Marketing im Kulturbetrieb: Zur Konzeption des Marketing im Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität [1. Aufl.] 978-3-658-26734-6;978-3-658-26735-3

In diesem Buch wird die Konzeption eines kulturbetriebsspezifischen Marketing vorgestellt. Sie verdichtet und systematis

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German Pages XI, 405 [412] Year 2019

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Marketing im Kulturbetrieb: Zur Konzeption des Marketing im Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität [1. Aufl.]
 978-3-658-26734-6;978-3-658-26735-3

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb (Nils H. Gröppel)....Pages 1-23
Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene (Nils H. Gröppel)....Pages 25-64
Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing (Nils H. Gröppel)....Pages 65-153
Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft (Nils H. Gröppel)....Pages 155-307
Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis? (Nils H. Gröppel)....Pages 309-342
Back Matter ....Pages 343-405

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Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung

Nils H. Gröppel

Marketing im Kulturbetrieb Zur Konzeption des Marketing im Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität

Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung Reihe herausgegeben von Carsten Winter, Hannover, Deutschland Martin Lücke, Berlin, Deutschland Matthias Rauch, Ludwigshafen, Deutschland Peter Tschmuck, Wien, Österreich

Die neue Reihe Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung [MMF] ist programmatisch explizit überdisziplinär angelegt. Die Bände diskutieren Musikkultur und Musikwirtschaft als „Laboratorien“ unserer Kultur und Wirtschaft, in deren komplexen Zusammenhängen Leute neue Lebensweisen und UnternehmerInnen u.a. neue Geschäftsmodelle und Formen der Schöpfung von kulturellen, sozialem und ökonomischem Kapital innovieren. Die Reihe publiziert aktuelle Forschung sowie historische und systematische Studien und ist dabei fachlich, theoretisch und methodisch offen für Beiträge, die auch jenseits der Kultur- und Wirtschaftswissenschaften empirisch und konzeptuell zu einem Verständnis von Musikkultur und Musikwirtschaft beitragen z.B. mit Blick auf ihre rechtlichen, ästhetischen oder politischen, medialen oder auch ethischen Bedingungen und Voraussetzungen.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15572

Nils H. Gröppel

Marketing im Kulturbetrieb Zur Konzeption des Marketing im Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität

Nils H. Gröppel Wien, Österreich Dissertation, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2017

ISSN 2569-1430 ISSN 2569-1422  (electronic) Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung ISBN 978-3-658-26734-6 ISBN 978-3-658-26735-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb............................................................ 1 1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“ ............................................. 3 1.2 Ziel und Forschungsansatz der Arbeit .................................................. 15 1.3 Struktur der Arbeit ................................................................................ 20 2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene ...... 25 2.1 Abwägung der Ziele ............................................................................. 26 2.1.1 Verhältnis von Wissenschaft und Praxis ...................................... 27 2.1.2 Mögliche Transferprobleme ......................................................... 31 2.2 Konkretisierung des Objektbereichs ..................................................... 34 2.2.1 Entwicklungspfad des Marketing ................................................. 35 2.2.2 Modell der Austauschprozesse ..................................................... 49 2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen ........................................ 54 2.3.1 Neoklassik .................................................................................... 57 2.3.2 Neue Institutionenökonomik ........................................................ 59 2.3.3 Verhaltenswissenschaft ................................................................ 62 3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing .............................................. 65 3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs ................................................... 66 3.1.1 Sektoraler Ansatz ......................................................................... 66

VI

Inhaltsverzeichnis 3.1.2 Konkretisierung der Relevanz der Kultur ..................................... 70 3.1.2.1 Begriff der Kultur ............................................................. 71 3.1.2.2 Gestalten und Merkmale der Kultur .................................. 79 3.2 Ableitungen der inneren Gestalt ........................................................... 85 3.2.1 Kollektiver Wert........................................................................... 86 3.2.2 Thesen zum Nachfrager ............................................................... 94 3.2.2.1 Orientierung als grundlegendes Bedürfnis ........................ 94 3.2.2.2 Kontextualisierung des Bedürfnisses .............................. 100 3.2.3 Thesen zum Anbieter ................................................................. 104 3.2.3.1 Marktorientierung als Leitgedanke ................................. 105 3.2.3.2 Abgrenzung des Markts .................................................. 111 3.2.3.3 Strategische Marktbearbeitung ....................................... 117 3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt ......................................................... 123 3.3.1 Symbolhafte Repräsentation....................................................... 123 3.3.2 Medialer Träger .......................................................................... 127 3.3.3 Thesen zur Leistung ................................................................... 131 3.3.3.1 Informationsgut als Austauschobjekt .............................. 131 3.3.3.2 Typologische Vorgehensweise........................................ 135 3.3.4 Thesen zur Gegenleistung .......................................................... 141 3.3.4.1 Aufmerksamkeit als Bereitschaft zur Rezeption ............. 141 3.3.4.2 Überwindung der Undurchschaubarkeit.......................... 145 3.4 Zwischenfazit...................................................................................... 151

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft ....... 155 4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs ................................................. 156

Inhaltsverzeichnis

VII

4.1.1 Branchenspezifischer Ansatz ..................................................... 156 4.1.2 Repräsentation des Kulturbetriebs.............................................. 159 4.1.2.1 Kultur als Wirtschaftszweig ............................................ 160 4.1.2.2 Fallstudienartige Vorgehensweise .................................. 170 4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens ................................... 179 4.2.1 Struktur der Musikwirtschaft...................................................... 179 4.2.2 Austauschprozesse mit Musikaufnahmen .................................. 190 4.2.3 Umwelt der Austauschprozesse.................................................. 199 4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen ......................... 208 4.3.1 Gesetze und Regelungen ............................................................ 209 4.3.2 Technologie ................................................................................ 213 4.3.3 Industriestruktur ......................................................................... 220 4.3.4 Thesen zum Markt ...................................................................... 231 4.3.4.1 Beschleunigung der Vermarktung als Herausforderung ............................................................. 231 4.3.4.2 Gestaltung des Wegs zur Musikaufnahme ...................... 237 4.3.4.3 Ergänzung des Marketingmix ......................................... 246 4.3.5 Thesen zur Ressourcenausstattung ............................................. 260 4.3.5.1 Organisationsstruktur: Aufbau eines Netzwerks ............. 260 4.3.5.2 Berufliche Laufbahnen: Aneignung von Marketingfähigkeiten ...................................................... 264 4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung .................... 267 4.4.1 Gesetze und Regelungen ............................................................ 268 4.4.2 Technologie ................................................................................ 271 4.4.3 Industriestruktur ......................................................................... 274

VIII

Inhaltsverzeichnis 4.4.4 Thesen zum Markt ...................................................................... 279 4.4.4.1 Instabiles Beziehungsgeflecht als Herausforderung ........ 279 4.4.4.2 Leistungsversprechen der Reichweitensteigerung .......... 287 4.4.5 Thesen zur Ressourcenausstattung ............................................. 295 4.4.5.1 Organisationsstruktur: Ausgleich der Instabilität ............ 295 4.4.5.2 Berufliche Laufbahnen: Integration der Fähigkeiten ...... 300

4.5 Zwischenfazit...................................................................................... 304 5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis? ............... 309 5.1 Gesellschaftliche Verantwortung ........................................................ 310 5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext .............................................................. 321 5.3 Fazit .................................................................................................... 331

Anhang.............................................................................................................. 343 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 359

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:

Aufbau der Arbeit ................................................................ 23

Abbildung 2:

Einordnung des Kulturbegriffs in den Austauschprozess .... 84

Abbildung 3:

Ablauf der Fallstudie ......................................................... 178

Abbildung 4:

Anordnung und Wirkungsweise der Faktoren ................... 204

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:

Pro- und Contra-Argumente zum sektoralen Ansatz ........... 67

Tabelle 2:

Ausgewählte Werte bzw. Wertdimensionen ........................ 88

Tabelle 3:

Typen der Rezeption .......................................................... 139

Tabelle 4:

Ausgewählte Klassifikationen der Kulturwirtschaft .......... 165

Tabelle 5:

Eckdaten zur „Kreativwirtschaft“ ...................................... 168

Tabelle 6:

Eckdaten zur „Kultur- und Kreativwirtschaft“ .................. 169

Tabelle 7:

Auszählung und Prüfung der (Teil-)Branchen ................... 173

Tabelle 8:

Übersicht und Zuordnung der Dokumente ......................... 206

Tabelle 9:

Absatz physischer Tonträger und Downloads ................... 216

Tabelle 10:

Umsatzanteile nach Vertriebsschiene und Handelsform .... 223

Tabelle 11:

Übersicht der Streaming-Dienste ....................................... 226

Tabelle 12:

Eckdaten zur Künstlersozialkasse ...................................... 230

1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

Das wirtschaftliche Netz, das sich im Laufe der Zeit rund um die Produktion, Distribution und Rezeption von kulturellen Symbolen spannt, entwickelt sich in marktwirtschaftlich organisierten und in hohem Maße industrialisierten Gesellschaften zusehends zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig. Unterschiedliche (wirtschaftliche) Interessen treffen dabei aufeinander, ob Kulturschaffende1, die zur Ausübung ihrer Profession nach adäquaten Produktionsbedingungen verlangen, die Vielzahl der (vermittelnden) Kulturbetriebe, die ihre langfristige Existenz sicherstellen müssen, oder RezipientInnen, die mit ihren begrenzten Mitteln versuchen bestmöglich zu haushalten. Zuletzt kann allerdings in öffentlichen Diskussionen – lanciert auch durch polemische Zwischenrufe wie etwa den „Kulturinfarkt“ (Haselbach et al. 2012) – der Eindruck entstehen, die Symbolproduktion und -vermittlung werde in zunehmendem Ausmaß von den wirtschaftlichen Voraussetzungen bestimmt. So reicht die Spannweite von der andauernden Debatte um Über- bzw. Unterfinanzierung öffentlicher Kulturbetriebe bis zu der gerne mit plakativen Formulierungen überschriebenen Berichterstattung über die prekäre wirtschaftliche Situation privater Kulturbetriebe (z. B. „Die Krise der Musikindustrie“ oder „Das Zeitungssterben“). Sinkende Absatzzahlen, Umsatzeinbußen und geringe Gewinnmargen stehen dabei im Zeichen der Dynamik.

1

Im Verlauf der Arbeit wird versucht möglichst konsequent geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Ohne die Lesbarkeit allzu sehr zu vernachlässigen, wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass Frauen im Kultursektor sowohl im Hinblick auf das KünstlerInnendasein als auch auf Positionen im Managementbereich häufig schlechter gestellt sind. Begriffe wie Anbieter, Nachfrager, (Austausch-)Partner oder (Markt-)Akteur sind bewusst ausgenommen, da sie weniger auf Personen Bezug nehmen, als vielmehr ihre marktbezogene Funktion im Vordergrund steht. Sofern damit einzelne Personen verbunden sein können, sind in jedem Fall beiderlei Geschlechter gemeint.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. H. Gröppel, Marketing im Kulturbetrieb, Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3_1

2

1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

Neben gesellschaftlichen Entwicklungen, wie etwa der Individualisierung und des demografischen Wandels, sind ebenso die Internationalisierung sowie die politisch-rechtliche Haltung gegenüber Liberalisierung bzw. Privatisierung von Bedeutung. Insbesondere sorgen gegenwärtig aber die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie für neue Herausforderungen. Es ändern sich nicht nur die Nutzungsgewohnheiten der RezipientInnen, sondern speziell auch die wirtschaftlichen Strukturen. So erlaubt das Internet, für Kulturgüter Kommunikations- sowie Vertriebskanal, die Realisierung eines globalen und zeitunabhängigen Angebots. Auf diese Weise können Kulturschaffende inzwischen vermehrt ihre Werke den RezipientInnen zugänglich machen und die Verwertung von der Produktion bis hin zur Distribution selbst umsetzen. Unter diesen Vorzeichen wandelt sich zum einen der Wettbewerb unter den Kulturschaffenden, zum anderen entsteht um die Vermarktung ein neues Wettbewerbsverhältnis zwischen den vermittelnden Kulturbetrieben und den Kulturschaffenden. Je nach Sichtweise kann hierbei wahlweise sowohl von einer Deprofessionalisierung als auch von einer Professionalisierung des Kulturschaffens bzw. der Kulturvermittlung gesprochen werden. Im Zeitalter des Usergenerated Contents kommt es folglich zu einer Verschiebung der Marktmacht. Althergebrachte Markteintrittsbarrieren werden umgangen, etablierte Verwertungsstrukturen aufgebrochen und die (fortschreitende) ökonomische Durchdringung des Kultursektors wird forciert. Die Dynamik offenbart sich folglich in Veränderungen der Markt- bzw. Branchenstrukturen und der damit einhergehenden Anpassung des Marktvolumens (und Marktpotenzials). Dem Kulturbetrieb mangelt es grundsätzlich nicht an Angeboten, sondern an RezipientInnen. Es werden inzwischen mehr kulturelle Leistungen angeboten, als diese kaufen bzw. mit ihrer begrenzten Zeit und Aufmerksamkeit konsumieren können. Bei derartigem Angebotsüberschuss verschärft sich unweigerlich der Wettbewerb. Die Folgen sind Zweifel und Kritik an den bestehenden Wertschöpfungsketten sowie den Aufgaben der etablierten Akteure. Aus Verzweiflung deshalb ausschließlich auf niedrigere Preise zu setzen, bedeutet unweigerlich ein Zusteuern auf den Marktaustritt (oder die Geschäftsübernahme). Sinnvoller ist zunächst der branchen- bzw. betriebsübergreifende Abbau des Überangebots – in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird sich diese Einsicht bei den meisten Anbietern wohl durchsetzen können. Im

1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

3

Idealfall wird der Angebotsüberschuss sodann vermieden, angesichts der vielfach vorherrschenden starren Ausrichtung an Volumen und Marktanteil aber ein eher beschwerliches Unterfangen. So reagieren einige Akteure auf die Umbrüche mit einem gesteigerten Fokus auf Marktzuwächse, obwohl Größe und Marktanteil allein keine Garanten für langfristigen Erfolg sind. Zwar kann es aufgrund der Macht einzelner Betriebe zu einer Festigung von Marktstrukturen kommen, jedoch folgt auch hieraus keine exakte Berechen- oder Beherrschbarkeit des Marktgeschehens. Fraglich bleibt also, ob dieses Vorgehen allein den Umbrüchen Einhalt gebieten kann. Überlegungen zum Marketing scheinen häufig vernachlässigt zu werden. Innovationen und neue Wege in der Marktbearbeitung treten zumindest bei den großen, etablierten Akteuren des Kultursektors lange Zeit in den Hintergrund. Die Vermutung, dem Marketing werde in der Praxis bislang nicht zugetraut die Veränderungen der Marktumwelt aufzufangen, liegt nahe (vgl. Sheth; Sisodia 2006, S. 3 ff.; Brown et al. 2005, S. 10 ff.). Dabei sind gerade in schwierigen Zeiten marketingspezifische Analysen gefragt. Aus der Sicht des Marketing muss sich ein Betrieb Wettbewerbsvorteile am Markt erarbeiten, um dauerhaft zu existieren, das heißt jedoch nicht nur im Vergleich zum Wettbewerb geringere Kosten zu verursachen, sondern ebenso mehr Nutzen für die KundInnen zu generieren. Stellt die Dynamik der Marktumwelt einen Betrieb vor neue Herausforderungen ist das Marketing zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit auf die Anpassung an die Veränderungen der Umweltbedingungen angewiesen. Diese sind neben den konkreten Gegebenheiten des Markts somit nicht nur der Ansatzpunkt für die Ausgestaltung des Marketing in der kulturbetrieblichen Praxis, sondern desgleichen Anstoß zur wissenschaftlichen Forschung.

1.1

Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

Um dem starken Interesse der Marketingpraxis und ihren als einzigartig wahrgenommenen Problemstellungen gerecht zu werden, wird das Marketingkonzept schon früh für bestimmte Märkte, Branchen und Betriebe erarbeitet (Voeth 2003a, S. 7). Reichen „allgemeine“ Erkenntnisse (dem Anschein nach) nicht aus,

4

1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

wird folglich schnell der Ruf nach Spezialisierung lauter. Angetrieben von der zunehmenden Dynamik und Komplexität werden in diesem Sinne inzwischen auch die bislang nur wenig berücksichtigten Problemstellungen, die sich aus den spezifischen Bedingungen des Kulturbetriebs ergeben, für das Marketing aufgearbeitet. Im deutschsprachigen Raum wird die Auseinandersetzung mit den Besonderheiten und Herausforderungen des „Marketing im Kulturbetrieb“ als „Kulturmarketing“ bezeichnet.2 Derartige Ausführungen kommen vornehmlich aus dem Bereich des Kulturmanagements (vgl. beispielsweise Bendixen 2011; Hausmann 2011; Höhne 2009). Hausmann (2011, S. 34) versteht hierunter „(a) Koordinations- und Steuerungsaufgaben sowie (b) typische Funktionsbereiche betrieblicher Tätigkeit, um den Prozess der Leistungserstellung und -verwertung von Kulturanbietern zu ermöglichen und langfristig zu sichern.“ Als relativ junge Disziplin erfährt das Kulturmanagement zunehmende Aufmerksamkeit. Dies zeigt sich im deutschsprachigen Raum beispielsweise auch in der universitären Forschung und Lehre. Neben der Forschungsarbeit zu Fragestellungen des Kulturmanagements steigen auch stetig das Studienangebot sowie die Einrichtung von Professuren. Darüber hinaus etablieren sich Fachverbände und wissenschaftliche Journals. Dennoch ist festzuhalten: In der kurzen Zeit des Bestehens kann noch kein umfassender „Body of Knowledge“ erarbeitet werden. Für die Übertragung des Marketing werden einerseits passende Definitionen übernommen, andererseits wird sich an neuen bzw. abgewandelten Marketingdefinitionen versucht. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex des „Kulturmarketing“ befindet sich allerdings noch in den Anfängen, sodass bislang nur wenige Publikationen vorliegen (vgl. BekmeierFeuerhahn; Ober-Heilig 2014; Benkert; Lenders; Vermeulen 1995; Colbert 1999;

2

Auch im angelsächsischen Sprachraum liegen Ausarbeitungen zu diesem Themenfeld vor. Hier wird zum Teil auch von „Arts Marketing“ gesprochen (vgl. beispielsweise Colbert; St-James 2014; Fillis 2011; Hill; O’Sullivan; O’Sullivan 2003; Kolb 2013; Lee 2005; O’Reilly; Kerrigan 2010; O’Reilly; Rentschler; Kirchner 2014). Da die Entwicklung bestimmter Forschungsschwerpunkte (bzw. realwissenschaftlicher (Teil-)Disziplinen) aber wesentlich von den realen Bedingungen (z. B. das Ausmaß der öffentlichen Finanzierung von Kulturbetrieben) abhängt, bezieht sich die folgende Ausführung zu den Spannungsfeldern vornehmlich auf das im deutschsprachigen Raum eingeführte „Kulturmarketing“.

1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

5

Geyer; Manschwetus 2008; Günter; Hausmann 2012; Heinrichs; Klein 2001; Klein 2002; 2011; Mandel 2005; Müller-Hagedorn; Feld 2000; Reimann; Rockweiler 2005). Als Grundlage gilt dabei stets die Einsicht, das Marketing mit seinem geschichtlichen Verlauf und seiner Verankerung in der Betriebswirtschaftslehre könne nicht direkt auf den Bereich der Kultur angewandt werden (vgl. Reimann; Rockweiler 2005, S. 30; Günter 2001, S. 333 f.). Demnach nähmen kulturelle Güter in wirtschaftlicher Hinsicht eine besondere Stellung ein. Bekräftigt wird dies zum Teil mit dem Verweis, dass allein schon die Zusammensetzung der Wörter „Kultur“ und „Marketing“ für Missmut bei Beschäftigten im Kulturbetrieb sorgt (vgl. Reimann; Rockweiler 2005, S. 30; Benkert 1995, S. 11; Helm; Hausmann 2006, S. 16), was aber wohl in erster Linie das negative Image des Marketing hervorhebt (vgl. Sheth; Sisodia; Barbulescu 2006). Die Ausarbeitungen des „Kulturmarketing“ verbleiben stets praxisnah. Die bislang vorliegenden Studien richten sich mehr oder minder auf einzelbetrieblich-situative Problemstellungen oder sind als typenspezifische Arbeiten zu verstehen (vgl. Hasitschka 1995, S. 1321 f.). Gefördert wird die Praxisorientierung durch die Forderung nach Best-Practice-Beispielen (vgl. Mandel 2005, S. 20; Voeth 2003a, S. 10). Ansonsten stellt das „Kulturmarketing“ vornehmlich eine Vorstellung des üblichen Marketinginstrumentariums dar. Dieses wird auf den Kulturbetrieb umgeschrieben, wobei offensichtlich eine bloße Deklaration des „Kulturmarketing“ noch keine wissenschaftliche Forschung rechtfertigt (Bendixen 2011, S. 199): „Letztlich bleibt es in jeder Hinsicht unbefriedigend, wenn man die genannten absatzpolitischen Instrumente einfach mit kulturellen Inhalten füllt oder zum Teil sogar nur sprachlich anders fasst.“ Hasitschka (1995, S. 1322) fasst den State-of-the-Art des „Kulturmarketing“ bereits im Jahr 1995 mit einerseits aggregierten Grundlagen aus Nachbardisziplinen und andererseits einfachem Transfer des Marketing auf einzelbetrieblich-situative Probleme zusammen. Es mangelt nach wie vor an Grundlagenarbeiten und dementsprechend an einer theoretisch-konzeptionellen Basis für ein kulturbetriebsspezifisches Marketing (Hasitschka 1995, S. 1322; Günter 2001, S. 347). In diesem Sinne lohnt zunächst ein Blick auf die Spannungsfelder des „Kulturmarketing“.

6

1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

Bestimmung des Objektbereichs Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kulturellen Phänomenen wird heutzutage, im Zeitalter der Populärkultur und der Kulturindustrien, zunehmend erschwert. Was unter „Kunst und Kultur“3 verstanden wird, unterliegt im Laufe des 20. Jahrhunderts einer vehementen Veränderung. So wird inzwischen vieles unter den Kulturbegriff gefasst, was noch vor einigen Jahrzehnten diesen Status nicht zugesprochen bekommt (Klein 2011, S. 34). (Tatsächlich unterliegt die Auffassung, was als Kultur (bzw. Kunst) angesehen wird, im Zeitverlauf der Veränderung. Dies zeigt sich beispielsweise schon bei einem Blick auf den in der Antike vorherrschenden Kanon der „Artes liberales“ (und in Abgrenzung hierzu der „Artes mechanicae“), der deutlich von den heutigen Ansichten abweicht.) Dies hat für die Konzeption eines kulturbetriebsspezifischen Marketing insofern eine zentrale Bedeutung als der Objektbereich damit zunehmend diffus wird. Wie der einzelne Betrieb vor der Herausforderung steht seinen relevanten Markt abzugrenzen, so sieht sich die Wissenschaft schließlich mit der Herausforderung konfrontiert ihr Untersuchungsobjekt zu bestimmen. In nahezu allen Ausführungen wird bei der Auslegung des Objektbereichs auf eine Einteilung in bestimmte kulturelle Ausdrucksformen zurückgegriffen. Angelehnt an die jeweiligen Gattungen wird sodann auch von entsprechenden Branchen ausgegangen, nicht aber ohne an dieser Stelle obligatorisch darauf zu verweisen, wie schwer es ist diesen Wirtschaftszweig einzugrenzen (vgl. Zimmermann; Schulz 2009, S. 26; Hausmann 2011, S. 14; DBT 2007, S. 340 ff.). Bislang setzt sich weder eine allgemein akzeptierte Bezeichnung noch eine genaue Abgrenzung durch. So wird beispielsweise in Österreich für die Bereiche „Architektur“, „Buch und Verlagswesen“, „Design“, „Filmwirtschaft“, „Markt für darstellende Kunst“, „Musikwirtschaft“, „Radio und TV“, „Software und

3

Im Rahmen der Arbeit bleibt der Begriff „Kunst“, insbesondere um eine falschverstandene Beschränkung auf die bildende Kunst oder eine mögliche Verkürzung im Sinne eines bürgerlichen Kunstbegriffs zu vermeiden, weitestgehend unberücksichtigt; mit dem Kulturbegriff hingegen wird ein breites und offenes Verständnis des Gegenstandsbereichs ermöglicht und auf eine gesellschaftliche Dimension verwiesen. Kunst wird mit der Ausbildung spezifischer kultureller Praktiken verbunden und ist in diesem Sinne als „Sonderling der Kultur“ zu verstehen (vgl. Zembylas 2004, S. 123 ff.).

1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

7

Games“, „Werbung“, „Bibliotheken, Museen sowie botanische und zoologische Gärten“ der Begriff „Kreativwirtschaft“ verwendet (WKÖ 2017, S. 37). Hingegen werden in Deutschland mit dem Begriff „Kulturwirtschaft“ die (Teil-)Branchen „Musikwirtschaft“, „Buchmarkt“, „Kunstmarkt“, „Filmwirtschaft“, „Rundfunkwirtschaft“, „Markt für darstellende Künste“, „Designwirtschaft“, „Architekturmarkt“ und „Pressemarkt“ zusammengefasst; der „Werbemarkt“ sowie die „Software- und Games-Industrie“ werden gesondert als „Kreativwirtschaft“ bezeichnet (BMWi 2017, S. 183). Durch den enumerativen Charakter der Abgrenzungen zeichnet sich allerdings lediglich ein grobes Verständnis ab. Werden Abgrenzungen über die Aufzählung von Gattungen, Betrieben oder charakteristischen Produkten vorgenommen, zeigt sich, dass in den Teilbereichen unterschiedliche Akteure involviert sind, jedoch bleibt unklar, worin die Unterschiede bestehen. Die Abgrenzungen werden von Wahrnehmungsgewohnheiten und Deutungsstereotypen beeinflusst (vgl. Bendixen 2011, S. 217). Die bloße Feststellung, bestimmte Akteure seien in einem Markt (bzw. einer Branche) tätig, kann als Kriterium nicht ausreichen. Vollständigkeit und Gleichwertigkeit müssen hinterfragt werden. Derartige Strukturierungen vermischen inhaltliche Aussage (z. B. Werbung), Kunstform (z. B. Film) und Medium (z. B. Rundfunk, Internet). Teilweise wird auch unterschieden, ob ein technisches Medium eingebunden ist oder nicht (z. B. darstellende Kunst und Film) und bestimmte Kombinationen bzw. althergebrachte Erscheinungsformen (z. B. Buch und Presse) herausgegriffen. Darüber hinaus sind Begriffe wie Design und Software bzw. Games auf ihre Zugehörigkeit zu prüfen. Wie schwierig praxisbezogene Einteilungen sein können, lässt sich am Begriff „Buch“ illustrieren. Im Allgemeinen scheint klar, was unter einem Buch zu verstehen ist: eine gebundene Sammlung von bedruckten Blättern. Weiter differenziert wird nach der Art der Bindung, also nach Festeinband (Hardcover) oder Broschur (Taschenbuch). Inzwischen werden aber auch digitale Ausgaben (E-Books) publiziert. Wird Bezug auf die inhaltliche Substanz genommen, rücken sogar noch weitere Erscheinungsformen in den Fokus. So sind neben E-Books auch Hörbücher oder die Veröffentlichung auf einer Internetseite (z. B. Weblog) sowie die direkte sprachliche Textwiedergabe als Substitut für das physische Buch anzusehen. Den Objektbereich über den Begriff „Buch“ abzugrenzen scheint also mit Ungenauigkeit behaftet.

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

Produkt- und Marktorientierung Der grundlegende Unterschied zwischen „allgemeinem“ Marketing und „Kulturmarketing“ wird in der Regel in dem Ausgangspunkt gesehen (Koller 2005, S. 365). In einer idealtypischen Betrachtung geht Marketing im konventionellen Industriebetrieb, so beschreibt es Colbert (1999, S. 16 f.), vom Markt, also den Bedürfnissen der Austauschpartner aus, das heißt auf der Grundlage von Marktanalysen wird ein Produkt entwickelt, das entsprechend darauf abzielt, diese Bedürfnisse zu befriedigen und dann mit Hilfe von Marketingstrategie und -instrumenten auf den Markt gebracht wird. Im Kulturbereich hingegen, so die Annahme, sei der Ausgangspunkt stets das vorhandene Produkt, sodass es für das Marketing demnach zu klären gelte, welche Marktsegmente an dem Produkt Interesse haben und wie diese erreicht werden können (Koller 2005, S. 365; Colbert 1999, S. 17). Obwohl an der Gegensätzlichkeit von Produkt- und Marktorientierung festgehalten wird, liegt der Fokus zunehmend auf der KundInnenorientierung. Die Forderung danach wird zusehends lauter und die Zurückhaltung nicht nur vor der Verwendung des Begriffs, sondern auch vor der (vermeintlichen) Umsetzung schwindet. Die meisten Überlegungen und Formulierungen zur KundInnenorientierung bleiben jedoch vage. In der einschlägigen Literatur wird sich meist auf periphere Serviceleistungen bezogen (vgl. beispielsweise Hausmann 2006, S. 101). Eine inhaltliche Annäherung des kulturellen Leistungsangebots an die RezipientInnen scheint damit nicht zwingend gemeint zu sein. Wird auch die inhaltliche Orientierung gefordert, kommen unweigerlich Fragen auf nach dem Wahrheitsgehalt und der Bedeutung von Aussagen wie „Kunst vor Management“ oder „Primat des Inhalts“, die wohl einen Widerspruch offenbaren zu der häufig postulierten Forderung, dem künstlerisch-kreativen Akt im Rahmen des Marketing Rechnung zu tragen bzw. die künstlerisch-kreativen Inhalte nicht nachrangigen Managementzielen zu unterwerfen (vgl. Zembylas 2004, S. 108; Helm; Hausmann 2006, S. 18; Müller-Hagedorn; Feld 2000, S. 24). Das Kulturgut darf dieser Auffassung nach nicht an die RezipientInnen angepasst werden, sondern muss sich vielmehr ausschließlich an „ästhetischen, kulturellen, künstlerischen, bildungspolitischen oder sonstigen Nonprofit-Zielen“ ausrichten (Heinrichs; Klein 2001, S. 198). Hier ist zunächst die Frage angebracht, wie denn eine solche Anpassung eigentlich genau vonstattengeht und

1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

9

ob sich diese zwei „Optionen“ ausschließen oder sich nicht vielleicht sogar ergänzen können. Neben der Ausblendung der ökonomischen Realität und einem durchaus fragwürdigen Bild des Publikums bzw. der RezipientInnen entsteht der Eindruck, dass das Verständnis der Begriffe „Marktorientierung“ und „KundInnenorientierung“ nicht klar ist (vgl. Day 1999). Marktorientierung ist nicht deckungsgleich mit KundInnenorientierung und KundInnenorientierung bedeutet ebenso wenig blindes Anpassen an jeden beliebig geäußerten Wunsch der Kundschaft (vgl. Slater; Narver 1998; 1999; Day 1999).

Vermarktung des Kulturguts und des Kulturbetriebs Die Ausführungen zum „Kulturmarketing“ implizieren, dass sich KundInnenorientierung stets auf die RezipientInnen bezieht. Demnach findet bisher fast ausschließlich die Beziehung von (vermittelnden) Kulturbetrieben und RezipientInnen Berücksichtigung, wenn es um marketingtheoretische Überlegungen zum Kulturbetrieb geht. So schreiben Heinrichs und Klein (2001, S. 28 f.): „I. d. R. sind für die eigentlichen Kunst- und Kulturschaffenden die Veranstaltungen planenden und durchführenden Kulturbetriebe […] Absatzmärkte (weniger der direkte Endnachfrager, das heißt das Publikum), während für diese Veranstalter die Kulturschaffenden ganz wesentliche Beschaffungsmärkte darstellen.“ Was hier formuliert wird, ist nicht weniger als die Festlegung des Verwertungsprozesses und damit die Auslegung der Markt- bzw. KundInnenorientierung für den Kulturbetrieb. Diese Darstellung findet sich auch in Studien zur Marktorientierung im Kulturbetrieb; unabhängig von deren Ansätzen und Ergebnissen werden als Kundschaft eines Kulturbetriebs stets die RezipientInnen betrachtet (vgl. Sorjonen 2011; Hirschman 1983; Voss; Voss 2000; Gainer; Padanyi 2002). Bisher weitestgehend unberücksichtigt bleibt die Beziehung zwischen den Kulturschaffenden und den vermittelnden Kulturbetrieben. So sind diese beiden nicht immer deckungsgleich. Im eigentlichen Sinne wird das Werk, auf das sich die Nachfrage der RezipientInnen bezieht, vielfach außerhalb des vermittelnden Kulturbetriebs geschaffen (vgl. Colbert 1999, S. 5 f.; Bendixen 2011, S. 198). Um es an Beispielen zu verdeutlichen: Ein

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

Verlag verfasst in der Regel keine Texte ebenso wie ein phonographisches Unternehmen keine Musik produziert. Aufgrund der Arbeitsteilung zwischen vermittelnden Kulturbetrieben und Kulturschaffenden bestehen für verschiedene Leistungen auch dementsprechend unterschiedliche Anbieterperspektiven bzw. Absatzmärkte. Es ist somit ein wesentlicher Unterschied, ob die Leistung der vermittelnden Kulturbetriebe oder die Leistung der Kulturschaffenden vermarktet wird. Dennoch ist die Annahme, das produzierte Werk (als Ergebnis eines künstlerisch-kreativen Schaffensprozesses) werde tatsächlich vom vermittelnden Kulturbetrieb geschaffen, nach wie vor kennzeichnend für dessen (Selbst-)Verständnis. (Die Verwendung bestimmter Termini kann als Indiz hierfür herhalten. So ist beispielsweise die Bezeichnung der Unternehmen der phonographischen Industrie als musikproduzierende Unternehmen de facto falsch. ProduzentInnen der Musik im eigentlichen Sinne sind die Musikschaffenden; die Unternehmen fungieren lediglich aufgrund urheberrechtlicher Konstellationen auf dem RezipientInnenmarkt als Anbieter.) Die Ausarbeitung des Marketing lässt demnach häufig die Leistung des Kulturbetriebs (Kulturvermittlung) außer Acht und befasst sich fast ausschließlich mit dem Kulturgut (bzw. dem Werk als künstlerisch-kreative Leistung der Kulturschaffenden). Entscheidend ist ebenso, wie diese beiden Leistungen zueinander stehen. Kulturbetriebe bewegen sich schließlich nicht nur auf einem, sondern auf verschiedenen Märkten, die miteinander in Beziehung stehen. Die Beantwortung der vordergründig leichten Frage nach dem Absatzmarkt eines Kulturbetriebs und damit dessen betrieblicher Ausrichtung erweist sich jedoch als diffizil.

Öffentliche und private Finanzierung Das ökonomische Prinzip zielt in der Marktwirtschaft auf die Realisierung eines möglichst günstigen Verhältnisses von Aufwand und Ertrag, sprich auf die Absicht der Gewinnerzielung (und die hieraus abgeleitete Forderung der Gewinnmaximierung). Entsprechend ist das Marketing in privaten Betrieben auch auf die Erreichung finanzieller Unternehmensziele ausgerichtet. Daraus wird der Schluss gezogen, ein privater Kulturbetrieb passe sein Angebot kurz-

1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

11

sichtig und ohne Berücksichtigung nicht finanzieller Aspekte, quasi wahllos an den Geschmack der RezipientInnen an, um seinen Gewinn zu maximieren (Klein 2002, S. 13). Die „Kultur“ im „Kulturmarketing“ ist deshalb wohl auch nur auf öffentlich finanzierte Kultur beschränkt, so etwa, wenn Klein (2011, S. 31) das „Kulturmarketing“ eigens für öffentliche Kulturbetriebe formuliert.4 Zugleich ist festzuhalten (Drucker 2009, S. 158 f.): „Gewinn ist nicht die Erklärung, die Ursache oder der Daseinsgrund für wirtschaftliches Verhalten und wirtschaftliche Entscheidung, sondern der Test für ihre Gültigkeit. […] Das Profitmotiv und sein Abkömmling, die Maximierung der Gewinne, sind ebenso irrelevant für die Funktion eines Unternehmens, den Zweck eines Unternehmens und die Aufgabe, ein Unternehmen zu leiten.“ In der Folge ist der Zweck eines Unternehmens auch nicht in der Gewinnmaximierung, sondern in der Erschließung von KundInnen zu sehen (vgl. ebenda, S. 159).5 Desgleichen verfügen auch öffentliche Kulturbetriebe nicht über einen unendlichen finanziellen Spielraum, sondern müssen häufig mit einem festgelegten Budget arbeiten. Sie sind damit also nicht vollkommen frei von wirtschaftlichen Zwängen, wie Klein (2002, S. 15) mit dem Verweis auf die zukünftig notwendige Steigerung des eigenen Beitrags zur Kostendeckung klarstellt. Es

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Ob aus Angst vor wirtschaftlichem Erfolg als Abwertung der kulturellen Leistung oder aus der Ausrichtung an gesellschaftlichen Größen, schnell wird „Kulturmarketing“ mit NonprofitMarketing verbunden (vgl. Lenders 1995, S. 17; Koller 2005, S. 366). Dabei unterscheiden sich Nonprofit-Betriebe dadurch, dass der Gewinn nicht als übergeordnetes organisationales Ziel aufgefasst wird. Fraglich ist dabei, woran sich diese Stellung der Ziele und damit ein NonprofitBetrieb festmacht, da beispielsweise Bruhn (2012, S. 21) nicht nur öffentliche, sondern ebenso halb-staatliche und private Betriebe als Nonprofit-Organisationen versteht. Wird NonprofitMarketing zu einer spezifischen Denkhaltung (vgl. ebenda, S. 55), kann diese letztlich jeder Betrieb übernehmen. Eine (ausschließliche) Anbindung des „Kulturmarketing“ an das NonprofitMarketing erscheint schwierig. An dieser Stelle wird auch auf die Überschneidung bzw. Unterschiede von Nonprofit- und Social Marketing verwiesen (vgl. Schuh; Holzmüller 2005, S. 11).

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Die Wirtschaftswissenschaft befasst sich als Realwissenschaft mit dem wirtschaftlichen Handeln des Menschen. Traditionell wird sie im deutschsprachigen Raum eingeteilt in die auf die Gesamtwirtschaft fokussierte Volkswirtschaftslehre und die auf einzelne Wirtschaftseinheiten ausgerichtete Betriebswirtschaftslehre. Sofern sich um ein von der Wirtschaftsordnung und Betriebsart unabhängiges Auswahlprinzip der Wirtschaftswissenschaft bemüht wird, erscheint auch nicht etwa die Gewinnmaximierung, sondern die Güterknappheit als geeignet (vgl. Chmielewicz 1994, S. 22 ff.).

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

handelt sich also um eine graduelle und nicht etwa um eine absolute bzw. kategoriale Differenzierung (vgl. Günter 2001, S. 335). Betriebe werden eine Veränderung der Produktion, Distribution und Rezeption von kulturellen Gütern durch eine vermehrt wirtschaftliche Fundierung und ein verstärktes Effizienzdenken umso stärker wahrnehmen, je weiter und schneller sie sich von ihrem ursprünglichen Ausgangspunkt, ihren etablierten Denk- und Handlungsweisen entfernen. So mag diese Fokussierung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs- und Legitimationsdrucks, den öffentliche Kulturbetriebe zu spüren bekommen, für den Moment vielleicht nachvollziehbar erscheinen, aber ein derart restriktives Verständnis des Kulturbetriebs nicht grundsätzlich begründet sein. Schließlich wird, sofern der Objektbereich über Betriebe (bzw. deren Finanzierung durch die öffentliche Hand) bestimmt wird, dieser wiederum – meist verbunden mit einer impliziten Einteilung in Hoch- und Populärkultur (vgl. Koller 2005, S. 365; Günter 2001, S. 333) – auf gewisse Sparten beschränkt, und damit zugleich andere, die sich vornehmlich durch nicht öffentliche Kulturbetriebe kennzeichnen, in ihrer Bedeutung ignoriert und ihre Situation verkannt. Um Letzteres zu vermeiden, gehört es eben auch dazu den jeweiligen hitorischen Kontext zu berücksichtigen.6 So können einige Betriebe (bzw. Sparten) auf eine lange Tradition der öffentlichen Förderungen zurückblicken, etwa von der Anstellung am fürstlichen Hofstaat, Auftragsarbeiten im Dienste der Kirche bis hin zur gegenwärtigen Unterstützung durch Bund, Länder und Kommunen, während andere Bereiche des Kulturschaffens auf Mäzenatentum, auf Stiftungen und

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Des Weiteren sind die Verflechtungen zwischen öffentlichen Kulturbetrieben und der Privatwirtschaft zu berücksichtigen. Besonders deutlich wird dies bei öffentlichen Museen, die angesichts der steigenden Preise und ihres begrenzten Etats nicht mehr in der Lage sind die Kunstwerke bestimmter, hochpreisiger KünstlerInnen zu erwerben und bei der Organisation ihrer Ausstellungen häufig auf die Leihgaben von privaten SammlerInnen zurückgreifen müssen. Zugleich profitieren SammlerInnen von der (Dauer-)Leihgabe, da durch die Präsentation im Museum der Wert eines Kunstwerks ansteigt und sie mitunter steuerrechtliche Vorteile mit sich bringt. Museen geben unterdessen öffentliche Gelder für Transport, Versicherung etc. aus und können häufig nur noch wenig Zuversicht besitzen neue Ausstellungen mit hochkarätigen, kunsthistorisch besonders bedeutsamen KünstlerInnen ohne die Unterstützung von Sponsoren oder MäzenInnen zu organisieren oder gar eigene Sammlungen auf- bzw. auszubauen.

1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“

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Vereine, die sich der Förderung des Kulturschaffens verschreiben, und nicht zuletzt in der Mehrzahl auf einen notwendigen UnternehmerInnengeist angewiesen sind. In kulturpolitischen Debatten wie auch in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen deckt eine grundsätzlich reaktionäre Haltung gegenüber privaten Kulturbetrieben und ihren Leistungen zuweilen eher persönliche Vorlieben, bestehende Ressortegoismen oder gewachsene Ressentiments auf und zieht womöglich nach sich, dass die mit den nach wie vor andauernden Umbrüchen einhergehenden Herausforderungen der Praxis übersehen werden. Denn für einen Großteil der Nachfrager wird die Art der Finanzierung (bzw. die Rechtsform) inzwischen ohne großen Belang sein. Privat finanzierte Kulturangebote werden genauso wie jene, die öffentlich gefördert werden, als Alternativen in die Entscheidungsfindung der KonsumentInnen miteinbezogen. Das Aufgreifen der Trägerschaft darf an dieser Stelle nicht etwa missverstanden werden als eine Forderung nach mehr privaten Kulturbetrieben oder eine Ausblendung der öffentlichen Trägerschaft in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Die Kritik weist lediglich auf eine zu enge Auslegung des „Kulturmarketing“ hin.

Direkte und indirekte Übermittlung Mit der Fokussierung auf Nonprofit-Kulturbetriebe kann auch die bisher nur nachlässig geführte Auseinandersetzung mit indirekter Übermittlung von Kulturgütern verbunden sein (vgl. Müller-Hagedorn; Feld 2000, S. 24). So sind bis auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die meisten Kulturbetriebe, die sich der indirekten Übermittlung bedienen, privat organisiert. Dementsprechend ist häufig die Rede von „BesucherInnen“, denn Kultur bezieht sich in vielen Ausführungen bislang nur auf die Kulturveranstaltung im Sinne einer direkten Übermittlung; der Inhalt7 ist letztlich aber entscheidend für die Nachfrage der

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Zuweilen wird der Begriff „Inhalt“ (bzw. „Content“) in einer gleichmacherischen Art und Weise verwendet, so als sei dieser in Anbetracht der Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie und der damit verbundenen Herausforderungen in der Distribution eigentlich

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

RezipientInnen, nicht nur die Art der Übermittlung. Diese kann zweifelsohne als Unterscheidungskriterium herhalten, muss aber stets im Kontext gesehen werden. Denn die geringe Beachtung, die jene Kulturschaffenden, die technische Medien nutzen, im „Kulturmarketing“ finden, steht im starken Widerspruch zu ihrem gesellschaftlichen Stellenwert – die moderne Welt ist vernetzt; räumliche Distanz verliert durch die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie zunehmend an Bedeutung. Der Fortschritt in diesem Bereich ist irreversibel. Kulturell-kommunikativer Austausch bedient sich heute und in Zukunft ganz selbstverständlich technischer Medien. Dies außer Acht zu lassen, bedeutet einen Großteil des Kulturschaffens zu übergehen und die Relevanz des „Kulturmarketing“ zu verspielen. Ebenso machen beispielsweise das ergänzende Streaming-Angebot verschiedener Opernhäuser (z. B. Metropolitan Opera, Wiener Staatsoper, The Opera Platform) oder die Digitalisierung ganzer Museumsbestände und sogar des Gangs durch ein Museum (z. B. Google Art Project) deutlich, dass auch Kulturbetriebe, die vermeintlich nicht von diesen Entwicklungen betroffen sind, sich doch unausweichlich mit indirekter Übermittlung beschäftigen müssen. Diese Einsicht verbreitet sich inzwischen auch auf politischer Ebene, wie etwa im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ersichtlich wird (DBT 2007, S. 44): „Räumliche Distanz ist immer weniger ein Kommunikationshindernis. Räumliche Nähe erscheint zuweilen auch im künstlerischen Prozess vernachlässigbar. Netzwerke und Datenbanken erlauben einen vom jeweiligen Standort des Nutzers weitgehend unabhängigen Zugriff auf viele Systeme und Symbolwelten. Die im Zusammenhang hiermit aufgeworfenen Fragen betreffen den künstlerischen Werkbegriff, unsere Vorstellungen von künstlerischer Kreativität ebenso wie unsere Wirklichkeitssicht, sie reichen von Problemen des Urheberrechts bis hin zur veränderten Rolle der Kulturen im globalisierten Kontext.“

ohne Belang. Wird der Begriff im Rahmen der Arbeit gebraucht, geschieht dies stets vor dem Hintergrund der Sinnstiftung kultureller Symbole.

1.2 Ziel und Forschungsansatz der Arbeit 1.2

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Ziel und Forschungsansatz der Arbeit

In Zeiten der Spezialisierung und Fragmentierung des Marketing stehen Arbeiten, die sich mit der programmatischen (vor allem der anwendungsbezogenen) Ausdifferenzierung der Marketingdisziplin befassen, unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck. Gestützt wird dieses Vorgehen hier aber einerseits durch die allgemein anerkannte besondere Bedeutung von Kulturgütern und andererseits durch die vorherrschende Einsicht, die gewohnten Zugänge des Marketing reichten für die als einzigartig wahrgenommenen Problemstellungen des Kulturbetriebs nicht aus. Diese generelle Vermutung der kulturbetrieblichen Praxis muss in der Wissenschaft zweifelsohne Gehör, wenn auch nicht (uneingeschränkte) Zustimmung finden. Grundlegend ist an dieser Stelle aber zunächst die Annahme, dass für das „Marketing im Kulturbetrieb“ Besonderheiten bestehen, die entsprechend zu berücksichtigen sind. Wie zuvor dargestellt, wendet sich in den letzten Jahren die Wissenschaft vermehrt kulturbetriebsspezifischen Fragestellungen zu, sowohl in Forschung als auch Lehre findet inzwischen eine schwerpunktartige Auseinandersetzung mit dem Kultursektor statt. Die Erschließung des Forschungsfelds „Marketing im Kulturbetrieb“ befindet sich allerdings noch am Anfang. Bislang kann von einer schlüssigen Konzeption nicht die Rede sein. Eine solche resultiert weder aus einer einfachen Umbenennung des Instrumentariums noch aus einer (womöglich überstürzten) Fokussierung auf einzelne Teilaspekte des Marketing. Vielmehr bedarf es grundsätzlich der Exploration der Problemstellungen. Als Zielsetzung der Arbeit folgt daraus die Konzeption des kulturbetriebsspezifischen Marketing. Vorweg wird das Anliegen der Arbeit deshalb eingestuft als Aufdeckung komplexer Zusammenhänge sowie Gewinnung von ersten Ideen zum „Marketing im Kulturbetrieb“.8 Es wird folglich ein sehr weites Feld betreten, insofern

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Nach dem von MacInnis (2011, S. 136 ff.) erarbeiteten Rahmen zur Einordnung konzeptioneller Beiträge kann die Arbeit entsprechend in den Bereichen „Envisioning“ („Identifying“ bzw., „Revising“) und „Disciplines“ („collections of domains that specify what a discipline studies“) verortet werden. Es geht folglich eher um den Entdeckungszusammenhang (vgl. Hunt 2010, S. 23 ff.; Kordig 1978, S. 110 ff.; Yadav 2010, S. 2 f.; Friedrichs 1990, S. 50 ff.). Die Differenzierung zwischen Entdeckungs- („Context of Discovery“) und Begründungszusammenhang („Context of Justification“) geht auf Reichenbach (1938) zurück, der dem

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass dieses zu ausgedehnt ist, um in einer einzigen Arbeit jegliche Aspekte in aller Ausführlichkeit auszuarbeiten. Zu verstehen sind die Ausführungen – entgegen dem Anschein, den ein flüchtiger Blick auf den Arbeitstitel erwecken mag – folglich auch nicht als lehrbuchartige Einführung. Ebenso wenig hegt die vorliegende Arbeit den territorialen Anspruch das „Marketing im Kulturbetrieb“ grundsätzlich als eigenständige akademische (Teil-)Disziplin auszurufen. Umbrüche im Wissenschaftsgefüge – ob als Verselbstständigung bzw. Abspaltung eines Fachs oder als Binnendifferenzierung innerhalb einer Disziplin – entstehen nicht etwa durch möglichst lautstarke und öffentlichkeitswirksame Appelle, sondern lediglich durch die Einsicht, dass sich die etablierten (Teil-)Disziplinen dem zu untersuchenden Gegenstand tatsächlich verschließen und andere Zugänge notwendig werden. Entsprechend der vorstehenden Ausführung wird die Konzeption des „Marketing im Kulturbetrieb“ geleitet von den grundlegenden, bewusst kurz gefassten Fragen, (1) welche (alternativen) Ansätze sich für (eine Annäherung an) eine Konzeption des kulturbetriebsspezifischen Marketing nutzen lassen, (2) wie sich dabei die Marketingrelevanz des Kulturbetriebs ausdrückt und (3) durch welche konzeptionellen Besonderheiten sich das „Marketing im Kulturbetrieb“ auszeichnet. Der erarbeitete Vorschlag des „Marketing im Kulturbetrieb“ wird als übergeordnete Konzeption aufgefasst, die Aussagen über die Austauschprozesse im Kulturbetrieb verdichtet und systematisiert. Die identifizierten Besonderheiten, zu verstehen als Auswahl der zu untersuchenden Problemstellungen, haben gewichtigen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Forschungsbereichs. Die Einteilung, Ableitung oder auch die Formulierung der Besonderheiten kann allerdings dem Anspruch der Objektivität nur bedingt gerecht werden. Die Ausarbeitung der Besonderheiten in Form von Thesen trägt diesem Umstand Rechnung und bietet sich zunächst zur Formulierung von prägnanten Aussagen über erste, grundlegende Zusammenhänge an. Sie dienen vor allem dem Aufdecken von Forschungsbedarf bzw. Forschungsbereichen und damit der

Entdeckungszusammenhang aber weitestgehend die Bedeutung abspricht. Erst durch Hanson (1958) rückt dieser im Hinblick auf die Theoriebildung vermehrt in den Fokus.

1.2 Ziel und Forschungsansatz der Arbeit

17

wissenschaftlichen Gemeinschaft als Denkanstöße. Ebenso übernimmt die Arbeit mit den zugrunde gelegten Ansätzen innerhalb der Marketingdisziplin eine strukturierende Funktion und kann ihrer Ausrichtung entsprechend als Gerüst zur Einordnung empirischer Forschungsergebnisse dienen. Darüber hinaus bieten sich die ausgearbeiteten Thesen auch der kulturbetrieblichen Praxis als Anregungen zur Reflexion an. Sie enthalten allerdings keine konkreten Anweisungen für praktisches Handeln. Der Zielsetzung folgend ist zunächst eine theoretisch-konzeptionelle Ausrichtung der Forschungsarbeit angebracht (vgl. Yadav 2010, S. 5; Jaccard; Jacoby 2010, S. 10 f.). Es geht bei theoretisch-konzeptionellen Arbeiten um erste, vertiefende Einblicke (MacInnis 2004, S. 1): „Rather than testing theory, their aim is to develop new ideas or synthesize ideas or prior findings in a way that builds theory. […] They allow us to move from a more micro perspective to a more macro one, one that focuses on ideas that may not currently allow empirical testing yet offer new ways of looking at the world.“ Geboten erscheint ein solches Arbeiten insbesondere für die Marketingforschung, die ihre Anstrengungen zunehmend auf die Entwicklung und Anwendung komplexer Methoden ausrichtet und die eigentliche Problemstellung dabei gelegentlich in den Hintergrund rückt (vgl. Meffert 2007, S. 4; Homburg 2000, S. 356; MacInnis 2004, S. 3). Entsprechend führen theoretisch-konzeptionelle Arbeiten in den einschlägigen Journals inzwischen ein Schattendasein (vgl. MacInnis 2004; Yadav 2010). Angesichts der Bedeutung derartiger Arbeiten für die Marketingdisziplin wird diese Entwicklung mittlerweile vielfach kritisiert (vgl. MacInnis 2011; Yadav 2010; Stewart; Zinkhan 2006). So beschreibt MacInnis (2011, S. 140 f.) die Vorgehensweise als „the process of understanding a situation or problem abstractly by identifying patterns or connections and key underlying properties“ und verortet diese „at the heart of the scientific enterprise; it is critical to the development of both an individual scientist and the field of endeavor.“ Angesichts des Entwicklungsstands wird von einer empirischen Bestandsaufnahme der historischen Entwicklung und/oder des aktuellen Stands des Forschungsfelds bewusst abgesehen. Empirische Forschung bezieht sich auf eine vorhandene Realität; solange das „Marketing im Kulturbetrieb“ aber nicht theoretisch-konzeptionell ausgearbeitet ist und eine entsprechende Verbreitung

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

findet, scheint diese nicht zweckmäßig. Mit der Weiterentwicklung der Konzeption und deren Etablierung in Wissenschaft und Praxis ist eine solche Bestandsaufnahme aber sinnvoll. Für eine Einordnung der Bedeutung empirischer Forschung (in der Betriebswirtschaftslehre) wird auf Chmielewicz (1994, S. 142 ff.) verwiesen, der für eine duale Forschungsstrategie plädiert, „bei der das schöpferische Entwerfen neuer Konzepte und Systeme […] als Aufgabe des Theoretikers gleichberechtigt neben der empirischen Forschung […] als Aufgabe des Empirikers steht“ (ebenda, S. 149). Eine theoretisch-konzeptionelle Ausarbeitung findet ihren Ausgangspunkt in den Phänomenen der Erfahrungswelt und bildet sodann Aussagen auf der Basis logischer Überlegungen (vgl. Homburg 2007, S. 29). Damit rückt zunächst der Begriff „Kulturbetrieb“ in den Fokus, der als institutionalisierter Rahmen der Produktion und Vermittlung von kulturellen Symbolen aufgefasst wird (vgl. Heinrichs 2011, S. 131; Tschmuck 2012, S. 5). Der Kulturbetrieb fasst reale Phänomene zusammen und stellt eine Abstraktion des Denkens dar. Der Begriff wird dabei unterschiedlich verwendet (Zembylas; Tschmuck 2006, S. 7; Heinrichs 2011, S. 131): Während der Kulturbetrieb auf der Mikroebene eine organisierte, fremdbedarfsdeckende Wirtschaftseinheit darstellt, wird mit dem Begriff makrosoziologisch auch ein gesellschaftlich organisiertes und institutionell strukturiertes Praxisfeld (z. B. Kunstbetrieb, Musikbetrieb) bezeichnet. Auf die Symbolproduktion und -vermittlung ausgerichtet, bedingt der Kulturbetrieb in seinem Wirken die „ökonomische Aufladung der kulturellen Symbole und ihre Transformation zu Kulturgütern“ (Zembylas; Tschmuck 2006, S. 9) und kennzeichnet sich damit stets durch das Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität. Eine Analyse der Austauschprozesse darf sich folglich nicht bloß einem dieser Aspekte widmen, sondern verlangt, der Simultanität und Interaktion von symbolischer und ökonomischer Funktion Rechnung tragend, nach einer integrierten Auseinandersetzung. In diesem Sinne berücksichtigt eine integrierte Konzeption aber nicht nur die Wechselwirkung der Funktionen, sie löst, indem sie den Dualismus der Funktionen als integralen Bestandteil begreift, diese Differenzierung letztlich auf (vgl. Zembylas 2004, S. 17). Während die Ausführungen unter der Überschrift „Kulturmarketing“ vornehmlich dem Kulturmanagement zugeordnet werden können, wird hier von der

1.2 Ziel und Forschungsansatz der Arbeit

19

Position der Kulturbetriebslehre ausgegangen. Mit Blick auf ihr Verhältnis zueinander ist anzumerken, dass die Kulturbetriebslehre dem Kulturmanagement in gewisser Weise vorgeschaltet ist. So beschränkt sich das Kulturmanagement weitestgehend auf die Übertragung der Managementlehre (bzw. der Betriebswirtschaftslehre) auf den Kulturbereich, die Kulturbetriebslehre hingegen erfasst, die Simultanität von symbolischer und ökonomischer Funktion von Kulturgütern berücksichtigend, Strukturen und Prozesse in Kulturorganisationen, sodass hierauf aufbauend Denkansätze und Hilfestellungen für die innerbetriebliche Entwicklung (bzw. das Kulturmanagement) abgeleitet werden können (vgl. Zembylas; Tschmuck 2006, S. 7 f.; Hasitschka; Tschmuck; Zembylas 2005, S. 148). Um sich polymorphen Kulturgütern sowie dynamischen Handlungsfeldern als ihren Forschungsgegenständen zuwenden zu können, wählt die Kulturbetriebslehre eine interdisziplinäre Vorgehensweise und positioniert sich entsprechend an der Schnittstelle von Kultur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Zembylas; Tschmuck 2006, S. 7). Die Forschungsschwerpunkte der Kulturbetriebslehre können wie folgt zusammengefasst werden (Hasitschka; Tschmuck; Zembylas 2005, S. 147 f.): „[1] the formation of cultural goods as meaningful symbolic entities and their transformation into cultural commodities (that is, the process of production, distribution, and reception/consumption of cultural goods); [2] the analysis of cultural practices and their institutional frames, which constitute and regulate the formation of cultural goods and services; [3] the examination of specific characteristics of cultural institutions as organizational settings; [4] the social organization of cultural labor and other cultural activities (for example, cultural policy, funding, and legal systems).“ Dem Forschungsansatz der Kulturbetriebslehre folgend ist die Aufgabe der akademisch bedingten Monodisziplinarität notwendig (vgl. Zembylas; Tschmuck 2006, S. 7). Mit dieser Vorgehensweise, der Fruchtbarmachung und Integration für gewöhnlich voneinander (weitestgehend) isolierter Wissensgebiete, kann das Forschungsfeld bearbeitet werden, das heißt es können marketingrelevante Problembereiche des Kulturbetriebs systematisch aufgedeckt und erste Ideen

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1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

generiert werden. Diesem Anspruch nach kann die Ausarbeitung für das Forschungsfeld „Marketing im Kulturbetrieb“ als ein erster Schritt in Richtung Theoriebildung9 verstanden werden. Die Positionierung an der Schnittstelle von Kultur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften macht gleichzeitig auch deutlich, dass eine solche Konzeption des „Marketing im Kulturbetrieb“ nur bedingt eigenständig ist. Sie ermöglicht zwar einen neuartigen Zugang, indem sie aber in ihren Analysen auf andere wissenschaftliche Disziplinen zugreift, wird zugleich eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fachgebieten erforderlich.

1.3

Struktur der Arbeit

Entsprechend des Forschungsansatzes der Kulturbetriebslehre muss das Feld des „Marketing im Kulturbetrieb“ nicht gänzlich neu bestellt werden. Zugleich stellt sich aber bei dem Betreten des (neuen) Forschungsfelds unweigerlich die Frage nach dem Zugriff auf vorhandene Wissensgebiete. Angeknüpft wird hier an die Marketingdisziplin. Bei der erforderlichen Strukturierung des Problemfelds sowie der Aufarbeitung des Bezugsrahmens stellt folglich zunächst die Marketingdisziplin den Gegenstand der Ausführung dar, sie bildet damit aber lediglich die Grundlage für eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Austauschprozessen im Kulturbetrieb. So sind – einhergehend mit einer Entscheidung über den Anwendungsbezug – den Kulturbetrieb betreffende, marketingtheoretische Überlegungen ebenso auf Einsichten aus anderen Wissensgebieten angewiesen.

9

Für eine Ausführung zu den grundlegenden Vorgehensweisen der Theoriebildung wird auf Franke (2002, S. 188 ff.) sowie Hunt (2010, S. 24 ff.) verwiesen. Zu beachten ist, dass zum einen keine allgemeingültige bzw. richtige Vorgehensweise existiert und zum anderen die häufig genannte Trennung von deduktiven und induktiven Quellen der Theorie nicht stets eindeutig möglich ist (vgl. Franke 2002, S. 194). Daneben werden auch der intuitive Einfall, die sinnvolle Analogie und der dialektische Prozess als Entdeckungsverfahren genannt (Chmielewicz 1994, S. 90; Hunt 2010, S. 24 ff.).

1.3 Struktur der Arbeit

21

Der Kulturbetrieb wird, um die Konzeption als wissenschaftliches Programm zugleich in der Marketingdisziplin verorten zu können, als institutioneller Bezugspunkt aufgefasst. So versteht die in der Betriebswirtschaftslehre dominierende Sichtweise Marketing zwar zunächst als Funktion (vgl. Witte 1998, S. 739), das bedeutet der Wissensbestand und die Forschung sind auf die Funktion ausgerichtet, sie beschränkt sich dabei aber in ihren Annahmen häufig (implizit) auf die Probleme der Industrie (Chmielewicz 1984, S. 151).10 Mit dem generellen Bezug auf die Institution Betrieb (bzw. Unternehmung) ergibt sich angesichts der Verschiedenartigkeit der Markt- und Umweltbedingungen indessen auch die Aufgabe, die Problemstellungen der Praxis im Hinblick auf deren unterschiedliche institutionelle Kontexte aufzuarbeiten (vgl. MüllerHagedorn 1983, S. 210; Dyllick; Tomczak 2009, S. 72), sodass sich die Marketingdisziplin gleichermaßen in institutionelle Teilbereiche ordnet. Ursprünglich wird im Marketing mit dem institutionellen Ansatz (im Sinne des Institutionenansatzes der Absatzlehre) vornehmlich die Darstellung und Klassifikation der Handelsbetriebe verbunden (vgl. Engelhardt 2000, S. 108 f.). Gemeint ist hier eine programmatische Ausrichtung der Marketingdisziplin an den Besonderheiten eines bestimmten (Anwendungs-)Bereichs (vgl. beispielsweise Homburg 2012, S. 945 ff.; Meffert; Burmann; Kirchgeorg 2012, S. 24 ff.; Tscheulin; Helmig 2001, S. 19 ff.). Sie zeigt sich zum einen in der Praxis, in der das Marketing – mit verschiedenartigen Herausforderungen konfrontiert – unterschiedliche Ausgestaltung erfährt, zum anderen in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre. So wird anhand der hochschulpolitischen Strukturierung

10

Die Betriebswirtschaftslehre wird nach funktionellen und institutionellen Gesichtspunkten unterteilt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 18 f.): Während sich die Funktion auf Teilsysteme eines Betriebs (z. B. Produktion, Finanzierung) bezieht, befassen sich Institutionenlehren (bzw. Betriebslehren) mit bestimmten Bereichen des Wirtschaftslebens. Als spezielle Betriebslehren etablieren sich etwa die Handels-, Industrie- und Bankbetriebslehre. Auch die Kulturbetriebslehre kann hier zugeordnet werden, gleichwohl ihr wissenschaftlicher Fokus ausdrücklich über eine reine betriebswirtschaftliche Analyse hinausgeht. Mit dem Determinatum „Betrieb“ wird ein soziologischer Institutionsbegriff zugrunde gelegt. Der Kulturbetrieb wird anerkannt als ein implizites und explizites Regelwerk, das gewisse Praktiken durchsetzt bzw. kollektives Handeln zuwege bringt (vgl. Zembylas 2004, S. 97 ff.). Dieses Verständnis des Betriebs reicht weiter als jener Betriebsbegriff der Betriebswirtschaftslehre, da er zwar auch, aber eben nicht nur organisierte Wirtschaftseinheiten umfasst.

22

1 Einleitung: Dynamik im Kulturbetrieb

vornehmlich eine Funktionenorientierung deutlich; es etablieren sich jedoch ebenso institutionenorientierte Lehrstühle (vgl. Tscheulin; Helmig 2001, S. 27 f.; Voeth et al. 2011, S. 70 f.). Darüber hinaus lässt sich an entsprechend ausgerichteten Journals, Buchbeiträgen, Arbeitspapieren und Lehrbüchern, die als wesentliche Quelle des Wissensbestands einer Disziplin angesehen werden können, eine institutionelle Anordnung erkennen. Die Struktur der Ausarbeitung orientiert sich an der beschriebenen Zielsetzung und ist, wie in Abbildung 1 zum Aufbau der Arbeit schematisch dargestellt, in fünf Kapitel gegliedert. Nach dem einleitenden Kapitel wird zunächst die Kennzeichnung der Marketingdisziplin notwendig. Damit wird in Kapitel 2 der Ausgangspunkt für die Aufarbeitung von Austauschprozessen thematisiert. Neben der Zielsetzung und den theoretischen Grundrichtungen wird auf den Objektbereich eingegangen, um das „Marketing im Kulturbetrieb“ einordnen zu können. So wird mit dem aufgegriffenen Anwendungsbezug die Grundlage für die weiteren Kapitel gelegt. Demnach werden im Verlauf der Arbeit zwei, anhand des Abstraktionsniveaus unterschiedene Annäherungen verfolgt. Während bisherige Arbeiten zum „Kulturmarketing“ in der Regel auf einzelne (Teil-)Branchen beschränkt bleiben, stellt die in Kapitel 3 verfolgte sektorale Annäherung eine andersartige Herangehensweise dar. Ausgehend vom Kulturbegriff werden Gestalten und Merkmale der Kultur erarbeitet, die als Ansatzpunkt für die Aufarbeitung der Austauschprozesse dienen. In Kapitel 4 hingegen findet eine branchenspezifische Annäherung statt. Hier werden die Besonderheiten des „Marketing im Kulturbetrieb“11 anhand der Musikwirtschaft als institutioneller Rahmen der Vermarktung von kulturellen Symbolen (Musik bzw. Musikaufnahmen) erarbeitet. Da in der Musikwirtschaft verschiedene Akteure tätig sind bzw. verschiedene Leistungen erstellt und vermarktet werden, wird der Fokus in einer fallstudienartigen Ausführung auf zwei Akteure (Musikschaffende sowie phonographische Unternehmen) bzw. deren Austauschprozesse gerichtet.

11

Wenn im Verlauf der Arbeit (möglicherweise etwas verklausuliert erscheinend) weiterhin von „Marketing im Kulturbetrieb“ die Rede ist, dann erfolgt dies, angesichts der Vielzahl der im Kultursektor agierenden Akteure und deren Austauschprozesse, als Verweis darauf, dass es nicht „das“ Marketing im Kulturbetrieb gibt.

1.3 Struktur der Arbeit

23

Die Schlussbetrachtung in Kapitel 5 setzt sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung sowie dem (inter-)disziplinären Kontext des „Marketing im Kulturbetrieb“ auseinander und beinhaltet ein abschließendes Fazit.

1 Einleitung 1.1 Entwicklungsstand des „Kulturmarketing“ 1.2 Ziel und Forschungsansatz der Arbeit

1.3 Struktur der Arbeit

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin 2.1 Abwägung der Ziele 2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

3 Sektorale Annäherung

4 Branchenspezifische Annäherung

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs 4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens 4.3 Ableitungen zur 4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermarktung der Musikaufnahmen Vermittlungsleistung 4.5 Zwischenfazit

3.4 Zwischenfazit

5 Schlussbetrachtung 5.1 Gesellschaftliche Verantwortung

5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext 5.3 Fazit

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

Um in den nachstehenden Abschnitten das „Marketing im Kulturbetrieb“ aufarbeiten zu können, ist es zunächst notwendig, die Marketingdisziplin über die Dimensionen einer Metaebene zu erfassen. Franke (2002, S. 24) schreibt hierzu: „Interpretiert man die Ausprägungen einer Wissenschaft entlang dieser Dimensionen als Koordinaten, so erlaubt dieser gedankliche Rahmen eine Beschreibung der Identität einer wissenschaftlichen Disziplin: es wird möglich, ein Fach wie das Marketing über die betreffenden meta-theoretischen Festlegungen zu charakterisieren.“ Hier kann aber zum einen nicht von einem starren und endgültig feststehenden Gebilde ausgegangen werden, zum anderen besteht weniger der Anspruch die Marketingdisziplin in ihrer Gesamtheit abzubilden – in Anbetracht der inzwischen vorherrschenden Vielfalt ohnehin ein schwieriges Unterfangen –, sondern vielmehr mittels einer skizzenhaften Darstellung den im weiteren Verlauf der Arbeit bestehenden Zugriff auf die Dimensionen der Metaebene zu entwerfen. Es werden drei Dimensionen berücksichtigt (vgl. Angelmar; Pinson 1975, S. 208 ff.; Franke 2002, S. 22 ff.; Raffée 1995, S. 1668 ff.).12 Als Ausgangspunkt erörtert Kapitel 2.1 die Abwägung der Ziele. Daran anknüpfend befasst sich Kapitel 2.2 mit der Konkretisierung des Objektbereichs, das heißt es wird geklärt, welche Problemstellungen Gegenstand der Forschungsarbeit sind und welche entsprechenden Lösungsansätze bestehen. Kapitel 2.3 erläutert die Aus-

12

Zum Teil werden Werturteile als vierte metatheoretische Dimension genannt. Problematisch sind allerdings weniger Werturteile schlechthin, sondern insbesondere Werturteile im Aussagenzusammenhang. Eine Auseinandersetzung mit derartigen Werturteilen wird in diesem Abschnitt zunächst außen vor gelassen, jedoch in der Schlussbetrachtung aufgegriffen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. H. Gröppel, Marketing im Kulturbetrieb, Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3_2

26

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

wahl der theoretischen Grundrichtungen13, die zur Formulierung der disziplinspezifischen Aussagen dienen.

2.1

Abwägung der Ziele

Die Auseinandersetzung mit den Zielen der Wissenschaft 14 ist von grundlegender Bedeutung – sie verdeutlichen den Sinn und Zweck der Tätigkeit und dienen als Maßstab zur Beurteilung des Handelns (Franke 2002, S. 47). Verstanden als Realwissenschaft beschränkt sich die Marketingwissenschaft in ihrem Selbstverständnis nicht bloß auf das Wissenschaftsziel des Erkenntnisgewinns, sondern strebt gleichermaßen nach dem Gestaltungsziel (Raffée 1995, S. 1668). Anzumerken ist vorab, dass die Ziele der Wissenschaft, wie andere Ziele auch, nur normativ zu bestimmen sind (Chmielewicz 1994, S. 18). Die hier aufgegriffenen Zielsetzungen bilden lediglich die in der Marketingwissenschaft gängigen Vorstellungen ab; aus dem generellen Anspruch der Wissenschaft einen Beitrag zur menschlichen Daseinsbewältigung zu leisten (Wiedmann 2004, S. 12), können folglich weitere Ziele konkretisiert werden (Raffée 1995, S. 1668). Marketing tritt nicht nur als wissenschaftliche Disziplin in Erscheinung, sondern ist zunächst ein Phänomen der Erfahrungswelt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 34). In diesem Zusammenhang kann auch von der Marketingpraxis als Anwendung des Marketing gesprochen werden. Die Betriebswirtschaftslehre im Allgemeinen und die Marketingwissenschaft im Speziellen finden demnach ihren Ausgangspunkt in der betrieblichen Praxis (vgl. Schreyögg 2007, S. 151 f.; Dyllick;

13

Franke (2002, S. 78) fasst unter der Dimension „Methodologie“ sowohl die methodologische Grundrichtung (hier in Anlehnung an Meffert und Sepehr (2012, S. 27 f.) als theoretische Grundrichtung bezeichnet) als auch die empirische Methodologie zusammen. Auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit der empirischen Methodologie wird an dieser Stelle verzichtet.

14

Die Wissenschaft kann zum einen funktionell (als Bestand bzw. Produktion allgemeingültigen (Marketing-)Wissens), zum anderen institutionell (als institutionalisierte Wissenschaft an Hochschulen) von der Praxis abgegrenzt werden (vgl. Chmielewicz 1994, S. 16).

2.1 Abwägung der Ziele

27

Tomczak 2009, S. 72). Damit wird eine Bestimmung betriebswirtschaftlicher Probleme vorgenommen, die es erlaubt die Dynamik der betrieblichen Praxis zu begleiten und nicht bei einem abstrakten, trennscharfen, womöglich aber der betrieblichen Praxis gegenläufigen Identitätsprinzip zu verharren (Schreyögg 2007, S. 152). Die Abwägung der Ziele wird deshalb in Kapitel 2.1.1 im Kontext des Verhältnisses von Wissenschaft und Praxis besprochen. In Kapitel 2.1.2 werden mögliche Transferprobleme aufgegriffen.

2.1.1

Verhältnis von Wissenschaft und Praxis

Ein auf Erkenntnis ausgelegtes (kognitives) Wissenschaftsziel orientiert sich – aus intellektueller Neugierde – in erster Linie an der (vorläufigen) Wahrheit (Franke 2002, S. 47). Im Vordergrund steht dabei die Phänomene der Erfahrungswelt systematisch über kausale Beziehungen in Theorien zu erfassen, die Popper (1994, S. 31) beschreibt als „das Netz, das wir auswerfen, um ‚die Welt‘ einzufangen, – sie zu rationalisieren, zu erklären und zu beherrschen.“15 Hierfür bedürfen Theorien, die sich mit realen Phänomenen befassen, der empirischen Überprüfung. Damit ist die auf externen Daten beruhende, systematische und theoriegestützte Untersuchung realer Gegebenheiten gemeint (Homburg 2007, S. 29). Demnach können mit Hilfe der empirischen Prüfung die zuvor aufgestellten Annahmen über die Realität in (vorläufiges) realtheoretisches

15

In diesem Zusammenhang ist das zugrunde gelegte Wissenschaftsverständnis anzusprechen. Die geführte Diskussion über die Grundausrichtung der Marketingwissenschaft (vgl. beispielsweise Hunt 1990; Peter 1992; Zinkhan; Hirschheim 1992; Hunt 1992) kann hier der Einfachheit halber auf zwei gegensätzliche Auffassungen beschränkt werden (vgl. Franke 2002, S. 131 ff.): Während ein realistisches Verständnis eine Realität voraussetzt, die in der Wissenschaft erforscht und annähernd objektiv beschrieben werden kann, geht eine konstruktivistische Wissenschaftsauffassung von einer sozial konstruierten Wirklichkeit und damit immer nur relativer, nicht absoluter Erkenntnis aus. Als zentrale Position für die Betriebswirtschaftslehre und die Marketingwissenschaft wird vermehrt der wissenschaftliche Realismus betont (vgl. Hunt 2010, S. 225 ff.; Homburg 2007, S. 34 f.). Zur grundlegenden Übersicht und Einordnung wissenschaftstheoretischer Konzeptionen wird auf den Orientierungsrahmen von Burrell und Morgan (1979, S. 3 ff.) verwiesen.

28

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

Wissen überführt werden, das heißt derartig geprüfte und vor allem bewährte Theorien können als Erklärung realer Phänomene angesehen werden (Franke 2002, S. 96). Eine solche Theorie ist – um die Formulierung von Kaas (2000, S. 57) zu bemühen – „weniger und zugleich mehr […] als die Vielzahl der Einzelbeobachtungen. Weniger, weil eine Theorie von der Fülle der Details der Realität abstrahiert und sich auf das Gemeinsame an ihnen konzentriert, mehr, weil sie dadurch allgemeingültiger und beständiger als die Vielzahl der Details ist.“ Reale Phänomene lassen sich allerdings in ihrer Vielfalt nicht ohne Weiteres aufarbeiten – die Realität erscheint schlichtweg als (zu) komplex, dynamisch, einzigartig und meist undurchsichtig (vgl. Jaccard; Jacoby 2010, S. 9 f.). Angesichts dessen lässt sich ein in der Wissenschaft angestrebtes theoretisches Aussagensystem auf höchstem Allgemeinheitsniveau in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften nur schwer umsetzen (Schuh; Holzmüller 2005, S. 18). Eine vornehmlich auf Gestaltung fokussierte (pragmatische) Ausrichtung der Wissenschaft bestimmt hingegen ihre Daseinsberechtigung durch den für die Anwendung generierten Verwertungsnutzen (Franke 2002, S. 47). Die Marketingwissenschaft bietet damit der betrieblichen Praxis Hilfestellungen zur Lösung ihrer Probleme an. Werden anwendungsbezogene Aussagen ohne theoretischen Unterbau forciert, was nicht selten aufgrund des stets herrschenden Problemlösungszwangs in der betrieblichen Praxis vorkommt, können durchaus brauchbare Ergebnisse entstehen (Chmielewicz 1994, S. 183). Die Folge ist die Entwicklung von technologischen Aussagen ohne theoretisches Fundament; Handlungsanleitungen, denen durchaus Wert in der Marketingpraxis zukommt, es jedoch häufig an theoretischer Erklärung mangelt (Schuh; Holzmüller 2005, S. 12). Während die theoretische Erklärung16 überwiegend für die wissenschaftliche Gemeinschaft von Interesse ist, verlangt die Marketingpraxis von der Forschung vor allem Praxisrelevanz und Handlungsempfehlungen (vgl. Dossabhoy; Berger

16

Zu unterscheiden sind dabei die Modelle der Erklärung (z. B. deduktiv-nomologische Erklärung, induktiv-statistische Erklärung) (vgl. Hunt 2010, S. 77 ff.).

2.1 Abwägung der Ziele

29

2002, S. 312).17 In welche Richtung die Marketingforschung tendiert wird des Öfteren kritisch diskutiert.18 Die Zielsetzungen können unabhängig voneinander verfolgt werden – als intellektuell reizvolle, aber irrelevante Forschung ohne praktischen Nutzen oder als nützliche Forschung, die nicht der Wahrheitsfindung dient –, sie können aber auch als dritte sinnvolle Zielsetzung kombiniert werden, was bedeutet aufbauend auf ermittelten Kausalbeziehungen für die Praxis relevante, technologische Aussagen zu erarbeiten (vgl. Franke 2002, S. 47 f.; Stokes 1997, S. 70 ff.). In letzterem Fall wird häufig von angewandter Wissenschaft gesprochen (vgl. Raffée 1995, S. 1668; Dyllick; Tomczak 2009, S. 76).19 So wird darauf verwiesen, dass technologische Handlungsempfehlungen gerade dann besonders tragfähig sind, wenn sie sich auf eine theoretische Erklärung beziehen (vgl. Wiedmann 2004, S. 12). Demnach vermag praktischer Nutzen auf theoretischer Erkenntnis aufzubauen, was sich allerdings aufgrund unterschiedlicher Aussagensysteme als schwierig darstellen kann. Während theoretische Aussagen sich auf einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang

17

Chmielewicz (1994, S. 15 f.) unterscheidet vier Kooperationsformen von Wissenschaft und Praxis: Verstanden als Begriffslehre beschränkt sich die Wissenschaft auf Begriffsprobleme und überlässt der Praxis die Ausarbeitung von Faustregeln; als (Wirtschafts-)Theorie erarbeitet die Wissenschaft eine Theorie, die von der Praxis noch umzuformen und mit Wertungen zu versehen ist; Wissenschaft als (Wirtschafts-)Technologie liefert Ziel-Mittel-Aussagensysteme, die von der Praxis werturteilend reflektiert werden; sofern von der Wissenschaft auch die Werturteile bezüglich der Ziele und Mittel vorgegeben werden, sodass die Praxis diese nur noch auf ihre jeweilige Situation übertragen muss, ist sie als (Wirtschafts-)Philosophie anzusehen.

18

Für die Marketingwissenschaft kann sowohl Erkenntnisgewinn als auch Nützlichkeit für die Praxis als Forschungsziele ausgewiesen werden (vgl. Franke 2002, S. 57). Meffert und Sepehr (2012, S. 26 f.) ermitteln in einer jüngeren Untersuchung ebenfalls, dass beide Zielsetzungen in der Marketingforschung von Bedeutung sind, derzeit der theoretische Erkenntnisgewinn mehr im Fokus steht, zukünftig aber eine stärkere Gewichtung der Handlungsempfehlungen für die Praxis erstrebenswert erscheint.

19

Was genau unter angewandter Wissenschaft zu verstehen ist, bleibt zum Teil unklar. Sofern hiermit die tautologische Transformation gemeint ist, bestehen die in der Kontroverse aufgeführten Kritikpunkte. Schreyögg (2007, S. 150 f.) etwa hält die Positionsbestimmung der Betriebswirtschaftslehre durch diese Zuschreibung für ein merkwürdiges Identitätsprinzip und plädiert, sofern die Kennzeichnung „angewandt“ nicht auf ein solches TechnologieTransformations-Szenario bezogen ist, sondern die Ausrichtung der Disziplin am betrieblichen Handeln gemeint ist, für die aristotelische Unterscheidung von scientia und praktischen Wissenschaften.

30

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

stützen, werden in einer praxisorientierten Betrachtungsweise technologische Aussagen basierend auf einem Ziel-Mittel-Zusammenhang formuliert (Chmielewicz 1994, S. 11). Sofern die Technologie auf der Theorie aufbaut, werden die Ursachen (als gestaltbare Rahmenbedingungen) in Mittel und die Wirkungen (als definierbare Zustände) in Ziele umgedeutet, sodass die Technologie eine anwendungsbezogene Umformung der Theorie darstellt (ebenda, S. 182). Es handelt sich hierbei demnach um eine tautologische Transformation. Eine derartige Transformation ist jedoch nicht immer uneingeschränkt möglich. Bei der Übertragung theoretischer Überlegungen in reale Gegebenheiten gelingt keine Eindeutigkeit. Schon in der Ceteris-paribus-Klausel kommt zum Ausdruck, dass eine theoretische Erklärung nicht ohne Weiteres in eine technologische Gestaltungsempfehlung übertragen werden kann, da sich reale Entscheidungssituationen in der Praxis als weitaus komplexer erweisen können als die mehr oder minder realitätsfremden Forschungsprämissen. Inwieweit sich theoretische Aussagen (das heißt eben auch in ihrem Wirkungsbereich beschränkte Aussagen) tatsächlich in immerwährende, eindeutige Handlungsempfehlungen für die Praxis umformen lassen, ist angesichts der in der Realität vorzufindenden Komplexität der Entscheidungssituationen zum Teil fraglich. Praktisches Handeln bedeutet mehr als die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. Schreyögg 2007, S. 154). Die empirisch-theoretische Forschung strebt allgemeingültige Aussagen und damit eine möglichst geringe Anzahl von Theorien mit entsprechend hohem Informationsgehalt an; die Technologie nimmt hingegen vermehrt Bezug auf einen bestimmten Fall, besitzt folglich nur geringen Allgemeinheitsgrad, wodurch sich unweigerlich die Aussagenmenge erhöht (Chmielewicz 1994, S. 198). Einer solchen Kritik kann aber begegnet werden, dass sie – gleichwohl sie formal betrachtet zutrifft – gleichzeitig doch übersieht, dass für die Lösung von realen Problemen der Praxis das in der Marketingforschung erarbeitete Wissen über die Beziehungen der Realität in jedem Fall hilfreich ist (Franke 2002, S. 48 f.). In diesem Zusammenhang muss die Frage gestellt werden, wie weit das Gestaltungsziel auszulegen ist. Die zentrale Aufgabe der Wissenschaft – auch mit dem Anspruch der Gestaltung – ist nicht die Lösung des konkreten Einzelfalls; dies bleibt die genuine Aufgabe der Praxis selbst (Schreyögg 2007, S. 154).

2.1 Abwägung der Ziele

31

Die Marketingdisziplin steht „im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und praxisbezogenen Anforderungen“ (Meffert 2000, S. 328). Zum einen finden sich KritikerInnen, die der Marketingwissenschaft eine ausschließliche Ausrichtung auf die Praxis vorwerfen und hiermit den wissenschaftlichen Anspruch der Disziplin infrage stellen (vgl. Schneider 1983, S. 219 f.). Zum anderen liegen auch Beiträge vor, die eine mangelnde Praxisorientierung ausmachen – Simon (1994, S. 39) etwa spricht vom „ivory-tower syndrome“, Tietz (1993, S. 160) von „Forschergettos, die sich […] ohne jeden Bezug zur Realität mit sich selbst beschäftigen“. Was aber genau unter Praxisorientierung zu verstehen ist, bleibt teilweise offen. So ist grundsätzliche Praxisrelevanz in der zu stellenden Forschungsfrage erstrebenswert, inwiefern die Forschungsergebnisse dann aber zu einer direkten Anwendung in der Praxis führen (bzw. führen müssen), ist vorab nur schwer auszumachen, beispielsweise dann, wenn sich die breite Anwendung in der Praxis erst im Verlauf der Zeit durch die Schaffung notwendiger Voraussetzungen ergibt (Homburg 2000, S. 353). Entsprechend wird von dem allzu leichtfertigen, also kurzsichtigen und oberflächlichen Umgang mit dem Begriff „Praxisorientierung“ abgeraten, da der Gradmesser des wissenschaftlichen Arbeitens nicht nur auf die kurzfristige Anwendung in der Praxis zu reduzieren ist (ebenda, S. 352 f.).

2.1.2

Mögliche Transferprobleme

Inwieweit die erarbeiteten Forschungsergebnisse der Marketingwissenschaft in der Praxis zur Anwendung kommen, ist fraglich. Reibstein, Day und Wind (2009, S. 1) schreiben hierzu: „There is an alarming and growing gap between the interests, standards, and priorities of academic marketers and the needs of marketing executives operating in an ambiguous, uncertain, fast-changing, and complex marketspace.“ Dass zwischen Wissenschaft und Praxis tatsächlich eine Lücke klafft (vgl. Brennan 2004), drückt sich aus, indem von PraxisvertreterInnen eine intensive Nutzung aktueller Erkenntnisse der Marketingforschung zwar als sinnvoll angesehen wird, diese tatsächlich jedoch nur äußerst selten stattfindet (vgl. Meffert; Sepehr 2012, S. 33). Damit kann vermutet werden, dem Transfer von Forschungsergebnissen der Wissenschaft in die Praxis

32

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

mangele es nicht so sehr an der generellen Bereitschaft der Praxis sich mit den Ergebnissen der Wissenschaft zu befassen, sondern eher die praxisgerechte Aufbereitung stelle ein wesentliches Hindernis dar (vgl. Tietz 1993, S. 162).20 Ein möglicher Grund für die Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis kann demnach die geringe Bekanntheit und Zugänglichkeit der Forschungsarbeiten sein. So beschränken sich die Veröffentlichungen der Marketingforschung zunehmend auf möglichst hochrangige Zeitschriften, die ein fast ausschließlich akademisches Publikum bedienen (Dyllick; Tomczak 2009, S. 71; Homburg 2000, S. 354).21 Die Erkenntnisse der Marketingforschung erreichen demnach zu selten diejenigen, denen sie zu helfen vermögen. Einige Vertreter der Marketingwissenschaft fragen deshalb schon (Reibstein; Day; Wind 2009, S. 3): „Are we mostly talking to ourselves?“ Lange Zeitspannen zwischen Einreichung eines Manuskripts und der Veröffentlichung in einer Zeitschrift können im Extremfall sogar bedeuten, dass Forschungsergebnisse gegebenenfalls zu spät kommen für die Probleme, die es zu lösen gilt (Dyllick; Tomczak 2009, S. 71). Den Dialog mit der Praxis zu suchen und vor allem zu finden, bedeutet dann in erster Linie die Forschungsergebnisse in praxisorientierten Zeitschriften zu veröffentlichen (Homburg 2000, S. 354). Zugleich hemmt der in der Wissenschaft übliche komplexe Sprachgebrauch den Transfer der Forschungsergebnisse in die

20

Meffert und Sepehr (2012, S. 33 f.) fragen Bekanntheit in der Praxis, Zugänglichkeit, inhaltliche Relevanz, praktische Umsetzbarkeit, Problemlösungspotenzial sowie sprachliche Verständlichkeit als Gründe für eine mangelnde Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis ab und kommen zu dem Ergebnis, dass der generelle Praxisnutzen der Marketingforschung als lediglich mittelmäßig, vor allem die geringe Bekanntheit, Zugänglichkeit sowie Umsetzbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse als problematisch und von der Wissenschaft das Problemlösungspotenzial höher, die sprachliche Verständlichkeit hingegen niedriger als von der Praxis eingeschätzt wird.

21

Viele Journals, auch jene, die früher noch Beiträge von PraktikerInnen veröffentlichen, schlagen eine vermehrt wissenschaftliche Ausrichtung ein. Als Indiz kann beispielsweise für das Journal of Marketing eine deutliche Verschiebung in den Kategorien „Editorial Staff“, „Review Board“ und „Contributing Authors“ zugunsten der WissenschaftlerInnen angesehen werden (Brown et al. 2005, S. 20). Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitschriftenranking legt Kieser (2012) vor. Lutz (2011, S. 233) fordert in Anbetracht der festgefahrenen Forschungs- und Veröffentlichungsprozesse unter der Überschrift „Marketing Scholarship 2.0“ einen digitalen, kooperativen Ansatz für die Produktion und Verbreitung von Marketingwissen.

2.1 Abwägung der Ziele

33

Praxis (ebenda). So kann beispielsweise für das Journal of Marketing aufgrund einer verstärkten wissenschaftlichen Ausrichtung eine Abnahme der Lesbarkeit, ausgelöst in dem Zeitraum von 1966 bis 1971, festgestellt werden (vgl. Brown et al. 2005, S. 19 f.). Crosier (2004) weist auch für andere Marketing-Journals eine geringe Lesbarkeit aus. Dies scheint angesichts der von der Wissenschaft angebotenen Lösungen als Sprachhandlungen schwer zu wiegen (vgl. Schreyögg 2007, S. 151). Interessanterweise fallen besonders „erfolgreiche“ (das heißt in diesem Fall mit Preisen ausgezeichnete) Beiträge durch eine bessere Lesbarkeit auf (vgl. Sawyer; Laran; Xu 2008). Zwischen Wissenschaft und Praxis kann neben der Übermittlung der Forschungsergebnisse in die Praxis ebenso die zeitlich vorgelagerte, mangelnde Aufnahme praxisrelevanter Themen in die Forschungsarbeit als ein mögliches Transferproblem ausgemacht werden (Tietz 1993, S. 162). In diesem Zusammenhang spielt die im Wissenschaftsbetrieb gängige Marschroute des „Publish or Perish“ (vgl. van Dalen; Henkens 2012) eine Rolle. „It is a human nature to respond to what is rewarded. Currently, most promotion and tenure decisions depend on articles published in leading journals and, to a lesser degree, on teaching and service“ (Reibstein; Day; Wind 2009, S. 2), was zur Folge hat, dass sich die inhaltliche Forschungsarbeit zunehmend danach richtet, ob sie in einem bestimmten Journal angenommen wird. Damit legen die als wichtig empfundenen Journals mit ihren jeweiligen Anforderungen indirekt auch fest, wer und welche Art der Forschung in der Wissenschaft Bestand hat. So zielt eine zentrale Anforderung an die eingereichten Beiträge beispielsweise auf möglichst anspruchsvolle empirische Methoden ab, sodass sich inzwischen die Anstrengung der Marketingforschung zunehmend auf die Untersuchung empirisch gewonnener Daten mit möglichst komplexen statistischen Methoden beschränkt (vgl. Homburg 2000, S. 356; MacInnis 2004, S. 3; Dyllick; Tomczak 2009, S. 71).22 Bei gleichzeitiger Ausrichtung auf thematisch stark fokussierte Frage-

22

Theoretisch-konzeptionelle Arbeiten, die ohne die Erhebung und Auswertung von Daten auskommen, finden in den einschlägigen Journals nur noch geringe Berücksichtigung (vgl. MacInnis 2004; Yadav 2010). Stewart und Zinkhan (2006, S. 477) halten fest: „It is certainly the case that it is more difficult to get conceptual articles through the review process.“ Diese inzwischen vielfach bemängelte Entwicklung steht im starken Widerspruch zum hohen Stellenwert theoretisch-

34

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

stellungen bedeutet dieses (isolierte) Vorgehen häufig nichts anderes als „mit methodischen Kanonen auf inhaltliche Spatzen zu schießen“ (Meffert 2007, S. 4). Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Forschung (nicht nur im Bereich Marketing) noch weitestgehend als praxisorientiert anzusehen ist, setzt sich im Verlauf der Zeit eine immer stärkere wissenschaftliche Rigorosität zum Teil auf Kosten der inhaltlichen Relevanz durch (vgl. Vermeulen 2005; Lehmann; McAlister; Staelin 2011; Roberts; Kayande; Stremersch 2014). Dem gängigen Anspruch nach „Rigour and Relevance“ wird die Marketingforschung bei mangelnder Problemlösungskraft nur bedingt gerecht (Katsikeas; Robson; Hulbert 2004, 574 f.): „While it is imperative that research methods are systematic and critically applied, this is inconsequential if the research issue itself fails to address an important marketing phenomenon in an original fashion. Accordingly, the first and most important step in conducting efficacious marketing research is to select a promising area.“ Damit ist die Suche nach interessanten Problemstellungen angesprochen (vgl. Shugan 2003) und die Überlegung verbunden den inzwischen vielfach eingeschlagenen Forschungsablauf wieder umzudrehen (vgl. Reibstein; Day; Wind 2009, S. 1 f.).

2.2

Konkretisierung des Objektbereichs

Die Bestimmung des Objektbereichs zielt auf die Abgrenzung der Problemstellungen, mit denen sich eine wissenschaftliche Disziplin befasst, und ist damit maßgeblich für die zu leistende Forschungsarbeit (Franke 2002, S. 61). Allerdings herrscht nicht immer Einigkeit über die Begrenzung und Strukturierung des Objektbereichs. Seine Auslegung beinhaltet stets ein Werturteil, sodass es auch keine objektiv richtige und vor allem unverrückbare Abgrenzung geben kann (vgl. Chmielewicz 1994, S. 288 ff.; Franke 2002, S. 61).

konzeptioneller Arbeiten für die Ausarbeitung von Problemstellungen, neuer Ideen und damit die (Theorie-)Entwicklung der Marketingdisziplin (vgl. MacInnis 2011; Yadav 2010; Stewart; Zinkhan 2006).

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

35

Die Ausführung zur Konkretisierung des Objektbereichs umfasst zwei Abschnitte. Kapitel 2.2.1 richtet zunächst den Blick auf den Entwicklungspfad des Marketing, bezweckt insofern ein generelles Verständnis des Marketing darzulegen sowie die programmatische Ausdifferenzierung (also die Teildisziplinen) zu erörtern. In Kapitel 2.2.2 wird auf das zugrunde liegende Modell der Austauschprozesse eingegangen. Mit der für Modelle charakteristischen Reduktion der Komplexität realer Phänomene auf die zentralen Elemente und deren Zusammenhänge dient es als Ausgangspunkt für die Strukturierung des Problemfelds.

2.2.1

Entwicklungspfad des Marketing

Im Laufe der historischen Entwicklung verändert sich das Marketingverständnis deutlich (vgl. Wilkie; Moore 2003; Hansen; Bode 1999). In quantitativer Hinsicht kommt dem Marketing eine Fülle zusätzlicher Aufgaben zu ebenso wie in qualitativer Hinsicht die Dimensionalität des Zielsystems ansteigt und zunehmend Spannungsfelder aufdeckt – bislang wird ein Sowohl-als-auch statt eines Entweder-oders verfolgt (Diller 1995, S. 25). Dementsprechend zeigen sich im Zeitverlauf auch unterschiedliche Definitionen des Marketing (vgl. Cooke; Rayburn; Abercrombie 1992; Bartels 1974; Lusch 2007). Für die Übersicht des Entwicklungspfads wird im Folgenden die Phaseneinteilung von Hansen und Bode (1999, S. 16) übernommen, wobei hier ausdrücklich kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht.23

23

Für eine Darstellung der historischen Entwicklung des Marketing wird auf Hansen und Bode (1999), Wilkie und Moore (2003) sowie für eine kursorische Aufarbeitung der jüngeren Entwicklung auf Kumar (2015) verwiesen.

36

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

Ursprung und Beginn Marketing tritt als „Vermarktung“, einhergehend mit dem Tausch von Gütern, schon in einer sehr frühen Zeit der menschlichen Entwicklung auf (vgl. MüllerHeumann 1995, S. 177 ff.). Eine verstärkte, systematische Auseinandersetzung im Sinne wissenschaftlicher Forschung findet aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts und zunächst im angloamerikanischen Sprachraum statt (vgl. Müller-Heumann 1995, S. 180 f.; Homburg 2012, S. 6 f.). Dabei bezieht sich der Begriff als künstlich geschaffener Ausdruck auf die Beschreibung der Tätigkeit „to go into the market“ (vom englischen Verb „to market“ für Handel betreiben) (Mattmüller; Tunder 2005, S. 7). Zunächst beschränkt sich das Verständnis von Marketing auf den Verkauf, also das Bemühen eine Leistung am Markt abzusetzen. Der Grund für diese Gleichsetzung von Marketing und Verkauf ist wohl in der Tatsache zu sehen, dass es sich bei den meisten Märkten um VerkäuferInnenmärkte handelt. Diese Märkte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Nachfrage (aufgrund eines Angebotsdefizits bzw. eines Nachfrageüberschusses) größer ist als das Angebot und somit aus Sicht eines Anbieters keine besondere Notwendigkeit besteht den Markt zu bearbeiten. Entsprechend richtet sich das Bemühen der Anbieter auf das Verkaufen der produzierten Güter zu einem anvisierten Preis. An dieser Auffassung ändert auch die vermehrte Auseinandersetzung mit Aspekten der Werbung nur wenig. Prägend ist vor allem die vermehrte Industrialisierung, die Massenmärkte ermöglicht, neue Konsumhaltungen hervorbringt, aber auch mit institutionellen Umstrukturierungen im Handelsbereich einhergeht (Hansen; Bode 1999, S. 65). Aufgrund der Weltwirtschaftskrise sowie des Zweiten Weltkriegs kommt die Entwicklung anschließend jedoch nur schleppend voran.

Wachstum und Unternehmenssteuerung Ein deutlicher Entwicklungsfortschritt des Marketing kann erst wieder verzeichnet werden durch die Überführung der Marktaktivitäten in eine grundlegende Systematik. Die Betonung liegt damit vorerst auf der instrumentellen Ausgestaltung des Marketing – McCarthy (1960, S. 45) entwickelt die „vier Ps“ des Marketingmix. Als koordinierte Zusammenstellung übersetzt der Marketing-

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

37

mix die Marketingstrategie in konkrete Maßnahmen. Bestehend (im Konsumgütermarketing) aus Product, Place, Promotion und Price ist der Marketingmix nach wie vor aktuell und nimmt einen festen Platz im Marketing ein (vgl. van Waterschoot; van den Bulte 1992). (Eine ähnliche Strukturierung findet sich allerdings schon bei Gutenberg (1955, S. 13 ff.), der das absatzpolitische Instrumentarium in Absatzmethode, Preispolitik, Produktgestaltung und Werbung gliedert.) Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass die Struktur der „vier Ps“ nur eine mögliche Gliederung des Marketinginstrumentariums von vielen darstellt, wenn auch die wohl Bekannteste. Entsprechend lassen sich in der Literatur unterschiedliche Gliederungen finden (vgl. van Waterschoot; van den Bulte 1992; Constantinides 2006). In dieser Phase der Entwicklung setzt sich der Marketingbegriff zusehends auch im deutschen Sprachraum durch und ersetzt den ursprünglich verwendeten Begriff „Absatzlehre“ (auch „Absatztheorie“, „Absatzwirtschaft“). Mit zunehmendem Wirtschaftswachstum kommt es vermehrt zu KäuferInnenmärkten (vgl. Hansen; Bode 1999, S. 82; Müller-Heumann 1995, S. 185). Hansen und Bode (1999, S. 113 f.) fassen den Hintergrund des Wandels der Marktsituation zusammen: „Nach den Entbehrungen des Krieges entstand eine konsumdefinierte Welt, in der Güter zu dem Stoff wurden, der den Alltag zusammenhält, und als Eintrittskarte in die moderne Industriegesellschaft dienten. Diese ‚massenhafte‘ Lust am Konsum stand in einem wechselseitigen Verhältnis zu marktorientierten Aktivitäten der Unternehmen, die ihrerseits stimulierende und gestaltende Einflüsse ausübten.“ Den Nachfragern steht bis heute in vielen Bereichen ein nahezu unüberschaubares Angebot an Produkten und Dienstleistungen zur Auswahl, sodass es (aufgrund des Angebotsüberschusses bzw. Nachfragedefizits) zu einem intensiven Wettbewerb zwischen den Anbietern kommt. Mit dieser Verschiebung der Machtstruktur hin zu den Nachfragern besteht der Engpass vielfach nicht mehr in der Produktion, sondern im Absatz der Güter (vgl. Raffée 1995, S. 1678 f.). Die bloße Verteilung der produzierten Güter wird abgelöst von einer aktiven, auf die Bedürfnisse der KonsumentInnen abzielenden Marktbearbeitung. Demnach kommt es zu einer grundlegenden Veränderung der Ausrichtung. Angetrieben von der politischen, sozialen sowie wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere der angehenden Internationalisierung bzw. Globalisierung der Märkte, setzt sich zusätzlich in den westlichen Gesellschaften aufgrund des

38

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

zunehmenden (Verdrängungs-)Wettbewerbs thematisch eine stärkere Wettbewerbsorientierung durch (vgl. Hansen; Bode 1999, S. 92). Da auch unternehmensinterne Aspekte bei der Ausgestaltung der Marketingaktivitäten eine wesentliche Rolle spielen, wird der Marketingimplementierung mehr Beachtung geschenkt. Hierbei geht es um die Schaffung der Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Marktbearbeitung. Die Marketing- und Vertriebsorganisation steht im Fokus und damit einhergehend eine funktionale Interpretation des Marketing, das heißt neben anderen Unternehmensfunktionen, wie Produktion oder Forschung und Entwicklung, etabliert sich das Marketing als Funktion respektive Abteilung in den Unternehmen. Über die Abteilungsgrenzen hinaus wird das (Selbst-)Verständnis des Marketing dann konsequenterweise zu einer Philosophie der Unternehmensführung entwickelt. Damit besteht bis heute die Auffassung, in der Marketing mit marktorientierter Unternehmensführung gleichgesetzt wird (Homburg 2000, S. 340). Wie Shapiro (1988) mit der zugespitzten Frage „What the Hell Is ‚Market Oriented‘?“ ausdrückt, scheint es allerdings (bis heute) häufig unklar zu sein, was Marktorientierung denn genau bedeutet. Das Verständnis als funktionsübergreifende Führungsphilosophie ist notwendigerweise an eine weitergehende Konkretisierung gebunden, da Marktorientierung ein theoretisches Konstrukt24 darstellt (Backhaus; Schneider 2007, S. 15). Ein möglicher Grund für eine geringe Marktorientierung in Betrieben ist damit auch die Verwirrung um den Begriff selbst (Day 1999, S. 5). Ein Verständnis von Marktorientierung als eine ausschließliche Fokussierung bzw. eine unreflektierte und beliebige Anpassung

24

Theoretische Konstrukte werden ihrem Namen nach mit Hilfe von theoretischem Vorwissen gedanklich konstruiert und, da sie eine nicht direkt messbare Größe darstellen, auch als latente Variable bezeichnet. Bei der Konstruktmessung geht es darum, Beziehungen zwischen beobachtbaren Variablen (auch Indikatorvariablen oder Indikatoren genannt) und dem Konstrukt zu konkretisieren, um auf diese Weise das Konstrukt „empirisch greifbar“, also messbar zu machen (Homburg; Giering 1996, S. 6). In den verschiedenen Teilgebieten der Marketingforschung wird mit komplexen Konstrukten (z. B. in der KonsumentInnenforschung mit Einstellungen und Motiven oder im Bereich Relationship Marketing mit Vertrauen und Commitment) gearbeitet, sodass die Sicherung von validen Messergebnissen bei der Erfassung von Konstrukten als eines der Kernprobleme der Marketingforschung gilt (vgl. ebenda, S. 5).

