m (v22 − v21 ) 2

Arbeitssatz – auf die Zeit t bezogen

(4.53a)

F ds =

1 m (v22 − v21 ) 2

Arbeitssatz – auf die Wegstrecke u bezogen

(4.53b)

t1

u 0

Die kinetische Energie eines Körpers mit der Masse m beträgt mv2 /2. Daher werden die in (4.53) enthaltenen kinetischen Energien mit Ekin,1 und Ekin,2 bezeichnet: Ekin,1 =

1 2 mv 2 1

Ekin,2 =

1 2 mv 2 2

Aus (4.52) und (4.53) ergibt sich dann der fundamentale Arbeitssatz der Dynamik: W = Ekin,2 − Ekin,1

(4.54)

Arbeitssatz der Dynamik

Zusammenfassend lässt sich folgende fundamentale Aussage formulieren: Die Änderung der kinetischen Energie eines sich infolge der äußeren Kraft F bewegenden Körpers ist gleich der von dieser Kraft geleisteten Arbeit W . Sonderfall: Konstante Kraft F. Die oben stehenden Beziehungen sind allgemein und gelten auch für eine zeitvariable Kraft F(t). Falls die Kraft jedoch konstant ist, d.h. F(t) = F, lässt sich das Arbeitsintegral in (4.53) leicht auswerten: &u 0

F ds = F

&u

u  ds = Fs = F(u − 0) = Fu 0

0



Fu =

1 m (v22 − v21 ) 2

(4.55)

Der Term Fu entspricht der von der Kraft F auf der Wegstrecke u geleisteten Arbeit W . Beispiel 4.37: Freier Fall. Der Energiesatz soll jetzt auf den freien Fall eines Körpers angewandt werden, der sich zum Zeitpunkt t1 = 0 in der Höhenlage h über dem Boden in Ruhe

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

217

befindet, d.h. die Anfangsgeschwindigkeit v1 ist Null (v1 = 0 m/s), s. auch Beispiel 2.2 auf Seite 43. Wie hoch ist die Geschwindigkeit v2 des Körpers beim Berühren des Bodens (Luftwiderstand wird vernachlässigt)? Die auf den Körper einwirkende Kraft F = mg infolge der Erdbeschleunigung bleibt während des gesamten Fallvorgangs konstant. Die von F entlang der Fallhöhe h geleistete Arbeit beträgt: W = Fu = mgh Einsetzen von Fu = mgh in (4.55) liefert mit v1 = 0 die Geschwindigkeit beim Aufschlagen auf dem Boden: mgh =

1 m (v22 − 02 ) 2

⇒ v2 =



2gh

Beispiel 4.38: Mechanische Arbeit unter konstanter äußerer Kraft. Der in Bild 4.18 abgebildete Körper auf einer reibungsfreien Unterlage hat die Masse m = 200 kg. Zum Zeitpunkt t1 = 0 wird er aus dem Ruhestand heraus durch die Kraft F = 1000 N beschleunigt. Gesucht ist die von der Kraft F geleistete Arbeit W zum Zeitpunkt t2 = 10 s. Das Newtonsche Gesetz liefert für die konstante Kraft eine ebenfalls konstante Beschleunigung a = F/m. Unter Berücksichtigung der Beziehungen ds = v dt und v = v0 + at erhält man mit v0 = 0 (Ruhezustand für t = 0) aus (4.52): W=

&

F ds =

&

Fv dt =

&

Fat dt =

&

F

F2 F t dt = m m

&

t dt

(a)

Die Integration von (a) im Zeitintervall [t0 , t1 ] liefert: F2 W= m

&t1 t0

t 10 F 2t 2  1 F 2t 2  10002 (102 − 0) = 250.000 Nm t dt = = = 2m t0 2m 0 2 · 200

4.5.8 Raketengleichung von Ziolkowski Im Beispiel 2.12 auf Seite 51 hatten wir die sog. Ziolkowski-Gleichung für die momentane Geschwindigkeit einer Rakete im Weltall (ohne Einfluss der Erdbeschleunigung) betrachtet. Im vorliegenden Beispiel soll diese Gleichung mit Hilfe des Impulserhaltungssatzes hergeleitet werden. Aus Vereinfachungsgründen werden einige physikalische Grundannahmen getroffen: a) Gravitationseffekte der Erde oder anderer Himmelskörper werden vernachlässigt, b) die Gasmasse, die pro Zeiteinheit die Rakete verlässt, wird als konstant vorausgesetzt. Der Impuls p eines sich bewegenden Massenpunktes entspricht dem Produkt seiner Masse m und Geschwindigkeit v : p = mv. Der Impulserhaltungssatz besagt, dass die zeitliche Änderungsrate (zeitliche Ableitung) des Gesamtimpulses des Systems »Rakete-Austrittsgas« gleich ist der resultierenden Kraft aller auf dieses System einwirkenden äußeren Kräfte. Auf eine Rakete im Weltall wirken allerdings keine äußeren Kräfte, d.h. sie sind Null. Da keine äußeren Kräfte auf

218

4 Integralrechnung

das System einwirken, muss die differentielle Änderung des Gesamtimpulses gleich Null sein: dp = dpr + dpg = 0

(a)

Hierbei ist p der Gesamtimpuls, pr der Impuls der Rakete und pg der Impuls der austretenden Gasmasse. Mit den Definitionen : : : : :

m0 m v mg vg

Anfangsmasse der Rakete zum Zeitpunkt t = 0 momentane Masse der Rakete, m = f (t) momentane Geschwindigkeit der Rakete, v = g(t) bis zum Zeitpunkt t ausgetretene gesamte Gasmasse, mg = h(t) Austrittsgeschwindigkeit der Gase vg = const.

erhalten wir die Änderung des Raketenimpulses mit Hilfe der Kettenregel der Differentiation: dpr =

d(mv) dpr dt = dt = (mv ˙ + mr v) ˙ dt dt dt

(b)

Die differentielle Änderung dpg des Impulses der austretenden Gasmasse entspricht dem Impulsbeitrag der kontinuierlich aus der Rakete ausströmenden Gasmasse pro Zeiteinheit (sog. Massenstrom) multipliziert mit ihrer Absolutgeschwindigkeit gegenüber einem ruhenden Beobachter in einem Inertialsystem: dpg = m˙ g (v − vg ) dt

(c)

m˙ g ist die austretende Gasmenge pro Zeiteinheit. Das Minusvorzeichen vor vg rührt aus der entgegengesetzten Richtung der Gasströmungsrichtung gegenüber der Flugrichtung der Rakete. Einsetzen von (b) und (c) in (a) liefert: mv ˙ + mv˙ + m˙ g (v − vg ) = 0

(d)

Der Massenstrom m˙ g der Austrittgase pro Zeiteinheit entspricht der Abnahmerate der Raketenmasse m (die Rakete verliert soviel Masse wie die Gasmasse, welche die Rakete verlässt): m˙ g = −m˙ ⇒

mv ˙ + mv˙ − mv ˙ + mv ˙ g=0

(e) ⇒ mv˙ + mv ˙ g=0

(f)

dm 1 m˙ dv vg =− vg ⇒ (g) m dt dt m Das Zeitdifferential dt darf aus der Beziehung herausgekürzt werden (man erinnere sich an das Leibniz-Kalkül auf Seite 90) und wir erhalten: ⇒

v˙ = −

dv = −

vg dm m

(h)

4.5 Technische Anwendungen der Integralrechnung

219

Die linke Seite von (h) hängt nur von v und die rechte Seite nur von m ab. Daher dürfen die linke Seite und die rechte Seite unabhängig voneinander integriert werden: &

dv = −vg

&

1 dm m

⇒ v = −vg ln m + c = vg ln

1 +c m

Die Integrationskonstante c läßt sich aus der Anfangsbedingung zum Zeitpunkt t = 0 bestimmen. Für t = 0 befindet sich die Rakete im Ruhezustand, d.h. v(0) = 0 und es folgt daraus: v(0) = vg ln ⇒

1 +c = 0 m0

v = vg ln

⇒ c = −vg ln

1 m0

1 1 m0 − vg ln = vg ln m m0 m

Somit lautet die Raketengleichung: v(t) = va ln

m0 m(t)

(4.56)

Raketengleichung nach Ziolkowski

4.5.9 Laminare Rohrströmung Wenn ein kreisförmiges Rohr von einer Flüssigkeit mit geringer bis mäßiger Geschwindigkeit durchströmt wird, handelt es sich um eine laminare Strömung (Schichtenströmung). In einer laminaren Strömung treten keine Turbulenzen auf – die Flüssigkeitsschichten gleiten aufeinander. Die unmittelbar an der Rohrwand anliegende Schicht muss allerdings an der Wandoberfläche haften, d.h. ihre Geschwindigkeit ist dort Null. Die höchste Strömungsgeschwindigkeit tritt in der Rohrlängsachse auf. Das Geschwindigkeitsprofil über dem Rohrquerschnitt ist parabelförmig: v(r) = −

Δp 1 (R2 − r2 ) Δ s 4η

(4.57)

Gesetz von Hagen-Poiseuille für Rohrströmung

v(r) Strömungsgeschwindigkeit an der Radialposition r, m/s Δ p = p2 − p1 Δp Druckabfall über der Strecke Δ s, N/m2 Δ p/Δ s Druckgradient, (N/m2 )/m η dynamische Zähigkeit, Ns/m2 Diese Beziehung ist als das Gesetz von Hagen-Poiseuille bekannt. Das Geschwindigkeitsprofil besitzt die Form eines Rotationsparaboloids (bzw. Parabel, wenn nur die Ebene betrachtet wird). v(r)

r

p1

p2

R

dA r A

s Ds

laminare Strömung

220

4 Integralrechnung

Die maximale Strömungsgeschwindigkeit vmax tritt in der Rohrachse auf: vmax = v(r = 0) = −

Δ p R2 Δ s 4η

(a)

Anmerkung: Die Druckänderung Δ p in Strömungsrichtung ist stets negativ, daher stellt sich vmax mit positivem Wert ein. Der Volumenstrom (das Flüssigkeitsvolumen, welches pro Zeiteinheit durch das Rohr fließt) ergibt sich aus der Integration der Geschwindigkeit über dem Strömungsquerschnitt A : V=

&

v(r) dA =

&

A

=−

v(r) 2πr  dr = − dA

A

Δp π Δ s 2η

V =−

&R

0

(R2 r − r3 ) dr = −

0

Δ p πR4 Δ s 8η



&R

V=

Δp 1 (R2 − r2 ) 2πr dr Δ s 4η

Δp π Δ s 2η



R R2 r2 r4  − 2 4 0

πR2 vmax 2

(b)

Die mittlere Strömungsgeschwindigkeit vm im Kreisrohr kann wie folgt berechnet werden: vm =

1 πR2 vmax vmax V = = 2 A πR 2 2

(c)

Beispiel 4.39: In einem Kreisrohr mit 10 cm Durchmesser fließt Wasser bei Raumtemperatur in laminarer Strömung. Die dynamische Viskosität des Wassers beträgt η = 1,79 · 10−3 Ns/m2 . Der gemessene Druckabfall ist Δ p = −15 (N/m2 )/m. Gesucht sind die maximale und mittlere Strömungsgeschwindigkeit sowie der Volumenstrom durch das Rohr pro Sekunde. R = 0,10/2 = 0,05 m

A = π · 0,052 = 7,85 · 10−3 m2

Die maximale Geschwindigkeit ergibt sich aus (a): vmax = −

0,052 −15 · = 5,24 m/s 1 4 · 1,79 · 10−3

Der Volumenstrom ergibt sich aus (b): V=

π · 0,052 · 5,24 = 0,0206 m3 /s 2

Δs = 1 m

4.6 Zusätzliche Beispiele

Die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich aus (c): vm =

5,24 vmax = = 2,62 m/s 2 2

4.6 Zusätzliche Beispiele Beispiel 4.40: Das nachfolgende Integral ist mit Hilfe der partiellen Integration zu bestimmen. &

ex cos x dx =

&

x ex cos   x dx = e sin x −

&

ex  sin x dx 

v

u

h

g



⎢ x = ex sin x − ⎣ e (− cos x) −  g

&

⎥ ex (− cos x) dx⎦  

h

= ex (sin x + cos x) −



g

h

&

ex cos x dx

Der letzte Ausdruck auf der rechten Seite wird nach links gebracht: &

2

ex cos x dx = ex (sin x + cos x)





ex cos x dx =

ex (sin x + cos x) 2

Beispiel 4.41: Das nachfolgende Integral ist mit Hilfe der partiellen Integration zu bestimmen. &

sin2 x dx =

&

sin x  sin x dx = sin x (− cos x) −  u

v

= − sin x cos x +

cos x (− cos x) dx

&

cos  x cos  x dx g

h

= − sin x cos x + cos x sin x − &

&

sin2 x dx = − sin x cos x + cos x sin x +

&

(− sin x) sin x dx

&

sin2 x dx

⇒ 0=0

Die resultierende triviale Gleichung 0 = 0 ist nutzlos! Setzt man dagegen nach der ersten partiellen Integration anstelle des Ausdrucks cos2 x den gleichwertigen Ausdruck 1 − sin2 x ein, gelingt die partielle Integration problemlos: &

sin2 x dx = − sin x cos x +

&

cos2 x dx

221

222

4 Integralrechnung

= − sin x cos x +

&

(1 − sin2 x) dx

= − sin x cos x + x − Jetzt wird das Integral erhält: &

2



&

sin2 x dx

sin2 x dx auf der rechten Seite nach links gebracht und man

sin2 x dx = − sin x cos x + x





1 (x − sin x cos x) 2

sin2 x dx =

Beispiel 4.42: Das nachfolgende Integral ist mit Hilfe der partiellen Integration zu bestimmen. &

−ω t −ω t 1 sin ω t − e cos  ω t dt = e ω u

v

=

1 −ω t e sin ω t + ω

& &

(−ω e−ω t )

sin ω t dt ω

−ω t e sin  ω t dt h

g

&

1 1 1 = e−ω t sin ω t − e−ω t cos ω t − (−ω e−ω t ) (− cos ω t) dt ω ω ω & 1 = e−ω t (sin ω t − cos ω t) − e−ω t cos ω t dt ω Der letzte Ausdruck auf der rechten Seite wird nach links gebracht: &

2



e−ω t cos ω t dt =



1 −ω t e (sin ω t − cos ω t) ω

e−ω t cos ω t dt =

1 −ω t e (sin ω t − cos ω t) 2ω

Beispiel 4.43: Das nachfolgende Integral ist mit Hilfe der partiellen Integration zu bestimmen. &

x sin2 x dx =

&

(x sin x)  sin x dx  u

v

= x sin x (− cos x) − = −x sin x cos x + = −x sin x cos x +

&

&

(sin x + x cos x) (− cos x) dx

sin x cos x dx +

1 sin2 x + 2

&

&

x cos2 x dx

x (1 − sin2 x) dx

4.6 Zusätzliche Beispiele &

&

1 sin2 x + x dx − x sin2 x dx 2 & 1 x2 = −x sin x cos x + sin2 x + − x sin2 x dx 2 2

= −x sin x cos x +

Jetzt wird der letzte Term auf der rechten Seite auf die linke Seite gebracht: &

x sin2 x dx + &

2



&

x sin2 x dx = −x sin x cos x +

x sin2 x dx = −x sin x cos x + x sin2 x dx =

1 x2 sin2 x + 2 2

1 x2 sin2 x + 2 2

1 (−2x sin x cos x + sin2 x + x2 ) 4

Beispiel 4.44:  Das Integral ex sin x dx soll mit Hilfe der partiellen Integration bestimmt werden. &

ex  sin x dx = ex sin x −  v

u

&

x x ex cos   x dx = e sin x − e cos x − v

&

ex sin x dx

u

Jetzt wird der letzte Term der rechten Seite auf die linke Seite gebracht: &

2

ex sin x dx = ex sin x − ex cos x





ex sin x dx = 12 ex (sin x − cos x)

Beispiel 4.45: 2

Das Integral I = e−x dx ist numerisch nach dem Trapez-Verfahren mit n = 2 und n = 2

0

5 zu berechnen. Wie groß ist der relative Fehler gegenüber dem mit Maple berechneten Ergebnis I = 0,882? a) Trapez-Verfahren mit n = 2

h=

2−0 = 1,0 2

I = 1,0 · 0,3679 +

n=2 i xi yi yi 0 0,0 1,0000 1 1,0 0,3679 2 2,0 0,0183 1,0183 0,3679 ∑ 1,0 · 1,0183 = 0,877 2

223

224

4 Integralrechnung

Relativer Fehler E gegenüber dem mit Maple berechneten Ergebnis:    0,882 − 0,877   E =  = 0,0057 = 0,57%   0,882 b) Trapez-Verfahren mit n = 5

h=

i 0 1 2 3 4 5 ∑

2−0 = 0,4 5

n=5 yi 1,0000

xi 0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 0,0183 1,0183

yi 0,8521 0,5273 0,2369 0,0773 1,6936

0,4 1,0183 = 0,881 2    0,882 − 0,881   Relativer Fehler: E =   = 0,0011 = 0,11%   0,882

I = 0,4 · 1,6936 +

Beispiel 4.46: Das bestimmte Integral I =

1 −x2 e dx ist nach dem Trapez-Verfahren mit n = 4 und 0

dem Simpson-Verfahren mit 2n = 4 zu berechnen. Wie groß ist der relative Fehler gegenüber dem mit Maple berechneten Ergebnis I = 0,7468? a) Trapez-Verfahren mit n = 4

h=

I=

i 0 1 2 3 4 ∑

1−0 = 0,25 4

&1 0

e−x dx = 0,25 2

 1,3679 2

xi 0,0 0,25 0,50 0,75 1,00

n=4 yi 1,0000

yi 0,9394 0,7788 0,5698

0,3679 1,3679

 + 2,2880 = 0,7430

2,2880

4.6 Zusätzliche Beispiele

Relativer Fehler des numerischen Integrals:    0,7468 − 0,7430   = 0,005 = 0,5% Erel =   0,7468 b) Simpson-Verfahren mit 2n = 4

b−a 1−0 = = 0,25 2n 4

h=

I=

i 0 1 2 3 4 ∑

&1

e−x dx = 2

0

2n = 4 xi yi yi yi 0,0 1,0000 0,25 0,9394 0,50 0,7788 0,75 0,5698 1,00 0,3679 1,3679 1,5092 0,7788

0,25 (1,3679 + 4 · 1,5092 + 2 · 0,7788) = 0,7469 3

Relativer Fehler des numerischen Integrals:    0,7468 − 0,7469   = 0,0001 = 0,01% Erel =   0,7468

Beispiel 4.47: Das Integral

1 3 −x2 /2 x e dx ist nach Gauß-Quadratur mit 2 Stüzstellen zu berechnen 0

(quasi-exaktes Maple-Ergebnis: I = 0,1804). a=0

b=1

i 1 2

a+b = 0,5 2

ξi -0,57735 +0,57735

b−a = 0,5 2

n=2 xi fi 0,2113 0,0092 0,7887 0,3595

xi = 0,5 + 0,5ξi

αi 1 1

I = 0,0092 · 0,5 + 0,3595 · 0,5 = 0,1843    0,1804 − 0,1843   = 0,022 = 2,2% Relativer Fehler: Erel =   0,1804

Wi 0,5 0,5

225

226

4 Integralrechnung

Beispiel 4.48: Es soll das bestimmte Integral I = den. Maple-Ergebnis: I = 0,8862.

3 −x2 e dx mit folgenden Verfahren berechnet wer0

- Trapez-Verfahren ( n = 2 und n = 4 ) - Simpson-Verfahren (2n = 2, 2n = 4) - Gauß-Quadratur (n = 3) a) Trapez-Verfahren mit n = 2 h=

i 0 1 2 ∑

3−0 = 1,5 2

3 −x2 e dx = 1,5 ·

n=2 yi 1,0000

xi 0,0 1,5 3,0

0

yi 0,1054

0,0001 1,0001

0,1054



= 0,9082

1,0001 + 0,1054 2



Relativer Fehler:    0,8862 − 0,9082   = 0,025 = 2,5% Erel =   0,8862

b) Trapez-Verfahren mit n = 4 h=

i 0 1 2 3 4 ∑

3−0 = 0,75 4

xi 0,0 0,75 1,50 2,25 3,0

n=4 yi 1,0000

3 −x2 e dx = 0,75 0

yi 0,5698 0,1054 0,0063

0,0001 1,0001



1,0001 + 0,6815 2 = 0,8862



Relativer Fehler:    0,8862 − 0,8862   = 0,0 = 0%  Erel =   0,8862

0,6815

c) Simpson-Verfahren mit 2n = 2 h=

i 0 1 2 ∑

xi 0,0 1,5 3,0

3−0 = 1,5 2 2n = 2 yi 1,0000

3 −x2 1,5 (1,0001 + 4 · 0,1054) e dx = 0

yi 0,1054

0,0001 1,0001

0,1054

3 = 0,7109

Relativer Fehler:    0,8862 − 0,7109   = 0,198 = 19,8%  Erel =   0,8862

4.6 Zusätzliche Beispiele

d) Simpson-Verfahren mit 2n = 4

h=

I=

i 0 1 2 3 4 ∑

3−0 = 0,75 4

&3

e−x dx = 2

0

xi 0,0 0,75 1,50 2,25 3,0

2n = 4 yi yi 1,0000 0,5698 0,1054 0,0063 0,0001 1,0001

0,5761

0,1054

0,75 (1,0001 + 4 · 0,5761 + 2 · 0,1054) = 0,879 3

Relativer Fehler:    0,8862 − 0,879   = 0,008 = 0,8% Erel =   0,8862 e) Gauß-Quadratur mit n = 3 a+b = 0+3 = 3 i 1 2 3

ξi -0,77459 +0 +0,77459

b−a = 3−0 = 3 n=3 xi fi 0,3381 0,8920 1,5 0,1054 2,6619 0,0008

αi 0,55556 0,88889 0,55556

Wi 0,83334 1,33334 0,83334

I = 0,83334 (0,8920 + 0,0008) + 1,33334 · 0,1054 = 0,885 Relativer Fehler:    0,8862 − 0,885   = 0,001 = 0,1%  Erel =   0,8862

Beispiel 4.49: Gesucht ist die Fläche, die zwischen der stückweise definierten Funktion f (x) und der x-Achse liegt.  sin x für 0 ≤ x ≤ π/2 f (x) = 1 für π/2 ≤ x ≤ π

227

228

4 Integralrechnung

A = A 1 + A2 =

π/2 &

sin x dx +

0

π/2 π   = − cos x + x

π/2

0



1 dx

π/2

= (0 + 1) + (π − π/2) = 2,571

Beispiel 4.50: Nachfolgend sind verschiedene Funktionen y = f (x) gegeben. Es soll die Fläche im jeweils angegebenen Intervall x = [a, b] berechnet werden, welche zwischen der Funktionskurve und der x-Achse liegt. a) y = 1 + 2x + 2x sin x2

x = [0; 3]

Die Funktion f (x) wechselt nicht sein Vorzeichen im Integrationsbereich, deshalb kann die Integration in einem Zug durchgeführt werden. A=I=

&3

3  (1 + 2x + 2x sin x2 ) dx = (x + x2 − cos x2 ) = 13,91 0

0

4.6 Zusätzliche Beispiele

b) y = e−x

x = [0; 4]

4 4  A = I = e−x dx = −e−x  = 0,9817 0

0

c) y = x sin x

x = [−π; π]

Die Flächenberechnung mit einem Intervall ist möglich, weil f (x) keinen Vorzeichenwechsel erfährt. A=I=



+π  x sin x dx = (sin x − x cos x) = 6,283 −π

−π

d) y = x cos x

x = [0; π]

Bestimmung des Kreuzungspunkts der Funktionskurve mit der x-Achse: x cos x = 0

⇒ cos x = 0

⇒ x = π/2

229

230

4 Integralrechnung

Die Flächenberechnung erfolgt durch Integration über zwei Teilbereiche: I1 =

π/2 &

π/2  x cos x dx = (cos x + x sin x) = 0,5708 0

0

I2 =



π  x cos x dx = (cos x + x sin x)

π/2

π/2

= −2,5708

A = |I1 | + |I2 | = 3,1416 Beispiel 4.51: Gesucht ist die zwischen den Funktionskurven f1 (x) und f2 (x) eingeschlossene Fläche im Intervall 0 ≤ x ≤ xs , wobei xs die x-Koordinate des Kurvenschnittpunktes ist. f1 (x) = cos x

f2 (x) = sin x

Der Schnittpunkt der beiden Kurven ergibt sich aus der Bedingung f1 = f2 : cos x = sin x

A=

&xs

⇒ 1 = tan x

( f1 − f2 ) dx =

0

⇒ xs = π/4

π/4 &

' (π/4 (cos x − sin x) dx = sin x + cos x 0

0

= [(0,7071 + 0,7071) − (0 + 1)] = 0,4142 Beispiel 4.52: Gesucht ist die zwischen den Funktionskurven f (x) und g(x) eingeschlossene Fläche im Intervall 0 ≤ x ≤ xs , wobei xs die x-Koordinate des Kurvenschnittpunktes ist. f (x) = cosh x

g(x) = 2x

4.6 Zusätzliche Beispiele

Der Schnittpunkt der beiden Kurven ergibt sich aus der Bedingung f (x) = g(x): cosh x = 2x De Lösung dieser Gleichung erfolgt nach dem Newton-Verfahren (s. Seite 777): xs = 0,5894 A=

&xs

( f − g) dx =

0,5894 &

0

0,5894 (cosh x − 2x) dx = (sinh x − x2 )0 = 0,2767

0

Beispiel 4.53: Es soll die zwischen den Kurven f1 (x) und f2 (x) liegende Fläche A berechnet werden, wobei der Integrationsbereich durch die beiden Schnittpunkte der beiden Kurven bestimmt wird. a) f1 (x) = x2 + 2

f2 (x) = −x2 + 2x + 2

Die Schnittpunkte der beiden Kurven ergibt sich aus der Bedingung f1 = f2 : x2 + 2 = −x2 + 2x + 2

I=

&x2

⇒ 2x (x − 1) = 0

[ f1 (x) − f2 (x)] dx =

x1

A = |I| = 0,333

&1

2x − 2x dx =

0

2



#

x1 = 0

2 3 x − x2 3

x2 = 1

$1    = −0,333  0

231

232

4 Integralrechnung

b) f1 (x) = −x + 6

f2 (x) = x2

Die Schnittpunkte der beiden Kurven ergibt sich aus der Bedingung f1 = f2 : −x + 6 = x2 ⇒ x2 + x − 6 = 0

I=

&x2

( f1 − f2 ) dx =

&2

⇒ x1 = −3

(−x + 6 − x2 ) dx = 20,83

x2 = 2

A = 20,83

−3

x1

Beispiel 4.54: Gesucht ist die Bogenlänge der Kurve y = cosh x im Intervall 0 ≤ x ≤ π. Die Bogenelänge s ergibt sich mit Hilfe von (4.33) auf Seite 194 und Anhang A.5 auf Seite 875, Nr. 5 zu: 

y = sinh x

s=

&π 

1 + sinh x dx =



2

0

0

π  cosh x dx = sinh x = 11,55 0

Beispiel 4.55: Wenn eine Kette oder ein Seil oder zwischen zwei Punkten, die sich auf gleicher Höhe befinden, schlaff aufgehägt wird, hängt sich das Seil durch. Der Verlauf des Seils ergibt sich aus der folgenden Beziehung, deren Herleitung auf die Festigkeitslehre zurückgeht. y=

1 λ

! " λL λL − λ x) − cosh cosh ( 2 2

Gleichung der Seilkurve

Hierbei ist L die Spannweite des Seils (Abstand zwischen den beiden Punkten), λ eine von den Gegebenheiten des aktuellen Problems abhängige Konstante. Gesucht ist die Länge des Seils für L = 10 m und λ = 0,3.

4.6 Zusätzliche Beispiele

Die Bogenlänge s erhalten wir aus (4.33) auf Seite 194 und Anhang A.5 auf Seite 875, Nr. 5. y = − sinh (

s=

&L 

λL − λ x) 2

1 + y2

dx =

0

&L  0

λL − λ x) 1 + sinh2 (  2 cosh(λ L/2−λ x)

L λL λL ( 2 λL 1 1 ' λL  − λ x) = − sinh = − sinh ( sinh (− ) − sinh ( ) = λ 2 λ 2 2 λ 2 0 Die Seillänge ergibt sich schließlich zu: s=

0,3 · 10 2 sinh = 14,195 m 0,3 2

Beispiel 4.56: Ein Seil ist mit seinen beiden Endpunkten jeweils an den Punkten P1 = (0; 0) und P2 = (50; √ 117,85) aufgehängt (alle Angaben in m). Der Seilverlauf ist durch die Kurve y = x x/3 gegeben (0 ≤ x ≤ 50). Die Masse des Seils beträgt pro laufenden Meter Seillänge m = 30 kg/m. Gesucht ist die Gesamtmasse M des Seils.

y=x



1 x/3 = x3/2 3



1 y = x1/2 2

233

234

4 Integralrechnung

Die Seillänge L erhalten wir aus (4.33) auf Seite 194: L=

&x2 

1 + y2

dx =

&50 

x1

1+

0

(50 2 ' x x dx = · 4 1 + )3/2 = 129,6 m 4 3 4 0

Die Gesamtmasse des Seils ergibt sich zu: M = m · L = 30 · 129,6 = 3888 kg Beispiel 4.57: Ein Bergprofil zwischen dem Bergfuß und dem Gipfel sei durch die vereinfachte Funktion y = 500 sin2 (x/1000) beschrieben (y in m). Welche Wegstrecke s wird zurückgelegt, wenn ein Bergwanderer auf dem Berggipfel ankommt?

Zur Durchführung der Integration wird die x0 -Koordinate unter dem Berggipfel benötigt: y(x0 ) = 500 = 500 sin2

x0 1000

⇒ sin2

x0 =1 1000

x0 π = 1000 2

x = 1570,8

Berechnung der Wegstrecke s aus (4.33) auf Seite 194: y = sin

s=

x x cos 1000 1000 1570,8 &   2 1 + y dx = 1 + [sin(x/1000) cos(x/1000)]2 dx 

0

1570,8 & 0

f (x)

Für den Integranden f (x) existiert keine Stammfunktion, d.h. das Integral ist nicht geschlossen bestimmbar. Daher wird mit Hilfe der Simpson-Regel (4.22) auf Seite 184 numerisch integriert (gewählt 2n = 2): 1570,8 − 0 = 785,4 h= 2

i 0 1 2

xi 0 785,4 1570,8

sin(xi /1000) 0 0,7071 1,0

cos(xi /1000) 1,0 0,7071 0

fi 1,0 1,118 1,0

4.6 Zusätzliche Beispiele

785,4 [1 + 1 + 4 · 1,118] = 1694 m 3 Der mit Maple berechnete Wert beträgt L = 1665 m. Für ein genaueres Resultat ist eine Erhöhung der Intervalle erforderlich. s=

Beispiel 4.58: Die Bogenlänge der Kurve y = sin x im Intervall 0 ≤ x ≤ π ist zu berechnen. Das mit Maple berechnete Ergebnis ist s = 3,82. 1

y = cos x

y = sin x

0.5

y

s=

&π  0



1 + cos2 x dx



0

1

f (x)

2

x

3

Dieses Integral lässt sich in geschlossener Form nicht berechnen, weil es keine Stammfunktion des Integranden f (x) existiert. Die Integration erfolgt numerisch gemäß der Simpson-Regel mit 2n = 4, s. (4.21) auf Seite 183.

f (x) = h=

s=



1 + cos2 x

b−a π −0 = = π/4 2n 4

i 0 1 2 3 4 ∑

xi 0 π/4 π/2 3π/4 π

2n = 4 fi 1,41421

fi

fi

1,22474 1,00000 1,22474 1,41421 2,82842

2,44948

1,00000

π (2,82842 + 4 · 2,44948 + 2 · 1,00000) = 3,83 4·3

Der relative Fehler der Simpson-Integration beträgt Erel = |(3,82 − 3,83)|/3,82 = 0,0026 ≈ 0,3%. Beispiel 4.59: Gesucht ist die Bogenlänge s der Kurve y = cosh x im Intervall 0 ≤ x ≤ 2, wobei die Integration nach der Gauss-Quadratur mit n = 2 durchzuführen ist (Maple liefert das Ergebnis s = 3,627). Die Bogenlänge s ergibt sich aus (4.33) auf Seite 194: y = sinh x

s=

&2  0

1 + y2 dx =

&2 

 0

1 + sinh2 x dx

f (x)

235

236

4 Integralrechnung

Gauß-Integration mit n = 2 gemäß (4.24) auf Seite 185: a+b 0+2 = =1 2 2

b−a 2−0 = =1 2 2

xi = 1 + ξi Wi = αi

b−a = αi 2

Die Werte ξi und αi entnehmen wir (4.26) auf Seite 185: n=2 xi fi 0,4227 1,0906 1,5773 2,5242

ξi -0,57735 +0,57735

i 1 2

αi 1 1

Wi 1 1

Die Bogenlänge s ergibt sich damit zu: s=

&2

2

f (x) dx = ∑ Wi fi = 1 · 1,0906 + 1 · 2,5242 = 3,615 i=1

0

Beispiel 4.60: Gesucht ist die Bogenlänge s der Kurve y = cos x im Intervall 0 ≤ x ≤ π/2, wobei die Integration nach der Gauss-Quadratur mit n = 2 durchzuführen ist (Maple liefert das Ergebnis s = 1,9101). Die Bogenlänge s ergibt sich aus (4.33) auf Seite 194: y = cos x





y = − sin x

s=

π/2 & 

 0

1 + sin2 x dx f (x)

Gauß-Quadratur mit n = 2 gemäß gemäß (4.24) und (4.26) auf Seite 185: s=

π/2 & 

1 + sin2 x dx = W1 · f1 +W2 · f2

0

b + a π/2 + 0 π = = 2 4 4

b − a π/2 − 0 π = = 2 4 4

b−a π b−a π = W2 = α2 = 2 4 2 4 π b−a π b+a + ξ1 = − 0,57735 = 0,3320 x1 = 2 2 4 4 π b−a π b+a + ξ2 = + 0,57735 = 1,2388 x2 = 2 2 4 4 f1 = f (x1 ) = f (0,3320) = 1,0518 f2 = f (x2 ) = f (1,2388) = 1,3761 α1 = 1

α2 = 1

W1 = α1

4.6 Zusätzliche Beispiele

s = W1 · f1 +W2 · f2 =

π (1,0518 + 1,3761) = 1,9068 4

Beispiel 4.61: Die Bogenlänge der Kurve im Beispiel 4.58 ist mit Hilfe der Gauss-Quadratur mit 2 Stützstellen zu berechnen. n=2

s=

&π  0



1 + cos2 x dx ≈ W1 · f1 +W2 · f2

f (x)

b−a π b+a π = = W1 = π/2 W2 = π/2 2 2 2 2 b−a π π b+a + ξ1 = − 0,57735 = 0,6639 x1 = 2 2 2 2 π b−a π b+a + ξ2 = + 0,57735 = 2,4777 x2 = 2 2 2 2 f1 = f (x1 ) = 1,2729 f2 = f (x2 ) = 1,2729 π s = W1 · f1 +W2 · f2 = (1,2729 + 1,2729) = 3,99 2 Der relative Fehler der Gauß-Integration beträgt Erel = |(3,82−3,99)|/3,82 = 0,044 = 4,4% (s. die Anmerkung auf Seite 185). Eine deutliche Verbesserung der Genauigkeit würde die Gauß-Quadratur mit 3 Stützstellen bringen. Beispiel 4.62:

√ Durch Drehung der Kurve y = r2 − x2 (Definitionsbereich −r ≤ x ≤ r) um die xAchse entsteht eine Kugel. Es soll die Formel für die Mantelfläche dieser Kugel hergeleitet werden. y

x

z

Aus (4.36) auf Seite 199 erhalten wir: y = √

−x r 2 − x2



1 + y2 =

r2 r 2 − x2

237

238

4 Integralrechnung

AM = 2π = 2π

&r

y −r &r



1 + y2 dx = 2π

&r 

 r 2 − x2 ·

−r

r2 dx r 2 − x2

' (r r dx = 2πr x = 4πr2 −r

−r

Beispiel 4.63: Eine Ellipse in der xy-Ebene mit der x-Halbachse a und der y-Halbachse b wird einmal vollständig um die x-Achse rotiert. Das Volumen des enststehenden Rotations4π 2 ab . ellipsoids beträgt V = 3 y

y=f(x)

b a

x

Gleichung der Ellipse: x2 y2 + =1 a2 b2



y2 =

b2 2 (a − x2 ) a2

Aus (4.38) auf Seite 201 erhalten wir: ! "a b2 2 x3 (a − x ) dx = π 2 a x − V = π y dx = π a2 a 3 −a −a −a !   " b2 a3 a3 4π 2 ab =π 2 a3 − − −a3 + = a 3 3 3 &a

2

&a 2 b

2

2

Beispiel 4.64: Eine Ellipse in der xy-Ebene mit der x-Halbachse a und der y-Halbachse b wird einmal vollständig um die y-Achse rotiert. Das Volumen des enststehenden Rotations4π 2 a b. Diese Formel soll mit Hilfe von (4.40) auf Seite 201 ellipsoids beträgt V = 3 hergeleitet werden. Gleichung der Ellipse:

x2 y2 + =1 a2 b2



x2 =

a2 2 (b − y2 ) b2

4.6 Zusätzliche Beispiele &yb

&b 2 a

a2 ' 2 y3 (b 2 2 b (b − y ) dx = π y − b2 b2 3 −b ya −b $ # $ # 4π 2 a2 b3 b3 − −b3 + = a b =π 2 b3 − b 3 3 3

V =π

x dy = π 2

Beispiel 4.65: Gesucht ist das Volumen des Rotationskörpers, der durch Drehung der bereichsweise definierten Kurven f (x) = cosh x und g(x) = 2x im Intervall 0 ≤ x ≤ 2) um die yAchse entsteht. Der Schnittpunkt P der Kurven besitzt die Koordinaten P = (xs , ys ) = (0,58939; 1,17878).

Aus (4.39) auf Seite 201 ergibt sich: 

f (x) = sinh x



g (x) = 2

V =π 

&xs

x · 2 dx + π

0







V1

V1 =

&2

2

x2 sinh x dx xs





V2

2π 3 0,58939 x 0 = 0,43 3

2 V2 = π(x2 cosh x − 2x sinh x + 2 cosh x)0,58939 = 18,96

⇒ V = 19,39

Beispiel 4.66: Es soll das Volumen des Rotationskörpers berechnet werden, der durch Drehung der Kurve y = x2 (Definitionsbereich 0 ≤ x ≤ 3) um die y-Achse entsteht und zwar sowohl nach Gleichung (4.39) als auch nach (4.40). a) Lösung nach (4.39) auf Seite 201: 

y = 2x

⇒ V =π

&b a

2 

x y dx = 2π

&3 0

x3 dx =

π 4 3 x  = 127,23 2 0

239

240

4 Integralrechnung

b) Lösung nach Gl. (4.40) auf Seite 201: ya = 0 = 0

yb = 3 = 9

2

V =π

2

&yb

x2 dy ya

y = x2



x2 = y

V =π

&9

x2 dy = π

0

&9

y dy = π

0

y2 9  = 127,23 2 0

Beispiel 4.67: Die Kurve y = 2e−x /2 im Intervall 0 ≤ x ≤ 1 wird um die y-Achse einmal vollständig rotiert. Gesucht ist das Volumen des Rotationskörpers. Die exakte Maple-Lösung beträgt V = 1,133. 2

a) Lösung nach (4.39) mit Hilfe von Stammfunktion. y = −2x e−x

2 /2

V =π

&b

x2 y dx = −2π

&1

a

x3 e−x

2 /2

0

Integral-Nr. 58 auf Seite 880 liefert mit a = −1/2: I = −2π

&1

x3 e−x

2 /2

dx = 2π(x2 + 2)e−x

2 /2

1   = −1,133 0

0

Das Volumen ist physikalisch eine positive Größe: V = |I| = 1,133 b) Lösung nach (4.39) mit Hilfe der Gauss-Quadratur n = 2.

dx

4.6 Zusätzliche Beispiele

n=2 ξi -0,57735 +0,57735

i 1 2

xi 0,2113 0,7887

αi 1 1

fi 0,00919 0,35947

Wi 0,5 0,5

I = −2π(0,5 · 0,00919 + 0,5 · 0,35947) = −1,158 V = |I| = 1,158 c) Lösung nach Gl. (4.40) mit Hilfe von Stammfunktion. y = 2e−x

2 ⇒ ln y = ln 2e−x /2

2 /2

x2 ·1 2 Integrationsgrenzen: ln y = ln 2 −

ya = y(1) = 2 e−1

2 /2

V =π

&yb ya

x2 ln e 2

⇒ x2 = 2 ln 2 − 2 ln y = ln 4 − 2 ln y

yb = y(0) = 2 e−0

2 /2

= 1,2131 &2

x2 (y) dy = π

1,2131



⇒ ln y = ln 2 −

= π ln 4 · y − 2y(ln y − 1)

=2

(ln 4 − 2 ln y) dy 2 1,2131

= 1,133

Beispiel 4.68: Die Kurve y = x2 +1, welche im Intervall 1 ≤ x ≤ 2 definiert sei, wird um die y-Achse einmal vollständig rotiert.Gesucht ist das Volumen des Rotationskörpers.

a) Lösung nach (4.39) auf Seite 201: 

y = 2x

V =π

&b

2 

x y dx = π

a

&2

x2 · 2x dx =

1

b) Lösung nach Gl. (4.40) auf Seite 201: Umstellung der Funktion y = f (x) liefert:

x2 = y − 1

Die y-Integrationsgrenzen argeben sich aus y = x2 + 1: ya = 12 + 1 = 2

y b = 22 + 1 = 5

π 4 2 x  = 23,56 2 1

241

242

4 Integralrechnung

V =π

&yb

x (y) dy = π

&5

2

ya

! (y − 1) dy = π

2

y2 −y 2

"5 2

= π (12,5 − 5 − 2 + 2) = 23,56

Beispiel 4.69: Die farbig hinterlegte Fläche zwischen der Kurve y = 2e−x /2 (0 ≤ x ≤ 1) und der x-Achse wird um die y-Achse vollständig rotiert. Gesucht ist das Volumen des entstehenden Rotationskörpers. 2

Das Gesamtvolumen V des Rotationskörpers besteht aus dem Teilvolumen Vz des unteren Kreiszylinders und dem Teilvolumens Vk , welches von der gekrümmten Kurve erzeugt wird. Volumen Vz des zylindrischen Teils: r=1

h = y(1) = 1,213

Vz = πr2 h = π · 12 · 1,213 = 3,810

Das durch die Drehung der gekrümmten Kurve um die y-Achse enstehende Volumen Vk wird aus Beispiel 4.67 übernommen: Vk = 1,133 Gesamtvolumen: V = Vk +Vz = 3,810 + 1,133 = 4,943

Beispiel 4.70: Zwischen zwei gleich hohen Punkten P1 und P2 hängt ein Seil, dessen Verlauf durch die Funktion y = cosh x im Intervall −1 ≤ x ≤ 1 beschrieben wird. Wenn man das Seil wie ein Sprungseil schleudert (die Aufhängepunkte bleiben dabei fest), umschreibt es einen Rotationskörper. Gesucht ist das Volumen es Rotationskörpers.

4.7 Aufgaben

243

Die Volumenformel (4.38) auf Seite 201 gilt nur für den Fall, dass die Kurve um die xAchse rotiert wird. Das ist hier aber nicht der Fall (das Seil wird um eine zur x-Achse zwar parallele aber versetzte Achse rotiert; deshalb muss die Seilkurve parallel zur y-Achse so verschoben werden, dass die Kurve fiktiv um die x-Achse rotiert. Die erforderliche vertikale Verschiebung entspricht der y-Koordinate für x = 1: y(1) = cosh 1 = 1,5431 Die zur x-Achse verschobene Seilkurve ergibt sich somit zu: y∗ = cosh x − 1,5431 Volumen des Rotationskörpers bei Drehung der Seilkurve y∗ um die x-Achse: V =π

&+1

(y∗ )2 dx = π

−1



&+1

(cosh x − 1,5431)2 dx

−1

&+1

(cosh2 x − 3,0862 cosh x + 2,3812) dx

−1

!



1 (sinh x cosh x + x) − 3,0862 sinh x + 2,3812x 2

"+1 −1

= π · 2(1,4067 − 3,6269 + 2,3812) = 1,01

4.7 Aufgaben 1. Bestimmen Sie folgende Integrale mit Hilfe von Integraltabellen (bei den Lösungen wurde die Integrationskonstante weggelassen). a) c) e)



5a dx

Lsg: 5ax

2x dx

Lsg: x2

 3,5 x dx

Lsg:



x4,5 4,5



Lsg: −3e2,4 x  2 d) 2x2 dx Lsg: x3 3  −x−0,6 f) x−1,6 dx Lsg: 0,6 b)

−3e2,4 dx

244

4 Integralrechnung

g) i) k) m) o)

 2

x3 

Lsg: −x−2

dx

(−2x + 5)3 dx

 x − x3

x2



−(−2x + 5)4

Lsg:

− ln 5x dx

x2 2

l)

−e−3,2x 3,2

n)

Lsg: −x (ln 5x − 1)

p)

4 cos 3x 3  sin 2x s) cos(−2x) dx Lsg: 2  x sin 4x 2 u) sin (2x) dx Lsg: − 2 8  1 cot x w) dx Lsg: 4 −4 sin2 x q)

−4 sin 3x dx

j)

8

Lsg: ln x −

dx

 −3,2x e dx 

Lsg:

h)

r)

Lsg:

t) v) x)



2 x−5

 8

x       

dx

dx

Lsg:

x6 3

Lsg: 8 ln x

−5ex dx x e2,6x dx 2,5x dx

Lsg: −5ex 2,6x − 1 2,6x e 6,76 2,5x Lsg: 0,9163 Lsg:

−4 sin 3 · x dx sin 5x cos 5x dx cos2 (−2x) dx tanh 5x dx

Lsg: −2 sin 3 · x2 sin2 5x 10 x sin 4x Lsg: + 2 8 Lsg:

Lsg: ln (cosh 5x)

2. Bestimmen Sie folgende Integrale (ggf. unter Vereinfachung der Integranden und Verwendung der Integraltabelle im Anhang A.7). 

a)



b)



c)

sin 2x cos 3x dx

Lsg:

(− cos x − 3 sin x) dx

Lsg:

− cos 5x cos x + 10 2 − sin x + 3 cos x

(−3 sin x + 3 cos 3x) dx

Lsg:

3 cos x + sin 3x

Lsg:

x

Lsg:

2x

Lsg:

2 cosh x − 3 sinh x

Lsg:

−2 tan x −

Lsg:

sinh x



(sin2 4x + cos2 (−4x)) dx  2 sin x + 3 + cos x · cos x dx

d) e)



f)

(2 sinh x − 3 cosh x) dx

 −2

g)

cos2 x 

 + e−2x dx

cosh 2x − sinh2 x dx

h)

e−2x 2

3. Bestimmen Sie folgende Integrale mit Hilfe der partiellen Integration. a) b) c)

 

x e−2x dx x e−ax dx

 2 −ax x e dx

− e−2x (x + 0,5) 2 1 x Lsg: (− − 2 ) e−ax a a

Lsg:

Lsg: −

(a2 x2 + 2ax + 2) −ax e a3

4.7 Aufgaben

d) e) f) g)

   

Lsg: x sin x + cos x

x cos x dx x sin ax dx

1 (sin ax − ax cos ax) a2

Lsg:

1 (x + sin x cos x) 2 sin2 x Lsg: 2

cos2 x dx

Lsg:

sin x cos x dx

 h) x2 e2x dx

Lsg:

i)

 2 4x x e dx

j)

 2 x sin x dx

Lsg:



x  e dx =  2

2x

u

v



x2 x 1 − + 2 2 4

$

x2  sin x dx = −x2 cos x + 2x sin x + 2 cos x  v

u

Lsg:

 cos x e sin 2x dx

#

e2x

1 4x e (1 − 4x + 8x2 ) 32

Lsg:

 k) x2 cos x dx

l)

245

x2

sin x + 2x cos x − 2 sin x

Lsg: 2 ecos x (1 − cos x)

Tipp: Machen Sie zunächst Gebrauch von der wohlbekannten Beziehung sin 2x = · · ·. Dann setzen Sie im ersten Schritt der partiellen Integration für den Term cos x die Variable u ein. Im anschließenden zweiten Integrationsschritt können Sie die Variable u für 1 einsetzen.

m)



1 Lsg: e−2 cos x ( + cos x) 2

sin 2x e−2 cos x dx

s. Tipp in der vorherigen Aufgabe.

4. Berechnen Sie folgende Integrale mit Hilfe der partiellen Integration. ∞ α a) e−αt cos ωt dt Lsg: 2 α + ω2 0 b)

∞ −αt e sin ωt dt

Lsg:

0

ω α2 + ω2

5. Berechen Sie die angegebenen Integrale mit folgenden numerischen Integrationsverfahren. Die in Klammern angegebenen Lösungen wurden mit Maple ermittelt. Ihre Resultate könnten aufgrund von Abrundungsfehlern möglicherweise von diesen Werten geringfügig abweichen.

· Trapez-Regel mit n = 4 · Simpson-Regel mit 2n = 4 · Gauß-Integration mit n = 2 a)

1 x2 e dx

(1,46265)

b)

0

c)

2

2 −x2 e ln x dx

(0,03261)

d)

4 1 2

ln x

dx

2 −x2 e dx

(13,68173) (0,88208)

0

1

e)

3 ex

ln x

dx

(1,92242)

f)

2 sin x 0

x

dx

(1,60541)

246

4 Integralrechnung

g)

π/3  

1 − sin2 x dx

(0,86603)

h)

0

i)

π/3 

2 1

1 − 0,25 sin2 x dx

(1,00756)

0

0

k)

π/3  

1  dx 1 − sin2 x

1 dx x sin x

(1,31696)

j)

π/3 



0

(0,73039)

l)

1 1 − 0,25 sin2 x

3 2 x sin x cos x dx

dx

(1,08955)

(−2,44346)

2

6. Auf Seite 479 sind in (9.53) drei Wahrscheinlichkeitsintegrale angegeben, deren Wert gleich 1 ist. Berechnen Sie alle drei Integrationen numerisch mit Hilfe der Gauß-Quadratur mit n = 4 für die Werte μ = 0; σ = 0,5; k = 1,5. 7. Berechnen Sie die zwischen der Kurve f (x) und der x-Achse liegende Fläche im angegebenen Intervall. a) b) c)

f (x) = 4x sin x f (x) = sin x f (x) = cos x cosh x

−π ≤ x ≤ π −π ≤ x ≤ 0 0 ≤ x ≤ π/2

Lsg: A = 8π = 25,13 Lsg: A = | − 2| = 2 Lsg: A = 1,255

8. Berechnen Sie die zwischen der Kurve f (x) und der x-Achse liegende Fläche im angegebenen Intervall. ⎧ 1 ⎪ ⎪ für 0 ≤ x ≤ 1 ⎨ 1 + x2 Lsg: A = 1,5901 f (x) = ⎪ 1 ⎪ ⎩ für 1 ≤ x ≤ 5 2x 9. Berechnen Sie die zwischen den Funktionskurven f1 (x) und f2 (x) liegende Fläche A im angegebenen Intervall. a) f1 (x) = cos x b) f1 (x) = 2 sin x c) f1 (x) = cos x

2x f2 (x) = 1 − π 4x f2 (x) = π f2 (x) = sin x

0 ≤ x ≤ π/2

Lsg: A = 0,2146

0 ≤ x ≤ π/2

Lsg: A = 0,4292

0 ≤ x ≤ 2π

Lsg: A = 5,6568

10. Berechnen Sie die von den Funktionskurven f1 (x) und f2 (x) eingeschlossene Fläche, wobei der Integrationsbereich sich über die beiden Schnittpunkte der beiden Kurven erstreckt. a) f1 (x) = x2 − 2 b) f1 (x) = 3x − 1 c) f1 (x) = 5 − x d) f1 (x) =

cos2 x

f2 (x) = −x2 + 2x + 2 f2 (x) = x2 − 2x − 1 πx f2 (x) = 5 cos 10 f2 (x) = sin2 x

Lsg: A = | − 9| = 9 Lsg: A = 20,83 Lsg: A = 3,415 Lsg: A = 0,5

4.7 Aufgaben

247

11. Berechnen Sie die Bogenlänge folgender Funktionskurven y = f (x) zwischen den angegebenen Anfangs- und Endpunkten x0 und x1 . Die Integrale sind entweder in geschlossener Form oder, falls keine Stammfunktion existiert, mit einem numerischen Integrationsverfahren durchzuführen. 1 ln x b) y = ex

x0 = 1.6

x1 = 3

Lsg: 1,95

x0 = 0

x1 = 5

Lsg: 147,88

x0 = 0

x1 = 5

Lsg: 5,226

d) y = ex sin2 x

x0 = 0

x1 = π/2

Lsg: 5,231

e) y = cosh x

x0 = 0

x1 = 1

Lsg: 1,175

a) y =

c) y =

e−x

1 x0 = 1.6 x1 = 3 (1,95) ln x x1 = 5 (147,88) b) y = ex x0 = 0 a) y =

c) y = e−x

x0 = 0 x1 = 5

d) y = ex sin2 x e) y = cosh x

(5,226)

x0 = 0 x1 = π/2 x0 = 0

x1 = 1

(5,231) (1,175)

12. Berechnen Sie die Bogenlänge der Funktion y = sin x im Intervall 0 ≤ x ≤ π mit Hilfe der Simpson-Regel (2n = 6). Lsg: s = 3,82, (s. auch das Beispiel 4.58 auf Seite 235). 13. Zwischen zwei sich auf der gleichen Höhe befindlichen Punkten P1 und P2 , die voneinander einen Abstand von 2 m haben, soll ein Seil schlaff eingehängt werden. Der Seilverlauf sei durch die Funktion y = cosh2 x gegeben, wobei das xy-Koordinatensystem im tiefsten Seilpunkt positioniert ist. Berechnen Sie die Seillänge s. 1  Lsg: y = 2 cosh x sinh x s= 1 + (2 cosh x sinh x)2 −1

Die Integration wird numerisch durchgeführt: s = 3,627 m 14. Berechnen Sie die Mantelfläche des √ Rotationskörpers, der durch Drehung der Funktion y = x2 (Definitionsbereich 0 ≤ x ≤ 2) um die y-Achse entsteht. √2 1  √2    2 1,5 2 (1 + 4x )  = 13,61 AM = 2π 0 x 1 + (2x) dx = 2π Lsg: y = 2x 12 0 15. Durch Drehung der Kurve y = sin x (Definitionsbereich 0 ≤ x ≤ π) um die x-Achse ensteht ein Rotationskörper. Berechnen Sie das Volumen dieses Körpers. Lsg: V = π

π 0

sin2 x dx =

π (x − sin x cos x)|π0 = 4,93 2

16. Berechnen Sie das Volumen des Rotationskörpers, der durch Drehung der Kurve y = x2 (Definitionsbereich 0 ≤ x ≤ 5) um die y-Achse entsteht. Lsg: V = 981,75

248

4 Integralrechnung

17. Eine Ellipse in der xy-Ebene mit der x-Halbachse a und der y-Halbachse b wird einmal vollständig um die y-Achse rotiert. Das Volumen des enststehenden Rotationsellipsoids be4π 2 a b. Können Sie diese Formel mit Hilfe der Gleichung (4.40) auf Seite 201 trägt V = 3 herleiten?

5

Matrizen und lineare Gleichungssysteme

5.1 Einführung Matrix als rechteckige Anordung von Elementen. Die Grundlage der linearen Algebra ist der Begriff einer Matrix (Mehrzahl: Matrizen). Unter einer Matrix versteht man ein System von Größen, die in einem rechteckigen Schema angeordnet sind. In diesem Schema werden die horizontalen Reihen als Zeilen, und die vertikalen Reihen als Spalten der Matrix bezeichnet. Bei den als Matrix angeordneten Größen kann es sich um Zahlen, Variablen, Ausdrücke, Funktionen usw. handeln. Jeder Eintrag in der Matrix ist ein Matrixelement, wobei das eine Element eine Zahl und ein anderes Element der Matrix eine Variable und ein drittes eine Funktion sein kann. Die rechteckförmige Anordnung der Elemente ai j ( i = 1 . . . m, j = 1 . . . n) in einer m × n Matrix erfolgt nach folgendem Schema:

Zeile 1 Zeile 2 .. . Zeile m

Sp. 1 Sp. 2 ↓ ↓ ⎡ → a11 a12 ⎢ → ⎢ a21 a22 ⎢ . .. ⎣ .. . am1 am2 →

. . . Sp. n ↓ ⎤ . . . a1n . . . a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

⎛ bzw.

. . . amn

⎜ ⎜ ⎜ ⎝

a11 a21 .. .

a12 a22 .. .

... ...

am1

am2

. . . amn

a1n a2n .. .

⎞ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠

In diesem Buch wird die Schreibweise mit eckigen Klammern verwendet. Die Nummerierung der Zeilen erfolgt von oben nach unten (beginnend mit 1), die der Spalten von links nach rechts (ebenfalls mit 1 beginnend). Die Gesamtzahl von Elementen einer Matrix ergibt sich aus: Anzahl der Elemente = Anzahl der Zeilen × Anzahl der Spalten Eine Matrix mit m Zeilen und n Spalten hat also m × n Elemente. Man spricht deshalb auch von einer m × n-Matrix. Mit dem Symbol ai j wird dasjenige Matrixelement bezeichnet, das sich in der i-ten Zeile und der j-ten Spalte der Matrix befindet. Die Zählvariablen i und j werden als Indexvariablen des Elementes bezeichnet. Der erste Index i gibt die Zeilennummer und der zweite Index j die Spaltennummer des Elementes innerhalb der Matrix an. Matrizen werden üblicherweise symbolisch mit fetten Großbuchstaben gekennzeichnet, z.B. A , R , X usw. Anstelle eines fetten Buchstabens kann auch ein unterstrichener Buchstabe verwendet werden, z.B. A, R, X. Verbreitet ist auch die Schreibweise [A], [R], [X]. Ebenfalls sieht man in der mathematischen Literatur folgende Schreibweisen für eine m × n Matrix: [ai j ]

(ai j )

[ai j ]i=1...m, j=1...n

(ai j )i=1...m, j=1...n

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_5

250

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Beispiel 5.1: Nachfolgend sind einige Beispiele für Matrizen gegeben. ! " ! " a11 a12 5 1 A=A= = a21 a22 3 8 ! " ! " b11 b12 b13 4 1 3 B=B= = b21 b22 b23 −2 6 5 ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ 2 3 c11 c12 C = C = ⎣ c21 c22 ⎦ = ⎣ −2 4 ⎦ c31 c32 5 8 ! " 3 x y D=D= −x 6 5 ⎡ ⎤ sin α x y E = E = ⎣ −2 cos x 5 ⎦  F =F =

−x sinh x √ ln x

8 −1 4

2 × 2-Matrix 2 × 3-Matrix

3 × 2-Matrix

2 × 3-Matrix

3 × 3-Matrix

tan α  0

2 × 3-Matrix

 2x e

Beispiel 5.2: Pizzapreise in einem Restaurant. 18 Personen gehen am Ende eines Ausflugs ins Restaurant und setzen sich an 3 Tische mit je 6 Leuten. Jeder bestellt sich eine Pizza aus den Pizzasorten A, B und C. In der nachfolgenden Übersicht sind die Anzahl der Pizzen je Tisch sowie der Gesamtpreis für jeden Tisch angegeben. Tisch 1 2 3

Anzahl der Bestellungen Pizza A Pizza B Pizza C 3 2 1 2 1 3 1 3 2

Gesamtbetrag 56 62 62

Die Aufgabe lautet: Wie hoch ist der Preis für jede Pizzasorte? Wir bezeichnen den Pizzapreis jeder Sorte mit A, B und C. Daraus ergeben sich folgende drei Gleichungen für die Preisermittlung. + 2B +

Für den Tisch 1 :

3A

Für den Tisch 2 :

2A +

Für den Tisch 3 :

A

C

= 56

B + 3C

= 62

+ 3B

+ 2C

(a)

= 62

Für die Ermittlung der Pizzapreise sind also 3 Gleichungen mit 3 Unbekannten zu

5.1 Einführung

251

lösen. Wie später in Abschnitt 5.6 auf Seite 268 detailliert erörtert werden wird, lässt sich das lineare Gleichungssystem (a) in Matrixschreibweise wie folgt formulieren: ⎡ 3 ⎣2 1

2 1 3

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 A 56 3⎦ ⎣B⎦ = ⎣62⎦ 2 C 62

lineares Gleichungssystem in Matrixschreibweise

Die Lösung des obigen Gleichungsystems Ax = b ist in Beispiel 5.20 auf Seite 275 gegeben. Beispiel 5.3: Stabkräfte in einem Fachwerk. Das abgebildete Fachwerk wird durch die äußeren Kräfte Fh und Fv belastet. Gesucht sind die Stabkräfte Sa , Sb in den Stäben a und b. Das Freischneiden des Knotens 2 und die Aufstellung der Gleichgewichtsbedingungen in horizontaler und vertikaler Richtung führt zu folgenden Gleichungen: Fh − Sa cos α + Sb cos β = 0 Fh

Fv

− Fv − Sa sin α − Sb sin β = 0

Knoten 2 freischneiden

a

a 1

Fv

Fh

2

(a)

b

Sa

b

Sb

a

Kräfte am Knoten 2

b

3

Die beiden Gleichungen in (a) bilden ein lineares Gleichungssytem und können in Matrixschreibweise auch wie folgt geschrieben werden: ! "! " ! " cos α − cos β Sa Fh = (b) Sb −Fv sin α sin β Die Lösung dieses Gleichungssystems ist in Beispiel 5.63 auf Seite 310 gegeben. Bedeutung der Matrizen in der Physik. Matrizen erlauben eine außerordentlich kompakte symbolische Darstellungsweise und gestatten auf diese Weise, komplizierte Beziehungen zwischen mehreren Größen (mitunter sogar zwischen mehreren Millionen Größen) in symbolischer Schreibweise auszudrücken. Selbst verwickelte Zusammenhänge und Operationen lassen sich mit Hilfe der Matrixrechnung übersichtlich darstellen. Eine Matrix besteht zwar aus vielen (sogar sehr vielen) Elementen, dennoch lässt sie sich in mathematischen Berechnungen trotzdem als eine eigenständige Einheit behandeln – darin liegt ihre besondere Stärke. Matrizen besitzen auch besondere Kenngrößen und Merkmale (Determinante, Spur, Eigenwert und Eigenvektor etc.), welche in diesem Kapitel vorgestellt werden. Diese sind wichtig bei der Aufstellung und Lösung technisch wissenschaftlicher Probleme. Ohne Matrizen wären die

252

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

modernen, heute als selbstverständlich betrachteten Berechnungsmethoden der Physik und Mechanik (Statik, Dynamik, Stabilität, Strömungsmechanik, Wärmeleitung, Industrieroboter, elektrische Maschinen, Magnetfelder usw.) gar nicht möglich. Matrizen bilden das Kernstück der Finite Elemente Methode (FEM). Die FEM ist eine universelle Methode für die computer-basierte numerische Lösung von physikalischen Problemen und ist im Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Automobiltechnik und Elektrotechnik das unverzichtbare Analysewerkzeug für Berechnungsingenieure.

5.2 Definitionen für Matrizen Dimension einer Matrix. Bei einer Matrix mit m Zeilen und n Spalten ist m die Zeilendimension und n die Spaltendimension der Matrix. Der Ausdruck m × n kann deshalb als Dimension der Matrix angesehen werden. Die Reihenfolge in m × n ist wichtig: Eine m × n Matrix und eine n × m Matrix besitzen nicht die gleiche Dimension. Quadratische Matrix. Eine Matrix wird quadratisch genannt, wenn sie die gleiche Anzahl von Zeilen und Spalten aufweist, d.h. die Dimension n × n besitzt. ⎡

a11 ⎢a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

⎤ . . . a1n . . . a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ .. . . ⎦

an1

an2

. . . ann



⎤ 5 1⎦ 3 3×3

2 −1 B = ⎣−1 4 1 2

n×n

Spaltenmatrix (Spaltenvektor). Eine Matrix mit der Dimension n × 1 heißt Spaltenmatrix bzw. Spaltenvektor, sie besteht aus n Zeilen und 1 Spalte. ⎡ ⎤ x1 ⎢x2 ⎥ ⎢ ⎥ x=⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦ xn



⎤ 2 ⎢−3⎥ ⎥ b=⎢ ⎣5⎦ 4 4×1

n×1

Oft werden Vektoren in fetten Kleinbuchstaben angegeben, z.B. x oder y . Anstelle des Fettbuchstabens kann auch ein Buchstabe mit Unterstrich verwendet werden, z.B. x, y. Anmerkung: Wenn wir in der linearen Algebra von einem »Vektor« sprechen, dann ist damit nicht der klassische Vektor (Linie mit Pfeil) gemeint. Ein Vektor in der linearen Algebra kann (und das kommt in der Ingenieurpraxis extrem häufig vor) mehr als 3 Komponenten haben, er muss also nicht zwingend geometrisch anschaulich sein. Zeilenmatrix (Zeilenvektor). Eine Matrix mit der Dimension 1 × n heißt Zeilenmatrix bzw. Zeilenvektor, denn sie besteht aus 1 Zeile und n Spalten.  x = x1

x2

. . . xn

 1×n

a=



2

−3

5

4

 1×4

5.2 Definitionen für Matrizen

253

Diagonalmatrix. Eine Diagonalmatrix ist eine Matrix mit der Dimension n × n, wobei ihre Elemente außerhalb der Hauptdiagonalen alle gleich Null sind. Auf der Hauptdiagonale dürfen allerdings ein oder mehrere Elemente (aber nicht alle!) ebenfalls Null sein. ⎡

a11 ⎢0 ⎢ A=⎢ . ⎣ .. 0

0 a22 .. . 0

... ... .. .

0 0 .. .

. . . ann

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦ n×n

⎡ 2 ⎢0 B=⎢ ⎣0 0

0 3 0 0

⎤ 0 0 0 0⎥ ⎥ 8 0⎦ 0 −4 4×4



⎤ 0 0⎥ ⎥ 4⎦ 1 4×4

1 0 0 ⎢0 0 0 C =⎢ ⎣0 0 2 0 0 0

A und B sind Diagonalmatrizen, C hingegen ist keine Diagonalmatrix. Hauptdiagonale einer Matrix. Die Elemente a11 , a22 , · · · , ann (d.h. aii mit i = 1 . . . n ) einer quadratischen n × n Matrix A bilden die Hauptdiagonale von A . Die Hauptdiagonale beginnt mit dem ersten Element oben links und verläuft diagonal zum letzten Element unten rechts. Die Elemente der Hauptdiagonale können auch als ein Vektor (wahlweise als Spaltenvektor oder als Zeilenvektor) dargestellt werden. ⎡

2 ⎣ A= 3 6

1 4 2

⎤ 5 7 ⎦ 3 3×3



⎤ 2 diag A = ⎣ 4 ⎦ 3 3×1

bzw.

diag A =



2

4

3

 1×3

Anmerkung: Diagonalmatrix und »Diagonale einer Matrix« sind verschiedene Begriffe. Eine Diagonalmatrix besitzt die Dimension n × n, während die Diagonale einer Matrix ein Vektor ist, d.h. die Dimension n × 1 bzw. 1 × n hat. Obere Dreiecksmatrix. Eine quadratische n × n Matrix wird obere Dreiecksmatrix genannt, wenn alle Elemente unterhalb ihrer Hauptdiagonale Null sind. ⎡ a11 ⎢0 A=⎢ ⎣0 0

a12 a22 0 0

a13 a23 a33 0

⎤ a14 a24 ⎥ ⎥ a34 ⎦ a44

⎡ 2 ⎢0 B=⎢ ⎣0 0

⎤ 3 0 1 5 −1 9⎥ ⎥ 0 6 2⎦ 0 0 4

ai j = 0 für i > j

Untere Dreiecksmatrix. Eine quadratische n × n Matrix wird untere Dreiecksmatrix genannt, wenn alle Elemente oberhalb ihrer Hauptdiagonale Null sind. ⎡ a11 ⎢a21 A=⎢ ⎣a31 a41

0 a22 a32 a42

0 0 a33 a43

⎤ 0 0⎥ ⎥ 0⎦ a44

⎡ 2 ⎢3 B=⎢ ⎣1 8

⎤ 0 0 0 4 0 0⎥ ⎥ −9 7 0⎦ 0 1 6

ai j = 0 für i < j

Nullmatrix 0 . In einer m × n Nullmatrix 0 sind alle Elemente identisch Null.

254

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

⎡ ⎢ ⎢ 0=⎢ ⎣

⎤ 0 ... 0 0 ... 0 ⎥ ⎥ .. .. .. ⎥ . . . ⎦ 0 0 . . . 0 m×n

0 0 .. .

Bespiel. Das Ergebnis der Matrixoperation B − B ist die Nullmatrix. B ≡0 B −B

Nullvektor 0 . In einem Nullvektor 0 sind alle Elemente identisch Null.    T 0 = 0 0 ··· 0 0 = 0 0 ··· 0 Einheitsmatrix I . Eine spezielle Diagonalmatrix ist die Einheitsmatrix I . Sie hat die Dimension n × n, ihre Hauptdiagonalelemente haben den Zahlenwert 1, alle anderen Elemente sind Null. Anstelle des Symbols I für die Einheitsmatrix können auch die Symbole E oder 1 verwendet werden. ⎡ ⎢ ⎢ I =E =1 =⎢ ⎣

1 0 .. .

0 1 .. .

... ... .. .

0 0 .. .

0

0

...

1

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

ai j = 1 für i = j,

ai j = 0 für i = j

Einheitsvektor e i . In einem Einheitsvektor e i sind alle Elemente gleich Null mit Ausnahme des i-ten Elements, welches gleich 1 ist: e j = 1 für j = i, e j = 0 für j = i. Zeileneinheitsvektor   e 1,Z = 1 0 0 · · · 0   e2,Z = 0 1 0 · · · 0   en,Z = 0 0 0 · · · 1

Spalteneinheitsvektor ⎤ 1 ⎢0⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ e 1,S = ⎢ 0 ⎥ ⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦ ⎡

0

⎤ 0 ⎢0⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ e n,S = ⎢ 0 ⎥ ⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦





⎤ 0 ⎢1⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ e 2,S = ⎢ 0 ⎥ ⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦ 0

n×1

n×1

1

n×1

A entsteht aus der Matrix A , indem alle Elemente von Negative Matrix. Die negative Matrix −A A mit (−1) multipliziert werden. ⎡

⎤ a1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

a11 ⎢ a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

... ... .. .

am1

am2

. . . amn



⎤ −a1n −a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

−a11 ⎢ −a21 ⎢ A = (−1) · A = ⎢ . −A ⎣ ..

−a12 −a22 .. .

... ... .. .

−am1

−am2

. . . −amn

Gleichheit von zwei Matrizen. Zwei Matrizen A = [ai j ] und B = [bi j ] sind gleich, d.h. A = B , wenn erstens sie beide von der gleichen Dimension m × n sind (d.h. ihre Zeilenanzahl m und ihre

5.2 Definitionen für Matrizen

255

Spaltenanzahl n jeweils übereinstimmen) und zweitens die korrespondierenden Matrixelemente gleich sind. A =B

wenn ai j = bi j

für i = 1,2, . . . , m und

j = 1,2, . . . , n

Beispiel 5.4: Mit den nachfolgenden Matrizen lassen sich die unten stehenden Aussagen über die Gleichheit machen. ⎡ ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 2 3 2 3 2 3 B = ⎣3 5 ⎦ C = ⎣ 3 5⎦ A = ⎣3 5⎦ 8 1 3×2 8 1 3×2 −8 1 3×2 ! 2 D= 3

" 3 8 5 1 2×3

 E= 2 3

4

1. A = B 2. A = C (a31 = c31 ) 4. E = F (1 × 3) vs. (3 × 1) 

 1×3

⎡ ⎤ 2 F = ⎣3⎦ 4 3×1 3. A = D (3 × 2) vs. (2 × 3) 

Symmetrische Matrix. Eine Matrix heißt symmetrisch, wenn sie die Dimension n × n hat (also quadratisch ist) und für alle Matrixelemente die Beziehung ai j = a ji gilt. Bei einer symmetrischen Matrix stellt die Hauptdiagonale eine Symmetrielinie dar. Man stellt sich die Hauptdiagonale wie eine Spiegelebene vor und prüft, ob Originalbild und Spiegelbild identisch sind. symmetrisch ⎡ ⎤ 2 3 8 A=⎣ 3 5 −1 ⎦ 8 −1 6

unsymmetrisch ⎤ ⎡ 2 3 8 B = ⎣ 3 5 −1 ⎦ 6 8 1

b23 = b32

Antimetrische Matrix. Eine quadratische n × n Matrix A wird antimetrisch bzw. schiefsymmetrisch genannt, wenn A entgegengesetzt ist ihrer Transponierten A T (wegen der Definition der Transposition s. Abschnitt 5.4 auf Seite 258). Mathematisch wird dies ausgedrückt als: AT A ist antimetrisch, wenn A = −A ⎡

0 A = ⎣ −3 8

3 0 1

⎤ −8 −1 ⎦ 0



aii = 0, und ai j = −a ji für i = j

Die Hauptdiagonale einer antimetrischen Matrix ist Null.

Spur einer Matrix. Die Spur einer n × n Matrix A , bezeichnet als tr A (Englisch trace), ist die algebraische Summe der Hauptdiagonalelemente von A . Die Spur steht mit den Eigenwerten ei-

256

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

ner Matrix in einem speziellen Zusammenhang, s. Formel (14.13) auf Seite 735. ⎡ ⎤ a11 a12 . . . a1n ⎡ ⎤ 2 5 7 −3 ⎢a21 a22 . . . a2n ⎥ ⎢ ⎥ ⎢−1 3 4 0 ⎥ A=⎢ . .. .. ⎥ ⎥ .. B=⎢ ⎣ .. ⎣6 9 8 2⎦ . . . ⎦ an1 an2 . . . ann 5 1 2 −1 tr B = 2 + 3 + 8 − 1 = 12

tr A = a11 + a22 + . . . + ann

Zerlegung von Matrizen in Zeilen- und Spaltenvektoren. Eine m × n Matrix kann in m Zeilenvektoren oder in n Spaltenvektoren zerlegt werden (welche Zerlegungsvariante gewählt wird, hängt von der Anwendung ab). Zerlegung in Zeilenvektoren ⎡

a11 ⎢a ⎢ 21 ⎢ . ⎢ . ⎢ . A=⎢ ⎢ ai1 ⎢ ⎢ .. ⎣ .

a12 a22 .. .

... ...

a1i a2i .. .

... ... .. .

ai2 .. .

...

aii

... .. .

am1

am2

. . . ami

...



mit zi = ai1 Beispiel 5.5: Die nachfolgende werden. ⎡ 2 3 A = ⎣4 5 9 3  z1 = 2  z2 = 4  z3 = 9

...

ai2

⎡ ⎤ z1 a1n ⎢ ⎥ a2n ⎥ ⎥ ⎢z2 ⎥ ⎢ ⎥ .. ⎥ ⎥ ⎢.⎥ . ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎥=⎢ ⎥ ain ⎥ ⎢ z i ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ .. ⎥ ⎢ .. ⎥ . ⎦ ⎣.⎦ zm amn  aii . . . ain ⎤

Zerlegung in Spaltenvektoren   A = s1 s2 . . . si . . . sn ⎡ ⎤ a1i ⎢a ⎥ ⎢ 2i ⎥ ⎢ . ⎥ ⎢ . ⎥ ⎢ . ⎥ mit s i = ⎢ ⎥ ⎢ aii ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎣ . ⎦ ami

Matrix A soll in ihre Zeilenvektoren und Spaltenvektoren zerlegt ⎤ 7 2⎦ 15

8 −1 6

3

8

5

−1

3

6

7



 2  15

⎡ ⎤ z1 A = ⎣z2 ⎦ z3 ⎡ ⎤ 2 s 1 = ⎣4⎦ 9

 A = s1

⎡ ⎤ 3 s 2 = ⎣5⎦ 3

s2



s3

⎤ 8 s 3 = ⎣−1⎦ 6

s4



⎡ ⎤ 7 s4 = ⎣ 2 ⎦ 15

5.3 Addition und Subtraktion von Matrizen

257

5.3 Addition und Subtraktion von Matrizen Addition. Die Addition von zwei m × n Matrizen A und B liefert eine neue m × n Matrix C . B C = A +B mit A = [ai j ]

B = [bi j ]

C = [ci j ]

i = 1,2, . . . , m

j = 1,2, . . . , n

Die Elemente ci j der Matrix C ergeben sich durch algebraische Addition der korrespondierenden Elemente ai j und bi j : ci j = ai j + bi j

i = 1,2, . . . , m

j = 1,2, . . . , n

(5.1)

Zwei Matrizen A und B können dann und nur dann addiert werden, wenn sie die gleiche Dimension besitzen. Wenn also A eine m × n Matrix ist, muss auch B eine m × n Matrix sein. Folglich kann z.B. eine m × n Matrix kann nicht mit einer n × m Matrix addiert werden. Regeln der Matrixaddition sind in Tabelle 5.1 zusammen gestellt. Subtraktion. Die Subtraktion der Matrix B von der Matrix A erfolgt analog zur Addition: C = A −B B

ci j = ai j − bi j

(5.2)

Tabelle 5.1: Regeln für Addition und Subtraktion von Matrizen A +00

=

A) A + (−A

=

0

A) A − (−A

=

A A +A

A A −A

=

0

A +B B

=

B +A A

B A −B

=

B +A A −B

A

A +B B) +C C (A

=

C) B +C A + (B

A +B B) −C C (A

=

B −C C) A + (B

B A +B

=

0

B ⇒ A = −B

B A −B

=

0

⇒ A =B

Beispiel 5.6: Einige Beispiele für die Addition und Subtraktion von Matrizen sind nachfolgend gegeben. ! ! ! " " " 5 −1 0 1 5 3 −4 6 3 B= B= A +B a) A = 3 1 0 2×3 3 2 2 2×3 0 1 2 2×3

258

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

! b) A =

−4 0

⎡ 5 B = ⎣3 2

" 6 3 1 2 2×3

⎤ −1 1⎦ 3 3×2

B ist nicht definiert, weil sie unterschiedliche Dimension haben. A +B ⎡ ⎤ 2 c) x = ⎣3⎦ 5 3×1

 y= 5

1

2

 1×3

x +yy ist nicht definiert, weil sie unterschiedliche Dimension haben. ! " ! " ! −4 6 3 5 −1 0 −9 B= d) A = B= A −B 0 1 2 2×3 3 1 0 2×3 −3

7 0

3 2

"

5.4 Transposition von Matrizen Transposition eines Vektors. Falls ein Zeilenvektor als Spaltenvektor (und umgekehrt) geschrieben wird, redet man von Transposition des Vektors. Die Transponierte des Vektors x wird mit dem Symbol x T gekennzeichnet. Transposition macht aus einem Zeilenvektor einen Spaltenvektor, und umgekehrt aus einem Spaltenvektor einen Zeilenvektor. ⎡ ⎤ x1 ⎢  T ⎢x2 ⎥   ⎥ x T = x1 x2 . . . xn =⎢ . ⎥ x = x1 x2 . . . xn ⎣ .. ⎦ xn ⎡ ⎤ y1 ⎢y 2 ⎥ ⎢ ⎥ y=⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦

⎡ ⎤T y1 ⎢y2 ⎥  ⎢ ⎥ y T = ⎢ . ⎥ = y1 ⎣ .. ⎦

yn

y2

. . . yn



yn

Wenn ein bereits transponierter Vektor noch einmal transponiert wird, entsteht der ursprüngliche Vektor: (xxT )T = x Beispiel 5.7: 

x= 2

3 −1





⎤ 2 xT = ⎣ 3 ⎦ −1



⎤T 2  (xxT )T = ⎣ 3 ⎦ = 2 −1

3 −1



5.4 Transposition von Matrizen

⎡ ⎤ 1 y = ⎣2 ⎦ 3

 yT = 1

2

 3



(yyT )T = 1

259

⎡ ⎤ 1 T ⎣ = 2⎦ 3 3

2

Kompakte Schreibweise für einen Spaltenvektor. Gelegentlich wird, um Platz zu sparen, ein Spaltenvektor auch als Transponierte des Zeilenvektors geschrieben. Beispielsweise sind folgende Vektorangaben von ihrem mathematischen Inhalt her absolut identisch: ⎡

⎤ a  ⎣ b ⎦= a c

b

c



T

a

b

c





⎤T a =⎣ b ⎦ c

Transposition einer Matrix. Wenn eine m × n Matrix A transponiert wird, entsteht die n × m Matrix A T . Die Transposition erfolgt in der Weise, dass man die Zeilen von A als Spalten schreibt (bzw. die Spalten als Zeilen): ⎡

⎤ a1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

a11 ⎢ a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

... ...

am1

am2

. . . amn

m × n Matrix A

−→

⎡ a11 ⎢a12 ⎢ AT = ⎢ . ⎣ ..

a21 a22 .. .

⎤ . . . am1 . . . am2 ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

a1n

a2n

. . . amn

m×n

(5.3)

n×m

n × m Matrix A T

Gegeben seien die m × n Matrix A und die n × m Matrix B . Mathematisch lässt sich die Transposition dann wie folgt definieren: A = [ai j ]

B = [b ji ] i = 1 · · · m,

j = 1···n

B = A T , wenn b ji = ai j

Bei quadratischen Matrizen kann man sich die Transposition behelfsweise auch so vorstellen, dass die untere und obere Dreiecksmatrix von A jeweils um die Hauptdiagonale gespiegelt werden. Regeln für die Matrixtransposition sind in Tabelle 5.2 zusammengestellt. Beispiel 5.8: ! " 2 3 8 f) A = 3 5 −1 2×3 ⎡ ⎤ a b g) A = ⎣c d ⎦ e f 3×2 ! " cos θ sin θ h) A = − sin θ cos θ 2×2



⎤ 2 3 A T = ⎣3 5 ⎦ 8 −1 3×2 ! " a c e AT = b d f 2×3 ! " cos θ − sin θ AT = 2×2 sin θ cos θ

260

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme Tabelle 5.2: Regeln für Matrixtransposition A T )T (A A+B (A B)T A + B + · · · +Z Z )T (A AB (A B)T A B C)T (A A B · · · Z )T (A Wenn A symmetrisch: A T Wenn A nicht quadratisch: A T

= = = = = = =  =

A BT A T +B T BT + · · · +Z ZT A +B T T B A B C)T A)T = C T BT AT (B Z T · · · BT AT A A

5.5 Multiplikation von Matrizen 5.5.1 Multiplikation einer Matrix mit einem Skalar Eine m × n Matrix A wird mit einem Skalar k multipliziert, indem alle Elemente von A mit k multipliziert werden. Tabelle 5.3 zeigt die Regeln für Matrix-Skalar-Multiplikation: ⎡

a12 a22 .. .

... ...

am1

am2

. . . amn

Beispiel 5.9: A=

! " 2.7 −1.8 0.9 3.6



⎤ a1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

a11 ⎢ a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

2A =

⎤ k · a1n k · a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

k · a11 ⎢ k · a21 ⎢ kA = ⎢ . ⎣ ..

k · a12 k · a22 .. .

... ...

k · am1

k · am2

. . . k · amn

! 2 · 2,7 2 · 0,9

" ! 2 · (−1.8) 5.4 = 2 · 3,6 1.8

(5.4)

" −3.6 7.2

Tabelle 5.3: Regeln für Matrix-Skalar-Multiplikation (1) A (−1) A A +B B) c (A (c + k) A A) c (kA

= = = = =

A A −A cA +cB cA +kA (ck) A

5.5.2 Dimensionskompatibilität für Matrix-Multiplikation Die Grundvoraussetzung für die Multiplikation einer Matrix mit einer anderen Matrix ist, dass deren Dimensionen kompatibel bzgl. der Multiplikation sind. Ist diese Kompatibilität nicht gege-

5.5 Multiplikation von Matrizen

261

ben, so ist eine Multiplikation prinzipiell nicht möglich. A sei eine m × n Matrix und B eine n × p Matrix, dann liefert die Multiplikation AB als Ergebnis eine m × p Matrix C : A  B =  C  m×n n×p

m×p

Die Dimension der Matrix C ergibt sich nach folgendem Schema: (m × n) (n × p) → (m × p)    B

A

(5.5)

C

Die Voraussetzung für die Durchführbarkeit der Matrixmultiplikation AB ist, dass die beiden innersten Dimensionszahlen im obigen Schema (links vom Pfeil) identisch sind (n und n). Diese Voraussetzung wird als Dimensionskompatibilität für die Matrixmultiplikation bezeichnet. C werden die beiden inneren DimenAls visuelle Hilfe für die Bestimmung der Dimension vonC sionszahlen gestrichen, und die beiden verbleibenden äusseren Zahlen geben dann die Dimension des Resultats an: (m×  n)( n × p) → (m × p) Die beiden inneren Dimensionszahlen dürfen aber nur dann gestrichen werden, wenn sie gleich sind. Die nachfolgende Streichungsoperation ist deshalb falsch: (m×  n)( q × p) → (m × p)

falsch, weil n = q

Beispiel 5.10: Es soll mit Hilfe des Dimensionskompatibilitäts überprüft werden, ob mit den nachfolgenden Matrizen die angegebenen Multiplikationen möglich sind. A = (m × n)

B = (m × p)

C = (p × m)

AB nicht möglich, weil (m × n)(m × p)  AC nicht möglich, weil (m × n)(p × m)  AD möglich, weil (m×  n)( n × p) → (m × p) BC möglich, weil (m×  p)( p × m) → (m × m) CB möglich, weil (p×  m)( m × p) → (p × p) BD nicht möglich, weil (m × p)(n × p)  CD nicht möglich, weil (p × m)(n × p)  DC möglich, weil (n×  p)( p × m) → (n × m) A TB

möglich, weil (n×  m)( m × p) → (n × p)

D = (n × p)

262

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

D TC BCA

nicht möglich, weil (p × n)(p × m) 

ADC A DB

möglich, weil ((m×  n)( n × p)) (p × m) → (m×  p)( p × m) → (m × m)

möglich, weil ((m×  p)( p × m)) (m × n) → (m×  m)( m × n) → (m × n) nicht möglich, weil ((m×  n)( n × p)) (m × p) → (m × p)(m × p) 

5.5.3 Multiplikation eines Zeilenvektors mit einem Spaltenvektor (Skalarprodukt) Ein Zeilenvektor x mit n Elementen ist gleichbedeutend mit einer 1 × n Matrix. Ein Spaltenvektor y mit n Elementen ist gleichbedeutend mit einer n × 1 Matrix. Die Multiplikation des Zeilenvektors x mit dem Spaltenvektor y liefert als Ergebnis ein Skalar und wird daher als Skalarprodukt (auch inneres Produkt genannt) von zwei Vektoren bezeichnet. Das Skalarprodukt des 1 × n Vektors x mit dem n × 1 Vektor y ist wie folgt definiert:  x y = x1

x2

⎡ ⎤ y1 ⎢y2 ⎥  ⎢ ⎥ . . . xn 1×n ⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦ yn

n

= x1 y1 + x2 y2 + · · · + xn yn

n×1

wobei x 1×n , y n×1

x y = ∑ xi yi i=1

(5.6)

Skalarprodukt

Dimensionskompatibilität: (1×  n)( n × 1) → (1 × 1)

Skalar!

Anmerkung. In der Vektorrechnung (s. Abs. 6.7 auf Seite 335) wird das Skalarprodukt von zwei Vektoren x und y in der Form x · y gekennzeichnet um Missverständnissen vorzubeugen. Führt man dagegen das Skalarprodukt nach den obigen Regeln der Matrixmultiplikation durch, ist wegen der Voraussetzung der Dimensionskompatibilität die Verwendung von » · « nicht zwingend. Beispiel 5.11: 

x = x1

x2

x3



 = 2

3 1



⎡ ⎤ ⎡ ⎤ y1 1 y = ⎣y2 ⎦ = ⎣−1⎦ y3

6

3

x y = ∑ xi yi = x1 y1 + x2 y2 + x3 y3 = 2 · 1 + 3 · (−1) + 1 · 6 = 5 i=1

5.5.4 Multiplikation eines Spaltenvektors mit einem Zeilenvektor Im obigen Abschnitt 5.5.3 hatten wir die Multiplikation x y vorgenommen. Wenn wir nun die Reihenfolge der Multiplikation ändern, d.h. y x berechnen, entsteht als Ergebnis kein Skalar, sondern eine n × n Matrix! Diese Multiplikation kann als Matrixprodukt von zwei Vektoren bezeichnet

5.5 Multiplikation von Matrizen

werden und und ist definiert als: ⎡ ⎡ ⎤ y 1 x1 y1 ⎢y2 x1 ⎢y 2 ⎥   ⎢ ⎢ ⎥ yx = ⎢ . ⎥ x1 x2 . . . xn 1×n = ⎢ . ⎣ .. ⎣ .. ⎦

y1 x2 y2 x2 .. .

⎤ . . . y1 xn . . . y2 xn ⎥ ⎥ .. ⎥ .. . . ⎦

yn x1

yn x2

. . . yn xn

yn

n×1

263

(5.7)

n×n

Mit dem Dimensionscheck sieht man sofort, warum das Ergebnis eine Matrix ist: y : (n × 1)

x : (1 × n)

y x : (n×  1)( 1 × n) → (n × n)

Beispiel 5.12: a) ! " 3 a= 5 2×1 ab =

! " 3  4 5

 b= 4 

2 =

! 3·4 5·4

2

 1×2

" ! 3·2 12 = 5·2 20

" 6 10

b) ⎡

⎤ 1 a=⎣ 2 ⎦ −3 3×1 ⎡

 b= 2

2 1 ab = ⎣ 4 2 −6 −3

1

4

 1×3

⎤ 4 8 ⎦ −12

5.5.5 Multiplikation einer Matrix mit einem Spaltenvektor Die Multiplikation einer m × n Matrix A mit einem n × 1 Spaltenektor x liefert als Ergebnis einen Vektor y von der Dimension m × 1 : y =Ax ⎡

a11 ⎢ a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

...... ......

⎤ a1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

am1

am2

......

amn

m×n

⎡ ⎤ x1 ⎢x2 ⎥ ⎢ ⎥ x=⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦ xn

n×1

Dimensionskompatibilität: (m×  n)( n × 1) → (m × 1)



⎤ y1 ⎢ y2 ⎥ ⎢ ⎥ y=⎢ . ⎥ ⎣ .. ⎦ ym

m×1

264

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Das i-te Element von y ist gegeben durch Skalarprodukt des i-ten Zeilenvektors von A mit dem Spaltenvektor x : ⎡ ⎤ x1 ⎥ x ⎢  ⎢ 2⎥ yi = ai1 ai2 · · · ain ⎢ . ⎥ = ai1 x1 + ai2 x2 + · · · + ain xn

⎣ .. ⎦  A i-te Zeile von xn

(5.8)

Der Multiplikationsvorgang kann durch Zerlegung der Matrix A in Zeilenvektoren besonders kompakt dargestellt werden: ⎡ ⎤ z1 ⎢z2 ⎥  ⎢ ⎥ A = ⎢ . ⎥ mit z i = ai1 ⎣ .. ⎦ zm

⎤ ⎤ ⎡ z1 x y1 ⎢ y2 ⎥ ⎢ z 2 x ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⇒ y = Ax = ⎢ . ⎥ = ⎢ . ⎥ mit yi = z i x ⎣ .. ⎦ ⎣ .. ⎦ ⎡

ai2

. . . ain



zm x

ym

Zunächst wird also der erste Zeilenvektor z 1 der Matrix mit dem Spaltenvektor x multipliziert, das Ergebnis ist der Skalar y1 . Danach wird die zweite Zeile z 2 der Matrix mit x multipliziert und liefert y2 . Bei Matrixmultiplikationen ist die Reihenfolge der Matrizen sehr wichtig. Oben wäre z.B. die Multiplikation x A wegen Dimensionsinkompatibilität (n × 1)(m × n) nicht möglich. Beispiel 5.13: ! "   x = 1 · x + 3 · y = x + 3y a) 1 3 1×2 y 2×1 Dimensionscheck: (1×  2)( 2 × 1) → (1 × 1) ! " ! " 2 1 nicht definiert, weil (2 × 1)(2 × 1)  b) −1 2×1 3 2×1 c)

d)

! " ! 3 4 5 2×1 1 ! 4 1 ⎡

2 e) ⎣2 1

2 8

2 8

" nicht definiert, weil (2 × 1)(2 × 2)



2×2

"

4 6 0

! " ! " ! " 4·3+2·5 22 3 = = 1 · 3 + 8 · 5 43 2×1 5 2×2 2×1

(2×  2)( 2 × 1) → (2 × 1)

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎤ 3 2·3+4·1+5·0 5 10 ⎣1⎦ = ⎣2 · 3 + 6 · 1 + 8 · 0⎦ = ⎣12⎦ 8⎦ 1·3+0·1+9·0 9 3×3 0 3×1 3 3×1

Dimensionscheck:

(3×  3)( 3 × 1) → (3 × 1)

5.5 Multiplikation von Matrizen

265

5.5.6 Multiplikation von zwei Matrizen Die Multiplikation einer m × n Matrix A mit einer n × p Matrix B liefert die m × p Matrix C . ⎡



⎤ a1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

a11 ⎢ a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

... ...

am1

am2

. . . amn

b11 ⎢b21 ⎢ B=⎢ . ⎣ ..

b12 b22 .. .

⎤ . . . b1p . . . b2p ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

bn1

bn2

. . . bnp

c11 ⎢ c21 ⎢ C = AB = ⎢ . ⎣ ..

c12 c22 .. .

... ...

cm1

cm2

. . . cmp

m×n



(m×  n) ( n × p) → (m × p)    A

B

C

n×p

⎤ c1p c2p ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦ m×p

Ein beliebiges Element i j von C ergibt sich als das Skalarprodukt der i-ten Zeile von A und der j-ten Spalte von B : ci j = ai1 b1 j + ai2 b2 j + · · · + ain bn j =

n

∑ aik bk j

k=1

i = 1,2, · · · , m

(5.9)

j = 1,2, · · · , p

Ein simpler, hinsichtlich der Effizienz nicht optimierter Algorithmus für die Computerprogrammierung der Matrix-Multiplikation ist in Tabelle 5.4 wiedergegeben. Tabelle 5.4: Algorithmus für Matrix-Matrix-Multiplikation

Führt die Matrix-Multiplikation C = A B durch. A : m × n Matrix, B : n × p Matrix, C : m × p Matrix EINGABE (INPUT): m, n, p, A , B AUSGABE (OUTPUT): C for i = 1,2, · · · , m do for j = 1,2, · · · , p do ci j = 0 Initialisierung for k = 1,2, · · · , n do ci j = ci j + aik bk j end do end do end do

In Tabelle 5.5 sind einige wichtige Regeln für die Matrixmultiplikation zusammengestellt.

266

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme Tabelle 5.5: Regeln der Matrixmultiplikation

1.

AB

=

BA

2.

AI

=

I A = I AI = A

3.

Ix

=

x

II

=

I2

4.

(es kann zufällig AB = BA sein) (II : Einheitsmatrix)

(xx : Spaltenvektor) =I

5.

A)B B (kA

=

AB ) = A (kB B) = kA AB k(A

6.

A +B B) C (A

=

CB CA +C

7.

A2

=

AA

8.

A3

=

A AA

k : beliebiger Skalar

usw.

9.

A +B B)C C (A

=

BC AC +B

10.

A +B B) C (A

=

A +B B)C C (A

11.

AB C

=

BC ) = (A AB )C C A (B

12.

aus AB

=

0

folgt nicht zwangsläufig, dass A = 0 oder B = 0 muss.

13.

aus AB

=

0

folgt nicht zwangsläufig, dass BA = 0 muss.

14.

aus AC

=

BC folgt nicht zwangsläufig, dass A = B sein muss.

Falk-Schema. Ein visuell leicht zu merkendes Multiplikationsschema für zwei Matrizen A und B ist das Falk-Schema in Bild 5.1.1 Das Element ci j der Matrix C (in Bild gekennzeichnet mit 1 dem Symbol ) ergibt sich aus dem Skalarprodukt des i-ten Zeilenvektors der Matrix A mit 1 dem j-ten Spaltenvektor der Matrix B . Das Element ci j befindet sich also im Kreuzungspunkt der i-ten Zeile von A mit der j-ten Spalte von B . Das Falk-Schema ist für Handrechnungen sehr zweckmäßig. In einem Computeralgorithmus dagegen ist die Formel (5.9) für jedes Element von C auszuwerten. Beispiel 5.14:

! 1 3 ! 1 b) A = 2

! " ! " 5 1 7 5 AB = 1 2 19 11 " ! " ! " 1 −1 1 0 0 B= AB = 2 1 −1 0 0 ⎡ ⎤ ! " ! " 8 0 2 3 1 41 12 ⎣ ⎦ c) A = B= 6 1 AB = 0 4 5 59 49 7 9 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ 1 2 3 1 0 0 1 ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ d) A = 4 5 6 I= 0 1 0 AI = I A = 4 7 8 9 0 0 1 7 a) A =

2 4

"

B=

! BA = !

8 7

" 14 10

" 1 1 BA = −1 −1 ⎡ ⎤ 16 24 8 BA = ⎣12 22 11⎦ 14 57 52 ⎤ 2 3 5 6⎦ 8 9

1 Der Begriff Matrix steht hier sowohl für eine 2-dimensionale m × n Matrix als auch für einen 1-dimensionalen n × 1 bzw. 1 × n Vektor, d.h. für die Anwendung des Falk-Schemas ist keine Einschränkung bzgl. der Dimension nötig. Erforderlich ist natürlich nach wie vor die Dimensionskompatibilität.

5.5 Multiplikation von Matrizen

· x

x

x

x

x

·

·

× × .. . .. . .. . × × · · ·

xl

B

·

·

·

·

·

·

A ×

×

···

···

×

×

·

× × .. . .. . .. . × ×

·

· · · · · ·

1

C ×

×

···

···

×

×

·

·

·

·

·

267

·

1

Bild 5.1: Falk-Schema für die Matrixmultiplikation AB = C

Beispiel 5.15: Beispiel zu den Regeln 12 und 13 in Tabelle 5.5. ! " ! " ! 2 1 1 −1 2 A= B= AB = 3 3/2 −2 2 3 ! "! " ! " 1 −1 2 1 −1 −1/2 BA = = −2 2 3 3/2 2 1

"! 1 1 3/2 −2

Regel 12 : AB = 0, obwohl A = 0, B = 0 Regel 13 : AB = 0 , aber BA = 0 Beispiel 5.16: Beispiel zur Regel 14 in Tabelle 5.5. ! " ! " ! " 2 1 4 0 1 A= B= C= A = B 4 0 0 2 2 ! "! " ! " ! "! " ! " 2 1 1 4 4 0 1 4 AC = = BC = = 4 0 2 4 0 2 2 4 Regel 14 : AC = BC , obwohl A = B

" ! −1 0 = 2 0

0 0

"

268

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

5.6 Lösung linearer Gleichungssyteme Eine lineare Gleichung mit n Unbekannten ist durch folgende Gleichung definiert: c1 · x1 + c2 · x2 + · · · + cn · xn = b c1 , c2 , · · · , cn sind die vorgegebenen skalaren Koeffizienten der Gleichung, b ist ebenfalls ein Skalar (ein Skalar ist ist entweder eine Zahl oder ein Symbol, dem ein skalarer Wert zugeordnet werden kann, z.B. λ ). Die Größen x1 , x2 , · · · , xn sind die Unbekannten. Inhomogenes lineares Gleichungssystem. Ein inhomogenes Gleichungssystem besteht aus n linearen Gleichungen mit n Unbekannten fogender Gestalt: a11 · x1 + a12 · x2 + · · · + a1n · xn = b1 a21 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2 ................................... an1 · x1 + an2 · x2 + · · · + ann · xn = bn

inhomogenes Gleichungssystem

(5.10)

Es muss mindestens ein Element der rechten Seite verschieden von Null sein (d.h. es gilt mindestens einmal bi = 0, für i = 1,2, . . . , n). Die Skalare a11 , a12 , · · · , ann heißen die Koeffizienten des Gleichungssystems, x1 , x2 , · · · , xn sind die Unbekannten. Die Skalare b1 , b2 , · · · , bn bilden die rechte Seite des Gleichungssystems. Die Bestimmung der Unbekannten x1 , x2 , · · · , xn wird als die Lösung des Gleichungssystems bezeichnet. Homogenes lineares Gleichungssystem. Falls die rechte Seite in (5.10) ausschließlich aus Nullen besteht ( bi = 0, für i = 1,2, . . . , n), wird das Gleichungssystem als homogen bezeichnet. a11 · x1 + a12 · x2 + · · · + a1n · xn = 0 a21 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = 0 ................................ an1 · x1 + an2 · x2 + · · · + ann · xn = 0

homogenes Gleichungssystem

(5.11)

Beispiel 5.17: Homogenes Gleichungssystem 2x1 4x1 −2x1

+ x2 + x2 + 2x2

+ x3 = 0 + 0 · x3 = 0 + x3 = 0

Inhomogenes Gleichungssystem 2x1 4x1 −2x1

+ x2 + x2 + 2x2

+ x3 = 1 + 0 · x3 = 4 + x3 = 0

Hinsichtlich der Lösungsmethodik existieren zwischen homogenem und inhomogenem Gleichungssystem fundamentale Differenzen, s. Abschnitt 5.9.1 auf Seite 291.

5.6 Lösung linearer Gleichungssyteme

269

Trivialer Lösungsvektor. Für jedes lineare homogene Gleichungssystem ist der Nullvektor 0 ein sog. trivialer Lösungsvektor (in technischen Anwendungen ist ein trivialer Lösungsvektor i.d.R. naturgemäß nicht besonders nützlich!). 5.6.1 Gauß-Algorithmus Der Gauß-Algorithmus2 (auch Gauß-Elimination oder Gauß-Jordan-Algorithmus genannt) zur Lösung von linearen Gleichungssystemen ist ein bewährtes und häufig verwendetes direktes Lösungsverfahren. Die konzeptionelle Vorgehensweise bei der Gauß-Elimination soll anhand des folgenden Gleichungssystems erläutert werden. Für die Erläuterung der Methode soll zunächst auf Matrixschreibweise verzichtet werden. Zu lösen ist das nachfolgende lineare Gleichungssystem: a11 · x1 + a12 · x2 + · · · + a1n · xn = b1 a21 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2 ................................. an1 · x1 + an2 · x2 + · · · + ann · xn = bn

(1) (2)

(5.12)

(n)

Die Grundidee des Gauß-Verfahrens ist die fortwährende Elimination der unbekannten Größen xi aus den Gleichungen, so dass man am Ende des Eliminationsprozesses nur eine Gleichung mit nur einer Unbekannten vorliegen hat. Der Gauß-Algorithmus besteht aus der Dreieckszerlegung und der Rückwärtssubstitution. 5.6.1.1 Dreieckszerlegung (Vorwärtselimination) 1. Eliminationsschritt a) Die 1. Gleichung in (5.12) wird mit der Zahl −a21 /a11 multipliziert und das Ergebnis zur 2. Gleichung hinzuaddiert. Nach dieser Operation erhält die 2. Gleichung folgende Gestalt: (1)

(1)

(1)

(1)

a21 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2

Der Hochindex in Klammern (1) informiert über den aktuellen Eliminationsschritt. (1)

Der neue Koeffizient a21 wird bei diesem Vorgang zu Null:   a21 (1) a21 = a21 + a11 · − = a21 − a21 = 0 a11 Die anderen Koeffizienten ergeben sich zu:   a21 (1) , ......... a22 = a22 + a12 · − a11

(1) a2n

  a21 = a2n + a1n · − a11

2 J.C. Friedrich Gauß, 1777-1855, leistete überragende Beiträge zur Mathematik, darunter insbesondere mathematische Statistik, numerische Mathematik, komplexe Zahlen und Integralrechnung.

270

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

In kompakter Form lässt sich dieser Schritt wie folgt angeben: (1)

a2 j = a2 j + a1 j · (−a21 /a11 )

j = 1,2, . . . , n

Das Element b2 auf der rechten Seite muss hierbei wie folgt modifiziert werden:   a21 (1) b2 = b2 + b1 · − a11 Die 2. Gleichung sieht nach dieser Operation folgendermaßen aus: (1)

(1)

(1)

0 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2

Die Ubekannte x1 ist jetzt faktisch nicht mehr in der 2. Gleichung enthalten, weil der zu(1) gehörige Koeffizient a21 gleich Null ist. Man kann auch sagen, dass x1 aus der 2. Gleichung eliminiert wurde (daher kommt der Name Gauß-Elimination). Das lineare Gleichungssystem hat jetzt folgende Gestalt: a11 · x1 + a12 · x2 + · · · + a1n · xn = b1 (1) (1) (1) 0 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2 a31 · x1 + a32 · x2 + · · · + a3n · xn = b3 ................................... an1 · x1 + an2 · x2 + · · · + ann · xn = bn

b) Nun wird x1 auch aus der 3. Gleichung eliminiert. Hierzu wird die 1. Gleichung mit der Zahl −a31 /a11 multipliziert und zur 3. Gleichung hinzu addiert. Die Koeffizienten der 3. Zeile ergeben sich auf diese Weise zu: (1)

a31 = 0 (1)

(1)

a3 j = a3 j + a1 j · (−a31 /a11 )

b3 = b3 + b1 ·

 −

a31 a11

j = 2,3, . . . , n



Das Gleichungssystem sieht danach wie folgt aus: a11 · x1 + a12 · x2 + · · · + a1n · xn = b1 (1) (1) (1) 0 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2 (1) (1) (1) 0 · x1 + a32 · x2 + · · · + a3n · xn = b3 ................................... an1 · x1 + an2 · x2 + · · · + ann · xn = bn

c) Der obige Rechengang wird sinngemäß so lange wiederholt, bis x1 aus allen Gleichungen

5.6 Lösung linearer Gleichungssyteme

271

(außer der 1. Gleichung natürlich) verschwunden ist und die nachfolgende Gestalt besitzt: a11 · x1 + a12 · x2 + · · · + a1n · xn = b1 (1) (1) (1) 0 · x1 + a22 · x2 + · · · + a2n · xn = b2 (1) (1) (1) 0 · x1 + a32 · x2 + · · · + a3n · xn = b3 ................................... (1) (1) (1) 0 · x1 + an2 · x2 + · · · + ann · xn = bn Dabei wird folgende Eliminationsformel verwendet: (1) ai j

 = ai j + a1 j ·

i = 2,3, . . . , n

ai1 − a11



(1) bi

 = bi + b1 ·

ai1 − a11



j = 1,2, . . . , n

Damit wäre der erste Eliminationsschritt beendet. Das ursprügliche Gleichungssystem (n Gleichungen mit n Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn ) wurde auf ein neues System mit (n − 1) Gleichungen und (n − 1) Unbekannten x2 , x3 , . . . , xn transformiert. Zwar ist die 1. Gleichung auch noch da, aber vorläufig wird sie nicht benötigt. Anmerkung: Das Matrixelement a11 wird als das Pivotelement des ersten Eliminationsschrittes bezeichnet (»pivot« : Angelpunkt, Zapfen). 2. Eliminationschritt Jetzt kommt der zweite Eliminationsschritt. Zunächst wird die neue zweite Gleichung mit der (1) (1) Zahl −a32 /a22 multipliziert und zur dritten Gleichung hinzu addiert. Das Resultat dieser Rechenoperation ist, dass die Unbekannte x2 aus der dritten Gleichung verschwindet: # (1) $ a (2) (1) (1) (1) (1) a32 = a32 + a22 · − 32 = a32 − a32 = 0 (1) a22 # (1) $ # (1) $ a32 a (2) (1) (1) (2) (1) (1) a3 j = a3 j + a2 j · − (1) j = 3,4, . . . , n b3 = b3 + b2 · − 32 (1) a22 a22 (1)

Das Element a22 ist das Pivotelement des zweiten Eliminationsschrittes. Diese Prozedur wird sinngemäß auf die restlichen Gleichungen, d.h. vierte, fünfte usw., angewandt. Am Ende entsteht folgendes Gleichungssystem: a11 · x1 + a12 · x2 + a13 · x3 + · · · + a1n · xn = b1 (1) (1) (1) (1) 0 · x1 + a22 · x2 + a23 · x3 + · · · + a2n · xn = b2 (2) (2) (2) 0 · x1 + 0 · x2 + a33 · x3 + · · · + a3n · xn = b3 ........................................ (2) (2) (2) 0 · x1 + 0 · x2 + an3 · x3 + · · · + ann · xn = bn

272

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Damit wäre der zweite Eliminationsschritt beendet. Die Unbekannte x2 ist in der 3. und allen nachfolgenden Gleichungen nicht mehr enthalten. (n-1)-ter Eliminationsschritt Es folgen weitere Eliminationsschritte nach obigem Muster. Am Ende des (n − 1)-ten Eliminationsschrittes schließlich entsteht folgendes Gleichungssystem. a11 · x1 + a12 · x2 + a13 · x3 + · · · + a1(n−1) · xn−1 + a1n · xn (1)

= b1

(1)

(1)

(1)

(1)

(2)

(2)

(2)

(2)

0 · x1 + a22 · x2 + a23 · x3 + · · · + a2(n−1) · xn−1 + a2n · xn = b2 0 · x1 + 0 · x2 + a33 · x3 + · · · + a3(n−1) · xn−1 + a3n · xn = b3 ................................................ (n−2)

(n−2)

(n−2)

0 · x1 + 0 · x2 + 0 · x3 + · · · + a(n−1)(n−1) · xn−1 + a(n−1)n · xn = bn−1 0 · x1 + 0 · x2 + 0 · x3 + · · · +

0 · xn−1

(n−1)

+ ann

(n−1)

· xn = bn

Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, ersetzen wir im obigen Ausdruck die Hochindizes zur Kennzeichnung der Eliminationsschritte durch einfaches Hochkomma und erhalten auf diese Weise das auf Dreiecksform reduzierte System: a11 · x1 + a12 · x2 + a13 · x3 + · · · + a1(n−1) · xn−1 + a1n · xn = b1 0 + a22 · x2 + a23 · x3 + · · · + a2(n−1) · xn−1 + a2n · xn = b2 0 + 0 + a33 · x3 + · · · + a3(n−1) · xn−1 + a3n · xn = b3 ............................................... 0 + 0 + 0 + · · · + a(n−1)(n−1) · xn−1 + a(n−1)n · xn = bn−1 0 + 0 + 0 +···+ 0 + ann · xn = bn

(5.13)

Die Namensgebung »reduziertes System« geht darauf zurück, dass die Anzahl der Unbekannten in der letzten Zeile von n auf 1 reduziert wurde. Der oben beschriebene Vorgang wird Dreieckszerlegung genannt. Oft spricht man auch von Vorwärtselimination, weil durch die sukzessive Elimination der Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn−1 aus den Gleichungen am Ende ein Gleichungssystem übrig bleibt, dessen Koeffizientenschema einer oberen Dreiecksmatrix entspricht (s. Seite 253).

5.6.1.2 Rückwärtssubstitution Die letzte Zeile von (5.13) enthält nur noch eine Unbekannte, die sofort ermittelt werden kann: ann · xn = bn



xn =

bn ann

(a)

5.6 Lösung linearer Gleichungssyteme

273

Jetzt lässt sich die Variable xn−1 leicht aus der vorletzten Gleichung in (5.13) ermitteln, weil inzwischen xn aus (a) bekannt ist: xn−1 =

1 a(n−1)(n−1)

  bn−1 − a(n−1)n · xn

Auf ähnliche Weise werden die übrigen Unbekannten xn−2 , xn−3 , · · · , x1 usw. berechnet. Die allgemeine Bestimmungsformel für die Rückwärtssubstitution lautet: xi =

1 aii

  n bi − ∑ aik xk k=i+1

i = n − 1, n − 2, · · · ,3,2,1

(5.14)

Bei der Bestimmung von x1 ist natürlich zu beachten, dass in (5.14) b1 = b1 und a1k = a1k einzusetzen ist. Weil man sich zur Bestimmung der Unbekannten im reduzierten Gleichungsssystem (5.13) rückwärts von der letzten zur ersten Gleichung bewegt, wird dieser Vorgang als Rückwärtssubstitution bezeichnet.

Beispiel 5.18: Das nachfolgende Gleichungssystem ist nach dem Gauß-Algorithmus zu lösen. 2x 4x −2x

+ y + z= 1 + y + 0 = −2 + 2y + z = 7

Dreieckszerlegung. Zunächst wird die 1. Gleichung mit −a21 /a11 = −4/2 = −2 multipliziert und zu der 2. Gleichung hinzu addiert; dann wird die 1. Gleichung mit −a31 /a11 = 1 multipliziert und zur 3. Gleichung hinzu addiert: 2x + y + z= 1 0 − y − 2z = −4 0 + 3y + 2z = 8 Jetzt muss y aus der 3. Gleichung eliminiert werden. Deshalb wird die 2. Gleichung (1) (1) mit −a32 /a22 = −3/(−1) = 3 multipliziert und zur 3. Gleichung hinzu addiert: 2x 0 0

+ − +

y + z= 1 y − 2z = −4 0 − 4z = −4

(a)

Rückwärtssubstitution. Die letzte Gleichung in (a) lautet −4z = −4 . Daraus folgt unmittelbar z = 1. Nach Einsetzen (Substitution) von z = 1 in die 2. Gleichung von (a) erhält man y = 2. Die 1. Gleichung liefert schließlich x = −1.

274

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

5.6.2 Gauß-Elimination in Matrixschreibweise Das lineare Gleichungssystem (5.10) auf Seite 268 kann in Matrixschreibweise wie folgt angegeben werden: ⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ a11 a12 . . . a1n b1 x1 ⎢ a21 a22 . . . a2n ⎥ ⎢ x2 ⎥ ⎢ b2 ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ Ax =b (5.15) ⎢ . .. .. ⎥ ⎢ .. ⎥ = ⎢ .. ⎥ ⎣ .. ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ . . . . ⎦ 

an1

an2



. . . ann

xn 

bn 

x

A

b

Beispiel 5.19: Das Gleichungssystem des Beispiels 5.18 auf Seite 273 lautet in Matrixschreibweise (die Richtigkeit dieser Matrixgleichung lässt sich leicht überprüfen, indem die Matrixmultiplikation Ax auf der linken Seite ausgeführt wird): ⎡

2 ⎣ 4 −2

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 1 x 1 1 0 ⎦ ⎣ y ⎦ = ⎣ −2 ⎦ 2 1 z 7

Dreieckszerlegung. Der im Abschnitt 5.6.1 beschriebene Gauß-Algorithmus kann sinngemäß auf Gleichung (5.15) angewandt werden. Durch Zeilenoperationen wird die Matrix A in die obere Dreiecksform transformiert (Dreieckszerlegung). Gleichzeitig wird der Vektor b den gleichen Operationen unterworfen. Das lineare Gleichungssystem sieht am Ende der Dreieckszerlegung wie folgt aus: ⎡

A x = b

a11 ⎢ 0 ⎢ ⎢ ⎢ 0 ⎢ ⎢ ⎢ .. ⎢ . ⎢ ⎣ 0 0 

... ... .. .

a12 a22 0 .. . 0 0

a1(n−1) a2(n−1)

a1n a2n

a3(n−1) .. .

a3n .. .

. . . a(n−1)(n−1) ... 0

a(n−1)n ann

A

⎤⎡ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎣ ⎦

x1 x2 x3 .. .





b1 b2 b3 .. .

⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ xn−1 ⎦ ⎣ bn−1 xn bn  

x

b

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

Anschließend wird mittels Rückwärtssubstitution (5.14) der unbekannte Vektor x ermittelt: xn =

bn ann

xn−1 =

1 a(n−1)(n−1)

  bn−1 − a(n−1)n · xn

xn−2 = · · ·

usw.

Erweiterte Matrix. Wie oben erwähnt, werden die zur Dreieckszerlegung notwendigen Operationen nicht nur auf die Koeffizientenmatrix A selbst angewandt, sondern auch auf die rechte Seite b . Bei Handrechnungen kann es daher etwas übersichtlicher sein, wenn A und b in einer

5.6 Lösung linearer Gleichungssyteme

275

erweiterten Matrix zusammengefasst werden. Alle Eliminationsoperationen werden jetzt unmittelbar auf die erweiterte Matrix angewandt (die erweiterte Matrix ist nur eine optische Erleichterung, mathematisch ändert sich nichts). ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ a11 a12 . . . a1(n−1) a1n b1 a11 a12 . . . a1(n−1) a1n b1 ⎥ ⎢ a ⎢ 0 a    ⎥ ⎢ 21 a22 . . . a2(n−1) a2n b2 ⎥ ⎢ 22 . . . a2(n−1) a2n b2 ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ a31 a32 . . . a3(n−1) a3n b3 ⎥ ..    ⎥ ⎥ −→ ⎢ ⎢ . . ⎢ 0 0 a a b . . . . ⎢ . 3n 3 ⎥ 3(n−1) .. .. .. .. ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ . ⎢ . . . . . ⎥ ⎢ .. .. .. .. .. ⎥ ⎣ ⎦ ⎦ ⎣ · · · · · an1

an2

. . . an(n−1)

ann

0

bn

0

...

0

ann

bn

Beispiel 5.20: In Beispiel 5.2 auf Seite 250 war für die Ermittlung der Pizzapreise A, B, C einem Restaurant das nachfolgende Gleichungssystem aufgestellt worden: ⎡ 3 ⎣2 1

2 1 3

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 A 56 ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ 3 B = 62⎦ 2 C 62

Ax = b

Die Anwendung der Gauß-Elimination auf die erweiterte Matrix liefert: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ · (−2/3) · (−1/3) 3 2 1 56 3 2 1 56 ⎣2 1 3 62⎦ ← −+ −→ ⎣0 −1/3 7/3 24,6667⎦ + 0 7/3 5/3 43,3333 1 3 2 62 ←−−−−−−−− ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 3 2 1 56 3 2 1 56 ⎣0 −1/3 7/3 24,6667⎦ · 7 −→ ⎣0 −1/3 7/3 24,6667⎦ −+ 0 0 54/3 216 0 7/3 5/3 43,3333 ← Das Gleichungssystem in Dreiecksform lautet: ⎡

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 3 2 1 A 56 ⎣0 −1/3 7/3 ⎦ ⎣B⎦ = ⎣24,6667⎦ 0 0 54/3 C 216

⇒ C = 216/(54/3) = 12

Die Auflösung der 2. Zeile nach B liefert: 7 −B = 24,6667 − · 12 = −3,3333 3 3

⇒ B = (−3)(−3,3333) = 10

Die Auflösung der 1. Zeile nach A liefert: 3A = 56 − 2B −C = 56 − 2 · 10 − 12 = 24

⇒ A = 24/3 = 8

276

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Beispiel 5.21: Zu lösen ist das folgende lineare Gleichungssystem. ⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1,2 2 1 x1 4 −2 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 1,0 ⎦ x3 7,4 1 6



8 ⎣ 1 −1

Ax =b

Die Gauß-Elimination der erweiterten Matrix A |bb liefert: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ · (1/8) 8 2 1 1,2 8 2 1 1,2 ⎣ 1 4 −2 1,0⎦ ← − + −→ ⎣ 0 5 4 8,4⎦ −+ −1 1 6 7,4 ← −1 1 6 7,4 ⎡

8 2 ⎣0 5 0 1,25

⎤ ⎡ 8 2 1 1 1,20 · (−1/4) −→ ⎣ 0 5 4 8,40⎦ 4 6,125 7,55 ← −+ 0 0 5,125

⎤ 1,20 8,40 ⎦ 5,45

Das Gleichungssystem in Dreiecksform lautet: ⎡

8 ⎣ 0 0

2 5 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 x1 1,20 4 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 8,40 ⎦ 5,125 x3 5,45

Die Unbekannten werden durch Rückwärtssubstitution gemäß (5.14) ermittelt: 5,45 = 1,0634 5,125 8,40 − 4 · 1,0634 = 0,8293 x2 = 5 1,20 − 2 · 0,8293 − 1 · 1,0634 x1 = = −0,1903 8 x3 =



⎤ −0,1903 x = ⎣ 0,8293 ⎦ 1,0634

Anmerkungen zur Gauß-Elimination Die Gauß-Elimination ist auch 200 Jahre nach ihrer Erfindung ein nach wie vor wichtiges und effizientes Verfahren zur Lösung von linearen Gleichungssystemen - nicht zuletzt weil verschiedene Varianten seit der Originalformulierung erfunden wurden, welche zusätzliche Vorteile bieten können. Folgende Anmerkungen sollten als grobe Orientierung dazu dienen. 1. Wenn in einem beliebigen Schritt des Gauß-Algorithmus das Pivotelement gleich Null wird, kann der Eliminationsprozess nicht fortgesetzt werden. In solchen Fällen kann evtl. ein Vertauschen der Pivotzeile mit einer der darunter liegenden Zeilen weiterhelfen. Wenn es nicht verhindert werden kann, dass ein Pivotelement zu Null wird, d.h. wenn auch das Vertauschen von Zeilen (und Spalten) nicht weiter hilft, ist das Gleichungssystem nicht bzw. nicht eindeutig lösbar.

5.7 Determinanten

277

2. Die Gauß-Elimination ist ein direktes Lösungsverfahren. Mit einem »direkten« Verfahren können die Unbekannten im Rahmen der Rechengenauigkeit des Computers »exakt« bestimmt werden.3 Außerdem kann man die Anzahl der benötigten Rechenoperationen zur Bestimmung der Unbekannten schon im voraus errechnen und damit die Rechenzeit abschätzen. Im Gegensatz zu den direkten Verfahren stehen die iterativen Lösungsmethoden. 3. In der Praxis wird der Gauß-Algorithmus normalerweise nicht in der oben beschriebenen Art eingesetzt. Es existieren andere Verfahren, die auf der Idee der Gauß-Elimination basieren und eine effizientere Lösung von Gleichungssystemen gestatten (z.B. LU-Zerlegung, Cholesky-Zerlegung, s. Seite 791). Die Gauß-Elimination wird hier trotzdem ausführlich behandelt, weil sie ein Basisalgorithmus ist, von dem viele andere Verfahren abgeleitet wurden, und weil sie leicht verständlich ist, eine klare Struktur hat und hohe Robustheit besitzt. 4. Die praktischen Ingenieuraufgaben der Gegenwart führen auf lineare Gleichungssysteme mit sehr vielen Unbekannten. In der Finite Elemente Methode (FEM) z.B. gehören Gleichungssysteme mit mehreren hunderttausend und sogar noch mehr Unbekannten auf einer Workstation zum Alltag des Berechnungsingenieurs aus Gebieten Bauingenieurwesen, Flugzeugbau, Schiffsbau, Maschinenbau. Mit Höchstleistungsrechnern werden in der Klimaforschung und Kernforschung Gleichungssysteme mit Millionen Unbekannten gelöst. Für solche Aufgabenstellungen sind allerdings weder die Gauß-Elimination noch andere direkte Verfahren hinsichtlich der Rechenzeit besonders effizient. In solchen Fällen, wo die Rechenzeit einen Flaschenhals darstellt, können iterative Methoden eingesetzt werden. Insbesondere bei nichtlinearen Finite Element Analysen ist der Einsatz iterativer Methoden anstelle direkter Verfahren vorteilhaft. Eine kurze Einführung in iterative Lösungsmethoden wird auf Seite 798 gegeben. Iterative Verfahren kommen bei sog. »gut konditionierten« Systemen mit sehr viel weniger Rechenzeit aus, als die direkten Verfahren. Eine andere Möglichkeit, riesengroße Gleichungssysteme mit direkten Verfahren zu lösen, ist der Einsatz von parallelisierenden Algorithmen, in denen das Gleichungssystem in viele Teile zerlegt wird, die dann von mehreren tausend Prozessoren gleichzeitig verarbeitet werden. Das Cloud Computing unserer Zeit mittels Internettechnologien basiert letztlich ebenfalls auf parallelen Rechentechniken.

5.7 Determinanten Die Determinante einer quadratischen Matrix ist eine Zahl, die einiges über die Eigenschaften dieser Matrix verrät. Sie ist aber keine magische Zahl, sondern eine mathematisch definierte Kenngröße der Matrix, die nach einer vorgegebenen Rechenvorschrift aus dieser Matrix präzise berechnet wird. Über die Einsatzgebiete von Determinanten in Mathematik und Technik wird unten ausführlicher berichtet. Die Determinante der Matrix A wird entweder durch das Symbol A| oder durch det A gekennzeichnet. Das Zeichen »|« von |A A| sieht zwar identisch mit dem |A Absolutwertzeichen | aus, darf aber nicht als solches gedeutet werden. 3 Diese »exakte« Bestimmung ist natürlich nur im Rahmen der Gleitkommagenauigkeit des Computers zu verstehen nicht im absoluten Sinne.

278

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

5.7.1 Determinante einer n × n Matrix Für die Berechnung der Determinante einer beliebigen n × n Matrix A ⎡ ⎢ ⎢ A=⎢ ⎣

a11 a21 .. .

a12 a22 .. .

an1

an2

. . . a1n . . . a2n .. .. . . . . . ann

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

wird der Entwicklungssatz von Laplace verwendet, der in zwei Formen vorliegt: n

A| = ∑ (−1)i+ j ai j |A Ai j | det A = |A

Entwicklung nach der i-ten Zeile

(5.16)

Entwicklung nach der j-ten Spalte

(5.17)

j=1

n

A| = ∑ (−1)i+ j ai j |A Ai j | det A = |A i=1

Ai j | ist die Determinante derjenigen (n − 1) × (n − 1) Matrix A i j , welche Die Unterdeterminante |A aus A durch Streichung der i-ten Zeile und j-ten Spalte hervorgeht. Der Term (−1)i+ j liefert das jeweils korrekte Vorzeichen der einzelnen Summationsglieder. Der Term (−1)i+ j in (5.16) bzw. (5.17) liefert das korrekte Vorzeichen für die einzelnen Ai j | und kann in einem Schachbrettmuster wie folgt visualisiert werden: Unterdeterminanten |A ⎡ ⎤ + − + − + ··· ⎢ − + − + − ··· ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ A = ⎢ + − + − + ··· ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ − + − + − ··· ⎦ · · · · · ··· Der Entwicklungssatz von Laplace ist für eine 2 × 2 oder 3 × 3 Matrix in geschlossener Form übersichtlich darstellbar (s. unten). Für Matrizen höherer Dimension lässt sich die Determinante mit Hilfe der Gauß-Elimination numerisch effizienter berechnen, vgl. 5.7.4 auf Seite 283. 5.7.2 Determinante einer 2 × 2 Matrix Die Determinante einer 2 × 2 Matrix ist gegeben durch: ! A=

a11 a21

a12 a22

" A| = a11 · a22 − a12 · a21 det A = |A

(5.18) lässt sich unmittelbar aus (5.16) ableiten: A| = a11 |A A11 | − a12 |A A12 | |A

mit A 11 = a22

A 12 = a21

(5.18)

5.7 Determinanten

279

Beispiel 5.22:   4 A| =  det A = |A 1

! " 4 2 a) A = 1 8 ! " cos x sin x b) A = sin x − cos x ! " cos x − sin x c) A = − cos x sin x

 2  = 4 · 8 − 2 · 1 = 30 8 

A| = − cos2 x − sin2 x = −1 det A = |A A| = cos x sin x − sin x cos x = 0 det A = |A

5.7.3 Determinante einer 3 × 3 Matrix Die Determinante einer 3 × 3 Matrix A lässt sich nach dem Entwicklungssatz von Laplace in zwei verschiedenen Varianten berechnen. ⎤ ⎡ a11 a12 a13 A| =? |A A = ⎣a21 a22 a23 ⎦ a31 a32 a33 Entwicklung nach der 1. Zeile. Die Anwendung von (5.16) auf die erste Zeile von A liefert: A| = |A

3

∑ (−1)1+ j a1 j |AA1 j |

j=1

A11 | + (−1)1+2 a12 |A A12 | + (−1)1+3 a13 |A A13 | = (−1)1+1 a11 |A    =1

=−1

=1

A11 | − a12 |A A12 | + a13 |A A13 | = a11 |A Mit den Untermatrizen ! " a a23 A 11 = 22 a23 a33

A 12 =

! a21 a31

(a)

a23 a33

" A 13 =

! a21 a31

a22 a32

"

A| aus (a): erhalten wir die Determinante |A   a A| = a11  22 |A a32

   a21 a23   − a 12   a33 a31

   a21 a23   + a 13   a33 a31

 a22  a32 

(5.19a)

Die Anwendung der Vertauschungsregel 5.7.4 auf Seite 281 auf den mittleren Term oben liefert:   a A |A | = a11  22 a32

   a a23  + a12  23  a33 a33

   a a21  + a13  21  a31 a31

 a22  a32 

(5.19b)

280

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Entwicklung nach der 1. Spalte. Die Anwendung von (5.17) auf die erste Spalte von A liefert: 3

Ai1 | A| = ∑ (−1)i+1 ai1 |A |A i=1

A11 | + (−1)2+1 a21 |A A21 | + (−1)3+1 a31 |A A31 | = (−1)1+1 a11 |A A11 | − a21 |A A21 | + a31 |A A31 | = a11 |A Mit den Untermatrizen ! " a22 a23 A 11 = a23 a33

! A 21 =

a12 a32

a13 a33

!

" A 31 =

a12 a22

(b)

a13 a23

"

A| gemäß (b) zu: ergibt sich die Determinante |A   a A| = a11  22 |A a32

   a a23  − a21  12  a33 a32

   a a13  + a31  12  a33 a22

 a13  a23 

(5.20a)

Die Vertauschung der beiden Zeilen im mittleren Term gemäß der Vertauschungsregel 5.7.4 auf Seite 281 liefert die alternative Determinantenformel:   a A| = a11  22 |A a32

   a a23  + a21  32 a33  a12

   a a33  + a31  12 a13  a22

 a13  a23 

(5.20b)

Die Auswertung der obigen Beziehungen ergibt die nachfolgende Berechnungsformel, welche für die Computerimplementierung gut geeignet ist: A| = a11 a22 a33 + a12 a23 a31 + a13 a21 a32 − a11 a23 a32 − a22 a13 a31 − a33 a12 a21 |A

(5.21)

Sarrus-Regel. Ein bei Studierenden besonders beliebtes Hilfsmittel für die Berechnung der Determinante einer 3 × 3 Matrix ist die sog. Sarrus-Regel, die letztlich auf die Formel in (5.21) führt. Die Sarrus-Regel gilt für eine 3×3 Matrix. Sie ist jedoch nur eine optisch hilfreiche Schreibweise A|, beinhaltet aber keine neuen mathematischen Einsichten. für die manuelle Berechnung von |A

Beispiel 5.23:



5 A = ⎣2 4

4 2 1

⎤ 3 3⎦

A| =? |A

4

Mit Hilfe von (5.19a) erhalten wir:       2 3   2 3   2     A| = 5  |A −4  + 3    1 4 4 4 4

 2  = 5 (8 − 3) − 4 (8 − 12) + 3 (2 − 8) = 23 1 

5.7 Determinanten

281

Die Verwendung von (5.19b) liefert natürlich das gleiche Ergebnis:        2 3   3 2   2 2        = 5 (8 − 3) + 4 (12 − 8) + 3 (2 − 8) = 23 A| = 5  |A +4  +3  1 4  4 4  4 1 

5.7.4 Eigenschaften von Determinanten Determinanten besitzen verschiedene Eigenschaften, die z.B. bei der Klassifikation von Matrizen und der Lösung von linearen Gleichungssystemen bzw. Eigenwertaufgaben (s. Kapitel 14) von Bedeutung sind: 1. Determinanten sind nur für quadratische Matrizen definiert. 2. Die Determinante von A und ihrer Transponierten A T sind identisch.   A| = A T  |A Beispiel 5.24:

(5.22)



⎤ 1 3 0 A = ⎣ 2 6 4⎦ −1 0 2

⎡ 1 A T = ⎣3 0

2 6 4

⎤ −1 0⎦ 2

Aus (5.19a) erhalten wir: A| = 1 · (6 · 2 − 4 · 0) − 3 · (2 · 2 + 4 · 1) + 0 · (2 · 0 + 6 · 1) = −12 |A AT | = 1 · (6 · 2 − 4 · 0) − 2 · (3 · 2 − 0 · 0) − 1 · (3 · 4 − 6 · 0) = −12 |A 3. Die Determinante ändert ihr Vorzeichen, wenn zwei beliebige Zeilen (Spalten) einer Matrix miteinander vertauscht werden. Beispiel 5.25:

⎡ 1 A = ⎣3 1

⎤ 2 1 4 1⎦ 2 3

⎡ 3 4 B = ⎣1 2 1 2

⎤ 1 1⎦ 3



2 C = ⎣4 2

1 3 1

⎤ 1 1⎦ 3

Die Matrix B ist entstanden durch Vertauschung der 1. und 2. Zeile von A , und C ist entstanden durch Vertauschung der 1. und 2. Spalte von A A| = 1 · (4 · 3 − 1 · 2) − 2 · (3 · 3 − 1 · 1) + 1 · (3 · 2 − 4 · 1) = −4 |A B| = 3 · (2 · 3 − 1 · 2) − 4 · (1 · 3 − 1 · 1) + 1 · (1 · 2 − 2 · 1) = 4  |B C | = 2 · (3 · 3 − 1 · 1) − 1 · (4 · 3 − 1 · 2) + 1 · (4 · 1 − 3 · 2) = 4  |C

282

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

4. Die Determinante bleibt unverändert, wenn eine Zeile (Spalte) mit einem beliebigen Skalar multipliziert und dann zu einer anderen Zeile (Spalte) hinzuaddiert wird. Beispiel 5.26: Nachfolgend entsteht die Matrix B aus der Matrix A , indem die 1. Zeile von A mit 2 multipliziert und zur 3. Zeile hinzuaddiert wird. ⎡

2 A=⎣ 1 −1

⎡ ⎤ 2 ·2 2 6 4 B = ⎣ 1 3 0⎦ = ⎣1 −1 0 2 ← −+ 3

⎤ 6 4 3 0⎦ 0 2



⎤ 4 0⎦ 10

6 3 12

Die Matrix C entsteht aus der Matrix A , indem die 2. Spalte von A mit (−2) multipliziert und zur 3. Spalte hinzuaddiert wird. · (−2) + 3 ⏐ ⎡ ⎤ ⎡ 2 2 6 4 C = ⎣ 1 3 0⎦ = ⎣ 1 −1 0 2 −1



⎤ 6 −8 3 −6⎦ 0 2

A

Die Determinanten von A , B und C ergeben sich zu: A| = 2 · (3 · 2 − 0 · 0) − 6 · (1 · 2 + 0 · 1) + 4 · (1 · 0 + 3 · 1) = 12 |A B| = 2 · (3 · 10 − 0 · 12) − 6 · (1 · 10 + 0 · 3) + 4 · (1 · 12 − 3 · 3) = 12  |B

C | = 2 · (3 · 2 + 6 · 0) − 6 · (1 · 2 − 6 · 1) − 8 · (1 · 0 + 3 · 1) = 12  |C

5. Die Determinante einer Diagonalmatrix ist das Produkt ihrer Hauptdiagonalelemente. ⎡ a11 ⎢0 ⎢ A=⎢ . ⎣ .. 0

0 a22 .. . 0

... ... .. .

