Marktbeherrschungsbegriff »überragende Marktstellung« (§ 22 I Nr. 2 GWB) und Diversifikation [1 ed.] 9783428446674, 9783428046676

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Marktbeherrschungsbegriff »überragende Marktstellung« (§ 22 I Nr. 2 GWB) und Diversifikation [1 ed.]
 9783428446674, 9783428046676

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RAINER JüNGST

Marktbeherrschungsbegriff "überragende MarktsteIlung" (§ 22 I Nr. 2 GWB) und Diversifikation

Schriften zum Wirtschaftsrecht

Band 33

Marktbeherrschungsbegriff "überragende Marktstellung" (§22I Nr.2 GWB) und Diversifikation

Von

Dr. Rainer Jüngst

DUNCKER &

HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1980 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlln 65 Prlnted In Germany

C 1980 Duncker

ISBN 3 428 04667 6

Für Frauke

Vorwort Die vorliegende Arbeit lag dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im Wintersemester 1979/80 als Dissertation vor. Mein besonderer Dank gilt meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Volker Beuthien, der die Arbeit mit wertvollen Hinweisen betreute und durch seine freundliche Unterstützung überhaupt erst ermöglicht hat. Dankbar bin ich auch dem Zweitreferenten, Herrn Professor Dr. Günter Hager, sowie Herrn Reinhard Vieth, Regierungsdirektor beim Bundeskartellamt, der in mehreren Gesprächen meine Arbeit mit wichtigen Hinweisen und Anregungen förderte. Mein Dank gilt darüber hinaus Herrn Ministerialrat a. D. Professor Dr. J. Broermann für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Weimar-Wolfshausen, im Februar 1980 RaineT Jüngst

Inhaltsverzeichnis Einleitung ..................................................... . ......

17

Teil 1 Die wettbewerbspolitisdie Problematik der Diversifikation

19

I. Kap.: Die Diversifikation ............... .' . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . ..

19

A. Begriffsbestimmung ..........................................

19

B. Formen der Diversifikation ..................................

21

I. Diversifikation als Zustand .............................. 1. Horizontale Diversifikation ............................ 2. Vertikale Diversifikation .............................. 3. Konglomerate Diversifikation ......................... ,

21 21 22 22

H. Diversifikation als Prozeß 1. Interne Diversifikation 2. Externe Diversifikation

23 23 24

C. Motive der Diversifikation ....................................

25

I. Streben nach Gewinn und Wachstum....................

25

H. Streben nach Stabilität

26

IH. Streben nach optimaler Ressourcennutzung .......... . ...

2:1

IV. Streben nach Verkaufsförderung ..........................

27

V. Streben nach wirtschaftlicher Macht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

28

VI. Spezielle Motive der externen Diversifikation ............

28

D. Ausmaß und Entwicklungstendenzen

29

H. Kap.: Diversifikative Konzentration und Wettbewerb ............

32

A. Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen der Diversifikation

32

I. Auswirkungen auf die Marktstruktur ....................

33

Inhaltsverzeichnis

10

1. Macht der "deep pockets" (Finanzkraft)

Errichtung und Erhöhung von Marktzutrittsschranken .. Ausschaltung potentieller Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . .. Verstärkung des Konzentrationsprozesses .............. Verschlechterung der Markttransparenz ....... . ........

33 33 34 35 35

11. Auswirkungen auf das Marktverhalten ......... . . . . . . . . . .. 1. Subventionierung von Verdrängungsstrategien ........ 2. Konglomerate Interdependenz .......... . . . . . . . . . . . . .. 3. Reziprozitätspraktiken ................................

36 36 37 38

B. Wettbewerbsfördernde Auswirkungen der Diversifikation ....

39

2. 3. 4. 5.

I. Kostenvorteile

39

11. Erhöhung des effektiven Wettbewerbs. . . . . . . . . . . .. . . . . . ..

40

111. Verstärkung des potentiellen Wettbewerbs. . . . . . . . . . . . . . ..

40

Teil 2

Diversifikation und Marktbeberrschung

42

III. Kap.: Die Entstehungsgeschichte des geltenden Marktbeherrschungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 43 A. Marktbeherrschung nach § 22 I GWB (alte Fassung) ..........

43

B. Die Entwicklung der Marktbeherrschungsdefinition bei der Kartellgesetznovelle 1973 ........................................ 44 I. Die Veränderungen des Begriffs der Marktbeherrschung im

Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ...................... 1. Zur Rolle des Bundeskartellamtes .. . ................. 2. Die Referentenentwürfe .............................. 3. Der Regierungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Die Beratungen im Ausschuß für Wirtschaft und die Haltung der Parteien ....................................

44 44 45 47 47

11. Die Haltung der Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 50

IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB .... A. Die wettbewerbspolitische Bedeutung des Begriffs "überragende

Marktstellung"

52

..............................................

52

B. Zur Auslegungsproblematik ................ . .................

53

Inhaltsverzeichnis I. "überragende MarktsteIlung" als unbestimmter Gesetzes-

begriff

11

..................................................

53

11. Die juristischen Interpretationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . ..

54

111. Erfordernis einer Wertentscheidung ......................

57

IV. Kein behördlicher Beurteilungsspielraum

59

C. überragende Marktstellung und Unternehmensgröße .......... I. "überragende Marktstellung" als Kriterium für allgemeine

62

Unternehmensmacht ...................................... 1. Kritik am Marktrnachtkonzept ................ , 2. Unternehmensgröße und Diversifikation

62 63 63

11. Keine Abkehr vom Marktrnachtkonzept ...... ,., .. ',.'.'.

64

111. Diagonalisierung des Marktbeherrschungsbegriffs ... ,....

67

D. überragende MarktsteIlung und Wettbewerb I. Das Verhältnis von § 22 I Nr. 1 zu Nr.2 GWB ............

1. Ergänzungscharakter der zweiten Marktbeherrschungs-

definition .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Alternativverhältnis .................. ,............... 11. Materielle

Bestimmung des Begriffs der überragenden Marktstellung ............................................ 1. Wettbewerblicher Verhaltensspielraum ................ 2. überragende Marktstellung und wesentlicher Wettbewerb 3. überragende Marktstellung und Wettbewerbsintensität a) überragende Marktstellung und gestörter Wettbewerb b) Marktbeherrschung ohne Nachweis einer Beschränkung des Wettbewerbsverhaltens ...... , ........ ,.. aal Fähigkeit zur Marktbeeinflussung ..... , ..... '.. bb) Strukturtest bei § 22 I Nr. 2 GWB .............. ce) Gefahr einer übermäßigen Wirtschaftskontrolle? 4. überragende Marktstellung als konkreter Gefährdungstatbestand ............................................

V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung nach § 22 I Nr.2 GWB ................................................

A. Vorbemerkungen I. Verhältnis der einzelnen Kriterien zueinander .. . ' , 11. Zurechnungsproblematik

B. Marktanteil ........ . .... . . . ....... . ...... . ....... ' . . . ..... , . .

67 68 68 69 71 71

72 75 75 77

77 78 82 84

86 86 86 88 91

12

Inhaltsverzeichnis I. Bedeutung des Marktanteilskriteriums

91

11. Marktanteil und Marktbeherrschungsvermutung ..........

93

C. Finanzkraft ........................... . ........... . . . ........

96

I. Der Begriff Finanzkraft ........... . ......................

97

11. Ermittlung der Finanzkraft ....... . ...................... 98 1. Umsatzerlöse .......................................... 99 2. Innenfinanzierungsmöglichkeiten ................... . .. 100 3. Außenfinanzierungsmöglichkeiten .................... " 100 111. Bedeutung der Finanzkraft im Wettbewerb .............. 101 1. Erweiterung des wettbewerblichen Handlungs- und Entfaltungsspielraums .................................... 102 2. Droh- und Abschreckungseffekt ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104 IV. Wettbewerbswirksame Finanzkraft 1. Disponibilität der Finanzkraft ........................ a) Gebundene/ungebundene Finanzkraft .............. b) Stärke des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen verbundenen Unternehmen ............................ c) Transfer der Finanzkraft .............. . ........... 2. Eignung zum Einsatz auf dem Markt .................. a) Bedeutung der Finanzkraft im Verlauf der Marktphasen ...................... ; ..................... b) Finanzkraft als Bedrohungspotential .............. aal Wettbewerbsergebnisse des Unternehmens auf anderen Märkten .............................. bb) Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Markt ...........................................

105 106 106 107 108 109 109 112 113 114

D. Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten ............ 116 I. Vorbemerkung

116

11. Effizienz des beschaffungs- und absatzpolitischen Instrumentariums ............................................... 117 IH. Drohung mit vertikaler Integration ...................... 119 IV. Langfristige Lieferverträge, Reziprozitätspraktiken, Ausschließlichkeitsbindungen, Kopplungsverträge, Gesamtumsatzrabattsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120 V. Hohe Marktgeltung ...................................... 122 E. Verflechtungen mit anderen Unternehmen .................... 123 F. Rechtliche und tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen .......................................... 125

Inhaltsverzeichnis 1. Begriff und Bedeutung

13

.................................. 125

II. Ursachen und Arten der Marktzutrittsschranken .......... 126 127 1. Allgemeine Marktschranken 2. Abwehr- bzw. Drohstrategie diversifizierter Unternehmen .................................................. 128 III. Beurteilungsgesichtspunkte zur näheren. Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts potentieller Konkurrenten .................................................. 1. Wirksamkeit der Drohstrategie ........................ 2. Markteindringungsfähigkeit potentieller Konkurrenten .. 3. Marktzutrittswilligkeit potentieller Konkurrenten ......

129 130 131 134

G. Weitere Kriterien einer überragenden Marktstellung .......... 136 1. Technologische Ressourcen

137

II. Produktionstechnische Ressourcen ........... . ........ . ... 138 III. Unternehmerische Ressourcen

139

H. Wertende Gesamtschau ....................... . .............. 139 1. Relativierung (des Marktanteils)

140

1. Abwertung des Marktanteils

140

2. Aufwertung des Marktanteils

141

II. Dauerhaftigkeit der Marktstellung ...................... 141 III. Starke Disproportionalität . der Marktstellungen .......... 144

Teil 3

Diversifikation und ZusammenschluBkontrolle VI. Kap.: Diversifikation und Strukturkontrolle

146 147

A. Strukturkontrolle ............................................ 147

B. Ressourcenbetrachtung im Rahmen des § 24 I GWB .......... 148 VII. Kap.: Erwartung im Sinne des § 24 I GWB ...................... 150

A. Bisheriger Meinungsstreit .................................... 150 B. Auffassung des BGH ...... . .......................... . ...... 151

14

Inhaltsverzeichnis C. Differenzierende Prognosebetrachtung

152

I. Strukturelle Verschlechterung und Wirkungsprognose .... 153

11. Strukturprognose ........................................ 155 VIII. Kap.: Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung - am Beispiel des Eindringens von Großunternehmen in die Märkte kleiner und mittlerer Unternehmen ........................ 156

A. Auslegungsprobleme

157

B. Zukünftige Strukturwirkungen (Folgefusionen)

158

C. Anschlußklausel des § 24 VIII Nr. 2 GWB ............. . ...... 159 IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung .......... 161

A. Begriff der Verstärkung

161

B. Verstärkung durch Zuwachs an Finanzkraft .............. .

162

I. Prognoseanforderungen .................................. 162 11. Zur aktuellen Diskussion um die Finanzkraftverstärkung " 163 C. Verstärkung durch Ausschaltung potentieller Konkurrenz .... 167 I. Grundsätzliche überlegungen ............................ 168 11. Beurteilungsgesichtspunkte .................. ....... . ... 169 1. Potentielles Wettbewerbsverhältnis .................... 169 2. Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Markt .. " 170 D. Verstärkung durch erhöhte Reziprozitätsmöglichkeiten .. . ..... 170 I. Grundsätzliche überlegungen ...................... 11. Beurteilungsgesichtspunkte 1. Wettbewerbsverhältnisse 2. Eigenschaft, Preis und Qualität des Produktes ........ 3. Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

171 171 172 172 173

Ergebnis und IV. Kartellgesetznovelle ......... . . ... . . . ... . .... 175 Literaturverzeidmis

.............. . ...................... . ...... 181

Abkürzungsverzeichnis anderer Ansicht a.A. The rAmerican Economic Review AER alte Fassung a.F. Die Aktiengesellschaft AG Aktiengesetz AktG Antitrust Law and Economic Review ALER Anmerkung Anm. Archiv des öffentlichen Rechts AöR Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer ASU Auflage Auf!. Betriebsberater BB Band Bd. Bundesverband der Deutschen Industrie BDI Bundesgerichtshof BGH Bundeskartellamt BKartA Bundesministerium für Wirtschaft BMWi Deutscher Bundesrat BR Deutscher Bundestag BT Der Betrieb DB derselbe ders. desgleichen desgl. Deutscher Industrie- und Handelstag DIHT Dissertation Diss. Die Öffentliche !Verwaltung DÖV dt. übers. deutsche übersetzung Deutsches Verwaltungsblatt DVBI Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG Firma Fa. Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung u. Wettbewerb e. V. FIW Frankfurter Rundschau FR Festschrift FS Federal Trade Commission FTC Grundgesetz GG grundsätzlich grds. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB Havard Business Review HBR Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels HDE Havard Law Review HLR , herrschende Meinung h.M. Hrsg. Herausgeber in Verbindung mit i. V.m. Juristische Arbeitsblätter JA Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik JfNSt

16 JLE

JUS JZ Kap. KG Komm. Kyklos n.F. NJW ORDO OLG QJE RegE Rdnr. r./l.Sp. s.

S.

Tab. TB Tz. Verf. vgl. VVDStRL WiSt WISU WRP WuW WuW/E z.B.

zm

ZfbF ZgStW ZHR zit. z.T.

Abkürzungsverzeichnis Journal of Law and Economics Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Kommentar Internationale Zeitschrift für Sozialwissenschaften neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Oberlandesgericht The Quarterly Journal of Economics Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung Randnummer rechte/linke Spalte siehe Seite Tabelle Tätigkeitsbericht Textziffer Verfasser vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wirtschaftswissenschaftliches Studium Das Wirtschaftsstudium Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb Entscheidungssammlung der WuW zum Beispiel Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht zitiert zum Teil

Einleitung Mit der H. Novelle zum Kartellgesetz von 1973 wurde der bislang geltende Begriff der Marktbeherrschung ("Unternehmen, die keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind") in § 22 I Nr. 2 GWB zusätzlich durch den Begriff "überragende Marktstellung" definiert. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten damit vor allem auch die wettbewerbspolitisch immer bedeutsamer werdenden Fälle der vertikalen und konglomeraten Konzentration im Rahmen der Mißbrauchs aufsicht (§ 22 IV, V GWB), des Diskriminierungsverbots (§ 26 H GWB) und der neu eingeführten Zusammenschlußkontrolle nach § 24 GWB besser erfaßbar werden1 • Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den neuen Marktbeherrschungsbegriff "überragende MarktsteIlung" und seine Kriterien nach § 22 I Nr. 2 GWB zu konkretisieren, um deren Tauglichkeit für eine sachgerechte Erfassung konglomerater bzw. diversifikativer Unternehmenskonzentration zu überprüfen. Methodisch soll dabei so vorgegangen werden, daß zunächst in Teil 1 die wettbewerbspolitische Problematik dieser Konzentrationsform aufgezeigt wird. Ausgehend von der Kennzeichnung des Diversifikationsbegriffes, der als Oberbegriff die Problematik der konglomeraten Konzentration sowohl als Prozeß als auch als Zustand bezeichnet2 , den Diversifikationsformen, ihren Ursachen und den Entwicklungstendenzen werden die von der Diversifikation ausgehenden Wirkungen auf den Wettbewerb analysiert. Auf der Grundlage der vorgenommenen wettbewerbspolitischen Beurteilung soll anschließend in Teil 2 untersucht werden, ob und inwieweit der Marktbeherrschungsbegriff des § 22 I GWB geeignet ist, die Wettbewerbswirkungen diversifizierter Einzelunternehmen zu erfassen. Einleitend ist dabei der Marktbeherrschungsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung für das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium zu 1 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 30, 21 ff.; Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Nr. 58, 1973, S. 2. 2 Der antitrustrechtliche Terminus "konglomerate Konzentration" ist allzusehr der Zusammenschlußproblematik verhaftet, die jedoch nur einen Teil der Gesamtproblematik (siehe Teil 3) darstellt. Vgl. unten, I. Kap., A.

2 Jüngst

18

Einleitung

kennzeichnen und ein kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte seiner Definition bei der Kartellgesetznovelle 1973 zu geben. Die materielle Ausdeutung des für eine Erfassung diversifizierter Unternehmen entscheidenden Marktbeherrschungsbegriffs "überragende MarktsteIlung" schließt sich daran an. Neben der Erörterung von Auslegungsproblemen bei unbestimmten Gesetzesbegriffen im Kartellrecht wird eine rechtliche Abgrenzung und Einstufung dieses neuen Marktbeherrschungstatbestandes gegenüber dem beibehaltenen bisherigen Begriff der MarktbeherrschWlg (Fehlen wesentlichen Wettbewerbs) vorgenommen, die den Ausgangspunkt für die spätere inhaltliche Konkretisierung der Kriterien einer überragenden Marktsteliung bildet. Werden die AusführWlgen in Teil 2 ausschließlich unter dem Aspekt einer Gegenwartsbetrachtung für die Zwecke der Mißbrauchsaufsicht und des Diskriminierungsverbots vorgenommen, so sollen in Teil 3 die Besonderheiten bei der Behandlung von diversifizierenden bzw. konglomeraten Unternehmenszusammenschlüssen aufgezeigt werden, die sich aus dem zukunftsbezogenen Betrachtungsansatz bei der Fusionskontrolle ergeben. Abschließend und zusammenfassend wird zu Alternativ- Wld Ergänzungsvorschlägen zur Verbesserung des wettbewerbsrechtlichen Instrumentariums gegenüber diversifizierten Unternehmen im Rahmen der IV. Kartellgesetznovelle Stellung genommen.

Te i I 1

Die wettbewerbspolitische Problematik der Diversifikation I. Kapitel

Die Diversifikation A. Begriffsbestimmung Der dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch entstammende Begriff "Diversifikation" ist ein betriebswirtschaftlicher Terminus, der grundsätzlich die nicht rein horizontale oder rein vertikale Ausweitung des Aktionsbereichs eines Unternehmens kennzeichnet, dessen nähere Begriffsbestimmung im übrigen allerdings umstritten ist!. Die zumindest für die Bundesrepublik Deutschland als überwiegend zu charakterisierende Literaturmeinung2 konkretisiert den betriebswirtschaftlichen Diversifikationsbegriff im Anschluß an das von Ansoff3 begründete Produkt-Markt-Konzept. Nach dieser Auffassung hat Diversifikation, im Unterschied zur Marktdurchdringung, Produkt- und Marktdifferenzierung (Expansion)4, die Erstellung eines neuen Produkts für einen neuen Markt zur Voraussetzung. "Neu" ist dabei nicht im Sinne einer völligen Verschieden artigkeit von Produkt und Markt, sondern im Hinblick auf die bisherige Tätigkeit des Unternehmens im Sinne von "andersartig" zu verstehen. Aus der Fülle von Möglichkeiten, die von einer graduellen bis zu einer fundamentalen Andersartigkeit reichen können5, ergeben sich Produktund Marktverwandtschaftsgrade, die den Diversifikationsgrad sowie die unterschiedlichen Formen der Diversifikation bestimmen6 • 1 Vgl. etwa Ansoff, HBR, Vol. 35 (1957), No. 5, S. 113 ff.; Penrose, S. 107 f., Gort, S. 8 f., Böckel, S. 11 ff.; dazu die ausführliche und gründliche Zusammenfassung bei Meinhold, S. 9 ff.; s. auch Borschberg, S. 47 ff. 2 Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 296 ff.; Böckel, S. 11 ff.; Meinhold, S. 9 ff. (20); Kase, S. 5lf.; Grosche, S. 135 ff.; Sölter, in: Handbuch, S. 60 f.; Fuchs, Der Markt, 1968, Nr. 28, S. 82. 3 Ansoff, HBR, Vol. 35 (1957), No. 5, S. 113 ff.; ders., Corporate Strategy, S. 122 ff., dt. übers. in: ders., Management-Strategie, S. 130 ff., 149 ff. 4 Zur Abgrenzung von Diversifikation und Expansion vgl. das Schema von Ansoff, HBR, Vol. 35 (1957), No. 5, S. 114; s. auch Meinhold, S. 17 ff. u. S. 24. 5 Vgl. Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 297.

20

1. Kap.: Die Diversifikation

Subjektiv setzt der betriebswirtschaftliche Diversifikationsbegriff eine entsprechende zielgerichtete Absicht des Unternehmens zur dauerhaften, langfristigen Fortführung sowohl des Kernprogramms als auch des neuen Leistungsbereichs voraus 7 • Eingang in die wettbewerbspolitische Literatur fand der Diversifikationsbegriff vor allem im Zusammenhang mit der wettbewerbspolitischen Problematik konglomerater bzw. diagonaler Unternehmenszusammenschlüsse, die eine später näher zu erörternde besondere Wachstumsform der Diversifikation darstellen. Mit der 11. Kartellgesetznovelle von 1973, deren erweiterte Marktbeherrschungsdefinition nach § 22 I GWB ausdrücklich auf eine Erfassung der Fälle konglomerater Konzentration abzielte8 , rückte der Diversifikationstatbestand verstärkt in den Mitte'lpunkt des wettbewerbsrechtlichen Interesses. Diversifikation wird in der Betriebswirtschaft weitgehend prozeßbezogen als eine bestimmte Unternehmensstrategie ("Diversifizierung")9 verstanden und erörtert. Der Begriff umschreibt jedoch nicht nur einen Entwicklungsprozeß, sondern gleichzeitig einen Umstand1o • Als Gegenstand wettbewerbspolitischer Beurteilung haben beide Erscheinungsformen gleichwertige Bedeutung. So erfaßt der Marktbeherrschungsbegriff nach § 22 I GWB einerseits im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht und des Diskriminierungsverbots situationsbezogen die Marktrnacht diversüizierter Unternehmen als Voraussetzung der Verhaltenskontrolle, andererseits im Rahmen der Fusionskontrolle prozeßbezogen die aufgrund (externer) Diversifizierung entstehende Marktrnacht als Eingreifkriterium der Strukturkontrolle. Die subjektiven Voraussetzungen des betriebswirtschaftlichen Diversifikationstatbestandes verlieren dabei weitgehend ihre Bedeutung. Vor diesem rechtlichen Hintergrund und in übereinstimmung mit dem Gesamtaufbau dieser Arbeit sollen beide Erscheinungsformen der Diversifikation getrennt näher dargestellt werden. Dabei bietet es sich an, bei der Darstellung der Diversifikation als Zustand eine Abgrenzung der verschiedenen Diversifikationsformen nach ihren Richtungen (bzw. Verwandtschaftsgraden) und bei der Darstellung als Prozeß eine Abgrenzung nach ihren Wachstumsformen vorzunehmenl l • • Vgl. Meinhold, S. 19. 7 Vgl. Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 298; BarteIs, s. Untertitel u. S. 20; Meinhold, S. 10. S Vgl. schon oben, Einleitung; unten !I1. Kap., B. 1. 3. 9 Vgl. BarteIs, S. 18; im Anschluß daran Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 296, Anm. 4. 10 Vgl. Gieskes, S. 1; Böhnke, S. 42.

B. Formen der Diversifikation

21

B. Formen der Diversifikation I. Diversifikation als Zustand

Ein Unternehmen kann als diversifiziert bezeichnet werden, wenn es im Zeitpunkt der Betrachtung mehrere verschiedenartige Produkte auf unterschiedlichen Märkten vertreibt. In Wissenschaft und Praxis wird dieser Unternehmenstyp mehr oder weniger treffend auch durch Begriffe wie Mischunternehmen, Mehrproduktunternehmen, konglomerates Unternehmen gekennzeichnet. Die Abgrenzung der einzelnen Diversifikationsformen nach der Richtung der Diversifikation (horizontal, vertikal etc.)12 gibt Aufschluß über die Intensität der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Produkt- und Marktbereichen. Dieser Gesichtspunkt steht im Zentrum einer die Auswirkungen der Diversifikation untersuchenden Wettbewerbsanalyse. 1. Horizontale Diversifikation

Horizontale Diversifikation liegt vor, wenn das verschiedenartige Produktionsprogramm der Unternehmung durch einen bestimmten sach'lichen Zusammenhang gekennzeichnet ist. Solche Zusammenhänge können durch gleiche(s) oder gleichartige(s) Werkstoffe, Produktionsverfahren, Vertriebswege, Produkt-Know-How sowie durch Verwendungsgemeirisamkeiten des Produktes13 begründet sein. Ordnend und zusammenfassend soll unterschieden werden zwischen a) produktverbundener Diversifikation - bei gleicher Rohstoffbasis, gleichartiger Fertigung oder Technologie b) marktverbundener Diversifikation14 - wenn die Produkte der gleichen Kundengruppe angeboten werden können, weil Verwendungsgemeinsamkeiten bestehen, wenn sie 11 Damit sollen lediglich die wichtigsten Unterscheidungsmöglichkeiten aufgegriffen werden. Neben diesen können Diversifikationsformen nach zeitlichen und räumlichen Kriterien, nach ihren betrieblichen Ansatzpunkten, nach ihren strategischen Zielen sowie nach ihren Ursachen unterschieden werden. Vgl dazu Sölter, in: Handbuch, S. 62 ff.; Meinhold, S. 20 ff. l! Vgl. Ansoff, HBR, Vol. 35 (1957), No. 5, S. 118; Sölter, in: Handbuch, S. 63 ff., mit einer Fülle von anschaulichen Beispielen; Grosche, S. 137 f.; Böckel, S. 17 ff.; Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 299 f.; Meinhold, S. 21 ff.; Borschberg, S. 50 f.; Marr / Picot, in: Heinen, Industriebetriebslehre, S. 455 f.; ähnlich Penrose, S. 109 ff.; Edwards, in: Festgabe für H. Kronstein (1967), S. 247. 13 Vgl. Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 299. 14 Die gleichen Begriffe verwendet Meinhold, S. 21, der allerdings diese Diversifikationsformen enger umschreibt, indem er sie einerseits als Fall der Produkt- bzw. Materialtreue, andererseits als Fall der Kunden- bzw. Problemtreue darstellt.

22

1. Kap.: Die Diversifikation

über die gleichen Vertriebswege abgesetzt werden oder wenn zu ihrem Vertrieb Erfahrungen und Einrichtungen gemeinsam genutzt werden können.

2. Vertikale Diversifikation Die Ausdehnung des Tätigkeitsbereichs der Unternehmung auf voroder nachgelagerte Produktionsstufen erffrllt nur dann den Diversifikationstatbestand, wenn sie nicht lediglich der eigenen Bedarfsdeckung bzw. Absatzsicherung dient, sondern darüber hinaus zur Aufnahme neuer Marktbeziehungen mit Drittunternehmen führt 15 • Unterschieden wird zwischen a) Vorstufendiversifikation - wenn das Unternehmen auf vorgelagerten Märkten im Wettbewerb mit seinen alten Lieferanten steht und eigene Mitbewerber zu seinen Kunden zählen b) Nachstufendiversifikation - wenn das Unternehmen auf nachgelagerten Märkten in Konkurrenz mit alten Abnehmern steht und Nachfrager eigener Mitbewerber ist c) Reziprozitätsdiversifikation18 - wenn dem Unternehmen auf nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Marktstufen Lieferanten sogleich als aktuelle oder potentieHe Kunden bzw. Kunden sogleich als aktuelle oder potentielle Lieferanten gegenübertreten. Oder anders: Wenn das Unternehmen entweder Lieferant eines Lieferanten oder Kunde eines Kunden ist oder sein kann.

3. Konglomerate Diversifikation Bei konglomerater (lateraler, diagonaler, wesensfremder) Diversifikation sind derartige Funktions- und Aktivitätsgemeinsamkeiten nicht gegeben. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Produkt- und Marktbereichen besteht nicht17 • Sie läßt den eigentlich typischen Charakter der Diversifikation zutage treten und kann daher auch als echte Diversifikation bezeichnet werden. 15 Vgl. Borschberg, S. 50 f.; Meinhold, S. 22; Gieskes, S. 2; SchmalenbachGesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 299. 18 Vgl. Meinhold, S. 22, der damit der wettbewerblichen Gefährdung durch Aufnahme wechselseitiger Lieferbeziehungen in einer typischen Diversifikationsform Ausdruck verschafft. Die Möglichkeit zur Aufnahme reziprozitärer Beziehungen beschränkt sich allerdings keineswegs auf diese spezielle Art der Diversifikation. Vgl. V. Kap., D. IV. 17 Vgl. Ansoff, HBR, Vol. 35 (1957), No. 5, S. 118; Sölter, in: Handbuch, S. 77; Meinhold, S. 23.

B. Formen der Diversifikation

23

D. Diversifikation als Prozeß

Diversifikation im dynamischen Sinn kennzeichnet eine Unternehmensstrategie, die auf eine Ausweitung des Produktions- und Absatzprogrammes gerichtet ist und dabei über bisher bekannte Produkte und Märkte hinausgeht. Diversifikation bezeichnet demnach einen bestimmten Wachstumsprozeß einer Unternehmung, der sich in der größeren Verschiedenartigkeit der Endprodukte und Absatzmärkte manifestiert. Dieser Prozeß kann sich im Wege internen oder externen Wachstums vollziehen18. 1. Interne Diversifikation Beim intern diversifizierenden Unternehmen erfolgt dieser Vorgang durch Eigenentwicklung, d. h. aufgrund unternehmensinterner Anstrengungen (infolge von Produktinnovation oder -imitation) durch Auslastung und Ausbau bereits gegebener, vielseitig verwendbarer Betriebsanlagen und -einrichtungen bzw. durch die Neuerrichtung ganzer Betriebsteile, Betriebe oder Unternehmungen1o • Im Gegensatz zur externen Diversifikation handelt es sich hierbei um einen weitgehend kontinuierlich verlaufenden "natürlichen" Entwicklungsprozeß des Unternehmens, der als solcher der wettbewerblichen Kontrolle des GWB nicht unterliegt und damit nicht Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Beurteilung sein kann, weil das Gesetz Möglichkeiten zur staatlichen Lenkung, Planung oder Kontrolle privater Investitionsentscheidungen nicht kennt. Zwar steht die wirtschafts-, wettbewerbs- und gesellschaftspolitische Problematik des internen Unternehmenswachstums schon seit Jahren im Kreuzfeuer der Meinungen20 , bisweilen hat der Gesetzgeber allerdings an der wettbewerbspolitischen Grundsatzentscheidung 21 für unbehindertes internes Wachstum festgeha'lten. So erlangte marktbeherrschende Stellungen werden allein im Falle eines Mißbrauchs bzw. der Diskriminierung (§§ 22 IV, V; 26 II GWB) vom GWB erfaßt. Lediglich externes Wachstum unterliegt als solches unmittelbar den Bestimmungen des Gesetzes. 18 Vgl. Penrose, S. 5 f.; Sölter, in: Handbuch, S. 78 ff., mit zahlreichen Beispielen; Schumacher, Diversifikation, S. 68; Frankus, S. 15; Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 378. 19 Vgl. Meinhold, S. 25; Sölter, in: Handbuch, S. 78 ff., der dabei näher zwischen "Ur-Diversifikation" (Nutzung vorhandener Anlagen, Erfahrungen etc.) und "Interner (Neu-) Diversifikation" unterscheidet. %0 Vgl. Krüper (Hrsg.), Investitionskontrolle gegen Konzerne?, 1974; Sölter, Investitionswettbewerb und Investitionskontrolle, 1973; Zinn, Investitionskontrollen und -planung, in: Wirtschaftsdienst 1973, S. 301 ff.; Fleischle / Krüper, Investitionslenkung, 1975; Henschel / Besters, Investitionslenkung in der Marktwirtschaft?, 1976. 21 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 849, S. 469.

24

I. Kap.: Die Diversifikation

2. Externe Diversifikation Der bequemere Weg zur Diversifikation ist der des externen Wachstums, insbesondere durch Zusammenschluß mit bereits bestehenden Unternehmen ("conglomerate merger") oder durch Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens ("joint venture"). Beide Formen externen Diversifikationswachstums sind als solche Gegenstand kartellrechtlicher Beurteilung: Externe Unternehmenskonzentration unterliegt als Zusammenschluß im Sinne des § 23 11 GWB der wettbewerblichen Strukturkontrolle der §§ 23 ff. GWB - ausgenommen jene Gemeinschaftsunternehmen mit lediglich kooperativem Charakter22, die nach den selbständigen Verbotsgesetzen der §§ 1 ff. GWB zu beurteilen sind. Diversifizierte (diagonale23 , konglomerate) Unternehmenszusammenschlüsse werden teilweise negativ definiert als Zusammenschlüsse, die weder als horizontal noch als vertikal anzusehen sind!'. Im Anschluß an die Ausführungen zur Bestimmung des betriebswirtschaftlichen Diversifikationsbegriffs soll hier der positiven Definition25 gefolgt werden, wobei - in Anlehnung an die Antitrust-Terminologie - zwischen folgenden Arten unterschieden werden kann: a) Markterweiterungszusammenschlüsse (market extension mergers) Die beteiligten Unternehmen bieten ein gleichartiges Produkt auf verschiedenen, räumlich getrennten Absatzmärkten an (extern geographische Diversifikation). b) Produkterweiterungszusammenschlüsse (product extension mergers) Die beteiligten Unternehmen bieten verschiedenartige Produkte an, die jedoch irgendwelche ökonomische Gemeinsamkeiten in Produktion, Absatz oder Forschung aufweisen (extern horizontale Diversifikation). !! Vgl. zu dieser Problematik Hahn, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1974/75, S. 57 ff.; Leube, ZHR 141 (1977), S. 313 ff.; Albers, Zur wettbewerbsrechtlichen Behandlung der Gemeinschaftsunternehmen, 1977; Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 904 ff., S. 502 ff.; Huber WuW 1975, S. 371 ff. 23 Die synonyme Verwendung des Begriffs "diagonal" steht mit dem Begriffsverständnis des Verf. nur im Einklang, wenn er im weiteren Sinne verstanden wird, d. h. produkt- und marktbezogene Gemeinsamkeiten nicht ausschließt. Vgl. Frankus, S. 13 f. 24 Vgl. Kaysen / Turner, S. 120; Narver, S. 3; Economic Concentration, Hearings, Part 3 (Blair), S. 1398; Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 5. !5 Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 1 (Edwards), S. 38 und Part 8 A (FTC), S. 265; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 547 f.; Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 85 ff.; Haager, S. 8 ff.

C. Motive der Diversifikation

25

c) Marktverkettungszusammensch:lüsse Die beteiligten Unternehmen entstammen verschiedenen, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Marktstufen, wodurch bisherige Lieferanten zu potentiellen Kunden oder bisherige Kunden zu potentiellen Lieferanten werden und die Möglichkeit zur Aufnahme wechselseitiger Lieferbeziehungen (reciprocal dealings) begründet wird (externe Reziprozitätsdiversifikation). d) (Rein)26 konglomerate Zusammenschlüsse (pure conglomerates) Zwischen den beteiligten Unternehmen bestehen weder im Produktoder Marktbereich irgendwelche Beziehungen oder Gemeinsamkeiten im Sinne von a) und b) noch eröffnet der Zusammenschluß die Möglichkeit reziprozitärer Beziehungen (extern konglomerate Diversifikation).

c.

Motive der Diversifikation

I. Streben nach Gewinn und Wachstum

Ein Unternehmen neigt zur Diversifikation, wenn die Ziele des Unternehmens im bisherigen Produkt-Markt-Rahmen nicht mehr oder nur unzureichend verwirklicht werden können27 und ein Engagement in neuen Tätigkeitsbereichen lohnender erscheint als in Clen bisherigen. Das Unternehmensziel wird in marktwirtschaftlichen dezentral organisierten Wirtschaftssystemen grundsätzlich durch das erwerbswirtschaftliche Prinzip des Gewinnstrebens bestimmt. Das Gewinnmaximierungsmotiv vermag indessen allein nicht, die verstärkte Diversifikationsbewegung als typische Erscheinungsform des Entwicklungsprozesses moderner Industriegesellschaften28 zu erklären. Während das Gewinnmaximierungsprinzip im Zielkatalog des traditionellen Eigentümerunternehmens regelmäßig dominiert, führte die zunehmende Herausbildung wirtschaftlicher Großorganisationen und die damit verbundene Trennung von Eigentümer- und Unternehmerfunktion im heute typischerweise managementgeleiteten Unternehmen zu einer Veränderung des Zielsystems, die das Gewinnstreben in seiner Bedeutung relativiert und Wachstumsinteressen in den Vordergrund 21 Dieser Zusatz ist insoweit von Bedeutung, als die verschiedenen Zusammenschlußarten, dem amerikanischen Sprachgebrauch folgend, unter dem Oberbegriff "Konglomerate" behandelt werden. Hier und im folgenden ist jedoch "Diversifikation" der die gesamte Problematik umfassende Oberbegriff. 27 Vgl. Ansoff, Management-Strategie, S. 151. 28 Vgl. Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch 1973, S. 135; Böckel, S. 2; Neumann, in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 272 ff.; Sölter, in: Handbuch, S. 61.

I. Kap.: Die Diversifikation

26

rückt29 • Das Wachstumsinteresse des Managements kann ein eigenständiges Diversifikationsmotiv bilden, das sogar das Gewinnziel an Bedeutung überragt3o • Der Streit um die Frage, welcher Motivation im Zielsystem des repräsentativen Industrieunternehmens letztlich Priorität beizumessen ist, kann hier nicht entschieden werden31 • Zweckmäßig erscheint es, von der gleichrangigen Bedeutung beider Zielvorstellungen auszugehen - zumal sie sich nicht zwangsläufig widersprechen müssen und langfristig durchaus zusammenf~llen können32 • Gewinn und Wachstum eines Unternehmens lassen sich auf der Grundlage eines einzigen Produkts, dessen Lebensdauer regelmäßig begrenzt ist und dessen Lebenszyklus die Phasen der Entwicklung, der Expansion, der Ausreifung und der Stagnation durchläuft33, nicht dauerhaft gewährleisten. Soweit erfolgversprechende Expansionschancen auf dem (den) bisherigen Markt (Märkten) nicht gegeben sind, bilden sinkende Wachstums- und Gewinnaussichten aufgrund der verbleibenden geringen Lebensdauer des (der) Produkts (Produkte), verstärter Konkurrenzbeziehungen, Bedarfssättigung etc. für das Unternehmen regelmäßig den Anlaß, sich nach neuen Produkten als Träger von Verdienst und Umsatz umzuschauen und in Märkte zu diversifizieren, deren Entwicklungsphasen günstigere Gewinn- und Wachstumschancen bieten34 • 11. streben nadl Stabilität Ein weiteres wesentliches Diversifikationsmotiv stellt das Interesse des Managements an einer möglichst stabilen Unternehmensentwicklungdar. Die Verteilung der Aktivitäten des Unternehmens auf eine Vielzahl von Märkten durch Diversifikation bietet dem Unternehmen eine Möglichkeit der Risikostreuung 36, um den auf ihren Einzelmärkten drohen29

Grundlegend: Baumol, Business Behavior, Value and Growth, S. 45 ff.,

86 ff.

30 Vgl. Mueller, D. C., QJE, Vol. 83 (1969), S. 644 ff.; Schumacher, Diversifikation, S. 70 ff.; Borchert, ZgStW 126 (1970), S. 635 ff.; Gieskes, S. 14 ff. 31 Vgl. die zusammenfassende Darstellung der Diskussion um die Bedeutung von Gewinn- und Umsatzziel mit weiteren Literaturhinweisen bei Scherer, S. 27 ff.; Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 386 ff.; Heinen, Grundlagen, S. 59 ff. 32 Vgl. Schmitt-Rink, JfNSt 179 (1966), S. 418 ff. 33 Grundlegend: Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 25 ff. 34 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 74; Frankus, S. 34 f.; Böhnke, S. 42 ff.; Grosche, S. 144 ff.; Borschberg, S. 166 ff. 35 Vgl. Gort, S. 106; Böhnke, S. 45 ff.; Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 377; Schumacher, Diversifikation, S. 74 f.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 35 f.; Sölter, in: Handbuch, S. 84 ff.; Böckel, S. 54.

c. Motive der Diversifikation

27

den Gefahren vorzubeugen, die von langfristig struktureilen36 oder kurzfristig zyklischen (saisonalen oder konjunkturellen) Schwankungen der Nachfrage37 sowie von anderen vorhersehbaren und nicht vorhersehbaren Veränderungen der Marktbedingungen (Rohstoffverknappung, Marktzutritt mächtiger Wettbewerber38 etc.) ausgehen können. Der risiko ausgleichende Effekt der Diversifikation ist um so wirkungsvoller, je stärker sich das Unternehmen von seinem bisherigen Tätigkeitsbereich entfernt39 und in Märkte diversifiziert, die eine unterschiedliche, möglichst gegenläufige Nachfrageschwankung und eine andere, möglichst entgegengesetzte Marktentwicklung aufweisen40 • 111. Streben nach optimaler Ressourcennutzung

Leer- bzw. überschußkapazitäten, die durch eine ungenügende Auslastung der produktiven Ressourcen bei der gegebenen Betriebsgröße ihre Ursache haben, können durch diversifizierende Aktivität der Unternehmung abgebaut werden41 • Je nach dem Grad der Funktionsverbundenheit zwischen dem bisherigen und dem neuen Tätigkeitsbereich42 können die durch die Untei'lbarkeit der Produktionsfaktoren bedingten freien Kapazitäten in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion, Absatz, Verwaltung, Management sowie die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen einer intensiveren Nutzung zugeführt werden43 und damit eine nachhaltige Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität des Unternehmens bewirken. Die kommerzielle Verwertung der in unternehmenseigenen Forschungsabteilungen erzielten Ergebnisse, Erfindungen und besonderen produktionspolitischen Verfahrenskenntnisse bilden einen weiteren Beweggrund44 • IV. Streben nadl Verkaufsförderung

Ein spezifisches Motiv marktverbundener Diversifikation begründet die verbundene Nachfrage der Kunden46 • Vgl. Borschberg, S. 160 ff. Vgl. Frankus, S. 42 ff.; Penrose, S. 138 ff. 38 Vgl. Meinhold, S. 45 f. 39 Vgl. Schmalenbach-Gesellschaft, ZfbF 25 (1973), S. 296; Sölter, in: Handbuch, S. 77. 40 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 75; Böhnke, S. 45 f. 41 Vgl. allg. zum Wachstumsprozeß der Unternehmung Penrose, S. 65 ff. 42 Vgl. Petry, in: Schmollers .Jahrbuch 1970, S. 556. 43 Vgl. Narver, S. 71 ff.; Sölter, in: Handbuch, S. 86 ff., sowie zur "reinen Finanzdiversifikation" S. 96 f.; Böhnke, S. 49 ff.; Meinhold, S. 40 f.; Schumacher, Diversifikation, S. 76 ff.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 34 f. 44 Vgl. Grosche, S. 164 f. 38 37

28

I. Kap.: Die Diversifikation

Besteht von Seiten der Abnehmer ein Interesse daran, bei seinen Anbietern eine gewisse Breite des Sortiments vorzufinden, welche die Auswahl zwischen alternativen und ergänzenden Produkten bzw. Leistungen erlaubt, so wird das Unternehmen bestrebt sein, durch eine den Bedarfsgruppen46 entsprechende Ausweitung des Programms seine Wettbewerbschancen zu vergrößern bzw. zu wahren, wenn Mitbewerber bereits erfolgreich diese Diversifikationspolitik betreiben47 • V. streben nam wirtsmaftlimer Mamt

Das Phänomen des "empire building" im Wege der diversifizierenden Expansion kann letztlich nur erklärt werden, wenn man das Streben nach Prestige und Macht4S , d. h. das Verlangen nach allgemeiner Anerkennung und nach verstärkten Beherrschungs- und Kontrollmöglichkeiten über Personen, Materialien und Situationen im ökonomischen, aber auch im außerökonomischen Bereich, als selbständiges Diversifikationsmotiv des Managements begreift49 • VI. Spezielle Motive der externen Diversifikation

Kann das Unternehmen den aufgezeigten Beweggründen auch grundsätzlich sowohl im Wege der internen als auch der externen Diversifikation nachfolgen, so lassen doch eine Reihe von erheblichen betriebswirtschaftlichen und wettbewerblichen Vorteilen gerade die externe Wachstumsform für die Unternehmen besonders attraktiverscheinen60 • Durch Zusammenschluß mit einem anderen, bereits etablierten Unternehmen kann das Diversifikationsziel mit geringerem Zeitaufwand61 und oftmals kostengünstiger 62 verwirklicht werden als durch Eigenaufbau und -erweiterung. Die Wahrscheinlichkeit eines Investitionsverlustes ist bei der· Übernahme bereits etablierter Unternehmen geringer, wenn schon bestehende marktstrategische Vorteile (Kundenpräferenzen, Absatzorganisation etc.) ausgenutzt werden können, ohne Vgl. Frankus, S. 35 f. Zu den verschiedenen Arten der Bedarfsgruppen-Diversifikation vgl. Sölter, in: Handbuch, S. 67 ff., mit einer Fülle von Beispielen. 47 Vgl. Thorp / Crowder, S. 652. 48 Vgl. allgem. Heinen, Grundlagen, S. 79 f. 49 Vgl. Gordon, S. 305 ff.; Böhnke, S. 48 f.; Lenel, Ursachen, S. 322 ff.; Schumacher, Diversifikation, S. 72 f. 60 Insgesamt sieben Grunde nennt erstmals Weston, S. 73 ff. 51 Vgl. Borschberg, S. 215 f. 52 Vgl. mit Hinweisen auf günstige finanzpolitische übernahmetechniken Economic Concentration, Hearings, Part 8 A (FTC), s. 80 ff.; Frankus, S. 15 ff.; Schumacher, Diversifikation, S. 78; Meinhold, S. 26; Kruber, WuW 1971, S. 221 f.; Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 34 ff. 46

41

D. Ausmaß und Entwicklungstendenzen

29

daß es hierzu eigener Anstrengungen und wettbewerblicher Auseinandersetzungen bedarf63 • Der externe Marktzugang erhöht nicht die Zahl der Wettbewerber und führt nicht zur Vergrößerung der Kapazitäten auf dem Markt. Den Zutritt abwehrende Kampfmaßnahmen der etablierten Wettbewerber können dadurch weitgehend verhindert werden64• D. Ausmaß und Entwicklungstendenzen Ausmaß und Trend der Diversifikation in den Vereinigten Staaten lassen sich anhand einer Reihe von umfassenden Untersuchungen eindeutig belegen. Wie vor allem die Studien von Gort66 und Berry 68, so bestätigen auch alie übrigen Untersuchungen67 die These, daß die großen Unternehmen in den USA seit 1920 in zunehmendem Maße eine Strategie der Diversifizierung verfolgen58• Heute werden die 200 größten Unternehmen der Vereinigten Staaten durchweg und in hohem Ausmaß als diversifiziert angesehen werden können69 • Die starke Diversifikationstendenz läßt sich am Beispiel der externen Konzentrationsbewegungen in den USA eindrucksvoll veranschaulichen. Während die ersten beiden Konzentrationswellen um die Jahrhundertwende und in den zwanziger Jahren noch ganz überwiegend durch horizontale Zusammenschlüsse gekennzeichnet waren, trat mit der etwa 1948 einsetzenden 3. Konzentrationswelle die konglomerate Konzentration in den Vordergrund und wurde gar zur bestimmenden Erscheinungsform des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses. Dominierten 1948 zunächst noch eindeutig die Fälle der horizontalen Zusammenschlüsse, so stieg doch der Anteil der konglomeraten Fusionen beständig an und erreichte im Jahre 1968 bei großen Zusammenschlüssen seinen bisherigen Höchststand mit fast 90 0f060. Wenn auch im Verlauf der wirtschaftlichen Rezession in den frühen 70er Jahren dieser hohe Anteil zunächst nicht bestehen blieb und zwischenzeitlich auf ca. Vgl. Weston, S. 74 f.; Meinhold, S. 26 f.; Frankus, S. 19. Vgl. Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 39; Borchert, ZgStW 126 (1970), S. 641. 55 Gort, Diversifikation and Integration in American Industry, S. 27 H. 58 Berry, Corporate Growth and Diversifikation, JLE, Vol. 14 (Oct. 1971), S. 371 ff. 57 Vgl. die Zusammenstellung bei Böhnke, S. 86, Anm. 58. 68 Vgl. Böhnke, S. 82 ff.; Kaufer, Konzentration und Fusionskontrolle, S. 39 ff.; Haager, S. 44 ff. 68 Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 8 A (FTC), S. 221. 80 Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 8 A, S. 61; Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 156, spricht sogar von 91 Ufo. 53

5&

30

1. Kap.: Die Diversifikation

60 % zurückging, so zeigt doch die erneute Anteilssteigerung auf Werte um 80 Ofo in den Jahren 1975/7661 , daß die Diversifikationstendenz auch weiterhin ganz deutlich überwiegt. Soweit ersichtlich, liegt zur Diversifikationsentwicklung .in der Bundesrepublik neben der Untersuchung von Tanheiser62 in einer amerikanischen Dissertation kein weiteres Zahlenmaterial vor 63 • Nach den Ermittlungen von Tanheiser, der die Diversifikation der hundert größten Industrieunternehmen in der Bundesrepublik analysierte, stieg der Anteil der diversifizierten Unternehmen von einem Drittel im Jahr 1950 auf 56 der hundert größten Unternehmen im Jahre 1970 an64 • Damit zeichnen sich grundsätzlich ähnliche Entwicklungstendenzen wie in den USA ab, wenngleich deutlich wird, daß Ausmaß und Trend der Entwicklung weniger stark ausgeprägt sind als in den Vereinigten Staaten. Im Unterschied zur amerikanischen Entwicklung, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, machte sich eine verstärkte Neigung deutscher Unternehmen zur Diversifikation erst in der Endphase des stürmischen Wirtschaftsaufschwungs nach dem Kriege bemerkbar. Waren bestehende diversifizierte Unternehmen zumeist Produkte des ZufaBs oder der Steuergesetzgebung nach dem Krieg 65 , so wurde in den 60er Jahren Diversifizierung zunehmend als geeignetes Mittel einer erfolgreichen Unternehmenspolitik entdeckt. Ähnlich wie in der Anfangsphase der Diversifikationsentwicklung in den USA ist dabei die deutsche Diversifikationsbewegung durch eine stark dominierende Produkt- und Marktbezogenheit gekennzeichnet66 • Auch dürften in der Bundesrepublik die Fälle der internen gegenüber der externen Diversifikation noch weitgehend im Vordergrund stehen67 • Dennoch lassen die bisherigen Erfahrungen mit der Zusammenschlußkontrolle ebenfa:lls die wachsende Bedeutung der konglomeraten KonGi Vgl. Federal Trade Commission, Statistical Reports on Mergers and Acquisitions von 1975, 1976 und 1977, jeweils S. 2 f. 62 Tanheiser, Strategy and Structure of German Industrial Enterprise, Havard University 1972. 63 Einen allenfalls groben Eindruck von der zunehmenden Bedeutung der Diversifikation geben die Zahlen der Konzentrationsenquete aus dem Jahre 1964, Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, BT-Drucksache IV/2320, Anlagenbd., S. 30 f. 64 Vgl. Tanheiser, S. VI - 63 f., zit. n. Böhnke, S. 98. 65 Vgl. Huffschmid, S. 60 f.; Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 28. Die bekanntesten Beispiele sind der Oetker-, Quandt-, Flick- und StinnesKonzern. 66 V gl. Böhnke, S. 98. 67 Vgl. Meinhold, S. 3.

D. Ausmaß und Entwicklungstendenzen

31

zentration erkennen. Nach den Statistiken des Bundeskartellamtes waren von den nach § 23 GWB (a. F.) im Jahr 1966 angemeldeten 12 "großen"68 Zusammenschlüssen nur einer (8,3 %) konglomerater Natur69 , wohingegen im Jahr 1972 von den 62 angemeldeten schon 26 (41,9 0J0) auf die konglomerate Konzentration entfielen70 . Im Jahr 1968 hatte ihr Anteil den bisherigen Höhepunkt von 50 0J0 der 16 angezeigten Fälle erreicht7 1• Auch in anderen westeuropäischen Industriegesel'lschaften und Japan zeigt sich eine den Entwicklungstendenzen in der Bundesrepublik im wesentlichen entsprechende Diversifikationsbewegung72 . Noch überwiegen derzeit in der Bundesrepublik die horizontalen Zusammenschlüsse die konglomeraten zumindest zahlenmäßig ganz eindeutig 73 ; noch ist Diversifikation keineswegs eine so weitverbreitete Erscheinung und ein systematisch vorangetriebener Prozeß wie in den USA74. Aufgrund der internationalen Verflechtung von Märkten, Unternehmen und Volkswirtschaften ist allerdings stark zu vermuten, daß es sich bei der ausgeprägten Diversifikationsbewegung um keine amerikanische Sonderentwicklung sondern um eine symptomatische Entwicklungstendenz für die übrigen westlichen Industriegesellschaften handelt, deren wirtschaftliche Entwicklung sich zeitlich gleichsam phasenverschoben zu der in den USA vollzieht.

68 "Große" Zusammenschlüsse wurden vom Amt gesondert erfaßt. Sie lagen vor, wenn das erworbene Unternehmen eine Bilanzsumme von DM 25 Mill. erreichte. 69 Vgl. TB des BKartA 1969, BT-Drucksache VI!950, Tab. 5, S. 48. 70 Vgl. TB des BKartA 1972, BT-Drucksache 7/986, Tab. 5, S. 39. Da mit Inkrafttreten der 2. GWB-Novelle die statistische Darstellung geändert wurde, liegen zur neueren Entwicklung der großen Zusammenschlüsse keine vergleichbaren Zahlen vor. 71 Vgl. TB des BKartA 1970, BT-Drucksache VI/2380, Tab. 5, S. 40. 72 Vgl. die zusammenfassende Darstellung von Haager, S. 60 ff. und Böhnke, S. 98 ff. 73 Seit 1973 schwankt der Anteil der konglomeraten Zusammenschlüsse an allen nach § 23 GWB angezeigten Fusionen um die 30 %. Im Jahr 1977 standen 274 horizontalen 158 konglomerate Zusammenschlüsse (einschließlich Produktausweitung) gegenüber. Vgl. die Tätigkeitsberichte des BKartA von 1973 - 1977; insbesondere TB des BKartA 1977, BT-Drucksache 811925, 6. Abschnitt, Tab. 12, S. 118. 74 Vgl. Huffschmid, S. 61; Böhnke, S. 94 ff.

II. Kapitel

Diversifikative Konzentration und Wettbewerb Die wettbewerbsrelevante wirtschaftliche Macllt eines Unternehmens wird durch die von ihr ausgehenden Wettbewerbswirkungen bestimmt. Untersucht man die Frage, ob das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium auf der Grundlage der Marktbeherrschungsdefinition des § 22 I GWB geeignet ist, die wettbewerbsrelevanten Machtfaktoren diversifikativer Konzentration effizient zu erfassen, so erscheint es zunächst notwendig, die spezifischen Auswirkungen diversifizierter Unternehmen und Unternehmenszusammenschlüsse auf dem Markt in ihrer Gesamtheit darzustellen. Dabei sollen in einem kurzen überblick die möglichen wettbewerbshemmenden Auswirkungen (A.) den möglichen wettbewerbsfördernden Effekten (B.) gegenübergestellt werden. Sie bilden den Ausgangspunkt für die sich daran anschließende wettbewerbsrechtliche Analyse. A. Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen der Diversifikation Die Wettbewerbstheorie orientiert sich auf der Grundlage des Konzepts des funktionsfähigen bzw. wirksamen Wettbewerbs (workable competition)1,2 zur Messung der Wettbewerbsintensität und -effektivität an Marktstruktur-, Marktverhaltens- und Marktergebniskriterien. Als das adäquate Instrument zur Beurteilung der Wettbewerbssituation wird in der Literatur überwiegend der Marktprozeßtest, also eine Kombination von Marktstruktur- und Marktverhaltenstest angesehen3 • 1 Grundlegend: Clark, Toward a Concept of Workable Competition, AER, Vol. 30 (1940), S. 241 ff., dt. übers., in: Wettbewerb und Monopol, S. 148 ff.; vgl. dazu übersicht mit umfangreichen Literaturangaben bei Sosnick, QJE, Vol. 72 (1958), S. 380 ff., dt. übers., in: Das Konzept der "Workable Competition", S. 153 ff.; Poeche, in: Das Konzept der "Workable Competition", S. 9 ff. 2 Eine grundsätzliche Hinwendung der wettbewerbspolitischen Konzeption des GWB zur dynamischen Betrachtungsweise im Sinne des "workability-Konzepts" belegt die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache VI/2520, S. 14. Vgl. auch Dürrhammer, in: Konzentration ohne Kontrolle, S. 217 f. u. Anm. 32; Klauss, S. 21 f.; Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, S. 379; dagegen Hoppmann, JfNSt 184 (1970), S. 397 ff. a Vgl. Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 61 ff.; Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 167; Mestmäcker, in: Hefte der Vereinigung, Heft 5 (1969), S. 6; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 15; so auch Hoppmann, in: FS für Wesseis (1967), S. 167.

A. Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen der Diversifikation

33

Im Rahmen der Ausführungen zu den wettbewerbsgefährdenden Einflüssen soU in Anlehnung an diese theoretischen Wettbewerbstests danach unterschieden werden, ob die Auswirkungen diversifikativer Konzentration primär auf die Marktstrukturen (I.) oder aber primär auf das Marktverhalten der Wettbewerber (11.) einwirken. Gewisse überschneidungen lassen sich dabei zwar nicht vermeiden4 • Sie sollen jedoch in Kauf genommen werden, weil diese Differenzierung unter Berücksichtigung der verschiedenartigen Testansätze zur Bestimmung der Marktmacht bei § 22 I Nr. 1 und Nr. 2 GWB5 sinnvoll und zweckmäßig erscheint. I. Auswirkungen auf die Marktstruktur

1. Macht der "deep pockets" (Finanzkrajt) "Deep pocket" bezeichnet das auf Diversifikation und Unternehmensgröße beruhende wirtschaftliche, insbesondere finanzielle Potential eines Unternehmens'. Die Auswirkungen auf die Marktstellung resultieren aus der Möglichkeit, die finanziellen Ressourcen zwischen den verschiedenen Produktionsrichtungen nach marktstrategischen Gesichtspunkten zu verlagern7 • Das diversifizierende Unternehmen kann damit macht- und größenbedingte Sondervorteile beim Einsatz der Wettbewerbsmittel erlangen, die geeignet sind, die Wettbewerbschancen für monostrukturierte aktuelle und potentielle Mitbewerber erheblich zu vermindern.

2. Errichtung und Erhöhung von Marktzutrittsschranken Die Existenz und Höhe von Marktzutrittsschranken bestimmen das Ausmaß der Zutrittsschwierigkeiten neuer Wettbewerber in den Markt und kennzeichnen damit den die Marktmacht etablierter Unternehmer beeinflussenden Intensitätsgrad des potentiellen Wettbewerbs. Erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Marktzutrittsbedingungen zur Beund Verhinderung potentiellen Wettbewerbs bilden daher ein wesentliches Instrument zur Stabilisierung und strukturellen Absicherung von Marktpositionen. 4 Vgl. hierzu allgern. Herdzina, in: Schmollers Jahrbuch 1973, S. 276 ff. 5 Vgl. unten, IV. Kap., A; IV. Kap., D. H. 3. bb. 8 Zu der im Rahmen der Analyse konglomerater Konzentrationsvorgänge entwickelten "deep-pocket"- oder "wealthy-theory" vgl. grundlegend C. D. Edwards, Conglomerate Bigness as a Source of Power, in: Business Concentration, S. 331 ff.; Vgl. auch Frankus, S. 49 ff.; Borchert, WuW 1970, S. 258. 7 Vgl. Narver, S. 106 ff.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 44; Borchert, WuW 1970, S. 258; Schumacher,.Diversifikation, S. 139 ff.

3 Jüngst

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II. Kap.: Diversifikative Konzentration und Wettbewerb

Einem drohenden Markteintritt potentieller Wettbewerber können die etablierten Anbieter entgegenwirken, indem sie entweder lediglich zu einem sog. maximalen eintrittsverhindernden Preis8 ihre Produkte verkaufen oder aber indem sie möglichst unüberwindliche Marktzutrittsschranken errichten. Während die erste Möglichkeit keine spezifische Bedeutung für diversifizierte Unternehmen haben dürfte, kann die Verschlechterung der Marktzutrittsbedingungen als eine der Diversifikation immanente strukturelle Begleiterscheinung charakterisiert werden9• Eintrittsverhindernde Wettbewerbsvorteile des diversifizierten Unternehmens können aufgrund größenbedingter Kostenvorteiie, wie z. B. Größenvorteile in Verkauf und Werbung (scale-economy barriers), des Ausmaßes der Produktdifferenzierung wie etwa überhöhte Kundenpräferenzen (product-differentiation barriers) und absoluter Kostenvorteile wie überlegene technologische Ressourcen (absolute-cost barriers)1° bestehen. Ein speziell vom Diversifikationsgrad der Unternehmung abhängiger zusätzlicher Abschreckungseffekt gegenüber Konkurrenten kann sich aufgrund von Kostenzurechnungsproblemenl l , Informationsbarrieren12, einem überlegenen Abwehrpotential sowie einer besonderen Abwehrkonzeption13 des diversifizierten Unternehmens ergeben.

3. Ausschaltung potentieller Konkurrenz Eine weitere Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch Verminderung der Intensität des potentiellen Wettbewerbs ergibt sich aus diversifizierenden Fusionen, wenn das durch Fusion in den Markt eingedrungene Unternehmen bisher als potentieller Konkurrent anerkannt war und insofern einen kontrollierenden Einfluß auf das Marktverhalten der dort bereits tätigen Unternehmen hatte14 • 8 Vgl. vor allem Bain, Barriers to New Competition, S. 93 ff.; Sylos-Labini, S. 33 ff.; Modigliani, The Journal of Political Economy, Vol. 66 (1958), S. 215 ff.; Gutowski, WuW 1971, S. 819 ff. S Vgl. zur Problematik Böhnke, S. 195 ff.; Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch 1973, S. 145 ff.; ders., Diversifikation, S. 160 ff.; Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1356 ff.; Narver, S. 126 ff.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 45 ff.; Haager, S. 76 ff.; Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 13 ff.; Meinhold, S. 64 ff.; Borchert, WuW 1970, S. 262 f. 10 Zur systematischen Unterscheidung der "barriers to entry" grundlegend: Bain, Barriers to New Competition S. 53 ff.; ders., Industrial Organization, S. 255 ff.; im Anschluß daran Freitag, WuW 1971, S. 299 ff. 11 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 20 f. 12 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 162 ff. mit weiteren Literaturangaben. 13 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 22 ff.

A. Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen der Diversifikation

35

Wäre der bisher potentielle Wettbewerber im Wege internen Wachstums anstatt durch Fusion mit einem bereits etablierten Unternehmen in den Markt eingetreten, so hätte dies die Zahl der Wettbewerber erhöht und damit regelmäßig auch die Wettbewerbsintensität auf dem Markt gesteigert. Der externe Marktzutritt führt hingegen zum Verlust eines möglichen Konkurrenten, beseitigt die wettbewerbsfördernde Wirkung potentiellen Wettbewerbs und verstärkt darüber hinausgehend noch die Marktrnacht des an der Fusion beteiligten etablierten Unternehmens 15 •

4. Verstärkung des Konzentrationsprozesses Wie sämtliche Konzentrationsvorgänge16, so bewirken auch diversifizierende Unternehmenszusammenschlüsse tendenziell eine allgemeine Verstärkung des wirtschaftlichen Konzentrationsstrebens, indem sie auf dem Markt neue Maßstäbe setzen und geringer konzentrierte Wettbewerber zu Verteidigungsfusionen auf der horizontalen Ebene oder mit potenten Unternehmen auf anderen Wirtschaftsstufen veranlassen, um möglichst gleichwertige Wettbewerbschancen wiederherzustellen. Die Monopolkommission17 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß nachweisbar insbesondere das Auftreten von mehrstufigen Großunternehmen auf Märkten einstufiger mittelständischer Unternehmen eine regelrechte Kettenreaktion auslöst, weil die disproportionale Unternehmensgröße des newcomers die kleineren Wettbewerber entmutigt und zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit bewegt. Negative Strukturwirkungen treten zudem dadurch auf, daß schwächere Mitbewerber bei völlig ungleichgewichtigen Marktrnachtverhältnissen aufgrund drohender Kampfstrategien freiwillig oder nach ruinösem Wettbewerb gezwungenermaßen aus dem Markt ausscheiden.

5. Verschlechterung der Markttransparenz Eine weitere Strukturwirkung in Form einer Beeinträchtigung der Markttransparenz wird bei diversifizierten Unternehmen durch Ko14 Vgl. Narver, S. 89 ff.; Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1362 ff.; Markert, in: Wettbewerb im Wandel, S. 418 ff.; Böhnke, S. 199 f.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 47 f.; Frankus, S. 78 ff.; alle mit Beispielen aus der Antitrustrspr.; Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 398 f.; Haager, S. 105 f.; Kaufer, Konzentration und Fusionskontrolle, S. 77 f.; Gieskes, S. 120 ff.; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 554; Elzinga, ALER, Vol. 2 (1968), S. 71. 15 Vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 137 ff. le Vgl. Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 396 ("Fusionen induzieren Fusionen"). 17 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 960, 918, dazu Stellungnahme der BReg. BT-Drucks. 8/702, Tz. 41.

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11. Kap.: Diversifikative Konzentration und Wettbewerb

stenzurechnungsprobleme, insbesondere bei der Bestimmung der Preise für unternehmensinterne Leistungen und Lieferungen18 und aufgrund der mangelhaften Zurechenbarkeit der Gemeinkosten 19 sowie infolge bewußter Subventionsstrategien aufgrund eines internen Verlustausgleichs20 verursacht. Begründen diese Faktoren schon für das diversifizierte Unternehmen selbst Informationsverluste über die eigene Gewinnsituation, so können die Informationsbarrieren gegenüber ihren Wettbewerbern zusätzlich durch die Veröffentlichung konso'lidierter Bilanzen!1 und die Verschleierung der Ertragssituation für die einzelnen Produkte erhöht werden. Tatsächliche und potentielle Konkurrenten, die aufgrund mangelhafter Transparenz und Publizität die Leistungsfähigkeit des Unternehmens bzw. die Gewinnsituation auf dem Markt nur unzureichend abschätzen können, werden beim Einsatz der Aktionsparameter gehemmt bzw. vom Marktzutritt abgeschreckt. D. Auswirkungen auf dasMarktverhalten

1. Subventionierung von Verdrängungsstrategien Die Finanzkraft ("deep pocket") bietet dem diversifizierten Unternehmen die Möglichkeit, den unterschiedlichen Situationen und Entwicklungen auf den verschiedenen Teilmärkten durch Maßnahmen des internen Gewinn- und Verlustausgleichs Rechnung zu tragen. Verluste auf einem Markt können durch überschüsse, die auf anderen Märkten erzielt worden sind, kompensiert werden. Der dadurch begründete Mischkalkulationsspielraum eröffnet dem Konglomerat gegenüber kleineren monostrukturierten Unternehmen entscheidende marktstrategische Vorteile, die es ihm erlauben, Unterkostenverkäufe (von Lockvogelangeboten bis hin zu offenen Kampfpreisstrategien) zur Behinderung und Verdrängung seiner Mitbewerber durchzuführen!!. 18 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 211 ff., der diese Problematik unter dem Gesichtspunkt der Selektionsfähigkeit des Unternehmens zur Eliminierung verlustbringender Produkte untersucht. 19 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 20 ff.; Schumacher, Diversifikation, S. 206 ff. 20 Vgl. unten, 11. Kap., A. II. 1. 21 Vgl. Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 397 f.; Haase, in: Die Wirtschaftsprüfung, S. 334; unter Einschränkung auf US-amerikanische Bilanzierungsvorschriften Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 48 f. 22 Vgl. Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1339 ff.; Economic Concentration, Hearings, Part 8 (Mueller), S. 4562 f., sowie Hearings, Part 8 A (FTC), S. 444 ff.; Frankus, S. 54 ff.; Böhnke, S. 208 ff.; Haager, S. 67 ff.; Schumacher,

A. Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen der Diversifikation

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Unabhängig von der tatsächlichen Durchführung genügt bereits, daß das Unternehmen in der Lage ist, derartige Verdrängungsstrategien einzusetzen, um tatsächliche Mitbewerber in ihrem Wettbewerbsverhalten zu disziplinieren und potentiel'le Konkurrenten von einem Marktzutritt abzuschrecken23 • Der Markterfolg eines Unternehmens wird damit weniger durch das wettbewerbliche Leistungsvermögen auf seinen Einzelmärkten bestimmt; entscheidend ist vielmehr seine Fähigkeit, die finanziellen Ressourcen nach marktstrategischen Gesichtspunkten zwischen den einzelnen Märkten transferieren zu können24 •

2. Konglomerate Interdependenz Stehen konglomerate Großunternehmen auf zwei oder mehr Märkten in Konkurrenzbeziehungen zueinander, so können bestehende wechselseitige wettbewerbliche Einflußmöglichkeiten auf den verschiedenen Märkten zu einer Politik der Abstimmung und Anerkennung von Interessensphären auf der Grundlage gegenseitigen Wohlverhaltens führen25 • Die Wahrscheinlichkeit solcher Marktmachtanerkennungsbeziehungen erhöht sich mit zunehmender Intensität der (oligopolistischen) Reaktionsverbundenheit der Unternehmen sowie der wechselseitigen Möglichkeit zur Vergeltung unabhängig voneinander eingeleiteter Wettbewerbsvorstöße28 • Je nach dem Grad der Abhängigkeit und Einwirkungsmöglichkeiten werden die Unternehmen bestrebt sein, unter Wahrung der beiderseitigen Interessen, intensiven wettbewerblichen Auseinandersetzungen, z. B. durch wechselseitige Anerkennung der Preisführerschaft27 , geDiversifikation, S. 139 f:ll.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 50 f.; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 549 f.; Seidenfus, Kyklos, Vol. 20 (1967), S. 212 ff.; Kruber, WuW 1971, S. 223 ff. U Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 1 (Edwards), S. 44, dt. übers. in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, H.-H. Barnikel (Hrsg.), S. 233; Petry, in: Sdlmollers Jahrbudl 1970, S. 550; Böhnke, S. 212; Borchert, WuW 1970, S. 260; Fisdler, WuW 1972, S. 570; Meinhold, S. 115. !4 Vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 163; Edwards, in: Festgabe für H. Kronstein, S. 253; Seidenfus, Kyklos, Vol. 20 (1967), S. 217. 25 Die hier mit dem Terminus "konglomerate Interdependenz" gekennzeichnete Problematik wird in der Literatur unter einer Fülle verschiedenster Bezeichnungen erörtert. Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 8 A, S. 458 ff.; Edwards, in: Festgabe für H. Kronstein, S. 258 ff.; sowie Blair, Economic Concentration, S. 48 ff. ("mutual forbearance"); Schumacher, Diversifikation, S. 124 ff. ("spheres of influence"); Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 54 f. ("Marktmachtanerkennungsstrategien"); Frankus, S. 92 ff. ("Nachsicht, die große diversifizierte Unternehmen untereinander üben"); vgl. die ausführliche Darstellung bei Böhnke, S. 105 ff. 2G Vgl. Böhnke, S. 151. 27 Vgl. Machlup, S. 483 ff.; Schumacher, Diversifikation, S. 124.

38

II. Kap.: Diversifikative Konzentration und Wettbewerb

genseitigen Verzicht auf einen Marktzutritt bei potentiellen Konkurrenzbeziehungen, Kartellbildung oder die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen28 aus dem Wege zu gehen. 3. Reziprozitätspraktiken Mit zunehmendem Diversifikationsgrad erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß Lieferanten auf einem Markt gleichzeitig auch zu den potentiellen Kunden des Unternehmens auf anderen Märkten zählen (bzw. umgekehrt). Nach der Parole "kaufst Du bei mir, kauf ich bei Dir" neigen die Unternehmen unter diesen Umständen zur Sicherung ihrer Absatz- bzw. Nachfrageinteressen zur Aufnahme wechselseitiger Lieferbeziehungen29 , wobei die beim Kauf traditionell ausschlaggebenden Wettbewerbsmittel Preis, Qualität, Service etc. erheblich an Bedeutung verlieren können. Ihre Entstehungsursache30 können derartige Reziprozitätsbeziehungen -

in einer gegenseitigen freiwilligen Vereinbarung bzw. übereinkunft,

-

in der Ausübung wirtschaftlichen Drucks sowie der Drohung, künftige Geschäfte mit anderen Unternehmen abzuschließen oder aber in der einseitigen Entschließung zum Vertragsabschluß in der stillschweigenden Hoffnung auf entsprechende Gegengeschäfte des anderen Unternehmens haben.

Reziprozitäre Lieferbeziehungen können insbesondere in den Geschäftsbeziehungen konglomerater Großunternehmen, die sich auf diese Weise wechselseitig ihre Marktpositionen stabilisieren und ausbauen, als durchaus übliche und verbreitete Geschäftspraxis angesehen werdenS!. 28 Vgl. die. empirischen Untersuchungen von Böhnke, S. 152 ff. (177 f.), sowie die Beispiele aus der amerikanischen bzw. deutschen Chemieindustrie bei Kahn, in: The Structure of American Industry, S. 246 ff. u. Kaufer, ORDO XVIII (1967), S. 104 ff. 29 VgL die ausführlichen Darstellungen zur Problematik reziprozitärer Beziehungen bei: Hausmann, HLR, Vol. 77 (1964), S. 873 ff.; Harsha, in: Antitrust Bulletin, Vol. 9 (1964), S. 201 ff.; Stocking I Mueller, in: Workable Competition, S. 287 ff. (315 ff.); Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1386 ff.; Fischer, ZHR 136 (1972), S. 252 ff.; Frankus, S. 66 ff.; Economic Concentration, Hearings, Part 8 A (FTC), S. 323 ff.; zur kartellrechtlichen Beurteilung vgl. insbesondere Meinhold, S. 188 ff. 30 Vgl. Harsha, in: Antitrust Bulletin, Vol. 9 (1964), S. 208; Frankus, S. 67; Haager, S. 125. 31 Vgl. Ammer, HBR, Vol. 40 (1962), S. 116 ff.; Dauner, Journal of Purchasing, Vol. 3 (1967), No. 3, S. 5 ff. (12); McCreary I Guzzardi, Fortune, Vol. 71 (1965), No. 6, S. 180 ff.; im Anschluß daran Böhnke, S. 228; Frankus, S. 67 ff.; einschränkend für die dtschen. Verhältnisse: Meinhold, S. 188 ("soweit ersichtlich - noch keine nennenswerte Bedeutung").

B. Wettbewerbsfördernde Auswirkungen der Diversifikation

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Soweit ein lediglich einseitiges Interesse an der Aufnahme von Gegenseitigkeitsgeschäften besteht, setzt die Möglichkeit der Erzwingung solcher Beziehungen bestimmte Marktkonstellationen, wie z. B. Marktunvollkommenheiten, hohe Nachfrage- bzw. Angebotsmacht, Fehlen von Substitutionsmöglichkeiten, voraus 32 • Die negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbschancen spezialisierter oder weniger diversifizierter Mitbewerber sind unbestritten und können - je nach der Intensität der Reziprozitätsbeziehungen - letztlich zu deren völligem Ausschluß vom Markt führen 33 • Potentielle Wettbewerber werden durch die bewirkte Verfestigung der Bezugs- und Absatzwege von einem Marktzutritt abgehalten34 •

B. Wettbewerbsfördernde Auswirkungen der Diversifikation Wettbewerbspolitisch sind die Auswirkungen der Diversifikation keineswegs ausschließlich negativ zu beurteilen. Diversifikation bedeutet als solche keine Wettbewerbsbeschränkung, sondern ist, wie auch eine Reihe der bisher als wettbewerbsbeschränkend aufgezeigten Wirkungen, wettbewerbspolitisch ambivalent und kann unter bestimmten Umständen eine Intensivierung des Wettbewerbs begründen. I. Kostenvorteile

Die Möglichkeit, aufgrund der Verflechtung mehrerer Unternehmen Kostenvorteile in Form von Rationalisierungseffekten zu realisieren, ist bei diversifikativer Konzentration weniger offensichtlich als bei allen anderen Formen der wirtschaftlichen Konzentration. Trotz unterschiedlichster Produktionsbereiche sind jedoch selbst reine Konglomerate in der Lage, durch Konzentration, Kombination und besserer Auslastung der Ressourcen Vorteile wahrzunehmen, die sich allerdings weitgehend auf die Bereiche des Managements, der Administration, der Finanzierung, des Marketings, der Forschung und Entwicklung beschränken dürften35 • Die Möglichkeit zur Realisierung von größenbedingten Leistungssteigerungseffekten, die tendenziell natürlich auch für wettbewerbsgefährdende Praktiken eingesetzt werden können, wächst mit zunehmendem Grad der Funktionsverbundenheit zwischen den einzelnen 32 Vgl. Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1387 ff.; Frankus, S. 68 f.; Fischer, WuW 1972, S. 573; Schumacher, Diversifikation, S. 147. 33 Vgl. Fischer, ZHR 136 (1972), S. 262. 34 Vgl. Stocking / Mueller, in: Workable Competition, S. 318; Frankus, S. 70; Fischer, WuW 1972, S. 572 f.; Böhnke, S. 231. 35 Vgl. Narver, S. 71 ff.; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 556 f.; Frankus, S. 100 ff.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 56, 98 ff.

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II. Kap.: Diversifikative Konzentration und Wettbewerb

Teilbereichen der Unternehmung 36 , 37 und ergibt sich bei produktoder marktverbundener Diversifikation auch bei der Beschaffung der Werkstoffe und der Produktion bzw. im Vertriebsbereich. D. Erhöhung des effektiven Wettbewerbs

Kostenvorteile und wirtschaftliches Potential diversifizierter Unternehmen lassen bei ihrem Auftreten auf sog. schlafenden oder oligopolistisch erstarrten Märkten durchaus eine wesentliche Belebung der Wettbewerbsintensität und einen Dekonzentrationseffekt erwarten38• Im Falle des externen Marktzutritts kann bei realistischer Betrachtungsweise eine Intensivierung der Konkurrenzbeziehungen allerdings nicht erwartet werden, wenn das übernommene Unternehmen bisher bereits eine starke Marktste'llung innehatte89 oder wenn die Wettbewerber nach dem Zusammenschluß über annähernd gleichwertige wirtschaftliche Macht verfügen. Externe Konzentration bedeutet unter diesen Umständen eine Zementierung bereits bestehender Marktmacht bzw. begründet die erhöhte Gefahr kollusiven Marktverhaltens. Unabhängig von der Art des Marktzutritts ist eine feststellbare oder zu erwartende Erhöhung der effektiven Konkurrenz in jedem Fall mit einer Abnahme des potentiellen Wettbewerbs verbunden4o, die es bei der wettbewerbspolitischen Bewertung zu berücksichtigen gilt. ID. Verstärkung des potentiellen Wettbewerbs

Das diversifizierte Unternehmen kann als der potentielle Wettbewerber schlechthin angesehen werden, weil es aufgrund seines wirtschaftlichen Potentials grundsätzlich in der Lage ist, auf allen Märkten mit allen Wettbewerbern in Wettbewerbsbeziehungen einzutreten41 • 38 Vgl. die Untersuchungen zur Unternehmensverbundenheit bei konglomeraten Fusionen von Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, s. 62 ff., der bei einem überwiegenden Teil beträchtliche Aktivitätsgemeinsamkeiten nachweist; Economic Concentration, Hearings, Part 1 (Edwards), S. 40, dt. übers. in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 227. 37 Vgl. Narver, S. 71 ff.; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 556; Meinhold, S. 56 f. 38 Vgl. Neumann, in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 275, 284 ff.; Dürrhammer, in: Konzentration ohne Kontrolle, 2. Aufl., S. 218; Frankus, S. 95 ff.; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 553; Lenel, Ursachen, S. 246, weist auf den Zusammenhang zwischen Wettbewerbswirkung, Unternehmensgröße des newcomers und der Marktstruktur vor dem Eintritt hin. St Vgl. zur "teohold acquisition" Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1367; FTC, Conglomerate Merger Performance, S. 5 f.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 55; Meinhold, S. 74; Borchert, WuW 1970, S. 260 f.; Narver, S. 132 f. 40 Vgl. Haager, S. 147.

B. Wettbewerbsfördernde Auswirkungen der Diversifikation

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Seine im Vergleich zu kleinen, spezialisierten Unternehmen überragende Markteindringungsfähigkeit42 wird begründet durch eine größere Informationskapazität zur Reduzierung der eintrittshemmenden Ungewißheiten eines Marktzutritts (Gewinnerwartung, Abwehrpotential und -strategie der etablierten Unternehmen etc.), die größere Fähigkeit, im Unternehmensverbund das Investitionsrisiko bei fraglichem Zutrittserfolg auszugleichen, sowie durch die Verfügbarkeit eines hohen Ressourcenpotentials zur Überwindung der bestehenden Marktzutrittsschranken. Angesichts weitgehend hochkonzentrierter Märkte mit hohen Marktzutrittsschranken kann Diversifikation vor diesem Hintergrund eine Art wettbewerbliche Gegenrnacht bedeuten43 , die etablierte Anbieter veranlaßt, den möglichen Markteintritt des Unternehmens bei ihrem Wettbewerbsverhalten bereits in Rechnung zu stellen.

Vgl. Edwards, in: Festgabe für H. Kronstein, S. 246. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Schumacher, Diversifikation, S. 112ff.; Frankus, S. 96 ff.; Sölter, WuW 1971, S. 902; Haager, S. 147 f.; Böhnke, S. 196. 43 Vgl. die optimistische Einschätzung "multipler Konkurrenz" durch Neumann, in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 284 ff. (289); Frankus, S. 98. 41

42

Te i I 2

Diversifikation und Marktbeherrschung Der Gesetzesbegriff der Marktbeherrschung ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht von zentraler Bedeutung. Aufgrund der Begriffsidentität des Tatbestandsmerkmals bei der Mißbrauchsaufsicht n. § 22 IV, V GWB, dem Diskriminierungsverbot n. § 26 II GWB und der Zusammenschlußkontrolle n. § 24 GWB nimmt die Definition der Marktbeherrschung in § 22 I GWB eine wettbewerbsrechtliche Schlüsselstellung ein. Der Tatbestand "Marktbeherrschung" löst im Rahmen der Mißbrauchskontrolle im Falle des Mißbrauchs bzw. der Diskriminierung, im Rahmen der Fusionskontrolle unmittelbar als sog. Eingreifkriterium behördliche Eingriffsrechte aus. Während die Mißbrauchskontrolle bei der Frage nach der Marktbeherrschung auf eine Momentaufnahme der konkreten Wettbewerbssituation abstellt, bezieht sich diese Frage bei der Zusammenschlußkontrolle allerdings auf die zukünftigen Entwicklungstendenzen der Wettbewerbsverhältnisse und erfordert insofern eine Prognoseentscheidung. Damit wird deutlich, daß die Effizienz des kartellrechtlichen Instrumentariums zur Verhinderung und Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Unternehmensmacht ganz entscheidend von der inhaltlichen Bestimmung des Marktbeherrschungsbegriffs abhängt.

III. Kapitel

Die Entstehungsgeschichte des geltenden Marktbeherrschungsbegrifis A. Marktbeherrschung nach § 22 I GWB (alte Fassung) Die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen hat sich als Korrektiv im Interesse marktschwacher Mitbewerber und Verbraucher anstelle des wettbewerblichen Regulativs nach allgemein übereinstimmender Auffassung bis zur 2. Kartellrechtsnovelle 1973 als wenig praktikabel und wirkungslos erwiesen1 . Trotz zahlreicher eingeleiteter Verfahren gegen Unternehmen, die im Verdacht eines Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht standen, hat die Kartellbehörde aufgrund der alten Fassung des § 22 GWB nur wenige Verfügungen erlassen2 • Die Ursache für die mangelnde Effizienz lag hauptsächlich in schwierigen Beweiswürdigungsproblemen beim Nachweis der Marktbeherrschung, der in "fast allen untersuchten Fällen" nicht gelang 3 • Zur Feststellung der Marktbeherrschung hatte das Bundeskartellamt gem. § 22 I alte Fassung GWB den Nachweis zu erbringen, daß das fragliche Unternehmen keinem bzw. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt war. Die bereits vom Gesetzeswortlaut her eng gefaßte Marktbeherrschungsdefinition wurde zusätzlich durch die Rechtsprechung eingeengt. Nach der vom Kammergericht' - allerdings anhand anderer kartellrechtlicher Bestimmungen - entwickelten, vom BGH5 bestätigten und unter dem Begriff "Mosaiktheorie" bekannt gewordenen Me1 Vgl. etwa Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 221 ff.; Günther, in: Zehn Jahre BKartA, S. 24; Gutachten des Sachverständigenrates (1971), BT-Drucksache VI/2847, Ziff. 388, S. 126; Wiethölter, S. 255 f.; Baur, ZHR 134 (1970), S. 145; Woll, in: Sonderdruck der FAZ v. 30.11.1972, S. 5; a. A. Leo, WRP 1970, S. 199. 2 Bis Ende 1973 hatte das BKartA in 550 Fällen ein Mißbrauchsverfahren eingeleitet. Lediglich in insgesamt 4 Fällen ist eine Verfügung des Amtes ergangen. Allerdings erledigten sich 68 Verfahren, weil der beanstandete Mißbrauch freiwillig abgestellt wurde. Vgl. TB des BKartA 1973, BT-Drucksache 7/2250, Tab. J, S. 205. Eine gegenteilige Bewertung nimmt Benisch vor. Vgl. DB 1972, S. 173 ff. 3 Vgl. Günther, in: Zehn Jahre BKartA, S. 24; ähnlich Hermanns, in: Konzentration, S. 12. 4 Vgl. WuW/E OLG 813 ff. (817 ff.).

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III. Kap.: Die Entstehungsgeschichte

thode war ein Fehlen wesentlichen Wettbewerbs auch zu verneinen, wenn sich auf dem Markt Wettbewerb nur in irgendwelchen Nebenformen regte. Das Bundeskartellamt sah sich dementsprechend beim Nachweis der Marktbeherrschung dazu verpflichtet, alles zusammenzutragen, was an Wettbewerbshandlungen auf dem Markt feststellbar war, um im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob nicht einzelne, möglicherweise völlig untergeordnete Wettbewerbsformen in ihrer Summierung noch wirksamen Wettbewerb ergaben. Auf der Basis der Mosaiktheorie war dem Kartellamt der Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung außerordentlich erschwerte. Die Beweisschwierigkeiten mußten allein gegenüber den relativ seltenen, in der Regel mittelständischen Unternehmen mit annähernd monopolistischen Marktanteilen als lösbar erscheinen. Geradezu unüberwindlich waren sie aber gegenüber diversifizierten oder vertikal integrierten Unternehmen, denen der Nachweis eines praktisch immer vorhandenen "Restwettbewerbs" (z. B. im Werbungs- oder Forschungsbereich) regelmäßig leichtfaHen mußte7 • Die Befürchtung, daß damit die Mißbrauchsaufsicht durch die Rechtsprechung zur Bedeutungslosigkeit degradiert sei8 , war um so schwerwiegender, als dem GWB bis zu diesem Zeitpunkt eine Fusionskontrolle fehlte und somit keine Möglichkeiten bot, dem beschleunigten Prozeß der Unternehmenskonzentration entgegenzuwirken.

B. Die Entwicklung der Marktbeherrschungsdefinition bei der Kartellgesetznovelle 1973 I. Die Veränderungen des Begriffs der Marktbeherrsdlung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens

1. Zur Rolle des Bundeskartellamtes Der Anstoß und die wesentlichen Anregungen zur Novellierung des § 22 GWB gingen vom Bundeskartellamt aus, das darüber hinaus auch bei der Ausgestaltung und Formulierung der vorgeschlagenen gesetz5 Vgl. WuW/E BGH 907 ff. (912 ff.), zu § 12 I Nr. 1 GWB; WuW/E BGH 1089 ff. (1092 f.), zu § 16 I Nr. 1 GWB; dazu Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 224 ("In dubio pro Marktbeherrscher"); Kirschstein, Marktrnacht, S. 38 ff.; ders., WRP 1968, S. 213; Lenel, ORDO XXIII (1972), S. 320. 8 Vgl. TB des BKartA 1970, BT-Drucksache V1/2380, S. 11; Gutachten des Sachverständigenrates (1971), BT-Drucksache V1/2847, Ziff. 388, S. 122. 7 Vgl. Barnikel, in: Antitrust Bulletin, Vol. 14 (1969), S. 228 ff.; dazu Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 223 f.; Schmidt, M., WiSt 1975, S. 267. 8 Die gerichtliche Entscheidungspraxis in den wenigen Fällen zu § 22 GWB bis 1973 sprach keineswegs eindeutig für eine Übertragung der Mosaiktheorie auf die MIßbrauchsaufsicht. Vgl. Baur, BB 1973, S. 919; Möschel, DB 1973, S. 464; s. dazu unten IV. Kap., A.

B. Kartellgesetznovelle 1973

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lichen Änderungen ganz entscheidend beteiligt gewesen sein dürfte9 • Aufgrund der Unpraktikabilität der bislang geltenden Mißbrauchsaufsicht hatte die Kartellbehörde wiederholt auf die Dringlichkeit einer Gesetzesänderung hingewiesen und ihre Anwendung nicht nur auf marktbeherrschende sondern auch auf marktstarke Unternehmen gefordert 10• Auf Drängen des Bundeskartellamts ergriff das Wirtschaftsministerium die Initiative zur Novellierung des Gesetzes. Gemeinsames Leitziel der 1968 begonnenen Vorarbeiten war die Verstärkung der Kontrolle wirtschaftlicher Macht insbesondere durch Einführung einer Fusionskontrolle für Großunternehmenl l und durch Verbesserung der Mißbrauchs aufsicht. Die nach fünf jährigen Beratungen am 5. Aug. 1973 in Kraft getretene novelUerte Fassung des § 22 I entwickelte sich aus mehreren Referentenentwürfen und einem Regierungsentwurf l2 , deren Konzeptionen und Begründungen in wesentlichen Punkten zueinander im Widerspruch standenlS •

2. Die Referentenentwürfe Der Schwerpunkt der überlegungen zur Novellierung des § 22 GWB lag weniger bei einer Konkretisierung des Mißbrauchsbegriffs als vielmehr im Bestreben, eine praktikablere Legaldefinition des Begriffs "marktbeherrschende Unternehmen" zu finden._ Der Referentenentwurf vom 20.3.1970 14 übernahm die bisherige Definition der Marktbeherrschung in § 22 I GWB und stellte in einem neu eingefügten Satz 2 fest, 9 Vgl. Stellungnahme der BReg. zum TB des BKartA 1970, BT-Drucksache VI/2380, S. 3; Jäckering, S. 101. 10 Vgl. etwa Günther, in: Zehn Jahre BKartA, S. 24; TB des BKartA 1970, BT-Drucksache VI/2380, S. 12; TB des BKartA 1965, BT-Drucksache V/530, S.13. 11 Die Einführung einer Fusionskontrolle gehörte schon seit Jahren zu den wichtigsten Forderungen des Amtes - allerdings bestand keineswegs Einigkeit darüber, ob deren Eingreifkriterien an die neue Marktbeherrschungsdefinition des § 22 gekoppelt oder aber selbständig formuliert werden sollten. Vgl. Günther, in: Zehn Jahre BKartA, S. 25 ff.; Schmidt, I., Wirtschaftsdienst 1969, S. 453 f.; Klaue, Der Volkswirt, Nr. 32 (1970), S. 37 f. u. Nr. 33 (1970), S. 36 f. lZ Umfassende Ausführungen zur Entstehungsgeschichte bei Leo, WRP 1972, S. 1 ff. (3 ff.); Jäckering, S. 67 ff.; eine Synopse der Referentenentwürfe von 1970 u. des Regierungsentwurfs, in: Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 409 ff. 13 Vgl. Leo, WRP 1972, S. 6. 14 Referentenentwurf zur Kartellgesetznovelle vom 20. 3. 1970 BMWi I B 5-221353, abgedruckt in: Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle, S. 139 ff. (140). Beachte auch den vorangegangenen Referentenentwurf vom 15. 10. 1968 - BMWi - I B 5-221353, abgedruckt in: Kartte, Ein neues Leitbild, S. 101 ff., u. seine Kritik durch Sandrock, WuW 1969, S. 215 ff.; Mestmäcker, in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 24.

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III. Kap.: Die Entstehungsgeschichte

daß ein Unternehmen "insbesondere" marktbeherrschend sei, soweit es die Erzeugung oder die Marktverhältnisse beeinflussen könne, ohne auf Wettbewerber wesentlich Rücksicht zu nehmen. Der Formulierungsvorschlag, der Marktbeherrschung an der Marktbeeinflussung ohne Berücksichtigung der Konkurrenzverhältnisse orientierte, stieß insbesondere auch im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung der Fusionskontrolle - auf energischen Widerstand der Wirtschaftsverbände. Es wurde eine Gefährdung der marktwirtschaftlichen Ordnung durch zunehmende dirigistische Eingriffe des Staates befürchtet l5 • In der Literatur äußerte man schwerwiegende rechtliche Bedenken16 und auch das Kartellamt verhielt sich gegenüber dem konkretisierenden Neuerungsvorschlag ablehnend 17 • Aufgrund der massiven Kritik sah sich das Wirtschaftsministerium umgehend zur erneuten Überarbeitung und Änderung des Entwurfs veranlaßt. Mit dem Referentenentwurf vom 28.10.1970 18 wurde erstmals der Begriff "überragende Marktstellung" eingeführt und durch fünf Kriterien positiv umschrieben. Marktbeherrschungsvermutungen wurden vorgeschlagen. Der im vorangegangenen Entwurf zu § 22 I GWB neu eingefügte Satz 2 wurde ersetzt durch die Formulierung, daß ein Unternehmen "insbesondere" keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist, wenn es eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende MarktsteIlung hat. Die neue Marktbeherrschungsdefinition im Novellierungsvorschlag schloß sich - wie im vorherigen Entwurf - mit dem Wort "insbesondere" an die bisherige Definition (Fehlen wesentlichen Wettbewerbs) an und hatte daher nach ihrem Wortlaut eindeutig konkretisierende Funktion. Diese wurde bestätigt durch die Begründung zum Referentenentwurf. Es wurde festgestel'lt, daß der neue § 22 I S. 2 GWB die bisherige Legaldefinition des marktbeherrschenden Unternehmens "verdeutlichen" soll". Das Merkmal "überragende MarktsteIlung" 15 Vgl. Stellungnahme des BDI zur Zweiten Novellierung des GWB, Stelmungnahme des DIHT vom 15.1.1970, beide in Auszügen abgedruckt in: Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle, S. 203 ff. (203) bzw. 213 ff. (214); Jahresbericht des BDI 1970/71, S. 61. 16 Vgl. Knöpfle, BB 1970, S. 719 u. Leo, WRP 1970, S. 199 f., die aufgrund zu großer Unbestimmtheit und verfassungsrechtlicher Bedenken den Vorschlag als verfehlt ansahen. 17 Der Entwurf blieb hinter der vom Kartellamt geforderten Ausweitung des § 22 I GWB auf marktstarke Unternehmen zurück. Vgl. Jäckering, S. 98. 18 Referentenentwurf zur Kartellnovelle vom 28. 10. 1970 BMWi - I B 5221353, abgedruckt, in: Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 409 ff. (411). 19 Begründung zum Referentenentwurf vom 28. 10. 1970 BMWi - I B 5-

221353, S. 79.

B. Kartellgesetznovelle 1973

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stellte sich demnach als eine Ergänzung der alten Marktbeherrschungs~ definition dar, d. h. als ein Fali des Fehlens wesentlichen Wettbewerbs. Bestand im weiteren Verlauf der Beratungen auch Einigkeit über die Einführung des Begriffs "überragende MarktsteIlung", so zeichnete sich jedoch mit der Formulierung des § 22 I GWB im Regierungsentwurf eine Abkehr von der bisherigen Konzeption ab.

3. Der Regierungsentwurf Der Regierungsentwurf vom 18.8.1971 20 bestimmte in Satz 2 des § 22 I GWB, daß ein Unternehmen "auch" marktbeherrschend sei, wenn es eine überragende MarktsteIlung im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern hat. Diese Formulierungsänderung ließ somit eine tatbestandliche Verselbständigung der neuen Marktbeherrschungsdefinition erkennen. In der Begründung des Regierungsentwurfs wurde hierzu ausgeführt, daß es sich bei der vorgeschlagenen Ergänzung um einen weiteren, einen zusätzlichen Tatbestand der Marktbeherrschung handelt21 • Die Änderung des bisherigen Konzepts ließ den Bedeutungsinhalt der neuen Definition allerdings unberührt. In wörtlicher Übereinstimmung mit der Begründung zum letzten Referentenentwurf22 wurde die MarktsteIlung eines Unternehmens mit dem wettbewerblichen Verhaltensspielraum identifiziert23 • Dabei seien alle relevanten Umstände, die die Marktrnacht eines Unternehmens prägten, mit in die Beurteilung einzubeziehen. Der Entwurf rückte ausdrücklich von der nur horizontalen Betrachtung der Marktbeherrschung ab und bezog Fälle vertikaler und diagonaler Konzentration als gleichwertige Mittel zur Marktbeherrschung in die Beurteilung ein!4.

4. Die Beratungen im Ausschuß für Wirtschaft und die Haltung der Parteien Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18.8.1971 26 war dem Bundestag schon in der 6. Wahlperiode vorgelegt worden. Wegen der vorzeitigen Auflösung des 6. Deutschen Bundestages kam es jedoch nicht zu einer endgültigen Verabschiedung des Gesetzes. In Regierungsentwurf vom 18.8. 1971, BT-Drucksache VI!2520, S. 2 f. Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf vom 18. 8. 1971, BT-Drucksache VI/2520, S. 19. 22 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf vom 28. 10. 1970, BMWi I B 5-221353, S. 79. 23 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf vom 18. 8. 1971, BT-Drucksache VI/2520, S. 21. U Vgl. ebd., S. 30; Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- u. Finanzpolitik, Nr. 58173, S. 3; Wolf, in: Konzentration, S. 153. 25 Regierungsentwurf vom 18.8. 1971, BT-Drucksache VI/2520. 20

21

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III. Kap.: Die Entstehungsgeschichte

unveränderter Form wurde der Novellierungsvorschlag am 25.1.1973 als Entwurf der Regierungsfraktionen SPD und FDp26 erneut in den Bundestag eingebracht. Bei seinen Beratungen konnte der Ausschuß für Wirtschaft auf die Vorarbeiten des Wirtschaftsausschusses27 der vorangegangenen Legislaturperiode zurückgreifen. Die Verbesserung der Mißbrauchsaufsicht war ein im Grunde von allen politischen Kräften - wenn auch mit unterschiedlicher Intensität - unterstütztes Hauptziel der Novelle. In übereinstimmung mit dem Bundeskartellamt hatte sich die SPD am entschiedensten für eine konsequente Verschärfung durch Erweiterung der Marktbeherrschungsdefinition und Einführung von gesetzlichen Vermutungen eingesetzt28 . Der gemeinsam mit dem Koalitionspartner FDP eingebrachte Regierungsentwurf und der inhaltlich identische Parteienentwurf hatte deutlich Kompromißcharakter29. Die Oppositionsparteien CDU/CSU sprachen sich ebenfalls für eine Verschärfung des § 22 GWB aus und hielten "eine klarere Formulierung, die sachgerechter und justiziabler gefaßt werden müßte und auf marktstarke Unternehmen gegebenenfalls ausgeweitet werden kann", für wünschenswert3o • Lag insoweit übereinstimmung vor, so wurden indessen vereinzelt Befürchtungen31 hinsichtlich des neuen Begriffs "überragende MarktsteIlung" und bis zuletzt grundsätzliche rechtliche Bedenken gegenüber den vorgeschlagenen Vermutungstatbeständen geäußert32 . Im Verlauf der erneuten Beratungen des Wirtschafts ausschusses konnten die divergierenden Auffassungen der Regierungsfraktionen, 28 Entwurf der Regierungsfraktionen SPD u. FDP vom 25. 1. 1973, BTDrucksache 7/76 - die Begründung dieser Gesetzesvorlage deckt sich auch in ihren Ausführungen zum § 22 GWB wörtlich mit der allgemeinen Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucksache VI/2520). 27 Insbesondere die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung vom 8. 12. 1971 (Anhörung der Spitzenverbände der Wirtschaft) u. vom 9. 12. 1971 (Anhörung der Professoren und Rechtsanwälte). 28 Vgl. Griesbach, Marktwirtschaft 1971, Nr. 9, S. 34, mit den abgedruckten Entwürfen der SPD-, FDP- u. CDU/CSU-Fraktion. 29 Lenders, Marktwirtschaft 1973, Nr. 2, S. 10 f., läßt unter der überschrift "Erzwungene Kompromisse korrigieren" hieran keinen Zweifel. Begriff u. Definition der überragenden MarksteIlung seien für den angestrebten Zweck ungeeignet. so Gewandt, (CDU, faßt die Standpunkte der Oppositionsparteien zusammen) Marktwirtschaft 1971, Nr. 4, S. 23; s. auch Narjes (CDU), Marktwirtschaft 1973, Nr. 2, S. 12 ff. 31 Albers (CDU/CSU) hält infolge der Ausgliederung des Kriteriums des fehlenden Wettbewerbs dirigistische Eingriffe des Staates für möglich, vgl. Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 42. Sitzung, S. 2324 f. 32 Vgl. Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 42. Sitzung, S. 2316, 2324 f.

B. Kartellgesetznovelle 1973

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der CDU/CSU Opposition und auch der Regierungsvertreter einander angenähert werden33• Die Ausschußmitglieder einigten sich neben der Neufassung der Vermutungen auf eine "redaktionelle Zusammenfassung der Marktbeherrschungs-Definitionen in Abs. 1 Satz 1 "34 und schlugen eine Trennung in Nr. 1 und Nr. 2 sowie die Ersetzung des Wortes "auch" durch "oder" vor35• War im Regierungsentwurf vom 18.8.1971 die Verselbständigung des MarktbeherrsdlUngstatbestandes "überragende Marktstellung" lediglich angedeutet, so ließ der N ovellierungsvorschlag des Wirtschaftsausschusses daran keine Zweifel entstehen. Die Verselbständigung der neuen Marktbeherrschungsdefinition zu einer eigenständigen Tatbestandsalternative wurde durch die Formulierungsänderung, die den Tatbestand der überragenden Marktstellung nicht mehr mit dem Wort "auch" sondern mit einem eindeutigeren "oder" an die bisherige Definition anschloß, klargestellt und durch eine Untertei'lung der beiden Marktbeherrschungsformen in zwei Ziffern des § 22 I GWB unterstrichen. Der Bericht des Wirtschaftsausschusses bezeichnete - nicht ganz so eindeutig - die Neufassung als eine zusätzliche Konkretisierung der Marktbeherrschung 36 • Zum Begriff überragende Marktstellung und dessen positive Umschreibung wurde näher ausgeführt, daß damit der Marktbeherrschungsbegriff über die bloße Marktanteilsbetrachtung hinausgeht und eine umfassende Würdigung aller Ressourcen des Unternehmens voraussetzt. Ausdrücklich wurde auf allgemeine übereinstimmung in folgenden Punkten hingewiesen: -

Eine überragende Marktstellung ist auch dann anzunehmen, wenn nur ein Merkmal, allerdings in überragendem Maße, vorhanden ist.

-

Sie kann sich andererseits aber auch aus dem Zusammenwirken von einzelnen an sich nicht überragenden Vorteilen ergeben37 •

Der Ausschußbericht deckte sich damit und auch in seinen weiteren Ausführungen zu § 22 GWB mit der Begründung zum Regierungsentwurf38• 33 Vgl. Kurzprotokoll der 4. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft vom 14. 3. 1973, S. 14 ff., u. Kurzprotokoll der 5. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft vom 21. 3. 1973, S. 5 ff.; zit. nach Jäckering, S. 196 ff. 34 Bericht des Wirtschafts ausschusses vom 13.6.1973, BT-Drucksache 7/765, S.6. 35 Vgl. Antrag des Ausschusses für Wirtschaft vom 7.6.1973, BT-Drucksache 7/696, § 22, S. 4. 38 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses vom 13.6. 1973, BT-Drucksache 7/765, S. 5. 37 Vgl. ebd., S. 5/6. 38 Begründung zum Regierungsentwurf vom 18. 8. 1971, BT-Drucksache VI!2520, S. 21 ff.

4 JUngst

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III. Kap.: Die Entstehungsgeschichte

Indessen fällt auf, daß im Gegensatz zur Regierungsbegründung auf eine Erläuterung und Umschreibung des Begriffs überragende Marktstel'lung mit Hilfe des unternehmerischen Verhaltensspielraums im Wettbewerb vollständig verzichtet wurde. In der vom Wirtschafts ausschuß vorgeschlagenen Fassung ist § 22 GWB nach mehrjährigen Beratungen und Formulierungsversuchen im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GWB am 14.6.1973 vom Bundestag und am 6.7.1973 vom Bundesrat einstimmig verabschiedet worden. D. Die Haltung der Wirtschaftsverblinde und der Gewerkschaften

Obwohl die überarbeitete Fassung des § .22 I GWB einige Bedenken der Wirtschaftsverbände berücksichtigteS9, formierten sich im Verlauf der weiteren politischen Auseinandersetzungen unter der Führung des BDI die bedeutendsten Spitzenorganisationen der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft zum gemeinsamen Widerstand gegen die geplante Kartellnovelte40 • Die Verwendung des Begriffs "überragende Marktstellung" erwies sich ebenfalls als nicht geeignet, die grundsätzlichen Bedenken der Wirtschaft zu beseitigen. Mit der Neufassung des § 22 I GWB sei wettbewerbspolitisch eine bedenkliche Erweiterung des Marktbeherrschungsbegriffs auf einen ganz anderen Tatbestand erfolgt, die zu neuen Befürchtungen und Bedenken Anlaß gebe, da trotz einer überragenden MarktsteUung ein Unternehmen durchaus noch wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt sein könne41 • Eingriffe in unternehmerische Einzelentscheidungen seien indessen nur zu rechtfertigen, wenn ein funktionsfähiger Wettbewerb nicht bestehe42 • Eine derartige Ausdehnung staatlicher Interventionsbefugnisse auf marktstarke Unternehmen müsse den Eindruck dirigistischer Tendenzen erweckenc3 • Insbesondere die Anknüpfung der Zu39 Vgl. Jahresbericht des BDI 1970/71, S. 61, im Hinblick auf die geforderte Berücksichtigung von Finanzkraft und nicht horizontalen Verflechtungen. 40 Vgl. hierzu die kritische Bemerkung des Sprechers der SPD-Fraktion Dr. Jens, in: Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 12. Sitzung vom 1. 2.1973, S. 418 r. Sp. Nach Ansicht von Jens läßt sich an keinem Gesetz der Einfluß der Interessenvertretung auf die Gesetzgebung so hervorragend dokumentieren wie am Kartellgesetz. s. auch Jäckering, S. 104 ff., 220 ff. u. übersicht 8 (S. 171) mit umfassenden Ausführungen zum Einfluß der Verbände auf die Novellierung. 41 Vgl. Auswirkungen der Kartellgesetznovelle auf die Industrie, BDIDrucksache Nr. 93 vom 15.9. 1971; Broicher (DIHT), Marktwirtschaft 1971, Nr. 7, S. 22 f. Zur grds. Haltung des BDI zum neuen § 22 GWB: Sölter, Wirtschafts dienst 1974, S. 393 ff. 42 Vgl. Benisch (BDI), in: Gesellschaftspolitische Kommentare, 1973, S. 51.

B. Kartellgesetznovelle 1973

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sammenschlußkontrolle an die "übertriebenen Kriterien und Vermutungen"" der Mißbrauchskontrolle nach § 22 GWB wurde strikt abgelehnt. Mit mehreren Gemeinschaftserklärungen wandten sich die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft an die Öffentlichkeit45 • Der Eingliederung in die "Einheitsfront" der Wirtschaftsverbände versch'loß sich indessen die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU). Die ASU als Vertretung vornehmlich mittelständischer Unternehmen begrüßte vom Beginn der Novellierungsdebatte an die Bemühungen um eine effizientere Gestaltung des § 22 GWB und forderte eine Orientierung am Begriff "Marktstärke"46. Die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels (HDE) war nur bedingt zum gemeinsamen Widerstand bereit47 • Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte schon seit Jahren eine Verbesserung der Bestimmungen zur Verhinderung des wirtschaftlichen Machtmißbrauchs48 • Zwar unterstützte der DGB in vollem Umfang die in den verschiedenen Entwürfen vorgesehenen Verschärfungen des Marktbeherrschungsbegriffes49. Er ließ indessen aber auch erkennen, daß die neue Marktbeherrschungsdefinition nur unzureichend den gewerkschaftlichen Vorstel'lungen über eine effektive Mißbrauchs- und Fusionskontrolle entsprach60 •

43 Vgl. Broicher (DIHT), Marktwirtschaft 1971, Nr. 7, S. 22; Poeche (BDI) , Marktwirtschaft 1973, Nr. 8, S. 24. 44 Benisch (BDI), Marktwirtschaft 1971, Nr. 7, S. 22. 45 Vgl. Jahresbericht des BDI 1971/72, S. 56 f. 46 Vgl. Stellungnahme der ASU zu den Änderungsvorschlägen, abgedruckt, in: Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle, S. 200 ff. (201); ASU zur Kartellnovelle, in: Die Aussprache 1970, Nr. 1, S. 9. 47 Vgl. Bonenkamp (HDE), Marktwirtschaft 1971, Nr. 7, S. 23. 48 Vgl. Grundsatzprogramm des DGB, in: Dokumente der Gewerkschaften,

S.22.

49 Vgl. Stellungnahme des DGB, abgedruckt, in: Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle, S. 212; zur grds. Haltung der Gewerkschaften gegenüber dem neuen § 22 GWB vgl. Krüper, Wirtschaftsdienst 1974, 'S. 397 ff. 50 Vgl. Neemann (Vorstandsmitglied des DGB, zuständig für die Abt. Wirtschaftspolitik), Die Quelle 1973, S. 290.

,.

IV. Kapitel

Die überragende MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB A. Die wettbewerbspolitische Bedeutung des BegrHfs "überragende MarktsteIlung" Ein einzelnes Unternehmen ist nach § 22 I GWB marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 1. ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb aus-

gesetzt ist oder 2. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende MarktsteIlung hat. Zwar hat sich die der Novellierung des § 22 I GWB zugrundeliegende Befürchtung des Bundeskartellamtes und des Gesetzgebers, die Rechtsprechung würde auch im Rahmen des § 22 I GWB einer restriktiven Auslegung im Sinne der Mosaiktheorie folgen, letztlich als unbegründet erwiesenl • Nach der Novellierung wurde dennoch deutlich, daß bei der Beurteilung des beibehaltenen Marktbeherrschungstatbestandes der Nr. 1 eine umfassende Berücksichtigung aller Faktoren wirtschaftlicher Macht nicht durchführbar ist!. Obgleich der Tatbestand der Nr. 1 (ohne Wettbewerb oder Fehlen von wesentlichem Wettbewerb) von einer Marktstruktursicht ausgehtS , wurde durch die Gerichte und in der Literatur dem Verfahren eines Verhaltens- bzw. Intensitätstests dominierende Bedeutung zugebilligt 4 • 1 Vgl. WuW/E OLG 1645 ff. (1650), u. die Vorgehensweise des BKartA im nachfolgenden "Valium-Fall", WuW/E BKartA 1526 ff. (1534); dazu Meinhold, S. 110; Westrick / Loewenheim, § 22, Rdnr. 14; die Auffassung von Möschel, DB 1973, S. 464 u. Baur, BB 1973, S. 919 f. wurde damit bestätigt. 2 Obwohl der Gesetzgeber einen entsprechenden Anspruch ausdrücklich formuliert hatte. Vgl. Begründung zum RegE (1955), BT-Drucksache 1158, unter C zu § 17, Ziff. 2, S. 39. a Vgl. Mestmäcker, Marktbeherrschende Unternehmen, S. 8; Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 165. , Vgl. Klauss, S. 51 ff.; Schmidt, M., WiSt 1975, S. 267; Meinhold, S. 108 f.; WuW/E OLG 1645 ff. (1650 f.); Hoppmann, Die Abgrenzung, S. 46; Borchardt / Fikentscher, S. '12 ff.

B. Zur Auslegungsproblematik

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Strukturelle Erwägungen fanden im wesentlichen nur durch die Ermittlung der Anzahl der Wettbewerber und ihrer jeweiligen Marktanteile Eingang in die rechtliche Prüfung. Die praktischen Schwierigkeiten "wesentlichen Wettbewerb" mit Verhaltenskriterien bestimmen zu wollen, blieben bestehen5 , wenngleich die Marktbeherrschungsvermutungen des § 22 III GWB auf der Grundlage von Marktanteilskriterien eine erhebliche Beweiserleichterung für das Bundeskartellamt darstellen. Marktbeherrschung ist indessen im wesentlichen eine Strukturfrage. Der Marktanteil als einziges strukturelles Beurteilungskriterium reicht nicht aus, um die Marktstellung eines Unternehmens effizient zu umfassen 6 • Als gänzlich unzulänglich erweist sich dieser Testansatz aber insbesondere gegenüber diversifizierten, finanzstarken Unternehmen, deren Aktivitäten sich auf viele Märkte verteilen, ohne daß ihre Marktanteile auf dem fraglichen Markt die Marktbeherrschungsvermutungen erfüllen. Eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Marktstellung solcher Unternehmen erfordert - über eine Marktanteilsbetrachtung hinausgehend - die Berücksichtigung weiterer struktureller Kriterien, die das gesamte wirtschaftliche Potential des Unternehmens kennzeichnen. Die relevanten Gesichtspunkte für eine Analyse der Marktstruktur sind mit der Novel'le von 1973 durch den neu eingeführten Tatbestand der überragenden Marktstellung und dessen positive Umschreibung anhand von fünf Kriterien in das Gesetz aufgenommen worden. Zur rechtlichen Erfassung der Fälle konglomerater Konzentration stellt sich somit der Marktbeherrschungstatbestand der Nr. 2 des § 22 I GWB als die entscheidende Vorschrift dar.

B. Zur Auslegungsproblematik I. "Uberragende MarktsteIlung" als unbestimmter Gesetzesbegriff Der Begriff "überragende Marktstellung" selbst ist weder ein geläufiger Begriff des Wirtschaftsrechts oder der Wettbewerbstheorie, noch wurde er bisher als Rechts- oder Gesetzesbegriff verwendet. Auch in ausländischen Wettbewerbsgesetzen ist eine entsprechende Bestimmung nicht bekannt7• 5 Vgl. Kartte, in: Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle, S. 107; Klauss, 5.63 f. a Wie Kaysen / Turner, S. 75 (" ... the concept of market power is basically

a structural concept. ") so betonen weite Teile der Literatur die elementare Bedeutung von Strukturkriterien. Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 1, Tz. 22; Schmidt, M., WiSt 1975, S. 268.

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IV. Kap.: Die überragende MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Dementsprechend wird die Formulierung "überragende MarktsteIlung" mit ihren lediglich beispielhaft genannten Kriterien von der weit überwiegenden herrschenden MeinungS als Rechtsbegriff unbestimmten Inhalts klassifiziert, dessen Einordnung neben der (beibehaltenen) alten Marktbeherrschungsdefinition der Nr. 1 und inhaltliche Konkretisierung nur im Wege der Auslegung erfolgen kann. 11. Die: juristischen Interpretationsmethoden

Die Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe', d. h. die Ermittlung ihres Sinngehalts10, auf der Ebene des Wettbewerbsrechts bereitet der gesetzanwendenden Kartellbehörde und den die Rechtmäßigkeit der Anwendung überprüfenden Gerichten erhebliche Schwierigkeiten. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlautl l. Allerdings ist gerade eine "grammatische" Auslegung des Gesetzesbegriffs "überragende Marktstellung" wenig aussagekräftig, da zur Erläuterung der begrifflichen Neuschöpfung des Gesetzgebers nicht einmal entsprechende wirtschaftswissenschaftliche Definitionen herangezogen werden können12 • Aufgrund der Vielzahl ausfüllungsbedürftiger Begriffe im Gesetzestext und mangels einer überzeugenden, geschlossenen Gesamtkonzeption des Normensystems ist auch eine "systematisch-Iogische" Auslegung nur bedingt tauglich. Die juristischen Interpretationsmethoden der "historischen" und "teleologischen" Auslegung rücken vor diesem Hintergrund in Literatur und Rechtsprechung in den Mittelpunkt der Norminterpretation, ohne daß dies eine rechtlich eindeutige Konkretisierung des unbestimmten Gesetzesbegriffs begünstigen könnte. Zwar ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Vorstellungen des Gesetzgebers, vor allem im Hinblick auf die grundsätzliche Zie'lsetzung des Gesetzes, eine verbindliche Leitlinie für die Sinndeutung und Begriffs7 Vgl. hierzu Baur, BB 1973, S. 918; Ebel, NJW 1973, S. 1580; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 44. 8 s. oben, Anm. 7; sowie Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 123, 128; Belke, ZHR 138 (1974), S. 257; Schöppe, DB 1977, S. 385; a. A. nur Hinze, WuW 1977, S. 20. Seine Auffassung, daß der Begriff im wesentlichen durch die fünf Kriterien konkretisiert sei und insofern nicht mehr der Auslegung unterliege, überzeugt nicht. • Der Ausdruck "Gesetzesbegriff" ist insofern zutreffender, als ein im Gesetz verwendeter Rechtsbegriff gemeint ist. 10 Vgl. Larenz, S. 181 ff. U Vgl. Palandt, Einleitung V, 2 a; BVerfGE 1, 299 ff. (312). 12 Zum Verhältnis von wirtschaftswissenschaftlichen Begriffen und Begriffen gleichen Wortlauts im GWB vgl. Börner, in: FS für G. Hartmann, S. 77 ff.