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

39

an jede beiläufig artikulierte Forderung der KundInnen ist ebenso wie eine komplette Ausblendung der KundInnen als Fehlinterpretation zu verstehen (vgl. Slater; Narver 1998; 1999; Day 1999). Damit ist auch davon auszugehen, dass je nach Markt bzw. Branche starke Unterschiede im Marketingverständnis auszumachen sind (Day 1999, S. 5): „In some industries, a market orientation is as natural as breathing. In others, it is a sharp departure from their history and instincts.“

Kritik und gesellschaftliche Perspektive Angetrieben von sozialer Ausdifferenzierung formt sich erstmals eine missbilligende Haltung gegenüber dem ausschweifenden Konsum, wodurch auch das Marketing in Kritik gerät und sich die VerbraucherInnenpolitik als Gegenmacht positioniert (Hansen; Bode 1999, S. 166). Ausgehend von immer komplexer werdenden Anforderungen an Unternehmungen erweitert sich damit das Spektrum der Anspruchsgruppen (vgl. Freeman 1984). Das moderne Marketing passt seinen Fokus entsprechend an und zeichnet sich inzwischen durch eine umfassende Orientierung an den Stakeholdern aus (vgl. Laczniak; Murphy 2012). Denn neben den Nachfragern stellen in der Marktumwelt weitere Akteure bestimmte Ansprüche und Erwartungen an einen Betrieb – ob der Handel, die Wettbewerber, Lieferanten und Absatzhelfer oder in gesellschaftlichem Hinblick auch verschiedene MeinungsführerInnen wie WissenschaftlerInnen, JournalistInnen, Interessenverbände, politische Parteien und staatliche Institutionen – und können Einfluss auf die Wahrnehmung bzw. das Image eines Betriebs in der Öffentlichkeit und damit die Erreichung der Unternehmens- und Marketingziele ausüben (Meffert; Burmann; Kirchgeorg 2012, S. 67). Somit werden heutzutage in der Betriebswirtschaftslehre im Allgemeinen und im Marketing im Speziellen die gesellschaftliche Verantwortung eines Betriebs und das Erfordernis zur Legitimation durch die relevanten Anspruchsgruppen anerkannt (vgl. Raffée 1995, S. 1678; Schuh; Holzmüller 2005, S. 7). Eine ausschließliche Fokussierung auf

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2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

ökonomische bzw. finanzielle Gesichtspunkte entspricht also nicht länger dem modernen Marketingverständnis.25

Fragmentierung und Konsolidierung Marketing wird zum einen als gleichberechtigte Unternehmensfunktion und zum anderen als Leitbild des Managements angesehen (vgl. Meffert; Burmann; Kirchgeorg 2012, S. 13 f.): In der funktionsbezogenen Dimension werden in der Marketingabteilung bestimmte Kompetenzen gebündelt und marktgerichtete Aktivitäten (z. B. Produktgestaltung, Kommunikation) durchgeführt; in funktionsübergreifender Sicht findet Marketing nicht ausschließlich in einer Abteilung statt, sondern bezieht sich (als marktorientierte Unternehmensführung) auf die Koordination aller betrieblichen Funktionsbereiche. So unterscheidet Homburg (2012, S. 10) eine unternehmensexterne und eine unternehmensinterne Facette: Die unternehmensexterne Facette beinhaltet die Konzeption und Durchführung marktbezogener Aktivitäten eines Anbieters gegenüber bestehenden und potenziellen Nachfragern einer Leistung; die unternehmensinterne Facette drückt die Schaffung der Voraussetzungen für die effektive und effiziente Durchführung der marktbezogenen Aktivitäten aus. Die Notwendigkeit der Koordination mit anderen Abteilungen verankert das Marketing als Führungsphilosophie im Unternehmen. Dementsprechend herrscht (zumindest in der Wissenschaft) die

25

Die im Jahr 2007 veröffentlichte Definition der American Marketing Association findet in der internationalen Marketingforschung weite Verbreitung und steht für ein modernes, erweitertes Marketingverständnis (AMA 2013): „Marketing is the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large.“ Auch hier findet sich also der konkrete Verweis auf die Ausrichtung auf nicht-finanzielle Größen. Insgesamt wird der Definition (auch im deutschsprachigen Raum) mehrheitlich zugestimmt, jedoch besteht ebenso Kritik, beispielsweise in der eher aktionsbezogenen als strategischen Sichtweise im Sinne einer marktorientierten Unternehmensführung (vgl. Meffert; Sepehr 2012, S. 14; Gundlach; Wilkie 2009, S. 259 ff.; Zinkhan; Williams 2007, S. 284 ff.).

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

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Auffassung des Marketing als marktorientierte Führungskonzeption vor (vgl. Meffert; Sepehr 2012, S. 15; Meffert 2007, S. 3).26 Als Zeichen des fortgeschrittenen Diffusionsstands der Marketingdisziplin kann die andauernde Ausdifferenzierung aufgefasst werden (Voeth 2003b, S. 5). So stellen Braun und Mayer (1989, S. 307) fest: „Marketing hat Konjunktur“ und weisen damit auf die florierende Schaffung neuer Wortkreationen hin. Dabei entstehen zum Teil fragwürdige „Marketingvarianten“ (z. B. Mega-, Maxi-, Turbo-Marketing), die auch Eingang in die Wissenschaft finden und dabei oftmals nicht kritisch reflektiert werden (Meffert 2000, S. 330). Engelhardt (1998, S. 13) beschreibt die Entwicklung: „Es wurden Tagesthemen mit gewissem modischen Touch aufgegriffen, mehr oder weniger punktuell angepackt, für kurze Zeit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, aber dann wieder ebenso rasch fallengelassen, um sich neuen Fragestellungen zuwenden zu können. Man wird auch konstatieren müssen, daß das Marketing nicht nur modischen Einflüssen gefolgt ist, sondern auch selbst dazu beigetragen hat, Moden zu kreieren. Die Folge war eine große Zersplitterung des Feldes, eine Fragmentierung des wissenschaftlichen Kräfteeinsatzes und ein im großen und ganzen geringer wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt.“ Jedem neuen Phänomen wird (meist vorschnell) mit einem „innovativen“ Marketingansatz begegnet.27 Deren Anzahl und der daraus resultierende Mangel an Überblick lässt nur schwerlich „den Wald

26

Das Verständnis von Marketing in Wissenschaft und Praxis ist nicht deckungsgleich. Während sich im Zeitverlauf in der Wissenschaft das Verständnis von Marketing als marktorientierte Führungskonzeption (1999: 93 Prozent; 2006: 79 Prozent; 2012: 92 Prozent) gegenüber Funktion (1999: 43 Prozent; 2006: 47 Prozent; 2012: 51 Prozent) und Verkaufsinstrument (1999: 5 Prozent; 2006: 9 Prozent; 2012: 9 Prozent) behauptet, scheint das in der Praxis vorherrschende Verständnis teilweise abzuweichen und Marketing weitestgehend nur als verkaufsunterstützende Abteilung zu begreifen (Führungskonzeption: 36 Prozent; Funktion: 54 Prozent; Verkaufsinstrument: 61 Prozent) (vgl. Meffert; Sepehr 2012, S. 15 ff.; Meffert 2007, S. 3).

27

Damit ist nicht gesagt, neu auftretende Phänomene seien nicht zu beachten, sondern dass die Einordnung der zu erklärenden Phänomene zum Teil fragwürdig ist. So sind beispielsweise das Internet und die damit zusammenhängenden Entwicklungen zweifelsohne für das Marketing bedeutsam. Ob die Auseinandersetzung mit diesbezüglichen Fragestellungen aber in einem speziellen Forschungsbereich „Internet-Marketing“, als Teil des breiter angesetzten Technologiebzw. High-Tech-Marketing oder als Subkategorie des Konsumgütermarketing stattfindet, ist durchaus zu hinterfragen (Schuh; Holzmüller 2005, S. 17).

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2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

vor lauter Bäumen“ erkennen. Folgerichtig ist der Begriff auch abseits der Scientific Community mit Vorbehalten und Missverständnissen versehen. Sheth, Sisodia und Barbulescu (2006, S. 26) bescheinigen dem Marketing „a serious and deepening image problem with most of its constituents, external as well as internal.“28 In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Bindestrich-Marketing“ als Anspielung auf die zahlreichen Abwandlungen des Marketing zu sehen. Mit dieser Entwicklung hin zur Diversität erklärt sich, dass das eigentliche Konzept nicht nur ausschweift, sondern vor allem auch keine genauen Grenzziehungen nachvollziehbar sind. Eine Verwässerung und schleichende Erosion des Marketingbegriffs ist unausweichlich (vgl. Meffert 2000, S. 330). So scheint inzwischen der Versuch, eine überschneidungsfreie Systematik der Marketingbegriffe zu entwickeln, angesichts der zunehmenden Begriffsvielfalt nur schwer von Erfolg gekrönt zu werden.29 Um die programmatische Ausdifferenzierung der Marketingdisziplin darstellen zu können, wird hier die relativ einfache Einteilung in Spezialisierungs-, Funktions-, Anwendungs- und Nutzenbezug genutzt (Voeth 2003b, S. 5). Auf diese Weise wird den verschiedenen Teilbereichen ein Platz im Gesamtgefüge zugewiesen, wenngleich bei dieser Anordnung zu berücksichtigen ist, dass es keine immerwährende, allgemeingültige Lösung gibt. Mit Voeth

28

Gefragt nach den Assoziationen mit dem Begriff „Marketing“ zeigt sich bei einem Großteil der KonsumentInnen inzwischen ein wenig schmeichelhaftes Bild (Sheth; Sisodia; Barbulescu 2006, S. 29 f.): In positiver Hinsicht steht Marketing zwar für „creativity“, „fun“, „humorous advertising“ und „attractive people“, wird aber vor allem aufgrund bestimmter Praktiken (z. B. Telemarketing, Pop-up-Werbung, Junkmail) in ein zunehmend schlechtes Licht gerückt, was deutlich wird an den zahlreichen negativen Assoziationen wie „lies“, „deception“, „deceitful“, „annoying“, „manipulating“, „gimmicks“, „exaggeration“, „invasive“, „intrusive“ und „brainwashing“.

29

Braun und Mayer (1989, S. 307) unternehmen – wohlgemerkt schon im Jahr 1989 – den Versuch die verschiedenen Marketingbegriffe zu ordnen und gehen dabei von folgenden Bereichen aus: Objekt, für das Marketing betrieben wird; geografischer Raum, in dem Marketing ausgeübt wird; Institution bzw. Wirtschaftsstufe, die Marketing betreibt; zeitliche Reichweite und unternehmenspolitische Wirksamkeit des Marketing; Breite der Marktbearbeitung; Art der Kontaktaufnahme zu den Abnehmern; Institutionen bzw. Personen, gegenüber denen Marketingaktivitäten durchgeführt werden; Selbstverständnis des Marketingtreibenden. Die Auflistung der Marketingbegriffe ist allerdings weder vollzählig noch lassen sich alle Begriffe in die genannten Bereiche einordnen.

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

43

(2003b, S. 7) kann festgehalten werden, dass die Ausdifferenzierung der Marketingdisziplin wesentlich durch den Anwendungsbezug gekennzeichnet ist und die anderen Bezüge deutlich weniger Teilperspektiven ausweisen, was insbesondere für den Nutzenbezug gilt. Als Treiber für die bisherige Entwicklung der Disziplin kann damit vorwiegend der Wandel der Markt- und Umweltbedingungen in der Marketingpraxis ausgemacht werden; theoretische Überlegungen sind nur vereinzelt für die Entwicklung verantwortlich (vgl. Meffert 2000, S. 328). Entsprechend wird die Marketingwissenschaft in ihrem Verhältnis zur Marketingpraxis auch als Nachlaufwissenschaft bezeichnet, da sie sich häufig auf die Beschreibung und Erklärung vergangener Ereignisse aus der Praxis beschränkt (Tietz 1993, S. 151).

Spezialisierungsbezug Neben der gängigen Differenzierung zwischen strategischem Marketing (Backhaus; Schneider 2009) und operativem Marketing (Schneider 2013), die vielfach auch als Marketingstrategie und Marketingmix dargestellt wird, finden sich weitere Teildisziplinen mit Spezialisierungsbezug, die bestimmte Aspekte des Marketing, die in einer allgemeinen Darstellung nur beiläufig ausgeführt werden, gesondert aufgreifen (Voeth 2003b, S. 6). Direkt- (Wirtz 2012), Online(Bernecker; Beilharz 2012a), hier zuletzt bevorzugt Social-Media- (Bernecker; Beilharz 2012b), Event- (Nickel 2007) oder Mobile-Marketing (Holland; Bammel 2006) sind nur einige Beispiele für Teilperspektiven mit Spezialisierungsbezug. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Instrumenten der Kommunikationspolitik.

Funktionsbezug Ursprünglich beschränkt sich das Marketing auf den Güterabsatz privater Betriebe. Kotler und Levy (1969, S. 11) schlagen die Ausweitung des Marketingkonzepts vor: „When we come to the marketing function, it is also clear that every organization performs marketing like activities whether or not

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2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

they are recognized as such.“ Aus dieser Einsicht heraus wird das Marketing auf andere Austauschprozesse übertragen. Die weiteste Auslegung des Objektbereichs, auch als „Generic Concept of Marketing“ (Kotler 1972) bezeichnet, versteht Marketing dabei als soziale Beeinflussungstechnik und bezieht damit ebenso nicht-marktliche Austauschsituationen mit ein. Die Ausweitung wird allerdings auch kritisch diskutiert (vgl. Bartels 1974; Franke 2002, S. 66 ff.). Im Zuge dieser „Broadening“-Bewegung wird das Marketing vom Absatz- auf den Beschaffungsmarkt (Koppelmann 2004), von Profit- auf Nonprofit-Betriebe (Bruhn 2012), von organisationsexternen auf -interne Austauschprozesse (Bruhn 1999) und von der mikro- auf die makroperspektivische Betrachtung (Raabe 1995) adaptiert (vgl. Raffée 1995, S. 1669 ff.). Auch dem Personal- (Felser 2010) und Finanzmarketing (Link 1995) liegt eine funktionsbezogene Übertragung zugrunde. Allerdings ist die Vielfalt zumindest mit Hinblick auf die betrieblichen Funktionen begrenzt, sodass hier noch von einer überschaubaren Anzahl von Marketingansätzen auszugehen ist (Voeth 2003b, S. 7).

Anwendungsbezug Wird Marketing als ein Leitkonzept für unternehmerisches Handeln aufgefasst, konzentriert sich dieses Begriffsverständnis auf den Absatzmarkt, der sich aus allen (aktuellen und potenziellen) Nachfragern der Güter eines Anbieters und dessen (aktuellen und potenziellen) Wettbewerbern um die Gunst dieser Nachfrager zusammensetzt. Eine inflationäre Verwendung des Marketingbegriffs scheint hiernach problematisch, weil sich zwar die Techniken auch beispielsweise auf lieferantengerichtete Aktivitäten anwenden lassen, Marketing als unternehmerische Führungsphilosophie aber nicht auf beliebig viele Zielgruppen fokussiert ist (Homburg 2012, S. 10 f.). Da sich die Erweiterung des Marketing auf unterschiedliche Dimensionen bezieht, ist etwa die Übertragung auf Nonprofit-Betriebe hier nicht als problematisch anzusehen. Ebenso bedeutet die aus diesem Verständnis heraus entstehende Argumentation nicht, dass beispielsweise dem Beschaffungs- oder Personalmarketing die Bedeutung abgesprochen wird, sondern lediglich die Kenntlichmachung des verwendeten Marketingverständnisses notwendig ist.

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

45

Der programmatischen Ausdifferenzierung durch den Anwendungsbezug liegt die Einschätzung zugrunde, die Situation des Markts bzw. der Umwelt stelle sich für die betriebliche Praxis als zu verschieden dar, um eine allgemeingültige Lösung zu erlauben. Damit bestehen von den Markt- und Umweltbedingungen abhängige Herausforderungen an das Marketing, sodass eine gesonderte Aufarbeitung erforderlich ist. Der Versuch den Grundgedanken der marktorientierten Führung auf bestimmte Anwendungsbereiche zu übertragen, bedeutet den jeweiligen Bedingungen gerecht zu werden. Da die anfänglichen Ausarbeitungen zum Marketing auf eine bestimmte (Referenz-)Situation ausgerichtet sind, wird der Grundgedanke auf weitere, zunächst nicht berücksichtigte (institutionelle) Anwendungsbereiche adaptiert (Voeth 2003b, S. 5). Für den Anwendungsbezug lassen sich das sektorale sowie das branchenspezifische Marketing als Ansätze unterscheiden. Mit dem Begriff „Sektor“ kann durchaus auch ein Wirtschaftssektor gemeint sein, die Differenzierung begründet sich aber durch den unterschiedlichen Grad der Konkretisierung, sodass das sektorale Marketing dem branchenspezifischen Marketing als übergeordnet zu verstehen ist (Schuh; Holzmüller 2005, S. 4). Eine sektorale Aufarbeitung befasst sich mit der Übertragung des „allgemeinen“ Marketing auf die in einem bestimmten Anwendungsbereich herrschenden Bedingungen der Vermarktung. Aus dem sektoralen Marketing setzen sich innerhalb der Marketingdisziplin im Zeitverlauf gleichberechtigte Teildisziplinen durch (ebenda, S. 8 f.). Dies zeigt sich beispielsweise durch die Verbreitung und Etablierung von Lehrbüchern und spezialisierten Journals (z. B. Journal of Consumer Marketing, Journal of Business-to-Business Marketing, Journal of Services Marketing, Journal of Retailing, International Journal of Nonprofit and Voluntary Sector Marketing, Journal of International Marketing). An dieser Stelle wird von den folgenden sektoralen Teildisziplinen ausgegangen, für die gesonderte Forschung und Lehre betrieben wird (vgl. ebenda, S. 9 ff.): 

Konsumgütermarketing: Sofern die Rede von Marketing unter „besonderen“ Bedingungen ist, stellt sich die Frage, was als nicht besonders bzw. normal anzusehen, sprich was als „allgemeines“ Marketing aufzu-

46

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene fassen ist. So dient das Konsumgütermarketing (meist implizit) als Referenzsektor für die weiteren sektoralen Ausführungen;30 entsprechend beziehen sich die meisten Lehrbücher unter dem Titel „Marketing“ zunächst auf den Bereich der Konsumgüter (vgl. Holzmüller 2005, S. 33 ff.). In der Regel werden im Anschluss an die allgemeinen Ausführungen zum Konsumgütermarketing ergänzend weitere Kapitel zu den institutionellen bzw. sektoralen Besonderheiten des Marketing dargeboten. Es handelt sich bei der sektoralen Ausdifferenzierung folglich um Abweichungen, die sich aus bestimmten institutionellen Anwendungsbereichen ergeben (Homburg 2012, S. 945).

30



Investitionsgütermarketing: Während sich das Konsumgütermarketing auf die Vermarktung von Leistungen an die EndverbraucherInnen bezieht, beschäftigt sich das Investitionsgütermarketing (auch als Industriegütermarketing, industrielles Marketing oder (wenn auch nicht komplett deckungsgleich) Business-to-Business-Marketing bezeichnet) mit der Vermarktung von Leistungen an Betriebe, die die beschafften Güter für ihre eigene Leistungserstellung benötigen (vgl. Backhaus; Voeth 2010, S. 3).



Dienstleistungsmarketing: Angestoßen von der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung beschreibt die Einsicht „Services Marketing is different“ (Berry 1980) die Notwendigkeit zur Ausarbeitung dienstleistungsspezifischer Besonderheiten, wie die Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters, die Integration des externen Faktors, die Immaterialität des Leistungsergebnisses (Nichtlagerfähigkeit, Nichttransportfähigkeit), und deren Implikationen für das Marketing (vgl. Meffert; Bruhn 2015, S. 30 ff.).

Holzmüller (2005, S. 35) konkretisiert in seiner Ausarbeitung den „Nukleus“ einer sektoralen Sichtweise auf das Marketing für die sogenannten „Fast Moving Consumer Goods“ und schreibt diesem Sektor als Charakteristika private Nachfrager als KundInnen bzw. Zielgruppe, Hersteller als Ausführende der Marketingaktivitäten, tangible Verbrauchsgüter, markierte Güter, große Anzahl an Nachfragern, hohe Kauffrequenz und Absatzmenge, anonyme Hersteller-KundInnenBeziehungen sowie hohe Professionalisierung zu.

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

47



Handelsmarketing: Die besondere Stellung von Handelsbetrieben in den Distributionskanälen begründet die Notwendigkeit eines sektoralen Vorgehens. Neben den unterschiedlichen Betriebsformen, der Standort-, Sortiments- und Preispolitik ergeben sich auch Besonderheiten in der Werbung, bei dem Personaleinsatz im Verkaufsbereich sowie in der Gestaltung des Verkaufsraums (vgl. Müller-Hagedorn; Natter 2011, S. 39 f.).



Nonprofit-Marketing: Aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz, zum Teil auch mit Bezugnahme auf den verstärkten Wettbewerb und die rückläufigen staatlichen Förderungen, werden die Besonderheiten von Nonprofit-Betrieben für das Marketing herausgearbeitet (vgl. Bruhn 2012, S. 15 ff.).



Internationales Marketing: Vor dem Hintergrund der Internationalisierung des Wirtschaftsgeschehens werden auch die marketingrelevanten Besonderheiten von Auslandsmärkten in einem besonderen Forschungssektor erarbeitet (vgl. Berndt; Fantapié Altobelli; Sander 2016, S. 9).

Das branchenspezifische Marketing ist unter dem sektoralen Marketing anzusiedeln (vgl. Scheuch 1998, S. 61). So werden beispielsweise Banken, Versicherungen und Krankenhäuser zwar dem Dienstleistungsmarketing zugeordnet, jedoch begründen die branchenspezifischen Umweltbedingungen eine weitere und differenzierte Betrachtung (Schuh; Holzmüller 2005, S. 4). Innerhalb dieser kann zum Teil eine noch weitere Untergliederung vorgenommen werden, so etwa im bankenspezifischen Marketing nach Unternehmenstypen (z. B. Universal-, Investment- und Spezialbanken), Zielgruppe (z. B. Großunternehmen, Klein- und Mittelbetriebe, Haushalte), geografischem Raum oder Kontaktform (z. B. Filiale, Internet) etc. (ebenda). Anders als bei dem sektoralen Ansatz liegt für den branchenspezifischen Ansatz kein Referenzbereich vor, sodass das branchenspezifische Marketing als zu fragmentiert auftritt, um es hier darstellen zu können. Beispielhaft können hier Varianten wie Anwalts- (Unger; Wolf 1993), Automobil- (Diez 2009), Bank- (Büschgen; Büschgen 2002), Hausverwaltungs- (Kippes 1998), Pharma- (Harms 2008), Tourismus- (Freyer 2011) oder Versicherungsmarketing (Zerres; Reich 2010) die Vielfalt andeuten.

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2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

Nutzenbezug Bei allen Veränderungen und Erweiterungen des Marketing liegt die Ausrichtung bislang stets auf der Anbahnung einzelner Austauschprozesse. Mit dem Vergleich der Profitabilität von Neu- und Bestandskundschaft erweist sich in vielen Fällen der Aufbau und der Fortbestand langfristiger Beziehungen gegenüber der mit der stetigen Fokussierung auf Neukundschaft einhergehenden Umsetzung einzelner Transaktionen als vorteilhaft. Diese Erkenntnis ist vor allem vor dem Hintergrund vermehrt auftretender Sättigungserscheinungen von Bedeutung: Das Potenzial eines Markts ist hinsichtlich der Nachfrager ausgeschöpft und die Bindung der Kundschaft spielt zunehmend eine Rolle; hier tritt also das Potenzial bzw. die Vorstellung möglicher zukünftiger Einnahmen durch bestehende KundInnen (Customer Lifetime Value) an die Stelle der Profitabilität einer einzelnen Transaktion (Meffert; Burmann; Kirchgeorg 2012, S. 17). Damit wird auf die nachfragerseitige Nutzenentstehung eingegangen (Voeth 2003b, S. 6) und die transaktionsorientierte Fokussierung zugunsten einer beziehungsorientierten Denkweise aufgegeben (Grönroos 1990, S. 5). Diese Betonung der Geschäftsbeziehungen wird als „Relationship Marketing“ bezeichnet, das nach Bruhn (2013, S. 12) „sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle [umfasst], die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme sowie gegebenenfalls der Beendigung von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen – insbesondere zu den Kunden – des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen.“ Je nachdem in welchem Zustand sich die Anbieter-Nachfrager-Beziehung befindet, wird ein Anbieter unterschiedliche Ziele und Strategien formulieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Grönroos (1994) erkennt im Relationship Marketing ein neues Paradigma 31. Eine dauerhafte Beziehung zu den KundInnen muss jedoch nicht notwendigerweise

31

In der Wissenschaftstheorie ist der Begriff „Paradigma“ durch die Arbeit von Kuhn (1962) zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen geprägt. Im Kuhnschen Sinne besitzt ein Paradigma zwei wesentliche Eigenschaften: Zum einen ist es neuartig genug, um WissenschaftlerInnen anzuziehen, die bisher andere Ansätze nutzen, und zum anderen offen genug, um ungelöste Probleme zu bieten (ebenda, S. 10).

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

49

für jeden Betrieb sinnvoll sein. So kann sich ein Betrieb mit Laufkundschaft auf die Erzielung einzelner Transaktionen ausrichten und damit durchaus ein besseres Ergebnis einfahren als mit der Investition in den Aufbau langfristiger KundInnenbeziehungen (Homburg 2012, S. 9). Darüber hinaus entsteht eine langfristige Geschäftsbeziehung nur dann, wenn sie nicht nur für Anbieter, sondern gleichermaßen für Nachfrager mit Effektivitäts- und/oder Effizienzvorteilen verbunden ist, sodass entsprechend ein transaktionsorientierter Ansatz angebracht ist, wenn für mindestens eine der Marktparteien der Aufbau der Beziehung unvorteilhaft ist (vgl. Backhaus 1998, S. 32; Palmatier et al. 2006, S. 150; Bruhn 2013, S. 12). Damit stellt das Relationship Marketing keine gänzlich neue Position, sondern eine Möglichkeit zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen neben anderen dar (Backhaus 1998, S. 33). Anstatt die Schaffung langfristiger Beziehungen zwangsläufig als das zentrale Marketingziel zu formulieren, scheint es daher zweckmäßig, wie in der integrativen Marketingdefinition von Homburg (2012, S. 10), von der gemäß den Unternehmenszielen optimalen Gestaltung von KundInnenbeziehungen zu sprechen.

2.2.2

Modell der Austauschprozesse

Die Darstellung einer realwissenschaftlichen Disziplin über den Objektbereich kann nicht anhand einer exakten und starren Grenzziehung erfolgen, sondern ist eher von heuristischem Wert, schließlich lassen sich Veränderungen bzw. Verschiebungen des Objektbereichs nicht vermeiden, sodass „ein Wandel der Realität oft auch einen Wandel der Disziplinengrenzen“ bedingt (Franke 2002, S. 62). Ein einmalig bestimmter Objektbereich ist folglich nicht als endgültig und immerwährend zu verstehen. Entsprechend dehnt sich, wie anhand des Entwicklungspfads des Marketing gezeigt, der Objektbereich der Marketingwissenschaft deutlich aus, auch wenn die jeweiligen Verschiebungen und Erweiterungen nicht immer ausschließlich positiv aufgenommen werden. Problematisch erscheint dabei insbesondere die isolierte Ausarbeitung, die

50

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

zunehmend zur Fragmentierung der Marketingdisziplin führt. Nach dem skizzierten Entwicklungspfad können als Objektbereich der Marketingwissenschaft zunächst grundsätzlich (einzelwirtschaftliche) Austauschprozesse32 begriffen werden (vgl. Raffée 1995, S. 1669; Hunt 1983, S. 13; Bagozzi 1975, S. 32). Dieser noch sehr allgemein gefasste Objektbereich wird von Mattmüller und Tunder (2005, S. 13) in Anlehnung an Hunt (1983, S. 13) näher ausgeführt und umfasst (1) das Verhalten der Anbieter im Austauschprozess, (2) das Verhalten der Nachfrager im Austauschprozess, (3) die transaktionsbestimmenden Eigenschaften von Austauschobjekten, (4) die institutionellen Rahmenbedingungen, die Tauschprozesse erst ermöglichen oder diese verhindern (können) und (5) die Auswirkungen des Verhaltens der Anbieter und Nachfrager sowie der diese betreffenden institutionellen Rahmenbedingungen auf die Gesellschaft. Bei Franke (2002, S. 65) findet sich eine ähnliche Darstellung des Objektbereichs. Er fasst unter der „Forschungslandschaft der Marketingwissenschaft“ die Anbieter- und Nachfrageraktivitäten, die Wettbewerbsbeziehungen, die Beziehung zu Institutionen sowie den Einfluss der gesellschaftlichen Regelungen. Als „Arena“ eines Austauschprozesses, die das Verhalten der Anbieter und Nachfrager sowie die Austauschobjekte zusammenfasst, wird der Markt verstanden, dessen grundlegende Bedeutung für das Marketing hier mit Buzzell (1999, S. 61) betont werden kann: „Because exchange is the basic purpose of the marketing process, it is essential that marketing academics and practitioners

32

Gedanklicher Ausgangspunkt ist die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung, das heißt die Spezialisierung von einzelnen Wirtschaftseinheiten auf einen bestimmten Bereich der Gesamtwirtschaft. Sie erweist sich als produktivitätsfördernd, geht allerdings einher mit dem Verzicht auf Selbstversorgung und der Entstehung produzierender (öffentlicher und privater) Betriebe, die über den Eigenbedarf hinausgehend Leistungen für Dritte erzeugen. In einem arbeitsteilig organisierten Wirtschaftssystem findet demnach notwendigerweise Austausch statt. Um diesen möglichst effizient zu gestalten, wird auf Geld als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel zurückgegriffen. Die Bindeglieder eines arbeitsteilig organisierten Wirtschaftssystems werden als Märkte bezeichnet. Kaas (1999, S. 146 f.) sieht den Markt, unter dem Verweis auf die Notwendigkeit von ethischen Normen, als „das ökonomische Pendant eines demokratisch verfaßten, auf Freiheit und Selbstverantwortung gegründeten Gemeinwesens. Er soll, eingebettet in eine institutionelle Rahmenordnung, die im Menschen angelegten eigensüchtigen, destruktiven Kräfte gleichzeitig produktiv und sozialverträglich machen.“

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

51

understand the nature of markets.“ Gleichwohl mit zunehmender Arbeitsteilung der Austausch nicht mehr nur, wie es etwa bei Wochenmärkten der Fall ist, an einem konkreten Ort zu einer bestimmten Zeit in organisierter Form realisiert wird, festigt sich der Begriff „Markt“ als Metapher (Engelhardt 1995, S. 1696; Buzzell 1999, S. 61). Deshalb findet wohl auch das aus der volkswirtschaftlich orientierten Preistheorie stammende Modell eines Markts als Ort des Zusammentreffens eines Angebots an Gütern und der Nachfrage nach diesen Gütern weite Verbreitung, wobei die Verwendung des modelltheoretischen Marktbegriffs darauf abzielt, Mechanismen zu erläutern, nicht etwa reale Vorgänge (Engelhardt 1995, S. 1697).33 Der Markt stellt dabei „eine nach irgendwelchen Relationen in eine Struktur gebrachte Menge von Subjekten bzw. Objekten“ dar (Bauer 1989, S. 20). So ist der Markt zunächst ein abstraktes, komplexes Konstrukt – er lässt sich nicht direkt beobachten (Wagner; Baldauf 2007, S. 269). Da Austauschprozesse zwischen Anbieter und Nachfrager nicht als vollständig isolierte Phänomene begriffen werden, ist in der Regel auch das Verhältnis von Markt und Umwelt (z. B. technologische, ökologische und politisch-rechtliche Umwelt) zu berücksichtigen. Der Markt unterliegt mit dieser Annahme dem Einfluss von sich je nach Branche oder Betrieb sehr unterschiedlich darstellenden Umweltbedingungen. Als Modell der Austauschprozesse sind der Markt und dessen Umweltbedingungen grundlegend für das Verständnis des Marketing. Erst durch die vereinfachte (zum Teil auch idealisierende) Darstellung realer Austauschprozesse werden deren Analyse und das Aufgreifen der zentralen Elemente ermöglicht. Die generelle Annahme lautet: Anbieter verfolgen den Absatz ihrer Leistung und konkurrieren auf dem Markt mit anderen Anbietern, die aus Nachfragersicht gleiche bzw. ähnliche Leistungen anbieten, um die Gunst der

33

Wie schon angesprochen, dient ein Modell als vereinfachte Darstellung eines komplexen Phänomens der Erfahrungswelt. Für die Erklärung realer Vorgänge, in diesem Fall reale Preisbildungsprozesse, ist eine Konkretisierung von Angebot und Nachfrage hinsichtlich Personen, Raum, Zeit, der gehandelten Leistung sowie des Verhaltens der Beteiligten notwendig ebenso wie generell zu hinterfragen ist, ob Angebot und Nachfrage klar voneinander unterscheidbar sind, da auch die Nachfrager im Tauschgeschäft eine (Gegen-)Leistung (z. B. Geld, Informationen) anbieten (Engelhardt 1995, S. 1697).

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2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

Nachfrager. Es kommt nur zu einem Tausch, sofern dieser für die Beteiligten vorteilhaft ist, das heißt ein Anbieter ist nur am Verkauf interessiert, wenn er einen entsprechenden Gegenwert für seine Leistung bezieht und ein Nachfrager wird ein Gut lediglich dann kaufen, wenn er dadurch einen Nutzen erzielt. Der Nutzen gilt als Maß zur Beurteilung der Bedürfnisbefriedigung, wobei unterschieden wird zwischen dem Brutto-Nutzen, also dem erwarteten Nutzen eines Guts, und dem Netto-Nutzen, der sich analog aus dem Brutto-Nutzen und den mit einer Kaufentscheidung verbundenen Kosten (z. B. Preis, Suchkosten) ergibt (Backhaus; Schneider 2009, S. 22 ff.). Ein Nachfrager wird sich also nur zu einem Kauf entscheiden, sofern ein positiver Netto-Nutzen zu erwarten ist und sich bei mehreren Anbietern, die einen positiven Netto-Nutzen ermöglichen, für denjenigen entscheiden, der den größten Netto-Nutzen verspricht (ebenda, S. 23). Als problematisch anzusehen ist das Agieren der beteiligten Akteure unter Unsicherheit und mit unvollkommenen Informationen, sodass, um Austauschprozesse entsprechend fördern und umsetzen zu können, einerseits Informationen über die andere Marktseite besorgt und andererseits diese mit Informationen über die eigene Seite versorgt werden müssen (Kaas 1999, S. 128 f.). Damit sind zwei zentrale Aufgaben des Marketing angesprochen: Für einen Anbieter gilt es im Sinne der Leistungsfindung in seinem Angebot Wettbewerbsvorteile zu erzielen und im Sinne der Leistungsbegründung den Nachfragern, für die es gedacht ist, die Überlegenheit des Angebots zu vermitteln (ebenda, S. 129). Die Bezugnahme auf Austauschprozesse bestimmt den Objektbereich zunächst sehr allgemein; der Entwicklungspfad des Marketing verdeutlicht, dass eine weitere Konkretisierung vorgenommen wird, um den Objektbereich präziser zu fassen und homogene Aussagensysteme zu entwickeln (Schuh; Holzmüller 2005, S. 3). Die Markt- und Umweltbedingungen können nicht komplett abstrakt (auf der Ebene einer „General Theory of Marketing“) erfasst werden, sondern sind – auch um der Praxis Hilfestellungen bieten zu können – in der Forschungsarbeit auf bestimmte Herausforderungen zu konkretisieren. Die Bestimmung eines Markts stellt dabei einen zentralen Aspekt dar, nicht nur um in einem Diskurs einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu besitzen. Sie ist zwingende Voraussetzung für jegliche Auseinandersetzung mit dem Marktgeschehen (vgl. Buzzell 1999, S. 61). So stellt sich bei der Ausgestaltung der Marktaktivitäten für jeden

2.2 Konkretisierung des Objektbereichs

53

Anbieter die Frage, welcher Markt eigentlich anvisiert wird, genauer: welche und wie viele Anbieter und Nachfrager einem Markt zugeordnet und wie die Grenzen eines Markts gezogen werden. Ähnlich wie in der Praxis besteht bei einer Konkretisierung des Objektbereichs damit die Herausforderung die Vermarktungsbedingungen genauer zu bestimmen. Die Verschiedenartigkeit der Markt- und Umweltbedingungen kann als Grund für die stark anwendungsbezogene Ausdifferenzierung der Marketingdisziplin angesehen werden. So deutet die grundsätzliche Entwicklung darauf hin, dass sich analog zur Ausdehnung des Marketing über verschiedene Betriebe und Branchen in der Praxis auch innerhalb der Marketingwissenschaft eine Verschiebung bzw. Erweiterung des Objektbereichs durchsetzt. Die Anwendung des Marketing in einem neuen, bisher nicht beachteten institutionellen Umfeld ist demnach als ein neu auftretendes und vor allem erklärungsbedürftiges Phänomen der Erfahrungswelt anzusehen und verlangt – sofern bisherige Ansätze diesen Bereich nicht schon ausreichend umfassen – nach einer Verschiebung bzw. Anpassung des Objektbereichs (vgl. Franke 2002, S. 62). Erfolgt die Konkretisierung nicht bis auf die Ebene des Einzelfalls – in der Wissenschaft angesichts eines erforderlichen Generalisierungsanspruchs in der Regel ohnehin nicht zweckmäßig34 – besteht das Erfordernis den Bereich, für den die Markt- und Umweltbedingungen gelten, dennoch auf einem gewissen Abstraktionsniveau zu erfassen. Hierfür werden Konzepte verwendet, die die Phänomene der Erfahrungswelt zunächst vereinfacht bzw. verallgemeinernd darstellen (Jaccard; Jacoby 2010, S. 10 f.): „Confronted by this array of complex, dynamic, unique, and mostly obscured phenomena, how do individuals manage to make sense out of this world? They do so, almost automatically and usually unconsciously, by conceptualizing – that is, by using their mental processes to consider and sort their experiences in terms of the concepts they have acquired and stored in

34

In der institutionellen Perspektive besteht die Gefahr der Fragmentierung, im Extremfall die Postulierung der Einzigartigkeit eines Betriebs, und damit möglicherweise die Verhinderung verallgemeinerbarer Aussagen (Engelhardt 2000, S. 111). Die Wissenschaft kennzeichnet sich – anders als etwa die Beratungspraxis – aber durch generalisierendes Denken; die Lösung des Einzelfalls ist nicht ihre originäre Aufgabe.

54

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

memory. They also develop new concepts to describe things they had never previously experienced. Just as concepts are the fundamental building blocks of everyday thinking, they also are the fundamental building blocks of scientific thinking.“ So abstrahiert (bzw. generalisiert) der Anwendungsbezug von den ganz spezifischen Markt- und Umweltbedingungen eines konkreten Betriebs, beschränkt sich dabei aber (aus der Vielfalt der möglichen Bedingungen) immer noch auf einen bestimmten Bereich.

2.3

Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

Mit dem Anspruch einer Realwissenschaft die Welt zu erklären und mit Entscheidungshilfen gestaltend in die gesellschaftliche Entwicklung einzugreifen, geht das Erfordernis von Theorien einher (Kaas 2000, S. 57): „Theorien strukturieren und ordnen unser Wissen und Denken, sie lassen uns das Allgemeine in der Fülle der Details erkennen und sie leiten die zukünftige Forschung.“ Für die Marketingwissenschaft kann die Frage nach der Theorie (zur Beschreibung und Erklärung von Austauschprozessen) allerdings nicht klar beantwortet werden. Durch das „Broadening“ und „Deepening“ des Marketing spezialisiert sich die Forschung zusehends und entwickelt sich in unterschiedliche Richtungen, vernachlässigt dabei jedoch die Auseinandersetzung mit den Gemeinsamkeiten (Meffert 2000, S. 330). So findet sich die Marketingwissenschaft seit jeher mit dem Vorwurf eines fehlenden theoretischen Fundaments sowie daraus folgend mangelhafter Aussagekraft ihrer Forschungsergebnisse konfrontiert (vgl. Dyllick; Tomczak 2009, S. 69; Mattmüller; Tunder 2005, S. 1). Eben aufgrund der starken Ausdifferenzierung wird die Entwicklung einer allgemeinen Theorie des Marketing gefordert (vgl. Meffert 2000, S. 334; Hunt 1983, S. 16). Zwischenzeitlich wird der Ruf hiernach zwar lauter, bisher aber weder im deutsch- noch im englischsprachigen Raum erhört.35 So arbeitet beispielsweise

35

Angesichts der Reichweite, die eine „General Theory of Marketing“ als theoretisches Aussagensystem auf höchstem Allgemeinheitsniveau erreichen muss, erscheint eine Ausarbeitung derzeit wenig aussichtsreich (vgl. Schuh; Holzmüller 2005, S. 18). Die marketingeigenen Theorien

2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

55

Bartels (1968) den Anstoß einer solchen allgemeinen Marketingtheorie aus, der sich jedoch nicht durchsetzt und somit nur die grundsätzliche Notwendigkeit eines Theorierahmens hervorbringt (vgl. Hunt 1971). Eine „General Theory of Marketing“ besteht lediglich als Forschungsdesiderat. Die Marketingwissenschaft wird demzufolge nicht von einer einzigen Theorie geleitet, sondern zeichnet sich durch mehrere, parallel bestehende und mit verschiedenen Schwerpunkten gewichtete theoretische Säulen aus (Mattmüller; Tunder 2005, S. 16). Der Vorwurf, die Marketingwissenschaft stelle eine Anhäufung von Theorien, Modellen und Methoden aus anderen Disziplinen dar und greife diese für ihre marketingspezifischen Fragestellungen auf, kann also nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Die Theorieverankerung und damit einhergehend auch die verwendeten Methoden der Marketingwissenschaft werden – obwohl sich das Marketing als betriebswirtschaftliche Disziplin in Wissenschaft und Praxis etabliert – mehrfach kontrovers diskutiert.36 Auch im Inneren der deutschsprachigen Marketingwissenschaft wird die Auseinandersetzung über längere Zeit und mit großem Engagement geführt (vgl. Schneider 1983; Müller-Hagedorn 1983; Dichtl 1983; 1998; Wiedmann 2004). Hier tut sich besonders Schneider (1983) als Wortführer eines ökonomisch geprägten Marketing hervor. Er sieht einen zunehmenden verhaltenswissenschaftlichen Einfluss in der Forschung als eine Fehlentwicklung an und bringt dies mit einer eigenwilligen Diktion zum Ausdruck. So bezeichnet er die „(Lehrbuch-)Marketingwissenschaft“ etwa als eine „betriebswirtschaftliche Tragödie“ und spricht ferner von der „Flucht aus der Wirtschaftstheorie in verhaltenswissenschaftliche Behauptungen“ (ebenda, S. 198 ff.). Inzwischen ist die Frage nach den grundlegenden Theorien der Marketingforschung (weitest-

können mit Leong (1985, S. 23 ff.) – aufbauend auf Lakatos (1974, S. 89 ff.) – unterteilt werden in eher allgemeinere, strukturierende Forschungsprogramme und konkretere, falsifizierbare Theorien mittlerer Reichweite (vgl. Franke 2002, S. 194 ff.). 36

Der Anstoß der Diskussion lässt zunächst Raum für Vermutungen. So geht Voeth (2003a, S. 13) davon aus, die Marketingwissenschaft lasse sich die Theoriediskussion von denjenigen aufzwingen, die das Marketing als zu populärwissenschaftlich bezeichnen, wohl aber eher zu populär meinen. Auch Homburg (2000, S. 356) ist dieser Ansicht und spricht in diesem Zusammenhang vom „Neid auf die Praxiswahrnehmung der Marketingforschung“.

56

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

gehend) beantwortet und es kann von einem theoretischen Pluralismus ausgegangen werden. „Ein gesundes Miteinander von mikroökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen theoretischen Konzepten ist“, mit Homburg (2000, S. 355) gesprochen, „von größerem Nutzen als die dogmatische Forcierung einer speziellen Theorierichtung.“37 Ein solcher Pluralismus ist an die Organisation einer kritisch-konstruktiven Ideenkonkurrenz gebunden (Dyllick; Tomczak 2009, S. 70). Je nach Fragebzw. Problemstellung gilt es denjenigen theoretischen Ansatz mit dem größten Problemlösungspotenzial zu nutzen und für eine verbesserte „Ausleuchtung der Marketingbühne“ gegebenenfalls auch eine Kombination in Erwägung zu ziehen (Meffert 2000, S. 334). So lassen sich die theoretischen Grundrichtungen schwerpunktartig einzelnen Forschungsfeldern zuordnen und stehen eher komplementär als substitutiv zueinander (Kaas 2000, S. 72; Homburg 2000, S. 355). Als Beispiel hierfür kann die Preispolitik herhalten: Zweifelsohne trägt die Mikroökonomik wesentlich zu dem heutigen Stand der Forschung bei, jedoch werden für verschiedene Phänomene, wie etwa die Preisbeurteilung, -wahrnehmung oder -erinnerung, verhaltenswissenschaftliche Einsichten notwendig (vgl. Homburg 2000, S. 355). Damit kann nach Müller (1995 S. 210 f.) „[k]eine Rede […] von Abwegen [sein], auf denen das Marketing Gefahr läuft, ins wissenschaftliche Abseits zu geraten und seine Identität zu verlieren. Diese kann nicht statisch gesehen werden, dogmatisch einem Kanon starrer Regeln und Verbote verpflichtet. […] Wem am Erkenntnisgewinn bzw. -prozeß und nicht primär an berufsständischen Erwägungen gelegen ist, muß sich – unter Berücksichtigung des Kriteriums der ‚Parsimony‘ – all jener Theorien und Forschungsstrategien bedienen, die einen wesentlichen Erklärungsbeitrag zu dem von ihm untersuchten Sachverhalt leisten. Daß dieser speziell im Marketing zumeist in

37

Franke (2002, S. 87 f.) weist für die Marketingwissenschaft ein eher verhaltenswissenschaftliches als formal-ökonomisches Selbstverständnis aus, was allerdings nicht als das Bestehen verfeindeter Lager missverstanden werden darf, sondern eher als eine Präferenz für eine theoretische Grundrichtung, die andere aber respektierend. Meffert und Sepehr (2012, S. 28) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Beide theoretischen Grundrichtungen kommen gegenwärtig in etwa gleichem Maße zur Anwendung, wobei sich für die Zukunft eine stärkere Gewichtung verhaltenswissenschaftlicher Theorien abzeichnet.

2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

57

hohem Maße vom realen Verhalten – der Kunden, Mitarbeiter, Konkurrenten etc. – geprägt ist, wird niemand ernstlich bestreiten können.“ Auf die Vielfalt der möglichen Ansatzpunkte der Marketingforschung kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden. In der Argumentation von Kaas (2000, S. 59 f.), die im Folgenden aufgegriffen wird, zeigt sich allerdings, dass einige Ansätze wie der systemorientierte Ansatz oder der situative Ansatz in der Forschung nur selten zum Einsatz kommen und für den interaktions- und beziehungsorientierten Ansatz, wie oben schon bei der Auseinandersetzung mit dem Relationship Marketing angedeutet, eher seine Praxisrelevanz und Aktualität als seine theoretische Neuartigkeit charakteristisch ist; dies kann auch für den ressourcen- und den prozessorientierten Ansatz festgehalten werden. Der entscheidungsorientierte Ansatz allerdings prägt die Marketingforschung wesentlich, zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass „er der Praxis Entscheidungshilfen liefern möchte und dabei ganz pragmatisch auf geeignete Theorien zurückgreift, wo immer sie auch herkommen mögen“ (ebenda, S. 60). So wird hier davon ausgegangen, dass überwiegend zwei bzw. drei theoretische Grundrichtungen – Kaas (2000, S. 58) spricht in Anlehnung an Kuhn (1962) von Paradigmen (im engeren Sinne als ein Zusammenschluss von Theorien) – Anwendung in der Marketingforschung finden. Neben der mikroökonomisch geprägten Neoklassik (Kapitel 2.3.1) und Neuen Institutionenökonomik (Kapitel 2.3.2) wird auch die Verhaltenswissenschaft (Kapitel 2.3.3) als übergeordnete theoretische Grundrichtung aufgefasst und im Folgenden überblicksartig dargestellt.

2.3.1

Neoklassik

Sowohl die Neoklassik als auch die Neue Institutionenökonomik gehen auf die mikroökonomische Theorie der Volkswirtschaftslehre zurück, die sich mit dem Entscheidungsverhalten einzelner Wirtschaftseinheiten auseinandersetzt. Beide gehen von bestimmten Annahmen aus und leiten hieraus das Verhalten der Akteure ab. Die neoklassische und die neoinstitutionelle Theorie unterscheiden sich dabei durch ihre Rahmenbedingungen; diese haben allerdings weitreichende

58

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

Auswirkungen (Kaas 2000, S. 60). Den Grundstein für den Aufbau des neoklassischen Gedankengebäudes legen die Veröffentlichungen von Menger (1871) „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, Jevons (1871) „The Theory of Political Economy“ und Walras (1874) „Éléments d’économie politique pure ou théorie de la richesse sociale“. Sie befassen sich in etwa zeitgleich mit dem Grenznutzenprinzip, lösen in der Folge die sogenannte „Marginalistische Revolution“ aus und werden damit gemeinhin als Begründer der neoklassischen Theorie angesehen. Anders als in der klassischen Theorie, die den Wert an dem Produktionsaufwand eines Guts ausmacht, gehen sie davon aus, dass der subjektive Nutzen für die KonsumentInnen zur Bestimmung des Werts ausschlaggebend ist. Insbesondere in ihren Anfängen nimmt die Marketingwissenschaft Bezug auf die neoklassische Theorie. Die von Gutenberg (1955) konzipierte Betriebswirtschaftslehre, in der der Absatz als Leistungsverwertung ausführlich behandelt wird, baut wesentlich auf der neoklassischen Theorie auf und dient als Ansatzpunkt absatztheoretischer Forschung. Die Neoklassik stellt eine mit Prämissen behaftete Modellwelt dar, in der die Anbieter und Nachfrager von Gütern aufeinandertreffen. Es werden vollständige Information über alle Marktdaten und vollkommene Rationalität unterstellt (Kaas 2000, S. 61). Der Preis ist für die Verteilung der Güter zuständig und gewährleistet den optimalen Einsatz der Ressourcen. Damit wird in der Neoklassik angenommen, dass in dem Preis alle relevanten Informationen wiedergegeben werden und somit alle Akteure den gleichen Informationsstand besitzen. Wird davon ausgegangen, die Akteure wüssten alles über die Marktbedingungen und reagierten verlässlich auf die Preissignale, werden die Schwierigkeiten der Interaktion von Menschen systematisch übergangen – das Marketing besitzt eigentlich keine Daseinsberechtigung; aufgrund fehlender Verhaltensunsicherheit herrschen weder zu lösende Informations-, Motivations- oder Koordinationsprobleme noch bleibt Raum für opportunistisches Verhalten oder politische, rechtliche und andere Umwelteinflüsse (vgl. Göbel 2002, S. 29). All diese Punkte weisen darauf hin, dass eine solche Modellwelt mit der Realität wenig gemein hat. So offenbart schon ein Blick auf das beobachtbare Entscheidungsverhalten, dass eine derartige Vorstellung des menschlichen Verhaltens der Realität nicht gerecht wird. Die Kritik am neoklassischen Gedankengebäude bezieht sich entsprechend auf die unrealistischen Prämissen. (Vor allem

2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

59

das zugrunde gelegte Modell des sogenannten „Homo oeconomicus“ wird dabei gerne aufgegriffen.) Allerdings sind diese nicht etwa zufällig gewählt, sondern dienen genau dem Zweck Sachverhalte aus der Realität vereinfachend darzustellen; beispielsweise können derartig beschränkte und abstrakte Verhaltensannahmen für eine Analyse der Preisbildung sinnvoll sein (vgl. Engelhardt 1995, S. 1697). Dennoch ist bei aller theoretischer Stringenz und mathematischer Überprüfbarkeit der Aussagen, die die neoklassische Theorie auch für das Marketing (z. B. durch das Denken in formalen Modellen) auszeichnet, die Abstraktheit der Modelle ein Nachteil, da sie sich häufig einer empirischen Prüfung entzieht und nicht für die Anwendung umgesetzt werden kann (vgl. Kaas 2000, S. 61).

2.3.2

Neue Institutionenökonomik

Mit der Kritik an der Neoklassik rückt die Neue Institutionenökonomik in den Vordergrund und bietet sich als wirtschaftstheoretische Verankerung an. Zentrale Ausarbeitungen zur Neuen Institutionenökonomik legen Coase (1937) „The Nature of the Firm“, Demsetz (1967) „Toward a Theory of Property Rights“, Akerlof (1970) „The Market for ‚Lemons‘: Quality Uncertainty and the Market Mechanism“, Jensen und Meckling (1976) „Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure“ sowie Williamson (1985) „The Economic Institutions of Capitalism“ vor. Durch die Aufgabe und Lockerung der Annahmen der Neoklassik entsteht ein erweitertes, aber immer noch der Mikroökonomik zuzuordnendes Gedankengebäude. Während sich die neoklassische Theorie auf für alle Marktakteure gleichermaßen verfügbare Informationen bezieht, geht die neoinstitutionelle Theorie von asymmetrischer Informationsverteilung aus (vgl. Akerlof 1970, S. 488 ff.). Unvollkommene Information ergibt sich allein schon aus der beschränkten Kapazität des Menschen Informationen vollständig verarbeiten zu können. Dies wird als begrenzte (oder eingeschränkte) Rationalität bezeichnet, wonach die Beteiligten zwar die Intention haben rational zu handeln, hierzu aber nur beschränkt fähig sind (Simon 1957, S. 198): „The capacity of the human mind for formulating and solving complex problems is very small compared with the size of the problems

60

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

whose solution is required for objectively rational behavior in the real world – or even for a reasonable approximation to such objective rationality.“ Aufbauend auf dieser begrenzten Fähigkeit zur Informationsverarbeitung und der einhergehenden asymmetrischen Informationsverteilung wird von opportunistischem Verhalten der Akteure ausgegangen, das heißt Verfolgung der eigenen Interessen auch mit Hilfe von List und darin eingeschlossen Lügen, Stehlen und Betrügen sowie raffinierte Formen der Täuschung (Williamson 1985, S. 47). In der Neuen Institutionenökonomik wird damit angenommen, die Akteure führten ihre Handlungen zu ihrem Vorteil durch und brächen dafür gar mit vereinbarten Verpflichtungen sowie bestehenden Werten und Normen (Mattmüller; Tunder 2005, S. 24). Die Folge ist letztlich die Unsicherheit bei den Entscheidungen über einen Austausch. Für die Nachfrager resultiert hieraus die Motivation zur Informationsbeschaffung und für die Anbieter erklärt sich auf diese Weise die Motivation zur Informationsverteilung zum Abbau der Unsicherheit (ebenda). Dass hierbei immer wieder Probleme entstehen, ist in der Realität an vielen Stellen ersichtlich. Das Koordinationsproblem beschreibt die Tatsache, dass Angebot und Nachfrage meist nicht vollständig aufeinander abgestimmt sind, da weder die Anbieter die gesamte Nachfrage noch die Nachfrager das Angebot als Ganzes überblicken, weshalb zum einen nachgefragte Leistungen nicht zur Verfügung gestellt werden bzw. Leistungsangebote keine Nachfrage finden (Bereitstellungsproblem) und zum anderen die Suche nach Tauschpartnern mit Mühe und Kosten verbunden ist (Suchproblem) (Göbel 2002, S. 30 f.). Darüber hinaus besteht ein Motivationsproblem: Den Marktakteuren fehlt die Sicherheit, dass sich die Tauschpartner in erwarteter Art und Weise verhalten, denn es mangelt in der Regel an der einfachen Bewertung der Leistungen (Messproblem) und ein Wechsel der Tauschpartner ist nicht beliebig möglich (Spezifitätsproblem) (ebenda, S. 31). Unter derartigen Voraussetzungen bedarf es gewisser Regelsysteme, die einen Austausch ermöglichen. Diese Regelsysteme, auch Institutionen genannt, begrenzen die Freiheit und Anonymität des Markts – kaum merklich, wie bei Warenzeichen, stärker, wie in einem langfristigen Vertrag, und total, wenn der Markt als Koordinationsmechanismus durch die unternehmensinterne Organisation oder die staatliche Intervention ersetzt wird (Kaas 1995, S. 20). Institutionen im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik können nach Göbel (2002, S. 3)

2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

61

aufgefasst werden als „Systeme von verhaltenssteuernden Regeln bzw. durch diese gesteuerte Handlungssysteme, die Problembereiche menschlicher Interaktion gemäß einer Leitidee ordnen, die für längere Zeit und einen größeren Kreis von Menschen gelten und deren Beachtung auf unterschiedliche Art und Weise durchgesetzt wird.“ Mit dem Ziel von Institutionen (z. B. Gesetze, Verträge, Geld, Sprache) das individuelle Verhalten zu steuern, sorgen sie für die Ordnung der alltäglichen Tätigkeit und verringern auf diesem Weg die Unsicherheit im menschlichen Miteinander (Richter; Furubotn 2010, S. 7). Die Neue Institutionenökonomik konzentriert sich demnach auf die Analyse von Institutionen, wobei die Untersuchung von Struktur, Auswirkungen, Effizienz und Veränderungen im Zentrum steht. Bisher kann nicht von einer institutionenökonomischen Theorie die Rede sein, sondern eher von sich ergänzenden Teilbereichen, die Theorie der Verfügungsrechte, die Transaktionskostentheorie sowie die Agenturtheorie; die Informationsökonomik knüpft an die Neue Institutionenökonomik an: 

Theorie der Verfügungsrechte: Die Allokation von Verfügungsrechten, die in einem Wirtschaftssystem die Nutzung knapper Ressourcen regeln, beeinflusst Anreize und Verhalten in vorhersehbarer Weise (vgl. Demsetz 1967), sodass eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Verfügungsrechtsarrangements auf die Wirtschaftsleistung angebracht ist (Richter; Furubotn 2010, S. 41).



Transaktionskostentheorie: Die Transaktionskostentheorie beschäftigt sich mit der einzelnen Transaktion (Übertragung von Verfügungsrechten) und die im Rahmen der Austauschbeziehung entstehenden Transaktionskosten (Geld, Zeit, Mühe etc.) (vgl. Williamson 1985, S. 18 ff.). Das Ziel ist letztendlich eine möglichst reibungslose Abwicklung der zu bewältigenden Aufgaben zu realisieren, was bedeutet, die Kosten der Transaktion zu minimieren. Diese bei Tausch und Abstimmung auftretenden Kosten begründen beispielsweise die Existenz von Unternehmen, da sie in der Lage sind die Koordinationsund Motivationsprobleme unternehmensintern besser zu lösen als durch eine Abwicklung über den Markt (Coase 1937, S. 388).

62

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene 



Agenturtheorie: Anders als die Transaktionskostentheorie beschreibt die Agenturtheorie die Leistungsbeziehung genauer als eine Beziehung zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden (Jensen; Meckling 1976, S. 308). Die Rollenverteilung von Prinzipal (Auftraggebende) und Agenten (Auftragnehmende) lässt sich dabei oftmals nur situationsbezogen erkennen. Informationsökonomik: Die Informationsökonomik befasst sich mit der Untersuchung von Märkten bei Unsicherheit und asymmetrischer Information (vgl. Akerlof 1970).

Wie grundlegend die gegenüber der neoklassischen Theorie veränderten Annahmen sind, offenbart sich darin, dass erst hierdurch die Existenzberechtigung des Marketing entsteht (Mattmüller; Tunder 2005, S. 24 f.). In einer informationsökonomischen Sicht besteht die Herausforderung für das Marketing in der Überwindung von Informations- und Unsicherheitsproblemen. Dem Marketing kommt auf einem Markt mit den skizzierten Unvollkommenheiten zwei Teilaufgaben zu (Kaas 1995, S. 21 f.): Erstens gilt es mit Hilfe einer gegenüber dem Wettbewerb besseren Informationsgrundlage ein überlegenes Leistungsangebot zu entwerfen und zu realisieren (Leistungsfindung); zweitens muss das Marketing gewährleisten, dass das überlegene Leistungsangebot wahrgenommen und als solches anerkannt wird (Leistungsbegründung), wobei, über kommunikationspolitische Aspekte hinaus, je nach Situation auch andere Marketinginstrumente Funktionen der Leistungsbegründung übernehmen. Damit bereichert die Neue Institutionenökonomik das Marketing durch die Prüfung von Mechanismen der Überwindung von Informationsasymmetrien, die Sicherung spezifischer Investitionen und die Beschränkung von Opportunismus (ebenda, S. 39 f.).

2.3.3

Verhaltenswissenschaft

Die verhaltenswissenschaftliche (vor allem psychologische Aspekte betreffende) Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Themenstellungen kommt zunächst nur schleppend voran (vgl. Katona 1953, S. 307). So stehen für die Betriebs-

2.3 Auswahl der theoretischen Grundrichtungen

63

wirtschaftslehre aufgrund vorherrschender VerkäuferInnenmärkte vornehmlich mikroökonomische Fragestellungen im Vordergrund. Mit vermehrtem Angebot, zunehmendem (Verdrängungs-)Wettbewerb und Individualisierung des Konsums treten dann aber neue Herausforderungen auf, zu deren Bewältigung in der Marketingforschung die Verhaltenswissenschaft einen wesentlichen Beitrag leistet (vgl. Kroeber-Riel; Gröppel-Klein 2013, S. 3; Wilkie; Moore 2003, S. 126). So weist Katona (1953, S. 307) schon vergleichsweise früh auf die Verbindung von Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaft hin: „[P]sychological principles may be of great value in clarifying basic questions of economics and […] the psychology of habit formation, of motivation, and of group belonging may profit from studies of economic behavior. A variety of significant problems, such as those of the business cycle or inflation, of consumer saving or business investment, could be chosen for the purpose of such demonstration.“ Mikroökonomische Zugänge beschränken ihren Blickwinkel auf den reinen Austauschprozess, können jedoch selbst mit dieser engen Sichtweise nicht auf verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse verzichten: Ein Marketing, das „nur“ über den Nutzen des Angebots informieren will, bedarf doch beispielsweise einer spezifischen Vorstellung des KundInnennutzens, der jeweiligen Suchstrategie, der Entstehung von Reputation oder der Art und Weise wie Werbung wahrgenommen wird (Göbel 2002, S. 340). So lassen die rationalen Verhaltensannahmen der Neoklassik und der Neuen Institutionenökonomik, die zwar von realistischeren Annahmen ausgeht, aber häufig auch nur abstrakte Aussagen erlaubt, diese für ein am KonsumentInnenverhalten orientiertes Marketing wenig geeignet erscheinen. Als Erklärungsrahmen des KonsumentInnenverhaltens sind die strikten und rationalen Annahmen nicht vollends befriedigend; die Erklärung des tatsächlichen Zustandekommens von Konsumentscheidungen erfordert verhaltenswissenschaftliche Zugänge. Auch die stärkere Auseinandersetzung mit dem Relationship Marketing verdrängt die Neue Institutionenökonomik zuletzt aus dem Fokus und fördert mehr verhaltenstheoretische Zugänge. Damit werden tiefere Einsichten in das menschliche Verhalten verfolgt und entsprechende Rückschlüsse für das Marketing ermöglicht. Der verhaltenswissenschaftliche Zugang ist insbesondere für die KonsumentInnenforschung von Bedeutung und stellt in diesem Forschungsbereich die Grundlage für die meisten theoretischen Erkenntnisse und empirischen Befunde

64

2 Kennzeichnung der Marketingdisziplin: Dimensionen einer Metaebene

(Kaas 2000, S. 63). Gleichwohl Diskussionen um die Eigenständigkeit38 oder die disziplinäre Ausrichtung aufkommen (vgl. Holbrook 1987; MacInnis; Folkes 2010), kann festgehalten werden, dass sich die KonsumentInnenforschung mit dem Konsumverhalten befasst, welches jegliches Verhalten einschließt, das mit der Beschaffung und dem Verbrauch von materiellen und immateriellen Gütern zusammenhängt (Trommsdorff; Teichert 2011, S. 15). Sie versucht mit Bezug auf das Konsumverhalten durch Antworten auf das „Warum“ und „Wie“ den Menschen in seiner Vielfalt und Komplexität zu verstehen; Gegenstand des Interesses ist „das tatsächliche (Entscheidungs-)Verhalten“ von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen (Kroeber-Riel; Gröppel-Klein 2013, S. 3). Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn sich die KonsumentInnenforschung an der Verhaltenswissenschaft ausrichtet, die als Oberbegriff für jene Wissenschaften steht, die sich mit dem menschlichen Verhalten auseinandersetzen, insbesondere Psychologie, Soziologie und Sozialpsychologie, ergänzt um Erkenntnisse der vergleichenden Verhaltensforschung (Verhaltensbiologie), den physiologischen Verhaltenswissenschaften sowie der Hirnforschung (vgl. Kroeber-Riel; GröppelKlein 2013, S. 11; Holbrook 1987, S. 129 f.). Das verhaltenswissenschaftlich geprägte Marketing zeichnet sich demnach durch ein multidisziplinäres Grundverständnis aus (vgl. MacInnis; Folkes 2010, S. 907 ff.).

38

Die KonsumentInnenforschung steht zwar in der Tradition der Marketingforschung, löst sich aber zusehends und versteht sich zum Teil als unabhängige Disziplin. Kroeber-Riel und Gröppel-Klein (2013, S. 5) beschreiben die Umstände, die eine Verselbstständigung ermöglichen: „Durch die Ausweitung der Fragestellungen zum Konsumentenverhalten über den engeren Marketingbereich hinaus wird die Konsumentenforschung zu einem Forschungszweig, an dem sich immer mehr Disziplinen beteiligen. Als Folge dieser Entwicklung lockern sich auch die Bindungen der Konsumentenforschung an die Marketingforschung, aus der sie im Wesentlichen hervorgegangen ist.“

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Für die Konzeption des „Marketing im Kulturbetrieb“ wird, der voranstehenden Ausführung zur Marketingdisziplin entsprechend, der Anwendungsbezug aufgegriffen. Im Rahmen dieses Abschnitts wird der sektorale Ansatz verfolgt. Dabei gilt es für die Auseinandersetzung mit den Austauschprozessen im Kulturbetrieb von Befangenheiten und Vorstellungen gegenüber bestimmten Betrieben abzurücken. Dies bedeutet auch das Konzept „Kulturbetrieb“, aufgefasst als „kulturspezifische Umwelt“ (Heinrichs 2011, S. 131), nicht a priori auf einen Anbieter (bzw. einen Wirtschaftszweig) zu beschränken. Vielmehr rückt die Beschreibung „kulturspezifisch“ in einer sektoralen Annäherung zunächst das Determinans „Kultur“ in den Vordergrund. Das Ziel des Abschnitts ist eine erste sektorale Aufarbeitung, inwiefern sich Kultur im Austauschprozess niederschlägt. Eingangs wird in Kapitel 3.1 der Anwendungsbezug aufgegriffen und die Relevanz der Kultur im Austauschprozess herausgearbeitet. Hierbei steht zu Beginn unweigerlich die Analyse des Kulturbegriffs an, um darauffolgend Ansatzpunkte für das Marketing zu identifizieren. Im Anschluss geht es um die Frage, welche Besonderheiten sich hieraus ergeben. Die zuvor erarbeiteten Gestalten und Merkmale der Kultur werden im Einzelnen auf ihre Bedeutung für das Marketing geprüft. In Kapitel 3.2 wird die innere Gestalt der Kultur untersucht, gefolgt von der Auseinandersetzung mit der äußeren Gestalt der Kultur in Kapitel 3.3. Die entsprechenden Rückschlüsse für das Marketing werden in Form von Thesen in den jeweiligen Unterkapiteln formuliert. Zum Abschluss der sektoralen Annäherung wird in Kapitel 3.4 ein Zwischenfazit gezogen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. H. Gröppel, Marketing im Kulturbetrieb, Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3_3

66 3.1

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing Entwicklung des Anwendungsbezugs

Um Austauschprozesse zu erfassen, wird eine zusätzliche Präzisierung zwischen einer generellen Aussagenebene und den konkreten Bedingungen der Marketingpraxis notwendig. Diese findet auf einer „mittleren“ Generalisierungsebene (und zugleich über der Branchenebene) statt, das heißt allgemeine Aussagen zu Austauschbeziehungen werden nicht direkt auf Entscheidungssituationen in der Marketingpraxis adaptiert, sondern auf einer Zwischenstufe werden unter Berücksichtigung der jeweiligen sektoralen Besonderheiten Marketingwissen und -methoden erarbeitet (Schuh; Holzmüller 2005, S. 3). Im Folgenden wird versucht das „Marketing im Kulturbetrieb“ auf sektoraler Ebene zu positionieren. Dabei richtet sich, um die Frage zu klären, was den Kulturbetrieb bzw. das „Marketing im Kulturbetrieb“ ausmacht, der Fokus auf den Kulturbegriff. Bevor in Kapitel 3.1.2 auf die Konkretisierung der Relevanz der Kultur im Austauschprozess eingegangen wird, befasst sich Kapitel 3.1.1 allgemein mit dem sektoralen Ansatz.

3.1.1

Sektoraler Ansatz

Unter Sektoren sind Gruppen zu verstehen, die sich durch einen gewissen Grad der Generalisierung auszeichnen (vgl. Scheuch 1998, S. 59): „Sectors are not defined as strictly as typical lines of business (bank marketing, insurance marketing, tourism marketing etc.); they are rather characterized by an ‚average‘ degree of generalization which is indicated by paraphrases such as ‚services marketing‘ or ‚marketing of capital goods‘.“ Die sektorale Aufarbeitung des Marketing befasst sich mit der Identifizierung von vermarktungsrelevanten Besonderheiten in bestimmten Anwendungsbereichen, der Entwicklung theoretischer Aussagensysteme zu den Austauschprozessen, der Wirkung des Marketinginstrumentariums und der theoriegestützten Entwicklung von spezifischen Marketingprogrammen (Schuh; Holzmüller 2005, S. 3; Scheuch 1998, S. 59). Damit werden im Hinblick auf die sektorspezifischen Verhältnisse eingeschränkte Aussagensysteme ermöglicht, die zwischen einer allgemeinen Marketingtheorie und der konkreten Marketingpraxis vermittelnd wirken, was

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

67

bedeutet sowohl bei der Übertragung allgemeiner Aussagen auf den Anwendungsbereich zu helfen als auch durch die Identifikation sektoraler Gemeinsamkeiten einen Beitrag zur Entwicklung einer allgemeinen Marketingtheorie zu leisten (Schuh; Holzmüller 2005, S. 20). Letzteres hält fest, dass in Bezug auf die Auseinandersetzung mit sektoralen „Besonderheiten“ unweigerlich die Frage nach den Gemeinsamkeiten (z. B. Relationship Marketing) aufkommt, weshalb Aussagen mittlerer Reichweite nicht als Ersatz, sondern in der Annäherung an eine allgemeine Marketingtheorie als sinnvolle Zwischenschritte anzusehen sind (ebenda, S. 18). Wie in den Ausführungen zur Marketingdisziplin angemerkt, besteht keine Einigkeit bezüglich der Auslegung des Objektbereichs. Tabelle 1 zeigt eine auf den Beitrag zur Entwicklung der Marketingdisziplin bezogene Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten zum sektoralen Ansatz. Da sich die oben genannten Sektoren (Konsumgüter-, Investitionsgüter-, Dienstleistungs-, Handels-, Nonprofit- und Internationales Marketing) weitestgehend durchsetzen, kann angenommen werden, dass für den Großteil der Forschenden der Nutzen des sektoralen Marketing die Einwände hiergegen übersteigt. Tabelle 1:

Pro- und Contra-Argumente zum sektoralen Ansatz

Pro-Argumente

Contra-Argumente

 Strukturierung des Objektbereichs und Sprachregelung durch einheitliche Begriffe

 Abgrenzungsdiskussionen entwickeln Eigenleben auf Kosten der Theoriebildung

 Fokussierung der Forschungsanstrengungen auf ein gemeinsames Leitthema innerhalb der Marketingsektoren

 Sektorale Besonderheiten werden dem unterstellten Differenzierungsanspruch nicht gerecht

 Entwicklung von Theorien mittleren Generalisierungsniveaus

 Sektoral ausgerichtete Forschung vernachlässigt integrative Perspektive – fehlender wissenschaftlicher Synergieeffekt

 Wichtige Transferfunktion zwischen Marketingtheorie und Praxis

 Überzogene Praxisorientierung verhindert die Förderung einer allgemeinen Marketingtheorie

 Entstehung wissenschaftlicher Institutionen sichert Forschung und Lehre im Spezialbereich („Institutionelle Spezialisierung“) Quelle: Schuh; Holzmüller 2005, S. 19

68

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Da sich das Marketing in seiner Entwicklung zunächst auf den Referenzsektor „Konsumgütermarketing“ ausrichtet, sind einige Merkmale festzuhalten, die im Marketingschrifttum zur weiteren Sektorenbildung herangezogen werden (vgl. Braun; Mayer 1989, S. 307; Schade; Schott 1991, S. 2): 

die Wirtschaftsstufe (Hersteller-, Handelsmarketing),



die organisationale Ausrichtung (Profit-, Nonprofit-Marketing),



der geografische Raum (Domestic Marketing, Internationales Marketing),



das Objekt, für das Marketing betrieben wird (Konsumgüter-, Investitionsgüter-, Dienstleistungsmarketing), genauer: 

der Verwendungszweck (Konsumgüter-, Investitionsgütermarketing) sowie



die Güterart (Sachgüter-, Dienstleistungsmarketing).

Bei diesem (meist eindimensionalen) Vorgehen steht stets das Bemühen im Vordergrund marketingrelevante Merkmale zur Abgrenzung aufzugreifen. Da sie zur Klassifikation genutzt werden, kommt der Auseinandersetzung mit bestimmten Merkmalen besondere Bedeutung zu (vgl. Hunt 2010, S. 199 ff.). Offensichtlich ist die Einteilung in Konsumgüter-, Investitionsgüter-, Dienstleistungs-, Handels-, Nonprofit- und Internationales Marketing nicht überschneidungsfrei respektive eindeutig. Die Sektoreneinteilung ist durchaus mit Problemen behaftet und wird kritisch diskutiert. Folgende Beispiele deuten die Problematik an: Die Diskussion im Investitionsgütermarketing thematisiert die Frage, ob für Investitionsgüter wesentlich andere Ansätze erforderlich sind als für Konsumgüter (vgl. Fern; Brown 1984; Cova; Salle 2008). Darüber hinaus wird zum Teil auch die Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Investitionsgütern angezweifelt (vgl. Schade; Schott 1991, S. 7). So kann eine klare Einordnung von Leistungsbündeln zu Sach- oder Dienstleistungen häufig nicht umgesetzt werden, denn es handelt sich eben um eine Kombination aus beidem. Vargo und Lusch (2004) entwerfen in ihrem viel beachteten Aufsatz eine „Service-Dominant Logic“, in der die bisherige Trennung zwischen Sachgütern und Dienstleistungen aufgehoben wird. Demnach steht auch bei einem Sachgut

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

69

nicht die materielle Komponente im Vordergrund, sondern der darin enthaltene Dienst. Zugleich erweist sich im Dienstleistungsmarketing gelegentlich schon das grundsätzliche Verständnis von der Dienstleistung selbst als schwierig. Lovelock und Gummesson (2004) erklären die in der einschlägigen Literatur zu findenden konstitutiven Merkmale, die eine Dienstleistung von einem Sachgut abgrenzen, als zum Teil überholt und wegen vielfältiger Ausnahmen als nicht allgemeingültig. So gilt als dienstleistungsspezifisches Charakteristikum beispielsweise häufig die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum (Uno-actuPrinzip). Diese Eigenschaft tritt allerdings nur bei jenen Dienstleistungen auf, die KundInnen in den Leistungsprozess einbeziehen (vgl. Keh; Pang 2010; Lovelock; Gummesson 2004). Der Sektor „Dienstleistungsmarketing“ erweist sich damit als sehr heterogene Gruppe. So kommen Schade und Schott (1991, S. 4) zu der Einsicht: „Eine gemeinsame Marketingkonzeption für Dienstleistungen zu erarbeiten, die eindeutige Aussagen für alle Güter dieser Gütergruppe erlaubt und gleichzeitig systematische Unterschiede zu Marketingkonzeptionen anderer Gütergruppen aufweist, ist nicht möglich.“ Bei der Strukturierung der Sektoren besteht demnach die Schwierigkeit in der sauberen Klassifizierung und Abgrenzung (vgl. Engelhardt 2000, S. 114). Hier stellt sich zunächst die Frage nach dem Sinn und Zweck der Kategorisierung. So entsteht durch das sektorale Vorgehen eine Ordnung der Forschungsanstrengungen. Werden aber konkrete Ansätze für praktisches Handeln gesucht, scheinen die üblichen Klassen zu grob; es gibt beispielsweise nicht „das“ Dienstleistungsunternehmen (ebenda, S. 110). Entsprechend finden sich im sektoralen Marketing weitere Differenzierungen. Im Investitionsgütermarketing etwa ist die Unterteilung in Zuliefer-, System-, Anlagen- und Produktgeschäft gängig (vgl. Backhaus; Voeth 2010, S. 206; Kleinaltenkamp 1994, S. 77 ff.). Eine der bekanntesten Klassifikationen des Konsumgütermarketing geht auf Copeland (1923) zurück, der eine Einteilung in „Convenience Goods“, „Shopping Goods“ und „Specialty Goods“ vorschlägt. Diese Klassifikation findet weite Verbreitung und wird zum Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten (vgl. Holton 1958;

70

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Bucklin 1963).39 Ebenso werden im Rahmen des Marketing auch tiefergehende Klassifikationen für die sehr unterschiedlichen Dienstleistungen diskutiert (vgl. Lovelock 1983). All diese Klassifikationen sind jedoch nicht verbindlich und können eher grobe Kategorien oder aber eine starke Ausdifferenzierung anstreben. Festzuhalten ist, dass viele der genannten Spezialisierungen auf sektoraler Ebene zu einem Produktivitätsschub führen: Einerseits helfen sie der Praxis durch dem jeweiligen Kontext besser entsprechende theoretische Aussagensysteme (sowie Anwendungsforschung und -beratung) und fördern andererseits die Annäherung an eine „allgemeine“ Marketingtheorie, indem die sektorspezifische Forschung grundsätzlich die Vertiefung in den allgemeinen Themenbereich des Marketing erfordert und die Erforschung der Marketingsektoren für das „allgemeine“ Marketing eine Vorlauffunktion übernimmt (Schuh; Holzmüller 2005, S. 23 f.).

3.1.2

Konkretisierung der Relevanz der Kultur

Bei der Konkretisierung der Relevanz der Kultur im Austauschprozess ist der Ausgangspunkt der Kulturbegriff. Tatsächlich ist die Beschäftigung mit zentralen Begriffen ein notwendiger Schritt für die Theorieentwicklung einer Wissenschaft (vgl. Chmielewicz 1994, S. 9 ff.). Für die Auseinandersetzung mit bestimmten Problematiken besteht das Erfordernis, dass Einigkeit über die mit einem Begriff verbundenen Vorstellungen und Inhalte besteht. Bei Gebrauch der Alltagssprache ist dies häufig nicht der Fall. „Da Wissenschaftler von der

39

Der zugrunde liegende Commodity Approach beeinflusst insbesondere im englischsprachigen Raum die Anfänge des Fachs stark, wird aber auch kritisch bewertet (vgl. Winzar 1992, S. 260 ff.; Zinn; Johnson 1990). Bei den warentypologischen Überlegungen können die Abstraktionsgrade unterschieden werden. Aus einer praktischen Sicht heraus kann jede Ware respektive Warengruppe, von Büchern über Schuhe bis hinzu Wohnhäusern, als Gegenstand der warenorientierten Betrachtung herangezogen werden. Allerdings ermöglicht dieses Vorgehen, weil von einem einzelnen Fall ausgegangen wird, keine Theoriebildung und ist damit für einen warenorientierten Marketingansatz ebenso unbrauchbar wie eine vollkommen undifferenzierte Herangehensweise (vgl. Knoblich 1995, S. 839; Winzar 1992, S. 259 ff.).

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

71

Alltagssprache ausgehen, sind sie genötigt, die übernommenen Bezeichnungen begrifflich zu präzisieren, um exakte Aussagen zu formulieren. Nur dann lassen sie sich anderen, die das wissenschaftliche Sprachspiel teilen mit nur geringen Mißverständnissen übermitteln, und nur dann lassen sie sich genauer überprüfen“ (Friedrichs 1990, S. 73). Sofern sich die wissenschaftliche Bearbeitung eines Forschungsfelds noch in einem sehr frühen Stadium befindet, mangelt es vorerst an expliziten Begriffsausführungen. Entsprechend muss der Begriff „Kultur“ für eine marketingtheoretische Aufarbeitung diskutiert werden. (Gerade wenn es in der Marketingwissenschaft um die begriffliche Einordnung geht, scheint diese des Häufigeren vernachlässigt zu werden. Gerne werden Begriffe vorausgesetzt, was sich dann im späteren Verlauf der wissenschaftlichen Diskussion als schwerwiegendes Versäumnis herausstellen kann. Die Erörterung von Begriffen darf zwar nicht ins Unermessliche ausgedehnt werden, sie aber direkt ganz zu überspringen, ist fahrlässig.) Demnach ist für das weitere Vorgehen zunächst eine Aufarbeitung des Kulturbegriffs in Kapitel 3.1.2.1 notwendig. Im Anschluss werden in Kapitel 3.1.2.2 Gestalten und Merkmale aus dem Begriff der Kultur abgeleitet und entsprechend für mögliche Ansatzpunkte im Rahmen von marketingtheoretischen Überlegungen eingeordnet. Diese Vorgehensweise bedeutet den Objektbereich zu konkretisieren (ebenda): „Am Anfang einer Wissenschaft oder der Erkundung eines einzelnen neuen Bereichs einer Wissenschaft steht daher der Versuch, diesen Ausschnitt der Realität in Elemente zu zerlegen, die Objekte und Merkmale zu bezeichnen.“

3.1.2.1

Begriff der Kultur

Der Begriff „Kultur“ wird heute in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht und bietet damit ein breites und komplexes Deutungsspektrum. Entsprechend geläufig – Kroeber und Kluckhohn (1967, S. 357) tragen bereits 1952 in ihrer Arbeit „Culture: A Critical Review of Concepts and Definitions“ 164 Definitionen von Kultur zusammen –, aber auch notwendig sind Ausführungen zur Begriffsdeutung. Die Beschäftigung mit Begrifflichkeiten darf

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

allerdings nicht zum reinen Selbstzweck verkommen, sondern muss der Klärung des im weiteren Verlauf der Arbeit zugrunde liegenden Verständnisses von Kultur bzw. Kulturgütern dienen. Es kann demnach nicht Sinn und Zweck der Ausführung sein, die Deutungsvielfalt um eine gänzlich neue Variante zu erweitern. Stattdessen gilt es aus der Vielfalt den Kern des Kulturbegriffs, wie er auch in der Kulturbetriebslehre aufgefasst wird, herauszustellen. Wird der alltägliche Gebrauch des Begriffs zur Deutungsfindung herangezogen, zeigt sich die Vielfalt – Kultur scheint allgegenwärtig. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Bandbreite reicht inzwischen von „Gesprächskultur“ über „Protestkultur“ und „Trinkkultur“ bis hin zur „Unternehmenskultur“. Bei allen Unterschieden ist den Begriffen bei dieser Verwendung doch gemein, dass Kultur sprachlich nahezu jede menschliche Lebenssituation ergänzt, die sich durch eine gewisse Fülle verschiedener Ausprägungen auszeichnet – so verbreitet der Begriff ist, deutet sich hierin auch schon seine Relevanz an. In der Umgangssprache verharrt er aber im Vagen und bleibt gerade in Anbetracht seiner gewöhnlichen Verwendung schwer zu bestimmen. Indem sich der Begriff auf räumliche bzw. geopolitische Einheiten bezieht, nimmt er eine andere, konkretere Bedeutung an. Hier ist dann wahlweise mal die Rede von einer österreichischen, deutschen, japanischen oder einer westlichen bzw. abendländischen Kultur. (Länder-)Grenzen zeichnen diesem Verständnis nach den Umriss einer Kultur. Jegliche Gemeinsamkeit, ob sie tatsächlich nur innerhalb dieser Grenzen vorkommt oder aber über diese hinausgeht, wird dann auch sprachlich diesen Grenzen zugeschrieben, sodass letztlich alles der (nationalen) Grenzziehung untergeordnet wird (Scheffer 2009, S. 21). Der räumliche Bezug (bzw. die Nationalität) allein dient der Erklärung der Kultur. Andere Aspekte finden in dieser Auffassung nur selten Beachtung oder werden mit dem Begriff „Subkultur“ umschrieben, also mit einem Verweis auf die größere, bedeutsamere (nationale) Kultur. Häufig wird dabei nicht klar, wodurch sich eine bestimmte Kultur genau ausdrückt. Zwar können Sprache, Traditionen oder Lebensformen zur Bestimmung herhalten, jedoch ist in diesem Fall mit Kultur das, was „das große Ganze“ jeweils zusammenhält, gemeint; im Mittelpunkt steht das Prinzip der Abgrenzung (vgl. Assmann 2008, S. 13; Sommer 2005, S. 112). Dafür können eigentlich alle (vermeintlichen) Eigenarten, die in einer Region (bzw. bei einer Nation) beobachtet werden, zur Bestimmung

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

73

herangezogen werden. Auch wenn Kultur als einheitliches Großgebilde weiterhin im Sprachgebrauch Verwendung findet, ist dieser Einheits- und Ganzheitsbegriff von Kultur wenig gehaltvoll. Insbesondere trifft dies auf die kulturvergleichende Forschung zu, die eigentlich versucht kulturelle Unterschiede zu vermitteln, sich aber dennoch um räumliche, verabsolutierende Grenzziehung bemühen muss, um einen Vergleich überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. Scheffer 2009, S. 22 ff.; Welsch 1994, S. 149). Die Folge dieses Denkens im „Inselmodell“ (Welsch 1994, S. 152) können zum einen Überbetonung nationaler Verschiedenheiten und Stereotypisierung sowie zum anderen mit starrer Generalisierung einhergehende Erkenntnisdefizite sein (vgl. Scheffer 2009, S. 25). Darüber hinaus wird Kultur auch mit Zivilisation verbunden (vgl. Hejl 2005, S. 105 f.; Assmann 2008, S. 15). Die zugrunde liegende Vorstellung, ein Mensch mache sich das Menschliche nicht mit Geburt zu eigen, sondern erwerbe dasselbe erst durch einen regulierenden Eingriff, prägt dieses Begriffsverständnis. Im Gegensatz zum triebgesteuerten Dasein wird der Mensch von Selbstdisziplin beherrscht. Jegliches Verhalten außerhalb des maßgebend Kulturellen fällt unter den Begriff des Vorkulturellen, das einen primitiven, die Triebnatur gewährenden Zustand darstellt. Kultur steht in diesem Fall für Kultivierung. Diese meint zunächst die Ausbildung der Urteilskraft, für die wiederum der „gute Geschmack“ maßgeblich ist (Zembylas 2004, S. 26 f.). Eine Formung des Menschen im Sinne der Zivilisation wird angestrebt (vgl. Elias 1989). Bezug nehmend auf die etymologische Herkunft des deutschen Begriffs „Kultur“ geht das lateinische „cultura“ (für „Landbau“, „Pflege“) ursprünglich auf „colere“ zurück, was mit „bebauen“ übersetzt werden kann (vgl. Perpeet 1997, S. 9). Der Begriff bezieht sich auf die landwirtschaftliche Bearbeitung des Erdbodens, entspricht also der Agrikultur. Damit beschreibt Kultur zunächst eine Tätigkeit, nicht etwa eine abstrakte Größe (Eagleton 2001, S. 7). Erst durch die sinnbildliche Adaption kommt die Bedeutung zum Vorschein, denn wie im ursprünglichen Sinne wird etwas „bebaut“, gemeint ist nicht aber das Erdreich, sondern die dem Menschen zugrunde liegende Anlage (Zembylas 2004, S. 23; Hejl 2005, S. 105). Kultur wird in Verbindung zu guten Sitten gesetzt und als Bildung mit dem Ziel versehen das menschliche Leben zu verbessern (Perpeet 1997, S. 10). Umso erstaunlicher ist, dass der Begriff auf die Landwirtschaft

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

zurückgeht, eine Arbeit, die heutzutage nicht den Anschein erweckt besonders „kultiviert“ zu sein (vgl. Eagleton 2001, S. 7 f.). Angelehnt an diese Auffassung steht der Begriff „Hochkultur“ auch für eine politische Tragweite. Er verbindet Kultur mit einem normativen Werturteil. Dieses Verständnis geht auf das BürgerInnentum des 19. Jahrhunderts zurück, das die Kultivierung und Sublimierung der Sinne behauptet und sich von den unterprivilegierten Klassen abzuheben versucht (vgl. Sommer 2005, S. 112; Assmann 2008, S. 14 f.). Über die Wertschätzung für bestimmte Leistungen eine verbindliche Hierarchie zu etablieren, bedeutet die maßgebende Wertung als ein Mittel zur Abgrenzung zu nutzen. Eine spezielle, elitäre Gesinnung, geformt aus konkreten Vorstellungen von Geschmack, Etikette und schöngeistigen Vorlieben, setzt bestimmte Kenntnisse voraus und beansprucht eine entsprechende intellektuelle Befähigung. Für all jene, die keinen Zugang zu den Privilegien der Oberschicht haben, ist das als Hochkultur Bezeichnete nicht fassbar. In der Folge ist der Begriff mit der Aversion gegenüber dem Niederen verbunden, sodass dieser stets mit einem Gegenbegriff (z. B. Trivial-, Alltags- oder Populärkultur) auftritt.40 Auch mit anderen Begriffspaaren (z. B. „ernste“ und „unterhaltende“ Kultur, „reine“ und „angewandte“ Kunst oder „highbrow“ und „lowbrow“ Aktivitäten) wird eine hierarchische Anordnung angedeutet (vgl. beispielsweise Levine 1988). Erst mit zunehmendem Widerstand, der sich insbesondere auf soziale Gerechtigkeit stützt, verändert sich die Auffassung von Kultur. Dazu trägt vor allem auch die Wissenschaft bei, die das Alltägliche und Populäre zusehends als Gegenstand ihrer Forschungsarbeit aufgreift.41 Nachdem Alltags- bzw. Populärkultur zu-

40

Eine Auseinandersetzung mit der Entstehung dieser Abgrenzungen ist vor allem in der Kunstsoziologie von Interesse. So untersucht etwa DiMaggio (1982), wie sich im Boston des 19. Jahrhunderts hochkulturelle Einrichtungen formieren und durchsetzen; Crane (1992) wiederum hält diese Abgrenzung für überholt und skizziert eine alternative Unterscheidung, die sich auf die Produktion von Kultur durch (nationale) Kulturindustrien bzw. in urbanen Subkulturen stützt.

41

Bei Willis (1981, S. 22 f.) kann diese Gegenposition zu einer auf eine elitäre Hochkultur beschränkte Begriffsauffassung bzw. die Neubewertung des Profanen herausgelesen werden, da er die herrschende Klasse zwar als „Nutznießer des Kapitalismus“, gleichzeitig aber auch als

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

75

nächst meist (implizit) in Verbindung mit der Hochkultur (vgl. Gans 1974) und dann für gewöhnlich abwertend, wie etwa bei der pejorativen Auslegung der „Kulturindustrie“ (vgl. Horkheimer; Adorno 1947), aufgegriffen wird, entwickelt sich mit den Cultural Studies im angelsächsischen Sprachraum eine Forschungsrichtung, die sich ausdrücklich gegen eine elitäre Auffassung von Kultur positioniert. So entwirft etwa Williams (1958, S. 325) in seiner richtungsweisenden Ausarbeitung „Culture and Society 1780–1950“ eine weite Auslegung des Kulturbegriffs, nämlich als „a whole way of life“, womit abseits der Hochkultur auch alltägliche Praktiken einbezogen werden. Ebenso zeichnet sich zum Teil auf (kultur-)politischer Ebene eine neue Haltung ab.42 Ausschließlich auf Selbsterhebung und Selbstgefälligkeit abstellende Kultur verliert ihren Anspruch und verkennt den Wert des Andersartigen. So wird der Begriff „Kultur“ inzwischen seltener nur mit Hochkultur verbunden. Nichtsdestotrotz bleibt gelegentlich eine negative Konnotation zurück, die sich vorwiegend auf die normative Werturteilsebene bezieht (vgl. Zembylas 2004, S. 27).

diejenigen, die „am stärksten auf die Illusionen und falschen Versprechungen ihrer eigenen Ideologie“ hereinfallen, bezeichnet: „Was scheinbar das Äußerste an Privilegiertsein ist – kulturell etwas erreicht zu haben und in einem lebendigen sinnlichen Bezug zur Welt zu stehen –, erweist sich als dessen Gegenteil: Verdummung, Versteinerung und Vorspiegelung falscher Tatsachen. Das Zusammenwerfen von Kunst und Kultur mit gesellschaftlichem Elitedenken und dem Ausschluß anderer führt zu konformistischer Unschlüssigkeit und der Minimalstrategie, über allgemein anerkanntes Wissen zu verfügen. Trotz ihrer objektiven Privilegien und ihres Einflusses auf jede Art materieller Produktion vermag es die herrschende Klasse am allerwenigsten, das Unerwartete, das Zweischneidige, das Revolutionäre in dem zu sehen und zu erforschen, was sie hervorbringt. […] Wir können sogar sagen, daß es charakteristisch für eine bestimmte Art von kreativer kultureller Weiterentwicklung ist, sich die Qualitäten, Kapazitäten und Möglichkeiten in den profanen Dingen zunutze zu machen, die die herrschende Gesellschaft beiseite geworfen, nur ‚zum Geschäft‘ produziert und für eine kulturelle Bedeutung nicht erschlossen hat. Trotz ihrer schrecklichen und deprivierten Lage und trotz der gewaltigen Vorteile der herrschenden Klasse sind es manchmal die jeden Besitzes Beraubten, die am besten in der Lage sind, die revolutionäre Zweischneidigkeit der unerforschten Dinge um uns herum für sich zu nutzen.“ 42

Hier ist beispielsweise an die programmatische Ausrichtung „Kultur für alle“ (Hoffmann 1979) zu denken. Mit der in den späten 1970er Jahren in Deutschland proklamierten demokratischen Forderung nach Chancengleichheit im Zugang zu Kultur ist auch ein erweiterter Kulturbegriff verbunden.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Eagleton (2001, S. 48) bemerkt, „daß wir […] zwischen einem entmutigend weiten und einem quälend engen Kulturbegriff gefangen sind“. Genauer zu differenzieren ist zwischen einem deskriptiven und einem evaluativen Gebrauch des Kulturbegriffs. Wird Kultur mit bestimmten Werten verbunden, ist sie auf etwas Bestimmtes beschränkt. Dabei ist mit dem Wertbezug implizit häufig auch ein Gegenwert verbunden. Durch den Transport der Werte entsteht ein spannungsreiches Verhältnis, bei dem die Anwendung des Kulturbegriffs umstritten ist. Auf gesellschaftlicher Ebene wird dann über hoch- und minderwertige Kultur entschieden. Bei Annahme von (weitestgehender) Wertfreiheit in der Verwendung wird Kultur hingegen zu einem allumfassenden Begriff. Ein wesentlich breiteres Verständnis resultiert aus diesem Gedanken – die gesamte menschliche Sphäre wird unter Kultur zusammengefasst. Damit wird Kultur zur höchsten Instanz des menschlichen Lebens, alles ist kulturell konstruiert (Zembylas 2004, S. 21). Diesem Verständnis nach kann jegliche menschliche Tätigkeit als kulturelles Phänomen aufgefasst werden; es stellt sich hiernach vielmehr die Frage, welche Tätigkeit denn nicht unter den Begriff „Kultur“ subsumiert werden kann. Dem vielleicht Nebensächlichen wird Tür und Tor geöffnet; jeder noch so belanglose, aber menschliche Aspekt wird in das Scheinwerferlicht der Kultur gerückt. Angesichts der Begriffsverwendung kann das Kulturverständnis der UNESCO Aufschluss geben. Sie fungiert als eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und befasst sich unter anderem mit den Themen „kulturelles Erbe“43, „kulturelle Vielfalt“44 und „Dialog zwischen den Kulturen“. Demnach geht der

43

Kultur wird in diesem Zusammenhang als Vererbungssystem angesehen. Sie erfährt zwar ständigen Wandel und Umgestaltung, ist jedoch ebenso von Historie und Tradition gekennzeichnet. Die Ausdrücke „Kulturerbe“ (UNESCO 2005) oder „kulturelles Gedächtnis“ (Assmann 1992) verweisen auf diesen Zusammenhang.

44

Mit der Ratifizierung der „UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ ist das Ziel einer kulturellen Vielfalt inzwischen in zahlreichen Ländern politisch verankert. Nach der UNESCO (2005) wird damit Bezug genommen „auf die mannigfaltige Weise, in der die Kulturen von Gruppen und Gesellschaften zum Ausdruck kommen. Diese Ausdrucksformen werden innerhalb von Gruppen und Gesellschaften sowie zwischen ihnen weitergegeben. Die kulturelle Vielfalt zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Weise, in der das Kulturerbe der Menschheit durch eine Vielzahl kultureller

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

77

internationale Konsens davon aus, „dass die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen“ (UNESCO 1983, S. 121). Des Weiteren kann die inzwischen oft zitierte Definition von Kroeber und Kluckhohn (1967, S. 357) zur Konkretisierung des Kulturbegriffs dienen: „Culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e., historically derived and selected) ideas and especially their attached values; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, on the other as conditioning elements of further action.“ Zwar wird hier jeweils ein grundsätzlich breites Kulturverständnis dargelegt, das in einigen Punkten hinterfragt werden kann (z. B. die gleichwertige Auflistung von „Grundrechten des Menschen“ und „Wertsysteme“), die Definitionen spiegeln aber auch Aspekte wider, die in der Begriffsverwendung zum Ausdruck kommen und für eine Konkretisierung hilfreich sind. So wird ersichtlich, dass die Gemeinsamkeit in dem Verständnis von Kultur in der Herausbildung eines Kollektivs liegt. Mit zunehmender Bedeutung des Kollektivs findet der Kulturbegriff eine Erweiterung, die in Kultur weniger das Produkt des Geistes, sondern eher jenes des Gemeinwesens sieht (Zembylas 2004, S. 28). Kultur übernimmt die Ordnung des Zusammenlebens und stellt gleichzeitig auf einen höheren, über die pragmatische Zweckmäßigkeit reichenden Sinn ab (ebenda, S. 29): „Die Kultur als System von Normen, Institutionen und Praktiken erzeugt, abgesehen von allgemeinen Verhaltens- und Denkmustern, stets konkrete und relativ stabile Wirklichkeitskonstruktionen sowie Distinktionskriterien zwischen dem

Ausdrucksformen zum Ausdruck gebracht, bereichert und weitergegeben wird, sondern auch in den vielfältigen Arten des künstlerischen Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung, des Vertriebs und des Genusses von kulturellen Ausdrucksformen, unabhängig davon, welche Mittel und Technologien verwendet werden.“

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Legitimen und dem Illegitimen, dem Eigenen und dem Fremden, dem Oben und dem Unten. Diese Distinktionen […] sind identitätsstiftend: Neben der Trennung zwischen Wir und Ihr wird die personelle Unterscheidung zwischen Ich und Du geschaffen.“ Es geht um gültige Werte und kommunikative Prozesse, die auf den gemeinschaftlichen Aufbau einer Realität hinweisen. Gemeint kann damit nicht etwa ein starres Gebilde sein, vielmehr darf Kultur nur offen und abstrakt verstanden werden, das heißt ohne Vorgabe von konkreten Inhalten und im Formalen verharrend als die innerhalb von Kollektiven bestehenden Standardisierungen (Hansen 2003, S. 39; 2009, S. 16). Unter der Annahme, das menschliche Leben zeichne sich durch Gemeinsamkeit und Differenzierung aus und Kultur stelle die „Form der Konstitution einer Gemeinschaft durch Repräsentation“ dar, nehmen aus dem Kollektiv heraus produzierte Güter einen Symbolcharakter an (Zembylas 2004, S. 29). Symbolen kommt in Kollektiven eine besondere Bedeutung zu, denn sie ermöglichen dem Menschen die Trennung und zugleich die Verbindung mit der (Um-)Welt – in ihrer Verwendung drückt sich die Mittelbarkeit des menschlichen Handelns aus (vgl. Cassirer 1942, S. 29 f.; Sommer 2005, S. 113).45 Symbolische Formen ermöglichen Erkenntnis, indem derartige Systeme Wahrnehmungen ordnen, Repräsentationen erstellen und die Denkrichtung im Erkenntnisprozess steuern – sie sind damit von konstitutiver Bedeutung (Zembylas 2004, S. 30 f.). Die Allgegenwart von Symbolen lässt eine unmittelbare Begegnung mit der Wirklichkeit nicht zu und fördert stattdessen die Gegenüberstellung mit sich selbst (Cassirer 1990, S. 49 f.). Ihre Bedeutung beschränkt sich nicht auf das Verstehen einer Weltsicht, sondern umfasst ebenfalls die Möglichkeit zur Gestaltung von Weltbildern; nur durch Symbole gelingt eine intersubjektive Form des

45

Cassirer (1942, S. 30 f.) schreibt hierzu: „Je mehr der Horizont menschlichen Vorstellens, Meinens, Denkens und Urteilens sich erweitert, umso komplexer wird das System der Mittelglieder, deren wir bedürfen, um ihn überschauen zu können. Die Symbole der Wortsprache sind das erste und wichtigste Glied in dieser Kette. Aber an sie schließen sich Gestalten von anderer Art und Herkunft: die Gestalten des Mythos, der Religion, der Kunst, an. Ein und dieselbe Grundfunktion, die Funktion des Symbolischen als solche, entfaltet sich in ihren verschiedenen Hauptrichtungen und schafft innerhalb derselben immer neue Gebilde. Die Gesamtheit dieser Gebilde ist es, was die spezifisch-menschliche Welt kennzeichnet und auszeichnet.“

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

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Verstehens und wird Kommunikation ermöglicht (Zembylas 2004, S. 31). Der Bezug auf den Symbolcharakter verdeutlicht, warum bestimmte Objekte mit einem gewissen Kult (im religiösen bzw. spirituellen Sinne) verbunden sind. Ebenso ist darin angedeutet, warum die Institutionen, die sich hauptsächlich mit der Symbolproduktion und -vermittlung beschäftigen, ebenfalls als Kultur bzw. Kulturbetriebe bezeichnet werden, gleichwohl mit einer weiten Begriffsauslegung Kultur nicht nur auf bestimmte Einrichtungen oder Organisationen zu beschränken ist.

3.1.2.2

Gestalten und Merkmale der Kultur

Die Ausführungen zum Kulturbegriff lassen sich aus Marketingsicht nur schwer aufarbeiten, das heißt sie erlauben in der Gedankenwelt des Marketing keinen – zumindest keinen direkten – Ansatzpunkt für eine Aufarbeitung. Zwar bietet sich mit einer engen Auslegung, die den Kulturbegriff auf etwas Bestimmtes festzulegen versucht, ein eindimensionales Vorgehen an, angesichts der stetigen Veränderung bzw. der Unterschiedlichkeit in der Zuordnung und der entgegengebrachten Wertschätzung birgt dieses jedoch die Gefahr, Aussagen zu verallgemeinern, die faktisch lediglich auf einzelne, wenige Fälle zutreffen. Die – für den Moment – vorherrschende Einsicht, etwas, egal ob ein einzelnes Werk oder eine bestimmte Gattung, werde als Kultur anerkannt, reicht nicht aus. Eine aufzählende Darstellung kann nur auf einer praktischen Ebene Auskunft geben (und auch dies nur unzureichend). Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kultur ist diese Form der Begriffsauslegung ungeeignet, weil wenig aussagekräftig. Alles kann hiernach potenziell als Kultur aufgefasst werden – eine Scheinabgrenzung ist die Folge. Sobald sich die Bewertung ändert, einem Werk oder einer Gattung die „kulturelle Grundlage“ entzogen wird, ist auch die wissenschaftliche Analyse der Austauschprozesse hinfällig, sodass fortwährend eine Auseinandersetzung mit dem zugrunde gelegten Kulturbegriff notwendig ist. Dies scheint zum einen im Rahmen der sektoralen Annäherung wenig zweckmäßig, zum anderen der begriffsimmanenten Komplexität nicht gerecht zu werden.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

In der üblichen produktbezogenen oder technischen Art ist Kultur als Gegenstandsbereich nicht adäquat zu erfassen. Kultur ist im eigentlichen Sinne keine klar identifizierbare Ware bzw. Warengruppe. Demnach darf Kultur nicht auf etwas Bestimmtes festgelegt werden und ist zunächst nur abstrakt zu verstehen. Sofern sich der Kulturbegriff also auf die Konstitution einer Gemeinschaft bzw. Sinn und Wert innerhalb eines Kollektivs richtet, dann gilt es diese nicht etwa als a priori bestehend zu erachten, sondern eben auf den Prozess der Sinn- und Wertbildung abzustellen. Bezug genommen wird damit auf einen kommunikativen Austauschprozess. In einer solchen Auffassung ist eine gelegentlich zu findende Beschreibung künstlerischer Werke als zweck- und funktionsfrei (im Sinne der Dichotomie von „l’art pour l’art“ und „l’art engagée“), so als habe „Kunst und Kultur“ nichts mit dem Alltag zu tun, fragwürdig (vgl. Zembylas 1997, S. 126). Um Kultur derart abbilden zu können, werden, der Ausführung zum Kulturbegriff folgend, mehrere Merkmale herangezogen: Mit Kollektivität ist ein soziales Miteinander gemeint, wozu notwendigerweise Kommunikation (vom lateinischen „communicatio“ für „Mitteilung“, „Unterredung“) bestehen muss; in der Kommunikation ist wiederum die Verwendung von Symbolen Voraussetzung dafür, dass sich Kollektive bilden können. Gedanklich zu unterscheiden ist dabei die Bezugsebene der Kultur in die innere und äußere Gestalt. Mit dieser Vorgehensweise, der Übersetzung der Kultur, ist eine für die marketingtheoretische Aufarbeitung notwendige, wenn auch künstliche Trennung gemeint, um in den Griff zu bekommen, wie sich Kultur im Austauschprozess niederschlägt bzw. die Verbindung zwischen Kultur und Markt herzustellen. Künstlich ist die Trennung der inneren und äußeren Gestalt der Kultur in erster Linie deshalb, weil die Gestalten eigentlich nicht losgelöst voneinander auftreten. Erst das Zusammenspiel der inneren und äußeren Gestalt ist ausschlaggebend dafür, dass einem Werk eine kulturelle Bedeutung zugeschrieben werden kann. Entscheidend für diese Trennung ist allerdings das unterschiedliche Wirksamwerden der beiden Gestalten. Während die innere Gestalt sich auf einen nicht direkt beobachtbaren Sachverhalt bezieht, geht die äußere Gestalt auf die Austauschobjekte ein, stellt also den äußeren, wahrnehmbaren Reiz dar. Insbesondere die äußere Gestalt der Kultur nimmt folglich Bezug auf den kommunikativen Austauschprozess und verdeutlicht dessen Funktion als

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

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Verbindung zwischen den Individuen (bzw. Kulturschaffenden und RezipientInnen). In einem ähnlichen Sinne bezeichnet Zembylas (1997, S. 59) die Kunst als Hausfassade der Kultur und weist ihr eine essenzielle Bedeutung bei der Präsentation (als „die Darstellung einer Gemeinschaft für Außenstehende“) und Selbstpräsentation (als „die identitätsstiftende Funktion von Symbolen für die Mitglieder einer Gemeinschaft“) einer Gemeinschaft zu.

Innere Gestalt der Kultur Die innere Gestalt der Kultur wird hier mit dem Merkmal „Kollektiver Wert“ gleichgesetzt und beschränkt sich damit auf das Wesen eines Kollektivs und seiner Mitglieder. Der kollektive Wert macht die distinktive Kraft der Kultur aus und bildet die Voraussetzung für die Anerkennung eines Objekts als Kulturgut. Er ermöglicht durch Bestätigung und Ablehnung die (wertende) Auseinandersetzung eines Kollektivs und seiner Mitglieder mit sich selbst und mit anderen. Die Tragweite des Merkmals umfasst sowohl die Geschichte als auch deren andauernde Fortschreibung.

Äußere Gestalt der Kultur Der kollektive Wert vermittelt sich über Symbole (bzw. Zeichen). Sie sind folglich als Stellvertreter zu verstehen und der eigentliche Grund für die Komplexität der Kommunikation. Die Fähigkeit ein Zeichen zu entziffern bzw. ein Zeichen als solches zu erkennen, geschieht nicht von selbst, sondern wird in einem Kollektiv erlernt. Das zweite Merkmal wird als „Symbolhafte Repräsentation“ bezeichnet. Da ein Zeichen in kommunikativer Hinsicht an ein Medium gebunden ist, schließt sich hier das dritte Merkmal „Medialer Träger“ an. Der Begriff „Medium“ bezeichnet eine Instanz, die zwischen Parteien vermittelt, und ist als notwendiges Hilfsmittel der Kommunikation Träger und Übermittler von Zeichen.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Die sektorale Annäherung verfolgt mit Hilfe der aus dem Kulturbegriff abgeleiteten Merkmale eine Prüfung der Markt- bzw. Marketingrelevanz. Für eine marketingtheoretische Betrachtung wird dem kulturell-kommunikativen Verständnis ein marktwirtschaftlicher Austauschprozess zugrunde gelegt, das heißt Kultur tritt ein in die Sphäre und Funktionsweise von Angebot und Nachfrage. Dabei wird von Kulturschaffenden als Anbieter und RezipientInnen als Nachfrager ausgegangen. Kulturschaffende können (in ihrer Funktion als organisierte Wirtschaftseinheiten) auf der Mikroebene als produzierende und selbstvermarktende Kulturbetriebe aufgefasst werden. Es wird somit auf Anbieterseite ausdrücklich nicht von einem vermittelnden Kulturbetrieb ausgegangen. Absatzmittler (oder Absatzhelfer) finden in diesem Modell des Austauschprozesses ebenso keine Berücksichtigung. Hinsichtlich der Nachfrager wird keine Unterscheidung zwischen KäuferInnen und KonsumentInnen bzw. RezipientInnen getroffen. Von Interesse ist lediglich, dass eine Privatperson eine Leistung bei einem Anbieter nachfragt. Als Leistung wird das produzierte Werk (als Ergebnis eines künstlerisch-kreativen Schaffensprozesses) verstanden, wofür eine entsprechende Gegenleistung erwartet wird. In gewisser Hinsicht kann dieses Vorgehen durchaus als idealtypische bzw. reduzierte Darstellung angesehen werden, schließlich werden die Phänomene „Kultur“ und „Markt“ exponiert behandelt sowie ein relativ simples Bild des einzelwirtschaftlichen Austauschprozesses verwendet, das ohne eine explizite Ausführung zu den Umweltbedingungen auskommt. Um auf den Eintritt der Kultur in die Funktionsweise des Markts abzustellen, wird demnach zwar von Kulturgütern ausgegangen, die innerhalb eines institutionell strukturierten Bereichs produziert, distribuiert und rezipiert werden (vgl. Zembylas 2004, S. 140 ff.), der Problemhintergrund ist aber vornehmlich auf eine ökonomisch und rechtlich strukturierte Grundlage beschränkt. Im marktwirtschaftlichen Ordnungssystem werden die Entscheidungen darüber, was, wie und für wen produziert wird, in der Regel über sich weitestgehend frei bildende Märkte getroffen. Dabei zeichnen allerdings die Art und der Umfang von staatlichen Eingriffen den Rahmen des wirtschaftlichen Handelns. So ist für die folgende Ausführung die Existenz des Urheberrechts vorauszusetzen. Dieses gewährleistet den Kulturschaffenden als UrheberInnen die wirtschaftliche Verwertung ihrer produzierten Werke, sofern sie als persönliche geistige Schöpfungen einzustufen sind.

3.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

83

Wie Abbildung 2 zu entnehmen ist, steht hinter diesem Vorgehen die grundsätzliche Vorstellung, für eine sektorale Annäherung von „Kultur“ und „Marketing“ bedürfe es mehr als die Abfolge der Begriffe, nämlich einer integrierten Auffassung der Austauschprozesse. Damit ist die Ausführung nicht auf eine rein wirtschaftliche (bzw. finanzielle) Sichtweise der Austauschprozesse begrenzt wird, sondern findet Ergänzung (im Sinne eines generischen Verständnisses) durch die kulturell-kommunikative Perspektive. Einerseits kann hierfür nicht der Kulturbegriff in seiner gesamten Vielschichtigkeit berücksichtigt werden, andererseits erscheinen mit der Verwendung eines komplexen Marktmodells zu Beginn der Ausarbeitung auf einer sektoralen Ebene zu viele Aspekte in den Vordergrund zu treten, um die Bühne der Vermarktung von Kulturgütern adäquat ausleuchten zu können. Vielmehr wird mit der gewählten Vorgehensweise versucht den Fokus auf die wesentlichen Aspekte, die Verbindung von ökonomischer und symbolischer Funktion von Kulturgütern im Austauschprozess, zu richten und damit die eigentlichen Problemstellungen zu erörtern. Das Modell des Austauschprozesses stellt somit eine bewusste Vereinfachung der Realität dar, hegt nicht den Anspruch einer exakten Abbildung, sondern dient vielmehr dem Aufdecken der Besonderheiten und der Ideengenerierung. So ist mit dem Bezug auf das Marktmodell die Integration des „Marketing im Kulturbetrieb“ als marketingwissenschaftliches Programm vorgesehen.

Kollektivität

Kollektiver Wert Symbolhafte Repräsentation Medialer Träger

Symbolcharakter prod. Werk prod. Werk

Eintritt der Kultur in eine ökonomisch und rechtlich strukturierte Grundlage

Evaluativer Kulturbegriff

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Deskriptiver Kulturbegriff

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Leistung Nachfrager

Informationen

Anbieter

Gegenleistung

Innere Gestalt der Kultur

Verhalten der Anbieter und Nachfrager im Austauschprozess

Äußere Gestalt der Kultur

Transaktionsbestimmende Eigenschaften der Austauschobjekte

Abbildung 2: Einordnung des Kulturbegriffs in den Austauschprozess

Dem Begriff „Kultur“ werden die drei Merkmale „Kollektiver Wert“, „Symbolhafte Repräsentation“ und „Medialer Träger“ zugeschrieben. Um die Frage nach der Qualität der Merkmale, das heißt ihre Eignung zur Bestimmung der Kultur (als konkretisierter Objektbereich), zu klären, gilt es die grundlegenden Anforderungen an ein Merkmal zu formulieren. Zunächst ist die Zweckmäßigkeit zu nennen, was in diesem Fall bedeutet, dass sich aus den genannten Merkmalen marketingrelevante Rückschlüsse ziehen lassen (vgl. Scheuch 1998, S. 60). Ein geeignetes Merkmal besitzt also möglichst hohe Relevanz für marketingtheoretische Überlegungen, sodass sich die Qualität eines Merkmals in ihrem Beitrag zur Ableitung von Thesen bemisst. Als grundsätzlich relevant erweist sich ein Merkmal, wenn es sich dem Objektbereich der Marketingwissenschaft zuweisen lässt (vgl. Hunt 1983, S. 13; Mattmüller; Tunder 2005, S. 13). Angenommen wird an dieser Stelle, dass das Merkmal „Kollektiver Wert“ Rückschlüsse über das Verhalten der Anbieter und Nachfrager im Austauschprozess gestattet und die Merkmale „Symbolhafte Repräsentation“ und „Medialer Träger“ Aussagen zu den transaktionsbestimmenden Eigenschaften

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

85

der Austauschobjekte erlauben. Die Analyse des Austauschprozesses zwischen Anbieter und Nachfrager konzentriert sich damit auf die konstitutiven Elemente, nämlich die Austauschbeteiligten sowie die Austauschobjekte, um anhand ihrer jeweiligen Besonderheiten mögliche Implikationen abzuleiten (vgl. Mattmüller; Tunder 2005, S. 7). Als weitere Anforderung ist die Fruchtbarkeit der Merkmale zu verstehen, sprich die Menge der ableitbaren generellen Aussagen (vgl. Scheuch 1998, S. 60). Bei einem mehrdimensionalen Vorgehen scheint die Fruchtbarkeit schon durch die Auswahl mehrerer Merkmale gegeben, weil sich die Fläche für Ansatzpunkte der Thesen ausbreitet. Abwägungen zur Zweckmäßigkeit und Fruchtbarkeit der Merkmale können aber grundsätzlich erst nach der Ausarbeitung der Thesen in einem Fazit angestellt werden – und auch hier nur in begrenztem Ausmaß, da letztlich ein Vergleich alternativer Merkmale anzustreben ist (vgl. ebenda) und dieser nur über Werturteile entschieden werden kann.

3.2

Ableitungen der inneren Gestalt

Der kollektive Wert wird als konstitutives Merkmal des Kulturbegriffs verstanden und als solches mit der inneren Gestalt gleichgesetzt. Das Merkmal erlaubt keine eindeutige Zuordnung, es kann von Personen verschieden eingeordnet werden. Das resultierende Dilemma ist offensichtlich: Ein Wert vermittelt zwar bei der Gegenüberstellung der Extremen, wenn von einer dichotomen Ausprägung ausgegangen wird (liegt vor; liegt nicht vor), lässt damit aber keine leicht zugängliche Differenzierung innerhalb des Merkmals zu. Bei derartigen Fällen wird in der Forschung mit theoretischen Konstrukten gearbeitet. Die im Rahmen der Arbeit verfolgte Ausrichtung zielt allerdings nicht darauf ab einen bestimmten Wert aufzuarbeiten, sodass sich die Frage nach der konkreten Konzeptualisierung und Operationalisierung nicht stellt. Angebracht kann es deshalb zunächst nur sein, das Merkmal der inneren Gestalt der Kultur und die entsprechenden Ableitungen für das Marketing in einer abstrakten Form zu behandeln.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Kapitel 3.2.1 widmet sich zunächst dem Merkmal „Kollektiver Wert“. Im Mittelpunkt des Interesses steht sodann die Relevanz des kollektiven Werts für den einzelnen Marktakteur. So sind die Begriffe „Anbieter“ und „Nachfrager“ zwar auf den wirtschaftlichen Austauschprozess bezogen, dennoch versteckt sich hinter diesen Bezeichnungen jeweils ein kulturell geprägter Mensch. In Kapitel 3.2.2 werden die Thesen mit Bezug auf den Nachfrager formuliert. Kapitel 3.2.3 stellt im Anschluss die Thesen zum Anbieter vor.

3.2.1

Kollektiver Wert

Das Merkmal „Kollektiver Wert“ bezieht sich nicht auf einen einfach zugänglichen und direkt beobachtbaren Sachverhalt – ein Wert existiert nicht in der gleichen Art und Weise wie ein materieller Gegenstand und verbleibt deshalb als geistige Abstraktion der inneren Gestalt. So beschreibt Kluckhohn (1951, S. 395) einen Wert zunächst als „conception, explicit or implicit, distinctive of an individual or characteristic of a group, of the desirable which influences the selection from available modes, means, and ends of action.“ Dieses Verständnis geht also von einer gewissen Vorstellung des Wünschenswerten aus und enthält einen Verweis auf Individuum und Kollektiv. Rokeach (1973, S. 5) schildert einen Wert als „enduring belief that a specific mode of conduct or end-state of existence is personally or socially preferable to an opposite or converse mode of conduct or end-state of existence.“ Es geht folglich um relativ beständige Ansichten bezüglich bevorzugter Verhaltensweisen bzw. erstrebenswerter Zustände. Ohne an dieser Stelle weitere Definitionen aufgreifen zu können (vgl. beispielsweise Rohan 2000, S. 257), herrscht weitestgehende Übereinstimmung darin, dass Werte eine individuelle und gesellschaftliche Dimension besitzen. Auf diese Weise stellen sie Verbindungen her. Sie sind Fiktionen, als solche nicht existent ohne Menschen, die sie erschaffen, und genau deshalb für moderne Gesellschaften brauchbar, resümiert auch Sommer (2016, S. 174) in seinem philosophischen Essay über den Nutzen für eine Gesellschaft sich über Werte zu definieren. Zu beachten ist: Auch wenn hier zum Teil vereinfachend von einem Wert gesprochen wird, liegen stets mehrere vor, entsprechend ist von einem Wertesystem als eine dauerhafte Organisation von Werten auszugehen (vgl.

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

87

Rokeach 1973, S. 5). Ersichtlich wird dies auch in den unterschiedlichen Wertkonkretisierungen, da Werte im Hinblick auf ihre jeweilige relative Bedeutsamkeit respektive Priorisierung stets ein gewisses Konflikt- und Spannungspotenzial in sich tragen und deshalb in Beziehung zueinander zu bringen sind (vgl. Rohan 2000, S. 258 ff.). Was unter einem konkreten Wert zu verstehen ist bzw. wie sich ein Wert im Alltag bemerkbar macht, scheint allerdings häufig nicht genau klar zu sein. So reichen beispielsweise die von der Europäischen Kommission (EK 2015, S. 80 ff.) ermittelten Werte der EU-BürgerInnen von „Frieden“, „Menschenrechte“, „Respekt gegenüber menschlichem Leben“, „Freiheit des Einzelnen“, „Demokratie“, „Gleichheit“ und „Solidarität, Unterstützung anderer“ bis hin zu „Toleranz“, „Rechtsstaatlichkeit“, „Selbstverwirklichung“, „Respekt gegenüber anderen Kulturen“ und „Religion“. Es bedarf schon einer tiefergehenden Analyse der Verhaltensweisen, um die grundlegenden Werte aufzudecken. Zu allgemein, zu abstrakt wirkt der Ausspruch eines Werts, um seine Reichweite zu erfassen; zu groß die Varianz des beobachtbaren Verhaltens im alltäglichen Leben, um ein und denselben Wert im sozialen Miteinander zu erkennen. Tabelle 2 zeigt einige ausgewählte, in der Forschung verwendete Werte bzw. Wertdimensionen.46 Auf eine tiefere Darstellung der Studien und Werte bzw. Wertdimensionen (in einigen Studien auch als Kulturdimensionen bezeichnet) wird hier verzichtet. Gleichwohl muss angemerkt werden, dass derartige, groß angelegte Studien zwar weite Verbreitung finden, aber auch stets Gegenstand von Kritik sind, ob im Hinblick auf die Datengrundlage, die theoretische Unter-

46

Festzuhalten ist, dass die Messung von Werten stets mit Problemen behaftet ist (vgl. Hitlin; Piliavin 2004, S. 365 ff.). Es stellt sich generell die Frage, wie aussagekräftig die Werteforschung tatsächlich ist. Da ein Wertesystem kein statisches Gefüge darstellt, verschließt es sich einer exakten Prognose. Angebracht scheint es sehr genau zwischen Prognose und Prophetie zu unterscheiden (vgl. Wiswede 1991, S. 22; Trommsdorff; Teichert 2011, S. 153 ff.). Auch die mögliche Annahme, für Werte könne, ähnlich eines idealtypischen Lebenszyklusmodells, eine Art standardisierter Verlauf abgeleitet und von einer begrenzten Lebensdauer ausgegangen werden, scheint angesichts der Komplexität moderner Gesellschaften abwegig. Lediglich in vollkommen isoliert lebenden Gesellschaften können Werte absoluter Kontrolle unterliegen und entsprechend durchgesetzt werden.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

mauerung, das methodische Vorgehen oder – ganz generell – den Charakter von Werten. Wie weit die Aussagekraft der Studien tatsächlich reicht, kann also hinterfragt werden. So taucht ferner der Begriff des gesellschaftlichen Wertewandels (z. B. ein eindimensionaler Wandel vom Materialismus hin zum Postmaterialismus) immer häufiger auf (vgl. Kadishi-Fässler 1993). Dieser kommt inzwischen zur Anwendung, wenn etwa „die Verwahrlosung der Jugendlichen“, „die abnehmende Arbeitsmoral in Betrieben“ oder „die neurotische Sucht nach Selbstverwirklichung“ thematisiert werden, weshalb durchaus die Vermutung aufkommen kann, es handele sich entweder um eine Art Zauberformel oder aber um eine mehr oder weniger sinnentleerte Worthülse, die für jegliche Veränderung im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich herangezogen wird (Wiswede 1991, S. 13). Tabelle 2:

Ausgewählte Werte bzw. Wertdimensionen

Quelle

Werte bzw. Wertdimensionen

Hofstede; Hostede; Minkov 2010, S. 53 ff.

Cultural Dimensions: Power Distance, Individualism versus Collectivism, Masculinity versus Femininity, Uncertainty Avoidance, Long- versus ShortTerm Orientation, Indulgence versus Restraint

House et al. 2004, S. 30

Cultural Dimensions: Power Distance, Uncertainty Avoidance, Humane Orientation, Institutional Collectivism, In-Group Collectivism, Assertiveness, Gender Egalitarianism, Future Orientation, Performance Orientation

Inglehart; Welzel 2005, S. 49

Value Dimensions: Traditional Values versus Secular-Rational Values, Survival Values versus Self Expression Values

Rokeach 1973, S. 28

Terminal Values: A Comfortable Life, An Exciting Life, A Sense of Accomplishment, A World at Peace, A World of Beauty, Equality, Family Security, Freedom, Happiness, Inner Harmony, Mature Love, National Security, Pleasure, Salvation, Self-Respect, Social Recognition, True Friendship, Wisdom Instrumental Values: Ambitious, Broadminded, Capable, Cheerful, Clean, Courageous, Forgiving, Helpful, Honest, Imaginative, Independent, Intellectual, Logical, Loving, Obedient, Polite, Responsible, Self-Controlled

Schwartz; Sagiv 1995, S. 96

Value Dimensions: Self-Transcendence (Universalism, Benevolence), Conservation (Tradition, Conformity, Security), Self-Enhancement (Power, Achievement), Self-Enhancement and Openness to Change (Hedonism), Openness to Change (Stimulation, Self-Direction)

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

89

Die Untersuchung von Werten kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden (vgl. beispielsweise Agle; Caldwell 1999). Rokeach (1973, S. 3) hebt die Bedeutung des Wertkonzepts in der sozialwissenschaftlichen Forschung hervor, indem er ihm eine zentrale Rolle für die Integration der verschiedenen Disziplinen (z. B. Soziologie, Anthropologie, Sozialpsychologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften) zuschreibt: „More than any other concept, it is an intervening variable that shows promise of being able to unify the apparently diverse interests of all the sciences concerned with human behavior.“ Unter diesen Vorzeichen wird im hier zu diskutierenden Rahmen davon ausgegangen, dass Werte auf der Ebene des Kollektivs und des Individuums wirksam werden und das Bindeglied darstellen. Der kollektive Wert ist als abstraktes Konzept der Verbindung bzw. als vereinfachte Skizze desjenigen Werts zu verstehen, der einen gültigen Bezug zwischen einem Individuum und einem Kollektiv herstellt. Er dient als „arena in which to examine the reciprocal influences between social structural positions and individual functioning and decision making“ (Hitlin; Piliavin 2004, S. 383). Genutzt als eine Art Schnittstelle, die ein Individuum mit anderen verbindet, sorgt er für Identifikation und gleichzeitig für Abgrenzung gegenüber anderen. Diesem Gedanken folgend prägt und kennzeichnet der kollektive Wert das Wesen eines Kollektivs wie auch jenes seiner Mitglieder. Dabei ist das Individuum bzw. das Verhalten des Individuums im Hinblick auf das Kollektiv bzw. das organisierte Verhalten des Kollektivs zu erklären (vgl. Mead 1973, S. 45). Der an die Werte gerichtete Geltungsanspruch lässt sie an Universalität, Kontur und Materialität gewinnen – das soziale Miteinander erscheint als ein relativ stabiles Gerüst (vgl. Sommer 2016, S. 45). Dass es sich hierbei allerdings nicht um ein statisches Gebilde handelt, lässt sich anhand der Vielfalt der Denk- und Verhaltensweisen zeigen. Zum einen bestehen in den komplexen Lebenssituationen verschiedene Einflüsse, sodass Werte offensichtlich nicht stets die alleinige Determination des menschlichen Handelns beanspruchen können (vgl. Kadishi-Fässler 1993, S. 341; Bardi; Schwarz 2003, S. 1209; Hitlin; Piliavin 2004, S. 381). Zum anderen ist kollektive Gegenständlichkeit von Durchlässigkeit geprägt, das heißt es kommt zu (indirekten und potenziellen) Kontakten zwischen den Kollektiven und zur Übertragung von Informationen aus einem Kollektiv in ein anderes (vgl. Hansen 2009, S. 22 f.). Durch die

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Verbindung der Mitglieder der Kollektive werden sowohl Gemeinsames und Altbekanntes als auch Gegensätzliches und Neues verarbeitet. So sind Veränderungen im sozialen Miteinander denkbar durch die Entscheidung des Individuums, bestehende Werte zu hinterfragen und bewusst oder unbewusst andere Verhaltensweisen anzuregen. Schon mit der Entscheidung eines Individuums kommt es zu Veränderungen auch auf der Ebene des Kollektivs. Es entsteht Bewegung im Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv.

Ebene des Kollektivs Der Begriff „Kollektiv“ (vom lateinischen Verb „colligere“ für „zusammenlesen“ bzw. „sammeln“) geht nach Hansen (2009, S. 27) zunächst von allen vorstellbaren Gruppierungen (z. B. Gemeinschaft und Gesellschaft; Primär- und Sekundärgruppen; soziale Kategorien, Aggregate und Gruppen) aus, indem er sich auf die partielle Gemeinsamkeit der einem Kollektiv zugerechneten Individuen bezieht. Dass nicht jegliche Gemeinsamkeit in dem hier zu diskutierenden Zusammenhang von Bedeutung ist, wird einleuchten. Einfach nur davon auszugehen, Werte entstünden aus einer beliebigen Gemeinsamkeit mehrerer Individuen, wird ihrer Bedeutung nicht gerecht. Eine Differenzierung zwischen Abstraktions- und Virulenzkollektiv hilft weiter (ebenda, S. 30): Ein Abstraktionskollektiv wird konstruiert durch die Fokussierung auf ein einzelnes Merkmal (z. B. Augenfarbe), welches als konstitutive Gemeinsamkeit des Kollektivs herhalten muss, ohne dass dabei von bestimmten Individuen ausgegangen wird; das Virulenzkolletiv baut auf einem Abstraktionskollektiv auf, geht aber insofern darüber hinaus, als die Mitglieder untereinander in persönlichem Kontakt stehen und die Individualitäten im Kollektiv zum Tragen kommen. An das Virulenzkollektiv kann hier angeschlossen werden. Ein gemeinsames Schicksal reicht demnach nicht aus. Um als Anknüpfungspunkt zur Entwicklung von Werten zu dienen, muss dieses Schicksal eine soziale Relevanz aufweisen. Bei Hitlin und Piliavin (2004, S. 368 ff.) findet sich eine übersichtliche Darstellung von Forschungsergebnissen bezüglich sozialrelevanter Merkmale (z. B. Ethnie, Geschlecht, Beruf, Ausbildung, Familienstand, Alter, Religion, Nationalität) und deren Einfluss auf Werte.

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

91

Für ein Kollektiv übernehmen Werte die Funktion eines allgemein akzeptierten Ordnungsrahmens, wobei sie über eine hierarchische Anordnung dargestellt werden können (Wiedmann 1984, S. 2): Als Grund- bzw. Basiswerte sind sie (innerhalb eines (dominanten, gesellschaftlichen) Wertesystems zueinander unterschiedlich in Beziehung stehend) vorerst abstrakt (z. B. Freiheit, Gerechtigkeit); für die konkreten Lebensbereiche werden die Basiswerte dann mit Bezug auf die jeweiligen Erfordernisse als Bereichswerte (oder bereichsbezogene Wertesysteme) (z. B. Meinungsfreiheit) akzentuiert; hierunter sind die bereichsspezifischen Wertkonkretisierungen angesiedelt, die in Form von „bereichsspezifischen Normen- und Sanktionssystemen, abstrakten Sozialorganisationen wie der Marktwirtschaftlichen Ordnung, der sozialen Schichtung usw. oder konkreten institutionellen Einrichtungen (Unternehmung, Verein, Familie etc.), den Aufgabenstrukturen sowie Positionen innerhalb der jeweiligen Sozialorganisation oder Institutionen und schließlich in konkreten Rollenerwartungen sowie Rolleninterpretationen bzw. Verhaltensweisen unterschiedlicher Personen“ in Erscheinung treten. Die tatsächliche Auseinandersetzung mit Werten findet damit auf unterster Ebene durch das im Alltag beobachtbare Verhalten, durch sozusagen „gelebte“ Werte, statt. Die Verbindlichkeit der Werte drückt sich in Normen aus. Diese nehmen im Unterschied zu den allgemein formulierten Werten konkreten Bezug auf das von einem Kollektiv erwartete Verhalten (Vester 2009, S. 55). Sie bestimmen die „Spielregeln“, wirken sich somit auf das Verhalten der Mitglieder aus und nehmen diesem, indem sie es vorhersehbar machen, bis zu einem gewissen Grad die Unberechenbarkeit. Dahrendorf (1977, S. 40) geht von einer Abstufung der Erwartungen aus, die im alltäglichen Leben als unterschiedliche soziale Verpflichtungen auftreten: „Zwischen Muß-, Soll- und Kann-Erwartungen einerseits, Gesetz, Sitte und Gewohnheit andererseits besteht nicht nur eine Analogie, sondern diese beiden Begriffsgruppen beziehen sich auf identische Gegenstände.“ Damit einhergehend ist bei Erfüllung mit Belohnung, bei NichtErfüllung mit Bestrafung zu rechnen, wobei das Ausmaß der Sanktionen auf die Verbindlichkeit einer Norm schließen lässt (Henecka 2009, S. 82; Vester 2009, S. 55). Demnach besitzt das Kollektiv Einfluss auf das Individuum, der in eine normative und eine komparative Funktion eingeteilt werden kann (Kelley 1968, S. 80 f.): Der normative Einfluss zeigt sich durch eine bestimmte Erwartungs-

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

haltung, die sich an die Individuen richtet; der komparative Einfluss verweist auf die Funktion des sozialen Vergleichs (vgl. Festinger 1954), sowohl für die Selbsteinschätzung eines Individuums als auch für die Beurteilung von anderen.

Ebene des Individuums Ebenso wie für das Kollektiv zeichnen sich Werte auch für das Individuum durch eine zunehmende Konkretisierung aus. Werte stellen dabei als Hintergrundvariablen die oberste Ebene dieser Konkretisierung dar.47 Das Verhältnis von Werten und Einstellungen wird allerdings in der Forschung keinesfalls einheitlich beurteilt, wobei der generelle Konsens darin besteht, dass Werte in der internen Hierarchie höher angesiedelt sind als Einstellungen (vgl. Hitlin; Piliavin 2004, S. 361). Durch Prozesse der Enkulturation und Sozialisation wird ein Individuum in verschiedenen Lebenssituationen mit Werten bzw. dem gesellschaftlichen Wertesystem konfrontiert und entwickelt daran anknüpfend persönliche Werthaltungen, die fortan der (bewussten oder unbewussten) Anwendung als Beurteilungsmaßstäbe dienen (vgl. Wiedmann 1984, S. 3 f.). Werte übernehmen eine strukturierende Aufgabe, indem das Erlebte in bestimmter Art und Weise, geprägt von Erfahrungen und beobachteten Verhaltensmustern, verarbeitet und eingeordnet wird. Ein Individuum ist sich über diesen Einfluss, wenn überhaupt, nur selten im Klaren, da die Wahrnehmung aus der eigenen Perspektive heraus erfolgt und sich Unterschiede letztlich nur durch einen

47

Um die Bedeutung des Werts für das Individuum aufarbeiten zu können, ist es unausweichlich sich mit den Grunddimensionen des menschlichen Antriebs auseinanderzusetzen. In der KonsumentInnenforschung werden die Zusammenhänge wie folgt dargestellt (vgl. Kroeber-Riel; Gröppel-Klein 2013, S. 57 ff.): „Motivation umfasst Emotion, Einstellung umfasst Motivation“, wobei als grundsätzliche menschliche Antriebskräfte Emotionen aufgefasst werden; Emotionen bleiben jedoch ohne Orientierung an genauen Handlungszielen, was den wesentlichen Unterschied zur Motivation ausmacht; ausgehend von einer Motivation findet bei einer Einstellung eine Gegenstandsbeurteilung statt und es kommt damit zu einer strukturierten Haltung gegenüber einem Objekt. Ein Wert stellt in diesem Zusammenhang „ein konsistentes System von Einstellungen (eine ‚Über-Einstellung‘) mit normativer Verbindlichkeit“ dar, zeichnet sich also durch eine höhere Komplexität aus (Trommsdorff; Teichert 2011, S. 152).

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

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Wechsel bzw. einen Bezug zu einem anderen Kollektiv bemerkbar machen. 48 Die eigene kollektive Sphäre erscheint als Normalzustand, nicht als besonders. Eagleton (2001, S. 41) schreibt hierzu: „Wer die eigene Lebenswelt als Kultur definiert, läuft Gefahr, sie zu relativieren. Die eigene Lebensweise ist immer einfach menschlich; die anderer Menschen ist ethnisch, eigentümlich, kulturell besonders. Es ist wie mit den Ansichten: Die eigenen sind vernünftig, die anderer Leute extremistisch.“ Auch wenn der Eindruck vermittelt wird – ein Individuum kann nicht nur einem einzelnen Kollektiv angehören bzw. vollständig in einem einzelnen Kollektiv aufgehen. Nicht nur die Nationalität oder nur der Beruf zeichnen ein Individuum aus. Multikollektivität, einerseits das Bestehen vielzähliger Kollektive und andererseits die Funktionstüchtigkeit der Vielfalt durch die Zugehörigkeit eines Individuums zu mehreren Kollektiven, ist wesentliches Charakteristikum kollektiver Gegenständlichkeit (vgl. Hansen 2009, S. 20 ff.). Diesem Gedanken folgend resultiert die Identität eines Individuums aus den vielen Eigenschaften und Ansichten, die über teilweise unfreiwillig vorgegebene und teilweise freiwillig gewählte Kollektive gestützt werden; die tatsächliche Individualität, im Sinne von Einzigartigkeit, ist dann der restliche, wahrscheinlich geringere Teil der Identität (vgl. ebenda). So ist „der Mensch, der eine Identität besitzt“, mit Mead (1973, S. 319) gesprochen, „immer Mitglied einer größeren Gemeinschaft, einer größeren gesellschaftlichen Gruppe als jener, in der er sich unmittelbar und direkt befindet oder zu der er unmittelbar und direkt gehört.“ Dass es bei der Zugehörigkeit zu einer Vielzahl an Kollektiven zu mehr oder weniger

48

Dennoch sind Werte stets anwesend, worauf auch Connor (1992, S. 8) gleich zu Beginn seiner Ausführung hinweist: „Value is inescapable. This is not to be taken as a claim for the objective existence or categorical force of any values or imperatives in particular; but rather as a claim that the processes of estimating, ascribing, modifying, affirming and even denying value, in short, the processes of evaluation, can never be avoided. We are claimed always and everywhere by the necessity of value in this active, transactional sense. The argument […] will be that we should acknowledge that value and evaluation are necessary as a kind of law of human nature and being, such that we cannot help but enter the play of value, even when we would wish to withdraw from or suspend it. The necessity of value is in this sense more like the necessity of breathing than, say, the necessity of earning one’s living. There are ways of continuing to exist as a human being without the latter, but not without the former.“

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

problematischen Konstellationen kommen kann, liegt in der Natur der Sache. Mit der Ausdifferenzierung der Kollektive erhöht sich schließlich auch die Anzahl der individuellen Bezüge, sodass ein Individuum zunehmend darauf bedacht ist, die Kombination möglichst reibungslos einander anzupassen, um Brüche und Widersprüche zu vermeiden (vgl. Hansen 2009, S. 22). Damit geht die Annahme einher, der Mensch verfolge ein konsistentes, also widerspruchsfreies Wertesystem, wofür auch mögliche Abweichungen umgedeutet oder ignoriert werden können (vgl. Festinger 1978). Ein Grund, warum sich Menschen ihren Werten entsprechend verhalten, ist folglich in der Notwendigkeit der Konsistenz zwischen den eigenen Werten und Handlungen zu sehen; ein weiterer ist, dass wertgemäße Handlung sich lohnt, indem es Menschen hilft zu bekommen, wonach sie verlangen (Bardi; Schwarz 2003, S. 1209).

3.2.2

Thesen zum Nachfrager

Im Folgenden wird der Relevanz des Merkmals „Kollektiver Wert“ für den Nachfrager nachgegangen. In Kapitel 3.2.2.1 wird zunächst das Bedürfnis nach Orientierung aufgearbeitet. Darüber hinaus wird der Kontext des Bedürfnisses, insbesondere die Rolle der Freizeit, in Kapitel 3.2.2.2 behandelt.

3.2.2.1

Orientierung als grundlegendes Bedürfnis

Der Antrieb der Wirtschaft geht zurück auf die menschlichen Bedürfnisse. Der Mensch versucht seine (subjektiv) empfundenen Mängel zu beheben und greift hierfür auf Güter zu. Allerdings sind Güter, genauer Wirtschaftsgüter, nicht ständig in der gewünschten Qualität und Quantität verfügbar. Die Güterknappheit, also die begrenzten Möglichkeiten die vorhandenen Bedürfnisse zu befriedigen, erklärt die Notwendigkeit besonderen Aufwand zu betreiben, um sich bestimmte Güter aneignen zu können, und ist damit kennzeichnend für das Wirtschaften. Geht es bei marketingtheoretischen Ausführungen zum Kultursektor um das zugrunde gelegte Bedürfnis, wird häufig auf die Trias von

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

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Bildung, Information und Unterhaltung verwiesen. Was dann genau hierunter zu verstehen ist, bleibt häufig ungeklärt, sprich wo Bildung aufhört, wo Unterhaltung anfängt und was genau Information in diesem Zusammenhang bedeutet. Was für einige unterhaltend ist, sorgt bei anderen für Langeweile bis hin zu Unverständnis. Darüber hinaus zeigt sich die Überschneidung beispielsweise in der Verwendung von jüngeren Begriffen wie „Infotainment“ (als Kontamination aus dem englischen „Information“ und „Entertainment“), der für informierende und zugleich unterhaltende Inhalte genutzt wird. Ebenso ist zu hinterfragen, ob nicht auch Werbung in eine solche Einteilung aufgenommen werden kann und inwiefern es tatsächlich Sinn macht von einem Bedürfnis nach Werbung zu sprechen. Es mangelt an klarer Abgrenzung. Dass in der kulturbetrieblichen Praxis derartige Begriffe genutzt werden, erscheint im Zusammenhang der Positionierung zwar noch als zweckmäßig. Letztlich richtet sich hier die Einteilung nach der Intention des Anbieters. Die Ansichten der RezipientInnen können hiervon aber stark abweichen. In all der ausdifferenzierten Vielfalt von Bildung, Information und Unterhaltung gilt es das Gemeinsame aus RezipientInnensicht zu identifizieren. Eine Herleitung dessen kann in der Annahme liegen, der Mensch sei ein soziales Wesen, also von anderen Menschen abhängig und auf die Gemeinsamkeit angewiesen, wobei an dieser Stelle mit der Umschreibung „sozial“ jegliches zwischenmenschliche Verhalten von Menschen gemeint ist, ohne dabei deren Bewertung zu implizieren (vgl. Henecka 2009, S. 25; Vester 2009, S. 42). Damit wird ein vornehmlich soziologisch geprägtes Menschenbild aufgegriffen, das sowohl das Individuum als Teil des Kollektivs als auch das Kollektiv als Verbund von Individuen anerkennt. Die Dynamik des sozialen Miteinanders eignet sich als Ausgangspunkt. So ist das Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv geprägt von permanenter Bewegung und unterliegt dem Wirkungsbereich kollektiver Werte, aus deren Funktion für den Menschen das abstrakte Bedürfnis abgeleitet wird.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

These 1: Kollektive Werte vermitteln durch Erwartung und Bestätigung im sozialen Beziehungsgefüge wechselseitige Orientierung. Diese „wertende“ Orientierung ist maßgeblich für die Vorstellung und Gestaltung eines sinn- bzw. wertvollen Lebens. Menschen besitzen demnach ein grundlegendes Bedürfnis nach Orientierung, das sie versuchen zu befriedigen.

Die Rezeption von „Kunst und Kultur“, egal ob alleine oder im Kollektiv (als gemeinsames Erlebnis), dient der sozialen Orientierung. Der Mensch ist ganz bei sich, zugleich aber, in der Haltung den anderen zugewandt, verbunden mit dem Kollektiv. Kollektive Werte vermitteln durch das In-Beziehung-Treten ein Selbstbild und vor allem einen Selbstwert, liefern Hinweise auf das, was „das Selbst“ ist, was es nicht ist und wie es sich zu verhalten hat (vgl. Vester 2009, S. 86). Orientierung bedeutet innerhalb kollektiver Vielfalt also Bestätigung und Abgrenzung (vgl. Berger; Heath 2008). Bei dem identifizierten Bedürfnis können Gemeinsamkeiten zu unterschiedlichen Klassifikationen von Bedürfnissen festgestellt werden. So geht auch Maslow (1977, S. 79 ff.), bekannt geworden durch seine (häufig auch kritisierte) hierarchische und nach Defizitund Wachstum geordnete Darstellung von Bedürfnissen, auf soziale Aspekte ein. Ebenso beschreiben Baumeister und Leary (1995) mit Zugehörigkeit ein ähnliches Bedürfnis. In anderen Quellen wird von „Anschluss/Bindung“ als grundlegendes Bedürfnis ausgegangen (vgl. beispielsweise Rothermund; Eder 2011, S. 95 f.). Menschen versuchen aus diesem Grunde „einem herkömmlichen Brauch zu genügen, unerfreuliches Aufsehen und entsprechende Kommentare zu vermeiden und den anerkannten Normen der Wohlanständigkeit gemäß zu leben, das heißt die richtige Art und die richtige Menge von Gütern zu konsumieren wie auch Zeit und Energie in angemessener Weise zu vertun. Es ist dieses Gefühl für das Schickliche, das den Verbraucher im allgemeinen motiviert und das vor allem auf den Konsum, der vor den Augen der Öffentlichkeit vor sich geht, einen unmittelbaren Zwang ausübt“ (Veblen 1958, S. 119). Insbesondere bei dem letzten Punkt, also wenn der Konsum öffentlich stattfindet, ist der Einfluss von Bezugsgruppen auf die Kaufentscheidung (Produkt- und Markenwahl) nachweisbar (vgl. Bearden; Etzel 1982, S. 191 ff.).

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

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Geht mit der Produktion, Distribution und Rezeption von kulturellen Symbolen im Laufe der Zeit eine stärkere ökonomische Fundierung einher – Kulturgüter sind einerseits knapp, andererseits wird für den Konsum kultureller Angebote eine Gegenleistung fällig (vgl. Kapitel 3.3.4) –, entsteht eine enge Verflechtung von soziokultureller (bzw. symbolischer) und wirtschaftlicher Dimension. Veblen (1958) greift dies mit seiner erstmalig 1899 veröffentlichten „Theorie der feinen Leute“ auf. Er beschreibt eine Oberschicht, die, von gemeiner Arbeit befreit, sich dem demonstrativen Müßiggang widmet und sich über eine verschwenderische Konsumhaltung von anderen Schichten abzugrenzen versucht (ebenda, S. 52): Demnach „genügt es nicht, Reichtum oder Macht zu besitzen, [um Ansehen zu erwerben und zu erhalten]. Beide müssen sie auch in Erscheinung treten, denn Hochachtung wird erst ihrem Erscheinen gezollt. Das Zurschaustellen von Reichtum dient jedoch nicht allein dazu, anderen die eigene Wichtigkeit vor Augen zu führen und sie in ihnen lebendig zu erhalten, sondern auch dazu, das persönliche Selbstbewußtsein zu stärken und zu erhalten.“ Ohne hierbei ausführlich „Kunst und Kultur“ (bzw. den Kulturbetrieb) zu thematisieren, wird klar, dass jenes Feld auch „dem Schönen“ zuzuordnen ist und sich besonders zur Monopolisierung und demonstrativen Zurschaustellung eignet (vgl. ebenda, S. 131). Die verschiedenen Auffassungen darüber, was als schön gilt, sind als unterschiedliche Prestigenormen aufzufassen, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, welche Güter (bzw. Werke) als geschmackvoll angesehen werden und für den ehrenvollen Konsum einer Klasse in Betracht kommen (ebenda, S. 134). In diesem Zusammenhang spricht Bourdieu (1987) auch von den „feinen Unterschieden“ und schildert, wie vor allem die herrschende Klasse angesichts der Veränderung im sozialen Miteinander versucht sich mit Hilfe des Konsums kultureller Angebote von den unteren Klassen abzugrenzen und ihre Stellung innerhalb der sozialen Hierarchie abzusichern.49 Mit dem Bemühen der herrschenden Oberschicht bestimmten Gütern (bzw. den Angeboten der Hochkultur)

49

Bourdieu (2005, S. 52 ff.) setzt bei dem im Rahmen der Sozialisation erworbenen Kapital an, wobei er die Erscheinungsformen ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital unterscheidet und deren gegenseitige Transformation aufgreift.

98

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

eine besondere Bedeutung zu verleihen und hierüber eine gewisse Exklusivität zu etablieren, trägt der Konsum von kulturellen Angeboten der Perpetuierung der sozialen Vormachtstellung bei. Peterson (1992) bzw. Peterson und Simkus (1992) kommen (mit Bezug auf den Musikkonsum) zu der Einsicht, der Konsum kultureller Angebote sei inzwischen weniger vom sozialen Status abhängig. Sie umschreiben mit dem Begriff „Omnivores“ Personen, die unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Oberschicht eine Vielzahl kultureller Angebote wahrnehmen (bzw. Interesse an verschiedenen Musikrichtungen vorweisen), darunter auch jene, die gemeinhin als Populärkultur anzusehen sind. Hierzu ist zweierlei anzuführen: Zum einen kann, wie die Ergebnisse von Neuhoff (2001, S. 768 ff.) andeuten, die zentrale Aussage der „Allesfresser“-These nicht vom ursprünglich zugrunde gelegten amerikanischen Raum auf andere, beispielsweise die österreichische oder deutsche Situation übertragen werden. Zum anderen darf in dem Befund nicht nur gesehen werden, dass die Relevanz der sozialen Stellung für den Konsum bestimmter kultureller Angebote abnimmt. So tritt mit dem Bezug auf die „Univores“, also Personen mit einem geringeren sozialen Status und einem auf lediglich bestimmte kulturelle Angebote (bzw. eine bestimmte nicht-elitäre Musikart) begrenzten Interesse, eine neuartige Form der sozialen Distinktion auf, die sich in erster Linie auf das Ausmaß der kulturellen Interessen bezieht; demonstrative Grenzüberschreitungen (zwischen Hoch- und Populärkultur) tragen „so gleichzeitig zur Bekräftigung und Verschleierung sozialer Unterschiede bei“ (Gebesmair 2004, S. 183). Ähnlich beschreibt Holt (1997; 1998), dass wenn über die verschiedenen sozialen Schichten hinweg vermehrt die gleichen Kulturgüter konsumiert werden, sich die soziale Distinktion nicht mehr in der Auswahl der kulturellen Angebote ausdrückt, sondern in der Art und Weise der Konsumpraktiken bzw. der Rezeption. Wie Konsumentscheidungen bezüglich kultureller Angebote getroffen werden, kann hier nicht allgemeingültig geklärt werden. Mit dem gewählten Ausgangspunkt bleibt aber zunächst die Annahme, sie seien vornehmlich sozial geprägt, was nicht bedeutet, dass sie unveränderlich durch die soziale Herkunft bestimmt

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

99

werden und nicht auch andere Aspekte (z. B. Ausbildung individueller Präferenzen) eine Rolle spielen.50 Für marketingtheoretische Überlegungen stellt sich die Frage, wie das Bedürfnis „Orientierung“ qualifiziert und quantifiziert werden kann. Dies spricht die Unterscheidung von Bedürfnis und Bedarf an: Der Bedarf ist im Gegensatz zum Bedürfnis ein ökonomisches Phänomen. Der Bedarf kann verstanden werden als ein konkretisiertes Bedürfnis ergänzt um die Bereitschaft Kaufkraft zur Befriedigung einzusetzen, das heißt ein Bedürfnis wird in einen bestimmten Bedarf nach einem Gut übersetzt und auf dem Markt als Nachfrage bezeichnet. Zur weiteren Konkretisierung hilft die Unterscheidung von Bedürfnis, Wunsch und Nachfrage (vgl. Arndt 1978, S. 102): 

Bedürfnis: Das Bedürfnis nach Orientierung ist eine empfundene Mangelerscheinung, schließt aber keine spezifische Verhaltensrichtung bzw. keine eindeutige Lösung ein.



Wunsch: Wünsche sind durch bestimmte Einflüsse gekennzeichnet und besitzen eine höhere kognitive Verarbeitung. Die Entwicklung von Wünschen nimmt hier Bezug auf den Geschmack, durch den kollektive Werte ausgedrückt werden. In Anlehnung an Bourdieu (1987, S. 284) stellt der Geschmack51 „den praktischen Operator für die Umwandlung

50

Anzumerken ist noch, dass andere Autoren, wie etwa Beck (1986) oder Schulze (1992), von der generellen Annahme einer Klassengesellschaft absehen bzw. die Auflösung klassenspezifischer Muster beschreiben und an deren Stelle verstärkt das Individuum und sein Erleben hervorheben. Demnach gehe es Schulze (1992, S. 34 ff.) zufolge bei dem Konsum kultureller Angebote weniger um Distinktion als um das Streben nach Genuss. Gleichwohl im Rahmen der Ausführung auch Aspekte einer zunehmenden Individualisierung berücksichtigt sind, wird zum einen die vollständige Auflösung einer hierarchischen Gesellschaftsordnung negiert und zum anderen mit der Befriedigung des identifizierten Bedürfnisses nach Orientierung sowohl Distinktion als auch Genuss verbunden.

51

Die Bedeutung des Geschmacks wird von Bourdieu (1987, S. 285 f.) wie folgt zusammengefasst: „Der Geschmack bewirkt, daß man hat, was man mag, weil man mag, was man hat, nämlich die Eigenschaften und Merkmale, die einem de facto zugeteilt und durch Klassifikation de jure zugewiesen werden.“ Der Geschmack ist über den Habitus (als eine Grundhaltung) in der Festigung und dem Fortbestand der sozialen Ordnung eingebunden. Mit dem Begriff des Habitus kommt zweierlei zum Ausdruck (ebenda, S. 277 f.): Einerseits ist damit die „Hervorbringung klassifizierbarer Praxisformen und Werke“ sowie andererseits die „Unterscheidung und Bewertung der Formen und Produkte (Geschmack)“ angesprochen, wobei sich im Zusammenspiel der beiden Aspekte der Raum der Lebensstile konstituiert.

100

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing der Dinge in distinkte und distinktive Zeichen“ dar, das heißt „durch ihn geraten die Unterschiede aus der physischen Ordnung der Dinge in die symbolische Ordnung signifikanter Unterscheidungen“. 

Nachfrage: Die Nachfrage weist den höchsten Spezifikationsgrad auf. Auf dieser Ebene müssen sodann die situativen Rahmenbedingungen (z. B. Budget an Geld und/oder Zeit) berücksichtigt werden. Dies korrespondiert mit der in dem folgenden Abschnitt angesprochenen Kontextualisierung des Bedürfnisses (vgl. Kapitel 3.2.2.2).

Die Zusammenhänge können hier lediglich in groben Umrissen dargestellt werden: Das Bedürfnis kann nur generell bestimmt werden; Wunsch und Nachfrage hingegen können durch die zunehmende Konkretisierung genauer artikuliert werden. In diesem Sinne steht Orientierung zunächst für das grundlegende Bedürfnis. Hierbei ist festzuhalten, dass ein generelles Bedürfnis nach Orientierung auf verschiedene Art und Weise bzw. durch verschiedene Güter befriedigt werden kann, sodass eine Konkretisierung von Bedürfnis zu Wunsch im Hinblick auf einen gewissen Geschmack zu bestimmen ist. Dabei kommen stets Bestätigung und Abgrenzung der kollektiven Werte zum Ausdruck. Zum einen geht es schon vorab um die Frage, welche Angebote überhaupt nachgefragt werden. In diesem Zusammenhang ist auch von einem sogenannten „Evoked Set“ die Rede, also eine begrenzte Anzahl von Angeboten über die ein Nachfrager eine gewisse Meinung hat und die im Rahmen der Kauf- bzw. Konsumentscheidung Berücksichtigung finden. Wird die Rezeption zugleich als eine Art der Produktion aufgefasst – denn „jedes ‚Lesen‘, ‚Betrachten‘, ‚Genießen‘ eines Kunstwerks stellt eine, wenn auch stumme und private Form von ‚Ausführung‘ dar“ (Eco 1977, S. 29) –, sind kollektive Werte zum anderen wesentlich für die Bewertung verantwortlich. Sie geben über den Geschmack die Lesart maßgeblich vor und sorgen für Anerkennung oder Ablehnung.

3.2.2.2

Kontextualisierung des Bedürfnisses

Aus der voranstehenden Beschreibung von Werten und Normen ergibt sich die Überlegung, in einer geregelten Gemeinschaft gebe es so etwas wie Rollen-

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

101

erwartungen, das heißt es entstehen aus dem sozialen Miteinander heraus bestimmte Erwartungen an das Verhalten eines Individuums. „Man kann sagen, dass Werte durch Normen in konkrete Handlungserwartungen übersetzt und Normen wiederum durch Rollen in Handlungen umgesetzt werden“ (Vester 2009, S. 55). Unter einer Rolle kann demnach eine von einem Individuum zu erfüllende Menge an Normen verstanden werden. Mit „Wir alle spielen Theater“ fasst Goffman (1969) die Art und Weise der Selbstdarstellung im Alltag und den Umgang mit der eigenen Rolle zusammen. Allerdings wird ein Individuum nicht bloß durch eine einzelne geprägt, sondern muss unterschiedliche Rollen einnehmen. Mit der Annahme, das Bedürfnis nach Orientierung sei in allen (sozialen) Lebenssituationen gegenwärtig, stellt sich folglich die Frage, wie die verschiedenen Rollen zugeordnet respektive gewählt werden. Hierfür ist auf die Kontextualisierung des Bedürfnisses abzustellen, die sich auf die unterschiedlichen Zeitkategorien bezieht. Zeit ist dabei als sozial konstruiert zu verstehen, was insbesondere in einer historisch-analytischen Sicht erkennbar wird (vgl. Prahl 2015).

These 2: Das Bedürfnis nach Orientierung ist auf den Einbezug der situativen Umstände und damit eine Kontextualisierung angewiesen. Als ein erster, übergeordneter und auf die Lebensumstände in westlichen Gesellschaften zugeschnittener Rahmen dient das Verständnis der Freizeit.

Gleichwohl Kultur nicht nur auf Freizeit beschränkt werden kann, stellt sie den gedanklichen Rahmen, in dem es zur Nachfrage nach kulturellen Angeboten kommt. Mit diesem Rahmen ist auch das Rollenverständnis in der Freizeit angesprochen, das anders als im beruflichen Alltag nicht vorgegeben ist. Es mangelt an Orientierung. So scheint im beruflichen Alltag die Rolle der Einzelnen innerhalb der Aufbau- und Ablauforganisation gemeinhin klar zu sein. Konformität und Pflichterfüllung kennzeichnen das Berufsleben. Alle übernehmen für sich einen festen Platz in einer strukturierten Umgebung, in der Ziele und deren mögliche Realisierung vorgegeben sind und mit einem gewissen Verzicht auf Freiheit ein Gewinn an Stabilität und Sicherheit einhergeht (Opaschowski 2008, S. 23). Anders sieht es hingegen in der Freizeit aus. Zwar

102

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

sind auch hier bestimmte Aspekte des Rollenverständnisses, die sich durch Kollektivzugehörigkeit (z. B. Alter, Geschlecht) ausdrücken, einfach zu identifizieren, jedoch ist damit vielfach noch keine Aussage über die Ausgestaltung gemacht. Während im Berufsleben die Rolle also mehr oder minder vorgegeben ist, fehlt es in der Freizeit an dieser Vorgabe. Freizeit gilt es zu gestalten, der Begriff allein sagt wenig aus über die Art des Zeitvertreibs, weshalb sich durchaus unterschiedliche Ansichten ergeben, was als Freizeit angesehen wird und was nicht, sie allgemein aber mit so wenig Notwendigkeit und Zwang wie möglich verbunden wird (ebenda, S. 26). Ein Blick auf die profanen Pflichten im Privatleben verdeutlicht: Viele Aufgaben in der Freizeit werden zunehmend als Pflichterfüllung verstanden. So beginnt zwar nach dem Ende der täglichen Arbeitszeit die „arbeitsfreie“ Zeit, diese ist aber generell nicht gleichbedeutend mit frei verfügbarer Zeit (vgl. ebenda, S. 27). Eine klare Grenzziehung zwischen (Erwerbs-)Arbeit und Freizeit ist nicht (mehr) möglich, weshalb eine Gegenüberstellung als Definition der Freizeit nicht sinnvoll erscheint. Auch aufgrund der von den Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie vorangetriebenen permanenten Erreichbarkeit ist arbeitsfreie Zeit zunehmend schwieriger als solche zu erkennen. Dem Diktat der Leistung unterstellt, bringen die digitalen Apparate (Smartphone, Laptop etc.), Han (2017, S. 49) zufolge, fernab der Maschinen des Industriezeitalters, „einen neuen Zwang, ein neues Sklaventum hervor. Sie beuten uns insofern noch effizienter aus, als sie aufgrund ihrer Mobilität jeden Ort in einen Arbeitsplatz und jede Zeit in Arbeitszeit verwandelt. Die Freiheit der Mobilität schlägt in den fatalen Zwang um, überall arbeiten zu müssen.“ Darüber hinaus verändert sich vor diesem Hintergrund auch das Arbeiten, wie es heute zum Teil noch üblich ist, was die klassischen Arbeitsverhältnisse sowie generell die Anzahl der Arbeitsplätze einschließt (vgl. beispielsweise Prahl 2002, S. 12 ff.). So ist im Hinblick auf die Arbeitswelt bereits eine vermehrte Auflösung bestehender Strukturen zu erkennen. Mit Entwicklungen wie Homeoffice, Outsourcing, Flexibilisierung und der Zunahme von Freischaffenden, um nur einige Stichpunkte zu nennen, wandeln sich die Bedingungen im Berufsleben zusehends. Freizeit ist demnach erst die nach Erfüllung aller beruflichen und privaten Pflichten noch verbleibende Zeit (Trommsdorff; Teichert 2011, S. 160). Sie kennzeichnet sich durch einen hohen Grad an Selbstbestimmung (Zeit-

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

103

autonomie). Vielmehr noch wird Freizeit mit der begrifflichen Entkopplung von Arbeit und Pflicht nicht mehr nur als arbeitsabhängige Zeitkategorie verstanden, sondern zu einem positiven Lebensgefühl, gar zum Synonym für Wohlbefinden und Lebensqualität erkoren (vgl. Opaschowski 2008, S. 35; Lüdtke 2001, S. 16; Prahl 2002, S. 132 ff.). Erst in der Freizeit wird es möglich persönlichen Zielen oder Wünschen nachzugehen, sich zu geben, wie es einem beliebt, sodass für viele Menschen erst die Aktivitäten der Freizeit das Selbstwertgefühl ausmachen (Opaschowski 2008, S. 320). Bezogen auf das identifizierte Bedürfnis nach Orientierung bedeutet die Zunahme der Freiheitsgrade in der Gestaltung des eigenen Lebens, dass die Sicherung von Identität und Gruppenzugehörigkeit zunehmend bedingt wird durch individuelles Handeln (Buchmann; Eisner 1999, S. 592).52 In der heutigen Zeit, in der schon Nuancen ausreichen, um Differenzierung und Abgrenzung zu forcieren, und der Stellenwert von Ideologie und Religion in vielen Regionen sinkt, ist das Bedürfnis nach Orientierung groß. So sorgt auch die Diskrepanz zwischen der im Beruf erlebten Sicherheit und dem in der Freizeit vorherrschenden Mangel an klaren Vorgaben für ein konfliktreiches Spannungsverhältnis. Der Konsum ist fester Bestandteil der Freizeit. Zahlreiche Angebote bedienen heute auf professioneller Ebene die Nachfrage nach kulturellen Leistungen. Freizeit wird zunehmend zum Streben nach Erlebnis, vor allem was selten und nicht gewöhnlich ist, findet Anklang (vgl. Opaschowski 1991, S. 111 f.). Ähnlich schreibt auch Schulze (1992, S. 54) über die Erlebnisorientierung (als das Streben nach Genuss), die sich seiner Auffassung nach letztlich in einer „Erlebnisgesellschaft“ manifestiert, also einer Gesellschaft, die sich vornehmlich durch innenorientierte Lebensauffassungen auszeichnet. Der Drang zum Erlebnis und hedonistischem Konsum (vgl. Hirschman; Holbrook 1982, S. 92) ist zwar nicht neu, findet aber in einem anderen Ausmaß und mit einer anderen Haltung

52

Diese Annahme korrespondiert auch mit der von Beck (1986) eingebrachten Individualisierungsthese. Die Vorstellung von Verhältnissen jenseits der Klassengesellschaft wird zwar abgelehnt, die in der „Risikogesellschaft“ beschriebenen Verschiebungen von Lebenszeit, Arbeitszeit sowie Arbeitseinkommen zugunsten einer Entfaltung der Lebenschancen finden sich aber in der Ausführung wieder (vgl. ebenda, S. 124).

104

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

statt. Heutzutage stehen den Menschen eigentlich mehr Zeit und Geld denn je für den Genuss zur Verfügung und der Zwang sich zu rechtfertigen ist (zum Teil) abgelegt; vielmehr wird die Gestaltung bzw. der Konsum in der Freizeit zunehmend zum Maßstab für soziale Anerkennung, bestimmt somit auch wesentlich das Selbstwertgefühl und lässt sich als Vehikel der Profilierung nutzen (vgl. Opaschowski 1991, S. 121; Prahl 2002, S. 136). Während das Berufsleben nur (noch) eingeschränkt Erfolgserlebnisse zulässt, wird die Leistungsmotivation in die Freizeit verlegt; es wird zunehmend wichtig zu wissen, was angesagt ist – Aktualität ist der Grund für eine ausschweifenden Konsumhaltung, insbesondere junger Menschen (Trommsdorff; Teichert 2011, S. 160 f.; Lüdtke 2001, S. 18). Die Freizeitaktivitäten werden vermehrt mit distinkten Lebensstilen verbunden (vgl. Buchmann; Eisner 1999, S. 590 ff.; Prahl 2002, S. 185 ff.; 2015, S. 25 f.). Ein Blick auf die tatsächliche Freizeitgestaltung zeigt, dass beileibe nicht nur außergewöhnliche Aktivitäten die Freizeit bestimmen. Die Untersuchungen des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (Zellmann; Mayrhofer 2015, S. 2) sowie der Stiftung für Zukunftsfragen (Reinhardt 2016, S. 17 ff.) weisen für die Länder Österreich und Deutschland ein ähnliches Bild aus: Neben Fernsehen, Radio hören, Telefonieren, sich mit dem Computer beschäftigen und Lesen zählen zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen auch Zeit mit der Familie verbringen, Nachdenken, Faulenzen und Ausschlafen. Damit wird die Realität dem eigenen Anspruch nur bedingt gerecht. Freizeit übernimmt eine ambivalente Funktion im Leben der Menschen. Positiv als Idealvorstellung gesehen, steht Freizeit für Aktivität, dafür frei und ungebunden zu sein und Spaß zu haben an dem, was einem wirklich Freude bereitet; tendenziell negativ gesehen, aber auch häufig näher an der Realität des Alltags, zeigt sich in der Freizeit der Wunsch nach Ruhe und Erholung – also genau das Gegenteil des pulsierenden Freizeitklischees (Opaschowski 2008, S. 20 f.).

3.2.3

Thesen zum Anbieter

In diesem Abschnitt wird der Bedeutung des kollektiven Werts für den Anbieter auf den Grund gegangen. Kapitel 3.2.3.1 behandelt vorab die Marktorientierung

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

105

als Leitgedanken. Im Anschluss thematisiert Kapitel 3.2.3.2 die Problematik der Marktabgrenzung. Überlegungen zur strategischen Marktbearbeitung werden in Kapitel 3.2.3.3 diskutiert.

3.2.3.1

Marktorientierung als Leitgedanke

Bislang stützen sich marketingtheoretische Ausarbeitungen zur Vermarktung von Kulturgütern auf die Produktorientierung. Produkt und Markt werden dabei als grundsätzlich verschiedene Ansatzpunkte begriffen. Während das „allgemeine“ Marketing mit seiner Marktorientierung am Markt ansetzt und damit Kulturschaffenden – den Ausführungen zufolge – genau vorgibt, wie ein Werk auszusehen hat, geht die Produktorientierung von einem bereits produzierten Werk aus, welches einer möglichst großen Zahl von Menschen nahe zu bringen ist (vgl. beispielsweise Colbert 1999, S. 13 ff.). Die Begriffe „Markt“ und „Marktorientierung“ sind wohl vorbelastet, häufig schwingt ein negativer Unterton (im Sinne einer Unterdrückung der Kultur durch die „Regeln des Markts“) mit. Es lässt sich nur vermuten, dass zum Teil eine Ablehnung vorherrscht gegenüber denjenigen Angeboten, die „die breite Masse“ bzw. eine größere Nachfrage erreicht. Wo diese beginnt, bleibt allerdings nur dem subjektiven Empfinden zugänglich. So wird zwischen der Anwendung von „Marktorientierung“ und „Produktorientierung“ des Öfteren anhand des wirtschaftlichen Erfolgs unterschieden. Ob nun markt- oder produktorientiert gedacht wird, lässt sich außenstehend jedoch nicht beurteilen, zumal die Ausrichtung der Tätigkeit keine Dichotomie darstellt: Eine einfache und eindeutige Einteilung in marktorientiert und nicht-marktorientiert (bzw. produktorientiert), wie sie gelegentlich postuliert wird, ist in der Regel nicht möglich.53 Es klingt nach wie vor die

53

Wird davon ausgegangen, kulturelle Werke dienten dem Streben der Kulturschaffenden nach Selbstverwirklichung, der Schaffensprozess als solches stehe im Vordergrund (vgl. Hirschman 1983, S. 49 f.), ist das Konzept des Marketing genau genommen fehl am Platz, denn es besteht keinerlei Erfordernis Überlegungen marketingtheoretischer Art anzustellen. Sofern Kulturschaffenden jedoch auch daran gelegen ist, (unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis) einen Austausch herzustellen bzw. mit ihrem Schaffen eine Wirkung zu erzielen, wird (unter den

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

(vermeintliche) Unvereinbarkeit von „Kunst“ und „Kommerz“ durch. Zugleich stellt sich die Frage, inwieweit sich (wirtschaftlicher) Erfolg planen lässt. So ist in der vorgetragenen Kritik schon eine zentrale Annahme enthalten: Allein die Vorstellung dem Markt „folgen“ zu können, setzt voraus, dass es den einen Markt gibt (vgl. Kapitel 3.2.3.2). Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Gedanken der Marktorientierung kein Rezept, keine Formel oder Garantie (im Sinne eines Baukastenprinzips), die ein bestimmtes Ergebnis versprechen kann. Vielmehr verleitet die Ausblendung der ökonomischen Realität des professionellen Kulturschaffens zu diesem Glauben, gepaart (in Anlehnung an den sogenannten „Survivorship Bias“) mit einem zu engen Blickfeld, das nur die wenigen sehr erfolgreichen Kulturschaffenden erfasst, nicht aber all diejenigen, denen der „große Erfolg“ verwehrt bleibt. Der Markt wird in vielen Fällen mit der Kundschaft gleichgesetzt (vgl. Colbert 1999, S. 19; Botti 2000, S. 17) und Marktorientierung damit eigentlich auf KundInnenorientierung beschränkt.54 Dass darüber hinaus auch ein Anbieter selbst und seine Wettbewerber Akteure des Marktgeschehens sind, wird augen-

Bedingungen eines KäuferInnenmarkts) die Marktorientierung zur Notwendigkeit. Produktorientierung ist hierbei eine missliche Verkürzung des Marketing (vgl. Day 1999, S. 6). Dieses Missverständnis findet sich allerdings auch häufig in der Praxis, wo die Marketingabteilung darauf beschränkt wird, im Nachhinein kommunikative Maßnahmen zu erarbeiten, um den Absatz der produzierten Güter anzukurbeln, ohne sich mit (dem Ausmaß) der Nachfrage überhaupt auseinander zu setzen. Zu glauben eine Produktorientierung, obwohl diese (in der Wissenschaft) bei entsprechenden Marktgegebenheiten als widersinnig erachtet wird, stelle im Kulturbereich aber die adäquate Herangehensweise dar, erscheint naiv. Eine reine Produktorientierung tendiert im schlimmsten Fall sogar dazu dem zunehmenden Wettbewerb allein über den Preis zu begegnen. Dass ein solches Vorgehen nicht erstrebenswert ist, wird bei einem Ausblick auf ruinöse Preiskämpfe zur Einsicht zwingen. 54

Auch die bisherigen Ergebnisse zur KundInnenorientierung müssen kritisch hinterfragt werden (vgl. Voss; Voss 2000, S. 76 f.). Sie entspricht nicht der einfachen Abfrage von Wünschen. Auf die Einzigartigkeit oder Neuheit eines Werks zu verweisen, das heißt die Nachfrager könnten, da nur Aussagen zu bekannten Sachverhalten möglich sind, noch gar keine Wünsche äußern, wenn dieses Werk nicht schon existiere, hilft nicht weiter. Dies ist keine Besonderheit der Kulturgüter, sondern allgemeingültig. (Darüber hinaus können die Wünsche nicht so konkret formuliert werden, dass sie keinerlei Spielraum im künstlerisch-kreativen Prozess der Kulturschaffenden erlauben.) Demnach führen neue Werke nicht dazu, dass bei den Nachfragern ein neues Bedürfnis entsteht. Neue Werke sind aus Sicht der RezipientInnen neue Wege das bestehende Bedürfnis zu befriedigen.

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

107

scheinlich nicht berücksichtigt. Leider bleibt häufig sogar offen, was genau unter Marktorientierung verstanden wird. Marktorientierung steht nicht bloß für den kurzsichtigen Verkaufsanschub, sondern für einen mit Weitsicht betriebenen Leitgedanken. „It’s far more than the cliché ‚getting close to the customer‘“, wie Shapiro (1988, S. 119) feststellt und darüber hinaus auch die Gleichsetzung mit werblichen Maßnahmen zurückweist (ebenda, S. 123): „No, slogans and glossy programs don’t give a company a market orientation.“ Jaworski und Kohli (1996, S. 131) leiten aus einer Übersicht ihre Definition von Marktorientierung ab und verstehen darunter „the organizationwide generation of market intelligence pertaining to customers, competitors, and forces affecting them, internal dissemination of the intelligence, and reactive as well as proactive responsiveness to the intelligence.“ Marktorientierung ist nach dem vorgestellten Verständnis keine beliebig hinzu buchbare Option, sondern der Kern des modernen Marketing. Vielfach findet sich auch die Gleichsetzung von Marketing und marktorientierter Unternehmensführung (vgl. Kapitel 2.2.1). Ein „produktorientiertes“ Marketing führt damit einen derart verwendeten Marketingbegriff ad absurdum. Ein einfaches Umdeuten der Marktorientierung in Produktorientierung wird dem Marketing nicht gerecht. Marktorientierung stellt ein theoretisches Konstrukt dar, das für den Bereich der Kulturgüter grundlegend und umfassend aufgearbeitet werden muss.

These 3: Eine grundsätzliche Abkehr von der Marktorientierung als Leitgedanken des Marketing ist angesichts der Marktgegebenheiten weder sinnvoll noch wird diese vom Merkmal „Kollektiver Wert“ gefordert. Vielmehr bedarf es der gezielten Auseinandersetzung mit dem künstlerisch-kreativen Schaffensprozess, um das Konstrukt „Marktorientierung“ für Kulturschaffende entsprechend zu erarbeiten. Die komplexen künstlerisch-kreativen Prozesse der Leistungserstellung sind hinreichend zu berücksichtigen und abzubilden.

Eine Forderung nach Marktorientierung allein stellt allerdings nicht mehr als einen Allgemeinplatz dar. Folgerichtig ist ein näherer Blick auf das Konstrukt „Marktorientierung“ notwendig. Im Wesentlichen etablieren sich zwei Konzepte zur Marktorientierung und beeinflussen die Forschung (vgl. Narver; Slater 1990;

108

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Kohli; Jaworski 1990). Diese ergänzen sich zum Teil und werden über Verhaltensmerkmale mit allerdings unterschiedlichen Akzentuierungen operationalisiert (Backhaus; Schneider 2007, S. 16). Ohne die Ausarbeitungen von Kohli und Jaworski (1990) in ihrer Bedeutung zu schmälern, wird an dieser Stelle zunächst nur auf die Arbeit von Narver und Slater (1990) eingegangen. Diese rückt Verhaltensmuster in den Fokus und bestimmt Marktorientierung durch KundInnen- und Wettbewerbsorientierung sowie interfunktionale Koordination (vgl. ebenda, S. 21 f.): KundInnen- und Wettbewerbsorientierung umfassen alle Aktivitäten, die sich mit der Sammlung und Verbreitung von Informationen über Kundschaft und Konkurrenz im Zielmarkt befassen; interfunktionale Koordination beschäftigt sich darauf aufbauend mit der Verwertung der Informationen innerhalb des Betriebs im Hinblick auf den KundInnennutzen. Als Entscheidungskriterien werden Langzeitorientierung und Profitabilität von den Autoren ausgemacht. Die Arbeit von Narver und Slater (1990) eignet sich aufgrund des Bezugs auf Verhaltensmerkmale hier in kurzer und nachvollziehbarer Darstellung aufzuzeigen, in welche Richtung eine Marktorientierung für den Bereich der Kulturgüter gehen kann. Die Akteure des Marktgeschehens, Nachfrager (RezipientInnen), Anbieter (Kulturschaffende) und Wettbewerber, dienen hier zur Aufarbeitung der Marktorientierung. Während KundInnen- und Wettbewerbsorientierung vorerst ähnlich aufgefasst werden können, muss interfunktionale Koordination – hier als Anbieterorientierung bezeichnet – umgedeutet werden, da zunächst von Kulturschaffenden (oder einem Kollektiv von Kulturschaffenden), nicht aber von einem vermittelnden Kulturbetrieb ausgegangen wird.55 Ebenso können als Entscheidungskriterien Langzeit-

55

Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied zu den bisherigen Arbeiten zur Markt- bzw. Produktorientierung. So gehen beispielsweise Camarero und Garrido (2008, S. 21) in ihrer Arbeit von einem vermittelnden Kulturbetrieb aus und beschreiben mit der Produktorientierung eines Museums nicht die Perspektive der Kulturschaffenden. In dieser sektoralen Annäherung sind die professionellen Kulturschaffenden auch für die Entscheidungen des Marketing verantwortlich. Somit findet die interfunktionale Koordination (hier als Anbieterorientierung aufgeführt) im Denkvorgang der Kulturschaffenden statt. Darüber hinaus lohnt sich ein kritischer Blick auf die Untersuchungen zur Markt- bzw. Produktorientierung. Zum einen kommen diese im Hinblick auf die Produkt- und Marktorientierung von Kulturbetrieben zu unterschiedlichen Ergebnissen, zum

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

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orientierung und Profitabilität nicht ausreichen. Sie müssen um weitere künstlerisch-kreative Aspekte bereichert werden. Wird Kulturschaffenden in ihrem künstlerisch-kreativen Schaffensprozess bewusstes Handeln unterstellt, kann angenommen werden, dass dieses intentionsgeleitet ist. Damit geht der tatsächlichen Ausführung bzw. Produktion eines Werks eine gedankliche, entwerfende Leistung voraus (vgl. Bendixen 2011, S. 136). Das künstlerisch-kreative Schaffen beinhaltet also stets eine geistige Leistung, die nicht unabhängig von kollektiven Werten erfolgt. Von außen lassen sich der Zweck und das Gelingen der Handlung nicht beurteilen; erst die Perspektive der Kulturschaffenden gibt hierüber Aufschluss. Marketing darf deshalb ein Werk nicht als gegeben hinnehmen und das künstlerischkreative Schaffen außen vor lassen, sondern muss sich gerade (aus Sicht der Kulturschaffenden) mit Fragen zur Intention und zum Schaffensprozess auseinandersetzen. Statt eines baukastenartigen Vorgehens und eines starren Prozesses (z. B. Analyse, Planung, Durchführung, Kontrolle) sind eine Bewusstmachung und ein vertiefter Einblick in die Arbeitsweisen und -bedingungen der Kulturschaffenden unumgänglich. Diese Vorgehensweise ist wesentlich komplexer als eine einfache Umdeutung der Marktorientierung in Produktorientierung. Es geht dabei ausdrücklich nicht darum allein auf wirtschaftlichen Erfolg abzielend, nüchtern kalkulierend KundInnenwünsche zu erfüllen. So scheint auf Seiten der Kulturschaffenden mit dem Begriff „Marktorientierung“ eine ernstzunehmende Befürchtung verbunden: Sie versuchen für ihr Schaffen Anerkennung zu erhalten, dabei aber nicht gefällig zu sein. Mit Betonung der Anbieterorientierung wird zugleich ersichtlich, dass es sich um einen Balanceakt handelt, bei dem unterschiedliche Aspekte des professionellen Kulturschaffens aufeinander abgestimmt werden (vgl. beispielsweise Bradshaw; McDonagh; Marshall 2006, S. 115 f.; Dennis; Macaulay 2010, S. 212 f.). Es gilt unter den Bedingungen der ökonomischen Realität vorgegebene kulturell-kommunikative Ziele zu erreichen. Dass die

anderen gilt es die verwendeten Variablen zu prüfen (vgl. Camarero; Garrido 2008; Gainer; Padanyi 2002; Voss; Voss 2000).

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Überlegungen zum Marketing schon vor der Produktion des Werks ansetzen, darf demnach nicht missverstanden werden als eine Forderung nach beliebiger Anpassung an die RezipientInnen. In Anspruch genommen wird durch die Marktorientierung vielmehr eine bewusste kritische Auseinandersetzung mit dem Markt und dem zugrunde gelegten Bedürfnis nach Orientierung. Fragestellungen, die sich mit der Intention der Kulturschaffenden befassen, stehen am Beginn marketingtheoretischer Überlegungen, wobei stets die Auffassung eines von kollektiven Werten geprägten Menschen zugrunde zu legen ist. Ihre Beobachtungen und Erlebnisse des Alltags sind der Keim des kulturellen Schaffens. Eine solche Annahme mag nicht mit der (zum Teil noch heute anzutreffenden) romantischen Vorstellung eines kreativen Genies einhergehen, kommt der Realität aber wohl näher. Schließlich ist kulturelles Schaffen keine „unbefleckte Empfängnis“ (Zembylas 1997, S. 96). Wird anstelle des Geniekults vielmehr der soziokulturelle Kontext bemüht, verarbeiten Kulturschaffende (als Mitglieder eines Kollektivs innerhalb der Gesellschaft) in ihren Werken das soziale Miteinander und verleihen ihren kollektiven Werten Ausdruck. Smudits (2002, S. 208) nennt deshalb auch „Systemwerbung“ als die allgemeinste Funktion von Kunst: „KünstlerInnen werben – wie wenig dies den einzelnen Kulturschaffenden auch bewusst sein mag – für die Ideologie einer gesellschaftlichen Gruppierung. Dies kann von der unhinterfragten (weil möglicherweise unhinterfragbaren) Übernahme herkömmlicher ‚Kodes‘ oder eines traditionellen Formenkanons (dem ja bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse entsprechen) über die intuitive Entwicklung neuer Kodes, Formen und Inhalte (zu der es ja gesellschaftliche Korrelate geben muss, sollen sie von der Gesellschaft angenommen werden) bis zum bewussten politischen Engagement (im konservativen wie im revolutionären Sinn) reichen.“ Kulturschaffende fungieren als eine Art gruppen- oder klassenspezifische Seismografen für gesellschaftliche Entwicklungen. Sie betreiben, anders formuliert, mit ihrer Teilnahme am gesellschaftlichen Alltag eine Form der Sozialforschung und liefern mit ihrer gedanklichen Gestaltung die eigene Auswertung bzw. Interpretation der Ergebnisse. Entsprechend werden auch bei Beobachtungen desselben Sachverhalts Kulturschaffende zu unterschiedlichen Interpretationen kommen und ungleiche Werke hervorbringen. Dieser Auffassung der künstlerisch-kreativen Leistungserstellung ist die Vorgehensweise des Marketing

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

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näher als gemeinhin vermutet. Kultur ist von sich aus zwar nicht marktorientiert, aber mit ihrem Wertbezug stets „kollektivorientiert“; das Zusammenspiel von Kollektiv und Individuum (Kulturschaffende) ist das zentrale Element. Der kritischen Auseinandersetzung mit einem marktorientierten Leitgedanken wird eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung eines sektoralen Ansatzes zukommen. Die Ausführung zur Marktorientierung kann an dieser Stelle nicht mehr als eine grobe Skizze sein und stellt nur einen Ansatz von vielen möglichen dar. Eine sektorale Annäherung verlangt nach einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Konstrukt „Marktorientierung“. Auch wenn hier vermehrt auf das im „Kulturmarketing“ bestehende Spannungsfeld von Produkt- und Marktorientierung eingegangen wird, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere Aspekte der Marktorientierung (z. B. Messung des Konstrukts, Implementierung) für das Themenfeld der Kulturgüter ergründet werden müssen. Es gilt dementsprechend Indikatoren der Marktorientierung im Kulturbereich zu erarbeiten (vgl. Kohli; Jaworski; Kumar 1993). Insbesondere die verwandten Konstrukte „KundInnenorientierung“ und „Wettbewerbsorientierung“ sind zu untersuchen. Ebenso kann die von Narver und Slater (1990, S. 22) genannte interfunktionale Koordination in einem Kollektiv von Kulturschaffenden aufgearbeitet werden.

3.2.3.2

Abgrenzung des Markts

Insbesondere im Kultursektor, wo die Begriffe „Kultur“ und „Markt“ als Gegensätze positioniert werden (vgl. Bourdieu 2001, S. 228 f.), muss thematisiert werden, was denn eigentlich als Markt zu verstehen ist. Häufig wird der Markt bloß mit der schieren Masse gleichgesetzt. Dass es sich in der Tat aber um einen abgegrenzten und im weiteren Schritt segmentierten (Teil-)Bereich handelt, wird wissentlich oder unwissentlich übersehen. Die Marktabgrenzung ist zu verstehen als eine Strukturierung, also das Aufdecken eines Gefüges, verbunden mit einer Grenzziehung als der Betonung bestimmter Konturen als Grenzen (Bauer 1989, S. 20). Der Markt – sobald sich ein Anbieter festlegt, auch als relevanter Markt bezeichnet – kann demnach durchaus eine Nische mit einer kleinen, elitären,

112

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

gebildeten Nachfragerschaft sein – was auch immer darunter im Einzelfall zu verstehen ist. Wird davon ausgegangen, der Markt (als abstraktes Konstrukt) entziehe sich einer direkten Beobachtung, ist offensichtlich, dass zunächst seine Bestimmung zur notwendigen Voraussetzung wird, um überhaupt Aussagen über ebendiesen Markt zu treffen. Hierbei ist die Marktabgrenzung nicht nur die Grundlage für taktische Entscheidungen (z. B. Reallokation des Marketingmix), sondern besitzt ebenso strategische Relevanz (z. B. Bewertung der Wettbewerbssituation bei der Produkteinführung) (Wagner; Baldauf 2007, S. 253; Buzzell 1999, S. 61). Insbesondere aus strategischer Sicht ist die weit verbreitete produkt- bzw. gutsbezogene Marktabgrenzung problematisch. Werden hauptsächlich Produkt- bzw. Gutseigenschaften betrachtet, besteht die Gefahr der Fehleinschätzung des Markts. So kann das Bedürfnis nach Orientierung nicht eindeutig einem Gut zugeordnet werden. Ein zu enger Blickwinkel und damit das Missachten bzw. Übersehen von (neu auftretenden) Substitutionsgütern und Wettbewerbern sind die Folge. Nach Bauer (1989, S. 18) kann ein derartiges Marktverständnis „vom theoretischen Standpunkt aus nicht befriedigen. Hier gilt der Anspruch, in Aussagen über Sachverhalte, die das Konstrukt ‚Markt‘ betreffen, eine zweckadäquate Marktfestlegung nach theoretischen Kriterien zu integrieren.“ Ansatzpunkt und Ausmaß der Marktabgrenzung sind folglich im Hinblick auf den Zweck der Analyse zu wählen. Im hier diskutierten Zusammenhang von „Kunst und Kultur“ geht es vor allem um eine Offenlegung gesellschaftlicher Strukturen.

These 4: Die Marktabgrenzung verfolgt im Wesentlichen eine Strukturierung und Grenzziehung innerhalb des sozialen Beziehungsgeflechts. Für die Darstellung der (Wettbewerbs-)Beziehungen bedarf es einer strukturierten Vorgehensweise, die sich insbesondere auf das Bedürfnis nach Orientierung stützt.

Allgemein festzuhalten ist, dass für strategische Entscheidungen eine breite Marktabgrenzung, für taktische Überlegungen eher eine enge Marktabgrenzung sinnvoll ist (Day; Shocker; Srivastava 1979, S. 17; Wagner; Baldauf 2007, S. 268). Wie ein Markt aber genau abzugrenzen bzw. zu strukturieren ist, lässt

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

113

sich nicht allgemeingültig klären. Ebenso ist ein einmalig abgegrenzter Markt keinesfalls als endgültig und immerwährend zu verstehen, sondern gehört beinahe bei jeder Entscheidung auf den Prüfstand (Wagner; Baldauf 2007, S. 261). Mit Hinblick auf die zeitliche Marktabgrenzung stellt die Dynamik des Marktgeschehens eine eigentlich unüberwindbare Hürde dar: „Jede Marktstrukturanalyse oder jede Marktabgrenzung verkörpert lediglich eine Momentaufnahme“ (Bauer 1995, S. 1720). Es gibt folglich kein generelles Richtig oder Falsch, vielmehr gilt es „für bestimmte Anliegen Teilmärkte eines globalen Markts nach zweckmäßigen Kriterien und mit Hilfe geeigneter Methoden zu finden“ (ebenda, S. 1709). Wie auch immer die Marktabgrenzung eines Anbieters aussieht, von Bedeutung ist die Einsicht, für eine integrierte Marktanalyse seien unterschiedliche Marktabgrenzungen notwendig (Day 1981, S. 298). Es muss hier aber zunächst auf die besondere Bedeutung und Herausforderung der Marktabgrenzung für den Kulturbereich aufmerksam gemacht werden. Die Ansätze und Methoden sind entsprechend genauer zu untersuchen. Ein Markt kann sachlich, zeitlich und räumlich abgegrenzt werden. Die beiden Letzteren erlauben in der Regel eine recht eindeutige Grenzziehung, die sachliche Marktabgrenzung gestaltet sich hingegen schwieriger und kann folgenschwere Fehlentscheidungen nach sich ziehen (vgl. Backhaus; Schneider 2007, S. 55 f.). Bei der Marktabgrenzung nach sachlichen Gesichtspunkten steht zunächst eine Entscheidung über den Bezugspunkt an (Bauer 1995, S. 1712). Zur Auswahl stehen dabei die gehandelten Güter sowie die Nachfrager bzw. deren Bedürfnisse (Wagner; Baldauf 2007, S. 257). Insbesondere die bedürfnisorientierte Marktabgrenzung erlaubt den Bezug zu möglichen Substituten und damit eine umfassende Bewertung des Markts. Damit rücken die bestehenden Substitutionsintensitäten zwischen Leistungsangeboten verschiedener Anbieter in den Mittelpunkt, wobei die Nachfrager – und nicht die Anbieter – über das Ausmaß entscheiden (vgl. Backhaus; Schneider 2007, S. 55 f.). Die Kategorien können für die Marktabgrenzung (z. B. Kombination von produkt- und nachfragebezogener Aspekten) auch verknüpft werden (vgl. Bauer 1995, S. 1713). Im Folgenden wird eine hierarchische Vorgehensweise skizziert, die unterstellt, KonsumentInnen verfolgten eine strukturierte, hierarchisch geordnete Entscheidungsfindung und somit gelinge eine Darstellung der Wettbewerbsbeziehungen. Hierfür werden die zur Befriedigung des zuvor beschriebenen

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Bedürfnisses geeigneten Angebote erfasst. Eine Differenzierung wird notwendig, wobei mit zunehmender Konkretisierung das Ausmaß der Substitution steigt (Srivastava; Leone; Shocker 1981, S. 39; Day; Shocker; Srivastava 1979, S. 10): 

Leistungskategorie: Auf der Ebene der Kategorie kann der Nutzen bereits konkreter dargestellt werden. Es wird hier zunächst auf die Ausführung zur äußeren Gestalt der Kultur verwiesen (vgl. Kapitel 3.3.3).



Leistungsvariante: Eine Kategorie lässt sich in verschiedene Varianten aufteilen. Hierfür können „inhaltliche“ Klassifikationen aufgegriffen werden. Als Genres verstanden, heißt dies nach DiMaggio (1987, S. 441) die Bezugnahme auf „sets of artworks classified together on the basis of perceived similarities.“56 Dabei ist zu beachten, dass derartige Klassifikationen nicht als von außen vorgegeben angesehen werden dürfen.57 So können beispielsweise je nach Ausführenden auch kommerzielle, professionelle sowie administrative Klassifikationen unterschieden werden (vgl. ebenda, S. 449 ff.). Die starren anbieterorientierten Einteilungen (Bildung, Information, Unterhaltung etc.) sind zu prüfen. Es bedarf mitunter einer Aufarbeitung und Neuausrichtung bestehender Klassifikationen. In der Folge rücken vor allem solche Fragen in den Blickpunkt, die sich auf die Funktion, die Bedeutung für

56

Insbesondere ist auf DiMaggio (1987) zu verweisen, der die Diskussion um die Zusammenhänge von sozialen Kontexten und der Entwicklung von Präferenzen im Kulturbereich vorantreibt. Er sieht in den Fragen, wie Gemeinsamkeiten wahrgenommen und Genres in Kraft treten, die zentrale Herausforderung und schlägt vor Genres aufzufassen als „socially constructed organizing principles that imbue artworks with significance beyond their thematic content and are, in turn, responsive to structurally generated demand for cultural information and affiliation“ (ebenda, S. 441).

57

In diesem Punkt tritt die besondere Eignung des Kultursektors für die Klassifikation des sozialen Beziehungsgeflechts zum Vorschein (Bourdieu 1987, S. 36): „Von allen Produkten, die der Wahl der Konsumenten unterliegen, sind die legitimen Kunstwerke die am stärksten klassifizierenden und Klasse verleihenden, weil sie nicht nur in ihrer Gesamtheit distinktiven, will heißen Unterschied und Anderssein betonenden, Charakter tragen, sondern kraft des Spiels der Teilungen und Unterteilungen in Gattungen, Epochen, Stilrichtungen, Autoren, Komponisten, etc. eine endlose Reihe von distinguos zu erzeugen gestatten.“

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

115

die RezipientInnen und die Veränderung von Genres beziehen (vgl. beispielsweise Lena; Peterson 2008). 

Angebot bzw. Marke: Der höchste Spezifikationsgrad und das höchste Ausmaß an Substitution bestehen auf der Angebots- bzw. Markenebene. Hier geht es dann um die konkreten Werke der Kulturschaffenden.

Eine derartige Darstellung muss aber mit Vorbehalt bedacht werden. So basiert die Einteilung schnell auf subjektiver oder situativer Einschätzung, sodass sie je nach Ausführung sehr unterschiedlich ausfallen und die realen Bedingungen nur eingeschränkt darstellen kann (vgl. Srivastava; Leone; Shocker 1981, S. 39). Zu klären ist, ob die von den Anbietern bislang genutzten, gutsbezogenen Parameter als sinnvolle Kriterien der Marktabgrenzung dienen können. Demnach stellt sich die Frage, ob die RezipientInnen die gleichen Parameter zur Marktstrukturierung verwenden, die auch von den Anbietern genutzt werden, um Wettbewerbsbeziehungen darzustellen. So ist das Bedürfnis nach Orientierung sehr abstrakt formuliert, sodass es für eine entscheidungsadäquate Marktabgrenzung einer näheren Konkretisierung bedarf (Wagner; Baldauf 2007, S. 257). Hier kann auf die zuvor schon dargestellte Unterscheidung von Bedürfnis, Wunsch und Nachfrage zurückgegriffen werden (Arndt 1978, S. 102): das Bedürfnis nach Orientierung, die Bezugnahme des Wunschs auf den Geschmack und die konkrete, situationsbezogene Nachfrage nach einer bestimmten Leistung. Das Interesse der RezipientInnen gilt nicht einer generellen Leistungskategorie, sondern richtet sich am jeweiligen Geschmack aus. Aus RezipientInnensicht wird damit eine bewertete Einteilung vorgenommen, das heißt die kollektiven Werte schlagen sich in der Bewertung nieder und geben vor, für welche Angebote sich RezipientInnen interessieren und welche sie als substituierbar wahrnehmen. Aus diesen Überlegungen heraus erweist sich die Vorgehensweise bei der Identifikation des Kollektivs als Herausforderung. Soziale Schichten bzw. Milieus anhand soziodemografischer Merkmale zu konstruieren, ist ein denkbares Vorgehen, das aber sicherlich nicht auf den Bereich der Kulturgüter

116

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

beschränkt ist. Eine andere Möglichkeit ist die Überlegungen an tatsächlich vorfindbaren und interaktiven Kollektiven auszurichten und deren „kollektives“ (Kauf- bzw. Konsum-)Verhalten in den Fokus zu rücken. 58 Kleine und informelle Kollektive scheinen dabei den realen Gegebenheiten besser zu entsprechen als große und formelle Kollektive. Hier spielen auch Verallgemeinerungen bzw. Pauschalurteile (Wahrnehmung des Allgemeinen unter Ausschluss des Besonderen) eine Rolle (vgl. Hansen 2009, S. 56 ff.): Sie bieten sich aufgrund ihrer Komplexitätsreduktion als Erkenntnisinstrument an, bergen aber ebenso in sich die Gefahr der Simplifizierung und „Erstarrung im Schablonenhaften“ (mit den altbekannten und negativ besetzten Begriffen wie Stereotyp, Vorurteil, Klischee). Es ist evident, dass für die Identifizierung (und Ansprache) des Kollektivs eine gewisse Kreativität abverlangt wird und „man dem Drang nach Systematik nicht zu schnell nachgeben [darf], ebenso wenig wie man sich aufs Glatteis von Prognose begeben sollte. Kollektive entfalten Virulenz und verändern sich über dynamische Prozesse, deren Weg und Ziel niemand vorauszusagen vermag“ (ebenda, S. 38).

58

Der Geschmack – als Erzeugungsformel des Lebensstils (vgl. Bourdieu 1987, S. 283) – bildet den Anknüpfungspunkt (vgl. DiMaggio 1987, S. 443; Lizardo 2006, S. 796 ff.). Häufig ist es die kommerzielle Forschung (z. B. Werbeagenturen, Marktforschungsinstitute oder Verlage), die Typologien der Lebensstile zur Differenzierung von KonsumentInnengruppen entwickelt. So etablieren sich in der unternehmerischen Praxis beispielsweise die Sinus-Milieus (Sociovision Group), die SIGMA Milieus (SIGMA Gesellschaft für internationale Marktforschung und Beratung) sowie Euro-Socio-Styles (GfK) als Lebensstiltypologien. Darüber hinaus ist auch noch die MedienNutzerTypologie (ARD, ZDF) zu nennen. Neben Werten bzw. Einstellungen wird auf unterschiedliche Aspekte wie etwa das beobachtbare Verhalten (Freizeit, Einkaufsverhalten etc.), die persönlichen Interessen (z. B. Sport, Ernährung) oder demografische Gesichtspunkte (z. B. Alter, Familienstand, Bildungsgrad) zurückgegriffen, sodass diese Vielfalt eine entsprechende Komplexität nach sich zieht. Otte (2008, S. 50 f.) verweist darauf, dass diese „Querschnittsbetrachtungen“ nicht ausreichen, denn „[w]er wissen will, was und wie die heutigen Rezipienten morgen konsumieren, benötigt Einsichten in die kausalen Wirkungszusammenhänge der in den Typologien verdichteten Variablen – und das heißt: grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse zu Prozessen der Formation und des Wandels von Präferenzen.“

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt 3.2.3.3

117

Strategische Marktbearbeitung

Der Strategiebegriff (vom altgriechischen Wort „stratego“ für die im Militärwesen übliche Heeresführung oder „strataegeo“ für ein an übergeordneten Zielen ausgerichtetes Handeln) verweist im betriebswirtschaftlichen Schrifttum auf die Notwendigkeit eines systematischen Vorgehens (vgl. Backhaus; Schneider 2009, S. 9 ff.). Nach Varadarajan und Jayachandran (1999, S. 140) lässt sich die grundlegende Problematik der Marketingstrategie beschreiben als „understanding and explaining firm behavior in the realm of deployment of marketing resources for competitive advantage and its contextual underpinnings.“59 Marketingstrategische Überlegungen sind damit für Kulturschaffende als Anbieter von grundsätzlicher Art. So kann hier von drei aufeinander abzustimmenden Ebenen ausgegangen werden: Ziele als Vorgabe, Strategien als (relativ langfristiger und dennoch an Veränderungen in der Umwelt anpassbarer) Handlungsrahmen sowie die operativen Entscheidungen zum Marketingmix (Backhaus; Schneider 2009, S. 16; Benkenstein; Uhrich 2009, S. 17). Ausgangspunkt der strategischen Marktbearbeitung sind demnach Ziele, die hinsichtlich des Ausmaßes, des zeitlichen Bezugs sowie des Geltungsbereichs genauer festzulegen sind. Sie dienen der Strategieformulierung als Bezugspunkt (Backhaus; Schneider 2009, S. 15). Hierbei wird die von den Kulturschaffenden eingebrachte Intention eines Werks bzw. des Schaffens eine zentrale Rolle spielen. Strategien ermöglichen in ihrer Vermittlungsfunktion den zielgerichteten Einsatz des Marketinginstrumentariums, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Dabei liegt der Fokus auf der Erzielung von aus RezipientInnensicht wesentlichen und dauerhaften Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern (Benkenstein; Uhrich 2009, S. 20; Backhaus; Schneider 2009, S. 33). In diesem Sinne gilt eine Leistung bzw. eine Eigenschaft lediglich als vorteilhaft, wenn sie für RezipientInnen einen Nutzen besitzt. Die Leistung eines Anbieters muss auf die Bedürfnisbefriedigung

59

Auf eine weitere Unterteilung in Funktionsbereiche bzw. Geschäftseinheiten wird hier verzichtet. Diese Aspekte sind etwa bei mehreren Produktlinien oder regionaler Differenzierung zu beachten. Darüber hinaus deuten Cray und Inglis (2011) in ihrem Artikel „Strategic Decision Making in Arts Organizations“ an, dass in der Praxis des Kulturbetriebs eine komplexere Ausgangslage in der Entscheidungsfindung besteht.

118

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

bzw. aus Sicht der RezipientInnen auf einen möglichst hohen Nutzen abzielen. Auch mit dem Bezug auf die Dynamik der kollektiven Werte kann hier Orientierung als zentrales Bedürfnis aber nicht derart aufgefasst werden, dass es einzig und allein einer starren Schablone bedarf. Zwar ist eine möglichst klare Positionierung und Profilierung erforderlich, ebenso ist aber, um Orientierung zu gewährleisten, Übersicht notwendig. Orientierung bedeutet eben nicht nur das strikte Folgen eines bestimmten Werts und das vollkommene Aufgehen in einem Kollektiv; Orientierung steht auch für die Reflexion vorhandener und eigener, als auch neuer bzw. fremder Werte. Dem Bedürfnis nach Orientierung zu entsprechen, bedeutet innerhalb eines entworfenen gesellschaftlichen Beziehungsgefüges entsprechend Position zu beziehen.60 Dabei steht der Entstehungsprozess eines Kulturguts bzw. die symbolische Aufladung eines Objekts mit einem kollektiven Wert im Mittelpunkt.

These 5: Kollektive Werte umzusetzen, das heißt die Transformation von abstraktem Wert in konkretes Werk zu gestalten, und im (wirtschaftlichen sowie wertbezogenen) Wettbewerb mit anderen Kulturschaffenden an die RezipientInnen zu übermitteln, stellt die zentrale Aufgabe der strategischen Marktbearbeitung dar.

Wie in den Ausführungen zur äußeren Gestalt thematisiert (vgl. Kapitel 3.3), besteht die Krux allerdings darin, dass von Kulturschaffenden zwar ein Werk, das mit einer bestimmten Intention und Aussage beladen ist, bereitgestellt, im Augenblick der Rezeption jedoch in einer eigenartigen, möglicherweise grundverschiedenen Art und Weise gedeutet wird. (Häufig ist die Argumentation zu finden, es handele sich bei den Werken von Kulturschaffenden stets um Innovationen. Dies mag insofern stimmen, als ein Werk in bisher nicht dagewesener Form geschaffen wird, bedeutet aber nicht, dass die RezipientInnen

60

Um den Sachverhalt zu verdeutlichen: Hiermit ist nicht nur die Produktpositionierung im üblichen Sinne angesprochen (vgl. Nantel; Colbert 1992), sondern die Positionierung selbst stellt den Kern des künstlerisch-kreativen Leistungsangebots dar.

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

119

dieses als Innovation wahrnehmen.) Eco (1977, S. 29 f.) beschreibt diesen Umstand: „Einerseits ist ein Kunstwerk nämlich ein Objekt, in dem sein Schöpfer ein Gewebe von kommunikativen Wirkungen derart organisiert hat, daß jeder mögliche Konsument (über das als Stimulans von Sensibilität und Intellekt empfundene Spiel von Antworten auf die Konfiguration der Wirkungen) das Werk selbst, die ursprünglich vom Künstler imaginierte Form nachverstehen kann. In diesem Sinne produziert der Künstler eine in sich geschlossene Form und möchte, daß diese Form, so wie er sie hervorgebracht hat, verstanden und genossen werde; andrerseits bringt jeder Konsument bei der Reaktion auf das Gewebe der Reize und dem Verstehen ihrer Beziehungen eine konkrete existentielle Situation mit, eine in bestimmter Weise konditionierte Sensibilität, eine bestimmte Bildung, Geschmacksrichtungen, Neigungen, persönliche Vorurteile, dergestalt, daß das Verstehen der ursprünglichen Form gemäß einer bestimmten individuellen Perspektive erfolgt. […] Jede Rezeption ist so eine Interpretation und eine Realisation, da bei jeder Rezeption das Werk in einer originellen Perspektive neu auflebt.“ In dem Schaffensprozess eines Werks ebenso wie in dessen Rezeption kommen Umstände zum Ausdruck, die ihnen vorgegeben sind. Die Sinnstiftung als Interpretation und Beurteilung des Werks – anders ausgedrückt: die Eignung eines Objekts bzw. Werks zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Orientierung – ist im Rahmen dieser Konzeption abhängig von den kollektiven Werten. In einem gewissen Sinne dienen kollektive Werte sowohl als Input- als auch als Outputfaktor: Einerseits kommen sie bei der gedanklichen Ausarbeitung der Kulturschaffenden zum Tragen, andererseits spielen sie für die Rezeption bzw. Sinnstiftung eine wesentliche Rolle und nehmen über die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Werken der Kulturschaffenden rückwirkend Einfluss auf das Wertesystem. Der gesamte Prozess der Produktion, Distribution und Rezeption von kulturellen Symbolen ist auf diese Weise stets eingebunden in eine gesellschaftliche Auseinandersetzung. „Künstlerische Ausdrucksformen“, so umschreibt es Smudits (2002, S. 207 f.), „stellen im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext, in dem sie entstehen, immer Versuche dar, mehr oder weniger verbindliche Sinndeutungen der Welt zu erarbeiten, vorzugeben oder zur Diskussion zu stellen. […] Indem Kunst immer die Werte und Normen bestimmter gesellschaftlicher

120

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Gruppierungen, Schichten oder Klassen transportiert, wirkt sie natürlich bewusstseinsbildend, verbreitet sie latent oder manifest, bewusst oder unbewusst Ideologie. Pointiert lässt sich sagen: Kunst wirbt für die Ideologie gesellschaftlicher Gruppierungen, und zwar nach innen wie nach außen: Nach innen stellt sie Gruppenidentität her, nach außen Selbstdarstellung dieser Gruppierung.“ Die Annahme besteht, prinzipiell alles könne als Kulturgut aufgefasst werden und die Entscheidung darüber werde durch eine Auseinandersetzung auf gesellschaftlicher Ebene getroffen. Dies legt die Bedeutung der Rezeption bzw. der RezipientInnen dar, die mit der Anerkennung eines Werks wesentlich in die Entstehung eines Kulturguts eingebunden sind. Damit ist auch bei der Vermarktung stets das Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv zu berücksichtigen, das heißt in der strategischen Marktbearbeitung auf den Einfluss der kollektiven Werte abzustellen. So entsteht erst durch die Rezeption bzw. Interpretation das Kulturgut: Indem sie für die Interpretation ausschlaggebend sind, bestimmen sie aus RezipientInnensicht – und diese ist im gesellschaftlichen Diskurs entscheidend – darüber, was als Kulturgut anerkannt wird und was nicht. In der Folge haben KonsumentInnen bei Kulturgütern nicht bloß eine passive Rolle inne, dem künstlerisch-kreativen Schaffen ausgesetzt, Werke unidirektional nur in Empfang nehmend. Stattdessen ist stets von aktiven RezipientInnen auszugehen. Der Prozess der Rezeption, ein Vorgang der Auseinandersetzung und Aneignung, ist folglich eingebunden in ein wechselseitiges aufeinander Einwirken zwischen Kulturschaffenden und RezipientInnen. Demnach greift die Marktbearbeitung in diesen Prozess ein und versucht gezielt Einfluss zu nehmen auf die Rezeption sowie die gesellschaftliche Auseinandersetzungen um die Bewertungen der Werke. Eine langfristige und beidseitig vorteilhafte Partnerschaft zwischen Kulturschaffenden und RezipientInnen – angelehnt an ein beziehungsorientiertes Marketing – bietet sich an. Für die RezipientInnen besteht eine möglichst gute, in sich schlüssige, langfristige Orientierungshilfe. Gegebenenfalls gelingt es Kulturschaffenden den kollektiven Wert zu verkörpern und für das Kollektiv als RepräsentantInnen einzustehen. Der ständige Nachweis des kollektiven Werts gilt hierbei als die zentrale Anforderung. Die Bedeutung der Kulturschaffenden kann dann sogar mit Verehrung, Besessenheit oder einer Sphäre des Unantast-

3.2 Ableitungen der inneren Gestalt

121

baren einhergehen, wodurch die Mitglieder des Kollektivs auch versuchen sich aufgrund hohen Involvements ein gewisses Selbstwertgefühl zu vermitteln und von anderen Kollektiven abzugrenzen. Sofern die Wettbewerbsbeziehungen über kollektive Werte dargestellt werden, befinden sich Kulturschaffende, die über einen Wert einen positiven Bezug zueinander aufweisen, eigentlich in Konkurrenz um dieselben RezipientInnen. Dem Wettbewerber mit gleichem, also kollektivem Wert zu schaden, kann nicht im Interesse der Kulturschaffenden sein. Vielmehr kann hier die Kooperation unter Wettbewerbern als sogenannte „Co-opetition“ (Brandenburger; Nalebuff 1996) das sinnvollere Vorgehen sein. Sofern gegensätzliche bzw. verschiedene Werte vorliegen, ist der Wettbewerbsbegriff schon eher angebracht. Die Kulturschaffenden werden dann zwar insofern nicht zueinander in Konkurrenz stehen, als sie wohl unterschiedliche RezipientInnen finden werden und deshalb keine marktwirtschaftliche Wettbewerbsbeziehung besteht. (Inwieweit ein Wettbewerb über den Preis als Discountstrategie bzw. Preis-Mengen-Strategie im Kultursektor dann überhaupt angebracht sein kann, ist fraglich.) In einem kulturellen Sinne stehen sie sich aber sehr wohl gegenüber, weil sie unterschiedliche Werte vertreten. Sofern Kulturschaffende darauf abzielen, werden diese versuchen auch über ihr Kollektiv hinausgehend RezipientInnen zu erreichen und von ihrem kollektiven Wert zu überzeugen (Präferenzstrategie).

Exkurs: Consumer Culture Theory Anlehnung finden diese Überlegungen an die sogenannte „Consumer Culture Theory“. Während die herkömmliche Sicht im Marketing die KonsumentInnen gelegentlich als passiv und mehr oder minder losgelöst von der sozialen Umwelt begreift, schlägt die Consumer Culture Theory einen anderen Weg ein, indem sie sich den KonsumentInnen nicht bloß aus der Sicht eines Anbieters im Zusammenhang mit entsprechenden Kaufentscheidungen zuwendet, sondern sich mit dem Konsum als solchem und eingebettet in eine „Kultur“ befasst (vgl. MacIaran; Hogg; Bradshaw 2010, S. 332 ff.; Belk 1995, S. 60 ff.). Arnould und Thompson (2005, S. 868 f.) fassen die Entwicklung der Forschungsrichtung, die sich mit dem Konsum unter den verschiedenen soziokulturellen, erfahrungs-

122

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

bezogenen, symbolischen und ideologischen Gesichtspunkten befasst, zusammen und sehen diese weder als „unified, grand theory, nor does it aspire to such nomothetic claims. Rather, it refers to a family of theoretical perspectives that address the dynamic relationships between consumer actions, the marketplace, and cultural meanings. While representing a plurality of distinct theoretical approaches and research goals, Consumer Culture Theory researchers nonetheless share a common theoretical orientation toward the study of cultural complexity that programmatically links their respective research efforts. […] Consumer Culture Theory explores the heterogeneous distribution of meanings and the multiplicity of overlapping cultural groupings that exist within the broader sociohistoric frame of globalization and market capitalism. Thus, consumer culture denotes a social arrangement in which the relations between lived culture and social resources, and between meaningful ways of life and the symbolic and material resources on which they depend, are mediated through markets.“ Gleichwohl stets das zugrunde liegende Begriffsverständnis von Kultur zu prüfen ist, scheinen die Überlegungen und Ansätze der Consumer Culture Theory hier vor allem bedenkenswert, wenn der Konsum dem Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv dient (vgl. MacIaran; Hogg; Bradshaw 2010, S. 337 f.). So ist etwa eine „Brand Community“, sprich eine spezielle, nichtgeografisch gebundene Community, die auf einer strukturierten Menge von sozialen Beziehungen innerhalb der AnhängerInnenschaft einer Marke basiert (Muniz; O’Guinn 2001, S. 412), nicht etwa das Resultat der Marktforschung, sondern entwickelt sich als „konsumorientierte Subkultur“ partnerschaftlich zwischen dem Anbieter einer Leistung bzw. der Marke und den KonsumentInnen (vgl. Schouten; McAlexander 1995; Cova; Kozinets; Shankar 2007). Bei der Marktbearbeitung ist demnach nicht nur der Absatz zu fokussieren, sondern die Funktion des Konsums (Konsum als Erfahrung, Integration, Spiel, Klassifikation) mit einzubeziehen (vgl. Holt 1995). In der Folge rückt das Beziehungsgeflecht zwischen Anbieter, Leistung, Marke und KonsumentInnen in den Mittelpunkt des Interesses (vgl. McAlexander; Schouten; Koenig 2002).

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt 3.3

123

Ableitungen der äußeren Gestalt

Mit Bezug auf die voranstehenden Kapitel steht die Ausführung zur äußeren jener zur inneren Gestalt der Kultur gegenüber. Sie sind zugleich auf engste Weise miteinander verknüpft. Die innere ist ohne die äußere Gestalt nicht denkbar und vice versa. Erst mit dem Bezug auf die äußere Gestalt der Kultur wird ersichtlich, wie Menschen kollektive Werte in einem kommunikativen Prozess entwickeln und weitergeben. Dies darf jedoch nicht den Eindruck entstehen lassen, es handele sich bei Kommunikation deshalb um einen im marktwirtschaftlichen Sinne geregelten Austausch einer Ware. Eine derartige Auffassung wird der Kommunikation nicht gerecht (vgl. Maletzke 1998, S. 38). Das zugrunde gelegte Verständnis meint eher einen Prozess des wechselseitigen Einwirkens und Verstehens. In einer soziologischen Perspektive ist Kommunikation als eine Form des sozialen Handelns zu begreifen, „das mit subjektivem Sinn verbunden sowie auf das Denken, Fühlen und Handeln anderer Menschen bezogen ist“ (Pürer 2003, S. 59). Kommunikation verläuft über die Merkmale der äußeren Gestalt. Das Merkmal „Symbolhafte Repräsentation“, vorgestellt in Kapitel 3.3.1, verweist auf die zur Kommunikation notwendige Funktion der Symbole. Damit verbunden ist das in Kapitel 3.3.2 aufgegriffene Merkmal „Medialer Träger“, welchem vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie vermehrt Beachtung zukommt. Ausgehend von den Merkmalen der äußeren Gestalt beschäftigt sich Kapitel 3.3.3 mit den Thesen zur Leistung und Kapitel 3.3.4 mit jenen Thesen, die einen Bezug zur Gegenleistung aufweisen.

3.3.1

Symbolhafte Repräsentation

Der besondere Stellenwert symbolischer Formen wird von Cassirer (1942, S. 29) herausgearbeitet: „Sie sind die eigentümlichen Medien, die der Mensch sich erschafft, um sich kraft ihrer von der Welt zu trennen und sich in eben dieser Trennung umso fester mit ihr zu verbinden. Dieser Zug der Vermittlung charakterisiert alles menschliche Erkennen, wie er auch für alles menschliche Wirken bezeichnend und typisch ist.“ In einer relativistischen Auffassung schie-

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

ben sich die Symbole zwischen den Menschen und die Wirklichkeit, sodass jegliche Form der menschlichen Kommunikation und des Verstehens an die Verwendung von Symbolen gebunden wird. Sie formen sowohl auf Seiten der KommunikatorInnen als auch auf Seiten der RezipientInnen den Kommunikationsgehalt (Inhalt), dessen Vermittlung letztlich Sinn und Zweck der Kommunikation ist.61 Zeichen stehen als Stellvertreter für etwas anderes, bilden also Relationen ab.62 Da es sich bei einem Zeichen nicht um etwas real Existierendes handelt, wird auf die aus der Linguistik bekannte Unterscheidung zwischen Signifikant als das Bezeichnende und dem Signifikat als das Bezeichnete zurückgegriffen; das Zeichen stellt demnach die Verbindung der beiden Bestandteile dar (vgl. de Saussure 1967, S. 78 f.). Eco (1977, S. 113) erläutert den Zeichenkomplex: „Das Signifikat ist nicht das Ding (das Signifikat ‚Hund‘ ist nicht das reale Objekt Hund, das von der Zoologie studiert wird); und der Signifikant ist nicht die lautliche Form des Namens (das Lautbild ‚Hund‘, mit dem die Phonetik sich befaßt und das von elektromagnetischen Apparaten aufgezeichnet werden kann). Der Signifikant ist das Bild der lautlichen Form, während das Signifikat ein mentales Bild der Sache ist, ein Bild, das in onomasiologischer Beziehung zu anderen Signifikaten (wie arbor, tree, Baum, arbre, usw.) stehen kann.“ Es können zwei Zeichenarten unterschieden werden (Hansen 2003, S. 54): Die eine entsteht durch einen Verwaltungsakt, deren festgelegte, einem bestimmten Zweck dienende Bedeutung bewusst aufgenommen werden muss; die andere tritt spontan zutage, wächst auf nicht genau nachzuvollziehende Art und Weise, wird

61

Eine Handlungstheorie, die sich mit dem Prozess der menschlichen Kommunikation bzw. der sozialen Interaktion befasst und in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Symbole betont, ist der Symbolische Interaktionismus (vgl. Mead 1973; Blumer 1969). In der Kunstsoziologie steht diesem etwa Becker (1982) nahe.

62

Peirce (1983, S. 64), der als Begründer der modernen Semiotik gilt, definiert den Zeichenbegriff wie folgt: „Ein Zeichen oder Repräsentamen ist alles, was in einer solchen Beziehung zu einem Zweiten steht, das sein Objekt genannt wird, daß es fähig ist ein Drittes, das sein Interpretant genannt wird, dahingehend zu bestimmen, in derselben triadischen Relation zu jener Relation auf das Objekt zu stehen, in der es selbst steht. Dies bedeutet, daß der Interpretant selbst ein Zeichen ist, das ein Zeichen desselben Objekts bestimmt und so fort ohne Ende.“

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

125

vom Menschen unbewusst angeeignet und kommt ohne eine genau festgeschriebene Bedeutung aus. Die Verbindung von Signifikat und Signifikant ist dabei willkürlich. Darüber hinaus ist noch auf Peirce (1983, S. 64 ff.) zu verweisen, der Zeichentypen anhand der Verknüpfung von Signifikat und Signifikant in symbolische, ikonische und indexikalische Zeichen einteilt: Während das symbolische Zeichen auf einer willkürlichen Verknüpfung beruht und aufgrund von Konventionen entsteht, geht das ikonische Zeichen auf eine Ähnlichkeit und das indexikalische Zeichen auf eine direkte Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant zurück. In der Kommunikation wird es mit Hilfe der Zeichen möglich sich über etwas Drittes, nicht Anwesendes (den Sachverhalt) zu äußern, das nur über Zeichen dargestellt wird (vgl. Assmann 2008, S. 31 ff.; Hickethier 2010, S. 59 ff.; Hansen 2003, S. 46 ff.). Durch Abstraktion können auch Vorstellungen aufgegriffen werden, die in der Realität nicht vorzufinden sind, sodass die Verwendung von Symbolen an ein gewisses Differenzierungsvermögen (sowie an weitere Fähigkeiten wie etwa Verallgemeinerung, Verschiebung oder Verdichtung) gebunden ist (Assmann 2008, S. 32 f.): „Das Symbol führt den, der sich seiner bedient, vom Ich zum Du, vom Hier zum Dort, vom Jetzt zum Dann, von der wörtlichen zur übertragenen Bedeutung, von der Materie zum Geist.“ Ein und dasselbe Zeichen kann unterschiedliche Bedeutungen annehmen, sodass es zu Doppeltbzw. Mehrfachkodierungen kommt, die sich letztlich durch die Kollektivität erklären (Hansen 2003, S. 41 f.). Mit den Begriffen „Denotation“ und „Konnotation“ wird auf die unterschiedlichen Bedeutungsebenen eines Zeichen verwiesen (vgl. Hall 1999, S. 102). Für das Zustandekommen von Kommunikation hat dies zur Folge, dass zwischen den Beteiligten die Kenntnis des Zeichenbestands geteilt werden muss. Die Fähigkeit ein Zeichen als solches zu erkennen, kann nur in einem Kollektiv angeeignet werden. Zeichen stehen in der Regel mit weiteren Zeichen in Beziehung, sie sind eingebunden in ein Zeichensystem. Das einzelne Zeichen kann in einem Zeichensystem nur unter Zuhilfenahme weiterer Zeichen sowie Anwendung bestimmter, zwar schwer zu beschreibender, jedoch scheinbar automatisch gelernter Regeln innerhalb einer Botschaft mehr oder weniger gut auf eine bestimmte Bedeutung eingegrenzt werden (Hansen 2003, S. 59). Zum Teil kommen auch mehrere Zeichensysteme (z. B. sprachliche und nicht-sprachliche Zeichen) zur An-

126

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

wendung. Um ein Zeichensystem in der Kommunikation möglichst effektiv und effizient zu nutzen, existieren unterschiedlich strenge Regeln zur Verwendung und Kombination der Zeichen. Die Regeln der Zeichensysteme bleiben zwar zu einem gewissen Grad bestehen, von einem statischen und stringenten System kann allerdings nicht ausgegangen werden. Der Vorrat an Zeichen nimmt im Zeitverlauf tendenziell zu, wobei neue Zeichen hinzukommen, alte aber auch wegfallen können (vgl. ebenda, S. 60). So finden sich heute dort Zeichen, wo früher noch keine bzw. andere zu finden sind (z. B. Kleidung). Ein möglicher Grund für die Zunahme – von einer Allgegenwart von Zeichen zu sprechen, ist sicherlich nicht zu weit hergeholt – kann auch in der Art und Weise der bewusst mit Bedeutung aufgeladenen Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen gesehen werden. Die (gesprochene) Sprache stellt das wichtigste und zugleich komplexeste Zeichensystem dar. Eine (National-)Sprache wird von unterschiedlichen BenutzerInnengruppen verwendet, sodass hierbei regionale, soziale oder sonstige Untergruppen auftreten können, auf die ein Individuum, sofern es die Regeln beherrscht, zugreifen kann; auch hierdurch bleibt „Sprache flexibel, lebendig und für kreative Weiterentwicklung offen“ (ebenda, S. 73). Die Sprache ist sowohl Erzeugnis des menschlichen Schaffens als auch ein zentrales Werkzeug, sie übernimmt insofern eine grundlegende Rolle, als sie in alle anderen Prozesse des Schaffens eingebunden ist (Assmann 2008, S. 33). Sie ermöglicht es einem Menschen sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und mit anderen auszutauschen; sie dient dem Individuum wie auch dem Kollektiv. Die Sprache erweist sich somit als eine Art menschliche Schaltzentrale, die allerdings mit dem Erwerb die Wahrnehmung der Umwelt in gewisser Weise vorprogrammiert. So werden auch unter dem Begriff „Linguistic Turn“ (vgl. Rorty 1992) unterschiedliche Entwicklungen zusammengefasst, die eine grundsätzliche Wende in der Sprach- und Zeichentheorie bedeuten und sich durch eine generelle Skepsis gegenüber der Sprache als transparentes Mittel zur Kommunikation von Wirklichkeit ausdrücken – Sprache wird zur unhintergehbaren Bedingung des Denkens, sodass jede menschliche Erkenntnis durch Sprache strukturiert ist

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

127

(Stierstorfer 2005, S. 132).63 In einem ähnlichen Sinne ist Wittgenstein (1989, S. 136) zu verstehen: „Daß die Welt meine Welt ist, das zeigt sich darin, daß die Grenzen der Sprache (der Sprache, die allein ich verstehe) die Grenzen meiner Welt bedeuten.“

3.3.2

Medialer Träger

Der lateinische Begriff „Medium“ wird in der Regel im Sinne von „Mitte“ oder „Mittel“ verwendet. So taucht der Begriff allerdings in zahlreichen Zusammenhängen auf, etwa im spiritistischen, psychologischen, soziologischen oder technischen Kontext. Steht das Thema Kommunikation im Vordergrund, ist das Verständnis häufig auf das technisch-apparative Medium beschränkt (vgl. Pürer 2003, S. 208 f.; Maletzke 1998, S. 51). Die Verwendung technischer Medien ist zum Teil von gesellschaftlicher Institutionalisierung abhängig, weshalb sich der Begriff, im Plural verwendet, auch auf bestimmte Organisationen bezieht.64 Nach wie vor gilt aber für die (Kommunikations-)Wissenschaft, dass sie „de facto über keinen eindeutigen Medien-Begriff verfügt und sich trotz mancher Bemühungen schwer tut, zu einer klaren Begrifflichkeit zu finden“ (Pürer 2003, S. 208). Dies ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass sich mit Kommunikation inzwischen zahlreiche Disziplinen beschäftigen und dabei entsprechend verschiedene fachliche Perspektiven für die Aufarbeitung des Begriffs zur Anwendung kommen (vgl. ebenda, S. 211). So erlebt das Medium in seiner Bedeutung unterschiedliche Zeiten. Der Funktion entsprechend ist es ein Mittler, der für die menschliche Wahrnehmung, wie selbstverständlich dem Inhalt dienend, im

63

In Anlehnung an die linguistische Wende werden im Laufe der Zeit weitere Entwicklungen konzeptionell aufgearbeitet (z. B. „Pictorial Turn“, „Imagic Turn“, „Iconic Turn“, „Medial Turn“), die letztlich jedoch in der Breite keine derart grundlegenden Folgen haben.

64

So baut etwa die Disziplin des Medienmanagements auf einem solchen Begriffsverständnis auf und beschränkt ihren definierten Objektbereich damit auf technische Mittel (vgl. beispielsweise Wirtz 2013, S. 15). Dies wird hier jedoch als zweckwidrige Verkürzung des Begriffsverständnisses aufgefasst.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Hintergrund steht und daher lange ohne besondere Beachtung geblieben ist. Inzwischen werden ihm eine zunehmende Aufmerksamkeit in der betrieblichen Praxis und eine vermehrte wissenschaftliche Auseinandersetzung zuteil. Angeregt wird die Diskussion auch durch McLuhans (1992, S. 17) viel beachtetes Diktum: „Das Medium ist die Botschaft“, das allerdings nicht den Schluss zulässt, Inhalte seien nachrangig oder es bestehe eine klare Anordnung der Medien. Zuletzt veranlasst vor allem die Entkopplung der starren Zuordnung von Inhalt und Medium bzw. die digitale und medienunabhängige Distribution die vermehrte Beschäftigung mit Medien. Hier wird ein kommunikationsorientiertes Begriffsverständnis zugrunde gelegt. Das Medium dient als Träger und Übermittler, nicht aber nur im Sinne eines technisch-apparativen Mediums. Jedwede Form der menschlichen Kommunikation ist auf ein Hilfsmittel angewiesen, sodass es letztlich nie zu einer unvermittelten Kommunikation kommen kann (vgl. Maletzke 1998, S. 53). Zeichen sind in der Kommunikation grundsätzlich auf einen Träger angewiesen. So ist das Zeichen in Bezug auf die äußere Gestalt der Kultur mit der Beschreibung eines Komplexes von Signifikant und Signifikat bislang nicht vollständig erfasst, denn erst die materielle Komponente macht das Zeichen komplett. Das Zeichen verbleibt ansonsten nicht wahrnehmbar, weshalb Kiefer (2001, S. 15) auch von Medien als „Zeichentransport-Systeme“ spricht. Der mediale Träger ist demnach als Voraussetzung für jede Form der symbolhaften Repräsentation anzusehen und in dieser Funktion zentraler Bestandteil der menschlichen Kommunikation. Wenngleich stets ein Medium als vermittelnde Instanz notwendig ist, wird Kommunikation häufig in direkte und indirekte Kommunikation unterteilt. Als direkte Kommunikation kann die persönliche verbale und nonverbale Kommunikation verstanden werden. Hierfür ist eine räumliche und zeitliche Einheit notwendig, da erst so die kennzeichnende Eigenschaft der Interaktion zum Tragen kommt. In der Regel wird bei indirekter Kommunikation von Massenkommunikation ausgegangen. Hierunter wird Kommunikation gefasst, deren Aussagen öffentlich, mit Hilfe technischer (Massen-)Medien über räumliche

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

129

(und gegebenenfalls zeitliche) Distanz hinweg einseitig an ein zerstreutes Publikum verbreitet werden (vgl. Hickethier 2010, S. 24; Maletzke 1998, S. 46).65 Das Massenmedium als technisches Verbreitungsmittel bzw. die Massenkommunikation wird im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Bedeutung häufig kritisch diskutiert (vgl. Horkheimer; Adorno 1947; Enzensberger 1997; Baudrillard 1978). Da es keinen klar erkennbaren Moment gibt, ab dem eine Menschengruppe zu einer Masse wird, bleibt die Bezeichnung aber stets vage. Zugleich ist der Begriff „Masse“ historisch vorgeprägt (vgl. beispielsweise Le Bon 1964), sodass auch die generelle Bewertung der Massenmedien entsprechend negativ ausfällt. Angelehnt an den Uses-and-Gratifications-Approach (Katz; Foulkes 1962) wird trotz der unterstellten Einseitigkeit der Kommunikation von aktiven RezipientInnen ausgegangen. Hinter einer solchen Sichtweise steht ein Umdenken in den medientheoretischen Fragestellungen (Griem 2005, S. 149): „Es wird nicht mehr in traditionell gesellschaftskritischer Manier gefragt ‚was die Medien mit den Menschen machen‘, sondern danach ‚was Menschen mit Medien machen‘; es wird weniger versucht, die ‚wahre‘ von der ‚falschen‘ Mediendarstellung zu unterscheiden, sondern untersucht, wie Medien Realität konstruieren.“ In diesem Sinne ist die Rezeption eingebunden in gesellschaftliche Kommunikationsprozesse. Die Sendung mag demnach zwar den Eindruck erwecken nur einseitig in Richtung der RezipientInnen zu verlaufen, sie bleibt aber nicht reaktionslos. Zum einen zeigen RezipientInnen in einer dialogischen Situation mit Zugriff auf ein anderes Medium eine direkte Reaktion, etwa in Form des Leserbriefs oder

65

In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit der (massenhaften) Reproduktion aufgegriffen (vgl. Benjamin 1963; Malraux 1957). Benjamin (1963) nimmt schon in seinem erstmalig im Jahr 1936 erschienen Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ an, dass die massenhafte Reproduktion bzw. massenmediale Kommunikation (hier sind zunächst Fotografie und Film gemeint) die Rezeption deutlich verändert. Vor einem ähnlichen Hintergrund findet unter dem Begriff „Kultivierungsforschung“ eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Auswirkung von massenmedialer Kommunikation auf die Wahrnehmung der realen Lebenswelt der RezipientInnen statt. So kommt Gerbner (1973, S. 567 ff.) beispielsweise zu der (in mancher Hinsicht auch kritisch bewerteten) Auffassung, dass insbesondere diejenigen RezipientInnen, die intensiv die massenmediale Kommunikation nutzen, die reale und die massenmedial vermittelte Welt vermischen.

130

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

heutzutage mittels digitaler Kommunikationsmedien. So ist insbesondere in Zeiten von Social Media durch eine Kommentarfunktion (oder durch Usergenerated Content) vielfach die Möglichkeit zur direkten Reaktion gegeben, wobei sich derartige Kanäle aufgrund der Zeitlichkeit der Kommunikation allerdings häufig als Affektmedien erweisen (vgl. Han 2017, S. 9 f.). Zum anderen greift die Rezeption auf den Wissensbestand und die Verhaltensweise zu und löst damit eine irgendwie geartete, indirekte Reaktion aus. Diese erfolgt nicht zwingenderweise über dieselben Kanäle und nicht mit ausdrücklichem Bezug auf das Rezipierte, wirkt aber dennoch rückwirkend kulturell-kommunikativ. Damit ist auch die Rezeption nicht als ausschließlich passiver Vorgang zu verstehen, sondern mit Hinblick auf den Austausch zwischen Kulturschaffenden und RezipientInnen ist von der gegenseitigen Teilnahme und Bereitstellung von Beiträgen zum gesellschaftlichen Kommunikationsprozess auszugehen. Zur Strukturierung der Medien setzt sich die Differenzierung von primären, sekundären und tertiären Medien durch (vgl. Pross 1972, S. 127 f.): Als primäres Medium wird der menschliche Körper gesehen, insbesondere aber sprachliche und nicht-sprachliche Ausdrucksweisen (z. B. Mimik, Gestik); sekundäre Medien benötigen zumindest für die Produktion den Einsatz von technischen Gerätschaften (z. B. Rauch, Flaggen, Papier und Tinte); bei tertiären Medien ist sowohl die Produktion als auch die Rezeption auf technische Vorrichtungen angewiesen (z. B. terrestrische Frequenzen des Rundfunks). Letztere können weiter unterschieden werden in Speichermedien (z. B. CD, DVD) und Datennetze (z. B. Internet). Während Speichermedien für RezipientInnen stets verfügbar sind, besteht bei Datennetzen darüber hinaus noch die Möglichkeit zur „Rückkopplung vom Nutzer zum Anbieter, wodurch Nutzer erstmals in nennenswertem Umfang in die Bereitstellung von Inhalten eingebunden werden“ (Schumann; Hess; Hagenhoff 2014, S. 6 f.). Damit sind auch die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere die Digitalisierung (als Annäherung bzw. Vereinheitlichung) sowie die Verbreitung und Weiterentwicklung der (mobilen) Endgeräte, angesprochen. Die unterschiedlichen Medien besitzen verschiedene Eigenschaften (z. B. Lebensdauer, Überbrückung von räumlichen Distanzen, Transportierbarkeit, Speicherkapazität), die insofern von Bedeutung sind, als sie die Rezeption auf zentrale Art und Weise prägen.

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt 3.3.3

131

Thesen zur Leistung

Im Folgenden werden die Thesen zur Leistung vorgestellt. Hier wird unter dem Leistungsbegriff jedoch nicht die Gesamtheit der Eigenschaften, sondern in erster Linie die funktionale Leistung verstanden, das heißt die dem zuvor identifizierten Bedürfnis entsprechend Nutzen stiftende Eigenschaft. Nachdem sich Kapitel 3.3.3.1 näher mit dem Austauschobjekt auseinandersetzt, wird in Kapitel 3.3.3.2 eine marketingrelevante Typologie vorgeschlagen.

3.3.3.1

Informationsgut als Austauschobjekt

Ausführungen zum Austauschobjekt der Kultur gehen in der Regel davon aus, bei kulturellen Angeboten handele es sich um Dienstleistungen. Mit dem Verweis auf die Immaterialität wird beispielsweise eine Aufführung, da sie an sich nicht greif- und erwerbbar ist, als Dienstleistung verstanden. Dieser Argumentation folgend sind die Austauschobjekte der Kultur aber nicht auf Dienstleistungen beschränkt, sondern können desgleichen in Form von Sachgütern auftreten. In diesem Kontext ist neben einem (materiellen) Werk (z. B. Skulptur) auch von der Veredelung die Rede, will heißen: durch die Speicherung eines Werks auf einem Träger wird aus einer Dienstleistung ein Sachgut. Dass es sich beispielsweise bei einer CD aber nicht direkt um das eigentliche aus RezipientInnensicht nutzenstiftende Austauschobjekt, sondern vielmehr um einen Datenträger handelt, lässt an dieser Einordnung zweifeln. Schließlich kann ein Sachgut weggeschlossen, eine Konserve nicht abgespielt oder eine Aufführung bzw. Ausstellung (als Dienstleistung) möglicherweise jeden Tag (exklusiv) besucht werden. Auch von Leistungsbündeln zu sprechen, hilft nur bedingt weiter. Kultur ist mehr als Sachgut oder Dienstleistung – sie ist Kommunikation. Damit wird nicht ausgeschlossen, dass einige diesbezügliche charakteristische Eigenschaften auf kulturelle Angebote zutreffen. Dennoch wird diese beschränkte Auffassung einer kulturell-kommunikativen Sichtweise nicht gerecht. Es geht bei dem Zustandekommen einer Form der Kommunikation um mehr als den Verkauf eines Gegenstands oder Dienstes. (Zudem läuft eine klassische Einteilung in Sachgut und Dienstleistung einer sektoralen Annäherung

132

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

zuwider. Letztlich bedeutet ein derartiges Verständnis gleichzeitig eine Unterbzw. Zuordnung zum Konsumgüter- bzw. Dienstleistungsmarketing.) Sinnvoller erscheint es deshalb einen genaueren Blick auf die Information (vom lateinischen „informatio“ für „Bildung“, „Belehrung“) als den Gegenstand des kommunikativen Austauschs zu werfen. Allerdings ist auch die Verwendung dieses Begriffs in der Wissenschaft vielfältig. Die von Shapiro und Varian (1999, S. 3) vertretene Definition von Information als „anything that can be digitized“ stellt eine sehr weite Auslegung dar und umfasst demnach die Bandbreite von „baseball scores, books, databases, magazines, movies, music, stock quotes, and Web pages“. Diese lakonische Beschreibung von Information und die Auflistung von Beispielen lassen allerdings nur begrenzt Rückschlüsse zu. Eine an der Semiotik angelehnte, gängige Differenzierung von Zeichen, Daten und Information ermöglicht hingegen eine systematische Darstellung des Austauschobjekts. Ausgehend von einem bestimmten Zeichenvorrat werden zunächst Zeichen mit Hilfe einer Syntax in Daten übersetzt. Erhalten Daten durch den Menschen eine kontextuelle Bedeutung, sind sie als Information anzusehen (vgl. Kuhlen 1995, S. 39).66 So fasst Linde (2008, S. 7) den Informationsbegriff vornehmlich aus Sicht der Nachfrager (bzw. RezipientInnen) auf und versteht darunter „eine inhaltlich definierbare Menge an Daten, die von Wirtschaftssubjekten als nützlich vermutet wird.“ In dieser Definition wird ausdrücklich auf den vermuteten Nutzen und damit auf die Befriedigung eines Bedürfnisses hingewiesen, sodass hier genau genommen die Rede von einem Informationsgut ist.

66

Anding und Hess (2003, S. 9 ff.) sehen den Informationsbegriff noch um einen anderen Aspekt erweitert. Sie unterscheiden zwischen expliziter und impliziter Information: Während explizite Information eine abgebildete, übertragbare Information darstellt, wird implizite Information nicht abgebildet, ist aber dennoch als zugrunde liegende Semantik vorhanden, das heißt eine implizite Unterscheidung verweist auf den Prozess der Abbildung (durch die Entscheidung über Zeichenvorrat und Syntax), in dem auch der mediale Träger eine zentrale Rolle einnimmt, und damit ebenso auf die dahinter stehende Bedeutung für die Kulturschaffenden und RezipientInnen. Die Autoren unterscheiden weiter explizite Information und Inhalt (bzw. Content) anhand des Ausmaßes der Ausgestaltung (z. B. durch Darstellungsform, Sprachstil etc.) (vgl. ebenda, S. 13). Diese Grenzziehung verläuft allerdings fließend und betrifft vielmehr die in der Jurisprudenz zu behandelnde urheberrechtliche Frage der Schöpfungshöhe.

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

133

These 6: Die Austauschobjekte zwischen Kulturschaffenden und RezipientInnen sind Informationsgüter. Um eine marketingtheoretische Auseinandersetzung zu ermöglichen, ist eine integrierte Abbildung der kulturell-kommunikativen und wirtschaftlichen Austauschprozesse notwendig.

Von Interesse ist es damit näher zu beschreiben, wie Informationen aufgenommen und verarbeitet werden. Der Ablauf kognitiver Prozesse rückt in das Blickfeld. Demzufolge sind Aspekte der Anmutung und Ästhetik im Rahmen marketingtheoretischer Überlegungen stärker zu berücksichtigen. Ästhetik meint an dieser Stelle nicht bloß die Lehre vom Schönen; der Wortherkunft entsprechend, dem griechischen „aisthētikḗ (téchnē)“, ist auf die sinnliche Wahrnehmung abzustellen. Grundsätzlich werden die äußeren Reize vom Menschen durch seine Sinne aufgenommen und mit Hilfe weiterer intern vorhandener Informationen im (Arbeits-)Gedächtnis dekodiert und verarbeitet. Vorausgesetzt werden hiermit die Vorstellung einer aktiven Rezeption und die Befähigung zum Einsatz der kulturellen Techniken des Kodierens, Dekodierens und Interpretierens. In diesem Zusammenhang ist, wie von Hall (1999, S. 105 f.) ausgeführt, nicht etwa von einer in der Forschung zur (massen-)medialen Kommunikation lange Zeit angenommenen Linearität (im Sinne einer Abfolge von Sender-Nachricht-Empfänger) und dem Ideal einer „vollkommen transparente[n] Kommunikation“ auszugehen, sondern eher „von variierenden Arten der Kombination von Kodierungs- und Dekodierungsvorgängen“ und zugleich der Annahme einer „systematisch zerstörten Kommunikation“. Das Zustandekommen eines kommunikativen Austauschs setzt zwischen kodierenden und dekodierenden Elementen einen gewissen Grad an Reziprozität voraus, wobei jedoch eine konstruierte „Korrespondenz“ anzunehmen ist (ebenda, S. 106). Bezogen auf die oben beschriebene Differenzierung werden äußere Reize, hier noch als Zeichen oder Daten, erst durch den Prozess der Wahrnehmung zu Informationen. Wahrnehmung als Vorgang der Informationsaufnahme und -verarbeitung ist für die Sinnstiftung des produzierten Werks (als Ergebnis eines künstlerisch-kreativen Schaffensprozesses) wesentlich und deshalb näher aufzuarbeiten. Dass es sich nicht um eine reine bzw. objektive Wahrnehmung handelt, wird schon in der Vielfalt und Vielzahl der alltäglich auftretenden „Miss-

134

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

verständnisse“ ersichtlich. Die Wahrnehmung und die Sinnstiftung verlaufen stets subjektiv. Auch die selektive Wahrnehmung spielt hierbei eine entscheidende Rolle, der zufolge nur ein Bruchteil der auf den Menschen einwirkenden Reize tatsächlich wahrgenommen wird. In diesem Sinne ist die ganz natürlich erscheinende Realität davon abhängig, was vom Menschen überhaupt sinnlich wahrgenommen wird bzw. ganz generell, was wahrgenommen werden kann sowie der Art und Weise, wie das Wahrgenommene mit anderen (bereits vorhandenen) Eindrücken abgestimmt wird. Inzwischen wird die zentrale Bedeutung von Information in den vornehmlich westlichen Gesellschaften, die vermehrt Zugriff auf moderne Informations- und Kommunikationstechnologie haben, durch die Bezeichnung als Informationsgesellschaft (zum Teil auch Wissensgesellschaft) betont. Kuhlen (1995, S. 51 f.) beschreibt die positiven Aspekte einer informierten Gesellschaft: „Wir sehen unter den Bedingungen der globalen Informationsgesellschaft und in den Ausprägungen freier Informationsmärkte, vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit überhaupt die Chance, Wissen und Information weder als Privileg der Verfügung nur einiger weniger noch als nur funktionales Mittel zur Produktionssteigerung anderer Güter anzusehen, sondern als globaler, gesellschaftlicher Besitz, aus dessen Teilhabe ein jeder seine Anerkennung […] ziehen kann.“ So begünstigen die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie auch das Erstellen und Verbreiten von Informationsgütern, sie verringern die Markteintrittsbarrieren und treiben zugleich die zunehmende Flut von Daten und Informationen an. „Peer Production“ und „Sharing“ etablieren sich dabei zunehmend als neue Produktionsweisen (vgl. Benkler 2006, S. 59 ff.). Inwiefern das Urheberrecht den Entwicklungen einer Informationsgesellschaft gerecht wird, ist durchaus kritisch zu diskutieren. So führt beispielsweise Benkler (2006, S. 35 ff.) aus, dass sich im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit in einer Gesellschaft der Schutz durch Patente und Urheberrechte als eher schädlich denn förderlich erweist.

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt 3.3.3.2

135

Typologische Vorgehensweise

Die Vielfalt an Austauschobjekten bzw. deren konkreten Eigenschaften lässt eine Aufarbeitung nicht ohne Weiteres zu. Es gilt deshalb in der Vielfalt das Gemeinsame zu erkennen oder anders formuliert: Für eine strukturierte Aufarbeitung bedarf es einer Ordnung realer Phänomene in mehr oder weniger zweckmäßige Gruppen. Um die Austauschobjekte der Kultur in ihrer Gesamtheit, insbesondere im Hinblick auf ihre innere Gestalt, zu strukturieren, wird jedoch eine komplexe, tiefgehende und vor allem wertende Einteilung zu entwerfen sein. Stets kann darüber diskutiert, was als Kultur angesehen wird – ist jedes Bild, jeder Ton, jeder geschriebene Satz Kultur? Wahrscheinlich wird diese Frage größtenteils verneint werden. Einigkeit, welches Bild, welcher Ton und welcher Satz in einem konkreten Fall als kulturell bedeutsam angesehen werden, wird aber ebenso wenig herrschen. Eine derartige Auseinandersetzung wird deshalb der Marktabgrenzung (vgl. Kapitel 3.2.3.2) zugeordnet. Um im Hinblick auf die äußere Gestalt Gemeinsamkeiten zu erkennen, bieten sich Klassifikationen (bzw. Typologien) an. Diese haben in der Wissenschaft grundlegende Bedeutung für die Entwicklung einer (Teil-)Disziplin, da reale Phänomene in eine bestimmte Ordnung gebracht werden und die systematische Untersuchung und Theorieentwicklung ermöglicht wird (Hunt 2010, S. 199). Eine typologische Betrachtung versucht sich zwischen dem Allgemeinen (Aufdeckung von Gesetzmäßigkeiten) und Besonderen (Lösung einer konkreten Problemstellung) einzuordnen. Hier scheint sich allerdings ein Spektrum an Abstraktionsgraden aufzutun. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten der Strukturierung.

These 7: Eine typologische Aufarbeitung der Rezeption, die sich ausschließlich auf die äußere Gestalt der Kultur bezieht, hilft als veranschaulichende Abstraktion Gemeinsamkeiten (aus Sicht der RezipientInnen) zu erkennen und erlaubt, aller Vielfalt zum Trotz, Rückschlüsse hinsichtlich der Anordnung und Ausgestaltung des Marketinginstrumentariums.

136

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Es stehen zwei grundsätzliche Vorgehensweisen zur Auswahl. Um mehrdimensionale Typen zu konstruieren, kann ein Merkmalsystem einerseits (im Sinne einer Typologie) aus theoretischen Überlegungen heraus deduktiv entwickelt oder andererseits (im Sinne einer Taxonomie) induktiv mit Hilfe empirischer Beobachtungen erarbeitet werden (Schuh; Holzmüller 2005, S. 13). Klassifikationen entstehen also entweder mit Hilfe von gewissen Vorüberlegungen und einer konzeptionell-rationalen Herleitung oder durch die Prüfung bestimmter Daten mittels multivariater Analyseverfahren (z. B. Clusteranalyse, Faktorenanalyse), sodass sich gegenseitig ausschließende Sets von Subgruppen entstehen (vgl. Hunt 2010, S. 200 ff.; Schuh; Holzmüller 2005, S. 13 f.). Beide Methoden finden Einsatz in der Marketingwissenschaft. Auf empirischem Weg setzen sich tatsächlich aber nur wenige Klassifikationsschemata auf sektoraler Ebene durch, da sie stark von dem zugrunde liegenden Datenmaterial abhängig sind und somit nur wenig generelle Aussagekraft besitzen (Hunt 2010, S. 205). Wie bei der Mehrzahl der im Marketing vorliegenden (mehrdimensionalen) Gliederungen wird an dieser Stelle der Vorgehensweise der Typologie gefolgt.67 Zunächst ist ein Merkmalskatalog zu erarbeiten, wofür in qualitativer Hinsicht entsprechende Merkmale gesammelt, erklärt und strukturiert werden sowie darauffolgend in quantitativer Hinsicht über das Messniveau der Ausprägungen entschieden wird (vgl. Knoblich 1995, S. 840; Hunt 2010, S. 200 f.). Damit es sich dabei nicht um bloße Spekulation handelt, sind a priori Kenntnisse zum untersuchenden Phänomen notwendig, sodass eine Herleitung der Typologie ermöglicht wird (Schuh; Holzmüller 2005, S. 13 f.). Die Ausarbeitung der Merkmale der äußeren Gestalt entspricht dem mehrdimensionalen Merkmalsystem der typologiebildenden Vorgehensweise und dient als Ausgangspunkt. Darüber hinaus kann zwischen offenen und geschlossenen Merkmalsystemen

67

Um eine Klassifikation bzw. Typologie bewerten zu können, sind Anforderungen notwendig. Hunt (2010, S. 206 ff.) geht von fünf grundlegenden Anforderungen an Klassifikationen aus: die Festlegung des zu bestimmenden Phänomens, die Eignung eines Merkmals zur Klassifikation, die eindeutige Zuordnung bzw. gegenseitige Exklusivität der Merkmalsausprägungen, die vollständige Erfassung aller denkbaren Ausprägungen sowie die Zweckmäßigkeit. Verletzungen der genannten Anforderungen an die Bildung von Typen sind jedoch nicht ungewöhnlich. Die Zweckmäßigkeit stellt demnach die grundlegende Anforderung an ein Klassifikationsschema dar.

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

137

unterschieden werden, das heißt die Art und Anzahl der Merkmale kann entweder generell offen bleiben oder aber vorab verbindlich festgelegt werden (Knoblich 1995, S. 840). Der Versuch die Austauschobjekte der Kultur zu bestimmen, kann nicht beliebig weit gehen. Das System wird auf den besagten Merkmalen basieren. Dementsprechend wird vorerst von einem geschlossenen Merkmalsystem ausgegangen. Da sich die Merkmale „Symbolhafte Repräsentation“ und „Medialer Träger“ auf das Austauschobjekt beziehen, bietet sich an dieser Stelle eine waren- bzw. gütertypologische Betrachtungsweise (im Sinne des Commodity Approach) an. In dieser Sichtweise werden Marketingentscheidungen in Abhängigkeit der Gutscharakteristika getroffen. Ziel ist es generelle Aussagen zu formulieren über die Absatzgestaltung im Hinblick auf die Produkte und ihre jeweiligen Eigenschaften (ebenda, S. 839). Ohne diesem Vorgehen die Bedeutung abzusprechen, muss dennoch festgehalten werden, dass Merkmale der RezipientInnen bzw. der Rezeption im Rahmen marketingtheoretischer Überlegungen geeigneter erscheinen. So sind die technischen Eigenschaften eines Guts für sich genommen wenig bedeutsam, vielmehr ist zu klären, inwieweit diese für die RezipientInnen von Bedeutung sind. Grundlegend hierfür ist die Annahme, die Bewertung eines Werks, auch wenn deren Artikulation nach außen auf ein Objekt gerichtet ist, enthalte weniger eine Objekt- als vielmehr eine Erlebnisbeschreibung. Anstelle der Auffassung, das Schöne wirke von außen auf ein Subjekt ein, wird in Anlehnung an Schulze (1992, S. 39) davon ausgegangen, dass ebendieses von einem Subjekt in einen Gegenstand oder eine Situation hineingelegt wird. Auf diese Weise werden die oben genannten Merkmale der äußeren Gestalt nicht güterbezogen interpretiert, sondern auf die Rezeption hin ausgerichtet, sodass keine Typologie der Güter, sondern eine Typologie der Rezeption verfolgt wird. 

Für das Merkmal „Symbolhafte Repräsentation“ ist eine Strukturierung bestimmter Symbole (bzw. Symbolsysteme) nicht zweckmäßig. Die Produktion von Symbolen stellt die Ausdrucksweise der Kulturschaffenden dar, wobei das Zeichensystem beispielsweise in Bild, Sprache und Ton differenziert werden kann. (Auch eine breitere Unterteilung in den gängigen Kategorien wie Film, Musik, Oper, Theater etc. ist denkbar.) Im Rückschluss auf die RezipientInnen ist aber die Art und Weise, wie Kulturschaffende sich Ausdruck verleihen, die Vorgabe für

138

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing die jeweilige Art der Verarbeitung von äußeren Reizen. Das Merkmal der Rezeption ist demnach „Sinneswahrnehmung“ und bezieht sich hier neben der visuellen und auditiven Wahrnehmung auch auf deren Kombination.68 Lediglich die Sinneswahrnehmung lässt genügend Spielraum für Unterschiede und bleibt dennoch auf bestimmende Art konkret.69 

Schließlich ist das Merkmal „Medialer Träger“ einzuordnen. Unterscheidungen können ebenso aus Anbieter- und Nachfragersicht durchgeführt werden oder sich auf das Medium selbst beziehen. Hier wird auf die Bedeutung der Eigenschaften des Mediums für die Rezeption abgestellt. Es wird zunächst zwischen mobilem und stationärem Medium unterschieden. Von Interesse ist also, ob ein Medium an einen festen Standort gebunden ist oder nicht. Aus Sicht der RezipientInnen bedeutet dies, dass das Merkmal „Räumliche Distanz“ über direkte und indirekte Rezeption entscheidet und somit marketingrelevante Rückschlüsse zulässt. So rücken bei der direkten Rezeption beispielsweise

68

Andere Wahrnehmungssinne (olfaktorische, gustatorische und taktile bzw. haptische Wahrnehmung) werden damit vernachlässigt. Die Breite der Symbolproduktion macht allerdings vor anderen Wahrnehmungssinnen keinen Halt. Bestimmte Speisen, Gerüche oder Berührungen können ebenfalls kulturelle Tragweite besitzen. Zunächst bleibt Kultur aber auf visuelle und auditive Wahrnehmung beschränkt. Angesichts fortschreitender Entwicklungen dürfen andere Bereiche der Sinneswahrnehmung jedoch nicht versperrt bleiben, sondern müssen entsprechend eingeordnet werden. Darüber hinaus können auch in dieser auf die auditive und visuelle Wahrnehmung beschränkten Sichtweise andere Sinne nicht vollkommen außer Acht gelassen werden. So ist beispielsweise die Haptik von Speichermedien bzw. Endgeräten als kaufrelevante Eigenschaft anzusehen.

69

Damit wird nicht normativ an bestimmten Gattungen und deren Einteilungen festgehalten, sondern jeder wahrnehmbare Gegenstand als potenzielles Austauschobjekt angesehen. Zwar dienen Objekte wie beispielsweise Automobile oder Exponate eines Völkerkundemuseums ursprünglich noch einem anderen Zweck (z. B. Mobilität bei Automobilen), sie können aber unabhängig von ihrem unmittelbaren Gebrauchswert dennoch als kulturell-kommunikative Austauschobjekte verstanden werden. Insbesondere in den „Ready-mades“ von Marcel Duchamp zeigt sich, wie durch die Veränderung des Kontexts mehr oder weniger gewöhnliche Gegenstände symbolisch aufgeladen werden können. Darin kann ein Beitrag zur „Entzauberung der Kunst“ (bzw. Entzauberung der KünstlerInnen) und zugleich eine Offenlegung wesentlicher Eigenschaften des Kunstmarkts gesehen werden (vgl. Zembylas 1997, S. 89 ff.).

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

139

Serviceaspekte sowie Fragen zum Standort (z. B. Öffnungszeiten, Anreise, Unterkunft) in den Fokus. Für die indirekte Rezeption sind hingegen die Eigenschaften der physischen Datenträger bzw. der technischen Infrastruktur (Kabel- und Funknetze) (z. B. hinsichtlich der zeitlichen Verfügbarkeit) und die Bedeutung der (mobilen und stationären) Endgeräte zu bedenken. Im zweiten Schritt wird über die Richtung der Typenbildung entschieden. Ein Abwägen zwischen synthetischer und analytischer Typenbildung ist erforderlich (Knoblich 1995, S. 841): Die synthetische Typenbildung meint die konsequente Kombination von Ausprägungen der ausgewählten Merkmale, sodass Rezeptionstypen entwickelt werden, die allerdings stets auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen sind; besteht hingegen im Vorhinein bereits eine gewisse Vorstellung, sozusagen ein abgestecktes Bild eines oder mehrerer Typen, das auf bestehenden Erfahrungen beruht, schließt sich die Suche nach der einschlägigen Merkmalskombination an und es wird damit der analytischen Typenbildung gefolgt. Da die vorliegende Ausführung sich nicht explizit auf einen bestimmten Typ konzentriert, ist ein synthetisches Vorgehen sinnvoll. Durch die Kombination der Merkmalsausprägungen ergeben sich die in Tabelle 3 dargestellten Typen der Rezeption. Tabelle 3:

Typen der Rezeption Merkmale der Rezeption Sinneswahrnehmung (S) visuell (S1)

Typ 1

x

Typ 2

x

visuellauditiv (S2)

Räumliche Distanz (RD)

auditiv (S3)

direkt (RD1)

indirekt (RD2)

x x

Typ 3

x

Typ 4

x

x x

Typ 5

x

Typ 6

x

x x

140

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Möglichen Einwänden gegen die Typologie kann auf zweifachem Wege begegnet werden. Zum einen können als weiterer Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte neuartige Typologien durch die Ausbesserung formaler Mängel und Enthüllung neuer Aspekte angestrebt werden (Schuh; Holzmüller 2005, S. 21 f.; Friedrichs 1990, S. 89). So ist die Frage berechtigt, ob die genannten Merkmale und ihre Ausprägungen (aus Sicht der RezipientInnen) als ausreichend zur Klassifikation der Austauschobjekte anzusehen sind. Beispielsweise ist zu hinterfragen, ob (gesprochene und/oder geschriebene) Sprache als Zeichensystem hinreichend über das Merkmal „Sinneswahrnehmung“ berücksichtigt wird. (Die Gefahr besteht aber immer, dass komplexere und aufwendigere Klassifikationen zum Selbstzweck werden, um möglicherweise festzustellen, dass das Ergebnis nach wie vor nicht zufriedenstellend ist.) Zum anderen kann der Nutzen der Typologie bewusst auf den heuristischen Wert beschränkt werden, sprich die Typologie wird genutzt, um die weitere Forschung zu stimulieren (Schuh; Holzmüller 2005, S. 21): 

Vorrangig wird eine einheitliche Sprachregelung angestrebt. Unterschiedliche Nutzung und (ausufernde) Ausführungen zu Begrifflichkeiten werden durch die Merkmale der Rezeption als terminologisches System ersetzt.



Als Komplexitätsbewältigung zeigt eine erste Strukturierung Gemeinsamkeiten auf, die beispielsweise aus Sicht der Kulturschaffenden nicht aufzudecken sind.



Die Merkmale und die vorgestellte Typologie können als Anhaltspunkte für empirische Forschung genutzt werden.



Die Einordnung der Merkmale weist auf die (inter-)disziplinäre Ausrichtung hin – für die äußere Gestalt der Kultur wird eine stärkere Beschäftigung mit der Medien-, Kommunikations- und Informationswissenschaft erforderlich (vgl. Kapitel 5.2).

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt 3.3.4

141

Thesen zur Gegenleistung

Die Ausarbeitung der Thesen zur Gegenleistung wendet sich in Kapitel 3.3.4.1 zu Anfang der Funktion der Aufmerksamkeit zu. Kapitel 3.3.4.2 erörtert anschließend die Überwindung der Undurchschaubarkeit des Leistungsangebots.

3.3.4.1

Aufmerksamkeit als Bereitschaft zur Rezeption

Die Überlegungen zum Marketing setzen grundsätzlich die Entscheidung der Kulturschaffenden voraus ein Werk zu veröffentlichen. Ohne sie kann kein (kulturell-kommunikativer) Austausch zustande kommen und eine marketingtheoretische Auseinandersetzung ist somit müßig. In der Veröffentlichung eines Werks ist hingegen die Intention der Kulturschaffenden zu erkennen, einen Austausch herstellen zu wollen. So unterschiedlich die konkreten, werksbezogenen Ziele der einzelnen Kulturschaffenden sind, gemein ist ihnen doch die Intention ihr Werk der Öffentlichkeit preiszugeben. Dies bedeutet wiederum nichts anderes als die Verbreitung eines Werks zu forcieren, wobei damit zunächst noch keine marktwirtschaftliche Betrachtung (im Sinne des Absatzes), sondern in einem kommunikationsorientierten Verständnis die Übermittlung eines Informationsguts gemeint ist. Als Güter können grundsätzlich alle Objekte bezeichnet werden, die einen Nutzen besitzen, also Bedürfnisse befriedigen können. Zu unterscheiden sind darüber hinaus freie und knappe Güter (Wirtschaftsgüter): Während freie Güter in einem ausreichenden Maß verfügbar sind, liegen knappe Güter nur in begrenzter Menge vor. Informationen sind im eigentlichen Sinne nicht knapp. Sofern eine Information aber durch (beispielsweise zeitliche) Verfügbarkeit oder Ressourcen in der Leistungserstellung beschränkt wird, entstehen knappe Güter. Unter den Bedingungen der Knappheit werden wirtschaftliche Entscheidungen notwendig, wobei zu beachten ist, dass nicht nur die Anbieter-, sondern gleichermaßen die Nachfragerseite davon betroffen ist. So geht damit auch die Bereitschaft einher Tauschmittel einzusetzen, um Bedürfnisse befriedigen zu können. Die Gegenleistung darf jedoch nicht (nur) in monetären Einheiten gemessen werden (vgl. Schulze 1992, S. 422 f.). Ebenso kann die Bewertung

142

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

(Anerkennung, Abwertung) eines Werks als Tauschmittel aufgefasst werden. Hierfür ist allerdings die Wahrnehmung des Werks vorauszusetzen. Präziser ist zwischen Wahrnehmung und Aufmerksamkeit zu unterscheiden. Letztere bewirkt, im Sinne der Selektion und Steuerung, eine bewusste Auseinandersetzung, will heißen: Wahrnehmung und Verarbeitung eines bestimmten Reizes. Dabei treten starke, unerwartet auftretende und positiv empfundene Reize stärker in den Vordergrund. Von Interesse im hier zu diskutierenden Rahmen ist allerdings nicht die Ausgestaltung eines Werks (als die Aufmachung eines Reizes), sondern die generelle Funktion der Aufmerksamkeit im kulturell-kommunikativen Austauschprozess.

These 8: Aufmerksamkeit als Bereitschaft zur Rezeption ermöglicht ein Werk als solches wahrzunehmen und stellt für das Zustandekommen eines kulturellkommunikativen Austauschprozesses die grundlegende nachfragerseitige Bedingung dar. Der Wettbewerb um die RezipientInnen bezieht sich demnach nicht nur auf Geld, sondern in erster Linie auf die Aufmerksamkeit.

Nachfrager (bzw. RezipientInnen) besitzen nur begrenzte Ressourcen und versuchen ihren Nutzen zu maximieren, nicht aber nur in finanzieller Hinsicht, auch in Bezug auf ihre begrenzte Aufmerksamkeit. Simon (1971, S. 40 f.) beschreibt den Zusammenhang: „What information consumes is rather obvious: it consumes the attention of its recipients. Hence a wealth of information creates a poverty of attention and a need to allocate that attention efficiently among the overabundance of information sources that might consume it.“ So ist die menschliche Kapazität, Informationen tatsächlich verarbeiten zu können, begrenzt. Diese Einsicht ist nicht neu, erhält aber vor dem Hintergrund des rasanten Fortschritts in der Entwicklung und Ausbreitung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie zunehmende Bedeutung. Franck (1998, S. 49) spricht deshalb auch vom Informationszeitalter und macht diese Bezeichnung daran fest, „daß wir uns vor Information nicht mehr retten können. Nicht der überwältigende Nutzen der Information, sondern ihre nicht mehr zu bewältigende Flut charakterisiert die Epoche. Wir sind einem immer gewaltiger anwachsenden Schwall von Reizen ausgesetzt, die eigens dazu hergerichtet sind,

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

143

unsere Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen.“ Die Masse an Informationen, die entweder passiv auf einen Menschen tagtäglich einfällt oder bei einer aktiv betriebenen Suche abrufbar ist, überschreitet bei Weitem die Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit des Menschen. Lediglich ein Bruchteil der Informationen kann wahrgenommen werden. Unter dem Gesichtspunkt der Knappheit betrachtet, kann sich der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit nicht nur auf die professionell mit der Erzeugung und Steuerung von Aufmerksamkeit beschäftigten Kulturschaffenden und ihre Werke beziehen. Tatsächlich zählt hierzu die Bandbreite der alltäglichen Kommunikation, sodass „Aufmerksamkeit in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexten eine ökonomische Rolle spielt, wo eine subjektiv empfundene Asymmetrie zwischen Informationsverfügbarkeit oder -zufluss und der Verwendungsmöglichkeit besteht“ (Fichter 2001, S. 11). Es handelt sich folglich um eine Art Hyperwettbewerb, der auch vor dem Privaten keinen Halt macht. Ob Menschen in ihrem privaten Umfeld kommunizieren oder Betriebe ihre Leistungsangebote anpreisen, stets bedarf es der Aufmerksamkeit. Da es sich bei dem Objekt des kulturell-kommunikativen Austauschs um Informationsgüter handelt, die so schon als Gegenleistung auf Aufmerksamkeit abzielen, lässt sich hier überspitzt darstellen, dass ein Informationsgut sogar mit der Werbung für ebendieses um Aufmerksamkeit konkurriert. 70

70

Darüber hinaus nimmt die Werbung mit der Vereinnahmung kultureller Güter eine zunehmend wichtige Rolle für die Vermittlung von Kultur ein. Durch die Einbindung in die Bewerbung von Produkten können beispielsweise Werke der bildenden Kunst heutzutage eine je nach Werbeform unterschiedliche, aber häufig deutlich höhere Reichweite erzielen als dies beispielsweise mit einer Ausstellung des Originals möglich erscheint. Ähnliches gilt für die ausschnittsweise Verwertung von Ton und Bewegtbild im Rahmen der Werbung und deren Wiedergabe in voller Länge. Kimpel (1982, S. 43) sieht in dem „Trend der Instrumentalisierung historischer Kunst im Rahmen der Reklame“ die Formation „zu einem imaginären Museum der Werbung, dessen Vermittlungsabsicht in der Transformierung eines Produktes von der Ware zum Kunstwerk liegt.“ Damit verweist er auch auf Malraux (1957, S. 29 ff.), der den Begriff des imaginären Museums als eine in der Vorstellung vorhandenen, nicht an Zeit und Ort gebundene Zusammenstellung der Kunst prägt und diesen wesentlich auf die Techniken der Reproduktion zurückführt. Vor diesem Hintergrund meint Kimpel (1982, S. 50) sogar für die traditionellen Museen die Gefahr zu erkennen „ohne merkliche Gegenwehr ihre Aufgabe als Volksbildungsstätten an die amüsanteren und breitenwirksameren Vermittlungsformen der Werbung zu verlieren.“

144

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

Dass nach der Aufmerksamkeit im besten Fall Anerkennung und Wohlwollen (oder im negativen Fall Abwertung) folgt, ist der Hinweis für die soziale Dimension. Kommunikation ist das Vehikel der Wertschätzung. Aufmerksamkeit wiederum ist Bedingung der Kommunikation, sodass auch von einem Tausch von Aufmerksamkeit ausgegangen werden kann. Zur Bestimmung der eigenen Selbstachtung wird Aufmerksamkeit getauscht, um das Selbstwertgefühl durch die zustande kommenden Tauschbeziehungen zu erhöhen (Bade 2002, S. 189). So beschreibt Franck (1998, S. 90) die Bedeutung des Tauschs von Aufmerksamkeit: „Die sich einstellenden Tauschrelationen drücken die Bereitschaft auf beiden Seiten aus, eigene Aufmerksamkeit hinzugeben, um an die Aufmerksamkeit des Partners zu kommen. Das System der Tauschrelationen ist sozial abgestimmt in dem Sinn, daß jeder Tauschende zwischen verschiedenen potentiellen Tauschpartnern wählt.“ Dieser Tausch von Aufmerksamkeit gibt seiner Ansicht nach „die genaueste Auskunft über die Verteilung der mitmenschlichen Gefühle in der Gesellschaft“ (ebenda, S. 92). Von einem Übergang in eine vollkommen neue, aufmerksamkeitsökonomische Ordnung kann allerdings nicht die Rede sein. Aufmerksamkeit kann nicht die Funktionen des Gelds übernehmen. In der Funktion als Tauschmittel kann Aufmerksamkeit zunächst zwar überzeugen. Die Funktion der Recheneinheit71 und des Wertaufbewahrungsmittels hingegen erfüllt Aufmerksamkeit nur begrenzt. Ruhm, Prominenz, Reputation und Prestige können zwar derart auf-

71

Dass angesichts des Überangebots an Information von einem Menschen nicht alles zur gleichen Zeit mit Aufmerksamkeit belohnt werden kann, macht die knapp bemessene Zeit in diesem Sinne zur Maßeinheit der Aufmerksamkeit. Dabei bekommt Zeit gegenwärtig in vielen westlichen Gesellschaften generell eine neue Bedeutung zu. Früher noch als Privileg angesehen, gilt „Zeit haben“ heutzutage nicht unbedingt als Statusmerkmal, im Gegenteil: Geradezu verdächtig macht sich, wer heute Zeit hat; Geschäftigkeit (auch fernab der Arbeitszeit) hingegen ist prestigeträchtig (Opaschowski 1991, S. 126). Zeit wird zunehmend – der Arbeit ähnlich – auf Produktivität ausgerichtet, es gilt in der gleichen Zeit immer mehr zu erleben und zu konsumieren (ebenda). Zum einen ist es damit nicht weit bis zum Vorwurf, die andauernde und ausufernde Konsumhaltung (in der Freizeit) führe zur Sinnentleerung. Zum anderen erzeugt diese Entwicklung angesichts gestiegener Anforderungen, denen sich die Menschen ausgesetzt fühlen (Karriere, Partnerschaft, Freundschaften, Sport, soziales Engagement, Weiterbildung, Selbstentfaltung etc.), denen bei natürlich begrenzter Zeit gerecht zu werden aber eigentlich nicht möglich ist, mit Rosa (2016, S. 720 ff.) gesprochen, schuldige Subjekte.

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

145

gefasst werden (vgl. ebenda, S. 115 ff.), bieten jedoch nicht die Funktions- und Akkumulationsmechanismen monetärer Einheiten (vgl. Fichter 2001, S. 13). Ausführungen zur Ökonomie der Aufmerksamkeit vernachlässigen diese Aspekte sowie den Zusammenhang von Aufmerksamkeit und Geld (Bade 2002, S. 191): „Ihr großer Mangel liegt […] in der Ausblendung der Tatsache, daß das menschliche Zusammenleben in starkem Maße von der Ökonomie des Geldes bestimmt wird. Denn das Ringen um die Aufmerksamkeit ist immer auch ein Ringen um den geldökonomischen Vorteil.“ Allein auf Aufmerksamkeit kann ein Wirtschaftssystem nicht basieren; sie wird deshalb in Geld umgewandelt. Entsprechend sind die Erkenntnisse zur Aufmerksamkeitsökonomie zwar begrenzt, verweisen aber darauf, dass es für Informationsgüter eine weitere wesentliche Kategorie gibt, die neben der geldorientierten Ökonomie existiert (vgl. Fichter 2001, S. 15; Bade 2002, S. 191 f.).

3.3.4.2

Überwindung der Undurchschaubarkeit

Um Überlegungen zur Vermarktung anstellen zu können, ist zunächst nach Samuelson (1954, S. 387) zwischen privaten und öffentlichen Gütern zu unterscheiden. Hierfür sind die Kriterien der (Nicht-)Rivalität im Konsum und (Nicht-)Ausschließbarkeit vom Konsum entscheidend. Rivalität meint zunächst, dass der Nutzen aus dem Konsum eines Guts durch den gleichzeitigen Konsum anderer Individuen eingeschränkt wird. Das Informationsgut selbst (bzw. der Inhalt) zeichnet sich zwar durch Nicht-Rivalität im Konsum aus, allerdings ist ein genauerer Blick auf die Art der Übermittlung notwendig, da sich Unterschiede mit Hinblick auf die Trägereigenschaften ergeben: Nicht-Rivalität im Konsum liegt beispielsweise bei direkter Übermittlung bis zu einem gewissen Grad vor, eine indirekte Übermittlung über physische Datenträger weist eine hohe Rivalität auf und eine indirekte Übermittlung über technische Infrastruktur (Kabel- und Funknetze) ist in der Regel nicht rival im Konsum. Es können folglich unterschiedliche Grade der Rivalität auftreten. Die (mangelnde) Rivalität im Konsum betrifft zwar die Knappheit und den Nutzen der RezipientInnen, die generelle Marktfähigkeit ist aber vornehmlich abhängig von der Exklusivität. Diese zielt auf die Umsetzung des Ausschlussprinzips ab, wonach der Zugang

146

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

zum Konsum eines Guts beschränkt wird; andernfalls kann kein Entgelt erhoben werden. Auch hier sind die Trägereigenschaften zu beachten: Während es bei direkter und bei indirekter Übermittlung über physische Datenträger möglich ist, selektiv vorzugehen, ist die Realisierung der Ausschließbarkeit bei indirekter Übermittlung über technische Infrastruktur dagegen abhängig von einer möglichen Verschlüsselung. Damit können Informationsgüter je nach Ausprägung von Rivalität und Ausschließbarkeit sowohl als private Güter (Ausschließbarkeit, Rivalität) oder Klubgüter (Ausschließbarkeit, Nicht-Rivalität) als auch öffentliche Güter (Nicht-Ausschließbarkeit, Nicht-Rivalität) oder Allmendegüter (Nicht-Ausschließbarkeit, Rivalität) vorliegen. Die Bedingungen der (Nicht-)Rivalität im Konsum und Ausschließbarkeit vom Konsum sichern zunächst die generelle Vermarktungsfähigkeit von Informationsgütern. Angesichts dieser Umstände stehen Kulturschaffenden zwei Erlösquellen zur Verfügung, die gegebenenfalls auch kombiniert eingesetzt werden können. Zum einen kann direkt ein Entgelt für (das Recht auf) den Zugang zum Informationsgut erhoben werden. Zum anderen rücken, sofern keine Ausschließbarkeit vorliegt, indirekte Erlösquellen in den Fokus, die im Folgenden allerdings vernachlässigt werden.72 Vielmehr lohnt zur Erörterung der Vermarktung eine

72

Als indirekte Erlösquelle kommt einerseits die öffentliche Förderung (z. B. durch Gebühren, Subventionen, Steuervorteile) in Betracht. Diese wird hier jedoch außen vor gelassen, da sie der Bewertung als meritorisches Gut gleichkommt, also einem privaten Gut, für das aufgrund verzerrter Präferenzen der BürgerInnen die Nachfrage unter dem gesellschaftlich wünschenswerten Versorgungsgrad bleibt. Ein (beispielsweise aufgrund unvollständiger Informationen) unterstelltes Marktversagen hat demnach das Zustandekommen einer lediglich geringen Nachfrage zur Folge. Weil aber ein politisches Interesse an dem Gut besteht, wird dieses öffentlich, direkt oder indirekt (vgl. Throsby 2010, S. 63 ff.), gefördert. Die Bewertung von Gütern als meritorisch (bzw. demeritorisch) liegt somit im Ermessensspielraum der Politik und kann in diesem Abschnitt der Arbeit nicht der Vermarktung zugerechnet werden. Dennoch kann die öffentliche Förderung eine zentrale Erlösquelle darstellen. Andererseits können indirekte Erlöse über die Einbindung von werblichen Botschaften erzielt werden. Diese werden mit dem eigentlichen Informationsgut gebündelt und können entweder im direkten Umfeld präsentiert werden (z. B. TV-Werbung, Sponsoring) oder sogar in das Werk integriert werden (z. B. Product Placement). Die Werbetreibenden erhoffen sich auf diese Weise den Zugang zur Aufmerksamkeit der RezipientInnen. Es kann folglich neben dem eigentlichen Informationsgut als Leistung auf dem RezipientInnenmarkt, bei einer gewissen Reichweite eine weitere Leistung auf dem Werbemarkt angeboten werden. Dabei entsteht stets ein spannungsreiches Verhältnis zwischen Kulturschaffenden und RezipientInnen auf der einen und den Interessen der Werbetreibenden auf der

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

147

informationsökonomische Einordnung, wonach ein Austauschobjekt durch seine Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften gekennzeichnet wird (vgl. Nelson 1970, S. 312 ff.; Darby; Karni 1973, S. 68 f.). Während eine Sucheigenschaft ex ante mit wenig Aufwand beurteilt werden kann, ergibt sich bei Erfahrungseigenschaften das Problem, dass sie erst nach dem Konsum bewertet werden können, was bei Vertrauenseigenschaften wiederum selbst nach der Nutzung nicht möglich ist. Ausgehend von einem konkreten Angebot ist ein Austauschobjekt nicht eindeutig einer einzelnen Eigenschaft zuzuordnen. Vereinfacht kann aber die Information als (Kern-)Leistung der Erfahrungseigenschaft zugeordnet werden (vgl. Shapiro; Varian 1999, S. 5). So ergibt sich die von Arrow (1971, S. 148) beschriebene Problematik des Informationsparadoxons: „[T]here is a fundamental paradox in the determination of demand for information: its value for the purchaser is not known until he has the information, but then he has in effect acquired it without cost.“ Ein Entgelt für Informationsgüter zu erheben, gestaltet sich schwierig, da Nachfrager den Nutzen ex ante nicht einschätzen können. Für die Entstehung der Zahlungsbereitschaft der RezipientInnen, die als die wesentliche Angabe über den vermuteten Nutzen eines Werks anzusehen ist, erweist sich die Erfahrungseigenschaft demnach als zentrale Hürde.

These 9: Um eine (monetäre) Gegenleistung zu erhalten, zielt die Vermarktung der Werke auf die Überwindung der Undurchschaubarkeit des Leistungsangebots ab. Dabei gilt es die Bereitschaft zur Rezeption in Zahlungsbereitschaft umzuwandeln.

Preispolitische Entscheidungen in der Einführungsphase finden Anbindung an die Überlegungen zur Aufmerksamkeit. Sinnvoll erscheint es demnach bei geringer Bekanntheit eine Penetrationsstrategie zu verfolgen, das heißt der

anderen Seite. Im Fokus der sektoralen Annäherung stehen allerdings die RezipientInnen, sodass die möglichen Erlöse auf dem Werbemarkt an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben.

148

3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

angenommenen relativ geringen Zahlungsbereitschaft wegen zu Beginn keine bzw. geringe Preise zu erheben, um die Hürde für die Rezeption möglichst gering zu halten. (Weiterhin kann auch der Aufbau von Involvement und Wechselkosten eine Rolle spielen.) Mit zunehmender Bekanntheit der Kulturschaffenden – Bekanntes schafft Aufmerksamkeit – wird eine höhere Zahlungsbereitschaft unterstellt, sodass Preise erhoben bzw. erhöht werden können, wobei (aufgrund von Interdependenzen zwischen den Werken) auf die generelle, werksübergreifende Preisposition zu achten ist (vgl. Simon; Fassnacht 2009, S. 30 ff.). Dieses Vorgehen ermöglicht dem Problem der Informationsasymmetrie und damit auch der adversen Selektion entgegenzutreten. Nicht aber (nur) weil der Nutzen direkt durch Bekanntheit höher ist, sondern weil der vermutete Nutzen aufgrund von Erfahrungswerten besser beurteilt werden kann. So fungiert die Bekanntheit der Kulturschaffenden (bzw. die Marke) als eine weitere Sucheigenschaft, die eine Suche der Nachfrager erleichtert und ihre Unsicherheit hinsichtlich des Nutzens vorab verringert (vgl. Kaas 1995, S. 28 ff.; Mattmüller; Tunder 2005, S. 11). In ähnlicher Weise werden Rezensionen, vertrauenswürdige (persönliche) Empfehlungen, Preisverleihungen oder Rankings genutzt. Aus diesen Überlegungen heraus ist auch die Bereitstellung von „Samples“ (z. B. Kennenlernaktionen, Snippets, Trailer) von besonderer Relevanz, schließlich kann die Einschätzung des Nutzens ansonsten vorab nicht realisiert werden. All diese Signale dienen der Überwindung der Undurchschaubarkeit des Leistungsangebots. Zugleich sorgt eine steigende Angebotsvielfalt für die Unübersichtlichkeit des Leistungsangebots und begründet ein immer komplexer werdendes Geflecht an Signalen. Dabei ist mit einer zunehmenden Einbindung ökonomischer Kriterien eine stärkere Betonung des monetären Werts verbunden. Hier ist auch auf den Zusammenhang von monetärem und kulturellem Wert eines Werks einzugehen. In kultureller Sichtweise entsteht ein Wert eben nicht über den marktwirtschaftlichen Austausch, sondern im Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv. Der kollektive Wert ist als Merkmal der inneren Gestalt nicht direkt veräußerbar, es bedarf der symbolhaften Repräsentation und des medialen Trägers. Die Verbindung von innerer und äußerer Gestalt, das heißt die Anerkennung eines Werks als kulturell wertvoll, hat auch unter den Bedingungen des wirtschaftlichen Austauschprozesses Bestand, wird als

3.3 Ableitungen der äußeren Gestalt

149

kulturell-kommunikativer Austausch jedoch subjektiv geformt und ist nicht einheitlich quantifizierbar. Zwar übernimmt Geld die Funktion alles über den Geldwert miteinander anschlussfähig bzw. vergleichbar zu machen, diese zieht allerdings nicht nach sich, dass der kulturelle Wert, der einem Werk zugeschrieben wird, erlischt, sondern dass sich komplexe Werte- und Funktionsverflechtungen formen; der Preis eines Werks (als die Zahl der zu entrichtenden Geldeinheiten) ist somit nicht als funktionale Äquivalenz zu dessen kulturellem Wert zu verstehen (Zembylas 2004, S. 109 f.). Es ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Tauschakt und ein ausgehandelter Preis nicht unweigerlich und in vollem Maße auf das anfangs beschriebene Bedürfnis nach Orientierung zurückzuführen sind. Ist ein Werk beispielsweise für einen Nachfrager ausschließlich als Investmentobjekt in einem diversifizierten Anlageportfolio von Interesse, erscheinen Zweifel angebracht, ob von dem oben genannten Bedürfnis auszugehen ist. Allerdings liegt diese Ausschließlichkeit eines Werks als Investmentobjekt nicht immer vor bzw. ist nicht eindeutig offenzulegen (vgl. Zembylas 1997, S. 86 f.).73 Der Preis übernimmt eine doppelte Funktion. So kann der Preis, obwohl er das für die Nachfrager zu erbringende Opfer darstellt, a priori als Hinweis über den vermuteten Nutzen der Leistung dienen (vgl. Völckner 2008, S. 359 ff.; Simon; Fassnacht 2009, S. 170 ff.). Dies spricht auch den sogenannten „Veblen-Effekt“

73

Auffällig ist die Betonung des Anlagecharakters vor allem in der bildenden Kunst. Sie ist, anders als industrialisierte Bereiche, wie etwa Film oder Musikaufnahmen, die nicht nur durch die physischen Trägermedien individuell angeeignet werden können (und somit einen gewissen (kulturellen und ökonomischen) Anlagecharakter besitzen), sondern seit jeher auch an ökonomischen Kriterien gemessenen werden, weit weniger mediatisiert und nicht derart von industriellen Produktionsbedingungen erfasst (Smudits 2002, S. 212). Insbesondere bei Einzelstücken ergibt sich die Möglichkeit zur Kapitalanlage, bei der zum Teil enorme Wertsteigerungen erzielt werden können. So bildet sich rund um den Handel mit Kunstwerken ein Konstrukt aus InvestorInnen, KunstberaterInnen etc., das verschiedenartige Anlagestrategien erlaubt. Rankings wie der „Kunstkompass“ oder der „Mei Moses Fine Art Index“ tragen ihr Übriges zu dieser Entwicklung bei. Zugleich kommen beim Kunsthandel auf dem Sekundärmarkt häufig Auktionsverfahren zum Einsatz, die sich zur Messung individueller Zahlungsbereitschaften anbieten. Die kunsthistorische Bedeutung eines Werks wird dabei beispielsweise bei der Schätzung des Anfangswerts über die Berücksichtigung der Herkunft und der bisherigen Präsentation in Museen und Privatsammlungen eingebunden.

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

an, der besagt, dass die Nachfrage nach bestimmten Gütern, hier ist vor allem der Bereich der „Kunst und Kultur“ gemeint, trotz Preiserhöhungen steigt, da mit dem Konsum ein gewisses Prestige verbunden wird. Die Bezeichnung geht auf Veblen (1958) zurück, der, wie oben bereits angesprochen, die Darstellung des sozialen Status und den Geltungskonsum der Oberschicht thematisiert. Dabei zeigt er die Verflechtung des Kostbaren mit dem Schönen auf, sodass „jeder Gegenstand nicht nur den Anforderungen der Schönheit, sondern auch denjenigen der Kostspieligkeit genügen muß, um unseren Schönheitssinn zu erregen. Doch ist dies nicht alles. Die Bedingung der Kostspieligkeit beeinflußt unseren Geschmack nämlich in der Art, daß sich der Geldwert mit der Schönheit unentwirrbar vermischt, worauf wir glauben, daß wir den Gegenstand nur um seiner Schönheit willen lieben. Die Merkmale der Kostspieligkeit werden allmählich zu Merkmalen der Schönheit. Der Gegenstand gefällt uns, weil er kostbar und deshalb ehrenvoll ist, und das Vergnügen, das er uns in dieser Eigenschaft bereitet, verschmilzt mit der Freude an seiner prachtvollen Form oder Farbe, so daß wir ein Schmuckstück oft ‚wahrhaft bezaubernd‘ finden, wo doch eine genaue Prüfung des ästhetischen Wertes höchstens die Feststellung zuließe, daß es seiner Kostbarkeit wegen ehrenvoll ist“ (ebenda, S. 132). Angesichts der Spannweite von (zum Teil absurd) hohen Preisen für Einzelstücke auf der einen und Einheitspreisen bei industriellen Produktionsbedingungen auf der anderen Seite spielt offenkundig eine gewichtige Rolle, ob es sich um ein Unikat handelt oder eine massenhaft produzierte Kopie vorliegt. So gilt der Konsum vor allem maschinell hergestellter Erzeugnisse, sofern die Merkmale der „Billigkeit“ und „Gemeinheit“ für Anzeichen künstlerischer Minderwertigkeit gehalten werden, gelegentlich auch als wenig ehrenvoll, eignet er sich schließlich nicht für den sozialen Vergleich mit anderen (vgl. ebenda, S. 159). Im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit, in dem „das Hier und Jetzt des Kunstwerks“, das heißt „sein einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet“, ausfällt (vgl. Benjamin 1963, S. 13), tritt die Bedeutung des „Originals“ (vgl. Zembylas 1997, S. 89 f.) vielfach in den Hintergrund. Boorstin (1987, S. 177) deutet diese Entwicklung in seinem erstmalig 1961 erschienen Buch „Das Image“ an, also fernab von Entwicklungen wie der Digitalisierung und moderner technischer Gerätschaften (Smartphone, Google Glass, 3D-Drucker etc.): „Das Original verliert so irgendwie seine Originalität. Die

3.4 Zwischenfazit

151

Kopie ist viel vertrauter. In der Tat ist es nur die Kopie, die wirklich populär ist. Sie erfreut uns meistens mehr. In der Gauguin-Ausstellung 1959 im Art Institute in Chicago klagten Besucher, daß die Originalgemälde weniger leuchtende Farben hätten als die bekannten Reproduktionen. Das Original selbst wird in einen technischen, auserlesenen Status versetzt. Es ist nur noch eine Art Prototyp, wie die Gußformen für die Bücher oder die Prägestempel, mit denen weitere Mengen hergestellt werden. Wir beginnen uns zu fragen, ob der Hauptzweck eines großen Kunstwerkes nicht der ist, eine Art Originalmatrize zu sein, von der Kopien gezogen werden können.“ In diesem Zusammenhang wird aber nicht Position bezogen gegen technischen Fortschritt oder in eine mancherorts anzutreffende kulturpessimistische Haltung eingestimmt, lediglich auf ein Umdenken hingewiesen, das auch Bereiche, in denen das Original (noch) einen hohen Stellenwert besitzt, erfassen kann.

3.4

Zwischenfazit

Die sektorale Aufarbeitung des „Marketing im Kulturbetrieb“ verläuft über den Kulturbegriff respektive die hieraus abgeleiteten Merkmale „Kollektiver Wert“, „Symbolhafte Repräsentation“ und „Medialer Träger“. Dabei wird davon ausgegangen, das Merkmal „Kollektiver Wert“ (als innere Gestalt der Kultur) wirke sich auf das Verhalten der Anbieter und Nachfrager im Austauschprozess aus und die Merkmale „Symbolhafte Repräsentation“ und „Medialer Träger“ (als äußere Gestalt der Kultur) ermöglichten Rückschlüsse zu transaktionsbestimmenden Eigenschaften der Austauschobjekte. Anhand der konstitutiven Merkmale des Kulturbegriffs werden sodann marketingtheoretische Überlegungen angestellt und thesenartig zusammengefasst. Dabei drückt sich das Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität, der sektoralen Ausrichtung entsprechend, lediglich abstrakt durch den Eintritt der Kultur in die Funktionsweise des Markts bzw. durch den Problemhintergrund einer ökonomisch und rechtlich strukturierten Grundlage aus. Die reduzierte Darstellung des Austauschprozesses, das Aufeinandertreffen von Kultur und Markt, zeigt deren enge Verbindung auf, gleichwohl die Ausführung, dem Anliegen der Arbeit geschuldet, nur als Annäherung zu verstehen ist. Für die Ausarbeitung des

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3 Sektorale Annäherung: Kulturgütermarketing

sektoralen Ansatzes wird für die Bezeichnung „Kulturgütermarketing“ plädiert. Sie entspricht sowohl der einheitlichen Sprachregelung als auch der Beschreibung des konkreten Objektbereichs. An dieser Stelle können kurz gefasst einige Aspekte zur sektoralen Annäherung angemerkt werden. Zunächst ist festzuhalten, dass der Kulturbegriff einer marketingtheoretischen Aufarbeitung nur schwer zugänglich ist. Eine Diskussion alternativer Auffassungen des Kulturbegriffs ist deshalb legitim, zugleich aber in gewisser Hinsicht müßig. Es gibt nicht den einen Kulturbegriff. So beschäftigen sich zahlreiche andere Wissenschaftsgebiete, wie beispielsweise die Anthropologie, Philosophie, Geografie oder auch die Jurisprudenz, mehr oder weniger mit Kultur und formulieren je nach Ziel, Methoden und Ausrichtung der Forschungsarbeit eigene Ansichten. Die Diskussion ist damit auf die Auslegung des Begriffs bzw. die abgeleiteten Merkmale und deren Bedeutung für die Entwicklung der Thesen zu richten. Die gewählte Vorgehensweise ist zu besprechen. Inwieweit sich die genannten Merkmale dabei als zweckmäßig und fruchtbar erweisen, kann lediglich im Hinblick auf alternative Merkmale beurteilt werden. Grundsätzlich kann zum Merkmal „Kollektiver Wert“ angeführt werden, dass die diesbezüglichen Ausführungen sehr abstrakt erscheinen, die erwähnten Wertkonkretisierungen aber stets zu bedenken sind. Ebenso ist hier nochmals explizit darauf hinzuweisen, dass das Merkmal auch auf andere Art erfasst und damit entsprechend sein Erklärungsgehalt für die Thesen diskutiert werden kann. Auf die sektorale Annäherung bezogen, erweist sich die Eignung des Merkmals „Kollektiver Wert“ zur Bestimmung des Objektbereichs „Kultur“ (bzw. „Kulturbetrieb“) als diffizil, da mit der Ausrichtung auf ein abstraktes Bedürfnis der Anwendungsbezug zum Teil über einen Nutzenbezug hergestellt wird. Kollektive Werte spielen im gesamten menschlichen Miteinander eine wesentliche Rolle. Sie stellen – wie häufig im Marketing genutzt – die soziale Umwelt dar, die in ihrer Bedeutung als übergeordnete Umweltdimension nicht auf bestimmte einzelwirtschaftliche Austauschprozesse beschränkt werden kann. In der Folge gelingt allein über das Merkmal „Kollektiver Wert“ keine trennscharfe Abgrenzung. Somit spannt ein derartiges Vorgehen einerseits den sektoralen Marketingansatz sehr weit – Überschneidungen sind kaum zu vermeiden –, bietet sich andererseits aber genau deshalb als Schnittstelle zu den

3.4 Zwischenfazit

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anderen, etablierten sektoralen Schwerpunkten an und kann beispielsweise kulturelle Aspekte im Konsumgüter- und Dienstleistungsmarketing vertiefend aufgreifen. Ein integratives Vorgehen mit den Merkmalen der äußeren Gestalt ermöglicht es den Objektbereich zugleich genauer zu umfassen. In der Beschreibung des Austauschobjekts als Informationsgut sowie der vorgeschlagenen typologischen Vorgehensweise zeigt sich, dass grundsätzlich jeder wahrnehmbare Gegenstand der Kultur zugeordnet werden kann. Es werden folglich nicht kategorisch bestimmte Objekte ausgegrenzt. Dem Problem eines grenzenlosen Objektbereichs wird entgegnet, indem das Objekt losgelöst von seinem ursprünglichen Nutzen betrachtet wird. Zugleich ist aber nicht jeder wahrnehmbare Gegenstand als Kulturgut aufzufassen. Ohne das Zusammenspiel mit der inneren Gestalt kann einem Werk kein kultureller Wert zugeschrieben werden. Wenn sich nun die Konzeption des „Marketing im Kulturbetrieb“ bzw. des „Kulturgütermarketing“ nicht auf bestimmte Güter festlegt, das heißt auch sich in der Analyse nicht nur auf die Vermarktung von bereits als Kultur anerkannten Gütern beschränkt, sondern das Bestreben berücksichtigt gewisse Güter und deren Anerkennung als Kulturgut gesellschaftlich durchzusetzen, dann verweist sie auf die Einflussnahme des Marketing auf die gesellschaftlichen Prozesse und damit auf die Veränderung dessen, was zum jeweiligen Zeitpunkt unter „Kunst und Kultur“ verstanden wird. Die Weiterentwicklung der Konzeption ist folglich auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Verantwortung zu bewerten (vgl. Kapitel 5.1). So sind beispielsweise Analyseinstrumente (z. B. PortfolioKonzepte), die ausschließlich wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen und damit die Ressourcenallokation eindimensional begründen, ebenso wie eine generelle Fokussierung auf wirtschaftliche Kennzahlen, die nur als kurzfristiger Maßstab für Erfolg dienen, für den Bereich der Kulturgüter ungeeignet. Es gilt Instrumente zu entwickeln, die den kulturellen Wert nicht nur auf den ökonomischen Wert reduzieren.

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Anders als in der vorstehenden Ausführung zum „Kulturgütermarketing“ beschreitet dieser Abschnitt den Weg einer branchenspezifischen Annäherung. Anhand einer ausgewählten Branche werden Überlegungen zum „Marketing im Kulturbetrieb“ angestellt. Grundlegend für diese Vorgehensweise ist die Annahme, unter Berücksichtigung der realen Gegebenheiten einer Branche könnten kulturbetriebsspezifische Besonderheiten für das Marketing identifiziert werden. Es geht hierbei ausdrücklich nicht um den Entwurf prognostischer Aussagen, weder zur Entwicklung einer Branche im Allgemeinen noch zur entsprechenden Marketingpraxis im Speziellen. Derartige Voraussagen sind zum einen nur schwer prüfbar, zum anderen angesichts der Ausdifferenzierung und der Dynamik der (Teil-)Branchen im Rahmen dieser Arbeit als spekulativ und daher nicht zweckmäßig anzusehen. Ausgangspunkt für die Ableitung der Besonderheiten des „Marketing im Kulturbetrieb“ sind hier die gegenwärtigen Umweltbedingungen der ausgewählten Branche. In Kapitel 4.1 wird die Entwicklung des Anwendungsbezugs aufgegriffen. Eine branchenspezifische Annäherung erweist sich insofern als Herausforderung, als sie zwar die Eigenheiten einer Branche erschließt, aber darüber hinausgehend Einsichten für das Konzept „Kulturbetrieb“ zulassen muss. Deshalb wird die Vorgehensweise zur Repräsentation des Kulturbetriebs thematisiert und für eine fallstudienartige Aufarbeitung zunächst die Musikwirtschaft ausgewählt. Mit der Konkretisierung des institutionellen Rahmens in Kapitel 4.2 werden anschließend zwei Austauschprozesse sowie deren Umwelt aufgegriffen. Hierauf aufbauend befasst sich Kapitel 4.3 sodann mit der Vermarktung der Musikaufnahmen, während sich Kapitel 4.4 auf die Vermarktung der Vermittlungsleistung bezieht. In den jeweiligen Unterkapiteln werden die Umweltbedingun-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. H. Gröppel, Marketing im Kulturbetrieb, Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3_4

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

gen behandelt und die entsprechenden Rückschlüsse für das Marketing in Form von Thesen dargestellt. Kapitel 4.5 beinhaltet ein Zwischenfazit.

4.1

Entwicklung des Anwendungsbezugs

Die grundlegende Annahme einer branchenspezifischen Aufarbeitung des „Marketing im Kulturbetrieb“ ist, dass Kultur (als Symbolproduktion und -vermittlung) in einem Wirtschaftszweig verortet werden kann. Um Austauschprozesse branchenspezifisch darzustellen, ist somit eine stärkere Konkretisierung notwendig, bei der Kultur als Teil des Austauschprozesses bereits vorausgesetzt wird. So wird nicht gefragt nach den Auswirkungen von bestimmten Merkmalen auf den Austauschprozess zwischen Anbieter und Nachfrager, sondern von einem konkreten Austauschprozess ausgegangen, um sodann die entsprechenden Umweltbedingungen und deren Auswirkungen auf den Markt in den Fokus rücken zu können. Kapitel 4.1.1 geht zu Beginn auf den branchenspezifischen Ansatz ein. Im Anschluss beschäftigt sich Kapitel 4.1.2 mit der Repräsentation des Kulturbetriebs. So wird im Rahmen der branchenspezifischen Annäherung, anstatt anekdotenhaft eine Vielzahl von Austauschprozessen in den unterschiedlichen (Teil-)Branchen der Kulturwirtschaft zu thematisieren, eine ausgewählte Branche fallstudienartig behandelt. Dabei wird in einem ersten Schritt die Musikwirtschaft ausgewählt, um anhand derer im weiteren Verlauf die Konkretisierung des institutionellen Rahmens zu erläutern.

4.1.1

Branchenspezifischer Ansatz

Neben dem zuvor angesprochenen sektoralen Marketing ist unter dem Anwendungsbezug auch das branchenspezifische Marketing zu fassen. Da die Ausgestaltung des Marketing für viele Betriebe in ihrer jeweiligen Situation eine Herausforderung darstellt, sind Ausführungen zu den sehr vielfältigen branchenspezifischen Besonderheiten für das Marketing inzwischen zahlreich vorhanden.

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

157

So findet in der Forschung und Lehre eine vermehrte Auseinandersetzung mit Fragestellungen zu bestimmten Branchen statt – eine Entwicklung, die auch darauf zurückgeht, dass „die Universitäten in zunehmenden Maße die Werbewirksamkeit des Angebots von Wahlfächern wie Krankenhaus-, Tourismus-, Bankenmanagement oder Automobilwirtschaft etc. [erkennen]“ (Tscheulin; Helmig 2001, S. 28). Sich an den realen Gegebenheiten der Praxis zu orientieren, ist der Versuch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Bereitschaft der Praxis zur Abstraktion bzw. Adaption in der Regel nicht besonders ausgeprägt ist und wissenschaftliche Erkenntnisse lediglich dann umgesetzt werden, wenn diese auf ein bestimmtes Betätigungsfeld rekurrieren (vgl. Voeth 2003a, S. 10). Dementsprechend wird eine Branchenorientierung von der Praxis gern gesehen, was sich nicht zuletzt in einem möglichen Vertrauensvorschuss bei den Arbeitsmarktchancen der AbsolventInnen der spezialisierten Betriebslehren widerspiegelt (Tscheulin; Helmig 2001, S. 28). Gleichzeitig finden sich in der Wissenschaft kritische Töne, die eine vermehrte Beschäftigung mit den Besonderheiten spezieller Branchen als problematisch beschreiben (Homburg 2000, S. 354): „Eine fatale Konsequenz eines überzogenen Strebens nach Praxisorientierung wäre (bzw. ist) eine zunehmende Spezialisierung auf Marketingfragestellungen in speziellen Branchen. […] Forschung hat mit der Entwicklung generalisierbaren Wissens zu tun. Wer sich immer mehr in den (vermeintlichen) Besonderheiten spezieller Branchen bewegt, verliert diesen Generalisierungsanspruch und letztendlich den wissenschaftlichen Anspruch überhaupt. Begriffe wie Kulturmarketing, Stadtmarketing, Regionalmarketing, Sportmarketing und Tourismusmarketing sind Symptome einer problematischen Entwicklung.“ Häufig scheint bei Diskussionen (in Wissenschaft und Praxis) ein stillschweigendes Einverständnis zu herrschen, wenn es um die Frage geht, was in einem konkreten Fall als eine Branche (bzw. ein Markt) zu verstehen ist; zumindest wird vielfach auf eine nähere Erläuterung verzichtet und der grobe Umriss ergibt sich lediglich aus dem Kontext (Bauer 1995, S. 1709; Wagner; Baldauf 2007, S. 253). Die Auffassung davon, wie sich eine Branche zusammensetzt bzw. von anderen abgrenzt, ist dennoch grundlegend für Aussagen über ebenjene. Hilfestellungen bieten etwa feste Einteilungen der Wirtschaftszweige. Eine weit verbreitete Einteilung, die beispielsweise auch in der „Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft“ (Eurostat

158

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

2008) weitestgehend übernommen wird, ist die „International Standard Industrial Classification of All Economic Activities“ der UN (2008). Allerdings ist diese nicht verbindlich und entspricht nur bedingt der Wahrnehmung der betrieblichen Praxis. Meist wird deshalb von historisch gewachsenen Gebilden ausgegangen. Orientierung bieten dabei Branchenverbände, sprich Betriebe, die sich in der Praxis zusammenschließen bzw. als zusammengehörig empfinden (vgl. Scheuch 1998, S. 61). Grundlage hierfür stellen bestimmte, charakteristische Produkte dar. Ausgegangen wird damit implizit auch von den dahinterstehenden Wertschöpfungsstrukturen bzw. Marktketten. Welche Produkte für die Branchenbildung herangezogen werden bzw. wie grob oder wie eng Produktkategorien ausgelegt werden, ist dabei sehr unterschiedlich. Zum Teil wird, um der Praxis mit der Darstellung von kleineren, homogeneren Gruppen entgegenzukommen, eine sehr enge Auslegung einer Branche vorgenommen; die Gültigkeit der so gewonnen Aussagen bleibt entsprechend begrenzt (vgl. Engelhardt 2000, S. 110 f.). Wird eine Branche über eine bestimmte Leistung gebildet, wird meist auf eine genaue Abgrenzung bzw. Einordnung der Wirtschaftsbereiche verzichtet. Demnach ist das branchenspezifische Marketing als fragmentiert bzw. dessen Anordnung und Abgrenzung als nicht strukturiert anzusehen. Eine Darstellung des branchenspezifischen Marketing ähnlich jener Auflistung zum sektoralen Ansatz ist nicht möglich. Die Problematik sich in der Forschung auf eine derartig enge Ausrichtung zu beschränken, entspricht der von Levitt (1960) als „Marketing Myopia“ bezeichneten Gefahr der kurzfristigen (bzw. kurzsichtigen) Marktabgrenzung in der betrieblichen Praxis. Eine branchenspezifische Betrachtung bleibt damit hauptsächlich auf das aus den realen Gegebenheiten Bekannte beschränkt. Neue Szenarien werden aufgrund des stärkeren Anwendungsbezugs nur bedingt denkbar. Ferner veranlassen Veränderungen im Realbereich (durch Dynamik in der Umwelt) dazu bestehende Erkenntnisse (ständig) zu revidieren. Bei einer solchen Ausrichtung der Forschungsarbeit können diese Veränderungen sogar einen wissenschaftlichen Forschungsbereich (schneller) überflüssig machen, sofern eine Branche sich wandelt bzw. auflöst und somit der anvisierte Objektbereich hinfällig wird. Es gilt mit Bezug auf die zeitliche Marktabgrenzung in der Praxis (Wagner; Baldauf 2007, S. 261): „Eine einmal durchgeführte Marktabgrenzung ist kein endgültiges, immerwährendes Ergebnis, sondern beinahe bei jeder

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

159

Entscheidung kritisch zu hinterfragen. Märkte sind laufend neu zu bestimmen und abzugrenzen, da sich sachliche und räumliche Dimensionen […] verwandeln können.“ Zu beachten ist, dass zwar Betriebe zu einer Branche zusammengefasst werden, die in dem konkreten Leistungsangebot eine Gemeinsamkeit aufweisen, ob dieses aber Auswirkungen für die Konzeption des Marketing beinhaltet (und eine entsprechende Ausarbeitung rechtfertigt), sich also im Hinblick auf die Austauschprozesse als besonders herausstellt, ist fraglich. Im engeren Sinne stellt sich sogar die Frage, was überhaupt als besonders zu verstehen ist, da keine Referenzbranche vorliegt. Demnach ist denkbar, dass Aspekte als besonders aufgefasst werden, die womöglich auch in anderen Wirtschaftszweigen auftreten. Aufgrund der stärkeren Konkretisierung der Austauschprozesse wird in der branchenspezifischen Annäherung im Folgenden vor allem auf die Umweltbedingungen eingegangen. Möglich wird damit auch die Anbindung an die sektorale Annäherung herzustellen und Überschneidungen zwischen den Abschnitten zu vermeiden. Aus den jeweiligen Bedingungen einer Branche ergeben sich demnach zu berücksichtigende Unterschiede bzw. Schwerpunkte. Es handelt sich dabei nicht um gänzlich neue bzw. andersartige Marketingansätze, sondern eher um einzelne branchenspezifische Aspekte. Tscheulin und Helmig (2001, S. 22) zählen als branchenspezifische Besonderheiten beispielsweise rechtliche Restriktionen (z. B. Preispolitik in der Pharmabranche), ethische Gesichtspunkte (z. B. Vermarktung von Gesundheitsleistungen) sowie Spezifika der wettbewerblichen Situation (z. B. Wettbewerbsdruck im Lebensmitteleinzelhandel) auf.

4.1.2

Repräsentation des Kulturbetriebs

Da eine branchenspezifische Annäherung an das „Marketing im Kulturbetrieb“ notwendigerweise an eine Konkretisierung der Austauschprozesse und deren Umweltbedingungen gebunden ist, wird eine entsprechende Einordnung in die Forschungsarbeit notwendig. Ausgangspunkt hierfür ist das Konzept „Kulturbetrieb“, das allgemein als Umwelt der Produktion und Vermittlung von Kultur

160

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

verstanden wird, dabei aber sowohl die Gesamtheit eines institutionell strukturierten Rahmens als auch eine organisierte Wirtschaftseinheit darstellen kann (Zembylas; Tschmuck 2006, S. 7; Heinrichs 2011, S. 131). Ist die Rede von der Repräsentation des Kulturbetriebs, so ist dies zunächst dem Verständnis gemäß ebenfalls makro- wie mikroperspektivisch zu verstehen. Damit wird das Konzept „Kulturbetrieb“ differenziert aufgegriffen. Kapitel 4.1.2.1 setzt sich vorab mit Kultur als Wirtschaftszweig auseinander und thematisiert dabei insbesondere die Kulturwirtschaft. Der Begriff erweist sich allerdings eher auf kultur- bzw. wirtschaftspolitischer Ebene als relevant, bietet sich aber aufgrund der Darstellung der (Teil-)Branchen als ein erster Ansatzpunkt an. In Kapitel 4.1.2.2 wird sodann die fallstudienartige Vorgehensweise dargestellt und in einem ersten Schritt Musik bzw. die Musikwirtschaft als Gegenstand der branchenspezifischen Annäherung ausgewählt.

4.1.2.1

Kultur als Wirtschaftszweig

In modernen westlichen Gesellschaften ist das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft stets von Spannung geprägt (vgl. beispielsweise Eikhof; Haunschild 2007; Holbrook 2005). Angesichts einer ansteigenden Kommerzialisierung der Kultur äußert sich diese etwa in einer marxistisch geprägten Kapitalismuskritik. So nimmt insbesondere die Frankfurter Schule – auch vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs – eine ablehnende Haltung gegenüber einer sich ausbreitenden „Kulturindustrie“ ein. Horkheimer und Adorno (1947, S. 166) sprechen in diesem Zusammenhang von „Aufklärung als Massenbetrug“, denn „[i]mmerwährend betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend verspricht.“ Im Gegensatz zu authentischer Kunst, die nur dem Selbstzweck dient, degradiert, so die Kritik, eine ausschließlich auf Massentauglichkeit ausgerichtete Industrie die (massenmedial verbreitete) Kultur zur bloßen (Tausch-)Ware, betrachtet Menschen lediglich in ihrer Funktion als KonsumentInnen und unterdrückt die subversive Kraft des künstlerisch-kreativen Schaffens. Eine derart grundsätzlich kritische Haltung gegenüber der Verbindung von Kultur und wirtschaftlicher Verwertung ist – wohl aufgrund der

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

161

Übersetzung des kapitalistischen Wirtschaftssystems in eine ökonomische Realität – nur noch selten anzutreffen.74 Zwar schließt etwa Enzensberger (1997) noch an diese Kritik an, spricht aber von einer „Bewußtseins-Industrie“ und bemüht sich um den Wandel von einem repressiven zu einem emanzipatorischen Mediengebrauch. Insbesondere Miège (1989) verwendet in der Folge jedoch den Begriff der Kulturindustrien (also in der Pluralform) und bringt damit das Ersuchen nach einer differenzierteren Auseinandersetzung zum Ausdruck. So verändert sich auch durch die vermehrte wissenschaftliche Beschäftigung mit den Phänomenen der Kulturindustrie (z. B. im Rahmen der Cultural Studies) die Bewertung und Einordnung des Begriffs.75 Smudits (2002, S. 142) verbindet schließlich die Kulturindustrie, abseits der zumeist von Emotionen und Ideologien getriebenen Debatte, mit neuen Produktionsmitteln (ebenso wie Distributions- und Rezeptionsmitteln), die im Zusammenhang mit kulturellem Schaffen zunehmende Verwendung finden, und den damit einhergehenden strukturellen Veränderungen. Zwar mag die Verknüpfung von Kultur und Wirtschaft in kapitalistischen Gesellschaften besonders stark zum Vorschein treten, in mancher Kritik an dem Ausmaß der Kommerzialisierung sogar als eine Überformung des Kulturguts durch das Wirtschaftsgut, dennoch geht dieses Bündnis unweigerlich mit der selbstständigen Ausübung des Kulturschaffens einher. So ist das Kulturschaffen eng mit UnternehmerInnentum bzw. Selbstvermarktung verbunden (vgl. Fillis

74

Kritik richtet sich beispielsweise eher an die Hegemonie US-amerikanischer Konzerne bzw. eine zunehmende Dominanz durch ihre internationalen Verwertungsstrukturen (vgl. Hesmondhalgh 2013, S. 270 ff.).

75

Beispielhaft kann eine mögliche Gegenposition zu einer grundsätzlich kritischen Beurteilung der (Massen-)Medien in einer anthropologischen Auffassung gesehen werden. Eine solche findet sich schon bei McLuhan (1992), der Medien als Ausweitungen der eigenen Person (bzw. Erweiterung der Sinneswahrnehmung) beschreibt. Eine generell kulturpessimistische Haltung ist in einer derartigen Sichtweise nur schwer vertretbar. Ebenso wird in den Cultural Studies ein Bild der RezipientInnen gezeichnet, dass sich deutlich von der Vorstellung von gefügigen KonsumentInnen der „Kulturindustrie“ unterscheidet. Willis (1981, S. 17) zeigt etwa anhand zweier schichtspezifischer Gruppierungen, „daß unterdrückte, untergeordnete bzw. Minderheitengruppen eine eigene kraftvolle Kultur aufbauen können und nicht einfach die Gelackmeierten sind, die Opfer in einem sozialen System, das sich überwältigend vor ihnen auftürmt und von den kapitalistischen Medien und Einrichtungen des Kommerzes bestimmt wird.“

162

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

2000; 2014; Brown 2011). Namhafte Beispiele aus früheren Zeiten sind James Joyce, Salvador Dalí oder Andy Warhol (vgl. Fillis 2000, S. 59 ff.; Patterson; Brown 2000, S. 74 ff.; Schroeder 2010, S. 20 ff.). Anhand des professionellen Musikschaffens lässt sich die Entwicklung verdeutlichen: Das Musizieren steht lange Zeit im Dienste des Hofes, nichts anderes als eine (wirtschaftliche) Abhängigkeit von der Gunst der FürstInnen, verlangt aber mit der Abkehr der Musikschaffenden vom fürstlichen Hofstaat nach Veränderungen, sodass freischaffende KomponistInnen bereits damals – und dies auch in wirtschaftlicher Hinsicht zum Teil mit beachtlichem Erfolg – den Absatz der künstlerischkreativen Leistungen am Markt verfolgen. Unbestritten bleibt an dieser Stelle aber, dass sich beispielsweise mit dem Notendruck, später auch mit der Entwicklung des Phonographen (durch Thomas Alva Edison im Jahr 1877) und des Grammophons (durch Emil Berliner im Jahr 1887) zunehmend industrielle Produktionsformen durchsetzen. Inzwischen scheint nicht nur die ablehnende Haltung abgelegt (bzw. relativiert). Es wird sogar in Politik und Wirtschaft (und zum Teil auch in der Wissenschaft) versucht den Begriff „Kulturwirtschaft“76 zunehmend positiv zu besetzen, sodass dieser mittlerweile vermehrt Verwendung findet, nicht nur um Kultur in einem Wirtschaftszweig zu erfassen, sondern ebenso um ihn als einen zentralen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Faktor für die Gesamtwirtschaft zu positionieren (vgl. UNESCO 2013, S. 20 f.; DBT 2007, S. 335 ff.; EK 2006, S. 135 ff.). Bisweilen wird hierin, angesichts einer rückläufigen bildungsbürgerlichen Legitimation, eine Neuausrichtung der Kulturpolitik gesehen, weg von dem traditionellen Fokus der öffentlichen Förderung und hin zu einer mehr wirtschaftlich motivierten Ausrichtung (vgl. Throsby 2010, S. 88; Hesmondhalgh 2013, S. 165 ff.). Auf diese Weise kann auch die auf kulturpolitischer Ebene eingebrachte Rechtfertigung öffentlicher Kulturbetriebe durch

76

Die Bezeichnung stellt dabei ein Kompositum aus dem eigentlichen Charakteristikum (z. B. „Kultur“, „Medien“) und dem Verweis auf die Funktionsweise (z. B. „Wirtschaft“, „Industrie“) dar. Demzufolge kommen zur Bezeichnung des Wirtschaftszweigs noch weitere Begriffe zum Einsatz (z. B. „Contentindustrie“, „Medienwirtschaft“, „Unterhaltungsindustrie“ oder auch „Freizeitmarkt“).

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

163

Umwegrentabilität oder ihre Relevanz für den Tourismus als eine vermehrt wirtschaftliche Argumentation interpretiert werden. Diesem Vorgehen grundsätzlich zugutezuhalten ist der Versuch die realen Bedingungen, die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kulturschaffenden zu erfassen und somit das noch gelegentlich verbreitete romantische Image abzulegen, um – abseits des öffenlich geförderten Kultursektors – auf die Probleme der vornehmlich privatwirtschaftlich organisierten Kulturwirtschaft hinzuweisen (Zimmermann; Schulz 2009, S. 22). Zugleich lässt eine stärkere wirtschaftliche Ausrichtung Zweifel aufkommen an einem dirigistischen Etatismus und offenbart eine brüchige Entscheidungsgrundlage der Kulturfinanzierung, die sich ausdrückt in einer konzeptionellen Schwäche des kulturpolitischen Handelns (vgl. Wagner 2006, S. 163 ff.). Gleichwohl sich die Verwendungen des Begriffs zunehmend annähern, liegt bislang keine allgemein anerkannte Definition vor (Loock; Grundorf 2011, S. 198; Throsby 2010, S. 88 f.). Dies scheint problematisch, sofern auf der Grundlage der jeweiligen Definition die ökonomische Bedeutung erfasst und der politische Handlungsrahmen abgesteckt wird, jedoch keine regionale bzw. internationale Vergleichbarkeit gegeben ist (DBT 2007, S. 343). So weichen die Begriffsauffassungen beispielsweise hinsichtlich des Einbezugs öffentlich finanzierter Kultureinrichtungen voneinander ab. Dementsprechend wird teilweise zwischen Kulturwirtschaft im engeren und weiteren Sinne unterschieden (Loock; Grundorf 2011, S. 199 f.). Ferner ist gelegentlich auch von der „Kreativwirtschaft“ die Rede. Der Begriff umfasst über die Kulturwirtschaft hinausgehend meist noch weitere Bereiche. Einerseits geht die Begriffsverwendung folglich auf unterschiedliche analytische Ausgangspositionen zurück, andererseits werden die Begriffe häufig – mangels Durchblick – synonym verwendet und dienen in kulturpolitischen Debatten lediglich als Modewörter zur Verortung und Betonung des besonderen Stellenwerts (UNESCO 2013, S. 19): „Many cultural actors and institutions also have adopted them in their self-descriptions, although by doing so they may be applying the idiom of ‚industry‘ to activities that are neither industrial in nature or scope nor profit-making (but instead require permanent subsidy). In some cases, identifying with this now fashionable category is thought to be a means of securing greater investment, political support and sometimes funding to sectors

164

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

that have been historically overlooked. Yet, some people feel the terms have developed an ambiguous, buzzword quality that is hyped by politicians, seen sceptically by academics, and employed by artists and creative professionals when it suits their cause.“ In den Berichten zur Kulturwirtschaft wird zumeist eine (teil-)branchenbezogene Gliederung verfolgt, auch um (aufgrund der in der Regel fehlenden eigenen statistischen Erhebung) das verfügbare Datenmaterial verwerten zu können (Zimmermann; Schulz 2009, S. 26); alternative Vorgehensweise (z. B. nach Berufsgruppen) kommen seltener zum Einsatz. Die Brancheneinteilung ist dabei zu verstehen als eine Strukturierung nach Leistungsart. Entsprechend ergibt sich die Abgrenzung anhand der gehandelten Güter (bzw. Gattungen) und eine beliebige Reihe aus den Branchen Buch, Musik, Zeitung, Museum, Film, Theater etc. ist die Folge, wobei auch hier beispielsweise die Produktkategorie Buch als konkrete Erscheinungsform nicht mit einer Kunstgattung wie Musik als gleichwertig anzusehen ist. Dieses Verständnis dominiert, ist aber letztlich nicht mehr als eine bloße Aufzählung und damit eine (unscharfe) Abgrenzung über Produkte bzw. Leistungen. Derartige Branchenkataloge stellen historisch gewachsene bzw. standespolitisch motivierte Zusammenfassungen von Betrieben dar und bieten mit ihrer Eindeutigkeit einerseits zwar eine relativ einfache Möglichkeit einzelne Branchen anhand von Verbänden, Innungen oder Kammern zu identifizieren, gehen jedoch andererseits bei einer Analyse mit der Gefahr einher, in der jeweiligen Routine verharrend, Veränderungen im Zeitverlauf zu übersehen (vgl. Schuh; Holzmüller 2005, S. 15). Insbesondere der Versuch auf kultur- bzw. wirtschaftspolitischer Ebene den eigenen regionalen bzw. nationalen Gegebenheiten gerecht zu werden, lässt unterschiedliche Klassifikationen entstehen (UNESCO 2013, S. 21). Inwieweit aber Design, Mode, Software oder Architektur, also Bereiche, die einem bestimmten Zweck dienen, zur Kulturwirtschaft gezählt werden können, löst durchaus Kontroversen aus und ist Gegenstand von kritischen Anmerkungen zur Abgrenzung der Kulturwirtschaft (vgl. beispielsweise Galloway; Dunlop 2007). Einen exemplarischen Einblick in die Verschiedenartigkeit der Abgrenzungen und Strukturierungen zur Kultur-

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

165

wirtschaft liefert die in Tabelle 4 dargestellte Übersicht ausgewählter Klassifikationen.77 Tabelle 4: Quelle

Ausgewählte Klassifikationen der Kulturwirtschaft Klassifikation der (Teil-)Branchen Creative Industries U.S.A. (Americans for the Arts Model)

AFTA 2015, S. 2

BMWi 2017, S. 183

Museums and Collections (Museums; Zoos and Botanical; Historical Society; Planetarium); Performing Arts (Music; Theater; Dance; Opera; Services and Facilities; Performers (not elsewhere classified)); Visual Arts and Photography (Crafts; Visual Arts; Photography; Services); Film, Radio and Television (Motion Pictures; Television; Radio); Design and Publishing (Architecture; Design; Publishing; Advertising); Arts Schools and Services (Arts Councils; Arts Schools and Instruction; Agents) Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschland Kulturwirtschaft: Musikwirtschaft; Buchmarkt; Kunstmarkt; Filmwirtschaft; Rundfunkwirtschaft; Markt für darstellende Künste; Designwirtschaft; Architekturmarkt; Pressemarkt Kreativwirtschaft: Werbemarkt; Software- und Games-Industrie Creative Industries United Kingdom

DCMS 2016, S. 22

Advertising and Marketing; Architecture; Crafts; Design: Product, Graphic and Fashion Design; Film, TV, Video, Radio and Photography; IT, Software and Computer Services; Publishing; Museums, Galleries and Libraries; Music, Performing and Visual Arts Cultural and Creative Sector Core Arts Field: Visual Arts (Crafts; Paintings; Sculpture; Photography); Performing Arts (Theatre; Dance; Circus; Festivals); Heritage (Museums; Libraries; Archaeological Sites; Archives)

EK 2006, S. 56

Cultural Industries: Film and Video; Television and Radio; Video Games; Music (Recorded Music Market; Live Music Performances; Revenues of Collecting Societies in the Music Sector); Books and Press (Book Publishing; Magazine and Press Publishing) Creative Industries and Activities: Design (Fashion Design; Graphic Design; Interior Design; Product Design); Architecture; Advertising

77

Die hier dargestellten Klassifikationen basieren auf der Auswahl des „Creative Economy Report 2013“ (UNESCO 2013, S. 22), allerdings aktualisiert sowie ergänzt um die „Kreativwirtschaft“ in Österreich, die „Kultur- und Kreativwirtschaft“ in Deutschland sowie den „Cultural and Creative Sector“ der Europäischen Kommission.

166

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft Related Industries: PC Manufacturers, MP3 Player Manufacturers, Mobile Industry, etc. Symbolic Texts Model

Hesmondhalgh 2013, S. 17 ff.

Core Cultural Industries: Broadcasting; Film Industries; Music Industries; Print and Electronic Publishing; Video and Computer Games; Advertising, Marketing and Public Relations; Web Design Peripheral Cultural Industries (e.g. Theatre) Borderline Cultural Industries: Consumer Electronics/Cultural Industry Hardware; Information Technology; Internet Industries; Fashion; Sport Concentric Circles Model Core Creative Arts: Literature; Music; Performing Arts; Visual Arts

Throsby 2010, S. 92

Other Core Cultural Industries: Film; Museums, Galleries, Libraries; Photography Wider Cultural Industries: Heritage Services; Publishing and Print Media; Sound Recording; Television and Radio; Video and Computer Games Related Industries: Advertising; Architecture; Design; Fashion UNESCO Framework for Cultural Statistics

UNESCO; UIS 2009, S. 24 ff.

Cultural Domains: Cultural and Natural Heritage (Museums (also virtual); Archeological and Historical Places; Cultural Landscapes; Natural Heritage); Performance and Celebration (Performing Arts; Music; Festivals, Fairs and Feasts); Visual Arts and Crafts (Fine Arts; Photography; Crafts); Books and Press (Books; Newspaper and Magazine; Other Printed Matter; Library (also virtual); Book Fairs); Audio-visual and Interactive Media (Film and Video; TV and Radio (also Internet Live Streaming); Internet Podcasting; Video Games (also Online)); Design and Creative Services (Fashion Design; Graphic Design; Interior Design; Landscape Design; Architectural Services; Advertising Services) Related Domains: Tourism (Charter Travel and Tourist Services; Hospitality and Accommodation); Sports and Recreation (Sports; Physical Fitness and Well Being; Amusement and Theme Parks; Gambling) World Intellectual Property Organization Copyright Model Core Copyright Industries: Press and Literature; Music, Theatrical Productions, Operas; Motion Picture and Video; Radio and Television; Photography; Software, Databases, and Computer Games; Visual and Graphic Arts; Advertising Services; Copyright Collective Management Societies

WIPO 2015, S. 47 ff.

Interdependent Copyright Industries: TV Sets, Radios, CD-DVD-Blu-ray Players, Electronic Game Equipment, and other similar Equipment; Computers and Equipment; Tablets and Smartphones; Musical Instruments; Photographic and Cinematographic Instruments; Photocopiers; Blank Recording Materials; Paper Partial Copyright Industries: Apparel, Textiles, and Footwear; Jewelry and Coins; Other Crafts; Furniture; Household Goods, China, and Glass; Wall Coverings and Carpets; Toys and Games; Architecture, Engineering, Surveying; Interior Design; Museums

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

167

Non-dedicated Support Industries: General Wholesale and Retailing; General Transportation; Information and Communication (including Wired, Wireless, Satellite, and Internet) Kreativwirtschaft Österreich WKÖ 2017, S. 37

Architektur; Buch und Verlagswesen; Design; Filmwirtschaft; Markt für darstellende Kunst; Musikwirtschaft; Radio und TV; Software und Games; Werbung; Bibliotheken, Museen sowie botanische und zoologische Gärten

Um einen Einblick in die Bedeutung der Kulturwirtschaft zu bekommen, werden im Folgenden kurz einige Eckdaten zur „Kreativwirtschaft“ in Österreich sowie zur „Kultur- und Kreativwirtschaft“ in Deutschland aufgeführt. Aufgrund der unterschiedlichen Klassifikationen, die in den Berichten zur Anwendung kommen, ist die Vergleichbarkeit allerdings nur eingeschränkt gegeben.

„Kreativwirtschaft“ in Österreich In Österreich wird der Begriff „Kreativwirtschaft“ verwendet. Zusammengefasst werden hierunter nach der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ 2017, S. 37) „erwerbsorientierte Unternehmen, die sich mit der Schaffung, Produktion und (medialen) Distribution von kreativen und kulturellen Gütern sowie Dienstleistungen beschäftigen.“ Wie Tabelle 5 zu den Eckdaten der „Kreativwirtschaft“ in Österreich im Jahr 2014 zeigt, werden insgesamt neun Bereiche diesem Wirtschaftszweig zugerechnet.78 Mit 8,6 Milliarden Euro macht die „Kreativwirtschaft“ einen Anteil von 3,9 Prozent der Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft aus (ebenda, S. 46). Aufgrund des mit 61 Prozent hohen Anteils an Ein-Personen-Unternehmen ist die österreichische „Kreativwirtschaft“ vornehmlich kleinbetrieblich strukturiert; Unternehmen mit zwei bis vier Beschäftigten machen 28 Prozent, Unternehmen mit fünf bis neun Beschäftigten 6 Prozent und

78

Der Bereich „Bibliotheken, Museen sowie botanische und zoologische Gärten“ wird im Kreativwirtschaftsbericht nur bedingt berücksichtigt, da lediglich ein geringer Teil der Privatwirtschaft zugerechnet wird und nur begrenzt Datenmaterial vorliegt (WKÖ 2017, S. 46).

168

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten 5 Prozent aller Unternehmen der „Kreativwirtschaft“ aus (ebenda, S. 63). Tabelle 5:

Eckdaten zur „Kreativwirtschaft“

(Teil-)Branche

Unternehmen

Beschäftigte

Umsatz

Architektur

5.841

13,83 %

17.576

11,53 %

1.698 Mio. €

7,86 %

Buch und Verlagswesen

4.044

9,57 %

22.981

15,08 %

3.846 Mio. €

17,80 %

Design

1.925

4,56 %

3.434

2,25 %

265 Mio. €

1,23 %

Filmwirtschaft

3.978

9,42 %

10.864

7,13 %

1.052 Mio. €

4,87 %

Markt für darstellende Kunst

8.441

19,98 %

23.272

15,27 %

2.436 Mio. €

11,28 %

Musikwirtschaft

1.208

2,86 %

3.070

2,01 %

323 Mio. €

1,50 %

Radio und TV

90

0,21 %

4.946

3,25 %

1.294 Mio. €

5,99 %

Software und Games

7.465

17,67 %

38.297

25,13 %

6.232 Mio. €

28,85 %

Werbung

9.249

21,90 %

27.937

18,33 %

4.456 Mio. €

20,63 %

Kreativwirtschaft

42.241

100 %

152.377

100 %

21.601 Mio. €

100 %

Anteil KW an Gesamtwirtschaft

10,8 %

4,6 %

2,8 %

Quelle: WKÖ 2017, S. 59

„Kultur- und Kreativwirtschaft“ in Deutschland In Deutschland werden auf Grundlage der Wirtschaftsministerkonferenz (WMK 2009, S. 5) in ähnlicher Weise Unternehmen, die „überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen“, dem Wirtschaftszweig „Kultur- und Kreativwirtschaft“ zugeordnet. Der Bereich „Kulturwirtschaft“ umfasst dabei neun (Teil-)Branchen,

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

169

zwei weitere werden in dem Bereich „Kreativwirtschaft“ erfasst (BMWi 2017, S. 183; WMK 2009, S. 47 f.).79 Die „Kultur- und Kreativwirtschaft“ stellt im Jahr 2014 mit einer Bruttowertschöpfung von 64 Milliarden Euro 2,19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (vgl. BMWi 2017, S. 14). Geprägt ist die „Kultur- und Kreativwirtschaft“ in Deutschland vorwiegend von Kleinstunternehmen (bis 2 Millionen Euro Umsatz). Diese Gruppe umfasst 239.094 Unternehmen und stellt damit 96,8 Prozent aller Unternehmen; die anderen Größenklassen weisen deutlich weniger Unternehmen aus: 5.425 kleine Unternehmen (von 2 bis 10 Millionen Euro Umsatz) belegen 2,2 Prozent; 899 mittlere Unternehmen (von 10 bis 50 Millionen Euro Umsatz) und 200 Großunternehmen (ab 50 Millionen Euro Umsatz) stellen 0,4 Prozent bzw. 0,1 Prozent der Unternehmen der „Kulturund Kreativwirtschaft“ in Deutschland (ebenda, S. 26 f.). Tabelle 6 liefert Eckdaten zur „Kultur- und Kreativwirtschaft“ und ihrer (Teil-)Branchen im Jahr 2014. Tabelle 6:

Eckdaten zur „Kultur- und Kreativwirtschaft“

(Teil-)Branche

Unternehmen

Erwerbstätige

Musikwirtschaft

13.759

4,61 %

47.788

4,06 %

7.896 Mio. €

4,80 %

Buchmarkt

16.798

5,63 %

75.915

6,44 %

13.686 Mio. €

8,32 %

Kunstmarkt

12.794

4,29 %

18.246

1,55 %

2.091 Mio. €

1,27 %

Filmwirtschaft

18.267

6,12 %

57.416

4,87 %

9.328 Mio. €

5,67 %

Rundfunkwirtschaft

18.074

6,06 %

41.689

3,54 %

9.378 Mio. €

5,70 %

79

Umsatz

Grundsätzlich problematisch scheint die eingeschränkte Verwertbarkeit des zur Verfügung stehenden statistischen Datenmaterials (vgl. DBT 2007, S. 349 ff.). Der aufgelistete Bereich „Sonstige“ etwa umfasst Wirtschaftszweige, die aufgrund mangelnden Bezugs zur kulturwirtschaftlichen Aktivität keiner (Teil-)Branche zugewiesen werden, aber in der rechnerischen Auswertung berücksichtigt werden müssen (BMWi 2017, S. 183; WMK 2009, S. 49). Ebenso werden einige Unternehmen doppelt gezählt; der errechnete Anteil der „Kultur- und Kreativwirtschaft“ an der Gesamtwirtschaft bezieht sich allerdings auf die Daten ohne Doppelzählung (246.967 Unternehmen, 1.055.742 Erwerbstätige, 146.895 Millionen Euro Umsatz) (vgl. BMWi 2017, S. 160 f.). Des Weiteren sind 1.348 Unternehmen (bzw. 0,5 Prozent der Unternehmen) aus Geheimhaltungsgründen in der amtlichen Statistik keiner der vier genannten Umsatzgrößenklassen zuordenbar (ebenda, S. 27).

170

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Markt für darstellende Künste

17.473

5,86 %

38.800

3,29 %

4.262 Mio. €

2,59 %

Designwirtschaft

55.624

18,65 %

137.240

11,65 %

18.566 Mio. €

11,28 %

Architekturmarkt

40.040

13,42 %

112.762

9,57 %

9.554 Mio. €

5,80 %

Pressemarkt

32.119

10,77 %

152.383

12,93 %

30.657 Mio. €

18,63 %

Werbemarkt

30.855

10,34 %

142.949

12,13 %

26.130 Mio. €

15,88 %

Software- und Games-Industrie

34.725

11,64 %

337.875

28,68 %

31.619 Mio. €

19,21 %

Sonstige

7.775

2,61 %

15.103

1,28 %

1.418 Mio. €

0,86 %

298.302

100 %

1.178.166

100 %

164.586 Mio. €

100 %

Kultur- und Kreativwirtschaft Anteil KKW an Gesamtwirtschaft

7,6 %

3,2 %

2,5 %

Quelle: BMWi 2017, S. 160 f.

4.1.2.2

Fallstudienartige Vorgehensweise

Die intensive Beschäftigung mit einzelnen Fällen findet in verschiedenen Zusammenhängen statt. So ist etwa an die illustrierende, didaktische Verwendung von Fallbeispielen zu denken. Im Fokus steht die Fallstudie hier als forschungsstrategische Entscheidung (vgl. Heimerl 2009, S. 386 ff.). Ihre Bedeutung rückt in Zeiten der „Dominanz der Methode vor dem Gegenstand“ und der „einhergehende[n] Favorisierung und zum Teil Fetischisierung quantitativer Forschung in Daten und Befunden“ (Lamnek 2010, S. 272) vermehrt in den Hintergrund, sie bietet sich jedoch im Rahmen dieser Arbeit zur Einordnung der branchenspezifischen Annäherung in den Gesamtkontext an. So stellt die Fallstudie keine konkrete Erhebungstechnik, sondern vielmehr einen Approach bzw. eine Forschungsstrategie dar (vgl. Lamnek 2010, S. 272 f.; Eriksson; Kovalainen 2008, S. 116 f.; Eisenhardt 1989, S. 534 ff.). Durch die Beschränkung auf den einzelnen Fall (bzw. einige wenige Fälle) wird eine intensive und umfassende Untersuchung eines Sachverhalts ermöglicht. Dies ist angesichts der Komplexität und des Umfangs der Auseinandersetzung mit dem

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

171

„Marketing im Kulturbetrieb“ zweckmäßig. Anhand einer ausgewählten Branche werden die Austauschprozesse und deren Umweltbedingungen aufgearbeitet, wobei sich die später abgeleiteten marketingtheoretischen Überlegungen aufgrund der angestrebten Repräsentation als charakteristisch für den Kulturbetrieb herausstellen können (vgl. Yin 2009, S. 48). Hierbei handelt es sich allerdings um eine analytische, nicht etwa eine statistische Generalisierbarkeit, wie Yin (2009, S. 38) herausstellt: „[C]ases are not ‚sampling units‘ and should not be chosen for this reason“. Specht, dos Santos und Bingemer (2004, S. 545) unterscheiden (für erkenntnisorientierte wirtschaftswissenschaftliche Forschung) aufbauend auf einem Vergleich bestehender Fallstudienklassifikationen die beschreibende, die erforschende, die erklärende sowie die widerlegende Fallstudie.80 Der Arbeit entsprechend verfolgt die Fallstudie hier den Zweck der Exploration und des Aufdeckens von marketingbezogenen Besonderheiten des Kulturbetriebs. Der notwendige Induktionsschritt dient folglich „als Kreativtechnik zur Generierung neuer Ideen für die weitere Forschung“ (ebenda, S. 549). Dabei geht es ausdrücklich nicht darum auf empirischem Wege die Marketingpraxis abzubilden. Vielmehr steht die Grundannahme einer branchenspezifischen Betrachtung, wonach sich die jeweiligen Umweltbedingungen auf die Ausgestaltung des Marketing auswirken, im Vordergrund. Damit ordnet sich die branchenspezifische Annäherung in ihrer fallstudienartigen Vorgehensweise der Ausrichtung der Arbeit unter. Dem Konzept des Kulturbetriebs gemäß findet die Fallauswahl sowohl auf einer Makro- als auch auf einer Mikroebene statt, sodass eine schrittweise Erschließung des Austauschprozesses vorgenommen wird. Inwiefern in einem ersten Schritt und in einer makroperspektivischen Sichtweise die Repräsentation des Kulturbetriebs über den Sammelbegriff „Kulturwirtschaft“ gelingen kann, ist fraglich. Die Kulturwirtschaft kann nicht als eigenständige Branche angesehen werden und eignet sich demzufolge nicht als Gegenstand der branchenspezifischen Annäherung. Sie stellt eher eine Zusammenfassung von Branchen

80

In der Literatur werden verschiedene Arten von Fallstudien aufgegriffen (vgl. beispielsweise Eriksson; Kovalainen 2008, S. 118 ff.; Lamnek 2010, S. 293 ff.). Eine Auswahl findet sich bei Specht, dos Santos und Bingemer (2004, S. 543 ff.).

172

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

dar, die vielmehr auf politischer denn auf betrieblich-praktischer Ebene eine Rolle spielt. Angesichts einer bislang fehlenden schlüssigen (bzw. allgemein anerkannten) Klassifikation der (Teil-)Branchen wird im Folgenden zunächst die pragmatische Vorgehensweise verfolgt, anhand der oben genannten Klassifikationen eine (Teil-)Branche auszuwählen bzw. die Auswahl vorab auf einige (Teil-)Branche zu beschränken. Um als Basis für die Überlegungen zum „Marketing im Kulturbetrieb“ zu bestehen – oder anders ausgedrückt: Kultur (als Symbolproduktion und -vermittlung) in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens einer Branche zu rücken –, können konkrete Organisationen (z. B. Bibliothek, Museum) nicht berücksichtigt werden, da Kultur nicht von vornherein an einzelnen Betrieben (und damit auch deren Austauschprozesse) festzumachen ist. Ebenso die Ausführung stark eingrenzend und damit nicht zweckmäßig sind charakteristische Produkte (z. B. Buch). Zudem können Bereiche wie Video, Radio oder TV nur bedingt als Ausgangspunkt herhalten, handelt es sich hier doch zunächst jeweils um einen technischen Faktor (Verfahren zur Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe bzw. Empfangsgeräte), der auf die Institutionalisierung angewiesen ist, nicht aber direkt um einen kulturellen Aspekt. Architektur und Mode dienen in der Regel einem bestimmten Zweck, ähnlich wie der Bereich der Werbung auf eine inhaltliche Aussage vorbestimmt wird. Allerdings wird den auf diese Weise ausgeschlossenen (Teil-)Branchen nicht ihre grundsätzliche Zugehörigkeit zur Kulturwirtschaft bzw. ihre kulturelle Dimension abgesprochen, sondern lediglich Bezug genommen auf ihre Eignung als begriffliche Ausgangsposition. So ist die in Tabelle 7 gelieferte Auswertung nicht als neuartige Klassifikation der (Teil-)Branchen zu verstehen.81 Sie dient allein dem Zweck der Branchen- bzw. Fallauswahl.

81

Die verwendeten Bezeichnungen dienen als Ausgangsposition für die branchenspezifische Aufarbeitung. Demnach können Bereiche, die gegebenenfalls als zusammengehörig empfunden werden (z. B. Buch, Literatur, Verlagswesen), aufgrund der unterschiedlichen Bezeichnungen nicht summiert und dadurch eventuell für die weitere Analyse nicht in Betracht gezogen werden. Für die Auswertung werden alle in den Klassifikationen genannten Bereiche bzw. (Teil-)Branchen einberechnet, unabhängig von einer möglichen Strukturierung (z. B. Kernbranchen und erweiterte Branchen; Kultur- und Kreativwirtschaft etc.). Je nach Zweckmäßigkeit

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs Tabelle 7: (Teil-) Branche

173

Auszählung und Prüfung der (Teil-)Branchen Anforderung an die Branche

Anzahl der Nennungen

Quelle

Architektur

-

8

AFTA 2015; BMWi 2017; DCMS 2016; EK 2006; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

Film

+

9

AFTA 2015; BMWi 2017; DCMS 2016; EK 2006; Hesmondhalgh 2013; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

Museum

-

7

AFTA 2015; DCMS 2016; EK 2006; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

Musik

+

9

AFTA 2015; BMWi 2017; DCMS 2016; EK 2006; Hesmondhalgh 2013; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

Radio

-

7

AFTA 2015; DCMS 2016; EK 2006; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

TV

-

7

AFTA 2015; DCMS 2016; EK 2006; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

Werbung

-

9

AFTA 2015; BMWi 2017; DCMS 2016; EK 2006; Hesmondhalgh 2013; Throsby 2010; UNESCO; UIS 2009; WIPO 2015; WKÖ 2017

Nach der Auszählung der (Teil-)Branchen und der Prüfung der Anforderung kommen zwar in erster Linie sowohl Musik als auch Film als Ausgangspunkt für eine branchenspezifische Annäherung infrage, die Entscheidung fällt aber aufgrund von Überlegungen zur Eignung als extremer bzw. idealer Typ zur Repräsentation des Kulturbetriebs auf die (Teil-)Branche „Musik“. Musik82 (vom lateinischen „(ars) musica“ bzw. (alt-)griechischen „mousikḗ (téchnē)“ für

werden Bereiche aufgeteilt (z. B „TV und Radio“ in „TV“ und „Radio“). In der Tabelle werden nur diejenigen Branchen mit sieben und mehr Nennungen berücksichtigt. 82

Im Hinblick auf den künstlerischen Status wird ausdrücklich keine Differenzierung zwischen zeitgenössischer und klassischer Kunstmusik sowie populärer Musik vorgenommen.

174

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

„Kunst der Musen“, im Speziellen Tonkunst) unterstützt die Übermittlung und Regulierung von Emotionen, regt zum Mitsingen und Tanzen an, ist Gelegenheit zur Kontemplation und löst Reflexion und Diskussion aus. Sie ist Bestandteil in verschiedenen Situationen des Alltags, wird in Zeremonien und Ritualen eingebunden und dient der sozialen Interaktion; Musik verbindet, grenzt aber ebenso Menschen voneinander ab.83 Bourdieu (1987, S. 41 f.) sieht Musik als „die ‚reine‘ Kunst schlechthin“, die sich wie keine andere Kunstgattung zur sozialen Distinktion eignet: „Wenn z. B. nichts eindrucksvoller die eigene ‚Klasse‘ in Geltung zu setzen hilft, nichts unfehlbarer auch die eigene ‚Klassenzugehörigkeit‘ dokumentiert als der musikalische Geschmack, dann deshalb, weil es auch – aufgrund der nur selten gegebenen Voraussetzungen zum Erwerb der entsprechenden Dispositionen – keine andere Praxis gibt, die annähernd so klassifikationswirksam wäre wie Konzertbesuch oder das Spielen eines ‚vornehmen‘ Musikinstruments […]. Freilich auch deshalb, weil das Vorzeigen von ‚musikalischer Bildung‘ keine kulturelle Parade wie bei den übrigen darstellt. Ihrer gesellschaftlichen Bestimmung nach ist ‚musikalische Bildung‘ etwas anderes als eine bloße Summe von Kenntnissen und Erfahrungen, verbunden mit der Fähigkeit, darüber zu reden: Die Musik verkörpert die am meisten vergeistigte aller Geisteskünste, und die Liebe zur Musik ist sicherer Bürge für ‚Vergeistigung‘. […] Der ‚Musik gegenüber unempfänglich sein‘, stellt denn auch für eine bürgerliche Welt, die ihr Verhältnis zum ‚Volk‘ nach dem Muster der Beziehung von Seele und Körper denkt, eine im höchsten Grad uneingestehbare Form von materialistischer Grobschlächtigkeit dar.“ Musik übernimmt nicht aber nur die Funktion des Kulturguts, sondern ist heutzutage zweifelsohne auch als Wirtschaftsgut anzusehen (vgl. WKÖ 2017, S. 59; BMWi 2017, S. 160 f.). Zur Bezeichnung der Gesamtheit der mit Musik in Zusammenhang stehenden wirtschaftlichen Aktivitäten wird der Begriff „Musikwirtschaft“ genutzt. Hiermit ist weder die Auffassung der Musikwirtschaft als monolithisches Gebilde noch als handelndes Subjekt verbunden.

83

Einen aufschlussreichen Überblick zu „Lebensstil und Musikgeschmack“, der den kulturellen Stellenwert der Musik verdeutlicht, liefert Otte (2008).

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

175

Vielmehr stellt die Musikwirtschaft lediglich den Ausgangspunkt für die branchenspezifische Annäherung dar.84 So wird es für die Aufarbeitung von marketingspezifischen Problemstellungen notwendig den Kulturbetrieb bzw. dessen Absatzmarkt genauer zu erfassen. Damit ist innerhalb der Musikwirtschaft die Konkretisierung auf einer Mikroebene angedacht, wobei durch eine Differenzierung der Austauschprozesse die Verschiedenartigkeit des „Marketing im Kulturbetrieb“ aufgezeigt und die Zuordnung der sektoralen Annäherung verdeutlicht werden kann. Auf diese Weise verfolgt die branchenspezifische Annäherung mit der Konkretisierung eine Prüfung der Marketingrelevanz des Kulturbetriebs, die sich (mit dem Verweis auf den Objektbereich der Marketingwissenschaft) vornehmlich in den institutionellen Rahmenbedingungen zeigt, die Austauschprozesse ermöglichen oder verhindern. Je nach Makro- oder Mikroperspektive in der Fallauswahl kann in Anlehnung an Yin (2009, S. 46 ff.) sowohl von einem „single-case (embedded) design“ als auch von einem „multiple-case (holistic) design“ gesprochen werden. Einerseits werden die jeweiligen Leistungen (künstlerisch-kreative Leistung und Vermittlungsleistung) im Sinne eines „single-case (embedded) design“ nicht isoliert voneinander behandelt, da beispielsweise schon in der Reflexion der Austauschprozesse auf die bestehenden Zusammenhänge eingegangen und auch die Abfolge der Darstellung (erst die Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen, anschließend die Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung) bewusst gewählt wird. Andererseits stehen hier, dem marketingtheoretischen Fokus entsprechend, die einzelnen Austauschprozesse mit ihren jeweiligen Umweltbedingungen (und nicht etwa mögliche Rückschlüsse für die gesamte Musikwirtschaft) im Vordergrund, sodass eher von einem „multiple-

84

Einen Eindruck der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Musikwirtschaft vermittelt die von zahlreichen deutschen Musikverbänden in Auftrag gegebene Studie „Musikwirtschaft in Deutschland“ (BVMI et al. 2015). Die erhobenen Zahlen für das Jahr 2014 (Umsatz: 11,1 Milliarden Euro; Konsumausgaben: 6,7 Milliarden Euro; Bruttowertschöpfung: 3,9 Milliarden Euro; Erwerbstätige: 127.616) weichen dabei augenfällig von den Angaben im Monitoringbericht zur „Kultur- und Kreativwirtschaft“ (BMWi 2017) ab (vgl. BVMI et al. 2015, S. 14 ff.). Dies wird begründet mit einer breiteren Abgrenzung der Musikwirtschaft, die sich nicht auf die Daten aus der Umsatzsteuerstatistik bezieht.

176

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

case (holistic) design“ auszugehen ist. Dabei ist die Musikwirtschaft (bzw. der Bereich der Musikaufnahme), ihre Akteure und deren Beziehungen untereinander, als Kontext aufzufassen. Für die Auswahl der Austauschprozesse ist auf die gegenwärtige Situation der Musikwirtschaft einzugehen. Festzuhalten ist schon vorab, dass Musik so präsent ist wie nie zuvor. Nicht nur ist vielerorts die dargebotene Konzertvielfalt gestiegen, sondern vor allem auch die musikalische Durchdringung des Alltags im Allgemeinen. Musik ist durch Radio, Fernsehen und Internet (ob als Teil des Programms oder durch Einbindung in die Werbung) genauso wie durch die Beschallung des öffentlichen Raums inzwischen quasi ubiquitär. Der Musik ist nicht zu entkommen, was allerdings nicht direkt auf ihre kommerzielle Verwertung schließen lässt. So zeichnen sich in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedliche Entwicklungen ab. Während für die letzten Jahre in dem Bereich der Musikveranstaltung in wirtschaftlicher Hinsicht vielfach eine positive Entwicklung konstatiert wird, befindet sich der Bereich der Musikaufnahme – gleichwohl sich nach der Rezession erste Zeichen der Erholung andeuten – nach wie vor in einer schwierigen Situation. Der Zweck der Ausführung ist indessen nicht auf die historische Aufarbeitung oder gar direkt auf die „Lösung der Krise“ gerichtet, sondern besteht lediglich darin die gegenwärtige Situation als Umweltbedingungen für das Marketing zu erfassen. Entsprechend gilt der Fokus der branchenspezifischen Annäherung auch nicht der Darstellung der Marketingpraxis in der Musikwirtschaft, sondern den konkreten Absatzmärkten und deren jeweiligen Umweltbedingungen. Dafür sind diejenigen Dimensionen zu identifizieren, die ein realistisches und umfassendes Bild der Branchengegebenheiten abzubilden vermögen. Für den Ablauf der Fallstudie wird der in Abbildung 3 dargestellte Erstellungsprozess verfolgt: (1) Planung des Forschungsprozesses, (2) Strukturierung der Quellen, (3) Auswertung der Umweltbedingungen, (4) Analyse und Interpretation sowie (5) Dokumentation. Die Planung des Forschungsprozesses bezieht sich vor allem auf die Konkretisierung des institutionellen Rahmens, das heißt der Austauschprozesse und der Umwelt. Zur Darstellung der Umweltbedingungen wird auf bereits publizierte Informationen zur Branche zugegriffen, wobei sich die Auswahl und Strukturierung der Informationen auf Quellen aus dem direkten Branchenumfeld beschränkt. (Im Sinne der Sekundärforschung

4.1 Entwicklung des Anwendungsbezugs

177

wird demzufolge auf die Erhebung der empirischen Branchendaten bewusst verzichtet. Unter Rekurs auf den für die ökoskopische Marktforschung notwendigen Kosten- und Zeitaufwand sowie die Ausrichtung und Verortung der Arbeit stellt sich generell die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Daneben sind grundsätzliche Zweifel an der Kooperationsbereitschaft der Unternehmenspraxis angebracht (vgl. Chmielewicz 1994, S. 145 f.). Es ist davon auszugehen, dass die (nicht publikationspflichtigen) Unternehmen wichtige und sensible Informationen (Zeitreihen über betriebliche Zielgrößen, Vertragsinhalte etc.) aufgrund möglicher, durch Veröffentlichung entstehender Wettbewerbsnachteile nicht zur Verfügung stellen.) Da die Umweltbedingungen genutzt werden, um Aussagen über den Kulturbetrieb zu formulieren, erfolgt in einem ersten Schritt die Auswertung der branchenspezifischen Umweltbedingungen und in einem zweiten Schritt sodann die marketingtheoretische Analyse und Interpretation bzw. Entwicklung der Thesen und Generierung von Ideen. Die vorliegende Ausführung ist dabei als Fallstudienbericht zu verstehen und orientiert sich hinsichtlich des Aufbaus an den voranstehenden Überlegungen. Entsprechend wird zunächst mit der Konkretisierung des institutionellen Rahmens die Planung des Forschungsprozesses aufgegriffen, um darauffolgend die Prüfung der Umweltbedingungen für den jeweiligen Austauschprozess zu ermöglichen.

178

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

(1) Planung des Forschungsprozesses

Musikschaffende

Fallauswahl: Musikrezeption/ Musikaufnahme Makroebene: „single-case (embedded) design“

Ermittlung und Auswahl der Branchendaten Zuordnung der Dokumente

Medien/ Agenturen

RezipientInnen/ KundInnen

Austauschprozesse mit Musikaufnahmen Kulturgütermarketing RezipientInnen

Mikroebene: „multiple-case (holistic) design“

(2) Strukturierung der Quellen

RezipientInnen

Verwertung

Schaffen

Kultur als Wirtschaftszweig

Rezeption

Struktur der Musikwirtschaft

Repräsentation des Kulturbetriebs

Dienstleistungsmarketing

Musikschaffende

Musikschaffende

Umwelt

Umwelt

(3) Auswertung der Umweltbedingungen Gesetze und Regelungen

Austausch: R-M

(4) Analyse und Interpretation

Markt

Technologie

Austausch: M-PU

Industriestruktur

(5) Dokumentation Bericht

Abbildung 3: Ablauf der Fallstudie

Phono. Unternehmen

Ressourcenausstattung

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens 4.2

179

Konkretisierung des institutionellen Rahmens

Branchen lassen sich etwa anhand von wirtschaftspolitischen Einteilungen oder dem Zusammenschluss von Betrieben in Verbänden umreißen. Inwieweit derartige Strukturierungen sich für den in dieser Arbeit verfolgten Zweck eignen, ist zu hinterfragen. Schließlich ist der Kulturbetrieb als Konzept nicht an eine bestimmte Strukturierung gebunden bzw. eindeutig zuordenbar. So deckt sich das „Marketing im Kulturbetrieb“ bzw. das „Marketing in der Musikwirtschaft“ eben nicht immer mit dem zuvor ausgearbeiteten Verständnis eines „Kulturgütermarketing“, will heißen: nicht alle Akteure, die der Kultur- bzw. der Musikwirtschaft zugerechnet werden können, sind auch unmittelbar mit der Erstellung der künstlerisch-kreativen Leistung beschäftigt respektive nehmen am kulturell-kommunikativen Austauschprozess teil. Wenn die Umweltbedingungen je nach Austauschprozess unterschiedlich ausfallen, kann es nur schwerlich gelingen allgemeine Aussagen für den Kulturbetrieb zu erarbeiten. Der Versuch sich dem „Marketing im Kulturbetrieb“ über die Repräsentation des Kulturbetriebs durch bestimmte Austauschprozesse und deren Umweltbedingungen zu nähern, verlangt, um eine Übertragbarkeit zu gewährleisten bzw. diskutieren zu können, notwendigerweise nach der Offenlegung des institutionellen Rahmens. Kapitel 4.2.1 befasst sich mit der Struktur der Musikwirtschaft. Dabei ist nicht etwa das Ziel die Musikwirtschaft in all ihrer Vielfalt zu erfassen, sondern vielmehr die Typizität herauszuarbeiten und im Anschluss einen Teilbereich der Musikwirtschaft für die weiteren Ausführungen auszuwählen. Dies geschieht in Kapitel 4.2.2, in dem die Austauschprozesse mit Musikaufnahmen näher beleuchtet werden. Anschließend wird in Kapitel 4.2.3 die entsprechende Umwelt der Austauschprozesse aufgegriffen.

4.2.1

Struktur der Musikwirtschaft

Die Musikwirtschaft dient hier in einem ersten Schritt der Repräsentation des Kulturbetriebs auf einer Makroebene. Entsprechend stellt sie sich als fragmentiert dar und ist, um einzelne Kulturbetriebe auf einer Mikroebene und damit auch ihre Absatzmärkte in den Fokus rücken zu können, zunächst an eine

180

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Aufarbeitung im Sinne einer Strukturierung gebunden. Gängige Vorgehensweisen der Strukturierung stellen nicht mehr als eine Auflistung von bestimmten Akteuren dar, ohne diese aber in ihrer Beziehung zueinander zu konkretisieren. 85 Eine derartige Vorgehensweise zeigt sich beispielsweise bei einem Blick auf die Abgrenzungen der (Teil-)Branchen in den Berichten zur Kulturwirtschaft.86 Des Öfteren wird zur Darstellung der Musikwirtschaft (bzw. der Transformation der Branche) auch auf das Konzept der Wertschöpfungskette zurückgegriffen (vgl. Wirtz 2013, S. 582; Gersch; Avaria 2007, S. 20 ff.). In der Regel wird mit der Aufteilung des Wertschöpfungsprozesses in einzelne Stufen innerhalb der Musikwirtschaft insbesondere versucht den künstlerisch-kreativen, schöpferischen Akt als Ausgangspunkt zu positionieren sowie die gesamten Aktivitäten bis hin zur Rezeption nachzuzeichnen. Dabei beschränken sich die Wertschöpfungsketten zumeist jedoch lediglich auf einen Teilbereich der Musikwirtschaft (z. B. Musikalbum, physischer Tonträger (meist CD), Neuerscheinung, Populärmusik). Eine Abgrenzung der Branche wird damit indirekt und stillschweigend vorausgesetzt. Tatsächlich weichen die Wertschöpfungsstufen und -prozesse innerhalb der Musikwirtschaft stark voneinander ab, das

85

Eine kursorische Übersicht hierzu findet sich bei Limper und Lücke (2013, S. 21 ff.). Zum Teil fällt auf, dass bisherige Strukturierungen unvollständig sind, so beispielsweise bei Wirtz (2013, S. 560 f.), der zwar grafisch die Beziehungen der Akteure aufgreift, die Strukturierung der Musikwirtschaft aber aus der Perspektive des Medienmanagements verfolgt, also auf das technische Medium hin abstellt, und somit den Bereich der Musikveranstaltung komplett ausgrenzt.

86

Die in den Kulturwirtschaftsberichten verwendeten Brancheneinteilungen stellen die nationalen Klassifikationen der Wirtschaftszweige (namentlich ÖNACE 2008 bzw. WZ 2008) dar, basieren aber im Wesentlichen auf der „Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft“ (Eurostat 2008) bzw. der „International Standard Industrial Classification“ (UN 2008). Überblicksartig wird für Deutschland die oben genannte (Teil-)Branche „Musikwirtschaft“ aufgegliedert (BMWi 2017, S. 163): „Herstellung von Musikinstrumenten“, „Einzelhandel mit Musikinstrumenten etc.“, „Einzelhandel mit bespielten Tonträgern etc.“, „Tonstudios etc.“, „Tonträgerverlage“, „Musikverlage“, „Musik-/Tanzensembles“, „Erbringung von Dienstleistungen für die darstellende Kunst“, „Selbständige Musiker/-innen etc.“, „Theater-/Konzertveranstalter“ sowie „Private Musical-/Theaterhäuser, Konzerthäuser etc.“. Bis vor Kurzem wird die Musikwirtschaft in Österreich durch eine (nach Gutdünken erstellte) Zusammenfassung heterogener Bereiche in der (Teil-)Branche „Musik, Buch und künstlerische Tätigkeit“ erfasst. Nach einer Überarbeitung ist sie als eigenständiger Zweig ausgewiesen und wird ähnlich zusammengesetzt (vgl. WKÖ 2017, S. 38 f.).

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

181

heißt die Zuordnung einzelner Akteure bzw. der Tätigkeiten ist nicht immer und vor allem nicht allgemeingültig durchzuführen. Die verschiedenen Austauschprozesse der Musikwirtschaft über eine einzelne (lineare) Wertschöpfungskette abzubilden, scheint demnach nicht möglich; zu vielfältig und zu fragmentiert tritt die Branche auf. Insbesondere die mit der Digitalisierung verbundenen Umbrüche der letzten Jahre sorgen für eine grundlegende Umgestaltung des Wertschöpfungsnetzwerks (vgl. Tschmuck 2016, S. 13). Zwar ist immer wieder – und ganz selbstverständlich – von „der“ Musikwirtschaft oder „dem“ Musikmarkt die Rede, die Vorstellung einer geschlossenen Branche mit in sich homogenen Betrieben (z. B. hinsichtlich Struktur, Größe sowie Ausrichtung) ist jedoch abwegig. In einem ähnlichen Sinne weisen auch Williamson und Cloonan (2007, S. 305) darauf hin: „[T]he notion of a single music industry is an inappropriate model for understanding and analysing the economics and politics surrounding music. Instead it is necessary to use the term ‚music industries‘ (plural).“ Um in einem nächsten Schritt die Austauschprozesse der Kultur identifizieren zu können, wird die Musikwirtschaft in weitere (Teil-)Branchen untergliedert. Die vorgenommene Strukturierung versucht weniger die Musikwirtschaft hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Verwertung isoliert darzustellen, sondern richtet sich, indem sie die Teilbereiche anhand der jeweiligen EndverbraucherInnen bzw. Kundschaft anordnet (vgl. Wagner; Baldauf 2007, S. 262), auch an kulturellen Aspekten aus. Eine Gliederung der Branche in die Bereiche Musikinstrumente, Musikausbildung, Musikveranstaltung, Musikaufnahme, musikbezogene sowie nicht-musikbezogene Rechteverwertung erlaubt einen Überblick über das Wirtschaften mit Musik. Die ergänzende Einteilung der Bereiche in (die Nachfrage nach) Musikschaffen, Musikrezeption und Musikverwertung dient allein der Repräsentation des Kulturbetriebs auf der Makroebene und somit dem Zweck im darauffolgenden Schritt Austauschprozesse für die weitere Analyse auswählen zu können. Anzumerken ist bei dem Versuch das Beziehungsgeflecht in der Musikwirtschaft abzubilden, dass die Strukturen der Musikwirtschaft historisch gewachsen sind. Damit ist darauf verwiesen, dass der mögliche Eindruck, es handele sich dabei um abgeschirmte und voneinander unabhängige Bereiche, in die Irre führt. Eine

182

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

klare Grenzziehung ist aufgrund der starken Verflechtungen zwischen den Bereichen ebenso wenig möglich wie sinnvoll, zumal sich etablierte Formen der Aufgabenverteilung in den letzten Jahren vermehrt auflösen. In diesem Verweis drückt sich ebenfalls aus, dass es nicht die eine gültige Strukturierung gibt. Eine starre Zuordnung bzw. eine solche Rollenverteilung unter den Akteuren ist demnach als anachronistisch aufzufassen. Darüber hinaus ist auch in einer branchenspezifischen Annäherung ein gewisser Abstraktionsgrad einzuhalten, sodass die Abläufe in praxi durchaus von der folgenden Darstellung abweichen können. So besteht für die nachstehenden Abschnitte kein Anspruch auf Vollständigkeit.87 Vielmehr werden, ungeachtet von möglichen Abweichungen (z. B. aufgrund lokaler/nationaler Besonderheiten), die Grundzüge der voneinander abzugrenzenden Bereiche überblicksartig herausgestellt.

Musikschaffen Unter der Nachfrage nach Musikschaffen werden die Bereiche „Musikinstrumente“ sowie „Musikausbildung“ zusammengefasst. Die Nachfrage bezieht sich im Wesentlichen darauf aktiv zu musizieren, wodurch dieser Bereich der Musikwirtschaft den Brückenschlag bildet zwischen der Vielzahl der LaienmusikerInnen und dem vielfältigen Spektrum des professionellen Musikschaffens. Entsprechend werden die Musikschaffenden als EndverbraucherInnen

87

Die Musikwirtschaft ist stark arbeitsteilig organisiert. Im Folgenden werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle Akteure aufgegriffen, die in der Praxis vorzufinden sind. Zuallererst wird im Hinblick auf die Musikschaffenden keine weitere personenbezogene Differenzierung vorgenommen. Im Rahmen der Ausführung wird davon ausgegangen, dass die UrheberInnen der musikalischen Werke auch InterpretInnen derselbigen sind. Tonstudios, ProduzentInnen und KünstlerInnenmanagement werden nicht gesondert aufgegriffen. Des Weiteren werden die Verwertungsgesellschaften weitestgehend außen vor gelassen. Diese sind zwar zentrale Akteure der Musikwirtschaft, werden aber den rechtlichen Umweltbedingungen zugeordnet und in der Folge erst an geeigneter Stelle im weiteren Verlauf der Arbeit thematisiert. Zum Bereich der Musikaufnahme werden Presswerk, Hersteller und Handel von Unterhaltungselektronik (Empfangs- bzw. Abspielgerätschaften von Musik, also Radio, Smartphone, Computer, CDPlayer etc.) sowie Internetprovider nicht hinzugezählt. Ebenso bleiben im Bereich Musikveranstaltung einige Aspekte (z. B. Security, Ton- und Lichttechnik) unberücksichtigt.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

183

verstanden. Hiermit wird also ein Bereich der Musikwirtschaft abgegrenzt, bei dem es noch nicht um die (professionelle) Produktion, Distribution und Rezeption von Musik geht, sondern um eine diesen Stufen der Vermarktung von Musik vorgelagerte Nachfrage.

Musikinstrumente In diesem Bereich werden die Musikinstrumentenbauer88 bzw. Musikfachhändler89 erfasst. Die zentrale Bedeutung dieses Bereichs leuchtet ein, wenn neben dem klassischen Instrumentenbau (vgl. Böcher 2008) insbesondere die technologischen Entwicklungen der Aufnahme und Produktion von Musik sowie deren Auswirkungen auf das musikalische Schaffen Berücksichtigung finden. So verschieben sich mit der computergestützten Produktion, vielseitig einsetzbarer Software und den damit verbundenen relativ geringen Kosten die Voraussetzungen und Ansprüche an die notwendige Ausstattung für hochwertige Musikproduktionen. Dies hat Konsequenzen für den Musikfachhandel, Vollsortimenter ebenso wie Spezialgeschäfte (z. B. für Musikalien, Tasteninstrumente, Musikelektronik), die mit der Zeit ihr Sortiment entsprechend anpassen (vgl. Böcher 2012).

Musikausbildung Neben der Verfügbarkeit des Instrumentariums ist für das Musizieren ebenfalls eine musikalische Ausbildung notwendig. Musikschaffen ist schließlich stets

88

Als Dachorganisation agieren beispielsweise der Bundesverband der deutschen Musikinstrumentenhersteller (BDMH) sowie weitere, spezialisierte Verbände, wie etwa der Bundesverband Klavier (BVK) oder der Klaviermacherverband Österreich (KVO). Auch die Society of Music Merchants (SOMM) vertritt die Interessen der Musikinstrumenten- und Musikequipmentbranche.

89

Zusammengeschlossen ist der Musikfachhandel in Deutschland im Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte (GDM).

184

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

auch Handwerk. Abgesehen von der autodidaktischen Aneignung musikalischer Fertigkeiten bieten eine Reihe von Institutionen musikalische Aus- und Fortbildung an. Diese beginnt durch musikalische Frühförderung sowie den Musikunterricht in den allgemeinbildenden Schulen vielfach schon in jungen Jahren. Insbesondere ist aber die außerschulische Musikerziehung in den öffentlichen und privaten Musikschulen90, kirchlichen Einrichtungen, Vereinen oder an Volkshochschulen und Familienbildungsstätten für die instrumentale und vokale Ausbildung zuständig (vgl. Dartsch 2012). Bei entsprechender musikalischkünstlerischer Eignung bieten etwa Musikhochschulen, Universitäten, Konservatorien, Fachakademien sowie private Ausbildungsstätten eine Ausbildung zu (professionellen) MusikerInnen an (vgl. Nimczik; Bäßler; Altenburg 2011).

Musikrezeption In diesem Abschnitt steht die Rezeption von Musik im Vordergrund, die Werke der Musikschaffenden91 (KomponistInnen, TextdichterInnen und MusikbearbeiterInnen) sind hier der Bezugspunkt für das Interesse der RezipientInnen (als EndverbraucherInnen). Getrennt werden in der folgenden Darstellung die Bereiche „Musikveranstaltung“ sowie „Musikaufnahme“, die als übergeordnete Distributions- respektive Rezeptionsformen verstanden werden. Eine derartige Differenzierung ist vor allem aufgrund der unterschiedlichen Situationen der Rezeption angebracht (vgl. Dollase 2006, S. 118): So kann beispielsweise unterschieden werden zwischen dem realen Publikum (Beiwohnende einer Dar-

90

In Österreich werden die Musikschulen durch die Konferenz der Österreichischen Musikschulwerke (KOMU) vertreten. In Deutschland sind öffentliche Musikschulen im Verband deutscher Musikschulen (VDM) sowie weitere private Anbieter im Bundesverband Deutscher Privatmusikschulen (BDPM) organisiert. Auf internationaler Ebene ist vor allem auf die European Music School Union (EMU) zu verweisen.

91

Ein Teil der professionellen Musikschaffenden ist in Verbänden organisiert, KomponistInnen etwa im Österreichischen Komponistenbund (ÖKB) bzw. Deutschen Komponistenverband (DKV) ebenso wie LibrettistInnen im Deutschen Textdichter-Verband (DTV) bzw. im Verband Österreichischer Textautoren (VOET).

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

185

bietung), dem massenmedialen Publikum (RezipientInnen einer Darbietung zur selben Zeit, aber an verschiedenen Orten) sowie der Medienschaft (RezipientInnen einer konservierten Aufführung sowohl zu Zeiten als auch an Orten ihrer Wahl). Tatsächlich bestehen enge Verbindungen zwischen den Bereichen. Insbesondere die Koordination von Albumveröffentlichung und Tour ist eine Maßnahme, von der sich alle Beteiligten einen gegenseitigen Promotioneffekt erhoffen. Darüber hinaus gibt es Bestrebungen einiger Unternehmen in beiden Bereichen tätig zu sein, nach wie vor lassen sich die eigentlichen Aufgabenstellungen aber voneinander abgrenzen.

Musikveranstaltung Die konzertante Darbietung ist die ursprüngliche Art des musikalischen Erlebens. Sie stellt eine Erfahrung dar, die in einer Gruppe geteilt wird, und bietet heutzutage ein breites Spektrum von Darbietungsweisen (Festival, Tournee, Open Air, Clubkonzert etc.) von Musik aller Couleur. Gemein ist allen Konzertveranstaltungen, dass Musik durch die Entscheidung die Veranstaltung zu besuchen und das Zusammentreffen der RezipientInnen vor Ort eine soziale Dimension entfaltet. Neben den Musikschaffenden auf der Bühne und den RezipientInnen als Publikum ist der Bereich durch weitere Akteure geprägt (vgl. Limper; Lücke 2013, S. 92 ff.). Auf vertraglicher Grundlage über die Ausrichtung eines Konzerts oder einer Tournee übernimmt der Veranstalter92, zum Teil in Kooperation mit einem Arrangeur vor Ort, die Organisation des Konzerts und ist damit, das wirtschaftliche Risiko tragend, für die gesamte Vermarktung und Abwicklung der Veranstaltung verantwortlich. Dabei gilt es in der Funktion des Konzertimpresarios vielfältige Anforderungen zu erfüllen, angefangen von den Forderungen der Musikschaffenden (Technical Rider etc.) bis hin zu den

92

In Deutschland übernimmt die Interessenvertretung der Agenturen, Tournee- und Konzertveranstalter der Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (BDV). Des Weiteren befasst sich auch der Verband der Deutschen Konzertdirektionen (VDKD) mit den Interessen der Veranstalter und Arrangeure. Ähnliche Aufgaben nimmt in Österreich der Veranstalterverband Österreich (VVAT) wahr.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Auflagen vonseiten der Behörden (z. B. Brandschutz, Sicherheit, Lärm- und Schallschutz). Als Vermittler zwischen Musikschaffenden und Veranstaltern treten häufig Booking- bzw. Konzertagenturen auf, die allerdings zum Teil auch selbst als Veranstalter tätig sind. Auch die Venues93 (z. B. Arena, Freilichtbühne, Konzertsaal, Mehrzweckhalle etc.) nehmen eine zentrale Rolle ein, indem die jeweilige Spielstätte den Rahmen des Konzerterlebnisses stellt. Zu guter Letzt ist das Ticketing (sowie das Secondary Ticketing), also der Kartenverkauf, insbesondere über örtliche Vorverkaufsstellen und entsprechende Portale im Internet, ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet in diesem Bereich.

Musikaufnahme Die Möglichkeit Musik zu konservieren, gestattet es Musik unabhängig von Raum und Zeit des Musikschaffens zu konsumieren. Das Abspielen konservierter Musik ist nach wie vor für viele Menschen die wichtigste, weil gebräuchlichste Form der Musikrezeption. Die Entwicklungen und Umbrüche der letzten Jahre erlauben den Musikschaffenden inzwischen ihre Werke in Eigenregie, will heißen ohne vertragliche Bindung an ein Unternehmen der phonographischen Industrie94, zu veröffentlichen und wirtschaftlich weitestgehend autark zu bestehen (vgl. Tschmuck 2016). Nach wie vor besitzen insbesondere aber die phonographischen Unternehmen die Ressourcen für den Aufbau der Musikschaffenden und die Vermarktung ihrer Aufnahmen. Sie sind die zentrale Anlaufstelle nicht nur für die Herstellung, Vervielfältigung und

93

Die kleinen und mittleren Musikspielstätten sind in Deutschland in der Livemusikkommission (LiveKomm) organisiert. Von Bedeutung ist darüber hinaus der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC).

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Die österreichische Sektion des Weltverbands International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) tritt als Verband der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) auf. In Deutschland firmiert die Interessengemeinschaft als Bundesverband Musikindustrie (BVMI). Daneben sind weitere Unternehmen in Österreich im Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und MusikproduzentInnen Österreich (VTMÖ), in Deutschland im Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) zusammengeschlossen und werden auf internationaler Ebene durch die Independent Music Companies Association (IMPALA) vertreten.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

187

Distribution von physischen Tonträgern, sondern ebenso für den Vertrieb der musikalischen Werke über digitale Kanäle. Auf der Handelsebene ist derweil die Verlagerung vom stationären Handel hin zum Onlinegeschäft evident. In der jüngeren Vergangenheit ist auf der einen Seite das Ausscheiden etablierter Betriebe, auf der anderen Seite der Einstieg neuer Akteure zu beobachten. Als Großhändler können sowohl Systemdienstleister und Rackjobber fungieren als auch neue digitale Vertriebsdienstleister eingesetzt werden.

Musikverwertung In dem Bereich „Musikverwertung“ steht weniger die Rezeption von Musik im Vordergrund als vielmehr die Verwertung von Musik für das Geschäft Dritter. Dies zeigt sich etwa darin, dass die RezipientInnen die Musik nicht frei auswählen können, sondern der jeweilige Verwerter über den Einsatz der Musik entscheidet. Gleichzeitig dient die Verwertung von Musik der Generierung von Einnahmen und der Bekanntmachung der Musikaufnahmen und der Musikschaffenden. Das Verhältnis wird deshalb häufig auch als Symbiose umschrieben (vgl. Thurow; Zombik 1997, S. 203; Limper; Lücke 2013, S. 41). Da heutzutage die Musikschaffenden (bzw. InterpretInnen) als Marke positioniert werden, können auch andere, nicht unmittelbar auf dem musikalischen Schaffen basierenden Rechte verwertet werden. Demzufolge wird der Bereich der Verwertung im Folgenden unterteilt in die musikbezogene und nicht-musikbezogene Rechteverwertung.

Musikbezogene Rechteverwertung Bei der (öffentlichen) Wiedergabe von Musik ist mit Hinblick auf die Verwertung in erster Linie an den Rundfunk zu denken. Vor allem im Hörfunk, unterschieden gemäß dem dualen Rundfunksystem in öffentlich-rechtlichen und privaten Hörfunk (sowie hierzu ergänzend Webradios), stellt Musik neben Nachrichten und Serviceinformationen einen festen und vielfach überwiegenden Bestandteil des Programms dar (vgl. Vogel; Gleich 2008, S. 73; Limper; Lücke

188

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

2013, S. 107 ff.). Ebenso ist Musik im Fernsehen mal mehr, mal weniger präsent in das Programm eingebunden (vgl. Limper; Lücke 2013, S. 111 ff.; Vogel; Gleich 2008, S. 70 ff.). Allen voran ist hierbei an das Musikfernsehen zu denken – gleichwohl die Ausstrahlung von Musiksendungen und Musikvideos inzwischen vermehrt im Internet stattfindet. Auch in Filmen, Computer- und Videospielen nimmt Musik eine tragende Rolle ein, wenn sie in einer begleitenden Funktion dem Visuellen Bedeutung(en) verleiht. Musik dient als Inputfaktor in der eigenen Produktion bzw. Programmzusammenstellung und wird somit für die Zwecke der verschiedenen Verwerter eingesetzt. Darüber hinaus kann die Wiedergabe von Musik in Diskotheken, Tanzschulen etc., genauso aber der Einsatz von Musik in der Werbung oder die Beschallung von Präsentations- und Verkaufsflächen zum Bereich der Musikverwertung gezählt werden. Als wichtige Vermittlungsstelle zwischen den Musikschaffenden und den unterschiedlichen Verwertern treten Musikverlage 95 auf. Kennzeichnend für ihre Arbeit ist es „die Werkauswertung zu fördern oder anzubahnen, sei es durch den Vertrieb und Druck von Noten und/oder durch den Einsatz für die Nebenrechtsverwertung“ (Baierle 2009, S. 46). Lange Zeit steht neben der öffentlichen Aufführung die Produktion und Verbreitung von Musik in gedruckter Form im Vordergrund und wird hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung erst durch das Aufkommen der mechanischen Vervielfältigung und Verbreitung von Musik über Tonträger verdrängt (vgl. Sikorski 2003, S. 285). Mit immer neuen Möglichkeiten der Musikverwertung konfrontiert, etwa der Etablierung des Hörfunks und nicht zuletzt den vielfältigen Angeboten im Internet, ergeben sich neue wirtschaftlich bedeutsame Aspekte. Unterschieden werden oftmals E-Musikverlage, deren Arbeit neben der Rechteverwertung schwerpunktmäßig nach wie vor das tradierte Papiergeschäft darstellt, und U-Musikverlage, die sich im Wesentlichen auf die Verwertung der eingeräumten Nutzungsrechte konzentrieren (vgl. Limper; Lücke 2013, S. 74 f.).

95

Das Verlagswesen ist in Österreich in der Musikverleger Union Österreich (MUÖ), in Deutschland größtenteils im Deutschen Musikverleger-Verband (DMV) organisiert sowie auf internationaler Ebene durch die International Confederation of Music Publishers (ICMP) vertreten.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

189

Nicht-musikbezogene Rechteverwertung Auf Seiten der Musikschaffenden bestehen weitere Rechte, die ebenso ausgewertet werden können, gleichwohl sie nicht unmittelbar auf dem eigentlichen künstlerisch-kreativen Schaffen fußen. Zunächst ist hiermit das Merchandising angesprochen, worunter eine auf dem gesetzlich verankerten Markenschutz basierende Lizenzierung der Markenrechte zu verstehen ist (vgl. ebenda, S. 98 ff.). So können Musikschaffende als RechteinhaberInnen, mit oder ohne Einschaltung einer vermittelnden Agentur, dem jeweiligen Verwerter bzw. Hersteller gegen eine entsprechende Vergütung eine Lizenz erteilen. Vertrieben werden die Artikel auf vielfältigen Wegen, die vom direkten Verkauf (z. B. über die eigene Homepage oder bei Konzertveranstaltungen) bis hin zu den verschiedenen Einzelhändlern (z. B. Online-Handel, stationärer Musik- und Textilfachhandel) reichen. Neben bedruckten Textilien und Postern jeglicher Art sind eine Reihe weiterer Produkte im Repertoire etabliert. Gleichzeitig gilt jedoch eigentlich keine Beschränkung auf bestimmte Produktarten, schließlich kann nahezu jedes Produkt mit Logo, Schriftzug, Konterfei oder Liedtext geprägt werden. Hieran anknüpfend kann die Bekanntheit geltend gemacht werden, indem Musikschaffende als Testimonials in der Werbung auftreten. So wird inzwischen von vielen Unternehmen in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen, angesichts der Einsicht in eine (vermeintlich) zunehmend schwieriger werdende Differenzierung von Wettbewerbern, versucht das Auftreten und Image von Musikschaffenden für ihre werblichen Zwecke einzusetzen. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob die MusikerInnen dieses Geschäft selbst betreiben oder lediglich als Testimonials in der Vermarktung eines Produkts oder einer Dienstleistung agieren, die von einer dritten Partei angeboten wird. Sobald Musikschaffende ihre Bekanntheit für andere Geschäfte einsetzen, also medial für die Vermarktung nutzen, sind diese Aktivitäten dem Bereich der nicht-musikbezogenen Rechteverwertung zuzuordnen.

190 4.2.2

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft Austauschprozesse mit Musikaufnahmen

Ausgehend von der oben dargestellten Struktur der Musikwirtschaft ist zunächst die enge Verflechtung der Bereiche untereinander evident. Sofern es um die direkte Vermarktung der kulturellen Symbole (Musik) geht, sprich den kulturellkommunikativen Austausch zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen, liegt der Fokus auf dem Bereich „Musikrezeption“. Dabei wird im Folgenden auf die Austauschprozesse mit Musikaufnahmen eingegangen. Diese Entscheidung basiert vor allem auf der Annahme, im Alltag stehe der Konsum konservierter Musik im Vordergrund. Dass der Umsatz mit Musikveranstaltungen inzwischen höher ist als jener mit Musikaufnahmen, ist zu vernachlässigen.96 Darüber hinaus erscheint die Vermarktung von Konzerten notwendigerweise auf die einzelne Veranstaltung ausgerichtet, während die Vermarktung von Musikaufnahmen stärker auf die Musik bzw. die Musikschaffenden abzielt. Für die Entwicklung der industriellen Verwertung von Musikaufnahmen können mit Blick auf das 20. Jahrhundert drei Paradigmen (als Rahmen für die Denkund Handlungsprozesse der Akteure) sowie sich anschließende Strukturbrüche ausgemacht werden (vgl. Tschmuck 2012, S. 231 f.): Auf die Ära der Musikverlage (bis in die frühen 1920er Jahre), das heißt die Dominanz durch die Produktionslogik der Musikverlage, folgt, angestoßen von der sogenannten „Jazz-Revolution“, die von den Handlungsroutinen des Rundfunks geprägte Ära

96

Der Bereich der Musikveranstaltung erhält, nach zuvor langer Zeit – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – nur ein Schattendasein führend, in einer übergeordneten, gesamtmusikwirtschaftlichen Perspektive einen neuen Stellenwert. So verschiebt sich der Schwerpunkt inzwischen zugunsten der Musikveranstaltungen (vgl. Montoro-Pons; Cuadrado-García 2011). Für den deutschen Markt ist diese Entwicklung durch entsprechende Daten belegbar. Während der mit Livemusik generierte Umsatz Mitte der 1990er Jahre noch 48 Prozent des gesamten Bereichs der Musikrezeption ausmacht, stellt er im Jahr 2013 67 Prozent des Gesamtumsatzes; Grund hierfür ist weniger die (unbeständige) Entwicklung der Musikveranstaltungen (bis 2007 steigt der Umsatz an, sinkt aber auch in den folgenden Jahren wieder), sondern vor allem der Umsatzeinbruch im Bereich der Musikaufnahme (BDV; MM 2014, S. 6). Es bleibt die Antwort auf die Frage aus, wer denn von der Verschiebung und den steigenden Umsätzen im Bereich der Livemusik profitiert. Bezogen auf die Musikschaffenden sind es mutmaßlich diejenigen, die bereits mit Musikaufnahmen wirtschaftlichen Erfolg verbuchen und entsprechend hohe Ticketpreise am Markt durchsetzen können (vgl. Decrop; Derbaix 2014; Black; Fox; Kochanowski 2007).

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

191

(bis Mitte der 1950er Jahre), die wiederum durch die „Rock ’n’ Roll-Revolution“ abgelöst wird und die Ära der Tonträgerkonzerne (bis Ende der 1990er Jahre) einleitet. Letztere befindet sich seit Beginn der digitalen Revolution in einer Phase des strukturellen Umbruchs. Tschmuck (2012, S. 230) versteht diese Umbrüche als Paradigmenwechsel im Produktions-, Distributions- und Rezeptionssystem, nicht aber auf technologische Neuerungen beschränkt, sondern als einen weitreichenden kulturellen Wandel, das heißt die dem Verwertungssystem einer Branche zugrunde liegenden Werte, Normen und Handlungsheuristiken werden zunächst durch neu auftretende Akteure infrage gestellt, um sich im Anschluss, dem Widerstand des alten Regimes zum Trotz, mit ihren neuartigen und systemfremden Denk- und Handlungsroutinen durchzusetzen. Einher gehen diese Umbrüche in der Verwertung von Musikaufnahmen mit einem von Blaukopf (1989) und Smudits (2002) als Mediamorphose97 bezeichneten Phänomen. Zu verstehen ist darunter eine (in gesamtgesellschaftliche Prozesse eingebundene) Transformation kultureller Kommunikation, die auf technischen Innovationen im Bereich der Medien beruht (ebenda, S. 44). In der Retrospektive können für die Verwertung von Musikaufnahmen die technischen Mediamorphosen konstatiert werden sowie gegenwärtig die sich abzeichnende digitale Mediamorphose. Dabei ist vor allem die Bedeutung der radikalen Innovationen hervorzuheben: Anders als inkrementelle Innovationen entlang der kreativen Pfade (z. B. die Einführung der Musikkassette), also Entwicklungen, die sich innerhalb eines geltenden kulturellen Paradigmas abspielen,

97

Blaukopf (1989, S. 5) verwendet den Begriff „Mediamorphose“ zunächst im Zusammenhang der musikalischen Kommunikation und deren durch Technik ausgelöste oder ermöglichte Metamorphose. Wenngleich das Konzept inzwischen auf andere Gebiete übertragen wird, hat es seinen Ursprung im Bereich der Musik. Als wesentliche Transformationen der gesellschaftlichen und kulturellen Kommunikation nennt Smudits (2002, S. 44 f.) die mit der Erfindung der Schriftzeichen einhergehende „schriftliche Mediamorphose“ (auch als erste grafische Mediamorphose bezeichnet), die auf den Buchdruck zurückzuführende (zweite grafische) „reprografische Mediamorphose“, die mit der Entwicklung und Verbreitung der Fotografie, des Grammophons und des Films einsetzende „chemisch-mechanische Mediamorphose“, die „elektronische Mediamorphose“, die verschiedene Verfahren der Aufzeichnung bzw. Übertragung von Ton und Bild ermöglicht, und schließlich die mit den (voranschreitenden) Entwicklungen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie verbundene „digitale Mediamorphose“.

192

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

sind radikale Innovationen Träger des Paradigmenwechsels, von außen einwirkende bzw. eindringende Kräfte, die, auf einer systemfremden Kreativität basierend, das herrschende System aufbrechen (Tschmuck 2012, S. 238 f.). In diesem Zusammenhang ist mit Christensen (1997) insbesondere der Einfluss disruptiver Technologien zu betonen. Mit der Industrialisierung der Kultur, unter Berufung auf Smudits (2002, S. 211 ff.; 2008, S. 246 ff.) ein Prozess der in der elektronischen Mediamorphose beginnt, ist eine Fundierung des Musikschaffens auf Ökonomie verbunden.98 Demnach wird Musik nicht nur als Ware gehandelt, sondern ihre ökonomische Funktion drängt sich in Erscheinung entsprechender Bewertungskriterien vermehrt in den Vordergrund. So nehmen ökonomische Kriterien bei der Produktion ebenso wie bei der Bewertung eine stärkere, wenn nicht sogar dominante Stellung ein. Aufgrund der um die Jahrtausendwende einsetzenden digitalen Revolution befindet sich die Verwertung von Musikaufnahmen nun im Umbruch – eine Zeit, in der die Handlungselemente (Entfaltung technologischer Möglichkeiten, Formierung neuer Musikpraktiken, Zunahme der Handlungsakteure, Ausbildung neuer Geschäftspraktiken) zunehmen und routinierte Beziehungen zwischen den einzelnen Handlungselementen als überholt erklärt werden (Tschmuck 2012, S. 239). Vor dem Hintergrund einer ansteigenden Komplexität ist bislang keine ständige Zuordnung der Handlungselemente erkennbar. Ablesbar ist die Entfaltung einer technik- und kompetenzintensiven Kommunikationskultur; mit einer zunehmenden Mediatisierung und einer vermehrten (wenn auch mit Problemen behafteten) Kommerzialisierung kommt es zum Teil zur Verstärkung bereits vorhandener Entwicklungen (vgl. Smudits 2002, S. 221 ff.). Zwar können diese nachvollzogen werden, gewisse Richtungen, in die die Verwertung von Musikaufnahmen steuert, sind damit absehbar, von einem neuen und vor allem gefestigten paradigmatischen Rahmen

98

Smudits (2002, S. 211 ff.) beschreibt dabei zwei Ausformungen, zum einen die hier primär angesprochene „Ökonomisierung der Ästhetik“ und zum anderen die „Ästhetisierung der Ökonomie“, womit ein umfassender Wandel, weit über den eigentlichen Bereich des Kulturschaffens hinausreichend, gemeint ist, der auf die Legitimation des industriell-kapitalistischen Wirtschaftssystems abzielt.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

193

des Produktions-, Distributions- und Rezeptionssystems kann aber nicht ausgegangen werden. Die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie, gemeint sind etwa die zunehmende Digitalisierung, die Ausbreitung von Internetzugängen, die Verbreitung und die Steigerung der Leistungsfähigkeit von (mobilen) Endgeräten etc., nehmen Einfluss auf die musikindustriellen Produktions- und Verwertungsweisen: 

99

Im Zuge der Entwicklungen verändern sich die Bedingungen für die Musikschaffenden. Mit der Verbreitung von leistungsstarken Computern, sonstiger Hardware und spezieller Software zur Musikproduktion besteht die Möglichkeit hochwertige Musikaufnahmen außerhalb eines kostspieligen Musikstudios zu produzieren (Smudits 2008, S. 262 f.; Young; Collins 2010, S. 344).99 Miniaturisierung und Verbilligung tragen auf diese Weise (innerhalb jener Gesellschaften, die Zugang zu diesen Technologien besitzen) wesentlich zur Demokratisierung des Musikschaffens bei (Smudits 2002, S. 222). Damit ist noch nicht unbedingt die finanzielle Unabhängigkeit verbunden. Mit dem Crowdfunding verbreitet sich inzwischen jedoch auch ein alternatives, für verschiedene Anwendungsbereiche einsetzbares Finanzierungsmodell (vgl. Scherer; Winter 2015). Anstatt ausgerichtet auf einen einzelnen Investor, der die Finanzierung eines Projekts sichert, basiert die Idee des Crowdfunding auf der Aufteilung der Investitionssumme auf eine Vielzahl von Unterstützenden. Auf diese Weise wird den Musikschaffenden in ihrer Arbeitsweise größere Unabhängigkeit von den Unternehmen der phonographischen Industrie gestattet.

Charakteristisch für die Produktion von Musik ist ein relativ hoher Anteil an Fixkosten, die sich als First-Copy-Costs aus der Erstellung der Originalaufnahme ergeben. Bei gleichzeitig relativ geringen variablen Kosten für die Erstellung einer Kopie können Skaleneffekte umgesetzt werden, das heißt mit Erhöhung der Stückzahlen sinken die Durchschnittskosten. Da First-CopyCosts in der Regel irreversibel sind, werden diese als strukturelle Markteintrittsbarriere aufgefasst (Wirtz 2013, S. 51). Nach wie vor ist von diesen Besonderheiten in der Kostenstruktur auszugehen, durch Miniaturisierung und Verbilligung sind die Kosten allerdings (in vielen Fällen) absolut gesehen gesunken, sodass deren Bedeutung entsprechend zu bewerten ist.

194

100

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft 

Für die im Folgenden aufzuarbeitenden Austauschprozesse von Bedeutung ist im Besonderen die mit dem Aufbruch der tonträgerzentrierten Verwertungsstrukturen einhergehende Möglichkeit für die Musikschaffenden ihre Musik ohne die Bindung an ein phonographisches Unternehmen über das Internet (in verschiedener Art und Weise) einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Unternehmen der phonographischen Industrie (und zum Teil auch etablierte Händler) können in der digitalen Distribution der Musikaufnahmen übergangen werden.100 Insofern kann hierbei von dem Aufbruch eines geschlossenen Verwertungssystems gesprochen werden, das den Zugang für Musikschaffende und ihre Musik zuvor faktisch beschränkt. Als Folge einer möglichen Disintermediation verlieren die phonographischen Unternehmen (teilweise) ihre Gatekeeper-Funktion in der Musikdistribution und somit einen wesentlichen Teil ihrer Marktmacht (vgl. Crane 1992, S. 67 ff.; Tschmuck 2012, S. 249 f.). Die etablierten Rollen werden demzufolge neu verteilt, die bestehenden Muster werden durchlässig (vgl. Tschmuck 2016).



Ist die Veröffentlichung der musikalischen Werke nicht mehr an die Produktion und den Vertrieb von physischen Tonträgern gebunden, entscheidet die Bindung an ein Unternehmen der phonographischen Industrie nicht mehr über den Status der (professionellen) Musikschaffenden. Damit ist die Schwelle zwischen AmateurInnen und professionellen MusikerInnen gesunken. Musikschaffen, nicht nur als Tätigkeit, sondern als Beruf verstanden, ist stets verbunden mit einem Geltungsanspruch, der eine Anerkennung einfordert, die sich neben sozialem Prestige auch in finanzieller Belohnung zeigt, und einhergeht mit einem Eintritt in den Einflussbereich der geltenden Institutionen

Die Kosten der Erstellung einer (digitalen) Kopie sind inzwischen spürbar gesunken. Nicht mehr nur Anbieter, auch Nachfrager sind hierzu in der Lage. Mit dieser (teilweisen) Rückentwicklung von Musik zu einem öffentlichen Gut sind die verschiedenen illegalen Bezugsquellen von Musik angesprochen. Die Problematik der „Musikpiraterie“ (z. B. illegale Downloads über Peer-to-PeerNetzwerke), die den Diskurs zur Entwicklung der Musikwirtschaft in den letzten Jahren bestimmt, bleibt hier allerdings weitestgehend unberücksichtigt.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

195

(Zembylas 1997, S. 95 f.). Neben den zum Teil noch bestehenden starren Berufsrollen zeichnet sich ein neues Profil der Musikschaffenden ab, das sich durch hohe Selbstständigkeit und Flexibilität auszeichnet (vgl. Tschmuck 2016; Young; Collins 2010). Die Musikschaffenden werden vermehrt unternehmerisch tätig, verfolgen einen Do-it-yourself-Ansatz und nehmen (in Anlehnung an den Entrepreneur) die Rolle eines „Artrepreneurs“ ein (vgl. Smudits 2008, S. 263; Oliver 2010, S. 1422 ff.; Bockstedt; Kauffman; Riggins 2006, S. 18 ff.). 

Korrespondierend hiermit sind auf Seiten der RezipientInnen entsprechende Veränderungen zu beobachten. Zum einen vollzieht sich ein Wandel von reinen KonsumentInnen zu „ProsumentInnen“101. Zum anderen ist grundsätzlich festzuhalten, dass Musik inzwischen nicht mehr nur über physische Speichermedien verfügbar, sondern ebenso als digitaler Download oder als Stream102 abrufbar ist. Mit dem Besitz geeigneter Endgeräte sowie der Fähigkeit diese zu bedienen, steht den NutzerInnen der Online-Dienste inzwischen nahezu allgegenwärtig, also fast ohne räumlich-zeitliche Beschränkung, der Zugriff auf eine eigentlich unüberschaubare Vielfalt an Musik zur Verfügung. Dies bringt neue Formen des Musikkonsums mit sich.

Vor diesem Hintergrund ist das Konzept des Kulturbetriebs nun auf der Mikroebene differenziert aufzugreifen. Die Konkretisierung findet über die Leistung (bzw. Gegenleistung) statt, das heißt nur noch Anbieter und Nachfrager werden

101

In der Ausführung zur sektoralen Annäherung wird bereits darauf hingewiesen, dass bei Kulturgütern den RezipientInnen stets eine aktive Rolle zukommt. In einem ähnlichen Sinne ist mit dem Begriff „Prosumer“ (bzw. „ProsumentIn“), der auf Toffler (1980) zurückgeht, eine Person gemeint, die zugleich ProduzentIn und KonsumentIn ist. Tschmuck (2016, S. 26 f.) verweist in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung des „Crowdsourcing“ (als Outsourcing von Aufgaben an die NutzerInnenschaft) und sieht in einer stärkeren Partizipation der Fans in der Produktion und Distribution einen Wandel von einer über Jahrzehnte praktizierten „Push-“ hin zu einer „Pull-Musikkultur“.

102

Während bei einem Download eine Musikdatei von einem Server über das Internet auf ein Endgerät übertragen wird, basiert das Streaming auf einer konstanten, internetbasierten Datenübertragung auf ein entsprechend taugliches Endgerät, wobei die abgerufenen Daten nicht dauerhaft gespeichert werden.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

dargestellt, wobei das Marketing entsprechend die Anbieterperspektive einnimmt. Wird als Leistungskern bzw. eigentlicher Gegenstand der Nachfrage die Musikaufnahme (als das Ergebnis des künstlerisch-kreativen Schaffensakts) verstanden, gilt es jenen Austauschprozess zu identifizieren, in dem die Musikaufnahme das Absatzobjekt darstellt. Somit steht zunächst der kulturellkommunikative Austausch im Vordergrund. Dies verdeutlicht, dass es nicht allein um den Kaufakt, sondern in erster Linie um die Rezeption der Musik geht. Ein verkaufter Tonträger allein kann aus Sicht der Musikschaffenden ohne die tatsächliche Rezeption nicht zufriedenstellen. So spielt es weniger eine Rolle, ob es sich dabei um das Werk von professionellen MusikerInnen oder AmateurInnen handelt. Für die Wahrnehmung und Sinnstiftung eines Kulturguts ist die Existenz einer Öffentlichkeit vorauszusetzen und auf die entsprechenden kulturellen Techniken (Kodieren, Dekodieren, Interpretieren) abzustellen (vgl. Hasitschka; Tschmuck; Zembylas 2005, S. 150). Eine Analyse, die den Austauschprozess von Kulturgütern marketingtheoretisch aufgreifen will, kann den kulturell-kommunikativen Austausch nicht außer Acht lassen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, scheint demnach klar, dass der Austausch zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen erfolgt. In wirtschaftlicher Hinsicht fällt diese Zuordnung möglicherweise anders aus. Allerdings wird eine solche Auffassung durch den gegenwärtigen strukturellen Umbruch gestützt. So avancieren Musikschaffende inzwischen häufig zu VermarkterInnen der eigenen künstlerisch-kreativen Leistung. Im Sinne der vertikalen Integration übernehmen Musikschaffende die (zuvor lediglich den phonographischen Unternehmen vorbehaltene) Vermarktung der Musikaufnahmen selbst. Der kulturell-kommunikative Austausch wird in der Folge direkt auf den wirtschaftlichen Austausch zwischen den anbietenden Musikschaffenden sowie den nachfragenden RezipientInnen übertragen, sodass von derselben Konstellation des wirtschaftlichen Austauschprozesses und damit einer direkten Gegenleistung (Aufmerksamkeit, Geld) für das Austauschobjekt „Musikaufnahme“ ausgegangen wird. Für das weitere Vorgehen impliziert diese Auffassung, dass zunächst der Austausch zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen analysiert wird. Dieser Austauschprozess wird folglich dem „Kulturgütermarketing“ zugeordnet.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

197

Die wirtschaftlichen Verwertungsstrukturen sind allerdings historisch gewachsen, was nach sich zieht, dass der kulturell-kommunikative Austausch mit diesen nicht immer deckungsgleich ist. Das Verwertungssystem von Musikaufnahmen umfasst folglich weitere Akteure. Insbesondere die phonographischen Unternehmen haben eine zentrale Rolle inne. Sie übernehmen vielfältige Aufgaben, von der Finanzierung und Produktion (physischer Tonträger) bis hin zur Verkaufsförderung, Distribution sowie Abrechnung. Inzwischen erweitert sich ihr Aufgabenspektrum (z. B. Merchandising, Booking, Management) – eine Entwicklung, die unter dem Stichwort „360-Grad-Modell“ diskutiert wird (vgl. Marshall 2012). Mit der Einschaltung eines phonographischen Unternehmens, dies ist der Ansatzpunkt der weiteren Überlegungen, kommt diesen die Vermarktung von Musikaufnahmen zu, sie übernehmen die Aufgabe das Ergebnis des künstlerisch-kreativen Akts zu vermarkten und treffen die entsprechenden Entscheidungen bezüglich Kommunikation, Preissetzung, Vertrieb etc. Sie sind damit für viele Musikschaffende, vor allem für jene, die bei der Vermarktung auf deren Budget, Erfahrung und Kompetenzen vertrauen und nicht die Notwendigkeit und/oder den Impetus mitbringen ihre Musik selbst zu vermarkten, der zentrale Partner. Zugleich treten sie in der arbeitsteilig organisierten Verwertung der Musikaufnahmen als eigenständige Organisationseinheiten auf, was sie in kultureller Hinsicht aufgrund des selbstständigen In-Erscheinung-Tretens im Zuge der Vermarktung der Musikaufnahmen eine Funktion der Sinnvermittlung übernehmen lässt. Aufgrund ihrer Stellung als Vermittler zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen nehmen sie auch Einfluss auf das musikalische Werk, ohne jedoch selbst eine Art künstlerisch-kreative Leistung zu erbringen. So besteht mit einer intakten Gatekeeper-Funktion zwischen Musikschaffenden und phonographischen Unternehmen ein Verhältnis ähnlich dem zwischen Auftragnehmenden und Auftraggebenden. Sofern das musikalische Werk nicht den (in der Regel auf Annahmen über die Wünsche der RezipientInnen gestützten) Vorstellungen der Unternehmen und/oder den gängigen Konventionen (z. B. Genre, Format oder Darstellungsweise) entspricht und sich Musikschaffende diesen Anforderungen verweigern, kann dies – in der alten Konstellation – bedeuten, dass ein musikalisches Werk nicht den Weg an die Öffentlichkeit findet.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Wie schon ausgeführt, ist es für Musikschaffende derzeit allerdings nicht mehr ausgeschlossen, ohne die Bindung an ein Unternehmen der phonographischen Industrie künstlerisch und wirtschaftlich überstehen zu können. In puncto Marktmacht findet damit eine Verschiebung zugunsten der Musikschaffenden statt. Sie haben folglich nicht die phonographischen Unternehmen als Adressaten ihrer Leistung, sondern richten sich vermehrt an die RezipientInnen. Hinsichtlich des Entscheidungskalküls („Make or Buy“) besteht die Annahme, Musikschaffende bänden sich nur dann an ein Unternehmen, wenn sie sich hiervon einen Mehrwert, also einen relativen Vorteil versprechen können. Vom phonographischen Unternehmen wird eine zusätzliche Leistung erwartet bzw. die Aussicht, die Vermarktung werde besser (anders ausgedrückt: effektiver und effizienter) ausgeführt als dies der Fall ist, wenn Musikschaffende diese selbst erbringen (vgl. Bockstedt; Kauffman; Riggins 2006, S. 27 f.). Für die phonographischen Unternehmen ist die Leistung folglich auf die Musikschaffenden auszurichten, was für die Analyse der Austauschprozesse nach sich zieht, dass die Transaktionsrichtung neu zu bewerten ist. Die Rollen von Auftragnehmenden und Auftraggebenden werden gewechselt. Ausdrücklich zu erwähnen ist, dass diese Rollenverteilung nur situationsbezogen bestimmt werden kann. Diese modellhafte Annahme muss nicht der allgemeinen Denkund Handlungsweise der Praxis entsprechen, sondern dient als Ausgangspunkt der Fallstudie. Den Musikschaffenden mit ihren Werken wird nicht mehr auf dem Beschaffungsmarkt begegnet, sondern auf dem Absatzmarkt.103 Die Unternehmen der phonographischen Industrie sind folglich bemüht die Vermittlungs-

103

Der Austauschprozess zwischen Musikschaffenden und phonographischen Unternehmen wird in den Analysen zumeist vernachlässigt, gleichwohl weder die Leistungen noch die Interessen und Zielsetzungen deckungsgleich sind. Ein Grund hierfür mag die zuletzt häufig eingenommene Perspektive sein, die mit der Untersuchung von Wertschöpfungsketten vermehrt auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge hinweist, um „Lösungen“ für die „Krise“ zu erarbeiten. Dabei dient der Austausch zwischen Musikschaffenden und phonographischen Unternehmen ausschließlich der Beschaffung. Die Auffassung, die Musikschaffenden stellten die KundInnen der Unternehmen der phonographischen Industrie dar, ergibt sich aber nicht nur durch die Umbrüche der letzten Jahre. Bei arrivierten MusikerInnen ist die Rollenverteilung ohnehin klar; jene MusikerInnen sind aufgrund ihrer Stellung und ihres Versprechens Einnahmen zu generieren, als KundInnen anzusehen.

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

199

leistung an die Musikschaffenden abzusetzen. In diesem Zusammenhang wird der Austauschprozess zwischen phonographischen Unternehmen und Musikschaffenden dem Dienstleistungsmarketing (vgl. Meffert; Bruhn 2015) zugeordnet. Als Problemhintergrund werden folglich zwei Austauschprozesse bzw. deren Umweltbedingungen ausgewählt. Das „Marketing im Kulturbetrieb“, verstanden als „Marketing in der Musikwirtschaft“, wird betrieblich-organisatorisch gegliedert, wobei die Differenzierung auf den unterschiedlichen Leistungsangeboten beruht. Zum einen werden Überlegungen zum Marketing der Musikschaffenden (als SelbstvermarkterInnen) angestellt. Sie sind die ProduzentInnen der Musikaufnahmen, also der künstlerisch-kreativen Leistung. Dabei wird von einer auf die RezipientInnen gerichteten Vermarktung ausgegangen. Zum anderen werden die Marketingaktivitäten der phonographischen Unternehmen thematisiert. Sie versuchen die Vermittlungsleistung an die Musikschaffenden abzusetzen. Terminologisch wird im Folgenden mit der Bezeichnung „Vermarktung der Musikaufnahmen“ auf die Vermarktung der künstlerisch-kreativen Leistung (durch die Musikschaffenden selbst) verwiesen; hingegen meint die Bezeichnung „Vermarktung der Vermittlungsleistung“ die Vermarktung der Leistung der phonographischen Unternehmen, die sich an die Musikschaffenden richtet.

4.2.3

Umwelt der Austauschprozesse

Für eine branchenspezifische Annäherung ist ein Modell des Kulturbetriebs notwendig, welches als Erklärungsrahmen und Strukturierungshilfe der Umweltbedingungen der Austauschprozesse dienen kann. Ist die Rede von einem Modell, so ist hier zu beachten, dass dieses grundsätzlich „ein Abguss, ein Muster oder ein Schema von etwas sein [kann]. Modelle sind also Darstellungsweisen, wobei die Referenzbeziehung zwischen Modell und Gegenstand die Struktur einer Übertragung hat. […] Sozialwissenschaftliche Modelle des Kultursektors sind theoretische, d.h. nicht anwendungs- sondern erklärungsorientierte Modelle. Das bedeutet, wir haben es nicht mit buchstäblich korrekten

200

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Abbildungen zu tun. Theoretische Modelle zielen nicht auf eine ‚Wahrheit‘ im Sinne einer Korrespondenztheorie, sondern sind erkenntnisgenerierende Instrumente“ (Zembylas 2006, S. 21). Als alternative Beschreibungs- und Erklärungsmodelle des Kultursektors finden der Production-of-Culture-Ansatz (als Version der interaktionistischen Institutionstheorie), die Systemtheorie Luhmanns (1995) und die strukturalistische Feldtheorie nach Bourdieu (2001) Einzug in die Kulturbetriebsforschung. Ihnen gemein ist neben der grundlegenden Annahme, ein kulturelles Phänomen bzw. der Kultursektor sei sozial konstruiert, der Entwurf „einer fragmentarischen, polyzentrischen Gesellschaft ohne einen Wesenskern, ohne eine einheitliche Operationslogik sowie ohne ein definitives und statisches Machtzentrum“ (Zembylas 2006, S. 23), sie unterscheidet aber die ihnen inhärenten epistemologischen Metaphern („Betrieb“ bzw. „Welt“, „System“, „Feld“) sowie die verwendeten Perspektiven auf den Kultursektor und die gewählten Schwerpunkte. Aufgegriffen wird hier der sich in den USA der 1970er Jahren ausgebildete Production-of-Culture-Ansatz104, der inzwischen in der Kunst- und Kultursoziologie als einer der zentralen Ansätze zur Analyse kultureller Phänomene gilt. Hierunter ist zunächst keine geschlossen ausgearbeitete Theorie zu verstehen. Vielmehr ist der Ansatz als in sich heterogen anzusehen und umfasst mit einer Vielzahl von VertreterInnen wie Peterson (1976), DiMaggio (1982) oder Crane (1992), um nur einige zu nennen, eine Bandbreite an unterschiedlichen Forschungsarbeiten. Gelegentlich als zugehörig beschrieben, in jedem Fall aber in enger Verbindung zum Production-of-Culture-Ansatz steht auch Beckers (1982) „Art Worlds“. Unter Rekurs auf Danto (1964, S. 580), der den Begriff erstmalig gebraucht, fasst Becker (1982, S. 34 f.) eine Kunstwelt auf als „established network of cooperative links among participants“ und bezieht sich auf „all the people whose activities are necessary to the production of the

104

Die Bezeichnung „Production-of-Culture“ bezieht sich ursprünglich auf einen Text von Peterson (1976, S. 8 ff.), in dem er Kritik an den bestehenden Sichtweisen auf den Zusammenhang von Gesellschaft und Kultur (zusammengefasst als „autonomous culture cycle“, „social structure creates culture“ und „culture creates social structure“) anführt und für eine neue Perspektive plädiert. Zembylas (2006, S. 25) betont in der Entstehung des Production-of-Culture-Ansatzes vor allem den Einfluss des amerikanischen Pragmatismus (vgl. beispielsweise Dewey 1988).

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

201

characteristic works which that world, and perhaps others as well, define as art.“ Dabei geht es um die Interaktion der beteiligten Akteure – Kunst (als kulturelles Phänomen) ist demnach das Ergebnis kollektiver Handlungen – für deren Gelingen vor allem Kooperation und Konvention betont wird (vgl. ebenda, S. 34 ff.).105 Der in der Kunstwissenschaft vorherrschenden Auffassung der individuellen SchöpferInnen oder gar der Vorstellung vom künstlerischen Genie steht der Ansatz folglich ablehnend gegenüber. Die charakteristische Zugangsweise rückt nicht (nur) die einzelne, konkrete Produktion bzw. den konkreten künstlerisch-kreativen Schaffensakt eines Werks in den Vordergrund. Das Augenmerk richtet sich auf die kulturelle Praxis, will heißen: auf all jene Handlungen, die mit der Produktion in Zusammenhang stehen, und damit auf die jeweiligen Organisationen und Institutionen des Kultursektors. Zusammenfassen lässt sich der Fokus des Ansatzes auf die Frage, „how the symbolic elements of culture are shaped by the systems within which they are created, distributed, evaluated, taught, and preserved“ (Peterson; Anand 2004, S. 311). An dieser Stelle ist im Besonderen auf die Arbeit von Peterson (1982) bzw. Peterson und Anand (2004) einzugehen, die mit den im „Six-Facet Model of the Production Nexus“ herausgearbeiteten Faktoren (1) Gesetze und Regelungen, (2) Technologie, (3) Industriestruktur, (4) Organisationsstruktur, (5) berufliche Laufbahnen und (6) Markt einen zusammenhängenden Rahmen zur Analyse der

105

Diese Auffassung verbindet den Production-of-Culture-Ansatz mit anderen kunstsoziologischen Zugängen. In diesem Zusammenhang weist Smudits (2006, S. 71 ff.) etwa auf die Verbindung des Production-of-Culture-Ansatzes zur österreichischen Tradition der Kulturforschung hin. Ebenso zeigen sich Bezugspunkte zu Bourdieu (2001, S. 362), der zum Ausdruck bringt, dass der „Produzent des Werts des Kunstwerks […] nicht der Künstler [ist], sondern das Produktionsfeld als Glaubensuniversum, das mit dem Glauben an die schöpferische Macht des Künstlers den Wert des Kunstwerks als Fetisch schafft. Da das Kunstwerk als werthaltiges symbolisches Objekt nur existiert, wenn es gekannt und anerkannt, das heißt von Betrachtern, die mit der dazu erforderlichen ästhetischen Einstellung und Kompetenz ausgestattet sind, gesellschaftlich als Kunstwerk instituiert ist, hat die Wissenschaft von den kulturellen Werken nicht nur deren Produktion zum Gegenstand, sondern auch die Produktion des Werts der Werke oder, was auf dasselbe hinausläuft, die des Glaubens an den Wert der Werke. Sie hat also nicht allein mit den direkten Produzenten des Werkes in seiner materiellen Gestalt zu schaffen (Künstler, Schriftsteller usw.), sondern mit der Gesamtheit der Akteure und Institutionen, die über die Produktion des Glaubens an den Wert der Kunst im allgemeinen und an den Wert dieses oder jenes Werkes im besonderen an der Produktion des Werts des Kunstwerks mitwirken.“

202

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

strukturellen Produktionsbedingungen von Kultur liefert. Die Ausführungen zu den Faktoren beziehen sich häufig direkt auf den Musikbereich – so etwa, wenn Peterson (1990) die Entstehung der Rockmusik untersucht –, sodass eine Anwendbarkeit für den hier aufzugreifenden Branchenkontext grundsätzlich gegeben ist. Die Verwertung von Musikaufnahmen unterliegt demnach dem Einfluss von gesellschaftlich bedingten Faktoren, die mit der künstlerischkreativen Leistung der Musikschaffenden nicht direkt verbunden sind. Zu beachten ist, dass es hierbei angesichts der „Konkretheit“, wie Smudits (2006, S. 70) es formuliert, „um ergänzbare bzw. veränderbare Kategorien geht, es [sich] also durchaus um ein induktives, empiristisches Erkenntnismodell handelt“, das sich als solches besonders für die fallstudienartige Analyse eignet. Auch Peterson selbst zeigt, dass es sich bei den vorgeschlagenen Faktoren nicht um ein abgeschlossenes Modell handelt, schließlich erweitert er selbst die zuvor fünf aufgestellten um den Faktor „Industriestruktur“ (vgl. Peterson; Anand 2004). Darüber hinaus bleibt unstrittig, dass weitere Aspekte wesentlichen Einfluss auf die Kultur ausüben und damit auch andere Ausrichtungen in der Untersuchung von Kultur und Kulturbetrieb ihre Berechtigungen besitzen. Mit dem Production-of-Culture-Ansatz wird allerdings die häufig vernachlässigte Einbettung der Kulturgüter in einen jeweils spezifischen (rechtlichen, ökonomischen etc.) Kontext aufgegriffen. Dass bei dem weitestgehend wertfreien Vorgehen zugleich die Beschaffenheit der konkreten Kulturgüter außen vorgelassen wird, kann hier vernachlässigt werden, da die Konkretisierung der Austauschprozesse über die Leistung (künstlerisch-kreative Leistung bzw. Vermittlungsleistung) stattfindet, diese folglich ohnehin als vorausgesetzt angesehen wird und nicht im Fokus steht. Anders als etwa bei Tschmuck (2002, S. 739 ff.), der für eine Untersuchung der Entwicklungsszenarien von Musikdienstleistungen im Internet in einer Wirkungsanalyse die unterschiedlichen Einflüsse der genannten Faktoren untereinander aufzeichnet, wird es hier notwendig, die Faktoren für eine marketingtheoretische Aufarbeitung fruchtbar zu machen, in der Folge vorab den Faktor „Markt“ in den Mittelpunkt zu rücken und diesen auf die Marketingaktivitäten des Anbieters zu beziehen. Die anderen Faktoren werden entsprechend ihrer Wirkungsweise auf den Absatzmarkt unterteilt. Bei den Faktoren „Gesetze und Regelungen“, „Technologie“ sowie „Industriestruktur“ handelt es sich um ex-

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

203

terne, vom einzelnen Anbieter folglich nicht (oder nur indirekt und mit großem Aufwand) zu beeinflussende Bedingungen. Sie werden im Folgenden als Umweltbedingungen des Markts aufgefasst, stellen demnach den institutionellen Rahmen dar, der Austauschprozesse ermöglicht bzw. verhindert. Im Hinblick auf die beiden ausgewählten Austauschprozesse werden sie allerdings einzeln erarbeitet. Die Faktoren „Organisationsstruktur“ und „Berufliche Laufbahnen“ erweisen sich jedoch dahingehend als interne Ressourcen, dass sie als erfolgskritische Fähigkeiten in den marketingspezifischen Aufgabenbereich eingeordnet werden können (z. B. Fähigkeiten zur Organisation von Marketing und Vertrieb, Marketingfähigkeiten von MusikerInnen bzw. ManagerInnen der phonographischen Unternehmen). Demnach werden diese Faktoren unter dem Aspekt der Ressourcenausstattung zusammengefasst, um die Ausführungen zum Markt durch die notwendigen internen Voraussetzungen zu erweitern. Anlehnung findet diese Unterscheidung an die sich ergänzenden (aus der industrieökonomischen Forschung stammenden, inzwischen vor allem auch im strategischen Marketing aufgegriffenen) Perspektiven Market-based View und Resource-based View, die den Unternehmenserfolg einerseits durch die Strukturmerkmale sowie Verhaltensweisen der Unternehmen einer Branche, andererseits durch die jeweilige interne Ressourcenausstattung zu erklären versuchen. Aus dieser Aufteilung der Faktoren ergibt sich das in Abbildung 4 dargestellte Schaubild.

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Technologie

Berufliche Laufbahnen

Industriestruktur

Organisationsstruktur

Gesetze und Regelungen

Markt

Markt

Bedingungen der Umwelt Outside-in Perspektive

Ressourcenausstattung

Gesetze und Regelungen

Ausrichtung der Faktoren auf die Marketingaktivitäten des Anbieters

„Six-Facet Model of the Production Nexus“

204

Technologie

Nachfrager

Industriestruktur

Informationen Anbieter

Organisationsstruktur

Berufliche Laufbahnen

Inside-out Perspektive

Abbildung 4: Anordnung und Wirkungsweise der Faktoren

Das Aufgreifen der konkreten Umweltbedingungen ist die notwendige Voraussetzung, um im Anschluss analysieren zu können, welche Auswirkungen sich für das Marketing ergeben. Diese stellen sich aber zum Teil je nach territorialem Gebiet unterschiedlich dar, was schon bei einem Verweis auf die Gesetzgebung deutlich wird. Für die Ausarbeitung der Umweltbedingungen ist demzufolge nicht nur eine sachliche Konkretisierung der Austauschprozesse notwendig, sondern entsprechend auch eine räumlich-zeitliche. Eingegangen wird im Folgenden auf die gegenwärtigen Umweltbedingungen der Austauschprozesse mit Musikaufnahmen in Deutschland. Die Entscheidung basiert zum einen auf der Menge der öffentlich zugänglichen Dokumente sowie zum anderen auf der Größe bzw. des Stellenwerts des deutschen Musikmarkts. So ist dieser umsatz-

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

205

mäßig nicht nur im deutschsprachigen Raum führend, sondern auch weltweit gesehen ein bedeutender Umschlagplatz für Musikaufnahmen.106 Mit der skizzierten Anordnung und Wirkungsweise der Faktoren sowie der räumlichen und zeitlichen Konkretisierung liegt zugleich ein Leitfaden für die weitere Vorgehensweise vor. Es wird anhand der Austauschprozesse (R-M: zwischen RezipientInnen und Musikschaffenden; M-PU: zwischen Musikschaffenden und phonographischen Unternehmen) und Faktoren (Gesetze und Regelungen; Industriestruktur; Technologie) möglich die notwendigen Dokumente zu sammeln und entsprechend zu strukturieren. Die Auswirkungen der Umweltbedingungen bzw. die Ausarbeitung der Thesen basiert wesentlich auf der Auswahl der für die Darstellung der Umweltbedingungen verwendeten Dokumente. Um die Nachvollziehbarkeit gewährleisten zu können, liefert Tabelle 8 eine Übersicht der Dokumente entsprechend ihrer Zuordnung zu den Austauschprozessen und Faktoren. Demnach wird zur Ausarbeitung der branchenspezifischen Umweltbedingungen auf Dokumente aus dem direkten Branchenumfeld (Studien, Branchenberichte, Gesetzestexte, Geschäftsberichte, Vertragsmuster, Unternehmensveröffentlichungen, Presseberichte und -mitteilungen) als Informationsquellen zugegriffen. Dabei sind generell die Verfügbarkeit, die Unabhängigkeit vom Zweck der Fallstudie sowie die Präzision und der Umfang vorteilhaft; bezogen auf die Branchendaten der

106

Nach jahrelangem Aufwärtstrend, der wesentlich auf die Einführung neuer Trägermedien zurückzuführen ist, kommt es in den Folgejahren, ohne an dieser Stelle zwingend einen Kausalzusammenhang zu unterstellen, zeitgleich mit dem Aufkommen von Musiktauschbörsen und CDBrennern zu einer über mehrere Jahre andauernden Rezession. Mittlerweile werden der (nur noch moderate) Rückgang im Bereich der physischen Tonträger sowie zweistellige Zuwächse bei den Streaming-Services als Anzeichen der Konsolidierung gedeutet. Während in Österreich insgesamt nach wie vor ein Rückgang verzeichnet wird, wächst der deutsche Markt leicht (vgl. IFPI Austria 2017, S. 9; BVMI 2017, S. 9). Hinter den jeweiligen Anteilen am weltweiten Gesamtumsatz steht eine unterschiedliche Verteilung von physischen und digitalen Musikverkäufen (sowie Einnahmen aus Leistungsschutzrechten und Synchronisation). Japan zeichnet sich etwa durch einen weiterhin hohen Umsatzanteil durch den Verkauf von physischen Tonträgern aus, wohingegen in anderen Ländern wie beispielsweise Schweden, Dänemark oder den USA ein höherer Anteil durch das digitale Geschäft (und zugleich ein stärkerer Rücklauf in dem Bereich der physischen Tonträger) verbucht wird; ähnliches lässt sich in Bezug auf die Verteilung der durch Downloads und Streaming erzielten Umsätze konstatieren (vgl. BVMI 2017, S. 7; IFPI Austria 2017, S. 20).

206

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Verbände und Unternehmen sind insbesondere die Aktualität und die zeitliche Vergleichbarkeit hervorzuheben. Als Schwäche bleibt eine mögliche einseitige Auswahl und Interpretation anzumerken. So sind vornehmlich die von den Unternehmen und Branchenverbänden (z. B. Bundesverband Musikindustrie, International Federation of the Phonographic Industry) bereitgestellten Informationen entsprechend einzuordnen. Die Berichte werden von den Unternehmen bzw. Branchenverbänden selbst herausgegeben (bzw. die Studien werden von diesen in Auftrag gegeben) und beinhalten in der Regel eine entsprechende Interpretation der erhobenen Daten. Dass diese grundsätzlich den Interessen der Verbände und Unternehmen nicht entgegenstehen werden, vielmehr euphemistisch ausfallen, wird angesichts des Zwecks der Veröffentlichung, der Interessenvertretung und der Beeinflussung der Zielgruppen (Politik, Shareholder etc.), offensichtlich.107 Wie Harker (1997) schon vor 20 Jahren unter dem Titel „The wonderful world of IFPI“ aufarbeitet, sind die Aussagen der Branchenverbände mit Vorsicht zu genießen. Auf das Aufgreifen der wertenden Kommentierungen durch die Branchenverbände und Unternehmen wird demnach weitestgehend verzichtet. Tabelle 8:

Übersicht und Zuordnung der Dokumente

Quelle

Titel

Art des Dokuments

Austausch Faktor

ARD 2017

Hörfunkstatistik 2016

Branchenbericht/ Studie

R-M

Technologie

ARD; ZDF 2016

ARD/ZDF-Onlinestudie 2016

Studie

R-M

Technologie

Billboard 2012a

Updated: Sony-Led Group Closes Purchase of EMI Music Pressebericht Publishing

M-PU

Industriestruktur

107

Eine kritische Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Forschung, ihrem Verhältnis zur Musikwirtschaft und den Problemen des Wissenstransfers liefern Williamson, Cloonan und Frith (2011).

4.2 Konkretisierung des institutionellen Rahmens

207

Billboard 2012b

Universal Completes $1.9 Billion EMI Recorded Music Acquisition

Pressebericht

M-PU

Industriestruktur

Billboard 2016

1,000 Artists Including Coldplay, Lady Gaga, Ed Sheeran Write Letter to European Leaders Over YouTube

Pressebericht

R-M

Technologie

Bitkom 2016

Zukunft der Consumer Technology – 2016

Studie

R-M

Technologie; Industriestruktur

BMVI 2016

Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland

Studie

R-M

Technologie

BMWi 2009

Branchenhearing Musikwirtschaft

Branchenbericht

R-M; M-PU

Technologie; Industriestruktur

BVMI 2017

Musikindustrie in Zahlen 2016

Branchenbericht/ Studie

R-M; M-PU

Technologie; Industriestruktur

EMO; EN 2012

Monitoring the cross-border circulation of European music repertoire within the European Union

Studie

R-M

Industriestruktur

EK 2016

Lage der Union 2016: Kommission schlägt moderne Urheberrechtsvorschriften für die EU vor, damit die Kultur in Pressemitteilung Europa gedeihen und kulturelle Inhalte besser verbreitet werden können

R-M

Gesetze und Regelungen; Technologie

Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften

Gesetzestext

R-M

Gesetze und Regelungen

Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

Gesetzestext

R-M; M-PU

Gesetze und Regelungen

GEMA 2017

Geschäftsbericht mit Transparenzbericht 2016

Geschäftsbericht

R-M

Gesetze und Regelungen

GVL 2017

GVL bestätigt Rekordeinnahmen von 271 Mio. Euro im Jahr 2016

Pressemitteilung/ Geschäftsbericht

R-M

Gesetze und Regelungen

IFPI 2016

Music Consumer Insight Report 2016

Branchenbericht/ Studie

R-M

Technologie; Industriestruktur

IFPI; WIN 2016

Investing in Music

Branchenbericht

M-PU

Technologie; Industriestruktur

208

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

KS 2016

Statistiken

Unternehmensveröffentlichung

R-M

Technologie

KSK 2017

KSK in Zahlen

Unternehmensveröffentlichung

R-M

Industriestruktur

MW 2017

Jahresauswertung 2016

Pressebericht/ Branchenbericht

R-M; M-PU

Industriestruktur

VUT 2005

Wachstum gegen den Trend

Studie

M-PU

Industriestruktur

VUT 2016a

Künstlerexklusivvertrag

Vertragsmuster

M-PU

Gesetze und Regelungen

VUT 2016b

Bandübernahmevertrag

Vertragsmuster

M-PU

Gesetze und Regelungen

WIN 2016

Worldwide Independent Market Report

Branchenbericht/ Studie

M-PU

Industriestruktur

4.3

Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

Die Vermarktung von Musikaufnahmen stellt den Austauschprozess zwischen RezipientInnen und Musikschaffenden in den Vordergrund. Zugleich besteht innerhalb dieses Abschnitts die Grundannahme, die Musikschaffenden übernähmen die Vermarktung der Musikaufnahmen selbst (vgl. Oliver 2010; Bockstedt; Kauffman; Riggins 2006). Dies berücksichtigt den Aufbruch der tradierten Verwertungsstrukturen, der es MusikerInnen ermöglicht künstlerisches Potenzial zu realisieren und ihre Werke relativ kostengünstig zu produzieren, kommunizieren und zu distribuieren. Kapitel 4.3.1 fasst die geltenden Gesetze und Regelungen zusammen. Im Anschluss greift Kapitel 4.3.2 die technologischen Aspekte auf. Kapitel 4.3.3 beleuchtet die Industriestruktur. Nach der Darstellung der Umweltbedingungen werden in Kapitel 4.3.4 die marktbezogenen Thesen und in Kapitel 4.3.5 die Thesen zur Ressourcenausstattung formuliert.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen 4.3.1

209

Gesetze und Regelungen

In diesem Abschnitt werden die Gesetze und Regelungen behandelt, die bei der Verwertung von Musikaufnahmen eine zentrale Rolle spielen.108 Neben dem Urheber- und Leistungsschutzrecht werden die Verwertungsgesellschaften thematisiert. Die Kenntnis über die rechtlichen Umweltbedingungen ist die Voraussetzung, um in dem wirtschaftlichen Beziehungsgeflecht der Akteure adäquate Entscheidungen treffen und rechtskräftige Verträge abschließen zu können.

Urheber- und Leistungsschutzrecht Die Grundlage für die wirtschaftliche Verwertung von Musikaufnahmen bildet in Deutschland das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte.109 Mit dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) wird den UrheberInnen von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst für ihre Werke Schutz gewährt (§ 1 UrhG). Als im Sinne des Gesetzes geschützte Werke werden in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG unter anderem die Werke der Musik verstanden, solange sie als persönliche geistige Schöpfungen anzusehen sind (§ 2 Abs. 2 UrhG). Den UrheberInnen110

108

Die im Text aufgegriffenen Paragraphen des Verwertungsgesellschaftengesetzes und des Urheberrechtsgesetzes sind im Wortlaut der Arbeit angehangen. Darüber hinaus sind dem Anhang weitere Abbildungen und Tabellen zu entnehmen, die der Erläuterung der Umweltbedingungen dienen.

109

In Österreich gilt das Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte. Auf internationaler Ebene bestehen verschiedene Abkommen (z. B. Revidierte Berner Übereinkunft, WIPO-Urheberrechtsvertrag, Welturheberrechtsabkommen) zur Regelung von Urheberrechtsfragen. Insbesondere auf europäischer Ebene wird derzeit über das Urheberrecht diskutiert. So stellt die EU-Kommission im September 2016 einen Entwurf zur Modernisierung und Harmonisierung des europäischen Urheberrechts im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt vor (vgl. EK 2016).

110

Bei den UrheberInnen handelt es sich um natürliche Personen. Die UrheberInnenschaft ist, anders als etwa im US-amerikanischen Rechtssystem, nicht übertragbar. Im deutschen Urheberrecht gilt ausnahmslos das SchöpferInnenprinzip. Darüber hinaus sind nach § 8 Abs. 1 UrhG, sofern mehrere AutorInnen ein musikalisches Werk gemeinsam schaffen, diese als MiturheberInnen des Werks anzusehen.

210

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

als SchöpferInnen der Werke (§ 7 UrhG) wird Schutz in ihren geistigen und persönlichen Beziehungen zu den Werken sowie in der Nutzung der Werke zugesprochen, wobei zugleich die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung der Werke beabsichtigt wird (§ 11 UrhG). Demnach ist einerseits mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht der Schutz der Beziehungen der UrheberInnen zu ihren Werken verankert (§§ 12 ff. UrhG) und andererseits mit den Verwertungsrechten die Nutzung der Werke durch die UrheberInnen geregelt. So stehen ihnen nach §§ 15 ff. UrhG zum Schutz ihrer Werke verschiedene Verwertungsrechte zu. Zunächst besitzen sie das ausschließliche Recht ihre Werke in körperlicher Form zu verwerten. Damit sind für die Verwertung von Musikaufnahmen das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) sowie das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) angesprochen. Darüber hinaus kommt ihnen das ausschließliche Recht zu ihre Werke in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Anzuführen sind für das Recht der öffentlichen Wiedergabe vor allem das Aufführungsrecht (§ 19 UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). Mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ist auch die Veröffentlichung eines Werks im Internet berücksichtigt. Aufgrund dieser Verwertungsrechte können UrheberInnen über die Veröffentlichung und Auswertung ihrer Werke entscheiden. Sofern Interesse an der Auswertung ihrer Werke besteht, können sie (gegen eine entsprechende Vergütung gemäß § 32 UrhG) anderen das Recht einräumen die Werke in bestimmter oder jeglicher Art zu nutzen und dieses Nutzungsrecht (Lizenz) als einfaches oder ausschließliches Recht vergeben sowie nach Ermessen räumliche, zeitliche oder inhaltliche Beschränkungen vornehmen (§ 31 UrhG). Im Fall der Musikaufnahme sind in dem Werk verschiedene Rechte enthalten. So sieht die deutsche Gesetzgebung ebenfalls das Leistungsschutzrecht als mit dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht vor. Neben dem Schutz der AutorInnenschaft (KomponistInnen, TextdichterInnen) als UrheberInnen sind damit ebenso

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

211

ausübende KünstlerInnen (InterpretInnen) als Leistungsschutzberechtigte111 gesetzlich berücksichtigt (§§ 73 ff. UrhG).112 Nach § 73 UrhG sind ausübende KünstlerInnen jene, die ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführen, singen, spielen oder auf eine andere Weise darbieten oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirken. Die ausübenden KünstlerInnen haben das ausschließliche Recht ihre Darbietung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen, diesen zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 77 UrhG) sowie ihre Darbietung öffentlich zugänglich zu machen, zu senden und durch technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 78 UrhG).

Verwertungsgesellschaften Bei der Einräumung von Nutzungsrechten ist zwischen individueller und kollektiver Rechtewahrnehmung zu unterscheiden. Während erstere sich auf diejenigen Rechte bezieht, deren Vergabe von den RechteinhaberInnen (UrheberInnen oder einem mit der Auswertung der Musikwerke beauftragten Musikverlag) selbst übernommen wird (z. B. Bearbeitungsrecht), entspricht letztere, auf dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) basierend, der Vertretung mehrerer UrheberInnen.113 Als Verwertungsgesellschaft nach § 2 Abs. 1 VGG, die im Auftrag ihrer Mitglieder, KomponistInnen, TextdichterInnen und VerlegerInnen, treuhänderisch die Verwertung urheberrechtlich geschützter Musikwerke übernimmt, fungiert in Deutschland die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungs-

111

Des Weiteren steht organisatorischen Leistungen ein Schutzrecht (Schutz des Veranstalters, Schutz des Herstellers von Tonträgern) zu (vgl. Kapitel 4.4.1).

112

Auch im österreichischen Urheberrechtsgesetz ist ein entsprechender Schutz der ausübenden KünstlerInnen verankert. Darüber hinaus gilt etwa das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen.

113

Neben den im Text aufgegriffenen Verwertungsgesellschaften existieren in Deutschland für den Musikbereich weitere Gesellschaften wie beispielsweise die VG Musikedition oder (als ein Zusammenschluss verschiedener Verwertungsgesellschaften) die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ).

212

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

rechte (GEMA).114 Die UrheberInnen beauftragen auf der Grundlage der Berechtigungsverträge die GEMA mit der Verwaltung der Nutzungsrechte an den Musikwerken. Durch die Vertretung der UrheberInnen durch die GEMA existiert für die verschiedenen Verwerter (z. B. Radiostationen, Online-Händler etc.) eine zentrale Stelle für die Einholung der notwendigen Lizenzen (bzw. aus Sicht der UrheberInnen für die Vergabe und Kontrolle der Nutzungsrechte).115 Dabei unterliegt die GEMA gemäß § 34 VGG dem Abschlusszwang, das heißt sie kann einem Verwerter auf Verlangen (zu angemessenen Bedingungen) die entsprechenden Nutzungsrechte nicht vorenthalten. Die GEMA übernimmt (über den Abschluss von Einzel-, Pauschal- und Gesamtverträgen und auf Grundlage der von ihr festgelegten Tarife) die Vergabe der jeweiligen Lizenzen an die Verwerter, fordert die Lizenzgebühren ein und schüttet die Einnahmen (nach Abzug einer Verwaltungsgebühr) ihrem Verteilungsplan entsprechend an die Mitglieder aus (vgl. GEMA 2017). Das Urheberrechtsgesetz sieht, wie zuvor schon erläutert, das Leistungsschutzrecht als verwandtes Schutzrecht vor, wodurch die ausübenden KünstlerInnen bzw. ihre Leistungen bei der öffentlichen Wiedergabe gesetzlich geschützt werden. Ausübenden KünstlerInnen steht (im Sinne der Erstverwertung) das exklusive Recht an der Aufnahme, Vervielfältigung und Verbreitung ihrer Darbietung zu. Hingegen gilt bei rechtmäßig in Umlauf gebrachten Aufnahmen, also bei einer Darbietung, die erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger

114

In Österreich übernehmen diese Aufgabe die Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) und die Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanischmusikalischer Urheberrechte (Austro-Mechana). Verbunden über Gegenseitigkeitsverträge mit diversen ausländischen Schwestergesellschaften und organisiert in internationalen Dachverbänden, wie dem Bureau International des Sociétés Gérant les Droits d’Enregistrement et de Reproduction Mécanique (BIEM) oder der Confédération Internationale des Sociétés d’Auteurs et Compositeurs (CISAC), können die Rechte vielfach auch im Ausland vertreten werden.

115

Eine Alternative zu den Lizensierungspraktiken der Verwertungsgesellschaften sind, insbesondere im Zeitalter des Internets und der digitalen Medien, die von der Nonprofit-Organisation Creative Commons vorgefertigten Lizenzverträge, die die Freigabe rechtlich geschützter Inhalte regeln. Mit der Einführung der Lizenzverträge ist der Versuch verbunden den Beteiligten mehr Klarheit über die Bedingungen bei der Nutzung des Inhalts und zugleich eine größere Flexibilität in der Vergabe von Rechten zu bieten.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

213

aufgenommen ist, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht sind (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 UrhG), dass deren Sendung bzw. öffentliche Wiedergabe (im Sinne der Zweitverwertung) nicht dem ausschließlichen Recht der ausübenden KünstlerInnen untersteht. Bestehen bleibt dabei aber der Vergütungsanspruch der ausübenden KünstlerInnen (§ 78 Abs. 2 UrhG), der allerdings nur von einer Verwertungsgesellschaft übernommen werden kann (§ 78 Abs. 3 UrhG). In Deutschland fungiert in diesem Fall als Vermittler zwischen den RechteinhaberInnen und den Rechtenutzenden die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL).116 Sofern ein Verwerter also nicht nur das urheberrechtlich geschützte Musikwerk, etwa im Rahmen einer konzertanten Darbietung, nutzen möchte, sondern eine konkrete Musikaufnahme, muss dieser sich für den Rechteerwerb (neben der GEMA) auch an die GVL wenden. Die GVL schließt mit den RechteinhaberInnen einen Wahrnehmungsvertrag ab, stellt die entsprechenden Tarife auf, tritt in Verhandlungen mit den verschiedenen Verwertern und verteilt die Vergütungen gemäß ihrem Verteilungsplan (vgl. GVL 2017). Das Inkasso übernimmt dabei teilweise die GEMA.

4.3.2

Technologie

Dieser Abschnitt behandelt weniger die Technologie selbst (will heißen: konkrete Vorgänge und Entwicklungen der Digitalisierung, Datenkomprimierung und des Internets), als vielmehr technologiebasierte Entwicklungen, die für die Vermarktung relevant sind.117 Technologische Innovationen, allen voran die

116

Zuständig hierfür sind in Österreich die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten (LSG) sowie die Österreichische Interpretengesellschaft (OESTIG). Durch Kooperation mit internationalen Schwestergesellschaften wird sichergestellt, dass Nutzungen im Ausland honoriert werden.

117

Der Musikbereich ist auf vielfältige Art und Weise von technologischen Entwicklungen betroffen. An dieser Stelle können allerdings nicht alle Entwicklungen aufgegriffen werden. So bleiben etwa die Innovationen im Bereich Recording unbehandelt, da der Absatz von Musikaufnahmen im Fokus steht. Andere technologische Entwicklungen, erwähnt seien die Themen Virtual Reality,

214

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Digitalisierung und das Internet, führen in den letzten Jahren zu verkürzten Kommunikations- bzw. Distributionswegen.118 Es kommt damit zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen nicht mehr nur zu realen Begegnungen, sondern auch zu Treffen an virtuellen Orten. Im Folgenden wird mit dem Crowdfunding eine Finanzierungsmöglichkeit aufgegriffen, die es Musikschaffenden ermöglicht Projekte abseits der etablierten Strukturen zu realisieren. Ferner wird die Musiknutzung angesprochen. Hier ist es vor allem das Streaming, das für neue Impulse sorgt. Als weiterer Punkt werden Social Media und musikbezogene Dienste des Web 2.0 thematisiert.

Crowdfunding Mit Hilfe von Crowdfunding-Plattformen sind Musikschaffende in der Lage von einer Vielzahl von UnterstützerInnen Geldbeträge einzusammeln und die Realisierung ihrer Projekte selbstständig voranzutreiben. Vorläufer für das Crowdfunding im Musikbereich sind ArtistShare, PledgeMusic, Musicstarter sowie das zwischenzeitlich eingestellte Portal Sellaband. Das Angebot richtet sich direkt an die unabhängigen Musikschaffenden, um ihnen ein Zusammentreffen mit ihren Fans und hierüber die Finanzierung der Produktion und Distribution von Musikaufnahmen zu ermöglichen. Die Musikschaffenden präsentieren auf den Online-Plattformen ihre geplanten Projekte und legen die notwendige Summe für deren Realisierung selbst fest. Der Betrag, den InvestorInnen bereit sind einzubringen, kann in der Regel individuell bestimmt werden. Als Gegenleistung für die Vorfinanzierung der Musikaufnahmen erhalten die KapitalgeberInnen eine im Vorhinein aufgestellte Prämie in Form von Sachleistungen oder immateriellen Leistungen (z. B. Special Edition, Meet

künstliche Intelligenz, Sprachsteuerung, Blockchain und Smart Contracts, finden keine Berücksichtigung, da ihre Bedeutung derzeit (noch) als gering einzuschätzen ist. 118

Nach Angaben der ARD/ZDF-Onlinestudie steigt die Zahl der InternetnutzerInnen im Jahr 2016 um zwei Millionen auf insgesamt 58 Millionen (83,8 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren) an; auch die Internetnutzung pro Tag nimmt im Vergleich zum Vorjahr um 20 Minuten zu und beträgt insgesamt 128 Minuten (ARD; ZDF 2016, S. 2 f.).

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

215

and Greet); gegebenenfalls können sie sich auch in das Projekt einbringen. Auf diese Weise können Vorhaben finanziert werden, die nur ein vergleichsweise geringes Kapital benötigen und für gewöhnlich von den Kreditinstituten nicht bedient werden (vgl. BMWi 2009, S. 61). Beliebt ist mittlerweile vor allem die Plattform Kickstarter, die sich das Crowdfunding als Geschäftsmodell zu Eigen macht und neben Musik auch die Projektfinanzierung für andere künstlerische Sparten (z. B. Tanz, Fotografie, Theater, Film und Video) anbietet. Im Falle von Kickstarter muss ein Projekt das selbst gesetzte Finanzierungsziel innerhalb einer vorab bestimmten Zeit zur Gänze erreichen, damit das Geld an die Musikschaffenden ausgezahlt wird (All-or-Nothing Funding System). So kann Kickstarter (im September 2016) bereits 23.832 erfolgreich finanzierte Projekte im Bereich Musik vorweisen, was einer Erfolgsquote von 50 Prozent entspricht (vgl. KS 2016). Ähnliche Modelle verfolgen beispielsweise auch Indiegogo sowie die in Deutschland ansässigen Plattformen Startnext und Visionbakery.

Musiknutzung Bei der Nutzung von Musik findet ein Übergang von physischen Tonträgern zu digitalen Formaten und innerhalb des digitalen Bereichs von Download zu Streaming statt. Als Voraussetzung mit diesen Veränderungen verbunden, ist einerseits die flächendeckende Verbreitung hochleistungsfähiger BreitbandInternetzugänge, insbesondere des neusten Mobilfunkstandards (vgl. BMVI 2016), andererseits sind die erforderlichen Endgeräte zu beachten (vgl. Bitkom 2016). Für physische Tonträger ist noch ein spezielles Abspielgerät (CD-Player, Plattenspieler etc.) notwendig. Inzwischen sind für die digitale Musiknutzung vor allem aber der heimische PC oder das Tablet und in zunehmendem Maße das besonders für die mobile Nutzung geeignete Smartphone relevant (vgl. IFPI 2016, S. 8 f.; Bitkom 2016, S. 12 ff.; ARD; ZDF 2016, S. 4). Neben physischen Tonträgern sind es lange Zeit die Downloads, die die Musiknutzung bestimmen. Es lohnt deshalb zunächst ein Blick auf die vom BVMI (2017, S. 16 f.) veröffentlichten Zahlen zum Absatz von Musik durch physische Tonträger und Downloads (vgl. Tabelle 9). Der beliebteste Tonträger ist demzufolge nach wie vor die CD. Im Jahr 2016 werden allein bei den CD-Alben

216

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

73,8 Millionen Einheiten verkauft. Bei einem Gesamtabsatz im physischen Bereich von 81,8 Millionen Tonträgern zeigt sich ihre Bedeutung. Dies gilt insbesondere, da der Musikabsatz im physischen Bereich rückläufig ist. Einzige Ausnahme: Die Schallplatte legt seit einigen Jahren wieder zu. Allein im Vergleich zum Vorjahr werden in 2016 eine Millionen Vinyl-Alben mehr verkauft, was einem Zuwachs von 46,3 Prozent auf insgesamt 3,1 Millionen Einheiten entspricht. Dieser Zuwachs kann die rückläufige Entwicklung bei den physischen Tonträgern aber bei Weitem nicht ausgleichen. Auch bei den Musikdownloads, vertrieben in der Regel im MP3-Format (MPEG Audio Layer 3) oder als AAC-Dateien (Advanced Audio Coding), werden weniger Einheiten als noch 2015 abgesetzt; insgesamt sind es 78,3 Millionen Einheiten und damit 18,6 Prozent weniger. Bei den Singles lässt sich ein Rückgang um 14,9 Prozent auf 66,1 Millionen, bei den Alben sogar ein Rückgang um 33,9 Prozent auf 12,2 Millionen Einheiten konstatieren. Diese Entwicklung deutet eine weitere Veränderung der Musiknutzung an. Tabelle 9:

Absatz physischer Tonträger und Downloads 2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Veränderung 2015/2016

4,7

4,7

2,9

2,5

1,8

1,4

1,0

0,9

-11,7 %

103,3

98,7

96,9

92,8

88,0

87,1

83,6

73,8

-11,8 %

MC

3,1

2,1

1,3

0,6

0,4

0,2

0,1

0,1

-7,9 %

Vinyl-LP

0,5

0,6

0,7

1,0

1,4

1,8

2,1

3,1

46,3 %

DVD-A/ SACD

0,3

0,2

0,2

0,2

0,2

0,2

0,1

0,1

-13,0 %

99,1

94,6

90,0

89,2

86,0

77,1

-10,4 %

8,0

6,6

5,8

5,3

4,2

3,8

-9,6 %

97,6

95,9

91,2

81,8

-10,3 %

Physische Tonträger (in Mio. Stück)

Single physisch CD-Alben

Longplay gesamt Musikvideo (DVD/ Blu-ray) Gesamt

107,2 101,6 8,9

8,7

120,8 115,0 110,0 103,7

Downloads (in Mio. Stück)

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

217

Singles

49,2

63,3

79,0

97,1

92,8

83,6

77,7

66,1

-14,9 %

Alben

7,6

10,7

14,6

17,5

18,7

19,0

18,5

12,2

-33,9 %

Download gesamt

56,9

74,1

93,6

114,6 111,4 102,6

96,2

78,3

-18,6 %

Klingeltöne

4,7

3,6

3,3

0,9

1,0

15,8 %

Gesamt

61,6

77,7

96,9

97,1

79,3

-18,3 %

1,7

1,4

0,9

116,3 112,8 103,5

Quelle: BVMI 2017, S. 16 f.

Inzwischen wird das Audio-Streaming zunehmend populär und gehört für viele NutzerInnen bereits zum Alltag (vgl. Bitkom 2016, S. 28; IFPI 2016, S. 6). Über (kostenpflichtige und werbefinanzierte) Audio-Streaming-Dienste werden in Deutschland zum Ende des Jahres 2016 906 Millionen Streams in einer Woche abgerufen, gegenüber diesem Zeitraum in 2015 (617 Millionen Streams) bzw. 2014 (329 Millionen Streams) eine deutliche Steigerung (vgl. BVMI 2017, S. 18). Über das gesamte Jahr gesehen, werden in 2016 36,4 Milliarden Songs via Stream abgespielt. Zum Vergleich: 2015 sind es 21,2 Milliarden. Ebenso werden spezielle Videoplattformen für den Musikkonsum genutzt. Diese sind auf von NutzerInnen generierte Inhalte ausgerichtet und liefern hierfür die technologische Plattform. Das Erstellen der Inhalte wird von den NutzerInnen vorgenommen, wobei es sich sowohl um professionelle Content-ProduzentInnen als auch um AmateurInnen handeln kann. Beispielhaft seien die Plattformen Vimeo oder Dailymotion genannt. In erster Linie ist aber an das im Jahr 2006 vom Internetkonzern Google akquirierte Videoportal YouTube zu denken (vgl. IFPI 2016, S. 10 ff.).119 Die Plattform ermöglicht es Videos anzusehen, zu

119

Im Zusammenhang mit derartigen Plattformen sprechen Musikschaffende, vor allem aber die Verbände der Musikindustrie von einem „Value Gap“, will heißen einige Online-Dienste, hier allen voran YouTube, seien nicht eindeutig verpflichtet, die aus ihrer Sicht notwendigen Lizenzen zu erwerben und die Musikschaffenden und ihre Partner angemessen an den Einnahmen zu beteiligen (vgl. Billboard 2016; BVMI 2017, S. 3). YouTube zählt weltweit mehr als eine Milliarde NutzerInnen, von denen nach Angaben der IFPI (2016, S. 10) rund 80 Prozent den Dienst für den (kostenlosen) Konsum von Musik nutzen. Allerdings versteht sich YouTube lediglich als Vermittler, nicht aber (ähnlich wie andere Streaming-Dienste) als Vertriebsplattform

218

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

bewerten und zu kommentieren sowie selbst Videos hochzuladen. Ein Großteil der Videos sind Musikvideos bzw. beinhalten Musikaufnahmen. Den NutzerInnen steht, da der Dienst werbefinanziert ist, ein unüberschaubares Angebot an Musik bzw. Musikvideos kostenlos zur Verfügung. In den dargestellten Absatzzahlen kommt die tatsächliche Musiknutzung nur bedingt zum Ausdruck. Der Konsum von Musik über Radio, bereits gekaufte Tonträger bzw. Musikdateien bleibt unberücksichtigt. So erfolgt die Rezeption von Musik heutzutage auf vielfältige Art und Weise. Nach Angaben des BVMI (2017, S. 25) ist das Radio nach wie vor das am meisten genutzte Medium für den Musikkonsum.120 Dies zeigen die prozentualen Anteile an der Gesamtzeit des Musikhörens (Musiknutzung in den letzten sieben Tagen), wonach (über alle Altersgruppen) das terrestrische Radio auf 27 Prozent und das Online-Radio auf 6,3 Prozent, gemeinsam also auf 33,3 Prozent kommen; hingegen stellen digitale Musikdateien 19,4 Prozent und physische Tonträger 17,2 Prozent der Musiknutzung; den geringsten aber stetig wachsenden Anteil machen Video(13,5 Prozent) und Audio-Streaming-Dienste (16,7 Prozent) aus. Bezogen auf die Reichweite in der Bevölkerung ergibt sich ein ähnliches Bild (ebenda, S. 26): 80 Prozent nutzen in den letzten sieben Tagen das herkömmliche Radio, um auf diese Weise (mindestens eine Stunde) Musik zu hören; 65 Prozent nutzen hierfür bereits Audio-Streaming, 61 Prozent digitale Dateien, 56 Prozent physische Tonträger, 51 Prozent Video-Streaming sowie 40 Prozent Online-Radio.

von Musik und sieht sich durch die „Safe Harbour“-Regelung geschützt, nach der das Unternehmen für urheberrechtlich geschütztes Material, das von NutzerInnen auf die Online-Plattform hochgeladen wird, nicht verantwortlich ist und dieses lediglich nach Beschwerde durch die RechteinhaberInnen entfernen muss. Die EU-Kommission kündigt in ihrem Entwurf zur Modernisierung des Urheberrechts in Europa an diese Thematik zu adressieren (vgl. EK 2016). 120

Das Radio ist historisch gesehen und auch heute noch für viele Menschen ein bedeutsames Medium für die Rezeption von Musik. Dies liegt vor allem am hohen Musikanteil. So beträgt beispielsweise im Jahr 2016 der Anteil von Musik am Programmangebot aller ARD-Rundfunkanstalten 62,2 Prozent (ARD 2017, S. 11).

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

219

Social Media und spezielle Dienste des Web 2.0 Neben Weblogs, Videoblogs und Podcasts, die sich für Musikschaffende zur Verbreitung von Informationen anbieten, sind es vor allem soziale Netzwerke, die zum Aufbau und zur Pflege der Beziehung zwischen Musikschaffenden und AnhängerInnenschaft eingesetzt werden können. Zu den wichtigsten Netzwerken gehören das weltweit größte soziale Netzwerk Facebook, der MikrobloggingDienst Twitter sowie die auf Fotos und kurze Videos ausgerichteten Plattformen Instagram und Snapchat (vgl. ARD; ZDF 2016, S. 7). In der Zeit vor sozialen Netzwerken können vor allem die Händler direkt mit den KundInnen bzw. Fans kommunizieren. Inzwischen können die Musikschaffenden über ihre Profile in den sozialen Netzwerken mit ihren Fans in Kontakt treten und eine unmittelbare Beziehung herstellen. Ebenso können zumindest kurze Bild- und Tonausschnitte, wenn nicht gar ganze Musikvideos, veröffentlicht und meist auch Kaufoptionen direkt verlinkt werden. Die Netzwerke dienen in diesem Fall nicht nur der Kommunikation, sondern gleichermaßen der Distribution der Ton- und Bildaufnahmen. Überdies bieten sich weitere soziale Netzwerke an (z. B. SoundCloud oder Myspace), die stärker auf Musik ausgerichtet sind. Daneben ist Musik in vielen weiteren Diensten fester, zum Teil auch zentraler Bestandteil. Um nur einige Beispiele zu nennen: In vielen Computerspielen wird Musik nicht nur zur Untermalung genutzt, sondern es existieren spezielle Musikspiele. Inzwischen bekommt Musik auch ganz generell in Apps eine zentrale Rolle zu, so beispielsweise bei dem Musikerkennungsdienst Shazam oder der Lip-SyncVideo-Anwendung Musical.ly. Ebenso befassen sich spezielle Datenbanken wie Allmusic oder Discogs mit Musikaufnahmen. Des Weiteren existieren spezielle Dienste für Musikschaffende. Einerseits stehen ihnen verschiedene Leistungsangebote wie Next Big Sound, BigChampagne oder Google Analytics zur Verfügung, die auf das Sammeln und Aufbereiten von Daten spezialisiert sind, um die bei den verschiedenen Plattformen anfallenden Daten zugleich für die Vermarktung der Musikaufnahmen nutzen zu können. Andererseits existieren Dienste, die sich in die Vermarktung von Musikaufnahmen einbinden lassen. Die Plattform Bandcamp beispielsweise erlaubt es MusikerInnen ihre Aufnahmen auf einem selbst angelegten Profil zu präsentieren und direkt an ihre Fans zu vertreiben. Die Musikschaffenden können dabei entscheiden, ob sie die Musik als Download kostenlos bzw. kostenpflichtig oder

220

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

etwa gegen die Angabe einer E-Mail-Adresse zur Verfügung stellen. Des Weiteren richtet sich FanBridge an MusikerInnen, die versuchen ihre Reichweite zu erhöhen, und bietet hierfür spezielle Dienste im Bereich Social Media und E-Mail-Marketing an. Ähnliche Funktionen offerieren Topspin, Nimbit und ReverbNation. Ein umfassendes Artist-Management-Tool stellt ArtistGrowth zur Verfügung.

4.3.3

Industriestruktur

Im Folgenden wird die Industriestruktur näher beleuchtet. Der Faktor bezieht sich hier in erster Linie auf die Musikschaffenden. Da die weitere Ausführung die Austauschprozesse behandelt, ist vorab außerdem auf die KäuferInnenschaft sowie den Handel einzugehen.

MusikkäuferInnenschaft Den Musikschaffenden stehen im wirtschaftlichen Austauschprozess die MusikkäuferInnen gegenüber. Dabei zeichnet sich ab, dass 32 Prozent der Deutschen im Jahr 2016 Musik auf die eine oder andere Weise kaufen – im Umkehrschluss geben folglich 68 Prozent kein Geld für den Musikkonsum aus (vgl. BVMI 2017, S. 28 ff.). Die Anteile der KäuferInnengruppen werden zwar im aktuellen Bericht des Bundesverbands nicht mehr ausgewiesen, dennoch ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Umsatzes (aus physischen Produkten, Downloads und Premium-Streaming) weiterhin durch eine relativ kleine Zahl der IntensivkäuferInnen generiert wird. Das ist bislang diejenige MusikkäuferInnenschaft, die im Jahr mehr als 80 Euro für Musikaufnahmen ausgibt. Die Gruppen der Durchschnitts- (25 bis 80 Euro pro Jahr) und GelegenheitskäuferInnen (weniger als 25 Euro pro Jahr) tragen in den letzten Jahren deutlich weniger zum Umsatz bei. Die starke Abhängigkeit von der relativ kleinen Gruppe der IntensivkäuferInnen bleibt bestehen. Im Durchschnitt liegen die Ausgaben der MusikkäuferInnen im Jahr 2016 bei 69 Euro.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

221

Hinsichtlich des Verhältnisses von KäuferInnen und NichtkäuferInnen ergibt sich je nach Altersgruppen ein unterschiedliches Bild (vgl. ebenda, S. 30).121 Zwar erweisen sich die Unterschiede bei der KäuferInnenreichweite in den Gruppen von 20 bis 49 Jahre als gering (20 bis 29 Jahre: 45 Prozent; 30 bis 39 Jahre: 48 Prozent; 40 bis 49 Jahre: 39 Prozent), jedoch geben bei den 10- bis 15bzw. 16- bis 19-Jährigen nur 36 Prozent sowie in der Gruppe der über 50-Jährigen nur 22 Prozent Geld für Musikaufnahmen aus. Letztere sorgt mit 42 Prozent aller Musikkäufe allerdings für den höchsten Umsatzanteil (vgl. ebenda, S. 31). Darauf folgt die Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, deren Anteil 25 Prozent ausmacht. Die restlichen Gruppen tragen weniger zum Gesamtumsatz bei (30 bis 39 Jahre: 15 Prozent; 20 bis 29 Jahre: 10 Prozent; 10 bis 19 Jahre: 8 Prozent). Auch mit Bezug auf die verschiedenen Formate zeigen sich Unterschiede bei den Altersgruppen (vgl. BVMI 2017, S. 32 f.; IFPI 2016, S. 17; Bitkom 2016, S. 28). Die CD findet insbesondere bei den Gruppen ab 40 Jahren Absatz. Vinyl wird sowohl bei den 20- bis 29-Jährigen als auch bei den 40- bis 49- respektive 50bis 59-Jährigen besonders häufig gekauft. Bei Downloads sind die jüngeren Altersgruppen stärker vertreten, der größte Anteil mit 36,5 Prozent entfällt aber dennoch auf die 40- bis 49-Jährigen. Kostenlose (bzw. werbefinanzierte) und kostenpflichtige Streaming-Services hingegen sind vornehmlich bei den jüngeren Altersgruppen beliebt, insbesondere bei den 20- bis 29-Jährigen, die beim kostenlosen Streaming 26,2 Prozent, beim kostenpflichtigen Streaming sogar 29,4 Prozent der NutzerInnen stellen.

121

Unterschiede zwischen den Altersgruppen erschließen sich auch im Hinblick auf die favorisierten Genres (vgl. BVMI 2017, S. 31). Die kauffreudige Gruppe der über 50-Jährigen bevorzugt beispielsweise Klassik sowie Schlager und Volksmusik, ist aber ebenso bei den Ausgaben in den Bereichen Pop und Rock führend, während die jüngeren Altersgruppen (insbesondere die 20- bis 29Jährigen und 30- bis 39-Jährigen) mehr Geld für Dance ausgeben. Hinsichtlich der Geschlechter wird deutlich, dass zwar kein wesentlicher Unterschied in der Einteilung KäuferIn/NichtkäuferIn auszumachen ist, in allen Repertoiresegmenten jedoch mehr Umsatz durch Männer generiert wird, was bedeutet, dass Frauen weniger oder günstigere Musikprodukte erstehen (ebenda, S. 30 f.).

222

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Handel Der Handel mit Musikaufnahmen in Deutschland verteilt sich auf nur wenige Akteure. Diese übernehmen eine zentrale Funktion, nicht etwa nur bei der Preisgestaltung, auch als Gatekeeper bei der Anbahnung von Austauschprozessen zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen. Für die Musikschaffenden ist es damit entscheidend ihre Musikaufnahmen über diese Händler vertreiben zu können. Mit Hilfe digitaler Vertriebsdienstleister, die als Content-Aggregatoren fungieren, ist es den Musikschaffenden inzwischen möglich unabhängig von einem Unternehmen der phonographischen Industrie in den großen Online-Shops mit ihrer Musik präsent zu sein. Eine solche Vertriebsdienstleistung, die in der Regel für die Musikschaffenden nicht die Aufgabe der Rechte an den Musikaufnahmen erfordert und sich meist durch eine Vertriebsprovision (als prozentuale Umsatzbeteiligung) finanziert, wird beispielsweise von iMusician Digital, Rebeat, recordJet, The Orchard und Believe Digital angeboten. Tabelle 10 zeigt die Entwicklung der Umsatzanteile am Musikverkauf nach Vertriebsschiene und Handelsform im Zeitraum 2009 bis 2016. Zu unterscheiden ist nach Vertriebsschiene zwischen stationärem Handel (inklusive Katalog-/ Mailorder-/Club-Geschäft) und Online-Handel, über den sowohl der Verkauf und Versand von physischen Tonträgern als auch der digitale Vertrieb von Musik möglich ist. Die Entwicklung der Umsatzanteile weist eine anhaltende Stärkung des Online-Handels aus (vgl. BVMI 2017, S. 36). Festzuhalten ist, dass der Vertrieb über Katalog, Mailorder oder Club rückläufig ist und inzwischen nicht mehr gesondert aufgelistet wird. Ebenfalls sukzessive geht die Bedeutung des stationären Handels zurück, wobei dieser zwar weiterhin eine wichtige Vertriebsschiene darstellt, aber nur noch 34 Prozent der Umsätze ausmacht. Online-Händler, die eine Beschränkung bezüglich Regalfläche ebenso wie feste Ladenöffnungszeiten nicht kennen, sind hierdurch im Vorteil. Sie können eine deutlich größere Auswahl an Musik anbieten (und dies zumindest im digitalen Vertrieb zu deutlichen geringeren Lagerhaltungskosten). So ist der Einkauf physischer Musikprodukte über E-Commerce zwar erstmals leicht auf 29,6 Prozent gesunken, der Onlinekauf digitaler Formate spiegelt hingegen die Entwicklung des Streaming-Geschäfts wider (Einnahmen über PremiumStreaming-Dienste werden seit 2015 berücksichtigt); insgesamt trägt diese Vertriebsschiene 36,4 Prozent der Umsätze bei. Bei einem detaillierteren Blick

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

223

auf die einzelnen Handelsformen ist für den stationären Handel im Vorjahresvergleich eindeutig ein Rückgang auszumachen, wobei der Elektrofachmarkt (-11,3 Prozent) mit 16,9 Prozent immer noch für den größten Anteil am Umsatz verantwortlich ist (vgl. ebenda, S. 36). Drogeriemärkte verzeichnen ein Minus von 16,1 Prozent. Deutliche Rückgänge, wenngleich ohnehin auf niedrigem Niveau, sind auch bei anderen Non-Traditional-Outlets (Lebensmitteleinzelhandel: -26,8 Prozent; Buchhandel: -6,0 Prozent) auszumachen. Allein der Medienfacheinzelhandel kann ein Wachstum (16,9 Prozent) vorweisen.

Umsatz nach Handelsform (in %)

Umsatz nach Vertriebsschiene (in %)

Tabelle 10:

Umsatzanteile nach Vertriebsschiene und Handelsform 2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Onlinekauf digitale Formate

9,6

12,9

15,9

19,3

20,4

21,2

28,3

36,4

Onlinekauf physisch/ E-Commerce

21,0

23,5

25,4

28,2

30,0

31,7

31,9

29,6

Online gesamt

30,7

36,3

41,3

47,5

50,4

52,8

60,2

66,0

Stationärer Handel (inkl. Vesand/Club)

69,3

63,7

58,7

52,5

49,6

47,2

39,8

34,0

Elektrofachmarkt

29,8

28,3

27,2

25,1

24,6

22,9

19,7

16,9

Medienfacheinzelhandel

3,5

2,8

2,6

0,9

1,4

1,6

1,3

1,5

Buchhandel

2,4

2,3

2,2

2,2

2,4

2,3

1,6

1,5

Drogeriemärkte

8,4

7,5

7,0

7,6

7,2

7,2

6,7

5,5

Lebensmitteleinzelhandel

7,7

8,1

6,8

6,6

6,5

6,3

5,6

4,0

E-Commerce

20,7

23,2

25,2

28,2

30,0

31,7

31,9

29,6

Digital-Händler

9,6

12,9

15,9

19,3

20,4

21,2

28,3

36,4

Sonstige

17,9

15,2

13,0

10,1

7,4

6,8

4,8

4,6

Quelle: BVMI 2017, S. 36

Während der stationäre Handel zwar nach wie vor eine wichtige Konstante im Vertrieb von Musikaufnahmen darstellt, doch zunehmend an Bedeutung einbüßt,

224

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

herrscht unter den Online-Händlern ein verschärfter Wettbewerb, insbesondere weil eine Differenzierung über das Angebot der Musikaufnahmen nur begrenzt möglich ist. Nicht nur können die KonsumentInnen bei allen Online-Plattformen aus einem ähnlichen Katalog an Musikaufnahmen auswählen, auch die Angebote und Preise sind über das Internet leicht vergleichbar. Zu differenzieren ist im Online-Handel mit Musikaufnahmen zwischen Download und Streaming. Als gegenwärtig stärkste Entwicklung ist klar das Streaming-Geschäft zu identifizieren.122 Hier ist ein klarer Aufwärtstrend festzustellen. Allerdings ist eine Konzentrationsentwicklung abzusehen, die neue Abhängigkeiten und eine neue Machtstruktur entstehen lässt. 

122

Download: Sowohl bei dem Musikangebot als auch bei den Preisen sind kaum wesentliche Unterschiede zwischen den Anbietern festzustellen. Bei den Downloads sind die Preise der Händler inzwischen mit 0,99 Euro für einen Song sowie 9,99 Euro für ein aktuelles Album weitestgehend einheitlich. (Noch vor Kurzem viel diskutiert, ist das restriktive Digital Rights Management inzwischen auf den Downloadportalen weitestgehend verschwunden.) In den letzten Jahren sind es branchenfremde Unternehmen, die durch ihren Einstieg in das Download-Geschäft den Online-Musikhandel beleben. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die digitale Vertriebsplattform iTunes des Technologiekonzerns Apple, der mit dem proprietären Musikangebot in erster Linie die Absatzsteigerung seiner Endgeräte verfolgt. Daneben ist im Bereich Downloads die OnlineHandelsplattform Amazon zu einem zentralen Akteur aufgestiegen. Weitere Anbieter im Download-Geschäft sind etwa Musicload oder Juke (Media Markt/Saturn).

Diese Entwicklung spiegelt sich in dem Anteil des Streaming-Geschäfts am Gesamtumsatz aus dem Musikverkauf (von 1.593 Millionen Euro) wider (vgl. BVMI 2017, S. 9 ff.). Während der Umsatz durch physische Tonträger weiter sinkt, wächst der digitale Musikverkauf stetig. Allerdings ist auch der Bereich Download à la carte rückläufig. Getrieben werden die Zuwächse demnach vornehmlich durch das Audio-Streaming. So steigen die Einnahmen aus StreamingSubscription-Services um 72,7 Prozent auf 385 Millionen Euro und stellen inzwischen 24,1 Prozent des Umsatzes.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen 

225

Streaming: In dem Subscription-Modell erwerben die KundInnen für einen monatlichen Preis von in der Regel 9,99 Euro ein Abonnement und haben damit Zugriff auf sämtliche Musikaufnahmen aus dem verfügbaren Katalog, der meist mehrere Millionen Titel umfasst. Häufig ist in dem Angebot auch die Nutzung im Offline-Modus (durch Zwischenspeicherung) enthalten. Darüber hinaus besitzen die Dienste weitere Zusatzfunktionen, wie das Anzeigen von Songtexten und weiteren musikbezogenen Informationen, das Erstellen von Playlists, die Einbindung von externen Mp3-Dateien, soziale Interaktion, kuratierte Playlists oder Webradio-Channels. Zum Teil wird auch ein Freemium-Modell angeboten, in dem der Dienst in einer Basis-Version für die NutzerInnen kostenlos ist, allerdings durch Werbung unterbrochen wird.123 In Deutschland sind inzwischen einige Anbieter tätig (vgl. Bitkom 2016, S. 30). Eine entsprechende Übersicht zu den verschiedenen Services liefert Tabelle 11.124 Allen voran ist der schwedische Dienst Spotify zu nennen, der als Marktführer gilt. Die Bedeutung von Spotify und die Entwicklung des Streaming-Geschäfts zeigt sich darin, dass der Dienst (neben Amazon, iTunes, Media Markt

123

Anhand der prozentualen Anteile an der Gesamtzeit des Musikhörens (Musiknutzung in den letzten sieben Tagen) ist erkennbar, dass bei den Audio-Streaming-Diensten (insgesamt 16,7 Prozent) das kostenlose (bzw. werbefinanzierte) Streaming (8,8 Prozent) gegenwärtig mehr genutzt wird als das Premium-Streaming (7,9 Prozent); auch mit Bezug auf die Reichweite in der Bevölkerung wird der Vorzug des kostenlosen Angebots (34 Prozent) gegenüber dem PremiumStreaming (31 Prozent) erkennbar (BVMI 2017, S. 25 f.).

124

Inzwischen sind auch Amazon und SoundCloud mit vergleichbaren Angeboten im StreamingGeschäft aktiv. Unter dem Namen „Amazon Music Unlimited“ bietet der Onlinehändler einen Katalog von mehr als 40 Millionen Titeln (inklusive des gängigen Funktionsumfangs) in einem Abonnement-Modell zu den üblichen Konditionen an. Ferner gibt es ein Familienpaket, ein vergünstigtes Angebot für KundInnen anderer Amazon-Dienste sowie KäuferInnen der hauseigenen Lautsprechersysteme. Bislang hauptsächlich ausgestattet mit den von NutzerInnen selbst hochgeladenen Musikaufnahmen, verfügt SoundCloud nun zusätzlich über den Katalog der großen phonographischen Unternehmen sowie weiterer, unabhängiger RechteinhaberInnen und offeriert einen kostenpflichtigen Premium-Dienst namens „SoundCloud Go“. Darüber hinaus bestehen verschiedene Kooperationen. So bietet etwa der Discounter Aldi den Service von Napster unter dem Namen „Aldi Life Musik“ an und den Dienst von Spotify gibt es im Bundle mit einem bestimmten Tarifangebot der Telekom, ähnlich der Kooperation von Deezer und Vodafone.

226

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft und Saturn) zu einem der insgesamt fünf wichtigsten Musikhändler in Deutschland avanciert (BVMI 2017, S. 37). Ebenso erwähnenswert ist der Markteintritt des Konzerns Apple mit dem Streaming-Angebot Apple Music im Jahr 2015. Andere Dienste sind Napster, Deezer, Juke und Tidal. Letzterer schlägt einen besonderen Weg ein, indem er einerseits versucht sich für besonders audiophile HörerInnen über eine höhere Soundqualität zu unterscheiden und andererseits exklusiven Content zur Verfügung stellt.

Tabelle 11:

Übersicht der Streaming-Dienste

Dienst Freemium- Test(Stand: Modell phase Sept. 2016)

Apple Music

Deezer

Nein

Ja

Preis pro Monat

9,99 € Familie (6 Konten): 3 Monate 14,99 € Studierende: 4,99 €

Sound- Anzahl Funktionen Qualität an Titel

max. 256 ca. 30 kbit/s Mio.

Offline-Modus, kuratierte Playlists, exklusive Inhalte, Empfehlungen, Radio, Netzwerk-Funktion

30 Tage

9,99 € Familie (6 Konten): 14,99 €

max. 320 ca. 40 kbit/s Mio.

Offline-Modus, externe MP3s, Songtexte, exklusive Inhalte, Empfehlungen, FlowFunktion

max. 320 ca. 35 kbit/s Mio.

Offline-Modus, Radio, Empfehlungen, CloudFunktion

max. 192 ca. 40 kbit/s Mio.

Offline-Modus, externe MP3s, Radio

Google Play Music

Nein

30 Tage

9,99 € Familie (6 Konten): 14,99 €

Groove Music Pass

Nein

30 Tage

9,99 €

Juke

Nein

30 Tage

9,99 € max. 320 ca.40 (sowie Prepaidkbit/s Mio. Paket)

Offline-Modus, kuratierte Playlists

30 Tage

9,95 € max. 320 ca. 40 ohne mobile kbit/s Mio. Nutzung: 7,95 €

Offline-Modus, Playlists importieren, kuratierte Playlists, exklusive Inhalte, Empfehlungen, Radio, TrackMatch-Funktion

Napster

Nein

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

Qobuz

Spotify

Tidal

Nein

Ja

Nein

227

15 Tage

9,99 € Hi-Fi: 19,99 €

max. 320 kbit/s ca. 30 (bzw. Mio. 1411 kbit/s)

Offline-Modus, Playlists importieren, exklusive Inhalte, Empfehlungen

30 Tage

9,99 € Familie (6 Konten): 14,99 € Studierende: 4,99 €

max. 320 ca. 30 kbit/s Mio.

Offline-Modus, kuratierte Playlists, Empfehlungen, Radio, Running-Funktion

30 Tage

9,99 € Hi-Fi: 19,99 € Familie (5 Konten): 29,95 € bzw. 59,95 €

max. 320 kbit/s ca. 40 (bzw. Mio. 1411 kbit/s)

Offline-Modus, Playlists importieren, kuratierte Playlists, exklusive Inhalte, Empfehlungen

Musikschaffende Der Markt für Musikaufnahmen ist durch monopolistischen Wettbewerb gekennzeichnet. Die Situation der Anbieter, in diesem Fall gemeint sind die Musikschaffenden, stellt sich allerdings recht unterschiedlich dar. Einigen wenigen Musikschaffenden gelingt es (in der Regel noch mit Unterstützung der phonographischen Unternehmen) die öffentliche Aufmerksamkeit zu dominieren, während die Mehrheit unter zum Teil prekären Bedingungen arbeitet. Zu unterscheiden ist demnach zwischen bereits etablierten und noch weitestgehend unbekannten Musikschaffenden. Arrivierte MusikerInnen nehmen eine stärkere Position ein, weil sie als einzigartig wahrgenommen werden und darüber hinaus wirtschaftlich gesehen auch knapp sind. Die „Stars“ können aufgrund ihres Bekanntheitsgrads und der bisherigen Erfolge ihre Musikaufnahmen einer relativ großen Öffentlichkeit präsentieren. Selbst unter diesen MusikerInnen gelingt es dennoch den wenigsten langfristig mit ihrem musikalischen Schaffen wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Mit Absenkung der Markteintrittsbarriere sind viel mehr MusikerInnen am Markt und stehen in Konkurrenz zueinander. Das Wettbewerbsverhältnis richtet sich nicht mehr so stark an der Unterscheidung zwischen professionellen Musikschaffenden und LaienmusikerInnen aus. Es

228

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

herrscht ein Überangebot an Musikaufnahmen und MusikerInnen. Die verfügbare Musik wächst nicht nur permanent durch Neuerscheinungen, auch der inzwischen mögliche Zugang zu einem unüberschaubaren Katalog an (via Streaming-Dienst abrufbaren) Musikaufnahmen verschärft die Situation.125 Eingedenk dessen ist es für Musikschaffende mit großen Mühen verbunden auf ihre Musikaufnahmen aufmerksam zu machen. Wer sich als MusikerIn in einem ohnehin wenig nachgefragten Genre126 bewegt, wird es ungleich schwerer haben, da die Anzahl derer, die zunächst empfänglich bzw. aktiv nach dieser Art von Musik suchen, geringer ist. Zu beachten ist ferner die Bedeutung der in Deutschland produzierten sowie deutschsprachigen Musik im Wettbewerb mit ausländischen Produktionen (vgl. BVMI 2017, S. 41 f.; MW 2017, S. 14 ff.): In den offiziellen deutschen Jahrescharts 2016 sind sechs der Top 10 Alben deutschsprachig, in den Top 100 sind 68,7 Prozent deutsche Produktionen; bei den Single-Jahrescharts schafft es kein deutschsprachiger Titel unter die Top 10, in den Top 100 liegt der Anteil deutscher Produktionen unterdessen bei 36,7 Prozent.127

125

Einen Eindruck der Masse vermitteln die Daten der Artikelstammdatenbank der Phononet GmbH, einem vom BVMI gegründeten Unternehmen, das als Plattformbetreiber bzw. standardisierte Schnittstelle für phonographische Unternehmen, Vertriebe, Medienpartner und Handel dient (vgl. BVMI 2017, S. 19). Bei diesen Zahlen (z. B. physische Tonträger: 294.879 Artikelnummern; digitale Alben: 2,2 Millionen Titel; Neuerscheinungen: 20.673 physische Alben, 99.743 digitale Pop-Singles) ist zu beachten, dass es sich hierbei allein um die von Phononet (bzw. vom BVMI) gemeldeten Zahlen handelt. Die Zahl der Musikstücke, die über Social-Media-Plattformen hochgeladen und verbreitet werden, ist um ein Vielfaches höher. Allein auf YouTube werden minütlich mehrere Stunden Videomaterial hochgeladen; ein großer Teil davon ist mit Musik unterlegt.

126

In Deutschland als umsatzstärkstes Genre ist Pop zu identifizieren (vgl. BVMI 2017, S. 40). Englisch- oder anderssprachige Popmusik, hierzu kann gegebenenfalls auch die Musik deutscher MusikerInnen gezählt werden, liegt bei 25,9 Prozent, Deutsch Pop bei 4,9 Prozent. Die restlichen Genres sind am Gesamtumsatz wie folgt beteiligt: Rock 21,9 Prozent, Hip-Hop 9,8 Prozent, Kinderprodukte 8,6 Prozent, Dance 7,0 Prozent, Schlager 5,3 Prozent, Sonstige 5,0 Prozent, Klassik 3,9 Prozent, Hörbücher 3,6 Prozent sowie Jazz 2,1 Prozent und Volksmusik 1,8 Prozent.

127

In den Absatzzahlen deutscher und internationaler Musikproduktionen lässt sich eine Hinwendung zu internationalem Repertoire (insbesondere aus den USA und dem Vereinigten Königreich) erkennen. Die beiden Segmente weisen zwar ähnliche Zahlen vor (Pop National: 30,43 Millionen Alben; Pop International: 30,02 Millionen Alben), zugleich ist bei den deutschen

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

229

Die hohen Einnahmen der wenigen bekannten und kommerziell sehr erfolgreichen Musikschaffenden können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Großteil es entweder gar nicht schafft als professionelle MusikerInnen zu arbeiten oder mit deutlich geringeren Einnahmen auskommt. 128 So wird der Preisdruck auf Handelsebene (aufgrund der sinkenden Umsätze und der damit verbundenen zunehmenden Konzentration der letzten Jahre) mitunter entlang der Wertschöpfungskette (über die phonographischen Unternehmen) bis zu den Musikschaffenden weitergereicht. Für sie ergeben sich je nach Format unterschiedliche Einnahmen. Bei CD und Download wird für die Musikschaffenden (als AutorInnen und KünstlerInnen) ein Anteil des EndverbraucherInnenpreises (bzw. Händlerabgabepreises) fällig. Wie hoch dieser ist, lässt sich nicht allgemeingültig sagen. Zu berücksichtigen sind aber weitere Anteile, wie Mehrwertsteuer, Handel, Vertrieb, ProduzentIn, Verlag, Administrationskosten der GEMA sowie Vermarktungs- und gegebenenfalls Herstellungskosten. (Verfolgen Musikschaffende die Selbstvermarktung entfällt die Beteiligung der phonographischen Unternehmen.) Anders sieht es im Bereich Streaming aus. Bei dem Premium-Dienst wird ein fixer Betrag pro Abruf gezahlt. Bei werbefinanzierten Diensten findet häufig ein Greater-of-Modell Anwendung, bei dem je nachdem welcher Betrag höher ist, ein Prozentsatz der Nettowerbeeinnahmen oder ein fixer Preis pro Abruf ausgezahlt wird. Aufschluss über die Situation der Musikschaffenden im Jahr 2016 geben die veröffentlichten Zahlen der Künstlersozialkasse (vgl. Tabelle 12), die vom Gesetzgeber mit der Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes

Produktionen im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 26,8 Prozent festzustellen (BVMI 2017, S. 16). Im Gegenzug finden deutsche MusikerInnen mit ihren Aufnahmen allerdings nur selten den Weg ins (europäische) Ausland (vgl. EMO; EN 2012, S. 45 f.). Der Austausch von nationalem Repertoire auf paneuropäischer Ebene ist insgesamt ernüchternd. 128

Das Branchenmagazin Billboard ebenso wie das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes listen regelmäßig die kommerziell erfolgreichsten MusikerInnen auf. Deutlich wird dabei zum einen die Dominanz US-amerikanischer MusikerInnen, zum anderen offenbart sich, unabhängig davon wie nah die präsentierten, auf Schätzungen beruhenden Zahlen an den wirklichen Einnahmen der gelisteten MusikerInnen sind, angesichts der Millionensummen die Diskrepanz zu den vielen Musikschaffenden, die ihr künstlerisch-kreatives Schaffen nur unter erschwerten Bedingungen ausüben können.

230

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

(KSVG) beauftragt ist und als ein Geschäftsbereich der Unfallversicherung Bund und Bahn fungiert. Sie ermöglicht mit der Koordination der Beitragsabführung selbstständigen KünstlerInnen und PublizistInnen einen Schutz in der gesetzlichen Sozialversicherung. Die 52.226 MusikerInnen stellen unter den insgesamt 184.722 aktiv Versicherten 28,27 Prozent. Die 1.767 BerufsanfängerInnen, also KünstlerInnen innerhalb der ersten drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen künstlerischen Tätigkeit, machen bei den MusikerInnen nur 3,38 Prozent aus. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 13.675 Euro, bei den BerufsanfängerInnen sogar nur bei 9.606 Euro. Zum Vergleich: Der Durchschnitt über alle Sparten (Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst) gesehen liegt bei den aktiv Versicherten bei 16.495 Euro und bei den BerufsanfängerInnen bei 13.522 Euro. Wenn auch die Künstlersozialkasse nur jene Musikschaffende (bzw. Kulturschaffende) aufnimmt, die bereits erwerbsmäßig selbstständig arbeiten, vermitteln die Zahlen doch einen Eindruck von den Lebensbedingungen der Musikschaffenden in Deutschland (vgl. BMWi 2009, S. 60). Tabelle 12:

Eckdaten zur Künstlersozialkasse unter 30 Jahre

30–40 Jahre

40–50 Jahre

50–60 Jahre

über 60 Jahre

Gesamt

Musik

2.168

11.218

14.540

17.089

7.211

52.226

Alle Sparten

5.620

37.951

52.579

61.066

27.506

184.722

Anzahl der versicherten BerufsanfängerInnen

Musik

730

753

152

109

23

1.767

Alle Sparten

2.131

3.963

1.131

515

83

7.823

Durchschnittliches Jahreseinkommen der aktiv Versicherten

Musik

11.395 € 12.766 € 13.750 € 14.328 € 14.076 € 13.675 €

Alle Sparten

12.372 € 14.956 € 17.172 € 17.598 € 15.719 € 16.495 €

Durchschnittliches Jahreseinkommen der versicherten BerufsanfängerInnen

Musik

9.295 €

Alle Sparten

11.371 € 13.569 € 16.578 € 14.837 € 16.687 € 13.522 €

Anzahl der aktiv Versicherten

Quelle: KSK 2017

9.853 €

9.783 €

9.598 €

10.248 €

9.606 €

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen 4.3.4

231

Thesen zum Markt

Die Thesen zum Markt sind dem „Kulturgütermarketing“ zuzuordnen. Sie behandeln die Beschleunigung der Vermarktung als die gegenwärtig zentrale Herausforderung (Kapitel 4.3.4.1), die Gestaltung des Wegs der RezipientInnen zur Musikaufnahme (Kapitel 4.3.4.2) sowie die Prozesspolitik als ergänzende Komponente des Marketingmix (Kapitel 4.3.4.3).

4.3.4.1

Beschleunigung der Vermarktung als Herausforderung

Musikaufnahmen erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Dieser Umstand lässt sich zwar lange Zeit nicht in den wirtschaftlichen Daten erkennen, nach den starken Umsatzeinbrüchen stehen die Zeichen allmählich aber wieder auf Wachstum. Hierzu tragen neben dem noch immer wichtigen Geschäft mit physischen Tonträgern vor allem die digitalen Distributionskanäle bei. Die Einbindung der Streaming-Dienste ist gegenwärtig als stärkster Antrieb für die weitere Entwicklung auszumachen. MusikerInnen (bzw. die phonographische Industrie) profitieren folglich (zumindest im Hinblick auf die legale Verbreitung ihrer Musik) von den innovativen Geschäftsmodellen auf Handelsebene (vgl. Trefzger et al. 2015; Wlömert; Papies 2016). Die Streaming-Dienste versprechen die Nachfrage nach Musik auf einen größeren Anteil der Bevölkerung zu stellen und damit weniger stark abhängig von der kleinen Gruppe der IntensivkäuferInnen zu sein, denn bislang steht dem hohen Musikkonsum und der besonderen Stellung, die Musik im Leben der Menschen einnimmt, eine relativ geringe KäuferInnenreichweite gegenüber. Mit dem Angebot der StreamingServices können bisherige NichtkäuferInnen angesprochen und zudem durch den monatlichen Pauschalpreis die Ausgaben einzelner KäuferInnengruppen erhöht bzw. angepasst werden. Auch im Hinblick auf die Geschlechts- und Altersstruktur verfolgen sie etwa mit speziellen Familienangeboten eine Anpassung. Um den illegalen Weg zu verschließen, werden die Wünsche der KonsumentInnen im Rahmen der Musiknutzung erfüllt und nahezu alles angeboten, was angeboten werden kann: ein riesiges Musikangebot zu jeder Zeit, an jedem Ort verfügbar und so oft abspielbar, wie es ihnen beliebt. Darüber hinaus sind

232

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

weitere Zusatzfunktionen verfügbar, die das Angebot gezielt ergänzen. Smartphones und andere mobile Endgeräte gewährleisten zugleich den allgegenwärtigen Zugriff. (Einschränkungen bestehen nur noch durch geringe Akkulaufzeit und lückenhafte Datenverbindung. Längere Laufzeiten der Endgeräte sowie zunehmende Verbreitung der (mobilen) Verfügbarkeit und steigende Übertragungsraten der Breitband-Internetzugänge versprechen jedoch schon baldige Abhilfe.) Weil universell einsetzbar, sind die mobilen Endgeräte bei vielen Menschen bereits fest in den Alltag integriert, für den Musikkonsum ebenso wie für die soziale Vernetzung. Letztere nimmt eine eminent wichtige Rolle ein. Da es für viele Menschen von Bedeutung ist ihren Konsum öffentlich zu präsentieren, nutzen sie soziale Netzwerke, um diesen zu jeder Zeit zur Schau zu stellen und über Klicks und positive Bewertungen mit anderen zu teilen. Auf diese Weise verbinden sich Menschen heute weltweit miteinander und tauschen sich ständig über ihren Konsum aus, wobei es sich nicht nur um den engeren Freundes- und Familienkreis handeln muss. So lassen ein obsessives Verhältnis zum Smartphone und die Einbindung in soziale Netzwerke zugleich die Freiheit der digitalen Kommunikation, auf der Logik des Kapitals basierend, vermehrt in Zwang umschlagen (vgl. Han 2017, S. 50).

These 1: Einher mit den Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie wird gegenwärtig mehr und schneller Musik produziert, veröffentlicht, beworben und verbreitet als je zuvor. Die Beschleunigung des gesamten Prozesses der Vermarktung ist die zentrale Herausforderung des branchenspezifischen Marketing.

Die technologiebasierten Entwicklungen und die damit verbundene Beschleunigung bewirken auch Veränderungen bei den KonsumentInnen. So findet die Entscheidung zum Musikkonsum in der Kenntnis um den allgegenwärtigen Zugriff auf Musikaufnahmen und die permanente soziale Vernetzung statt. Die Folgen dessen sind bereits erkennbar, gleichwohl zum Teil nur schemenhaft: 

Die Streaming-Dienste verwenden in ihrer Angebotsgestaltung ein Flatrate-Modell. Die Kundschaft zahlt folglich nicht für einzelne

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

233

Musikaufnahmen, sondern für den Zugriff. Für KonsumentInnen besteht kein Risiko eines Fehlkaufs. Auch die Vorbestellung wird überflüssig. Ein sparsamer und planender Umgang mit Musik ist nicht mehr notwendig, da jede Art von Musik überall und zu jeder Zeit abspielbereit ist. Das Wissen um die Ubiquität des Musikzugriffs sorgt für eine gewisse Trägheit und Bequemlichkeit. 

Der Zugriff auf Musik wird zur Selbstverständlichkeit. Ist die Suche nach einer bestimmten Musikaufnahme möglicherweise mit einer längeren Recherche verbunden, wird das Aufstöbern (eines seltenen Exemplars) ebenjener Aufnahme für MusikliebhaberInnen mit Freude verbunden sein. Das Auffinden einer Musikaufnahme über StreamingDienste (oder Erkennungsdienste wie Shazam) wird hingegen keine echte Begeisterung entfachen. Der Musikkonsum selbst ist von der ständigen Verfügbarkeit der Musik insofern betroffen als Musik (neben anderen Möglichkeiten, die das Smartphone bereit hält) als Nebengeräusch und Lückenfüller eingesetzt wird. Langeweile wird aus dem Alltag verbannt, zumindest aber durch Beschallung überbrückt. Mit der Commoditisierung tritt möglicherweise gar ein Prozess ein, der die subjektiv empfundene Austauschbarkeit der Musik fördert. Ein neues und eingängiges Lied wird bis zum Eintritt der Sättigung in die Dauerschleife geschickt. Danach wird es durch das Nächste ersetzt, in die Playlist verschoben oder gerät gar in Vergessenheit.



Der permanente Zugriff auf eine unüberschaubar große Musiksammlung (und Informationen über Musik bzw. MusikerInnen) ersetzt den Aufbau von musikbezogener Sachkenntnis. Während die geneigten, besonders musikaffinen KonsumentInnen in früheren Zeiten möglicherweise über Jahre hinweg eine Musiksammlung für viel Geld erwerben, mühsam zusammenstellen, sich als Fans in die Geschichte ihrer favorisierten Musik bzw. MusikerInnen einarbeiten, steht der Streaming-Kundschaft per Klick das Œuvre der MusikerInnen jederzeit zum Abruf bereit. Mit nur wenigen Schritten sind zudem sämtliche Informationen über Musikschaffende (Biografie, Diskografie, Bilder, Musikvideos etc.) verfügbar oder vertrauenswürdige ExpertInnen über soziale Netzwerke erreichbar. Statt sich selbst musikbezogenes Wissen

234

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft anzueignen, verlassen sich die NutzerInnen auf den permanenten Zugang zu schnell abrufbaren Informationen. 

Die Auswahl der Musik wird vom Einzelnen auf die Masse übertragen. Nicht nur über direkte Kontaktaufnahme in sozialen Netzwerken, sondern auch über die Einblendung von Klickzahlen und Bewertungen besteht zwischen den NutzerInnen eine permanente Verbindung. Viele Klicks und positive Bewertungen werden als Empfehlung aufgefasst. Die MusikkonsumentInnen gehen möglicherweise weniger von ihren eigenen Vorlieben aus und lassen sich in ihren Konsumentscheidungen vermehrt von Klickzahlen und Bewertungen leiten. Daneben werden in vielen Diensten Empfehlungen an die NutzerInnen gerichtet. Diese basieren etwa auf dem Rezeptionsmuster bestimmter NutzerInnengruppen (Collaborative Filtering). Was den einzelnen NutzerInnen hilft in dem riesigen Musikangebot einfach und schnell neue Musik, die ihnen möglicherweise zusagt, zu entdecken, entzieht ihnen zugleich teilweise die Eigenständigkeit bei der Suche nach Musik. Bei der Entdeckung neuer Musik, aufgefasst als kultureller Prozess, ist der Weg das Ziel: das Ausprobieren, Kennenlernen und Verstehen (oder Ablehnen), sprich die Auseinandersetzung mit unterschiedlicher und fremder bzw. unbekannter Musik. Dieser Prozess entfällt zwar nicht, wird aber wesentlich vorbestimmt. Die Auswahl der Musik durch die NutzerInnen basiert folglich darauf, was ein (der NutzerInnenschaft nicht zugänglicher) Algorithmus noch an Wahlfreiheit zulässt.



Es wird so viel produziert und veröffentlicht, dass die KonsumentInnen mit Ihrem Konsum nicht mehr hinterherkommen. Bei immer mehr Angebot und Dynamik empfiehlt sich der Rückzug auf Altbekanntes, das Wohlgefallen auslöst. Zugleich sorgt der Zustand des ständigen sozialen Vernetztseins für eine permanente gegenseitige Beobachtung. So entsteht ein gewisser Druck ständig auf dem Laufenden zu sein, stets den neuesten Trend zu kennen und womöglich mitzumachen. Diese Entwicklung bezieht sich nicht allein nur auf Musik, sondern ebenso auf andere Angebote wie Filme, Videos, Serien, Bücher etc. Alles muss konsumiert werden, um mitreden zu können und kulturell anschlussfähig zu bleiben. Mit der orts- und zeitunabhängigen Verfügbarkeit liegt

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

235

indessen kein Vorwand vor etwas nicht zu kennen, nicht gesehen, gelesen oder gehört zu haben. Die größtmögliche Konsumfreiheit kann unter Umständen zur Konsumverpflichtung werden. Wie mit der Beschleunigung und den Auswirkungen umzugehen ist, kann auf verschiedene Akteure bezogen werden. KonsumentInnen werden nicht grundsätzlich an Entschleunigung interessiert sein; sie wollen (gute) Musik überall und jederzeit verfügbar wissen. Aus dem Überangebot gilt es allerdings diejenige Musik herauszufiltern, die subjektiv als gut empfunden wird. Daneben werden sie lernen sich auf die eine oder andere Art (souverän) mit der relativ jungen Situation des großen Angebots und der gleichzeitigen Vernetzung auseinanderzusetzen. Die Musikschaffenden hingegen liefern den Content, können (einzeln) aber auf das Leistungsangebot der Händler und die Art und Weise, wie ihre Musik rezipiert wird, nur bedingt Einfluss nehmen. Sie können im Rahmen ihrer Vertriebsstrategie etwa bestimmte Händler ausschließen, bringen ihre Musik damit aber um entsprechende Reichweite und riskieren womöglich, dass die KonsumentInnen ihre Musik auf anderem, möglicherweise illegalem Wege beziehen, um über ihren Musikkonsum frei entscheiden zu können. Naheliegend ist die Möglichkeit den Veröffentlichungsmodus anders zu organisieren, nicht mehrere Aufnahmen, gebündelt als Album, auf einmal zu veröffentlichen, sondern wenige Aufnahmen in kürzeren Abständen. Dies verspricht einerseits ein geringeres Risiko und möglicherweise regelmäßigere Einnahmen, andererseits treibt diese Praxis die Beschleunigung weiter voran und erschwert es einzelnen Musikschaffenden möglicherweise Aufmerksamkeit für ihre Veröffentlichungen zu generieren. Solange Musikaufnahmen noch digital und physisch gleichzeitig vermarktet werden, wird am bestehenden Veröffentlichungsmodus festgehalten, zumal das Album an sich auch ein künstlerisches Konzept darstellt, das von Musikschaffenden bewusst als zusammenhängender Rahmen der Aufnahmen geschaffen wird. Bei physischen Tonträgern wird der größte Absatz typischerweise in der ersten Woche bzw. relativ kurz nach der Veröffentlichung erzielt. Mit der Absicht die hohen Kosten, die bei der Produktion der „First Copy“ anfallen, möglichst schnell und durch hohen Werbeaufwand zu amortisieren (und gegebenenfalls eine Platzierung in den Charts zu erzielen), weist der Absatz damit in der Regel

236

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

einen nach kurzer Zeit stark fallenden Verlauf auf. Die Auswertungsdauer von Musikaufnahmen wird durch dieses Vorgehen stark verkürzt, wobei durch eine konzentrierte Vermarktung auch ein Entdecken der älteren Veröffentlichungen angeregt werden kann und die Auswertung der Musikaufnahmen nach einer Unterbrechung wieder neue Impulse bekommt (vgl. Hendricks; Sorensen 2009, S. 365 f.). Was sich nicht innerhalb kurzer Zeit als Verkaufserfolg erweist, wird allerdings häufig schon als Flop bezeichnet. Nur wenige Aufnahmen werden aber überhaupt zum kommerziellen Erfolg, noch weniger werden zum Longseller.129 Während die Verfügbarkeit von physischen Tonträgern begrenzt ist und folglich durchaus von einem Lebenszyklus gesprochen werden kann, ist es angesichts der permanenten Verfügbarkeit der Musikaufnahmen bei StreamingDiensten angebracht eher von einem Rezeptionszyklus auszugehen, der eine deutlich längere Zeitspanne umfassen kann. Mit der stetigen Verfügbarkeit kann sich eine Musikaufnahme im Streaming-Geschäft noch lange Zeit nach deren Veröffentlichung als „Hit“ erweisen. So können anfangs wenig bis gar nicht beachtete Aufnahmen eine zu einem relativ späten Zeitpunkt stark ansteigende Diffusion vorweisen. Für noch relativ unbekannte Musikschaffende ist es nach wie vor zentral einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit für ihre Musik zu generieren, dennoch gilt, dass die Musikaufnahmen bei Streaming-Diensten nicht auf eine zeitlich konzentrierte Verkaufsförderung angewiesen sind. Sofern sich die Händler (und die phonographische Industrie) hierzu bereit erklären, kann die Veröffentlichung von Musikaufnahmen flexibler gestaltet werden. Nicht nur von einem allgemein (bzw. für die Berechnung der Charts) verbindlichen Veröffentlichungstag, auch

129

Zwischenzeitlich wird die These vertreten, mit dem Aufkommen von Online-Händlern, die über ein vielfach größeres Sortiment verfügen als der stationäre Handel, stelle sich aufgrund der speziellen Kostenstruktur digitaler Güter eine Verschiebung in den Umsätzen von den Bestsellern hin zu den Nischenprodukten ein (vgl. Anderson 2006, S. 6 ff.). Demzufolge verliere der Umsatz, der mit den wenigen „Hits“ generiert wird, und die Summe der mit den vielen Nischenprodukten erzielten Umsätze gewinne an Bedeutung. Dieses als „Long Tail“ bezeichnete Phänomen findet allerdings Widerspruch. So belegt Elberse (2013, S. 157 ff.) in ihrer Replik, gleichwohl die Masse an verfügbaren Gütern mit der Zeit deutlich zunimmt, dass sich nach wie vor, zum Teil sogar stärker als bisher, ein Großteil der Nachfrage auf die „Blockbuster“ und „Hits“ konzentriert, die Nische hingegen zwar größer wird, ihr Anteil am Gesamtumsatz aber nicht ansteigt.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

237

von der derzeitigen Praxis der flankierenden medialen Berichterstattung kann abgewichen werden. Die musikkritische Berichterstattung und der Einsatz der Musik in den Medien können sich aus der starren Bindung an die erste Phase der Verkaufsförderung lösen, etwa zu einem späteren Zeitpunkt wichtige – in welche Richtung auch immer geartete – Impulse für die RezipientInnen setzen. Ebenso kann die gängige Abfolge von Musikaufnahme und Live-Darbietung gelockert werden. Musikwerke können live gespielt und erst anschließend aufgenommen bzw. veröffentlicht werden. Wie sich die Vermarktung in der Praxis entwickelt, ist von einzelnen Musikschaffenden allerdings nur bedingt zu beeinflussen und eher als gesamtgültige Branchenvereinbarung zu verstehen.

4.3.4.2

Gestaltung des Wegs zur Musikaufnahme

Durch die Umbrüche der letzten Jahre wird allen voran die Position der MusikkonsumentInnen gestärkt. Sie sind einerseits mit ihrem Konsumverhalten und ihren Wünschen der wesentliche Treiber und Wegweiser der Entwicklungen und andererseits NutznießerInnen der neuen Geschäftsmodelle auf Handelsseite. Ist zuvor das verfügbare Repertoire begrenzt auf das Angebot der stationären Händler, das häufig nur die CDs der großen phonographischen Unternehmen umfasst, stehen ihnen inzwischen auch Nischenprodukte zum Abruf bereit. Über die Online-Plattformen ist mehr Musik denn je verfügbar und das nicht mehr nur über physische Tonträger, sondern digital über verschiedene Kanäle und abspielbar mit unterschiedlichen Endgeräten. Begleitet wird diese Ausweitung des Musikangebots aber unweigerlich von einer Reaktion auf RezipientInnenseite: Eine Fülle von Informationen zieht eine Verknappung an Aufmerksamkeit nach sich (Simon 1971, S. 40 f.). Das Musikangebot, aus dem eine Auswahl getroffen werden muss, wird für die KonsumentInnen immer unübersichtlicher; sie verlieren die Orientierung. Mit zunehmendem Ausmaß an verfügbarer Musik wird es den Nachfragern erschwert die Musik zu finden, die sie rezipieren möchten bzw. zu rezipieren bereit sind. Ebenjene Musikaufnahmen gehen womöglich in der Masse unter.

238

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Begründet wird dieser Umstand durch die Erfahrungseigenschaft, nach der die RezipientInnen ex ante nicht beurteilen können, ob ihnen eine unbekannte Musikaufnahme tatsächlich zusagt. Für die KonsumentInnen bedarf es viel Zeit und Know-how die richtige Musik zu finden. Es besteht hinsichtlich der Qualität bei den Nachfragern folglich ein Kauf- bzw. Konsumrisiko. Bei den StreamingDiensten liegen diese Überlegungen dem monatlichen Pauschalpreis zugrunde. Andere Händler bieten die Möglichkeit zum Pre-Listening, im stationären Handel etwa durch die Bereitstellung von Abspielstationen; auch die Musikschaffenden ergreifen verschiedene Maßnahmen, wie die Veröffentlichung von Snippets, die Abhilfe schaffen können. Hier liegt allerdings schon aktives Interesse der KonsumentInnen an der Musik vor. Die grundsätzliche Frage ist, wie die RezipientInnen das finden, was sie mögen, und aus Sicht der Musikschaffenden, wie die Musikaufnahme diejenigen RezipientInnen erreicht, die sie damit erreichen möchten bzw. die sie wertschätzen (werden). So ist es für Musikschaffende zunehmend schwieriger aus der Masse hervorzutreten.

These 2: Die technologischen Entwicklungen wirken sich nicht zwingend darauf aus, welche Aufgaben bei der Vermarktung von Musikaufnahmen anfallen, sondern forcieren einen Wandel in der Art und Weise der Bewältigung dieser Aufgaben. Es gilt – bei aller Schnelligkeit der Vermarktung – in der Angebotsfülle den Weg der RezipientInnen zur Musikaufnahme zu gestalten.

Die Vermarktung der Musikaufnahmen zielt auf die Überwindung der Unübersichtlichkeit und Undurchschaubarkeit des Leistungsangebots ab. Die Unübersichtlichkeit des Angebots fordert akteursübergreifend, im Besonderen aber von den prosperierenden Streaming-Diensten, nicht zuletzt um MusikkonsumentInnen (wieder) zu MusikkäuferInnen zu konvertieren, sich auf diese Umstände einzustellen und entsprechende Lösungen für das Sich-Zurechtfinden der KonsumentInnen bereit zu halten. Eine zu große Auswahl kann eine Entscheidung erschweren und auf Seiten der Kundschaft gar zu Frustration und Überforderung führen. Einfachheit und Übersichtlichkeit sind in der Bedienung der neuen Streaming-Dienste demnach wesentliche Faktoren. Ebenso bedeutsam sind die angebotenen Lösungen der Dienste. Hier finden vor allem kuratierte

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

239

Playlists und algorithmusbasierte Empfehlungen Verwendung, um Unnötiges ausblenden zu können und sich nicht in der Masse zu verlieren. Die Undurchschaubarkeit des musikalischen Leistungsangebots richtet hingegen den Fokus auf die Vermarktung von Musikaufnahmen durch die Musikschaffenden. Da bei Musikaufnahmen – von der Klangqualität einmal abgesehen – keine objektiv festzustellenden Qualitätsmerkmale vorliegen, ist im Wettbewerb um die ZuhörerInnenschaft die Art und Weise, wie die KonsumentInnen die Musik wahrnehmen, entscheidend. Ausgerichtet wird das Marketing damit auf die Erwartungen der MusikkonsumentInnen, die es vornehmlich durch die Kommunikation der Qualität zu leiten gilt. Mit den technologischen Entwicklungen der letzten Jahre bietet sich für jene Musikschaffenden, die bereits eine AnhängerInnenschaft vorweisen können, die Möglichkeit die KonsumentInnen am Entstehungsprozess der Musikproduktion teilhaben zu lassen. Die Erwartungshaltung kann nicht nur passiv durch Ankündigungen geschürt werden, sondern durch aktive Mitarbeit kann überdies Begeisterung entstehen. Die Mitsprache bei Song- und Textauswahl, Covergestaltung oder das Verfügbarmachen von Aufnahmen und Instrumentals für die Erstellung von Remixen, Mashups oder Fan-Videos sind Beispiele für die Beteiligung und Einbindung der KonsumentInnen bzw. „ProsumentInnen“. Des Weiteren ist die Nachfrage nach Musikaufnahmen durch institutionelle Strukturen gekennzeichnet; die Orientierung innerhalb des Angebots der Musikaufnahmen folgt gewissen Regeln. In der Vermarktung der Musikaufnahmen werden deshalb Signale ausgesendet, die helfen die Suchkosten der RezipientInnen zu verringern und die Unsicherheit abzubauen. So dienen Marken und Etikettierungen (Genrezugehörigkeit, Chartplatzierung, Auszeichnungen) für die Nachfrager als Qualitätsmonitore. Jene Faktoren sind Instrumente der Orientierung und unterstützen die Nachfrager bei der Gewinnung von Informationen über die Musik.

240

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Marken Marken können beschrieben werden als eine bei den KundInnen bestehende Vorstellung davon, wie sich ein Leistungsangebot gegenüber der Konkurrenz unterscheidet. Sie spielen bei der Entscheidungsfindung, insbesondere aufgrund der Masse an Informationen, mit denen die Menschen tagtäglich (im Internet) konfrontiert werden, eine zunehmend gewichtige Rolle. Da die Musikaufnahme untrennbar mit der Person der Musikschaffenden (bzw. den InterpretInnen) verbunden ist, bietet sich eine personenbezogene Markenstrategie an, die auf eine langfristige Etablierung abzielt.130 Im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung, angestrebt wird ein Abgleich von Identität und Image (vgl. beispielsweise Meffert; Burmann; Kirchgeorg 2012, S. 359 f.), besteht die Absicht bei den KonsumentInnen eine gewisse Loyalität gegenüber den Musikschaffenden aufzubauen, sodass sie über mehrere Veröffentlichungen hinweg die Musik konsumieren bzw. nachfragen. Entscheidend ist für MusikerInnen aber ihre Marke (bzw. ihren musikbezogenen Markenkern) zu pflegen, damit diese weiterhin als Qualitätssignal und damit Orientierungsfunktion dienen kann. Hingegen wird der Versuch MusikerInnen und Musikprodukte mit quasi beliebigen Bedeutungen aufzuladen, wenig zielführend sein, vor allem weil sie von den KonsumentInnen in quasi ebenso beliebiger Weise wieder umgedeutet werden können. Sofern die Musik in den Hintergrund tritt, andere, nicht musikalische und inszenierte Auftritte in der öffentlichen Wahrnehmung dominieren, können sie auch ihren Kern, nämlich ihr musikalisches Schaffen, für eine prominente Stellung im öffentlichen Bewusstsein einbüßen.131 Dies ist auch die Gefahr, wenn versucht wird „(Super-)Stars“ künstlich zu kreieren und ihre künstlerisch-kreative Leistung unter dem Deckmantel der Berühmtheit

130

Eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Menschen als Marke findet sich beispielsweise bei Herbst (2011).

131

Bei Ausflügen in andere Geschäftsfelder und Wirtschaftzweige gilt es stets das originäre Tätigkeitsfeld zu berücksichtigen. Hierdurch deutet sich schon ein möglicher Kritikpunkt an. Sofern nämlich der Kommerzialisierung ein zu großer Stellenwert beigemessen wird, kann sich dies auch negativ auswirken. Insofern sind die Überlegungen zur Auswertung der nicht-musikbezogenen Rechte als Nebenrechte stets in die Vermarktung der Musik und der Musikschaffenden zu integrieren.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

241

verschwindet. So lässt sich mit Boorstin (1987, S. 92 f.) zu der Rolle der Berühmtheit festhalten, dass sie „eine Person [ist], die ihres allgemeinen Bekanntseins wegen berühmt ist. Ihre Eigenschaften – oder vielmehr die ihr fehlenden Eigenschaften – veranschaulichen unser Problem. Sie ist weder gut noch böse, weder groß noch klein. Sie ist das Pseudo-Ereignis in menschlicher Gestalt. […] Sämtliche anderen Eigenschaften werden von der des allgemeinen Bekanntseins überschattet. Durch die Werbung wurde der große Bedarf nach Berühmtheiten verstärkt. Im Handelsjargon nennt man sie ‚Große Namen‘. Reklameaufschriften benutzen Berühmtheiten nicht nur, sie tragen auch zu ihrer Entstehung bei. Alles, was einen bekannten Namen noch bekannter macht, erhöht automatisch dessen Status als Berühmtheit.“ An dieser Stelle eignet sich eine kurze Ausführung zu dem Aufbau von „Stars“, denn, wie zuvor schon angesprochen, sind die aus dem Verkauf von Musikaufnahmen erzielten Einkommen äußerst ungleich über die Musikschaffenden verteilt (vgl. Franck 2001). In diesem Zusammenhang wird deshalb auch von „Winner-take-all“-Märkten gesprochen (vgl. Frank; Cook 1995, S. 2). Als „Stars“ (oder auch „Winners“) werden, in Abgrenzung zu den vielen „Wannabes“, folglich jene wenigen Akteure bezeichnet, die ein überproportional hohes Einkommen erzielen (Rosen 1981, S. 845). Da die am Markt von unterschiedlichen MusikerInnen angebotenen künstlerisch-kreativen Leistungen (Musikaufnahmen) nicht vollständig substituierbar sind, werden diese strukturellen Einkommensunterschiede zuerst von Rosen (1981, S. 846 f.) durch geringe Unterschiede im Talent und die (mit nur unwesentlichen Zusatzkosten verbundene) Vergrößerung des Markts über die (massen-)mediale Verbreitung des Leistungsangebots begründet. Adler (1985, S. 208) hingegen geht nicht davon aus, dass die Qualität durch die Nachfrager stets korrekt eingeschätzt werden kann und damit Qualitätsunterschiede für die Begründung von „Stars“ ausreichen, sondern baut seine Argumentation auf der Entstehung von Konsumkapital und Netzwerkeffekten auf. Von der Annahme ausgehend, die Entwicklung von „Stars“ sei bedingt dadurch, dass der Nutzen, der aus dem Konsum bestimmter Musikaufnahmen resultiert, abhängig ist von dem vorhandenen Wissen über diese Musik, fördert der Konsum selbst (also die Rezeption der Musik) die Akkumulation von Konsumkapital. Für die einzelnen KonsumentInnen erscheint es damit zweckmäßig sich auf die Musik einer

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

gewissen Stilrichtung, noch konkreter: bestimmter MusikerInnen zu fokussieren. Wird Konsumkapital darüber hinaus ebenso durch die Kommunikation mit anderen, gleich gesinnten KonsumentInnen über diese Musik aufgebaut, wobei vom vorhandenen Konsumkapital Gebrauch gemacht und dieses gleichzeitig weiter akkumuliert wird, erklärt sich mit geringeren Suchkosten für die Gelegenheit zur Kommunikation für die einzelnen KonsumentInnen, dass sie diejenigen Musikschaffenden bzw. deren Musik favorisieren, die von vielen anderen konsumiert wird, und sich die Nachfrage somit auf wenige Musikschaffende konzentriert (vgl. Adler 1985, S. 208 ff.; Franck 2001, S. 60 f.).

Genres Die Auseinandersetzung mit Musik geschieht innerhalb von Genres. Vor allem im Bereich der populären Musik ist eine diesbezügliche zunehmende Fragmentierung beobachtbar. Dies kann sicherlich auch auf die veränderten Bedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption zurückgeführt werden. Stehen den Musikschaffenden Mittel und Wege zur Verfügung ihre Musik selbst zu produzieren und zu veröffentlichen, den RezipientInnen wiederum sich einfach und schnell über das Internet zu bedienen, geht mit dem allgegenwärtigen Zugriff auf Musik eine größere Vielfalt einher. Der musikalische Inhalt, der sich hinter den gemeinhin bekannten Kategorien wie Pop, Rock, Schlager etc. verbirgt, ist im ständigen Wandel begriffen. Zugleich bezieht sich ein musikalisches Genre nicht nur auf die Musik. Ein Genre wird nach Fabbri (1982, S. 52 ff.) geprägt durch ein bestimmtes Set von sozial akzeptierten Regeln, die er in fünf Bereiche einteilt, nämlich formale und technische; semiotische; verhaltensbezogene; soziale und ideologische; wirtschaftliche und rechtliche Regeln. Mit einem spezifischen Gefüge an Regeln ausgestattet, dient ein Genre bzw. das Wissen um die Regeln dem inneren Zusammenhalt und der Abgrenzung nach außen (vgl. Frith 1996, S. 88). Zugleich werden Genres als dynamisch wahrgenommen (Negus 1999, S. 26). Sie besitzen per se keine festen Grenzen, fassen je nach Zeitpunkt oder Region unterschiedliche musikalische Inhalte zusammen, zumal zwischen den Genres in ihrer historischen Abfolge enge Verbindungen bestehen. Genres sind damit für

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

243

MusikerInnen weniger verbindlich, gleichwohl sie als mehr oder weniger diffuse Oberkategorien weiterhin existent sind. Eine Ausdifferenzierung der Genres spiegelt sich auch in neuen Begrifflichkeiten wider, sodass vielfach neue Kategorien als Subgenres entworfen werden. Die genutzten Begrifflichkeiten unterliegen in ihrer Ableitung jedoch keiner leicht nachvollziehbaren bzw. logischen Systematik. Sie werden nicht etwa durch eine zentrale Instanz geformt, die über die Einteilung allgemeingültig bestimmt, sondern durch das Zusammenspiel verschiedener Akteure. RezipientInnen nutzen sie (als Stereotype und Regeln) zur Orientierung; Musikschaffende verwenden sie (als Konzepte) in der Produktion von Musikaufnahmen; phonographische Industrie, Medien und Handel greifen bei der Vermarktung von Musikaufnahmen auf sie zurück. Der konkrete Genrebegriff wird folglich zwischen den genannten Akteuren verhandelt. Für Außenstehende erweist sich die Struktur der musikalischen Erscheinungsformen häufig als undurchsichtig. Frith (1996, S. 88 f.) fasst zusammen: „In looking at the various ways in which genre labels are used to organize music making, music listening, and music selling, I have been circling around the same point: popular music genres are constructed – and must be understood – within a commercial/cultural process; they are not the result of detached academic analyses or formal musicological histories.“

Charts und Awards Charts liefern einen Überblick über die am meisten verkauften Musikproduktionen (vgl. Anand 2006). Den offiziellen, das heißt im Auftrag des Bundesverbands ermittelten Charts132 liegen die Daten der Händler zugrunde, wobei inzwischen neben physischen Tonträgern und Downloads auch Premium-

132

Unterschieden werden Charts nach Umfang und Zusammenstellung der Musik (z. B. Single-, Album-, Compilation-Charts), Format (z. B. Musikvideo-Charts), Erhebungszeitraum (z. B. Midweek-, Daily Trend-Charts), Veröffentlichungszeitraum (z. B. Most Wanted Charts), Genre (z. B. HipHop-, Dance-Charts) sowie Medium (z. B. Vinyl-, Airplay-, Streaming-, DownloadCharts).

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Streams berücksichtigt werden (vgl. BVMI; GfK; MT 2017).133 Die Platzierungen werden zwar für einen bestimmten Zeitraum (wöchentlich, monatlich, jährlich) erfasst, lassen dabei aber keine Vergleichbarkeit zwischen den Zeiträumen zu, da die Angabe der absoluten Zahlen fehlt. Sie werden sowohl in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt als auch im Internet veröffentlicht. Neben den offiziellen Charts werden von einigen Händlern verschiedene Ranglisten erstellt. Insbesondere bei den Online-Händlern (z. B. Amazon, iTunes oder Spotify) sind über das Menü eigene, unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammengetragene Rankings abrufbar. Wie diese plattformspezifischen Ranglisten ermittelt werden, wird in der Regel nicht aufgelöst. (Bei Downloads ist von dem Absatz einzelner Tracks bzw. Bundles auszugehen; bei Streaming-Diensten wird hingegen abgebildet, wie oft ein Track abgespielt wird.) KonsumentInnen berücksichtigen Charts in ihrer Entscheidungsfindung mit dem Ziel das Risiko eines Fehlkaufs zu verringern. Die Grundlage der Kauf- bzw. Konsumentscheidung scheint zu sein: Was von vielen durch den Kauf abgesegnet wird, kann wohl nicht von geringer Güte sein. Auch aus dem oben schon angesprochenen Grund der sozialen Interaktion ist es für einzelne KonsumentInnen zweckmäßig jene Musikaufnahmen nachzufragen, die bereits von vielen anderen konsumiert werden. Neben den KonsumentInnen können weitere Zielgruppen unterschieden werden (vgl. Limper; Lücke 2013, S. 129 f.; Anand 2006, S. 143): Musikschaffende und andere Akteure können die Ranglisten bei der Markt- und Trendforschung einsetzen; Händler nutzen sie bei der Disposition und Platzierung von Produkten am Point of Sale, ähnlich wie Medien auf sie bei der Auswahl von Inhalten zurückgreifen. Des Weiteren werden besonders verkaufsstarke Musikproduktionen mit Gold, Platin und Diamond Awards ausgezeichnet. Dabei ist in Abgrenzung zu den Charts nicht ausschlaggebend, wie viele Einheiten in einer festgelegten Zeit-

133

Ermittelt werden die Charts von dem Marktforschungsinstitut GfK Entertainment nicht nach verkaufter Stückzahl, sondern erzieltem Umsatz. Dies ist zu berücksichtigen, vor allem wenn die Musik durch Bonusinhalte (z. B. Musikvideos, Remixe, Live-Versionen, Interviews, Fotos etc.) oder eine Beigabe (z. B. Merchandise-Artikel) ergänzt wird und einzelne Tonträger oder Downloads hierdurch zu einem höheren Preis angeboten werden. Streams aus Premium-Services werden (ab 31 Sekunden) über eine bestimmte Formel in der Chartermittlung wertmäßig verrechnet.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

245

spanne verkauft werden, sondern dass eine vorgegebene Stückzahl abgesetzt wird.134 Andere Auszeichnungen werden im Rahmen von jährlich stattfindenden und aufwendig inszenierten Preisverleihungen vergeben. In Deutschland wird etwa vom BVMI in verschiedenen Kategorien der Musikpreis Echo (sowie Echo Klassik und Echo Jazz) verliehen.135 Prämiert werden die in verschiedenen Kategorien kommerziell erfolgreichsten Musikaufnahmen bzw. MusikerInnen eines Jahres. Im Übrigen werden auch von anderen Akteuren verschiedene Preise verliehen (z. B. der als KritikerInnenpreis arrangierte VUT Indie Award). Erreichte Chart-Platzierungen, gewonnene Awards und besonders hohe Klickzahlen können als Insignien des kapitalistischen Wirtschaftssystems verstanden werden. Vor allem bei den Charts wird ersichtlich, dass sie nicht nur den Verkauf von Musik wiedergeben, sondern diesen auch rückwirkend beeinflussen. Der (möglichst hohe) Einstieg in die Charts löst vermehrte Berichterstattung in den Medien aus, sorgt für Radio-Airplay sowie bessere Platzierungen im Handel und zieht damit letztlich weitere Verkäufe nach sich, woraus wiederum eine höhere Chartposition resultiert. Auch für die Vermarktung nachfolgender Veröffentlichungen spielt die bisherige Chartbilanz von MusikerInnen eine Rolle. MusikerInnen liefern gegenüber dem Handel mit ihrer Bekanntheit und ihren bisherigen Verkaufserfolgen wesentliche Argumente für die Ausstellung auf einer zentralen Präsentationsfläche. Der BVMI (2017, S. 43) sieht die Charts als Leitwährung und spricht deshalb gar vom „zentrale[n] Erfolgsbarometer für Industrie, Medien und Musikfans“. Eine Bewertung der Qualität kann damit aber nicht verbunden werden. Sie stellen lediglich das kommerzielle Abschneiden von Musikaufnahmen dar. Ebenso wird bei den offiziellen Charts nicht das tatsächliche Musikkonsumverhalten widergespiegelt. Boorstin (1987, S. 34) prägt

134

In Deutschland werden vom BVMI, gestaffelt nach verkauften Einheiten, Gold (Album: 100.000 Stück; Single: 200.000 Stück), Platin (Album: 200.000 Stück; Single: 400.000 Stück) und Diamond Awards (Alben: 750.000 Stück; Single: 1 Mio. Stück) verliehen. Über einen Umrechnungsfaktor werden auch die Premium-Streams der Audio-Streaming-Dienste mitgezählt. Darüber hinaus gibt es weitere Award-Kategorien (Musikvideo, Jazz, Kids, Comedy, Audio Book). In Österreich werden von der IFPI Austria ebenso Gold (Album: 7.500 Stück; Single: 15.000 Stück) und Platin Awards (Album: 15.000 Stück; Single: 30.000 Stück) vergeben.

135

Das österreichische Pendant ist der von der IFPI Austria verliehene Amadeus Award.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

in diesem Zusammenhang den Begriff des Pseudo-Ereignisses. Hiermit sind jene synthetischen Ereignisse (Publikation von Ranglisten, Verleihung von Awards etc.) gemeint, die lediglich stattfinden damit über sie (massenmedial) berichtet wird. So ist es im Grunde genommen auch ohne Belang, wer die Charts anführt oder eine bestimmte Auszeichnung erhält. Es geht vielmehr darum, dass Ranglisten „GewinnerInnen“ hervorbringen und Auszeichnungen öffentlichkeitswirksam vergeben werden.

4.3.4.3

Ergänzung des Marketingmix

Entscheidungen zum Marketinginstrumentarium finden ihren Ausgangspunkt in den strategischen Überlegungen, insbesondere zur Positionierung. Wesentlich sind hierbei die gegenwärtige und die langfristig angestrebte Position, wobei zu unterscheiden ist zwischen AmateurInnen und bereits etablierten Musikschaffenden. Den Marketingaktivitäten vorausgehend ist folglich ein Prozess der (inkrementellen) Strategieentwicklung, der sich mit den selbst gesteckten Zielen und deren Erreichung auseinandersetzt. Vor allem um den kulturellen Zielen stärker Rechnung tragen zu können, scheint eine Auseinandersetzung mit den Instrumenten des Marketingmix vonnöten, die für die Umsetzung der Strategie bemüht werden (vgl. Homburg 2012, S. 539 ff.; Meffert; Burmann; Kirchgeorg 2012, S. 384 ff.). So findet mit dem Aufkommen der Streaming-Dienste ein Umschwenken vom Besitz von Musikaufnahmen (bzw. Tonträgern oder Dateien) hin zum Zugriff auf Musikaufnahmen statt (vgl. Luck 2016). Aufgedeckt wird damit ein lange Zeit vorherrschendes, zu enges Verständnis des Geschäfts mit Musikaufnahmen. Es geht schließlich nicht um den Verkauf von physischen Tonträgern (Clement; Schusser 2006, S. 1094), ebenso wenig aber um den Verkauf von Musikdateien. Allein aus dem Erwerb bzw. dem Besitz eines Tonträgers oder einer Datei resultiert noch kein Nutzen. Das Mittel der Bedürfnisbefriedigung stellt der Prozess der Rezeption dar. Nicht bloß ein wirtschaftlicher Austausch von Leistung und monetärer Gegenleistung steht im Fokus, sondern das Herstellen eines kulturell-kommunikativen Austauschprozesses. Um diesem Umstand gerecht zu werden, ist eine Anpassung auf instrumenteller Ebene notwendig.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

247

These 3: Für eine integrierte Abbildung der kulturell-kommunikativen und wirtschaftlichen Austauschprozesse reichen die gängigen Komponenten des Marketingmix nicht aus. Erst mit der Ergänzung der Prozesspolitik wird die Rezeption adäquat berücksichtigt.

Im Folgenden wird von insgesamt fünf Komponenten des Marketingmix ausgegangen, wobei die Einteilung nicht zwingend überschneidungsfrei ist, da die Aktivitäten zum Teil an der Grenze zwischen den Komponenten verlaufen. Insbesondere bei der Prozesspolitik mag es durchaus zu Überschneidungen kommen mit dem, was in der Praxis zuweilen als Promotion bezeichnet wird. Beispielsweise kann das Abspielen einer Musikaufnahme im Radio nicht nur als Verkaufsförderung (für physische Tonträger oder Musikdateien) der Kommunikationspolitik zugeschrieben werden. Percival (2011, S. 470) hält die zugrunde liegende Auffassung des Verhältnisses von Musikwirtschaft und Radio als Symbiose für eine allzu starke Vereinfachung der tatsächlichen Zusammenhänge und geht davon aus, dass sich der Einfluss der Radiostationen (auf die Arbeit der Unternehmen der phonographischen Industrie sowie) auf die musikalische Ebene auswirkt. Der Stellenwert der Prozesspolitik zeigt sich, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht explizit als solche bezeichnet wird, in der Rückbesinnung auf die Praxis vergangener Zeiten. Mit dem Schlagwort „Payola“ verbunden ist die Bestechung von Discjockeys und ProgrammdirektorInnen durch die phonographischen Unternehmen, um den Einsatz einer Musikaufnahme, also den Prozess der Rezeption, zu fördern (vgl. Tschmuck 2012, S. 266).

Produktpolitik Produktpolitische Entscheidungen sind ausgerichtet auf das Stiften von KundInnennutzen. Das Musikprodukt, ausgegangen wird von einem generischen Produktbegriff (vgl. beispielsweise Homburg 2012, S. 544 f.), stellt ein diesbezügliches Bündel von Eigenschaften dar. Im Grunde kann schon das musikalische Werk als Zusammenstellung von musikalischen Komponenten verstanden werden. Mit dieser Auffassung wird bewusst auch das künstlerischkreative Schaffen (im Sinne des Komponierens) berücksichtigt. Das musi-

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

kalische Werk (bzw. die Musikaufnahme) bildet hiernach den Produktkern, sodass sich die zielgerichtete Entstehung von Innovationen, beginnend bei der Konzeptdefinition, zuvorderst auf das künstlerisch-kreative Schaffen bezieht. Die Vermarktung von Musikaufnahmen (insbesondere im physischen Bereich) ist (noch) stark auf Alben fokussiert. Dabei handelt es sich um eine Bündelung bzw. Zusammenstellung von mehreren Musikaufnahmen, darunter gesondert zu veröffentlichende Singles und mitunter bewusst eingesetzte Filler. Die zeitlich vorgeschaltete Auskopplung von Singles (vgl. Fox; Kochanowski 2007) kann, sofern der Zusammenstellung des Albums ein Konzept zugrunde liegt bzw. es sich dabei zumindest um ein in sich stimmiges bzw. konsistentes Soundbild handelt, vorab als (Konzept-)Test für die Veröffentlichung des Albums verstanden werden. Da sich beim digitalen Musikangebot und physischen Tonträgern Unterschiede ergeben, sind deren Produktkomponenten getrennt darzustellen. 

Physische Tonträger: Abgesehen von der Marke ergänzen weitere Zusatzeigenschaften den Produktkern. So können weitere Inhalte wie Videos, Fotos oder Konzertmitschnitte mit den Aufnahmen gebündelt werden. Bei der Speicherung auf physischen Tonträgern sind aufgrund jeweils unterschiedlicher Speicherkapazitäten für die Bündelung bestimmter Inhalte verschiedene Trägermedien (z. B. CD, DVD, DualDisc, Vinyl) zu nutzen. Physischen Tonträgern liegt in der Regel auch ein Booklet (gegebenenfalls inklusive Credits, Fotos, Songtexte) bei. Darüber hinaus kann die Verpackung (z. B. Digipack, Super Jewel Case inklusive Cover-Artwork) als Komponente des Musikprodukts angesehen werden. Es sind vor allem die stofflichen Eigenschaften eines Tonträgers, die für KundInnen einen Mehrwert gegenüber dem digitalen Musikangebot darstellen. So werden mittels unterschiedlicher Zusammenstellung der Komponenten zum Teil verschiedene Versionen des Musikprodukts (z. B. Standard Edition, Special Edition) angeboten. Werden dem Tonträger weitere, zusätzlich nutzenstiftende Devotionalien (z. B. Merchandise-Artikel) beigelegt, ist gegebenenfalls ein Box-Set (z. B. Deluxe Box) notwendig.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen 

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Digitales Musikangebot: Auch im digitalen Bereich ist die Bündelung grundsätzlich möglich. Neben der Musikaufnahme kann das digitale Musikprodukt mit weiteren Informationen wie Markierung, Cover, Metadaten oder (dem Zugriff auf) Bonuscontent ausgestattet werden. Ebenso können mehrere Musikaufnahmen (Album, Compilation, Playlist) gebündelt werden. Zugleich lässt sich eine Entbündelung umsetzen, das heißt es können Eigenschaften des Produkts einzeln vertrieben werden (vgl. Elberse 2010). Das Unbundling hat zur Folge, dass die gegebenenfalls mit der Bündelungsentscheidung verfolgten preispolitischen Ziele (vgl. Bakos; Brynjolfsson 1999), nur noch bedingt erreicht werden. So können nicht mehr nur Alben und bestimmte Singles vertrieben, sondern im Sinne des Mixed Bundling jegliche Aufnahmen auch einzeln erworben bzw. konsumiert werden. Die KundInnen verlangen nach einer uneingeschränkten Nutzung der Musik und können sich ihren Musikkonsum inzwischen aus der verfügbaren Auswahl an Musik selbst zusammenstellen.

Für Musikschaffende gilt es neben der im konkreten Fall zu veröffentlichenden Musikaufnahme Entscheidungen im Hinblick auf die Breite und Tiefe des Programms zu treffen. Hierbei ist Bezug auf das musikalische Repertoire zu nehmen, die Musikstile, die veröffentlichten Alben, die darauf enthaltenen Musikaufnahmen und deren Zusammenstellung. Zu beachten auf der Ebene des Produktprogramms sind etwa Produktdifferenzierungen als die Veröffentlichung verschiedener Versionen eines Musikwerks (z. B. Live-Mitschnitt, Unplugged Version, Remix oder Mashup). Zudem können gegebenenfalls weitere angebotene Produkte (Konzertmitschnitte oder Dokumentationen auf DVD etc.) im Rahmen des Produktprogramms aufgegriffen werden. Sofern sich kein direkter Zusammenhang zum musikalischen Schaffen herstellen lässt, ist im Sinne der Diversifikation von der Erweiterung des Programms auszugehen.

Prozesspolitik Die Prozesspolitik umfasst jegliche Entscheidungen, die sich auf die Gestaltung (bzw. die von den Musikschaffenden gestaltbaren Aspekte) des Prozesses der

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Rezeption beziehen. Da Musikaufnahmen im Hinblick auf ihre Qualität nicht objektiv bewertet werden können, wird der Wettbewerb über die Herstellung und Gestaltung des Rezeptionsprozesses wichtiger. Die Ergänzung und Einbindung der Prozesspolitik scheint vor allem auch mit der Etablierung der StreamingDienste angebracht. So ist es wesentlich, dass die NutzerInnen aus dem verfügbaren Musikangebot selbstbestimmt entscheiden können, was sie wie oft, wann und an welchem Ort hören. (Noch vor Kurzem ist die Auswahl an verfügbarer Musik deutlich begrenzter und durch Raum und Zeit eingeschränkt. Vor der Verbreitung von Tonträgern ist im Grunde keine selbstbestimmte Auswahl möglich. Beim Radiohören nehmen die RezipientInnen das, was sie vorgesetzt bekommen.) In diesem Sinne können Musikschaffende die Rezeption der Musikaufnahme nicht komplett kontrollieren, sie aber zumindest in gewisser Hinsicht beeinflussen bzw. (in Koordination mit den anderen Komponenten des Marketingmix) im Zeitverlauf Impulse setzen. Die RezipientInnen sind integraler Bestandteil des kulturell-kommunikativen Austauschprozesses und als solcher mit ihrem Rezeptionsverhalten nicht als Gestaltungsparameter, sondern als gleichgestelltes Gegenüber (EmpfängerInnen der Kommunikationsinhalte und SenderInnen von Feedback) von zentraler Bedeutung. So kann auch das Wordof-Mouth nicht einfach als kommunikationspolitisches Instrument abgetan werden, sondern ist vielmehr ureigenes, grundlegendes Prinzip kultureller Güter. Wichtig wird deshalb die Auseinandersetzung mit dem Rezeptionszusammenhang, sprich damit, welche Musikaufnahme gehört wird, von wem sie gehört wird, zu welcher Zeit, an welchem Ort und wie sich die Rezeption im Zeitverlauf verändert. Das musikalische Werk stellt den Ausgangspunkt dar. Es kann live dargeboten, als Musikaufnahme (in Form eines Musikvideos oder nur als Tonaufnahme) konserviert und als physischer Tonträger, Download oder Stream vertrieben oder öffentlich wiedergegeben (z. B. im Radio oder Fernsehen) werden. Bei der Musikaufnahme ist die Einbindung in Playlists, Compilations, Best-of-Alben oder die Neuauflage von Tonträgern (Re-Releases) denkbar. Alle Wege, wie das Musikwerk veröffentlicht wird bzw. durch die KonsumentInnen rezipiert werden

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

251

kann, sind zu beachten. Das Werk steht für sich; unter den verschiedenen Darbietungsweisen besteht eine rezeptionsfördernde Wirkung.136 Ebenso sind jegliche Informationen zum musikalischen Werk (z. B. Interview über die Arbeitsweise, Inspirationen, musikalische Vorlieben etc.), die die Musikschaffenden teilen und sich auf das Werk beziehen, relevant, da sie es den RezipientInnen erlauben das musikalische Schaffen einzuordnen. Wie schon ausgeführt, ist mit dem Begriff der Rezeption nicht nur das bloße Hören von Musik gemeint. In einem umfassenderen Sinn kann hiermit auch ein Vorgang der Auseinandersetzung und Aneignung umschrieben werden. Schließlich muss die nicht-musikbezogene Rechteverwertung dahingehend Berücksichtigung finden, dass jegliches Auftreten der Musikschaffenden in der Öffentlichkeit auf die Rezeption der Musik rückwirken kann. Die Gestaltung des Rezeptionsprozesses wird sich an dem jeweiligen Genre orientieren. Die im Bereich der populären Musik zum Teil gängige Praxis über vereinzelte Single-Auskopplungen hohe Verkaufszahlen des höher-margigen Albums in der ersten Woche zu erzielen und die restlichen Aufnahmen lediglich als Filler einzusetzen, wird sich im Streaming-Geschäft nicht bezahlt machen, weil das Füllmaterial wohl deutlich seltener abgespielt wird. Hierdurch ergibt

136

Thurow und Zombik (1997, S. 203) verweisen in diesem Zusammenhang auf die menschlichen Rezeptionsgewohnheiten: „Für Musik läßt sich besonders effektiv dadurch werben, daß man sie dem Hörer und potentiellen Kunden ‚vor Ohren führt‘. Das Paradoxon findet seine Auflösung in den Gegebenheiten der menschlichen Natur: Kein Filmhersteller käme auf die Idee, für den Besuch eines Filmes dadurch zu werben, daß er dem umworbenen Publikum den Film zur Gänze ‚vor Augen führt‘. Bei Musik hingegen ist diese Praxis gang und gäbe, und zwar nicht nur (wie bei Filmen ab und zu im Fernsehen) in Ausschnittform, sondern in der ganzen Länge des angebotenen Titels. […] Wo das Auge ein gebotenes Programm mit großer Perfektion umgreift und abspeichert, will das Ohr eine als schön empfundene Musik immer wieder hören, und so kommt es, daß für den Kauf eines Hörgenusses auf Schallplatte mit eben diesem Hörgenuß bis zu einem gewissen Grade sogar wiederholt geworben werden kann – und muß!“ Inwiefern sich dadurch aber beispielsweise die Verwendung von Musikaufnahmen im Radio als reine Promotion noch rechtfertigt, ist strittig. So wird die Ansicht, es handele sich bei Airplay vor allem oder gar ausschließlich um Verkaufsförderung, zuweilen hinterfragt, denn vielfach greifen die Radiosender (mit der Etablierung des Formatradios) für ihre Programmgestaltung (ausschließlich) auf bereits (kommerziell) erfolgreiche Musikstücke zurück (vgl. Thurow; Zombik 1997, S. 203; Spiesecke 2009, S. 115 f.). Verschärft wird die Kritik durch den großen Umfang, den Musik im Programm der Radiosender einnimmt, und die zum Teil als zu gering angesehene pauschale Vergütung.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

sich stets ein ähnlicher Verlauf des Rezeptionszyklus137 (bzw. bei physischen Tonträgern ein ähnlicher Verlauf des Produktlebenszyklus), der sich bezogen auf das Produktprogramm (also weitere Alben) in regelmäßigen Abständen (alle zwei bis drei Jahre ein Album) wiederholt. Durch das Streaming-Geschäft kann zumindest teilweise mit dieser Praxis gebrochen werden, da sich Musikaufnahmen noch nach Jahren als „Hit“ herausstellen können, gleichwohl die Musik zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur verhältnismäßig wenig Beachtung findet. Zumindest musikalisch kann das für Musikschaffende bedeuten sich weniger auf flüchtige Trends einzulassen. Aktuelle, nicht annehmbare musikalische Entwicklungen können Musikschaffende eher an sich vorüberziehen lassen, zumal MusikerInnen selbst keine Trends setzen, indem sie nur Trends folgen. Es kann sich demnach als durchaus sinnvoll herausstellen, wenn mehrere Aufnahmen eine durchschnittlich große ZuhörerInnenschaft über einen längeren Zeitraum finden als eine einzige Aufnahme, die möglichweise nur kurzfristig viel rezipiert wird. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings die Bedeutung von Playlists. So garantieren beliebte kuratierte Playlists hohe Streaming-Abrufe. Das von den jeweiligen KuratorInnen verfolgte einheitliche Soundbild stellt dabei die musikalische Vorgabe. Sind die Musikschaffenden willens ihre Musik anzupassen und in der Lage schnell zu reagieren, beschleunigt sich die Trendabfolge. Für Musikschaffende ist es zentral das Produktprogramm bzw. musikalische Repertoire auf seine Struktur hin zu analysieren. Mit verändertem Nutzungsverhalten lässt sich keine klare zeitliche Abfolge und keine idealtypische Vorgehensweise festlegen. Inwiefern Windowing oder die exklusive Verfügbarkeit

137

Setzt sich das Streaming als dominierendes Geschäftsmodell im Musikhandel durch (vgl. Trefzger et al. 2015), bedeutet die Entscheidung der Musikschaffenden eine Musikaufnahme nicht mehr bei den Streaming-Diensten anzubieten, dass die RezipientInnen die Aufnahme nicht hören können. Hier kann nicht nur von einer Produktelimination gesprochen werden, bei der die Aufnahme aus dem Programm gestrichen wird. Im Grunde handelt es sich um eine Beendigung der Rezeptionsmöglichkeit, da die Aufnahme nirgendwo mehr gespeichert ist. Bei einem Tonträger ist dies anders: Sofern dieser nicht länger im Handel erhältlich ist, können diejenigen, die ihn zuvor schon besitzen, die Musik weiterhin hören und für andere bietet sich die Möglichkeit über sonstige Kanäle (z. B. Zweitmarkt) den Tonträger zu erstehen und die Musikaufnahme anschließend zu rezipieren.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

253

von Aufnahmen bei einzelnen Händlern noch den Vorstellungen der KonsumentInnen entspricht, ist fraglich. (Aus preispolitischen Gründen können derartige Maßnahmen für einzelne Musikschaffenden derzeit (noch) sinnvoll sein, wenn etwa zunächst Downloads und physische Tonträger vertrieben werden und mit Zeitverzögerung erst die Freigabe für die Streaming-Dienste erteilt wird.) Insgesamt kommt es auf die Abstimmung von Single-Veröffentlichung(en), Einsatz von Musikvideos, Airplay, Playlists, Kauf- bzw. Konsummöglichkeit bei den verschiedenen Online-Plattformen und Live-Darbietung an. Dabei kann der Zeitabstand (zwischen den Veröffentlichungen) eine Rolle spielen. Für die Wahrnehmung der Zeit, aber ebenso daran anschließend für die Rezeption und Beurteilung der Werke kann die Herstellung von Transparenz ein entscheidender Faktor sein. So wird den Fans durch einen gewissen Grad an Durchschaubarkeit des Leistungsangebots, womöglich gar der Einbindung in die Werkentstehung, das Gefühl vermittelt beteiligt zu sein und es gelingt gegebenenfalls die RezipientInnen über mehrere Veröffentlichungen zu binden.

Preispolitik Bei der Behandlung preispolitischer Fragestellungen ist zu differenzieren zwischen den Preisen, die die KundInnen für die Musikaufnahmen zahlen und den tatsächlichen Einnahmen, die von den Musikschaffenden erzielt werden. 138 De facto können viele preispolitische Entscheidungen nicht von den MusikerInnen selbst getroffen werden, weil schlichtweg kein Entscheidungsspielraum gelassen wird. Aufgrund der starken Handelskonzentration besteht ein

138

Bei den Preisentscheidungen bezüglich der Musikaufnahmen sind die gesamten Einnahmen und deren Verteilung zu berücksichtigen (vgl. BVMI et al. 2015, S. 25 f.). Grundsätzlich scheint eine (nicht enden wollende) Ausrichtung auf eine Querfinanzierung, in der Musikaufnahmen lediglich als Promotion für Konzertveranstaltungen (oder vice versa) angesehen werden, als schwierig. Sofern die Einnahmen aus der Hauptquelle sinken, steht unter Umständen die Grundlage des professionellen Musikschaffens auf dem Spiel, zumal gewisse Einnahmen aus der Verwertung von Musikaufnahmen nicht durch die preispolitischen Entscheidungen der Musikschaffenden beeinflusst werden können, sondern wesentlich durch die Verwertungsgesellschaften bestimmt werden.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

ungleiches Machtverhältnis zugunsten der großen Handelsunternehmen. Unter Umständen können die wenigen sehr erfolgreichen Musikschaffenden einen gewissen Druck auf die Händler ausüben, wobei auch diese allein nur wenig Spielraum zugestanden bekommen. Die lokal, regional und national agierenden Musikschaffenden hingegen werden sich den etablierten Preissystemen anpassen müssen. Die preispolitischen Entscheidungen der Musikschaffenden gliedern sich folglich ein in die Entscheidungen der Vertriebe und Händler bezüglich der EndverbraucherInnenpreise. Es ist davon auszugehen, dass sich vor allem eine heuristische Preisfindung durchsetzt, die sich an den bestehenden Preislagen orientiert (vgl. Simon; Fassnacht 2009, S. 523; Richardson; Stähler 2016, S. 58 ff.). Bei der eindimensionalen Preisbildung liegt entsprechend ein einseitig-starres oder gegebenenfalls ein flexibel-intuitives Verfahren nahe, genauer gesagt: entweder wird in einem einstufigen Prozess lediglich eine Informationsart verarbeitet, in der Regel wird es sich hierbei um Wettbewerbsinformationen handeln, oder in einem zwei- bzw. mehrstufigen Vorgehen wird zuerst auf der Grundlage von Primärinformationen eine Preisvorstellung entwickelt und diese anschließend mit Hilfe weiterer Informationen intuitiv angepasst (vgl. Simon; Fassnacht 2009, S. 188 ff.).139 Bei der mehrdimensionalen Preisbildung werden mehrere Preise gleichzeitig behandelt. In erster Linie ist dabei an die Preisdifferenzierung zu denken, bei der den Nachfragersegmenten das gleiche Produkt (oder mit nur geringfügigen Unterschieden) zu verschiedenen Preisen angeboten wird. So kommt die zeitliche Preisdifferenzierung zum Einsatz, wenn eine zeitlich gestaffelte Reduzierung des Preises in verschiedene Preiskategorien (Full-, Mid- und Low-Price) vorgenommen wird. Die Preisänderungen werden für gewöhnlich von Händlern an die EndkundInnen weitergegeben. Auch andere Formen der Preisdifferenzierung (z. B. räumlich, mengen- oder leistungs-

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Eine nachfrageorientierte Preisbildung (Messung von Nutzen bzw. Preiselastizität) ist zwar zweckmäßig, aber mit hohem Aufwand verbunden und für einzelne MusikerInnen nur schwer anwendbar. Rein kostenorientierte Ansätze (Kosten-Plus-Kalkulation), die Preise auf der Grundlage der variablen Kosten bestimmen, sind aufgrund der Kostenstruktur digitaler Güter unangebracht (Simon; Fassnacht 2009, S. 522; Shapiro; Varian 1999, S. 3).

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

255

bezogen) können Anwendung finden. Das Angebot mehrerer Produktversionen (z. B. Premium Edition mit (nur geringen) Unterschieden zur Standardversion) zu verschiedenen Preisen stellt etwa eine leistungsbezogene Preisdifferenzierung dar, ähnlich des Angebots von Musikdateien in unterschiedlicher Komprimierungsqualität. Mit den verschiedenen Preisen wird versucht den Zahlungsbereitschaften verschiedener Nachfragersegmente preispolitisch zu begegnen. Analog zur Produktbündelung kann von einer Preisbündelung gesprochen werden, wenn mehrere Titel zu einem Album zusammengestellt und zu einem von der Summe der Einzelpreise abweichenden Preis offeriert werden. Ebenso können mehrere Alben zu einem Bündelpreis angeboten werden. Neben der Differenzierung zwischen dem Vertrieb physischer Tonträger und Musikdateien ist auf die Besonderheiten in Zusammenhang mit den StreamingDiensten hinzuweisen. Werden Musikaufnahmen von Händlern als Dienstleistung angeboten, vertrieben wird also der permanente Zugriff auf eine Vielfalt an Musikaufnahmen, zahlen die NutzerInnen des Premium-Angebots der Streaming-Dienste einen monatlichen Pauschaltarif, der zu verstehen ist als eine mengenbezogene Preisdifferenzierung der Dienstleistung. Die Musikschaffenden werden in diesem Modell hingegen nutzungsabhängig ausbezahlt.140 Im Streaming-Geschäft wird für die Musikschaffenden folglich der tatsächlich

140

Zuweilen gibt es von Seiten der Musikschaffenden öffentliche Kritik an den Streaming-Diensten. In Anbetracht der Mikrocent-Beträge, die pro Abruf fällig werden, und der Abrufe der Tracks seien die Einnahmen aus dem Streaming-Geschäft für die Musikschaffenden nicht zufriedenstellend, gar eine Ausübung des Berufs nicht mehr möglich. Allerdings ist zu bedenken, dass nicht nur eine einmalige Zahlung, wie etwa bei physischen Tonträgern oder auch Downloads, erfolgt, sondern durch jeden Abruf einer Musikaufnahme und damit über einen längeren Zeitraum Einnahmen verbucht werden können. Des Weiteren gilt es, gerade in dieser frühen Phase der Entwicklung zu berücksichtigen, dass das Geschäftsmodell der Streaming-Dienste auf die Masse ausgerichtet ist. Sofern also noch wenige AbonnentInnen einen Dienst nutzen bzw. die Aufnahmen der Musikschaffenden verhältnismäßig wenig abgerufen werden, können die Einnahmen für die Musikschaffenden sehr gering ausfallen. Werden die Einnahmen, die aus dem Verkauf eines physischen Tonträgers (z. B. CD) oder einer Musikdatei ins Verhältnis zur Nutzung gesetzt (wie hoch sind also die Einnahmen durch den Verkauf eines Tracks, wenn dieser einhundert Mal abgespielt wird), ergibt sich ein ausgewogeneres Bild zwischen physischem Tonträger, Download und Streaming als in den öffentlichen Diskussionen gelegentlich dargestellt (vgl. Sinnreich 2016, S. 163 f.).

256

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

erfolgte Konsum bzw. das Abspielen einer Musikaufnahme monetarisiert.141 Zugleich besitzen die einzelnen Musikschaffenden auch hier nur wenig preispolitischen Entscheidungsspielraum. 142 Zum Teil wird im Rahmen einer Bündelstrategie auf Handelsseite der Zugriff auf Musikaufnahmen (Flatrate-Modell der verschiedenen Streaming-Dienste) auch in Kombination mit anderen Produkten (z. B. Mobilfunktarif) zu einem Sonderpreis angeboten. Hierbei ist im Interesse aller Musikschaffenden (und der Unternehmen der phonographischen Industrie) auf die Auswirkungen auf die Preiswahrnehmung der KundInnen (Musik als minderwertige Beigabe) zu achten. Dies gilt allerdings ebenfalls für andere, massen- und dauerhaft gewährte Preisnachlässe bzw. Sonderpreisaktionen, die sich negativ auf den Referenzpreis auswirken können.

Kommunikationspolitik Im Rahmen der Kommunikationspolitik geht es um die zielgerichtete Ausgestaltung und Übermittlung von Informationen (z. B. zum Zwecke der Steigerung der Bekanntheit, des Aufbaus eines Images, der Förderung der Kaufabsicht), die sich sowohl an die bestehende HörerInnenschaft (bzw. Fans) und der Musik gegenüber möglicherweise offene Personen als auch andere, für den Vermarktungsprozess relevante Personen (z. B. MeinungsführerInnen,

141

Beginnt die Monetarisierung nach einer Abspieldauer von 31 Sekunden, hat dies unter Umständen Auswirkungen auf das Musikschaffen. So gewinnen die ersten Sekunden musikalisch an Bedeutung, damit die RezipientInnen dranbleiben und das Abspielen gewertet wird. Ebenso können kurze Songs (in der gleichen Zeit) öfter abgespielt und mit diesen mehr Umsatz erzielt werden als mit längeren.

142

Denkbar ist beispielsweise die Einbindung einer Aufnahme in eine Playlist anders zu bepreisen: Wird eine Aufnahme im Rahmen der Playlist abgespielt, dann erhalten Musikschaffende einen niedrigeren Betrag; geht dem Abspielen aber eine aktive Suche nach dieser Aufnahme voraus, ist der Betrag entsprechend höher. Ebenso kann die Häufigkeit des Abspielens durch einzelne NutzerInnen berücksichtigt werden, wenn etwa eine Aufnahme durch dieselben NutzerInnen mehrfach abgespielt wird – sie findet folglich Anklang – und sich die Summe erhöht, die an die Musikschaffenden ausgezahlt wird. Im Sinne der musikalischen Vielfalt ist hingegen die entgegengesetzte Richtung sinnvoll. Derartige Überlegungen sind vor allem auch von den Verwertungsgesellschaften anzustellen.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

257

KritikerInnen oder andere ExpertInnen bzw. SzenekennerInnen mit Multiplikatorfunktion) und Organisationen (z. B. Handel) richtet. Bei der Gestaltung der Kommunikation ist auf einen einheitlichen Auftritt zu achten. Bedingt durch die Allgegenwart von Smartphone und anderen Endgeräten mit Bildschirm wird die Kommunikation verstärkt durch visuelle Elemente ausgestaltet. Es stehen, je nach Budget und anvisierter Zielgruppe, verschiedene kommunikationspolitische Instrumente zur Auswahl (z. B. Außen-, Print-, Fernseh-, Radio-, Kino- und Online-Werbung ebenso wie Direktmarketing und Verkaufsförderung). Dabei verschiebt sich der Schwerpunkt der Maßnahmen von der Verkaufsförderung im stationären Einzelhandel (z. B. Displays am Point of Sale), klassischer Print- und Außenwerbung, TV- und Radio-Spots etc. auf die digitalen Kommunikationskanäle im Internet. Die Dienste des Web 2.0 erlauben es den Musikschaffenden mit häufig nur geringen Kosten die Schwächen der tradierten Instrumente der Kommunikationspolitik zu überwinden. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Social-Media-Aktivitäten zu (vgl. Salo; Lankinen; Mäntymäki 2013). Vor allem soziale Netzwerke sind bei RezipientInnen wie Musikschaffenden gleichermaßen weit verbreitet und bieten insbesondere noch unbekannten MusikerInnen potenziell die Chance mit wenigen Mitteln Aufmerksamkeit für ihr Schaffen zu generieren, eine relativ große Reichweite zu erzielen und sich mit den Fans direkt (und zum Teil in Echtzeit) zu verbinden. Die NutzerInnen können sich über Kommentare einbringen, Informationen teilen und tragen so dazu bei die Botschaft der Musikschaffenden weiter zu streuen. Neben der Verbreitung von Nachrichten (z. B. Ankündigung von Veröffentlichungen) ist besonders die Einbindung von Hörproben, Videos sowie Links zu den verschiedenen Online-Händlern nützlich.

258

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Vertriebspolitik Für Musikschaffende, die sich selbst vermarkten, stehen vor allem Entscheidungen zur Gestaltung des Vertriebssystems an.143 Im Zuge dessen treten Fragestellungen auf, die sich mit der Wahl der Vertriebsorgane und der konkreten Formgebung der Vertriebswege befassen. Inwieweit sich der Direktvertrieb für einzelne Musikschaffende lohnt, ist fallabhängig. Auf der einen Seite wird die eigene Marge höher ausfallen und es können dynamische Preismodelle eingesetzt, das KäuferInnenverhalten erfasst sowie KundInnenkontakte und Cross-Selling gefördert werden. Auf der anderen Seite ist der Aufbau eines Online-Shops, integriert in die eigene Website, mit dem notwendigen Know-how sowie den Kosten der technischen Infrastruktur (und gegebenenfalls weiteren Kosten für die Lagerhaltung etc.) verbunden und zahlt sich daher nur bei entsprechend hohem Absatz aus. Da sich ein Direktvertrieb für wenig etablierte MusikerInnen als nicht lukrativ erweist, existieren verschiedene Intermediäre. In der Regel ist folglich von einer indirekten Distribution auszugehen, bei der Musikschaffende mit externen Absatzmittlern und -helfern kooperieren. Zu denken ist bei einem mehrstufigen Prozess im Rahmen der Selbstvermarktung zunächst an verschiedene, unabhängige Vertriebsdienstleister, insbesondere jene, die auf den Onlinevertrieb spezialisiert (und offen für MusikerInnen ohne vertragliche Bindung an ein phonographisches Unternehmen) sind.144 Die

143

Wie für die anderen Komponenten gilt auch für die Vertriebspolitik, dass sich die diesbezüglichen Entscheidungen in erster Linie auf die Sicherung der Verfügbarkeit des Musikwerks, in welcher Darbietungsform auch immer, beziehen. Dabei ist zu ergänzen, dass etwa der Einsatz einer Musikaufnahme im Rundfunk nicht zwangsläufig als kommunikationspolitische Maßnahme zu bewerten ist. Eine verkaufsfördernde Wirkung mag bestehen; das Abspielen einer Musikaufnahme (in voller Länge) im Radio unter gewissen wirtschaftlichen Strukturen für den Moment derart einzuordnen, bedeutet aber (vor allem in Anbetracht der Dominanz des Formatradios) nicht, dass es sich dabei um eine unwiderrufliche Bewertung handelt. Wenn im Folgenden dennoch zuallererst auf den Vertrieb von Musikaufnahmen über die bestehenden Händlerstrukturen eingegangen wird, ist dies der Ausrichtung der Fallstudie auf die Auswirkungen der Umweltbedingungen geschuldet. So bestehen für den Einsatz von Musik im Radio, Film oder Fernsehen andere Strukturen und Regelungen. Zu bedenken sind die Aufgaben von Verlagen und Verwertungsgesellschaften.

144

Zum Teil gründen Musikschaffende eigene phonographische Unternehmen, die sich ausschließlich um ihre Belange kümmern, um dann entsprechende Vertriebsverträge abzuschließen.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

259

Vertriebsdienstleister wirken unterstützend bei den marktgerichteten akquisitorischen Aktivitäten, übernehmen vor allem aber vertriebslogistische Aufgaben. Ihre Bedeutung resultiert aus dem Umstand, dass es für Händler wenig praktikabel ist mit einer Vielzahl von kleinen Unternehmen oder gar einzelnen Musikschaffenden Verträge auszuhandeln. Ferner spielen die verschiedenen Handelsunternehmen eine Rolle. Der Fokus des Musikvertriebs liegt inzwischen allerdings nicht auf dem Groß-, sondern vornehmlich auf dem Einzelhandel. Hinsichtlich der Breite des Vertriebswegs scheint es für Musikschaffende grundsätzlich rational ihre Musikaufnahmen bei allen ihnen zugänglichen (Video-)Plattformen und Diensten bzw. stationären Händlern anzubieten, um so dem unterschiedlichen Kauf- und Konsumverhalten entgegenzutreten und eine möglichst große Abdeckung zu erzielen. Exklusive Deals mit einzelnen Händlern bleiben eine Ausnahme, die ohnehin nur für die sehr erfolgreichen Musikschaffenden als Option aufwarten. Ebenso werden die wenigsten Musikschaffenden auf nur einen Vertriebsweg setzen können. Getrieben von der einerseits vergleichsweise hohen Nachfrage nach physischen Tonträgern und der Stellung des stationären Handels sowie der andererseits zunehmenden Abwanderung der jüngeren Nachfragersegmente ins Internet und der Differenzierung der Geschäftsmodelle (Download, Streaming), ist eine integrierte Betrachtung der Offline- und Online-Kanäle erforderlich. Insofern ist die Multi-Channel-Distribution als zentrale Aufgabe zu identifizieren, insbesondere da es während des Kaufprozesses zu Channel-HopperVerhalten kommt. Das Auftreten von Kanalkonflikten, das bis hin zu einer Kannibalisierung der Umsätze führen kann, gilt es unter Berücksichtigung der kanalspezifischen Besonderheiten (z. B. Lagerhaltung, Retouren) weitestgehend zu beschränken (vgl. Wlömert; Papies 2016).

So bleiben sie im Besitz der Rechte an den Werken, ihre künstlerisch-kreative Unabhängigkeit wird gewahrt und weitere Einnahmen können erzielt werden.

260 4.3.5

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft Thesen zur Ressourcenausstattung

Ergänzend zu den im vorherigen Abschnitt erarbeiteten marktbezogenen Thesen werden im Folgenden die Thesen zur Ressourcenausstattung dargestellt. In Kapitel 4.3.5.1 wird die Organisationsstruktur behandelt. Kapitel 4.3.5.2 befasst sich mit den beruflichen Laufbahnen.

4.3.5.1

Organisationsstruktur: Aufbau eines Netzwerks

Die Auffassung durch technologische Innovationen, insbesondere das Internet und die interaktiven Dienste des Web 2.0, stehe den Musikschaffenden nun alles zur Verfügung, um ein professionelles MusikerInnendasein zu führen, ist unvollständig. Sie stellt nur eine Seite der Medaille dar. Die andere Seite sieht weniger zuversichtlich aus, wenn etwa berücksichtigt wird, dass sich Crowdfunding als alternatives Finanzierungsmodell vor allem für Musikschaffende eignet, die bereits über eine gewisse AnhängerInnenschaft verfügen, sich bei einer zunehmenden Überschneidung im Angebot von professionellen Musikschaffenden und AmateurInnen eine Art Hyperwettbewerb um die Aufmerksamkeit entwickelt, der, gepaart mit einem für die EndverbraucherInnen teilweise kostenlosen Musikangebot, die wirtschaftliche Grundlage des professionellen Musikschaffens schrumpfen lässt. Anstelle nur (mit der Möglichkeit zur Selbstvermarktung) die Professionalisierung zu fördern, findet ebenso eine Entwicklung in Richtung der Deprofessionalisierung (bzw. Reamateurisierung) des künstlerisch-kreativen Schaffens statt. So kann es auch zu ernüchternden Einschätzungen kommen (McLean; Oliver; Wainwright 2010, S. 1367 f.): „At first glance it would appear that technology has brought about greater opportunities for the DIY artist to communicate, network, promote and distribute art, which previously could not be widely published, and to organise against the commercial power of major labels (majors). […] However, deeper analysis of interactions, uses and media reports of the impact and adoption of technology within the music industry suggests that a true power shift has not taken place.“ Es bedarf schließlich, neben all den verfügbaren technologiebasierten Diensten,

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

261

auf der Ebene der Musikschaffenden einer gewissen Form der Organisation des professionellen Musikschaffens.

These 4: Unter den gegenwärtigen Markt- und Umweltbedingungen gewinnt das Vernetzen mit verschiedenen Partnern inner- und außerhalb der Strukturen der professionellen Musikpraxis und das Delegieren von Marketingaufgaben an Bedeutung. Die Selbstvermarktung von Musikschaffenden erfordert die organisationale Fähigkeit ein Netzwerk im Bereich Marketing und Vertrieb aufzubauen und zielgerichtet zu nutzen.

In diesem Sinne ist es für MusikerInnen, die ihr musikalisches Schaffen in Eigenregie vermarkten, weniger von Relevanz alle anfallenden Aufgaben selbst zu übernehmen. Tatsächlich wird es, davon ist auszugehen, den meisten, vor allem den noch wenig etablierten Musikschaffenden an Kenntnissen, Erfahrungen und Ressourcen mangeln, um innerhalb der professionellen Strukturen der Musikwirtschaft adäquate Entscheidungen treffen zu können. Von Bedeutung ist es deshalb selbstständig ein Beziehungsgeflecht auf- und auszubauen, welches einerseits beratend zur Seite steht, andererseits Aufgaben in der Vermarktung übernimmt (vgl. Beeching 2010, S. 21 ff.). Diese Vorgehensweise führt zu einer Netzwerkorganisation des professionellen Musikschaffens (als Zwischenform von Hierarchie und Markt), wobei die Steuerungsfunktion, nicht nur in künstlerisch-kreativer Hinsicht, den Musikschaffenden obliegt.145 Welche Aufgaben selbst übernommen und welche anderweitig ausgeführt werden können, ist situationsgebunden. Die Ausgestaltung des Netzwerks hängt von den eigenen Kompetenzen und Ressourcen ebenso wie von der Steuerungsfähigkeit ab. Beispielhaft seien im Folgenden verschiedene Kooperationsformen genannt:

145

Die technologischen Entwicklungen bieten MusikerInnen eine Grundlage sich weitreichend zu vernetzen. Damit kann, muss aber nicht zwangsläufig eine übergeordnete Entwicklung in Richtung neuer Produktionsstrukturen (dezentralisiert, gemeinschaftlich, nicht auf Eigentum basierend) verbunden sein, wie sie etwa Benkler (2006, S. 60) beschreibt.

262

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft 

In erster Linie können sich in künstlerisch-kreativer Hinsicht Allianzen unter Musikschaffenden bilden. Ebenso sind Kooperationen mit Kreativen anderer Kunstgattungen denkbar. Um ein KünstlerInnenkollektiv als solches nach außen sichtbar zu machen, kann eine Dachmarke eingeführt werden. Diese kann helfen Aufmerksamkeit bei RezipientInnen zu erzeugen, die Legitimation und Reichweite der Einzelnen zu steigern und Verhandlungsstärke gegenüber anderen Partnern aufzubauen.



Für den Einstieg, vor allem aber das Überdauern der (professionellen) Musikschaffenden in einer von Umbrüchen gekennzeichneten Musikwirtschaft ist ein Beziehungsnetzwerk notwendig, das die verschiedenen Bereiche der gesamtmusikwirtschaftlichen Infrastruktur abdeckt. Neben den üblichen Kontakten zu Presswerken, Vertriebsdienstleistern, Bookern, Veranstaltern, Promotern, und Medien sind auch alternative Zusammentreffen mit Sponsoren, Auftraggebenden und anderen branchenfremden Akteuren von Bedeutung (vgl. Tschmuck 2016).



Um die Situation der Musikschaffenden auf politischer Ebene zu verbessern, schließen sich MusikerInnen in verschiedenen Vereinigungen zusammen, wie der Dachorganisation der Musikschaffenden (DOMUS), der International Federation of Musicians (FIM) oder der ver.diFachgruppe Musik.146

Exkurs: Musikförderung Auf gesamtmusikwirtschaftlicher Ebene wird unter anderem das sinkende Einkommen der Musikschaffenden als eine zentrale Herausforderung erkannt und damit die Erwartung an die politischen Instanzen verbunden die Fördermöglichkeiten auszubauen (vgl. BMWi 2009, S. 19). Eine Anmerkung zur

146

Für Österreich ist beispielsweise die Sektion Musik der Gewerkschaft Younion zu nennen.

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

263

Musik- bzw. Kulturpolitik sei deshalb erlaubt: Auch für die Entfaltung der Fähigkeit sich zu vernetzen, bedarf es der Förderung.147 Dies bedeutet aber nicht nur die direkte finanzielle Unterstützung von einzelnen Musikschaffenden zu übernehmen, die ohnehin anderweitig Förderungslücken und bei den Ausgeschlossenen zwangsläufig einen faden Beigeschmack hinterlässt. Es geht vermehrt darum Strukturen bereitzustellen, die es Musikschaffenden ermöglichen eigenständig Netzwerke aufzubauen bzw. zu erschließen, künstlerischkreatives Schaffen zu fördern ohne unmittelbar die Frage nach dessen Kapitalisierung und Verwertbarkeit (oder sonstigen Übersetzungen in Zahlen) zu stellen. Dies kommt nicht nur den MusikerInnen zugute, sondern aufgrund ihrer zentralen Stellung in der Musikwirtschaft – sie sind der Ausgangspunkt aller künstlerisch-kreativen und wirtschaftlichen Aktivitäten – im weiteren Verlauf auch anderen Akteuren. Schließlich ist „Nachwuchsförderung“, betont Hay (2003, S. 590), „Zukunftssicherung sowohl im kulturellen als auch im wirtschaftlichen Bereich.“ Diesem Leitsatz gerecht zu werden, bedeutet allerdings nicht nur den gegenwärtigen Status Quo zu erhalten, sondern ebenso musikbzw. kulturpolitische Utopien zu entwerfen.

147

Es bestehen derzeit verschiedene Arten der Musikförderung. Die Förderung von LaienmusikerInnen und Nachwuchs bezieht sich etwa auf die Organisation von Musikwettbewerben, Coaching-Programmen und Workshops oder die Vergabe von Stipendien und Musikpreisen. Darüber hinaus sind Artist-in-Residence-Programme sowie die Vermittlung von Auftritten und Proberäumen zu nennen. Auch die Gründung des Musikfonds ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Die konkrete Förderung von Musikaufnahmen kommt allerdings nur vereinzelt vor. Förderer (bzw. Organisatoren) sind etwa der Deutsche Musikrat (als Dachverband deutscher Musikverbände und Mitglied im Deutschen Kulturrat), die Initiative Musik, die Deutsche Rockmusik Stiftung, das Goethe Institut oder die Deutsche Phono-Akademie. Beispiele für regionale Einrichtungen stellen die Kunststiftung NRW, das Popbüro Region Stuttgart oder das Musicboard Berlin dar. Auf kleinerer Ebene findet Förderung durch Jugendzentren, Musikschulen etc. statt. Für Österreich ist an dieser Stelle in Sachen Produktionsförderung, Toursupport und Exportförderung im Besonderen der Österreichische Musikfonds zu nennen.

264

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

4.3.5.2

Berufliche Laufbahnen: Aneignung von Marketingfähigkeiten

Ab einem gewissen Punkt steht für (Nachwuchs-)MusikerInnen eine Entscheidung an, in welcher Art und Weise das Musikschaffen das eigene Leben bestimmt. „Ein falscher, unklarer oder hinausgezögerter Entschluss kann fatale Folgen haben. Denn wer diese Frage nicht hinreichend und rechtzeitig für sich klärt, der riskiert, dass er von Ereignissen überrollt und getrieben wird – und unter Druck werden dann Fehlentscheidungen Tür und Tor geöffnet. Wer sich nach reiflicher Überlegung für den steinigen und harten Weg ins Profigeschäft entscheidet, wer sich also zum Beruf des Musikers berufen fühlt, für den ist es immer ratsam, zunächst einen zeitlich definierten Stufenplan für das eigene Vorgehen zu entwickeln“, führt Hay (2003, S. 586) zur Tragweite dieser Entscheidung aus und beschreibt anschließend drei Phasen der Entwicklung, die Informations- und Kontaktphase, die Erprobungs- und Experimentierphase sowie die Professionalisierungsphase. Letztere ist neben der Übernahme der notwendigen Eigenschaften für das musikalische Schaffen, wie Disziplin, Kontinuität und Zuverlässigkeit, auch von wirtschaftlichen Aspekten geprägt. So geht die Möglichkeit zur Selbstvermarktung mit einer schwindenden Grenze zwischen AmateurInnen und professionellen Musikschaffenden einher und verschärft damit den Wettbewerb unter allen beteiligten Akteuren. Die „Stars“ sind nach wie vor in der Lage die öffentliche Wahrnehmung zu dominieren und damit sehr hohe Einnahmen zu erzielen; die vielen AmateurInnen betreiben ihr Musikschaffen als Hobby, einige haben vielleicht gar nicht die Absicht von Berufs wegen zu musizieren; für die Mittelschicht der (professionellen) Musikschaffenden hingegen spitzt sich die Lage zu. Zentrale (Vermittlungs-)Instanz für die professionellen Musikschaffenden sind die Märkte, in denen sich die Musikschaffenden auf unterschiedliche Art und Weise zurechtfinden (müssen) (vgl. Kubacki; Croft 2011, S. 817). Um als professionelle MusikerInnen selbstständig in den ökonomischen und rechtlichen Strukturen der Musikwirtschaft zu überdauern, sind deshalb das musikalische Talent ergänzende Fähigkeiten gefragt (vgl. Beeching 2010; Gensch; Bruhn 2008).

4.3 Ableitungen zur Vermarktung der Musikaufnahmen

265

These 5: Die Anforderungen an das Berufsbild „MusikerIn“ sind mit den Veränderungen der Markt- und Umweltbedingungen gestiegen. Für professionelle Musikschaffende ist neben den musikalischen Fähigkeiten, die das künstlerisch-kreative Schaffen bestimmen, die Aneignung von Marketingfähigkeiten für eine dauerhafte Berufsausübung unabdingbar.

In öffentlichen Diskussionen zur Zukunft der Musikwirtschaft wechseln sich Enthusiasmus und Sorge um das professionelle Musikschaffen ab: Zwar stünden AmateurInnen nun vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung Musik zu schaffen und diese mit einer Öffentlichkeit zu teilen, wie aber der Sprung gelinge mit Musik letztlich den Lebensunterhalt zu finanzieren, bleibt unklar. Verbunden mit allzu großen Hoffnungen an die Demokratisierung ist zuweilen sogar der (wenn auch nicht explizit ausgesprochene) (Irr-)Glaube an die omnipräsenten Fähigkeiten der AmateurInnen. Um aus der Masse des Angebots hervorzutreten, ein professionelles MusikerInnendasein, egal ob als KomponistIn, TextdichterIn oder InterpretIn, zu führen, bedarf es jedoch der Fähigkeiten abseits der künstlerisch-kreativen. Für MusikerInnen, insbesondere jene, die sich selbst vermarkten, gilt es sich Kompetenzen anzueignen, um mit ihrem musikalischen Schaffen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb bestehen zu können. Die (selbstvermarktenden) Musikschaffenden, den komplexen Balanceakt zwischen eigenem Anspruch an das künstlerisch-kreative Schaffen und wirtschaftlicher Verwertung stets vor Augen habend (vgl. Bradshaw; McDonagh; Marshall 2006, S. 115 f.; Dennis; Macaulay 2010, S. 212 f.), sind heutzutage schließlich nicht nur MusikerInnen, sondern übernehmen ebenso das Aufgabenfeld des (Marketing-)Managements. Die Auslese derer, die imstande sind eine professionelle Ebene zu erreichen, erfolgt demnach vermehrt auch anhand der Marketingfähigkeiten: Mit den neuen Diensten bieten sich AmateurInnen verschiedene Tools zur Vermarktung der Musik an; diese im Wettbewerb zielgerichtet einzusetzen, ist jedoch eine gänzlich andere Herausforderung. Die benötigten zeitlichen Ressourcen, vor allem aber die Komplexität des Aufgabengebiets rücken die (überzeichnete) Vorstellung der allerorts reüssierenden AmateurInnen zurecht.

266

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Die Musikschaffenden werden sich den Bedingungen der Vermarktung, in der Folge auch der zunehmenden Beschleunigung, bis zu einem gewissen Grad anpassen, sich aber nicht zwangsläufig hiervon bestimmen lassen müssen. In jedem Fall gilt es die Regeln der derzeitigen, schnellen Vermarktung zu kennen und zu verstehen, um mit ihnen bewusst zu brechen. Zum nötigen Grundwissen der MusikerInnen gehören etwa eine Übersicht der Akteure und Strukturen der Musikwirtschaft, Kenntnisse des Urheber- und Leistungsschutzrechts sowie des Marketing (vor allem des Einsatzes von Social Media und Diensten des Web 2.0) und letztlich das Vermögen diese Kenntnisse in der Praxis effektiv und effizient anzuwenden. Auch wenn bei steigendem Arbeitsaufwand bestimmte Aufgaben (im Rahmen einer projektbezogenen oder langfristigen Kooperation) an andere Akteure vergeben werden, sind grundlegende Kenntnisse unentbehrlich. Erst diese (das künstlerisch-kreative Potenzial ergänzenden) Fähigkeiten machen das Berufsbild der Musikschaffenden als „Artrepreneure“ bzw. Do-it-yourselfMusikerInnen aus (vgl. Tschmuck 2016, S. 26; McLean; Oliver; Wainwright 2010, S. 1375; Smudits 2008, S. 263).

Exkurs: Ausbildung der Musikschaffenden Für Musikschaffende ist es von Bedeutung zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt in ihrer musikalischen Entwicklung Kenntnis zu nehmen von den wirtschaftlichen Herausforderungen, die ein professionelles MusikerInnendasein mit sich bringt, ohne dabei die Lust am künstlerisch-kreativen Schaffen zu verlieren. Damit drängt sich die Notwendigkeit auf die Vermittlung von Marketingwissen in der Ausbildung der Musikschaffenden zu integrieren (vgl. Tschmuck 2016, S. 26; Zimmermann; Schulz 2009, S. 106). Eine Ausbildung mit dem Berufsziel „MusikerIn“, die nicht auch auf die Befähigung abzielt wirtschaftliche Entscheidungen treffen zu können, wirkt heutzutage (unabhängig des jeweiligen musikalischen Genres) anachronistisch. Gegebenenfalls schon in den Musikschulen, insbesondere aber an den Hochschulen wird es erforderlich, dass entsprechend ausgerichtete Seminare und Vorlesungen Einzug in die Curricula halten (vgl. Gey et al. 2015, S. 47 f.; Wickström; Lücke; Jóri 2015, S. 63 f.; Gensch; Bruhn 2008, S. 20). Auch entsprechende Weiterbildungsangebote sind

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

267

notwendig. Beispielhaft kann auf das Programm (im Rahmen des Projekts „DigiMediaL – Profilbildung für Musik, Schauspiel und Bühne“) am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin verwiesen werden, das sich mit verschiedenen Kursangeboten zum Thema Selbstvermarktung speziell an professionelle Musikschaffende richtet.148

4.4

Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

Die folgenden Abschnitte beleuchten den Austausch zwischen den Musikschaffenden und den Unternehmen der phonographischen Industrie. Mit Bezug auf die vorstehenden Ausführungen ist durch die Möglichkeit zur Selbstvermarktung der Musikschaffenden zunächst eine strukturelle Veränderung des Institutionengefüges zu konstatieren, die die institutionelle Orientierung des Marketing beeinflusst (vgl. Engelhardt 2000, S. 112). Die Marketingaktivitäten der phonographischen Unternehmen richten sich demnach an den Musikschaffenden aus. Dabei bleibt die Austauschbeziehung zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen allerdings stets zu berücksichtigen. Der Aufbau ist analog zu den voranstehenden Ableitungen zur Vermarktung von Musikaufnahmen zu verstehen. Die Bedingungen der Umwelt werden in den ersten drei Abschnitten thematisiert. Die Gesetze und Regelungen werden zunächst in Kapitel 4.4.1 behandelt. Darauf folgen Ausführungen zur Technologie in Kapitel 4.4.2 sowie zur Industriestruktur in Kapitel 4.4.3. Die Thesen zum Markt und zur Ressourcenausstattung werden anschließend in Kapitel 4.4.4 bzw. Kapitel 4.4.5 vorgestellt.

148

Auch in Österreich findet eine solche Entwicklung in der Lehre statt. An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien wird beispielsweise (über die bestehenden Lehrveranstaltungen zum Musikmanagement hinaus) ein ergänzendes Kursprogramm über das Zentrum für Weiterbildung und das Career Center angeboten.

268

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

4.4.1

Gesetze und Regelungen

Die im Folgenden behandelten Gesetze und Regelungen beziehen sich auf die phonographischen Unternehmen und deren Beziehung zu den Musikschaffenden. Hierbei ist zunächst auf die Vertragsgestaltung und im Anschluss erneut auf das Leistungsschutzrecht einzugehen.

Vertragsgestaltung Nach § 79 Abs. 1 UrhG steht es den ausübenden KünstlerInnen zu ihre Rechte und Ansprüche aus den §§ 77 und 78 UrhG zu übertragen. Der Vertrag zwischen Musikschaffenden und einem phonographischen Unternehmen bildet hierfür die rechtliche Grundlage. Für beide Parteien ist die Vertragsgestaltung geprägt von den Informationen über die Gegenseite und den eigenen Erfahrungswerten bei der Verhandlung der Verträge. In der Regel sind KünstlerInnenexklusivvertrag und Bandübernahmevertrag zu unterscheiden. 

KünstlerInnenexklusivvertrag (vgl. VUT 2016a): Im Rahmen des Vertrags verpflichten sich Musikschaffende (als ausübende KünstlerInnen) während der Vertragsdauer eine gewisse Anzahl an Tonaufnahmen (gegebenenfalls auch Bild- und Tonaufnahmen) aufzunehmen und dem phonographischen Unternehmen (als Tonträgerhersteller) zur exklusiven Auswertung zur Verfügung zu stellen. Die Exklusivität bezieht sich auf die persönliche Exklusivität, wonach ausübende KünstlerInnen während der Vertragsdauer für die Herstellung von Tonaufnahmen ausschließlich an den Tonträgerhersteller gebunden sind, sowie auf die Titelexklusivität, der zufolge sie auch nach Vertragsende für eine bestimmte Zeit die während der vereinbarten Vertragslaufzeit aufgenommenen Musikwerke nicht nochmals aufnehmen und verwerten. Mit Abschluss des Vertrags erwirbt das phonographische Unternehmen die Rechte an den Musikaufnahmen. Demnach übertragen die ausübenden KünstlerInnen dem Tonträgerhersteller die Leistungsschutzrechte und Ansprüche aus §§ 77 und 78 UrhG zur Auswertung. Das phonographische Unternehmen ist stärker in die Produktion der Musik-

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

269

aufnahmen eingebunden, trägt die Produktionskosten und übernimmt die Vermarktung der Musikaufnahmen (und der Musikschaffenden). Für die Erbringung ihrer Leistungen und der Übertragung der Rechte erhalten die ausübenden KünstlerInnen eine entsprechende Vergütung (in Form einer prozentualen Beteiligung an den Einnahmen), die meist eine garantierte (in der Regel aber mit der Beteiligung querverrechenbare) Vorauszahlung beinhaltet. Die vereinbarte Vertragsdauer ist je nach Status der Musikschaffenden unterschiedlich. Bei arrivierten MusikerInnen wird für gewöhnlich eine längere, bei noch wenig etablierten eine kürzere Zeitspanne, jedoch meist mit Option auf Vertragsverlängerung, angesetzt. Mit der Begründung, die Musikaufnahme (und deren Vermarktung durch das phonographische Unternehmen) sei das wesentliche Element in der Vermarktung der Musikschaffenden und zentral für das Erzielen weiterer Einnahmen, wird zum Teil auch ein entsprechender Passus im Vertrag gerechtfertigt, der die Beteiligung des Tonträgerherstellers an den Auswertungen von Nebenrechten regelt. So kann etwa bei den von den Musikschaffenden während der Vertragsdauer erzielten Erlösen aus Merchandising, Sponsoring und/oder Live-Darbietungen eine entsprechende prozentuale Beteiligung der Tonträgerhersteller vorgesehen werden. Diese Vorgehensweise entspricht einer möglichen Anwendung des 360Grad-Modells. Die andere Möglichkeit von Seiten der phonographischen Unternehmen eine Beteiligung an den Nebeneinnahmen der MusikerInnen zu erzielen, ist die Übernahme zusätzlicher Leistungen und die aktive Generierung weiterer Einnahmen, möglicherweise auch durch angeschlossene Unternehmen wie Verlag oder Konzertagentur. In diesem Fall sieht der Vertrag also nicht nur eine Beteiligung vor, sondern die Übertragung weiterer Rechte an das phonographische Unternehmen zum Zwecke ihrer Auswertung. 

Bandübernahmevertrag (vgl. VUT 2016b): Mit den gesunkenen Kosten für die Produktion hochwertiger Musikaufnahmen ist eine Tendenz zum vermehrten Abschluss von Bandübernahmeverträgen zu konstatieren. Die Musikschaffenden sind in der Lage ihre Aufnahmen selbst und auf eigene Kosten zu produzieren. Vertragsgegenstand ist demnach die

270

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft exklusive Übernahme von Tonaufnahmen (bzw. Bild- und Tonaufnahmen) der Darbietungen der ausübenden KünstlerInnen und die entsprechende Übertragung der exklusiven Rechte zum Zwecke der Auswertung dieser Aufnahmen. Die Musikschaffenden liefern also das fertige, will heißen überspielungsreife und branchenüblichen Standards genügende Masterband (in der Regel ein Album mit bestimmter Anzahl an Titeln und Versionen bzw. mit festgelegter Tracklist) und vergeben danach eine Lizenz an das phonographische Unternehmen. Die ausübenden KünstlerInnen (als LizenzgeberInnen) übertragen dem phonographischen Unternehmen (als Lizenznehmer) das Recht die hergestellten (oder die gegebenenfalls noch herzustellenden) Aufnahmen während einer zu vereinbarenden Dauer auszuwerten. Damit kümmert sich das phonographische Unternehmen hauptsächlich um Marketing und Vertrieb der Musikaufnahmen. Bei dem Bandübernahmevertrag ist die Auswertungsdauer begrenzt, das heißt nach Ablauf der vereinbarten Zeit fallen die Rechte wieder an die MusikerInnen zurück und sie können diese neu vergeben und auswerten. Für die Vergütung der ausübenden KünstlerInnen ist ebenso eine prozentuale Beteiligung (sowie häufig eine garantierte, gegen sämtliche Beteiligungen querverrechenbare Vorauszahlung) vorgesehen. Diese fällt beim Bandübernahmevertrag aufgrund der von den Musikschaffenden getragenen Produktionskosten höher aus. Die persönliche Exklusivität und Titelexklusivität, die Regelungen zur Vertragsdauer und Option auf Verlängerung sowie eine mögliche Beteiligung des phonographischen Unternehmens an der Auswertung von Nebenrechten können analog zum KünstlerInnenexklusivvertrag vereinbart werden.

Leistungsschutzrecht Das im Urheberrechtsgesetz verankerte Leistungsschutzrecht sieht nicht nur den Schutz der künstlerisch-kreativen Leistungen der ausübenden KünstlerInnen vor, sondern berücksichtigt desgleichen organisatorische Leistungen. Hierunter fällt auch der Schutz des Herstellers von Tonträgern. Dieser bezieht sich folglich auf

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

271

die Unternehmen der phonographischen Industrie, die für gewöhnlich die erforderlichen Rechte bündeln sowie die Finanzierung und Vermarktung der Musikaufnahmen übernehmen. Dem Hersteller eines Tonträgers stehen laut § 85 UrhG bestimmte Verwertungsrechte zu. Demnach besitzt er das ausschließliche Recht den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Darüber hinaus hat der Hersteller des Tonträgers gemäß § 86 UrhG bei der öffentlichen Wiedergabe eines erschienenen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachten Tonträgers, auf den die musikalische Darbietung aufgenommen ist, gegen die ausübenden KünstlerInnen einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der Vergütung, die diesen nach § 78 Abs. 2 UrhG zusteht. Die Tonträgerhersteller werden dabei, ebenso wie die ausübenden KünstlerInnen, von der GVL vertreten.

4.4.2

Technologie

Technologie spielt in zahlreichen Bereichen der phonographischen Industrie eine Rolle. Auch an dieser Stelle wird allerdings in erster Linie auf technologiebasierte Entwicklungen eingegangen. Um nicht erneut Aspekte, die bei der Vermarktung von Musikaufnahmen relevant sind, oder allgemein die Auswirkungen der informations- und kommunikationstechnologischen Entwicklungen auf den Geschäftsbetrieb aufzugreifen, beschränkt sich die Ausführung zum einen auf den Einsatz von Social Media im A&R-Prozess (Artists and Repertoire) und zum anderen auf industriespezifische digitale Geschäftsprozesse.

Social Media (und spezielle Dienste des Web 2.0) im A&R-Prozess Mit den Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie findet Social Media auch Anwendung im A&R-Bereich. Während die Arbeit in diesem Aufgabenfeld früher lokal und regional begrenzt ist, vor allem auf Konzertveranstaltungen beginnt, später durch Demo-Aufnahmen der Musikschaffenden erweitert wird, nach wie vor aber auf der Einschätzung einiger weniger MitarbeiterInnen beruht, kann sie heutzutage Ergänzung finden durch

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

die Datenerhebung im Bereich von Social Media und speziellen Diensten des Web 2.0. Mit der Möglichkeit sich überall, wo Musikschaffende zu finden sind, zu registrieren und zu präsentieren, steht der weltweiten Kontaktaufnahme und Vernetzung nichts im Wege. Das Auffinden von MusikerInnen wird damit einerseits erleichtert, andererseits auf gleichem Wege erschwert, weil die Masse an Informationen angestiegen ist. Auf verschiedenen Plattformen, beispielhaft genannt seien SoundCloud und YouTube, legen die Musikschaffenden Profile an und laden ihre Musikaufnahmen hoch, sodass die NutzerInnen darauf zugreifen können. Mittels dieser Plattformen und den abrufbaren User-Bewertungen und Klickzahlen sowie gegebenenfalls weiteren Daten von Download-Portalen und Streaming-Diensten ergeben sich für die phonographischen Unternehmen Einblicke in das musikalische Schaffen und den Anklang der Musik bei den RezipientInnen (vgl. IFPI; WIN 2016, S. 13). (Der Major Universal Music gründet mit SpinnUp gar eine konzerneigene Vertriebsplattform für selbstvermarktende Musikschaffende und verbindet mit dem Digitalvertrieb zudem die Suche nach Talenten. Mit Einsicht in die Daten und die Möglichkeit zur schnellen Kontaktaufnahme ermöglicht die angebotene Vertriebsdienstleistung dem Unternehmen ohne eigenes Risiko die Musikschaffenden auf ihren Erfolg bei den RezipientInnen zu testen.) Auch die Profile bei anderen sozialen Netzwerken geben Aufschluss über die Beliebtheit der MusikerInnen, ihre Fähigkeit Aufmerksamkeit zu generieren und die Anschlussfähigkeit ihrer Musik an den Zeitgeist (oder besser: an die diesbezüglichen Vorstellungen der phonographischen Unternehmen).

Digitale Geschäftsprozesse Neben den zuvor genannten Aspekten gibt es weitere Bereiche, in denen Technologie die Arbeit der phonographischen Unternehmen verändert. In erster Linie ist an den Vertrieb von Musik zu denken. Um die verschiedenen Plattformen des Online-Handels, sei es Download- oder Streaming-Anbieter, bedienen zu können, ist der Aufbau der Digital Supply Chain erforderlich (ebenda). Über die letzten Jahre wird auf diese Weise von den phonographischen Unternehmen und ihren Partnern die digitale Vertriebsschiene konsequent ausgebaut.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

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Verbunden damit ist ein weiterer Aspekt: Die Online-Händler generieren eine Vielzahl von Daten, auf die die Unternehmen zumindest teilweise Zugriff haben. Mit den Daten der Online-Händler und weiterer musikbezogener Dienste wird ihnen ermöglicht Rückschlüsse für die Vermarktung der Musikaufnahmen zu ziehen. Inzwischen sind zumindest die großen Unternehmen der phonographischen Industrie in der Lage das umfangreiche Datenmaterial auszuwerten und aktiv Marktforschung zu betreiben.149 So kann in den eingerichteten Abteilungen ermittelt werden, wie, wo, wann und welche Musik konsumiert wird sowie welche Unterschiede bei den NutzerInnen der einzelnen Dienste bestehen. Auch mit dem Fokus auf einzelne Musikschaffende bzw. bestimmte Musikaufnahmen lassen sich vermarktungsrelevante Erkenntnisse ableiten. Auf unternehmensübergreifender Ebene ist noch auf das Angebot von Phononet zu verweisen. Die Tochtergesellschaft des Branchenverbands zielt als Servicepartner auf die Verbesserung der Kommunikation zwischen Industrie, Handel und Medien und bietet zu diesem Zweck ein Portfolio aus Katalogplattform, Musiksuchmaschine, Kommunikationssystem und Promotion Network an (BVMI 2017, S. 38). Allein auf das EDI-Kommunikationssystem greifen rund 130 Vertriebe, über 220 Handelspartner und 1.800 Outlets mit verschiedenen Warenwirtschafts- und IT-Systemen zu; 2015 werden vom Handel über elf Millionen Order Lines an die Unternehmen der phonographischen Industrie gesendet (ebenda, S. 39).

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Gelegentlich zusammengefasst unter dem Schlagwort „Hit Song Science“, versuchen inzwischen einige Unternehmen (z. B. RateTheMusic, HitPredictor, SoundOut, Shazam) mittels verschiedener Methoden der Erhebung und Auswertung einer Datenmasse (z. B. Testmärkte, Formen der künstlichen Intelligenz) eine Art der Früherkennung von „Hits“, verbunden mit dem Versprechen an die Unternehmen der phonographischen Industrie ihre bisherige Erfolgsquote steigern zu können, kommerziell anzubieten.

274 4.4.3

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft Industriestruktur

Die phonographischen Unternehmen befassen sich geschäftsmäßig mit der Vermarktung (Finanzierung, Produktion, Vervielfältigung, Bewerbung und Distribution) von Musikaufnahmen.150 Über die Integration und den Ausbau digitaler Vertriebskanäle hinaus nehmen einige Unternehmen aufgrund der veränderten Musiknutzung der KonsumentInnen und den einhergehenden wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre zugleich weitere Aufgaben wahr. Hierbei kann es sich um Dienstleistungen im Bereich KünstlerInnenmanagement, Booking und Konzertveranstaltung, Sponsoring, Brand Partnership oder Merchandising handeln. Zunehmend wird deshalb nicht mehr nur von Plattenfirmen oder Tonträgerherstellern gesprochen, sondern von EntertainmentUnternehmen (vgl. BMWi 2009, S. 29). Da sie folglich eng mit den Musikschaffenden zusammenarbeiten, gelten die phonographischen Unternehmen als die wichtigsten Investoren, wenn es um den Aufbau von KünstlerInnenkarrieren geht (vgl. IFPI; WIN 2016, S. 7; BVMI 2017, S. 23).151 Die GVL zählt für das

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Laut BVMI (2017, S. 7 ff.) erzielen die Unternehmen aus dem Verkauf von Musikaufnahmen im Jahr 2016 einen Umsatz von 1,593 Milliarden Euro – ein Wachstum gegenüber 2015 von drei Prozent. Hinzu kommen die Einnahmen (insgesamt 175 Millionen Euro) aus der Vergabe von Synch-Rights sowie die GVL-Ausschüttungen. In der Publikation des Worldwide Independent Network (WIN 2016, S. 40 ff.) wird hingegen ein geringerer Gesamtumsatz ausgewiesen. Es ist von unterschiedlichen Vorgehensweisen in der Berechnung auszugehen. Während sich der BVMI auf EndverbraucherInnenpreise inklusive Mehrwertsteuer bezieht und damit etwa auch die Handelsmargen umfasst, sind die vom WIN präsentierten Zahlen das Ergebnis einer Befragung der Mitglieder nach ihren Umsätzen.

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An erster Stelle sind wohl die Musikschaffenden selbst als die wichtigsten InvestorInnen zu nennen, dennoch ist ihre zentrale Funktion unbestritten. Zu hinterfragen ist allerdings das vom Interessenverband angeführte typische Investment eines Majors in neu unter Vertrag genommene KünstlerInnen. Demnach brächten die großen Unternehmen der phonographischen Industrie, um MusikerInnen in einem der großen Märkte zum Durchbruch zu verhelfen, Investitionen von bis zu zwei Millionen US-Dollar auf (vgl. IFPI; WIN 2016, S. 6). Zum einen ist generell fraglich, ab wann von einem Durchbruch die Rede sein kann, zum anderen können die erhobenen Zahlen für den deutschen Markt nur bedingt übertragen und verallgemeinert werden. Ebenso ist der Vergleich der Investitionen der phonographischen Industrie in A&R – nach Angaben von IFPI und WIN (2016, S. 9 f.) werden 2015 weltweit 2,8 Milliarden US-Dollar (bzw. 16,9 Prozent der globalen Umsätze aus Musikverkäufen) investiert – mit denen anderer Wirtschaftszweige in Forschung und Entwicklung nur unter Vorbehalt schlüssig. Nach der Ausrichtung der Fallstudie bezieht sich der Bereich Forschung und Entwicklung auf die Vermittlungsleistung der phonographischen Unternehmen.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

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Jahr 2016 10.647 Tonträgerhersteller. Tatsächlich wird die Zahl der aktiv mit der Herstellung und Verbreitung von Musikaufnahmen beschäftigten Unternehmen jedoch geringer sein. So listet der BVMI 251 Unternehmen (davon sechs ordentliche Mitglieder sowie 245 außerordentliche und sonstige Mitglieder) und der VUT 1.193 Mitglieder (Stand: Sept. 2016). Unterschieden werden Majors und Indies: Während die wenigen Majors international tätige Konzerne darstellen, die über eine eigenständige Vertriebsstruktur verfügen und eine Vielzahl von Musikschaffenden betreuen, sind die zahlreichen Indies eher kleine und mittelständische Unternehmen, die zur Distribution der musikalischen Aufnahmen auf externe Vertriebspartner angewiesen sind. Abseits der Unterschiede, die sich aus Größe und Struktur der Unternehmen ergeben, zielt eine derartige Differenzierung häufig aber eher auf den Ausdruck einer spezifischen Gesinnung, einer Attitüde gegenüber dem musikalischen Mainstream ab, denn letztlich übernehmen alle Unternehmen ähnliche Aufgaben. Allerdings ist von ungleichen Bedingungen bei der Initiierung und Gestaltung von Vertragsbeziehungen auszugehen.152 Die Majors sind in Anbetracht ihrer Größe in der Lage eine federführende Position zu beziehen und die Vertragsbedingungen zu ihrem Vorteil zu gestalten. Festzuhalten ist mit Bezug auf die vorstehende Ausführung zur Vermarktung von Musikaufnahmen, dass insbesondere arrivierte Musikschaffende gegenüber den Unternehmen der phonographischen Industrie eine starke Position einnehmen können, zumal sich gerade für ebenjene die Selbstvermarktung besonders lohnen kann (vgl. BMWi 2009, S. 30 ff.). Sie versprechen aufgrund ihrer bisherigen Leistungen gute Aussichten Gewinne zu erzielen. Bei wenig etablierten MusikerInnen ergibt sich ein differenziertes Bild. Indies und Musikschaffende begegnen sich eher auf Augenhöhe, da die MusikerInnen auch im Hinblick auf das Portfolio der phonographischen Unternehmen eine gewisse Rolle spielen können, während sie bei

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Mit Bezug auf die MusikkäuferInnenschaft ist die phonographische Industrie durch eine oligopolistische Struktur charakterisiert. Die drei Majors teilen mehr als zwei Drittel des Markts untereinander auf; in der Auswertung der Top 100 Single- und Album-Jahrescharts ist ihr Anteil besonders hoch (vgl. MW 2017, S. 13 ff.). Das internationale Netzwerk der unabhängigen Musikfirmen WIN (2016, S. 28) bezieht sich bei der Berechnung nicht auf den Vertrieb, sondern auf die Rechteinhaberschaft, belegt aber ebenfalls den hohen Marktanteil der Majors.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

den Majors, sofern diese überhaupt planen sich für noch relativ unbekannte Musikschaffende zu engagieren, eine schwächere Position einnehmen. Zwischen Händlern und phonographischer Industrie verändert sich das Verhältnis. Insbesondere die Online-Plattformen haben eine Machtposition inne, wenn sie, wie etwa bei YouTube der Fall, die NutzerInnen auf ihrer Seite haben. Andere Plattformen, Audio-Streaming-Dienste und Download-Plattformen, die als geschlossene Dienste konzipiert sind, sind auf vertragliche Vereinbarungen mit den phonographischen Unternehmen angewiesen. Einzelne Indies können hier nur begrenzt ihre Position ausspielen. Die Majors hingegen können jeweils einen großen Backkatalog vorweisen, ohne den die einzelnen Plattformen nicht bestehen können, und sind deshalb imstande vorteilhafte Rahmenverträge auch mit großen Händlern auszuhandeln.

Majors Die derzeit drei großen Unternehmen in Deutschland, Sony Music Entertainment Germany GmbH (München), Universal Music GmbH (Berlin) und Warner Music Group Germany Holding GmbH (Hamburg), sind nationale Dependancen international agierender Konzerne. Zum Teil sind diese Unternehmen wiederum integriert in internationale Elektronik- bzw. Medienkonzerne. Sony Music Entertainment Inc. (New York, USA) gehört zum japanischen Konzern Sony K.K. (Tokio, Japan), die Universal Music Group Inc. (Santa Monica, USA) ist eine Sparte des französischen Konzerns Vivendi SA (Paris, Frankreich). Hingegen wird die Warner Music Group Corp. (New York, USA) 2011 von einer amerikanischen Beteiligungsgesellschaft, Access Industries Inc. (New York, USA), akquiriert. Die internationalen Strukturen mit einer Vielzahl von nationalen Niederlassungen ermöglichen es den Unternehmen über verschiedene Kanäle sowohl nationale Produktionen zu fördern als auch einzelne Produktionen international zu vermarkten.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

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Die Schaffung internationaler Strukturen ist dabei eng verwoben mit den bis heute anhaltenden Konzentrationstendenzen.153 Neben der vertikalen Integration und Gründung weiterer Unternehmen, die entlang der Wertschöpfungskette (z. B. Groß- und Einzelhändler) tätig sind, kommt es vor allem zu Fusionen und Übernahmen auf horizontaler Ebene. So weisen die Majors nur bedingt organisches Wachstum vor. Sie erschließen Marktanteile vor allem durch Fusionen und Übernahmen – eine Entwicklung, die nach dem Zweiten Weltkrieg langsam beginnt und vermehrt seit den 1980er Jahren Fahrt aufnimmt. Um nur einige Beispiele zu nennen: RCA wird 1986 von Bertelsmann übernommen; zwei Jahre später wird Sony Eigentümer von CBS/Columbia Records; EMI kauft Virgin 1991; 1998 wird PolyGram von Seagram, eigentlich als Hersteller von Spirituosen bekannt, erworben. Auch auf die Rezession der letzten zwei Dekaden reagieren die Unternehmen mit einer forcierten Ausrichtung auf Marktzuwächse. Für die jüngere Vergangenheit ist die Gründung des Joint Ventures zwischen Sony und BMG im Jahr 2004 sowie die Komplettübernahme von Sony BMG durch den Sony-Konzern vier Jahre später zu erwähnen. Zwischenzeitlich sind Anstrengungen, weitere Fusionen und Übernahmen auf Major-Ebene durchzusetzen, gescheitert. Zuletzt wird jedoch die Tonträgersparte der britischen EMI Group 2012 unter kartellrechtlichen Auflagen von Universal Music übernommen (Billboard 2012b), wodurch Universal Music seine Rolle als Marktführer weiter ausbauen kann.

153

Der Aufstieg einiger Unternehmen zu weltweit agierenden Konzernen ist zu einem Großteil auf Übernahmen zurückzuführen, wobei sich die eigentlichen phonographischen Unternehmen teilweise auch erst aus Konzernen anderer Wirtschaftszweige (Rundfunknetzwerke, Elektronikkonzerne) entwickeln. Im Übrigen beherrschen die Majors über die angeschlossenen Verlagssparten (Sony/ATV Music Publishing, Universal Music Publishing, Warner/Chappell Music) das internationale Musikverlagswesen. Mit der musikverlegerischen Tätigkeit verfolgen sie das Ziel die weiteren Rechte der Musikschaffenden auszuwerten. Hier sichert sich als Letztes ein Konsortium um Sony/ATV Music Publishing das Verlagsgeschäft der EMI Group (Billboard 2012a). Nach dem Wiedereinstieg des deutschen Medienkonzerns Bertelsmann befindet sich auch BMG Rights Management auf Expansionskurs.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Indies Den wenigen Majors stehen die vielen konzernunabhängigen Unternehmen der phonographischen Industrie, die Independents oder Indies, gegenüber. Dabei kann es sich allerdings sowohl um Kleinstunternehmen als auch mittelständisch geprägte Unternehmen handeln. Bei größeren Indies (z. B. Edel) ist zuweilen die Rede von Mini-Majors bzw. Major Independents. Interessanterweise wirken sich die Veränderungen der letzten Jahre unterschiedlich auf Majors und Indies aus. Während die großen phongraphischen Unternehmen etwa deutliche Rückgänge bei den MitarbeiterInnenzahlen verzeichnen, sind die unabhängigen, im VUT organisierten Unternehmen hinsichtlich der Anzahl der MitarbeiterInnen im selben Zeitraum gewachsen (VUT 2005, S. 14). Diese Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Lage ebenso für die ohnehin schweren wirtschaftlichen Bedingungen ausgesetzten Indies zuspitzt. Auch sie sind gezwungen weitere Einnahmequellen zu erschließen (vgl. ebenda, S. 7). Demzufolge gibt es gleichermaßen die Bestrebungen dem 360-Grad-Modell entsprechend an der gesamten Vermarktung der Musik und Musikschaffenden zu partizipieren und neue strategische Geschäftsbereiche aufzubauen (BMWi 2009, S. 33). Bei den Indies mag zuweilen die Beziehung zu den Musikschaffenden eine andere sein, eine die möglicherweise von einer größeren Identifikation geprägt ist, da sie gegebenenfalls stärker in einer bestimmten Szene involviert sind. Letztlich streben aber auch sie an die Musikschaffenden und ihre Aufnahmen bestmöglich und mit Gewinn zu vermarkten. Da die Independents in ihren finanziellen Möglichkeiten und personellen Ressourcen beschränkt sind, decken sie gewisse Dienstleistungen über Kooperationen ab. Vor allem für den Vertrieb der Musikaufnahmen über die gängigen Kanäle suchen sie den Schulterschluss mit speziellen Vertriebsdienstleistern (z. B. Rough Trade Distribution, Groove Attack, Zebralutation) oder einem Major (vgl. WIN 2016, S. 20).

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung 4.4.4

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Thesen zum Markt

Die in den nachfolgenden Abschnitten dargelegten marktbezogenen Überlegungen fußen auf dem Dienstleistungsmarketing. Bevor auf das Leistungsversprechen der Reichweitensteigerung (Kapitel 4.4.4.2) eingegangen wird, ist vorausgehend das instabile Beziehungsgeflecht als zentrale Herausforderung (Kapitel 4.4.4.1) aufzugreifen.

4.4.4.1

Instabiles Beziehungsgeflecht als Herausforderung

Die arbeitsteiligen Aktivitäten innerhalb des gesamtmusikwirtschaftlichen Wertschöpfungsnetzwerks sind nicht etwa starre Gebilde, die als stets eindeutig definierbare Anbieter-Nachfrager-Beziehungen auszumachen sind. Die Abfolge und die Interaktionsbeziehungen können sich durch die Umweltdynamik sowohl für einzelne Akteure als auch akteursübergreifend verschieben. Auch wenn die Ausgangssituation der Fallstudie derart angelegt ist, kann die Machtverteilung und Transaktionsrichtung im Austauschprozess zwischen Musikschaffenden und phonographischen Unternehmen nicht verbindlich festgelegt und als unumstößliche Tatsache angesehen werden. Für die phonographischen Unternehmen gilt es sich unter veränderten Umweltbedingungen zu behaupten. Weder die Feststellung einer dauerhaften Absicherung des Geschäftsbetriebs noch ein voreiliger Abgesang scheint angebracht. Vielmehr finden in Zeiten des Umbruchs Verschiebungen statt, die alle Beteiligten zu ihrem eigenen Vorteil, ihren Interessen entgegenkommend, zu beeinflussen versuchen (Sinnreich 2016, S. 171): „The proverbial pie may actually start to grow, now that on-demand streaming has emerged, allowing supply to meet demand more fluidly. But the pie can never be infinite, and the number of slices is growing, as the old cartels give way and admit a larger, more diverse group of voices into the mix. Even in the best scenarios, there will still be winners and losers, and along the way, some of yesterday’s biggest winners may seek covetously to protect their stakes tomorrow, pulling heartstrings and purse strings in an effort to reverse these trends.“

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Nahezu jeder Akteur, der in der Verwertung von Musikaufnahmen involviert ist, stellt Sinnreich (2016, S. 165) fest, engagiert sich gegenwärtig aktiv in dem Bemühen einen größeren Anteil an den Gesamteinnahmen zu beanspruchen und bringt seine Anliegen auf zwischenbetrieblicher und politisch-rechtlicher Ebene sowie auf dem Feld der öffentlichen Meinungsbildung ein. Zugleich ist das SichZurechtfinden, auch in unübersichtlichen Situationen, die grundlegende Bedingung für Handlungsfähigkeit. So lässt sich mit Shapiro (1988, S. 120) festhalten: „A company can be market oriented only if it completely understands its markets and the people who decide whether to buy its products or services.“ Wer keinen Überblick im Markt hat, kann auch nicht marktorientiert handeln. Kohli und Jaworski (1990, S. 4) weisen zugleich aber auf die Schwierigkeit hin die Strukturen eines Markts zu durchschauen: „Though assessment of customer needs is the cornerstone of a market orientation, defining customers may not be simple. In some cases, businesses may have consumers (i.e., end users of products and services) as well as clients (i.e., organizations that may dictate or influence the choices or end users). […] Identifying who an organization’s customers are is even more complex when service is provided to one party, but payments are received from another.“ Vor diesem Hintergrund ist für das Zusammenspiel innerhalb des komplexen Beziehungsgeflechts gegenwärtig kein klares Kräfteverhältnis auszumachen. Erst wenn sich der „Nebel des Umbruchs“ lichtet, schärfen sich in der Folge wieder die Konturen der Zusammenarbeit.

These 1: Die gegenwärtig instabile Beschaffenheit des Beziehungsgeflechts, das permanente Ausloten der Kräfte zwischen Musikschaffenden, phonographischen Unternehmen, Händlern, branchenfremden Akteuren und letztlich den RezipientInnen ist zentrales Charakteristikum eines Markts (bzw. einer Branche) im Umbruch und stellt die wesentliche Herausforderung des branchenspezifischen Marketing dar.

Die alte Ausgangposition, in der die phonographischen Unternehmen im Machtzentrum der Wertschöpfung stehen und den anderen Akteuren ihre Bedingungen diktieren können, in der die Musikschaffenden lediglich zu ZulieferInnen der musikalischen Aufnahmen degradiert sind und ihre Rechte auf exklusiver Basis

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

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gegen einen Vorschuss und (nach dem Recoupment) eine Umsatzbeteiligung an die phonographischen Unternehmen abtreten (müssen), ist mit den Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie zumindest ins Wanken geraten. Es kommt zu einer Verschiebung: Während früher das Übergewicht klar auf Seiten der anbietenden phonographischen Unternehmen auszumachen ist, kommt es heute, da Musikschaffende mit der Selbstvermarktung gewissermaßen ihr eigenes phonographisches Unternehmen begründen, zu einem Angebotsüberschuss (bzw. Nachfragedefizit) an Vermittlungsleistung. Unter den Bedingungen eines KäuferInnenmarkts konkurrieren die phonographischen Unternehmen mit der Selbstvermarktung. Die Musikschaffenden treten folglich heute vermehrt in den Mittelpunkt des gesamtmusikwirtschaftlichen Wertschöpfungsnetzwerks. Die mit der Demokratisierung des Musikschaffens verbundene Euphorie auf Seiten der Kreativen und VermarktungskritikerInnen wird aber bei einem genaueren Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten gebremst. Die Einstiegsbarrieren sind nur partiell gesunken. Um Musikaufnahmen zu veröffentlichen, besteht zwar die Möglichkeit bestimmte Aufgaben in der Vermarktung selbst zu übernehmen oder an einzelne spezialisierte Dienstleister abzugeben, eine Anlieferung der Aufnahmen zu den verschiedenen digitalen Händlern garantiert aber nicht den Verkauf oder das Abspielen und schon gar nicht das (langfristige) professionelle MusikerInnendasein. So sind schon allein die zentralen Präsentationsflächen (z. B. Platzierungen auf der Startseite) begrenzt und für weitestgehend unbekannte Musikschaffende in der Regel nicht zugänglich. In Deutschland ist zudem die Bedeutung von physischen Tonträgern nach wie vor hoch, die Streaming-Dienste weisen zwar einen klaren Aufwärtstrend vor, aber gegenwärtig gilt es Musik über verschiedene Kanäle zu distribuieren, was vor allem bei CD und Vinyl komplett eigenständig nur schwer realisierbar ist. In der Denk- und Handlungsweise der phonographischen Unternehmen ist die Beziehung zu Musikschaffenden, bislang gekennzeichnet durch ein klares Machtverhältnis zu ihren Gunsten, wesentlich von der Akquisition der Rechte bestimmt. Dies ist insofern logisch, als das Urheberrechtsgesetz die Grundlage für die wirtschaftliche Verwertung von Musikaufnahmen bildet und damit maßgeblich die Verhandlung zwischen Musikschaffenden und den Unternehmen der phonographischen Industrie prägt (vgl. Kretschmer 2000). Zweck des

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Urheberrechtsgesetzes ist es den MusikerInnen (und anderen RechteinhaberInnen) eine (zeitlich befristete) Verwertung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke zu gestatten. Da die Musikschaffenden (als UrheberInnen und InhaberInnen von Leistungsschutzrechten) häufig nicht imstande sind ihre Werke selbstständig und in größerem Umfang (vor allem in Form von physischen Tonträgern) auszuwerten, übertragen sie die Nutzungsrechte an die phonographischen Unternehmen. Diese sind bei der Vertragsgestaltung an einer möglichst weitreichenden (genauer: räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten) sowie exklusiven Einräumung der Rechte durch die Musikschaffenden interessiert, die sie mit der Absicherung bzw. Amortisation der hohen Investitionen in die Produktion und Vermarktung der Musikaufnahmen begründen und einfordern. Können die phonographischen Unternehmen gegenüber den Musikschaffenden eine möglichst lange Auswertungszeit (gegebenenfalls für die Dauer der Schutzfrist154) der Nutzungsrechte durchsetzen, erzielen sie mitunter Jahre bzw. Jahrzehnte nach der Veröffentlichung der Musikaufnahmen noch Einnahmen. Auf diese Weise werden bestehende Strukturen perpetuiert. Die Majors sichern sich die Rechte an Musikaufnahmen (als immaterielle Vermögenswerte) deshalb auch durch Fusionen und Übernahmen. So basiert das Geschäftsgebaren dieser über die Zeit entstandenen Unternehmen wesentlich auf dem Rechtehandel. Sie sind damit weniger von der Entdeckung und Förderung innovativer Musikrichtungen und unbekannter MusikerInnen abhängig, da sie auch mit der Auswertung ihres Backkatalogs Einnahmen erzielen können. Dies gilt gegenwärtig insbesondere mit Blick auf die aufstrebenden StreamingDienste, die massenhaft ältere Musikaufnahmen verfügbar machen, sodass die „Hits“ vergangener Tage nach wie vor abgespielt und dabei jedes Mal monetarisiert werden. Die Majors sind in der Lage den Schauplatz der Verwertung von Musikaufnahmen von den Neuveröffentlichungen (Frontline)

154

Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod der UrheberInnen (§ 64 UrhG). Die in den §§ 77 und 78 UrhG bezeichneten Rechte der ausübenden KünstlerInnen erlöschen 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers bzw. nach dessen erster erlaubter Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe (§ 82 UrhG).

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

283

auf das Kataloggeschäft zu verlagern. Hinzu kommt die Möglichkeit internationales Repertoire, das sich womöglich zuvor schon in anderen Territorien bewähren kann, zu vermarkten und auszuwerten. Sie sind daher nicht gezwungen das hohe Risiko einzugehen, das mit der Investition in neuartige Musikrichtungen und völlig unbekannte MusikerInnen verbunden ist.155 Die Majors, die als Teil börsennotierter (Medien-)Konzerne agieren, unterstehen dem Konzept des Shareholder Value. Sie sind den Zielvorgaben ihrer Konzernzentrale verpflichtet und werden im Rahmen der Finanzberichterstattung durch die Vorlage entsprechender Quartalszahlen kontrolliert. Demnach müssen sie relativ kurzfristig Erfolge vorweisen. Ausgeschlossen wird damit nicht ein bestehendes Interesse an dem Aufbau und Erhalt einer langfristigen Karriere der Musikschaffenden, ein schnelles Erreichen der Gewinnschwelle kennzeichnet aber auf grundsätzliche Art und Weise die Ausrichtung der Majors. Dagegen steht das mit hohen Investitionen verbundene und folglich risikobehaftete Geschäft der Produktion und Vermarktung von Musikaufnahmen. Die Majors versuchen deshalb das Risiko, das mit dem Aufbau von neuartigen Musikstilen und/oder unbekannten MusikerInnen verbunden ist, zu verringern. Die risikoaverse Haltung der Unternehmen drückt sich sodann in dem Vorgehen aus sich auf wenige MusikerInnen und vor allem jene zu konzentrieren, die bereits erste Erfolge vorweisen können, um diese mit hohem und stetig ansteigendem finanziellen Aufwand am RezipientInnenmarkt durchzusetzen (vgl. Benner; Waldfogel 2016, S. 144). So wird im Zuge dessen das A&R-Management der Majors zunehmend an die Indies outgesourct (Ordanini; Rubera; Sala 2008, S. 30). Die A&R-Funktion, gemeinhin als Beschaffung der MusikerInnen respektive der (Rechte an den) Musikaufnahmen interpretiert, ist (trotz Zugriff auf die Daten der Händler, sozialen Netzwerke etc.) in hohem Maße von Intuition geprägt (vgl. Seifert; Hadida 2006, S. 797 f.) und kann – rein wirtschaftlich gesehen – bei Fehlentscheidungen folgenschwere Konsequenzen nach sich ziehen. Jene Indies, denen es nachweislich gelingt (mittels moderner

155

Laut der Veröffentlichung der Verbände IFPI und WIN (2016, S. 10) werfen lediglich 10 bis 25 Prozent der MusikerInnen, die bei einem phonographischen Unternehmen unter Vertrag stehen, mit ihren Musikaufnahmen Gewinn für das Unternehmen ab.

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Informations- und Kommunikationstechnologie) das Potenzial bei den RezipientInnen zu erkennen und gemeinsam mit ihnen zu steigern sowie langfristig unter Beweis zu stellen eine enge Bindung zu Musikschaffenden aufbauen, künstlerisch-kreative Innovationen kreieren und fördern zu können, nehmen eine zentrale Stellung ein und gewinnen gegenüber den anderen Akteuren (MusikerInnen, Handel, Medien, Majors) an Verhandlungsstärke. Zum Teil gehen Indies und Majors auch strategische Allianzen ein. Dabei sichern sich die Majors über sogenannte „Uplift-Deals“ Zugang zu den bei Indies unter Vertrag stehenden, erfolgversprechenden Musikschaffenden (vgl. Elberse 2013, S. 72 ff.). Die Indies übernehmen damit die Entdeckung und Talententwicklung der Musikschaffenden, die Majors steigen ein sobald ein gewisser wirtschaftlicher Erfolg verzeichnet wird. Für die phonographischen Unternehmen ist es (angesichts der Vielzahl an Musikschaffenden) kritisch talentierte, geeignete und vielversprechende MusikerInnen zu entdecken und für eine Kooperation zu gewinnen (vgl. Seifert; Hadida 2006; Ordanini 2006). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zuvor schon besprochenen Möglichkeit zur Selbstvermarktung. Die Zusammenarbeit mit noch weitestgehend unbekannten MusikerInnen stellt für die phonographischen Unternehmen eine unsichere Investition in die Zukunft dar. Bei arrivierten MusikerInnen sieht die Situation hingegen anders aus: Musikschaffende (bzw. InterpretInnen) werden als die zentralen Marken in der Vermarktung von Musikaufnahmen positioniert. Bei einer derartigen Markenstrategie bleibt der (gegebenenfalls über hohe Investitionen der phonographischen Unternehmen) entstandene Markenwert ausschließlich mit der Person der Musikschaffenden verbunden (Clement; Schusser 2006, S. 1099). Entsteht also eine (längerfristige) Bindung der Fans und wächst die Marke in ihrer Bedeutung bei den RezipientInnen bzw. in der öffentlichen Wahrnehmung, werden die Musikschaffenden bei der Verhandlung von Vertragsinhalten mit den phonographischen Unternehmen in die Lage versetzt eine relativ starke Position einzunehmen und die eigenen Forderungen vermehrt durchzusetzen. Hier besteht aufgrund einer bereits etablierten Marke eine höhere Erwartungshaltung an die künftige Leistungsfähigkeit und Vermarktbarkeit. Sie versprechen aufgrund ihrer bisherigen künstlerisch-kreativen Leistungen auch weiterhin hochwertige Aufnahmen, Aufmerksamkeit bei den RezipientInnen und wirtschaftlichen Erfolg.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

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Bei den besonders erfolgreichen Musikschaffenden, den „Stars“, werden die phonographischen Unternehmen letztlich zu Bittstellern. Darüber hinaus entstehen für die „Stars“ neue Kooperationsmöglichkeiten. Ähnlich wie die Unternehmen der phonographischen Industrie danach streben an weiteren Bereichen der gesamtmusikwirtschaftlichen Wertschöpfung zu partizipieren, dringen schließlich auch andere, teilweise branchenfremde Akteure in die von den phonographischen Unternehmen besetzte Rolle und versuchen deren originäres Leistungsangebot bereitzustellen. Beispielsweise kann die neue Konkurrenz für die phonographischen Unternehmen bei den großen privaten Fernsehsendern ProSiebenSat.1 und RTL ausgemacht werden, die eigene Labels (Starwatch bzw. Music for Millions) gründen, dabei zwar zum Teil in Kooperation mit den Majors agieren, aber grundsätzlich auch eigenständig in der Lage sind (zumindest kurzfristig) eine breite Aufmerksamkeit für Musikschaffende zu kreieren. (Insbesondere in den USA ist zu beobachten, dass neben Konzertveranstaltern wie Live Nation Entertainment, die sich ebenfalls um den Abschluss von 360-Grad-Verträgen bemühen, neue Akteure – die Liste reicht von Getränkeherstellern, Handelskonzernen, Kaffeehausketten und Automobilherstellern bis zu den großen Konzernen des Internetzeitalters (vgl. Tschmuck 2016, S. 23) – in das Wertschöpfungsnetzwerk eintreten, in diesem – mal mehr, mal weniger erfolgreich – Stellung beziehen und zum Teil die Rollen der etablierten Akteure einnehmen.) Zugleich sind jene Unternehmen weit weniger an der Musik an sich als vielmehr an der emotionalen Aufladung der eigenen Marke interessiert. Inwiefern solche Kooperationen von den Musikschaffenden tatsächlich als substitutionsfähig zu der Vermittlungsleistung der phonographischen Unternehmen angesehen werden, bleibt offen. Deutlich wird jedoch eine bestimmte Entwicklung: Die Kommerzialisierung des Musikschaffens, im Grunde schon längst in all ihren Zügen präsent, schreitet in den Weiten des Internets jetzt, nachdem die starken Umsatzeinbußen überwunden scheinen, umso deutlicher fort. Das Starphänomen weitet sich kontinuierlich aus und entfaltet sich schließlich vollständig in einer weit über die Grenzen der Musikwirtschaft hinausreichenden Werbemaschinerie, in der das bloße Erhaschen von Aufmerksamkeit schwerer wiegt als das tatsächliche Musikschaffen. Je mehr sich die Werbung ausbreitet als der Firnis eines jeglichen

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4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Geschäftsmodells des öffentlichen In-Erscheinung-Tretens, desto mehr lassen sich (namhafte) MusikerInnen in die Rolle der „Influencer“ drängen. Heutzutage können die Musikschaffenden – der überwiegende Teil muss sogar – die Selbstvermarktung verfolgen; dennoch findet, um eine immer größere Öffentlichkeit erreichen zu können, in der Regel eine Art mehrstufiger Selektionsprozess statt (vgl. Ordanini 2006). So sind MusikerInnen zu Beginn wohl oder übel gezwungen sich selbst zu vermarkten. Bei ersten Erfolgen (auf lokaler Ebene) tritt gegebenenfalls ein Indie zur Seite, bei anhaltendem Erfolg (und gewinnversprechenden Aussichten) wird unter Umständen das Interesse eines Majors geweckt. Spitzt sich das Geschäft mit Musikaufnahmen noch stärker als bisher auf die „Stars“ und ihre „Hits“ zu (vgl. Elberse 2013, S. 11), sind jene Musikschaffende, die in dem Wettbewerb um die breite Öffentlichkeit und die ganz großen Summen mitzuspielen versuchen, auf starke (mitunter international agierende) Partner angewiesen. Die Vermittlung (durch die phonographischen Unternehmen) bleibt für das Erreichen einer größeren (womöglich internationalen) Öffentlichkeit als eine zentrale Funktion bestehen und wird für die Durchsetzung einer Musikaufnahme in Anbetracht der Vielzahl und Vielfalt der verfügbaren Musik und damit der hohen Such- und Informationskosten im Internet noch wichtiger. Für die reine Sicherstellung der Vermarktungsfähigkeit von Musikaufnahmen, also für die ursprünglich (vom Gesetzgeber) angedachte Funktion des Herstellens, Vervielfältigens, Verbreitens und öffentlich Zugänglichmachens von physischen Tonträgern, verlieren die phonographischen Unternehmen an Bedeutung. Bei der anschließenden Vermarktung, also dem Vertrieb und der Bewerbung der Musikaufnahmen an die RezipientInnen, besteht hingegen auf Seiten der Musikschaffenden nach wie vor ein Bedarf. Dabei geht es schließlich nicht nur um die reine Vermarktung, sondern um die Sinnvermittlung, die Initiierung und Steuerung eines Diskurses, der letztlich erst den kulturellen Wert eines musikalischen Werks bestimmt. So behalten unter den gegebenen Bedingungen, insbesondere der rechtlichen Grundlage, die phonographischen Unternehmen, allen voran die Majors (als internationale Medienkonzerne), ihre Stellung als zentrale Vermittlungsinstanz im Musikgeschäft (vgl. Marshall 2012, S. 89 ff.). Die generelle Notwendigkeit und die Stärke der Anpassung der Musikschaffenden und ihrer Musik an die bestehenden Konventionen innerhalb dieses

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

287

Selektionsprozesses ist aber gesunken, da mit der Selbstvermarktung auf jeder Stufe des Prozesses eine Alternative bereit steht, die es ermöglicht mit den veröffentlichten Musikaufnahmen Einnahmen zu erzielen. Die Aussicht auf Erfolg wird ohne die Zusammenarbeit mit phonographischen Unternehmen folglich nicht erhöht, sie besteht aber zumindest prinzipiell fort. Die Zahl derer, die es ohne jegliche Vermittlung auf lange Sicht schaffen eine professionelle Ebene zu erreichen, bleibt gegenwärtig gering. Die schiere Masse lässt bei zunehmender Beschleunigung und Hyperwettbewerb unfreiwillig eine Schar von MusikerInnen mit nur geringen Perspektiven auf ein professionelles MusikerInnendasein zurück.

4.4.4.2

Leistungsversprechen der Reichweitensteigerung

Sofern es den Unternehmen der phonographischen Industrie unter den gegebenen, stark rechtebasierten Bedingungen gelingt ihre dominierende Stellung abzusichern, werden sie sich nach wie vor als Anbieter der Musikaufnahmen auf dem RezipientInnenmarkt verstehen. Wird diese Prämisse hinfällig, verändert sich jedoch die Funktion der phonographischen Unternehmen im Wertschöpfungsnetzwerk. Der Aufbau von Musikschaffenden (als Marke) ist für sie bislang nur Mittel zum Zwecke der Vermarktung der Musikaufnahmen (meist in Form von physischen Tonträgern), also der Auswertung der erworbenen Rechte. Mit der Anwendung des 360-Grad-Modells, insbesondere in seiner aktiven Form, wird aber deutlich in welche Richtung sich die Unternehmen der phonographischen Industrie bewegen (vgl. Marshall 2012, S. 85 ff.). Um (über eine einfache vertraglich geregelte Beteiligung hinaus) an den Einnahmen der Musikschaffenden zu partizipieren, richten sie sich mit der Diversifizierung ihres Leistungsangebots (im Sinne des Cross-Sellings) letztlich noch stärker an den Musikschaffenden aus.156 So betreten sie abseits der Vermarktung von Musik-

156

Verfolgt wird eine bessere Koordination der Vermarktung der Musikschaffenden, wobei sich durch die integrierte Betrachtung der gesamten Wertschöpfung das Aufgabenfeld stärker in den Bereich des KünstlerInnenmanagements verschiebt. Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass die

288

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

aufnahmen weitere Aufgabenfelder (z. B. Konzertveranstaltung, Merchandising, Verlagswesen, Werbung) und bieten den Musikschaffenden entsprechende Leistungen an (vgl. Tschmuck 2016, S. 25). Mit dieser Entwicklung offenbart sich zugleich, dass die phonographischen Unternehmen längst nicht mehr nur als Tonträgerhersteller agieren. Insofern ist nicht allein der Absatz der Musikaufnahmen auf dem RezipientInnenmarkt entscheidend. Eine integrierte Betrachtung wird notwendig, welche die Komplexität der Nachfrage nach der Vermittlungsleistung auf dem MusikerInnenmarkt berücksichtigt: RezipientInnen fragen die Musik der Musikschaffenden nach – wer die Rechte an den musikalischen Werken bzw. Aufnahmen besitzt, ist für sie in der Regel ohne Belang. Folglich ist auch die von den Musikschaffenden verfolgte Vermarktungslogik auf die RezipientInnen (bzw. die Rezeption der Musik) ausgerichtet. Die Vermarktung von Musikaufnahmen stellt eine auf die Erzeugung von Nutzen bei den EndkundInnen – den RezipientInnen – ausgerichtete Abfolge von arbeitsteiligen Aktivitäten dar. Dabei ist die Nachfrage der Musikschaffenden nach der Vermittlungsleistung der phonographischen Unternehmen, der Bedienung der Nachfrage nach Musikaufnahmen zuarbeitend, als derivativ zu verstehen. Das Erzielen von KundInnennutzen setzt damit voraus, dass ein Anbieter die gesamte Wertschöpfungskette eines Nachfragers erfasst, auch im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen (Narver; Slater 1990, S. 21): „Only with such a comprehensive framework can a seller understand who its potential customers are at present as well as who they may be in the future, what they want now as well as what they may want in the future, and what they perceive now as well as what they may perceive in the future as relevant satisfiers of their wants.“ Auch die Musikschaffenden unterliegen dem Effizienzdenken. In der digitalen Kommunikation, deren Zeitlichkeit die unmittelbare Gegenwart ist, werden intervenierende Zwischeninstanzen als unnütz empfunden, gar Zeit- und

Vermittlungsleistung im Rahmen der Fallstudie auf der Absatzseite angeordnet ist. Wird die Verhandlung mit den Musikschaffenden auf die Beschaffung der Rechte ausgerichtet, lässt sich die Ausführung (bei einer auf den Absatz der Musikaufnahmen bezogenen Argumentation gegenüber den Musikschaffenden) auch auf Aspekte des Beschaffungsmarketing übertragen.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

289

Informationsstau verursachend als Intransparenz und Ineffizienz gedeutet (Han 2017, S. 26). Der Wert der Vermittlung droht zu erodieren. Für die phonographischen Unternehmen gilt es demzufolge die RezipientInnen, die mit ihrem Kauf bzw. ihrer Rezeption der Musikaufnahme in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht der bestimmende Faktor in dem Zusammenspiel der Akteure sind, auch in dem direkten Leistungsangebot an die Musikschaffenden zu bedenken. Für MusikerInnen sind die phonographischen Unternehmen dann interessant, wenn sie nachweislich erfolgreich mit der Vermittlung von Musik auf dem RezipientInnenmarkt sind, das heißt beherrschen sie die Vermittlung und führt diese bei den Musikschaffenden zu einem höheren Nutzen, bleiben sie in der Abfolge der Produktion, Distribution und Rezeption der Musikaufnahmen relevant. Dafür müssen die phonographischen Unternehmen eine Leistung erbringen, die aus Sicht der Musikschaffenden im Rahmen der Selbstvermarktung nicht realisierbar erscheint.

These 2: Die Aufgabe der phonographischen Unternehmen innerhalb der Abfolge der arbeitsteiligen Aktivitäten ist die Aufmerksamkeit für die musikalischen Werke (bzw. Aufnahmen) der Musikschaffenden herzustellen und Vorstellungen, Routinen, Erwartungen etc. im gesellschaftlichen Diskurs richtungsweisend zu bestimmen. Sie offerieren den Musikschaffenden, sich der Vermarktungslogik der Musikaufnahmen anpassend, das Leistungsversprechen der quantitativen und qualitativen Reichweitensteigerung auf dem RezipientInnenmarkt.

In Besitz der notwendigen Kontakte (zu Presswerken, Händlern, Medien, KritikerInnen, Konzertveranstaltern, ProduzentInnen, MusikerInnen etc.) sowie der Erfahrungen im Aufbau von MusikerInnen und in der Vermarktung von Musikaufnahmen beanspruchen die phonographischen Unternehmen (mangels objektiver Messbarkeit der Qualität musikalischer Werke) erheblichen Anteil daran, dass Musikschaffende tatsächlich als ernstzunehmend, ambitioniert und professionell anerkannt werden. Nicht bloß auf die Funktion der Auswertung (oder gar der Ausbeutung) des künstlerisch-kreativen Schaffens der MusikerInnen reduziert, leisten sie durch die planvolle, zielgerichtete Einführung

290

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

und Bekanntmachung der musikalischen Werke, also durch ihre offenkundig geleistete Vermittlung (über ihre Vertriebs- und Kommunikationskanäle), einen grundlegenden, von ihrer eigenen Stellung und Reputation abhängigen Beitrag zu deren Legitimation bzw. kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung. Sie dienen in ihrer gesellschaftlichen Funktion als zentrale Impulsgeber für die öffentliche Auseinandersetzung mit Musik. Der Wettbewerb bezieht sich auf die Vermittlungsleistung, bei der es für jedes phonographische Unternehmen gilt, mit Bezug auf die Leistung der konkurrierenden Unternehmen, Vorteile zu erzielen, die von den Musikschaffenden als solche wahrgenommen und goutiert werden. Diesbezüglich können hier beispielhaft verschiedene Nutzenarten unterschieden werden:157

157



Funktionale Nutzen: Die konkrete Vermittlungsleistung ist, rein wirtschaftlich ausgedrückt, in der Wahrnehmung der Vermarktung der Musikaufnahmen respektive der Musikschaffenden zu sehen. Der Nutzen resultiert aus der Übernahme der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle aller im Rahmen der Vermarktung anfallenden Aufgaben durch das phonographische Unternehmen.



Prozessbezogene Nutzen: Die Leistung der phonographischen Unternehmen besteht zu einem wesentlichen Teil darin Strukturen bereitzustellen, die den Musikschaffenden das künstlerisch-kreative Schaffen ermöglichen. Insbesondere mit steigendem Aufwand ist eine Selbstvermarktung für die Musikschaffenden weniger attraktiv, geht sie doch

Auszugehen ist davon, dass je nach Position der Musikschaffenden eine unterschiedliche Nutzenkategorie im Vordergrund steht. Als verschiedene KundInnensegmente identifiziert, kann für noch weitestgehend unbekannte MusikerInnen das Prestige, für bereits etablierte MusikerInnen mitunter der finanzielle Aspekt eine größere Rolle spielen. So treffen vor allem die „Stars“ (als gewachsene organisierte Wirtschaftseinheiten) mit der Beantwortung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit einem phonographischen Unternehmen eine organisationale Kaufentscheidung, die eine tendenziell rationalere und eine im stärkeren Maße formalisierte Entscheidungsfindung auszeichnet. Je nachdem wie MusikerInnen die Aspekte gewichten, ist von unterschiedlichen Grund- und Zusatznutzen auszugehen. Dabei lässt die Zusatzleistung bzw. Erfüllung des Zusatznutzens, von den Musikschaffenden nicht direkt erwartet, im Wettbewerb der phonographischen Unternehmen um die Musikschaffenden weit mehr Differenzierungsmöglichkeit zu.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

291

auf Kosten des Zeitbudgets für das künstlerisch-kreative Arbeiten (vgl. Bradshaw; McDonagh; Marshall 2006, S. 115). 

Ökonomische Nutzen: Gemeint sind hier einerseits direkte finanzielle Leistungen an die MusikerInnen, wie eine garantierte Vorauszahlung oder ein Zuschuss für eine anstehende Tournee, andererseits kann die Kooperation mit einem phonographischen Unternehmen bei einer angemessenen Risikoverteilung für die Musikschaffenden zu einem besseren wirtschaftlichen Ergebnis führen als die Selbstvermarktung.



Soziale Nutzen: Die Bekanntmachung der Zusammenarbeit kann, indem das phonographische Unternehmen mit seiner Reputation für die Qualität der Musikschaffenden bürgt, als Signal an die Akteure der Musikwirtschaft interpretiert werden. Durch die Kooperation mit einem besonders renommierten Unternehmen der phonographischen Industrie entsteht für die Musikschaffenden mitunter ein gewisses Prestige. Auf diese Weise vermögen phonographische Unternehmen MusikerInnen zu nobilitieren.

In der Zusammenarbeit mit den Musikschaffenden können die phonographischen Unternehmen einerseits versuchen ständig neue MusikerInnen zu finden, ähnlich der reinen Vertriebsdienstleister eine Menge an Musikaufnahmen zu veröffentlichen, angesichts der häufig nur geringen Reichweite und kurzen Rezeptionszyklen dabei aber weniger Aufwand in der Vermarktung zu betreiben und es lediglich der Hoffnung zu überlassen, dass einige erfolgreich werden. Andererseits können sie mit bestimmten Musikschaffenden langfristige, von gegenseitigem Vertrauen und gemeinsamen künstlerisch-kreativen Visionen geprägte Beziehungen auf- und ausbauen. Eine passive Haltung, gar ein Zurückziehen auf die Auswertung des Backkatalogs, wozu vor allem die Majors in der Lage sind, kann den phonographischen Unternehmen in ihrer Bedeutung als Anbieter der Vermittlungsleistung auf Dauer schaden, wenn nämlich Wissen innerhalb der Unternehmen verloren geht und schließlich ein Teil des Leistungsangebots an die Musikschaffenden, die kritische und fördernde Auseinandersetzung mit dem künstlerisch-kreativen Schaffen, hinfällig wird. Sowohl in wirtschaftlicher als auch kultureller Hinsicht erweist sich eine langfristige, über mehrere Projekte fortwährende Zusammenarbeit auf partnerschaftlicher Ebene

292

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

als lukrativere Option. Auch für die Musikschaffenden stellt sich die Frage nach der Fristigkeit der vertraglichen Bindung. Aufgrund der Eigenart künstlerischkreativer Arbeit und der Komplexität der Vermittlungsleistung erscheint, grundsätzliche Kompatibilität vorausgesetzt, eine längerfristige Zusammenarbeit vorteilhaft. Dabei sind zunehmend besser über die wirtschaftlichen Zusammenhänge informierte Musikschaffende für jene Unternehmen der phonographischen Industrie, die sich der Qualität ihrer Vermittlungsleistung bewusst sind, nicht zwangsläufig eine Bedrohung, sondern können für beide Seiten von Vorteil sein. Die Musikschaffenden sind sich über die Bedeutung der Vermittlung und dessen Herausforderungen im Klaren und beziehen den Prozess der Anerkennung ihres künstlerisch-kreativen Schaffens in der öffentlichen Wahrnehmung auch auf die Leistung der phonographischen Unternehmen. Bei Abschluss des Vertrags ist die Vermittlung durch ein phonographisches Unternehmen als immaterielles Leistungsversprechen zu verstehen. Auf Seiten der Musikschaffenden besteht deshalb Unsicherheit über die tatsächliche Qualität der Vermittlung, die das Unternehmen zukünftig zu leisten imstande ist. Auf Seiten der phonographischen Unternehmen wiederum herrscht das Risiko bezüglich der Musikschaffenden (bzw. der Musikaufnahmen) als externer Faktor vor, dessen Integration in den Leistungserstellungsprozess entscheidend ist. Im Zentrum der Aktivitäten stehen deshalb die Reduktion der Informationsasymmetrie sowie die Abgleichung der Ziele, um Unsicherheiten abzubauen und opportunistisches Verhalten zu vermeiden. Aufgabe des Marketing ist die Angleichung der Interessen der MusikerInnen und der phonographischen Unternehmen. Weder eine Übervorteilung der KundInnen noch der Unternehmen ist im Sinne des Marketing. Im Folgenden sind einige Punkte zu den Marketingaktivitäten anzumerken: 

Sicherstellung des Leistungspotenzials: Um die Qualität der Vermittlungsleistung gewährleisten zu können, kommt dem Leistungspotenzial eine besondere Bedeutung zu. Hierbei ist in erster Linie an die MitarbeiterInnen der phonographischen Unternehmen zu denken. Ihnen werden besondere Fähigkeiten abverlangt, zugleich sind sie, überspitzt formuliert, die Hauptfehlerquelle. Die Vermittlungsleistung kann allerdings nur von Menschen erbracht werden, moderne Informations- und

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

293

Kommunikationstechnologie kann allerhöchstens bestimmte Prozesse (z. B. A&R-Prozess, digitaler Vertrieb) unterstützen.

158



Herstellung von Transparenz: Bei dem Prozess der Vermittlung handelt es sich um eine nicht standardisierte, in hohem Maße individualisierte und komplexe Leistung der phonographischen Unternehmen. Um den Musikschaffenden eine möglichst umfassende Bewertung der Leistungsqualität zu ermöglichen, ist (schon vor Vertragsabschluss) ein gewisser Grad an Transparenz notwendig. Eine ausführliche Darstellung möglicher Maßnahmen, die Vereinbarung und Kontrolle von Zielen und Meilensteinen sind hierbei wichtige Bausteine. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Musikschaffenden aktiv in die Vermittlung eingebunden werden. Eine abschließende Dokumentation hilft den Nutzen der geleisteten Vermittlung den Musikschaffenden gegenüber zu verdeutlichen.



Positionierung der Labels als Marken: Unter dem Aspekt der Risikoreduktion der Musikschaffenden spielt auch die Markenpolitik eine Rolle. So nutzen die phonographischen Unternehmen in der Vermarktung von Musikaufnahmen eigene Labels, wobei Indies in der Regel Unternehmensname und Label gleichsetzen und Majors auf eine Vielzahl von Sublabels zurückgreifen.158 Dabei ist an dieser Stelle die Wirkung der Marke auf die Musikschaffenden gemeint und ausdrücklich nicht bezogen auf den RezipientInnenmarkt, wo Labels markenstrategisch nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen (z. B. Blue Note). Eine Marke kann sich in diesem Fall nicht ausschließlich aus dem bestehenden (Rechte-)Portfolio an Aufnahmen und MusikerInnen entfalten. Es geht vielmehr darum Musikschaffenden die Qualität der Vermittlungsleistung zu signalisieren. Ohne eigene künstlerischkreative Vision, ohne eigene Vorstellung einer zeitgemäßen Ver-

Die Majors Sony (z. B. Ariola, Arista, Columbia, Epic, RCA, Sony Classical), Universal (z. B. Blue Note, Capitol, Deutsche Grammophon, EMI, Island, Motown, Polydor, Virgin) und Warner (z. B. Atlantic, East West, Parlophone, Reprise, Roadrunner, Warner Classics) verfügen über eine größere Auswahl an Labels.

294

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft mittlung eines musikalischen Stils und ohne die Bereitschaft und Überzeugung das damit verbundene Risiko einzugehen, bleiben Labels in ihrer Funktion als Marken leere Hüllen, die einzig von dem musikästhetischen Profil der Musikschaffenden zehren. 

Absicherung des Leistungsversprechens: Die kommunikationspolitischen Maßnahmen sind auf die Vertrauensbildung auszurichten. Dabei gilt es den Musikschaffenden in erster Linie im persönlichen Kontakt die Erfahrungen und Expertise in der Vermittlung zu signalisieren, schließlich handelt es sich um eine besonders erklärungsbedürftige Leistung. Zum Aufbau von Reputation eignet sich neben Öffentlichkeitsarbeit und Events, insbesondere ein Verweis auf bisherige Referenzen.



Verhandlung der Vergütung: Für die Vergütungsart der phonographischen Unternehmen sind unterschiedliche Modelle denkbar, sowohl Festpreise und erfolgsabhängige Zahlungen als auch eine Verknüpfung der beiden Ansätze. Da nur die wenigsten Musikschaffenden in der Lage sind vorab für die Vermittlung zu zahlen und darüber hinaus Unsicherheit bezüglich des Erfolgs der Musikaufnahmen auf dem RezipientInnenmarkt und damit auch des Verlaufs der Vermittlung besteht, scheint bei entsprechender Verteilung des Risikos eine erfolgsabhängige Vergütung in Form einer Gewinnbeteiligung gerechtfertigt. Eine vertraglich vereinbarte garantierte Vorauszahlung, die von den phonographischen Unternehmen an die Musikschaffenden entrichtet wird, kann in diesem Sinne als Garantie für die Vermittlungsleistung (oder bei Misserfolg gar als Konventionalstrafe) interpretiert werden und dient als glaubwürdiges Signal der Leistungsqualität.



Management der KundInnenbeziehung: Die akquirierten MusikerInnen gilt es in eine langfristige Beziehung zu überführen. Dazu gehört einerseits ein fairer Umgang miteinander, sodass etwa die zu Beginn vertraglich vereinbarten Bedingungen zu einem späteren Zeitpunkt dem erzielten Erfolg und der veränderten Risikoverteilung angepasst werden (vgl. Hendricks; Sorensen 2009, S. 367), um die Musikschaffenden zufriedenzustellen und damit langfristig, über mehrere Projekte hinweg

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

295

zu binden. Andererseits sind aber ebenso darüber hinausgehende Instrumente der (Ein-)Bindung der Musikschaffenden denkbar, etwa die Gründung und Besetzung eines Beirats, der den phonographischen Unternehmen in künstlerisch-kreativen Belangen beratend zur Seite steht. Auch der Umgang mit Beschwerden stellt eine wesentliche Herausforderung dar. Ein wirksames Management der Beschwerden kann wesentlich zur Loyalität der Musikschaffenden beitragen. Regelmäßige Befragungen zur Zufriedenheit mit der Vermittlungsleistung bieten sich in diesem Zusammenhang an, auch um einer latenten Abwanderungsbereitschaft frühzeitig entgegenzuwirken. Letztlich gehört die gezielte Rückgewinnung von Musikschaffenden zum Beziehungsmanagement. Von Interesse sind diejenigen Musikschaffenden, bei denen eine weitere Zusammenarbeit (sowohl in kultureller als auch wirtschaftlicher Hinsicht) als sinnvoll erscheint und die von einer Rückgewinnung überzeugt werden können.

4.4.5

Thesen zur Ressourcenausstattung

In diesem Abschnitt werden, Bezug nehmend auf die vorstehenden Ausführungen zum Markt, ergänzende Thesen zur Ressourcenausstattung dargeboten. Zunächst wird in Kapitel 4.4.5.1 die Organisationsstruktur, im Speziellen die Auf- und Ablauforganisation, aufgegriffen. Im Anschluss werden in Kapitel 4.4.5.2 die beruflichen Laufbahnen thematisiert.

4.4.5.1

Organisationsstruktur: Ausgleich der Instabilität

Die Frage nach der Ausrichtung des Leistungsangebots der phonographischen Unternehmen ist eng verwoben mit der Organisationsstruktur. Mit einer zunehmenden Instabilität des Beziehungsgeflechts der Akteure und einem sich abzeichnenden Wandel hin zu einer stärkeren Orientierung an den Musikschaffenden kann mitunter auch die Organisation der phonographischen Unter-

296

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

nehmen ins Wanken geraten. So zeichnet sich anhand der bestehenden Aufbauund Ablauforganisation, also etwa an der Art und Weise, wie Abteilungen gebildet, hierarchische Strukturen durchgesetzt und Prozesse innerhalb der phonographischen Unternehmen ihren Verlauf nehmen, die für den Moment dominierende Ausrichtung der Unternehmen ab. Der innerbetrieblichen Arbeitsteilung entsprechend sind die Aufgaben auf verschiedene Unternehmensabteilungen verteilt. Für die musikalische Seite verantwortlich ist demnach die A&RAbteilung. Traditionell in der bestehenden Vermarktungslogik der Musikaufnahmen ist das A&R-Management allerdings zuständig für Beschaffung von Rechten. Ist, ausgelöst durch veränderte Umweltbedingungen, von einer Verschiebung der Funktion und Aufgabe der phonographischen Unternehmen in Richtung des Absatzes der Vermittlungsleistung auszugehen, liegt vielmehr die Interpretation des A&R als KundInnensegment- oder Key-Account-Management näher. Insbesondere wenn die stärkere Verhandlungsseite nicht bereit ist sich zu einer langfristigen Zusammenarbeit zu bekennen, gewährleisten die ausgehandelten Verträge keine Absicherung der Beziehung. Um aus Sicht der phonographischen Unternehmen die längerfristige, über mehrere Projekte dauernde Kooperation mit Musikschaffenden sicherzustellen, kommt dem A&R-Management als spezialisierte Koordinationsstelle in organisatorischer Hinsicht eine zentrale Rolle in dem Beziehungsmanagement zu. In diesem Bereich wird sodann der Kontakt zu Musikschaffenden initiiert, ausgebaut, zum Vertragsabschluss geführt, der künstlerisch-kreative Schaffensprozess betreut, Wissen über Musik bzw. MusikerInnen generiert sowie über Abteilungsgrenzen hinaus im Unternehmen verbreitet und schließlich die Beziehung zu Musikschaffenden langfristig gesichert. Mit Blick auf das nach wie vor stark auf die rechtebasierte Vermarktung von Musikaufnahmen gestützte Geschäft, insbesondere der Majors, ist zu konzedieren, dass trotz der gegenwärtigen Instabilität bislang keine klare Ausrichtung auf den Absatz der Vermittlungsleistung auszumachen ist.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

297

These 3: Die gegenwärtigen Markt- und Umweltbedingungen fordern von den phonographischen Unternehmen die organisationale Fähigkeit die äußere Instabilität in den Beziehungen zu den anderen Akteuren unternehmensintern auszugleichen, das heißt den äußeren Wandel in der internen Organisationsstruktur anpassend zu begleiten.

Die stärkere Ausrichtung auf die Vermittlungsleistung betrifft die Frage nach der Implementierung des Marketing respektive der Marketingabteilung als funktionsbezogene Spezialisierung innerhalb der phonographischen Unternehmen. In der Praxis werden die Marketingaufgaben demnach in einer Abteilung zusammengefasst, zum Teil auch auf spezialisierte Abteilungen aufgeteilt (z. B. A&R, Produktmanagement, Sales, New Media). Dies ist selbstredend abhängig von der Unternehmensgröße, das heißt bei kleineren Indies werden im Extremfall jegliche Aufgaben von einer einzelnen Person übernommen, mit zunehmender Größe werden die Aufgaben auf verschiedene Personen bzw. Abteilungen verteilt. Bei den Majors kommt (etwa im Rahmen einer Matrixorganisation) die Abstimmung der einzelnen nationalen Gesellschaften mit der Unternehmenszentrale hinzu. In der Regel ist das A&R (als kundInnenbezogene Koordinationsstelle) für den Kontakt zu den Musikschaffenden zuständig, während das Produktmanagement (als produktbezogene Koordinationsstelle) mit der Vermarktung der entstandenen Musikaufnahmen betraut ist. Dabei klaffen womöglich die Zielsetzungen sowie Erfolgs- und Risikoeinschätzungen bezüglich der Musik bzw. MusikerInnen auseinander (vgl. Ordanini; Rubera; Sala 2008, S. 20 f.), was für die phonographischen Unternehmen zur Eindämmung des Konfliktpotenzials zugleich einen höheren internen Abstimmungsbedarf an der Schnittstelle der Abteilungen bedeutet. Es geht dabei etwa um die Verarbeitung von Informationen, die Festlegung der Verantwortlichkeiten und Weisungsbefugnisse sowie die Abstimmung der Aktivitäten im Kontakt mit den Musikschaffenden (z. B. Angebotserstellung, projektbezogene Kommunikation, Umgang mit Beschwerden). Dies bezieht sich hier in erster Linie auf die Koordination von A&R und Produktmanagement, gilt aber sowohl für die Abstimmung mit weiteren marketingspezifischen Funktionen (New Media, Marktforschung etc.)

298

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

als auch mit anderen Funktionsbereichen (Finance/Controlling, IT, Legal Affairs). Um der Problematik der Überspezialisierung und der unterschiedlichen Bereichsinteressen zu begegnen, werden bei den größeren phonographischen Unternehmen, ergänzend zu den mit administrativen Aufgaben befassten Abteilungen, die verschiedenen Labels häufig als unabhängige Einheiten geführt, die die Verantwortung für die Vermarktung tragen (vgl. Limper; Lücke 2013, S. 68 f.). Anstelle spezialisierter, funktionsbezogener Abteilungen wird auf die Bildung kleinerer, auf gewisse Musiksparten fokussierter Teams gesetzt, die eher in der Lage sind bei den Marketingentscheidungen die Balance zu finden zwischen den künstlerisch-kreativen Vorstellungen der MusikerInnen und den wirtschaftlichen Zielvorgaben des Unternehmens. Allgemein ist die Marketingfunktion respektive Marketingabteilung im Hinblick auf ihre Rolle und ihren Einfluss innerhalb eines Unternehmens durchaus kritisch zu beurteilen.159 So verstärken etwa Verhoef und Leeflang (2009, S. 26) in ihrer Untersuchung die vielfach geäußerte Kritik, „that the actual decision influence of marketing departments is limited to advertising; relationship management (including satisfaction measurement and improvement); and segmentation, targeting, and positioning. Decision areas that originally were dominated by marketing, at least according to most marketing textbooks, such as pricing and distribution, are now covered by other departments, such as sales and finance.“ Die Bedeutung des Marketing in der Praxis wird der in der Wissenschaft erarbeiteten marktorientierten Führungskonzeption demnach nur bedingt gerecht.

159

Die Rolle und der Einfluss des Marketing (bzw. der Marketingabteilung) werden mehrfach in Publikationen aufgegriffen (vgl. Moorman; Rust 1999; Homburg et al. 2015). Zuletzt häuft sich die Vermutung, der Stellenwert des Marketing nehme in der Praxis vielerorts ab. Interessanterweise bewerten MarketingwissenschaftlerInnen den gegenwärtigen sowie künftigen Erfolgsbeitrag höher als die MarketingpraktikerInnen, wohl auch aufgrund der in der Wissenschaft herrschenden, in der Praxis aber nur bedingt anzutreffenden Ansicht des Marketing als marktorientierte Führungskonzeption (Meffert; Sepehr 2012, S. 24 f.). Zum Teil wird darin ein Kommunikationsproblem gesehen, das heißt die Marketingabteilung kann den Erfolg ihrer Maßnahmen innerhalb des Betriebs nicht immer entsprechend nachweisen (vgl. Meffert; Sepehr 2012, S. 25; Verhoef; Leeflang 2009, S. 26). Diese Entwicklung deutet aber überdies darauf hin, dass der Anspruch der Marketingwissenschaft, ihre Erkenntnisse, in der Folge auch das Selbstverständnis des Marketing als marktorientierte Führungskonzeption, der unternehmerischen Praxis zur Anwendung bereitzustellen, nur bedingt erfüllt wird.

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

299

Mit der Einführung einer Marketingabteilung kann mitunter der Eindruck entstehen, Marktorientierung sei ein Thema ausschließlich für jene Abteilung, alle diesbezüglichen Aufgaben stünden in ihrem Verantwortungsbereich. Marketing ist in seinem funktionsübergreifenden Anspruch indessen (eigentlich) nicht auf eine einzelne Abteilung zu begrenzen. In der Praxis besitzt Marketing häufig eine andere, beschränktere Aufgabe als die zugeschriebene funktionsübergreifende Koordinationsfunktion, was sich insbesondere in Großunternehmen abzeichnet (Meffert; Sepehr 2012, S. 21 f.). Insofern unterliegen auch die Majors mit ihrem Fokus auf Marktzuwächse durch Fusionen und Übernahmen in ihren strategischen Entscheidungen in einem vergleichsweise hohen Maße dem Einfluss des Finance/Controlling.160 Marketing ist hier also lediglich für die Planung verkaufsunterstützender Maßnahmen für die Musikaufnahmen zuständig. Um eine hier im Sinne der KundInnenorientierung stärkere Berücksichtigung der Musikschaffenden über alle Unternehmensabteilungen hinweg zu etablieren, geht es, angesichts der gegenwärtigen Instabilität des Kräfteverhältnisses unter den Akteuren, für das Management der Schnittstellen zwischen den Abteilungen nicht zwingend um eine direkte, organisationale Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation. Gleichsam von Bedeutung für die Durchsetzung einer stärkeren Berücksichtigung der Musikschaffenden und damit womöglich auch einer Balance zwischen „Kultur“ und „Wirtschaft“ ist eine entsprechende Unternehmenskultur. Gemeint ist eine in der Kultur der phonographischen Unternehmen angelegte Zuwendung zu den Musikschaffenden und dem künstlerisch-kreativen Schaffensprozess, die Investitionen in musikalische Innovationen fördert und durch gleichermaßen Bezug auf kulturelle wie wirtschaftliche Aspekte in den Denk- und Handlungsprozessen das Vertrauen der

160

Die Entwicklung vermehrt über Fusionen und Übernahmen zu wachsen, ist nicht auf die phonographische Industrie zu beschränken. Im gesamten Medienbereich finden zahlreiche Akquisitionen und strategische Allianzen statt. Getrieben wird diese Entwicklung durch eine verstärkte Konvergenz von Telekommunikation, Informationstechnologie und Medien, die auf eine Auflösung einst bestehender Branchengrenzen hinweist und für viele Unternehmen zur Folge hat, da sie selbst (noch) nicht alle Bereiche abdecken, dass sie die Potenziale der Konvergenz über Kooperationen, Fusionen und Übernahmen zu integrieren versuchen.

300

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Musikschaffenden in die Zusammenarbeit aufbaut. Während bei den Indies ohnehin von einer engeren Anbindung an eine Szene bzw. ein bestimmtes Genre und damit von einer stärkeren Ausrichtung auf die jeweiligen Musikschaffenden auszugehen ist, kann bei den Majors damit ein unternehmenskultureller Wandel verbunden sein (vgl. Strachan 2007; Negus 1999).

4.4.5.2

Berufliche Laufbahnen: Integration der Fähigkeiten

Die Aufgaben im Marketingbereich stellen sich als sehr heterogen dar, sodass der innerbetrieblichen Arbeitsteilung gemäß in den phonographischen Unternehmen verschiedene Positionen, zum Teil auch unterschiedlichen Abteilungen zugeordnet, mit der Erfüllung von Marketingaufgaben betraut sein können (z. B. Produkt-, A&R-, New-Media-ManagerInnen). Ebenso sind die genauen Aufgabenstellungen je nach Unternehmen durchaus verschieden, weshalb die Anforderungsprofile mitunter stark voneinander abweichen können. Zu denken ist nur an die unterschiedliche Personalausstattung von Majors und Indies. Aufgrund der engen und persönlichen Zusammenarbeit mit den Musikschaffenden nehmen in der Beschreibung spezifischer Berufsbilder ProduktmanagerInnen, vor allem aber A&R-ManagerInnen häufig eine exponierte Rolle ein (vgl. Tschmuck 2012, S. 253 ff.). Im Rahmen der Fallstudie wird davon ausgegangen, die Vermittlungsleistung werde an die Musikschaffenden abgesetzt und das A&R-Management sei demnach auf der Absatzseite angeordnet. Während also A&R-ManagerInnen ExpertInnen für den Aufbau und langfristigen Erhalt der Beziehungen zu MusikerInnen sind, besitzen ProduktmanagerInnen ihre Expertise in dem Bereich der Vermarktung von Musikaufnahmen. Die erfolgreiche Ausführung der Vermittlungsleistung der phonographischen Unternehmen ist in hohem Maße abhängig von dem Leistungspotenzial jener Humanressourcen. Von diesen MitarbeiterInnen werden Fähigkeiten gefordert, die sowohl die Unsicherheiten auf Seiten der MusikerInnen bezüglich der Vermittlungsleistung abbauen als auch die zielgerichtete Vermittlung der Musik an Medien, Handel und RezipientInnen sicherstellen. Hierfür ist kulturelle Kompetenz gefragt, einerseits um vielversprechende MusikerInnen als solche identifizieren, mit ihnen auf Augenhöhe über ihr künstlerisch-kreatives Schaffen

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

301

diskutieren und sie letztlich von einer Kooperation überzeugen zu können, andererseits um die Argumentation des kulturellen Werts der musikalischen Werke gegenüber den anderen Akteuren zu führen, die möglicherweise über weit weniger kulturelle Kompetenz verfügen.

These 4: Eine mit den Veränderungen der Markt- und Umweltbedingungen einhergehende Verschiebung der Funktionen und Aufgaben der phonographischen Unternehmen verlangt den klassischen Berufsbildern im Bereich Marketing zu ihrem Fortbestand die integrierte, virtuose Anwendung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Fähigkeiten ab.

Für die Erfüllung der im Rahmen der Vermittlungsleistung auftretenden, zum Teil sehr kleinteiligen Aufgaben ist durch die phonographischen Unternehmen, mit Blick auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen, das Leistungspotenzial ihrer MitarbeiterInnen sicherzustellen. Zuletzt stellen insbesondere die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie neue Anforderungen an die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen im Bereich Marketing (vgl. Gey et al. 2015, S. 44 f.). Im Auftrag der Musikschaffenden zu agieren, die Vermittlung gegenüber der Öffentlichkeit durchzuführen, verlangt nach einer Integration von Fähigkeiten aus verschiedenen Bereichen. Angesetzt werden kann zunächst an den kognitiven Fähigkeiten, also dem erforderlichen Fachwissen sowie den analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten (vgl. Homburg 2012, S. 1210 f.). Das Arbeiten im künstlerisch-kreativen Umfeld der Musikwirtschaft verlangt aber zwingenderweise nach weiteren: 

Das Fachwissen schließt neben jenen Fähigkeiten, die sich direkt aus dem anfallenden Aufgabenspektrum der konkreten Position im Marketingbereich (z. B. Methodenkenntnisse zur Analyse von Marktdaten, Kenntnisse im Bereich Marketingcontrolling, Vertriebspolitik oder Social Media) ergeben, auch spezifisches Wissen mit ein, das für die Ausübung der Aufgaben im gesamtmusikwirtschaftlichen Umfeld (z. B. branchen- und unternehmensspezifische Abläufe) erforderlich ist.

302

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft 

Analytische und konzeptionelle Fähigkeiten (z. B. strategisches Denken, Fähigkeit zur Abstraktion, Kreativität) mögen zwar bei BerufsanfängerInnen, da sie vor allem mit operativen Aufgaben betraut sind, noch weniger gefragt sein, sind aber prospektiv, mit Aufstieg in der Hierarchie von Bedeutung, insbesondere bei der direkten Zusammenarbeit mit den Musikschaffenden.



Mit der Sozialkompetenz sind darüber hinaus interaktions- und kommunikationsbezogene Fähigkeiten (z. B. Teamorientierung, Empathie, Flexibilität) notwendig. Diese sind vor allem für A&R-ManagerInnen in der direkten, persönlichen Betreuung der Musikschaffenden unerlässlich. Ebenso spielen Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Umgänglichkeit, Gewissenhaftigkeit) eine zentrale Rolle.



Zu ergänzen sind für das Arbeitsfeld der phonographischen Unternehmen schließlich die zwingend notwendigen kulturellen Kompetenzen. Diese beziehen sich neben einer generellen Begeisterung für Musik und Kultur(en) sowie musikbezogenen Repertoirekenntnissen in Breite und Tiefe etwa auf ein weitreichendes Verständnis für Musikschaffende, ihre Arbeitsbedingungen und künstlerisch-kreativen Visionen ebenso wie auf eine ausgeprägte Sensibilität für gesellschaftliche Strömungen. Angesichts der in hohem Maße individualisierten und komplexen Vermittlungsleistung der phonographischen Unternehmen ist den kulturellen Kompetenzen besondere Bedeutung beizumessen.

Exkurs: Ausbildung der MusikmanagerInnen Dem Bedarf der Unternehmen der phonographischen Industrie nach qualifiziertem Personal versuchen die Hochschulen mit neuen Ausbildungsprogrammen zu begegnen. Im Laufe der Zeit entstehen verschiedene Ausbildungs- und Studienangebote, die einen mehr oder minder starken Fokus auf

4.4 Ableitungen zur Vermarktung der Vermittlungsleistung

303

einen direkten Berufseinstieg in der Musikwirtschaft richten. Die Frage, die sich stellt, ist jene nach dem Ausmaß des Praxisbezugs.161 Die Praxisanbindung findet häufig über Case Studies, Praxisprojekte, Einbindung von PraxisvertreterInnen in die Lehre und die Bereitstellung von Praktikumsplätzen statt. Diese enge Bindung zwischen Ausbildungsstätte und Praxis sorgt dafür, dass die in der Ausbildung vermittelten Inhalte und Kompetenzen direkt oder indirekt mitbestimmt werden. So sind einige der angebotenen Studiengänge – entgegen des Bildungsbegriffs Wilhelm von Humboldts – vornehmlich auf die berufspraktische Ausbildung ausgerichtet, ersetzen und ergänzen zum Teil also die klassische Berufsausbildung (z. B. Kaufmann/-frau für audiovisuelle Medien) (Wickström; Lücke; Jóri 2015, S. 73). Gerade im Arbeitsfeld der Kultur bedarf es jedoch der ganzheitlichen Bildung, also eine stärkere Ausrichtung auf Kreativität, Hintergrundwissen, Weltgewandtheit, Urteilsvermögen, Eigenständigkeit und Persönlichkeitsentwicklung. Die zentrale Herausforderung ist dabei den Mittelweg aus Spezialisierung und Generalisierung zu finden, nicht nur schmalspurige BranchenexpertInnen auszubilden, die in ihrem Denken und Handeln den gegenwärtig herrschenden Strukturen vollständig angepasst sind, sondern die Studierenden außerdem zu befähigen branchenunabhängige Entwicklungen erkennen und ganzheitliche

161

Grundsätzlich scheint die Vielfalt des Ausbildungs- und Studienangebots den Vorteil zu haben, den unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen, den der Nachwuchs an die eigene Ausbildung richtet, entgegenzukommen. Auch vor dem Hintergrund einer verheerenden Signalwirkung des (massenhaften) Quereinstiegs in die Unternehmen der phonographischen Industrie ist der Ausbau des Ausbildungsangebots zu begrüßen, entsteht doch bei den Musikschaffenden möglicherweise der Eindruck, eine profunde Vor- und Ausbildung sei nicht notwendig, ein Training on the Job reiche aus und die Vermarktung der Musikaufnahmen könne ohne größere Vorbildung selbst übernommen werden. Ohne an dieser Stelle einzelne Ausbildungsstätten und/oder Studiengänge zu kritisieren, ist jedoch die Frage angebracht, wie tief eine solche branchen- bzw. berufsbezogene Spezialisierung in der Ausbildung sinnvoll anwendbar ist. Ist der Fokus des Kulturmanagements ausreichend oder bedarf es eines Musikmanagements? Ist irgendwann gar ein (grundständiges) Studium des Musikmarketingmanagements oder des Musikpersonalmanagements erforderlich? Eine Verengung auf Berufsbezogenheit, eine Verkürzung auf die Vermittlung berufsspezifischer Fertigkeiten für immer kleinteiligere Aufgaben beinhaltet schließlich stets die Gefahr Studierende mit spezifischem Rüstzeug für Berufe vorzubereiten, die womöglich in der Zukunft nicht mehr existieren, zumindest nicht in der Art und Weise, wie sie noch gegenwärtig bestehen.

304

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Zusammenhänge herstellen zu können. Dies betrifft zugleich das Verhältnis von Theorie- und Praxisorientierung in der Ausbildung. Der Anspruch an die akademische Lehre sieht schließlich vor, dass neben praktischer Anwendungen ebenso theoretisches Wissen vermittelt wird (vgl. Meffert; Sepehr 2012, S. 30 f.). Anstelle einer einseitigen Ausrichtung ist auf die Ausgewogenheit der Lehrziele zu achten, auch wenn Unternehmenspraxis und Studierende (vor allem die zahlenden) eine stärkere Praxisnähe, vornehmlich in Gestalt einer berufsspezifischen Vorbereitung, einfordern, darf das theoretische Fundament nicht vernachlässigt werden, insbesondere wenn die Auseinandersetzung mit verschiedenen Theoriefeldern notwendig wird.

4.5

Zwischenfazit

Die branchenspezifische Annäherung verfolgt eine Kontextualisierung der Austauschprozesse. Der Anwendungsbezug wird vorab über die Konkretisierung der Austauschobjekte (Musik als kulturelle Ausdrucksform) und in einem zweiten Schritt über die Konkretisierung des institutionellen Rahmens hergestellt. Jene Besonderheiten des Austauschprozesses, die Kultur als Gegenstandsbereich ausmachen bzw. sich aus dem Kulturbegriff ableiten lassen, werden übergangen oder vorausgesetzt. Häufig geschieht dies stillschweigend, sich am „allgemeinen“ Marketing orientierend, im Rahmen der Arbeit unter Berücksichtigung der Ausführung zum „Kulturgütermarketing“ sowie mit dem Verweis auf das Dienstleistungsmarketing. Festzuhalten ist somit, dass es nicht „das“ Marketing in der Musikwirtschaft gibt. „Marketing in der Musikwirtschaft“ ist nicht zwangsläufig mit „Kulturgütermarketing“ gleichzusetzen. Mit der differenzierten Analyse der Austauschprozesse liegen unterschiedliche Konzeptionen des Marketing zugrunde, zu heterogen ist die Nachfrage (Musikschaffen, Musikrezeption, Musikverwertung), sind (Teil-)Branchen (Musikaufnahme, Musikveranstaltung etc.) und Akteure (Musikschaffende, phonographische Unternehmen). Im Rahmen der branchenspezifischen Annäherung werden lediglich zwei der vielfältigen Austauschprozesse behandelt. In der Folge beschränkt sich die

4.5 Zwischenfazit

305

Ausführung auf die Umweltbedingungen als Ausgangspunkt zur Ableitung der Eigenarten der Austauschprozesse und marketingtheoretischen Rückschlüsse. Hierfür wird der Production-of-Culture-Ansatz, im Speziellen das Modell von Peterson (1982) bzw. Peterson und Anand (2004), herangezogen. Damit liegt ein zusammenhängender Rahmen zur Analyse vor, mit dessen Hilfe der Faktor „Markt“ in den Fokus gerückt wird und die Faktoren „Organisationsstruktur“ und „Berufliche Laufbahnen“, die Ausführungen zum Markt ergänzend, der Ressourcenausstattung zugeordnet werden. Die übrigen Faktoren „Gesetze und Regelungen“, „Industriestruktur“ sowie „Technologie“ werden als Umweltbedingungen konstruiert. In einer branchenspezifischen Betrachtung macht sich das Spannungsfeld zwischen kulturellem Wert und ökonomischer Realität folglich nicht (mehr nur) abstrakt in dem Aufeinandertreffen von Kultur und Markt bzw. in Form einer ökonomisch-rechtlichen Grundlage, sondern in ihrem Zusammenspiel mit den konkreten Umweltbedingungen bemerkbar. Zur gewählten Vorgehensweise ist anzumerken: Das Marketing-MyopiaProblem tritt deutlich zum Vorschein. So stellt es grundsätzlich eine Herausforderung dar, die Branche bzw. den Markt zu erfassen. Besteht kein tiefgreifendes Verständnis des Markts, ist dies sowohl aus wissenschaftlicher Sicht – der Objektbereich ist nicht definiert – als auch für die Unternehmenspraxis unbefriedigend, da Ansätze für das Management nur schwer zu greifen sind (Wagner; Baldauf 2007, S. 253). Allgemeingültige, immerwährende Strukturierungen und Abgrenzungen gibt es nicht. Es kann also durchaus zu anderen, engeren und weiteren Abgrenzungen als der oben vorgenommenen kommen und somit auch zu einer anderen Auswahl und Auslegung der Austauschprozesse (z. B. im Hinblick auf die Transaktionsrichtung zwischen Musikschaffenden und phonographischen Unternehmen). Problematisch ist, dass eine branchenspezifische Betrachtung historisch gewachsener Märkte damit das Risiko in sich birgt wesentliche Veränderungen und Chancen zu übersehen und sich auf bisherige Bezugspunkte zu fixieren. Die Folge kann das Festhalten an der bestehenden Routine der Vermarktung sein. Die Umwelt befindet sich allerdings in ständiger Bewegung, sodass Veränderungen (z. B. mögliche Bedrohungen in Form von neu entstandenen Wettbewerbsbeziehungen) gegebenenfalls zu spät erkannt werden.

306

4 Branchenspezifische Annäherung: Marketing in der Musikwirtschaft

Das Verständnis des Markts bzw. dessen Abgrenzung und Strukturierung ist also für das Vorgehen keinesfalls unbedeutend, ist doch die Frage nach der Abgrenzung des Markts aufs Engste mit der Identifizierung der Umweltbedingungen verbunden, die wiederum für die hier verfolgte Ableitung der marketingtheoretischen Rückschlüsse entscheidend sind. Vor diesem Hintergrund ist das Marktverständnis von Relevanz für die erarbeiteten Thesen. Folgerichtig gilt es bei der Diskussion der Thesen auch die gewählte Repräsentation des Kulturbetriebs, auf der Makroebene durch den Bereich der Austauschprozesse mit Musikaufnahmen sowie auf der Mikroebene durch die Musikschaffenden bzw. die phonographischen Unternehmen, und letztlich die damit verbundenen Umweltbedingungen zu hinterfragen. Die Thesen geben einhergehend mit dem notwendigen Induktionsschritt und der Konkretisierung des institutionellen Rahmens ein sehr praxisbezogenes Verständnis wieder. Ändern sich die Bedingungen der Umwelt können auch die marketingtheoretischen Rückschlüsse schnell hinfällig werden. Offensichtlich ist dies bei Veränderungen der Gesetze und Regelungen (z. B. im Urheberrechtsgesetz als Grundlage der Verwertung des musikalischen Schaffens) und leuchtet ebenso ein in Anbetracht der Entwicklungen im Bereich der Technologie (z. B. Smartphone als Abspielgerät für Musik). Mit der Konkretheit der Aussagen ist dann auch der Gültigkeitsbereich über die konkreten Fallkontexte hinaus zu diskutieren (vgl. Heimerl 2009, S. 391). Die Austauschprozesse sind in der verfolgten fallstudienartigen Vorgehensweise unter der Auffassung ausgewählt, sie eigneten sich für die Repräsentation des Kulturbetriebs: Ausgehend von den gewählten Austauschprozessen werden die jeweiligen Umweltbedingungen zwar branchenspezifisch aufgearbeitet, lassen sich das institutionelle Setting (z. B. organisatorische Trennung von künstlerisch-kreativer Leistung und Vermittlungsleistung) bzw. die Entwicklungen der Umwelt (z. B. Digitalisierung, Vertragsgestaltung) aber auch in anderen (Teil-)Branchen finden, können die aufgearbeiteten komplexen Zusammenhänge und die marketingtheoretischen Rückschlüsse ebenso für weitere (Teil-)Branchen übernommen werden. Zu beachten ist grundsätzlich, dass von einer analytischen Generalisierbarkeit ausgegangen wird (vgl. Yin 2009, S. 38 f.). Aufgrund unterschiedlicher Produktions- und Vermarktungsprozesse ist beispielsweise eine Übertragung auf den Opern- und Theaterbetrieb nur bedingt möglich, da einerseits (räumlich und

4.5 Zwischenfazit

307

zeitlich geregelte) Inszenierungen stärker als künstlerisch-kreative Leistung eines Kollektivs zu verstehen und andererseits Kulturschaffen und Kulturvermittlung organisatorisch enger miteinander verbunden sind. Folglich ist die Übertragbarkeit der Thesen eingeschränkt auf Austauschprozesse in der kulturbetrieblichen Praxis, die eine analoge Trennung von (selbstvermarktenden) Kulturschaffenden (MusikerInnen) und vermittelnden Kulturbetrieben (Unternehmen der phonographischen Industrie) zulassen. Außerdem ergeben sich Einschränkungen, ausgehend von den dargestellten Umweltbedingungen, etwa im Hinblick auf die räumliche Bezugnahme auf Deutschland. So ist es schon allein der Größe des Markts wegen für Musikschaffende in Österreich (vielleicht mit Ausnahme der MusikerInnen im Bereich Schlager und Volkstümliche Musik) weitaus weniger attraktiv sich an ein phonographisches Unternehmen (zumindest an ein Major) zu binden und die Rechte an den Musikaufnahmen sowie ein Teil der Einnahmen abzutreten. Es besteht grundsätzlich ein Bedarf an vergleichenden Studien, sowohl bezogen auf die Vermarktung von Musikaufnahmen als auch auf andere (Teil-)Branchen der Kulturwirtschaft.

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Ihren Ausgangspunkt für die Aufarbeitung des Forschungsfelds „Marketing im Kulturbetrieb“ findet die Arbeit in den Ausführungen zum Marketing. Mithilfe der Dimensionen einer Metaebene erfolgt zunächst eine Kennzeichnung der Disziplin. Im Hinblick auf den Objektbereich ist das „Marketing im Kulturbetrieb“ dem Anwendungsbezug zuzuordnen. Die Annäherungen verfolgen demnach sowohl den sektoralen als auch den branchenspezifischen Ansatz. Das sektorale Vorgehen richtet sich am Kulturbegriff aus, leitet entsprechende Gestalten und Merkmale ab und bietet damit Ansatzpunkte für die Untersuchung der Austauschprozesse. Hingegen ergründet die branchenspezifische Annäherung, einhergehend mit der Annahme, Kultur lasse sich in einem eigenständigen Wirtschaftszweig verorten, die Besonderheiten des „Marketing im Kulturbetrieb“ im Kontext der Musikwirtschaft. Da sich die Musikwirtschaft als fragmentiert erweist, ist eine Strukturierung erforderlich, um im Anschluss zwei Austauschprozesse anhand ihrer Umweltbedingungen fallstudienartig aufzuarbeiten. Mit diesem Vorgehen beschreitet die Arbeit den Versuch die Grundlage für ein kulturbetriebsspezifisches Marketing zu entwerfen. Das Anliegen dieser Schlussbetrachtung ist das Aufgreifen von zentralen, mit der Erschließung des Forschungsfelds verbundenen Herausforderungen. Hiermit sind Aspekte abseits der zuvor behandelten Besonderheiten angesprochen, die aber gleichermaßen die weitere Entwicklung des „Marketing im Kulturbetrieb“ betreffen. Kapitel 5.1 befasst sich eingangs mit der gesellschaftlichen Verantwortung, während in Kapitel 5.2 der Frage nach der Position des „Marketing im Kulturbetrieb“ innerhalb der Systematik der Wissenschaftsdisziplinen nachgegangen wird. Kapitel 5.3 schließt die Arbeit mit einem Fazit.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. H. Gröppel, Marketing im Kulturbetrieb, Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3_5

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5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

5.1

Gesellschaftliche Verantwortung

Für das „Marketing im Kulturbetrieb“ ist eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Kontext unumgänglich. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Kulturschaffenden, da nicht einfach nur Güter vermarktet werden, sondern Menschen ihre Gedanken und Empfindungen in Gestalt ihrer Werke einer Öffentlichkeit darlegen. Marketing bedeutet indessen stets auch die Perspektive zu verändern, von den anbietenden Kulturschaffenden (bzw. vermittelnden Kulturbetrieben) hin zu den Auswirkungen ihres Handelns. Die Kulturschaffenden nehmen mit ihren Werken Einfluss auf die RezipientInnen und stehen dadurch in der gesellschaftlichen Verantwortung für ihr Handeln. Gleiches gilt für die vermittelnden Kulturbetriebe. Mögliche verhaltenssteuernde Taktiken und gesamtgesellschaftlich nicht gewünschte Auswirkungen verlangen nach Aufklärung und nötigen allen Beteiligten einen stetigen kritischen Diskurs ab. So ergibt sich aus dem gesellschaftlichen Kontext das Erfordernis „Marketing im Kulturbetrieb“ unter ethischen Gesichtspunkten zu behandeln. Anhand einiger exemplarischer Punkte wird die Notwendigkeit verdeutlicht: 

Vielfach sieht sich das Marketing der Kritik ausgesetzt. Die Bandbreite reicht von Teilaspekten und leicht nachzuvollziehenden Missständen in der Praxis (z. B. irreführende und/oder aufdringliche Werbung, mangelhafte Beratung im Verkauf) bis hin zu grundsätzlicher Kritik am Marketing (z. B. Manipulation des Marktpartners), wobei diese Vorbehalte sich stets aus unterschiedlichen Sichtweisen betrachten lassen und zumindest teilweise aus einem falschen Verständnis heraus artikuliert werden (vgl. Hansen 1995, S. 32 f.; Hennig-Thurau 2013, S. 94). Vorwürfe kommen jedoch auch aus den eigenen Reihen, etwa wenn sich die Marketingwissenschaft die Frage nach Reformen stellt (vgl. Sheth; Sisodia 2006, S. 3 ff.; Brown et al. 2005, S. 10 ff.). Zugleich ist eine zweifelhafte Marketingpraxis, die ihre Zielsetzung ausschließlich an dem Horizont des nächsten Quartals ausrichtet, dem Management nur einseitige Anreize bietet und der jedes noch so reißerische Mittel recht ist, um kurzfristig Gewinn abzugreifen, nur bedingt mit der in der Wissenschaft erarbeiteten marktorientierten Führungskonzeption gleichzusetzen (vgl. Hennig-Thurau 2013, S. 94 ff.). Dass sich Kritik häufig an das Marketing richtet, liegt wohl einerseits am Sichtbarwerden der

5.1 Gesellschaftliche Verantwortung

311

Unternehmensfunktion auch außerhalb des Betriebs und andererseits an dem selbsterklärten Führungsanspruch (Hansen 1995, S. 31; Kaas 1999, S. 128). Wie sich beispielsweise am „Human Concept“ (Dawson 1969) zeigt, werden als Reaktion auf die vorgetragene Kritik schon frühzeitig Überlegungen zu ethischen Aspekten angestellt, denen aber vorerst nur wenig Beachtung zuteilwird. Allerdings findet unter dem Begriff „Marketingethik“ derweil eine intensive Auseinandersetzung mit Fragen zur deskriptiven und präskriptiven Ethik statt. So liegen inzwischen zahlreiche Ausarbeitungen vor, in Buchform (vgl. beispielsweise Murphy et al. 2005) sowie als Publikation in den einschlägigen Journals. Für Letzteres kann etwa auf die Arbeit von Ferrell und Gresham (1985) verwiesen werden, die in ihrem Artikel „A Contingency Framework for Understanding Ethical Decision Making in Marketing“ einen ersten Rahmen der Marketingethik ausarbeiten. Darüber hinaus findet die Arbeit von Hunt und Vitell (1986) viel Beachtung. Eine weitere, in diesem Zusammenhang erwähnenswerte Entwicklung stellt das Sustainability Marketing (Belz; Peattie 2012) dar. 

162

Kultur lässt sich nicht abschalten. Sie besitzt normative Verbindlichkeit, schwingt trotz eines allgemeinen Plädoyers für kulturelle Vielfalt stets in der Ausgestaltung des Angebots mit.162 Aus der Einsicht, die Anerkennung eines Werks als Kulturgut sei das Resultat gesellschaftlicher Auseinandersetzung, ergibt sich die Auffassung, dass die

So findet Zembylas (2004, S. 107 f.) Zustimmung, wenn er schreibt, dass „wohin man blickt, in die Agenden der öffentlichen Kulturförderung, in die Sammlungstätigkeit eines Museums, auf das Programm eines Volksmusikfestivals oder auf die Leitziele eines Kulturvereins, kann man feststellen, dass der jeweils implizit angewandte Kunst- oder Kulturbegriff nicht unendlich offen und polysemisch ist, wie manche poststrukturalistischen und semiotischen Theorien uns weismachen wollen. Die Einschränkung der semantischen Ambiguität durch Werte, normative Kriterien und Taxonomien ist unvermeidbar und uneliminierbar. Werte sind die Bedingung dafür, dass bestimmte Gegenstände symbolische und ostentative Funktionen übernehmen und so erst überhaupt zu Kulturgütern werden können. […] Werte, Normierungen und Taxonomien sind folglich, sehr frei gesagt, eine Art ‚Bedingung der Möglichkeit‘, ohne die der Kultursektor nicht kodierbar und in der Folge von anderen Bereichen der Gesellschaft ununterscheidbar wäre […]. Das bedeutet, dass der Kulturbegriff der Kulturorganisationen und die Konzeption von Kulturgütern im Tauschprozess normativ imprägniert sind.“

312

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis? Vermarktung eines Kulturguts eine Form der gezielten Einflussnahme in diese gesellschaftliche Auseinandersetzung darstellt. Überhöhter Konformitätsdruck, Probleme der gezielten Informationssteuerung bis hin zu den Gefahren der politischen Agitation bzw. der Propaganda sind hiermit verbunden. Stets zu diskutieren sind Überlegungen, inwiefern sich das Marketing mit seinen Strategien und Instrumenten auf die gesellschaftlichen Verhältnisse auswirkt und inwieweit auch die Interessen der anderen, der Dissidenz, des möglicherweise politisch Inkorrekten und damit die fremden, den eigenen Vorstellungen widersprechende Werte Anerkennung und Raum finden. 

163

Sind Kultur und Werte Gegenstand der Marktforschung, zieht dies bei vielen Menschen Unmut auf sich, vor allem wenn dies für kommerzielle Zwecke geschieht. Ebenso sorgen die Sammlung und Auswertung der Daten im Internet (Stichwort: Big Data) zur Prognose des menschlichen Verhaltens für Missmut.163 Dabei spielt in diesem Zusammenhang auch die noch vielfach verbreitete groteske Vorstellung von souveränen KonsumentInnen eine Rolle (vgl. Kroeber-Riel; Gröppel-Klein 2013, S. 743 ff.). Angesichts der Bedeutung von Kultur für den Menschen als soziales Wesen scheint dieses Vorgehen von grundsätzlicher Brisanz zu sein. Insbesondere die Entwicklung des Neuromarketing muss hier Anstoß zur Diskussion darüber sein, inwieweit der Mensch (als KonsumentIn) ausgeforscht werden darf (vgl. Murphy; Illes; Reiner

Menschen geben heute aus freien Stücken immer mehr über sich preis, durch Ausstellung ihrer selbst liefern sie sich (sich in Freiheit wähnend) der ständigen gegenseitigen Kontrolle und Überwachung aus. So „entblößen wir uns“, Han (2016, S. 22) zufolge, „freiwillig ohne jeden Zwang, ohne jede Verordnung. Wir stellen freiwillig alle mögliche Daten und Informationen über uns ins Netz, ohne zu wissen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über uns weiß. Diese Unkontrollierbarkeit stellt eine ernst zu nehmende Krise der Freiheit dar. […] Big Data ist ein sehr effizientes psychopolitisches Instrument, das es erlaubt, ein umfassendes Wissen über die Dynamiken der gesellschaftlichen Kommunikation zu erlangen. Dieses Wissen ist ein Herrschaftswissen, das es möglich macht, in die Psyche einzugreifen und sie auf einer präreflexiven Ebene zu beeinflussen.“ Zugleich sind es nicht nur Staaten bzw. Geheimdienste, sondern vor allem private Unternehmen, die, in dem Glauben das menschliche Verhalten beherrsch- und vorhersagbar zu machen, persönliche Daten sammeln und in jede erdenkliche Richtung auswerten, um hieraus Kapital zu schlagen.

5.1 Gesellschaftliche Verantwortung

313

2008). Ob und in welchem Ausmaß hier regulierende Eingriffe (z. B. seitens der Politik) erforderlich sind, ist eine Frage der Gesinnungsbzw. Verantwortungsethik. 

164

Kritik wird zum Teil auch an der offenen Absicht der Gewinnerzielung geäußert. Hierdurch, so die Begründung, werde der künstlerischkreative Anspruch der Kulturschaffenden in Zweifel gezogen. Da es an dieser Stelle nicht um eine allgemeine Kritik an der Gewinnorientierung gehen kann, stellt sich eher die Frage, wie hoch der Preis und der Gewinn sein dürfen. (Ähnliche Fragestellungen ergeben sich, wenn ein Werk für werbliche Zwecke eines Unternehmens eingesetzt, seine Aussage gegebenenfalls der werblichen Botschaft untergeordnet wird. Anders ist die Situation vielleicht zu beurteilen, wenn sich hierdurch Möglichkeiten der Quersubventionierung auf Seiten der Kulturschaffenden ergeben.) Die ökonomische Realität des Kulturschaffens darf keinesfalls ausgeblendet werden. Eine künstlerisch-kreative Tätigkeit von Berufs wegen auszuüben, bedeutet für Kulturschaffende darauf angewiesen zu sein mit ihren Werken Geld zu verdienen.164 Nicht selten kann heutzutage neben dem Prestige auch die Vorstellung vom

Dies gilt ebenso für die vermittelnden Kulturbetriebe (Bourdieu 2001, S. 240 f.): „Das verleugnete ‚ökonomische‘ Unternehmen des Gemäldehändlers oder Verlegers, in dem Kunst und Geschäft sich vermählen, kann selbst unter ‚ökonomischen‘ Gesichtspunkten nur Erfolg haben, wenn es sich von der praktischen Beherrschung der Funktionsgesetze und spezifischen Anforderungen des Feldes leiten läßt. Der Unternehmer in Sachen Kulturproduktion muß eine ganz und gar unwahrscheinliche, jedenfalls seltene Kombination in sich vereinigen: Realismus, der minimale Konzessionen an die verleugneten (und nicht negierten) ‚ökonomischen‘ Notwendigkeiten beinhaltet, und ‚interesselose‘ Überzeugung, die diese ausschließt. […] Und so wie der Verleger oder Gemäldehändler, der als ‚Entdekker‘ zu wirken gedenkt, nichts mit dem reinen Händler gemein hat, so steht er nicht minder in Gegensatz zu jenen, die in der kommerziellen Dimension ihres Unternehmens denselben Eingebungen folgen wie in der kulturellen. […] Es liegt an der tiefgreifenden Zwiespältigkeit des Universums der Kunst, daß auf der einen Seite Neuankömmlinge ohne Kapital sich durchaus auf dem Markt behaupten können, nämlich indem sie sich auf jene Werte berufen, in deren Namen auch die Herrschenden ihr (seither mehr oder minder in ‚ökonomisches‘ Kapital umgewandeltes) symbolisches Kapital akkumulierten; und daß auf der anderen Seite lediglich jene die symbolischen Gewinne wie auch die ‚ökonomischen‘ Profite ihrer symbolischen Investitionen voll einstreichen können, die zu rechnen und mit den in dieser verleugneten Ökonomie angelegten ‚ökonomischen‘ Zwängen taktisch umzugehen verstehen.“

314

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis? finanziellen Wohlstand ein Teil der Motivation des professionellen Kulturschaffens sein. So sind die „Stars“ – nicht etwa nur der (populären) Musik- oder Filmwirtschaft, sondern in allen (Teil-)Branchen der Kulturwirtschaft – in der Lage exorbitante Summen einzunehmen. Gelegentlich in den Sphären der Hochkultur noch immer als Antagonisten positioniert, sind Kultur und Ökonomie im Kulturbetrieb tatsächlich eine untrennbare Allianz eingegangen. Fraglich bleiben aber das Ausmaß und die zuweilen drastische Verkürzung des kulturellen Werts auf kommerziellen Erfolg.

Das „Marketing im Kulturbetrieb“ kann Aspekten dieser Art nur insofern gerecht werden, als sie mit einem verstärkten Bewusstseinsprozess für die ethische Dimension von Marketingentscheidungen einhergehen. So ist das „Marketing im Kulturbetrieb“ bzw. das „Kulturgütermarketing“ mit einer bestimmten Haltung, einem Berufs- oder Branchenethos zu verbinden, das mehr darstellt als ein Lippenbekenntnis. Pointiert formuliert: Es geht nicht „nur“ um das „Marketing der Kultur“, sondern auch um die „Kultur des Marketing“. Diese Anregungen richten sich hier im Sinne einer Unternehmensethik in erster Linie an den einzelnen Marktakteur. So stehen letztlich alle EntscheidungsträgerInnen im Kulturbetrieb in der Verantwortung, nicht nur für die eigene wirtschaftliche Existenz, sondern auch für die vor- und nachgelagerten Stufen der Wertschöpfung sowie für die Entwicklung und Ausrichtung der Kultur bzw. des Kulturbetriebs als Ganzes. Der Einbezug der Wechselwirkungen zwischen Marketing und Gesellschaft ergänzt die für gewöhnlich mikroperspektivische Betrachtung, indem Marketingentscheidungen auf aggregierter Ebene untersucht werden (vgl. Raabe 1995, S. 1427 f.). Somit sind gleichzeitig auch weitreichendere wirtschaftsethische Überlegungen anzustellen, die Relevanz für EntscheidungsträgerInnen der Praxis wie auch politische Instanzen besitzen. Ein im marktwirtschaftlichen Wettbewerb agierender Akteur sieht sich Bedingungen ausgesetzt, die für das eigene Handeln nur einen bestimmten Spielraum zulassen und eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenbaren. Bei starkem Wettbewerb können individuelle Maßnahmen zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung zu existenziellen Wettbewerbsnachteilen führen, sodass es zur Überwindung des Dilemmas eher auf kollektives Handeln ankommt (Kaas 1999, S. 146). Bei Branchenvereinbarungen bleibt indessen die

5.1 Gesellschaftliche Verantwortung

315

Freiwilligkeit stets das dünne Eis auf dem kollektive Maßnahmen basieren: Sofern sich Einzelne nicht an eine Vereinbarung halten, wird sie hinfällig. Die anderen Marktakteure werden sich nicht mehr gebunden fühlen und versuchen einen möglichen Wettbewerbsnachteil wieder wettzumachen. Ein Verweis auf die mögliche Regelung durch staatliche Eingriffe ist an dieser Stelle richtig, lässt aber nicht unbedingt optimistische Töne anstimmen. Wer „jenseits von Festreden und Parteiprogrammen“ immer noch auf die flächendeckende öffentliche Finanzierung kultureller Angebote setzt, wird vom derzeitig vorherrschenden kulturpolitischen Handeln wohl unweigerlich enttäuscht (vgl. Wagner 2006, S. 172). Gegenwärtig läuft die Entwicklung mit dem Abbau von Subventionen und der Förderung der Privatisierung vielerorts nämlich zum einen eher in die Gegenrichtung und zum anderen werden (auch bei steigenden Gesamtbeträgen) die öffentlichen Gelder auf immer mehr kulturelle Angebote verteilt. Bei der Entscheidung über öffentlich finanzierte Kulturangebote argumentiert die Politik mit der Meritorik, was sich in Anbetracht einer paternalistisch anmutenden Haltung keinesfalls als unproblematisch darstellt. Die Einstufung eines bestimmten (kulturellen) Angebots als meritorisch zieht auf (wirtschafts-)politischer Ebene in der Regel staatliche Förderung nach sich. Auf diese Weise werden bestimmte Güter bzw. deren Anbieter von der Kulturpolitik protegiert, anderen bleiben die damit verbundenen Privilegien verwehrt. Die Bewertung eines Guts als meritorisch (bzw. demeritorisch) fällt allerdings stets subjektiv aus. Was gefördert wird, wer und mit welcher Legitimation entscheidet, was als verzerrte Präferenz der BürgerInnen und gesellschaftlich wünschenswerter Versorgungsgrad gilt, ist Auslöser von Kontroversen. Eine regellose Entscheidung über direkte und indirekte Förderung bleibt, fernab eines Verweises auf historisch gewachsene Strukturen, ebenso wie eine Förderentscheidung (allein) auf der Grundlage von Quoten, Reichweiten, Klicks oder Verkaufszahlen fragwürdig. In öffentlichen Auseinandersetzungen über das Kulturschaffen geht es unterdessen vermehrt um ökonomische Kategorien. Der Wunsch subjektive Qualitäten in objektiven Quantitäten auszudrücken, kulturelle Güter permanent (in Rankings wie dem Kunstkompass, Musikcharts etc.) messbar zu machen, verleitet zu dem Glauben, die ermittelte Reihenfolge spiegele die tatsächliche Leistung wieder, bildet letztlich aber nicht mehr als den Markterfolg ab (und

316

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

übersieht dabei häufig sogar die fehlende Chancengerechtigkeit in den Ausgangspositionen). Die Politik nimmt dabei rückwärtsgewandt die Steigerungslogik der Wirtschaft auf. Sie fördert, wie sie nur kann: mehr Kultur, vor allem aber mehr Wirtschaft und schließlich auch mehr (private) Kulturwirtschaft. Damit sind immer mehr kulturelle Angebote in Reichweite – zu denken ist nur an die unterschiedlichen Freizeitangebote, lokal wie regional, oder an die über moderne Informations- und Kommunikationstechnologie abrufbaren Angebote (z. B. 40 Millionen Musiktitel abrufbar via Streaming-Dienst). Was aber bedeutet diese Entwicklung in einer Gesellschaft, in der sich die soziale Stellung eines Menschen in den kulturellen Konsumentscheidungen äußert, in der es nicht mehr (nur) darauf ankommt, bestimmte Angebote (z. B. jene, die traditionell der Hochkultur zugeschrieben werden) wahrzunehmen, sondern der kulturelle „Allesfresser“ dazu angehalten ist konsumieren zu müssen, um nicht zu den Abgehangenen und Ausgegrenzten zu gehören, also die eigene Anschlussfähigkeit zu erhalten? So fehlt es zugleich in Bezug auf den Konsum kultureller Leistungen in den westlichen, wohlhabenden Gesellschaften weit weniger an Geld als vielmehr an Zeit und Aufmerksamkeit die Angebote auch tatsächlich wahrzunehmen. Dem Effizienzdenken ausgeliefert, immer mehr in einer nicht vermehrbaren Zeit zu konsumieren, führt mitunter zu eigentlich absurden Phänomenen wie „Binge-“ oder „Speed-Watching“. Von der Steigerung des Konsums (und der Konsumfähigkeit) unter den Voraussetzungen der Zeitknappheit, von dem ständigen Gefühl begleitet etwas zu verpassen, bleibt häufig nur „das erschöpfte Selbst“ (Ehrenberg 2004) zurück.165 Dabei ist der

165

Mit der Illusion von Freiheit und dem Versprechen von Selbstverwirklichung findet der Kapitalismus (im Gewand des Neoliberalismus) zu seiner Vollendung in der Selbstausbeutung ein effizienteres Mittel als in der Fremdausbeutung; zugleich gibt sich das Subjekt (oder besser: das Ich als stets neu zu entwerfendes Projekt), im Wahn der Selbstoptimierung gefangen, für das Scheitern selbst die Schuld, die perfide Intelligenz des neoliberalen Herrschaftsregimes unterdrückt so jegliche, vor allem die gemeinschaftlich getragene Systemkritik (vgl. Han 2016, S. 9 ff.). So kennzeichnet der Kollaps, die sich ausbreitende Erschöpfung – ausgedrückt in der Diagnose des Burn-outs und der Depression – ein System, in dem Selbstoptimierung zur Selbstausbeutung wird, in dem sich Freiheit in Zwang und Unterwerfung umkehrt und das immer weitere Lösungen zur Selbstoptimierung und Effizienzsteigerung (vom Selbstmanagementworkshop über das Mentaltraining bis hin zur Therapie) parat hält ein ins Stocken geratenes

5.1 Gesellschaftliche Verantwortung

317

Wert der Pluralität der Informationen, der maximalen Vielfalt des kulturellen Angebots zu beleuchten – nicht misszuverstehen mit einem Plädoyer für Einseitigkeit und Begrenzung, sondern verbunden mit der Frage, ob ein (quantitatives) Maximum an Konsum den Nutzen (im Hinblick auf das Bedürfnis nach Orientierung) tatsächlich steigert. Wird – im Gegenteil – durch Reizüberflutung und Stress nicht gar Zeit und Aufmerksamkeit verbraucht, sodass letztlich ein wirklich befriedigender Konsum nicht mehr möglich ist? Geht es bei der Rezeption von kulturellen Werken nicht eher darum etwas zu konsumieren, das vielmehr eine Qualität als eine Quantität besitzt? Bleibt mit einer Erweiterung und Fragmentierung des Konsums (und der Konsummöglichkeiten) an einem Endpunkt, an dem (mit der vollständigen Entfaltung des Individuums) alle für sich etwas anderes konsumieren, kein öffentlicher Diskurs stattfindet, also die Kollektivität verloren geht, nicht die Kultur auf der Strecke? Die Überwindung dieser systemimmanenten Logik, der Ausrichtung auf Steigerung und Wachstum, scheint ohne auch Überlegungen anzustellen, die auf die Veränderung (wenn nicht gar die Abkehr) des (den Austauschprozessen zugrunde liegenden) kapitalistischen Wirtschaftssystems abzielen, nicht vorstellbar. In der Folge treten neue Fragen auf die (politische) Agenda, die nach einem analytischen Gespür ebenso wie nach einem hohen Maß an visionärer Kraft verlangen: Wie etwa sieht eine Postwachstumsgesellschaft 166 aus? Wie sehen die Bedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption von Kulturgütern in einer solchen Gesellschaft aus? Welche Rolle spielt dabei das (Kulturgüter-)Marketing? Ebenso sind unter diesen Gesichtspunkten politische Forderungen wie etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine Kulturflatrate und deren Auswirkungen auf den Kulturbetrieb zu diskutieren.

Subjekt wieder in das System einzufügen, ja wieder zum Funktionieren zu bringen (vgl. ebenda, S. 42 ff.). 166

Unter Postwachstumsgesellschaft kann nach Rosa (2016, S. 727) eine Sozialformation verstanden werden, die durchaus zu jeder Zeit fähig ist zum Wachstum, zur Beschleunigung und zur Innovation, um den Status quo richtungsweisend verändern zu können, nicht aber, um den institutionellen Status quo zu erhalten, zur Steigerung gezwungen ist.

318

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Auch unmittelbar in der Wissenschaft treten ähnliche Problemstellungen in Erscheinung. So ergibt sich, selbst wenn in der wissenschaftlichen Analyse keine explizite Bewertung der Qualität von bestimmten Kulturgütern vorgenommen wird, die grundsätzliche Frage danach, wie mit dem eigentlichen Gegenstand der Forschung, der Kultur bzw. den Kulturgütern daselbst, umzugehen ist. Im Rückblick zeigt sich, wie sich der Wandel der gesellschaftlichen Auslegung, was als Kultur anerkannt wird (und was nicht), geprägt von der Differenzierung in Hochund Populärkultur, auch in der wissenschaftlichen Forschung festmacht. So trägt die Wissenschaft mit ihren Entscheidungen, welcher Kultur bzw. welchen kulturellen Ausdrucksformen sie sich in ihrer Forschungsarbeit annimmt, welche Gattungen und Werke bei der Auswahl des Forschungsobjekts Priorität erhalten und welchen Bereichen gegenüber sie eine affirmative Haltung einnimmt, zur Legitimation derselbigen bei. Ist sich die Wissenschaft über diesen (indirekten) Eingriff in die gesellschaftliche Auseinandersetzung bewusst, ist in diesem Zusammenhang auch denkbar, dass sie sich mitunter vorsätzlich bislang vernachlässigten Kulturbereichen (z. B. Art Brut) widmet. Einher mit diesen Überlegungen geht die Auseinandersetzung mit normativen Aussagen in der Wissenschaft.167 Diese bedeuten zunächst „den sicher erscheinenden Boden der Prüfbarkeit logischer und empirischer Aussagen“ (Küpper 1999, S. 71) zu verlassen, gestatten zugleich aber der Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung der Wissenschaft verstärkt zutage zu treten. Für Franke (2002, S. 115) sind Werturteile deshalb „so etwas wie das ‚menschliche Element‘ in der kühlen und rationalen Wissenschaft.“ Bei der Verwendung von Werturteilen offenbart sich allerdings ein Normendissens hinsichtlich der Aufgaben der Wissenschaft sowie ihrem Verhältnis zur Praxis

167

Hier geht es nicht grundsätzlich um Werturteile in der Wissenschaft. Basiswerturteile sowie Werturteile im Objektbereich der Wissenschaft gelten als unstrittig (vgl. Franke 2002, S. 116 f.). Hingegen kontrovers diskutiert werden vor allem Werturteile im Aussagenbereich, so etwa im Werturteilsstreit bzw. im Positivismusstreit. In der Marketingwissenschaft herrscht Uneinigkeit, ob und inwieweit normative Aussagen zulässig sind (vgl. Raffée 1995, S. 1676; Franke 2002, S. 115 ff.). Sie sieht sich bisweilen mehr der Position des kritischen Rationalismus und dem Postulat der Werturteilsfreiheit verbunden, was die kritische Haltung gegenüber Werturteilen im Aussagenzusammenhang begründet (vgl. Raffée 1995, S. 1676; Chmielewicz 1994, S. 292 ff.).

5.1 Gesellschaftliche Verantwortung

319

(Chmielewicz 1994, S. 308). Im Sinne des Ideals der wissenschaftlichen Objektivität drückt das Webersche Postulat die Ablehnung von Werturteilen im Aussagenbereich aus (Weber 1968, S. 151): „Eine empirische Wissenschaft vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur, was er kann und – unter Umständen – was er will.“ Zweifel an dessen Anwendbarkeit bestehen aber, da es schon durch den Einbezug jener Zielsetzungen, die den Lösungsansätzen realer Problemstellungen der betrieblichen Praxis zugrunde liegen, eigentlich zu keinen wertfreien Verfahrensvorschlägen bzw. wertfreien Lösungen praktischer Probleme kommen kann (Schreyögg 2007, S. 157). Küpper (1999, S. 56) führt zur (vermeintlichen) Werturteilsfreiheit in der Betriebswirtschaftslehre aus: „Bei selbstkritischer Betrachtung ist auch nicht zu verkennen, daß der Weg von der Normensetzung in Prämissen (beispielsweise eines rationalen, gewinn- bzw. nutzenmaximierenden oder eines opportunistischen Verhaltens) zu deren (impliziter) Empfehlung nicht weit ist. Wenn die in der Lehre verwendeten und vermittelten Modelle sowie Aussagensysteme von derartigen Prämissen ausgehen, werden diese auch ‚transportiert‘. Wer trotzdem von Wertfreiheit spricht, ist zumindest nahe daran, seine ‚Hände in Unschuld zu waschen‘.“ Die Praxis verlangt nach Hilfestellung für ihre Entscheidungsfindung und kann sich hierfür nur begrenzt an dem gesetzlichen Rahmen orientieren (vgl. McCarty 1988). Damit wird in die Überlegungen eingebunden, dass das Marketing als wissenschaftliches Konzept zwar bedingt vorgeprägt ist, sich vor allem aber durch die Verwendung in der Praxis eine ethische bzw. moralische Dimension ergibt, sprich in der Umsetzung konkreter Entscheidungen durch die Marketingverantwortlichen unter den entsprechenden Markt- und Umweltbedingungen (vgl. Murphy et al. 2005, S. 43). Wenn folglich die Entscheidungen und die damit verbundenen Wertungen in jedem Fall vollzogen werden, ist weniger von Bedeutung, ob eine Wertung vorgenommen wird, als vielmehr die Frage, bei wem die Zuständigkeit hierfür liegt, wobei zu berücksichtigen ist, dass, sofern als Konsequenz des Postulats der Werturteilsfreiheit die Aufgabe der Wertung ausschließlich von der Praxis übernommen wird, eine Wertediskussion vornehmlich auf singulärer Ebene stattfindet und die Bildung genereller Werturteile entfällt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 301 f.). Klafft eine derartige Lücke, weil sich die zuständige Wissenschaftsdisziplin auf wahrheitsfähige generelle Aussagen beschränkt, stoßen gegebenenfalls andere Disziplinen, bestimmte Interessen-

320

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

gruppen, also mitunter auch fachfremde Personen und Institutionen (z. B. Kirche, Presse), hinein, denen es am Unterbau einer Theorie und/oder Technologie mangelt (ebenda, S. 302 f.). Eine Wissenschaft, die einen Beitrag zur menschlichen Daseinsbewältigung leisten will, kann sich der gesellschaftlichen Verantwortung für die Verwendung ihrer Erkenntnisse und damit auch Werturteilen im Aussagenzusammenhang nur schwer entziehen. Schließlich verliert die Wissenschaft mit dem Umfahren strittiger Thematiken ihre Mitsprache und ihren Einfluss auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Eine generelle, an das wissenschaftliche Personal gerichtete Aufforderung als moralisches Korrektiv aufzutreten, mag wohl einer verqueren Sicht auf den Kompetenzbereich der Wissenschaft unterliegen und von daher abwegig sein. Anstelle versteckter Wertungen ermöglicht eine als solche kenntlich gemachte Diskussion und Offenlegung von Werturteilen im Aussagenbereich hingegen die Ergebnisse der Kulturbetriebsforschung einzuordnen und gegebenenfalls vorab, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend, die Weichen für Politik und Praxis gegen mögliche Fehlentwicklungen zu stellen. Selten findet sich eine derart klar formulierte Positionierung wie bei Hofecker (2006, S. 179 f.): „Für die Kulturbetriebslehre ist es wichtig zu betonen, dass sie dem Gegenstandsbereich ihrer Forschung und Lehre gegenüber keine distanzierte, wertneutrale Position vertritt, sondern ausdrücklich und bekanntermaßen parteiisch denkt und argumentiert. […] Wir sind pro Kunst und Kultur eingestellt, wir sind für eine höhere Ressourcenzuteilung für den Kulturbereich und die Kulturbetriebe, wir meinen, dieser Bereich verdient ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und Bedeutsamkeit durch die Gesellschaft und öffentliche Hand. Wir sind für die Gewährleistung von Rahmenbedingungen, die freien und vermehrten Zutritt aller Gesellschaftsschichten in den Kulturbetrieb ermöglichen, wir entwickeln Argumentationsketten, die der Gewährleistung von Vielfalt und Pluralität hohe Priorität beimessen u.a.“ Wie ein solch offenes Bekenntnis für „Kunst und Kultur“ tatsächlich aussieht und wie weit dieses geht, zeigt sich erst in der konkreten Forschungsarbeit. Letztlich wird damit aber ermöglicht den Fokus auf das Handeln der WissenschaftlerInnen selbst zu richten und durch die Verknüpfung wirtschaftlicher Zusammenhänge mit einer ethischen Dimension in Aussicht gestellt, die Disziplin in Position zu bringen, ihre Bedeutung für die

5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext

321

Menschen – was in diesem Fall auch heißt weg von dem altbekannten Vorwurf der einseitigen Ausrichtung an den Interessen der Unternehmen – im gesellschaftlichen Kontext zu betonen. Inwieweit sich die wissenschaftliche Forschung und Lehre ethischen Fragestellungen gegenüber verschließen und strikt auf die Werturteilsfreiheit verweisen kann, bleibt also strittig.

5.2

(Inter-)Disziplinärer Kontext

Die moderne (institutionalisierte) Wissenschaft betreibt eine hochspezialisierte Wissens- und Erkenntnissuche, die in einer Vielfalt von Disziplinen organisiert wird (Heilbron 2005, S. 23). Geht es um das Forschungsfeld des „Marketing im Kulturbetrieb“ und dessen Einordnung in die Systematik der Wissenschaftsdisziplinen, bleibt nicht aus vorab nach den Gründen für eine Abgrenzung und Einteilung der Wissenschaft in verschiedene Disziplinen zu fragen. Popper (1965, S. 67) sieht ein solches Vorgehen allein begründet zum einen durch die Historie und die administrative Zweckmäßigkeit sowie zum anderen durch die Tendenz der erarbeiteten Theorien zu einheitlichen Systemen zusammenzuwachsen. Eingedenk des fortschreitenden wissenschaftlichen Arbeitsaufwands taugt gegenüber einer grundsätzlichen Kritik an der gedanklichen Abgrenzung von Teilaspekten eines Phänomens und einer entsprechenden Einteilung des wissenschaftlichen Arbeitens in verschiedene Disziplinen vor allem das Argument der Handhabbarkeit. So kann mit Chmielewicz (1994, S. 21 f.) begegnet werden, dass „Arbeitsteilung […] nicht nur in der Industrie üblich, sondern bei explosiv steigendem Wissensfortschritt auch in der Wissenschaft unvermeidlich [ist]. Die Trennung in Disziplinen ganz aufzugeben, beseitigt zwar den viel beklagten Nachteil der Isolierung, führt aber zu einem anderen Nachteil, nämlich zum anderenfalls fast unvermeidlichen Dilettantismus auf unübersehbar großen Gebieten. Der Gedanke der Einheitswissenschaft ohne disziplinäre Teilgebiete bleibt eine Illusion; seine Folge wäre der Amateur (mit negativem Wertakzent) und Universaldilettant. Fraglich kann nicht das Ob, sondern nur das Wie einer wissenschaftlichen Arbeitsteilung sein.“

322

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Eine generelle Diskussion über die Abgrenzung von Einzelwissenschaften ist an dieser Stelle müßig. Das wissenschaftliche Arbeiten (im akademischen Umfeld) verlangt nach Systematik. Forschungsfelder werden auf die eine oder andere Art zusammengelegt und in eine bestimmte Ordnung gebracht. Die Hoffnung liegt zuweilen darauf wissenschaftliche Forschung innerhalb klar voneinander abgegrenzter Disziplinen zu ermöglichen. Allerdings kann ein und dasselbe Phänomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt werden. Austauschprozesse sind nicht etwa nur für die Marketingwissenschaft von Interesse, sondern bieten sich gleichermaßen für WissenschaftlerInnen anderer Disziplinen als Untersuchungsgegenstand an. Zu denken ist nur an die unterschiedlichen rechtlichen, technischen oder sozialen Aspekte, die in diesem Zusammenhang aufgegriffen werden können. Den Phänomenen der Erfahrungswelt wohnt eine solche Abgrenzung nicht inne – sie wird ihnen im Wissenschaftsbetrieb auferlegt. Im Arbeitsalltag mögen WissenschaftlerInnen die Lösung ihrer disziplinspezifischen Probleme mitunter unbewusst der Tatsache einer konstruierten Systematik der wissenschaftlichen Arbeitsteilung angehen (vgl. Heilbron 2005, S. 24 ff.). Mit dem Betreten neuer, vergleichsweise junger Forschungsfelder gehen aber unweigerlich Überlegungen einher, die sich auf deren Stellung innerhalb der Systematik der Wissenschaftsdisziplinen beziehen. Es ergeben sich Fragen nach der etablierten Einteilung der Wissenschaften und einer entsprechenden Einordnung des „Marketing im Kulturbetrieb“. Sofern die innerwissenschaftliche Disziplinierung im Zuge dessen (zu) streng ausgelegt wird, unterliegt die Forschung den Fußfesseln der akademischen Einteilung. Der Begriff „Disziplin“ als ein Wissensgebiet, das sich durch einen gewissen Grad an Spezialisierung sowie festgelegte Formen der Kontrolle bezüglich Produktion und Diffusion von Wissen auszeichnet (ebenda, S. 27), nimmt hiernach Bedeutungen an wie „auferlegtes Verhalten“ oder „Zucht“ (ähnlich auch disziplinarisch für „mit Hilfe einordnender Gewalt“, „streng“ bzw. disziplinieren für „zur Ordnung anhalten“, „erziehen“, „fügen“, „maßregeln“). Eine strikte Einhaltung der traditionellen Grenzen hat die Vernachlässigung der Grenzgebiete und die Auflösung (bzw. die Unkenntnis) von Querverbindungen zwischen den Disziplinen zur Folge (Chmielewicz 1994, S. 21). Neue Einsichten und Erkenntnisse, die das Arbeiten an der Schnittstelle liefern kann, bleiben bei einer

5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext

323

isolierten Betrachtung unentdeckt. Eine einmal etablierte Einteilung darf deshalb nicht als allgemeinverbindlich erachtet werden, eher als bewährte Hilfestellung, die es gelegentlich neu zu justieren gilt. Anders als den Gegenstand über ein abstraktes Identitätsprinzip zu bestimmen, findet das „Marketing im Kulturbetrieb“ seinen Ausgangspunkt in der kulturbetrieblichen Praxis. Die dort zustande kommenden Austauschprozesse, die damit verbundenen Herausforderungen und fortwährenden Veränderungen stehen im Vordergrund der wissenschaftlichen Forschung. Demnach wird Abstand genommen von einer allzu engen Abgrenzung der zu bearbeitenden Problemstellungen (vgl. Schreyögg 2007, S. 152 f.). Eine akribische Abgrenzung, ein Problemkomplex in Teilaspekte zerlegend, verspielt mit ihrem reduktionistischen Vorgehen (möglicherweise) den Sinn für die kulturbetrieblichen Zusammenhänge. Reale Probleme der Praxis können folglich so verschiedenartige Aspekte umfassen, dass – mit dem Ziel ein Phänomen umfassend auszuleuchten – für deren Bearbeitung die Aufgabe der monodisziplinären Herangehensweise erforderlich ist und von den Forschenden die Integration des problemrelevanten Wissens aus unterschiedlichen Disziplinen abverlangt wird (vgl. Chmielewicz 1994, S. 30 ff.; Jungert 2010, S. 8). Will die Wissenschaft einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten, reicht eine strikte disziplinäre Problembearbeitung eben nicht aus, denn: „[A]ll this classification and distinction is a comparatively unimportant and superficial affair. We are not students of some subject matter but students of problems. And problems may cut right across the borders of any subject matter or discipline“ (Popper 1965, S. 67). Damit wird die Komplexität der Problemstellung betont, in der Folge das wissenschaftliche Arbeiten mit dem Überschreiten von Fachgrenzen problemorientiert ausgerichtet. Gleichzeitig bleibt mit dieser losen Zuordnung die Frage nach der Zuständigkeit innerhalb der Wissenschaft zunächst unbeantwortet. Die Eigenständigkeit des „Marketing im Kulturbetrieb“ ist gegenwärtig nicht umsetzbar. Insbesondere im Hinblick auf dessen Entwicklungsperspektive ist diese Frage also alles andere als belanglos. Innerhalb der Marketingwissenschaft ist noch kein derartiger Forschungsschwerpunkt erkennbar. Im Gegenteil: Es wird eher generelle Kritik an der fortschreitenden Spezialisierung der Teilgebiete und der bestehenden Gefahr der Fragmentierung laut. Da das größte Interesse am „Marketing im

324

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Kulturbetrieb“ derzeit bei der Kulturbetriebslehre (bzw. dem Kulturmanagement) auszumachen ist (und sich diese Fachdisziplin größeren Zulaufs erfreut), bietet sich schon aus rein pragmatischer Sicht eine Fortführung der Entwicklung unter dessen Schirmherrschaft an. Eine solche Anbindung – dies ist der eigentlich entscheidende Punkt – ist bereits in dem Forschungsansatz der Arbeit verankert. Ähnlich wie für die Kulturbetriebslehre – Zembylas (2004, S. 15) spricht vom Reduktionismusvorwurf – besteht damit auch für das „Marketing im Kulturbetrieb“ die Annahme, eine rein wirtschaftstheoretische Auseinandersetzung werde dem Kulturbetrieb in seiner Komplexität nicht gerecht. In der Folge ergibt sich eine Auswahl an Stammdisziplinen analog zur Positionierung der Kulturbetriebslehre (vgl. Hasitschka; Tschmuck; Zembylas 2005, S. 148). „Marketing im Kulturbetrieb“ sieht demnach (neben der Marketingwissenschaft) die Kulturund Sozialwissenschaften als integrale Bestandteile und kennzeichnet sich als Interdisziplin.168 Damit muss das „Marketing im Kulturbetrieb“, vertreten durch die Kulturbetriebslehre (bzw. das Kulturmanagement), im permanenten Dialog mit den originären Disziplinen stehen (z. B. im Rahmen gemeinsam abgehaltener Symposien). Ist das Marketing der Ausgangspunkt, von dem sich innerfachlich an die Interdisziplinarität genähert wird, gilt dies hier insbesondere für das

168

Jungert (2010, S. 1 ff.) liefert einen Überblick über die Vielfalt von Begriffen, die sich in irgendeiner Weise auf das Verhältnis wissenschaftlicher Disziplinen zueinander beziehen (z. B. Multi-, Pluri-, Cross- und Interdisziplinarität). Sicherlich falsch verstanden ist das interdisziplinäre Arbeiten, wenn bei der Überschreitung einer Fachgrenze der Bezug zum ursprünglichen Fachbereich verloren geht, sodass es sich genau genommen um einen Fachwechsel handelt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 27). Ebenso geht es nicht um die „nur“ multidisziplinäre Bearbeitung, bei der eine Problemstellung in zwei oder mehr Disziplinen nebeneinander stehend behandelt wird; die interdisziplinäre Vorgehensweise stellt die im Hinblick auf einen (aus der Praxis) ausgewählten Problemkomplex verfolgte Integration verschiedener Disziplinen in den Vordergrund (vgl. Repko; Szostak; Buchberger 2014, S. 28 ff.; Chmielewicz 1994, S. 32). Zuweilen wird in der Verwendung des Begriffs „Interdisziplinarität“ ein Hinweis gesehen auf die Erosion von Disziplinen als bestimmende Form akademischer Organisationen (Heilbron 2005, S. 43). Gleichzeitig bewirkt die Kennzeichnung als Interdisziplin die (implizite) Übernahme der gängigen Systematik der Wissenschaften. So wird hier mit Bezug auf die kulturbetriebliche Praxis das ureigene Forschungsfeld durch die Schnittmenge der Problem- und Fachabgrenzung der originären Disziplinen markiert.

5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext

325

Verhältnis zur Marketingwissenschaft (vgl. Kapitel 5.3).169 Die jeweiligen Entwicklungen zu verfolgen und kritisch zu reflektieren, ist für die eigene Standortbestimmung zwingend erforderlich. Bei einem losen Nebeneinander besteht ansonsten die Gefahr von Überschneidungen in der Forschungsarbeit. Als Herausforderung erweist sich der Einbezug der Kultur. Kulturelle Phänomene sind komplex und bieten verschiedene Aspekte für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung an. In der Tat kann im Rahmen der Auseinandersetzung mit kulturellen Phänomenen eine Vielzahl unterschiedlicher Disziplinen aufgegriffen werden. Hierbei stellt sich also die Frage nach den relevanten Wissensgebieten. Von Interesse sind zunächst weniger die Wissenschaften, deren eigentlicher Gegenstandsbereich aufgrund vielfältiger Zusammenhänge dem Einfluss der Kultur unterliegt, als vielmehr jene Wissenschaften, die mit der Erschließung des Forschungsfelds „Kultur“ ihre Kernaufgabe verbinden. Zu letzteren können hier etwa die Sprach- und Literaturwissenschaft, die Musik-, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft gezählt werden, ebenso wie die Kunstwissenschaft, die sich mehr den Werken, deren Gestaltung und historischer Entwicklung widmet. Ausgehend von einem kulturell-kommunikativen Austauschprozess decken auch die Publizistik- bzw. Kommunikationswissenschaft und die Medienwissenschaft einen zentralen Bereich ab. Problematisch erscheint, dass auch die spezifischen Wissenschaften, die sich mit Kultur befassen, keineswegs als klar abgrenzbare Disziplinen auftreten und selbst diese Auflistung auf ihre Vollständigkeit zu hinterfragen ist. Die

169

Das „Marketing im Kulturbetrieb“ wird in Anlehnung an Zembylas (2004) als eine Inter-Disziplin gekennzeichnet. In Anbetracht des gewählten Ausgangspunkts – Annäherungen aus den Sozialund Kulturwissenschaften sind ebenso denkbar – wird es kritisch hier schon von interdisziplinärer Forschung zu sprechen. Eine Argumentation ist möglich, die das Marketing bereits als interdisziplinär versteht, schließlich greift die Marketingdisziplin, wie gezeigt, auf die Erkenntnisse anderer Disziplinen zu, sie gilt aber mit ihrem Objektbereich als eigenständig. Zwar ist Interdisziplinarität insofern festzustellen, als (vor allem in der sektoralen Annäherung) deutlich wird, dass die kulturbetriebsspezifischen Austauschprozesse weitere Aspekte umfassen, die von der Marketingwissenschaft nicht abgedeckt werden und eine ergänzende bzw. integrierende Auseinandersetzung mit anderen Wissensgebieten notwendig werden lassen, dennoch muss die Bezeichnung „Inter-Disziplin“ durch einen längeren Bestand des Forschungsfelds (und gegebenenfalls eine Einbindung in die Lehre sowie einen gewissen Grad der Organisation) gerechtfertigt sein. Deshalb ist zunächst bewusst die Rede von Annäherungen.

326

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Disziplinen sind teilweise mehr, teilweise weniger über Begriffe, Konzepte, Methoden und Theorien miteinander verknüpft. Angesichts dessen wird die Kulturwissenschaft als integrativer Bezugsrahmen angesehen. Hierfür ist stets ein Zwischenweg aus der hermetischen Abriegelung einzelner Disziplinen und der vollständigen Abschaffung von Fachgrenzen zu finden. In der Forschungsarbeit ergibt sich dann in Abhängigkeit von der konkreten Problemstellung auf welche Disziplin(en) Bezug zu nehmen ist. Den kulturellen Phänomenen wird sich über einen soziologischen Zugang genähert. Es wird (weitestgehend) wertfrei vorgegangen und die von Menschen geschaffenen Bedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption von kulturellen Symbolen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Diesem Verständnis nach steht der Kontext des künstlerisch-kreativen Schaffens (bzw. des Kulturbetriebs) und des gesellschaftlichen Rahmens im Mittelpunkt. Zum einen ist, da die Werke der Kulturschaffenden (als Hervorbringungen des Kulturbetriebs) rezipiert, gesellschaftlich besprochen und ihre Wertungen (Anerkennung und Ablehnung) verhandelt werden, von Auswirkungen des künstlerisch-kreativen Schaffens (bzw. des Kulturbetriebs) auf die Gesellschaft auszugehen. Damit wird in dieser Hinsicht auf die Verwendung kultureller Güter zur Orientierung im sozialen Miteinander abgestellt. Diese Auffassung entspricht vor allem dem „Kulturgütermarketing“. So wird in der sektoralen Annäherung erkennbar, dass die Werke der Kulturschaffenden gesellschaftlich eingesetzt werden. Die Beziehung sieht zum anderen vor, dass das künstlerisch-kreative Schaffen (bzw. der Kulturbetrieb) dem Einfluss der unterschiedlichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterliegt. Auf der Branchenebene wird Kultur indirekt über die Auswahl der Austauschprozesse berücksichtigt und mehr auf die konkreten Umweltbedingungen und ihre Auswirkungen eingegangen. Das „Marketing im Kulturbetrieb“ befasst sich also mit den Austauschprozessen im Kontext des künstlerisch-kreativen Schaffens (bzw. des Kulturbetriebs) und des gesellschaftlichen Rahmens. Damit sind zwei wesentliche Aspekte auszumachen: (1) „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. „Kulturgütermarketing“) zielt auf die Anbahnung, Förderung und Abwicklung von kulturbetrieblichen Austausch-

5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext

327

prozessen, insbesondere zwischen Kulturschaffenden und RezipientInnen. Die zugrunde liegende Auffassung ist nicht ausschließlich auf den wirtschaftlichen Austausch einer Leistung (etwa in Gestalt eines physischen Produkts) und einer monetären Gegenleistung beschränkt, sondern integriert mit dem kulturellkommunikativen Austausch gleichermaßen die kulturelle Sichtweise. Für die Kulturschaffenden als Anbieter stellt sich zunächst die Frage, wie dem abstrakten Bedürfnis nach Orientierung in künstlerisch-kreativer Hinsicht zu entsprechen ist. Für die Nachfrager ergibt sich hingegen das Problem die kulturellen Leistungsangebote in all ihrer Vielfalt (auch mit Bezug auf die konkrete Angebotsgestaltung, also zeitlicher Rahmen, Preis etc.) zu überblicken und schon vorab im Hinblick auf das genannte Bedürfnis einzuordnen. