Materielle Kultur und Mentalitäten im 18. Jahrhundert: Wirtschaftliche Entwicklung und politisch-sozialer Funktionswandel des Luxus in Frankreich und im Alten Reich am Ende des Ancien Régime [Reprint 2017 ed.] 9783486823707, 9783486523010

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German Pages 314 [320] Year 1987

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Materielle Kultur und Mentalitäten im 18. Jahrhundert: Wirtschaftliche Entwicklung und politisch-sozialer Funktionswandel des Luxus in Frankreich und im Alten Reich am Ende des Ancien Régime [Reprint 2017 ed.]
 9783486823707, 9783486523010

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel im 18. Jahrhundert
II. Funktionen und Wirkungen von Luxus
III. Fallstudien
IV. Bilanz und Ausblick: Luxus zwischen Ancien Régime und Moderne
Abkürzungsverzeichnis
Bibliographie
Nachtrag und Corrigenda

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Ancien Régime Aufklärung und Revolution Herausgegeben von Rolf Reichardt und Eberhard Schmitt Band 14 Bisher erschienen: Bandi: Band 2: Band 3: Band 4: Band 5: Band 6: Band 7:

Band 8: Band 9: Band 10: Band 11: Band 12: Band 13:

Günther Lottes Politische Aufklärung und plebejisches Publikum Susanne Petersen Lebensmittelfrage und revolutionäre Politik in Paris 1792-1793 Klaus Deinet Konrad Engelbert Oelsner und die Französische Revolution Hans Ulrich Gumbrecht, Rolf Reichardt, Thomas Schleich (Hrsg.) Sozialgeschichte der Aufklärung in Frankreich Emmanuel Joseph Sieyes Politische Schriften 1788-1790 Gerd van den Heuvel Grundprobleme der französischen Bauernschaft 1730-1794 Michel Vovelle Die Französische Revolution Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten Hans-Jürgen Lüsebrink Kriminalität und Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts Die Französische Revolution - zufälliges oder notwendiges Ereignis? Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680-1820 Manfred Agethen Geheimbund und Utopie Deutschland und Frankreich in der frühen Neuzeit René Louis Marquis d'Argenson Politische Schriften (1737)

R. Oldenbourg Verlag München 1987

Materielle Kultur und Mentalitäten im 18. Jahrhundert Wirtschaftliche Entwicklung und politisch-sozialer Funktionswandel des Luxus in Frankreich und im Alten Reich am Ende des Ancien Régime

Von Ulrich-Christian Pallach

R. Oldenbourg Verlag München 1987

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Pallach, Ulrich-Christian: Materielle Kultur und Mentalitäten im 18. Jahrhundert : wirtschaftl. Entwicklung u. polit.-sozialer Funktionswandel d. Luxus in Frankreich u. im Alten Reich am Ende d. Ancien régime / von UlrichChristian Pallach. - München : Oldenbourg, 1987. (Ancien régime, Aufklärung und Revolution ; Bd. 14) ISBN 3-486-52301-5 NE: GT

© 1987 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk außerhalb lässig und filmungen

einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzustrafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverund die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Druck und Bindung: Weihert-Druck, Darmstadt

ISBN 3-486-52301-5

Inhalt Vorwort

VII

Einleitung I.

1

Der deutsch-französische Luxuswarenhandel im 18. Jahrhundert

23

1. Die Bilanz des französisch-deutschen Handels 1716—1791/92 1.1. Vorbemerkungen 1.2. Die Aussagen der deutsch-französischen Handelsbilanz 1716—1791/92: Ein Überblick 1.3. Eine Nahaufnahme: der deutsch-französische Luxuswarenhandel 1775-1791/92

25 25 31 36

2. 2.1. 2.2. 2.3.

Strukturen des Marktes Zur Wirtschaftsgeographie Soziale und ökonomische Umrisse der Luxusmärkte - Eine Skizze Kaufkraftentwicklung und Marktveränderungen — Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen

3.

Die ökonomische Krise der Luxusmärkte — Topos oder Realität? Zeitgenössische Befunde und Interpretationen im Rückblick

71

Zwischenbilanz

81

4.

....

41 41 50 63

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

90

1. 1.1. 1.2. 1.3

92 92 96

Luxus und Herrschaft Genese und Grundzüge des Systems Außen- und innenpolitische Funktionen „Vorgang der Großen, zum Sansculottismus führend ..." - Kritik, Selbstkritik und Krise des Systems 1.4. Effizienz und Legitimation von Herrschaft — Ein Resümee 2. Luxus und Gesellschaft 2.1. Die Ausgangssituation: Abstufungen des Lebensstandards zwischen gesellschaftlicher Hierarchie und staatlicher Intervention 2.2. Der säkulare Trend — Nachahmung und Vorbildkritik 2.3. Wandel und Verfall eines Ordnungsmodells 3. Luxus und Ökonomie 3.1. Höfischer Aufwand - ein Wirtschaftsmotor? 3.2 Luxuskritik, Gewerbepolitik und höfischer Aufwand — Die öffentliche Debatte und ihre Folgen 3.3. „Lobenswürdige Oekonomie" - Das Vorbild des französischen Hofes als Konjunkturbremse? 4.

Zusammenfassung

104 115 118 118 124 135 138 138 151 158 165

VI

Inhalt

III. Fallstudien Höfisches Vorbild und Urbane Kultur - Strukturen des Pariser Luxusmarktes 1.1. Stadt und Hof im 18. Jahrhundert 1.2. Der höfische Markt 1.3. Der städtische Markt

169

1.

170 170 172 182

2.

Die Königliche Porzellanmanufaktur zu Sèvres - Luxus zwischen Privileg und Markt 2.1. Zur Vorgeschichte Sèvres' 2.2. Die Phase des exklusiven Produkts: Porzellan und Repräsentation 2.3. Vom Privileg zum Markt: Porzellan und Rentabilität

197 197 199 204

3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4.

Die „Grande Fabrique" von Lyon: Luxus und Massenmarkt Die Lyoner Seidenindustrie und die französische Wirtschaft Soziale und wirtschaftliche Strukturen des Lyoner Seidenmarktes Schwierigkeiten mit dem deutschen Markt: Der Fall Carret & Cie Die große Krise 1787-1790 - Ein Schichtenmodell

220 220 222 232 237

4.

Luxusmärkte im Alten Reich — Von der Abhängigkeit zur Emanzipation Zur Einführung Wege des Technologieexports Seidenindustrien in Preußen - Alternativen der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsentwicklung David Roentgen: Deutsche Möbel auf einem französischen Markt

254 264

Zusammenfassung: Zur Typologie der Luxusmärkte im späten Ancien Régime

269

IV. Bilanz und Ausblick: Luxus zwischen Ancien Régime und Moderne

274

Abkürzungsverzeichnis

285

Bibliographie

286

Nachtrag und Corrigenda

306

4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 5.

244 244 246

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1982 von der Philosophischen Fakultät I der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Für das Druckmanuskript habe ich die Anregungen der Herausgeber der Reihe Ancien Regime, Aufklärung und Revolution, Herr Dr. Rolf Reichardt und Herr Professor Dr. Eberhard Schmitt, verwertet. Seitdem erschienene Literatur wurde, soweit möglich, berücksichtigt. Dieses Buch hätte nicht geschrieben werden können ohne die Unterstützung durch Personen und Institutionen, denen ich aufrichtig danken muß. Mein Dank gilt zuerst Herr Professor Dr. Michael Stürmer, der meine Arbeit in jeder Hinsicht förderte und mir durch seine Geduld einen großen Vertrauensvorschuß gab. Im weiteren danke ich den Professoren Dr. Klaus J. Bade (jetzt Osnabrück) und Dr. Hans-Ulrich Thamer (jetzt Münster) und meinen ehemaligen Kollegen Professor Dr. Günther Lottes (jetzt Bayreuth) und Dr. Michael Beer für vielerlei Hinweise und konstruktive Kritik. Wesentlich unterstützt hat meine Forschungen das Deutsche Historische Institut, Paris. Ich danke seinem Direktor, Herrn Professor Dr. Karl Ferdinand Werner für ein Stipendium, das mir im Herbst 1977 einen ersten Besuch wichtiger Archive und Bibliotheken von Paris ermöglichte. Auch den Mitarbeitern des Instituts, allen voran den Professoren Dr. Jürgen Voß und Dr. Peter Claus Hartmann (jetzt Passau) und Herrn Dr. Werner Paravicini, habe ich für ihre freundliche Hilfe zu danken. Besonderen Dank schulde ich Herrn Pierre Verlet, dem ehemaligen Chefkonservator des Louvre, und seiner Frau, die mich in herzlicher Weise aufnahmen und die Zeit fanden, mit mir ein für mich wertvolles Gespräch über die Probleme meines Arbeitsvorhabens zu führen. - Des weiteren danke ich Herrn Andre Sergene, der mir seine große Studie über die Porzellanmanufaktur von S^vres zugänglich machte. Die Stiftung Volkswagenwerk hat ab 1977 das Forschungsprojekt "Altes Handwerk" unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Michael Stürmer gefördert und damit auch mir geholfen, einige kürzere Archivaufenthalte zu finanzieren, da meine Arbeit in engem

VIII

Vorwort

Zusammenhang mit dem Projekt stand. - Ein Doktorandenstipendium nach dem Graduiertenförderungsgesetz hat mir 1979 die Muße ermöglicht, eine erste Auswertung und Sichtung des Archivmaterials vorzunehmen, und weitere Archivbesuche unterstützt.

Dafür danke

ich der Universität Erlangen ganz herzlich. Im weiteren habe ich den Mitarbeitern folgender Einrichtungen für ihre Hilfsbereitschaft zu danken: der Universitätsbibliothek Erlangen, die es mir auch möglich machte, unter sehr günstigen Bedingungen den Mikrofilm der Goldsmiths'-Kress Library of Economic Literature zu benutzen; der Archives Nationales de France, Paris; der Archives de la Seine, Paris; der Archives du Ministère des Affaires Etrangères, Paris, der Bibliothèque Nationale, Paris; und der Bibliothèque Historique de la Ville de Paris. Besonders weiß ich die Großzügigkeit der Verwaltung der Manufacture Nationale de Porcelaine, Sèvres, und die Unterstützung durch ihre Archivarin zu schätzen.

Gleicherweise fühle ich mich

den Damen und Herren der Archives Départementales du Rhône in Lyon und der dortigen Stadtbibliothek verpflichtet. In Deutschland danke ich den Mitarbeitern des Hauptstaatsarchivs München, des Staatsarchivs Hamburg, des Staatsarchivs Koblenz, des Stadtarchivs Frankfurt am Main, und dem Leiter des Fürstlich Wiedischen Archivs Neuwied, Graf Looz-Corswarem, dessen Archiv mir wertvolle Hintergrundinformationen für das Kapitel über David Roentgen lieferte. Den Herausgebern der Reihe Ancien Regime, Aufklärung und Revolution danke ich für ihr Engagement, den Lektoren des Verlages R. Oldenbourg für die Geduld, die sie mit mir hatten. Große Hilfe beim Erstellen der Druckfassung leistete mir Frau Katharina Schreyer, früher Institut für Geschichte der Universität Erlangen. Schließlich danke ich meinen Eltern und meiner Frau, die diese Arbeit über mehrere Jahre hinweg begleitet und ertragen haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.

..., ist denn das Geld, das dem Hofe gezahlt wird, weggeworfen? oder wird es in eiserne Kisten vergraben? Kaimt es nicht vielmehr schneller in Umlaaf, als jedes andere Geld? Fragt einmal die Hoflieferanten, oder den Schuster und Schneider, der für den Hof des Hoflieferanten arbeitet; diese werden anders urteilen. Der Hof hat seine Höfe unter sich, die wieder die ihrigen haben, und so erstreckt es sich mit unzähligen Ramifikationen bis zur untersten Klasse. (Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher) Le roi sera supplié de rendre à sa maison la splendeur de celle de Louis XIV; l'étranger, attiré par le brillant de la cour, paiera à nos goûts un impôt conséquent. ( R — patriote. Avenir heureux du commerce françois, dédié aux fabriques nationales, 1789)

Einleitung E.I.Plädoyer für ein Thema Uber den Luxus des ausgehenden Ancien Régime zu schreiben kann dies mehr bedeuten, als den Spätglanz einer höfischen Kultur noch einmal aufleuchten zu lassen, ein Thema eher für kulturgeschichtliche Impressionen, oder die ermüdenden Debatten des 18.Jahrhunderts nachzuzeichnen, was Luxus eigentlich sei und wie man ihn zu bewerten habe, ein Gegenstand also für Literaturwissenschaft und historische Semantik? In einer vor fast 240 Jahren an der Universität zu Leipzig verteidigten "Dissertatio politica" legte Johann Gottlieb Volckelt eine Theorie des öffentlichen Festes vor, die auf unsere Frage eine erste Antwort geben kann. Volckelt argumentierte folgendermaßen: Dem Fürsten obliege die Sorge um die "félicitas", die Glückseligkeit von Volk und Staat. Dazu gehöre, die Sinne der Menschen zu erfreuen, was durch öffentliche Lustbarkeiten geschehen könne, die zudem den Vorteil böten, den Bürger enger an das Gemeinwesen zu binden und seine Anhänglichkeit an den Fürsten zu stärken. Dieser öffentliche Aufwand des Hofes habe indes noch weitere Bedeutung, wie Volckelt klarlegte: Der Fürst selbst bezahlt die Belustigungen mit seinem Geld; alsdann geht das Geld, das sich aus allen seinen Provinzen im Staatsschatz ahgesammelt hatte, zu jenen zurück, von denen es gegeben worden war, und macht sie geschickt, es wieder zurückzugeben. (§ IX) Für den Staat sei mithin auch nur der arbeitende und deshalb kaufkräftige Bürger interessant: für diesen ist das materielle Glück reserviert. Werde allerdings das Geld dringend für anderes benötigt-, dann solle man lieber auf öffentliche Lustbarkeiten verzichten, wie auch der Hausvater sich besser mit der gesicherten Lebensnotdurft begnüge, die einer "splendidam miseriam" vorzuziehen sei (§ XIV). Da sàlche Feste ein Einfallstor für die "luxuria" darstellen, ein umfassenderer Begriff als Luxus, der auch Lasterhaftigkeit und Unzucht impliziert, habe der Fürst auch ein Wächteramt zu versehen. Besser freilich, so e i — ne Salvationsklausel zum Schluß, seien militärische Übungen und Jagdspiele, die den Bürger abhärteten, anstatt ihn zu verweichlichen1 ' . 1)De cura principis circa oblectamenta publica, Leipzig 1746.

2

Einleitung

Obwohl V o l c k e l t von d e r S o r g e d e s F ü r s t e n um ö f f e n t l i c h e L u s t b a r k e i t e n a u s g i n g , s t e l l t e e r e i n e n a n d e r e n G e g e n s t a n d i n den M i t t e l p u n k t und l i e ß i h n , zum Guten w i e zum S c h l e c h t e n , a l s t r e i b e n d e K r a f t e r s c h e i n e n , n ä m l i c h den L u x u s , a u c h wenn e r d a s Wort kaum v e r w e n d e t : o h n e i h n k e i n G e l d k r e i s l a u f im S t a a t , o h n e i h n k e i n Glück f ü r Gemeinwesen und I n d i v i d u u m , ohne i h n f r e i l i c h a u c h k e i n e G e f a h r e n f ü r S t a a t s k a s s e und B ü r g e r m o r a l , von a n d e r e n R i s i k e n ganz zu s c h w e i g e n . V o l c k e l t s Ideen waren i n k e i n e r Weise o r i g i n e l l , e r f a ß t e n u r zusammen, was v o r ihm und n a c h ihm v i e l e d a c h t e n und s c h r i é b e n : daß n ä m l i c h K a u f k r a f t mehr s e i a l s e i n e F r a g e d e s G e l d b e u t e l s und d e m o n s t r a t i v e r A u f wand, ob d e s F ü r s t e n , ob d e s B ü r g e r s , mehr a l s d i e B e t ä t i g u n g d i e s e r K a u f k r a f t . F ü r d a s 1 8 . J a h r h u n d e r t war " d e r Luxus" e i n e s d e r w i c h t i g s t e n G e s p r ä c h s t h e m e n ü b e r h a u p t , und e s wurde b e s c h r i e b e n und z e r r e d e t w i e kaum e i n a n d e r e s . Wer r a d i k a l d a c h t e , s a h h i e r d i e Wurzel a l l e r Übel d i e s e r W e l t , s o J e a n A u f f r a y , e i n Schüler des f r a n z ö s i s c h e n P h y s i o k r a t e n F r a n ç o i s Quesnay: . . . j e n e c e s s e r a i p o i n t de r ê p e t e r q u e l e Luxe e s t l e p r i n c i p e , & j e p o u r r o i s même d i r e l e s e u l p r i n c i p e de t o u s l e s maux q u i nous e n v i r o n n e n t . 2 ) Eine l a n g e T r a d i t i o n d e r K r i t i k , so a l t wie i h r Gegenstand, h a t d i e B e s c h ä f t i g u n g m i t den F u n k t i o n e n und Wirkungen von Luxus geprägt. Die K r i t i k wurde zum e i n e n m o r a l i s c h b e g r ü n d e t - L u x u s s e i k e i n e s w e g s b l o ß e s Symptôm, s o n d e r n Q u e l l e g e s e l l s c h a f t l i c h e r M i ß s t ä n d e - , zum a n d e r e n ö k o n o m i s c h - Luxus s e i a l s ü b e r f l ü s s i g e r Genuß e i n e F e h l l e i t u n g von K a p i t a l - , s c h l i e ß l i c h a u c h o r d n u n g s p o l i t i s c h - Luxus z e r s t ö r e d i e H i e r a r c h i e d e r " s o 3) cietas civilis" . Im 1 8 . J a h r h u n d e r t waren d i e s e S t a n d p u n k t e 2)Le Luxe considéré relativement à l a population e t à 1 1 économie,Lyon 1762, 22. 3)Die Geschichte d i e s e r K r i t i k i s t noch zu schreiben. Hier kann nur e i n Ausschnitt beleuchtet werden. - Wichtige Sekundärliteratur zur Luxusdeb a t t e im 1 8 . J h . : H. B a u d r i l l a r t : H i s t o i r e du luxe privé e t public dejxiis l ' a n t i q u i t é jusqu'à nos j o u r s , 4 Bde, P a r i s 1878-1880; A. Msrize: L'apologie du luxe au XVTIIe s . e t "Le Mondain" de V b l t a i r e . Etude c r i t i q u e sur "Le MandaIn" e t ses sources (1909), Repr. Genf 1970; M.R. de Labriolle-Rutherford: L'évolution de l a notion du luxe depuis Mandeville jusqu'à l a Révolution. I n : SVEC XXVI (1963), 1025-1036; C. Borghero(Hrsg.): La polemica sul lusso n e l Settocento f r a n c e s e , Turin 1974. - Die zeitgenössische L i t e r a t u r i s t so umfangreich wie ephemer. Ausführlichere L i t e r a tuihinweise, a l s s i e h i e r gegeben werden können, u . a . b e i : U.-Ch. P a l lach: A r t . Luxe. I n : R. Reitihardt/E. Schmitt(Hrsg.): Handbuch p o l i t i s c h s o z i a l e r Grundbegriffe i n Frankreich 1680-1820 (demnächst), und d e r s . : La splendeur du t r ä n e : l e s dépenses de l a couronne f r a n ç a i s e e t l ' o p i n i c n

Einleitung

im w e s e n t l i c h e n f e s t g e l e g t . z e l n e Argumente und d i e

Was s i c h noch ä n d e r t e , waren

3

ein-

Gewichtung.

Im 1 9 . J a h r h u n d e r t g e s e l l t e s i c h i n d e r - d e u t s c h e n - H i s t o r i o graphie der Spott über die Duodezfürstentümer dazu, die ihre E n e r g i e n i n P r u n k und E t i k e t t e e r s c h ö p f t h ä t t e n , und d a s W i s s e n , daß d i e F r a n z ö s i s c h e R e v o l u t i o n d a s S t r a f g e r i c h t ü b e r d a s 4) v e r d o r b e n e 1 8 . J a h r h u n d e r t gewesen s e i . Während d i e m o r a l i s c h e Verdammung m i t wachsendem A b s t a n d zum A n c i e n Regime z u r ü c k t r a t , l i e f e r t e d i e E n t w i c k l u n g von W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e a l s h i s t o r i s c h e r D i s z i p l i n und W i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t e n d e r In der ökonomisch a r g u m e n t i e r e n d e n K r i t i k neue I n s t r u m e n t e ^ ' . H i s t o r i o g r a p h i e des 1 9 . J a h r h u n d e r t s , o b l i b e r a l oder konservat i v , s t a n d d a s 1 8 . J a h r h u n d e r t , zumal i n D e u t s c h l a n d , im a l l g e meinen n i c h t h o c h im K u r s . S p ä t e r s i n d dann ü b e r Werner Somb a r t s p r o v o z i e r e n d e T h e s e von d e r " r e v o l u t i o n i e r e n d e n K r a f t d e s Luxuskonsums"6' S o z i a l g e s c h i c h t e wie W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e zur Tagesordnung ü b e r g e g a n g e n ^ ' . Da a u c h K a r l L a m p r e c h t s V e r s u c h g e s c h e i t e r t war, K u l t u r g e s c h i c h t e a l s i h t e g r a l e H 8)i s t o r i e zu b e gründen - t r o t z d e r V o r a r b e i t e n Karl Biedermanns -, blieb "Luxus" e i n Thema, d a s a l l e n f a l l s i n T e i l a s p e k t e n g e s e h e n w e r den k o n n t e , d i e i n d e r R e g e l ohne Zusammenhang b l i e b e n : f ü r d i e K u n s t g e s c h i c h t e d i e P r a c h t d e r g r o ß e n , f ü r d i e Volkskunde d i e Sachkultur der kleinen Leute, f ü r die Wirtschaftsgeschichte die F r a g e , ob P o r z e l l a n - und G o b e l i n s m a n u f a k t u r e n denn ü b e r h a u p t r e n t a b e l gewesen s e i e n , f ü r B e g r i f f s - und L i t e r a t u r g e s c h i c h t e d i e K l a s s i f i k a t i o n von Meinungen zu e i n e m l e t z t l i c h kaum d e f i nierbaren Begriff. publique á l a f i n de 1'Ancien Regime. In: Antología d i Belle A r t i (demnächst) . 4)So K. Biedermann: Deutschland im 18.Jahrhundert, 2 Bde, Leipzig 1854 b i s 1858, Bd 1, 331ff. 5)W. Roscher schrieb z . B . , der Luxus der "absolutistischen Höfe" stehe dan der "sinkenden Nationen" nahe, Ansichten der V o l k s w i r t s c h a f t aus dem geschichtlichen Standpunkte, 2.Aufl. Leipzig und Heidelberg 1861, 455. 6(Luxus und Kapitalismus, 2.Aufl. München und Leipzig 1922, 202ff. 7)Siehe d i e Rezension von K. Gröba i n : Schmollers J b . 37 (1913), 2106 2110. Die e r s t e Auflage van Luxus und Kapitalismus erschien 1912. Ein Reprint u n t e r dem T i t e l "Liebe, Luxus und Kapitalismus", München 1967, fand zwar das I n t e r e s s e der Leser, aber wenig Aufmerksamkeit in der Fachpresse. 8)Biedermann h a t t e s i c h in seiner deutschen Geschichte des 18.Jahrhunderts i n t e n s i v mit den materiellen Verhältnissen b e s c h ä f t i g t , mit Armut und Reichtum, den Lebensbedingungen allgemein, "was heutzutage d i e Aufmerksamkeit des Geschichtsforschers, Staatsrrannes und Philospohen vorzugsweise auf sich z i e h t , . . . " , Bd 1, 273.

4

Einleitung

Doch das, was wir vereinfachend den Luxus des Ancien Régime nennen, war mehr als eine nur für die Wirtschaft jener Zeit relevante Erscheinung, über deren ökonomische Rationalität zu urteilen wäre, oder ein nachträglich zu brandmarkender Lebensstil privilegierter Oberschichten, deren Wohlleben nur das Elend der Unteren entgegenzuhalten oder womöglich pauschal aus ihm abzuleiten wäre. Luxus war mehr und er war anderes: Zierstein und Bauelement zugleich der politischen und sozialen Ordnung Alteuropas. Zuallererst hatte er dem Herrscher zu dienen, war Instrument von Repräsentation und Legitimation der Macht am Hofe, in der Öffentlichkeit und in der Außenpolitik. Feierliche Aufzüge, Feste, an denen auch der "gemeine Mann" teilhaben konnte, Zeremoniell, prachtvolle Kleidung und reiches Interieur der fürstlichen Gebäude waren die Mittel. Hof und Herrscher versuchten, die materielle Kultur, die sie vorfanden, zu überformen, zu verändern, durch neue Elemente zu ergänzen und für ihre eigenen Zwecke nutzbar zu machen. Politische, soziale und wirtschaftliche Zielsetzungen kamen zusammen. Oft widersprachen sie sich; denn die Funktionen von Luxus unterlagen einem allmählichen Wandel: einerseits fand das höfische Vorbild Nachahmer auch Antagonisten - über die Aristokratie hinaus, da auch die unteren Stände Wert darauf legten, Sozialstatus sichtbar zu machen - oder sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen dieses Verhalten wendeten. Andererseits bedeutete die staatliche Förderung von Luxusproduktion und -konsum Eingriffe in die Wirtschaft, Modernisierung von Technik und Gewerbeverfassung, Auflösung von Monopolen und älteren Sozialstrukturen. Beides kehrte sich letztlich gegen die ursprünglichen Zielsetzungen und trug dazu bei, die tradierten Funktionen von Luxus zu wandeln. Anderes freilich, der ZerfallsprozeB der ständischen Gesellschaftsordnung und ein tiefgreifender Mentalitätswandel, aber auch der allgemeine Anstieg des Lebensstandards während des 18.Jahrhunderts, mußte hinzukommen. Man darf diese verschiedenen Faktoren nicht isoliert voneinander betrachten: sie sind vielmehr miteinander verknüpft, bedingen und beeinflussen sich wechselseitig. Dieses Wechselspiel wird unser Thema sein. Eine "histoire totale" des Luxus soll hier indes nicht versucht werden. Ein solcher Anspruch wäre unseriös vor der Vielschichtigkeit des Themas und der erdrückenden Fülle des Materials;

Einleitung

5

denn, mit den Worten des Baron Grimm: "Dans le fait, tout est 9) luxe." Er iräre auch dann nicht einzulösen, wenn der quantifizierenden Methode hier ein entscheidender Platz eingeräumt würde. Dank neuerer Untersuchungen von Daniel Roche, die auf der Auswertung von Nachlaßinventaren, Heiratsgut und Leichen10 ) fundlisten basieren , wissen wir zwar besser Bescheid über Mobiliar und Kleidung der Pariser Bevölkerung: der soziale Stellenwert dieses Besitzes wird dadurch nicht ohne weiteres evident; denn "Luxus" ist - auch - ein Produkt von Meinungen, von Vorurteilen, eine Frage der allgemeinen Lebensbedingungen, die von der Lage in Zeit und Raum abhängen und sich wandeln, schließlich auch der Abstufungen von Lebensstandard innerhalb einer Gesellschaft. Unsere Untersuchung ist der Versuch, verschiedene Aspekte des Themas "Luxus" im Zusammenhang zu behandeln: die zeitgenössische Debatte um Definition und Wertung des Phänomens; seine Bedeutung für Konjunktur und Krise bestimmter Wirtschaftsbereiche; seinen Stellenwert in der Gesellschaft des späten 18.Jahrhunderts; seine Rolle für die Darstellung von Herrschaft. Dieser Ansatz bestimmt den Aufbau der Untersuchung ebenso wie der Vexiercharakter des Begriffs "Luxus", der zwischen pragmatischer Definition bestimmter Konsumgegenstände und der Beliebigkeit intersubjektiv nicht mehr überprüfbarer Allgemeinaussagen pendelt11'. Teil I hat drei Themen: zum einen soll die wirtschaftliche Bedeutung von Luxusproduktion und Luxuskonsum in Frankreich und im Alten Reich sowie des Luxuswarenhandels zwischen beiden Ländern abgeschätzt werden. Als Grundlage dient vor allem die französische Handelsbilanz, über die noch ausführlicher zu 1

2)

sprechen sein wird . Zum anderen wird die geographische und soziale Struktur der Luxusmärkte skizziert. Schließlich soll die Konjunkturlage in den 1770/80er Jahren in einer ersten Annäherung analysiert werden, unter besonderer Berücksichtigung 9)F.M. Grinm u.a.: Correspondance littéraire, philosophique et critique, ..., 16 Bände, Paris 1877-1882, Bd V, 467 (Notiz zum 15.3.1764; dabei handelt es sich um eine umfangreiche Besprechung eines Buchs über das Luxusproblem.) 10)Le peuple de Paris. Essai sur la culture populaire au XVIIIe s., Paris 1981. 11)Siehe Pallach: Art. Luxe, Abschnitt X. 12)Siehe E.4 und E.5, vor allem aber Teil I, Kap.1.1.

6

Einleitung

der auch für Mentalitätsgeschichte und Quellenkritik relevanten Übereinstimmung oder Diskrepanz zwischen zeitgenössischer Krisendiagnose und historischem Befund. In Teil II wird ein Perspektivewechsel zu systematischen Fragestellungen vorgenommen. Der Wandel der Funktionen und Wirkungen von Luxus wird in den drei Bereichen Herrschaft, Gesellschaft und Ökonomie untersucht. Hierbei geht es zum einen um den Indikatorwert dieses Wandels für den Auflösungsprozeß des Ancien Régime, zum anderen um seine Bedeutung für den Auflösungsprozeß selbst. Auf dieser erweiterten Grundlage kann das Krisenthema wieder aufgenommen und in einem weiteren als dem wirtschaftsgeschichtlichen Zusammenhang behandelt werden. In den Fallstudien des dritten Teils sollen an ausgewählten Beispielen Konjunktur und Krise einzelner Luxusmärkte dargestellt werden. Dieser Abschnitt hat mehrere Funktionen: Konkretisierung der Marktstudien nach der notwendigerweise pauschalen Ubersicht in Teil I, Konkretisierung der Krisenstudien in Teil II, wobei nunmehr auch der Standpunkt der Luxusproduzenten und -händler stärker berücksichtigt werden kann. Diese Detailstudien sind nicht als Versuch anzusehen, einen Gesamtluxusmarkt zu konstituieren: dagegen spricht nicht nur die Auswahl der Einzelfälle, sondern auch die starke gesellschaftliche Hierarchisierung und mangelnde geographische und institutionelle Integration der Einzelmärkte, die einen Gesamtmarkt allenfalls symbolisch als Zahlenwert in einer Handelsbilanz ergeben. Vielmehr sollen die Falluntersuchungen jeweils charakteristische Aspekte bestimmter Märkte herausarbeiten, die Spannweite der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen und die Entwicklungsmöglichkeiten der materiellen Kultur darstellen. Der Te.il IV dient der Zusammenfassung der Ergebnisse, ihrer Einordnung in die Perspektive der langfristigen Veränderung der "civilisation matérielle" und dem Ausblick auf die Zeit nach der Französischen Revolution, in der sich eine paradoxe Situation herausbildet: die Sache "Luxus" exlstièrt weiterhin, doch in einem veränderten politisch-sozialen Kontext, der Begriff verliert an Bedeutung in der öffentlichen Auseinandersetzung um gesellschaftliche und andere Mißstände. Kann die Sache "Luxus" damit fortbestehen; welche Änderungen ergeben sich in Sache und Begriff, da beides nicht klar voneinander zu trennen ist?

Einleitung

1

E.2.Zum Forschungsstand Wesentliche Bedeutung für die Formulierung unserer Fragestellung haben die nur scheinbar kontroversen Deutungen des Durchbruchs kapitalistischer Wirtschaftsformen und moderner Rationalität durch Max Weber und Werner Sombart. Als einen wichtigen Faktor erkannte Weber, ohne damit eine Priorität setzen zu wollen, die Affinität von protestantischer Ethik und Geist des Ka1 3) pitalismus . Letzteren definierte er als "diejenige Gesinnung, welche berufsmäßig, systematisch und rational legitimen 1 4) Gewinn ... erstrebt" , ein Geist vor allem des Produzenten und des Kaufmanns, auf jeden Fall eines Unternehmers im modernen Wortsinn^'. Ein starker Antrieb für jene Wirtschaftstätigkeit, die über die Deckung bloßer Subsistenzansprüche hinausgeht, käme mithin aus dem Streben nach jenseitigem oder diesseitigem Gewinn - letzterer nach den Verhaltensmaximen der 16) "innerweltlichen protestantischen Askese" nicht für beliebige Konsumformen verfügbar, am wenigsten für die "Luxuskonsumtion" 17 ». Werner Sombart dagegen, der übrigens auch Beispiele aus England zitierte, sah als einen wichtigen Motor das Bedürfnis bestimmter gesellschaftlicher Gruppen nach den, um mit Weber zu reden, "verdammlichen ostensiblen Formen des Luxus, wie sie dem feudalen Empfinden so nahe liegen", nach "irrationaler Verwen18) dung des Besitzes" also. Konnte mithin auch das aristokratisch geprägte katholische Frankreich mit seiner Prämie auf adlige Lebensweise und Konsumverhalten und seiner bis weit in das 18.Jahrhundert hineinreichenden Abwertung bürgerlicher Wirtschaftsgesinnung - dank einer "List der ökonomischen Vernunft" - einen wesentlichen Beitrag zum Aufstieg des Kapitalismus leisten? 13)M. Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie (3 Bde 1920-1923), 4.Aufl. Tübingen 1947, Bd I, 17-206. Eine gute Problaidarstellung und Literaturübersicht bei H. Kretzer: Die Calvinismus-Kapitalismus-lhese Max Webers vor dem Hintergrund französischer Quellen des 17.Jahrhunderts. In: Zs. f. Historische Forschung 4 (1977), 415-427. 14)M. Weber, 1, 49. 15)Zur abweichenden Bedeutung des Begriffs "entrepreneur" siehe unten Teil II, vor allem 1.2. 16)M. Weber, I, 190. 17)Ebd. 18)Ebd., 190f,; zu Saitoart siehe oben Anm.6 und 7.

8

Einleitung

Der Vergleich von Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsentwicklung in Frankreich und England vom 18. bis ins 20.Jahrhundert ist unterdessen Standardthema der Wirtschaftsgeschichte gewor1 9) den . Tatsächlich jedoch ist die spektakulär klingende Frage nach dem Zusammenhang von Luxus und Kapitalismus nur ein Teilaspekt unseres Themas, Wirtschaftswachstum nur eine mögliche Meßlatte für die ökonomische und soziale Bedeutung eines Phänomens. Im übrigen ergänzen sich die Positionen Max Webers und Werner Sombarts, wenn man sie nicht absolut setzt: ohne Reinvestition von Gewinnen, die nur durch partielle Konsumaksese möglich ist, nur geringe Chancen für ein Wachstum der Wirtschaft, ohne Konsumgüterverbrauch, also "Luxus" im weitesten Sinne, wenig Aussicht auf Gewinne. Die neue Rationalität, die Max Weber als Begleiterscheinung kapitalistischer Wirtschaftsformen, als Ursache und Folge zugleich, beobachtete, herrscht freilich seit dem Beginn der Neuzeit nicht unumschränkt. Die Ergebnisse der Frühneuzeit-Forschung, die den Übergangscharakter dieser Epoche betont, zeigen, daß ältere Mentalitäten langsam abgelöst werden, daß es zu einem Nebeneinander verschiedener gesellschaftlicher und ökonomischer Verhaltensweisen kommt, und daß es keinen abrupten und vollständigen Umbruch gibt. Dies gilt besonders für den "Luxus", den die Moralprediger aller Zeiten schon als ein Grundverhalten des Menschen tadeln. Thorstein B. Veblen deckte als Konsumverhalten bestimmter Sozialgruppen einen Typus demonstrativen Verbrauchs auf, dem später Webers "ostensible Formen 20)

des Luxus " entsprechen , dessen Erscheinungsformen und Trägerschichten sich wandeln können, dessen Hauptfunktionen aber lange Zeit erhalten bleiben, auch wenn Beurteilung und Stellenwert in der Gesellschaft sich verändern. Veblen bezog den Standpunkt eines Sozialanthropologen, der seine Beispiele ohne Rücksicht auf geographische und historische Grenzlinien wählt: von Naturvölkern, aus dem mittelalterlichen Europa, aus der amerikanischen Gegenwart» Der amerikanische Historiker John U. Nef dagegen beschränkte 19)Siehe z.B. T.J. Markovitch: la revolution industrielle: le cas de la France. In: RHES 52 (1974), 115-125, sowie die Arbeiten von Crouzet und O'Brien/Keyder, unten Teil III, Anm.188 zitiert. 20)The theory of the leisure classv An economic study of institutians (1898), New York 1934. Ein Pendant neueren Datums V. Packard: Ohe status seekers (1959), Harmondsworth 1961.

Einleitung

sich

auf

die

Vorgeschichte

um d i e A b w e r t u n g

der

der

europäischen

vorindustriellen

Uirtschaftsmentalität

9

Industrialisierung,

kontinentaleuropäischen

zu k o r r i g i e r e n .

Nef

schrieb;

The d i s p o s i t i o n of e c o n o m i c h i s t o r i a n s t o r e g a r d t h e p r e o c c u p a t i o n of t h e E u r o p e a n s w i t h an economy of q u a l i t y a s a s t u m b l i n g b l o c k i n t h e way o f t h e e v e n t u a l t r i u m p h o f i n d u s t r i a l i s m i s one-sided. There i s an i m p o r t a n t s e n s e in which t h e d e d i c a t i o n of t h e E u r o p e a n s t o t h e c o n s t r u c t i o n of a b e a u t i f u l E u r o p e , by t h e s t r e n g h t e n i n g of f i n e c r a f t s m a n s h i p i n t h e s e r v i c e of t h e crown and t h e v a r i o u s r a n k s of t h e n o b i l i t y and h i g h e r b o u r g e o i s i e , was e s s e n t i a l t o i n d u s t r i a l i s m . 2 1 ) Mit

"economy of

italienischen

quality"

Städten

Nation v i e l e r o r t s sicht

hingegen

kultur

die

seit

ten

Jahren hat

ihr

befaßt.

rer

sich

seinen

werden

Bedeutung:

tenden

Studien, sind

alteuropäischen

auf

hier

ober-

Deutscher

die in her

im

letz-

einem

besondeder

Dop-

Übergangssta-

zur die

mit

einzelnen

von

Betonung

Teildisziplinen und

Leitsektor

ausführlich nicht

Nahrungsökonomie

vom M e t h o d i s c h e n

An-

Manufaktur-

In den

zwei Punkte

gesehen

Fragestellungen

den

und

einen

Stürmer

die

f ü r uns

historischer

hung k u n s t h i s t o r i s c h e r

in

Reich

England nach Nefs

Handwerks-

Qualitätswirtschaft

Marktwirtschaft;

sung v e r s c h i e d e n e r

in

allem Michael

soll,

der

Römischen

Ökonomie d a r s t e l l t e .

vom I n h a l t l i c h e n

pelgesichtigkeit dium von d e r

vor

Frankreich,

dem 1 6 . J a h r h u u n d e r t

kontinentaleuropäischen

eingegangen

in

ausgeprägte

der

In

jene

im H e i l i g e n

hoch e n t w i c k e l t e ,

schwächer

gemeint,

ist

und

sich

ausbrei-

Zusammenfasunter

Einbezie-

Untersuchungstech-

23) •v niken Wichtig wurde außerdem N o r b e r t E l i a s ' 24) fische Gesellschaft und d i e A r b e i t über

die

Bedeutung

des Fürstenhofes

Untersuchung von J ü r g e n

für die

über

von

die

Kruedener

Adelsgesellschaft

im b e s o n d e r e n u n d f ü r d a s V e r h ä l t n i s O b r i g k e i t / B ü r g e r s c h a f t 25) . Kruedeners Ansatz wird h i e r w e i t e r g e f ü h r t ,

allgemeinen

hö-

im in-

2 1 ) C u l t u r a l f o u n d a t i o n s o f i n d u s t r i a l c i v i l i z a t i o n , New York 1960, S . 1 3 5 . 2 2 ) " B o i s d e s I n d e s " and t h e economics o f l u x u r y f u r n i t u r e i n t h e t i m e o f David P o e n t g e n l I n : The B u r l i n g t o n Magazine OCX ( 1 9 7 8 ) , 799-806; L u x u s g ü t e r i n d e r K n a p p h e i t s g e s e l l s c h a f t . H a n d w e r k s k u l t u r und h ö f i s c h e s Leben im 1 8 . J a h r h u n d e r t . I n : FRANCIA 6 ( 1 9 7 8 ) , 3 1 9 - 3 6 5 ; H ö f i s c h e K u l t u r und f r ü h m o d e r n e U n t e r n e h m e r . I n : HZ 229 ( 1 9 7 9 ) , 265-297; ( H r s g . ) : . H e r b s t d e s A l t e n Handwerks. Q u e l l e n z u r S o z i a l g e s c h i c h t e d e s 1 8 . J a h r h u n d e r t s , Münc h e n 1979; Handwerk und h ö f i s c h e K u l t u r . E u r o p ä i s c h e Möbelkunst im 18. J a h r h u n d e r t , München 1982. 23)Ebd.,

8.

2 4 ) D i e h ö f i s c h e G e s e l l s c h a f t ( 1 9 3 9 ) , B e r l i n und Neuwied 1969; a u s f ü h r l i c h e r dazu E . 3 . 25) Die R o l l e d e s H o f e s im A b s o l u t i s m s , S t u t t g a r t 1973; e i n e ä h n l i c h e F r a -

10

Einleitung

dem d i e Bedeutung des Hofes auch a u f a u ß e r p o l i t i s c h e m G e b i e t tont wird.

W e s e n t l i c h e n E i n f l u ß auf unsere F r a g e s t e l l u n g

f e r n e r F e r n a n d B r a u d e l s Unternehmen g e h a b t ,

be-

hat

eine Geschichte

der

m a t e r i e l l e n K u l t u r m i t u n i v e r s a l h i s t o r i s c h e m Anspruch zu e n t w e r 26) fen

.

S e i n Konzept d e r " c i v i l i s a t i o n m a t e r i e l l e "

finition

d e s f ü r uns z e n t r a l e n B e g r i f f s

g e p r ä g t , s e i n S c h i c h t e n m o d e l l d e r Marktformen i s t u n t e n s k i z z i e r t e M a r k t t y p o l o g i e e i n g e g a n g e n 27 ) Von n e u e r e n U n t e r s u c h u n g e n ,

sant i s t :

zum e i n e n ,

weil

in d i e

sei

, das i n v i e l e r l e i

Hinsicht

zahlreiche quantifizierbare

r e n durch den Wandel i n d e r B e u r t e i l u n g von früher

interes-

daß e s am En-

len für die Erschließung der m a t e r i e l l e n Kultur g i b t ; und W i r t s c h a f t s w a c h s t u m ,

.

Quel-

zum a n d e -

Konsumstimulierung

d i e29 k ) r i t i s c h e r g e s e h e n werden,

in der Regel geschah

breite-

s t e l l v e r t r e t e n d Roman

der V e r f a s s e r nachweist,

de d e r Frühen N e u z e i t b e r e i t s

mit-

weiter

die s i c h mit der Sachkultur

rer Bevölkerungsschichten befassen, 28) S a n d g r u b e r s Buch g e n a n n t

h a t d i e De-

" m a t e r i e l l e Kultur"

als

dies

Außerdem b i e t e t S a n d g r u b e r

eine

E ü l l e von B e l e g e n auch ü b e r q u a l i t a t i v e A s p e k t e d e r

Sachkultur,

und s c h l i e ß l i c h b e h a n d e l t e r d i e g r ö ß t e W i r t s c h a f t s m a c h t und das v o l k r e i c h s t e Land a u f dem e u r o p ä i s c h e n K o n t i n e n t nach F r a n k reich. E.3.Begriffsklärunqen: Der B e g r i f f leiten, tion,

Materielle Kultur;

"materielle Kultur"

Luxusmarkt;

Luxus

l ä ß t s i c h aus zwei Wurzeln

zum e i n e n aus e i n e r ä l t e r e n h i s t o r i o g r a p h i s c h e n

zum a n d e r e n aus dem S p r a c h g e b r a u c h b e i F e r n a n d

ab-

Tradi-

Braudel.

gestellung bei H.Ch. Ehalt: Ausdrucksformen a b s o l u t i s t i s c h e r Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18.Jahrhundert, München 1980, und E. Straub: Representatio Maiestatis oder churbayerische Freudenfeste. Die höfischen Feste in der Münchner Residenz vom 16. b i s zum Ende des 18.Jahrhunderts, München 1969. 2 6 ) C i v i l i s a t i o n materielle e t capitalisme (XVe-XVIIIe s . ) , Bd 1, Paris 1967; C i v i l i s a t i o n m a t e r i e l l e , économie e t capitalisme, XVe-XVIIIe s . , 3 Bde, Paris 1979; Afterthoughts on material c i v i l i z a t i o n and capitalism, B a l t i more und London 1979. 27)Zum B e g r i f f "materielle Kultur" siehe E . 3 ; zur Markttypologie siehe unten T e i l I , Kap.2.2. sowie T e i l I I I , Kap.5. 28)Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Konsumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19.Jahrhundert, München 1982. 29)Ebd., 9 f f . , 3 8 4 f f . - Rückblickend auf die Realitäten der vorindustriellen Epoche wird man allerdings auch daran erinnern müssen, daß m a t e r i e l l e Genügsamkeit in der Regel nicht aus f r e i e n Stücken geübt wurde. Was heute o f t a l s Konsumgesellschaft k r i t i s i e r t wird, i s t auch Ergebnis der Anstrengungen des 18.Jahrhunderts um Oberwindung seiner materiellen Not.

Einleitung

11

Der deutsche Historiker Karl Biedermann sprach bereits um 1850 davon, daß "heutzutage" die Aufmerksamkeit der Geschichtsforschung vor allem dem materiellen Befinden der verschiedenen Klassen der Bevölkerung, ihren Erwerbs- und Nahrungszuständen, dem Maß ihrer Lebensbedürfnisse und ihrer Ansprüche auf Lebensgenuß und den Mitteln zu deren Befriedigung, dem Verhältnis von Wohlstand und Armut und den Veranstaltungen zur Unterstützung dieser letztern gelte 30 '. "Die Verteilung des Erwerbes und Besitzes unter die verschiedenen Klassen der Bevölkerung" bezeichnete er als "eines der wichtigsten Momente der materiellen Kulturentwicklung." Was Biedermann damals beschrieb3^', wird heute beiläufig, ohne daß eine Begriffsbestimmung noch nötig scheint, als materielle Kultur bezeichnet, als materielles Leben oder materielle Zivi32) lisation . Daß es keine erschöpfende Definition des Begriffes gibt, stört bei seiner einverständlichen Verwendung keineswegs. Einige weiterführende Bemerkungen zur Inhaltsbestimmung sind dennoch angebracht, auch angesichts der Tatsache, daß durch die Rezeption französischer Forschungen zum Thema Sachkultur, "culture populaire" etc. der nicht völlig identische Terminus "civilisation matérielle" als "materielle Kultur" oder "materielle Zivilisation"übersetzt wird. Fernand Braudel hat dem Begriff "civilisation matérielle" im Wortschatz des Historikers zur Prominenz verholfen. So hilfreich der Terminus als deskriptive Kategorie ist, als so vieldeutig erweist er sich als Instrument der Analyse. Braudel selbst sah ihn als Notlösung an: ... une zone d'opacité, souvent difficile à observer faute d 1 une documentation historique suffisante, s'étend au-dessous du marché; c'est l'acitivité élémentaire de base que l'on rencontre partout et qui est d'un volume tout simplement fantastique. Cette zone épaisse, au ras du sol, je l'ai appelée, faute de mieux, la vie matérielle ou la civilisation matérielle. 33) Ergänzend und erweiternd faßt Braudel den Begriff als Sammelbezeichnung für die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt auf: "La vie matérielle, ce sont des hommes et des choses, des 30)Biedermann, I, 273; vgl. eben Anm.8. 31)Ebd., 294. 32)So bei Stürmer 1982, 8, oder - als selbstverständlicher Ausdruck - bei 6. Bartsch: Die materielle Kultur des Handwerks. Ihr Aussagewert für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. In: R.S. Elkar(Hrsg.): Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen 1983, 203-220. 33(Civilisation matérielle, Bd 1, 8.

12

Einleitung

34 ) choses et des hommes."

Präzisiert wird er zudem noch durch

die Assoziierung mit "économie" und "capitalisme", also ducch Kontrast und ausgrenzende Definition. Zu beachten ist indes, daß Braudel materielle Kultur als historischen Gegenstand auf der Zeitebene der "longue durée" ansiedelt: es handele sich um eine "multicenturied history", träge wie der Amazonas 35 '. Somit erhebt sich die Frage, ob materielle Kultur ein Gegenstand der Geschichte der "courte durée" sein kann. Diese Frage wird man mit Ja beantworten dürfen. Braudel selbst betont die generelle Wandlungsfähigkeit der "civilisation matérielle"3®'. Zudem steigt mit dem technischen Niveau, der Umweltbeherrschung und dem allgemeinen Wohlstand die Fähigkeit des Menschen, auf die "Dinge" einzuwirken, wird er immer weniger Objekt3^' und kann er immer mehr Dinge besitzen nicht nur um des rein funktionalen Nutzwertes, sondern um anderer, übertragener Funktionen willen - die allerdings von der Knappheit bestimmter Güter abhängen, sich also in und durah einen solchen Bereicherungsvorgang wandeln und auch verlieren können. Ein gutes Beispiel für eine weitergreifende Interpretation von materieller Kultur findet sich in Norbert Elias' Beschreibung der räumlichen Ordnung und der materiellen Einbindung gesellschaftlichen Zusammenlebens, eine Sozialtopologie gewissermaßen, in der die räumliche Hierarchie von Objekten und Interaktionen sowie ihr wechselseitiger Zusammenhang erklärt werden 38) können . In diesem erweiterten Sinn ist die materielle Kultur einer Gesellschaft ein gleichberechtigter Faktor historischer Abläufe und kann auf ihren geschichtlichen Bedingungsrahmen zurückwirken. Die Art der Reaktion wird dann abhängen vom Niveau der materiellen Zivilisation, von den Ansprüchen der Gesellschaft, von der Bedeutung bestimmter Konsumformen für Gesellschaft und Ökonomie. Auch der Begriff "Luxusmarkt" bedarf, so wie er hier verwendet werden wird, der Erläuterung.

Der Markt wird in der Regel de-

34)Ebd., 15. 35)Ders.: Afterthoughts, 7. 36)Z.B. 1967, 134ff.; siehe auch ders.: Histoire et sciences sociales. La longue durée. In: ÄESC 13 (1958), 725-753. 37)Abgesehen natürlich von Sachzwängen, die mit der Komplexität der Technik sogar zunehmen können. 38)U.a. 9, 70ff. - Räumlich ist hier übrigens ganz wörtlich zu nehmen, auf

13

Einleitung

f i n i e r t a l s der "ökonomische Ort des Tauschs"

39)

, als

e i n a b g e g r e n z t e s Spannungsfeld . . . , i n dem Käufer und V e r k ä u f e r i h r e n E i n f l u ß g e l t e n d machen und nach Abwägen der bestehenden M ö g l i c h k e i t e n zu Kontrahenten werden, k u r z , a l s der T r e f f p u n k t der preisbestimmenden K r ä f t e von Angebot und N a c h f r a g e . 4 0 ) T y p i s c h f ü r d i e s e gängigen Handbuchdefinitionen i s t

zweierlei:

1.Der Markt kann a b s t r a k t gedacht werden - a l s " I n b e g r i f f 41 ) A b s a t z m ö g l i c h k e i t e n und A b s a t z g e l e g e n h e i t e n "

der

- , ohne a l s Ort

oder I n s t i t u t i o n k o n k r e t i s i e r t werden zu müssen, wobei d i e Ber e i c h e von Produktion und Konsum außer B e t r a c h t b l e i b e n ;

2.Käu-

f e r und V e r k ä u f e r werden a l s i n ihren Marktentscheidungen

frei

a u f g e f a ß t , f r e i b e z ü g l i c h Q u a n t i t ä t und Q u a l i t ä t von Angebot und N a c h f r a g e , f r e i v o r a l l e m h i n s i c h t l i c h der

Preisbildung:

das "iustum pretium" b e f i n d e t s i c h i n einem dynamischen G l e i c h gewicht . Im f o l g e n d e n s o l l

"Markt" mehr b e i n h a l t e n , nämlich Produktion

und Konsum m i t e i n b e g r e i f e n , um d i e Wechselwirkungen

zwischen

Erzeugung, Austausch und Verbrauch zu e r f a s s e n , z . B . d i e

sozia-

l e n Bedingungen, unter denen Konsum v o r s i c h g e h t und Ansprüche an den Markt g e s t e l l t werden, oder d i e ökonomischen

Impulse,

d i e von solchen Ansprüchen wiederum an d i e Produktion gehen. Der h a n d l i c h e r e n T e r m i n o l o g i e h a l b e r w i r d d i e s e

Inhaltserweite-

rung n i c h t auf der b e g r i f f l i c h e n Ebene w i e d e r h o l t . Des w e i t e r e n i s t darauf hinzuweisen, daß d i e ü b l i c h e n D e f i n i t i o n e n auf e i n e i d e a l t y p i s c h e Form von Märkten a b z i e l e n ,

auf

denen s i c h der P r e i s durch das K r ä f t e s p i e l von Angebot und Nachfrage r e g e l t .

Für das Marktgeschehen insbesondere des ö k o -

nomischen Ancien Régime g i l t

j e d o c h , daß d i e s e A r t der

Preis-

b i l d u n g keineswegs d i e R e g e l , wenn schon n i c h t d i e Ausnahme darstellt42' . die Räume z.B. eines Schlosses bezogen, die Herrschaft abbilden, oder - im üblichen Sinn - auf Sitzordnungen und ähnliches. 39)Art. Markt. In: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, Bd IV, Freiburg u.a. 1971, Sp.280. 40)Art. Markt. In: Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Bd 5, 6., v ö l l i g neubearb. u. erw. Aufl. Freiburg 1960, Sp.538. 41)W. Sembart: Der moderne Kapitalismus, 2., neubearb. Aufl. München und Leipzig 1917, Bd 2, 1.Halbbd, 185. 42)Siehe auch unten T e i l I , Kap.2 passim, sewie T e i l I I I , Kap.1 und 5,passim. - Vgl. auch W.C. Neale: The market in history and theory. In: trade and market in the early empires. Economies in history and theory, hrsg. van K. Polanyi u.a., Glencoe/Ill. 1957, 357-372.

14

Einleitung

Der p r o b l e m a t i s c h s t e B e g r i f f i s t d e r d e s "Luxus" s e l b s t . Es 43) f e h l t - auch h e u t e - n i c h t an V e r s u c h e n , i h n zu d e f i n i e r e n o d e r z u m i n d e s t s e i n e E r s c h e i n u n g s f o r m e n und A u s w i r k u n g e n zu b e schreiben. B r a u d e l z . B . i n t e r p r e t i e r t Luxus a l s " r e f l e t d ' u n e d é n i v e l l a t i o n s o c i a l e , q u e r i e n ne c o m b l e , que c h a q u e mouvement 44) recrée." H i e r kann e s n i c h t darum g e h e n , d i e R e i h e s o l c h e r V e r s u c h e zu v e r l ä n g e r n , s o n d e r n n u r d a r u m , 1 . d i e w e s e n t l i c h e n Probleme des z e i t g e n ö s s i s c h e n Sprachgebrauchs'zusammenzufassen, und 2 . z u k l ä r e n , i n w e l c h e r B e d e u t u n g "Luxus" im w e i t e r e n v e r wendet werden s o l l . E i n i n den m e i s t e n D i s k u s s i o n s b e i t r ä g e n d e s 1 8 . J a h r h u n d e r t s u n a u f g e l ö s t e s Dilemma i s t d i e Verqmickung von D e f i n i t i o n und Wertung. Die A r g u m e n t a t i o n wurde d a d u r c h z i r k e l h a f t : e i n e b e r e i t s wertungsbestimmte D e f i n i t i o n e r l a u b t e , B e i s p i e l e anzuführen, d i e d i e Wertung w i e d e r u m b e s t ä t i g t e n . Zwar g i b t e s A n s ä t z e , e i n e n v e r b i n d l i c h e n Sprachgebrauch f e s t z u l e g e n : d i e Aufwandsges e t z e d e f i n i e r e n i h r e n G e g e n s t a n d m i t k o n k r e t e n B e i s p i e l e i l ; Akad e m i e a u f g a b e n z i e l e n a u f d i e S c h a f f u n g e i n e s Kanons a l l g e m e i n g ü l t i g e r T o p o i ; d a s W ö r t e r b u c h d e r Académie F r a n ç a i s e d i e n t g e l e g e n t l i c h a l s M a ß s t a b f ü r e i n e den r a t i o n a l e45) n Diskurs über "Luxus" e r s t e r m ö g l i c h e n d e I n h a l t s b e s t i m m u n g . Im a l l g e m e i nen j e d o c h war n i c h t n u r d i e W e r t u n g , s o n d e r n s c h o n d i e D e f i n i t i o n u m s t r i t t e n , so daß im 1 8 . J a h r h u n d e r t w e d e r e i n e n e n n e n s w e r t e W e i t e r e n t w i c k l u n g d e s B e g r i f f s e r f o l g t e noch e i n e D i s k u s s i o n im s t r e n g e n W o r t s i n n . E i n w e i t e r e s Dilemma l i e g t i n d e r w e c h s e l n d e n und u n k l a r e n Abg r e n z u n g d e s B e g r i f f s von m e i s t w e r t g e l a d e n e n N a c h b a r b e g r i f f e n w i e " V e r s c h w e n d u n g " , " f a s t e " , " s o m p t u o s i t é " , "pompe" und d e r g l e i c h e n m e h r 4 6 ' , d i e t e i l s a l s Antonyme, t e i l s a l s Synonyme 43)Z.B.: L. Alexander: Die Luxusbesteuerung, i h r Wfesen und i h r e Entwicklung mit besonderer Berücksichtigung der Luxusumsatzsteuer, Diss. Köln 1924; K. Häuser: Art. Luxusbesteuerung. I n : Handwörterbuch der S o z i a l wissenschaften, Bd 7, S t u t t g a r t u . a . 1961, 74-75; K. Mamroth/K.lh.v. Eheberg: A r t . Luxussteuern. In: Handwörterbuch der Staatswissenschaft e n , Bd 6, 3.Aufl. Jena 1916, 545-554; ï h . Samerlad: Art. Luxus. I n : Ebd., 537-545; K.G. Specht: Art. Luxus. I n : Handwörterbuch der S o z i a l wissenschaften, Bd 7, S t u t t g a r t u . a . 1961, 71-73. 44)1967, 135. 45)Ausführlicher dazu wie zum folgenden Pallach: Art. Luxe. 4 6 ) ü d . , passim; eine Auswahl zeitgenössischer Beiträge: B. Franklin: Réf l e x i o n s sur l e luxe (1784). I n : Mélanges d'économie p o l i t i q u e , P a r i s 1847, 656-659; H.S. Gerdil: Discours de l a n a t u r e , e t des e f f e t s du l u xe, Turin 1768; L.-S. Mercier: Tableau de P a r i s (zahlreiche Auflagen und

Einleitung

15

benutzt werden. Die Problematik des zeitgenössischen Sprachgebrauchs läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1.Der Begriff ist nicht frei von impliziten oder expliziten Werturteilen. 2.Der Begriff ist, abhängig von der Position des Sprechers und dem Sprachzusammenhang, mit unterschiedlicher Bedeutung gefüllt. 3.Definitionen und Wertungen widersprechen sich häufig. 4.Es gibt eine Anzahl benachbarter Termini, die zum Teil unterschiedslos verwendet werden, zum Teil aber auch der Differenzierung von Definition und Wertung dienen. 5.Die Differenzierung von Urteilen hängt stark von der sozialen Position des Urteilenden, mehr aber noch von der des Konsumenten ab, dessen Verhalten mit den Kategorien der Luxuskritik - zumeist negativ - beurteilt werden soll. 6.1m übrigen geht aus kaum einer Quelle hervor, daß Luxusgegenstände einmalige, besonders kostbare, wertvolle oder teure Dinge sein müssen. "Luxus" muß also gegen den Hintergrund einer bestimmten gesellschaftlichen Rangordnung gesehen werden, in der den Objekten des Konsums genau definierte Funktionen zukommen. "Luxus" bedeutet also eine spezifische Art, eine materielle Umgebung zu wählen, zu benutzen und ihr Sinn und Funktionen zuzuweisen. Zum einen wird "Luxus" im Weiteren mithin bedeuten: die Form materieller Kultur, die von den verschiedenen Gesellschaftsgruppen und Institutionen verwendet wird, um eine soziale Sonderstellung, Herrschaftsansprüche, Reichtum und dergleichen sichtbar zu machen. Dabei ist zu beachten, daß auch gesellschaftlich minderprivilegierte Bevölkerungsgruppen in diesem Sinn "Luxus" betreiben, um ständische Ehrbarkeit, zufällige Kaufkraftüberschüsse etc. zu demonstrieren. "Luxus" deckt sich somit weitgehend mit "conspicuous consumption". Zum anderen kennzeichnet der Begriff nicht nur ein Konsumverhalten, sondern auch bestimmte Konsumgegenstände. Hier schließen wir uns dem umgangssprachlichen Konsens an, ohne im Einzelfall eine kasuistische Entscheidung treffen zu wollen: für die gehobene materielle Kultur des 18.Jahrhundetts also unter anderem Porzellan, Druckorte, hier:) 12 Bde, Amsterdam 1782-1788; Paris, le Modèle des Nations Etrangères, ou l'Europe Françoise; ..., Vfenedig 1777; F. Quesnay et la Physiocratie. Bd II: Textes annotés, o.O. 1958, u.a. 511-578 (der nicht erschienene Artikel "Hantes" für die Encyclopédie), 619-666 u.a.

16

Einleitung

47 ) f u r n i e r t e M ö b e l , Schmuck, S e i d e , Wandteppiche

.

Je nach d e r

g e s e l l s c h a f t l i c h e n S t e l l u n g und d e r Vermögenslage des

jeweili-

gen Konsumenten können n a t ü r l i c h auch andere Gegenstände bzw. minder t e u r e aus E r s a t z m a t e r i a l i e n L u x u s f u n k t i o n

erfüllen.

E.4.Bemerkungen zur räumlichen und z e l t l i c h e n Elngrenzung

des

Themas Nationen,

T e r r i t o r i e n und ä h n l i c h e S t a a t s g e b i l d e

s i n d auch f ü r

d i e W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e des 18.Jahrhunderts e i n g ä n g i g e r zugsrahmen, d e r h i e r e b e n f a l l s b e n u t z t werden w i r d . spricht,

daß s i c h im 17. und 18.Jahrhundert d i e

Vorstellungen

von e i n e r zusammenhängenden N a t i o n a l ö k o n o m i e a u s b i l d e n . h i e r a b e r auf

Be-

Dafür Es

sei

z w e i e r l e i h i n g e w i e s e n : Weder das A l t e R e i c h noch

Frankreich s t e l l t e n schaftsraum dar;

im 18.Jahrhundert e i n e n g e s c h l o s s e n e n

f ü r d i e geographische Struktur der

K u l t u r müssen n a t i o n a l e Grenzziehungen n i c h t das K r i t e r i u m s e i n 48)

Wirt-

materiellen

geeignetste

Das A l t e R e i c h war a l s Ökonomie so z e r s p l i t t e r t w i e a l s

res

publica,

wieder-

und d e r Mangel an w i r t s c h a f t l i c h e r

Integration

h o l t e s i c h g e r a d e b e i den g r ö ß e r e n T e r r i t o r i e n ,

d i e aus

l i s c h e n und anderen Gründen Binnengrenzen h a t t e n . gerne a l s B e i s p i e l

für Zentralisierungstendenzen

a l s E i n h e i t e h e r auf dem P a p i e r : einheitlich;

fiska-

Frankreich, zitiert,

stand

d i e S t e u e r v e r f a s s u n g war un-

d i e Z o l l g r e n z e n f i e l e n n i c h t m i t den Landesgrenzen

zusammen; v e r s c h i e d e n e R e c h t s - und V e r w a l t u n g s l a n d s c h a f t e n überlappten s i c h ;

d i e Grenze zum A l t e n R e i c h war p o l i t i s c h und 49 )

geographisch nicht geschlossen

.

Beiden Ländern gemeinsam

war das Nebeneinander u n t e r s c h i e d l i c h e r

Entwicklungsstufen

der

W i r t s c h a f t zwischen " i n f r a - m a r c h é " und M a r k t w i r t s c h a f t ^ 0 ' . 47)Andere Formen demonstrativen Verbrauchs wie Essen und Trinken oder der Gebrauch einer zahlreichen Dienerschaft bleiben hier außer Betracht; zu ersterem siehe ausführlich Sandgruber, 131-267; Braudel: C i v i l i s a t i o n matérielle, Bd 1, Kap.3. 48)Siehe z.B. ebd. Karte 6 (Übersicht über Formen der Nahrungsgewinnung), 40f.; Karte 18 (ähnlich), 146; außerdem Kap.4 und 5 passim. 49)Vgl. dazu u . a . : P. Bonnassieux: Examen des cahiers de 1789 au point de vue catmercial e t industriel, Paris 1884, 18f.; M. Marion: Dictionnaire des institutions de la France aux XVIIe e t XVIIIe s. (1923), Repr. New York 1968, A r t . Traites, 538-540; J.F. Bosher: The single duty p r o j e c t . A study of the movement f o r a French custans union in the 18th Century, London 1964; W. Mager: Frankreich von Ancien Régime zut Moderne. Wirtschafts-, Gesellschafts- und politische Institutionengeschichte 1630 bis 1830, Stuttgart u.a. 1980.

Einleitung

17

W i c h t i g e r a l s d i e dadurch f ü r d i e B e u r t e i l u n g der n a t i o n a l w i r t s c h a f t l i c h e n Entwicklung aufgeworfenen Probleme i s t d i e F r a g e , ob d e r l e i Grenzziehungen überhaupt Bedeutung haben f ü r d i e mat e r i e l l e K u l t u r , oder ob n i c h t andere G e s i c h t s p u n k t e f ü r e i n e räumliche Gliederung ausschlaggebend s i n d . D i e s e Frage i s t m i t Sowohl a l s auch zu b e a n t w o r t e n . Zum e i n e n s i n d Konsumformen und e r s t r e c h t Konsumgegenstände zum G r o ß t e i l übernational. Das A l t e Reich und F r a n k r e i c h b i l d e n , z . B . h i n s i c h t l i c h des h ö f i s c h e n und a r i s t o k r a t i s c h e n , s p ä t e r auch des b ü r g e r l i c h e n Luxus, e i n e räumliche E i n h e i t . Die Formen der Rep r ä s e n t a t i o n von Macht und d i e Probleme durch Nachahmung und "Verschwendung" durch d i e Unberufenen sind g r e n z ü b e r s c h r e i t e n d ebenso wie d i e Spannweiten m a t e r i e l l e r K u l t u r zwischen Glanz 51 » und Elend . Eine genuine A r c h ä o l o g i e d e r Frühen Neuzeit würde z a h l r e i c h e Grenzziehungen a u f z e i g e n , d i e von den p o l i t i s c h e n d i f f e r i e r e n und t e i l s e i g e n s t ä n d i g , t e i l s abhängig von a n d e r s a r t i g e n Grenzen s i n d . N a t i o n a l - oder S t a a t s g r e n z e n würden i n diesem F a l l nur a l s H i l f s m i t t e l b e i der geographischen F i x i e 52) rung dienen . Zum anderen e r l a n g e n p o l i t i s c h e Grenzen und n a t i o n a l e Abgrenzungen im V e r l a u f des 1 7 . und 1 8 . J a h r h u n d e r t s auch im A l t e n Reich - immer mehr Gewicht f ü r d i e m a t e r i e l l e Z i v i l i s a t i o n : durch den Z u g r i f f des S t a a t e s auf d i e W i r t s c h a f t i n G e s t a l t der M e r k a n t i l p o l i t i k ; durch das zunehmende ökonomische R i v a l i t ä t s d e n k e n zwischen den Nationen und - im Alten Reich zwischen den T e r r i t o r i e n ; durch d i e s c h ä r f e r e Ausprägung von N a t i o n a l k u l t u r e n , wodurch e i n e gewisse V e r e i n h e i t l i c h u n g der m a t e r i e l l e n Kultur innerhalb p o l i t i s c h e r Einheiten gefördert w i r d : So i s t 1816 aus den k u r b a y e r i s c h e n Kleiderordnungen ein 53) k ö n i g l i c h e s Dekret über " a l t d e u t s c h e T r a c h t " geworden , und zur C h a r a k t e r i s i e r u n g b e n a c h b a r t e r Nationen werden b e z e i c h n e n 50)Braudel: Civilisation matérielle, Bd 1, Introduction. 51)Das Alte Reich und Frankreich bilden im übrigen auch eine Einheit, die sich van übrigen Europa, trotz anderer übernationaler Verflechtungen, unterscheiden läßt. Damit kann aber nicht gemeint sein, dafi innerhalb einzelner Nationen eine einheitliche materielle Kultur besteht. 52)In manchen Fällen können politische Grenzen, wie z.B. Verwaltungsbezirke e t c . , das Erscheinungsbild der Alltagskultur auch verzerren. Ein Beispiel dafür i s t die Utafrage von 1745 über den Silberbesitz und den Wohlstand der Franzosen, siehe F. de Dainville: Un dénombrement inédit au XVIIIe s . L'enquête du contrôleur-général Orry 1745. In: Population 7 (1952), 49-68. Die Wohlstand¡-¡Verteilung kann hier nur noch nach den statistischen Werten abgeschätzt werden, die durch die zufällige Lage der einzelnen "généralités" bestirnnt sind. Welche Verteilung würde eine

18

Einleitung

d e r w e i s e d e r e n Konsumgewohnheiten, zu P r u n k und P r a c h t

insbesondere ihr

Verhältnis

herangezogen.

Die z e i t l i c h e G r e n z z i e h u n g i s t b e i a l l e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g um 54 ) d a s Ü b e r l e b e n d e s A n c i e n Régime e i n f a c h e r und e i n f a c h e r zu b e g r ü n d e n : z w i s c h e n 1789 und 1794 e r f o l g t e i n s o t i e f e r Umbruch i n P o l i t i k , G e s e l l s c h a f t und M e n t a l i t ä t - w e n i g e r i n d e r W i r t s c h a f t - d e r f r a n z ö s i s c h e n N a t i o n , daß u n s e r e D a r s t e l l u n g i n den e r s t e n R é v o l u t i o n s j ä h r e n e n d e n k a n n und n u r i n einem A u s b l i c k d i e Ära N a p o l e o n s und d e r b o u r b o n i s c h e n R e s t a u r a t i o n noch streift. E i n ä h n l i c h e r B r u c h , n i c h t d e r s e l b e i s t im A l t e n R e i c h m i t z e i t l i c h e r V e r z ö g e r u n g e r f o l g t . Wann b e g i n n t d a s E n de d e s A n c i e n Régime? Es g i b t m e h r e r e G r ü n d e , d i e Wende von den 1 7 6 0 e r zu den 1 7 7 0 e r J a h r e n a l s e n t s c h e i d e n d e n E i n s c h n i t t anzusehen - mit a l l e r d i n g s u n g l e i c h e r Bedeutung f ü r F r a n k r e i c h und f ü r d a s A l t e R e i c h . Am A n f a n g s t a n d d i e S t o c k u n g s s p a n n e n a c h dem S i e b e n j ä h r i g e n K r i e g . D i e s e J a h r e waren a l l e r d i n g s i n e i n i g e n S t a a t e n auch e i n e Z e i t d e s Aufschwungs durch e n e r g i s c h e n W i e d e r a u f b a u , s o i n P r e u ß e n , s o i n S a c h s e n , und e i n e r B a i s s e d e r G e t r e i d e p r e i s e , s o daß d i e Menschen " d u r c h d i e w o h l f e i l e Z e i t e n ü b e r m ü t h i g " w u r d e n 5 5 ' - was n i c h t g u t g e h e n k o n n te. I n F r a n k r e i c h r e i h t e n s i c h i n d e s s e i t dem Ende d e r 1 7 6 0 e r Jahre mehrere s c h l e c h t e Ernten aneinander, A u f t a k t e i n e r großen A g r a r k r i s e , d i e i n d i e H u n g e r k a t a s t r o p h e von 1770-1772 m ü n d e t e und w e i t e T e i l e E u r o p a s t r a f . Wie d i e R e a k t i o n e n d e r B e t r o f f e nen b e w e i s e n , war d i e s e i n s c h w e r e r S c h o c k : a b da wurden ü b e r a l l K r i s e n l a g e n e n t d e c k t ; d i e a u f g e k l ä r t e Hoffnung auf F o r t s c h r i t t und d i e v e r n ü n f t i g e Lösung g e s e l l s c h a f t l i c h e r P r o b l e m e e r l i t t einen Rückschlag. I n F r a n k r e i c h kamen d i e F i n a n z - und S t a a t s k r i s e 5 ® ' und d e r T h r o n w e c h s e l h i n z u . Der R e g i e r u n g s a n t r i t t d u r c h Ludwig XVI. s c h i e n f r e i l i c h e i n Ende a l t e r Z e i t e n im p o s i t i v e n S i n n a n z u k ü n d i g e n . Diese z e i t l i c h e Eingrenzung Untersuchung auf l o k a l e r Ebene ergeben? Wie sähe d i e Verteilung aus, wann der Anteil verschiedener Sozialgruppen erschlossen werden könnte? 53)V. Baur: Kleiderordnungen i n Bayern vctn 14. b i s zum 19.Jahrhundert, München 1975, Anhang; W. Ruppert: Bürgerlicher Wandel. Studien zur Herausbildung e i n e r nationalen deutschen Kultur im 18.Jahrhundert, Frankfurt und New York 1981. 54)L. Bergeren: Die französische G e s e l l s c h a f t von 1750 b i s 1820. Kontinuit ä t e n und Diskontinuitäten. I n : Zs. f . Historische Forschung 4 (1977), 131-146; R.A. Kann: Die Restauration in der Geschichte, Graz u . a . 1974, b e s . Kap.16; F. Waquet: Les f ê t e s royales sous l a Restauration ou l ' A n cien Régime retrouvé, Genf und P a r i s 1981. 55)Stürmer: Herbst, Dok.42.

Einleitung

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ist indes vor allem ein Hilfsmittel und kann auch nicht genau eingehalten werden.

Veränderungen der materiellen Zivilisation

kennen keine exakte Chronologie und keine präzisen Daten.

Der

plötzliche, also datierbare Durchbruch eines Stils oder einer Mode ist in der Regel gut organisiert, d.h. nicht der Normalfall, oder durch längerfristige Entwicklungen vorbereitet.

Zu-

dem ist der Rückgriff auf das späte 17. und frühe 18.Jahrhundert unerläßlich für die Handelsgeschichte wie für die Darstellung der Grundlagen des höfischen Luxus im späteren 18.Jahrhundert. Das Schwergewicht unserer Untersuchung wird jedoch auf den Jahren zwischen etwa 1770 und der Französischen Revolution liegen. Verschiedene Gründe sprechen für eine solche Beschränkung: zum einen ist dieser Zeitabschnitt noch einmal eine Phase der Hochkonjunktur mancher Luxusgewerbe und des höfischen Aufwandes; zum anderen kündigt sich bereits ein Wandel überlieferten Konsumverhaltens an, gefördert auch durch die Häufung wirtschaftlicher Krisenlagen; zudem ist für Teilbereiche die Quellenlage hier besser; schließlich ist eine solche Eingrenzung aus praktischen Gründen unerläßlich. E.5.Zur Quellenlage Wie Werner Sombart bemerkt hat, kann "fast jede Geschichtsquelle" Material zum Thema "Luxus" liefern. Dies gilt für begriffsgeschichtlich relevante Texte sowohl wie für Dokumente zur Ge57) sellschafts- und Wirtschaftsgeschichte . Diese Fülle stellt für sich ein Problem dar. Die größeren Schwierigkeiten liegen jedoch in der Abschätzung von Zuverlässigkeit und Repräsentativität statistischer Daten, von Geschäftspapieren und Aussagen über den Lebensstandard und das Konsumgebaren der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Uber die Handelsbilanz wird im nächsten Kapitel ausführlicher zu sprechen sein.

Hier geht es um die vier folgenden Quellen-

56)Eted., Kap.5; ders. 1982, 41ff.; W. Abel: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis, Hamburg und Berlin 1974, 191-266; J.F. Bosher: The French crisis of 1770. In: History 57 (1972), 17-30. 57)Scmbart 1922, 70ff.; siehe auch S. Kaplan: Bie luxury guilds in the 18th Century. In: FRANCIA 9 (1981), 257-298, bes. 298, sowie Pallach: Art. Luxe, Abschnitt I.

20

Einleitung

gruppen: s t a t i s t i s c h e U n t e r l a g e n , i n der Regel s t a a t l i c h e r P r o v e n i e n z ; Dokumente p r i v a t e n U r s p r u n g s ü b e r g e s c h ä f t l i c h e T ä t i g k e i t ; D e n k s c h r i f t e n zu W i r t s c h a f t s l a g e und W i r t s c h a f t s p o l i t i k , m e i s t von B e h ö r d e n o d e r K o r p o r a t i o n e n stammend; z e i t g e n ö s s i s c h e B e o b a c h t u n g e n ü b e r den Luxus d e r A n d e r e n . Eine säuberliche T r e n n u n g d e r Gruppen i s t n i c h t immer m ö g l i c h . D i e B e u r t e i l u n g d e r e r s t e n Gruppe i s t b i s h e u t e u n e i n h e i t l i c h , a b h ä n g i g a u c h von d e r P r o v e n i e n z d e r Q u e l l e n : e n g l i s c h e , f r a n z ö s i s c h e und p r e u ß i s c h e S t a t i s t i k e n werden n i c h t g l e i c h z u v e r 58 ) lässig eingeschätzt . Daß V o r s i c h t i n d e r T a t g e b o t e n i s t , z e i g t d a s B e i s p i e l d e r f r a n z ö s i s c h e n N a t i o n a l b i l a n z e n : 1791 wurde d i e B i l a n z von 1789 ü b e r H a n d e l , B e v ö l k e r u n g s z a h l , M i l i t ä r e t a t und S c h i f f s v e r k e h r f a s t u n v e r ä n d e r t n a c h g e d r u c k t , o b wohl a u c h D a t e n d e r ü b r i g e n N a t i o n e n E u r o p a s a n g e g e b e n w u r d e n . V e r ä n d e r t h a t t e s i c h n u r d i e f r a n z ö s i s c h e B e v ö l k e r u n g - s i e war von 2 4 , 8 0 0 , 0 0 0 E i n w o h n e r auf 2 4 , 8 3 6 , 2 9 0 g e w a c h s e n - und d i e L a n d e s f l ä c h e - s i e h a t t e s i c h von 2 7 , 4 959) 0 auf 2 6 , 9 6 5 Q u a d r a t m e i len v e r r i n g e r t , n a t ü r l i c h pure Fiktion Ä h n l i c h e P r o b l e m e w e r f e n p r i v a t e G e s c h ä f t s p a p i e r e a u f , zumal s i e h ä u f i g , so im F a l l d e r g e r n e b e n u t z t e n F a i l l i t e n - A k t e n , e i n e n e g a t i v e Auswahl d a r s t e l l e n 6 0 ' . D a r ü b e r h i n a u s h a t D a v i d S. L a n d e s den Wert f r a n z ö s i s c h e r G e s c h ä f t s p a p i e r e g r u n d s ä t z l i c h wegen d e r U n r e d l i c h k e i t d e r K a u f l e u t e i n F r a g e g e s t e l l t 6 1 ' , e i ne A u f f a s s u n g , d i e w i r n i c h t t e i l e n . Gewiß gab e s F ä l l e w i e d i e d e s P a r i s e r Kaufmanns J e a n F r a n ç o i s l e M e r c i e r und d e s " c y d e v a n t P r o c u r e u r au C h a s t e l e t " J e a n B a p t i s t e D e s v e s , d i e wegen b e t r ü g e r i s c h e n B a n k r o t t s z u r ö f f e n t l i c h e n A b b i t t e , zum P r a n g e r 58)Vgl. 0. Behre: Geschichte der S t a t i s t i k i n Brandenburg-Preußen b i s zur Gründung des Königlichen S t a t i s t i s c h e n Bureaus, Berlin 1905; E. Esmonin: Etudes sur l a France des XVIIe e t XVIIIe s . , P a r i s 1964; B. G i l l e : Les sources s t a t i s t i q u e s de l ' h i s t o i r e de France. Des enquêtes du XVIIe s . à 1870, P a r i s und Genf 1964; D.S. Landes: The S t a t i s t i c a l study of French c r i s e s . I n : JEH 10 (1950), 195-211; d e r s . : S t a t i s t i c s a s a source f o r the h i s t o r y of economic develojment in Western Europe. The p r o t o s t a t i s t i c a l e r a . I n : V.R. Lorwin/L.M. Price(Hrsg.): The dimensions of t h e p a s t . Materials, Problems, and opportunities f o r q u a n t i t a t i v e work in h i s t o r y , New Häven und Iondon 1972, 53-91; E. P i t z : Entstehung und Umfang s t a t i s t i s c h e r Quellen in der v o r i n d u s t r i e l l e n Z e i t . In: HZ 223 (1976), 1-39. 59)1791: Bibliothèque de l ' A r s e n a l , P a r i s , Ms. 7127 "Apperçu de l a Balance du Ccnmerce de l a France Année 1791 Ensemble l e Relevé de l a Population des Finances e t Forces M i l i t a i r e s des Principales Puissances de l ' E u r o pe"; 1789: T i t e l b i s auf Datum i d e n t i s c h , h i e r z i t . nach dem Mikrofilm der "Goldsmiths 1 -Kress Library of Economic L i t e r a t u r e " , Spule 1409, Nr. 13840.2. 60)Braudel: C i v i l i s a t i o n m a t é r i e l l e , Bd 2, 57.

21

Einleitung

und zu n e u n j ä h r i g e r G a l e e r e n s t r a f e v e r u r t e i l t wurden, und s i e a 2)

werden e i n e g e w i s s e H ä u f i g k e i t gehabt haben,

.

Auch Nachlaß-

i n v e n t a r e , e i n e h ä u f i g herangezogene Q u e l l e , bergen e i n i g e bleme i n d i e s e r H i n s i c h t 6 3 ' .

Aber auch u n v o l l s t ä n d i g e

Pro-

oder

f e h l e r h a f t e Geschäftsbücher und I n v e n t a r e haben einen bestimmten Aussagewert über den m a t e r i e l l e n Wohlstand, den Umfang e i nes G e s c h ä f t s , über q u a l i t a t i v e Aspekte e i n e s Unternehmens, wie z . B . Geschäftsverbindungen, e i n z e l n e T r a n s a k t i o n e n ,

R i s i k e n und

d e r g l e i c h e n mehr. S c h w i e r i g e r i s t d i e Einschätzung der z a h l r e i c h e n von Beamten, K a u f l e u t e n , Korporationen e t c .

Denkschriften

In der Regel han-

d e l t es s i c h dabei úm V o r s c h l ä g e f ü r e i n e b e s s e r e W i r t s c h a f t s politik,

andere G e s e t z e , Klagen über d i e s c h l e c h t e Lage

einzel-

ner Branchen, d i e s e h ä u f i g verbunden mit Hinweisen auf d i e g u t e S i t u a t i o n anderer Gewerbezweige.

Daß e i n e o b j e k t i v e

Darstel-

lung der Konjunkturlage und der s o z i a l e n V e r h ä l t n i s s e n i c h t der Hauptzweck s o l c h e r "mémoires" war, l i e g t auf der Hand. ches g i l t

Ähnli-

f ü r d i e k r i t i s c h e n Bemerkungen über den ü b e r t r i e b e n e n

Luxus A n d e r e r : s o l c h e Äußerungen sind h ä u f i g unbestimmt,

eher

p a u s c h a l i s i e r e n d e Formulierung von Ressentiments a l s von p r ä z i sen Beobachtungen, und an ü b e r l i e f e r t e n K l a g e - und K r i t i k t o p o i ausgerichtet. Abschließend s e i e i n e Bemerkung gemacht über das, was n i c h t l e i s t e t werden konnte, nämlich e i n e q u a n t i f i z i e r e n d e tung von I n d i v i d u a l q u e l l e n zum L u x u s b e s i t z .

ge-

Aufarbei-

Einer der b e s t e n

Quellenbestände zu diesem Zweck i s t der M l n u t i e r C e n t r a l des N o t a i r e s , P a r i s , mit c i r c a Mietverträge,

100 M i l l i o n e n

Heiratsverträge,

Notariatsaktenstücken,

Testamente,

Nachlaßinventare...

Eine s e r i e l l e Auswertung d i e s e s Bestandes e r f o r d e r t aber entwe61)Landes 1950, 202. 62)Arrest notable ccmtre les Banqueroutiers, Ccnplices, Fauteurs & Adherens. Promoncé en Parlament l e 30.May 1673 & executé l e 7.Juln audit an & jours suivans, AN AD I I I 34. Das milde französische Konkursrecht und die geringe Bedeutung von Geschäftspapieren für die Steuerfestsetzung dürften das Interesse an der Manipulation gering gehalten haben. 63)Siehe dazu u.a.: A. Daumard: Structure sociale et classenent socio-professionnel. L'apport des archives notariales au XVIIIe et XIXe s. In: RH 227 (1962), 139-154; dies. u. F. Füret: Structures et relations sociales á Paris au milieu du XVIIIe s . , Paris 1961; siehe auch die skeptischen Bemerkungen zum Wert von Nachlaßinventaren bei J.-P. Poisson: De quelques ncwvelles utilisatians des sources notariales en histoire éconcmique (XVXIe-XXe s . ) . In: RH 249 (1973), 5-22, bes. 19ff. Poisson nimnt an, daß Schmuck, Geld etc. häufig unterschlagen »orden seien.

22

Einleitung

der die Zuarbeit durch zahlreiche Hilfskräfte oder die Beschränkung der Perspektive auf ebendiese Auswertung: erstere stand nicht zur Verfügung, letztere war nicht im Interesse unserer Fragestellung. Soweit einzelne Akten aus dem Minutier Central herangezogen werden, handelt es sich entweder um die Ergänzung anderer Materialien zu bestimmten Personen oder um Beispiele, die keine Repräsentativität beanspruchen, aber doch illustrativ sind.

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel im 18. Jahrhundert Die N a c h b a r s c h a f t

zwischen Frankreich

auch

im 1 8 . J a h r h u n d e r t

1716

liegen

del

die

nicht

ersten,

frei

amtlich

die wirtschaftspolitische

K r i e g e L u d w i g s XIV. n o c h n i c h t dauerten

nach,

hineingewachsen, Kritik gen'''' . litt,

des

Ihre

eines trotz

der Sachkultur

herrschten

1673 wurden d i e

Für das

und den

jährlichen

Orientierun-

Römische

Importe

an Modewaren,

Wein,

in einem s e i n e r

er-

Brannt-

Realistischer

Johann Joachim Becher

französischen Hersteller

Reich

Vorstellungen:

sein,

M o d e i m p o r t e a u s F r a n k r e i c h e i n e M i l l i o n G u l d e n im J a h r 2) Schlagte . F r i e d r i c h v o n L o g a u tadelte d i e d e u t s c h e n und d i e

Nachbar-

Vorbildes

vom f r a n z ö s i s c h e n V o r b i l d

80 Mio G u l d e n g e s c h ä t z t .

d i e Angabe des K a m e r a l i s t e n

die

Wirtschaftsbeziehun-

ebenso u n k l a r e wie ü b e r t r i e b e n e

auf

Jahr Han-

anti-französischen

den das H e i l i g e

durch die Abhängigkeit

und

übermächtigen aller

war

Auswirkungen

in den b ü n d n i s p o l i t i s c h e n

Über den G e l d v e r l u s t ,

wein und S a l z

Damals waren ö s t l i c h

vergessen.

dessen Einfluß

der Ausrichtung

vorgeblich

den

Offensive Colberts

in die Rolle

b e h e r r s c h e n d war

Reich A u s dem

Daten über

ökonomisch wie m a c h t p o l i t i s c h .

land war F r a n k r e i c h

gen,

ermittelten

zwischen beiden Reichen v o r .

Rheins

u n d dem A l t e n

von Spannungen.

dürfte

der

für

veranKaufer

Sinngedichte:

Frankreich hat es weit gebracht; Frankreich wird es schaffen/ Daß s o m a n c h e s L a n d u n d V o l k W i r d zu s e i n e m A f f e n . ' Die Worte griffspaar

"französisch" zu b i l d e n ,

und "Luxus"

begannen,

teressierten

Zeitgenossen

Ressentiment

und U n t e r l e g e n h e i t s g e f ü h l

sprach

in Frankreich

ein

das d i e Aufmerksamkeit des

ein

auf

sich

stehendes

Be-

an Ökonomie

in-

lenkte. auf

Selbstbewußtsein,

deutscher das

sich

Seite nicht

ental-

1)L. Reau: Le rayonnement de V e r s a i l l e s . I n : RHMC 1 (1954), 25-47; Krueden e r , 7 3 f f . , i s t d e r A n s i c h t , daß d i e R i v a l i t ä t W i e n - V e r s a i l l e s l e t z t l i c h z u g u n s t e n F r a n k r e i c h s e n t s c h i e d e n worden s e i . 2)Der e r s t e S c h ä t z w e r t b e i J . J . Becher: P o l i t i s c h e D i s c u r s , Zweyte E d i t i o n . M i t v i e r T h e i l e n v e r m e h r e t . . . , F r a n k f u r t am Mayn 1673, " N . 7 4 . F r a n t z ö s i s c h e Goldgrube/den Ständen des H. Römischen R e i c h e s e r ö f f n e t / u n d w i e derumb zugestoppf durch Herrn E v e r h a r d t Wasenberg", 8 4 6 f f . ; Bechers Angaben e b d . , "Caput IX.Von F r a n t z ö s i s c h e n / N ü m b e r g i s c h e n und Augspurgischen M a n u f a c t u m und Handel", 145. 3 ) Z i t . nach L.C. E i s e n b a r t : Kleiderordnungen d e r d e u t s c h e n S t ä d t e zwischen 1350 und 1700. E i n B e i t r a g z u r K u l t u r g e s c h i c h t e des d e u t s c h e n Bürgertums, G ö t t i n g e n und B e r l i n 1962, 86. 4 ) J o u r n a l von und f ü r D e u t s c h l a n d . D r i t t e r J a h r g a n g , 1 . S t ü c k 1786, 2 8 f f .

24

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

l e i n auf d i e a u ß e n p o l i t i s c h e F ü h r u n g s r o l l e und d i e k u l t u r e l l e Ü b e r l e g e n h e i t g r ü n d e t e , sondern auch auf den Anspruch, der w i r t s c h a f t l i c h S t ä r k e r e zu s e i n . Auf beiden S e i t e n war man s i c h e i n i g , daß d i e v e r f e i n e r t e m a t e r i e l l e K u l t u r F r a n k r e i c h s , i n s b e s o n d e r e der Luxuswarenexport, d i e s e n Anspruch mitbegründet e - Anschauungen, d i e s p ä t e s t e n s um 1700 zu den Gemeinplätzen ö k o n o m i s c h - p o l i t i s c h e r L i t e r a t u r i n Deutschland und F r a n k r e i c h gehörten. Noch 100 J a h r e nach B e c h e r s Wirken e x i s t i e r t e n d i e t r a d i e r t e n Auffassungen, m i t t l e r w e i l e zu S t e r e o t y p e n geronnen, f o r t , obowhl s i c h d i e w i r t s c h a f t l i c h e n und k u l t u r e l l e n Gewichte u n t e r d e s s e n verschoben h a t t e n . 1785 noch wurde P a r i s s e l b s t v e r s t ä n d l i c h a l s " l a source & l e modèle du goût dans l e s A r t s d'agrément & d ' u t i l i t é , comme dans l e s P r o d u c t i o n s de l ' e s p r i t " b e z e i c h n e t und g e l ä u f i g vom " f r a n z ö s i s c h e n Europa" g e s p r o c h e n . Der deutsche P a t r i o t i s m u s r e a g i e r t e g e r e i z t auf d e r a r t i g e P r ä t e n t i o n e n , durch d i e "beynahe a l l e Nationen - b i s zum Affen herabgewürdiget" würden 4 ) Daneben f i n d e n s i c h indes z a h l r e i c h e B e l e g e f ü r e i n e s e l b s t k r i t i s c h e r e Einschätzung^' der f r a n z ö s i s c h e n W i r t s c h a f t s l e i s t u n g a l l g e m e i n und s p e z i e l l der Chancen auf deutschen Märkten. Betonung der eigenen L e i s t u n g und R ü c k g r i f f auf den k l a s s i s c h e n Dekadenztopos verbanden s i c h dabei f ü r gewöhnlich zu dem Zweck, Ansprüche auf s t a a t l i c h e Unterstützung zu r e c h t f e r t i g e n . Tats ä c h l i c h haben s i c h zwischen 1650 und 1750 d i e Interdepen-denzen b e i d e r Länder zugunsten des A l t e n R e i c h e s v e r ä n d e r t ^ ' , was zum T e i l dadurch zu e r k l ä r e n i s t , daß der D r e i ß i g j ä h r i g e Krieg d i e deutsche W i r t s c h a f t zwar vorübergehend schwer g e s c h ä d i g t h a t t e , i h r e I n f r a s t r u k t u r a b e r n i c h t v ö l l i g z e r s t ö r e n k o n n t e . Was B e c h e r und s e i n e Z e i t g e n o s s e n b e o b a c h t e t e n , war n i c h t der Normalzustand des d e u t s c h - f r a n z ö s i s c h e n K r ä f t e v e r h ä l t n i s s e s 7) . WähZugleich wurde auch das in Weimar erscheinende "Journal des Luxus und der Moden" angegriffen, das jedoch nicht so frankreichhörig war, wie seine Kritiker behaupteten. - Das französische Zitat nach Cabinet des Modes, ou Les Modes Nouvelles, . . . , Paris 1785, 1; die Formel von "französischen Europa" im T i t e l der Schrift Paris, l e Modèle. 5)Kritische Stinmen gab es auch bereits zur Zèit Ludwigs XIV. Sie wurden jedoch unterdrückt, z.B. Vauban und Boisguilbert; siehe dazu allgemein W. Braeuer: Frankreichs wirtschaftliche und soziale Lage um 1700, Marburg 1968. 6)F. Lütge: Reich und Wirtschaft. Zur Reichsgewerbe- und Reichshandelspolit i k im 15.-18.Jahrhundert. In: Vortragsreihe der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e.V., H.8, Dortmund 1961. 7)Die Fähigkeit, französischen Luxus zu kaufen, war natürlich auch kein In-

1. Die Bilanz des Handels

r e n d d e s 1 8 . J a h r h u n d e r t s k o n n t e das Niveau d e s

16.Jahrhunderts

a l l m ä h l i c h w i e d e r e r r e i c h t w e r d e n , wenn auch n i c h t a u f

allen

Q )

Gebieten

und n i c h t ohne g e l e g e n t l i c h e

25

1716-1791/92

Krisenerscheinungen.

B e i d e s , d i e neugewonnene P r o s p e r i t ä t und d i e E i n b r ü c h e d e r Konjunktur, lanz,

spiegeln s i c h in der deutsch-französischen

d i e im w e i t e r e n im V o r d e r g r u n d s t e h e n s o l l ,

Handelsbi-

da d e r Waren-

v e r k e h r a u f g r u n d d e r e r h a l t e n e n Q u e l l e n noch am b e s t e n zu e r fassen i s t .

D i e Dokumentation a n d e r e r B e r e i c h e d e r

Wirtschaft

b l e i b t dagegen wegen i h r e r I n k o h ä r e n z u n b e f r i e d i g e n d , s i e in bestimmten F ä l l e n diger

z u v e r l ä s s i g e r und p u n k t u e l l

auch wenn vollstän-

ist.

Im f o l g e n d e n s o l l e n d r e i F r a g e n g e k l ä r t Wie w i c h t i g i s t d e r Luxuswarenhandel

werden:

z w i s c h e n F r a n k r e i c h und

dem A l t e n R e i c h im V e r g l e i c h zum Gesamthandel d i e s e r

beiden

Staaten? W e l c h e s s i n d d i e w e s e n t l i c h e n g e o g r a p h i s c h e n und s o z i a l e n 9) S t r u k t u r e n des

Luxusmarktes?

Wie s i n d K r i s e n b e w u ß t s e i n und K r i s e n l a g e d e r

französischen

- und i n g e r i n g e r e m Maß d e r d e u t s c h e n - W i r t s c h a f t am Ende d e s 18.Jahrhunderts

zu d e u t e n ?

1. Die Bilanz des französisch-deutschen Handels 1716 — 1791/92 1.1. Vorbemerkungen

Das Denken i n K a t e g o r i e n d e r " B a l a n c e du Commerce"

beherrschte

s e i t dem 1 7 . J a h r h u n d e r t W i r t s c h a f t s d o k t r i n und W i r t s c h a f t s p o l i tik

i n F r a n k r e i c h und i n T e i l e n d e s A l t e n R e i c h e s .

h a t t e t h e o r e t i s c h und p r a k t i s c h von E n g l a n d g e l e r n t , R e i c h l e r n t e man wiederum von F r a n k r e i c h , Territorien

im A l t e n

doch waren nur wenige

zu e i n e r r i g i d e n M e r k a n t i l p o l i t i k

Erstellung einer verläßlichen Handelsbilanz. in der Regel h i n t e r der Theorie z u r ü c k ^ ' .

Frankreich

f ä h i g oder

zur

Die P r a x i s

blieb

E i n e genaue Außen-

dikator für Antut in der Bevölkerung, a l l e n f a l l s für den Rückstand von Manufaktur und Handwerk und für die zeitweilige Überlegenheit Frankreichs a l s ftodevorbild. 8)Z.B. b e i der Ernährung konnten Quantität und Qualität der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg nicht wieder e r r e i c h t werden. 9)In diesem Kapitel wird nur ein - notgedrungen vereinfachender - tiberblick gegeben, der in T e i l I I und T e i l I I I k o n k r e t i s i e r t wird. 10)E. D i t t r i c h : Die deutschen und österreichischen Kameralisten, Darmstadt 1974; I . Bog: Der Reichsmerkantilismus. Studien zur Wirtschaftspolitik des Heiligen Römischen Reiches im 17. und 18.Jahrhundert, S t u t t g a r t 1959;

26

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

handelsstatistik ternationalen

sollte

die Erfolge der Exportwirtschaft

Konkurrenzkampf

ökonomischer S c h r i f t e n ,

meßbar machen,

aber auch a m t l i c h e r

Kriegführung mit f r i e d l i c h e r e n Mitteln war. bis

zum E n d e d e s 1 8 . J a h r h u n d e r t s

das "Balance"-Denken Aussagekraft üblicher Neid a l s P r i n z i p

internationaler

dann

daran

weniger der

Adam S m i t h s K r i t i k

unangefochten.

repräsentativ''''''' .

Die

" B a l a n c e du Commerce"

Re-

ein

Hilfsmittel.

,

1713 s a m m e l t e d i e f r a n z ö s i s c h e F i n a n z v e r w a l t u n g von

Steuereinnehmern

die Deklarationen

der

"commercans"

A u s l a n d s g e s c h ä f t e e i n - unabhängig davon, p f l i c h t i g waren oder n i c h t - , zu e r s t e l l e n .

l e d i e Angaben d e r e i n z e l n e n

ob d i e Waren

ihre

zolleine

S p ä t e r wurden a l s d i e b e s s e r e Zolldirektionen

baus des b ü r o k r a t i s c h e n Apparates

seit

sind.

verwendet, Trotz des

1781 b l i e b e n

die

g e n d e s " B u r e a u d e l a B a l a n c e du Commerce" u n z u r e i c h e n d . 1778,

den

über

um n a c h e n g l i s c h e m M u s t e r

nur fragmentarisch ü b e r l i e f e r t

got b e r i c h t e t e

ag-

fast

Bei den E n t s c h e i d u n g e n ü b e r d i e g e s e t z l i c h e

unentbehrliches

lerdings

für

Doktrin

b l i e b a u c h am J a h r h u n d e r t e n d e

g e l u n g von E i n - und A u s f u h r war d i e

Jahresbilanz

am

W i r t s c h a f t s b e z i e h u n g e n war

oder n a t i o n a l e r Abschottung bei g l e i c h z e i t i g

gressivem Exportverhalten

Seit

Wenn s i c h

etwas ä n d e r t e ,

Handelsbilanzen.

in-

Verlautbarungen

als vielmehr die naive Einschätzung

d i e h e r r s c h e n d e Meinung n i c h t territorialer

im

d e r n a c h dem T e n o r

Necker habe d i e

ihm v o r g e l e g t e n

Quel-

die

al-

AusLeistunTur-

Aufstellun-

gen " t r è s mal f a i t " b e f u n d e n , "ne p r é s e n t a n t aucun r é s u l t a t s u r 1 2 ) . l e q u e l on p û t c o m p t e r . F u r d i e Z e i t v o r 1775 i s t ü b e r h a u p t F. Lütge: A u ß e n w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e Maßnahmen des Deutschen Reiches im Z e i t a l t e r des Merkantilismus. I n : 0 . Stanmer/K.C. Thalheim ( H r s g . ) : F e s t gabe f ü r F. Bülow zum 70.Geb., B e r l i n 1960, 257-269; W. Zorn: Schwerpunkt e d e r deutschen A u s f u h r i n d u s t r i e im 1 8 . J a h r h u n d e r t . I n : Jahrbuch f ü r Nationalökonomie und S t a t i s t i k 173 (1961), 422-447; F. B l a i c h : Die W i r t s c h a f t s p o l i t i k des R e i c h s t a g s im H e i l i g e n Rönischen Reich, S t u t t g a r t 1970. 11)Adam Smith s c h r i e b damals: " n a t i o n s have been t a u g h t t h a t t h e i r i n t e r e s t c o n s i s t e d i n beggaring a l l t h e i r neighbours. Each n a t i o n has been made t o look w i t h an i n v i d i o u s eye upon t h e p r o s p e r i t y of a l l t h e n a t i o n s w i t h which i t t r a d e s , and t o c o n s i d e r t h e i r gain as i t s own l o s s . " The works (5 Bde 1811-1812), Repr. Aalen 1963 Bd 3 (=The n a t u r e and caus e s of t h e w e a l t h of n a t i o n s ) , 243f. 1 2 ) Z i t . nach: Oeuvres de Turgot e t documents l e c o n c e r n a n t , h r s g . von G. S c h e l l e , 5 Bde, P a r i s 1913-1923, Bd 5, 576; v g l . auch J . Necker: De l ' a d m i n i s t r a t i o n des f i n a n c e s de l a France, 3 Bde, (Paris) 1784, Bd 2, 1 1 5 f f . Siehe allgemein A.M. A m o u l d : De l a b a l a n c e du conmerce e t des r e l a t i o n s e x t é r i e u r e s de l a France, . . . , 3 Bde, 2 . A u f l . P a r i s 1795; des w e i t e r e n F. Lohmann: Die a m t l i c h e H a n d e l s s t a t i s t i k Englands und F r a n k r e i c h s im X V I I I . J a h r h u n d e r t . I n : S i t z u n g s b e r i c h t e d e r Königlich Preußischen Akademie d e r Wissenschaften zu B e r l i n , 2.Halbbd 1898, 859-892; M. Béaud: Le

1. Die Bilanz des Handels

1716-1791/92

27

nur e i n e nach Ländern g e o r d n e t e grobe Ü b e r s i c h t

(ab 1716)

erhal-

ten,

die nichts über Warenarten aussagt.

hörde f ü r diesen führt"^' .

Vielleicht

hat die

Zeitraum auch g a r k e i n e genauere S t a t i s t i k

Der A r b e i t s a u f w a n d war e r h e b l i c h ,

z u m a l dem

"Bureau"

durch k ö n i g l i c h e n Erlaß die Beobachtung der f r a n z ö s i s c h e n s c h a f t im H i n b l i c k a u f

d i e E n t w i c k l u n g von E x p o r t und

Bege-

Wirt-

Import

14) a u f g e t r a g e n worden war

.

Alles

in allem b e d e u t e t e

die

Balan-

auf

dem Weg

statistische

Ära"*'"' .

c e du Commerce" a b e r d o c h e i n e n w e s e n t l i c h e n von d e r p r o t o - o d e r p r ä s t a t i s t i s c h e n

in die

Schritt

Manche M ä n g e l d e r ü b l i c h e n H a n d e l s b i l a n z e n w u r d e n d a m a l s gesehen.

Auch n i c h t

verläßliche

aus.

"Nichts verursacht

dabey mehr Unge-

fahl,

lautete

die Klage.

auch d i e Auslandsausgaben

s c h a f t e n zu b e r ü c k s i c h t i g e n .

Mit s e i n e r K r i t i k

anstelle

Handelsbilanztheorie

Inlän-

Handelsgesellstand er

nicht

Produktionserhöhung

damaligen Stand der Datenerfassung

über

h i n a u s g e k o m m e n u n d emp-

des Bargeldabflusses die versäumten

zur inländischen

"Neu-

Im w e i t e von

Auch d e r K a m e r a l i s t J o h a n n G e o r g B ü s c h w a r b e r e i t s

die ursprüngliche

eine

zu S c h r e b e r s

S u b s i d i e n und f r e m d e A n t e i l e an d e u t s c h e n

allein.

schon

hätten

führte ein Beitrag

als der Schleichhandel",

ren schlug der Autor vor, dern,

"aufgeklärtesten Nationen"

Handelsbilanz,

en C a m e r a l s c h r i f t e n " wißheit,

die

Gelegenheiten

zu b e r ü c k s i c h t i g e n " ' " ' ' ' ,

beim

undurchführbar.

bureau de l a Balance du Ccnmerce (1781-1791). I n : FHES 42 (1964), 357-377 (grundlegender A r t i k e l m i t a u s f ü h r l i c h e n Quellennachweisen und L i t e r a t u r angaben) . - E i n i g e S t a t i s t i k e n d e r f r a n z ö s i s c h e n Zollbüros haben s i c h e r h a l t e n i n AN F 1 2 1665-1667. 13)R. Romano h a t d i e s e L i s t e v e r ö f f e n t l i c h t : Documenti e prime c o n s i d e r a z i o n i a l l a "Balance du ccnmerce" d e l l a F r a n c i a dal 1716 a l 1780. I n : S t u d i i n onore d i A. S a p o r i , Bd I I , Mailand 1958, 1256-1300. Ronano h a t d i e s e Aufs t e l l u n g f ü r d i e J a h r e 1776 b i s 1780 nach den e i n z e l n e n S t a t i s t i k e n d i e s e r J a h r e e r g ä n z t und d i e verschiedenen Ü b e r l i e f e r u n g e n k r i t i s c h u n t e r s u c h t . Ein Teilabdruck auch b e i Lohmann. - Die j ä h r l i c h e n Tabellen i n AN F 1 2 : 242 - 1775; 243 - 1776; 244 - d e s g l . ; 245 - 1777; 246 - 1778; 247 - 1779; 248 - 1780; 249 - 1782; 250 - 1787; 251 - 1787-1789; 252 e n t h ä l t nur Fragmente. 14) AdCdEcïR, Concernant l a Balance du Ccnmerce, Du 29 Mars 1785, AN AD XI 9. 15)Eine v e r g l e i c h b a r e L e i s t u n g haben im Alten Reich außer Preußen und den k a i s e r l i c h e n Erblanden nur noch e i n i g e H a n d e l s s t ä d t e , d i e nur e i n k l e i n e s T e r r a i n k o n t r o l l i e r e n mußten, e r b r a c h t ; L i t e r a t u r h i n w e i s e dazu v g l . oben E i n l e i t u n g , Anm.58, sowie: E. Baasch(Hrsg.): Quellen zur Geschichte von Hamburgs Handel und S c h i f f a h r t im 1 7 . , 18. und 1 9 . J a h r h u n d e r t , Hamburg 1908-1910; P. J e a n n i n : Les c a n p t e s du Sund ccmme source pour l a c o n s t r u c t i o n d ' i n d i c e s généraux de l ' a c i t i v i t é économique en Europe (XVI-XVIIIe s . ) . I n : RH 231 (1964), 55-102, 307-340; W. Kresse: M a t e r i a l i e n zur E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e d e r Hamburger H a n d e l s f l o t t e 1765-1823, Hamburg 1966; F. L ü t g e ( H r s g . ) : Die w i r t s c h a f t l i c h e S i t u a t i o n i n Deutschland und Ö s t e r r e i c h um d i e Wende vcm 18. zum 1 9 . J a h r h u n d e r t , S t u t t g a r t 1964.

28

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

E i n e r s t e s P r o b l e m s i n d W a r e n w e r t e und P r e i s e n t w i c k l u n g . Nach damaliger Auffassung ging die Zollpraxis bei der Wertermittlung " m e h r e n t h e i l s w e i t eby d e r W a h r h e i t v o r b e y " ' ' ' ^ ' , w i e d i e s c h e m a t i s c h e B e w e r t u n g z . B . von P o r z e l l a n i n d e r f r a n z ö s i s c h e n B i l a n z z e i g t , d a s beim E x p o r t n a c h D e u t s c h l a n d m e i s t e n s m i t 5 1 . / P f u n d a n g e s e t z t wurde. I m p o r t i e r t e s P o r z e l l a n dagegen, das R e s t r i k 1 o\ t i o n e n u n t e r l a g , wurde g e n a u e r ü b e r p r ü f t . War d i e P a u s c h a l b e w e r t u n g i n d i e s e m F a l l schon f r a g w ü r d i g , was b e i den g e r i n g e n E x p o r t q u a n t i t ä t e n w e n i g e r i n s G e w i c h t f i e l , s o muß d e r F e h l e r b e i einem M a s s e n a r t i k e l w i e S e i d e g r ö ß e r gewesen s e i n . Hier p e n d e l t e s i c h i n den 1 7 7 0 e r J a h r e n e i n e B e w e r t u n g um 55 je Gewichtspfund e i n . Kompliziertere S t o f f m u s t e r jedoch bedeute19) ten einen weit höheren F a b r i k a t i o n s w e r t . Es i s t u n w a h r s c h e i n l i c h , daß d i e Z o l l b e h ö r d e n zu s o l c h d i f f e r e n z i e r t e r P r ü f u n g d e r W a r e n d e k l a r a t i o n e n i n d e r Lage w a r e n . D a r ü b e r h i n a u s w i r f t d a s Wachstum d e s f r a n z ö s i s c h e n A u ß e n h a n d e l s d i e Frage a u f , in welcher R e l a t i o n bloße I n f l a t i o n , Warenwertzuwachs und mengenmäßige A u s w e i t u n g d e s H a n d e l s an d e r E n t w i c k l u n g b e t e i l i g t waren. Die L ü c k e n h a f t i g k e i t d e r H a n d e l s b i l a n z , d i e a u c h n a c h 1775 Mengen- und W e r t a n g a b e n n i c h t d u r c h g e h e n d v e r z e i c h n e t , e r l a u b t keine p r ä z i s e Antwort. Hinzu kommt, daß w i r n i c h t w i s s e n , ob und g e g e b e n e n f a l l s w i e s c h n e l l k u r z f r i s t i g e P r e i s s p i t z e n oder m i t t e l f r i s t i g e I n f l a t i o n s t e n d e n z e n in die Bilanz

eingingen

20)

16JD.G. Schreber: Neue Cameralschriften, Siebenter Theil, Leipzig 1767, dar i n : Herr Joh. Friedrich Kryger von Handelsbalancen. Aus dem e r s t e n Theile seiner Gedanken übersetzt, 90-104, die z i t i e r t e n Passagen 9 5 f . ; J.G. Büsch: Abhandlung von dem Geldumlauf in anhaltender Rücksicht auf die S t a a t s w i r t s c h a f t und Handlung, 2 Teile, Hamburg und Kiel 1800, Teil 2, 245ff. - Zur heutigen K r i t i k an den französischen Quellen siehe E i n l e i tung, 2 0 f . , sowie ebd. Anm.58 und 61. Die Daten aus der französischen Handelsbilanz werden von einigen Historikern a l l e r d i n g s durchaus unbefangen benutzt. z.B. E. Labrousse u . a . : Histoire econcmique e t s o c i a l e de l a France. Bd I I : Des d e m i e r s tsnps de l ' ä g e seigneurial aux preludes de l ' ä g e i n d u s t r i e l (1660-1789), P a r i s 1970; siehe auch A. Remond: Trois b i lans de l'economie f r a n c ä i s e au tsnps des theories physiocratiques. In: RHES 35 (1957), 416-456! 17)Schreber, 95. 18)AN F 1 2 242ff. 19)Ebd. - Die Kosten waren u.U. so hoch, daß die Einrichtung neuer Muster sich e r s t bei Auftragshöhen von mehreren tausend oder Talern r e n t i e r t e . So hieß es in einer preußischen Verordnung: "Wann ein Haupt-Verleger bey einem Fabricanten einen Stuhl von neuen a u f r i c h t e n l ä ß t , i s t derselbe gehalten, wenigstens 150 Ellen b r o c h i r t e Arbeit bey ihm v e r f e r t i g e n zu l a s sen; . . . " . Reglement f ü r d i e Gold- und S i l b e r - E t o f f e s - auch Seiden- und Sanmt-Fabriquen in B e r l i n . De dato Berlin, den 15ten Mart.1766, Artic.XX.

1. Die Bilanz des Handels

Die A u f s c h l ü s s e l u n g d e r E x p o r t g ü t e r renarten änderte eine d e t a i l l i e r t e

sich

n a c h E m p f ä n g e r l a n d u n d Wa-

in kurzen Abständen,

Konjunkturbeurteilung.

Jahre hin wird der Warenkatalog ches v e r f e i n e r t wird,

ein Hindernis Zum E n d e d e r

zu w e r d e n .

Welchen

d i e f r a n z ö s i s c h e n Behörden zwischen den " E t a t s und " A u t r i c h e " m a c h t e n , weilige

bleibt

t e r wieder aufgegeben wird, bilanz

de

l'Empereur"

und " P o l o g n e " ,

ohne daß k l a r w ü r d e ,

f ü r das A l t e Reich wird dadurch b e r e i t s

Transithandel

die

unter

unterschiedlich

dessen t e r r i t o r i a l e

deckten.

Necker beschwerte

beteiligt

f a s t unmöglich

sich nicht mit sich,

seinen

.

ä 1'instar

effectiv" nicht

Das h e i ß t ,

daß f r a n z ö s i s c h e P r o d u k t e aus b e s t i m m t e n die Zollgrenze

ins

frandes

Zollgrenzen

"provinces

d a r u n t e r E l s a ß und L o t h r i n g e n ,

unregel-

Auf

daß d i e H a n d e l s b i l a n z

de l ' E t r a n g e r

Da

- am

z ö s i s c h e r S e i t e e r g e b e n s i c h P r o b l e m e a u s dem Z o l l s y s t e m Landes,

Gesamt-

erschwert.

v o r a l l e m nach O s t - und S ü d o s t e u r o p a

Binnenverbrauchs

zeitspä-

welcher

Eine

wird eine d i f f e r e n z i e r t e Einschätzung des räumlich . . 2 1 )

maßig v e r t e i l t e n

der

Unterschied

von da ab e i n z u o r d n e n w ä r e .

das A l t e Reich aber auch - t e r r i t o r i a l war,

Rei-

nur in

ebenso u n e r f i n d l i c h wie die

Zusammenlegung von "Allemagne"

Rubrik der Polenhandel

während

Gliederung des Alten

n u r um 1 7 8 8 - m ö g l i c h e r w e i s e

Nomenklatur - e r n e u t geändert

für

1780er

zunehmend v e r e i n f a c h t ,

a b 1782 d i e p o l i t i s c h - g e o g r a p h i s c h e

29

1716-1791/92

die

erfasse. Provinzen,

Innere

Frank-

i n : Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium. Bd IV: 1766 b i s 1770, B e r l i n 1771, No.28. 20)Die K o r r e l a t i o n Warentyp/Warenwert s o l l t e f ü r d i e f r a n z ö s i s c h e S t a t i s t i k nach Durchschnittswerten aufgrund d e r Angaben aus verschiedenen S t ä d t e n e r m i t t e l t werden. Für s e i n e v e r g l e i c h e n d e Ü b e r s i c h t des f r a n z ö s i s c h e n Außenhandels 1716-1787 r e c h n e t e Amould d i e Zahlen f ü r 1716 auf " l e taux a c t u e l de 54 l i v . l e marc d ' a r g e n t " um. Zwischen 1716 und 1720 h a t t e e s nach s e i n e n Angaben 21 v e r s c h i e d e n e Münzfüße zwischen 35 und 131 J ^ gegeben, Bd 3, Anhang, Tab.10. - Für d i e hamburgische S t a t i s t i k , d i e f ü r den Frankreichhandel große Bedeutung h a t , konnte J e a n n i n z e i g e n , Haft s i c h d i e Warenschätzpreise s e i t 1777 d r a s t i s c h e r h ö h t e n : Die Hansestädte im europäischen Handel des 1 8 . J a h r h u n d e r t s . I n : Hansische G e s c h i c h t s b l ä t t e r 89 (1971), 41-73, b e s . 50. 21)Die von Rcmano und Lohmann v e r ö f f e n t l i c h t e A u f s t e l l u n g f ü r d i e J a h r e 1716 b i s 1775 u n t e r s c h e i d e t zwischen "Allemagne", "Flandre A u t r i c h i e n n e " und "Nord" wie auch d i e S t a t i s t i k e n d e r folgenden J a h r e b i s e i n s c h l i e ß l i c h 1780, AN F 1 2 242-248. 1782 g i b t e s f ü r den "deutschen" Raum folgende Unt e r t e i l u n g e n : " V i l l e s a n s e a t i q u e s " , " E t a t s de l'Empereur", "Allemagne e t Pologne" und " P r u s s e " , F 1 2 249bis, d g l . f ü r 1788 F* 2 250; im J a h r 1788 l a u t e n d i e E i n t e i l u n g e n " P r u s s e " , " E t a t s d'Allemagne", " V i l l e s a n s e a t i ques" und " A u t r i c h e " , F 1 2 251, was auch 1789 b e i g e r i n g f ü g i g g e ä n d e r t e r Schreibweise b e i b e h a l t e n w i r d . - Allgemein dazu: H. Kellenbenz: Der d e u t sche Außenhandel gegen Ausgang des 1 8 . J a h r h u n d e r t s . I n : Lütge 1964, 4-60; W. Zorn: Probleme d e r deutschen Gewerbe- und Handelsgeschichte 1650-1800.

30

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

r e i c h s a l s Fremdimport d e k l a r i e r t ü b e r s c h r i t t e n , während s i e Reichsgrenze passierten, Export zu erscheinen

ohne in der f r a n z ö s i s c h e n B i l a n z

die

als

22)

Ein w e i t e r e s Problem s t e l l t der Schleichhandel dar, t e i l s von Händlern m i t t e l s F a l s c h d e k l a r a t i o n e n b e t r i e b e n , landsreisenden,

t e i l s von Aus-

d i e aus P a r i s z . B . Schmuck und Seide mitnahmen,

t e i l s aber auch von gut o r g a n i s i e r t e n Schmugglerbanden unternommen, d i e sogar Versicherungen gegen d i e K o n f i s k a t i o n von Kontrabande anboten.

Die Behörden b l i e b e n umso m a c h t l o s e r , a l s 23)

Bevölkerung den Schmuggel kaum a l s i l l e g a l lauf

empfand

.

des 18.Jahrhunderts wurde der p r o f i t o r i e n t i e r t e

handel w i c h t i g e r a l s der Schmuggel aus N o t .

die

Im V e r -

Schleich-

Die Außenhandels-

p o l i t i k gab damit z u g l e i c h auch d i e R i c h t l i n i e n f ü r d i e Konjunkturen des Schmuggels ab.

Eine Abschätzung s e i n e s Umfanges

kaum m ö g l i c h , und d i e Werte, d i e von Zeitgenossen werden, scheinen s p e k u l a t i v .

ist

mitgeteilt

Im übrigen müssen s i c h

Schleich-

handel und l e g a l e r Außenhandel k o n j u n k t u r e l l n i c h t analog

ent-

wickeln^' . Man w i r d mithin n i c h t f ü r j e d e Schwankung in der Handelsbilanz e i n e w i r t s c h a f t s g e s c h i c h t l i c h e Erklärung suchen d ü r f e n .

Welchen

Wert hat nach alledem d i e f r a n z ö s i s c h e "Balance du Commerce"? Die Frage hat zwei A s p e k t e :

zum einen handelt es s i c h um das

eher technische Problem, d i e Mängel der S t a t i s t i k tigen,

Das b e d e u t e t :

Entwicklungen,

1 . V e r z i c h t auf d i e Erklärung

zu b e r ü c k s i c h kurzfristiger

s o w e i t n i c h t aus anderen Quellen e i n e

Interpreta-

In: 0. Brunner u.a.(Hrsg.): Fs. H. Aubin zum 80.Geb., 2 Bde, Wiesbaden 1965, 303-319. 22)Eine Karte der verschiedenen Zollgebiete Frankreichs bei Necker 1781, Anhang; v g l . im übrigen die in der Einleitung, Anm.49, genannte Literatur. Bezüglich der als Zollausland behandelten Provinzen gibt es Ansätze, Exporte und Importe in der Handelsbilanz gesondert aufzuführen, was aber nicht konsequent gehandhabt worden i s t , z.B. für 1782 in AN F^-2 249bis, auch für andere Jahre. Auch in den Fragmenten der Zollregister finden sich solche Hinweise, z.B. ein Eintrag über Möbel aus "Ports et pays de France, ä 1'instar de l'Etranger", AN F 12 1665. 23)Necker beklagte sich, daß die Handelsbilanz weder den Umfang der "fausses declarations" noch den der "contrebande" abzuschätzen versuche, 1784, Bd 2, 137. Arnould berichtet, daß vor allem "bijouterie" und " j o a i l l e r i e " von Reisenden aus Frankreich herausgeschmuggelt würden, Bd 2, 141. Vgl. auch H.-J. Lüsebrink: Kriminalität und Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts, Wien und MUnchen 1983, über die Heroisierung des Kontrebandiers Mandrin, 36-64. - Siehe auch die nächste Fußnote! 24)M.-H. Bourquin/E. Hepp: Aspects de la contrebande au XVIIIe s . , Paris 1969; W.A. Cole: Trends in 18th Century smuggling. In: EHR 10 (1957-1958) 395-409.

1. Die Bilanz des Handels 1716-1791/92

tion,

z.B. als Wirtschaftskrise,

31

p l a u s i b e l gemacht werden kann;

2 . V o r s i c h t b e i der Deutung q u a n t i t a t i v g e r i n g f ü g i g e r Konjunkturphänomene; 3.Beschränkung auf d i e l ä n g e r f r i s t i g e n Tendenzen, e i n e Untergrenze des t a t s ä c h l i c h e n Handelsvolumens

die

bezeichnen,

und 4.Ergänzung der f r a n z ö s i s c h e n Handelsbilanz durch w e i t e r e Quellen.

Zum anderen i s t der I n d i k a t o r w e r t der Außenhandelskon-

junkturen f ü r Inlandsproduktion und -verbrauch sowie f ü r d i e w i r t s c h a f t l i c h e Gesamtlage zu bestimmen.

Die auch in Frankreich

noch u n v o l l e n d e t e n a t i o n a l e Abschließung,

der

fragmentarische

Charakter r e g i o n a l e r oder l o k a l e r Märkte und d i e ne B i n n e n i n t e g r a t i o n der u n t e r s c h i e d l i c h e n

unabgeschlosse-

Wirtschaftszweige

zwingen zur V o r s i c h t b e i A n a l o g i e s c h l ü s s e n :

das "ökonomische An-

c i e n Regime" b e d e u t e t auch U n g l e i c h z e i t i g k e i t 25) Wirtschaftssektoren

der verschiedenen

1.2. Die Aussagen der deutsch-französischen Handelsbilanz 1716—1791/92 — Ein Oberblick

Die z w e i t e H ä l f t e der R e g i e r u n g s z e i t Ludwigs XIV. insbesondere durch den Spanischen E r b f o l g e k r i e g ,

bedeutete, für Wirtschaft

und ö f f e n t l i c h e Finanzen Frankreichs einen R ü c k s c h r i t t d i e E r f o l g e der Jahre 1660-1683.

hinter

N i e w i e d e r im 18.Jahrhundert

s o l l t e der f r a n z ö s i s c h e Außenhandel auf einen so n i e d r i g e n Stand z u r ü c k f a l l e n wie 1716.

Für d i e l e t z t e n Jahre v o r dem F r i e d e n

von U t r e c h t d ü r f t e s e i n Umfang noch g e r i n g e r gewesen s e i n ,

auch

wenn das A l t e R e i c h , Hauptgegner und z u g l e i c h e i n e r der bedeutendsten Handelspartner F r a n k r e i c h s , schaftskrieg geführt hatte.

keinen konsequenten W i r t -

Die rasche und d a u e r h a f t e Erholung

des d e u t s c h - f r a n z ö s i s c h e n Handels s p r i c h t d a f ü r , daß d i e Jahrzehnte um d i e Wende vom 17. zum 18.Jahrhundert d i e

Baisseperio-

de in einem langgezogenen Aufschwung der Außenhandelsbeziehungen m a r k i e r t e n .

Zwei g e g e n l ä u f i g e Tendenzen s e t z e n den Bedin-

gungsrahmen, in dem s i c h d i e s e r säkulare Trend e n t f a l t e n

sollte:

während der Rhythmus von Handel, g e w e r b l i c h e r Produktion und Geldumlauf s i c h b e s c h l e u n i g t e , des Merkantilismus,

drohte d i e

Außenhandelspolitik

den vormals europäischen Markt zu fragmen-

25)Zum Problem der Binnenverflechtung und der sektoralen Integration siehe u.a.: Jeannin 1964; M. Morineau: Les faux-semblants d'un démarrage économique: Agriculture et démographie en France au XVIIIe s., Paris 1971; H. van der Wee: La mesure de la productivité sous l'Ancien Régime. In: Revue de l ' I n s t i t u t de Sociologie 45 (1972), 223-227; W. Zom: Binnenwirtschaftliche Verflechtungen um 1800. In: Lütge 1964, 99-109.

32

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

tarisieren. Unter diesem Gesichtspunkt mußte den Unterschieden in der territorialen Struktur zwischen Frankreich und dem Alten Reich erhöhte Bedeutung zukommen. Während der Umfang der französischen Exporte ins Alte Reich kurzfristig auffällig schwankt, zeigen sich langfristig - über einen Zeitraum von immerhin 76 Jahren - wenig Veränderungen. Man kann davon ausgehen, daß das säkulare Wachstum zum Teil auf Inflation, zum Teil auf Qualitäts- und Quantitätszunähme beruht, wogegen die kurzzeitigen Schwankungen im wesentlichen krisenbedingten Teuerungen und Kriegsereignissen zuzuschreiben sind. Es ist nicht anzunehmen, daß die technischen Bedingungen von Produktion und Transport oder die im Normalfall verfügbare Kaufkraft im Empfängerland ein extremes Kurzzeitwachstum zuließen. Allerdings sind ab etwa 1750 eine Zunahme der durchschnittlichen Schwankungen und eine geringfügig höhere Wachstumsrate zu konstatieren, die für die Jahre 1781 bis 1786, eine Phase rapiden Aufschwungs, nur unzulänglich dokumentiert sind. Dasselbe gilt für den Zusammenbruch nach 1789. Auffällig sind die Zwischenmaxima von 1754, 1762, 1766, 1771 und 1777 sowie das vermutlich absolute Maximum von 1788, daneben die ausgeprägten Zwischenminima von 1734, 1757, 1763, 1769 und 1780. Die Importe aus dem Alten Reich verhalten sich dagegen in mancher Hinsicht anders. Zum einen ist der Verlauf der Kurve bedeutend ruhiger mit nur zwei Zwischenmaxima 1724 - das einzige Jahr, in dem Frankreich gegenüber dem Alten Reich einen Passivsaldo hinnehmen muß - und 1752, die jedoch nicht so deutlich sind wie bei den Exporten, und ohne die auffallenden Tiefpunkte. Zum anderen halten die Importe nach einem ersten Aufschwung von 1716 bis 1724 nicht mit den Exporten Schritt. Die Jahre 1726 bis 1747 bezeichnen eine Stagnationsphase, die vorübergehend in den 1750er Jahren, endgültig aber erst ab 1767 überwunden wird. So zerfällt die Entwicklung der Importe in zwei Abschnitte, von 1716 bis 1767 und von 1767 bis 1789, die sich im absoluten und relativen Wachstum deutlich voneinander unterscheiden. Im Langzeitvergleich bleiben die Importe hinter den Exporten zurück, wie ein Vergleich der Werte für 1716 und 1789 belegt. Die Differenz ist jedoch am Ende des Siebenjährigen Krieges am größten, während das Alte Reich in den 1780er Jahren als Exporteur in Richtung Frankreich aufholt. Im Gesamthandel Frankreichs nahm der Austausch mit dem östli-

1. Die Bilanz des Handels 1716-1791192

33

chen Nachbarn immer eine hervorragende Stelle ein, woran Ausfuhr und Einfuhr nicht gleicherweise beteiligt waren. Letztere schwankte zwischen dem Minimalwert von 5,58% (1771) und dem Maximalwert von 20,38% (1725), während die Exportanteile durchschnittlich höher lagen und gleichmäßiger ausfielen (1720 Minimalwert 13, 64%, 1762 Maximalwert 35,84%). Abgesehen von der Stagnationsphase der Jahrhundertmitte entwickelten sich die deutsch-französischen Handelsbeziehungen im Rahmen des französischen Gesamthandels überaus günstig. Wenige andere Handelspartner boten - nach den Begriffen des "Balance"-Denkens - so gute Bedingungen wie die deutschen Territorien. Unter Berücksichtigung der erwähnten Unzulänglichkeiten in der geographischen Zuordnung der Warenströme lassen sich innerhalb des Alten Reiches drei Gebiete unterscheiden, deren Außenhandelskonjunkturen immerhin einige charakteristische und erklärbare Strukturbesonderheiten zeigen: 1."Allemagne" - diese Kategorie kommt bis 1780 sowohl in den Jahrestableaus wie in der großen Ubersicht Bruyards aus dem Jah2c \ re 1773 vor Nach 1780 werden Preußen und Polen, die 1782 zum ersten Mal separat aufgeführt sind, in diese Kategorie, in der sie vorher offensichtlich mitinbegriffen waren, miteinbezogen; 2."Nord" - von 1716 bis 1780 bei Bruyard und nach den jährlichen Tabellen eine Abteilung, die trotz anderslautender fiuße27) rungen offensichtlich vor allem die vier Hansestädte Hamburg, Bremen, Lübeck und Danzig enthält und seit 1782 auch unter der Bezeichnung "Villes anséatiques" weitergeführt wird; 3."Flandre Autrichienne" - eine Rubrik, die nur bis 1780 existiert und ab da in "Autriche" bzw. "Etats de l'Empereur" aufgeht, die ihrerseits vor 1780 unter "Allemagne" gruppiert waren. Diese Verschiebungen, das Problem des Transithandels und die Lücken 1781 und 1783-1786 müssen die Aussagekraft der folgenden Ausführungen relativieren. Die drei auf diese V/eise erstellbaren Teilkurven für die französischen Exporte unterscheiden sich weniger voneinander als die Importkurven. Auffällig ist es, daß der Handel mit dem Ziel26)AN F 1 2 634 A; vgl. auch Romano. 27)Amould gruppiert in den Tabellen im Anhang seines Werkes Schweden, Dänemark, Rußland und die vier Hansestädte zusammen als "Contrées du Nord", während die von uns hauptsächlich benutzte und auch von Romano publizierte Obersicht mit Ausnahme der Hansestädte für diese Gebiete eigene Kategorien aufweist.

34

1. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

gebiet "Nord" zum einen erst eigentlich die ausgeprägtesten Schwankungen in das Gesamtbild trägt und zum anderen in sehr vielen Jahren - gemessen am Umfang des Bestimmungsgebietes den Hauptanteil ausmacht. Es muß sich dabei also im wesentlichen um Transitverkehr handeln, da die Hansestädte selber keinen entsprechenden Eigenkonsum bieten konnten. Die österreichischen Niederlande stellten einen ähnlich reichen Markt für französische Exporte dar, der an Einwohnerzahl und Gebietsgröße gemessen dichter als im Reichsdurchschnitt war. Die geographische Lage der "Flandre Autrichienne" deutet ebenfalls auf einen hohen Anteil von Durchgangshandel hin. Der Konjunkturverlauf ist auch hier wieder durch kurzlebige Aufschwünge bestimmt, die sich um die Jahrhundertmitte häufen. Weitgehend synchron dazu verläuft auch die Exportkurve für "Allemagne", in der gleichfalls die Spitzenwerte der 1770er Jahre fehlen. Die Ungleichwertigkeit der drei "deutschen" Gebiete wiederholt sich, wenn auch abgeschwächt, in der französischen Importstatistik. Der Anteil der "Flandre Autrichienne", die dreimal, 1724 1735 und 1743, eine positive Bilanz gegenüber Frankreich hatte, verbessert das deutsch-französische Balanceverhältnis von ca. 28)

23% auf etwa 35% . Gegenüber den beiden fast gleichartig verlaufenden Kurven für "Allemagne" und "Flandre Autrichienne" zeichnen sich die "Nord"-Importe durch schärfer betonte Bewegungen und ein Zwischenmaximum um 1750 aus, das sich in den beiden anderen Kurven auch nicht andeutungsweise wiederfindet. Die Hausse der 1770er Jahre beruht dann vor allem auf den Importen aus den österreichischen Niederlanden, während der Seehandel praktisch stagniert und "Allemagne" einen bescheidenen Aufschwung erlebt. Soweit die Lückenhaftigkeit der Daten aus den 1780er Jahren eine Aussage gestattet, bestimmen ähnliche Verhältnisse auch den beschleunigten Aufschwung dieser Dekade, doch wird man lokale Besonderheiten immer berücksichtigen müssen 29) über die Warenarten informieren die einschlägigen Quellen weniger gut als über deren Wert. Dies ist umso bedauerlicher, als nicht nur die merkantilistischen Theorien über den Außenhandel mit ihrer unterschiedlichen Bewertung von Rohstoffen und Fer28) Die Prozentsätze beziehen sich auf die Höhe der französischen Irrporte gemessen an den Exporten ins Alte Reich. 29)Siehe in diesen Teil Anm.20J für Hamburg speziell Baasch und Kresse.

1. Die Bilanz des Handels 1716-1791/92

35

tigwaren auf d i e gewerbe- und z o l l p o l i t i s c h e P r a x i s d u r c h s c h l u g e n , sondern auch f ü r d i e Einschätzung des d e u t s c h - f r a n z ö s i schen V e r h ä l t n i s s e s und des w i r t s c h a f t l i c h e n

Entwicklungspoten-

t i a l s b e i d e r Länder s o l c h e K e n n t n i s s e w i c h t i g wären. F r a n z ö s i s c h e r s e i t s wurden d i e E x p o r t e r f o l g e besonders der Manuf a k t u r p r o d u k t i o n b e t o n t , auf d e u t s c h e r S e i t e war ebendies e i n Ansatzpunkt a n t i - f r a n z ö s i s c h e r K r i t i k , d i e s i c h indes auch s e l b s t k r i t i s c h äußern k o n n t e . Die Handelsbilanz von 1716 w i d e r l e g t d i e s e E i n s c h ä t z u n g e n : b e i den Importen aus Deutschland und den " C o n t r é e s du Nord" machten hochwertige F e r t i g w a r e n etwa 40% des Gesamtwertes a u s , während d i e f r a n z ö s i s c h e n Exporte zu weniger a l s 10% aus v e r g l e i c h b a r e n Produkten, aber zu nahezu 60% aus Lebens- und Genußmitteln a l l e r A r t , jedoch noch keinen t y p i s c h e n Kolonialwaren b e s t a n d e n . B i s 1787 ä n d e r t e s i c h d i e S t r u k t u r der f r a n z ö s i s c h e n Exporte vor a l l e m i n zwei Punkten: 1 . D i e Kolonialwaren machten nunmehr e i n e n e r h e b l i c h e n T e i l a u s . Die hamburgischen Seeimporte aus F r a n k r e i c h lagen z . B . zwischen 1766 und 1776 j ä h r l i c h zwischen 21 und 28 Mio davon der g r ö ß t e T e i l K o l o n i a l w a r e n , Wein und O b s t . 2.Gegenüber den Rohs t o f f e n a l l e r Art waren hochwertige T e x t i l p r o d u k t e und andere F e r t i g w a r e n i n den Vordergrund g e t r e t e n . Das A l t e Reich a l s E x p o r t e u r vermochte indes m i t d i e s e r q u a l i t a t i v e n Entwicklung S c h r i t t zu h a l t e n und Umfang wie I n h a l t des Warenangebots zu erweitern. Neben den t r a d i t i o n e l l e i n g e f ü h r t e n F e r t i g p r o d u k t e n kamen nun auch f ü r d i e f r a n z ö s i s c h e I n d u s t r i e w i c h t i g e R o h s t o f f e durch d i e Vermittlung der Nordeuropäer nach F r a n k r e i c h 3 ® ' . Für d i e t y p i s c h e n Luxusgüter wie Prunkmöbel, P o r z e l l a n , S e i d e , Schmuck, S i l b e r w a r e n u . ä . l ä ß t s i c h der K o n j u n k t u r v e r l a u f n i c h t anders a l s p u n k t u e l l e r f a s s e n . Im Widerspruch zu l a n d l ä u f i g e n V o r s t e l l u n g e n von der Dominanz f r a n z ö s i s c h e r Exporte stehen Maßnahmen der f r a n z ö s i s c h e n Regierung und Äußerungen von Kaufleuten. D e n k s c h r i f t e n aus Lyon (1760) und Nîmes (1781) erwähn30)Eine wichtige Rolle dabei hat Hamburg gespielt. - Zur strukturellen Entwicklung des französischen Außenhandels vgl. außer der Darstellung bei Amould M. Marineau: Trois contributions au colloque de Göttingen. In: E. Hinrichs u.a.(Hrsg.): Van Ancien Régime zur Französischen Revolution, Göttingen 1978, 374-419, sowie die Beiträge in: Aires e t structures du ccrcmerce français au XVIIIe s . , sous la direction de P. Léon. Colloque national de l'association française des historiens économistes, Paris 1973. - Die Angaben über den französisch-hairburgischen Handel in BN, Nouvelles acquisitions, Ms. Français 20096, fol.95 r ° . Weiteres Datenmaterial reproduziert bei Baasch und Kresse sowie in den einschlägigen Bestanden der AN und AMAE.

36

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

t e n d i e w a c h s e n d e e i n h e i m i s c h e K o n k u r r e n z auf den d e u t s c h e n 31 ) Märkten ; i n den 1 7 4 0 / 5 0 e r J a h r e n d i e n t e n d i e hohen P o r z e l l a n i m p o r t e a u s dem A l t e n R e i c h a l s Argument f ü r d i e Forderung nach 32 ) Ausbau d e r e i g e n e n K e r a m i k i n d u s t r i e ; und ab den 1 7 6 0 e r J a h r e n nahm d e r Zustrom d e u t s c h e r Schmuckwaren s o z u , daß e i n e " D é c l a r a t i o n du R o i " s i c h d a m i t b e f a s s e n m u ß t e ^ ' . Auch d i e f r a n z ö s i s c h e n E x p o r t e i n s A l t e R e i c h ä n d e r t e n s i c h n a c h Menge und W a r e n a r t . Noch 1749 b e f a n d e n s i c h u n t e r den n a c h F l a n d e r n a u s g e f ü h r t e n Luxuswaren n u r g e r i n g e Mengen Möbel und P o r z e l l a n und k e i n e S e i d e n s t o f f e . 1768 s p i e l t e d e r e n E x p o r t ü b e r L i l l e und V a l e n c i e n n e34) s i n R i c h t u n g F l a n d e r n und Hennegau b e r e i t s e i n e große R o l l e . Soweit s i c h aus solchen v e r s t r e u t e n H i n w e l s e n , den B e s c h w e r d e n d e u t s c h e r K a m e r a l w i s s e n s c h a f t l e r und P a t r i o t e n s o w i e d e r ü b e r o p t i m i s t i s c h e n S e l b s t e i n s c h ä t z u n g mancher f r a n z ö s i s c h e r L i t e r a t e n und W i r t s c h a f t s l e u t e e i n z u t r e f f e n d e s B i l d d e r f r a n z ö s i s c h e n Luxuswarenexporte nach D e u t s c h l a n d ü b e r h a u p t e r s t e l l e n l ä ß t , müssen d i e s e s c h o n v o r 1775 b e t r ä c h t l i c h e Höhe e r r e i c h t , i h r e n Höhepunkt m ö g l i c h e r w e i s e s o g a r s c h o n ü b e r s c h r i t t e n h a b e n . Aber a u c h d e u t s c h e E x p o r t e d ü r f t e n i n g r ö ß e r e m Umfang, a l s e s s p ä t e r d i e a u s f ü h r l i c h e r e H a n d e l s s t a t i s t i k der 1770/80er J a h r e r e g i s t r i e r t e , f r a n z ö s i s c h e Märkte e r r e i c h t haben. 1.3. Eine Nahaufnahme: der deutsch-französische Luxuswarenhandel 1775—1791/92

Die E n t w i c k l u n g d e r f r a n z ö s i s c h e n E x p o r t e u n t e r s c h e i d e t

sich

b e i den L u x u s p r o d u k t e n i n d r e i P u n k t e n w e s e n t l i c h von d e r Au31(Mémoire sur l'Envoi des Echantillons de l a Fabrique de Lyon, o.O. 1760, 2 0 f . ; Mémoire des Fabricans de bas, e t a u t r e s ouvrages de bonneterie de l a v i l l e de Nismes, und das i n h a l t l i c h sehr ähnliche Mémoire des Marchands Fabricans & f a i s a n t fabriquer l e s é t o f f e s de soie de Nismes, b e i de o.O., wahrscheinlich 1781; siehe auch in diesem Teil Kap.3. 32)Siehe dazu unten T e i l I I I , Kap.2.1. 33)Déclaration du Roi, Concernant l e caimerce des ouvrages d'Or & d'Argent venant de l ' E t r a n g e r . Donnée à V e r s a i l l e s l e 9 Septembre 1769, AN AD+ 986. - Wichtig in Deutschland war dabei d i e Pforzheimer I n d u s t r i e ; siehe dazu: P. Gerstner: Die Entwicklung der Pforzheimer B i j o u t e r i e - I n d u s t r i e von 1767 b i s 1907, Diss. Tübingen 1908; J.G.F. P f l ü g e r : Geschichte der Stadt Pforzheim, Pforzheim 1862. 34)BN, Nouvelles a c q u i s i t i o n s . Ms. Français 20538, f o l . 5 1 r°-97 rO; AdCdEdR Qui ordonne l ' e x é c u t i o n des Rêglemens y énoncés, concernant l e s E t o f f e s de s o i e , & mêlées de soie & d ' o r & d ' a r g e n t , l e s Draps & E t o f f e s de l a i ne, de p o i l & f i l , & mêlées de l a i n e , de s o i e , p o i l , f i l , coton & a u t r e s

1. Die Bilanz des Handels

ßenhandelskonjunktur im a l l g e m e i n e n 3 5 ' .

37

¡716-1791/92

Zum einen f e h l e n wäh-

rend der zweiten H ä l f t e der 1770er Jahre d i e ansonsten zu beobachtenden starken Schwankungen: d i e d u r c h s c h n i t t l i c h e

Verände-

rung zwischen zwei Jahren l i e g t um 17%, das g r ö ß t e Wachstum b e i 32% (1776 auf 1777), der a u s g e p r ä g t e s t e Rückgang b e i 10% (1775 auf

1776).

Zum anderen s c h l i e ß e n d i e 1770er Jahre mit einem

Wachstum von 40» gegenüber 1775 ab, im Gegensatz zur Gesamtkonjunktur.

S c h l i e ß l i c h v e r h a l t e n s i c h d i e Luxuswarenexporte wäh-

rend der 1780er Jahre wiederum k o n t r ä r zum Gesamtaußenhandel mit dem A l t e n R e i c h , doch diesmal in umgekehrter Richtung.

Die

e r h a l t e n e n Zahlen sprechen f ü r e i n e b i s etwa 1785 dauernde Baisse und einen langsamen Aufschwung von 1787 b i s 1789, der og\ den R é v o l u t i o n s j ä h r e n d e f i n i t i v unterbrochen wird

.

in

Im Gan-

zen gesehen b l e i b t der Export von Luxuswaren h i n t e r dem Handel mit anderen Gütern so w e i t zurück, daß 1789 der Stand von 1775 noch n i c h t wieder e r r e i c h t

wird.

Die Importe aus dem A l t e n Reich i n i h r e r Entwicklung zu beurteilen,

h ä l t schwerer.

I h r g e r i n g e r Umfang und der e i n g e -

schränkte Warenkatalog e n t z i e h e n s i c h s i n n v o l l e r I n t e r p r e t a t i o n weitgehend.

statistischer

Der A n t e i l von Luxuswaren an den

deutschen Exporten nach Frankreich war g e r i n g .

Auf e i n e

lang-

same Haussebewegung i n der z w e i t e n H ä l f t e der 1770er Jahre f o l g t e e i n Aufschwung b i s 1782 und e i n Zusammenbruch zwischen 1787 und 1789.

Für das H e i l i g e Römische Reich d ü r f t e n d i e s e

Exporte a l l e n f a l l s l o k a l - oder r e g i o n a l w i r t s c h a f t l i c h e

Bedeu-

tung gehabt haben. Mit den f r a n z ö s i s c h e n Exporten v e r h i e l t es s i c h grundlegend anders.

Durch d i e K o n z e n t r a t i o n von Handwerk, Manufaktur, V e r -

lagswesen und Außenhandelsorganisationen

i n den Großräumen von

P a r i s und Lyon gewannen d i e E x p o r t e r f o l g e d i e s e r Regionen d e s w e i t e Bedeutung.

lan-

Einen w e s e n t l i c h e n A n t e i l an den Ausfuh-

ren machten Seidenwaren a l l e r A r t aus, d i e d i e Konjunktur f a s t a l l e i n p r ä g t e n : B o n n e t e r i e de Soye, E t o f f e s de Soye, Gazes de matières... Du 30 Novembre 1768. 35)Aus den Warenkategorien der Handelsbilanz wurden folgende Warentypen berücksichtigt; Seidenwaren a l l e r Art, Spitzen, Uhren, Fayancen, Porzellan, Schmuck, vergoldete Waren, Möbel und Spiegel. Qualität und Kostspieligkeit der Waren konnten natürlich nicht im einzelnen geprüft werden. 36(Siehe dazu C. Moreau: Examen comparatif du Cccmerce de la France avec tous les Pays du Itonde, London 1828, Observations Préliminaires, Blatt

38

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Soye ... Typische Handwerkserzeugnisse und Produkte der neueren zentralisierten Manufakturen, wie Möbel, Schmuck, Porzellan und Ähnliches, die in späteren Tabellen auch in eine eigene Gruppe "Industrie Générale" zusammengefaßt wurden, konnten auch en bloc genommen mit der Bedeutung der Luxustextilien für den Export nicht Schritt halten. Die geographische Verteilung der Zielorte sagt allerdings noch nichts Endgültiges über die regionale Struktur der Absatzgebiete aus, gibt aber immerhin gewisse Aufschlüsse über die Probleme des französischen Außenhandels. Wegen der Umbenennung der Herkunftsländer bzw. Bestimmungsländer muß man zwischen den Phasen von 1775 bis 1780 und von 1781/82 bis 1791/92 unterscheiden. Während des ersten Zeitabschnitts liegt "Allemagne" als Empfänger eindeutig an der Spitze, was den Anteil von Luxuswaren am französischen Gesamtexport betrifft. Die Region "Flandre Autrichienne" tritt dahinter zurück, bietet aber mit einem jährlichen Durchschnittsimport von 1,6 Mio (1775-1780) trotz einés Rückgangs um gut 6% (1780 verglichen mit 1775) einen noch beträchtlichen Markt. Auffallend und erklärungsbedürftig ist dagegen die Exportstatistik für das Gebiet "Nord". Hier sind Luxuswaren in einem so geringen Ausmaß vertreten, daß eine Interpretation konjunktureller Bewegungen nicht mehr möglich ist. Zu beachten bleibt indes, daß die deklarierten Bestimmungsorte nicht eindeutig auf bestimmte Transportwege rückschließen lassen. Für die Hansestädte dürfte dies bedeuten, daß Transitgut in andere deutsche Territorien über See ging, ohne in der Kategorie "Nord" zu erscheinen. Für die preußischen Gebiete ist dies auch ohne Rückgriff auf verfügbare Quellen evident, Ähnliches gilt für den westdeutschen Raum. Nach zeitgenössischen Aussagen haben Luxuswaren in Millionenwert die Hansestadt Hamburg auf dem Landweg erreicht, ohne registriert zu werden. Die Kontrolle über die dortigen Hafeneinfuhren und den Sundverkehr scheint zwar wirksam gewesen zu sein, doch schon von Lübeck meldeten französische Handelsvertreter: "Toutes nos marchandises y entrent en contrebande." Somit bleibt selbst für den an sich besser kontrollierbaren Seehandel eine hohe Dunkelziffer einzukalkulieren^' . 2, Sp.3. 37)Der Hamburger Karmerziendeputierte G.H. Sieveking schrieb am 31.12.1790

1. Die Bilanz des Handels

1716-1791/92

39

Der z w e i t e Z e i t a b s c h n i t t e r l a u b t e i n e r s e i t s e i n e g e n a u e r e Unt e r s c h e i d u n g d e r B e s t i m m u n g s l ä n d e r , was a u c h p r ä z i s i e r e n d e Rücks c h l ü s s e auf f r ü h e r e Z e i t a b s c h n i t t e e r m ö g l i c h t , b i e t e t a b e r a n d e r e r s e i t s , wie b e r e i t s bemerkt, n o m e n k l a t o r i s c h e S c h w i e r i g k e i ten. A l s E m p f ä n g e r g e b i e t e l i e g e n " A l l e m a g n e e t P o l o g n e " , 1788 und 1789 a l s " E t a t s d ' A l l e m a g n e " d e k l a r i e r t , an d e r S p i t z e , wog e g e n d i e " E t a t s de l ' E m p e r e u r " - s p ä t e r " A u t r i c h e " - e i n e n zweiten P l a t z einnehmen. S p ä t e s t e n s a b 1787 v e r g r ö ß e r t s i c h der Abstand zwischen b e i d e n . Vernachlässigbar gering sind dag e g e n d i e A u s f u h r e n n a c h " P r u s s e " und w i e d e r u m i n d i e " V i l l e s ansêatiques". Während d e r A n t e i l d e r v e r s c h i e d e n e n S e i d e n f a b r i k a t e regelmäßig konjunkturbestimmend f ü r Deutschland, Polen und d i e ö s t e r r e i c h i s c h e n Lande i s t , f e h l t e i n s o l c h e s S c h w e r g e w i c h t b e i P r e u ß e n und den H a n s e s t ä d t e n - s o w e i t f ü r l e t z t e r e a u s d e r " B a l a n c e du Commerce" ü b e r h a u p t z u v e r l ä s s i g e r s i c h t l i c h . 1782 b e s t e h e n ü b e r 70% d e r p r e u ß i s c h e n L u x u s i m p o r t e a u s " O r f e v r e r i e " , 2 6 , 9 0 2 von 3 6 , 6 2 2 während f a s t k e i n e S e i d e e i n g e f ü h r t w i r d , 1787 l i e g e n S e i d e n w a r e n m i t c a . 80% u n a n g e f o c h t e n auf dem e r s t e n Rang d e r s t a r k g e s t i e g e n e n E i n f u h r , d i e F o l g e l i b e r a l e r e r Handhabung d e r Z o l l p o l i t i k n a c h dem Tode F r i e d r i c h s 38 Ï d e s Großen . V e r g l e i c h b a r z e i g t s i c h d i e Lage i n den H a n s e s t ä d t e n , d i e 1782 m i t knapp 7 0 , 0 0 0 e t w a 40% d e s d e u t s c h e n " O r f e v r e r i e " - I m p o r t s und f a s t 36% d e s f r a n z ö s i s c h e n G e s a m t e x p o r t s an G o l d s c h m i e d e a r b e i t a u f n a h m e n . D a b e i b e t r u g d e r T o t a l an das Handelskcmitee in P a r i s : "L'importation par t e r r e de manufactures de s o i e , l a i n e e t coton, de b i j o u t e r i e e t a u t r e s o b j e t s de luxe, dont l e s r e g i s t r e s de douane ne présentent point un d é t a i l exact, excède c e r t a i n e ment l a s a m e de s i x Millions de L i v r e s . " Baasch, 167f. Da den Hamburgern sehr daran gelegen war, d i e guten Handelsbeziehungen zu Frankreich und deren V o r t e i l h a f t i g k e i t f ü r Frankreich s e l b s t zu betonen, wird man diese Zahlenangabe mit Skepsis betrachten dürfen, n i c h t jedoch d i e Tatsache eines umfangreichen Luxushandels auf den Iandweg Frankreich-Harrburg. Umgekehrt wurden auch Waren nach P a r i s und Lyon e x p o r t i e r t , 1785 z.B. in e i n e r Höhe von 4 Mio siehe AMAE France/Conirerce, 1781-1785, Mémoires e t Documents 2012, fol.347 v°-348 r ° . Uber den Schmuggel nach Lübeck siehe AN B? 465, Memoire sur l e comnerce du Nord (1781), f o l . 3 2 r°-33 v ° . Allgemein dazu Jeannin 1964 und unten in diesen T e i l Kap.2. 38)Siehe z.B. d i e Verordnung f ü r sänrrtliche königliche preußische Provinzen d i e s s e i t s der Weser, wegen e i n e r neuen Einrichtung des Accise- und Zollwesens (25.1.1787), abgedr. i n : J.H.L. Bergius: Sammlung auserlesener teutschen Landesgesetze wslche das Policey- und Cameralwesen zum Gegenstande haben, f o r t g e s e t z t von J . Beckmann, Zweites Alphabet, Frankfurt am Main 1781, Neunter Ttieil, Frankfurt am Main 1792, 207-214. Eine I n s t r u k t i o n f ü r das Generaldirektorium von 28.9.1786 beharrte zwar noch auf dem Prinzip p r o h i b i t i v e r Importzölle, e n t h i e l t indes auch K r i t i k an dem v e r storbenen König, W. Altmann(Hrsg.): Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1 . T e i l , Berlin 1897, 237.

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I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

import der Hansestädte in diesem Jahr nur knapp 98,000

1787

wurde, jedenfalls der offiziellen Statistik zufolge, überhaupt kein hochwertiger Schmuck in die Hansestädte ausgeführt, dafür eine beträchtliche Menge Bijouterie verkauft, womit offenbar der englischen Konkurrenz im norddeutschen Raum begegnet werden 39) sollte . Auch der Handel mit anderen Luxuswaren unterlag Schwankungen dieses Ausmaßes. Welche "deutschen" Exporte konnten auf Absatz in Frankreich rechnen? Wieder bestimmen unregelmäßige Schwankungen im Umfang, ein beschränktes Warensortiment und das Fehlen eines dominierenden Exportartikels das Angebot. Schwergewichte lassen sich zeitweise bei Schmuck, bei Keramik, bei Seide und bei Metallwaren erkennen. Vor allem in den 1780er Jahren erfahren Seidenstoffe eine plötzliche und kurzlebige Konjunktur, während der sie die Bilanz bestimmen. Insgesamt jedoch scheinen die Chancen der deutschen Exporte von Zufälligkeiten abhängig, so z.B. der Absatz von "cuivre dore (et argente)", der von 1775 bis 1780 bei Null liegt und 1782 einen Wert von über 300,000 erreicht, um danach wieder auf Null zurückzugehen. Eine Ausweitung des Angebots nach Warenarten hat der vorübergehende Aufschwung jener Jahre nicht mit sich gebracht: nicht neue Erzeugnisse, sondern ein vorübergehender Boom der traditionellen Textilfabrikate. Als Exporteur von Luxuswären nach Frankreich ist die Region "Nord" in der zweiten Hälfte der 1770er Jahre so gut wie gar nicht in Erscheinung getreten. Nach der Handelsbilanz haben Import und Export sich dort ganz ähnlich verhalten, während der österreichische Raum im Vergleich zu den anderen deutschen Territorien ein günstigeres Einfuhr/Ausfuhr-Verhältnis aufweist. Ausgeprägte Unterschiede in der Struktur des Warenangebotes werden ab 1780 erkennbar, als die "Etats de l'Empereur" sich kurzzeitig gegenüber den übrigen Reichsteilen mit Seidenexporten profilieren können. In den Jahren ab 1789 verwischen sich indes nicht nur die Entwicklungslinien der Konjunktur, sondern auch die Spuren der hier sichtbar werdenden Aufgabenteilung 40) zwischen den verschiedenen Regionen des Alten Reiches 39)Siehe dazu auch in diesem Teil Kap.2.2., 59. 40)Für die Jahre der Revolution sind nur Bruchstücke der Dokumentation erhalten, soweit überhaupt eine Statistik erstellt wurde, SN F ^ 251-252; siehe auch oben Einleitung, Anm.59.

2. Strukturen des Marktes

41

2. Strukturen des Marktes 2.1. Zur Wirtschaftsgeographie

F r a n k r e i c h war im 1 8 . J a h r h u n d e r t noch immer e i n v o r w i e g e n d a g r a r i s c h g e p r ä g t e s Land, a u s dem d i e V e r w a l t u n g s s p r ä c h e d i e " p a y s m a n u f a c t u r i e r s " 41 ) h e r a u s h o b , k o n z e n t r i e r t auf d i e Großräume P a r i s und Lyon. P a r i s k o n n t e s i c h nach d a m a l i g e r A n s i c h t zwar a l s " V i l l e de f a b r i q u e " n i c h t m i t Lyon, Rouen und a n d e r e n S t ä d 42) ten vergleichen , doch g a l t d i e s n u r gemessen an s e i n e r Bevölkerungszahl. A l l e i n d i e H e r s t e l l u n g von S e i d e n s t o f f e n e r n ä h r t e d o r t um 1780 etwa 670 s t e u e r p f l i c h t i g e F a b r i k a n t e n , e i n e u n b e k a n n t e Zahl ä r m e r e r M e i s t e r und mehr a l s 12,000 A r b e i t e r 43 ) " O r f e v r e r i e " und " B i j o u t e r i e " s o l l t e n samt Z u l i e f e r - und H i l f s handwerken i n P a r i s mehr a l s 20,000 A r b e i t e r i n s B r o t s e t z e n 44 ) , d i e P o r z e l l a n m a n u f a k t u r e n im P a r i s e r Raum nahmen, i n Konkurrenz 45) zu S è v r e s s t e t i g zu . Auch a n d e r e Luxusgewerbe e n t w i c k e l t e n s i c h b i s z u r F r a n z ö s i s c h e n R e v o l u t i o n noch p o s i t i v , ganz a b g e s e h e n von den t r a d i t i o n e l l e n Handwerken und den H o f w e r k s t ä t t e n und - m a n u f a k t u r e n . I n V e r b i n d u n g m i t ihrem Umland, wozu u . a . d i e T e x t i l i n d u s t r i e d e s B e a u v a i s i s und d i e S p i e g e l m a n u f a k t u r von S a i n t - G o b a i n g e h ö r t e n 46 ) , war d i e M e t r o p o l e , d i e auch e i n e n G r o ß t e i l des f r a n z ö s i s c h e n E x p o r t h a n d e l s o r g a n i s i e r t e , Schwerp u n k t e i n e r v i e l s e i t i g e n L u x u s i n d u s t r i e 47) 41)So die Sprachregelung i n : Lettres patentes pour e n t r e t e n i r l a subordinat i o n parmi l e s ouvriers dans l e s pays manufacturiers. Versailles, 12 septentore 1781. In: Isambert u . a . ( H r s g . ) : Recueil général des anciennes l o i s françaises depuis l ' a n 420 jusqu'à l a Révolution de 1789, 29 Bde, Paris 1822-1823, Bd XXVII, 78-80. 42)Goumay: Tableau général du Ccranerce, des Marchands, Négocians, Armat e u r s , Se. De l a France, de l'Europe, & des autres P a r t i e s du Mande;..., Années 1789 & 1790, P a r i s , 550. - Aufschlußreich f ü r die Bedeutung von Paris auch der Almanach Dauphin, ou Tablettes Royales du v r a i Mérite des A r t i s t e s célébrés. Allgemein zu den Pariser Handwerken J.-A. Durbec: La c r i s e de l ' i n d u s t r i e e t du ccnmerce de Paris en 1791-1792, d'après une s é r i e de mémoires contemporains. I n : Actes du 83e Congrès National des Sociétés savantes, Aix-Marseille 1958, Paris 1959, 241-260. 43)Nach einer Aufstellung in AN F 1 2 659A. 44)Nach einer P e t i t i o n à l'Assemblée Nationale, par l e ccranerce de l ' o r f è v r e r i e , Paris 1790, 5. 45)über Sèvres und seine Konkurrenten siehe unten Teil I I I , Kap.2. 46)über die Bedeutung der Tapisserieproduktian und des Beauvaisis: de Tolosan: Mémoire sur l e ccranerce de l a France e t de ses colonies, Paris 1789, 35f. ; grundlegend P. Goubert : Familles irarchandes sous l'Ancien Régime : l e s Danse e t Motte de Beauvais, Paris 1959. - über Saint-Gobain: C.Pris: La manufacture des glaces de Saint-Gabain avant l a Involution i n d u s t r i e l l e . In: RHES 52 (1974), 161-172.

42

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

U n t e r den f r a n z ö s i s c h e n S e i d e n p r o d u z e n t e n k o n n t e s i c h im L a u f e d e s 1 8 . J a h r h u n d e r t s Lyon g e g e n ü b e r N î m e s , T o u r s und dem p ä p s t l i c h e n Avignon d u r c h s e t z e n , woran n i c h t n u r d i e f i s k a l i s c h e und h a n d e l s p o l i t i s c h e B e g ü n s t i g u n g d e r S t a d t und i h r r ü c k s i c h t s l o s e s Vorgéhen g e g e n d i e K o n k u r r e n t e n , s o n d e r n a u c h i h r e T r a d i t i o n a l s i n t e r n a t i o n a l e r H a n d e l s - und F i n a n z p l a t z A n t e i l g e h a b t 481 h a b e n ' . D i e S t a d t , i n d e r 1768 7 0 , 0 0 0 " C i t o y e n s ou a r t i s a n s " 49) und 5 0 , 0 0 0 " o u v r i e r s " g e l e b t h a b e n s o l l e n , v e r m i t t e l t e zwis c h e n d e r i n l ä n d i s c h e n P r o d u k t i o n und dem i n t e r n a t i o n a l e n Wahr e n - und G e l d v e r k e h r 5 " ' . P a r i s und Lyon waren i n O r g a n i s a t i o n und m a t e r i e l l e r V e r s o r g u n g i h r e r L u x u s i n d u s t r i e n eng m i t e i n a n der verbunden51'. Gegenüber d i e s e r W i r t s c h a f t s e i n h e i t e r s c h i e n a l l e s a n d e r e - a u ß e r den g r o ß e n S e e h ä f e n w i e B o r d e a u x und Mars e i l l e - a l s b l o ß e b i n n e n o r i e n t i e r t e P r o v i n z , doch k o n n t e n d a n e b e n n i c h t n u r S t r a ß b u r g und Metz ü b e r n a t i o n a l e B e d e u t u n g i n d e r L u x u s p r o d u k t i o n b e a n s p r u c h e n : auch d i e Provinzen s t a n d e n b e r e i t , im F a l l e e i n e r K r i s e i n P a r i s i n d i e M a r k t l52) ücken e i n z u s p r i n g e n , w i e e s im R e v o l u t i o n s s o m m e r 1789 g e s c h a h 47)Uber P a r i s a l s Organisator des regionalen Exporthandels siehe A.M. de B o i s l i s l e f H r s g . ) : Mémoires des Intendants sur l ' E t a t des Généralités dressés pour 1 1 i n s t r u c t i o n du Dac de Bourgogne. Bd 1 : Mémoire de l a Gén é r a l i t é de P a r i s , P a r i s 1881. 48)Ober Lyon siehe a u s f ü h r l i c h unten T e i l I I I , Kap.3. Hier s e i nur verwiesen auf J . Paulet: L ' a r t du fabriquant d ' é t o f f e s de s o i e , 4 Bde, (Paris) 1773-1776. Paulet, von Beruf "Dessinateur" und "Fabriquant" in Nîmes, beschuldigte d i e Lyoner, d i e Seidenproduktion Avignons durch Erwirkung eines hohen Ausfuhrzolles r u i n i e r t zu haben, Bd 1, X. - Zwischen 1730 und der Revolution war der j ä h r l i c h e Zuwachs an Seidenwebstühlen in Nîmes j e doch noch größer a l s i n Lyon (3,7 gegen 1,6%; Landesdurchschnitt 2%), Labrousse 1970, 519. 49)Nottes sur l a V i l l e de Lyon Son Ccnmerce e t sa population (1768), AN B7 512. 50)Labrousse 1970, 180ff. 51(Siehe d i e Ausführungen i n : Mémoire pour l a Cormunauté des Maîtres & Marchands Tissutiers-Rubanniers-Frangiers Oivriers en draps d ' o r , d ' a r g e n t & s o i e , de l a V i l l e de P a r i s (30.4.1772), BN Ms. J o l y de Fleury 1426, fol.255ff. 52)Das Journal des Luxus und der tfoden meldete aus P a r i s am 21.9.1789: "Während h i e r der Erfindungsgeist der Fabrikanten und Madehändler i n Agonie l i e g t , i s t das Heer der Frivolitätenmacher und Krämer in der Provinz bes c h ä f t i g t , f ü r den Norden nach seiner Weise zu sorgen." Vierter Band, Jahrgang 1789, Weimar 1789, 489ff. Ähnlich auch am 26.10.1789, ebd. 522ff. - In Metz wurden QualitätsmEbel h e r g e s t e l l t und auch nach Deutschland e x p o r t i e r t , Goumay, 459ff. - Straßburg war u . a . durch d i e Hannongsche Fayancemanufaktur bemerkenswert, siehe den Almanac des Marchands, Négocians e t Caimerçans de l a France e t du Reste de l'Europe, P a r i s 1770, 6 5 f f . - Siehe auch F.-Y. Le Moigne: Le ccnmerce des provinces é t r a n g è r e s - Alsace-Evêchés-Lorraine - dans l a deuxiène moitié du XVIIIe s . I n : Léon 1973, 173-200.

2. Strukturen des Marktes

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A u f s Ganze g e s e h e n s p i e l t e j e d o c h f ü r d i e P r o d u k t i o n von L u x u s a r t i k e l n räumliche Konzentration in F r a n k r e i c h e i n e w e i t größere R o l l e a l s im A l t e n R e i c h , wo V i e l f a l t und b r e i t g e s t r e u t e M i t t e l und K l e i n z e n t r e n m i t zum T e i l ü b e r r e g i o n a l e r B e d e u t u n g v o r h e r r s c h t e n , während w i r t s c h a f t l i c h s p e z i a l i s i e r t e Regionen e h e r d i e Ausnahme w a r e n . Schwerpunktbildungen finden sich vor allem e n t l a n g d e s R h e i n e s , im r e i c h s s t ä d t i s c h und k l e i n t e r r i t o r i a l g e p r ä g t e n o b e r d e u t s c h e n Raum, um B e r l i n herum, i n S a c h s e n und den h a b s b u r g i s c h e n E r b l a n d e n , doch gab e s e h r g e i z i g e M a n u f a k t u r g r ü n d u n g s p r o j e k t e ü b e r a l l , auch i n H a n d e l s o r t e n w i e den H a n s e s t ä d t e n und im a g r a r i s c h e n K u r b a y e r n . Z a h l r e i c h e F a b r i k - und M a n u f a k t u r g r ü n d u n g e n s c h e i t e r t e n b a l d ; manche G e b i e t e und S t ä d t e waren im 1 8 . J a h r h u n d e r t ö k o n o m i s c h auf dem R ü c k z u g , w i e K ö l n , N ü r n b e r g und - w e n i g e r a u s g e p r ä g t - A u g s b u r g , w ä h r e n d a n d e r e , w i e B e r l i n oder Krefeld, a u f s t i e g e n . Daneben s t a n d e n ä l t e r e M a n u f a k t u r s t ä d t e , d i e i h r e P o s i t i o n b e h a u p t e t e n , z . B . B r ü s s e l , doch s i n d eher d i e Neuentwicklungen t y p i s c h f ü r d i e deutsche W i r t s c h a f t s l a n d s c h a f t am Ende d e s A n c i e n Regime. P o r z e l l a n , Schmuckwaren und S e i d e e r w i e s e n s i c h a l s d i e e r f o l g r e i c h s t e n P r o d u k t e . Das B e r g i s c h e Land k o n n t e s i c h m i t dem E x p o r t von H a l b s e i d e n g a r n s e l b s t i n F r a n k r e i c h d u r c h s e t z e n ; S e i d e f ö r d e r t e a u c h den A u f s t i e g K r e f e l d s auf K o s t e n K ö l n s , und i n Mülheim am R h e i n g e l a n g s o g a r d e r A u f b a u e i n e r G r o ß p r o d u k t i o n von S e i d e n - und S a m t b ä n d e r n , d i e 1784 an d i e 1500 Menschen a u s einem B e t r i e b e r n ä h r t e , was a u c h n a c h f r a n z ö s i s c h e n M a ß s t ä b e n G r o ß i n d u s t r i e i n d e r A r t 53) d e s M a n u f a k t u r z e i t a l t e r s gewesen w ä r e 53)Eine zeitgenössische Übersicht über den w i r t s c h a f t l i c h e n Stand des Alten Reiches g i b t J.D.A. Höck: S t a t i s t i s c h e Übersicht der deutschen Staaten, in Ansehung i h r e r Größe, Bevölkerung, Producte, I n d u s t r i e und Finanzverfassung, Basel 1800. - Geographische Verteilung und Lebensdauer deutscher Manufakturgründungen b e i : H. Aubin Ai- Zorn(Hrsg.): Handbuch der deutschen W i r t s c h a f t s - und Sozialgeschichte, Bd 1, S t u t t g a r t 1971, 547-551. - Einen Eindruck von der M u l t i z e n t r a l i t ä t des Alten Reiches aus kunst- und k u l t u r h i s t o r i s c h e r Sicht g i b t : W. Braunfels: Die Kunst im Heiligen Rönischen Reich Deutscher Nation, 8 Bde, München 1979ff. An weiterer L i t e r a t u r séien nach der Reihenfolge der im Text erwähnten Orte und Regionen nur folgende T i t e l genannt, die auch im weiteren h ä u f i ger benutzt werden: R. Forberger: Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. b i s zum Anfang des 19.Jahrhunderts, Berlin 1958; W.O. Henderson: Studies in the economic policy of Frederick the Great, London 1963; 0. Wiedf e l d t : S t a t i s t i s c h e Studien zur Entwicklungsgeschichte der Berliner Indus t r i e von 1720-1890, Berlin 1898; H. Kisch: Prussian mercantilism and the r i s e of the Krefeld Silk industry: v a r i a t i o n s upon an 18th Century theme, Philadelphia 1968; d e r s . : Die hausindustriellen Textilgewerbe am Niederrhein vor der I n d u s t r i e l l e n Revolution, Göttingen 1981; Th. Riedl: Die Ursachen f ü r den Niedergang des Kölner Seidengewerbes und f ü r den Aufs t i e g der Krefelder Seidenindustrie im 17. und 18.Jahrhundert, Diss. Köln

44

/. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Z i e l v o r g a b e war b e i v i e l e n d i e s e r Unternehmen d i e Abwehr f r a n z ö s i s c h e r Importe,

d i e a u s s i c h t s r e i c h e r war,

r i c h t e n der Z e i t hervorgeht.

a l s aus manchen B e -

O p t i m i s t e n wie d e r i n Mainz

rende K a m e r a l i s t P f e i f f e r b e h i e l t e n

l e t z t l i c h Recht,

leh-

wenn

sie

schrieben, daß E n g l a n d , F r a n k r e i c h , I t a l i e n , i n den M a n u f a c t u r - n i c h t a b e r i n den F a b r i k - W a r e n m i t Mühe e i n z u h o l e n s e i n werden; g l e i c h w o l s e h e i c h auch d a b e i k e i n e u n ü b e r w i n d l i c h e S c h w i e r i g k e i t e n . . . Es b l i e b nur d i e " s c l a v i s c h e U n t e r w ü r f i g k e i t " a b z u l e g e n , m i t d e r s i c h D e u t s c h l a n d v o r g e b l i c h d e r " U n i v e r s a l M o n a r c h i e d e r Moden, w e l c h e F r a n k r e i c h a u f d i e g r a u s a m s t e A r t ü b e r uns a u s ü b e t " , 54) beugte

, ein Ziel,

das i n Preußen z . B . w e i t g e h e n d

erreicht

s c h i e n m i t e i n e r P r o d u k t i o n von S e i d e f ü r 3 , 0 8 Mio T a l e r , z e l l a n und F a y a n c e f ü r 2 0 0 , 0 0 0 T a l e r und " M a n u f a c t u r e s d'argent,

de d e n t e l l e s ,

Überterritoriale

broderie s c . "

in der doppelten H ö h e ^ ' .

oder gar i n t e r n a t i o n a l e

Bedeutung e r l a n g t e n am

e h e s t e n noch Schmuck- und S e i d e n f a b r i k a n t e n ,

während d i e

m i k h e r s t e l l e r n i c h t nur m i t T r a n s p o r t s c h w i e r i g k e i t e n hatten,

s o n d e r n a u c h , was s c h w e r e r wog, u n t e r d e r

litten,

mit der s i c h die einzelnen T e r r i t o r i e n

Porzellantion,

die ein wichtiger Wirtschaftsfaktor

Ängstlichkeit

h i n s i c h 56) tlich .

des Am

Luxuswarenproduk-

auch im Außenhandel

ä n d e r t s i c h durch d i e z o l l p o l i t i s c h b e d i n g t e n

schranken

Kera-

zu kämpfen

und F a y a n c e h a n d e l s v o n e i n a n d e r a b s c h o t t e t e n

Gesamteindruck e i n e r f l o r i e r e n d e n deutschen war,

Por-

d'or,

Wachstums-

wenig.

1952; die Bedeutung Brüssels betont schon - im Vergleich zu Paris und Lyon - der Almanach des négocians, Brüssel 1762; M. Beckh: Die Nürnberger echte und leonische Gold- und Silberdrahtindustrie, Diss. München 1917; W. Zorn: Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648-1870, Augsburg 1961; W. Gebhard (Hrsg.): Bericht des Hof-Kanrierrats Friedrich Heinrich Jacobi über die Industrie der Herzogtümer J ü l i c h und Berg aus den Jahren 1773 und 1774. In: Zs. des Bergischen Geschichtsvereins NF 8 (1882), 1-148; W. Andreae: Beiträge zur Genealogie und Geschichte der Familien Andreae, Bd I , Heft I - I I I , Köln 1902, vor allem Heft I I I , 2 7 f f . und Beilage V I I I (bzgl. Mülheim am Rhein). 5 4 ) ( J . F . ) v. P f e i f ( f ) e r : Die Manufacturen und Fabricken Deutschlands nach ihrer heutigen Lage betrachtet und mit allgemeinen Vorschlägen zu ihren vorzüglichsten Verbesserungs-Mitteln b e g l e i t e t , 2 Bde, Frankfurt am Mayn 1780, Bd 1, Vorwort und 372. 55)Diese Zahlen für das Jahr 1785 nach: Ccmte de.Hertzberg: Huit d i s s e r t a tions lúes dans l e s assemblées publiques de l'Académie Royale des Sciences & B e l l e s - L e t t r e s de B e r l i n , tenues pour l'Anniversaire du Roi Frédéric I I dans l e s artnées 1780-1787, Berlin 1787, 254. H . ' s Zahlen stießen allerdings s o f o r t auf K r i t i k , z.B. bei Mirabeau; vgl. dazu J . F a l ke: Die Geschichte des deutschen Handels, 2 T e i l e , Leipzig 1859-1860, Teil 2, 254f. 56)Besonders hervorzuheben Pforzheim, siehe in diesem T e i l Anm.33. - Eine

2. Strukturen des Marktes

45

Die m e i s t e n P r o d u k t i o n s z e n t r e n w a r e n z u g l e i c h a u c h H a n d e l s - und Fernhandelsorte. I n P a r i s gab e s 1735 a n g e b l i c h mehr a l s 2500 " m a r c h a n d s - m e r c i e r s " , 1779 m i n d e s t e n s 2 1 8 4 5 7 ' . Zusammen m i t a n d e r e n K a u f l e u t e n , d i e i n den Almanachen m i t " e n v o i s c h e z l ' é t r a n g e r " w a r b e n , o r g a n i s i e r t e n s i e den G r o ß t e i l d e s P a r i s e r Exports. Ein T e i l des Lyoner Außenhandels ging e b e n f a l l s über Par i s , doch im w e s e n t l i c h e n s t e u e r t e Lyon i h n i n e i g e n e r R e g i e . Ä h n l i c h s t a n d e s m i t den o s t f r a n z ö s i s c h e n L u x u s w a r e n h e r s t e l l e r n 58) w i e Metz und S t r a ß b u r g , doch g e l a n g t e n a u s a l l e n f r a n z ö s i s c h e n L a n d e s t e i l e n L u x u s g ü t e r auf den P a r i s59) e r Markt, der a l s i n t e r n a t i o n a l e r V e r m i t t l e r k o n k u r r e n z l o s war . D o r t kamen a u c h j e n e h a u p t s ä c h l i c h ü b e r B e r l i n , Hamburg, L e i p z i g und F r a n k f u r t am Main v e r h a n d e l t e n d e u t s c h e n L u x u s p r o d u k t e a n , d e n e n d a s E i n d r i n g e n i n den f r a n z ö s i s c h e n M a r k t g e l u n g e n w a r ® " ' . E i n e im 1 8 . J a h r h u n d e r t immer noch f l o r i e r e n d e Form d e r W a r e n v e r m i t t l u n g war d i e P r o d u k t e n m e s s e . Die P a r i s e r H ä n d l e r n e i d e t e n d e r Lyoner " F a b r i q u e " i h r e v i e r p r i v i l e g i e r t e n Messen, i n denen s i e e i n e n Grund f ü r d i e a n g e b l i c h g ü n s t i g e r e P o s i t i o n d e r d o r t i g e n K a u f l e u t e sahen®''"' . D a b e i war d i e B e d e u t u n g d e r L y o n e r zeitgenössische Übersicht der Keramikindustrie b e i : J.Ch. Gädicke: Fabriken- und Manufacturen-Addreß-Lexicon von Teutschland und einigen angränzenden Ländern, 2 Teile, 2 . , sehr verm. u. verb. Aufl. Weimar 1799, 266ff. - Typisch f ü r die p r o t e k t i o n i s t i s c h e Argumentation das "Verbot des Verkaufs ausländischen Porzellans" im Fürstentum Ansbach vcm 15.Dezember 1766, abgedr. i n : W. Kunkel u . a . ( H r s g . ) : P o l i z e i - und Landesordnungen, 2.Halbbd, Köln 1969, 355. 57)Die Zahlen f ü r 1735 in einem "Mémoire i n s t r u c t i f servant de réponse au mémoire des marchands-merciers, dans l ' i n s t a n c e d ' e n t r e l e Corps de l ' O r f é v r e r i e - J o y a i l l e r i e , & c e l u i de l a Mercerie, . . . " AN AD XI 24; die Angaben f ü r 1779 b e i Hurtaut/Magny: Dictionnaire h i s t o r i q u e de l à V i l l e de P a r i s , e t de ses environs, Bd 1, Paris 1779, 318. 58)Siehe auch in diesen Teil 42 und Anm.52. 59)Siehe dazu außerdem L. Bergeron: P a r i s dans l ' o r g a n i s a t i o n des échanges i n t é r i e u r s f r a n ç, a i s à l a f i n du XVIIIe s . In: Léon 1973, 237-263. 60)Siehe auch d i e Denkschriften in AN AE AB I I I 426 (um 1777 und 1785) sowie in AMAE France/Caimerce, 1781-1785, Mémoires e t Documents 2012, f o l . 3 4 3 f f . Die Lyoner Seidenproduktion t e i l t e sich folgendermaßen auf: 80% gingen d i r e k t in den Export, 16% nach P a r i s und 4% in die Provinzen, AN B? 512; siehe im übrigen Almanac; Almanach Dauphin; B o i s l i s l e ; Goumay. - Zu den harriburgisch-französischen Beziehungen siehe Baasch; zu F r a n k f u r t siehe auch A. Dietz: Frankfurter Handelsgeschichte, 5 Bde, Frankfurt am Main 1910-1925; eine wichtige Quelle i s t das Franckfurter Mess-Schema, . . . , Franckfurt am Mayn (1775), Neudruck a l s Festgabe des F r a n k f u r t e r Meßamtes Nr.4, Frankfurt a.M. 1922. 61)Siehe das Mémoire pour l a Ccnmunautê des Maîtres & Marchands . . . , f o l . 255 v°-256 r ° (vgl. in diesem Teil Anm.51).

46

I. Der deutsch-französische

Luxuswarenhandel

Warenmessen z u m i n d e s t f ü r den E x p o r t i n s A l t e R e i c h r ü c k l ä u f i g , wie d e r V e r f a l l d e s d e u t s c h e n p r i v i l e g i e r t e n H a n d e l s d o r t b e w e i s t , w ä h r e n d L e i p z i g und F r a n k f u r t am Main dank i h r e r V e r m i t t l e r r o l l e f ü r f r a n z ö s i s c h e Luxuswaren p r o s p e r i e r t e n . Besond e r s d i e Z e i t d e s S i e b e n j ä h r i g e n K r i e g e s und d i e J a h r e n a c h 1775 waren g ü n s t i g f ü r F r a n k f u r t . Gleichzeitig l i t t Leipzig unter den k r i e g e r i s c h e n E r e i g n i s s e n d e r J a h r e 4 7 5 6 - 1 7 6 3 , k o n n t e a b e r um 1777 auf s e i n e n Messen f ü r 5 - 6 Mio P a r i s e r Moden und Lyo62) ner S t o f f e umschlagen . Als O r g a n i s a t i o n s f o r m des Warenverk e h r s l a n g f r i s t i g g e s e h e n auf dem R ü c k z u g , k o n n t e n d i e Messen dank i h r e r I n t e r n a t i o n a l i t ä t b e i Luxuswaren noch m i t e i n e r , wenn auch a n f ä l l i g e n , p o s i t i v e n Konjunktur r e c h n e n . Die F r a n k f u r t e r Messe b l i e b , s c h o n wegen i h r e r g ü n s t i g e n L a g e , D r e h p u n k t d e s f r a n z ö s i s c h e n L u x u s e x p o r t s , a b e r a u c h h a u p t s ä c h l i c h dem f r a n z ö s i s c h e n B i n n e n v e r k e h r d i e n e n d e Messen wie d i e zu B e a u c a i r e , i n F r a n k r e i c h n u r e i n e u n t e r v i e l e n , l a g e n w i r t s c h a f t l i c h noch im Aufwind Der L u x u s w a r e n h a n d e l z w i s c h e n den Z e n t r e n von P r o d u k t i o n und H a n d e l ö s t l i c h wie w e s t l i c h d e s R h e i n s s t ü t z t e s i c h a u f e i n e im 1 8 . J a h r h u n d e r t l a n g s a m v e r b e s s e r t e I n f r a s t r u k t u r von F e r n h a n 64) delsstraßen , d i e i n F r a n k r e i c h a u s b a u b e d ü r f t i g e r a l s im A l t e n R e i c h gewesen zu s e i n s c h e i n e n . E i n i g e Handelswege waren b e r e i t s s e i t langem e t a b l i e r t , so d i e R o u t e L y o n - R h e i n l a n65) d für Seidenwaren, in die sich die Genfer e i n g e s c h a l t e t h a t t e n , 62)Dietz, Bd 1, 9 4 f f . - Die Zahlen f ü r Leipzig aus e i n e r Denkschrift des französischen Konsuls tfontbret, AN AE AB I I I 426 (siehe oben Anm.60). Zum deutschen Handel mit Lyon siehe G. P f e i f f e r : Die Privilegien der französischen Könige f ü r d i e oberdeutschen Kaufleute in Lyon. In: M i t t e i lungen des Vereins f ü r Geschichte der Stadt Nürnberg 1965, 150-194, und d e r s . : Les marchands allemands " p r i v i l é g i é s " â Lyon. In: Actes du 89e Congrès des Sociétés savantes, Lyon 1964. Bulletin philologique e t h i s t o rique du Ccmité des travaux h i s t o r i q u e s e t s c i e n t i f i q u e s 1967, 173-193. V>gl. auch H. Lüthy: l a banque p r o t e s t a n t e en France de l a révocation de l ' E d i t de Nantes à l a Révolution, 2 Bde, P a r i s 1959-1961, Bd 1, 59. 63)Siehe d i e Diagrairme b e i Labrousse 1970, 510, sowie Braudel: C i v i l i s a t i o n m a t é r i e l l e , Bd 2, 30 und 6 3 f f . - Zu Frankfurt siehe auch den Almanac, 5 4 f f . ; zu Leipzig v g l . Hasse sowie Forberger, 168 und 300. 64)H. Cavaillês: La route f r a n ç a i s e , son h i s t o i r e , sa fonction. Etude de géographie huitaine, Paris 1946; G. A r b e l l o t : La grande mutation des rout e s de France au milieu du XVIIIe s . In: AESC 28 (1973), 765-791; R. Price: The economic irodernisation of France, London 1975, 1-20; Zorn 1964; Aubin/Zom, Bd 1, 559. 65)Lüthy, Bd 1, 50. 66)Forberger, 168.

2. Strukturen des Marktes

47

und d i e r h e i n a b w ä r t s b i s i n d i e N i e d e r l a n d e und n a c h F l a n d e r n r e i c h t e , oder d i e Strecke P a r i s - S t r a ß b u r g - L e i p z i g , d i e a l l e r d i n g s n a c h d e r B e s e t z u n g S t r a ß b u r g s f ü r den s ä c h s i s c h e n Markt v o r ü b e r g e h e n d an B e d e u t u n g v e r l o r * ' * ' ' . ü b e r h a u p t s t e l l t e n d i e R e g i o n e n ö s t l i c h und n o r d ö s t l i c h von P a r i s , wo s i c h d i e S t r a ß e n a u s B e r l i n , L e i p z i g und F r a n k f u r t am Main t r a f e n , e i n e V e r d i c h tungszone des Warenflusses d a r . I n O s t f r a n k r e i c h t r a t n e b e n den i n t e r n a t i o n a l e n F e r n h a n d e l noch d e r E x p o r t a u s Metz und S t r a ß burg i n s A l t e Reich: d i e f r ü h e r e n Verbindungen r i s s e n niemals ganz a b . L e i c h t übersehen wird der Landhandel Hamburg-Frankreich. Die H a n s e s t a d t wurde von den f r a n z ö s i s c h e n K o n s u l n a l s d i e b e d e u t e n d s t e " r o u l a g e " D e u t s c h l a n d s n e b e n L e i p z i g und F r a n k f u r t am Main b e z e i c h n e t . Der W a r e n v e r k e h r H a m b u r g - P a r i s f ü h r t e ü b e r d i e ö s t e r r e i c h i s c h e n N i e d e r l a n d e , d i e so e i n T r a n s i t h a n d e l s l a n d p a r e x c e l l e n c e w u r d e n ^ " und A n s c h l u ß an d i e i n t e r n a t i o n a l e n Konjunkturen fanden. N i c h t immer f i e l e n W a r e n f l u ß und G e o g r a p h i e n a t ü r l i c h zusammen. O f t g e n u g wurde d e r V e r k e h r , a u s den v e r s c h i e d e n s t e n M o t i v e n , i n Bahnen g e l e n k t , d i e a b s u r d waren a n g e s i c h t s d e r Mühsal d e s Warentransports. So d u r f t e n W o l l - , Baumwoll- und S e i d e n m i s c h g e webe n u r ü b e r d i e Z o l l ä m t e r von C a l a i s und S a i n t - V a l e r y n a c h F r a n k r e i c h e i n g e f ü h r t werden; r e i n e n S e i d e n s t o f f e n sowie Goldund S i l b e r s t o f f e n a u s l ä n d i s c h e r F e r t i g u n g waren d e r H a f e n von M a r s e i l l e und P o n t - d e - B e a u v o i s i n v o r g e g e b e n ; d e r E x p o r t i n s F l a n d r i s c h e und den Hennegau s o l l t e n u r ü b e r L i l l e und V a l e n c i ennes vor sich gehen. Doch w a r e n d i e s e B e s t i m m u n g e n , 1768 e r l a s s e n , schon e i n F o r t s c h r i t t gegenüber d e r s t ä n d i g zwischen M a r k t - und F i s k a l o r i e n t i e r u n g p e n d e l n d e n T r a n s i t p o l i t i k f r ü h e 68) rer Jahre . Und n i c h t n u r f e r t i g e L u x u s t e x t i l i e n , a u c h Rohs t o f f e p a s s i e r t e n die f r a n z ö s i s c h e Landgrenze. Die u n e n t b e h r 67)Die Straßenbeschreibungen nach dem Almanac, 27, 5 4 f f . und 6 5 f f . ; siehe auch Gcumay, 459ff. und Le Moigne. - Zu Harrburg siehe Jeannin 1961, 49, sowie d i e Aufstellungen in AMAE (vgl. in diesem Teil Anm.60). - Zu den österreichischen Niederlanden siehe J . F r a i k i n : Le comterce de t r a n s i t dans l e Luxembourg au XVIIIe s . e t l e s conditions p a r t i c u l i è r e s du t r a f i c des l i v r e s . In: Annales de l ' I n s t i t u t archéologique du Luxembourg 1972 â 1973, 163-167. Siehe auch: L e t t r e e t Mémoire sur l e Canrerce des PaysBas Autrichiens, Adressés au Magistrat de l a v i l l e de Bruxelles, par l e Comité des Négocians de l a d i t e v i l l e , Bruxelles 1787. 68)Siehe den diesbezüglichen AdCdEdR (30.11.1768), v g l . in diesen Teil Anm. 34; v g l . auch d i e weiteren Erlasse in AN AD XI 53. 69)ünentbehrlich, weil d i e Ernte landesweit inner gleich a u s f i e l , v g l . Paul e t , Bd 4, 2. Frankreich war auf diese Inporte angewiesen.

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I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

l i e h e N a n k i n g - S e i d e kam zwar a u c h p e r S c h i f f a u s den H a n s e s t ä d t e n , j e d o c h e b e n s o ü b e r d i e Z o l l b ü r o s von S e p t è m e s , S a i n t - L a u r e n t - d u - V a r , L i l l e und S t r a ß b u r g , a l s o zu einem G u t t e i l w i e d e r 69) a u s dem A l t e n R e i c h . Schmuck, P o r z e l l a n und Möbel nahmen e b e n f a l l s o f t den Landweg, w i e s i c h a u s F r a g m e n t e n d e r Z o l l p a piere rekonstruieren läßt. Dabei s t e l l t man f e s t , daß a u c h g e r i n g e Q u a n t i t ä t e n e i n e s P r o d u k t e s auf den Weg d e s F e r n h a n d e l s g e s c h i c k t wurden. So e r h i e l t70 V z . B . d a s K ö n i g r e i c h P r e u ß e n 1789 B i j o u t e r i e f u r g a n z e 1460 Die I d e n t i f i z i e r u n g d e s S e e h a n d e l s a n t e i l s f ä l l t n u r s e l t e n so l e i c h t w i e im F a l l e Hamburgs und a n d e r e r H a n s e - ünd K ü s t e n s t ä d te. D a n z i g , F l e n s b u r g und Lübeck d ü r f t e n m i t Luxuswaren v o r w i e gend ü b e r See v e r s o r g t worden s e i n und zwar v o r n e h m l i c h von Mars e i l l e , B o r d e a u x , N a n t e s und Rouen a u s ' ^ ' . Der N o r d s e e - und Baltikumhandel bedeutete die Eröffnung eines expansionsfähigen M a r k t e s m i t dem p o l n i s c h e n , p r e u ß i s c h e n und r u s s i s c h e n H i n t e r l a n d , doch h i e l t d i e O r g a n i s a t i o n d e s f r a n z ö s i s c h e n H a n d e l s i n d i e s e m Raum n i c h t S c h r i t t m i t dem E h r g e i z d e s " C o n s e i l du Com72) merce . 40 Mio betrugen die j a h r l i c h e n Exporte in die Hansestädte. über a n d e r e A b s a t z g e b i e t e waren d i e Franzosen nur s c h l e c h t i n f o r m i e r t , w i e e i n B e r i c h t a u s dem J a h r 1785 k l a g t : On ne f a i t m e n t i o n de c e s p a y s ( E n g l a n d , P r e u ß e n und K u r l a n d , d e r V f . ) que p o u r o b s e r v e r que n ' y a y a n t aucun c o n s u l , nous n ' a v o n s p o i n t de n o t i o n s s u r l e commerce de l a F r a n c e de l e u r s ports respectifs.'3) Der S e e h a n d e l , d e s s e n A n t e i l an den L u x u s w a r e n e x p o r t e n i n d i e " E t a t s de l ' E m p e r e u r " und d i e " E t a t s d ' A l l e m a g n e " n u r g r o b g e s c h ä t z t werden kann, b e d e u t e t e h ä u f i g d i e t r a d i t i o n s r e i c h e r e V e r k n ü p f u n g von G e b i e t e n , d i e auf dem Landweg e r s t s p ä t e r Kon70)Dieser Betrag l a u t AN F 1 2 1666 D°n de Chaalons B a u de S t . D i z i e r Année 1789; in der v e r ö f f e n t l i c h t e n S t a t i s t i k , AN F 1 2 251, übrigens n i c h t e r wähnt, weil der Betrag zu geringfügug war. 71)AN F 1 2 242-251, passim; Kresse, 23-25; vgl. auch die folgenden Artikel ( a l l e i n : W i r t s c h a f t s k r ä f t e und Wirtschaftswege. F e s t s c h r i f t f ü r H. Kellenbenz, hrsg. von J . Schneider u . a . , 4 Bde, Bamberg 1978): P. Butel: Les négociants allemands de Bordeaux dans l a deuxième moitié du XVIIIe s . , Bd I I , 589-613; E. Harder-Gersdorff: Herkunft und Vermittlungswege gewerblicher Einfuhren aus West- und Mitteleuropa im Rigaer Seehandel des 18. Jahrhunderts, Bd I I I , 203-215; P. Rupp: Ein Kettenglied europäischer Marktverflechtung um die Mitte des 18.Jahrhunderts: das Handelshaus Schröder & Schyler in Bordeaux nach dem Zeugnis seiner Korrespondenz, Bd I I , 575-588. 72)Mémoires sur l e s v i l l e s anséatiques, BN, Nouvelles a c q u i s i t i o n s , Ms. Français 20096, f o l . 2 3 r°-47 v°. Ähnliche Beschwerden in AN B7 465, "Memoire sur l e caimerce du Nord" (1781), f o l . 3 2 r°-33 v°.

2. Strukturen des Marktes

49

t a k t e h e r s t e l l e n konnten. Manche V e r b i n d u n g e n r e i c h t e n w e i t i n d i e am Ende des 1 8 - J a h r h u n d e r t s w i r t s c h a f t l i c h z u r ü c k g e f a l l e n e n s ü d d e u t s c h e n Lande des A l t e n R e i c h e s h i n e i n , so im F a l l e des R e g e n s b u r g e r H ä n d l e r s D i t t m e r , d e r G e s c h ä f t e m i t M a r s e i l l e , Nimes 74) und Rouen machte

.

T r a n s p o r t - und Z o l l p r o b l e m e

erschwerten

zwar i n s b e s o n d e r e den Handel ü b e r Land, doch haben d i e p o r t e u r e d i e g ü n s t i g e Lage d e r f l a n d r i s c h e n S t ä d t e , und m i t t e l r h e i n i s c h e n R e s i d e n z e n ,

lukrativ

tiefe

Zumal d i e Ausformung k a p i t a l i s t i s c h e r

M a n u f a k t u r und I n d u s t r i e waren im 1 8 . J a h r h u n d e r t

Un-

Fabrik,

regional

durch-

I n d e s s i n d das A l t e R e i c h und F r a n k r e i c h

s e h r wohl m i t e i n a n d e r v e r g l e i c h b a r ^ ® ' . manufakturen des A l t e n R e i c h e s in der Kindheit,

war'^'.

Entwicklungsstand Alteuropas prägten

t e r n e h m e n s w e i s e n und M a r k t s t r u k t u r e n und das Niveau von aus u n t e r s c h i e d l i c h .

für

d e r p r a k t i s c h a l l e Wa-

r e n a r t e n umfaßte und s e l b s t a u f g r o ß e D i s t a n z e n Ungleichzeitigkeiten.

nieder-

von F r a n k f u r t und P a r i s

e i n e n i n t e n s i v e n Landhandel a u s g e n u t z t , Den w i r t s c h a f t l i c h e n

Luxusex-

der

Mochten s i c h d i e

Luxus-

" i n den m e h r e s t e n P r o v i n z e n

noch

und i n k e i n e r e i n z i g e n i n i h r e r wahren V o l l k o m -

m e n h e i t " b e f i n d e n - s i e waren doch v i e l e r o r t s Vollkommenheit mit s t a r k e n S c h r i t t e n "

im B e g r i f f ,

"der

entgegenzugehen^'.

Schon

i n d e r Ära C o l b e r t h a t t e n f r a n z ö s i s c h e Behörden und M a n u f a k t u r u n t e r n e h m e r m i t d e r Abwanderung von A r b e i t e r n und damit von P r o d u k t i o n s w i s s e n kämpfen müssen.

Am Ende des 1 8 . J a h r h u n d e r t s

r e n i h r e S o r g e n n i c h t g e r i n g e r geworden. S t a a t e n um den A r b e i t e r "

wa-

War d e r "Kampf d e r

ein "allgemeines Zeichen j e n e r

dann s p r i c h t s e i n V e r l a u f im B e r e i c h d e r L u x u s p r o d u k t i o n 78) daß D e u t s c h l a n d und F r a n k r e i c h e h e r g l e i c h a u f l a g e n

Zeit", dafür,

73)AMAE France/Ccnmerce, 1781-1785, Memoires e t Documents 2012, f o l . 3 5 0 r ° . 74)R. Schoenfeld: Studien zur Wirtschaftsgeschichte der Reichsstadt Regensburg im 18.Jahrhundert, Diss. München. I n : Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 100 (1959), 5-147, h i e r 77. 75)Sowohl die Akten des STAH (MS 395 über den hamburgischen Seehandel in den Jahren 1785-1790 und die Aufzeichnungen des Admiralitätskollegiums F 6, 9 und 10 für die Jahre 1770-1784, mit Lücken) a l s auch die Reste der französischen Zollpapiere, AN Fl2 1665-1667, zeigen, daß mit geringen Partien von Luxusgütem Femhandel getrieben wurde. 76)Siehe P.Jeannin: Vorindustrielle Weltwirtschaft und Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Regionen. I n : H. Kellenbenz (Hrsg.): Weltwirtschaftliche und währungspolitische Probleme s e i t dem Ausgang des M i t t e l a l t e r s , S t u t t g a r t und New York 1981, 1-12; ganz ähnlich auch Jeannin 1971, 7 1 f . 7 7 ) P f e i f e r , Bd 1, 369. 78)Siehe K. Hinze: Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus in Brandenburg-Preußen, Berlin 1927, 1 9 9 f f .

50

/. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

"Frankreich würket ohnehin nur mit teutschen Händen", behauptete 1768 ein deutscher Kritiker der liberalen Außenhandelspolitik Ludwigs XV.

Auch die Aufhebung des "droit d'aubaine" sei nur 79) eine bose List der Welschen . Zumindest ersteres war, wenn auch übertrieben, so doch nicht ganz unberechtigt. Auch in dieser Hinsicht ist die Aussagekraft der Handelsbilanz begrenzt. Die Exporte des Alten Reiches hielten den französischen nicht die Waage. Als Prosperität garantierenden Vorsprung konnte dieses Ungleichgewicht am Ende des ökonomischen Ancien Regime indes nur werten, wer sich noch in den überholten Positionen französischer Eigenpropaganda und deutscher Frankophobien bewegte. 2.2. Soziale und ökonomische Umrisse der Luxusmärkte — Eine Skizze

Einen einheitlichen Luxusmarkt gab es so wenig wie den einen Luxus. "Economy of quality" bezeichnete eine Vielfalt von Wirtschafts- und Marktformen, deren Strukturierung möglich wird anhand von Kriterien wie soziale Schichtung der Konsumenten, wirtschaftsrechtliche Verfassung, räumliche Reichweite und mengenmäßiger Umfang. Die Möglichkeit, als Konsument auf einem Luxusmarkt aufzutreten, hing direkt von der Kaufkraft und - indirekt und bereits gebrochen - auf zweierlei Weise vom sozialen Status ab: einmal von eventuellen ständischen Konsumbeschränkungen oder -vorgaben, zum andern von dem nicht mehr eindeutigen Zusammenhang zwischen sozialer Position und Wirtschaftskraft. Am eindeutigsten ist die soziale Schichtung von Märkten innerhalb eines kleinen lokalen oder regionalen t'irktes als Gliederungsprinzip zu verwenden, indes bleibt sie auch dann produktabhängig. Nicht jeder Gegenstand, der von der gesellschaftlichen Umgebung des Käufers als Luxus identifiziert werden konnte und damit als Konsumartikel interessant erschien, war auf allen sozialen Ebenen erschwinglich. Am leichtesten fiel noch der Kauf von Textilien wie Seidenbändern und (imitiertem) Schmuck. Schon Porzellan, so lehrt 79)Alexander: Patriotische Gedanken vcm Jure Albinagii, durch dessen Aufhebung die Crone Frankreich die Teutschen an sich locken will, um seinem Nothstand in etwas aufzuhelffen, Frankfurt und Leipzig 1768, 36f. Das "droit d'aubaine" sprach das in Frankreich befindliche Eigentum dort verstorbener Ausländer ohne Rücksicht auf die Erben dem französischen König zu; vgl. Marion, Art. Aubaine, 29. 80)E. Esterhues: Die Seidenhändlerfamilie Zurmühlen in Münster i.W., Köln 1960, 51ff.

2. Strukturen des Marktes

51

die Geschichte der mühsamen Startphasen deutscher und französischer Manufakturen, war weniger begehrt, weil, dies eine Erklärung von mehreren, zur Repräsentation im Alltag nicht so geeignet wie Schmuck und andere Kleidungsaccessoires. Ähnliches gilt für Möbel mit ihrem zusätzlichem Dekor in Form vergoldeter Bronzebeschläge oder Porzellanplaketten, für Zimmeruhren oder Tapisserien, die außerdem in der Regel viel teurer waren. Auch die Behörden haben sich bei der Durchsetzung von Luxusedikten um den privateren Bereich des Wohnens und Haushaltens erst dann gekümmert, wenn er sich - etwa bei Feierlichkeiten - nach außen öffnete und Anlaß zu gesellschaftlichen Vergleichen bot. So lassen sich bei manchen Produkten verschiedene Marktebenen nach Qualität und Kostspieligkeit unterscheiden, was noch zu ergänzen wäre durch die Lokalisierung von finanziell oder gesellschaftlich festgelegten Tabuzonen, die die Verbreitung bestimmter Luxusartikel innerhalb der sozialen Hierarchie hemmten. Soziale und geographische Reichweite von Luxusmärkten deckten sich nicht, wie sich dann zeigt, wenn der geschlossene Bereich eines lokalen Marktes verlassen wird. Im deutsch-französischen Handel dominierten Seidenstoffe, die als Massenluxusgüter geringe Transportprobleme aufwarfen, in Ausgestaltung wie Verwendung am vielfältigsten waren und sich gut an die verschiedensten Käuferschichten anpassen ließen. Die Geschäfte des Handelshauses Zurmühlen in Münster zeigen dies ganz deutlich: die Gewinnspanne betrug bei Gold und Silber zum Sticken und Verzieren 150 bis 200 Prozent, bei Galanteriewaren mit Gold und Silber immer noch 100 Prozent und mehr, bei Seidenstoffen je nach Schwere 30 fi 0) bis 100 Prozent . Das höfische Möbel, das als "Leitfossil" des aristokratischen Spitzenmarktes gelten kann, hatte dagegen einen sozial auf Engste umschriebenen Markt, der räumlich, von einigen spektakulären Ausnahmen abgesehen, über den durch die Bedürfnisse der höfischen Eigenversorgung gesetzten Rahmen nicht hinausreicht. Alle Produkte indes, ob auf einem niedrigen oder einem hohen sozialen Niveau, zirkulierten in einem Verbund regionaler, territorialer und interterritorialer Märkte. Dieser Luxusgüterverkehr überschnitt sich vielfach mit den französischdeutschen Handelsbeziehungen und durchdrang auch die lokalen Märkte, die stets nur unvollkommen abzuschließen waren. Der Pariser Markt bietet ein gutes Beispiel für diese Überlagerungen.

So annoncierte 1770 ein gewisser Dutfoy, "Marchand Fay-

52

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

ancier", Porzellan aller Art "de Vincennes, de Saxe, de Chantilly, de Ville Roy, de S.Cloud, des Indes...";.ein anderer "marchand-fayancier" namens Bergerot hatte "Bouteilles de Seves & de Lorraine" anzubieten, sowie "généralement toutes sortes de 81) Porcelaine de la Chine & des Indes" . Mithin trafen auf dem Pariser Markt für Luxuskeramik, oft unter Mißachtung der Zollbestimmungen und der Schutzprivilegien von Sèvres, Erzeugnisse aus den Manufakturen des Stadtgebietes und der Provinzen zusammen, dazu Porzellan aus dem Zollausland - Lothringen z.B. - und dem Alten Reich.

Daneben erhielt sich mühsam genug der Markt-

anteil der nach dem Gesetz bevorrechteten Manufaktur von Sev82) res

.

Diese Uberlagerung lokaler, regionaler und internatio-

naler Märkte an einem Ort und bei einem Produkt bedeutete zugleich gesellschaftliche Überlagerung von Käuferschichten.

Wie

der Name ihrer Korporation andeutet, hatten die "marchands-fayanciers" als Fayancehändler begonnen oder doch hauptsächlich mit diesem Porzellanvorläufer und Porzellanersatz gehandelt. Fayance blieb auch das Porzellan des "kleinen Mannes".

In vie-

len Fällen, in denen Nachrichten über den guten Absatz der Manufakturen des Pariser Umlandes vorliegen, kann man mit Grund fragen, ob zwischen Fayance und Porzellan immer streng unterschieden wurde.

83 )

Ganz anders der Erfolg des Möbelfabrikanten David Roentgen in Paris, der in einen durch korporative Verfassung, Exklusivität und höfische Privilegienverwaltung geschützten Markt einzudringen wußte.

Der Einbruch gelang auf dem Weg über die mate-

rielle Kultur des Hofes und führte auch in Roentgens besten Jahren weder zu horizontaler Marktexpansion, d.h. zur Konkurrenz mit dem Hofebenisten Riesener oder anderen bedeutenden Pariser Luxusmöbelherstellern, noch zu einem Versuch, vertikale Markterweiterung zu betreiben.

Die spezifischen Eigenschaften

des Produktes gaben Roentgen die Strategie vor, auf der gesellschaftlich höchsten Ebene anzusetzen. Im Alten Reich nahmen infolge des Ausbaus der heimischen Manufakturen und Gewerbe derartige Überlagerungen im Laufe des 18. Jahrhunderts zu, wie die Versorgung der niederrheinischen Ge81)Almanac, 158 und 182ff. 82)Siehe ausführlich unten Teil III, Kap.2. 83)Siehe ausführlich unten Teil III, Kap.4.4. 84)Ausführlich dazu Teil III, Kap.3 und 4.3. Vorweg sei hingewiesen auf:

2. Strukturen des Marktes

biete mit Seidenwaren zeigt.

53

Regionale und lokale Märkte wur-

den von Krefeld, Mülheim am Rhein, Köln, Kaiserswerth und anderen Orten aus versorgt, wozu noch der zwar illegale, aber wohl in allen Gegenden mit Verlagswirtschaft hingenommene Verkauf von Seidenabfällen durch die Manufakturarbeiter kam.

Gleich-

zeitig gehörte der Niederrhein zur "aire commerciale" französischer Handelshäuser.

Diese klagten zwar über die zahlreiche

Konkurrenz, hielten aber zäh an ihren Verbindungen mit Köln, Bonn, Aachen und anderen Städten fest.

Erhaltene Gecchäftskor-

respondenz belegt, mit welcher Schärfe der Kalkulation es gelang, noch marktfähige Preise zu setzen, Symptom nicht nur der Konkurrenzsituation, sondern auch der beschränkten Kaufkraft des potentiellen Abnehmerkreises.

Als Prototyp eines Massen-

marktes für Luxus hatte der Seidenmarkt nicht nur gesellschaftlich, räumlich und quantitativ den größten Umfang, er unterschied sich auch erheblich von den exklusiven Märkten eines David Roentgen

84)

Bei den meisten Luxusgütern besteht ein nur geringer Zusammenhang zwischen Preisniveau und Marktradius.

Das liegt zum einen

an den guten Transportmöglichkeiten für die quantitativ überwiegenden Seidenwaren, zum anderen an den fließenden Übergängen und Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Produkten.

Für we-

niger hochstehende Käufer und die schmälere Börse konnte Fayance die soziale, d.h. die Luxusfunktion von Porzellan übernehmen, konnten Seidenmischstoffe oder bedruckte Textilien Seide und gold- oder silberbestickte Stoffe und Spitzen ersetzen, Double und "plate" für Schmuck und Geschirr aus dem massiven Material stehen und die Modeneuheit der "papiers imprimés" die Stofftapisserien verdrängen.

Dabei verwischte sich die gesellschaft-

liche Schichtung der Marktebenen, während produktions- und handelstechnische Gesichtspunkte in den Vordergrund traten. In solchen Fällen spielte die Preisbildung eine große Rolle. Waren Konkurrenzprodukte erfolgreicher als die französische Ware, dann hieß es, dies sei nur den Dumpingpreisen zu verdanken, mit denen das mißgünstige Ausland den französischen Handel ver85) nichten wolle . Der Wettbewerb war hier international und inP. Léon: Papiers d'industriels et de ccmmercants lyonnais. Lyon et le grand commerce au XVIIIe s., o.O. (1976), und auf: J. Peyrot: Les techniques du caimerce des soies au XVIIIe s. à travers les documents ccmmerciaux et comptables des fabricants de soieries. In: Bulletin du Centre d' Histoire économique et sociale de la région lyonnaise 1973, 29-48.

54

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

nerhalb der Branchen s c h ä r f e r , d i e K a u f k r a f t meist l a b i l e r ,

d i e Zahl der Fabrikanten

die Möglichkeiten

größer,

gewinnbringender

P r o f i l i e r u n g g e r i n g e r a l s b e i h ö f i s c h e n Möbeln, P o r z e l l a n

oder

v e r g o l d e t e r Bronze, d i e i d e n t i f i z i e r b a r e r k ü n s t l e r i s c h e r und handwerklicher L e i s t u n g Raum boten.

Bei solchen

nissen wurde dann auch h ä u f i g d i e u n r e a l i s t i s c h e beklagt:

"...

SpitzenerzeugPreisbildung

l e genre e t l a grandeur ont un t a r i f ,

l e n t n ' e n a p a s " , wußte B a c h e l i e r ,

et le

künstlerischer L e i t e r

tain Sèv-

86) res

.

Auf den Luxusmärkten des "gemeinen Mannes" mußte p r ä -

z i s e r k a l k u l i e r t werden, w o l l t e man zwischen eigenen Gewinnvorstellungen,

dem P r e i s d r u c k der Konkurrenten und der M a r k t e l a s t i -

z i t ä t e i n Auskommen f i n d e n .

Das Gros der Luxusproduzenten und

- h ä n d l e r l e b t e bedroht vom Dauerdiktat des " m e i l l e u r marché", w e i t e n t f e r n t vom a r i s t o k r a t i s c h - h ö f i s c h e n Markt mit seinen ungemessenen Chancen f ü r den g l ü c k l i c h e n

Einzelnen.

Nur s e l t e n wogen e i n e Stadt oder e i n e Region g l e i c h schwer a l s Produktions-,

a l s Handels- und a l s Konsumort.

Am ehesten war

d i e s der F a l l b e i k l e i n e r e n Städten und T e r r i t o r i e n mit e i n e r ausgewogenen g e w e r b l i c h e n Struktur ohne Übergewicht e i n e r Branche und mit g e r i n g e r Einbindung in das ü b e r r e g i o n a l e schehen. ten,

Marktge-

Auch e i n i g e große Städte w i e P a r i s und B e r l i n

doch unter anderen Prämissen,

in d i e s e K a t e g o r i e ,

gehörwährend

Lyon oder Neuwied a l s Produzenten und Exporteure, F r a n k f u r t am Main, Hamburg oder L e i p z i g a l s V e r m i t t l e r prominenter waren denn a l s Konsumenten.

Eine Geographie des Konsums z e i g t zwei

sche Verdichtungszonen,

typi-

nämlich d i e größeren S t ä d t e und d i e H o f -

haltungen, b e i d e m i t u n t e r zusammenfallend.

Die l ä n d l i c h e n Ge-

b i e t e t r a t e n demgegenüber zurück, doch lassen s i c h auch d o r t 85)So heißt es in einer französischen Quelle: "Les Cours Etrangères et surtout l'angleterre n'ont point vü Sans Jalousie cette prospérité de commerce; I l s ont cherché, et Sont parvenus a Enlever à la France cette Source de Richesses en donnant des Encouragements, en avançant les fonds nécessaires pour l'Etablissement des fabriques; et dans ce mement ce ne sont plus les françois qui fournissent l'Angleterre, Mais cette demiere qui fournit la france avec une t e l l e abondance qu'elle Satible vendre a perte pour l'instant a f i n d'anéantir ce qui Reste de la fabrique de france, pour etre ensuitte Seule maitresse de cette branche d'industrie et de Ccranerce." AN Fl2 659A, v g l . in diesem Kapitel Anm.34. 86)J.-J. Bachelier: Mémoire historique sur la Manufacture Nationale de Porcelaine de France (1781), réédité avec préface et notes par G. Gouellain, Paris 1888, 25; siehe im übrigen dazu Teil I I I , Kap.2. 87)So verurteilte man 1750 in Dachau "die marckhtschreiberin allhier, welche nur 100 f : besoldung hat" wegen Verstoßes gegen die Kleiderordnung. Beanstandet wurden eine "sehr reiche mit goldt gestückhte hauben, nebst einer

55

2. Strukturen des Marktes

nochmals U n t e r s c h i e d e

hinsichtlich

der A k t i v i t ä t

kleinräumiger

Luxusmärkte und d e r V e r f l e c h t u n g m i t ü b e r r e g i o n a l e n

Märkten

feststellen. D i e K l a g e n über d i e Verschwendungssucht waren zu p a u s c h a l ,

als

phische V e r t e i l u n g

unterschiedlicher

zumal

daß s i e

direkte

i n Luxus schon v o r E r r e i c h e n 87 )

Einkommens i n v e s t i e r t wurde

.

des " g e m e i n e n S c h l ü s s e auf

Lebensstandards

eines

Mannes"

die

geogra-

erlaubten,

subsistenzsichernden

An Konsumdichte ü b e r t r a f e n

die

g r ö ß e r e n S t ä d t e und d i e H o f h a l t u n g e n das p l a t t e Land und d i e Ackerbürgerstädte, Abgeschiedenheit

doch h a l f

d e r Sog d e r N a c h f r a g e ,

zu ü b e r w i n d e n .

den Luxus d e r u n t e r e n Stände a n g e h t , gen w i e d i e k u r s ä c h s i s c h e von 1750, falls

spiegelten

ständegesellschaftliche

zugestand,

Vorwiegend a g r a r i s c h

Kurbayern h a t t e n i h r unlösbares

i n einem e h e r

labilen

geprägte T e r r i t o r i e n

wie

Schmuggelproblem genauso w i e

ge-

ausgerichtete

Regionen,

etwa

Kursachsen

xushandwerke und - m a n u f a k t u r e n und d i e Suche b ü r g e r l i c h e r g e r nach I n v e s t i t i o n s m ö g l i c h k e i t e n

lung von m a t e r i e l l e r

vorhandener

Ungleichzeitigkeiten

N o r d o s t e n m i t den " e l e n d e n " Central,

s i c h auf

die

in der

Entwick-

K u l t u r und L e b e n s s t a n d a r d d i e R e g e l ,

ten Reich wie in F r a n k r e i c h .

die

von r e i c h l i c h

LuAnle-

sprachen®®'.

B e i a l l d e m waren r e g i o n a l e

Massif

ur-

Lebens-

o d e r d i e p r e u ß i s c h e Kurmark, wo d i e E x p a n s i o n d e r B e r l i n e r

Kaufkraft

Lu-

allen-

Zwischen

des b ä u e r l i c h e n

das S t a d t - L a n d - G e f ä l l e

werblich-manufakturell

Kleiderordnun-

Wunschbilder w i d e r .

banem W i r t s c h a f t s w a c h s t u m und S t e i g e n Zustand b e s t e h e n .

Berufs-

doch was

d i e den Bauern w e n i g e r

städtischen Unterschichtenangehörigen

standards b l i e b

sich

z w i s c h e n S t a d t und Land e r h e b l i c h ,

und A I I t a g s k l e i d u n g

xus a l s

räumliche

Noch u n t e r s c h i e d e n

Dort k o n t r a s t i e r t e

ein

G e b i e t e n d e s Alpenraumes und des

und im Ganzen überwogen d i e

"armen"

Regionen,

südliche Landeshälfte konzentrierten.

z a h l t e n von 34 " g é n é r a l i t é s "

im A l -

reicherer

nur z w e i mehr a l s

der Bevölkerung,

P a r i s und m i t w e i t e m A b s t a n d d a h i n t e r

Von den 12 a b e r ,

die

z w i s c h e n 20 und 30

1787

30 J ^ p r o Kopf

zahlten,

Lyon.

lagen

nur

ebenmässig gestickhten schlafrockhfürtel/:so a l l e s über 40 f . geschäzet würdt:/", z i t . nach Baur, 85. 88)Siehe W. Ruppert: Bürgerlicher Wandel, Studien zur Herausbildung einer nationalen deutschen Kultur im 18.Jahrhundert, Frankfurt und New York 1981, passim. Die kursächsische Kleiderordnung abgedr. bei Stürmer: Herbst, 95-99. - Zur Kaufkraftentwicklung in Preußen siehe H. Mauer: Die private Kapitalanlage in Preußen, Mannheim u.a. 1921.

56

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

z w e i , M o n t p e l l i e r und Montauban,

im Süden d e s

Königreiches.

Der U n t e r s c h i e d z w i s c h e n P a r i s und Lyon und dem f l a c h e n j a selbst Provinzstädten, 525 Mio

war m i t h i n g e w a l t i g .

d i e T o l o s a n 1789 a l s

aus dem G e w e r b e f l e i ß e r r e c h n e t e , kerung a l s K a u f k r a f t

Land,

Das Gros

französisches

der

Volkseinkommen

muß d e r g r o ß s t ä d t i s c h e n

zur Verfügung g e s t a n d e n h a b e n .

Bevöl-

Lavoisier

s c h ä t z t e d i e J a h r e s a u s g a b e n d e r P a r i s e r B e v ö l k e r u n g a u f 260 Mio 1.

Tolosan s e t z t e

den A n t e i l

des A r b e i t s l o h n e s

d e n p r o d u k t i o n m i t einem V i e r t e l der k l e i n e n

"ouvriers"

jährlich

I n d e r B r e t a g n e wurde 1754 e i n

reseinkommen von 300

s e l b e n Z e i t e i n Handwerker i n P a r i s

So u m f a n g r e i c h d e r Luxushandel

10 b i s

Finanzierung,

i n Lyon erge-

b e i einem

einen

z w i s c h e n F r a n k r e i c h und dem A l so modern Marke-

V e r s i c h e r u n g und T r a n s p o r t a b w i c k l u n g

sonders g e l a g e r t e n E i n z e l f ä l l e n

s e i n mochten,

s o wenig

in

be-

entspra-

chen s e i n e O r g a n i s a t i o n und s e i n e T e c h n i k im a l l g e m e i n e n men und Wert d e r P r o d u k t e .

Jah-

während zur

f ü r d i e s e Summe nur 89 ) konnte

t e n R e i c h sowie i n n e r h a l b b e i d e r L ä n d e r war, ting,

allein

eingestuft,

Sei-

Einnahme

15 Mio

"roturier"

a l s noch " a i s é "

Laden m i t wenigen Nebenräumen m i e t e n

am Wert d e r

so daß s i c h a l s

und " m a î t r e s - f a b r i c a n t s "

gegen Ende d e s 1 8 . J a h r h u n d e r t s ben.

an,

Volu-

Soweit die Käufer i h r e

Bedürfnisse

n i c h t i n den M a n u f a k t u r e n o d e r b e i den Handwerkern

befriedigen

konnten,waren s i e h a u p t s ä c h l i c h riser

"marchands",

wiesen.

auf d i e D i e n s t e der großen

a l l e n voran d i e " m a r c h a n d s - m e r c i e r s " ,

Über Reklame i n M o d e j o u r n a l e n ,

Pa-

ange-

Handelshandbüchern,

manachen und A d r e ß l i s t e n k o n n t e n d i e s e H ä n d l e r i h r e

Al-

Geschäfts-

v e r b i n d u n g e n ü b e r d i e Grenzen F r a n k r e i c h s h i n a u s ausdehnen und auch B e s t e l l u n g e n re Korporation

aus dem Ausland annehmen.

expansives Geschäftsgebaren. brikanten

Z u g l e i c h wandte

ih-

s i c h i n ö f f e n t l i c h e r E n t r ü s t u n g gegen m o d e r n e s , D i e Masse d e r k l e i n e r e n

im P a r i s e r Raum b a l a n c i e r t e

Luxusfa-

zwischen p r e k ä r e r

s t ä n d i g k e i t und d e r A b h ä n g i g k e i t von d i e s e n G r o ß h ä n d l e r n ,

Selbdie

89)Die Geldleistungen der französischen "généralités" nach Moreau; zum französischen Volkseinkommen bei Tolosan, 5 6 f . ; zum Pariser Einkarmen A.L. Lavoisier: Essai sur l a population de la V i l l e de P a r i s , sur sa richesse, e t ses consarmations. I n : Mélanges d'éconcmie politique, Paris 1847, 601 b i s 607; über die Bretagne J . Meyer: Un problème mal posé: La noblesse pauvre. L'exemple breton au XVIIIe s . In: RHMC 18 (1971), 161-188, h i e r 185. Angaben zu Pariser Laden- und Wohnungsmieten finden s i c h in großer Zahl in AN/MC. Hier wird Bezug genarmen auf Mietverträge des Jahres 1751, u . a . Etude XXVIII, l i a s s e 320 und 323, Verträge vcm 9 . 1 . und 29.10. Zu den armen, elenden und reichen Gegenden Frankreichs siehe F. de Dainv i l l e : Un dénombrement i n é d i t au XVIIIe s . L'enquête du contrôleur-génér a l Orry 1745. I n : Population 7 (1952), 49-68 (mit Karte)

2. Strukturen des Marktes

57

seit dem 17.Jahrhundert mit anderen Korporationen in ständige Abgrenzungsstreitigkeiten verwickelt waren, aus denen sie meist 90) siegreich hervorgingen

.

Außerhalb Frankreichs existierte ei-

ne vergleichbar große, reiche und international etablierte Händlerschicht nicht einmal in London, wo eher der große Produzent an die Öffentlichkeit trat.

Der "marchand-mercier" stellte am

ehesten den Typus des fortgeschrittenen Handelskapitalisten

dar:

sein Warenangebot sprengte die überkommenen Abgrenzungen zwischen Handwerken und kaufmännischen Spezialisierungen; sein Luxusangebot bedeutete eine ungewöhnliche

Kapitalkonzentration;

und schließlich erlaubte ihm seine Stellung, trendbestimmend in den Markt einzugreifen wovon noch zu reden sein wird. Von den 30 Mio auf die Necker die jährlichen Ausgaben aus. . 9 1 ) landischer Besucher in Paris schätzte , entfiel ein betrachtlicher, wenn auch nicht genau anzugebender Teil auf Luxuskonsum. Daneben lief der Warenstrom immer noch über die traditionsreichen Warenmessen.

Trotz Braudels eher skeptischer Beurteilung

92) der Messen

muß auf ihre positive Konjunktur noch am Ende des

18.Jahrhunderts hingewiesen werden.

Jedenfalls gilt dies für

Frankfurt am Main und für Leipzig, für Lyon vielleicht weniger, was den deutschen Handel betrifft, während der Aufschwung von Beaucaire möglicherweise eine für die französische Wirtschaft nachteilige Reaktion auf die Öffnung des Marktes durch den EdenVertrag war.

Für Luxusartikel stellten diese Messen, die auch

ein gesellschaftliches Ereignis waren, einen geeigneten Absatzplatz dar, da sich dort finanzkräftige Endverbraucher trafen, Möglichkeiten weiträumigen Transithandels boten und Kontakte mit Händlern und zukünftigen Kunden zu knüpfen waren.

Die handels-

rechtliche Stellung der Messen garantierte den notwendigen Ausgleich der Konten und förderte die Zirkulation von Bargeld und unbaren Zahlungsmitteln.

Handelsorganisatorisch gesehen waren

die Messen jedoch wohl nicht auf dem neuesten Stand, was sich auf den obersten Marktebenen bemerkbar machte.

Nur selten, so

scheint es, waren Produzenten der Spitzenklasse dort anzutreffen.

Die Warenmessen waren eher der Einkaufsplatz der gehobenen

Mittelschicht, wohl auch des kleineren Adels und, indirekt, der 90)Typisch für diese widersprüchliche Haltung die Äußerungen von Grimoult, dem "garde en Charge" bei einer Versanmlung der "Six Corps" am 18.3.1786, wo er sich gegen Reklamezettel, Inserate und die Werbung mit Fixpreisen wendete, AN KK 1343, fol.102 ro ff.; ausführlicher dazu Teil III, Kap.l. Siehe auch P. Verlet: Le ccrmerce d'objets d'art et les marchands-merciers ä Paris au XVIIIe s. In: Annales ESC 13 (1958), 10-29.

58

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

breiteren Käuferschichten aus dem "menu peuple". Das Gesamtvolumen des französisch-deutschen Luxushandels war indes auf diese Arten allein nicht zu bewältigen. Ein nicht genau zu bestimmender, aber jedenfalls noch beträchtlicher Anteil am Markt entfiel auf den Kommissionshandel, den reisende Vertreter beider Nationalitäten betrieben. Dafür boten sich vor allem Schmuck, weil wenig voluminös, und Seidenwaren an, von denen "échantillons" ausreichten. Diese Form des Warenverkehrs hatte einerseits den Vorteil direkter Kontaktaufnahme, schneller Reaktion auf die Marktlage und geringen organisatorischen Aufwands, war aber andererseits für die Erschließung eines Breitenmarktes im Innern des Alten Reiches nicht leistungsfähig genug und im kleinen Rahmen wegen der hohen Reisekosten oft nicht rentabel. Die Zahl solcher Reisender jedoch nahm gerade seit den 1760er Jahren kräftig zu, ohne daß sie stets Erfolge gehabt hätten. So war der Kommissionshandel fortschrittlich und archaisch in einem. Es fehlte, wie schon erwähnt, an einer ausreichenden Infrastruktur für den Außenhandel. Die nur umfangmäßige Ausweitung traditioneller Methoden reichte nicht hin, solange es keine Handelskompanien oder wohletablierte Handelshauser in größerer Zahl gab 93) Ähnlich uneinheitlich auch die technische, soziale und rechtliche Verfassung der Luxusindustrien". Alle bereits existierenden Wirtschaftsformen waren vertreten, ohne daß ein eindeutiges Schwergewicht auszumachen wäre, das sich auf produktionstechnische Besonderheiten gründete. Seidenstoffe entstanden nicht nur im Verlagssystem, sondern auch in den Werkstätten relativ unabhängiger Meister, denen zumindest der Webstuhl gehörte, und in zentralisierten Manufakturen. Schmuck und Uhren stammten zumeist noch aus Handwerksbetrieben, die hohe Qualität lieferten, doch in kleinen Mengen, und zünftisch organisiert waren. 94) Möbel der Spitzenqualität, wie die Jacobs , Roentgens oder Rieseners, wurden dagegen bereits arbeitsteilig in Großbetrieben hergestellt, die sich auch sonst von herkömmlichen Werk91)Ccmpte rendu au roi, Au mois de Janvier 1781, Paris 1781, 96. 92)Vgl. S.46 und dort Anm.63. 93)Siehe auch S.48; über die Probleme des Kommissionshandels ausführlicher unten Teil III, Kap.3.3. - Es gab Vorschläge, diesen Handel staatlichersei ts zentral zu lenken, AMAE France/Ccnmerce, 1781-1785, Mémoires et Documents 2012, fol.329ff. 94)Siehe H. Lefuel: Georges Jacob, ébéniste du XVIIIe s., Paris 1923.

2. Strukturen des Marktes

Stätten unterschieden.

59

Ihre Produkte hatten allerdings einen

von vornherein beschränkten Abnehmerkreis, standen auf keinem Markt frei zur Verfügung und sind als Ausnahmeerscheinung zu bewerten.

Spiegel,Porzellan und Fayance wurden in Manufakturen

hergestellt, die unabhängig von Größe und Marktradius in eine eigene Kategorie gehören: in manchen Fällen ermöglichten sie aus technischen oder kalkulatorischen Gründen erst die Produktion von Luxusgütern; vielfach waren sie die unabdingbare Voraussetzung eines regionalen Luxusmarktes und koppelten wirtschaftlichen Aufschwung und Luxuskonsum aneinander.

Außerdem waren sie

häufig staatlich oder doch staatlich privilegierte Betriebe, denen sich in Produktion, Marketing und Absatz neuartige Möglichkeiten boten. Luxusartikel

unterlagen vielfach besonders

vorschriften,

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waren Ausnahmegenehmigungen

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zurückgeführt,

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so

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überschwemmt,

q u i n ' e s t r e c o u v e r t que d ' u n e f e u i l l e d ' a r g e n t e t c e t t e i n v e n t i o n t o u t e mauvaise q u ' e l l e e s t , aidée par des formes a g r é a b l e s , a eu beaucoup de s u c c è s en A l l e m a g n e . Auch d e r P f o r z h e i m e r B i j o u t e r i e i n d u s t r i e w u r d e s o l c h e . . . . 95) t a t m i t dem E r f o l g a u f g r ö ß e r e n M a r k t e n g e l o h n t

Flexibili-

95)Das Z i t a t aus einem B e r i c h t van 2 5 . 8 . 1 7 8 5 , " C o n s i d é r a t i o n s u r l e c a i m e r c e de l a F r a n c e avec l a b a s s e Allemagne r e l a t i v e m e n t à s e s m a n u f a c t u r e s " , AN AE AB I I I 426; zu P f o r z h e i m s i e h e G e r s t n e r , 18. E i n f r a n z ö s i s c h e s B e i s p i e l f ü r das Abweichen von den s t r e n g e n Bestinmungen i n d e r Schmuckprod u k t i o n im I n t e r e s s e des Außenhandels g i b t e i n A r r e s t de l a Cour d e s Monn o i e s vcm 2 . 1 2 . 1 7 6 5 , "Qui permet aux O r f e v r e s , B i j o u t i e r s ou a u t r e s , & à t o u s O u v r i e r s a y a n t q u a l i t é , de f a i r e , v e n d r e ou d é b i t e r d e s B o î t e s d ' a r g e n t , e x t é r i e u r e m e n t r e v ê t u e s d ' o r , d ' u n e ou de p l u s i e u r s c o u l e u r s , & s u r d o r é s dans l ' i n t é r i e u r " I n d e r Begründung wurde a u s d r ü c k l i c h auf d i e F ö r d e r u n g des E x p o r t s Bezug genarrten. - Zum Problem d e r Lyoner Reglements s i e h e L. T r é n a r d : La c r i s e s o c i a l e l y o n n a i s e à l a v e i l l e de l a R é v o l u t i o n . I n : RTOE 2 (1955), 5 - 4 5 , b e s . l l f . T r é n a r d b e t o n t d i e R i g i d i t ä t d e r Bestinmungen. E i n B e i s p i e l f ü r Ausnahmegenehmigungen a b g e d r . b e i S c h e l l e , Bd 4, 6 4 0 f . (aus dem J a h r e 1775) . 9 6 ) S i e h e dazu Stürmer 1982, Kap.VII, p a s s i m .

60

l. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Eine Topographie der Gewerbe"policey" zeigt Nebeneinander und enklavenhafte Verschränkung von Gebieten strenger Wirtschaftsreglementierung und vergleichsweise freizügiger Politik.

Zuwei-

len decken sich Zonen wirtschaftlichen Wachstums und staatlicher Intervention; in anderen Fällen hingen Stagnation und restriktive Gewerbeverfassung kausal zusammen; und schließlich gab es kleinste Freiräume, die genau definierte Funktionen hatten^®' . Staatlicher Eingriff hieß oft Befreiung von überkommenen Einengungen, dort z.B., wo die Obrigkeit modernisierend ihren Wirtschaftsliberalismus gegen die Zunftökonomie durchzusetzen versuchte.

Die Gegner solcher Intervention waren häufig Verfechter

einer statischen Wirtschaft und verstanden unter "liberté du commerce" die Erhaltung eines idealen Gleichgewichts aller Wirtschaftszweige und zwischen allen Wirtschaftssubjekten.

Die Hef-

tigkeit ihres Widerspruchs deutet an, daß dieses Gleichgewicht nicht mehr existierte. Beides, Beharrung und Wandel, spiegeln sich in der Schichtung 97) der Luxusmarkte, wie noch ausfuhrlicher zu zeigen sein wird Hier interessiert vor allem die Frage, welcher sozialen Realität die rekonstruierbaren Marktstrukturen entsprechen und nach welchen Kriterien sie beschriében werden können. Solange eine quantifizierende Geschichte der materiellen Kultur noch aussteht, wird man auf Kriterien mit hohem Auflösungsgrad, etwa sozio-professionelle Kategorien, verzichten und auf gröbere Gliederungen und zeitgenössische Gesellschaftsmodelle zurückgreifen müssen.

Im allgemeinen werden dabei die breiteren bür-

gerlichen und unterbürgerlichen Konsumentenschichten anonym bleiben und auch Wandlungen im Konsumverhalten, z.B. im Zusammenhang mit sozialer Mobilität, nur in Einzelfällen zu erfassen sein.

Zu berücksichtigen ist dabei freilich, daß Kleider-, Lei-

chen- oder Hochzeitsordnungen, die gegen Ende des 18.Jahrhunderts in deutschen Territorien eine Renaissance erfuhren, oder späte Versuche, den Bauplan von Staat und Gesellschaft inmitten des politischen und sozialen Wandels festzuschreiben, wie das Allgemeine Landrecht für die Preussischen Staaten, einen nicht mehr herstellbaren Soll-Zustand beschworen.

Die Uhr der ständi-

schen Gesellschaft war abgelaufen, dem Beobachter der Zeit auch 98) an sogenannten Äußerlichkeiten kenntlich 97)Zur Ausführung dieser Grobskizze siehe vor allem Teil ÏI, Kap.2 und die Fallstudien in Teil III.

2. Strukturen des Marktes

61

Aus einer Kombination qualitativer, quantitativer und funktionaler Merkmale von Luxuskonsum ergeben sich die Spezifika der verschiedenen Marktebenen. Es lassen sich wenigstens vier, in sich noch differenzierbare Marktschichten unterscheiden. In Qualität und Quantität erweisen sich dabei die schichten- und standesspezifischen Unterschiede, während die funktionalen Merkmale das für alle verschiedenen Marktniveaus einheitsverbürgende Moment darstellen. Luxuskonsum dient auf jeder Ebene der Demonstration: der Demonstration von Kaufkraft, von Geschmack, von sozialem Anspruch, auch wenn der gesellschaftliche Status der "niederen Classen" nach dem Willen der Behörden in der Regel eher in der Konsumabstinenz hätte deutlich werden sollen. Die oberste Marktebene wird jeweils durch den Hof und seine Konsumansprüche gebildet. In meist enger Anlehnung und nicht klar abzugrenzen siedelt sich darunter der Markt des aristokratischen Luxus an. Der darunter einzuordnende bürgerliche Markt schließt sich wiederum, trotz gewisser Emanzipationsbestrebungen des Urbanen Besitz- und Bildungsbürgertums, dicht an die oberen Marktschichten an. Als unterste Schicht wäre der Markt der städtischen Unterschichten zu nennen, deren Luxusverbrauch meist die Grenze des behördlich und gesellschaftlich Erlaubten streifte, wenn nicht deutlich überschritt. Der Markt des ländlichen Luxuskonsums läßt sich aus diesem an den Gegebenheiten der städtischen Luxusproduktion und der Sozialstruktur von Hof und Stadteinwohnerschaft orientierten Modell nicht eindeutig ausgliedern. Der ländliche Markt umfaßt mehrere Stände und Gruppen, die nicht sämtlich als reine Landbewohner anzusprechen sind, so z.B. landbesitzende Bürger und Adlige mit wechselndem Wohnsitz, die eher urbane Verhaltens- und Konsummuster aus der Stadt auf den Gutshof oder das Laridschloß übertrugen. Hinzu kommen die eigenständigen Traditionen bäuerlichen Konsums, wobei die Bauernschaft nach Status und Vermögen wiederum in einzelne Schichten aufzugliedern wäre. Auch bedarf der bürgerliche Markt noch der Feingliederung im Einzelfall. Als Meßlatte für die Auslotung des jeweiligen Standortes in der Hierarchie der Luxusmärkte kann dabei die Frage dienen, welche 98)Siehe z.B. die Betrachtungen eines Hausvaters über die theuren Zeiten. In: Fränkisches Provinzialblatt 1803, 97-110. Der anonym gebliebene Verfasser entwickelte eine regelrechte Theorie einer Entwicklung der materiellen Kultur hin zur überbrückung von Standesunterschieden im Äußerlichen, blieb aber skeptisch gegenüber den Folgen sozialen Aufstiegs.

62

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Konsumformen bevorzugt, welche - verglichen mit höheren Gesellschaftsebenen - aufgegeben werden, welche Produktarten favorisiert oder nicht angenommen werden und welche Kaufkraft zur Verfügung steht. Von grundlegender Bedeutung sind dabei jeweils die Möglichkeiten der öffentlichen und "privaten" Repräsentation, aber auch die eventuelle Notwendigkeit demonstrativen Aufwandes.

So war für

den sozialen Umgang des Adels und aufstrebender Bürgerlicher die materielle Ausstattung des Hauses besonders wichtig, wie die Kunstkabinette von Paris zeigen.

Die künstlerisch-ästhetische

Qualität des Konsums war in diesem Fall ausschlaggebend für das Sozialprestige von Oberschichtangehörigen und Neuarrivierten, 99) z.B. Bankiers, Steuerpachtern, aber auch Hofhandwerkern Soweit die Aufwandsgesetzgebung ein realistisches Bild von den unterschiedlichen Konsummustern in ihrer finanziell und soziokulturell geprägten Abstufung vermittelt, hat sich bei den bürgerlichen Mittelschichten quantitativ auffälliger Luxus z.B. auf Kleidung und Edelmetallgeschirr gerichtet.

Auch die Wohnungs-

einrichtungen wurden im Laufe des 17. und 18-Jahrhunderts zunehmend Anlaß demonstrativen Aufwandes, beim Bürgertum meist gekennzeichnet durch einen sozialen Provinzzuschlag.

Die Rubriken

der Luxusgesetze wurden allerdings neuen Produkttypen nicht immer angepaßt.

Als sich, unter anderem als Folge gesetzlich ver-

ordneter Einschränkungen, im Frankreich des späten 17.Jahrhunderts Ersatzlösungen für den massiven Gebrauch von Edelmetall durchsetzten, bildete sich ein neuer Luxustyp heraus, der weniger auf dem Materialwert als auf dem Verarbeitungsaufwand beruhte.

So wurden die sogenannten Boulle-Môbél, die an die Stelle

des in den Kriegen Ludwigs XIV. eingeschmolzenen Silbermobiliars traten, in einem Luxusedikt des Jahres 1700 als legale Ersatzmöglichkeit auch außerhalb des Hofes gefördert''''"" . Vielleicht zeigt der Luxus der Unterschichten am deutlichsten, wie wichtig der Demonstrationswert war.

Da die beschränkte Fi-

99)Siehe dazu H. Thiriôn: La vie privée des financiers au XVIIIe s., Paris 1895, jetzt allerdings überholt durch die grundlegende Studie von Y. Durand: Les fermiers généraux au XVIIIe s., Paris 1971; vgl. des weiteren P. Jeannin: Attitudes culturelles et stratifications sociales: réflexions sur le XVIIe s. européen. In: Niveaux de culture et groupes sociaux. Actes du colloque réuni du 7 au 9 mai 1966 à l'Ecole normale supérieure, Paris und La Haye 1967, 67-137; zu den sozialen Funktionen der Kunstkabinette U.-Ch. Pallach: Auktionen und Auktionskataloge des 18.Jahrhunderts. Bemerkungen zum Luxusmarkt des französischen Ancien Régime. In: FRANCIA

2. Strukturen

des Marktes

63

nanzkraft zu strenger Auswahl zwang, wurden Gegenstände zum "Leitfossil" einer Unterschichtenkultur, die bei aller Bescheidenheit noch symbolischen Stellenwert hatten: Schmuck, meistens wohl als Imitation, und Seidenbänder, eventuell Seidenstrümpfe, waren typische Luxusartikel des "menu peuple". Sie wurden, wie unverdächtige Quellen, etwa Nachlaßinventare und Testamente, belegen, auch dann gekauft, wenn die Bestandteile bürgerlich-behaglicher Lebensweise wie solide Kleidung und dauerhafte Möbel unerschwinglich oder wegen des fehlenden Domizils zu kaufen nicht sinnvoll waren. Der Silberknopf am Stock des Handwerksgesellen, die Schnupftabaksdose oder das Uhrengehäuse aus Silber oder Double hingegen waren im Alltagsgebrauch mühelos vorzuweisen - schwacher, doch getreulicher Abglanz unerreichbarer Vorbilder. 2.3.

K a u f k r a f t e n t w i c k l u n g u n d Marktveränderungen — Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen

Die Luxusmärkte waren nicht statisch: in einem permanenten Prozeß der Veränderung wuchsen oder schrumpften sie und wandelten sich ihre Strukturen. Die Zeit vom Beginn des Siebenjährigen Krieges bis zum Ausbruch der Französischen Revolution war in West- und Mitteleuropa gekennzeichnet durch eine Abfolge von Agrar- und Gewerbekrisen, wachsenden Bevölkerungsdruck und die sich öffnende Schere von Arbeitslohn und Lebensmittelpreisen. Der Siebenjährige Krieg brachte erst eine trügerische Konjunktur und profitable Wiederaufbaumaßnahmen, dann eine lange nachwirkende Stockung von gewerblicher Produktion und überregionalem Handel. Die große Hungerkrise um 1770, die im Alten Reich schneller bewältigt wurde als in Frankreich, wo sie nahtlos in die "Guerre des Farines" von 177 5 überging, erschwerte die Erholung der Wirtschaft nachhaltig. Weitere Brotteuerungen, der Bayerische Erbfolgekrieg und der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg belasteten die 1770er und 1780er Jahre. Die Ausgaben für Grundbedürfnisse nahmen wachsenden Raum ein, wenn das Brot teurer wurde, jedenfalls bei den städtischen Mittel- und Unterschichten. Für sie galt die Regel, daß die Nachfrage nach Luxusgütern im Falle wirklicher Not elastisch war, die nach Grund8 (1980), 648-666, mit weiteren Literaturtiinweisen. 100)Siehe den Edit du Roy, Contre le Luxe, ..., Donne au mois de Mars 1700, Art.XXXIV.

64

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

nahrungsmitteln nicht. Wer für diese Käuferkreise produzierte, mußte sich angesichts der extremen Schwankungen der Getreidepreise auf ebensolche Schwankungen der verfügbaren Kaufkraft einstellen. Eindeutig sind der inflationäre Trend und die Krisenlagen der 1760er, 1770er und 1780er Jahre aus der deutsch-französischen Handelsbilanz jedoch nicht abzulesen, auch dann nicht, wenn man sich auf den für Krisen mutmaßlich anfälligsten Sektor, den Luxuswarenhandel konzentriert. Die Daten sind nicht widerspruchsfrei. Die französischen Exporte ins Alte Reich sprechen eher von einer langen Konjunktur, die kurz vor der Französischen Revolution unter anderem deshalb zusammenbricht, weil Joseph II., von den Aufklärern gelobt, von Geschäftswelt und Käufern gescholten, für die "Etats de l'Empereur" ein totales Einfuhrverbot ausländischer Seidenwaren verfügt^""'"' . Möglicherweise haben unter Stockungsphasen hauptsächlich lokale und regionale Märkte gelitten, wo der Käufer mit begrenzter und schwankender Kaufkraft überwog. Dort allerdings, wo das Luxusbedürfnis auch des "kleinen Mannes" durch den internationalen Markt befriedigt wurde, ist der Zusammenhang von Luxuskonjunktur und Getreidepreiskurve eindeutiger. So gerieten in Lyon die Seidenhändler Carret & Cie infolge der europäischen Agrarkrise ab etwa 1769 in ernsthafte Verlegenheiten. Ihr Kunde Gillis in Köln schrieb an Carret: "..., quant au Commerce il va toujours de pis en pire qu'on est oblige de se menager a faire des achats." Ein anderer Kölner Geschäftsmann, Hellin, klagte: ... je suis bien mortifie de vous dire que la misere est si grande dans ce pays cy par la manque des recoltes de grains & vins, qu'il ny a pas de debit d'aucune Sorte de Marchandises... Carret & Cie wurden davon direkt betroffen, denn es ging um neue Bestellungen und die Begleichung sehr alter Außenstände. Von 1770 auf 1771 sanken Carrets Wareneinkäufe von rund 190,000 auf etwa 115,000

Vorspiel zum finanziellen Zusammenbruch der

Handelsgesellschaft^"^' . 101)Siehe dazu J. Falke: Die Geschichte des deutschen Zollwesens. Von seiner Entstehung bis zum Abschluß des deutschen Zollvereins, Leipzig 1869, 322. Zur öffentlichen Meinung siehe die Correspondance politique et anecdotique sur les affaires de l'Europe, 4 Bde, o.O. 1789, Bd II, 320ff., Bd III, 39ff., 49ff., 57ff., 270ff., Bd IV, 38ff. 102)Ausführlich dazu Teil III, Kap.3.3. Die hier zitierten Briefe ADR Lyon, Serie B, Maison Carret, liasse X, 20.3.1770 und 16.11.1770.

2. Strukturen des Marktes

65

So zeigte das Konjunkturbarometer des deutsch-französischen Luxuswarenhandels bis in die letzten Jahre vor der Großen Revolution allgemein auf Wachstum. Die Ausbildung regionaler und schichtenspezifischer Disparitäten erinnert indes daran, daß die Entwicklung von Lebensstandard und Kaufkraft nicht nur global anhand der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen gemessen werden kann. Kriege und Agrarkrisen schichteten Kaufkraft innerhalb der Gesellschaft und zwischen den Regionen, auch zwischen Stadt und Land, um. Die berühmte Spiegelmanufaktur zu Saint-Gobain, die zwischen 1770 und 1787 Umsätze von 1,8 bis 2,8 Mio jährlich erzielte, profitierte von den Getreidepreissteigerungen, die zwar die städtischen Märkte belasteten, doch dem landbesitzenden Adel wenigstens vorübergehend überdurchschnittliche Gewinne brachten1''''" . In den 1770er und 1780er Jahren nahmen die Luxusmärkte des Spitzenniveaus noch einmal einen Aufschwung, der sich jedoch nicht generell auf alle Produkte erstreckte. Oft waren die verschiedenen sozialen und regionalen Ebenen der Luxusmärkte organisatorisch und produktionstechnisch untereinander verbunden - weil ein und dieselbe Manufaktur oder Stadt einen Produkttyp in Variationen für alle Stände fabrizierte, weil manche Händler, wie die "marchands-merciers" in Paris, die unterschiedlichsten Preis- und Warenklassen anboten, weil gerade im Fernhandel Transport und Abwicklung des Austauschs häufig unabhängig von den Eigenarten der vermittelten Güter waren. Seit Beginn des 18.Jahrhunderts waren die Luxusmärkte national wie international merklich gewachsen, doch hatte der gestiegene Anteil von Unterschichtenkunden destabilisierende Wirkung auf die Konjunktur. Doch fanden in den Schwankungen, die gegen Ende des 18.Jahrhunderts so bedrohliche Gestalt annahmen, auch veränderte Konsumgewohnheiten und ein gewandelter Geschmack ihre Übersetzung in Produktionsziffern und Handelsbilanzen. Auf der obersten Marktebene bestimmten Hofkünstler und -handwerker sowie die Verwalter des höfischen Aufwandes die Ansprüche, die die Nachfrage an das Angebot stellte. Darunter waren es Kaufleute und Händler aller Art, die diese Vermittlerrolle zwischen Angebots- und Nachfragestruktur übernahmen, abhängig freilich vom Konsumniveau der jeweiligen Stadt und auch den Eigenarten der Branche. 103)Siehe Pris, 168. Ein Diagramm zur Umsatzentwicklung von Saint-Gobain ist auch abgedruckt bèi Braudel: Civilisation matérielle, Bd 2, 298.

66

/. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Der Pariser "marchand-tapissier" Lelorin1"'" produzierte, kaufte, verkaufte und vermietete noch in den 1750er Jahren RegenceMöbel an seinen bürgerlichen Kundenkreis, dem es finanziell und vielleicht auch ästhetisch nur schwer möglich war, den Anbruch des Klassizismus durch den Kauf neuen Mobiliars nachzuvollziehen. Das dauerhaftere und "nützlichere" Produkt Möbel bildete gesellschaftlich bedingte Ungleichzeitigkeiten in der materiellen Kultur besonders deutlich ab. Regionale Unterschiede kamen hinzu, wenn der Informationsaustausch über Modeneuheiten räumliche Distanzen auch mühelos überwand. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts spielte die Nähe zu einem Kulturzentrum jedenfalls nicht mehr die Hauptrolle: soziale Position und kulturelle Ausrichtung des Konsumenten waren mindestens ebenso wichtig, wobei deutsche Ressentiments gegenüber der tatsächlichen oder vermeintlichen französischen Kulturhegemonie zum Tragen kamen. Im letzten Drittel des 18.Jahrhunderts bedurfte es in der Tat solcher Ressentiments, um noch ein eindeutiges Gefälle in der materiellen Kultur von Frankreich zum Alten Reich zu entdecken. In den 17 60er Jahren bedauerte man noch selbst im autarkiesüchtigen Preußen die Einfuhrsperren für fremde Seidenwaren, da nun die neuesten Lyoner Muster nicht mehr kopiert werden konnten 10 ^' . Es ist anzunehmen, daß dahinter die Konsumwünsche der gehobenen Berliner Kundschaft standen. 1771 waren auf der Messe in Frankfurt an der Oder gestreifte Seidenwaren noch sehr gefragt gewesen, doch 1773 wollte der Seidenhändler Essingh in Köln von seinem Lyoner Lieferanten solche auf keinen Fall mehr haben, "car d'etoffes rayes ne sont pas en mode chez nous" 10 ^'. Gewiß war dies auch ein Zeichen für die Kurzlebigkeit von Moden, doch entdeckten die deutschen Käufer allmählich eben auch die einheimische Produktion, ein langsamer Emanzipationsprozeß, der im Nachbarland erst spät zur Kenntnis genommen wurde. Noch 1789 fand das Journal des Luxus und der Moden Anlaß, die französischen Exportpraktiken zu beklagen: nach Deutschland würde nur ästhetisch Zweitklassiges geliefert, das an kultivierte Käufer in Frankreich nicht zu verkaufen sei, "fast alles nur merkantilistische Spekulationen Französisch. Fabriken für Teutschland." 107 ' 104)Zu Lelorin siehe ausführlich Teil III, Kap.3.3. 105)Siehe Acta Borussica/Seidenindustrie, Bd I, 532. 106)Siehe ebd., Bd II, 50; die Äußerung Essinghs in einem Brief (28.3.1773), ADR Lyon, Serie B, Maison Carret, liasse X. 107)Vierter Band, Jahrgang 1789, 526f.

2. Strukturen des Marktes

67

Als Produzent aktiv in das Marktgeschehen einzugreifen, war nicht vielen möglich.

Kapazitätsausweitung, Produktdifferenzie-

rung und Produktinnovation stießen auf ebenso viele Schranken, wie es wirtschaftliche Verlockungen gab. Leichter hatten es in dieser Hinsicht die Porzellanmanufakturen: ihr Erzeugnis hatte den Reiz des Neuen für sich, traf auf einen finanzkräftigen Käuferkreis und war meistens gegen fremde Konkurrenz aus dem In- und Ausland geschützt. Auch gab es kaum Technologierückstände, nachdem die Jahrhundertmitte einen, wenn auch illegalen Austausch von Kenntnissen und Manufakturspezialisten erlebt hatte. Zudem boten zentralisierte Produktion und die Konzentration von Herstellung, Verwaltung und Wirtschaftsführung Chancen für eine gezielte Absatzstrategie. Schwieriger wurde es schon in der Seidenindustrie, das Angebot qualitativ und quantitativ zu steuern und die Nachfrage zu beeinflussen, jedenfalls in Lyon oder anderen Städten, in denen keine Unternehmerdynastie, keine Handelsgesellschaft oder Behörde den Markt eindeutig beherrschte. Eine gewisse Lenkung ließ sich in Berlin und der Kurmark mittels Direktiven des Kommerzund Manufaktur-Departements erreichen. Die ebenfalls in Preußen, aber unter einem liberalen Wirtschaftsregiment prosperierenden von der Leyen in Krefeld waren indes überzeugt, ohne bevormundende staatliche Wirtschaftsförderung effektiver wirtschaften zu können''"'"" . Modewandel zu provozieren, Marktwachstum anzuregen und neue Trends zu setzen, gelang nur wenigen Produzenten. Und auch diese waren meist noch auf Vermittler angewiesen, die das Publikum zu beeinflussen vermochten. Wer in einem traditionellen Handwerksbetrieb für einen räumlich begrenzten und gesellschaftlich zweitrangigen Markt arbeitete, hatte noch geringere Spielräume und schlechtere Chancen aktiver Gestaltung. Der Konkurrenzdruck reichte in der Regel nicht aus, um die in die soziale, rechtliche und ökonomische Ordnung der Zunft eingebundenen Meister zu einem risikofreudigen Wirtschaftsverhalten zu bewegen. Das bereits erwähnte "konservative" Prodükt Möbel ist vielleicht das beste Beispiel dafür, während bei Textilien, Schmuck und Wanddekorationen Neuerungen für die unteren Marktebenen durchaus innovatorisch für weitere Märkte wirken konnten: Papiertapeten, 108)Ausführlicher dazu Teil III, Kap.4.3.

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I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

neue Stoffarten und Imitationsschmuck gaben auch schichten- und ständeübergreifend Anstöße zu qualitativem wie quantitativem Wachstum. Umgekehrt setzten sich Impulse auch vom höfischen Spitzenniveau materieller Kultur bis an die Basis der Gesellschaftspyramide durch, wenn ein neues Produkt sowohl den Stempel höfischer Abkunft, also des Luxuriösen, trug, als auch preisgünstig herzustellen war. Angebot und Nachfrage befanden sich kaum einmal im Gleichgewicht. Dort wo das Angebot durch die Einzelleistungen selbständiger Handwerker entstand, war die Balance noch am leichtesten herzustellen. Ihnen konnte die Anpassung an die Entwicklung der Kaufkraft eher gelingen als Manufaktur und Verlagswirtschaft, die mit den Fluktuationen des Kaufverhaltens einer anonymen Kundschaft zu kämpfen hatten. Abgesehen von gelegentlichen Rohstoffverknappungen - wie in Lyon - stellte sich in erster Linie das Problem der Überproduktion auch bei gleichmäßiger Nachfrage. Ein Rückgang der Nachfrage wirkte sich dann zusätzlich verschärfend aus, wobei Manufakturen unter staatlicher Protektion oder in fürstlichem Besitz vieles noch abfangen konnten, was den privaten Unternehmer oder die selbständigen Meister schutzlos traf. Schwierig war vor allem die mengenmäßige Anpassung des Angebots an die Nachfrage. Sie gelang im wesentlichen nur negativ: der Produktionsrahmen war an ein bestimmtes Konsumniveau gebunden, so daß Unternehmer und Meister auf Konjunkturschwankungen vornehmlich durch Entlassung von Gesellen und Arbeitern oder einschneidende Lohnkürzungen reagierten, vielleicht auch mit einem nur kurzfristig durchzuhaltenden und letztlich noch ruinöseren Preiskampf - selten indes durch wesentliche Veränderungen in der sozialen oder technischen Organisation. Einer Expansion auf kurze Frist standen im Handwerk gleichfalls grundlegende Hindernisse entgegen, während Manufaktur und Verlagswesen flexibler waren. Im Alten Reich war zwar 1764 die althergebrachte Regel außer Kraft gesetzt worden, daß mit wenigen Ausnahmen kein Handwerksmeister mehr als zwei Gesellen und einen Lehrling beschäftigen äürfe - in Frankreich diskutierte man noch weiter reichende Reformen''"'"' - , doch in der ökonomischen und sozia109)Stürmer: Herbst, Dok.15. - In einer Sitzung des Conseil de Ccnmerce am 10.5.1770 wurde der Vorschlag gemacht, die Beschränkungen der Lehrlingsund Gesellenzahlen aus allen Zunftstatuten zu streichen und alle Gesellenzeiten auf ein Jahr zu.reduzieren, AN f12 502. zum Conseil de Caimer-

2. Strukturen des Marktes

69

len Wirklichkeit einer Kleinstadt bedeutete unternehmerische Aktivität Einzelner, daß das Gleichgewicht der städtischen Gesellschaft gefährdet war. Selbst in einer größeren Stadt mit Hofhaltung wie dem friderizianischen Berlin fuhren jene Betriebe am besten, die sich auf moderates Wachstum und ebenso mäßigen Geschäftsumfang einstellten''"''''". Manufakturen standen hingegen weniger vor Hindernissen, die die Gesellschaftsverfassung aufrichtete, als vor solchen, die neue Produkte und neue Techniken mit sich bringen: die Infrastruktur war aufwendiger, angefangen von der Lagerung der Rohmaterialien über Gebäude und Maschinen bis hin zur Sicherung der Verfügung über qualifizierte und damit teure Arbeitskraft. Die rasche Verbreitung der Porzellantechnologie in Mittel- und Westeuropa und damit der Verlust einer großen Marktchance für die Pioniermanufakturen wurde zumal durch Absatzflauten begünstigt, die beschäftigungslose Arkanisten in fremde Territorien trieben. Ähnlich erging es der französischen Seidenindustrie: in großer Zahl emigrierten Arbeiter samt ihren Familien, ihre hochspezialisierte Kunstfertigkeit und oft auch die Webstühle mit sich nehmend, Für die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf den überregionalen und internationalen Märkten waren wegen der territorialen Heterogenität des Alten Reiches und der Rivalitäten im französisch-deutschen Verhältnis auch Fragen der Außenhandelspolitik von Bedeutung. Die Tendenzen waren hier widersprüchlich: zwischen Frankreich und einer Reihe von Reichsständen wurden Handelsverträge geschlossen, die das "droit d'aubaine" aufhoben und Meistbegünstigungsklauseln enthielten1"'"'''' . Zum anderen ging der privilegierte Handel deutscher Häuser im Laufe des 18.Jahrhunderts fast völlig nieder, was den französischen Gewerben den Zugang zu deutschen Märkten erschwerte. Wichtiger wurde indes, daß viele Reichsfürsten die Rezepte des Merkantilismus in der Außenhandelspolitik anwendeten. Abschottung als wirtschaftspolitisches Prinzip behinderte den interterritorialen und damit auch den deutsch-französischen Handel. Zahlreiche Absperrungsmaßnahmen waren zwar nicht spezifisch anti-französisch gedacht, ce siehe P. Bonnassieux: Conseil de Ccnmerce et Bureau du Commerce, 1700 ä 1791. Inventaire analytique des proces-verbaux, Paris 1900. 110)Siehe dazu allgemein Wiedfeldt sowie H. Hoffmann: Handwerk und Manufaktur in Preußen 1769 (Das Taschenbuch Knyphausen), Berlin 1969. 111)Siehe dazu auch S.50.

70

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

s o n d e r n gegen d i e b e n a c h b a r t e n R e i c h s s t ä n d e g e r i c h t e t , 112) r e n d i e handelshemmenden Auswirkungen d i e s e l b e n D i e wohl u m f a s s e n d s t e S p e r r z o l l p o l i t i k reich,

Preußen:

betrieb,

neben

1755 v e r b o t e i n e C a b i n e t s o r d r e d i e

Öster-

ostindische

Seide;

1756 wurden e r s t a u s l ä n d i s c h e Damaste v e r b o t e n ,

totale

Importsperre für Seide e r l a s s e n ,

P r o t e s t h i n w i e d e r g e l o c k e r t wurde.

die auf

"Porcellain,

fremde P o r c e l l a i n e

acht"

s c h e n und s e c h s P f e n n i g e , sachsen d i t o " . delt^^'.

Der K o n f l i k t m i t

indianisch,

Sachsen

h o l l ä n d i s c h und a n d e r e

"das unächte i s t v e r b o t e n ,

behan-

aus d e r s e l b e n Z e i t G o l d - und

Gro-

aus Chur-

S ä c h s i s c h e S e i d e n w a r e n wurden ä h n l i c h 120 P r o z e n t ,

eine

preußische

z a h l t e n 1769 vom T a l e r w e r t e i n e n

Der b a y e r i s c h e Z o l l t a r i f

P o r z e l l a n m i t 100 b i s

dann

französischen

b e h e r r s c h t e auch nach dem S i e b e n j ä h r i g e n K r i e g d i e Zollpraxis:

doch wa-

belastete

Silberwirkstoffe

m i t 3 f 1 . / G e w i c h t s p f u n d und l i o n i s c h e G o l d - und S i l b e r s p i t z e n - e i n e Nürnberger S p e z i a l i t ä t mußte d i e s e r T a r i f werden,

- mit 5 f1./Gewichtspfund.

1 7 7 1 a u f k a i s e r l i c h e s Mandat h i n

doch s e t z t e n d i e F l ä c h e n s t a a t e n

ren T e r r i t o r i a l m e r k a n t i l i s m u s der S t a d t s t a a t e n ,

durch.

im g r o ß e n und ganzen

Dieser traf

a b e r auch F r a n k r e i c h

d e s b a y e r i s c h e n T a r i f s von 1 7 6 5 , Frankreich vergeblich hoffte, tige Verhältnis.

stell,

.

Die p r o h i b i t i v e n

belasteten

d u r c h a u s das

Der f r a n z ö s i s c h e B e v o l l m ä c h t i g t e

die Handelsbilanz

zu u n a u s g e g l i c h e n , könnte'*''*'^' .

genom-

Zollsatze

a u f d e s s e n Abmilderung man i n

und " m a u v a i s e L o g i q u e " v o r .

konterte:

ih-

Wirtschaft

i n den W ü r g e g r i f f

Comte de Montezan, w a r f noch 1782 d e r b a y e r i s c h e n "mauvaise f o i "

die

so im F a l l e B a y e r n s Nürnberg und R e g e n s b u r g ,

das m e h r e r e J a h r e l a n g h a n d e l s p o l i t i s c h 114) men wurde,

Zwar

ermäßigt

sei

gegensei-

i n München, Regierung

Deren M i n i s t e r ,

zuungunsten s e i n e s

a l s daß man s i c h s t r e n g an V e r t r ä g e

Ca-

Landes

halten

Viel halfen die Meistbegünstigungsklauseln

i n den

112)Siehe allgemein dazu Bog und Blaich. Falke 1869 bezeichnet das 1 8 . J a h r hundert a l s "Zeit des ausgebildeten Sperrzollsystems", 2 6 9 f . ; siehe auch die Literaturangaben in den folgenden Anmerkungen. 113)Siehe Acta Borussica/Seidenindustrie, Bd I , 362, 3 8 0 f . , 3 8 6 f f . , der T a r i f von 1769 bei Bergius 1781, 111-158.

394ff.;

114) Zur bayerischen Z o l l p o l i t i k und zum Verhältnis Bayem-Regensburg siehe E . J . Häberle: Z o l l p o l i t i k und Integration im 18.Jahrhundert, München 1974, sowie Schoenfeld, 3 2 f f . Der bayerische T a r i f von 1765/1768-69 bei Falke 1869, 326. Zum Zusammenhang von Z o l l p o l i t i k und Wirtschaftsrückgang E. Mutschelknaus: Die Entwicklung des Nürnberger Goldschmiedehandwetks von seinen ersten Anfängen an b i s zur Einführung der Gewerbefreih e i t im Jahre 1869, Diss. Würzburg 1929, 13-19 und 220-237. 115)Der diesbezügliche Notenwechsel in AN F 1 2 646 und AMAE Corr.Pol. Baviere

3. Die ökonomische Krise der Luxusmärkte

Handelsabkommen n i c h t , Politik

wenn e i n V e r t r a g s p a r t n e r

der prohibitiven

generell

Z ö l l e und d e r A b s p e r r u n g

men,

doch h ä t t e e r s i c h ,

te spätmerkantilistische lassen. der

"cinque grosses Porzellan,

ohne d i e von F r a n k r e i c h

Wirtschaftsdoktrin

s i c h e r noch

fermes"

läßt

nur g e r i n g e Chancen. auf

sich Ähnliches

und T a p i s s e r i e n

Hanerborg-

ausbauen Gebiet

sagen:

hatten

Spiegel,

dort

Dabei h a t t e der k u r z l e b i g e

vor-

Triumphzug

dem P a r i s e r L u x u s m a r k t g e z e i g t ,

daß

f r a n z ö s i s c h e H e r r s c h a f t im " R e i c h d e s G e s c h m a c k s " n i c h t

selbstverständlich hauptete.

war, wie d i e ökonomische L i t e r a t u r

gerne

L e i c h t wurde i n t e c h n i s c h e n o d e r ä s t h e t i s c h e n

mat u m g e d e u t e t ,

was R e s u l t a t p r o t e k t i o n i s t i s c h e r

t r a d i t i o n e l l e r Abhängigkeiten war.

im-

Einnah-

genauso wie der i n t e r t e r r i t o r i a l e

Textilien

des Meißner P o r z e l l a n s die

-

Zu d e n M ö g l i c h k e i t e n d e u t s c h e r E x p o r t e i n d a s

Schmuck, erst

freilich

- und l a n g f r i s t i g s o g a r s t e i g e n d e

im I n n e r n d e s A l t e n R e i c h e s ,

del

eine

betrieb.

D e r f r a n z ö s i s c h e H a n d e l m i t dem A l t e n R e i c h b r a c h t e mer noch b e a c h t l i c h e

71

Supre-

Politik

An d e n Z o l l g r e n z e n

so be-

oder zwischen

F r a n k r e i c h und den v e r s c h i e d e n e n R e i c h s s t ä n d e n

herrschte

Gleichgewicht,

Marktwachstum.

ein

strukturelles

Hindernis

für

I m m e r h i n d e u t e t e n d i e H a n d e l s v e r t r ä g e L u d w i g s XV. u n d Maßnahmen L u d w i g s XVI. listische

in Richtung L i b e r a l i s i e r u n g .

Grundzüge b l i e b e n dennoch e r h a l t e n ,

wenn

einzelne Merkanti-

einerseits

d i e E i n f i i h r von R o h s t o f f e n nach F r a n k r e i c h e r l e i c h t e r t , Waren a n d e r e r s e i t s ten wurden.

nach Bedarf

fertige

p r o h i b i t i v besteuert oder

Die Z o l l t a r i f e d e r R é v o l u t i o n s j ä h r e

dings für einige

kein

Z e i t noch e n g e r e Schranken

verbo-

sollten

aller-

setzen^"''®' .

3. Die ökonomische Krise der Luxusmärkte — Topos oder Realität? Zeitgenössische Befunde und Interpretationen im Rückblick Der B e g r i f f wir die

der Krise hat die Perspektiven

letzten

Jahrzehnte

geprägt,

d e s A n c i e n Regime s e h e n .

unter

denen

Langezeit

1782, v o l . 1.66 und 167. 116)Einige B e i s p i e l e müssen genügen. E r l ä s s e des Königlichen S t a a t s r a t e s v e r f ü g t e n : Erhöhung des E i n f u h r z o l l s f ü r b e d r u c k t e s P a p i e r z u r Tapetenh e r s t e l l u n g (21.3.1768, AN Ä » 978); Verbot e n g l i s c h e r Baumwollstoffe und 3 0 - p r o z e n t i g e Belastung a n d e r e r (2.5.1773, AN AD XI 3 4 ) ; Ermäßigung d e r E i n f u h r z ö l l e f ü r Gaze - " l e catmerce & l e d é b i t se t r o u v o i t gêné p a r 1 ' e x c è s d e s d i t s d r o i t s . . . " (8.7.1781, e b d . ) ; Verbot d e r E i n f u h r von Spiegeln (8.5.1781, AN AD XI 5 3 ) . - Allgemein z u r Z o l l p o l i t i k s i e h e Bosher 1964; z u r R e v o l u t i o n s z e i t u . a . A. Amauné: Les t a r i f s d o u a n i e r s de 1791. I n : Revue d ' h i s t o i r e des d o c t r i n e s économiques e t s o c i a l e s 1911, 17-34; e i n B e i s p i e l f ü r e i n e n T a r i f aus den R e v o l u t i o n s j a h r e n i s t Goudard: E t a t e t T a r i f des D r o i t s Qui Seront Perçus à Toutes l e s E n t r é e s

72

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

h a t d i e Entdeckung von D i s k o n t i n u i t ä t e n r a s c h e r e F o r t s c h r i t t e 117) gemacht a l s d i e Ortung von K o n t i n u i t ä t e n . Der Untergang des e u r o p ä i s c h e n Ancien Regime i n d e r F r a n z ö s i s c h e n R e v o l u t i o n und ihren F o l g e e r e i g n i s s e n beruht l e t z t l i c h Krisenlagen,

die P r i v i l e g i e n g e s e l l s c h a f t , Monarchie,

auf e i n e r Kumulation von

die in F r a n k r e i c h die ö f f e n t l i c h e n Finanzen die Legitimationsgrundlagen

d i e Ökonomie und d i e M e n t a l i t ä t e n .

betraf, der

Für den Zusammen-

bruch des A l t e n R e i c h e s g i l t dann m u t a t i s m u t a n d i s , daß d e r g e w a l t t ä t i g e Impuls aus F r a n k r e i c h e i n e n Schwächezustand d e c k t und e i n e l a t e n t e K r i s e akut gemacht h a t . Deutungsmuster wird damit b e s t ä t i g t 118)

Das

aufge-

historische

Wie w e i t r e i c h t d i e E r k l ä r u n g s k r a f t des K r i s e n p a r a d i g m a s ,

ange-

wendet auf d i e ökonomische E n t w i c k l u n g d e r Luxusmärkte im a u s g e henden Ancien Régime?

Ihnen kam b e s o n d e r e Bedeutung zu: zum e i -

nen s p i e g e l t e n i h r e K o n j u n k t u r e n den V e r l a u f von ge und - k a u f k r a f t ,

Spitzennachfra-

zum anderen waren s i e zum I n d i k a t o r f ü r

t i v e n Massenwohlstand geworden.

rela-

Zudem waren s i e im I n l a n d s - wie

im A u s l a n d s g e s c h ä f t s t ö r u n g s a n f ä l l i g und b o t e n so Anlaß zu S p e k u l a t i o n e n über die w i r t s c h a f t l i c h e Gesamtlage. porte hatten doppelten A n t e i l Außenhandels:

Luxuswarenex-

an den E r f o l g e n des

französischen

einmal d i r e k t a l s w e s e n t l i c h e r B e s t a n d t e i l ,

sodann

i n d i r e k t a l s Reklameträger für die französische m a t e r i e l l e tur.

Das A l t e R e i c h wurde a l s Haupt- oder s o g a r a l s d e r

w i c h t i g e Kunde g e s e h e n ,

von dem a l l e s a b h i n g e .

Kurzfristige,

doch e m p f i n d l i c h s p ü r b a r e K o n j u n k t u r r ü c k g ä n g e i n l o k a l e r Zuspitzung,

Gleichzeitig

pessimistische

l e b t e d e r Optimismus d e r " P a r i s

d e l e du m o n d e " - E n t h u s i a s t e n f o r t , lierte?

dramatischer

d i e von d e r g e w e r b l i c h e n Monokultur mancher

G e b i e t e und S t ä d t e b e g ü n s t i g t wurden, n ä h r t e n Stimmungen.

Kul-

einzig

d e r f r e i l i c h auch i n -

- S c h w a r z s e h e r e i umschlagen

l e mokalku-

konnte.

e t Sorties du Royaume, . . . , Strasbourg 1790. 117)Bergeron 1977 versucht, Bruch und Kontinuität aufzuzeigen; siehe auch R. Reichardt/E. Schmitt: Die Französische Revolution - Umbruch oder Kont i n u i t ä t ? In: Zs. f . Historische Forschung 7 (1980), 257-320. 118)Auf eine umfangreiche Bibliographie zur Krise des französischen Ancien Regime und zum Krisenbegriff muß hier verzichtet werden. Es s e i hingewiesen auf: Bosher 1972; H. Chisick: The limits of refoim in the Enlightenment: Attitudes tcwards the éducation of the lower classes in 18th Century France, Princeton/NJ 1981, vor allem Kap.IV, wo Chisick von e i ner " c r i s i s mentality" spricht; vgl. auch die Diskussion des Krisenbeg r i f f s bei E. Labrousse: La c r i s e de 1'économie française à la f i n de l'Ancien Régime e t au début de l a Révolution, Paris Î944, Introduction générale. - Allgemein dazu: R. Koselleck: Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Patlxboenese der.büraerliehen Welt, Freibura und München 1959

3. Die ökonomische Krise der Luxusmärkte

Das Wort

Krise

mehr

eine

als

war

findlichkeit. Wendung auch

Sein

zum G u t e n

verrät.

ten

Krisen-

offenlassen wie

die

Unbestreitbar

einer

ist

ken

des

in

Regierung.

Gnade

jedenfalls

in

ihrer

fanden

und i h r

delspolitik sprochen. tönernen

die

die

Verhältnis wurden

Stand Füßen?

Gesellschaft,

in

sie

der

Krisenanalysen eines

der

vor

weitverbreite-

fand.

die als

wie

vor

den

gegen

Risi-

SchranKrisener-

Maßnahmen

den Augen

in

Unternehmer,

schützenden Hilfe

waren

Abhilfsmit-

Publizistik

flüchteten

in

die

der

der

Behörden,

wenig"^"' . vor

zur

anderen

als

krisenanfällig

französischen

Gewerbe-

Zusammenhang

zum B e i s p i e l

Louis-Sébastien

gab

alle

zurück

damit

diesem

nicht

in

kaum

Grundbe-

und a u c h

vorgeschlagenen

Existenz

das

es

eine

sein

protektionistische

sie

Frankreich,

Luxusindustrien,

Manche

der

und f o r d e r t e n

Branche

bezeichnete selten

Niederschlag

Wirtschaft

Merkantilstaates

scheinungen

oft nur

beiläufig

.

Wahl

Korrespondenz

freieren

Hand:

konnte 119)

und H a n d w e r k s m e i s t e r ,

ken

nen,

der

Störung,

und D e k a d e n z g e f ü h l s ,

administrativer Händler

bei

Gebrauch

zweckgebunden,

tel

Die

rasch

vorübergehende

73

besonders

der Reichtum

Mercier,

bedrückenden

und oft

ange-

von P a r i s

Kritiker

Abhängigkeit

erschieAußenhan-

einer

auf

Luxus-

Ausdruck:

I l e s t t r è s - s û r q u e , s i l e s r i c h e s i n t e r r o m p o i e n t p e n d a n t une a n n é e l e c o u r s de l e u r s f o l l e s d é p e n s e s , i l y a u r o i t l a m o i t i é de l a c a p i t a l e , q u i t o u t - à - c o u p ne p o u r r o i t p l u s subsister.121) Merciers

Angst

war

noch

dem S i e b e n j ä h r i g e n die

Diagnose

des

von W i r t s c h a f t ,

zelner

Vor

französischen Eindruck durch

"Krise"

auch

Ludwig

allem

etabliert ob

die

als

die

-

ob a l s

reflektierte

auf

als

anläßlich

Dauer

gebrochen.

um 1 7 7 0

war

Beschreibung oder

und d e r

Schock der

Seit

jedoch

des

im G a n z e n

Analyse

um 1 7 7 0

hatten

Begeisterung nicht

Luxuskritik

und P o l i t i k

Hungerkrise

Staatsfinanzen XVI.

seine

und d e r A g r a r k r i s e

Gesellschaft

Teilbereiche,

reotyp.

durch

Krieg

Zustan-

oder als

Zustand

gewirkt,

ein-

Steder

dessen

Thronbesteigung

verwischte.

Die

Vorstellung,

1 1 9 ) E i n w i l l k ü r l i c h h e r a u s g e g r i f f e n e s B e i s p i e l d a f ü r i s t f o l g e n d e Äußerung, d i e 1784 v o r dem k u r t r i e r i s c h e n H o f r a t f i e l : "Zum anderen b e f i n d e t s i c h d a s Cdrmercium dermalen i n einem ganz b e s o r i d e m C r i s i , d i e R e v o l u t i o n von America, und d i e A n s t a l t e n , w e l c h e d e r K a y s e r l . Hof i n denen N i e d e r l a n d e n m a c h t , können demselben e i n e neue Wendung g e b e n . " Z i t . nach STAK 1 C 379 A c t a b e t r . d e r Kur T r i e r H a n d e l s - T r a c t a t e n m i t F r a n k r e i c h 1782 b i s 1786. 1 2 0 ) Z a h l r e i c h e B e i s p i e l e f ü r d i e s e E i n s t e l l u n g f i n d e n s i c h i n den Akten d e r AN F 1 2 , u . a . 106 und 1 9 0 6 . Necker und d e r C o n s e i l de Camierce l e h n t e n p r o t e k t i o n i s t i s c h e P r o j e k t e oder Pläne zur Verbesserung der S t a a t s f i n a n zen h ä u f i g m i t d e r Begründung a b , d e r Handel werde dadurch ü b e r l a s t e t . 1 2 1 ) T a b l e a u de P a r i s ,

12 Bde, Amsterdam 1 7 8 2 - 1 7 8 8 , Bd 1 ,

289.

74

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

dies a l l e s

s e i womöglich Ausdruck e i n e r umfassenden

und s o m i t nur V o r s p i e l lösen werde,

begann,

zu e i n e r K a t a s t r o p h e ,

Teil

der k o l l e k t i v e n M e n t a l i t ä t

ohne d i e s e i n d e s e i n d e u t i g zu b e h e r r s c h e n . des J a h r e s

Gesamtkrise

in der d i e s e

sich

zu werden,

I n den F o r d e r u n g e n

1789 nach s t a a t l i c h e r H i l f e f ü r " n o s F a b r i q u e s 122) wurde K r i s e n b e w a l t i g u n g zum P o l i t i k u m .

guissantes

Auch das A l t e R e i c h h a t t e d i e A g r a r k r i s e um 1770 a l s Schock e r l e b t .

schweren

"Handel und Wandel waren i n d i e s e r t r a u r i g e n

riode v e r n i c h t e t , Lethargie!"

lan-

Gewerbe und N a h r u n g s s t a n d i n e i n e r

Pe-

völligen

s c h r i e b J o h a n n G o t t f r i e d Hunger ü b e r S a c h s e n .

Ins-

gesamt waren s e i n e r S c h ä t z u n g nach 1 5 0 , 0 0 0 Menschen umgekommen. E i n h e i t l i c h war d i e B e u r t e i l u n g d e r w i r t s c h a f t l i c h e n a u s s i c h t e n nach dem Großen Hunger j e d o c h n i c h t .

Zukunfts-

Bedingt

durch

d i e U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n den e i n z e l n e n T e r r i t o r i e n ,

fielen

Voraussagen sehr v e r s c h i e d e n aus.

innenpoli-

J e deutlicher die

tischen Schwierigkeiten Frankreichs hervortraten, 123) e h e r mochte man s i c h im A l t e n R e i c h s c h ä t z e n In F r a n k r e i c h t r a t e n die w i r t s c h a f t l i c h e n S t ä d t e n am s c h ä r f s t e n von P a r i s

hervor.

rechnete vor,

Seidenfabrikanten

1773/74 d i e Zahl d e r

p f l i c h t i g e n K a u f l e u t e und M e i s t e r von 1729 a u f 670 gen s e i .

glückli-

P r o b l e m e i n den g r o ß e n

Das Corps d e r

daß s e i t

desto

die

steuer-

zurückgegan-

Da d i e Abgaben n i c h t im s e l b e n Maße gesunken w a r e n ,

mußte e i n e P o l a r i s i e r u n g eingetreten

sein.

in der S o z i a l s t r u k t u r d i e s e s

Gewerbes

M i t 1 2 , 0 0 0 b e s c h ä f t i g t e n A r b e i t e r n war d i e s e s

Corps f ü r d i e P a r i s e r W i r t s c h a f t n i c h t u n w i c h t i g und e i n e S t ü t z e n von L u x u s p r o d u k t i o n und L u x u s h a n d e l .

der

I n den e r s t e n

v o l u t i o n s j a h r e n h a t t e s i c h das K r i s e n b e w u ß t s e i n

so

Re-

verfestigt,

daß im R ü c k b l i c k nur noch e i n l a n g d a u e r n d e r V e r f a l l k o n s t a t i e r t 124) . N i c h t w e n i g e r b r i s a n t war d i e Lage i n Lyon, wo d i e

wurde

122)So etwa im Cahier du T i e r s - E t a t de l a V i l l e de P a r i s , Paris 1789, 28. 123)Das wörtliche Z i t a t nach J . G . Hunger: Kurze Geschichte der Abgaben, besonders der Konsumtions- und Handelsabgaben in Sachsen, 2 . , venti. u. verb. Aufl. Dresden 1783, 98. Eine umfassende Darstellung der Auswirkungen dieser Hungerkrise im Alten Reich s t e h t noch aus. Neben regionalen Studien wie der von E. Weinzierl-Fischer: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770-1772 durch Maria Theresia und Joseph I I . In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Bd 7, Wien 1954, 478 b i s 514, siehe vor allem Abel 1974, 200-251, und Stürmer: Herbst, 2 7 4 f f . so?ie Dok.42 und 43. - Ein Beispiel negativer Einschätzung der Lage in Frankreich i s t (Ph.P. Guden): Historisch p o l i t i s c h e Untersuchung von Frankreichs Staatsvermögen und dessen Zu- und Abnahme s e i t I . 1660, b i s auf gegenwärtige Zeit, Hamburg 1786. 124)Die Zahlenangaben aus einer o f f e n s i c h t l i c h nach dem Abschluß des EdenVertrages verfaßten Denkschrift in AN p!2 659 A. Typisch für die p e s s i -

75

3. Die ökonomische Krise der Luxusmärkte

F u r c h t v o r A u f s t ä n d e n wuchs,

s e i t d i e Lage d e r

Seidenarbeiter

s i c h s e i t etwa 1772 zunehmend v e r s c h l e c h t e r t e und d i e

Diskussion

um Ursachen und A b h i l f e n i n d i e Ö f f e n t l i c h k e i t g e t r a g e n worden 125 ) war

.

Auch Nimes, Lyons a b g e s c h l a g e n e r K o n k u r r e n t ,

klagte

über wachsende E x p o r t s c h w i e r i g k e i t e n und stand damit n i c h t lein.

Die T e x t i l i n d u s t r i e

des B e a u v a i s i s ,

den G o b e l i n s und d e r S a v o n n e r i e L u x u s t a p i s s e r i e n

für

Käuferschichten f a b r i z i e r t e ,

diese

l i t t Not und t e i l t e

m i t den A r b e i t e r n und " E 126) ntrepreneurs" Stätten und Manufakturen Geschäftsleute,

der K ö n i g l i c h e n

d i e von d e r " c r i s e b i e n d é f a v o r a b l e "

i n d e r F r a n k r e i c h s Handel s i c h g e n e r e l l

al-

d i e i n Ergänzung zu breitere Erfahrung Hofwerksprachen,

befände, belegten dies 127 )

m i t d e r s t e i g e n d e n Zahl von F a l l i m e n t e n i n den P r o v i n z e n nur z u f ä l l i g e und n i c h t r e p r ä s e n t a t i v e Beobachtungen T o l o s a n e r k l ä r t e dem C o n s e i l

de Commerce,

daß v i e l e A r b e i t e r und

F a b r i k e n s i c h i n e i n e r sehr s c h l e c h t e n Lage b e f ä n d e n . dringend notwendig,

e i n z e l n e n P r o v i n z e n H i l f e zu

D i e an Orten w i e P a r i s und Lyon a u g e n f ä l l i g e n me w i r k t e n s i c h , leute,

,

Einzelner? Es128) sei

leisten

Wirtschaftsproble-

so d i e B e u r t e i l u n g durch z e i t g e n ö s s i s c h e

Fach-

zum e i n e n auf d i e f r a n z ö s i s c h e G e s a m t w i r t s c h a f t aus.

anderen war d i e K r i s e auf d i e P r o v i n z e n n i c h t b l o ß

Zum

übertragen

worden: v i e l m e h r waren d i e d o r t i g e n k l e i n e r e n G e w e r b e z e n t r e n r e k t von A b s a t z s c h w i e r i g k e i t e n ,

auch im Ausland,

man d i e von f r a n z ö s i s c h e n Konsuln und deutschen

betroffen,

diwenn

Handelspartnern

ü b e r b r a c h t e n H i o b s b o t s c h a f t e n e r n s t nimmt. Die Stimmungen im A l t e n R e i c h waren w i d e r s p r ü c h l i c h . ßische Staatsminister Hertzberg i n s i s t i e r t e d i e Gewerbe- und A u ß e n h a n d e l s p o l i t i k

Der p r e u -

auf den E r f o l g e n ,

i n seinem Land errungen

mistische Selbstbespiegelung am Ende der 1780er Jahre, wenn auch mit e i ner positiven, einen politischen Appell enthaltenden Wendung, die anonyme S c h r i f t Avenir heureux du carmerce françois, dédié aux fabriques nationales, o.O. 1789; v g l . allgemein dazu Durbec. 125)Ausführlicher dazu unten T e i l I I I , Kap.3. - über die Furcht vor Aufständen siehe Servant/Terret: Memoire de la V i l l e de Lyon au Roi, Paris 1788, 15ff. 126)Zu den Absatzschwierigkeiten von Nîmes siehe die oben, T e i l I , Kap.l, Anm.31 angegebene Literatur. - über das Beauvaisis siehe außer der Studie von Goubert auch R.-A. Weigert: La tapisserie e t l e tapis en France, Paris 1964. 127)S. de Montenay: Les tribulations d'un voyageur de caimerce à la f i n de l'Ancien Régime ou de l'inconvénient de ne point savoir parler allemand en Allemagne. In: Annales de Bourgogne 1967, 197-255, hier z i t . 221 aus dem Brief eines Handlungsreisenden vom 11.2.1784.

76

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

hätten.

Z u g l e i c h meinten d i e K r i t i k e r der

Wirtschaftsorganisation,

friderizianischen

d i e s e hätten ohne R e g i e ,

Reglementie129)

rung und überzogene A k z i s e s a t z e noch großer a u s f a l l e n können War Preußen nur e i n E i n z e l f a l l ?

Ein neues S e l b s t v e r t r a u e n

trat

nach und nach neben d i e früheren Überzeugungen von f r a n z ö s i s c h e r Ü b e r l e g e n h e i t und e i g e n e r Schwäche.

Wo d i e A b h ä n g i g k e i t noch

groß war, wie in den habsburgischen Landen, v e r s u c h t e man, i h r mit r a d i k a l e n M i t t e l n zu e n t z i e h e n .

sich

Das V e r h ä l t n i s zum

w e s t l i c h e n Nachbarn bestimmte n i c h t a u s s c h l i e ß l i c h ,

aber doch

w e s e n t l i c h d i e Konjunktureinschätzung und w e i t e r e Prognosen, in dem Maße o p t i m i s t i s c h e r wurden, wie man deutsche stungen s i c h v e r b e s s e r n sah.

die

Eigenlei-

Gelang e s , e i n e sogar f ü r Frank-

r e i c h u n e n t b e h r l i c h e Ware zu p r o d u z i e r e n und d o r t h i n zu verkauf e n , wurde das mit S t o l z vermerkt''"'"" . Auf der anderen S e i t e war d i e k a m e r a l i s t i s c h e L i t e r a t u r s e i t dem Ende des S i e b e n j ä h r i g e n K r i e g e s und d e u t l i c h e r noch s e i t A g r a r k r i s e um 1770 v o l l von K r i s e n s z e n a r i e n :

die

der

städtischen

Handwerke konnten e i n e r zunehmenden Bevölkerung keine A r b e i t s plätze, tel

d i e A g r a r w i r t s c h a f t i h r n i c h t mehr genügend Lebensmit-

zu erschwinglichem P r e i s b i e t e n - so d i e Voraussage.

1760er Jahre hatten e i n e Stockungsspanne b e d e u t e t ,

Die

nach der

n i c h t a l l e T e r r i t o r i e n wieder im k o n j u n k t u r e l l e n Aufwind l a g e n . Ein Symptom f ü r K r i s e n f u r c h t sind d i e s i c h v e r b r e i t e n d e n zollpraktiken,

d i e n i c h t nur p o l i t i s c h e R i v a l i t ä t

Sperr-

ausdrückten,

sondern auch Furcht v o r unzureichender W e t t b e w e r b s f ä h i g k e i t raten.

ver-

1791 f a ß t e Römer d i e s e Ängste in e i n e r großen D a r s t e l -

lung zusammen: im A l t e n Reich s e i e n d i e s t ä d t i s c h e n W i r t s c h a f t s strukturen im V e r f a l l b e g r i f f e n , wenn n i c h t gar v ö l l i g

zusammen-

u K 13D gebrochen Welche Krisenursachen l i e ß e n s i c h e r m i t t e l n ? m i t t e l mochte es geben? worten a l s d i e z w e i t e , schlägen.

Und welche Gegen-

Die e r s t e Frage war l e i c h t e r zu b e a n t doch mangelte es auch da n i c h t an V o r -

Die Antworten zu i n t e r p r e t i e r e n w i r d umso s c h w i e r i -

128)AN F i 2 107, 39. 129)Siehe Hertzberg (vgl. auch oben Teil I , Kap.2, Anm.551 scwie Bergius 1792, 207-214. 130)Gebhard, 18. 131)Carl Heinrich v. Römer: Ueber den Verfall der Städte, insbesondere der chursächsischen, Dresden 1791; siehe auch Stürmer: Herbst, Kap.5. 132)Ccmte d'Albon: Lettre sur l e commerce, les fabrications et le's consaimations des objets de luxe, Lyon 1789, z i t . nach Trenard, 9.

3. Die ökonomische Krise der Luxusmärkte

77

ger, je umfassender die Deutungsversuche waren. In einer im Révolutionsjähr 1789 erschienenen Broschüre wurde als letzte Ursache der Krisenanfälligkeit der Lyoner Seidenindustrie die Labilität der Nachfrage gesehen: Avec vos fabriques de luxe, vous ne pouvez pas répondre aux ouvriers de deux jours de vie. Aujourd'hui, vous les occupez; demain, une récolte manque, le goût des consommateurs change, un deuil de Cour de quelque durée interdit l'usage de vos fabrications, une autre manufacture vous enlève la préférence, une guerre s'élève, vos métiers s'arrêtent, vos ouvriers n'ont plus de pain. Dans toutes les circonstances critiques, la première économie que font les citoyens, c'est de retrancher les dépenses d'appareil, d'agrément, de faste.132) Danébën waren Klagen über die wachsende Konkurrenz Dritter häufig, eine französischen Exporteuren offensichtlich unvertraute Erscheinung. Als Erklärung konnten und können dienen der ungewollte Technikexport aus Frankreich, zu hohe Preise wegen zu hoher Löhne - jedenfalls klagte Tolosan darüber - , zu starke Abgabenbelastung, sinkende Qualität und der vom Hof initiierte Wandel hin zu Moden, die sich im Ausland leichter imitieren ließen. Nicht immer wurde nach möglichen tieferliegenden Ursachen gefragt, und es war wohl nicht stets ratsam, dies zu tun. Ging es um hohe Politik, wie den umstrittenen Eden-Vertrag, der den französischen Gewerben eine Anpassungskrise bescherte, oder die 1.Polnische Teilung, hatte die Wirtschaft ohnehin nur geringen oder keinen Einfluß 133 '. Umfassende Erklärungsversuche, die über die Benennung von Anlässen hinauswiesen, führten freilich schnell auf politisches Terrain und zu Kontroversen. Das lag weniger an den widersprüchlichen Konjunkturdaten oder an einem Unvermögen, Krisenerscheinungen zu erkennen. Die eigentliche Ursache war vielmehr, daß die Diskussion um die allgemeineren Triebkräfte von Wirtschaftskrisen von ganz unterschiedlichen Grundsatzpositionen aus geführt wurde. Krisenbewältigung und Sanierung der Wirtschaft standen vielfach im Zusammenhang mit der Verfolgung durchaus andersartiger Zielsetzungen. 133)Klagen über zu hohe Preise u.a. AN F 1 2 107, 122. - Der Eden-Vertrag war auf beiden Seiten heftig umstritten. Die bereits erwähnte Denkschrift in AN 659 A sah in den Importen englischer Stoffe einen wesentlichen Grund für die Probleme der Pariser Luxusgewerbe. Durbec hält den Vertrag für ruinös und die englische Wirtschaft der französischen 1786 überlegen, 252f. - tí.er Marktverluste wegen der polnischen Teilung siehe AMAE Corr.Pol.Allemagne, Villes Imperiales, 1543-1806, fol.191 r°. Ganz ähnlich auch ein Mémoire sur La navigation et Le commerce de Dantzick (nach 1781), AN B 7 465, fol.94 r°-102 r .

78

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Eine solche Konfrontation spielte sich zwischen Gegnern und Befürwortern von Luxuskonsum ab. Der Abbé Terray und nach ihm Necker gaben zu bedenken, daß eine Rücknahme höfischer Ausgaben die Pariser Wirtschaft empfindlich treffen könnte. Bittschriften appellierten an die Ausgabenfreudigkeit des französischen Hofes. In Deutschland unterschied Römer zwischen dem ökonomisch positiven Luxus von Hof und Adel und dem der einfachen 134) Stadtburger, der ruinös wirke Eine weitere Front verlief zwischen Anhängern strenger Wirtschaftsreglementierung und Liberalen. Beide Seiten erkannten die jeweils gegnerische Position als Ursaché der schlechten Konjunktur von Luxusgewerbe und Exporthandel und darüberhinaus der gesamtwirtschaftliche Krise. Es ist klar, daß von hier auch Verbindungen zur fundamentalen Debatte um die korporative Organisation der Ökonomie führten, die ihrerseits sofort weiter in die sozialen Probleme besonders der Arbeiter und Gesellen in den Luxusgewerben hineinspielte. So erweisen sich Positionen wie die des Fabrikinspektors Mayet, der schärfere Beaufsichtigung der Arbeiter forderte und ihre Brotangst als das beste Mittel der Sozialdisziplinierung ansah, und die von Gegnern des gewerbepolitischen Liberalismus und Kritikern des Luxus der kleinen Leute als letztlich nahe verwandt''^' . Widerspruchsfrei war dies alles nicht. Mayet und andere sahen die niedrigeren französischen Löhne als Plus und attackierten von da aus die zu hohen Steuerbelastungen, um die geminderte Konkurrenzfähigkeit im Ausland zu erklären, während Tolosan die Wettbewerbsschwäche aus zu hohen Löhnen abgeleitet hatte. In Deutschland erwartete Pfeifer von strengen Reglements nach dem Vorbild Frankreichs industriellen Aufschwung und befürwortete öffentlich angeordnete Prunkfeste zur Konsumbelebung, während in Preußen nach 1786 Ansätze liberalerer Politik, wie sie in den Rheinprovinzen früher schon geübt worden war, sichtbar wurden, und in Österreich Joseph II. eine schlichte Hofhaltung als Gebot der Stunde empfand^®' . 134)Siehe die Denkschrift des Abbé Terray. In: Collection; Necker 1781; Römer 1781, 44 und 72; Nicolas Bergasse: Considérations sur la liberté du cctimerce; ..., La Haye 1780; Bigot de Sainte-Croix: Essai sur la liberté du cctimerce et de l'industrie, Amsterdam 1775; Jacques Vincent Delacroix: Mémoire à consulter sur l'existence des six corps et la conservation de leurs privilèges. In: Archives des corporations des corps et métiers. Documents collationnés et réimprimés par ... G.-C. Lavergne, Paris 1879.

3. Die ökonomische Krise der Luxusmärkte

79

Hinter den Widersprüchen werden Strukturen einer Krisenrhetorik erkennbar, die sich für unterschiedliche wirtschafts- und gesellschaftspolitische Standpunkte, partikulare Interessen und philosophische Oberzeugungen im Sinne praktischer Aufklärung mobilisieren ließ. Für gewöhnlich geschieht die Entfaltung der Rhetorik in einem Viererschritt: zuerst werden vergangene Blütezeiten der Wirtschaft und mit ihnen kausal zusammenhängende ungetrübte Sozialverhältnisse beschworen, dann die aktuellen, immer noch beachtlichen Leistungen der Wirtschaft gewürdigt, im nächsten Schritt jedoch bereits mit dem Hinweis auf "décadence" relativiert und schließlich drohender und unwiderruflicher Niedergang prophezeit, falls nicht - Ursachenanalyse und Refornivorschläge des jeweiligen Unheilverkünders akzeptiert würden. Doch wird man das rhetorische Element nicht überbetonen dürfen: der Glaube an eine grundlegende Krisensituation in Wirtschaft und Gesellschaft, die sich exemplarisch in den Luxusindustrien manifestierte, war so aufrichtig wie die hinter ihm lauernde Angst vor den sozialen Folgen einer Verschlechterung der ökonomischen Gesamtlage. Die Auswahl der vorgeschlagenen Heilmittel zeigt allerdings, daß der überkommenen politischen Ordnung noch von weiten Kreisen, auch vom Tiers-Etat, erhebliches Vertrauen auf ihre Fähigkeit zur Krisenbewältigung entgegengebracht wurde. Vergleicht man die zeitgenössische Lagebeurteilung mit dem heute zu ermittelnden Befund, erhält man ein mehrdeutiges Ergebnis. Manche - den Zeitgenossen nicht wohl zugänglichen - Konjunkturindikatoren wiesen nach oben, andere deuteten - seit den 1770er Jahren unübersehbar - auf eine unmittelbar bevorstehende Krise hin, so in der Landwirtschaft. Die dahinter stehende demographische Entwicklung wiéderum wurde nicht allgemein erkannt. Die Debatte um die möglichen Auswirkungen des Bevölkerungswachstums wurde überlagert von der "décadence"-Metaphorik: die französische Monarchie verfalle, weil die Bevölkerung ständig schrumpfe. Kritiker, die im Luxuskonsum den Grund für späte Eheschließungen und kinderlose Familien entdeckt haben wollten, gab es übrigens im Alten Reich genauso. Eine Zusammenschau der Entwicklung bedeutsamer Indikatoren wie demographische Bewegung, Agrarpreise, Arbeitslöhne und Arbeitsmarktsituation, Heiratsverhalten deutet 135)E. Mayet: Memoire sur les manufactures de Lyon ..., London 1786. 136)Pfeifer, 374f. und 384. 137)Chisick, 186-197.

80

auf und auf war

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

eine Strukturanpassungskrise großen Ausmaßes in Wirtschaft Gesellschaft hin. Die Frage war, ob die nötigen Anpassungen friedlichem Wege zu erreichen sein würden. Ausgeschlossen dies nicht von vornherein^^'.

Wie stand es im besonderen um die Stabilität der Konjunkturen auf den Luxusmärkten? Seit der Jahrhundertmitte hatten offensichtlich auch die Märkte des kleineren Verbrauchers expandiert: überall - und besonders in den Territorien des Alten Reiches waren Manufakturen gegründet worden; auch der deutsch-französische Luxuswarenhandel hatte kräftig zugenommen. Folgte man nur den Zahlen der Handelsbilanz, blieben manche Klagen von Luxusproduzenten unverständlich. Die Warenaustauschstatistik verdeckt indes brancheninterne Schwierigkeiten und kurzfristige Handelsstockungen, die eben als Krisen wahrgenommen wurden. Und natürlich machten von Absatzproblemen heimgesuchte Gewerbe mehr von sich reden als andere. Selbst Kenner der Materie kamen bei der Beurteilung der Lage einzelner Branchen oder Unternehmen zu einander widersprechenden Resultaten, so im Falle der Pariser Porzellanindustrie in den 1770er und 1780er Jahren. Weitgehende Übereinstimmung dagegen herrschte bei der Einschätzung der Lyoner Seidenindustrie während desselben Zeitraumes. Da sie eine der Schlüsselindustrien des französischen Exports, auch ins Alte Reich, war und in Frankreich als Konjunkturbarometer galt, war die öffentliche Betroffenheit groß angesichts der krisenhaften Entwicklung 138) Zeitgenössische Krisendeutung und Ex-Post-Befund begegnen sich in spannungsreicher Weise: häufig bestimmten fehlerhafte Informationen und partikulare Interessen die damalige Interpretation von aktueller und zukünftiger Wirtschaftskonjunktur. Die Überreaktion auf Krisenlagen beeinflußte die mittel- und langfristigen Vorhersagen der Produzenten, mithin einer erheblichen Zahl von Handwerkern, Arbeitern, Manufakturisten und Unternehmern. Die Abschätzung der Zukunftsaussichten gewann somit Gewicht über das objektiv Gebotene hinaus - eine Gefahr, wenn der hilfeheischende Appell an den Staat zur Gewohnheit, aus der Bitte ein Anspruch und dieser dann enttäuscht wurde. Die Verteilung von Haussen und Baissen der französischen und deutschen Luxusindustrien in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhun138)Siehe dazu ausführlich unten Teil III, Kap.2 und 3.

4. Zwischenbilanz

81

derts zu präzisieren, stößt auch heute noch auf enge Grenzen, da das Gesamtvolumen der Luxusmärkte kaum zu schätzen ist und über die Zusammensetzung der französischen Exporte vor 1770 Genaues nicht bekannt ist. Zahlreiche Indizien sprechen für die These einer großen Konjunktur der französischen Luxusindustrien um die Jahrhundertmitte, während der durchaus vorhandene Aufschwung der Folgezeit, der immer wieder unterbrochen wurde - erst durch den Siebenjährigen Krieg, dann durch die Agrarkrise der frühen 70er Jahre und weitere Handelsstockungen - , als schwächliches Nachgeplänkel empfunden worden und hinter den Erwartungen größeren Wachstums zurückgeblieben sein dürfte. Zu diesen Indizien gehören die Klagen über zunehmende einheimische und fremde Konkurrenz im Alten Reich gegenüber französischen Produkten, vorhandene Daten zu Produktion und Beschäftigtenzahl, z.B. in der Lyoner Seidenindustrie, im Alten Reich der Gewerbeausbau, Produktionssteigerung, außenwirtschaftliche Abschottungsversuche und größere Selbständigkeit hinsichtlich des Konsums französischer Waren. Der Zusammenbruch der Luxusmärkte in den ersten Révolutionsjähren, erst in Frankreich, dann im Alten Reich, verzerrt das Konjunkturbild. Hätten sich, ohne die Französische Revolution, die französischen Luxusexportgewerbe in den 1790er Jahren wieder erholt? Oder war ein - zumindest vorübergehender - Niedergang vor allem der Seidenindustrie unvermeidlich? Und wie hätten in dieser Zeit die deutschen Märkte sich entwickelt? Solche Fragen sind hypothetisch, doch nicht ohne Wert. Der Versuch, die Frage nach der Zukunft des Luxus am Ende des Ancien Regime zu beantworten, führt jedoch, wie zu zeigen sein wird, über die Geschichte der Ökonomie hinaus.

4. Zwischenbilanz Die Verbindung von Agrarteuerung und anschließender Gewerbestagnation zur Krise "alten Typs" führt die unterschiedliche Elastizität der verschiedenen Märkte vor Augen: während die Nachfrage von Brot in teueren Zeiten relativ unelastisch blieb, brach der Markt für andere Konsumgüter wie Kleidung und Hausrat zusammen. Dies betraf auch die Luxusmärkte, jedenfalls auf niedrigerem Sozialniveau; dagegen nahm ihre Anfälligkeit nach oben hin im allgemeinen ab. Soweit die Klagen von Luxuskritikern ernst zu nehmen sind, haben jedoch auch Unterschichtenangehörige und Bürger aus der unteren Mittelschicht versucht, eher an elementaren Be-

82

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

dürfnissen zu sparen als an ihrer bescheidenen Variante des Luxus. Dieser verkörperte für sie Anspruch auf soziale Geltung und wurde nur widerstrebend und spät aufgegeben. Doch im Ganzen gesehen unterscheiden sich die Märkte des Massenluxus von denen des Alltags durch ihre Krisenanfälligkeit: extreme Konjunkturschwankungen, rasche Expansion und Kontraktion in sektoral wie regional ausgeprägter Unterschiedlichkeit sind ihre Kennzeichen. Erreicht man das Spitzenniveau materieller Kultur, akzentuieren Quantität und Qualität des Konsums den Abstand sowohl zu den Märkten des täglichen Lebens als auch zum Luxus des "gemeinen Mannes". Das wichtigste verbindende Element ist die soziale Funktion, die "conspicuous consumption", die auf jeder Gesellschaftsebene möglich war. Sie ist zugleich das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zur Welt des Alltäglichen, wogegen die verschiedenen Ebenen der Luxusmärkte untereinander wenig Einheitlichkeit in Organisationsform und Entwicklungsstand und nur in Ausnahmefällen bedeutendere Abweichungen gegenüber anderen Märkten aufweisen. Für die Wirtschaft Frankreichs und des Alten Reichs waren Produktion, Handel und Konsum von Luxusgütern das ganze 18.Jahrhundert hindurch von großer Bedeutung. Trotz der Krisenerscheinungen des Jahrhundertendes und ungleichmäßiger Entwicklung einzelner Branchen waren Luxusgüter ein Hauptartikel für die französische Exportwirtschaft. Vom Gedeihen der Luxusgewerbe hing in vielfältiger Form die Vitalität einiger wichtiger Zentren der französischen Monarchie ab. Daß ihr Zustand als Indikator der allgemeinen Prosperität galt, mußte die Bedeutung der Luxusmärkte über das nur ökonomische steigern. Im Alten Reich erarbeiteten sich viele Territorien während des 18.Jahrhunderts einen wirtschaftlichen Aufschwung: Beitrag der Luxusgewerbe war dabei meistens Sicherung der Eigenversorgung und "Landesausbau", weniger eine aktive Exportpolitik. Nach einer Phase starker Abhängigkeit um die Wende vom 17. zum 18.Jahrhundert zeichnete sich das Verhältnis zwischen Frankreich und dem Alten Reich aus durch das Nebeneinander von zunehmender Verflechtung in Gestalt wachsenden Handels- und Warenwertvolumens und zunehmender Selbständigkeit des deutschen Partners, die sich in steigender Autarkie und Rückgriff auf andere Lieferanten äußerte. Stärkere Verflechtung und gleichzeitige Emanzipationsansätze auf deutscher Seite bedeuten keinen Widerspruch. Man

4. Zwischenbilanz

83

bemühte noch das französische Vorbild, begnügte sich indes mit der Kopie aus eigenen Mitteln. Parallel dazu konstatieren wir eine Orientierung an nicht-französischen Modellen materieller Kultur. Das Alte Reich blieb zudem als Rohstofflieferant für die französischen Luxusmanufakturen bedeutsam und gewann außerdem einen Vorsprung vor Frankreich als Vermittler von technischem Wissen, Arbeitskräften und Produktionsmitteln, der die wirtschaftliche Entwicklung des 19.Jahrhunderts andeutete. In den 1770er und mehr noch in den 1780er Jahren begannen die französischen Luxusexporteure, trotz insgesamt positiver Konjunktur, unter einzelnen Krisen zu leiden. Das Gesamtbild wirtschaftlichen Aufstiegs wurde zunehmend überschattet von den Anzeichen einer umfassenden, jedoch noch latenten Wirtschaftskrise. Spätestens um die Mitte der 1780er Jahre brach diese aus. Mitverantwortlich war ein Rückgang der Exporte ins Alte Reich. Schwierigkeiten mit anderen Handelspartnern und die Verschlechterung der binnenwirtschaftlichen Lage traten hinzu. Zur selben Zeit war das Alte Reich weniger anfällig, da seine Luxusmärkte auch weniger auf den Erfolg im Export angewiesen waren. Wenn einzelne Kameralisten meinten, nur das Auslandsgeschäft könne Luxusmanufakturen ökonomisch rechtfertigen, dann sprach daraus eher die Erfahrung mit der Wirtschaft kleiner Territorine oder von Stadtstaaten, die für mittlere und große Territorine nicht aussagekraftig war 139) Der Beginn der 1790er Jahre unterbrach indes auch im Alten Reich die Kontinuität der Konjunktur. Die Revolutionsereignisse und die nachfolgenden Kriege bedeuteten Rückgang der Massenkaufkraft, höfische Konsumabstinenz und ganz allgemein Störung von Handel und Wandel. Doch gilt dies nicht für alle Reichsstände und nicht für die ganze Zeit von 1792 bis 1815. Preußen erlebte nach 1795 eine Blütezeit. In den Rheinlanden wußten Unternehmer und Kaufleute Kapital aus der politischen Realität ihrer neuentstandenen Grenzlage zu schlagen. Die kriegsbedingte Verlagerung von Handelswegen, Kriegskonjunkturen und der Ausfall Frankreichs als Lieferant bedeuteten auch Gewinn. Die Bilanz Johann Daniel Albrecht Höcks, "Justizrath und Policeydirektor" in preußischen Diensten, 1800 aus statistisch-topographi139)Gelegentlich ist ein solcher Standpunkt auch in Frankreich zu finden, so in einer Denkschrift des Lyoner Händlers Jossinet aus dem Jahre 1775, AMAE Corr.Pol. Allemagne, Villes Imperiales, 1543-1806, fol.192 r° (vgl.

84

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

s c h e r L i t e r a t u r gezogen,

präsentierte

a l s E r g e b n i s des

18.Jahr-

h u n d e r t s auch e i n e n Aufschwung d e r d e u t s c h e n Luxushandwerke und -manufakturen, 140) setzen

d i e begonnen h a t t e n ,

d i e h e i m i s c h e n Märkte zu b e -

D i e W a c h s t u m s k r i s e d e r f r a n z ö s i s c h e n L u x u s p r o d u z e n t e n und - h ä n d l e r war e i n e A n g e l e g e n h e i t d e r Z a h l e n , und E r w a r t u n g e n .

a b e r auch d e r Meinungen

S t e i g e n d e A g r a r p r e i s e konnten sinkende

K a u f k r a f t des " k l e i n e n Mannes" b e d e u t e n . weniger a k z i d e n t i e l l e , berücksichtigen:

d i e Lage v e r s c h ä r f e n d e G e s c h e h n i s s e

K r i e g e und G r e n z v e r s c h i e b u n g e n ,

und Konsumverbote,

freia

Daneben s i n d mehr o d e r

Modewechsel und Geschmackswandel.

s e F a k t o r e n a l l e s a m t nur z u f ä l l i g ?

zu

Handelssperren Sind

die-

Wir werden ü b e r d i e nur ö k o -

nomische B e t r a c h t u n g d e r Luxusmärkte h i n a u s g e h e n und f r a g e n ,

ob

n i c h t d e r S t e l l e n w e r t von L u x u s p r o d u k t i o n und Luxuskonsum

sich

wandelte.

Krise

Denn d i e w i r t s c h a f t s g e s c h i c h t l i c h e

Deutung d e r

g r e i f t n i c h t d u r c h g ä n g i g und z e i c h n e t n i c h t das ganze B i l d . wiß waren Luxusmärkte g e g e b e n e n f a l l s e l a s t i s c h ,

d i e s e Erklärung f ü r einen h ö f i s c h e n oder a r i s t o k r a t i s c h e n bedeuten?

Ge-

doch was kann Markt

D i e Umschichtung von Vermögen während d e r A g r a r k r i -

sen z u g u n s t e n d e r L a n d b e s i t z e r s p r i c h t kaum d a f ü r , die p o t e n t e s t e n Käufer hätten sparen s o l l e n . Luxusproduzenten v e r z w e i f e l t sumenten a p p e l l i e r t e n ?

daß g e r a d e

Was h i e ß e s ,

an d i e V o r b i l d r o l l e

Und waren d i e i n Lyon s o

wenn

d e r g r o ß e n Konvielbeklagten

neuen Moden d e s f r a n z ö s i s c h e n Hofes nur Moden, a l s o ephemer und von g e r i n g e r Konsequenz und n i c h t mehr? I n d e r z w e i t e n H ä l f t e d e s 1 7 . J a h r h u n d e r t s h a t t e das V o r b i l d S o n n e n k ö n i g s und e i n i g e r d e u t s c h e r R e g e n t e n e i n Modell l e r Kultur geformt,

i n dem Luxuskonsum e i n e z e n t r a l e R o l l e

kam, u n a b h ä n g i g v o r e r s t von d e r E x i s t e n z e i n e r s i s c h e n Grenze und den B e s o n d e r h e i t e n d e r

des

materielzu-

deutsch-franzö-

Wirtschaftsbeziehungen

oben Anm.133). 140)Siehe in diesem T e i l Kap.2.1. sowie Dreyfus; v g l . auch die folgenden Art i k e l , a l l e in FRANCIA 1 (1973): L. Bergeron: Remarques sur l e s c o n d i t i ons du développement industriel en Europe occidentale à l'époque napoléonienne, 537-556; M. Bruguiêre: Remarques sur l e s rapports f i n a n c i e r s entre l a France e t l'Allemagne du Nord à l'époque napoléonienne: Hambourg e t " l e p a r t i de l a paix", 467-481; R. Dufraisse: La contrebande dans l e s départements réunis de l a rive gauche du Rhin à l'époque napoléonienne, 508-536; J . Mistler: Hambourg sous l'occupation française. Observations au s u j e t du blocus continental, 451-466; R. Patemann: Die Beziehungen Bremens zu Frankreich b i s zum Ende der französischen Herrschaft 1813, 482 b i s 507; J . Vidalenc: Les "départements hanséatiques" e t l'administration napoléonienne, 414-450.

85

4. Zwischenbilanz

zwischen dem Alten Reich und Frankreich. verschiedenartige

Vielfältige

und

Hoffnungen und Funktionen waren mit

Organisationsform materieller Kultur verknüpft worden. am Ende des 18.Jahrhunderts ökonomische und was

in eine Krise

Geschehen hinauswies,

genden Teils

Wie

die über

wie weit die Krise

sie für die wirtschaftliche

litisch-sozialen

geriet,

Entwicklung wie

sie das

reichte für die

Strukturen bedeutete, wird Gegenstand des

sein.

ganz

dieser

pofol-

86

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

T a b e l l e 1* Der Handel zwischen Frankreich und "Deutschland" ("Allemagne", "Nord" und "Flandre Autrichienne") 1716-1789 (Indexwerte, 1769 = 100) Jahr

F D

1716 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

10,52 12,24 16,45 19,89 27,72 26,70 25,46 36,33 28,80 35,85 32,00 36,39 33,61 34,92 39,27 45,46 39,68 40,04 29,76 30,69 41,64 47,16 52,03 49,43 58,51 56,95 66,64 70,09 62,23 61,33 60,76 66,42 65,37 74,06 65,57 88,24 90,27 89,74 96,52 92,81 83,12 64,34 72,52 77,73 85,48 79,34 97,81 72,40 124,43 118,31 148,32

D F

16,62 21,46 24,53 30,38 39,44 27,32 45,58 52,70 79,18 66,24 60,75 46,12 41,29 44,52 48,41 52,13 49,49 44,00 35,74 36,65 44,49 47,96 52,38 54,23 47,43 55,78 47,62 57,87 44,28 42,29 44,54 39,52 58,44 73,15 75,74 88,42 91,53 76,14 72,54 71,76 70,31 74,15 61,12 57,65 52,36 60,43 55,98 60,66 61,99 70,63 62,35

D F i n % von F D 58,82 64,90 55,21 56,55 52,68 37,89 66,27 53,70 101,78 68,40 70,29 46,92 45,48 47,20 45,63 42,46 46,18 40,68 44,47 44,21 39,55 37,65 37,27 40,62 30,02 36,27 26,46 30,57 26,34 25,53 27,14 22,03 33,10 36,57 42,77 37,10 37,54 31,41 27,82 28,63 31,32 42,67 31,20 27,46 22,68 28,20 21,19 31,02 18,44 22,10 15,56

4. Zwischenbilanz

87

Tabelle 1 (Fortsetzung) Jahr

F D

D F

D F i n % van F D

62,57 110,61 101,64 76,94 100,00 100,00 122,93 147,07 87,85 130,68 85,89 121,66 110,56 107,40 106,42 113,02 112,56 124,03 110,86 123,60 146,24 126,58 125,52 116,81 107,59 143,00 150,56 106,85 keine Angaben 291,52 125,96 keine Angaben keine Angaben keine Angaben keine Angaben 324,51 408,03 338,16 365,91 425,40 331,68

1767 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

Quelle: AN F

12

20,94 28,03 37,02 44,29 24,89 26,14 35,97 34,86 33,60 33,21 32,05 39,78 49,21 52,17 85,68

47,29 40,70 48,24

634 A; v g l . auch Remano.

Tabelle

2*

Der deutsch-französische Handel im Rahmen des französischen Gesamthandels (1716-1789) (Werte jeweils in % von Gesamtexport bzw. -iirport Frankreichs) Jahr

F

D

1716 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

15,38 14,93 14,68 15,16 11,64 22,91 16,65 15,70 19,75 23,20 21,25 23,74 19,56 20,01 24,36 26,41

D

F

Jahr

F D

D

F

11,47 9,36 11,71 10,11 11,42 11,60 14,25 12,59 17,44 20,38 19,79 14,89 12,99 14,04 14,14 15,24

1732 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

23,29 23,43 18,55 16,64 21,59 26,74 25,42 21,90 20,56 19,08 23,07 23,01 27,02 24,17 25,03 26,54

13,60 13,40 11,49 10,95 11,23 11,89 11,57 9,70 7,98 9,08 8,23 9,12 9,81 9,04 10,44' 8,23

88

I. Der deutsch-französische Luxuswarenhandel

Tabelle 2 (Fortsetzung) Jahr

F

1748 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

26,55 21,26 19,07 25,12 22,46 22,56 23,76 25,54 25,23 24,72 31,87 29,90 34,99 32,27 35,81 20,15 27,95 26,99 30,84 28,14 25,64

*

D

Quelle: AN F

F

Jahr

F

11,51 9,30 9,88 12,11 10,70 9,17 8,50 8,48 12,05 13,41 14,59 12,71 12,07 12,01 10,63 8,77 7,12 8,82 8,00 7,44 8,60

1769 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

26,07 29,64 28,23 27,36 23,82 25,47 26,85 26,91 28,59 30,36 32,92 32,57 keine keine keine keine keine keine 28,20 28,06 29,09

D

12

D

D

F

9,98 12,05 5,58 7,61 8,64 9,58 10,22 7,95 9,47 9,44 18,28 18,54 Angaben Angaben Angaben Angaben Angaben Angaben 9,40 11,42 14,03

634 A; vgl. auch Remano.

Tabelle 3

*

Die relative Bedeutung der "deutschen" Ziel- bzw. Herkunftsgebiete französischer Exporte und Importe (Vferte in % vom französisch-"deutschen" Gesamthandel) 1716-1780 Jahr 1716 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

Allemagne Exp. 18,21 32,34 35,90 33,49 37,41 41,33 25,90 40,09 40,48 43,96 49,97 55,43 53,52 53,81 59,78 57,93 52,86 51,90 37,75

Imp. 26,77 28,40 22,99 24,75 21,63 29,75 25,04 32,35 26,93 24,75 25,76 34,76 31,97 26,86 27,27 26,68 26,45 30,67 29,08

Flandre Autr. Exp. Imp. 44,46 39,05 40,84 43,97 38,59 46,00 32,07 31,16 35,19 30,99 32,29 29,43 38,29 33,62 29,90 26,11 32,44 35,11 30,07 41,00 31,11 35,89 22,01 38,17 35,92 23,31 22,02 38,89 17,92 37,72 16,88 33,94 33,72 20,06 21,55 37,61 27,32 45,55

Nord Imp.

Exp. 37,33 26,82 25,51 34,44 27,40 26,37 35,92 30,01 27,07 25,97 18,92 22,56 23,16 24,16 22,30 25,19 27,08 26,56 34,93

34,18 27,63 31,01 44,09 47,38 40,81 41,34 41,53 37,96 34,26 38,35 27,07 32,11 34,25 35,01 39,38 39,83 31,72 25,37

4. Zwischenbilanz

Tabelle 3 Jahr

Allemagne

1735 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 *

(Fortsetzung)

Flandre Autr.

Nord

Exp.

Imp.

Exp.

Imp.

Exp.

Imp.

48,52 56,12 51,43 47,62 47,24 45,06 47,35 42,92 47,99 49,81 55,53 61,63 52,59 58,17 34,37 43,07 43,82 45,59 39,35 35,33 39,89 46,55 49,51 60,42 72,40 64,05 63,94 75,74 60,04 38,87 42,50 32,21 43,06 43,46 35,95 33,10 32,66 36,07 39,53 39,85 33,52 32,61 30,01 39,00 50,45 50,59

27,79 26,06 25,09 24,29 25,02 25,77 25,73 25,34 22,87 31,95 32,62 41,30 54,53 33,39 29,13 27,24 24,55 24,95 31,41 35,30 32,72 39,48 35,64 43,30 45,38 37,29 38,15 39,61 35,07 34,85 41,97 39,76 34,32 32,04 25,24 17,69 31,28 31,16 25,58 29,19 26,45 29,39 24,97 31,27 32,42 31,83

24,43 18,27 18,85 18,11 18,74 17,31 15,70 11,53 11,50 13,66 10,21 8,49 10,67 12,34 12,03 10,31 7,86 10,49 12,48 14,19 13,88 16,46 22,14 18,77 16,72 19,79 19,05 15,43 17,24 12,49 13,79 13,42 14,27 15,90 17,89 15,89 17,99 17,54 14,90 17,89 18,64 24,83 20,50 23,94 20,44 21,90

48,95 46,47 44,57 46,38 43,13 42,45 36,66 38,01 37,65 31,66 35,09 16,89 16,12 20,62 18,18 17,94 13,84 17,97 21,51 25,02 27,10 31,54 32,50 35,71 38,25 36,98 40,57 38,75 34,32 30,80 29,34 29,65 36,67 27,55 29,45 22,11 35,45 40,03 41,16 33,81 38,45 36,58 36,07 40,04 44,05 47,62

27,04 25,61 29,73 34,27 34,02 37,63 36,95 45,55 40,52 36,54 34,26 30,15 37,73 29,49 53,60 46,62 48,32 43,92 48,17 50,48 46,23 36,99 28,35 20,81 10,89 16,15 17,02 8,83 22,72 48,64 43,71 54,37 42,67 40,64 46,16 51,01 49,54 46,39 45,58 42,25 47,84 42,56 49,49 37,06 29,11 27,52

23,26 27,46 30,34 29,34 31,86 31,78 37,61 36,65 39,47 36,39 32,29 41,81 29,35 45,99 52,69 54,82 61,60 57,08 47,08 39,68 40,18 28,98 31,86 20,99 16,36 25,73 21,28 21,63 30,61 34,35 28,69 30,59 29,02 40,41 45,31 60,19 33,27 28,80 33,26 37,00 35,10 34,03 38,96 28,68 23,53 20,55

Q u e l l e : AN F

12

634 A; v g l . auch Fonano.

89

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus Der Begriff "Luxus" gehörte im 18.Jahrhundert nicht nur zum Vokabular moralisierender Kritik, er war eine tragende Kategorie politisch-sozialen und ökonomischen Denkens und Handelns geworden. Sinnvoll war der Diskurs über Wert und Unwert des Luxus nur unter der Prämisse, daß das zur Diskussion stehende Phänomen Gegenstand nicht allein der Kritik, sondern auch der Beeinflussung durch die Gesellschaft sein könne''''. Die Geschichte der Aufwandsgesetzgebung belegt, daß eine restriktive Luxuspolitik mit den administrativen und polizeilichen Möglichkeiten des Ancien Regime auf Dauer nicht erfolgreich sein konnte. Luxus im Sinne steigenden Lebensstandards, zunehmenden Verbrauchs und wachsender Ansprüche, was alles einem statischen Verständnis von Gesellschaft und Wirtschaft verdächtig sein mußte, war am Ende der Frühen Neuzeit eine Grundwelle, die nicht zu lenken war: sie trug alle staatliche Konsumbeschränkung mit sich davon. Seit den 1720er Jahren waren in Frankreich die Versuche aufgegeben worden, der Entwicklung auf diesem Wege Herr zu werden. Im Alten Reich wurden Trauer-, Hochzeits- und Kleiderordnungen noch bis in die 1780er Jahre hinein erneuert - freilich ohne große Wirkung. So blieben Luxusdiskussion und Luxuskritik bis zum Ende des Ancien Regime das große Standardthema in der Debatte um die Frage nach der gerechten Gesellschaftsordnung und der sozialen Moral. Eine der gängigsten Behauptungen der Kritiker war, daß es einen Zusammenhang von Luxus und Dekadenz gebe. War dies nur Stereotyp oder Ausdruck einer historischen Erfahrung? Der Verfall bürgerlichen Gemeinsinns und sozialer Tugenden war so leicht zu behaupten, wie schwer zu messen. Die ökonomische Realität stellte sich widersprüchlich dar: einerseits waren sozialer Abstieg und wirtschaftliche Verelendung zu beobachten, so bei vielen Angehörigen des Alten Handwerks, die in die städtischen Unterschichten absanken, wie die sich öffnende Schere von Getreidepreisen und Gesellenlöhnen im Alten Reich während des 2)

letzten Jahrhundertdrittels zeigt . Andererseits stand auf der Haben-Seite des 18.Jahrhunderts das, was Ernest Labrousse als "enrichissement général" beschrieben hat^', die Zunahme des 1)Siehe dazu allgemein oben die Einleitung, 2-5, 14-16, sowie passim in Teil II; ausführlicher demnächst Pallach: Art. Luxe. 2)Stürmer: Herbst, Fig.6, 8, 11; 121-126.

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

91

Geld- und Warenvolumens, die Beschleunigung des Güterverkehrs, die Ausbreitung der Marktwirtschaft, den Aufstieg großer bürgerlicher Vermögen aus Handel, frühem Unternehmertum und nobilitierungsfähiger Beamtenschaft und großer adliger Vermögen aus früher Industrie, Grundbesitz und königlicher Dotation. Und dann war da der Hofstaat selbst mit seiner Expansion von Funktionen, Budgets und Personal, der einen Verdichtungspunkt materieller Kultur darstellte und diese in der Gestalt des herrscherlichen Prunkes instrumentalisierte. Dazu gehörte die Repräsentation von Herrschaft, dazu gehörte, was Fernand Braudel als "fasciner une société" bezeichnet hat1", was indes mehr war und einen konkreten politischen Hintergrund hatte, nämlich Ausübung indirekter Herrschaft im Innern. Außerdem gab es die Förderung von Luxusgewerben, Luxushandel und Luxuskonsum als Patentrezept merkantilistischer Praxis nicht nur für die Exportwirtschaft, sondern auch für den "Landesausbau", d.h. für die Ausweitung des inneren Marktes. Von den französischen Königen übernahmen viele Landesherren im Alten Reich - unterschiedlich nach ihrer Persönlichkeit und der Leistungsfähigkeit ihres Territoriums - Musterbilder der höfischen Kultur, die der überlegen scheinende Nachbar zu bieten hatte. Manches, wie die Möglichkeiten der Gewerbeförderung, kam eigenen Bedürfnissen entgegen, anderes, wie die steigenden finanziellen und innenpolitischen Ansprüche von Landesherr und Hof, stieß auf ständischen Widerstand und hat den Landesfinanzen zuweilen geschadet Anlaß genug für die Zeitgenossen, die Frage nach Schaden und Nutzen von höfischem und bürgerlichem Luxus immer wieder neu zu stellen. Es kamen auch neue Antworten. Am Ende des 18.Jahrhunderts war die Debatte um den Luxus nicht ins Leere gelaufen: sie hatte im Gegenteil neue Dimensionen gewonnen. Nun ging es nicht mehr primär um prunksüchtige Adlige und nachäffende Bürgerliche, die gemeinsam das Narrenschiff der Verschwendung bestiegen, sondern um Sinn und Berechtigung des höfischen Aufwandes. Häufig waren es aufgeklärte Fürsten und ihr Verwaltungspersonal, die in re3)Labrousse 1970, 227; vgl. auch P. Léon: Structure du carmerce extérieur et évolution industrielle de la France à la fin du XVIIIe s. In: F. Braudel u.a.(Hrsg.): Conjoncture économique, structures sociales. Hcmnage à E. Labrousse, Paris und La Haye 1974, 407-432, ebs. 421f. über die Dynamik des "marché intérieur". 4)Braudel 1967, 250.

92

//. Funktionen und Wirkungen von Luxus

formerischer Praxis und publizistischer Vorbereitung diesen Prozeß initiierten. Dies deutet auf einen Wandel der Vorstellungen von Aufgabe und Funktionsweise der Obrigkeit und ihrer Verkörperung im Fürsten hin. War die Politik vieler Landesherren, auf dem Wege der Vermittlung, Förderung und Lenkung der materiellen Kultur ihrer Untertanen wirtschaftlichen und politisch-sozialen Nutzeffekt zu verbinden, damit an ein Ende gelangt, gescheitert? Deutete ein solches Scheitern eine Krise traditionaler Herrschaftsformen an, wurde sie dadurch noch verschärft?^' 1. Luxus und Herrschaft 1.1. Genese und Grundzüge des Systems

Zentrum a l l e r H e r r s c h a f t d e s a b s o l u t i s t i s c h e n F ü r s t e n s t a a t e s war d e r H o f . Er übernahm e i n e n T e i l d e r V e r w a l t u n g s a u f g a b e n , d i e n t e a l s M i t t e l p u n k t d e r A d e l s g e s e l l s c h a f t und b i l d e t e , d i e s s e i n e w i c h t i g s t e A u f g a b e , den m a t e r i e l l e n Rahmen f ü r d i e E x i s t e n z d e s F ü r s t e n und d i e Ausübung s e i n e r H e r r s c h a f t ® ' . Das h ö f i s c h e Z e r e m o n i e l l , b e r e i t s im 1 7 . J a h r h u n d e r t i n v e r s c h i e d e nen e u r o p ä i s c h e n V a r i a n t e n f e s t a u s g e f o r m t , g a r a n t i e r t e d i e s y m b o l i s c h e A u f r e c h t e r h a l t u n g d e r s o z i a l e n und p o l i t i s c h e n H i e r a r c h i e i n d e r Umgebung d e s H e r r s c h e r s , während d e r h ö f i s c h e Luxus diesem Ordnungsgefüge d i e Substanz v e r l i e h , d i e durch b e s o n d e r e V e r w a l t u n g s a b t e i l u n g e n nach den A b s i c h t e n d e s F ü r s t e n g e f o r m t w u r d e . Wien und V e r s a i l l e s waren im 1 8 . J a h r h u n d e r t d i e b e d e u t e n d s t e n V o r b i l d e r h ö f i s c h e r K u l t u r , u n t e r denen d i e V i e l z a h l d e u t s c h e r H o f h a l t u n g e n w ä h l e n k o n n t e , doch b e d e u t e t e d i e Wahl w e n i g e r e i n e O p t i o n f ü r g r u n d l e g e n d e U n t e r s c h i e d e von 5)Eine Studie a l l e r Herrschaften des Alten Reiches i s t h i e r natürlich nicht möglich. Die reichsstädtischen Verhältnisse müssen v ö l l i g außer Betracht bleiben. Im Kontrast zu Frankreich werden vor allem Preußen und Österreich b e t r a c h t e t . 6)Vgl. allgemein Kruedener; Ehalt; Straub; Elias; Bloch; Braunfels; Stürmer: Höfische Kultur; H. Weber: Das Sacre Ludwigs XVI. van 11.Juni 1775 und die Krise des Ancien Régime. In: E. Hinrichs u . a . (Hrsg.) : Vcm Ancien Régime zur Französischen Revolution, Göttingen 1978, 539-565; A.-Ch. Gruber: Les grandes f ê t e s e t leur décor à. l'époque de Louis XVI, Genf und Paris 1972. Zur Hofetikette siehe S t . - F . Genlis: Dictionnaire c r i t i q u e e t raisonné des é t i q u e t t e s de l a cour, des usages du monde, des amusemens, des ncdes, des moeurs, des Français depuis l a n o r t de Louis XIII jusqu'à nos jours, 2 Bde, Paris 1818. - über Subsidien und Luxuskäufe deutscher Höfe in Frankreich siehe: P.C. Hartmann: Luxuskäufe des Münchener Hofes in Paris (1718 b i s 1727). In: FRRNCIA 1 (1973), 350-360, und d e r s . : Zur Ökonomie des höfischen Luxus im 18.Jahrhundert in Frankreich und Kurbayem. In: Fs. f ü r A. Kraus zum 60.Geb., Kallmünz 1982, 309-318.

1. Luxus und Herrschaft

93

Herrschaftsausübung, Herrschaftsdarstellung oder herrscherlichem Selbstverständnis, als vielmehr Ausrichtung der höfischen Kultur am jeweiligen Vorbild, politische Affiliationen, Betonung wirtschaftlicher Beziehungen auf dem Gebiet von Kunst- und Luxusimport. Trotz der wiederholten außenpolitischen Konfrontationen hatten viele Landesherren im Alten Reich das französische Modell, das Ludwig XIV. wesentlich erst geschaffen hatte, übernommen. Französische Hofhandwerker, Architekten und Künstler halfen bei deutschen Residenzbauten, deutsche Fürsten residierten langfristig in Paris und statteten sich mit französischen Luxusgütern aus, das alles häufig unterstützt durch Subsidien aus Versailles. Von Anfang an stand der höfische Aufwand unter dem Gesetz einer dem Zeitverständnis von Herrschaft und Herrschaftsausübung angepaßten Rationalität, die die Lebensführung von Herrscher und Hofstaat in ihren Dienst zwang. Höfischer Luxuskonsum war nicht Selbstzweck, sondern hatte Symbolcharakter, genau wie die Gegenstände des Konsums eine symbolische Botschaft übermittelten. Es war dies, am Ende des 18.Jahrhunderts, die perfektionierte Spätform einer materiellen Kultur, die Macht, Herrschaft und Gesellschaftsordnung eher sichtbar denn begreifbar machte, also im Sinne Max Webers vorrational w a r " . Für hedonistische Attitüden war wenig Platz vorgesehen, doch blieben Ausbruchsversuche aus den Zwängen der Repräsentation und exzessiver Konsum immer möglich. Der vieldeutige Begriff "Luxus" bezeichnet 8) mithin, auf Hof und Fürst bezogen , keinen überflüssigen, weil funktionslosen Aufwand. Die Frage war allerdings, ob höfischer Luxus auf Dauer seinen Stellenwert in der öffentlichen Meinung, soweit es diese schon gab, in den höfischen Kreisen und für den Fürsten selbst bewahren würde. Luxus, Macht, Machtdarstellung und Machtlegitimation hingen voneinander ab, bedingten und er9) moglichten sich wechselseitig fährden.

.

Sie mochten einander auch ge-

7)Siehe auch die Ausführungen von Elias, 92, zu den symbolischen Funktionen materieller Kultur: "Kulturelle Formungen, die wir meist rein ästhetisch, nämlich als Varianten eines bestirnten Stils, wahrnehmen, werden von den Mitlebenden selbst zugleich auch als höchst differenzierter Ausdruck von sozialen Qualitäten wahrgenaimen." 8)Es sei daran erinnert, daß in diesem Zusanmenhang der Begriff "Luxus" oder "luxe" meistens ersetzt wurde durch "magnificence", "faste" usw. Die Assoziationen waren in der Regel weniger negativ; siehe oben Einleitung, 14-15, scwie Pallach: Art. Luxe.

94

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

Ein Apparat höfischer Behörden und Instanzen, der in seinem Umfang selbst schon Element des Luxus war, hatte für die sachgerechte Verwaltung des höfisch-filrstlichen Aufwandes zu sorgen. Die Bedeutung dieser Verwaltung erwies sich vielleicht am deutlichsten, wenn höfische Feste und Feiern öffentlichen Charakter hatten, bei feierlichen Einzügen, Triumphen, vor allem aber bei Krönungs- und Weihezeremonien, wie das Beispiel des "Sacre" Ludwigs XVI. und selbst noch Karls X. zeigt 10 '. Solche Zeremonien sollten Herrschaft legitimieren und erforderten eine kollektive Anstrengung der verschiedenen Künste, Handwerke und Manufakturen, die zu planen, zu koordinieren und zu finanzieren Aufgabe der LuxusVerwaltung war. Daneben wurde ein "interner" Aufwand getrieben, der über den Hof nur indirekt, nämlich durch Förderung der außerhöfischen Wirtschaft hinauswirkte. Dieser innere Bereich war nicht zwangsläufig mit Repräsentation, die nicht ohne Außenwirkung gedacht werden kann, verbunden. Hier konnte am ehesten Kritik von außen oder Konsumabstinenz eines Herrschers ansetzen, dieser quasi-private Verbrauch warf auch die Frage nach den legitimen Funktionen des höfischen Luxus auf. Eine wirksame Repräsentation mußte die Einzigartigkeit und Überlegenheit der höfischen Welt herausstellen, "den Fürsten über das Alltägliche" hinausheben, "ihn für den Untertanen materiell 11 \ ins Unerreichbare" rücken. Die materielle Kultur außerhalb der höfischen Sphäre hatte indes eine eigenständige Tradition, eine eigene Dynamik und etablierte Formen von Luxuskonsum. Es galt, demgegenüber das höfische Vorbild nicht nur zu propagieren, sondern auch qualitative Schranken und quantitativen Ab^stand zwischen Hof und außerhöfischem Bereich festzulegen. Die gesetzlichen Zugriffsmöglichkeiten standen zur Verfügung in Form der Aufwandsgesetzgebung und waren schon lange als Herrschafts12) mittel eingeführt, aber von nur zweifelhafter Wirksamkeit Daneben gab es das Verfügungsmonopol Uber bestimmte Bereiche der materiellen Kultur. Oberall, ob in Paris, in Berlin, in Wien, in München, in Dresden oder in den vielen kleineren Residenzen, 9)So wird die Qnphase begreiflich, die die höfische Verwaltung auf die Organisation des herrscherlichen Luxus legte. - Zur allmählichen Trennung und Aufgabenteilung an Hof zwischen den neuen Zentralbehörden und der eigentlichen Befriedigung der "herrschaftlichen Lebensansprüche" siehe Kruedener, 4. 10)Sieihe Weber; außerdem F. W&quet: Les fêtes royales sous la Restauration eu L'Ancien Régime retrouvé, Genf und Paris 1981; auch Gruber.

1. Luxus und Herrschaft

95

h a t t e d e r Hof n i c h t n u r d i e W i r t s c h a f t s t ä t i g k e i t d e r R e s i d e n z s t a d t und i h r e r Umgebung g e f ö r d e r t , s o n d e r n j e w e i l s d u r c h e i g e ne M a n u f a k t u r e n und H a n d w e r k s b e t r i e b e e i n Q u a l i t ä t s n i v e a u e r r e i c h t , d a s den a u ß e r h ö f i s c h e n Gewerben o f t u n e r r e i c h b a r w a r , wenn i h n e n n i c h t i n e i n z e l n e n F ä l l e n j e d e r K o n k u r r e n z v e r s u c h von vornherein verboten war. Der t e c h n i s c h e V o r s p r u n g d e r H o f w e r k s t ä t t e n , i h r e g e s e t z l i c h e P r i v i l e g i e r u n g und d a s f i n a n z i e l l e P o t e n t i a l des Landesherrn konnte d i e s e s Verfügungsmonopol f ü r e i nige Zeit sichern. M i t den ü b l i c h e n Schutzmaßnahmen, d i e h ö f i s c h e n und a n d e r e n U n t e r n e h m e r n den S t a r t e r l e i c h t e r n s o l l t e n , h a t t e d i e s w e n i g e r zu t u n : e s war e h e r d e r V e r s u c h d e r a b s o l u t e n Ausgrenzung e i n e s e x k l u s i v e n B e r e i c h s der R e p r ä s e n t a t i o n f ü r s t l i c h e r Macht''''" . H ö f i s c h e r L u x u s , s o d i e S c h l u ß f o l g e r u n g , war m i t h i n n i c h t b l o ß e s Symptom, s o n d e r n g e p l a n t e r , i n t e g r i e r e n d e r B e s t a n d t e i l f ü r s t l i c h e r H e r r s c h a f t s t e c h n i k im Z e i t a l t e r d e s A b s o l u t i s m u s . Freilich war d i e s e s E l e m e n t n i c h t u n v e r z i c h t b a r , w i e s i c h i n P r e u ß e n n a c h dem Tode F r i e d r i c h s I . z e i g t e . Ohne daß d a s P r e s t i g e d e r Krone l i t t , nahm F r i e d r i c h Wilhelm I . den h ö f i s c h e n Aufwand z u r ü c k . A l s F r i e d r i c h d e r Große w i e d e r R e p r ä s e n t a t i o n s b a u t e n i n großem Umfang a u f f ü h r e n l i e ß , g e s c h a h d i e s v o r a l l e m zum " R é t a b l i s s e m e n t " d e s L a n d e s und war k e i n S p i e g e l b i l d s e i n e r e i g e n e n L e b e n s f ü h r u n g . J o s e p h I I . b e w u n d e r t e i h n , um dann m i t s e i n e n e x p l i z i t e n V e r b o t e n gegen den h ö f i s c h e n Luxus noch ü b e r d a s V o r b i l d d e s 14) p r e u ß i s c h e n Königs h i n a u s z u g e h e n . Doch s i n d d i e s s p a t e B e i s p i e l e : s i e gehören in d i e Z e i t der Auflösung t r a d i t i ô n a l e r H e r r s c h a f t s v o r s t e l l u n g e n am Ende d e s J a h r h u n d e r t s und s i n d w e i t e n t f e r n t von d e r B l ü t e z e i t d e s R e g i m e n t s Ludwigs XIV. Die h ö f i s c h e K u l t u r i n F r a n k r e i c h und im A l t e n R e i c h h a t t e n ungleichzeitig weiterentwickelt;

regionale

sich

Differenzierungen

11)Hartmann 1982, 309. 12)Siehe dazu allgemein Eisenbart und Baur. 13)Zu denken i s t z.B. an die Benutzungstabus und Nachahmungsverbote f ü r Porzellan, a l s d i e e r s t e n Versuche in den Manufakturen Sachsens, Frankreichs und anderer Länder geglückt waren; siehe dazu a u s f ü h r l i c h e r unten Teil I I I , Kap.2.2., 199-201. 14)Zu Preußen siehe Braunfels, Bd I , 89-140 (allerdings war auch Friedrich Wilhelm I . ein bedeutender Bauherr); Stürmer 1982, Kap.VIII; R. Dietrich (Hrsg.): P o l i t i s c h e Testamente der Hohenzollem, München 1981, 172f., 333-335. - Zu Joseph I I . siehe u . a . die Correspondance sowie Sandgruber, passim, und weiter unten v . a . 113-114.

96

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

innerhalb des Alten Reiches waren, je nach kultureller Tradition, politischer Ausrichtung und konfessioneller Bindung^', ausgeprägt, doch blieb bei allen Varianten das Zusammenspiel von höfischem Luxus, Hofzeremoniell und höfischer Verwaltung ein wesentlicher Faktor der Legitimierung und Stabilisierung von Herrschaft im FUrstenstaat. 1.2. Außen- und innenpolitische Funktionen

Der französische Hof stellte seinen Reichtum in den Dienst der Außenpolitik. Das umfassende Modernisierungsprogramm, mit dem Ludwig XIV. und Colbert politische wie wirtschaftliche Ziele verfolgten, war ein Gesamtkunstwerk absolutistischen Herrschaftsverständnisses. Einen Teil dieses Programms machten Reorganisation und Neuschöpfung von Einrichtungen der höfischen Bedarfswirtschaft aus. Waren diese für die Merkantilpolitik und die Ausübung von Herrschaft im Innern unentbehrlich, so waren sie es nicht minder nach außen als Vermittler profranzösischer Propaganda. Gegenüber den vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten und in ihrer Entwicklung vielfach zurückgeworfenen Reichsterritorien mußten Kunst und materielle Kultur des offiziellen Frankreich besonders reich erscheinen. Daß der Sog politischer Abhängigkeiten und materiellen Reichtums seine Wirkung tat, verraten die feindseligen Reaktionen deutscher Publizisten und Kameralwissenschaftler so deutlich wie die Nachahmung des französischen Vorbildes. Bis ans Ende des Anclen Régime wurde das europäische Kräftespiel von der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Modellen materieller Kultur mitbestimmt. Politisch brisant wurde die Auseinandersetzung dadurch, daß gängigen Ansichten zufolge ein Zusammenhang bestand zwischen den Formen von Herrschaft und den Formen von Konsum. Die "Encyclopédie" verlautbarte dazu: "Les républiques finissent par le luxe, les monarchies par la dépopulation et la pauvreté." Das war noch vorsichtig formuliert. Deutlicher wurde Gründler, der die Zentralisierung der französischen Monarchie in Zusammenhang brachte mit höfischem Aufwand und königlichen Ehrenämtern und zugleich die Abwertung des Bürgerstandes kritisierte. Aus deutscher Sicht lag ein Vergleich zwischen England und Frankreich nahe, und er fiel immer häufiger zuungunsten Frankreichs aus. Doch dies war Kritik der zu Ende gehenden Epoche französischer Vorherr-

1. Luxus und Herrschaft

s c h a f t a u f dem K o n t i n e n t , Kritik.

und e s war v o r a l l e m e i n e

bürgerliche

Die f r a n z ö s i s c h e A u ß e n p o l i t i k konnte s i c h b i s w e i t

das 1 8 - J a h r h u n d e r t h i n e i n d a r a u f v e r l a s s e n , S u b s i d i e n o d e r p o l i t i s c h e r Druck waren, die S e i t e Frankreichs brachten,

daß e s n i c h t

l e n n i c h t a u s z u d r ü c k e n und n i c h t a l l e i n

zu können''"^' . Über-

g e h ö r t e n d i e Zahlung von S u b s i d i e n und

d i p l o m a t i s c h e G e s c h e n k e , während s i c h daneben - a l s F o l g e wachsenden Bedeutung F r a n k r e i c h s und d e r B e f r i e d u n g des französischen Verhältnisses

nach dem Tode Ludwigs XIV.

z i e h u n g s k r a f t von P a r i s a l s R e s i d e n z - und E i n k a u f s o r t Fürsten e n t f a l t e t e . h a t t e das e r k a n n t ,

te,

- d i e Andeutscher

Beides stand in Wechselbeziehung.

Necker

So

daß s i e ,

als er sie schließlich

e i n e n A u s f u h r z o l l von 5 0 , 000

Grundsätzlich hätten Subsidien, dem A l t e n R e i c h z a h l t e , werden s o l l e n . 1,1 Milliarden

ausgaben.

dort

i n einem

ausführen

woll-

sollten^'.

d i e F r a n k r e i c h an F ü r s t e n

vorrangig für Hilfstruppen

aus

verwendet

Von 1716 b i s

1791 h a t t e F r a n k r e i c h a n g e b l i c h 18) lj_ d a f ü r a u s g e g e b e n , davon e i n g r o ß e r A n t e i l

an d e u t s c h e F ü r s t e n , f ü r Prunkmöbel,

erbringen

der

hatte

d e r F ü r s t von Zweibrücken i n n e r h a l b von zwei J a h r e n

Luxusgüter für die Ausstattung s e i n e r P a r i s e r Residenz Umfang g e k a u f t ,

der

deutsch-

a l s e r a n g e s i c h t s der Sparsamkeitsparolen

1 7 8 0 e r J a h r e a u f d i e s e Bedeutung von P a r i s h i n w i e s . u.a.

die

am L e -

s o l c h e H e g e m o n i e p o l i t i k durch k u l t u r e l l e

formung zu p r a k t i z i e r e n ,

auf

i n Zah-

ausschlaggebend -

der f r a n z ö s i s c h e n Monarchie p a r t i z i p i e r e n

Zu den M i t t e l n ,

in

nur

die deutsche Fürsten

s o n d e r n auch - f r e i l i c h

F a s z i n a t i o n durch den V e r s a i l l e r Hof und d i e H o f f n u n g , bensstil

97

die ihre H i l f s g e l d e r s t a t t

für Soldaten

S e i d e und Schmuck auf dem P a r i s e r

I n den J a h r e n 1718 b i s

oft

Luxusmarkt

1727 t a t s i c h b e s o n d e r s

der

15)Auch in dieser Hinsicht i s t Preußen, wegen der p i e t i s t i s c h e n Ausrichtung unter Friedrich Wilhelm I . und des konfessionslosen Puritanismus seines Sohnes, eher ein Sonderfall; v g l . allgemein dazu H. Lehmann: Der P i e t i s mus im Alten Reich. I n : HZ 214 (1972), 58-95. 16) Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des a r t s e t des mét i e r s . . . Mis en ordre & publié par M. Diderot, . . . , 35 Bde, 1751-1780, Bd 10, 636 (im Art. Monarchie). - Zur Verbreitung der Überzeugung vom Bevölkerungsschwund siehe auch Chisick, 1 8 3 f f . - Ch.G. Gründler: Die Unschädlichkeit des Luxus unseres Z e i t a l t e r s und dessen zweyseitiger Einfluß auf den S t a a t , die Handlung und die S i t t e n , Berlin 1789, k r i t i s i e r t durchgängig die französische Monarchie, die die Reichen in die Hauptstadt zwänge und mit leeren Ehrenämtern beschäftige, während das Verdienst der Bürgerklasse ungewürdigt b l e i b e . Siehe auch die K r i t i k b e i Römer, 1 1 6 f f . und bei J . J . Volkmann: Neueste Reisen durch England, vorzüglich in Abs i c h t auf die Kunstsanmlungen, Naturgeschichte, Oekoncnie, Manufakturen und Landsitze der Großen, E r s t e r Theil Leipzig 1781, l f f . , 66, 72.

98

II Funktionen und Wirkungen von Luxus

b a y e r i s c h e K u r f ü r s t Max Emanuel d o r t h e r v o r , auch s e i n N a c h f o l g e r Karl A l b r e c h t .

in geringerem Maße

Die in diesem Zeitraum g e -

währten f r a n z ö s i s c h e n Subsidien von mehr a l s 4 Mio

reichten

f ü r d i e kurbayerischen Luxuskäufe n i c h t einmal aus, so daß aus der Münchner Hofkasse f a s t 2,2 Mio 19) ten

.

zugeschossen werden muß-

Auch der Fürst von Nassau-Saarbrucken,

Jahr 100,000 Gulden e r h i e l t ,

der ab 1768 pro

t r a t in P a r i s a l s Käufer auf und

i s t 2 0in ) den R e g i s t e r n der Manufaktur von Sévres a l s Kunde zu f i n den

.

Ursprunglich l i e f

wie schon g e s a g t , tiger Alliierter

d i e s den f r a n z o s i s c h e n

Intentionen,

zuwider: d i e m i l i t ä r i s c h e G e f o l g s c h a f t zukünfs o l l t e f i n a n z i e r t werden, n i c h t - auf Umwegen -

d i e eigenen Gewerbe.

E r n s t h a f t hat man s i c h d i e s e r

fremdung indes n i c h t e n t g e g e n g e s t e l l t .

Zweckent-

Substantielle

Unterstüt-

zungen f ü r deutsche Fürsten, d i e in G e l d v e r l e g e n h e i t g e r a t e n waren, erwiesen s i c h noch unter Ludwig XVI. a l s gang und gäbe. Der Fürst von Salm e r h i e l t 400,000

als Schuldenhilfe,

Maximi-

l i a n von Zweibrücken, der d i e ihm und seinem Bruder Karl I I . stehenden H i l f s g e l d e r s e i t 1775 f ü r s i c h a l l e i n

konnte, e r h i e l t dazu von Ludwig XVI. noch f a s t 1 Mio f a l l s zur Deckung s e i n e r Schulden.

zu-

verbrauchen

Solange der E r n s t f a l l

e i n t r a t , konnte Frankreich so d i e ohnehin unvermeidlichen seiner A l l i a n z p o l i t i k n i e d r i g e r halten2 1 )

ebennicht Kosten

17)Necker 1781. - über die Einkäufe des Fürsten von Zweibrücken und das Problem der zollfreien Ausfuhr als Fürstengut siehe GSTA Bayerische Gesandtschaft Paris 191, die Briefe des französischen Außenministers de Vergennes vcm 24.12.1781 und Pachelbels, des bayerischen Gesandten in Paris, van 27.1.1782. 18)Arnould, Bd I I , 157ff. 19)Siehe Hartmann 1973 und 1982. Allerdings sind die Einkäufe nicht zur Gänze als Luxuskäufe zu bezeichnen. Viel mußte für die "normale", die alltägliche Hofhaltung in Paris ausgegeben werden; dazu genauer Hartmann 1973, 359-360. Zu klären wären die Widersprüche über den prozentualen Anteil von Luxuskäufen bei der Verwendung der Subsidien. Dieser Anteil wird bei Hartmann 1982, 317, als sehr gering angegeben. Im übrigen demonstrieren die dortigen Aufstellungen die Schwierigkeit, bei höfischen Ausgaben "Luxus" und "normalen" Verbrauch zu differenzieren. 20)E. Klein: Der Staatshaushalt des Fürstentums Nassau-Saarbrücken unter der Regierung Wilhelm Heinrichs (1741-1768). In: Jb. für westdeutsche Landesgeschichte 3 (1977), 237-276, hier 262, Anm.68; siehe auch unten Teil I I I , Kap.2.2., 202 Tab.4 mit Namen anderer fürstlicher Kunden. 21)Siehe ebd. auch über den Fürsten von Salm und Maximilian von Zweibrücken. Zur französischen Schuldenhilfe siehe Louis XVI: Journal, hrsg. von L. Nicolardot, Paris 1873, 231, leider ohne Datierung. - über die Aufteilung der Subsidien siehe den Brief Karls I I . an seinen Pariser Gesandten, GSTA Bayerische Gesandtschaft Paris 187. - Dem Etatanschlag zufolge, der 1789 den Generalständen vorgelegt wurde, muß zwischen 1788 und dem Frühsaimer 1789 einem namentlich nicht genannten deutschen Landesherrn

1. Luxus und Herrschaft

99

Daneben w a r e n d i p l o m a t i s c h e G e s c h e n k e , d e r e n Wert und A u s s a g e d e r j e w e i l i g e n S i t u a t i o n a n g e p a ß t werden k o n n t e n , e i n

gängiges 22)

I n s t r u m e n t zur B e e i n f l u s s u n g a u ß e n p o l i t i s c h e r Beziehungen Außer den Gaben, d i e f r e m d e n D i p l o m a t e n i n F r a n k r e i c h ü b e r r e i c h t w u r d e n , s p i e l t e n G e s c h e n k e an F ü r s t e n , d i e zu Besuch kamen, e i n e w i c h t i g e R o l l e , a u c h wenn n i c h t immer e i n e d i r e k t e p o l i t i s c h e Absicht h i n t e r ihnen stand. In seiner Eigenschaft a l s " D i r e c t e u r d e s B â t i m e n t s " s c h r i e b d e r Comte d ' A n g i v i l l e r 1782, d i e M a n u f a k t u r i n den G o b e l i n s s e i u n t e r a n d e r e m d e s h a l b s o w i c h t i g , w e i l s i e e s dem König e r m ö g l i c h e , " f r e m d e n S o u v e r ä n e n d i e s e l t e n s t e n und g r o ß a r t i g s t e n G e s c h e n k e zu m a c h e n . " Es g a l t , den a n g e m e s s e n e n E i n d r u c k von d e r L e i s t u n g s f ä h i g k e i t F r a n k r e i c h s zu v e r m i t t e l n . In der H i e r a r c h i e der europäischen Mächte r ä u m t e d i e f r a n z ö s i s c h e M o n a r c h i e s i c h g e r n e e i n e n f ü h renden Platz e i n , eine Selbsteinschätzung, die B e l l e t r i s t i k und n ü c h t e r n e B e h ö r d e n s c h r i f t s ä t z e d e s g e s a m t e n J a h r h u n d e r t s w i e d e r h o l t e n 23) A n l ä ß l i c h b e d e u t e n d e r B e s u c h e - d e r König von Schweden, P r i n z H e i n r i c h von P r e u ß e n o d e r K a i s e r J o s e p h I I . , d e r a l s "Comte de F a l k e n s t e i n " v e r g e b l i c h s e i n I n k o g n i t o wahren w o l l t e - wurden H o f w e r k s t ä t t e n und - m a n u f a k t u r e n a u f g e f o r d e r t , i h r e n L e i s t u n g s s t a n d a r d zu d e m o n s t r i e r e n . K e i n e , und d a s i s t b e z e i c h n e n d f ü r d i e A b s i c h t , den u m f a s s e n d e n A n s p r u c h d e r f r a n z ö s i s c h e n Krone a u f d i e V o r b i l d h a f t i g k e i t d e r h ö f i s c h e n K u l t u r zu r e c h t f e r t i gen, d u r f t e f e h l e n , n i c h t Sèvres, n i c h t die Gobelins, n i c h t è i n m a l d i e S a v o n n e r i e , d i e s o n s t e h e r im S c h a t t e n s t a n d und an Bedeutung v e r l o r e n h a t t e . D i e f r a n z ö s i s c h e M a j e s t ä t gab dem K a i s e r d e s H e i l i g e n Römischen R e i c h e s e i n Geschenk " d i g n e d ' E l l e e t de c e P r i n c e " , b e s t e h e n d u . a . a u s a c h t W a n d t e p p i c h e n , e i n Kredit von 6 Mio b e w i l l i g t worden s e i n , siehe G. Lefebvre/A.Term i n e (Hrsg.) : Recueil de documents r e l a t i f s aux séances des E t a t s Généraux mal-juin 1789. Bd 1: Les préliminaires - La séance du 5 mai, P a r i s 1953, 351. 22)Dazu grundlegend H. Duchhardt: Das diplcmatische Abschiedsgeschenk. I n : Archiv f ü r Kulturgeschichte 57 (1972), 345-362, der sich a l l e r d i n g s auf Geschenke an diplcmatische V e r t r e t e r beschränkt; außerdem N. Biryukova: Decoration and diplaiBcy: 18th Century French t a p e s t r i e s . In: Apollo 1975, 458-465, und C. Fregnac: Les cadeaux diplomatiques de Louis XVI. I n : Connaissance des Arts 128 (1962), 44-53. 23)Das ü b e r s e t z t e Z i t a t l a u t e t im Original v o l l s t ä n d i g : "Elle (die Gobelins-Manufaktur, der Vf.) f o u r n i t au Roy un moyen de f a i r e l e s presens l e s p l u s r a r e s e t l e s plus magnifiques s o i t aux souverains Etrangers, s o i t aux Personnes de son Royaume quelle veut honorer d'une p a r e i l l e

100

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

e i n e r v o l l s t ä n d i g e n Zimmereinrichtung mit v i e r nach Boucher-Motiven,

Wandteppichen

12 S e s s e l n , Windschirmen e t c .

b e l i n s und ähnlichen Produkten aus der S a v o n n e r i e .

aus den GoBei

seinem

zweiten Frankreichbesuch e r h i e l t der Schwedenkönig e i n bedeutend p r a c h t v o l l e r e s Geschenk a l s beim e r s t e n Mal, a l s e r nur Kronprinz gewesen war. und P o r z e l l a n ,

Jedesmal gehörten Möbel,

angepaßt dem Rang des Besuchers,

Wandteppiche 24 )

zu den Gaben

Damit h a t t e s i c h a l s Dauerlösung d u r c h g e s e t z t , was C o l b e r t noch a l s Sparlösung v o r g e s c h l a g e n h a t t e ,

nämlich s t a t t teuren Ge-

s c h i r r s oder Schmuck aus E d e l m e t a l l A r b e i t e n aus den neu e t a b 25) l i e r t e n H o f b e t r i e b e n f u r d i p l o m a t i s c h e P r ä s e n t e zu verwenden Ein w e i t e r e r V o r t e i l :

d i e Geschenke waren z u g l e i c h Reklameträger

f ü r d i e jungen f r a n z ö s i s c h e n Luxusgewerbe, d i e s t a t t durch d i e massive Verwendung von Gold und S i l b e r durch d i e Q u a l i t ä t Handarbeit

So überrascht es n i c h t ,

daß d i e Verwaltung Geschenke

scher A d l i g e r an Ausländer durch g r o ß z ü g i g e Rabatte te.

der

brillierten. französiunterstütz-

A l s s i c h der Kardinal de l a Rochefoucauld 1779 beim Grafen

O u e s t i , einem N e f f e n des Papstes Pius V I . , des Kardinalshutes bedanken w o l l t e , "Tenture

(Basse l i c e )

f ü r d i e Überbringung

entschloß e r s i c h f ü r e i n e

de l a Manufacture Royale des G o b e l i n s ,

une Douzaine de f a u t e u i l s a s s o r t i s s a n t s . "

et

Rochefoucauld bat

den König um den h ä u f i g gewährten Rabatt von einem D r i t t e l

des

K a u f p r e i s e s , der 27,000 betragen h ä t t e . Er s c h r i e b dazu: . . . i l en r e s u l t e r à un b i e n , s c a v o i r que p o r t é e à Rome, e l l e ( d i e T a p i s s e r i e , der V f . ) y donnera une i d é e m a g n i f i q u e de l ' é t a t des a r t s en France, e t peut c o n t r i b u e r à p r o c u r e r à l a Manufacture des demandes de p a r e i l l e s T e n t u r e s . 26) Sein Argument überzeugte,

das Gesuch wurde genehmigt

.

Diese

Verknüpfung von p o l i t i s c h e r und ökonomischer Argumentation war h ä u f i g , a u ß e n p o l i t i s c h e und w i r t s c h a f t l i c h e Funktionen des h e r r s c h e r l i c h e n Luxus l i e ß e n s i c h n i c h t voneinander

trennen.

grace." AN O1 1075, Stück 31, Blatt 2. 24)Nach AN 0 1 1075, Stück 18 und 36, sowie AN F 12 639 B; siehe auch unten Teil I I I , Kap.2.2, 201-203. 25)Siehe Duchhardt, 350f., Anm.19. - Die Savonnerie f e r t i g t e von 1664 bis 1684 für mehr als 420,000 Tapisserien an, die z.T. als diplomatische Geschenke gedacht waren, siehe AN O1 20551, "Memoire concernant la Manufacture Royalle des ouvrages de leuant façon de Turquie establie a Chaill o t dans la Maison de La Sauonnerie". 26)AN O1 1075, Stück 15. - Dabei handelte es sich keineswegs um einen Einzelfall.

1. Luxus und Herrschaft

101

Herrscherlicher Prunk, der kleineren Landesherren im Alten Reich nicht zugänglich, weil zu teuer oder nicht zu produzieren war, wurde in Paris zu günstigen Konditionen feilgeboten. Allerdings stand dem die Konkurrenz anderer Modelle materieller Herrschaftsausgestaltung entgegen. Das frühe Beispiel Friedrich Wilhelms I. und das späte Josephs II. waren Varianten herrscherlichen Verhaltens, das eine von pietistischer Gesinnung, das andere von aufklärerischem Pathos bestimmt, die zeigten, welche gegenläufigen Traditionen im Alten Reich lebendig waren und welche neuen Verhaltensmuster entstehen konnten. In manchen Territorien beschnitten dazu die Schuldentilgungswerke und der Einspruch der Landstände den höfischen Luxus und verhinderten damit die weitere Ausrichtung am französischen Vorbild. Langfristig gesehen hing diese Abwendung auch zusammen mit den Niederlagen Frankreichs und den Erfolgen Preußens, wo ein anderer Stil fürstlicher Selbstdarstellung gepflegt wurde, und es war auch Reaktion im Spiel auf den früheren, unkritischen Enthusiasmus für den Aufwand nach französischem Muster. An vereinzelten Symptomen schon lange erkennbar, kündigte sich ein langsamer Wandel in der Bewertung des demonstrativen Verbrauchs am Hofe an, der ganz unterschiedliche Ursachen hatte und auch in Frankreich - offener denn je formuliert ab 1774 - zum Umdenken zwang. Grundlegend war das Problem der Verteilung der höfischen Ausgaben. Nach dem Siebenjährigen Krieg hatten die Schloßbauten Friedrichs des Großen gezeigt, wie königlicher Aufwand die gewerbliche Konjunktur neubeleben konnte. Wirtschaftliche Erholung ließ sich über die Ausgaben des Hofes in Gang setzen, interner Aufwand eines Hofes konnte destabilisierend auf die Herrschaft wirken: dies war eine alte, aber nicht immer beachtete Erfahrung. Der aufklärerische Optimismus der Enzyklopädisten sprach dem Luxus auch im staatlichen Bereich die Legitimität zu mit dem Argument, "que le luxe contribue à la gran27) deur & à la force des états." Solche Zuversicht war mit der vage konzipierten "grandeur" und "force" allein nicht länger zu rechtfertigen. Es waren Begriffe der Außenpolitik: von zunehmender Bedeutung hingegen wurde die Frage der Funktionen von Luxus für die Aufrechterhaltung oder die Gefährdung der 27)Encyclopédie, Bd 9, 763-771, Art. Luxe,

102

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

inneren Herrschaft. Einsatz und Rolle materieller Kultur in der AbStützung der politischen Ordnung waren eng verknüpft mit Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung, der Wirtschaftsförderung und der ständischen Ordnung, die Berührungspunkte zwischen den Problemen waren vielfältig. Zum einen diente der höfische Luxus der Sichtbarmachung herrscherlicher Autorität und damit der Herrschaftsausübung. Parallöl zum Apparat der neueren fürstlichen Zentralbehörden und älterer ständischer Institutionen entstand damit ein System informeller Herrschaft, das auf der Mentalität der Untertanen gründete, d.h. mit der Symbolkraft der höfischen Kultur und der Empfänglichkeit der zu Beherrschenden für diese Art der Machtdarstellung spekulierte. Die materielle Kultur der Führungsschicht mußte das Machtdefizit der Exekutive überspielen, im Akt des imitierenden Konsums sollte der Untertan die Herrschaft anerkennen und sich mit ihr identifizieren. Zum anderen bildete der höfische Luxus die Spitze einer materiellen Kultur, die nach dem Willen des Fürsten hier28) archisch gegliedert und in ihrer Abstufung immobil sein sollte. Die Vielfalt der Luxusedikte - generelle oder spezielle Aufwandsbeschränkungen, Hochzeits-, Kleider-, Leichenund Bedienstetenordnungen, Einfuhrrestriktionen, Produktionsreglements und Benutzungsverbote für bestimmte Produkte - ist Beleg für beides: die Herrschaft durch Faszination und die Herrschaft durch Reglementierung und Uberformung der materiellen Kultur möglichst aller Untertanen. Beide waren notwendig aufeinander bezogen: Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses informellen Herrschaftssystems sind erhebliche Unterschiede in der den einzelnen Schichten, Gruppen und Ständen zugänglichen Lebensweise, wobei Möglichkeit und Beschränkung des Zugangs nicht auf der Finanzkraft 29) des Konsumenten beruhen dürfen , sondern durch Gesetzgebung, Tradition und kulturelle Vorformung in der Gesellschaft selbst gewährleistet sein müssen. Die Verfügungsmöglichkeit über gehobene materielle Kultur nimmt ab, je weiter man auf der so28)Hier ergeben sich natürlich Widersprüche zu anderen Aspekten des höfischen Aufwandes, z.B. zur Wirtschaftsförderung; siehe auch in diesem Teil Kap. 2.. 29)Dies gilt vor allem dort, wd die Kaufkraft höher war als der soziale Status des Konsumenten.

1. Luxus und Herrschaft

103

zialen Stufenleiter abwärtssteigt, doch korrespondiert die Verteilung von Kaufkraft und damit von Konsumpotential nicht mit der in der Regel älteren Verteilung von gesellschaftlich-politischer Macht. Die geometrisch-statische Ordnungsidee des absolutistischen Staates erstreckte sich auch auf den Lebensstandard der Untertanen, insbesondere und vorrangig auf den Luxuskonsum. Wie sehr auch merkantilistische Motive in die Aufwandsgesetzgebung hineinspielten, ihr ursprünglicher Zweck war, die ständische Gliederung der Gesellschaft durch Konsumlenkung und Konsumrestriktion zu festigen. Die französischen "êdits somptuaires" um 1700 spiegeln eine Ubergangsphase wider von ständisch-"irrationalen" zu ökonomisch-"rationalen" Motiven. Noch tauchen Leitbegriffe auf wie "distinction d'Estats & de conditions"; der Luxus von Lakaien und Livreeträgern, der den Aufstieg ihrer Dienstherren vor Augen führen sollte, wird besonders scharf bestraft - wer von ihnen einen Degen trägt, soll auf die Galeere 30 '; und auch die hausväterliche Gedankenwelt ist noch lebendig. In einem Edikt des Jahres 1700 begründete Ludwig XIV. seine Maßnahmen noch mit der besonderen Fürsorge, die er seinen Untertanen für ihre Unterstützung im letzten Krieg schuldete. Er leitete daraus die Pflicht ab, de commencer à arrêter l'excès des dépenses ausquelles quelques-uns de nos Sujets s'engagent d'une maniéré si peu convenable à leurs conditions & à leurs biens, & donner aux autres une excuse honneste dans l'obéissance qu'ils rendront à nos Ordres, pour ne pas suivre des modes & des exemples qu'ils condamnent eux-mesmes avec tant de raison... Die weiteren Bestimmungen zeigten indes, daß das eigentliche Motiv nicht Wahrung der ständischen Ordnung oder hausväterliches Wohlwollen waren, sondern die Knappheit an Edelmetall. Mit Ausnahme sakraler Gegenstände und ritterlicher Ordensabzeichen wurden strenge Gewichtsbeschränkungen auf Gold- und Silberschmuck gelegt, auf Geschirr aus Edelmetall und andere Gegenstände dieser Art, und gold- und silberverzierte Kleidung verboten. Das Gesetz sollte unabhängig vom sozialen Status der Betroffenen gelten 31 ). Wenn in Frankreich seit den 1720er 30)Die Verbote von Waffen und die Einschränkungen für das Tragen uniformähnlicher Livreen haben natürlich als Hintergrund noch die Erfahrung mit der Fronde und den Bürgerkriegen des 16. und 17.Jahrhunderts. Der Aufbau von adligen Privatarmeen soll erschwert werden. 31)Allgemein dazu E. de la Poix de Frêminville: Dictionnaire ou Traité de la Police générale des villes, bourgs, paroisses et seigneuries de la

104

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

Jahren, wie bereits erwähnt, die Aufwandsgesetze zunehmend außer Acht gelassen wurden, gab die Obrigkeit damit einen wesentlichen Teil ihres Anspruchs auf die Lenkung wirtschaftli32) eher und sozialer Dynamik auf Doch die Vorstellung von einer Gesellschaft, deren Struktur und alltägliches Leben - und demonstrativer Verbrauch gehörte zum Alltag - der Einflußnahme von oben zugänglich seien, war realistisch nur, wenn die Untertanenschaft kooperationsbereit war. Eine solche Bereitschaft bestand: in Grenzen jedoch und dem Wollen der Obrigkeit nicht gänzlich unterworfen. Der Anspruch der Regierung auf Überformung der materiellen Kultur der Gesellschaft wurde von dieser positiv und negativ zugleich wahrgenommen. Einerseits erlebte sie ihn als eine Häufung unliebsamer Eingriffe in Produktion, Handel und Konsum: die Debatte um die gesellschaftlichen Funktionen von Luxus verquickte sich deshalb oft mit der Auseinandersetzung um die Gewerbefreiheit. Andererseits trat der Fürst als Mäzenat für Wissenschaft, Kunst und Handwerk auf: dies sei am besten möglich durch Luxuskonsum, wollten die Zeitgenossen wissen 33) Wichtiger indes war die Frage, ob und wie lange die informelle Herrschaft durch demonstrativen Verbrauch des Herrschers und seiner Umgebung von einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit noch akzeptiert werden würde. Dies war eine Angelegenheit von Mentalitätswandel und Zustand der öffentlichen Kassen, von Reformdruck und - schließlich, doch nicht zuletzt - des Selbstverständnisses der Obrigkeit selbst. Diese Entwicklung verlief im Alten Reich anders als in Frankreich, und in Frankreich stürmischer als in jedem Territorium östlich des Rheins. In den 1770er Jahren zeigte sich, daß eines der wesentlichen Bauprinzipien absolutistischer Herrschaft: die Repräsentation von Macht im höfischen Luxus, zunehmend in Frage gestellt wurde.

1.3. „Vorgang der Großen, zum Sansculottismus führend ..." — Krititk, Selbstkritik und Krise des Systems

Dringend notwendige Reformen waren unter der Regierung LudCampagne ..., o.O. 1758, Art. Luxe; aufschlußreich auch die Déclaration du Roy, Concernant la vaisselle d'Argent (28.2.1720). 32)Interessant wäre zu überprüfen, wodurch sich im Hinblick auf Wirtschaft-

1. Luxus und Herrschaft

105

wigs XV. immer wieder verhindert worden, teils durch den Widerstand der Privilegierten, teils durch fehlenden Durchsetzungswillen des Monarchen. Die Öffentlichkeit erwartete sich sehr viel von seinem Nachfolger, und sie war geneigt, im Guten wie im Bösen den Herrscher als alleinverantwortlich zu sehen. Eine 1774 verfaßte Leichenpredigt auf Ludwig XV. tadelte den verstorbenen König für seine Verschwendung, Unfähigkeit, Faul34 \

heit und egoistische Genußsucht . In einer Denkschrift, die eine eigentümliche Mischung aus Kompliment und Drohung war, faßte de Malesherbes die Lage einige Jahre später so zusammen: Le Roi est parvenu au Trône dans un moment oû l'économie etoit demandée par le voeu général de son Royaume, épuisé par les dissipations des derniers Règnes. Im weiteren ging de Malesherbes auf die Notwendigkeit von Steuererleichterungen und Sparmaßnahmen ein, um zum Schluß zu erklären, die "Maison du Roi", der er seit 1775 vorstand, könne im Gegensatz zur Kriegskasse, der Marine und dem Auswärtigen Amt viel eher Einsparungen vertragen, ohne daß ein Machtverlust Frankreichs zu befürchten sei. Und was das Ansehen des Königs betreffe, schloß de Malesherbes, j'Ôse dire que le Roi est assez grand pour n'avoir pas cette par la magnificrainte ' " - -cence, Selbstverständnis und politisches Programm des neuen Königs kamen solchen Hoffnungen entgegen. Als "faste obscur & dispendieux" bezeichnete Ludwig XVI. die alte Ordnung am Hof, und er schien entschlossen, mit den Gebrechen des überkommenen Systems zugleich eine der Ursachen für die Notlage des Landes auszuräumen. Einer seiner ersten Regierungsakte war der Verzicht auf das "droit de joyeux avènement", das ihm zustehende Geldgeschenk anläßlich der Thronbesteigung. Bei dieser Gelegenheit legte er ein Sparprogramm dar, das auf längere Sicht die Hoffnung bot, die Belastungen der Untertanen zu reduzieren, während der "faste de notre cour" schneller in angemessene Schranken - "bornes convenables" - verwiesen werden solllichen Entwicklungsstand und Sozialverfassung jene Territorien des Alten Reiches auszeichnen, die noch im späten 18.Jahrhundert Kleiderordnungen etc. erneuerten. 33)Zum Beispiel Paris, le Modèle, 126. 34)Siehe E. Raunié(Hrsg.): Chansonnier historique du XVIIIe s., 10 Bde, Paris 1879, Bd VIII, 313-316. 35)AN O1 749, Stück 51.

106

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

t e ' ' ® ' . Die s e i t B e g i n n d e r 1 7 7 0 e r J a h r e s c h w e l e n d e F i n a n z und S t a a t s k r i s e wurde nunmehr o f f i z i e l l z u r K e n n t n i s genommen, v o r e r s t i n G e s t a l t e i n e s S p a r - und R e f o r m p r o g r a m m s , d a s , w i e s i c h s p ä t e r h e r a u s s t e l l t e , d i e K r i s e e h e r noch v e r s c h ä r f t e . Dér Z u s t a n d d e r ö f f e n t l i c h e n K a s s e n h a t t e s i c h b e r e i t s so v e r s c h l e c h t e r t , daß d i e E r f o l g s a u s s i c h t e n d e r R e f o r m p o l i t i k n u r zu l e i c h t U b e r s c h ä t z t w e r d e n k o n n t e n , zumal im V e r h ä l t n i s zum G e s a m t h a u s h a l t d i e H o f a u s g a b e n k e i n e n a u s s c h l a g g e b e n d e n Budgetposten d a r s t e l l t e n . Doch war e s n ö t i g , den E r w a r t u n g e n d e r Ö f f e n t l i c h k e i t zu e n t s p r e c h e n und e i n d e u t l i c h e s S i g n a l zu setzen. Z a h l r e i c h e G e d i c h t e auf den n e u e n König l o b t e n s e i n e Tugenden und s e i n e S p a r s a m k e i t , v e r g l i c h e n i h n m i t A u g u s t u s und H e i n r i c h XV. und e r w a r t e t e n d a s H e i l d e s K ö n i g r e i c h e s von ihm und s e i n e n M i n i s t e r n . 1775 h i e ß e s i n e i n e m G e d i c h t "Les R é f o r m e s du M i n i s t è r e " : Du l u x e on va f a i r e d é f e n s e E t l ' o n va b o r n e r l a d é p e n s e , Nous p r o m e t - o n . P a r t o u t oû r é g n a i t l a l i c e n c e Nous v e r r o n s r é g n e r 1 ' a b o n d a n c e ; ...37) I n den B i t t e n d e s " P a r l e m e n t " von P a r i s und a n d e r e r I n s t i t u t i onen um s p a r s a m e r e s F i n a n z g e b a r e n , im Namen d e r " G e r e c h t i g k e i t d e s K ö n i g s und d e r L i e b e zu s e i n e n U n t e r t a n e n " a u s g e s p r o c h e n , k l i n g t b e g i n n e n d e P a n i k d u r c h den Ton von B i t t e und Ermahnung. Das t a t s ä c h l i c h e Ausmaß d e r S t a a t s v e r s c h u l d u n g l i e ß s i c h j e doch n i c h t z w e i f e l s f r e i b e s t i m m e n , w o f ü r a u c h d i e R i v a l i t ä t e n zwischen den a u f é i n a n d e r f o l g e n d e n F i n a n z m i n i s t e r n N e c k e r , Cal o n n e und B r i e n n e und u n t e r den V e r w a l t u n g s l e u t e n am H o f e v e r 38) sind

a n t w o r t l i c h zu machen

36)Siehe den Edit du Roi, Portant suppression de quatre cents s i x ChargesBcuche & Ccmnuns de l a Maison de Sa Majesté. Donné à V e r s a i l l e s au mois d'Août 1780, 2, AN 0 1 32791, sowie den Edit Portant remise des produits du d r o i t qui appartiennent au r o i à cause de son avènement à l a couronne. La Muette, mai 1774, . . . I n : Isambert, Bd XXIII, 4-7. 37)Rauniê, Bd IX, 1-33, 47-49. - Zur Finanzkrise allgemein Bosher 1972. 38)Die deutsch z i t i e r t e Passage im Nachsatz zum Edit du Roi, Portant suppression de tous l e s Trésoriers des Maisons du Roi S de l a Reine: Et crêaticm d'un seul Trêsorier-payeur-général des dépenses des Maisons de Leurs Majestés. Donné à V e r s a i l l e s au mois de J u i l l e t 1779, AN O1 1045. - Zum "combat des ccrptes-rendus" siehe Necker 1781 und Mathen de l a Cour; a u s f ü h r l i c h e r e Literaturangaben b e i Pallach: La splendeur du t r ô ne. I n t e r e s s a n t auch Baron de Thierry de Ville-d'Avray(Hrsg.): Mémoires de Marc-Antoine Thierry, baron de Ville-d'Avray, premier maire de Vers a i l l e s . In: Revue de l ' h i s t o i r e de V e r s a i l l e s e t de Seine-et-Oise 10 (1908), 81-107, 209-225, b e s . 2 2 2 f f .

1. Luxus und Herrschaft

107

Leichter war es, Umfang und Verteilung der eigentlichen Hofausgaben - der "Maison du Roi" nebst den weiteren "Häusern" der königlichen Verwandten - zu bestimmen und dann entsprechend zu reformieren. Hier waren sich Ludwig XVI. und seine Ratgeber fast immer einig. Der König schrieb dem Abbe Terray Lobendes über die Präambel zum Maiedikt von 1774, die dieser formuliert hatte. Gegen Turgots Vorschlag, das "sacre" in Paris statt in Reims abzuhalten, sträubte er sich jedoch. Der Spareffekt schien ihm den Traditionsbruch nicht zu rechtfertigen, möglicherweise eine Fehlkalkulation, da eine derartige Feierlichkeit in der Hauptstadt viel zu seiner Popularität beigetragen hät39) te . Die Eingriffe in den unübersichtlichen, aufgeblähten und kostspieligen Hofapparat machten indes Fortschritte. Einsparungen und Rationalisierung gingen Hand in Hand, denn nicht nur Kosten sollten gesenkt, auch die Verwaltungsmaschinerie sollte im aufklärerischen Geist perfektioniert werden. Hofämter wurden gestrichen, reduziert oder umgestaltet, was Einnahmen durch ihren Neukauf erwarten ließ - eine klassische Methode; der materielle Aufwand der königlichen Haushaltung verringerte sich; die HofWerkstätten, -manufakturen und Zulieferer von außerhalb mußten sich strenger beaufsichtigen lassen. Das hieß vor allem, daß nicht mehr jede Honorarforderung unbesehen akzeptiert wurde. In der Tat rief schon der Zustand der Hoffinanzen allein nach Reformen. Der Kredit, den der Hof bei seinen Lieferanten genoß, war so gesunken, daß nur noch Barzahlung zum Abbau der Schuldenlast empfohlen werden konnte. Die dafür zur Verfügung stehenden Gelder waren allerdings nicht hinreichend für eine rasche Tilgung, zumal die Ausgaben in den letzten Jahren Ludwigs XV. noch gestiegen waren 40) - und unter Ludwig XVI. auch nicht auf Dauer gleich blieben Die Debatte um die Ausgaben des Hofes wurde bald in aller öf41 ) fentlichkeit geführt . Dabei ging es nicht nur um die Frage, 39)Der Brief Ludwigs XVI. an den Abbé Terray van 1.6.1774 bei F. Feuillet de Ccnches(Hrsg-) : Louis XVI, Marie-Antoinette et Madame Elisabeth. Lettres et documents inédits, 2 Bde, Paris 1864, Bd 1, 37f. - Turgot veranschlagte die Kbsten für die Königsweihe auf 7 Mio 1^, siehe Schelle, Bd 4, 119f.; vgl. auch Wdber, 540f, 1 1 1 40)Uber die Finanzlage des Garde-Meuble AN 0 749 und 0 3280 ; siehe auch unten Teil III, Kap.1.2. 41)Siehe die Literaturhinwelse in diesem Kapitel, Anm.38. In der Revolutionszeit gewann diese Debatte natürlich besondere Brisanz; siehe Thierry de Ville d'Avrai: Rapport au Roi, fait par M In: Dépenses du

108

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

ob und wie Einsparungen zu v e r w i r k l i c h e n waren und welche Auswirkungen s i e haben würden.

Auch e i n e mögliche

der k ö n i g l i c h e n Ausgaben stand zur D e b a t t e .

Umverteilung

Die ö f f e n t l i c h e

Meinung war gegenüber der Krone n i c h t unvoreingenommen und im a l l g e m e i n e n s c h l e c h t i n f o r m i e r t , was durch w i d e r s p r ü c h l i c h e V e r ö f f e n t l i c h u n g e n von Staatshaushalten n i c h t g e b e s s e r t werden konnte.

Der Bruder Ludwigs XVI. s o l l t e ,

so g i n g das Gerücht,

v o r dem "Parlement" g e s a g t haben: " . . . l e s dépenses du Roi ne peuvent p o i n t ê t r e r é g l é e s sur ses r e c e t t e s , mais ses r e c e t t e s sur ses d é p e n s e s . "

A l s Absage an j e g l i c h e S p a r p o l i t i k

ist

die-

s e r Ausspruch zu p e r f e k t , a l s daß e r a u t h e n t i s c h s e i n könnte, doch s p i e g e l t e e i n e s o l c h e U n t e r s t e l l u n g das B i l d des Hofes i n der Ö f f e n t l i c h k e i t w i d e r .

Die Generalstände hingegen kamen

1789 zu der Erkenntnis, daß d i e Ausgaben der "Maison du R o i " 42) n i c h t s i n n v o l l einzuschränken, j a sogar notwendig waren Das h a t t e n T e r r a y und Necker schon v i e l 43) sagt

f r ü h e r gewußt und g e -

, doch b o t der h ö f i s c h e Luxus einen zu g e e i g n e t e n An-

g r i f f s p u n k t , a l s daß d i e G e l e g e n h e i t n i c h t g e n u t z t worden wäre. Wer immer von den S t a a t s f i n a n z e n , den Strukturen von Einnahme und Ausgabe und den t i e f e r e n Ursachen des H a u s h a l t s d e f i z i t s n i c h t s v e r s t a n d , h a t t e doch i n der "Verschwendung" des Hofes und der K ö n i g s f a m i l i e einen handfesten VCrwurf p a r a t , der in ein e i n z i g e s , unkompliziertes Reizwort fassen

sich

ließ.

H i n t e r d i e s e r K r i t i k stand indes auch d i e z u t r e f f e n d e E i n s i c h t , daß der Aufwand des Hofes v e r s t ä r k t ö f f e n t l i c h k e i t s w i r k s a m g e macht werden mußte.

Dies b e d e u t e t e einen Strukturwandel des

h ö f i s c h e n Luxus, da das überkommene System zu e i n e r rung des k ö n i g l i c h e n Aufwandes t e n d i e r t h a t t e .

Privatisie-

P a p i l l o n de l a

F e r t ê , der von 1756 b i s 1780 d i e "Menus P l a i s i r s " mit einem Jahresbudget von d u r c h s c h n i t t l i c h 2 Mio

geleitet

hatte,

schlug v o r , das H o f t h e a t e r a l s Einnahmequelle zu benutzen. dachte daran, ausländische Besucher von Rang anzulocken.

Er Dies

war e r s t e i n b e s c h e i d e n e r S c h r i t t , v e r g l i c h e n mit den besonders im R é v o l u t i o n s j ä h r

1789 aufkommenden, p a t r i o t i s c h

inspirierten

Garde-Meuble de la Couronne, . . . Paris 1790. Sein Bericht datierte von 1788. Offensichtlich h i è l t er es für sicherer, der Öffentlichkeit seine Bemühungen um Sparsamkeit am Hofe darzulegen. 42)Das Zitat nach M.F.A. de Lescure (Hrsg.): Correspondance secrète inédite sur Louis XVI, Marie-Antoinette, la cour et la v i l l e de 1777 à 1792, 2 Bde, Paris 1866, Bd I I , 162. - Siehe die Eröffnungsrede des Bischofs von Nancy am 4.5.1789 vor den Generalständen, abgedr. bei Lefebvre/Terroine, 164f.

1. Luxus und Herrschaft

109

44) Vorschlägen,

königliche Feste uberall

Solche Vorstellungen rismas beweisen,

im L a n d

von d e r Bewahrung d e s h e r r s c h e r l i c h e n

daß d i e t r a d i t i o n e l l e n

V o r s t e l l u n g e n von

R e p r ä s e n t a t i o n von H e r r s c h a f t noch l e b t e n , s t e l l u n g aber geworden, fähig, dere

r e f o r m b e d ü r f t i g waren:

w a r zum n a t i o n a l e n

diesen Schritt

seit

g i m e s zu

dem Tod L u d w i g s XV. g e t a n ,

Chader

d i e Methoden d e r

d i e h ö f i s c h e Bühne,

Podium zu e r w e i t e r n .

zu v o l l z i e h e n ,

Dar-

zu e n g

War d e r Hof

und was h a t t e e r ,

insbeson-

um d i e P o p u l a r i t ä t

des

Re-

erhalten?

E i n e von M a r i e - A n t o i n e t t e s tete

mitzubegehen

H o f d a m e n , Madame d e Campan,

in ihren Erinnerungen,

daß d e r h ö f i s c h e Geschmack

berichunter

L u d w i g XVI. u n d s e i n e r G e m a h l i n s c h l i c h t e r g e w o r d e n s e i : . . . V e r s a i l l e s wurde f ü r a l l e G l i e d e r d e r k ö n i g l i c h e n F a m i l i e d e r am m i n d e s t e n a n g e n e h m e A u f e n t h a l t s o r t . Man d ü n k t e s i c h n i r g e n d s zu H a u s e a l s i n d e n e i n f a c h s t e n W o h n u n g e n , d i e d u r c h e i nen e n g l i s c h e n G a r t e n v e r s c h ö n e r t w a r e n ; . . . d e r Geschmack f ü r C a s c a d e n und B i l d s ä u l e n war v ö l l i g v o r ü b e r . . . . d a s Vergnügen der Königin war, d i e W e r k s t ä t t e n des Dörfchens zu b e s e h e n , im S e e zu f i s c h e n , d i e Kühe m e l k e n z u s e h e n , ... Hinter dieser Flucht talität

stand eine vieldeutige

und K u l t u r d e s H o f e s ,

m i t t e begonnen Zum e i n e n h a t t e mehr a l s

V e r ä n d e r u n g v o n Men-

die spätestens

um d i e

Jahrhundert-

hatte. sich allmählich der Klassizismus

nur ein Stilwandel

durchgesetzt, 46)

in der bildenden Kunst

.

Daß

V o r l a g e n f ü r G e m ä l d e u n d S k u l p t u r e n dem a n t i k e n M o t i v f u n d u s stammten, barkeit

war n i c h t

der Motive.

neu.

Neu w a r e n v i e l m e h r A u s w a h l u n d

Es w a r e i n e k l a t a n t e r W i d e r s p r u c h ,

die ent-

Auslegwenn

der

43)Siehe Necker 1781, 96, sowie Mathon de l a Cour, 77. 4 4 ) P a p i l l o n de l a F e r t é , I n t e n d a n t e t C o n t r ô l e u r de l ' A r g e n t e r i e , Menus-Plais i r s e t A f f a i r e s de l a Chambre du Roi (1756-1780): J o u r n a l , h r s g . von E. Boysse, P a r i s 1887, 67. Vgl. allgemein zur Stimmung i n P a r i s H. Monin: L ' é t a t de P a r i s en 1789. Etudes e t documents s u r l ' A n c i e n Régime à P a r i s , P a r i s 1889, 621-645 über "Les f ê t e s o f f i c i e l l e s e t l ' e s p r i t p a r i s i e n " ; Forderungen nach ö f f e n t l i c h e n F e i e r n i n Avenir, 6, sowie b e i de Montluel: Quelques moyens proposés, pour c o n t r i b u e r au r é t a b l i s s e m e n t des manufact u r e s e t au b i e n - ê t r e des o u v r i e r s de Lyon, o.O. 1789, 1 5 f f . 45)Frau von Campan: Memoiren über das P r i v a t l e b e n d e r Königin Maria A n t o i n e t t e von F r a n k r e i c h . . . . Aus dem Französischen 2 Bde, Breslau 1824, Bd 2, 2 4 f . 46)Siehe allgemein d i e grundlegende A r b e i t von S. E r i k s e n : E a r l y n e o - c l a s s i cism i n France, London 1974, sowie Stürmer 1982, E p i l o g . Der Sprachgebrauch i s t u n e i n h e i t l i c h , d i e Verwendung d e r V o r s i l b e "Neo-" problemat i s c h , da e s p e r i o d i s c h zu Wiederbelebungen e i n e r a l s k l a s s i s c h empfundedenen Epoche kcmr,t:. Wir verwenden h i e r u n t e r s c h i e d s l o s "Neoklassizismus" und "Klassizismus. Gemeint i s t s t e t s d e r S t i l des s p ä t e r e n 18.Jahrhund e r t s , d e r e i g e n t l i c h e h e r e i n S t i l Ludwigs XV. i s t .

110

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

französische Hof eine Kulturströmung förderte - ja sich selbst in ihr treiben ließ -, die republikanische und anti-monarchische Überlieferungen zitierte. Der höfische Dekor wurde übrigens, auch wenn zum Klassizismus unvermeidlich der Appell an die antike Schlichtheit gehörte, nicht weniger kostspielig. Die Vorliebe für die rokokofeindliche Betonung klarer Geometrien setzte sich kaum in Einsparungen um. Immerhin konnte dieses verspäte47> te Bekenntnis zum neuen Geschmack, dem "goüt grec", auch als "le bon goGt" absolut gesetzt, als Versuch des Hofes anerkannt werden, nicht rückständig zu sein, sondern an der Spitze des ästhetischen und geistigen Fortschritts zu marschieren und damit seine Mäzenatensteilung zu wahren. Zum anderen war, aus vielerlei Quellen gespeist, der von Madame de Campan beobachtete Hang zum Einfachen, zum Natürlichen bemerkbar. Rousseaus gesellschaftskritischer Appell zur Rückkehr zur Natur, den in Äußerlichkeiten zu befolgen Mode in der gehobenen Gesellschaft von Paris wurde, die Übernahme englischer Vorbilder in Lebensart und Kunst und die Begeisterung für den Freiheitskampf der nordamerikanischen Kolonien gingen mit dem schon älteren Neoklassizismus - und durch ihn mit vorbereitet eine unklare Synthese ein. Zu beachten ist, daß alle Elemente der neuen Verbindung den politisch-gesellschaftlichen Traditionen des französischen Ancien R&gime konträr, wenn nicht feindlich gegenüberstanden. Die Folge war ein tiefgreifender Geschmackswandel am Hofe - und nicht nur dort -, der sich in der Bevorzugung neuer Produkte äußerte und auch das Verhältnis zu Zeremoniell und öffentlicher Selbstdarstellung berührte. Hier lag eine Gefahr, da zum einen der höfische Aufwand, in Geldeswert gemessen, kaum zurückging, zum anderen der Prestigewert der Hofkultur leiden konnte und schließlich die Flucht aus dem Rollenspiel des Herrschers die Verweigerung, die Ermüdung einer Elite belegte: dies konnte nicht ohne Rückwirkung auf die Stabilität des monarchischen Regiments bleiben. Wenn die neuen Konsumgewohnheiten noch dazu die einheimische Wirtschaft schädigten, ohne spürbar weniger Ausgaben zu bedeuten, dann mußten die negativen Rückwirkungen umso heftiger sein. Lange nach der Revolution notierte sich Goethe: Vorgang der Grossen, zum Sansculottismus führend. Friedrich 47)F.J.B. Watson: Walläce Collection catalogues: Fumiture, London 1956, Introduction; siehe auch unten Teil III, Kap.1.2, 178f.

1. Luxus und Herrschaft

111

sondert sich vom Hofe. In seinem Schlafzimmer steht ein Prachtbette. Er schläft in einem Feldbette daneben. Verachtung der Pasquille, die er wieder anschlagen läßt. Joseph wirft die äußeren Formen weg... Die Königin v. Frankreich entzieht sich der Etiquette. Diese Sinnesart geht immer weiter bis der König von Frankreich sich selbst für einen Misbrauch hält.48) Das Urteil darüber in der öffentlichen Meinung war geteilt. In einem Gedicht "La Reine de l'étiquette" wurde die neue Formlosigkeit angeprangert, während die "Correspondance sécrète de Métra" sich hinter Marie-Antoinette stellte 49 '. Was im Alten Reich - noch - keine Gefahr gewesen wäre, gehörte das in Frankreich bereits in die Vorgeschichte der Revolütion? Die "subjektive Schwäche in der Bewahrung des höfischen Charismas11^"' hing zusammen mit der Selbsteinschätzung des neuen französischen Königs. Ein Beweis sind die Prâambèln, nicht mehr Floskeln, sondern Versuche der Rechtfertigung, die er seinen Reformedikten vorzuschalten für nötig befand. Dazu gehörte auch eine gewandelte Einstellung zum höfischen Luxus, die angesichts der Erwartungen in der Bevölkerung und des Drängens der Verwaltung angemessen erschien und herrschaftsstabilisiererid wirken konnte. Die Lage Ludwigs XVI. war nicht einfach: zwar hatte die Bevölkerung seinen Regierungsantritt begeistert begrüßt - auch die ausländische Presse lobte ihn dann wegen seines Sparwil51 ) lens -, doch stand der König unentschlossen und mit zu geringer Konsequenz zwischen den möglichen Positionen. Noch an den Abbé Terray hatte er geschrieben: Rien n'est plus clair que la distinction que vous établissez dans le préambule, entre les dépenses de première nécessité, celles qui viennent de libéralités anciennes, et celles qui tiennent à ma personne et au faste de ma couronne. 52 ) Dies war die Definition der Trennlinie zwischen internem Aufwand, der zunehmend kritikwürdig erschien, und öffentlichem Aufwand, der sich noch rechtfertigen ließ, wenn er die Herrschaft in zeitgemäßer Weise repräsentierte und der Wirtschaft des Lan48)Zit. nach Kruedener, 37. 49)Raunié, Bd IX, 58-60. 50)Kruedener, 36. 51)So Ch.F.D. Schubart(Hrsg.): Deutsche Chronik auf das Jahr 1774, Repr. Heidelberg 1975, 153: "... der izige König, auf dem der Geist seiner großen Väter siebenfältig ruhen möge! scheint sein Regierungssystem auf die strengste Oekananie zu stützen. Ein System, das seit Friedrich des Großen Thronbesteigung alle Könige und Fürsten anzunehmen scheinen." (Kcrrmentar zum 6.6.1774) 52)Feuillet de Conches, Bd t, 37f., vgl. in diesem Kapitel Anm.39.

112

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

des zugute kam.

Ludwig XVI. h a t t e s i c h zu e n t s c h e i d e n , wie w e i t

Sparmaßnahmen und Veränderungen gehen mußten, um K r i t i k am monarchischen Regime zu begegnen, und wie w e i t s i e gehen d u r f t e n , ohne s e i n P r e s t i g e zu untergraben.

"Toute l a modération qui

pourra se c o n c i l i e r avec l a m a j e s t é de n o t r e Couronne", e r dem Volk v e r s p r o c h e n .

hatte

Diese Einschränkung b e z e i c h n e t e das

Dilemma j e g l i c h e r R e f o r m p o l i t i k in der h e i k l e n 53) zwischen T r a d i t i o n a l i s m u s und F o r t s c h r i t t

Obergangsphase

Im A l t e n Reich hat es e i n e v e r g l e i c h b a r e K r i s e des h e r r s c h e r l i chen Luxus n i c h t gegeben.

Das hat v i e l e Gründe: w e s e n t l i c h

für

d i e f r a n z ö s i s c h e n V e r h ä l t n i s s e waren d i e Haltung der

öffentli-

chen Meinung, der v e r m e i n t l i c h e Umfang der h ö f i s c h e n

"Verschwen-

dung", d i e U n s i c h e r h e i t und l e t z t l i c h e U n e n t s c h l o s s e n h e i t Monarchen, d i e K o n z e n t r a t i o n des ö f f e n t l i c h e n Lebens auf

des Paris,

wo s i c h s o z i a l e und i n n e n p o l i t i s c h e Spannungen zwischen H o f , A d e l , S t ä n d e v e r t r e t u n g und b ü r g e r l i c h e r G e s e l l s c h a f t von j e h e r schärfer a r t i k u l i e r t hatten. Reich n i r g e n d s gegeben.

Diese K o n s t e l l a t i o n war im A l t e n

Die V i e l z a h l der

Herrschaftsbereiche

und d i e V i e l f a l t in der m a t e r i e l l e n Ausgestaltung der H e r r s c h a f t s f o r m e n s o r g t e f ü r e i n e D e z e n t r a l i s i e r u n g von Luxus- und damit von p o l i t i s c h e r K r i t i k .

Auch waren i n manchen T e r r i t o r i -

en, i n denen der Aufwand des Landesherren d i e Ressourcen überf o r d e r t h a t t e , Schuldentilgungswerke in Zusammenarbeit 54)

zwischen

Fürst und Ständen i n d i e Bresche gesprungen

Gewiß gab es auch B e i s p i e l e unausgewogener H o f b u d g e t s ^ ' : gehörten zu den - a l l e r d i n g s b e r e i t s

1769

" v o r d i e Zukunft e i n g e -

schränkten" - Ausgaben von Nassau-Saarbrücken mehr a l s

80,000

Gulden K a p i t a l z i n s e n b e i einem Gesamthaushalt von gut 230,000 Gulden.

In K u r t r i e r betrugen d i e Aufwendungen f ü r Wege-,

Stra-

ßen- und Brückenbau zwischen 1763 und 1803 maximal 3819 R e i c h s taler

( 1 7 8 4 ) , während f ü r "garderobe + L i v r é e " oder

am H o f " b i s zu 70,000 R e i c h s t a l e r ausgegeben wurden.

"Verbrauch Und i n

53)Das Zitat aus der Präambel des Juliedikts 1779, siehe in diesem Kapitel Anm.38. 54(Natürlich gab es wegen dieser Frage auch Konflikte; Literaturhinweise bei G. Oestreich: Vterfassungsgeschichte vcrti Ende des Mittelalters bis zum Ende des Alten Reiches (Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, Ib.-Ausgabe Bd 11), 2.Aufl. Stuttgart 1976, 112f. 55)Bei der Beurteilung der Staatsausgaben i s t f r e i l i c h zu berücksichtigen, daß die Aufgabenverteilung für die Finanzierung der verschiedenen Bereiche (z.B. Wbhlfahrt, Wirtschaft, Bildungswesen e t c . ) sich grundlegend von itDdemen Systemen unterscheidet.

I. Luxus und Herrschaft

113

K u r b a y e r n b e t r u g e n im 1 8 . J a h r h u n d e r t d i e H o f a u s g a b e n z w i s c h e n 34 und 58% d e r G e s a m t a u s g a b e n , w o b e i 1701 " m i n d e s t e n s 5%, 1760 f a s t 100% und 1770 m i n d e s t e n s 30% d e r k u r f ü r s t l i c h e n Kammeraus56 Ï g a b e n auf den E r w e r b von L u x u a r t i k e l n v e r w e n d e t " wurden Doch d i e b e i d e n b e d e u t e n d s t e n L ä n d e r d e s H e i l i g e n Römischen R e i ches b e t r i e b e n eine P o l i t i k der N e u i n t e r p r e t a t i o n f ü r s t l i c h e n R e p r ä s e n t a t i o n s v e r h a l t e n s , P r e u ß e n u n t e r F r i e d r i c h dem Großen u n a u f d r i n g l i c h und a l s g l e i c h s a m p e r s ö n l i c h e V a r i a n t e d e s A u f g e k l ä r t e n A b s o l u t i s m u s - "Es i s t b e k a n n t , daß L u s t an Ausgaben und V e r w e i c h l i c h u n g d i e S e e l e e n t n e r v t und d i e F a m i l i e n z e r s t ö r t . . . H a l t e n w i r u n s an S p a r s a m k e i t . . . " - , Ö s t e r r e i c h s p ä t e r u n t e r J o s e p h I I . a l s r a d i k a l e Ausformung d e r p o l i t i s c h e n A u f k l ä r u n g " ^ ' . Während i n F r a n k r e i c h d e r Hof s i c h v e r s e l b s t ä n d i g t , den S p i e l r a u m d e s H e r r s c h e r s e i n g e e n g t und s i c h dank d e r L a n g l e b i g k e i t , d i e ihm s e i n e O r g a n i s a t i o n e r m ö g l i c h t e , ü b e r l e b t h a t t e , g e l a n g i n P r e u ß e n und Ö s t e r r e i c h , a b e r a u c h i n manchen k l e i neren T e r r i t o r i e n , e i n e D i s z i p l i n i e r u n g des h ö f i s c h e n Aufwandes. 1766 h a t t e M a r i a T h e r e s i a d a s P r o j e k t e i n e s n e u e n L u x u s e d i k t s e r w o g e n , d a s s i e u n t e r dem E i n f l u ß v . J u s t i s und v . S o n n e n f e l s ' fallen ließ. J o s e p h I I . war w e n i g e r z u r ü c k h a l t e n d . A l s 1780 d e r D r a m a t i k e r F.G.W. Großmann i n d e r Komödie " N i c h t mehr a l s s e c h s S c h ü s s e l n " a d l i g e s S t a t u s d e n k e n v e r s p o t t e t e und d a r a u f h i n 58 ) vom A d e l a n g e f e i n d e t w u r d e , v e r t e i d i g t e i h n d e r K a i s e r . 1784 e r l i e ß e r e i n E i n f u h r v e r b o t f ü r a u s l ä n d i s c h e S e i d e n und a n d e r e L u x u s g ü t e r und f o r d e r t e g l e i c h z e i t i g s e i n e E n t o u r a g e a u f , i h r A u f t r e t e n am Hof an v e r n ü n f t i g e n M a ß s t ä b e n a u s z u r i c h t e n . Die " C o r r e s p o n d a n c e P o l i t i q u e e t A n e c d o t i q u e " n o t i e r t e am 5 . 6 . 1 7 8 4 : Aucun s e i g n e u r n ' y p o u r r a p a r o î t r e (am Hof i n L a x e n b u r g , d e r V f . ) en h a b i t g a l o n n é , a u c u n e Dame en b o u f f a n t e , mode é g a l e m e n t incommode & r i d i c u l e , p a r v e n u e j u s q u ' a u x s o u b r e t t e s , & q u i n ' e n e s t p a s m o i n s c h e r e à n o s femmes & f i l l e s de q u a l i t é . Das w a r e n V o k a b u l a r und E n t h u s i a s m u s a u f g e k l ä r t e r L u x u s k r i t i k 56)Zu Nassau-Saarbrücken Klein, 2 5 1 f f . ; zu Kurtrier H. Kellenbenz: Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Bd 1 : Vbn den Anfängen b i s zum Ende des 18.Jahrhund e r t s , München 1977, 372f.; zu Kurbayem Hartmann 1982, 315f. 57)Das wörtliche Z i t a t nach Dietrich, 334. 58)über das Projekt der Kaiserin siehe G. Haitpel-Kallbrunner: Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen mit besonderer Berücksichtigung Österr e i c h s (Diss. Wien 1949), Überarb. Fassung Wien 1962, 6 3 f f . - Ober Großmanns Theaterstück siehe Sandgruber, 231f. 59)Das wörtliche Z i t a t nach Correspondance, Bd I I , 3 2 0 f f . ; d i e Notiz zum 15.4.1786 Bd IV, 3 8 f f . Meldungen vcm 3.1. und 28.1.1787 b e r i c h t e t e n von wàiteren Vereinfachungen der Galazererronien, d i e "mascarades d ' é t i q u e t t e "

114

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

mit einen Anklang bürgerlichen Standesbewußtseins, gedämpft nur durch eine Meldung vom 15.4.1786, daß die Zolleinnahmen um mehr a l s 600,000 Gulden gesunken seien, d i e Ausfuhr um 2 Mio Gulden abgenommen habe und der innere Handel dahinsieche, eine Folge 59) der luxusfeindlichen Maßnahmen der Regierung ; so j e d e n f a l l s sahen es d i e Herausgeber der "Correspondance". Die Interpretationen der ökonomischen Auswirkungen von Luxusres t r i k t i o n e n waren also ähnlich, ob in Paris oder in Wien, doch d i e Unterschiede zwischen Frankreich und dem Alten Reich überwogen. In den meisten T e r r i t o r i e n , in den wichtigsten auf j e den F a l l , hatte sich gegen Ende des 18.Jahrhundefts eine aufgek l ä r t e Gemeinschaft g e b i l d e t aus Landesherr, Beamtentum und bürgerlicher Oberschicht, d i e in der Regel auch ein aufgeklär^t e s Konzept der Darstellung von Staatsmacht v e r t r a t e n . In Frankreich dagegen t r a f , in schockartiger Zuspitzung, d i e K r i t i k von Ö f f e n t l i c h k e i t und T e i l e n der Beamtenschaft 6 0 ' auf d i e Verantwortungsflucht der Herrschaft und ihren Rückzug in unverb i n d l i c h e r e , p r i v a t i s i e r t e Formen des Luxuskonsums. Eine v e r gleichbare Konfrontation hatte es im Alten Reich nicht gegeben. In Frankreich hingegen übernahm Ludwig XVI. ein problematisches Erbe. Die Frage, d i e sich 1774 s t e l l t e , war keineswegs d i e , ob der Thronfolger seine Sache so gut wie sein Vorgänger machen würde® 1 ', sondern, ob er s i e um so v i e l besser, wie notwendig war, machen könnte. In der eingangs erwähnten Denkschrift hatt e de Malesherbes d i e - überzogenen - Erwartungen der Ö f f e n t lichkeit klargelegt: I l ne faut pas que l e Roi ignore, que l e s acclamations s i génér a l e s e t s i f l a t t e u s e s qui ont é c l a t é l o r s de son avènement, ont é t é dûes en grande p a r t i e , à l ' o p i n i o n conçue de l u i à c e t égard (gemeint waren seine Ordnungsliebe und seine Sparsamkeit, der V f . ) car quand une Nation e s t aussi malheureuse que l ' é t o i t a l o r s la Nation f r a n ç o i s e , ce sont ses v r a i s besoins qui la f o n t penser e t a g i r ; e t de tout ce qui a v o i t é t é c r i t i q u é dans l e s derniers tems, r i e n n ' a v o i t aussi réellement a f f e c t é l e Peuple, que l ' e x c è s des impôts, a t t r i b u é à l ' e x c è s des dépenses. 6 2 ) sollten abgeschafft werden, ebd., 176ff. 60)Auch das "Parlaient" von Paris gehörte zu den Kritikern, die die steigenden Ausgaben und Steuerbelastungen monierten, war aber selbst nicht reformbereit in Fragen der Umverteilung von Steuerlasten. 61)Siehe G. Chaussinand-flogaret: La vie quotidienne des Français sous Louis XV, Paris 1979, vor allem Kap.1; auch seine Schlußbilanz ist, trotz mancher Einschränkungen, positiv. 62)Siehe in diesem Kapitel Anm.35; natürlich wurden nicht nur die höfischen Ausgaben kritisiert, doch fielen sie am meisten ins Auge und wirkten o f t

l.Luxus

und Herrschaft

115

Dies war eine deutliche Warnung gewesen. Höfischer Luxus war und blieb, trotz oder gerade wegen seines Verlustes an traditionellen Funktionen, Drehpunkt jeglicher Systemkritik am Ende des französischen Ancien Régime; die Frage nach Legitimation und Effizienz der Herrschaft war immer auch die Frage nach der Berechtigung des höfischen Aufwandes. 1.4. Effizienz und Legitimation von Herrschaft — Ein Resümee

Im Staat des 18.Jahrhunderts stellten Hofzeremoniell und fürstliche Prachtentfaltung neben dem Gottesgnadentum zwar das altertümlichste Element dar, waren indes mit den Methoden moderner Herrschaftsorganisation institutionalisiert und zum Instrument der Machtausübung gestaltet worden. Aus dieser Spannungslage erwuchsen langfristig Probleme: Organisation und Aufgaben des höfischen Aufwandes waren von Ludwig XIV. noch vor dem Ende des 17.Jahrhunderts festgeschrieben worden ohne Rücksicht auf einen möglichen Wandel der Vorstellungen von Funktion und Verhalten eines Herrschers und seines Hofstaates. Dies bedeutete schon für Ludwig XIV., der diese Maschinerie doch entworfen hatte, Aufgabe von Individualität. Die anti-ludovizische Reaktion der Rêgence-Zeit, die Flucht Marie-Antoinettes aus Etikette und Hofgesellschaft in ihre "laiterie" zu Rambouillet und der Rückzug Ludwigs XVI. in Schlosserwerkstatt und Jagdgesellschaft zeigten, daß die Nachfolger des Sonnenkönigs nur in Grenzen bereit waren, sich diesem System unterzuordnen. Was für den Hof galt, traf auch auf die Gesellschaft als Ganzes zu: um die Wende vom 17. zum 18.Jahrhundert scheiterten die letzten großen "lois somptuaires", und um die Jahrhundertmitte konstatierte man die "décadence totale" der Aufwandsgesetzgebung®^'. Die Schwungkraft der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung war stärker als das tableauhafte Denken der Architekten des herrscherlichen Luxus . Gewiß war auch die Institution Hof nicht statisch, doch wies ihre Dynamik in eine andere Richtung. Der einmal in Gang gesetzte Mechanismus mit seinen Behörden, teuer erkauften Pfründen, PatronagebeZiehungen, Schlössern mit kostbarem Inventar, Werkstätten und Manufakturen und seinen ineinander verwobenen Funktioprovozierend. 63)Poix de Frêminville, 333f.

116

IL Funktionen und Wirkungen von Luxus

nen aller Art entwickelte sich, dabei sich verselbständigend und auswuchernd, fort. Bedeutete Wachstum aber auch mehr Effizienz? Während der Umfang des Apparates und die Budgets zunahmen, verlor der Hof im öffentlichen Leben und in der Politik, 64 ) verglichen mit Paris, an Bedeutung . Er entfaltete ein Eigenleben und eine Eigengesetzlichkeit, die den Entscheidungsspielraum auch des Monarchen einengten, ohne daß man ihn als konstruktiven Träger der Politik bezeichnen kann. Vielmehr erforderte er in steigendem Maße administrativen Energieaufwand und lenkte die Interessen des Königs auf die Äußerlichkeiten des höfischen Lebens ab. Zudem ließ die Leistungsfähigkeit des Hofes, gemessen an der Zunahme des gesellschaftlichen Reichtums, nach. Sollte sein Aufwand Herrschaft legitimieren helfen, dann mußte ein gewisser Vorsprung gewahrt bleiben, der die Welt des Hofes von der materiellen Kultur des außerhöfischen Bereiches trennte. War dieser Vorsprung aber noch zu finanzieren? Und hatten sich nicht die Anschauungen über Sinn und Berechtigung dieses Vorsprunges gewandelt, der letztlich großenteils von der Allgemeinheit finanziert wurde? Fernand Braudel hat die Ansicht vertreten, der Luxus jener Zeit müsse uns umso unvernünftiger erscheinen, als er keine wirkliche Bequemlichkeit geboten habe 65 '. Nun mochten zwar Zeremoniell" und Konsumzwang vom Monarchen und seinem Gefolge im Laufe der Zeit als immer drückendere Belastung empfunden werden, doch darf man nicht übersehen, daß der Lebensstandard des Hofes unerreicht hoch war. Um dieses Niveau zu relativieren, bedurfte es des wirtschaftlich-sozialen Aufstiegs neuer Schichten und der Wandlung von Geschmacksmustern. Zu leben wie ein Fürst, war politisch auf Dauer nur zu rechtfertigen, wenn Gegenleistungen erbracht wurden bzw. die herkömmlichen Leistungen des informellen Herrschaftssystems als solche akzeptabel blieben. Genuß ohne entsprechende öffentliche Funktion bedeutete eine Gefährdung der Legitimation. In dieser Hinsicht jedoch funktionierte das System je länger, desto schlechter. Schon während der Regierung Ludwigs XV. war der Verlust des Charismas, wie Marc Bloch gezeigt hat, fortgeschritten. Das "Sacre" Ludwigs 64)Chaussinand-Nogaret 1979, 20; siehe allgemein die Artikel in: Paris, fonctions d'une capitale, Paris 1962. F. Bluche: La vie quotidienne de la noblesse française au XVIIIe s., Paris 1973, spricht vcm "cour lentement décadente", 97. 65)Braudel 1967, 231.

1. Luxus und Herrschaft

117

XVI. 1775 war nur noch ein halber Erfolg, das "Sacre" Karls X. 1825 dann ein völliger Fehlschlag.

Bestimmte Erwartungshaltun-

gen waren jedoch in der Bevölkerung, abhängig von der Schichtenzugehörigkeit, durchaus noch vorhanden, wurden aber oft enttäuscht.

Ein säkularer Prozeß der Verweltlichung, der Aufklä-

rung und der Emanzipation vom staatlich-herrscherlichen Vorbild unterminierte die Grundlagen des bestehenden Ordnungsgefüges und stellte damit auch die tradierten Formen von Repräsentation und indirekter Machtausübung in Frage, deren Ertrag die Kosten nicht mehr einzubringen schien.

Im Alten Reich dagegen gelang es, zu67) mindest in Preußen, diesen Prozeß nutzbar zu machen , den Verlust an höfischem Charisma durch "bürokratische Maßnahmen zu kompensieren" und den Schritt von der alten Rationalität von Herrschaftsausübung und Machtdarstellung zur neuen Rationalität "rechtzeitig" zu vollziehen 68) 1775 erschien - vorgeblich in London - eine "Theorie du Luxe", in der eine anti-physiokratische Verteidigung des Luxus vorgetragen wurde.

Doch nicht dies war das Wichtige an ihr, sondern

die Rolle, die der Verfasser dem Staat zuschrieb, zugleich kennzeichnend für veränderte Denkweisen wie untypisch für die üblichen Apologiemotive.

Das Staatswohl, so lautete das Argument,

erfordere zwar eine Förderung des Luxus durch die Regierung, doch dürfe diese nicht das Beispiel geben wollen.

Der Weg füh-

re vielmehr über die "liberté du commerce", was hier Freiheit im heutigen Sinn bedeutet, und reichliche Massenkaufkraft. Diese sei nur durch öffentliche Sparsamkeit zu erzeugen: Les dépenses du Gouvernement qui vont au-delà de ce qu'exigent la majesté du Trône, le maintien de l'ordre public s le bien des affaires générales, se prennent sur le peuple sans lui rien donner en échange.69) Der Angelpunkt der Debatte um Wert und Berechtigung des Luxus lag hier ausschließlich bei der Frage nach dem ökonomischen Nutzen.

Dieser Toposwechsel vom konkreten, vorgelebten Exempel der

Herrschaft zum nur noch marktrelevanten Konsum einer emanzipierten Bürgerschaft veranschaulicht den Aufstieg einer neuen Rationalität, in dessen Folge sich auch der Stellenwert der Objekte, die früher Herrschaft anschaulich gemacht hatten, veränderte. 66)Bloch; Weber; Waquet; Kaplan 1982; siehe auch unten Teil IV, 276. 67)Freilich war der Aufgeklärte Absolutismus für diese Entwicklung mitursächlich gewesen. 68)Kruedener, 36ff.

118

//. Funktionen und Wirkungen von Luxus

2. Luxus und Gesellschaft 2.1. Die Ausgangssituation: Abstufungen des Lebensstandards zwischen gesellschaftlicher Hierarchie und staatlicher Intervention

Eine Gesellschaft wählt ihre materielle Kultur und deren Funktionen nicht völlig frei.

Die Tradition bedeutet viel; einzel-

ne Gesellschaftsgruppen und die Obrigkeit können den Anspruch erheben, lenkend und überwachend eingreifen zu wollen.

Die Ge-

sellschaft wird, der Heterogenität ihres Aufbaus gemäß, auf Tradition und Intervention mit unterschiedlichen Verhaltensweisen reagieren: unreflektierte oder bewußte Anerkennung der Tradition, Entwicklung von Alternativen zu überkommenen Formen, passiver Widerstand gegen den Eingriff von oben oder auch Obereinstimmung mit dem Anspruch des Staates, womöglich sogar aktive Ablehnung, die sich in Konsumabstinenz und Kritik am Konsumvorbild äußern kann.

Der Luxus des 18.Jahrhunderts war ebenso tra-

ditionales Verhalten wie Gegenstand staatlicher Aufmerksamkeit und behördlichen Eingriffs.

Es bestand jedoch durch Konsumvor-

gabe und Aufwandsgesetzgebung kein einseitiger Zwang, sondern eine Beziehung wechselseitiger Beeinflussung zwischen Gesellschaft und Obrigkeit.

Wie reagierte letztere auf die Konsumtra-

ditionen der Gesellschaft und wie die Gesellschaft auf den Anspruch des Staates?

Welche Rückwirkungen hatte schließlich die

soziale und ökonomische Entwicklung der Gesellschaft auf staatliche Politik? Die Aufwandsgesetze bezogen sich auf die ständische Ordnung im politischen Sinne und auf die ständische Ordnung im sozialen Sinne, die sich nicht deckten.

Soziale Schichtung und innerge-

sell sch,aftliche Machtverteilung waren differenzierter als die Teilhabe an politischen Mitspracherechten und im Gegensatz zu dieser waren sie nicht auf Dauer festzuschreiben.

Mit immer

präziseren Abstufungen des erlaubten Aufwandes versuchten die Landesherren, die Struktur der Gesellschaft nachzuzeichnen.

Die

kursächsische Kleiderordnung von 1750 unterschied nicht nur zwischen "Herrn- Adel- Bürger- und Bauern-Stande", sondern führte noch eine eigene Kategorie ein für die "Geistlichen,

Magi-

69)Butel-Dumont: Théorie du Luxe, ou Traité, Dans lequel on entreprend d'établir que le luxe est un ressort non seulement utile, mais même indispensablernent nécessaire à la prospérité d'un Etat, London (Paris?) 1775, 180ff.

2. Luxus und Gesellschaft

119

s t r i s , S c h u l d i e n e r n " , b e w i l l i g t e e i n e n S o n d e r s t a t u s f ü r "Notar i i und andere L i t e r a t i , a n s e h n l i c h e Handesleute, Cramer und F a b r i c a n t e n i n g r o s s e n S t ä d t e n " und g e s t a t t e t e den "bey d i s t i n g u i e r t e n H e r r s c h a f f t e n i n D i e n s t stehende Cammer-Weiber, Cammer-Jungfern und Cammer-Mägden" mehr Luxus a l s dem Bauernstand. Ähnlich herausgehoben waren d i e H o f b e d i e n s t e t e n , k e i n E i n z e l f a l l , wie das Ansbach-Bayreuther " H o c h z e i t e n - , K i n d t a u f - und L e i c h e n r e g l e m e n t " von 1733 z e i g t , daö d i e "Hof- und CanzleyHandwerckere" i n d i e s t ä d t i s c h e O b e r s c h i c h t e i n g l i e d e r t e 7 0 ' . S t ä n d i s c h e Ordnung h i e ß Zuweisung und Entzug von p o l i t i s c h e r Macht, Zuteilung bestimmter Aufgaben im W i r t s c h a f t s l e b e n , Unt e r s c h i e d e i n M e n t a l i t ä t , Lebensstandard und Lebensgewohnheiten und s c h l i e ß l i c h a l s e i n e s der tragenden Elemente d i e s e r Ordnung Abstufung von Ansehen und Achtung. Noch im Allgemeinen Landr e c h t wird damit der "höhere B ü r g e r s t a n d " d e f i n i e r t 7 1 ' . Während i n F r a n k r e i c h und im A l t e n Reich d i e p o l i t i s c h e Ständeordnung s i c h am Ende des Ancien Régime kaum von der zu Beginn des 18.Jahrhunderts unterschied, hatten sich die sozialen Strukturen w e i t e r e n t w i c k e l t , i n F r a n k r e i c h , wo d i e " i n é g a l i t é harmo72 ) nieuse" e i n e r Verschmelzung der E l i t e n des Zweiten und D r i t ten Standes P l a t z gemacht h a t t e und e i n e unharmonische Ung l e i c h h e i t der Vermögen über d i e Grenzen der Stände h i n a u s griff , noch s c h n e l l e r a l s im Alten R e i c h , wo s t ä n d i s c h b e stimmte Kulturmuster noch s t ä r k e r ausgeprägt waren. Jedoch war auch d o r t b e r e i t s e i n "mehr oder weniger s t a r k a u s g e p r ä g t e s Spannungsverhältnis"zwischen V o r s c h r i f t und i n d i v i d i i è l l e m V e r h a l t e n zu bemerken 74) 70)Die kursächsische Ordnung abgedr. bei Stürrrer: Herbst 1979, Dok.9, 9 7 f . ; über Ansbach-Bayreuth siehe K. Plodeck: Zur sozialgeschichtlichen Bedeutung der absolutistischen Polizei- und Iandesordnungen. In: Zs. für bayerische Landesgeschichte 39 (1976), 79-125, bes.111. 71)Allgeneines Landrecht, Bd 3, 7 § 31. 72)Zit. aus dem Traktat des Chevalier d'Arc: l a noblesse militaire, Paris 1756, z i t . nach G. Chaussinand-Nogaret: Une histoire des é l i t e s 1700 à 1848, Paris 1975, 111f., dort auch ausführlich über französische Sozialstrukturen, vgl. auch ders. 1979, 356f. 73)Siehe dazu die neue Zusanmenfassung von M. Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution. In: K. Malettke(Hrsg.): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime, Berlin 1982, 101-124. - Zum Verhalten der deklassierten, keiner E l i t e angehörigen "roturiers" siehe B.F. Hyslop: French gild opinion in 1789. In: AHR XLIV (1938-1939), 252-271. - Zur Problematik der Erforschung der französischen Sozialstrukturen in der Frühen Neuzeit allgemein siehe R. Mousnier: Problèmes de méthode dans l'étude des structures sociales des 16e, 17e, 18e s i è c l e s . In: K. Repgen/S. Skalweit(Hrsg.):

120

II Funktionen und Wirkungen von Luxus

Die Aufwandsgesetze b e d e u t e t e n e i n e s t a a t l i c h e , s t ä n d i s c h a b g e s t u f t e Konaumgenehmigung f ü r den p r i v a t e n und den ö f f e n t l i c h e n B e r e i c h , f ü r s e i d e n e "Gardinen vor denen F e n s t e r n " ^ ' , f ü r K l e i d e r und Schmuck, f ü r Möbel und G e s c h i r r , f ü r d i e K o s t s p i e l i g k e i t von T r a u e r - und F r e u d e n f e s t e n , f ü r d a s Haus a l s G a n z e s ' 6 ' . Der G e s e t z g e b e r g i n g von zwei Annahmen a u s : d e r B ü r g e r i m i t i e r e d i e a r i s t o k r a t i s c h e L e b e n s w e i s e , und e r r u i n i e r e s i c h d a b e i d u r c h den f ü r i h n n i c h t t r a g b a r e n A u f w a n d " ' . Ersteres traf o f t genug z u , l e t z t e r e s war wohl e h e r a u s d e r S o r g e um d i e g e s e l l s c h a f t l i c h e Ordnung a r g u m e n t i e r t ; denn K a u f k r a f t und s o z i a l e r S t a t u s deckten s i c h l ä n g s t n i c h t mehr. Die E x i s t e n z e i n e r " n o b l e s s e p a u v r e " und d e r A u f s t i e g von B ü r g e r n i n d i e dem A d e l benachbarte "haute b o u r g e o i s i e " sind - f r e i l i c h extreme - Belege f ü r s o l c h e D i s k r e p a n z e n . So h a t t e s c h o n 1713 d e r " f e r m i e r g é n é r a l " P a u l E t i e n n e B r u n e t de Rancy e i n Vermögen von 6 , 5 Mio 1 . i n Form von Ä m t e r n , G r u n d b e s i t z , H ä u s e r n , S t a a t s - und a n d e 78 ) r e n R e n t e n , W e r t p a p i e r e n , Möbeln, S i l b e r und Schmuck Luxus e n t f a l t e t e s i c h s o im S p a n n u n g s f e l d von K o n s u m e r l a u b n i s , K o n s u m v e r p f l i c h t u n g und K o n s u m f ä h i g k e i t . Es g a b e i n e t h e o r e t i s c h e O b e r g r e n z e d e s l e g a l e n A u f w a n d e s und e i n e - l e t z t l i c h a u c h vom G e s e t z g e b e r s t r i k t e r ü b e r w a c h t e - U n t e r g r e n z e , j e d e n f a l l s f ü r den f r a n z ö s i s c h e n A d e l . Der F o r d e r u n g d e s " v i v r e n o b l e m e n t " zu g e n ü g e n h a t t e V o r r a n g g e g e n ü b e r d e r b ü r g e r l i c h e n T u gend d e s s p a r s a m e n H a u s h a l t e n s . A l s A n n e - C h a r l e s S i g i s m o n d de Montmorency-Luxembourg, M a r q u i s de Royan b a n k r o t t w a r , g a l t a l s o f f i z i e l l e r E n t s c h u l d i g u n g s g r u n d " l a n é c e s s i t é de s o u t e n i r s o n r a n g & son s e r v i c e . " 79 ) Es gab Stimmen a u s A d e l s k r e i s e n , d i e Spiegel der Geschichte. Festgabe f ü r M. Braubach zum 10.April 1964, Müns t e r 1964, 550-564; außerdem Daumard und Daumard/Furet, passim. 74)Ruppert, 74f. 75)Stürmer: Herbst, 98. 76)Siehe E l i a s , 7 0 f f . , 8 0 f f . ; siehe auch D.F.C.V.B.: Betrachtungen und Einf ä l l e über d i e Bauart der Privatgebäude i n Teutschland, Augsburg 1779. 77)Typisch d i e Formulierungen in der Präambel zur Déclaration du Roi du 8 Janvier 1719, portant Règlement peur l e s Gens de Livrée, abgedr. b e i Poix de Frêminville, 333ff. 78)über Vermögensunterschiede innerhalb des Adels siehe Erbe; Bluche,17ff.; Meyer 1971. - Zu Brunet de Rancy siehe G. Chaussinand-Nogaret: Capital e t s t r u c t u r e s o c i a l e sous l'Ancien Régime. In: AESC 25 (1970), 463-476, b e s . 474. - Zur Schichtung des Bürgertums siehe auch das Schema b e i G. Cabourdin/G. Viard: Lexique h i s t o r i q u e de l a France d'Ancien Régime, Par i s 1978, A r t . Bourgeoisie, 40-42.

2. Luxus und Gesellschaft

121

f ü r e i n e Abkehr vom Luxus p l ä d i e r t e n und d i e a l t e n Tugenden v e r fochten.

Der " l u x e d e s t r u c t e u r " e i n i g e r I n d i v i d u e n s e i zu e r -

s e t z e n durch e i n e "honnête abondance" f ü r d i e b r e i t e Schicht des k l e i n e n Landadels. 80) Hofes

.

recht

spät.

F i n a n z i e r t werden s o l l t e s i e mit H i l f e des

Für r e s t a u r a t i v e P r o j e k t e d i e s e r A r t war es

freilich

Einen v e r g l e i c h b a r e n Konsumzwang f ü r das Bürgertum gab es n i c h t . A l s angemessen g a l t e i n e nüchterne "Oekonomie" in den Ausgaben, der das E r s c h e i n u n g s b i l d in der Ö f f e n t l i c h k e i t zu entsprechen hatte.

Ein i n n e r g e s e l l s c h a f t l i c h e r Konsumzwang bestand jedoch

durchaus, wie der Vorschlag des deutschen Kameralisten beweist,

Pfeifer

den "Gebrauch g e w i s s e r Waaren von v o r g e s c h r i e b e n e n

ben, b e i sichren F e y e r l i c h k e i t e n a u s d r ü c k l i c h " anzuordnen,

Far"der-

g e s t a l t daß s i c h niemand d e r s e l b e n entbrechen kann, ohne in den 81 ) Augen andrer g l e i c h e n Standes g e r i n g s c h ä t z i g

zu w e r d e n . . . "

Der Bürger h a t t e e i n Mensch des " j u s t e m i l i e u "

zu s e i n ;

d i e Sa-

t i r e brandmarkte den verschwenderischen Parvenü wie den G e i z i gen, den "Bourgeois Gentilhomme" und den

"Avare".

Die Behörden f ü r s i c h waren außer Stande, über d i e A u f r e c h t e r haltung der g e s e l l s c h a f t l i c h e n Abstufungen zu wachen.

Ständi-

sche Abgrenzungen zu wahren und unangemessenen Konsum zu u n t e r binden,

e r f o r d e r t e d i e Ausübung i n n e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n

Druckes

zwischen den verschiedenen Sozialgruppen und e i n hohes Maß von Selbstdisziplinierung

innerhalb der e i n z e l n e n Gruppen, d i e b e -

sonders b e i b ü r g e r l i c h e n L u x u s k r i t i k e r n

auffällt.

Ausdrücklich u n t e r s c h i e d d i e ö f f e n t l i c h e Meinung in Deutschland noch am Ende des 18.Jahrhunderts zwischen dem - a l l e r d i n g s aus w i r t s c h a f t l i c h e n Motiven - p o s i t i v zu bewertenden Luxus der Großen und der " v e r d e r b l i c h e n Nachahmungssucht" von K l e i n b ü r g e r und Unterschicht, t i e r e n konnte

aus der nur e i n a l l g e m e i n e r S i t t e n v e r f a l l r e s u l 82) . S o l l t e d i e Ordnung der G e s e l l s c h a f t a u f r e c h t -

79)AdCdEdR, Du 13 Décembre 1766, AN AD XI 1. - Siehe auch Cabourdin/Viard, Art. Dérogeance, 100-101, und Art. Noblesse, 230-231, sowie Marion, Art. Noblesse, 392-399. 80)Réflexions d'un citoyen, sur l ' é t a t présent de la France, o.O. (1784?). 81)Pfeifer, Bd 1, 384.

Ihm lag natürlich an der Gewerbeförderung.

82)Zit. aus dem Journal von und für Deutschland, Dritter Jahrgang, 1.Stück 1786, 28ff. - Siehe auch August v. Hoff: Ueber Gesinde, Gesinde-Ordnungen und deren Verbeßerungen, Berlin 1789, 32ff. 83)Gründler, 21f. - Ganz ähnlich in Argumentation und Vokabular bereits Julius Bernhard v. Rohr: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen

122

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

e r h a l t e n werden, dann mußte s i e auch im A l l t a g ä u ß e r l i c h bar gemacht werden, wie Gründler 1789 s c h r i e b . sten S t u f e stehe der " P ö b e l " ,

sicht-

Auf der u n t e r -

der " s i c h nun einmal n i c h t durch

Schlüsse und Vernunftgründe r e g i e r e n "

lasse.

Und w e i t e r :

Es i s t n a t ü r l i c h , j a es i s t b i l l i g , daß e i n Mann, der e i n e höhere b ü r g e r l i c h e Ehre g e n i e ß t , auch in den äußern Umständen e i n glänzenderes Ansehen habe, daß s e i n e Speisen, Kleidung und Hausrath k o s t b a r e r s e y . Dies b e w i r k t bey den E i n f ä l t i g e n , welche d i e innern E i g e n s c h a f t e n m e h r e n t h e i l s nach dem, was in d i e Augen l e u c h t e t , b e u r t h e i l e n , mehr E h r f u r c h t f ü r s e i n e Person; e i n s o l cher Eindruck b e f ö r d e r t d i e Folgsamkeit gegen d i e Obern. Es g i n g Gründler a l s o n i c h t a l l e i n um das V e r h ä l t n i s O b r i g k e i t und B ü r g e r s c h a f t , s o z i a l e n Rangordnung.

zwischen

sondern auch um d i e Bewahrung der

Die entscheidende T r e n n l i n i e v e r l i e f

für

ihn zwischen der a u f g e k l ä r t e n R a t i o des Bürgertums und der V e r n u n f t l o s i g k e i t der U n t e r s c h i c h t e n .

Für s i c h und s e i n e s g l e i c h e n

nahm Gründler in Anspruch, s i c h der A u t o r i t ä t der "Obern" aus E i n s i c h t zu beugen®'" . Streng waren auch d i e Ansprüche des Bürgertums an den e i g e n e n Stand.

Die Deutsche Chronik f o r d e r t e 1775:

Die P o l i z e y s o l l t e s o r g f ä l t i g wachen, daß durch d i e Beobachtung e i n e r v e r n ü n f t i g e n Kleiderordnung d i e Stände n i c h t so wie j e t z t , untereinander gemengt würden, daß man Mühe h a t , das Bürger Töcht e r l e i n aus den a d e l i c h e n F r ä u l e i n s hervorzusuchen.84) A u f k l ä r e r i s c h e r Anspruch - " v e r n ü n f t i g e K l e i d e r o r d n u n g "

- und

s t ä n d i s c h e r Konservatismus s o l l t e n durch p o l i z e i l i c h e n Zwang zur Deckung gebracht werden.

Oberste Grenze des Z u l ä s s i g e n

b ü r g e r l i c h e n K r i t i k e r n der Lebensstandard des A d e l s .

blieb

Aufschluß-

r e i c h d a f ü r i s t e i n Kommentar des Franzosen Hardy, der e i n e H o c h z e i t s f e i e r b ü r g e r l i c h e r Neureicher s c h i l d e r t . Geschenke und Festmahl werden a l s " f o l l e s dépenses" siert.

Aussteuer, charakteri-

Besonders m i ß f ä l l t ihm, daß d i e Opferkerzen nur einen

L o u i s d o r weniger kosten a l s b e i der H o c h z e i t des Duc de Chartres 85) in der K a p e l l e zu V e r s a i l l e s

.

Die Haltung Hardys war f ü r

b r e i t e r e Schichten des Bürgertums t y p i s c h .

Die Betonung der

Grenzen des Aufwandes und des s o z i a l e n A u f s t i e g s war aber n i c h t nur aus S o z i a l n e i d geboren oder V e r i n n e r l i c h u n g des Druckes von Herren, Berlin 1729, sowie ders.: Einleitung zur Cereraoniel-Wissenschafft der Privat-Personen, Zweyte vermehrte Edition, Berlin 1730. 84)Schubart, Bd 2, 286 (Notiz zum 4.5.1775). 85)S.P. Hardy: "Mes l o i s i r s " . Journal d'événements t e l s q u ' i l s parviennent à ma connaissance, 1764-1789. Publié d'après l e manuscrit autographe et inédit de la Bibliothèque Nationale par M. Toumeux et M. Vitrac, Paris 1912, 142 (Notiz zum 17.5.1769).

2. Luxus und Gesellschaft

123

oben: sie verlieh dem Bürgertum auch ein eigenes Selbstwertgefühl. Nicht umsonst wurden in der Selbstkritik dieser Sozialgruppe immer der verschwenderische Aufsteiger und der nüchterne 86) Kaufmann, der Bürger par excellence, miteinander verglichen Von da war es nur ein kleiner Schritt zur offenen Kritik an den höheren Ständen. In den "Cahiers" von 1789 nahmen Forderungen nach einer Restauration der Aufwandsgesetzgebung dann einen 87 ) breiten Raum ein , verbunden mit den verschiedensten Reformforderungen, solchen, die das Ancien Regime zerstören, und solchen, die seine Renaissance wollten. Doch auch der Adel hatte Beschwerden gegen das Bürgertum vorzubringen. Die Hofdamen Ludwigs XIV. wendeten sich an Colbert mit einem Gesuch, das die Probleme der Repräsentation von Macht und Ordnung durch Darstellung von Reichtum aufzeigte. Das Urteil fremder Souveräne und Botschafter über Stärke und Schwäche des Königreiches, so lautete die Beschwerde gegen die "Marchandes ou Bourgeoises de Paris", hänge vom Glanz des Hofes ab. Es sei Sache der "Dames et damoiselles qui en composent la plus brillante partie", diesen Glanz auszustrahlen. Zum Nachteil der ganzen Monarchie indes sähen sie sich fast außer Stande, ihren Aufwandsverpflichtungen nachzukommen, da Anmaßung und Unverschämtheit - "usurpation hardie et les entreprises temeraires" - der Pariser Kaufmannsfrauen den Preis der Luxusartikel in die Höhe trieben, obowhl sie, die Hofdamen, als einzige das Recht hätten, solche Gegenstände zu benutzen. Die Ausgaben ihrer Ehegatten und Kinder im Dienste des Königs seien zu hoch, als daß sie, die Hofdamen, mit der Inflation der Luxuswarenpreise noch Schritt zu halten vermöchten. Schließlich wurde Colbert aufgefordert, dem zügellosen Ehrgeiz dieser "petites bourgeoises" und der "Insupportable confusion des conditions, qui ne peuvent estre discernés par ce dereiglement" Einhalt zu gebieten. Notfalls habe der 88) Polizeiintendant von Paris einzuschreiten . Hatte in diesem Fall auch die Statusfurcht dem finanziell bedrängten Hofadel die Feder geführt, so waren die zugrundeliegenden Probleme doch prinzipieller Art. 86)Siehe z.B. N. Chomel/J. Marret: Dictionnaire oeconcmique, 4.durchges., verb. u. erw. Auflage Ccnmercy 1741, Art. Banqueroutes & Faillites; und L.H. Dudevant: L'apologie du commerce, essai philosophique et politique, ..., Genf 1777, 52f. 87)Siehe dazu ausführlicher Pallach: Art. Luxe, und ders.: Splendeur du trône, 78.

124

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

Die entscheidende Frage war, ob der demonstrative Aufwand der Untertanen d i e g e s e l l s c h a f t l i c h e Rangordnung tragen oder ren würde.

Beides wurde f ü r möglich g e h a l t e n ,

lemma n i c h t nur f ü r d i e L i t e r a t e n , den G e s e t z g e b e r , scheiden s o l l t e .

zerstö-

ein ständiges

Di-

sondern noch v i e l mehr f ü r

der über den Nutzen von Aufwandsgesetzen e n t Die Diskrepanz zwischen dem I d e a l e i n e r

schen G e s e l l s c h a f t ,

stati-

den Veränderungen in W i r t s c h a f t und S o z i a l -

s t r u k t u r und der Entwicklung der ö f f e n t l i c h e n Meinung l e g t e im Verlauf

des 18.Jahrhunderts d i e B r ü c h i g k e i t der ständischen Ord-

nung bloß und s t e l l t e

damit auch d i e g e s e l l s c h a f t l i c h e n

Funktio-

nen von Luxus in F r a g e . 2.2. Der säkulare Trend — Nachahmung und Vorbildkritik

Zum Standardvokabular der L u x u s k r i t i k im 18.Jahrhundert die Feststellung,

daß der Luxus s t ä n d i g zunehme.

gehörte

Typisch f ü r

diesen Standpunkt i s t der - eher b e i l ä u f i g e - Kommentar der Komm e r z i e n d e p u t i e r t e n von L e i p z i g zum V e r l a u f

der Michaelismesse

1747: "Nächstdem nimmt der Luxus unter dem gemeinen Volke l e n t h a l b e n zu und was sonst W o l l e g e t r a g e n ,

trägt j e t z t

al-

Seide,

89) ..."

R e d u z i e r t man s o l c h e Bemerkungen auf ihren konjunktur-

und k u l t u r g e s c h i c h t l i c h e n G e h a l t , dann s t e l l t man z w e i e r l e i fest:

d i e Luxusmärkte e r l e b t e n einen l a n g f r i s t i g e n Aufschwung,

und Konsumverhaltensmuster wurden in der G e s e l l s c h a f t mit V e r zögerung von oben nach unten w e i t e r g e g e b e n . Die Ausweitung der Märkte war das Werk a l l e r S o z i a l g r u p p e n .

Sie

wurde möglich sowohl durch e i n e g e s t e i g e r t e Nachfrage a l s auch durch e i n dem Bedarf s i c h f l e x i b l e r anpassendes und ihn e n d l i c h 90)

a n t i z i p i e r e n d e s und formendes Angebot von Luxusgutern Teil

.

Ein

der g e s t i e g e n e n Massenkaufkraft, d i e sogar von Schichten

unterhalb der "honnête a i s a n c e " stammte, wurde auf einen

imitie-

renden Luxuskonsum verwendet, der s y m b o l k r ä f t i g e Objekte f r ü h e ren a d l i g e n und h e r r s c h e r l i c h e n Aufwandes zur Schau s t e l l t e

-

f r e i l i c h n i c h t in i h r e r ursprünglichen Form, Q u a l i t ä t und Funktionalität.

Lange h a t t e der G e s e t z g e b e r g e z ö g e r t , den

legislati-

88)Plaintes des Dames De La Cour contre les Marchandes ou Bourgeoises de Paris, Requeste des dames de La Cour présentée a Monsieur Colbert Surintendant de la reforme du Royaume de France sur Le luxe des Bourgeoises de Paris, Arsenal, Ms.6544, fol.321 r°-323 v ° . 89)Hasse, 311ff. 90)Siehe dazu ausführlicher die Fallstudien, unten Teil I I I .

2. Luxus und Gesellschaft

125

ven Schutz d i e s e r R e s e r v a t e a u f z u g e b e n , b i s w i r t s c h a f t l i c h e E r wägungen s e i n e Bedenken Uberwogen, Ein B e i s p i e l d a f ü r sind der " A r r e s t de l a Cour d e s M o n n o i e s " vom 2 . 1 2 . 1 7 6 5 und d i e " D é c l a r a t i o n du R o i " vom 9 . 9 . 1 7 6 9 . Der G e n e r a l p r o k u r a t o r d e s K ö n i g s h a t t e b e r i c h t e t , daß f r a n z ö s i s c h e r Doublésfitamck a u s S i l b e r im I n - und A u s l a n d g r o ß e n A b s a t z f ä n d e . D i e s e r Schmuck war b i l l i g e r a l s M a s s i v g o l d s c h m u c k , e i g n e t e s i c h g l e i c h f a l l s zu R e p r ä s e n t a t i o n s z w e c k e n und war g r ö ß e r e n K ä u f e r k r e i s e n z u g ä n g l i c h . Auch m i n d e r k a r ä t l g e r Goldschmuck und v e r g o l d e t e r S t a h l a u s dem A u s l a n d , b e s o n d e r s a u s D e u t s c h l a n d , wurden i n F r a n k r e i c h v e r k a u f t , und e i n h e i m i s c h e " f a u x o u v r i e r s " n u t z t e n d i e G e l e g e n h e i t , um e i g e n e m i n d e r k a r ä t l g e E r z e u g n i s s e a l s a u s l ä n d i s c h e Ware a n z u b i e t e n - womit s i e d i e f r a n z ö s i s c h e n Q u a l i t ä t s b e s t i m m u n g e n 91) umgingen ' . Die " m é l a n g e du f i n e t du f a u x " i n d e r V e r a r b e i t u n g von Gold und S i l b e r w a r f wegen d e r K o n v e r t i b i l i t ä t von Geld und Schmuck P r o b l e m e a u f . F ü r A n g e h ö r i g e d e r M i t t e l - und U n t e r s c h i c h t e n j e d o c h k o n n t e n K e t t e n , Z i e r k n ö p f e und U h r g e h ä u s e a u s Doublé E d e l m e t a l l e r s a t z s e i n . Das S o r t i m e n t d e s J u w e l i e r s G r a n c h e z , d e r n u r s e h r r e i c h e Kunden h a t t e , z e i g t i n d e s , daß durch Modetrends b e d i n g t - auch m i n d e r w e r t i g e M a t e r i a l i e n e i n e n 92) M a r k t a u f hohem g e s e l l s c h a f t l i c h e n N i v e a u f i n d e n k o n n t e n E i n e ä h n l i c h e E r s c h e i n u n g i s t b e i den L u x u s t e x t i l i e n zu b e o b a c h t e n , d i e f ü r K l e i d u n g , M ö b e l b e z ü g e und W a n d t e p p i c h e v e r w e n d e t wurden. Zum e i n e n e r s e t z t e n T a p e t e n a u s b e m a l t e m o d e r b e d r u c k tem P a p i e r d i e s e l b s t f ü r r e i c h e B ü r g e r und A d l i g e u n e r s c h w i n g l i c h g e b l i e b e n e n G o b e l i n s , zum a n d e r e n e r m ö g l i c h t e n d i e s e b i l l i g e r e n Wandbespannungen "en f a ç o n de d a m a s , d ' i n d i e n n e s & de 93 ) tapisseries" e i n e n Zimmerschmuck, d e r e i n e n A b g l a n z d e s sonst Unerreichbaren bot. M i t t l e r e und u n t e r e G e s e l l s c h a f t s s c h i c h t e n übernahmen a u c h d e n G e b r a u c h von M o u s s e l i n e und Baum91)Déclaration du Roi, Concernant l e ccttmerce des ouvrages d'Or & d'Argent venant de l ' E t r a n g e r , AN AD+ 986; Arrest de l a Cour des Monnoies, Qui permet aux Orfevres, B i j o u t i e r s ou a u t r e s , à tous Ouvriers ayant q u a l i t é , de f a i r e , vendre ou d é b i t e r des Boîtes d ' a r g e n t , extérieurement revêtues d ' o r , . . . , AN AD XI 23; über deutschen Schmuck siehe P f l ü g e r , 640. 92)Siehe den AdCdEdR, Concernant l e s Marchandises étrangères, prohibés dans l e Royaume. Du 17 J u i l l e t 1785, A r t . I I I , AN AD XI 42; über Granchez und d i e Stahlschmucknode im Mercure de France, August 1775, 2 0 0 f f . ; a l l g e mein dazu H.R. d'Allemagne: Les accessoires du costume e t du mobilier depuis l e XlIIe jusqu'au milieu du XIXe s . , 3 Bde, P a r i s 1928, Bd 1,60f. Bezeichnend, daß d i e Entwicklung der Stahltechnologie in Frankreich über d i e Suche nach neuen Schnuckmaterlalien vor s i c h ging. 93)Almanach des nêgocians, 243.

126

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

wolle als billigeren Seidenersatz von den Oberschichten, für die die neuen Stoffe unabhängig vom Preis modischen Reiz besaßen.

Im Zeitraum 1695-1715 hatten noch 100% der Angehörigen ei-

ner ausgewählten Gruppe Pariser "salariés" Tapisserien in ihrer Wohnung.

Im Zeitraum 1775-1790 war dieser Anteil auf 73% gesun-

ken, während "Toiles peints" und "Papiers peints", um 1700 unbekannt, bei 4 bzw. bei 17% zu finden waren.

Bei einer Gruppe

von "domestiques" war dieser Anteil noch höher (12 bzw. 25%). In derselben Zeit nahm der Verbrauch von Seide und von Baumwolle zu auf Kosten der früher üblichen Woll- und Wollmischstoffe, bei männlichen Lohnempfängern von 3 auf 4,5% (Seide) bzw. 1 auf 20% (Baumwolle), bei männlichen Bediensteten von 4 auf 12% bzw. von 8 auf 21%, während bei Frauen von vornherein alle Prozent94) satze erheblich hoher gelegen hatten Seit dem späten 17.Jahrhundert veränderte sich die Verwendungsweise von Materialien für Luxusgegenstände: der "éclat", entscheidend für die Repräsentationswirkung, wurde zunehmend betont bei gleichzeitiger Abkehr vom massiven Einsatz wertvoller 95) Rohmaterialien wie Gold und Silber . Damit verschoben sich auch die Relationen von Materialwert, Arbeitsaufwand und Fertigungsqualität.

Das galt keineswegs nur für den Luxuskonsum der

weniger kaufkräftigen Bevölkerung, dessen Zunahme mit diesem Trend zusammenhing.

Auch die französische Hofkultur zeigte im-

mer mehr Enthusiasmus für zwar 9fi) glanzvolle, aber provisorische und ephemere Festdekoration . Die Gegenstände des alltäglichen und des festlichen Lebens wurden schneller verbraucht, der Ersatz sollte sich vom Ersetzten unterscheiden.

Roland de la

Platiêre, Manufakturinspektor in Lyon, notierte 1787: Nous ne sommes plus au temps où la robe de noce de la mère passait à la fille et servait encore à faire des meubles aux petits enfants. Aujourd'hui, on veut des couleurs de toutes sortes, des nuances de toutes les couleurs; il faut changer d'habits toutes les saisons et ne point revenir sur ce qui a déjà paru 9 7 '. Produktdifferenzierung und rascherer Modewechsel waren wirt94)Roche 1981, 153, 174; siehe dort allgemein Kap.V und VI. 95)Das lag auah daran, daß Edelmetall durch die Kriege Ludwigs XIV. knapper geworden war, ein Anstoß für die Verwendung von Porzellan und die Entwicklung der Boulle-Technik im Möbelbau. 96)Gruber, 154ff. 97(Municipalité de Lyon, aperçu des travaux à entreprendre et des moyens de les suivre, zit. nach Trénard, 16.

127

2. Luxus und Gesellschaft

s c h a f t l i c h e Werte geworden, und s i e s p i e g e l t e n d i e

Mobilisie-

rung der m a t e r i e l l e n Kultur a l l e r Schichten w i d e r . Im A l t e n Reich v e r l i e f

d i e s e r Prozeß langsamer, doch auch d o r t

sind Zunahme und V e r f e i n e r u n g von Luxusverbrauch und d i e Entwicklung von Ersatzprodukten zu beobachten.

Wie i n P a r i s ,

so

übernahmen auch in den deutschen Städten d i e unteren Schichten d i e schon ü b e r h o l t e n Konsumgewohnheiten der höheren Stände. Römer s c h r i e b 1791 darüber: Dinge, d i e ehedem in den Häusern des A d e l s ü e b e r f l u ß schienen, b e t r a c h t e t j e t z t schon der Handwerksmann a l s e i n B e d ü r f n i s , das e r ohne N a c h t h e i l s e i n e s Standes n i c h t entbehren zu können glaubt.98) Was 1789 e i n Z e i t s c h r i f t e n a r t i k e l über den Luxus mancher Bauern b e r i c h t e t e , mag e i n e Ausnahme gewesen s e i n - noch dazu i s t Schilderung k r i t i s c h - f e i n d s e l i g der Hebung des Lebensstandards. nischen

- , z e i g t aber d i e

die

Möglichkeiten

Die Rede war von der

holstei-

Landbevölkerung;

Unsere Schönen h ü l l e n s i c h i n ganze f l o h r e n e Wolken . . . G e s c h i r r e , d i e ehemals von Zinn öder b e i Wohlhabenden von S i l b e r war e n , müssen j e t z t von Fayence oder P o r z e l l a n s e i n , obwohl der P r e i s annähernd g l e i c h i s t und d i e e r s t e r e n , wenn s i e krumm und s c h i e f waren, eingeschmolzen werden konnten, d i e l e t z t e r e n . . . a b e r , wenn s i e i n Scherben gehen, keinen D r e i e r wert s i n d . A u f f ä l l i g an d i e s e r K r i t i k i s t ,

daß mit P o r z e l l a n e i n höherer

Grad an Luxus a s s o z i i e r t w i r d , der keinem P r e i s u n t e r s c h i e d

ent-

spricht . Eine N i v e l l i e r u n g der verschiedenen g e s e l l s c h a f t l i c h e n Ebenen der m a t e r i e l l e n Kultur b e d e u t e t e d i e s a l l e s indes n i c h t . "lobenswürdige O e k o n o m i e " 1 0 0 '

Die

v i e l e r Hofhaltungen im A l t e n

Reich war k e i n e a l t b ü r g e r l i c h e Sparsamkeit.

Auch v e r w i s c h t e

s i c h d i e Abstufung der verwendeten M a t e r i a l i e n nach K o s t b a r k e i t und s o z i a l e m Stand des Konsumenten n i c h t durchweg.

Gold,

Sil-

ber und e c h t e Diamanten b l i e b e n en vogue, auch wenn den Reichen das modische S p i e l mit dunklen oder e i n f a r b i g e n , weißen S t o f fen^

und Stahlschmuck r e i z t e .

Außerdem e r m ö g l i c h t e d i e V e r -

98)RÄner, 28. 99)Holstein und Luxus, z i t . nach W. Abel: Der Aufschwung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts. In: H. Kellenbenz u.a.(Hg.): Wirtschaftliches Wachstum im Spiegel der Wirtschaftsgeschichte, Darmstadt 1978, 261-284, 282. Diese und andere kritische Stiimen, die Abel anführt, wenden sich vor allem gegen die Vernachlässigung der Reinvestition von Gewinnen in den bäuerlichen Betrieb. Im übrigen sind Abels Ausführungen sehr aufschlußreich für die ungleichmäßige Verteilung der Gewinne aus der Agrarwirtschaft.

128

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

f e i n e r u n g von Handwerks- und Manufakturtechnik e i n e

Hierarchie

der Produkte nach dem A r b e i t s a u f w a n d , der b e i Möbeln,

vergolde-

t e r Bronze, P o r z e l l a n und B i j o u t e r i e den M a t e r i a l w e r t w e i t traf.

über-

Und s c h l i e ß l i c h waren d i e technischen und k ü n s t l e r i s c h e n

F ä h i g k e i t e n der e x k l u s i v e n Manufakturen und Werkstätten nach wie v o r e i n e r E l i t e v o r b e h a l t e n , fes,

zu der d i e Angehörigen des Ho-

des r e i c h e r e n A d e l s und des Großbürgertums z ä h l t e n .

Trotz

e i n z e l n e r Ansätze zu e i n f a c h e r e n Moden - d i e deshalb n i c h t

bil-

l i g e r s e i n mußten - und Sparmaßnahmen nahm der h ö f i s c h e Aufwand während der 1770/80er Jahre in Frankreich noch einmal einen A u f schwung.

War d i e s e i n e Ubersteigerung der üblichen Methoden

zur Subventionierung der W i r t s c h a f t ,

e i n l e t z t e r Versuch,

den

Abstand zu A r i s t o k r a t i e und Bürgertum noch einmal zu betonen, oder nur G e d a n k e n l o s i g k e i t im A n g e s i c h t von S t a a t s - und Finanzkrise? Die w i c h t i g s t e Funktion von Luxuskonsum war d i e adäquate Dars t e l l u n g des s o z i a l e n Status des Konsumenten, n i c h t s e i n e r nanzlage. tiert,

Fi-

U n g l e i c h h e i t von Vermögen und Stand wurden akzep-

doch g e h ö r t e zur Aufgabe des Reicheren und P r i v i l e g i e r -

ten n i c h t nur, d i e Ordnung, d i e ihn t r u g , s e i n e r s e i t s durch dem o n s t r a t i v e n Verbrauch zu s t ü t z e n : e r h a t t e auch e i n e r a l i s c h e V e r p f l i c h t u n g zum Konsum. sehr A l l g e m e i n g u t ,

sozialmo-

Diese Auffassung war so

daß s i e in e i n e r M o d e z e i t s c h r i f t

vorgetragen

werden konnte: On s a i t que dans l e s grandes S o c i é t é s , où i l y a de l ' i n é g a l i t é dans l e s f o r t u n e s & dans l e s c o n d i t i o n s , des r i c h e s s e s & par conséquent du s u p e r f l u , i l d o i t y a v o i r nécessairement du luxe & que l e luxe e s t u t i l e ; car s i l e r i c h e n ' e m p l o i e son s u p e r f l u à des o b j e t s de consommation qui deviennent son n é c e s s a i r e par l ' h a b i t u d e , i l n ' e s t plus moyen de f a i r e r e f l u e r ce s u p e r f l u dans l a c l a s s e nombreuse qui s ' o c c u p e des A r t s & de l ' I n d u s t r i e . Le luxe r e s t i t u e donc au pauvre ce que l ' i n é g a l i t é l u i f a i t p e r dre; . . . 1 0 2 > Der I n s t a b i l i t ä t e i n e r auf U n g l e i c h h e i t basierenden

Gesell-

100)Dieser Ausdruck in einem Artikel "Ueber die Ursachen der Theurung a l l e r Lebensmittel, " im Journal von und für Franken, Zweiter Band Nürnberg 1791, 271-306, 278; siehe auch Römer, 44. 101)Zur Veränderung der bevorzugten Kleiderfarben siehe auch Roche 1981, 174, 194. 102)Das Zitat stammt aus einer längeren Ausführung zum Thema Luxus im Cabinet des Modes ou les modes nouvelles, . . . , Paris 1er Cahier, 15.Novembre 1785, 4. 103)Siehe dazu unten Teil I I , Kap.3.3., sowie Teil I V , 278f.; v g l . auch Pallach: Splendeur du trône, 78, und ders.: Art. Luxe.

2. Luxus und Gesellschaft

129

schaftsordnung ließ sich mithin durch Luxuskonsum auf zwei Wegen entgegenwirken: zum einen durch demonstrativen Verbrauch, wie Gründlers Äußerungen zeigen, ein Kalkül mit der Mentalität der zu Beherrschenden, zum anderen durch die ökonomische Entschärfung sozialer Unterschiede, was letztlich auch eine Frage der Mentalitäten war. Die Forderungen der notleidenden Pariser Luxusfabrikanten im ersten Révolutionsjähr, die sich noch einmal alles Heil von der Krone erhofften, bewiesen, daß es diese Mentalitäten noch gab - auch wenn sie aufgeklärten Milieus als unvernünftig erscheinen mochten! 03 '. Die wirtschaftliche Kompensation sozialer Ungleichheit sollte und durfte aber nicht so weit gehen, die gesellschaftliche Schichtung aufzulösen. Der Luxus der Oberen war als Almosen, als Nahrungsbeschaffung für Handwerker und Arbeiter gedacht, nicht als Mittel zu deren Bereicherung und nicht als Aufforderung an das aufstrebende Bürgertum, einen Lebensstandard anzustreben, wie er, in der Theorie, nur höheren Ständen zukam, oder ihn allzu offen zu demonstrieren, wenn es ihn finanzieren konnte, was in der Praxis nicht zu verhindern war. Solche Abgrenzungen waren nicht aufrechtzuerhalten. Vor allem den Kaufleuten wurde immer wieder der Vorwurf eines über ihren Sozialstatus hinausgehenden, also negativ zu beurteilenden Luxus gemacht^"^', doch waren sie nicht die einzige"bürgerliche Gruppe, die finanziellen Erfolg hatte. Bankiers, Manufakturisten, Beamte und Steuerpächter taten es ihnen nach. Einige begnügten sich mit dem Geldgewinn; andere versuchten, Ämter oder Grundbesitz zu erwerben, die ihnen die persönliche oder erbliche Adelswürde einbrachten» den Aufstieg zu dokumentieren, war allen wichtig. War Luxus nur die Folge, nicht auch ein Mittel zum Aufstieg? "Conspicuous consumption" festigte die durch den wirtschaftlichen Erfolg erreichte höhere Position in der sozialen Rangordordnung, und sie war auch Notwendigkeit in einer neuen gesellschaftlichen Umgebung. Solange die Nobilitierung das Ziel vieler "roturiers" blieb, mußten sie sich an das adlige Leitbild anpassen, denn der Mißerfolg der Kampagne des Abbé Coyer zeigte, daß die Berufstätigkeit der Handels- und Finanzbourgeoisie 104(Siehe in diesem Teil Kap,2.1., die in Anra.86 zitierte Literatur; allgemein zur Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaftsform über den Handelskapitalismus G.V. Taylor: Types of capitalism in 18th Century Fran-

130

II Funktionen und Wirkungen von Luxus

immer noch a l s i n f e r i o r angesehen w u r d e ^ " ^ ' .

Auch d i e

französi-

sche Krone e r h o f f t e g r ö ß e r e unternehmerische A k t i v i t ä t des Bürgertums von der N o b i l i t i e r u n g von j e zwei Großhändlern pro Jahr, d i e a l s " l ' a m e & l e s o u t i e n " des W i r t s c h a f t s l e b e n s g e l o b t wurden'''''®' .

Ähnliche B e i s p i e l e g i b t es auch im A l t e n R e i c h .

in Augsburg,

das von Kunstgewerbe und Handel l e b t e ,

d i e Wertschätzung,

d i e K a u f l e u t e und Unternehmer genossen,

der V e r l e i h u n g des A d e l s oder doch wenigstens des aus.

Sogar

drückte

sich in

Patriziats

Auch in Preußen, wo es nach dem S i e b e n j ä h r i g e n K r i e g

in

F o l g e von Vermögensumschichtungen zur Verwischung von Standesgrenzen und e i n e r vom Adel m i ß f ä l l i g kommentierten Zunahme des b ü r g e r l i c h e n Luxus kam, und in Kursachsen mit s e i n e r

ausgeprägt

g e w e r b l i c h - f r ü h i n d u s t r i e l l e n W i r t s c h a f t s s t r u k t u r b l i e b der

ari-

s t o k r a t i s c h e Standard d i e s o z i a l e und p o l i t i s c h e L e i t l i n i e ,

die

auch d i e A u f s t e i g e r a k z e p t i e r t e n ^ " ^ ' . Motte in Beauvais, toire"

Das Handelshaus Danse e t

f ü r dessen Niedergang u . a . der " l u x e

s e i n e r Eigentümer v e r a n t w o r t l i c h zu machen i s t ,

P a r i s e r Kaufmann Simon P h i l i p p e P o i r i e r ,

der einen seinem Beruf

entsprechenden L e b e n s s t i l mit Kutsche, P f e r d e n , sonal und einem großen Haus p f l e g t e ,

ce.

ostentaund der

zahlreichem P e r -

sind nur zwei B e i s p i e l e von

In: EHR LXXIX (1964), 478-497.

105)Siehe Chaussinand-Nogaret 1975, passim, scwie H. Lévy-Bruhl: La noblesse de France et le camverce à la f i n de l'Ancien Regime. In: Revue d ' h i stoire moderne 8 (1933), 209-235. Siehe auch die in diesem T e i l , Kap. 2.1., Anm.79 zitierten T i t e l von Cabourdin/Viard und Marion. 106)AdCdEdR, Concernant les Privileges, Prérogatives & Exemptions dont Sa Majesté entend que jouissent les Négocians en gros. Du 30 Octobre 1767, AN AD I 28. Ein Kritiker, der sich auch gegen die korporative Verfassung der Kaufmannschaft aussprach, schlug statt der Nobilitierung Dankschreiben vor, in denen auch die Kinder zur Nachfolge im Beruf angehalten werden sollten, Mênard: Observations sur l ' é t a t actuel du ccranerce de la France, Paris 1789, 66ff. 107) Zom: Handels- und Industriegeschichte, 234ff.; S. Skalweit: Die Berliner Wirtschaftskrise von 1763 und ihre Hintergründe, Berlin 1937, 16f.; Stürmer 1982, Kap.VIII; K.E. Schmidt-Lötzen: Dreißig Jahre am Hofe Friedrichs des Großen. Aus den Tagebüchern des Reichsgrafen Emst Ahasvérus Heinrich von Lehndorff, Kanmerherrn der Königin Elisabeth Christine von Preußen, Gotha 1907. 108)über das Handelshaus Danse et Motte Goubert, 147ff. - über Poirier gibt es eine Nachlaßakte in AN/MC, étude CXVIII, liasse 627, vcm 9.9.1786. Silberzeug, Porzellan aus Indien Zu dessen Hausrat gehörten für 8000 und Japan, kostbare Möbel scwie eine kühn-aufklärerische Bibliothek mit Werken von Voltaire, Beaumarchais und Choderlos de Laclos' "Liaisons dangéreuses". Vgl. im übrigen zu den Geschäfts- und Lebensverhältnissen von Pariser Luxushändlem unten Teil I I I , Kap.1.2., 179-182 sowie Kap. 1.3. passim.

2. Luxus und Gesellschaft

131

Ein noch steilerer Aufstiegsweg als Unternehmern aus Handel und Handwerk stand der Finanzbourgeoisie offen, wenn sie die Positionen eines "fermier-général", eines "banquier de la Cour", eines "garde du trésor royal" oder eines "receveur général" erreichte.

Diese Karrieren waren allerdings mit dem Risiko ge-

sellschaftlicher Selbstisolierung verbunden.

Beim Bürgertum

genossen sie wegen ihres Reichtums und ihrer Funktion im Zusammenhang mit dem Steuerwesen kaum Sympathien, während sie in den adligen Kreisen Parvenüs blieben.

Die Baronin d'Oberkirch no-

tierte sich nach einem Besuch bei de Beaujon, dem Hofbankier: ... il déploie tout le luxe des banquiers les plus riches. Les princes ne sont rien auprès de cela, si ce n'est la solidité pourtant et la magnificence positive... 109) Finanzkraft war also nicht das einzige und schon gar nicht das erste Kriterium sozialer Achtung. D i e R e a k t i o n s o l c h e r A u f S t e i g e r g r u p p e n b e s t a n d i n einem

bei-

s p i e l l o s e n Aufwand und d e r D e m o n s t r a t i o n von k l a s s i s c h e r dung.

Diese Taktik versprach die besten

Bil-

Erfolgsaussichten;

denn d e r ä s t h e t i s c h e Konsens war noch am e h e s t e n g e e i g n e t , b e h a l t e des A d e l s

Der Weg d o r t h i n f ü h r t e ü b e r den Nachweis von und d i e Anlage von Sammlungen,

h i s t o r i s c h e K u r i o s i t ä t e n befanden"'"''"'".

heutigen

Kunsthandwerk und n a t u r Alles

in allem

vermit-

s i e e i n e n E i n d r u c k vom R e i c h t u m i h r e r B e s i t z e r und s t ü t z -

t e n d e r e n Anspruch a u f u m f a s s e n d e , dung.

Kunstkennerschaft

i n denen s i c h - d e r

T e r m i n o l o g i e nach - K u n s t g e g e n s t ä n d e , telten

Vor-

auszuräumen.

mithin

aristokratische

So e n t s t a n d e i n e R e p u b l i k d e r K u n s t k e n n e r ,

K ü n s t l e r und Handwerker e i n g e b ü r g e r t wurden. spielten

i n i h r kaum e i n e R o l l e 1 1 ' ' " ' .

f a l t u n g von P r a c h t e r ö f f n e t e

in die

Standesschranken

Ä s t h e t i s c h überhöhte

s o m i t - neben d e r o f f i z i e l l e n

d e s e r h ö h u n g und dem h e r a u s r a g e n d e n b e r u f l i c h e n und E r f o l g - e i n e n d r i t t e n Weg des A u f s t i e g e s

Bil-

selbst EntStan-

finanziellen

zu einem h ö h e r e n

109)Vgl. allgemein Thirion und Durand; das Z i t a t aus H.L. Baronne d'Oberkirch: Mémoires de l a Baronne d'Oberkirch sur l a cour de Louis XVI e t l a s o c i é t é française avant 1789, hrsg. von Ccmte de Montbrison, 2 Bde, Paris 1853, Bd 1, 3 0 1 f f . (Notiz zum 1 4 . 6 . 1 7 8 2 ) . 110)Vgl. dazu ausführlicher Pallach 1980. 111)Im Vorwort des Auktionskataloges von Gersaint (1750) hieß es über den "curieux", den Kunstkenner und -Sammler: " . . . , i l devient égal à ceux mêmes qui, l i v r é s à c e t t e noble passion, se trouvent au-dessus de son é t a t par leur rang ou par leur condition. Comme t e l , i l e s t appelé e t reçu avec p l a i s i r dans leurs assemblées." Z i t . nach Ch. Blanc: Le t r é sor de l a c u r i o s i t é , t i r é des catalogues de vente, 2 Bde. Paris

132

II Funktionen und Wirkungen von Luxus

S o z i a l n i v e a u , das damit auch g e i s t i g e n ,

k ü n s t l e r i s c h e n und

handwerklichen E l i t e n z u g ä n g l i c h wurde. Dem Luxus j e n e r Schichten hingegen, d i e noch unterhalb der "honnête a i s a n c e " l e b t e n , wurde nur e i n e b e g r e n z t e Zustimmung zuteil.

Im A l t e n Reich gab es immer noch z a h l r e i c h e B e f ü r w o r -

t e r von L u x u s e d i k t e n , i n Frankreich v e r t r a t e i n e a u f g e k l ä r t e Lux u s k r i t i k d i e O b r i g k e i t i n der Z e n s o r e n r o l l e .

Für den

nen Mann" und d i e , d i e noch unter ihm standen, war d i e

"gemeikleine

Münze des Luxus - von der z e i t g e n ö s s i s c h e n K r i t i k kaum j e t i g verstanden - v i e l e r l e i :

rich-

Abzeichen e i n e s noch so g e r i n g e n

Anspruchs auf ständische E h r b a r k e i t , E r s a t z i n v e s t i t i o n e l l e r Uberschüsse, Weigerung der ohnehin

eventu-

ünterprivilegierten,

s i c h m i t der ihnen zugeschriebenen R o l l e harten A r b e i t e n s und s t e t e r Selbstbeschränkung i h r e r Erwartungen abzufinden

112)

. Die

Leitbilder,

d i e ihnen d i e G e s e l l s c h a f t v o r g a b , k o l l i d i e r t e n mit 113) der z ä h l e b i g e n T r a d i t i o n " i r r a t i o n a l e n " Konsums und w i d e r sprachen dem, was ebendiese G e s e l l s c h a f t s e l b s t

praktizierte.

Dabei waren d i e V o r s t e l l u n g e n des k l e i n e n Mannes vom g e r e c h t e n Lohn, s o w e i t man s i e kennt, bescheiden genug.

Der K u n s t s c h r e i -

ner Roubo, aus ärmlichen V e r h ä l t n i s s e n stammend, f o r d e r t e desangemessenen U n t e r h a l t f ü r den A r b e i t e r und s e i n e sowie d i e M ö g l i c h k e i t ,

stan-

Familie

"mit H i l f e e i n e r klugen W i r t s c h a f t s f ü h -

rung" f ü r Krankheit und A r b e i t s l o s i g k e i t Rücklagen b i l d e n zu 114) können

.

In der P r a x i s f r e i l i c h g e h ö r t e zum standesangemes-

senen A u f t r e t e n gerade der Handwerker auch e i n g e w i s s e r Luxus, der im U r t e i l der b e s s e r g e s t e l l t e n K r i t i k e r enorme Ausmaße annahm und auf jeden F a l l n i c h t s Gutes bedeuten konnte.

Aufklä-

rung l a l d überkommenen i s z i p l i n i e r u n gV egingen n Hand: V o r u rund t e i l eSno zund r h a l t e n sHand w e i s ein - dazu Abbau g e h ö rvon te 115) auch das u n v e r n ü n f t i g e Konsumverhalten - , Erziehung zu A r 1857-1858, Bd 1, LVf. 112)Siehe die Ausführungen über die als unabänderlich angesehene "People condition" bei Chisick, Kap.V. 113)Dazu gehörte das Fehlen von Rücklagenbildung in guten Zeiten; siehe das Beispiel bei Stürmer: Herbst, Dok.42, 287f.; v g l . auch Biedermann, Bd 1, Abschnitt 5, passim. 114)Stürmer: Herbst, Dok.20, 149. 115)Eine gute Quellensanmlung zu diesem Aspekt neuerdings P. Münch(Hrsg.): Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit. Texte und Dokumente zur Entstehung der bürgerlichen Tagenden, München 1984; siehe auch allgemein Roche 1981, passim, scwie ders.: Journal de ma v i e . Jacques-Louis Mênêtra, Compagnon v i t r i e r au 18e s . , Paris 1982, passim, und bes. 318, 383.

2. Luxus und Gesellschaft

133

beitsamkeit und Sparsamkeit, Dieser pädagogische Anspruch der Aufklärung, der an d i e Tradit i o n der Hausväterdisziplin anknüpfte, g a l t l e t z t l i c h unabhäng i g vom sozialen Status des Adressaten. Ostentativer Aufwand war, darin stimmten K r i t i k e r und Befürworter überein, eine fundamentale s o z i a l e Verhaltenswelse, über deren Bewertung d i e Meinungen ebenso auseinandergingen wie über die geeigneten Bewertungskriterien. Die Diskussion, d i e gegen Ende des 18.Jahrhunderts noch einmal an Schärfe zunahm, i s t in ihrer Bedeutung nur zu verstehen im Hinblick auf d i e säkulare Konjunkturentwicklung, die g l e i c h z e i t i g e Ausprägung immer krasserer Unterschiede in der m a t e r i e l l e n Kultur und den beginnenden Mentalitätswandel bei Adel und Bürgertum, der t r a d i t i o n e l l e Verhaltensweisen in Frage s t e l l t e . Unabhängig von ihrer i n t e l l e k t u e l l e n O r i g i n a l i t ä t , d i e o f t g e ring war, und l i t e r a r i s c h e n Q u a l i t ä t , sind d i e Beiträge zur Luxusdebatte wichtig durch ihre Aussage Uber v e r b r e i t e t e E i n s t e l lungen zu Funktionen und Bewertungen von Luxus. Seine Befürworter führten, wie b e r e i t s erwähnt, d i e w i r t s c h a f t l i c h wünschenswerte und g e s e l l s c h a f t s p o l i t i s c h notwendige Rückverteilung angehäuften Reichtums ins Feld. Außerdem s e i , so Benjamin Franklin 1784 In einem Brief an B. Vaughan, Luxus ein Ansporn, ohne den d i e Menschen f a u l und indolent wären, "paresseux e t indolents, comme i l s sont généralement portés à l ' ê t r e . " Luxus a l s Ausdruck und zugleich Antrieb des F o r t s c h r i t t s diese Einsicht hätte ebensogut von V o l t a i r e stammen können 1 1 6 '. Auch der einschlägige "Ehcyclopêdie"-Artikel hatte sich mit g e mäßigter K r i t i k begnügt und im wesentlichen nur d i e herkömmlichen Positionen r e f e r i e r t , ohne eine e x p l i z i t e Wertung vorzunehmen. Typisch war der Anspruch, den Luxus im Sinne der Aufklärung zu läutern, " q u ' i l faut l ' e n c o u r a g e r , l ' é c l a i r e r & l e d i r i g e r " , auch dies im Einklang mit den Ansichten anderer Befürworter eines v e r f e i n e r t e n Konsums im Interesse k u l t u r e l l e r 117) Weiterentwicklung 116)Franklin; zu Vbltaire siehe Marize. 117)Encyclopédie, Bd 9, 763-771, das Zitat 770. Ähnlich auch F.F. P f e i f f e r : Probschrift von dem Luxus der heutigen Europäischen Staaten, Stuttgart 1779, 51ff.; vgl. auch die Beiträge in Ueber die Aufwandsgesetze. Saimilung einiger Schriften, welche bey der Aufnunterungs-Gesellschaft in Basel eingeloffen sind, über die Frage: In wie f e m ist es schicklich dem Aufwände der Bürger, in einem kleinen Freystaate, dessen Wohlfahrt

134

II Funktionen und Wirkungen von Luxus

Eine uneingeschränkt p o s i t i v e Stellungnahme f i n d e t s i c h indes n i r g e n d s , I n d i z d e r F u r c h t , daß Luxus b e i d e s s e i n k ö n n t e , B i n d e m i t t e l und S p r e n g s t o f f d e r b e s t e h e n d e n O r d n u n g . Wie l a n g e konnte es dauern, b i s d i e provozierend h e r a u s g e s t e l l t e n Unters c h i e d e im L e b e n s s t a n d a r d e i n e g e w a l t t ä t i g e R e a k t i o n h e r v o r r u f e n würden? Besucher a u s d e r jungen a m e r i k a n i s c h e n Republik b e r i c h t e t e n ü b e r d i e r e i c h e G e s e l l s c h a f t von P a r i s ,

ihnen 118)

s c h i e n e , "daß h i e r a l l e s zum Zusammenbruch t r e i b t . " Ebenso g r o ß war v i e l l e i c h t d i e F u r c h t v o r einem Zusammenbruch a n d e r e r A r t , n ä m l i c h v o r d e r Z e r s t ö r u n g d e r s t ä n d i s c h e n Ordnung d u r c h d i e Z u r s c h a u s t e l l u n g von R e i c h t u m , d i e n u r m e h r von d e r F i n a n z k r a f t a b h i n g , wenn e s k e i n e w i r k s a m e n A u f w a n d s g e s e t z e mehr gab und d i e m e n t a l i t ä t s b e d i n g t e n Hemmungen g ä n z l i c h s c h w a n d e n . Madame d e G e n l i s e r i n n e r t e s i c h n a c h d e r R e v o l u t i o n an den Luxus d e s A n c i e n Régime: " I l a c o n t r i b u é á c o n f o n d r e t o u s l e s é t a t s , toutes les c l a s s e s , . . . " , schrieb s i e , eine Einschätzung, die s c h o n v o r 1789 s e h r ü b l i c h und n i c h t n u r A u s d r u c k r ü c k b l i c k e n 119) d e r S e l b s t k r i t i k war . Das " c o n f o n d r e t o u s l e s r a n g s , t o u t e s l e s c o n d i t i o n s " war e i n e s t e h e n d e F o r m e l , d i e d a s s o z i a l e Chaos b e s c h r i e b , denn s t r i k t h i e r a r c h i s c h e Ordnung g e h ö r t e zu den Wesensmerkmalen e i n e r humanen G e s e l l s c h a f t und zu den B e dingungen p o l i t i s c h - s o z i a l e r S t a b i l i t ä t 1 2 0 ' . Die p h y s i o k r a t i s c h e K r i t i k F r a n ç o i s Q u e s n a y s und s e i n e r S c h ü l e r b l i e b demgeg e n ü b e r an R a d i k a l i t ä t z u r ü c k , a u c h wenn n e b e n ö k o n o m i s c h e n und p o p u l a t i o n i s t i s c h e n Argumenten a u c h m o r a l i s c h e Bedenken i n s S p i e l g e b r a c h t wurden 121) Am h ä u f i g s t e n wurde d e r Kompromiß e m p f o h l e n , v o r ü b e r t r i e b e n e m Aufwand g e w a r n t , d e r B ü r g e r s c h ä r f e r i n d i e P f l i c h t genommen a l s d e r Edelmann und w e i t g e h e n d A b s t i n e n z von d e r K r i t i k am h e r r s c h e r l i c h e n Luxus g e ü b t . F r e i l i c h s t ö ß t man a u c h , i n d e r auf d i e Handelschaft gegründet i s t , Schranken zu setzen? Basel 1781; siehe auch Adam Smith, Bd IV, 331f. und D. Hume: Writings on Econcmics, hrsg. von E. Rotwein, Madisom 1955, 19-32. 118)So John Adams, dairals diplomatischer V e r t r e t e r der USA i n Frankreich, in einem Brief von 29.5.1778, z i t . nach Stürmer 1982, 46. 119)Genlis, Bd 1, 334; siehe auch Gerdil, 11. 120)Aufschlußreich z.B. d i e Ausführungen Sêguiers Uber d i e Bedeutung der hierarchischen Gesellschaftsordnung, a l s das P a r i s e r Parlament Widerstand gegen d i e Turgotschen Reformen l e i s t e t e , siehe Stürmer: Herbst, Ddk.46, b e s . 307f. 121)Mit Ausnahme Auffrays, der n i c h t einmal die s e l b s t von den sonstigen Luxusgegnem zugestandenen Positiva einräumen w a l l t e .

2. Luxus und Gesellschaft

135

Flut der Publikationen, auf neue Denkansätze. Der Verfasser einer Abhandlung, die 1779 vor der "Patriotischen Gesellschaft in Schlesien" verlesen wurde, verknüpfte ein typisches Vernunftargument ökonomischer Provenienz mit einem sozialkritischen Gesichtspunkt zu einem Definitions- und Wertungsversuch. Aus seiner Sicht war ieder Aufwand, der zwar dem Vermögen, aber nicht dem Stande angemessen ist, lächerlich; mithin umgekehrt, ein solcher Aufwand, der zwar mit dem Stande übereinkäme, aber wozu es an dem erforderlichen Vermögen fehlet, der eigentliche schädliche Luxus oder Ueppigkeit...122) Das war zum einen ständisch-konservativ und zum anderen neuartig, gegen die Prinzipien adligen Aufwandes gedacht. Wie war der steigende Verbrauch an überflüssigen Gütern zu bewerten, welches würden seine Folgen sein? Gegner und Verteidiger des Luxus griffen auf ständegesellschaftlich geprägte Argumente zurück, auf die auch fortschrittliches Denken nicht verzichten konnte. Die Kritiker liefen dem tatsächlichen Konsumverhalten der Bürger mit ihrem restaurativen Gedankengut hinterher, die Befürworter bemühten sich, die älteren Standpunkte ihrer Kontrahenten mit neuen, meist ökonomischen und ästhetischen Bewertungen des Luxus zu widerlegen. 2.3. Wandel und Verfall eines Ordnungsmodells

Am Anfang hatte, in Frankreich unter Ludwig XIV. und Colbert, im Alten Reich unter den zahllosen Landesherren des Barock, die Vorstellung eines geordneten und mechanistisch funktionierenden Gemeinwesens gestanden. Geometrie und kontrollierte Dynamik sollten Abwehr sein gegen das Chaos der Gegenwart und Ersatz für die verlorengegangene, vermeintliche Statik früherer Zelten. Allen und allem war sein fester Platz zugewie1 23) sen . Das Bürgertum sollte sich wirtschaftlich betätigen und dabei zu einem dem Land förderlichen Wohlstand kommen, Hof und Adel bewundern, ihren Lebensstil indes nur in Grenzen imitieren. Der Aufschwung von Handel und Gewerbe, initiiert mit 122)Aus der "Abhandlung zum Luxus, vorgelesen in der Seßion am ersten May von Herrn Prof. Scheibel", Oekoncmische Nachrichten der Patriotischen Gesellschaft in Schlesien, Bd 7, Breslau 1779, 169-176, das Zitat 171. Luxus definierte der Vf. wertneutral als den "Aufwand, durch welchen man seine Vorzüge für andern bekannt machen will", ebd., 170. 123)Diese Elemente finden sich in allen Lebensbereichen, auch in der sozialen Bedeutung der Körpersprache etc., die ihrerseits durch Kleiderpracht u.ä. betont wurde; siehe z.B. H. Eichberg: Geometrie als barocke

136

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

Hilfe des Aufwandes von Krone, höfischer und adliger Gesellschaft, würde im zunehmenden Wohlstand des Dritten Standes die dauerhafte Basis finden, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Es zeigte sich bald, daß es leichter war, Anstöße zu geben, als ihre Dynamik zu kontrollieren. Restriktive Maßnahmen, die die Nachahmung des höfischen Vorbildes durch breitere Schichten steuern sollten, erwiesen sich auf Dauer als wenig effizient, sei es, daß sie nicht durchzusetzen waren, sei es, daß sie aus wirtschaftlichen Rücksichten zurückgenommen werden mußten oder, wie die Aufwandsgesetze, schlicht der "décadence" überliefert wurden. Was blieb, waren die technischen Reglements für die Warenfabrikation, die mehr Qualitätskontrolle als Lenkung der materiellen Kultur der Untertanen waren. Höfische Sparpolitik am Ende des 18.Jahrhunderts diente nur noch der Entlastung der Staatskasse - mit Ausnahme der kurzlebigen luxusfeindlichen Politik Josephs II. vielleicht, der auch ein Vorbild für das Bürgertum setzen wollte -, sie war kein Vorläufer moderner "Austerity". Der vielregierende, als absolutistisch bezeichnete Staat, die korporativen Zwischengewalten und die verschiedenen Sozialgruppen rangen während des gesamten 18.Jahrhunderts miteinander um Machtverteilung, Privilegien und die Initiative in der Formung des Gemeinwesens. Letztlich war der Staat schwächer, als der Anspruch des Fürsten vermuten ließ. Gleichwohl blieb das höfische Vorbild stets bedeutsam für die Gestaltung der sozialen Ordnung. Dazu gehörte auch die Verfügung über die Güter des demonstrativen Aufwandes, die im Laufe des 18.Jahrhunderts durch den Konjunkturverlauf, den wirtschaftlichen Aufstieg des Bürgertums und die aristokratisch-bürgerliche Synthese der materiellen Kultur leichter zugänglich geworden waren. Der Wohlstandszuwachs zeigte sein Doppelgesicht: er ermöglichte mehr Luxus und einen verfeinerteren Luxus als je zuvor, setzte aber zugleich und dadurch dessen ursprüngliche Funktionen zunehmend außer Kraft. Seiner Dynamik war die Statik der ständischen Ordnungsprinzipien nicht gewachsen, zumal es kaum noch realisierbare Konsumrestriktionen gab. HöfStaat, Herrscher und Adel verloren als Leitbilder an Geltung, die Magie der Objekte verblaßte, da auch der Hof einen neuen Lebensstil vorVerhaltensnorm. Fortifikation und Exerzitien. In: Zs. f. historische Forschung 4 (1977), 17-50.

137

2. Luxus und Gesellschaft

führte, distanziert von den herkömmlichen Formen der ous consumption" u n d der Etikette. den Übergang vom Ancien Regime 124) viele Ursachen

zur M o d e r n e m i t p r ä g t e ,

, u n d n i c h t i m m e r ist e i n d e u t i g zu

den, w a s B e s t a n d t e i l

"conspicu-

Der Mentalitätswandel,

der

hatte entschei-

und was Folgewirkung dieses Prozesses

ist.

Der langsame Vorgang der Rationalisierung von Denken und W a h r nehmen, die schneller sich entwickelnde Kritik an den des absolutistischen Regimes und der ständischen ordnung wirkten zusammen.

D a z u k a m als w e s e n t l i c h e s

die K r a f t d e s w i r t s c h a f t l i c h e n A u f s c h w u n g e s ,

Schwächen

GesellschaftsElement

in d e s s e n S o g die

s o z i a l e R a n g f o l g e u n s t i m m i g w u r d e u n d die a l t e n G r e n z m a r k e n erlaubtem und von möglichem Aufwand sich

Dieser Vorgang w a r bedeutsam für Staat und Gesellschaft ropäischer Prägung.

von

verschoben. alteu-

Zwar hielten sich stabilisierende

und de-

stabilisierende Auswirkungen des Luxuskonsums objektiv

gesehen

wohl

in d e r R e g e l d i e W a a g e : d e r V e r w i s c h u n g

ständischer

grenzungskriterien standen Vorbildwirkung und d u r c h die h ö h e r e n S t ä n d e e n t g e g e n .

Ab-

Akkulturation

Subjektiv betrachtet

war

allerdings gerade letzteres eine Gefahr für die tradierte

So-

zialordnung.

abge-

Z u d e m h a t t e die V e r b i n d u n g g e s e l l s c h a f t l i c h

stuften Konsumverhaltens,

horizontal

gegliederter

materieller

Kultur und qualitativ wie quantitativ großen Unterschieden B a u p r i n z i p d e r f r ü h n e u z e i t l i c h e n G e s e l l s c h a f t in F r a n k r e i c h im A l t e n R e i c h g e h ö r t .

Ludwig XIV. und seine Zeitgenossen

zum und auf

a n d e r e n T h r o n e n h a t t e n d i e s e n B a u s t e i n in d a s S t a a t s - u n d G e sellschaftsgebäude

eingefügt;

ihre N a c h f o l g e r h a t t e n

zugelassen,

daß s i c h d i e s e s G e f ü g e w i e d e r l o c k e r t e u n d n a c h u n d n a c h fiel.

zer-

Zwischen höfischem und außerhöfischem Luxus besteht

Z u s a m m e n h a n g a u c h da, w o es s i c h l e t z t l i c h u m

handelt, um eine Desorientierung der Konsumenten

hinsichtlich

dessen, was ursprünglich Sinn u n d Zweck demonstrativen brauchs gewesen war.

die H o f h a l t u n g e n b e s c h e i d e n e r , höfisch-bürgerliche

Ver-

Im A l t e n R e i c h v e r l i e f d i e s e r V o r g a n g

a l l e m w e n i g e r d r a m a t i s c h a l s in F r a n k r e i c h :

in d e r R e g e l

märkte kleiner und keine größeren wirtschaftlichen des sollte sich noch herausstellen,

in

waren

soziale Spannungen geringer,

Synthese vielerorts vollzogen, die

zonen von ihrer Konjunktur allein abhängig.

ein

Funktionsverluste

die

Luxus-

Verdichtungs-

In Frankreich

in-

daß die Bewegungen der m a -

teriellen Kultur m e h r waren als nur eine oberflächliche

Fluktua-

124)Siehe oben Teil II, Kap.1.4., 117; siehe auch Stürmer: Herbst, 13.

138

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

t i o n d e r Mode und t i e f e r r e i c h t e n , a l s a u f g e k l ä r t e o d e r k o n s e r vative Luxuskritik dachte. 3. Luxus und Ökonomie 3.1. Höfischer Aufwand — ein Wirtschaftsmotor?

Der F ü r s t e n h o f d e s 17. und 1 8 . J a h r h u n d e r t s i s t a l s H e r r s c h a f t s i n s t r u m e n t , a l s V e r w a l t u n g s e i n h e i t und a l s k u l t u r e l l e r M i t t e l p u n k t b e s c h r i e b e n w o r d e n , doch auch s e i n e Bedeutung a l s e i g e n e W i r t s c h a f t s e i n h e i t und a l s T e i l d e r t e r r i t o r i a l e n G e s a m t w i r t s c h a f t v e r d i e n t B e a c h t u n g . D i e s s o l l im w e i t e r e n am B e i s p i e l d e s h ö f i s c h e n Luxus v o r a l l e m i n F r a n k r e i c h v e r d e u t l i c h t w e r d e n . Mit s e i n e r K o n z e n t r a t i o n von K a u f k r a f t , s e i n e n v i e l f a l t i gen E i n r i c h t u n g e n und A u f g a b e n , s e i n e n w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n A m b i t i o n e n und E i n g r i f f s m ö g l i c h k e i t e n s t e l l t e d e r Hof e i n e n e i g e n s t ä n d i g e n ökonomischen M a c h t f a k t o r d a r , d e r d u r c h E i g e n v e r s o r g u n g w i e d u r c h E i n f l u ß n a h m e auf P r o d u k t i o n , Handel und Konsum im a u ß e r h ö f i s c h e n B e r e i c h b e d e u t s a m w u r d e . W i c h t i g i n e r s t e r L i n i e war d i e m a t e r i e l l e A u s s t a t t u n g d e s H o f s t a a t e s . In F r a n k r e i c h wurden 1789 f ü r d i e Ausgaben d e r k ö n i g l i c h e n "Häuser" insgesamt 33,240,000 veranschlagt; für Personal, Ins t a n d h a l t u n g d e r k ö n i g l i c h e n S c h l ö s s e r und l a u f e n d e n Bedarf an Möbeln, Schmuck, P o r z e l l a n und T a p i s s e r i e n wurden von 1775 b i s 1791 mehr a l s 20 Mio a u f g e w e n d e t . In Kurbayern ü b e r s t i e g e n d i e H o f a u s g a b e n , im D u r c h s c h n i t t e i n i g e r S t i c h j ä h r e z w i s c h e n 1701 und 1799, 9 0 0 , 0 0 0 Gulden j ä h r l i c h . S e l b s t e i n k l e i n e r Hof wie d e r von N a s s a u - S a a r b r ü c k e n h a t t e im V e r h ä l t n i s z u r Größe d e s T e r r i t o r i u m s und z u r E i n w o h n e r z a h l e r h e b l i c h e M i t t e l umzuv e r t e i l e n - 1766 mehr a l s 4 5 0 , 0 0 0 Gulden f ü r S c h l o ß b a u t e n , Möbl i e r u n g d e r N e u b a u t e n und R e p a r a t u r e n und d i e V e r l e g u n g d e s b a y e r i s c h e n H o f e s u n t e r K u r f ü r s t K a r l Theodor 1780/81 von Mannheim n a c h München b r a c h t e Handel und Wandel e i n e r g a n z e n S t a d t 1 25) zum E r l i e g e n 125)Der französische Hofetat bei Lefebvre/Terroine, 355; die Ausgaben des Garde-Meuble nach Nicolardot, 217f. - Ober Kurbayem siehe Hartnann 1982 315; die Angaben zu Nassau-Saarbrücken bei Klein, 251ff. Allerdings haben sich diese Belastungen der Landesfinanzen wohl auf die Jahre 1766 b i s 1769 v e r t e i l t . Ihre Höhe i s t dennoch beachtlich. Nach S t a t i s t i k e n der 1780/90er Jahre h a t t e Nassau-Saarbrücken eine Fläche von nur 16 Quadratmeilen und ungefähr 85,000 Einwohner, die Staatseinnahmen lagen bei gut 450,000 Gulden; diese Angaben nach Höck, Teil V, Tab.1. - über Mannheim siehe Stürmer: Herbst, Deik.37, 256f.: "Eine sichtbare Freudenlosigk e i t war über die Stadt v e r b r e i t e t , v i e l e Gewerbe des Luxus standen

3. Luxus und Ökonomie

139

Die Wirtschaftseinheit Hof entwickelte sich zwischen zwei Po126) len: Autarkiestreben und Förderung der Landesökonomie . Der Aufbau einer höfischen Selbstversorgung ist, abgesehen von den älteren Ursprüngen, zu erklären aus dem Anspruch, die materielle Kultur des Herrschers und seines Gefolges frei bestimmen zu können, und aus der Notwendigkeit, die Staatskasse nicht zu überlasten. Kleineren Territorien im Alten Reich blieb dennoch oft nur der Rückgriff auf ausländische Subsidien und auf Erhöhung der Steuerlasten, über sein Eigengewicht als Konsument und gegebenenfalls Produzent hinaus sollte der Hof auch der außerhöfischen Wirtschaft Impulse geben, sein Luxuskonsum im Idealfall auf der Haben-Seite der Bilanz stehen. Welchen Stellenwert allerdings im konkreten Fall die Hofökonomie im Rahmen der Territorial- oder Nationalwirtschaft hatte, war doch sehr abhängig von einer Vielzahl von Bedingungen: wirtschaftliche Gesamtlage des Landes, Entwicklungsstand von Handel und Gewerbe, Fähigkeit zur Eigenversorgung mit bestimmten Rohstoffen und Fertigwaren, Verfügung über fortgeschrittene Handwerks- und Manufakturtechnik, nicht zuletzt auch die Fähigkeit des Landesherrn, die Ansprüche des Hofes allgemein nutzbar zu machen für die "bessere Aufnahme der Gewerbe", so der gängige Terminus. Immerhin zeichnete sich die Möglichkeit ab, die finanziellen Belastungen durch den Hofstaat umzuwandeln in Antriebe für die Konjunktur. Herrschaftsanspruch und wirtschaftliches Aufbauprogramm trafen sich in éiner Symbiose, deren Dauerhaftigkeit und Nutzen von den Ressourcen des Landes und oft auch von den Exportmöglichkeiten abhingen. Selbst in Frankreich war noch im späten 18.Jahrhundert gelegentlich die Ansicht zu hören, daß für einen Staat Luxusmanufakturen nur wegen des Auslandsgeschäftes tragbar seien - was für kleinere Territorien ein noch größeres Problem sein mußte. Unter diesem Gesichtspunkt war die Anziehungskraft des Hofes wichtig für die Zahlungsbilanz des Landes, wie Necker der Öffentlichkeit und Ludwig XVI. erklärte: ... c'est en partie par la célébrité des Arts & par leur perfection, qu'on attire dans un Royaume les Voyageurs & les Etrangers; & je ne crains point de dire que la dépense de ces Etrangers dans vos Etats, est un des meilleurs Commerces de votre Royaume. On présume, d'après différens renseignemens, qu'en temps de paix, ces dépenses occasionnent un versement en still, mehrere gingen ein; ..." 126)K. Plodeck bezeichnet den Hof als "fast autarke Wirtschaftseinheit", 91.

140

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

1 27) France de plus de T r e n t e m i l l i o n s par an. Necker r e c h n e t e a l s o damit, daß der k ö n i g l i c h e H o f , der j a Küns t e und Handwerke - denn b e i d e s war mit " A r t s " gemeint - zur B l ü t e b r a c h t e , auch d i e a u ß e r h ö f i s c h e Gewerbe- und Handelsentwicklung voranbringen konnte. Daneben stand der Aufbau von Werkstätten und Manufakturen,

die

v o r r a n g i g dem Hof dienen s o l l t e n , deren S t e l l u n g zu ihm indes 128) ganz u n t e r s c h i e d l i c h war

.

Am engsten war das V e r h ä l t n i s zu

den H o f w e r k s t ä t t e n und den l a n d e s h e r r l i c h e n Manufakturen, von p r i v i l e g i e r t e n Handwerkern und "Unternehmern" unter ger Aufsicht,

die

stren-

f r e i l i c h auch r e c h t l i c h e r Bevorzugung und f i n a n -

z i e l l e r Unterstützung aus der Hofkasse b e t r i e b e n wurden.

Ihre

Aufgabe war d r e i f a c h : den Hof v e r s o r g e n , gehobene Ansprüche auß e r h ö f i s c h e r K ä u f e r k r e i s e b e f r i e d i g e n - und damit d i e Merkantilpolitik zielen.

unterstützen,

nach M ö g l i c h k e i t im Export Gewinne e r -

Außerdem gab es Manufakturen, d i e nur e i n H o f p r i v i l e g

h a t t e n , es gab Händler und Handwerker, d i e H o f a u f t r ä g e t e n , ohne zu den f ü r s t l i c h e n B e d i e n s t e t e n zu gehören, zu s e i n oder andere V o r r e c h t e zu g e n i e ß e n . vielfältig.

erhieleximiert

Die Ubergänge waren

A l l e n F ä l l e n gemein war das Bemühen des Hofes um

,die angemessene S e l b s t v e r s o r g u n g ,

d i e Förderung der Gewerbe -

in e r s t e r L i n i e der R e s i d e n z s t a d t -

, d i e Einflußnahme auf

die

Handelsbilanz und s c h l i e ß l i c h - d i e s s e i nur nebenbei bemerkt das K o n f l i k t p o t e n t i a l , das s i c h zwischen Hofhandwerk und Zunft ansammelte 129) I n der O r g a n i s a t i o n der h ö f i s c h e n Bedarfsdeckung wie i n der Lenkung - und o f t e r s t Begründung - a u ß e r h ö f i s c h e r Luxusgewerbe und i h r e s M a r k t e s ^ " ' lichkeit, ten.

sahen Landesherr und Verwaltung e i n e Mög-

auch e i n e ökonomische N u t z f u n k t i o n des Luxus zu s t i f -

Es war d i e s e i n Versuch, Wirtschaftswachstum über d i e

Schaffung v o r e r s t e x k l u s i v e r Spitzenmärkte zu e r z e u g e n .

Der

h ö f i s c h e Markt s o l l t e den außerhöfischen durch d i e V e r m i t t l u n g 127)Necker 1781, 96. 128)Was hier allgemein über die HofÖkonomie in Frankreich und im Alten Reich gesagt wird, wird unten, T e i l I I I , Kap.1.2., am Beispiel des französischen HOfes näher ausgeführt. 129)Vgl. allgemein Stürmer: Herbst, Kap.4., passim, und ders. 1982, Kap.X, passim. 130)0ft galt es, die vorhandene Kaufkraft aus anderen Bereichen abzuziehen, also eine Umorientierung von Konsumgewöhnheiten zu versuchen, z.B. von der häufig beklagten "Völlerei" zum Kauf besserer Kleidung und Möbel.

141

3. Luxus und Ökonomie

neuer Produkte, neuer Fertigungsmethoden und e i n e s hohen Q u a l i t ä t s n i v e a u s anregen.

N i c h t umsonst war es den Hofhandwerkern

und -manufakturisten i n Frankreich e r l a u b t ,

s i c h nach e i n e r

be-

stimmten Z e i t der T ä t i g k e i t am Hof b e l i e b i g und ohne e i n e w e i t e r e V e r p f l i c h t u n g zum Erwerb des M e i s t e r r e c h t s in P a r i s und i n anderen Städten n i e d e r z u l a s s e n .

Innerhalb des h ö f i s c h e n

ches b l i e b dabei d i e Frage der R e n t a b i l i t ä t

Berei-

zweitrangig - meist

war man schon z u f r i e d e n , wenn s i c h d i e Werkstätten s e l b s t 131) nanzierten

-

fi-

, außerhalb h o f f t e n d i e V e r a n t w o r t l i c h e n auf

S t e i g e r u n g des Absatzes im I n - und Ausland durch v e r b e s s e r t e K o n k u r r e n z f ä h i g k e i t und den A n r e i z neuer E r z e u g n i s s e .

Ludwig

XIV. e r ö f f n e t e das E d i k t , mit dem 1667 d i e Manufaktur i n den G o b e l i n s neugegründet wurde, m i t den Worten: Die H e r s t e l l u n g von T a p i s s e r i e n e r s c h i e n immer a l s von so g r o ßem Nutzen und so b e a c h t l i c h e r E r s p r i e ß l i c h k e i t , daß d i e r e i c h sten Staaten s t ä n d i g entsprechende Einrichtungen g e p f l e g t haben, . . . 1 3 2 > I n der F o l g e z e i t kamen w e i t e r e B e t r i e b e dazu:

Teppichwirkerei-

en, Werkstätten im Louvre, s p ä t e r d i e Porzellanmanufaktur Sèvres.

in

Die f r a n z ö s i s c h e H o f w i r t s c h a f t wurde V o r b i l d und Ab-

b i l d der g e w e r b l i c h e n A k t i v i t ä t des gesamten K ö n i g r e i c h s ,

un-

t e r s c h i e d e n indes auf l a n g e Z e i t durch e i n e außerhalb des Hofes und ohne ihn kaum l e b e n s f ä h i g e , q u a l i t a t i v hochwertige Luxusproduktion.

Damit h a t t e n d i e f r a n z ö s i s c h e n Könige e i n

an der Hand, um d i e Luxusgewerbe i n den f r a n z ö s i s c h e n

Mittel Städten

und darüber hinaus d i e Entwicklung der W i r t s c h a f t zu f ö r d e r n . In diesem Umfang und in d i e s e r Konsequenz konnten d i e wenigsten Länder m e r k a n t i l i s t l s c h e W i r t s c h a f t s p o l i t i k b e t r e i b e n , doch dem P r i n z i p nach f o l g t e n v i e l e T e r r i t o r i e n zösischen Modell.

Einen L e i t s e k t o r

im A l t e n Reich dem f r a n -

s t e l l t e n meist

Porzellan-

und Seidenproduktion d a r , d i e von der Zahlungsbilanz her den g r ö ß t e n E r f o l g v e r s p r a c h e n , wenn d i e Schließung der

Zollgrenze

und d i e Umlenkung der Nachfrage auf d i e einheimischen nisse gelang.

Erzeug-

In manchen F ä l l e n s c h e i t e r t e n d i e s e Versuche,

Marktexpansion durch Luxuskonsum anzuregen, t r o t z a l l e r

protek-

131)So schrieb d'Angiviller über die Bedeutung der Basse-lisse-Weberei in den Gobelins am 24.9.1780: " . . . i l s (damit waren die Weber dieser Abteilung gemeint, der Vf.) ont ouvert avec l'Etranger un ccumerce qui a souvent déchargé l'administration des f r a i s de soutien de cet établissement." AN o" 1075, Stück 19. Offensichtlich wurde dies als Erfolg angesehen, mit dem man gar nicht gerechnet hatte. 132)Das Edikt in Übersetzung abgedr. bei Stürmer: Herbst, Ddk.33, die hier z i t i e r t e Passage 240.

142

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

t i o n i s t i s c h e n V o r k e h r u n g e n an m a n g e l n d e r K a u f k r a f t o d e r i n n e r b e t r i e b l i c h e n Schwächen, doch a u c h dann wurde z u m i n d e s t d a s Z i e l e r r e i c h t , A r b e i t s p l ä t z e , " N a h r u n g " , zu s c h a f f e n und d i e Z a h l u n g s b i l a n z zu v e r b e s s e r n - P r i o r i t ä t e n m e r k a n t i l i s t i s c h k a m e r a l i s t i s c h e r Gewerbe- und a l l g e m e i n e r S o z i a l p o l i t i k ' ' ' ^ ^ ' . Die W i r t s c h a f t s v e r f a s s u n g d e s i n n e r e n h ö f i s c h e n B e r e i c h e s wurde g r u n d s ä t z l i c h den A n f o r d e r u n g e n d e s H o f e s a n g e p a ß t : d i e Manuf a k t u r e n w a r e n i n d e r R e g e l f r e i von den Hemmnissen d e r k o r p o r a t i v e n Ordnung; d i e r e c h t l i c h e und ö k o n o m i s c h e S t r u k t u r d e s h ö f i s c h e n Handwerks u n t e r s c h i e d s i c h z u m e i s t g r u n d l e g e n d von der des z ü n f t i s c h o r g a n i s i e r t e n . F ü r den a u ß e r h ö f i s c h e n Raum s c h i e n e n s t r i k t e R e g l e m e n t i e r u n g von P r o d u k t i o n , V e r t r i e b und Konsum, am k o n s e q u e n t e s t e n i n F r a n k r e i c h d u r c h g e f ü h r t , d e r g e e i g n e t e Weg d e r G e w e r b e f ö r d e r u n g . Maßnahmen d i e s e r A r t mußten a u c h im I n t e r e s s e e i n e s g e l e n k t e n W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s , d a s b e stimmte Bereiche p r i v i l e g i e r t e , a l s unumgänglich e r s c h e i n e n . A n s a t z p u n k t war d i e S t e i g e r u n g d e r Q u a l i t ä t , b e s o n d e r s w i c h t i g b e i L u x u s p r o d u k t e n , v o r a l l e m , wenn s i e f ü r den E x p o r t b e s t i m m t waren. Die z a h l r e i c h e n t e c h n i s c h e n R e g l e m e n t s l i e ß e n den H e r s t e l l e r n w e n i g S p i e l r a u m , und e s d a u e r t e geraume Z e i t , b i s d i e g e s e t z l i c h e Norm d e r N a c h f r a g e , a l s o d e r Marktnorm, Rechnung zu 13 4) t r a g e n begann . Wo d a s I n t e r e s s e d e s F ü r s t e n an d e r e x k l u siven Verfügung über bestimmte Erzeugnisse der Luxusindustrie g r o ß g e n u g w a r , mußte g e l e g e n t l i c h s o g a r d a s S t r e b e n n a c h V e r vollkommnung d e r H a n d w e r k s k ü n s t e z u r ü c k s t e h e n ^ " * ' . Die U n t e r s t ü t z u n g d e r L u x u s h a n d w e r k e v e r b a n d s i c h m i t dem A u s g l e i c h s o z i a l e r Spannungen und d e r Behebung w i r t s c h a f t l i c h e r Not. Ein B e i s p i e l f ü r d i e s e S p i e l a r t der S o z i a l p o l i t i k i s t die 133)Einige Literatürhinweise: A.D. Bensch: Die Entwicklung der Berliner Porzellanindustrie unter Friedrich dem Großen, Diss. Berlin 1928; Dreyf u s ; Forberger; Gerstner; Höck; Hoffmann; Kisch 1968; H. Krüger: Zur Geschichte der Manufakturen und der Manufakturarbeiter in Preußen, Berlin 1958; I . Mieck: Preußischer Seidenbau im 18.Jahrhundert. I n : VSW3 56 (1969), 478-498; E. Pauls-Eisenbeiss: German porcelain of the 18th Century, Fribourg 1972; Pflüger; Riedl; G. Slawinger: Die Manufaktur i n Kurbayern, S t u t t g a r t 1966; 0. Walcha: Meißner Porzellan, Gütersloh u . a . 1974; E. Wintzer: Die Wegelysche Porzellanfabrik in Berlin. I n : S c h r i f ten des Vereins f ü r d i e Geschichte Berlins 35 (1898), 1-65. 134)Siehe L. Olivier-Martin: L'organisation corporative de la France d'Ancien Regime, Paris 1938, der d i e Einrichtung von königlichen Manufakturen a l s Versuch v e r s t e h t , ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen " l e s exigences d'un large conservatisme i n d u s t r i e l , instrument incontestable de s t a b i l i t é e t de paix, e t d'un c e r t a i n a p p é t i t de nouveauté r e s s e n t i par l e milieu économique l e plus s t a t i q u e e t plus p a i s i b l e . " 242. Sie-

3. Luxus und Ökonomie

E i n r i c h t u n g z u n f t f r e i e r B e z i r k e in P a r i s , St.

v o r a l l e m des Faubourg

A n t o i n e , wo s i c h i n g r o ß e r Zahl L u x u s p r o d u z e n t e n aus

Schichten ansiedelten.

Partizipation

143

am Gewinn, den d i e

ärmeren expan-

d i e r e n d e n M ä r k t e des gehobenen B e d a r f s d e r G r o ß s t a d t P a r i s und des H o f e s v e r s p r a c h e n ,

wurde e i n durch den K o n t r a s t d e r M i l i e u s

umso a u f f ä l l i g e r e s M i t t e l Hof k o n n t e s e i n e r s e i t s

gesellschaftlicher

Befriedung.

T a l e n t e h e r a n b i l d e n und den B e s t a n d an q u a l i f i z i e r t e n für die Luxusindustrien e r w e i t e r n ^ ® ' . an einem W e t t b e w e r b ,

den Ludwig XVI.

Juweliere ausschreiben

Der

f ü r den e i g e n e n B e d a r f a u f d i e s e Weise

ließ.

Kräften

D e u t l i c h wird d i e s

z.B.

1784 f ü r G o l d s c h m i e d e und

Werkzeuge, E d e l m e t a l l

und E d e l -

s t e i n e wurden den T e i l n e h m e r n zur V e r f ü g u n g g e s t e l l t .

Die

den b e s t e n B e w e r b e r d u r f t e n i h r e n B e r u f d r e i J a h r e l a n g

bei-

"libre-

ment" ausüben und k o n n t e n dann a u f e i n e k o s t e n f r e i e Aufnahme i n das " C o r p s des M a r c h a n d s - O r f è v r e s " bedeutete, reiz

a l s daß b e g a b t e n ,

hoffen,

was n i c h t s

anderes

a b e r m i t t e l l o s e n G e s e l l e n e i n An-

zu h ö h e r e r L e i s t u n g und e i n Ausweg aus i h r e r M i s e r e

gebo-

137 ) t e n werden s o l l t e n . Nicht v i e l anders f u n k t i o n i e r t e n , in P a r i s , i n den g r o ß e n R e s i d e n z s t ä d t e n und an den k l e i n e n F ü r s t e n s i t z e n des A l t e n R e i c h e s , d i e von den z u n f t r e c h t l i c h e n F e s s e l n b e f r e i t e n H o f b e t r i e b e 138) H i n s i c h t l i c h der W i r t s c h a f t s f ö r d e r u n g

durch h ö f i s c h e n

sum und U n t e r s t ü t z u n g d e r n i c h t - h ö f i s c h e n Luxusgewerbe

Luxuskonunter-

he des weiteren P.-M. Bondois: L'organisation i n d u s t r i e l l e e t canmercial e sous l'Ancien Regime. Le privilège e x c l u s i f au XVIIIe s . I n : RHES 21 (1933), 140-189. 135)Dies t r a f vor allem auf Porzellan bzw. bestinmte Porzellanarten zu; s i e he dazu ausführlich unten Teil I I I , Kap.2.2. 136)Über den Faubourg S t . Antoine ausführlicher unten T e i l I I I , Kap.1.3.; allgemein dazu R. Monnier: Les c l a s s e s laborieuses du Faubourg S a i n t Antoine sous l a Révolution e t l'Bnpire, Thèse 3e cycle, 2 Bde, Paris 1978; Stürmer: Herbst, 24 und Dok.2, 3 8 f . ; ders. 1982, Kap.VII; aufschlußreich auch das Ms.2542 der BN Fonds J o l y de Fleury "Memoire concernant l e s lieux p r i v i l é g i é s de P a r i s " . 1776 wurden die Privilegien der Vorstadt noch einmal b e s t ä t i g t in einer Déclaration du Roi, Portant Règlement en faveur des Ouvriers & Artisans du Fauxbourg Saint-Antoine de P a r i s , AN AD XI 11. 137)L.-V. Thiéry: Guide des Amateurs e t des Etrangers Voyageurs 2 Bde, Paris 1786-1787, Bd 1, 484.

à Paris,

138)Siehe zu Paris unten T e i l I I I , Kap.l, passim; siehe des weiteren Stürmer: Herbst, Dok.2, 33, 35, 36, sowie Kap.IV, passim; ders. 1982, Kap.X, passim. 139)Siehe dazu ausführlicher H. Möller: Die kleinbürgerliche Familie im 18.Jahrhundert, Berlin 1969, scwie Sandgruber, passim.

144

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

schieden sich Frankreich und das Heilige Römische Reich allenfalls in quantitativer Hinsicht. Die Parzellierung des Alten Reiches auch als Wirtschaftsraum verdeckt den Gesamtumfang der dortigen Luxusmärkte und hat damals auch deren Expansion behindert. In manchen Fällen war dies auch auf den Qualitätsrückstand zurückzuführen, oft auf altfränkische Konsumgewohnheiten, die sich noch nicht den neuen Idealen schnelleren Verbrauchs 139) angepaßt hatten , häufiger indes auf die Unterlegenheit des kleinen Territoriums oder der Handel- und Gewerbestadt in der internationalen Merkantilpolitik. Dennoch war auch im Alten Reich, ganz abgesehen von den etablierten Luxusproduktionszentren wie Nürnberg und Augsburg, die schon immer und auch im 18. Jahrhundert noch für den Export arbeiteten, die Vielzahl der Hofhaltungen mit ihrem Luxusbedarf und ihrem - nicht immer bewußt konzipierten - Programm des Landesausbaus ein lokaler oder auch regionaler "p61e de croissance", oft eine der wenigen Möglichkeiten der Konjunkturbelebung, die überhaupt offenstanden. Römer schrieb später darüber: Niemand kann die Schwierigkeiten, die sich der Anlegung neuer Manufakturen und Fabriken entgegensetzen, mit leichterer Mühe heben, als der Fürst, und unter landesherrlicher Autorität muß ein solches Unternehmen weit besser gedeihen, als wenn es eine Privatperson zum ersten Entrepreneur hat.140) Die Intensität dieser Verdichtungspunkte des Wachstums hing von ihrem Stellenwert im Geld- und Warenverkehr des jeweiligen Landes ab. Der Hof war ein Sammler und Umverteiler von Geld, das aus so verschiedenen Quellen stammte, wie es unterschiedlichen Zwecken zugeführt wurde. Als zentralisierter Großkonsument und Investor in langfristige Anlagen waren die meisten Höfe des 18. Jahrhunderts in ihrem Land das größte Einzelunternehmen. Wie sich dies auf die Landesökonomie auswirkte, hing von der Relation des Hofbudgets zum Gesamtgeldvolumen und den Staatseinnahmen ab und von der Verteilung der Belastungen und Profite, die sich durch Ansprüche und Leistungen des Hofes ergaben. Am Beispiel der Ausgaben von Garde-Meüble de la Couronne und Menüs Plaisirs des französischen Hofes im späten 18.Jahrhundert läßt sich zeigen, in welcher Größenordnung Seider über die höfischen Luxusaufwendungen umverteilt worden sind. Das Garde-Meuble gab von 1775 bis 1791 etwas über 20 Mio aus, die Menüs Plaisirs von 1762 bis 1776 gut 32 Mio 1^, wobei 140)REher, 120.

145

3. Luxus und Ökonomie

d i e Zahlungen ungleichmäßig v e r t e i l t waren.

P a p i l l o n de l a F e r -

t é wendete f ü r d i e Menus P l a i s i r s 1767 knapp 1,4 Mio, 1,9 Mio und 1769 etwas über 1,8 Mio Mio

aufbringen.

1768 gut

a u f , mußte aber 1770 4,8

Im voraus kaum zu berechnende Ausgaben f ü r

sechs Hochzeiten während s e i n e r A m t s z e i t , Hoftrauern und d i e dazu g e h ö r i g e n "pompes f u n è b r e s " machten mehr a l s 8,3 Mio aus, über 25% der Gesamtausgaben.

Ähnlich war es beim Garde-

Meuble, wobei noch zu b e r ü c k s i c h t i g e n i s t , gen Z a h l u n g s z i e l e , ^ 141) entzerrten Der S t a a t s h a u s h a l t ,

daß d i e üblichen

d i e genau f e s t g e l e g t wurden.

lan-

Ausgabespitzen

aus dem d i e s e Ausgaben b e s t r i t t e n wurden,

s e t z t e s i c h aus Leistungen des gesamten Landes und a l l e r

Stän-

de - in f r e i l i c h sehr ungleichmäßiger Belastung - zusammen. Die Luxusausgaben des Hofes kamen dagegen hauptsächlich den Städten P a r i s und Lyon zugute,

dem übrigen Land nur auf

Umwegen, abgesehen von V e r s a i l l e s , wesenheit des H o f s t a a t e s v e r d i e n t e ,

weiten

das an der p e r i o d i s c h e n Anoder anderer,

seltener

n u t z t e r R e s i d e n z o r t e wie Fontainebleau und Compiègne.

ge-

A l s Lud-

wig XVI. aus Sparsamkeitserwägungen 1777 s e i n e R e i s e nach Compiègne a u s f a l l e n l i e ß ,

z a h l t e e r d a f ü r a l s A u s g l e i c h 300,000

an d i e Einwohner, e i n Gradmesser der Bedeutung des Hofes gerade f ü r w i r t s c h a f t l i c h e Kleinräume.

L i e f e r a n t e n aus Lyon und ande-

ren Orten - ohne P a r i s und V e r s a i l l e s

- e r h i e l t e n von 1774 b i s

1778 vom Garde-Meuble etwa 1,6 Mio

gezahlt,

unter dem spar-

sameren T h i e r r y de V i l l e d ' A v r a y 1784 b i s 1788 etwa 670,000 1. , 142) nur 8% der Gesamtaufwendungen des Garde-Meuble . Zu den Ausgaben gehörten neben Pensionen und f e s t e n G e h ä l t e r n ,

d i e der

P a r i s e r S t a d t w i r t s c h a f t und damit dem w e i t e r e n Umland z u f l o s 143) sen

, langfristige Investitionen

in Großbauten und d i e

stan-

digen Ausgaben f ü r Möbel, Schmuck, Kleidung e t c . , d i e in einem vom Gegenstand abhängigen Rhythmus s i c h w i e d e r h o l t e n und s t e i g e r t e n 144) 141)Die Angaben nach Papillon de la Ferté, 446f.; Nicolardot, 217f.; Thierry de Ville-d'Avray, 223; siehe auch die Aufstellungen bei Lefebvre/Terroine, 351-357; v g l . auch in diesem Teil Kap.3.1. sowie unten Teil I I I , Kap.1.2. 142)Lescure, Bd I , 76, 87; Thierry de V i l l e d'Avrai, 20f. 143)Paris, 130ff.; siehe auch unten Teil I I I , Kap.l. 144)Ausführlich über die geschäftliche Organisation des höfischen Marktes und seinen Zusammenhang mit der Pariser Stadtwirtschaft unten Teil I I I , Kap.l.

146

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

Der Wert der vom Hof i n Anspruch genommenen Waren- und D i e n s t l e i s t u n g e n ü b e r s t i e g s t ä n d i g das zur Verfügung stehende G e l d v o lumen.

Die Umgebung des K ö n i g s , der Adel überhaupt, aber auch

das Bürgertum v e r h i e l t e n s i c h i n der Regel wenig anders:

"mau- .

v a i s payeur" zu s e i n , g e h ö r t e zur ökonomischen M e n t a l i t ä t des 145) Ancien Régime behelf,

.

D i e s e A u s g a b e n p è l i t i k war v o r a l l e m e i n N o t -

der n ö t i g wurde durch e i n e Knappheit i n den Kassen von

König und A d e l , d i e den Ansprüchen an den standesgemäßen Lebenss t i l widersprach, e i n Notbehelf

i n d e s , der das W i r t s c h a f t s l e b e n

auch s t i m u l i e r e n k o n n t e , wenn d i e Ö f f e n t l i c h k e i t genügend V e r trauen h a t t e .

D i e s e s Vertrauen mußte a l s E r s a t z g e l d

dienen,

Vertrauen auf d i e s c h l i e ß l i c h e Zahlung von Rechnungen von Hof und A d e l , Vertrauen auf d i e Einlösung k ö n i g l i c h e r schreibungen.

Schuldver-

Was der Hof im Großen p r a k t i z i e r t e ,

d i e P a r i s e r Handwerker und K a u f l e u t e im K l e i n e n .

wiederholten Um s i c h

schad-

l o s zu h a l t e n , überhöhten s i e in der Regel i h r e Rechnungen. Die g u t s i t u i e r t e n Kunden v e r l o r e n dabei n i c h t unbedingt, da s i e i h r Geld unterdessen gewinnbringender anlegen k o n n t e n 1 4 6 ' .

Be-

t r o f f e n davon waren aber wohl h ä u f i g G e s e l l e n und A r b e i t e r ,

wie

Roubo k l a g t ; doch war auch das R i s i k o f ü r s e l b s t ä n d i g e groß. te,

Ein B e i s p i e l : dem T a p i s s i e r La B a l t e , der 1776

Meister faillier-

standen u . a . von einem gewissen Herrn Theulon 3580

f ü r d i e d i e s e r a l s S i c h e r h e i t zwei Ansprüche h i n t e r l e g t e , e i n e r Uber 9000

zu Lasten des "comte D o l o g n e " .

zu, davon

Diese und

w e i t e r e d e r s e l b e n A r t befanden s i c h zur Z e i t des Konkurses

al-

l e r d i n g s b e r e i t s i n den Händen e i n e s Kaufmannes 147)namens Nuard, dem La B a l t e s e i n e r s e i t s 3600 geldlose Balancespiel,

s c h u l d i g war

.

Das b a r -

i n s e i n e r G e f ä h r l i c h k e i t g e m i l d e r t durch

das f r a n z ö s i s c h e K o n k u r s r e c h t 1 4 ® ' ,

e r m ö g l i c h t e g r ö ß e r e Geschäf-

t e , a l s d i e zur Verfügung stehende Bargeldmenge j e e r l a u b t

hät-

t e , doch gab es immer wieder V e r l i e r e r wie La B a l t e oder d i e Berufsgenossen Roubos. 145)Siehe S. Chassagne: F a i l l i s en Anjou.au XVIlTe s. Contributions à l ' h i stoire êocncmiquè d'une province. In: AESC 25 (1970), 477-497. 146)So die Meinung Daumards, 150: "Les fournisseurs surestimaient sûrement leurs prix pour compenser la lenteur du règlement des factures, mais ce que les fortunes riches perdaient de ce côté, peut-être l e regagnaiente l l e s s i l e taux des investissements é t a i t supérieur à cet intérêt d i f féré des créances." Auf die üblichen Rentenanlagen mit ihren niedrigen Prozentsätzen dürfte dies allerdings nicht anzuwenden sein. 147)AdlS D4B6 3689; siehe auch unten T e i l I I I , Kap.1.3.; Stürmsr: Herbst, 144-148.

3. Luxus und Ökonomie

Konnte d i e s e G e s e l l s c h a f t w i r k l i c h n i c h t , w i e L a v o i s i e r 149) hatte

, mehr v e r b r a u c h e n ,

d e s t war e s m ö g l i c h ,

schenswert,

Grenzen g e s e t z t : weder d u r f t e

gewohnheitsmäßig,

reits voll

er

noch war e s wün-

durch d i e s e A r t d e r F i n a n z i e r u n g d i e P r e i s e f ü r Lu-

xuswaren i n d i e Höhe zu t r e i b e n ^ " ' . praktiken

In-

zu v e r g r ö ß e r n

é i n e Lawine von Konkursen zu p r o v o z i e r e n und damit

das V e r t r a u e n i n d i e Krone zu u n t e r g r a b e n ,

teils

zumin-

spending" außerhöfische K a u f k r a f t ,

und w i r t s c h a f t l i c h e A k t i v i t ä t

I n d e s waren auch ihm g e w i s s e riskieren,

Dem Hof

gemeint

über s e i n e G e l d m i t t e l hinaus zu konsumie-

r e n und durch " d e f i c i t vestitionsfähigkeit

a l s s i e einnahm?

147

teils

Immerhin e r s e t z t e n

r e c h t l i c h verankerten

diese

Geschäfts-

zur Not d a s , was i n England und den N i e d e r l a n d e n ausgebaut w a r ,

be-

i n F r a n k r e i c h a b e r nur i n A n s ä t z e n

vorhanden war, nämlich e i n N e t z p r i v a t e r und ö f f e n t l i c h e r , 151) ken D i e Gewinne aus dem U m v e r t e i l u n g s p r o z e ß g i n g e n i n d e r che an d r e i P e r s o n e n g r u p p e n ,

Ban-

Hauptsa-

d i e sehr u n t e r s c h i e d l i c h von d e r

Teilnahme am h ö f i s c h e n Luxusmarkt p r o f i t i e r t e n :

1.an das V e r -

w a l t u n g s p e r s o n a l d e r W e r k s t ä t t e n , Manufakturen und ü b e r g e o r d n e t e n Behörden, von K ü n s t l e r n , Unterschicht, gab.

2.an e i n e h ö f i s c h e und a u ß e r h ö f i s c h e Handwerkern und " e n t r e p r e n e u r s " ,

Oberschicht

und 3.an

eine

d i e e s außerhalb w i e i n n e r h a l b d e r HofÖkonomie

I n d e r u n g l e i c h m ä ß i g e n V e r t e i l u n g d e r Gewinne t r a t e n

die

Grenzen d e r ökonomischen und s o z i a l e n Chancen z u t a g e ,

die

Hof zu v e r t é i l e n b e r e i t w a r .

einzelnen

Während d i e Budgets d e r

der

A b t e i l u n g e n und i h r e P r o d u k t i o n s l e i s t u n g e n wuchsen, b l i e b e n Löhne d e r A r b e i t e r

die

sowohl h i n t e r diesem Wachstum w i e h i n t e r dem

säkularen P r e i s a n s t i e g

für Lebensmittel

zurück.

In der

Savon-

n e r i e k l a g t e n d i e A r b e i t e r d a r ü b e r , daß i h r e Löhne s e i t mehr a l s 60 Jahren n i c h t mehr angehoben worden waren, e i n krasser F a l l ; ter

besonders

doch auch i n S è v r e s s t i e g e n n i c h t nur d i e

langsamer a l s d i e G e t r e i d e p r e i s e ,

auch das

s o n a l d e r Manufaktur h a t t e im V e r h ä l t n i s

Gehäl-

Verwaltungsper-

zu den T e c h n i k e r n ,

Ar-

148)Ders. 1982, 40. 149)Lavoisier, 606. 150)AN O1 32801; siehe auch in diesem T e i l oben Kap.1.3. 151) Siehe allgemein dazu Lüthy; Braddel: C i v i l i s a t i o n ratêrielle, Bd 1, Kap. 7, Bd 2, Kap.1, vor allen 63-92, Kap.2, 117-121, Kap.4, 344-348, Kap.5, 468-494; zur Entwicklung bargeldloser Zahlung s p e z i e l l siehe u.a. R. de Koover: L'évolution de la l e t t r e de change XIV-XVIIIe s . , Paris 1953. 152)Die Klage der Teppichwirker in AN O1 2057A7; v g l . auch unten T e i l I I I ,

148

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

b e i t e r n , W i s s e n s c h a f t l e r n und Künstlern hoch d o t i e r t e

Stellen

erhalten152'. Dennoch b e d e u t e t e d i e Verbindung mit dem Hof f ü r Händler, Handwerker und Manufakturisten ü b e r d u r c h s c h n i t t l i c h e Gewinnchancen, 1 53) o f t den Weg ins "Unternehmertum im Gewerbe" , zur Expansion von W e r k s t a t t und Manufaktur i n f r ü h i n d u s t r i e l l e und zur Erweiterung i h r e r außerhöfischen

Dimensionen

Handelsbeziehungen.

Der P r e s t i g e g e w i n n aus d i e s e n Beziehungen wog so schwer wie der f i n a n z i e l l e , war aber k e i n e G a r a n t i e gegen F e h l s c h l ä g e . Modehändlerin Rose B e r t i n machte einen

Die

Millionen-Bankrott,

nachdem s i e mehrere Jahre lang " f o u r n i s s e u r en t i t r e "

Marie-An-

t o i n e t t e s gewesen war, an d i e P r i n z e s s i n S t o l b e r g i n B r ü s s e l , an d i e Herzogin von Württemberg, an d i e russischen und nordeuropäischen H ö f e , nach P o r t u g a l g e l i e f e r t h a t t e .

Der Gold-

schmied François-Thomas Germain e r l e b t e e i n ä h n l i c h e s

Schick-

s a l , obwohl s e i n e Umsätze - aber auch s e i n e Außenstände - M i l lionenhöhe e r r e i c h t e n 1 54 ) Für d i e meisten deutschen Höfe i s t i n d i e s e r Beziehung k l e i n e r e r Maßstab anzulegen.

In neugegründeten

ein

Residenzorten

oder den K l e i n - und M i t t e l s t ä d t e n , d i e a l s R e s i d e n z s t a d t

dien-

t e n , f e h l t e den mit dem Hof verbundenen Handwerkern und Händl e r n m e i s t der a u ß e r h ö f i s c h e Markt, um i h r e A n f a n g s e r f o l g e auszubauen und der A b h ä n g i g k e i t vom Hof zu entwachsen.

Zudem b e -

d e u t e t e d i e P r i v i l e g i e r u n g der Hofhandwerker i n der Regel nen F r e i b r i e f schaft.

f ü r d i e Teilnahme an der s t ä d t i s c h e n

kei-

Zunftwirt-

Aus Rücksicht auf d i e " b ü r g e r l i c h e Nahrung" waren i h -

nen im G e g e n t e i l i n d i e s e r Richtung Schranken g e s e t z t .

Eine

Ausnahme s t e l l t d i e G e w e r b e p o l i t i k der preußischen Könige d a r , der N o r m a l f a l l war wohl das V e r h a l t e n des Mainzer K u r f ü r s t e n und s e i n e r Verwaltung, d i e s i c h Sorgen um d i e e i n f a c h e n Z u n f t 155) m e i s t e r machten . Reicheren V e r d i e n s t und mehr S o z i a l p r e Kap.1.2.; zu den Löhnen in Sèvres siehe A. Sergêne: La nanufacture de Sèvres scus l'Ancien Régime, 3 Bde, Nancy 1972-1974, Bd I I , 2 6 f f . , 170ff.; zu Sèvres ausführlich unten T e i l I I I , Kap.2. 153)Plodeck, 93f.; Stürmer: Höfische Kultur, passim; ders.: Herbst, Kap.4, passim, und ders. 1982, Kap.X, passim. 154)E. Langlade: La marchande de modes de Marie-Antoinette, Rose Bertin, Par i s 1911. Selbst ausländische Zeitschriften berichteten über ihren Konkurs, z.B. das Politische Journal nebst Anzeige von gelehrten und anderen Sachen, rfantourg 1787, Erster Band, 174f. - über den Goldschmied Germain siehe G. Bapst: Etudes sur l ' o r f è v r e r i e française au XVIIIe s. Les Germains, orfèvres-sculpteurs du r o i , Paris 1887.

3. Luxus und Ökonomie

stige,

als

hatten

jedoch

das

Dasein auch

eines

die

Zunftmeisters

deutschen

je

bieten

Hofhandwerker

149

konnte,

und

-manufaktu-

risten. Auf

der

noch der

Schattenseite

niedrigen höfischen

des

Löhnen

Aufschwunges,

mitfinanzierten,

und n i c h t - h ö f i s c h e n

und M a n u f a k t u r .

Der Lyoner

dem G a r d e - M e u b l e

1785

folgendermaßen

Vergütung 3.Andere,

sie

mit die

Unterschichten

Seidenfabrikant Rechnung

über

ihren

wie

"Abfälle", für

die

nicht

von

Handwerk

Desfarges

31,113

stellte

die

Seide, eine

Goldfäden

Form

6."Dessin" nötigen 7.Ein

45,6%

etc.

Arbeiter

0,7%

mehr v e r w e r t b a r e

Abfälle

1,0% 18,8%

an A r b e i t e r und

"Mettage von

dem L o h n a n t e i l

rung m i t g e a r b e i t e t mehr

Posten

als

nur

haben"^®' . Gemessen die mehr

hatten.

diesen

6%,

Hofes

für

Marktes

steuernde

Ausnahmegenehmigungen

-

die

waren.

23,2%

zur

nach

Zeit

abgewickelt

waren

also

beträchtlich.

Teil

der

des

Monarchie

für

etwas

eigentlichen

Luxus

können

höfischen

französischen in

hinsichtlich

Importder

von

nicht

der

Aufwandes

Krone

und

waren

1789

und Q u a l i t ä t s s t e i g e r u n g e n

Eingriffe

daß

Desfarges

selben

Prozentsätze

Bedeutung

-

Liefe-

zeigte,

dem A n s c h l a g

ein

zu 3 0 , 5 %

an d i e s e r

Zudem d ü r f t e

französischen

nur

Diese

die

an den Bemühungen

Dazu kamen

der

gering,

wurde''""^' .

weit

Arbeiter,

Auftrag

wovon w i e d e r u m

außerhöfischen

nicht

23,2%

Die Rechnungsprüfung

angesetzt

einen

Summe

Einkommensunterschiede

des

Gradmesser

wie wir

die 10,6%

lag mithin

am G e s a m t h a u s h a l t

ausgegeben zige

0,4%

also

diese

sämtlicher

zu h o c h

Die

Ausgaben als

carte",

3 0% a u f

Der Unternehmergewinn

einige

und G e s e l l e n en

Vorbereitungsarbeiten

"Benefice"

unter

sich

indirekter

4.Arbeitslohn 5.Geschenke

immer

Angehörigen

zusammensetzte:

1.Grundmaterialien, 2."Dechets",

eine

den

standen

einsein,

um A u s b a u gesehen

des

haben.

Exporthandel,

technischen

Reglementie-

1 5 5 ) S o k l a g t e das M a i n z e r Vicedcmamt, daß d e r H o f s c h r e i n e r " m i t s e i n e n s o v i e l e n G e s e l l e n " den anderen M e i s t e r n " d i e Nahrung f a s t g ä n z l i c h a b s c h n e i d e t " , z i t . n a c h S t ü r m e r : H e r b s t , 2 5 2 ; s i e h e auch d e r s . 1 9 8 2 , Kap. IX. 156)AN O 1 3 4 9 9 1 ;

s i e h e auch u n t e n T e i l I I I ,

Kap.1.2.,

1 7 5 , 177 und 1 8 0 .

1 5 7 ) L e f e b v r e / T e r r o i n e , 3 5 1 - 3 5 7 ; im k u r b a y e r i s c h e n H a u s h a l t war d e r A n t e i l d e r Hofausgaben b e d e u t e n d h ö h e r , s i e h e Hartmann 1 9 8 2 , 3 1 5 f f . Freilich i s t d i e Abgrenzung d e r Ausgaben m e i s t n i c h t e i n f a c h , da s i c h d i e Ausgabenbereiche d e r e i n z e l n e n Kassen ü b e r s c h n i t t e n , e b d . , passim.

150

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

rungen, Elemente e i n e r W i r t s c h a f t s p o l i t i k ,

d i e nach Maßgabe des

Möglichen im A l t e n Reich in m e i s t ä h n l i c h e r Weise b e t r i e b e n wur158) de . I n Zahlen i s t der E r f o l g d i e s e r Anstrengungen ebensowenig zu messen wie d i e s t i m u l i e r e n d e n Wirkungen des h ö f i s c h e n Konsumvorbildes.

Der Hof e r w i e s s i c h durch seinen Luxusbedarf

in v i e l e r H i n s i c h t a l s Schrittmacher f ü r W i r t s c h a f t und G e s e l l schaft.

Zum einen b e s c h l e u n i g t e e r d i e Entwicklung neuer Tech-

niken, h a l f b e i den e r s t e n Versuchen g e z i e l t e r

naturwissen-

159) s c h a f t l i c h e r Forschung nisse.

und p r o p a g i e r t e t e c h n o l o g i s c h e

Dafür würden e r h e b l i c h e M i t t e l b e r e i t g e s t e l l t ,

mehr a l s 630,000

Kennt-

so 1789

aus der " c a i s s e du Commerce" zur U n t e r s t ü t -

zung von Handel und G e w e r b f l e i ß und über 3,8 Mio und " a u t r e s encouragemens pour l e commerce""'"®'" .

f ü r Prämien Zum anderen

w i r k t e e r i n n o v a t o r i s c h durch d i e Begünstigung e i n e r

kapitali-

s t i s c h e n W e t t b e w e r b s g e s e l l s c h a f t und d i e Breschen, d i e e r in d i e Schutzwälle der k o r p o r a t i v e n W i r t s c h a f t s - und G e s e l l s c h a f t s o r d nung l e g t e .

Dies war n i c h t immer d i e e i g e n t l i c h e A b s i c h t ,

oft

mehr e i n Nebenprodukt, dessen B e d e n k l i c h k e i t erkannt wurde - so im F a l l e der Turgotschen Zunftreformen.

Auch waren d i e

Mittel

dem Z i e l n i c h t durchweg k o n g e n i a l : Ausschaltung des Wettbewerbs D r i t t e r , Reglementierung und P r i v i l e g i e r u n g Schaffung von Freiräumen.

Freilich,

im I n t e r e s s e

der

was n i c h t - z ü n f t i s c h war,

mußte deswegen n i c h t schon W i r t s c h a f t s l i b e r a l i s m u s und K a p i t a lismus s e i n - d i e Anfänge der außerkorporativen F r e i z o n e n im späten 17. und frühen 18.Jahrhundert waren eher

Experimentier-

f e l d e r der M e r k a n t i l p o l i t i k gewesen, d i e e i n e andere A r t von Zwang v e r k ö r p e r t e - , Richtung aus. lief

es w i r k t e s i c h auf Dauer aber in

diese

Die W i r t s c h a f t s p o l i t i k des 18.Jahrhunderts

in v i e l e n verschiedenen Bahnen, doch war d i e s e i n

ver-

privile-

g i e r t e r Weg, herausgehoben durch das E i g e n i n t e r e s s e des Fürsten am Glanz s e i n e r H e r r s c h a f t und durch d i e K r a f t des Marktes. Und es war auch e i n Weg, der von einem grundlegenden Widerspruch zwischen T r a d i t i o n und I n n o v a t i o n ,

zwischen Ancien Regime und

Moderne g e p r ä g t wurde. 158)Siehe zu den Ausnahmegenelmigungen Schelle, Bd 4, 640f., sowie J. Godart: L'ouvrier en soie, Lyon 1899. Der Vf. errechnet für 1754 79 Sonderregelungen und für April 1755 bis Oktober 1762 insgesamt 70, die auf Lyon Bezug nehmen, was er als "iimobilisation" bezeichnet, 85. 159)Siehe dazu auch unten Teil I I I , Kap.4.1. 160)Die Zahlen nach Lefebvre/Terroine, 354, 357. 161)Siehe dazu oben Einleitung, 14-16, sowie Pallach: Art. Luxe.

3. Luxus und Ökonomie

151

3.2. Luxuskritik, Gewerbepolitik und höfischer Aufwand — Die öffentliche Debatte und ihre Folgen

Der Aufwand des französischen Hofes und die staatliche Wirtschaftspolitik wurden kommentiert von der Diskussion um den ökonomischen Nutzen des Luxus und die Vor- und Nachteile einer obrigkeitlich gesteuerten bzw. korporativ verfaßten Wirtschaft. Beide Aspekte gehörten zusammen, weil sie zwei Facetten der langdauernden Auseinandersetzung zwischen traditionellen und reformerischen Standpunkten waren; weil die Gewerbepolitik der Krone Frankreichs Luxusmanufakturen und Luxushandwerke favorisierte; und weil damit die Grundlagen der korporativen Ökonomie tangiert waren. Die Fronten in dieser Diskussion verliefen nicht geradlinig, zumal Definition und Stellenwert zentraler Begriffe, wie "luxe" und "liberté de commerce", schwankten. Der Streit um die Wirtschaftsverfassung entzündete sich am Interventionismus des Staates, erhielt aber auch Nahrung aus der sozialen und ökonomischen Krise des Zunfthandwerks. Er war insgesamt neueren Datums. Die Luxusdebatte hingegen war nicht an Zeitalter gebunden, doch änderten sich mit der Zeit bevorzugte Argumente und Angriffsziele. Allerdings hatte es lange gedauert, bis der herrscherliche Luxus auch Gegenstand staatlich legitimierter Kritik wurde. Beide Debatten waren im späten 18. Jahrhundert emotional aufgeladen wie jede Auseinandersetzung, die an die Grundlagen einer Gesellschaftsordnung rührt und sich von der Lösung praktischer Fragen entfernt hat^®^'. Nahrungs- und Zirkulationsargument beherrschen die ökonomisch fundierte Luxusapologie. Luxus erscheint als Folge wie als Palliativ der Ungleichgewichtigkeit sozialer und wirtschaftlicher Machtverteilung, ohne daß die Strukturprinzipien der Gesellschaft ernstlich in Frage gestellt würden. Als attraktives Symbol eines höheren Lebensstandards wird Luxus eher positiv beurteilt, als Ansporn zu größerer Leistungsbereitschaft angesehen - Franklins "aiguillon" - und unter diesem Vorbehalt gutgeheißen. Außerdem wird das Mäzenatentum von Staat und Landesherr betont. Der zentralisierte höfische Aufwand ist dann die einzig effiziente Finanzierungsmöglichkeit für künstlerische, wissenschaftliche und handwerkliche Spitzenleistungen. Auch nationalstaatliches Abgrenzungsdenken begegnet, in Frankreich zumeist selbstsicher, im Alten Reich oft ressentimentgeprägt und mit einer deutlichen anti-französischen und pro-englischen

152

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

Wendung. Da als Ergebnis der deutschen Abhängigkeit vom französischen Luxusvorbild eine schlechte Zahlungsbilanz und wirtschaftliche Rückständigkeit vermutet werden, kommen Forderungen nach Autarkiepolitik und positive Beurteilung eines Luxus mit 162)

einheimischen Erzeugnissen leicht zur Deckung

Für die Luxusgegner stützten die ökonomischen Argumente oft nur ihre ständische Sichtweise und ersetzten nicht die moralische Bewertung. Häufig wurde Luxus - abhängig von der sozialen Position des Konsumenten - als Fehlinvestition angesehen. Damit war weniger eine eventuelle Alternative zur Investition in Luxus gemeint, vielmehr der Verlust an hauswirtschaftlicher Solidität 163) und die gesellschaftliche Unangemessenheit . Wer über diesen Aspekt hinausdachte und nach der Stabilität der auf Luxusverbrauch gegründeten Gewerbekonjunktur fragte, konnte das Beispiel Lyon anführen, wo die Existenz einer ganzen Stadtwirtschaft von Eitelkeit und Putzsucht der Menschen abhing^^'. In der Formulierung moralischer Urteile weniger radikal, dafür konsequenter im Entwurf einer anderen Wirtschaftspolitik waren die französischen Physiokraten, die von der unbedingten Priorität des Agrarsektors ausgingen. Von daher wendeten sie sich gegen die staatliche Förderung des sekundären Sektors, als dessen auffälligster Teil die Luxusproduktion ihre Kritik auf sich zog. Freilich spielte auch die physiokratische Agrarromantik eine Rolle: Lasterhaftigkeit und Verweichlichung des Stadtlebens standen in der moralischen Ökonomie der Landwirtschaftsenthusiasten der Einfachheit und Sittenreinheit des Landlebens gegenüber'''^' . Vielfältig waren die Zusammenhänge zwischen Luxusdebatte und Liberalisierungsstreit in der Wirtschaftspolitik. Für seine Kritiker bedeutete Luxus eine Quelle der Desintegration von Ordnung und der Disharmonie auch im wirtschaftlichen Bereich. Luxus war einerseits in diesem Fall identisch geworden mit Verschwendung, Habgier und unangemessenem Gewinn, das verurteilte Verhalten andererseits vom Markt her gesehen dasselbe geblieben, nämlich Verbrauch von kostspieligen Produkten aus Manufaktur 162)Z.B. bei Pfeifer, Bd 1, 374f. 163)Auffällig ist bei der Analyse von Faillitenakten, daß eine Trennung von privater und Betriebskasse selten vorkamt. 164)Siehe zu Lyon ausführlich unten Teil III, Kap.3, sowie das Zitat oben Teil I, Kap.3, 77.

153

3. Luxus und Ökonomie

und W e r k s t a t t , wovon s i c h auch d i e S k e p t i k e r g e w e r b l i c h e sperität erwarteten.

lemma wie d i e O b r i g k e i t mit i h r e r w i d e r s p r ü c h l i c h e n von w i r t s c h a f t l i c h e m Wachstum und dessen Stornierung.

Pro«

S i e befanden s i c h damit in demselben D i Zielsetzung

gesellschaftlicher

Zugrunde l a g e i n t i e f e s Mißtrauen gegenüber

vater Wirtschaftstätigkeit,

pri-

das f ü r d i e Haltung der V e r w a l -

t u n g s l e u t e wenigstens so c h a r a k t e r i s t i s c h war wie l i b e r a l e stellungen.

Ein-

Der Manufakturinspektor Bruyard s c h r i e b 1783 dazu:

. . . l e f a b r i q u a n t t o u j o u r s p r ê t a é l u d e r l a l o y s a i s i t dans ses d i s p o s i t i o n s , t o u t ce qui e s t en sa f a v e u r , e t qui l ' a i d e a tromper...166) T r i e b f e d e r war d i e auf Genußsucht beruhende U n r e d l i c h k e i t w i r t s c h a f t e n d e n Menschen, d i e a l s V e r h a l t e n s k o n s t a n t e tet w i r d 1 6 " .

In e i n e r anderen D e n k s c h r i f t hieß

des

betrach-

es:

. . . l e Commerce abbandonnê à lui-même, tombe e t p é r i t n é c e s s a i rement par l ' i n f i d é l i t é du f a b r i q u a n t , par l ' a v i d i t é du marchand e t par l a f r i p o n n e r i e énorme des C o m m i s s i o n n a i r e s . . . Der Vorwurf an d i e Manufakturunternehmer l a u t e t e ,

" l e u r émula-

t i o n s ' e x e r c e l e plus souvent Sur l e s moyens de f a i r e une f o r tune

rapide".168'

Die Verführung durch den Luxus machte a l s o Vorkehrungen gegen Mißbräuche n ö t i g .

S o l l t e n Handel und Wandel f l o r i e r e n , dann

d u r f t e man das i n d i v i d u e l l e Gewinnstreben mit dem Z i e l der V e r wandlung von P r o f i t i n Pracht n i c h t unterdrücken, wohl aber überwachte Bahnen l e n k e n .

setzung um Luxus und Gewerbereglementierung g r u n d s ä t z l i c h e r t u r war und g e g e n s ä t z l i c h e P r i n z i p i e n k o n f r o n t i e r t e , Vorstellungen,

in

Das b e d e u t e t , daß d i e Auseinander-

d i e auf Expansion und f r e i e s

Na-

liberale

Unternehmertum

s e t z t e n , und k o n s e r v a t i v e Haltungen, d i e gerne F o r t s c h r i t t und S t a t i k miteinander v e r s ö h n t h ä t t e n . 165)Quesnay; Auffray.

" L i b e r t é du commerce" b e -

Siehe auch in diesem T e i l Kap.2.2.

12

166)AN F 562 doss.2, "Mémoire sur toutes les especes de manufactures de la généralité de Paris"; zu dieser Denkschrift siehe auch B. G i l l e : Documents sur l ' é t a t de l'industrie et du ccnmerce de Paris et du département de la Seine (1778-1810), Paris 1963. 167)Aufschlußreich dazu G.P. Hönn: Betrugs-Lexicon, . . . , Zwsyte neue und verbesserte Auflage Coburg 1761, besonders die Vorrede, f o l . 5 f f . 168)Das erste Zitat aus einem Meiroire sur les Bureaux de Visite et de Cont r o l l e et sur les Ccmrunautês de ccnmerce ou d'Arts et Métiers, das zweite aus einem Essay sur les Manufactures, beide undatiert, in AN F 2427. Wie das Beispiel Hönns zeigt (siehe vorhergehende Anmerkung), glichen sich die Urteile überall. 169)Z.B. in einer Ordonnance de M. l e Prévost de Paris, ou M. Son Lieutenant Général de Police, Portant deffenses à tous Marchands en gros & en

154

II. Funktionen und Wirkungen von Luxus

schrieb sehr unterschiedliche s c h r a n k e n und V o r s c h r i f t e n ,

Inhalte:

F r e i h e i t von

Wachstums-

Wahrung d e r P r o p o r t i o n e n

schaftszweige bei g l e i c h z e i t i g e r

Weiterentwicklung

aller

oder

Wirt-

einfach

n u r R e k l a m e v e r b o t und T a b u i s i e r u n g

innerkorporativer

Konkur-

renz''"^'.

setzten

Denkschrift

auf,

Die P a r i s e r

Seidenweber

in der s i e der Verwaltung e r k l ä r t e n ,

eine gute Verwaltung

zu s e i n .

1772 e i n e

tun müsse,

was s i e

I h r e Aufgabe

um

sei,

d ' é t a b l i r u n e j u s t e b a l a n c e e n t r e l e s d i f f é r e n t e s b r a n c h e s du C o m m e r c e , e n t r e l e s M a n u f a c t u r e s d e même e s p e c e , e n t r e l e s F a b r i c a n s d u même g e n r e , a f i n d e l e s f a i r e p r o s p é r e r a v e c é g a l i t é , a f i n d ' e x c i t e r l a p l u s n o b l e é m u l a t i o n , c e l l e du m é r i t e p e r s o n n e l & des t a l e n s , a f i n . d e ne p a s é l e v e r unë M a n u f a c t u r e s u r l e s r u i n e s des a u t r e s . . . Wenn i n d i e s e m i d e a l i s t i s c h e n

K o n z e p t ü b e r h a u p t Raum b l i e b

für

Ü b e r l e g u n g e n ü b e r d i e Höhe d e s f i n a n z i e l l e n G e w i n n s u n d d e n erwartenden Wohlstand, ce",

in der

Ordnung

dann war das L e i t b i l d

die

"honnête

i n d i v i d u e l l e r Luxus e i n S t ö r f a k t o r d e r

zu

aisan-

harmonischen

war.

Welche p r a k t i s c h e

B e d e u t u n g h a t t e d a s ö f f e n t l i c h e Reden

Schreiben über die Fragwürdigkeit hergebrachter n a c h h i n e i n macht es e i n K r i t i k p o t e n t i a l konkreteren Ansatzpunktes bedurfte als

und

Prunkliebe?

sichtbar,

das nur

des so e l o q u e n t

geschmäh-

t e n wie schwer f a ß b a r e n Luxus g a n z e r G e s e l l s c h a f t s g r u p p e n gar Völker,

um a u c h p o l i t i s c h w i r k s a m zu w e r d e n .

Gelegenheit

bot sich,

g i m e n t L u d w i g s XVI.

wie wir gesehen haben, Schlechte Finanzlage,

Eine

oder

solche

u n t e r dem n e u e n

Re-

d e r Nachgeschmack

von

V e r s c h w e n d u n g u n d U n f ä h i g k e i t n a c h dem T o d e L u d w i g s XV. u n d R e f o r m d r u c k l i e ß e n Sparmaßnahmen a l s

notwendig,

die

p r o j e k t e auf

durchaus

legitim erscheinen.

Sind die

i h r e möglichen w i r t s c h a f t l i c h e n Konsequenzen

d e n zu e r w a r t e n d e n E r f o l g h i n d u r c h d a c h t w o r d e n ?

der

persönliche

H a l t u n g d e s K ö n i g s und m a n c h e r B e r a t e r ö f f e n t l i c h e K r i t i k f i s c h e n Aufwand a l s

Im

eines

Wie d i e

am h ö Sparund be-

d é t a i l , de d i s t r i b u e r aucuns B i l l e t s pour annoncer l a v e n t e de l e u r s Marchandises. Du premier J u i l l e t mil s e p t c e n t t r e n t e - q u a t r e , AN AD XI 10; d o r t noch w e i t e r e , zum T e i l im Wortlaut i d e n t i s c h e E r l a s s e und Verordnungen. - Zum " l i b e r t é " - P r o b l a m s i e h e auch Bergasse und Bigot de S a i n t e - C r o i x , v g l . oben T e i l I , Kap.3, d o r t auch über den Zusammenhang von L i b e r a l i s i e r u n g s d e b a t t e und W i r t s c h a f t s k r i s e . - Die h i e r erwähnte P o l i z e i o r d n u n g sprach a u s d r ü c k l i c h von d e r " l i b e r t é du caimerce", d i e durch Werbeaktionen g e f ä h r d e t s e i . 170)Aus d e r oben, T e i l I , K a p . 2 . 1 . , Anm.51, erwähnten D e n k s c h r i f t von 1772 ( v o l l s t ä n d i g e r T i t e l s i e h e d o r t ) . Q u e l l e n k r i t i s c h muß f r e i l i c h h i n z u g e f ü g t werden, daß e s den Textilhandwerkern b e i i h r e n Ausführungen o f f e n s i c h t l i c h darum g i n g , i h r e Benachteiligung im V e r g l e i c h z u r Lyoner Konkurrenz d a r z u l e g e n .

3 Luxus und Ökonomie

155

reits mehrfach erwähnten Aussagen des Abbé Terray und Neckers beweisen, lief ein Riß durch das Fundament, auf dem das neue, das bessere Gemeinwesen errichtet werden sollte. De Malesherbes scheint nicht mehr an das traditionelle Rückverteilungsargument geglaubt zu haben, oder referierte er ausschließlich die öffentliche Meinung? De toutes les dépenses, so schrieb er, celle sur la quelle on demandoit la plus d'économie et de réformation, étoit celle de la Maison du Roi. Dans la Guerre, la Marine, les Affaires étrangères, en même temps qu'on demande la diminution des dépenses, on craint aussi de diminuer les forces du Royaume; mais dans la Maison du Roi, on n'a pas la même crainte: tout ce que le Roi pourra réformer, sera pris sur lui même...171) Das hieß, in einem Atemzug alte Erfahrungen beiseiteschieben, die positiven Auswirkungen möglicher Einsparungen am Luxusbudget überschätzen, öffentlichen und privaten Luxus für trennbar halten und wenig über die Auswirkungen einer solchen Politik nachdenken. Es hieß auch, die Wichtigkeit des Königs als Institution geringer als bisher anzusetzen. Den aufgeklärten Verwaltungsbeamten des späten französischen Ancien Régime war die traditionale Mentalität des herrscherlichen Luxus umso ferner und fremder, je näher sie einem Staatsbankrott rückten und je dringlicher das Pariser "Parlement" Sparsamkeit forderte. In welchem Maße konnten "Ökonomien" und "Reformen" im königlichen Haushalt eine spürbare Entlastung im staatlichen Haushalt bewirken? Nach langwierigen Reformbemühungen ergab sich nachdem Necker 1784 die "Maison du Roi" auf ein Budget von 13 1 72) Mio veranschlagt hatte - laut den Vorausberechnungen, die nun den Etats Généraux 1789 vorgelegt wurden, folgende Zusammensetzung des Staatshaushalts: Die festen Einnahmen betrugen ca. 475 Mio 1^, die festen Ausgaben ungefähr 531 Mio Diese Bilanz blieb also defizitär. Die Einnahmen schlüsselten sich, nach abnehmendem Umfang geordnet, folgendermaßen auf: 1-Die verschiedenen "Régies" und "Fermes" brachten zusammen knapp 285 Mio ein, also etwa 60%. 2."Imposition ordinaire", "Capitation" und "Vingtième" ergaben wenig über 155 Mio ungefähr 33%. 3.Die Steuern der "Pays d'Etats", Languedoc, Bretagne, Burgund, Provence, Pau-Bayonne-Foix beliefen sich auf 24,5 Mio 1^, gut 5%. 4.Kleine Einnahmen aus den verschiedensten Quellen erreichten eine Höhe von 11 Mio 1^, etwas über 2%. 171)AN O1 749, Stück 51. 172)Necker 1784, Bd II, 452ff. Dieser Ansatz erscheint zu niedrig, was auf Neckers Vërsuche zurückzuführen sein mag, Sparsamkeit zu denonstrieren.

156

II Funktionen und Wirkungen von Luxus

Die w i c h t i g s t e n Ausgabenposten in g l e i c h e r Anordnung waren f o l gende : 1 . " R e n t e s p e r p é t u e l l e s " und " r e n t e s v i a g è r e s " wurden g e z a h l t i n der Höhe von gut 162 Mio L e g t man d i e üblichen Zinsfüße von 4 bzw.5% zugrunde ( " d e n i e r v i n g t - c i n q " bzw. " d e n i e r v i n g t " ) , dann waren zu diesem Zeitpunkt wenigstens 3,24 M i l l i a r d e n b i s 4,05 M i l l i a r d e n an p r i v a t e n Geldern i n den f r a n z ö s i s c h e n Staat i n v e s t i e r t . 2.Eine V i e l z a h l sehr u n t e r s c h i e d l i c h e r Ausgaben - Verwaltung, Auswärtiges Amt, P o l i z e i , Almosen, Straßenbau, W i s s e n s c h a f t , ö f f e n t l i c h e Bauten - wozu d i e S c h l ö s s e r n i c h t gehörten - , unvorhergesehene Aufwendungen, Schulden beim K l e r u s und den F i n a n z i e r s , Vorwegnahmen k ü n f t i g e r Einnahmen u . ä . - machten 143 Mio aus, etwa 26%. 3.Das K r i e g s m i n i s t e r i u m v e r b r a u c h t e 99 Mio 1^, f a s t 19%. 4.Der Z i n s e n d i e n s t f ü r " e f f e t s publiques e t d ' a u t r e s c r é a n c e s " betrug genau 44,3 Mio 1_;_, etwa 8,5 %, was w e i t e r e n Schulden i n Höhe von 886 b i s 1107,5 Mio e n t s p r i c h t ( s i e h e Punkt 1 ) . 5.Die Hofhaltungen des Königs und s e i n e r Verwandten k o s t e t e n gut 33 Mio 1_;_, etwas mehr a l s 6%. 6.Für Pensionen wurden 29,5 Mio aufgewendet, etwa 5,5%. 7 . D i e "Receveurs, Fermiers e t R é g i s s e u r s " e r h i e l t e n e i n s c h l i e ß l i c h der E i n t r e i b u n g s k o s t e n etwas über 20 Mio was ungef ä h r 3,8% e n t s p r a c h . 1 7 3 ' V e r g l e i c h t man d i e s e n Voranschlag mit früheren Haushalten des 18.Jahrhunderts

( T a b e l l e 3 a ) , dann z e i g t s i c h , daß d i e Ausgaben

f ü r d i e "maison du R o i " gemessen an deri V o r j a h r e n n i c h t

auffäl-

l i g hoch s i n d , i h r S t e l l e n w e r t im Gesamthaushalt wegen der Zu1 74) nähme anderer Ausgaben jedoch abgenommen hat

.

Ob d i e s e r

Haushaltsansatz r e a l i s t i s c h war oder n i c h t , e r b e w e i s t auf den F a l l d r e i e r l e i : daß der d i r e k t e N u t z e f f e k t e i n e r

je-

Einschrän-

kung des k ö n i g l i c h e n Aufwandes g e r i n g s e i n würde, daß s e i n ökonomischer Sinn indes i n Frage g e s t e l l t worden war, daß man s i c h aber noch immer e i n e Signalwirkung vom V e r h a l t e n des Königs v e r s p r a c h , das nun i n e i n e andere Richtung weisen s o l l t e .

Von

der Reduktion der ä u ß e r l i c h a u f f ä l l i g s t e n Ausgaben wurde e i n e über d i e f i n a n z i e l l e Entlastung hinausgehende p o l i t i s c h e kung e r h o f f t .

Wir-

D i e s z e i g t , wie wenig Luxus e i n e Frage der Zah-

l e n und wie sehr e i n e Frage der Meinungen war, und es

stützt

d i e Behauptung von Mathon de l a Cour, daß d i e1 75) Öffentlichkeit s c h l e c h t über d i e Hofausgaben i n f o r m i e r t s e i . Necker g e 173)Lefèbvre/Terroine, 351-357. 174)Natürlich müssen die für Tabelle 3a verwendeten Quellen kritisch betrachtet werden. Necker, Calonne und Lcmênie de Brienne hatten zuviel Eigeninteresse an der günstigen Darstellung der Finanzen und der Herabsetzung ihrer Amtsvorgänger. Zudem sind die Erhebungsgrundlagen ungleichartig: Mathon de la Cour bezieht z.B. 1768 die Ausgaben für die "maison militaire" des Königs mit ein; die Einberechnung der "Häuser" der königlichen Verwandten und Kinder i s t unterschiedlich gehandhabt; und Necker beschränkt sich 1784 auf die "maison particuliêÈesdu Roi".

3. Luxus und Ökonomie

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