B. Zur Auslegungsproblematik

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ausfüllung. Eine darüber hinausgehende endgültige begriffliche Konkretisierung der Gesetzesbestimmung kann jedoch im Rahmen der historischen Auslegung wettbewerbsrechtlicher Normen regelmäßig nicht erwartet werden; verweist der Gesetzgeber doch gerade mittels unbestim.mter, ausfüUungsbedürftiger Begriffe und Generalklauseln auf die Komplexität und Vielschichtigkeit eines Sachverhalts, dessen Regelung zwangsläufig nur auf grundsätzlichen, unfertigen und keineswegs umfassenden Vorstellungen beruht13 • Was die Auslegung aus der ratio, dem Sinn und Zweck, dem Grund der Bestimmung anbetrifft, so ist auch sie äußerst problematisch, weil das ordnungspolitische Instrumentarium des GWB zur Sicherung einer funktionsfähigen Wettbewerbswirtschaft eine klar umrissene ordnungspolitische Konzeption nicht erkennen läßt14• Zweifellos gebietet die juristische Interpretation wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen eine Berücksichtigung von wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen15 • Allerdings sind ökonomische Gesetze und Theorien in ihrer Bedeutung auch nicht zu überschätzen. Die Wirtschaftstheorie orientiert sich in der Regel an Modellen, die weniger zur Erfassung der Wirklichkeit dienen a:ls vielmehr zur Ableitung wirtschaftstheoretischer Gesetze16 • Die Wirtschaftswissenschaft ist weder zwingend dominanter und schon gar nicht ausschließlicher Auslegungs~ maßstab bei der Würdigung kartell rechtlicher Tatbestände17 • Ihre Funktion bleibt auf die einer Entscheidungshilfe beschränkt; die allgemeinen wirtschaftswissenschaftlichen Erfahrungssätze können lediglich als Interpretationskriterien, als Indizien im Rahmen der rechtlichen Einzelfallbeurteilung herangezogen werden 18 • Vgl. Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 123. Vgl. Hintze, in: FS für G. Hartmann, S. 189; Möhring, NJW 1973, S. 780. 15 vgl. Sandrock, Grundbegriffe, grundlegend zur Bedeutung der ökonomischen Theorie für die Auslegung und Fortentwicklung des GWB; dazu Ulmer, ZHR 135 (1971), S. 558 ff. (561); Günther, ZHR 125 (1963), S. 40, betont die Notwendigkeit einer Synthese beider Wissenschaften; Coing, in: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, S. 1 ff.; Hintze, WuW 1970, S. 577 ff. 11 Vgl. Sandrock, Grundbegriffe, S. 13; Henke, WiSt 1976, S. 174. Zum Problem, ob die Normauslegung zu offenen Widersprüchen mit wirtschaftstheoretischen Gesetzen führen darf vgl. Sandrock, ebda., S. 30 ff.; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 170, Anm. 6. 17 Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 125, verweist zu Recht im Zusammenhang mit § 22 GWB auf soziologische und auch psychologische Faktoren. 18 Vgl. Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 127; Hintze, WuW 1970, S. 577 ff. (581), spricht von einem "Beweis des ersten Anscheins"; ders. in: FS für G. Hartmann, S. 188; Börner, in: FS für G. Hartmann, S. 85, spricht von "hintereinander gestaffelter Anwendung". Zur Verwertung wirtschaftstheoretischer Erkenntnisse in der Rspr. vgl. etwa WuW/E BGH 588 ff. (593); 990 ff. (992); 1045 ff. (1046). 13

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Bei der nach § 22 I erforderlichen Bestimmung der kritischen Kontrollschwelle, an der kartellrechtlich unerhebliche Marktmacht in Marktbeherrschung umschlägt, haben die von der Wettbewerbstheorie entwickelten Testverfahren zur Messung der Wettbewerbseffektivität19 sowie die Marktformenlehre erhebliche Bedeutung. Auch wenn man davon ausgehen kann, daß der Gesetzgeber der gesetzlichen Novellierung im Jahre 1973 das Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs zugrunde gelegt hat20 , so vermag das wettbewerbstheoretische Instrumentarium jedoch weder ein objektives Meßverfahren noch einen objektiven Maßstab für schädliche Marktmacht zu liefern. Aufgrund der weitgehend ungeklärten Interdependenzen und der mangelnden Objektivierbarkeit aller Bestimmungsfaktoren eines dynamischen Wirtschaftsprozesses sind die Konstellationen schädlicher Marktmacht und damit die kritische Schwelle, an der Marktmacht in Beherrschung übergeht, derzeit nicht feststellbar21 • Das wirtschaftstheoretische Instrumentarium ermöglicht allenfalls tendenzielle Aussagen22 und versagt damit bereits auf der Ebene der rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Bezeichnend für die Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Ausdeutung des Begriffs "Marktbeherrschung" ist, daß es bis heute den Rechtsund Wirtschaftswissenschaften nicht gelungen ist, eine dem GWB zugrundeliegende einheitliche Wettbewerbsdefinition zu entwicke'ln23 • Unter diesen Bedingungen hat der Gesetzgeber (zwangsläufig) von einer Legaldefinition der überragenden MarktsteIlung abgesehen und die Konkretisierung und Ausfüllung des Begriffs den rechtsanwendenden Instanzen überantwortet24 • Ist es Sache der Auslegung, die jeweilige Norm inhaltlich im Hinblick auf ihre ratio legis zu präzisieren, so wird deutlich, daß die Bestimmung von Marktbeherrschung bzw. überragender Marktstellung letztlich kein Akt erfahrungswissenschaftlicher, objektiver Erkenntnis sein kann, sondern eine normative Entscheidung, ein Wertungsurteil verlangt26 • s. oben, 11. Kap., A. vor I. s. oben, 11. Kap., Anm. 2. 21 Vgl. Belke, ZHR 138 (1974), S. 256 f.; Hoppmann, Die Abgrenzung, S. 43; Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 61 ff. (63). z: Vgl. Möschel, DB 1973, S. 462. Z3 Zu dieser Problematik vgl. etwa Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 169 f. (170), er hält eine Definition überhaupt für unmöglich; Knöpfle, Der Rechtsbegriff "Wettbewerb", hat alle Versuche einer Begriffsbestimmung zusammengestellt und selbst eine neue Definition vorgeschlagen; s. auch Sandrock, Grundbegriffe, S. 102 ff.; Baur, ZHR 134 (1970), S. 97 ff.; Raisch, BB 1971, S. 230. 24 Vgl. Westrick / Loewenheim, § 22, Rdnr. 22; Gotthold, WRP 1975, S. 94. 19

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B. Zur Auslegungsproblematik

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BI. Erfordernis einer Wertentsdleidung

Der Tatbestand "Marktbeherrschung kraft überragender MarktsteIlung" löst nach §§ 24 IV, V; 2611 GWB im Falle des Mißbrauchs bzw. der Diskriminierung und nach § 24 GWB unmittelbar als Eingreifkriterium behördliche Eingriffsrechte aus. Die Verwendung normativer, also ausfüllungsbedürftiger, Gesetzesbegriffe durch den Gesetzgeber ist zweifellos zulässig. Jede Rechtsnorm muß indessen dem verfassungsrechtIichen Bestimmtheitsgebot entsprechen; insbesondere dann, wenn sie Eingriffe in die Rechtssphäre des Staatsbürgers begründet. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 11 2, 111 GG) und der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG folgende Gebot der Normklarheit und Justiziabilität der gesetzlichen Grundlage gebietet, daß aufgrund der unbestimmten gesetzlichen Fassung eine gewisse Vorhersehbarkeit und Meßbarkeit des behördlichen HandeIns gewährleistet ist. Es darf keinesfalls der Exekutive überlassen bleiben, "die Grenzen der Freiheit im einzelnen zu bestimmen"28. Entsprechend dem von Hayek aufgezeigten Charakter des Wettbewerbsprozesses als Entdeckungsverfahren27 wird die Ansicht vertreten, daß sich Marktrnacht nicht aufgrund objektiver Kriterien, sondern nur willkürlich diagnostizieren lasse 28. Konsequent führt Hoppmann29 aus, § 22 I GWB sei "kein Tatbestand der rechtsstaatIichen Anforderungen entsprechend so definiert werden kann, daß ein Unternehmen vorher wissen könnte, ob es in den Kreis der zu kontroHierenden Unternehmen gehört oder nicht". Diese Auffassung auf der Grundlage eines neoliberalen Vorverständnisses30 überzeugt jedoch nicht31 • Die Definition der Marktbeherrschung nach § 22 I Nr. 2 GWB ist durch einen Kranz von Marktstrukturkriterien hinreichend konkreti25 Vgl. Hoppmann, Die Abgrenzung, S. 41, 45; ders., Wirtschaftsdienst 1974, S. 390; Mestmäcker, Marktbeherrschende Unternehmen, S. 10, 14 f.; Belke, ZHR 138 (1974), S. 257; Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 66; Westrick I Loewenheim, § 22, Rdnr. 16. 28 BVerfGE 8, 274 ff. (325); vgl. auch BVerfGE 6, 32 ff. (42); 8, 71 ff. (76); 20, 150 ff. (157 f.); 34, 165 ff. (192 f.); BVerwGE 2, 114 ff. (116) und ausführlich Lerche, S. 67 ff. 27 Hayek, Die Theorie komplexer Phänomene; ders., Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, in: Freiburger Studien, S. 249 ff.; vgl. auch Hoppmann, Fusionskontrolle, S. 20 ff.; ders., in: Wettbewerb als Aufgabe, S. 90 f. 28 Vgl. Röpke, FAZ vom 26.2.1974, S. 14; ders., ORDO XXIV (1973), S. 305 ff. (308). 29 Hoppmann, Wirtschaftsdienst 1974, S. 390. 30 Vgl. hierzu die Kritik von Gotthold, WRP 1974, S. 602 ff. 31 Vgl. Lenel, in: FS für F. Böhm zum 80. Geb. (1975), S. 327 ff.; Möschel, JZ 1975, S. 398 f.; ders., NJW 1975, S. 754 ("ein solcher Standpunkt ist wettbewerbstheoretisch und -praktisch überzogen").

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

siert, somit also keineswegs in einem solchen Maße unbestimmt und vage, wie es eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots voraussetzen würde. Die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit weiter, unbestimmter Rechtsbegriffe, die auch als normative oder wertausfüllungsbedürftige Begriffe bezeichnet werden32 , ist allgemein anerkannt33 gerade auch im Bereich des Wirtschaftsrechts34 • Derartige Gesetzesbegriffe sind insbesondere im Wettbewerbsrecht nichts Ungewöhnliches und erklären sich aus der Tatsache, daß die jeweils zugrundeliegenden komplizierten wirtschaftlichen Sachverhalte ihrem Wesen nach in einer abstrakten Regelung nicht konkreter gefaßt werden können35 • Im Anschluß an Mestmäcker6 stellt das Bundeskartellamt37 daher zutreffend fest, daß der Tatbestand der Marktbeherrschung eine Generalklausel und ein Zweckbegriff ist, "welcher seinen Inhalt erst durch juristische Wertungen erhält, die sich aus dem Zweck des Gesetzes selbst sowie aus denjenigen Vorschriften ergeben, die die an die MarktsteIlung geknüpften Rechtsfolgen regeln". Die Notwendigkeit einer wertenden Entscheidung bei der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 22 I GWB, d. h. hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen für einen behördlichen Eingriff, mag zwar den positivistisch geschulten Juristen "beunruhigen"38, der allein im Rahmen der Rechtsfolgebestimmung und nur aufgrund ausdrücklicher Zubilligung eine wertende Entscheidung (Handlungsermessen) für zulässig erachtet. Wie in weiten Bereichen des Öffentlichen Rechts 39 handelt es sich aber auch bei der Konkretisierung des wettbewerbsrechtlichen Tatbestandsmerkmals "Marktbeherrschung" weitgehend "um Gradfragen und um die angesichts eines Meeres von Ungewißheit überaus schwierige Ermittlung von Erfahrungssätzen, die sich generalisieren lassen und damit einer Normierung zugänglich werden"4o. Vgl. hierzu Engisch, S. 109 ff., Larenz, s. 203 f., 273 ff. Vgl. etwa BVerfGE 6, 32ff. (42); 13, 153ff. (161); ständ. Rspr.; Maunzl Dürig, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Rdnr. 90, Art. 20; Wolff I Bachof, § 31 I c, S. 188 ff. (189). 34 Vgl. BVerfGE 8, 274 ff. (326). 35 Vgl. GutzIer, FR vom 5.4.1978, S. 13; dazu allg. Schmitt Glaeser, Der Landkreis, S. 444; s. auch Gotthold, WRP 1978, S. 602 ff. 38 Mestmäcker, Marktbeherrschende Unternehmen, S. 10, 14 f. 37 WuW/E BKartA 1526 ff. (1532). 38 Vgl. Gotthold, WRP 1975, S. 94. 31 Vgl. zur Problematik sog. "diffuser" Normen insbes. im Recht zur Gestaltung der wirtschaftlichen Ordnung etwa Herzog, VVDStRL, Heft 24 (1966), S. 191 f. - am Beispiel des BundesbankG; Friauf, VVDStRL, Heft 27 (1969), S. 37 f. - insbes. am Beispiel des Stabilitätsgesetzes. 40 Möschel, NJW 1975, S. 754; vgl. auch ders., JZ 1975, S. 398 f. 32

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B. Zur Auslegungsproblematik

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VolIzieht sich aber der Prozeß der Rechtsfindung durch die rechtsanwendende Behörde bzw. den Richter als juristische Wertentscheidung, so stellt sich die dringende Frage nach dem Verhältnis beider Instanzen bzw. nach dem zulässigen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. IV. Kein behördlicher Beurteilungsspielraum

Vor allem von Bachofu wird die Ansicht vertreten, daß bei unbestimmten, wertausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen der Verwa:ltung ein nur beschränkt überprüfbarer "Beurteilungsspielraum" zur Verfügung stehe 42 . Ule43 will daher die gerichtliche Überprüfung auf eine "Vertretbarkeitskontrolle" beschränkt wissen. An diese Auffassung knüpft der frühere Präsident des Bundeskarte'llamtes Günther an, wenn er geltend macht, daß die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Kartellbehörde aufgrund eines politischen Gestaltungsauftrags erfolge und von Gerichten "einzig auf ihre Vereinbarkeit mit dem durch das geltende Recht gesetzten Rahmen überprüft werden"44 sollte. Günther aktiviert damit eines der grundlegenden Probleme der Jurisprudenz, in dessen Mittelpunkt die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Exekutive, Judikative und Legislative steht, auf der Ebene des Wettbewerbsrechts 45 . Er ist der Ansicht, daß aufgrund der extensiven Verwendung generalk'lauselartiger und wertbezogener Begriffe im GWB ein der Rechtswissenschaft traditionell bekannter Subsumtionsvorgang nicht möglich sei; der Gesetzgeber zwinge das Bundeskartellamt daher zur Rechtspolitik, zur Übernahme normsetzender Aufgaben46 . Wenn dem Bundes41 Vgl. Bachof, JZ 1955, S. 97 ff.; ders., JZ 1972, s. 208 ff.; ders., JZ 1972, S. 641 ff. 42 Vgl. auch Reuß, DVBI 1953, S. 585 ff., S. 649 ff.; Ossenbühl, DÖV 1968, S. 618 ff., mit umfassenden Literaturangaben; Jarosch, DÖV 1974, S. 123 ff.; Schmitt-Eichstaedt, AöR 98 (1973), S. 173 ff.; Kellner, NJW 1966, S. 857 ff., der wie das BVerwG von "Beurteilungsermächtigung" spricht - vgl. etwa BVerwGE 26, 65 ff. (74). 43 Vgl. Ule, in: Gedächtnisschrift für Jellinek (1955), S. 309 ff.; ders., Verwaltungsprozeßrecht, S. 7 ff. 44 Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 132; vgl. zur Problematik der Rechtskontrolle der kartellbehördlichen Verfügungen n. § 70 IV GWB, Würdinger, WuW 1958, S. 392 ff.; dazu Benkendorff, WuW 1958, S. 740 ff.; s. auch WuW/E BGH 907 ff. (911). 4S Vor ihm bereits Bullinger, VVDStRL 22 (1965), S. 292 ff., der mit dem methodisch gleichen Ansatz aus der unbestimmten Struktur des Mißbrauchsbegriffs allgemein-wirtschaftspolitische, wirtschaftslenkende Zielsetzungen der kartellbehördlichen Aufsicht n. § 22 GWB zu begründen versucht. Überzeugende Widerlegung bei Baur, Mißbrauch, S. 66 ff. 48 Vgl. Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 123 f., unter Berufung auf Rüthers, S. 52, 54, der zu Recht darauf hinweist, daß notwendige rechtspolitische Akte einer richterlichen Normsetzung allzuoft irreführend in eine

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

kartellamt aber vom Gesetz durch die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe die rechtspolitische Funktion der Normsetzung zur Schaffung und Fortbildung der Wirtschaftsordnung übertragen sei, so "dürften die Beschwerdegerichte nicht funktionsmäßig ansteHe der normsetzenden Behörde fungieren"'7. Die gestaltende Rechtspolitik der Behörde sei vielmehr einzig auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesetz zu überprüfen. Die politische Entscheidung unterliege im übrigen dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, da sie ohne Verletzung des Rechts auch anders ausfallen könne48 • Zunächst ist zu bemerken, daß die überwiegende Anzahl der Befürworter eines behördlichen Beurteilungsspielraums bei unbestimmten Rechtsbegriffen allein die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Rechtsanwendung, d. h. die Subsumtion der im Einzelfall festgestellten Tatsachen unter den gesetzlichen Tatbestand, problematisiert; währenddessen die Auslegung dieser Begriffe selbst uneingeschränkter Gerichtskontrolle überantwortet wird4'. Günther überträgt hingegen den Beurteilungsspielraum bereits auf den Vorgang der abstrakten Ausiegung und plädiert für eine gewisse gerichtlich unüberprüfbare Auslegungsfreiheit der Verwaltungsbehörde. In der öffentlich-rechtlichen Literatur steht dieser Standpunkt weitgehend außer Diskussion und wird nur von wenigen AutorenSO gestützt. Zu Recht, denn einer partiel'len Ausschaltung der gerichtlichen Kontrolle schon auf der Ebene der Auslegung stehen die Prinzipien der Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung entgegen. Damit unvereinbar wäre, wenn die Gerichte, je nach dem von der Verwaltung gewählten Normverständnis, jeweils mehrere rechtlich verbindliche Auslegungen hinnehmen müßten51 . Die fallunabhängige Auslegung muß der letztinstanzlichen und letztverbindlichen gerichtlichen Entscheidung vorbehalten bleiben12 • auslegungstechnische Operation, also einen Akt der reinen Rechtsanwendung umgedeutet werden. Allerdings leitet er entsprechende Konsequenzen wie Günther (s.o.) nicht ab. Ähnlich Säcker, S. 70. 47 Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 125. 48 Günther, in: FS für G. Hartmann, S. 125 f., unter Hinweis auf Schmidt, W., VVDStRL, Heft 33 (1975), S. 199; sowie ders., NJW 1975, S. 1753 ff. (1757), der den Ausbau einer verbesserten Ermessenslehre statt ein Festhalten am "unbestimmten Rechtsbegriff" vorschlägt; Bullinger, NJW 1974, S. 769 ff. 49 s. oben Anm. 41 und 42; zu dieser Problematik vgl. Wolff I Bachof, § 31 I c (188, 190); Ossenbühl, DÖV 1972, S. 403. 50 Vgl. Schmidt, W., Gesetzesvollziehung, S. 121 ff.; Redeker, DVBI 1972, S. 896; Jesch, AöR 82 (1957), S. 221 ff. 51 Vgl. Obermayer, S. 60. S! Vgl. Ossenbühl, DÖV 1972, S. 403, allerdings nicht ohne sich von der Vorstellung einer "allein richtigen Auslegung" zu distanzieren; Würdinger, WuW 1958, S. 403.

B. Zur Auslegungsproblematik

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Bei der Kontrolle behördlicher Rechtsanwendung haben zudem die Verwaltungsgerichte mit Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Gebot eines 'lückenlosen Verwaltungsrechtsschutzes (Art. 19 IV GG) bei unbestimmten Rechtsbegriffen einen Beurteilungsspielraum zumeist ausdrücklich abgelehnt53 • Ist im Grundsatz die Einräumung einer gewissen gerichtlich unüberprüfbaren Subsumtionsfreiheit auch unstreitig zulässig 54 , so ist eine solche Beurteilungsermächtigung doch auf einen engen Kreis von Verwaltungsentscheidungen zu beschränken55 • Behördliche Beurteilungsspielräume wurden bisher weitgehend nur im Rahmen von Planungsentscheidungen, Personenwertentscheidungen und höchstpersönlichen Fachurteilen 'anerkannt56 • Im Rahmen des Wettbewerbsrechts und insbesondere für die Frage der Marktbeherrschung rechtfertigen weder die Sachnähe, die Verantwortungslage, die Unvertretbarkeit persönlicher Wertungen, der Sachverstand der Behörde57 noch die demokratische und gesellschaftliche Repräsentanz der der Behörde58 oder gar die Variabilität der Wettbewerbsverhältnisse eine Begrenzung der richterlichen Kontrolldichte. Die Einräumung eines behördlichen Beurteilungsspielraums im Rahmen des § 22 I GWB verbietet sich desweiteren aufgrund der Tatsache, daß die Festste:tlung der Marktbeherrschung im Rahmen der Tatbestände nach §§ 22 IV, V; 2611; 24 GWB Ordnungswidrigkeiten nach § 38 I, IV GWB begründen kann. Je intensiver aber der behördliche Eingriff die Rechtssphäre des Bürgers beeinträchtigt, desto enger sind die rechtlichen Bindungen zu ziehen59 • Sind an die Verletzung eines Tatbestandes Sanktionen geknüpft, so verlangt das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit absolute Gleichheit des Normvollzugs und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG ein Höchstmaß an Rechtsschutz durch lumfassende Gerichtskontrolle. Beides wäre nicht zu gewährleisten, wenn die Gerichte al'le "vertretbaren" Rechtsauffassungen der Behörde akzeptieren müßten. Ein Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien zeigt zudem, daß der Gesetzgeber die 53 Vgl. etwa BVerfGE 15, 275 ff. (282); BVerwGE 26, 65 ff. (75); 29, 279 ff.; 34,301 ff. (304 f.); 40, 353 ff. (357 f.). 54 Vgl. etwa BVerwGE 39, 197 ff. (204); 15, 39 ff. (41); 11, 165 ff. (167); 5, 153 ff. (162 f.); 8, 272 (275 f.). 65 Vgl. BVerwGE 29,279 ff. (280). 58 Vgl. Redeker, DOV 1971, S. 760; Redeker / v. Oertzen, § 114, Rdnr. 14. 57 §§ 92, 95 GWB gebieten die Einrichtung von besonderen Kartellsenaten mit wirtschafts- und wettbewerbsrechtlich vorgebildeten Juristen. 58 Vgl. den Katalog maßgeblicher Gesichtspunkte bei Bachof, JZ 1972, S. 644. 58 Vgl. Ossenbühl, DOV 1976, S. 464.

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IV. Kap.: Die überragende MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Maßnahmen des Kartellamts in stärkerem Maße als die anderer Behörden der gerichtlichen Nachprüfung unterworfen wissen wollte 60 • Der unbestimmte Rechtsbegriff ist für Günther das rechtstechnische Hilfsmittel, um die Rechtsbindung der Kartellbehörde zugunsten einer politischen Gesta'ltungsfreiheit aufzulockern. Die Konkretisierung und Ausfüllung dieser Begriffe bleibt indessen immer eine rechtsgestaltende Aufgabe - kein wirtschafts- oder wettbewerbspolitischer Auftrag -, d. h. eine Rechtsfrage, und ist als solche in vollem Umfang der richterlichen überprüfung zugänglich. Der Begriff der überragenden Marktstellung ist somit hinsichtlich Auslegung und Subsumtion von den Gerichten voll nachprüfbar, es besteht für die Kartellbehörde kein irgendwie gearteter gerichtsfreier Spielraum zur wirtschaftspolitischen Gestaltung. Auch unter diesen Bedingungen wird zwar zu Beginn des Rechtsfindungsprozesses die Vorhersehbarkeit exekutiven HandeIns nicht in vollem Umfang gewährleistet werden können. Dem Erfordernis der Rechtssicherheit wird a'llerdings im Verlaufe längerer Rechtsprechung durch beständige richterliche Präzisierung des normativen Begriffs in zunehmendem Maße entsprochen81 •

C. überragende MarktsteIlung und Untemehmensgröße I. "tJberragende MarktsteIlung" als.Kriterium für allgemeine Unternebmensmadlt

Zunehmende Größe und Diversifizierung erweisen sich als Charakteristika moderner Unternehmen. Mit der dringenden Forderung nach effektiver Kontrolle insbesondere konglomerater Unternehmensmacht und der Lösung ihrer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Problematik wird von einer Reihe von Autoren der Begriff "überragende Marktstellung" im Sinne einer Abkehr vom herkömmlichen Marktmachtkonzept und als ausschließ'lich unternehmensbezogenes Machtkriterium interpretierte!. 80 Vgl. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, BT-Drucksache, 2. Wahlperiode 3644, Abschnitt I. E. 11., S. 13; s. dazu Krull, JZ 1961, S. 683; WuW/E BGH 907 ff. (911). 81 Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 44. 62 Insbesondere Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 128 f., 177 f.; ders., in: FS für F. Böhm (1975), S. 125 ff. (127 f.); ders., ZHR 140 (1976), S. 108; ders., JUS 1976, S. 122 f.; ders., JUS 1977, S. 124; ders., AG 1977, S. 19; ders., AG 1977, S. 140; Sonnenschein, Organschaft, S. 16 f.; Woedtke, S. 112 ff.; nicht ganz eindeutig Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 167 ff. (169); s. auch Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 221 ff.; Belke, ZHR 138 (1974), S. 256 ff. (259); kritisch: Rittner, DB 1973, S. 318.

C. überragende Marktstellung und Unternehmensgröße

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1. Kritik am Marktmachtkonzept Nach der auf die Beurteilung der wirtschaftlichen Machtstellung eines traditionell strukturierten Unternehmens zugeschnittenen neoliberalen Betrachtungsweise wird die Machtstellung eines Unternehmens entscheidend durch seine MarktsteIlung bestimmt6S , wobei dem Marktanteil überragende Bedeutung zukommt64 • Das so verstandene Marktmachtkonzept des GWB wird im Anschluß an die Kritik von Edwards 65 radikal in Frage gestellt. Ein Konzept scharf abgegrenzter Märkte sei überholt, da sich ein sachlich, räumlich und zeitlich abgegrenzter Markt nicht mit hinreichender Genauigkeit feststellen lasse 68• Zu Recht wird darüber hinaus darauf hingewiesen, daß auf der Grundlage dieser Konzeption die Faktoren wirtschaftlicher Machtentfaltung nur unzureichend erfaßt werden können. Die marktübergreifende Dimension und die zwischenmarktlichen Beziehungen als wesentliche Merkmale konglomerater Wirtschaftsmacht blieben unberücksichtigt. Das klassische Marktmachtkonzept sei mit seiner Fixierung auf Marktanteile und bestimmte Einzelmärkte nicht geeignet, Unternehmensgröße und Diversifikation als neue Erscheinungsformen wirtschaftlicher Macht zu erklären und adäquat zu erfassen87 •

2. Unternehmensgröße und Diversifikation Nach dieser Auffassung kann die wirtschaftliche Macht konglomerater Großunternehmen nicht allein durch den Marktanteil und ihre Stellung auf den einzelnen Märkten bestimmt werden. Vielmehr könnten bereits die Unternehmensmerkmale Größe (Größenmacht) und Diversifikation (Diversifikations- oder Integrationsmacht) eine wett bewerbspolitisch relevante Machtposition begründen88 •

83 Vgl. Eucken, Nationalökonomie, S. 202; Gutenberg, Grundlagen, Bd. 11, S. 218 f. 84 Vgl. Würdinger, WuW 1961, S. 752. 85 Edwards, in: FS für H. Kronstein (1967), S. 237 ff.; ders., in: Business Concentration, S. 331 ff. M Vgl. Hoppmann, Die Aussprache 1969, S. 282 f.; Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 21 ff.; Markert, ZHR 134 (1970), S. 220. 87 Vgl. Emmerich, in: FS für F. Böhm (1975), S. 126; Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 168 f.; Belke, ZHR 138 (1974), S. 259; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 77 f.; Markert, ZHR 134 (1970), S. 220; Lenel, ORDO XXIII (1972), S. 320 ff.; Woedtke, S. 3 ff. 88 Vgl. Edwards, in: Business Concentration, S. 331 ff.; Hoppmann, Die Aussprache 1969, S. 283 f.; Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 210; Hansen, WuW 1970, S. 662 f.

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IV. Kap.: Die überragende MarktsteHung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Nach Ansicht von Emmerichs9 und Belke70 können solche Unternehmen auf allen ihren Märkten durchaus lebhaftem Wettbewerb ausgesetzt sein und keine den Einzelmarkt beherrschende Stel'lung einnehmen; gleichwohl jedoch aufgrund ihrer außerordentlichen Größe und infolge der Verteilung ihrer Aktivitäten auf zahlreichen Märkten schon durch ihr bloßes Auftreten auf einem beliebigen Markt schwerwiegende Gefahren für den Wettbewerb bewirken. Nicht zuletzt angesichts der Auswirkungen auf die Fusionskontrolle nach § 24 GWB sei daher der Begriff "überragende Marktstel'lung" möglichst weit auszulegen, um (gerade) die konglomeraten Erscheinungsformen wirtschaftlicher Machtentfaltung in ihrer ökonomischen Gesamtheit erfassen und effizient kontrollieren zu können. Gegenüber der marktbezogenen Betrachtungsweise der ersten Marktbeherrschungsdefinition des § 22 I GWB will daher auch MöscheFl den Tatbestand der überragenden Marktstellung unternehmensbezogen verstanden wissen. D. Keine Abkehr vom MarktmadltkoDzept

Der bereits während des Novel'lierungsprozesses laut gewordenen massiven Kritik72 an der Neufassung des § 22 I GWB lag die Befürchtung zugrunde, daß die Bestimmung Möglichkeiten zur Kontrolle und Bekämpfung von Unternehmensmacht biete, die mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht vereinbar seien. In Auseinandersetzung mit der namentlich von Emmerich propagierten marktunabhängigen, ausschließlich auf Größenkriterien abstellenden Betrachtungsweise stellt sich weniger die ordnungstheoretische Frage nach der Marktkonformität. Eine kritische Würdigung dieser Auffassung reduziert sich in diesem Zusammenhang auf das Problem der Vereinbarkeit mit dem Wortlaut des Gesetzes. Um den eigenen wettbewerbstheoretischen Standort deutlich zu machen soll hier dennoch klargestellt sein: zum Aufgabenbereich eines funktionsfähigen Wettbewerbs zählt neben der Erfüllung ökonomischer Funktionen73 aus Gründen der Adäquanz von politischer und wirtschaftlicher Ordnung das gesellschaftspolitische Ziel der Gewährleistung allgemeiner wirtschaftlicher Handlungs- und EntschließungsfreiVgl. Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 128. Vgl. Belke, ZHR 138 (1974), S. 258. 71 Vgl. Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 168 f. 72 Vgl. Kritik der Wirtschaftsverbände oben, III. Kap., B. 11.; s. auch Leo, WRP 1972, S. 6ff., 20f.; Benisch, DB 1972, S. 178; BoHack, WRP 1972, S. 27. 73 Vgl. etwa Bain, Industrial Organization, S. 13; Clark, Competition, S. 63 ff.; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 6 f.; Berg, WiSt 1978, s. 146; überblick bei Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 30 ff. 89

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C. überragende Marktstellung und Unternehmensgröße

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heit bzw. der Kontrolle wirtschaftlicher Macht (Zielkomplex Wettbewerbsfreiheit)1' . Rückt Emmerich die gesellschaftspolitische Funktion des Wettbewerbs unter weitgehender Loslösung von den tatsächlichen Marktverhältnissen in den Vordergrund, so mag man sich über die Berechtigung und Erforderlichkeit seines "radikalen" Ansatzes streiten können. An der grundsätzlichen übereinstimmung dieser wettbewerbstheoretischen Auffassung mit marktwirtschaftlichen Prinzipien besteht jedenfalls kein Zweifel. Durch die Kriterien der überragenden Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB wird klargestel'lt, daß der Marktbeherrschungsbegriff über die bloße Marktanteilsbetrachtung hinausgeht und eine umfassende Würdigung aller Ressourcen des Unternehmens voraussetzt75 • Zwar wird durch einzelne Kriterien eine Abwendung von der lediglich einzelmarktorientierten Betrachtungsweise angezeigt: Das Kriterium der Finanzkraft deutet dabei auf die wirtschaftliche Potenz, die absoluten Ressourcen und damit auf die Größenmacht hin; ebenso erscheint es möglich, durch das Kriterium "Verflechtung mit anderen Unternehmen" den Tatbestand der konglomeraten Diversifikation zu berücksichtigen. Indessen läßt sich nicht verkennen, daß in § 22 I GWB deutlich markt- und wettbewerbsbezogene Kriterien im Vordergrund stehen78 • Eine marktbeherrschende Stellung kann immer nur auf einem bestimmten Markt bestehen. Durch die Verwendung der herkömmlichen Begriffskategorien (wie "marktbeherrschend ", "überragende Marktstellung" , "Marktzutritt"), durch das Kriterium "Marktanteil" und insbesondere durch den ausdrücklichen Bezug auf eine "bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen" wird eindeutig die grundsätzliche Beibehaltung des herkömmlichen Marktmachtkonzepts bestätigt. Gemäß § 22 I Nr. 2 GWB muß die MarktsteUung im Verhältnis zu den Wettbewerbern überragend sein. Wer als Wettbewerber in Betracht kommt, ergibt sich jedoch erst aus der sachlichen Marktabgrenzung. 74 Vgl. Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 30 ff., mit einer zusammenfassenden Darstellung der kontroversen Auffassungen in der deutschsprachigen Litratur; ebenso Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 7 f.; Schmidbauer, S. 37 ff.; alle im Anschluß an Giersch, S. 73 f.; ders., in: Hamburger Jahrbuch 1964, S. 67 f. 75 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache IV!2520, S. 19, 22. 78 So die weit überwiegende h. M. in Rspr., Praxis und Literatur, vgl. WuW!E OLG 1599 ff. (1602); WuW!E OLG 1645 (1651); WuW!E BGH 1435 ff. (1440); WuW!E BGH 1445 ff. (1449); WuW/E BKartA 1483 ff. (1488); Lübbert, WuW 1977, S. 568; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 50 ff.; Reich, BB 1973, S. 1451; Baur, BB 1973, S. 918 f.; Knöpfle, BB 1973, S. 1177 ff.; Ebel, NJW 1973, S. 1580; Kleinmann ! Bechtold, § 22, Rdnr. 81; Westrick ! Loewenheim, § 22, Rdnr. 20; Langen! Niederleithinger / Schmidt, § 22, Rdnr. 25 ff.

5 JUngst

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Dementsprechend geht der BGH im Vitamin-B-12-Beschluß77 in übereinstimmung mit dem Kammergericht78 davon aus, daß zur Feststellung einer überragenden Marktstellung zunächst die Ermittlung eines relevanten Marktes erforderlich ist, auf dem sich die gegenüber den Wettbewerbern überragende Marktstellung auswirken kann. Indem er weiterhin feststeHt, daß die Frage nach der überragenden Marktstellung nicht beantwortet werden kann, "ohne die Wettbewerbsverhältnisse auf dem fraglichen Markt heranzuziehen"79, beseitigt er jeden Zweifel an der marktbezogenen Betrachtungsweise. Unternehmensgröße und Diversifikation allein tragen nach dem GWB keine Unwertzeichen und werden als solche ohne Berücksichtigung der einschlägigen Marktverhältnisse von § 22 I Nr. 2 GWB nicht erfaßt80. Entgegen dem ausdrücklichen Anspruch des Gesetzgebers bei der Novelle 1973, über wettbewerbs- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen hinausgehend auch "zwingenden" geseHschaftspolitischen Aspekten der verstärkten ökonomischen Konzentrationsentwicklung Rechnung zu tragen81 , haben auch keine außerökonomischen Gesichtspunkte in den Gesetzestext Eingang gefunden, die eine ausschließlich unternehmensbezogene, auf allgemeine Machtzusammenballung abstellende Betrachtungsweise stützen könnten82 . De lege lata bleibt also für die Feststel'lung einer überragenden Marktstellung ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse kein Raum. Zusammenfassend ist festzustellen, daß bei der Ermittlung der Marktstellung nicht allein auf Größenmacht und Diversifizierungspotential abgestellt werden kann, sondern daß sämtliche Kriterien der überragenden MarktsteHung in ihrer Auswirkung auf einen konkreten Markt gewürdigt werden müssen. Demnach ist auch bei § 22 I Nr. 2 GWB zunächst der relevante Markt abzugrenzen, bevor festgestellt werden kann, ob das fragliche Unternehmen auf diesem Markt eine überragende Stellung innehat. WuW/E BGH 1435 (1440). Vgl. WuW/E OLG 1599 (1602). 79 WuW/E BGH 1435 (1439). 80 Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 45; Lübbert, WuW 1977, S. 568; Huber, WuW 1975, S. 383. 81 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Druck.sache VI/2520, S. 16 und Begründung zum RegE (1973), BT-Druck.sache 7/76, S. 14; beide insbesondere zur Einführung der Fusionskontrolle: "In gesellschaftlicher Sicht zerstören übermäßige Ballungen wirtschaftlicher Macht die Grundlage unserer freiheitlichen Ordnung. Politische Demokratie und Marktwirtschaft sind ohne Dezentralisierung der Macht nicht denkbar." Vgl. TB des BKartA 1971, BTDrucksache VI/3570, S. 5. 82 Vgl. Baur, BB 1973, S. 919; Reich, BB 1973, S. 1454; Ebel, NJW 1973, S. 1580; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 45 f.; Monopolkommission, Sondergutachten 1, Tz. 19 ff.; earl, S. 77 ff. 77

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D. überragende Marktstellung und Wettbewerb

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10. Diagonalisierung des Marktbeherrschungsbegriffs

Hält somit also die Marktbeherrschungsdefinition der Nr. 2 des § 22 I GWB grundsätzlich am traditionellen Marktrnachtkonzept fest, so macht die Neufassung jedoch auch deutlich, daß die Bedeutung des Marktanteils und damit auch die des relevanten Marktes zurückgetreten ist83 • Eine Beurteilung der Marktstellung kann keinesfalls mehr auf eine bloße Marktanteilsbetrachtung im Sinne einer restriktiven Gleichstellung von Marktrnacht und Marktanteilsmacht beschränkt werden. Durch die positive Umschreibung der "überragenden Marktstellung" anhand von fünf Kriterien wird die Feststellung der Marktbeherrschung vielmehr an eine Gesamtwürdigung aller Umstände geknüpft, welche die Stellung eines Unternehmens am Markt prägen84 (Ressourcenbetrachtung). Das Konzept der Marktrnacht wird insofern relativiert, als der Tatbestand der überragenden Marktstellung neben einer marktbezogenen (Marktanteil, Marktschranken etc.) auch eine unternehmensbezogene (Finanzkraft, Verflechtung etc.) Betrachtungsweise nach dem Konzept der "business power" bzw. "Unternehmensmacht" im Sinne von C. D. Edwards und E. Hoppmann85 als gleichwertiges Beurteilungskonzept erlaubt. Daß der Gesetzgeber dabei insbesondere die Fälle vertikaler und konglomerater Konzentration im Auge hatte, wurde bereits dargestellt. Sah er sich zwar zu einer Relativierung (im Sinne einer Vertikalisierung und Diagonalisierung), nicht aber zu einer Ablösung des strukturellen Marktrnachtkonzepts veranlaßt, so bleibt fraglich, ob der Begriff "überragende Marktstellung" dennoch geeignet ist, die einzelmarktübergreifende Dimension konglomerater Wirtschaftsmacht effizient zu umfassen. D. Oberragende MarktsteIlung und Wettbewerb Inwieweit der mit der Kartellgesetznovelle 1973 eingeführte Marktbeherrschungsbegriff nach § 22 I Nr. 2 GWB dem gesetzgeberischen Willen nach verstärkter Kontrolle wirtschaftlicher Macht gerecht wird, hängt entscheidend davon ab, welche Bedeutung den Wettbewerbsverhältnissen auf dem relevanten Markt bei der Feststellung einer überragenden Marktstellung zukommt. Die Problematik kristallisiert sich in der Frage, oQ durch den zweiten Marktbeherrschungstatbestand 'lediglich der herkömmliche Begriff der 83 84 85

Vgl. Hoppmann, Die Abgrenzung, S. 24. Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI!2520, S. 19. Vgl. oben, Anm. 68.

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Marktbeherrschung als ein im wesentlichen wettbewerbsloser Zustand verdeutlicht wurde oder aber, ob mit der gesetzlichen Änderung durch eine gegenüber Nr. 1 alternative, formell und materiell eigenständige Legaldefinition der Begriff der Marktbeherrschung ausgeweitet und verschärft wurde. Entscheidende Vorfrage ist die Bestimmung des Verhältnisses der beiden Marktbeherrschungtatbestände zueinander. I. Das Verhiltnis von § 22 I Nr. 1 zu Nr.2 GWH

1. Ergänzungscharakter der zweiten Marktbeherrschungsdefinition In Widerspruch zur alternativen Fassung des gesetzlichen Wortlauts von § 22 I GWB wird teilweise in der Literatur unter Hinweis auf die ordnungspolitischen Grundlagen des Gesetzes dem Kriterium der überragenden MarktsteIlung neben dem Marktbeherrschungstatbestand der Nr. 1 (Fehlen von Wettbewerb oder wesentlichem Wettbewerb) lediglich Hilfs- und Ergänzungscharakter zugebilligt. § 22 I Nr. 2 GWB müsse als ein Fall des Fehlens wesentlichen Wettbewerbs angesehen werden und solle nur in Zweifelsfällen - wenn die Frage nach wesentlichem Wettbewerb nicht eindeutig beantwortet werden kann - die Feststellun~.einer marktbeherrschenden Stellung ermöglichen86 • Die erst in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens eingetretene Verselbständigung des zweiten Marktbeherrschungstatbestandes zur eigenständigen Tatbestandsalternative87 stelle sich lediglich als eine redaktionelle Zusammenfassung dar, ohne daß dabei an eine inhaltliche Änderung gedacht worden sei. Der erklärte gesetzgeberische Wille sei aussch'ließlich auf eine Konkretisierung und Verbesserung der bereits geltenden Marktbeherrschungsdefinition gerichtet gewesen88 . Allein aus praktischen Gründen sei hier eine sprachliche und systematische KlarsteIlung erfolgt, "um den neuen Tatbestand durch Absonderung noch deutlicher zu machen"8D. Jedenfalls sei die nach dem gesetzlichen Wortlaut mögliche Annahme einer Marktbeherrschung kraft überragender MarktsteIlung auch bei Vorliegen wesentlichen Wettbewerbs mit dem Schutzzweck des GWB unvereinbar. Auf die wettbewerbspolitische Ersatzfunktion der Mißbrauchsaufsicht verweisend wird betont, daß Marktbeherrschung nur vorliegen könne, wenn der 88 Vgl. Kleinmann / Bechtold, § 22, Rdnr. 74 ff. (75); Helm, Rdnr. 165, S. 129; Lübbert, WuW 1977, S. 568; Knöpfle, BB 1973, S. 1180 f.; Hermanns, WRP 1976, S. 746 f.; ders., in: Konzentration, S. 11, 15 f. B7 Vgl. oben, IH. Kap. B. I. 3. und 4. BB Vgl. Lübbert, WuW 1977, S. 560 f.; Kleinmann / Bechtold, § 22, Rdnr. 74; s. auch Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 54 f. BU SO Kleinmann / Bechtold, § 22, Rdnr. 74.

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Wettbewerb seine Kontroll- und Steuerungsfunktion nicht mehr erfülle. In allen anderen Fällen sei auch ein kartellbehördliches Vorgehen nach § 22 GWB ordnungspolitisch überflüssig und unerwünscht90 • Aus der engen Interpretation des § 22 I Nr. 2 GWB als ein nur der Ergänzung und Verdeutlichung der Nr. 1 dienendes Kriterium ergeben sich für die kartellrechtliche Praxis weitreichende Konsequenzen: Der Kartellbehörde bliebe die Möglichkeit versagt, bei der Feststellung der Marktbeherrschung ihre Entscheidung auf den einen oder anderen Tatbestand zu stützen. Ausgangspunkt der Prüfung wäre immer Nr. 1, und in jedem Fall wäre das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs darzutun.

2. Alternativverhältnis Aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts und durch höchstrichterliche Entscheidungen kann indessen die Frage nach dem formellen Verhältnis der beiden Marktbeherrschungstatbestände zueinander inzwischen als geklärt angesehen werden - allerdings ohne daß sich daraus eine klare inhaltliche Abgrenzung ergeben könnte. Durch die Trennung der beiden Marktbeherrschungsdefinitionen in zwei Ziffern und ihre Verknüpfung mit dem Alternativwort "oder" läßt der Wortlaut keinen Zweifel daran zu, daß hier das negative Merkmal des Fehlens wesentlichen Wettbewerbs und die positiven Elemente der überragenden Marktstel'lung gleichrangig nebeneinanderstehen. Zwar ist es richtig, daß die ursprüngliche Reformabsicht des Gesetzgebers nur auf eine Konkretisierung der bisherigen Marktmachtdefinition abzielte. Dies rechtfertigt aber nicht, späteren deutlichen Formulierungsänderungen jede inhaltliche Bedeutung abzusprechen. Die Verselbständigung der "überragenden Marktstellung" als alternative Legaldefinition zeichnete sich bereits in dem Regierungsentwurf von 1971 91 ab, in dessen Begründung'2 überdies klargestellt wurde, daß es sich um einen "zusätzlichen" Marktbeherrschungsbegriff handelt. Der Wirtschaftsausschuß schloß sich dem bestätigend an und schlug darüber hinaus die Verdeutlichung des § 22 I GWB in der nunmehr vorliegenden Form vor93 • 90 Vgl. Kleinmann / Bechtold, § 22, Rdnr. 76; Hermanns, WRP 1976, S. 747; s. auch ders., WRP 1977, S. 759. 91 Vgl. RegE von 1971, BT-Drucksache VI/2520, Art. 1, Nr. 6 (S. 2 f.). 92 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 21. 93 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses (1973), BT-Drucksache 7/765, S. 5 Dem als "redaktionelle Zusammenfassung" (S. 6) ausgewiesenen Vorgang liegt also bereits die geänderte Reformabsicht des RegE zugrunde; a. A. Lübbert, WuW 1977, S. 561.

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Der BGH hat demgemäß im Vitamin-B-12-Beschluß94 festgestellt, daß es sich bei den Bestimmungen der Nr. 1 und 2 des § 22 I GWB nach Sinn und Bedeutung um Alternativtatbestände handelt. Dieses klare Bekenntnis zur Alternativität wird al'lerdings durch ergänzende Feststellungen relativiert. So will der BGH - im Gegensatz zum Kammergericht95 - seine Aussage auf die Bestimmung des Normadressaten eingeschränkt wissen. Nur für diese Frage sei es "zunächst" ohne Belang, ob ein Unternehmen wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt sei. Gleichwohl könne die Frage des Bestehens einer überragenden MarktsteIlung nicht "abschließend" beantwortet werden, ohne die Wettbewerbsverhä'ltnisse auf dem fraglichen Markt heranzuziehen. Da die erste höchstrichterliche Entscheidung zum neuen § 22 I GWB einerseits die Alternativität der Ziffern 1 und 2 betont, andererseits aber dennoch Wettbewerbsbezug herstellt, stieß sie in der Literatur teilweise auf scharfe Kritik und Unverständnis98 • Die Kritik ist nur insoweit berechtigt, als sie sich auf die erhoffte, aber nicht erfolgte inhaltliche Abgrenzung beider Tatbestände bezieht97 . Klarheit hat die BGH-Entscheidung zwar über die Existenz von zwei verschiedenen, gleichrangig nebeneinander stehenden Marktbeherrschungsbegriffen gebracht. Damit leistet der BGH jedoch nur eine vordergründige, lediglich formale Abgrenzung beider Kriterien. Durch die Forderung nach Berücksichtigung der Wettbewerbsverhältnisse auch bei der Bestimmung des zweiten Marktbeherrschungstatbestandes macht er - unabhängig von der formalen Alternativität - auf eine inhaltliche Verknüpfung der Tatbestände aufmerksam, ohne allerdings die höchst umstrittene Problematik des Bezugs zur 1. Alternative genauer zu klären. Die entscheidende Frage, ob und insbesondere in welchem Umfang sich die beiden Marktbeherrschungstatbestände teilweise überlagern, bleibt offen. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß § 22 I Nr. 2 neben Nr. 1 eine echte Tatbestandsalternative darstellt. Aus der Existenz zweier alternativer Marktbeherrschungsbegriffe ergibt sich für das Bundeskartellamt die Möglichkeit, seine Entscheidung auf die eine oder andere Alternative zu stützen, ohne daß dabei eine bestimmte prüfungs- oder beweistechnische Reihenfolge zu beachten wäre. Vgl. WuW!E BGH 1435 ff. (1439). Vgl. WuW!E OLG 1599 ff. (1601 ff.). 98 Vgl. Ulmer, BB 1977, S. 358; Emmerich, ZHR 140 (1976), S. 108; Fischötter! Lübbert, BB 1977, S. 115; Wirz, WRP 1977, S. 246; Reich, NJW 1976, S.2263. 87 Vgl. unten, IV. Kap. D. II. 2. und 3. 94

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Ob die beiden Tatbestände auch nach ihrer inha'ltlichen Bedeutung gleichwertig sind oder zwischen ihnen ein Stufenverhältnis besteht, kann erst die materielle Ausdeutung des Begriffs "überragende MarktsteIlung" zeigen. D. Materielle Bestimmung des Begriffs der überragenden MarktsteIlung

1. WettbewerbZicher VerhaZtensspieZ."aum Nach der Begründung zum Regierungsentwurf98 entspricht die MarktsteIlung eines Unternehmens dem Verhaltensspielraum, den das Unternehmen bei der Anwendung seiner Wettbewerbsmittel hat. Zwar ist die Existenz erweiterter wettbewerb'licher Verhaltensspielräume für einen dynamischen Wettbewerb essentiell. Der Wettbewerb kann jedoch dann nicht mehr seine Kontroll- und Steuerungsfunktion erfüllen, wenn ein Unternehmen aufgrund zeitlicher, räumlicher, sachlicher oder personeller Vorsprünge beim Einsatz seiner Wettbewerbsmittel in solchem Maße Unabhängigkeit erlangt, daß es zu einer einseitigen Verteilung von Einflußmöglichkeiten auf den Marktprozeß kommt. Im Anschluß daran stellt der BGH99 in übereinstimmung mit dem Kammergerichtl°o ebenfalls fest, daß eine überragende Marktstellung dann anzunehmen ist, wenn das Unternehmen einen überragenden (einseitigen) Verhaltensspielraum bei der Entwicklung von Marktstrategien oder auch beim Einsatz einzelner Aktionsparameter besitzt. Wird demnach der Begriff "überragende MarktsteIlung" mit dem ökonomischen Begriff des erweiterten Verhaltensspielraums im Wettbewerb identifiziert, so bedeutet dies, daß der zweite Marktbeherrschungstatbestand eindeutig eine Klärung der wettbewerblichen Position des fraglichen Unternehmens im Vergleich zu der seiner Mitbewerber voraussetzt101 • Die maßgeblichen Beurteilungskriterien sind in § 22 I Nr. 2 GWB aufgezählt102 • Als durchweg geläufige Kriterien der Wettbewerbstheorie sind sie allesamt Elemente einer wettbewerblichen .8 Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI(2520, S. 21 f.

WuW(E BGH 1435 ff. (1439). WuW(E OLG 1599 ff. (1601). 101 Vgl. etwa Ebel, NJW 1973, S. 1580; Kleinmann (Bechtold, § 22, Rdnr. 78; Baur, BB 1973, S. 918 f.; Benisch, GRUR 1977, S. 173, in Auseinandersetzung mit der "wettbewerbsindifferenten Auslegung" von Hintze, WuW 1977, S. 18 ff. 102 Anders Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 53, der im Rahmen der Beurteilung nach § 22 I Nr. 2 GWB den Kriterien nur mittelbare Bedeutung beimißt; demhingegen das gesetzlich ungeschriebene Merkmal "Verhaltensspielraum" ins Zentrum umfassender Ermittlungen stellt. 99

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Beurteilung und begründen nur dann eine marktbeherrschende Stellung, wenn sie sich auf die konkrete Wettbewerbslage auswirken. Der alternative Marktbeherrschungstatbestand des § 22 I GWB hat insofern - wie § 22 I Nr. 1 GWB - einen klaren wettbewerblichen Bezugspunkt, als er nicht ohne Berücksichtigung der einschlägigen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse beurteilt werden kann103 •

2. Vberragende MarktstelZung und wesentlicher Wettbewerb Wird die Wettbewerbsbezogenheit des Begriffs der überragenden MarktsteIlung in Literatur und Rechtsprechung auch weit überwiegend als unstreitig anerkanntl°4, so bestehen doch ganz erhebliche Meinungsverschiedenheiten über die Frage, in welchem Umfang die Wettbewerbsverhältnisse zu berücksichtigen sind, bzw. ob und inwieweit sich die überragende MarktsteIlung auf die Intensität des Wettbewerbs auswirken muß. Die gleichen wettbewerbs- und ordnungspolitischen Bedenken, die zunächst gegen eine Anerkennung der Existenz zweier eigenständiger Marktbeherrschungsdefinitionen geltend gemacht wurden105, werden nach der höchstrichterlichen Klärung im Sinne des Wortlauts gleichfalls gegen eine weite Auslegung der Alternative "überragende MarktsteIlung" vorgebracht: Auch als eigenständiger Tatbestand müsse die "überragende MarktsteIlung" - wie die Marktbeherrschungsdefinition nach Nr. 1 - ihre Grenze dort finden, wo ein Unternehmen wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist106 • Wesentlicher Wettbewerb schließt nach dieser Auffassung zwangsläufig jeden überragenden Verhaltensspielraum aus und läßt eine ordnungspolitische Berechtigung für administrative Eingriffe entfallen107 • Vgl. WuW/E BGH 1435 ff. (1439 ff.); WuW/E BGH 1445 ff. (1449 f.). Auch Hintze, WuW 1977, S. 20, bildet trotz mißverständlicher überspitzter Formulierung ("keine Beziehung zum Wettbewerb") hier wohl keine Ausnahme, da er im gleichen Absatz die Kriterien n. § 22 I Nr. 2 GWB ausdrücklich zum Gegenstand einer wettbewerblichen Beurteilung erklärt. Anders allerdings die Vertreter einer Interpretation unter Abkehr vom Marktrnachtkonzept. Vgl. oben, Anm. 62. 105 Vgl. oben, IV. Kap., D. I. 1. 108 Vgl. Benisch, GRUR 1977, S. 173 f.; Hermanns, WRP 1977, S. 759 f.; Leo, WRP 1972, S. 6 ff.; Hootz, BB 1976, S. 1240; ders., BB 1977, S. 765 f.; Bechtold, DB 1974, S. 1945; Rauschenbach, NJW 1975, S. 1996; differenzierend ders., NJW 1976, S. 2189; und ders., NJW 1978, S. 186. 107 Vgl. Hermanns, WRP 1977, S. 759, befürchtet die "Schaffung eines Sonderrechts" u. ders., WRP 1976, S. 747, daß § 22 GWB als Instrument einer allgemeinen Preiskontrolle eingesetzt wird. So auch Hoppmann, in: Wettbewerb im Wandel, S. 306; vgl. auch Gleiss / Bechtold, BB 1973, S. 1146; Leo, WRP 1972, S. 8 f. 103

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Hoppmann108 bezeichnet die Konstruktion einer marktbeherrschenden Stellung trotz des Vorliegens VOn wesentlichem Wettbewerb als ein "Unikum" und sieht sich dabei vor das "unlösbare Problem" gestellt, "einem Unternehmen, das wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist, einen Mißbrauch nachzuweisen, den es definitionsgemäß nur begehen kann, wenn es wesentlichem Wettbewerb nicht ausgesetzt ist". Zur Bestätigung dieser Auffassung wird durchgehend auf die Feststellung des BGH im Vitamin-B-12-Beschlußl09 verwiesen, daß auch bei Prüfung der überragenden Marktstellung die Wettbewerbsverhältnisse heranzuziehen seien. Im Ergebnis laufe dies darauf hinaus, daß auch die 2. Alternative der Marktbeherrschung nicht angenommen werden kann, wenn wesentlicher Wettbewerb vorhanden ist llO • Dieses Normverständnis vermag indessen nicht zu überzeugen; läßt doch die alternative Fassung des § 22 I GWB und das Erfordernis einer überragenden Marktstellung "im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern" gerade erkennen, daß ein Unternehmen im Sinne von Nr. 2 ein im Wettbewerb stehendes Unterneh~en und nicht etwa "ohne Wettbewerber oder keinem wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist"l11. Die Trennung der beiden Tatbestände durch Verwendung des Wortes "oder" (und nicht "und") bedeutet, daß die Voraussetzungen von Nr. 1 und Nr. 2 des § 22 I GWB nicht miteinander verbunden werden dürfen112. Auch die Forderung des BGH nach Einbeziehung der einschlägigen Wettbewerbsverhältnisse kann diese Ansicht nicht stützen; bestätigte sie doch nichts anderes, als die bereits nach Gesetzessystematik und Wortlaut festgestellte Wettbewerbsbezogenheit des alternativen Tatbestandes113. Eine dementsprechende Klarstellung bringt der BGH im Valium-Beschluß114. In seinen Ausführungen zur überragenden Markt108 Vgl. Hoppmann, in: Wettbewerb im Wandel, S. 305, der damit allerdings weniger die Marktbeherrschungsdefinition als vielmehr den Mißbrauchsbegriff problematisiert. 109 Vgl. WuW!E BGH 1435 ff. (1439). 110 Vgl. etwa Hermanns, WRP 1976, S. 747; Hootz, BB 1976, S. 1240; Benisch, GRUR 1976, S. 173 f. 111 Ewald, WRP 1976, S. 208. 112 WuW! E OLG 1745 ff. (1750). 113 Vgl. oben, IV. Kap., D. II. 1.; so wohl auch Rebe, JA 1977, S. 21. Daß der BGH hier lediglich den allgemeinen Wettbewerbsbezug nicht aber das zwingende Erfordernis einer Wettbewerbsbeschränkung oder gar des Fehlens wesentlichen Wettbewerbs für § 22 I Nr. 2 GWB zum Ausdruck bringen will, zeigt auch der betonte Zusammenhang ("Ferner") zum nachfolgenden Satz, der den selbstverständlichen Marktbezug beim Mißbrauchsnachweis betont. 114 Vgl. WuW!E BGH 1445 ff. (1449). Unter ausdrücklicher Hervorhebung des Alternativverhältnisses bejaht der BGH eine überragende MarktsteIlung der Fa. Roche, obwohl er unterstellt, daß dieses Unternehmen wesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist.

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stellung betont er zwar erneut die Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Umstände, insbesondere auch der Wettbewerbsverhältnisse. Mit bemerkenswerter Klarheit stellt er aber im direkten Anschluß daran fest, daß auch das Vorliegen von Wettbewerb und zwar auch von wesentlichem Wettbewerb (i. S. d. § 22 I Nr. 1 GWB) das Bestehen einer überragenden Marktstellung nicht ausschließt, sofern das fragliche Unternehmen noch einen überragenden Spielraum in seinem Wettbewerbsverhalten besitzt. Zu Recht hebt der BGH deutlich hervor, daß ein derartiger Verhaltensspielraum auch bei wesentlichem Wettbewerb noch möglich ist. Marktbeherrschung im Sinne eines erweiterten Handlungsspielraums, der es dem Unternehmen ermöglicht, sein Marktverhalten ohne wesentliche Rücksichtnahme auf seine Wettbewerber, Nachfrager und Lieferanten zu bestimmen, kann nicht nur durch fehlenden Wettbewerb, sondern auch durch eine Vielzahl anderer Faktoren entstehentUi • Der Tatbestand der überragenden Marktstellung trägt dem ausdrücklich Rechnung, indem er eine Vielzahl von weiteren Machtkriterien wie Marktanteil, Finanzkraft, Verflechtung mit anderen Unternehmen etc. - beispielhaft aufführt. Die gesetzliche Regelung ist demnach ersichtlich davon ausgegangen116, daß eine überragende MarktsteIlung eben nicht wie die Umschreibung der Marktbeherrschung in Nr. 1 das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs voraussetzt. Indem der Inhalt des Begriffs "überragende Marktstellung" am Begriff "Fehlen wesentlichen Wettbewerbs" orientiert wird, werden zudem die äußerst schwierigen Auslegungs- und Bedeutungsprobleme des alten Rechts in die erweiterte Fassung des § 22 I GWB hineingetragen, die entscheidende Ursache der Novellierung waren und im Interesse der Praktikabilität wenn nicht völlig eliminiert, so doch zumindest für Nr. 2 ausgeschaltet werden sollten117 • Die Vertreter der engen Auslegung interpretieren § 22 I Nr. 2 GWB lediglich im Sinne einer Beweiserleichterung118 • Hätte sich damit die Alternative der Nr. 2 auch nicht vollständig erübrigt119, so wäre sie doch Vgl. Hintze, WuW 1977, S. 19; Schmidt, I., WuW 1965, S. 460. So der BGH, WuW/E BGH 1445 (1449). 117 s. schon oben, 111. Kap., A.; vgl. dazu auch Willeke, WuW 1975, S. 538 ff. (541, 544), der sich kritisch mit der Möglichkeit einer Abgrenzung zwischen wesentlichem und nicht-wesentlichem Wettbewerb auseinandersetzt. Vgl. aber auch die von Baur vorgeschlagene teleologisch-systematische Auslegung: Baur, BB 1973, S. 919 f. 118 Vgl. Hootz, BB 1977, S. 766; Hermanns, WRP 1977, S. 759; Lübbert, WuW 1977, S. 569; Ebel, Kartellrechtskomm., § 22, Rdnr. 11. 119 A. A. der BGH, vgl. WuW/E BGH 1445 (1449). 115

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bei diesem Normverständnis für den angestrebten Gesetzeszweck im wesentlichen bedeutungslos. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der alternative Marktbeherrschungstatbestand "überragende Marktstellung" nicht schon bei Bestehen wesentlichen Wettbewerbs entfällt, somit nicht durch einen entsprechenden Nachweis automatisch widerlegt werden kann. § 22 I Nr. 2 GWB stellt insofern eine Verschärfung (Erweiterung) des Marktbeherrschungsbegriffs dar, als zu seiner Feststellung gegenüber Nr. 1 geringere wettbewerbliche Anforderungen genügen 120. Logisch-systematische Bedenken gegen die Annahme eines Stufenverhältnisses zwischen Nr. 1 und Nr. 2 des § 22 I GWB bestehen nicht, da selbst in Nr. 1 eine schwere und leichtere Form der Marktbeherrschung nebeneinanderstehen l21 • Beinhaltet Nr. 2 demnach eine schwächere Form der Marktbeherrschung, so dürfte als konsequente Folge in der kartellamtlichen Praxis gegenüber Einzelunternehmen die ursprüngliche Marktbeherrschungsform erheblich an Bedeutung verlieren und von der neuen Alternative weitgehend verdrängt werden l22 •

3. Vberragende Marktstellung und Wettbewerbsintensität Es bleibt die Frage, ob und inwieweit sich eine überragende MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB auf die Intensität des Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt auswirken muß. Mit anderen Worten: Es stellt sich das Problem der Bestimmung des Punktes, an dem kartellrechtlich unerhebliche Marktmacht in Marktbeherrschung nach § 22 I GWB umschlägt. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich zunächst nur, daß sich die Schwelle zur Marktbeherrschung zumindest unterhalb des Maßstabs des wesentlichen Wettbewerbs befindet. a) Überragende MarktsteIlung und gestörter Wettbewerb Wirz 123 ordnet der überragenden MarktsteIlung eine spezifische Wettbewerbslage zu, die durch eine bestimmte, graduell näher zu beschreibende Beschränkung des Wettbewerbs gekennzeichnet ist. 120 Vgl. Westrick I Loewenheim, § 22, Rdnr. 22; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 55 ff.; Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 22, Rdnr. 17, S. 420; Kirschstein, Marktmacht, S. 80; Jens, Wirtschaftsdienst 1977, S. 243. 121 Der Gesetzgeber ist also nicht streng logisch, sondern vielmehr aufzählend vorgegangen. Vgl. Ebel, NJW 1973, S. 1580. 122 Vgl. Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 22, Rdnr. 17, S. 420; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 57. 123 Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff nach § 22 GWB, in: Auslegungsfragen, S. 41 ff. (55 ff.); ders., WRP 1977, S. 244 ff. (247); so auch Ramrath, S. 60 ff.

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Ein nach Nr. 2 erforderlicher überragender Verhaltensspielraum setzt demnach in jedem Fall eine Reaktionshemmung der Wettbewerber beim Einsatz ihrer verfügbaren Wettbewerbsmittel, d. h. den Nachweis von gestörtem Wettbewerb unabdingbar voraus. Eine hochgradige Erstarrung des Wettbewerbs müsse - im Gegensatz zu Ziff. 1 - nicht vorliegen, ausreichend sei vielmehr schon "die in einem breiten Band liegende Möglichkeit variabler, stärkerer oder schwächerer Mitteleinsätze, die den marktrnächtigen Konkurrenten nicht zum Einsatz seiner Stärke reizen"124. Das Erfordernis einer möglichst präzisen Beschreibung der notwendigen Reaktionshemmung wird unter Hinweis auf den Preiswettbewerb als zuverlässigem Indikator als unproblematisch dargestellt. Dessen Bejahung oder Verneinung impliziere die Lösung. Ungehemmter Preiswettbewerb jedenfalls schließe Marktbeherrschung immer aus125. Der nach dem Gesetz gebotenen Kombination von Marktrnacht und Unternehmensgröße, die ein Mehr an Wettbewerb durch Unternehmensmacht aufhebe, liege bereits ein generelles Mißtrauen gegen marktstarke Unternehmen zugrunde, womit die äußerste Grenze einer volkswirtschaftlichen Definition erreicht seP2'. Willeke 127 bejaht ebenfalls grundsätzlich das Erfordernis einer Wettbewerbsstörung, wenn er formuliert, daß sich die überragende Marktstellung einer Unternehmung schon an einem einzelnen Aktionsparameter ablesen lasse. Seine Auffassung dürfte allerdings insofern weitgehender sein, als er auf eine Konkretisierung entscheidungserheblicher Wettbewerbsmittel verzichtet und bereits auf den Anwendungsbereich irgendeines Aktionsparameters abstellt. Die Präzisierungsproblematik wird damit umgangen. Gemeinsamer Grundkonsensus ist, daß die Kontrollschwelle zur Marktbeherrschung nur überschritten wird, wenn der Nachweis eines zumindest irgendwie gestörten Wettbewerbs anhand von Verhaltenskriterien erbracht werden kann. Bleibt Willeke eine nähere Begründung seiner Auffassung schuldig, so führt Wirz zur grundlegenden Bestätigung dieser Ansicht aus, daß nach bisherigem Gesetzesverständnis und volkswirtschaftlicher Auffassung bei voll wirksamem Wettbewerb eine Marktbeherrschung überhaupt nicht in Frage kommen könne, weil ihr ex definitione eine mindestens wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung innewohne128. Grundsätzlich ist dem zuzustimmen. Problematisch ist diese Feststellung allerdings insofern, als die zwingend erforderliche Wettbewerbs124 Wirz, WRP 1977, S. 247. 125 Vgl. die frühere Veröffentlichung von Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 56. 128 Vgl. Wirz, WRP 1977, S. 247. 127 Willeke, WuW 1975, S. 545 f. 128 Vgl. Wirz, WRP 1977, S. 246.

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beeinträchtigung lediglich im Sinne einer Beeinträchtigung des Wettbewerbsverhaltens der Wettbewerber (z. B. aufgrund Behinderung, Diskriminierung, fehlendem Preis-, Werbungswettbewerb ete.) verstanden wird. Selbst strukturell völlig ungleichgewichtige Machtverhältnisse begründen demhingegen nach dieser Ansicht allein keine Wettbewerbsstörung und können damit nicht zu einer überragenden MarktsteIlung führen. b) Marktbeherrschung ohne Nachweis einer Beschränkung des Wettbewerbsverhaltens aal Fähigkeit zur Marktbeeinflussung .Eine zwingende Beziehung zwischen Marktbeherrschung und Wettbewerbsbeeinträchtigung im Sinne einer Verhaltensstörung liegt nach weit überwiegender herrschender Meinung dem 1. Marktbeherrschungstatbestand des § 22 I GWB zugrunde. Die Legaldefinition der Nr. 1 bestimmt nach dieser Ansicht gegenwärtige Beeinträchtigungen der Wettbewerbsintensität im Sinne des Verhaltenskonzepts als notwendige Voraussetzung einer marktbeherrschenden Stellung. Zweifellos wird dieser methodische gesetzliche Ansatz auch durch die wirtschaftliche Realität insofern bestätigt, als die Märkte marktbeherrschender Unternehmen in der Regel nicht mehr durch voll intakten Wettbewerb, sondern durch antikompetitive Verhaltensweisen der Wettbewerber gekennzeichnet sind. Die in Nr. 1 als Verhältnis von Ursache und Wirkung definierte Beziehung zwischen fehlendem Wettbewerb und Marktbeherrschung hält jedoch einer wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Betrachtung nicht stand. Beeinträchtigungen des Wettbewerbsverhaltens sind in der ökonomischen Realität weitgehend Folge bzw. Auswirkung bereits bestehender marktbeherrschender Stellungen - nicht aber Ursache, schon gar nicht einzige und alleinige Ursache von Marktbeherrschung. Der entscheidende Gesichtspunkt und damit der eigentliche Ansatzpunkt zur Bestimmung der MarktsteIlung ist die wirtschaftliche Potenz des Unternehmens, d. h. seine Fähigkeit zur Marktbeeinflussung. Die EWG-Kommission definiert dementsprechend Marktbeherrschung wie folgt1 29 : "Unternehmen sind in herrschender Stellung, wenn sie Raum für unabhängige Verhaltensweisen haben, der sie in die Lage setzt, ohne große Rücksichtnahme auf Wettbewerber, Abnehmer oder Lieferanten zu handeln. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie aufgrund ihres Marktanteils in Verbindung insbesondere mit der Verfügbarkeit von technischem 12. WuW/E EV 353 ff. (354); vgl. auch WuW/E EV 651 ff. (652); WuW/E EV 705 ff. (706); Denkschrift der EWG, in: WuW 1966, S. 345. ~

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Wissen, Rohstoffen oder Kapital die Möglichkeit haben, für einen bedeutenden Teil der betreffenden Erzeugnisse die Preise zu bestimmen oder die Produktion oder die Verteilung zu kontrollieren." Maßgeblich ist der Spielraum des Unternehmens zu wettbewerbsunabhängigen Verhaltensweisen auf dem Markt. Unerheblich ist, ob und inwieweit sich der erhöhte Handlungsspielraum im Wettbewerb aktualisiert hat. Marktbeherrschung ist also identisch mit einem hohen Grad von Marktmacht130 und setzt nicht voraus, daß das Unternehmen seine Fähigkeiten auf dem Markt auch tatsächlich ausnutzt. Die bloße Möglichkeit hierzu genügt. bb) Strukturtest bei § 22 I Nr. 2 GWB Der mit dem Begriff "überragende Marktstellung" eingeführte Marktstrukturtest hat hier die erforderliche Klarheit geschaffen. Sämtliche in § 22 I Nr. 2 GWB aufgezählten Analysekriterien sind Strukturkriterien und rücken jene Faktoren in den Mittelpunkt der wettbewerbsrechtlichen Analyse zur Beurteilung von Marktstellungen, die das Fähigkeitsniveau, d. h. den wettbewerblichen Verhaltensspielraum eines Unternehmens, konstituieren. aaa) Der Marktstrukturansatz gibt über die Existenz bzw. Nichtexistenz antikompetitiver Marktrnacht Aufschluß, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, daß die Strukturdimensionen eines Marktes auf Marktverhalten und -ergebnis einwirken131 • Wie die Monopolkommission132 feststellt, ergibt sich die Berechtigung der strukturellen Betrachtungsweise zudem aus der Tatsache, daß wichtige Wettbewerbswirkungen der Marktbeherrschung, insbesondere die Reaktionen von aktuellen und potentiellen Konkurrenten, Lieferanten und Nachfragern, unabhängig von einem darauf gerichteten Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens eintreten. Aus der Marktstruktur sich ergebende Marktzutrittsschranken lassen sich darüber hinaus mit Hilfe des Marktverhaltensansatzes überhaupt nicht ermitteln. bbb) Bei § 22 I Nr. 2 GWB ist weder vom "Fehlen wesentlichen Wettbewerbs" noch von der Voraussetzung einer irgendwie gearteten Beschränkung des Wettbewerbsverhaltens die Rede. Marktverhaltenskriterien finden keinerlei Erwähnung. Es wäre daher mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar, wollte man den beispielhaften Katalog der 130 Vgl. Zohlnhöfer, Wirtschaftsdienst 1974, S. 421; a. A. Schuster, in: Marktmacht und marktbeherrschende Verhaltensweisen im Verkehr, S. 11; Bartling, S. 36. 131 Vgl. Klauss, Marktmacht, S. 55 ff., 68 ff.; Caves, Foundations of Modern Economics, S. 16. 132 Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 852, S. 470.

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strukturellen Marktrnachtkriterien um die zwingende Voraussetzung einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Verhaltenskonzepts ergänzen. Indem der Gesetzgeber bei § 22 I Nr. 2 GWB den rein strukturellen Ansatz wählte, hat er ausdrücklich anerkannt, daß Marktbeherrschung nicht nur durch fehlenden Wettbewerb, sondern auch durch andere wirtschaftliche Faktoren entstehen kann. Neben den bisher schon immer Berücksichtigung findenden Marktanteilen wurden als wettbewerblich relevante Machtquellen eines Unternehmens weitere Strukturmerkmale (Finanzkraft, Verflechtung zu anderen Unternehmen, Marktzugang ete.) festgestellt, die - entsprechend dem gesetzgeberischen Willen - auch die einzelmarktübergreifende Dimension vertikaler und konglomerater Machtentfaltung erfassen sollen. Insbesondere diversifizierte Großunternehmen können aber sowohl aufgrund ihrer absoluten Größe als auch infolge der Verteilung ihrer Tätigkeiten über verschiedene Märkte über einen einseitigen überragenden Verhaltensspielraum im Wettbewerb· verfügen und eine erhebliche Gefährdung der Wettbewerbsordnung bedeuten, obwohl sich der relevante Markt, auf dem ihre Marktstellung zur Beurteilung steht, möglicherweise durch hohe Wettbewerbsintensität auszeichnet133 • eee) Wird bei der Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens die Fähigkeit zur Marktbeeinflussung als entscheidender Anknüpfungspunkt auch teilweise mit dem Hinweis auf verhaltensstörende Wettbewerbswirkungen gerechtfertigt, die unabhängig von einem darauf gerichteten Verhalten des mächtigen Unternehmens auftreten134, so kann es auf den Nachweis einer Beschränkung des Wettbewerbsverhaltens jedoch letztlich nicht ankommen. Der Einsatz ausschließlich machtbedingter Wettbewerbsmittel kann auch auf einem Markt mit zunächst völlig unbeeinträchtigter Wettbewerbsintensität erfolgen. Dabei kann gerade während der Anwendung eklatant wettbewerbsgefährdender Praktiken die konkrete Wettbewerbssituation durch äußerst heftigen Wettbewerb gekennzeichnet sein; so z. B. wenn ein finanzstarkes Großunternehmen schwächere Wettbewerber systematisch unterbietet und vom Markt zu verdrängen versucht. Die überragende Marktstellung wird durch die Situation einer "einseitigen Verteilung von Einflußmöglichkeiten"135 gekennzeichnet. Auf die Frage, ob und inwieweit sich das unternehmerische Machtpotential durch tatsächliche Auswirkungen auf das Verhalten der Wettbewerber Vgl. Emmerich, Wettbewerbsrecht, s. 128; Belke, ZHR 138 (1974), S. 258. vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 852, S. 470; Denkschrift der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, WuW 1966, S. 345. 135 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22. 133 134

IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

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konkretisiert hat, kommt es daher nicht zwingend an. Unabhängig vom Nachweis eines Fehlens wesentlichen Wettbewerbs oder eines irgendwie gestörten Wettbewerbsverhaltens genügt zur Annahme einer überragenden Marktstellung bereits die einen hohen wettbewerblichen Handlungsspielraum begründende ungleichgewichtige Marktstruktur 136 . ddd) Dem entspricht auch die Argumentationsweise des BGH im Fall Valium/Librium. Der BGH hat in dieser Entscheidung klar zu erkennen gegeben, daß eine überragende Marktstellung trotz Vorliegens von wesentlichem Wettbewerb bestehen kann137 • Zwar wird man "wesentlichen Wettbewerb" nicht im Sinne eines in vollem Umfang kompetitiven Verhaltens der Wettbewerber interpretieren und verstehen können. Aufschlußreich ist allerdings die Argumentationssystematik des BGH. Beim Nachweis der Marktbeherrschung stellt er in konsequenter Anwendung des § 22 I Nr. 2 GWB allein auf die hier bestimmten Marktstrukturkriterien ab und verzichtet geradezu demonstrativ auf die Einbeziehung einer verhaltensorientierten Wettbewerbsanalyse zum Nachweis einer Wettbewerbsbeschränkung - obwohl der fehlende Preiswettbewerb offensichtlich ist1 38 . Marktverhalten und Wettbewerbsbeschränkung werden erst beim Nachweis des Mißbrauchs in die wettbewerbsrechtliche Beurteilung mit einbezogen. Eine eindeutige Bestätigung erfährt die hier vertretene Ansicht neuestens durch die Feststellung des BGH im Fall GKN/Sachs, daß im Rahmen der Beurteilung nach § 22 I Nr. 2 GWB "die entscheidungserhebliche Minderung des wirksamen Wettbewerbs nicht mehr am Marktverhalten nachgewiesen zu werden braucht"139. Damit wird einerseits im Rahmen des Mißbrauchsverfahrens ein möglicher Zirkelschluß zwischen mißbräuchlichem Verhalten und marktbeherrschender Position, andererseits aber auch die äußerst schwierige Präzisierungsproblematik zur Abgrenzung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Störungen der Wettbewerbshandlungen vermieden. Jene Auffassung, die eine überragende MarktsteIlung nur beim Nachweis einer graduell näher zu beschreibenden Beschränkung des Wettbewerbsverhaltens annehmen will, sieht sich zwangsläufig mit der Notwendigkeit einer möglichst präzisen Bestimmung der erforderlichen Vgl. Belke, ZHR 138 (1974), S. 259. Vgl. WuW/E BGH 1445 ff. (1449). 138 Vgl. hierzu Ulmer, BB 1977, S. 358; Wirz, WRP 1977, S. 246 f.; zur Verlagerung der Schwerpunktproblematik s. auch unten, IV. Kap., D. H. 3. b) ce). 138 WuW/E 1501 ff. (1506), allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein Mißbrauchsverfahren, sondern um ein Verfahren im Rahmen der Zusammenschlußkontrolle nach § 24 I i. V. m. § 22 I GWB. 138

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D. überragende Marktstellung und Wettbewerb

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Reaktionshemmung der Wettbewerber konfrontiert140 • Die zentrale Entstehungsursache der Novellierung und heute noch ungeklärte Abgrenzungsproblematik zwischen wesentlichem und nicht wesentlichem Wettbewerb würde damit auf anderer Ebene auch in den neuen Begriff "überragende Marktstellung" hineingetragen - wiederum zu Lasten der Rechtssicherheit, Justiziabilität und Effektivität der gesetzlichen Bestimmung. eee) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 22 I Nr. 2 GWB deutlich gemacht, daß Unternehmen, die angesichts der vorhandenen Marktstruktur über einen hohen Grad an wettbewerbsunabhängiger Gestaltungsfreiheit verfügen, es sich gefallen lassen müssen, daß ihr Wettbewe~bsverhalten administrativer Kontrolle unterliegtt 41 • Dabei kann es nicht darauf ankommen, auf welche Weise die überragenden wettbewerblichen Verhaltensvorsprünge des Unternehmens zustandegekommen sind. Ohne jeden Zweifel ergibt sich die Notwendigkeit einer Mißbrauchsaufsicht auch dann, wenn sich die herausgehobene Marktposition nicht auf wettbewerbsbeschränkende Praktiken, sondern vielmehr auf einen erfolgreichen Leistungswettbewerb des Unternehmens zurückführen läßt 142 • Es wäre unrealistisch, wollte man auf eine ständige Erosion marktbeherrschender Positionen durch die Selbstheilungskräfte des Marktes allein vertrauen U3 • Solange nicht die gesetzliche Möglichkeit der Wiederherstellung kompetitiver Marktstrukturen durch Entflechtung besteht l4 4, die eine direkte Verhaltenskontrolle zwar nicht überflüssig macht, aber doch auf ein Minimum reduzieren würde, solange ist in solchen Fällen der konsequente Einsatz der Mißbrauchsaufsicht geboten - zumal dadurch die Erosions- und Selbstheilungskräfte des Wettbewerbs selbst aktiviert und verstärkt werden können l45 • Vgl. oben, IV. Kap., D. 3. a. Vgl. WuW/E OLG 1599 ff. (1605). Außerhalb des Rahmens der gesetzlichen Konzeption des § 22 GWB plädieren Zohlnhöfer, in: Soz. Herausforderung, S. 71; ders., in: Notwendigkeit und Gefahr, S. 189; Schmidt. I., Wettbewerbspolitik, S. 371 f., für eine Anwendung des § 22 GWB gegenüber allen Unternehmen und den völligen Verzicht auf den Nachweis der Marktbeherrschung. 142 Vgl. Willeke, WuW 1975, S. 546; Ewald, WRP 1976, S. 208; Möschel, DB 1973, S. 509; WuW/E OLG 1599 ff. (1605); anderer Auffassung ist Hoppmann, Wirtschafts dienst 1974, S. 391, der es für problematisch hält, "Unternehmen allein deshalb, weil sie über große Marktmacht verfügen, einer Kontrolle zu unterwerfen". Er schlägt vor, zwischen "wettbewerblicher" und "wettbewerbsbeschränkender" Marktmacht zu unterscheiden. 143 Vgl. die optimistische Einschätzung Hermanns, WRP 1977, S. 760. 144 Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 163, spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Mißbrauchsaufsicht mit Beseitigungsfolge, d. h. Entflechtung im Falle wiederholter Mißbräuche, aus. Diese Sanktion würde prophylaktisch den Umfang möglicher Mißbräuche von vornherein reduzieren. Vgl. auch Möschel, JZ 1975, S. 397 f. 140

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6 Jüngst

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

ce) Gefahr einer übermäßigen Wirtschaftskontrolle? Ein Normverständnis, das den Punkt, an dem Marktmacht in Marktbeherrschung übergeht, unabhängig von der Voraussetzung fehlenden Wettbewerbs und gestörten Wettbewerbsverhaltens zu bestimmen versucht, bedeutet gegenüber der Marktbeherrschungsdefinition der Nr. 1 eine erhebliche Herabsetzung der Eingreifschwelle und ist zweifelsohne nicht ganz unbedenklich. Die Befürchtung, das wettbewerbsrechtliehe Instrumentarium ließe sich auf dieser Grundlage für weitergreifende, nicht wettbewerbsbezogene Zwecke im Sinne maßstabsfreier Wirtschaftsaufsicht1 48 , d. h. als Vehikel allgemein gesellschaftspolitischer Zielsetzungen aktivieren, ist allerdings unbegründet. Auch in seiner novellierten Fassung hält das GWB eindeutig am wettbewerbspolitischen Ansatz fest und richtet sich nicht gegen wirtschaftliche Macht als solche147• Trotz der verschärften Marktbeherrschungsdefinition nach § 22 I Nr. 2 GWB findet die Mißbrauchsaufsicht nach § 22 GWB in der Voraussetzung fehlenden Wettbewerbs ihren Bezugspunkt und ihre Begrenzung zugleich148 • Ihr allgemein anerkannter Schutzzweck bleibt unverändert die "Sicherung der wettbewerblichen Handfreiheit vor Beschränkung durch den Inhaber wirtschaftlicher Macht"149. Bedeutet Mißbrauchsaufsicht demnach, marktbeherrschenden Unternehmen solche Verhaltensweisen zu untersagen, die wettbewerbsbeschränkend wirken, und liegt die Wettbewerbsbeschränkung - wie hier vertreten - nicht zwangsläufig schon in der Marktbeherrschung, so setzt letztlich doch der Mißbrauchstatbestand einen entsprechenden Nachweis voraus. Der dem Marktbeherrschungstatbestand "überragende Marktstellung" zugrundeliegende Marktstrukturtest erleichtert den Kartellbehörden lediglich den ersten Zugriff, währenddessen sich die Beurteilungsprobleme hinsichtlich der konkreten Wettbewerbslage, die bisher beim Nachweis der Marktbeherrschung bestanden, weitgehend auf die Ebene des Mißbrauchs verlagern1GO. Diese Verschiebung der eigentlichen wettbewerbspolitischen Problematik und der damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten auf die Vgl. Möschel, Rechtsordnung, S. 33. Vgl. aber Bullinger, VVDStRL 22 (1965), S. 292 ff. (295), der aus allgemeinen rechtstheoretischen und rechtssystematischen Erwägungen des öffentlichen Rechts die Mißbrauchsaufsicht dem Bereich der maßstabsfreien Wirtschaftslenkung zuzuordnen versucht. 147 s. oben, IV Kap., C. 148 Vgl. Möschel, NJW 1975, S. 753. 149 TB des BKartA 1974, BT-Drucksache 7/3791, S. 10 (Hervorhebung durch. den Verf.). 150 Vgl. Möschel, DB 1973, S. 464; S. 509: "Was innerhalb des § 22 Abs. 1 Satz 2 und 3 (des RegEIBT-Drucksache VI/2520 = § 22 I Nr. 2 und III heutiger Fassung, der Verf.) ausgespart wird, kommt innerhalb der Mißbrauchsfeststellung sozusagen durch die Hintertür wieder herein." 145

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D. überragende Marktstellung und Wettbewerb

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entscheidende Eingreifvoraussetzung wird der Bedeutung der beiden Kriterien am ehesten gerecht151 und erhöht die Praktikabilität und Effektivität der Mißbrauchsaufsicht. Das heißt andererseits jedoch nicht, daß sich die Bedeutung der hier vertretenen Interpretation des Begriffs der überragenden MarktsteIlung auf eine lediglich prozessual bedeutsame Verlagerung der Schwerpunktproblematik bei den §§ 22 IV, V; 26 II GWB beschränkt. Die unabhängig von der Intensität der Wettbewerbshandlungen auf dem Markt anhand struktureller Kriterien zu bestimmende Frage der Marktbeherrschungbedingt eine Ausdehnung des potentiellen Adressatenkreises, die allein schon eine gewisse Disziplinierung marktstarker Unternehmer, d. h. eine positive, mißbrauchshemmende Vorfeldwirkung ausüben dürfte. Die eigentlichen, darüber hinausgehenden Konsequenzen dieses Normverständnisses zeigen sich zudem im Rahmen der Fusionskontrollenach § 24 GWB152. Mit der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ist im übrigen kein Vorwurf verbunden; sie ist als solche weder etwas grundsätzlich Verbotenes und nur ausnahmsweise Zulässiges noch etwas Mißbräuchliches153. Der Wachstums- und Entwicklungsprozeß eines Unternehmens bis hin zur absoluten Monopolstellung ist administrativen Eingriffen entzogen - soweit die MarktsteIlung nicht durch Unternehmenskonzentration im Wege externen Wachstums manipuliert wird (§ 24 GWB). Selbst die bloße Ausnutzung einer marktbeherrschenden Position steht ganz unstreitig mit dem GWB in Einklang - soweit sie nicht mißbräuchlich erfolgt (§ 22 IV, V GWB). Die Bedenken gegen die Herabsetzung der Kontrollschwelle durch eine weite Auslegung des Begriffs der überragenden Marktstellung und die Befürchtung übermäßiger Wirtschaftskontrolle überzeugen nicht. Im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht bleibt als Korrektiv gegen Eingriffe der Kartellbehörde die Mißbrauchsprüfung. Rechtsfolge ist allein die Möglichkeit einer kartellamtlichen Aufsicht über mißbräuchliches Verhalten im Einzelfall154. Das Verbot nach § 26 II setzt diskriminierende Verhaltensweisen voraus, deren tatbestandliche Konkretisierung anhand unbestimmter Rechtsbegriffe einen weiten Entscheidungsspielraum gewährleistet155 • 151 Vgl. Emmerich, Wettbewerbsrecht, s. 125; Möschel, DB 1973, S. 464; Baur, BB 1973, S. 920; Rauschenbach, NJW 1975, S. 1994; Ewald, WRP 1976, S. 208 f. 152

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154

Dazu unten, Teil 3. Vgl. Ewald, WRP 1976, S. 208; WuW/E OLG 1599 ff. (1605). Vgl. Hintze, WuW 1977, S. 20; Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 179; Baur,

BB 1973, S. 920. 155 Vgl. Möschel, DB 1973, S. 464; Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 127.

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IV. Kap.: Die überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB

Diese Bewertung gilt auch im Rahmen der Fusionskontrolle. Die nach § 24 I GWB geforderte Prognoseentscheidung ist nur auf der Grundlage eines Strukturansatzes - wie er § 22 I Nr.2 GWB zugrundeliegt möglich und sinnvoll l56 •

4. Überragende Marktstellung als konkreter Gefährdungstatbestand Aufgrund des strukturellen Ansatzes bei § 22 I Nr. 2 GWB kann Marktbeherrschung kraft überragender Marktstellung somit selbst dann angenommen werden, wenn tatsächliche Beeinträchtigungen der Intensität der Wettbewerbshandlungen nicht erkennbar sind. MöscheP67 spricht in diesem Zusammenhang von der Hinwendung zu einer Art Gefährdungstatbestand. Dieser Terminus ist allerdings nur zutreffend, soweit er nicht im Sinne einer Abkehr vom Marktmachtkonzept verstanden oder als abstrakter Gefährdungstatbestand im Sinne der strafrechtlichen Terminologie interpretiert wird l58. Ausgehend von der Feststellung, daß der ersten Marktbeherrschungsdefinition des § 22 I GWB eine marktbezogene Betrachtungsweise zugrundeliegt, will MöscheP59 den Begriff "überragende Marktstellung" unternehmensbezogen und als ein auf Größenmacht und Diversifikation ausgerichtetes Kriterium verstanden wissen. Da allerdings auch § 22 I Nr. 2 GWB grundsätzlich am Konzept der Marktmacht festhält1 60 , verbietet sich eine unternehmensbezogene Betrachtungsweise, soweit sie nicht in den konkreten Marktverhältnissen und im Vergleich mit den Konkurrenten ihren Bezugspunkt findet. § 22 I Nr. 2 GWB liegt auch keineswegs die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, daß bestimmte strukturelle Merkmale und Ressourcen eines Unternehmens bereits als solche allgemein (abstrakt) den Tatbestand erfüllen, ohne daß im Einzelfall zu einem gesteigerten Grad an Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung der Wettbewerbsintensität nachgewiesen werden müßte. Dem Begriff "überragende Marktstellung" wird man in seinem Bezug zum Wettbewerb (nicht zur Wettbewerbsbeschränkung) nur gerecht, wenn die strukturellen Machtfaktoren des Unternehmens im 15S Siehe unten, Teil 3, VI. Kap., VII. Kap. 157 Vgl. Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 168; ders., BB 1976, S. 52; ihm zustimmend Reich, BB 1975, S. 1273; ders., ZRP 1975, S. 159; Westrick / Loewenheim, § 22, Rdnr. 19. 158 Möschels Ausführungen hierzu sind keineswegs eindeutig. Vgl. Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 168 f. Vgl. die unterschiedlichen Interpretationen von Geis, S. 50 ff.; Lübbert, WuW 1977, S. 562; Westrick / Loewenheim, § 22, Rdnr.19. 159 Vgl. Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 168 f. 180 Vgl. dazu schon oben, IV. Kap., C. 11.

D. überragende Marktstellung und Wettbewerb

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Einzelfall unter den konkreten Marktbedingungen auf ihre Wettbewerbswirksamkeit hin überprüft werden. Die wirtschaftlichen Ressourcen bzw. strukturellen Vorteile werden durch § 22 I Nr. 2 GWB nur in dem Maße erfaßt, wie diese sich als Marktmacht niederschlagen.

V. Kapitel

Die Kriterien der überragenden MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB A. Vorbemerkungen I. Verhältnis der einzelnen Kriterien zueinander

Als Kriterien einer überragenden MarktsteIlung nennt § 22 I Nr. 2 GWB außer dem Marktanteil des Unternehmens insbesondere -

seine Finanzkraft,

-

sein Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten,

-

Verflechtungen mit anderen Unternehmen sowie

-

rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen.

In übereinstimmung mit den Gesetzesmaterialien müssen nach h. M. in Literatur und Rechtsprechung die genannten Kriterien nicht kumulativ vorliegen1 • Zwar hat die Kartellbehörde sämtliche gesetzlichen Merkmale im Rahmen einer wertenden Gesamtschau zu berücksichtigen; für die Annahme einer überragenden MarktsteIlung kann es dabei jedoch ausreichen, wenn nur ein einziges Merkmal - im Verhältnis zu den Wettbewerbern - in überragendem Maße vorhanden ist und die MarktsteIlung des Unternehmens entscheidend prägt2 • Demgegenüber kann eine überragende MarktsteIlung aber auch aus dem Zusammenwirken einer Reihe von Machtfaktoren folgen, die zwar nicht isoliert betrachtet, wohl aber in ihrer Gesamtheit eine derartige Annahme rechtfertigen3 • Entscheidend ist der Vergleich des betroffenen Unternehmens mit seinen Wettbewerbern. 1 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5; Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22; WuW/E BGH 1435 ff. (1439 f.); WuW/E BGH 1445 ff. (1450); WuW/E OLG 1599 ff. (1601); Kleinmann 1 Bechtold, § 22, Rdnr. 90; Ebel, NJW 1973, S. 1581. ! Zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung vgl. unten, V.Kap.,H. 3 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5 f.; Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22.

A. Vorbemerkungen

87

Zur Feststellung einer überragenden Marktstellung müssen also keineswegs immer alle die Marktstellung des fraglichen Unternehmens beeinflussenden Wettbewerbselemente in ihren Einzelheiten ermittelt werden. Vielmehr ist es eine Frage des Einzelfalles, welche Gesichtspunkte bei der Beurteilung nach § 22 I Nr. 2 GWB entscheidend in den Vordergrund rücken4 • Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sämtliche in § 22 I Nr. 2 GWB aufgezählten Kriterien gleichrangig nebeneinanderstehen5 • Festzuhalten ist indessen, daß sich die einzelnen Merkmale einander ergänzen bzw. teilweise überschneiden und nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. So können die Kriterien der Finanzkraft, des Marktzugangs und der Verflechtungen, wenn sie dem Unternehmen einen überragenden Vorsprung vor seinen aktuellen und potentiellen Wettbewerber geben, auch als Marktzutrittsschranken aufgefaßt werden. Ein besonders guter Zugang zu den Absatz- und Beschaffungsmärkten kann sich z. B. gerade aus vertikalen oder auch diagonalen Verflechtungen ergeben6 • Wie bereits festgestellt wurde 7, liegt dem Begriff der überragenden Marktstellung der Marktstrukturansatz zugrunde. Alle in § 22 I Nr. 2 GWB genannten Merkmale sind ausschließlich strukturelle Kriterien. Dem gesetzlichen Wortlaut ("insbesondere") ist zu entnehmen, daß die Aufzählung der Kriterien nicht abschließend, sondern lediglich bei~ spielhaft ist8 und die Berücksichtigung weiterer Strukturmerkmale erlaubt, welche die Marktstellung eines Unternehmens beeinflussen. Problematisch ist, ob und in welchem Umfang auch Marktverhaltensund Marktergebniskriterien zu berücksichtigen sind. Rückschlüsse von bestimmten wettbewerblichen Verhaltensweisen und Marktergebnissen auf das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung sind zweifellos insofern verfehlt, als sie per se die Existenz bzw. Nichtexistenz von Marktbeherrschung beweisen sollen. Zwar mag in extremen Fällen (z. B. bei eklatant kampf- und verdrängungsstrategischen Praktiken) die Annahme eines weitgehend wettbewerbsunabhängigen Handlungsspielraums naheliegen. Grundsätzlich kann jedoch weder ein behinderndes oder ausbeuterisches Wettbewerbsverhalten noch eine extreme Gewinnsituation des Unternehmens allein das VorVgl. WuW/E BGH 1445 ff. (1450). Vgl. dazu insbesondere den Streit um die Bedeutung des Marktanteils, unten, V. Kap., B. I. e Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 23. 7 Vgl. oben, IV. Kap., D. H. 3. b). 8 Vgl. WuW/E BGH 1435 ff. (1439); WuW/E OLG 1599 ff. (1601); Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 22, Rdnr. 26; Kleinmann I Bechtold, § 22, Rdnr. 90; Frankfurter Komm., § 22, Erg. zu Tz. 18 - 29. 4

5

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

liegen von Marktbeherrschung begründen. Solche Wettbewerbssituationen haben vielmehr ambivalenten Charakter, d. h. sie können sowohl Ausdruck dynamischen Wettbewerbs als auch Ausdruck einer überhöhten Marktrnacht sein. Der Rückschluß von Mißbrauch auf Marktbeherrschung ist daher logisch falsch und führt zu einem Zirkelschluß9. Der besonderen Voraussetzung "Marktbeherrschung" neben dem Mißbrauchstatbestand hätte es sonst nicht bedurft. Die nach § 22 I Nr. 2 GWB gebotene strukturelle Beurteilung der Marktstellung kann und darf andererseits nicht ohne Rücksicht auf solche wettbewerbsrelevanten Faktoren vorgenommen werden. Ausgehend von einer Strukturanalyse bleibt die Kartellbehörde auf eine Gesamtwürdigung des Marktes angewiesen. Sogenannte Marktverhaltens- und auch Marktergebnistests können daher bei der Feststellung der Marktbeherrschung nach § 22 I Nr. 2 GWB mit einbezogen werden to . Auf eine überragende Marktstellung kann daraus allerdings nur hilfsweise bzw. ergänzend zurückgeschlossen werden. Marktergebnis und Marktverhaltenskriterien haben nur akzessorischen Charakter und sind nur insoweit von Bedeutung, als sie die Annahme oder Ablehnung einer marktbeherrschenden Stellung aufgrund struktureller Erwägungen bestätigen und letzte Zweifel beseitigenl1 • Die sich an eine Erörterung der Zurechnungsprobleme bei verbundenen Unternehmen anschließende Konkretisierung der Merkmale einer überragenden Marktstellung trägt dem Rechnung, indem mit Ausnahme des Marktanteils die einzelnen Strukturkriterien in ihrem wechselseitigen Bezug zu Marktverhaltensmerkmalen dargestellt und analysiert werden.

u.

Zurecbnungsproblematik

Marktrnacht leitet sich wie jede andere Marktstellung von der Summe aller verbundenen Hilfsquellen ab. Nach unstreitiger Auffassung bilden jedenfalls im Rahmen der kartellrechtlichen Bestimmungen nach §§ 22 ff. GWBt2 sämtliche zu einem Konzern verbundenen UnterVgl. Hoppmann, Die Abgrenzung, S. 46 ff. Im Rahmen der nach § 24 I GWB erforderlichen Prognosebetrachtung ist dies allerdings weitgehend unmöglich. Es sei denn, man leitet aus dem Verhalten der Unternehmen vor dem Zusammenschluß ab, welches Wettbewerbsverhalten nachher vorliegen könnte. Dazu unten, VII. Kap. 11 Vgl. Belke, ZHR 138 (1974), S. 257; Ebel, NJW 1973, S. 1581; Gotthold, WRP 1975, S. 94 f. 12 Die insbesondere bei § 1 GWB angesichts der Problematik konzerninterner Wettbewerbsbeschränkungen umstrittene Frage, ob der Konzern oder aber die einzelnen Konzernunternehmen ein "Unternehmen" im Sinne 9

10

A. Vorbemerkungen

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nehmen (§ 18 AktG) hinsichtlich aller wirtschaftlichen Ressourcen eine wettbewerbliche Einheit (vgl. § 22 VI GWB)lS. über eine Anerkennung der Konzerneinheit hinausgehend, bestimmt die sogenannte Verbundklausel nach § 23 I S. 2 HS. 1 GWB für die Berechnung der Marktanteile, Beschäftigtenzahl und Umsatzerlöse, daß auch die Werte abhängiger und herrschender Unternehmen im Sinne des § 17 AktG jedem rechtlich selbständigen Unternehmen der Unternehmensgruppe zuzurechnen sind. Auf die tatsächliche Ausübung eines beherrschenden Einflusses, der alle verbundenen Unternehmen einer einheitlichen Leitung (§ 18 AktG) unterwirft, kommt es demnach nicht an. Nicht einmal auf eine entsprechende Absicht. Die Annahme einer wettbewerblichen Einheit wird bereits durch ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis (§ 17 AktG) begründet, für das die bloße Möglichkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren Einflußnahme ausreicht (" ... ausüben kann".). Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Gesetzgebers kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, daß jedem der Unternehmen die wirtschaftlichen Mittel und Möglichkeiten des(r) anderen zuwachsen 14 • Die Bedeutung der Verbundklausel nach § 23 I S. 2 HS. 1 GWB ist nicht auf die Bestimmung der Voraussetzungen der Anzeigepflicht beschränkt. Neben zahlreichen weiteren gesetzlichen Verweisungen15 findet sie bei der Feststellung der Marktbeherrschung im Rahmen der Marktbeherrschungsvermutungen über § 22 !II S. 2 GWB entsprechende Anwendung. Obgleich für § 22 I Nr. 2 GWB ein ausdrücklicher Bezug auf die Verbundklausel fehlt, wird sie nach Sinn und Zweck bei der Ermittlung einer überragenden Marktstellung nicht nur im Hinblick auf das Marktanteilskriterium, sondern hinsichtlich sämtlicher wettbewerbsrelevanter Ressourcen entsprechend anzuwenden sein16 • Es wäre nach rechtlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise unsinnig, allein die Berechnung des Marktanteils, nicht aber die Ermittlung z. B. der Finanzkraft ihrem Anwendungsbereich zu unterstellen. dieser Bestimmung bilden, bleibt unberührt. Vgl. hierzu Grandpierre, Wettbewerbsbeschränkungen zwischen verbundenen Unternehmen; Harms, Konzerne im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen; Mulert, Wettbewerbsbeschränkungen zwischen verbundenen Unternehmen; Götz I Rieger, JUS 1968, S. 393 ff. 13 Vgl. etwa Mulert, S. 57 ff.; Kleinmann I Bechtold, § 22, Rdnr. 88; Meinhold, S. 99 ff.; Harms, Konzerne, S. 147 ff. (162). 14 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 26, 28. 15 Vgl. §§ 24 VIII, S. 2; 23 III, S. 3; 23 V, S. 3; 23 VI, S. 2 GWB. 18 Vgl. WuW/E OLG 1967 ff. (1769); sowie Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 22, Rdnr. 29, 31; Kleinmann I Bechtold, § 22, Rdnr. 88; a. A. Ramrath, S. 44.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden MarktsteIlung

Den Zentral begriff der Zurechnungsproblematik bildet damit der aktienrechtliche Begriff der Abhängigkeit (§ 17 AktG) , dessen nähere Bestimmung allerdings weitgehend umstritten ist17 • Die Möglichkeit einer beherrschenden Einflußnahme auf ein verbundenes Unternehmen wird nach § 17 II AktG widerleglich vermutet, wenn eine Mehrheitsbeteiligung (§ 16 I AktG) vorliegt18 • Eine Minderheitsbeteiligung kann nur in Verbindung mit anderen Tatsachen ein Abhängigkeitsverhältnis begründen. So z. B., wenn sich die übrigen Aktien in Streubesitz befinden, in Verbindung mit Stimmbindungsverträgen oder Satzungsbestimmungen, bei personeller Verflechtung sowie aufgrund des Depotstimmrechts der Banken. Die durch eine Sperrminorität begründete Fähigkeit, wichtige Entscheidungen des Unternehmens zu blockieren, dürfte demhingegen allein nicht zur Annahme einer potentiellen Beherrschung ausreichen19• Ohne gesellschaftliche Beteiligung kann die Möglichkeit einer beherrschenden Einflußnahme auch aufgrund von Unternehmensverträgen (§§ 291; 292 AktG) sowie unter Umständen aufgrund von "normalen" obligatorischen Verträgen (Darlehns-, Lizenz-, langfristige Lieferverträge etc.), welche die weitgehende wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens begründen, gegeben sein20 • Ein Beitrag zur äußerst kontroversen Diskussion um eine Präzisierung des Begriffs der Abhängigkeit kann in diesem Zusammenhang nicht geleistet werden21 • Im Anschluß an den grundsätzlichen Beurteilungsmaßstab Rittners22 wird im Falle einer Minderheits- oder völlig fehlenden Beteiligung ein Abhängigkeitsverhältnis nur angenommen werden können, wenn die Machtstellung des Unternehmens der Stellung eines Unternehmens mit Stimmenmehrheit im wesentlichen entspricht. 17 Vgl. insbes. Rittner, DB 1976, S. 1465 ff., 1513 ff. mit weiteren Literaturhinweisen; GeBIer, in: GeBIer/HefermehIlEckhardt/Kropff, AktG, § 17, Rdnr. 12 ff.; Biedenkopf I Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 17, Rdnr. 4 ff.; Prühs, AG 1972, S. 308 ff.; ders., DB 1972, S.2001 ff.; sowie die umfassende Abhandlung über konzern- und aktienrechtliche Herrschaftsformen von Werner, Der aktenrechtliche Abhängigkeitstatbestand. 18 Zur Problematik der Widerlegung: GeBIer, in: GeBIer I Hefermehil Eckhardt/Kropff, AktG, § 17, Rdnr. 92ff.; Möhring, in: FS für Westermann, S. 427 ff.; Rittner, DB 1976, S. 1469; einschränkend, unter speziell wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten: Langen / Niederieithinger / Schmidt, § 23, Rdnr.45. lU So aber Werner / Peters, BB 1976, S. 393 ff. 20 Vgl. zur Gesamtproblematik: Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, S. 49 ff.; Rittner, DB 1976, S. 1465 ff., 1513 ff.; Prühs, DB 1972, S. 2001 ff.; allesamt mit weiteren Literaturangaben. 21 Vgl. aber hierzu die Ausführungen zum Kriterium "Verflechtungen mit anderen Unternehmen", unten, V. Kap., E. !! Vgl. Rittner, DB 1976, S. 1513.

B. Marktanteil

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Ergänzend ist anzumerken, daß die Bestimmungen der §§ 17, 18 AktG nicht nur für Aktiengesellschaften gelten, sondern auch auf andere Unternehmen entsprechend angewendet werden können23 • Die auf diese Vorschriften verweisende Verbundklausel erfaßt somit auch die gegenseitige Verflechtung von Unternehmen, von denen keines eine AG oder KGaA ist2'.

B. Marktanteil Seit der Existenz des Marktbeherrschungstatbestandes wird das Marktanteilskriterium von Literatur und Rechtsprechung als wesentliche Bestimmungsgröße bei der Beurteilung der MarktsteIlung anerkannt. Daher sei hier auf zusätzliche Ausführungen zu Begriff und Bedeutung des Marktanteils sowie zur Bestimmungsmethode verzichtet, statt dessen gilt es sich auf die Problematik zu konzentrieren, die sich speziell aus der Einfügung dieses Kriteriums in die Reihe der den Begriff der überragenden MarktsteIlung bestimmenden Merkmale ergibt. I. Bedeutung des Marktanteilskriteriums

Die gesetzliche Reihenfolge der Kriterien und die Formulierung " ... außer dem Marktanteil insbesondere ... " stellen eine Hervorhebung des Marktanteilkriteriums dar und lassen auf eine besondere Bedeutung dieses Merkmals schließen. So hält auch das KGI im Anschluß an Wirz 2 und die überwiegende Meinung in der Literatur den Marktanteil für das wichtigste Kriterium. Während das KG auf eine weitere Begründung verzichtet, halten KieinmannIBechtold 3 und Wirz' diese Auslegung für sachlich gerechtfertigt, weil der Marktanteil am stärksten marktbezogen bzw. für die MarktsteIlung eines Unternehmens essential sei. Diesem Normverständnis widerspricht die gesetzgeberische Absicht bei der Einführung des Begriffs "überragende MarktsteIlung". War es doch ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers, durch eine klarstellende 23

Vgl. Biedenkopf! Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG,

§ 15, Rdnr. 3 ff., allerdings nicht unumstritten, vgl. Baumbach-Hueck, § 15, Rdnr. 7; Würdinger, in: Großkomm. AktG, § 17, Anm. 1. 2' Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI!2520, S. 26; Röh-

ling, DB 1973, S. 1588. 1 Vgl. WuW!E OLG 1645 ff. (1651). 2 Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 50ff.; ihm zustimmend: Kleinmann! Bechtold, § 22, Rdnr. 82; Geis, S. 57 ff. (59); wohl auch Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 918, S. 510; Emrich, S. 91. 3 Vgl. Kleinmann ! Bechtold, § 22, Rdnr. 82. 4 Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 51.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Gesetzesänderung der bisherigen, den Marktanteil überbetonenden Rechtsauffassung entgegenzuwirken und auch die Fälle der konglomeraten und vertikalen Konzentration besser erfaßbar zu machen, die regelmäßig eben gerade nicht durch hohe Marktanteile auf einzelnen Märkten gekennzeichnet sind5 • Dies setzt voraus, "daß deren Kontrolle mit Hilfe der Kriterien (nach § 22 I Nr. 2 GWB; der Verf.) nicht durch die Marktanteilsklausel blockiert wird"6. Die Hervorhebung des Marktanteils im Gesetzestext dürfte daher in Reaktion auf die bisherige Überbetonung dieses Kriteriums eher als eine redaktionelle KlarsteIlung zu verstehen sein, die eine restriktive Gleichstellung von Marktmacht und Marktanteilsmacht in der Zukunft ausdrücklich für unzulässig erklärt und eine Gesamtwürdigung aller wettbewerbsrelevanten Machtfaktoren gebietet7. Keinesfalls kann Wirz gefolgt werden, wenn er, über eine qualitativ höhere Bewertung des Marktanteils hinausgehend, allen weiteren Merkmalen der überragenden MarktsteIlung eine nur nebensächliche Bedeutung und damit eine völlig untergeordnete Beweisfunktion zubilligt8 . Können nach dieser Auffassung die restlichen Kriterien weder für sich all eine noch zusammengenommen eine überragende MarktsteIlung beweisen, und hält Wirz lediglich ihre hilfsweise Hinzunehmung für erlaubt, um letzte Zweifel auszuräumen9, so kommt dies letztlich einer unzulässigen und verfehlten Reaktivierung des Marktanteilskonzepts gleich 10. Weil der Marktanteil auf abgegrenzten Märkten relativ einfach zu bestimmen ist, weil er gleichsam als Ergebnis aller wettbewerblichen Anstrengungen in der Regel besonders geeignet ist, einen Eindruck von der MarktsteIlung eines Unternehmens zu verschaffenl l , und insbesondere weil sich die Marktbeherrschungsvermutungen nach § 22 III GWB ausschließlich an diesem Merkmal orientieren, wird zweifellos auch in der zukünftigen Praxis dem Marktanteilskriterium als maßgeblichem 5 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22, 30; Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5; Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik, Nr. 5811973, S. 3. • Gutachten des Sachverständigenrates, BT-Drucksache VI/2847, Ziff. 398, S. 129; vgl. zur Relativierung der Marktanteilsbetrachtung bei § 22 I Nr. 2 GWB, oben, IV. Kap., C. II!. 7 Vgl. Langen 1 Niederleithinger 1 Schmidt, § 22, Rdnr. 28; Ulmer, BB 1977, S. 358; Meinhold, S. 112; Carl, S. 107 ff.; nur zögernd: Gutachten des Sachverständigenrates, BT-Drucksache VI/2847, Ziff. 397, 398, S. 129; klarstellend: Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 13. 8 Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 51 f.; ähnlich: Geis, S. 59. B Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 52; Geis, S. 59, spricht von "Korrektivfunktion ". 10 Vgl. Meinhold, S. 104, Anm. 90. U Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1503).

B. Marktanteil

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Anknüpfungspunkt ein besonderes Gewicht bei der Prüfung der Marktbeherrschung zukommen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller wettbewerbsrelevanten Strukturkriterien nach § 22 I Nr. 2 GWB genießt die Marktanteilsbetrachtung allerdings keine Priorität; vielmehr ist von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Marktfaktoren auszugehen. 11. Marktanteil und Marktbeherrschungsvermutung

Bei der Bestimmung des Marktanteils wird der Absatz des betroffenen Unternehmens zum Gesamtvolumen des relevanten Marktes ins Verhältnis gesetzt und damit ein Vergleich zu den übrigen aktuellen Mitbewerbern auf dem Markt hergestellt. Mit zunehmender Höhe des prozentualen Anteils verstärkt sich die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung. Entgegen einer verbreiteten Ansicht12 kann dabei durchaus auch ein unverhältnismäßig hoher Marktanteil für sich allein zur Annahme einer überragenden MarktsteIlung ausreichen13 • Der Marktanteil des Unternehmens braucht hierbei keineswegs in jedem Fall zwingend größer zu sein als die Summe der Marktanteile seiner Wettbewerber14 • Maßgeblich wird die Beurteilung dieses Kriteriums durch die Verteilung der restlichen Anteile auf die übrigen Wettbewerber bestimmt. So kann insbesondere bei Zersplitterung des übrigen Angebots der Marktanteil eines Unternehmens schon dann überragend sein, wenn er weniger als 50 Ofo beträgt15• Die ebenfalls mit der Kartellgesetznovelle 1973 neu eingeführten Vermutungstatbestände einer marktbeherrschenden Stellung für Einzel- und Oligopolunternehmen (§ 22 II! GWB) sind in diesem Zusammenhang von großer praktischer Bedeutung. Für ein einzelnes Unternehmen wird nach § 22 II! Nr. 1 GWB bei einem Marktanteil von 33 1/3 Ofo Marktbeherrschung vermutet. Diese Vermutung gilt allerdings nicht für mittelständische Unternehmen, soweit sie einen Jahresumsatz von 250 Mil!. DM unterschreiten. Aufgrund des gesetzessystematischen Zusammenhangs gelten die Marktbeherrschungsvermutungen des 12 Vgl. Kleinmann I Bechtold, § 22, Rdnr. 82, mit dem nicht einsichtigen Argument, daß andernfalls eine unwiderlegbare Vermutung aufgrund von Marktanteilen geschaffen würde. Eine mögliche Relativierung dieses Kriteriums im Rahmen einer Gesamtbetrachtung wird dabei außer Acht gelassen; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 51 f. 13 Vgl. V. Kap., A. 1.; WuW/E BGH 1445 ff. (1449 f.), wobei der BGH nahezu ausschließlich aufgrund eines überragenden Marktanteils § 22 I Nr. 2 GWB bejaht. WuW/E OLG 1645 ff. (1651 f.); WuW/E BKartA 1482 ff. (1488); Ebel, NJW 1973, S. 1581; Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 22, Rdnr. 28. 14 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI!2520, S. 23. 15 Vgl. ebd.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Abs. 3 nicht lediglich für die Mißbrauchsaufsicht, sondern gleichermaßen im Rahmen der auf § 22 I GWB aufbauenden Zusammenschlußkontrolle und des Diskriminierungsverbots16• Wie die Einführung der "überragenden Marktstellung" so stießen jedoch auch die durch die Novelle eingeführten Vermutungsregelungen von Anfang an auf äußerst heftige Kritik17 und lösten einen heute noch anhaltenden, kaum geklärten Streit über die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Beweislast aus. In Einklang mit den Ausführungen des Wirtschafts-1B und des Rechtsausschusses19 besteht in der Literatur allenfalls insoweit übereinstimmung, als es sich dabei im Rahmen der Mißbrauchs aufsicht zumindest um Aufgreiftatbestände handelt, bei deren Vorliegen die Kartellbehörde zur Einleitung des Verfahrens veranlaßt werden soll. Interpretieren Emmerich und Möschel die Vermutungsregelungen im Sinne einer echten Umkehr des prozessualen Beweisführungs- und materiellen Beweislast20 , so kann diesem Standpunkt mit Rücksicht auf das in Kartellsachen herrschende Amtsermittlungsprinzip 21 und den ausdrücklichen Vorbehalt des Wirtschafts- und Rechtsausschusses22 , daß es sich bei Abs. 3 nicht um Vermutungen im zivil rechtlichen Sinne handelt, nicht zugestimmt werden. Andererseits würden sich die Marktbeherrschungsvermutungen weitestgehend erübrigen, wollte man im Anschluß an Baur23, Wirz 24, Ebel25 11 Vgl. dazu WuW/E BGH 1501 ff. (1502, 1506); WuW/E OLG 1745 ff. (1749 ff.); WuW/E BKartA 1561 ff. (1564); 1475 ff. (1480); Ulmer 1 Lübbert, WuW 1976, S. 352; Langen 1 Niederleithinger / Schmidt, § 24, Rdnr. 4; Reich, BB 1973, S. 1452. Allerdings a. A. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 42, der die Vermutungen nicht für übertragbar hält, weil sie verfahrensspezifische Regelungen für § 22 GWB darstellen. Vgl. auch Ramrath, S. 81 f. 17 Vgl. oben rH. Kap., B. H.; Gleiss / Bechtold, BB 1973, S. 1147, äußern verfassungsrechtliche Bedenken; so schon früher zum RefE Knöpfle, BB 1970, S. 723, und Leo, WRP 1970, S. 201 f.; s. auch Wirz, WuW 1975, S. 611 ff.; Baur, BB 1973, S. 916 f.; Scholz, S. 94 ff. 18 Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 6: "Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß schon bei den in den Vermutungen genannten Marktanteilen eine marktbeherrschende Stellung besteht." 19 Stellungnahme des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 14. 20 Vgl. Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 132; etwas einschränkend: Möschel, Oligopolmißbrauch, S. 176; s. auch Kirschstein, Marktmacht, S. 82; earl, S. 84 ff. 21 Vgl. §§ 54, 69 GWB; einschränkend: WuW/E BGH 990 ff. (993). 22 Vgl. Bericht des Wirtschafts ausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 6, darin: Stellungnahme des Rechtsausschusses, Anlage 1, S. 14. 2S Vgl. Baur, Mißbrauch, S. 235; ders., BB 1973, S. 916 f.; der aufgrund seines Normverständnisses Abs. 3 als "keinen ernstzunehmenden Beitrag zur Lösung der tatsächlichen und rechtlichen Probleme" kennzeichnet. Zustimmend Ramrath, S. 82. 2' Vgl. Wirz, WuW 1975, S. 611 ff. (618 f.).

B. Marktanteil

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und die Auffassung des Rechtsausschusses26 auch bei einem Eingreifen der Vermutungstatbestände in jedem Fall von der Behörde eine umfassende Ermittlung aller für und gegen die Marktbeherrschung sprechenden Umstände und Tatsachen verlangen und die Bedeutung von Abs.3 auf eine Regelung der Verfahrensinitiative beschränkt sehen. Ein m. E. zutreffendes Normverständnis muß bei der Frage der Beweislastverteilung maßgeblich die Höhe des Marktanteils und - bei Ermittlungen nach § 22 I Nr. 2 GWB - den Vergleich mit den Mitbewerbern berücksichtigen. Werden die gesetzlichen Vermutungen nur geringfügig überschritten, und ist der Abstand zu den anderen Wettbewerbern relativ klein, so trifft die Kartellbehörde aufgrund des im Amtsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes auch weiterhin die grundsätzliche Pflicht, von Amts wegen sämtliche wettbewerbsrelevanten Umstände umfassend zu ermitteln und zu würdigen. Je höher jedoch der Marktanteil die Vermutungsgrenze des Abs. 3 überschreitet und den Anteil der Mitbewerber überragt27 , desto weniger Gewicht wird einer umfassenden Berücksichtigung weiterer Wettbewerbsfaktoren zukommen und desto mehr verringert sich die zusätzliche Beweisführungslast des Kartellamtes28 • Dabei kann sich aufgrund eines extrem hohen und überragenden Marktanteils des betroffenen Unternehmens (z. B. bei Annäherung oder überschreitung der Oligopolvermutung nach § 22!II Nr. 2 a GWB) die Marktbeherrschungsvermutung dermaßen verstärken, daß auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung ein gegenteiliges Ergebnis offenbar nicht mehr erwartet werden kann. Unter diesen Umständen erscheint eine partielle Abkehr vom Amtsermittlungsgrundsatz gerechtfertigt: Soweit sich aus den Erkenntnissen der Kartellbehörde nicht bereits eine Widerlegung der Vermutung ergibt, kann sich das Amt auf den Nachweis eines weit überragenden Marktanteils beschränken und bleibt ansonsten lediglich verpflichtet, nur den von den Unternehmen substantiiert vorgebrachten Einwänden29 gegen die Annahme der Marktbeherrschung nachzugehen. Bei einer Widerlegung der Marktbeherrschungsvermutungen ist die in § 22 I GWB fixierte Trennung zwischen den beiden Marktbeherrschungstatbeständen beizubehalten30 • Der Nachweis wesentlichen WettVgl. Ebel, NJW 1973, S. 1582. Stellungnahme des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 71765, S. 14. 27 Zu den gerade im Zusammenhang mit Marktanteilen verstärkt entstehenden Bewertungsproblemen bei lediglich temporären Marktpositionen vgl. unten, V. Kap., H. H. 28 Vgl. Argumentationsweise des BGH, WuW/E BGH 1445 ff. (1450). 29 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 6. 30 Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1751). 25

28

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

bewerbs ist insofern im Rahmen der Feststellungen nach § 22 I Nr.2 GWB nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob der die Vermutung begründende, erhöhte Marktanteil durch andere, im Verhältnis zu den Mitbewerbern schwächere, Marktrnachtfaktoren gewissermaßen neutralisiert werden kann. Mit zunehmendem Abstand des Marktanteils zu den Anteilen der übrigen Wettbewerber erhöhen sich dabei die Anforderungen an eine Widerlegung der Vermutung. Führt die kartellbehördliche Ermittlungstätigkeit nicht zu eindeutigen Feststellungen und bleiben Zweifel am Bestehen einer überragenden Marktstellung, die letztlich auch im Kontakt mit dem betroffenen Unternehmen nicht ausgeräumt werden können, so ist, entsprechend der Vermutung, von einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen31 . Mit dem überschreiten der Vermutungsgrenze werden die Marktanteile, als Indiz für die Existenz von Marktmacht32 , damit zweifellos zum zentralen Beurteilungskriterium bei der Feststellung der Marktstellung. Andererseits bilden die Vermutungstatbestände für die Feststellung der Marktbeherrschung keineswegs eine absolute Untergrenze, so daß "im Einzelfall eine marktbeherrschende Stellung auch dann gegeben sein kann, wenn die Vermutungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind"33. Selbst ein Unternehmen mit einem relativ niedrigen, möglicherweise weit unterhalb der Vermutungsschwelle liegenden Marktanteil kann daher eine überragende MarktsteIlung innehaben, soweit anderweitige Unternehmensressourcen und Marktrnachtfaktoren in so hohem Maße vorliegen, daß dennoch ein überragender Verhaltensspielraum des Unternehmens begründet wird. Nach den Gesetzesmaterialien kann dies insbesondere dann der Fan sein, "wenn ein vertikal oder diagonal verflochtenes Unternehmen einstufigen Wettbewerbern gegenübersteht"34.

C. Finanzkraft Das Tatbestandsmerkmal der Finanzkraft orientiert sich, unter Einbeziehung aller mit dem Unternehmen verflochtenen, eine wettbewerbliche Einheit bildenden Unternehment, an den absoluten finan31 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 6; Tätigkeitsbericht des BKartA 1973, BT-Drucksache 7/2250, S. 6; WuW/E BKartA 1561 ff. (1564). 32 Vgl. WuW/E BKartA 1482 ff. (1489). 33 Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5 f.; vgl. auch Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22; WuW/E BKartA 1482 ff. (1489 f.); WuW/E OLG 1599 ff. (1601); Ebel, NJW 1973, S. 1581 f.; Helm, Rdnr. 158; a. A. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 51. 34 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22; Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5. 1 Vgl. zur Zurechnungsproblematik oben, V. Kap., A. Ir.

c. Finanzkraft

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ziellen Unternehmensressourcen und bringt damit deutlich den einzelmarktübergreifenden Charakter einer nach § 22 I Nr. 2 GWB gebotenen Betrachtungsweise zum Ausdruck. Die in der kartellrechtlichen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnende Ressourcenbetrachtung2 im Rahmen der Marktbeherrschungsprüfung findet hier ihren wichtigsten Ansatzpunkt. I. Der Begriff Finanzkraft

Laut Regierungsbegründung 8 umfaßt der Begriff der Finanzkraft "die Gesamtheit der finanziellen Mittel und Möglichkeiten eines Unternehmens, insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten". Dürrhammer' sieht in dieser Begriffsbestimmung "nebulöse Vorstellungen" des Gesetzgebers zum Ausdruck kommen. Für Le0 6 ist der Begriff unklar und als Merkmal einer Legaldefinition der Marktbeherrschung ungeeignet. Der Sachverständigenrat8 hält es dementsprechend für möglich, daß in den "vagen" Begriff der Finanzkraft alles "vom Ressentiment gegen Kapitalisten bis zu nüchternen Daten wie Eigenkapital und Verschuldungsfähigkeit" - hineingelesen werden könnte. Die Befürchtung einer Begriffsbestimmung mit außerwettbewerblichem Bezugspunkt ist allerdings insofern unbegründet, als - wie bereits dargestellt wurde 7 - sämtliche Kriterien des § 22 I Nr. 2 GWB nur in ihren Auswirkungen auf einen konkreten Markt und dessen Wettbewerbsverhältnisse bei der rechtlichen Beurteilung von Bedeutung sind. Unvereinbar mit dem Gesetz ist daher der Standpunkt Emmerichs8 , der das Merkmal Finanzkraft als reines Kriterium für Unternehmensgröße interpretiert, ohne den erforderlichen Wettbewerbsbezug herzustellen. Der Begriff Finanzkraft ist in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur so gut wie unbekannt; jedenfalls sucht man in den einschlägigen 2 Hierzu grundlegend und richtungsweisend: Veltrup, Die wettbewerbspolitische Problematik konglomerater Fusionen, S. 81 ff.; ders., Ansätze einer ressourcenorientierten Erfassung wirtschaftlicher Macht, in: Wettbewerb im Wandel, S. 207 ff. a Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 23. 4 Vgl. Dürrhammer, DB 1976, S. 1442. 5 Vgl. Leo, WRP 1972, S. 9; ähnlich: Kleinmann / Bechtold, § 22, Rdnr. 84. 8 Gutachten des Sachverständigenrates (1971), BT-Drucksache VI/2847, Tz. 398, S. 129. 7 Vgl. oben, IV. Kap., C. 8 Vgl. Emmerich, in: FS für F. Böhm (1975), S. 127 ff., mit der Folgerung daß alle Bundesunternehmen, insbesondere aufgrund der hohen Finanzkraft ihres Eigentümers, auf allen Märkten über eine marktbeherrschende Stellung verfügen würden (S. 130); vgl. auch Woedtke, S. 152 ff., 230 ff.

7 JUngst

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Lehrbüchern vergeblich nach einer näheren Begriffsbestimmung. aat man jedoch darunter die "Gesamtheit der finanziellen Mittel und Möglichkeiten eines Unternehmens" zu verstehen, und fügt der Wirtschaftsausschuß9 dem ergänzend hinzu, der Begriff umfasse "insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten nach Eigen- und Fremdfinanzierung sowie sein Zugang zum Kapitalmarkt", so wird der betriebswirtschaftliche Ansatz deutlich. Es gilt dementsprechend, die in der Betriebswirtschaftslehre entwickelten Methoden zur Einschätzung der kapitalwirtschaftlichen Situation einer Unternehmung nutzbar zu machen, soweit sie unter wettbewerblichen Gesichtspunkten einen zwischenbetrieblichen Vergleich erlauben. D. Ermittlung der Finanzkraft

Zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichts steht jede Unternehmenstätigkeit unter dem Zwang, Kapitalbedarf und Kapitaldeckung, d. h. ihre geschäftspolitischen Aktivitäten und ihre finanziellen Möglichkeiten miteinander in übereinstimmung zu bringen. Die (integrierte) FinanzplanunglO der Unternehmung findet Ausdruck in einem Finanzplan, der dem prognostizierten Mittelbedarf das zu seiner Dekkung vorhandene kurz-, mittel- und langfristige Finanzpotential gegenüberstellt. In den einzelnen Finanzplänenl l , die einen ständigen Ausgangs- und Bezugspunkt der Unternehmenspolitik bilden, finden damit also gerade jene finanziellen Mittel und Möglichkeiten der Unternehmung ihren Niederschlag, an die im Rahmen eines Vergleichs der Wettbewerber nach § 22 I Nr. 2 GWB anzuknüpfen wäre. Allerdings sind die betriebsinternen Daten des Finanzplans weder für die Kartellbehörde verfügbar noch hinreichend nachprüfbar. Die Notwendigkeit eines zwischenbetrieblichen Vergleichs würde zudem entsprechende behördliche Ermittlungsbemühungen bei sämtlichen Mitbewerbern erfordern. Da keineswegs gesicherte Bewertungsmethoden zur Verfügung stehen, verbinden sich mit einer umfassenden Finanzanalyse im übrigen ganz erhebliche Bewertungsschwierigkeiten12 • Von der Kartellbehörde eine betriebswirtschaftlich exakte Messung der Finanzkraft zu verlangen13, bedeutet unter diesen Umständen, eine Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S.6. Vgl. hierzu etwa Lücke, Finanzplanung und Finanzkontrolle in der Industrie; Krümmel, Grundsätze der Finanzplanung, ZfB 1964, S. 225 ff.; Gutenberg, Bd. Irr, S. 297 ff. n Die Betriebswirtschaftslehre unterscheidet zwischen kurz-, mittel- und langfristiger Finanzplanung sowie zwischen Fein- und Grobplanung. Neben diesen laufenden Finanzplänen werden besondere Finanzpläne auch bei Gründung, Sanierung ete. aufgestellt. Vgl. Wöhe, S. 540 ff. 12 Vgl. Eckstein, BB 1977, S. 420. g

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c. Finanzkraft

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das Finanzkraftkriterium aushöhlende und damit eine die Ressourcenbetrachtung unmöglich machende Bedingung zu stellen. Bei der wettbewerbsbezogenen Beurteilung der Finanzkraft geht es weniger um eine möglichst präzise und umfassende Berechnung des Finanzpotentials, sondern vielmehr um den (möglicherweise nur punktuellen) Nachweis offensichtlicher Disproportionalität zwischen den finanziellen Ressourcen der einzelnen Wettbewerber auf dem Markt. Mangels anderer Informationsquellen ist die Kartellbehörde dabei weitestgehend auf die Angaben der Handelsbilanzen angewiesen14 • Eine vergleichende Analyse der Bilanzen ist allerdings zur Feststellung offensichtlicher Disproportionalitäten weder notwendig15 noch sinnvoll.

1. UmsatzerZöse Ein erster Anhaltspunkt für eine starke Disproportionalität des Finanzpotentials der auf dem Markt engagierten Wettbewerber kann sich grundsätzlich bereits aus einem Vergleich des wertmäßigen Unternehmensumsatzes ergeben. Zweifellos ist es zutreffend, daß die absoluten Umsatzerlöse weniger die Finanzierungsmöglichkeiten als vielmehr die Unternehmensgröße an sich widerspiegeln 16, zumal hohe Umsatzerlöse im Einzelfall durchaus mit finanziellen Verlusten verbunden sein können. Soweit dazu allerdings keine Anhaltspunkte vorliegen, wird man von einer positiven Kohärenz zwischen Umsatzerlös und Finanzkraft auszugehen haben. Die Mitbewerber, denen in der Regel betriebswirtschaftliche Informationen über tatsächliche interne Finanzkraft fehlen, setzen zudem subjektiv diese Größe weitgehend mit Stärke gleich und richten sich in ihren Erwartungen und damit in ihrem Marktverhalten danach aus 17 • Dem Umsatzkriterium dürfte dementsprechend eine besondere Bedeutung beizumessen sein, wenn es zur Beurteilung der Wettbewerbswirkungen entscheidend auf die Sicht der Mitbewerber ankommt18 • Im übrigen ist der Umsatz erlös durch das Gesetz nach § 23 I Nr. 2 und § 24 VIII Nr. 1 GWB bei der Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen als ein wesentlicher Anknüpfungspunkt anerkannt. So aber Sieben / Goetzke / Matschke, DB 1978, S. 2229 ff. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Orientierung am aktienrechtlichen Jahresabschluß hat Dürrhammer, DB 1976, S. 1443. 15 So ausdrücklich der Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 6. 11 Vgl. Kleinmann / Bechtold, §§ 22, Rdnr. 85; Müller / Giessler / Scholz, § 22, Rdnr. 46. 17 Vgl. Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 20. 18 VgI. unten, IV. Kap., C. IV. 2. b). 13

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

2. Innenfinanzierungsmöglichkeiten Einen Ausgangspunkt zur Beurteilung des Finanzpotentials der Unternehmen bildet regelmäßig ein Vergleich der bilanzkritischen Kennziffern. So geben insbesondere die Bilanzrelation zwischen Eigenkapital und Fremdkapital sowie die Höhe der Rücklagen Aufschluß über die Solidität der Finanzierung und damit einen ersten Eindruck sowohl von den vorhandenen Selbst- als auch Fremdfinanzierungsmöglichkeiten. Verstärkte Aussagekraft bei Unternehmensvergleichen kommen den primär auf eine Beurteilung des Selbstfinanzierungsvolumens 19 zugeschnittenen Meßzahlen der Umsatz rendite (Verhältnis von Gewinn und Umsatz) und des sog. Cash flow zu. Maßgebliches Gewicht wird in der bisherigen Praxis neben dem Gesamtumsatz insbesondere der Cash-flow-Analyse zugebilligt2o • Sieht man von den in der betriebswirtschaftlichen Literatur im einzelnen umstrittenen Berechnungsmethoden ab, so läßt sich doch grundsätzlich der Cash flow als die Summe aus dem bilanzmäßig ausgewiesenen Reingewinn, den Abschreibungen (d. h. den Rückflüssen aus dem in Anlagen investierten Kapital) sowie den Veränderungen der offenen Rücklagen und Rückstellungen bezeichnen21 • Wenngleich die aus Handelsbilanzgrößen abgeleitete Kennziffer des Cash flow auch in ihrer Bedeutung zur präzisen Beschreibung der tatsächlichen Ertragslage umstritten ist22 , so gewährt sie doch einen für den Unternehmensvergleich nach § 22 I Nr. 2 GWB hinreichenden Einblick in die Liquiditätslage und die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens.

3. Außenfinanzierungsmöglichkeiten Die Möglichkeiten des Unternehmens zur Fremdfinanzierung 23 werden im wesentlichen durch die unternehmungswirtschaftlichen Umstände bestimmt, die im Ansehen des Unternehmens (good-will) letztlich ihren Ausdruck finden. Neben der personellen Zusammensetzung des Managements beeinflussen insbesondere der Verschuldungsgrad, 19 Zum Verhältnis von Selbstfinanzierungsmöglichkeiten und Unternehmensgröße vgl. Lenel, Ursachen, S. 303 ff. 20 Vgl. etwa WuW/E BKartA 1685 ff. (1687); WuW/E BKartA 1625 ff. (1628 f.); ähnlich: Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 95. 21 Vgl. Gutenberg, Bd. III, S. 225; Kappier / Rehkugler, in: Heinen, Industriebetriebslehre, S. 754; Wöhe, S. 563; dazu grundsätzlich: Hofmann, Zeitschrift für Rechnungswesen 1965, S. 20 ff.; Käfer, Kapitalflußrechnungen; Juesten, Cash Flow und Unternehmensbeurteilung. 22 Vgl. Gutenberg, Bd. III, S. 226. 23 Vgl. die Potentialanalyse von Kreikebaum, ZfB 1971, S. 264 ff.

C. Finanzkraft

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der Auftragsbestand, das Entwicklungs- und Ertragspotential, der Beschäftigungsgrad, der Unternehmensumsatz und die Eignung der gebotenen Sicherung die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Die Bilanzstruktur bildet für die Bereitschaft effektiver und potentieller Kapitalgeber einen wesentlichen Orientierungspunkt24 • Maßgeblich sind insbesondere die sich aus der Relation bestimmter Bilanzposten ergebenden Kennziffern der Kapitalstruktur (Eigen-/Fremdkapital), der Vermögensstruktur (Anlage-/Umlaufvermögen), der Kapitalanlage (Eigenkapital/Anlagevermögen) und der Unternehmensliquidität (flüssige Mittel/kurzfristige Verbindlichkeiten). Infolge der durch Diversifikation begründeten Risikostreuung und aufgrund ihrer Position als bedeutsame Nachfrager haben konglomerate Großunternehmen auf den Geld- und Kapitalmärkten unstreitig eine gewisse Vorzugsstellung inne, die in niedrigen Kapitalkosten ihren Ausdruck findet2 6 • Die Zugangsmöglichkeiten zum Kapitalmarkt werden regelmäßig durch die Beteiligung von Banken und Kreditinstituten wesentlich verstärkt26 • Unter dem Gesichtspunkt der Eigenjinanzierungsmöglichkeiten ist beachtlich, ob und inwieweit das Unternehmen durch Erhöhung der Kapitalanlagen bzw. durch Neuemission von Aktien leichter und zu geringeren Kosten als andere Unternehmen zur Kapitalbeschaffung in der Lage ist27 • Im übrigen lassen sich durch einen Vergleich28 der Dividendenhöhe und der Aktienkurse zwischen den Wettbewerbern die unterschiedliche Finanzkraft und die davon ausgehenden wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Regel zusätzlich veranschaulichen. 111. Bedeutung der Finanzkraft im Wettbewerb

Finanzkraft zeichnet sich durch umfassende Verwertungs- und Verwendungsmöglichkeiten aus. Die Entwicklung, Produktion und Verbesserung der Produkte sowie die Erschließung, Absicherung und der Ausbau von Märkten erfordert personelle, technische, organisatorische und wissenschaftliche Voraussetzungen, die nicht ohne den Einsatz von Finanzkraft zu schaffen sind. 24 Zur Bedeutung der Finanzierungsregeln vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Wöhe, S. 543 ff.; Gutenberg, Bd. III, S. 280 ff.; dazu grundsätzlich: Hofmann, Bilanzkennzahlen; Börner, ZfB 1967, S. 341 ff. 25 Vgl. Gieskes, S. 165; Haager, S. 120; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 135; Lenel, Ursachen, S. 284. 25 Vgl. Haager, S. 120. 27 Vgl. hierzu die Untersuchungen von Archer / Faerber, Journal of Finance, Vol. 21 (1966), S. 69 ff. 28 Soweit dies aufgrund der Organisationsformen überhaupt möglich ist.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Finanzkraft ist die Voraussetzung jeglicher Unternehmenstätigkeit und begründet bei unterschiedlicher Verteilung unter den Wettbewerbern eine unterschiedliche wettbewerbliche Position29 •

1. Erweiterung des wettbewerblichen Handlungs- und Entfaltungsspielraums Unmittelbar kommt Finanzkraft im Wettbewerb beispielsweise in der Finanzierung der Beschaffung von Werkstoffen, Betriebseinrichtungen etc. und der Vorfinanzierung von Aufträgen im Rahmen der mit den Abnehmern vereinbarten Zahlungsbedingungen zum Tragen30 • Die Wettbewerbswirkungen hoher Finanzkraft ergeben sich allerdings normalerweise nicht aus dem direkten Einsatz finanzieller MitteP!. Die Bedeutung eines hohen Finanzpotentials für die Marktstellung wird vielmehr regelmäßig dadurch begründet, daß sie dem Unternehmen einen erweiterten wettbewerblichen Verhaltensspielraum zur Durchführung zusätzlicher Marktstrategien eröffnet32 , die von seinen Bewerbern weder nachvollzogen noch ausgeglichen werden können. Diversifizierte Unternehmen haben aufgrund der Verteilung ihrer Aktivitäten auf verschiedenen Märkten die Möglichkeit, ihre finanziellen Ressourcen nach marktstrategischen Erwägungen zu verlagern und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf einem bestimmten Markt aus den Erträgen anderer Unternehmensbereiche zu subventionieren". Vorteile und Risiken unterschiedlicher Marktentwicklungen können dadurch ausgeglichen werden. Sogenannte "Durststrecken" aufgrund konjunktureller oder saisonaler Schwankungen können durch das erhöhte Finanzpotential überwunden werdenU. 2t Vgl. Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 24, Rdnr. 11; Bartling, S. 52, sieht ebenfalls in der Finanzlage einen Hauptbestimmungsgrund wirtschaftlicher Macht; s. auch Dürrhammer, DB 1976, S. 1441 ff., der die Nutzlosigkeit und Unmöglichkeit der Anwendung dieses Kriteriums zu belegen versucht, wenngleich er auch die grundsätzliche Bedeutung der Finanzlage für die Marktstellung nicht in Frage stellt. 30 Erhöhte finanzielle Spielräume erlauben einerseits Barzahlung bzw. kurzfristige Bezahlung und bedingen damit in der Regel günstigere Einkaufsbedingungen; sie erlauben andererseits die Einräumung eines Kredits, langer Zahlungsziele oder sonstiger Finanzierungsvorteile an den Abnehmer als Mittel zur Absatzförderung und Umsatzsteigerung. 31 Vgl. Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 24, Rdnr. 11. 32 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VII2520, S. 22. Danach kann sich die überragende MarktsteIlung eines Unternehmens an seinen überragenden Möglichkeiten zur Entwicklung unterschiedlicher Marktstrategien zeigen; z. B. dann, wenn "ein Unternehmen - im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern - nicht auf den Einsatz der Aktionsparameter Preis oder Qualität angewiesen ist, sondern ... aufgrund seiner Finanzkraft zusätzliche Strategien zur Verfügung hat". s. auch WuW/E BGH 1435 ff. (1439). aa s. schon oben, H. Kap., A. 1. 1. 34 Vgl. WuW/E OLG 1921 ff. (1923).

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Aus einem erhöhten finanziellen Spielraum auf dem relevanten Markt erwachsen dem Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des Investitionswettbewerbs erhebliche Wettbewerbsvorteile, die in der Möglichkeit zur Durchführung zusätzlicher kostspieliger Maßnahmen in der Unternehmens- und Marktpolitik begründet sind und die Entfaltungsmöglichkeiten des Unternehmens bestimmen. So beispielsweise durch verstärkte --.: Finanzinvestitionen zum Erwerb von Beteiligungen bzw. zum Aufkauf von Konkurrenzunternehmen35 etc., - Sachinvestitionen zur Ausschöpfung aller Rationalisierungsvorteile; zum Ausbau des Vertriebsnetzes; zum Erwerb und Vorratshaltung knapper Werkstoffe38 etc., -

immaterielle Investitionen zur Intensivierung der Werbernaßnahmen; in die Bereiche Konstruktion, Forschung und Entwicklung etc.

Unter Berücksichtigung von Art, Umfang und den jeweiligen wettbewerblichen Umständen kann sich ein erweiterter wettbewerblicher Verhaltensspielraum infolge eines erhöhten Investitionsvolumens als ein Instrument zur Herbeiführung langfristig wirkender struktureller Veränderungen der Marktverhältnisse37 und zur nachhaltigen Behinderung schwächerer Mitbewerber darstellen38• Aufgrund seiner "deep pockets" ist ein diversifiziertes Unternehmen insbesondere in der Lage, unter bewußter Inkaufnahme temporärer Verluste, Strategien zur Verdrängung und Vernichtung (cut throat competition) seiner finanz- (nicht notwendigerweise leistungs-) schwächeren Konkurrenten einzuleiten39• Dies beispielsweise im Wege aggressiver Preispolitik durch intern subventionierte Lockvogelangebote, gezielte Kampfpreisunterbietung, Unterkostenverkäufe etc. oder mit Hilfe des Aktionsparameters Werbung durch eine massive Erhöhung der Ausgaben für Werbekampagnen sowie allgemein durch eine übersteigerte Intensivierung der Verkaufsförderung (high pressure marketing)40. Finanzkräftige Großunternehmen haben darüber hinaus grundsätzlich die Möglichkeit, auch durch einen nicht marktbezogenen Einsatz Vgl. Frankus, S. 63; Meinhold, S. 115. Vgl. Zohlnhöfer, Wirtschaftsdienst 1974, S. 422 f. 37 Vgl. Eckstein, BB 1977, S. 422. 38 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 852, S. 471, die allerdings im Zusammenhang mit der Fusionskontrolle - den Investitionswettbewerb als einen entscheidenden Gesichtspunkt bei der wettbewerblichen Beurteilung herausstellt. 38 s. schon oben, H. Kap., A. H. 1. 40 Vgl. Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1339 ff.; Haager, S. 67 ff. ·35

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

ihrer finanziellen Mittel Wettbewerbsvorteile zu erlangen. So z. B. im Rahmen der Rechtsverfolgung (durch Aufbau und Unterhalt einer eigenen Rechtsabteilung, beste Prozeßvertretung, volle Ausnutzung des kostspieligen Instanzenzugs), durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) oder direkte und indirekte Einflußnahme (politische Interessenvertretung am Sitz der Regierung, Wahlspenden etc.) auf die Institutionen der politischen Macht41 . 2. Droh- und Abschreckungseffekt

Im Hinblick auf die allgemeinen Wettbewerbswirkungen hoher Finanzkraft bei diversifizierten Unternehmen kommt insbesondere der durch internen Verlustausgleich ermöglichten Subventionierung von Verdrängungsstrategien maßgebliche Bedeutung zu. Dies erklärt sich aus der Tatsache, daß die wettbewerblichen Auswirkungen eines derartigen Verhaltensspielraums bereits eintreten, ohne daß das Unternehmen davon auch tatsächlich Gebrauch machen müßte42 . Zum Teil wird in der Literatur allerdings die Auffassung vertreten, daß die einem diversifizierten Unternehmen zuwachsende Möglichkeit zum internen Gewinn- und Verlustausgleich und zu aufwendigen Marktstrategien für die Feststellung der Marktbeherrschung allein nicht maßgebend sein könne; vielmehr müsse auch der Wille des Unternehmens hinzukommen, den erweiterten Verhaltensspielraum in einer bestimmten Weise zur Erlangung eines Wettbewerbsvorsprungs zu aktualisieren43 . Auf die Absicht des Unternehmens kann es jedoch letztlich ebenso·· wenig ankommen wie auf ein tatsächliches Ausnutzen der vorhandenen Fähigkeiten. Denn "im Wettbewerb wird das Machtpotential eines Rivalen schon dann in Rechnung gestellt, wenn auch nur damit zu rechnen ist, daß er es jederzeit einsetzen kann"'4. Es ist mithin bereits der Gesichtspunkt der Potentialität aus der Sicht der Mitbewerber, der die Wettbewerbswirkungen hoher Finanzkraft kennzeichnet4 5 • Gegenüber den aktuellen Wettbewerbern mit geringem finanziellen Potential ergibt sich unter diesen Umständen ein wettbewerbswirk41 Grundlegend zur Unterscheidung zwischen "market advantages" und "nonmarket advantages": Edwards, in: Business Concentration, S. 331 ff. (345 ff.); s. auch Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 552 f.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 108 ff.; Meinhold, S. 115 f.; Samuelson,

S.203.

Vgl. oben, H. Kap., A. 11. 1.; a. A. wohl Ahlbach, WuW 1978, S. 540. Vgl. Leo, WRP 1972, S. 9, gleichzeitig feststellend, daß sich diese subjektive Voraussetzung regelmäßig der exakten Feststellung entzieht. 44 Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 951, S. 535. 45 Vgl. Eckstein, BB 1977, S. 421. 41

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samer Droheffekt: Bereits die Fähigkeit des Unternehmens zu aufwendigEm Marktstrategien und notfalls entsprechenden Drohungen reichen aus, um die Mitbewerber bei der Entfaltung eigener Initiativen und beim Einsatz ihrer Wettbewerbsmittel zu hemmen und zu disziplinieren46 • Insbesondere gegenüber diversifizierten Großunternehmen wird finanzschwächeren, weniger diversifizierten Konkurrenten die wettbewerbliche Auseinandersetzung von vorneherein und offenkundig erfolglos erscheinen. Aus Sorge vor Repressalien und Vergeltungsstrategien werden sie unter Anerkennung der Marktführerschaft des überragenden Unternehmens weitgehend auf eigene aktive Wettbewerbshandlungen verzichten47 und einer die eigene Existenz sichernden Zementierung der ungleichgewichtigen Marktverhältnisse Vorschub leisten. Einen Abschreckungseffekt hat die Existenz überragender Finanzkraft gegenüber den potentiellen Wettbewerbern. Finanzkraft kommt hier die Bedeutung einer Marktzutrittsschranke zu. Potentielle Wettbewerber werden von einem Marktzutritt weitgehend abgehalten, weil sie in diesem Fall mit dem Einsatz umfassender, aufwendiger Abwehrstrategien durch das bereits am Markt etablierte Unternehmen zu rechnen haben48 • IV. Wettbewerbswirksame Finanzkraft Die Beschreibung der Wettbewerbswirkungen eines überragenden Finanzpotentials erfolgte bisher abstrakt nach einer rein theoretischen Betrachtungsweise. Die Bedeutung der Finanzkraft als wettbewerbsrelevantes Handlungs-, Droh- oder Abschreckungspotential ergibt sich jedoch nicht stets und gleichsam automatisch aus der Existenz finanzstarker diversifizierter Unternehmen auf dem Markt. Soweit die angesammelte Finanzkraft nicht bereits auf dem relevanten Markt zur Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse tatsächlich eingesetzt wird, ist festzustellen, ob die gegebenen Marktverhältnisse den Einsatz des vorhandenen Finanzpotentials überhaupt erlauben und als möglich erscheinen lassen. Jedenfalls bei der Beurteilung der Marktstellung im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht und des Diskriminierungsverbots ist Finanzkraft nur wettbewerbsrelevant - weil wettbewerbswirksam - wenn im Einzelfall, bei Zugrundelegung kaufmännisch vernünftiger Erwägungen des betroffenen Unternehmens sowie der aktuellen und potentiel48 Vgl. Fischer, WuW 1972, S. 570; Böhnke, S. 212; Meinhold, S. 115; Borchert, WuW 1970, S. 260; Zohlnhöfer, Wirtschafts dienst 1974, S. 423. 47 Vgl. Meinhold, S. 115. 48 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 16 ff.; WuW!E BKartA 1625 ff. (1629).

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len Wettbewerber, die festgestellte Finanzkraft (1.) auf den relevanten Markt tatsächlich übertragbar (soweit nicht bereits vorhanden) ist und (2.) aufgrund bestimmter Umstände zu einem gesteigerten Grad von Wahrscheinlichkeit mit dem Einsatz der finanziellen Mittel zu rechnen ist49 • Derartige Feststellungen erübrigen sich allerdings, wenn sich die Machtstellung des diversifizierten Unternehmens infolge seiner Finanzkraft schon in Form von Wettbewerbsbeschränkungen auswirkt bzw. wenn sich bereits deutliche Anhaltspunkte für einen Transfer und Einsatz des erhöhten Finanzpotentials auf dem Markt zeigen. Ist dies nicht der Fall bzw. nicht ohne weiteres erkennbar, so ist die ermittelte Finanzkraft zum Nachweis ihrer Wettbewerbswirksamkeit insbesondere unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezählten Beurteilungsgesichtspunkte zu würdigen. Bewertungsschwierigkeiten ergeben sich dabei insofern, als das Gesetz zwar für den Marktanteil, nicht aber für das Merkmal Finanzkraft und die übrigen Kriterien der überragenden Marktstellung beweiserleichternde Marktbeherrschungsvermutungen formuliert 60 • 1. Disponibilität der Finanzkraft

Soweit sich das ermittelte finanzielle Potential des Unternehmens aus seiner Tätigkeit auf einem anderen als dem relevanten Markt und seiner Verflechtung mit anderen Unternehmen ergibt, kann dessen wettbewerbliche Bedeutung nur bejaht werden, wenn das fragliche Unternehmen über die bei anderen Unternehmen und/oder auf anderen Märkten vorhandenen Finanzmittel verfügen kann. a) Gebundene/ungebundene Finanzkraft Finanzielle Mittel des Unternehmens oder der angeschlossenen Unternehmen, die auf anderen Märkten langfristig gebunden sind, können nicht für einen beliebigen Einsatz auf dem relevanten Markt zur Verfügung stehen. Wenn dies für die Mitbewerber erkennbar ist, entfallen 49 Vgl. die Argumentationsweise des Kammergerichts zur Frage der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung n. § 24 GWB: WuW!E OLG 1745 ff. (1754 f.). Zur Frage, ob gerade im Rahmen der Fusionskontrolle eine auf konkrete Anhaltspunkte abstellende Betrachtungsweise gerechtfertigt ist, vgl. unten, Teil 3, VII. Kap.; strenge Anforderungen sind zumindest im Rahmen der auf eine Momentaufnahme der Wettbewerbsverhältnisse abstellenden Betrachtungsweise n. §§ 22 IV, V; 26 II GWB zu stellen. 50 Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 218, schlägt prozentuale Werte (ähnlich wie bei den Marktanteilen), gegebenenfalls auch absolute Werte (wie z. B. 2. Mrd. DM Umsatz) als Vermutungstatbestand für Finanzkraft vor. Vgl. auch die Vorschläge der Monopolkommission (allerdings zu § 24 GWB), Hauptgutachten I, Tz. 953 ff. (957), S. 536 ff., zur GWB-Novellierung; dazu Stellungnahme der BReg., BT-Drucksache 81702, Tz. 50 f., 54.

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unter diesen Umständen jegliche Auswirkungen auf den Wettbewerb. Finanzielle Ressourcen bilden damit keinen entscheidungserheblichen Faktor zur Beurteilung der gegenwärtigen Marktverhältnisse, soweit sie erkennbar (insbesondere als Teil des betrieblichen Anlagevermögens) langfristig dazu bestimmt sind, der betrieblichen Leistungserstellung und technischen Betriebsbereitschaft zu dienen. Als gebunden sind weiterhin jene finanziellen Mittel anzusehen, die zur Erfüllung bestehender Zahlungsverpflichtungen notwendig sind, und deren Verwendung für Ersatz-, Rationalisierungsinvestitionen etc. zur Sicherung einer nicht nur kurzfristigen Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens erforderlich ist51 • Die Bewertung hoher Finanzkraft durch hohe Gewinne auf anderen Märkten kann daher nicht unabhängig von der jeweiligen Wettbewerbsposition des Unternehmens vorgenommen werden. Ein Unternehmen, das auf einem gewinnträchtigen Markt intensivem Wettbewerb ausgesetzt ist, wird im Interesse der Erhaltung seiner eigenen Wettbewerbsfähigkeit regelmäßig gezwungen sein, den hier erzielten Gewinn zumindest teilweise zu reinvestieren. Je mehr also das diversifizierte Unternehmen auf diesen Märkten effektivem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist, desto weniger Raum wird ihm grundsätzlich für eine Umleitung der erzielten überschüsse bzw. für eine interne Subventionierung anderer Marktbereiche verbleiben52, wenn es nicht eine Beeinträchtigung seiner bisher guten Marktergebnisse riskieren will. Für die Kartellbehörde bedeutet dies, daß im konkreten Fall eine erweiterte Marktbetrachtung vorzunehmen ist, wobei, über die Finanzkraftmessung hinausgehend, die jeweilige Wettbewerbsposition des Unternehmens auf seinen anderen Märkten in die Bewertung nach § 22 I Nr. 2 GWB mit einbezogen werden muß. b) Stärke des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen verbundenen Unternehmen Die Stärke des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen verbundenen Unternehmen ist zur Bestimmung der Disponibilität der Finanzkraft nur insoweit wettbewerbsrechtlich von Bedeutung, als die Beherrschungsgrenze des § 17 AktG nicht erreicht wird. Liegt ein Beherrschungsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung vor, so kann, nach der 51 Vgl. Sieben I Goetzke I Matschke, DB 1978, S. 2230 f., die von objektiv gebundenen und quasi objektiv gebundenen Zahlungsmitteln sprechen. 52 Vgl. Kruber, WuW 1971, S. 225; Fischer, WuW 1972, S. 570; Seidenfuß, Kyklos, Vol. 20 (1967), S. 215 f.,knüpft in diesem Zusammenhang, neben der Voraussetzung unterschiedlicher Wettbewerbsverhältnisse, ergänzend an den Faktoren "Weite des Produktionsfächers" und "Grad der technischen Verbundenheit der Produktion" an.

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wirtschaftlichen Betrachtungsweise, entsprechend der Verbundklausel des § 23 I S. 2 GWB, grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß dem herrschenden Unternehmen die finanziellen Ressourcen des abhängigen Unternehmens bzw. dem abhängigen die des herrschenden Unternehmens zur Verfügung stehen53 • Dementsprechend erfolgt die Ermittlung der Finanzkraft unter Einbeziehung aller verbundenen Unternehmen, soweit es sich um Unternehmen der §§ 17, 18 AktG handelt. Nur in Ausnahmefällen (z. B. bei äußerst knapper Kapital-, Stimmenmehrheit etc.) wird man die grundsätzliche Ressourcenzurechnung in Frage stellen können. Problematisch ist allerdings, ob und inwieweit auch die Finanzkraft aus Unternehmensverbindungen, die z. B. auf bloßen Minderheitsbeteiligungen unterhalb der Beherrschungsgrenze beruhen, bei der Ermittlung einer überragenden MarktsteIlung zu berücksichtigen ist. Nach der hier vertretenen Auffassung werden derartige Unternehmensverflechtungen nicht durch das Finanzkraftkriterium erfaßt, weil deren Ressourcenpotential nicht automatisch jedem einzelnen Unternehmen zugerechnet werden kann64 • Zu dieser Frage sei jedoch auf die Ausführungen zum Kriterium "Verflechtung mit anderen Unternehmen" verwiesen55 • c) Transfer der Finanzkraft Die übertragung der Finanzkraft von einem Markt auf einen anderen kann im übrigen bei international verflochtenen Unternehmen durch devisenrechtliche Beschränkungen56 oder andere, den freien Geld- und Kapitalverkehr regelnde, einzelstaatliche Maßnahmen bebzw. verhindert werden. Soweit derartige Beschränkungen den Mitbewerbern erkennbar sind, kommt eine Zurechnung des finanziellen Potentials dieser ausländischen Unternehmen grundsätzlich nicht in Betracht. Insbesondere bei einer Verflechtung mit weltweit operierenden multinationalen Konzernen ist allerdings zu prüfen, ob nicht außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen übertragungsfähige Ressourcen zur Verfügung stehen57 •

Vgl. oben, V. Kap., A. 11. Vgl. ebd. 55 Vgl. unten, V. Kap., E. SB Vgl. Argumentation des KG im Fall GKN!Sachs angesichts britischer Devisenbeschränkungen: WuW!E OLG 1745 ff. (1756); a. A. WuW!E BKartA 1625 ff. (1630). 57 Vgl. Böhlk! Schöppe, DB 1977, S. 2364. 53

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2. Eignung zum Einsatz auf dem Markt

Aus der Disponibilität der festgestellten Finanzkraft sind nicht in jedem Fall Auswirkungen auf den Wettbewerb ableitbar. Im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht ist Finanzkraft als Kriterium des konkreten Gefährdungstatbestandes "überragende Marktstellung" nur insoweit wettbewerbsrelevant, als die finanziellen Mittel überhaupt auf dem fraglichen Markt eingesetzt werden können und die Mittelverwendung zu einem gesteigerten Grad von Wahrscheinlichkeit möglich ist. Grundsätzlich kann zwar davon ausgegangen werden, daß Finanzkraft auf jedem Markt, in jeder Marktsituation und in jeder Menge zur Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse geeignet ist. Allerdings wäre es unsinnig, im Rahmen der Beurteilung nach § 22 I Nr. 2 GWB bei gegebener Finanzkraft an alle nur denkbaren Möglichkeiten und Methoden zur Steigerung der Marktrnacht anknüpfen zu wollen. Zutreffend können vielmehr nur jene Möglichkeiten der Mittelverwendung der Beurteilung zugrundegelegt werden, die sich im konkreten Einzelfall nicht als rein spekulativ und ökonomisch völlig sinnlos darstellen, sondern die aufgrund der gegebenen Umstände wahrscheinlich sind. Dabei sollten nur wettbewerblich besonders wichtige Verwendungsbereiche wie aufwendige und ungewöhnliche Investitionen, Preiskampf etc. Gegenstand der Beurteilung sein. a) Bedeutung der Finanzkraft im Verlauf der Marktphasen Konkrete Anhaltspunkte zur Einschätzung der wettbewerblichen Bedeutung eines hohen Finanzpotentials auf einem bestimmten Markt können mit Hilfe der Marktphasenbetrachtung gewonnen werden. Nach der von Heuss58 entwickelten Theorie der Marktphasen durchläuft ein Markt verschiedene Entwicklungsstadien, die sich in Experimentierungs-, Expansions-, Ausreifungs- sowie Stagnations- bzw. Rückbildungsphase aufteilen lassen. Angebot, Nachfrage und Marktstrukturen bilden dabei Variable, die sich unter dem Einfluß des Wettbewerbsprozesses wandeln. Das auf typische Abläufe abstellende Marktphasenkonzept bietet damit Konkretisierungsgesichtspunkte zur wettbewerblichen Beurteilung der durch große finanzielle Spielräume gekennzeichneten Ausgabenpolitik eines Unternehmens in einer bestimmten Marktkonstellation. Herausragende Möglichkeiten eines Unternehmens beim Einsatz finanzieller Mittel können insbesondere in der Experimentierungsphase, in der das Produkt geschaffen und zur erforderlichen Marktreife entwickelt wird6D, die Wettbewerbssituation entscheidend prägen. 58

Vgl. Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 25 ff.

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Die wettbewerbliche Stellung des Unternehmens wird maßgeblich bestimmt durch seine Investitionen in den Bereich Forschung und Entwicklung bei der Produktkreation und in die Bereiche Marktforschung, Einführungswerbung und Anwendungsberatung bei der Marktkreation. überragende Entfaltungsmöglichkeiten des Unternehmens in dieser Marktphase dürften in der Regel die Wettbewerbssituation gegenüber bereits existenten Konkurrenten bis weit in die folgende Expansionsphase hinein prägen. Die Expansionsphase zeichnet sich durch hohe Wachstumsraten aus. Der Schwerpunkt der Investitionsausgaben liegt im Produktionsbereich60 und umfaßt regelmäßig aufwendige Maßnahmen zur Erhöhung der Qualität des Produkts und seines Gebrauchswertes, zur Produktivitätssteigerung, insbesondere durch Entwicklung kostengünstigerer Produkte, zur Verbesserung der Marketingstrategie und zur Kapazitätssteigerung in Anpassung an die steigende Nachfrage. Die Investitionspolitik nimmt in dieser Phase insofern eine Schlüsselstellung ein, als im Vergleich zu den späteren Marktphasen es gerade von den Erweiterungsinvestitionen in der Wachstumsphase abhängt, ob die errichteten Kapazitäten die Nachfrage befriedigen können oder ob sie hinter der wachsenden Nachfrage stets nachhinken61 und dadurch die Absicherung und den Ausbau der Marktstellung hemmen. Während es auf einem Markt in der Experimentierungsphase häufig nur einen einzigen Unternehmer gibt, ergibt es sich spätestens gegen Ende der Wachstumsphase, daß newcomer auf den expandierenden Markt drängen. Die zukünftige Marktstellung des etablierten Unternehmens wird im wesentlichen davon abhängen, inwieweit es ihm gelingt, durch den Einsatz absatzpolitischer Instrumente deren Marktzutritt bzw. -erfolg abzuwenden. Preiskämpfe sind allerdings in einer Phase mit Nachfrageüberhang kaum zu erwarten62 • Da mit einer Amortisation der in der Experimentierungs- und Expansionsphase erforderlichen hohen Aufwendungen regelmäßig erst in späteren Entwicklungsphasen gerechnet werden kann, ist die wettbewerbliche Stellung eines diversifizierten Unternehmens, das über einen weiten Finanzierungsspielraum' und den Vorteil eines Beschäftigungs- und Risikoausgleichs verfügen kann, hier ungleich besser als die eines monostrukturierten Unternehmens, das weitgehend auf Fremdkapital angewiesen sein dürfte und dem unternehmerischen Vgl. ebd., S. 16. Vgl. Schwartau, S. 159, 190 f., der allerdings einem differenzierteren Phasenkonzept folgt. 81 Vgl. Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 46. et Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 142 ff. 69

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Risiko in vollem Umfang ausgesetzt ist, weil es einen entsprechenden finanziellen Rückhalt nicht besitzt. Die durch hohe Finanzkraft und Diversifikation begründete Möglichkeit zur Vornahme eines Risikoausgleichs bedeutet im übrigen, besonders auf Märkten, die in hohem Maße den Auswirkungen konjunktureller oder saisonaler Schwankungen ausgesetzt sind, eine verbesserte Machtposition des Unternehmens aufgrund größerer Unempfindlichkeit gegenüber den Einflüssen der Marktentwicklung63 • Dem Absatzbereich, der in der Expansionsphase bei stetiger Nachfragesteigerung eine weniger bedeutende Rolle bei den Investitionsentscheidungen spielte, kommt im Verlauf der Ausreifungsphase eine ständig steigende Bedeutung zu. Angesichts niedriger Wachstumsraten konzentrieren sich die Aufwendungen neben der weiteren Verbesserung der technologischen Konzeption des Produkts und der Produktionsverfahren zunehmend auf die Absicherung und den Ausbau der erlangten MarktsteIlung durch den vollständigen Einsatz aller absatzpolitischen Instrumente. Dieser Trend verstärkt sich noch auf den Märkten in der Stagnationsphase, wenn der Nachfragezuwachs unter das Niveau der durchschnittlichen Wachstumsrate in der Volkswirtschaft fällt oder sogar schon ein Nachfragerückgang zu verzeichnen ist. Während die Expansionsphase nur durch mittelbare Rivalitätsbeziehungen gekennzeichnet ist, wird die Stagnationsphase eindeutig durch unmittelbare Rivalitätsbeziehungen zwischen den Konkurrenten geprägt 64 • Dabei ist auf stagnierenden oder schrumpfenden Märkten wegen dort drohender überkapazitäten mit exzessiven Wettbewerbsmaßnahmen unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen zu rechnen. Die überragende Finanzkraft eines Unternehmens begründet in dieser Situation die Gefahr eines weniger leistungs- als vielmehr machtbedingten Einsatzes von Wettbewerbsmitteln. Hohe Finanzkraft erlaubt z. B. gezielte Kampfpreisunterbietungen oder aggressive Verkaufskampagnen mit Hilfe massiver Werbung, um damit finanzschwächere Mitbewerber zu bedrohen oder gar zu verdrängen und potentielle Konkurrenten abzuschrecken. Ohne daß es konkreter Anhaltspunkte im Verhalten des finanzstarken Wettbewerbers bedarf, die eine wettbewerbliche Auseinandersetzung primär über den Einsatz finanzieller Mittel erwarten lassen, kann das rein strukturelle Ungleichgewicht hinsichtlich der Finanzkraft bereits erhebliche Wettbewerbsvorteile begründen, wenn sich die hohe Finanzkraft den Mitbewerbern als wettbewerbliches Bedrohungspotential darstellt. 68 Vgl. Emrich, S. 136. 64 Vgl. Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 1973, S. 142.

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b) Finanzkraft als Bedrohungspotential Für die wettbewerbliche Bewertung der Finanzkraft als Bedrohungspotential ist entscheidend auf die Sicht der aktuellen und potentiellen Wettbewerber auf dem Markt abzustellen. Soweit die rechtliche Beurteilung im Einzelfall maßgeblich am Drohoder Abschreckungseffekt der Finanzkraft65 anknüpft, ergeben sich hieraus - wie bereits angedeutet66 - erhebliche Konsequenzen für die Finanzkraftmessung: Die Bedeutung der Finanzkraft als Handlungsund Entfaltungspotential ist unstreitig davon abhängig, ob tatsächlich wettbewerbsrelevante Finanzkraft existiert. Als Bedrohungspotential kann Finanzkraft die Wettbewerbsverhältnisse bereits dann entscheidend prägen, wenn sie nur von den Mitbewerbern vermutet wird 67 • Damit wird die bloße Unternehmensgröße zu einem maßgeblichen wettbewerblichen Aspekt. Die allen Wettbewerbern offenkundige Umsatzgröße des Unternehmens gewinnt bei der Finanzkraftermittlung gegenüber betriebswirtschaftlichen Kriterien über die interne Finanzkraft erheblich an Gewicht. Ein wettbewerbswirksamer Droh- und/oder Abschreckungseffekt durch hohe Finanzkraft wird allerdings nicht schon allein durch die Vermutung der Mitbewerber begründet, daß das fragliche Unternehmen zur Verdrängung oder Vernichtung seiner Konkurrenten in der Lage ist. Abgesehen davon, daß die Vermutung hoher Finanzkraft nur zählt, wenn sie aus der objektiven Sicht der Mitbewerber bei Kenntnis aller wesentlichen Umstände und vernünftiger Würdigung begründet und berechtigt erscheint, kann deren wettbewerbsrechtliche Bedeutung nur bejaht werden, wenn aufgrund bestimmter Umstände überhaupt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Durchführung derartiger Maßnahmen besteht. Diese dürfte wesentlich dadurch bestimmt sein, welchen Vorteil bzw. Nutzen sich das fragliche Unternehmen von der Strategie versprechen kann88 • Wenn man dem Unternehmen zweckrationales Handeln unterstellt, bedeutet dies: Je höher sich der mögliche Nutzen einer Verdrängungsstrategie für das Unternehmen darstellt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit ihrer tatsächlichen Durchführung und desto höher ist der Bedrohungseffekt der strukturellen Größe "Finanzkraft" unter der Voraussetzung zu bewerten, daß die Mitbewerber diese Umstände erkennen konnten. Vgl. oben, V. Kap., C. 111. 2. Vgl. oben, V. Kap., C. 11. 1. 87 Vgl. Sieben, u. a., DB 1978, S. 2233, die allerdings eine wettbewerbsrechtliche Berücksichtigung solcher Auswirkungen für verfehlt halten. 88 Vgl. Böhnke, S. 216. 85

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Vor der Darstellung einiger aus den Wettbewerbsverhältnissen auf dem relevanten Markt ableitbaren Konkretisierungsgesichtspunkte, die eine nähere Bestimmung des wettbewerblichen Droheffekts überragender finanzieller Ressourcen erlauben, sei zunächst jener in der Literatur stark umstrittene Streit um die Bedeutung der Gewinnsituation des Unternehmens bei Subventionierungsstrategien angesprochen. aal Wettbewerbsergebnisse des Unternehmens auf anderen Märkten Edwards69 , Hoppmann7o und Veltrup71, allesamt hervorragende Kenner der Problematik konglomerater Konzentration, leiten die Fähigkeit eines diversifizierten Unternehmens zu internen Subventionierungsstrategien nicht aus der Existenz marktstarker Stellungen auf einzelnen Märkten, sondern allein aus dem Zusammenspiel von absoluter Unternehmensgröße und Diversifikation ab. Diese Auffassung überzeugt jedoch als Grundsatz nicht, da die Möglichkeit zum internen Verlustausgleich und zur Durchführung aufwendiger Marktstrategien in der Regel nicht gegeben sein kann, wenn das Unternehmen auf allen seinen Märkten effektivem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist und keine oder nur äußerst geringe Marktgewinne realisieren kann72 • Trotz Größe und Diversifikation entfallen unter diesen Umständen Droh- und Abschreckungswirkung, es sei denn, das Unternehmen kann erkennbar über sonstige, marktunabhängig erworbene, Vermögensmassen verfügen73. Es erscheint jedenfalls lebensfremd, wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen diversifizierter Großunternehmen damit begründen zu wollen, daß die Muttergesellschaft Tochterunternehmen liquidieren könnte, um die dadurch frei werdenden Mittel zu einem Verdrängungswettbewerb auf den relevanten Markt zu übertragen. Soweit sich aus dem Marktgeschehen keine Anhaltspunkte für eine solche Unternehmenspolitik ergeben, dürfte dieser Hypothese im konkreten Einzelfall keine praktische Bedeutung zukommen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß in jedem Fall hohe Marktanteile und eine beherrschende Stellung im Sinne von Monopolmacht auf mindestens einem Markt erforderlich sind74 • Ein Mischkalkulationsspiel89 Edwards, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, S. 137 ff.; ders., in: FS für H. Kronstein (1967), S. 237 ff. 70 Hoppmann, Die Aussprache 1969, S. 284. 71 Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 212 (ders. wohl noch a. A., Wettbewerbspolitische Problematik, S. 51); vgl. auch Hansen, WuW 1970, S. 662 ff. 72 Vgl. Frankus, S. 51; Klauss, S. 227; Fischer, WuW 1972, S. 570. 73 Gewinne auf anderen Märkten sind also nicht alleinige Voraussetzung zur Durchführung von Verdrängungsstrategien. Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 10. 14 So aber wohl Klauss, S. 227.

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raum entsteht vielmehr bereits dann, wenn die Preise wenigstens auf einem Markt höher als die Grenzkosten liegen75 • Mit zunehmender Höhe der Marktanteile und Gewinne auf den einzelnen Märkten des Unternehmens verstärkt sich der finanzielle Verhaltensspielraum und damit die Möglichkeit zur internen Subventionierung aufwendiger Marktstrategien. Da man grundsätzlich davon ausgehen kann, daß rationale Unternehmenspolitik mit der vollen Ausschöpfung des preisstrategischen Spielraums weitgehend identisch ist76 , erhöht sich mit der gesteigerten Fähigkeit zur internen Subventionierung automatisch auch die Möglichkeit der Ausnutzung dieser Fähigkeit im Wettbewerb. Bei der erweiterten Marktbetrachtung ist selbstverständlich maßgeblich zu berücksichtigen, in welcher Relation die erzielten Marktgewinne zu den voraussichtlichen Kosten einer Subventionierung auf dem relevanten Mark1l;stehen77 • bb) Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Markt Marktstrategien im Sinne einer Verdrängungspolitik unter Inkaufnahme zeitweiliger Verluste sind auf der Grundlage einer ökonomischen Betrachtungsweise für ein Unternehmen nur sinnvoll, wenn die Chance gegeben ist, daß die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt zugunsten des subventionierenden Unternehmens auch langfristig verändert7 8 und die während der Periode des Verdrängungswettbewerbs eingetretenen Verluste anschließend durch höhere Gewinne überkompensiert werden können79. Zweifellos ist auch nach erfolgreicher Verdrängung eines oder mehrerer Konkurrenten das Auftreten neuer, kostengünstiger Anbieter, die das Unternehmen in einen erneuten Preiskampf verwickeln, regelmäßig nicht auszuschließen80• Eine endgültige erfolgreiche Verdrängung von Mitbewerbern wird allerdings durch bestimmte Marktbedingungen begünstigt8 t, die im folgenden beispielhaft aufgezeigt werden sollen. Je mehr dieser Faktoren im konkreten Einzelfall gegeben sind, desto stärkeres Gewicht ist dem Bedrohungs- bzw. Abschreckungseffekt eines überragenden Finanzpotentials gegenüber weniger finanzstarken UnVgl. Böhnke, S. 209 f.; Kruber, WuW 1971, S. 224 ff.; Frankus, S. 51. Vgl. Seidenfus, Kyklos, Vol. 20 (1967), S. 212 f. 77 Vgl. Böhnke, S. 210. 78 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 208 f.; Böhnke, ebd. 79 Vgl. Turner, HLR 78 (1965), S. 1341 f.; Kase, S. 118; Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 167 f. 80 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 11. 81 Vgl. Leibenstein, Economic Theory, S. 336 ff.; ebenso im Anschluß daran: Schumacher, Diversifikation, S. 143 f. 75

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c. Finanzkraft

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ternehmen in der wettbewerblichen Analyse nach § 22 I Nr. 2 GWB beizumessen. Eine geringe Anzahl weiterer Anbieter auf dem Markt begünstigt grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit eines Verdrängungskampfes ebenso wie eine relativ schwache Marktposition der Mitbewerber. Sind beide Bedingungen gegeben, d. h. stehen dem finanzstarken Unternehmen nur wenige schwache Konkurrenten gegenüber, so sind optimale Voraussetzungen dafür gegeben, um in möglichst kurzer Zeit und zu möglichst geringen Kosten die Verdrängungsstrategie erfolgreich zu beenden und um schnell und sicher anschließend höhere, monopolartige Gewinne realisieren zu können. Die Existenz hoher Marktschranken82 läßt dabei die Einleitung eines Verdrängungswettbewerbs besonders attraktiv erscheinen, da sie geeignet sind, dem späteren Zutritt bisher lediglich potentieller Wettbewerber auf den Markt entgegenzuwirken und den langfristigen Erfolg der Verdrängung zu gewährleisten. Andererseits kann in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit potentiellen Konkurrenten gerade auch aufgrund niedriger Marktzutrittsbarrieren die Gefahr eines Verdrängungskampfes akut sein; so, wenn es für ein marktstarkes Unternehmen einen mit finanziellen Impulsen vorgetragenen Angriff potentieller Wettbewerber in nächster Zukunft abzuwehren gilt83 • Ähnliches gilt gegenüber drohender Substitutionskonkurrenz. Die den Einsatz von Verdrängungsstrategien fördernde Erwartung hoher Gewinne (nach deren erfolgreichem Abschluß) wird zudem gerade auf Märkten mit unelastischer Nachfrage wesentlich verstärkt, insbesondere dann, wenn das Unternehmen über freie Kapazitäten verfügt oder in der Lage ist, schnell und kostengünstig Kapazitätserweiterungen durchzuführen84 • Weiterhin ist die Bedeutung der "economies of scale"-Effekte zu berücksichtigen. Die Gewinnsituation ist nach erfolgreicher Verdrängung, bei erweiterten Kapazitäten und erhöhtem Marktanteil um so günstiger, je größer die zu erwartenden Betriebsgrößenvorteile sind. Die Bewertung der Finanzkraft hinsichtlich ihrer Bedeutung als wettbewerbswirksames Bedrohungspotential sollte sich auf die hier exemplarisch dargestellten Entscheidungskriterien einer bewußt rational betriebenen Unternehmenspolitik nicht beschränken, sondern auch all jene Anhaltspunkte aus den Veränderungen der Wettbewerbsverhältnisse, der Entwicklung des Unternehmens und dessen Wett82 83

84

Vgl. Böhnke, S. 216. Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1755). Vgl. Lenel, Ursachen, S. 208; Meinhold, S. 149.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

bewerbsverhalten in der Vergangenheit berücksichtigen, die in irgendeiner Weise für oder gegen die Annahme eines Droheffekts sprechen. Besonders sei hier noch auf eine Bewertung des fraglichen Unternehmertyps hingewiesen. Das Marktverhalten in der Vergangenheit kann Rückschlüsse auf das Karrierestreben des Managements und die Bedeutung des Gewinnmaximierungsprinzips für das Unternehmen erlauben und damit die Bewertung der Finanzkraft abrunden. So dürfte die Vermutung einer Droh- und Abschreckungswirkung nicht unwesentlich verstärkt werden, wenn dem Unternehmen z. B. der Ruf eines aggressiven Wettbewerbers anhaftet bzw. wenn das Management eine eindeutige Expansionspolitik verfolgt.

D. Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten I. Vorbemerkung

Während das Finanzkraftkriterium an die absoluten Ressourcen des Unternehmens anknüpft, deren Wettbewerbswirkungen im Einzelfall näher zu konkretisieren sind, bezeichnet das Merkmal "Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten" bereits unmittelbar die wettbewerblichen Auswirkungen starker beschaffungs- und absatzpolitischer Ressourcen. Ein besonders guter Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten und damit eine Verbesserung der Marktstellung kann sich insbesondere aus Unternehmensverflechtungen mit vor- oder/und nachgelagerten Wirtschaftsstufen ergeben!. Das Zugangskriterium ist dementsprechend in erster Linie zur Erfassung und Beurteilung der Fälle vertikaler Unternehmenskonzentration bestimmt und geeignet2 • Wenngleich überschneidungen zwischen Diversifikation und vertikaler Integration in der Realität des Wirtschaftslebens keineswegs ungewöhnlich sinds, so sollen doch, mit Rücksicht auf den Schwerpunkt dieser Arbeit, die spezifischen Wettbewerbsvorteile einer rein vertikalen Verbindung mit Unternehmen der Absatz- und Beschaffungsmärkte4 hier nicht näher erörtert werden. Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI!2520, S. 23. Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 920, S. 511 f. Besondere Bedeutung gewinnt dieses Kriterium weiterhin im Hinblick auf die Problematik der Nachfragemacht, vgl. Reimann, WuW 1976, S. 547. 3 Vgl. Böhnke, S. 39 f.; s. schon oben, I. Kap., B. I. 2. ("vertikale Diversifikation"). 4 Interessant ist in diesem Zusammenhang der von Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 219, vorgeschlagene Vermutungstatbestand zur besseren Erfassung der Fälle vertikaler Konzentration. Mit zunehmendem Ausmaß der vertikalen Integration - wobei er sich an Marktanteilen auf dem vor- oder! 1

2

D. Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten

117

Gegenüber dem Mitbewerber kann sich allerdings ein Vorsprung in den Beschaffungs- und Absatzmöglichkeiten - ohne daß das Unternehmen auf diesen Wirtschaftsstufen selbst engagiert sein müßte aus einer Fülle weiterer Umstände, so z. B. "auch aus langfristigen Lieferverträgen oder aus Agenturverträgen oder einfach daraus ergeben, daß ein einzelnes Unternehmen auf mehreren Märkten tätig ist"5.

u.

Effizienz des bescbaffungs- und absatzpolitisdlen Instrumentariums

Die Marktmacht eines Unternehmens ist um so größer, je wirkungsvoller es durch den Einsatz beschaffungs- oder absatzpolitischer Ressourcen den Verkauf oder Einkauf der Güter zu seinen Gunsten zu beeinflussen vermag 6• Die wettbewerbliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Zugangskriteriums stellt damit zunächst allgemein auf einen Vergleich des bezugs- und absatzpolitischen Instrumentariums7 unter den Wettbewerbern ab. Für eine Beurteilung der Beschaffungsmöglichkeiten bieten sich neben dem zur Verfügung stehenden finanziellen Potential zur Durchführung einer aktiven Beschaffungspreispolitik als Anknüpfungspunkte an: Beschaffungsorganisation, Beschaffungsmethode, mittelbare Produktgestaltung 8 sowie Marktkenntnis, Transportwesen9, Lagerhaltung, Bestellmenge, Sortimentsvorteile etc. Die Position des Unternehmens am Absatzmarkt ist im Anschluß an die Systematisierung Sundhoffs 10 anhand des folgenden Mittelkatalogs der Absatzpolitik zu konkretisieren: Preis-, Handelsspannen-, Qualitäts-, Produktgestaltungs-, Konditionen-, Service-, Werbe-, Zugabe-, Sortiments- und Präsentationspolitik. Auf die besondere Bedeutung einzelner absatzpolitischer Instrumente zur Beurteilung der Absatzmöglichkeiten diversifizierter Unterund nachgelagerten Markt orientiert - werden die kritischen Marktanteilswerte auf dem relevanten Markt um so niedriger angesetzt. 5 Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 23; völlig a. A.: Leo, WRP 1972, S. 10, der den einzelmarktübergreifenden Charakter dieses Kriteriums ignoriert und der Regierungsbegründung "keine substantielle Aussage" beimessen will; entscheidend sei allein der Marktanteil auf dem relevanten Markt. 6 Vgl. Bartling, S. 65. 7 Nach dem von Gutenberg, Bd. II, S. 104 ff., entwickelten absatzpolitischen Instrumentarium ist zwischen den Mitteln der Absatzmethode, der Produktgestaltung, der Werbung und der Preispolitik zu unterscheiden. 8 Der Begriff "mittelbare Produktgestaltung" charakterisiert die Bemühungen des Unternehmens, seine Lieferanten zu einer bedarfsgerechten Gestaltung ihrer Produkte zu veranlassen. Fäßler! Kupsch, in: Heinen, Industriebetriebslehre, S. 230. 9 Vgl. WuW!E EV 651 ff. (655). 10 Vgl. Sundhoff, in: FS für R. Seyffert (1968), S. 489.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

nehmen sei besonders hingewiesen: Daß solchen Unternehmen durch interne Subventionierung ein erhöhter preispolitischer Handlungsspielraum zukommen kann, wurde bereits dargestelltl1 . Größe und Reichhaltigkeit des Sortiments der angebotenen Güter stellen keineswegs nur im Handelsbereich einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor dar l2 • Kann eine bestimmte Gruppe von Produkten derselben Gruppe von Nachfragern angeboten werden, so genießt ein unter diesem Gesichtspunkt strukturiertes diversifiziertes Unternehmen aufgrund seines breiten Warensortiments gegenüber spezialisierten Konkurrenten einen kompetitiven Vorsprung13 • Wettbewerbsvorteile in Form von Rationalisierungseffekten können durch einen besseren Einsatz bzw. eine bessere Ausnutzung (Koordinierung) der Absatzorganisation(en) verbundener Unternehmen erreicht werden14• Neben weiteren Kostenersparnissen durch eine gemeinschaftliche Service- und Präsentationspolitik können erhebliche Vorteile gegenüber monostrukturierten Unternehmen vor allem im Bereich der Werbung gegeben sein. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Produkt in ein gemeinsames Werbeprogramm für andere nahe verwandte Produkte aufgenommen werden kann. Der Werbungsvorteil wird wesentlich verstärkt, wenn die Möglichkeit besteht, die positive Ausstrahlung eines etablierten, weitverbreiteten Markenzeichens auf einen neuen oder weniger bekannten Artikel zu übertragenUi • Größe des Werbeetats und Umfang der Gesamtnachfrage eines konglomeraten Großunternehmens können zudem bei den Werbemedien eine wettbewerbliche Vorzugsstellung begründen. Das Unternehmen erhält im Unternehmensverbund neben der Durchsetzung terminlicher Sonderbehandlung, günstigerer Werbeplazierung etc. insbesondere die Möglichkeit, die Vorteile einer in der Regel stark ausgeprägten Rabattierung voll auszuschöpfen bzw. spezielle Höchstrabatte auszuhandeln18 • Erhebliches Gewicht erhält dieser Aspekt in den Wirtschaftsbereichen, in denen Absatzerfolg und Werbungsintensität in eindeutigem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen17 • Vgl. oben, I!. Kap., A. I. 1.; V. Kap., C. II!. 1. Vgl. die allgemeinen Ausführungen zur Gestaltung des Absatzprogramms als Ganzes bei Gutenberg, Bd. I!, S. 535 ff. 13 Vgl. Böhnke, S. 213. 14 Vgl. Frankus, S. 106 und das Beispiel in Anm. 285. 15 Vgl. Borchert, WuW 1970, S. 261; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 107. 11 Vgl. Harms, WuW 1966, S. 872 und Frankus, S. 101, 59; beide mit Beispielen aus der Rechtsprechung zum Antitrustrecht; s. auch Emrich, S. 130 f.; Woedtke, S. 75 ff. 17 Wie vor allem in vielen Bereichen des Konsumgütersektors. 11

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D. Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten

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Eine Beurteilung der Marktzugangsmöglichkeiten kann sich jedoch nicht auf eine allgemeine Würdigung des Fähigkeitsniveaus des Unternehmens zur Beeinflussung von Beschaffung und Absatz beschränken, sondern hat sowohl die Reaktionen der übrigen Wettbewerber und insbesondere der Marktpartner, als auch verhaltensunabhängige Wettbewerbsfaktoren (wie z. B. unvollständige Markttransparenz) mit einzubeziehen. Im Anschluß werden einzelne Marktstrategien, Einflußfaktoren und Praktiken dargestellt, die geeignet sind, die Beschaffungs- und Absatzmöglichkeiten eines diversifizierten Unternehmens im Einzelfall näher zu bestimmen. Nochmals sei darauf hingewiesen, daß es für die Frage der MarktsteIlung unmaßgeblich ist, ob die einen wettbewerblichen Vorsprung im Absatz- oder Beschaffungsbereich begründenden Faktoren im Einzelfall als Ausfluß des Leistungswettbewerbs oder aber als Auswirkungen wettbewerbsbeschränkender Praktiken oder Zu'stände zu beurteilen sindl8 •

m.

Drohung mit vertikaler Integration

Die Verhandlungsposition eines diversifizierten Unternehmens gegenüber seinen Marktpartnern kann bereits durch seine Fähigkeit zur vertikalen Integration wesentlich verstärkt werden. Marktpartner, die damit rechnen müssen, daß ihre Funktion als Lieferant von Vorprodukten bzw. als Abnehmer zur Weiterverteilung der hergestellten Güter unter bestimmten Umständen von solchen Unternehmen selbst übernommen werden könnte, werden häufig schon aufgrund der Kenntnis derartiger Möglichkeiten und des für sie daraus erwachsenden Existenzrisikos bei Vertragsverhandlungen zu weitestgehenden Zugeständnissen bereit seinl9 • Es sei denn, sie können jederzeit über alternative Marktbeziehungen verfügen. Unabhängig davon, ob im Einzelfall die Übernahme der Eigenproduktion bzw. der Abnehmerfunktion durch einen internen oder aber externen Expansionsprozeß zu befürchten ist, können durch die unterschwellige oder gar ausdrückliche Drohung des diversifizierten Unternehmens wettbewerbliche Vorteile in Form von günstigeren Einkaufsbzw. Verkaufsbedingungen durchgesetzt werden. Im Extremfall bis zur Grenze des Selbstkostenpreises gehend, wird der schwächere Marktpartner bestrebt sein, die Übernahme als möglichst unattraktiv darzu18 Zur Problematik der kartellrechtlichen Beurteilung einzelner Strategien diversifizierter Unternehmen vgl. Meinhold, S. 180 ff.; Gieskes, S. 159 ff. 18 Vgl. Gieskes, S. 164; Meinhold, S. 116 f.; Haager, S. 116 f., der in diesem Zusammenhang besonders auf die Möglichkeit einer Risikoabwälzung bei der Ausgestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinweist.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

stellen, um damit das Übernahmerisiko möglichst gering zu halten20 . Der Wettbewerbsvorteil des diversifizierten Unternehmens bedeutet eine entsprechende Benachteiligun,~ seiner Konkurrenten, soweit diese nicht über eine ähnliche Verhandlungsmacht verfügen. Die Glaubwürdigkeit einer derartigen Drohstrategie und damit auch die Vermutung einer wettbewerblichen Vorzugsstellung des diversifizierten Unternehmens wird um so größer sein, je kleiner und je spezialisierter der Vertragspartner auf dem vor- bzw. nachgelagerten Markt, je größer insbesondere das finanzielle und technologische Potential des Unternehmens zur Durchführung vertikaler Konzentrationsstrategien, je geringer die Anzahl und je schwächer die Wettbewerbsposition der Mitbewerber auf dem relevanten Markt ist. IV. Langfristige Lieferverträge, Reziprozititspraktiken, Ausscbließlicbkeitsbindungen, Kopplungsverträge. Gesamtumsatzrabattsystem

In den Gesetzesmaterialien werden langfristige Lieferverträge und Agenturverträge ausdrücklich als ein Indiz für verbesserte Marktzugangsmöglichkeiten aufgezeigt. Werden auf dem Markt derartige langfristige Bindungen zu Zulieferern bzw.Abnehmern ausschließlich bei dem betroffenen Unternehmen festgestellt, und begründen sie im konkreten Fall nachweislich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, so kann ihre wettbewerbliche Relevanz nicht zusätzlich noch von der Erwägung abhängig gemacht werden, ob ähnliche Verträge unter Umständen auch von den anderen Wettbewerbern hätten erreicht werden können2!. Das Verhältnis eines Unternehmens zu seinen Zulieferern und Abnehmern im Vergleich zu den Mitbewerbern läßt sich durch weitere Besonderheiten in den vertraglichen Beziehungen näher charakterisieren. Die nachfolgend aufgezeigten Vereinbarungen und Praktiken gegenüber Marktpartnern sind nur insoweit typische Erscheinungsformen diversifizierter Unternehmensmacht, als sie eine diversifizierte Angebotsstruktur voraussetzen. Ihr tatsächlicher Nachweis - und nicht bereits die Möglichkeit ihrer Durchführung 22 - ist im Einzelfall geeignet, einen Wettbewerbsvorsprung des Unternehmens gegenüber seinen Konkurrenten zu begründen. Der Diversifikation eigentümlich ist die Durchführung wechselseitiger Lieferbeziehungen (Reziprozitätspraktiken)23. Je diversifizierter das Ähnlich Haager, S. 116 f. A. A. aber Kleinmann I Bechtold, § 22, Rdnr. 87. 22 Nicht eindeutig und daher mißverständlich: Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 23; Meinhold, S. 116. 23 Dazu schon oben, H. Kap., A. Ir. 3. 20 21

D. Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten

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Betätigungsfeld eines Unternehmens ist, um so größer ist die Möglichkeit, daß Zulieferer auch potentielle Abnehmer bzw. Abnehmer auch potentielle Zulieferer des Unternehmens sind. Deckt das fragliche Unternehmen bevorzugt seinen Eigenbedarf bei jenen Unternehmen, die ihrerseits in der Lage und gewillt sind, ihren Bedarf bei ihm zu beziehen, so ist der verkaufsfördernde Effekt offensichtlich. Bei dominierendem Beschaffungsinteresse können Gegenseitigkeitsgeschäfte in gleicher Weise die Beschaffungsmöglichkeiten beeinflussen24 , 25. In den Fällen reziprozitärer Diversifikation26 bieten sich derartige wechselseitige Lieferbeziehungen den sich auf mehreren Märkten gegegenüberstehenden Unternehmen direkt an. Ohne daß es dieser, speziellen Art der vertikalen Diversifikation bedarf, ermöglicht grundsätzlich auch jede andere Diversifikationsform die Aufnahme reziproker Beziehungen. Reziprozität kann insbesondere die Geschäftsbeziehungen zwischen großen Konglomeraten prägen27, die auf diese Weise wechselseitig ihre Marktmacht zulasten der jeweiligen Mitbewerber festigen, ohne daß es wettbewerblicher Anstrengungen bedarf. Für spezialisierte oder weniger stark diversifizierte Unternehmen, die derartige Marktstrategien nicht verfolgen können, fallen durch Gegenseitigkeitsgeschäfte gebundene potentielle Marktpartner als zukünftige Lieferanten oder Kunden vollständig aus. über Erfolg und Mißerfolg der Unternehmen am Markt entscheidet nicht die größere Leistungsfähigkeit im Wettbewerb, sondern die Unternehmensstruktur und der Diversifikationsgrad. Den wechselseitigen Lieferbeziehungen ähnlich sind Ausschließlichkeitsbindungen und Kopplungsgeschäfte 28 , die ebenfalls speziell von diversifizierten Unternehmen unter günstigeren Bedingungen und in größerem Umfang begründet und durchgeführt werden können. Unter dem Gesichtspunkt der Ausschließlichkeitsbindungen ist zu erörtern, ob und inwieweit es dem Unternehmen gelungen ist, die Lieferung wich24 Mit Beispielen aus dem Antitrustrecht: Frankus, S. 69 ff.; Haager, S. 126; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 52 ff. 25 Einen anderen Ansatz wählt Woedtke, S. 172 ff., der im Rahmen der Fusionskontrolle Reziprozitätspraktiken durch das Kriterium der Marktzutrittsschranken erfaßt wissen will. 28 Vgl. I. Kap., B. I. 2. c). 27 McCreary/Guzzardi, Fortune, Vol. 71 (1965), No. 6, S. 180 weisen darauf hin, daß 1965 in mehr als der Hälfte der 500 größten amerikanischen Unternehmen (nach "Fortune") Managementmitglieder ("trade-relation man") allein mit der optimalen Ausschöpfung aller Reziprozitätsmöglichkeiten beschäftigt waren. Economic Concentration, Hearings, Part 1 (Edwards), S. 44; Fischer, ZHR 136 (1972), S. 254 f. 28 Dazu, insbesondere unter dem Aspekt ihrer wettbewerbspolitischen Beurteilung, Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 311 ff.; Gieskes, S. 160 ff.; Jansen, Die Kopplungsverträge im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

tiger Vorprodukte dadurch zu sichern, daß es den Zulieferer verpflichtet, keine anderen Waren an die Mitbewerber abzugeben (Alleinabsatzbindung) bzw. den Absatz seiner Erzeugnisse dadurch abzusichern, daß er seine Abnehmer verpflichtet, keine anderen Waren von den Konkurrenten zu beziehen (Alleinbezugsbindung). Unter dem Gesichtspunkt Kopplungsverträge ist zu prüfen, ob das Unternehmen den Bezug wichtiger Vormaterialien zum Nachteil seiner Konkurrenzunternehmen wesentlich beeinflussen kann, indem es sich im Interesse des Zulieferers verpflichtet, gleichzeitig andere - sachlich oder handelsüblich nicht zugehörige - Güter für andere Märkte zu beziehen bzw. ob es den Verkauf qualitativ, preislich oder sonstwie wenig attraktiver Artikel erheblich fördern kann, indem es die Lieferung anderer, starker Nachfrage ausgesetzter Produkte seines Warensortiments daran koppelt. Werden die Marktverhältnisse im konkreten Einzelfall durch derartige Besonderheiten geprägt, und verfügen die anderen Wettbewerber nicht über gleichartige oder ähnliche Beziehungen, so sind diese als Nachfrager bzw. Anbieter in ihren Marktzugangschancen regelmäßig erheblich beeinträchtigt. Ohne daß es dazu zweiseitiger Absprachen bedarf, kann ein Ausschließlichkeits- und Kopplungsverhalten der Marktpartner auch durch die Ausübung von wirtschaftlichem oder sonstigem Druck im Sinne des Androhens oder Zufügens von Nachteilen und des Versprechens oder Gewährens von Vorteilen herbeigeführt werden29 • So können diversifizierte Unternehmen insbesondere durch die subtilere Methode der Gewährung von Gesamtumsatzrabatten den gleichen wettbewerblichen Effekt zu Lasten ihrer Konkurrenten erzielen30 • Eine durch hohe Marktanteile gekennzeichnete marktstarke Position des Unternehmens auf Drittmärkten kann mit Hilfe eines das ganze Warensortiment umfassenden Gesamtumsatzrabattsystems auf andere Märkte ausgedehnt werden und auch auf dem relevanten Markt dauerhaft eine Auftragskonzentration ihrer Abnehmer begründen31 • V. Hohe Marktgeltung

Die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten werden nicht zuletzt durch das allgemeine Ansehen des Unternehmens auf dem relevanten Markt sowie auf ihren weiteren Märkten geprägt32 • Vgl. Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 334 ff. Vgl. Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 51; Lenel, Ursachen, S. 210. 31 Vgl. Gieskes, S. 162 f.; TB des BKartA 1968, BT-Drucksache V/4236, S.20f. 82 Vgl. Schlögl, S. 36 und Gieskes, S. 12 f., beide unter dem Stichwort "Marktpotential". 29

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E. Verflechtungen mit anderen Unternehmen

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Zur Bestimmung der Geltung des Unternehmens im Verhältnis zu bedeutenden Lieferanten wird dabei beispielsweise an die Zeitdauer bereits bestehender Abnahmebeziehungen, die Zahlungsgepflogenheiten, die Verhandlungs- und Verständigungsbereitschaft des Unternehmens bei Lieferengpässen etc. angeknüpft werden können. Als wesentliche Einflußfaktoren im Absatzbereich wären zu nennen: Das Bestehen langjähriger Lieferbeziehungen, hohe und gleichbleibende Qualität der Erzeugnisse, hohe Lieferbereitschaft, Zuverlässigkeit bezüglich Liefermengen und -fristen33, bundesweite Marktpräsenz, Dichte des Filialnetzes, Qualität der Serviceleistungen, Schnelligkeit und Häufigkeit der Belieferung34, Bekanntheitsgrad von Marken- oder Firmennamen etc. Solche Faktoren können im Einzelfall ein besonderes, enges Verhältnis des Unternehmens zu seinen Marktpartnern und damit einen Vertrauens- oder/und Leistungsvorsprung gegenüber den Mitbewerbern begründen, der geeignet ist, die Marktzugangsmöglichkeiten des Unternehmens entscheidend zu beeinflussen - insbesondere dann, wenn sich die konkreten Marktverhältnisse durch unvollständige Markttransparenz auszeichnen35 •

E. Verflechtungen mit anderen Unternehmen Ist ein beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 AktG oder ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 AktG, so erlaubt die Verbundklausel des § 23 I S. 2 HS. 1 GWB auch bei der Feststellung einer überragenden MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB die so verbundenen Unternehmen als eine wettbewerbliche Einheit anzusehen1 . Die Verbundklausel sichert somit durch Einbeziehung aller abhängigen und herrschenden Unternehmen bei jedem einzelnen Unternehmen der Unternehmensgruppe die Gesamterfassung aller wirtschaftlichen Ressourcen. Das Kriterium "Verflechtung mit anderen Unternehmen" ist insoweit überflüssig, als abhängige und herrschende Unternehmen aufgrund horizontaler, vertikaler oder diagonaler Verflechtung bereits aufgrund dieser Klausel als eine Wettbewerbseinheit zu behandeln sind2 • Die Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1627); WuW/E OLG 1599 ff. (1604 f.). Vgl. Beschluß des BKartA vom 31. 3.1978, B8-711510-U-170/77, S. 9 ff. 35 So das KG im Fall "Vitamin-B-12", WuW/E OLG 1599 ff. (1604 f.). Aufgrund der Besonderheiten des Pharmamarktes (mangelhafte therapeutischpharmakologische und preisliche Transparenz) hält das KG einen Vertrauensvorsprung für so gewichtig, daß bereits deshalb eine überragende MarktsteIlung angenommen wird. 1 Vgl. oben, V. Kap., A. II. 33

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124

V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Bedeutung des Merkmals der Verflechtung beschränkt sich auf jene Fälle verbundener Unternehmen, in denen zwar ein durch potentielle Beherrschung begründetes Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG nicht gegeben ist, in denen allerdings dennoch aufgrund bloßer MinderheitsbeteiIigung und anderer Umstände eine die MarktsteIlung beeinflussende Möglichkeit zur Einwirkung oder Koordinierung zwischen den Unternehmen bestehts. Zutreffend kann bei jedem an einem Unternehmensverbund beteiligten Unternehmen eine Zurechnung bzw. eine Gesamterfassung aller wirtschaftlichen Ressourcen regelmäßig nur angenommen werden, wenn zumindest ein Abhängigkeitsverhältnis im aktienrechtlichen Sinne zwischen den Unternehmen gegeben ist. Folgt man der weit überwiegenden herrschenden Meinung, so setzt dies im konkreten Einzelfall eine gesicherte, nicht nur gelegentliche oder rein zufällige Beherrschungsmöglichkeit voraus, die sich auf das Unternehmen als Ganzes oder jedenfalls auf für die Geschäftsführung wesentliche Bereiche erstrecken muß'. Ohne daß es der Eingliederung fremder Ressourcen bedarf, können jedoch auch bereits Einflußmöglichkeiten unterhalb der Beherrschungsgrenze die Beziehungen verbundener Unternehmen wesentlich bestimmen und sich dadurch auf die Marktverhältnisse auswirken5• So z. B., wenn aufgrund einer (nicht notwendigerweise qualifizierten) MinderheitsbeteiIigung in Verbindung mit sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen des Einzelfalles (wie etwa Satzungsbestimmungen, personeller Verflechtung, Darlehnsverträge, Franchise-Verträge6 , langfristige und umfassende Darlehnsverträge etc.) Kontroll-, Einwirkungsoder punktuelle Beherrschungsmöglichkeiten geschaffen werden, die zwischen den verbundenen Unternehmen faktisch zu einer Kooperation und Verständigung über ihre geschäftlichen Dispositionen führen. 2 A. A. Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 219, der mit diesem Kriterium das Ausmaß der konglomeraten Diversifikation als solches (orientiert an der Anzahl der Märkte und der Höhe der jeweiligen Marktanteile) berücksichtigt wissen will. Marktstarke Positionen auf Drittmärkten sind jedoch nur insoweit beachtlich, als sie sich auf den Einsatz wettbewerbsrelevanter Ressourcen (wie z. B. der Finanzkraft) auswirken können. Zutreffend ist die Argumentationsweise der Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 917 f., S. 510 f.

3 Vgl. Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 22, Rdnr. 31; Kleinmann I Bechtold, § 22, Rdnr. 88. 4 Vgl. Biedenkopf/ Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 17, Rdnr. 4 f.; Würdinger, in: Großkommentar AktG, § 17, Anm. 4; Adler I Dürig I Schmaltz, Rdnr. 34 ff. vor § 311; a. A. Prühs, AG 1972, S. 308 ff.; ders., DB 1972, S. 2001 ff. 5 Vgl. Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 23, Rdnr. 45, S. 469, die, davon ausgehend, allerdings für eine weitere Auslegung des aktienrechtlichen Abhängigkeitsbegriffes im Kartellrecht plädieren. 6 Vgl. hierzu allg. Wöhe, S. 484 ff.

F. Marktzutrittsschranken

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Das Verflechtungskriterium ist daher geeignet, die wettbewerbswirksamen Auswirkungen auch jener Einwirkungsmöglichkeiten zu erfassen, die sich rein zufällig (z. B. aufgrund der unerwarteten Unterstützung einiger Vertrauensleute durch andere Aktionäre oder der Depotbanken bei der Besetzung des Vorstands) und nur vorübergehend ergeben (z. B. aufgrund von vorbehaltenen überwachungs- und Einwirkungsrechten aus Darlehns- oder Lizenzverträgen) sowie sich nur auf einzelne Unternehmensbereiche (z. B. auf Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion etc.) erstrecken. Kommt in diesen Fällen mangels eines Abhängigkeitsverhältnisses im aktien rechtlichen Sinne eine Zurechnung bzw. Gesamterfassung der Ressourcen auch nicht in Betracht, so ist unter Berücksichtigung aller Umstände im konkreten Einzelfall zu untersuchen, ob sich aufgrund der verstärkten Einflußmöglichkeiten im Hinblick auf eine punktuelle oder temporäre Koordination des Ressourceneinsatzes und des Marktverhaltens eine Verbesserung der Marktstellung ergibt.

F. Rechtliche und tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen I. Begriff und Bedeutung

Durch das Kriterium "rechtliche oder tatsächliche Marktzutrittsschranken" hat der Gesetzgeber unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß bei der Feststellung der Marktbeherrschung neben der aktuellen Konkurrenz auch die potentielle Konkurrenz in die Betrachtung mit einzubeziehen ist. Ohne daß ein Unternehmen auf dem relevanten Markt als Anbieter tätig zu sein braucht, kann es allein schon aufgrund seiner bloßen Fähigkeit zum Marktzutritt einen das Verhalten, die Leistungen und die Marktstellung der etablierten Anbieter beeinflussenden Faktor darstellen. Zweifellos geht der wirksamste Wettbewerbsdruck von der Existenz weiterer unabhängiger Anbieter aus. Die Furcht vor potentiellen Konkurrenten tangiert in der Regel in wesentlich schwächerem Maße die Wettbewerbsstellung etablierter Unternehmen1 • Doch ebenso wie ein aktueller Wettbewerber kann grundsätzlich auch ein lediglich potentieller Konkurrent die Marktmacht eines anderen Unternehmens beschränken bzw. ausschließen. Die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung ist daher nur begründet, wenn das fragliche Unternehmen in der Lage ist, seine durch Marktanteile oder andere Faktoren indizierte 1

Vgl. Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 15.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

marktstarke Stellung sowohl gegenüber den vorhandenen als auch den möglichen Wettbewerbern effektiv abzusichern2 • Marktbeherrschung setzt dementsprechend eine stabile, gegen den Druck des potentiellen bzw. latenten Wettbewerbs weitgehend unempfindliche MarktsteIlung voraus3 • Die Intensität des potentiellen Wettbewerbs hängt wesentlich von der Existenz und Höhe bestehender Marktzutrittsschranken ab. Diese kennzeichnen das Ausmaß der wettbewerblichen Vorteile von am Markt bereits tätigen Unternehmen gegenüber potentiellen Konkurrenten und bestimmen somit die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts neuer Wettbewerber. Vor allem zur Bestimmung der Wettbewerbsposition marktstarker etablierter Unternehmen4, die auf dem relevanten Markt nur geringem aktuellen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, können die Marktzutrittsbedingungen einen wesentlichen, en tscheidungser heblichen Einflußfaktor darstellen5 • Während einerseits eine durch niedrige Marktschranken begründete hohe Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts potentieller Konkurrenten für das etablierte marktstarke Unternehmen regelmäßig eine Reduzierung seines wettbewerblichen Verhaltensspielraums bedeutet, haben andererseits hohe Marktschranken eine entsprechende Verstärkung zur Folge6 und können auf bereits vermachteten Märkten eine langfristige Zementierung der ungleichgewichtigen Marktstruktur bewirken7 • D. Ursaclien und'; Arten der Marktzutrittsscliranken

Marktzutrittsschranken können durch staatliches Handeln aufgrund von Rechtsnormen bestehen (Monopolvergabe, Konzessionierung, Auflagen an Produktionsumfang und -tätigkeit, Zölle etc.) oder durch die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Markt begründet werden. Im letzteren Fall ist es unmaßgeblich, ob die tatsächlichen eintrittsbehindernden Bedingungen durch Unternehmen bewußt verursacht wurden oder zufällig entstanden sind8 • 2 Dazu ausführlicher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Kriterien einer überragenden MarktsteIlung unten, V. Kap., H. l. 3 Vgl. Stellungnahme der BReg. zum TB des BKartA für 1969, BT-Drucksache lV/950, S. 2; Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache Vl/2520, S.22. , A. A. Knöpfle, WRP 1972, S. 10; nach seiner Ansicht kommt allen Wettbewerbern der "Vorteil der gewissermaßen geschlossenen Gesellschaft (des abgeschlossenen Marktes; d. Verf.) gleichermaßen zugute". 5 Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1627). I Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1753). 7 Vgl. Freitag, WuW 1971, S. 301; zu weiteren Wettbewerbswirkungen vgl. Haager, S. 77 ff. 8 Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1627). Das BKartA begründet hier zU

F. Marktzutrittsschranken

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Inwieweit gerade durch die Existenz und Tätigkeit diversifizierter Unternehmen auf dem Markt tatsächliche Marktschranken gegenüber potentiellen Konkurrenten entstehen können, ist im folgenden zu erörtern. 1. Allgemeine Marktschranken Im Anschluß an Bain9 kann allgemein zwischen den Marktschranken aufgrund von Betriebsgrößenvorteilen, aufgrund von Produktdifferenzierungsvorteilen und aufgrund von absoluten Kostenvorteilen unterschieden werden. Betriebsgrößenvorteile (economies of large scale) sind im Bereich von Produktion und Absatz offensichtlich, wenn eine große Ausbringungsoder Absatzmenge zum Erreichen eines Kostenoptimums erforderlich ist. Sieht man von Produktions- bzw. Absatzgemeinsamkeiten bei produkt- bzw. marktverbunden-diversifizierten Unternehmen einmal ab, so liegen die durch Diversifikation begründeten Größenvorteile weniger in den vorgenannten Unternehmensbereichen als vielmehr in den Bereichen Forschung und Entwicklung 10 , Management, Administration, Marketing und Finanzierungl l . Es lassen sich um so größere Kostenvorteile erzielen, je größer die Aktionsverbundenheit zwischen den einzelnen Teilbereichen des diversifizierten Unternehmens,ist I2 • Diversifizierte Unternehmen sind ebenfalls in der Lage, durch Produktdifferenzierung die Marktschranken für newcomer zu erhöhen. So z. B. durch den Aufbau eines überlegenen Vertriebssystems, die Einrichtung eines leistungsstarken Kundendienstes, oder indem das Unternehmen durch aufwendige Werbernaßnahmen und durch forcierte Verkaufsförderung auf seinen Einzelmärkten langfristig erhöhte Kundenpräferenzen für die eigenen Produkte und für den eigenen Firmennamen schafft1s. Aufgrund seiner "deep pockets" und der Möglichkeit zur Verlagerung des finanziellen Potentials wird das konglomerate Großunternehmen für derartige Maßnahmen geradezu als prädestiniert angesehen werden können l4 • Die Bedeutung der ProduktdifferenzierUng dürfte sich allerRecht hohe Marktschranken u. a. auch mit der Einkaufspraxis der Abnehmer. A. A. Ramrath, S. 48 f. 9 Vgl. Bain, Barriers to New Competition, S. 53 ff.; ders., Industrial Organization, S. 255 ff.; Freitag, WuW 1971, S. 299 ff.; Berg, WISU 1978, S. 282 ff.; vgl. auch Machlup, S. 205 ff.; Hines, QJE, Vol. 71 (1957), S. 132 ff. 10 Zur besonderen Bedeutung dieser Marktschranken vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 120 ff. 11 Vgl. Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 56, 98 ff. 12 Vgl. Narver, S. 71 ff.; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 556. 13 Vgl. Freitag, WuW 1971, S. 300. 14 Vgl. Haager, S. 168.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

dings weitgehend auf die Produkte der Konsumgüterindustrie (z. B. Körperpflege-, Nahrungs- und Genußmittelindustrie) beschränken, deren Absatz weniger von qualitativen Eigenschaften als vielmehr von durch Werbung oder Aufmachung geschaffenen Konsumentenpräferenzen bestimmt wird15 • Eine Verschlechterung der Marktzutrittsbedingungen kann sich zudem auf absolute Kostenvorteile begründen, die unabhängig von der Höhe des Produktionsvolumens bestehen und sich in der aÜgemeinen oder überlegenen Verfügung über Produktionsressourcen äußern16 • So z. B. aufgrund technischen Wissens (insbesondere dem Besitz von Patenten), bestimmter Formen der Lizenzvergabe 17 , der Verfügungsrnacht über knappe Rohstoffe (bzw. privilegierter Zugangsmöglichkeiten), günstiger Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung, hochqualifizierter Arbeitskräfte sowie allgemein aufgrund der Existenz überlegener finanzieller, beschaffungs- und absatzpolitischer, technologischer, produktionstechnischer oder unternehmerischer Ressourcen18 • Neben den durch Größenvorteile, Produktdifferenzierung oder/und absolute Kostenvorteile begründeten Zutrittshindernissen wird der potentielle Wettbewerber auch durch geringe Erfolgschancen eines beabsichtigten Marktzutritts abgeschreckt. Der eintrittswillige Konkurrent wird insofern auch das Abwehrpotential und -konzept der (des) von dem Eintritt bedrohten etablierten Anbieter(s) in Rechnung stellen.

2. Abwehr- bzw. Drohstrategie diversifizierter Unternehmen Das abwehrstrategische Konzept eines diversifizierten Unternehmens bildet eine Marktschranke eigener Art. Ein solches Unternehmen muß im Falle eines erfolgreichen Markteintritts potentieller Konkurrenten nicht nur - wie jedes andere auf dem Markt tätige Unternehmen eine Verschlechterung der eigenen Marktchancen und gegebenenfalls einen Zwang zum Ausscheiden befürchten. Es hat außerdem zu berücksichtigen, daß der Einbruch potentieller Konkurrenz auf dem relevanten Markt negative Konsequenzen für seine Wettbewerbsposition auf den übrigen Märkten haben könnte, indem er auch hier potentielle Wettbewerber zum Markteintritt ermutigt19• Vgl. Haager, S. 207 ff. Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 260 f.; Freitag, WuW 1971, S. 301. 17 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 245. Zur kartellrechtlichen Beurteilung von Lizenzvertragssystemen s. auch Dreiss, S. 204 ff. 18 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 23. 19 Vgl. Gutowski, Konglomerate UnternehmenSgröße, S. 23; Emrich, S. 172; Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch 1973, S. 146; ders., Diversifikation, S. 165 f. 15

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F. Marktzutrittsschranken

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Zur Verhinderung einer derartigen Kettenreaktion und zur Abschreckung von potentiellen Anbietern auf allen seinen Märkten wird sich das diversifizierte Unternehmen unter Ausnutzung seines erhöhten finanziellen Verhaltensspielraums dazu veranlaßt sehen, Produktion und Marktanteil auf dem bedrohten Markt unter allen Umständen zu halten und den Eindringling wieder zu verdrängen, selbst wenn diese Strategie mit erheblichen finanziellen Verlusten verbunden ist. Auch wenn dabei entstehende Verluste nicht durch spätere Gewinne auf demselben Markt kompensiert werden können, so hält Gutowski20 dieses Vorgehen dennoch mit dem Unternehmensziel der Gewinnmaximierung für vereinbar, "denn die Verluste (...) können wie Investitionen zur Sicherung seiner Position auf den übrigen Märkten betrachtet werden. Dadurch daß ein Exempel statuiert wird, werden die potentiellen Konkurrenten auf anderen Märkten abgeschreckt". Ohne daß es der Durchführung einer solchen Abwehrstrategie bedarf, werden sich mögliche Wettbewerber auf dem relevanten Markt bereits durch die bloße Fähigkeit hierzu bedroht fühlen und vom Marktzutritt abgehalten. Davon unabhängig wird eine latente Drohung gegenüber möglichen Konkurrenten allein schon aufgrund der durch Diversifikation bedingten Kostenzurechnungsprobleme (wie z. B. nicht marktgerechte Preisbestimmung für unternehmensinterne Leistungen, mangelhafte Zurechenbarkeit von Gemeinkosten21 ) hervorgerufen. Auch wenn einem diversifizierten Unternehmen aufgrund der gegebenen Umstände nicht unterstellt werden kann, daß es zur Abwehr neuer Unternehmen einen verlustreichen Preiskampf in Kauf nimmt, so werden dennoch potentielle Wettbewerber aus Unsicherheit darüber, bis zu welchem Preis das etablierte Unternehmen sein Angebot auch langfristig aufrechtzuerhalten gedenkt, das Risiko eines Marktzutritts scheuen22 • Grundsätzlich zeigt sich somit, daß für ein konglomerates Großunternehmen die Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts potentieller Konkurrenten deutlich geringer ist als für ein Einproduktunternehmen23 •

In. Beurteilungsgesichtspunkte zur näheren Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts potentieller Konkurrenten

Die Wettbewerbswirksamkeit der bestehenden Marktzutrittsschranken und damit der Druck des potentiellen Wettbewerbs wird durch den Grad der Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts potentieller Wettbewerber bestimmt. 20 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 23 f. 21 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 206 ff.; Lenel, Ursachen, S. 214 f. 22 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 20 f. 23 Vgl. ebd., S. 22. 9 .Jüngst

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Wesentliche Gesichtspunkte zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts bilden (1.) die Wirksamkeit der Drohstrategie der etablierten Unternehmen, (2.) die Fähigkeit der potentiellen Anbieter zur überwindung der Marktbarrieren und (3.) deren Marktzutrittswilligkeit. Die Bestimmung der Intensität des potentiellen Wettbewerbs anhand dieser Einflußfaktoren soll im folgenden weitgehend auf einer Analyse der wesentlichen Marktstrukturbedingungen beruhen. Zur Messung der Wirksamkeit bestehender Marktzutrittsschranken, erscheint es weder sinnvoll noch praktikabel, sich im Anschluß an Bain24 an den Marktergebnissen zu orientieren, da es an einer eindeutigen Korrelation zwischen der Höhe des Preises und den jeweiligen Marktzutrittsbedingungen fehlt 26 • Ebensowenig überzeugt der von Bartholomeyczik28 vorgetragene Lösungsweg zur Konkretisierung des "aktuell-potentiellen Wettbewerbs" anhand von Verhaltenskriterien. Die Möglichkeit, vom Wettbewerbsverhalten etablierter Anbieter oder möglicher Konkurrenten auf die Aktualität eines Marktzutritts zu schließen, mag zwar in Einzelfällen gegeben sein (z. B. bei Vorbereitungen zur Neugründung eines Unternehmens oder bei Betriebserweiterung potentieller Wettbewerber). In der Regel dürfte das Marktverhalten hierfür allerdings einen unbrauchbaren, weil allzu unbestimmten Anhaltspunkt darstellen. Ob und inwieweit die Aktionen und Reaktionen der Wettbewerber die Intensität des potentiellen Wettbewerbs zum Ausdruck bringen, ist einer objektiven Beurteilung Außenstehender weitestgehend entzogen.

1. Wirksamkeit der Drohstrategie Sind bei der Untersuchung der Marktverhältnisse im konkreten Einzelfall in einem oder mehreren Bereichen nicht unerhebliche Marktschranken festgestellt worden, so ist anschließend zu untersuchen, ob. und inwieweit aufgrund einer wirksamen Drohung der etablierten Unternehmen mit einem langwierigen, verlustreichen Abwehrkampf eine weitere Verschlechterung der Zutrittsbedingungen für potentielle Konkurrenten herbeigeführt wird. Die Wirksamkeit einer Drohung wird nicht allein durch die Möglichkeit zur Durchführung eines ein24 Ausgehend von der Ermittlung des sog. maximalen eintrittsverhindernden Preises, versucht Bain die Eintrittsbedingungen prozentual zu bestimmen, indem er dieser Preishöhe die minimalen Durchschnittskosten der etablierten Anbieter gegenüberstellt. Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 252 ff.; dazu Berg, WISU 1978, S. 283 f. 25 Vgl. Freitag, WuW 1971, S. 304. 28 Bartholomeyczik, WuW 1971, S. 764 ff. (769), zum Thema "Wann aktualisiert sich der potentielle Wettbewerb für die Rechtsanwendung?". Nach seiner Ansicht muß der potentielle Wettbewerber bewußt eine Maßnahme treffen, aus der ein objektiver Beobachter die Absicht zum Markteintritt schließen kann. Die Relevanz struktureller Aspekte wird lediglich angedeutet.

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trittsverhindernden Abwehrkampfes, sondern auch durch die Zweckmäßigkeit einer solchen Strategie bestimmt. Auf die speziellen Möglichkeiten diversifizierter Unternehmen zum konzentrierten Einsatz finanzieller Mittel und zur Durchführung aufwendiger Marktstrategien wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen27 • Die Zweckmäßigkeit eines Abwehrkampfes ist nur insoweit gegeben, als Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dies dürfte in der Regel dann nicht gewährleistet sein, wenn das Unternehmen auf dem eintrittsbedrohten Markt nur einen relativ geringen Marktanteil besitzt; bzw. wenn es hier zwar einen hohen Marktanteil innehat, aber auf seinen übrigen Märkten vollständiger Konkurrenz ausgesetzt ist und nur schwache Marktanteile hat. Ein Abwehrkampf ohne Rücksicht auf Verluste, zur Abschreckung potentieller Wettbewerber, ist unter solchen Umständen regelmäßig sinnlos - eine Drohung hiermit unglaubwürdig. Eine Abwehrstrategie mit dem Ziel der Abschreckung ist zudem nur auf solchen Märkten sinnvoll, wo der Abschreckungscharakter des Marktverhaltens als solcher erkannt werden kann. Dies erscheint auf Märkten vollständiger Konkurrenz kaum, demhingegen auf oligopolistischen Märkten mit relativ übersichtlicheren Wettbewerbsverhältnissen wesentlich eher möglich28 • Zweckmäßig ist ein solches Vorgehen also insbesondere auf einem Markt mit hohem Konzentrationsgrad; jedoch erst dann, "wenn das Unternehmen auf mehreren (mindestens zwei) Märkten nennenswerte Marktanteile hat"29. Dies bedeutet: je größer die Anzahl der Märkte des diversifizierten Unternehmens ist, auf denen es über marktstarke Positionen verfügt, desto weniger wird es sich das Unternehmen leisten können, auf einzelnen Märkten gegenüber newcomern zurückzuweichen und desto sinnvoller wird ein Abwehrkampf unter Inkaufnahme hoher Verluste sein, um potentielle Wettbewerber auf den übrigen Märkten abzuschrecken. Je zweckmäßiger aber ein derartiges Verhalten für das etablierte Unternehmen ist, um so wirksamer ist der Droheffekt gegenüber möglichen Konkurrenten auf dem relevanten Markt und um so geringer wird die Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts sein.

2. Markteindringungsfähigkeit potentieller Konkurrenten Angesichts der im Einzelfall festgestellten Marktzutrittsbarrieren läßt sich die Intensität des potentiellen Wettbewerbs durch die Anzahl s. oben, H. Kap., A. I. 1.; V. Kap., C. II!. Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 26 f. 28 Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 27, der allerdings nicht zwischen der grundsätzlichen Möglichkeit und der konkretisierenden Zweckmäßigkeit differenziert; ebenso Fischer, WuW 1972, S. 572; kritisch: Meinhold, 27

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S. 67 f .

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

und den jeweiligen Grad der Markteindringungsfähigkeit30 der möglichen Konkurrenten konkretisieren. Als potentielle Konkurrenten können grundsätzlich nur solche Unternehmen angesehen werden, die in der Lage sind, die durch Größenvorteile, Produktdifferenzierung oder/und absolute Kostenvorteile bedingten Zutrittshindernisse durch entsprechende eigene Vorteile auszugleichen bzw. durch geeignete Marktstrategien zu überwinden. Für gegebenenfalls drohende langwierige Abwehrkämpfe etablierter Anbieter müssen die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Einen wesentlichen Anhaltspunkt zur Charakterisierung der Markteintrittsfähigkeit potentieller Wettbewerber bilden zweifellos Faktoren wie produktionstechnische oder vertriebstechnische Gemeinsamkeiten zwischen den aktuellen und potentiellen Wettbewerbern; d. h., für branchenfremde sog. absolute newcomer sind gegebene Marktzutrittsbarrieren grundsätzlich schwerer zu überwinden als für solche, die durch die Vornahme von Erweiterungsinvestitionen bei gewissen Produktionsgemeinsamkeiten oder gar durch Export sowie durch die Vornahme von Direktinvestitionen mit einem bereits vorhandenen Produkt31 auf dem relevanten Markt eindringen können. Weitere wesentliche Gesichtspunkte neben dem Grad der Funktionsverbundenheit sind die fertigungstechnische Elastizität, die innovatorische bzw. imitatorische Leistungsfähigkeit, das vorhandene technische Wissen, die Wirtschaftlichkeit der Produktionsverfahren, der Bekanntheitsgrad von Handelsmarken und Firmennamen (insbesondere bei Verwendungsgemeinsamkeiten der Produkte), die Leistungsfähigkeit und Risikofreude des Managements sowie die Kenntnisse und Erfahrungen aufgrund des bisherigen Expansionsstrebens der möglichen Konkurrenten. Soweit die in Betracht kommenden potentiellen Wettbewerber bereits auf anderen Märkten tätig sind, hat eine Beurteilung ihres Fähigkeitsniveaus ihre dortige Wettbewerbsposition und die dortige Marktentwicklung in die Betrachtung mit einzubeziehen32 • So erlauben beispielsweise Informationen über die Gewinnsituation, die Intensität der wettbewerblichen Auseinandersetzung, die Nachfrageentwicklung oder die Kapazitätsauslastung auf den übrigen Märkten eine weitere Konkretisierung der Markteindringungsfähigkeit und auch des -interesses. 30 Vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 137 ff., zur Identifizierung potentieller Konkurrenten. 31 Vgl. Berg, WISU 1978, S. 286, der in diesem Zusammenhang auf die erfolgreichen Aktivitäten europäischer und japanischer Hersteller auf dem amerikanischen Markt verweist; Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 138. 32 Vgl. Freitag, WuW 1971, S. 304.

F. Marktzutrittsschranken

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Unabhängig davon, ob der Markteintritt bereits bestehender Unternehmen im Wege interner oder aber externer Konzentration erfolgen soll, dürfte zudem die Markteintrittsfähigkeit potentieller Konkurrenten gegenüber etablierten diversifizierten Unternehmen insbesondere als eine Frage des unterschiedlichen Diversifikationsgrades, der Unternehmensgröße und der sich daraus ergebenden Potentialfaktoren anzusehen sein. Kleinere spezialisierte Unternehmen, die z. B. aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit oder ihres technischen Wissens durchaus als potentielle Wettbewerber in Betracht kämen, sind der Droh- und Abwehrstrategie diversifizierter Unternehmen in vollem Umfang ausgesetzt. Soweit nicht besondere Umstände (z. B. bedeutende Innovation, neuartige Substitutionsprodukte) vorliegen, werden diese Unternehmen wegen der geringen Chancen eines erfolgreichen Markteintritts weitgehend auf einen Eintritt verzichten und als potentielle Konkurrenten ausscheiden. Die Marktstellung diversifizierter Großunternehmen wird regelmäßig nur durch solche Unternehmen berührt und ernstlich gefährdet werden können, die durch einen stärkeren oder zumindest annähernd gleichen Diversifikationsgrad gekennzeichnet sind und aufgrund der eigenen Informationskapazität und RisikoabsorptionsfähigkeitSS, ihrer Ressourcen und RessourcenflexibilitätS4 in besonderem Maße zur überwindung der Marktschranken befähigt sind36 und eine wettbewerbliche Auseinandersetzung nicht zu scheuen brauchen. Gegenüber einer solchermaßen ausgeprägten Markteindringungsfähigkeit verliert die Drohstrategie der (des) etablierten Unternehmen(s) seine Bedeutung als Eintri ttshindernis. Soweit das wirtschaftliche Potential beider Seiten annähernd gleichgewichtig ist und sich gegenseitig neutralisiert, ist allerdings zu befürchten, daß der Marktzutrittsprozeß des newcomers auf der Grundlage einer kollusiven Politik nach dem Motto: "leben und leben lassen"36 zwischen den betroffenen Unternehmen vol'lzogen wird, die auf die Vermeidung eines beiderseits verlustreichen Wettbewerbs und die Wahrung der gegenseitigen Interessen gerichtet ist. Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 113 ff. Vgl. Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 142 ff. 35 Zur grundsätzlichen Bedeutung des konglomeraten Großunternehmens als potentieller Konkurrent auf Märkten mit hohen Marktzutrittsschranken vgl. Neumann, in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 289; Lenel, Ursachen, S. 244; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 47; Turner, HLR 78 (1965), S. 1384; Emrich, S. 195; Schumacher, Diversifikation, S. 112 ff. (127). 38 Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 1 (Edwards), S. 45, dt. übers., in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 235; Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 26. 33 34

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Die gegenseitige Anerkennung der wirtschaftlichen Macht (konglomerate Interdependenz)37 zwischen konglomeraten Großunternehmen kann unter Umständen dazu führen, daß der potentielle Konkurrent auf einen Marktzutritt völlig verzichtet, weil er dadurch die Zusage oder auch nur die Hoffnung auf ein entsprechendes Verhalten des etablierten Unternehmens auf seinen übrigen Märkten erhält38 • Damit wird die wettbewerbspolitische Funktion potentieller Konkurrenz in ihr Gegenteil verkehrt: Potentieller Wettbewerb dient nicht der Hemmung von Marktmacht, sondern bildet den Anknüpfungspunkt für eine wechselseitige Verstärkung der Marktstellung zwischen den Unternehmen. 3. Marktzutrittswilligkeit potentieller Konkurrenten Die Entscheidung zum Marktzutritt wird der hierzu befähigte potentielle Wettbewerber letztlich nur treffen, wenn die voraussichtlichen Kosten und das erhöhte Investitionsrisiko beim Zutritt durch eine entsprechende Rentabilitätserwartung nach dem erfolgreichen Eintritt zumindest abgedeckt werden39 • Die Eintrittswilligkeit des potentiellen Anbieters hängt daher wesentlich von der in der künftigen Marktsituation zu erwartenden Gewinnentwicklung ab40 • Eine sichere Prognose erfordert allerdings möglichst exakte Informationen über das Erfolgspotential des neuen Marktes, das von den etablierten Unternehmen durch Minderung der Publizität und Transparenz, insbesondere durch die Veröffentlichung konsolidierter Bilanzen41 , bewußt verschleiert werden kann. Auf diese Weise werden marktzutrittsverhindemde Unsicherheiten für potentielle Wettbewerber geschaffen und wird deren Investitionsrisiko erhöhtu. Interne Kostenzurechnungsprobleme diversifizierter Unternehmen'3 erhöhen die InformationsbarrieVgl. oben, H. Kap., A. 11. 2. Vgl. Kahn, in: The Structure of American Industry, S. 246 ff., mit Beispielen aus der amerikanischen Chemieindustrie; dazu, mit weiteren Beispielen und dem Hinweis auf die mögliche Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, Kaufer, in: Wettbewerbstheorie, S. 331 f. und Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch 1973, S. 147; ders., Diversifikation, S. 124 ff., 166; Böhnke, S. 202 ff. 3' Vgl. Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch 1973, S. 145; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 15. 40 Vgl. Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 397 ("Die Höhe der Profitrate dient anderen Marktteilnehmern als Signal zur Imitation ... "); Machlup, S. 206 (l. Determinante); Borchert, ZgStW 126 (1970), S. 649, 657; Schumacher, Diversifikation, S. 162; Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 140 f. 41 Vgl. Röpke, Die Strategie der Innovation, S. 397 f.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 49; Haase, Die Wirtschaftsprüfung 1968, S. 334 ff., mit Vorschlägen zur Publizitätsverbesserung. 42 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 162 f., mit weiteren Literaturhinweisen; Fischer, WuW 1973, S. 248 f., mit Beispielen aus der Antitrustrspr.; Böhnke, S. 195. 43 Vgl. oben, V. Kap., F. 11. 2. 37

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F. Marktzutrittsschranken

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ren und verstärken diese Wettbewerbswirkungen zugunsten marktstarker etablierter Unternehmen zusätzlich. Davon unabhängig können sich Gesichtspunkte zu einer näheren Charakterisierung der Eintrittswilligkeit insbesondere aufgrund einer Marktphasenbetrachtung ergeben44 , wobei gerade die jeweiligen Entwicklungstendenzen hinsichtlich der Zahl der Anbieter, der Elastizität der Nachfrage und der Auslastung der Kapazitäten45 eine wichtige Rolle spielen dürften. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, daß Märkte in ihrer Expansions- und Ausreifungsphase die höchsten Gewinnchancen bieten46 • Diese Märkte stellen sich dementsprechend als die bevorzugten Zielmärkte potentieller imitatorischer Wettbewerber dar47 • Insbesondere hohe Zuwachraten in der Nachfrageentwicklung, aber auch die Möglichkeiten zur Qualitätsverbesserung des Produkts und zur Senkung der Produktionskosten48 , wie sie in der Expansionsphase die Regel sind, dürften mögliche Konkurrenten zum Markteintritt animieren vor allem dann, wenn die etablierten Anbieter nicht in der Lage sind, im erforderlichen Ausmaß ihre Produktionskapazitäten zu erhöhen49 bzw. die möglichen Qualitätsverbesserungen und Rationalisierungen zu erkennen oder durchzuführen. Die Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts ist bei nicht allzu hohen allgemeinen Marktschranken unter diesen Umständen relativ groß: Eine hohe Wachstumsrate mindert den Konkurrenzdruck und veranlaßt die etablierten Unternehmen, sich weitgehend auf eigene Anpassungsvorgänge zu konzentrieren. Im Falle eines Nachfrageüberhangs dürfte zudem ein Abwehrkampf höchst unwahrscheinlich sein. Auf einem sich verengenden Markt in der Ausreifungsphase mit schwacher und allmählich stagnierender Umsatzentwicklung und einem verringerten Spielraum für Kostensenkungen und Produktverbesserungen50 bei in der Regel höchster Gewinnrate51 wird grundsätzlich ebenfalls ein großes Interesse potentieller Konkurrenten an einem Markteintritt bejaht werden können. Sie werden allerdings spätestens in dieser Phase sowohl das Risiko eines Preisverfalls aufgrund ihrer 44 Vgl. zur Problematik "Marktzugang und Informationsanforderungen" die allgemeinen Ausführungen von Schwartau, S. 150, 159 f., 191 f., 217 f. 45 Vgl. Schumacher, in: Hamburger Jahrbuch 1973, S. 147. 4S Vgl. Stoff, Die Unternehmung 1978, Nr. 1, S. 7. 47 Vgl. Meinhold, S. 69, speziell im Hinblick auf diversifizierte Unternehmen, unter Hinweis auf Gort, S. 103 ff. 48 Vgl. Heuss, S. 41 ff. 49 Vgl. Borchert, WuW 1970, S. 262 f. 50 Vgl. Heuss, S. 63 ff. 51 Vgl. Stoff, Die Unternehmung 1978, Nr. 1, S. 9.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

zusätzlichen möglicherweise kostenbedingt hohen Angebotskapazität52 als auch den konzentrierten Einsatz des Abwehrpotentials der etablierten Anbieter53 in Rechnung stellen müssen. Mit zunehmendem Alter des Produkts dürfte die Markteintrittswilligkeit der potentiellen Konkurrenz tendenziell abnehmen. In der Stagnations- und Rückbildungsphase wird das erhöhte Risiko eines Preisverfalls, drohende Überkapazitäten und die verstärkte Gefahr ruinöser Konkurrenz 54 ein Engagement auf dem Markt regelmäßig unattraktiv erscheinen lassen. Insbesondere in kapitalintensiven Wirtschaftsbereichen werden potentielle Wettbewerber, angesichts tendenziell sinkender, allenfalls kurzfristiger Gewinnchancen, das mit einem Eintritt verbundene hohe Investitionsrisiko für die verbleibende Lebensdauer des Produkts scheuen55 • In umgekehrter Weise wäre die Situation auf dem Markt (den Märkten) in die Beurteilung mit einzubeziehen, auf dem (denen) der potentielle Wettbewerber zur Zeit tätig ist. So können geringe und tendenziell rückläufige Wachstums- und Gewinnaussichten auf konzentrierten Märkten in der Stagnationsphase eine verstärkte Neigung zum Marktzutritt indizieren. Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts und damit der Intensität der potentiellen Konkurrenz kann letztlich durch einen Blick auf die bisherige Marktentwicklung abgerundet werden. Dabei wäre zu untersuchen, ob, in welchem Ausmaß und insbesondere mit welchem Erfolg in den letzten Jahren ein tatsächlicher Markteintritt in den fraglichen Markt erfolgte56 • Soweit auf solche Vorgänge zurückgegriffen werden kann, erlauben sie nicht nur Rückschlüsse im Hinblick auf die Abwehrkonzeption der etablierten Unternehmer und die Stärke der erforderlichen Markteindringungsfähigkeit, sondern bilden sie auch einen wesentlichen Einflußfaktor zur Konkretisierung der Eintrittswilligkeit der potentiellen Konkurrenten. G. Weitere Kriterien einer überragenden MarktsteIlung Die Aufzählung der in § 22 I Nr. 2 GWB genannten fünf strukturellen Merkmale einer überragenden MarktsteIlung ist - wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt - nicht abschließend. Vgl. Freitag, WuW 1971, S. 299; Lenel, Ursachen, S. 244. Vgl. Neumann, in: Problem der wirtschaftlichen Konzentration, S. 286; Meinhold, S. 72 f. 54 Vgl. Meinhold, S. 69, sowie die allgemeinen Ausführungen von Schwartau, S. 217. 55 Vgl. Stoff, Die Unternehmung 1978, Nr. 1, S. 7. 58 Vgl. Klauss, S. 212. 52

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G. Weitere Kriterien einer überragenden MarktsteIlung

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Marktbeherrschung im Sinne des § 22 I Nr. 2 GWB bedeutet eine herausragende Stellung des Unternehmens "im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern". Während gegenüber den potentiellen Wettbewerbern eine umfassende Berücksichtigung aller wettbewerbsrelevanten Ressourcen durch das Marktzutrittskriterium ermöglicht ist, wird zum Vergleich mit den aktuellen Wettbewerbern durch die übrigen Kriterien der Bestimmung ausdrücklich nur auf die finanziellen, beschaffungs- und absatzpolitischen Ressourcen abgestellt. Zweifellos handelt es sich dabei um die wichtigsten Potentialfaktoren für einen Vergleich der MarktsteIlungen. Eine umfassende Würdigung der Wettbewerbsposition erfordert darüber hinaus aber auch die Einbeziehung produktionstechnischer, technologischer und unternehmerischer Ressourcen, soweit sie einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorsprung der Unternehmung gegenüber ihren Mitbewerbern begründen. I. Tedtnologische Ressourcen

Die technologischen Ressourcen bezeichnen das aufgrund industrieller Forschungs- und Entwicklungsbemühungen erworbene technologische Wissen der Unternehmung. Umfang und Effizienz der für den Wachstumsprozeß der Unternehmung entscheidenden Forschungsaktivitäten lassen sich grob durch die relative Größe des Forschungs- und Entwicklungsbudgets in Relation zum Umsatz oder mit Hilfe der Anzahl der angemeldeten Patente kennzeichnen l • Aufgrund seiner "deep pocket" ist das diversifizierte Großunternehmen eher als kleine monostrukturierte Unternehmen in der Lage, durch die Errichtung von Forschungsabteilungen und die Einstellung von wissenschaftlichem und technischem Personal eine dauerhafte und systematische unternehmensinterne ForscllUng und Entwicklung zu betreiben2 und kostspielige Produkt- oder Prozeßinnovationen durchzuführen3 • Durch die mögliche Koordinierung oder Zentralisation der Forschungsabteilungen und -aufgaben bietet Diversifikation nicht nur wettbewerbliche Vorteile im Hinblick auf zielgerichtete Problemlösungen, sondern erlaubt auch aufwendige Grundlagenforschung, deren ErVgl. Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, s. 94. Vgl. Frankus, S. 108; Schumacher, Diversifikation, S. 122 ff. S Vgl. zur umstrittenen Korrelation von technischem Fortschritt und Unternehmensgröße die kritischen Ausführungen von Petry, in: Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, S. 353 ff., der allerdings grundsätzlich das erhöhte Fähigkeitsniveau des Großunternehmens im Bereich von Forschung und Entwicklung bejaht (S. 373). s. auch die Literaturanalyse von JüttnerKramny, Unternehmensgröße, Unternehmenskonzentration und technologische Entwicklung. 1

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

gebnisse aufgrund der breiten Produktionsgrundlagen der Unternehmung in erhöhtem Maße der eigenen kommerziellen Verwertung zugeführt werden können«. Das in Einzelbereichen erworbene technische Wissen zur Neuerung oder Verbesserung der Produkte und Produktionsverfahren sowie zur Erhöhung der Anwendungsmöglichkeiten5 kann - soweit gewisse stoffliche, produktions- oder verwendungstechnische Gemeinsamkeiten bestehen - auf anderen Gebieten der Unternehmenstätigkeit eingesetzt und ausgenutzt werdens. Im Bereich von Forschung und Entwicklung können somit Kostenvorteile für das diversifizierte Unternehmen auftreten, die insbesondere in forschungsintensiven Wirtschaftsbereichen im Einzelfall einen ~egenüber den Mitbewerbern erheblichen Wettbewerbsvorteil beim Zugang zu Forschungsergebnissen bedeuten können. D. Produktionstecbniscbe Ressourcen

Das produktionste.chnische Potential einer Unternehmung umfaßt die im Produktionsprozeß verfügbaren betrieblichen Anlagen, Maschinen, Werkstoffe und die Arbeitskräfte und wird gekennzeichnet durch den Grad der Umstellungsfähigkeit7 bzw. der betriebstechnischen ElastizitätS dieser Faktoren zur Herstellung anderer Produkte. Zur Beurteilung der Marktstellung ist eine Erfassung der produktionstechnischen Ressourcen unter Einbeziehung der mit dem Unternehmen nach §§ 17, 18 AktG verbundenen Unternehmen nur insoweit von Bedeutung, als zwischen den Produkten des Unternehmensverbundes eine gewisse produktionstechnische Verwandtschaft besteht. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Produkte der betroffenen Unternehmung auch in anderen Unternehmensbereichen auf gleichen Anlagen oder durch gleichartig qualifizierte Arbeitskräfte hergestellt werden können. Nur unter solchen Bedingungen können sich Kostenvorteile und wettbewerbswirksame Effekte aus dem Verbund der produktionstechnischen Ressourcen ergeben. Derartige Wettbewerbsvorteile sind allerdings bei horizontalen und auch vertikalen Konzentrationsformen weit eher wahrscheinlich als bei diversifizierten Unternehmen. Kostenvorteile im produktionstechni4 Vgl. Frankus, S. 107 ff.; Borschberg, S. 104 ff.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 131 ff. 5 Vgl. zu den Zielen industrieller Forschung und Entwicklung Marr! Picot, in: Heinen, Industriebetriebslehre, S. 508 f. , Vgl. Sölter, in: Handbuch, S. 87. 7 Vgl. Schlögl, S. 31 ff.; Gieskes, S. 11; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 94, 103 ff. S Vgl. Gutenberg, Bd. I, S. 81 ff.

H. Wertende Gesamtschau

139

schen Bereich kommen allenfalls bei produktionsverbundener Diversifikation in Betracht, während sie bei allen anderen Arten der Diversifikation weitgehend als ausgeschlossen angesehen werden könnenD.

m.

Unternehmerische. Ressourcen

Die unternehmerischen Ressourcen werden durch die Effizienz des Managements bestimmt10 • Unabhängig von den Eigentumsverhältnissen bezeichnet der Begriff Management dabei den Personenkreis sämtlicher Führungskräfte der Unternehmung, die anderen Personen Weisungen erteilen dürfen und damit Planung, Organisation und Kontrolle der betrieblichen Ablaufprozesse entscheidend beeinflussen. Erhebliche Kostenvorteile in Form von Gehaltseinsparungen im Bereich des Managements können sich für diversifizierte Unternehmen durch arbeitsteilige Aufspaltung oder integrative Zentralisation der Führungsaufgaben ergeben, soweit diese eine quantitative Verringerung des Leitungspersonals erlaubenl l. Auf dieser Grundlage eröffnet sich dem Unternehmen die Möglichkeit zum effektiven Einsatz hochqualifizierter Führungskräfte sowie zur Verwendung aufwendiger moderner Führungsmethoden mit Hilfe elektronischer Rechenanlagen und verbesserter Planungssysteme. Insbesondere im Bereich des Top-Managements können sich für die zum Unternehmensverbund verflochtenen Unternehmen auf der Basis gegenseitigen personellen Ausgleichs sowie durch wechselseitigen Erfahrungsaustausch bedeutende Wettbewerbswirkungen ergeben.

H. Wertende Gesamtschau Bei der abschließenden Beurteilung der MarktsteIlung eines Unternehmens nach § 22 I Nr. 2 GWB sind im Rahmen eines Vergleichs mit den übrigen Wettbewerbern alle Kriterien einer überragenden MarktsteIlung zu berücksichtigen und miteinander abzuwägen (sog. Saldotheorie). Dabei muß keineswegs bei sämtlichen strukturellen Faktoren eine überlegenheit des fraglichen Unternehmens bestehen. Gemäß den Gesetzesmaterialien schließt eine relativ schwache oder gar unterlegene Position des Unternehmens hinsichtlich einzelner Kriterien die An9 Vgl. Economic Concentration, Hearings, Part 3 (Blair), S. 1405; Turner, HLR, Vol. 78 (1965), S. 1330; Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 556; weniger einschränkend: Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 104 f., der allerdings auch die Beschaffung der produktionstechnischen Ressourcen hierunter subsumiert. 10 Vgl. Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 93, 122 ff.; Schlögl, S. 36, spricht von "Leistungspotential"; Gieskes, S. 13. U Vgl. Blair, Economic Concentration, S. 152 ff.; Veltrup, Wettbewerbspolitische Problematik, S. 122 ff. und Frankus, S. 105, die in diesem Zusammenhang gleichzeitig auf die Gefahr negativer Effekte hinweisen.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

nahme einer überragenden Marktstellung nicht aus; vielmehr kann hierzu bereits genügen, daß ein einziges Merkmal in überragendem Maße vorhanden ist1 • Dies dürfte hinsichtlich des Marktanteils, der Finanzkraft und den übrigen Ressourcen unter Umständen durchaus zutreffend sein. Wie jedoch allein das Kriterium hoher Marktzutrittsbeschränkungen gegenüber potentiellen Wettbewerbern, unabhängig von allen anderen Marktmachtfaktoren, eine überragende MarktsteIlung begründen sollte, vermag nicht zu überzeugen2 • Selbst völlig abgeschlossene Marktverhältnisse begründen als solche allein keine Marktbeherrschung (Für wen auch?). Wertende Gesamtschau (Saldotheorie) bedeutet, daß die einzelnen strukturellen Merkmale nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern immer in ihrer Verbindung zu den übrigen Kriterien zu sehen und unter Berücksichtigung der in gleicher Weise zu kennzeichnenden Wettbewerbspositionen der Konkurrenzunternehmen zu würdigen sind3 • So kann einerseits eine überragende Marktstellung auch aus dem Zusammenwirken einer Reihe von Vorteilen folgen, die jeder für sich nicht als überragend erscheinen'. Eine starke Überlegenheit bei einem der Marktmachtkriterien begründet andererseits dann nicht die Annahme der Marktbeherrschung, wenn die Mitbewerber diese durch andere oder durch die Kombination mit anderen Faktoren ausgleichen können. Inwieweit die erforderliche Gesamtbetrachtung eine Relativierung der einzelnen Marktstrukturkriterien zur Folge hat, soll am Beispiel des Marktanteils näher veranschaulicht werden. I. Relativierung (des Marktanteils)

1. Abwertung des Marktanteils Daß sich die tatsächliche Machtstellung eines Unternehmens nicht allein durch den Marktanteil ausdrücken läßt, zeigt sich an der Situation vieler kleinerer und mittlerer Unternehmeni. 1 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22; Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 71765, S. 5 f.; WuW/E OLG 1645 ff. (1651). 2 Das Gleiche gilt für das Verflechtungskriterium, wenn man wie hier vertreten - die Bedeutung dieses Merkmals, in Anbetracht der Verbundklausel des § 23 I S. 2, HS. 1 GWB, auf die Erfassung von Minderheitsbeteiligungen ohne Beherrschungsmöglichkeit beschränkt. 3 Daß eine Abwägung und Saldierung der unterschiedlichen Merkmale nicht problemlos ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Vgl. hierzu die m. E. allerdings überzogene Kritik von Leo, WRP 1972, S. 9; Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 52. , Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22. 5 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Begründung zum RegE (1971), BT-

H. Wertende Gesamtschau

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Relativ hohe Marktanteile spezialisierter Unternehmen können durch eine im Verhältnis zu den Mitbewerbern unterlegene Ausstattung mit Finanzkraft oder anderen Ressourcen sowie durch niedrige Marktzutrittsschranken neutralisiert werden6• So z. B., wenn das Unternehmen aufgrund schwacher finanzieller Mittel, schweren Zugangs zum Kapitalmarkt, ungünstiger Beschaffungsmöglichkeiten von Werkstoffen, veralteten produktionstechnischen Ressourcen etc. nicht in der Lage ist, seinen Marktanteil wirksam abzusichern. In ähnlicher Weise kann eine marktbeherrschende Stellung zu verneinen sein, wenn potentielle Wettbewerber ohne große Schwierigkeiten jederzeit auf dem Markt eindringen können, weil sie ihren gegenwärtigen Produktionsund Vertriebsapparat leicht auf die Herstellung bzw. den Verkauf derselben Produkte erweitern oder umstellen können. Die Höhe der Marktzutrittsschranken ist insbesondere auf oligopolistischen Märkten, die durch große Reaktionsverbundenheit und ausgeprägtes Gruppenbewußtsein gekennzeichnet sind, von wesentlicher Bedeutung. 2. Aufwertung des Marktanteils

Dagegen kann ein Unternehmen auch bei sehr geringem Marktanteil eine überragende Marktstellung innehaben, wenn es einer starken nationalen oder multinationalen Unternehmensgruppe angehört. Hierbei zeigt sich die besondere Bedeutung der relativierenden Funktion einer Gesamtbetrachtung für die wettbewerbspolitische Beurteilung diversifizierter Unternehmen. Selbst schwache Marktanteile können in Verbindung mit einem überragenden Ressourcenpotential die MarktsteIlung eines derartigen Unternehmens entscheidend prägen. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn ein diagonal verflochtenes Großunternehmen auf dem Markt kleineren, monostrukturierten Wettbewerbern gegenübersteht7. 11. Dauerhaftigkeit der MarktsteIlung

Nach den Gesetzesmaterialien ist eine überragende MarktsteIlung im Zweifel zu verneinen, wenn der festgestellte überragende Wettbewerbsvorsprung eines Unternehmens gegenüber seinen Mitbewerbern lediglich temporärer Natur ist und die für wettbewerbliche Marktprozesse notwendige Chance zu einem Wechsel in der Führungsrolle Drucksache VI/2520, S. 22; Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5 f. 8 Vgl. Ebel, NJW 1973, S. 158l. 7 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22; Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 71765, S. 5, sowie Ebel, DB 1975, S. 2070, in Bezug auf das Auftreten japanischer und amerikanischer Konzerne sowie Beteiligungen des Iran an deutschen Unternehmen.

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden MarktsteIlung

besteht8 • Dahinter steht der Gedanke, daß Vorsprünge einzelner Wettbewerber für einen dynamischen, funktionsfähigen Wettbewerb typisch und von essentieller Bedeutung sind. Nur relativ stabile überragende Marktstellungen, die sich einer Erosion durch Marktkräfte weitgehend entziehen können, nicht aber ersichtlich zeitlich beschränkte Wettbewerbsvorsprünge sollen daher der administrativen Kontrolle unterworfen sein. Unter diesem Aspekt ist insbesondere die aufgrund innovatorischer Leistungen erworbene Marktmacht eines Unternehmens in der Experimentier- und zu Beginn der Expansionsphase des Marktes zu würdigen. In der Regel handelt es sich dabei um ein marktprozessuales, zeitlich begrenztes Leistungsmonopol, das zumindest einem verstärkten Wettbewerbsdruck potentieller Imitatoren ausgesetzt sein dürfte. Die Situation ist allerdings anders zu beurteilen, wenn es dem Unternehmen bereits gelungen ist, die zunächst temporäre Vormachtstellung durch unüberwindliche, nicht nur vorübergehende Marktzutrittsschranken (Patente, Drohstrategie ete.) auf Dauer wirksam abzusichern. Eine lediglich temporäre Marktstellung hat regelmäßig auch ein Zuliefererunternehmen, das jederzeit damit rechnen muß, daß wichtige Abnehmer seine Aufgabe einem Konkurrenzunternehmen zuweisenD oder die gelieferten Produkte in Eigenfertigung herstellen könntenlO • Ähnliches gilt bei hohen Marktanteilen aufgrund eines kurzfristig einholbaren Entwicklungsvorsprungs sowie bei günstigen Finanzierungs-, Beschaffungs- oder Absatzmöglichkeiten, die von Mitbewerbern alsbald ausgeglichen werden könnenl l . Daraus folgt: Je vorübergehender marktstrukturelle Vorteile sind, desto weniger Bedeutung haben sie für die Feststellung einer überragenden Marktstellung. Grundsätzlich wird davon auszugehen sein, daß mitzunehmender Größe l ! und bisheriger Dauerhaftigkeit13 des Wettbewerbsvorsprungs das Unternehmen regelmäßig um so eher in der Lage sein wird, ihn wirksam und dauerhaft abzusichern, vor allem dann, wenn es über eine erhebliche Wirtschafts- und Finanzkraft verfügt l4 • 8 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22; Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 6; WuW/E OLG 1745 ff. (1752); WuW/E OLG 1645 ff. (1652). 9 Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22. 10 Vgl. WuW/E OLG 1745 (1752f.). 11 Vgl. Langen 1 Niederleithinger 1 Schmidt, § 22, Rdnr. 27; WuW/E OLG 1925 ff. (1927). 12 Vgl. Begründung zum Reg E (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 22. 13 Vgl. WuW/E OLG 1645 ff. (1652). 14 Vgl. Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, S. 5.

H. Wertende Gesamtschau

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Äußerst umstritten ist in Literatur und Rechtsprechung in diesem Zusammenhang die Bewertung eines langsamen Absinkens des Marktanteils. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß ein überragenderVerhaltensspielraum und damit eine überragende Marktstellung nur gegeben sein könnte, wenn ein Unternehmen trotz billigerer Angebote der Konkurrenten seinen Marktanteil zumindest halten oder vielleicht sogar vergrößern kann15 • Zutreffend ist, daß selbst ein langsames oder beginnendes Abbröckeln der Marktanteile grundsätzlich das Gewicht bestehender Marktanteile mindert und ein Indiz für eingeschränkte, lediglich temporäre Marktmacht bildet, insbesondere dann, wenn die Existenz leistungsfähiger Wettbewerber die Wahrscheinlichkeit weiterer, zunehmender Marktanteilsverluste in nächster Zukunft begründet. Dabei ist nicht nur die mengenmäßige Marktanteilsverschiebung 16 , sondern gleichrangig auch die wertmäßige Entwicklung des Anteils am Gesamtumsatz in die Beurteilung mit einzubeziehen. Die festgestellten Marktanteilsverluste sind jedoch nicht isoliert, sondern immer nur in Beziehung zur gegenwärtigen Größe des Marktanteils sowie unter gleichzeitiger Berücksichtigung aller übrigen strukturellen Machtfaktoren zu würdigen17 • Sie schließen als solche eine überragende Marktstellung, die wie jede Machtposition graduellen Veränderungen unterworfen ist, nicht grundsätzlich aus18 • Im Gegenteil: Wenn ein Unternehmen trotz stetiger Marktanteilsverluste nicht zu verstärkten Wettbewerbshandlungen, insbesondere zu Preissenkungen veranlaßt wird, können Marktanteilseinbußen nicht nur völlig als Indiz für eingeschränkte Marktmacht entfallen19, sondern darüber hinaus dazu beitragen, die hervorragende Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens zu offenbaren. Fehlt der Zwang zu einer marktgerechten Reaktion, weil die Beibehaltung einer Hochpreispolitik unter den gegebenen Marktbedingungen (wie z. B. mangelhafte preisliche Transparenz, Preisunelastizität, Vertrauensvorsprung) trotz eines rückläufigen Marktanteils vorteilhafter erscheint als die Gewinnsituation bei einer Stabilisierung oder Vgl. Hermanns, WRP 1976, S. 748. So weitgehend der BGH im Fall "Vitamin-B-12", vgl. WuW/E BGH 1435 ff. (1442); kritisch: Rebe, JUS 1977, S. 21; Reich, NJW 1976, S. 2263; Ulmer, BB 1977, S. 358. 17 Vgl. WuW/E BGH 1445 ff. (1450). 18 So wohl aber: Hermanns, WRP 1976, S. 748; Lübbert, WuW 1977, S. 563; Benisch, GRUR 1977, S. 174; Hootz, BB 1976, S. 1240, in Urteils anmerkungen zum nicht ganz eindeutigen und umstrittenen Beschluß des BGH im Fall "Vitamin-B-12", WuW/E BGH 1435 ff. (1441 ff.). Vgl. dazu schon oben, IV. Kap., D. 11. 2. Vgl. auch Müller / Giessler / Scholz, S. 22, Rdnr. 45. 19 Vgl. WuW/E OLG 1599 ff. (1605). 15

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V. Kap.: Die Kriterien der überragenden Marktstellung

Ausweitung des Marktanteils aufgrund VOn Preissenkungen20 , so dürfte gerade diese Situation eine weitgehende wettbewerbliche Unabhängigkeit des Unternehmens vom Wettbewerbsverhalten seiner Konkurrenten belegen21 • BI. Starke Disproportionalität der MarktsteIlungen

Der aufgrund einer Gesamtbetrachtung für das betroffene Unternehmen ermittelte Wettbewerbsvorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern begründet nur dann eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 22 I Nr. 2 GWB, wenn er als "überragend" zu qualifizieren ist. Eine überragende Marktstellung hat also ein bestimmtes Ausmaß der Disproportionalität marktstruktureller Vorteile zwischen den Unternehmen zur Voraussetzung. Dabei handelt es sich wiederum um eine Grad- und Wertungsfrage, welche die urteilenden Instanzen vor nicht unerhebliche Beweisschwierigkeiten stellt22 • Generelle Bewertungsrichtlinien lassen sich aufgrund der grundsätzlich gleichwertigen Gewichtung der einzelnen Machtkriterien nicht aufstellen. Es ist jeweils eine Frage der speziellen Marktverhältnisse, insbesondere auch der Marktphase, welche Gesichtspunkte im konkreten Einzelfall im Vordergrund stehen23 • Zweifellos braucht das Unternehmen keinesfalls die vereinigte Marktrnacht aller übrigen Wettbewerber auf dem Markt zu übertreffen. Andererseits genügt nicht schon die einfache relative Überlegenheit. Zur Annahme einer überragenden Marktstellung ist vielmehr erforderlich, daß sich die aufgrund einseitiger wettbewerblicher Einflußmöglichkeiten begründete besondere Marktstellung deutlich und offensichtlich von derjenigen ihres nächststärksten Konkurrenten abhebt; d. h., das Unternehmen muß der mit Abstand stärkste Wettbewerber auf dem Markt sein24 • 20 Vgl. die im Fall "Vitamin-B-12" vom BKartA (WuW!E BKartA 1482 ff. (1486» mitgeteilte Auffassung der Fa. Merck, es sei "betriebswirtschaftlich unbegründet und fehlerhaft", die Preise zu senken, sowie die überzeugenden Ausführungen des KG zur Gewinnsituation bei alternativer Preisgestaltung (WuW!E OLG 1599 ff. (1605». 21 Vgl. die ausführliche, wettbewerbstheoretisch fundierte Darstellung dieser Problematik von Schöppe, DB 1977, S. 385 ff.; vgl. auch Rebe, JUS 1977, S.21. 22 Vgl. die scharfe Kritik von Schmidt, I., Wettbewerbspolitik, S. 374. Nach seiner Ansicht stellt das Adjektiv "überragend" wiederum so hohe Anforderungen an die Kartellbehörde, daß es sich bei der Einführung dieser Legaldefinition nur um eine Scheinnovellierung handelt. 23 Vgl. WuW!E BGH 1445 ff. (1450). 24 Vgl. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 50; Kleinmann ! Bechtold, § 22, Rdnr.91.

H. Wertende Gesamtschau

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Wie es das Adjektiv "überragend" schon impliziert, bedeutet dies gleichzeitig, daß immer nur ein einziges Unternehmen als marktbeherrschend im Sinne des § 22 I Nr. 2 GWB angesehen werden kann. Ebenso wie es ausgeschlossen ist, daß ein Unternehmen wegen "Fehlen wesentlichen Wettbewerbs", ein anderes aufgrund "überragender MarktsteIlung" marktbeherrschend ist, ist es ausgeschlossen, daß ein Unternehmen etwa aufgrund seiner Marktanteile, ein anderes aufgrund seiner Finanzkraft auf demselben Markt eine überragende Marktsteilung innehat25 • Es sei denn, die gemeinsame MarktsteIlung mehrerer Unternehmen erfüllt die Voraussetzung des Oligopoltatbestandes nach § 2211 GWB. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß bei engerer oder weiterer Marktabgrenzung nicht ein anderes Unternehmen die marktbeherrschende Führungsrolle einnehmen könnte.

!5

Vgl. Gleiss I Bechtold, BB 1973, S. 1146 f.; earl, S. 81.

10 .Jüngst

Teil 3

Diversifikation und ZusammenschluJikontrolle Bisher wurde die Beurteilung der Marktstellung von diversifizierten Unternehmen nach § 22 I Nr. 2 GWB ausschließlich unter dem Aspekt einer Gegenwartsbetrachtung für die Zwecke der Mißbrauchsaufsicht nach § 22 IV, V GWB und des Diskriminierungsverbots nach § 2611 GWB vorgenommen. 'Zwar sind die Ausführungen im 2. Teil zur Konkretisierung des Begriffs "überragende Marktstellung" und seiner Kriterien auch bei der Lösung von Marktbeherrschungsproblemen im Rahmen der Zusammenschlußkontrolle nach § 24 I GWB gültig und anwendbar; allerdings ergeben sich aus dem unterschiedlichen Betrachtungsansatz bei der Fusionskontrolle einige Besonderheiten, die nachfolgend aufgezeigt werden sollen.

VI. Kapitel

Diversifikation und Strukturkontrolle A. Strukturkontrolle Das Kartellamt kann nach § 24 I GWB Unternehmenszusammenschlüsse untersagen, wenn zu erwarten ist, "daß durch einen Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird (...), es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, daß durch den Zusammenschluß auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und daß diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen". Zweckbestimmung der Fusionskontrolle ist, Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern, die im Falle externen Wachstums beim Wegfall eines oder mehrerer selbständiger Unternehmenseinheiten durch Konzentration von Marktmacht entstehen. Die Zusammenschlußkontrolle richtet sich damit gegen strukturelle Verschlechterungen der Wettbewerbssituation mit dem Ziel, Marktstrukturen zu erhalten, die auf Dauer funktIonsfähigen Wettbewerb gewährleisten, und zu verhindern, daß ab einer bestimmten Schwelle der Wettbewerb noch mehr eingeschränkt wird oder aber die Chance für ein Wiederaufleben des erlahmten Wettbewerbs sich noch mehr verschlechtert!. Ebenso wie die sog. Mißbrauchstatbestände der §§ 22 und 26 GWB knüpft die Zusammenschlußkontrolle nach § 24 GWB an die Definition der Marktbeherrschung in § 22 I, II GWB und die Marktbeherrschungsvermutungen des § 22III GWB an2 • Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle unterscheiden sich allerdings nach ihren Zweckrichtungen ganz wesentlich. Während die §§ 22 IV, V; 26 II GWB auf die Beurteilung von Verhaltensweisen marktmächtiger Unternehmen gerichtet sind, verlangt die Fusionskontrolle nach § 24 I GWB die Beurteilung von Marktstellun1 Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1506); Begründung zum RegE (1971), BTDrucksache VI/2520, S. 28 ff.; WuW/E BKartA 1475 ff. (1479 f.); Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 24, Rdnr. 6. 2 WuW/E OLG 1745 ff. (1751); Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 910; WuW/E BKartA 1475 ff. (1480); Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 24, Rdnr. 4, S. 492; Huber, WuW 1975, S. 378 ff.; Westrick / Loewenheim, § 24, Rdnr. 21 ff.; a. A. Wirz, in: Auslegungsfragen, S. 42 und WuW 1975, S. 611 ff.

10·

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VI. Kap.: Diversifikation und Strukturkontrolle

gen, wie sie durch den Zusammenschluß erst entstehen. Die Mißbrauchsaufsicht beschränkt sich als Verhaltenskontrolle auf eine Gegenwartsbetrachtung. Die Fusionskontrolle stellt als Strukturkontrolle demhingegen weniger auf die Prüfung der aktuellen Wettbewerbslage ab, sondern hat die in Zukunft zu erwartenden Veränderungen der Wettbewerbsvoraussetzungen in die Prüfung mit einzubeziehen3 • Etwaiges wettbewerbliches Unternehmensverhalten in der Vergangenheit und Gegenwart hat für eine solche Prognose, wenn überhaupt, so nur eine ganz geringe Bedeutung'. Welche Konsequenzen sich daraus für die rechtliche Prüfung ergeben, wird noch näher darzulegen seins. Durch die Ankoppelung der Marktbeherrschungsdefinition des § 22 GWB an die Fusionskontrolle behält jedenfalls der Tatbestand "überragende MarktsteIlung" in § 22 I Nr. 2 GWB für die hier zu erörternde Frage der Tauglichkeit zur Erfassung der Diversifikation auch im Rahmen der Fusionskontrolle seine entscheidende Bedeutung. Der durch fünf Strukturkriterien konkretisierte Marktbeherrschungsbegriff knüpft - über die bloße Marktanteilsbetrachtung hinausgehend - die Feststellung des Bestehens, der Entstehung und der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung an eine Gesamtwürdigung aller Umstände, welche die Stellung eines Unternehmens am Markt kennzeichnen'. § 22 I Nr. 2 GWB ermöglicht damit eine strukturorientierte Betrachtungsweise, die nicht auf das Marktverhalten, sondern auf einen durch veränderte Marktstrukturen eröffneten Verhaltensspielraum des Unternehmens abstellt.

B. Ressourcenbetrachtung im Rahmen des § 24 I GWH Der sich aus dem Zusammenhang von § 24 I und § 22 I Nr. 2 GWB ergebende Marktstrukturansatz der Fusionskontrolle bildet die Grundlage der sog. Ressourcenbetrachtung. Sie wurde bei der 2. Kartellrechtsnovelle 1973 gezielt und ausdrücklich im Hinblick auf die Erfassung konglomerater (und vertikaler) Zusammenschlußfälle eingeführt7 und kann heute als gleichwertiges Beurteilungskonzept neben der Marktanteilsbetrachtung angesehen werden8 • i Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 911. 'Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1506 unten); TB des BKartA 1974, S. 9; Niederleithinger, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1974/75, S. 77; s. schon oben, IV. Kap., D. 5 Vgl. dazu unten, VII Kap. • Vgl. dazu schon oben, IV. Kap., A. und C. III. 7 Vgl. Stellungnahme der BReg. zum Hauptgutachten I, BT-Drucksache 8/702, Tz. 49; Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 30. 8 Vgl. Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 19.

B. Ressourcenbetrachtung im Rahmen des § 24 I GWB

149

Unter grundsätzlicher Beibehaltung des Marktmachtkonzepts9 erlaubt sie auch die Erfassung der einzelmarktübergreifenden Dimensionen der Diversifikation und Unternehmensgröße, indem sie bei der Prüfung eines Unternehmenszusammenschlusses10 eine umfassende Würdigung des vereinigten Ressourcenpools der Unternehmen verlangt. Einige dieser Ressourcen sind ausdrücklich als Kriterien des § 22 I Nr. 2 GWB beispielhaft erwähnt. Wie in Teil 2 bereits dargestellt wurde 11, umfaßt der ressourcenorientierte Ansatz neben den finanziellen, beschaffungs- und absatzpolitischen, gleichermaßen auch die technologischen, produktionstechnischen und unternehmerischen Ressourcen der beteiligten Unternehmen.

• Vgl. dazu schon oben, IV. Kap., C. H. und IH. Zum Zusammenschlußbegriff im Fusionskontrollverfahren vgl. Balll Wissel, WRP 1979, S. 609 ff. n Vgl. V. Kap., G. 10

VII. Kapitel

Erwartung im Sinne des § 24 I GWB Ein Unternehmenszusammenschluß, der eine Verschiebung der produktiven Ressourcen zwischen den Unternehmen ermöglicht, kann nach § 24 I GWB nur untersagt werden, wenn die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu erwarten ist. Für die Kartellbehörde begründet diese Formulierung die Notwendigkeit einer Prognoseentscheidung über die Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse durch den Zusammenschluß und dessen künftige Wettbewerbswirkungen. War das Ausmaß der Beweisanforderungen für eine Erwartung im Sinne des § 24 I GWB bisher in höchstem Maße umstritten, so ergeben sich nunmehr aus der Entscheidung des BGH im Fall GKN/Sachst, der den "Grundsatzfall"2 einer konglomeraten Konzentration betrifft, ganz wesentliche Gesichtspunkte für die künftige Entscheidungspraxis.

A. Bisheriger Meinungsstreit Der bisherige Meinungsstreit um die Beweisanforderungen bei der erforderlichen Zukunftsbetrachtung spiegelt sich zutreffend in der unterschiedlichen Argumentation des Bundeskartellamtes und des Kammergerichts zum Fall GKN/Sachs wider3• Während das Kartellamt4 allein schon aufgrund der festgestellten Erhöhung der (finanziellen) Ressourcen die Erwartung einer Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen begründet sah (reine Ressourcenbetrachtung), stellte das Kammergericht5 ungleich WuW!E BGH 1501 ff. Lübbert, WuW 1977, S. 566. 3 Vgl. den überblick bei Böhlk! Schöppe, DB 1977, S. 2361 ff.; Meinhold, S. 163 ff. t Vgl. WuW!E BKartA 1625 ff. (1628 ff.); zustimmend: Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 217; Markert, BB 1978, S. 680 f.; Reich, Markt und Recht, S. 265; Emmerich, AG 1978, S. 121 ff. 5 Vgl. WuW!E OLG 1745ff. (1754ff.); unter Hinweis auf ein Zitat aus der Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI!2520, S. 29; zustimmend Rauschenbach, NJW 1978, S. 187; Lübbert, WuW 1977, S. 569; Helm, Rdnr. 185, S. 148; Hootz, BB 1978, S. 826 f.; Kleinmann I Bechtold, § 24, Rdnr. 7 f., 42 f.; Schütz, WuW 1979, S. 5 ff. (15 f.); vgl. auch earl, S. 63 ff. (68); Ramrath, S. 71 ff. 1

t

B. Auffassung des BGH

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höhere Anforderungen an die Prognosegenauigkeit: Eine Prognose könne nicht abstrakt, nach rein theoretischen Möglichkeiten angestellt werden. Vielmehr verlange das Merkmal "Erwartung", daß aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald mit einer Verbesserung der Wettbewerbslage des Unternehmens zu rechnen ist. Für die Ressourcenbetrachtung sei demnach maßgebend, "ob im konkreten Einzelfall bei Zugrundelegung kaufmännisch vernünftiger Erwägungen der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen und ihrer vorhandenen und potentiellen Wettbewerber tatsächlich ein Zuwachs an Finanzkraft (oder sonstiger Ressourcen, der Verf.) und ihr Einsatz und ihre Auswirkung auf den in Rede stehenden Märkten zu erwarten ist"8. B. Auffassung des BGH Der Fall GKN/Sachs konfrontierte den BGH erstmals mit der Problematik, die sich aus der Verbindung der Eingreifkriterien der Fusionskontrolle mit dem Marktbeherrschungstatbestand "überragende Marktstellung" ergibt. Der BGH nutzte diese Gelegenheit zu einer Reihe grundsätzlicher Feststellungen zu den Prognoseanforderungen für die erforderliche Erwartung nach § 24 I GWB, bevor er die konkreten Umstände des Einzelfalls erörterte. Die hohen Beweisanforderungen des Kammergerichts an die "Erwartung" im Sinne des § 24 I GWB werden zu Recht als zu eng angesehen und daher abgelehnt7. Im Regelfall bilde ein einfacher Vergleich die maßgebliche Beurteilungsgrundlage. Dabei sei "die vor dem Zusammenschluß bestehende Stellung auf dem Markt nach Maßgabe der bestehenden Wettbewerbsvoraussetzungen zu prüfen und zu vergleichen mit den mit dem Zu sam m e n s chI u ß ge s c h a f fe n e n Wettbewerbsvoraussetzungen"s. Eine dabei festgestellte Veränderung der strukturellen Wettbewerbsvoraussetzungen sei alsdann auf ihren Einfluß zu prüfen, den sie auf den Verhaltensspielraum beim Einsatz einzelner Aktionsparameter oder bei der Entwicklung unterschiedlicher Marktstrategien hat. Dabei könne die Prüfung nicht allein auf Wirkungen beschränkt werden, die im Einzelfall alsbald zu erwarten sind, sondern habe gerade auch deren langfristige Wirkungen zu berücksichtigenD. Könne jedoch im Rahmen eines Vergleichs eine Änderung der Marktverhältnisse nicht festgestellt werden, so sei das Kartellamt keineswegs e WuW!E OLG 1745 ff. (1754). Vgl. WuW!E BGH 1501 ff. (1508), unter Hinweis auf unzutreffende Fest-

7

stellungen Ides KG zur Regierungsbegründung. 8 WuW!E BGH 1501 ff. (1507). G Vgl. WuW!E BGH 1501 ff. (1508).

152

VII. Kap.: Erwartung im Sinne des § 24 I GWB

auf eine Würdigung der unmittelbar mit dem Zusammenschlußeintretenden Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen beschränkt. Vielmehr soll dann auch eine darüber hinausgehende Vorausschau auf die zukünftige Wettbewerbsentwicklung möglich und notwendig sein. Allerdings nur unter wesentlich strengeren Voraussetzungen, d. h. nur, "wenn sich aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen läßt, daß die mit dem Zusammenschluß geschaffenen Wettbewerbsvoraussetzungen sich alsbald verändern"IO. C. Differenzierende Prognosebetramtung Der BGH folgt damit im Hinblick auf die Beweisanforderungen für die "Erwartung" im Sinne des § 24 I GWB zu Recht einer differenzierenden Betrachtungsweise, wobei er zwischen den Nahwirkungen und den künftig eintretenden Fernwirkungenl1 des Zusammenschlusses für die Wettbewerbsvoraussetzungen unterscheidet und eine gegebenenfalls zweistufige Prüfung der "Erwartung" mit unterschiedlich hohen Prognoseanforderungen fordert. Auf der Grundlage des Marktstrukturansatzes der Fusionskontrolle in Verbindung mit § 22 I Nr. 2 GWB bedeutet dies eine grundsätzliche Trennung zwischen den unmittelbar mit dem Zusammenschluß entstehenden marktstrukturellen Veränderungen und solchen Veränderungen der Marktstruktur, die nicht zugleich mit dem Zusammenschluß eintreten, sondern erst künftig im Verlauf der Marktentwicklung zu erwarten sind. Die unterschiedlichen Prognoseanforderungen an ihre jeweilige Ermittlung beruhen auf einem unterschiedlichen Grad der Prognoseschwierigkeit. Die Prognose zur Ermittlung der unmittelbaren marktstrukturellen Auswirkungen bei noch nicht vollzogenen Zusammenschlüssen bezieht sich lediglich auf den Vollzugszeitpunkt. Soweit bereits vollzogene Zusammenschlüsse zur Beurteilung anstehen, liegen die Strukturwirkungen gar schon auf der Hand. Die unmittelbaren Strukturwirkungen des Zusammenschlusses können also im schwierigsten Fall durch eine einfache Gesamtschau der strukturellen Machtfaktoren aller am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen ermittelt und im Vergleich den bisherigen Strukturbedingungen gegenübergestellt werden. Ohne strenge Anforderungen an die Prognosegenauigkeit können dabei auch die kurz- und langfristigen Wettbewerbswirkungen einer veränderten Marktstruktur in die Betrachtung mit einbezogen werden. WuW/E BGH 1501 ff. (1507 f.). VgI. Markert, BB 1978, S. 680; kritisch: Hootz, BB 1978, S. 827; Schütz, WuW 1979, S. 8 ff.; Ramrath, S. 72. 10 U

c. Differenzierende Prognosebetrachtung

153

Entstehen allerdings ausnahmsweise zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses keine bzw. keine maßgeblichen Strukturwirkungen, sind sie jedoch im Zuge der späteren Marktentwicklung durchaus zu erwarten, so können derartige künftige strukturelle Wirkungen bei der Fusionskontrolle nur unter strengeren Voraussetzungen berücksichtigt werden. Vereinfacht dargestellt konzentriert sich damit die Frage des "Erwartens" bei § 24 I GWB angesichts der (durch Vergleich festgestellten) unmittelbaren Strukturwirkungen des Zusammenschlusses im wesentlichen auf eine Wirkungsprognose ohne strenge Beweisanforderungen; hinsichtlich zukünftiger marktstruktureller Veränderungen auf eine Strukturprognose mit hohen Anforderungen an die Prognosegenauigkeit. L Strukturelle Verschlechterung und' Wirkungsproguose

Macht das Bundeskartellamt1! schon die bloße Feststellung einer marktstrukturellen Verschlechterung zur alleinigen entscheidungserheblichen Größe im Fusionskontrollverfahren nach § 24 I i. V. m. § 22 I Nr. 2 GWB, so wird es damit dem klaren Markt- und Wettbewerbsbezug der strukturellen Merkmale der "überragenden MarktsteIlung" nicht voll gerecht. Die strukturellen Merkmale des § 22 I Nr. 2 GWB sind auch bei der Zusammenschlußkontrolle regelmäßig unter dem Aspekt ihrer Wettbewerbswirksamkeit zu erörtern. Im Gegensatz zur gegenwartsbezogenen Betrachtungsweise bei der Mißbrauchsaufsicht, die strukturelle Gesichtspunkte nur in dem Maße, wie sie sich als Marktmacht niederschlagen, berücksichtigt13 , erfaßt der nicht auf die aktuelle Lage fixierte Betrachtungsansatz der Fusionskontrolle auch solche Veränderungen der Marktstruktur, die erst im Verlauf der künftigen Marktentwicklung entsprechende Auswirkungen haben können. Im Falle eines Zuwachses an Ressourcen als unmittelbare Folge des Zusammenschlusses braucht das Kartellamt daher weder im einzelnen darzutun, daß die fusionierenden Unternehmen auch tatsächlich die Absicht haben, die zusätzlichen Mittel zum Aufbau bzw. zur Erweiterung oder Absicherung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt einzusetzen14 • Noch ist es erforderlich, daß aufgrund konkreter Anhaltspunkte in nächster Zukunft der wettbewerbswirksame Einsatz der erhöhten Ressourcen tatsächlich zu erwarten ist1 5 • 12

Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1628 ff.); dazu WuW/E BGH 1501 ff.

(1506 ff.). 13 14

11

Vgl. oben, IV. Kap., D. H. Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1629). Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1508); Monopolkommission, Hauptgutachten I,

Tz. 951.

154

VII. Kap.: Erwartung im Sinne des §24 I GWB

Denn einerseits wird im Wettbewerb das Machtpotential eines Unternehmens von seinen tatsächlichen und potentiellen Konkurrenten schon dann in Rechnung gestellt, wenn auch nur damit zu rechnen ist, daß er es jederzeit einsetzen kann l6 . Andererseits kann es im Rahmen der zukunftsbezogenen Betrachtungsweise der Fusionskontrolle, die auf die Erhaltung kompetitiver Strukturen auf lange Sicht zielt, auf situationsbedingte, jederzeit veränderbare Umstände nicht ankommen l7 . Der Charakter des Wettbewerbsprozesses als ständiger Such-, Lern-, Informations- und Entdeckungsprozeßl8 macht zudem die Vorhersage von individuellen Verhaltensweisen und unternehmerischen Einzelentscheidungen unmöglich, "denn der Prozeß erbringt erst das Wissen, das man für eine solche Prognose benötigt"l9. Zur Wirkungsprognose ist daher eine Vorhersage des künftigen Unternehmensverhaltens weder erforderlich noch möglich. Im Rahmen der nach § 24 Ii. V. m. § 22 I Nr. 2 GWB gebotenen zukunftsbezogenen, auf die Marktstruktur abstellenden Betrachtungsweise, ergibt sich die wettbewerbliche Relevanz struktureller Machtfaktoren bereits aus ihrer potentiellen Wettbewerbswirksamkeit unter den konkreten Bedingungen des Marktes, d. h. aus der begründeten Möglichkeit ihrer Aktualisierung bzw. ihres wirksamen Einsatzes im Wettbewerb. Es genügt, daß erkennbar ist, "in welche Richtung einzelne Wettbewerbsparameter oder Wettbewerbsstrategien vom Wettbewerb unkontrolliert überhaupt oder vermehrt eingesetzt werden können oder welche Wettbewerbswirkungen unabhängig von einem darauf gerichteten Verhalten des (...) Unternehmens zu erwarten sind"20. § 22 I Nr. 2 GWB wurde im Rahmen der gegenwartsbezogenen Mißbrauchskontrolle hinsichtlich der Auswirkungen struktureller Machtfaktoren auf die Wettbewerbsintensität als ein konkreter Gefährdungstatbestand gekennzeichnet. Zur Verdeutlichung des Betrachtungsansatzes bei der Fusionskontrolle nach § 24 I i. V. m. § 22 I Nr. 2 GWB könnte insofern von einer Art abstraktem Gefährdungstatbestand gesprochen werden, als angesichts der Verschlechterung der Marktstruktur durch einen Zusammenschluß bereits die reale Möglichkeit künftiger Auswirkungen auf die Wettbewerbsintensität genügt.

Vgl. Monopolkommission, ebd. Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1508, 1511); WuW/E BKartA 1625 ff. (1629 ff.). 18 s. oben, IV. Kap., Anm. 27. 18 Böhlk I Schöppe, DB 1977, S. 2361; vgl. auch WuW/E BGH 1501 ff. (1509, 1510); earl, S. 50 ff. (63 ff.); Emmerich, AG 1978, S. 119, 121; a. A. Schütz, WuW 1979, S. 13. 29 Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1507). 18

17

C. Differenzierende Prognosebetrachtung

n.

155

Strukturprognose

Ist unter den Bedingungen des Wettbewerbs auch eine Vorhersage des individuellen Unternehmensverhaltens ausgeschlossen, so wird doch weitgehend eine Prognose der Marktstrukturentwicklung für möglich gehalten!!. Soweit allerdings unmittelbare strukturelle Auswirkungen des Zusammenschlusses nicht zu erwarten sind, kann nicht schon allein die Möglichkeit einer künftigen strukturellen Verschlechterung eine Untersagung begründen. Eine Erwartung im Sinne des § 24 I GWB erfordert unter diesen Umständen vielmehr, daß sich diese Möglichkeit aufgrund bestimmter Anhaltspunkte zu einem gesteigerten Grad von Wahrscheinlichkeit für den zu erwartenden Erfolg verdichtet hat. Der BGH22 hält die strengeren Prognoseanforderungen nur für erfüllt, "wenn sich aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen läßt, daß die (... ) Wettbewerbsvoraussetzungen sich alsbald verändern". Langen / Niederleithinger / Schmidt23 wollen bereits die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer strukturellen Verschlechterung genügen lassen. Im Rahmen einer Beurteilung, der zwangsläufig Wahrscheinlichkeiten anstatt Beweise zugrundeliegen müssen, sollten Entscheidungen allerdings nicht allein von einer bestimmten Prognosegenauigkeit abhängig gemacht werden. Es erscheint richtiger, um so geringere Anforderungen an die zeitliche Nähe und die Wahrscheinlichkeit der erwarteten Strukturveränderungen zu stellen, je größer deren Bedeutung und Umfang auf dem fraglichen Markt einzuschätzen ist. In den folgenden Abschnitten soll die Problematik der Entstehung und Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung an den speziell für diversifizierende bzw. konglomerate Zusammenschlüsse bedeutsamsten, aber zugleich auch wettbewerbsrechtlich problematischsten Fällen analysiert werden.

Zl Vgl. Böhlk I Schöppe, DB 1977, S. 2361; Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 24, Rdnr. 14; Emmerich, AG 1978, S. 119. 22 WuW/E BGH 1501 ff. (1507 f.). 23 Vgl. Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 24, Rdnr. 14, S. 500. Noch geringere Anforderungen stellt Emmerich, AG 1978, S. 119, indem er bereits "gewisse, objektive Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Marktstruktur" für ausreichend ansieht.

VIII. Kapitel

Entstehung einer marktheherrschenden Stellung am Beispiel des Eindringens von Großunternehmen in die Märkte kleinerer und mittlerer Unternehmen Zwar hält das Kammergericht einen konglomeraten Zusammenschluß nur dann für wettbewerbsrechtlich erheblich, "wenn auf einem Markt bereits Marktbeherrschung gegeben ist und diese durch die Verquickung mit anderen Märkten verstärkt wird"l. Dieser Auffassung, die aufgrund einer Ressourcenverschiebung lediglich die Verstärkung, nicht aber die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung für möglich hält, wird jedoch zu Recht in der Literatur überwiegend nicht gefolgt!. Sie findet weder im Wortlaut des Gesetzes noch im gesetzessystematischen Zusammenhang der einzelnen Vorschriften, noch in der Zielsetzung des Gesetzes eine Stütze. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß der Ressourcenbetrachtung in Verbindung mit der 1. Tatbestandsalternative des § 24 I GWB eine vergleichsweise eingeschränkte Bedeutung zukommt, da bei unverändert gebliebenem Marktanteil ein bloßer Ressourcenzuwachs nur in Extremfällen und unter besonderen Marktbedingungen eine marktbeherrschende Stellung begründen kann. Daß derartige Fälle keineswegs seltene Ausnahmefälle sind, zeigt sich insbesondere am aktuellen Problem des Eindringens diversifizierter Großunternehmen in Märkte kleinerer und mittlerer Unternehmen. Angesichts einer ganz erheblichen Verstärkung der Konzentrationsvorgänge zwischen Großunternehmen und kleinen mittelständischen Unternehmen! hat die Monopolkommission überzeugend vor den konzentrationsfördernden und strukturverändernden Wirkungen einer Wettbewerbspolitik gewarnt, die es gerade Großunternehmen mit überragenden Ressourcen gestattet, in bislang mittelständisch strukturierte WuW/E OLG 1745 ff. (1757); so schon Reich, BB 1973, S. 1453. Vgl. Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 24, Rdnr. 9; Ebel, Kartellrechtskommentar, § 24, Rdnr. 9; Kleinmann / Bechthold, § 24, Rdnr. 45. , Vgl. hierzu die TB des BKartA, 1976, BT-Druck:sache 81704, S. 16 ff., 1977,BT~Druck:sache 8/1925, S. 16 ff.; Stellungnahme der BReg. zum Hauptgutachten I, BT-Druck:sache 81702, Tz. 41 ff. 1

I

A. Auslegungsprobleme

157

Wirtschaftsbereiche einzudringen und Unternehmen mit relativ geringen Marktanteilen zu erwerben'. Dabei hat die Monopolkommission die rechtlichen Probleme einer effektiven Kontrolle derartiger Zusammenschlüsse keineswegs verkannt. Nachfolgend soll untersucht werden, ob die von ihr und anderen Autoren aufgeworfenen Zweifel bei der Anwendung des Gesetzes berechtigt sind, und inwieweit sie die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung bzw. Ergänzung rechtfertigen. A. Auslegungsprobleme Soweit die Monopolkommission Bedenken gegen die effektive Erfassung solcher Konzentrationsvorgänge aus der Tatbestandsstruktur des § 22 I Nr. 2 GWB ableitet, können diese nicht geteilt werden. Wenn auch im Wortlaut des § 22 I Nr. 2 GWB das Marktanteilskriterium hervorgehoben wird ("außer ... insbesondere"), so bedeutet dies nicht, daß eine Untersagungsverfügung nur in Betracht kommt, wenn zumindest die Wettbewerbsstellung bei einem beteiligten Unternehmen durch einen hohen Marktanteil gekennzeichnet ist5 • Wie bereits erörtert8, muß die Hervorhebung dieses Kriteriums im Zusammenhang mit dessen überbetonung in der Vergangenheit und deshalb als redaktionelle Klarstellung der Abkehr vom bisherigen Marktanteilskonzept verstanden werden7 • Der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers war auf die Kontrolle konglomerater und vertikaler Konzentrationsvorgänge gerichtet, die regelmäßig nicht durch hohe Marktanteile auf den einzelnen Märkten gekennzeichnet sind8• Mit dieser Absicht nicht zu vereinbaren wäre es, wollte man von der Priorität des Marktanteils, nicht aber von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller in § 22 I Nr. 2 GWB aufgezählten Machtfaktoren ausgehen. Wegen der Alternativität zwischen den Marktbeherrschungstatbeständen der Nr. 1 und Nr. 2 des § 22 I GWB ist die Untersagung eines Zusammenschlusses nach § 24 I i. V. m. § 22 I Nr. 2 GWB bei unverändertem Marktanteil selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn wesentlicher Wettbewerb auf dem Markt besteht und sein Fortbestand auch in nächster Zeit noch anzunehmen ist. Entscheidend ist die Voraussetzung einer strukturellen Verschlechterung der Marktbedingungen entweder 4 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 855, 918, sowie die daraus abgeleiteten Empfehlungen in Tz. 958 ff. i So die Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 918. S Vgl. schon oben, V. Kap., B. I. 7 Klarstellend neuestens Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache

8/2136, S. 13 8

Vgl. oben, V. Kap., B., Anm. 5.

158

VIII. Kap.: Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung

als unmittelbare oder aber als zukünftige Folge des Zusammenschlusses. B. Zukünftige Strukturwirkungen (Folgefusionen) Neben der Möglichkeit zur Verlagerung insbesondere finanzieller Ressourcen mit allen sich hieraus ergebenden Implikationen für den Investitionswettbewerb und das Wettbewerbsverhalten der Konkurrenten9, wird vor allem die Befürchtung von Folgefusionen gegen das Engagement von Großunternehmen auf mittelständisch strukturierten Märkten angeführt1o • Während es sich allerdings bei der tatsächlichen bzw. potentiellen Ressourcenverlagerung um eine unmittelbare Folge des Zusammenschlusses handelt, geht es bei der befürchteten generellen Erhöhung des Konzentrationsniveaus auf dem Markt um eine Verschlechterung der Marktstruktur im Verlauf der künftigen Wettbewerbsentwicklung. Dementsprechend sind gemäß den Grundsätzen der BGH-Entscheidung in Sachen GKN/Sachs die strengeren Anforderungen an eine Strukturprognose zu beachten; d. h., es muß sich aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen lassen, daß die mit dem Zusammenschluß geschaffenen Wettbewerbsvoraussetzungen sich alsbald verändernl l. Auf die beim Eindringen von diversifizierten Großunternehmen in mittelständisch strukturierte Wirtschaftsbereiche zu beobachtenden negativen Strukturwirkungen hat insbesondere die Monopolkommission in ihrem 1. Hauptgutachten12 warnend hingewiesen. Die Erfahrungen mit der Fusionskontrolle zeigten, daß derartige Konzentrationsvorgänge auf dem Markt meist neue Maßstäbe setzen und die Bereitschaft der noch unverbundenen Unternehmen auslösen, ihre Selbständigkeit aufzugeben und sich ebenfalls nach einem potenten Partner umzusehen. In einer Vielzahl von Wirtschaftsbereichen ließ sich eine regelrechte Kettenreaktion mit einer großen Anzahl von Folgefusionen beobachten13• Vgl. oben, V. Kap., C. 111.; IX. Kap., B. Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 855, 918 f., 958 ff.; Stellungnahme der BReg. dazu, BT-Drucksache 8/702, Tz. 41 ff.; Eckstein, BB 1977, S. 422; Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 13, 20. 11 Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1507 f.). 12 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 855 ff., 918 f., 958 ff. 11 Solche Folgefusionen nach dem Eindringen eines Großunternehmens gab es in großer Anzahl z. B. im Bereich der Lack- und Farbenindustrie, in der Feuerlöschgeräte- und Brauindustrie sowie im Speditionsgewerbe und im Reifenhandel. Vgl. Tätigkeitsberichte des BKartA, 1976, BT-Drucksache 8/704, S. 21 f. und 1977, BT-Drucksache 8/1925, S. 18. . g

10

·C. Anschlußklausel des § 24 VIII Nr.2 GWB

159

Wettbewerbspolitisch war eine generelle Erhöhung des Konzentrationsgrades die Folge. Mittelstandspolitisch war der Prozeß geeignet, die Bereitschaft zum Risiko und zum Selbständigbleiben bei kleineren und mittleren Unternehmen zu beeinträchtigenu. Werden auch die negativen Strukturwirkungen bei wettbewerbsund wirtschaftstheoretischer Betrachtung kaum bestritten, so dürfte es allerdings schwerfallen, den strengen Prognoseanforderungen im Einzelfall zu entsprechen. Zweifellos wird in diesem Zusammenhang zu erörtern sein, inwieweit überhaupt vor dem Zusammenschluß von annähernd gleichgewichtigen Marktstrukturen gesprochen werden konnte und ob sich aufgrund der Marktverhältnisse, der Marktphase oder zu erwartender struktureller öder konjunktureller Schwankungen für die bisher unverbundenen Unternehmen verstärkt die Notwendigkeit ergeben könnte, vergleichbare Chancen der Ressourcenverlagerung, des Risiko- und Beschäftigungsausgleichs anzustreben. Ein Vergleich der konkreten Umstände im Einzelfall mit den bisherigen kartellbehördlichen Erfahrungen auf nahen Märkten oder unter ähnlichen Marktverhältnissen ist dabei in seiner Aussagefähigkeit nicht zu unterschätzen. Allerdings werden, angesichts der Gefahr einer irreversiblen Verschlechterung der Marktstruktur infolge solcher Fusionen, die Prognoseanforderungen nicht zu eng gesetzt werden können. Es gilt, bereits das erste Eindringen von Großunternehmen in einen mittelständischen Markt zu verhindern. Daher dürfte schon der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer strukturellen Verschlechterung genügen.

C. Anschlußklausel des § 24 VIII Nr. 2 GWB Unabhängig von den angesprochenen Problemen wird eine effektive Kontrolle derartiger Zusammenschlüsse nach dem geltenden Recht durch die Anschlußklausel des § 24 VIII Nr. 2 GWB verhindert. Von den 1780 bis Ende 1977 nach § 23 angezeigten Konzentrationsvorgängen war ein Großteil, nämlich 713 (40 Ofo), wegen der 50-Millionen-Bagatellklausel (§ 24 VIII Nr. 2 GWB) von der Fusionskontrolle ausgenommen15 • Die Aufgliederung dieser Anschlußfälle in den Tätigkeitsberichten des Bundeskartellamtes zeigt, daß weit überwiegend Großunternehmen daran beteiligt gewesen sind. Im Jahr 1977 waren die erwerbenden Unternehmen in 192 von insgesamt 230 AnschlußVgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 919. Vgl. Tätigkeitsberichte des BKartA von 1973 bis 1977; insbesondere TB von 1977, BT-Drucksache 811925, S. 16 ff. und 6. Abschnitt, Tab. 2, S. 106. 14

1$

160

VIII. Kap.: Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung

fällen (84 Ofo) Umsatzmilliardärel8 • Es wird damit deutlich, daß die mittelstandspolitisch motivierte Toleranzgrenze gerade von Großunternehmen für eine Expansion in die kontrollfreien Bereiche genutzt wurde17• Während allerdings die Monopolkommission eine ersatzlose Streichung der Anschlußklausel empfiehltl8, erwägt die Bundesregierung eine weniger weitgehende Lösung, die Umsatzmilliardäre allein dann von der Fusionskontrolle freistellt, wenn das erworbene Unternehmen weniger als 2 Mill. DM Umsatz hat. Im übrigen sollen allerdings Anschlüsse von Unternehmen bis zu 50 Mill. DM Jahresumsatz an Unternehmen, die weniger als 1 Mrd. DM Umsatz haben, weiterhin kontrollfrei bleibenl8 • Mit Rücksicht auf die verfolgte mittelstandspolitische Zielsetzung, die Veräußerung von kleinen und mittleren Unternehmen nicht unnötig zu erschweren2o, und angesichts einer drohenden Überlastung des Kartellamtes mit Bagatellfällen, ist die Beibehaltung einer modifizierten Anschlußklausel, die gezielt die Freistellung beim Anschluß an Großunternehmen beseitigt, als eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende, dringend erforderliche Gesetzesänderung anzu· sehenzl •

Vgl. TB des BKartA 1977, BT-Drucksache 8/1925, S. 17. Vgl. Stellungnahme der BReg. zum Hauptgutachten I, BT-Drucksache 8/702, Tz. 41; Emmerich, AG 1978, S. 154. 18 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 958; dies., Hauptgutachten H, Tz. 94, 472. 18 Vgl. RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, Art. I, Nr. 5, S. 5. zo Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 32. !1 Kritisch: Kaiser, WuW 1978, S. 353 ff. 11

17

IX. Kapitel

Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung A. Begriff der Verstärkung Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung bedeutet eine spürbare Vergrößerung des durch die marktbeherrschende Stellung gewährten wettbewerblichen Verhaltensspielraumsi. Unstreitig ist, daß eine (schon bestehende) überragende MarktsteIlung nach § 22 I Nr. 2 GWB auch ohne einen Marktanteilszuwachs verstärkt werden kann2 • So kann es bereits genügen, wenn hinter einem unverändert gebliebenen Marktanteil in Zukunft eine höhere Finanzkraft steht, wenn dem Unternehmen sonstige Ressourcen zuwachsen, wenn potentielle Konkurrenz ausgeschaltet wird etc. Allerdings ist nicht jede geringfügige Veränderung bei einem der in § 22 I Nr. 2 GWB aufgezählten Kriterien ausreichend. Das Gesetz verlangt zwar kein bestimmtes Ausmaß der Verstärkung, insbesondere nicht eine wesentliche Verstärkung der marktbeherrschenden StellungS. Die Verstärkung muß jedoch unter den gegebenen Marktverhältnissen spürbar4 bzw. merklich, d. h. nicht völlig bedeutungslos sein. In jedem Fall reicht dazu schon die wesentliche Veränderung auch nur eines der in § 22 I Nr. 2 GWB genannten Merkmale aus, da die behördlichen Eingriffe ohnehin schon einer hohen Schranke unterliegen, indem sie eine bestimmte Unternehmensgröße (§ 23 I, § 24 aIS. 2 und § 24 VIII GWB) und Marktbeherrschung (§ 24 I i. V. m. § 22 I GWB) voraussetzen5 • Der Verstärkung entspricht unter denselben Voraussetzungen die Absicherung einer beherrschenden Stellung, die nicht notwendigerweise eine gefährdete sein muß6. Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1753); WuW/E BKartA 1625 ff. (1628). Vgl. Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 30. S Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1512); WuW/E OLG 1745 ff. (1753 f.). , Vgl. Anm. 1, beide unter entsprechender Anwendung der vom BGH zu § 1 GWB entwickelten Grundsätze (WuW/E BGH 486 ff. (491 f.»; vgl. auch Kleinmann/Bechtold, § 24, Rdnr. 17; Ebel, Kartellrechtskomm. § 24, Rdnr. 11. 5 Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1512). I Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1511); Kleinmann / Bechtold, § 24, Rdnr. 17. 1

Z

11 Jüngst

162

IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

Um die Beurteilung der Verstärkungserwartung bei diversifizierenden Konzentrationsvorgängen zu erleichtern, sollen in den folgenden Abschnitten für typische Fallkonstellationen die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zusammengetragen werden. Zentrale Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang der Fall der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch Zuwachs an Finanzkraft als charakteristisches und daher stark umstrittenes Beispiel der angewandten Ressourcentheorie. Wurden die weiteren Fälle bisher in der kartellrechtlichen Praxis und Literatur auch weniger problematisiert und zur Fallbeurteilung herangezogen, so ist doch zu hoffen und entsprechend dem Verlauf der Antitrust-Diskussion in den USA damit zu rechnen, daß auch diese Gesichtspunkte bei der Beurteilung von Konglomeratzusammenschlüssen zukünftig verstärkt Beachtun~ finden 7 •

B. Verstärkung durch Zuwachs an Finanzkraft Zur Frage der wettbewerblichen Bedeutung hoher finanzieller Ressourcen als Entfaltungs-, Droh- und Abwehrpotential eines Unternehmens kann auf die Ausführungen in Teil 2 zum Finanzkraftkriterium verwiesen werden8 • Ausdrücklich sei nochmals betont, daß bereits die Existenz von Finanzkraft und die darauf begründete Fähigkeit des Unternehmens zur Durchführung aufwendiger Marktstrategien ausreicht, um aktuelle Mitbewerber beim Einsatz von Wettbewerbsmitteln zu hemmen und potentielle Konkurrenten vom Marktzutritt abzuhalten. I. Prognoseanforderungen

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß es für die Frage, ob aufgrund eines Finanzkraftzuwachses die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu erwarten ist, nicht auf die Absicht des fraglichen Unternehmens ankommen kann, ob, wann und wie es seine erhöhte Finanzkraft auf dem Markt einsetzen will'. Ebensowenig wird man der Problematik gerecht, wenn die Verstärkungserwartung davon abhängig gemacht wird, ob aufgrund konkreter Umstände alsbald mit dem Einsatz der Finanzkraft gerechnet werden muß 10 • 7 Hoffnungsvoll stimmt eine Bemerkung des BGH im Fall· GKN/Sachs, in der er ausdrücklich auf die vom BKartA und KG nicht bzw. nur knapp erörterten Gesichtspunkte der Ausschaltung potentieller Konkurrenz, Reziprozität und Kopplung hinweist. Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1505). 8 Vgl. oben, V. Kap., C. IH. g Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1629); Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 24, Rdnr. 11; a. A. Leo, WRP 1972, S. 9. 10 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 951; a. A. WuW/E OLG 1745 ff. (1754).

B. Verstärkung durch Zuwachs an Finanzkraft

163

Der entscheidende Gesichtspunkt einer Verstärkungserwartung ergibt sich zweifellos schon aus der mit dem Zusammenschluß unmittelbar geschaffenen oder verstärkten strukturellen Ungleichgewichtigkeit der Marktverhältnisse in finanzieller Hinsicht. Entsprechend den vorangehenden allgemeinen Ausführungen zur Problematik der Prognoseanforderungenl l, folgt die wettbewerbliche Relevanz hoher Finanzkraft im Fusionskontrollverfahren bereits aus der begründeten Möglichkeit, daß sich der erhöhte Finanzierungsspielraum im Wettbewerb aktualisiert. Das ist immer schon dann der Fall, wenn die Wettbewerber auf dem Markt zukünftig mit machtbedingten Aktionen oder Reaktionen des finanzkräftigen Unternehmens rechnen müssen. Im Unterschied zu anderen, z. B. technologischen oder produktionstechnischen Ressourcen zeichnen sich finanzielle Ressourcen durch umfassende Verwendungsmöglichkeiten aus. Ihre offensichtlich ungleichgewichtige Verteilung auf dem Markt ist daher in der Regel auch geeignet, wettbewerbswirksame unterschiedliche Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten der Unternehmen zu begründen und einen wettbewerbsbeeinträchtigenden Droh- oder Abschreckungseffekt auszulösen oder zu verstärken. Für die Beurteilung der Verstärkungserwartung bei einem Zuwachs an Finanzkraft kommt es aus diesem Grunde weniger darauf an, all jene Umstände und Anhaltspunkte zusammenzutragen, die für bestimmte Einsatzmöglichkeiten sprechen. Vielmehr sollte sich die rechtliche Prüfung nach Art einer Negativprüfung weitgehend auf die Erörterung solcher Gesichtspunkte beschränken, die eine wettbewerbswirksame Verwendung des erhöhten Finanzpotentials sowohl aus der Sicht der beteiligten Unternehmen als auch aus der Sicht der aktuellen und potentiellen Konkurrenten auf Dauer ausschließen könnten. ll. Zur aktuellen Diskussion um die Finanzkraftverstlrkung

Im Gegensatz zu der gegenwartsbezogenen Betrachtungsweise bei der Mißbrauchsaufsicht12 ist bei der auf langfristige Entwicklungen abstellenden Betrachtungsweise im Rahmen der Fusionskontrolle sowohl der Gesichtspunkt "Disponibilität der vereinigten Finanzkraft" als auch der ihrer "Eignung zum Einsatz auf dem relevanten Markt" unter den zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses gegebenen Bedingungen unbeachtlich; es sei denn, die Disponibilität oder die Eignung zum Markteinsatz wäre deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf lange Sicht völlig ausgeschlossen. 11

12

Vgl. oben, VII. Kap., C. I. Vgl. oben, V. Kap., C. IV.

164

IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

Feststellungen zur Frage, ob und in welchem Umfang die gemein~ samen finanziellen Ressourcen der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen derzeit ungebunden sind und zur freien Verfügung ste~ hen, erübrigen sich damit ebenso wie der Hinweis auf gegenwärtig bestehende Transferschwierigkeiten, z. B. aufgrund von Devisenbe~ schränkungen13 • Selbst für Finanzmittel, die in anderen Unternehmen oder Unter~ nehmensbereichen objektiv langfristig gebunden sind, dürfte die Wett~ bewerbswirksamkeit auf dem relevanten Markt auf Dauer nicht ausge~ schlossen werden können. Auch wenn bei realistischer Betrachtungs~ weise nur in wenigen Ausnahmefällen die Möglichkeit eines Verkaufs in Betracht gezogen werden kann, so kann doch selbst die dauerhaft gebundene Finanzkraft eine wettbewerblich bedeutsame Kreditgrund~ lage darstellen. Aus der gleichen überlegung kann der Einwand nicht berücksichtigt werden, daß eine Finanzkraftverstärkung bei Fusionen entfallen müsse, weil die Beschaffung und Bezahlung eines hohen Kaufpreises für den Unternehmenserwerb die finanzielle Seite des Konzerns regelmäßig schwäche14 • Solche offensichtlich kurzsichtige Argumentation steht dem zukunftsbezogenen, marktstrukturellen Betrachtungsansatz bei § 24 GWB eindeutig entgegen. Zudem wird die Finanzkraft eines Unternehmens nicht allein durch seine Liquiditätslage bestimmt1 5 , sondern umfaßt gerade auch das durch erhöhte Kreditwürdigkeit ausgezeichnete Fremdfinanzierungspotential. Die Verfügbarkeit der Finanzkraft kann regelmäßig auch nicht schon mit dem Argument verneint werden, daß es sich um eine Minderheits~ beteiligung handelt, bei der nicht angenommen werden könne, daß der Minderheitsgesellschafter seine Ressourcen voll zur Verfügung stelle 16 • Entscheidend für die Zurechnung ist allein, ob zwischen den am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen ein Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG besteht oder nicht17 • Nur in den Fällen einer bloßen Minderheitsbeteiligung ohne Beherrschungsmöglichkeit kann eine Zurechnung der Ressourcen regelmäßig entfallen. 13 Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1511); WuW/E BKartA 1625 ff. (1630); a. A. WuW/E OLG 1745 ff. (1756), Kleinmann 1 Bechtold § 24, Rdnr. 42. U Vgl. Dürrhammer, DB 1976, S. 1443; Meinhold, S. 167. 16 Vgl. oben, V. Kap., C. H. 3. 18 Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1628); TB des BKartA 1975, BT-Drucksache 7/5390, S. 37; Kleinmann 1 Bechtold, § 24, Rdnr. 42. 17 Vgl. § 23 I S. 2 GWB; dazu schon oben, V. Kap., A. H.; vgl. auch Ball 1 Wissel, WRP 1979, S. 609 ff.

B. Verstärkung durch Zuwachs an Finanzkraft

165

Allerdings können selbst aus derartigen Unternehmensverbindungen den beteiligten Unternehmen noch Wettbewerbsvorteile erwachsenl8 • Nach der hier vertretenen Auffassung werden diese allerdings nicht durch das Finanzkraft- sondern durch das Auffangkriterium "Verflechtung mit anderen Unternehmen" erfaßtl9 • Das Kammergericht schließt grundsätzlich die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch Finanzkraftzuwachs für den Fall aus, daß jedes der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen ohnehin in der Lage ist, jede wettbewerbliehe Situation mit eigenen Mitteln zu bewältigen!o. Aus verständlichen Gründen stieß diese Ansicht im Kartellamt!1 und bei der Monopolkommission22 auf eindeutige Ablehnung; bedeutet sie doch nichts Geringeres als eine faktische Freistellung bereits finanzstarker Unternehmen von der Zusammenschlußkontrolle. Die These des Kammergerichts ist geeignet, den wichtigsten Zweck der Fusionskontrolle zu vereiteln, ja den Sinn des Gesetzes in sein Gegenteil zu verkehren, da sie gerade diejenigen Machtpositionen privilegiert, die mit der Fusionskontrolle in erster Linie erfaßt werden sollten23 . Der Einwand des Kammergerichts, daß sich das Gesetz nicht gegen Unternehmensgröße an sich wendet24, kann nur teilweise seinen Standpunkt rechtfertigen. Zunächst muß der Argumentation des Kammergerichts mit dem BGH26 entgegengehalten werden, daß im Rahmen einer Zukunftsbetrachtung die Notwendigkeit eines zusätzlichen Mittelbedarfs nicht allzeit und grundsätzlich als ausgeschlossen prognostiziert werden kann. Auch erscheint es richtiger, die Frage der Verstärkung in diesem Fall weniger von grundsätzlichen Erwägungen als vielmehr vom jeweiligen Ausmaß des Finanzkraftzuwachses abhängig zu machen. Mag die Verstärkungserwartung bei finanziell gesunden und starken Unternehmen auch durchaus streitig sein, wenn der Finanzkraftzuwachs angesichts des bereits bestehenden Finanzierungspotentials relativ gering erscheint, so wird man sicherlich bei einem Anwachsen der Finanzkraft um das Vier-, Fünffache28 und mehr zumindest aus der 18 19 20 !l 2!

23 !4 !5

!I

Vgl. oben, V. Kap., E. Vgl. ebd. Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1755). Vgl. WuW/E BKartA 1625 ff. (1629). Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 916. Vgl. oben, Anm. 21 und 22; s. auch Emmerich, AG 1977, S. 140. Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1755). Vgl. WuW/E BGH 1501 ff. (1509). So im Fall GKN/Sachs, (WuW/E BKartA 1625 ff. 1629)).

166

IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

Sicht der aktuellen und potentiellen Konkurrenten eine spürbare Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung nicht ernsthaft verneinen können27 • Der Finanzkraftzuwachs kann selbst für die MarktsteIlung eines Monopolisten von Bedeutung sein28 und ist durch die Fusionskontrolle zu unterbinden, wenn die Chance für ein Wiederaufleben des (erlahmten) Wettbewerbs unter veränderten Marktbedingungen sich noch mehr verschlechtert29 • Verstärkung und auch Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung können dann nicht angenommen werden, wenn bei realistischer Betrachtung nicht damit zu rechnen ist, daß das erwerbende Unternehmen das erworbene Unternehmen seiner umfassenden Geschäftspolitik einordnen wird. Ein derartiges Beispiel bildet die reine Finanzbeteiligung bzw. -diversifikation3o, bei der freies Kapital allein mit der Absicht, eine höchstmögliche oder möglichst stetige Kapitalrendite zu erzielen, aus Gründen der Kapitalanlage, Spekulation oder Risikostreuung in dementsprechend ausgewählte Branchen investiert wird. Als reine Finanzbeteiligung beurteilte das Kartellamt den Erwerb einer Schachtelbeteiligung der Commerzbank International an der Sachs AG31. Im Erwerb von 25,02 Ofo der Anteile (33,92 Ofo des stimmberechtigten Grundkapitals) an der deutschen Babcock-Gruppe durch den Iranischen Staat dürfte das Amt einen ähnlichen Fall gesehen haben, wenngleich die wettbewerbliche Unbedenklichkeit des Zusammenschlusses weitgehend darauf gestützt wurde, daß vom Iran als Minderheitsaktionär wegen fehlender Einflußmöglichkeiten keine ins Gewicht fallende Ressourcenverstärkung erwartet werden könne 32 • Diese Argumentation ist insofern zutreffend, als sie klarstellt, daß selbst reine Finanzbeteiligungen spätestens dann nicht mehr als wettbewerbsneutral behandelt werden können, wenn wesentliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung der Unternehmung bestehen. Zwangsläufig wird schon die Ausübung maßgeblicher Gesellscllafterrechte zur unmittelbaren Interessenverquickung und Einflußnahme bei der Unternehmenspolitik führen. 27 Wird in diesem Zusammenhang auf Wettbewerbswirkungen auf Drittmärkten verwiesen (vgl. Meinhold, S. 167), so ist dies sicherlich zutreffend. Im Rahmen der unstreitig einzelmarktbezogenen wettbewerblichen Wirkungsanalyse bei § 24 I GWB können diese allerdings keine Beachtung finden, soweit sie nicht auch auf die Situation am relevanten Markt einwirken. 28 Vgl. WuW/E OLG 1745 ff. (1754). 29 Vgl. Zwecksetzung der Fusionskontrolle oben, VI. Kap., A. sowie Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 30. 30 Vgl. dazu allgemein Sölter, in: Handbuch, S. 96 f. 31 Vgl. "Kartellamt: Sachs-Runde o. k.", in: FR vom 27. 11. 78, S. 20. 32 Vgl. TB des BKartA 1975, BT-Drucksache 7/5390, S. 36 f.; dazu Ebel, DB 1975, S. 2069 ff.; Meinhold, S. 171.

C. Verstärkung durch Ausschaltung potentieller Konkurrenz

167

Bei der Verflechtung von Banken mit bankfremden, häufig industriellen Unternehmen, die in der Bundesrepublik ein erhebliches Ausmaß erreicht hatS3 und als eine spezifisch deutsche Form der konglomeraten Konzentration bezeichnet werden kanns" ist fraglich, inwieweit überhaupt von reinen Finanzbeteiligungen gesprochen werden kann. Zwar dürfte ein derartiger Beteiligungserwerb grundsätzlich nicht mit der Absicht der Banken verbunden sein, sich industriell zu betätigen und unternehmerischen Einfluß auszuüben. Dies schließt allerdings Rückwirkungen auf die wirtschaftliche und wettbewerbliche Situation der Unternehmen nicht aus. Die Banken dürften zudem schon aus Gründen der Vermögensverwaltung daran interessiert sein, ihre Möglichkeiten zur unternehmerischen Einflußnahme und Mitwirkung (insbesondere in den Bereichen Investition und Finanzierung) auch wahrzunehmen31 •

c. Verstärkung durch Ausschaltung potentieller Konkurrenz Strukturelle Wettbewerbswirkungen konglomerater bzw. diversifizierender Zusammenschlüsse gegenüber dem potentiellen Wettbewerb können neben der Errichtung oder Erhöhung der Marktzutrittsschranken36 durch die unmittelbare Ausschaltung potentieller Konkurrenten37 entstehen. Die marktzutrittsbehindernden Auswirkungen konglomerater Konzentration wurden bereits eingehender Erörterungen unterzogen38 , die im Rahmen der Fusionskontrolle entsprechend herangezogen werden können. Im folgenden sollen Beweis- und Beurteilungsgesichtspunkte für den in § 22 I Nr. 2 GWB nicht ausdrücklich genannten 39 Fall einer marktstrukturellen Verschlechterung durch Verminderung der potentiellen Konkurrenten zusammengetragen werden. Während in der amerikanischen Fallpraxis durch Gericht und Antitrustbehörde dem Gesichtspunkt der Ausschaltung potentieller KonkurVgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 531 ff., 552 ff. Vgl. ebd., Tz. 7; Mestmäcker, Die Aussprache 1970, S. 67. 35 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 79, 569. Sie hält daher selbst schon Bankbeteiligungen an Nichtbanken in Höhe von 5 bis 10 Ufo für geeignet, wettbewerbspolitisch wesentliche Wirkungen herbeizuführen, und empfiehlt, dem durch spezielle Vorschriften im Rahmen der Konzentrationskontrolle Rechnung zu tragen (Tz. 552, 566 ff.). Vgl. dazu· Stellungnahme der BReg. zum Hauptgutachten, BT-Drucksache 8/702, Tz. 10 ff.; a. A. Rauschenbach, BB 1978, S. 1425 ff. 38 Vgl. oben, H. Kap., A. 1. 2. 37 Vgl. oben, I!. Kap., A. 1. 3. 38 Vgl. oben, V. Kap., F. 39 In diesem Zusammenhang ausdrücklich erwähnt wird die Problematik allerdings in der Begründung zum RegE (1971), BT-Drucksache VI/2520, S. 30. 33

34

168

IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

renten besondere, teilweise gar entscheidende Bedeutung beigemessen wurde40, liegen in der Bundesrepublik nur zum Fall "Erdgas Schwaben"41 und neuestens zum Fall "Veba/Bp"c2 entsprechende Erörterungen vor. I. Grundsätzliche 'Uberlegungen

Konglomerate Zusammenschlüsse führen zur Ausschaltung eines potentiellen Wettbewerbers, wenn ein Unternehmen durch externes Wachstum einen Markt betritt, auf dem es vorher als potentieller Konkurrent angesehen wurde. Die positive Kontrollfunktion des potentiellen Wettbewerbs entfällt, ohne daß die bei internem Eintritt zu erwartende Intensivierung des Wettbewerbs eintritt. In der Regel handelt es sich in diesen Fällen nicht um sogenannte rein konglomerate Fusionen, sondern vielmehr um Zusammenschlüsse im Grenzbereich zwischen horizontaler und diagonaler Konzentration43, insbesondere um die sich durch erhöhte Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen auszeichnenden Fälle der Produkt- und Markterweiterung. Zweifellos genügt für die Bejahung der Verstärkungserwartung im Sinne des § 24 I GWB nicht schon die vage Vermutung potentieller Wettbewerbsbeziehungen zwischen den am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen. Notwendig ist vielmehr eine aufgrund bestimmter Umstände erhöhte WahrscheinlichkeitC4, daß das außenstehende Unternehmen auch ohne den Zusammenschluß entweder intern oder durch den Erwerb eines marktschwachen Unternehmens ("toehold acquisition"C5) in den Markt eingedrungen wäre. Die bloße Verminderung potentieller Konkurrenz führt zudem keineswegs zwangsläufig zu wettbewerbsrelevanten Auswirkungen auf dem Markt. Hinzukommen müssen eine Reihe weiterer Faktoren, die im konkreten Fall die Wettbewerbswirksamkeit der strukturellen Veränderung erwarten lassen. 40 Vgl. die Erörterung derartiger Antitrustentscheidungen von Frankus, S. 79 ff.; Narver, S. 91 ff.; Markert, in: Wettbewerb im Wandel, S. 410 ff. 41 WuW/E BKartA 1647 ff. (1648 f.) und WuW/E OLG 1895 ff. (1899); vgl. auch WuW/E BKartA 1561 ff. (1569); im Fall GKN/Sachs (WuW/E BKartA 1625 ff.) wurde dieser Gesichtspunkt erstaunlicherweise überhaupt nicht angesprochen. Vgl. dazu WuW/E BGH 1501 ff. (1505); Böhlk I Schöppe, DB 1978, S. 1113; Emmerich, AG 1978, S. 121. 4! Beschluß des BKartA vom 27. 9. 78, AG 1978, S. 313 ff. 43 Vgl. Begründung zum RegE (197l), BT-Drucksache VI/2520, S. 30. " Vgl. Markert, in: Wettbewerb im Wandel, S. 418 ff.; Schmidbauer, S. 237, Anm.3. 45 Vgl. oben, 11. Kap., B. 11. In diesem Fall besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, daß die nachteiligen Auswirkungen auf den potentiellen Wettbewerb durch eine zu erwartende Intensivierung des aktuellen Wettbewerbs aufgewogen werden (§ 24 I 2. HS GWB).

C. Verstärkung durch Ausschaltung potentieller Konkurrenz

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Potentieller Wettbewerb kann, wie die Drohwirkung der Finanzkraftt8 , zutreffend nur aus der Sicht der Wettbewerber beurteilt wer'dent7 • Maßgeblich ist daher, ob diese bei vernünftiger Würdigung aller wesentlichen Umstände mit einem Markteintritt des Unternehmens rechnen konnten. U. Beurteilungsgesichtspunkte

1. Potentielles Wettbewerbsverhältnis Die Untersagung eines Zusammenschlusses wegen Ausschaltung potentieller Konkurrenz kommt zunächst nur in Betracht, wenn sich (die) daran beteiligte(n) Unternehmen bisher als potentielle Konkurrenten gegenüberstanden und die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts auch auf andere Weise als durch diese Fusion bestand. Wie bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt48 , wird diese Wahrscheinlichkeit maßgeblich durch den Grad der Markteindringungsfähigkeit und der -willigkeit des Unternehmens bestimmt. Das Unternehmen muß nach seinen zur Verfügung stehenden Ressourcen überhaupt in der Lage sein, die bestehenden Marktschranken zu überwinden und eventuell zu erwartenden Abwehrkämpfen entgegenzuwirken. Zweifellos sind es gerade große diversifizierende Unternehmen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz in besonderem Maße zum Zutritt auf anderen Märkten befähigt sind49 • Abgesehen von dem regelmäßig erhöhten Fähigkeitsniveau des Unternehmens durch hohe Ressourcen, Ressourcenflexibilität, Risikoabsorptionsfähigkeit und Informationskapazität50 wird die Eintrittsfähigkeit um so höher sein, je größer der Verwandtschaftsgrad zwischen dem bisherigen und dem neuen Wirtschaftsbereich ist61 • Der objektive Nachweis, daß das außenstehende Unternehmen zum internen Markteintritt in der Lage war, ist allein noch nicht geeignet, die notwendige Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts zu begründen. Dazu ist weiterhin erforderlich, daß aufgrund bestimmter Umstände dem Unternehmen eine gewisse subjektive Bereitschaft am Marktzugang unterstellt werden kann - beispielsweise aufgrund der besonderen Attraktivität des Marktes (hohe Gewinn-, Wachstumschancen etc.), der bisherigen Marktentwicklung oder dem bisherigen Expansionsstreben der UnternehmungS!. Vgl. oben, V. Kap., C. IV. 2. b). Vgl. Markert, in: Wettbewerb im Wandel, S. 418. 48 Vgl. oben, V. Kap., F. III. 2. und 3. 41 Vgl. oben, V. Kap., F., Anm. 35. 50 Dazu schon oben, V. Kap., F. III. 2. 11 Vgl. Gieskes, S. 124; Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 138. 11 Vgl. oben, V. Kap., F. III. 3.; s. auch Merger Guidelines, abgedruckt (Original u. Übersetzung), in: WuW 1969, S. 107 f., Nr. 18. 48 47

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IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

2. Wettbewerbsverhältnisse auf dem relevanten Markt Die Ausschaltung eines solchermaßen identifizierten potentiellen Wettbewerbers durch den Zusammenschluß ist nur auf vermachteten, stark konzentrierten Märkten geeignet, den Wettbewerb wirksam zu beeinflussenll3 • Zeichnet sich der Markt indessen durch hohe Wettbewerbsintensität und kompetitive Marktstrukturen aus, so kommt dem potentiellen Wettbewerb allenfalls geringe Bedeutung zu; der Verlust eines potentiellen Konkurrenten fällt nicht ins Gewicht. Ein bedeutsamer Einfluß auf den Wettbewerb entfällt ebenfalls, wenn der Marktzutritt leicht ist, und eine Vielzahl weiterer vergleichbarer Unternehmen als Neukonkurrenten in Betracht kommenll4 • Denn auch nach dem Zusammenschluß bleibt die Kontrollfunktion des potentiellen Wettbewerbs weiterhin bestehen. Anders verhält es sich jedoch, wenn relativ hohe Marktzutrittsschranken bestehen. Die Wettbewerbswirksamkeit der strukturellen Veränderung liegt auf der Hand, wenn es sich bei dem Unternehmen um den einzigen in Frage kommenden potentiellen Konkurrenten handelt.

D. Verstärkung durch erhöhte Reziprozitätsmöglichkeiten Die Möglichkeiten zur Aufnahme wechselseitiger Lieferbeziehungenll5 erhöhen sich mit der zunehmenden Diversifizierung des Unternehmens. Diversifizierende Zusammenschlüsse fördern daher grundsätzlich die Herausbildung reziprozitätsgeeigneter Unternehmensstrukturen. Ihre Untersagung wegen Verstärkung einer marktbeherrschendenSteIlung nach § 24 I GWB kommt in Betracht, wenn sie für die beteiligten Unternehmen den Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten nach § 221 Nr. 2 GWB erheblich verbessernll6 • Im offensichtlichen Gegensatz zur Antitrustrechtsprechung in den USAII7 wurden in der deutschen Fallpraxis zu diesem Beurteilungs53 Vgl. Petry, in: Schmollers Jahrbuch 1970, S. 554; Markert, in: Wettbewerb im Wandel, S. 419. 54 Vgl. Scl1midbauer, S. 237; Gieskes, S. 120. Diesen Gesichtspunkt beachten nicht: Böhlk I Schöppe,DB 1978, S. 1113; Emmerich, AG 1978, S. 121. 55 Vgl. oben, 11. Kap., A. 11. 3. und V. Kap., D. IV. 58 Es ist eine Frage der wirtschaftlichen Bewertung, welchen der sich gegenseitig ergänzenden und überschneidenden Kriterien der "überragenden MarktsteIlung" man Reziprozitätspraktiken zuordnen will. Für die hier vertretene Auffassung spricht, daß eine derartige Marktstrategie primär als ein Mittel der Absatz- oder Beschaffungspolitik anzusehen ist. A. A. Woedtke, S. 172 ff., der sie unter "Marktzutrittsschranken" subsumiert und earl, S. 134 f., der sie mit dem Verflechtungskriterium erfassen will. 57 Vgl. die Fallerörterungen von Frankus, S. 70 ff.; Emrich, S. 103 ff.; Schmidt, 1., Wettbewerbspolitik, S. 149 ff.

D. Verstärkung durch erhöhte Reziprozitätsmöglichkeiten gesichtspunkt - soweit ersichtlich gendwelche Feststellungen getroffen.

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bisher noch in keinem Fall ir-

I. Grundsätzlidte Uberlegungen

Die Gefahr von Reziprozitätspraktiken wird keineswegs von allen Arten konglomerater Zusammenschlüsse in gleichem Maße ausgelöst. Besonders reziprozitätsverdächtige Konstellationen ergeben sich in den Fällen der externen vertikalen Diversifikation, insbesondere bei Marktverkettungszusammenschlüssen68 • Werden durch einen solchen Unternehmenszusammenschluß die zur Aufnahme reziproker Beziehungen notwendigen Strukturen geschaffen, weil eines der beteiligten Unternehmen entweder (potentieller) Lieferant eines Lieferanten oder (potentieller) Kunde eines Kunden eines anderen beteiligten Unternehmens ist, so kann dies allein noch nicht eine Untersagun~ rechtfertigen. Ob im konkreten Einzelfall die reale Möglichkeit besteht, wechselseitige Lieferbeziehungen als Mittel der Absatz- bzw. Beschaffungspolitik einzusetzen, kann erst anhand (1.) der konkreten Wettbewerbsverhältnisse, (2.) der Produkteigenschaft und (3.) der Organisationsstruktur des Unternehmens entschieden werden. Bestimmte Umstände, welche die Entstehung wechselseitiger Lieferbeziehungen in der derzeitigen Phase der Marktentwicklung begünstigen könnten6', brauchen darüber hinaus im Rahmen der zukunftsbezogenen Betrachtungsweise bei der Fusionskontrolle nicht aufgezeigt zu werden. Es ist weder erforderlich, daß die Auswirkungen der strukturellen Veränderung alsbald, noch daß sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. D. Beurteilungsgesichtspunkte

Zur Verdeutlichung der Problematik sei zunächst der Modellfall eines Marktverkettungszusammenschlusses dargestellt: Das Unternehmen A verkauft Produkte auf dem Markt I, die das Unternehmen l3 benötigt. Unternehmen B ist zugleich Anbieter von Produkten, die das Unternehmen C auf dem Markt 11 kauft. Schließen sich nun die Unternehmen A und C zusammen, so entsteht grundsätzlich die Möglichkeit, daß Unternehmen B sich veranlaßt sieht, im Hinblick auf den eigenen Absatz, seinen Bedarf zukünftig beim Konglomerat AC zu decken bzw. im Hinblick auf die eigene Beschaffung, zukünftig AC vorzugsweise zu beliefern. &8 &8

Vgl. oben, I. Kap., B. 11. 2. Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 148 f.; Böhnke, S. 231.

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IX. Kap.: Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

Derartige Gegenseitigkeitsgeschäfte können durch die stillschweigende oder offene übereinkunft zwischen den Parteien begründet, durch die einseitige Entschließung des B veranlaßt oder durch einseitigen unmittelbaren Druck erzwungen werden. Abgesehen von der bloßen Freundschaftsreziprozität können sie in allen Fällen nur unter folgenden Voraussetzungen entstehen60 :

1. Wettbewerbsverhältnisse Unter den Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs sind Gegenseitigkeitsgeschäfte nicht geeignet, einen ökonomischen Vorteil der beteiligten Unternehmen zu begründen. Absatz und Bedarf können zum jeweils gleichen Preis bei anderen Marktteilnehmern sichergestellt werden. Reziprozität kann daher nur unter den Bedingungen eines monopolistischen, oligopolistischen oder sonstwie verrnachteten Wettbewerbs zu einem wettbewerbswirksamen Mittel der Absatz- oder Beschaffungspolitik werden. Im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten bedeutet dies: Das Konglomerat AC muß entweder das einzige Unternehmen sein, das gegenüber B auf Markt I als Anbieter und auch Markt 11 als Nachfrager auftritt, oder es muß zumindest auf Markt 11 führender Abnehmer sein, der einen beträcl1tlichen Teil der Nachfrage auf sich vereinigt. Nur bei erheblicher Nachfragemacht auf Markt 11 kann AC das Unternehmen B veranlassen, seinen Bedarf ausschließlich oder vorzugsweise bei AC zu decken. Nur dann besteht für B Anlaß, AC als Lieferant zu bevorzugen, um den eigenen Absatz an AC zu sichern oder nicht zu gefährden. Kann B jederzeit zu gleich günstigEm Bedingungen auf einen anderen Abnehmer ausweichen, so besteht kein Raum für Gegenseitigkeitsgeschäfte, die den Zugang des diversifizierten Unternehmens zum Absatzmarkt I verbessern könnten.

2. Eigenschaft, Preis und Qualität des Produktes Neben wettbewerblichen Unvollkommenheiten auf den Märkten ist erforderlicl1, daß die Produkte und D~enstleistungen des infolge der Fusion vergrößerten Angebots bzw. der erweiterten Nachfrage überhaupt zur Aufnahme wechselseitiger Lieferbeziehungen benutzt werden können. 80 Vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 151 ff.; ders., ZHR 136 (1972), S. 263 ff.; ders., WuW 1972, S. 573; Frankus, S. 68 f.

D. Verstärkung durch erhöhte Reziprozitätsmöglichkeiten

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Im Hinblick auf den Absatzmarkt setzt dies voraus, daß das von AC auf Markt I angebotene Produkt im Vergleich zu dem der Konkurrenten möglichst gleichartig und gleichwertig ist. Bei bedeutenden Abweichungen der spezifischen Eigenschaften81 oder erheblichen qualitativen Nachteilen62 gegenüber Konkurrenzprodukten oder bestehenden Substitutionsmöglichkeiten kommen Gegenseitigkeitsgeschäfte kaum in Betracht. Das gleiche gilt für das Angebot von AC in preislicher Hinsicht6s• Die Höhe des Preises für das Produkt oder die Dienstleistung darf nicht völlig aus dem marktüblichen Rahmen fallen. Die für B zu erwartenden Nachteile durch die Bedarfsdeckung bei AC müssen zu den erhofften Vorteilen eines gesicherten Absatzes in einem angemessenen (bei Freiwilligkeit), zumindest jedoch ertragbaren Verhältnis (bei Druckausübung) stehen.

3. Organisationsstruktur In der amerikanischen Fallpraxis der Fusionskontrolle konnten sich die betroffenen Unternehmen gegen die von den Antitrustbehörden behauptete Gefahr wechselseitiger Lieferbeziehungen in mehreren Fällen durch den bloßen Hinweis auf ihre divisionale Unternehmensorganisation erfolgreich verteidigen64 • Zweifellos ist die Durchsetzung reziproker Geschäftsbeziehungen in Unternehmen mit divisionaler Aufbauorganisation und der Bildung eigenverantwortlicher "profit center", die regelmäßig über separate Verkaufs- und Einkaufsabteilungen verfügen, ungleich schwieriger als in Unternehmen mit funktionaler Organisationsform65 • Sind bei Divisionalisierung die Neigung und damit die Möglichkeit zu Reziprozitätsbeziehungen auch relativ schwach ausgeprägt, so kann dennoch der Einsatz dieser Marktstrategie für die Zukunft nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Trotz möglicherweise unterschiedlicher Interessenlage der einzelnen "divisions" wird die Unternehmensführung bei entsprechender Gewinnerwartung für das Gesamtunternehmen regelmäßig auch in der Lage sein, im Wege der Konzernsteuerung eine einheitliche Marktstrategie durchzusetzen. Die Frage der Verstärkungserwartung nach § 24 I i. V. m. § 22 I Nr. 2 GWB wird daher unter der Voraussetzung, daß sich das Produkt und 11 Vgl. die Erörterung von Fällen aus der Antitrustrspr. von Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 154 ff. 62 Vgl. Woedtke, S. 174; Schumacher, Diversifikation, S. 147. 13 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 147. U Vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 158, Anm. 126. 16 Vgl. Schumacher, Diversifikation, S. 149 f.

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dessen Preis für reziproke Beziehungen eignen, um so eher zu bejahen sein, je größer die Nachfragemacht des fusionierten Unternehmens und je höher das für Gegengeschäfte anfällige Nachfragevolumen auf dem reziprozitätsbegünstigten Markt ist".

e. Vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 162.

Ergebnis und IV. Kartellgesetznovelle Bereits im Jahre 1976 - knapp 3 Jahre nach Inkrafttreten der 11. Kartellgesetznovelle - sah sich die Bundesregierung aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit der Anwendung des Kartellgesetzes dazu veranlaßt, sich im Rahmen einer erneuten (IV.) Gesetzesnovellierung mit der Verbesserung der Fusionskontrolle und der Mißbrauchs aufsicht zu beschäftigen1 • Entscheidende Ursache war, daß trotz des 1973 eingeführten Marktbeherrschungstatbestandes "überragende Marktstellung" eine sachgerechte Erfassung konglomerater Wirtschaftsrnacht, insbesondere bei der Fusionskontrolle nur unzulänglich erfolgte!. Seither steht zur Diskussion, ob die angestrebte Gleichbehandlung aller Erscheinungsformen wirtschaftlicher Macht eher durch eine sog. Ergänzungsnovelle, die gezielt bestehende Schwierigkeiten bei der Gesetzesanwendung beseitigt, oder durch eine grundlegende Änderung des Konzepts der Fusionskontrolle und Mißbrauchsaufsicht erreicht werden kann. Das Bundeskartellamt3 sprach sich bereits frühzeitig für eine Neukonzeption aus und schlug vor, die Fusionskontrolle vom Marktbeherrschungsbegriff des § 22 I GWB abzukoppeln und bei den Untersagungsvoraussetzungen im Wege einer Generalklausei auf eine "wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen" abzustellen. Diese Formulierung soll "eine konsequent wettbewerbsbezogene, aber nicht nur auf den Einzelmarkt abstellende Betrachtungsweise gewährleisten"4 und klarstellen, daß sich das Eingreifkriterium in § 24 I GWB nur an der Struktur orientiert5 • 1 Vgl. Regierungserklärung vom 16. 12. 1976, Stenograph. Berichte des Deutschen Bundestages, 8. Wp., 5. Sitzung, S. 35. t Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 125, 911 ff.; Stellungnahme der BReg. dazu, BT-Drucksache 81702, Tz. 49 ff.; Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 13. S Vgl. Formulierungsvorschläge zur IV. Kartellgesetznovelle, I B 5/1 B 6 221357/58, Anlage; TB des BKartA 1976, BT-Drucksache 8/704, S. 20 f. und 1977, BT-Drucksache 8/1925, S. 19; so ähnlich schon Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, S. 394; zustimmend Schmidt, 1., Wirtschaftsdienst 1978, S. 71; Böhlk I Schöppe, DB 1978, S. 1114; Ramrath, S. 124 ff. 4 TB des BKartA 1976, BT-Drucksache 81704, S. 20 f. 5 Vgl. Schmidt, 1., Wirtschaftsdienst 1978, S. 71.

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Der auch von vielen Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlern6 unterstützte Vorschlag einer Abkopplung von der Marktbeherrschungsdefinition erscheint jedoch aus einer Reihe von Gründen nicht geeignet, die wettbewerbsrechtliche Problematik zu lösen. Denn der Grund für die bisherige Wirkungslosigkeit der Fusionskontrolle gegenüber konglomerater Konzentration beruht weit weniger auf Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts, als vielmehr auf dessen restriktiver und teilweise verfehlter Interpretation, auf praktischen Anwendungsschwierigkeiten7 sowie auf vielfältigen politischen Hemmnissen8 bei der konsequenten und vollen Anwendung der gesetzlichen Bestimmungenll• Bisher bestehende Konkretisierungsschwierigkeiten bei der Anwendung des Gesetzes werden durch die vorgeschlagene Eingreifvoraussetzung weder beseitigt noch vermindert. Im Gegenteil, der neue Tatbestand knüpft an noch unbestimmteren Kriterien an und dürfte geeignet sein, den Auslegungsstreit nicht nur erneut zu entfachen, sondern zusätzlich zu verschärfen. Die bisher erreichte Rechtsklärung für eine effektivere Fusionskontrolle könnte wiederum in Frage gestellt werdenlo • Die Kalkulierbarkeit zukünftiger Entscheidungen für die Wirtschaft würde weiter eingeschränkt, da der Entscheidungsspielraum des Kartellamtes noch unbestimmter und eine richterliche Nachprüfung der Eingreifvoraussetzungen noch weniger möglich istl l • Alles deutet darauf hin, daß die Schwächen des geltenden Rechts sich im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justiziabilität noch verstärken würden. Zudem leuchtet nicht ein, worin der eigentliche Fortschritt dieses Vorschlags für die Wettbewerbspolitik liegt. Eine "wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen" dürfte regelmäßig nur vor• Eine weit überwiegende Mehrheit des Arbeitskreises Kartellrecht beim BKartA sprach sich in der Sitzung vom 26./27.9.1977 für die sog. Abkopplungslösung aus. Vgl. auch oben, Anm. 3. 1 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten II, Tz. 97, 476. 8 Vgl. etwa die Entscheidungen des Bundesministers für Wirtschaft in den Fällen "Veba/Gelsenberg" (WuW/E BWM 147 ff.), "Babcock/Artos" (AG 1977, S. 21 f.) oder die des BKartA in den Fällen "Karstadt/Neckermann" (TB 1976, S. 79 ff.), "WAZ/NRZ" (TB 1975, S. 42 f.). • Vgl. Emmerich, AG 1978, S. 126. 10 So wohl auch die Befürchtungen von Baur/Ehlers, WuW 1977, S. 691. 11 Vgl. Stellungnahme der BReg. zum TB des BKartA 1977, BT-Drucksache 8/1925, S. II.; Mestmäcker, FAZ vom 24.6.1978, S. 13; Monopolkommission, Hauptgutachten II, Tz. 477; wohl überzogen ist die Kritik von Harms, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1976177, S. 73 ff.

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liegen, wenn durch den Zusammenschluß gemäß § 24 I i. V. m. § 22 I GWB eine marktbeherrschende Stellung begründet 'oder verstärkt wird!!. Die Ausführungen in Teil 2 und 3 haben gezeigt, daß die Marktbeherrschungsdefinition "überragende MarktsteIlung" nach § 22 I Nr. 2 GWB auf der Grundlage eines modüizierten Marktmachtkonzepts13 die strukturorientierte Erfassung wirtschaftlicher Macht!· erlaubt. Die Kriterien der überragenden MarktsteIlung sind geeignet, die Fälle der konglomeraten bzw. diversüikativen Konzentration und ihre Wettbewerbswirkungen sowohl im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht als auch der Fusionskontrolle effektiv zu erfassen15• Beiden Verfahrensarten liegt ein einheitlicher Marktbeherrschungsbegriff zugrunde18• Die dem Begriff "überragende Marktstellung" zugrundeliegende Betrachtungsweise, die nicht auf das Marktverhalten, sondern auf einen durch ungleichgewichtige Marktstrukturen eröffneten Verhaltensspielraum abstellt, gewährleistet den im Rahmen der Fusionskontrolle zwingend notwendigen Marktstrukturansatz17, ohne im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht die Gefahr einer übermäßigen Wirtschaftskontrolle heraufzubeschwören18• Das wettbewerbliche Instrumentarium gestattet bei voller Anwendung und Ausschöpfung damit durchaus eine konsequente Wettbewerbspolitik gegenüber allen Erscheinungsformen wirtschaftlicher Macht. Wenn auch die bisherigen Erfahrungen, insbesondere mit der Fusionskontrolle, die erhofften wettbewerbspolitischen Erwartungen nicht erfüllten, so besteht doch für eine völlige Neustrukturierung des § 24 GWB kein Anlaß. Auch im Hinblick auf die teilweise restriktive Norm.interpretation durch die Gerichte ist eine Neukonzeption nach so kurzer Zeit der Bewährung nicht gerechtfertigt. Richtiger erscheint es, die Gerichte Vgl. Meinhold, S. 212. Vgl. oben, IV. Kap., C. III. 14 Vgl. oben, IV. Kap., D. II. 16 Vgl. oben, V. Kap., VIII. und IX. Kap. 11 Eine verbreitete andere Ansicht nimmt trotz des völlig eindeutigen Wortlauts des § 22 I GWB ("marktbeherrschend im Sinne dieses Gesetzes") eine unterschiedliche Begriffsdefinition vor. Vgl. WuW/E BKartA 1657 ff. (1664), allerdings in Reaktion auf die mehrdeutige Entscheidung des BGH im Fall "Vitamin-B-12" (WuW/E BGH 1435 ff. [1439]); Lanzenberger, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1975/76, S. 60 f.; Niederleithinger, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1974/75, S. 76; Langen 1 Niederleithinger 1 Schmidt, § 24, Rdnr. 5 f.; Emmerich, AG 1978, S. 87. 17 Vgl. oben, VI. Kap., A. 18 Vgl. oben, IV. Kap., D. II. 3. b) ce). 12

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12,Tünpt

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über einen längeren Zeitraum hinweg mit dem unverändert bleibenden Gesetz arbeiten zu lassen, und sie so zu zwingen, im Wege der am Gesetzeszweck orientierten Auslegung, möglichst nahe an die 'Ziele des Gesetzgebers heranzukommen19 . Wie gerade die jüngsten höchstrichterlichen Entscheidungen zum Marktbeherrschungsbegriff und zur Fusionskontrolle in den Fällen "Valium/Librium"20 und "GKN/Sachs"21 zeigen, erweist sich mangelndes Vertrauen in die Rechtsprechung als ungerechtfertigt. Dies bedeutet allerdings nicht, daß sich auch jede Ergänzung des geltenden Rechts erübrigt. Die unbefriedigenden Erfahrungen mit der Erfassung konglomerater Konzentration sind offensichtlich auf bestehende Anwendungsschwierigkeiten zurückzuführen. Eine struktur-, insbesondere ressourcenorientierte Betrachtungsweise stellt die Kartellbehörden und Gerichte· bei der Umsetzung in die Praxis vor außerordentliche Schwierigkeiten, weil es keine generell anerkannten Grundsätze gibt und das Gesetz beweiserleichternde Vermutungen ausschließlich für die Marktanteilsbetrachtung bereithält. Wenn in Zukunft eine asymmetrische Behandlung der verschiedenen Erscheinungsformen wirtschaftlicher Macht verhindert werden soll, ist die Einführung analoger Vermutungstatbestände, die den rechtsanwendenden Instanzen konkrete Anhaltspunkte bei der Entscheidungsfindung liefern, unumgänglich22 . Die Vermutungen erweisen sich auch deshalb sinnvoll und unerläßlich, weil sie zugunsten der Rechtssicherheit die Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entscheidungen erhöhen und die Unternehmen in die Lage versetzen, selbst abzuschätzen, wann mit einem Kontrollverfahren zu rechnen ist. Nur unter diesen Voraussetzungen wird das wettbewerbliche Instrumentarium eine positive konzentrations- und mißbrauchshemmende Vorfeldwirkung ausüben können. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur IV. Kartellgesetznovelle 23 trägt dem - allerdings nur im Rahmen der Fusionskontrolle - Rechnung und sieht einen neuen § 23 a mit widerleglichen Vermutungen, die Unternehmensgröße mit Marktstärke kombinieren, speziell für konglomerate (und vertikale) Zusammenschlüsse vor. Damit sollen 19 Vgl. Gutzier, FR vom 5. 4. 1978, S. 13. 20 WuW/E BGH 1445 ff. 21 WuW/E BGH 1501 ff. 22 Vgl. Veltrup, in: Wettbewerb im Wandel, S. 217 ff.; auf die Fusionskontrolle beschränkt: Monopolkommission, Hauptgutachten I, Tz. 951 ff. (952, 957, 960); zustimmend Stellungnahme der BReg. dazu, BT-Drucksacile 81702, Tz. 50ff.; Schmidt, 1., Wirtschaftsdienst 1978, S. 72; Emmerich, AG 1978, S.91; Krahnen, F AZ vom 24. 6. 1978, S. 13. 23 RegE 1978, BT-Drucksache 8/2136, S. 4 f.

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den rechtsanwendenden Instanzen konkrete Beurteilungskriterien für die kritischen Fälle an die Hand gegeben werden, die durch das Auftreten von Großunternehmen auf mittelständischen Märkten (I Nr. 1 a), durch Kombination von Größe und Marktbeherrschung (I Nr. 1 b) oder durch sehr große Finanzkraft (I Nr. 2) gekennzeichnet sind. Eine weitere Vermutung sieht Abs. 2 im Hinblick auf den Innenwettbewerb in engen Großoligopolen vor. Obgleich die disproportionale, nach außen sichtbar werdende Unternehmensgröße an sich zu erheblichen Wettbewerbswirkungen führen kann24 , ist nicht unbedenklich, daß die anhand der Umsatzerlöse ermittelte absolute Unternehmensgröße ein entscheidendes Vermutungskriterium darstellt. Wird indessen behauptet, daß der vorgesehene § 23 a RegE einer materiellen Rechtsänderung gleichkommt25 und teilweise auf ein Fusionsverbot hinausläuft28, so dürfte diese Ansicht die rechtliche Bedeutung der widerleglichen Vermutungstatbestände verkennen. Die Tätigkeit der Kartellbehörde beschränkt sich jedenfalls nicht allein darauf, die Voraussetzungen der Vermutung nachzuweisen. Nach wie vor bleibt der Markt- und Wettbewerbsbezug der Finanzkraft und der übrigen Kriterien des § 22 I Nr. 2 GWB erhalten und ist deren potentielle Wettbewerbswirksamkeit im Rahmen der Fusionskontrolle darzutun. Eine die konkreten Marktverhältnisse ignorierende Verabsolutierung der Umsatzgröße ist mit den Vermutungen nicht verbunden27 • Da unter Verwendung quantitativer Kriterien zudem nur bestimmte wirtschafts- und gesellschaftspolitisch bedeutsame Zusammenschlüsse erfaßt werden sollen28, sind die Novellierungsvorschläge im Interesse einer erhöhten Praktikabilität und Effizienz der Fusionskontrolle als dringend notwendige, "sachgemäße Weiterentwicklung des geltenden Rechts"2' zu begrüßen. Die Bundesregierung beschränkt die Anwendung der Vermutungen des § 23 a RegE eindeutig auf die Zusammenschlußkontrolle, weil ihr im Rahmen der gegenwartsbezogenen Verhaltenskontrolle der generalisierte Rückschluß von disproportionaler Unternehmensgröße auf !4 Vgl. die Ausführungen zum Droh- und Abschreckungseffekt der Finanzkraft, V. Kap., C. IH. 2. und IV. 2. b). 25 Vgl. Stellungnahme des BR zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 35, in der die ersatzlose Streichung des § 23 a RegE gefordert wird. 21 Vgl. Kaiser, WuW 1978, S. 344; s. auch Bechtold, BB 1978, S. 566; Harms, in: Schwerpunkte des Kartellrechts 1976/77, S. 73; Lieberknecht, FAZ vom 24.6.1978, S. 13; Schütz, DB 1979, S. 198 f.; Waigel, WuW 1979, S. 371 f. !7 Vgl. Gegenäußerung der BReg., BT-Drucksache 8/2136, S. 38. 28 Vgl. Begründung zum RegE (1978), BT-Drucksache 8/2136, S. 13. !I Monopolkommission, Hauptgutachten H, Tz. 466, 92; kritisch: Nagel, DB 1979, S. 1021 ff.; Ramrath, S. 115 ff. (119 ff.).

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aktuelle Marktbeherrschung nicht im erforderlichen Maße gesichert erscheint30 • Wenngleich eine entsprechende Anwendung daher nicht in Frage kommt, so dürften die Vermutungen - im Falle ihrer Verabschiedung - dennoch eine gewisse Rückkopplung auf die strukturorientierte Feststellung der Marktbeherrschung im Mißbrauchsverfahren erlauben und entscheidungserleichternde Anhaltspunkte liefern.

so Vgl. Stellungnahme der BReg. zum Hauptgutachten I, BT-Drucksache 8/702. Tz. 54.

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Anlage,

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200

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