0 0 .. .

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

n

A| = a11 · a22 · · · ann = ∏ aii |A

(5.23)

i=1

. . . ann

Es folgt daraus, dass die Determinante der Einheitsmatrix I stets 1 ist: det I = |II | = 1 Beispiel 5.27: ⎡

5 0 A=⎣ 0 2 0 0

(5.24) ⎤ 0 0 ⎦ 4



A| = 5 · 2 · 4 = 40 |A

5 B=⎣ 0 0

B| = 0 ist. Die Matrix B wird singulär genannt, weil |B

0 0 0

⎤ 0 0 ⎦ 4

B| = 5 · 0 · 4 = 0 |B

5.7 Determinanten

283

6. Die Determinante einer Dreiecksmatrix ist das Produkt ihrer Hauptdiagonalelemente. obere Dreiecksmatrix ⎤ ⎡ a11 a12 . . . . . . a1n ⎢ 0 a22 . . . . . . a2n ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ 0 a33 . . . a3n ⎥ A=⎢ 0 ⎥ ⎢ . .. .. .. ⎥ .. ⎣ .. . . . . ⎦ 0 0 0 . . . ann A| = a11 · a22 · a33 · · · ann |A

untere Dreiecksmatrix ⎡ 0 ... b11 0 ⎢b21 b22 0 . . . ⎢ ⎢ B = ⎢b31 b32 b33 . . . ⎢ . .. .. .. ⎣ .. . . . bn1

bn2

bn3

0 0 0 .. .

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

. . . bnn

B| = b11 · b22 · b33 · · · bnn |B

(5.25)

Durch Kombination dieser und der Regel Nr. 5.7.4 auf Seite 282 kann die Determinante einer n × n Matrix recht elegant auf die Weise berechnet werden, dass man sie zunächst mit Hilfe der Gauß-Elimination (s. Abschnitt 5.6.2 auf Seite 274) in die Dreiecksform transformiert und dann (5.25) anwendet. Insbesondere für Matrizen mit n > 3 ist dieser Weg viel schneller als die Laplace-Entwicklung (s. Beispiel 5.54 auf Seite 303). Beispiel 5.28: ⎡ 2 ⎢0 A=⎢ ⎣0 0

3 0 5 −1 0 6 0 0

⎤ 1 9⎥ ⎥ 2⎦ 4

A| = 2 · 5 · 6 · 4 = 240 |A

⎡ 2 ⎢3 B=⎢ ⎣1 8

⎤ 0 0 0 4 0 0⎥ ⎥ −9 7 0⎦ 0 1 6

B| = 2 · 4 · 7 · 6 = 336 |B



2 ⎢0 C =⎢ ⎣0 0

3 4 5 −1 0 6 0 0

⎤ 1 9⎥ ⎥ 2⎦ 0

C| = 2 · 5 · 6 · 0 = 0 |C

7. Die Determinante einer linear abhängigen, d.h. singulären Matrix ist gleich Null. Für eine linear unabhängige, d.h. reguläre, Matrix hingegen ist die Determinante =  0 (s. auch Abschnitt 5.8 auf Seite 287). Beispiel 5.29: a.



3 6 A = ⎣1 −1 6 12

⎤ −4 3⎦ −8

A ist linear abhängig, weil z 3 = 2 z 1

A| berechnen wir mit Hilfe von (5.19b): Die Determinante |A

b.

A| = 3 (8 − 36) + 6 (18 + 8) − 4 (12 + 6) = 0 |A ⎡ ⎤ 2 4 3 B = ⎣3 5 −1⎦ B ist linear abhängig, weil z 3 = 2 z 1 −zz2 1 3 7 B| = 2 (35 + 3) + 4 (−1 − 21) + 3 (9 − 5) = 0 Aus (5.19b) erhält man: |B

284

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme



c.

2 C = ⎣3 5

⎤ 8 −1⎦ 6

3 5 8

C | = 2 (30 + 8) + 3 (−5 − 18) + 8 (24 − 25) = −1 = 0 |C C ist linear unabhängig, weil C = 0 A| = 0. Eine Matrix mit 8. Wenn eine Zeile (Spalte) einer Matrix A ein Nullvektor ist, gilt |A Null-Determinante wird singulär genannt. Beispiel 5.30:



⎤ 0 3⎦ −8

0 0 A = ⎣1 −1 6 12

⎡ 0 B = ⎣0 0

⎤ −4 3⎦ −8

6 −1 12

A| verwenden wir (5.19b) auf Seite 279, für |B B| (5.20b). Für die Berechnung von |A A| = 0 · (8 − 36) + 0 · (18 + 8) + 0 · (12 + 6) = 0 |A B| = 0 · (8 − 36) + 0 · (−48 + 48) + 0 · (18 − 4) = 0 |B 9. Die Determinante eines Matrixproduktes ist gleich dem Produkt der Determinanten der einzelnen Matrizen. A n×n , B n×n

AB | = |A A| · |B B| |A Beispiel 5.31: A=

!

3 5

4 7

"

! B=

A| = 21 − 20 = 1 |A

(5.26)

−2 1 6 3

"

! ⇒

AB =

18 32

15 26

"

B| = −6 − 6 = −12 |B

AB |AB AB| = 468 − 480 = −12

A| · |B B| = −12 |A

10. Die Determinante eines Matrixproduktes von zwei quadratischen Matrizen A und B ist unabhängig davon, ob die Matrizen von rechts oder von links multipliziert werden. AB | = |B BA | |A Beispiel 5.32: ! " 3 4 A= 5 7

A n×n , B n×n

B=

! −2 6

(5.27) " 1 3

! AB =

18 32

" 15 26

! BA =

−1 33

" −1 45

5.7 Determinanten

AB |AB AB| = 468 − 480 = −12

285

BA |BA BA| = −45 + 33 = −12

11. Determinante einer mit dem Skalar k multiplizerten n × n Matrix. ⎡ ⎢ ⎢ A=⎢ ⎣

a11 a21 .. .

a12 a22 .. .

an1

an2

. . . a1n . . . a2n .. .. . . . . . ann





⎥ ⎥ ⎥ ⎦

⎢ ⎢ kA = ⎢ ⎣

ka11 ka21 .. .

ka12 ka22 .. .

kan1

kan2

. . . ka1n . . . ka2n .. .. . . . . . kann

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

A| = kn |A A| |kA Beispiel 5.33:

(5.28)



⎤ 2 6 4 A = ⎣ 1 3 0⎦ −1 0 2 3×3



4 A = 2A A=⎣ 2 kA −2

k=2

⎤ 12 8 6 0⎦ 0 4

A| = 2 · (6 − 0) + 6 · (0 − 2) + 4 · (0 + 3) = 12 |A A| A| = 4(24 − 0) + 12(0 − 8) + 8(0 + 12) = 96 =  12 = k3 |A |2A 8 ·  =23

A| =|A

12. Determinante nach der Multiplikation einer Zeile (Spalte) mit dem Skalar k. ⎡

a11 ⎢a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

⎤ . . . a1n . . . a2n ⎥ ⎥ .. .. ⎥ . . ⎦

an1

an2

. . . ann



ka11 ⎢ a21 ⎢ B=⎢ . ⎣ ..

ka12 a22 .. .

... ... .. .

⎤ ka1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

an1

an2

...

ann

B| = k |A A| |B Beispiel 5.34: Die Matrix B entsteht aus A durch Multiplikation ihrer letzten Zeile mit k = 2: ⎡

2 A=⎣ 1 −1

⎤ 6 4 3 0⎦ 0 2



2 B=⎣ 1 2 · (−1)

6 3 2·0

⎤ ⎡ ⎤ 4 2 6 4 0 ⎦ = ⎣ 1 3 0⎦ 2·2 −2 0 4

A| = 12 |A B| = 2 · (12 − 0) + 6 · (0 − 4) + 4 · (0 + 6) = 24 |B

286

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

A| =  2 · 12 = k |A =k

5.7.5 Cramer-Regel Die Cramer-Regel führt die Lösung eines linearen Gleichungssystems auf Determinanten zurück. ⎡ a11 ⎢a21 ⎢ ⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

an1

an2



⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ b1 x1 · · · a1n ⎢x2 ⎥ ⎢b2 ⎥ . . . a2n ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ .. ⎥ ⎢ .. ⎥ = ⎢ .. ⎥ . ⎦⎣ . ⎦ ⎣ . ⎦

· · · ann

xn 

bn 

x

A

Ax =b

b

Ein beliebiges Element xi des Lösungsvektors x ergibt sich aus folgender Cramer-Regel: xi =

Ai | |A A| |A

Ai | = det A i mit |A

x1 =

A1 | |A A| |A

x2 =

A2 | |A A| |A

i = 1,2, · · · , n

···

xn =

A| = det A |A

(5.29)

An | |A A| |A

Die Matrix A i entsteht aus der Matrix A , wenn die i-te Spalte von A durch den Vektor b der rechten Seite ersetzt wird, z.B.: ⎡

b1 ⎢b2 ⎢ A1 = ⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

⎤ · · · a1n · · · a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ . ⎦

bn

an2

· · · ann

⎡ a11 ⎢a21 ⎢ An = ⎢ . ⎣ ..

a12 a22 .. .

⎤ · · · b1 · · · b2 ⎥ ⎥ .. ⎥ .⎦

an1

an2

· · · bn

Cramer-Regel für ein 2 × 2 Gleichungssystem. Für ein 2 × 2 lineares Gleichungssystem führt (5.29) zu folgenden Bestimmungsformeln: ! a11 a21

a12 a22

"! " ! " x b = 1 b2 y

x=

a22 b1 − a12 b2 a11 a22 − a12 a21

y=

a11 b2 − a21 b1 a11 a22 − a12 a21

Beispiel 5.35: Das nachfolgende Gleichungssystem soll mit Hilfe der Cramer-Regel gelöst werden. ! "! " ! " 4 −6 x 6 = −2 8 y 10

(5.30)

5.8 Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit einer Matrix

     4 −6   6 −6    = 108   A| =  A1 | =  |A = 20 |A −2 8  10 8  x=

A1 | 108 |A = = 5,4 A| |A 20

y=

  4 A2 | =  |A −2

287

 6  = 52 10 

A2 | 52 |A = = 2,6 A| |A 20

Anmerkung: Die Cramer-Regel ist bei Handrechnungen nur für kleine Gleichungssysteme bis zu 3 Unbekannten zu empfehlen, weil der Rechenaufwand mit der Anzahl von Unbekannten rapide ansteigt. Für größere Gleichungssysteme ist der Gauß-Algorithmus besser geeignet.

5.8 Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit einer Matrix In einer einer linear unabhängigen Matrix sind sämtliche Zeilen (Spalten) vollkommen unabhängig von den anderen Zeilen (Spalten). Unabhängig in diesem Kontext bedeutet, dass keine Zeile (Spalte) durch keine wie auch immer ausgeklügelte Linearkombination der übrigen Zeilen (Spalten) wiedergegeben werden kann. Eine linear unabhängige Matrix wird auch als reguläre Matrix bezeichnet. Lässt sich dagegen irgendeine Zeile (Spalte) der Matrix aus den übrigen Zeilen (Spalten) durch eine Linearkombination zusammensetzen, wird die Matrix linear abhängig genannt - eine andere Bezeichnung dafür ist singuläre Matrix. Die lineare Unabhängigkeit bzw. Abhängigkeit spielt in allen Anwendungsgebieten der Wissenschaft, wo mit Matrizen gearbeitet wird, eine große Rolle. In diesem Buch wird auf diese Matrixeigenschaft themenbezogen eingegangen. Für eine präzisere Definition der linearen Abhängigkeit (Unabhängigkeit) betrachten wir eine m × n Matrix A , die in m Zeilenvektoren z i bzw. n Spaltenvektoren s i zerlegt werden kann: ⎡

a11 ⎢ a21 ⎢ A=⎢ . ⎣ .. am1

a12 a22 .. .

······ ······

am2

······

⎡ ⎤ z1 a1n ⎢ .. ⎥ ⎢.⎥ a2n ⎥ ⎢ ⎥  ⎥ ⎢ zi ⎥ = s1 = ⎥ .. ⎢ ⎥ ⎢.⎥ . ⎦ ⎣ .. ⎦ amn m×n zm ⎤

··· sj

· · · sn



Bestimmung der linearen Abhängigkeit. Die Matrix A wird linear abhängig genannt, wenn mindestens einer der nachfolgend aufgelisteten Fälle vorliegt: 1. Irgendeine Zeile z i von A kann durch eine Linearkombination der restlichen (m − 1) Zeilen ausgedrückt werden: m

z i = ∑ ckz k = c1z 1 + c2z 2 + · · · + ci−1 z i−1 + ci+1 z i+1 + · · · + cmz m k=1 k=i

Die skalaren Koeffizienten ck dürfen hierbei einzeln oder sogar alle gleich 0 sein.

(5.31)

288

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

2. Irgendeine Spalte s j von A kann durch eine Linearkombination der restlichen (n − 1) Spalten ausgedrückt werden: n

s j = ∑ dk s k = d1 s 1 + d2 s 2 + · · · + d j−1 s j−1 + d j+1 s j+1 + · · · + dn s n

(5.32)

k=1 k= j

A| von A ist gleich Null. 3. Die Determinante |A 4. A besitzt eine Nullzeile bzw. Nullspalte. 5. Die Dreieckszerlegung nach Gauß erzeugt mindestens eine Zeile, in der das Hauptdiagonalelement (Pivotelement) gleich Null ist. Wenn die Bedingung (5.31) erfüllt ist, ist auch die Bedingung (5.32) automatisch erfüllt - und umgekehrt. Dann könnte allerdings die Frage erhoben werden, ob es nicht ausreichen würde, nur eine einzige Bedingung zu formulieren und zu untersuchen. Die Antwort lautet: Ja, es würde vollkommen ausreichen, entweder (5.31) oder (5.32) heranzuziehen, um die lineare Abhängigkeit zu untersuchen. Allerdings kann es vorkommen, dass die Bildung einer geeigneten Linearkombination mit Zeilen leichter gelingt als mit den Spalten - und natürlich auch umgekehrt. Nur wenn man mit leistungsfähiger Computersoftware die lineare Abhängigkeit einer Matrix untersucht, spielt es keine Rolle, ob die Linearkombination mit Zeilen oder Spalten gebildet wird. Alternative Definition der linearen Abhängigkeit Durch geeignete Umformungen können die Beziehungen (5.31) und (5.32) auch in folgende Form gebracht werden: c˜1z 1 + c˜2z 2 + . . . + c˜iz i + . . . + c˜mz m = 0

(5.33a)

d˜1s 1 + d˜2s 2 + . . . + d˜js j + . . . + d˜ns n = 0

(5.33b)

Die Matrix A heißt dann und nur dann linear unabhängig, wenn zur Erfüllung der Gleichungen (5.33a) und (5.33b) alle Koeffizienten c˜i und d˜i zwangsläufig Null sein müssen, d.h. wenn es gelten muss: c˜1 = c˜2 = . . . = c˜m = 0

d˜1 = d˜2 = . . . = d˜n = 0

Wenn (5.33a) bzw. (5.33b) erfüllt ist, obwohl mindestens einer der Koeffizienten c˜i bzw. d˜i ungleich Null ist, heißt die Matrix A linear abhängig. Beispiel 5.36: Es soll untersucht werden, ob die nachfolgenden Matrizen linear abhängig oder unabhängig sind. ⎡ 2 a) A = ⎣3 7

⎤ 3 8 5 −1⎦ 11 15



2 b) B = ⎣3 5

⎤ 3 8 5 −1⎦ 8 6

5.8 Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit einer Matrix

a) Die Matrix A ist linear abhängig, weil die 3. Zeile durch Linearkombination der 1. und 2. Zeile ausgedrückt werden kann. Gemäß (5.31) erhalten wir: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ·2 2 3 8 2 3 8 ⎣3 5 −1⎦ · 1 = ⎣3 5 −1⎦ z 3 = 2 · z 1 +zz2  ← −+ ← −+ 7 11 15 Vollständigkeitshalber wird noch untersucht, ob die Spaltenabhängigkeit ebenfalls erfüllt ist (was natürlich auch sein muss!): · (−26) · 43 ⎡ 2 3 ⎣3 5 7 11

+

3 ⏐ +

3 ⏐ xx



⎡ 2 ⎦ = ⎣3 7

⎤ 3 8 5 −1⎦ 11 15

s 3 = 43 · s 1 − 26 · s 2



In der alternativen Darstellung von (5.33a) und (5.33b) nimmt die Abhängigkeitsbedingung folgende Gestalt an: 2 · z 1 +zz2 −zz3 = 0 

43 · s 1 − 26 · s 2 −ss3 = 0 

oder

Die beiden Linearkombinationen auf der linken Seite liefern als Ergebnis Null, obwohl kein einziger Koeffizient gleich Null ist, daher ist A linear abhängig. b) Die Matrix B ist linear unabhängig, weil keine Zeile (bzw. Spalte) in B durch irgendeine Linearkombination der übrigen Zeilen (bzw. Spalten) ausgedrückt werden kann. Beispiel 5.37:



5 C = ⎣2 7

3 5 8

⎤ 11 12⎦ 20



5 D = ⎣2 8

3 5 8

⎤ 11 12⎦ 24

Die Matrix C ist linear unabhängig, weil keine Zeile (Spalte) von C durch Linearkombination der übrigen Zeilen (Spalten) ausgedrückt werden kann. Hingegen ist die Matrix D linear abhängig. In der alternativen Darstellung von (5.33a) und (5.33b) lassen sich für D folgende Linearkombinationen angeben: 16 24 z1 + z 2 −zz3 = 0  19 19 s 1 + 2 · s 2 −ss3 = 0 

289

290

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Eigenschaften einer linear abhängigen Matrix A Linear abhängige Matrizen besitzen einige grundlegende Eigenschaften, deren Kenntnis nützlich bzw. wichtig ist. 1. Mindestens eine Zeile (Spalte) von A lässt sich als Linearkombination der übrigen Zeilen (Spalten) ausdrücken. 2. Bei der Dreieckszerlegung einer linear abhängigen Matrix entsteht eine Nullzeile. A| = 0 (s. Regel 5.7.4 auf Seite 283). 3. Die Determinante von A ist Null: |A 4. A besitzt keine Inverse A−1 (wegen Inverse s. Seite 292).

5.9 Rang einer Matrix Der Rang (Englisch: rank) einer quadratischen n × n Matrix A (gekennzeichnet durch rg A ) ist gleich n, wenn A linear unabhängig ist. Wenn dagegen eine Zeile durch Linearkombination der übrigen Zeilen ausgedrückt werden kann, gilt rg A = n − 1. Können zwei Zeilen durch Linearkombination der anderen Zeilen ausgedrückt werden, gilt rg A = n − 2. Der Rang einer Matrix entspricht der Anzahl von = 0 Pivotelementen während der Dreieckszerlegung. Gleichwertig mit dieser Aussage ist die Anzahl der = 0 Zeilen in der finalen oberen Dreiecksmatrix. Der Rang einer n × n Matrix entscheidet über ihre lineare Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit: rg A < n ⇔ A linear abhängig

rg A = n ⇔ A linear unabhängig

(5.34)

Bei einer m × n Matrix unterscheidet man formal zwischen dem Zeilenrang rgZ A und dem Spaltenrang rgS A . Erwartungsgemäß entspricht der Zeilenrang der Anzahl der unabhängigen Zeilen und der Spaltenrang der Anzahl von unabhängigen Spalten. Es kann gezeigt werden, dass für eine m × n Matrix der Zeilenrang und Spaltenrang gleich sind: Zeilenrang = Spaltenrang

(a)

Diese Eigenschaft hat zur Folge, dass für eine m × n Matrix entweder die Zeilen linear abhängig sind (wenn m > n) oder die Spalten (wenn n > m). Aus (a) folgt, dass die Spalten einer quadratischen n × n Matrix unabhängig sind, falls deren Zeilen unabhängig sind. Beispiel 5.38: Für die angegebenen Matrizen sind Zeilen- und Spaltenrang zu bestimmen. ⎡ ⎤ 7 1 3 n=3 a) A = ⎣3 2 −2⎦ 1 −3 7 3×3

5.9 Rang einer Matrix

291

Die 1. Zeile lässt sich aus den beiden anderen Zeilen zusammensetzen: z1 = 2 · z2 +zz3

Zeilenrang von A : rgZ A = n − 1 = 3 − 1 = 2

Die 3. Spalte lässt sich ebenfalls aus den anderen Spalten zusammensetzen: s3 = ⎡

1 ⎢3 b) A = ⎢ ⎣6 4

8 23 s1 − s2 11 11 ⎤ 2 3 1 4 2 5⎥ ⎥ 9 4 10⎦ 6

5

6

Spaltenrang von A : rgS A = n − 1 = 3 − 1 = 2

n=4

4×4

Die 4. Zeile lässt sich aus den anderen Zeilen zusammensetzen: z4 = 1 · z1 + 1 · z2 + 0 · z3

Zeilenrang von A : rgZ A = n − 1 = 4 − 1 = 3

Die 4. Spalte lässt sich ebenfalls aus den anderen Spalten zusammensetzen: 13 2 s1 + 0 · s2 − s3 7 7 ! " −7 2 3 2 c) A = 1 1 0 7 2×4 s4 =

Spaltenrang von A : rgS A = 4 − 1 = 3

Es ist leicht zu erkennen, dass der Zeilenrang 2 ist: rgZ A = 2. Die Spalten sind jedoch voneinander abhängig: 1 1 s3 = − s1 + s2 3 3

s4 =

4 17 s1 + s2 3 3

Die Anzahl der unabhängigen Spalten beträgt 2, d.h. es ist: rgS A = 2 ⇒ rgZ A = rgS A

5.9.1 Lösbarkeitsbedingungen für lineare Gleichungssysteme Ein lineares Gleichungssystem besitzt nur in folgenden Fällen eine Lösung: 1. Das inhomogene Gleichungssystem Ax = b kann nur dann eindeutig gelöst werden, wenn A| = A| = 0 existiert entweder überhaupt keine oder die Determinante |A  0 ist. Für den Fall |A zumindest keine eindeutige Lösung. 2. Das homogene Gleichungssystem Ax = 0 besitzt nur dann eine nicht-triviale Lösung, wenn A| = 0 ist der Nullvektor 0 der einzige A| = 0 ist.4 Für den Fall |A die Determinante |A Lösungsvektor, d.h. das Gleichungssystem besitzt nur eine triviale Lösung. 4 Wenn x = 0 ist, spricht man von einer trivialen Lösung, s. Seite 269.

292

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Beispiel 5.39: ! 3 6

5 10

"!

x y

"

! =

15 60

" Ax =b

Die Gauß-Elimination wird auf die erweiterte Matrix angewandt: ! " ! " · (−2) 3 5 | 15 3 5 | 15 ⇒ 0 0 | 30 −+ 6 10 | 60 ← Aus der zweiten Zeile der erweiterten Matrix folgt: 0 · x + 0 · y = 30

0 = 30



Das Gleichungssystem führt also zu einem Widerspruch und ist somit nicht lösbar. Die Matrix A ist linear abhängig, weil z 2 = 2 z 1 gilt; folglich muss wegen der Regel 7 A| gleich Null sein: auf Seite 283 auch die Determinante |A    3 5  A| =  = 30 − 30 = 0 |A 6 10 

5.10 Inverse einer Matrix Eine quadratische Matrix B wird die inverse Matrix (auch Kehrmatrix genannt) zur quadratischen Matrix A genannt, wenn zwischen A und B folgende Beziehung existiert: AB = BA = I

I : Einheitsmatrix

Die Inverse der Matrix A wird (in Anlehnung an den Kehrwert k−1 einer skalaren Größe k) mit A−1 bezeichnet, so dass die nachfolgende Beziehung gilt: AA −1 = A −1A = I

A : nicht-singuläre quadratische n × n Matrix

(5.35)

Die Inverse ist nur für quadratische Matrizen definiert. Aber eine quadratische Matrix besitzt nicht zwingend eine Inverse. Wenn die Inverse einer Matrix A existiert, wird A als reguläre Matrix bezeichnet, anderenfalls ist A eine singuläre Matrix, s. auch Abschnitt 5.8. Eine linear abhängige Matrix besitzt keine Inverse. Enthält eine quadratische Matrix eine Nullzeile bzw. eine Nullspalte, so ist sie stets singulär, d.h. ihre Inverse ist nicht definiert. Eine Matrix, deren Determinante gleich Null ist, besitzt ebenfalls keine Inverse, weil sie singulär ist. Wenn eine Matrix eine Inverse besitzt, wird sie auch als invertierbar bezeichnet. Die Regeln für die Matrixinvertierung sind in Tabelle 5.6 auf Seite 296 zusammengestellt.

5.10 Inverse einer Matrix

293

Berechnung der Inverse mit Hilfe des Gauß-Algorithmus Die Inverse einer Matrix kann mit Hilfe des Gauß-Algorithmus berechnet werden. Hierzu werden folgende n lineare Gleichungssysteme betrachtet: A x1 = e1 ⎡ a11 ⎢a21 ⎢ ⎢ .. ⎢ . ⎢ ⎢ . ⎣ .. an1 

a12 a22 .. . .. . an2

A x2 = e2

A xn = en

(für e 1 , e 2 , · · · , e n s. Seite 254)

⎤ ⎡ (1) ⎤ ⎡ ⎤ . . . a1n x1 1 ⎢ (1) ⎥ ⎢ ⎥ . . . a2n ⎥ ⎥ ⎢x ⎥ ⎢0⎥ .. ⎥ ⎢ 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0⎥ . ⎥ ⎥⎢ . ⎥ = ⎢ ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎣ ... ⎦ . ⎦⎣ ⎦ (1) 0 xn . . . ann 







a12 a22 .. . .. . an2



a11 ⎢a21 ⎢ ⎢ .. ⎢ . ⎢ ⎢ . ⎣ .. an1 

e1

x1

A

a11 ⎢a21 ⎢ ⎢ .. ⎢ . ⎢ ⎢ . ⎣ .. an1 

······

···

a12 a22 .. . .. . an2

x2

A

⎤ ⎡ (n) ⎤ ⎡ ⎤ . . . a1n x1 0 ⎢ (n) ⎥ ⎢ ⎥ . . . a2n ⎥ 0⎥ ⎥⎢ ⎥ .. ⎥ ⎢x2 ⎥ ⎢ ⎢ .. ⎥ ⎢ ⎥ . ⎥ .⎥ ⎥⎢ . ⎥ = ⎢ ⎢ . ⎢ . ⎥ ⎣ ⎥ .. ⎥ 0⎦ . ⎦⎣ ⎦ (n) 1 xn . . . ann

 

e2

(a)

en

xn

A

⎤ ⎡ (2) ⎤ ⎡ ⎤ . . . a1n x1 0 ⎢ (2) ⎥ ⎢ ⎥ . . . a2n ⎥ ⎥ ⎢x ⎥ ⎢1⎥ .. ⎥ ⎢ 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0⎥ . ⎥ ⎥⎢ . ⎥ = ⎢ ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎣ ... ⎦ . ⎦⎣ ⎦ (2) 0 xn . . . ann 





Diese n separaten Gleichungssysteme lassen sich auch in einem einzigen System kombinieren: ⎡

a11 ⎢a21 ⎢ ⎢ .. ⎢ . ⎢ ⎢ . ⎣ .. an1 

a12 a22 .. . .. . an2

⎤ ⎡ (1) . . . a1n x1 ⎢ (1) . . . a2n ⎥ ⎥⎢ .. ⎥ ⎢x2 ⎢ . ⎥ ⎥⎢ . ⎢ .. .. ⎥ . ⎦ ⎣ (1) xn . . . ann 



(n) ⎤

⎡ 1 0 ⎥ ⎢ (2) (n) ⎥ 0 1 x2 · · · x2 ⎥ ⎢ . . ⎥=⎢ ⎢ .. .. .. .. ⎥ ⎢ . . ⎥ ⎦ ⎣0 0 (2) (n) xn · · · xn 0 0

 (2)

· · · x1

x1

X

A

⎤ ··· 0 0 · · · 0 0⎥ ⎥ . .⎥ .. . .. .. ⎥ ⎥ · · · 1 0⎦ ··· 0 1



(b)

I

Die Lösung aller n Gleichungssysteme in (a) nacheinander liefert also die Lösungsmatrix X in (b). In symbolischer Schreibweise lässt sich das Gleichungssystem (b) auch wie folgt angeben: X = [xx1 x 2 · · · x n ]

A X =II

I = [ee1 e 2 · · · e n ]

Wegen der grundlegenden Definition AA −1 = I in (5.35) auf Seite 292 muss also die Lösungsmatrix X des n × n Gleichungssystems (b) mit n Rechte-Seite-Vektoren zwangsläufig identisch sein mit der inversen Matrix A −1 . Dass dies tatsächlich so ist, kann man sofort erkennen, indem das obige Gleichungssystem AX = I mit A −1 von links multipliziert wird: −1 −1 A  A X = A  I I

A −1

⇒  I X = A −1 X



A −1 = X

294

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Die Inverse einer Matrix A kann also mit Hilfe der Gauß-Elimination bestimmt werden durch die Lösung des linearen Gleichungssystems AX = I . Invertierung von Hand. Für die Invertierung von Hand schreibt man die zu invertierende Matrix A und die Einheitsmatrix I in erweiterter Form nebeneinander auf: ⎤ ⎡ a11 a12 . . . a1n 1 0 . . . 0 ⎢ a21 a22 . . . a2n 0 1 . . . 0 ⎥ ⎢ ⎥ A n×n , I n×n (a) ⎢ . .. .. .. .. .. ⎥ ⎣ .. . . . . . ⎦ 

an1

an2 . . . ann 0



0

... 1



I original

A

Durch geeignete Zeilenumformungen in (a) (d.h. durch wiederholtes Hinzufügen eines geeigneten Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile) wird die Matrix A in eine Einheitsmatrix I transformiert. Die Transformationsoperationen, die man auf die links stehende Matrix A anwendet, werden gleichzeitig auf die rechts stehende Einheitsmatrix I original angewendet. Am Ende der Transformationsprozedur, wenn nämlich aus A die Einheitsmatrix I hervorgegangen ist, steht auf der rechten Seite anstelle der ursprünglichen Einheitsmatrix I original die Inverse A −1 von A : ⎡ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ 

. . . a1n . . . a2n .. .

a11 a21 .. .

a12 a22 .. .

1 0 .. .

0 1 .. .

an1

an2 . . . ann 0



0

⎡ ⎤ ... 0 ⎢ ... 0 ⎥ ⎢ ⎥ .. ⎥ −→ ⎢ ⎣ ⎦ . ... 1



1 0 . . . 0 a11 0 1 . . . 0 a21 .. .. .. .. . . . . 0 0 . . . 1 an1 



I original

A

A −→II



a12 a22 .. .

. . . a1n . . . a2n .. .

an2

. . . ann



⎥ ⎥ ⎥ ⎦

A−1 I original −→A

(5.36) Beispiel 5.40: Gesucht ist die Inverse der angegebenen Matrix. A . ⎡

⎤ 1 2 −1 A=⎣ 3 8 −2⎦ −1 −6 3

A −1 =?

Nach dem Vorgehensschema von (5.36) ergibt sich folgende Invertierungsprozedur: ⎡

1 ⎣3 −1

2 8 −6

⎤ ⎡ −1 1 0 0 1 0 0 a11  ⎦ ⎣ −2 0 1 0 −−Ziel −−−→ 0 1 0 a21 0 0 1 an1 3 0 0 1

a12 a22 an2

⎤ a1n a2n ⎦ ann

Addition von (−3)×(1. Zeile) zur 2. Zeile sowie der 1. Zeile zur 3. Zeile: ⎡ ⎤ ⎡ · (−3) 1 2 −1 1 0 0 1 2 −1 1 ⎣3 8 −2 0 1 0⎦ ← −+ → ⎣0 2 1 −3 −1 −6 3 0 0 1 ←−−−−−− + 0 −4 2 1

⎤ 0 0 1 0⎦ 0 1

5.10 Inverse einer Matrix

Addition von 2×(2. Zeile) zur 3. Zeile: ⎡ ⎤ ⎡ 1 2 −1 1 0 0 1 ⎣0 2 · 2 → ⎣0 1 −3 1 0⎦ 0 0 −4 2 1 0 1 ← −+

−1 1 4

2 2 0

295

⎤ 1 0 0 −3 1 0⎦ −5 2 1

Addition von −1/4×(3. Zeile) zur 2. Zeile sowie von 1/4×(3. Zeile) zur 1. Zeile: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 2 −1 1 0 0 ←−−−−−−−− + 1 2 0 −1/4 1/2 1/4 ⎣0 2 1 −3 1 0⎦ ← −+ → ⎣0 2 0 −7/4 1/2 −1/4⎦ · (−1/4) · (1/4) 0 0 4 −5 2 1 0 0 4 −5 2 1 Addition von (−1)×(2. Zeile) zur 1. Zeile: ⎡ ⎤ ⎡ 1 2 0 −1/4 1/2 1/4 1 0 0 3/2 ← −+ ⎣0 2 0 −7/4 1/2 −1/4⎦ · (−1) → ⎣0 2 0 −7/4 0 0 4 −5 2 1 0 0 4 −5

0 1/2 2

⎤ 1/2 −1/4⎦ 1

Division der 2. Zeile durch 2 und der 3. Zeile durch 4 : ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 0 0 3/2 0 1/2 1 0 0 3/2 0 1/2 ⎣0 2 0 −7/4 1/2 −1/4⎦ | · 1/2 → ⎣ 0 1 0 −7/8 1/4 −1/8 ⎦ 0 0 4 −5 2 1 | · 1/4 0 0 1 −5/4 1/2 1/4 



A −1

I



⎤ 3/2 0 1/2 lautet: A −1 = ⎣−7/8 1/4 −1/8⎦ −5/4 1/2 1/4

Die inverse Matrix A −1

5.10.1 Sonderfälle für die Matrix-Invertierung In folgenden Sonderfällen kann die Inverse einer Matrix auch analytisch angegeben werden. Inverse einer 2 × 2 Matrix: A=

! a11 a21

a12 a22

"

A−1 =

! 1 a22 A| −a21 |A

−a12 a11

" A| = a11 a22 − a12 a21 mit |A

(5.37)

Inverse einer Diagonalmatrix: ⎡

d11 ⎢0 ⎢ D=⎢ . ⎣ .. 0

0 d22 .. . 0

... ... .. .

0 0 .. .

. . . dnn

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

dii = 0

⎡ 1/d11 ⎢ 0 ⎢ D−1 = ⎢ . ⎣ .. 0

0 1/d22 .. . 0

... ... .. .

0 0 .. .

. . . 1/dnn

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(5.38)

296

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme Tabelle 5.6: Eigenschaften von inversen Matrizen

Beispiel 5.41:

=

A −1A = I

=

A

AT )−1 (A

=

A−1 )T = A −T (A

A)−1 (kA

=

A−1 | |A

=

A −n

=

1 −1 für k = 0 A k 1 1 A−1 ) = d.h. det (A A| |A det A A−1 )n (A n positiv und ganzzahlig

A +B B)−1 (A

=

B−1 A −1 +B

AB (AB AB)−1

=

B −1A −1

ABC (ABC ABC)−1

=

C −1B −1A −1

(ABC · · · Z) −1

=

C −1B −1A −1 Z −1 · · ·C

Wenn A singulär



A −1 existiert nicht!

Wenn A orthogonal



A −1 = A T ,

!

A=

Beispiel 5.42:

AA −1 A−1 )−1 (A

2 −2 −4 8



4,6 ⎢ 0 D=⎢ ⎣ 0 0

aber : (AB) −1 = A −1B −1

AA T = A T A = A

" A| = 16 − 8 = 8 |A

⎤ 0 0 0 12 0 0 ⎥ ⎥ 0 5,8 0 ⎦ 0 0 24,3

−1

A

1 = 8

!

8 4

2 2

"

! =

1,0 0,5

0,25 0,25

"



⎤ 0,217 0 0 0 ⎢ 0 0,083 0 0 ⎥ ⎥ D−1 = ⎢ ⎣ 0 0 0,172 0 ⎦ 0 0 0 0,041

5.11 Weitere Eigenschaften von Matrizen 1. Jede quadratische Matrix A lässt sich ausdrücken als die Summe einer symmetrischen und einer antimetrischen Matrix, A S bzw. A A : AA A = A S +A Beispiel 5.43:



2 A = ⎣−1 1

wobei

⎤ 1 3 4 1⎦ −2 5

1 A +A AT ) A S = (A 2 ⎡ 2 A T = ⎣1 3

⎤ −1 1 4 −2⎦ 1 5

1 A −A AT ) A A = (A 2

(5.39)

5.12 Bedeutung der Inverse in der Statik

297

1 A +A AT ) A S = (A 2 ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ #⎡ 2 1 3 2 −1 1 $ 2 0 2 1 ⎣ = −1 4 1⎦ + ⎣1 4 −2⎦ = ⎣0 4 −0,5⎦ 2 1 −2 5 3 1 5 2 −0,5 5 1 A −A AT ) A A = (A 2 ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ #⎡ 2 1 3 2 −1 1 $ 0 1 1 1 ⎣ = −1 4 1⎦ − ⎣1 4 −2⎦ = ⎣−1 0 1,5⎦ 2 1 −2 5 3 1 5 −1 −1,5 0 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 0 2 0 1 1 AA = ⎣0 A S +A 4 −0,5⎦ + ⎣−1 0 1,5⎦ 2 −0,5 5 −1 −1,5 0 ⎡ ⎤ 2 1 3 = ⎣−1 4 1⎦ = A  1 −2 5 2. Orthogonalmatrix. Eine Matrix A wird orthogonal genannt, wenn ihre Transponierte A T und ihre Inverse A −1 identisch sind (wegen inverser Matrix s. Seite 292). A T = A −1



A ist Orthogonalmatrix

(5.40)

Beispiel 5.44: Die in Beispiel 5.60 auf Seite 307 invertierte Rotationsmatrix R z.B. ist eine Orthogonalmatrix (auch orthogonale Matrix genannt), d.h. es gilt R T = R −1 : ! " ! " ! " cos ϕ sin ϕ cos ϕ − sin ϕ cos ϕ − sin ϕ R= RT = R −1 = − sin ϕ cos ϕ sin ϕ cos ϕ sin ϕ cos ϕ ! RR T = !

cos ϕ − sin ϕ

sin ϕ cos ϕ

"! cos ϕ sin ϕ

− sin ϕ cos ϕ

cos ϕ cos ϕ + sin ϕ sin ϕ = − sin ϕ cos ϕ + cos ϕ sin ϕ

"

" ! − cos ϕ sin ϕ + sin ϕ cos ϕ 1 = sin ϕ sin ϕ + cos ϕ cos ϕ 0

" 0 =I 1

5.12 Bedeutung der Inverse in der Statik In der Theorie der Computer basierten Mechanik (z.B. FEM - Finite Elemente Methode) werden die mechanischen Grundgleichungen in symbolischer Matrixform aufgestellt. Beispielsweise wird das Gleichgewicht eines Tragwerks nach der linearen Statik durch das nachfolgende

298

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

lineare Gleichungssystem formuliert: Kx= f

K : Steifigkeitsmatrix, x : Verschiebungsvektor,

f : Lastvektor

(5.41)

Dieses Gleichungssystem wird symbolisch dadurch gelöst, indem beide Seiten mit K −1 multipliziert werden: −1 −1 K  K x = K f

I x = K −1 f 

x = K −1 f



x

I

Anmerkung: Die obige Lösungsmethode für den Verschiebungsvektor x besitzt nur theoretische Bedeutung. In kommerziellen FEM-Systemen werden andere Lösunsgmethoden verwendet, die viel effizienter sind. Dennoch ist diese symbolische Schreibweise aus Sicht der höheren Mechanik sehr wertvoll, ja unverzichtbar, weil sie erlaubt, mechanische Zusammenhänge in äußerst kompakter Form darzustellen und mathematische Operationen an ihnen vorzunehmen.

5.13 Zusätzliche Beispiele Beispiel 5.45: Mit den beiden Vektoren sind die angegebenen Operationen durchzuführen.  a T = −1 a) aT +bb

1

2



 b= 1

−1

1

T

b) a +bb

nicht definiert, weil inkompatible Dimension (1 × 3) + (3 × 1)  T = 0 0 3

c) a b

nicht definiert, weil inkompatible Dimension (3 × 1) · (3 × 1)

d) a Tb

=0

e)

bT a

=0

f)

bT aT

nicht definiert, weil inkompatible Dimension (1 × 3) · (1 × 3)

Beispiel 5.46: Mit den nachfolgenden Matrizen sind die unten angegebenen Matrixoperationen durchzuführen. ⎡ ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ ! " −1 −1 1 2 −1 −1 1 2 A = ⎣ 3 −1 1⎦ b=⎣ 3 ⎦ B= aT = ⎣ 1 ⎦ 3 −1 1 2 −1 3 4 −1

5.13 Zusätzliche Beispiele

B =? A +B a +bb =? Aa =? Bb =? aB =? bA =? aT b =?

A +aa =? aT +bb =? Ab =? BA =? ab =? bB =? bT aT =?

B = nicht definiert A +B a +bb = nicht definiert

A +bb =? AB =? Ba =? aA =? BaT =? ba =?

A +aa = nicht definiert ⎡ ⎤ −2 aT +bb = ⎣ 4 ⎦ 1 ⎤ 2 Ab = ⎣−7⎦ ! 6 " 2 4 7 BA = −7 7 9

A +bb = nicht definiert AB = nicht definiert



Aa = nicht definiert ! Bb =

" 2 −7

aB = nicht definiert

ab = [2]

bA = nicht definiert

bB = nicht definiert

aT b = nicht definiert

bT aT = [2] = 2

Ba = nicht definiert   aA = 2 4 7 ! " 6 T Ba = −2 ⎡ ⎤ 1 −1 −2 ba = ⎣−3 3 6⎦ 1 −1 −2

Beispiel 5.47: Gegeben sind die nachfolgenden Matrizen und ihre Dimension: A m×n

B m×p

C p×m

m = n = p

Gesucht ist die Dimension für das Ergebnis der nachfolgenden Matrixmultiplikationen. Zusätzlich soll für m = 2, n = 4, p = 3 das zu jeder Aufgabe zugehörige Falk-Schema skizziert werden. a) AB nicht definiert b) A TB (n × p) c) AB T e)

A TC

nicht definiert

d) A TB T

nicht definiert

f)

A TC T

nicht definiert (n × p)

(m × m)

h) CB

(p × p)

B TA

(p × n)

j) AC

nicht definiert

k) CA

(p × n)

l) B TC T

(p × p)

m) C TB T

(m × m)

n) A TBC

(n × m)

g) BC i)

299

300

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Beispiel 5.48: Die Regeln der Tabelle (5.2) auf Seite 260 sind für die unten angegebenen Operationen mit den Matrizen A und B zu verifizieren. ! " ! " 5 −8 1 2 A= B= 4 1 3 4 !

" ! " ! " 5 + 1 −8 + 2 6 −6 6 7 = (A + B) T = 4+3 1+4 7 5 −6 5 ! " ! " ! " 5 4 1 3 6 7 BT = AT = BT = A T +B −8 1 2 4 −6 5 ! "! " ! " ! " 5 −8 1 2 −19 −22 −19 7 T AB = = (AB) = 4 1 3 4 7 12 −22 12 ! "! " ! " 1 3 5 4 −19 7 B TA T = = 2 4 −8 1 −22 12 A+B =

Beispiel 5.49: Das nachfolgende Gleichungssystem ist mit Hilfe von Gauß-Algorithmus zu lösen: x 3x x

+ + −

y + z = −2 3y − z= 6 y + 2z = −1

Die ersten beiden Eliminationsschritte für die 2. und 3. Zeile liefern: x + y + z = −2 0 + 0 − 4z = 12 0 − 2y + z= 1 Das Pivotelement in der 2. Zeile ist Null, die Prozedur kann nicht direkt fortgeführt werden. Durch Vertauschung der 2. und 3. Zeile kann aber die Schwierigkeit umgangen werden: x + y + z = −2 0 − 2y + z = 1 0 + 0 − 4z = 12 Die Rückwärtssubstitution liefert die Unbekannten: z = −3, y = −2, x = 3 Beispiel 5.50: Mit Hilfe der Gauß-Elimination soll gezeigt werden, dass folgende lineare Gleichungssysteme nicht bzw. nicht eindeutig lösbar sind.

5.13 Zusätzliche Beispiele

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1 3 6 −4 x1 a) A = ⎣ 6 −1 3 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ x3 3 6 12 −8 ⎡

Die Dreieckszerlegung führt auf ⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1 3 6 −4 x1 A = ⎣ 0 −13 11 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 0 ⎦ 1 x3 0 0 0 ⎡

Die letzte Zeile führt zur nicht erfüllbaren Gleichung 0 · x3 = 1, woraus folgt, A| ist aufgrund dass das Gleichungssystem nicht lösbar ist. Die Determinante |A der Singularität gleich Null, was ebenfalls nach Abs. 5.9.1 auf Seite 291 ein Kriterium für die Nichtlösbarkeit des Gleichungssystems ist. Mit Hilfe der Eigenschaft 5.7.4 auf Seite 283 erhalten wir die Determinante zu: A| = 3 · (−13) · 0 = 0 |A ⎡

4 b) A = ⎣ −1 2

⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤ 2 −2 1 x1 1 −4 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ −2 8 x3 3

A ist eine singuläre Matrix, weil sie linear abhängige Spalten enthält: s3 = s1 − 3 s2 Aufgrund der linearen Abhängigkeit ist das Gleichungssystem nicht lösbar. Die A| muss also aufgrund der linearen Abhängigkeit gleich Null sein Determinante |A - wir erhalten aus (5.19b) auf Seite 279: A| = 4 · (8 − 8) + 2 · (−8 + 8) − 2 · + (2 − 2) = 0 |A

Beispiel 5.51: Folgende Gleichungssysteme sind nach dem Gauß-Verfahren zu lösen. Wenn ein NullPivot auftritt, soll durch Zeilenvertauschung versucht werden, das Problem zu umgehen. a) 2x 4x 2x

− − −

3y 5y y

+ 0 =3 + z =7 − 3z = 5

Die Lösung ergibt sich mit folgenden Eliminationsschritten: 1. (-2) × 1. Zeile zur 2. Zeile hinzu addieren 2. (-1) × 1. Zeile zur 3. Zeile hinzu addieren 3. (-2) × neue 2. Zeile zur 3. Zeile hinzu addieren 4. Rückwärtssubstitution liefert x = 3, y = 1, z = 0

301

302

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

b)

3x1 2x1 6x1

+ 2x2 + x2 + 2x2

+ x3 = 3 + x3 = 0 + 4x3 = 6

Die Dreieckszerlegung nach Gauß führt auf folgendes System: 2x2 + x3 = 3 3x1 + 0 + −0,333x2 + 0,333x3 = −2 0 + 0 + 0 = 12 Die letzte Gleichung führt zur Aussage, dass 0 · x3 = 12 sei - was offensichtlich nicht erfüllbar ist. Das Gleichungssystem ist daher nicht lösbar. Beispiel 5.52: Lineares Gleichungssystem mit nicht eindeutiger Lösung. ! "! " ! " 3 5 x 15 = 9 15 y 45 Die Gauß-Elimination der erweiterten Matrix liefert: ! " ! " · (−3) 3 5 | 15 3 5 | 15 ⇒ −+ 9 15 | 45 ← 0 0 | 0

⇒ 0·y = 0

Die letzte Gleichung ist für beliebige Werte von y erfüllt. Man kann deshalb für y einen beliebigen Wert wählen und die andere Unbekannte x aus der 1. Gleichung bestimmen. Auf diese Weise ergeben sich unendlich viele Lösungen, d.h. das Gleichungssystem ist nicht eindeutig lösbar oder hat (was gleichbedeutend ist) unendlich viele Lösungen. Wählt man z.B. y = 1, so ergibt sich aus der ersten Zeile: 3x + 5 · 1 = 15

⇒ x = 10/3

Wählt man einen anderen Wert für y, erhält man ebenfalls einen anderen x-Wert. Die Determinante von A ist, wie zu erwarten (weil ein Pivotelement der oberen Dreiecksmatrix verschwindet), gleich Null:    3 5   A| =  = 45 − 45 = 0 ⇒ A ist linear abhängig: z 2 = 3 z 1 |A 9 15  Beispiel 5.53: Determinante nach Laplace-Formel. Die Determinante der Matrix A ist mit Hilfe von Laplace-Entwicklung in der Originalfassung sowohl nach (5.16) als auch nach (5.17) zu berechnen. ⎡ ⎤ 1 −2 −3 A=⎣ 2 4 6 ⎦ −5 1 3

5.13 Zusätzliche Beispiele

Entwicklung nach der 1. Zeile gemäß (5.16) auf Seite 278 liefert: 3

∑ (−1)1+ j a1 j |AA1 j |

A| = |A

j=1

A13 | A11 | + (−1)1+2 a12 |A A12 | + (−1)1+3 a13 |A = (−1)1+1 a11 |A A11 | − a12 |A A12 | + a13 |A A13 | = a11 |A ! A 11 =

4 1

6 3

"

! A 12 =

A11 | = 12 − 6 = 6 |A

2 −5

6 3

"

! A 13 =

A12 | = 6 − (−30) = 36 |A

2 −5

4 1

"

A13 | = 2 − (−20) = 22 |A

A| = 1 · 6 − (−2) · 36 + (−3) · 22 = 12 |A Entwicklung nach der 1. Spalte gemäß (5.17) auf Seite 278 liefert: 3

A| = ∑ (−1)i+1 ai1 |A Ai1 | = a11 |A A11 | − a21 |A A21 | + a31 |A A31 | |A i=1

  4 = 1 ·  1

6 3

  −2· 

   −2 −3   + (−5) ·   1 3 

  −2   4

 −3  6 

= (12 − 6) − 2(−6 + 3) − 5(−12 + 12) = 6 + 6 − 0 = 12

Beispiel 5.54: Bestimmung der Determinante mit Hilfe von Gauß-Elimination. In diesem Beispiel wird die Determinante der Matrix A mittels Transformation in die Dreiecksform berechnet. ⎡ ⎤ 4 0 −4 6 ⎢8 5 1 0⎥ ⎥ A=⎢ ⎣ 0 2 6 −1⎦ −4 8 9 2 Die Regel 5.7.4 auf Seite 282 besagt, dass die Determinante einer Matrix unverändert bleibt, wenn eine beliebige Zeile der Matrix mit einem beliebigen Skalar multipliziert und zu einer anderen Zeile hinzu addiert wird. Wir können von dieser Eigenschaft Gebrauch machen, indem die Matrix A mittels sukzessiver Zeilenoperationen in eine obere Dreicksmatrix A o transformiert wird. Zunächst wird das Element a11 = 4 als Pivotelement verwendet und die restlichen Elemente der 1. Spalte werden eliminiert. Hierzu wird die 1. Zeile zunächst mit −2 multipliziert und dann zur 2. Zeile hinzu addiert. Für die 3. Zeile ist keine Operation notwendig, weil dort ja ohnehin bereits 0 steht. Zum schluß wird die 1. Zeile (mit 1 multipliziert und dann) zur 4. Zeile hinzu addiert:

303

304

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme



4 0 ⎢8 5 ⎢ ⎣0 2 −4 8

⎤ −2 −4 6 + 1 0⎥ ← − ⎥ 6 −1⎦ ←−−−−− + 9 2



⎡ 4 ⎢0 ⎢ ⎣0 0

0 5 2 8

⎤ −4 6 9 −12⎥ ⎥ 6 −1 ⎦ 5 8

Weitere Zeilenoperationen sind nachfolgend angegeben. ⎡ ⎤ ⎡ 4 0 −4 6 4 0 ⎢0 5 9 −12⎥ ⎢0 5 −2/5 −8/5 ⎢ ⎥ ⇒ ⎢ ⎣0 2 6 ⎣0 0 −1 ⎦ ← −+ 0 8 5 8 0 0 ←−−−−−− + ⎡ ⎡ ⎤ 4 4 0 −4 6 ⎢0 ⎢0 5 ⎥ 9 −12 ⎢ ⎥ ⇒ Ao = ⎢ ⎣0 ⎣0 0 12/5 47/12 19/5 ⎦ 0 −+ 0 0 −47/5 136/5 ←

−4 9 12/5 −47/5

⎤ 6 −12 ⎥ ⎥ 19/5 ⎦ 136/5

⎤ 0 −4 6 5 9 −12 ⎥ ⎥ 0 12/5 19/5 ⎦ 0 0 2525/60

Die Determinante der zuletzt aufgestellten Dreiecksmatrix Ao ist durch das Produkt ihrer Hauptdiagonalelemente gegeben (vgl. Regel 5.7.4) und liefert somit die Determinante von A : A| = |A Ao | = 4 · 5 · |A

12 2525 606000 · = = 2020 5 60 300

Beispiel 5.55: Mit den angegebenen Matrizen sind die geforderten Operationen durchzuführen. ⎡ −1 ⎢3 A=⎢ ⎣1 2 a) A v T

⎤ 1 2 1 −1 1 2⎥ ⎥ 1 1 3⎦ −2 −4 1

⎡ ⎤ 1 ⎢0⎥ ⎥ v=⎢ ⎣0⎦ 1

b) A T I v

A| c) |A

a) A v T ist nicht definiert, weil inkompatible Dimensionen: (4 × 4)(1 × 4) ⎡

⎤ −1 3 1 2 ⎢ 1 −1 1 −2⎥ ⎥ b) AT = ⎢ ⎣2 1 1 −4⎦ 1 2 3 1



Iv =v

⎤ 1 ⎢−1⎥ ⎥ ⇒ AT I v = AT v = ⎢ ⎣−2⎦ 2

c) Nach Transformation der Matrix in die obere Dreiecksform erhalten wir die De-

5.13 Zusätzliche Beispiele

terminante als Produkt der Hauptdiagonalelemente. ⎡

−1 ⎢ 0 Ad = ⎢ ⎣ 0 0

⎤ 1 2 1 2 7 5 ⎥ ⎥ 0 −4 −1 ⎦ 0 0 3

A| = |A Ad | = (−1) · 2 · (−4) · 3 = 24 |A

Beispiel 5.56: Für die angegebenen Matrizen sind die Determinanten zu ermitteln. ⎡ ⎤ 6 12 −2 4 2 ⎢ 5 −7 5 −5 9 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ a) A = ⎢ 1 13 2 3 −4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ 4 5 8 1 3 ⎦ 3 6 −1 2 1 A| = 0, weil die 1. und 5. Zeile linear abhängig sind: z 1 = 2 · z 5 |A ⎡

⎤ 2 0 −4 6 ⎢ 0 5 9 −12 ⎥ ⎥ b) B = ⎢ ⎣ 0 0 2,4 3,8 ⎦ 0 0 0 47,25 Die Determinante einer Dreiecksmatrix ist gleich dem Produkt der DiagonaleleB| = 2 · 5 · 2,4 · 47,25 = 1134 mente: |B ⎡

⎤ 4 1 2 3 ⎢ 1 2 3 −5 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ c) C = ⎢ −2 1 9 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ 3 −4 1 6 ⎦ −5 1 4 −1 Determinanten sind nur für quadratische Matrizen definiert. Eine Determinante C | existiert also nicht, weil C eine 5 × 4 Matrix ist. |C Beispiel 5.57: Gesucht ist die Determinante des Matrixprodukts AB . ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 1 3 2 2 2 B = ⎣ 1 −4 3 ⎦ a) A = ⎣ −1 2 −4 ⎦ 3 4 2 6 3 4 AB | = |A A| |B B|. Wir berechnen die Determinante unter Beachtung der Regel |A A| = 2(4 + 16) + 1(−12 + 2) + 3(−4 − 6) = 40 − 10 − 30 = 0 |A

305

306

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

A| = 0, erübrigt es sich, |B B| zu berechnen und wir haben: |A AB | = 0 · |B B| = 0 Weil |A ⎡

⎤ 2 0 0 0 ⎢ −1 1 0 0 ⎥ ⎥ b) A = ⎢ ⎣ 3 2 3 0 ⎦ −2 −1 0 −1



1 ⎢ 0 B=⎢ ⎣ 0 0

0 4 0 0

−4 9 2 0

⎤ 6 −12 ⎥ ⎥ 2 ⎦ −1

Sowohl A als auch B liegen in der Dreiecksform vor. Ihre Determinante ist jeweils das Produkt der Hauptdiagonalelemente: A| = 2 · 1 · 3 · (−1) = −6 |A

B| = 1 · 4 · 2 · (−1) = −8 |B

AB | = |A A| |B B| = (−6) · (−8) = 48 ⇒ |A Beispiel 5.58: Einige Regeln der Tabelle 5.6 auf Seite 296 werden mit folgenden Vorgaben überprüft. ! " ! " 2 −2 2 −2 A= B= k=3 −4 8 −1 4 1 −1 ? AB )−1 = B −1A −1 A b) (A k a) Zunächst berechnen wir die Inverse von k A mit Hilfe von (5.37) auf Seite 295: A)−1 = a) (kA ?

! A= kA

6 −6 −12 24

"

⎡ 1 ⎢ 3 A)−1 = ⎣ ⇒ (kA 1 6

1 ⎤ 12 ⎥ ⎦ 1 12

(a)

Die inversen Matrizen A −1 und B −1 werden ebenfalls nach (5.37) berechnet: ⎡ ⎡ 2 1 ⎤ ⎡ 1 1 ⎤ 1 ⎤ 1 ⎢ 3 3 ⎥ 1 −1 ⎢ 3 12 ⎥ ⎢ 4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎥ B−1 = ⎢ A−1 = ⎢ (b) ⎣ ⎣ ⎦ k A =⎣ ⎦ ⎦ 1 1 1 1 1 1 6 3 6 12 2 4 A)−1 = Der Vergleich von (a) und (b) zeigt, dass tatsächlich (kA

1 −1 A gilt. k

b) Zunächst wird AB aufgestellt und dann nach (5.37) invertiert. Aus (b) sind A −1 und B −1 bereits bekannt. ⎡ ⎤ 5 1 ! "! " ! " ⎢ 6 4 ⎥ 2 −2 2 −2 6 −12 ⎥ AB = = (AB) −1 = ⎢ ⎣ 1 1 ⎦ (c) −4 8 −1 4 −16 40 3 8

5.13 Zusätzliche Beispiele

⎡ 2 ⎢ 3 B −1A −1 = ⎢ ⎣ 1 6

1 ⎤⎡ 1 3 ⎥⎢ ⎥⎢ ⎦⎣ 1 1 3 2

1 ⎤ ⎡ 4 ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎦ ⎣ 1 4

5 6 1 3

⎤ 1 4 ⎥ ⎥ 1 ⎦ 8

307

(d)

AB)−1 = B−1A−1 erfüllt ist. Der Vergleich von (c) und (d) zeigt, dass (A

Beispiel 5.59: Es soll die Richtigkeit der Beziehung (AB) −1 = B −1A −1 auf Seite 296 bewiesen werden. Wir gehen von der Identität (AB) (AB) −1 = I aus und multiplizieren Sie auf beiden Seiten mit A−1 von links und formen das Ergebnis um: A−1 (AB) (AB)−1 = A−1 I



−1 −1 −1 A  A B (AB) = A  I A −1

I

I B (AB)−1 = A−1 

B (AB)−1 = A−1



B

Der letzte Ausdruck wird jetzt mit B −1 von links multipliziert. −1 −1 −1 −1 B  B (AB) = B A



I

I (AB) −1 = B −1 A −1  (AB) −1

Damit wäre die Beziehung (AB)−1 = B−1A−1 bewiesen. Beispiel 5.60: Die in Beispiel 5.44 auf Seite 297 angegebene Rotationsmatrix R soll mit Hilfe der Gauß-Elimination invertiert werden. ! " cos ϕ sin ϕ R= R −1 =? − sin ϕ cos ϕ !

cos ϕ − sin ϕ ⎡ ⎢1 →⎢ ⎣ 0

sin ϕ cos ϕ

1 0

0 1



"

sin ϕ cos ϕ sin2 ϕ + cos2 ϕ sin ϕ cos ϕ

sin ϕ cos ϕ + ·

← −

1 cos ϕ 1 cos ϕ

⎢1 →⎢ ⎣ −1 ⎤ 0 ⎥ ⎥ 1 ⎦ sin ϕ

sin ϕ cos ϕ cos ϕ sin ϕ

1 cos ϕ 0

⎤ 0 ⎥ ⎥ 1 ⎦ ← −+ sin ϕ

308

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme



sin ϕ cos ϕ 1 sin ϕ cos ϕ

⎢1 →⎢ ⎣ 0



1 cos ϕ 1 cos ϕ

0 ⎥ ⎥ 1 ⎦ | · sin ϕ cos ϕ sin ϕ ⎤ ⎡ ! 1 sin ϕ 1 0 0 ← −+ 1 ⎦ ⎣ → cos ϕ cos ϕ − sin ϕ → 0 1 · 0 1 sin ϕ cos ϕ cos ϕ ! " cos ϕ − sin ϕ ⇒ R −1 = sin ϕ cos ϕ

cos ϕ sin ϕ

− sin ϕ cos ϕ

"

Beispiel 5.61: Gesucht ist die Inverse A −1 der nachfolgenden Matrix A . ⎡

4 A = ⎣ −2 2 ⎡

4 2 6 1 ⎣−2 3 −1 0 2 1 4 0 ⎡ 4 2 6 1 ⎣0 4 2 0,5 0 0 1 −0,5 ⎡ 4 2 0 4 ⎣0 4 0 1,5 0 0 1 −0,5 ⎡ 4 0 0 3,25 ⎣0 4 0 1,5 0 0 1 −0,5

2 3 1

⎤ 6 −1 ⎦ 4 ⎤ 4 2 6 1 0 0 ← −+ ⇒ ⎣0 4 2 0,5 1 0⎦ ←−−−−− + 0 0 1 −0,5 0 1 ⎡ ⎤ 4 2 0 4 0 −6 ←−−−−− + ← −+ ⇒ ⎣0 4 0 1,5 1 −2⎦ −2 −6 0 0 1 −0,5 0 1 ⎤ ⎡ ⎤ 0 −6 ← 4 0 0 3,25 −0,5 −5 −+ −0,5 ⇒ ⎣0 4 0 1 −2⎦ 1,5 1 −2⎦ 0 1 0 0 1 −0,5 0 1 ⎤ ⎡ ⎤ 1 0 0 0,8125 −0,125 −1,25 −0,5 −5 | (1/4) 1 −2⎦ | (1/4) = ⎣ 0 1 0 0,3750 0,250 −0,50 ⎦ 0 1 0 0 1 −0,5000 0 1 ⎤ 0 0 1 0⎦ 0 1 ⎤ 0 0 1 0⎦ 0 1

0,5

−0,5



Nach diesen Zeilenoperationen entspricht die linke Hälfte der erweiterten Matrix der Einheitsmatrix I . Die rechte Hälfte ergibt somit die gesuchte Inverse von A . ⎡

0,8125 A −1 = ⎣ 0,3750 −0,5000

⎤ −0,125 −1,25 0,250 −0,50 ⎦ 0 1

5.13 Zusätzliche Beispiele

Beispiel 5.62:



−1 A=⎣ 3 −1

⎤ 1 2 −1 1 ⎦ 3 4

309

A −1 =?

Mit Hilfe der erweiterten Matrix läuft die Invertierung folgendermaßen ab. ⎡

−1 1 2 1 ⎣ 3 −1 1 0 −1 3 4 0

  A



−1 1 2 1 ⎣ 3 −1 1 0 −1 3 4 0 ⎡ −1 1 2 1 ⎣0 2 7 3 0 2 2 −1

⎤ 0 0 1 0 ⎦ 0 1

I

⎤ ⎡ −1 3 0 0 −1 1 2 1 0 1 0⎦ ← −+ −→ ⎣ 0 2 7 3 1 0 1 ←−−−− + 0 2 2 −1 0 ⎡ ⎤ −1 1 2 1 0 0 0 −1 −→ ⎣ 0 2 7 3 1 1 0⎦ −+ 0 0 −5 −4 −1 0 1 ←

⎤ 0 0⎦ 1 ⎤ 0 0⎦ 1

Nun werden die Zeilen mit geeigneten Skalaren multipliziert, um die Hauptdiagonalelemente der links stehenden Matrix (das ist die ursprüngliche Matrix A ) gleich 1 zu machen: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ −1 1 2 1 0 0 | · (−1) 1 −1 −2 −1 0 0 ⎣0 2 7 3 1 0⎦ | · (0,5) → ⎣0 1 3,5 1,5 0,5 0 ⎦ 0 0 −5 −4 −1 1 | · (−0,2) 0 0 1 0,8 0,2 −0,2 Es folgen noch einige weitere Zeilenoperationen und die ursprüngliche Matrix A verwandelt sich in die Einheitsmatrix: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 −1 −2 −1 0 0 1 −1 0 0,6 0,4 −0,4 ←−−−−−− + ⎣0 1 3,5 1,5 0,5 0 ⎦ ← −+ → ⎣0 1 0 −1,3 −0,2 0,7 ⎦ −3,5 2 0 0 1 0,8 0,2 −0,2 0 0 1 0,8 0,2 −0,2 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 0 0 −0,7 0,2 0,3 −+ 1 −1 0 0,6 0,4 −0,4 ← ⎣0 1 0 −1,3 −0,2 0,7 ⎦ → ⎣0 1 0 −1,3 −0,2 0,7 ⎦ 0 0 1 0,8 0,2 −0,2 0 0 1 0,8 0,2 −0,2 Die linke Hälfte der erweiterten Matrix ist jetzt vollständig in die Einheitsmatrix I transformiert. Die rechte Hälfte entspricht somit der gesuchten Inverse von A : ⎡

⎤ −0,7 0,2 0,3 A −1 = ⎣ −1,3 −0,2 0,7 ⎦ 0,8 0,2 −0,2

310

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

5.14 Technische Beispiele Beispiel 5.63: Stabkräfte in einem Fachwerk. Das abgebildete Fachwerk wird durch die Horizontalkraft Fh und die Vertikalkraft Fv belastet. Die Berechnung der Stabkräfte kann nach dem Gleichgewichtsprinzip der Statik erfolgen, weil das Fachwerk statisch bestimmt ist. Zu diesem Zweck werden die Stäbe a und b am Knoten 2 -gedanklich- durchtrennt und an den Schnitten werden die Stabkräfte Sa und Sb angebracht (rechtes Teilbild). Fh

Fv

Knoten 2 freischneiden

2

b

Sa

b

a

Sb

a

Kräfte am Knoten 2

b

a 1

α = 60◦

Fv

Fh

β = 30◦

3

Fh = 20 kN Fv = 10 kN

Das Gleichgewicht des Kraftangriffspunktes verlangt, dass die Summe aller Kräfte in horizontaler und vertikaler Richtung jeweils Null sein muss. Diese Forderung liefert zwei Bestimmungsleichungen:

∑ Hi = Fh − Sa cos α + Sb cos β = 0

∑ Vi = −Fv − Sa sin α − Sb sin β = 0

In Matrixschreibweise können diese beiden Gleichungen geschrieben werden als ! "! " ! " cos α − cos β Sa Fh = (a) sin α sin β Sb −Fv Der Gauß-Algorithmus für das obige Gleichungssystem liefert nach Multiplikation der ersten Zeile mit − sin α/ cos α und Hinzuaddieren des Resultats zur zweiten Zeile: ⎤ ⎡ sin α cos α − cos β Fh − ⎦ ← ⎣ − + cos α sin α sin β −Fv ⎤ ⎡ cos α − cos β Fh ⎦ ⇒ ⎣ 0 sin β + tan α cos β −Fv − Fh tan α Aus der zweiten Zeile der reduzierten Matrix erhält man die Stabkraft Sb : Sb =

−Fv − Fh tan α sin β + tan α cos β

(b)

5.14 Technische Beispiele

311

Die erste Zeile liefert dann die Stabkraft Sa : Sa =

Fh + Sb cos β cos α

(c)

Mit den angegebenen Zahlenwerten ergeben sich die Stabkräfte zu: Sb =

−10 − 20 tan 60◦ = −22,32 kN sin 30◦ + tan 60◦ cos 30◦

Sa =

20 + (−22,32) cos 30◦ = 1,34 kN cos 60◦

(Druckkraft)

(Zugkraft)

Beispiel 5.64: Kinematisch instabiler Balken. Ein waagerecht orientierter Biegebalken, der in der xy-Ebene liegt, ist an seinem linken Ende an einem Festlager gelenkig gelagert; sein rechtes Ende ist völlig frei, nur durch die Vertikallast Fv belastet. Ein derart gelagerter Balken wird in der Statik kinematisch instabil bezeichnet, er kann keinerlei Lasten aufnehmen und würde am freien Ende ohne jeglichen Widerstand nach unten kippen. Einfachheit halber sollen für den Balken folgende Werte gelten: Länge L = 1, Biegesteifigkeit EI = 1, äußere Last F = 10. Die Steifigkeitsmatrix K des Balkens und der Lastvektor f sind nachstehend angegeben. Der Vektor u der Knotenverschiebungen enthält die Verschiebung und die Verdrehungen der Knotenpunkte 1 und 2. Wir wollen versuchen, mit Hilfe der Gauß-Elimination das Gleichungssystem K u = f zu lösen. y

Fv

1 q1



4 K = ⎣ −6 2 ⎡ θ1 u = ⎣ u2 θ2



q2





u2

x

2

−6 2 0 f =⎣ 12 −6 ⎦ 0 ⎦ −6 4 −10 ⎤ ← Verdrehung des Knotens 1 ⎦ ← Verschiebung des Knotens 2 ← Verdrehung des Knotens 2

Die Dreieckszerlegung liefert: ⎡ ⎡ ⎤ 1.5 −0.5 4 −6 4 −6 2 ⎣−6 12 −6⎦ ← −+ −→ ⎣0 3 ←−−−−− + 0 −3 2 −6 4

⎤ ⎡ 2 4 −3⎦ −→ ⎣0 ← −+ 3 0

−6 3 0

⎤ 2 −3⎦ 0

Die letzte Zeile der reduzierten Steifigkeitsmatrix ist eine Nullzeile, d.h. die Matrix

312

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

K ist singulär, das Gleichungssystem K u = f ist nicht lösbar. Eine derartige Steifigkeitsmatrix K wird auch als positiv semidefinit bezeichnet (s. Abschnitt 14.6.1 auf Seite 731). Die Determinante von K ist gleich Null. Die Verschiebung u2 und die Verdrehungen θ1 , θ2 stellen sich als unendlich große Werte heraus: 0 · θ2 = −10



θ2 = −10/0 = −∞

3 · u2 + (−3) · (−∞) = −10



4 · θ1 − 6 · (−∞) + 2 · (−∞) = 0

u2 = −∞/3 = −∞ ⇒

u2 = −4 ∞/4 = −∞

Der Balken ist instabil (kinematische Kette), seine Verschiebungskonfiguration ist im Bild rot dargestellt – ein solches Verschiebungsmuster wird auch als Starrkörperbewegung bezeichnet, weil der Balken sich um den Knoten 1 wie ein Starrkörper verdreht, ohne sich zu verformen. Die Singularität von K kann man auch über ihre Determinante zeigen. Aus (5.19a) erhalten wir: K | = 4 (48 − 36) − (−6) (−24 + 12) + 2 (36 − 24) = 48 − 72 + 24 = 0 |K ⇒ K ist singulär. Die Erkenntnis aus diesem Beispiel lässt sich in der Tragwerksstatik verallgemeinern: Die Steifigkeitsmatrix K eines Tragwerks, das instabil ist bzw. eine Starrkörperbewegung erfahren kann, ist singulär; ihre Determinante ist K | = 0. gleich Null: |K Beispiel 5.65: Zwei dimensionaler ebener Spannungszustand. Nach den Gesetzmäßigkeiten der Festigkeitslehre existieren zwischen den Dehnungen εx , εy , γxy und den Spannungen σx , σy , τxy die nachfolgenden Zusammenhänge, mit deren Hilfe man aus bekannten Spannungen die unbekannten Dehnungen berechnen kann: εx =

1 (σx − μ σy ) E

E : Elastizitätsmodul,

εy =

1 (σy − μ σx ) E

G : Schubmodul

γxy =

τxy 2(1 + μ) = τxy G E

μ : Querkontraktionszahl

Die obigen Elastizitätsgleichungen können auch in Matrixform ausgedrückt werden: ⎡ ⎤ εx 1 ⎣ εy ⎦ = 1 ⎣ −μ E γxy 0   ⎡

ε

⎤⎡ −μ 0 ⎦⎣ 1 0 0 2(1 + μ)

 F

⎤ σx σy ⎦ τxy σ

ε =F σ

(a)

5.14 Technische Beispiele

313

Die Matrix F wird in der Mechanik Flexibilitätsmatrix genannt und verknüpft die Dehnungen mit den Spannungen. sy

txy

sx

sx

txy

sy

Die obigen Beziehungen sollen nun so umgeformt werden, dass man aus bekannten Dehnungen ε die unbekannten Spannungen σ berechnen kann. Wir wollen also mit Hilfe von (a) die Beziehung σ = F −1 ε aufstellen. Das symbolische Gleichungssystem in (a) wird von links mit F −1 multipliziert: −1 F −1 ε = F  F , σ



σ = F −1 ε

I

Die inverse Matrix F −1 wird durch ein neues Symbol E ersetzt, wobei E Elastizitätsmatrix genannt wird.5 Die Beziehung zwischen Spannungen und Dehnungen wird somit symbolisch ausgedrückt durch: σ =E ε

mit

E = F −1

(b)

Für die Aufstellung von E müssen wir F invertieren (der Elastizitätsmodul E kann wegen Übersichtlichkeit übergehend außer Acht gelassen und erst zum Schluss berücksichtigt werden): ⎡ ⎤ μ 1 −μ 0 | 1 0 0 ⎣−μ ⎦ + −→ 1 0 ← − 1 0 | 0 1 1 |· 0 0 2(1 + μ) | 0 0 2(1 + μ) ⎤ ⎡ 1 −μ 0 | 1 0 0 ⎥ |· 1 ⎢0 1 − μ 2 0 | μ 1 0 ⎥ ⎢ −→ 1 − μ2 ⎦ ⎣ 1 0 0 1 | 0 0 2(1 + μ) ⎤ ⎡ 1 −μ 0 | 1 0 0 ← −+ ⎥ ⎢ μ 1 ⎥ ⎢0 1 0 | μ 0 ⎥ ⎢ −→ 1 − μ2 1 − μ2 ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ 1 0 0 1 | 0 0 2(1 + μ) 5 Der Unterschied zwischem dem skalaren Elastizitätsmodul E und der Elastizitätsmatrix E muss beachtet werden.

314

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

⎡ ⎢1 ⎢ ⎢ ⎢0 ⎢ ⎢ ⎣ 0

0

0

|

1

0

|

0

1

|

1 1 − μ2 μ 1 − μ2

μ 1 − μ2 1 1 − μ2

0

0

⎤ 0 0 1 2(1 + μ)

⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(c)

Die gesuchte Inverse des Matrixteils von F (also ohne E) steht in der rechten Hälfte des Ausdrucks in (c). Die Elastizitätsmatrix E sowie die Beziehung zwischen Spannungen und Dehnungen des ebenen Spannungszustands ergeben sich damit zu: ⎤ ⎡ 1 μ ⎤ ⎡ 0 ⎥ ⎢ 1 − μ2 1 − μ2 1 μ 0 ⎥ ⎢ μ 1 E ⎢μ 1 ⎥ ⎢ 0 ⎥ 0 E =E⎢ ⎥= ⎦ ⎣ 2 2 1−μ ⎥ 1 − μ2 ⎢1− μ 1−μ ⎦ ⎣ 0 0 1 2 0 0 2(1 + μ) ⎡ ⎤ 1 μ σx ⎢ μ 1 ⎣ σy ⎦ = E ⎣ 1 − μ2 τxy 0 0  

⎡ σ =E ε

σ

⎤ ⎡ ⎤ 0 εx ⎥ 0 ⎦ ⎣ ε ⎦ y 1−μ γxy 2  ε

E

5.15 Aufgaben 1. Kontrollieren Sie die angegebenen Ergebnisse der Matrixoperationen. ⎡

2 ⎣ A= 3 8

⎤ 3 5 ⎦ 1

⎡ 2 A − 2A A = ⎣3 3A 8



8 ⎣ B= 2 3 ⎤ 3 5⎦ 1

⎤ 1 3 ⎦ 5

! v=

1 −1

"



⎤ −1 Av = ⎣−2⎦ 7

AB nicht definiert, weil (3 × 2)(3 × 2)

! A TB =

46 37

" 51 23

A 2 = AA n.d., weil: (3 × 2)(3 × 2)

2. Lösen Sie folgende lineare Gleichungssysteme mit Hilfe des Gauß-Algorithmus. ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1 4 2 1 x1 a) ⎣ −1 1 1 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ −2 ⎦ x3 1 1 −1 1

5.15 Aufgaben

315

⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1 4 2 1 0,75 x1 Lsg: ⎣ 0 1,5 1,25 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ −1,75 ⎦ ⇒ x = ⎣ −0,75 ⎦ x3 −1 0 0 2 −0,50 ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ 38 9,1 3,4 0,8 x1 b) ⎣ 4,8 2,5 −1,3 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 20 ⎦ x3 50 2,2 1,3 1,1 ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤ 38 9,1 3,4 0,8 −15,49 x1 Lsg: ⎣ 0 0,71 −1,72 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ −0,04 ⎦ ⇒ x = ⎣ 47,99 ⎦ x3 40,84 0 0 2,07 19,72 ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ 1 1 −1 −1 1 x1 ⎢ −1 ⎥ ⎢ x2 ⎥ ⎢ −2 ⎥ 2 −1 1 ⎥=⎢ ⎥ ⎥⎢ c) ⎢ ⎣ −1 −1 1 1 ⎦ ⎣ x3 ⎦ ⎣ 1 ⎦ ⎡

1 −1 −1 2 ⎡ 1 −1 −1 1 ⎢ 0 1 −2 2 Lsg: ⎢ ⎣ 0 0 −4 6 0 0 0 1

x4 ⎤⎡



2 ⎡

⎤ 1 x1 ⎥ ⎢ x2 ⎥ ⎢ −1 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎦ ⎣ x3 ⎦ = ⎣ 0 ⎦ 1 x4



⎤ 1,5 ⎢ 0 ⎥ ⎥ ⇒ x=⎢ ⎣ 1,5 ⎦ 1

3. Überzeugen Sie sich, dass die n × n Einheitsmatrix I aus den Spalteneinheitsvektoren e i wie folgt zusammengesetzt werden kann.  I = e1

e2

. . . en



⎡ T⎤ e1 ⎢e2 T ⎥ ⎥ bzw. I = ⎢ ⎣. . .⎦ en T

4. Berechnen Sie die Determinanten der nachfolgenden Matrizen. ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 −3 0 0 −1 1 2 ⎢ 4 A = ⎣ 6 4 0 ⎦ B = ⎣ 3 −1 1 ⎦ C = ⎢ ⎣ 0 −1 2 5 −1 3 4 −3 A| = −3 · 4 · 5 = −60 |A

B| = 10 |B

⎤ 0 −4 6 5 1 0 ⎥ ⎥ 2 6 −1 ⎦ 8 9 1

C | = 1134 |C

5. Berechnen Sie die Determinante der angegebenen Matrizen. ⎡ ⎤ ⎡ 3 3 1 −4 0 1 ⎢ 1 ⎥ ⎢ 0,5 0 0 0 0 ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ B = ⎢ −1 A = ⎢ −1 4 b) a) 5 1 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣ 0 ⎣ 0 1 3 2 6 ⎦ 4 4 0 0 0 0

1 0 0 0 0

−4 3 0 0 0

⎤ 0 1 4 −2 ⎥ ⎥ ⎥ 2 1 ⎥ ⎥ 2 1 ⎦ 0 0

316

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

A| = 0, weil die 2. und 5. Zeile linear abhängig sind. a) |A B| = 0. b) Die Laplace-Entwicklung der Determinante nach der 5. Zeile liefert sofort |B 6. Berechnen Sie die Determinante der Matrizen A und B , indem sie zunächst mit Hilfe der Gauß-Elimination in die obere Dreiecksform transformiert werden. Die Determinante ergibt sich aus dem Produkt der Hauptdiagonalelemente der Dreiecksmatrix, s. Seite 283. ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 1 −1 1 1 1 −1 1 1 ⎢0 5 ⎢2 3 4 3⎥ 2 1 ⎥ ⎥ ⎥ a) A = ⎢ Ao = ⎢ ⎣0 0 −0,2 −0,6⎦ ⎣1 2 2 1⎦ 0 0 0 4 2 −1 1 2 A| = |A Ao | = 1 · 5 · (−0,2) · 4 = −4 ⇒ |A ⎡

−1 1 ⎢ 3 −1 b) B = ⎢ ⎣1 1 2 −2

⎡ −1 1 2 ⎢ 0 2 7 Bo = ⎢ ⎣ 0 0 −4 0 0 0

⎤ 2 1 1 2⎥ ⎥ 1 3⎦ −4 −2

⎤ 1 5⎥ ⎥ −1⎦ 0

B| = |A Ad | = (−1) · 2 · (−4) · 0 = 0 ⇒ |B 7. Gegeben sind die Matrizen A , B und der Vektor v . ⎡

−1 1 2 ⎢ 3 −1 1 A=⎢ ⎣1 2 1 1 5 −3

⎤ 2 −6⎥ ⎥ −2⎦ −2



2 ⎢3 B=⎢ ⎣−1 1

−1 3 4 2 −2 8 5 −3

⎡ ⎤ 1 ⎢1⎥ ⎥ v=⎢ ⎣1⎦

⎤ 2 −1⎥ ⎥ 3⎦ 2

1

Gesucht sind: A| a) |A

b) A v

c) A v T

A| = 0, weil s 4 = −2ss1 a) |A c) A v T nicht definiert, weil (4 × 4)(1 × 4)

B I B −1B −1B )−1 d) (B  b) A v = 4

−3

2

1

T

−1 −1 BI B −1 B d) (B  B ) = I I

8. Beispiel 5.66: Überprüfen Sie mit den angegebenen Matrizen die nachfolgenden Determinantenregeln. ?

AB | = | A | · | B | a) |A ?

AB | = |B B A| b) |A

5.15 Aufgaben



⎤ 4 2 1 A = ⎣ −1 1 1 ⎦ 1 −1 1 Lösung:



−7 −3 a) AB = ⎣ −1 1 −1 −3 ⎡ −4 −2 ⎣ B A b) = −6 0 −2 −4



−1 B = ⎣ −1 −1

⎤ −5 1 ⎦ 1 ⎤ −3 −1 ⎦ −1

−1 1 −1

AB | = −48 |A

317

⎤ −1 −1 ⎦ 1

A| = 12 |A

B| = −4  |B

BA| = −48 = |A AB|  |B

9. Überprüfen Sie die Regeln 5.7.4 und 5.7.4 auf Seite 285 für folgende Werte. ⎡

4 A = ⎣ −1 1

⎤ 2 1 1 1 ⎦ −1 1

k=2

10. Sind folgende Matrizen linear abhängig oder unabhängig? ⎡ ⎤ 2 3 8 A | = 0 a) A = ⎣ 3 5 −1 ⎦ Lsg: Linear unabhängig, weil |A 5 8 6 ⎡ ⎤ 2 3 8 B| = 0 b) B = ⎣ 3 5 −1 ⎦ Lsg: Linear abhängig, weil |B 5 8 7 ⎡ ⎤ 5 3 11 C | = 0 Lsg: Linear unabhängig, weil |C c) C = ⎣ 2 5 12 ⎦ 7 8 20 ⎡ ⎤ 5 3 11 D| = 0 d) D = ⎣ 2 5 12 ⎦ Lsg: Linear abhängig, weil |D 7 8 23 A| · tr A für nachfolgende Matrizen. 11. Berechnen Sie den Ausdruck A ⎡ ⎤ 1 2 3 4 ⎢ 2 −4 2 3 ⎥ ⎥ A| = 1096, tr A = 0 a) A = ⎢ Lsg: |A ⎣ 3 2 −1 −5 ⎦ 4 2 −5 4

A| · tr A = 0. ⇒ |A

A| = 1096 hätten wir uns sparen Anmerkung: Die rechenintensive Berechnung von |A können, wenn wir vorher tr A ermittelt hätten! Man sollte deshalb bei Aufgabenstellungen zunächst die einfacher zu berechnenden Teilausdrücke auswerten, um zu sehen,

318

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

ob daraus vielleicht nützliche Schlußfolgerungen für die restlichen Lösungsschritte gezogen werden könnten. ⎡ ⎤ 1 2 3 4 ⎢ 2 −4 2 3 ⎥ ⎥ A| · tr A = 0, weil |A A| = 0, tr A = −4 b) A = ⎢ Lsg: |A ⎣ 3 2 −1 −5 ⎦ 0

0

0

0

12. Bestimmen Sie den Rang folgender Matrizen. ⎡ ⎤ 2 0 1 A | = 0 a) A = ⎣ −1 Lsg: rg A = 3, weil |A 1 −2 ⎦ 1 −2 3 ⎤ ⎡ 2 0 1 B| = 0) Lsg: rg B = 2, weil z 2 = 2 z 1 + 3 z 3 (|B b) B = ⎣ 1 3 −4 ⎦ −1 1 −2 ⎡ ⎤ 2 1 −1 C | = 0) C = 2, weil s 2 = 2 s 1 + 3 s 3 (|C c) C = ⎣ −1 4 Lsg: rgC 2 ⎦ 0 3 1 13. Die Stabkräfte des Fachwerks in Beispiel 5.63 auf Seite 310 sind für die unten angegebenen Zahlenwerte zu berechnen. Setzen Sie dabei die angegebenen Zahlenwerte für die Winkelgrößen und äußeren Lasten ins lineare Gleichungsystem (a) ein und führen die GaußElimination durch. Zum Schluss kontrollieren Sie Ihre Resultate mit den Formeln (b) und (c) in Beispiel 5.63. α = 45◦ β = 70◦ Fh = 20 kN Fv = 10 kN Sb = −23,41 kN Lsg: Sa = 16,96 kN α = 45◦ β = 70◦ Fh = 5 kN Fv = 15 kN Sb = 7,80 kN Lsg: Sa = 10,84 kN ◦ ◦ α = 60 β = 60 Fh = −20 kN Fv = −15 kN Sb = 11,34 kN Lsg: Sa = −28,66 kN

a) b) c)

14. A sei eine n × n Matrix, wobei die i-te Zeile eine Nullzeile ist (alle Elemente in dieser Zeile sind Null). Zeigen Sie mit Hilfe der Definition (5.33a) auf Seite 288, dass A eine linear abhängige Matrix ist. 15. Lösen Sie das folgende lineare Gleichungssystem mit Hilfe der Cramer-Regel. ⎡

8 ⎣ 1 −1

2 4 1

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1 1 x1 −2 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ 3 x3 6



Lsg:

⎤ −0,10 x = ⎣ 0,71 ⎦ 0,37

16. Können Sie die Gleichung (5.30) auf Seite 286 aus der Cramer-Regel herleiten?

5.15 Aufgaben

319

17. Für welche Werte von a ist das nachfolgende Gleichungssystem nicht oder nicht eindeutig lösbar? Lösen Sie Gleichungssystem für a = 1. ⎡

a −3 ⎣ −6 3a 0 −5



⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ −1 x1 1 0 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ −3 ⎦ x3 1 4

A

Lösung: Das Gleichungssystem ist nicht bzw. nicht eindeutig lösbar, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix gleich Null ist: A| = 3a2 − 48 = 0 |A

⇒ für a = ±4 ist das System nicht lösbar

 Für ist a = 1 ergibt sich der Lösungsvektor x = 0,2

−0,6

1,0

T

18. Berechnen Sie die Transponierte und Inverse der Matrix A . ⎡

−1 A=⎣ 3 −1 ⎡

−1 Lsg: AT = ⎣ 1 2

⎤ 1 2 −1 1 ⎦ 3 4 ⎤ 3 −1 −1 3 ⎦ 1 4



−0.70 A−1 = ⎣ −1.30 0.80

0.20 −0.20 0.20

⎤ 0.30 0.70 ⎦ −0.20

19. Gegeben sind die Matrizen ⎡

⎤ 4 −1 0 A = ⎣−1 8 −1⎦ 0 −1 4

⎡ ⎤ 0,258 0,033 0,008 B = ⎣0,033 0,133 0,033⎦ 0,008 0,033 0,258

a) Zeigen Sie, dass B die Inverse von A ist. b) Welches Resultat liefert die Matrixmultiplikation B A ? Haben Sie für Ihre Antwort lange Rechenzeit gebraucht? 20. Invertieren Sie folgende Matrizen mit Hilfe der Gauß-Elimination. ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 0,667 0,333 −0,500 1 2 3 a) A = ⎣ 4 5 6 ⎦ Lsg: A−1 = ⎣ −3,333 0,333 1,000 ⎦ 2,333 −0,333 −0,500 2 6 8 ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 0,676 −0,206 0,147 2 1 −1 b) B = ⎣ 1 4 Lsg: B−1 = ⎣ −0,206 0,324 −0,088 ⎦ 1 ⎦ 0,147 −0,088 0,206 −1 1 6

320

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

AB )−1 . 21. Die Matrizen A , B , A −1 , B −1 sind gegeben. Berechnen Sie (A ⎡

⎤ 0,5 0 0 A = ⎣ 0,5 3 −1 ⎦ −0,5 −2 1 ⎡

2 A −1 = ⎣ 0 1

0 1 2

⎤ 0 1 ⎦ 3

AB )−1 = B −1A −1 Lsg: (A



2 B = ⎣ −2 −2

0 3 2

⎤ 0 1 ⎦ 1



⎤ 0,5 0 0 B −1 = ⎣ 0 1 −1 ⎦ 1 −2 3 ⎡ ⎤ 1 0 0 AB )−1 = ⎣ −1 −1 −2 ⎦ ⇒ (A 5 4 7

22. Welchen Wert muss das Matrixelement a haben, damit B = A −1 wird. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 0 1 2 −2 −1 A=⎣ 1 B = ⎣ −5 Lsg: a=1 1 −1 ⎦ 7 3 ⎦ a −2 4 −3 4 2 23. Berechnen Sie die Inverse der angegebenenen Matrizen. Kontrollieren Sie Ihr Ergebnis. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 1 0 0 1 0 a) A = ⎣ 1 0 0 ⎦ Lsg: A −1 = ⎣ 1 0 0 ⎦ 0 0 1 0 0 1 Anmerkung: Es ist rein zufällig, dass A und A −1 identisch sind. ⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ 0 1 0 0 1 0 1 ? ⎣ 1 0 0 ⎦⎣ 1 0 0 ⎦ = ⎣ 0 Kontrolle: AA −1 = I 0 0 1 0 0 1 0 ⎡ ⎡ ⎤ 0,5 0 0 0 2 0 0 0 ⎢ ⎢ 4 1 ⎥ −2 1 0 0 0 0 ⎥ b) B = ⎢ Lsg: B−1 = ⎢ ⎣ 0,5 0 0,5 0 ⎣ −2 0 2 0 ⎦ 1 0 1 1 0 0 −2 1

⎤ 0 0 1 0 ⎦ 0 1 ⎤



⎥ ⎥ ⎦

Tipp: Matrix B liegt in der unteren Dreiecksform vor. Die Lösung des Gleichungssystems BX = I nach X liefert unmittelbar die gesuchte Inverse: X = B −1 . 24. Berechnen Sie die Inverse von A und vereinfachen Sie das Ergebnis soweit wie möglich. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 a 0 1 −a 0 ⎢ a 1 ⎥ 1 0 ⎥ ⎣ −a Lsg: A−1 = A=⎢ 1 0 ⎦ ⎣ 1 − a2 ⎦ 1 − a2 0 0 2(1 + a) 0 0 2(1 + a)

5.15 Aufgaben

321

25. Überprüfen Sie, ob die in Biespiel 5.40 auf Seite 294 ermittelte inverse Matrix A −1 die Beziehung AA −1 = I erfüllt, indem Sie die Matrixmultiplikation AA −1 zahlenmäßig durchführen. 26. Zeigen Sie, dass die angegebenen Matrizen orthogonal sind. ⎡

1 0 a) A = ⎣ 0 cos x 0 sin x √ ⎡ 3 −1 ⎢ 2 2 c) C = ⎢ ⎣ √ 1 3 2 2

⎤ 0 − sin x ⎦ cos x ⎤ ⎥ ⎥ ⎦



cos x b) B = ⎣ − sin x 0 ⎡ √ d) D = ⎣

⎤ 0 0 ⎦ 1

sin x cos x 0

⎤ i ⎦ √ − 2

2

i

27. Ermittteln das Ergebnis folgender Matrix-Ausdrücke. A−1 )−1 e) AA −1A −1 (A −1 −1

BBI B B B ) f) (B

Lsg: I

−1

Lsg: B −1

28. A , B , C sind quadratische Matrizen von gleicher Dimension. A ist zusätzlich orthogonal. Bestimmen Sie das Ergebnis angegebener Matrixoperationen. B−1 )T g) C TCA TAC −1B T (B

Lsg: C T

h) A −1C −1B −1BCAAA T

Lsg: I

29. Lösen Sie folgende Gleichungen zunächst in symbolischer Schreibweise nach A auf. Berechnen Sie anschließend die Matrix A mit den angegebenen Zahlenmatrizen; und überprüfen Sie dann die Richtigkeit Ihrer Berechnung, indem Sie die Zahlenmatrizen in die jeweilige Gleichung einsetzen (das Ergebnis muss immer die Nullmatrix 0 sein). AB −C CB −C C =0 a) A +A Lsg: A = C ! " ! " 2 1 1 3 B= C= −1 5 −2 4

! ⇒ A =C =

1 −2

3 4

"

Einsetzen von A , B , C in die obige Gleichung liefert die Nullmatrix 0 . 

A +A AB )T −II −B BT = 0 b) (A Lsg: A = I ! " ! " 2 1 1 0 B= ⇒ A =I = −1 5 0 1

Einsetzen von A , B in die obige Gleichung liefert die Nullmatrix 0 . 

CT = 0 A−1 )T B −C c) (A

Lsg: A = C −1B T

322

5 Matrizen und lineare Gleichungssysteme

⎡ 3 −7 ⎤ ! " 2 1 1 3 ⎢ 5 10 ⎥ B= C=⎣ ⇒ A = ⎦ −1 5 −2 4 7 1 5 5 Einsetzen von A , B , C in die obige Gleichung liefert die Nullmatrix 0 .  !

"

6

Vektorrechnung

6.1 Einleitung Eine Größe, die durch eine Zahl ausgedrückt werden kann, heißt Skalar. Zahlreiche physikalische Größen sind lediglich durch ihren skalaren Wert definiert, d.h. ihnen ist keine Richtung als zusätzliche Information zugeordnet. Beispielsweise sind Zeit, Masse, Länge, Flächeninhalt, Temperatur, Energie alle eindeutig beschrieben, sofern ihr Zahlenwert bekannt ist - eine Richtungsinformation ist nicht erforderlich. Ein Vektor hingegen besteht aus einer skalaren Größe und einer Richtungsinformation; oder anders ausgedrückt, ein Vektor ist eine gerade Linie mit festgelegter Länge und Richtung (Bild 6.1). Ein Vektor ist erst durch Angabe seiner Länge l und Richtung bzw. durch ihren Anfangspunkt und Endpunkt vollständig definiert. In Bild 6.1 ist a ein Vektor, der sich vom Anfangspunkt P zum Endpunkt Q erstreckt. Anstel−→ le von a kan man diesen Vektor auch durch PQ kennzeichnen, der Pfeil gibt hierbei gleichzeitig die positive Richtung des Vektors an, nämlich vom Startpunkt P zum Endpunkt Q. l

a

Q

PQ

P 3-dimensionaler Raum

Bild 6.1: Vektor a als Liniensegment mit Richtung

Zur Bezeichnung eines Vektors existieren mehrere Möglichkeiten: - Fettbuchstabe, z.B. a , v , x , V , F → → → → → - Buchstabe mit oben stehendem Pfeil, z.B. a , v , x , V , F - Buchstabe mit unterer Tilde, z.B. ∼a, ∼v , ∼x , V∼ , F ∼ Die Länge l eines Vektors a entspricht der Länge des Liniensegments PQ. Anstelle von l kann auch das Betragssymbol |aa| bzw. einfach a verwendet werden. −→ a = |aa| = |PQ| = l

|aa| : Betrag des Vektors a

Vektoren und das mit ihnen verbundene weitreichende Gebiet der Vektoranalysis haben durch die Entwicklung und enorme Verbreitung von numerischen Methoden (Computersoftware) in allen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_6

324

6 Vektorrechnung

Disziplinen des Ingenieurwesens, vom Maschinenbau über Raum-/Luftfahrt, Bauwesen bis hin zur Elektrotechnik und Medizintechnik, enorm an Bedeutung gewonnen. Die heutige Mechanik ist im wesentlichen eine Vektormechanik. In diesem Kapitel betrachten wir nur Vektoren im zwei- bzw. dreidimensionalen Raum (2Dbzw. 3D-Raum). Darüber hinaus kennt Mathematik auch Vektoren im n-dimensionalen Raum; diese kann man sich allerdings nicht mehr räumlich vorstellen, sie sind nur axiomatisch eingeführt und gehorchen exakt definierten Rechenregeln. Beispielsweise sind die n × 1 Spaltenvektoren bzw. die 1 × n Zeilenvektoren des Kapitels 5 zwar räumlich nicht vorstellbar, sind dennoch Vektoren im Sinne des erweiterten Vektorkonzepts. Die Rolle von Vektoren in der Mechanik. Die klassische Newtonsche Mechanik ist eine vektorielle Mechanik, d.h. einwirkende Kräfte auf einen Körper und dessen Bewegungsgrößen (Verschiebung, Geschwindigkeit, Beschleunigung) sind allesamt Vektoren. Man spricht deshalb vom Kraftvektor, Verschiebungsvektor, Geschwindigkeitsvektor usw. Der Vektorrechnung kommt daher in der Mechanik eine bedeutende Rolle zu. Eines der drei Newtonschen Gesetze postuliert, dass zwischen dem einwirkenden Kraftvektor F und und dem resultierenden Beschleunigungsvektor a eines Körpers mit der Masse m (Skalar) folgende Beziehung besteht: F = ma

bzw.

a=

F m

(6.1)

Newtonsches Gesetz

Anmerkung: Das Newtonsche Gesetz kann nicht mit mathematischen Methoden oder mit scharfer Logik alleine hergeleitet werden. Wir können also wissenschaftlich nicht exakt begründen warum die Newtonschen Gesetze gültig sind. Langzeiterfahrung und sorgfältigst durchgeführte Versuche bestätigen aber ihre Gültigkeit. Newtonsche Axiome ermöglichen, dass wir dynamische Vorgänge qualitativ und quantitativ widerspruchsfrei und korrekt beschreiben können.

6.2 Definitionen für Vektoren Nullvektor 0 . Jeder Vektor mit der Länge 0 ist ein Nullvektor. Die Richtung eines Nullvektors kann willkürlich gewählt werden. Gleichheit von Vektoren. Wenn zwei Vektoren a und b die gleiche Länge haben und in die gleiche Richtung zeigen, dann sind sie gleich. Die Gleichheit wird formal durch die Beziehung a = b ausgedrückt. Im nachfolgenden Bild haben die Vektoren a , b , c , d gleiche Länge; a , b , c , f sind zueinander parallel. a

b

a =b

c

a = c

d

a = d

f

a = f

Einheitsvektor e . Ein Vektor mit der Länge 1 ist ein Einheitsvektor. Bei zwei Einheitsvektoren e 1 und e 2 mit gleicher Länge aber unterschiedlicher Richtung handelt es sich um zwei verschiedene Vektoren.

6.2 Definitionen für Vektoren

325

Freier Vektor. Ein freier Vektor darf in jede gewünschte Richtung beliebig parallel verschoben werden. Die Parallelverschiebung wird auch Translation genannt. Während der Translation darf der Vektor sich natürlich nicht in irgendeiner Art drehen. Ein Beispiel für einen freien Vektor ist der momentane Richtungsvektor eines sich im Raum bewegenden Körpers, weil ein solcher Vektor nur die Bewegungsrichtung beschreibt, ansonsten aber keine weitere physikalische Bedeutung (z.B. Kraftvektor) besitzt. freier Vektor a a

a

a b

gleitender Vektor b 3-dimensionaler Raum

freier Vektor und gleitender Vektor

Gleitender Vektor. Ein gleitender Vektor ist eine Unterklasse des freien Vektors, der entlang seiner Wirkungslinie verschoben werden darf, aber ohne Seitwärtsversatz. In der Mechanik starrer Körper dürfen Kraftvektoren entlang ihrer Wirkungslinie beliebig verschoben werden. Auch die sog. Stabstatik im Bauingenieurwesen macht von gleitenden Vektoren intensiven Gebrauch, weil das Gleichgewicht des sog. statisch bestimmten Systems sich nicht ändert, wenn ein Kraftvektor entlang seiner Wirkungslinie verschoben wird. Gebundener Vektor. Ein gebundener Vektor ist im Raum vollkommen fixiert und darf überhaupt nicht verschoben werden - auch nicht längs ihrer Achse. Zwei gebundene Vektoren sind also nur dann gleich, wenn zusätzlich zur Gleichheit ihrer Länge auch die Anfangs- bzw. Endpunkte identisch sind.

P rP

Q rQ

3-dimensionaler Raum

Ortsvektoren sind gebundene Vektoren

Der im obigen Bild eingezeichnete Ortsvektor r P des Punktes P legt die Position von P in Bezug auf den Ursprung des Koordinatensystems fest. Genauso wird mit r Q die Position von Q eindeutig beschrieben. Sie sind gebundene Vektoren, d.h. sie dürfen nicht einmal entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden. Weil die Punkte P und Q unterschiedliche Koordinaten haben, ist r P = r Q .

326

6 Vektorrechnung

Anmerkung: Die Frage, ob ein Vektor als freier oder als gebundener Vektor angesehen werden soll, ist eigentlich keine mathematische Frage im engeren Sinne, sondern hängt von der physikalischen Aufgabenstellung ab. Nachfolgende Beispiele sollen das beleuchten. Beispiel 6.1: Gebundener Vektor. In unten stehenden Bild ist ein waagerecht liegender Stahlbetonbalken abgebildet, der im linken Teilbild durch die von oben angreifende Last F , und im rechten Teilbild durch die von unten angreifende Last G belastet wird. Für die Detailkonstruktion des Balkens ist es von erheblicher Bedeutung, ob die Belastung von F ) oder von unten (G G) eingeleitet wird. Für den Lastfall F dürfte keine lokale oben (F Beschädigung des Balkens zu erwarten sein. Hingegen wird man sich für den Lastfall G konstruktive Detailmaßnahmen überlegen müssen, wie die von unten eingeleitete Last G am Balken sauber und tragfähig befestigt werden kann (z.B. mit Hilfe von Einschweissteilen), weil ansonsten die Gefahr droht, dass die rot gefärbte Zone abplatzt. F R

R

R

R

G F und G beanspruchen die Konstruktion unterschiedlich!

Allgemein können wir feststellen: Der auf einen deformierbaren Körper (elastisches Kontinuum) einwirkende Kraftvektor darf nicht ohne weiteres verschoben werden, weil sonst die Spannungsfeld im Körper sich stark ändern würde.

6.3 Rechtshändiges Kartesisches Koordinatensystem In der Einleitung oben wurden Vektoren eher in begrifflicher Hinsicht eingeführt. Sie sind jedoch erst dann von praktischem Nutzen, wenn sie mathematisch eindeutig dargestellt werden können. Zu diesem Zweck wird ein sog. kartesisches Koordinatensystem1 eingeführt. Dieses Koordinatensystem (KS) besteht aus drei orthogonalen, d.h. zueinander senkrecht stehenden, Achsen x, y und z (Bild 6.2 a). Häufig wird verkürzt auch von einem xyz-Koordinatensystem gesprochen. In diesem System wird ein Punkt P durch Angabe seiner Koordinaten x, y, z entlang dieser drei Achsen eindeutig festgelegt. Man schreibt symbolisch P = (x, y, z). Zwar besteht das kartesische xyz-Koordinatensystem in Bild 6.2 a aus orthogonalen Achsen, jedoch ist dies noch nicht ausreichend, um eine übersichtliche und in sich konsistente Vektorrechnung zu betreiben. Zusätzlich fordern wir daher vom xyz-KS in Bild 6.2 a, dass es ein rechtshändiges kartesisches KS sein muss. Zur Beschreibung des rechtshändigen kartesischen Koordinatensystems bedient man sich zweier anschaulicher Modelle. Rechte-Hand-Regel. Hierzu betrachten wir Bild 6.2 b. Der Daumen der rechten Hand möge in Richtung positiver x-Achse zeigen und der Zeigefinger in Richtung in Richtung positiver y-Achse. Der Daumen und der Zeigefinger liegen dabei in der Ebene der Handfläche. Der Mittelfinger zeigt 1 Die Bezeichnung »kartesisch« geht auf die lateinische Form des Namens von R. Descartes (1596–1650), Cartesius, zurück.

6.4 Komponentenschreibweise für Vektoren

327

y P

z

z

y

y

x

x

x

z z

y

x

a: Kartesisches KS

b: Rechte-Hand-Regel und Schraubenregel

Bild 6.2: Kartesisches KS und Rechte-Hand-Regel/Schraubenregel

in Richtung in Richtung positiver z-Achse. Schraubenregel. Die Schraubenregel ist eine andere sehr anschauliche Möglichkeit, ein rechtshändiges Koordinatensystem zu beschreiben (Bild 6.2 b): Man dreht eine Schraube mit rechtsgängigem Gewinde gedanklich in der selben Drehrichtung wie der Drehsinn von der x-Achse zur y-Achse. Die Schraube bewegt sich dann in Richtung positiver x-Achse.

6.4 Komponentenschreibweise für Vektoren Das nachfolgende Bild zeigt einen Vektor a im 3D-Raum. Der Startpunkt bzw. der Endpunkt des Vektors haben die Koordinaten P = (xP ; yP ; zP ) bzw. Q = (xQ ; yQ ; zQ ). Die zur x-Achse parallele Komponente des Vektors a wird mit ax , die zur y-Achse parallele Komponente mit ay und die zur z-Achse parallele Komponente mit az bezeichnet. In Matrixschreibweise lässt sich der Vektor a wie folgt angeben: ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ xQ − xP ax a = ⎣ay ⎦ = ⎣yQ − yP ⎦ az zQ − zP

(6.2)

y

Q

a

P

ay az

ax x

z Komponenten eines 3D-Vektors

328

6 Vektorrechnung

Vektor in der xy-Ebene. Alle Beziehungen für 3D-Vektoren gelten sinngemäß auch für Vektoren in der xy-Ebene, wenn die z-Komponente gleich Null gesetzt wird, d.h. az = 0: a=

! " ! " ax x − xP = Q ay yQ − yP

Anmerkungen: 1. Es ist nicht zwingend, einen Vektor unbedingt als Spaltenvektor anzugeben. Man kann auch einen Zeilenvektor verwenden. Prinzipiell spielt es keine Rolle, ob die Vektorkomponenten in Spalten- oder Zeilenform angegeben sind. Der obige 3D-Vektor a kann daher auch als Zeilenvektor definiert werden:     a = ax ay az = (xQ − xP ) (yQ − yP ) (zQ − zP ) 2. Nach den Regeln der Matrixrechnung wäre eine solche »großzügige« Betrachtungsweise an sich nicht möglich gewesen. Die Vektorrechnung erlaubt dies, weil Vektorprodukte (Skalarprodukt, Kreuzprodukt usw.) nach eigenen Regeln definiert werden. Eine strenge Orientierung nach der Regeln der Matrixrechnung ist deshalb nicht zwingend. Beispiel 6.2: Gegeben sind im 3D-Raum die beiden Punkte P = (4; −3; −2) und Q = (6; 2; 1). Gesucht ist der Vektor a vom Punkt P zum Punkt Q in Matrixschreibweise. ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ xQ − x P 6−4 ax 2 a = ⎣ay ⎦ = ⎣yQ − yP ⎦ = ⎣2 − (−3)⎦ = ⎣5⎦ az zQ − zP 1 − (−2) 3

Gleichheit von zwei Vektoren Zwei Vektoren a und b sind gleich, wenn alle ihre Komponenten gleich sind: ⎡ ⎤ ax a = ⎣ay ⎦ az

⎡ ⎤ bx b = ⎣by ⎦ bz

a =b



ax = bx

ay = by

az = bz

6.4.1 Länge eines Vektors Die Länge a eines Vektors a (auch Betrag |aa| des Vektors genannt) im 3D-Raum lässt sich mit Hilfe von Pythagoras-Satz berechnen, s. Seite 327: a = |aa| =

 a2x + a2y + a2z

Länge des Vektors a

(6.3)

6.4 Komponentenschreibweise für Vektoren

329

Falls der Vektor in der xy-Ebene liegt (im 2D-Raum ist az = 0), ergibt sich die Länge zu: a = |aa| =

 a2x + a2y

Länge des Vektors a in der xy-Ebene

(6.4)

Beispiel 6.3: Ein Vektor a verläuft vom Startpunkt P = (−1; 1; 4) zum Endpunkt Q = (1; 5; 3). Gesucht ist der Vektor in Matrixschreibweise und seine Länge a. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ax x2 − x1 1 − (−1) 2 a = ⎣ay ⎦ = ⎣y2 − y1 ⎦ = ⎣ 5 − 1 ⎦ = ⎣ 4 ⎦ az z2 − z1 3−4 −1 a=



a2x + a2y + a2z =

 (2)2 + (4)2 + (−1)2 = 4,58

Beispiel 6.4: Von einem in der xy-Ebene liegenden Vektor a sei seine Länge a und der Winkel α zwischen der x-Achse und a bekannt: a = 3, α = 30◦ . Gesucht ist die Matrixschreibweise von a . Die Komponenten des Vektors a ergeben sich aus elementarer Trigonometrie: ax = a · cos 30 = 2,6

y

ay = a · sin 30 = 1,5 ! " ! " ax 2,6 ⇒ a= = ay 1,5

a ay ◦

α = 30

ax

x

Ortsvektor Ein Punkt P kann symbolisch sowohl in der Standardnotation P = (x, y, z) definiert werden als auch durch die Angabe seines Ortsvektors. Der Ortsvektor r P eines Punktes P erstreckt sich vom Koordinatenursprung O zu P. In Komponentenschreibweise lassen sich die Ortsvektoren der Punkte P und Q in Bild unten durch folgende Ortsvektoren definieren: y

⎡ ⎤ xP r P = ⎣yP ⎦ zP

⎤ xQ r Q = ⎣y Q ⎦ zQ

P



rP

z

Q rQ

O

Ortsvektoren der Punkte P und Q

x

330

6 Vektorrechnung

6.5 Linearkombination von Vektoren Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar (Pfeildarstellung) Verschiedene Beispiele für die Skalar-Vektor-Multiplikation sind im nachstehenden Bild gezeigt. Die Multiplikation eines Vektors a mit dem Skalar c liefert eien neuen Vektor caa; der ursprüngliche Vektor a wird dabei mit dem Faktor c skaliert. Der Vektor a dehnt sich, wenn c > 1 ist; für c < 1 wird er gestaucht.

2a

a

-a

a/2

Multiplikation des Vektors a mit einem Skalar

Das Vorzeichen von c bestimmt die Richtung des neuen Vektors. Für c > 0 wird die alte Richtung beibehalten, für c < 0 kehrt sich die Richtung um. Für c = −1 ändert sich die Länge von a zwar nicht, der neue Vektor zeigt aber genau in die entgegengesetzte Richtung (Richtungsumkehr). Durch Multiplikation eines gebundenen Vektors (z.B. des Ortsvektors r mit Anfangspunkt P, Endpunkt Q und der Länge l ) mit dem Skalar c entsteht ein neuer Vektor crr , der den gleichen Anfangspunkt P wie der Vektor r aber einen anderen Endpunkt Q besitzt, weil seine Länge sich auf den Wert cl geändert hat. Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar (Komponentendarstellung) Die Multiplikation eines Vektors a in der Definition von (6.2) auf Seite 327 mit einem Skalar c liefert einen neuen Vektor b : ⎡ ⎤ ax a = ⎣ay ⎦ az

b = caa

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ bx ax c ax ⎣by ⎦ = c ⎣ay ⎦ = ⎣c ay ⎦ bz az c az

(6.5)

Die Länge von b ergibt sich wie folgt: |bb| =

 √  c2 (a2x + a2y + a2z ) = c2 a2x + a2y + a2z



|bb| = |c| |aa|

Beispiel 6.5: Der Vektor a des Beispiels 6.3 wird mit c = 2 multipliziert. Gesucht ist die Länge des neuen Vektors b = 2aa.  √ |aa| = 22 + 42 + (−1)2 = 21 = 4,58 |bb| = 2 |aa| = 2 · 4,58 = 9,16 Oder alternativ: ⎡

⎤ ⎡ ⎤ 2·2 4 b = 2a = ⎣ 2 · 4 ⎦ = ⎣ 8 ⎦ 2 · (−1) −2

|bb| =

 42 + 82 + (−2)2 = 9,16

6.5 Linearkombination von Vektoren

331

Addition und Subtraktion von Vektoren (Pfeildarstellung) Addition. Die Addition von zwei Vektoren a und b liefert als Ergebnis einen neuen Vektor c = a + b , der dem Diagonalen des von den Vektoren a und b aufgespannt Parallelogramms entspricht, s. Bild 6.3 a. Anschaulicher als die Parallelogrammkonstruktion ist das sequentielle Aneinanderfügen der zu addierenden Vektoren. Für die Addition a +bb wird hierbei der Anfangspunkt des Vektors b auf den Endpunkt des Vektors a gesetzt (Teilbild in der Mitte). Der sich nun vom freien Startpunkt zum freien Endpunkt erstreckende Vektor ist der resultierende Vektor c . Absolut gleichwertig zu dieser Addition ist die im rechten Teilbild dargestellte Addition, wo die Reihenfolge von a und b vertauscht werden. Die Reihenfolge der Addition spielt keine Rolle. a +bb = b +aa Die Addition von mehr als zwei Vektoren geschieht nachdem oben geschilderten Prinzip: Alle Vektoren werden in frei wählbarer Reihenfolge konsekutiv hintereinander geschaltet. Bild 6.3 b zeigt exemplarisch die Addition von drei Vektoren. Auch hier spielt die Reihenfolge der Addition keine Rolle: a +bb +cc = b +cc +aa = c +aa +bb Subtraktion. Die Subtraktion von zwei Vektoren kann als eine Addition mit Richtungsumkehr aufgefasst werden. Beispielsweise lässt sich die Subtraktion a − b als Addition des Vektors a mit dem Vektor −bb interpretieren: a −bb = a + (−bb) Auch bei der Subtraktion spielt die Reihenfolge keine Rolle. Bild 6.4 zeigt einige Subtraktionsbeispiele. Die Regeln der Vektoraddition und -subtraktion sind in Tabelle 6.1 zusammengestellt.

c a+b

b

c a+b

=

b

b

=

a c b+a

a

a

a: Addition von zwei Vektoren a

= b

=+a+b

=

a+b+= c

b

b+=+a

c =

a

b: Addition von drei Vektoren Bild 6.3: Beispiele für Vektoraddition

a

b

332

6 Vektorrechnung

b -a

a -b

a-b

-a -b

b

b-a

-a-b

a: Subtraktion von zwei Vektoren a b

c

-c

a-c-b

-a

-b

a

-a

-c b

b-c-a

c

-b c-a-b

b: Subtraktion von drei Vektoren Bild 6.4: Beispiele für Vektorsubtraktion Tabelle 6.1: Regeln für die Linearkombination von Vektoren

a +00 (−1) · a a + (−aa) a +bb a −bb (aa +bb) +cc (c1 + c2 ) a c (aa + bb) c1 (c2 a )

= = = = = = = = =

a −aa 0 b +aa a + (−bb) a + (bb +cc) c1 a + c2 a ca +cb (c1 · c2 ) a

Komponentendarstellung der Addition und Subtraktion von Vektoren Zwei Vektoren werden addiert bzw. subtrahiert, indem ihre Komponenten algebraisch addiert bzw. subtrahiert werden. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ bx ax b = ⎣ by ⎦ a + b = c =? a − b = d =? a = ⎣ay ⎦ az bz c =a+b

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ cx ax + bx ⎣cy ⎦ = ⎣ay + by ⎦ cz az + bz

d =a−b

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ dx ax − bx ⎣dy ⎦ = ⎣ay − by ⎦ dz az − bz

(6.6)

6.6 Vektordarstellung mit Basisvektoren

333

Beispiel 6.6:

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 4 2 −2 a = ⎣0⎦ b = ⎣5⎦ c = ⎣−5⎦ 1 3 −3 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ −4 28 6 2 −aa = ⎣ 0 ⎦ 7aa = ⎣ 0 ⎦ a +bb = ⎣5⎦ a −bb = ⎣−5⎦ −1 7 4 −2 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 2 4 2(aa −bb) = 2 ⎣−5⎦ = ⎣−10⎦ b +cc = ⎣0⎦ = 0 −2

0 a = b = c

b = −cc

c = −bb

−4

b +cc = 0

Beliebige Linearkombination von Vektoren Mehrere Vektoren a 1 , a 2 , a 3 , · · · , a n werden bei einer Linearkombination zunächst mittels ihnen zugeordneter Skalierungsfaktoren ci gedehnt bzw. gestaucht und anschließend addiert. Diese Operation liefert als Ergebnis einen resultierenden Vektor. b = c1 a1 + c2 a2 + · · · + cn an Beispiel 6.7: ⎡

⎤ 1 a1 = ⎣ 2 ⎦ 3



⎤ −1 a2 = ⎣ 2 ⎦ 4

(6.7) ⎡

⎤ 5 a 3 = ⎣ −1 ⎦ c1 = 2 c2 = −3 c3 = 4 −2 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 · 1 − 3 · (−1) + 4 · 5 25 b = c1a 1 + c2a 2 + c3a 3 = 2aa1 − 3aa2 + 4aa3 = ⎣2 · 2 − 3 · 2 + 4 · (−1)⎦ = ⎣ −6 ⎦ 2 · 3 − 3 · 4 + 4 · (−2) −14

6.6 Vektordarstellung mit Basisvektoren Die in diesem Abschnitt vorgestellte Darstellungsart eines Vektors mit Hilfe der Basisvektoren im kartesischen 3D-Koordinatensystem erweist sich bei der Behandlung mechanischer Aufgaben als sehr vorteilhaft, weil sie es möglich macht, mit den Vektorkomponenten so umzugehen als wären sie gewöhnliche algebraische Symbole. Basisvektoren i , j , k . Im rechtshändigen kartesischen xyz-Koordinatensystem in Bild 6.5 werden drei orthogonale, d.h. zueinander senkrecht stehende, Basisvektoren i , j , k definiert. Der Basisvektor i liegt auf der x-Achse und zeigt in positive x-Richtung, j und k liegen jeweils auf der y- bzw. z-Achse und zeigen in deren positive Richtungen.

334

6 Vektorrechnung y

a ay

j i

k z

x

az

ax

Bild 6.5: Darstellung mit Basisvektoren: a = ax i + ay j + az k

In Matrixschreibweise lauten die Basisvektoren: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 0 Spaltenform: i = ⎣ 0 ⎦ j =⎣ 1 ⎦ 0 Zeilenform: i =



1



⎤ 0 k=⎣ 0 ⎦ 1

0 0

0



j=



0 1

0



k=

(6.8a) 

0

0

1



(6.8b)

Die Länge der Einheitsvektoren lassen sich mit dem Satz von Pythagoras berechnen:    |ii| = 12 + 02 + 02 = 1 | j | = 02 + 12 + 02 = 1 |kk | = 02 + 02 + 12 = 1 Jeder Basisvektor ist also ein Einheitsvektor mit der Länge 1: |ii| = | j | = |kk | = 1 Vektordarstellung mit den Basisvektoren i , j , k . Ein Vektor a kann als Linearkombination von Basisvektoren wie folgt dargestellt werden: a = ax i + ay j + az k

Vektordarstellung mit Basisvektoren

Beispiel 6.8: Gegeben sind zwei Vektoren in Matrixschreibweise: ⎡

⎤ 4 a=⎣ 0 ⎦ 1



⎤ 2 b=⎣ 5 ⎦ −3

Die Darstellung dieser Vektoren mit Basisvektoren i , j , k lautet: a = 4 i + 0 j + 1 k = 4 i +kk

b = 2i+5 j −3k

Beispiele für Linearkombinationen von a und b : −a = −(4 i +kk ) = −4 i −kk

(6.9)

6.7 Skalarprodukt von Vektoren

335

7a = 7 · (4 i +kk ) = 28 i + 7kk a +bb = (4 i +kk ) + (2 i + 5 j − 3 k )  

a

b

= (4 + 2) i + (0 + 5) j + (1 − 3) k = 6 i + 5 j − 2 k 2(aa −bb) = 2[(4 i +kk ) − (2 i + 5 j − 3 k )] = 2(2ii − 5 j + 4kk ) = 4 i − 10 j + 8 k Wie aus obigen Kombinationen schon zu erkennen, dürfen nur kompatible Terme miteinander addiert werden, d.h. ein i -Term nur mit einem anderen i -Term usw.

6.7 Skalarprodukt von Vektoren Einführung Das Skalarprodukts von Vektoren ist physikalisch begründet. Die mechanische Arbeit einer Kraft ist definiert als Arbeit = Kraft · Weg. Hierbei wurde stillschweigend vorausgesetzt, dass die Kraft und die Wegstrecke parallel zueinander sind. Die nächste naheliegende Frage lautet: Wie wird die mechanische Arbeit berechnet, wenn die Kraft und die Wegstrecke nicht zueinander parallel gerichtet sind? Im Bild unten stellt F den auf einen Körper einwirkenden Kraftvektor, H bzw. V sind seine Horizontal- bzw. Vertikalkomponenten. Der Verschiebungsvektor des Körpers ist s . Die V -Komponente der Kraft leistet auf dem Wege s keine Arbeit, weil sie senkrecht zur Wegstrecke orientiert ist. Die von der Horizontalkraft H entlang des Weges s geleistete mechanische Arbeit W beträgt nach der obigen Definition der Arbeit: W = Hs = F α s  cos

H |, mit H = |H

s = |ss|,

F| F = |F

(a)

=H

V

F

F

a m

H

m

s

Die Kraft F leistet mechanische Arbeit entlang der Wegstrecke s.

H, F, s sind skalare Größen und entsprechen jeweils dem Betrag der Vektoren H , F und s . Für den Ausdruck Fs cos α wird jetzt eine neue mathematische Operation definiert: def

Fs cos α = F · s

(b)

Bei der Definition (b) ist zu beachten, dass F und s durch das Punktzeichen » · « miteinander gekoppelt sind. Ohne » · « würde der Ausdruck F s keinen Sinn ergeben, weil man zwei Vektoren nicht einfach so miteinander multiplizieren kann, als ob sie Skalare wären. Das Zeichen » · « bringt also zum Ausdruck, dass es sich hier um eine besondere Multiplikation handelt - sie wird

336

6 Vektorrechnung

ac os a

y y

b

b

a

a

by

a

b

osa bc

a q

bx

ax

x

a: Projektive Darstellung

ay

x

b: Komponentendarstellung

Bild 6.6: Skalarprodukt der Vektoren a und b in der xy-Ebene

als Skalarprodukt von zwei Vektoren genannt. Aus (b) erhält man unter Beachtung von (a): F | |ss| cos α F · s = |F

Arbeit als Skalarprodukt von F und s

(6.10)

6.7.1 Skalarprodukt in geometrischer Darstellug Das in (6.10) definierte Skalarprodukt basiert auf dem Konzept der mechanischen Arbeit, ist aber auf zwei beliebige Vektoren a und b im 3D-Raum ebenfalls anwendbar. Aus Gründen einer anschaulichen Betrachtung beschränken wir uns jedoch zunächst auf die zweidimensionale xyEbene, s. Bild 6.6. Ausgehend von (6.10) definieren wir sinngemäß: a · b = |aa| |bb| cos α

Skalarprodukt von a und b

(6.11)

Der Winkel α ist der kleinere Winkel zwischen den Vektoren a und b (Bild 6.6 a). Anstelle der Symbole |aa| bzw. |bb| für die Vektorlängen ist es auch möglich, die einfachen Skalarsymbole a und b zu verwenden, d.h. es bedeuten a = |aa| bzw. b = |bb|. Das Skalarprodukt ist die Multiplikation der projizierten Vektorlängen. Der Ausdruck |aa| cos α auf der rechten Seite von (6.11) entspricht der Projektion des Vektors a auf dem Vektor b , s. Bild 6.6 a. Genauso gut könnte man natürlich auch den Ausdruck |bb| cos α wählen, der nichts anderes ist als die Projektion des Vektors b auf dem Vektor a . Deshalb kann das Skalarprodukt auch interpretiert werden als die Multiplikation der Längen von zwei Vektoren, nachdem der eine auf den anderen projiziert worden ist. Den von den Vektoren a und b eingeschlossenen Winkel α erhält man aus obiger Gleichung: cos α =

a ·b |aa| |bb|

bzw.

α = arccos

a ·b |aa| |bb|

In Tabelle 6.2 sind einige Rechenregeln für das Skalarprodukt angegeben.

(6.12)

6.7 Skalarprodukt von Vektoren Tabelle 6.2: Regeln für das Skalarprodukt a ·b a · (bb +cc) (aa +bb) · c (k a ) · b a (k ) · (bb +cc) (k1 a + k2 b ) · c (aa +bb) · (cc +dd ) (aa +bb +cc) · (dd +ee + f )

b ·a (Kommutativität) a · b +aa · c (Distributivität) a · c +bb · c k(aa · b ) k(aa · b) + k(aa · c) (k1 a ) · c + (k2 b ) · c = k1 (aa · c ) + k2 (bb · c ) a · c +aa · d +bb · c +bb · d a · d +aa · e +aa · f +bb · d +bb · e +bb · f +cc · d +cc · e +cc · f

= = = = = = = =

Beispiel 6.9: Gesucht ist das Skalarprodukt der Basisvektoren i, j , k gemäß Seite 333. i · i = |ii| |ii| cos 0◦ = 1 · 1 · 1 = 1 j · j = | j | | j | cos 0◦ = 1 · 1 · 1 = 1 k · k = |kk | |kk | cos 0◦ = 1 · 1 · 1 = 1 i · j = |ii| | j | cos 90◦ = 1 · 1 · 0 = 0 i · k = |ii| |kk | cos 90◦ = 1 · 1 · 0 = 0 j · k = | j | |kk | cos 90◦ = 1 · 1 · 0 = 0 (−ii) · i = | −ii| |ii| cos 180◦ = 1 · 1 · (−1) = −1 (− j ) · (− j ) = | − j | | − j | cos 0◦ = 1 · 1 · 1 = 1 Beispiel 6.10: Gesucht ist das Skalarprodukt der Vektoren a und b des Beispiels 6.11, die jetzt mit Hilfe von Basisvektoren ausgedrückt werden. a = i + 2 j + 5kk

b = 3ii − 2 j +kk

Das Skalarprodukt a · b wird gebildet, indem die beiden Vektoren gliedweise miteinander skalar-multipliziert werden (s. auch Beispiel 6.9): a · b = (ii + 2 j + 5kk ) · (3ii − 2 j +kk ) = 3  i · i −2 i · j +  i · k +6 j · i −4 j · j +2 j · k     =1

=0

=0

=0

+ 15  k · i −10 k · j +5  k ·k  =0

= 3−4+5 = 4

=0

=1

=1

=0

337

338

6 Vektorrechnung b

a

a

a

a

a

b

b

a b: a · b = 0

a: a · b > 0

c: a · b < 0

Bild 6.7: Vorzeichen des Skalarprodukts

Vorzeichen des Skalarprodukts. Das Vorzeichen des Skalarprodukts hängt von der relativen Orientierung der Vektoren a und b zueinander ab (s. Bild 6.7): ⎧ ⎪ ⎪ ⎨> 0, wenn die Projektion von a auf b in die gleiche Richtung wie b zeigt a · b = 0, wenn b senkrecht auf a steht (aa ⊥ b ) ⎪ ⎪ ⎩< 0, wenn die Projektion von a auf b in die entgegengesetzte Richtung von b zeigt

6.7.2 Skalarprodukt in Komponentendarstellug In der Praxis werden Vektoren meistens in der Komponentendarstellung angegeben, s. (6.2) auf Seite 327. Nachfolgend wollen wir untersuchen, wie das Skalarprodukt in diesem Fall berechnet werden kann. Skalarprodukt im 2D-Raum. In Bild 6.6 b sind zwei Vektoren a und b in der xy-Ebene dargestellt, die miteinander den Winkel α einschließen. Der Vektor a besitzt die Länge a und schließt mit der x-Achse den Winkel γ ein, der Vektor b besitzt besitzt die Länge b und schließt den Winkel β ein. Mit den Angaben in Bild 6.6 b lassen sich folgende elementare Beziehungen anschreiben: α = β −θ

sin β =

by b

cos β =

bx b

sin θ =

ay a

cos θ =

ax a

(6.13)

Mit Hilfe des Additionstheorems für die Kosinusfunktion (s. Nr. 25 auf Seite 874) lässt sich aus (6.13) der nachfolgende Ausdruck herleiten: cos α = cos(β − θ ) = cos β cos θ + sin β sin θ = ⇒

ax bx + ay by bx ax by ay + = b a b a ab

ab cos α = ax bx + ay by

(a)

Der Vergleich der linken Seite von (a) mit (6.11) liefert das Skalarprodukt in Komponentendarstellung: a · b = ax bx + ay by

Skalarprodukt in der xy-Ebene

(6.14)

6.7 Skalarprodukt von Vektoren

339

Skalarprodukt im 3D-Raum. Mit ähnlichen Überlegungen wie im 2-dimensionalen Fall erreicht man die Erweiterung des Skalarprodukts von Vektoren im 3D-Raum: a · b = ax bx + ay by + az bz

Skalarprodukt im xyz-Raum

(6.15)

Schreibweise für das Skalarprodukt ohne den Skalarpunkt Das Skalarprodukt a · b von zwei Vektoren a und b wird durch die Angabe eines Punktes » · « kenntlich gemacht. Deshalb darf man die korrespondierenden Komponenten von a und b miteinander multiplizieren, ungeachtet ob die Vektoren in Spalten- oder Zeilenform vorliegen. Nach den Regeln der Matrixrechnung darf aber eine Multiplikation nur dann durchgeführt werden, wenn die Dimensionen von a und b kompatibel sind, s. (5.6) auf Seite 262. Nehmen wir an, die Vektoren a und b liegen beide in Spaltenform vor. Das Skalarprodukt könnte dann auch ohne Angabe des Skalarpunktes » · « formuliert werden, wenn die Multiplikation auf nachfolgende Art durchgeführt wird: a · b = a Tb =

a · b = b Ta =





ax

bx

ay

by

az

bz







⎤ bx ⎣ by ⎦ = ax bx + ay by + az bz bz ⎡

⎤ ax ⎣ ay ⎦ = ax bx + ay by + az bz az

In der Schreibweise ohne den Punkt » · « ist die Reihenfolge der multiplizierten Vektoren und ihrer Transponierten wichtig. Wenn man anstelle von a T b (oder b T a ) den Ausdruck a b T (oder b a T ) verwenden würde, wäre das Ergebnis kein Skalar, sondern eine 3 × 3 Matrix! Beispiel 6.11:



⎤ 1 Gesucht ist der Winkel zwischen den Vektoren a = ⎣ 2 ⎦ 5 a · b = 1 · 3 + 2 · (−2) + 5 · 1 = 4  √ |bb| = 32 + (−2)2 + 12 = 14

|aa| =



⎤ 3 und b = ⎣ −2 ⎦ 1

 √ 12 + 22 + 52 = 30

cos α = √

4 √ = 0,1952 30 14

⇒ α = 78,7◦

Länge eines Vektors als Skalarprodukt Die Länge des Vektors a lässt sich aus (6.3) auf Seite 328 berechnen. Auf einfache Weise lässt sich eine alternative Beziehung ebenfalls herleiten. Wir bilden nach (6.11) auf Seite 336 das Skalarprodukt des Vektors a mit sich selbst: 2 a · a = |aa||aa| cos  0 = |aa| =1

340

6 Vektorrechnung

Die Quadratwurzel beider Seiten leiefert die gesuchte Beziehung: |aa| =

√ a ·a

Länge des Vektors a als Skalarprodukt

(6.16)

6.8 Kreuzprodukt Rechte-Hand-Regel, Schraubenregel. Wie in Abschnitt 6.6 auf Seite 333 ausgeführt, bilden die Basisvektoren i , j , k ein rechtshändiges kartesisches Koordinatensystem im 3D-Raum. Aber auch für andere Vektordreibeine existieren Regeln, die beim Konzept des Kreuzprodukts von Bedeutung sind. Rechte-Hand-Regel. Hierzu betrachten wir Bild 6.8 a. Das Kreuzprodukt a × b im 3D-Raum liefert den Vektor c, dessen Orientierung im 3D-Raum sich anschaulich folgendermaßen einstellt: Der Daumen der rechten Hand möge in Richtung des Vektors a zeigen und der Zeigefinger in Richtung des Vektors b (hierbei brauchen a und b nicht unbedingt orthogonal zueinander sein). Der Daumen und der Zeigefinger liegen dabei in der Ebene der Handfläche. Das Kreuzprodukt a ×bb = c zeigt dann in Richtung des Mittelfingers. Schraubenregel. Die Schraubenregel ist eine andere sehr anschauliche Möglichkeit, die positive Richtung des Kreuzprodukts a × b = c festzulegen (Bild 6.8 b): Man dreht die rechtsgängige Schraube gedanklich in der selben Drehrichtung wie der Drehsinn vom Vektor a zum Vektor b auf dem kürzestmöglichen Winkel. Dabei bewegt sich die Schraube in positiver Richtung von c. 6.8.1 Allgemeine Definition des Kreuzprodukts Das Kreuzprodukt wird auch Vektorprodukt genannt. Den Ausgangspunkt bilden zwei vorgegebene Vektoren a und b , s. Bilder 6.9 und 6.10. Es wird ein dritter Vektor c mit folgenden Eigenschaften definiert und Kreuzprodukt der Vektoren a und b genannt: 1. Der Vektor c steht senkrecht zu der von a und b aufgespannten Ebene. 2. Die positive Richtung von c entspricht der Rechte-Hand-Regel bzw. Schraubenregel. 3. |cc| ist gleich dem Flächeninhalt des von a und b gebildeten Parallelogramms. c

c b

b

a

a

a: Rechte-Hand-Regel

b: Schraubenregel

Bild 6.8: Positive Richtung des Kreuzprodukts a ×bb = c im rechtshändigen KS

6.8 Kreuzprodukt

341

Kreuzprodukt der Basisvektoren i , j , k . Die in Bild 6.5 auf Seite 334 definierten Basisvektoren erfüllen alle drei oben genannten Eigenschaften eines Kreuzprodukts: 1. k steht senkrecht zu der von i und j aufgespannten Ebene. 2. Die positive Richtung von k entspricht der Rechte-Hand-Regel bzw. Schraubenregel. 3. Die Länge der Basisvektoren sind gleich Eins: |ii| = | j | = |kk | = 1 4. Das von i und j aufgespannte Parallelogramm hat den Flächeninhalt gleich Eins. 5. Folglich ist |kk | gleich dem Flächeninhalt des von i und j gebildeten Parallelogramms. Für die Basisvektoren i , j , k gelten unter Berücksichtigung der Schraubenregel die nachfolgenden Kreuzprodukte. i) i × j = k l) i ×kk = − j

j) j ×kk = i m) k × j = −ii

k) k ×ii = j n) j ×ii = −kk

o) i ×ii = 0

p) j × j = 0

q) k ×kk = 0

(6.17)

6.8.2 Kreuzprodukt im 3D-Raum Für das Kreuzprodukt von zwei räumlichen Vektoren a und b (Bild 6.9), lässt sich unter Beachtung der Ausführungen in Abschnitt 6.8.1 eine Formel wie folgt hergeleitet werden. Die Vektoren a und b werden entsprechend (6.9) auf Seite 334 in der Darstellungsweise mit den Basisvektoren ausgedrückt: a = ax i + ay j + az k

b = bx i + by j + bz k

Daraus lässt sich das Kreuzprodukt c wie folgt ermitteln: a ×bb = c = (ax i + ay j + az k ) × (bx i + by j + bz k ) = ax bx (ii ×ii) +ax by (ii × j ) +ax bz (ii ×kk )    =00

=− j

=kk

+ ay bx ( j ×ii) +ay by ( j × j ) +ay bz ( j ×kk )    −kk

=00

=ii

+ az bx (kk ×ii) +az by (kk × j ) +az bz (kk ×kk )    =j

=−ii

=00

= (ay bz − az by ) i + (az bx − ax bz ) j + (ax by − ay bx ) k 





  cx

cy

cz

a ×bb = c = (ay bz − az by ) i + (az bx − ax bz ) j + (ax by − ay bx ) k

(6.18)

342

6 Vektorrechnung

c=a x b

y

y

b

b

a

a

j

j

i

i

x

k

a

z

k z

x

a c=b x a

b: c = b ×aa

a: c = a ×bb Bild 6.9: Kreuzprodukt im 3D-Raum

Eine alternative Herleitungsmöglichkeit von (6.18) wird in Beispiel 6.50 auf Seite 382 demonstriert. Wie in Bild 6.9 dargestellt, ist das Kreuzprodukt c der Vektoren a und b ein Vektor, der senkrecht auf der von a und b aufgespannten Ebene steht (in Beispiel 6.51 auf Seite 383 ist ausführlich gezeigt, warum dies so ist). Die positive Richtung von c hängt davon ab, in welcher Reihenfolge das Kreuzprodukt gebildet wird. Bild 6.9 a zeigt das Kreuzprodukt c = a ×bb, wo der Vektor a auf dem kürzesten Winkel in Richtung des Vektors b gedreht wird: c zeigt und die Schraube bewegt sich in Richtung positiver y-Achse. Dagegen wird in Bild 6.9 b der Vektor b in Richtung des Vektors a gedreht, die Schraube bewegt sich und das Kreuzprodukt c = b × a zeigt in Richtung negativer y-Achse. Es gilt also: a ×bb = −bb ×aa

Drehrichtung bestimmt das Vorzeichen des Kreuzprodukts

(6.19)

Berechnung des Kreuzprodukts mit Hilfe der Determinante Die Formel (6.18) ist nicht leicht zu merken und nicht übersichtlich. Es ist möglich, das Kreuzprodukt in Form eines Determinantenausdrucks übersichtlicher auszudrücken. Wir betrachten dazu zunächst die nachfolgende Determinante (s. auch (5.19b) auf Seite 279):    i j k    ax ay az  = (ay bz − az by ) i + (az bx − ax bz ) j + (ax by − ay bx ) k (a)    b b b  x y z Der Vergleich von (a) mit (6.18) liefert unmittelbar die Determinantenformel für das Kreuzprodukt:   i  a ×bb = c =  ax  b x

j ay by

k az bz

     

bzw.

  i  a ×bb = c =  j  k

ax ay az

bx by bz

     

(6.20)

6.8 Kreuzprodukt

343

Die Komponenten von c entsprechen also folgenden 2-reihigen Determinanten:        ay a z   ax az   ax ay        cx =  cz =  cy = −  by bz  bx bz  bx by  Betrag (Länge) des Kreuzprodukts. Der Betrag (die Länge) des Kreuzprodukts a ×bb = c kann aus folgenden Beziehungen berechnet werden: |aa ×bb| = |cc| =

 c2x + c2y + c2z

|aa ×bb| = |cc| =

 (aa · a )(bb · b ) − (aa · b )2

Betrag von a ×bb

Betrag von a ×bb

(6.21a)

(6.21b)

Für eine ausführliche Herleitung der Beziehungen (6.21a) und (6.21b) s. auch die Beispiele 6.53 auf Seite 384 und 6.54 auf Seite 385. In Tabelle 6.3 sind die wichtigsten Regeln für das Kreuzprodukt zusammengestellt. Tabelle 6.3: Regeln für das Kreuzprodukt von Vektoren 3. a ×00 4. a ×aa a b 5. b ⇔ a ×bb 6. a ×bb 7. a × (bb +cc) 8. (aa +bb) ×cc 9. k(aa ×bb) 10. a · (aa ×bb) 11. a · (bb ×cc) a 12. × (bb ×cc) 13. a × (bb ×cc) 14. (aa ×bb) · (cc ×dd ) 15. (aa ×bb) × (cc ×dd )

= = = = = = = = = =  = = =

0 0 0 −(bb ×aa) (aa ×bb) + (aa ×cc) (aa ×cc) + (bb ×cc) (kaa) ×bb = a × (kbb) 0 b · (cc ×aa) = c · (aa ×bb) s.(6.32) auf Seite 355 (aa · c) b − (aa · b) c s. Beispiel 6.55 auf Seite 385 (aa ×bb) ×cc (von Sonderfällen abgesehen) (aa · c ) (bb · d ) − (aa · d ) (bb · c ) (aa · (bb ×dd )) c − (aa · (bb ×cc)) d für (aa b d ) vgl. Abschnitt 6.10

6.8.3 Kreuzprodukt in der xy-Ebene Das Kreuzprodukt in der xy-Ebene des Bilds 6.10 lässt sich am einfachsten aus der Beziehung (6.18) für den 3-dimensionalen Fall herleiten. Weil die Vektoren a und b in der xy-Ebene liegen, setzen wir az = bz = 0 in (6.18) ein: c = (ay · 0 − 0 · by ) i + (0 · bx − ax · 0) j + (ax by − ay bx ) k = (ax by − ay bx ) k 





  cx =0

cy =0

cz

344

6 Vektorrechnung y

b

b sina

a

a

j i k

x

c

z

Bild 6.10: Kreuzprodukt in der xy-Ebene

a ×bb = c = (ax by − ay bx ) k

Kreuzprodukt in der xy-Ebene

(6.22)

Vektor c hat also nur die k -Komponente. Weil der Basisvektor k senkrecht zu xy-Ebene steht, folgt daraus, dass c auf dem von a und b aufgespannten Parallelogramm senkrecht steht. Kreuzprodukt c steht senkrecht auf dem von a und b aufgespannten Parallelogramm In der Schreibweise mit Determinante ergibt sich das Kreuzprodukt in der xy-Ebene aus (6.20) durch Einsetzen von az = bz = 0:   i  a ×bb = c =  ax  b x

j ay by

k 0 0

     

bzw.

  i  a ×bb = c =  j  k

ax ay 0

bx by 0

     

(6.23)

Beispiel 6.12: Für die nachfolgend gegebenen Vektoren a und b sind die Kreuzprodukte a × b und b ×aa sowie ihre Beträge zu berechnen. ⎡

⎤ ⎡ 4 a=⎣ 0 ⎦ b=⎣ −1     i j k   i  a) a ×bb =  ax ay az  =  4  b b b   −2 x y z

⎤ −2 1 ⎦ 3

 j k  0 −1  1 3 



⎤ 1 = i (0 + 1) + j (2 − 12) +kk (4 + 0) = i − 10 j + 4 k = ⎣−10⎦ 4  |aa ×bb| = 12 + (−10)2 + 42 = 10,82

6.8 Kreuzprodukt

  i  b) b ×aa =  bx  a x

j by ay

k bz az

    i j    =  −2 1     4 0

k 3 −1

345

      ⎡

⎤ −1 = i (−1 + 0) + j (12 − 2) +kk (0 − 4) = −ii + 10 j − 4 k = ⎣ 10 ⎦ −4

 |aa ×bb| = (−1)2 + 102 + (−4)2 = 10,82

Aus den Ergebnissen sieht man, dass die Beziehung a × b = −bb × a gemäß (6.19) erfüllt ist. Beispiel 6.13: Die Orthogonalität von c zu a und b lässt sich für die xy-Ebene wie folgt demonstrieren. Gegeben sind die Vektoren a und b sowie c aus (6.22): a = ax i + ay j + 0 · k

b = bx i + by j + 0 · k

c = 0 · i + 0 · j + (ax by − ay bx ) k

Wenn c orthogonal zu a und b steht, müssen die Skalarprodukte c · a und c · b gleich Null sein, s. Bild 6.7 b auf Seite 338: d.h. ∠(cc, a ) = 90◦ d.h. ∠(cc, b ) = 90◦

c · a = ax · 0 + ay · 0 + 0 · (ax by − ay bx ) = 0, c · b = bx · 0 + by · 0 + 0 · (ax by − ay bx ) = 0,

⇒ c ⊥a ⇒ c ⊥b

6.8.4 Geometrische Bedeutung des Kreuzprodukts c Aus Gründen der Einfachheit betrachten wir die in Bild 6.6 b auf Seite 336 dargestellten Vektoren a und b in der 2-dimensionalen xy-Ebene. Mit Hilfe der Beziehungen (6.13) auf Seite 338 und des Additionstheorems für die Sinusfunktion (s. Nr. 24 auf Seite 874) lässt sich folgender Ausdruck herleiten: sin α = sin(β − θ ) = sin β cos θ − cos β sin θ = ⇒

ax by − ay bx by ax bx ay − = b a b a ab

a b sin α = ax by − ay bx

Die Absolutwerte der Terme links und rechts von (a) |aa| |bb| sin α = |ax by − ay bx |

(a) sind:2 (b)

Der Ausdruck |aa| |bb| sin α auf der linken Seite von (b) ist gleich dem Flächeninhalt A des von 2 In (b) ist der Absolutwert für sin α nicht zwingend notwendig, weil α ja definitionsgemäß den kleineren Winkel zwischen a und b bedeutet und damit höchstens 180◦ betragen kann, d.h. immer sin α ≥ 0 gilt.

346

6 Vektorrechnung

den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms in Bild 6.10: A = |aa| |bb| sin α Der Ausdruck |ax by − ay bx | auf der rechten Seite von (b) ist gleich dem Betrag des Kreuzprodukts c , wie die nachfolgende Beziehung für |cc| gemäss (6.22) zeigt: c = (ax by − ay bx ) k



|cc| = |ax by − ay bx | · |kk | = |ax by − ay bx |

Es ergibt sich also: |cc| = |aa ×bb| = |aa| |bb| | sin α

(6.24)

Der Betrag (Länge) |cc| des Kreuzprodukts c ist also gleich dem Flächeninhalt A des von Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms: Betrag des Kreuzprodukts = Flächeninhalt des aufgespannten Parallelogramms Diese Aussage gilt auch für das Kreuzprodukt im 3D-Raum. Beispiel 6.14: Flächeninhalt eines Parallelogramm. Gesucht ist der Flächeninhalt A des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms im 3D-Raum.



⎤ 5 a = ⎣ −9 ⎦ 12



⎤ 2 b=⎣ 3 ⎦ 4

a

b c

a) Berechnung nach Gl. (6.20) bzw. (6.18)     i j k   i  c = a ×bb =  ax ay az  =  5  b b b   2 x y z

j −9 3

k 12 4

     

= i (−36 − 36) + j (24 − 20) +kk (15 + 18) = −72 i + 4 j + 33 k |cc| =

 (−72)2 + 42 + 332 = 79,30

6.8 Kreuzprodukt

b) Berechnung nach Gl. (6.24)  √ |aa| = 52 + (−9)2 + 122 = 250

|bb| =

 √ 22 + 32 + 42 = 29

Der Winkel α zwischen a und b ergibt sich aus dem Skalarprodukt: a · b = 5 · 2 + (−9) · 3 + 12 · 4 = 31 cos α = ⇒

31 a ·b √ = 0,3641 =√ |aa| |bb| 250 · 29

α = arccos 0,3641 = 68,65◦



sin α = 0,9314

Der Flächeninhalt A ergibt sich damit zu: √ √ A = |aa ×bb| = |aa| |bb| sin α = 250 29 (0,9314) = 79,30 c) Berechnung nach Gl. (6.21b) a · a = 5 · 5 + (−9) · (−9) + 12 · 12 = 250

b · b = 2 · 2 + 3 · 3 + 4 · 4 = 29

a · b = 5 · 2 + (−9) · 3 + 12 · 4 = 31   A = |aa ×bb| = (aa · a )(bb · b ) − (aa · b )2 = 250 · 29 − 312 = 79,30 Beispiel 6.15: Flächeninhalt eines Polygons. Es soll der Flächeninhalt des Polygons bestimmt werden, deren Kanten durch die Punkte 1, 2, 3, · · · , n − 1, n definiert sind. Das Polygon darf im 3D-Raum beliebig orientiert sein, darf aber keine Verwindung haben, d.h. es muss eine ebene Fläche bilden. Das xy-Koordinatensystem mit dem Ursprung O liegt in dieser räumlichen Ebene. 3 (x3, y3)

A1

j

O

2 (x2, y2)

b

y

a i

1 (x1, y1)

x n (xn, yn)

n-1 (xn-1, yn-1)

Die Vektoren a und b des Dreiecks (1) lauten in Basisvektoren: a = x1 i + y1 j

b = x2 i + y2 j

347

348

6 Vektorrechnung

Die Fläche A1 des markierten Dreiecks O12 erhalten wir aus (6.23) auf Seite 344:    i j k  1  1 A1 = |aa ×bb| =  x1 y1 0  2 2 x2 y2 0  Die Summe der Flächen aller Dreiecke liefert die gesuchte Gesamtfläche A:        i  i  i j k  j k  j k  n    1 1 1 A = ∑ Ai =  x1 y1 0  +  x2 y2 0  + · · · +  xn yn 0  2 2 2  x y 0   x y 0   x y 0  i=1 2 2 3 3 1 1 In kompakter Form erhalten wir die Formel für den Flächeninhalt der Polygonfläche:    i j k  1 n 1 n  A = ∑  xi yi 0  = ∑ (xi yi+1 − yi xi+1 ) 2 i=1  2 i=1 xi+1 yi+1 0  mit xn+1 = x1

yn+1 = y1

6.9 Technische Anwendungsbeispiele für das Kreuzprodukt 6.9.1 Moment einer Kraft Bild 6.11 zeigt einen Kraftvektor F , der in der Blattebene liegt und im Punkt A angreift (der Betrag von F , d.h. die Kraftintensität, ist F). Das von der Kraft F im Punkt P erzeugte Moment M ist nach Gesetzen der Statik ⇒

Moment = Kraft × Hebelarm

M = F · d = F · L sin α

Wenn der Kraftvektor F nicht in der Blattebene liegt, sondern im 3D-Raum in eine beliebige Richtung zeigt, ist die Ermittlung des Hebelarms d aufwändiger. In solchen Fällen, insbesondere in Computersoftware, bietet sich die Berechnung des Moments mit Hilfe des Kreuzproduktes an. Der von einem im 3D-Raum liegenden Kraftvektor F in Bezug auf einen beliebigen Punkt F L

P

r A

a

F

d

d

a: Hebelarmvektor r

r

L

P

r'

u

A

a

A'

b: Hebelarmvektor r 

Bild 6.11: Moment der Kraft F um den Punkt P

6.9 Technische Anwendungsbeispiele für das Kreuzprodukt

349

− → P erzeugte Momentenvektor M entspricht dem Kreuzprodukt des Hebelarmvektors r = PA mit dem Kraftvektor F : F M = r ×F

(6.25)

Moment als Kreuzprodukt

Der Hebelarmvektor r erstreckt sich vom Punkt P zum Punkt A und hat die Länge L. Der Betrag M | des Momentenvektors M entspricht dem gesuchten Moment M der Kraft F in Bezug auf den |M Punkt P. Aus (6.25) und (6.24) auf Seite 346 erhält man: F | sin α = F L sin M | = |rr ×F F | = |rr | |F M = |M α = F d   L

F

d

In der Determinantenschreibweise des Kreuzprodukts nach (6.20) auf Seite 342 lautet M :  ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤   i j k  rx Fx Mx  mit r = ⎣ry ⎦ und F = ⎣Fy ⎦ (6.26) M = ⎣My ⎦ =  rx ry rz   F F F  Mz rz Fz x y z Für die Definition des Hebelarmvektors r kann anstelle des Punkts A auch jeder andere beliebige Punkt, der auf der Wirkungslinie von F liegt, gewählt werden, s. Beispiel 6.16. Beispiel 6.16: In (6.25) war r als der Hebelarmvektor von P zum Kraftangriffspunkt A definiert worden. Hier soll untersucht werden, ob auch ein anderer Hebelarmvektor, wie z.B. der Vektor r  in Bild 6.11 b, ebenfalls verwendet werden kann. Der von F im Punkt P verursachte Momentenvektor M ist gemäß (6.25): M = r × F . Dem Bild 6.11 b lässt sich entnehmen, dass r = r  +uu gilt. Daraus folgt: F = (rr  +uu) ×F F = r  ×F F +uu ×F F = r  ×F F M = r ×F 

(a)

=00

In (a) wurde von der Tatsache Gebrauch gemacht, dass u und F auf der selben Linie F = 0 gilt. liegen, d.h. parallel zueinander sind, und daher u ×F Mit dem Ergebnis (a) ist bewiesen, dass anstelle von r jeder andere Vektor r  , der vom Punkt P zu einem beliebigen Punkt A auf der Wirkungslinie der Kraft F zeigt, auch verwendet werden kann. Beispiel 6.17: Das in Bild 6.11 skizzierte System sei in der xy-Ebene eines rechtshändigen kartesischen xyz-KS gegeben. Mit Hilfe des Kreuzproduktes soll das Moment im Punkt P für folgende Zahlenwerte berechnet werden. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ Fx 86,6 F = ⎣Fy ⎦ = ⎣50,0⎦ N Fz 0

A = (4,5; 0; 0) m P = (2; 0; 0) m

350

6 Vektorrechnung

Der Streckenvektor r ergibt sich gemäß (6.2) aus den Punktkoordinaten: y

⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ xA − xP 4,5 − 2 2,5 r = ⎣yA − yP ⎦ = ⎣ 0 − 0 ⎦ = ⎣ 0 ⎦ zA − zP 0−0 0

Fy

j i z

F

P

k

r

A

Fx

x

M

Der Momentenvektor M und sein Betrag M ergeben sich aus (6.25):    i j k   F =  2,5 0 0  = i (0 − 0) + j (0 − 0) +kk (2,5 · 50 − 0 · 86,6) M = r ×F  86,6 50 0   M | = 02 + 02 + 1252 = 125 Nm = 125 k ⇒ M = |M

6.9.2 Bahngeschwindigkeit einer rotierenden Scheibe Das Bild 6.12 zeigt eine Kreisscheibe, die sich in ihrem Mittelpunkt um eine zur Scheibenebene senkrechte Achse im 3D-Raum mit der Winkelgeschwindigkeit ω dreht. Der Vektor Winkelgeω |. Mit r wird der Streckenvektor von schwindigkeit sei mit ω bezeichnet, es gilt also ω = |ω einem beliebigen Punkt A auf der Linie des Rotationsvektors ω zum Punkt P bezeichnet. Der Geschwindigkeitsvektor v des Punkts P ist tangential zum Scheibenrand, d.h. er steht senkrecht auf der von den Vektoren ω und r aufgespannten Ebene; ferner liegt v in der Ebene der Kreisscheibe. Gesucht ist der Bahngeschwindigkeitsvektor v des Punktes P. y

w M

d P

j k

a

v

r x

A i

z Bild 6.12: Rotierende Scheibe um eine räumliche Achse

Bereits aus der Schulphysik ist gut bekannt, dass die Bahngeschwindigkeit eines um eine Drehachse rotierenden Punktes P gleich ist dem Produkt der Winkelgeschwindigkeit ω und des Abstands zwischen dem Punkt P und der Drehachse: v = ω ·d

mit

v = |vv|,

ω |, ω = |ω

d = |rr | sin α

(a)

6.9 Technische Anwendungsbeispiele für das Kreuzprodukt

351

Unter Berücksichtigung von (6.24) auf Seite 346 erhalten wir aus (a): ω | |rr | sin α = |ω ω ×rr | |vv| = |ω

⇒ v = ω ×rr

Der tangentiale Geschwindigkeitsvektor v eines beliebigen Punktes P auf der Scheibe entspricht also dem Kreuzprodukt von ω und r : v = ω ×rr

(6.27)

Tangentialer Geschwindigkeitsvektor

ω benützen? Frage: Was würde passieren, wenn wir anstatt v = ω ×rr den Ausdruck v = r ×ω Beispiel 6.18: Rotierender Körper. Gesucht ist die Bahngeschwindigkeit v des Punktes P = (20; 50; 20) cm in einem Körper, der mit der Winkelgeschwindigkeit ω = 31,42 rad/s um die y-Achse rotiert.

y

M

w d P

j

z

k

v

r x

A i

Der Rotationsgeschwindigkeitsvektor und der Ortsvektor lauten: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 ωx ω = ⎣ωy ⎦ = ⎣31,42⎦ ωz 0

⎡ ⎤ 20 r = ⎣50⎦ 20

Der Geschwindigkeitsvektor v des Punkts P ergibt sich nach (6.27) und (6.20):    i j k   v = ω ×rr =  0 31,42 0  = 628,4 i + 0 j − 628,4 k = 628,4 i − 628,4 k  20 50 20  Die Bahngeschwindigkeit v entspricht dem Betrag von v :  v = |vv| = 628,42 + (−628,4)2 = 888,7 cm/ sec ≡ 8,887 m/ sec

352

6 Vektorrechnung

6.9.3 Radialbeschleunigung einer rotierenden Scheibe Wir betrachten die rotierende Kreisscheibe in Bild 6.13. Die Scheibe möge sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω drehen. Gesucht ist der Beschleunigungsvektor a von P. Wegen besse-

y

y

w

r k

P* P

v

a: Geschwindigkeitsvektor v

a

j

x

i

z

M

v*

M

j

w

k

z

v

i

x

b: Beschleunigungsvektor a

ω | =const. Bild 6.13: Rotierende Kreisscheibe mit |ω

rer Übersichtlichkeit legen wir den Vektor r in die Drehscheibenebene. Vektor r ist der Ortsvektor des Punkts P in Bezug auf den Scheibenmittelpunkt M und dreht sich mit dem Punkt P.3 Der Drehvorgang selbst ist durch den Winkelgeschwindigkeitsvektor ω mathematisch vollständig beschrieben. Zum Zeitpunkt t befinde sich Punkt P in der eingezeichneten Position; zum Zeitpunkt t + dt nimmt er die Position P∗ ein. Hierbei bedeutet dt den infinitesimalen Zeitzuwachs. Der Geschwindigkeitsvektor v (nicht zu verwechseln mit dem Betrag v der tangentialen Geschwindigkeit, der sich wegen ω =const. nicht ändert) geht dabei in v ∗ über. Vektor v hat also zwar nicht seine Länge, dennoch aber seine Richtung geändert. Der Geschwindigkeitsvektor v eines sich im Raum bewegenden Punkts P ergibt sich aus der folgenden allgemein gültigen differentiellen Beziehung: v=

drr = r˙ dt

Der Beschleunigungsvektor a entspricht der zeitlichen Ableitung des Geschwindigkeitsvektors v , es gilt also a = dvv/dt. Somit erhalten wir unter Anwendung der Produktregel für Differentiaω | =const.) sowie der tion (vgl. (3.10) auf Seite 88) und Berücksichtigung von ω˙ = 0 (wegen |ω Beziehung (6.27):     ω ω ×rr ) dω drr dvv d(ω = = ×rr + ω × a= dt dt dt dt ω ×  ω ×rr ) r˙ ) = ω ×vv = ω × (ω = ( ω˙ ×rr ) + (ω =00

=vv

ω × r ) in der letzten Beziehung machen wir Für die weitere Bearbeitung des Ausdrucks ω × (ω 3 Weil der Punkt M sich auf der Drehachse befindet, bleibt er im Raum fixiert, d.h. er bewegt sich nicht.

6.10 Spatprodukt

353

Gebrauch von der Regel 12 in Tabelle (6.3) auf Seite 343 a × (bb ×cc) = (aa · c ) b − (aa · b ) c und erhalten folgndes Ergebnis für den Beschleunigungsvektor a : ω ×rr ) = (ω ω · r ) ω − (ω ω · ω ) r = −ω 2r a = ω × (ω   =0

a = −ω 2r

(6.28)

ω2

Im vorliegenden Fall ist ω ⊥ r , d.h. orthogonal, so dass ω · r = 0 gilt. Das negative Vorzeichen im Ergebnis deutet darauf hin, dass der Beschleunigungsvektor a entgegengesetzt zum Ortsvektor r gerichtet ist, also vom Punkt P aus in Richtung Mittelpunkt M zeigt. Der Betrag des Beschleunigungsvektors a ist |aa| = | − ω 2r | = | − ω 2 | · |rr | = ω 2 r, also identisch mit der aus Schulphysik bekannten Formel für die Zentripetalbeschleunigung eines sich auf kreisförmiger Bahn mit konstanter Geschwindigkeit bewegenden Punktes.

6.10 Spatprodukt Das Spatprodukt (Englisch: scalar triple product) stellt eigentlich keine eigenständige Produktgattung dar, es ist nur eine spezielle Produktkombination von drei Vektoren a , b , c und wird (unter sinngemäßer Einhaltung der Rechte-Hand-Regel) wie folgt definiert: (cc a b ) = c · (aa ×bb)

Spatprodukt

Bevor wir die mathematischen Eigenschaften des Spatproduktes erörtern, ist es nützlich, seine geometrische Deutung gemäß Bild 6.14 kennenzulernen. Der von den drei Vektoren a ,bb,cc gebildete schiefe Quader wird als Spat bezeichnet (auch Parallelepiped genannt). Die Anwendung von (6.11) auf Seite 336 für Skalarprodukt auf den Ausdruck c · (aa ×bb) liefert: c · (aa ×bb) = |cc| |aa ×bb| cos γ = |aa ×bb| |cc| cos γ   A



c · (aa ×bb) = A · h = V

(6.29)

h

Das Spatprodukt ist also gleich der Multiplikation der Grundfläche A des Spats mit seiner Höhe h, d.h. gleich seinem Volumen V . axb

c

g

h

b

A a

Bild 6.14: Spatprodukt entspricht dem Volumen des Spats

354

6 Vektorrechnung

Anmerkung: In der Literatur wird für Spatrodukt c · (aa ×bb) anstelle der Abkürzung (cc a b ) auch der Ausdruck [cc a b] verwendet. Berechnung des Spatprodukts aus den Vektorkomponenten. Das Spatprodukt läßt sich mit Hilfe von (6.20) auf Seite 342 auch direkt aus den Vektorkomponenten berechnen. Mit den Vektoren a = axi + ay j + azk

b = bxi + by j + bzk

c = cxi + cy j + czk

läßt sich a ×bb folgendermaßen als Determinante schreiben:    i j k   a ×bb =  ax ay az   b b b  x y z

(a)

Das Spatprodukt c · (aa × b ) und damit das Volumen V des Spats erhält man, wenn in der ersten Zeile der obigen Determinante die Komponenten des Vektors c eingesetzt werden:   cx  V = (cc a b ) = c · (aa ×bb) =  ax  b x

cy ay by

cz az bz

     

(6.30)

Für die Überprüfung der Richtigkeit von (6.30) berechnen wir zunächst die Determinante in Gl. (a), das Ergebnis wird dann mit dem Vektor c skalarmultipliziert: a ×bb = (ay bz − az by )ii + (az bx − ax bz ) j + (ax by − ay bx )kk c · (aa ×bb) = [(ay bz − az by )ii + (az bx − ax bz ) j + (ax by − ay bx )kk ] · (cxi + cy j + czk ) = cx (ay bz − az by ) + cy (az bx − ax bz ) + cz (ax by − ay bx )

(b)

Nun wird die Determinante in (6.30) berechnet: |cc · (aa ×bb)| = cx (ay bz − az by ) + cy (az bx − ax bz ) + cz (ax by − ay bx ) Die Ergebnisse in (b) und (c) sind identisch, wie es auch sein muss.

Beispiel 6.19: Was passiert, wenn wir in Bild 6.10 als Grundfläche des Spats nicht die von a und b aufgespannte Ebene, sondern die von b und c aufgespannte Ebene zugrunde legen? Gilt die Formel (6.30) immer noch, oder erhalten wir ein anderes Volumen? Es leuchtet unmittelbar intuitiv ein, dass das Volumen V ja unabhängig davon sein muss, wie der Spat auf dem Tisch aufgestellt wird. In Analogie zu (6.30) können wir

(c)

6.10 Spatprodukt

schreiben:   ax  (aa b c ) = a · (bb ×cc) =  bx  c x

ay by cy

az bz cz

     

(6.31)

Nach der Regel 5.7.4 auf Seite 281 ändert sich das Vorzeichen einer Determinante, wenn zwei Zeilen miteinander vertauscht werden. Wenn wir nun in dieser Determinante zunächst die 1. Zeile mit der 3. Zeile vertauschen, und dann die 2. Zeile mit der neuen 3. Zeile, entsteht eine zweimalige Vertauschung, d.h. das Vorzeichen ändert sich zweimal, bleibt also letztendlich unverändert. Das Ergebis ist wie folgt:          cx cy cz   cx cy cz   cx cy cz   ax ay az           bx by bz  = −  bx by bz  = −(−)  ax ay az  =  ax ay az           a a a   b b b   b b b   c c c  x y z x y z x y z x y z Es gilt also a · (bb ×cc) = c · (aa ×bb), d.h. das Volumen V des Spats hat sich nicht ändert, obwohl im Spatprodukt die Reihenfolge der Vektoren geändert wurde. Würden wir als dritte Variante die Grundfläche c × a wählen, würde sich diese Aussage erneut bestätigen lassen. Es gelten offensichtlich folgende Beziehungen: a · (bb ×cc) = b · (cc ×aa) = c · (aa ×bb)

(6.32)

Anmerkung: Eine leichte Merkregel für diese Beziehungen lautet, dass wir a , b und c zyklisch vertauschen dürfen. 4 Beispiel 6.20: Es ist das Volumen V des abgebildeten Spats zu berechnen. ⎡

⎤ 4 a=⎣ 0 ⎦ 0



⎤ 0 b=⎣ 3 ⎦ 0



⎤ 1 c=⎣ 1 ⎦ 2

c

b a

Das Volumen ergibt sich mit Hilfe von (6.30) zu:      cx cy cz   1 1 2      V =  ax ay az  =  4 0 0   b b b   0 3 0  x y z = 1 · (0 − 0) + 1 · (0 − 0) + 2 · (12 − 0) = 24

4 Zyklische Vertauschung kann man sich wie das Verschieben der Perlen einer geschlossenen Kette vorstellen.

355

356

6 Vektorrechnung

6.11 Lineare Abhängigkeit von Vektoren Die lineare Abhängigkeit von Vektoren kann analog zu den Ausführungen in Abschnitt 5.8 auf Seite 287 behandelt werden. Die Vektoren a1 , a2 , · · · an heißen linear abhängig, wenn irgend ein beliebiger Vektor a i unter ihnen aus den restlichen (n − 1) Vektoren durch eine beliebige Linearkombination mit den skalaren Koeffizienten ci zusammengesetzt werden kann: a i = ∑nk=1 ck a k = c1 a 1 + c2 a 2 + · · · + ci−1 a i−1 + ci+1 a i+1 + · · · + cn a n k=i

(6.33)

Falls kein einziger von n Vektoren durch eine Linearkombination aus den übrigen zusammengesetzt werden kann, heißen die Vektoren a1 , a2 , · · · an linear unabhängig. Eine andere Definition der linearen Unabhängigkeit lautet: Die Vektoren a1 , a2 , · · · an heißen dann, und nur dann, linear unabhängig, wenn zur Erfüllung der Gleichung c1 a1 + c2 a2 + · · · + cn an = 0

(6.34)

alle Koeffizienten c1 , c2 , . . . , cn zwangsläufig gleich Null sein müssen. Wird dagegen diese Gleichung erfüllt, obwohl nicht alle Koeffizienten ci Null sind, werden die Vektoren a1 , a2 , · · · an als linear abhängig bezeichnet. Aus dieser Definition folgt, dass wenn in der Menge der Vektoren a1 , a2 , · · · an der Nullvektor 0 enthalten ist, diese Vektoren zwangsläufig linear abhängig sein müssen. Man sieht das deutlich an folgender Linearkombination: c1 a1 + c2 a2 + · · · + ci 0 + · · · + cn an = 0

(a)

Damit die Gleichung (a) erfüllt ist, müssen alle Koeffizienten (mit Ausnahme von ci ) gleich Null sein. Für ci = k = 0 wäre aber die Gleichung immer noch erfüllt, weil ci mit dem Nullvektor 0 multipliziert wird: 0 · a1 + 0 · a2 + · · · + k 0 + · · · + 0 · an = 0 Die Vektormenge a1 , a2 , · · · , 0 · · · , an ist also linear abhängig, weil (a) erfüllt ist, obwohl nicht alle Koeffizienten gleich Null sind. Lineare Abhängigkeit von zwei Vektoren. Zwei Vektoren a und b sind linear abhängig, wenn ihr Kreuzprodukt der Nullvektor 0 ist: a ×bb = 0



a und b linear abhängig

(6.35)

Aus dieser Definition folgt, dass zwei parallele Vektoren stets linear abhängig sind, weil ihr Kreuzprodukt wegen α = 0◦ gleich Null ist.

6.11 Lineare Abhängigkeit von Vektoren

357

Beispiel 6.21: Es ist zu bestimmen, ob die folgenden zwei Vektoren a und b linear abhängig sind. ⎡

⎤ 2 a=⎣ 3 ⎦ 4



⎤ 4 b=⎣ 6 ⎦ 8

Zwei Vektoren sind nur dann linear abhängig, wenn ihr Kreuzprodukt den Nullvektor 0 liefert. Das Kreuzprodukt von a und b lautet:      i j k   i j k   a ×bb =  ax ay az  =  2 3 4   b b b   4 6 8  x y z = (24 − 24) i + (16 − 16) j + (12 − 12) k = 0 ⇒ a und b sind linear abhängig. Lineare Abhängigkeit von Vektoren im 2D-Raum Drei Vektoren in einer Ebene sind immer dann linear abhängig, wenn sie alle drei durch den selben Punkt gehen, weil sich einer von ihnen stets als Linearkombination der zwei anderen Vektoren ausdrücken lässt:

c1 a1

a1

a2

c1>1 c3 27 N/mm2 . Für die gesamte Stichprobe ergeben sich die in folgender Tabelle zusammen gestellten Summenhäufigkeiten: xi 25,0 H(xi ) 0,05

25,5 0,15

26,0 0,35

26,5 0,70

27,0 0,85

27,5 0,95

28,0 1,00

(9.5)

9.1 Deskriptive Statistik

449

9.1.2 Statistische Maßzahlen Maßzahlen einer Datenreihe dienen dazu, eine umfangreiche Datensammlung mit Hilfe von wenigen Kenngrößen in extrem kompakter Form statistisch zu beschreiben. Sie sind wertvolle Kennwerte einer Stichprobe, die verhindern, dass man »vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht«.

9.1.2.1 Mittelwert und Modalwert Mittelwert Der Mittelwert x¯ einer Stichprobe (Datenreihe) x1 , x2 , · · · , xn vom Umfang n ist das arithmetische Mittel der Stichprobenwerte: x¯ =

1 n x1 + x2 + · · · + xn = ∑ xi n n i=1

Mittelwert x¯ einer Stichprobe

(9.6)

Der Mittelwert gibt die durchschnittliche Größe der Stichprobenwerte an. Er ist ein sog. Lagemaß, weil durch den Mittelwert die Positionierung der Stichprobe auf der Zahlengeraden angegeben wird. Der Stichprobenmittelwert x¯ ist eine -in vielen Fällen sehr gute- Näherung für den Mittelwert μ der Grundgesamtheit: Näherungsformel für den Mittelwert μ der Grundgesamtheit

μ ≈ x¯

(9.7)

Berechnung des Mittelwertes mit Hilfe der Häufigkeitsfunktion Falls die relative Häufigkeit h(x) einer Stichprobe bekannt ist, kann die Berechnung des Mittelwertes auch in anderer Weise geschehen. Der Ausgangspunkt ist (9.1) auf Seite 447: h(xi ) =

ni n



ni = h(xi ) n

(9.8)

Wir betrachten eine Stichprobe vom Umfang n mit k verschiedenen Werten (k ≤ n). Die Formel zur Berechnung des Mittelwertes lässt sich nun durch Transformation von (9.6) unter Beachtung von (9.8) auch in folgende Form bringen: x¯ =

1 n

n

1

k

k

i=1

i=1

∑ xi = n ∑ xi ni = ∑ xi

i=1

k k ni h(xi ) n = ∑ xi = ∑ xi h(xi ) n i=1 n i=1

k

x¯ = ∑ xi h(xi )

Mittelwertberechnung aus der Häufigkeitsfunktion

(9.9)

i=1

Modalwert Unter Modalwert xmod wird der am häufigsten vorkommende Wert der Stichprobe verstanden. Für die Stichprobe der Tabelle 9.2 beträgt der Modalwert xmod = 26,5 (kommt 7-mal vor).

450

9 Stochastik

9.1.2.2 Median (Zentralwert) In der Originalform einer Stichprobe sind die Werte nicht geordnet, ihre Platzierung folgt einfach der Versuchsreihenfolge. Ordnet man die Stichprobenwerte x1 , x2 , · · · , xn der Größe nach neu, entsteht daraus die neue Datenreihe x(1) , x(2) , · · · , x(n) (geordnete Stichprobe), für welche strikt die Relation x(i) ≤ x(i+1) gilt. Wenn der Stichprobenumfang n eine ungerade Zahl ist, steht ein Stichprobenwert genau an der mittleren Position dieser neuen Datenreihe. Diesen Wert bezeichnet man als Median (auch Zentralwert genannt). Die links vom Median x˜ liegende Hälfte der Stichprobe ist also kleiner als x, ˜ und die rechts davon liegende Hälfte größer als x. ˜ Falls n eine gerade Zahl ist, wird der Median üblicherweise definiert als arithmetisches Mittel der beiden am weitesten in der Mitte liegenden Stichprobenwerte. Der Median x˜ ist, wie der Mittelwert, ein Lagemaß und definiert durch die Formel ⎧ ⎪ ⎨x( n+1 ) falls n ungerade 2  x˜ = 1  ⎪ ⎩ falls n gerade x( n2 ) + x( n2 +1) 2

Median (Zentralwert)

(9.10)

Anmerkung: Von den drei Lagemaßen Mittelwert, Modalwert und Median wird der Mittelwert in der Praxis am häufigsten verwendet. Sein Nachteil besteht darin, dass er empfindlich gegenüber Ausreißern in der Stichprobe ist. Ein Ausreißer ist ein von den übrigen Werten stark abweichender Wert und ensteht meistens durch Meßfehler. Der Modalwert wird von Ausreißern überhaupt nicht und der Median nur geringfügig beeinflußt (s. auch Aufgabe 2 auf Seite 484).

9.1.2.3 Quantil und Perzentil Wie oben erläutert, unterteilt der Median eine Stichprobe wertmäßig in zwei Hälften. Mit Hilfe des Quantils kann diese Unterteilung noch feiner differenziert werden. Für eine geordnete Stichprobe vom Umfang n kennzeichnet das p-Quantil einen Wert q p aus der Stichprobe, der diese in zwei Teile unterteilt; ein Teil enthält die n · p Werte, die kleiner oder gleich q p sind; der andere Teil enthält die übrigen n · (1 − p) Werte, die größer als q p sind. Der Quantilparameter p ist eine reelle Zahl zwischen 0 und 1. Das p-Quantil teilt die Stichprobe also im Verhältnis p : (1 − p) auf. Ist z.B. n = 100 und p = 0,25, entspricht das 0,25-Quantil q0,25 demjenigen Zahlenwert, der die Stichprobe derart in zwei Teile unterteilt, dass 25 Werte kleiner oder gleich dem Wert q0,25 und die restlichen 75 Werte größer als q0,25 sind. Das Quantil einer geordneten Stichprobe ist definiert durch:

qp =

⎧ ⎨x(np)

falls np ganzzahlig

⎩x

sonst

(np+0,5)

(np + 0,5 auf ganze Zahl runden)

Quantil

(9.11)

Das p-Quantil und das (p · 100)-Perzentil drücken die gleiche statistische Größe aus, d.h. beim 0,3-Quantil und 30-Perzentil handelt es sich um die selbe Größe. Das Quantil q0,5 entspricht dem Median x, ˜ weil q0,5 die Stichprobe in zwei gleiche Teile unterteilt.

9.1 Deskriptive Statistik

451

9.1.2.4 Varianz und Standardabweichung Die Lagemaße einer Stichprobe, also der Mittelwert und Medianwert, haben insofern eine begrenzte Aussagekraft als sie keinerlei Informationen darüber preisgeben, ob die Stichprobenwerte sich voneinander wenig oder viel unterscheiden. Beispielsweise haben folgende zwei Stichproben zwar den selben Mittelwert x¯ = 4; die Werte der zweiten Reihe liegen aber viel weiter auseinander als diejenigen der ersten Reihe. Reihe

x1

x2

x3

x4

x5



1

3,8

3,9

4,0

4,1

4,2

4

2

2

3

4

5

6

4

Man erkennt sofort, dass die erste Stichprobe statistisch zuverlässiger ist, weil sie weniger schwankt, während bei der zweiten Reihe starke Ausschläge um den Mittelwert auftreten. Es wird also eine weitere Maßzahl benötigt, die dieser Besonderheit der Stichprobe Rechnung trägt. Die benötigte Maßzahl wird Streuungsmaß genannt, weil sie die Streuung der Stichprobenwerte um den Mittelwert quantitativ beschreibt. Das in der Praxis am häufigsten verwendete Streuungsmaß4 ist die (empirische) Varianz s2 , welche durch folgende Formel definiert ist:5 s2 =

n 1 ¯2 ∑ (xi − x) n − 1 i=1

(9.12)

(Empirische) Varianz einer Stichprobe

¯ in der Formel (9.12) hat weniger mit exakter Herleitung Das Quadrieren der Differenzen (xi − x) der Formel zu tun als vielmehr mit pragmatischen Gründen. Würde man nämlich das Quadrat weglassen, so würde unter Beachtung von (9.6) das Streuungsmaß immer Null und damit als Kennzahl unbrauchbar sein: 1 n−1

n

∑ (xi − x)¯ =

i=1

1 n−1

n

∑ xi −

i=1

 =n x¯

1 n−1

n

n x¯

n x¯

∑ x¯ = n − 1 − n − 1 = 0

!

i=1

 =n x¯

4 Es existieren weitere Streuungsmaße, z.B. die Spannweite oder die mittlere absolute Abweichung. 5 Durch die Verwendung von n − 1 in der Formel (9.12) anstelle von n wird die Varianz σ 2 der Grundgesamtheit, für die man sich ja letztendlich interessiert, besser angenähert. Das hängt mit der sog. Erwartungstreue einer Schätzfunktion der analytischen Statistik zusammen. In der Statistik versucht man i.d.R. Aussagen über die Grundgesamtheit zu machen – auch wenn für Auswertungen lediglich Stichproben mit begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund hat sich (n − 1) als Divisor eingebürgert. Würde man sich hingegen nur für die Varianz der Stichprobe selbst interessieren, muss n eingesetzt werden. Bei großem Stichprobenumfang ist die Differenz zwischen beiden Formen aber sowieso vernachlässigbar klein.

452

9 Stochastik

Durch das Quadrieren wird das geschilderte Problem beseitigt, weil dann der Term (xi − x) ¯2 immer positiv ist. Für Varianz gilt deshalb immer: s2 ≥ 0. Falls alle Werte in der Stichprobe ¯ ist die Varianz gleich Null, weil in diesem Fall zahlenmäßig gleich sind (x1 = x2 = · · · = xn = x), ¯ 2 = (x¯ − x) ¯ 2 = 0. (xi − x) Durch Umformung lässt sich die Varianzformel (9.12) auch in folgende Form bringen, welche bei der Arbeit mit dem Taschenrechner bequemer ist (s. Beispiel 9.16 auf Seite 480): s2 =

1 n−1





n

∑ xi2 − nx¯2

Varianz (Alternativformel)

(9.13)

i=1

Die Formel in (9.13) ermöglicht zwar bei Handrechnung weniger Rechenarbeit. Ihr Nachteil gegenüber (9.12) ist aber, dass aufgrund des Quadrierens von Stichprobenwerten große Zahlen entstehen können und daraus die in der numerischen Mathematik gefürchtete Problematik »Differenz großer Zahlen« entsteht. Außerdem könnte ein möglicher Abrundungsfehler von x¯ den Wert nx¯2 , und damit das Resultat, auch ungünstig beeinflussen. Bei Einsatz von Computersoftware mit doppelt genauer Gleitkommaarithmetik ist diese Gefahr allerdings sehr gering. Die Stichprobenvarianz s2 ist eine gute Näherung für die Varianz σ 2 der Grundgesamtheit: σ 2 ≈ s2

(9.14)

Die Varianz s2 ist an sich kein direkt verwertbares Streuungsmaß; sie läßt sich nicht unmittelbar mit dem Mittelwert vergleichen. Dieser Nachteil wird vermieden, wenn als Streuungsmaß nicht die Varianz selbst, sondern ihre Quadratwurzel, die sog. Standardabweichung σ verwendet wird. Standardabweichung Eine weitaus nützlichere Maßzahl als die Varianz ist die Standardabweichung s der Stichprobe (bzw. σ für die Grundgesamtheit), die als Quadratwurzel der Varianz s2 definiert ist: σ ≈s=



 s2

 s=

1 n−1

= 

n



i=1

n 1 ¯2 ∑ (xi − x) n − 1 i=1

Standardabweichung

(9.15)

 xi2

− nx¯2

Standardabweichung (Alternativformel)

(9.16)

Der Nutzen der Standardabweichung wird insbesondere bei der Untersuchung normal verteilter statistischer Ereignisse deutlich (s. Abschnitt 9.7 auf Seite 472). Berechnung der Varianz mit Hilfe der Häufigkeitsfunktion Wie bereits auf Seite 449 bei der Berechnung des Mittelwerts gezeigt, kann die Häufigkeitsfunktion auch für die Varianzberechnung herangezogen werden. Für eine Stichprobe vom Umfang n

9.1 Deskriptive Statistik

453

mit k verschiedenen Werten (k ≤ n) erhält man aus (9.12) mit Hilfe von (9.1) auf Seite 447 : s2 =

1 n−1

s2 =

n

k

1

1

k

∑ (xi − x)¯ 2 = n − 1 ∑ (xi − x)¯ 2 ni = n − 1 ∑ (xi − x)¯ 2 n h(xi )

i=1

i=1

i=1

k n ¯ 2 h(xi ) ∑ (xi − x) n − 1 i=1

(9.17)

Ausgehend von (9.13) lässt sich mit Hilfe von (9.1) auf Seite 447 auch die nachfolgende alternative Beziehung herleiten: # # # $ $ $ n k k 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 s = ∑ xi − nx¯ = n − 1 ∑ xi ni − nx¯ = n − 1 ∑ xi n h(xi ) − nx¯ n − 1 i=1 i=1 i=1 s2 =

n n−1





k

∑ xi2 h(xi ) − x¯2

(9.18)

Varianz (Alternativformel)

i=1

Beispiel 9.3: Für die in Tabelle 9.1 auf Seite 446 angegebene Stichprobe der Betonfestigkeiten sollen die verschiedenen statistischen Maßzahlen ermittelt werden. a) Relative Häufigkeiten h(xi ) (s. auch Tabelle 9.2 auf Seite 446). xi 25,0 ni 1 h(xi ) 0,05

25,5 2 0,10

26,0 4 0,20

26,5 7 0,35

27,0 3 0,15

27,5 2 0,10

28,0 1 0,05

b) Mittelwert x¯ Mittelwertberechnung gemäß (9.6): x¯ =

1 n

n

1

∑ xi = 20 (25,5 + 26 + 26,5 + · · · + 27 + 27,5 + 26,5)

i=1

1 529,5 = 26,475 = 20 Mittelwertberechnung aus der Häufigkeitsfunktion gemäß (9.9): 7

x¯ = ∑ xi h(xi ) i=1

= 25 · 0,05 + 25,5 · 0,10 + 26 · 0,20 + 26,5 · 0,35 + 27 · 0,15+ + 27,5 · 0,10 + 28 · 0,05 = 26,475

454

9 Stochastik

c) Modalwert xmod = 26,5, weil in der Stichprobe dieser Wert am häufigsten vorkommt. d) Medianwert x˜ Zunächst wird die Stichprobe in die steigend geordnete Form gebracht: 25

25,5

25,5

26

26

26

26

26,5

26,5

26,5  10. Wert

26,5 

26,5

26,5

26,5

27

27

27

27,5

27,5

28

11. Wert

Gemäß (9.10) mit n = 20 ergibt sich der Medianwert zu: x˜ =

 1

1 1  x(10) + x(11) = (26,5 + 26,5) = 26,5 x( 20 ) + x( 20 +1) = 2 2 2 2 2

e) Quantil q0,3 Es soll das 0,3-Quantil q0,3 berechnet werden, d.h. es ist derjenige Wert in der Stichprobe zu bestimmen, unterhalb dessen 30% aller Werte liegen. Mit n = 20 und p = 0,3 erhält man n · p = 20 · 0,3 = 6. Das 6-te Element x(6) der geordneten Stichprobe entspricht also dem 0,3-Quantil. 25

25,5

25,5

26

26

26 

26

26,5

26,5

26,5

x(6) =q0,3

26,5

26,5

26,5

26,5

27

27

27

27,5

27,5

28

Das 0,3-Quantil beträgt nach (9.11) q0,3 = 26. f) Varianz s2 Berechnung mit Hilfe von (9.12): 1 [(25,5 − 26,475)2 + (26 − 26,475)2 + (26,5 − 26,475)2 + · · · + 20 − 1 · · · + (27 − 26,475)2 + (27,5 − 26,475)2 + (26,5 − 26,475)2 ] = 0,5388

s2 =

Berechnung mit Hilfe von (9.13):

1 25,52 + 262 + 26,52 + · · · + 272 + 27,52 + 26,52 − 20 · 26,4752 20 − 1 1 = (14028,75 − 14018,51) = 0,5388 20 − 1

s2 =

g) Standardabweichung s Die Standardabweichung der Stichprobe entspricht der Quadratwurzel der Vari-

9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie

455

anz. s=

√  s2 = 0,5388 = 0,7340

9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie Die im Abs. 9.1 behandelte deskriptive Statistik liefert die Maßzahlen einer Stichprobe, mit deren Hilfe die statistischen Eigenschaften der Grundgesamtheit abgeschätzt werden können. Dabei handelt es sich um bloße Beschreibung des vorhandenen statistischen Datenbestands. Die nächste Abstraktionsstufe wäre die Schaffung von mathematischen Modellen zur Beschreibung der statistischen Eigenschaften von Grundgesamtheiten. Die Grundlage der mathematischen Statistik ist die Wahrscheinlichkeitstheorie, welche in diesem Abschnitt behandelt werden soll. Der elementarste Baustein der Wahrscheinlichkeitstheorie ist das Zufallsexperiment. Ein Zufallsexperiment (Zufallsversuch) ist ein beliebig oft wiederholbares Experiment, dessen Ausgang nicht vorausgesagt werden kann; es ist also ein nicht-deterministischer Vorgang. Beispiele sind Werfen einer Münze (Kopf oder Zahl?) oder Werfen eines Würfels (Augenzahl=?). Das Ergebnis des Wurfs liegt außerhalb unseres Einflussbereiches und hängt ausschließlich vom Zufall ab.6 Im Gegensatz zum Zufallsexperiment steht das deterministische Ereignis. Ein Beispiel für einen deterministischen Vorgang wäre die wechselnde Folge von Tag und Nacht (zumindest während der bisherigen Geschichte der Menschheit ist diese Regelmäßigkeit beobachtet worden). 9.2.1 Ereignisse Elementares Ereignis. Beim Werfen einer Münze unterscheidet man zwischen zwei Ergebnissen: »Kopf« oder »Zahl«. Beim Werfen eines Würfels sind 6 Ergebnisse möglich: irgend eine der Zahlen 1,2, · · · ,6. Bei der Geburt eines Kindes sind zwei Ergebnisse möglich: »Mädchen« oder »Junge«. Der Ausgang eines Experiments wird als elementares Ereignis bezeichnet und kann symbolisch mit ei gekennzeichnet werden. Beim Münzwurf könnte z.B. definiert werden, dass e1 = Kopf und e2 = Zahl ist. Die Elementarereignisse des Würfelwurfs sind: e1 = 1, e2 = 2, · · · , e6 = 6. Die Menge aller möglichen elementaren Ereignisse eines Experiments wird Ergebnismenge E genannt. Beim Münzwurf haben wir also die Ergebnismenge E = {e1 , e2 } = {Kopf, Zahl}, beim Würfelwurf die Ergebnismenge E = {e1 , e2 , e3 , e4 , e5 , e5 } = {1,2,3,4,5,6}. Wenn beim Münzwurf »Kopf« eintrifft, kann nicht gleichzeitig auch »Zahl« eintreffen. Wenn beim Würfelversuch als Augenzahl 2 eintrifft, sind die anderen Zahlen bei diesem Versuch ausgeschlossen. Unter elementaren Ereignissen verstehen wir also alle möglichen, nicht weiter zerlegbaren Resultate (Ausgänge) eines Experiments, die sich gegenseitig ausschließen. Das Ergebnis einer Messung oder Beobachtung ist ebenfalls ein elementares Ereignis, z.B.: - Durchmesser einer Maschinenschraube - Wanddicke einer Stahlröhre - Die Fahrgeschwindigkeit von Autos an einer Messstation 6 Wir setzen einen perfekten Würfel voraus. Aufgrund technisch unvermeidbarer Toleranzen wird der Würfel in der Realität nicht absolut sondern lediglich »nahezu« perfekt sein. Dies ändert aber die Grundaussagen nicht.

456

9 Stochastik

- Druckfestigkeit einer Betonsorte - Körpergröße bzw. Körpergewicht einer Person Ein Ereignis (Zufallsereignis) setzt sich aus den Elementarereignissen des Experiments zusammen (die Definition erfolgt entsprechend der Zielsetzung der zu lösenden Aufgabe). Symbolisch soll ein Ereignis mit einem Großbuchstaben gekennzeichnet werden, z.B. A oder B. Beim Eintreffen eines Ereignisses spricht man davon, dass das Ereignis realisiert wurde. Beispiel 9.4: a) Beispiele für Ereignisse beim Werfen einer Würfel. • A = »die Augenzahl ist 5«, oder A = {e5 } = {5} • A = »die Augenzahl ist eine gerade Zahl«, oder A = {e2 , e4 , e6 } = {2,4,6} b) Beispiele für Ereignisse beim gleichzeitigen Werfen von 2 Würfeln. • A = »die Augensumme ist 8« • A = »beim 1. Würfel ist die Augenzahl 3, beim 2. Würfel eine 5« • A = »bei beiden Würfeln ist die Augenzahl eine ungerade Zahl« Unmögliches Ereignis ∅. Beim Werfen eines Würfels kann die Zahl 7 grundsätzlich nicht eintreffen. Wenn mit A das Ereignis »Eintreffen der Zahl 7« bezeichnet wird, ist es ein unmögliches Ereignis. Sicheres Ereignis. Wir betrachten das Experiment »Werfen einer Münze«. A soll das Ereignis »Kopf oder Zahl« bedeuten. Weil auf jeden Fall Kopf oder Zahl eintreffen muss, ist A ein sicheres

Ereignis (wir setzen voraus, dass die Münze nicht hochkant stehen bleiben kann). Beim Würfelwurf ist das Ereignis »eine Zahl zwischen 1 und 6 zu erhalten« ein sicheres Ereignis. Die Ergebnismenge E dieses Experiments stellt ein sicheres Ereignis dar. Komplementärereignis. Das zum Ereignis A komplementäre Ereignis wird symbolisch mit A bezeichnet. Das komplementäre Ereignis A tritt dann und nur dann sicher ein, wenn A nicht eintrifft (das Nichteintreffen von A garantiert, dass A eintrifft). Beispiel 9.5: a) Beim Wurf einer Münze sei das Ereignis A = {Kopf}. Das zu A komplementäre Ereignis ist dann A = {Zahl}. b) Beim Wurf eines Würfels sei das Ereignis A = {3,4}, d.h. »Augenzahl ist entweder 3 oder 4«. Das zu A komplementäre Ereignis ist dann A = {1,2,5,6}. c) Für die Stichprobe der Betonfestigkeiten in Tabelle 9.2 sei das Ereignis A definiert als »Betonfestigkeit ≤ 26 N/mm2 «. Das Komplementärereignis A ist dann das Ereignis »Betonfestigkeit > 26 N/mm2 «. Beim Münzwurf ist »Zahl« das Komplementärereignis zu »Kopf« und umgekehrt, weil wenn Kopf eintrifft, nicht gleichzeitig auch Zahl eintreten kann. Komplementäre Ereignisse schließen sich immer gegenseitig aus.

9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie

A

B

a: Vereinigung A ∪ B

A\B

AB

B\A

b: Durchschnitt A ∩ B und Differenzen A \ B, B \ A

A

457

B

c: unvereinbare Ereignisse

Bild 9.2: Vereinigung, Durchschnitt und Differenz von Ereignissen

Vereinigung von Ereignissen (union). Das Ereignis A ∪ B (Vereinigung von A und B) tritt dann ein, wenn entweder nur A eintrifft oder nur B eintritt oder A und B gleichzeitig eintreten (s. Bild 9.2 a). Eine andere gebräuchliche Bezeichnung für die Vereinigung ist Summe von Ereignissen mit der symbolischen Schreibweise A + B (gleichbedeutend mit A ∪ B). Durchschnitt von Ereignissen (intersection). Das Ereignis A ∩ B (Durchschnitt von A und B) tritt dann ein, wenn A und B gleichzeitig eintreten (s. Bild 9.2 b). Eine andere gebräuchliche Bezeichnung für den Durchschnitt ist Produkt von Ereignissen mit der symbolischen Schreibweise AB (gleichbedeutend mit A∩B). Der Durchschnitt eines Ereignisses A und ihres komplementären Ereignisses ist ein unmögliches Ereignis, d.h. A ∩ A = ∅. Differenz von Ereignissen. Das Ereignis A \ B (Differenz von A und B) enthält alle Elemente von A, die nicht zu B gehören (s. Bild 9.2 b). Analog enthält das Ereignis B \ A alle Elemente von B, die keine Elemente von A sind. Unvereinbare und vereinbare Ereignisse. Zwei Ereignisse A und B, die nicht gleichzeitig eintreffen können, heißen unvereinbare Ereignisse, weil sie sich gegenseitig ausschließen. Wenn z.B. in Bild 9.2 c das Ereignis A eintritt, kann B nicht zum selben Zeitpunkt eintreten und umgekehrt. Beispielsweise sind Kopf und Zahl beim Wurf einer Münze zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse, weil sie nicht gleichzeitig eintreffen können. Falls es grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, dass A und B gleichzeitig eintreten können, heißen sie vereinbare Ereignisse. Beispiel 9.6: Vereinigung und Durchschnitt von Ereignissen. Zwei Münzen werden gleichzeitig geworfen. Mit A wird das Ereignis »Kopf bei der 1. Münze«, mit B das Ereignis »Kopf bei der 2. Münze« bezeichnet. A ist das zu A komplementäre Ereignis, d.h. »Zahl bei der 1. Münze«; B ist das zu B komplementäre Ereignis, d.h. »Zahl bei der 2. Münze«. a) Das Ereignis »mindestens einen Kopf« zu erhalten kann durch die Vereinigung A ∪ B (oder A + B) erfasst werden. A ∪ B = {(KopfA , ZahlB ), (ZahlA , KopfB ), (KopfA , KopfB )} = {(A, B), (A, B), (A, B)} b) Das Ereignis »zweimal Kopf« zu erhalten wird mit Hilfe des Durchschnitts A ∩ B (oder des Produkts AB) ausgedrückt. A ∩ B = {(KopfA , KopfB )} = {(A, B)} c) Es ist ein sicheres Ereignis, bei jeder Münze entweder »Kopf« oder »Zahl« zu erhalten. Dagegen ist es ein unmögliches Ereignis, bei einer Münze sowohl »Kopf«

458

9 Stochastik

als auch »Zahl« zu erhalten. A∪A = E

A∩A = ∅

B∪B = E

B∩B = ∅

Beispiel 9.7: Vereinbare und unvereinbare Ereignisse. Ein Würfel wird einmal geworfen. a) Ereignis A sei definiert als »die Augenzahl ist eine gerade Zahl«, d.h. A = {2,4,6} und Ereignis B als »die Augenzahl ist eine ungerade Zahl«, d.h. B = {1,3,5}. A und B sind unvereinbare Ereignisse (schließen sich gegenseitig aus), weil sie nicht gleichzeitig eintreffen können – es gilt also A ∩ B = ∅. b) Ereignis A sei definiert als »die Augenzahl ist eine gerade Zahl«, d.h. A = {2,4,6} und Ereignis B als »eine durch 3 teilbare gerade Zahl«, d.h. B = {6}. A und B sind vereinbare Ereignisse, weil beim Wurf von 6 sowohl A als auch B realisiert werden. 9.2.2 Definition der Wahrscheinlichkeit Wenn z.B. beim Zufallsexperiment Münzwurf mit A das Ereignis »Kopf«bezeichnet wird, beträgt die Wahrscheinlichkeit P für dessen Eintreffen P(A) = P(Kopf) = 50% = 0,5 , weil bei diesem Experiment nur zwei Ergebnisse eintreffen können (Kopf oder Zahl), die beide hinsichtlich ihrer Eintreffenswahrscheinlichkeit gleichberechtigt (gleich wahrscheinlich) sind.7 Man spricht von einem günstigen Ereignis (das kann auch ein Elementarereignis sein), wenn dessen Eintreffen zum Eintreffen des Ereignisses A führt: Beispiel: In einer Urne befinden sich 4 weiße und 6 schwarze Kugeln. Das Ereignis A ist definiert als »die Wahrscheinlichkeit, bei einmaligem Ziehen eine weiße Kugel zu erhalten«. Jede weiße Kugel in der Urne führt zu einem günstigen elementaren Ereignis für A, jede schwarze Kugel dagegen zu einem ungünstigen ereignis. Die klassische Definition der Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen des Ereignisses A (bei gleich wahrscheinlichen Ereignissen) lautet nach Laplace:8 P(A) =

ng Anzahl der für A günstigen Ereignisse = n Anzahl aller möglichen Ereignisse

Wahrscheinlichkeit nach Laplace (9.19)

Bei dem in (9.19) Bezug genommenen »günstigen Ereignis« kann es sich auch um ein Elementarereignis handeln, falls das Ereignis nur aus einem solchen besteht. 7 Die Wahrscheinlichkeit 50% bzw. 0,5 bedeutet, dass in der Hälfte aller Münzenwürfe Kopf eintritt, z.B. 500-mal Kopf, wenn die Münze insgesamt z.B. 1000-mal geworfen wird. 8 P.-S. Laplace, 1749-1827, französischer Mathematiker.

9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie

459

Zwischen der relativen Häufigkeit und der Wahrscheinlichkeit besteht eine enge Verwandtschaft, die sich in empirischen Beobachtungen gut bestätigen lässt. Beim Münzwurf fand man folgende Ergebnisse für das Ereignis »Kopf« (Quelle: [11]):

Anzahl der Würfe 4040 12000 24000

Ergebnisse von Münzversuchen Beobachtete Anzahl Relative theoretisch zu erwartende der Fälle mit »Kopf« Häufigkeit Anzahl der Fälle »Kopf« 2048 0,5069 2020 6019 0,5016 6000 12012 0,5005 12000

Beispiel 9.8: a) Wurf einer Münze. Für das Ereignis A = »Kopf liegt oben« beträgt die Wahrscheinlichkeit P(A) = 1/2 = 0,5 = 50%, weil nur eines von zwei möglichen Ereignissen günstig für A ist. Aus dem Ergebnis P(A) = 1/2 lässt sich allerdings nicht schlussfolgern, dass nach dem zweiten Wurf A garantiert eintreten wird – man kann also nicht die Einzelwahrscheinlichkeiten einfach aufaddieren. Es lässt sich genauso wenig schlussfolgern, dass bei 10 Würfen genau 5-mal Kopf vorkommen wird; es könnten auch 4 oder 6 oder x Fälle sein – allerdings werden es weder 2 noch 8 Fälle sein (probieren Sie es aus!). P(A) = 1/2 besagt nur, dass bei sehr vielen Würfen (sagen wir mal 1000) ungefähr in 500 Fällen (es können aber z.B. auch 490 oder 510 sein) Kopf eintreffen wird. Weil das Ergebnis jedes einzelnen Münzwurfs vom Zufall abhängt, kann die Wahrscheinlichkeitsrechnung auch nur ungefähre Vorhersagen machen, die in der Praxis aber von großem Nutzen sind. b) Wurf eines Würfels. Für das Ereignis A = »Augenzahl 5« ist nur ein Elementarereignis (nämlich der Zug einer 5) günstig für A, während die Anzahl aller möglichen Elementarereignisse aber sechs beträgt. Daher beträgt die Wahrscheinlichkeit P(A) = 1/6 ≈ 0,167 = 16,7%. Das Ergebnis P(A) = 1/6 bedeutet, dass bei genügend vielen Würfen, sagen wir 600, in ca. 100 Fällen die Augenzahl 5 vorkommen wird. c) Wurf von zwei Würfeln. Bei diesem Experiment sind insgesamt 36 Fälle möglich (die erste Zahl bedeutet die Augenzahl des 1. Würfels, die zweite diejenige des 2. Würfels): (1,1), (1,2), · · · (1,6), (2,1), (2,2), · · · (2,6), · · · · · · (6,1), (6,2), · · · (6,6) Für das Eintreffen des Ereignisses A = »Summe der beiden Augenzahlen ist 10« sind nur die drei Elementarereignisse (4,6), (5,5), (6,4) günstig. Die Wahrscheinlichkeit für A ist dann: P(A) =

1 3 = = 0,083 = 8,3% 36 12

460

9 Stochastik

d) Kugeln in einer Urne. In einer Urne befinden sich 4 weiße und 6 schwarze Kugeln. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei einmaligem Ziehen eine weiße Kugel zu erhalten? Das Ereignis A ist »eine weiße Kugel bei einmaligem Zug«. Die Anzahl der für A günstigen Elementarereignisse ist 4, weil in der Urne 4 weiße Kugeln vorhanden sind. Die Anzahl aller möglichen Elementarereignisse ist 10, weil weiße und schwarze Kugeln beim Zug »gleichberechtigt« sind (keine Farbe ist gegenüber der anderen bevorzugt oder benachteiligt). Die Wahrscheinlichkeit für A lautet gemäß (9.19): P(A) =

4 = 0,4 = 40% 10

e) Geburt eines Kindes. Im Jahr 2018 waren in Deutschland unter den 787.523 Neugeborenen 383.471 Mädchen und 404.052 Jungen. Das Ereignis »Geburt eines Mädchens« bezeichnen wir mit A und »Geburt eines Jungen« mit B. Es liegt eine Stichprobe mit 787.523 Werten vor, wobei jeder Wert entweder A oder B ist. Die Wahrscheinlichkeiten P(A) für die Geburt eines Mädchens, oder P(B) für die eines Jungen entsprechen den relativen Häufigkeiten von Mädchen bzw. Jungen: P(A) = h(A) =

383.471 nA = 0,487 = 48,7% = nA + n B 787.523

Mädchen

P(B) = h(B) =

nA 404.052 = 0,513 = 51,3% = nA + n B 787.523

Jungen

P(A) = h(A) =

nA 100 = 0,485 = 48,5% = nA + n B 206

(Mädchen)

P(B) = h(B) =

nB 106 = 0,515 = 51,5% = nA + n B 206

(Junge)

Unter 1000 Geburten können wir also 487 Mädchen und 513 Jungen erwarten. 9.2.3 Eigenschaften der Wahrscheinlichkeit Die grundlegenden Regeln der Wahrscheinlichkeit werden Kolmogorowsche Axiome9 genannt und lauten: 1. Jedes zufällige Ereignis A besitzt eine Wahrscheinlichkeit P(A), die eine reelle Zahl zwischen 0 und 1 ist. 0 ≤ P(A) ≤ 1

2. Das sichere Ereignis E hat die Wahrscheinlichkeit 1: 9 A.N. Kolmogorow, 1903-1987, russischer Mathematiker.

(9.20)

P(E) = 1

9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie

461

3. Für die Vereinigung von zwei unvereinbaren Ereignissen gilt der Additionssatz P(A ∪ B) = P(A) + P(B)

(9.21)

Aus den obigen Axiomen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten: a) Das 3. Axiom (9.21) lässt sich verallgemeinern: Für die Vereinigung von n paarweise unvereinbaren Ereignissen gilt der nachfolgende Additionssatz: P(A1 ∪ A2 ∪ · · · ∪ An ) = P(A1 ) + P(A2 ) + · · · + P(An )  P

∞ 7

 Ai

i=1

(9.22)



= ∑ P(Ai )

(9.23)

i=1

Paarweise unvereinbar bedeutet Ai ∩ A j = ∅ für i = j. b) Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen des Durchschnitts von zwei unvereinbaren Ereignissen ist gleich Null: falls A ∩ B = ∅



P(A ∩ B) = 0

für unvereinbare Ereignisse A und B

c) Die Vereinigung eines Ereignisses A mit ihrem Komplement A ist ein sicheres Ereignis (entweder tritt A ein, oder wenn sie nicht eintritt, muss definitionsgemäß zwangsläufig A eintreten). Dagegen ist deren Durchschnitt ein unmögliches Ereignis (das Ereignis A tritt definitionsgemäß nur dann ein, wenn A nicht eintritt und umgekehrt – folglich können A und A nicht gleichzeitig eintreten): A∪A = E

P(A ∪ A) = 1

A∩A = ∅

P(A ∩ A) = 0

d) Die Summe der Wahrscheinlichkeiten für das Ereignis A und für ihr komplementäres Ereignis A ist immer 1, d.h. das Ereignis A ∪ A ist ein sicheres Ereignis. P(A) + P(A) = 1

P(A) = 1 − P(A)

P(A) = 1 − P(A)

(9.24)

e) Für die Vereinigung eines sicheren Ereignisses E und eines unmöglichen Ereignisses ∅ gilt: P(E) ∪ P(∅) = 1 Beispiel 9.9: a) Für die Produkte eines Betonfertigteilherstellers betrage Wahrscheinlichkeit, dass die Betondruckfestigkeit fc geringer als oder gleich 27 N/mm2 ist, 85%, d.h.

462

9 Stochastik

P( fc ≤ 27) = 0,85, s. Beispiel 9.2 auf Seite 448. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für fc > 27 N/mm2 ? P( fc > 27) = 1 − P( fc ≤ 27) = 1 − 0,85 = 0,15 ≡ 15% b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim Werfen eines Würfels entweder eine 3 oder eine 4 zu erhalten? Wenn A das Ereignis »eine 3« und B das Ereignis »eine 4« bedeuten, wird das Ereignis »eine 3 oder eine 4« durch die Vereinigung von A und B wiedergegeben, s. Seite 457: Ereignis »eine 3 oder eine 4« = A ∪ B

A∩B = 0

Die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A ∪ B wird berechnet nach (9.21): 1 1 1 P(A ∪ B) = P(A) + P(B) = + = ≡ 33,3% 6 6 3 c) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim Werfen eines Würfels gleichzeitig eine 3 und eine 4 zu erhalten? Die Wahrscheinlichkeit muss aus naheliegenden Gründen zwangsläufig Null sein, weil es unmöglich ist, beim Wurf eines Würfels eine 3 und eine 4 gleichzeitig zu erhalten. (3 ∩ 4) = ∅



P(3 ∩ 4) = 0

d) Beim Wurf einer Münze sei das Ereignis A = «Kopf« definiert. Das zu A komplementäre Ereignis ist dann A = »Zahl«. Über dieses Experiment sind dann folgende Aussagen möglich: - Die Wahrscheinlichkeit, dass »Kopf« eintritt: P(A) = 0,5 - Die Wahrscheinlichkeit, dass »Zahl« eintritt: P(A) = 1 − P(A) = 1 − 0,5 = 0,5 - Es ist sicher, dass entweder Kopf oder Zahl eintritt. P(A ∪ A) = 1 - Kopf und Zahl können nicht gleichzeitig eintreten. A ∩ A) = 0 e) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim Wurf eines Würfels nicht eine 3 zu erzielen? Wenn wir mit A das Ereignis »eine 3 zu erzielen« bezeichnen, bedeutet A das Er-

9.2 Elementare Wahrscheinlichkeitstheorie

463

eignis »eine 3 nicht zu erzielen«. P(A) =

1 6

1 5 P(A) = 1 − P(A) = 1 − = ≡ 83,3% 6 6



9.2.4 Additions- und Multiplikationssätze der Wahrscheinlichkeit Der Ausgang eines Zufallsexperiments kann zwar nicht vorhergesagt werden, doch existieren gewisse Gesetzmäßigkeiten zwischen verschiedenen Ereignisformen: Multiplikationssatz für zwei unabhängige Ereignisse Zwei Ereignisse A und B werden als voneinander unabhängig bezeichnet, wenn das Eintreffen von A völlig unabhängig vom Eintreffen (oder Nichteintreffen) von B ist, d.h. dass es auf das Ereignis A keinerlei Einfluss hat, ob B bereits eingetreten ist oder nicht (und natürlich umgekehrt). Beispiele: - Beim zweimaligen Werfen einer Münze ist, wie man sich das leicht plausibel machen kann, das Ergebnis des zweiten Wurfs vom Ergebnis des ersten Wurfs unabhängig – und umgekehrt. - Beim gleichzeitigen Wurf von zwei Münzen ist das Ergebnis der ersten Münze völlig unabhängig vom Ergebnis der zweiten Münze – und umgekehrt. - An einer Verkehrsampel der Innenstadt werden vorbei fahrende Autos beobachtet. Die Marke des i-ten Wagens ist unabhängig von der Marke des vorausfahrenden oder nachfahrenden Wagens. Die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Eintreffen von zwei unabhängigen Ereignissen A und B (Durchschnitt) ist gegeben durch folgende Beziehung: P(A ∩ B) = P(A) · P(B)

für unabhängige Ereignisse A und B

(9.25)

Beispiel 9.10: Multiplikationssatz. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim gleichzeitigen Werfen von zwei Würfeln eine 3 beim ersten Würfel und eine 4 beim zweiten Würfel zu erhalten? Die Wahrscheinlichkeit beim ersten Würfel eine 3 zu erzielen (Ereignis A) beträgt 1/6. Die Wahrscheinlichkeit beim zweiten Würfel eine 4 zu erzielen (Ereignis B) beträgt ebenfalls 1/6. Die Ereignisse A und B sind voneinander unabhängig (die Würfel wissen nichts voneinander!). Bei beiden Würfeln eine 3 zu erzielen, entspricht dem Ereignis A ∩ B und wir erhalten aus (9.25): P(A ∩ B) = P(A) · P(B) =

1 1 1 · = = 2,8% 6 6 36

464

9 Stochastik

Anmerkung: Dieses Experiment lässt sich auch mit einem Würfel realisieren, indem dieser zweimal geworfen wird. Diese beiden Würfe sind voneinander unabhängig, weil der Würfel »nicht weiß«, was beim ersten Wurf herausgekommen ist. Multiplikationssatz für n unabhängige Ereignisse Ereignisse A1 , A2 , · · · , An werden als unabhängig voneinander bezeichnet, wenn das Eintreffen von Ai völlig unabhängig vom Wert aller anderen Ereignisse A j ( j = 1,2, · · · , n, wobei j = i) ist. Für n voneinander unabhängige Ereignisse gilt in Analogie zu (9.25) die Beziehung P(A1 ∩ A2 ∩ A3 · · · ∩ An ) = P(A1 ) · P(A2 ) · P(A3 ) · · · · P(An )

(9.26)

Additionssatz für zwei beliebige Ereignisse Für zwei Ereignisse, die sich gegenseitig nicht ausschließen, gilt: P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B)

(9.27)

Die Herleitung der obigen Beziehung ist bei Betrachtung von Bild 9.2 auf Seite 457 relativ einfach: Die Wahrscheinlichkeit P(A) umfasst die Fläche A in Bild 9.2 a, P(B) umfasst die Fläche B und P(A ∩ B) umfasst die Überschneidungsfläche in der Mitte (Bild 9.2 b). Bei der Addition P(A) + P(A) würde diese Ü-Fläche deshalb zweimal erfasst sein, was nicht korrekt wäre. Daher muss P(A ∩ B) von P(A) + P(A) abgezogen werden. Additionssatz für zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse Für zwei sich ausschließende, d.h. unvereinbare Ereignisse ist P(A ∩ B) = 0, weil A und B per Definition ja niemals gleichzeitig eintreten können. Aus (9.27) erhalten wir dann: P(A ∪ B) = P(A) + P(B)

(9.28)

Beispiel 9.11: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei zweimaligem Würfeln mindestens eine Drei zu erzielen? Wir definieren die nachfolgenden Ereignisse: A : »Drei beim 1. Wurf«

B : »Drei beim 2. Wurf«

A und B schließen sich nicht gegenseitig aus, weil das Eintreffen/Nichteintreffen von B nicht vom Eintreffen/Nichteintreffen von A abhängt. Ferner entspricht das Ergebnis »mindestens eine Drei zu erhalten« der Vereinigung der Ereignisse A und B, d.h. A ∪ B. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit für »mindestens eine Drei« beträgt nach (9.27): P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B) A ∩ B : Ereignis »Drei sowohl beim 1. als auch beim 2. Wurf«

9.3 Zufallsvariable

P(A) = 1/6

P(B) = 1/6

P(A ∩ B) = P(A) · P(B) =

465

1 1 1 · = 6 6 36

11 1 1 1 = 0,306 = 30,6% P(A ∪ B) = + − = 6 6 36 36

9.3 Zufallsvariable Wenn alle möglichen (denkbaren) Ereignisse eines Zufallsexperimentes durch Zahlenwerte ausgedrückt werden, kann man den daraus resultierenden Wertebereich einer Variable X zuordnen. Diese Variable X wird als Zufallsvariable (oder Zufallsgröße) dieses Experimentes bezeichnet. Man unterscheidet zwischen diskret und stetig verteilten Zufallsvariablen. Eine Zufallsvariable ist diskret verteilt, wenn es sich um ein Zufallsexperiment handelt, bei dem das Ergebnis gezählt wird; das Resultat des Experiments gehört also einer abzählbaren Menge von Werten an. Hingegen wird beim Zufallsexperiment einer stetig verteilten Zufallsvariable gemessen; der Messwert kann jeden beliebigen reellen Wert auf der Zahlenachse annehmen. Im Ingenieurwesen interessieren uns meistens stetig veränderliche Größen (Temperatur, Spannung, Stromstärke, Fahrgeschwindigkeit, Verformung, einwirkende Belastungsintensität, zulässige Lastamplitude usw.). Um den Themenumfang kompakt zu halten, werden im Folgenden nur stetig verteilte Zufallsvariablen betrachtet. Beispiel 9.12: a) Beim Würfelwurf handelt es sich bei der Augenzahl X (1,2, · · · ,6) um eine Zufallsvariable. Wenn die eingetroffene Augenzahl z.B. 5 ist, so sagt man, dass X den Wert 5 angenommen hat. Bei diesem Experiment ist X eine diskrete Variable, weil sie nur ganzzahlige Werte aus der Zahlenmenge 1 bis 6 annehmen kann. b) Beim gleichzeitigen Werfen von fünf Münzen möge X die Anzahl der Köpfe bedeuten. X ist eine diskrete Variable, weil sie nur einen ganzzahligen Wert zwischen 0 und 5 annehmen kann. c) Die Qualitätskontrolle eines Autoherstellers macht Stichprobenkontrollen für eingekaufte Schrauben und sortiert diejenigen Schrauben aus, deren Schaftdurchmesser die vorgegebene Toleranz nicht einhalten. Die Zufallsvariable X entspricht der Anzahl aussortierter Schrauben pro Lieferung. Weil X nur ganzzahlige Werte 0, 1, 2, · · · annehmen kann, ist sie eine diskrete Zufallsvariable. d) Die Messung der Windgeschwindigkeit X an einer Wetterstation liefert eine Datenreihe mit reellen Zahlen (z.B. 5,23 m/s, 5,24 m/s, 5,25 m/s usw.). Weil X hierbei einen beliebigen Wert zwischen 0 (Windstille) und dem für den Standort möglichen Höchswert vmax (Orkan) annehmen kann, ist sie eine stetige Zufallsvariable. e) Die Dauerfestigkeit X eines wechselnd beanspruchten Versuchsstücks aus Stahl wird als diejenige Spannungsamplitude definiert, bei der die Probe nach 2 · 106 Lastwechseln abbricht (z.B. 130,2 N/mm2 ). Die Zufallsvariable X ist eine stetige Größe, weil sie innerhalb des zu erwartendes Streubereiches, der vom Werkstoffgefüge abhängt, einen beliebigen Spannungswert annehmen kann.

466

9 Stochastik

f) Die Druckfestigkeit X einer Betonprobe ist eine schwankende Größe und kann innerhalb des für die aktuelle Betongüte zu erwartenden Festigkeitsbereiches einen beliebigen reellen Wert annehmen, z.B. 25,3 N/mm2 oder 26,4 N/mm2 etc. Bei X handelt es sich in diesem Experiment um eine stetige Zufallsvariable. Trifft bei einem Zufallsexperiment ein bestimmtes Ereignis ein, das einem Zahlenwert a entspricht, so reden wir davon, dass die Zufallsvariable X den Wert a angenommen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable X genau den Wert a annimmt, wird durch den Ausdruck P(X = a) definiert. In der Technik kommt es meistens so vor, dass man sich nicht für die Eintreffenswahrscheinlichkeit eines einzelnen Wertes, sondern für die eines Wertebereiches interessiert – z.B. für die Wahrscheinlichkeit, dass die Druckfestigkeit einer bestimmten Betonsorte zwischen 26 N/mm2 und 27 N/mm2 liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable X einen bestimmten Wert oder Wertebereich annimmt bzw. unterhalb oder oberhalb eines bestimmten Wertes liegt, wird wie folgt ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable X exakt den Wert a annimmt irgendeinen Wert im Intervall [a, b] annimmt

wird ausgedrückt durch P(X = a) P(a ≤ X ≤ b)

einenWert annimmt, der höchstens gleich a ist

P(X ≤ a)

einenWert annimmt, der mindestens gleich a ist

P(X ≥ a)

Das Ereignis −∞ ≤ X ≤ ∞ ist ein sicheres Ereignis, weil die Zufallsvariable X ja irgendeinen Wert auf der (zu beiden Seiten unendlichen) Zahlenachse annehmen muss: P(−∞ ≤ X ≤ ∞) = 1 Für einen beliebigen reellen Wert a gilt: P(X ≤ a) + P(X > a) = P(−∞ ≤ X ≤ ∞) = 1 Daraus folgt die nachfolgende Beziehung: P(X > a) = 1 − P(x ≤ a)

(9.29)

Die mathematische Beschreibung der Verteilung einer Zufallsvariablen erfolgt durch ihre Verteilungsfunktion (Abschnitt 9.4) oder Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (Abschnitt 9.5).

9.4 Verteilungsfunktion F(x)

467

1,0 F(x) Fb Fa

f(x) f(a)

P(a a) = 1 −

a −∞

f (x) dx

(9.39)

In Technik, Wirtschaft, Medizin, Sozialforschung unterliegen die Vorgänge und Phänomene vielfältigen zufallsbedingten Einflussgrößen. Während z.B. die Druckfestigkeit einer Betonstütze von den Zuschlagstoffen, dem Wasserzementwert, Mischbedingungen des Frischbetons, der Nachbehandlung des Betons und noch vielen Faktoren abhängt, wird die Geburtenrate in einem Land vom Sozialfrieden, Einkommensentwicklung, Psychologie und aktuellen gesellschaftlichen Trends usw. beeinflusst. Es ist deshalb unmöglich, all diese statistischen Prozesse mit einer einzigen universalen Dichtefunktion f (x) zu beschreiben. In der Statistik existieren folglich verschiedene mathematische Modelle der Dichtefunktion. Allerdings hat die im Abschnitt 9.7 behandelte Normal-Verteilung oder Gauss-Verteilung für Ingenieurwissenschaften besondere Bedeutung.

470

9 Stochastik

9.6 Maßzahlen einer stetig verteilten Zufallsvariable Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f (x) einer stetig verteilten Zufallsvariable X können die wichtigsten Maßzahlen der Grundgesamtheit dieser Zufallsvariable auf mathematisch elegante Art berechnet werden. Mittelwert der Zufallsvariable X Der Mittelwert der Grundgesamtheit wird mit μ bezeichnet und ist definiert durch: μ=

∞ −∞

x f (x) dx

Mittelwert der Grundgesamtheit

(9.40)

Diese Formel hat den gleichen Aufbau wie die Schwerpunktformel der Mechanik, s. (4.34) auf Seite 196. Varianz und Standardabweichung der Zufallsvariable X Die Varianz der Grundgesamtheit wird mit σ 2 bezeichnet und ist definiert als: σ2 =

∞ −∞

(x − μ)2 f (x) dx

Varianz der Grundgesamtheit

(9.41)

Diese Formel ist analog zur Formel für das Trägheitsmoment der Mechanik. Die diskrete Variante dieser Beziehung ist in (9.17) auf Seite 453 gegeben. Die Standardabweichung der Grundgesamtheit wird mit σ bezeichnet und ist durch die positive Quadratwurzel der Varianz gegeben: σ=



σ2

Standardabweichung der Grundgesamtheit

(9.42)

Beispiel 9.13: Der wöchentliche Zementbedarf eines Betonwerks ist eine Zufallsvariable X mit der Dichtefunktion ⎧ ⎨ 3 (x − 350) · (450 − x) für 350 ≤ x ≤ 450 (x in Tonnen) f (x) = 5 · 105 ⎩0 für alle übrigen x a) Wie groß ist der mittlere Zementbedarf pro Woche? Aus (9.40) erhalten wir: μ=

&∞ −∞

3 x f (x) dx = 5 · 105

&450

x · (x − 350) · (450 − x) dx

350

9.6 Maßzahlen einer stetig verteilten Zufallsvariable

3 = 5 · 105

&450

(−x3 + 800x2 − 157500x) dx

350

=

"450 ! 4 800x3 3 x 2 + − 7850x ) = 400 t − 5 · 105 4 3 350

b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der wöchentliche Zementbedarf höchstens 380 t beträgt? Aus (9.35) erhalten wir: P(X ≤ 380) =

&380

f (x) dx =

−∞

P(X ≤ 380) =

=

&350 −∞

3 5 · 105 3 5 · 105

f (x) dx +

&380

f (x) dx = 0 +

350

&380

f (x) dx

350

&380

(x − 350) (450 − x) dx

350 &380

(−x2 + 800x − 157500) dx

350

=

"380 ! 3 x 3 2 + 400x − 157500x) = 0,216 = 21,6% − 5 · 105 3 350

c) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der wöchentliche Zementbedarf 380 bis 420 t beträgt? Aus (9.37) erhalten wir: P(380 ≤ X ≤ 420) =

&420 380

3 = 5 · 105

3 f (x) dx = 5 · 105

&420

(x − 350) (450 − x) dx

380

&420

(−x2 + 800x − 157500) dx

380

"420 ! 3 3 x 2 = = 0,568 = 56,8% − + 400x − 157500x) 5 · 105 3 380

d) Welche Zementmenge müsste das Werk bevorraten, damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Vorrat in einer Woche erschöpft wird, nur 5% beträgt. Die zu bevorratende Zementmenge sei mit a bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit,

471

472

9 Stochastik

dass mehr als diese Menge a verbraucht wird, ergibt sich aus (9.39): P(X > a) = 1 −

&a

f (x) dx = 1 −

−∞

= 1−

= 1−

3 5 · 105 3 5 · 105

&a

f (x) dx = 0,05

350

&a 350 &a

(x − 350) (450 − x) dx = 0,05

(−x2 + 800x − 157500) dx = 0,05

350

"a ! 3 3 x 2 + 400x = 1− − 157500x) = 0,05 − 5 · 105 3 350 ⇒ a3 − 1200 a2 + 4,725 · 105 a − 6,0775 · 107 = 0 ⇒ a1 = 301,1 a2 = 436,5 a3 = 462,4 Die Lösungen a1 und a3 sind außerhalb des gültigen Intervalls 350 ≤ x ≤ 450, daher lautet die richtige Lösung: a = a2 = 436,5 t Das Betonwerk müsste also ≈ 437 t Zement bevorraten, damit es mit 95% Wahrscheinlichkeit für eine Woche reicht (die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als 437 t Zement benötigt wird, beträgt 5%).

9.7 Normalverteilung In der Technik und Naturwissenschaft spielt die Normalverteilung (auch Gauß-Verteilung genannt) eine herausragende Rolle. In Messungen von physikalischen Größen sind Messfehler praktisch nicht vermeidbar. Zufallsbedingte Schwankungen der Eigenschaften des zu messenden Objekts, kleine Störungen des Messvorgangs, die Qualität des Messgeräts etc. bringen Streuungen von Messwerten mit sich. Beispielsweise werden Betonproben, die der selben Mischung entnommen und unter identischen Bedingungen gelagert wurden, trotzdem nicht identische Druckfestigkeiten aufweisen. Ebenso wird es in der Praxis nicht zu vermeiden sein, dass Stahlschrauben desselben Herstellers geringfügig voneinander abweichende Schaftdurchmesser aufweisen (die eine Schraube ist vielleicht mit einer nagelneuen Werkzeugmaschine hergestellt worden, die andere dagegen mit einer einige Jahre alten Maschine). Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f (x) der Normalverteilung ist eine Exponentialfunktion und empirisch definiert als: #

f (x) =

1 √ σ 2π

1 x−μ σ e 2

$2



Dichtefunktion der Normalverteilung

(9.43)

9.7 Normalverteilung

473

Bild 9.4 a zeigt die Kurve von (9.43) für μ = 2 und verschiedene σ -Werte. In Bild 9.4 a ist sie für μ = 0 dargestellt. Dichtefunktion der Normalverteilung ähnelt der Form einer Glocke, weshalb sie auch als Glockenkurve bezeichnet wird.

a: μ = 2

b: μ = 0

Bild 9.4: Verschiedene Dichtefunktionen f (x) nach (9.43)

Die Wahrscheinlichkeit P(X ≤ x) ergibt sich aus (9.35) auf Seite 468. Die Integration der Dichtefunktion f (x) gemäß (9.43) liefert: ⎛

P(X ≤ x) = F(x) =

x −∞

f (ξ ) dξ =

1 √ σ 2π

x

e

⎞2

1 ξ −μ ⎠ − ⎝ 2 σ



(9.44)

−∞

Bild 9.5 zeigt exemplarisch zwei Dichtefunktionen f (x) und die zugehörigen Verteilungsfunktionen F(x) einer Normalverteilung. Die Verteilungsfunktion (9.44) hat einen Nachteil: sie hängt nämlich sowohl vom jeweiligen Mittelwert μ als auch von der jeweiligen Standardabweichung σ ab. Das heißt, dass für jede Aufgabenstellung das bestimmte Integral in (9.44) individuell ausgewertet werden muss, was von Hand jedoch nicht möglich ist und deshalb die Verfügbarkeit geeigneter Mathematik-Software voraussetzt. Glücklicherweise ist es möglich, sie mit Hilfe einer Variablentransformation in eine von μ und σ unabhängige Form zu bringen. Zu diesem Zweck wird eine neue Variable u definiert und in (9.44) eingesetzt: u=

ξ −μ σ



du 1 = dξ σ



dξ = σ du

Die Integrationsgrenzen {−∞; x} für ξ in (9.44) ändern sich durch die Variablentransformation in {−∞; (x − μ)/σ } für u. Das Wahrscheinlichkeitsintegral (9.44) sieht jetzt wie folgt aus: 1 F(x) = √ σ 2π

(x−μ)/σ &

−u2 /2

e −∞

1 σ du = √ 2π

(x−μ)/σ & −∞

e−u

2 /2

du

(a)

474

9 Stochastik

a: μ = 0

σ = 0,5

b: μ = 0

σ = 1,0

Bild 9.5: Beispiele für f (x) und zugehörige F(x) der Normalverteilung

Jetzt wird die obere Integrationsgrenze in (a) durch ein neues Symbol z ersetzt: z=

x−μ σ

−∞ ≤ z ≤ ∞

(9.45)

Die Verteilungsfunktion F(x) bekommt dadurch folgende Form: 1 F(x) = √ 2π

&z

e−u

2 /2

du

(b)

−∞

Es hat sich eingebürgert, für die rechte Seite von (b) das Symbol Φ(z) zu verwenden: 1  z −u2 /2 Φ(z) = √ du −∞ e 2π

(9.46)

Das Integral Φ(z) kann für verschiedene Werte von z integriert werden. Die Integration kann zwar nicht mehr elementar durchgeführt werden, aber numerische Ergebnisse liegen in tabellierter Form vor, s. Anhang A.12 auf Seite 889. Aus den bisherigen Resultaten ergibt sich die nachfolgende Beziehung für die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable X höchstens gleich einem Wert x ist:  P(X ≤ x) = F(x) = Φ(z)

bzw.

P(X ≤ x) = F(x) = Φ

x−μ σ



Für einen konkreten Fall wird der in Frage kommende Wert von x in (9.47) eingesetzt. Beispiel:  P(X ≤ a) = F(a) = Φ(z) = Φ

a−μ σ

 mit

z=

a−μ σ

(9.47)

9.7 Normalverteilung

475

Aus den Beziehungen (9.32) und (9.47) ergeben sich die nachfolgenden Formeln für die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable X im Intervall [a; b] liegt: P(a < X ≤ b) = P(X ≤ b) − P(X < a) = F(b) − F(a)  P(a < X ≤ b) = Φ

b−μ σ



 −Φ

P(a < X ≤ b) = Φ(zb ) − Φ(za )

a−μ σ

(9.48a)

 (9.48b)

mit za =

a−μ σ

zb =

b−μ σ

(9.48c)

In der Praxis hat man es oft mit der Situation zu tun, dass sich x aus dem Mittelwert μ und einem Vielfachen der Standardabweichung σ zusammensetzt. Aus (9.47) erhält man dann z.B.:   μ +σ −μ x = μ +σ : z = 1 P(X ≤ μ + σ ) = F(x) = Φ = Φ(1) σ   μ −σ −μ x = μ − σ : z = −1 P(X ≤ μ − σ ) = F(x) = Φ = Φ(−1) σ   μ + 2σ − μ x = μ + 2σ : z = 2 P(X ≤ μ + 2σ ) = F(x) = Φ = Φ(2) σ (9.49)   μ − 2σ − μ x = μ − 2σ : z = −2 P(X ≤ μ − 2σ ) = F(x) = Φ = Φ(−2) σ   μ + 3σ − μ x = μ + 3σ : z = 3 P(X ≤ μ + 3σ ) = F(x) = Φ = Φ(3) σ   μ − 3σ − μ x = μ − 3σ : z = −3 P(X ≤ μ − 3σ ) = F(x) = Φ = Φ(−3) σ Bei einer normal verteilten Zufallsvariable X ist es in der Praxis gebräuchlich, den Zahlenwert von X als Mittelwert μ plus ein Vielfaches der Standardabweichung σ anzugeben. In diesem Falle würden sich z.B. die in Tabelle 9.4 angegebenen Wahrscheinlichkeiten ergeben (für die Zahlenwerte von Φ(z) s. Seite 889, wo das Symbol Ω (z) die Differenz Φ(z) − Φ(−z) kennzeichnet). Die in Tabelle 9.4 angegebenen Wahrscheinlichkeiten lassen sich auch so interpretieren, dass sich die Zahlenwerte der normal verteilten Zufallsvariable X wie folgt verteilen: 68% 95% 99% 99,9%

aller Werte liegen im Intervall aller Werte liegen im Intervall aller Werte liegen im Intervall aller Werte liegen im Intervall

[μ − σ ; μ + σ ] [μ − 2σ ; μ + 2σ ] [μ − 2,6σ ; μ + 2,6σ ] [μ − 3,3σ ; μ + 3,3σ ]

Die Normalverteilung ist zwar nicht die einzige Verteilung, die in der technischen Praxis ein-

476

9 Stochastik Tabelle 9.4: Wahrscheinlichkeitswerte für ausgewählte X-Werte P(μ − σ < X ≤ μ + σ )

=

Φ(1) − Φ(−1)

=

0,6827

=

68,3%

P(μ − 1,96σ < X ≤ μ + 1,96σ )

=

Φ(1,96) − Φ(−1,96)

=

0,9500

=

95%

P(μ − 2σ < X ≤ μ + 2σ )

=

Φ(2) − Φ(−2)

=

0,9545

=

95,5%

P(μ − 2,58σ < X ≤ μ + 2,58σ )

=

Φ(2,58) − Φ(−2,58)

=

0,9901

=

99%

P(μ − 3σ < X ≤ μ + 3σ )

=

Φ(3) − Φ(−3)

=

0,9973

=

99,7%

P(μ − 3,29σ < X ≤ μ + 3,29σ )

=

Φ(3,29) − Φ(−3,29)

=

0,9990

=

99,9%

gesetzt wird, doch ist sie wohl die am häufigsten verwendete Verteilung. Ihren starken Verbreitungsgrad verdankt sie nicht nur ihrem hohen Alter12 sondern auch ihrer Handlichkeit und der Symmetrie ihrer Funktionskurve. Beispiel 9.14: Es wird angenommen, dass die in Beispiel 9.3 auf Seite 453 auf der Basis einer Stichprobe statistisch untersuchten Betondruckfestigkeiten normalverteilt sind. Ferner wird angenommen, dass der Mittelwert μ sowie die Standardabweichung σ der Grundgesamtheit durch den Stichprobenmittelwert x sowie die empirische Standardabweichung s der Stichprobe ausreichend genau wiedergegeben sind. Die Zufallsvariable X entspricht der Betondruckfestigkeit. Beispiel 9.3 entnehmen wir folgende Kennzahlen der Stichprobe: μ = x = 26,475 N/mm2

σ = s = 0,734 N/mm2

a) Wieviel Prozent der Betonwürfel haben eine Druckfestigkeit ≤ 25 N/mm2 ? Die dimensionslose Größe z ergibt sich aus (9.45): z=

25 − 26,475 x−μ = = −2,0 σ 0,734

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Druckfestigkeit ≤ 25 N/mm2 ist ergibt sich aus (9.47) mit Hilfe der Tabelle A.12 auf Seite 889: P(X ≤ 25) = Φ(−2) = 1 − Φ(2) = 1 − 0,97725 = 0,02275 ≈ 2,3%

(a)

Nur 2,3% aller Betonwürfel unterschreiten also die Festigkeit 25 N/mm2 . b) Wieviel Prozent der Betonwürfel haben eine Druckfestigkeit ≤ 27 N/mm2 ? z=

x−μ 27 − 26,475 = = 0,71 σ 0,734

12 Die Normalverteilung war von C.F. Gauß (1777-1855) für die statistische Beurteilung von Messfehlern eingeführt worden. Das nichtelementare Integral (9.46) ist von P.S. Laplace (1749-1827) numerisch ermittelt worden.

9.7 Normalverteilung

P(X ≤ 27) = Φ(0,71) = 0,76115 = 76,1%

477

(b)

76,1% aller Betonwürfel haben also eine Festigkeit ≤ 27 N/mm2 . c) Wieviel Prozent der Betonwürfel haben eine Druckfestigkeit > 28 N/mm2 ? z=

x−μ 28 − 26,475 = = 2,08 σ 0,734

Mit Hilfe der Beziehung (9.29) auf Seite 466) erhalten wir: P(X > 28) = 1 − P(X ≤ 28) = 1 − Φ(2,08) = 1 − 0,98124 = 0,0188 = 1,9% Nur 1,9% aller Betonwürfel haben also eine Festigkeit größer als 28 N/mm2 . d) Bei wie viel Prozent der Betonwürfel liegt die Druckfestigkeit zwischen 25 und 27 N/mm2 ? Aus (9.48c) sowie den Resultaten (a) und (b) folgt: P(25 ≤ X ≤ 27) = Φ(z27 ) − Φ(z25 ) = Φ(0,71) − Φ(−2) = 0,76115 − 0,02275 = 0,7384 = 73,8% 73,8% aller Betonwürfel haben also eine Festigkeit zwischen 25 und 27 N/mm2 . e) In welchem (um den Mittelwert μ symmetrisch liegenden) Festigkeitsbereich liegen 99% aller Werte? Zur Bestimmung von Bereichen (Intervallen), in denen eine Zufallsvariable liegt, wird der integrale Flächeninhalt Ω (z) aus Tabelle A.12 benötigt. Ω (z) ist gleich dem zwischen −z und +z liegenden Flächeninhalt. Gemäß Aufgabenstellung sollen 99% aller Werte im gesuchten Intervall liegen. Aus Tabelle A.12 ist Ω (z) = 0,99 für z = ±2,58. Der gesuchte Festigkeitsbereich lautet dann gemäß (9.45): a − 26,475 0,734 b − 26,475 +2,58 = 0,734 −2,58 =



a = 24,58 N/mm2



b = 28,37 N/mm2

99% der Betonwürfel haben also eine Druckfestigkeit, die zwischen 24,58 und 28,37 N/mm2 liegt. f) Wie hoch ist die Festigkeit, die von 1% der Betonwürfel unterschritten wird? Die Situation, dass ein bestimmter Wert x von 1% der Betonwürfel unterschritten wird, tritt ein für F(x) = 0,01, d.h. Φ(z) = 0,01. Nach Tabelle A.12 erhält man den zugehörigen z-Wert mit z = −2,33. Die Druckfestigkeit, welche von nur noch 1% der Betonwürfel unterschritten

478

9 Stochastik

wird, ergibt sich gemäß (9.45) zu: −2,33 =

a − 26,475 0,734



a = 24,76 N/mm2

g) Wie hoch ist die Festigkeit, die von 1% der Betonwürfel überschritten wird? Wenn 1% der Betonwürfel einen bestimmten Wert überschreiten, bedeutet dies, dass 99% der Betonwürfel unterhalb oder höchstens gleich diesem Wert sind. Wir suchen also nach dem Festigkeitswert x, für den F(x) = 0,99 gilt. Aus Tabelle A.12 erhalten wir für Φ(z) = 0,99 den Wert z ≈ 2,33. Aus (9.45) erhalten wir: 2,33 =

a − 26,475 0,734



a = 28,18 N/mm2

Die Druckfestigkeit, welche von 1% aller Betonwürfel überschritten wird, beträgt also 28,18 N/mm2

9.8 Weitere Verteilungen Außer der Normalverteilung gibt es noch weitere statistische Verteilungen (Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen), die in speziellen Anwendungsgebieten genauere statistische Aussagen als die Normalverteilung erlauben. Solche Spezialgebiete sind z.B. im Maschinenbau die Lebensdauerberechnung von Maschinenteilen unter Wechselbeanspruchung (Materialermüdung) und im Bauingenieurwesen die Festlegung von Windlasten auf Bauwerke. Nachfolgend werden sie ganz kurz vorgestellt – bei Bedarf sollte Spezialliteratur konsultiert werden. Exponentialverteilung Die Exponentialverteilung wird oft verwendet, wenn es darum geht, den Zeitpunkt für das Eintreffen eines bestimmten Ereignisses vorherzusagen, z.B. die Lebensdauer von Maschinenteilen

Bild 9.6: Beispiele für die Dichtefunktion f (x) nach verschiedenen Verteilungen

9.8 Weitere Verteilungen

479

(z.B. Kugellager) oder elektronischen Bauteilen; die Zeitdauer für die Emission einer bestimmten Menge von radioaktiver Substanz, s. auch Beispiel 2.8 auf Seite 48. Sie ist definiert für x ≥ 0: f (x) =

 λ e−λ x ,

wenn 0 ≤ x < ∞

(9.50)

wenn x < 0

0,

Weibull-Verteilung Die Weibull-Verteilung ist eine verallgemeinerte Exponentialverteilung und wird im Ingenieurwesen häufig eingesetzt. Sie wurde ursprünglich eingeführt, um die Fragen der Materialermüdung besser beantworten zu können als die Normalverteilung. Ihre Anwendungsgebiete sind daher speziell die Bestimmung der Lebensdauer von Bauteilen sowie der Bestimmung von extremen Windlasten auf Bauwerke. Sie ist eine unsymmetrische, schiefe Verteilung und definiert für x > 0 :  x k k  x k−1 − f (x) = e σ σ σ

für x ≥ 0

k : Formkonstante

(9.51)

Rayleigh-Verteilung Die Rayleigh-Verteilung ist eine Sonderform der Weibull-Verteilung und eignet sich ebenfalls gut z.B. für die Lebensdauervorhersage von Kugellagern in Maschinen. Sie ist eine unsymmetrische Verteilung und definiert für x > 0 : #

1 x−μ x−μ σ f (x) = e 2 σ2

$2



für x ≥ 0

(9.52)

Beispiel 9.15: In Bild 9.6 sind die Dichtefunktionen nach Gauß, Weibull, Rayleigh und die Exponentialfunktion (für die Parameter μ = 0, σ = 0,5, k = 1,5, λ = 1,5) exemplarisch gegenübergestellt. Es sollte beachtet werden, dass mit Ausnahme der Gauß-verteilung alle anderen Verteilungen nur für x ≥ 0 definiert sind. Die unterhalb der Dichtefunktion jeder Verteilung liegende Gesamtfläche in Bild 9.6 ist immer gleich 1,0: &∞

Allgemein gilt:

f (x) dx = 1,0

(9.53a)

−∞

&∞

Gauß-Verteilung: −∞

#

1 √ σ 2π

1 x−μ σ e 2 −

$2

dx = 1,0

(9.53b)

480

9 Stochastik &∞

Exponentialverteilung:

λ e−λ x dx = 1,0

(9.53c)

0

&∞

Weibull-Verteilung: 0

 x k k  x k−1 − e σ dx = 1,0 σ σ

&∞

Rayleigh-Verteilung: 0

#

1 x−μ x− μ −2 σ e σ2

(9.53d)

$2

dx = 1,0

(9.53e)

Sonstige Verteilungen für ingenieurtechnische Anwendungen Durch mathematische Verfeinerungen der Normalverteilung und Weibull-Verteilung sind weitere Wahrscheinlichkeitsverteilungen geschaffen worden, die in speziellen Nischenanwendungen des Ingenieurwesens die Zufallsprozesse besser modellieren sollen. Hier werden sie nur namentlich erwähnt, ohne näher darauf einzugehen. -

Gumbel-Verteilung – sie ist eine Sonderform der Weibull-Verteilung. Students t-Verteilung F-Verteilung Gamma-Verteilung Frèchet-Verteilung.

9.9 Zusätzliche Beispiele Beispiel 9.16: Herleitung der alternativen Varianzformel. Nachfolgend wird gezeigt, wie die Formel (9.13) auf Seite 452 für die Varianz einer Stichprobe aus Gleichung (9.12) hergeleitet werden kann. Das Ausmultiplizieren des Klammerausdrucks in (9.12) liefert:   n n n n 1 1 2 2 2 2 s = ∑ (xi − x)¯ = n − 1 ∑ xi − 2x¯ ∑ xi + ∑ x¯ n − 1 i=1 i=1 i=1 i=1   1 = n−1



n



i=1

 xi2 − 2nx¯2 + nx¯2

1 = n−1

#

nx¯ n



nx¯2

xi2

− nx¯

2

$



i=1

Beispiel 9.17: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei zweimaligem Werfen einer Münze mindestens einmal Kopf zu erhalten? a) Lösung mit Hilfe des Additionssatzes.

9.9 Zusätzliche Beispiele

Wir definieren die nachfolgenden Einzelereignisse: A : Kopf beim 1. Wurf

B : Kopf beim 2. Wurf

Das Ereignis C=»mindestens einmal Kopf« entspricht der Vereinigung A ∪ B der Ereignisse A und B. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass A und B voneinander unabhängig sind, liefert der Additionssatz (9.27) auf Seite 464: C = A∪B



P(C) = P(A ∪ B) = P(A) + P(B) − P(A ∩ B)

Die Einzelwahrscheinlichkeiten lauten: P(A) = 1/2

P(B) = 1/2

Aus (9.25) auf Seite 463 erhalten wir: P(A ∩ B) =

1 1 1 · = 2 2 4

Die Wahrscheinlichkeit, mindestens einmal Kopf zu erhalten beträgt: 1 1 1 3 ⇒ P(C) = + − = = 0,75 = 75% 2 2 4 4 b) Lösung mit Hilfe des Multiplikationssatzes. Jetzt werden folgende Einzelereignisse definiert: D : Zahl beim 1. Wurf

E : Zahl beim 2. Wurf

Das Ereignis F=«zweimal hintereinander Zahl« entspricht dem Durchschnitt D ∩ E der Einzelereignisse D und E; seine Wahrscheinlichkeit beträgt gemäß (9.25) auf Seite 463: P(F) = P(D ∩ E) =

1 1 1 · = 2 2 4

Das Ereignis C (mindestens einmal Kopf) tritt dann ein, wenn F (zweimal Zahl) nicht eintritt: 1 3 P(C) = 1 − P(F) = 1 − = = 0,75 = 75% 4 4

481

482

9 Stochastik

Beispiel 9.18: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei dreimaligem Werfen einer Münze zunächst einmal Kopf und dann zweimal Zahl zu erhalten? Wir definieren die nachfolgenden Einzelereignisse: A : Kopf beim 1. Wurf

B : Zahl beim 2. Wurf

C : Zahl beim 3. Wurf

Das Ereignis D (zunächst Kopf, dann zweimal hintereinander Zahl) entspricht der Vereinigung dieser Ereignisse: D = A ∩ B ∩C Die Ereignisse A, B, C sind voneinander unabhängig. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit P(D) ergibt sich aus (9.26) auf Seite 464: P(D) = P(A ∩ B ∩C) = P(A) · P(B) · P(C) P(A) = 1/2 ⇒

P(D) =

P(B) = 1/2

P(C) = 1/2

1 1 1 · · = 0,125 = 12,5% 2 2 2

Beispiel 9.19: Zufallsvariable X im Intervall a bis b. Die Beziehung (9.32) auf Seite 468 soll unter der Annahme a < b hergeleitet werden. Wie es leicht einzusehen ist, schließen sich die Ereignisse A = (X ≤ a) und B = (a < X ≤ b) gegenseitig aus. Die Vereinigung dieser beiden Ereignisse ist das Ereignis A ∪ B = X ≤ b. Nach dem Additionssatz (9.28) für zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse gilt: P(A ∪ B) = P(A) + P(B)

d.h. P(X ≤ b) = P(X ≤ a) + P(a < X ≤ b)

(a)

Die Umstellung der Gleichung in (a) liefert P(a < X ≤ b) = P(X ≤ b) − P(X ≤ a) Unter Berücksichtigung der Beziehungen P(X ≤ b) = F(b)

P(X ≤ a) = F(a)

folgt aus (b) die Beziehung (9.32): P(a < X ≤ b) = F(b) − F(a)

(b)

9.9 Zusätzliche Beispiele

Beispiel 9.20: Für eine normal verteilte Zufallsvariable X mit dem Mittelwert μ = 0 und der Standardabweichung σ = 1 sollen folgende Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden. a) P(X ≤ 1,6) d) P(X > −1,2)  a) P(X ≤ 1,6) = Φ

b) P(X > 1,96) e) P(1 ≤ X ≤ 2) 1,6 − 0 1

c) P(X ≤ −0,9) f) P(−1 < X ≤ 0)

 = Φ(1,6) = 0,94520 = 94,5%

b) P(X > 1,96) = 1 − P(X ≤ 1,96) = 1 − Φ(1,96) = 1 − 0,975 = 0,025 = 2,5%   −0,9 − 0 c) P(X ≤ −0,9) = Φ = Φ(−0,9) = 0,18406 = 18,4% 1 d) P(X > −1,2) = 1 − P(X ≤ −1,2) = 1 − 0,11507 = 0,88493 ≈ 88,5% e) P(1 < X ≤ 2) = Φ(2) − Φ(1) = 0,97725 − 0,84134 = 0,13591 ≈ 13,6% f) P(−1 < X ≤ 0) = Φ(0) − Φ(−1) = 0,5 − 15866 = 0,34134 ≈ 34,1% Beispiel 9.21: Das Rohrleitungssystem einer Erdölraffinierie besitze 500 Flanschverbindungen, von denen jede Verbindung aus zwei Einzelflanschen vom Typ F1 und F2 sowie einem Dichtungsring zwischen denen besteht. Es ist bekannt, dass 1% der Flansche vom Typ F1 und 1,5% derjenigen vom Typ F2 ungenügende Qualität haben. Ferner ist bei 2% der Dichtringe mangelnde Dichtungseigenschaft zu erwarten. Wieviele absolut einwandfreie (d.h. ohne jeglichen Mangel) Flanschverbindungen im Rohrleitungssystem können wir erwarten? Damit eine Flanschverbindung als absolut einwandfrei (Ereignis A) bezeichnet werden kann, müssen sowohl Einzelflansche als auch der Dichtungsring dieser Verbindung mangelfrei sein. A1 : Ereignis, dass der Flansch vom Typ F1 einwandfrei ist. A2 : Ereignis, dass der Flansch vom Typ F2 einwandfrei ist. A3 : Ereignis, dass der Dichtungsring einwandfrei ist. Das Ereignis A, dass eine Flanschverbindung komplett einwandfrei ist, entspricht dem Durchschnitt aller drei Ereignisse: A = A1 ∩ A2 ∩ A3 Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses A ist nach (9.26): P(A) = P(A1 ∩ A2 ∩ A3 ) = P(A1 ) · P(A2 ) · P(A3 )

483

484

9 Stochastik

Wahrscheinlichkeit für einwandfreien Flansch F1: P(A1 ) = 1 − P(A1 ) = 1 − 0,01 = 0,99 Wahrscheinlichkeit für einwandfreien Flansch F2: P(A2 ) = 1 − P(A2 ) = 1 − 0,015 = 0,985 Wahrscheinlichkeit für einwandfreien Dichtungsring: P(A3 ) = 1 − P(A3 ) = 1 − 0,02 = 0,98 Wahrscheinlichkeit einer einwandfreien Flanschverbindung beträgt somit: P(A) = 0,99 · 0,985 · 0,98 = 0,95565 ≈ 95,6% Wir können also insgesamt N = 0,95565 · 500 = 477 einwandfreie Flanschverbindungen erwarten.

9.10 Aufgaben 1. Berechnen Sie die Varianz s2 der Stichprobe in Beispiel 9.3 auf Seite 453 unter Verwendung der Formeln (9.17) auf Seite 453 und (9.18). 2. Es soll untersucht werden wie stark die in Beispiel 9.3 auf Seite 453 berechneten Lagemaße verfälscht werden, wenn in der Tabelle 9.1 auf Seite 446 der Festigkeitswert 25 N/mm2 durch einen Lese- bzw. Schreibfehler mit 75 N/mm2 angegeben ist. Mittelwert: x¯ = 28,975 Varianz: s2 = 117,78

Modalwert: xmod = 26,5

Median: x˜ = 26,5

Standardabweichung: s = 10,85

Während der Mittelwert sich spürbar ändert, bleiben Modalwert und Median unempfindlich. Eine erhebliche Verzerrung ergibt sich bei Varianz und folglich bei Standardabweichung. 3. In einer Schachtel befinden sich 2 Schrauben. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass jede Schraube den richtigen Durchmesser besitzt, beträgt jeweils 50%. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich in der Schachtel mindestens eine Schraube mit richtigem Durchmesser befindet? Lsg: 75% 4. Für eine normal verteilte Zufallsvariable X mit dem Mittelwert μ = 1,0 und der Standardabweichung σ = 2,0 sollen folgende Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden. a) P(X ≤ 1,8) d) P(X > −0,8) Lösung: a) 0,6554 d) 0,8159

b) P(X > 1,6) e) P(0 ≤ X ≤ 4) b) 0,3821 e) 0,6247

c) 0,1056 f) 0,3413

c) P(X ≤ −1,5) f) P(−1 < X ≤ 1)

9.10 Aufgaben

485

5. X ist eine normal verteilte Zufallsvariable mit dem Mittelwert μ = 0 und der Standardabweichung σ = 1. Wie groß muss die Konstante c sein, damit die nachfolgenden Wahrscheinlichkeiten gegeben sind. a) P(X ≤ c) = 90% c) P(X > c) = 5% e) P(−c < X ≤ 0) = 20% Lösung: a) c = 1,285 d) c = 1,037

b) P(X ≤ c) = 3% d) P(0 < X ≤ c) = 35% f) P(−c < X ≤ c) = 99%

b) c = −1,880 e) c = 0,525

c) c = 1,644 f) c = 2,578

6. X ist eine normal verteilte Zufallsvariable mit dem Mittelwert μ = 2 und der Standardabweichung σ = 0.5. Wie groß muss die Konstante c sein, damit die nachfolgenden Wahrscheinlichkeiten gegeben sind. a) P(X > c) = 30% Lösung: a) c = 2,262

b) P(2 − c < X ≤ 2 + c) = 90% b) c = 0,823

10

Gewöhnliche Differentialgleichungen

10.1 Einführung Die stürmische Entwicklung der Technik in den letzten drei Jahrhunderten verdanken wir in erster Linie der Erfindung der Infinitesimalrechnung gegen Ende des 17. Jahrhunderts und der Differentialgleichung im 18. Jahrhundert, deren Basis die Infinitesimalrechnung ist. Die Grundidee der Differentialgleichung (DGL) besteht darin, die Vorgänge in der Natur und Technik innerhalb eines infinitesimalen, d.h. unendlich kleinen, räumlichen Bereichs bzw. einer infinitesimalen Zeitdauer zu beschreiben. Durch diese »Infinitesimalisierung« gestaltet sich die Problemformulierung sehr einfach, weil nur wenige Grundgleichungen genügen, die physikalischen Gesetzmäßigkeiten des Vorgangs zu erfassen. Mit der infinitesimalen Erfassung alleine ist die Aufgabe natürlich noch nicht erledigt – wir haben sie lediglich in der Sprache der Mathematik beschrieben. Erst die Lösung der Differentialgleichung (auch Integration genannt) liefert die endgültige Problemlösung.1 Man unterscheidet zwischen gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen. Eine gewöhnliche DGL basiert auf nur einer unabhängigen Variable, z.B. auf der Ortskoordinate x oder der Zeit t, wohingegen eine partielle DGL auf mindestens zwei unabhängigen Variablen basiert, z.B. auf x,y oder x,t oder y,z,t. Die partiellen Differentialgleichungen werden später im Kapitel 13 behandelt. Definition der gewöhnlichen Differentialgleichung Eine gewöhnliche Differentialgleichung (DGL) ist eine Gleichung, welche zwischen einer unbekannten Funktion y = y(x) und ihren Ableitungen y , y , y , · · · sowie der unabhängigen Variablen x eine Beziehung herstellt. mit y(n) =

F(x, y, y , y , · · · , y(n−1) , y(n) ) = 0

dn y , dxn

y(n−1) =

dn−1 y dxn−1

usw.

Es ist keineswegs zwingend, dass wir die unabhängige Variable immer mit x und die abhängige Variable mit y(x) bezeichnen. Je nach Aufgabenstellung können andere Bezeichnungen durchaus zweckmäßiger sein. Beispiel. Die Differentialgleichung in (a) besteht aus der Funktion y(x) und ihren Ableitungen y und y sowie einem ausschließlich von x abhängigen Glied. y (x) + y (x) + y(x) + sin x = 0

(a)

s(t) ¨ + 2s(t) ˙ + s(t) − sin 2t + e−t = 0

(b)

1 Leonhard Euler (1707-1783) ist beispielsweise einer von herausragenden Wissenschaftlern jener Zeit, der das Problem der Stabknickung als eine Differentialgleichung formuliert und auch gelöst hat. Bereits 1744 beschäftigte er sich mathematisch mit dem Problem des Stabknickens. In seiner Abhandlung, die er 1757 der Königlichen Akademie der Wissenschaften (Berlin) vorgelegt hatte, wurde das Knickproblem eines Stabs durch die Differentialgleichung EIw + Pw = 0 beschrieben (die Schreibweise in Eulers Originalschrift unterscheidet sich etwas von unserer heutigen Schreibweise).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_10

488

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die DGL in (b) stellt dagegen eine Beziehung zwischen der Wegstrecke s(t) und ihren Ableitungen nach der Zeit t sowie zwei Gliedern, die ausschließlich von t abhängen. In Aufgaben der Dynamik oder in elektrischen Schwingkreisen stellt die Zeit t die unabhängige Variable dar. Differentialgleichungen haben in Ingenieur- und Naturwissenschaften eine herausragende Bedeutung, weil viele Vorgänge sich auf einfache Weise in Form von Differentialgleichungen beschreiben lassen. Eine Differentialgleichung ist das mathematische Modell für ein physikalisches Problem. Immer dann wenn ein Phänomen die Änderungsrate einer Funktion f bezüglich einer Positionskoordinate bzw. der Zeit beinhaltet, z.B. d f /dx bzw. d f /dt, bietet sich an, dieses Problem durch eine DGL zu beschreiben. Oft ist die Beschreibung eines Problems mittels einer DGL sogar der einzige Weg, es lösen zu können. Nachfolgend werden einige Beispiele aus der Mechanik und Physik vorgestellt, wie ein Phänomen mit Hilfe einer Differentialgleichung beschrieben werden kann. Es geht also zunächst lediglich um die mathematische Beschreibung eines physikalischen Problems – nicht um dessen Lösung, der Lösungsschritt kommt später. Beispiel 10.1: Freier Fall ohne Widerstand. Bild 10.1 zeigt den freien Fall eines Körpers mit der Masse m von einer Bezugshöhe aus, z.B. von einem Fernsehturm. Auf die Masse wirkt die Schwerkraft F = mg infolge der Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2 . Der Luftwiderstand soll vernachlässigt werden. Die momentane vertikale Ortskoordinate s(t) als Funktion der Zeit t wird durch die Differentialgleichung unten beschrieben, welche auf das bekannte Newtonsche Gesetz Beschleunigung=Kraft/Masse zurückgeht: d2 s mg = dt 2 m

s¨ = g

bzw.

DGL für den freien Fall ohne Widerstand (10.1)

Der Ausdruck s¨ = g besagt, dass die Beschleunigung des Körpers zu jedem beliebigen Zeitpunkt t der Erdbeschleunigung g gleich ist, d.h. er erfährt eine konstante Beschleunigung und wird dadurch immer schneller. Wir wissen aber noch nicht, welche Geschwindigkeit der Körper z.B. nach 2 Sekunden freien Falls erreicht bzw. welche Strecke er dabei zurückgelegt hat. Erst die Lösung der DGL wird diese Frage beantworten können. Anmerkung: Die DGL (10.1) stellt eine besonders einfache DGL dar. Man könnte sie unmittelbar nach Regeln der Integralrechnung zweimal integrieren und so die gesuchte Wegstrecke s(t) bestimmen. Derart einfache Differentialgleichungen kommen Bezugshöhe

Bezugshöhe Flüssigkeit

.

s(t)

s(t) m

..

s F=mg

Bild 10.1: Freier Fall ohne Widerstand

R=cs m

..

s F=mg

Bild 10.2: Freier Fall mit Widerstand

10.1 Einführung

489

in der Technik eher selten vor. Beispiel 10.2: Freier Fall mit Widerstand. Nun betrachten wir einen etwas komplizierteren Fall. Bild 10.2 zeigt den freien Fall eines Körpers in einem viskosen Fluid – wenn z.B. der Körper im Meer sinkt und dabei eine sog. laminare Strömung um den Körper erzeugt. Aufgrund des Flüssigkeitswiderstandes gegen den sinkenden Körper entsteht jetzt eine nicht mehr vernachlässigbare geschwindigkeitsproportionale Widerstandskraft R = cs˙ (c ist der Widerstandsbeiwert in Ns/m, s˙ ist die momentane Fallgeschwindigkeit in m/s).2 Die Widerstandskraft R wirkt auf den Körper abbremsend, d.h. in entgegengesetzt zur Sinkrichtung. Die nach unten gerichtete Nettokraft auf den Körper beträgt daher F = mg − cs. ˙ Die Bewegung des Körpers wird auf der Grundlage des Newtonschen Gesetzes durch die nachfolgende Differentialgleichung beschrieben: mg − cs˙ F = = s¨ m m



ms¨ + cs˙ = mg

(10.2)

Anmerkung: Diese DGL ist schon deutlich anspruchsvoller als die DGL (10.1). Die gesuchte Sinkstrecke s(t) lässt sich nicht mehr durch zweimalige Integration bestimmen – hierzu bedarf es Lösungsmethoden, die wir in nachfolgenden Abschnitten kennenlernen werden. Beispiel 10.3: Flüssigkeitspegel. Ein Behälter mit einer Austrittsöffnung unten sei mit Wasser gefüllt (Bild 10.3). Der Pegelstand im Behälter verringert sich kontinuierlich, weil das Wasser durch die Öffnung austritt. Die momentane Pegelhöhe z ist eine Funktion der Zeit t, d.h. z = z(t). Dementsprechend sind der hydrostatische Druck und die von diesem Druck abhängige Austrittsgeschwindigkeit ebenfalls Funktionen der Zeit. t=0 t>0

z(t)

h

Bild 10.3: Flüssigkeitspegel in einem Behälter

2 Die geschwindigkeitsproportionale Widerstandskraft ist eine Näherung – es existieren auch andere Rechenmodelle für den Widerstand, z.B. proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit etc.

490

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die Pegelhöhe im Behälter wird durch folgende nichtlineare DGL beschrieben: dz k A∗ √ √ + 2g z = 0 dt A

(10.3)

Hierbei ist A die über der ganzen Höhe konstante Querschnittsfläche des Behälters, A∗ die Querschnittsfläche der Austrittsöffnung. Experimente zeigen, dass der austretende Flüssigkeitsstrahl aufgrund von Einschnürungseffekt einen kleineren Querschnitt hat als der Öffnungsquerschnitt A∗ ; mit dem Ausflusskoeffizient k wird dieser Effekt berücksichtigt (kA∗ gibt also die effektive Strahlquerschnittsfläche wieder). Für kreisrunde Öffnungen gilt k ≈ 0,6. Beispiel 10.4: Balkenbiegung. Der in Bild 10.4 dargestellte Balken mit konstantem Querschnittsverlauf sei an seinem linken Ende fest eingespannt und durch die Streckenlast q(x) senkrecht zu seiner Längsachse belastet. Das Trägheitsmoment des Querschnitts sei mit I bezeichnet und der Elastizitätsmodul des Werkstoffs mit E. Die Biegelinie des Balkens ist eine Funktion de Ortskoordinate x, d.h. y = f (x). Gesucht ist die Differentialgleichung, welche das Biegungsproblem mathematisch beschreibt. Q

y

q(x) y(x) EI

L

x

Q+dQ

M



M+dM q dx

x

Bild 10.4: Balkenbiegung unter Streckenlast q (rechts das infinitesimale Balkenelement)

Wir schneiden aus dem unverformten Balken ein Stück mit der infinitesimalen Breite dx heraus und stellen an diesem infinitesimalen Balkenelement die Gleichgewichtsbedingungen unter der Belastung q auf:3 Das Gleichgewicht der Kräfte in y-Richtung (Kräfte in positiver y-Richtung als positiv betrachtet) führt zu: Q − (Q + dQ) + q(x) · dx = 0

⇒ dQ = q(x) dx



dQ = q(x) dx

(a)

Das Gleichgewicht der Momente um den Mittelpunkt des infinitesimalen Elements 3 In dieser sog. linearen Theorie werden die Gleichgewichtsbedingungen an der (unverformten) Ausgangsgeometrie aufgestellt, obwohl sich der Balken unter der Lasteinwirkung verformt hat. Erfahrungsgemäß ist der dabei begangene Fehler vernachlässigbar klein. Die Aufstellung der Gleichgewichtsbedingungen an der verformten Geometrie würde zu einer nichtlinearen DGL führen, deren (geschlossene) Lösung sehr viel -wenn überhaupt- schwieriger wäre.

10.1 Einführung

491

(Momente im Gegenuhrzeigersinn als positiv betrachtet) führt zu: dx dx − (Q + dQ) · + q(x) · 0 = 0 2 2

−M + (M + dM) − Q ·

dQ dx =0 (b) 2 Sowohl dx als auch dQ und dM sind infinitesimale (extrem kleine) Größen, daher ist das Produkt dQ dx in (b) gegenüber dM und dx vernachlässigbar und wir erhalten: ⇒ dM − Q dx −

dM − Q dx = 0



dM −Q = 0 dx



dM =Q dx

(c)

Der Ausdruck in (c) wird einmal nach x abgeleitet: d dM d = Q dx dx dx



d2 M dQ = 2 dx dx

(d)

Einsetzen von dQ/dx aus (a) in (d) liefert: d2 M = q(x) dx2

(e)

Zwischen dem Biegemoment M und der Biegelinie y(x) existiert ferner die Beziehung M = EIy .4 Einsetzen dieses Ausdrucks in (e) und die zweimalige Ableitung nach x liefert die endgültige Differentialgleichung für die Biegelinie des Balkens: EI y (x) = q(x)

DGL der Balkenbiegung unter der Streckenlast q

(10.4)

Beispiel 10.5: Knicken eines Stabes. Bild 10.5 zeigt einen an seinem linken Ende fest eingespannten Stab, der durch eine an seinem rechte Ende angreifende Druckkraft N axial belastet wird (E: Elastizitätsmodul des Werkstoffs, I: Trägheitsmoment des Stabsquerschnitts). Die Last N wird von Null aus langsam gesteigert. Während des Belastungsvorgangs stellt sich zunächst keinerlei seitliche Auslenkung ein (in axialer Richtung verkürzt sich der Stabs natürlich ein wenig - mit bloßem Auge kann man dies jedoch nicht erkennen). Beim Erreichen eines kritischen Wertes Nk weicht der Stab schlagartig seitlich aus. Dieses plötzliche Ausweichen wird Stabknicken genannt5 und ist ein gefürchtetes Phänomen bei Baukonstruktionen. Die kritische Last Nk heißt die Knicklast des Stabs. Das Problem des Stabknickens 4 Die Herleitung dieser Beziehung kann in Standardbüchern über Statik bzw. Festigkeitslehre nachgesehen werden. 5 Das Problem der Stabknickung wurde bereits von L. Euler mathematisch untersucht, s. Fußnote auf Seite 487.

492

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen d stan r Zu ckte i n k e ausg

y

Nk

y(x)

Ausgangszustand

x

N

EI

L Bild 10.5: Knicken eines eingespannten Stabes

wird durch die nachfolgende Differentialgleichung beschrieben: EI y + N y = 0

(10.5)

DGL für das Knickproblem eines Stabes

Anmerkung: Diese DGL gilt nicht nur für den eingespannten Stab in Bild 10.5, sondern unabhängig von Auflagerbedingungen für jeden Stab – der Einfluß der jeweiligen Auflagerbedingung auf die Knicklast wird erst bei der Bestimmung der Integrationskonstanten berücksichtigt, vgl. auch Abschnitt 10.8.7 auf Seite 549. Beispiel 10.6: Einfacher Schwinger. Bild 10.6 a zeigt einen einfachen Schwinger bestehend aus Feder, Masse und Dämpfer. An der Masse greife eine dynamische, d.h. zeitabhängige, Kraft F(t) an, die das System zu Schwingungen anregt. Die Masse sei mit m bezeichnet, die Feder hat die Federkonstante k und der Dämpfer die viskose Dämpfungskonstante c. Es wird geschwindigkeitsproportionale Dämpfungskraft angenommen. Bild 10.6 b zeigt den freigeschnittenen Körper mit der äußeren Erregerkraft F(t), der Federkraft kx und der Dämpferkraft cx. ˙ Die Nettokraft, die auf den Körper wirkt, beträgt F(t) − cx(t) ˙ − kx(t). Nach dem Newton-Gesetz gilt für die Beschleuningung x(t) ¨ des Körpers folgende Beziehung: x(t) ¨ =

F(t) − cx(t) ˙ − kx(t) m

(a)

Nach Umformung von (a) erhalten wir die Differentialgleichung, mit der der Schwingx(t)

c k

m

F(t)

.. x(t)

. cx(t)

reibungsfrei

m kx(t)

a: Einmassenschwinger

b: Freischnitt

Bild 10.6: Einmassenschwinger auf reibungsfreier Unterlage

F(t)

10.2 Definitionen für gewöhnliche Differentialgleichungen

493

vorgang x(t) des Körpers mathematisch beschrieben wird: m x(t) ¨ + c x(t) ˙ + k x(t) = F(t)

(b)

wobei x(t) die momentane Auslenkung des Körpers aus der Ruheposition bedeutet. In abgekürzter Schreibweise lautet die DGL: m x¨ + c x˙ + k x = F(t)

DGL des gedämpften Einmassenschwingers

(10.6)

Beispiel 10.7: Elektrischer Schwingkreis. Unten ist schematisch ein elektrischer Schwingkreis dargestellt. Er besteht aus einem Ohmschen Widerstand R (Einheit Ohm, Ω), einer Spule mit der Induktivität L (Einheit Henry, H) und einem Kondensator mit der Kapazität C (Einheit Farad, F). Der durch den Schwingkreis fließende Strom I ist eine Funktion der Zeit t, d.h. I = I(t).

R

I

L

U C

Der zeitabhängige Stromdurchfluss I(t) im System wird durch die nachfolgende Differentialgleichung beschrieben:

L

I d2 I dI =0 +R + dt 2 dt L C

DGL des elektrischen Schwingkreises

(10.7)

10.2 Definitionen für gewöhnliche Differentialgleichungen Ordnung einer Differentialgleichung Die höchste, in einer DGL vorkommende Ableitung bestimmt die Ordnung der Differentialgleichung. Falls in der DGL höchstens die n-te Ableitung vorkommt, so handelt es sich um eine Differentialgleichung n-ter Ordnung. Beispiel: y + y + xy − sin x = 0

DGL 2. Ordnung

Lineare und nichtlineare Differentialgleichungen Eine DGL mit nachfolgendem Aufbau wird als lineare Differentialgleichung bezeichnet: fn (x) y(n) + fn−1 (x) y(n−1) + · · · + f1 (x) y + f0 (x) y = r(x)

lineare DGL

(10.8)

494

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

(10.8) wird linear genannt, weil die unbekannte Funktion y und ihre Ableitungen y , y , · · · , y(n) nur in der ersten Potenz auftreten, d.h. es kommen keine höheren Potenzen, keine Wurzeln, keine transzendenten Formen vor. Ein Sonderfall von (10.8) ist die lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten: an y(n) + an−1 y(n−1) + · · · + a2 y + a1 y + a0 y = r(x)

(10.9)

Von einer nichtlinearen DGL würde man sprechen, wenn in (10.8) die Funktion y und ihre Ableitungen selbst in Funktionalformen vorkämen: fn (x) gn (y(n) ) + fn−1 (x) gn−1 (y(n−1) ) + · · · + f1 (x) g1 (y ) + f0 (x) g0 (y) = r(x)

(10.10)

Aus (10.8) folgt, dass eine lineare DGL folgende Eigenschaften aufweist: - Die Funktion y und ihre Ableitungen y , y , . . . , y(n) treten nur in linearer Form auf, d.h. es √ sind keine nichtlinearen bzw. transzendenten Glieder wie z.B. y2 , y, ln y, (y )2 (y )k , ey , sin y, cos y usw. vorhanden. - Die DGL enthält keine gemischten Produkte wie z.B. yy , yy , y y usw. Beispiel 10.8: Nachfolgend sind einige Beispiele für lineare und nichtlineare Differentialgleichungen und deren Ordnung angegeben. Differentialgleichung n˙ + kn = 0 y − y cos x = sin 2x 2 y + 2xy = x e−x xy + y = x sin x √ z˙ + k z = 0 y y − y cos x = sin 2x 2 y + 2xy2 = x e−x √ xy + y = x sin x θ¨ + k θ = 0 ms¨ + cs˙ + k s = sin 2t y + y + y = sin x y − 4xy + (4x2 − 2)y = 0 θ¨ + k sin θ = 0 ms¨ + cs˙2 = mg y + cos y = sin x y − 4xy + (4x2 − 2) ey = 0 EI y = q EI y + N y = 0

Ordnung 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 4 4

Linear oder nichtlinear? linear linear linear linear √ nichtlinear wegen z nichtlinear wegen y y nichtlinear wegen y2 √ nichtlinear wegen y linear linear linear linear nichtlinear wegen sin θ nichtlinear wegen s˙2 nichtlinear wegen cos y nichtlinear wegen ey linear linear

10.2 Definitionen für gewöhnliche Differentialgleichungen

495

Inhomogene und homogene lineare Differentialgleichungen Eine Differentialgleichung wird inhomogen genannt, wenn sie auf der rechten Seite die Störfunktion r(x) enthält, die ausschließlich von der unabhängigen Variable x abhängt: fn (x)y(n) + fn−1 (x) y(n−1) + · · · ) + f1 (x) y + f0 (x) y = r(x) Beispiel: y + y + xy = 2 + x sin x

inhomogene DGL (10.11)

mit r(x) = 2 + x sinx

Falls die DGL keine Störfunktion r(x) enthält, d.h. die rechte Seite gleich Null ist, wird sie homogene Differentialgleichung genannt: fn (x)y(n) + fn−1 (x) y(n−1) + · · · ) + f1 (x) y + f0 (x) y = 0

homogene DGL

(10.12)

Beispiel: y + y + xy = 0 Implizite und explizite Differentialgleichungen Falls die abhängige Variable y und ihre sämtlichen Ableitungen sowie eine evtl. vorhandene Störfunktion r(x) auf einer Seite des Gleichheitszeichens stehen, liegt eine implizite Differentialgleichung vor: F(x, y, y , y , · · · , y(n) ) = 0

implizite DGL

(10.13)

Falls die abhängige Variable y mit der höchsten Ableitung auf der anderen Seite des Gleichheitszeichens steht, liegt eine explizite Differentialgleichung vor: y(n) = G(x, y, y , y , · · · , y(n−1) )

explizite DGL

(10.14)

Beispiel 10.9: Folgende implizite DGL kann in die explizite Form transformiert werden. x3 y + sin(2x) y − x2 y + 5x − 4 = 0

implizite DGL

Division durch x3 und Umformung liefert: y = −

5 sin 2x  1 4 y + y− 2 + 3 3 x x x x

explizite DGL

Unterschied zwischen gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen In einer gewöhnlichen Differentialgleichung kommen nur die Funktion y(x) einer unabhängigen Variablen x sowie deren Ableitungen nach x vor, z.B. y (x), y (x). Von einer partiellen Differentialgleichung wird gesprochen, wenn darin eine Funktion z vorkommt, die von mindestens zwei unabhängigen Variablen abhängt, z.B. z = f (x, y) – sowie deren partielle Ableitungen f,x , f,y , f,xx , f,yy etc. nach x bzw. y.

496

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Beispiel: Die nachfolgende partielle DGL 2. Ordnung beschreibt die stationäre, d.h. zeitunabhängige, Temperaturverteilung T (x, y) in einer ebenen Platte (sog. Laplace-Gleichung): ∂ 2T ∂ 2T + 2 =0 ∂ x2 ∂y

(10.15)

Laplace-Gleichung

Partielle Ableitungen werden in Kapitel 12 und die partiellen DGL in Kapitel 13 behandelt.

10.3 Lösung einer Differentialgleichung Eine Differentialgleichung F(x, y, y , y , · · · , y(n) ) = 0 zu lösen heißt, eine Funktion y = f (x) zu finden, welche die gegebene DGL identisch erfüllt, d.h. nach Einsetzen in die DGL das Resultat   F x, f (x), f  (x), f  (x), · · · , f (n) (x) = 0

f (x) ist eine Lösung der DGL

liefert. Anstelle von Lösung spricht man auch von der Integration einer Differentialgleichung, d.h. bei DGL sind die Begriffe »Lösung« und »Integration« gleichbedeutend. Bei technischen Anwendungen kommt fast immer eine weitere Forderung hinzu: Die Lösungsfunktion muss nicht nur die DGL erfüllen, sondern auch bestimmte Nebenbedingungen, die sog. Anfangsbedingungen bzw. Randbedingungen befriedigen. In solchen Fällen bezeichnet man die DGL mit Nebenbedingungen auch als Anfangswertproblem bzw. Randwertproblem. Eine Funktion der Form y = f (x), welche die DGL erfüllt, heißt explizite Lösung der DGL. Ebenfalls möglich ist eine implizite Lösung in der Form g(x, y) = 0. Ferner hängt die Lösung einer DGL nicht davon ab, ob die DGL in impliziter Form nach (10.13) oder expliziter Form nach (10.14) vorliegt. Beide DGL-Formen führen letztlich auf die gleiche Lösung. Die Lösung einer DGL wird i.a. systematisch mit Hilfe von geeigneten Methoden gewonnen, die in nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels vorgestellt werden. Prinzipiell ist es natürlich gleichgültig, wie eine Lösung gefunden wird; sie könnte auch einfach durch Ausprobieren gefunden werden, wenngleich dies in der Regel eine ziemlich mühsame und in allermeisten Fällen wenig Erfolg versprechende Methode sein dürfte! Beispiel 10.10: In nachfolgenden Beispielen ist jeweils die DGL und rechts davon die allgemeine Lösung angegeben (wie diese Lösung gewonnen wurde, ist vorläufig ohne Belang). Es soll jeweils durch Substitution der vermeintlichen Lösung, die wir Ansatzfunktion nennen wollen, in die DGL gezeigt werden, dass sie auch tatsächlich die jeweilige DGL erfüllt. Eine DGL ist erfüllt, wenn nach Einsetzen der Ansatzfunktion in die DGL die linke und rechte Seite identisch sind. a) x y = y

?

Lsg: y = cx

c : beliebige Konstante

Aus der Ansatzfunktion y = cx erhalten wir durch Ableitung: (y) = (cx)

⇒ y = c

(a)

10.3 Lösung einer Differentialgleichung

497

Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung (a) in die DGL liefert: x c =  cx  xy



cx = cx 

y

Die Ansatzfunktion y = cx muss also tatsächlich die gesuchte Lösung der DGL x y = y sein, weil die Substitution von y = cx und (a) in die DGL zu einer Identität führt (die linke Seite ist identisch mit der rechten Seite). b) x y = 2 + y

?

Lsg: y = −2 + cx

Aus der Ansatzfunktion erhalten wir: (y) = (−2 + cx)

⇒ y = c

(b)

Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung (b) in die DGL liefert: x c = 2 + (−2 + cx)  

xy



cx = cx 

2+y

c) xy − 2y = 0

?

Lsg: y = cx2

Aus der Ansatzfunktion erhalten wir: (y) = (cx2 )



y = 2cx

(c)

Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung (c) in die DGL liefert: x (2cx) − 2 (cx2 ) = 2cx2 − 2cx2 = 0     xy

d) y − y = 0

=0

2y

?

Lsg: y = cex

Aus der Ansatzfunktion erhalten wir: (y) = (cex )

⇒ y = cex

(d)

Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung (d) in die DGL liefert: cex − cex = 0   0

e) m˙ = −k m

?

Lsg: m = ce−kt

Aus der Ansatzfunktion erhalten wir: d d m = (ce−kt ) dt dt

⇒ m˙ = −kce−kt

(e)

498

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung (e) in die DGL liefert: −kce−kt = −k · ce−kt f) yy + x = 0

 ?

Lsg: x2 + y2 + c = 0

Die in der impliziten Form angegebene Ansatzfunktion x2 + y2 + c = 0 wird zunächst nach y aufgelöst und anschließend nach x differenziert:  x2 + y2 + c = 0 ⇒ y = ± −x2 − c  ∓x ∓2x =√ −x2 − c ) = √ 2 2 −x − c −x2 − c Einsetzen der Lösungsfunktion und ihrer Ableitung (f) in die DGL ergibt: (y) = ±(

 ∓x ± −x2 − c √ +x = 0 −x2 − c



(f)

⇒ −x + x = 0 

yy

Alternatives Vorgehen: Es ist nicht zwingend notwendig, die Ansatzfunktion zunächst in die explizite Form zu transformieren. Man kann direkt auch mit der impliziten Ansatzfunktion arbeiten. Bei der impliziten Ableitung (vgl. auch Abschnitt 3.6) ist zu beachten, dass y von x abhängig ist und daher die Kettenregel angewendet werden muss:   d 2 dy d d 2 d 2 (x + y2 + c) = x + y + c dx dx dy dx dx ⇒ 2x + 2y y + 0 = 0

yy = −x

(g)

Einsetzen von (g) in die DGL liefert: −x + x = 0   0

10.4 Arten der Lösungen von Differentialgleichungen Allgemeine Lösung ya einer homogenen oder inhomogenen DGL Sowohl inhomogene als auch homogene Differentialgleichungen nach (10.11) bzw. (10.12) haben ihre jeweilige allgemeine Lösung. Man spricht von einer allgemeinen Lösung ya , wenn ya noch unbekannte Konstanten enthält. Die Anzahl der Konstanten der allgemeinen Lösung ergibt sich aus der Ordnung der DGL: Die allgemeine Lösung einer Differentialgleichung 1. Ordnung enthält nur eine Konstante c, diejenige einer DGL 2. Ordnung zwei Konstanten c1 und c2 , eine DGL n-ter Ordnung hat n Konstanten c1 , c2 , · · · , cn .

10.4 Arten der Lösungen von Differentialgleichungen

499

Beispiel 10.11: Die homogene DGL y + y = 0 hat die allgemeine Lösung: ya = c1 sin x + c2 cos x

(a)

wie man durch einfache Substitution von (a) in die DGL leicht verifizieren kann. Die inhomogene DGL y + y = 2 sin x hat die allgemeine Lösung: ya = c1 sin x + c2 cos x + sin x − x cos x

(b)

Anfangsbedingungen und Randbedingungen In Beispiel 10.4 auf Seite 490 haben wir die DGL der Balkenbiegelinie an einem differentiellen Balkenelement hergeleitet. Dabei wurde den sog. Lagerungsbedingungen des Balkens keine Beachtung geschenkt. Unabhängig davon, ob es sich um einen Kragbalken handelt oder einen mit gelenkigen Lagerungen an beiden Enden oder etwas anderes, bleibt die DGL (10.4) gültig. Die allgemeine Lösung einer DGL enthält unbekannte Konstanten, ohne deren Bestimmung die Lösung keinen praktischen Nutzen hätte. Diese Integrationskonstanten werden durch die Einarbeitung von zusätzlichen vorgegebenen Bedingungen in die allgemeine Lösung der DGL bestimmt. Erst dann kann die Aufgabe als gelöst betrachtet werden. Hierbei wird formell zwischen Randwertaufgaben und Anfangswertaufgaben unterschieden.6 Wenn die zusätzlichen Bedingungen an mindestens zwei Punkten des Lösungsraums, z.B. x1 = a und x2 = b, vorgegeben sind, handelt es sich um Randbedingungen und die DGL wird eine Randwertaufgabe (RWA) genannt. Bei diesen zwei Punkten kann es sich auch um zwei Zeitpunkte t1 und t2 handeln, wenn der Lösungsraum aus der Zeit t besteht (z.B. bei dynamischen Vorgängen). Wenn die zusätzlichen Bedingungen nur an einer einzigen Stelle, z.B. x = a bzw. t = t1 erfüllt werden müssen, spricht man von Anfangsbedingungen. Die DGL wird in diesem Fall Anfangswertaufgabe (AWA) genannt. Anmerkung: Zur Bestimmung von n Konstanten einer DGL n-ter Ordnung werden n Zusatzbedingungen (Anfangs- bzw. Randbedingungen) benötigt. Enthält die allgemeine Lösung z.B. die Konstanten c1 und c2 , sind zu deren Bestimmung zwei Zusatzbedingungen erforderlich. Anfangsbedingungen kommen in der Regel bei Aufgaben der Starrkörperdynamik vor. Randbedingungen treten in der Statik von Stäben und Flächentragwerken auf. Rand- und Anfangsbedingungen können aber auch gleichzeitig auftreten, wie z.B. in der Dynamik deformierbarer Körper (Schwingungen von Stäben und Flächentragwerken). Partikuläre Lösung y p einer inhomogenen DGL Falls für die inhomogene DGL ausschließlich eine spezielle, für die vorliegende Störungsfunktion r(x) maßgeschneiderte Lösung gesucht wird, handelt es sich um eine eine partikuläre Lösung y p . Eine partikuläre Lösung enthält keine Integrationskonstanten – daher werden auch keine Anfangs- bzw. Randbedingungen berücksichtigt. 6 Die Differenzierung »Randwertaufgabe« vs. »Anfangswertaufgabe« ist eher formaler Natur, für die Praxis hat sie keine Konsequenzen. Man könnte sie sogar einheitlich unter dem Begriff »Randanfangswertaufgabe« zusammenfassen.

500

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die inhomogene DGL in Beispiel 10.11 z.B. hat die partikuläre Lösung y p : y + y = 2 sin x

y p = sin x − x cos x

wie man sich durch einfache Substitution von y p in die inhomogene DGL überzeugen kann. Anmerkung: Meistens werden in der Literatur »partikuläre« bzw. »spezielle« Lösungen als Synonyme verwendet. Zur besseren begrifflichen Trennung und Vermeidung von Missverständnissen bei Studierenden wird hier nur die Bezeichnung »partikuläre« Lösung verwendet. Lösung einer Rand- bzw. Anfangswertaufgabe Die Erfüllung von Rand- bzw. Anfangsbedingungen durch die allgemeine Lösung der DGL liefert die Lösung der Rand- bzw. Anfangswertaufgabe. Bei der »Lösung« handelt es sich also um eine ganz »spezielle Lösung« aus einer unendlichen Menge von denkbaren Lösungen, welche sowohl die DGL als auch die Rand-/Anfangsbedingungen erfüllt. In der »Lösung« kommen deshalb keine unbekannten Konstanten mehr vor. Folgendes Flussdiagramm zeigt den Lösungsablauf einer Randwert- bzw. Anfangsaufgabe. Rand- bzw. Anfangsb. homogene DGL allgemeine Lsg: yh

inhomogene DGL

+

inhomogene DGL

=

partikuläre Lsg: yp

Rand-/Anfangswertpr.

allgemeine Lsg: ya

Lösung: y

Beispiel 10.12: Für die in Abschnitt 10 vorgestellten Beispiele gelten die nachfolgenden Rand- bzw. Anfangsbedingungen: Problem

Anfangs-/Randb.

Erläuterung

Beispiel 10.2, Seite 489

s(0) = s0

Startposition für t = 0

Freier Fall

s(0) ˙ = v0

Anfangsgeschwindigkeit

Beispiel 10.3, Seite 489

z(0) = h

Anfangspegel für t = 0

y(0) = 0

Durchbiegung

Beispiel 10.4, Seite 490

y (0) =

Verdrehung

Biegung eines Kragbalkens

y (L) =

Flüssigkeitspegel 0 0

EI y = Biegemoment

y (L) = 0

EI y = Querkraft

y(0) = 0

Durchbiegung

Beispiel 10.5, Seite 491

y (0) =

Verdrehung

Knicken eines Kragbalkens

y (L) =

0 0

EIy (L) = −Ny (L)

EI y = Biegemoment Querkraft bei x = L

10.5 Lösungsstrategie für ein physikalisches Problem

501

Beispiel 10.13: In Beispiel 10.10a wurde die allgemeine Lösung der DGL xy = y als y = cx bestimmt worden. Welche Lösung erfüllt zusätzlich die Anfangsbedingung y(2) = 6? Wie das Bild unten zeigt, besteht die allgemeine Lösung y = cx aus einer unendlichen großen Schar von Geraden, die durch den Ursprung des xy-Koordinatensystem gehen (die Steigung der Geraden wird durch die Konstante c bestimmt). Aber nur eine einzige von allen Lösungsgeraden geht auch durch den Punkt P = (2; 6). Diese können wir wie folgt bestimmen: y(2) = 6 = c · 2



c=

6 =3 2

Einsetzen von c = 3 in die allgemeine Lösung y = cx liefert die Lösung der Anfangswertaufgabe: y = 3x

Lösungsschar y = cx für die DGL xy = y

10.5 Lösungsstrategie für ein physikalisches Problem Die Lösung eines physikalischen Problems erfolgt i.a. in zwei Arbeitsschritten. 1. Beschreibung des physikalischen Problems mit Hilfe einer Differentialgleichung. Die Aufstellung der zugehörigen DGL erfolgt unter Beachtung physikalischer Gesetzmäßigkeiten und Zuhilfenahme speziellen Fachwissens. Die Ordnung der entstehenden DGL hängt dabei vom aktuellen physikalischen Problem ab. Das von der DGL beschriebene Problem wird, je nach der Art dazugehöriger Zusatzbedingungen, entweder Randwertaufgabe oder Anfangswertaufgabe genannt. 2. Lösung der Anfangswert- bzw. Randwertaufgabe (DGL mit Zusatzbedingungen). Dieser Schritt besteht ebenfalls aus zwei Teilaufgaben: a. Ermittlung der allgemeinen Lösung der DGL. b. Gewinnung einer (speziellen) Lösung aus der allgemeinen Lösung durch Erfüllung von Rand- bzw. Anfangsbedingungen.

502

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Auffinden der Lösung Zur Lösung einer DGL sind im allgemeinen spezielle Methoden erforderlich, weil die DGL sowohl die unbekannte Funktion y als auch ihre Ableitungen y , y , . . . in beliebiger Kombination enthalten kann. In nachfolgenden Abschnitten werden wir verschiedene Methoden kennenlernen. In Ausnahmefällen kann es jedoch möglich sein, eine Differentialgleichung auf besonders einfache Weise zu lösen. Beim Biegeproblem des gleichmäßig belasteten Balkens auf Seite 490 z.B. lässt sich die DGL (10.4) am einfachsten dadurch lösen, indem man die DGL 4-mal hintereinander nach üblicher Integralrechnung integriert und die unbekannten Kostanten c1 , c2 , c3 , c4 aus den Randbedingungen bestimmt. Anmerkungen 1. Nicht jede DGL besitzt eine Lösung. Die DGL y2 + 1 = 0 z.B. besitzt keine reelle Lösung, weil für jeden beliebigen reellen Wert von y der Ausdruck y2 + 1 positiv ist, d.h. es gilt stets y2 + 1 > 0, und folglich kann die DGL nicht erfüllt werden. 2. Eine DGL kann mehr als eine Lösung haben. Die DGL y2 − xy + y = 0 beispielsweise besitzt neben der allgemeinen Lösung y = cx − c2 noch die sog. singuläre Lösung y = x2 /4. Beispiel 10.14: Radioaktive Strahlung. Die Masse des radioaktiven Elements Radium ist eine Funktion der Zeit; sie wird mit zunehmender Zeit weniger, weil Radium aufgrund seiner radioaktiven Strahlung zerfällt. Es soll bestimmt werden, nach wieviel Jahren von ursprünglich m0 = 5 g Radium noch eine Restmasse von 2 g übrig bleibt. Die Massenbilanz infolge der Abstrahlung wird durch folgende Differentialgleichung beschrieben. Dies ist die mathematische Beschreibung des physikalischen Problems als Anfangswertaufgabe. m˙ + k · m = 0

m(0) = m0 = 5 g

(Anfangsbedingung)

(a)

1 (Zerfallsexponent für Radium) s Die homogene DGL m˙ + k · m = 0 besitzt die nachfolgende allgemeine Lösung: k = 1,4 · 10−11

ma = ce−kt

Ableitung nach t −−−−−−−−−−−−−−−→

d ma = m˙ a = −cke−kt dt

(b)

Durch Einsetzen von (b) in die DGL (a) kann man sich von der Richtigkeit der allgemeinen Lösung überzeugen: ?

m˙ a + k · ma = 0



−kce−kt + k · ce−kt = 0 

Die Lösung der Anfangswertaufgabe wird aus der Anfangsbedingung m(t = 0) = 5 (anfängliche Menge der radioaktiven Substanz) bestimmt: m(0) = m0 = 5 = ce−k · 0 = c  e0 = c =1

⇒ c=5



m(t) = 5e−kt

(c)

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

503

Jetzt wird die Zeit t0 bestimmt, nach deren Ablauf eine Restmenge von 2 g Radium übrig bleibt. Aus (c) erhalten wir: 5e−kt0 = 2



e−kt0 = 0,4

Logarithmieren beider Seiten unter Beachtung von (1.28) auf Seite 16 liefert: ln(e−kt0 ) = ln 0,4 t0 =

⇒ −kt0 = −0,916290732

0,916290732 = 6,544933 · 1010 s 1,4 · 10−11

≡ 6,544933 · 1010 /(365 · 24 · 3600) = 2075 Jahre!

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung In diesem Abschnitt werden einige grundlegende Lösungsmethoden für Differentialgleichungen 1. Ordnung vorgestellt. 10.6.1 Methode der Variablentrennung Falls eine Differentialgleichung 1. Ordnung in der Form g(y) y = f (x)

DGL mit getrennten Variablen

(10.16)

vorliegt bzw. sich mittels algebraischer Umformungen in diese Form transformieren lässt, ergibt sich eine sehr einfache Lösungsmethode. Unter Verwendung der Beziehung y = dy/dx kann man die DGL in (10.16) wie folgt umformen: g(y)

dy = f (x) dx



g(y) dy = f (x) dx

Auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens liegt jetzt jeweils eine Funktion mit artgleichen Variablen vor, d.h. auf der linken Seite eine Funktion von y und auf der rechten Seiteeine Funktion von x. Dieser Vorgang wird als Trennung der Variablen bezeichnet, weil die x-Terme und y-Terme voneinander vollkommen getrennt sind. Deshalb können beide Seiten voneinander unabhängig integriert werden. Diese Methode wird auch Integration durch Trennung der Variablen genannt.



g(y) dy =



f (x) dx + c

Integration mit getrennten Variablen

(10.17)

Nach Durchführung der Integration ist zur Bestimmung der allgemeinen Lösung ya das Resultat nach y aufzulösen.

504

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Beispiel 10.15: Gesucht ist die Lösung der nachfolgenden Anfangswertaufgabe. y − y2 = 0

Anfangsbedingung:

y(1) = 1

y =?

Trennung der gegebenen DGL gemäß (10.16) und Anwendung von (10.17) liefert: 1  y =1 y2

y = y2 &

1 dy = y2

&

⇒ g(y) =

(1) dx + c

1 y2

f (x) = 1

−1 = x+c y



(a)

Umformung des letzten Ausdrucks in (a) liefert die allgemeine Lösung ya : ya =

−1 x+c

(b)

Kontrolle der allgemeinen Lösung (b) durch Einsetzen in die gegebene DGL: ya

 =

−1 x+c



  −1 2 ? 1 ⇒ − =0 (x + c)2 x+c  

1 = (x + c)2

ya

0=0



y2a

Die Befriedigung der Anfangsbedingung liefert die Lösung der Anfangswertaufgabe: ya (1) = 1 =

−1 1+c



1 + c = −1

c = −2



y=

−1 x−2

Kontrolle der Lösung durch Einsetzen in die DGL: 

(y) =



−1 x−2



1 = (x − 2)2



  −1 2 ? 1 − =0 (x − 2)2 x−2   y

0=0

y2

Beispiel 10.16: Gesucht ist die Lösung der nachfolgenden Anfangswertaufgabe. 2yy − 4x = 0

Anfangsbedingung:

y(0) = 1

Die gegebene DGL wird nach Variablen getrennt und nach (10.17) integriert: 2y y =  4x  g(y)

f (x)



&

2y dy =

&

4x dx + c

⇒ y2 = 2x2 + c



10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung



√ ya = ± 2x2 + c

505

(a)

Kontrolle der allgemeinen Lösung durch Einsetzen von (a) in die DGL:    2x (ya ) = ± 2x2 + c = ± √ 2x2 + c    ±2x ? 2 ± 2x2 + c √ −4x = 0 2 +c 2x

  y

?

4x − 4x = 0

0=0



y

Die Einarbeitung der Anfangsbedingung liefert die Lösung y der Anfangswertaufgabe:  √ √ ya (0) = 1 = ± 2 · 02 + c = ± c ⇒ c = ±1 ⇒ c = 1 ⇒

√ y = ± 2x2 + 1

Kontrolle der Lösung durch Einsetzen in die DGL:    ±2x (y) = ± 2x2 + 1 = √ 2x2 + 1     ±2x  ? √ ⇒ 2 ± 2x2 + 1 −4x = 0 2 +1 2x 



y

⇒ 4x − 4x = 0 

y

Anmerkungen: 1. Es ist wichtig, die unbestimmte Integrationskonstante unmittelbar nach der Integration des Ausdrucks f (x) einzuführen. Eine spätere Hinzufügung kann zu falscher allgemeiner Lösung führen. In Beispiel 10.16 wäre z.B. folgende Vorgehensweise falsch gewesen. Zunächst die Integration ohne die Konstante c: 2yy − 4x = 0

······

&

2y dy =

&

4x dx

y2 = 2x2

√ ⇒ y = ± 2x

Anschließendes Hinzufügen der Konstante: √ ya = 2x + c  Dass die Lösung (b) falsch ist, erkennt man beim Einsetzen in die DGL 2yy − 4x = 0: √ √ ya = ( 2 x + c) = 2 √ √ √ √ ⇒ 2 · ( 2x + c) · 2 − 4x = 4x + 2 2 c − 4x = 2 2 c = 0 

(a)

(b)

506

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Das Ergebnis ist = 0, d.h. die DGL wird nicht erfüllt. Zwar könnte die Erfüllung der DGL erzwungen werden, wenn c = 0 eingesetzt √ wird; dann hätte man aber nicht die allgemeine Lösung sondern irgendeine Lösung y = 2x gewonnen, welche die gegebene Anfangsbedingung nicht erfüllen würde. 2. Es wird empfohlen, nach Bestimmung der Lösung einer DGL deren Richtigkeit mittels Substitution in die ursprüngliche DGL und Überprüfung der Zusatzbedingungen (Anfangs/Randbedingungen) zu kontrollieren. Die Lösung ist richtig, wenn die Substitution zu keinem Widerspruch in der ursprünglichen DGL führt und gleichzeitig die Zusatzbedingungen erfüllt. 10.6.2 Methode der Variablentransformation Es kann vorkommen, dass eine Differentialgleichung 1. Ordnung sich nicht unmitttelbar, sondern erst nach einer Variablentransformation in die in Abschnitt 10.6.1 behandelte Form mit getrennten Variablen bringen lässt. Beispielsweise ist es mit algebraischen Umformungen nicht möglich, die nachfolgende DGL in die Form g(y) y = f (x) zu bringen: y = x + y

lässt sich nicht in die Form g(y) y = f (x) bringen!

Die Methode der Variablentrennung ist also auf diese DGL nicht unmittelbar anwendbar. In bestimmten Fällen lassen sich solche Differentialgleichungen jedoch mit Hilfe einer Variablentransformation in die Form mit getrennten Variablen bringen und nach (10.17) integrieren. 10.6.2.1 Variablentransformation bei DGL vom Typ y = f (Ax + By +C) Die rechte Seite einer solchen DGL besteht aus einer beliebigen Funktion des Ausdrucks Ax + By + C, wobei A, B, C skalare Koeffizienten sind. Eine DGL dieses Typs lässt sich mittels der Variablensubstitution u = Ax + By +C

(a)

in eine neue DGL überführen: y = f (Ax + By +C)

wird transformiert in die Form

−−−−−−−−−−−−−−−−−−→

y = f (u)

(b)

Nach der Überführung der DGL in die Form y = f (u) wird noch der Term y aus der DGL eliminiert. Hierzu werden beide Seiten von (a) nach x differenziert – und zwar unter Beachtung der Tatsache, dass sowohl y als auch u von x abhängige Variablen sind und deshalb nach der Kettenregel differenziert werden müssen: d d u= (Ax + By +C) dx dx u =

d d d (Ax) + (By) + C = A + B y + 0 dx dx dx

⇒ y =

u − A B

(c)

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

507

Einsetzen von (c) in (b) liefert die transformierte DGL in der neuen Variable u: u − A = f (u) B

u = B f (u) + A



1 u = 1 A + B f (u)

(d)

Es handelt sich beim letzten Ausdruck in (d) offensichtlich um eine DGL mit getrennten Variablen (vgl. (10.16) auf Seite 503), welche in Analogie zu (10.17) direkt integriert werden kann: du 1 =1 A + B f (u) dx ⇒

&

1 du = A + B f (u)

1 du = dx A + B f (u)

⇒ &

(1) dx

(e)

Das Integral der linken Seite in (e) ist von der Funktion f (u) abhängig, die rechte Seite hingegen lässt sich allgemeingültig integrieren und wir erhalten als Lösung:



1 du = x + c A + B f (u)

(10.18)

Nach Durchführung der Integration gemäß (10.18) muss anschließend noch u im Ergebnisausdruck durch (Ax + By + C) ersetzt werden. Die Auflösung des so entstehenden Ausdrucks nach y liefert schließlich die gesuchte allgemeine Lösung ya = p(x).

Beispiel 10.17: Nachfolgend sind einige DGL vom Typ y = f (Ax + By +C) vor und nach der Einführung der Substitutionsvariable u = Ax + By +C angegeben: DGL y = 2x − 3y + 4 √ y = −x + 2y − 1 y = sin(x + y)

Substitutionsvariable u = 2x − 3y + 4 u = −x + 2y − 1 u = x+y

Transformierte DGL y = u √ y = u y = sin u

f (u) u √ u sin u

Beispiel 10.18: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y − y = x,

y(0) = 0.

Lösungsweg 1: Direkte Anwendung von (10.18). Zunächst wird die DGL in die Form y = x + y gebracht. Aus dem Vergleich von (Ax + By +C) mit der rechten Seite (x + y) erkennt man, dass A = B = 1 und C = 0 sind. Mit der Substitution u = x + y entsteht die neue DGL y = u: y = u

⇒ f (u) = u

508

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Nun kann (10.18) unmittelbar angewandt werden: &

1 du = x + c1 1+1·u

⇒ ln(1 + u) = x + c1

(a)

Mit Hilfe von (1.28) auf Seite 16 erhalten wir aus (a): ⇒ eln(1+u) = ex+c1

ec1 = cex ⇒ 1 + u = ex+c1 = ex 

(b)

c

Nach Rücksubstitution von u = x + y in (b) erhält man die allgemeine Lösung: 1 + (x + y) = c ex



ya = c ex − x − 1

Die Erfüllung der Anfangsbedingung liefert die Lösung der AWA: y(0) = 0 = c e0 − 0 − 1 = c − 1

⇒ c=1



y = ex − x − 1

Lösungsweg 2: Schrittweise Berechnung. In dieser Vorgehensweise werden alle Schritte, die in der theoretischen Herleitung oben zu (10.18) geführt haben, nachvollzogen (deshalb ist dieser Weg auch etwas langwieriger). Die Umformung der gegebenen DGL liefert y = x + y. Mit der Substitution u = x + y ergibt sich: (u) = (x + y) = 1 + y



y = u − 1

Das Einsetzen des Ausdrucks für u und der Ableitung y in die DGL y = x + y liefert: u u − 1 =   y



x+y

u = 1 + u

1 u = 1 1+u

Der letzte Ausdruck ist eine DGL mit getrennten Variablen und lässt sich leicht integrieren: &

1 du = 1+u

&

(1) dx

⇒ ln(1 + u) = x + c1

identisch mit der Lösung in (a)

Der Rest der Berechnung verläuft wie beim Lösungsweg 1. 10.6.2.2 Variablentransformation bei DGL vom Typ y = f

y x

Differentialgleichungen der Form y = f (y/x) werden als eulerhomogene DGL bezeichnet. Bei ihnen besteht die rechte Seite aus einer beliebigen Funktion von y/x. Die Differentialgleichung y = f (y/x) lässt sich mit Hilfe einer Variablentransformation in eine DGL mit getrennten Variablen überführen. Hierzu wird eine neue Variable u definiert und die ursprüngliche DGL in eine

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

509

neue Form transformiert: u=

y x

y = f



y

y = f (u)

wird transformiert in die Form

−−−−−−−−−−−−−−−−−−→

x

Aus der Substitution u = y/x folgt y = x u. Ableitung beider Seiten von y = x u nach x liefert unter Beachtung der Kettenregel:     d d d d (y) = (xu) ⇒ y = x ·u+x· u y = u + xu (10.19) dx dx dx dx Substitution der Variable u anstelle von y/x und des Ausdrucks u + x u anstelle von y in der ursprünglichen DGL y = f (y/x) liefert eine transformierte Differentialgleichung mit getrennten Variablen: u + x u = f (u)   y

⇒ x u = f (u) − u



f (y/x)

1 1 u = f (u) − u x



1 1 du = dx f (u) − u x

Integration des letzten Ausdrucks liefert: &

1 du = f (u) − u

&

1 dx x



1 du = ln x + c f (u) − u

(10.20)

Nach Bestimmung von u mit Hilfe von (10.20) wird zurück substitutiert, d.h. y/x anstelle von u in den Ergebnisausdruck eingesetzt und anschließend nach y aufgelöst.

Beispiel 10.19: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe x y = x + y,

y (1) = −3.

Lösungsweg 1: Direkte Anwendung von (10.20) Die Division beider Seiten durch x liefert folgende DGL: y = 1 +

y x

(a)

Nach der Substitution von u = y/x in die DGL (a) erhält man die transformierte DGL: y = 1 + u 

⇒ f (u) − u = (1 + u) − u = 1

f (u)

Die Lösung für u ergibt sich aus (10.20): &

1 du = ln x + c f (u) − u



&

(1) du = ln x + c

⇒ u = ln x + c

(b)

510

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Rücksubstitution von y/x anstelle von u in die Lösung (b) ergibt schließlich die allgemeine Lösung ya der DGL: y = ln x + c x



ya = x (ln x + c)

Die Lösung der AWA erhält man aus der Anfangsbedingung:   1  ya = 1 · (ln x + c) + x + 0 = ln x + c + 1 ya (1) = −3 = ln 1 + c + 1 x ⇒ c = −4



y = x (ln x − 4)

(c)

Lösungsweg 2: Schrittweises Vorgehen Mit der Substitutionsvariable u = y/x und der Beziehung y = u + xu gemäß (10.19) wird die DGL (a) in die nachfolgende Form transformiert: u + x u = 1 + u

⇒ x u = 1

⇒ u =

1 x

Diese DGL hat die Gestalt der getrennten Variablen und lässt sich leicht integrieren: du =

1 dx x



&

du =

&

1 dx x

⇒ u = ln x + c

Der Rest der Lösung verläuft wie unter Lösungsweg 1. Anmerkung: Wie bereits auf Seite 505 erläutert, ist es in der Regel notwendig, die Integrationskonstante c unmittelbar nach der ersten Integration der transformierten DGL einzutragen. Wie nachfolgend gezeigt wird, wäre es in diesem Beispiel falsch, die Konstante c erst zum Schluss zur Lösungsfunktion y hinzuzufügen, d.h. die allgemeine Lösung folgendermaßen herzuleiten: u = ln x



y = ln x x

⇒ y∗a = x ln x + c 

(d)

Dass die angebliche Lösung y∗a in (d) falsch ist, sieht man sofort, wenn sie in die DGL xy = x + y eingesetzt wird: (y∗a ) = (x ln x + c)



⇒ y∗a = 1 · ln x + x

⇒ x (ln x + 1) = x + x ln x + c   ya ∗

y∗a

1 + 0 = ln x + 1 x

⇒ x ln x + x = x + x ln x + c

(e) ⇒ c=0

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

511

Die DGL wird also nicht identisch erfüllt, sondern nur für einen speziellen Wert von c, nämlich für c = 0! Deshalb kann y∗a = x ln x (mit c = 0) nicht die allgemeine Lösung der DGL sein. Ferner erfüllt y∗a = x ln x auch nicht die Randbedingung y (1) = −3: 

Aus (e) ergibt sich: y∗a (1) = ln 1 + 1 = 0 + 1 = 1 = −3

(!)

 y 10.6.2.3 Variablentransformation bei DGL vom Typ y = f x, x Das Vorgehen zur Lösung von Differentialgleichungen der Gestalt y = f (x, y/x) verläuft in enger Anlehnung an das Vorgehen in Abschnitt 10.6.2.2. Auch hier wird die gleiche Variablensubstitution vorgenommen: u = y/x. Wie bereits in (10.19) gezeigt wurde, gilt für diese Art von Variablentransformation die Beziehung y = u + x u . Die Substitution von u für y/x und von u + x u für y in der ursprünglichen DGL liefert die transformierte Differentialgleichung: u=

y x

⇒ y = xu

⇒ y = u + xu

⇒ u + x u = f (x, u)

⇒ u =

f (x, u) − u x 

g(x,u)

Das ist eine DGL der Form u = g(x, u), die mittels einer geeigneten Methode zu lösen ist. Im letzten Schritt wird wieder eine Rücksubstitution vorgenommen, d.h. es wird in der Lösung der Ausdruck y/x anstelle von u eingesetzt und anschließend nach y aufgelöst. Beispiel 10.20: Gegeben ist die Anfangswertaufgabe: xy = x2 + y

y(1) = 0  y =? y Division beider Seiten durch x liefert eine DGL vom Typ y = f x, : x y = x +

y x und y = u + x u liefert:

Substitution von y/x = u u + x u = x + u 

⇒ u = 1

u = x+c

y

Die Rücksubstitution liefert die allgemeine Lösung: ⇒

y = x+c x



ya = x(x + c)

Lösung der AWA erfolgt über die Erfüllung der Anfangsbedingung: ya (1) = 0 = 1 · (1 + c)

⇒ c = −1



y = x(x − 1)

512

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

10.6.2.4 DGL vom Typ

y

 =f

Ax + By Cx + Dy



Eine solche DGL lässt sich in die Form y = f (y/x) der eulerhomogenen DGL nach Abschnitt 10.6.2.2 überführen, wenn der Zähler und Nenner der rechten Seite durch x dividiert werden. ⎛ y ⎞   A + B Ax + By x ⎠ (a) y = f =f⎝ y Cx + Dy C+D x Die Einführung der Substitutionsvariable u = y/x und der Ausdrucks y = u + xu gemäß (10.19) in (a) erzeugt eine DGL mit getrennten Variablen:     A + Bu A + Bu 1 1  u + xu = f ⇒ xu = f −u ⇒  u = A + Bu C + Du C + Du x f −u C + Du &

1   du = A + Bu f −u C + Du

&



1 dx x



⇒ f

1  du = ln x + c A + Bu −u C + Du

Beispiel 10.21: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y =

x+y x

y(1) = 1.

y x Substitution von u = y/x und y = u + xu in (a) liefert die neue DGL: Division des Zählers und Nenners durch x liefert: y = 1 +

u + u x = 1 + u u = ln x + c

⇒ u = ⇒

1 x

y = ln x + c x

du 1 = dx x



&

du =

(10.21)

&

(a)

1 dx x

ya = x (ln x + c)

Die Einarbeitung der Randbedingung y(1) = 1 liefert die Lösung der AWA: 1 = 1 · (ln 1 + c)

⇒ c=1

y = x (ln x + 1)

10.6.3 Lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung Eine Differentialgleichung 1. Ordnung wird als linear bezeichnet, wenn sie folgende Gestalt besitzt, vgl. auch (10.8) auf Seite 493: y + q(x) y = r(x)

lineare inhomogene DGL 1. Ordnung

(10.22)

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

513

In (10.22) liegen y und y in linearer Form vor. Hingegen können q(x) und r(x) beliebige Funktionen von x sein: z.B. Polynome, trigonometrische, exponentielle, logaritmische Funktionen. Die Funktion r(x) auf der rechten Seite wird Störfunktion genannt. Falls die Störfunktion r(x) in (10.22) gleich Null ist, spricht man von einer homogenen DGL: y + q(x) y = 0

lineare homogene DGL 1. Ordnung

(10.23)

Die allgemeine Lösung der homogenen DGL (10.23) wird mit Hilfe von Trennung der Variablen bestimmt (s. Abs. 10.6.3.1). Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL (10.22) ergibt sich nach dem Flussdiagramm auf Seite 500 als Summe von zwei Teillösungen: Allgemeine Lösung einer linearen inhomogenen DGL 1. Ordnung: y + q(x) y = r(x) ya = yh + y p

DGL: Lösung:

y + q(x) y = r(x) y + q(x) y = 0 y + q(x) y = r(x)

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL Allgemeine Lösung der homogenen DGL Partikuläre Lösung der inhomogenen DGL

ya yh yp

(10.24)

Die Lösung y der Randwert- bzw. Anfangswertaufgabe wird aus der allgemeinen Lösung ya in (10.24) gewonnen, indem die unbekannten Integrationskonstanten durch die Erfüllung der Randbzw. Anfangsbedingungen bestimmt werden.

10.6.3.1 Lineare homogene Differentialgleichung 1. Ordnung y + q(x) y = 0

lineare homogene DGL 1. Ordnung

(10.25)

Die lineare homogene DGL (10.25) lässt sich besonders einfach lösen, weil es sich dabei um eine DGL mit getrennten Variablen handelt. Nach Umformung erhalten wir: y = −q(x) y

1 dy = −q(x) y dx

1 dy = −q(x) dx y



&

1 dy = − y

&

q(x) dx

(a)

Nach Integration der letzten Gleichung in (a) erhält man die allgemeine Lösung der linearen homogenen DGL 1. Ordnung: ln y = −

&

q(x) dx + c1

⇒  eln y = e− y

yh = c e−



q(x) dx



q(x) dx+c1

= e−



q(x) dx

ec1  c

Allgemeine Lösung der homogenen DGL (10.25)

(10.26)

514

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Wenn eine konkrete Anfangswertaufgabe durch eine homogene DGL allein vollständig beschrieben werden kann, d.h. wenn keine Störfunktion vorhanden ist, stellt die allgemeine Lösung yh der homogenen DGL gleichzeitig allgemeine Lösung ya der Anfangswertaufgabe dar: ya = yh

für Anfangswertaufgaben in Form von (10.25)

In diesem Fall lässt sich die Lösung der Anfangswertaufgabe aus der allgemeinen Lösung (10.26) durch Erfüllung Anfangsbedingung gewinnen. Beispiel 10.22: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y + (3x2 − 2x)y = 0,

y(0) = 1.

Da es sich von Haus aus um eine homogene DGL handelt, braucht man keine partikuläre Lösung. Mit Hilfe von (10.26) ergibt sich die allgemeine Lösung der homogenen DGL zu: q(x) = 3x2 − 2x



⇒ yh = ya = c e−



&

q(x) dx

q(x) dx =

= c e−(x

&

3 −x2 )

(3x2 − 2x) dx = x3 − x2 = c e−x

3 +x2

(a)

Die Einarbeitung der Anfangsbedingung in (a) liefert die Lösung der AWA: ya (0) = 1 = c e−0 +0 = c 3

2



y = e−x

3 +x2

1

10.6.3.2 Lineare inhomogene Differentialgleichung 1. Ordnung mit konstantem Koeffizienten Ein Sonderfall der in (10.22) auf Seite 512 angegebenen Differentialgleichung y + q(x) y = r(x) ist die lineare inhomogene Differentialgleichung mit konstantem Koeffizienten. In diesem Fall ist q(x) einfach eine skalare Konstante k, d.h. es gilt q(x) = k. y + k y = r(x)

inhomogene DGL mit konstantem Koeffizienten

(10.27)

Die allgemeine Lösung dieser inhomogenen DGL ergibt sich nach (10.24) zu: DGL: Lösung: yh yp ya

y + k y = r(x) y a = yh + y p Allgemeine Lösung der homogenen DGL Partikuläre Lösung der inhomogenen DGL Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL

y + k y = 0 y + k y = r(x) y + k y = r(x)

(10.28)

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

515

Die allgemeine Lösung yh der zugehörigen homogenen DGL ergibt sich gemäß (10.26) zu: yh = c e−



k dx

= c e−kx

(10.29)

Wenn die vorliegende Anfangs- bzw. Randwertaufgabe keine Störfunktion r(x) besitzt, d.h. wenn die das Problem beschreibende DGL von sich aus homogen ist, kann die Unterscheidung zwischen ya und yh entfallen, weil sie in diesem Sonderfall identisch sind. 10.6.3.3 Partikulärlösung mit Ansatzfunktionen Für die meisten technischen Anwendungen wird die hier vorgestellte Methode der Ansatzfunktionen (auch Methode unbestimmter Koeffizienten genannt) zur Lösung der inhomogenen DGL (10.27) mit konstantem Koeffizienten k y + k y = r(x) herangezogen, weil sie ein übersichtliches Vorgehen erlaubt. Falls die Störfunktion r(x) durch einen der Ausdrücke in der linken Spalte in Tabelle 10.1 wiedergegeben werden kann, lässt sich die partikuläre Lösung mit Hilfe der zu r(x) korrespondierenden Lösungsansatzfunktion in der rechten Spalte Tabelle bestimmen. Sehr viele praktische Ingenieurprobleme in der Gestalt einer DGL 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten lassen sich erfolgreich mit Hilfe der Ansatzfunktionen lösen. Anmerkung: Falls die Störfunktion r(x) durch eine Summe der in der linken Tabellenspalte angegebenen Funktionen dargestellt werden kann, dann besteht der Lösungsansatz y p (x) aus der Summe der korrespondierenden Ansatzfunktionen der rechten Spalte. Beispiel 10.23: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y + 2y = 1 + x,

y(0) = 1/2.

Die allgemeine Lösung yh der zugehörigen homogenen DGL ergibt sich aus (10.29): y + 2y = 0

d.h. k = 2



yh = c e−2x

Die partikuläre Lösung der inhomogenen DGL erhalten wir mit Hilfe der Ansatzfunktionen in Tabelle 10.1: Störfunktion: r(x) = 1 + x

⇒ Ansatzfunktion: y p = A0 + A1 x

⇒ yp = A1

Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung in die inhomogene DGL liefert: A1 + 2(A0 + A1 x) = 1 + x

⇒ (A1 + 2A0 ) + (2A1 )x = 1 + x

Aus dem Koeffizientenvergleich zwischen linker und rechter Seite erhalten wir: A1 + 2A0 = 1

2A1 = 1



A1 = 1/2

A0 = 1/4

516

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen Tabelle 10.1: Ansatzfunktionen für die partikuläre Lösung von y + ky = r(x)

Nr.

Störfunktion r(x)

Lösungsansatzfunktion y p (x)

1.

a0 + a1 x + a2 x2 + · · ·

A0 + A1 x + A2 x2 + · · ·

2.

an xn

A0 + A1 x + A2 x2 + · · · + An xn

3.

a erx

A xs erx

4.

(a0 + a1 x + · · · + an xn ) erx

xs (A0 + A1 x + · · · + An xn ) erx

5.

an xn erx

xs (A0 + A1 x + · · · + An xn ) erx

6.

a sin αx

7.

a sin αx + b cos αx

A sin αx + B cos αx

8.

(an xn sin αx) oder (bn xn cos αx)

(A0 + A1 x + · · · + An xn ) sin αx

oder (an xn sin αx + bn xn cos αx)

+(B0 + B1 x + · · · + Bn xn ) cos αx

(an xn erx sin αx) oder (bn xn erx cos αx)

(A0 + A1 x + · · · + An xn ) erx sin αx

oder (an xn sin αx + bn xn cos αx) erx

+(B0 + B1 x + · · · + Bn xn ) erx cos αx

9.

oder b cos αx

A sin αx + B cos αx

s = 0, wenn r = −k

Anmerkung 1:

s. Anmerkung 1

s = 1, wenn r = −k

a, a0 , a1 , a2 , · · · , an , b, b0 , b1 , b2 , · · · , bn , r, α sind vorgegebene Skalare.

1 1 Die partikuläre Lösung ergibt sich jetzt zu: y p = + x Die allgemeine Lösung ya 4 2 der inhomogenen DGL ergibt sich durch Addition beider Teillösungen: ya = yh + y p



ya = c e−2x +

1 (1 + 2x) 4

Die Erfüllung der Anfangsbedingung liefert die noch unbekannte Konstante c: ya (0) =

1 1 ·0 1 = c e−2 + 4 (1 + 2 · 0) = c + 4 2 =1

Die Lösung der Anfangswertaufgabe lautet somit: y=

1 −2x 1 −2x 1 1 e + + x= (e + 1 + 2x) 4 4 2 4

c=

1 1 1 − = 2 4 4

10.6 Differentialgleichungen 1. Ordnung

517

10.6.3.4 Partikulärlösung gemäß Variation der Konstanten Variation der Konstante ist eine von Langrange7 erfundene Methode, die partikuläre Lösung y p der linearen inhomogenen Differentialgleichung unter Benutzung der allgemeinen Lösung yh der zugehörigen homogenen DGL zu bestimmen: y + q(x) y = r(x)

(10.30)

Die allgemeine Lösung yh der zugehörigen homogenen DGL y + q(x) y = 0 lautet nach (10.26): yh = c e−



q(x) dx

(a)

Grundgedanke des Verfahrens: Die Partikulärlösung y p von (10.30) spiegelt den Einfluss der Störfunktion r(x) auf das untersuchte physikalische Phänomen wieder. Es wird von der Vorstellung ausgegangen, dass es möglich sein müsste, die homogene Lösung yh als Referenzfunktion zu verwenden und den Einfluss der Störfunktion r(x) dadurch zu erfassen, dass in (a) anstelle der Konstante c eine -noch unbekannte- Funktion ϕ(x) verwendet wird – die Konstane c wird also in der Gestalt von ϕ(x) variiert. Für die Bestimmung der partikulären Lösung wird daher folgender Lösungsansatz gemacht: y p = ϕ(x) e−



q(x) dx

(10.31)

Die erste Ableitung der Ansatzfunktion y p in (10.31) lautet: yp = ϕ  (x) e−



q(x) dx

− ϕ(x) q(x) e−



q(x) dx

(b)

Wenn die Ansatzfunktion y p in (10.31) tatsächlich eine (partikuläre) Lösung der inhomogenen DGL (10.30) sein soll, muss sie natürlich die DGL erfüllen. Einsetzen der partikulären Ansatzfunktion y p (10.31) und ihrer Ableitung yp nach (b) in die DGL (10.30) ergibt: yp + q(x) y p = r(x) ⇒ ϕ  (x) e− 



q(x) dx



− q(x) dx

⇒ ϕ (x) e

−ϕ(x) q(x) e−  = r(x)



+ q(x) ϕ(x) e−

q(x) dx

=0





⇒ ϕ (x) = r(x) e



q(x) dx



= r(x)

q(x) dx

(c)

Die Integration der letzten Gleichung in (c) liefert die bisher unbekannte Funktion ϕ(x): ϕ(x) =

&

ϕ  (x) dx



ϕ(x) =

&



r(x) e

q(x) dx

dx

7 J.-L. Langrange (1736-1813) begründete u.a. die analytische Mechanik auf der Grundlage von Energieprinzipien und Differentialgleichungen. Die Methode Variation der Konstante wurde von ihm während seiner Forschungen der Himmelsmechanik entwickelt.

518

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die partikuläre Lösung der inhomogenen DGL lautet jetzt nach (10.31): y p = ϕ(x) e−



q(x) dx

= e−



&



q(x) dx

r(x) e

q(x) dx

dx



Nach Einführung der Abkürzung h(x) = q(x) dx (ohne Konstante c!) erhält man: y p = e−h(x)



yh = c e−h(x)

r(x) eh(x) dx

partikuläre Lösung der inhomogenen DGL

(10.32)

(10.33)

allgemeine Lösung der homogenen DGL

Die allgemeine Lösung ya der inhomogenen DGL ergibt sich somit folgendermaßen: ya = yh + y p ya = c e−h(x) + e−h(x)

&

r(x) eh(x) dx

ya = e−h(x)

'

r(x) eh(x) dx + c

( (10.34)

Zusammengefasst erhalten wir die nachfolgende Lösungsprozedur: Variation der Konstante für eine lineare inhomogene DGL 1. Ordnung Inhomogene DGL

y + q(x) y = r(x)

Zugehörige homogene DGL

y + q(x) y = 0

Abkürzung h(x) (ohne Konstante c)

h(x) = q(x) dx

Allgemeine Lösung der homogenen DGL

yh = c e−h(x)

Partikuläre Lösung der inhomogenen DGL

y p = e−h(x) r(x) eh(x) dx ( ' y = e−h(x) r(x) eh(x) dx + c

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL



(10.35)



Beispiel 10.24: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y − x y = 2x,

y(0) = 0.

Anwendung von (10.35) liefert mit q(x) = −x, r(x) = 2x: h(x) =

&

q(x) dx =

&

(−x) dx = −x2 /2

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: " " !& !& 2 2 ya = e−h(x) r(x) eh(x) dx + c = e−(−x /2) 2x e−x /2 dx + c

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

x2 /2

=e

= ex

2 /2

ya = −2ex

519

" ! & −x2 /2 dx + c 2 xe ( ' 2 Integral-Nr. 57 auf Seite 880 −2 e−x /2 + c 2 /2

e−x

2 /2

+ cex

2 /2

= −2e0 + cex

2 /2

= −2 + cex

2 /2

Die Lösung der AWA ergibt sich aus der Erfüllung der Anfangsbedingung: 2 /2

ya (0) = 0 = −2 + ce0 ⇒ y = 2 ex

2 /2

= −2 + c

⇒ c=2

−2

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten Differentialgleichungen 2. Ordnung kommen in technischen Anwendungen, insbesondere in Mechanik und Elektrotechnik (mechanische und elektromagnetische Schwingungen sowie Knickprobleme), sehr häufig vor. Ausgehend von der inhomogenen Differentialgleichung a y + b y + c y = r(x) mit konstanten Koeffizienten a, b, c erhalten wir nach Division linker und rechter Seite durch a die nachfolgenden Differentialgleichungen in der sog. Normalform mit konstanten Koeffizienten p = b/a und q = c/a sowie mit r(x) = r(x)/a: y + p y + q y = r(x) y + p y + q y = 0

lineare inhomogene DGL

(10.36)

lineare homogene DGL

(10.37)

Die allgemeine Lösung ya der inhomogenen DGL (10.36) ergibt sich, wie bereits schon in (10.24) auf Seite 513 für Differentialgleichungen 1. Ordnung erläutert, als Summe von zwei Teillösungen: Allgemeine Lösung einer linearen inhomogenen DGL 2. Ordnung: DGL:

y + p y + q y = r(x)

Lösung: ya = yh + y p ya

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL

y + py + q = r(x)

yh

Allgemeine Lösung der homogenen DGL

y + py + q y = 0

yp

Partikuläre Lösung der inhomogenen DGL

y + py + q y = r(x)

(10.38)

Für die Ermittlung der partikulären Lösung der inhomogenen DGL wird die Methode der Ansatzfunktionen verwendet, vgl. Abschnitt 10.7.2.

520

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

10.7.1 Allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung 2. Ordnung Für die Bestimmung der allgemeinen Lösung der linearen homogenen DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten p und q y + p y + q y = 0

(10.39)

wird folgender Lösungsansatz gemacht: y = eλ x

λ : skalarer Parameter (zunächst unbekannt)

(a)

Die Ansatzfunktion (a) sowie ihre 1. und 2. Ableitung werden in die DGL eingesetzt: y = λ eλ x

y = λ 2 eλ x

⇒ λ 2 eλ x + p λ eλ x + q eλ x = 0

⇒ (λ 2 + p λ + q)  eλ x = 0

(b)

=0

Es gilt stets eλ x = 0, so dass der eingeklammerte Ausdruck zwingend gleich Null sein muss, damit die Gleichung (b) erfüllt ist. Diese Bestimmungsgleichung wird charakteristische Gleichung der homogenen DGL genannt: λ2 + p λ +q = 0

(10.40)

charakteristische Gleichung

Die Lösung dieser quadratischen Gleichung liefert zwei Werte für den Parameter λ : p λ1,2 = − ± 2



p2 −q 4

Wurzeln der charakteristischen Gleichung

(10.41)

Der Parameter λ kann in Abhängigkeit vom Vorzeichen der Diskriminante D=

p2 −q 4

(10.42)

Diskriminante

reell oder komplex sein. Insgesamt lassen sich je nach Vorzeichen der Diskriminante D drei Fälle unterscheiden. Fall 1. Diskriminante ist positiv: D = p2 /4 − q > 0 In diesem Fall sind beide Wurzeln λ1 und λ2 reell und verschieden: p λ1 = − + 2



p2 −q 4

p λ2 = − − 2



p2 −q 4

(10.43)

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

521

Die homogene DGL besitzt daher zwei Einzellösungen: y1 = eλ1 x

y2 = eλ2 x

Einzellösungen der homogenen DGL

(10.44)

Die Linearkombination der Einzellösungen liefert die allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c1 · y1 + c2 · y2



yh = c1 eλ1 x + c2 eλ2 x

(10.45)

Fall 2. Diskriminante ist Null: D = p2 /4 − q = 0 In diesem Fall sind beide Wurzeln λ1 und λ2 reell und identisch: λ1 = λ2 = λ = −

p 2

Man bekommt deshalb zwei identische Teillösungen: y1 = eλ1 x = e−px/2

y2 = eλ2 x = e−px/2

Eine simple Addition der Teillösungen y1 , y2 wie in (10.45) bringt uns nicht weiter, wie man leicht einsehen kann: yh = c1 · y1 + c2 · y2 = c1 e−px/2 + c2 e−px/2 = (c1 + c2 ) e−px/2 = c e−px/2  c

Die obige allgemeine Lösung yh besitzt nur eine Konstante c; gemäß Abschnitt 10.4 auf Seite 498 muss jedoch die Anzahl der Konstanten der Ordnung der DGL entsprechen. Im vorliegenden Fall müssten also zwei Konstanten vorhanden sein. Zur Lösung des Dilemmas machen wir Gebrauch von der Idee »Variation der Konstante« wie in Abschnitt 10.6.3.4 auf Seite 517 und postulieren als Lösungsansatz die nachfolgende Funktion: yh = ϕ(x) e−px/2

(a)

Die erste und zweite Ableitung der Ansatzfunktion yh in (a) lauten:    p  −px/2 p2      y = ϕ − pϕ + ϕ e−px/2 y = ϕ − ϕ e 2 4

(b)

Nach Einsetzen von (b) in (10.39) erhalten wir unter Berücksichtigung von p2 /4 = q: ϕ  e−px/2 = 0

⇒ ϕ  = 0

Zweimalige Integration von ϕ  = 0 liefert: ϕ = c1 x + c2

(c)

522

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Einsetzen von (c) in (a) liefert die allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = (c1 x + c2 ) e−px/2

(10.46)

Fall 3. Diskriminante ist negativ: D = p2 /4 − q < 0 Die allgemeine Lösung der homogenen DGL (10.39) y + p y + q y = 0 lautet: yh = e−ηx (c1 cos ωx + c2 sin ωx)

Abkürzungen:

p η= 2

(10.47)  ω=

q−

p2 4

(10.48)

Herleitung der Formel (10.47): Zunächst ist es zweckmäßig, in der Bestimmungsformel (10.41) den Ausdruck unter der Quadratwurzel etwas umzuformen:        p2 p p p2 p2 p λ1,2 = − ± −q = − ± − q− = − ± (−1) · q − (a) 2 4 2 4 2 4 p2 p2 − q < 0 (Fall 3), daher muss zwangsläufig q − > 0 sein. 4 4 Das (−1) im letzten Ausdruck von (a) wird durch i2 ersetzt (i ist die imaginäre Einheit und i2 = −1, vgl. Seite 3) und man erhält den Parameter λ in komplexer Form wie folgt:     2 p p p2 p (b) λ1,2 = − ± i2 · q − = − ±i q− 2 4 2 4 Es gilt hier

Zwecks Abkürzung führen wir die in (10.48) definierten Symbole ein.8 Die Wurzeln in (b) lassen sich jetzt in kompakter Form angeben: λ1 = −η + iω

λ2 = −η − iω

Die beiden Einzellösungender homogenen DGL lauten somit, s. auch (10.44): y˜1 = eλ1 x = e(−η+iω)x

y˜2 = eλ2 x = e(−η−iω)x

8 Wir werden im Abschnitt 10.8.3 sehen, dass η und ω nicht nur bloße Abkürzungen zum Platzersparnis sind, sondern wichtige physikalische Bedeutung bei Schwingungen haben.

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

523

Die allgemeine Lösung yh der homogenen DGL (10.39) ergibt sich als Linearkombination der Einzellösungen y˜1 und y˜2 : yh = c˜1 · y˜1 + c˜2 · y˜2 = c˜1 e(−η+iω)x + c˜2 e(−η−iω)x = c˜1 e−ηx eiωx + c˜2 e−ηx e−iωx

(c)

= e−ηx (c˜1 eiωx + c˜2 e−iωx ) Mit Hilfe der Eulerschen Formeln für die komplexe Exponentialfunktion (s. Seite 819) e−iωx = cos ωx − i sin ωx

eiωx = cos ωx + i sin ωx

(10.49)

gewinnt man aus (c) folgende allgemeine Lösung: yh = e−ηx [c˜1 (cos ωx + i sin ωx) + c˜2 (cos ωx − i sin ωx)] = e−ηx (c˜1 + c˜2 ) cos ωx + i(c˜1 − c˜2 ) sin ωx]

(d)

Nach Einführung neuer Konstanten C1 = c˜1 + c˜2 und C2 = c˜1 − c˜2 ergibt sich aus (d): yh = C1 e−ηx

cos ωx +i C2 e−ηx

sin ωx g1 (x)

(e)

g2 (x)

Es lässt sich zeigen, dass bei einer komplexen Lösung der Form y = C1 g1 (x) + i C2 g2 (x) wie in (e) sowohl der Realteil g1 (x) als auch der Imaginärteil g2 (x) Einzellösungen der Differentialgleichung sind (auf formalen Beweis wird hier verzichtet und auf Spezialliteratur verwiesen). Das bedeutet, dass in (e) folgende Ausdrücke y1 = e−ηx cos ωx

y2 = e−ηx sin ωx

(f)

jeweils Einzellösungen der homogenen DGL darstellen. Durch erneute lineare Überlagerung der Lösungen in (f) erhält man schließlich die Beziehung (10.47): y = e−ηx (c1 cos ωx + c2 sin ωx)

Beispiel 10.25: Das nachfolgende -homogene- Anfangswertproblem ist für drei verschiedene p-Werte zu lösen und die Lösung grafisch darzustellen. y + py + 4y = 0

y(0) = 1, y (0) = 0

p = (0; 1; 5)

Fall p=0. Das dämpfende Glied p ist gleich Null und die Diskriminante D nach (10.42) ist negativ, so dass die allgemeine Lösung der DGL durch (10.47) gegeben ist: p=0

q=4

⇒ D=

p2 − q = 0 − 4 = −4 < 0 4

524

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

a: p = 0

b: p = 1

c: p = 5

Bild 10.7: Schwingungsfunktion y(x) für verschiedene Dämpfungswerte p

 p η = =0 2

ω=

q−

p2 √ = 4=2 4

Aus (10.47) erhalten wir für η = 0 und ω = 2: yh = e−0 (c1 cos 2x + c2 sin 2x) = c1 cos 2x + c2 sin 2x

(a)

Die unbekannten Konstanten c1 und c2 ergeben sich aus den vorgegebenen Anfangsbedingungen y(0) und y (0). Aus (a) erhalten wir: yh (0) = 1 = c1 cos 0 + c2 sin 0 = c1

⇒ c1 = 1

Die Ableitung von yh in (a) liefert: yh = −2c1 sin 2x + 2c2 cos 2x ⇒ yh (0) = 0 = −2 · 1 · sin 0 + 2c2 cos 0 = 2c2

⇒ c2 = 0

Einsetzen von c1 = 1 und c2 = 0 in (a) liefert die Lösung der AWA: y = 1 · cos 2x + 0 · sin 2x = cos 2x

(*)

In Bild 10.7 a ist die Lösungsfunktion y(x) in (*) dargestellt. Ein physikalischer Demonstrationsfall für dieses Beispiel ist der in Bild 10.8 a auf Seite 531 abgebildete ungedämpfte Einmassenschwinger. Wird der Körper um 0,1 m statisch ausgelenkt und in dieser ausgelenkten Position festgehalten und dann zum Zeitpukt t = 0 plötzlich losgelassen, wird er Schwingungen ausführen, die zeitlich einer Kosinus-Funktion entsprechen (vgl. auch Beispiel 10.30 auf Seite 532). Fall p=1. Diskriminante D in (10.42) ist auch hier negativ, so dass die allgemeine Lösung der DGL erneut durch (10.47) gegeben ist: p=1

q=4

⇒ D= 

p η = = 0,5 2

ω=

q−

1 p2 − q = − 4 = −3,75 < 0 4 4 p2  = 15/4 4

yh = e−ηx (c1 cos ωx + c2 sin ωx)

(b)

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

525

Aus den Anfangsbedingungen und (b) erhalten wir: yh (0) = 1 = 1 · (c1 cos 0 + c2 sin 0) = c1

⇒ c1 = 1

yh = −ηe−ηx (c1 cos ωx + c2 sin ωx) + e−ηx (−c1 ω sin ωx + c2 ω cos ωx)   = e−ηx c1 (−η cos ωx − ω sin ωx) + c2 (−η sin ωx + ω cos ωx) 1 ηc1 =√ ω 15 Einsetzen von c1 und c2 in (b) liefert die Lösung der AWA: yh (0) = 0 = 1 · (−ηc1 + c2 ω)

⇒ c2 =

 

1 y = e−0,5x cos 15/4 x + √ sin 15/4 x 15

(**)

Bild 10.7 b zeigt der Zeitverlauf der Lösungsfunktion y(x) in (**). Fall p=5. Diskriminante D gemäß (10.42) ist jetzt positiv und die allgemeine Lösung der DGL ergibt sich aus (10.43) und (10.45): p=5

q=4 

p λ1 = − + 2 p λ2 = − − 2



p2 4 p2 4

25 9 p2 −q = −4 = > 0 4 4 4  5 52 −q = − + − 4 = −1 2 4  5 52 −q = − − − 4 = −4 2 4 ⇒ D=

yh = c1 eλ1 x + c2 eλ2 x

(c)

Aus den Anfangsbedingungen und (c) erhalten wir: yh (0) = 1 = (c1 e0 + c2 e0 ) = c1 + c2 yh = c1 λ1 eλ1 x + c2 λ2 eλ2 x

⇒ c2 = 1 − c1

yh (0) = 0 = c1 λ1 e0 + c2 λ2 e0 = −c1 − 4c2

⇒ c1 = −4c2 = −4(1 − c1 )

⇒ c1 = 4/3

c2 = 1 − (4/3) = −1/3

Einsetzen von c1 und c2 in (c) liefert die Lösung der AWA (s. Bild 10.7 c). : 1 4 y = e−x − e−4x 3 3 Aus Bild 10.7 wird deutlich, dass der Parameter p die entscheidende Größe für das Abklingmaß der Lösung ist. Je größer p, umso stärker ist seine dämpfende Wirkung auf den Kurvenverlauf.

526

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

10.7.2 Partikuläre Lösung der linearen inhomogenen Differentialgleichung 2. Ordnung Die Bestimmung der partikulären Lösung y p für die lineare inhomogene DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten p und q y + p y + q y = r(x)

(10.50)

erfolgt mit Hilfe der speziellen Ansatzfunktionen in Tabelle 10.2 für ausgewählte, in technischen Anwendungen besonders häufig vorkommende Störfunktionen r(x). Regeln für die Auswahl der Ansatzfunktionen in Tabelle 10.2 1. Grundregel. Für eine Störfunktion r(x) wird die korrespondierende Funktion in der rechten Spalte als Lösungsansatz y p (x) gewählt. Dieser Lösungsansatz und seine Ableitungen werden in die inhomogene DGL eingesetzt und daraus die unbestimmten Koeffizienten A0 , A1 , A2 usw. mittels Koeffizientenvergleich beider Seiten (10.50) bestimmt. 2. Additionsregel. Falls die Störfunktion r(x) durch eine Summe der in der linken Tabellenspalte angegebenen Funktionen dargestellt werden kann, dann besteht der Lösungsansatz y p (x) aus der Summe der korrespondierenden Ansatzfunktionen der rechten Spalte. 3. Modifikationsregel. Der Exponent s im Ausdruck xs ist die kleinste positive ganze Zahl, die so gewählt wird, dass kein Term in der Ansatzfunktion y p identisch bzw. duplikativ ist mit irgendeiner Teillösung der homogenen DGL. Wenn die Ansatzfunktion y p keinen einzigen Term enthält, der mit irgendeiner Teillösung der homogonen DGL übereinstimmt, wird s = 0 gesetzt. Beispiel 10.26: Nachfolgend sind einige Beispiele für die Wahl von Ansatzfunktionen für die partikuläre Lösung angegeben (es wurde angenommen, dass hier s = 0 sei). Störfunktion r(x)

Ansatzfunktion y p (x)

1 + 2x

A 0 + A1 x

1 − 4x + 2.5x2 − 9x3

A0 + A1 x + A2 x2 + A3 x3

4x3

A0 + A1 x + A2 x2 + A3 x3

2e5x

Ae5x

−2e−7x

Ae−7x

3 sin(−2x)

A sin(−2x) + B cos(−2x)

2e3x + sin 2x

A1 e3x + A2 sin 2x + B1 cos 2x

e5x + 4e−3x + sin 2x

A1 e5x + A2 e−3x + A3 sin 2x + A4 cos 2x

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

527

Tabelle 10.2: Ansatzfunktionen für die partikuläre Lösung von y + py + qy = r(x)

Nr.

Störfunktion r(x)

Lösungsansatzfunktion y p (x)

1.

a0 + a1 x + a2 x2 + · · ·

xs (A0 + A1 x + A2 x2 + · · · )

2.

an xn

xs (A0 + A1 x + A2 x2 + · · · + An xn )

3.

a erx

A xs erx

4.

(a0 + a1 x + · · · + an xn ) erx

xs (A0 + A1 x + · · · + An xn ) erx

5.

an xn erx

xs (A0 + A1 x + · · · + An xn ) erx

6.

a sin αx

7.

a sin αx + b cos αx

xs (A sin αx + B cos αx)

8.

(an xn sin αx) oder (bn xn cos αx)

xs (A0 + A1 x + · · · + An xn ) sin αx

oder (an xn sin αx + bn xn cos αx)

+xs (B0 + B1 x + · · · + Bn xn ) cos αx

oder b cos αx

xs (A sin αx + B cos αx)

a, a0 , a1 , a2 , · · · , an , b, b0 , b1 , b2 , · · · , bn , r, α sind vorgegebene Skalare.

Beispiel 10.27: Gesucht ist die partikuläre Lösung der inhomogenen DGL y + 4y = 16x2 . Weil in der DGL der p-Term fehlt, gilt für die Diskriminante D < 0 gemäß (10.42) auf Seite nach 520. Aus (10.47) auf Seite 522 erhalten wir für η = p/2 = 0 die allgemeine Lösung der der zugehörigen homogenen DGL: yh = A sin 2x + B cos 2x Aus Tabelle 10.2 erhält man als Ansatzfunktion: y p = xs (A0 + A1 x + A2 x2 ) Gemäß der Modifikationsregel auf Seite 526 wird s = 0 angesetzt, weil yh und y p keine identischen Terme enthalten: y p = A 0 + A 1 x + A2 x 2

⇒ yp = A1 + 2A2 x

yp = 2A2

(a)

Nach Einsetzen von (a) in die DGL erhalten wir: 2A2 + 4 (A0 + A1 x + A2 x2 ) = 16x2

⇒ (2A2 + 4A0 ) + (4A1 )x + (4A2 )x2 = 16x2

528

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Der Koeefizientenvergleich zwischen der linken und rechten Seite liefert: 2A2 + 4A0 = 0

4A1 = 0

4A2 = 16 ⇒ A2 = 4

A1 = 0

A0 = −2

Die partikuläre Lösung lautet: y p = −2 + 0 · x + 4x2 = −2 + 4x2

10.7.3 Allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung 2. Ordnung Wie bereits auf Seite 519 erläutert, setzt sich die allgemeine Lösung ya der linearen inhomogenen DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten y + p y + q y = r(x)

(10.51)

aus den Teillösungen yh und y p zusammen: ya = yh + y p

(10.52)

Die allgemeine Lösung yh der zugehörigen homogenen DGL erfolgt nach Abschnitt 10.7.1, die partikuläre Lösung y p der inhomogenen DGL wird gemäß Abschnitt 10.7.2 bestimmt. Nach Aufstellung der allgemeinen Lösung ya wird die Lösung y der Rand-/Anfangswertaufgabe durch erfüllung der Rand-/Anfangsbedingungen bestimmt. Beispiel 10.28: Gesucht ist die Lösung der AWA y + 4y = 16x2 ,

y(0) = 1,

y (0) = 0.

Für diese DGL sind die allgemeine Lösung yh der homogenen DGL und die partikuläre Lösung y p der inhomogenen DGL bereits in Beispiel 10.27 ermittelt: yh = A cos 2x + B sin 2x

y p = −2 + 4x2

Die allgemeine Lösung ya der inhomogenen DGL ergibt sich aus (10.52): ya = yh + y p

ya = A cos 2x + B sin 2x − 2 + 4x2

(a)

Die Berücksichtigung der Anfangsbedingungen für (a) liefert die Lösung der AWA: ya (0) = 1 = A cos(2 · 0) + B sin(2 · 0) − 2 + 4 · 02 = A − 2 ya = −2A sin 2x + 2B cos 2x + 8x ya (0) = 0 = −2A sin(2 · 0) + 2B cos(2 · 0) + 8 · 0 = 2B ⇒

y = 3 cos 2x − 2 + 4x2

⇒ A=3 ⇒ B=0

10.7 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

529

Beispiel 10.29: Gesucht ist die Lösung der nachfolgenden Anfangswertaufgabe. y − 3y − 4y = e−x

y(0) = 0

y (0) = 0

Wir könnten zwar das »Kochrezept« auf Seite 520 mit Fallunterscheidungen anwenden. Hier soll jedoch klassisch vorgegangen werden. Nach Einsetzen des Lösungsansatzes yh = eλ x in die homogene DGL erhalten wir die Teillösungen: y h = eλ x

yh = λ eλ x

yh = λ 2 eλ x

y − 3y − 4y = (λ 2 − 3 λ − 4) eλ x = 0 ⇒ y1 = e−x



λ1 = −1

λ2 = 4

y2 = e4x

Die allgemeine Lösung der homogenen DGL setzt sich aus der linearen Superposition der Teillösungen y1 und y2 zusammen: yh = c1 y1 + c2 y2 = c1 e−x + c2 e4x

(a)

Zunächst wählen wir, ohne lange nachzudenken, gemäß Tabelle 10.2 den Lösungsansatz y p = Ae−x für die gegebene Störfunktion r(x) = e−x (wir setzen also s = 0 und werden gleich sehen, dass diese Wahl falsch ist). Einsetzen der Ansatzfunktion y p sowie ihrer ersten und zweiten Ableitung in die inhomogene DGL liefert: y p = Ae−x

yp = −Ae−x

yp = Ae−x

⇒ Ae−x − 3(−A e−x ) − 4(A e−x ) = e−x = 0 

(b)

Ae−x

Das Ergebnis in (b) zeigt, dass die Ansatzfunktion die inhomogene DGL nicht erfüllt. Der Ausdruck e−x kann niemals gleich Null sein (für den Grenzfall x = ∞ wäre natürlich e−x = 0, dies hätte aber keinen praktischen Nutzen). Daher muss unser Lösungsansatz zwangsläufig falsch sein. Die Ursache des Problems liegt darin, dass die Störfunktion r(x) = e−x und die Teillösung y1 = e−x identisch sind. Gemäß der Modifikationsregel 3 auf Seite 526 lautet die richtige Ansatzfunktion: s=1



y p = A xs e−x = A x1 e−x = A x e−x

Nach Einsetzen der korrekten Ansatzfunktion (c) und ihrer Ableitungen yp = A (e−x − x e−x )

yp = A (−2e−x + x e−x )

in die inhomogene DGL erhält man: A (−2e−x + x e−x ) − 3 A (e−x − x e−x ) − 4 A x e−x = e−x

(c)

530

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen



(−5A) e−x = e−x

⇒ −5A = 1

⇒ A=−

1 5

Die partikuläre Lösung der inhomogenen lautet somit: 1 y p = − x e−x 5

(d)

Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL ergibt sich durch Überlagerung: ya = c1 e−x + c2 e4x −

ya = yh + y p

1 −x xe 5

(e)

Die allgemeine Lösung (e) muss den Anfangsbedingungen genügen: ya (0) = 0 :

c1 · 1 + c2 · 1 −

1 ·0·1 = 0 5

⇒ c 1 + c2 = 0

1 −x (e − x e−x ) 5 1 1 ya (0) = 0 : −c1 · 1 + 4c2 · 1 − (1 − 0) = −c1 + 4c2 − = 0 5 5 Die Auflösung des Gleichungssystems für c1 und c2 liefert: ya = −c1 e−x + 4c2 e4x −

c1 = −

1 25

c2 =

1 25

Die Lösung der Anfangswertaufgabe ergibt sich somit zu: y=−

1 −x 1 4x 1 −x e + e − xe 25 25 5

10.8 Technische Anwendungen Eines der wichtigsten ingenieurtechnischen Anwendungsgebiete für Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten sind die mechanischen Schwingungsprobleme von Maschinen, Konstruktionen und Bauwerken sowie Knickprobleme von Stäben. Nachfolgend werden diese und auch einige andere Aufgabenstellungen an einigen einfachen Beispielen ausführlich behandelt. 10.8.1 Ungedämpfte freie Schwingung eines Schwingers mit einem Freiheitsgrad In der physikalischen Wirklichkeit existieren keine ungedämpften Schwingungen – selbst die perfekteste Schweizer Uhr oder ein elektrischer Schwingkreis mit teuersten Komponenten würden

10.8 Technische Anwendungen

531

mit der Zeit zur Ruhe kommen. Dennoch geht die Behandlung von realen Schwingungsvorgängen oft zunächst einmal von dem Modell der ungedämpften Schwingung aus, um sich einen ersten Eindruck von dem Problem zu verschaffen. Danach kommt die verfeinerte Betrachtung des wirklichkeitsnäheren gedämpften Systems. Der in Bild 10.8 a dargestellte Einmassenschwinger ist der einfachste Schwingertyp und besteht aus einer Feder und einer Masse. Ein Dämpfer ist nicht vorhanden. Weil keine keine äußere Belastung auf die Masse angreift, d.h. F(t) = 0, wird der Schwingungsvorgang als freie Schwingung bezeichnet. Es wird anstelle von freier Schwingung auch von Eigenschwingung gesprochen, weil der zeitliche Ablauf des Schwingungsvorganges nicht durch äußere Einwirkungen, sondern durch den Schwinger selbst bestimmt wird. Der Bewegungsvorgang des Schwingers wird durch die DGL (10.6) auf Seite 493 beschrieben, wobei der c-Term und die Störfunktion F(t) nicht vorhanden sind: m

d2 x(t) + k x(t) = 0 dt 2

bzw.

m x(t) ¨ + k x(t) = 0

t : Zeit

Der Einfachheit halber kann die Angabe der unabhängigen Zeitvariable t wegfallen: m x¨ + k x = 0

x¨ +

bzw.

k x=0 m

(10.53)

Diese DGL entspricht dem Fall 3 auf Seite 522: p=0

q=

k m



D=

p2 −q < 0 4

Die Parameter η und ω ergeben sich aus 10.48 auf Seite 522 zu:  ω=

η =0

k m

ω: Eigenkreisfrequenz

(10.54)

Die Lösung dieser DGL ergibt sich aus (10.47) auf Seite 522, wobei die unabhängige Variable x

x(t)

x(t)

c k

m

a: ungedämpft

m

k

b: gedämpft

Bild 10.8: Freie Schwingung eines Einmassenschwingers

532

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

in (10.47) jetzt durch t und die abhängige Variable y durch x ersetzt werden muss: x = e−0 · t (A cos ωt + B sin ωt)

x = A cos ω t + B sin ω t

(10.55)

Die Integrationskonstanten A und B werden aus Anfangsbedingungen bestimmt. Beispiel 10.30: Der ungedämpfte Feder-Masse-Schwinger in Bild 10.8 a wird statisch um 0,02 cm ausgelenkt und dann zum Zeitpunkt t = 0 plötzlich losgelassen, d.h. es liegen die Anfangsbedingungen x(0) = 0,02 (Anfangsauslenkung) und x(0) ˙ = v0 = 0 (Anfangsgeschwindigkeit) vor. Nach dem Loslassen vollführt der Schwinger freie Schwingungen (Eigenschwingungen) aus. Gesucht ist die Schwingungsfunktion x(t). k = 30.000 N/m

m = 70 kg

c = 0 Ns/m (weil ungedämpft)

Die DGL der Schwingung und ihre Eigenfreuenz ergeben sich aus (10.53) und (10.54): m x¨ + k x = 0

⇒ x¨ +

k x=0 m

D=

p2 k −q = − < 0 4 m



 k 30000 = = 20,70 rad/s (Eigenkreisfrequenz) ω= m 70 20,70 ω = = 3,295 Hz (Eigenfreuenz in Hertz) f= 2π 2π Die allgemeine Lösung der homogenen DGL lautet nach (10.55): xh = A cos ω t + B sin ω t

x˙h = −Aω sin ω t + Bω cos ω t

Die Lösung der AWA folgt aus den Anfangsbedingungen: xh (0) = 0,02 = A · 1 + B · 0

⇒ A = 0,02

x˙h (0) = 0 = −Aω · 0 + Bω · 1

⇒B=0



x(t) = 0,02 cos(20,7 t)

Nachfolgend ist Schwingungsfunktion x(t) grafisch dargestellt. Wegen fehlender Dämpfung (p = 0) bleibt die Schwingungsamplitude für alle Zeiten konstant.

Ungedämpfte Schwingung x(t) des Beispiels 10.30

10.8 Technische Anwendungen

533

10.8.2 Ungedämpfte freie Schwingung einer Halbtonne Eine dünnwandige Halbtonne vom Radius R liegt auf einer rutschfesten Unterlage (Bild 10.9). Sie wird langsam in die Position θ gedreht und dann plötzlich losgelassen. Sie vollzieht nun Wippschwingungen - der momentane Drehpol ist der Auflagepunkt C. Sinngemäße Anwendung des Newton-Gesetzes auf die Drehbewegung mit dem Freiheitsgrad θ liefert die Differentialgleichung 2. Ordnung für die Eigenschwingung der Halbtonne.9 Mc θ¨ = Ic

Winkelbeschleunigung = Drehmoment / Massenträgheitsmoment

(a)

Das Eigengewicht der Halbtonne übt in jeder ausgelenkten Position ein Drehmoment MC um den Punkt C aus, welches im Gegenuhrzeigersinn positiv betrachtet wird. IC ist Massenträgheitsmoment der Tonne um den augenblicklichen Drehpol C. Das differentielle Bogenelement (rot markiert) erzeugt um C ein äußeres Drehmoment aufgrund seines Gewichts dF: dMC = −dF · R sin α = − m∗ g · R dα · R sin α = −m∗ gR2 sin α dα   dF

Hebelarm



m : Masse der Tonne pro Längeneinheit in α-Richtung

g : Erdbeschleunigung

Das gesamte Drehmoment MC infolge des Tonnengewichts ergibt sich aus der Integration von dMC über die ganze Bogenlänge: MC =

π/2+θ &



dMC = −m gR

−π/2+θ

π/2+θ & 2

' (π/2+θ sin α dα = m∗ gR2 cos α

−π/2+θ

−π/2+θ

MC = m∗ gR2 [cos(π/2 + θ ) − cos(−π/2 + θ )] = −2m∗ gR2 sin θ 9 L. Meirovitch, Elements of Vibration Analysis, McGraw-Hill, 1975.

p/2+q

q da

R

a R sin a

dF C

Bild 10.9: Wippschwingung einer Halbtonne

R(1-cos a)

-p/2+q

534

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Das Massenträgheitsmoment IC lässt sich ebenfalls mittels Integration berechnen: π/2+θ &

IC =



(R sin α) + R (1 − cos α) 2

2

2



π/2+θ &

∗ 3

dm = 2m R

−π/2+θ

' (π/2+θ = 2m∗ R3 α − sin α = 2m∗ R3 (π − 2 cos θ )

(1 − cos α)dα

−π/2+θ

−π/2+θ

Einsetzen der Ausdrücke für MC und IC in (a) liefert die DGL der Eigenschwingung: θ¨ =

−2m∗ gR2 sin θ 2m∗ R3 (π − 2 cos θ )



θ¨ +

g sin θ = 0 R(π − 2 cos θ )

(b)

Die DGL in (b) beschreibt die Eigenschwingung der Tonne für beliebig große Wippwinkel θ . Allerdings ist sie eine nichtlineare DGL (wegen der Terme sin θ und cos θ ), die keine analytische Lösung besitzt, sondern numerisch gelöst werden muss. Für den Fall kleiner Schwingungsamplituden (θ 1 rad) gilt näherungsweise sin θ ≈ θ und cos θ ≈ 1, so dass wir aus (b) die linearisierte DGL der Schwingung gewinnen können: θ¨ +

g θ =0 R(π − 2)

linearisierte DGL für die Schwingung der Halbtonne

(c)

Die DGL (c) ist im Aufbau identisch mit derjenigen in (10.53) auf Seite 531, so daß die Eigenkreisfrequenz ω unmittelbar angegeben werden kann: ω=



g R(π − 2)

Eigenkreisfrequenz der Halbtonne

(d)

Aus dem Ergebnis in (d) wird deutlich, dass eine Tonne mit größerem Radius R langsamer schwingt als eine mit kleinerem Radius und unabhängig von der Gesamtmasse ist. 10.8.3 Gedämpfte freie Schwingung eines Schwingers mit einem Freiheitsgrad Der Schwinger in Bild 10.8 b enthält zusätzlich einen Dämpfer. Für den Fall ohne äußere Belastung, d.h. F(t) = 0, wird die gedämpfte freie Schwingung durch die nachfolgende die Differentialgleichung gemäß (10.6) auf Seite 493 beschrieben: m

d d2 x(t) + c x(t) + k x(t) = 0 dt 2 dt

bzw.

m x(t) ¨ + c x(t) ˙ + k x(t) = 0

(10.56)

oder in vereinfachter Schreibweise: m x¨ + c x˙ + k x = 0

bzw.

x¨ +

k c x˙ + x = 0 m m

(10.57)

10.8 Technische Anwendungen

535

Mit den Abkürzungen p=

c m

q=

 q−

ω=

k m

η=

p 2

⇒ 

 p 2



2

ω=

η=

c 2m

k  c 2 − m 2m

(10.58)

(10.59)

ergibt sich die Lösung der DGL (10.57) aus (10.47) auf Seite 522, wobei die unabhängige Variable x in (10.47) jetzt durch t und die abhängige Variable y durch x ersetzt wird: x(t) = e−ηt (A cos ωt + B sin ωt)

(10.60)

Der Parameter ω wird die Eigenkreisfrequenz des gedämpften Systems genannt. Für die Behandlung gedämpfter Schwingungen ist es zweckmäßig, neue Parameter einzuführen:  ω0 =

k m

cc = 2 m ω0 ξ=

Eigenkreisfrequenz ohne Dämpfung

kritische Dämpfung

c c = 2mω0 cc

(kritischer) Dämpfungsgrad

(10.61a)

(10.61b) (10.61c)

Das Produkt 2mω0 wird kritische Dämpfung genannt und mit dem Symbol cc ausgedrückt. Ein kritisch gedämpfter Schwinger (c ≥ cc ) kann keine Schwingungszyklen mehr ausführen, sondern lediglich eine kriechende Bewegung, s. Bild 10.7 c auf Seite 524. Das wird deutlich, wenn man die Eigenkreisfrequenz ω eines kritisch gedämpften Systems berechnet: Für c = cc = 2mω0 ergibt sich die Eigenkreisfrequenz ω gemäß (10.59) zu:      2m ω0 2 k  c 2 − = ω02 − = ω02 − ω02 = 0 ω= m 2m 2m Das Ergebnis ω = 0 bedeutet, dass die Eigenkreisfrequenz des gedämpften Schwingers Null ist, d.h. keine Schwingung stattfinden kann, sondern nur eine kriechende Bewegung. Für ein kritisch gedämpftes System gilt daher ξ = 1: Für c = 2mω0 :

ξ =1

keine Schwingung möglich!

Der (kritische) Dämpfungsgrad ξ gibt also das Verhältnis der vorhandenen Dämpfung c zur kritischen Dämpfung cc wieder und wird in der Strukturdynamik auch als Lehrsches Dämpfungsmaß bezeichnet.

536

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Unter Verwendung des kritischen Dämpfungsgrads ξ lässt sich die Schwingungsfunktion (10.60) des gedämpften Einmassenschwingers wie folgt ausdrücken. Aus (10.58) erhalten wir: η= ⇒

c ω0 c = 2m 2m ω0

η = ξ ω0

x(t) = e−ξ ω0 t (A cos ωt + B sin ωt)

Schwingungsfunktion

(10.62)

Die unbekannten Konstanten A und B werden aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Die erste Ableitung der Schwingungsfunktion (10.62) nach der Zeit lautet: x(t) ˙ = −ξ ω0 e−ξ ω0 t (A cos ωt + B sin ωt ) + e−ξ ω0 t (−ωA sin ω t + ωB cos ω t) Nach Zusammenfassung der Terme ergibt sich die Geschwindigkeit zu: ⇒

( ' x(t) ˙ = e−ξ ω0 t (−ξ ω0 A + ωB) cos ωt + (−ωA − ξ ω0 B) sin ωt

(10.63)

Zwischen der Eigenkreisfrequenz ω des gedämpften und der Eigenkreisfrequenz ω0 des ungedämpften Systems besteht folgende Beziehung:    k  c 2 − = ω02 − η 2 = ω02 − ξ 2 ω02 ω= m 2m ⇒

ω = ω0



1−ξ2

Eigenkreisfrequenz mit Dämpfung

(10.64)

Beispiel 10.31: Der gedämpfte Schwinger nach Bild 10.8 b mit den nachfolgenden Kennwerten wird statisch um 2 cm ausgelenkt und zum Zeitpunkt t = 0 plötzlich losgelassen. Gesucht ist der Zeitverlauf x(t) der Schwingung. k = 30.000 N/m

m = 70 kg

c = 120 Ns/m

Dieser Schwinger wurde in Beispiel 10.30 für den Fall c = 0 (keine Dämpfung) untersucht. Die Eigenkreisfrequenz bei fehlender Dämpfung ergab sich zu:   k 30.000 = = 20,70 rad/s ω0 = m 70 Die allgemeine Lösung der zugehörigen DGL (10.57) für das gedämpfte System ist in (10.62) angegeben: x(t) = e−ξ ω0 t (A cos ωt + B sin ωt)

(a)

10.8 Technische Anwendungen

537

Zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich der Schwinger im ausgelenkten Zustand in Ruhestellung. Die Anfangsbedingungen lauten daher: x(0) = 2 cm = 0,02 m

x(0) ˙ = 0 m/s

(b)

Der Dämpfungsgrad ξ und die gedämpfte Eigenkreisfrequenz ω ergeben sich aus (10.61c) und (10.64): c 120 = 0,0414 ξ ω0 = 0,0414 · 20,70 = 0,857 = 2mω0 2 · 70 · 20,70   ω = ω0 1 − ξ 2 = 20,70 1 − 0,04142 = 20,68 rad/s ξ=

Die Eigenkreisfrequenz ω des gedämpften Schwingers verringert sich also gegenüber der Eigenkreisfrequenz ω0 des ungedämpften Schwingers nur unbedeutend. Das ist typisch für Baukonstruktionen (Brücken, Hochhäuser, Türme etc.). Für übliche Ingenieurbauwerke beträgt der Dämpfungsgrad ξ ≈ 0,02 · · · 0,07, d.h. der Reduktionsterm  1 − ξ 2 bewegt sich im Bereich 0,9998 · · · 0,9975 und somit in der Regel stets vernachlässigbar klein. Die Eigenfrequenz f ergibt sich zu: f=

20,68 ω = = 3,29 Hz 2π 2π

(d.h. 3,29 Schwingungszyklen pro Sekunde)

Die unbekannten Konstanten A und B in (a) aus der Forderung bestimmt, dass die allgemeine Lösung die Anfangsbedingungen in (b) erfüllen muss: x(0) = 0,02 = e−ξ ω0 · 0 (A · 1 + B · 0) = A

⇒ A = 0,02

Die Geschwindigkeit x˙ ergibt sich aus (10.63): ( ' x(t) ˙ = e−ξ ω0 t (−ξ ω0 A + ωB) cos ωt + (−ωA − ξ ω0 B) sin ωt ' ( x(0) ˙ = 0 = 1 · (−ξ ω0 A + ωB) · 1 + (−ωA − ξ ω0 B) · 0 = −Aξ ω0 + Bω ⇒B=

A (ξ ω0 ) 0,02 · 0,857 = = 0,00083 ω 20,68

Die Schwingungsfunktion des gedämpften Schwingers lautet: x(t) = e−0,857 t (0,02 cos 20,68 t + 0,00083 sin 20,68 t) Der Zeitverlauf x(t) der Eigenschwingung ist in Bild 10.10 grafisch dargestellt. Anmerkung: Der Einfluß der Dämpfung auf die Eigenfrequenz ist zwar für normale

538

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Bild 10.10: Ungedämpfte Schwingung x(t) des Beispiels 10.31

Baukonstruktionen von untergeordneter Bedeutung. Wie man auch in Bild 10.10 sieht, haben selbst geringe Dämpfungswerte allerdings einen bedeutenden Einfluß auf den Schwingungsverlauf. Bereits nach 3 Schwingungszyklen verringert sich die Schwingungsamplitude dieses Beispiels auf den halben Wert des Anfangsauslenkung. Korrekte Wahl der Einheiten Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Koeffizienten m, c, k in Einheiten angegeben werden, die zueinander physikalisch konsistent sind. Für praktische Anwendungen werden folgende Einheiten empfohlen:10 Größe

Symbol

Einheit

Federsteifigkeit

k

N/m

Masse

m

kg

Dämpfungskonstante

c

N/(m/s) = Ns/m

10 Hierzu eine persönliche Anekdote: Während meiner beruflichen Tätigkeit in einem großen Industriekonzern während der 1990er Jahre hatte unsere ausländische Tochterfirma den Auftrag für eine Abwasserkläranlage einer USamerikanischen Gemeinde erhalten. Diese Tochterfirma hatte ein lokales Ingenieurbüro beauftragt, die Berechnung und konstruktive Auslegung des Rührwerks der Kläranlage durchzuführen; wir waren als Mutterkonzern für die Qualitätsüberwachung zuständig. Die von der lokalen Ingenieurfirma und die von mir berechnete Eigenfrequenz wichen voneinander allerdings um 81%(!) ab – meiner Meinung nach war Resonanzgefahr vorhanden, die Ingenieurfirma konnte keine Resonanzgefährdung erkennen. Trotz intensiver schriftlicher Kommunikation miteinander ließ sich die Differenz nicht aufklären. Wegen befürchteter Schadenersatzansprüche seitens des Kunden bei potentiellen zukünftigen Betriebsstörungen schickte mich mein Arbeitgeber nach New York zur Klärung des Sachverhalts. Nach stundenlanger fruchtloser fachlicher Diskussion fiel mir plötzlich in den Detailunterlagen die mögliche Ursache auf: Die Ingenieurfirma hatte bei den Eingabedaten für die Computersoftware zwar fast durchgehend SI-Einheiten verwendet. Nur bei einem Eingabewert beließen sie es aber (wohl aus Gewohnheit) bei der US-Einheit (es ging um die Erdbeschleunigung 9,81 m/s2 vs. 32,18 ft/s2 ). Nach Korrektur des Eingabewertes bestätigte das Rechenprogramm die von uns berechnete Eigenfrequenz. Die Konstruktion konnte noch rechtzeitig geändert werden, um die Resonanzgefahr zu vermeiden.

10.8 Technische Anwendungen

539

10.8.4 Erzwungene Schwingung eines Einmassenschwingers Wenn ein Schwingungssystem durch eine dynamische äußere Last F(t) zu Schwingungen angeregt wird, spricht man von erzwungener Schwingung. Bild 10.11 a zeigt einen gedämpften Einmassenschwinger, dessen von F(t) angeregte Schwingung durch die nachfolgende inhomogene Differentialgleichung 2. Ordnung beschrieben wird: m x¨ + c x˙ + k x = F(t)

mit

x˙ =

dx dt

und x¨ =

d2 x dt 2

(10.65)

Division beider Seiten durch m liefert die Normalform der Schwingungs-DGL: x¨ +

k F(t) c x˙ + x = m m m

x(t) : Auslenkung

(10.66)

DGL der erzwungenen Schwingung

m : Masse

k : Federkonstante

c : Dämpfungskonstante

Es gibt verschiedene Arten von erzwungenen Schwingungen, die sowohl von der Systemkonfiguration als auch von der Art der dynamischen Belastung abhängen. Einige Fälle werden nachfolgend untersucht. 10.8.5 Harmonisch erregter Schwinger und Resonanz Das Feder-Masse-Dämpfer-System in Bild 10.11 a sei durch die in Bild 10.11 b dargestellte zeitabhängige Kraft F(t) = F sin ω t belastet. Eine solche sinusförmige Belastungsfunktion wird harmonische Erregung genannt, die Erregerfrequenz ist ω. Die Bewegung des Schwingers wird gemäß (10.65) beschrieben: m x¨ + c x˙ + k x = F sin ω t

(10.67)

Mit den Abkürzungen  ω0 =

k m

ξ=

c 2mω0

ω = ω0



1−ξ2

β=

ω ω0

x(t)

c k

m

F(t) reibungsfrei

a: Einmassenschwinger angeregt durch F(t)

b: Harmonische Last F(t)/F = sin ωt

Bild 10.11: Erzwungene Schwingung eines Einmassenschwingers

(10.68)

540

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

ω0 ξ ω β

Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers (kritischer) Dämpfungsgrad (Lehrsches Dämpfungsmaß) Eigenkreisfrequenz des gedämpften Schwingers Frequenzverhältnis der Erregerkraft

lautet die allgemeine homogene Lösung von (10.67) gemäß (10.62) auf Seite 536: xh = e−ξ ω0 t (A cos ωt + B sin ωt)

(10.69)

Partikulärlösung. Zur Bestimmung der partikulären Lösung von (10.67) wird gemäß Tabelle 10.2 auf Seite 527 folgender Ansatz gemacht: x p = A0 sin ωt + B0 cos ωt

(a)

Daraus erhält man die Ableitungen nach der Zeitvariable t: x˙ p = A0 ω cos ω t − B0 ω sin ω t

x¨ p = −A0 ω 2 sin ω t − B0 ω 2 cos ω t

Nach Substitution dieser Ableitungen in die Gleichung (10.67) und Zusammenfassung der Sinusund Kosinus-Terme erhält man: [(k − mω 2 )A0 − cωB0 ] sin ω t + [cωA0 + (k − mω 2 )B0 ] cos ω t = F sin ω t

(b)

Der Koeffizientenvergleich auf beiden Seiten von (b) liefert: [(k − mω 2 )A0 − cωB0 ] = F

(Vergleich der Sinus-Terme)

[cωA0 + (k − mω 2 )B0 ] = 0

(Vergleich der Kosinus-Terme)

Das ist ein lineares Gleichungssystem mit zwei Unbekannten. Mit Hilfe der Gauß-Elimination bzw. der Cramerschen Regel (vgl. Seite 269 bzw. 286) ergeben sich A0 und B0 zu: A0 =

F (k − mω 2 ) (k − mω 2 )2 + (cω)2

B0 =

F (−cω) (k − mω 2 )2 + (cω)2

(c)

Unter Berücksichtigung der Abkürzungen in (10.68) lässt sich (c) nach einigen Umformungen auch in der nachfolgenden Form schreiben: A0 =

1−β2 F 2 k (1 − β )2 + (2ξ β )2

B0 =

−2ξ β F k (1 − β 2 )2 + (2ξ β )2

(c)

Nach Einsetzen der nunmehr bekannten Konstanten A0 und B0 aus (c) in (a) erhalten wir die partikuläre Lösung x p der inhomogenen DGL: xp =

1−β2 −2ξ β F F sin ω t + cos ω t 2 k (1 − β )2 + (2ξ β )2 k (1 − β 2 )2 + (2ξ β )2

10.8 Technische Anwendungen



xp =

  1 F (1 − β 2 ) sin ω t − 2ξ β cos ω t 2 2 2 k (1 − β ) + (2ξ β )

541

(10.70)

Der Ausdruck in eckigen Klammern der Gl. (10.70) lässt sich auch wie folgt schreiben (vgl. Regel 34 auf Seite 874): 1/2  sin(ω t − φ ) (1 − β 2 ) sin ω t − 2ξ β cos ω t = (1 − β 2 )2 + (2ξ β )2 mit φ = arctan

−(−2ξ β ) 2ξ β = arctan 1−β2 1−β2

Die partikuläre Lösung (10.70) der inhomogenen DGL (10.67) ergibt sich damit auch wie folgt: xp =

1 F  sin(ω t − φ ) 2 k (1 − β )2 + (2ξ β )2

(10.71)

Die partikuläre Lösung (10.71) des harmonisch erregten Schwingers wird im Kontext der Dynamik als stationäre Schwingung xst bezeichnet und lässt sich auch in folgender kompakter Form schreiben: xst (t) = x p = xs D sin(ω t − φ )

Stationäre Schwingung

(10.72)

Die verschiedenen Terme in (10.71) und (10.72) haben folgende physikalische Bedeutungen: xs =

F k

D= 

Statische Auslenkung

1 (1 − β 2 )2 + (2ξ β )2

φ = arctan

2ξ β 1−β2

Dynamischer Überhöhungsfaktor

Phasenwinkel

(10.73a)

(10.73b)

(10.73c)

Der Maximalwert xst,max der stationären Schwingung nach (10.72) ergibt sich für sin(ωt − φ ) = 1: xst,max = xs · D Bild 10.12 zeigt den dynamischen Überhöhungsfaktor D als Funktion des Frequenzverhältnisses β = ω/ω0 für verschiedene Werte des (kritischen) Dämpfungsgrades ξ . Die Superposition der allgemeinen homogenen Lösung xh in (10.69) und der partikulären Lösung

542

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

x p in (10.71) bzw. (10.72) liefert die allgemeine Lösung der inhomogenen Schwingungsgleichung (10.67): x(t) = e−ξ ω0 t (A cos ωt + B sin ωt) +

bzw.

1 F  sin(ω t − φ ) 2 k (1 − β )2 + (2ξ β )2

x(t) = e−ξ ω0 t (A cos ωt + B sin ωt) + xs D sin(ωt − φ )

(10.74a)

(10.74b)

Die Geschwindigkeit x˙ der schwingenden Masse erhalten wir aus der Ableitung von (10.74b) unter Berücksichtigung von (10.63) auf Seite 536: ( ' x(t) ˙ = e−ξ ω0 t (−ξ ω0 A + ωB) cos ωt + (−ωA − ξ ω0 B) sin ωt + xs Dω cos(ωt − φ ) (10.75) Die unbekannten Konstanten A und B in (10.74) lassen sich aus den Anfangsbedingungen bestimmen. Anmerkung. Bei Baukonstruktionen haben wir es i.d.R. mit den Anfangsbedingungen x(0) = x(0) ˙ = 0 zu tun, weil ein Bauwerk sich normalerweise in Ruhe befindet und erst unter der Einwirkung von dynamischen Lasten (Wind, Erdbeben, Explosionen) zu schwingen beginnt. Bei Maschinen dagegen können die Anfangsbedingungen ausschlaggebend für den Schwingungsverlauf sein, weil sie von Haus aus bewegliche Konstruktionen sind. Auf jeden Fall geht der homogene Lösungsterm in (10.74) nach einigen Schwingungszyklen aufgrund des Dämpfungsglieds e−ξ ω0 t gegen Null. Die dynamische Antwort der Konstruktion wird also -abgesehen vom Anlaufzeitfenster- vom partikulären Lösungsglied in (10.74) bestimmt – dieser ist nicht abklingend und wird deshalb als stationäre Schwingung bezeichnet. Anmerkung: Der Einfluss der Dämpfung auf die Eigenfrequenz ω ist zwar für normale Baukonstruktionen von untergeordneter Bedeutung, s. Beispiel 10.31 auf Seite 536. Wie man in Bild 10.12 aber deutlich sieht, haben selbst kleine Dämpfungswerte ξ dennoch einen bedeutenden Einfluss auf den Überhöhungsfaktor D. Maximalwert des Überhöhungsfaktors. Der maximale Wert von D lässt sich durch Extremwertbestimmung der Beziehung (10.73b) ermitteln (s. auch Abschnitt 3.13 auf Seite 118). Die erste Ableitung von D= 

1

(a)

(1 − β 2 )2 + (2ξ β )2

nach β und die Extremalbedingung dD/dβ = 0 liefert: 2(1 − β 2 )β − 4β ξ 2 dD = =0 dβ (1 − β 2 )2 + (2ξ β )3/2



2(1 − β 2 )β − 4β ξ 2 = 0

(b)

10.8 Technische Anwendungen

543

Bild 10.12: Dynamische Vergrößerungsfunktion D als Funktion von β = ω/ω0

Die Auflösung von (b) nach β liefert das Frequenzverhältnis βm , bei dem D maximal wird: βm =

 1 − 2ξ 2

Frequenzverhältnis bei maximalem D

(10.76)

Einsetzen von (10.76) in (a) liefert den maximalen Überhöhungsfaktor Dm : 1 1 = Dm =  2 2 2 2 (1 − βm ) + (2ξ βm ) (1 − 1 + 2ξ )2 + 4ξ 2 (1 − 2ξ 2 ) Dm =

1  2ξ 1 − ξ 2

Maximaler Überhöhungsfaktor

(10.77)

Den Phasenwinkel erhalten wir aus (10.73c) und (10.76):  2ξ βm 2ξ 1 − 2ξ 2 = arctan φm = arctan 1 − βm2 1 − (1 − 2ξ 2 )  φm = arctan

1 − 2ξ 2 ξ

Phasenwinkel bei maximalem D

(10.78)

Resonanzfall. Der dynamische Schwingungsvorgang für β = 1, d.h. für ω = ω0 , wird in der Dynamik als Resonanz bezeichnet und hat heftige Schwingungen zur Folge. β = ω/ω0 = 1

Resonanzbedingung

(10.79)

544

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Aus (10.73b) erhält man für β = 1: Dr =

1 2ξ

(10.80)

Dynamischer Überhöhungsfaktor bei Resonanz

Der Vergleich von (10.77) und (10.80) zeigt, dass der maximale dynamische Überhöhungsfaktor Dm nicht gleichbedeutend ist mit dem Überhöhungsfaktor Dr für den Resonanzzustand.11 Den Phasenwinkel bei Resonanz erhalten wir aus (10.73c) für β = 1: φ = arctan

2ξ β 2ξ · 1 = arctan = arctan ∞ 2 1−β 1 − 12



φ=

π 2

(10.81)

Beispiel 10.32: Der gedämpfte Schwinger in Bild 10.11 durch eine dynamische Kraft F(t) erregt. Die Kenngrößen des Systems sind: k = 30.000 N/m m = 70 kg c = 120 Ns/m F = 6000 N ω = 17 rad/s F(t) = F sin ωt N Es gelten folgende Anfangsbedingungen: x(0) = 0

x(0) ˙ =0

(a)

Die freie Eigenschwingung dieses Schwingers wurde bereits in Beispiel 10.31 auf Seite 536 untersucht, so dass wir folgende Ergebnisse von dort übernehmen können: ω0 = 20,70 rad/s

ξ = 0,0414

ξ ω0 = 0,857

ω = 20,68 rad/s

(b)

Aus den Beziehungen (10.68), (10.73a), (10.73b) und (10.73c) erhalten wir: β=

ω 17 = 0,821 = ω0 20,70

6000 F = = 0,20 m k 30.000 1 1 D=  = = 3,01 2 2 2 2 2 (1 − β ) + (2ξ β ) (1 − 0,821 ) + (2 · 0,0414 · 0,821)2

xs =

φ = arctan

2ξ β 2 · 0,0414 · 0,821 = arctan = arctan 0,209 = 0,206 2 1−β 1 − 0,8212

11 Eigentlich es besser gewesen, die Definition der Resonanz auf das Frequenzverhältnis für Dm zu beziehen. Wir sehen an diesem Beispiel, dass auch in der Wissenschaft manchmal historisch begründete Definitionen vorkommen, die aus heutiger Sicht so wohl nicht ganz zutreffend formuliert sind.

10.8 Technische Anwendungen

Die allgemeine Schwingungsfunktion und ihre erste zeitliche Ableitung lauten gemäß (10.74b) und (10.75): x(t) = e−ξ ω0 t (A cos ω t + B sin ω t ) + xs D sin(ω t − φ ) (a) ( ' x(t) ˙ = e−ξ ω0 t (−ξ ω0 A + ωB) cos ωt + (−ωA − ξ ω0 B) sin ωt + xs Dω cos(ωt − φ ) Für den Zeitpunkt t = 0 ergeben die Anfangsbedingungen: ξ ω0 = 0,0414 · 20,70 = 0,857 xs D = 0,20 · 3,01 = 0,602

xs Dω = 0,20 · 3,01 · 17 = 10,2

x(0) = 0 = e0 (A cos 0 + B sin 0) + xs D sin(0 − φ ) = A + xs D sin(−φ ) ⇒

A = −xs D sin(−φ ) = −0,602 sin(−0,206) = 0,123

' ( x(0) ˙ = 0 = 1 · (−ξ ω0 A + ωB) cos 0 + (−ωA − ξ ω0 B) sin 0 + xs Dω cos(0 − φ ) 0 = −ξ ω0 A + ωB + xs Dω cos(−φ ) B=



B=

ξ ω0 A − xs Dω cos(−φ ) ω

0,857 · 0,123 − 10,2 cos(−0,206) = −0,478 20,68

Nach der Bestimmung der Konstanten A und B kann gemäß (a) die Lösung der harmonisch erregten Schwigungsaufgabe angegeben werden: x(t) = e−0,857 t (0,123 cos 20,68t − 0,478 sin 20,68t) + 0,602 sin(17t − 0,206)

Bild 10.13: Zeitverlauf x(t) des harmonisch erregten Schwingers (Beispiel 10.32)

545

546

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Der Schwingungszeitverlauf x(t) ist in Bild 10.13 grafisch dargestellt (die blau gestrichelte Gerade entspricht der statischen Auslenkung). Aus dem Zeitverlauf erkennt man, dass im stationären Zustand für t > 4 s (eingeschwungener Zustand) der dynamische Überhöhungsfaktor D = 3 ist. Beispiel 10.33: Für den in Beispiel 10.32 untersuchten Schwinger soll jetzt der Resonanzzustand untersucht werden (der Einschwingvorgang, d.h. der homogene Lösungsteil soll vernachlässigt werden). Aus (10.80) und (10.81) erhalten wir: β =1

Frequenzverhältnis bei Resonanz:

Überhöhungsfaktor bei Resonanz: D =

(a)

1 2ξ

(b)

π (c) 2 Mit den gegebenen Parametern des Beispiels 10.32 ergeben sich aus (a), (b) und (c): φ=

ω0 = 20,70 rad/s D=

ξ = 0,0414

ξ ω0 = 0,857

ω = 20,68 rad/s

1 = 12,1 2 · 0,0414

ω = β ω0 = 1 · 20,70 = 20,70 rad/s xs D = 0,20 · 12,1 = 2,42

xs Dω = 2,42 · 20,70 = 50,09

Die Bestimmung der Konstanten A und B erfolgt analog zu Beispiel 10.32: A = −xs D sin(−φ ) = −2,42 sin(−π/2) = 2,42 B=

ξ ω0 A − xs Dω cos(−φ ) 0,857 · 2,42 − 50,09 cos(−π/2) = = 0,1 ω 20,68

Die Schwingungsfunktion Lösung der harmonisch erregten Schwingers lautet: x(t) = e−ξ ω0 t (A cos ω t + B sin ω t ) + xs D sin(ω t − φ ) x(t) = e−0,857 t · (2,42 cos 20,68t + 0,1 sin 20,68t) + 2,42 sin(20,70t − π/2) Der Schwingungszeitverlauf x(t) ist in Bild 10.14 grafisch dargestellt (die blau gestrichelte Gerade entspricht der statischen Auslenkung).

10.8 Technische Anwendungen

547

Bild 10.14: Schwingungszeitverlauf x(t) im Resonanzzustand (Beispiel 10.33)

10.8.6 Plötzliche Belastung eines masselosen Systems Das in Bild 10.15 a abgebildete masselose Feder-Dämpfer-System wird zum Zeitpunkt t = 0 durch die Kraft F(t) = F plötzlich belastet (die Platte, an der die Kraft angreift, wird als starr und masselos angenommen, d.h. m = 0). Die in Bild 10.15 b dargestellte Belastungsfunktion F(t), welche für t ≥ 0 konstant bleibt, wird als Sprungfunktion bezeichnet und ist gegeben durch:  0 für t < 0 F(t) = F für t ≥ 0 Die DGL der dynamischen Bewegung ergibt sich aus (10.65) auf Seite 539 mit m = 0 : c x˙ + k x = F

(a)

Die Anfangsbedingung lautet x(0) = 0, weil das System sich für t = 0 in Ruhe befindet. Die allgemeine Lösung xh der zugehörigen homogenen DGL c x˙ + k x = 0 ergibt sich mit Hilfe des Lösungsansatzes x = eλt (oder direkt aus (10.26) auf Seite 513) wie folgt: x˙ = λ eλt

⇒ (λ c + k)eλt = 0

⇒ λ = −k/c

xh = c1 e−kt/c

x(t)

c

m=0

F(t) F(t)

k

reibungsfrei

F t

a: Schwinger

b: Sprungbelastung F(t)

Bild 10.15: Plötzliche Belastung eines masselosen Systems

548

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die partikuläre Lösung x p der inhomogenen DGL (a) gewinnen wir einem Lösungsansatz aus Tabelle 10.1 auf Seite 516: x p = A0

⇒ x˙ p = 0

⇒ c · 0 + kA0 = F

⇒ A0 = F/k

⇒ x p = F/k

Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL ergibt sich aus der Addition der homogenen und der partikulären Lösung: xa = c1 e−kt/c +

xa = xh + x p

F k

Die Berücksichtigung der Anfangsbedingung liefert: xa (0) = 0 = c1 e−k · 0/c +

F F F = c1 e0 + = c1 + k k k

⇒ c1 = −

F k

Die dynamische Auslenkungsfunktion des Feder-Dämpfer-Systems lautet somit: x(t) =

F (1 − e−kt/c ) k

Auslenkung eines masselosen k-c-Systems

(10.82)

Beispiel 10.34: Gesucht ist der Zeitverlauf der dynamischen Auslenkung des Feder-Dämpfer-Systems in Bild 10.15 unter der Einwirkung der Sprungfunktion F(t) = F. k = 3 · 104 N/m

c = 5 · 103 Ns/m

F = 6 · 103 N

Mit diesen Zahlenwerten erhalten wir aus (10.82): x(t) =

 4 3 6 · 103  1 − e−3 · 10 t/(5 · 10 ) = 0,2 (1 − e−6t ) 4 3 · 10

Bild 10.16: Zeitverlauf der Auslenkung des Feder-Dämpfer-Systems

10.8 Technische Anwendungen

549

Der zeitliche Verlauf der dynamischen Auslenkung ist in Bild 10.16 dargestellt. Das System führt eine aperiodische Bewegung aus, ohne Schwingungszyklen. Die Auslenkung x(t) strebt asymptotisch gegen die statische Auslenkung xs zu: lim x(t) = xs

mit xs =

t→∞

6 · 103 F = = 0,2 k 3 · 104

10.8.7 Knicken eines axial belasteten Stabes Es wird ein Stab betrachtet, der an seinen beiden Enden gelenkig gelagert ist und durch eine konstante Druckkraft N axial gedrückt wird (Bild 10.17). Die Knicklast des Stabes ist derjenige kritische Wert Nk der Axialkraft, unter dem der Stab plötzlich seitlich ausweicht, d.h. ausknickt. Das Knickproblem dieses Stabes wird durch die homogene Differentialgleichung EI y + N y = 0

bzw.

EI

d2 y +N y = 0 dx2

(a)

beschrieben (eine allgemeinere Form von (a), mit deren Hilfe sogar zusätzliche Querlasten q auf den Stab (sog. beam-column) miterfasst werden können, ist in (10.5) auf Seite 492 gegeben). Umstellen von (a) liefert die DGL in Normalform: y +

N y=0 EI

(10.83)

Differentialgleichung des Knickstabes

Vergleicht man diese DGL mit (10.37) auf Seite 519, so stellt man fest: p=0

q=

N EI



p2 N −q = − 1 haben also nur theoretische Bedeutung oder für Fälle mit zusätzlichen Lagern an den Stellen x = L/n). Die Knicklast für n = 1 wird kritische Knicklast oder die Eulersche Knicklast genannt: Nk = π 2

EI L2

Eulersche Knicklast des beidseitig gelenkigen Stabes

(10.85)

Die Gleichung der Knickfigur lautet aufgrund von A = 0 und ω = nπ/L: y = B sin

nπ x L

Der Stab knickt also in Form von verschiedenen Sinuskurven aus. Die Knickformen für verschiedene n-Werte sind in Bild 10.18 dargestellt.

10.8 Technische Anwendungen

551

Bild 10.18: Einige Knickformen des gelenkig gelagerten Stabes

10.8.8 Abkühlung einer Stahlkugel Eine kleine Stahlkugel (Radius r, Kugelvolumen V , Kugeloberfläche A, Materialdichte ρ, spezifische Wärmekapazität cw ) wird auf die Temperatur T0 erhitzt und zum Zeitpunkt t = 0 in eine strömende Flüssigkeit, deren Temperatur konstant Ta beträgt, eingetaucht. Die in der Kugel gespeicherte Wärmeenergie wird bei diesem Vorgang mittels Konvektion an die Flüssigkeit abgegeben (Konvektionsbeiwert h). Gesucht ist die Zeitfunktion der mittleren Kugeltemperatur. Die Differentialgleichung für dieses sog. instationäre (d.h. zeitabhängige) Wärmeleitungsproblem ist eine inhomogene DGL 1. Ordnung und lautet gemäß Wärmegesetzen der Physik: cw ρV

dT = −hA(T − Ta ) dt

T : momentane Kugeltemperatur T = F(t)

(a)

Die DGL (a) wird zunächst umgeformt: cw ρV

dT + hAT = hATa dt

dT + λ T = λ Ta dt



bzw.

hA hA dT + T= Ta dt cρV cw ρV

T˙ + λ T = λ Ta

Ta

mit λ =

⇒ hA cw ρV

(10.86)

T

Konvektive Abkühlung einer Kugel

Die allgemeine Lösung Th der zugehörigen homogenen DGL T˙ + λ T = 0 von (10.86) erhält man nach (10.29) auf Seite 515: Th = c e−λt

Kontrolle:

? T˙h + λ Th = 0

− cλ e−λt + λ ce−λt = 0 ?

0=0

552

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Für die Bestimmung der partikulären Lösung von T˙ + λ T = λ Ta wird gemäß Tabelle 10.1 auf Seite 516 der Lösungsansatz Tp = A0 gewählt: Tp = (A0 ) = 0

⇒ 0 + λ A0 = λ Ta

⇒ A0 = Ta

⇒ Tp = Ta

Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL ergibt sich als Summe von Th und Tp : T = Th + Tp = c e−λt + Ta Die Lösung der AWA erhält man durch Erfüllung der Anfangsbedingung: T (0) = T0 = c e−λ · 0 + Ta = c + Ta

⇒ c = T0 − Ta



T (t) = (T0 − Ta ) e−λt + Ta

(10.87)

Beispiel 10.35: Für eine Stahlkugel mit folgenden Kennwerten ist die mittlere Kugeltemperatur nach 1 h zu ermitteln. r = 1 cm = 0,01 m ρ = 7800 kg/m3

T0 = 300◦ C cw = 460 J/kg ◦ C

Ta = 20◦ C h = 10 W/m2 ◦ C

Die Kugeloberfläche A und das Volumen V betragen: A = 4π r2 = 4π 0,012 = 1,257 · 10−3 m2 V = ⇒ λ=

4π 3 4π r = · 0,013 = 4,19 · 10−6 3 3

10 · 1,257 · 10−3 hA = = 8,4 · 10−4 cw ρV 460 · 7800 · 4,19 · 10−6

Nach (10.87) erhalten wir:

T (t) = 280 e−8,4 · 10

−4 t

+ 20

Mittlere Kugeltemperatur nach 1 Stunde: −4 T (1 h) = T (3600 s) = 280 e−8,4 · 10 · 3600 + 20 = 33,6 ◦ C

10.8 Technische Anwendungen

553

Zeitverlauf der mittleren Kugeltemperatur

10.8.9 Sinkgeschwindigkeit eines Körpers im Meer Von einem Schiff auf hohem Ozean wird eine Messsonde mit der Masse m ins Wasser gelassen. Beim Loslassen befindet sich die Sonde in Ruhe, d.h. ihre Anfangsgeschwindigkeit ist Null. Auf den Körper wirkt als treibende Kraft die nach unten gerichtete Gravitationskraft F = mg (Erdbeschleunigung g). Die Reibungskraft R, die vom Wasser auf die Sonde ausgeübt wird und entgegen der Gravitationskraft wirkt, soll proportional der Sinkgeschwindigkeit angenommen werden, d.h. R = cx˙ (Widerstandsbeiwert c). Gesucht ist die die Sinktiefe x(t) und Sinkgeschwindigkeit v(t) der Sonde als Funktion der Zeit t. Das Absinken der Sonde wird mit Hilfe der nachfolgenden Anfangswertaufgabe beschrieben (s. (10.2) auf Seite 489): mx¨ + cx˙ = mg

x(0) = 0

x(0) ˙ =0

(a)

Zur Lösung von (a) stehen uns zwei Möglichkeiten zur Verfügung. a) Lösung als DGL 2. Ordnung Die homogen-allgemeine Lösung xh von (a) erhalten wir nach Abschnitt 10.7.1. Die charakteristische Gleichung nach (10.40) auf Seite 520 lautet: mλ 2 + cλ = 0 ⇒

⇒ λ (mλ + c) = 0

⇒ λ1 = 0

λ2 = −c/m

xh = c1 eλ1 t + c2 eλ2 t = c1 + c2 e−ct/m

(b)

Für die Bestimmung der partikulären Lösung der inhomogenen DGL (a) könnte gemäß Tabelle 10.2 auf Seite 527 folgender Lösungsansatz infrage kommen. Dies führt jedoch zum Widerspruch: x p = A0

⇒ x˙ p = A˙ 0 = 0

⇒ x¨ p = 0

⇒ 0+0 = g

Meeresspiegel

. R=cx

x(t) m

. x .. x F=mg

a: Angreifende Kräfte

b: Sinktiefe- und geschwindigkeit (Beispiel 10.36)

Bild 10.19: Absinken eines Körpers im Meer

554

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die Ursache des Widerspruchs liegt darin, dass der Term A0 und c1 in (a) duplikativ sind (beide Terme sind Konstanten). Deshalb muss nach der Modifikationsregel 3 auf Seite 526 der Lösungsansatz y p mit x multipliziert werden (s = 1): x p = A0 t

⇒ x˙ p = A0

⇒ x¨ p = 0

⇒ m · 0 + c · A0 = mg

mg mgt ⇒ xp = c c Die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL in (a) ergibt sich zu: ⇒ A0 =

xa = xh + x p = c1 + c2 e−ct/m +

(c)

mgt c

(d)

Die Erfüllung der Anfangsbedingungen liefert die unbekannten Konstanten: xa (0) = c1 + c2 · 1 + 0 x˙a = c2

⇒ c1 = −c2

−c −ct/m mg e + m c

x˙a (0) = 0 = c2

−c mg ·1+ m c

m2 g −m2 g c1 = 2 c c2 Einsetzen der Konstanten c1 und c2 in (d) liefert die Sinktiefe: ⇒ c2 =

x(t) =

m2 g −ct/m mgt (e − 1) + c2 c

(10.88)

Die Sinkgeschwindigkeit erhalten wir aus der zeitlichen Ableitung von (10.88): v(t) = x˙ =

mg (1 − e−ct/m ) c

(10.89)

b) Lösung als DGL 1. Ordnung Die Anfangswertaufgabe in (a) lässt sich mittels der Variablentransformation x˙ = v in eine Anfangswertaufgabe 1. Ordnung transformieren: v = x˙

v˙ = x¨



mv˙ + cv = mg

v(0) = 0

(e)

Die DGL in (e) könnte mit Hilfe von (10.29) auf Seite 515 und Tabelle 10.1 auf Seite 516 gelöst werden. Hier wollen jedoch einen anderen Weg gehen. Die Umformung von (e) liefert eine neue DGL mit getrennten Variablen, s. Seite 503: mv˙ = mg − cv



1 1 v˙ = mg − cv m



1 1 dv = dt mg − cv m

(f)

10.8 Technische Anwendungen

555

Integration der linken Seite nach v und der rechten Seite von (f) nach t liefert: −

e

t 1 ln(mg − cv) = + c˜1 c m

ln(mg−cv)

ln(mg − cv) = −

ct −cc˜1 c˜1 =e m = e−ct/m e−c −

ct − cc˜1 m

mg − cv = c1 e−ct/m

c1

mg c1 −ct/m − e c c Die allgemeine Lösung (g) muss die Anfangsbedingung v(0) erfüllen: mg − c1 e−ct/m = cv

v(0) = 0 =



v(t) =

mg c1 0 mg c1 − e = − c c c c

(g)

⇒ c1 = mg

Einsetzen von c1 in (g) liefert die Funktion der Sinkgeschwindigkeit: v(t) =

mg (1 − e−ct/m ) c

(h)

Die Sinktiefe x(t) ergibt sich aus der Integration von (h): x=

&t

v dt =

0

mg c

&t

(1 − e−ct/m ) dt =

0

mg  m −ct/m  + c2 t+ e c c

(i)

Der Ausdruck in (i) muss die Anfangsbedingung x(0) = 0 erfüllen: x(0) = 0 =

m mg m2 g (0 + · 1) + c2 = 2 + c2 c c c

⇒ c2 = −

m2 g c2

Einsetzen von c2 in (i) liefert die endgültige Gleichung der Sinktiefe: x(t) =

m2 g −ct/m mgt (e − 1) + c2 c

Beispiel 10.36: Für die nachfolgenden Werte sollen die Sinktiefe x(t) und Sinkgeschwindigkeit v(t) als Funktion der Zeit grafisch dargestellt werden. m = 1 kg

c = 2 Ns/m

g = 9,81 m/s2

Die Zeitfunktion der Sinktiefe ergibt sich aus (10.88): x(t) =

1 · 9,81t 12 · 9,81 −2t/1 = 2,4525(e−2t − 1) + 4,905t (e − 1) + 22 2

(h)

556

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die Zeitfunktion der Sinkgeschwindigkeit gemäß (10.89) beträgt: v(t) = 4,905 (1 − e−2t ) Bild 10.19 b zeigt die Zeitverläufe der Tiefe und Geschwindigkeit. Die Sonde erreicht also bereits nach 3s eine stationäre Sinkgeschwindigkeit von 4,9 m/s. 10.8.10 Selbsterregte Schwingungen Einsturz der Tacoma-Brücke. Schwingungen, die sich resonanzartig anfachen, können eine große Gefahr für die Sicherheit von Bauwerken darstellen. Ein berühmtes Beispiel ist der Einsturz der Tacoma-Hängebrücke im US-Bundesstaat Washington am 7. November 1940, s. Bild 10.20. Aufgrund ihrer Konstruktionsart konnte bei der Tacoma-Brücke eine sog. gekoppelte Biege- und Torsionsschwingung auftreten, welche imstande ist, auch dem stationären Wind Energie zu entziehen und in kinetische Schwingungsenergie umzuwandeln. Derartige gekoppelte Schwingungsmechanismen sind schon seit 1920er Jahren aus dem Flugzeugbau unter dem Namen Flattern von Flügeln bekannt und führten in der Vergangenheit zu zahlreichen Abstürzen von Flugzeugen. Bei solchen sich selbst anfachenden Schwingungen spricht man daher auch von selbsterregten Schwingungen, weil zur Herbeiführung eines Resonanzzustands keine äußere harmonische Last erforderlich ist. Aufgrund ihrer aeroelastischen Eigenschaften konnte die Brücke dem mittelstarken Wind mit lediglich 67 km/h Strömungsgeschwindigkeit andauernd kinetische Energie entziehen – mathematisch bedeutet dies, dass die Dämpfung ξ in (10.62) auf Seite 536 negativ wird. Die Brückenschwingung wurde aufgrund dieser negativen Dämpfung immer heftiger, bis das Material die extrem hohen Beanspruchungen nicht mehr ertragen konnte und die Brücke schließlich einstürzte. Dieses Unglück ist von Passanten mit Filmkamera aufgenommen worden und ist als Videodatei im Internet verfügbar.

Bild 10.20: Bilder vom Einsturz der Tacoma-Brücke

10.8 Technische Anwendungen

557

10.8.11 Vertikale Schwingung eines schwimmenden Körpers Bild 10.21 zeigt einen kreiszylindrischen Körper, der in einer Flüssigkeit schwimmt. Im Ruhezustand (hydrostatisches Gleichgewicht) hat der Körper die Tauchtiefe h. ρ : Flüssigkeitsdichte

r : Zylinderradius

H = h + s : Zylinderhöhe m : Körpermasse

Im statischen Gleichgewichtszustand kann die Eintauchtiefe h aus dem Archimedes-Gesetz bes r

m

s

x(t)

h

x(t)

r m

H

2r

F

b: Schwingungszustand für t > 0

a: Statisches Gleichgewicht

Bild 10.21: Vertikalschwingung eines eingetauchten Körpers

rechnet werden: Körpergewicht = Gewichts des verdrängten Wassers ⇒

m g = π r2 h ρ g

⇒ h=

m πr2 ρ

s = H −h

Wenn der Körper in seiner Gleichgewichtslage gestört wird, z.B. indem man ihn ein Stück weit ins Wasser hineindrückt und dann plötzlich loslässt, wird er vertikale Schwingungen ausführen. Auf den Körper wirkt während der Schwingung eine zusätzliche Auftriebskraft F = ρπr2 x(t). Zwischen der Kraft F und der Beschleunigung x¨ des Körpers besteht nach dem Newton-Gesetz folgende Beziehung (Minusvorzeichen wegen entgegengesetzter Richtung von F und x): x¨ =

−πr2 ρ x −F = m m



x¨ +

πR2 ρ x=0 m

(10.90)

Bei der obigen Herleitung wurden Effekte der viskosen Flüssigkeitsreibung und des Verdrängungswiderstandes nicht berücksichtigt. Nach Einführung der Abkürzung ω 2 = πR2 ρ/m lautet die DGL der Vertikalschwingung: x¨ + ω 2 x = 0

ω 2 = πR2 ρ/m

ω : Eigenkreisfrequenz der Schwingung, rad/s

Die allgemeine Lösung der homogenen DGL (10.90) lautet gemäß (10.55) auf Seite 532: xa = A cos ω t + B sin ω t

(10.91)

558

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die Konstanten A und B sind aus Anfangsbedingungen zu ermitteln. Beispiel 10.37: Der Körper in Bild 10.21 a befindet sich zunächst im hydrostatischen Gleichgewicht. Wir drücken den Körper soweit ins Wasser, dass seine Oberseite sich gerade noch auf der Höhe des Wasserspiegels befindet, s. Bild 10.22 a. Plötzlich wird der Körper losgelassen. Gesucht ist der Schwingungszeitverlauf für folgende Zahlenwerte: R = 0,2 m

H = 0,2 m

ρk = 800 kg/m3

ρ = 1000 kg/m3

Dichte des Zylinders

Masse des Körpers: m = π R2 H ρk = π · 0,22 · 0,2 · 800 = 20,1 kg Die Eintachtiefe im hydrostatischen Gleichgewichtszustand ergibt sich zu: h=

20,1 m = = 0,16 m πR2 ρ π · 0,22 · 1000

s = 0,2 − 0,16 = 0,04 m Die Eigenkreisfrequenz ω der freien Schwingung beträgt:   πR2 ρ π · 0,22 · 1000 ω= = = 2,5 rad/s m 20,1 Die Frequenz f und Periode T der freien Schwingung sind: f=

2,5 ω = = 0,4 Hz 2π 2π

T=

1 1 = = 2,5 s f 0,4

Zum Zeitpunkt t = 0 wird Zylinder um s = 0,04 m ins Wasser gedrückt, ruhig gehalten und plötzlich losgelassen. Deshalb lauten die Anfangsbedingungen wie folgt: x(0) = s = 0,04 m

x(0) ˙ = 0 m/s

Einsetzen der Anfangsbedingungen in (10.91) liefert: x = A cos ω t + B sin ω t

x˙ = −ω A sin ω t + ω B cos ω t

x(0) = 0,04 = A cos(ω · 0) + B sin(ω · 0) = A

⇒ A = 0,04

x(0) ˙ = 0 = −ω A sin(ω · 0) + ω B cos(ω · 0) = ωB

⇒ B=0

Die Schwingungsfunktion des Körpers (Lösung der AWA) lautet daher: x = 0,04 cos 2,5t

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

559

Der Zeitverlauf der Schwingung ist in Bild 10.22 b dargestellt. t=0

s

x(t)

r m

H F

a: Ausgangszustand für t = 0

b: Schwingungszeitverlauf

Bild 10.22: Zeitverlauf der Schwingung

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung Beispiel 10.38: Es soll überprüft werden, ob die angegeben Funktionen y = f (x) bzw. x = g(t) Lösungen der angegebenen Differentialgleichungen sind. a) y tan x = y

?

y = f (x) = c sin x

Die Ableitung der -vermuteten- Lösungsfunktion f (x) liefert: y = f (x) = c sin x

y = f  (x) = c cos x



(a)

Einsetzen von (a) in die DGL liefert: ?

c cos x tan x = c sin x

c cos x

sin x ? = c sin x cos x

c sin x = c sin x



Es ensteht eine Identität, folglich muss die Funktion y = c sin x eine Lösung sein. b) x˙ = −4x

?

x = g(t) = ce−4t

x˙ = −4ce−4t

⇒ −4ce−4t = −4ce−4t



Beispiel 10.39: Nachfolgend sind einige Beispiele für die Wahl von Ansatzfunktionen gemäß Tabelle 10.1 auf Seite Seite 516 zur Bestimmung der partikulären Lösung gegeben. Verifizieren Sie deren Richtigkeit durch Einsetzen in die DGL in der linken Spalte.

560

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Differentialgleichung

Ansatzfunktion y p gemäß Tab. 10.1

y − 2y = 5

A0

y − 2y = 5 − 3x

A 0 + A1 x

y − 2y = x3

A 0 + A 1 x + A2 x 2 + A 3 x 3

y − 2y = 4x e−2x

(A0 + A1 x) e−2x

y − 2y = 4x e2x

x (A0 + A1 x) e−2x

y − 2y = (1 + x3 ) e−2x

(A0 + A1 x + A2 x2 + A3 x3 ) e2x

y − 2y = (1 + x3 ) e2x

x(A0 + A1 x + A2 x2 + A3 x3 ) e2x

y − 2y = sin 3x

A sin 3x + B cos 3x

y − 2y = x3 + sin 4x

A0 + A1 x + A2 x2 + A3 x3 + A sin 4x + B cos 4x

y − 2y = x3 sin 4x

(A0 + A1 x + A2 x2 + A3 x3 ) sin 4x +(B0 + B1 x + B2 x2 + B3 x3 ) cos 4x

y − 2y = e−4x sin 4x

A0 e−4x sin 4x + B0 e−4x cos 4x

Beispiel 10.40: Es soll gezeigt werden, dass die angegebenen Funktionen y = f (x) Lösungen der jeweiligen Differentialgleichung sind. Zusätzlich soll die Lösung der AWA bestimmt werden. a) y − y + 4 = 0

y = f (x) = cex + 4

y(0) = 6

Einsetzen der Lösungsfunktion f (x) und ihrer Ableitung in der DGL liefert: y = f  (x) = cex

cex − cex − 4 + 4 = 0

0=0



Erfüllung der Anfangsbedingung liefert: 6 = c e0 + 4 b) y − 2xy = 0



c=2

y = f (x) = cex

y = f  (x) = 2cxex

2

Lösung der AWA: 2

y = 2ex + 4

y(1) = 2e 2

2

2cxex − 2x cex = 0



Lösung der AWA: 2

y(1) = f (1) = c e1 = 2e

ce = 2e

⇒ c=2



y = 2ex

2

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

c) y = 6c x e3x

2

y = f (x) = ce3x

f  = 6c x e3x

2

2

y(1) = e2

2

⇒ 6cxe3x = 6cce3x



2

Lösung der AWA: y(1) = e2 = c e3 · 1 = ce3 2



⇒ 1 = ce

c = 1/e

2 1 3x2 e = e3x −1 e

y=

Beispiel 10.41: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y = xy

y(0) = 4.

Umformung der DGL liefert: 1 y =  x y  f (x)

DGL mit getrennten Variablen

g(y)

Allgemeine Lösung ergibt sich aus der Integration beider Seiten: &

1 dy = y

&

x dx + c

⇒ ln y =

x2 +c 2

x2

eln y = e 2 +c 

ya = ex

2 /2

ec

=y

Kontrolle der allgemeinen Lösung:   2

 2 2 2 ya = ex /2 ec = x2 /2 ex /2 ec + ex /2 (ec ) = x ex /2 ec  =0

xy = x · ex

2 /2

y = xy ?

ec

x ex

2 /2

?

ec = x · ex

2 /2

ec 

Die Lösung der AWA wird durch Erfüllung der Anfangsbedingung ermittelt: 2 /2

ya (0) = 4 = e0

ec = e0 ec = ec

⇒ ln 4 = ln ec = c  ln e = c =1

⇒ c = 1,38629

⇒ y = ex

Kontrolle der Lösung:  2  2 (ys ) = 4 ex /2 = 4x ex /2

2 /2



e1,38629 = 4 ex

2 /2

x /2 4x ex /2 = x 4 e



2

y

?

2



y

Alternative Definition der Konstante: Durch Einführung einer neuen Konstante c1 = ec lässt sich die allgemeine Lösung

561

562

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

auch wie folgt angeben: ya = c1 ex

2 /2

Aus der Anfangsbedingung folgt dann die Lösung der AWA: 2 /2

ya (0) = 4 = c1 e0

= c1 e0 = c1



c1 = 4



y = 4 ex

Beispiel 10.42: Folgende DGL sind nach der Methode der Variablentrennung zu lösen. a) y + 2xy = 0 y = −2x y

&

1 dy = −2x dx y eln y = e−x 

ln y = −x2 + c

1 dy = − y

2 +c

&

2x dx

y = e−x  ec = c1 e−x 2

y

c1

b) y − ay = 0 y =a y

&

1 dy = a dx y

1 dy = y

eln y = eax+c

ln y = ax + c

&

a dx

y = eax ec = c1 eax

c) y y − 3x2 = 0 y y = 3x2

&

y dy = 3x2 dx

y dy =

 y = ∓ 2x3 + c

y2 = x3 + c 2 d) y sin x = y cos x y = cot x y

&

1 dy = y

ln y = ln(sin x) + c

&

cot x dx

eln y = eln(sin x)+c

y = sin x · ec = c1 sin x e) y cos x = y sin x y = tan x y

&

1 dy = y

&

tan x dx

&

3x2 dx

2

2 /2

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

eln y = e− ln(cos x)+c = e− ln(cos x) ec

ln y = − ln(cos x) + c y=

ec

=

eln(cos x)

c1 cos x

f) y − y2 = 1 Umformen der DGL liefert: y =1 1 + y2

&



arctan y = x + c

1 dy = 1 + y2



&

dx

y = tan(x + c)

g) xy − y = 0 Umformen der DGL liefert: 1 y = y x

&



ln y = ln x + c1

1 dy = y ⇒

&

1 dx x

y = eln x+c1 = eln x ec1 = c x

h) x + y y = 0 y y = −x



&

y dy = −

y2 = −x2 + 2c1 = c − x2 

&

x2 y2 = − + c1 2 2

x dx



y=

 c − x2

c

i) y = −xy3 y = −x y3



&

1 dy = − y3

1 = x2 − 2c1 = x2 + c  y2



−c

&

−1 x2 + c1 = − 2y2 2  1 1 2 y= y = 2 2 x +c x +c x dx

j) y = 2xy2 y = 2xy2

dy dy = 2xy2 ⇒ 2 = 2x dx dx y

&

dy = y2

Beispiel 10.43: Die angegebenen Anfangswertaufgaben sind zu lösen. a) 4y + 4x − 8xy = 0,

y(0) =

3 2

&

2x dx

⇒y=

1 c − x2

563

564

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Nach Umformung und Vereinfachung ergibt sich: y = −x + 2xy

y =x 2y − 1

y = x(2y − 1)

Integration beider Seiten liefert die allgemeine Lösung: &

& 1 dy = x dx 2y − 1

ln(2y − 1) = x2 + 2c1

x2 1 ln(2y − 1) = + c1 2 2 ⇒ eln(2y−1) = ex

2 +2c 1

=  e2c1 ex

2

2c

2y − 1 = 2c ex

2

2

⇒ ya = c ex +

1 2



1 1 1 dy kann auch als ln(y − ) angeschrie2y − 1 2 2 ben werden. Die allgemeine Lösung sieht dann etwas anders aus als der obige Ausdruck. Die Lösung der AWA würde jedoch in beiden Fällen identisch sein. Anmerkung: Das Integral

Berücksichtigung der Anfangsbedingung und Lösung der AWA: ya (0) =

b)

1 3 1 = c e0 + = c + 2 2 2

y = 1−y cos x

c=1



2

y = ex +

&

1 dy = 1−y

− ln(1 − y) = sin x + c y = 1 − e− sin x e−c

&

cos x dx 1 − y = e− sin x e−c

ln(1 − y) = − sin x − c oder: y = 1 −Ce− sin x

oder: y = 1 +Ce− sin x

Anfangsbedingung (für die Form y = 1 −Ce− sin x ): ya (π) = 1 −Ce− sin π = 1 −Ce−0 = 1 −C = 3 Lösung der AWA: c)

y +y = 0 sinh x

y = y = 1 + 2e− sin x y(0) = 1

Umformung der DGL liefert: &

1 2

y(π) = 3

y = cos x 1−y





& 1 dy = − sinh x dx y

1  y = − sinh x y ln y = − cosh x + c1



C = −2

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

565

Allgemeine Lösung: ya = e− cosh x ec1 = c e− cosh x Anfangsbedingung: ya (0) = 1 ⇒ 1 = c e−1 1−cosh x Lösung der AWA: y = e d) y − y + y tanh2 x = 0 y(1) = 4,2834

⇒ c=e

Umformung und Trennung der Variablen liefert die allgemeine Lösung: y = 1 − tanh2 x y

y = y(1 − tanh2 x)

&

1 dy = y

&

(1 − tanh2 x) dx

y = etanh x+c1 = ec1 etanh x = c etanh x

ln y = tanh x + c1

ya = c etanh x

Lösung der AWA: ya (1) = 4,2834 = c etanh 1 = c · 2,1417

⇒ c=2

⇒ y = 2 etanh x

Beispiel 10.44: Für die nachfolgenden Differentialgleichungen sind die allgemeinen Lösungen nach der Methode der Variablentransformation (Abschnitt 10.6.2) zu ermitteln. a) y (x + y)2 − 1 = 0

(Beispiel zu Abschnitt 10.6.2.1) 1 Nach Umformung der DGL erhalten wir: y = (x + y)2 Mit der Substitution u = x + y ergibt sich: u = 1 + y

(a)

⇒ y  = u − 1

Einsetzen in (a) liefert: u − 1 =

1 u2

⇒ u =

1 + u2 u2

u − arctan u = x +C



&

u2 du = 1 + u2

y x2 = x2 + xy + y2

⇒ y = 1 + y/x + (y/x)2

du = ln x + ln c f (u) − u

arctan u = ln cx

⇒ y = tan(y −C) − x

(Beispiel zu Abschnitt 10.6.2.1)

y = f (u) mit der Substitution u = y/x &

dx +C

x + y − arctan(x + y) = x +C

⇒ arctan(x + y) = y −C ⇒ x + y = tan(y −C) b) y x2 = x2 + xy + y2

&



&

u = tan(ln cx)

f (u) = 1 + u + u2

du = ln cx 1 + u2 y/x = tan(ln cx)

y = x tan(ln cx)

566

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

x+y (Beispiel zu Abschnitt 10.6.2.2) x−y Division des Zählers und Nenners der rechten Seite der DGL durch x und anschließende Substitution u = y/x liefert:

c) y =

y x y = y 1− x 

1+

1−u  1 u = 1 + u2 x

u + xu = &

(

1+u 1−u

⇒ xu =

1 + u2 1−u

& 1 1 u dx − ) du = 2 2 1+u 1+u x

1 ln(1 + u2 ) = ln x + c 2 Daraus ergibt sich die allgemeine Lösung in impliziter Form (explizite Angabe von y ist nicht möglich): arctan u ∓

y 1 x 2 + y2 arctan ∓ ln = ln x + c x 2 x2

Beispiel 10.45: Gesucht ist die Lösung der Anfangswertaufgabe y = (x + y)2

y(0) = 0.

Die Lösung der DGL wird sowohl mit Hilfe der Gleichung (10.18) auf Seite 507 als auch durch Ausführung aller Schritte der Variablentransformation ermittelt. a) Lösungsweg 1: Anwendung von (10.18). Vergleich von (Ax + By +C) mit der rechten Seite (x + y) der DGL ergibt, dass A = B = 1 und C = 0 sind. Mit f (u) = u2 folgt aus (10.18): &



1 du = x + c A + B f (u) arctan u = x + c

&

1 du = x + c 1 + 1 · u2

u = tan(x + c)

Einsetzen von u = x + y in die obige Lösung liefert die allgemeine Lösung: x + y = tan(x + c)



ya = −x + tan(x + c)

Erfüllung der Anfangsbedingung y(0) = 0 liefert die Lösung der AWA: ya (0) = 0 = 0 + tan(0 + c) = tan c b) Lösungsweg 2: Schrittweises Vorgehen.

⇒ c = arctan 0 = 0

⇒ y = −x + tan x

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

567

Mit der Variablensubstitution u = x + y erhält man: u = (x + y) = 1 + y

⇒ y = u − 1

Einsetzen der Substitutionsausdrücke in die ursprüngliche DGL ergibt eine neue DGL mit getrennten Variablen: u  − 1 = u2   y

1 u = 1 1 + u2

⇒ u = 1+u2

(x+y)2



arctan u = x + c

u = tan(x + c)



&

1 du = 1 + u2

&

(1) dx

Der Rest verläuft wie oben.

Beispiel 10.46: Die nachfolgenden Anfangswertaufgaben sind nach Abschnitt 10.6.2.1 zu lösen. a) y − y = x − 1

y(0) = 1

Die Umformung der DGL liefert: y = x + y − 1

Diese DGL hat die Form y = f (Ax + By +C)

Lösungsweg 1: Anwendung von (10.18) auf Seite 507. u = x+y−1

&

f (u) = u

A = B = 1,

1 du = x + c1 1+1·u

C = −1

⇒ ln(u + 1) = x + c1

x+c1 eln(u+1) = ex  ec1 = e

u + 1 = cex

c

u+1

⇒ x + y − 1 +1 = c e 

x

⇒ ya = −x + c ex

u

Erfüllung der Anfangsbedingung: ya (0) = 1 = −0 + c e0 = c

⇒ c=1

Lösung der AWA: y = −x + ex Lösungsweg 2: Schrittweise Berechnung. Die Ableitung der Substitution u = x + y − 1 liefert: (u) = (x + y − 1) = 1 + y

⇒ y  = u − 1

(a)

568

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Nach Einsetzen von u und y in die DGL (a) erhält man: u − 1 = u

1 u = 1 1+u

u = 1 + u



Die Integration liefert die allgemeine Lösung: &

1 du = 1+u

&

b) y = 2x − y + 1

(1) dx

⇒ ln(u + 1) = x + c1

(Der Rest verläuft wie oben)

y(0) = 1

Mit der Substitution u = 2x − y + 1 erhalten wir: u = 2 − y

⇒ y = 2 − u

(a)

Einsetzen von u und (a) in die DGL liefert: 2 − u = u

− ln(2 − u) = x + c1 u = 2 − c e−x

&

1 du = dx 2−u

u = 2 − u

eln(2−u) = e−x−c1

⇒ 2x − y + 1 = 2 − c e−x

& 1 du = dx 2−u

2 − u = e−c1 e−x = c e−x y = c e−x + 2x − 1

Allgemeine Lösung: ya = c e−x + 2x − 1, Erfüllung der Anfangsbedingung: ya (0) = 1 = ce0 + 2 · 0 − 1

⇒ c=2

Lösung der AWA: y = 2 e−x + 2x − 1 c) y = (x + y + 1)2

y(0) = 0

Substitution: u = x + y + 1 &

A = 1, B = 1, C = 1, f (u) = u2 &

1 du = x + c, A + B f (u)

arctan u = x + c

1 du = x + c 1 + u2

⇒ tan(arctan u) = tan(x + c)

⇒ x + y + 1 = tan(x + c)

u = tan(x + c)

ya = tan(x + c) − x − 1

Die Erfüllung der Anfangsbedingung liefert Lösung der AWA: ya (0) = 0 = tan(0 + c) − 0 − 1 π ⇒ y = tan(x + ) − x − 1 4 d) y = 2x + y + 3

y(0) = −4

tan c = 1

⇒ c = π/4

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

569

Substitution: u = 2x + y + 3 Allgemeine Lösung: ya = c ex − 2x − 5 Lösung der AWA: y = ex − 2x − 5 Beispiel 10.47: Die nachfolgenden Anfangswertaufgaben sind nach Abschnitt 10.6.2.2 zu lösen. a) y =

x2 + xy − 2y2 x2 − xy

y(1) = 1

Division des Zählers und Nenners auf der rechten Seite durch x2 liefert eine neue DGL von der Gestalt y = f (y/x): y y2 1+ −2 2 x x y = y 1− x Mit Hilfe der Substitution u = y/x erhält man: u + xu =

1 + u − 2u2 1−u &

u 1 = 1+u x

⇒ xu =

1 − u2 (1 + u)(1 − u) = = 1+u 1−u 1−u

& 1 1 du = dx 1+u x

eln(1+u) = eln x+c1

ln(1 + u) = ln x + c1

1 + u = ec1 eln x = cx

Die Rücksubstitution von u = y/x liefert die allgemeine Lösung: ya = cx2 − x Die Lösung der AWA wird aus der Anfangsbedingung bestimmt: y(1) = 1

⇒ c · 12 − 1 = 1 y = 2x2 − x

Lösung der AWA: b) x y = 4x + y

⇒c=2

y(1) = 0

Division beider Seiten durch x liefert die DGL: y = 4 +

y x

(a)

Lösungsweg 1: Anwendung von (10.20) auf Seite 509. u = y/x



y = 4 + u  f (u)

f (u) − u = 4 + u − u = 4

570

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Aus (10.20) erhält man: &

1 du = ln x + c 4

u = ln x + c 4

u = 4 ln x + 4c

(a)

Nach Einsetzen von u = y/x in (a) erhält man die allgemeine Lösung: y = 4 ln x + 4c x

ya = x (4 ln x + 4c)

Erfüllung der Anfangsbedingung liefert die unbekannte Konstante: y(1) = 0 = 1 · (4 ln 1 + 4c) = 4 · 0 + 4c Lösung der AWA:

⇒ c=0

y = 4x ln x

Lösungsweg 2: Schrittweises Vorgehen. Substitution von y/x = u u + x u = 4 + u

und y = u + x u in die DGL liefert :

⇒ u =

&

4 x

du =

&

4 dx x

y = 4 ln x + c ⇒ ya = x (4 ln x + c) x Die Berücksichtigung der Anfangsbedingung liefert die Lösung der AWA: ⇒ u = 4 ln x + c



y(1) = 0 = 1 (4 ln 1 + c) = 0 + c

⇒ c=0

⇒ y = 4x ln x

x3 + 2y3 y(1) = 1 xy2 Mit Hilfe der Substitution y = xu erhält man:

c) y =

(y) = (xu) = u + xu xu = &

⇒ u + xu =

1 + 2u3 1 + u3 − u = u2 u2

& u2 1 dx du = 3 1+u x



u2 u 1 = 3 1+u x

1 ln(1 + u3 ) = ln x + c1 3

ln(1 + u3 ) = 3 ln x + 3c1 = ln x3 + 3c1 3

1 + u3 = e3c1 eln x = cx3

x3 + 2x3 u3 x3 (1 + 2u3 ) 1 + 2u3 = = x 3 u2 x 3 u2 u2

eln(1+u ) = eln x 3

u = (cx3 − 1)1/3

Einsetzen von u = y/x in (a) liefert die allgemeine Lösung: ya = x (cx3 − 1)1/3

3 +3c 1

(a)

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

Die Erfüllung der Anfangsbedingung liefert die Lösung der AWA: ya (1) = 1 = 1 · (c · 13 − 1)1/3 d) y =

y y 1 + ln x x

⇒ c − 1 = 13

c=2

⇒ y = x(2x3 − 1)1/3

y(1) = 1

Lösungsweg 1. Anwendung von (10.20) auf Seite 509. u = y/x



y = u(1 + ln u) 

f (u) − u = u(1 + ln u) − u = u ln u

f (u)

Aus (10.20) erhält man: &

1 du = ln x + c u ln u

ln(ln u) = ln x + c

u) ln x+c eln(ln =  eln x  ec = e x

ln u

⇒  e =e ln u

c1 x

ln u = c1 x

c1

⇒ u = ec1 x

u

Die Substitution von u = y/x liefert schließlich die allgemeine Lösung: y = ec1 x x



ya = x ec1 x

Bestimmung der Lösung der AWA durch Erfüllung der Anfangsbedingung: ya (1) = 1 = 1 · ec1 · 1 = ec1

c1 = 0

⇒ y = xe0 · x

y=x

Lösungsweg 2: Schrittweises Vorgehen. Mit der Beziehung y = u + x u nach (10.19) erhält man aus der Aufgabenstellung: u + x u = u (1 + ln u) 

⇒ x u = u ln u

=y



1 1 u = u ln u x

Das ist eine DGL mit getrennten Variablen, deren Lösung wie folgt lautet: ln(ln u) = ln x + c Der restliche Lösungweg verläuft wie oben.

571

572

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Beispiel 10.48: Die nachfolgenden Anfangswertaufgaben sind nach Abschnitt 10.6.2.3 zu lösen. a) −2x4 sin x2 − xyy + y2 = 0

√ y( π) = 0

Division der Gleichung durch xy und Umformung liefert: 1 y x y y = − 2x2 sin(x2 ) = − 2x2 sin(x2 ) x y x y x Das ist eine DGL von der Gestalt y = f (x, y/x). Substitution u = y/x liefert: u + u x = u − &

u du = −

1 2 2x sin(x2 ) u

⇒ uu = −2x sin x2

&

2x sin x2 dx

u2 = cos x2 + c 2

(a)

Die Rücksubstitution von u = y/x in (a) liefert die allgemeine Lösung:  y2 = 2x2 (cos x2 + c) ⇒ ya = x 2(cos x2 + c) √ Mit der Anfangsbedingung y( π) = 0 erhalten wir die Lösung der AWA:  √  0 = π (cos π + c) ⇒ c = 1 ⇒ y = x 2 (cos x2 + 1) b) y =

y2 − xy x2

y(2) = 1

Mit Hilfe der Substitution y = x u erhalten wir: u + xu =

x 2 u2 − x 2 u = u2 − u x2

1 u = 2 u − 2u x ln

&

xu = u2 − 2u

& 1 1 du = dx 2 u − 2u x

u = −2 (ln x + c1 ) = ln(x−2 ) − 2c1 u−2

− ⇒

1 u ln = ln x + c1 2 u−2

u c = c x−2 = 2 u−2 x

Die Rücksubstitution von u = y/x in (a) liefert die allgemeine Lösung: ya =

2cx c − x2

(a)

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

573

Die Lösung der AWA wird aus der Anfangsbedingung bestimmt: ya (2) =

4c =1 c−4

⇒ c = −4/3

⇒ y=

8x 3x2 + 4

√ y( π) = 0

c) xyy − y2 = 2x4 cos x2

y x Division der Gleichung durch xy liefert: y = + 2x2 cos x2 x y Das ist eine DGL von der Gestalt y = f (x, y/x), die mit Hilfe der Substitution u = y/x in die Form mit getrennten Variablen gebracht werden kann. Die Substitution y/x = u liefert: u + u x = u + &

u du =

1 2 2x cos(x2 ) u

&

2x cos x2 dx

⇒ uu = 2x cos x2 u2 = sin x2 + c 2

(a)

Die Rücksubstitution von u = y/x in (a) liefert die allgemeine Lösung:  ya = x 2(sin x2 + c) Die Lösung der AWA wird aus der Anfangsbedingung gewonnen: √ √ √  ya ( π) = 0 = π 2(sin π + c) ⇒ c = 0 ⇒ y = x 2 sin x2

Beispiel 10.49: Die Differentialgleichung y + x2 y = x2 ist zu lösen a) nach Methode der Trennung der Variablen und b) Methode der Ansatzfunktionen. a) Trennung der Variablen Umformung der DGL ergibt: y = x2 (1 − y) y = x2 1−y − ln(1 − y) =



&

x3 + c1 3

− x3 eln(1−y) = e 3

−c1

& 1 dy = x2 dx 1−y

ln(1 − y) =

− x3 − c1 3

1 − y =  e−c1 e−x c

3 /3

574

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Allgemeine Lösung: ya = 1 − c e−x

3 /3

(oder auch y = 1 + c e−x

3 /3

)

b) Lösung mit Ansatzfunktion Allgemeine Lösung der homogenen DGL y + x2 y = 0 : yh = c e−x

3 /3

Partikulärer Lösungansatz nach Tabelle 10.1 auf Seite 516: ⇒ yp = A1 + 2A2 x

y p = A 0 + A 1 x + A2 x 2

Nach Einsetzen von y p in die DGL erhält man: A1 + 2A2 x2 + A0 x2 + A1 x3 + A2 x4 = x2 Der Koeffizientenvergleich auf beiden Seiten liefert: A0 = 1

A1 = 0

A2 = 0

⇒ yp = 1

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = yh + y p = 1 + c e−x

3 /3

Beispiel 10.50: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − 2y + 1 + x2 = 0

y(1) = 7/4

Umformung der DGL liefert: y − 2y = −1 − x2 Allgemeine Lösung der homogenen DGL: y − 2y = 0 : yh = c e2x

(gemäß (10.29) mit k = −2)

Partikuläre Lösung der inhomogenen DGL mit Ansatzfunktion nach Tabelle 10.1: y p = A 0 + A1 x + A 2 x 2

⇒ yp = A1 + 2A2 x

Nach Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung in die DGL erhält man: A + 2A x − 2(A + A1 x + A2 x2 ) = −1 − x2  1 2  0

yp

2y p

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

Zusammenfassen der konstanten, linearen und quadratischen Terme in Gruppen: (A1 − 2A0 ) + (2A2 − 2A1 )x − 2A2 x2 = −1 − 0 · x − x2 Der Koeffizientenvergleich auf beiden Seiten liefert: A1 − 2A0 = −1 ⇒ A2 = 1/2,

2A2 − 2A1 = 0 A1 = 1/2,

− 2A2 = −1

A0 = 3/4

Mit den nunmehr bekannten Koeffizienten A0 , A1 , A2 ergibt sich die Partikulärlösung zu: yp =

1 3 1 + x + x2 4 2 2

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: y = yh + y p

⇒ ya = c e2x +

1 3 1 + x + x2 4 2 2

Die Lösung der AWA lässt sich mit Hilfe der Anfangsbedingung bestimmen: ya (1) = ⇒

1 7 3 1 7 = c e2 · 1 + + · 1 + · 12 = c e2 + 4 4 2 2 4

c=0

y=

c e2 =

7 7 − =0 4 4

3 1 1 + x + x2 4 2 2

Beispiel 10.51: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − 2y = e−2x

y(0) = 1

(Maple-Lösung auf Seite 849)

Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c e2x Partikulärer Lösungansatz nach Tabelle 10.1 auf Seite 516: r = −2

k = −2

d.h. es ist r = −k

⇒ Ansatzfunktion: y p = A0 e−2x = A e−2x yp = −2A e−2x

⇒ −2A e−2x − 2A e−2x = e−2x

1 ⇒ y p = − e−2x 4 Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: −4A = 1

⇒ A = −1/4

ya = yh + y p

⇒ ya = c e2x −

1 −2x e 4

− 4A e−2x = e−2x

575

576

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die Konstante c wird aus der Anfangsbedingung bestimmt: ya (0) = 1 = c e2 · 0 − Lösung der AWA: y =

1 −2 · 0 1 1 e = c e0 − e−2 · 0 = c − 4 4 4

⇒ c=

5 4

5 2x 1 −2x e − e 4 4

Beispiel 10.52: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − 2y = e2x

y(0) = 1

Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c e2x Partikulärer Lösungansatz nach Tabelle 10.1 auf Seite 516: y p = Ax e2x ,

weil r = −k (r = 2, k = −2)

Nach Einsetzen von y p in die inhomogene DGL und dem Koeffizientenvergleich ergibt sich die Partikulärlösung zu: A=1

y p = x e2x

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = yh + y p = (c + x)e2x , Die Lösung der AWA ergibt sich durch Erfüllung der Anfangsbedingung: ya (0) = 1 = (c + 0) · 1

⇒ c=1

⇒ y = (x + 1)e2x

Beispiel 10.53: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − 3y = e−2x

y(0) = 4/5

Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c e3x Partikulärer Lösungsansatz: y p = A e−2x 1 Partikuläre Lösung: − e−2x 5 Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: y = c e3x −

1 −2x e 5

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

Lösung der AWA: y = e3x −

1 −2x e 5

Beispiel 10.54: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y + y = sin x

y(0) = 3/2

Allgemeine Lösung der homogenen DGL y + y = 0 : yh = c e−x Partikulärer Lösungansatz nach Tabelle 10.1 auf Seite 516: y p = A sin x + B cos x

⇒ yp = A cos x − B sin x

Das Einsetzen der Ansatzfunktion und ihrer Ableitung in die DGL liefert: A cos x − B sin x + A sin x + B cos x = sin x Nach Gruppierung der Sinus- und Kosinusterme erhält man mit Hilfe des Koeffizientenvergleichs beider Seiten: (A − B) sin x + (A + B) cos x = sin x + 0 · cos x ⇒ A−B = 1

A+B = 0

⇒ A = 1/2

B = −1/2

1 (sin x − cos x) 2 Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: yp =

ya = yh + y p = c e−x +

1 (sin x − cos x) 2

Die Einarbeitung der Anfangsbedingung liefert die unbekannte Konstante: ya (0) =

1 3 1 = c e−0 + (sin 0 − cos 0) = c − 2 2 2

⇒ c=

4 =2 2

Die Lösung der AWA lautet somit: y = 2 e−x +

1 (sin x − cos x) 2

Beispiel 10.55: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − 6y = sin 2x

y(0) = 0

577

578

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c e6x Partikulärer Lösungsansatz gemäß Tabelle 10.2 auf Seite 527: y p = A sin 2x + B cos 2x

⇒ yp = 2A cos 2x − 2B sin 2x

Nach Einsetzen von y p in die DGL und Umformen erhalten wir: (−6A − 2B) sin 2x + (2A − 6B) cos 2x = sin 2x Der Koeffizientenvergleich auf beiden Seiten liefert: 2A − 6B = 0

⇒ A = 3B

−6A − 2B = 1

⇒ −18B − 2B = 1

B=−

1 20

A=−

3 20

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = yh + y p = c e6x −

1 3 sin 2x − cos 2x 20 20

Aus der Anfangsbedingung erhält man: ya (0) = c − 0 −

1 =0 20

⇒ c=

1 20

Lösung der AWA: y=

1 6x (e − 3 sin 2x − cos 2x) 20

Beispiel 10.56: Lösen Sie die nachfolgende Anfangswertaufgabe gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − y = x sin x

y(0) = −1

Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = cex Partikulärer Lösungsansatz gemäß Tabelle 10.2 auf Seite 527: y p = (A0 + A1 x) sin x + (B0 + B1 x) cos x yp = A0 cos x + A1 sin x + A1 x cos x − B0 sin x + B1 cos x − B1 x sin x

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

Einsetzen in die DGL und Gruppierung liefert: (−A0 + A1 − B0 ) sin x + (A0 − B0 + B1 ) cos x + (−A1 − B1 ) x sin x + (A1 − B1 ) x cos x = x sin x Aus dem Koeffizientenvergleich linker und rechter Seite erhalten wir: −A0 + A1 − B0 = 0

A0 − B0 + B1 = 0

−A1 − B1 = 1

A 1 − B1 = 0

Die Lösung dieses Gleichungssystems mit vier Unbekannten liefert: A0 = 0

A1 = −1/2

B0 = −1/2

B1 = −1/2

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = yh + y p

ya = c ex −

1 1 cos x − x (sin x + cos x) 2 2

Die Anfangsbedingung y(0) = −1 liefert: ya (0) = −1 = c · 1 −

1 · (1) − 0 2

⇒ c = −1/2

Die Lösung der AWA lautet: 1 1 y = − (cos x + ex ) − x (sin x + cos x) 2 2

Beispiel 10.57: Lösen Sie die nachfolgende Differentialgleichung gemäß Abschnitt 10.6.3.2. y − y = x sin 2x

y(0) = 0

Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c ex Partikulärer Lösungansatz nach Tabelle 10.1 auf Seite 516: y p = (A0 + A1 x) sin 2x + (B0 + B1 x) cos 2x Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = c ex −

2 1 (2 + 5x) cos 2x + (3 − 5x) sin 2x 25 25

579

580

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Nach Erfüllung der Anfangsbedingung erhält man die Lösung der AWA: y=

1 4 x 2 e − (2 + 5x) cos 2x + (3 − 5x) sin 2x 25 25 25

Beispiel 10.58: Lösen Sie die nachfolgenden Anfangswertaufgaben nach Abschnitt 10.6.3.4.

a) y +

2 y = 1+ x x q(x) =

3 y(1) = . 2

1 x

r(x) = 1 +

2 x

h(x) =

&

1 dx = ln x x

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL nach (10.35) auf Seite 518: ⎡ ⎤ " !& & 2 1 − ln x ⎣ ln x ⎦ e (1 + ) ·  dx + c = (x + 2) dx + c ya = e x x x " ! x c 1 x2 + 2x + c = + 2 + = x 2 2 x Einarbeitung der Anfangsbedingung: ya (1) =

c 3 1 = +2+ 2 2 1

⇒ c = −1

Lösung der Anfangswertaufgabe: y=

1 x +2− 2 x

b) x y + y = x2 ,

y(3) = 4.

Die Division beider Seiten der DGL durch x liefert: y +

y =x x

⇒ q(x) =

1 x

r(x) = x

h(x) =

&

q(x) dx =

&

1 dx = ln x x

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL nach (10.35) auf Seite 518: " " !& !& − ln x ln x − ln x 2 ya = e x e dx + c = e x dx + c   x2 c 1 x3 +c = + = x 3 3 x

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

Einarbeitung der Anfangsbedingung: ya (3) = 4 =

c 32 c + = 3+ 3 3 3

⇒ c=3

Lösung der AWA: y=

x2 3 + 3 x

c) x y + y = x cos x

y(π) = 0

Die Division beider Seiten durch x liefert: 1 y = cos x x

y +

⇒ q(x) =

1 x

r(x) = cos x

h(x) =

&

1 dx = ln x x

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL nach (10.35) auf Seite 518: ⎡ ⎤ &

ya = e− ln x ⎣

cos x ·  eln x dx + c⎦ = e− ln x (cos x + x sin x + c) x

=

1 eln x

(cos x + x sin x + c) =

1 (cos x + x sin x + c) x

Erfüllen der Anfangsbedingung: ya (π) = 0 =

1 1 (cos π + π · sin π + c) = (−1 + 0 + c) π π

⇒ c=1

Lösung der Anfangswertaufgabe: y=

1 (cos x + x sin x + 1) x

Beispiel 10.59: Die inhomogene Differentialgleichung xy − y = 4x2 ist zu lösen nach a) Methode der Variablentransformation b) Methode der Variation der Konstanten c) Methode der Ansatzfunktionen a) Variablentransformation Nach Division der DGL durch x und Umformung erhalten wir: y = 4x +

y x

DGL der Form y = f (x, y/x)

(s. Abs. 10.6.2.3)

581

582

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Die Substitution von u = y/x in die DGL liefert: u + xu = 4x + u

⇒ u = 4

⇒ u = 4x + c

Die Rücksubstitution von y/x für u liefert: y = 4x + c x

⇒ ya = 4x2 + cx

b) Variation der Konstanten Division der DGL durch x liefert: y y − = 4x x h(x) = −

&

ya = eln x (

&

d.h.

q(x) = −

1 x

r(x) = 4x

1 dx = − ln x x

&

4x · e− ln x dx + c) = x (

4 dx + c) = 4x2 + cx

1/x

c) Ansatzfunktion Die allgemeine Lösung der homogenen DGL xy − y = 0 lautet: xy = y



y =x y

⇒ yh = cx

Partikulärer Lösungsansatz für die inhomogene DGL xy − y = 0 = 4x2 : ⇒ yp = A1 + 2A2 x

y p = A 0 + A 1 x + A2 x 2

Einsetzen von y p in die inhomogene DGL liefert: x(A1 + 2A2 x) − (A0 + A1 x + A2 x2 ) = 4x2 Umgruppierung und Koeffizientenvergleich liefert: A2 x2 − A0 = 4x2

⇒ A2 = 4

A0 = 0

Es gibt keine Bestimmunggleichung für A1 , so dass sie beliebig gewählt werden kann, daher wählen wir A1 = 0. Die Partikulärlösung y p lautet somit: y p = A0 + 0 · x + A2 x2 = 4x2

⇒ yp = 8x

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = yh + y p = cx + 4x2

10.9 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 1. Ordnung

Beispiel 10.60: Die inhomogene Differentialgleichung y − 2xy = x ist zu lösen nach a) Methode der Trennung der Variablen b) Methode der Variation der Konstanten c) Methode der Ansatzfunktionen a) Lösung mit Hilfe der Trennung der Variablen &

1 y =  x 1 + 2y  f (x)

y = x(1 + 2y)

1 dy = 1 + 2y

&

x dx

g(y)

1 1 ln(1 + 2y) = x2 +C 2 2 eln(1+2y) = ex

2 +C 1

ln(1 + 2y) = x2 + 2

1 + 2y = ex eC1

C = x2 +C1 2

y = ex

2

2 eC1 1 1 − = c ex − 2 2 2 

c

b) Lösung mit Hilfe der Variation der Konstanten q(x) = −2x y = ex

2

&

r(x) = x

h(x) = −

&

2x dx = −x2



1 1 2 2 2 2 x · e−x dx + c = ex − e−x + c = cex − 2 2

c) Lösung mit Hilfe der Ansatzfunktionen Allgemeine Lösung der homogenen DGL y − 2xy = 0 : yh = cex

2

Partikulärer Lösungsansatz: y p = A 0 + A1 x

⇒ yp = A1

Einsetzen in die DGL liefert: A1 − 2x (A0 + A1 x) = x



A1 − 2A0 x − 2A1 x2 = x

Koeffizientenvergleich beider Seiten liefert: −2A0 = 1

⇒ A0 = −1/2

A1 = 0

⇒ y p = −1/2

583

584

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: 2

ya = yh + y p = cex −

1 2

10.10 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 2. Ordnung Beispiel 10.61: Es ist zu überprüfen, ob die angegebene Funktion y = f (x) eine Lösung der jeweiligen DGL ist. a) y + 4y = 0

f (x) = A sin 2x + B cos 2x

Die Ableitung der f (x) liefert: f  (x) = 2A cos 2x − 2B sin 2x

f  (x) = −4A sin 2x − 4B cos 2x

Einsetzen von f (x) und f  (x) in die DGL liefert: ?

−4A sin 2x − 4B cos 2x + 4 (A sin 2x + B cos 2x) = 0 ?

−4A sin 2x + 4A sin 2x −4B cos 2x + 4B cos 2x = 0



 =0

0=0



=0

Die Funktion f (x) erfüllt die DGL und ist deshalb eine Lösung. b) y − 9y = 0

f (x) = c1 e2x + c2 e−3x

f  = 2c1 e2x − 3c2 e−3x

f  = 4c1 e2x + 9c2 e−3x

Einsetzen von f (x) und f (x) in die DGL liefert: 4c1 e2x + 9c2 e−3x − 9 (c1 e2x + c2 e−3x ) = 0 ?



?

−5c1 e2x = 0

e2x = 0



Aufgrund des Widerspruchs im Ergebnis (e2x ist nicht gleich 0 – es sei denn für x = −∞, was aber hier uninteressant wäre) ist die angegebene Funktion f (x) keine Lösung der DGL. c) y = 2ex

f (x) = 2ex + c1 x + c2

f  = 2ex + c1

f  = 2ex

Einsetzen von f (x) in die DGL zeigt, dass die DGL erfüllt ist: 2ex = 2ex



⇒ f (x) ist eine Lösung

10.10 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 2. Ordnung

d) y = 4ex

f (x) = 4ex + c1 x2 + c2 x + c3

f  = 4ex + 2c1 x + c2

f  = 4ex + 2c1

f  = 4ex

Einsetzen von f (x) in die DGL zeigt, dass die DGL erfüllt ist: 4ex = 4ex



⇒ f (x) ist eine Lösung

Beispiel 10.62: Gesucht ist die allgemeine Lösung für die nachfolgenden Differentialgleichungen. a) y − 4y = 0 Mit dem Lösungsansatz y = eλ x erhält man: (λ 2 − 4) eλ x = 0

λ2 −4 = 0

⇒ λ1 = +2

λ2 = −2

y2 = e−2x

Einzellösungen: y1 = e2x

Allgemeine Lösung: yh = c1 y1 + c2 y2 = c1 e2x + c2 e−2x b) y − 8y + 25y = x . Allgemeine Lösung der homogenen DGL: yh = c1 e4x sin 3x + c1 e4x cos 3x Lösungsansatz für die partikuläre Lösung der inhomogenen DGL: y p = A + Bx



yp = B

yp = 0

Einsetzen von y p , yp und yp in die inhomogene DGL liefert: 0 − 8B + 25(A + Bx) = x ⇒

B = 1/25

(−8B + 25A) + 25Bx = x

A = 8/625

Allgemeine Lösung: ya = yh + y p = c1 e4x sin 3x + c1 e4x cos 3x +

8 1 x+ 25 625

c) y + 6y + 10y = 0 Lösung mit Hilfe von (10.47) auf Seite 522 würde schneller zur Lösung führen. Hier soll jedoch der detaillierte Weg gezeigt werden. Der Lösungsansatz y = eλ x liefert: (λ 2 + 6λ + 10) eλ x = 0 ⇒ λ 2 + 6λ + 10 = 0 √ λ1,2 = −3 ∓ −1 ⇒ λ1 = −3 + i λ2 = −3 − i

585

586

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Mit Hilfe der Euler-Beziehungen eix = cos x + i sin x

e−ix = cos x − i sin x

erhält man die allgemeine Lösung: y1 = e−3x+ix = e−3x eix = e−3x (cos x + i sin x) y2 = e−3x−ix = e−3x e−ix = e−3x (cos x − i sin x) y = c1 y1 + c2 y2 = e−3x (c1 cos x + ic1 sin x + c2 cos x − ic2 sin x) y = e−3x [(c1 + c2 ) cos x + i (c1 − c2 ) sin x] = e−3x (C1 cos x +C2 sin x)   C1

C2

Beispiel 10.63: Gesucht sind die Lösungen der nachfolgenden Anfangswertaufgaben. a) y − 5y = 0

y (0) = 5

y(0) = 0

Der Lösungsansatz y = eλ x liefert die charakteristische Gleichung: (λ 2 − 5λ ) eλ x = 0

λ 2 − 5λ = 0

⇒ λ1 = 0

λ2 = 5

Die Einzellösungen der homogenen DGL lauten: y1 = e0 = 1

y2 = e5x

Allgemeine Lösung yh der homogenen DGL: yh = c1 y1 + c2 y2 = c1 + c2 e5x Aus den Anfangsbedingungen ergibt sich: y(0) = c1 + c2 · 1 = 0

y (0) = 5c2 · 1 = 5

⇒ c2 = 1,

c1 = −1

Lösung der AWA: y = −1 + e5x b) y − 2y − 3y = 0

y(0) = 4

y (0) = 0

Der Lösungsansatz y = eλ x liefert die charakteristische Gleichung: (λ 2 − 2λ − 3) eλ x = 0 Einzellösungen:

y1 = e−x

λ 2 − 2λ − 3 = 0 y2 = e3x

⇒ λ1 = −1

λ2 = 3

10.10 Zusätzliche Beispiele für lineare DGL 2. Ordnung

587

Allgemeine Lösung: yh = c1 y1 + c2 y2 = c1 e−x + c2 e3x Aus den Anfangsbedingungen erhalten wir: y(0) = c1 + c2 = 4

y (0) = −c1 + 3c2 = 0

⇒ c1 = 3 c 2 = 1

Lösung der AWA: y = 3e−x + e3x c) y − 2y − 3y = 0

y (0) = 0

y(0) = 1

Aus (10.42) auf Seite 520 und (10.45) erhalten wir:  (−2)2 p = −2 q = −3 ⇒ D = + 3 = 2 > 0 (Fall 1, s. Seite 520) 4   22 22 (−2) (−2) + +3 = 3 λ2 = − − + 3 = −1 λ1 = − 2 4 2 4 Die Einzellösungen lauten: y1 = e3x

y2 = e−x

Die allgemeine Lösung der homogenen DGL ergibt sich zu : yh = c1 y1 + c2 y2 = c1 e3x + c2 e−x

(a)

Erfüllung der Anfangsbedingungen liefert: yh (0) = 1 = c1 e3 · 0 + c2 e−0 yh = 3c1 e3x − c2 e−x

⇒ c1 + c2 = 1

c1 = 1 − c 2

⇒ yh (0) = 0 = 3c1 e3 · 0 − c2 e−0 = 3c1 − c2

1 3 c1 = 4 4 Die Lösung der AWA ergibt sich nach Einsetzen der Konstanten in (a) zu: ⇒ 3(1 − c2 ) − c2 = 0

y=

3 = 4c2

⇒ c2 =

1 3x 3 −x e + e 4 4

d) y − 8y + 16y = 0

y(0) = −1

y (0) = −2

Die allgemeine Lösung erhält man gemäß Abschnitt 10.7.1 auf Seite 520:  p2 −q = 0 ⇒ λ1 = λ2 = 4 p = −8 q = 16 D= 4

588

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

Aus (10.46) auf Seite 522 erhalten wir die allgemeine Lösung: yh = (c1 + c2 x) e4x Die Anfangsbedingungen liefern: y(0) = −1 = (c1 + c2 · 0)e0



c1 = −1

y = c2 e4x + 4(c1 + c2 x)e4x y (0) = −2 = c2 e0 + 4(c1 + c2 · 0) · e0 = c2 + 4c1 ⇒ c2 − 4 · 1 = −2 Lösung der AWA:

c2 = 2

y = (−1 + 2x)e4x

Beispiel 10.64: Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben 2. Ordnung. a) y − y = 5 cos 2x

y(0) = −1

y (0) = −2

Allgemeine Lösung der homogenen DGL y − y = 0: yh = c1 ex + c2 e−x Einsetzen des Ansatzes y p = A sin 2x + B cos 2x für die Partikulärlösung in die inhomogene DGL liefert: −5A sin 2x − 5B cos 2x = 5 cos 2x



A = 0 B = −1

⇒ y p = − cos 2x Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL : ya = yh + y p = c1 ex + c2 e−x − cos 2x Erfüllung der Anfangsbedingungen: ya (0) = −1 = c1 e0 + c2 e−0 − cos 0 = c1 + c2 − 1



c1 = −c2

ya = c1 ex − c2 e−x + 2 sin 2x ya (0) = −2 = c1 e0 − c2 e−0 + 2 sin 0 = c1 − c2 + 0 ⇒

c2 = 1

c1 = −1

Lösung der Anfangswertaufgabe: y = −ex + e−x − cos 2x b) y + y − 2y = 20 cos 2x

y(0) = 0

y (0) = 2

− 2 = −2c2

10.11 Aufgaben

589

Allgemeine Lösung der inhomogenen DGL: ya = c1 e−2x + c2 ex − 3 cos 2x + sin 2x Erfüllen der Anfangsbedingungen: ya (0) = 0

⇒ c1 + c2 − 3 = 0

ya = −2c1 e−2x + c2 ex + 6 sin 2x + 2 cos 2x ya (0) = 2

⇒ −2c1 + c2 = 0

⇒ c1 = 1

⇒ c2 = 2

Lösung der AWA: y = e−2x + 2 ex − 3 cos 2x + sin 2x

10.11 Aufgaben 1. Zeigen Sie, dass die angegebenen Lösungsfunktionen auch tatsächlich Lösungen der angegebenen Differentialgleichungen sind. Lösung: x = ce−2t

a) x˙ = −2x

x˙ = −2ce−2t b) y + 9y = 0

⇒ −2ce−2t = −2ce−2t



Lösung: y = A sin 3x + B cos 3x

y = 3A cos 3x − 3B sin 3x

y = −9A sin 3x − 9B cos 3x

⇒ −9A sin 3x − 9B cos 3x + 9 (A sin 3x + B cos 3x) = 0 2. Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben 1. Ordnung. a) y − xy − x = 0 ya = c ex b) y − λ y = 0

y(0) = 1

2 /2

−1

2 /2

−1

y(1) = 1

ya = c e−λ x c) y − 2xy + x2 y = 0 ya = c ex

y = 2 ex

2 −x3 /3

y = eλ (1−x) y(1) = 1 y = 1,94773 ex

2 −x3 /3

0=0

590

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

d) y = e−y ex

y(0) = 1

ya = ln(ex + c) e) y = y ex

y = ln(ex + e − 1) = ln(ex + 1,71828)

y(0) = e x

ya = c ee

x

y = ee

f) y = 3 x2 y − y sin x ya = c ex g) y − 3x2 y + y

3 +cos x

ys =

1 =0 cos2 x

ya = c ex

3 −tan x

h) y − y2 cos x = 0 ya =

y(0) = 1 1 x3 +cos x e e

y(0) = 3 y = 3 ex

3 −tan x

y(0) = 1

1 c + sin x

y=

1 1 + sin x

3. Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben mit Hilfe der Methode Variation der Konstanten. a) y − (cos x) y = − cos x ya = 1 + c esin x

y(0) = 1 y = 1 + esin x

b) y + (sin x) y = sin x

y(1) = 1

ya = 1 + c ecos x

y = 1 − 0,6923 ecos x

4. Zeigen Sie durch Substitution, dass die Funktionen 8 9





9 2 ⎟ ⎜ p :p −q ⎠ x ⎝− + 2 4 y1 = e



und

y2 = e

8 9



9 2 ⎟ ⎜ p :p −q ⎠ x ⎝− − 2 4

Lösungen der DGL y + py + qy = 0 sind (vgl.auch Seite 520). 5. Bestimmen Sie die allgemeine Lösung folgender Differentialgleichungen. a) y + y = 0 b)

y − 4y

=0

ya = c1 sin x + c2 cos x ya = c1 + c2 e4x

c) y − 4y = 0

ya = c1 e−2x + c2 e2x

d) y + 4y = 0

ya = c1 sin 2x + c2 cos 2x

10.11 Aufgaben

e) y − 2y + 2y = 0 f)

y

g)

y + 2y + 2y

ya = ex (c1 sin x + c2 cos x)

=0

ya = c1 + c2 x ya = e−x (c1 sin x + c2 cos x)

=0

h) y + 4y + 4y = 0

ya = e−2x (c1 + c2 x)

i) y + 6y + 9y = 0

ya = e−3x (c1 + c2 x)

j) y − y − 20y = 0

ya = c1 e−4x + c2 e5x

y + 2y − 3y

ya = c1 e−3x + c2 ex

k)

=0

6. Bestimmen Sie die allgemeine Lösung folgender Differentialgleichungen. 1 ya = c1 ex + c2 e2x + e4x a) y − 3y + 2y = e4x 6 b) y + 25y = 75 sin 10x ya = c1 sin 5x + c2 cos 5x − sin 10x c) y + y = x + 5x2

ya = c1 sin x + c2 cos x − 10 + x + 5x2

d)

y + y

= 2 sin x

ya = c1 sin x + c2 cos x − x cos x

e)

y + y

= 2 cos x

ya = c1 sin x + c2 cos x + x sin x

7. Lösen Sie die nachfolgenden Anfangswertaufgaben. a) y + y = 1

y(0) = y (0) = 0

y = 1 − cos x b) y + y = x

y(0) = y (0) = 0

y = x − sin x c) y + 25y = 25x y=−

y(0) = 5 y (0) = −5

6 sin 5x + 5 cos 5x + x 5

d) y + 2y + 26y = 26 y = −e−x



y(0) = y (0) = 0

 1 sin 5x + cos 5x + 1 5

8. Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben 2. Ordnung. a) y − y = 5 sin 2x

y(0) = 0

ya = c1 ex + c2 e−x − sin 2x b) y − y = 10 sin 3x

y(0) = 0

ya = c1 ex + c2 e−x − sin 3x

y (0) = 0 y = ex − e−x − sin 2x y (0) = 0 y=

3 x 3 −x e − e − sin 3x 2 2

591

592

10 Gewöhnliche Differentialgleichungen

c) y + y = sin 2x y=

y (0) = 0

y(0) = 0

1 2 sin x − sin 2x 3 3

d) y + y = cos x

y (0) = 0

y(0) = 0

ya = c1 sin x + c2 cos x +

1 1 cos x + x sin x 2 2

y=

1 x sin x 2

9. Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben. a) y − 2y + y = cos x

ya = c1 ex + c2 x ex − b) y − 2y + y = sin x

y (0) = 0

y(0) = 0 1 sin x 2

y=

y (0) = 0

y(0) = 0

ya = c1 ex + c2 x ex +

1 cos x 2

c) y − 2y + y = sin x − cos x ya = c1 ex + c2 x ex +

1 x 1 x e − sin x 2 2

y=

1 x 1 e (x − 1) + cos x 2 2 y (0) = 0

y(0) = 0 1 (sin x + cos x) 2

y=

1 (−ex + sin x + cos x) 2

10. Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben 2. Ordnung. a) y − 5y + 6y = 2 ex

y(0) = 0

ya = c1 e2x + c2 e3x + ex b) y + 2y + y = 4 ex

ys = −2e2x + e3x + ex

y(0) = 0

ya = c1 e−x + c2 x e−x + ex c) y + 2y + y = 9 e2x

y(0) = 0

ya = c1 e−x + c2 x e−x + e2x d) y − 2y + y = 2 ex

y(0) = 0

ya = c1 ex + c2 x ex + x2 ex e) y − 3y + 2y = 2 ex sin x

y (0) = 0

y (0) = 0 y = −e−x − 2x e−x + ex y (0) = 0 y = −e−x − 3x e−x + e2x y (0) = 0 y = x 2 ex

y(0) = 5

ya = c1 ex + c2 e2x + ex (cos x − sin x)

y (0) = 5 y = 3 ex + e2x + ex (cos x − sin x)

10.11 Aufgaben

f) y − 2y − 8y = 72 x ex

y(0) = 0

ya = c1 e−2x + c2 e4x − 8x ex

593

y (0) = 0 4 4 ys = − e−2x + e4x − 8x ex 3 3

11. Bestimmen Sie die Schwingungsfunktion des Einmassenschwingers in Beispiel 10.30 auf Seite 532 für die Anfangsbedingungen x(0) = 0 und x(0) ˙ = v0 = 1 m/s (das bedeutet, dass, die Masse zum Zeitpunkt t = 0 zwar nicht ausgelenkt ist, aber eine Anfangsgeschwindigkeit besitzt, z.B. durch Einwirkung eines impulsartigen Krafteinwirkung). x(t) = 0,0483 sin(20,7t)

11

Fourier-Reihen

11.1 Einführung Periodische Funktion. Eine Funktion y = f (x) wird periodisch genannt, wenn für eine positive reelle Zahl p folgende Bedingung erfüllt ist, s. Bild 11.1. f (x + n · p) = f (x)

n = 1,2,3, · · ·

p : Periode der Funktion

(11.1)

Beispiel 11.1: In Bild 11.2 ist der Verlauf einer periodischen Belastung dargestellt, deren einem Sägezahn ähnlicher Verlauf mathematisch nicht als eine kompakte Gleichung für die gesamte t-Achse, sondern nur durch mehrere, abschnittsweise zu definierende Funktionen beschrieben werden kann: ⎧ 2t ⎪ ⎪ für t 0 und Wenn ⎪ D 0

: Minimum

f,xx (x0 , y0 ) < 0

: Maximum

(12.38)

: Sattelpunkt : zusätzliche Analysen notwendig

Beispiel 12.33: Für die im unten stehenden Bild grafisch dargestellte Funktion z = f (x, y) = sin x sin y soll das lokale Extremum im Bereich 0 < x < π und 0 < y < π bestimmt werden.

Fläche der Funktion z = sin x sin y

Aus den notwendigen Bedingungen f,x = 0 und f,y = 0 der Gleichung (12.35) folgt die Extremalposition: Partielle Ableitungen:

f,x = cos x sin y

f,y = sin x cos y

f,x = 0



cos x sin y = 0

⇒ x = π/2

bzw.

y = 0; π

f,y = 0



sin x cos y = 0

⇒ x = 0; π

bzw.

y = π/2

Das vorgegebene Lösungsintervall 0 < x < π und 0 < y < π wird nur vom Wertepaar x = π/2, y = π/2 erfüllt. Das Extremum tritt also an der Position P(x0 , y0 ) =

12.11 Extremwerte multivariabler Funktionen

653

(π/2, π/2). Die partiellen Ableitungen von 2. Ordnung ergeben sich zu: f,xx = − sin x sin y

f,xy = f,xy = cos x cos y

f,yy = − sin x sin y

Die Hesse-Matrix H für die Position P ergibt sich aus (12.36) und (12.37)zu: f,xx (x0 , y0 ) = − sin

π π sin = −1 2 2

f,xy (x0 , y0 ) = f,yx (x0 , y0 ) = cos ! H=

−1 0

0 −1

"

f,yy (x0 , y0 ) = − sin

π π sin = −1 2 2

π π cos = 0 2 2

⇒ D = (−1) · (−1) − 02 = 1

Der Typ des Extremums ergibt sich aus Gl. (12.38): D=1>0

f,xx (x0 , y0 ) = −1 < 0

und

⇒ Maximum

Die Funktion f = sin x sin y besitzt also an der Stelle P = (π/2, π/2) ein Maximum mit folgendem Wert: zmax = f (x0 , y0 ) = sin

π π sin = 1 · 1 = 1 2 2

12.11.2 Extremwerte von Funktionen von n unabhängigen Variablen Die Kriterien in (12.38) zur Bestimmung der Art des Extremums lassen sich nicht auf Funktionen mit mehr als zwei unabhängigen Variablen anwenden. Daher benötigen wir eine andere Methode, die für jede beliebige Anzahl von Variablen funktioniert. Für die Existenz möglicher Extrema der Funktion u = f (x1 , x2 , . . . , xn ) ist (12.34) zu erfüllen, wobei jetzt der Gradient im n-dimensionalen Raum zu betrachten ist. grad u = grad f = 0

notwendige Bedingung

(12.39)

Diese Bedingung bedeutet, dass sämtliche partiellen Ableitungen verschwinden müssen: u,x1 = f,x1 = 0

u,x2 = f,x2 = 0

...

u,xn = f,xn = 0

(12.40)

Diese Bedingungen sind zwar notwendig, aber noch nicht hinreichend für die Existenz von Extrema. Ob tatsächlich Extrema vorliegen, hängt von der Hesse-Matrix ab. Die Lösung der Gleichung (12.40) liefert die Position x 0 = [x10 , x20 , . . . , xn0 ] im nD-Raum, an

654

12 Multivariable Differentialrechnung

der die Funktion ihr Extremum hat (sofern dies überhaupt existiert). Statt nur einer Position x 0 kann es problemabhängig auch mehrere Positionen x 0 , x 1 , x 2 , . . . geben, wo die Funktion zum Extremum wird. Als nächstes muss die Hesse-Matrix H an der Position x 0 aufgestellt werden (vgl. auch Abschnitt 12.11.1): ⎡ ⎤ h11 h12 . . . h1n  ⎢ h21 h22 . . . h2n ⎥ ∂ 2 f  ⎥ ⎢ 0 (12.41) mit hi j = f,xi x j (xx ) = H =⎢ .. .. .. ⎥ ∂ xi ∂ x j x 0 ⎣ . . . ⎦ hn1

hn2

. . . hnn

Im nächsten Rechenschritt muss die Definitheit von H und ihren Hauptuntermatrizen bestimmt werden (für Definitheit von Matrizen vgl. Abschnitt 14.6.1 auf Seite 731). Der Typ des Extremwertes der Funktion u = f (x1 , x2 , . . . , xn ) wird mit Hilfe folgender Kriterien bestimmt: ⎧ ⎪ H ⎪ ⎪ ⎪ ⎨H Wenn ⎪ H ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ H

positiv definit

: Minimum

negativ definit

: Maximum

indefinit

: Sattelpunkt

semi-definit

: zusätzliche Untersuchungen notwendig

(12.42)

Falls H semi-definit ist, kann keine Aussage über die Art des Extremums gemacht werden. In solchen Fällen sind weitergehende und aufwendige Untersuchungen mit Hilfe von Taylor-Reihen notwendig. Glücklicherweise sind die Matrizen, die in der Strukturmechanik vorkommen, meistens positiv definit, so dass i.d.R.genügt, die Position und den Wert des Extremums zu ermitteln.

12.11.3 Extremwerte mit Nebenbedingungen Die Lösung der Extremwertaufgabe für die Funktion z = f (x, y) enthält Wertepaare in der Form (x0 , y0 ); dies sind Punkte in der xy-Ebene, an denen die Funktion z = f (x, y) einen Extremwert besitzt. Falls zusätzlich noch gefordert wird, dass diese Lösungspunkte auf einer vorgegebenen Kurve liegen müssen, die durch die Gleichung ϕ(x, y) = 0 gegeben ist, spricht man von einer Extremwertaufgabe mit Nebenbedingungen. Zur Lösung einer Extremwertaufgabe mit Nebenbedingungen könnte man die Nebenbedingung ϕ(x, y) = 0 nach einer der beiden Variablen auflösen und in die Gleichung z = f (x, y) einsetzen, so dass eine Gleichung mit nur noch einer Variable vorliegt, deren Extremwerte nach Abschnitt 3.13 auf Seite 118 bestimmt werden können. Lagrange-Multiplikator-Methode Eine elegantere Methode als der oben beschriebene Weg bietet die Multiplikator-Methode von Lagrange. Bei diesem Verfahren wird durch Linearkombination der Funktionen f (x, y) und ϕ(x, y)

12.11 Extremwerte multivariabler Funktionen

655

eine neue künstliche Funktion L(x, y, λ ), die Lagrange-Funktion, definiert: L(x, y, λ ) = f (x, y) − λ ϕ(x, y)

Lagrange-Funktion

(12.43)

Der Parameter λ ist der unbekannte skalare Lagrange-Multiplikator. Definitionsgemäß gilt stets ϕ(x, y) = 0, daher sind die Funktion f (x, y) und die Lagrange-Funktion L(x, y, λ ) in (12.43) identisch. Die Subtraktion des Terms λ ϕ(x, y) in (12.43) hat also in mathematischer Hinsicht nichts geändert. Die Einführung von L in (12.43) hat einen großen Nutzen: Bei der Ermittlung der Extrema von L erhalten wir nur diejenigen Extremallösungen, die automatisch auch die Nebenbedingungen ϕ(x, y) = 0 erfüllen. Die notwendige Bedingung grad L = 0 für das Vorhandensein eines Extremums der LagrangeFunktion L(x, y, λ ) in (12.43) liefert die nachfolgenden drei Beziehungen: L,x = f,x − 0 · ϕ(x, y) − λ ϕ,x = 0



f,x − λ ϕ,x = 0

L,y = f,y − 0 · ϕ(x, y) − λ ϕ,y = 0



f,y − λ ϕ,y = 0

(12.44)

L,λ = 0 − 1 · ϕ(x, y) − λ · 0 = −ϕ(x, y) ≡ 0

(a)

Die Bedingung L,λ = 0 in (a) wird automatisch erfüllt, weil ja definitiongemäß ϕ(x, y) = 0 gilt. Aus (12.44) erhalten wir die folgenden Beziehungen: λ=

f,x ϕ,x

λ=

f,y ϕ,y



f,y f,x = ϕ,x ϕ,y

(12.45)

Die Lagrange-Multiplikator-Methode lässt sich wie folgt zusammenfassen: Lagrange-Multiplikator-Methode für z = f (x, y) z = f (x, y)

Funktion, deren Extremum gesucht ist

ϕ(x, y) = 0

Nebenbedingung

Bestimmungsgleichungen: f,y f,x = ϕ,x ϕ,y

(12.46)

ϕ(x, y) = 0

Alternative: f,x − λ ϕ,x = 0

f,y − λ ϕ,y = 0

ϕ(x, y) = 0

656

12 Multivariable Differentialrechnung

Beispiel 12.34: Mit Hilfe der Lagrangeschen Multiplikatormethode soll der Radius r und die Höhe h eines zylindrischen Behälters (z.B. einer Konservendose) berechnet werden, damit er bei gegebenem Volumen V0 die kleinstmögliche Oberfläche A besitzt. Die zu minimierende Funktion der Oberfläche lautet: A = f (r, h) =

+

2πrh  Mantelfläche

πr 2 2 ·

(a)

Deckelflächen

Die Nebenbedingung liegt in Form des gegebenen Volumens V0 vor: V = πr2 h = V0

⇒ ϕ(r, h) = πr2 h −V0 = 0

(b)

Die sinngemäße Anwendung von (12.46) auf (a) und (b) liefert: f,r = 2πh + 4πr f,h f,r = ϕ,r ϕ,h



f,h = 2πr

ϕ,r = 2πrh

2πh + 4πr 2πr = 2 2πrh πr

ϕ,h = πr2

⇒ h = 2r

(c)

Die Höhe des Behälters muss also gleich dem doppelten Radius sein. Nach Substitution von h = 2r in der Nebenbedingung (b) erhält man aus (c):   3 V0 3 V0 2 ⇒ h0 = 2 (d) ⇒ r0 = πr · 2r −V0 = 0 2π 2π r h

Zahlenbeispiel. Für ein Volumen von z.B. V0 = 1000 m3 erhalten wir aus (d):  3 1000 = 5,419 m h0 = 10,838 m r0 = 2π Die Oberfläche beträgt nach (a): A0 = 2πrh + 2 · πr2 = 2π · 5,419 · 10,838 + 2π · 5,4192 = 553,5 m2 Für jede andere zulässige Kombination von r und h ergibt sich eine größere Oberfläche. Bei gleichem Volumen V0 = 1000 m3 und vorgegebenem Radius r = 8 m würde sich z.B. folgendes ergeben: h=

1000 V = = 4,974 πr2 π 8,02

⇒ A = 2π · 8,0 · 4,974 + 2π · 8,02 = 652,1 m2 > 553,5 m2

12.12 Technische Anwendungsbeispiele

657

12.12 Technische Anwendungsbeispiele Beispiel 12.35: Kleinste Benetzungslänge eines Kanalquerschnitts. Die Seitenwände des dargestellten Wasserkanals haben den Neigungswinkel α gegenüber der Waagerechten. Die Strömungsfläche A ist vorgegeben. Die Bodenbreite des Kanals ist a und die Länge jeder geneigten Wand beträgt b. Die Benetzungslänge entspricht der gesamten Länge L = a + 2b des Bodens und der geneigten Wände. Die geometrischen Maße a, b und der Winkel α der Wände sollen so festgelegt werden, dass die Benetzungslänge L des Wassers (wo Wasser die Kanalwand berührt) minimal wird.

b

A



a

Aus der Kanalgeometrie erhält man den Strömungsquerschnitt A : A = ab sin α + b2 sin α cos α

⇒ a=

A − b cos α b sin α

(a)

Nach Einsetzen des Ausdrucks für a in die Beziehung für L erhält man: L=

A A − b cos α + 2b = + b(2 − cos α) b sin α b sin α

Die notwendigen Bedingungen für Extremum gemäß (12.35) auf Seite 651 lauten: L,α = L,b =

0 − Ab cos α + b sin α = 0 b2 sin2 α −A b2 sin α

⇒ b2 =

A cos α sin3 α

+ (2 − cos α) = 0

Einsetzen des Ausdrucks für b2 in (b) in die Beziehung (c) liefert: L,b =

−A − sin2 α + 2 − cos α = 0 + 2 − cos α = A cos α cos α sin α sin3 α

⇒ sin2 α + cos2 α = 2 cos α

 =1

⇒ 1 = 2 cos α

(b) (c)

658

12 Multivariable Differentialrechnung

Der Neigungswinkel der Kanalwand muss also betragen: 1 = 2 cos α



α0 = 60◦

Nach Einsetzen von α = 60◦ in (b) erhält man:   √ A cos α A cos 60 b0 = = = 0,87738 A 3 3 sin α sin 60

(d)

Einsetzen von (d) in (a) liefert: a0 =

√ √ A √ − 0,87738 A · cos 60 = 0,87738 A 0,87738 A · sin 60

Für a = b ist die Benetzungslänge L also Extremum. Die Art des Extremums ergibt sich aus gemäß Abschnitt 12.11.1 auf Seite 651: L,αα =

A sin α (1 + cos2 α) + b cos α b sin4 α

Einsetzen von α = α0 in den obigen Ausdruck liefert: ⇒ L,αα (α0 ) = L,bb =

√ A sin 60 (1 + cos2 60) + b cos 60 = 2,63215 A 4 b sin 60

2A b3 sin α

⇒ L,bb (b0 ) =

3,41929 √ A

A cos α + sin α ⇒ L,αb (α0 , b0 ) = 1,73206 b2 sin2 α Die Determinante D der Hesse-Matrix ergibt sich somit nach (12.37) auf Seite 652 zu: L,αb = L,bα =

√ 3,41929 2 D = L,αα · L,bb − L,αb = 2,63215 A √ − 1,732062 = 6 A Nach dem Kriterium (12.38) ergibt sich die Art des Extremums wie folgt: D > 0 und L,αα > 0

⇒ L ist Minimum

Die Benetzungslänge ist also am kleinsten, wenn α = 60◦ und a = b sind. Beispiel 12.36: Das Gravitationspotential eines kugelförmigen Körpers mit der Masse m ist eine Skalarfunktion, die kugelsymmetrisch verläuft und im 3D-Raum durch folgende Gleichung gegegeben ist.

12.12 Technische Anwendungsbeispiele y grad U

U = f (r) =

G·m r

m

r x

z

G = 6,6726 · 10−11 kg−1 s−2 ist die universelle Gravitationskonstante, r ist der Abstand zwischen dem Mittelpunkt des kugelförmigen Körpers und der aktuellen Raumposition, an der das Potential berechnet werden soll. Gesucht ist der Gradient von U im Punkt P = (x, y, z) = (a; 0; 0). In Bezug auf ein kartesisches Koordinatensystem, dessen Ursprung sich im Mittelpunkt des Körpers befindet, ergibt sich der Abstand r eines beliebigen Punktes P = (x, y, z) im 3D-Raum aus der nachfolgender Beziehung:  r = x2 + y2 + z2 Das Potentialfeld ist jetzt gegeben durch: U = f (r) = 

G·m x2 + y2 + z2

Die partiellen Ableitungen von U lauten: U,x =

−Gmx −Gmx −Gmx =  = 2 2 2 3 r3 (x2 + y2 + z2 )3/2 ( x +y +z )

U,y =

−Gmy −Gmy −Gmy =  = 2 2 2 3 r3 (x2 + y2 + z2 )3/2 ( x +y +z )

U,z =

−Gmz −Gmz −Gmz =  = 2 2 2 3 r3 (x2 + y2 + z2 )3/2 ( x +y +z )

Der Gradient grad U des Gravitationspotentials ergibt sich aus (12.24) auf Seite 641: grad U = −

Gm (x i + y j + z k ) r3

Im Punkt P = (a; 0; 0) beträgt der Gradient: r=

 a2 + 02 + 02 = a

grad U = −

Gm i a2

659

660

12 Multivariable Differentialrechnung

Beispiel 12.37: Gesamtmasse der Erde. In diesem Beispiel soll mit Hilfe des Gradienten, der in Beispiel 12.36 berechnet wurde, die Masse m der Erdkugel bestimmt werden. Nach den Gesetzmäßigkeiten der Physik ist überall dort ein Gravitationsfeld vorhanden, wo ein Gravitationspotential U existiert – und umgekehrt (physikalische Details sollen hier nicht weiter betrachtet werden). Da jede Masse ein Gravitationspotential besitzt (s. Beispiel 12.36), heißt das, dass jede Masse auch ein Gravitationsfeld besitzt. Ferner wird auf jeden anderen Massenpunkt, der sich im Gravitationsfeld einer Masse m befindet, eine Anziehungskraft maa von dieser Masse ausgeübt. Der Vektor a ist der Beschleunigungsvektor, der mit dem Gravitationspotential U über folgende Beziehung verknüpft ist: a = −grad U Der Ausdruck für den Gradienten grad U ergibt sich aus Beispiel 12.36 und den Beschleunigungsvektor a erhalten wir zu: a = −grad U =

Gm (x i + y j + z k ) r3

Der Betrag von a lautet: a = |aa| =

Gm Gm Gm  2 x + y2 + z2 = 3 r = 2 3 r r r

(a)

Auf der Erdoberfläche entspricht die Gravitationsbeschleunigung a der Fallbeschleunigung g (a = g ≈ 9,81 m/s2 ). Es gilt ferner r = R (Erdradius R = 6,378 · 106 m). Die Erdmasse ergibt sich mit diesen Werten aus (a) zu: 9,81 =

Gm R2

9,81 =

6,6726 · 10−11 m (6,378 · 106 )2



m = 5,98 · 1024 kg

Aus der Gesamtmasse kann die mittlere Massendichte ρE der Erde berechnet werden. Dazu braucht man lediglich die Erdmasse durch das Erdvolumen V zu teilen: 4 4 V = πR3 = π(6,378 · 106 )3 = 1,087 · 1021 m3 3 3

ρE =

m V

ρE =

5,98 · 1024 = 5500 kg/m3 1,0868 · 1021

Im Mittel weist die Erde also eine recht hohe Massendichte auf, mehr als doppelt so hoch wie der Beton.

12.12 Technische Anwendungsbeispiele

661

Beispiel 12.38: Gasdruckänderung. Für ein ideales Gas existiert zwischen Druck, Volumen und Temperatur eine Gesetzmäßigkeit, die als Zustandgleichung bekannt ist, s. Seite 616: P=

mRT V

(a)

P Gasdruck in Pa = N/m2 R Universelle Gaskonstante, R = 8,3145 J/(mol · K) T Absolute Temperatur des Gases in K (Kelvin) V Gasvolumen in m3 m Substanzmenge des Gases in mol Mit Hilfe des totalen Differentials soll näherungsweise berechnet werden, um wieviel Prozent sich der Gasdruck ändert, wenn seine Temperatur um 25% und sein Volumen um 10% gleichzeitig ansteigen. Ferner ist der relative Fehler gegenüber der exakten Druckänderung zu ermitteln. Exakte Berechnung. Der Druck nach der Erhöhung der Temperatur und des Volumens beträgt: Pneu =

mR(T + 0,25T ) mRT 1,25 = = 1,136 P V + 0,1V V 1,1

Die exakte Druckänderung beträgt: dP = Pneu − P = 0,136P,

d.h. 13,6%

Linearisierte Berechnung. Die partiellen Ableitungen der Zustandsgleichung wurden schon in Beispiel 12.6 auf Seite 620 aufgestellt: ∂ P mR = ∂T V

∂P mRT =− 2 ∂V V

Das totale Differential des Druckes ergibt sich zu (Temperatur T und Volumen V sind hier die unabhängigen Variablen): dP =

∂P mR mRT ∂P dT + dV = dT − 2 dV ∂T ∂V V V

Änderung der Temperatur und des Volumens gemäß Aufgabenstellung: dT = 25% · T = 0,25T

dV = 10% · V = 0,1V

Unter Berücksichtigung von (a) beträgt die linearisierte Druckänderung: dP =

mR mRT mRT 0,25T − 2 0,1V = (0,25 − 0,1) = 0,15P V V V

662

12 Multivariable Differentialrechnung

Der Druck würde sich also um 15% erhöhen. Der relative Fehler der linearisierten Berechnung gegenüber dem exakten Ergebnis beträgt:    0,136P − 0,15P   = 0,103 = 10,3% Erel =   0,136P

Beispiel 12.39: Lineare Änderung des Trägheitsmoments (totales Differential). Der abgebildete Querschnitt eines Balkens in Form eines Kreissektors hat das Trägheitsmoment Iy um die y-Achse:45 y

Iy =

R4 (α − sin α cos α) 4

a

r y

Um die Verformungen des Balkens zu verringern, soll Iy vergrößert werden. Mit Hilfe des totalen Differentials ist näherungsweise (linearisiert) zu ermitteln, um wieviel Grad der Winkel α erhöht werden muss, damit Iy um 20% zunimmt. In diesem Beispiel ist das Trägheitsmoment Iy eine Funktion nur einer einzigen Variablen, nämlich des Winkels α. Deshalb entspricht das totale Differential der gewöhnlichen Linearisierung einer Funktion gemäß Abschnitt 3.8 auf Seite 98. Das totale Differential von Iy beträgt: dIy = Iy,α dα   Iy,α = 0,25R4 1 − (cos2 α − sin2 α) = 0,5R4 sin2 α dIy = 0,5R4 sin2 α dα

(a)

Gemäß Aufgabenstellung soll der Zuwachs von Iy 20% betragen: dIy = 20% Iy = 0,2Iy = 0,2

R4 (α − sin α cos α) 4

(b)

Aus den Gleichungen (a) und (b) folgt die Bestimmungsbedingung für dα : 0,5R4 sin2 α dα =

0,2 4 R (α − sin α cos α) 4

⇒ dα =

α − sin α cos α 10 sin2 α

4 Das Trägheitsmoment ist eine geometrische Kenngröße des Querschnittes und hat bedeutenden Einfluss am Widerstand eines Bauteils gegen Verformungen. 5 W.D. Pilkey, Formulas for Stress, Strain and Structural Matrices, J. Wiley, 1994

12.13 Zusätzliche Beispiele

Zahlenbeispiel. Für α = 30◦ = π/6 rad ergibt sich: dα =

π/6 − sin π/6 cos π/6 10 sin2 (π/6)

= 0,0362 rad ≡ 2,07◦

Der Winkel α muss also um 2,07◦ auf insgesamt 32,07◦ vergrößert werden. Aufgabe. Zeigen Sie, dass bei exakter analytischer Berechnung der Winkelzuwachs dα = 1,96◦ beträgt.

12.13 Zusätzliche Beispiele

Beispiel 12.40: z = f (x, y) = x2 + y2 + 10

Gesucht: Partielle Ableitungen.

5 60

z,x = 2 x z,xx = 2 z,yx = 0

4

y

40

3

2

z 20

1

0

z,y = 2 y z,xy = 0 z,yy = 2

1 2

x

3 4 5

Beispiel 12.41: z = f (x, y) = x e−x

2 −y2

Gesucht: Partielle Ableitungen.

0.4

z

z,x = (1 − 2x2 ) e−x −y 2 2 z,y = −2xy e−x −y 2 2 z,xx = (−6x + 4x3 ) e−x −y 2 2 z,xy = (4x2 y − 2y) e−x −y 2 2 z,yx = (4x2 y − 2y) e−x −y 2 2 z,yy = (4xy2 − 2x) e−x −y 2

0.2 0 –0.2 –0.4 –2

–2 –1

–1

y

0

0 1

1 2

2

x

2

663

664

12 Multivariable Differentialrechnung

Beispiel 12.42: z = f (x, y) = −x4 y2 + 60

Gesucht: Partielle Ableitungen. z,x = −4x3 y2 z,xx = −12x2 y2 f,yx = −8x3 y

60 40

z

20

z,y = −2x4 y z,xy = −8x3 y f,yy = −2x4

0 –2

–2 –1

–1

y

0

0 1

1 2

x

2

Beispiel 12.43: Gegeben ist die Funktion z = f (x, y) = ln(x + y). Es ist zu zeigen, dass f (x, y) die Gleichung x z,x + y z,y = 1 erfüllt. Zunächst werden die partiellen Ableitungen der gegebenen Funktion gebildet: z,x =

1 x+y

z,y =

1 x+y

Das Einsetzen dieser Ausdrücke in die Gleichung x z,x + y z,y liefert: x y x+y + = =1 x+y x+y x+y



Beispiel 12.44: Gesucht sind die partiellen Ableitungen 2. Ordnung für die nachfolgende Gleichung: y = f (x1 , x2 , x3 , x4 ) = x14 + 2x1 x2 − x22 x33 + 4x4 y,x1 = 4x13 + 2 · 1 · x2 − 0 + 0 = 4x13 + 2x2 y,x2 = 0 + 2x1 · 1 − 2x2 x33 + 0 = 2 x1 − 2x2 x33 y,x3 = 0 + 0 − x22 · 3x32 + 0 = −3x22 x32 y,x4 = 0 + 0 − 0 + 4 · 1 = 4 y,x1 x1 = 12x12

y,x1 x2 = 2

y,x1 x3 = 0

y,x2 x1 = 2

y,x2 x2 = −2x33

y,x3 x1 = 0

y,x3 x2 = −6x2 x32

y,x4 x1 = 0

y,x4 x2 = 0

y,x1 x4 = 0

y,x2 x3 = −6x2 x32 y,x3 x3 = −6x22 x3

y,x4 x3 = 0

y,x4 x4 = 0

y,x2 x4 = 0 y,x3 x4 = 0

12.13 Zusätzliche Beispiele

Beispiel 12.45: Totales Differential. Die unten dargestellte gekrümmten 3D-Fläche ist durch die Gleichung z = f (x, y) = e−x y3 beschrieben. Die momentane Position auf der Fläche sei P = (4; 8; zP ). Nun wird ein anderer Punkt Q = (4,1; 8+Δ y; zP ) betrachtet (Q besitzt also die gleiche Höhenkoordinate z wie P). Es soll mit Hilfe des totalen Differentials der Wert von Δ y berechnet werden, damit Q tatsächlich die selbe Höhe hat wie P.

0.8 0.4

z

0 –0.4 –0.8 0

2

4

x

6

8

10

12

0

2

4

6

8

10

12

y

Die lineariserte Höhenänderung ergibt sich aus (12.14) auf Seite 626: Δ zL = z,x Δ x + z,y Δ y = −e−x y3 Δ x + 3e−x y2 Δ y Voraussetzungsgemäß soll die Höhenänderung gleich Null sein. Mit Δ x = 0,1 aus der Aufgabenstellung erhalten wir: Δ zL = 0

⇒ 0 = −e−4 · 83 · 0,1 + 3e−4 · 82 Δ y

⇒ Δ y = 0,2667

Wenn die aktuelle Position sich um den Betrag Δ x = 0,1 in x-Richtung ändert, muss man gleichzeitig eine Positionsänderung in y-Richtung um den Betrag Δ y = 0,2667 vornehmen, damit die Höhenordinate z unverändert bleibt. Die exakten Höhenordinaten bei P und Q ergeben sich aus z = f (x, y) = e−x y3 : zP = f (4; 8) = 9,3776

zQ = f (4,1; 8,2667) = 9,3624

Der relative Fehler der linearisierten Berechnung beträgt (s. Seite 5):    9,3776 − 9,3624   = 0,0016 = 0,16%  Erel =   9,3776

Beispiel 12.46: Totales Differential. Ein zylindrischer Behälter besitzt den Radius r = 3 m und die Höhe h = 8 m . Berechnen Sie mit Hilfe des totalen Differentials die Volumenänderung des Behälters, wenn man die Höhe 0,10 m verringert und gleichzeitig den Radius um 0,3 m erhöht. Berechnen Sie den relativen Fehler Ihrer Lösung gegenüber dem exakten Wert der Volumenänderung.

665

666

12 Multivariable Differentialrechnung

Das Volumen eines kreiszylindrischen Behälters beträgt V = πr2 h. Das totale Differential des Volumens lautet: dV =

∂V ∂V dr + dh = 2πrh dr + πr2 dh ∂r ∂h

Mit den gegebenen Zahlenwerten ergibt sich die linearisierte Volumenänderung zu: dV = 2π · 3 · 8 · 0,30 + π · 32 · (−0,10) = 42,412 m3 Die exakte Volumenänderung ergibt sich aus der Differenz der Volumina vor und nach der Änderung der geometrischen Abmessungen: V0 = πr2 h = π32 · 8 = 226,195 m3 V1 = π(r + dr)2 (h + dh)

Volumen vor Maßänderung

Volumen nach Maßänderung

= π(3 + 0,3) (8 − 0,1) = 270,274 m3 2

ΔV = V1 −V0 = 270,274 − 226,195 = 44,079 m3

Volumenänderung

Relativer Fehler:      dV − ΔV   42,412 − 44,079     = 0,0378 = 3,78%  = Erel =   ΔV   44,079

Beispiel 12.47: Totales Differential. Die Gleichung z(x, y) = 5 ln(2x2 + y2 ) beschreibe eine räumlich gekrümmte Fläche. Am Punkt P = (5; 6; 22,27) auf dieser Fläche befindet sich ein Körper. Nun bewegt sich der Körper um 0,7 Längeneinheiten in x-Richtung (d.h. dx = 0,7). Berechnen Sie mit Hilfe des totalen Differentials, um wieviel Einheiten sich der Körper in y-Richtung bewegen müsste, damit seine Höhe z unverändert bleibt. z(x, y) = 5 ln(2x2 + y2 )

⇒ dz =

5 2x2 + y2

(4x dx + 2y dy)

5 (4 · 5 · 0,7 + 2 · 6 · dy) 2 · 52 + 62 ⇒ 4 · 5 · 0,7 + 2 · 6 · dy = 0 dy = −1,17 dz = 0 =

Beispiel 12.48: Mit Hilfe der impliziten Differentiation sollen die partiellen Ableitungen 1. Ordnung für die Funktion z − x2 y sin xy = 0 berechnet werden. Die Lösung erfolgt mit Hilfe von (12.19) auf Seite 634: Implizite Funktion: F(x, y, z) = z − x2 y sin xy

12.13 Zusätzliche Beispiele

667

F,x = 0 − 2xy sin xy − x2 y cos(xy) · y = −2xy sin xy − x2 y2 cos xy F,y = 0 − x2 sin xy − x2 y cos(xy) · x = −x2 sin xy − x3 y cos xy F,z = 1 − 0 = 1 z,x = −

F,x −2xy sin xy − x2 y2 cos xy = 2xy sin xy + x2 y2 cos xy =− F,z 1

z,y = −

F,y −x2 sin xy − x3 y cos xy = x2 sin xy + x3 y cos xy =− F,z 1

Anmerkung: Für dieses einfache Beispiel hätte man die Lösung natürlich auch auf üblichem Wege sehr leicht finden können. Beispiel 12.49: Mit Hilfe der impliziten Differentiation sollen für die Funktion cos z = x2 y sin xy die partiellen Ableitungen 1. Ordnung ermittelt werden. Funktion in impliziter Form: F(x, y, z) = cos z − x2 y sin xy = 0 F,x = −2xy sin xy − x2 y2 cos xy

F,y = −x2 sin xy − x3 y cos xy

F,z = − sin z

2xy sin xy + x2 y2 cos xy x2 sin xy + x3 y cos xy z,y = − sin z − sin z Eliminitaion der Variable z aus den Ableitungsausdrücken in (a): z,x =

cos z = x2 y sin xy sin2 z + cos2 z = 1 ⇒ z,x = −

(a)

⇒ cos2 z = x4 y2 sin2 xy ⇒ sin2 z = 1 − cos2 z = 1 − x4 y2 sin2 xy

2xy sin xy + x2 y2 cos xy  1 − x4 y2 sin2 xy

x2 sin xy + x3 y cos xy z,y = −  1 − x4 y2 sin2 xy

(b)

Beispiel 12.50: Überprüfen Sie Ihre Lösung der Aufgabe 12.49 mit Hilfe der numerischen Ableitung an der Position P = (x, y) = (1; 1) für die Abstände Δ x = Δ y = 10−3 . cos z = x2 y sin xy

⇒ z = arccos(x2 y sin xy)

Infinitesimal benachbarte Punkte: P1 = (1 + Δ x ; 1) = (1,001; 1) zP = 0,57080 z,x (P) =

zP1 = 0,56667

P2 = (1; 1 + Δ y) = (1; 1,001) zP2 = 0,56823

zP1 − zP 0,56667 − 0,57080 = = −4,1300 Δx 10−3

668

12 Multivariable Differentialrechnung

z,y (P) =

zP1 − zP 0,56823 − 0,57080 = = −2,5700 Δy 10−3

Die exakten Ableitungswerte ergeben sich durch Einsetzen der Koordinaten von P in die Ableitungsausdrücke (b) in Beispiel 12.49: z,x (P) = −4,1148

z,y (P) = −2,5574

Beispiel 12.51: Die Lösung des Beispiels 12.20 auf Seite 634 an der Position P = (x, y) = (1; 1) soll mit Hilfe der numerischen Ableitung überprüft werden. F(x, y, z) = sin z − x2 y sin xy = 0

⇒ z = arcsin(x2 y sin xy)

Für die numerische Ableitung werden als »infinitesimale« Abstände Δ x = Δ y = 10−3 gewählt (natürlich sind auch andere sinnvolle Werte möglich), so dass sich folgende benachbarte Punkte ergeben: P1 = (1 + Δ x ; 1) = (1,001; 1)

P2 = (1; 1 + Δ y) = (1; 1,001)

Die Funktionswerte an den Punkten P, P1 , P2 sind: zP = 1,00000

zP1 = 1,00413

zP2 = 1,00256

Die partiellen Ableitungen am Punkt P erhält man wie folgt: z,x (P) =

zP1 − zP 1,00413 − 1,00000 = = 4,1309 Δx 10−3

z,y (P) =

zP2 − zP 1,00256 − 1,00000 = = 2,5628 Δy 10−3

Die exakten Ableitungswerte ergeben sich durch Einsetzen der Koordinaten von P in die Ableitungsausdrücke in Beispiel 12.20: z,x (P) = 4,1148

z,y (P) = 2,5574

Beispiel 12.52: Invarianz einer Skalarfunktion bei Koordinatentransformation. Auf Seite 636 wurde erörtert, dass Skalarfunktionen ihren Wert nicht verändern, wenn sie in einem anderen Koordinatensystem ausgedrückt werden. In diesem Beispiel werden die Punkte P = (x1 , y1 , z1 ) und Q = (x2 , y2 , z2 ) im kartesischen Koordinatensystem betrachtet.

12.13 Zusätzliche Beispiele z

669

z Q L

x x

y

P

c a

y

b

Der Abstand L zwischen ihnen wird durch folgende Skalarfunktion bestimmt.  L = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z2 − z1 )2

(a)

Der Abstand L ist nach unserer Alltagserfahrung unabhängig davon, in welchem Koordinatensystem die Punkte P und Q definiert sind. Wir wollen zeigen, dass L tatsächlich invariant gegenüber einer Koordinatentranslation, d.h. Parallelverschiebung des Koordinatensystems, ist. In einem neuen kartesischen x y z-Koordinatensystem, das durch Parallelverschiebung um die Beträge a, b und c (jeweils in positiver Richtung der Achsen x, y und z) aus dem xyz-System hervorgeht, besitzen die Punkte P und Q die nachfolgenden Koordinaten: P = (x1 , y1 , z1 ) = (x1 − a, y1 − b, z1 − c)

Q(x2 , y2 , z2 ) = (x2 − a, y2 − b, z2 − c)

Der Abstand L im x y z-Koordinatensystem ergibt sich aus (s. Seite 419):  L = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z2 − z1 )2  = [(x2 − a) − (x1 − a)]2 + [(y2 − b) − (y1 − b)]2 + [(z2 − c) − (z1 − c)]2 Nach Ausmultiplizieren und Vereinfachen der obigen Beziehung erhalten wir:  L = (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z2 − z1 )2

(b)

Der Abstand L in (b) ist identisch mit dem Abstand L in (a), d.h. er ist invariant gegenüber Koordinatentranslation. Beispiel 12.53: Invarianz des hydrostatischer Druckes. In einem kreiszylindrischen Behälter befindet sich eine Flüssigkeit. Die hydrostatische Druckverteilung kann im kartesischen xyzKooordinatensystem oder im zylindrischen rϕz-Koordinatensystem beschrieben werden: p = f (x, y, z)

p = g(r, ϕ, z),

670

12 Multivariable Differentialrechnung

Wir wissen aus Erfahrung, dass der hydrostatische Druck in einem beliebigen Behälterpunkt nur von der Flüssigkeitshöhe abhängt und nicht von dem verwendeten Koordinatensystem. Deshalb liefern die beiden Gleichungen oben stets den gleichen Druck. Die hydrostatische Druckfunktion p stellt also ein Skalarfeld dar, das invariant gegenüber einer KS-Transformation bleibt. Beispiel 12.54: Geschwindigkeitsfeld ist kein Skalarfeld. In diesem Beispiel wird gezeigt, dass die Geschwindigkeit eines sich bewegenden Körpers kein Skalarfeld darstellt (s. Bild 12.14). Es wird eine kreisförmige Scheibe vom Radius a betrachtet, deren Mittelpunkt auf z

vx aw

w

a

vt

a P=(x,y)

vy j

x

y x

Bild 12.14: Geschwindigkeit einer rotierenden Scheibe

der z-Achse liegt (z-Achse steht senkrecht zur Scheibe). Die Scheibe rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um die z-Achse (in positiver z-Richtung gesehen erfolgt die Rotation im Uhrzeigersinn). Es soll untersucht werden, ob die Geschwindigkeit eines Massenpunktes P am Scheibenrand invariant gegenüber der Wahl des Koordinatensystems ist. Die Umfangsposition von P ist durch den Winkel ϕ, der von der x-Achse aus gemessen wird, eindeutig bestimmt. Der Winkel ϕ ergibt sich aus dem Produkt der Winkelgeschwindigkeit ω und der verstrichenen Zeit t: ϕ =ωt Im zylindrischen rϕz-Koordinatensystem ist die tangentiale Bahngeschwindigkeit des Punktes P in Umfangsrichtung unabhängig vom zurückgelegten Winkel ϕ und ergibt sich aus folgender Formel: vt = a ω

(vt : tangentiale Bahngeschwindigkeit in ϕ-Richtung)

Im kartesischen xyz-Koordinatensystem sind die Geschwindigkeitskomponenten vx und vy durch folgende Beziehungen gegeben: vx = −vt sin ϕ = −aω sin ϕ = −aω sin ωt vy = vt cos ϕ = aω cos ϕ = aω cos ωt

(Geschwindigkeit in x-Richtung) (Geschwindigkeit in y-Richtung)

12.13 Zusätzliche Beispiele

671

Aufgrund der Ausdrücke sin ωt und cos ωt besitzen die Geschwindigkeiten vx und vy zu verschiedenen Zeitpunkten verschiedene Zahlenwerte, d.h. die Geschwindigkeit des Punktes P stellt kein invariantes Skalarfeld dar. Auch aus der Kinematik (ein Teilgebiet der Mechanik) ist bekannt, dass Geschwindigkeit kein Skalar sondern ein Vektor ist (man spricht vom Geschwindigkeitsvektor), folglich kann ja auch kein Skalarfeld vorliegen. Beispiel 12.55: Richtungsableitung. Für die dargestellte Fläche z = f (x, y) = x2 + y2 (Paraboloid) soll im Punkt P = (1; 1; 2) der Steigungswinkel α der Tangente in Richtung der nachfolgenden Vektoren berechnet werden. a) m = i + j

b) m = i − j

Der Gradient der Funktion z = x2 + y2 lautet: grad z = z,x i + z,y j = 2x i + 2y j

(a)

a) Ableitung in Richtung von m = i + j  √ m | = 12 + 1 2 = 2 m =i+ j |m √ ∂z grad z · m 1 = = √ (2x i + 2y j ) · (ii + j ) = 2 (x + y) m| ∂m |m 2 z

j

P

i j

y

x

y P m=i+j

i

x

m=i+j

Der Steigungswinkel α im Punkt P = (1; 1; 2) in der Richtung (ii + j ) beträgt:  √ √ ∂ z  = 2 (xP + yP ) = 2 (1 + 1) = 2,8284 tan α =  ∂m P α = arctan 2,8284 = 70,5◦ b) Ableitung in Richtung von m = i − j  √ m| = 12 + (−1)2 = 2 m =i− j |m

672

12 Multivariable Differentialrechnung

√ ∂z grad z · m 1 = = √ (2x i + 2y j ) · (ii − j ) = 2 (x − y) m| ∂m |m 2 z

j i

P -j i-j

x

y P i-j

y i

x

Der Steigungswinkel in Richtung (ii − j ) beträgt im Punkt P:  √ ∂ z  = 2 (1 − 1) = 0 α = arctan 0 = 0◦ tan α =  ∂m P

Beispiel 12.56: Richtungsableitung. Durch die Gleichung z = f (x, y) = x3 − x2 y + xy2 + xy ist im 3DRaum eine Fläche beschrieben. Betrachtet wird der Punkt P = (2; 3; 20) auf der Fläche. Gesucht ist der Steigungswinkel im Punkt P in Richtung des Vektors a = −3ii + 4 j . z,a =

grad z · a |aa|

z,x = 3x2 − 2xy + y2 + y

z,y = −x2 + 2xy + x

z,x (P) = 3 · 4 − 2 · 2 · 3 + 9 + 3 = 12 z,y (P) = −4 + 2 · 2 · 3 + 29 = 10 ! " ! ! " " ! 2 " z,x z,x 12 3x − 2xy + y2 + y grad z = grad z(P) = = = z,y z,y P 10 −x2 + 2xy + x  grad z · a = 12 · (−3) + 10 · 4 = 4 |aa| = (−3)2 + 42 = 5 tan α = z,a (P) = 4/5 = 0,8

Steigungswinkel: α = arctan 0,8 = 38,66◦

Beispiel 12.57: Richtungsableitung. Die Funktion z = f (x, y) = 1000 e−(x +y )/20000 soll das idealisierte Höhenprofil eines Berges beschreiben, wobei x die Koordinate in West-OstRichtung und y die Koordinate in Süd-Nord-Richtung und z die Höhenordinate bedeuten sollen. Die momentane Position sei P = (x, y) = (50,50), die Höhenordinate am P 2

2

12.13 Zusätzliche Beispiele

beträgt daher: z = 1000 e−(50

2 +502 )/20000

= 778,8 m

Gesucht ist der Steigungswinkel an der Position P in zwei verschiedenen Himmelsrichtungen: 1000

z

a) Richtung West-Ost 0

b) Richtung Südwest-Nordost

200

–200

x

0

0 200

y

–200

Berechnung des Gradienten: z,x = −0,1x e−(x ⇒

2 +y2 )/20000

z,y = −0,1y e−(x

grad z = z,x i + z,y j = −0,1 e−(x

2 +y2 )/20000

2 +y2 )/20000

(x · i + y · j )

An der Position P = (50; 50) lautet der Gradient: grad z(P) = −0,1 e−(50 +50 = −3,894 (ii + j ) 2

2 )/20000

(50 · i + 50 · j ) = −0,0778 (50 · i + 50 · j )

a) Richtung West-Ost Dieser Himmelsrichtung entspricht folgender Richtungsvektor: √ a = 1·i+0· j = i |aa| = 12 = 1 Berechnung des Steigungswinkels an der Position P aus (12.30) auf Seite 645: z,a (P) = grad z(P) · a = −3,894 (ii + j ) · i = −3,894 + 0 = −3,894 ⇒ α = arctan(−3,894) = −75,6◦ b) Richtung Südwest-Nordost Der Richtungsvektor in dieser Himmelsrichtung lautet:  √ a = 1 ·i +1 · j = i + j |aa| = 12 + 12 = 2 Der Vektor a ist kein Einheitsvektor, so dass eine Normierung erforderlich ist: a∗ =

a a = √ = 0,707 (ii + j ) |aa| 2

673

674

12 Multivariable Differentialrechnung

Die Steigung und der Steigungswinkel an der Position P ergeben sich gemäß (12.31) auf Seite 645 zu:  1  1 grad z · a = √ − 3,894 (ii + j ) · (ii + j ) |aa| 2 1 = √ · (−3,894) · 2 = −5,51 2

z,a =

⇒ α = arctan(−5,51) = −79,7◦ Die Richtung Südwest-Nordost ist also mit einer geringfügig größeren Steigung verbunden als die West-Ost-Richtung. Die negativen Vorzeichen der Steigungen bedeuten, dass beim Marschieren in diesen Richtungen die Höhenordinate des Berges abnimmt. Beispiel 12.58: Richtungsableitung. Eine Fläche ist durch die Gleichung z = f (x, y) = x sin(2x + 2y) gegeben. Gesucht ist am Punkt P der Steigungswinkel α der Fläche in Richtung des Vektors a . P = (x0 ; y0 ; z0 ) = (π/2; π/2; 0) z,a =

grad z · a |aa|

a = 3ii + 4 j

grad z = z,x i + z,y j

z,x = sin(2x + 2y) + 2x cos(2x + 2y)  z,x P = sin(π + π) + π cos(π + π) = π grad z(P) = π i + π j  |aa| = 32 + 42 = 5

  grad z(P) = z,x P i + z,y P j z,y = 2x cos(2x + 2y)  z,y P = π cos(π + π) = π

grad (P) · a = π · 3 + π · 4 = 7π

7π = 4,39823 5 Der Steigungswinkel beträgt α = arctan 4,39823 = 77,19◦ ⇒

z,a =

Beispiel 12.59: Normalenvektor. Gesucht ist der normierte Normalenvektor am Punkt P zur angegebenen Linie in der xy-Ebene bzw. Fläche im xyz-Raum. a) x2 + y2 = 25

P = (3; 4)

Es handelt sich hier um einen Kreis mit dem Radius 5 in der xy-Ebene. In impliziter Form lautet die Gleichung: f (x, y) = x2 + y2 − 25 = 0 Den Gradienten im Punkt P erhalten wir wie folgt: grad f = f,xi + f,y j = 2x i + 2y j

grad f (P) = 6 i + 8 j

12.13 Zusätzliche Beispiele

Der normierte Normalenvektor n im Punkt P ergibt sich zu: |grad f (P)| =

b) x2 + y2 + z2 = 32

 62 + 82 = 10

n=

6 i +8 j grad f = = 0,6 i + 0,8 j |grad f | 10

P = (4; 4; 0)

Die Gleichung beschreibt eine Kugel mit dem Radius der Kugelgleichung lautet:

√ 32. Die implizite Form

f (x, y, z) = x2 + y2 + z2 − 32 = 0 grad f = 2x i + 2y j + 2z k grad f (P) = 8 i + 8 j + 0 · k = 8 i + 8 j  √ |grad f (P)| = 82 + 82 = 128 Der Normalenvektor der Kugel im Punkt P ergibt sich zu: 8 i +8 j = 0,707ii + 0,707 j n= √ 128 c) y =



P = (1; 1)

x3

f (x, y) =

√ x3 − y = 0

grad f =

3√ xi− j 2

grad f (P) = 1,5 i − j

Der normierte Normalenvektor lautet: 1,5 i − j = 0,832 i − 0,555 j n= √ 3,25 d) z = x2 + y2

P = (1; 2; 5)

f (x, y, z) = x2 + y2 − z = 0

grad f = 2x i + 2y j − k

grad f (P) = 2 i + 4 j −kk

Der normierte Normalenvektor lautet: n=

2 i + 4 j −kk √ = 0,436 i + 0,873 j − 0,218 k 21

Beispiel 12.60: Extremum. Für die unten dargestellte Funktion z = sin x + sin y soll das lokale Extremum im Bereich 0 ≤ x ≤ π und 0 ≤ y ≤ π bestimmt werden.

675

676

12 Multivariable Differentialrechnung

2

z 0

–2 5

–5 0

0

x 5

y

–5

Zunächst werden die partiellen Ableitungen 1. Ordnung gebildet. f,x = cos x

f,y = cos y

Aus den Bedingungen f,x = 0 und f,y = 0 lässt sich die Extremalposition im vorgegebenen Intervall ermitteln: π π  π π cos y = 0 ⇒ y0 = P= ; cos x = 0 ⇒ x0 = 2 2 2 2 Die Hesse-Matrix H ergibt sich zu: f,xx = − sin x

f,xy = f,xy = 0

f,yy = − sin y

π π = −1 f,yy (x0 , y0 ) = − sin = −1 2 2 f,xy (x0 , y0 ) = 0 f,yx (x0 , y0 ) = 0 ! " −1 0 ⇒ H= ⇒ D = (−1) · (−1) − 02 = 1 0 −1 f,xx (x0 , y0 ) = − sin

Der Typ des Extremums ergibt sich aus (12.38) auf Seite 652: D=1>0

und

f,xx (x0 , y0 ) = −1 < 0

⇒ Maximum

Die Funktion f = sin x + sin y besitzt an der Stelle P = (π/2, π/2) ein Maximum mit folgendem Wert: zmax = f (x0 , y0 ) = sin

π π + sin = 1 + 1 = 2 2 2

Beispiel 12.61: Extremum. Bestimmen Sie die Extremwerte der Funktion z = f (x, y) = x4 + y4 − 4xy an allen in Frage kommenden Stellen. f,x = 4x3 − 4y

f,y = 4y3 − 4x

f,xx = 12x2

f,yy = 12y2

f,xy = −4

12.13 Zusätzliche Beispiele

677

Die Erfüllung der notwendigen Bedingungen (12.35) für ein Extremum liefert: f,x = 4x3 − 4y = 0

⇒ y = x3

(a)

Substitution des Ergebnisses in (a) in die partielle Ableitung f,y liefert: f,y = 4y3 − 4x = 4(x3 )3 − 4x = 4x9 − 4x = 4x(x8 − 1) = 0 ⇒ x1 = 0 und x8 = 1 Aus x8 = 1 erhalten wir die reellen Wurzeln x2 = 1, x3 = −1. Einsetzen von x1 , x2 , x3 in (a) liefert: y1 = 0, y2 = 1, y3 = −1 Als mögliche Positionen für Extremwerte kommen also 3 Stellen in Frage: P1 = (x1 , y1 ) = (0; 0) P2 = (x2 , y2 ) = (1; 1) P3 = (x3 , y3 ) = (−1; −1) An diesen Positionen werden die Entscheidungskriterien (12.38) auf Seite 652 überprüft. Position P1 : f,xx (0; 0) = 12 · 0 = 0   D = 

0 −4

 −4  = −16 0 

f,yy (0; 0) = 12 · 0 = 0

f,xy (0; 0) = −4

Bei P1 liegt ein Sattelpunkt vor: y(P1 ) = 0

Position P2 : f,xx (1; 1) = 12 · 12 = 12   12 D =  −4

 −4  = 128 12 

f,yy (1; 1) = 12 · 12 = 12

f,xy (1; 1) = −4

Bei P2 liegt ein Minimum vor: y(P2 ) = −2

678

12 Multivariable Differentialrechnung

Position P3 : f,xx (−1; −1) = 12 · (−1)2 = 12    12 −4   = 128 D =  −4 12 

f,yy (−1; −1) = 12

Bei P3 liegt ein Minimum vor :

f,xy (1; 1) = −4 y(P3 ) = −2

Beispiel 12.62: Extremum. Zeigen Sie, dass die Funktion z = f (x, y) = x3 + y3 − 6xy ein Extremum an der Position P = (x0 , y0 ) = (2; 2) besitzt. Wenn die Funktion ein Extremum an der Stelle P besitzen soll, dann muß sie die dafür notwendigen Bedingungen (12.35) auf Seite 651 erfüllen: f,x = 3x2 − 6y

f,x (P) = 3x02 − 6y0 = 3 · 22 − 6 · 2 = 12 − 12 = 0 

f,y = 3y2 − 6x

f,y (P) = 3y20 − 6x0 = 3 · 22 − 6 · 2 = 12 − 12 = 0 

Es liegt also am Punkt P tatsächlich ein Extremum vor. Die Art des Extremums läßt sich mit Hilfe des Entscheidungskriteriums (12.38) bestimmen: f,xx = 6x

f,xy = −6  h11 = f,xx P = 6 · 2 = 12 1    12 −6   = 108 D =  −6 12 

f,yy = 6y

 h12 = f,xy P = −6 1

D > 0 und h11 > 0

 h22 = f,yy P = 6 · 2 = 12 1

⇒ Minimum bei P

Funktionswert bei P: z(P) = 23 + 23 − 6 · 2 · 2 = −8 Beispiel 12.63: Extremum. Gesucht ist das Extremum der Funktion z = f (x, y) = 2x2 − xy − 2y + y2 . Die Extremalposition erhält man mit Hilfe von (12.34) wie folgt:

z,x = 4x − y z,xx = 4

z,y = −x − 2 + 2y z,xy = −1

z,x = 0 = 4x − y

z,yy = 2

⇒ y = 4x

z,y = 0 = −x − 2 + 2y ⇒ −x − 2 + 2 · 4x = 0

x0 =

2 7

12.13 Zusätzliche Beispiele

8 Die Substitution von x0 = 2/7 in y = 4x liefert : y0 = 7   2 8 , Es liegt also an der Position P0 = ein Extremum vor. 7 7 Die Art des Extremums wird nach (12.38) bestimmt:    4 −1   = 7 > 0 und z,xx = 4 > 0 ⇒ Es liegt ein Minimum vor.  D= −1 2  Das Funktionsminimum zmin beträgt: zmin =

f (x0 , y0 ) = 2x02 −x0 y0 −2y0 +y20

 2  2 8 2 8 2 8 −2 · + =2· − = −1,143 7 7 7 7 7

Beispiel 12.64: Extremum. Gesucht ist das Extremum der Funktion z = x2 − xy + y2 + 9x − 6y + 20. z,x = 2x − y + 9 = 0 Hesse-Matrix:   2 H =  −1

 −1  2 

zy = −x + 2y − 6 = 0

D = 2 · 2 − (−1)(−1) = 3

⇒ x0 = −4

y0 = 1

h11 = 2 > 0

⇒ Minimum am Punkt P = (x0 , y0 ) = (−4; 1) Extremalwert: z0 = (−4)2 − (−4) · 1 + 12 + 9 · (−4) − 6 · 1 + 20 = −1

Beispiel 12.65: Lagrange-Multiplikatormethode. Die Fläche A und der Umfang U des abgebildeten Kreissektors sind gegeben durch: b A=

α 2 r 2

U = r(α + 2)

α in rad

A a

r

Bestimmen Sie mit Hilfe der Lagrangeschen Multiplikatormethode den Winkel α und den Radius r so, dass bei vorgegebener Fläche A0 = 49 cm2 der Umfang U des Kreissektors zum Minimum wird.

679

680

12 Multivariable Differentialrechnung

Die zu minimierende Funktion f und die Nebenbendingung ϕ lauten: f (α, r) = U = r(α + 2)

ϕ(α, r) =

α 2 r − A0 = 0 2

Die Anwendung von (12.46) auf Seite 655 liefert: f,α = r

f,r = α + 2

α +2 r = r2 /2 αr



ϕ,α =

1 2 r 2

ϕ,r = α r

α = 2 rad

Nach Einsetzen von α = 2 in die Nebenbedingung ϕ ergibt sich der Radius r zu: 2 2 r − A0 = 0 2



r=

√ √ A0 = 49 = 7

Der minimale Umfang beträgt: Umin = 7 · (2 + 2) = 28 Für jeden anderen Winkel α = 2 rad ist U > 28, siehe die unten stehende Grafik.

Beispiel 12.66: Lagrange-Multiplikatormethode. Jetzt soll die Aufgabe in Beispiel 12.65 in etwas modifizierter Formulierung gelöst werden. Der Flächeninhalt des Kreissektors ist gegeben durch A = br/2. Die Vorgabe für A beträgt A0 = 49 cm2 . Gesucht ist der kleinstmögliche Sektorumfang Umin . Die zu maximierende Funktion ist der Umfang U: U = f (b, r) = b + 2r

(a)

12.13 Zusätzliche Beispiele

681

Die Nebenbedingung ergibt sich aus dem vorgegebenen Flächeninhalt: A = A0



ϕ(b, r) =

br − A0 = 0 2

(b)

Die Bestimmungsgleichungen nach (12.46) lauten: f,b = 1 ⇒

f,r = 2

f,b f,r = ϕ,b ϕ,r

ϕ,b =

r 2

ϕ,r =

1·2 2·2 = r b



b 2 b = 2r

Einsetzen von b = 2r in (b) liefert: A0 = ⇒

2r · r = r2 2



r=



A0 =



49 = 7

√ b = 2 A0 = 2 · 7 = 14

Der minimale Umfang U ergibt sich zu: √ √ √ Umin = b + 2r = 2 A0 + 2 A0 = 4 A0 = 4 · 7 = 28

Beispiel 12.67: Lagrange-Multiplikatormethode. Das Volumen V und die Oberfläche O eines Quaders mit den Kantenlängen a, b und c sind durch folgende Formeln gegeben.

c

V = abc

A = 2(ab + ac + bc)

b a

Unter der Voraussetzung, dass b = a ist, sollen die Kantenlängen a und c mit Hilfe der Lagrange-Multiplikatormethode so ermittelt werden, dass bei vorgegebener Oberfläche A = 100 cm2 das Volumen des Quaders zum Maximum wird. Aus b = a folgt: V = a · a · c = a2 c

A = 2(a a + a c + a c) = 2a2 + 4ac

Die Funktion f , deren Extremum gesucht wird, und die Nebenbendingung ϕ lauten: f (a, c) = V = a2 c

ϕ(a, c) = 2a2 + 4ac − 100 = 0

682

12 Multivariable Differentialrechnung

Die Anwendung von (12.46) auf Seite 655 liefert: f,a = 2ac

f,c = a2

ϕ,a = 4a + 4c

ϕ,c = 4a

2ac a2 = ⇒ 8a2 c = 4a2 (a + c) ⇒ 2c = a + c 4a + 4c 4a Einsetzen von a = c in die Nebenbedingung ϕ liefert: 2c2 + 4c2 − 100 = 0

⇒ c = 4,0825 cm

⇒ a=c

⇒ a = 4,0825 cm

Das Volumen ergibt sich zu: V = a2 c = 4,08252 · 4,0825 = 68,04 cm3 Bei vorgegebener Oberfläche eines Quaders wird also dessen Volumen zum Maximum, wenn der Quader ein Würfel (Kantenlängen a = b = c) ist. Beispiel 12.68: Lagrange-Multiplikatormethode. Die Fläche A des schraffierten Kreisringsektors ist gegeben durch die Beziehung A = α(R2 − r2 )/2. Der Umfang U ergibt beträgt U = α(R + r) + 2(R − r). Der innere Radius r und der Winkel α sind unbekannt, während der äußere Radius R vorgegeben ist, d.h. R = R0 . A

R

a

r

a) Fläche A ist vorgegeben mit dem Wert A0 . Für welche Werte von α und r wird die Umfangslänge U zum Extremum? Die Funktion f , deren Extremum gesucht wird (s. Seite 655), ist die Umfangslänge U: f (α, r) = U(α, r) = α(R + r) + 2(R − r)

(a)

Die Nebenbedingung ϕ, der die Lösung genügen muss, ist durch die Flächenvorgabe A = A0 definiert: A(α, r) = A0



ϕ(α, r) =

α 2 (R − r2 ) − A0 = 0 2

(b)

Unter Verwendung von (12.46) auf Seite 655 erhält man: f,α = R + r f,r f,α = ϕ,α ϕ,r

f,r = α − 2

ϕ,α =

2(R + r) α − 2 = R2 − r2 −αr

1 2 (R − r2 ) 2 ⇒

ϕ,r = −αr

2 α −2 = R−r −αr

(c)

12.13 Zusätzliche Beispiele

683

Die Auflösung der letzten Gleichung in (c) nach α liefert: α=

2(R − r) R+r

(d)

Der unbekannte Radius r wird durch Einsetzen des obigen α-Ausdrucks in die Nebenbedingung (b) berechnet: α 2 1 2(R − r) 2 (R − r2 ) = (R − r2 ) = (R − r)2 2 2 R+r

A0 = ⇒



A0 = R − r



√ r = R − A0

Der Winkel α kann jetzt aus der Beziehung (d) berechnet werden: √ √ 2(R − r) 2[R − (R − A0 )] 2 A0 √ √ α= = = R+r R + R − A0 2R − A0 Das Extremum des Umfangs U beträgt somit: √   √ 2 A0 √ (R + R − A0 ) + 2[R − (R − A0 )] = 4 A0 U= 2R − A0 b) Umfang U ist vorgegeben mit dem Wert U0 . Für welche Werte von α und r wird die Fläche A zum Extremum? Die Funktion f , deren Extremum gesucht wird (vgl. Seite 655), ist die Fläche A: f (α, r) = A(α, r) =

α 2 (R − r2 ) 2

Die Nebenbedingung ϕ ist durch den vorgegebenen Umfang U0 definiert: U(α, r) = U0



ϕ(α, r) = α(R + r) + 2(R − r) −U0 = 0

Aus (12.46) auf Seite 655 erhalten wir: f,α =

1 2 (R − r2 ) 2

f,r f,α = ϕ,α ϕ,r

f,r = −αr

−αr R2 − r 2 = 2(R + r) α − 2

ϕ,α = R + r ⇒

ϕ,r = α − 2

R−r −αr = 2 α −2

Die Auflösung der letzten Gleichung nach α liefert: α=

2(R − r) R+r

(a)

Der unbekannte Radius r wird durch Einsetzen des α-Ausdrucks in den Um-

684

12 Multivariable Differentialrechnung

fangsausdruck berechnet: U0 = α(R + r) + 2(R − r) = ⇒

r = R−

2(R − r) (R + r) + 2(R − r) = 4(R − r) R+r

U0 4

Der Winkel α kann jetzt aus der Beziehung (a) berechnet werden: U0 2U0 2(R − r) 2[R − (R − 4 )] = α= = U0 R+r 8R −U0 R+R− 4 Das Extremum der Fläche A beträgt: U02 1 2U0 U0 α 2 (R − r2 ) = [R2 − (R − )2 ] = 2 2 8R −U0 4 16

A=

Beispiel 12.69: Multiplikatormethode. Eine Stahlplatte mit der abgebildeten Kontur soll genau den vorgegebenen Flächeninhalt A0 = 1,7 m2 besitzen. Unter Verwendung der Lagrangeschen Multiplikatorenmethode sollen die Kantenlängen a und b so berechnet werden, dass der Umfang U des Rahmens möglichst klein wird. Die zu minimierende Funktion ist der Umfang U = f (a, b) = a + 2b + πa/2. Die Nebenbedingung ergibt sich aus dem vorgegebenen Flächeninhalt: πa2 1 a2 A = ab + π = ab + 2 4 8



ϕ(a, b) = ab +

πa2 − A0 = 0 8

b a/2

A

a

Aus (12.46) auf Seite 655 erhalten wir: f,a = 1 +

2+π π = 2 2

f,b f,a = ϕ,a ϕ,b

f,b = 2

4 2 2+π = 2 4b + πa a

ϕ,a = b + ⇒

πa 4b + πa = 4 4

a = 2b

ϕ,b = a

12.13 Zusätzliche Beispiele

Einsetzen von a = 2b in die Nebenbedingung ϕ liefert die Kantenlänge b: 2b · b +  b=

π4b2 − A0 = 0 8

⇒ 

2A0 4+π



a=2

b2 (2 +

π ) = A0 2

2A0 4+π

Für A0 = 1,7 m2 ergeben sich die Kantenlängen als: a = 1,38 m, b = 0,69 m. Die kleinste Umfangslänge Umin beträgt: Umin = a + 2b + πa/2 = 1,38 + 2 · 0,69 + 1,38π/2 = 4,93 m

Beispiel 12.70: Multiplikatormethode. Die Funktion z = f (x, y) = x y soll unter Einhaltung der Nebenbedingung ϕ(x, y) = x2 + y2 − 1 = 0 mit Hilfe der Lagrangeschen MultiplikatorenMethode zum Extremum gemacht werden.

z0

–2

2 0

0

x

y

2

Die Funktion z = xy stellt ein Hyperboloid (Sattelfläche) im 3D-Raum dar. Die Nebenbedingung x2 + y2 − 1 = 0 beschreibt einen Kreis vom Radius 1. Die gestellte Aufgabe fordert also, dass auf der Sattelfläche derjenige Extremumpunkt P zu finden ist, dessen Projektion P auf der xy-Ebene sich auf dem gegebenen Kreis befindet. Mit den Ableitungen f,x = y

f,y = x

ϕ,x = 2x

ϕ,y = 2y

erhält man aus (12.46) auf Seite 655: y x = 2x 2y

⇒ y=x

Die Substitution von y = x in die Nebenbedingung liefert die xy-Positionen, an denen die Sattelfläche ein Extremum hat:   x2 + x2 − 1 = 0 ⇒ x = ± 0,5 ⇒ y = ± 0,5

685

686

12 Multivariable Differentialrechnung

Es handelt sich also um die Eckpunkte eines Quadrats in der xy-Ebene, an denen die Sattelfläche ihre Extrema hat. Die Zahlenwerte der Extrema sind:     z (+ 0,5, + 0,5) = 0,5 · 0,5 = +0,5     z (− 0,5, + 0,5) = − 0,5 · 0,5 = −0,5     z (− 0,5, − 0,5) = − 0,5 · (− 0,5) = +0,5     z (+ 0,5, − 0,5) = 0,5 · (− 0,5) = −0,5 Beispiel 12.71: Multiplikatormethode. Gesucht ist das Extremum der Funktion z = f (x, y) = x2 + y2 unter Einhaltung der Bedingung x + y = 2. Aus (12.46) auf Seite 655 erhalten wir: ϕ(x, y) = x + y − 2 = 0 f,x = 2x f,y f,x = ϕ,x ϕ,y

f,y = 2y

ϕ,x = 1

2x 2y = 1 1



ϕ,y = y x=y

Einsetzen von x = y in die Nebenbedingung ϕ(x, y) ergibt: y+y = 2



y = 1,0



x = 1,0

Das Extremum ergibt sich zu: zextr = 1,02 + 1,02 = 2,0

12.14 Aufgaben 1. Bestimmen Sie die partiellen Ableitungen erster und zweiter Ordnung für folgende Funktionen. Die Lösungen sind jeweils darunter angegeben. x a) z = y 1 −x z,y = f,y = 2 z,x = f,x = y y −1 −1 2x z,xx = f,xx = 0 z,xy = f,xy = 2 z,yx = f,yx = 2 z,yy = f,yy = 3 y y y b) z = x ey z,x = ey

z,y = x ey

c) z = −x y2 + 3 x y3 − 4 x y

z,xx = 0

z,xy = z,yx = ey

z,yy = x ey

12.14 Aufgaben

z,x = 3y3 − y2 − 4y z,xx = 0 d) z =

z,xy = z,yx = 9y2 − 2y − 4

z,yy = 18xy − 2x

y ex

z,x = y ex

z,y = ex

z,xx = y ex e) z

zy = 9xy2 − 2xy − 4x

z,xy = z,yx = ex

z,yy = 0

= (2x + 2y)2

z,x = 8(x + y) z,xx = 8

zy = 8(x + y)

z,xy = z,yx = 8

z,yy = 8

f) z = (2x2 − 2y2 )3 z,x = 48(x2 − y2 )2 x

zy = −48(x2 − y2 )2 y

z,xx = 192(x2 − y2 ) x2 + 48(x2 − y2 )2 z,xy = z,yx = −192(x2 − y2 ) xy z,yy = 192(x2 − y2 ) y2 − 48(x2 − y2 )2 g) z = e−xy z,x = −e−xy y

zy = −e−xy x

z,xx = e−xy y2

z,xy = z,yx = e−xy (xy − 1)

z,yy = e−xy x2

h) z = e−xy + xy − x2 + y2 z,x = y (1 − e−xy ) − 2x z,xx = y2 e−xy − 2

z,y = x (1 − e−xy ) + 2y

z,xy = z,yx = e−xy (xy − 1) + 1

z,yy = x2 e−xy + 2 i) z = xy ex z,x = ex y (x + 1)

zy = ex x

z,xx = ex y (x + 2)

z,xy = z,yx = ex (x + 1)

j) z

z,yy = 0

= (x − ey )2

z,x = 2 (x − ey ) z,xx = 2 k) z = xy e−x

zy = −2 (x − ey ) ey

z,xy = z,yx = −2 ey

z,yy = 2 e2y − 2 (x − ey ) ey

2 −y2

z,x = (−2x2 y + y) e−x

2 −y2

z,xx = (4x3 y − 6xy) e−x

zy = (−2xy2 + x) e−x

2 −y2

z,xy = z,yx = (4x2 y2 − 2x2 − 2y2 + 1) e−x z,yy = (4xy3 − 6xy) e−x x l) z = ln y

2 −y2

2 −y2

2 −y2

687

688

12 Multivariable Differentialrechnung

z,x = 1/x

zy = −1/y

z,xx = −1/x2

z,xy = z,yx = 0

z,yy = 1/y2

m) z = ln(x + y) 1 1 zy = z,x = x+y x+y −1 −1 z,xy = z,yx = z,xx = 2 (x + y) (x + y)2 n) z = ln(x2 − y2 ) 2x z,x = 2 x − y2 z,xx =

zy =

−2(x2 + y2 ) (x2 − y2 )2

z,yy =

−1 (x + y)2

−2y x 2 − y2 z,xy = z,yx =

4xy 2 (x − y2 )2

z,yy =

−2(x2 + y2 ) (x2 − y2 )2

2. Bestimmen Sie a) numerisch und b) exakt die partiellen Ableitungen 1. Ordnung am Punkt P mit den vorgegebenen Werten Δ x = Δ y = 0,001. Gesucht ist außerdem der relative Fehler der numerischen Berechnung. a) z = f (x, y) = sin x sin y numerisch: exakt: relativer Fehler in %:

P = (π/4; π/6) f,x (P) = 0,353377 f,x (P) = 0,353553 Ex = 0,05%

b) z = −x y2 + 3 x y3 − 4 x y numerisch: exakt: relativer Fehler in %: c) z = (2x2 − 2y2 )3

f,y (P) = 0,612196 f,y (P) = 0,612372 Ey = 0,03%

P = (1; 2) f,x (P) = 12.000000 f,x (P) = 12,000000 Ex = 0%

f,y (P) = 28,017000 f,y (P) = 28,000000 Ey = 0,06%

P = (1,5; 1,1)

numerisch: exakt: relativer Fehler in %:

f,x (P) = 78,126164 f,x (P) = 77,875200 Ex = 0,32%

3. Ermitteln Sie das totale Differential der Funktion z = z,x =

y(x − y) − xy −y2 = (x − y)2 (x − y)2



dz = z,x dx + z,y dy =

zy =

f,y (P) = −57,013607 f,y (P) = −57,108480 Ey = 0,17% xy x−y

x(x − y) − xy (−1) x2 = (x − y)2 (x − y)2

−y2 dx + x2 dy (x − y)2

Zusatzfrage: Wie groß ist näherungsweise die Höhenänderung, wenn wir uns von der Position P = (1; −1) in x-Richtung um +0,1 und in y-Richtung um +0,1 Einheiten bewegen? Lsg: dz = 0

12.14 Aufgaben

689

4. Berechnen Sie die Höhenänderung näherungsweise mit Hilfe des totalen Differentials, wenn man sich in Beispiel 12.11 auf Seite 627 vom Punkt P2 um dx = −0,1 und dy = 0,05 entfernt. Lsg: Δz ≈ dz = 0 5. Eine 3D-Fläche ist durch die Gleichung z = f (x, y) = 1 +

sin 3x sin 2y 2+x+y

gegeben. Auf der Fläche befindet sich der Punkt P = (1,3; 1,4; zP ). a) Berechnen Sie die neue Höhenordinate nach einer Positionsänderung in der xy-Ebene um Δ x = 0.05 und Δ y = 0.1 (auf der Fläche bewegt man sich vom Punkt P zum Punkt Q): a. Mittels Linearisierung b. Nach exakter Berechnung sowie den zugehörigen Relativfehler zwischen Näherung und exaktem Ergebnis. b) Wie groß ist der Relativfehler für Δ x = 0.2 und Δ y = 0.4? Höhenordinate am Punkt P : zP = f (P) = f (1,3; 1,4) = 0,95098 Partielle Ableitungen: f,x =

(3 cos 3x sin 2y)(2 + x + y) − sin 3x sin 2y (2 + x + y)2

f,y =

(2 sin 3x cos 2y)(2 + x + y) − sin 3x sin 2y (2 + x + y)2

Partielle Ableitungen am Punkt P: f,x (P) = −0,14479 a) Für Δ x = 0.05 und Δ y = 0.1 :

f,y (P) = 0,28619

Q = (1,35; 1,50; zQ )

a. Näherungslösung: zQ = 0,97236 b. Exakte Lösung: zQ = 0,97706 c. Relativfehler: Er = 0,0048 ≈ 0,5% b) Für Δ x = 0.2 und Δ y = 0.4 :

Q = (1,5; 1,8; zQ )

a. Näherungslösung: zQ = 1,03650 b. Exakte Lösung: zQ = 1,08162 c. Relativfehler: Er = 0,0417 ≈ 4,2% 6. Berechnen Sie näherungsweise (d.h. mit Hilfe einer Linearisierung) die Änderung des Trägheitsmoments Iy im Beispiel 12.39 auf Seite 662, wenn R sich um 10% erhöht und α sich um 5% verringert (R = 0,3 m, α = 30◦ ).

690

12 Multivariable Differentialrechnung

7. Berechnen Sie den Gradienten grad f folgender Funktionen.  a) f (x, y) = x2 + y2 b) f (x, y) = ln(x2 + y2 ) c) f (x, y) = sin x cosh y d) f (x, y) = e−x sinh y e) f (x, y) = sin(x2 + y2 ) Lösung: 1 (x i + y j ) a) grad f =  2 x + y2 c) grad f = cos x cosh y i + sin x sinh y j

1 (2x i + 2y j ) x 2 + y2 d) grad f = e−x (− sinh y i + cosh y j )

b) grad f =

e) grad f = 2 cos(x2 + y2 ) · (x i + y j ) 8. Gesucht sind die Skalarfunktionen f (x, y, z), deren Gradient die nachfolgenden Vektoren sind. f) grad f = i + j +kk

g) grad f = 2x i + 3y2 j +kk

h) grad f = −yz i − xz j − xy k

Lösung: a) f (x, y) = x + y + z

b) f (x, y) = x2 + y3 + z

c) f (x, y) = −xyz

√ 9. Berechnen Sie den Steigungswinkel α der Fläche z = x2 +3 y am Punkt P = (1; 2; 5,24) in Richtung des Vektors a = 2 i + 3 j . Lsg: α = 63,34◦ 10. Für den in Beispiel 12.65 auf Seite 679 behandelten Kreissektor ist der Umfang vorgegeben: U = 100. Berechnen Sie mit Hilfe der Lagrange-Multiplikatormethode den Winkel α und den Radius r so, dass die Fläche A Kreissegments zum Maximum wird. Wie groß ist Amax ? α =2

r = 25

Amax = 625

11. Berechnen Sie mit Hilfe der Lagrange-Multiplikatormethode, wie groß der Radius r und die Höhe h einer kreiszylindrischen Konservendose aus Blech sein müssen, damit ihr Volumen

12.14 Aufgaben

bei gegebener Oberfläche A0 zum Maximum wird.   A0 2A0 h= Lsg: r= 6π 3π

691

13

Partielle Differentialgleichungen

13.1 Einführung Den Ausgangspunkt einer partiellen Differentialgleichung (PDGL) bildet die multivariable Funktion u = f (x, y, z, . . . ). Durch die PDGL werden die unbekannte Funktion u und ihre partiellen Ableitungen u,x , u,y , u,xx , u,xy , . . . sowie die unabhängigen Variablen x, y, z, . . . in Beziehung gesetzt. Beispielsweise lauten die partiellen Differentialgleichungen erster bzw. zweiter Ordnung für eine Funktion u = f (x, y) mit zwei unabhängigen Variablen in allgemeiner Darstellung: PDGL 1. Ordnung :

F(x, y, u, u,x , u,y ) = 0

PDGL 2. Ordnung :

F(x, y, u, u,x , u,y , u,xx , u,yy , u,xy ) = 0

Ein besonders häufig vorkommender Fall in der Praxis ist die PDGL für die stationäre Temperaturverteilung in einer dünnen Platte. Stationäres Temperaturfeld. Die stationäre1 Temperaturverteilung in einer dünnen Metallplatte ist eine Funktion von zwei unabhängigen Ortsvariablen, d.h. es ist T = f (x, y). Die Verteilung der Temperatur T in der Platte wird durch folgende homogene PDGL, die sog. Laplace-Gleichung, beschrieben: ∂ 2T ∂ 2T + 2 =0 ∂ x2 ∂y

Laplace-Gleichung für stationäres 2D-Temperaturfeld

(13.1)

Diese DGL besagt, dass die Temperatur in der Platte so verteilt sein muss, dass die Summe ihrer zweiten Ableitungen in x- und y-Richtung in jedem Punkt der Platte stets Null ergibt. Für einen möglichst anschaulichen Einstieg in das Thema der PDGL aus Sicht ingenieurwissenschaftlicher Anwendungen untersuchen wir nachfolgend einige Aufgabenstellungen aus der Mechanik, insbesondere Schwingungsprobleme von Balken und Stäben, die mathematisch mit Hilfe von partiellen Differentialgleichungen beschrieben werden.

13.2 Biegeschwingungen eines elastischen Balkens In Bild 13.1 a wird ein Biegebalken betrachtet, der zum Zeitpunkt t = 0 einer statischen oder dynamischen Gleichgewichtsstörung unterworfen werden soll. Eine statische Gleichgewichtsstörung könnte z.B. sein, dass der Balken ausgelenkt und dann plötzlich losgelassen wird. Eine dynamische Gleichgewichtsstörung liegt z.B. vor, wenn auf dem Balken ein anderer Körper mit der Geschwindigkeit v0 aufschlägt (z.B. ein Fahrzeugaufprall auf eine Brückenstütze). Um die Aufgabe einigermaßen übersichtlich zu halten nehmen wir an, dass für t > 0 auf den Balken 1 Stationär bedeutet »zeitlich nicht veränderlich« (vom Lateinisch statio: Stillstehen), d.h. das System beharrt in einem unveränderlichen Zustand. Die räumliche Verteilung der Zustandsvariable ändert sich nicht mit der Zeit.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_13

694

13 Partielle Differentialgleichungen

keine äußeren Lasten mehr einwirken. In all diesen Fällen führt der Balken für t > 0 freie Schwingungen aus. Die freie Schwingung erfolgt senkrecht zur Balkenachse und wird durch folgende homogene partielle Differentialgleichung beschrieben: ∂ 2y ∂ 4y + c2 4 = 0 2 ∂t ∂x

mit c2 =

EI m

Partielle DGL für Balkenschwingung

(13.2)

Die Variable y ist die von der Ortsvariable x und der Zeit t abhängige Auslenkung der Balkenachse, d.h. y = y(x, t). E ist der Elastizitätsmodul des Werkstoffs in N/m2 , I das Trägheitsmoment des Balkenquerschnitts in m4 , m die Masse des Balkens in kg/m pro Längeneinheit. Es wird vorausgesetzt, dass der Balken homogen ist, d.h. E, I, m sind über die gesamte Balkenlänge konstant verlaufende Größen. In einem realen Schwingungsproblem müssen neben der partiellen DGL (13.2) selbst noch zusätzliche Bedingungen (Randbedingungen und Anfangsbedingungen), die vom konkreten Problem abhängen, erfüllt werden. Lösung der Schwingungsdifferentialgleichung Zur Lösung der partiellen DGL (13.2) wird ein Produktansatz 2 gemacht: y(x, t) = F(x) G(t)

Ansatzfunktion für die Balkenschwingung

(13.3)

Die in (13.2) benötigten partiellen Ableitungen der Ansatzfunktion lauten: ∂ 2y ∂ 2 F(x) ∂ 2 G(t) ¨ = y¨ = G(t) + F(x) = F(x) G(t) 2 2 ∂t ∂t 2  ∂t

(a)

∂ 4y ∂ 4 F(x) ∂ 4 G(t) = y = G(t) + F(x) = F  (x) G(t) 4 4 4 ∂x ∂x ∂ x 

(b)

=0

=0

2 Auch Separationsansatz genannt, weil F(x) und G(t) voneinander getrennte (separate) Funktionen sind.

y

Anfangsstörung y(x)

x

EI, m

L a: Gelenkig gelagerter Balken

b: Die ersten drei Eigenformen

Bild 13.1: Eigenschwingungen eines Balkens

13.2 Biegeschwingungen eines elastischen Balkens

695

Nach Einsetzen der Ausdrücke in (a) und (b) in (13.2) und Umformung erhält man:3 F G¨ + c2 F  G = 0

⇒ c2 F  G = −F G¨

G¨ F  =− 2 F c G



(13.4)

Im letzten Ausdruck der Beziehung (13.4) besteht die linke Seite aus den Funktionen F und F  , welche ausschließlich von der Ortsvariable x abhängen, weil ja F = F(x) ist. Die rechte ¨ die ausschließlich von der Zeitvariable Seite enthält die Konstante c2 sowie Funktionen G und G, t abhängen. Das bedeutet, dass die linke Seite völlig unabhängig von der rechten Seite ist – und natürlich auch umgekehrt. Diese gegenseitige Unabhängigkeit der linken und der rechten Seite in (13.4) hat zur Konsequenz, dass für jeden beliebig (aber natürlich noch innerhalb der Balkenlänge) gewählten Wert der Variable x die Funktion F  /F stets das gleiche (Zahlen-)Ergebnis liefert, weil ja während der Änderung von x sich der Ausdruck auf der rechten Seite nicht ändert (G hängt ausschließlich von t ab, und t wiederum ändert sich nicht, wenn wir x ändern). Auf die gleiche Art behält ¨ der Ausdruck G/G auf der rechten Seite einen konstanten Wert bei, wenn für t beliebige Werte gewählt werden (weil ja hierbei sich der nur von x abhängige Ausdruck F  /F nicht ändert). Die Gleichheit in (13.4) kann aber bei beliebigem x und t logischerweise nur dann eintreten, wenn die Ausdrücke auf der linken und rechten Seite des Gleichheitszeichens jeweils gleich sind einer -vorläufig noch nicht bekannten- Konstante k4 :4 G¨ F  = − 2 = k4 F c G



F  = k4 F

und



G¨ = k4 c2 G

Anstelle einer gekoppelten partiellen DGL erhält man auf diese Weise zwei getrennte gewöhnliche Differentialgleichungen: F  − k4 F = 0

G¨ + c2 k4 G = 0

(13.5)

Durch den Produktansatz haben wir also die partielle DGL (13.2) in eine gewöhnliche DGL transformiert. Bestimmung von F(x) Die Funktion F(x) beschreibt den Verlauf der Schwingungslinie über der Balkenlänge. Für die Lösung von F  − k4 F = 0 in (13.5) wird die Ansatzfunktion F(x) = eλ x verwendet. F(x) = eλ x



F  (x) = λ 4 eλ x

Einsetzen in (13.5) liefert: F  − k4 F = λ 4 eλ x − k4 eλ x = (λ 4 − k4 )  eλ x = 0



λ 4 = k4

λ 2 = ±k2

=0

3 Zur Abkürzung schreiben wir F anstelle von F(x), sowie G anstelle von G(t). 4 Man hätte anstelle von k4 natürlich auch einfach k verwenden können; dies hätte jedoch zu -optisch störenden- Wurzelausdrücken bei der Lösung geführt, daher ist es zweckmäßiger, k4 als Konstante zu verwenden.

696

13 Partielle Differentialgleichungen

Aus λ 2 = +k2 folgen zwei Wurzeln:

λ1 = k

λ2 = −k

Aus λ 2 = −k2 folgen unter Verwendung der imaginären Einheit i zwei weitere Wurzeln: λ 2 = −k2 = i2 k2



λ3 = ik

λ4 = −ik

Einsetzen der berechneten λ -Werte in den Lösungsansatz F(x) = eλ x liefert vier Einzellösungen für die Funktion F(x): F1 (x) = ekx

F2 (x) = e−kx

F3 (x) = eikx

F4 (x) = e−ikx

Die Gesamtlösung für F(x) ergibt sich durch lineare Superposition der Einzellösungen: F(x) = c1 F1 + c2 F2 + c3 F3 + c4 F4 = c1 ekx + c2 e−kx + c3 eikx + c4 e−ikx

(a)

Zur Elimination der Exponentialausdrücke in (a) werden die nachfolgenden allgemeinen Beziehungen verwendet: ekx = cosh kx + sinh kx ikx

e

= cos kx + i sin kx

e−kx = cosh kx − sinh kx e

−ikx

= cos kx − i sin kx

(s. A.5 auf Seite 875) (s. (18.5) auf Seite 819)

(13.6)

Einsetzen der Beziehungen (13.6) in die Gesamtlösung (a) und anschließendes Umformen des Resultats (auf analoge Art wie auf Seite 523 erläutert) liefert folgenden reellen Ausdruck: F(x) = A cos kx + B sin kx +C cosh kx + D sinh kx

(13.7)

Berücksichtigung der Randbedingungen des beidseitig gelenkig gelagerten Balkens Die noch unbekannten Konstanten A, B, C, D und k in (13.7) werden aus vorgegebenen Randbedingungen (Auflagerbedingungen des Balkens) bestimmt. Im vorliegenden Fall wird, wie Bild 13.1 a zeigt, ein an seinen beiden Enden gelenkig gelagerter Balken betrachtet. Die Randbedingungen dieses Balkenproblems sind die zu jedem Zeitpunkt t ≥ 0 verschwindende Durchbiegung y sowie das verschwindende Biegemoment M an beiden Balkenenden. Mit Hilfe der klassischen Moment-Krümmungsbeziehung M = EIy der Balkenstatik (s. auch Beispiel 3.39 auf Seite 133) erhält man folgende Randbedingungen: y(0, t) = 0 M(0, t) = 0

y(L, t) = 0 M(L, t) = 0

Durchbiegung bei x = 0 und x = L Momente bei x = 0 und x = L

(a)

Aus der Durchbiegungsbedingung in (a) erhält man durch Einsetzen der Ortskoordinaten x = 0 und x = L im Produktansatz y = F(x) G(t) in (13.3): y(0, t) = 0 = F(0)G(t)

y(L, t) = 0 = F(L)G(t)

(b)

Diese beiden Beziehungen können nur dann erfüllt werden, wenn entweder F(0) = F(L) = 0 oder G(t) = 0 ist. Der Fall G(t) = 0 macht physikalisch keinen Sinn, weil es dann zwangsläufig bedeuten würde, dass der Balken sich ständig in Ruhe befindet, d.h. gar nicht schwingt. Deshalb

13.2 Biegeschwingungen eines elastischen Balkens

697

ist nur der Fall G(t) = 0 von physikalischer Bedeutung. Daraus folgt, dass zur Erfüllung der Randbedingungen in (a) Folgendes gelten muss: F(0) = F(L) = 0

(c)

Für die Momentenbedingung in (a) benutzen wir die nachfolgende Beziehung zwischen dem Moment und der Krümmung der Biegelinie, s. auch Beispiel 10.4 auf Seite 490: M(x) = EIy (x)

(d)

Aus dem Lösungsansatz (13.3) folgt: y(x, t) = F(x)G(t)

⇒ y (x, t) = F  (x)G(t)

(e)

Unter Berücksichtigung von (d) und (e) lässt sich die Momentenbedingung in (a) wie folgt ausdrücken: M(0) = 0

⇒ EIy (0, t) = EI F  (0)G(t) = 0

M(L) = 0

⇒ EIy (L, t) = EI F  (L)G(t) = 0

(e)

Durch ähnliche Überlegungen wie oben bei der Auslenkungsbedingung folgern wir aus (e): F  (0) = F  (L) = 0

(f)

Aus (13.7) erhält man durch zweimalige Differentiation: F  (x) = −Ak2 cos kx − Bk2 sin kx +Ck2 cosh kx + Dk2 sinh kx

(g)

Einsetzen der Koordinaten x = 0 und x = L in (13.7) und (g) liefert unter Berücksichtigung der vorgegebenen Randbedingungen die nachfolgenden Bestimmungsgleichungen: F(0) = A cos 0 + B sin 0 +C cosh 0 + D sinh 0 = A +C = 0 F(L) = A cos kL + B sin kL +C cosh kL + D sinh kL = 0 F  (0) = −Ak2 cos 0 − Bk2 sin 0 +Ck2 cosh 0 + Dk2 sinh 0 = −Ak2 +Ck2 = 0

(h)

F  (L) = −Ak2 cos kL − Bk2 sin kL +Ck2 cosh kL + Dk2 sinh kL = 0 Die Bestimmungsgleichungen in (h) lassen sich auch in Matrixform ausdrücken: ⎡

1 ⎢ cos kL ⎢ ⎣ −k2 2 −k cos kL

0 sin kL 0 −k2 sin kL

1 cosh kL k2 2 k cosh kL

⎤⎡ 0 A ⎢ B sinh kL ⎥ ⎥⎢ ⎦⎣ C 0 2 k sinh kL D





⎤ 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎥=⎢ ⎥ ⎦ ⎣ 0 ⎦ 0

(13.8)

698

13 Partielle Differentialgleichungen

Bestimmung der Eigenschwingungsform des beidseitig gelenkig gelagerten Balkens Das homogene lineare Gleichungssystem (13.8) besitzt dann und nur dann eine nichttriviale Lösung, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix gleich Null ist (s. die Lösbarkeitsbedingungen auf Seite 291). Die Determinante läßt sich entweder mit Hilfe des Laplaceschen Entwicklungssatzes auf Seite 278 oder nach Gauss-Elimination in die Dreiecksform (s. Seite 303) ermitteln (die Berechnung der Determinante wird als Übungsaufgabe dem Leser überlassen): Determinante = 4k4 sin kL sinh  kL = 0

(a)

=0

Wegen L = 0, k = 0 kann diese Bedingung nur erfüllt werden, wenn sin kL = 0 ist. Daraus folgt die unbekannte Konstante k: sin kL = 0

⇒ kL = nπ



k=

nπ L

n = 1,2,3, . . .

(13.9)

Jetzt können die Konstanten A, B, C, D aus (13.8) bestimmt werden. Mit k = nπ/L erhalten wir: ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ 1 0 1 0 0 A ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ cos nπ ⎥ sin cosh nπ sinh nπ ⎥ ⎢ ⎢ 0 ⎥ ⎢  nπ B ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ =0 ⎥=⎢ ⎥ ⎢ ⎥⎢ (b) 2 2 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ 0 k 0 −k ⎢ ⎥⎢ C ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ −k2 cos nπ −k2 sin nπ k2 cosh nπ k2 sinh nπ ⎦ ⎣  0 D =0 Aus der 1. und 3. Zeile von (b) folgt: A +C = 0

− k2 (A −C) = 0

und



A=C =0

Aus der 2. Zeile erhält man (unter Berücksichtigung, dass A = C = 0): D sinh  nπ = 0



D=0

=0

Einsetzen von A = C = D = 0 in der 4. Zeile liefert die Bedingung B · 0 = 0, d.h. B ist beliebig frei wählbar. Mit der Wahl B = 1 liefert (13.7) die gesuchte Funktion F(x):5 F(x) = Fn (x) = sin

nπx L

n = 1,2,3, . . .

Eigenschwingungsform

(13.10)

Fn (x) wird als Eigenschwingungsform des Balkens bezeichnet. Wegen n = 1,2,3, · · · besitzt der Balken unendlich viele sinusförmige Eigenschwingungsformen. In Bild 13.1 b sind die ersten 5 Mit der Wahl von B = 1 wird die Maximalamplitude der Eigenschwingungsform normiert. Prinzipiell kann B auch jeder beliebiger Zahlenwert zugeordnet werden.

13.2 Biegeschwingungen eines elastischen Balkens

699

drei Eigenschwingungsformen des Balkens dargestellt. Bestimmung von G(t) und Eigenkreisfrequenz ωn des gelenkig gelagerten Balkens Die zu lösende gewöhnliche DGL G¨ + c2 k4 G = 0 in (13.5) wird zunächst durch Einführung eines neuen Symbols ωn in leicht modifizierter Form geschrieben: G¨ + c2 k4 G = 0 ⇒

ωn2 = c2 k4

ωn := ck2

G¨ + ωn2 G = 0

n = 1,2,3, . . . (13.11)

Mit dem Lösungsansatz G(t) = eβt erhält man aus (13.11): eβt = 0 (β 2 + ωn2 ) 



β 2 = −ωn2



β1 = iωn

β2 = −iωn

=0

Durch analoges Vorgehen wie oben bei der Bestimmung von F(x) erhält man: G1n (t) = eiωn t = cos ωnt + i sin ωnt

G2n (t) = e−iωn t = cos ωnt − i sin ωnt

Die Linearkombination der Einzellösungen G1n und G2n in Anlehnung an die Ausführungen auf Seite 523 liefert: Gn (t) = Hn cos ωnt + Kn sin ωnt

n = 1,2,3, · · ·

(13.12)

Die noch unbekannten Konstanten Hn und Kn werden aus den Anfangsbedingungen des Balkens zum Zeitpunkt t = 0 bestimmt, vgl. Beispiel 13.1. Eigenkreisfrequenz, Schwingperiode und Eigenfrequenz Die in (13.11) eingeführte Größe ωn = ck2 wird als Eigenkreisfrequenz bezeichnet und ergibt sich wegen (13.2) und (13.9) für den beidseitig gelenkig gelagerten Balken zu: n2 π 2 ωn = 2 L



EI m

n = 1,2,3, . . .

Eigenkreisfrequenz des Balkens in Bild 13.1 (13.13)

Der volle Schwingungszyklus des Balkens wird vollendet, wenn in (13.12) ωnt = 2π erreicht wird. In diesem Augenblick wird t = Tn , wobei Tn die Periode der Sinus- bzw. Kosinusschwingung bedeutet. Die Eigenschwingungsperiode Tn des beidseitig gelenkig gelagerten Balkens in der n-ten Eigenschwingungsform ergibt sich somit zu:  n2 π 2 EI Tn = 2π ωn Tn = 2π ⇒ L2 m 2L2 Tn = 2 n π



m EI

n = 1,2,3, . . .

Schwingperiode des Balkens in Bild 13.1

(13.14)

700

13 Partielle Differentialgleichungen

Die Eigenfrequenz fn entspricht dem Kehrwert der Periode Tn : fn =



1 n2 π = 2 Tn 2L

EI m

n = 1,2,3, . . .

Eigenfrequenz des Balkens in Bild 13.1 (13.15)

Zwischen den drei Größen existiert die nachfolgende Beziehung: ωn = 2π fn =

2π Tn

(13.16)

Allgemeine Lösung y(x, t) der Schwingung des beidseitig gelenkig gelagerten Balkens Wie aus den Lösungen (13.10) und (13.13) ersichtlich, besitzt der Balken unendlich viele Eigenschwingungsformen und Eigenfrequenzen. Die allgemeine Schwingungslösung y(x, t) des beidseitig gelenkig gelagerten Balkens ergibt sich daher nach dem Superpositionsprinzip durch lineare Kombination der Einzellösungen gemäß dem Produktansatz (13.3) auf Seite 694 unter Verwendung von (13.10) und (13.12): ∞



n=1

n=1

y(x, t) = ∑ Fn (x)Gn (t) = ∑ sin

nπx (Hn cos ωnt + Kn sin ωnt) L

n = 1,2,3, . . . (13.17)

Berücksichtigung der Anfangsbedingungen Die Balkenschwingung für t > 0 hängt von der Anfangsauslenkung y(x,0) und der Anfangsgeschwindigkeit y(x,0) ˙ des Balkens zum Zeitpunkt t = 0 ab. Wenn die Anfangsauslenkung durch die Funktion f0 (x) und die Anfangsgeschwindigkeit durch die Funktion v0 (x) gegeben sind, lauten die Anfangsbedingungen: y(x,0) = f0 (x)

y(x,0) ˙ = v0 (x)

Anfangsbedingungen

(13.18)

˙ t) benötigt. Aus (13.17) erhalten wir: Für die Anfangsbedingung v0 (x) wird noch y(x, y(x, ˙ t) =



∑ sin

n=1

nπx (−Hn ωn sin ωnt + Kn ωn cos ωnt) L

(13.19)

Nach Einsetzen von t = 0 in (13.17) und (13.19) ergibt sich: y(x,0) =



∑ Hn

n=1

y(x,0) ˙ =



sin

nπx = f0 (x) L

∑ Kn ωn sin

n=1

nπx = v0 (x) L

(13.20)

(13.21)

Die Koeffizienten Hn , Kn sind noch nicht bekannt. Zu ihrer Bestimmung wird Gebrauch von Fourier-Reihen gemacht. Der Vergleich der Gleichung (13.20) mit (11.10) auf Seite 608 zeigt,

13.2 Biegeschwingungen eines elastischen Balkens

701

dass die Anfangsauslenkung f0 (x) offensichtlich der Fourier-Reihe einer ungeraden Funktion entspricht (wegen der Sinusfunktion). Auf gleiche Weise stellt man aus (13.21) fest, dass die Anfangsgeschwindigkeit v0 (x) durch die Fourier-Reihe einer ebenfalls ungeraden Funktion beschrieben wird. Mit Hilfe von (11.10), (13.20) und (13.21) erhält man folgende Bestimmungsgleichungen: Hn =

2 L nπx dx f0 (x) sin L 0 L

Kn =

2 L nπx dx v0 (x) sin L ωn 0 L

(13.22)

Nach Bestimmung der Konstanten Hn und Kn mit Hilfe der obigen Beziehungen kann die dynamische Antwort des Balkens, d.h. die spezielle Lösung der partiellen DGL, aus (13.17) ermittelt werden.

Beispiel 13.1: Es soll die freie Schwingung eines beidseitig gelenkig gelagerten Balkens untersucht werden, der wie in Bild 13.2 dargestellt, ausgelenkt und dann losgelassen wird. Das rechte Ende des Balkens trifft zum Zeitpunkt t = 0 am rechten Auflager mit der Geschwindigkeit ve auf (es wird angenommen, dass erneutes Zurückspringen des Balkens nach dem Aufschlagen unterdrückt sei). y

Ruhelage kurz vor dem Aufschlagen

x

E, I, A

L Bild 13.2: Ausgelenkter Balken

Die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t (wenn der Balken nach dem Loslassen das Auflager gerade berührt hat) lauten: y(x,0) = f0 (x) = 0

x y(x,0) ˙ = v0 (x) = − ve L

(a)

Das Vorzeichen von v0 ist negativ, weil der Vektor der Anfangsgeschwindigkeit in negative y-Richtung zeigt. Einsetzen von (a) in (13.22) liefert: 2 Hn = L

&L

0 · sin 0

2 Kn = Lωn

&L  0

nπx dx = 0 L

 ! " 2ve L2 nπx L x nπx nπx nπx dx = − 2 − cos − ve sin sin L L L ωn n2 π 2 L L L 0

702

13 Partielle Differentialgleichungen

=−

2ve L2 2ve (−1)n (−nπ cos nπ ) =  L2 ωn n2 π 2 ωn nπ (−1)n

Einsetzen der Konstanten Hn , Kn in (13.17) liefert die Schwingungsbiegelinie (dynamische Antwort) des Balkens: 2ve (−1)n nπx sin sin ωnt nπ L n=1 ωn ∞

y(x, t) = ∑

a: Biegelinie zu verschiedenen Zeitpunkten

n = 1,2,3, . . .

(13.23)

b: Zeitverlauf von y(L/2, t)

Bild 13.3: Ergebnisse für das Beispiel 13.2 (freie Schwingungen des Balkens in Bild 13.2)

Beispiel 13.2: Die dynamische Antwort des Balkens in Beispiel 13.1 ist für folgende Kennwerte zu ermitteln: L = 10 m

E = 2,1 · 1011 N/m2

ρ = 7850 kg/m3

I = 8 · 10−9 m4

A = 1 · 10−3 m2

Anfangsgeschwindigkeit: ve = 2,0 m/s

Die Eigenfrequenzen und die dynamische Biegelinie ergeben sich aus (13.13) und (13.23): m = ρA = 7850 · (1 · 10−3 ) = 7,85 kg/m   n2 π 2 EI 2,1 · 1011 · 8 · 10−9 n2 π 2 = = 1,4438 n2 ωn = 2 L m 102 7,85 f1 = ω1 /2π = 0,23 Hz T1 = 1/ f1 = 4,35 s

f2 = ω2 /2π = 0,92 Hz T2 = 1/ f2 = 1,09 s

f3 = ω3 /2π = 2,07 Hz

T3 = 1/ f3 = 0,48 s

13.3 Axialschwingungen eines elastischen Stabs

y(x, t) =



703

(−1)n nπx sin(1,4438n2t) sin n3 10

2 · 2,0

∑ 1,4438 · π

n=1

In Bild 13.3 a sind die Biegelinie y(x) des Balkens zu verschiedenen Zeitpunkten sowie in Bild 13.3 b der Zeitverlauf y(L/2, t) der Auslenkung bei x = L/2 dargestellt (Auswertung mit Hilfe von MAPLE. Es wurden die ersten 10 Eigenformen berücksichtigt, d.h. n = 1 · · · 10.

13.3 Axialschwingungen eines elastischen Stabs Die freie axiale Schwingung eines Stabs erfolgt parallel zu seiner Längsachse (Bild 13.4 a) und wird durch die nachfolgende partielle DGL beschrieben: 2 ∂ 2u 2∂ u = 0 − c ∂t 2 ∂ x2

mit c2 =

EA m

Wellengleichung

(13.24)

Diese DGL wird als eindimensionale Wellengleichung bezeichnet. Die Variable u ist die axiale Verschiebung des Stabquerschnitts an der Position x, A ist die Querschnittsfläche des Stabs, E und m haben die selbe Bedeutung wie in (13.2) auf Seite 694. Auch hier wird homogener Stab mit konstantem Querschnitt angenommen. Für die Lösung von (13.24) wird wieder ein Produktansatz ähnlich wie in (13.3) gemacht: u(x, t) = F(x) G(t)

∂ 2u ¨ = u¨ = F(x) G(t) ∂t 2

∂ 2u = u = F  (x) G(t) ∂ x2

(13.25)

Das Einsetzen der obigen Beziehungen in (13.24) führt, unter Verwendung der Proportionaliätskonstante −k2 , auf zwei gewöhnliche Differentialgleichungen6 : F G¨ − c2 F  G = 0 F  + k2 F = 0

G¨ F  = 2 = −k2 F c G

(13.26)

G¨ + c2 k2 G = 0

(13.27)

6 In (13.26) hätte als Proportionalitätskonstante prinzipiell auch +k2 verwendet werden können; allerdings würde es dann auf eine triviale Lösung F(x) ≡ 0 führen, welche physikalisch uninteressant wäre.

u(x)

verformt

E,A,m

unverformt

x

x

L a: Einseitig eingespannter Stab

b: Die ersten drei Eigenformen (axial)

Bild 13.4: Axiale Schwingungen eines Stabs

704

13 Partielle Differentialgleichungen

Bestimmung von F(x) Mit dem Lösungsansatz F(x) = eλ x erhält man aus (13.27): eλ x = 0 (λ 2 + k2 ) 



λ 2 = −k2



λ1 = ik

λ2 = −ik

mit i =



−1

=0

Durch Einsetzen von λ1 und λ2 im Lösungsansatz F(x) = eλ x erhält man zwei Einzellösungen, F1 (x) und F2 (x). Die Gesamtlösung für F(x) ergibt sich dann durch Linearkombination der Teillösungen: F1 (x) = eikx

F2 (x) = e−ikx



F(x) = c1 F1 + c2 F2 = c1 eikx + c2 e−ikx

(a)

Der Ausdruck F(x) in (a) wird mit Hilfe der Beziehungen in (13.6) auf Seite 696 von der Exponentialform in die trigonometrische Form transformiert (s. auch die Ausführungen auf Seite 523): F(x) = A cos kx + B sin kx

(13.28)

Die beiden Konstanten A und B sowie der unbekannte Proportionalitätsfaktor k in (13.28) werden aus vorgegebenen Randbedingungen (Auflagerbedingungen des Stabs) bestimmt. Nachfolgend wird der Fall des einseitig eingespannten Stabs behandelt. Berücksichtigung der Randbedingungen (einseitig eingespannter Stab) Der Stab in Bild 13.4 a ist an seinem linken Ende fest eingespannt, am rechten Ende frei. Die Randbedingungen für t ≥ 0 lauten: u(0, t) = 0 N(L, t) = EAu (L, t) = 0

Axialverschiebung am linken Ende Axialkraft am rechten Ende (N = EAε = EAu )

(b)

Mit ähnlichen Betrachtungen wie auf Seite 696 lassen sich die Konstanten A und B in (13.28) aus der Erfüllung der Randbedingungen in (b) bestimmen. Für die Axialverschiebung u erhalten wir aus (13.25) und (13.28): u(0, t) = 0 :

F(0)G(t) = 0



F(0) = A cos 0 + B sin 0 = 0

⇒ A=0

Die Axialkraftbedingung N(L, t) = 0 liefert: u (x, t) = F  (x)G(t) = (−Ak sin kx +Bk cos kx) G(t) = Bk cos kx) G(t)  =0

EAu (L, t) = EAkG(t) B cos kL = 0 



B cos kL = 0

(c)

=0

Die letzte Gleichung in der zweiten Zeile kann sowohl durch B = 0 als auch durch cos kL = 0 erfüllt werden. Der Fall B = 0 ist allerdings physikalisch nicht relevant, weil daraus das triviale Ergebnis F(x) = 0 folgen würde, d.h. der Stab würde gar keine Schwingungen ausführen, was

13.3 Axialschwingungen eines elastischen Stabs

705

aber der Aufgabenstellung widerspräche. Der andere Fall, nämlich cos kL = 0 , wird für kL = (2n − 1)π/2 stets erfüllt. Daraus folgt die unbekannte Proportionalitätskonstante k: kL =

(2n − 1)π 2



k=

(2n − 1)π 2L

n = 1,2,3, . . .

(13.29)

Zur Normierung der Eigenschwingungsamplitude wird B = 1 gewählt und die Eigenschwingungsform des Stabs in Axialrichtung ergibt sich zu: F(x) = Fn (x) = sin

(2n − 1)π x 2L

n = 1,2,3, . . .

Eigenschwingungsform

(13.30)

Die ersten drei Eigenschwingungsformen sind in Bild 13.4 b dargestellt. Bestimmung von G(t) Die zu lösende gewöhnliche DGL G¨ + c2 k2 G = 0 in (13.27) wird zunächst durch Auswertung des Terms c2 k2 mit den aktuellen Resultaten des einseitig eingespannten Stabs neu aufgestellt. Gleichzeitig wird eine neue Größe ωn definiert:  EA (2n − 1)π s. Gl. (13.24) und (13.29) ωn := ck = m 2L Aus (13.27) wird dann: G¨ + ωn2 G = 0

n = 1,2,3, . . .

(13.31)

Einsetzen des Lösungsansatzes G(t) = eβt in die obige DGL liefert die Lösung (s. auch Seite 699): Gn (t) = Hn cos ωnt + Kn sin ωnt

(13.32)

Die Konstanten Hn und Kn werden aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Eigenkreisfrequenz, Eigenperiode und Eigenfrequenz Die Größe ωn in (13.32) wird als Eigenkreisfrequenz bezeichnet: ωn =

(2n − 1)π 2L



EA m

n = 1,2,3, . . .

Eigenkreisfrequenz

(13.33)

Ein ganzer Schwingungszyklus wird vollzogen, wenn in (13.33) ωnt = 2π wird, weil 2π der Periode einer vollen Sinus-/Kosinuswelle entspricht. Die Eigenschwingungsperiode Tn des Stabs

706

13 Partielle Differentialgleichungen

ergibt sich somit wie folgt:  ωn Tn = 2π





4L Tn = 2n − 1



EA (2n − 1)π Tn = 2π m 2L

m EA

n = 1,2,3, . . .

Schwingperiode

(13.34)

Die Eigenfrequenz fn entspricht dem Kehrwert der Periode Tn : 1 2n − 1 fn = = Tn 4L



EA m

n = 1,2,3, . . .

(13.35)

Eigenfrequenz

Allgemeine Lösung u(x, t) Die allgemeine axiale Schwingungsfunktion u(x, t) des einseitig eingespannten Stabs ergibt sich durch Superposition aller Teillösungen gemäß (13.30) und (13.32): ∞

u(x, t) = ∑ sin n=1

(2n − 1)π x (Hn cos ωnt + Kn sin ωnt) 2L

n = 1,2,3, . . .

(13.36)

Berücksichtigung der Anfangsbedingungen Die Stabschwingung für t > 0 hängt von der Anfangsauslenkung u(x,0) und der Anfangsgeschwindigkeit u(x,0) ˙ zum Zeitpunkt t = 0 ab. Wenn die Anfangsauslenkung durch eine vorgegebene Funktion f0 (x) und die Anfangsgeschwindigkeit durch eine ebenfalls vorgegebene Funktion v0 (x) beschrieben sind, lauten die Anfangsbedingungen: u(x,0) = f0 (x)

u(x,0) ˙ = v0 (x)

Anfangsbedingungen

(13.37)

Zur Erfüllung dieser Anfangsbedingungen wird wie auf Seite 700 vorgegangen. Man erhält auf diese Weise die folgenden Bestimmungsgleichungen für die Konstanten Hn und Kn : Hn =

2 L (2n − 1)πx dx f0 (x) sin L 0 2L

Kn =

2 L (2n − 1)πx dx v0 (x) sin Lωn 0 2L

(13.38)

Nach Bestimmung der Konstanten Hn und Kn aus (13.38) kann die axiale Schwingung des Stabs aus (13.36) ermittelt werden. Beispiel 13.3: Es soll die freie axiale Schwingung des an seinem linken Ende eingespannten Stabs (Bild 13.4) untersucht werden, der an seinem rechten Ende axial um den Betrag ue statisch ausgelenkt und dann plötzlich losgelassen wird.

13.3 Axialschwingungen eines elastischen Stabs

Die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t = 0 sind: f0 (x) = ue

x L

v0 (x) = 0

Die Auswertung von (13.38) mit den obigen Funktionen liefert: &

x (2n − 1)πx 2 dx ue sin L L 2L ! " 4L2 (2n − 1)πx L 2ue (2n − 1)πx (2n − 1)πx − cos = 2 sin L (2n − 1)2 π 2 2L 2L 2L 0   8ue (−1)n 8ue (2n − 1)π (2n − 1)π 0−0+0 = − 2 = − sin (2n − 1)2 π 2  2 π (2n − 1)2 2

Hn =

−(−1)n

Kn = 0 Einsetzen der Konstanten Hn , Kn in (13.36) liefert die dynamische Antwort des Stabs: u(x, t) =







n=1

8ue (−1)n (2n − 1)πx cos ωnt sin 2 2 π (2n − 1) 2L

n = 1,2,3, . . . (13.39)

Beispiel 13.4: Für den in Beispiel 13.3 untersuchten Stab soll die Axialschwingung für folgende Zahlenwerte ermittelt werden. Drei Eigenformen sind bei der Berechnung zu berücksichtigen. L = 10 m

E = 2,1 · 1011 N/m2

I = 8 · 10−9 m4

A = 1 · 10−3 m2

ρ = 7850 kg/m3 ue = 0,01 m

Die Eigenfrequenzen und die dynamische Axialverschiebung ergeben sich aus (13.33) und (13.39):  EA (2n − 1)π = 258,61 (2n − 1)π m = ρ A = 7,85 ωn = 2π fn = 2L m f1 =

ω1 = 129,3 Hz 2π

u(x, t) =

f2 =

ω2 = 387,9 Hz 2π

f3 =

ω3 = 646,5 Hz 2π



−0,08 (−1)n (2n − 1)πx cos(258,61 (2n − 1)πt) sin 2 (2n − 1)2 π 2L n=1



In Bildern 13.5 a und 13.5 b sind der Zeitverlauf der Axialverschiebung am Stabende und in der Stabmitte dargestellt. Bild 13.5 c zeigt die Verteilung der Axialverschiebung über den Stab zu verschiedenen Zeitpunkten. Man sieht, dass die Axialverschiebung für t > 0 aus zwei Mustern besteht: aus einem linear veränderlichen Teil und einem

707

708

13 Partielle Differentialgleichungen

a: Axialverschiebung u(x, t) bei x = L

b: Axialverschiebung u(x, t) bei x = L/2

Wellenrichtung

c: Axialverschiebung u(x) zu verschiedenen Zeit- d: Axialkraft N zu verschiedenen Zeitpunkten punkten Bild 13.5: Dynamische Antwortgrößen für den Stab des Beispiels 13.4 (s. auch Bild 13.4)

konstant verlaufenden Teil. Nach den Grundregeln der Festigkeitslehre ergibt sich die Axialkraft im Stab aus der Beziehung N = EAε = EA(du/dx). Im linear veränderlichen Teil der Axialverschiebung, d.h. im linken Teil in Bild 13.5 c, besitzt die Ableitung du/dx einen konstanten Wert; das bedeutet, dass dort die Axialkraft konstant verläuft. Mit den Vorgaben der Aufgabenstellung erhält man die Axialkraft N im linken belasteten Bereich des Stabs wie folgt: d ue x ue du = = dx dx L L

⇒ N = EA

du EAue 2,1 · 1011 · 0,001 · 0,01 = = = 210000 N dx L 10

Im rechten Teil des Stabs, wo der Verlauf Axialverschiebung einen konstanten Wert k besitzt, ergibt sich die Axialkraft zu: du dk = =0 dx dx



N = EA

du = 2,1 · 1011 · 0,001 · 0 = 0 N dx

In Bild 13.5 d ist der Verlauf der Axialkraft N(x) über den Stab zu den in Bild 13.5 c angegebenen Zeitpunkten dargestellt. Wie man erkennen kann, bewegt sich die Axial-

13.4 Schwingungen eines vorgespannten Seils oder einer Saite

709

kraftfront wie eine steile Wellenfront entlang des Stabs; und zwar zunächst ausgehend vom rechten Stabende nach links, dann anschließend vom eingespannten linken Ende nach rechts – dann von dort aus wieder nach links usw. Dieses Ausbreitungsmuster der Axialkraft ist identisch mit der Ausbreitung einer Welle, daher der Name Wellengleichung für die partielle DGL (13.24).

13.4 Schwingungen eines vorgespannten Seils oder einer Saite Die freie transversale Schwingung eines vorgespannten Seils oder einer Gitarrensaite gemäß Bild 13.6 a nach einer anfänglichen statischen oder dynamischen Gleichgewichtsstörung (z.B. Anzupfen der Saite oder plötzliche Lasteinwirkung) wird durch die nachfolgende partielle DGL beschrieben: 2 ∂ 2y 2∂ y =0 − c ∂t 2 ∂ x2

mit c2 =

S m

Wellengleichung

(13.40)

Der Aufbau dieser partiellen DGL ist identisch mit dem von (13.24) auf Seite 703, deshalb handelt es sich auch hier um eine eindimensionale Wellengleichung. Die Variable y ist die zur Seilachse transversale Verschiebung des Seils an der Position x, S ist die Vorspannkraft des Seils, m ist die Seilmasse pro Längeneinheit (S und m werden als über die Seillänge konstant verlaufend vorausgesetzt). Der Produktansatz für die Lösung von (13.40) und die nachfolgenden Arbeitsschritte erfolgen exakt nach gleichem Muster wie in Abschnitt 13.3: ∂ 2y ¨ = y¨ = F(x) G(t) ∂t 2

y(x, t) = F(x)G(t)

Aus (13.40) folgt: F G¨ − c2 F  G = 0 F  + k2 F = 0

∂ 2y = y = F  (x) G(t) ∂ x2

G¨ F  = 2 = −k2 F c G

G¨ + c2 k2 G = 0

(13.41)

y y(x)

E,A,m

L

S

a: Ausgelenktes Seil

x

b: Die ersten 3 Eigenformen

Bild 13.6: Schwingungen eines vorgespannten Seils

710

13 Partielle Differentialgleichungen

Bestimmung von F(x) Mit dem Lösungsansatz F(x) = eλ x erhält man aus (13.41): (λ 2 + k2 ) eλ x = 0



λ 2 = −k2



λ1 = ik

λ2 = −ik

Die Lösungsfunktion F(x) erhält man aus den Einzellösungen F1 (x) und F2 (x), s. Seite 704: F1 (x) = eikx ⇒

F2 (x) = e−ikx

F(x) = c1 F1 + c2 F2 = c1 eikx + c2 e−ikx



F(x) = A cos kx + B sin kx

(13.42)

Berücksichtigung der Randbedingungen Für das an beiden Enden festgehaltene Seil gelten folgende Randbedingungen: y(0, t) = 0

y(L, t) = 0

für t ≥ 0

(a)

Die Erfüllung der Randbedingungen in (a) durch (13.42) liefert: y(0, t) = 0

⇒ F(0, t) = A cos  0 +B sin  0 = 0 =1

y(L, t) = 0



A=0

=0

⇒ F(L, t) = A kL +B sin kL = 0  cos



B sin kL = 0

(b)

=0

Die letzte Gleichung in (b) kann sowohl durch B = 0 als auch durch sin kL = 0 erfüllt werden. Der Fall B = 0 ist allerdings physikalisch nicht relevant, weil dann das Seil wegen F(x) ≡ 0 überhaupt nicht schwingen könnte (vgl. auch Seite 704). Aus sin kL = 0 folgt: sin kL = 0



kL = nπ

k=

nπ L

n = 1,2,3, . . .

(13.43)

Die mit B = 1 normierte Eigenschwingungsform des Seils ergibt sich aus (13.42): F(x) = Fn (x) = sin

nπ x L

n = 1,2,3, . . .

Eigenformen des Seils

(13.44)

In Bild 13.6 b sind die ersten drei Eigenschwingungsformen des Seils dargestellt. Bestimmung von G(t) Die gewöhnliche DGL G¨ + c2 k2 G = 0 in (13.41) wird durch Einführung eines neuen Symbols ωn anders geschrieben werden. Aus (13.40) und (13.43) erhalten wir:  S nπ (a) ωn := ck = m L

13.4 Schwingungen eines vorgespannten Seils oder einer Saite

711

Die daraus resultierende DGL und deren Lösung sind, vgl. (13.32) auf Seite 705: G¨ + ωn2 G = 0

n = 1,2,3, . . .

Gn (t) = Hn cos ωnt + Kn sin ωnt

(13.45)

Die Konstanten Hn und Kn werden aus den Anfangsbedingungen (Seilauslenkung und Seilgeschwindigkeit zum Zeitpunkt t = 0) bestimmt. Eigenkreisfrequenz, Eigenperiode und Eigenfrequenz Die in der Definition (a) eingeführte Größe ωn wird als Eigenkreisfrequenz bezeichnet. Zwischen ωn , der Periode Tn und der Eigenfrequenz fn existieren die nachfolgenden Beziehungen: nπ ωn = L



S m

n = 1,2,3, . . .

Eigenkreisfrequenz des Seils

(13.46)

Für einen kompletten Schwingungszyklus gilt ωnt = 2π, woraus sich die Periode Tn ergibt:  nπ S Tn = 2π ωn Tn = 2π L m ⇒

2L Tn = n



m S

(13.47)

Schwingperiode des Seils

Die Eigenfrequenz fn entspricht dem Kehrwert der Periode: 1 n fn = = Tn 2L



S m

ωn = 2π fn =

2π Tn

(13.48)

Allgemeine Lösung y(x, t) Die allgemeine Schwingungslösung y(x, t) des Seils ergibt sich, wie auf Seite 706 für axiale Stabschwingungen beschrieben, zu: ∞

y(x, t) = ∑ sin n=1

nπ x (Hn cos ωnt + Kn sin ωnt) L

n = 1,2,3, . . .

(13.49)

Berücksichtigung der Anfangsbedingungen Die Seilschwingung für t > 0 hängt von der Anfangsauslenkung y(x,0) und der Anfangsgeschwindigkeit y(x,0) ˙ zum Zeitpunkt t = 0 ab. Wenn die Anfangsauslenkung durch die Funktion f0 (x) und die Anfangsgeschwindigkeit durch die Funktion v0 (x) gegeben sind, lauten die

712

13 Partielle Differentialgleichungen

Anfangsbedingungen y(x,0) = f0 (x)

y(x,0) ˙ = v0 (x)

(13.50)

Die Erfüllung der Anfangsbedingungen erfolgt wie auf Seite 706 erläutert und man erhält die folgenden Bestimmungsgleichungen für die Konstanten Hn und Kn : Hn =

2 L nπx dx f0 (x) sin L 0 L

Kn =

2 L nπx dx v0 (x) sin L ωn 0 L

(13.51)

Beispiel 13.5: Die Schwingungen des an beiden Enden festgehaltenen Seils in Bild 13.6 sind zu untersuchen. Das Seil wird vorher mit der Kraft S vorgespannt. Als Anfangsbedingung ist eine sinusförmige Auslenkung vorgegeben. Die Maple-Lösung ist auf Seite 855 zu finden. Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t = 0 :

f0 (x) = a sin

πx L

y a

x

v0 (x) = 0

Die Konstanten Hn und Kn in (13.51) erhält man mit Hilfe des Integrals 83 auf Seite 881: n=1: 2a H1 = L

&L 0

! " πx 2a x L 2πx L πx sin dx = − sin sin =a L L L 2 4π L 0

n>1: Hn =

2a L

Kn = 0



&L

sin 0

nπx aL ⎢ πx sin dx = ⎣ L L 2π

sin

⎤ π(n − 1)x π(n + 1)x L sin ⎥ L L − ⎦ =0 n−1 n+1 0

für n = 1,2,3, · · ·

Das Einsetzen der Konstanten Hn , Kn in (13.49) liefert die Schwingungsgleichung des Seils: u(x, t) = a sin

πx cos ω1t L

(13.52)

13.5 Plattenbiegung

713

Beispiel 13.6: Für das in Beispiel 13.5 untersuchte Seil sind die Schwingungen für die nachfolgenden Zahlenwerte auszuwerten. L = 10 m A = 1 · 10−3 m2

ρ = 7850 kg/m3

a = 0,01 m S = 10000 N

Die Eigenkreisfrequenz ergibt sich aus (13.46): m = ρ A = 7850 · 1 · 10−3 = 7,85 kg/m   nπ 10000 nπ S = = 3,569 nπ ωn = L m 10 7,85 ω1 = 3,569π rad/s f1 = ω1 /2π = 1,78 Hz

ω2 = 7,138π rad/s

ω3 = 10,707π rad/s

f2 = ω2 /2π = 3,57 Hz

f3 = ω3 /2π = 5,35 Hz

Aus (13.52) erhalten wir Seilschwingung zu. u(x, t) = 0,01 sin

πx cos(3,569 π t) 10

In Bild 13.7 sind die Seilschwingungen dargestellt.

a: Seilauslenkung zu verschiedenenZeitpunkten

b: Zeitverlauf von y(L/2, t)

Bild 13.7: Schwingungen des Seils in Bild 13.6

13.5 Plattenbiegung Das Problem der Plattenbiegung unter äußerer Belastung gehört zu wichtigen Aufgabenstellungen der Statik. Beispielsweise müssen Decks und Wände von Schiffen, Karosserieteile von Kraftfahrzeugen, Geschossdecken von Wohn- und Bürohäusern sowie Fahrbahnplatten von Brücken unter Eigenlast und Nutzlasten auf Plattenbiegung untersucht und bemessen werden. Bei Glasfassaden von modernen Bürohochhäusern werden die großflächigen Fensterscheiben durch Windund Erdbebenlasten ebenfalls auf Plattenbiegung beansprucht.

714

13 Partielle Differentialgleichungen

y

x

a q(x,y)

b h

a: Plattengeometrie

b: Verformungen unter sinusförmiger Belastung

Bild 13.8: Gelenkig gelagerte Platte unter Flächenlast q(x, y)

Mathematisch gesehen ist eine Platte eine ebene Fläche, deren Dicke im Verhältnis zu ihrer Länge und Breite sehr viel kleiner ist. Mechanisch betrachtet, stellt die Platte eine Erweiterung des Balkens auf zwei Dimensionen dar. Die Belastung wirkt stets normal zur Plattenmittelfläche (Platten, die durch parallel zur Plattenfläche wirkende Lastkomponenten beansprucht sind, werden als Scheibe bezeichnet). Die Durchbiegung w = w(x, y) der Plattenmittelfläche ist eine Funktion der Ortskoordinaten x und y. Das Gleichgewicht einer verformten Platte unter einer beliebig verteilten Flächenlast q(x, y) wird durch die nachfolgende partielle Differentialgleichung beschrieben: ∂ 4w ∂ 4w ∂ 4w 1 + 2 + = q(x, y) ∂ x4 ∂ x2 ∂ y2 ∂ y4 D

D=

Eh3 12(1 − μ 2 )

(13.53)

Die Durchbiegung w der Plattenmittelfläche ist eine Funktion der Koordinaten x und y. D wird als Plattenbiegesteifigkeit bezeichnet. Die Lösung von (13.53) hängt von der Belastung q und den Lagerungsbedingungen ab. Beispiel 13.7: Gelenkig gelagerte Rechteckplatte unter sinusförmiger Belastung. Die in Bild 13.8 a dargestellte Rechteckplatte ist entlang ihrer Ränder gelenkig gelagert und wird durch eine Flächenlast q(x, y) belastet, die sinusförmig in beiden Koordinatenrichtungen verteilt sei. q = q0 sin

πy πx sin a b

Die partielle DGL, welche das Gleichgewicht der Plattenbiegung beschreibt, lautet unter dieser speziellen Last: ∂ 4w πy ∂ 4w ∂ 4w πx sin + 2 + = q0 sin 4 2 2 4 ∂x ∂x ∂y ∂y a b

(13.54)

Die Randbedingungen für die gelenkige Lagerung aller Ränder lauten: • Die Durchbiegung w der Platte entlang aller Ränder ist gleich Null. • Die Biegemomente Mx und My in der Platte entlang aller Ränder sind aufgrund der gelenkigen Lagerung gleich Null

13.5 Plattenbiegung

715

Unter Berücksichtigung der Beziehungen zwischen den Biegemomenten Mx und My sowie der Durchbiegung w (die Gegenstand der Festigkeitslehre sind und auf die hier nicht näher eingegangen wird) lassen sich die obigen Randbedingunen mathematisch wie folgt ausdrücken: Entlang der Ränder parallel zur y-Achse: w=0

∂ 2 w/∂ x2 = 0

für x = 0 und x = a

(a1)

Entlang der Ränder parallel zur x-Achse: w=0

∂ 2 w/∂ y2 = 0

für y = 0 und y = b

(a2)

Die nachfolgende Funktion w = f (x, y) eignet sich als Lösungsansatz für die partielle DGL (13.54), weil sie sowohl die DGL als auch die Randbedingungen in (a) erfüllt: w = c sin

πy πx sin a b

(b)

Kontrolle der Randbedingungen für die Durchbiegung w:   w   w

x=0

y=0

= c sin

πy π ·0 sin =0 a b

  w

= c sin

π ·0 πx sin =0 a b

  w

x=a

y=b

= c sin

πy πa sin =0 a b

= c sin

π ·b πx sin =0 a b

Kontrolle der Randbedingungen für die zweiten Ableitungen von w: ∂ 2w πy π2 πx sin = −c sin 2 2 ∂x a a b ⇒

∂ 2 w  ∂ 2 w  =   =0 ∂ x2 x=0 ∂ x2 x=a

∂ 2w πy π2 πx sin = −c sin 2 2 ∂y b a b ∂ 2 w  ∂ 2 w  =   =0 ∂ y2 y=0 ∂ y2 y=b

Einsetzen Lösungsansatzes (b) in (13.54) liefert die unbekannte Konstante c : ∂ 4w πy π4 πx sin = c 4 sin 4 ∂x a a b

∂ 4w πy π4 πx sin = c 4 sin 4 ∂y b a b

πy ∂ 4w π4 πx sin = c 2 2 sin 2 2 ∂x ∂y a b a b  4  4 4 π πy q0 πx πy π π πx sin = sin sin ⇒ c + 2 2 2 + 4 sin 4 a a b b a b D a b

(c)

716

13 Partielle Differentialgleichungen

Der Koeffizientenvergleich zwischen der linken und rechten Seite liefert:  4  π q0 π4 π4 q0 ⇒ c= +2 2 2 + 4 = ⇒ c   a4 a b b D 1 1 2 π 4D 2 + 2 a b Die Durchbiegung der Platte ergibt sich durch Einsetzen der Konstante c in (b): w=

Mit

πy πy πx q0 πx sin = w0 sin sin 2 sin a b a b 1 1 π 4D 2 + 2 a b 

w0 =

(d)

q0   1 1 2 4 π D 2+ 2 a b

w0 ist die Durchbiegung in der Plattenmitte, d.h. für x = a/2 und y = b/2. Die dimensionsfreien Verformungen w/w0 der Rechteckplatte sind in Bild 13.8 b stark vergrößert dargestellt.

13.6 Aufgaben 1. Zeigen Sie, dass die Verwendung von k2 als Proportionalitätskonstante in (13.26) auf Seite 703 tatsächlich zu einer Triviallösung F(x) ≡ 0 für den axial schwingenden Stab führt. 2. Zeigen Sie, dass die auf Seite 698 angebenene Determinante der Matrix in (13.8) auf Seite 697 korrekt ist. 3. Ein vorgespanntes Seil hat zum Zeitpunkt t = 0 die unten näher spezifizierten Anfangsbedingungen f0 (x) (Auslenkung) und v0 (x) (Geschwindigkeit). L ist die Länge, N die Vorspannkraft und m die Massenverteilung des Seils. Gesucht ist die Funktion der Seilschwingung, wobei es genügt, wenn die ersten 3 Harmonischen betrachtet werden. a) f0 (x) = 0.01 sin 2x Hilfsformeln:

v(0) = 0

L=π m N=1 N m = 1 kg/m ! "  1 sin(a − b)x sin(a + b)x − sin ax sin bx dx = 2 a−b a+b π sin(2 − n)π ≡ für n = 2 2(2 − n) 2

Lösung: H1 = 0

H2 = 0.01

H3 = 0

Ki = 0

i = 1,2,3

Schwingungsgleichung: y(x, t) = 0,01 sin 2x cos 2t

13.6 Aufgaben

y

1

0.5

0

1

2

x

3

–0.5

–1

Schwingungsfigur für t = 0; π/12; π/6; π/4; π/3; 5π/12; π/2 s

⎧ x ⎪ ⎨0,02 L b) f0 (x) = ⎪ ⎩0,02 L − x L L=π m

L 2

für

0 0,

  a11   a21

a12 a22

   > 0, 

  a11   a21   a 31

a12 a22 a32

a13 a23 a33

   >0  

···

usw.

A kann mittels 3. Alle Hauptdiagonalelemente nach der Dreieckszerlegung von A sind positiv (A Zeilenoperationen, z.B. mittels Gauß-Elimination, in die obere oder untere Dreiecksform transformiert werden). Beispiel 14.7: Die positive Definitheit der Matrix K in Beispiel 14.5 auf Seite 726 soll überprüft werden. ! " 12000 −2000 K= −2000 2000 1. K ist positiv definit, weil beide Eigenwerte positiv sind.

14.6 Kenngrößen einer Matrix und Eigenwerte

733

Die Eigenwertdeterminante von K lautet:    12000 − λ −2000   = λ 2 − 14000 λ + 20 · 106 = 0  −2000 2000 − λ  ⇒

λ1 = 1614,8

λ2 = 12385,2

2. K ist positiv definit, weil beide Hauptunterdeterminanten positiv sind:      k11 k12   12000 −2000   = 2 · 107 > 0 =  k11 = 12000 > 0  k21 k22   −2000 2000  3. K ist positiv definit, weil nach der Dreieckszerlegung (Gauß-Elimination) alle Hauptdiagonalelemente positiv sind. ! " ! " 12000 −2000 Dreieckszerlegung 12000 −2000 −−−−−−−−−−→ −2000 2000 0 1667 1. Diagonalelelement: 12000 > 0

2. Diagonalelelement: 1667 > 0

Positiv semidefinite Matrix Für eine positiv semidefinite Matrix A gelten folgende Regeln – die Erfüllung eines Kriteriums ist ausreichend und stellt sicher, dass die anderen auch erfüllt sind: 1. Kein Eigenwert von A ist negativ. λi ≥ 0

i = 1,2, · · · , n

2. Keine (Haupt-)Unterdeterminante von A ist negativ.

a11 ≥ 0,

  a11   a21

a12 a22

   ≥ 0, 

  a11   a21   a 31

a12 a22 a32

a13 a23 a33

   ≥0  

···

usw.

3. Kein Hauptdiagonalelement nach der Dreieckszerlegung von A ist negativ. Beispiel 14.8: Die positive Definitheit der Matrix K in Beispiel 14.6 kann wie folgt bestimmt werden: ⎡ ⎤ 1 −1 0 K = ⎣ −1 λ1 = 0 λ2 = 1 λ3 = 3 2 −1 ⎦ 0 −1 1

734

14 Eigenwertaufgaben

1. K ist positiv semidefinit, weil ein Eigenwert Null und die beiden anderen positiv sind. 2. K ist positiv semidefinit, weil zwar die ersten zwei Hauptunterdeterminanten positiv, aber die dritte gleich Null sind.    1 −1    = 2−1 = 1 > 0 k11 = 1 > 0  −1 2     1 −1 0    −1 2 −1  = 1(2 − 1) − 1(0 + 1) + 0(1 − 0) = 0   0 −1 1  3. K ist positiv semidefinit, weil nach der Dreieckszerlegung ein Hauptdiagonalelement gleich Null und die anderen positiv sind. ⎡

1 ⎣ −1 0

⎤ −1 0 2 −1 ⎦ −1 1

⎡ Dreieckszerlegung −−−−−−−−−−−−→

1 ⎣ 0 0

−1 1 0

⎤ 0 −1 ⎦ 0

Negativ definite Matrix Eine symmetrische n × n Matrix A ist negativ definit, wenn folgende Kriterien erfüllt sind – die Erfüllung eines Kriteriums ist ausreichend und stellt sicher, dass die anderen auch erfüllt sind: 1. Alle Eigenwerte von A sind negativ. λi < 0

i = 1,2, · · · , n

2. Alle (Haupt-)Unterdeterminanten von A sind negativ.   a11 a12     a11 a12   a21 a22  < 0,  a11 < 0,   a21 a22   a 31 a32

a13 a23 a33

    3 mit dem geometrischen Längenbegriff eines 3D-Vektors nichts zu tun). Die gebräuchlichsten Vektornormen sind nachfolgend angegeben. xx1 = |x1 | + |x2 | + · · · + |xn |

l1 -Norm

xx2 = (x12 + x22 + · · · + xn2 )1/2

l2 -Norm (Euklid-Norm)

xx∞ = max |xi |

l∞ -Norm

i

(14.17)

738

14 Eigenwertaufgaben

Beispiel 14.10: Nachfolgend sind die verschiedenen Vektornormen des Vektors a angegeben. ⎤ 5 a) a = ⎣ −2 ⎦ 3

xx1 = |x1 | + |x2 | + |x3 | = 5 + 2 + 3 = 10  xx2 = 52 + (−2)2 + 33 = 6,164



xx1 = |x1 | + |x2 | + |x3 | = 5 + 2 + 3 = 10  xx2 = (−5)2 + 22 + 33 = 6,164



xx∞ = max |xi | = max{5; 2; 3} = 5 i=1···3

⎤ −5 b) a = ⎣ 2 ⎦ 3

xx∞ = max |xi | = max{5; 2; 3} = 5 i=1···3

14.8 Iterative Lösung von Eigenwertaufgaben In diesem Kapitel werden nur symmetrische Matrizen mit reellen Elementen betrachtet. Alle Eigenwerte einer reell-symmetrischen Matrix sind reell. Sowohl die spezielle als auch die allgemeine Eigenwertaufgabe nach Abs. 14.2 werden anwendungsbezogen behandelt: Ax = λxx

bzw.

A − λII ) x = 0 (A

spezielle Eigenwertaufgabe

Bx Ax = λB

bzw.

A − λB B) x = 0 (A

allgemeine Eigenwertaufgabe

Im folgenden sollen nur solche Verfahren besprochen werden, die eine gewisse Anschaulichkeit bieten und so als Einführung in die Thematik geeignet sind. Für effizientere Verfahren sollte im Bedarfsfall unbedingt die Spezialliteratur konsultiert werden.2 ,3

14.9 Mises-Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Power-Methode) Das Iterationsverfahren nach von Mises ist eine einfache Standardmethode für die Bestimmung des größten Eigenwertes und des zugehörigen Eigenvektors einer quadratischen n × n Matrix A . Es handelt also um die Lösung der speziellen Eigenwertaufgabe Ax = λxx

(14.18)

Die Idee hinter der Mises-Iteration Die Eigenwerte der Matrix A bezeichnen wir mit λ1 , λ2 , · · · , λn und ordnen sie aufsteigender Reihenfolge λ1 < λ2 < · · · < λn−1 < λn an. Die zugehörigen Eigenvektoren sind x 1 , x 2 , · · · , x n .4 2 Für die numerische Lösung von Eigenwertaufgaben stehen zahlreiche effiziente und stabile Lösungsverfahren zur Verfügung. Neben diversen kommerziell erhältlichen Software-Paketen (z.B. IMSL und NAG) existiert auch kostenlose public domain Software (meistens in den Programmiersprachen Fortran, C, C++), wie z.B. die LAPACK-Bibliothek für lineare Algebra. Gnu/Octave ist eine kostenlose Software mit eigenem Benutzerinterface, deren Befehlsstruktur sich am kommerziellen Numerik-Paket Matlab orientiert. 3 LAPACK ist der Nachfolger der früheren EISPACK-Bibliothek und erhältlich z.B. bei http://www.netlib.org 4 Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass A positiv definit ist, d.h. alle Eigenwerte positiv sind – für negative Eigenwerte gelten grundsätzlich die gleichen Überlegungen.

14.9 Mises-Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Power-Methode)

739

Jeder beliebige reelle n × 1 Vektor u (0) (egal wie dieser Vektor aussehen mag) kann als Linearkombination der n Eigenvektoren der Matrix A ausgedrückt werden5 : u (0) = c1x 1 + c2x 2 + · · · + cnx n

(14.19)

Wenn die Beziehung (14.19) auf beiden Seiten mit der Matrix A multipliziert wird, ergibt sich zunächst: Au (0) = A (c1x 1 + c2x 2 + · · · + cnx n )

(a)

Den auf der linken Seite von (a) stehenden Ausdruck Au (0) bezeichnen wir mit u (1) . Unter Berücksichtigung von (14.18) erhält man: u (1) = Au (0) = A (c1x 1 + c2x 2 + · · · + cnx n ) = c1 Ax 1 +c2 Ax 2 + · · · + cn Ax n    λ1x 1

λ2x 2

λnx n

u (1) = c1 λ1x 1 + c2 λ2x 2 + · · · + cn λnx n

(b)

Die nochmalige Linksmultiplikation des Ausdrucks in (b) mit A liefert einen neuen Vektor u (2) . Unter erneuter Berücksichtigung von (14.18) ergibt sich: u(2) = Au(1) = A (c1 λ1x 1 + c2 λ2x 2 + · · · + cn λnx n ) = c1 λ1Ax 1 + c2 λ2Ax 2 + · · · + cn λnAx n = c1 λ1 λ1x 1 + c2 λ2 λ2x 2 + · · · + cn λn λnx n u (2) = c1 λ12x 1 + c2 λ22x 2 + · · · + cn λn2x n Nach der k-ten Multiplikation mit der Matrix A erhält man: u (k) = Au (k−1) = A (c1 λ1k−1x1 + c2 λ2k−1x2 + · · · + cn λnk−1xn ) = c1 λ1k−1Ax 1 + c2 λ2k−1Ax 2 + · · · + cn λnk−1Ax n = =

(c)

c1 λ1k−1 λ1x 1 + c2 λ2k−1 λ2x 2 + · · · + cn λnk−1 λnx n c1 λ1kx 1 + c2 λ2kx 2 + · · · + cn λnkx n

5 Voraussetzung: die Matrix der Eigenvektoren X = [xx1 , x 2 , · · · , x n ] darf nicht singulär sein; das ist dann der Fall, wenn die Matrix A nicht-defektiv ist (defektive Matrizen können bei nicht-symmetrischen Matrizen auftreten; für die Steifigkeitsmatrizen von Bauwerken sind sie daher ohne Relevanz).

740

14 Eigenwertaufgaben

Für große k-Werte folgt aus der Relation λ1 < λ2 < · · · < λn−1 < λn folgende Konsequenz: k λ1k λ2k · · · λn−1 λnk

(d)

Bei sehr großen Werten von k dominiert deshalb in (d) der Multiplikator λnk alle übrigen Multiplikatoren und es gilt daher näherungsweise: u (k) ≈ cn λnk x n

(e)

Das Ergebnis (e) bringt zum Ausdruck, dass der Vektor u (k) proportional dem Eigenvektor x n ist (cn λnk ist der Proportionalitätsfaktor) – folglich resultiert aus diesem Prozess der größte Eigenwert λn , dessen Einzelheiten nachfolgend erläutert sind. Algorithmus der Mises-Iteration Den Ausgangspunkt bildet ein beliebiger nichttrivialer n × 1 Startvektor u (0) mit n Elementen (nichttrivial bedeutet, dass u (0) = 0 sein muss).6 Im 1. Iterationsschritt wird ein neuer Vektor u (1) berechnet, der als verbesserter Eigenvektor angesehen werden kann: u (1) = Au (0) Jetzt wird der Iterationsvektor u (1) normiert.7 Die Normierung wird üblicherweise mit der l∞ (1) Norm des momentanen Schrittes, in diesem Fall also mit l∞ , vorgenommen, s. (14.17) auf Seite (1) 737. Wir erhalten den normierten Vektor x wie folgt: x (1) =

u (1) (1) l∞

=

u (1) uu(1) ∞

Im 2. Iterationsschritt wird x (1) als Ausgangsvektor verwendet, um einen verbesserten Eigenvektor zu ermitteln: u (2) = Ax (1) Die Normierung im 2. Iterationsschritt erfolgt analog dem ersten Schritt: x (2) =

u (2) uu(2) ∞

6 Die Konvergenz der Mises-Iteration ist umso schneller, je ähnlicher der Startvektor u (0) dem Eigenvektor x n des größten Eigenwertes λn gewählt wird, s. auch die Anmerkungen auf Seite 742. In der Regel hat man aber kein verlässliches Bild vom Eigenvektor x n . daher wird als Startvektor ein Vektor gewählt, der möglichst zufallsgeneriert ist. 7 Ohne Normierung könnten die Vektorelemente mit zunehmender Iteration immer unhandlichere Zahlenwerte aufweisen, so dass es selbst bei Computerauswertung zu einem overflow oder underflow der Gleitkommazahlen und somit zum Programmabbruch kommen könnte.

14.9 Mises-Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Power-Methode)

741

Im k-ten Iterationsschritt erhalten wir den Iterationsvektor u (k) : u (k) = Ax (k−1)

Verbesserung des Iterationsvektors im k-ten Schritt

(14.20)

Der normierte Iterationsvektor x(k) lautet: x (k) =

u (k) uu(k) ∞

Normierung des Iterationsvektors im k-ten Schritt

(14.21)

Anmerkung. Es kann die Übersichtlichkeit erhöhen, die Normierung derart vorzunehmen, dass das betragsmäßig größte Element des Eigenvektors x (k) immer +1 wird (das verhindert den unschönen Effekt eines evtl. Vorzeichenwechsels der Vektorelemente zwischen den Iteratiosschrit(k) ten). Um den Wert +1 zu gewährleisten, wird das auch Vorzeichen des l∞ -Elementes in die Nor(k) mierung miteinbezogen. Wenn z.B. um betragsmäßig das größte Element des Iterationsvektors (k) u (k) im k-ten Iterationsschritt ist, wird der Vektor u nicht durch den Absolutwert |um |, sondern (k) unmittelbar durch das vorzeichenbehaftete Element um dividiert. Dadurch wird sichergestellt, dass das größte Element des normierten Eigenvektors stets +1 wird. Zwischen dem Vektor u (k) und dem daraus durch Normierung gewonnenen Vektor x (k) existiert formal folgende Proportionalität: u (k) = α (k) x (k)

(14.22)

wobei α (k) nichts anderes ist als der Nenner von (14.21): α (k) = uu(k) ∞

(a)

Einsetzen von (14.22) in (14.20) liefert: α (k) x (k) = Ax (k−1)

(b)

Unter voraussetzung der Konvergenz der Mises-Iteration kann angenommen werden, dass nach ausreichend vielen Iterationsschritten der Unterschied zwischen den angenäherten Eigenvektoren x (k) und x (k−1) vernachlässigbar klein geworden ist, so dass man für (b) auch schreiben kann: x (k−1) ≈ x (k)



α (k) x (k) = Ax (k)

Der letzte Ausdruck ist aber nichts anderes als (14.18), d.h. der Faktor α ist der der größte Eigenwert im k-ten Iterationsschritt: (k)

λn = α (k) = uu(k) ∞

Größter Eigenwert im k-ten Iterationsschritt

(14.23)

742

14 Eigenwertaufgaben Tabelle 14.1: Mises-Iteration für die Eigenwertaufgabe Ax = λxx

EINGABE (INPUT): Matrix A , Startvektor u (0) Toleranz ε (Genauigkeitsschranke), maximale Anzahl N der Iterationen. AUSGABE (OUTPUT): Der größte Eigenwert λmax und der zugehörige Eigenvektor x . ALGORITHMUS: x(0) =

u (0) uu(0) ∞

λ (0) = uu(0) ∞

for k = 1,2, · · · , N do u (k) = A x (k−1) x (k) =

u (k) uu(k) ∞

Verbesserung des Iterationsvektors

Normierung des Iterationsvektors (Eigenvektor)

λ (k) = uu(k) ∞ Verbesserung des Eigenwertes    λ (k) − λ (k−1)    Relative Differenz RDIF =     λ (k) Wenn RDIF ≤ ε : Konvergenz erreicht, Iteration abbrechen. end do Wenn RDIF > ε : Warnmeldung, dass Konvergenz nicht erreicht wurde.

(k)

Die Vektornorm l∞ im k-ten Iterationsschritt entspricht also dem gesuchten Eigenwert. Der Iterationsalgorithmus nach von Mises ist in Tabelle 14.1 zusammengefasst. Anmerkungen: 1. Nach Beendigung der Iteration kann mit Hilfe des Rayleigh-Quotienten der Eigenwert nochmals verbessert werden. Der Rayleigh-Quotient geht historisch auf die Theorie von Schwingungen zurück und basiert auf energetischen Betrachtungen. T

λ=

x (n) A x (n) T

x (n) x (n)

Rayleigh-Quotient

(14.24)

14.9 Mises-Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Power-Methode)

743

2. Die Mises-Iterationsmethode liefert den betragsmäßig größten Eigenwert (dominanter Eigenwert) einer Matrix. In Ingenieuranwendungen ist in der Regel jedoch der niedrigste Eigenwert von Interesse, wie z.B. die niedrigste Eigenfrequenz bzw. die kleinste Knicklast einer Konstruktion. Die Mises-Iterationsmethode in ihrer hier vorgestellten Standardform ist in solchen Fällen nicht besonders nützlich. Durch eine einfache Modifikation der Eigenwertaufgabe kann man die Methode aber auch für solche Aufgabenstellungen einsetzen. 3. Bei der Mises-Iteration konvergiert der Eigenwert wesentlich schneller als der Eigenvektor. Bereits nach wenigen Iterationsschritten kann oft eine sehr gute Näherung für den Eigenwert erreicht werden, obwohl die Näherungsgüte des Eigenvektors noch nicht besonders gut ist. Soll der Eigenvektor mit hoher Genauigkeit bestimmt werden, müssen genügend viele Iterationen durchgeführt werden. 4. Die Mises-Iteration konvergiert sehr langsam, wenn der dominante Eigenwert λn der Matrix A und der nächst kleinere Eigenwert λn−1 annähernd gleich sind, d.h. wenn λn ≈ λn−1 . In solchen Fällen sollte einem anderen Verfahren der Vorzug gegeben werden. 5. Die Mises-Iteration ist selbstkorrigierend, d.h. ein Rechenfehler bei der Ermittlung des verbesserten Eigenvektors würde zwar die Konvergenz verzögern, sie aber nicht unmöglich machen (diese gutmütige Eigenschaft ist leicht nachvollziehbar, wenn man den fehlerhaft berechneten Vektor einfach als neuen Startvektor der Iteration betrachtet). 6. Bei der Wahl des Startvektors u (0) ist darauf zu achten, dass der Koeffizient cn in (14.19) nicht exakt gleich Null ist, d.h. der größte Eigenvektor x n in u (0) -zumindest teilweise- enthalten ist. cn = 0 würde bedeuten, dass der Eigenvektor x n im Startvektor u (0) überhaupt nicht enthalten ist, folglich kann die Iteration auch nicht gegen den größten Eigenwert λn konvergieren. Für cn = 0 rückt die Power-Iteration den Einfluss des größten Eigenvektors x n von Iteration zu Iteration immer stärker in Vordergrund (dabei helfen auch die Rundungsfehler der Gleitkommaoperationen) und konvergiert so gegen den größten Eigenwert λn . In Computerprogrammen wird häufig ein Zufallsvektor generiert, dessen Elemente im Intervall [−1 · · · + 1] liegen und dieser als u (0) verwendet (in der Ingenieurpraxis funktioniert diese Vorgehensweise meistens ganz gut). Beispiel 14.11: Mit Hilfe der Mises-Iteration (Power-Methode) ist der größte Eigenwert λmax und der zugehörige Eigenvektor x der Matrix A zu bestimmen (Maple-Lösung auf Seite 857). ⎡

Ax = λxx

10 A = ⎣−1 −8

⎤ −1 −8 0.4 1 ⎦ 1 8



⎤ 2 u (0) = ⎣−2⎦ 2

Die l∞ -Norm des Startvektors nach (14.17) auf Seite 737 ist uu(0) ∞ = 2. Der normierte Startvektor x (0) gemäß (14.21) und der zugehörige Start-Eigenwert λ (0) nach

744

14 Eigenwertaufgaben

(14.23) ergeben sich zu: ⇒

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 1 (0) u 1 x (0) = (0) = ⎣−2⎦ = ⎣−1⎦ 2 uu ∞ 2 1

λ (0) = uu(0) ∞ = 2

Nach Tabelle 14.9 erhalten wir folgende Iterationsergebnisse: 1. Iterationsschritt ⎡

10 −1 u (1) = Ax (0) = ⎣−1 0.4 −8 1 uu(1) ∞ = 3

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ −8 1 3 1 ⎦ ⎣−1⎦ = ⎣−0,4⎦ 8 1 −1

λ (1) = uu(1) ∞ = 3

⎡ ⎤ 1 (1) u x (1) = (1) = ⎣−0,1333⎦ uu ∞ −0,3333

2. Iterationsschritt ⎡

⎤ 12.8 u (2) = Ax (1) = ⎣−1.3867⎦ −10.8

uu(2) ∞ = λ (2) = 12,8

⎡ ⎤ 1 (2) u x (2) = (2) = ⎣−0,1083⎦ uu ∞ −0,8437 3. Iterationsschritt ⎡

⎤ 16,8583 u (3) = Ax (2) = ⎣ −1.8871 ⎦ −14,8583

uu(3) ∞ = λ (3) = 16,8583



⎤ 1 x (3) = (3) = ⎣−0,1119⎦ uu ∞ −0,8814 u (3)

4. Iterationsschritt ⎡

⎤ 17,1629 u (4) = Ax (3) = ⎣ −1.9261 ⎦ −15,1629 ⎡ ⎤ 1 (4) u x (4) = (4) = ⎣−0,1122⎦ uu ∞ −0,8835

uu(4) ∞ = λ (4) = 17,1629

14.9 Mises-Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Power-Methode)

5. Iterationsschritt ⎡

⎤ 17,1800 u (5) = Ax (4) = ⎣ −1.9284 ⎦ −15,1800

uu(5) ∞ = λ (5) = 17,1800

⎡ ⎤ 1 (5) u x (5) = (5) = ⎣−0,1122⎦ uu ∞ −0,8836 Die Konvergenz nach dem 5. Iterationsschritt ist ganz gut (die beiden letzten Eigenwerte λ (4) = 17,1629 und λ (5) = 17,1800 sowie die zugehörigen Eigenvektoren unterscheiden sich nur unwesentlich voneinander). Die relative Differenz zwischen ihnen ist vernachlässigbar klein:    λ (5) − λ (4)  17,18 − 17,1629   = 0,001 = 0,1% DIF =  =   λ (5) 17,18 Eine zusätzliche Verbesserung lässt sich über den Rayleigh-Quotienten gemäß (14.24) erreichen: T

x (5) A x (5) = 30,811

T

x (5) x (5) = 1,793



λ=

30,811 = 17,181 1,793

Der gesuchte maximale Eigenwert und der Eigenvektor x lauten somit: ⎡

⎤ 1 x = x (5) = ⎣−0,1122⎦ −0,8836

λmax = 17,181

Auch wenn der Verbesserungseffekt des Rayleigh-Quotienten in diesem Beispiel nach der 5. Iteration äußerst gering ausfällt (weil die erreichte Genauigkeit für k = 5 schon sehr hoch ist), sollte er trotzdem nicht unterschätzt werden. Schon nach wenigen Iterationen kann er erhebliche Verbesserungen nach sich ziehen. Folgende Tabelle zeigt die Eigenwert-Vorhersagen λRQ in jedem Iterationsschhritt, wenn der Rayleigh-Quotient in jeweiligen Schritt angewandt werden würde: Iteration k 1 2 3 4 5

T

x (k) A x (k) 16,585 29,600 30,742 30,807 30,811

T

x (k) x (k) 1,129 1,724 1,789 1,793 1,793

λRQ 14,691 17,172 17,181 17,181 17,181

745

746

14 Eigenwertaufgaben

14.10 Inverse Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Modifizierte Mises-Iteration) Die im Abschnitt 14.9 vorgestellte Mises-Iteration konvergiert gegen den größten Eigenwert, s. auch die Anmerkungen auf Seite 742. Wenn jedoch nicht der größte, sondern der kleinste Eigenwert von Interesse ist, z.B. die kleinste Knicklast oder die niedrigste Eigenfrequenz einer Konstruktion, bedarf die Mises-Iteration einer Modifikation, um den kleinsten Eigenwert berechnen zu können. Die in (14.18) auf Seite 738 gegebene spezielle Eigenwertaufgabe lässt sich durch Multiplikation der gesamten Gleichung A −1 und durch Division mit dem Eigenwert λ in die nachfolgende Form bringen: Ax = λxx



1 −1 1 A A x = A −1 λxx λ  λ I



1 I x = A −1x λ



A −1x =

1 x λ

(14.25)

Die ursprüngliche Eigenwertaufgabe wurde also in eine neue Eigenwertaufgabe transformiert. Durch Einführung eines neuen Symbols κ läßt sich (14.25) auch wie folgt schreiben: κ :=

1 λ



A −1x = κ x

(14.26)

Die Eigenwerte der Matrix A −1 in (14.26)8 seien in aufsteigender Reihenfolge angeordnet: κ1 < κ2 < κ3 < · · · < κn Die Anwendung der Mises-Iteration gemäß Abschnitt 14.9 auf (14.26) liefert den größten Eigenwert κmax (=κn ), der aufgrund der Beziehung (14.26) wiederum dem Kehrwert des kleinsten Eigenwertes λmin (=λ1 ) entspricht: κmax =

1 λmin

λmin =

1 κmax

κn =

1 λ1

λ1 =

1 κn

(14.27)

Die Bestimmung von A −1 in (14.26) ist eine rechenintensive Aufgabe, insbesondere bei komplizierten Konstruktionen, wo die Dimension der Matrix A in Tausende und Hunderttausende gehen kann. Glücklicherweise braucht A −1 auch nicht explizit ermittelt zu werden, wei dies nachfolgend gezeigt wird. Lösung unter Umgehung der Invertierung von A . Die Anwendung der Mises-Iteration auf die in (14.26) gegebene Eigenwertaufgabe liefert im k-ten Iterationsschritt folgenden Ausdruck: u (k) = A −1x (k−1) 8 Der Name »inverse Iteration« kommt daher, dass wir an der inversen Matrix A −1 iterieren.

(a)

14.10 Inverse Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Modifizierte Mises-Iteration)

747

Der Vektor x (k−1) ist der im Iterationsschritt (k − 1) berechnete Eigenvektor – mit dessen Hilfe soll in (a) der Vektor u (k) berechnet werden, ohne die Matrix A invertieren zu müssen. Zu diesem Zweck formen wir den Ausdruck in (a) wie folgt um: A u (k) = x (k−1)

(14.28)

Wir haben also ein lineares Gleichungssystem mit dem Unbekanntenvektor u (k) , welches z.B. mit Hilfe der LU-Faktorisierung auch ohne direkte Kenntnis von A −1 gelöst werden kann (s. Seite 791, Abschnitt 16.1): A = LU



L U u (k) = x (k−1)



u (k) = · · ·

(14.29)

In (14.29) ist L die untere Dreiecksmatrix nach der LU-Faktorisierung und U ist die obere Dreiecksmatrix. U u (k) in zwei Schritten: Die Ermittlung von u (k) erfolgt durch Einführung des Hilfsvektors y (k) =U L y(k) = x(k−1)

Vorwärtssubstitution zum Bestimmen von y(k)

(14.30a)

U u (k) = y (k)

Rückwärtssubstitution zum Bestimmen von u (k)

(14.30b)

Der Eigenwert κ (k) im k-ten Iterationsschritt ergibt sich analog zu (14.23) auf Seite 741: κ (k) = uu(k) ∞ Der Eigenwert λ (k) im k-ten Iterationsschritt ergibt sich gemäß (14.27) als Reziproke von κ (k) : λ (k) =

1 1 = (k) κ (k) uu ∞

(14.31)

Der normierte Iterationsvektor x (k) und der zum kleinsten Eigenwert λmin zugehörige Eigenvektor x ergeben sich zu: x (k) =

u (k) uu(k) ∞

x = x (k)

Am Ende der Iteration kann der Eigenwert ggf. nochmals mit Hilfe des Rayleigh-Quotienten nach (14.24) auf Seite 742 verbessert werden. Der inverse Iterationsalgorithmus ist in Tabelle 14.2 zusammengestellt.

748

14 Eigenwertaufgaben Tabelle 14.2: Inverse Iteration für die Eigenwertaufgabe Ax = λxx EINGABE (INPUT) Matrix A , Startvektor u (0) Toleranz ε (Genauigkeitsschranke), maximale Anzahl N der Iterationen. AUSGABE (OUTPUT) Der kleinste Eigenwert λmin und der zugehörige Eigenvektor x . ALGORITHMUS x (0) =

u (0) uu(0) ∞

A = LU

λ (0) =

1 uu(0) ∞

LU -Zerlegung von A

for k = 1,2, · · · , N do L y (k) = x (k−1)

y (k) berechnen

U u (k) = y (k) u (k) berechnen (k) u x (k) = (k) Normierung des Iterationsvektors (xx(k) : Eigenvektor) uu ∞ 1 λ (k) = (k) Verbesserung des Eigenwertes uu ∞     RDIF = λ (k) − λ (k−1)  / λ (k) Relative Differenz Wenn RDIF ≤ ε :

Konvergenz erreicht, Iteration abbrechen.

end do

Beispiel 14.12: Mit Hilfe der inversen Iteration ist der kleinste Eigenwert und zugehörige Eigenvektor der Eigenwertaufgabe des Beispiels 14.11 in 3 Iterationsschritten zu bestimmen. Zum Schluss ist der Eigenwert mit Hilfe des Rayleigh-Quotienten zu verbessern. ⎡

Ax = λxx

⎤ 10 −1 −8 A = ⎣ −1 0.4 1 ⎦ −8 1 8



⎤ 2 u(0) = ⎣ −2 ⎦ 2

Die LU -Zerlegung der Matrix A nach dem Algorithmus der Tabelle 16.1 auf Seite 793 liefert: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 0 0 10 −1 −8 A = LU L = ⎣−0,1 U = ⎣ 0 0,3 0,2 ⎦ 1 0⎦ −0.8 0,6667 1 0 0 1,467

14.10 Inverse Iteration für die spezielle Eigenwertaufgabe (Modifizierte Mises-Iteration)

Die l∞ -Norm des Startvektors ist uu(0) ∞ = 2. ⎡

⎤ ⎡ ⎤ 2 1 1 x (0) = (0) = ⎣ −2 ⎦ = ⎣ −1 ⎦ 2 uu ∞ 2 1 u (0)

λ (0) =

1 1 = = 0,5 2 uu(0) ∞

1. Iterationsschritt. A u (1) = x (0) ⎡

Die Lösung von L y (1) = x (0) liefert:

⎤ 1,0000 y (1) = ⎣ −0,9000 ⎦ 2,4000 ⎡

Die Lösung von U u (1) = y (1) liefert: uu(1) ∞ = 4,0909 x (1) =

λ (1) = ⎡

⎤ 1,0000 u (1) = ⎣ −4,0909 ⎦ 1,6364

1 = 0,2444 uu(1) ∞ ⎤

0,2444 ⎣ −1,0000 ⎦ = uu(1) ∞ 0,4000 u (1)

2. Iterationsschritt: A u(2) = x(1) ⎡

Die Lösung von Ly (2) = x (1) liefert:

⎤ 0,2444 y (2) = ⎣ −0,9756 ⎦ 1,2459 ⎡

Die Lösung von U u (2) = y (2) liefert: uu(2) ∞ = 3,8182 x (2) =

λ (2) = ⎡

⎤ 0,3222 u (2) = ⎣ −3,8182 ⎦ 0,8495

1 = 0,2619 uu(2) ∞ ⎤

0,0844 ⎣ −1,0000 ⎦ = uu(2) ∞ 0,2225 u (2)

3. Iterationsschritt: A u(3) = x(2) ⎡

Die Lösung von Ly (3) = x (2) liefert:

⎤ 0,0844 y (3) = ⎣ −0,9916 ⎦ 0,9510

749

750

14 Eigenwertaufgaben



Die Lösung von U u (3) = y (3) liefert: uu(3) ∞ = 3,7375

λ (3) = ⎡

1 uu(3) ∞

⎤ 0,1534 u (3) = ⎣ −3,7375 ⎦ 0,6484 = 0,2676

⎤ 0,0411 x (3) = (3) = ⎣ −1,0000 ⎦ uu ∞ 0,1735 u (3)

Verbesserung des Eigenwerts mit Hilfe des Rayleigh-Quotienten (14.24) auf Seite 742 : T

x (3) A x (3) = 0,27881

T

x (3) u (3) = 1,03179

⇒ λ=

0,27811 = 0,2702 1,03179

Der mit Maple berechnete kleinste Eigenwert beträgt λ = 0,2698, s. Seite 859. ⎡ ⎤ 0,0411 Eigenvektor: x = x (3) = ⎣−1,0000⎦ 0,1735

14.11 Iteration bei Eigenschwingungen Bei Maschinen und Bauwerken tritt die Eigenwertaufgabe besonders häufig für die Untersuchung ihrer Eigenschwingungen auf (Eigenfrequenzen und Schwingungsformen). In solchen Fällen ist die nachfolgende allgemeine Eigenwertaufgabe zu lösen: K − ω 2M ) x = 0 (K

(14.32)

Hierbei ist K die Steifigkeitsmatrix, M die Massenmatrix, und ω die Eigenkreisfrequenz. Die Umformung von (14.32) liefert die für Iteration geeignete Form des Eigenwertproblems: K x = ω 2M x

(14.33)

14.11.1 Inverse Iteration zur Bestimmung der kleinsten Eigenfrequenz Insbesondere bei Bauwerken ist die kleinste Eigenfrequenz von primärer Bedeutung. Daher wollen wir zunächst untersuchen, ob die Iteration tatsächlich gegen den kleinsten Eigenwert konvergiert. Die Gleichung (14.33) wird auf beiden Seiten mit K −1 multipliziert und durch ω 2 dividiert: 1 −1 ω2 K K x = 2 K −1M x 2 ω ω



1 I x = K −1M x ω2

K −1M x =

1 x ω2

(14.34)

14.11 Iteration bei Eigenschwingungen

751

2 von K x = ω 2M x Tabelle 14.3: Inverse Iteration für den kleinsten Eigenwert ωmin

EINGABE (INPUT) Matrizen K und M , Startvektor u (0) Toleranz ε (Genauigkeitsschranke), maximale Anzahl N der Iterationen. AUSGABE (OUTPUT) 2 und der zugehörige Eigenvektor x . Der kleinste Eigenwert ωmin ALGORITHMUS x (0) =

u (0) uu(0) ∞

K = LU

ω2

(0)

=

1 uu(0) ∞

LU -Zerlegung von K

for k = 1,2, · · · , N do z (k) = M x (k−1) L y (k) = z (k) U u (k) = y (k) x (k) =

u (k) uu(k) ∞

y (k) berechnen u (k) berechnen Normierung des Iterationsvektors (Eigenvektor)

1 Verbesserung des Eigenwertes uu(k) ∞   (k−1)  (k)  (k) RDIF = ω 2 − ω 2 Relative Differenz  / ω2

ω2

(k)

=

Wenn RDIF ≤ ε : Konvergenz erreicht, Iteration abbrechen. end do

Durch Einführung des neuen Symbols λ = 1/ω 2 erhält man daraus das nachfolgende spezielle Eigenwertproblem: λ=

1 ω2



K −1M x = λ x

(14.35)

Wenn wir das Matrixprodukt K −1M als eine neue Matrix A betrachten, sehen wir, dass es sich bei der Beziehung (14.35) um die spezielle Eigenwertaufgabe von (14.18) in der Form Ax = λ x handelt und die Iteration nach Abschnitt 14.9 den größten Eigenwert λmax liefert. Aufgrund der reziproken Beziehung λ = 1/ω 2 kann man sofort ersehen, dass die Iteration in Wirklichkeit den 2 liefert. Kehrwert des kleinsten Eigenwertes ωmin λmax =

1 2 ωmin

2 = ωmin

1 λmax

(14.36)

752

14 Eigenwertaufgaben

Die Schlußfolgerung aus den obigen Betrachtungen ist, dass die Anwendung der inversen Itera2 liefert. Es ist hierbei tion auf die Beziehung (14.33) letztendlich den kleinsten Eigenwert ωmin (k−1) darauf zu achten, dass der zuletzt bekannte Schätzvektor x auf der rechten Seite von (14.33) einzusetzen ist, d.h. zunächst wird das Produkt M x (k−1) gebildet, das Ergebnis dient dann als bekannte rechte Seite z (k) bei der Lösung des Gleichungssystems K x (k) = z (k) . Die Anwendung der inversen Iteration auf die Eigenwertaufgabe K x = ω 2M x 2 . liefert den kleinsten Eigenwert ωmin Iterationsprozedur. Das Vorgehen soll für einen beliebigen k-ten Iterationsschritt erklärt werden. Ausgangspunkt ist die Beziehung K x = ω 2M x in (14.33). Zunächst wird das Produkt der Matrix M mit dem normierten Eigenvektor x (k−1) des letzten Iterationsschrittes gebildet und einem temporären Vektor z (k) zugewiesen: z (k) = M x (k−1) gebildet. Anschließend wird das Gleichungssystem K u (k) = z (k) nach u (k) gelöst9 . Für die Ermittlung von u (k) braucht man nicht unbedingt die rechenintensive Ermittlung der inversen Matrix K −1 . Mit Hilfe der LU-Faktorisierung der Matrix K ist es möglich, u (k) auch ohne Kenntnis von K −1 zu berechnen – vgl. (14.28) und (14.29) sowie die Abschnitte 16.1 und 14.10: K = LU



LU u (k) = z (k) 



Ly (k) = z (k)



y (k) = L −1z (k)

y (k)

U u (k) = y (k)

Der kleinste Eigenwert ω 2 ω2

(k)

=

u (k) = U −1y (k)

⇒ (k)

im k-ten Iterationsschritt wird aus der l∞ -Norm von u (k) berechnet:

1 uu(k) ∞

Der normierte Iterationsvektor x (k) und der Eigenvektor x ergeben sich zu: x (k) =

u (k) uu(k) ∞

x = x (k)

9 Der Grund für die Verwendung des Symbols u (k) : Der Lösungsvektor u (k) ist nicht normiert, erst durch dessen Normierung wird daraus x (k) gewonnen.

14.11 Iteration bei Eigenschwingungen

Mit dem Rayleigh-Quotienten kann das Iterationsergebnis nochmals verbessert werden: ω2 =

x (k)T K x (k) x (k)T M x (k)

Beispiel 14.13: Für ein 3-geschossiges Tragwerk (z.B. Stahlbetonrahmen mit starren Geschossdecken und flexiblen Stützen) ist ein dynamischer Nachweis gegen Erdbebenlasten gefordert, weshalb die kleinste Eigenkreisfrequenz ωmin und der zugehörige Eigenvektor berechnet werden sollen. Die Steifigkeits- und die Massenmatrix des Bauwerks sind unten angegeben, ebenso der Startvektor für die Iteration. Die Anzahl der maximalen Iterationsschritte beträgt N = 4, die Genauigkeitstoleranz ε = 0,01. Die Maple-Lösung ist auf Seite 859 angegeben. ⎡

1 −0,4 K = 107 ⎣−0,4 0,8 0 −0,4

⎤ 0 −0,4⎦ 0,4

⎡ 15 M = 103 ⎣ 0 0

m3

⎤ 0 0 15 0 ⎦ 0 7,5

⎡ ⎤ 1 u (0) = ⎣1⎦ 2

x3

k3

x2 m2 k2

x1 m1 k1

a: Tragwerk

b: 1. Eigenform

Bild 14.3: Eigenschwingung des Rahmentragwerks in Beispiel 14.13

Die l∞ -Norm des Startvektors ist uu(0) ∞ = 2. ⇒

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 0,5 1 x (0) = (0) = ⎣1⎦ = ⎣0,5⎦ 2 uu ∞ 2 1 u (0)

ω2

(0)

=

1 1 = = 0,5 2 uu(0) ∞

753

754

14 Eigenwertaufgaben

Die LU -Zerlegung der Matrix K nach dem Algorithmus der Tabelle 16.1 auf Seite 793 liefert: ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 1 −0,4 0 1 0 0 K = LU L = ⎣−0,4 U = 107 ⎣0 0,64 −0,4⎦ 1 0⎦ 0 0 0,15 0 −0,625 1 1. Iterationsschritt ⎡ 15 (1) (0) 3⎣ z = M x = 10 0 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 0 0,5 7500 15 0 ⎦ ⎣0,5⎦ = ⎣7500⎦ 0 7,5 1 7500 ⎡

⎤ 7500 y (1) = ⎣10500⎦

Die Lösung von Ly (1) = z (1) liefert :

14062 ⎡ ⎤ 0,0037 (1) u = ⎣0,0075⎦ 0,0094

Die Lösung von U u(1) = y(1) liefert : uu(1) ∞ = 0,0094

ω2

(1)

=

1 uu(1) ∞

= 106,67

⎡ ⎤ 0,400 (1) u x(1) = (1) = ⎣0,800⎦ uu ∞ 1,000    ω 2 (1) − ω 2 (0)   106,67 − 0,5      = 0,995 = 99,5% RDIF =  =   106,67  ω 2 (1) 2. Iterationsschritt ⎡ 15 z (2) = M x (1) = 103 ⎣ 0 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 0 0,400 6000 15 0 ⎦ ⎣0,800⎦ = ⎣12000⎦ 0 7,5 1,000 7500 ⎡

⎤ 6000 y (2) = ⎣14400⎦

Die Lösung von Ly (2) = z (2) liefert :

16500 ⎡ ⎤ 0,0043 u (2) = ⎣0,0091⎦ 0,0110

Die Lösung von U u (2) = y (2) liefert : uu(2) ∞ = 0,0110

ω2

(2)

=

1 uu(2) 



= 90,91

14.11 Iteration bei Eigenschwingungen



⎤ 0,386 x (2) = (2) = ⎣0,830⎦ uu ∞ 1,000    ω 2 (2) − ω 2 (1)   90,91 − 106,67      = 0,173 = 17,3% RDIF =  =    90,91 ω 2 (2) u (2)

3. Iterationsschritt ⎡ 15 0 z (3) = M x (2) = 103 ⎣ 0 15 0 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 0,386 5795,45 0 ⎦ ⎣0,830⎦ = ⎣12443,18⎦ 7,5 1,000 7500 ⎡

⎤ 5795,45 y (3) = ⎣14761,36⎦

Die Lösung von Ly (3) = z (3) liefert :

16725,85 ⎡ ⎤ 0,0043 u (3) = ⎣0,0093⎦ 0,0112

Die Lösung von U u (3) = y (3) liefert : uu(3) ∞ = 0,0112

ω2

(3)

=

1 uu(3) 



= 89,68

⎡ ⎤ 0,385 (3) u x (3) = (3) = ⎣0,832⎦ uu ∞ 1,000    ω 2 (3) − ω 2 (1)   89,68 − 90,91      = 0,014 = 1,4% RDIF =  =    89,68 ω 2 (3) 4. Iterationsschritt ⎡ 15 0 z (4) = M x (3) = 103 ⎣ 0 15 0 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 0,385 5770,70 0 ⎦ ⎣0,832⎦ = ⎣12477,71⎦ 7,5 1,000 7500 ⎡

⎤ 5770,70 y (4) = ⎣14785,98⎦

Die Lösung von Ly (4) = z (4) liefert :

16741,24 ⎡ ⎤ 0,0043 u (4) = ⎣0,0093⎦ 0,0112

Die Lösung von U u (4) = y (4) liefert : uu(4) ∞ = 0,0112

ω2

(4)

=

1 uu(4) 



= 89,60

755

756

14 Eigenwertaufgaben



⎤ 0,385 x (4) = (4) = ⎣0,832⎦ uu ∞ 1,000    ω 2 (4) − ω 2 (3)   89,60 − 89,68      = 0,0009 = 0,09% RDIF =  =    89,60 ω 2 (4) u (4)

Man könnte zum Schluss den Rayleigh-Quotienten anwenden, um das Ergebnis nochmals zu verbessern. Wegen des ohnehin sehr genauen Ergebnisses nach der 4. Iteration bringt es allerdings keine Verbesserung mehr: T

T

x (4) K x (4) = 1,80097 · 106 2 ωmin =

x (4) M x (4) = 20101

1,80097 · 106 = 89,60 20101

ωmin =



89,60 = 9,47 rad/s

Der Eigenvektor x = x(4) ist in Bild 14.3 b grafisch dargestellt.

14.11.2 Bestimmung der größten Eigenfrequenz Soll aus irgend einem Grunde nicht die kleinste sondern die größte Eigenfrequenz bestimmt werden, wird die Eigenwertaufgabe nach (14.33) zunächst umgeformt. Die Multiplikation von (14.33) auf beiden Seiten mit M −1 liefert das Eigenwertproblem in der Standardform: −1 M −1K = ω 2 M  M x

M −1K x = ω 2x



(14.37)

I

Die obige Beziehung ist identisch mit dem Eigenwertproblem von (14.18), wenn wir das Matrix2 produkt M −1K als A und ωmax als λ auffassen. Die Anwendung der Mises-Iteration nach Abs. 2 liefern. 14.9 auf (14.37) würde also die größte Eigenfrequenz ωmax Beispiel 14.14: Für den dreigeschossigen Rahmen in Beispiel 14.13 auf Seite 753 ist die größte Eigenkreisfrequenz ωmax in 4 Iterationsschritten zu berechnen. Das Ergebnis ist nach der 4. Iteration mit Hilfe des Rayleigh-Quotienten zu verbessern. Die Inverse der diagonalen Massenmatrix M ist besonders einfach: ⎡ ⎤ 0,6667 0 0 M −1 = 10−4 ⎣ 0 0,6667 0 ⎦ 0 ⎡

0

1,3333

⎤ 666,667 −266,667 0 M −1K = A = ⎣−266,667 533,333 −266,667⎦ 0 −533,333 533,333



⎤ 1 u (0) = ⎣ 1 ⎦ 2

14.11 Iteration bei Eigenschwingungen

Die l∞ -Norm des Startvektors ist uu(0) ∞ = 2. ⇒

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 0,5 1 x (0) = (0) = ⎣1⎦ = ⎣0,5⎦ 2 uu ∞ 2 1 u (0)

λ0 = uu(0) ∞ = 2

1. Iterationsschritt ⎡

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 666,667 −266,667 0 0,5 200,00 u (1) = Ax (0) = ⎣−266,667 533,333 −266,667⎦ ⎣0,5⎦ = ⎣−133,33⎦ 0 −533,333 533,333 1 266,67 uu(1) ∞ = 266,67

λ (1) = uu(1) ∞ = 266,67 ⎤ 0,75 (1) u x (1) = (1) = ⎣−0,50⎦ uu ∞ 1,00 ⎡

2. Iterationsschritt ⎡

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 666,667 −266,667 0 0,75 633,33 u (2) = Ax (1) = ⎣−266,667 533,333 −266,667⎦ ⎣−0,50⎦ = ⎣−733,33⎦ 0 −533,333 533,333 1,00 800,00 uu(2) ∞ = 800,00

λ (2) = uu(2) ∞ = 800,00 ⎡ ⎤ 0,7917 (2) u x (2) = (2) = ⎣−0,9167⎦ uu ∞ 1,0000 3. Iterationsschritt ⎡

u

(3)

= Ax

(2)

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 666,667 −266,667 0 0,7917 772,22 = ⎣−266,667 533,333 −266,667⎦ ⎣−0,9167⎦ = ⎣−966,67⎦ 0 −533,333 533,333 1,0000 1022,22

λ (3) = uu(3) ∞ = 1022,22 uu(3) ∞ = 1022,22 ⎡ ⎤ 0,7554 (3) u x (3) = (3) = ⎣−0,9457⎦ uu ∞ 1,0000 4. Iterationsschritt ⎡

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 666,667 −266,667 0 0,7554 755,80 u (4) = Ax (3) = ⎣−266,667 533,333 −266,667⎦ ⎣−0,9457⎦ = ⎣−972,46⎦ 0 −533,333 533,333 1,0000 1037,68

757

758

14 Eigenwertaufgaben

x3

m3 k3

x2 m2 k2

x1 m1 k1

a: Tragwerk

b: 2. Eigenform

Bild 14.4: Eigenschwingung des Rahmentragwerks in Beispiel 14.14

uu(4) ∞ = 1037,68 λ (4) = uu(1) ∞ = 1037,68 ⎡ ⎤ 0,7284 (4) u x (4) = (4) = ⎣−0,9372⎦ uu ∞ 1,0000 Der größte Eigenwert beträgt nach 4 Iterationen ω 2 = 1037,68. Der Rayleigh-Quotient bringt eine zusätzliche spürbare Steigerung der Genauigkeit: T

T

x (4) K x (4) = 2469,16 2 ωmax =

x (4) M x (4) = 2,41

2469,16 = 1024,5 2,41

ωmax =



1024,5 = 32,0 rad/s

Die mit Maple ermittelte größte Eigenfrequenz beträgt ωmax = 32,0 rad/s.

14.12 Inverse Iteration bei Stabilitätsaufgaben der Strukturmechanik Schlanke Bauwerke bzw. deren Tragelemente (z.B. Stützen von Hochhäusern, Stäbe von Fachwerken) können unter Druckbeanspruchung instabil werden, d.h. ihre Tragfähigkeit schlagartig verlieren. Dieser Verlust der Tragfähigkeit tritt unter Druckspannungen auf, die betragsmäßig weit unter der Streckgrenze des Werkstoffes liegen, z.B. bei lediglich 10% der Streckgrenze. Das Instabilwerden von Tragwerken bezeichnet man als Knicken, wenn es sich um Stabtragwerke handelt; bei Platten und Schalen spricht man vom Beulen des Flächentragwerks. Mathematisch werden all diese Phänomene durch folgende allgemeine Eigenwertaufgabe beschrieben: K − λK K g )xx = 0 (K

bzw.

Kx = λ K g x

Knick-/Beulproblem

(14.38)

14.12 Inverse Iteration bei Stabilitätsaufgaben der Strukturmechanik

759

K : Steifigkeitsmatrix, K g : geometrische Steifigkeitsmatrix, λ : kritische Lastamplitude. Der Vergleich von (14.38) mit (14.33) zeigt, dass beide Eigenwertaufgaben gleiche Struktur aufweisen. Deshalb können die Lösungsalgorithmen des Abschnitts 14.11.1, insbesondere der Tabelle 14.3 auf Seite 751 sinngemäß auf die Stabilitätsaufgabe angewandt werden, wenn die Massenmatrix M in Tabelle 14.3 durch die geometrische Steifigkeitsmatrix K g von (14.38) und ω 2 durch λ ersetzt werden. Beispiel 14.15: Ein Balken ist an einem Ende fest eingespannt und am anderen Ende durch eine axiale Druckkraft belastet. Die FEM-Modellierung des Balkens mit 1 Element liefert die unten angebene Matrizen des Eigenwertproblems (14.38). Es soll die kleinste Knicklast mit Hilfe der inversen Iteration in 3 Iterationsschritten berechnet werden.

d stan r Zu ickte n k e ausg

y

Nk

y(x)

L



1 K =⎣ 0 0

⎤ 0 0 12 −6 ⎦ −6 4



⎤ 0 0 0 Kg = ⎣ 0 1,2 −0,1 ⎦ 0 −0,1 0,1333

x

N

EI

Ausgangszustand



⎤ 1 u (0) = ⎣ 1 ⎦ 1

Die l∞ -Norm des Startvektors ist uu(0) ∞ = 1. ⇒

⎡ ⎤ 1 (0) u x(0) = (0) = ⎣ 1 ⎦ uu ∞ 1

λ (0) =

1 1 = =1 1 uu(0) ∞

1. Iterationsschritt ⎡

0 0 z (1) = K gx (0) = ⎣0 1,2 0 −0,1

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 1 0 −0,1 ⎦ ⎣1⎦ = ⎣1,1000⎦ 0,1333 1 0,0333 ⎡

Die Lösung von K u (1) = z (1) liefert : uu(1) ∞ = 0,5833

λ (1) =

⎤ 0 u (1) = ⎣0,3833⎦ 0,5833

1 = 1,7143 uu(1) ∞

λmin =?

760

14 Eigenwertaufgaben



⎤ 0 x (1) = (1) = ⎣0,6571⎦ uu ∞ 1,0000    λ (1) − λ (0)   1,7143 − 1,0      = 0,417 = 41,7% RDIF =  =   λ (1) 1,7143  u (1)

2. Iterationsschritt ⎡

0 0 (2) (1) ⎣ z = K gx = 0 1,2 0 −0,1

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 0 0 −0,1 ⎦ ⎣0,6571⎦ = ⎣0,6886⎦ 0,1333 1,0000 0,0676 ⎡

Die Lösung von K u (2) = z (2) liefert : uu(2) ∞ = 0,4119

λ (1) =

⎤ 0 u (2) = ⎣0,2633⎦ 0,4119

1 = 2,4278 uu(1) ∞

⎡ ⎤ 0 (2) u x (2) = (2) = ⎣0,6393⎦ uu ∞ 1,0000    λ (2) − λ (1)   2,4278 − 1,7143      = 0,294 = 29,4% RDIF =  =    λ (2) 2,4278 3. Iterationsschritt ⎡

0 0 z (3) = K gx (2) = ⎣0 1,2 0 −0,1

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 0 0 −0,1 ⎦ ⎣0,6393⎦ = ⎣0,6672⎦ 0,1333 1,0000 0,0694 ⎡

Die Lösung von K u (3) = z (3) liefert : uu(3) ∞ = 0,4030

λ (1) =

1 uu(1) ∞

⎤ 0 u (3) = ⎣0,2571⎦ 0,4030 = 2,482

⎡ ⎤ 0 (3) u x (3) = (3) = ⎣0,6380⎦ uu ∞ 1,0000    λ (3) − λ (2)   2,4815 − 2,4278      = 0,022 = 2,2% RDIF =  =   λ (3)  2,4815

14.13 Zusätzliche Beispiele

Durch Anwendung des Rayleigh-Quotienten kann der Eigenwert nochmals verbessert werden: T

T

x (3) K x (3) = 1,228 λmin =

x (3) K g x (3) = 0,494

1,228 = 2,486 0,494

Das exakte Maple-Ergebnis auf Seite 861 beträgt ebenfalls λmin = 2,486, d.h. die Konvergenz der Iteration nach Durchführung des Rayleigh-Quotienten ist exzellent. Anmerkung: Im vorliegenden Beispiel ist der Balken ist lediglich mit einem finiten Element diskretisiert worden. Die Finite Element Methode (FEM) ist selbst ein Näherungsverfahren, welches umso genauere Resultate liefert, je mehr Elemente verwendet werden. Daher ist bei der obigen Lösung ein gewisser Fehler gegenüber der exakten Knicklast nicht zu vermeiden – auf diesen strukturellen Fehler hat die numerische Iteration keinen Einfluss, auch das Maple-Ergebnis ist in dieser Hinsicht nur eine Näherung. Die exakte Lastamplitude, die sog. Eulersche Knicklast für den obigen Balken beträgt λ = π 2 EI/(2L)2 = 2,467. Bemerkenswert ist, dass die recht grobe Diskretisierung mit einem einzigen finiten Element ein durchaus brauchbares Resultat (=2,486) geliefert hat, der relative Fehler beträgt lediglich 0,77%.

14.13 Zusätzliche Beispiele Beispiel 14.16: Kleinster Eigenwert. Für das Eigenschwingungsproblem des Beispiels 14.5 auf Seite 726 soll die kleinste Eigenkreisfrequenz ω und der zugehörige Eigenvektor nach der Iterationsmethode unter Verwendung des unten angegebenen Startvektors u (0) berechnet werden. Einzuhaltende Iterationstoleranz für ω 2 ist ε = 0.01. ! " ! " ! " 1 12000 −2000 80 0 (0) K= M= u = 1 −2000 2000 0 40 Die kleinste Eigenfrequenz wird mit Hilfe der inversen Iteration nach Tabelle 14.2 auf Seite 748 ermittelt. 1. Iterationsschritt z(1) = M x(0) =

!

Lösung von K u ω2

(1)

=

80 0

(1)

1 uu(1) ∞

0 40 (1)

=z

= 31,25

"!



1 1

"

! = (1)

u

80 40 !

=

x (1) =

"

0,0120 0,0320

u (1) = uu(1) ∞

" !

uu(1) ∞ = 0,0320 0,3750 1,0000

"

761

762

14 Eigenwertaufgaben

2. Iterationsschritt z (2) = M x (1) =

!

uu(2) ∞ = 0,0270

30 40

"

ω2

K u (2) = z (2) (2)

=

1 uu(2) 



u (2) =

!

0,0070 0,0270

"

= 37,037

! " u (2) 0,2593 x = (2) = 1,0000 uu ∞    ω 2 (2) − ω 2 (1)   37,037 − 31,25      = 0,1562 > ε RDIF =  =  (2)   2 37,037 ω (2)

3. Iterationsschritt z

(3)

= Mx

(2)

! =

uu(3) ∞ = 0,0261

20,7407 40 ω2

" Ku

(3)

=

(3)

(3)

=z

u

(3)

! =

0,0061 0,0261

"

1 = 38,3523 (3) u u ∞

! " u (3) 0,2330 x = (3) = 1,0000 uu ∞    ω 2 (3) − ω 2 (2)   38,3523 − 37,037      = 0,0343 > ε RDIF =  =  (3)   2 38,3523 ω (3)

4. Iterationsschritt z

(4)

= Mx

(3)

! =

uu(4) ∞ = 0,0259

18,6364 40 ω2

"

(4)

Ku =

(4)

(4)

=z

1 = 38,664 uu(4) ∞

u

(4)

! =

0,0059 0,0259

! " u (4) 0,2267 x = (4) = 1,0000 uu ∞    ω 2 (4) − ω 2 (3)   38,6643 − 38,3523      = 0,0081 < ε  RDIF =  =  (4)   2 38,6643 ω  ωmin = 38,664 = 6,22 rad/s (4)

"

14.13 Zusätzliche Beispiele

Beispiel 14.17: Kleinster Eigenwert. Das Eigenschwingungsproblem einer Hochbaurahmenkonstruktion wird durch das Eigenwertproblem K x = ω 2 M x beschrieben, wobei K die Steifigkeitsmatrix und M die Massenmatrix, ω die Eigenkreisfrequenz und x den Eigenvektor bedeuten. Die für den Nachweis der Erdbebensicherheit benötigte kleinste Eigenfrequenz ω soll mit Hilfe der Mises-Iteration, ausgehend vom angegebenen Startvektor x (0) , berechnet werden (die zugehörigen inversen Matrizen K −1 und M −1 sind zwecks Arbeitserleichterung nachfolgend angegeben). ⎡

1,027 −0,467 K = 105 ⎣−0,467 0,933 0 −0,467

⎤ 0 −0,467⎦ 0,467



3 M = 104 ⎣0 0



0 2 0 ⎡

⎤ 1,786 1,786 1,786 K −1 = 10−5 ⎣1,786 3,929 3,929⎦ 1,786 3,929 6,071

⎡ ⎤ 1 x (0) = ⎣1⎦ 2

⎤ 0 0⎦ 1

0,333 M −1 = 10−4 ⎣ 0 0

0 0,5 0

⎤ 0 0⎦ 1

Das allgemeine Eigenwertproblem K x = ω 2 M x wird zunächst in ein spezielles Eigenwertproblem Ax = λxx überführt: K −1K x = ω 2 K −1M x 1 −1 x =K  M x ω2 A

⇒ x = ω 2 K −1M x ⇒

Ax = λxx

mit der Abkürzung

λ=

1 ω2



⎤ 0,5357 0,3571 0,1786 A = K −1M = ⎣ 0,5357 0,7857 0,3928 ⎦ 0,5357 0,7857 0,6071 Die Anwendung der Mises-Iteration liefert den größten Eigenwert λmax , aus dem dann 2 bestimmt werden kann. Bereits nach 3 Iterationen die kleinste Eigenfrequenz ωmin stellt sich befriedigende Konvergenz ein und man erhält folgendes Ergebnis (aufgrund der starken Konvergenz kann sogar auf die Berechnung des Rayleigh-Quotienten verzichtet werden): ⎡ ⎤ 0,4833 (3) x (3) = ⎣0,8610⎦ λmax = 1,542 1,0000 2 ωmin =

1 λmax

=

1 = 0,648 1,542

ωmin =

 0,648 = 0,805 rad/s

763

764

14 Eigenwertaufgaben

Beispiel 14.18: In Beispielen 14.13 auf Seite 753 und 14.14 auf Seite 756 wurden jeweils die kleinste und die größte Eigenkreisfrequenz, ωmin = ω1 bzw. ωmax = ω3 , berechnet. Es soll untersucht werden, ob die zugehörigen Eigenvektoren x 1 und x 3 die Orthogonalitätsbedingungen (14.15) auf Seite 736erfüllen. ⎡ ⎡ ⎤⎡ ⎤T ⎤ 1 −0,4 0 0,3845 0,7284 x T1K x 3 = ⎣0,8320⎦ · 107 ⎣−0,4 0,8 −0,4⎦ ⎣−0,9372⎦ = 793 0 −0,4 0,4 1,0000 1,0000

(a)

⎡ ⎡ ⎤⎡ ⎤T ⎤ 15 0 0 0,3845 0,7284 x T1M x 3 = ⎣0,8320⎦ · 103 ⎣ 0 15 0 ⎦ ⎣−0,9372⎦ = 4,8 0 0 7,5 1,0000 1,0000

(b)

Das Resultat sieht zunächst überraschend aus, weil es entgegen unserer Erwartung nicht Null ist! Das liegt daran, dass die Genauigkeit der Eigenvektoren noch nicht hoch genug ist (obwohl die Eigenwerte der Beispiele 14.13 und 14.14 sehr gut konvergiert sind). Trotzdem kann ingenieurmäßig von der Erfüllung der Orthogonalitätsbedingung gesprochen werden – zur Rechtfertigung betrachten wir folgende (sog. generalisierte) Größen: x T1K x 1 = 1,8 · 106

x T3K x 3 = 2,9 · 107

(c)

x T1M x 1 = 20100

x T3M x 3 = 28633

(d)

Der Vergleich der Zahlenwerte in (a) und (c) sowie derjenigen in (b) und (d) zeigt, dass die Zahlenwerte in (a) und (b) -relativ betrachtet- verschwindend klein sind gegenüber den generalisierten Größen in (c) und (d): x T1K x 3 793 = = 4,4 · 10−4 T 1,8 · 106 x1 Kx1

x T1K x 3 793 = = 2,7 · 10−5 T 2,9 · 107 x3 Kx3

xT1M x3 4,8 = 2,4 · 10−4 = 20100 x T1M x 1

xT1M x3 4,8 = 1,7 · 10−4 = 28633 x T3M x 3

Man kann also die Orthogonalitätsbedingungen mit ingenieurmäßiger Genauigkeit von (a) und (b) als erfüllt betrachten. Die Überprüfung der Orthogonalitätbedingungen mit Hilfe Maple zeigt, dass diese tatsächlich erfüllt sind, s. Beispiel auf Seite 863: x T1K x 3 = −0,82 · 10−3

x T1M x 3 = −0,77 · 10−6

14.14 Aufgaben

765

14.14 Aufgaben 1. Zeigen Sie, dass der angegebene λ -Wert und x -Vektor die Eigenwertaufgabe A x = λ B x erfüllen, d.h. dass sie ein Eigenwert und ein Eigenvektor sind. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1 −1 0 1 0 0 1 a) A = ⎣0 1 B = ⎣0 1 0⎦ λ = −1 x=⎣ 2 ⎦ 1⎦ ⎡

0

2 b) A = ⎣−1 0 ⎡ 6 c) A = ⎣−2 0

0

−1



−1 0 2 −1⎦ −1 1 ⎤ −2 0 4 −2⎦ −2

2



0

0

1 ⎤ 0 0⎦

1 0 B = ⎣0 1 0 0 1 ⎡ ⎤ 3 0 0 B = ⎣0 2 0⎦ 0 0 1



−4

⎤ 1,0000 λ = 1,555 x = ⎣ 0,4450 ⎦ −0,8019 ⎡ ⎤ 1,0 λ = 2,0 x = ⎣ 0,0 ⎦ −1,0

2. Berechnen Sie die Eigenwerte und Eigenvektoren der Matrix A . ! " 1 3 a) A = 2 1 ! " ! " 1 1 x x Lsg: λ1 = 3,45 λ2 = −1,45 1 = 2 = 0,816 −0,816 ! " −2 0 b) B = 1 4 ! " ! " 1 0 Lsg: λ1 = −2 λ2 = 4 x1 = x2 = −0,167 1 ! " 6 −2 c) C = −3 4 ! " ! " 1 1 Lsg: λ1 = 7,65 λ2 = 2,35 x1 = x2 = −0,823 1,823 A − λ B ) x = 0 mit den angegebenen Matrizen. 3. Lösen Sie die Eigenwertaufgabe (A ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 5 0 4 3 1 0 a) A = ⎣ 2 1 0 ⎦ B = ⎣ −1 −0,5 0 ⎦ −1 1 1 0 1 0 ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ −0,500 −0,286 λ2 = −2,0 x1 = ⎣ 1,000 ⎦ x2 = ⎣−0,429⎦ Lsg: λ1 = 1,8889 0,389 1,000 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 6 −2 0 3 0 0 b) A = ⎣−2 4 −2⎦ B = ⎣0 2 0⎦ 0 −2 2 0 0 1

766

14 Eigenwertaufgaben

Lsg: λ1 = 0,367 λ2 = 2,0 λ3 = 3,633 ⎡ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ ⎤ 0,333 1,0 0,333 x1 = ⎣ 0,816 ⎦ x2 = ⎣ 0,0 ⎦ x3 = ⎣ −0,816 ⎦ 1,000 −1,0 1,000 A − λ B) x = 0 4. Gesucht ist in der Eigenwertaufgabe (A ⎡ ⎤ ⎡ 6 −2 1 1 −1 a) A = ⎣ −2 B = ⎣ −1 4 −2 ⎦ 2 1 −2 2 0 0 λ =? ⎡

Lsg: λ = 3,4142 ⎤ ⎡ 6 −2 1 1 B = ⎣ −1 b) A = ⎣ −2 4 −2 ⎦ 1 −2 2 0 λ = 0,5858

a =?

der jeweils unbekannte Parameter. ⎤ ⎡ ⎤ 1 1,0000 x = ⎣ −0,1820 ⎦ 0 ⎦ 1

0,9645

⎤ −1 1 2 0 ⎦ 0 1



⎤ 0,1244 x = ⎣ 0,7693 ⎦ a

Lsg: a = 1,0

5. Mit Hilfe der Mises-Iteration bzw. der inversen Iteration sind der größte bzw. der kleinsA − λII )xx = 0 zu te Eigenwert und die zugehörigen Eigenvektoren der Eigenwertaufgabe (A berechnen. Der Startvektor u (0) und die Anzahl N der Iterationsschritte sind nachfolgend angegeben. Ferner soll überprüft werden, ob die berechneten Eigenvektoren die Orthogonalitätsbedingungen erfüllen. ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ 2 4 −1 −0.5 a) A = ⎣ −1 0,5 0,5 ⎦ N=5 u (0) = ⎣ −1 ⎦ −2 −0,5 0,5 2 Zunächst wird die Inverse von A gebildet: ⎡

⎤ 0,5455 1,2727 −0,1818 A −1 = ⎣ 1,2727 5,6364 −1,0909 ⎦ −0,1818 −1,0909 0,7273 Anm.: Statt der Berechnung der Inverse A −1 wäre die Lösung auch mit der LU-Zerlegung von A möglich, s. Abschnitt 14.10 und Beispiele 14.12 und 14.13. 1. Eigenwert und Eigenvektor: ⎡ ⎤ −0,2334 x 1 = ⎣ −1,0000 ⎦ λ1 = 0,1623 0,2085 Orthogonalitätsprüfung:

x T1x 3 = 0,2 · 10−5 

3. Eigenwert und Eigenvektor: ⎡ ⎤ 1,0000 x 3 = ⎣ −0,2908 ⎦ λ3 = 4,4218 −0,2754 x T1Ax 3 = 0,9 · 10−5



14.14 Aufgaben



6 b) A = ⎣ 3 −3

3 10 3 ⎡

767



⎤ 1 x (0) = ⎣ 1 ⎦ 1

⎤ −3 3 ⎦ 8

N=4

⎤ 0,3381 −0,1571 0,1857 A −1 = ⎣ −0,1571 0,1857 −0,1286 ⎦ 0,1857 −0,1286 0,2429 ⎡

λ1 = 1,709

⎤ 1,0000 x 1 = ⎣ −0,6445 ⎦ 0,7847

x T1x 3 = 0,0015 



λ3 = 12,282

⎤ 0,2636 x 3 = ⎣ 1,0000 ⎦ 0,4873

x T1Ax 3 = 0,0150 

Anm.: Mit mehr Iterationen würde die Genauigkeit der Eigenvektoren steigen und auch folglich würde die Orthogonalitätsbedingung noch besser erfüllt werden; z.B. nach 6 Iterationen liefert der Orthogonalitätscheck (alle Berechnungen mit 10 Dezimalstellen durchgeführt): x T1x 3 = 0,00003, x T1Ax 3 = 0,0003. ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 4 −2 0,5 1 c) A = ⎣ −2 x (0) = ⎣ 1 ⎦ N=3 3 −2 ⎦ 0,5 −2 4 1 ⎡

⎤ 0,4156 0,3636 0,1299 A −1 = ⎣ 0,3636 0,8182 0,3636 ⎦ 0,1299 0,3636 0,4156 ⎡

λ1 = 0,8238 x T1x 3 = 0,0139

⎤ 0,5447 x 1 = ⎣ 1,0000 ⎦ 0,5447



λ3 = 6,676

⎤ 0,9307 x 3 = ⎣ −1,0000 ⎦ 0,9307

x T1Ax 3 = 0,0185

6. Für das Eigenschwingungsproblem in Beispiel 14.5 auf Seite 726 soll die größte Eigenkreisfrequenz ω und der zugehörige Eigenvektor nach Mises-Iteration (s. Seite 756) unter Verwendung des angegebenen Startvektors u (0) berechnet werden. Einzuhaltende Genauigkeitstoleranz für ω 2 ist ε = 0.01. ! " ! " ! " 1 12000 −2000 80 0 (0) K= M= u = 1 −2000 2000 0 40 Die Iteration erfolgt analog zu Beipiel 14.14 auf Seite 756 und erfüllt die geforderte Genauigkeitstoleranz nach 5 Iterationen: ! " (5) 1,000 ω = 12,7 x2 = RDIF = 0,003 < 0,01  ω 2 = 161,06 −0,448

768

14 Eigenwertaufgaben

7. Die Eigenschwingung eines 3-Massen-Schwingers wird durch folgendes Eigenwertproblem beschrieben. ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ m1 0 −k2 0 0 k1 + k2 K − ω 2M ) x = 0 M = ⎣ 0 m2 0 ⎦ K = ⎣ −k2 (K k2 + k3 −k3 ⎦ 0 −k3 k3 0 0 m3 Federsteifigkeiten und Massen: k1 = 12 k2 = 8 ⎡ ⎤ 20 −8 0 K = ⎣−8 16 −8⎦ 0 −8 8

k3 = 8 ⎡

m1 = 10 m2 = 8 m3 = 4 ⎡ ⎤ 0,08333 0,08333 10 0 0 M = ⎣ 0 8 0⎦ K −1 = ⎣0,08333 0,20833 0,08333 0,20833 0 0 4

⎤ 0,08333 0,20833⎦ 0,33333

a) Ermitteln Sie die Matrix A , wenn diese allgemeine Eigenwertaufgabe in eine spezielle Eigenwertaufgabe der Form Ax = ω 2 x (zwecks Berechnung des größten Eigenwertes) überführt wird. ⎡ ⎤ 2,00 −0,80 0 Lsg: A = ⎣ −1,00 2,00 −1,00 ⎦ 0 −2,00 2,00 b) Ermitteln Sie die Matrix A, wenn diese allgemeine Eigenwertaufgabe in eine spezielle Eigenwertaufgabe der Form Ax = (1/ω 2 ) x (zwecks Berechnung des kleinsten Eigenwertes) überführt wird. ⎡

Lsg:

0,83333 A = ⎣ 0,83333 0,83333

0,66667 1,66667 1,66667

⎤ 0,33333 0,83333 ⎦ 1,33333

c) Lösen Sie mit Hilfe der Mises-Iteration die Eigenwertaufgabe nach der kleinsten und der größten Eigenkreisfrequenz ω 2 unter Verwendung des nachfolgenden Startvektors und für 3 Iterationsschritte: x (0) = [1; −1; 2]T 1. Eigenwert und Eigenvektor: ⎡ ⎤ 0,4018 2 = ω 2 = 0,327 x = ⎣ ωmin 0,8336⎦ 1 1 1,0000 Orthogonalitätsprüfung:

x T1K x 3 = 0,10

3. Eigenwert und Eigenvektor: ⎡ ⎤ 0,4196 2 = ω 2 = 3,68 x = ⎣ ωmax −0,8480⎦ 3 3 1,0000 x T1M x 3 = 0,03

15

Lösung von nichtlinearen Gleichungen

Eine nichtlineare Gleichung f (x) zu lösen bedeutet, diejenigen Werte der unabhängigen Variable x zu finden, für die f (x) = 0 gilt. Diese speziellen Werte von x können wir zwecks besserer Unterscheidung mit r bezeichnen (sog. Nullstellen bzw. roots). Wird die Funktionskurve y = f (x) im xy-Koordinatensystem wie in Bild 15.1 grafisch dargestellt, entspricht die Nullstelle r dem Schnittpunkt zwischen der Kurve und der x-Achse. In einfachen Fällen lässt sich eine nichtlineare Gleichung (NL-Gleichung oder NLG) auch mit Hilfe von Formelsammlungen lösen (wie z.B. die Wurzelformeln für quadratische oder kubische Gleichungen). y y=f(x)

r1

r2

r3

r4

x

Bild 15.1: Nullstelle einer nichtlinearen Funktion

In einzelnen Fällen kennt man die Nullstelle einer nichtlinearen Funktion einfach aus Erfahrung, z.B. dass x = 1 die Nullstelle von f (x) = ln x ist (s. auch Bild 2.4 auf Seite 52). Im allgemeinen wird es aber nicht möglich sein, eine NL-Gleichung auf Erfahrungsgrundlage oder mit Hilfe einer Formelsammlung zu lösen. In solchen Fällen ist der Einsatz numerischer Lösungsverfahren notwendig. Numerische Verfahren liefern immer eine Näherungslösung, deren Genauigkeit allerdings durch Erhöhungs der Iterationsschritte an die Erfordernisse der gestellten Aufgabe beliebig genau angepasst werden kann. Nachfolgend wird ein kleiner Einblick in diese numerischen Methoden gegeben.

15.1 Regula Falsi Die Methode regula falsi (»Methode der falschen Position«, auch Eingabelungsverfahren genannt) ist eine beliebte Iterationsmethode zur Bestimmung der Nullstelle r einer beliebigen Funktion f (x) = 0, s. Bild 15.2. Zum Starten der Iteration werden zwei x-Werte a und b benötigt, die so zu wählen sind, dass die zugehörigen Funktionswerte fa = f (a) und fb = f (b) unterschiedliches Vorzeichen haben (der eine Funktionswert positiv, der andere negativ). Dieser Vorzeichenwechsel stellt sicher, dass im Intervall [a, b] eine Nullstelle r der Funktion f (x) vorliegt, d.h. die Funktionskurve y = f (x) die x-Achse bei r schneidet.1 Zu den Startwerten a und b gehören die Punkte A = (a, fa ) und B = (b, fb ) auf der Funktionskurve. Die Verbindungsgerade L der Punkte A und B schneidet die 1 Das ist eine Folge des sog. Mittelwertsatzes der Infinitesimalrechnung.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_15

770

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

x-Achse an der Position x = c, welche eine eine verbesserte Schätzung für die gesuchte Nullstelle darstellt (verbessert deswegen, weil c näher an r liegt als a oder b). Der Wert von c läßt sich mit Hilfe der Steigung m der Verbindungsgerade von A und B bestimmen. y B

fb

y=f(x)

L

B1 c

a

r

c1

A1

P

fa

A

x

b

Bild 15.2: Regula Falsi (Eingabelungsverfahren)

Bestimmung von m aus dem Dreieck ABP :

m=

fb − fa b−a

fb b−c Gleichsetzen der beiden Beziehungen liefert die Bestimmungsformel für c: Bestimmung von m aus dem Dreieck cBb :

m=

fb − fa fb = b−a b−c ⇒ c= ⇒

fb a − fa b + ( fb b − fb b) b( fb − fa ) − fb (b − a) fb a − fa b = = fb − fa fb − fa fb − fa

c = b−

(b − a) fb fb − fa

(15.1)

Im 2. Iterationsschritt wird die nächste -noch genauere- Nullposition c1 bestimmt und diese neu berechnete Position der Variable c zugewiesen. Nach dem ersten Iterationsschritt müssen aber auch die Werte von a und b neu angepasst werden, um korrekt weiter iterieren zu können. Es muß nämlich festgestellt werden, in welchem Intervall sich die Nullstelle gerade befindet. Es existieren hierfür drei Möglichkeiten: a) sign fa = sign fc

( fa und fc haben gleiches Vorzeichen).

Die Nullstelle r befindet sich offensichtlich im Intervall [c, b]. Der alte Wert der Variable a

15.1 Regula Falsi

771

wird durch den aktuellen Wert von c ersetzt (b bleibt unverändert). Auch der alte Funktionswert fa muss jetzt durch einen neuen ersetzt werden: a := c, dann f (a) neu berechnen Der Punkt A wandert zur neuen Position A1 . Die verbesserte Nullstelle c ergibt sich nunmehr durch sinngemäße Anwendung von (15.1) auf das neue Intervall [a, b]. b) sign fb = sign fc

( fb und fc haben gleiches Vorzeichen).

Die Nullstelle r befindet sich in diesem Fall im Intervall [a, c]. In der Formel (15.1) wird diesmal die Variable b durch c ersetzt (a bleibt unverändert). Der Funktionswert fb wird neu berechnet. b := c, dann f (b) neu berechnen Der bisherige Punkt B wandert zur Position B1 . Die verbesserte Nullstelle c ergibt sich wieder aus (15.1). c) f (c) = 0 oder f (c) ≈ 0 Die Nullstelle r ist schon gefunden und es ist keine weitere Iteration mehr erforderlich. In der Praxis wird die Bedingung f (c) = 0 nur in Ausnahmefällen exakt erfüllt werden können, weil auf der reellen Zahlenachse unendlich viele Gleitkommazahlen existieren (ein Taschenrechner oder ein Computer kann Zahlen nur mit endlicher Genauigkeit darstellen). Deshalb verwendet man in der Praxis als Abbruchkriterium für die Iteration | f (c)| < ε, wobei ε die Toleranz bzw. Genauigkeitsschranke darstellt; sie ist eine kleine positive Zahl, z.B. ε = 0,01 oder aber auch ε = 1−6 , die in Anlehnung an die Anforderungen der zu lösenden Aufgabe vom Anwender zu wählen ist. Der Iterationsalgorithmus für regula falsi ist in Tabelle 15.1 zusammen gestellt. Anmerkungen: 1. Regula Falsi ist deutlich schneller als das sog. Bisektionsverfahren. Das Bisektionsverfahren basiert auf verketteter Halbierung des die Nullstelle enthaltenden Intervalls; es ist zwar besonders einfach zu handhaben, konvergiert jedoch langsamer. 2. In seltenen Fällen, z.B. bei einer extrem flach verlaufenden Funktionskurve, kann es in Kombination mit einer üblichen Toleranzvorgabe (z.B. ε = 10−3 bis ε = 10−2 ) vorkommen, dass der konvergierte Funktionswert fc die Toleranz zwar unterschreitet, die Genauigkeit der gefundenen Nullstelle jedoch noch eine gewisse Unschärfe besitzt. Zur Sicherstellung einer vollständigen Konvergenz wird daher für reale Anwendungen empfohlen, nicht nur die Bedingung | f (c)| < ε zu überprüfen, sondern auch die Änderungsrate der Nullstelle c zwischen zwei aufeinander folgenden Iterationsschritten zu überwachen. Eine Konvergenz ist dann garantiert, wenn die Bedingung (|(ck − ck−1 )/ck |) < ε ebenfalls erfüllt ist. Beispiel 15.1: Mit Hilfe von regula falsi sollen die zwei Nullstellen der nachfolgenden nichtlinearen Gleichung, s. Bild 15.3, ermittelt werden. f (x) = 1 − 10x e−x sin x

772

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen Tabelle 15.1: Algorithmus Regula Falsi zur Lösung der Gleichung f (x) = 0

EINGABE (INPUT): a, b : Intervallgrenzen beim Start der Iteration ε : Toleranz (Genauigkeitsschranke) N : maximale Anzahl der Iterationen. AUSGABE (OUTPUT): Nullstelle r von f (x) ALGORITHMUS: fa = f (a), fb = f (b) Funktionswert bei x = a und x = b for k = 1,2, · · · , N do c = b − (b − a) · fb /( fb − fa ) Verbesserte Nullstelle fc = f (c) Funktionswert bei x = c if | fc | < ε Konvergenz erreicht, Iteration abbrechen if sign fa = sign fc a = c, fa = fc else b = c, fb = fc end if end do r=c if | fc | > ε : Warnmeldung, dass Konvergenz nicht erreicht wurde

Die auf Nullstellen zu untersuchenden Intervalle sind als [0, 1] sowie [2, 5] vorgegeben. Die Genauigkeitsschranke (Toleranz) beträgt ε = 0,001. Die maximale Anzahl der Iterationsschritte ist N = 6. Iteration Regula Falsi im Intervall [0, 1] k a b fa fb c fc 0 0 1 1 −2.1 0.323 0.258 1 0.323 1 0.258 −2.1 0.397 −0.0326 2 0.323 0.397 0.258 −0.0326 0.389 0.0009 < ε

r = 0,389

Iteration Regula Falsi im Intervall [2, 5] k a b fa fb c fc 0 2.000 5.000 −1.46 1.32 3.57 1.42 1 2.000 3.574 −1.46 1.42 2.8 0.426 2 2.000 2.798 −1.46 0.426 2.62 0.0452 3 2.000 2.618 −1.46 0.0452 2.6 0.00336 4 2.000 2.599 −1.46 0.00336 2.6 0.000239 < ε

r = 2,6

15.2 Fixpunkt-Iteration

773

y

2

0

1

2

3

x

4

5

–2

Bild 15.3: Funktion y = 1 − 10x e−x sin x des Beispiels 15.1

15.2 Fixpunkt-Iteration Die Fixpunkt-Iteration ist ein konzeptionell einfaches Verfahren zur näherungsweisen Bestimmung der Nullstellen einer nichtlinearen Gleichung f (x) = 0. Dabei wird die Ausgangsgleichung f (x) = 0 zunächst mit Hilfe geeigneter Umformungen in die Form f (x) = 0



f (x) = h(x) − g(x) = 0



h(x) = g(x)

(15.2)

gebracht. Anschließend wird für die unbekannte Nullstelle x∗ ein Startwert x0 gewählt und in die rechte Seite g(x) von (15.2) eingesetzt. Der aus der Auswertung von g(x) mit x0 resultierende Zahlenwert g0 liefert eine neue Gleichung h(x) = g0 , deren Wurzel x1 mit einem geeigneten Verfahren zu bestimmen ist. Die gegenüber dem Startwert x0 verbesserte Nullstellenschätzung x1 wird danach erneut in die rechte Seite g(x) eingesetzt, dabei ein neuer Zahlenwert g1 = g(x1 ) berechnet und anschließend aus h(x) = g1 wieder ein weiter verbesserter Schätzwert x2 ermittelt. Diese Iterationsfolge liefert eine Zahlenfolge x0 , x1 , x2 , x3 , · · ·, welche gegen die gesuchte exakte Nullstelle x∗ konvergiert: g(x0 ) → g0

Lösung von

h(x) = g0

liefert x1

g(x1 ) → g1

Lösung von

h(x) = g1

liefert x2

g(x2 ) → g2

Lösung von

h(x) = g2

liefert x3

Die Verallgemeinerung dieser Rechenschritte liefert die Rechenvorschrift der Fixpunkt-Iteration:2 h(xk+1 ) = g(xk )

Fixpunkt-Iteration

(15.3)

Die Umformung von f (x) = 0 in die Gleichungsform h(x) = g(x) kann auf vielfältige Weise erfolgen – mit jeweils unterschiedlichem Ergebnis für h(x) und g(x). Deshalb kann die Zahlenfolge der Iterationswerte x1 , x2 , x3 , · · · jeweils auch unterschiedlich sein. Ebenso hängt die Konvergenzrate (oder ob der eingeschlagene Iterationsweg überhaupt konvergiert) vom jeweiligen h(x)/g(x)-Paar ab. 2 Der Name Fixpunkt-Iteration rührt daher, dass die linke und die rechte Seite von (15.2) für einen Fixpunkt x∗ , d.h. die Nullstelle, zueinander konvergieren.

774

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

Sonderfall: h(x) = x In diesem Fall erhalten wir aus (15.2) die zu lösende Gleichung wie folgt: x = g(x)

(15.4)

Die oben beschriebene Iterationsfolge liefert: x1 = g(x0 )

x2 = g(x1 )

x3 = g(x2 )

······

Die Iterationsformel ergibt sich für diesen Sonderfall somit zu: xk+1 = g(xk )

(15.5)

Abbruch der Iteration. Die Iteration kann als konvergiert betrachtet werden, wenn die relative Differenz RDIF der letzten zwei aufeinander folgenden Nullstellen eine vorgegebene Toleranz ε unterschreitet (für die Wahl von ε siehe die Ausführungen auf Seite 771):    xk+1 − xk   ε

Die Konvergenz wird in 6 Iterationsschritten nicht erreicht, weil die relative Differenz im 6. Iterationsschritt 0,013 beträgt und damit über der vorgegebenen Toleranz ε = 0,001 liegt. Die beim Abbruch der Iteration berechnete Nullstelle ist r = 0,3909. Die Lösungsfolge xk+1 ist aber offensichtlich konvergent und der Wert 0,3909 kann -trotz der Nichterfüllung der Tooleranz ε- als befriedigend angesehen werden. Die vorgegebene Toleranz ε = 10−3 wurde erst nach N = 11 Iterationsschritten erreicht (in der Tabelle nicht gezeigt). Die Konvergenzbedingung nach (15.6) wird für x∗ = 0,39 erfüllt: g (x) =

ex (sin x − cos x) 10 sin2 x

h (x) = 1

g (x∗ ) = −0,523

h (x∗ ) = 1

?

|g (x∗ )| < |h (x∗ )|

0,523 < 1 

b) Lösungsweg 2 Wir wählen folgende Umformung für f (x): h(x) = g(x)

mit

h(x) = sin x

g(x) =

ex 10x

775

776

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

Iteration nach (15.3) liefert: k 0 1 2 3 4 5 6

g(xk ) 0,4500 0,3417 0,4064 0,3631 0,3902 0,3725 0,3838

xk 0,3000 0,4667 0,3487 0,4185 0,3716 0,4009 0,3817

xk+1 0,4667 0,3487 0,4185 0,3716 0,4009 0,3817 0,3939

RDIF 0,357 0,338 0,167 0,126 0,073 0,050 0,031

Auch hier wird die Konvergenz in 6 Iterationsschritten nicht erreicht, die relative Differenz im letzten Iterationsschritt ist 0,031; die näherungsweise berechnete Nullstelle ist r = 0,3939. Die Lösungsfolge ist offensichtlich konvergent. Die vorgegebene Toleranz ε = 10−3 lässt sich erst nach N = 15 Iterationsschritten erreichen (in der Tabelle nicht gezeigt). Die Konvergenzbedingung nach (15.6) wird für x∗ = 0,39 erfüllt: g (x) =

10 ex (x − 1) 100 x2

h (x) = cos x

g (x∗ ) = −0,5594

h (x∗ ) = 0,9210

|g (x∗ )| < |h (x∗ )| 0,5594 < 0,9210  ?

c) Lösungsweg 3 Gewählte Umformung für f (x): h(x) = g(x) k 0 1 2 3 4 5 6

mit h(x) = ex

xk 0,3000 −0,1204 −1,9336 2,8947 1,9566 2,8975 1,9465

g(xk ) 0,8866 0,1446 18,0774 7,0754 18,1279 7,0038 18,1072

g(x) = 10x sin x xk+1 −0,1204 −1,9336 2,8947 1,9566 2,8975 1,9465 2,8963

ERR 3,492 0,938 1,668 0,479 0,325 0,489 0,328

Bei diesem h-g-Paar stellt sich kein konvergierendes, sondern ein alternierendes Verhalten bei der Folge von x-Werten ein (Pingpong-Effekt, s. Seite 774). Der relative Fehler im letzten Iterationsschritt ist 32,8%. Die Konvergenzbedingung nach (15.6) wird im Bereich der Nullstelle x∗ = 0,439

15.3 Newton-Verfahren für Nullstellenbestimmung

777

nicht erfüllt: g (x) = 10 sin x + 10 x cos x h (x) = ex ?

g (x∗ ) = 7,578

h (x∗ ) = 1,492

|g (x∗ )| < |h (x∗ )|

7,578 > 1,492 

15.3 Newton-Verfahren für Nullstellenbestimmung Unter der Lösung einer Gleichung oder Funktion versteht man die Bestimmung ihrer Nullstellen. Mathematisch ausgedrückt bedeutet die Lösung der Gleichung f (x) = 0 die Bestimmung des Wertes (oder der Werte) der Variable x, für den/die diese Gleichung erfüllt ist. Anschaulich bedeutet die Lösung von f (x) = 0 das Auffinden der Kreuzungspunkte der Funktionskurve y = f (x) mit der x-Achse. Für einfach aufgebaute Gleichungen bzw. für komplizierter gestaltete Gleichungen, die jedoch auf die einfachen Formen zurückgeführt werden können, existieren Standardformeln oder sie lassen sich mit ausreichender Erfahrung lösen. In anspruchsvollen technischen Anwendungen hingegen treten oft nichtlineare Gleichungen auf, die sich nicht auf einfache Formen zurückführen lassen bzw. für die keine anderweitigen geschlossenen Lösungsformeln existieren. Äußerst wichtige ingenieurtechnische Fragestellungen, z.B. die Flugsteuerung von fliegenden Objekten, Tragfähigkeit von Konstruktionen im elasto-plastischen Bereich oder die Stabilität von Tragwerken, können nur mit Hilfe von fortgeschrittenen Computermethoden, z.B. Finite Elemente Methode FEM, beantwortet werden. Das fundamentale Merkmal aller Computermethoden ist, dass sie numerisch arbeiten – im Gegensatz zu analytischen Lösungen. Eine numerische Lösung liefert stets die Lösung nur des einen konkreten Problems; man operiert nur mit Zahlen, nicht mit Variablen. Am Ende erhält man also als Ergebnis eine (oder mehrere) Zahlen, keine Formeln! Für die Lösung solcher Problemstellungen hat sich das Newton-Verfahren gut bewährt und daher in der Praxis häufig eingesetzt. Basis des Newton-Verfahrens Bild 15.4 zeigt schematisch eine nichtlineare Funktion y = f (x), welche die x-Achse bei xs schneidet. Die Position xs ist also die Nullstelle von f (x). Die Lösung der Gleichung f (x) bedeutet, die Variable x so zu bestimmen, dass f (x) gleich Null wird: f (x) = 0 −→ x =? Das Newton-Verfahren3 ist ein iteratives Verfahren, d.h. die Lösung wird durch sich wiederholende Schritte nach einem vorgeschriebenen Muster erreicht, wobei sich die Güte der Lösung bei jedem Iterationsschritt verbessert. Zum Anstoßen der Newtonschen Iteration wird ein Startwert x0 gewählt. Dieser Startwert besitzt die Bedeutung einer allerersten groben Schätzung für die gesuchte Nullstelle. Von der 3 Isaac Newton (1642 − 1727) : Universal-Gelehrter, Zeitgenosse und Kontrahent von G.W. Leibniz. Newton entdeckte die nach ihm benannten Gesetze der Mechanik.

778

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

y

P

y0

y=f(x)

f0

f1

y1 y2 y3

f3

f2

x3 x2

xs

T0

a1

a0 x1

x0

x

Bild 15.4: Newton-Verfahren

Geschicklichkeit bei der Wahl des Startwertes hängt die Iterationsgeschwindigkeit und sogar der Erfolg oder Fehlschlag des Newton-Verfahrens ab. Das Einsetzen des Schätzwertes x0 in die Funktion f (x) liefert den zugehörigen Funktionswert f0 (bzw. y0 ). Auf der Funktionskurve liegt also der Punkt P = (x0 , y0 ). Die Steigung der Tangente am Punkt P ergibt sich aus der ersten Ableitung der Funktion, nämlich als f  (x0 ). Jetzt kann man die Gleichung der Tangente T0 entsprechend der Punktsteigungsform einer Geraden aufstellen (vgl. Seite 422): tan α0 =

f0 ≡ f  (x0 ) x0 − x 1

Gleichung der Tangente: T0 :

y = f (x0 ) + f  (x0 ) · (x − x0 )

Der Schnittpunkt der Tangente T0 mit der x-Achse, d.h. die Koordinate x1 , wird aus der Bedingung y = 0 bestimmt: 0 = f (x0 ) + f  (x0 ) · (x1 − x0 )



x1 = x0 −

f (x0 ) f  (x0 )

Unter Verwendung einer abgekürzten Schreibweise für Funktionswerte ergibt sich folgende Form der obigen Beziehung: x1 = x0 −

f0 f0

mit f0 ≡ f (x0 )

f0 ≡ f  (x0 )

Jetzt kann man in analoger Weise die Koordinate x2 bestimmen, danach x3 usw. Die verbesserte Nullstelle xi im i-ten Iterationsschritt ergibt sich aus folgender Beziehung: xi = xi−1 −

fi−1  fi−1

i = 1,2,3, . . .

mit fi−1 ≡ f (xi−1 )

 fi−1 ≡ f  (xi−1 )

(15.7)

15.3 Newton-Verfahren für Nullstellenbestimmung

779

Konvergenz und Abbruchkriterium für die Iteration Die Newton-Iteration wird beim Unterschreiten einer vorher festgelegten Genauigkeitsschranke abgebrochen. In diesem Fall spricht man von der Konvergenz der Iteration. Beim Vorliegen der Konvergenz ist die Funktion f (x) an der zuletzt erreichten Position xn (nach der i-ten Iteration) näherungsweise gleich Null: f (xi ) ≈ 0

Sollwert beim Erreichen der Konvergenz

Die zum Abbruch der Iteration verwendete Genauigkeitsschranke (sog. Toleranz TOL) ist eine sehr kleine Zahl, z.B. TOL= 10−5 . Um über einen evtl. Abbruch der Iteration entscheiden zu können, muss die aktuelle Genauigkeit mit der Toleranz verglichen werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, den erreichten Genauigkeitsgrad zu definieren. Hier wird nur das einfachste Kriterium vorgestellt: | fi | < TOL

Kriterium für den Abbruch der Iteration

Dieses Kriterium besagt, dass die Iteration abgebrochen wird, wenn der aktuelle Absolutwert | fi | der Funktion unterhalb der Toleranzschwelle TOL liegt, d.h. praktisch Null ist. In der Spezialliteratur gibt es noch schärfere (und fortgeschrittenere) Kriterien für die Feststellung der Konvergenz, deren Erörterung über die Zielsetzung dieses Buches jedoch hinausgehen würde. Iterations-Algorithmus beim Newton-Verfahren Für die Bestimmung der Nullstelle xs einer beliebigen Gleichung f (x) = 0 nach dem NewtonVerfahren wird der in Tabelle 15.2 beschriebene Iterations-Algorithmus angewandt: Tabelle 15.2: Newtonscher Iterations-Algorithmus

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die erste Ableitung f  (x) der Funktion f (x) aufstellen. Toleranz TOL (Genauigkeitsschranke) festlegen, z.B. TOL=10−5 Startwert x0 möglichst sinnvoll schätzen. Funktionswert f0 und Ableitungswert f0 berechnen. Iterationsindex i = 1 setzen. Verbesserung der Nullstellenabschätzung : xi = xi−1 −

fi−1  fi−1

7. 8.

fi und fi an der neuen Position xi berechnen. Überprüfung der Konvergenz: Wenn | fi | ≤ TOL : Konvergenz erreich; zum Schritt 9 gehen

9. 10.

Die gesuchte Nullstelle ist näherungsweise : xs ≈ xi Iteration beenden.

Wenn

| fi | > TOL :

i um 1 erhöhen und zum Schritt 6 gehen

780

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

Vorteile des Newton-Verfahrens 1. Es konvergiert sehr schnell (quadratische Konvergenz). 2. Es ist in einfacher Weise auf simultane nichtlineare Gleichungssysteme anwendbar und bietet somit in der FEM (Finite Elemente Methode) große Vorteile. Nachteile des Newton-Verfahrens 1. Neben dem Funktionswert f (x) wird auch die erste Ableitung f  (x) benötigt. 2. Bei nicht-monotonen Funktionen kann es divergieren bzw. auch total versagen! Beispiele für solche Fälle sind: a. Bei einer antimetrischen und gleichzeitig rechts gekrümmten Funktion im positiven x-Bereich kann bei unglücklicher Wahl der Startposition x0 ein zyklisches (unendliche Schleife) bzw. divergentes Verhalten auftreten. In Beispiel 15.4 auf Seite 781 wird diese Situation demonstriert. b. Wenn in einem Iterationsschritt die Tangente waagerecht verläuft, d.h. die erste Ablei = 0 wird, tritt Division durch Null auf (s. Beispiel 15.5 auf Seite 782): tung fi−1 xi = xi−1 −

fi−1 =∞  0

Weitere numerische Verfahren Es gibt eine beträchtliche Anzahl von weitere numerischen Methoden zur Nullstellensbestimmung von beliebigen Funktionen. Nur beispielhaft seien einige wenige erwähnt: - Regula falsi - Intervallhalbierung - Sekantenverfahren - Modifiziertes Newton-Raphson-Verfahren - Horner-Schema (nur für Polynome)

Beispiel 15.3: Die Nullstelle der Funktion f (x) = x2 − ex ist mit Hilfe des Newton-Verfahrens zu bestimmen. Die absolute Toleranzvorgabe ist TOL= 10−4 . Die Ableitung der Funktion ist f  (x) = 2x − ex . Die Iteration wird zweckmäßigerweise tabellarisch aufbereitet. Als Startwert wird x0 = 0 gewählt. Mit dem Algorithmus nach Tabelle 15.2 erhalten wir: i 0 1 2 3 4

xi 0,0000 −1,0000 −0,7330 −0,7038 −0,7035

fi −1,0000 0,6321 0,0568 0,0006 0,00006

fi −1,0000 −2,3679 −1,9465 −1,9023 −1,9018

?

| fi | < TOL nein nein nein nein ja

15.3 Newton-Verfahren für Nullstellenbestimmung

Beispiel 15.4: Konvergenzverhalten der Newton-Iteration. Für die Funktion f (x) = 5 arctan x wird die Newton-Iteration mit drei verschiedenen Startwerten x0 gestartet: a) x0 = 1,2, b) x0 = 1.391745, c) x0 = 1.5. Die tatsächliche Nullstelle liegt bei x = 0. Das nachfolgende Bild zeigt das Konvergenzverhalten für die drei Fälle.

konvergentes Verhalten

zyklisches Verhalten

divergentes Verhalten

Bei konvergentem Verhalten wird die gesuchte Nullstelle mit jeder Iteration ein Stück

781

782

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

enger eingekreist. Bei zyklischem Verhalten verfängt sich die Iteration in einer unendlichen Schleife (locking-in). Bei divergentem Verhalten entfernt sich die errechnete Nullstelle mit jeder Iteration ein Stück weiter von der tatsächlichen Nullstelle. Die Startposition x0 = 1.391745 stellt den Übergang von konvergentem zu divergentem Verhalten dar. Rein zyklisches Verhalten ist in der Praxis eher selten, dafür ist divergentes Verhalten weitaus häufiger. Beispiel 15.5: Waagerechte Tangente. Bei der Lösung der Gleichung f (x) = x − tan x + 1 nach dem Newton-Verfahren soll als Startwert x0 = 0 gewählt werden. f0 = f (0) = 0 − tan 0 + 1 = 0 − 0 + 1 = 1 1 1 1 f0 = f  (0) = 1 − = 1− 2 = 0 2 2 cos x cos 0 1 Wegen f0 = 0 verläuft die Tangente bei x0 = 0 also waagerecht. Die nächste Verbesserung der Nullstelle ergibt sich aus (15.7) auf Seite 778: f = 1−

x1 = x0 −

f0 1 = 0− = ∞   f0 0

Iteration geht ab hier nicht mehr weiter!

Schon im ersten Iterationsschritt tritt also Divergenz auf.

15.4 Technische Beispiele

15.4 Technische Beispiele Beispiel 15.6: Gasbehälter. Ein Gasbehälter besteht aus einem zylindrischen Teil und √ einer Halbkugel. Die Zylinderhöhe h ist mit dem Radius r über die Bedingung h = r verknüpft. Wie groß muss r sein, damit der Behälter das Volumen V = 1000 m3 hat? Die Lösung ist mit dem Newton-Verfahren und der Toleranz TOL= 10−3 durchzuführen.

r

V

h

Das Volumen des Behälters ergibt sich aus: 2 3 πr 3

V=

√ πr2 r 

+

Volumen des Kugelteils

=

2 3 πr + πr2,5 3

Volumen des Zylinderteils

Die Funktion f (r), deren Nullstelle gesucht wird, lautet mit V = 1000: 1000 =

2 3 πr + πr2,5 3



2 f (r) = πr3 + πr2,5 − 1000 3

Die Ableitung der Funktion f (r) ist: f  (r) = 2πr2 + 2,5 πr1,5 Den Startwert r0 für den Radius kann man auf vielfältige Weise abschätzen. Hier basiert unsere Schätzung darauf, dass bei der Volumenberechnung nur der Halbkugelteil des Behälters betrachtet wird, weil die Halbkugel gegenüber dem Zylinder überwiegt: 1000 =

2 3 πr 3 0



r0 = 7,8159

Die tabellarische Übersicht der Newton-Iteration nach dem Algorithmus auf Seite 779 ist nachfolgend gegeben. i

ri

fi

fi

0

7,8159

536,5240

555,4453

1

6,8500

58,9759

435,6262

2

6,7146

1,0653

419,9341

3

6,7120

0,0004



Bmrkg.

| fi | < TOL

Der √ gesuchte Radius ist also r = 6,712 m. Daraus folgt die Höhe des Zylinderteils mit h = 6,712 = 2,5908 m. Zur Kontrolle setzen wir diese Werte in die Volumenformel und erhalten V = 999,98 m3 ≈ 1000 m3 .

783

784

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

Beispiel 15.7: Newton-Verfahren für Balkendurchbiegung. Ein einfeldriger Biegebalken ist an seinem linken Ende gelenkig gelagert und am rechten Ende eingespannt. Die Belastung ist die konstante Streckenlast q . Der Verlauf des Biegemomentes M und der Durchbiegung w über die Balkenlänge ist durch folgende Funktionen gegeben. Gesucht ist der Größtwert des Biegemoments und der Durchbiegung.     x 3x3 2x4 qL4 qL2 3x x2 − − + 4 w(x) = − M(x) = 2 4L L2 48EI L L3 L (a) E : Elastizitätsmodul des Werkstoffs I : Trägheitsmoment des Querschnitts w q x w(x) L Beidseitig Eingespannter Balken unter konstanter Streckenlast q

Die Position xM des größten Moments Mmax lässt sich aus der Extremalbedingung (3.40) auf Seite 119 bestimmen:   3 2x qL2  − M (x) = (b) =0 ⇒ xM = 0,375 L 2 4L L2 Einsetzen von xM in die Formel (a) liefert das maximale Biegemoment: qL2 Mmax = 2



3 · 0,375L (0,375L)2 − 4L L2

 =

9 qL2 128

Auf analoge Weise lässt sich die Position xw der größten Durchbiegung ebenfalls aus (3.40) ermitteln:   qL3 9x2 8x3 w (x) = (c) 1− 2 + 3 = 0 48EI L L Die Nullstelle der Funktion w (x) in (c) könnte in geschlossener Form berechnet werden. Es soll hier jedoch nicht analytisch, sondern numerisch bestimmt werden. Hierfür soll das Newton-Verfahren benutzt werden. Die Funktion, deren Nullstelle gesucht wird, lautet:     9x2 8x3 18x 24x2 f (x) := w (x) = 1 − 2 + 3 = 0 ⇒ f  (x) := w (x) = − 2 + 3 L L L L

15.4 Technische Beispiele

Die Newton-Iteration wird tabellarisch durchgeführt: i

xi /L

fi = wi

fi = wi

0

0,2000

0,7040

−2,6400

1

0,4667

−0,1470

−3,1733

2

0,4204

0,0004

−3,3256

3

0,4215

≈0





xw ≈ 0,4215 L

Einsetzen von xw in (a) liefert die größte Durchbiegung wmax : wmax =

qL4 48EI



0,4215 L 3(0,4215 L)3 2(0,4215 L)4 − + L L3 L4

 =

2 qL4 369 EI

Beispiel 15.8: Newton-Verfahren für Balkendurchbiegung. Ein beidseitig gelenkig gelagerter Balken wird durch eine linear veränderliche Streckenlast q(x) = q0 x/L belastet. Der Verlauf der Durchbiegung w(x) über die Balkenlänge ist durch folgende Gleichung gegeben: # $ 7x 10x3 3x5 ql 4 w(x) = − 3 + 5 360EI L L L E : Elastizitätsmodul des Werkstoffs q = 100 kN/m

L = 2m

I : Trägheitsmoment des Querschnitts I = 1,71 · 10−6 m4

E = 2,1 · 108 kN/m2

Gesucht ist die maximale Durchbiegung des Balkens. y

q(x)

EI

q0

x L

Gelenkig gelagerter Balken unter linear veränderlicher Streckenlast q(x)

Die Position der maximalen Durchbiegung wird gemäß der Extremalbedingung (3.40) auf Seite 119 bestimmt: # $ 3 2 4 30x qL 15x 7− 2 + 4 w (x) = =0 (a) 360EI L L Die Funktion f (x), deren Nullstelle gesucht wird, lautet somit (der Term vor der Klam-

785

786

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

mer in (a) ist für die Nullstelle ohne Belang und kann weggelassen werden): # $ 30x2 15x4  =0 f (x) = w (x) = 7 − 2 + 4 L L Die dimensionslose Nullstelle x/L der Funktion f (x) wird mit dem Newton-Verfahren bestimmt.   60x 60x3 1 60x 60x3  + 3 f (x) = 0 − 2 + 4 = − L L L L L Als Startposition wird x/L = 0,2 gewählt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die schnelle Konvergenz des Newton-Verfahrens. i

xi /L

fi

fi

0

0,2000

5,8240

−11,5200/L

1

0,7056

−4,2171

−21,2594/L

2

0,5072

0,2753

−22,6032/L

3

0,5194

−0,0001

−22,7564

0,5193

−10−7

−22,7559

3

⇒ Nullstelle:

x = 0,5193 L

Die maximale Durchbiegung ergibt sich dann zu: max w =

qL4 qL4 7 · 0,5193 − 10 · 0,51933 + 3 · 0,51935 = 0,00652 360EI EI

Mit den vorliegenden Zahlenwerten erhält man: max w = 0,00652

100 · 2,04 = 0,029 m ≡ 29 mm 2,1 · 108 · 1,71 · 10−6

15.5 Zusätzliche Beispiele

15.5 Zusätzliche Beispiele Beispiel 15.9: Mit Hilfe von regula falsi soll die nichtlineare Gleichung f (x) = 1 − 10x e−x cos x gelöst werden. Die auf Nullstellen zu untersuchenden Intervalle sind [0, 1] sowie [1, 2]. Die Genauigkeitsschranken (Toleranz) ist ε = 0,001. Die maximale Anzahl der Iterationsschritte beträgt N = 6. Nullstellensuche im Intervall [a,b]=[0.000000, 1.000000] k a b fa fb c fc 0 0.000 1.000 1 -0.988 0.503 -1.66 1 0.000 0.503 1 -1.66 0.189 -0.535 2 0.000 0.189 1 -0.535 0.123 -0.0791 3 0.000 0.123 1 -0.0791 0.114 -0.0101 4 0.000 0.114 1 -0.0101 0.113 -0.00128 5 0.000 0.113 1 -0.00128 0.113 -0.00016 Die Nullstelle ist : r=0.112657 (Konvergenz erreicht) Nullstellensuche im Intervall [a,b]=[1.000000, 5.000000] k a b fa fb c fc 0 1.000 5.000 -0.988 0.904 3.09 2.41 1 1.000 3.088 -0.988 2.41 1.61 1.12 2 1.000 1.608 -0.988 1.12 1.28 -0.00248 3 1.285 1.608 -0.00248 1.12 1.29 0.000114 Die Nullstelle ist : r=1.28564 (Konvergenz erreicht)

y

2

0

1

2

x

3

4

5

–2

Beispiel 15.10: Mit Hilfe von Fixpunkt-Iteration soll die nichtlineare Gleichung f (x) = 5 ln x − x gelöst werden. Als Startposition ist x0 = 2 zu verwenden. Einzuhaltende Toleranz beträgt ε = 0,001 . a) Lösungsweg 1 f (x) = h(x) g(x)

mit h(x) = x

g(x) = 5 ln x

787

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

Iteration nach (15.5) mit Startposition x0 = 2 liefert die Nullstelle r = 12,7063: k x_k g(x_k) 0 2.0000 3.4657 1 3.4657 6.2146 2 6.2146 9.1345 3 9.1345 11.0603 4 11.0603 12.0168 5 12.0168 12.4315 6 12.4315 12.6012 7 12.6012 12.6690 8 12.6690 12.6958 9 12.6958 12.7063 Konvergenz erreicht

x_(k+1) 3.4657 6.2146 9.1345 11.0603 12.0168 12.4315 12.6012 12.6690 12.6958 12.7063

ERR 0.4229 0.4423 0.3197 0.1741 0.0796 0.0334 0.0135 0.0053 0.0021 0.0008

4

y

788

2

0

2

4

6

x

8

10

12

14

–2

Es ist auffallend, dass die Iteration –trotz der in der Nähe der ersten Nullstelle gewählten Startposition– gegen die zweite Nullstelle konvergiert. Die Ursache hierfür ist die Konvergenzbedingung (15.6), welche für die erste Nullstelle x = 1,3 nicht erfüllt wird. Für die zweite Nullstelle x = 12,7 dagegen ist die Konvergenzbedingung erfüllt: g (x) =

5 x

h (x) = 1

g (1,3) = 3,846 g (12,7) = 0,3937

h (1,3) = 1 h (12,7) = 1

?

|g | < |h | ?

|g | < |h |

3,846 < 1  0,3937 < 1 

Der Trick, die Konvergenz gegen die erste Nullstelle x∗ = 1,3 z.B. dadurch zu erzwingen, indem die Startposition kleiner als 1,3 gewählt wird, z.B. x0 = 1,2 , funktioniert nicht; die Iteration bricht ab wegen Logarithmus mit negativem Argument (probieren Sie es aus!). b) Lösungsweg 2 f (x) = h(x) g(x)

mit

h(x) = 5 ln x

g(x) = x

Diesmal gelingt es, die erste Nullstelle zu ermitteln. Iteration nach (15.5) mit Startposition x0 = 2 liefert die Nullstelle r = 1,2961:

15.6 Aufgaben

k x_k g(x_k) 0 2.0000 2.0000 1 1.4918 1.4918 2 1.3477 1.3477 3 1.3093 1.3093 4 1.2994 1.2994 5 1.2968 1.2968 Konvergenz erreicht

x_(k+1) 1.4918 1.3477 1.3093 1.2994 1.2968 1.2961

789

ERR 0.3406 0.1070 0.0293 0.0077 0.0020 0.0005

Konvergenzbedingung nach (15.6) wird im Bereich der Nullstelle x∗ = 1,3 erfüllt: 5 x

g (x) = 1

h (x) =

g (1,3) = 1

h (1,3) = 3,846

?

|g | < |h |

1 < 3,846 

Beispiel 15.11: Newton Iteration. Ausgehend von der Startposition x0 = 0 soll mit Hilfe des NewtonVerfahrens die Nullstelle xs der Funktion y = (5x − 1)e−2x ermittelt werden. f = (5x − 1)e−2x

f  = (7 − 10x)e−2x

i

xi = xi−1 − fi / fi

fi

fi

0

0,000

−1,000

7,000

1

0,143

−0,214

4,185

2

0,194

−0,020

3,433

3

0,200

≈ 0,0



xs = 0,2

15.6 Aufgaben 1. Bestimmen Sie eine Nullstelle r der angegebenen Funktion mit regula falsi im angegeben Intervall. Toleranz ε = 10−3 . a) f (x) = x sin x − 2 b) f (x) =

x + 2 − ex

c) f (x) = x − 1 − sin x

[4,0; 8,0]

Lsg: r = 6,59

[1,0; 1,5]

Lsg: r = 1,15

[1,0; 3,0]

Lsg: r = 1,93

2. Bestimmen Sie eine Nullstelle r der angegebenen Funktion mit der Fixpunkt-Iteration (Startposition x0 angegeben). Toleranz ε = 10−3 . Überprüfen Sie die Konvergenzbedingung (15.6) für jede Aufgabe. a) f (x) = tanh x − ln x √ b) f (x) = x − x + 5

x0 = 2 x0 = 2

Lsg: r = 2,6936 Lsg: r = 2,7911

790

15 Lösung von nichtlinearen Gleichungen

c) f (x) = x −

1 sin x

x0 = 1,5

Lsg: r = 1,1139

3. Die Fixpunkt-Iteration konvergiert nicht für folgende Gleichungen (Startwert x0 ). Zeigen Sie mit Hilfe der Konvergenzbedingung (15.6), dass das auch zu erwarten wäre. a) f (x) = x − 3 sin x

mit

b) f (x) = x − 2 cos x

mit h(x) = x

c) f (x) = x −

x2 3

h(x) = x

mit h(x) = x

g(x) = 3 sin x g(x) = 2 cos x g(x) =

x2 3

cos x

x0 = 2 x0 = 1 x0 = 2

4. Bestimmen Sie die Nullstelle r folgender Funktionen im angegeben Intervall. Toleranz ε = 10−3 .   1 2 a) f (x) = x sinh −5 [0,3; 0,7] Lsg: r = 0.4221 x   1 2 b) f (x) = x cosh −5 [1,5; 3,0] Lsg: r = 1,9778 x 5. Lösen Sie folgende Gleichungen im angegebenen Intervall mit Hilfe des Newton-Verfahrens. Die Startposition x0 für die Iteration kann im angegebenen Intervall frei gewählt werden. c)

x − tan x = 0

4,4 ≤ x ≤ 4,6

Lsg: x = 4,493

d)

1,7 ≤ x ≤ 2,5

Lsg: x = 2,029

1,4 ≤ x ≤ 3,0

Lsg: x = 1,763

f)

x + tan x = 0 1 − ln x = 0 x e2x − sin x − 4 = 0

0,5 ≤ x ≤ 1,2

Lsg: x = 0,774

g)

x2 + sin x − 1

0 ≤ x ≤ 1,5

Lsg: x = 0,637

h)

x tan x − 2

0,7 ≤ x ≤ 1,5

Lsg: x = 1,077

i)

tan(sin x) − 1

0,5 ≤ x ≤ 1,5

Lsg: x = 0,903

j)

x sin2 x − 0,5

Lsg: x = 0,864

k)

ex − 4

Lsg: x = 1,386

e)

16

Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme

In Abschnitt 5.6.1 auf Seite 269 hatten wir das Gauß-Eliminationsverfahren kennen gelernt, welches einer der grundlegendsten Algorithmen zur Lösung eines linearen Gleichungssystems mit n Unbekannten x1 , x2 , x3 , · · · , xn ist. In diesem Kapitel lernen wir noch einige weitere Lösungsverfahren, die in der Praxis eine wichtige Rolle spielen. Das zu lösende lineare Gleichungssystem lautet Ax = b

(16.1)

mit der Koeffizientenmatrix A , der rechten Seite b und dem Vektor x der Unbekannten: ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ ⎡ ⎤ b1 x1 a11 a12 . . . a1n ⎢ b2 ⎥ ⎢ x2 ⎥ ⎢ a21 a22 . . . a2n ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎥ ⎥ ⎢ b = x = A=⎢ . ⎢ ⎢ . ⎥ ⎥ ⎥ .. .. .. .. . ⎣ ⎣ ⎦ ⎦ ⎣ .. . . . . . ⎦ an1

an2

. . . ann

bn

xn

Es wird vorausgesetzt, dass in A alle Hauptdiagonalelemente von Null verschieden sind (aii = 0, i = 1,2, · · · , n); ggf. muss das durch Vertauschen der Zeilen des Gleichungssystems sichergestellt sein. Für die Lösung von (16.1) stehen sowohl direkte und als auch iterative Lösungsverfahren zur Verfügung, von denen einige nachfolgend besprochen werden. Bei direkten Verfahren kann die maximal erforderliche Anzahl von Rechenoperationen a priori angegeben, zumindest sehr gut abgeschätzt, werden. Dadurch ist es möglich, die Rechenzeit für die Lösung der Gleichungssystems im voraus näherungsweise zu ermitteln. Bei iterativen Verfahren ist eine solche Abschätzung nicht möglich; die Anzahl der Iterationen und somit die Rechenzeit hängt von Eigenschaften der Koeffizientenmatrix A ab, z.B. von ihrer Konditionszahl, sowie von der Wahl des Startvektors x 0 . Musteraufgabe. Für die Demonstration der nachfolgend angebeben Lösungsverfahren wird folgendes lineares Gleichungssystem als Musteraufgabe verwendet. ⎡ Ax = b

2 ⎣ −0.2 0.2

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 4 −0.2 0.2 x1 1 0.4 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ x3 6 0.4 2

16.1 LU-Faktorisierung Die LU-Faktorisierung ist ein direktes und mit der Gauß-Eliminationsmethode verwandtes Verfahren. Dessen Ausgangspunkt ist die Möglichkeit, die Koeffizientenmatrix A in (16.1) als Pro-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_16

792

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme

dukt von zwei Dreiecksmatrizen darzustellen. A = LU

(16.2)

L ist eine untere (lower) und U eine obere (upper) Dreiecksmatrix. Je nach ihrer Struktur unterscheidet man bei der LU-Faktorisierung zwischen den Verfahren von Doolittle, Crout und Cholesky, die nachfolgend besprochen werden. In jedem dieser Verfahren werden die Elemente von L und U zeilenweise (von der ersten zur letzten Zeile) und in jeder Zeile von der ersten zur letzten Spalte hin ermittelt. 16.1.1 Doolittle-Verfahren Beim Doolittle-Verfahren besteht die Hauptdiagonale der unteren Dreiecksmatrix L aus lauter Einsen. Die Zerlegung von A sieht dann wie folgt aus: A = LU ⎡ a11 a12 ⎢ a21 a22 ⎢ ⎢ . .. ⎣ .. . 

an1

an2



. . . a1n . . . a2n .. .. . . . . . ann





⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎦ ⎣



1 l21 .. . ln1

⎤ ⎡ ... 0 u11 ⎢ 0 ... 0 ⎥ ⎥ ⎢ .. ⎥ ⎢ .. . ⎦ ⎣ . ln2 . . . 1 0

 0 1 .. .

L

A

. . . u1n . . . u2n .. .

u12 u22 .. . 0



. . . unn

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(16.3)



U

Für die Bestimmung der Elemente von L und U werden die Matrizen L und U in (16.3) miteinander multipliziert. Auf diese Weise erhält man zunächst: a11 = u11 a21 = l21 u11 an1 = ln1 u11

a12 = u12

· · · a1n = u1n

a22 = l21 u12 + u22

· · · a2n = l21 u1n + u2n

an2 = ln1 u12 + ln2 u22

· · · ann =

n−1

(a)

∑ lnk ukn + unn

k=1

Die Umstellung der Beziehungen (a) nach den unbekannten l- und u-Termen liefert: u11 = a11

u12 = a12

· · · u1n = a1n

l21 = a21 /u11 .. .

u22 = a22 − l21 u12 .. .

· · · u2n = a2n − l21 u1n .. .

ln1 = an1 /u11

ln2 = (an2 − ln1 u12 )/u22

· · · unn = ann − ∑ lnk ukn

(16.4)

n−1 k=1

Das lineare Gleichungssystem (16.1) lässt sich gemäß der Zerlegung (16.2) schreiben als: Ax =b



LU x = b

(16.5)

16.1 LU-Faktorisierung

793

Tabelle 16.1: Doolittle-Verfahren zur Lösung von A x = b

LU-Faktorisierung: A = LU i = 1,2, · · · , n j = 1,2, · · · , n   j−1 1 li j = ai j − ∑ lik uk j ujj k=1

für j < i

lii = 1 i−1

ui j = ai j − ∑ lik uk j

für j ≥ i

k=1

Bestimmung von x und y i−1

yi = bi − ∑ lik yk

i = 1,2, · · · , n

k=1

xi =

1 uii

  n yi − ∑ uik xk

i = n, · · · ,2,1

k=i+1

Die Lösung des Gleichungssystems (16.5) erfolgt in zwei Schritten: 1. Durch Einführung eines neuen Vektors y anstelle des Produktes U x , d.h. y = U x , läßt sich (16.5) in ein neues lineares Gleichungssystem transformieren:

l21 .. .

0 1 .. .

⎤⎡ ... 0 ⎢ ... 0 ⎥ ⎥⎢ .. ⎥ ⎢ . ⎦⎣

y1 y2 .. .

ln1

ln2

... 1

yn

⎡ L  U x =b



Ly =b

y

⎢ ⎢ ⎢ ⎣

1





⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎦ ⎣

b1 b2 .. .

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

bn

Die Lösung des obigen Gleichungssystems Ly = b nach y ist besonders einfach, weil L eine Dreiecksmatrix ist. Die Abarbeitung der Gleichungen von oben nach unten liefert: 1 · y1 = b1



y 1 = b1

l21 y1 + 1 · y2 = b2



l31 y1 + l32 · y2 + 1 · y3 = b3

y2 = b2 − l21 y1 ⇒

y3 = b3 − l31 y1 − l32 y2

· · · · · · usw.

2. Nachdem y bestimmt wurde, kann U x = y nach x gelöst werden. Auch dieser Schritt ist einfach, weil U eine Dreiecksmatrix ist. Die Abarbeitung der Gleichungen in U x = y von unten nach oben liefert: ⎡ U x =y

⎢ ⎢ ⎢ ⎣

u11 0 .. .

u12 u22 .. .

. . . u1n . . . u2n .. .

0

0

. . . unn

⎤⎡ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎦⎣

x1 x2 .. . xn





⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎦ ⎣

y1 y2 .. . yn

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

794

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme n

xn =

yn unn

xn−1 =

yn−1 − un−1,n xn un−1,n−1

···

x1 =

y1 − ∑ u1k xk k=2

u11

Der Algorithmus für das Doolittle-Verfahren ist in Tabelle 16.1 wiedergegeben. Beispiel 16.1: Mit Hilfe des Doolittle-Verfahrens ist die auf Seite 791 angegebene Musteraufgabe zu lösen. Die LU-Faktorisierung von A gemäß Tabelle 16.1 liefert: u11 = a11 = 2

u12 = a12 = −0,2

u13 = a13 = 0,2

l21 = a21 /u11 = −0,2/2 = −0,1 u22 = a22 − l21 u12 = 1 − (−0,1) (−0,2) = 0,98 u23 = a23 − l21 u13 = 0,4 − (−0,1)(0,2) = 0,42 l31 = a31 /u11 = 0,2/2 = 0,1 l32 = (a32 − l31 u12 )/u22 = (0,4 − (0,1) (−0,2))/0,98 = 0,4286 u33 = a33 − l31 u13 − l32 u23 = 2 − (0,1)(0,2) − (0,4286)(0,42) = 1,8 Die untere sowie die obere Dreiecksmatrix lauten jetzt: ⎡

1 L = ⎣ −0,1 0.1

⎤ 0 0 ⎦ 1

0 1 0,4286



⎤ 2 −0.2 0.2 U = ⎣ 0 0,98 0,42 ⎦ 0 0 1,8

Zunächst wird der Vektor y durch Vorwärtssubstitution berechnet: ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ 4 1 0 0 y1 L y = b : ⎣ −0,1 1 0 ⎦ ⎣ y2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ 0.1

0,4286

1

y3

6

⎤ ⎡ ⎤ 4 y1 ⇒ ⎣ y2 ⎦ = ⎣ 2,4 ⎦ y3 4,5714 ⎡

Durch Rückwärtssubstitution kann jetzt der Lösungsvektor x berechnet werden: ⎡ U x =y :

2 ⎣ 0 0

−0.2 0,98 0

x3 = 4,5714/1,8 = 2,5397

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 4 0.2 x1 0,42 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2,4 ⎦ x3 4,5714 1,8 ⇒ x2 = (2,4 − 0,42x2 )/0,98 = 1,3605

⇒ x1 = (4 + 0,2x2 − 0,2x3 )/2 = 1,8821

16.1 LU-Faktorisierung

795

16.1.2 Crout-Verfahren Eine mit dem Doolittle-Verfahren eng verwandte Variation der LU-Faktorisierung ist das CroutVerfahren. Dieses Verfahren unterscheidet sich vom Doolittle-Verfahren lediglich dadurch, dass die Hauptdiagonale der oberen Dreiecksmatrix U (anstelle von L ) durchgehend aus »1« besteht. A = LU ⎡ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ 

a11 a21 .. .

a12 a22 .. .

an1

an2



. . . a1n . . . a2n .. .. . . . . . ann





⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎦ ⎣



... ...

0

l11 l21 .. .

l22 .. .

ln1

ln2



. . . lnn

L

A

0 0 .. .

⎤⎡ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎦⎣ 

1 u12 0 1 .. .. . . 0 0

. . . u1n . . . u2n .. . ...

1

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(16.6)



U

Analoges Vorgehen wie im Abschnitt 16.1.1 führt zum in Tabelle 16.2 angegebenen Algorithmus des Crout-Verfahrens. Tabelle 16.2: Crout-Verfahren zur Lösung von A x = b

LU-Faktorisierung: A = LU i = 1,2, · · · , n

j = 1,2, · · · , n

j−1

li j = ai j − ∑ lik uk j uii = 1 ui j =

1 lii

für j ≤ i

k=1



i−1

ai j − ∑ lik uk j k=1

Bestimmung von x und y   i−1 1 yi = bi − ∑ lik yk lii k=1 n

xi = yi − ∑ uik xk k=i+1

 für j > i

i = 1,2, · · · , n i = n, · · · ,2,1

Beispiel 16.2: Mit Hilfe des Crout-Verfahrens ist die auf Seite 791 angebene Musteraufgabe zu lösen. Die LU-Faktorisierung der Koeffizientenmatrix gemäß Tabelle 16.2 liefert: l11 = a11 = 2

796

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme

u12 = a12 /l11 = −0,2/2 = −0,1 l21 = a21 = −0,2

u13 = a13 /l11 = 0,2/2 = 0,1

l22 = a22 − l21 u12 = 1 − (−0,2)(−0,1) = 0,98

u23 = (a23 − l21 u13 )/l22 = (0,4 − (−0,2) (0,1))/0,98 = 0,4286 l31 = a31 = 0,2

l32 = a32 − l31 u12 = 0,4 − (0,2)(−0,1) = 0,42

l33 = a33 − l31 u13 − l32 u23 = 2 − (0,2)(0,1) − (0,42)(0,4286) = 1,8 ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎡ ⎤⎡ 1 −0.1 0.1 x1 4 2 0 0 ⎣ −0,2 0,98 1 0,4286 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ 0 ⎦⎣ 0 6 x3 0 0 1 0.2 0,42 1,8



 L

U

Bestimmung von y : ⎡ Ly =b :

2 ⎣ −0,2 0.2

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 4 0 0 y1 ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ = y2 2 ⎦ 0,98 0 y3 0,42 1,8 6

⎤ ⎡ ⎤ 2 y1 ⇒ ⎣ y2 ⎦ = ⎣ 2,449 ⎦ y3 2,5397 ⎡

Bestimmung von x : ⎡ U x =y :

1 ⎣ 0 0

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 2 −0.1 0.1 x1 1 0,4286 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2,449 ⎦ x3 2,5397 0 1

⎤ ⎡ ⎤ 1,8821 x1 ⇒ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 1,3605 ⎦ x3 2,5397 ⎡

16.2 Cholesky-Verfahren Für Matrizen, die sowohl symmetrisch als auch positiv definit1 sind (wegen positiver Definitheit von Matrizen siehe Seite 732), kann die LU-Faktorisierung des Abschnitts 16.1 in eine noch einfachere Variante umgewandelt werden, die als Cholesky-Verfahren bekannt ist. Beim CholeskyVerfahren läßt sich die Koeffizientenmatrix A faktorisieren als: A = L LT 1 Beispiel für eine symmetrisch/positiv-definite Matrix: Steifigkeitsmatrix K eines stabilen Tragwerkes (Brücke, Hochhaus usw.), dessen Starrkörperbewegung mit Hilfe geeigneter Auflagerbedingungen unterbunden ist.

16.2 Cholesky-Verfahren

⎡ ⎢ ⎢ ⎢ ⎣ 

a11 a21 .. .

a12 a22 .. .

an1

an2



. . . a1n . . . a2n .. .. . . . . . ann





⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ ⎦ ⎣



... ...

0

l11 l21 .. .

l22 .. .

ln1

ln2



0 0 .. .

. . . lnn

⎤⎡ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎥⎢ ⎦⎣ 

l11 0 .. .

l21 l22 .. .

0

0

L

A

. . . ln1 . . . un2 .. . ...

lnn

797

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦

(16.7)



LT

Anmerkung: Die L -Matrix in (16.7) ist nicht dieselbe wie die L -Matrix des Abschnitts 16.1. Analoges Vorgehen wie bei Doolittle und Crout liefert den Algorithmus des Cholesky-Verfahrens in Tabelle 16.3: Tabelle 16.3: Cholesky-Verfahren zur Lösung von A x = b

Faktorisierung: A = LL T i = 1,2, · · · , n  lii =

i−1

2 aii − ∑ lik

1 li j = ljj



k=1

j−1



ai j − ∑ lik l jk

für j < i

k=1

Bestimmung von x und y   i−1 1 bi − ∑ lik yk yi = lii k=1   n 1 xi = yi − ∑ lki xk lii k=i+1

i = 1,2, · · · , n i = n, · · · ,2,1

Anmerkung: Bei der Computer-Implementation des Cholesky-Verfahrens kann auf die Speicherung von L T im RAM-Speicher verzichtet werden. Wo immer ein Element von L T benötigt wird, kann nach Vertauschung des Zeilenindex und des Spaltenindex des aktuellen Feldelementes auf die Matrix L zugegriffen werden (das ist in der letzten Zeile der Tabelle (16.3) bei der Bestimmung des Vektors x geschehen – statt lik wird dort lki verwendet). Beispiel 16.3: Mit Hilfe des Cholesky-Verfahrens ist die auf Seite 791 angebene Musteraufgabe zu lösen (für Maple-Lösung s. Seite 865). Die LLT -Faktorisierung der Koeffizientenmatrix gemäß Tabelle 16.3 liefert: l11 = l22 =



a11 =





2 = 1,4142

2 = a22 − l21



l21 =

1 1 (−0,2) = −0,1414 a21 = l11 1,4142

1 − (−0,1414)2 = 0,9899

798

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme

l31 =

1 1 (0,2) = 0,1414 a31 = l11 1,4142

1 1 (0,4 − 0,1414 · (−0,1414)) = 0,4243 (a32 − l31 l21 ) = l22 0,9899   2 + l2 ) = l33 = a33 − (l31 2 − (0,14142 + 0,42432 ) = 1,3416 32 ⎡ ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 1,4142 −0.1414 0.1414 x1 4 1.4142 0 0 ⎣−0,1414 0,9899 0,98991 0,4243⎦ ⎣x2 ⎦ = ⎣2⎦ 0 ⎦⎣ 0 l32 =



0.1414

0,4243

1,3416

L



0

0

1,3416



x3

6

LT

Die Lösung der Gleichungssysteme L y = b und L T x = y liefert: ⎡

1.4142 L y = b : ⎣ −0,1414 0.1414

⎤ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 4 0 0 y1 0,9899 0 ⎦ ⎣ y2 ⎦ = ⎣ 2 ⎦ y3 6 0,4243 1,3416

⎤ ⎡ ⎤ 2,8284 y1 ⇒ ⎣ y2 ⎦ = ⎣ 2,4244 ⎦ y3 3,4073 ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤⎡ 2,8284 1,4142 −0.1414 0.1414 x1 LT x = y : ⎣ 0 0,98991 0,4243 ⎦ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 2,4244 ⎦ x3 3,4073 0 0 1,3416 ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ 1,8821 x1 ⇒ ⎣ x2 ⎦ = ⎣ 1,3605 ⎦ x3 2,5397 ⎡

16.3 Gauß-Seidel-Iteration Zur Herleitung der Gauß-Seidel-Iterationsmethode wird die Matrix A in (16.1) als Summe von drei Matrizen dargestellt: L +U U A = D +L

(16.8)

Hierbei ist D eine Diagonalmatrix, die aus den Diagonalelementen von A gebildet wird. L ist eine untere Dreiecksmatrix, die aus den unteren Außerdiagonalelementen von A besteht. Auf ähnliche Weise ist U eine obere Dreiecksmatrix, die aus den oberen Außerdiagonalelementen

16.3 Gauß-Seidel-Iteration

799

von A gebildet wird: ⎡

a11 ⎢ 0 ⎢ D=⎢ . ⎣ .. 0

0 a22 .. .

... ...

0 0 .. .

0

...

ann

⎤ ⎥ ⎥ ⎥ ⎦



0 ⎢ a21 ⎢ L=⎢ . ⎣ .. an1

D = diag (a11 , a22 , · · · , ann )

⎡ ⎤ 0 ... 0 ⎢0 . . . 0⎥ ⎢ ⎥ .. ⎥ U = ⎢ .. ⎣. ⎦ .

0 0 .. .

L=

an2

... 0

 ai j

für i > j

0

für i ≤ j

... ...

0

...

ai j

für i < j

0

für i ≥ j

0  U=

⎤ a1n a2n ⎥ ⎥ .. ⎥ (16.9) . ⎦

a12 0 .. .

0 (16.10)

L +U U in (16.1) und anschließende Umformung liefert: Einsetzen von A = D +L D +L L +U U)x = b (D

Lx −U U x) x = D −1 (bb −L

L x −U Ux Dx = b −L

(a)

Aus der Beziehung (a) folgt die nachfolgende Iterationsformel:2   U x (k−1) L x k −U x k = D −1 b −L

k = 1,2,3, · · ·

Lx (1) −U U x (0) ) z.B.: x (1) = D −1 (bb −L

Gauß-Seidel-Iteration

Lx (2) −U U x (1) ) x (2) = D −1 (bb −L

(16.11)

···

Weil D eine Diagonalmatrix ist, gilt für die Inverse D −1 = diag (1/a11 ,1/a22 , · · · , 1/ann ). Bei der Aufstellung von (16.11) ist vom Umstand Gebrauch gemacht worden, dass für die Matrix L , deren Elemente ja alle unterhalb der Hauptdiagonalen platziert sind, die im aktuellen Iterationsschritt k bereits ermittelten Näherungswerte der Vektors x(k) verwendet werden können. Für die Multiplikation mit U steht lediglich der Vektor x(k−1) aus dem vorausgehenden Iterationsschritt (k − 1) zur Verfügung. Computer-Implementation Die für Programmierung benötigte Komponentenschreibweise der Iterationsformel (16.11) lautet: (k) xi

1 = aii



i−1

bi − ∑

j=1

(k) ai j x j −

n



j=i+1

 (k−1) ai j x j

i = 1,2, · · · , n

k = 1,2,3, · · · (16.12)

Diese Formel beinhaltet bereits die Zusammensetzung der Matrix A entsprechend (16.8) aus drei Matrizen. Ein für die Computerimplementation geeigneter Algorithmus ist in der Tabelle 16.4 wiedergegeben.

2 Verfahren wie die Gauß-Seidel-Iteration, bei denen stets die brandaktuellen Werte der Unbekannten im nächsten Arbeitsschritt sofort wieder verwendet werden, heißen Einzelschrittverfahren, im Gegensatz zu den sog. Gesamtschrittverfahren, z.B. das Jacobi-Verfahren.

800

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme Tabelle 16.4: Gauß-Seidel-Iteration zur Lösung von A x = b EINGABE (INPUT) A , b , Startvektor x (0) ε : Toleranz (Genauigkeitsschranke) N : maximale Anzahl der Iterationen. AUSGABE (OUTPUT) Näherungslösung x (k) ALGORITHMUS for k = 0,1,2, · · · , N − 1 do for i = 1,2, · · · , n do (k) xi

1 = aii



i−1

bi − ∑

j=1

(k) ai j x j −

n



j=i+1

 (k−1) ai j x j

end do end do

 (k)   x − x(k−1)   i  i RDIF = max   (k)  i  x

i = 1,2, · · · , n

i

Alternatives Vorgehen für Handrechnungen Für Handrechnungen ist ein der eigentlichen Iteration vorausgehender Zwischenschritt zweckmäßiger. Dabei werden alle Zeilen des linearen Gleichungssystems nacheinander durch das Hauptdiagonalelement der jeweiligen Zeile dividiert. Für die i-te Zeile z.B. liefert die Division durch das Diagonalelement aii : ai1 x1 + ai2 x2 + · · · + aii xi + · · · + ain xn = bi ⇒

| · a−1 ii

ai1 ai2 ain bi x1 + x2 + · · · + 1 · xi + · · · + xn = aii aii aii aii     a∗i1

a∗i2

a∗i1 x1 + a∗i2 x2 + · · · + xi + · · · + a∗in xn = b∗i

a∗in

b∗i

(16.13)

Dieser als Normalisierung bezeichnete Vorgang liefert eine neue Matrix A ∗ , deren sämtliche Diagonalelemente gleich 1 sind. An die Stelle des Gleichungssystems Ax = b tritt somit das gleichwertige normalisierte System ein: Ax = b



A ∗x = b ∗

16.3 Gauß-Seidel-Iteration

801

Die Koeffizientenmatrix A ∗ wird wieder als Summe von drei n × n-Matrizen dargestellt: L∗ +U U∗ A ∗ = I +L wobei I die Einheitsmatrix ist. Unter Beachtung der allgemeien gültigen Beziehungen I −1 = I M beliebige quadratische Matrix) erhält man in Anlehnung an (16.11) folgende und I M = M (M Iterationsformel: L∗ x (k) −U U ∗ x (k−1) x (k) = b ∗ −L

k = 0,1,2,3, · · ·

(16.14)

Wahl des Startvektors x (0) . Es bleibt noch die Frage zu klären, wie der Startvektor x (0) zu wählen ist, damit die Iteration möglichst rasch konvergiert. Darauf gibt es leider keine eindeutige Antwort, es hängt einfach von der Problemstellung ab. Als pragmatisches Vorgehen wird folgender Weg empfohlen: 1. Wenn überhaupt nichts bekannt ist, kann x (0) = 0 gewählt werden. 2. Bei Aufgaben der Strukturmechanik, z.B. der Baustatik, kann x (0) durch eine zwar grobe aber ingenieurmäßig logische Skizzierung der zu erwartenden Verformungen des Bauwerks abgeschätzt werden.

Beispiel 16.4: Mit Hilfe der Gauss-Seidel-Iteration in 4 Iterationsschritten ist die auf Seite 791 angegebene Musteraufgabe zu lösen und der relative Fehler der Lösung gegenüber der exakten Lösung x exakt zu ermitteln. Die Maple-Lösung ist auf Seite 866 angegeben.  x exakt = 1,8821

1,3605

T 2,5397

Das Gleichungssystem wird gemäß (16.13) normalisiert und dann mit der Iterationsformel (16.14) gelöst. Bei der Multilikation L ∗ x (k+1) werden immer die brandaktuellen bekannten Werte von x (k+1) im aktuellen Schritt verwendet. In der unten angegeben Iteration sind diese aktuellen Werte farbig hervorgehoben. L ∗ und U ∗ werden gemäß (16.9) ermittelt: ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎤ 1 −0,1 0,1 2 0 A ∗ = ⎣−0,2 b ∗ = ⎣2⎦ x (0) = ⎣0⎦ 1 0,4⎦ 0,1 ⎡ 1 I = ⎣0 0

0 1 0

0,2 ⎤ 0 0⎦ 1

1

3 ⎡

0 0 L ∗ = ⎣−0,2 0 0,1 0,2

0 ⎤ 0 0⎦ 0



0 U ∗ = ⎣0 0

⎤ −0,1 0,1 0 0,4⎦ 0 0

802

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme

Iterationsschritt k = 1 : ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 −0,1 · 0 + 0,1 · 0 2 2 ⎣ 2⎦ − ⎣ ⎦−⎣ ⎦ = ⎣ 2,4 ⎦ −0,2 · 2 0,4 · 0 0,1 · 2 + 0,2 · 2,4 0 2,32 3



   b∗

L ∗x (1)

U ∗x (0)

x (1)

Iterationsschritt k = 2 : ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 −0,1 · 2,4 + 0,1 · 2,32 2,0080 2 ⎣ 2⎦ − ⎣ ⎦−⎣ ⎦ = ⎣1,4736⎦ 0,4 · 2,32 −0,2 · 2,008 0,1 · 2,008 + 0,2 · 1,4736 0 2,5045 3



   b∗

L ∗x (2)

U ∗x (1)

x (2)

Iterationsschritt k = 3 : ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 2 0 −0,1 · 1,4736 + 0,1 · 2,5045 1,8969 ⎣ 2⎦ − ⎣ ⎦−⎣ ⎦ = ⎣1,3776⎦ 0,4 · 2,5045 −0,2 · 1,8969 3 0,1 · 1,8969 + 0,2 · 1,3776 0 2,5348



   b∗

L ∗x (3)

U ∗x (2)

x (3)

Iterationsschritt k = 4 : ⎡ ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎤ ⎡ ⎤ 2 1,8843 0 −0,1 · 1,3776 + 0,1 · 2,5348 ⎣2⎦ − ⎣ ⎦−⎣ ⎦ = ⎣1,3631⎦ −0,2 · 1,8843 0,4 · 2,5348 3 2,5390 0,1 · 1,8843 + 0,2 · 1,3631 0  



 b∗

L ∗x (4)

U ∗x (3)

Die relative Differenz RDIF zwischen dem 3. und 4. Iterationsschritt beträgt:     < ;  1,8843 − 1,8969   1,3631 − 1,3776   2,5390 − 2,5348        RDIF = max  ; ;  1,8843 1,3631 2,5390 = max {0,006686; 0,0108; 0,0017} = 0,0108 = 1,08% Gegenüber der exakten Lösung beträgt der größte Fehler:     < ;  1,8821 − 1,8843   1,3605 − 1,3631   2,5397 − 2,5390        ERR = max  ; ;  1,8821 1,3605 2,5397 = max {0,001169; 0,001911; 0,000276} = 0,001911 = 0.2%

x (4)

16.4 Zusätzliche Beispiele

803

16.4 Zusätzliche Beispiele Beispiel 16.5: Das nolgende lineare Gleichungssystem Ax = b ist nach dem Gauss-Seidel-Verfahren in 3 Iterationsschritten mit dem angegebenen Startvektor x (0) zu lösen. ⎡

1 ⎣0,1111 0,25

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0,1667 0,1667 1,7833 x1 1 −0,2226⎦ ⎣x2 ⎦ = ⎣ 0,4 ⎦ x3 −0,125 1 1,5125

⎡ ⎤ 1 x (0) = ⎣1⎦ 1

Die Matrizen L und U lauten gemäß (16.9): ⎡

0 L = ⎣ 0,111 0,25

⎤ 0 0 0 0 ⎦ −0,125 0



0 U =⎣ 0 0

⎤ 0,167 0,167 0 −0,222 ⎦ 0 0

Iterationsschritt 1: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1,7833 0 0,3333 1,4500 x (1) = ⎣ 0,4 ⎦ − ⎣ 0,1611 ⎦ − ⎣ −0,2222 ⎦ = ⎣ 0,4611 ⎦ 1,5125 0,3049 0 1,2076 Iterationsschritt 2: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1,7833 0 0,2781 1,5051 x (2) = ⎣ 0,4 ⎦ − ⎣ 0,1672 ⎦ − ⎣ −0,2683 ⎦ = ⎣ 0,5051 ⎦ 1,5125 0,3136 0 1,1989 Iterationsschritt 3: ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 1,7833 0 0,2833 1,5000 x (3) = ⎣ 0,4 ⎦ − ⎣ 0,1667 ⎦ − ⎣ −0,2664 ⎦ = ⎣ 0,4997 ⎦ 1,5125 0,3125 0 1,2000

16.5 Aufgaben 1. Folgende lineare Gleichungssysteme stammen aus der FEM-Modellierung eines Fachwerks. Der x -Vektor enthält die unbekannten Knotenverschiebungen des Fachwerks. Bestimmen Sie x nach den Lösungsmethoden von Doolittle, Crout, Cholesky und Gauss-Seidel (für die Gauss-Seidel-Iteration ist der angegebene Startvektor x (0) zu verwenden).

804

16 Lösungsalgorithmen für lineare Gleichungssysteme



3,8285 ⎢ −1 a) ⎢ ⎣−2,8285 0

−1 3,8285 0 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ −2,8285 0 1 x1 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 0 ⎥ ⎢x2 ⎥ ⎢0⎥ = ⎥ 3,8285 1 ⎦ ⎣x3 ⎦ ⎣0⎦ 1 3,8285 x4 1

⎤ 0,5 ⎢0,2⎥ ⎥ x (0) = ⎢ ⎣0,3⎦ 0,1 ⎡



⎤ 0,598 ⎢ 0,156 ⎥ ⎥ Lsg: x = ⎢ ⎣ 0,401 ⎦ 0,156 ⎡

1 −0,2612 ⎢−0,2612 1 ⎢ ⎢ b) ⎢−0,7388 0 ⎢ ⎣ 0 0 −0,2612 0,2612

−0,7388 0 1 0,2612 0



⎤ 3 ⎢1⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ (0) x =⎢ 4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣−2⎦ 1

0 0 0,2612 1 0

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0 −0,2612 x1 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0,2612 ⎥ ⎥ ⎢ x2 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0 ⎥ ⎢ x3 ⎥ = ⎢ 1 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎦ ⎣x4 ⎦ ⎣−1⎦ 0 x5 0 1



⎤ 3,268 ⎢ 0,677 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ Lsg: x = ⎢ 3,945 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣−2,030⎦ 0,677

2. Lösen Sie folgende lineare Gleichungssysteme nach Gauss-Seidel-Verfahren in 3 Iterationsschritten und unter Verwendung des angegebenen Startvektors x (0) . ⎡ ⎡ ⎤ ⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 3,0 1 0,10 0,05 x1 1 a) ⎣−0,12 x (0) = ⎣1⎦ 1 0,10⎦ ⎣x2 ⎦ = ⎣1,2⎦ x3 2,4 0,15 −0,20 1 1 ⎡

⎤ 2,7572 Lsg: x = ⎣1,3059⎦ 2,2476 ⎡

2 ⎣ b) −0,20 0,20

⎤⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 4,0 −0,20 0,20 x1 ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ 1 0,40 x2 = 2,0⎦ x3 6,0 0,40 2 ⎡

⎤ 1,8922 Lsg: x = ⎣1,3720⎦ 2,5364

⎡ ⎤ 4 (0) ⎣ x = 2⎦ 1

17

Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen

Die numerische Lösung von Differentialgleichungen besitzt eine große Bedeutung in der modernen Technik. Als Beispiele, wo DGL in Echtzeit1 zu lösen sind, können erwähnt werden: Autopilot eines Flugzeuges, Raketensteuerung, fahrerlose Fahrzeugsysteme, Robotersteuerung, aktiv geregelte Gebäude unter Erdbebeneinwirkungen, Steuerungs- und Regelungssysteme von Maschinen. In Kapitel 10 haben wir diverse Methoden kennen gelernt, eine Differentialgleichung analytisch zu lösen. Die analytische Lösung y = g(x) der DGL F(x, y, y , y , · · · ) = 0 liefert einen geschlossenen Ausdruck und gilt uneingeschränkt im gesamten Definitionsbereich der DGL. Deshalb ist sie die bestmögliche und allgemeingültige Lösung des untersuchten Problems. Jedoch wird es in der Ingenieurpraxis recht oft leider nicht möglich sein -auch mit Hilfe umfangreichster Formelsammlungen nicht-, eine geschlossene Lösung zu finden. In solchen Fällen ist die numerische Lösung der DGL der einzig mögliche Weg. Die numerische Lösung einer DGL2 liefert i.d.R. nur eine Näherungslösung für die vorgegebene DGL. Die gesuchte Antwort auf die Aufgabe ist nicht kontinuierlich über dem gesamten Definitionsintervall der unabhängigen Variable x bekannt (liegt also nicht in geschlossener Form vor), sondern nur an einzelnen Punkten auf der x-Achse. Man sagt auch, die Antwort liegt in diskreter Form vor. Diese diskretisierte Lösung weicht naturgemäß immer von der wahren Lösung ab. Je nach gewähltem Verfahren und eingestellter Schrittweite (Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden x-Werten) kann die Abweichung innerhalb tolerierbarer Grenzen liegen aber u.U. auch unakzeptabel groß werden. Im Folgenden sollen einige numerische Integrationsverfahren für Differentialgleichungen 1. Ordnung vorgestellt werden, vom ganz einfachen Euler-Verfahren bis hin zum hochgenauen Runge-Kutta-Verfahren. Bei Bedarf sollten spezielle Fachbücher konsultiert werden, um weitere ausgeklügelte Methoden kennenzulernen.

17.1 Differentialgleichungen 1. Ordnung Wir betrachten eine Differentialgleichung 1. Ordnung in der expliziten Form y = f (x, y). Sollte die DGL ursprünglich in der impliziten Form F(x, y, y ) = 0 vorliegen, kann sie oft durch geeignete Transformation in die explizite Form gebracht gebracht werden. Ferner wird eine Anfangsbedingung y(x0 ) = y0 vorgegeben. Die zu lösende Anfangswertaufgabe (s. auch Seite 499) lautet somit: y = f (x, y)

y(x0 ) = y0

Anfangswertaufgabe 1. Ordnung

(17.1)

1 Eine Aufgabe in Echtzeit zu lösen bedeutet, dass die numerische Lösung innerhalb kürzester Zeit vorliegen muss, so dass eine sinnvolle Steuerung der Maschine noch möglich ist. 2 Numerische Lösung einer DGL wird auch numerische Integration der Differentialgleichung genannt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_17

806

17 Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen

In allen nachfolgend präsentierten Verfahren wird die DGL (17.1) diskretisiert, d.h. man startet von einem Anfangswert (x0 , y0 ) los und geht Schritt für Schritt vorwärts. Zu jedem betrachteten Schritt xk wird der zugehörige Funktionswert yk (Ordinatenwert) bestimmt. Deshalb werden diese Verfahren auch Schrittverfahren (step-by-step methods) genannt. Man unterscheidet zwischen Einschrittverfahren und Mehrschrittverfahren. Im Rahmen einer Einführung in das Thema sollen hier nur die Einschrittverfahren betrachtet werden. Nachfolgend werden einige grundlegende Methoden vorgestellt. 17.1.1 Euler-Verfahren Für die Diskretisierung der DGL (17.1) wird die unbekannte Funktion y(x) formal in eine TaylorReihe (s. S. 106) an der Stelle x entwickelt. Den Funktionswert an der Stelle x + h erhalten wir aus der nachfolgenden Taylor-Reihe, s. Seite 106: y(x + h) = y(x) + h y (x) +

h2  h3  y (x) + y (x) + · · · 2! 3!

Für ausreichend klein gewählte Schrittweite h werden die höheren Potenzen h2 , h3 , · · · im Vergleich zu h sehr klein sein, so dass sie vernachlässigt werden können. Die auf diese Weise linearisierte Diskretisierung lautet dann: y(x + h) ≈ y(x) + h y (x)

(17.2)

Gemäß der DGL (17.1) ist die Steigung y identisch mit dem Funktionswert f (x, y), so dass die Beziehung (17.2) auch wie folgt geschrieben werden kann: y(x + h) ≈ y(x) + h f (x, y)

(17.3)

Linearisierter Funktionszuwachs

Ausgehend von der Startposition x0 führt diese Beziehung auf folgende Iterationsfolge: y(x0 + h) = y(x1 ) = y1 = y0 + h f (x0 , y0 )

mit x1 = x0 + h

y(x1 + h) = y(x2 ) = y2 = y1 + h f (x1 , y1 )

mit

x2 = x1 + h

y(x2 + h) = y(x3 ) = y3 = y2 + h f (x2 , y2 )

mit

x3 = x2 + h

usw.

Die als Euler-Verfahren bekannte allgemeine Iterationsformel lautet somit: yk = yk−1 + h f (xk−1 , yk−1 )

k = 1,2,3, · · ·

Euler-Iteration

(17.4)

Die geometrische Interpretation von (17.4) entspricht einem von links nach rechts fortschreitenden Polygonzug, dessen erste Kante mit der Tangente an die wahre Funktion y = g(x, y) an der Position x0 identisch ist. Die Euler-Methode ist eine Methode erster Ordnung, weil in der Diskretisierung (17.2) höchstens der lineare Term vorkommt. Die Konsequenz der Linearisierung ist, dass die Lösung mit zunehmendem Iterationsschritt k immer mehr von der wahren Funktion abweicht, d.h. der Fehler

17.1 Differentialgleichungen 1. Ordnung

807

anwächst, s. auch Bild 17.1 auf Seite 808. Zur Erzielung einer akzeptablen Genauigkeit muss die Schrittweite verkleinert, d.h. die Anzahl der Iterationsschritte erhöht, werden. Das Euler-Verfahren ist ein sehr einfaches Verfahren, welches sich auch für Programmierung sehr gut eignet. Zur Erzielung einer befriedigenden Genauigkeit und Vermeidung der Divergenz von der tatsächlichen Lösung muss die Schrittweite allerdings ziemlich klein gewählt werden, was jedoch wiederum die Anzahl der Rechenschritte erhöht. Mit den heutigen leistungsfähigen Rechnern stellen selbst extrem kleine Schrittweiten aber kein wirkliches Problem dar. Deshalb wird die Euler-Iteration als sog. explicit integration method sogar in der Crashsimulation von Fahrzeugen sehr erfolgreich eingesetzt. Beispiel 17.1: Mit Hilfe des Euler-Verfahrens soll das nachfolgende Anfangswertproblem im Intervall 0 ≤ x ≤ 3 in 5, 20,100 und 1000 Schritten gelöst werden (Maple-Lösung auf Seite 867). y − y = x − 1

y(0) = 1

(a)

Zunächst wird die DGL (a) in die explizite Form y = f (x, y) gebracht: y = x − 1 + y

d.h. f (x, y) = x − 1 + y

(b)

Die Lösung erfolgt gemäß der Iterationsvorschrift (17.4). a) N = 5 Schrittweite: h =

3−0 = 0,6 5

Iteration nach dem Euler-Verfahren für N = 5 k xk yk f (xk , yk ) yexakt 0 0 1,0000 0,0000 1,0000 1 0,60 1,0000 0,6000 1,2221 2 1,20 1,3600 1,5600 2,1201 3 1,80 2,2960 3,0960 4,2496 4 2,40 4,1536 5,5536 8,6232 5 3.00 7,4858 9,4858 17,086

(c)

Die analytische, d.h. geschlossene/exakte, Lösung der DGL lautet y = −x + ex , vgl. Seite 567. In der Iterationstabelle (c) sind die numerischen Werte der analytischen Lösung an den Stellen xk ebenfalls angegeben. Beide Lösungen, d.h. die numerische und die analytische, sind in Bild 17.1 a grafisch dargestellt. Wie man sofort sieht, ist die Lösung nach dem Euler-Verfahren nicht brauchbar. b) N = 20 Schrittweite: h =

3−0 = 0,15 20

808

17 Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen

a: 5 Integrationsschritte

b: 20 Integrationsschritte

c: 100 Integrationsschritte

d: 1000 Integrationsschritte

Bild 17.1: Lösungskurve der DGL in Beispiel 17.1

Die Iteration wird hier nicht wiedergegeben. In Bild 17.1 b ist die Lösungskurve dargestellt. Anfänglich ist die Genauigkeit des Euler-Verfahrens ganz brauchbar, mit zunehmenden x-Werten divergiert es jedoch stark von der exakten Lösung. c) N = 100 3−0 = 0,03 100 Die Lösungskurve ist in Bild 17.1 c dargestellt. Anfänglich ist die Genauigkeit des Euler-Verfahrens sehr gut, mit zunehmenden x-Werten ist die Abweichung von der exakten Lösung jedoch sichtbar. Schrittweite: h =

d) N = 1000 3−0 = 0,003 1000 Erst mit dieser sehr kleinen Schrittweite erreicht das Euler-Verfahren eine über das gesamte Lösungsintervall vorhandene hohe Genauigkeit, s. Bild 17.1 d.

Schrittweite: h =

17.1 Differentialgleichungen 1. Ordnung

809

17.1.2 Heun-Verfahren Das Heun-Verfahren basiert auf dem Euler-Verfahren, versucht jedoch die Steigung der Funktion durch Mittelung besser anzunähern. Andere Bezeichnungen für dieses Verfahren sind verbessertes Euler-Verfahren oder verbessertes Euler-Cauchy-Verfahren. Die Integrationsformeln des Heun-Verfahrens für die DGL y = f (x, y) lauten: y∗k = yk−1 + h f (xk−1 , yk−1 ) yk = yk−1 +

mit y∗0 = y0

 h f (xk−1 , yk−1 ) + f (xk , y∗k ) 2

(17.5)

Eulersche Näherung k = 1,2,3, · · ·

Verbesserung

(17.6)

In der Formel (17.5) wird mit Hilfe des klassischen Euler-Verfahrens gemäß (17.4) ein erster Näherungswert y∗k für die Funktion an der Position k ermittelt. Anschließend wird in (17.6) der Mittelwert der beiden Funktionssteigungen an den Stellen k − 1 und k gebildet.

Beispiel 17.2: Das Anfangswertproblem des Beispiels 17.1 wird nun nach dem Heun-Verfahren gelöst.

k 0 1 2 3 4 5

xk 0 0,60 1,20 1,80 2,40 3.00

Lösung nach dem Heun-Verfahren y∗ f (xk , y∗k ) yk f (xk , yk ) 1,0000 0,0000 1,0000 0,0000 1,0000 0,6000 1,1800 0,7800 1,6480 1,8480 1,9684 2,1684 3,2694 4,0694 3,8398 4,6398 6,6236 8,0236 7,6388 9,0388 13,062 15,062 14,869 16,869

yexakt 1,0000 1,2221 2,1201 4,2496 8,6232 17,086

Die Lösung ist in Bild 17.1 für 5, 20, 100 und 1000 Schritte grafisch dargestellt. Die Genauigkeit der Lösung für N = 5 ist in der ersten Hälfte des Integrationsintervalls befriedigend, in der zweiten Hälfte steigt der Fehler spürbar an. Ab 20 Integrationsschritten erreicht man dagegen eine sehr gute Genauigkeit.

17.1.3 Runge-Kutta-Verfahren Das Runge-Kutta-Verfahren ist ein hochpräzises Verfahren von großer praktischer Bedeutung. An jedem Iterationsschritt werden vier Hilfswerte K1 , . . . , K4 berechnet, die geometrisch der Steigung der Funktion an verschiedenen Positionen im augenblicklichen Intervall entsprechen. Anschließend wird ein gewichteter Mittelwert der vier Steigungen gebildet. Der restliche Vor-

810

17 Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen

gang ist identisch mit dem Euler-Verfahren. h yk = yk−1 + (K1 + 2K2 + 2K3 + K4 ) 6

k = 1,2,3, · · ·

Runge-Kutta-Iteration

(17.7)

Die Parameter K1 , K2 , K3 , K4 sind: K1 = f (xk−1 , yk−1 ) h h K2 = f xk−1 + , yk−1 + K1 2 2 h h K3 = f xk−1 + , yk−1 + K2 2 2 K4 = f (xk−1 + h, yk−1 + h K3 ) Beispiel 17.3: Das Anfangswertproblem des Beispiels 17.1 auf Seite 807 ist nach dem Runge-KuttaVerfahren zu lösen.

k 0 1 2 3 4 5

xk 0 0,60 1,20 1,80 2,40 3.00

Lösung nach dem Runge-Kutta-Verfahren K1 K2 K3 K4 yk − − − − 1,0000 0,0000 0,3000 0,3900 0,8340 1,2214 0,8214 1,3678 1,5317 2,3404 2,1175 2,3175 3,3127 3,6113 5,0843 4,2425 5,0425 6,8552 7,3991 10,082 8,6058 10,006 13,308 14,298 19,185 17,046

yexakt 1,0000 1,2221 2,1201 4,2496 8,6232 17,086

Die in Bild 17.1 grafisch dargestellte Lösung weist sogar für N = 5 eine exzellente Genauigkeit auf.

17.2 Zusätzliche Beispiele

17.2 Zusätzliche Beispiele Beispiel 17.4: √ Die Differentialgleichung y = x y mit der Anfangsbedingung y(1) = 2 ist im Intervall 1,0 ≤ x ≤ 1,5 nach den Verfahren von Euler und Heun zu lösen (Anzahl der Integrationsschritte N = 5, Schrittweite h = 0,1).

n 0 1 2 3 4 5

Lösung nach dem Euler-Verfahren xn yn h fn yexakt 1,0 2,00000 0,14142 2,0000 1,1 2,14142 0,16097 2,1512 1,2 2,30239 0,18208 2,3232 1,3 2,48447 0,20491 2,5177 1,4 2,68938 0,22959 2,7364 1,5 2,91897 − 2,9815

k 0 1 2 3 4 5

xk 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5

Lösung nach dem Heun-Verfahren y∗ f (xk , y∗k ) yk f (xk , yk ) 2,0000 1,4142 2,0000 1,4142 2,1414 1,6097 2,1512 1,6134 2,3125 1,8248 2,3231 1,8290 2,5060 2,0579 2,5175 2,0626 2,7237 2,3105 2,7361 2,3158 2,9677 2,5840 2,9811 2,5899

yexakt 2,0000 2,1512 2,3232 2,5177 2,7364 2,9815

811

812

17 Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen

Beispiel 17.5: Folgende Anfangswertaufgaben sind im jeweils angebenen Intervall nach den Verfahren von Euler, Heun und Runge-Kutta zu lösen (Anzahl der Integrationsschritte N, Schrittweite h). a) y = x + y

y(0) = 2

N=5

0≤x≤3

h = 0,6

Funktionswerte yn nach n

xn

Euler

Heun

Runge-K.

exakt

0

0,0

2,0000

2,0000

2,0000

2,0000

1

0,6

3,8000

3,7400

3,8642

3,8664

2

1,2

6,6800

7,3052

7,7525

7,7604

3

1,8

11.288

14,119

15,327

15,349

4

2,4

18,660

26,716

29,617

29,669

5

3,0

30,457

49,607

56,138

56,256

17.2 Zusätzliche Beispiele

b) y = x − y

y(0) = 1

N=5

0≤x≤2

h = 0,4

Funktionswerte yn nach n

xn

Euler

Heun

Runge-K.

exakt

0

0,0

1,0000

1,0000

1,0000

1,0000

1

0,4

0,6000

0,7600

0,7408

0,7406

2

0,8

0,5200

0,7248

0,6989

0,6987

3

1,2

0,6320

0,8289

0,8026

0,8024

4

1,6

0,8592

1,0276

1,0047

1,0038

5

2,0

1,1555

1,2908

1,2708

1,2707

813

814

17 Numerische Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen

c) y = 2y/x3

y(1) = 2

N=5

1≤x≤3

h = 0,4

Funktionswerte yn nach n

xn

Euler

Heun

Runge-K.

exakt

0

1,0

2,0000

2,0000

2,0000

2,0000

1

1,4

3,6000

3,3248

3,2642

3,2640

2

1,8

4,6496

4,1040

3,9934

3,9928

3

2,2

5,2874

4,5608

4,4224

4,4218

4

2,6

5,6846

4,8437

4,6898

4,6890

5

3,0

5,9434

5,0289

4,8657

4,8649

17.3 Aufgaben

815

17.3 Aufgaben 1. Lösen Sie folgende Anfangswertaufgaben nach Verfahren von Euler, Heun und RungeKutta im angegeben Intervall in N Integrationsschritten. Stellen Sie Ihre Ergebnisse grafisch dar und diskutieren Sie Ihre Resultate. a) y + y = sin x

b) y − 2y = −1 − x2

y(0) = 1/2

y(1) = 1,75

Integrationsintervall [0; 2]

1≤x≤5

N=5

N=5

Wie können Sie die im nachfolgenden Bild beobachtete Divergenz beheben?

18

Komplexe Zahlen

18.1 Einführung Um den Typ einer Zahl symbolisch hervorheben zu können werden Symbole verwendet, z.B. Z. Im Anhang A.1 auf Seite 871 sind die wichtigsten von ihnen zusammengefasst. Komplexe Zahlen basieren auf der der Zahl i, der imaginären Einheit, s. Seite 2: i=



i2 = −1

−1

(18.1)

imaginäre Einheit i

Die Erfindung der imaginären Einheit und der damit verbundenen Theorie der komplexen Zahlen geht auf Gleichungen zurück, deren Wurzel nicht mit einer reellen Zahl dargestellt werden kann. Beispiel 18.1: Für folgende Gleichungen existieren keine reellen Lösungen. Mit Hilfe der imaginären Einheit i lassen sie sich dennoch formal ohne Schwierigkeit lösen – das Ergebnis heißt dann komplexe Lösung. a) x2 + 4 = 0 x2 = −4

√ ⇒ x = ± −4

√ −4 ist keine reelle Zahl!

Mit Hilfe von (18.1) lässt sich jedoch folgende Lösung angeben: √  √ x = ± −4 = ± 4 · (−1) = ± 4i2 = ± 2i ⇒ x1 = +2i

x2 = −2i

b) x2 − 2x + 5 = 0 Aus (1.3) auf Seite 3 ergibt sich: √ √ x = 1 ± −4 = 1 ± 4i2 = 1 ± 2i

⇒ x1 = 1 + 2i

x2 = 1 − 2i

18.1.1 Definition der komplexen Zahl Die Ergebnisse in Beispiel 18.1 legen die Idee nahe, die nachfolgende formale Definition einer komplexen Zahl einzuführen: Eine komplexe Zahl z besteht aus der Linearkombination von zwei reellen Zahlen x und y in folgender Form: z = x+iy

i : imaginäre Einheit

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_18

818

18 Komplexe Zahlen Im y

Im

Im

2

2

z=4+2 i

iy x+ z=

+2 i z=4

x Re

4

b: Beispiel: z = 4 + 2i in Zeigerdarstellung

a: Zeigerdarstellung

4

Re

Re

c: Beispiel:z = 4 + 2i in Punktdarstellung

Bild 18.1: Darstellung einer komplexen Zahl z in der Gaußschen Zahlenebene

Eine komplexe Zahl besteht besteht aus einem Realteil und einem Imaginärteil: z = x + iy

Komponentenform einer komplexen Zahl

x = Re z

x ist der Realteil von z

y = Im z

y ist der Imaginärteil von z

(18.2)

Welchen Nutzen haben komplexe Zahlen in der Praxis? Komplexe Zahlen sind von besonderer Bedeutung bei der Behandlung von gedämpften Schwingungsproblemen in der Mechanik, in der Stabilitätstheorie von Strukturen und der Biegetheorie von gekrümmten Schalentragwerken (z.B. die Ermittlung der Biegespannungen eines an seinem unteren Fußende im Fundament einbetonierten kreiszylindrischen Flüssigkeitsbehälters führt auf Ausdrücke mit komplexen Zahlen). In der Elektrotechnik sind sie unverzichtbar bei der Behandlung von Ladungs- und Entladungsproblemen sowie in Wechselstromphänomenen. 18.1.2 Gaußsche Zahlenebene Die Gaußsche Zahlenebene dient zur grafischen Darstellung einer komplexen Zahl z und besteht aus zwei zueinander orthogonalen Achsen: der reellen Re-Achse und der imaginären Im-Achse (Bild 18.1 a). Als Darstellungsform für die Zahl z kann entweder ein Vektor (Zeigerdarstellung) wie in Bild 18.1 b oder auch ein Punkt wie in Bild (18.1 c) verwendet werden . 18.1.3 Betrag und Argument einer komplexen Zahl Der Betrag (Modul) und das Argument einer komplexen Zahl z sind in Anlehnung an die Vektoralgebra wie folgt definiert: r = |z| =



x 2 + y2

ϕ = arg z = arctan

Betrag von z y x

Argument von z

(18.3)

(18.4)

18.1 Einführung

819

18.1.4 Eulersche Formel für komplexe Zahlen Zwischen der Exponentialfunktion einer rein imaginären Zahl ix bzw. −ix und den trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus bestehen folgende Beziehungen, die als Eulersche Formel bekannt sind: e−ix = cos x − i sin x

eix = cos x + i sin x

(18.5a)

e−iax = cos ax − i sin ax

eiax = cos ax + i sin ax

(18.5b)

Diese in der Technik äußerst wichtige Beziehung ist nicht eine bloße Definitionssache, sondern hat eine mathematisch präzise Grundlage. Herleitung der Eulerschen Formel (18.5a). Mit Hilfe der Maclaurin-Reihe (3.33) auf Seite 107 f (x) = f (0) +

f  (0) 2 f (n) (0) n f  (0) x+ x +···+ x 1! 2! n!

(a)

lässt sich eix in nachfolgende Potenzreihe entwickeln: " " " ! ! !  1 d ix 1 d2 ix 1 d3 ix 2 e ·x+ e · x + e · x3 + · · · eix = eix x=0 + 2 3 1! dx 2! dx 3! dx x=0 x=0 x=0 = 1+

1  2 ix  1  3 ix  1  ix  ie x=0 · x + i e x=0 · x2 + i e x=0 · x3 + · · · 1! 2! 3!

i 1 i 1 i 1 i 1 x − x2 − x3 + x4 + x5 − x6 − x7 + x8 + · · · 1! 2! 3! 4! 5! 6! 7! 8! ! " ! " 1 2 1 4 1 6 1 8 1 3 1 5 1 7 = 1 − x + x − x + x + · · · +i x − x + x − x + · · · 2! 4! 6! 8! 3! 5! 7! 



= 1+

cos x

sin x

= cos x + i sin x Der reelle Teil der obigen komplexen Reihe ist nichts anderes als die Reihenentwicklung des Kosinusfunktion cos x, und der imaginäre Teil ist die Reihenentwicklung des Sinusfunktion sin x (s. Anhang A.9 auf Seite 887). Wir sehen also, dass die Formel eix = cos x + i sin x eine streng mathematische Grundlage hat. Die Herleitung der Beziehung e−ix = cos x − i sin x verläuft ganz analog. 18.1.5 Trigonometrische Form einer komplexen Zahl Man kann eine komplexe Zahl z als einen bestimmten Punkt P mit den Koordinaten x und y in einem kartesischen Koordinatensystem mit Ursprung O interpretieren, s. Bild 18.2. Auf der waagerechten Achse (reelle Achse) wird der Realteil x aufgetragen. Die vertikale Achse (imaginäre Achse) enthält den Imaginärteil y. Die Länge der Geraden OP entspricht dem Betrag r gemäß (18.3) und der Winkel zwischen

820

18 Komplexe Zahlen Im y

P r

j O

x Re

Bild 18.2: Komplexe Zahl z in Polardarstellung

der reellen Achse und der Geraden OP wird durch das Argument ϕ gemäß (18.4) wiedergegeben. Durch Einsetzen der geometrischen Beziehungen x = r cos ϕ und y = r sin ϕ in (18.2) kann die komplexe Zahl z in der nachfolgenden trigonometrischen Form ausgedrückt werden: z = r (cos ϕ + i sin ϕ)

Trigonometrische Form von z

(18.6)

18.1.6 Polarform einer komplexen Zahl Die Beziehung (18.6) lässt sich mit Hilfe der Eulerschen Formel (18.5a) unmittelbar auch in der nachfolgenden polaren Form schreiben: z = r eiϕ

(18.7)

Polarform von z

Alle drei bisher genannten Darstellungsformen (Kompnentenform, trigonometrische Form, Polarform) für komplexe Zahlen sind natürlich zueinander equivalent. Je nach Anwendungsfall kann jedoch die eine oder andere Form Vorteile in der Handhabung bieten. 18.1.7 Gleichheit von komplexen Zahlen Zwei komplexe Zahlen z1 und z2 z1 = x1 + iy1 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) z2 = x2 + iy2 = r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 ) sind dann und nur dann identisch, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: entweder:

x1 = x2

und

y1 = y2

oder:

r1 = r2

und

ϕ1 = ϕ2 + n · 2π

(n = 0,1,2, . . . )

Eine komplexe Zahl z ist nur dann Null, wenn sowohl der Realteil als auch der Imaginärteil Null sind oder -wenn z in Polarform ausgedrückt ist- der Betrag (Modul) r Null ist: z = x + iy = 0



x = 0 und y = 0

18.1 Einführung

821

Im P

y

iy x+ z= x

z=x -iy -y

Re

_ P

Bild 18.3: Komplexe und ihre konjugiert komplexe Zahl z, z

z = r eiϕ = 0



r=0

(ϕ ist unbestimmt! )

18.1.8 Konjugiert komplexe Zahl Die zu einer komplexen Zahl z konjugiert komplexe Zahl z unterscheidet sich von z nur im Vorzeichen ihres Imaginärteils. Je nach Darstellungsart lässt sich die konjugiert komplexe Zahl in nachfolgenden Formen formulieren: z = x + iy



z = x − iy

Komponentenform

z = r (cos ϕ + i sin ϕ)



z = r(cos ϕ − i sin ϕ)

Polarform

Die komplexe Zahl z und ihre konjugiert komplexe Zahl z liegen spiegelsymmetrisch zur reellen Achse, s. Bild 18.3. Beispiel 18.2: Für die komplexen Zahlen z1 = 3 − 2i und z2 = 2 + i gelten folgende Aussagen. Betrag und Argument:  √ r1 = |z1 | = 32 + (−2)2 = 13 = 3,6056  √ r2 = |z2 | = 22 + 12 = 5 = 2,2361

−2 = −0,5880 rad 3 1 ϕ2 = arctan = 0,4636 rad 2 ϕ1 = arctan

Trigonometrische Form:

z1 = 3,6056 cos(−0,5880) + i sin(−0,5880) = 3,6056 (cos 0,5880 − i sin 0,5880) z2 = 2,2361 (cos 0,4636 + i sin 0,4636) Polarform: z1 = 3,6056 e−0,5880i

z2 = 2,2361 e0,4636i

822

18 Komplexe Zahlen

Gleichheit und konjugierte Komplexität: z1 und z2 sind nicht gleich, sie sind jedoch zueinander konjugiert komplex.

18.2 Algebraische Operationen mit komplexen Zahlen Unter Beachtung der elementaren Eigenschaften der imaginären Einheit i lassen sich verschiedene algebraische Operationen mit komplexen Zahlen relativ einfach herleiten: Potenzen von i i2 = −1

i3 = i · i2 = −i

i4 = i2 · i2 = (−1) · (−1) = +1

i5 = i · i4 = i

usw.

Addition und Subtraktion z1 = x1 + i y1

z2 = x2 + i y2

z1 + z2 = (x1 + x2 ) + i (x1 + y2 )

(18.8)

z1 − z2 = (x1 − x2 ) + i (y1 − y2 ) Multiplikation Komponentenform: z1 = x1 + i y1

z2 = x2 + i y2

z1 · z2 = (x1 + iy1 )(x2 + iy2 ) = x1 x2 + ix1 y2 + iy1 x2 + i2 y1 y2

(18.9)

z1 · z2 = (x1 x2 − y1 y2 ) + i (x1 y2 + x2 y1 ) Polarform: z1 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 )

z2 = r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 )

z1 · z2 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) · r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 ) z1 · z2 = r1 r2 [cos(ϕ1 + ϕ2 ) + i sin(ϕ1 + ϕ2 )]

(18.10)

z1 · z2 = r1 r2 ei(ϕ1 +ϕ2 ) Anmerkung: Multiplikation einer komplexen Zahl z mit der imaginären Einheit i entspricht in der Gaußschen Zahlenebene der Drehung des Zahlenvektors um 90◦ im Gegenuhrzeigersinn. Die Multiplikation mit i2 bedeutet eine Drehung um 180◦ im Gegenuhrzeigersinn. Division: x1 x2 + y1 y2 x1 + iy1 (x1 + iy1 )(x2 − iy2 ) x2 y1 − x1 y2 z1 = = = +i z2 x2 + iy2 (x2 + iy2 )(x2 − iy2 ) x22 + y22 x22 + y22

(18.11)

18.2 Algebraische Operationen mit komplexen Zahlen

z1 r1 i(ϕ1 −ϕ2 ) r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) r1 = = [cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 )] = e z2 r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 ) r2 r2

823

(18.12)

Beispiel 18.3: Nachfolgend werden verschiedene algebraische Operationen mit den beiden komplexen Zahlen des Beispiels 18.2 in drei Formen vorgestellt: z1 = 3 − 2i z1 = 3,6056 (cos 0,5880 − i sin 0,5880) z1 = 3,6056 e

−0,5880i

z2 = 2 + i z2 = 2,2361 (cos 0,4636 + i sin 0,4636) z2 = 2,2361 e0,4636i

Addition und Subtraktion: z1 + z 2 = 5 − i

z1 − z2 = 1 − 3i

z1 + z2 = 3,6056 (cos 0,5880 − i sin 0,5880) + 2,2361 (cos 0,4636 + i sin 0,4636) z1 + z2 = 3,6056 e−0,5880i + 2,2361 e0,4636i Die Komponentenschreibweise ist für die Addition besonders übersichtlich. Multiplikation: z1 · z2 = (3 · 2 − (−2) · 1) + i (3 · 1 + 2 · (−2)) = 8 − i z1 · z2 = 3,6056 (cos 0,5880 − i sin 0,5880) · 2,2361 (cos 0,4636 + i sin 0,4636) z1 · z2 = 3,6056 · 2,2361 e(−0,5880+0,4636)i = 8.0625 e−0,1244i Die Komponenten- und die Polarform sind beide für die Multiplikation gut geeignet. Division: x1 x2 + y1 y2 x2 y1 − x1 y2 3 · 2 + (−2) · 1 2 · (−2) − 3 · 1 z1 = +i = +i z2 22 + 12 22 + 12 x22 + y22 x22 + y22 =

4 7 − i 5 5

z1 3,6056 (cos 0,5880 − i sin 0,5880) = z2 2,2361 (cos 0,4636 + i sin 0,4636) z1 r1 3,6056 i(−0,5880−0,4636) e = ei(ϕ1 −ϕ2 ) = = 1,6125 e−1,0517 z2 r2 2,2361 Die Polarform ist für die Division offensichtlich die beste Variante.

824

18 Komplexe Zahlen

Satz von Moivre (Potenzen von komplexen Zahlen) Zu Beginn betrachten wir die n-te Potenz von eiϕ : (eiϕ )n = eiϕ · eiϕ · · · · · · eiϕ = einϕ

(a)

Zur Berechnung der n-ten Potenz des trigonometrischen Ausdrucks cos ϕ + i sin ϕ machen wir Gebrauch von der Eulerschen Formel (18.5) auf Seite 819 und von (a): (cos ϕ + i sin ϕ)n = (eiϕ )n = einϕ

(b)

Das Ergebnis in (b) lässt sich mit Hilfe der Eulerschen Formel wie folgt schreiben: einϕ = cos nϕ + i sin nϕ

(c)

Aus (b) und (c) folgt dann der Satz von Moivre: (cos ϕ + i sin ϕ)n = cos nϕ + i sin nϕ

Satz von Moivre

(18.13)

Die n-te Potenz der komplexen Zahl z = r (cos ϕ + i sin ϕ) = r eiϕ lässt sich mit Hilfe des Satzes von Moivre leicht angeben: zn = rn (cos nϕ + i sin nϕ) = rn einϕ Beispiel 18.4: z = 3 (cos ϕ + i sin ϕ)

Potenz einer komplexen Zahl

(18.14)

z2 = 9 (cos 2ϕ + i sin 2ϕ)

Wurzel einer komplexen Zahl Für die n-te Wurzel der komplexen Zahl z = r (cos ϕ + i sin ϕ) = r eiϕ führt der Satz von Moivre zum nachfolgenden Ausdruck: √ n

z=

 √ ϕ √ ϕ n r cos + i sin = n r eiϕ/n n n

Wurzel einer komplexen Zahl

Beispiel 18.5: z = 9 (cos 2ϕ + i sin 2ϕ)   √ √ 2ϕ 2ϕ + i sin = 3 (cos ϕ + i sin ϕ) ⇒ z = 9 cos 2 2

(18.15)

18.3 Aufgaben

825

18.3 Aufgaben 1. Zeigen Sie die Richtigkeit folgender Ausdrücke. i7 = −i

i9 = i

1 = −1 i2

1 = −i i

1 =i i3

1 =1 i4

2. Gegeben sind die nachfolgenden komplexen Zahlen: z1 = 3 + 3i

z2 = 3 − 3i

z3 = −3 + 3i

z4 = −3 − 3i

a) Stellen Sie die Zahlen z1 , · · · , z4 in der Gaußschen Zahlenebene grafisch dar. b) Berechnen Sie jeweils den Betrag und das Argument. c) Berechnen Sie i · z1 , i2 · z1 , i3 · z1 , i4 · z1 und tragen Sie die Resultate in die bereits erzeugte Gaußschen Zahlenebene ein. d) Berechnen Sie die jeweils konjugiert komplexe Zahl zi . e) Stellen Sie z1 , · · · , z4 in der Polarform dar. 3. Führen Sie mit den angegeben komplexen Zahlen die Addition z1 + z2 durch. a) z1 = 4 − 4i

z2 = −11 + 6i

Lsg: −7 + 2i

b) z1 = 10 + 20i

z2 = −10 − 8i

Lsg: 12i

c) z1 = −9 + 17i

z2 = 9 + 17i

Lsg: 34i

4. Führen Sie mit den angegeben komplexen Zahlen die Multiplikation z1 · z2 durch. a) z1 = 13 − 4i

z2 = 12 + 11i

b) z1 = 7 + 2i

z2 = 8 + 3i

c) z1 = 1 + 4i

z2 = 1 − 21i

Lsg: 200 + 95i Lsg: 50 + 37i Lsg: 85 − 17i

5. Führen Sie die geforderten Operationen durch. a) (10 + 2i)2 =? b)

(5 − 3i)2

=?

Lsg: 96 + 40i Lsg: 16 − 30i

6. Führen Sie mit den angegeben komplexen Zahlen die Division z1 /z2 durch. a) z1 = 3 + 10i b) z1 = 4 + 2i c) z1 = 4 − i d) z1 = 3 + 4i

z2 = 6 − 4i z2 = 2 − 2i z2 = 2 + i z2 = 4 − 3i

Lsg: −0,423 + 1,385i Lsg: 0,5 + 1,5i Lsg: 1,4 − 1,2i Lsg: 0 + i = i

7. Die nachfolgenden komplexen Zahlen sind in der Gaußschen Zahlenebene darzustellen. a) z = eiπ/2

Lsg: z = i

b) z = eiπ

Lsg: z = −1

826

18 Komplexe Zahlen

c) z = ei3π/2

Lsg: z = −i

d) z = ei2π

Lsg: z = 1

8. Gegeben sind die nachfolgenden komplexen Zahlen: z1 = 1 + i

z2 = 2 + 2i

Gesucht ist die nachfolgende Operation: z=

z1 · z2 z1 + z2

Lsg: z =

12 12 +i 18 18

9. Gegeben ist die komplexe Zahl z = r eiϕ . In der Gaußschen Zahlenebene sind z und 1/z für r = 1 und ϕ = 60◦ grafisch darzustellen. 10. Versuchen Sie die Beziehung (18.12) auf Seite 823 herzuleiten. 11. Versuchen Sie die unten angegebenen trigonometrischen Formeln mit Hilfe des Satzes von Moivre für n = 2 herzuleiten. cos 2θ = cos2 θ − sin2 θ

sin 2θ = 2 cos θ sin θ

Tipp: Betrachten Sie nach der Auswertung des Satzes von Moivre die links und rechts vom Gleichheitszeichen stehenden Ausdrücke als zwei verschiedene komplexe Zahlen z1 und z2 und machen Sie dann Gebrauch von der Definition der Gleichheit zweier komplexer Zahlen.

19

Mathematik mit Maple

Maple ist ein Computer-Algebra-System (CAS) und löst mathematische Aufgaben mit Hilfe eines digitalen Computers und kann sowohl mit Zahlen als auch mit mathematischen Symbolen umgehen. Ein CAS-Programm arbeitet also einerseits wie ein hoch intelligenter Taschenrechner (natürlich sind die Rechenfähigkeiten eines CAS um Größenordnungen besser als eines Taschenrechners), andererseits besitzt stellt es die Expertise und das Wissen von Hunderten von Mathematikern, die an der Entwicklung eines solchen Programms mitarbeiten. Die Fähigkeit von CAS-Programmen, symbolische Berechnungen durchführen zu können, ist auch das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zu sonstigen Computerprogrammen. Ein NichtCAS-Programm (z.B. ein Finite-Element-Programm zur statischen Berechnung von Tragwerken bzw. Maschinen) benutzt nur numerische Lösungsmethoden und kann deshalb als Ergebnis lediglich Zahlen bzw. bestenfalls Farbplots bzw. Animationen zu deren Visualisierung liefern. Dagegen kann ein CAS-Programm das Integral einer komplizierten mathematischen Funktion wieder in Form einer mathematischen Formel, also als algebraischer Ausdruck, zurückgeben. Dies wird als Computeralgebra bezeichnet – man nennt es auch als symbolisches Rechnen (symbolic computing). Aufgrund dieser Fähigkeit sind CAS-Programme heutzutage unverzichtbare Werkzeuge in hochkomplexen Forschungsgebieten wie die Kernphysik und Astrophysik. Aber auch in Entwicklungsabteilungen der Industrie sowie in akademischer Forschung wird in zunehmendem Maße CAS-Software für die Lösung technischer Aufgabenstellungen eingesetzt (Technical Computing). CAS-Programme stellen Zahlen mit sehr hoher Genauigkeit dar und beherrschen sogar ihre exakte Darstellung. Im Gegensatz zu einem normalen Rechenprogramm, das die Zahl 1/3 als eine sog. Fließkommazahl 0,33333 . . . (i.d.R. mit höchstens 15 Dezimalstellen im Computerspeicher) verarbeitet, behandelt ein CAS-Programm sie exakt als die Bruchzahl 1/3. Es geht also keine Information verloren. Für die allermeisten technischen Anwendungen ist dieser Vorteil eines CAS-Programms jedoch nicht Ausschlag gebend für ihren Einsatz; in Ingenieuranwendungen ist eine 15-stellige Genauigkeit auch hoch genug. Außerdem steht dem exakten Rechenergebnis eines CAS-Programmes ein nicht unwichtiger Nachteil gegenüber, nämlich die längere Rechenzeit im Vergleich zu den anwendungsspezifischen Rechenprogrammen. Auf dem Markt sind verschiedene CAS-Programme erhältlich, manche von ihnen sogar kostenlos (freeware). Die bekanntesten Vertreter von CAS-Software sind: Maple, Mathematica, Axiom, Macsyma, MuPAD, Reduce, MathCAD. Die Schwäche von CAS-Programmen ist ihre relativ geringe Geschwindigkeit im Vergleich zu sonstigen speziellen Rechenprogrammen, weil sie die Benutzereingaben nicht Maschinensprache übersetzen sondern während der Laufzeit nacheinander interpretieren. In diesem Buch wird der Einsatz von CAS-Software bei der Lösung von mathematischen Aufgaben am Beispiel von MAPLE1 erläutert. 1 Maple ist ein kommerzielles Programm; für Studierende und Lehrkräfte existieren preiswerte Einzellizenzen bei voller Leistungsfähigkeit des Programms sowie Campus-Lizenzen für den Einsatz in der Lehre.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_19

828

19 Mathematik mit Maple Tabelle 19.1: Spezielle Maple-Symbole Symbol ; : # % ?

Bedeutung Anweisungsende (Ergebnis wird auf dem Bildschirm angezeigt) Anweisungsende (Ergebnis wird auf dem Bildschirm nicht angezeigt) Kommentarzeichen (alles was rechts von # steht wird ignoriert) Platzhalter für den zuletzt berechneten Wert ruft Maple-Hilfe auf, z.B. ?sin zeigt Informationen über Sinus-Funktion

Tabelle 19.2: Maple-Konstanten Konstante Pi exp(k) I infinity

Bedeutung π ek (e = 2,718 . . . ) i (imaginäre Einheit) ∞

19.1 Einführung in Maple Eine vollständige Einführung in Maple ist im begrenzten Rahmen eines Buchabschnittes nicht möglich. Es gibt aber zahlreiche und umfangreiche Literatur, die den Leser sehr fundiert in Maple einweisen. Das Ziel dieses Abschnittes ist es, die Maple-Syntax anhand der Beispiele deutlich zu machen und die Einsatzmöglichkeiten von Maple anhand von Anwendungsbeispielen zu demonstrieren. Das Semikolon ; (s. Tabelle 19.1) beendet die Benutzereingabe (Ende der Anweisung) und veranlasst Maple die geforderte Berechnung sofort durchzuführen. Der Doppelpunkt : ist ebenfalls ein Anweisungsendezeichen und mit dem Semikolon verwandt. Der Unterschied zwischen den beiden Zeichen ist, dass beim Semikolon die Anweisung von Maple ausgeführt, d.h. berechnet, und das Ergebnis sofort ausgedruckt wird. Beim Doppelpunkt wird die Anweisung zwar ausgeführt, das Ergebnis wird aber nicht ausgedruckt, d.h. bleibt im Hintergrund; das ist oft für Zwischenrechnungen ein durchaus gewünschter Effekt. 2 Maple kennt zahlreiche Konstanten aus der Mathematik und Naturwissenschaften. Die für Ingenieure wichtigsten Konstanten sind in Tabelle 19.2 zusammengestellt. Die Eingabe des Benutzers wurde im Buch durch Verwendung des Zeichensatzes »Courier« kenntlich gemacht. Das Maple-Ergebnis ist in Roman-Schriftart zu sehen. Das Zeichen > ist das Bereitschaftszeichen (prompt) von Maple (das Zeichen > wird nicht vom Benutzer eingegeben). Ausführungsreihenfolge arithmetischer Operationen Maple wertet arithmetische Ausdrücke in der gleichen Weise aus, wie sie bei anderen Programmiersprachen auch üblich ist. Beispielsweise wird der Ausdruck 2 + 3 ∗ 4 interpretiert als »3 mal 2 Bei den meisten Maple-Beispielen in diesem Buch wird ein Maple-Befehl aus Gründen der Platzersparnis mit dem Doppelpunkt : beendet. Dem Leser wird jedoch empfohlen, bei der Ausführung der Beispiele mit Maple anstelle des Doppelpunkts den Semikolon ; zu verwenden. Dadurch werden auch die Ergebnisse der Zwischenschritte sichtbar.

19.1 Einführung in Maple

829

4, dann plus 2« und nicht etwa als »2 plus 3, dann mal 4«. Maple trifft seine Entscheidung aufgrund intern fest vereinbarter Regeln über Rangordnung der Operatoren (operator precedence): - Multiplikation/Division hat Vorrang gegenüber Addition/Subtraktion. - Bei mehreren Operationen mit Multiplikation bzw. Division erfolgt die Ausführung von links nach rechts. Das gleiche gilt für Addition/Division. Mit Hilfe von Klammern lässt sich eine spezielle Ausführungsreihenfolge erzwingen, die nicht der Rangordnung entspricht: > (2+3)*4; 20 > 2+3*4; 14

19.1.1 Elementares Rechnen mit Maple Die nachfolgenden Maple-Beispiele aus der elementaren Arithmetik sind durch eingefügte Kommentare erläutert. Beispiel 19.1: Datei: Maple/Grundwissen/elementares-rechnen-1.mws >

2; # Maple gibt den Eingabewert einfach wieder aus

>

2+3;

>

2+3*4; # entspricht 2+(3*4)

>

14 %; # gibt das letzte Maple-Ergebnis aus

2 5

>

14 (2+3)*4; # zunächst wird 2+3 berechnet 20 12/4: # es wird zwar gerechnet, aber nicht ausgegeben} %; # das letzte Rechenergebnis wird ausgegeben

>

3 %-3; # subtrahiert 3 vom letzten Wert

>

0 %+4; # addiert 4 zum letzten Wert

>

>

>

4 2*5: # Ergebnis ist 10, wird aber nicht angezeigt %; # das letzte Ergebnis wird angezeigt

>

10 2/3; # exakte Berechnung, Ausgabe als Bruchzahl

>

2 3 evalf(2/3); # exakte Berechnung, Ausgabe als Gleitkommazahl

>

0.66667

830

19 Mathematik mit Maple

>

2./3; # Erzwingen einer Gleitkommaberechnung ohne evalf

>

2+3/4; # zunächst wird 3/4 berechnet

>

11 4 (2+3)/4; # zunächst wird 2+3 berechnet

0.66667

5 4 >

3^2; # Quadrat von 3

>

(-3)^2; # Quadrat von -3

>

3^(-2); # 3 hoch (-2)

9 9 1 9 >

3^1.5; # 3 hoch 1,5

>

sqrt(9); # Quadratwurzel

>

2+3^2; # zunächst 3 zum Quadrat, dann 2 dazu addieren

>

sqrt(3^2); # zunächst 3 zum Quadrat, dann Quadratwurzel

>

(sqrt(3))^2; # zunächst Quadratwurzel von 3, dann Quadrat

>

sqr(3); # Maple kennt keine Funktion mit namen sqr

5.19615 3 11 3 3 sqr(3)

Beispiel 19.2: Datei: Maple/Grundwissen/elementares-rechnen-2.mws >

sqrt(4);

>

Pi;

>

evalf(Pi);

>

sin(Pi); # Sinus von 180 Grad

2 π 3.14159 0 >

sin(Pi/2); # Sinus von 90 Grad

>

arcsin(1/sqrt(2)); # Arkussinus von 0.7071 (in Bogemass) π 4 convert(arcsin(1/sqrt(2)), degrees); # Arkussinus von 0.7071 (in Grad)

1

> >

45 degrees

19.1 Einführung in Maple

>

signum(+5);

>

signum(-5);

831

1 −1

19.1.2 Variablen Mathematische Variablen beginnen in Maple mit einem Buchstaben und enthalten -fast- beliebig viele weitere Buchstaben bzw. Ziffern. Zwischen Groß- und Kleinschreibung wird unterschieden, d.h. a und A sind unterschiedliche Variablen. Genauso sind xy , xY , Xy und XY alle verschiedene Variablen. Wertzuweisung an Variablen Mit Hilfe des Zuweisungsoperators := wird ein Wert an eine Variable zugewiesen3 . Im folgenden Beispiel bedeutet die Anweisung a:=5 nicht etwa eine mathematische Gleichung im Sinne von a = 5 , sondern »a besitzt von jetzt an den Wert 5«. Der mathematischen Operator = hat eine andere Bedeutung. Beispiel 19.3: Datei: Maple/Grundwissen/zuweisung-an-variablen.mws >

a:=5; # Echo der Eingabe, wenn Semikolon als Befehlsende

>

a := 5 a; # zeigt den Wert der Variable a an

>

5 b:=2: # kein Echo, wenn Doppelpunkt als Befehlsende b; # zeigt den Wert der Variable b an

>

a+b;

>

c:=3+4;

>

2 7

>

c := 7 a*2; # a wird mit 2 multipliziert 10 a+b;

>

a:=a*2;

>

a+b;

>

c;

>

d:=b/a;

>

7 a := 10 12 5

d :=

1 5

3 Maple verwendet für die Wertzuweisung also die gleiche Syntax wie die Programmiersprachen Delphi und Pascal.

832

19 Mathematik mit Maple

>

evalf(d); # zeigt d in Gleitkomma-Darstellung 0.20000

Stringvariablen Eine Zeichenkette wird als String-Variable bezeichnet; sie wird in Hochkommas eingeschlossen. > s:="Maple ist ein leistungsfähiges CAS"; s:=“Maple ist ein leistungsfähiges CAS”

19.1.3 Plotten mit Maple Maple verfügt über verschiedene mächtige Befehle, mit denen anspruchsvolle Funktionsplots erzeugt werden können. Nachfolgend sind einige Möglichkeiten exemplarisch aufgezeigt. Beispiel 19.4: Polynom. > > >

Datei: Maple/Plotten/polynom-1.mws

f := x^3 - 20*x^2 + 50*x + 200: # Funktion x_a:=-3 : x_e:=17: # Anfangs- und Endpunkt auf der x_Achse plot(f, x=x_a..x_e);

y

200

x

10

0

–200

Beispiel 19.5: Schraubenlinie. > > >

Datei: Maple/Plotten/schrauben-linie.mws

with(plots): spacecurve([cos(t),sin(t),t], t=0..6*Pi, axes = FRAME, labels = [x,y,t], color=black);

16 12 t 8 4 0 –1 –0.5

y

–1 –0.5 0

0 0.5

0.5 1

1

x

19.1 Einführung in Maple

833

Beispiel 19.6: Halbkugel. Datei: Maple/Plotten/halb-kugel.mws Mit dem Befehl plot3d lassen sich 3D-Flächen plotten. >

with(plots):

>

setoptions3d(style = patch,shading=ZGRAYSCALE,scaling=constrained):

>

plot3d(1,0..2*Pi,0..Pi/2,coords=spherical);

Beispiel 19.7: Fläche im 3D-Raum.

Datei: Maple/Plotten/3d-flaeche.mws

>

with(plots):

>

z:=x*y*sin(x)*sin(y): # zu plottende Funktion

>

setoptions3d(style = patch, shading=NONE,scaling=constrained):

> >

plot3d(z,x=-Pi..Pi,y=-Pi..Pi, labelfont=[HELVETICA,OBLIQUE,12], axes=NORMAL, labels=[x,y,’z’],axes=FRAME,orientation=[45,30]);

3

z2

1 0 –3

–3 –2

–2 –1

–1

y

0

0 1

1

x

2

2 3

3

Beispiel 19.8: Parameterkurven. 1. Gerade in der xy-Ebene. Datei: Maple/Plotten/gerade-1.mws >

with(plots):

>

plot([4*t, t-2, t=0..5], labels=["x","y"]);

19 Mathematik mit Maple

2

y 0

10

20

x

–2

2. Ellipse: x(t) = 2 sin t,

y(t) = 3 cos t,

0 ≤ t ≤ 2π

Datei: Maple/Plotten/ellipse-1.mws >

with(plots):

>

f:=[2*sin(t), 3*cos(t), t=0..2*Pi]: plot(f, scaling=constrained);

>

y

2

–2

2

x –2

3. Schmetterlingfigur: x(t) = sin 2t,

y(t) = sin 4t,

0 ≤ t ≤ 2π

Datei: Maple/Plotten/schmetterling.mws >

with(plots):

>

f:=[sin(2*t), sin(4*t), t=0..2*Pi]; plot(f, scaling=constrained);

>

1

y

834

–1

x

–1

1

19.1 Einführung in Maple

835

Tabelle 19.3: Maple-Funktionen (sehr kleiner Auszug) Funktionsname

Bedeutung

abs(x) arcsin(x) arccos(x) arctan(x) convert(x,fraction,n) cos(x) cosh(x) cot(x) D(f) diff(f,x) exp(x) evalf(x) fsolve(f,v) implicitdiff(f,y,x) ln(x) log10(x) restart signum(x) sin(x) sinh(x) solve(f,v) sqrt(x) tanh(x)

Absolutwert (Betrag) von x Arkussinus Arkuskosinus Arkustangens Konvertiert die Gleitkommazahl x in eine Bruchzahl Kosinus Kosinushyperbolicus Kotangens differenziert den Ausdruck f differenziert den Ausdruck f nach x Eulersche Zahl e in der x-ten Potenz liefert den Gleitkommawert von x löst die Gleichung f nach der Variable v numerisch auf differenziert y nach x implizite ab (f ist der Ausdruck) natürlicher Logarithmus von x dekadischer Logarithmus von x initialisiert Maple vollständig Vorzeichen von x Sinus Sinushyperbolicus löst die Gleichung f nach der Variable v auf Quadratwurzel von x Tangenshyperbolicus

19.1.4 Funktionen und Befehle von Maple Maple verfügt über eine riesige Funktionsbibliothek mit Tausenden von Funktionen, die praktisch jedes Gebiet der Mathematik abdecken. Ingenieure brauchen -glücklicherweise- nur einen kleinen Teil dieser Bibliothek. Eine Funktion aus der Maple-Funktionsbibliothek ist ein Programmcode, der eine ganz klar definierte Aufgabe erledigt. Dabei arbeitet die Funktion wie eine blackbox: man füttert sie mit Eingabedaten und erhält ein fertiges Ergebnis; wie das im Einzelnen geschieht und alle Zwischenergebnisse bleiben dem Benutzer verborgen (interessieren ihn in der Regel eigentlich auch nicht). Die Tabelle 19.3 zeigt einige ausgewählte Maple-Funktionen. Hinweis: Das Argument x für trigonometrische Funktionen der Tabelle 19.3 ist stets in Bogenmaß (rad) einzugeben!

836

19 Mathematik mit Maple

19.2 Elementar-Mathematik In diesem Abschnitt werden ausgewählte Beispiele aus dem Abschnitt 1 mit Maple gelöst. 19.2.1 Wurzeln, Summation Beispiel 1.24 auf Seite 30. Wurzelberechnung. > 16ˆ(1/2.5); 3,03143 > 16ˆ(2/5.); 3,03143 > 27ˆ(-1/3.); 0,33333

Beispiel 1.6 auf Seite 11. Summation. > sum(’i’, ’i’=1..5); 15 > sum(’i’, ’i’=0..5); 15 > sum(’iˆ2’, ’i’=1..3); 14 > sum(’iˆ2-1’, ’i’=1..3); 11 > evalf(sum(’sqrt(i)’, ’i’=1..5)); 8.38233 > sum(’sin(i*Pi)’, ’i’=0..3); 0

Beispiel 1.14 auf Seite 17. Mittelwert einer Zahlenmenge. Datei: Maple/Grundwissen/mittelwert.mws >

>

with(stats): # lädt Maple’s Statistik-Paket reihe:=[3,5,7,9]: describe[mean](reihe); # arithmetisches Mittel

>

6 evalf(describe[geometricmean](reihe)); # geometrisches Mittel

>

5.54444 evalf(describe[quadraticmean](reihe)); # quadratisches Mittel

>

6.40312 evalf(describe[harmonicmean](reihe));

>

5.08065

Beispiel 21 auf Seite 38. Logarithmische Gleichung. Datei: Maple/Grundwissen/log-gleichung-1.mws

# harmonisches Mittel

19.2 Elementar-Mathematik

>

837

f:=ln(2*x+2)/ln(8)=4; f :=

>

solve(f,x);

>

f:=(ln(x+3)+ln(x-3))/ln(4)=2;

ln(2 x + 2) =4 ln(8) 2047

f :=

ln(x + 3) + ln(x − 3) =2 ln(4)

>

solve(f,x);

>

f:=ln(x+2)/ln(4)+ln(x-2)/ln(4)=2;

5

f := >

ln(x + 2) ln(x − 2) + =2 ln(4) ln(4)

fsolve(f,x); 4.47214

19.2.2 Lösung von Gleichungen Maple stellt zur Lösung von linearen und nichtlinearen Gleichungen und Gleichungssystemen die Befehle solve und fsolve zur Verfügung. Beispiel 19.9: Datei: Maple/Grundwissen/gleichungs-loesung-1.mws >

f:=4*x^2-12*x-20=0; # Definition der Gleichung

>

f := 4 x2 − 12 x − 20 = 0 fsolve(f,x); # Numerische Lösung von f

>

−1.19258, 4.19258 fsolve(4*x^2-12*x-20=0); # Alternative Lösung −1.19258, 4.19258 f := x^5 - 2*x^4 + 40*x^3 - 102*x^2 + 12*x - 20000;

>

fsolve( f, x);

>

f:=tan(cos(x));

>

f := tan(cos(x)) solve( tan(cos(x))=1., x );

>

f := x5 − 2 x4 + 40 x3 − 102 x2 + 12 x − 20000 6.93998

>

0.66746 f:=5-(ln(x+(x^2-1)^(1/2))-ln(2+8^(1/2))); √ √ f := 5 − ln(x + x2 − 1) + ln(2 + 8) fsolve(f,x);

>

f:=(1-x^2)/(1+x^2)=0;

>

358.30176

f := >

1 − x2 =0 1 + x2

solve(f); −1, 1

838

19 Mathematik mit Maple

19.3 Differentialrechnung Maple stellt für die Differentiation von Funktionen und Ausdrücken zwei Möglichkeiten zur Verfügung: 1. Der Befehl diff ist der allgemeinere Befehl und wird für normale sowie partielle Ableitung von Ausdrücken verwendet. 2. Der Operator-Befehl D differenziert Funktionen mit nur einer unabhängigen Variable in Operatorform. Die D-Form ist insbesondere bei der Lösung von Differentialgleichungen mit Anfangs- und Randbedingungen nützlich. Beispiel 19.10: Datei: Maple/DiffRech/ableitungs-befehle-1.mws

Im folgenden Beispiel wird die Sinus-Funktion in beiden Formen abgeleitet. In der letzten Zeile ist der Wert der Ableitung an der Stelle π ausgewertet. >

diff(sin(x),x); # Standardmethode

>

cos(x) D(sin); # Operator-D-Methode (leitet sin ab) cos D(sin)(x); # leitet sin(x) ab

>

cos(x) D(sin)(Pi); # leitet sin ab, Ergebnisauswertung bei Pi

>

−1

Beispiel 3.46 auf Seite 139. Produktregel. Datei: Maple/DiffRech/produkt-regel-1.mws >

y:=(x-1)*(x^2-2); # Funktion y=f(x)

>

y := (x − 1) (x2 − 2) diff(y,x); # Ableitung von y nach x

>

x2 − 2 + 2 (x − 1) x expand(%); # Ausmultiplizieren des letzten Resultats 3 x2 − 2 − 2 x

Beispiel 3.9 auf Seite 90. Quotientenregel. Datei: Maple/DiffRech/quotienten-regel-1.mws >

y:=x^2/sin(x);

>

x2 sin(x) diff(y,x); # Ableitung von y nach x

>

x2 cos(x) 2x − sin(x) sin(x)2 factor(%); # Faktorisierung des letzten Ausdrucks

y :=



x (−2 sin(x) + x cos(x)) sin(x)2

Beispiel 3.12 auf Seite 92. Kettenregel. Datei: Maple/DiffRech/ketten-regel-1.mws

19.3 Differentialrechnung

>

839

y:=sin(ln(x^2-3*x)); y := sin(ln(x2 − 3 x))

>

diff(y,x); # Ableitung von y nach x cos(ln(x2 − 3 x)) (2 x − 3) x2 − 3 x

Beispiel 12.18 auf Seite 633. Implizite Ableitung. Datei: Maple/DiffRech/implizite-ableitung-1.mws >

f:=exp(y)+y-x=0; f := ey + y − x = 0

>

abl:=implicitdiff(f,y,x); # implizite Ableitung von y nach x abl :=

>

1 ey + 1

zwischen_ausdruck:=solve(f,exp(y)); # Auflösung von f nach e^y zwischen_ausdruck := −y + x

>

subs(exp(y)=zwischen_ausdruck,abl); # Substitution von e^y 1 −y + x + 1

Beispiel 3.22 auf Seite 107. Taylor-Reihe. Datei: Maple/DiffRech/taylor-reihe-1.mws

In diesem Beispiel wird die Funktion ex in eine Taylor-Reihe mit 4 Reihengliedern entwickelt. Abweichend von den bisherigen Beispielen wird hier die Funktion f mit Hilfe des Pfeiloperators »→« definiert; dadurch wird die Funktionsauswertung erleichtert. Der MapleBefehl convert konvertiert den Ausdruck für die Taylor-Reihe in ein Polynom mit einer endlichen Anzahl von Gliedern. Der Befehl unapply besitzt die selbe Wirkung wie der →Pfeiloperator. Im Schaubild ist die Kurve der Taylor-Reihe (die untere Kurve) mit der exakten Funktion ex (die obere Kurve) verglichen. >

f:=x -> exp(x):

>

taylor(f(x), x=0, 4); # Taylor-Reihe für x=0 1+x+

>

1 2 1 3 x + x + O(x4 ) 2 6

fT:=unapply(convert(%,polynom),x); #Umwandlung in ein Polynom fT := x → 1 + x +

>

1 2 1 3 x + x 2 6

exakt:=f(0.2); exakt := 1.22140

>

naeherung:=fT(0.2); naeherung := 1.22133

>

E[rel]:=abs((exakt-naeherung)/exakt)*100; # rel. Fehler in % Erel := 0.00568

840

19 Mathematik mit Maple 8

y

6

4

2

0

–1

1

x

2

Beispiel 3.24 auf Seite 112. Unbestimmer Ausdruck. Datei: Maple/DiffRech/unbestimmter-ausdruck-1.mws >

limit(sin(x)/x, x=0); # Grenzwert von 0/0 bestimmen 1

Beispiel 3.72 auf Seite 155. Krümmung einer Kurve. Datei: Maple/DiffRech/kruemmung-einer-kurve-1.mws >

y:= x*exp(x); y := x ex

>

abl_1:=diff(y,x); # 1. Ableitung abl_1 := ex + x ex

>

abl_2:=diff(y,x$2); # 2. Ableitung abl_2 := 2 ex + x ex

>

kappa:=unapply(abl_2/(1+abl_1^2)^1.5, x); κ := x →

>

2 ex + x ex (1 + (ex + x ex )2 )1.5

kappa:=kappa(0); # Krümmung κ := 0.7071067812

>

rho:=1/abs(kappa); # Krümmungsradius ρ := 1.414213562

Beispiel 5 auf Seite 155. Extremwertbestimmung. Datei: Maple/DiffRech/extremwert-bestimmung-1.mws >

with(Student[Calculus1]): # das nötige Maple-Paket laden

>

y:=x-> x*exp(-x); y := x → x e(−x)

>

ExtremePoints(y(x)); # x-Positionen der Extremwerte [1]

>

evalf(y(%[1])); # y-Wert an der Extremwertposition

>

plot(y(x),x=-0.2..3, labels=["x","y"], view=[-0.2..3,-0.3..0.5]);

0.36788

19.3 Differentialrechnung

y

0.4

0.2

0

1

x

2

3

–0.2

Beispiel 15.3 auf Seite 780. Nulstellenbestimmung mit Newton-Verfahren. Datei: Maple/DiffRech/newton-verfahren-1.mws > > >

with(Student[Calculus1]): # Paket laden y:=x^2-exp(x): NewtonsMethod(y,x=0); # x=0 gibt die Startposition an −0.70347

Beispiel 3.33 auf Seite 126. Schleudergefahr für ein Auto in der Kurve. Datei: Maple/DiffRech/auto-in-der-kurve.mws >

>

y:=100*ln(x): # Funktion der Straße m:=1500: v:=162000/3600: mu:=0.7: g:=9.81: rho:=abs((1+diff(y,x)^2)^1.5/diff(y,x$2)): # Krümmungsradius F:=m*v^2/rho: # Zentrigualkraft auf das Auto with(Student[Calculus1]): # benötigt für Extremwertbestimmung x_F_max:=ExtremePoints(F); # x-Position der Extremwerte

>

x_F_max := [−70.71068, 70.71068] F_max:=evalf(subs(x=x_F_max[2], F)); # max. Zentrifugalkraft

> > > >

> > > > > >

F_max := 11691.34295 F_R:=mu*m*g; # Rückhaltekraft infolge Reibung F_R := 10300.50000 if( F_max > F_R ) then print("Das Auto kommt ins Schleudern"); else print("Das Auto kommt bleibt in der Kurve"): fi; “Das Auto kommt ins Schleudern”

Beispiel 15.7 auf Seite 784. Größte Durchbiegung eines Balkens. Datei: Maple/DiffRech/balken-durchbiegung-1.mws >

>

M:=1/2*q*l^2*(3*x/(4*l)-x^2/l^2): # Biegemomenten-Verlauf dM:=diff(M,x): # 1. Ableitung des Biegemomentes x_M_max:=evalf(solve(dM, x)); # Position des max. Biegemomentes

>

x_M_max := 0.37500 l M_max:=convert(subs(x=x_M_max, M), fraction); # maximales M

>

9 q l2 128 w:=q*l^4/(48*E*J)*(x/l-3*x^3/l^3+2*x^4/l^4): # Durchbiegung dw:=diff(w,x): # 1. Ableitung der Durchbiegung M_max :=

> >

841

842

19 Mathematik mit Maple

>

x_w_max:=evalf(solve(dw, x)); # Position der max. Durchbiegung

>

x_w_max := l, 0.42154 l, −0.29654 l subs(x=x_w_max[2], w): # Bestimmung der maximalen Durchbiegung w_max:=convert(%, fraction, 4); # Konvertierung in eine Bruchzahl

>

w_max :=

2 q l4 369 E J

19.4 Lineare Algebra Beispiel 5.38 auf Seite 290. Rang einer Matrix. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-rang-1.mws > >

>

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[1,2,1],[3,4,2],[6,8,4],[9,12,6]]); ⎤ ⎡ 1 2 1 ⎢ 3 4 2 ⎥ ⎥ A := ⎢ ⎣ 6 8 4 ⎦ 9 12 6 Rank(A); 2

Beispiel 5.8 auf Seite 259. Matrix-Transposition. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-transp-1.mws > >

>

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[2,3,8],[3,5,-1]]); ! " 2 3 8 A := 3 5 −1 A_T:=Transpose(A); ⎤ ⎡ 2 3 A_T := ⎣ 3 5 ⎦ 8 −1

Beispiel 5.6 auf Seite 257. Matrix-Addition. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-addition-1.mws > >

>

>

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[-4,6,3],[0,1,2]]); ! " −4 6 3 A := 0 1 2 B:=Matrix([[5,-1,0],[3,1,0]]); ! " 5 −1 0 B := 3 1 0 C:=Add(A,B); ! " 1 5 3 C := 3 2 2

Beispiel 5.9 auf Seite 260. Multiplikation einer Matrix mit einem Skalar. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-skalar-mult-1.mws >

with(LinearAlgebra):

19.4 Lineare Algebra

>

A:=Matrix([[2.7,-1.8],[0.9,3.6]]); ! 2.70000 A := 0.90000

>

k:=2;

>

C:=Multiply(A,k);

−1.80000 3.60000

"

k := 2 ! C :=

5.40000 1.80000

−3.60000 7.20000

"

Beispiel 6.43 auf Seite 379. Skalarprodukt. Datei: Maple/LinAlgebra/skalar-produkt-1.mws >

with(LinearAlgebra):

>

v:=Vector([2,3,1]);

>

w:=Vector([1,-1,6]);

>

skalar_produkt:=DotProduct(v,w);



⎤ 2 v := ⎣ 3 ⎦ 1 ⎡

⎤ 1 w := ⎣ −1 ⎦ 6 skalar_produkt := 5

Beispiel 5.13 auf Seite 264. Matrix-Vektor-Multiplikation. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-vektor-mult-1.mws >

with(LinearAlgebra):

>

A:=Matrix([[2,4,5],[2,6,8],[1,0,9]]); ⎡ ⎤ 2 4 5 A := ⎣ 2 6 8 ⎦ 1 0 9

>

v:=Vector([3,1,0]);

>

w:=Multiply(A,v);



⎤ 3 v := ⎣ 1 ⎦ 0 ⎤ 10 w := ⎣ 12 ⎦ 3 ⎡

Aufgabe 11 auf Seite 317. Determinante einer Matrix. Datei: Maple/LinAlgebra/determinante-1.mws >

with(LinearAlgebra):

>

A:=Matrix([[1,2,3,4],[2,-4,2,3],[3,2,-1,-5],[4,2,-5,4]]); ⎤ ⎡ 1 2 3 4 ⎢ 2 −4 2 3 ⎥ ⎥ A := ⎢ ⎣ 3 2 −1 −5 ⎦ 4

2

−5

4

843

844

19 Mathematik mit Maple

>

det:=Determinant(A); det := 1096

Aufgabe 4 auf Seite 315. Determinante einer Matrix. Datei: Maple/LinAlgebra/determinante-2.mws > > >

> >

> >

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[-3,0,0],[6,4,0],[-1,2,5]]): Determinant(A); −60 B:=Matrix([[-1,1,2],[3,-1,1],[-1,3,4]]): Determinant(B); 10 C:=Matrix([[2,0,-4,6],[4,5,1,0],[0,2,6,-1],[-3,8,9,1]]): Determinant(C); 1134

Aufgabe 10 auf Seite 317. Lineare Abhängigkeit einer Matrix. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-lineare-abhaengigkeit-1.mws

Eine Matrix ist linear abhängig, falls ihre Determinante gleich Null ist, ansonsten ist sie linear unabhängig. > > >

> >

> >

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[2,3,8],[3,5,-1],[5,8,6]]): Determinant(A); # A ist linear unabhängig, weil det(A)=-1 −1 B:=Matrix([[2,3,8],[3,5,-1],[5,8,7]]): Determinant(B); # B ist linear abhängig, weil det(B)=0 0 C:=Matrix([[5,3,11],[2,5,12],[7,8,20]]): Determinant(C); # C ist linear unabhängig, weil det(C)=-57 −57

Aufgabe 2 auf Seite 314. Lineares Gleichungssystem. Datei: Maple/LinAlgebra/lineares-gl-system-1.mws > > > >

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[4,2,1],[-1,1,1],[1,-1,1]]): b:=Vector([1,-2,1]): x:=evalf(LinearSolve(A,b)); ⎤ ⎡ 0.75000 x := ⎣ −0.75000 ⎦ −0.50000

Aufgabe 5.50 auf Seite 300. Nicht lösbares lineares Gleichungssystem. Datei: Maple/LinAlgebra/lineares-gl-system-2.mws

Das folgende lineare Gleichungssystem ist nicht lösbar, weil die Matrix A singulär ist. > > > >

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[3,6,-4],[6,-1,3],[6,12,-8]]): b:=Vector([1,2,3]): x:=LinearSolve(A,b);

19.5 Vektorrechnung

845

Error, (in LinearAlgebra:-LA_Main:-LinearSolve) inconsistent system

Aufgabe 20 auf Seite 319. Inverse einer Matrix. Datei: Maple/LinAlgebra/matrix-inverse-1.mws > > >

> >

with(LinearAlgebra): A:=Matrix([[1,2,3],[4,5,6],[2,6,8]]): evalf(MatrixInverse(A)); ⎡ 0.66667 0.33333 −0.50000 ⎣ −3.33333 0.33333 1.00000 2.33333 −0.33333 −0.50000 B:=Matrix([[2,1,-1],[1,4,1],[-1,1,6]]): evalf(MatrixInverse(B)); ⎡ 0.67647 −0.20588 0.14706 ⎣ −0.20588 0.32353 −0.08824 0.14706 −0.08824 0.20588

⎤ ⎦

⎤ ⎦

19.5 Vektorrechnung Beispiel 6.22 auf Seite 358. Normierung eines Vektors. Datei: Maple/VektorRechnung/normierung-eines-vektors-1.mws

Die zur Normierung eines Vektors benötigte Vektorlänge wird mit dem Maple-Befehl VectorNorm und dem optionalen Parameter Euclidean berechnet. >

>

with(LinearAlgebra): a:=Vector([1.,1,0]): L:=VectorNorm(a,Euclidean); # berechnet die Vektorlänge

>

a:=a/L; # Normierung

>

L := 1.41421

>

⎤ 0.70711 ⎣ a := 0.70711 ⎦ 0.00000 VectorNorm(a,Euclidean); # Länge des normierten Vektors ⎡

1.00000

Beispiel 6.11 auf Seite 339. Winkel zwischen zwei Vektoren. Datei: Maple/VektorRechnung/winkel-zwischen-2-vektoren-1.mws

In diesem Beispiel soll der Winkel zwischen zwei Vektoren berechnet werden. Die kann entweder direkt nach Gl. (6.12) oder mit Hilfe des Maple-Befehls VectorAngle durchgeführt werden. Der Maple-Befehl convert mit dem Parameter degrees wandelt einen Winkel vom Bogenmaß in Grad um. > > >

> > >

with(LinearAlgebra): a:=Vector([1,2,5]):b:=Vector([3,-2,1]): p:=DotProduct(a,b); # Skalarprodukt von a und b p := 4 # Alternative 1 zur Winkelberechnung La:=VectorNorm(a,Euclidean): Lb:=VectorNorm(b,Euclidean):

846

19 Mathematik mit Maple

>

alpha:=evalf(convert(arccos(p/(La*Lb)),degrees));

>

α := 78.74476 degrees # Alternative 2 zur Winkelberechnung alpha:=evalf(convert((VectorAngle(a,b)), degrees));

>

α := 78.74476 degrees

Beispiel 6.14 auf Seite 346. Betrag des Kreuzproduktes von zwei Vektoren. Datei: Maple/VektorRechnung/kreuzprodukt-1.mws > > > >

with(LinearAlgebra): a:=Vector([2,3,4]):b:=Vector([5,9,12]): c:=CrossProduct(a,b): # Kreuzprodukt von a und b ‘|c|‘:=VectorNorm(c,Euclidean); # Betrag des Kreuzproduktes |c| := 5

Beispiel 6.21 auf Seite 357. Lineare Abhängigkeit von Vektoren und Kreuzprodukt. Datei: Maple/VektorRechnung/linear-abhaengige-vektoren-1.mws > > >

with(LinearAlgebra): a:=Vector([2,3,4]):b:=Vector([4,6,8]): c:=CrossProduct(a,b); # (a x b) ist Null ⎤ ⎡ 0 ⎣ c := 0 ⎦ 0

Beispiel 6.38 auf Seite 377. Zusammentreffen von zwei Fahrzeugen. Datei: Maple/VektorRechnung/zusammentreffen-von-fahrzeugen.mws > > > > > > > > > >

>

with(LinearAlgebra): r[1]:=Vector([1000,2000,0]): # Startposition Fahrzeug A r[2]:=Vector([-1208,-5038,0]): # Startposition Fahrzeug B v[A]:=72000/3600: v[B]:=108000/3600: # Geschw. von A und B a:=Vector([1,-2,0]): b:=Vector([1,1,0]): a:=evalf(a/VectorNorm(a,Euclidean)): # Normierung von a b:=evalf(b/VectorNorm(b,Euclidean)): # Normierung von b r[A]:=r[1]+v[A]*a*t: # Momentaner Ortsvektor von A r[B]:=r[2]+v[B]*b*t: # Momentaner Ortsvektor von B bedingung:=simplify(r[A]-r[B]); # Bedingung des Zusammentreffens ⎤ ⎡ 2208.00000 − 12.26893 t bedingung := ⎣ 7038.00000 − 39.10175 t ⎦ 0.00000 ‘t‘:=solve(bedingung[1],t); # Lösen der ersten Bedingungsgleichung t := 179.96677

Aufgabe 6.67 auf Seite 393. Abstand zwischen einem Punkt und einer Geraden. Datei: Maple/VektorRechnung/abstand-punkt-gerade-1.mws > > > >

with(LinearAlgebra): r[Q]:=Vector([4,4,4]): # Ortsvektor des Punktes Q r[1]:=Vector([1,0,0]): # Ortsvektor des Punktes P1 a:=Vector([1,1,-1]):

19.6 Integralrechnung

>

’r[Q]’=r[Q], ’r[1]’=r[1], ’a’=a, ’r[Q]-r[1]’=r[Q]-r[1]; ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 4 1 1 3 ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ rQ = 4 , r1 = 0 , a= 1 , rQ − r1 = 4 ⎦ 4 0 −1 4

>

‘|q|‘:=VectorNorm(CrossProduct(a,r[Q]-r[1]), Euclidean); √ |q| := 114

>

‘|a|‘:=evalf(VectorNorm(a,Euclidean)); |a| := 1.73205

>

d:=evalf(‘|q|‘/‘|a|‘); d := 6.16441

19.6 Integralrechnung Beispiel 4.8 auf Seite 172. Unbestimmtes Integral. Datei: Maple/IntegRech/unbestimmtes-integral-1.mws >

f:=x*ln(x):

>

Int(f,x)=int(f,x); &

x ln(x) dx =

1 2 x2 x ln(x) − 2 4

Beispiel 4.40 auf Seite 221. Unbestimmtes Integral. Datei: Maple/IntegRech/unbestimmtes-integral-2.mws >

f:=exp(x)*cos(x):

>

Int(f,x)=int(f,x);

&

ex cos(x) dx =

1 x 1 e cos(x) + ex sin(x) 2 2

Beispiel 4.13 auf Seite 177. Bestimmtes Integral. Datei: Maple/IntegRech/bestimmtes-integral-1.mws >

f:=3*exp(x)-2*x:

>

Int(f,x=0..1)=evalf(int(f,x=0..1)); &1

3 ex − 2 x dx = 4.15485

0 > >

f:=x-2*x^2+x^3: Int(f,x=0..1)=evalf(int(f,x=0..2)); &1

x − 2 x2 + x3 dx = 0.66667

0

Beispiel 4.18 auf Seite 181. Trapez-Regel. Datei: Maple/IntegRech/trapez-regel-1.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=exp(-x^2):

>

Int(f, x=0..1)=evalf(ApproximateInt(f, x=0..1, method = trapezoid));

847

848

19 Mathematik mit Maple

&1

e(−x ) dx = 0.74621 2

0

Beispiel 4.19 auf Seite 184. Simpson-Regel. Datei: Maple/IntegRech/simpson-regel-1.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=exp(-x^2):

>

Int(f, x=0..1)=evalf(ApproximateInt(f, x=0..1, method = simpson)); &1

e(−x ) dx = 0.74682 2

0

Beispiel 4.20 auf Seite 186. Gauß-Quadratur. Datei: Maple/IntegRech/gauss-quadratur-1.mws >

f:=exp(-x^2):

>

Int(f, x=0..1)=evalf(Int(f, x=0..1, method = _Gquad)); &1

e(−x ) dx = 0.74682 2

0

Beispiel 4.58 auf Seite 235. Bogenlänge. Datei: Maple/IntegRech/bogen-laenge-1.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=sin(x):

>

Bogenlaenge:=evalf(ArcLength(f, x=0..Pi)); Bogenlaenge := 3.82020

Beispiel 4.57 auf Seite 234. Bogenlänge bei Bergwanderung. Datei: Maple/IntegRech/bogen-laenge-2.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=500*sin(x/1000)^2: # Funktion des Bergprofils

>

x_0:=fsolve(f=500,x); # x_0 position bestimmen

>

Bogenlaenge:=evalf(ArcLength(f, x=0..x_0));

x_0 := 1570.79633 Bogenlaenge := 1664.79181

Beispiel 4.29 auf Seite 199. Mantelfläche bei Rotation um die x-Achse. Datei: Maple/IntegRech/mantel-flaeche-x-1.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=cosh(x):

>

A_M:=evalf(SurfaceOfRevolution(f, x=0..2)); A_M := 49.15009

Beispiel 4.30 auf Seite 200. Mantelfläche bei Rotation um die y-Achse. Datei: Maple/IntegRech/mantel-flaeche-y-1.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=cosh(x):

>

A_M:=evalf(SurfaceOfRevolution(f, x=0..2, axis=vertical));

19.7 Gewöhnliche Differentialgleichungen

A_M := 28.22108

Beispiel 4.31 auf Seite 201. Volumen eines Rotationskörpers bei Drehung um die x-Achse. Datei: Maple/IntegRech/volumen-rotationskoerper-x-1.mws >

with(Student[Calculus1]):

>

f:=sinh(x):

>

V:=evalf(VolumeOfRevolution(f, x=0..2)); V := 18.29186

Beispiel 4.33 auf Seite 206. Trägheitsmomente eines Rechteckquerschnitts. Datei: Maple/IntegRech/traegheits-moment-1.mws >

I_x:=int(b*y^2, y=-h/2..h/2); # Trägh.-Moment um die x-Achse

>

b h3 12 I_y:=int(h*x^2, x=-b/2..b/2); # Trägh.-Moment um die y-Achse I_x :=

I_y :=

h b3 12

19.7 Gewöhnliche Differentialgleichungen Gewöhnliche Differentialgleichungen lassen sich mit dem Maple-Befehl dsolve lösen. Beispiel 10.15 auf Seite 504. DGL 1. Ordnung. Datei: Maple/DiffGl/diff-gl-1-ord-1.mws >

dgl:=diff(y(x),x)-y(x)^2=0;

>

dsolve({dgl, y(1)=1},y(x)); # Lösen der DGL mit Anfangsbedingung

d dgl := ( dx y(x)) − y(x)2 = 0

y(x) = −

1 x−2

Beispiel 10.45 auf Seite 566. DGL 1. Ordnung. Datei: Maple/DiffGl/diff-gl-1-ord-2.mws >

dgl:=diff(y(x),x)=(x+y(x))^2;

>

dsolve({dgl, y(0)=0},y(x)); # Lösen der DGL mit Anfangsbedingung

dgl :=

d dx

y(x) = (x + y(x))2

y(x) = −x + tan(x)

Beispiel 10.22 auf Seite 514. DGL 1. Ordnung. Datei: Maple/DiffGl/diff-gl-1-ord-4.mws >

dgl:=diff(y(x),x)+(3*x^2-2*x)*y(x):

>

dsolve({dgl, y(0)=1},y(x)); y(x) = e(x

2 (−x+1))

Beispiel 10.51 auf Seite 575. DGL 1. Ordnung. Datei: Maple/DiffGl/diff-gl-1-ord-5.mws >

dgl:=diff(y(x),x)-2*y(x)=exp(-2*x):

>

dsolve({dgl, y(0)=1},y(x));

849

850

19 Mathematik mit Maple

1 5 y(x) = (− e(−4 x) + ) e(2 x) 4 4

Beispiel 10.28 auf Seite 528. DGL 2. Ordnung. Datei: Maple/DiffGl/diff-gl-2-ord-1.mws > >

dgl:=diff(y(x),x$2)+4*y(x)=16*x^2: dsolve({dgl, y(0)=1, D(y)(0)=0},y(x)); y(x) = −2 + 3 cos(2 x) + 4 x2

Beispiel 10.31 auf Seite 536. Freie gedämpfte Schwingung. Datei: Maple/DiffGl/freie-gedaempfte-schwingung-1.mws > > > >

dgl:=m*diff(x(t),t$2)+c*diff(x(t),t)+k*x(t)=0: k:=30000: m:=70: c:=120: anfangsbed:=x(0)=0.02, D(x)(0)=0: # Anfangsbedingungen lsg:=evalf(dsolve({dgl,anfangsbed},x(t))); lsg := x(t) = 0.0008287893669 e(−0.8571428571 t) sin(20.68421462 t)

> >

+ 0.02000000000 e(−0.8571428571 t) cos(20.68421462 t) plot_funktion:=op(2,lsg): # Extraktion der rechten Seite plot(plot_funktion,t=0..2); # Schwingung in den ersten 2 sec

x(t)

0.02

0.01

0

1

t

2

–0.01

–0.02

Beispiel 19.11: Datei: Maple/DiffGl/schwingung-resonanz-1.mws

In diesem Beispiel wird das harmonisch erregte Schwingungsproblem des Abschnitts 10.8.5 (s. Seite 539) untersucht. Die Kenngrößen des Schwingers sind identisch mit denen des Beispiels 10.31 (s. Seite 536). Die Zeitfunktion der Erregerkraft lautet F(t) = 3000 sin 20,7t. Der Schwinger kommt also in Resonanz mit der Erregung, weil die Erregerfrequenz und die Eigenfrequenz zusammenfallen. > > >

dgl:=70*diff(x(t),t$2)+120*diff(x(t),t)+30000*x(t)=3000*sin(20.7*t): anfangsbed:=x(0)=0.0, D(x)(0)=0: # Ruhezustand am Anfang lsg:=evalf(dsolve({dgl,anfangsbed},x(t))); lsg := x(t) = 0.04727394327 e(−0.8571428571 t) sin(20.68421462 t) + 1.207723109 e(−0.8571428571 t) cos(20.68421462 t) − 1.207723109 cos(20.70000000 t)

>

+ 0.002771345299 sin(20.70000000 t) plot_funktion:=op(2,lsg): # Extraktion der rechten Seite

>

plot(plot_funktion,t=0..5); # Schwingung in der ersten 5 sec

x(t)

1

0

2

t

4

–1

19.8 Fourier-Reihen Beispiel 11.2 auf Seite 600. Fourier-Reihe. Datei: Maple/./Fourier/Beisp/bsp-fourier-reihe-10.mws > >

>

> >

>

>

> > > >

restart: f:=piecewise(x=0, sin(x));  0 x≤0 f := sin(x) 0 ≤ x L:=Pi; # 2L ist die Periode L := π N:=6: NMAX:=50: # Anzahl der Fourier-Terme (min-max) Int(’f’,x)=int(f,x);  & 0 x≤0 f dx = −cos(x) 0 < x Int(’f’*cos(n*Pi*x/L),x)=int(f*cos(n*Pi*x/L),x); ⎧ & ⎨0 f cos(n x) dx = 1 cos((n + 1) x) 1 cos((n − 1) x) 1 ⎩− + − 2 n+1 2 n−1 (n + 1) (n − 1) Int(’f’*sin(n*Pi*x/L),x)=int(f*sin(n*Pi*x/L),x); ⎧ & ⎨0 x≤0 f sin(n x) dx = 1 sin((n − 1) x) 1 sin((n + 1) x) ⎩ − 0 >

b:=unapply(1/L*int(f*sin(n*Pi*x/L),x=-L..L), n); seq(b[m]=limit(b(n), n=m), m=1..N); bt:=seq(limit(b(n), n=m), m=1..NMAX): b := n → −

sin(π n) π (n2 − 1)

> >

1 , b2 = 0, b3 = 0, b4 = 0, b5 = 0, b6 = 0 2 f:=a(0)+add(at[n]*cos(n*Pi*x/L)+bt[n]*sin(n*Pi*x/L), n=1..N); #g:=a(0)+add(at[n]*cos(n*Pi*x/L)+bt[n]*sin(n*Pi*x/L), n=1..NMAX):

>

1 1 2 cos(2 x) 2 cos(4 x) 2 cos(6 x) + sin(x) − − − π 2 3 π 15 π 35 π #plot([f,g],x=-4*Pi..4*Pi); # bei Bedarf aktivieren

b1 =

f :=

Beispiel 11.4 auf Seite 603. Fourier-Reihe. Datei: Maple/./Fourier/Beisp/bsp-fourier-reihe-11.mws >

restart:

>

f:=x+Pi;

>

L:=Pi; # 2L ist die Periode

>

N:=6: NMAX:=50:

>

Int(f,x)=int(f,x);

# -Pi

> > > >

# Anzahl der Fourier-Terme (min-max) &

1 2 x +π x 2 Int(f*cos(n*Pi*x/L),x)=int(f*cos(n*Pi*x/L),x); cos(n x) + sin(n x) n x & + π sin(n x) n (x + π) cos(n x) dx = n Int(f*sin(n*Pi*x/L),x)=int(f*sin(n*Pi*x/L),x); sin(n x) − cos(n x) n x & − cos(n x) π n (x + π) sin(n x) dx = n a:=unapply(1/L*int(f*cos(n*Pi*x/L),x=-L..L), n); a(0):=limit(a(n), n=0)/2; seq(a[m]=limit(a(n), n=m), m=1..N); at:=seq(limit(a(n), n=m), m=1..50): x + π dx =

a := n →

2 sin(π n) n

a(0) := π > > >

a1 = 0, a2 = 0, a3 = 0, a4 = 0, a5 = 0, a6 = 0 b:=unapply(1/L*int(f*sin(n*Pi*x/L),x=-L..L), n); seq(b[m]=limit(b(n), n=m), m=1..N); bt:=seq(limit(b(n), n=m), m=1..50):

> >

2 (−sin(π n) + cos(π n) n π) π n2 2 −1 2 −1 b1 = 2, b2 = −1, b3 = , b4 = , b5 = , b6 = 3 2 5 3 f:=a(0)+add(at[n]*cos(n*Pi*x/L)+bt[n]*sin(n*Pi*x/L), n=1..N); g:=a(0)+add(at[n]*cos(n*Pi*x/L)+bt[n]*sin(n*Pi*x/L), n=1..NMAX): b := n → −

f := π + 2 sin(x) − sin(2 x) +

2 1 2 1 sin(3 x) − sin(4 x) + sin(5 x) − sin(6 x) 3 2 5 3

19.9 Differentialrechnung für multivariable Funktionen

>

#plot([f,g],x=-4*Pi..4*Pi); # bei Bedarf aktivieren

19.9 Differentialrechnung für multivariable Funktionen Beispiel 12.41 auf Seite 663. Partielle Ableitung 2. Ordnung. Datei: Maple/DiffRechMultiVar/partielle-ableitung-1.mws >

z:=x*exp(-x^2-y^2); # Funktion z := x e(−x

>

2 −y2 )

z_x:=collect(diff(z,x),exp); # 1. Ableitung nach x z_x := (1 − 2 x2 ) e(−x

>

z_y:=collect(diff(z,y),exp); # 1. Ableitung nach y z_y := −2 x y e(−x

>

2 −y2 )

2 −y2 )

z_xx:=collect(diff(z,x$2),exp); 2. Ableitung nach x z_xx := (−6 x + 4 x3 ) e(−x

>

2 −y2 )

z_xy:=collect(diff(z,x,y),exp); gemischte Ableitung nach x,y z_xy := (−2 y + 4 x2 y) e(−x

>

2 −y2 )

z_yy:=collect(diff(z,y$2),exp); 2. Ableitung nach y z_yy := (−2 x + 4 x y2 ) e(−x

2 −y2 )

Beispiel 12.59 auf Seite 674. Bestimmung der Normale aus dem Gradienten. Datei: Maple/DiffRechMultiVar/gradient-und-normalen-vektor-1.mws







Anmerkung: Maple verwendet für Einheitsvektoren i , j und k die Symbole e x , e y und e z . >

with(VectorCalculus):

>

f:=x^2+y^2-25: # Funktion 1

>

grad:=Gradient( f, [x,y] ); −



grad := 2 x e x + 2 y e y >

L:=sqrt(grad . grad): # Länge des Gradienten

>

n:=grad/L: # Normalenvektor

>

evalf(subs(x=3,y=4,n)); # Normalenvektor bei P=(3;4) −



0.60000 e x + 0.80000 e y >

f:=x^2+y^2+z^2-32: # Funktion 2 im 3D-Raum

>

grad:=Gradient( f, [x,y,z] ); −





grad := 2 x e x + 2 y e y + 2 z e z >

n:=grad / sqrt(grad . grad):

>

evalf(subs(x=4,y=4,z=0,n)); # Normalenvektor bei P=(4;4;0) −





0.70711 e x + 0.70711 e y + 0.00000 e z

Beispiel 12.39 auf Seite 662. Linearisierung des Trägheitsmoments. Datei: Maple/DiffRechMultiVar/traegheitsm-eines-kreissegments.mws >

restart:

>

I_y:=R^4/4*(alpha-sin(alpha)*cos(alpha)): # I_y des Kreissegments

853

854

19 Mathematik mit Maple

>

abl_I_y:=diff(I_y,alpha): # Ableitung von I_y nach alpha

>

d_I_y:=abl_I_y*d_alpha=0.2*I_y: # linear. Zuwachs von I_y um 20%

> > >

d_a:=solve(d_I_y, d_alpha): # Lösung nach d_alpha alpha:=convert(30*degrees,radians): # Konvertierung Grad zu Radiant

>

d_a:=evalf(subs(alpha=alpha, d_a)); # d_a für alpha=30 Grad

>

d_a:=evalf(convert(%, degrees)); # Konvertierung Radiant zu Grad

d_a := 0.03623 d_a := 2.07608 degrees

Beispiel 12.35 auf Seite 657. Benetzungsfläche eines Kanals. Datei: Maple/DiffRechMultiVar/benetzungsflaeche-eines-kanals.mws >

restart:

>

Flaeche:=A=a*b*sin(alpha)+b^2*sin(alpha)*cos(alpha):

>

L:=a+2*b:

>

‘a‘:=solve(Flaeche,a): # Auflösung von Flaeche nach a

>

‘L‘:=subs(a=%,L): # das neue a wird in L susbtitutiert

>

L_alfa:=diff(L,alpha): # 1. Ableitung nach alpha

>

L_alfa_2:=diff(L,alpha$2): # 2. Ableitung nach alpha

>

L_b:=diff(L,b):

>

L_b_2:=diff(L,b$2): # 2. Ableitung nach b

>

L_alfa_b:=diff(L,alpha,b): # gemischte Ableitung nach a und b

>

b_temp:=solve(L_alfa, b): #

>

‘L_b‘:=subs(b=b_temp[1], L_b): # Einsetzen von b in L_b

>

alpha_0:=solve(L_b,alpha ): # Extremwert-Position von alpha

>

alpha_0_deg:=evalf(convert(alpha_0[1], degrees));# alpha_0 in Grad

# 1. Ableitung nach b

Auflösung von L_alpha nach b

alpha_0_deg := 60.00000 degrees >

‘b‘:=evalf(subs(alpha=alpha_0[1], b_temp[1])); √ b := 0.87738 A

>

‘a‘:=evalf(subs(alpha=alpha_0[1], a)); √ a := 0.87738 A

>

‘L‘:=evalf(subs(alpha=alpha_0[1], L)); √ L := 2.63215 A

>

# Berechnung der Hesse-Determinante

>

L_alfa_2_x0:=evalf(subs(alpha=alpha_0[1], L_alfa_2)):

>

L_b_2_x0:=evalf(subs(alpha=alpha_0[1], L_b_2)):

>

L_alfa_b_x0:=evalf(subs(alpha=alpha_0[1], L_alfa_b)):

>

Hesse_Det:= evalf(L_alfa_2_x0 * L_b_2_x0 - (L_alfa_b_x0)^2); Hesse_Det := 6.00000

Beispiel 12.55 auf Seite 671. Richtungsableitung. Datei: Maple/DiffRechMultiVar/richtungsableitung-1.mws

> > > > > > > > > > > > > > >

#Richtungsableitung einer Skalarfunktion restart:with(LinearAlgebra):with(VectorCalculus): f:=x^2+y^2; x0:=1;y0:=1; m:=Vector([1,1]); Diff(’f’,x)=diff(f,x); f_x:=op(2,%): Diff(’f’,y)=diff(f,y); f_y:=op(2,%): gradient:=Gradient(f,[x,y]); gradient_P:=simplify(evalVF(gradient,)); m_normiert:=VectorScalarMultiply(m, 1. / evalf(VectorNorm(m,Euclidean))); steigung:=evalf(DotProduct(gradient_P,m_normiert)); alpha:=evalf(arctan(steigung)*180/Pi); f := x2 + y2 x0 := 1 y0 := 1 m := ex + ey ∂ ∂x

f = 2x

∂ ∂y

f = 2y

gradient := 2 x e ?x + 2 y e ?y gradient_P := 2 ex + 2 ey ! " 0.7071 m_normiert := 0.7071 steigung := 2.8284 α := 70.5288

19.10 Partielle Differentialgleichungen Beispiel 13.5 auf Seite 712. Seilschwingung. Datei: Maple/PartDiffGl/Beisp/bsp-seil-01-dyn-resp-maple.mws >

restart:with(StringTools):with(plots):pathname:=".\\":

Warning, the assigned name Group now has a global binding Warning, the name changecoords has been redefined > >

> >

f_0:=B*sin(Pi*x/L);v_0:=0; # Anfangsbed. phi:=(x,n)->sin(n*Pi*x/L); #Eigenform πx ) f _0 := B sin( L v_0 := 0 nπ x φ := (x, n) → sin( ) L H_integrand:=f_0*apply(phi,x,n); K_integrand:=v_0*apply(phi,x,n); nπ x πx ) sin( ) H_integrand := B sin( L L K_integrand := 0

856

19 Mathematik mit Maple > >

Int(’f_0’*apply(phi,x,n),x=0..L)=int(H_integrand,x=0..L); Int(’v_0’*apply(phi,x,n),x=0..L)=int(K_integrand,x=0..L); &L

f _0 sin( 0

nπ x L B sin(π n) ) dx = − L π (−1 + n2 )

&L

v_0 sin( 0 >

nπ x ) dx = 0 L

L:=10;B:=0.01;S:=10000;A:=0.001;rho:=7850; L := 10 B := 0.0100 S := 10000 A := 0.0010 ρ := 7850

>

N:=5: NMAX:=20:m:=rho*A;omega_n:=n*Pi/L*sqrt(S/m); m := 7.8500 omega_n := 3.5692 π n

> > > >

seq(H[n]=2/L*int(H_integrand,x=0..L), n=1..N); H_seq:=seq(2/L*int(H_integrand,x=0..L), n=1..NMAX): seq(K[n]=2/(L*omega_n)*int(K_integrand,x=0..L), n=1..N); K_seq:=seq(2/(L*omega_n)*int(K_integrand,x=0..L), n=1..NMAX): H1 = 0.0100, H2 = 0.0000, H3 = 0.0000, H4 = 0.0000, H5 = 0.0000 K1 = 0, K2 = 0, K3 = 0, K4 = 0, K5 = 0

> > > > > > >

#Kontrolle der Richtigkeit der Koeffizienten H und K H1:=add(H_seq[n]*phi(x,n), n=1..NMAX): K1:=add(K_seq[n]*omega_n*phi(x,n), n=1..NMAX): p:=plot([H1],x=0..L, labels=["",""], view=[0..L,0..0.02], labeldirections=[HORIZONTAL, VERTICAL], font=[HELVETICA,OBLIQUE,14], labelfont=[HELVETICA,OBLIQUE,14], color=black, scaling=unconstrained, numpoints=100, thickness=2, tickmarks=[6,3]):display([p]);

> >

y:=(x,t)->add(phi(x,n)*(H_seq[n]*cos(omega_n*t)+K_seq[n]*sin(omega_n* t)), n=1..NMAX):y(x,t); πx 0.0100 sin( ) cos(3.5692 π t) 10

> > > > > > > > > > > > >

p_seq:=seq(plot(y(x,0.05*k),x=0..L, labels=["t","y(x, t)"], view=[0..L,-L/1000..L/1000], labeldirections=[HORIZONTAL, VERTICAL], font=[HELVETICA,OBLIQUE,10], labelfont=[HELVETICA,OBLIQUE,10], color=black, scaling=unconstrained, numpoints=500, thickness=2, tickmarks=[4,3]),k=0..6): t1:=textplot([7,0.0100,‘t=0.00‘]): t2:=textplot([5,0.0075,‘t=0.05‘]): t3:=textplot([5,0.0050,‘t=0.10‘]): t4:=textplot([7,-0.0018,‘t=0.15‘]): t5:=textplot([5,-0.0055,‘t=0.20‘]): t6:=textplot([7,-0.0095,‘t=0.25‘]): t7:=textplot([5,-0.0085,‘t=0.30‘]): display(p_seq,t1,t2,t3,t4,t5,t6,t7);

> > > > > > >

p2:=plot(y(0.5*L,t),t=0..2, labels=["t","y(L/2, t)"], view=[0..2,-0.01..0.01], labeldirections=[HORIZONTAL, VERTICAL], font=[HELVETICA,OBLIQUE,10], labelfont=[HELVETICA,OBLIQUE,10], color=black, scaling=unconstrained, numpoints=500, thickness=2, tickmarks=[4,3]): t2:=textplot([0.0115,0.008,‘x=L/2‘]): display([p2,t2]);

19.11 Eigenwerte Aufgabe 2 auf Seite 765. Eigenwerte und Eigenvektoren einer Matrix. Datei: Maple/LinAlgebra/eigenwert-1.mws

Mit dem Maple-Befehl Eigenvectors können die Eigenwerte und Eigenvektoren einer Matrix können berechnet werden. Der Befehl Eigenvectors gibt auf dem Bildschirm einen Spaltenvektor und eine Matrix aus. Der Vektor val enthält die Eigenwerte. In der ausgegebenen Matrix vec sind die Eigenvektoren in Form von Spaltenvektoren angeordnet. Der erste Spaltenvektor entspricht dem ersten Eigenvektor, der zweite Spaltenvektor dem zweiten Eigenvektor usw. Durch Division eines Eigenvektors durch eines seiner Elemente kann der Eigenvektor normiert werden. >

restart:

>

with(LinearAlgebra):

>

A:=Matrix([[1,3],[2,1]]);

! A :=

>

>

3 1

"

(val,vec):=evalf(Eigenvectors(A)); ! " ! 3.44949 1.00000 val, vec := , −1.44949 0.81650 B:=Matrix([[-2,0],[1,4]]);

! B :=

>

1 2

−2 1

0 4

> >

# Normierung des 1. Eigenvektors vec[1..-1,1]:=vec[1..-1,1]/vec[1..-1,1][1]:

>

vec; # Ausgabe der normierten Eigenvektoren ! " 1.00000 0.00000 −0.16667 1.00000

>

C:=Matrix([[6,-2],[-3,4]]);

>

> > > > >

!

6 −3

−2 4

"

"

(val,vec):=evalf(Eigenvectors(B)); ! " ! −2.00000 −6.00000 val, vec := , 4.00000 1.00000

C :=

1.00000 −0.81650

0.00000 1.00000

"

"

(val,vec):=evalf(Eigenvectors(C)); ! " ! 7.64575 −1.21525 val, vec := , 2.35425 1.00000

0.54858 1.00000

"

# Normierung des 1. Eigenvektors vec[1..-1,1]:=vec[1..-1,1]/vec[1..-1,1][1]: # Normierung des 2. Eigenvektors vec[1..-1,2]:=vec[1..-1,2]/vec[1..-1,2][1]: vec; # Ausgabe der normierten Eigenvektoren ! " 1.00000 1.00000 −0.82288 1.82288

Beispiel 14.11 auf Seite 743. Eigenwertaufgabe nach Power-Iteration. Datei: Maple/Eigenwerte/NumEigenWerte/Beisp/b-01.mws

> > > > > > > > >

# MISES-Iteration (Power-Methode): # Spezielle Eigenwertaufgabe A x=l.x restart:with(LinearAlgebra): NITER:=4: # Anzahl max Iterationen eps:=1E-3: # Toleranz A := Matrix([[10, -1, -8],[-1,0.4,1],[-8,1,8]]): u0:=Vector([2,-2,2]): nrm:=Norm(u0):lambda:=nrm:x||0:=Normalize(u0): (’A’=A, ’u’^[0]=u0, ‘||u||‘[infinity]=nrm, ’x’^[0]=x||0); ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ ⎡ ⎤ 10 −1 −8 2 1 [0] [0] ⎦ ⎦ ⎣ ⎣ ⎣ A= −1 0.4000 1 ,u = −2 , ||u||∞ = 2, x = −1 ⎦ −8 1 8 2 1

> > > > > > > > > > > > > > > > > >

# Iterationsalgorithmus mit Normalisierunng for k from 1 to NITER do u||k:=A.x||(k-1): nrm:=Norm(u||k): x||k:=Normalize(u||k): lambda_L:=lambda: # Wert der letzten Iteration lambda:=nrm: err:=abs((lambda-lambda_L)/lambda): print(’k’=k,’u’^[k]=u||k,’x’^[k]=x||k); print(‘||u||‘[infinity]=nrm, ’lambda’=lambda,’ERR’=err); if ( errNITER then k:=k-1 end if: zaehler:=Transpose(x||k).A.x||k: nenner:=Transpose(x||k).x||k: lambda:=zaehler/nenner: # Rayleigh Quotient printf("Rayleigh-Quotient fuer k=%2d : Zaehler=%g Nenner=%g Lambda=%f",k,zaehler,nenner,lambda); lambda:=lambda; ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 3.0000 1.0000 k = 1, u[1] = ⎣ −0.4000 ⎦ , x[1] = ⎣ −0.1333 ⎦ −1.0000

−0.3333

||u||∞ = 3.0000, λ = 3.0000, ERR = 0.3333 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 12.8000 1.0000 k = 2, u[2] = ⎣ −1.3867 ⎦ , x[2] = ⎣ −0.1083 ⎦ −10.8000 −0.8437 ||u||∞ = 12.8000, λ = 12.8000, ERR = 0.7656 ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 16.8583 1.0000 [3] [3] k = 3, u = ⎣ −1.8871 ⎦ , x = ⎣ −0.1119 ⎦ −14.8583 −0.8814 ||u||∞ = 16.8583, λ = 16.8583, ERR = 0.2407 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 17.1629 1.0000 [4] [4] k = 4, u = ⎣ −1.9261 ⎦ , x = ⎣ −0.1122 ⎦ −15.1629 −0.8835 ||u||∞ = 17.1629, λ = 17.1629, ERR = 0.0177

Rayleigh-Quotient fuer k= 4 : Zaehler=30.8074 Lambda=17.180983 > > > >

Nenner=1.79311

λ := 17.1810 # Exakte Berechnung sämtlicher Eigenwerte/-vektoren DIM:=RowDimension(A): (val,vec):=evalf(Eigenvectors(A)): lambda:=val,seq(v[i]=Normalize(vec[1..-1,i]), i=1..DIM);

⎤ ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 17.1810 + 0.0000 I 1.0000 + 0.0000 I −0.9033 + 0.0000 I ⎦ ⎦ ⎣ ⎣ ⎣ , v1 = , v2 = λ := 0.9492 + 0.0000 I −0.1122 + 0.0000 I −0.1760 + 0.0000 I ⎦ , 0.2698 + 0.0000 I −0.8836 + 0.0000 I −1.0000 + 0.0000 I ⎡ ⎤ 0.0241 + 0.0000 I v3 = ⎣ −1.0000 + 0.0000 I ⎦ 0.1543 + 0.0000 I ⎡

Beispiel 14.12 auf Seite 748. Eigenwertaufgabe nach Power-Iteration. Datei: Maple/Eigenwerte/NumEigenWerte/Beisp/b-02.mws > > > > > > > > >

# Inverse Iteration (Inverse Power-IteratioN) # Spezielle Eigenwertaufgabe A x=l.x restart:with(LinearAlgebra): NITER:=10: # Anzahl max Iterationen eps:=1E-2: # Toleranz A := Matrix([[10, -1, -8],[-1,0.4,1],[-8,1,8]]): u0:=Vector([2,-2,2]): nrm:=Norm(u0):lambda:=nrm:x||0:=Normalize(u0): (’A’=A, ’u’^[0]=u0, ‘||u||‘[infinity]=nrm, ’x’^[0]=x||0); ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 10 −1 −8 2 1 [0] [0] ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ A= −1 0.4000 1 ,u = −2 , ||u||∞ = 2, x = −1 ⎦ −8 1 8 2 1

> > >

L:=LUDecomposition(A,output=’L’): U:=LUDecomposition(A,output=’U’): (’L’=L, ’U’=U); ⎡ ⎤ ⎡ 1.0000 0.0000 0.0000 10.0000 L = ⎣ −0.1000 1.0000 0.0000 ⎦ , U = ⎣ 0.0000 −0.8000 0.6667 1.0000 0.0000

> > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

−1.0000 0.3000 0.0000

⎤ −8.0000 0.2000 ⎦ 1.4667

# Iterationsalgorithmus mit Normalisierunng DIM:=RowDimension(A): for k from 1 to NITER do y||k:=LinearSolve(L,x||(k-1)): u||k:=LinearSolve(U,y||k): nrm:=Norm(u||k): x||k:=Normalize(u||k): lambda_L:=lambda: # Wert der letzten Iteration kappa:=nrm:lambda:=1/kappa: err:=abs((lambda-lambda_L)/lambda): print(’k’=k,’u’^[k]=u||k,’x’^[k]=x||k); print(‘||u||‘[infinity]=nrm, ’kappa’=nrm, ’lambda’=lambda, ’ERR’=err): if ( errNITER then k:=k-1 end if: zaehler:=Transpose(x||k).(A.x||(k)): nenner:=Transpose(x||k).x||k: lambda:=zaehler/nenner: # Rayleigh Quotient printf("Rayleigh-Quotient : ZHLR=%g NNR=%g Lambda=%f",zaehler,nenner,lambda); lambda:=lambda; ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 1.0000 0.2444 [1] [1] ⎦ ⎣ ⎣ k = 1, u = −4.0909 , x = −1.0000 ⎦ 1.6364 0.4000 ||u||∞ = 4.0909, κ = 4.0909, λ = 0.2444, ERR = 7.1818 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0.3222 0.0844 [2] [2] ⎣ ⎦ ⎣ k = 2, u = −3.8182 , x = −1.0000 ⎦ 0.8495 0.2225

||u||∞ = 3.8182, κ = 3.8182, λ = 0.2619, ERR = 0.0667 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0.1534 0.0411 [3] [3] k = 3, u = ⎣ −3.7375 ⎦ , x = ⎣ −1.0000 ⎦ 0.6484

0.1735

||u||∞ = 3.7375, κ = 3.7375, λ = 0.2676, ERR = 0.0211 ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 0.1073 0.0289 [4] [4] ⎦ ⎣ ⎣ k = 4, u = −3.7152 , x = −1.0000 ⎦ 0.5934 0.1597 ||u||∞ = 3.7152, κ = 3.7152, λ = 0.2692, ERR = 0.0060

Rayleigh-Quotient : ZHLR=0.27694

NNR=1.02634

Lambda=0.269832

λ := 0.2698

> > >

# Exakte Berechnung sämtlicher Eigenwerte/-vektoren (val,vec):=evalf(Eigenvectors(A)): lambda:=val,seq(v[i]=Normalize(vec[1..-1,i]), i=1..DIM); ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ 1.0000 + 0.0000 I 17.1810 + 0.0000 I −0.9033 + 0.0000 I λ := ⎣ 0.9492 + 0.0000 I ⎦ , v1 = ⎣ −0.1122 + 0.0000 I ⎦ , v2 = ⎣ −0.1760 + 0.0000 I ⎦ , −0.8836 + 0.0000 I 0.2698 + 0.0000 I −1.0000 + 0.0000 I ⎤ ⎡ 0.0241 + 0.0000 I v3 = ⎣ −1.0000 + 0.0000 I ⎦ ⎡

0.1543 + 0.0000 I

Beispiel 14.13 auf Seite 753. Eigenwertaufgabe nach Power-Iteration. Datei: Maple/Eigenwerte/NumEigenWerte/Beisp/b-03.mws

> > > > > > > > > > > >

# Inverse Iteration für Eigenschwingungen : Kx=w^2 Mx # als Allgemeine Eigenwertaufgabe restart:with(LinearAlgebra): K := Matrix([[1e7, -4e6, 0],[-4e6,8e6,-4e6],[0,-4e6,4e6]]): M:=Matrix([[15000, 0, 0],[0,15000,0],[0,0,7500]]): u0:=Vector([1,1,2.]): # Startvektor NITER:=3: # Anzahl der Iterationen eps:=1E-2: x||0:=Normalize(u0):nrm:=Norm(u0):omg2:=1/nrm: (’K’=K, ’M’=M); (’u’^[0]=u0, ‘||u||‘[infinity]=nrm, ’omg2’=omg2,’x’^[0]=x||0, ’epsilon’=eps); ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ 0.1000 108 15000 0 0 −0.4000 107 0 7 7 7 K = ⎣ −0.4000 10 0 15000 0 ⎦ 0.8000 10 −0.4000 10 ⎦ , M = ⎣ 0 0 7500 0 −0.4000 107 0.4000 107 ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 1 0.5000 ⎦ , ||u||∞ = 2.0000, omg2 = 0.5000, x[0] = ⎣ 0.5000 ⎦ , ε = 0.0100 u[0] = ⎣ 1 2.0000 1.0000

> > > > > > > > > > > > > > > > > > >

# Iterationsalgorithmus mit Normalisierung auf max. Vektorelement for k from 1 to NITER do omg2_L:=omg2: z||k:=M.x||(k-1): u||k:=LinearSolve(K,z||(k)): x||k:=Normalize(u||k): nrm:=Norm(u||k): omg2:=1/nrm: err:=abs((omg2-omg2_L)/omg2): print(’k’=k,’z’^[k]=z||k,’u’^[k]=u||k, ’x’^[k]=x||k): print(‘||u||‘[infinity]=nrm, ’omega’^2=omg2, ’ERR’=err): if ( errNITER then k:=k-1 end if: zaehler:=Transpose(x||k).K.x||k: nenner:=Transpose(x||k).M.x||k: omg2:=zaehler/nenner: printf("Rayleigh-Quotient : ZHLR=%g NNR=%g omg2=%f",zaehler,nenner,omg2): ’omega’^2=omg2; ⎤ ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ ⎡ 7500.0000 0.0037 0.4000 [1] [1] [1] ⎦ ⎦ ⎣ ⎣ ⎣ k = 1, z = 7500.0000 , u = 0.0075 , x = 0.8000 ⎦ 7500.0000 0.0094 1.0000 ||u||∞ = 0.0094, ω 2 = 106.6667, ERR = 0.9953 ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 6000.0000 0.0043 0.3864 [2] [2] [2] ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ k = 2, z = 12000.0000 , u = 0.0091 , x = 0.8295 ⎦ 7500.0000 0.0110 1.0000 ||u||∞ = 0.0110, ω 2 = 90.9091, ERR = 0.1733 ⎤ ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ ⎡ 5795.4545 0.0043 0.3847 [3] [3] [3] k = 3, z = ⎣ 12443.1818 ⎦ , u = ⎣ 0.0093 ⎦ , x = ⎣ 0.8318 ⎦ 7500.0000 0.0112 1.0000 ||u||∞ = 0.0112, ω 2 = 89.6815, ERR = 0.0137

Rayleigh-Quotient : ZHLR=1.80084e+06 ω2

> > > > >

NNR=20099.6

omg2=89.595877

= 89.5959

# Exakte Berechnung der Eigenwerte/-vektoren (val,vec):=evalf(Eigenvectors(K,M)): DIM:=RowDimension(K): ’omega^2’=val,seq(v[i]=Multiply(Normalize(vec[1..-1,i]),-1), i=1..DIM); ⎡

⎤ ⎡ ⎤ 1023.1597 + 0.0000 I −0.6870 + 0.0000 I ⎣ ⎦ ⎣ = , v1 = 620.5778 + 0.0000 I 0.9184 + 0.0000 I ⎦ , 89.5958 + 0.0000 I −1.0000 + 0.0000 I ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 0.9465 + 0.0000 I 0.3845 + 0.0000 I ⎦ ⎣ ⎣ , v3 = v2 = 0.1636 + 0.0000 I 0.8320 + 0.0000 I ⎦ −1.0000 + 0.0000 I 1.0000 + 0.0000 I ω2

Beispiel 14.15 auf Seite 759. Knicklast eines eingespannten Balkens. Datei: Maple/Eigenwerte/NumEigenWerte/Beisp/b-20.mws

> > > > > > > > > > > > > > > >

# Mises-Iteration für Stabilitaet : Kx=lambda Kg x # Min Knicklast restart:with(LinearAlgebra): K := Matrix([[1,0,0],[0,12,-6],[0,-6,4]]): Kg:=Matrix([[0,0,0],[0,1.2,-0.1],[0,-0.1,0.13333]]): u0:=Vector([1,1,1]): # Startvektor NITER:=3: # Anzahl der Iterationen eps:=1E-3: interface(displayprecision=4): x||0:=evalf(Normalize(u0)):nrm:=Norm(u0): lambda:=1/nrm: B:=K: C:=Kg: (’K’=K, ’Kg’=Kg); interface(displayprecision=3): (’u’^[0]=u0, ‘||u||‘[infinity]=nrm,’lambda’^[0]=lambda,’x’^[0]=x||0, ’epsilon’=eps); ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 0 0 0 1 0 0 ⎦ ⎣ ⎣ K= 0 1.200 −0.100 ⎦ 0 12 −6 , Kg = 0 −0.100 0.133 0 −6 4 ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ 1 1.000 u[0] = ⎣ 1 ⎦ , ||u||∞ = 1, λ [0] = 1, x[0] = ⎣ 1.000 ⎦ , ε = 0.001 1 1.000

> > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

# Bestimmung des kleinsten Eigenwertes interface(displayprecision=4): DIM:=RowDimension(B): lambda_L:=lambda: for k from 1 to NITER do z||k:=C.x||(k-1): u||k:=LinearSolve(B,z||k): nrm:=Norm(u||k): x||k:=Normalize(u||k): kappa:=nrm:lambda:=1/kappa: err:=abs((lambda-lambda_L)/lambda): print(’k’=k,’z’^[k]=z||k,’u’^[k]=u||k,’x’^[k]=x||k); print(‘||u||‘[infinity]=nrm, ’kappa’=nrm, ’lambda’=lambda, ’ERR’=err): if ( errNITER then k:=k-1 end if: zaehler:=Transpose(x||k).(B.x||(k)): nenner:=Transpose(x||k).(C.x||k): lambda:=zaehler/nenner: # Rayleigh Quotient printf("Rayleigh-Quotient : ZHLR=%g NNR=%g Lambda=%f",zaehler,nenner,lambda); lambda:=lambda; ⎤ ⎡ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ 0.000 0.000 0.000 [1] [1] [1] k = 1, z = ⎣ 1.100 ⎦ , u = ⎣ 0.383 ⎦ , x = ⎣ 0.657 ⎦ 0.033

0.583

1.000

||u||∞ = 0.583, κ = 0.583, λ ⎡ ⎤ ⎡ 0.000 [2] [2] ⎣ ⎦ k = 2, z = 0.689 , u = ⎣ 0.068

= 1.714, ERR = 0.417 ⎤ ⎡ ⎤ 0.000 0.000 [2] ⎦ ⎣ 0.639 ⎦ 0.263 , x = 0.412 1.000

||u||∞ = 0.412, κ = 0.412, λ ⎡ ⎤ ⎡ 0.000 [3] [3] ⎣ ⎦ k = 3, z = 0.667 , u = ⎣ 0.069

= 2.428, ERR = 0.294 ⎤ ⎡ ⎤ 0.000 0.000 [3] ⎦ ⎣ 0.257 , x = 0.638 ⎦ 0.403 1.000

19.11 Eigenwerte ||u||∞ = 0.403, κ = 0.403, λ = 2.481, ERR = 0.022

Rayleigh-Quotient : ZHLR=1.22841

NNR=0.494135

Lambda=2.485979

λ := 2.486 > > > > >

# Direkte Maple-Berechnung der Eigenwerte/-vektoren interface(displayprecision=3): DIM:=RowDimension(B): (val,vec):=evalf(Eigenvectors(B,C)): lambda:=val,seq(v[i]=Normalize(vec[1..-1,i]), i=1..DIM); ⎡

⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ Float(∞) + 0.000 I 1.000 + 0.000 I 0.000 + 0.000 I ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ , v1 = , v2 = 32.181 + 0.000 I 0.000 + 0.000 I 0.105 + 0.000 I ⎦ , 2.486 + 0.000 I 0.000 + 0.000 I −1.000 + 0.000 I ⎤ ⎡ 0.000 + 0.000 I ⎣ v3 = −0.638 + 0.000 I ⎦ −1.000 + 0.000 I λ := ⎣

Beispiel 14.18 auf Seite 764. Orthogonalitätsbedingung von Eigenvektoren. Datei: Maple/Eigenwerte/NumEigenWerte/Beisp/b-07.mws > > > > > > > >

# Orthobonalitaet von Eigenvektoren # Allgemeine Eigenwertaufgabe K x=Lambda . M x restart:with(LinearAlgebra): K := Matrix([[1e7, -4e6, 0],[-4e6,8e6,-4e6],[0,-4e6,4e6]]): M:=Matrix([[15000, 0, 0],[0,15000,0],[0,0,7500]]): u0:=Vector([1,1,2.]): # Startvektor interface(displayprecision=1): (’K’=K, ’M’=M); ⎡

0.100000 108 K = ⎣ −0.400000 107 0 ⎡ 15000 0 M=⎣ 0 15000 0 0 > > > > >

−0.400000 107 0.800000 107 −0.400000 107 ⎤ 0 0 ⎦

⎤ 0 −0.400000 107 ⎦ , 0.400000 107

7500

# Direkte Maple-Berechnung der Eigenwerte/-vektoren interface(displayprecision=2): DIM:=RowDimension(K): (val,vec):=evalf(Eigenvectors(K,M)): lambda:=val,seq(v[i]=Normalize(vec[1..-1,i]), i=1..DIM); ⎡

⎤ ⎡ ⎤ 1023.159704 + 0.000000 I 0.687007 + 0.000000 I ⎣ ⎦ ⎣ λ := , v1 = 620.577801 + 0.000000 I −0.918424 + 0.000000 I ⎦ , 89.595828 + 0.000000 I 1.000000 + 0.000000 I ⎤ ⎤ ⎡ ⎡ −0.946481 + 0.000000 I −0.384474 + 0.000000 I ⎦ ⎣ ⎣ , v3 = v2 = −0.163583 + 0.000000 I −0.832008 + 0.000000 I ⎦ 1.000000 + 0.000000 I −1.000000 + 0.000000 I > > > > > >

# Orthogonalitateskontrolle interface(displayprecision=6): ’x’[1]^T.’K’.’x’[3]=(Transpose(Normalize(vec[1..-1,1])).K). Normalize(vec[1..-1,3]); ’x’[1]^T.’M’.’x’[3]=(Transpose(Normalize(vec[1..-1,1])).M). Normalize(vec[1..-1,3]); (x1 T ) . K . (x3 ) = −0.000820 + 0.000000 I (x1 T ) . M . (x3 ) = −0.769475 10−6 + 0.000000 I

863

864

19 Mathematik mit Maple

19.12 Nichtlineare Gleichungen Beispiel 15.1 auf Seite 771. Nichtlineare Gleichung nach Regula Falsi. Datei: Maple/NumMethod/NichtLinGl/Beisp/b-01.mws > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

# Nullstellenbestimmung mit REGULA FALSI restart:interface(latexwidth=6,screenwidth=100): RegulaFalsi:=proc(al,bl,N,EPSY) local a,b,fa,fb,fc,dc,c,k,konv; a:=al:b:=bl:konv:="NICHT": printf("\nNullstellensuche im Intervall [a,b]=[%f, %f]\n",a,b); printf("N=%d EPSY=%8.5g\n",N,EPSY); # Werte zeige fa:=f(a):fb:=f(b): printf("%3s %8s %8s %9s %9s %8s %9s\n","k","a","b","fa","fb","c","fc"): for k from 0 to N do c:=b-(b-a)*fb/(fb-fa):fc:=f(c): printf("%3d %8.3f %8.3f %9.3g %9.3g %8.3g %9.3g\n",k,a,b,fa,fb,c,fc): if (abs(fc) 1-10*x*exp(-x)*sin(x); # nichtlin. Gleichung N:=6:EPSY:=1E-3: # a:=0.0:b:=1.0: # Intervall [a,b] mit Nullstelle RegulaFalsi(a,b,N,EPSY); # a:=2.0:b:=5.0: # Intervall [a,b] mit Nullstelle RegulaFalsi(a,b,N,EPSY); # f := x → 1 − 10 x e(−x) sin(x)

Nullstellensuche im Intervall [a,b]=[0.000000, 1.000000] N=6 EPSY=

0.001

k

a

b

fa

fb

c

fc

0

0.000

1.000

1

-2.1

0.323

0.258

1

0.323

1.000

0.258

-2.1

0.397

-0.0326

2

0.323

0.397

0.258

-0.0326

0.389

0.00086

Die Nullstelle ist : s=0.388814

(Konvergenz

erreicht)

Nullstellensuche im Intervall [a,b]=[2.000000, 5.000000] N=6 EPSY=

0.001

19.13 Lineare Gleichungssysteme

k

a

b

fa

fb

c

fc

0

2.000

5.000

-1.46

1.32

3.57

1.42

1

2.000

3.574

-1.46

1.42

2.8

0.426

2

2.000

2.798

-1.46

0.426

2.62

0.0452

3

2.000

2.618

-1.46

0.0452

2.6

0.00336

4

2.000

2.599

-1.46

0.00336

2.6

0.000239

Die Nullstelle ist : s=2.59812

(Konvergenz

erreicht)

19.13 Lineare Gleichungssysteme Beispiel 16.3 auf Seite 797. Cholesky-Verfahren. Datei: Maple/NumMethod/LinGlSys/Beisp/bsp-cholesky-1.mws > > > >

> > > > > > > > > > > > > > > >

> > > > > > > > > > > > > >

# CHOLESKY-Verfahren für ein lineares Gleichungssystem restart:with(LinearAlgebra): A := Matrix([[2, -0.2, 0.2],[-0.2, 1, 0.4],[0.2, 0.4, 2]]): b:=Vector([4, 2, 6]): (’A’=A,’b’=b);     2 −0.2000 0.2000 4 1 0.4000 , b = 2 A = −0.2000 0.2000 0.4000 2 6 # Aufstellen der Dreiecksmatrix L DIM:=RowDimension(A): L:=Matrix(DIM,DIM): U:=Matrix(DIM,DIM): for i from 1 to DIM do # Schleife ueber Zeilen # Bestimmung der Ausser-Diagonal-Elemente in der Zeile i for j from 1 to i-1 do summe := 0.: for k from 1 to j-1 do summe := summe + L[i,k] * L[j,k] end do: L[i,j]:= (A[i,j] - summe)/L[j,j]: end do: # Bestimmung des Diagonalelements L[i,i] summe := 0.: for k from 1 to i-1 do summe := summe + L[i,k]^2 end do: L[i,i]:= sqrt((A[i,i] - summe)): end do:’L’=L;   1.4142 0 0 0 L = −0.1414 0.9899 0.1414 0.4243 1.3416 # Loesung von [L]{y} = {b} und [LT]{x}={y} y:=Vector(DIM): x:=Vector(DIM): # Bestimmung des Vektors {y} for i from 1 to DIM do # Schleife ueber Zeilen summe := 0.: for k from 1 to i-1 do summe := summe + L[i,k] * y[k]: end do: y[i]:= (b[i] - summe)/L[i,i]: end do: # Bestimmung des Vektors {x} for i from DIM to 1 by -1 do # Schleife ueber Zeilen summe := 0.: for k from i+1 to DIM do summe := summe + L[k,i] * x[k]: end do: x[i]:= (y[i] - summe)/L[i,i]: end do:’y’=y, ’x’=x;     2.8284 1.8821 y = 2.4244 , x = 1.3605 3.4073 2.5397

865

866

19 Mathematik mit Maple

Beispiel 16.4 auf Seite 801. Gauss-Seidel-Iteration. Datei: Maple/NumMethod/LinGlSys/Beisp/bsp-seidel-1.mws > > > > > > >

# Gauss - Seidel-Iteration restart:with(LinearAlgebra): A := Matrix([[2, -0.2, 0.2],[-0.2, 1, 0.4],[0.2, 0.4, b:=Vector([4, 2, 6]): # rechte Seite x:=Vector([0,0,0]): # Startvektor NITER:=4: # Anzahl der Iterationen (’A’=A,’b’=b,’x_0’=x);      4 2 −0.2000 0.2000 1 0.4000 , b = 2 , x_0 = A = −0.2000 6 0.2000 0.4000 2

2]]):

0 0 0

> > > > > > > > > >

# Gleichungssystem so normalisieren, dass A[i,i]=1 wird DIM:=RowDimension(A): for i from 1 to DIM do adiag := A[i,i]; for j from 1 to DIM do A[ i,j]:= A[i,j]/adiag; end do: b[i]:=b[i]/adiag; end do: ’A’=A, ’b’=b;     2 1 −0.1000 0.1000 1 0.4000 , b = 2 A = −0.2000 0.1000 0.2000 1 3

> > > > > > >

# Aufstellen der unteren Dreiecksmatrix L L:=Matrix(DIM,DIM): for i from 1 to DIM do for j from 1 to i-1 do L[ i,j]:= A[i,j]; end do end do:’L’=L;   0 0 0 0 0 L = −0.2000 0.1000 0.2000 0

> > > > > > >

# Aufstellen obere Dreiecksmatrix U U:=Matrix(DIM,DIM): for i from 1 to DIM do for j from i+1 to DIM do U[ i,j]:= A[i,j]; end do end do:’U’=U;  0 −0.1000 0 U= 0 0 0

0.1000 0.4000 0





> > > > > > > > > >

# Gauss-Seidel-Iteration X:=Matrix(1..DIM,1..NITER): # für Zwichenspeicherung for m from 0 to NITER-1 do for j from 1 to DIM do x[j]:=b[j]-add(A[j,k]*x[k],k=1..j-1); x[j]:=x[j]-add(A[j,k]*x[k],k=j+1..DIM); X[j,m+1]:=x[j]; end do: end do: print(seq(’x’[k]=X[1..-1,k], k=1..NITER)): # Iterationsergebnisse         1.8824 1.8821 1.8821 1.8821 x1 = 1.3609 , x2 = 1.3606 , x3 = 1.3606 , x4 = 1.3605 2.5396 2.5397 2.5397 2.5397

>

x_exakt:=LinearSolve(A,b);

# Exakte Lösung des Gleichungssystems   1.8821 x_exakt := 1.3605 2.5397

19.14 Differentialgleichungen

867

19.14 Differentialgleichungen Beispiel 17.1 auf Seite 807. Lösung von DGLn 1. Ordnung nach Euler, Heun und RungeKutta. Datei: Maple/NumMethod/DGL/Beisp/b-01-komplett.mws

> > > > > > >

restart:pathname:=".\\":with(StringTools):with(plots): f:=(x,y)->x-1+y; # rechte seite der DGL y’=f(x,y) a:=0.0:b:=3.0:N:=5: # Integrationsintervall [a,b] und Anzahl der Schritte x||0:=a:y||0:=1.: # Anfangsbedingung y(x0)=y0 h:=evalf((b-a)/N): (’a’=a,’b’=b,’x[0]’=x||0,’y[0]’=y||0, ’h’=h); # Werte zeigen

Warning, the assigned name Group now has a global binding Warning, the name changecoords has been redefined f := (x, y) → x − 1 + y a = 0.0000, b = 3.0000, x0 = 0.0000, y0 = 1.0000, h = 0.6000 > > > > > > > >

# Exakte Lösung der DGL dgl:=[diff(y(x),x)=f(x,y(x)),y(x||0)=y||0 ]: y_ex:=op(2,dsolve(dgl,y(x))); for i from 0 to N do print(’i’=i, ’x’[i]=x||i,’y’[ex]=evalf(subs(x=a+i*h,y_ex))); x||(i+1):=x||i+h: end do: seq_exakt:=seq([x||i,evalf(subs(x=a+i*h,y_ex))],i=0..N): y_ex := −x + ex i = 0, x0 = 0.0000, yex = 1.0000 i = 1, x1 = 0.6000, yex = 1.2221 i = 2, x2 = 1.2000, yex = 2.1201 i = 3, x3 = 1.8000, yex = 4.2496 i = 4, x4 = 2.4000, yex = 8.6232 i = 5, x5 = 3.0000, yex = 17.0855

> > > > > > > > > >

# Standard-Euler-Verfahren K:=f(x||0,y||0): print(’i’=0, ’x’[0]=x||0, ’y’[0]=y||0, ’f’=K); for i from 1 to N do x||i:=x||(i-1)+h; y||i:=y||(i-1) + h*K; K:=f(x||i, y||i); print(’i’=i, ’x’[i]=x||(i), ’y’[i]=y||i , ’f’=K); end do: seq_euler_std:=seq([x||i,y||i],i=0..N): # Sequenz der Wertepaare (x,y) i = 0, x0 = 0.0000, y0 = 1.0000, f = 0.0000 i = 1, x1 = 0.6000, y1 = 1.0000, f = 0.6000 i = 2, x2 = 1.2000, y2 = 1.3600, f = 1.5600 i = 3, x3 = 1.8000, y3 = 2.2960, f = 3.0960 i = 4, x4 = 2.4000, y4 = 4.1536, f = 5.5536 i = 5, x5 = 3.0000, y5 = 7.4858, f = 9.4858

868

19 Mathematik mit Maple > > > > > > > > > > > > > >

# Heun-Verfahren (Verbessertes Euler-Verfahren) ‘y*‘||0:=y||0:K||1:=f(x||0,y||0):K||2:=f(x||0,‘y*‘||0): print(’i’=0, ’x’[0]=x||0, ‘y*‘=‘y*‘||0, ‘K*‘=K||2, ’y’[0]=y||0, ’K’=K||1); for i from 1 to N do x||i:=x||(i-1)+h; ‘y*‘||i:=y||(i-1)+h*K||1; K||2:=f(x||i, ‘y*‘||i); y||i:=y||(i-1)+h/2*(K||1+K||2); K||1:=f(x||i, y||i); print(’i’=i, ’x’[i]=x||i, ‘y*‘=‘y*‘||i, ‘K*‘=K||2, ’y’[i]=y||i, ’K’=K||1); end do: seq_heun:=seq([x||i,y||i],i=0..N): i = 0, x0 = 0.0000, y∗ = 1.0000, K∗ = 0.0000, y0 = 1.0000, K = 0.0000 i = 1, x1 = 0.6000, y∗ = 1.0000, K∗ = 0.6000, y1 = 1.1800, K = 0.7800 i = 2, x2 = 1.2000, y∗ = 1.6480, K∗ = 1.8480, y2 = 1.9684, K = 2.1684 i = 3, x3 = 1.8000, y∗ = 3.2694, K∗ = 4.0694, y3 = 3.8398, K = 4.6398 i = 4, x4 = 2.4000, y∗ = 6.6236, K∗ = 8.0236, y4 = 7.6388, K = 9.0388

> > > > > > > > > > > > > >

i = 5, x5 = 3.0000, y∗ = 13.0620, K∗ = 15.0620, y5 = 14.8690, K = 16.8690 # Runge-Kutta-Verfahren print(’i’=0, ’x’[0]=x||0,’K’[1]=0., ’K’[2]=0., ’K’[3]=0., ’K’[4]=0., ’y’[0]=y||0); for i from 1 to N do x||i:=x||(i-1)+h; K1:=f(x||(i-1), y||(i-1)); K2:=f(x||(i-1)+h/2, y||(i-1)+h/2*K1); K3:=f(x||(i-1)+h/2, y||(i-1)+h/2*K2); K4:=f(x||(i-1)+h, y||(i-1)+h*K3); y||i:=y||(i-1)+h/6*(K1+2*K2+2*K3+K4); print(’i’=i, ’x’[i]=x||i,’K’[1]=K1, ’K’[2]=K2, ’K’[3]=K3, ’K’[4]=K4, ’y’[i]=y||i); end do: seq_runge:=seq([x||i,y||i],i=0..N): i = 0, x0 = 0.0000, K1 = 0.0000, K2 = 0.0000, K3 = 0.0000, K4 = 0.0000, y0 = 1.0000 i = 1, x1 = 0.6000, K1 = 0.0000, K2 = 0.3000, K3 = 0.3900, K4 = 0.8340, y1 = 1.2214 i = 2, x2 = 1.2000, K1 = 0.8214, K2 = 1.3678, K3 = 1.5317, K4 = 2.3404, y2 = 2.1175 i = 3, x3 = 1.8000, K1 = 2.3175, K2 = 3.3127, K3 = 3.6113, K4 = 5.0843, y3 = 4.2425 i = 4, x4 = 2.4000, K1 = 5.0425, K2 = 6.8552, K3 = 7.3991, K4 = 10.0819, y4 = 8.6058

> > > > > > > > > > > > > > > >

i = 5, x5 = 3.0000, K1 = 10.0058, K2 = 13.3075, K3 = 14.2981, K4 = 19.1846, y5 = 17.0460 # Nur ausführen, wenn Bild als Postscript in Datei gespeichert werden soll filename:=Join([pathname, "plot.eps"], ""): plotsetup(ps,plotoutput=filename, plotoptions=‘width=10cm,height=8cm,portrait,noborder‘ ): pl_sol:={[seq_euler_std],[seq_heun],[seq_runge],y_ex },x=a..b,y=0..(y||N)*1.2: pl:=plot(pl_sol, labels=["",""], labeldirections=[HORIZONTAL, VERTICAL], font=[HELVETICA,OBLIQUE,10], axesfont=[HELVETICA,OBLIQUE,9], labelfont=[HELVETICA,OBLIQUE,9], color=black, scaling=unconstrained,tickmarks=[3,3], axes=NORMAL, color=BLACK): tp1:=textplot([2.5,12,‘exakt‘]): tp2:=textplot([2.65,4,‘Euler‘]): tp3:=textplot([2.80,10,‘Heun‘]): tp4:=textplot([2.4,14,‘Runge-Kutta‘]): display([pl,tp1,tp2,tp3,tp4]);

Anhang

A

Ausgewählte Formeln und Beziehungen

In diesem Abschnitt sind häufig benötigte Beziehungen und Formeln zu verschiedenen Themengebieten des Buches zusammengestellt.

A.1 Verschiedene Konstanten und Symbole Konstanten π = 3,14159265358979323846 e√ = 2,71828182845904523536 2 = 1,41421356237309504880 Symbole ∑ ∏ ≈ = ≡ := ∝ ∞ > ⇒ ⇔  ⊥ ∂ ∇

1 rad 1◦

Summe Produkt ungefähr gleich nicht gleich äquivalent definitionsgemäß gleich proportional unendlich viel kleiner als viel größer als daraus folgt ist gleich bedeutend mit parallel senkrecht partielles Ableitungssymbol (Delta) Nabla-Operator

= =

∀ ∃ ∧ ∨ ¬ {} ∈ ⊂ ∩ ∪ N Z Q R C

57,2957795130823208768 ◦ 0,01745329251994329555 rad

für alle es existiert und oder nicht Menge ist ein Element von ist eine Teilmenge (Untermenge) von Schnittmenge Vereinigung Natürliche Zahlen Ganze Zahlen Rationale Zahlen Reelle Zahlen Komplexe Zahlen

Griechisches Alphabet α Alpha

β Beta

γ Gamma

δ Delta

ε Epsilon

ζ Zeta

η Eta

θ, ϑ Theta

ι Jota

κ Kappa

λ Lambda

μ My

ν Ny

ξ Xi

o Omikron

π Pi

ρ Rho

σ Sigma

τ Tau

υ Ypsilon

φ, ϕ Phi

χ Chi

ψ Psi

ω Omega

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Z. Şanal, Mathematik für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31733-1_20

872

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen

A.2 Abgeleitete SI-Einheiten Es gibt eine große Anzahl von SI-Einheiten, die aus den SI-Basiseinheiten der Tabelle 1.4 abgeleitet werden können. Nachfolgend sind die wichtigsten wiedergegeben. Tabelle A.1: Abgeleitete Einheiten des SI-Systems. Größe

Einheit

Symbol Definition in SI-Einheiten

Definition in SI-Basiseinheiten

Winkel (ebener)

Radiant

rad

m · m−1

Winkel (räumlicher)

Steradiant

sr

Frequenz

Hertz

Hz

Kraft

Newton

N

J/m

kg · m · s−2 kg · m−1 · s−2

m2 · m−2 s−1

Druck, Spannung

Pascal

Pa

N/m2

Energie, Arbeit, Wärmemenge

Joule

J

N · m, W · s

kg · m2 · s−2

Leistung

Watt

W

N · m/s, J/s, V · A

kg · m2 · s−3

Elektrische Ladung

Coulomb

C

Elektrische Spannung

Volt

V

W/A, J/C

kg · m2 · s−3 · A−1

Elektrische Kapazität

Farad

F

C/V

kg−1 · m−2 · s4 · A2

Elektrischer Widerstand

Ohm

Ω

V/A

kg · m2 · s−3 · A−2

Elektrischer Leitwert

Siemens

S

A/V, 1/Ω

kg−1 · m−2 · s3 · A2

Magnetischer Fluss

Weber

Wb

V·s

kg · m2 · s−2 · A−1

Magnetische Flussdichte

Tesla

T

Wb/m2

kg · s−2 · A−1

Induktivität

Henry

H

Wb/A

kg · m2 · s−2 · A−2

Celsius Temperatur

Grad Celsius

◦C

Lichtstrom

Lumen

lm

cd · sr

Beleuchtungsstärke

Lux

lx

lm/m2

Radioaktivität

Becquerel

Bq

Energiedosis

Gray

Gy

J/kg

m2 · s−2

Dosisäquivalent

Sievert

Sv

J/kg

m2 · s−2

A·s

K − 273,15

s−1

A.3 Trigonometrische Funktionen

A.3 Trigonometrische Funktionen 1.

sin x = sin (x + 2nπ)

2.

cos x = cos (x + 2nπ)

3.

tan x = tan (x + nπ)

4.

cot x = cot (x + nπ)  π = cos x sin x + 2  π = − sin x cos x + 2  π = − cot x tan x + 2  π = − tan x cot x + 2

5. 6. 7. 8. 9.

sin (x + π) = − sin x

10.

cos (x + π) = − cos x

11.

tan (x + π) = tan x

12.

cot (x + π) = cot x

13.

sin (−x) = − sin x

14.

cos (−x) = cos x

15.

tan (−x) = − tan x

16.

cot (−x) = − cot x

17.

sin 2x = 2 sin x cos x

18.

cos 2x = cos2 x − sin2 x

19.

sin2 x + cos2 x = 1

20.

sin2 x =

1 (1 − cos 2x) 2

21.

cos2 x =

1 (1 + cos 2x) 2

22.

sin2

x 1 = (1 − cos x) 2 2

23.

cos2

x 1 = (1 + cos x) 2 2

n = 0, ±1, ±2, ±3, · · ·

873

874

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen

24.

sin (x ± y) = sin x cos y ± cos x sin y

25.

cos (x ± y) = cos x cos y ∓ sin x sin y

26.

tan (x ± y) =

27. 28. 29. 30.

tan x ± tan y 1 ∓ tan x tan y

x+y x−y cos 2 2 x−y x+y cos cos x + sin y = 2 cos 2 2 x−y x+y sin sin x − sin y = 2 cos 2 2 x−y x+y sin cos x − cos y = −2 sin 2 2 sin x + sin y = 2 sin

31.

tan x =

1 sin x = cos x cot x

32.

cot x =

cos x 1 = sin x tan x

33. A sin x + B cos x = (A2 + B2 )1/2 cos(x − φ ) mit φ = arctan(A/B) 34. A sin x + B cos x = (A2 + B2 )1/2 sin(x − φ ) mit φ = arctan(−B/A) 35. Kosinus-Satz: a2 = b2 + c2 − 2bc cos α a, b, c sind die Kanten eines Dreiecks, α der Winkel zwischen b und c

A.4 Arkusfunktionen

A.4 Arkusfunktionen 1.

arcsin(−x) = − arcsin x

2.

arccos(−x) = π − arccos x

3.

arctan(−x) = − arctan x

4.

arccot(−x) = π − arccotx

5.

arcsin x + arccos x = π/2

6.

arctan x + arccot x = π/2

A.5 Hyperbelfunktionen 1.

sinh (−x) = − sinh x

2.

cosh (−x) = cosh x

3.

sinh 2x = 2 sinh x cosh x

4.

cosh 2x = sinh2 x + cosh2 x

5.

cosh2 x = 1 + sinh2 x

6.

sinh (x ± y) = sinh x cosh y ± cosh x sinh y

7.

cosh (x ± y) = cosh x cosh y ± sinh x sinh y

8.

cosh kx + sinh kx = ekx

9.

cosh kx − sinh kx = e−kx

875

876

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen

A.6 Ableitung elementarer Funktionen a, c, k sind skalare Konstanten. f  (x)

f (x)

f  (x)

Nr.

f (x)

1.

c

0

23.

lg kx

2.

x

1

24.

loga x

3.

x2

2x

25.

sin x

1 x ln 10 1 x ln a cos x

4.

x3

3x2

26.

sin ax

a cos ax

5.

xa

a xa−1



27.

cos x

− sin x

28.

cos ax

29.

tan ax

1 x 1 x2

1 1 √ = x−1/2 2 x 2 1 1 √ = x(1−n)/n n n−1 n n x 1 − 2 x 2 − 3 x

30.

cot ax

31.

sin2 ax

−a sin ax a cos2 x a − 2 sin x 2a sin ax cos ax

32.

cos2 ax

10.

ex

ex

33.

arcsin x

11.

e−x

−e−x

34.

arccos x

12.

eax

aeax

e f (x)

e f (x) f  (x)

35.

arctan x

13. 14.

ax

ax ln a

36.

arccot x

15.

akx

k akx ln a

37.

sinh x

cosh x

16.

xx

xx (1 + ln x)

38.

cosh x

17.

xax

39.

tanh x

18.

x f (x)

40.

coth x

19.

ln x

41.

arcsinh x

20.

ln kx

42.

arccosh x

21.

ln f (x)

43.

arctanh x

22.

lg x

axax (1 + ln x)   x f (x) f  (x) ln x + f (x)x−1 1 x 1 x f  (x) f (x) 1 x ln 10

44.

arccoth x

sinh x 1 = 1 − tanh2 x cosh2 x 1 − = 1 − coth2 x sinh2 x 1 √ 1 + x2 1 √ 2 x −1 1 1 − x2 1 1 − x2

Nr.

6. 7. 8. 9.

x

x1/n

a>0 a>0

−2a sin ax cos ax 1 √ 1 − x2 1 −√ 1 − x2 1 1 + x2 1 − 1 + x2

A.7 Unbestimmte Integrale

877

A.7 Unbestimmte Integrale Die Integrationskonstante C wurde zwecks besserer Übersichtlichkeit weggelassen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

 



dx = 1 · dx = x a dx = ax

 a xa+1 x dx =

(a = −1)

a+1



(ax + b)n dx =

 1

x  1

x2  1

x3  1

xa

dx = ln x

(ax + b)n+1 a(n + 1)

(n = −1)

s. Fußnote 1

dx = −

1 x

dx = −

1 2x2

dx = −

x−(a−1) (a − 1)



1 dx = ln(a + x) a+x



1 dx = − ln(a − x) a−x



1 1 dx = ln(ax + b) ax + b a



1 ax + b dx = − (ax + b)n a(n − 1)(ax + b)n



x ax − b ln(ax + b) dx = ax + b a2



ax + b ln(ax − b) x dx = ax − b a2

 ax + b

cx + d 

dx =

ax bc − ad + ln(cx + d) c c2

x2 x2 bx b2 ln(ax + b) dx = − + ax + b 2a a2 a3

1 In mathematischer Literatur ist das Ergebnis normalerweise als ln |x| zu finden. In diesem Buch wird für Integrale in Anlehnung an die Konvention in [8] stets die Form ohne Betragszeichen verwendet; dies ist auch in allen Computeralgebrasystemen implementierte Vorgehensweise.

878

17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen 

x2 bx b2 ln(ax − b) x2 dx = + + ax − b 2a a2 a3



ln(ax + b) x b + dx = 2 2 (ax + b) a (ax + b) a2



x ln(ax − b) −b + dx = 2 (ax − b)2 a (ax − b) a2



x 1 1 dx = arctan a2 + x 2 a a



1 x+a 1 ln dx = a2 − x 2 2a x−a



1 x 1 dx = ln x(ax + b) b ax + b



1 x 1 dx = − ln x(ax − b) b ax − b



1 a 1 x dx = − − 2 ln x2 (ax + b) bx b ax + b



1 x2 (ax − b)



dx =

1 a x − 2 ln bx b ax − b

1 1 cx + d dx = ln (ax + b)(cx + d) bc − ad ax + b

bc = ad

2 1 2ax + b dx = √ arctan √ 2 ax2 + bx + c 4ac − b 4ac − b2    1 b d x dx = ln(ax + b) − ln(cx + d) 28. (ax + b)(cx + d) bc − ad a c

27.

29. 30. 31. 32. 33.





ln(ax2 + bx + c) b x 2ax + b dx = − √ arctan √ 2 ax2 + bx + c 2a a 4ac − b 4ac − b2

√ √

ax + b dx =

2 (ax + b)3/2 3a

ax − b dx =

2 (ax − b)3/2 3a

 √

2 (ax + b)3/2 (3ax − 2b) 15a2

 √

2 (ax − b)3/2 (3ax + 2b) 15a2

x ax + b dx = x ax − b dx =

bc = ad

A.7 Unbestimmte Integrale

  √ √ b2 2 2 2 2 2 2 ln(ax + a x + b ) 34. x a x +b + a   √ √ √ 1 b2 ln(ax + a2 x2 − b2 ) 35. a2 x2 − b2 dx = x a2 x2 − b2 − 2 a   √ √ ax 1 b2 arctan √ 36. −a2 x2 + b2 dx = x −a2 x2 + b2 + 2 a −a2 x2 + b2   √ √ ax 1 b2 2 2 2 2 2 2 arctan √ −a x − b dx = 37. x −a x − b − 2 a −a2 x2 − b2 √

38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50.

            

x x x x

a2 x2 + b2

√ √ √ √

1 dx = 2

a2 x2 + b2 dx =

3/2 1 2 2 a x + b2 2 3a

a2 x2 − b2 dx =

3/2 1 2 2 a x − b2 3a2

−a2 x2 + b2 dx = −

3/2 1 2 2 −a x + b2 2 3a

−a2 x2 − b2 dx = −

3/2 1 2 2 −a x − b2 3a2



1 2√ ax + b dx = a ax + b



1 2√ dx = ax − b a ax − b

√ √ √ √ √ √ √

1 a2 x2 + b2 1 a2 x2 − b2

dx =

√ 1 ln(ax + a2 x2 + b2 ) a

dx =

√ 1 ln(ax + a2 x2 − b2 ) a

1 −a2 x2 + b2 1 −a2 x2 − b2 x a2 x2 + b2 x a2 x2 − b2

dx =

ax 1 arctan √ 2 a −a x2 + b2

dx =

ax 1 arctan √ 2 a −a x2 − b2

dx =

1 √ 2 2 a x + b2 a2

dx =

1 √ 2 2 a x − b2 a2

x −a2 x2 + b2

dx = −

1 √ 2 2 −a x + b2 a2

879

880

51.

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen 



x

dx = −

−a2 x2 − b2

1 √ 2 2 −a x − b2 a2

 52. ex dx = ex  −x

53. 54. 55. 56. 57. 58. 59.

60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70.

e

dx = −e−x

 ax 1 e dx = eax

a



x eax dx =

1 (ax − 1) eax a2

 2 ax 1 x e dx = 3 (a2 x2 − 2ax + 2) eax

a



2

x eax dx =

1 ax2 e 2a

 3 ax2 (ax2 − 1) ax2 x e dx = e 2a2 

1 1 x ln(b + ceax ) dx = − ax b+ce b ab



1 1 x ln(−b + ceax ) dx = − b − c eax b ab



eax 1 ln(b + ceax ) dx = ax b+ce ac



eax 1 ln(b − ceax ) dx = − b − c eax ac

 x 1 x a a dx =    

ln a

ln x dx = x (ln x − 1) ln ax dx = x (ln ax − 1) ln2 ax dx = x (ln2 ax − 2 ln ax + 2) x ln ax dx =

x2 (2 ln ax − 1) 4

 2 x3 x ln ax dx = (3 ln ax − 1)

9



x ln2 ax dx =

x2 (2 ln2 ax − 2 ln ax + 1) 4

 2 2 x3 (9 ln2 ax − 6 ln ax + 2) x ln ax dx =

27

A.7 Unbestimmte Integrale

71. 72. 73. 74. 75. 76.

   

1 dx = ln(ln ax) x ln ax sin ax dx = −

1 cos ax a

1 x sin ax cos ax x − sin 2ax = − 2 4a 2 2a

sin2 ax dx =

1 (sin ax − ax cos ax) a2

x sin ax dx =

 2 1 x sin ax dx = 3 [2ax sin ax − (a2 x2 − 2) cos ax ]

a



x sin(ax2 ) dx = −

1 cos(ax2 ) 2a

1 ln(1 − cos ax) − ln(sin ax) dx = sin ax a   1 π ax  1 dx = − tan − 78. 1 + sin ax a 4 2   π ax  1 1 dx = tan + 79. 1 − sin ax a 4 2

77.

80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88.





1 1 dx = − cot ax 2 a sin ax



1 1 dx = tan ax 2 a 1 − sin ax

     

x (sin(ln x) − cos(ln x)) 2

sin ln x dx =

sin ax sin bx dx =

sin(a − b)x sin(a + b)x − 2(a − b) 2(a + b)

sin2 ax sin bx dx = − cos ax dx =

(a2 = b2 )

cos bx cos (2a + b)x cos (2a − b)x + − 2b 4(2a + b) 4(2a − b)

1 sin ax a

cos2 ax dx =

1 x + sin 2ax 2 4a

x cos ax dx =

1 (cos ax + ax sin ax) a2

 2 1 x cos ax dx = 3 [2ax cos ax + (a2 x2 − 2) sin ax ]

a

Für a = b s. Nr. 73

881

882

89. 90. 91. 92.

93.

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen 

x cos(ax2 ) dx =

1 sin(ax2 ) 2a



1 ln(1 + sin ax) − ln(cos ax) dx = cos ax a



1 1 ax dx = tan 1 + cos ax a 2



1 1 dx = − ax 1 − cos ax a tan 2



1 1 dx = tan ax 2 cos ax a



1 1 dx = − 1 − cos2 ax a tan ax  x 95. cos ln x dx = (sin(ln x) + cos(ln x)) 2 94.

96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106.

        

cos ax cos bx dx =

sin(a − b)x sin(a + b)x + 2(a − b) 2(a + b)

cos2 ax cos bx dx = sin ax cos ax dx =

Für a = b s. Nr. 86

sin bx sin (2a + b)x sin (2a − b)x + + 2b 4(2a + b) 4(2a − b)

1 sin2 ax 2a

sin2 ax cos2 ax dx =

x sin 4ax − 8 32a

sinn ax cos ax dx =

1 sinn+1 ax a(n + 1)

sin ax cosn ax dx = − sin ax cos bx dx = − sin2 ax cos bx dx =

1 cosn+1 ax a(n + 1)

(n = −1) (n = −1)

cos(a + b)x cos(a − b)x − 2(a + b) 2(a − b)

(a2 = b2 )

sin bx sin (2a + b)x sin (2a − b)x − − 2b 4(2a + b) 4(2a − b)

cos2 ax sin bx dx = −

cos bx cos (2a + b)x cos (2a − b)x − + 2b 4(2a + b) 4(2a − b)



1 1 dx = ln(tan ax) sin ax cos ax a



1 2 dx = − cot 2ax 2 a sin ax cos ax 2

(a2 = b2 )

Für. a = b s. Nr. 98

A.7 Unbestimmte Integrale

107. 108. 109. 110. 111.

 sin ax

cosn ax  cos ax

sinn ax

dx =

1 a(n − 1) cosn−1 ax

dx = −

1 a(n − 1) sinn−1 ax

(n = 1) (n = 1)

 bx 1 e sin ax dx = 2 ebx (b sin ax − a cos ax) a + b2  bx 1 e cos ax dx = 2 ebx (a sin ax + b cos ax) a + b2  cos x cos x

e

sin x dx = −e

 112. esin x cos x dx = esin x  a−1 a

113. 114.

ax

 

sin x dx = − cos xa

a xa−1 cos xa dx = sin xa

1 ln(cos ax) a  tan ax 116. tan2 ax dx = −x a 115.



tan ax dx = −

1 ln(sin ax) a  cot ax 118. cot2 ax dx = − −x a 117.

cot ax dx =

√ 1 (ax arcsin ax + 1 − a2 x2 ) a √  1 120. arccos ax dx = (ax arccos ax − 1 − a2 x2 ) a

119.

121. 122. 123. 124.



    

arcsin ax dx =

arctan ax dx = x arctan ax − sinh ax dx =

1 cosh ax a

cosh ax dx =

1 sinh ax a

tanh ax dx =

1 ln (cosh ax) a

1 ln (sinh ax) a  1 ax 1 dx = ln tanh 126. sinh ax a 2 125.

coth ax dx =

1 ln (1 + a2 x2 ) 2a

883

884

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen 

1 2 dx = arctan eax cosh ax a    1 1 2 sinh ax cosh ax − x 128. sinh ax dx = 2 a    1 1 129. cosh2 ax dx = sinh ax cosh ax + x 2 a 127.

130. 131. 132. 133.

   

tanh2 ax dx = x −

1 tanh ax a

coth2 ax dx = x −

1 coth ax a

x sinh ax dx =

1 1 x cosh ax − 2 sinh ax a a

x cosh ax dx =

1 1 x sinh ax − 2 cosh ax a a

134.

 2 1 x sinh ax dx = 3 (a2 x2 cosh ax − 2ax sinh ax + 2 cosh ax)

135.

 2 1 x cosh ax dx = 3 (a2 x2 sinh ax − 2ax cosh ax + 2 sinh ax)

136. 137. 138. 139. 140. 141.

a

a

      

sin ax sinh ax dx =

1 ax [e (sin ax − cos ax) + e−ax (sin ax + cos ax)] 4a

sin ax cosh ax dx =

1 ax [e (sin ax − cos ax) − e−ax (sin ax + cos ax)] 4a

cos ax sinh ax dx =

1 ax [e (sin ax + cos ax) + e−ax (− sin ax + cos ax)] 4a

cos ax cosh ax dx =

1 ax [e (sin ax + cos ax) + e−ax (sin ax − cos ax)] 4a

sinh ax sinh bx dx =

1 1 sinh(a + b)x − sinh(a − b)x 2(a + b) 2(a − b)

cosh ax sinh bx dx =

1 1 cosh(a + b)x − cosh(a − b)x 2(a + b) 2(a − b)

1 1 cosh(a + b)x + cosh(a − b)x 2(a + b) 2(a − b)   √  143. arcsinh2 x dx = x arcsinh2 x − 2 x2 + 1 arcsinh x + 2x 142.

144.



sinh ax cosh bx dx =

  √ arccosh2 x dx = x arccosh2 x − 2 x2 − 1 arccosh x + 2x

A.8 Einige bestimmte Integrale

A.8 Einige bestimmte Integrale m, n : ganze Zahlen, 1. 2.

π/2  0 π

r : reelle Zahl

sin x dx = 1

7.

sin x dx = 2

8.

0

3. 4. 5. 6.

0 π −π

sin x dx = 0

π/2 

sin2 x dx =

sin2 x dx =

π/2  0

14.

9.

sin x dx = 0

0

13.

10. π 4

11.

π 2

sin2n x dx =

12. π/2 

sin2n+1 x dx =

sin x cos x dx =

18.

π/2 

19.

20.

π −π



π/2 

cos2n+1 x dx =

2π 

sin x cos x dx =

0

0

17.

sin x cos x dx =

2π 

sin mx sin nx dx =

π −π

sin mx sin nx dx = für m = n = 0

0

0

für m = n



2π 

sin mx sin nx dx =

cos mx cos nx dx =

−π

cos x dx = 0

π/2  0 π 

 π

cos2 x dx =

cos2 x dx =

π 4

π 2

cos mx cos nx dx =

 π/2 0

sin mx cos nx dx =

2π  0

für m = n = 0 für m = n

0

 π

0

cos mx cos nx dx =



−π

cos x dx = 0

sin x cos x dx = 0

0

0

21.

0 π

1 2



−π

2π 

2 · 4 · 6 · . . . · (2n) 1 · 3 · 5 · . . . · (2n + 1)

π/2



cos x dx = 0

1 · 3 · 5 · . . . · (2n − 1) π 2 · 4 · 6 · . . . · (2n) 2

0

0

16.

cos2n x dx =

0

π/2 



cos x dx = 1

0

0

15.

0 π 0

2π 

0 π 

π/2 

für m = n = 0 für m = n

sin mx cos nx dx = 0

0

für m = n = 0 für m = n

885

886

22.

23.

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen L −L

L −L

2L r+2L r+L    mπx mπx mπx mπx dx = sin dx = dx = 0 = dx = 0 sin sin L L L L r r−L 0

cos

2L r+2L r+L    mπx mπx mπx mπx dx = cos dx = dx = 0 = dx = 0 cos cos L L L L r r−L 0

2L r+2L   nπx nπx nπx mπx mπx mπx cos dx = sin cos dx = cos dx = 0 sin L L L L L L r −L 0  2L L  L für m = n = 0 nπx nπx mπx mπx sin dx = sin sin dx = 25. sin L L L L 0 für m = n −L 0

24.

L

sin

sin

L

2L  nπx nπx mπx mπx 26. cos dx = cos cos dx = cos L L L L −L 0

27.



sin mx cos nx dx =

⎧ ⎨

2m m2 − n2 ⎩ 0

 L 0

für m + n ungerade

für m + n gerade  √ ∞ −x2 /2 ∞ −x2 /2 π e dx = 2π e dx = 28. 2 −∞ 0 √ √ ∞ −a2 x2 ∞ −a2 x2 π π sign a sign a 29. e dx = e dx = a 2a −∞ 0 √ √ ∞ 2 −a2 x2 ∞ 2 −a2 x2 π π 30. x e dx = 3 sign a x e dx = 3 sign a 2a 4a −∞ 0 0

31. 32.

∞ −∞

a 0

33.

1 π dx = a2 + x 2 a



1 a2 − x 2

dx =

∞ 0

1 π dx = a2 + x2 2a

π 2

∞ −x e ln x dx = −0,577216 0

für m = n = 0 für m = n

A.9 Potenzreihen für einige Funktionen

A.9 Potenzreihen für einige Funktionen 1. ex = 1 +

xn x x2 x3 + + +···+ +··· 1! 2! 3! n!

2. ax = 1 +

ln2 a 2 lnn a n ln a x+ x +···+ x +··· 1! 2! n!

3. sin x = x −

x2n+1 x3 x5 x7 + − + · · · + (−1)n +··· 3! 5! 7! (2n + 1)!

4. cos x = 1 −

x2n x2 x4 x6 + − + · · · + (−1)n +··· 2! 4! 6! (2n)!

5. tan x = x +

x3 2x5 17x7 + + +··· 3 15 315

6. cot x =

1 x x3 2x5 − − − +··· x 3 45 945

7. sinh x = x +

x3 x5 x7 x2n+1 + + +···+ +··· 3! 5! 7! (2n + 1)!

8. cosh x = 1 +

x2n x2 x4 x6 + + +···+ +··· 2! 4! 6! (2n)!

9. tanh x = x −

x3 2x5 17x7 + − +··· 3 15 315

A.10 Näherungsformeln Folgende Formeln gelten für kleine x-Werte. 1.

1 ≈ 1−x 1+x

1+x ≈ 1 + 2x 1−x √ x 3. 1+x ≈ 1+ 2

2.

4. √

x 1 ≈ 1− 2 1+x

für |x| 1 5. (1 ± x)n ≈ 1 ± nx   nx 6. (a ± x)n ≈ an 1 ± für |x| a a 7. sin x ≈ x

für |x| 1

887

888

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen

8. cos x ≈ 1

für |x| 1

9. tan x ≈ x

für |x| 1

10. ex ≈ 1 + x 11. ln(1 + x) ≈ x

A.11 Verschiedene Ausdrücke 1. eikx = cos kx + i sin kx e−ikx = cos kx − i sin kx   cos k(n − m)π cos 2k(n − m)π − 2. limm→n =0 k(n − m) k(n − m) 3. limm→n

sin k(n − m)π =π k(n − m)

Eulersche Formeln

k, n, m ganze Zahlen

k, n, m ganze Zahlen

A.12 Verteilungsfunktion der Normalverteilung

889

A.12 Verteilungsfunktion der Normalverteilung

1 Φ(z) = √ 2π

&z

e−u

2 /2

−∞

Φ(−z) = 1 − Φ(z) z 0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08 0.09 0.10 0.11 0.12 0.13 0.14 0.15 0.16 0.17 0.18 0.19 0.20 0.21 0.22 0.23 0.24 0.25 0.26 0.27 0.28 0.29 0.30

Φ(z) 0.50000 0.50399 0.50798 0.51197 0.51595 0.51994 0.52392 0.52790 0.53188 0.53586 0.53983 0.54380 0.54776 0.55172 0.55567 0.55962 0.56356 0.56749 0.57142 0.57535 0.57926 0.58317 0.58706 0.59095 0.59483 0.59871 0.60257 0.60642 0.61026 0.61409 0.61791

1 Φ(−z) = √ 2π

du

Φ(−z) 0.50000 0.49601 0.49202 0.48803 0.48405 0.48006 0.47608 0.47210 0.46812 0.46414 0.46017 0.45620 0.45224 0.44828 0.44433 0.44038 0.43644 0.43250 0.42858 0.42465 0.42074 0.41683 0.41294 0.40905 0.40517 0.40129 0.39743 0.39358 0.38974 0.38591 0.38209

&−z

e−u

2 /2

du

−∞

Ω (z) = Φ(z) − Φ(−z) = 2 Φ(z) − 1 Ω (z) 0.00000 0.00798 0.01596 0.02393 0.03191 0.03988 0.04784 0.05581 0.06376 0.07171 0.07966 0.08759 0.09552 0.10343 0.11134 0.11924 0.12712 0.13499 0.14285 0.15069 0.15852 0.16633 0.17413 0.18191 0.18967 0.19741 0.20514 0.21284 0.22052 0.22818 0.23582

z 0.31 0.32 0.33 0.34 0.35 0.36 0.37 0.38 0.39 0.40 0.41 0.42 0.43 0.44 0.45 0.46 0.47 0.48 0.49 0.50 0.51 0.52 0.53 0.54 0.55 0.56 0.57 0.58 0.59 0.60 0.61

Φ(z) 0.62172 0.62552 0.62930 0.63307 0.63683 0.64058 0.64431 0.64803 0.65173 0.65542 0.65910 0.66276 0.66640 0.67003 0.67364 0.67724 0.68082 0.68439 0.68793 0.69146 0.69497 0.69847 0.70194 0.70540 0.70884 0.71226 0.71566 0.71904 0.72240 0.72575 0.72907

Φ(−z) 0.37828 0.37448 0.37070 0.36693 0.36317 0.35942 0.35569 0.35197 0.34827 0.34458 0.34090 0.33724 0.33360 0.32997 0.32636 0.32276 0.31918 0.31561 0.31207 0.30854 0.30503 0.30153 0.29806 0.29460 0.29116 0.28774 0.28434 0.28096 0.27760 0.27425 0.27093

Ω (z) 0.24344 0.25103 0.25860 0.26614 0.27366 0.28115 0.28862 0.29605 0.30346 0.31084 0.31819 0.32551 0.33280 0.34006 0.34729 0.35448 0.36164 0.36877 0.37587 0.38292 0.38995 0.39694 0.40389 0.41080 0.41768 0.42452 0.43132 0.43809 0.44481 0.45149 0.45814

890

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen

z 0.62 0.63 0.64 0.65 0.66 0.67 0.68 0.69 0.70 0.71 0.72 0.73 0.74 0.75 0.76 0.77 0.78 0.79 0.80 0.81 0.82 0.83 0.84 0.85 0.86 0.87 0.88 0.89 0.90 0.91 0.92 0.93 0.94 0.95 0.96 0.97 0.98 0.99 1.00

Φ(z) 0.73237 0.73565 0.73891 0.74215 0.74537 0.74857 0.75175 0.75490 0.75804 0.76115 0.76424 0.76730 0.77035 0.77337 0.77637 0.77935 0.78230 0.78524 0.78814 0.79103 0.79389 0.79673 0.79955 0.80234 0.80511 0.80785 0.81057 0.81327 0.81594 0.81859 0.82121 0.82381 0.82639 0.82894 0.83147 0.83398 0.83646 0.83891 0.84134

Φ(−z) 0.26763 0.26435 0.26109 0.25785 0.25463 0.25143 0.24825 0.24510 0.24196 0.23885 0.23576 0.23270 0.22965 0.22663 0.22363 0.22065 0.21770 0.21476 0.21186 0.20897 0.20611 0.20327 0.20045 0.19766 0.19489 0.19215 0.18943 0.18673 0.18406 0.18141 0.17879 0.17619 0.17361 0.17106 0.16853 0.16602 0.16354 0.16109 0.15866

Ω (z) 0.46474 0.47131 0.47783 0.48431 0.49075 0.49714 0.50350 0.50981 0.51607 0.52230 0.52848 0.53461 0.54070 0.54675 0.55275 0.55870 0.56461 0.57047 0.57629 0.58206 0.58778 0.59346 0.59909 0.60467 0.61021 0.61570 0.62114 0.62653 0.63188 0.63718 0.64243 0.64763 0.65278 0.65789 0.66294 0.66795 0.67291 0.67783 0.68269

z 1.01 1.02 1.03 1.04 1.05 1.06 1.07 1.08 1.09 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14 1.15 1.16 1.17 1.18 1.19 1.20 1.21 1.22 1.23 1.24 1.25 1.26 1.27 1.28 1.29 1.30 1.31 1.32 1.33 1.34 1.35 1.36 1.37 1.38 1.39

Φ(z) 0.84375 0.84614 0.84849 0.85083 0.85314 0.85543 0.85769 0.85993 0.86214 0.86433 0.86650 0.86864 0.87076 0.87286 0.87493 0.87698 0.87900 0.88100 0.88298 0.88493 0.88686 0.88877 0.89065 0.89251 0.89435 0.89617 0.89796 0.89973 0.90147 0.90320 0.90490 0.90658 0.90824 0.90988 0.91149 0.91308 0.91466 0.91621 0.91774

Φ(−z) 0.15625 0.15386 0.15150 0.14917 0.14686 0.14457 0.14231 0.14007 0.13786 0.13567 0.13350 0.13136 0.12924 0.12714 0.12507 0.12302 0.12100 0.11900 0.11702 0.11507 0.11314 0.11123 0.10935 0.10749 0.10565 0.10383 0.10204 0.10027 0.09853 0.09680 0.09510 0.09342 0.09176 0.09012 0.08851 0.08691 0.08534 0.08379 0.08226

Ω (z) 0.68750 0.69227 0.69699 0.70166 0.70628 0.71086 0.71538 0.71986 0.72429 0.72867 0.73300 0.73729 0.74152 0.74571 0.74986 0.75395 0.75800 0.76200 0.76595 0.76986 0.77372 0.77754 0.78130 0.78502 0.78870 0.79233 0.79592 0.79945 0.80295 0.80640 0.80980 0.81316 0.81648 0.81975 0.82298 0.82617 0.82931 0.83241 0.83547

A.12 Verteilungsfunktion der Normalverteilung

z 1.40 1.41 1.42 1.43 1.44 1.45 1.46 1.47 1.48 1.49 1.50 1.51 1.52 1.53 1.54 1.55 1.56 1.57 1.58 1.59 1.60 1.61 1.62 1.63 1.64 1.65 1.66 1.67 1.68 1.69 1.70 1.71 1.72 1.73 1.74 1.75 1.76 1.77 1.78

Φ(z) 0.91924 0.92073 0.92220 0.92364 0.92507 0.92647 0.92785 0.92922 0.93056 0.93189 0.93319 0.93448 0.93574 0.93699 0.93822 0.93943 0.94062 0.94179 0.94295 0.94408 0.94520 0.94630 0.94738 0.94845 0.94950 0.95053 0.95154 0.95254 0.95352 0.95449 0.95543 0.95637 0.95728 0.95818 0.95907 0.95994 0.96080 0.96164 0.96246

Φ(−z) 0.08076 0.07927 0.07780 0.07636 0.07493 0.07353 0.07214 0.07078 0.06944 0.06811 0.06681 0.06552 0.06426 0.06301 0.06178 0.06057 0.05938 0.05821 0.05705 0.05592 0.05480 0.05370 0.05262 0.05155 0.05050 0.04947 0.04846 0.04746 0.04648 0.04551 0.04457 0.04363 0.04272 0.04182 0.04093 0.04006 0.03920 0.03836 0.03754

Ω (z) 0.83849 0.84146 0.84439 0.84728 0.85013 0.85294 0.85571 0.85844 0.86113 0.86378 0.86639 0.86896 0.87149 0.87398 0.87644 0.87886 0.88124 0.88358 0.88589 0.88817 0.89040 0.89260 0.89477 0.89690 0.89899 0.90106 0.90309 0.90508 0.90704 0.90897 0.91087 0.91273 0.91457 0.91637 0.91814 0.91988 0.92159 0.92327 0.92492

z 1.79 1.80 1.81 1.82 1.83 1.84 1.85 1.86 1.87 1.88 1.89 1.90 1.91 1.92 1.93 1.94 1.95 1.96 1.97 1.98 1.99 2.00 2.01 2.02 2.03 2.04 2.05 2.06 2.07 2.08 2.09 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17

Φ(z) 0.96327 0.96407 0.96485 0.96562 0.96638 0.96712 0.96784 0.96856 0.96926 0.96995 0.97062 0.97128 0.97193 0.97257 0.97320 0.97381 0.97441 0.97500 0.97558 0.97615 0.97670 0.97725 0.97778 0.97831 0.97882 0.97932 0.97982 0.98030 0.98077 0.98124 0.98169 0.98214 0.98257 0.98300 0.98341 0.98382 0.98422 0.98461 0.98500

Φ(−z) 0.03673 0.03593 0.03515 0.03438 0.03362 0.03288 0.03216 0.03144 0.03074 0.03005 0.02938 0.02872 0.02807 0.02743 0.02680 0.02619 0.02559 0.02500 0.02442 0.02385 0.02330 0.02275 0.02222 0.02169 0.02118 0.02068 0.02018 0.01970 0.01923 0.01876 0.01831 0.01786 0.01743 0.01700 0.01659 0.01618 0.01578 0.01539 0.01500

Ω (z) 0.92655 0.92814 0.92970 0.93124 0.93275 0.93423 0.93569 0.93711 0.93852 0.93989 0.94124 0.94257 0.94387 0.94514 0.94639 0.94762 0.94882 0.95000 0.95116 0.95230 0.95341 0.95450 0.95557 0.95662 0.95764 0.95865 0.95964 0.96060 0.96155 0.96247 0.96338 0.96427 0.96514 0.96599 0.96683 0.96765 0.96844 0.96923 0.96999

891

892

A Ausgewählte Formeln und Beziehungen

z 2.18 2.19 2.20 2.21 2.22 2.23 2.24 2.25 2.26 2.27 2.28 2.29 2.30 2.31 2.32 2.33 2.34 2.35 2.36 2.37 2.38 2.39 2.40 2.41 2.42 2.43 2.44 2.45 2.46 2.47 2.48 2.49 2.50 2.51 2.52 2.53 2.54 2.55 2.56

Φ(z) 0.98537 0.98574 0.98610 0.98645 0.98679 0.98713 0.98745 0.98778 0.98809 0.98840 0.98870 0.98899 0.98928 0.98956 0.98983 0.99010 0.99036 0.99061 0.99086 0.99111 0.99134 0.99158 0.99180 0.99202 0.99224 0.99245 0.99266 0.99286 0.99305 0.99324 0.99343 0.99361 0.99379 0.99396 0.99413 0.99430 0.99446 0.99461 0.99477

Φ(−z) 0.01463 0.01426 0.01390 0.01355 0.01321 0.01287 0.01255 0.01222 0.01191 0.01160 0.01130 0.01101 0.01072 0.01044 0.01017 0.00990 0.00964 0.00939 0.00914 0.00889 0.00866 0.00842 0.00820 0.00798 0.00776 0.00755 0.00734 0.00714 0.00695 0.00676 0.00657 0.00639 0.00621 0.00604 0.00587 0.00570 0.00554 0.00539 0.00523

Ω (z) 0.97074 0.97148 0.97219 0.97289 0.97358 0.97425 0.97491 0.97555 0.97618 0.97679 0.97739 0.97798 0.97855 0.97911 0.97966 0.98019 0.98072 0.98123 0.98172 0.98221 0.98269 0.98315 0.98360 0.98405 0.98448 0.98490 0.98531 0.98571 0.98611 0.98649 0.98686 0.98723 0.98758 0.98793 0.98826 0.98859 0.98891 0.98923 0.98953

z 2.57 2.58 2.59 2.60 2.61 2.62 2.63 2.64 2.65 2.66 2.67 2.68 2.69 2.70 2.71 2.72 2.73 2.74 2.75 2.76 2.77 2.78 2.79 2.80 2.81 2.82 2.83 2.84 2.85 2.86 2.87 2.88 2.89 2.90 2.91 2.92 2.93 2.94 2.95

Φ(z) 0.99492 0.99506 0.99520 0.99534 0.99547 0.99560 0.99573 0.99585 0.99598 0.99609 0.99621 0.99632 0.99643 0.99653 0.99664 0.99674 0.99683 0.99693 0.99702 0.99711 0.99720 0.99728 0.99736 0.99744 0.99752 0.99760 0.99767 0.99774 0.99781 0.99788 0.99795 0.99801 0.99807 0.99813 0.99819 0.99825 0.99831 0.99836 0.99841

Φ(−z) 0.00508 0.00494 0.00480 0.00466 0.00453 0.00440 0.00427 0.00415 0.00402 0.00391 0.00379 0.00368 0.00357 0.00347 0.00336 0.00326 0.00317 0.00307 0.00298 0.00289 0.00280 0.00272 0.00264 0.00256 0.00248 0.00240 0.00233 0.00226 0.00219 0.00212 0.00205 0.00199 0.00193 0.00187 0.00181 0.00175 0.00169 0.00164 0.00159

Ω (z) 0.98983 0.99012 0.99040 0.99068 0.99095 0.99121 0.99146 0.99171 0.99195 0.99219 0.99241 0.99264 0.99285 0.99307 0.99327 0.99347 0.99367 0.99386 0.99404 0.99422 0.99439 0.99456 0.99473 0.99489 0.99505 0.99520 0.99535 0.99549 0.99563 0.99576 0.99590 0.99602 0.99615 0.99627 0.99639 0.99650 0.99661 0.99672 0.99682

A.12 Verteilungsfunktion der Normalverteilung

z 2.96 2.97 2.98 2.99 3.00 3.01 3.02 3.03 3.04 3.05 3.06 3.07 3.08 3.09 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15 3.16 3.17 3.18 3.19 3.20 3.21 3.22 3.23 3.24 3.25 3.26 3.27 3.28 3.29 3.30 3.31 3.32

Φ(z) 0.99846 0.99851 0.99856 0.99861 0.99865 0.99869 0.99874 0.99878 0.99882 0.99886 0.99889 0.99893 0.99896 0.99900 0.99903 0.99906 0.99910 0.99913 0.99916 0.99918 0.99921 0.99924 0.99926 0.99929 0.99931 0.99934 0.99936 0.99938 0.99940 0.99942 0.99944 0.99946 0.99948 0.99950 0.99952 0.99953 0.99955

Φ(−z) 0.00154 0.00149 0.00144 0.00139 0.00135 0.00131 0.00126 0.00122 0.00118 0.00114 0.00111 0.00107 0.00104 0.00100 0.00097 0.00094 0.00090 0.00087 0.00084 0.00082 0.00079 0.00076 0.00074 0.00071 0.00069 0.00066 0.00064 0.00062 0.00060 0.00058 0.00056 0.00054 0.00052 0.00050 0.00048 0.00047 0.00045

Ω (z) 0.99692 0.99702 0.99712 0.99721 0.99730 0.99739 0.99747 0.99755 0.99763 0.99771 0.99779 0.99786 0.99793 0.99800 0.99806 0.99813 0.99819 0.99825 0.99831 0.99837 0.99842 0.99848 0.99853 0.99858 0.99863 0.99867 0.99872 0.99876 0.99880 0.99885 0.99889 0.99892 0.99896 0.99900 0.99903 0.99907 0.99910

z 3.33 3.34 3.35 3.36 3.37 3.38 3.39 3.40 3.41 3.42 3.43 3.44 3.45 3.46 3.47 3.48 3.49 3.50 3.51 3.52 3.53 3.54 3.55 3.56 3.57 3.58 3.59 3.60 3.61 3.62 3.63 3.64 3.65 3.66 3.67 3.68 3.69

Φ(z) 0.99957 0.99958 0.99960 0.99961 0.99962 0.99964 0.99965 0.99966 0.99968 0.99969 0.99970 0.99971 0.99972 0.99973 0.99974 0.99975 0.99976 0.99977 0.99978 0.99978 0.99979 0.99980 0.99981 0.99981 0.99982 0.99983 0.99983 0.99984 0.99985 0.99985 0.99986 0.99986 0.99987 0.99987 0.99988 0.99988 0.99989

Φ(−z) 0.00043 0.00042 0.00040 0.00039 0.00038 0.00036 0.00035 0.00034 0.00032 0.00031 0.00030 0.00029 0.00028 0.00027 0.00026 0.00025 0.00024 0.00023 0.00022 0.00022 0.00021 0.00020 0.00019 0.00019 0.00018 0.00017 0.00017 0.00016 0.00015 0.00015 0.00014 0.00014 0.00013 0.00013 0.00012 0.00012 0.00011

Ω (z) 0.99913 0.99916 0.99919 0.99922 0.99925 0.99928 0.99930 0.99933 0.99935 0.99937 0.99940 0.99942 0.99944 0.99946 0.99948 0.99950 0.99952 0.99953 0.99955 0.99957 0.99958 0.99960 0.99961 0.99963 0.99964 0.99966 0.99967 0.99968 0.99969 0.99971 0.99972 0.99973 0.99974 0.99975 0.99976 0.99977 0.99978

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Literaturverzeichnis [1] Arens, T. u.a.: Mathematik. Springer Spektrum 2018 [2] Bartsch, H.-J.: Taschenbuch mathematischer Formeln für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Carl Hanser Verlag 2011 [3] Bronstein, I. N., Semendjajew, K.A., u.a.: Taschenbuch der Mathematik. Verlag Harri Deutsch 2005 [4] Burg, K.; Haf, H.; Wille, F.: Höhere Mathematik für Ingenieure. Springer Vieweg 2017 [5] Char, B.W. u.a.: Maple V - A Tutorial Introduction. Springer-Verlag 1992 [6] Collatz, L.: Differentialgleichungen. B. G. Teubner 1990 [7] Golub, G.H.: Matrix Computations. The John Hopkins University Press 2013 [8] Gradshteyn, I.S. u.a.: Table of Integrals, Series, and Products. Academic Press 2000 [9] Heuser, H.: Gewöhnliche Differentialgleichungen. B. G. Teubner 2004 [10] Kamke, E.: Differentialgleichungen. Springer-Fachmedien 1983 [11] Kreyszig, E.: Advanced Engineering Mathematics. John Wiley & Sons 2011 [12] Lewis, P.E. u.a.: Vector Analysis for Engineers and Scientists. Addison-Wesley 1989 [13] O’Neil, P.V.: Advanced Engineering Mathematics. Cengage Learning 2012 [14] Papula, L.: Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Bd. 1-3. Springer Vieweg 2014 [15] Press, W.H. u.a.: Numerical Recipes: The Art of Scientific Computing. Cambridge University Press 2007 [16] Strang, G.: Introduction to Linear Algebra. Wellesley-Cambridge Press 2016 [17] Springer-Taschenbuch der Mathematik. Springer Spektrum 2013 [18] Zurmühl, R.; Falk, S.: Matrizen und ihre Anwendungen. Springer-Verlag 2011

Die obige Liste gibt nur einen sehr kleinen Teil von umfangreicher weiterführender Fachliteratur bzw. von Formelsammlungen wieder.

Stichwortverzeichnis Symbole e-Zahl, 15, 47 A Ableitung, 85 – äußere, 91 – Faktorregel, 87 – implizite, 94, 632 – innere, 91 – Kettenregel, 90 – logarithmische, 93 – partielle, 618 – Produktregel, 88 – Quotientenregel, 89 – Regeln, 87 – Summenregel, 87 Ableitungen – höhere, 102 Absoluter Fehler, 5 Absolutwert, 4 Abstand zweier Punkte, 419 Analytische Geometrie, 419 Arkusfunktionen, 65, 875 Axialschwingungen, 703 B Balken auf elastischer Bettung, 134 Balkenschwingungen, 693 Binomische Formeln, 6 – Pascalsches Dreieck, 6 Bogenlänge, 194 C Cholesky-Verfahren, 796 Computeralgebra, 827 Cramer-Regel, 286 Crout-Verfahren, 795 D Determinante, 277 – Eigenschaften, 281 – Laplace-Entwicklungssatz, 278 – Sarrus-Regel, 280 Differential, 83 – totales, 625, 641 Differentialgleichung – allgemeine Lösung, 498 – Anfangswertaufgabe, 499 – Anfangswertproblem, 496 – Ansatzfunktionen, 515 – charakteristische Gleichung, 520 – Diskriminante D, 520 – erster Ordnung, 503 – eulerhomogene, 508 – explizite, 495, 496 – gewöhnliche, 487 – homogene, 513, 519

– homogene, inhomogene, 495 – implizite, 495, 496 – inhomogene, 513, 519 – Integration, 496 – Knicklast, 549 – lineare, 493 – lineare DGL 1. Ordnung, 512 – lineare homogene, 513 – Lösung, 496 – mit konstantem Koeffizienten, 514 – nichtlineare, 493 – Numerische Lösung, 805 – Ordnung, 493 – partielle, 693 – partikuläre Lösung, 499 – Randwertaufgabe, 499 – Randwertproblem, 496 – spezielle Lösung, 500 – Störfunktion, 513, 519 – Temperaturverteilung, 693 – Transformation der Variablen, 506 – Trennung der Variablen, 503 – Variation der Konstanten, 517 Differentialgleichung 2. Ordnung – allgemeine Lösung, 528 – homogene, 520 – lineare, 519 – partikuläre Lösung, 526 Differentialgleichungen, 805 – Euler-Cauchy-Verfahren, 809 – Euler-Verfahren, 806 – Heun-Verfahren, 809 – Runge-Kutta-Verfahren, 809 – verbessrtes Euler-Verfahren, 809 Differentialoperator, 86 Differentialquotient, 83, 84 Differentialrechnung, 81 – Kettenregel, 90 – Leibniz-Kalkül, 90 – multivariable, 615 Differentiation, 85 Differenzen, 82 Differenzenquotient, 82 Differenzierbarkeit, 81 Diffrentialgleichung – Euler-Verfahren, 806 Doolittle-Verfahren, 792 Doppelt logaritmische Darstellung, 55 E e-Funktion, 47 Ebene – Vektorgleichung, 366 Eigenschwingung, 530 Eigenwertaufgabe, 719, 738 – allgemeine, 720 – charakteristische Gleichung, 721

898

Stichwortverzeichnis

– Eigenwertdeterminante, 721 – spezielle, 720 Eigenwerte – inverse Iteration, 746 – Mises-Iteration, 738 – modifizierte Mises-Iteration, 746 – Power-Iteration, 738 – spektrale Komposition, 736 – spektrale Verschiebung, 736 Eingabelungsverfahren, 769 elastische Bettung, 134 Ereignis – unvereinbares, 457 Ereignisse, 455 Euler, L., 487 Euler-Cauchy-Verfahren, 809 Euler-Verfahren, 806 Eulersche Formel, 523, 819, 888 – Herleitung, 819 Eulersche Zahl, 47 Eurlersche Zahl, 15 Explizite Funktion, 70 Exponentialfunktion, 47 Extremwerte, 118 – hinreichende Bedingungen, 119 – Lagrange-Multiplikator, 654 – mit Nebenbedingungen, 654 – multivariable Funktionen, 651 – notwendige Bedingungen, 119 – Sattelpunkt, 119 – Wendepunkt, 119 F Fakultät, 13 Falk-Schema, 266 Finanzmathematik – Rentenrechnung, 23 – Zinsrechnung, 20 Fixpunkt-Iteration, 773 Fläche – rotationssymmetische, 638 Flächennormale, 649 Fourier-Reihe, 595, 597 – finite Funktion, 609 – gerade Funktion, 606 – Koeffizient, 597 – nicht-periodische Funktion, 609 Freier Fall – mit Reibung, 49 – ohne Reibung, 43 Fresnel-Integral, 76 Funktion, 41 – antimetrisch, 56 – antimetrische, 56 – Arkus, 65 – Extremwerte, 118 – Gaußsche Glockenkurve, 74 – glatte, 58 – inverse, 51 – Kegelschnitte, 67 – Klothoide, 75 – konstante, 41 – lineare, 41 – linearisierte, 98 – logarithmische, 51 – Maximum, 118 – Minimum, 118 – multivariable, 615 – Parabel, 41 – Parameterdarstellung, 72

– periodische, 64 – Polynom, 41 – Schraubenlinie, 74 – Skalar, 635 – stetige, 58 – symmetrisch, 56 – trigonometrische, 59 – unstetige, 58 – Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, 74 G Ganze Zahlen, 1 Gauß-Algorithmus, 269 Gauß-Elimination, 269, 274 Gauß-Seidel-Iteration, 798 Gaußsche Glockenkurve, 74 Gaußsche Zahlenebene, 818 Geometrische Reihe, 12 Geometrische Summe, 12 Gerade – Abstand eines Punktes, 427 – Achsenabschnittsform, 422 – allgemeine Linearform, 420 – Hesse-Normalform, 423 – Normalform, 422 – orthogonale, 434 – parallele, 434 – Punktsteigungsform, 421 – Richtungsvektor, 429 – Schnittpunkt, 430 – Schnittwinkel, 431 – Steigung, 428 – Vektorgleichung, 359 – Winkelhalbierende, 435 – Zweipunkteform, 421 Gerade in der xy-Ebene, 420 Gleichungssysteme – Cholesky-Verfahren, 796 – Crout-Verfahren, 795 – Doolittle-Verfahren, 792 Gon, 19 Gradient, 639 – Flächennormale, 649 – in der Mechanik, 640 – nD-Raum, 643 – Richtung, 642 Gravitationskonstante, 659 Griechisches Alphabet, 871 H Halblogarithmische Darstellung, 54 Halb logaritmische Darstellung, 54 Hesse-Matrix, 652 Heun-Verfahren, 809 Hyperbelfunktion, 66 Hyperbelfunktionen, 875 Hyperfläche, 616 I Imaginäre Einheit i, 2 Implizite Ableitung, 94, 632 Implizite Funktion, 70 Infinitesimalrechnung, 81 Inkrement, 82 Integral – Fresnel, 76 – bestimmtes, 174 – Integrand, 168 – unbestimmtes, 168

Stichwortverzeichnis

Integralanwendungen – Bogenlänge einer Kurve, 194 – Flächenberechnung, 188 – – in Polarkoordinaten, 193 – Fläche zwischen zwei Kurven, 191 – laminare Rohrströmung, 219 – Luftdruckverteilung, 210 – Massenschwerpunkt, 203 – Raketengleichung , 217 – Rotationskörper, 198 – Schwerpunkt einer Linie, 196 – Trägheitsmoment, 204 – Wärmeleitung, 207 Integralrechnung – Arbeitssatz der Dynamik, 215 – Geradlinige Bewegung, 212 – Mechanische Arbeit, 217 Integration – Gauß-Quadratur, 184 – numerische, 179 – partielle, 171 – Simpson-Verfahren, 182 – Trapez-Verfahren, 179 Invarianz, 636 Inverse Funktion, 51, 52 Inverse Iteration, 746 – Eigenschwingungen, 750 – Stabilitätsprobleme, 758 Irrationale Zahlen, 1 Iteration – Newtonsche, 777 K Kegelschnitte, 67 – Ellipse, 68 – Hyperbel, 68 – Kreis, 68 – Parabel, 69 Kehrmatrix, 292 Kettenregel, 90 Klothoide, 75 Knicklast – gelenkiger Stab, 549 Koeffizientenvergleich, 515, 575 Komplexe Zahlen, 817 – algebraische Operationen, 822 – Betrag und Argument, 818 – Gaußsche Zahlenebene, 818 – Gleichheit, 820 – Komponentenform, 818 – konjugiert, 821 – Polarform, 820 – Potenz, 824 – Satz von Moivre, 824 – trigonometrische Form, 819 – Wurzel, 824 Koordinatensystem, 403 – globales, 409 – kartesisches, 326, 403 – rechtshändiges, 326 – sphärisches, 407 – zylindrisches, 404 Koordinatentransformation, 403, 409 – Rotation, 411 – Translation, 410 – Translation und Rotation, 413 Kosekans, 62 Kosinus, 60 Kotangens, 60

Krümmung – Links, 123 – Rechts, 123 Krümmungsradius, 122 Kurve – Krümmung, 122 – Krümmungsradius, 122 – Vektorgleichung, 369 L l’Hospital Regel, 110 Lagrange, 85 Lagrange-Multiplikator, 654 Laplace-Gleichung, 693 Leibniz, 81 Leibniz-Kalkül, 90, 102 Lineare Abhängigkeit, 287, 356 Lineare Abhängigkeit und Kreuzprodukt, 356, 357 Lineare Funktion, 41 Lineare Gleichungssysteme, 249 – Lösungsalgorithmen, 791 Lineares Gleichungssystem, 268 – Cramer-Regel, 286 – Dreieckszerlegung, 272, 274 – erweiterte Matrix, 274 – Gauß-Algorithmus, 269 – Gauß-Elimination, 274 – Gauß-Seidel-Iteration, 798 – homogenes, 268 – inhomogenes, 268 – Matrix-schreibweise, 274 – Pivot, 271 – Rückwärtssubstitution, 272 – trivialer Lösungsvektor, 269 – Vorwärtselimination, 272 Linearisierung, 98 Linkskrümmung, 123 Lösungsalgorithmen, 791 Logarithmische Darstellung, 53 Logarithmische Funktion, 51 Logarithmus, 13 – Brigg, 15 – dekadischer, 15 – natürlicher, 15 Logaritmische Darstellung, 54 LU-Faktorisierung, 791 M Maclaurin-Reihe, 107 Maclaurin-Reihen, 106 Maple, 827 – Befehlsende :, 828 – Befehlsende ;, 828 – Differentialgleichungen, 849, 867 – Differentialrechnung, 838 – Eigenwerte, 857 – Fourier-Reihen, 851 – Funktionen, 835 – Integralrechnung, 847 – Konstanten, 828 – lineare Algebra, 842 – Lineare Gleichungssysteme, 865 – Lösung von Gleichungen, 837 – Multivariable Differentialrechnung, 853 – Nichtlineare Gleichungen, 864 – partielle DGLn, 855 – Plotten, 832 – Vektorrechnung, 845

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900

Stichwortverzeichnis

Masse eines Körpers, 203 Massenschwerpunkt, 203 Matrix, 249 – Addition, 257 – antimetrische, 255 – Definitheit, 731 – Determinante, 277 – Diagonalmatrix, 253 – Dimension, 252 – Dimensionskompatibilität, 260 – Dreiecksmatrix, 253 – Eigenvektor, 719 – Eigenwert, 719 – Einheitsmatrix, 254 – Einheitsvektor, 254 – Falk-Schema, 266 – Hauptdiagonale, 253 – inverse, 292 – Invertierung nach Gauß, 293 – lineare Abhängigkeit, 287 – lineare Unabhängigkeit, 287 – Matrixprodukt, 262 – Multiplikation, 260, 263, 265 – Nullmatrix, 253 – Nullvektor, 254 – orthogonale, 297, 412 – positiv definit, 732 – positiv semidefinit, 733 – quadratische, 252 – Rang, 290 – reguläre, 287 – schiefsymmetrische, 255 – singuläre, 287 – Skalarprodukt, 262 – Spaltenmatrix, 252 – Spaltenvektor, 252 – Spur, 255 – Subtraktion, 257 – symmetrische, 255 – Transponierte, 258 – Unterdeterminante, 732, 734 – Zeilenvektor, 252 Matrizen, 249 Mises-Iteration, 738 Mittelwert, 16 Mitternachtsformel, 4 Multivariable Differentialrechnung, 615 Multivariable Funktion – technische Beispiele, 616 N Nabla-Operator, 643 Näherungsformeln, 887 Natürliche Zahl, 15 Natürliche Zahlen, 1 Newton, 81 Newton-Verfahren, 777 Nichtlineare Gleichungen, 769 Niveaufläche, 639 – Flächennormale, 649 – hypergeometrische, 639 – nD-Raum, 639 Niveaulinie, 637 – Orthogonalität zum Gradienten, 647 Nullstelle – Newton-Verfahren, 777 Numerische Integration, 179 – Simpson-Regel, 183 – Trapezverfahren, 181

Numerische Methoden, 738 – Eingabelungsverfahren, 769 – Fixpunkt-Iteration, 773 O Orthogonale Matrix, 412 Orthogonalmatrix, 297 P Paraboloid, 638 Parameterdarstellung einer Funktion, 72 Partielle Ableitung, 618 – erster Ordnung, 618 – höherer Ordnung, 621 – numerische, 622 – zweiter Ordnung, 620 Partielle Differentialgleichung, 693 Partielle Integration, 171 Pascalsches Dreieck, 6 Periode, 64 Periodizität von Funktionen, 64 Pivotelement, 271 Plattenbiegung, 713 Polarkoordinaten, 195 Polynomfunktion, 41 Polynomfunktionen – Grad, 41 Potenz – Exponent, 7 Potenz- und Wurzelfunktion, 46 Potenzen, 7 – Basis, 7 – natürliche, 7 – reelle, 8 Potenzreihen, 105, 887 Power-Iteration, 738 Produkt, 13 Q Quadratische Gleichung, 3 Quotient, 1 R Radiant, 18 rationale Funktion, 41 Rationale Zahlen, 1 Rayleigh-Quotient, 742 Rechte-Hand-Regel, 340 Rechtecklatte, 714 Rechtskrümmung, 123 Reelle Zahlen, 2 Regula falsi, 769 Reihen – Maclaurin, 106, 107 – Potenz, 105 – Taylor, 106 Relativer Fehler, 5 Rentenrechnung, 23 Richtungsableitung, 644 – nD-Raum, 647 Runge-Kutta-Verfahren, 809 S Schallpegel, 28 Schraubenlinie, 74 Schraubenregel, 340 Schwarz’sche Ungleichung, 399 Schwerpunkt, 203 Schwingung

Stichwortverzeichnis

– Lehrsches Dämpfungsmaß, 535 – aperiodische, 549 – erzwungene, 539 – freie, 530 – gedämpfte, 534 – Halbtonne, 533 – harmonisch erregte, 539 – kritische Dämpfung, 535 – kritischer Dämpfungsgrad, 535 – kritisches Dämpfungsgrad, 535 – Resonanz, 539 – ungedämpfte, 530 Seil – vorgespanntes, 709 Sekans, 62 Sekantenwinkel, 83 SI-Einheiten, 24 – abgeleitete, 872 – Zahlenpräfixe, 25 sign, 6 Signum-Funktion, 6 Silodruck, 50 Sinus, 59 Skalarfeld, 635 – Gradient, 639 – Invarianz, 636 Skalarfunktion, 635 Spatprodukt, 353 Spinnkurve, 75 Sprungfunktion, 547 Statistik, 443 – beschreibende, 443 – beurteilende, 444 – deskriptive, 443, 445 – empirische, 443 – Grundgesamtheit, 445 – Häufigkeit, 445 – Häufigkeitsfunktion, 448 – Maßzahlen, 449 – mathematische, 444 – Median, 450 – Mittelwert, 449 – Modalwert, 449 – Perzentil, 450 – Quantil, 450 – Standardabweichung, 451, 452 – Stichprobe, 445 – Varianz, 451 – Verteilungstabelle, 446 – Zentralwert, 450 Stetigkeit, 58 Stochastik, 443 Summation, 11 Symmetrie und Antimetrie, 56 T Tangens, 60 Tangente, 86 – Steigung, 86 Tangentenwinkel, 83 Tangentialebene, 625 Taylor-Reihe, 106 Temperaturverteilung – instationär, 635 – stationär, 636 Totales Differential, 625, 641 – nD-Raum, 644 Trigonometrische Funktionen, 59, 873 Trivialer Lösungsvektor, 269

U Umkehrfunktion, 51 Unbestimmter Ausdruck, 110 Unbestimmtes Integral, 168 – Regeln, 170 Unterdeterminanten, 732 V Variation der Konstanten, 517 Vektor – Einheitsvektor, 324 – freier, 325 – gebundener, 325 – gleitender, 325 – Nullvektor, 324 Vektoren, 323 – Addition, 331 – analytische Geometrie, 358 – Anwendungen des Kreuzprodukts, 348 – Basisvektoren, 333 – Komponentenschreibweise, 327 – Kreuzprodukt, 340 – Länge von, 328 – lineare Abhängigkeit, 356 – Linearkombination, 333 – Linearkombination von, 330 – Normierung, 358 – Skalarprodukt, 335 – vektorprodukt, 340 Vektornorm, 737 Vektorrechnung – Kurvengleichung, 369 Vektorrechung – Ebenengleichung, 366 verbessertes Euler-Verfahren, 809 Vollständiges Differential, 625, 641 Vorgespanntes Seil, 709 Vorzeichen-Funktion, 6 W Wahrscheinlichkeit, 455, 458 – Definition, 458 – Dichtefunktion, 468 – Eigenschaften, 460 – Ereignisse, 455 – Exponentialverteilung, 478 – Gauß-Verteilung, 472 – Glockenkurve, 472 – Kolmogorowsche Axiome, 460 – Normalverteilung, 472 – Rayleigh-Verteilung, 479 – Sätze, 463 – Verteilungsfunktion, 467 – Weibull-Verteilung, 479 – Zufallsvariable, 465 Wendepunkt, Sattelpunkt, 119 Winkelmaße, 18 – Bogenmaß, 18, 62 – Gon, 19 – Gradmaß, 18, 62 – Radiant, 18 – Umrechnung, 19 Wurzel, 9 – Näherungsformel, 10 Z Zahl-e, 47 Zahlen, 1 – ganze Zahlen, 1

901

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Stichwortverzeichnis

– imaginäre Einheit, 2 – irrationale Zahlen, 1 – natürliche Zahlen, 1 – rationale, 1 Zeilenmatrix, 252 Zins – Zinsfaktor, 21 – Zinsfuss, 21 – Zinssatz, 21 Zinseszins, 20 Zinsrechnung, 20 – einfacher Zins, 21 – Zinseszins, 22 – Zinsfaktor, 21 Zufallsvariable – stetig verteilte, 470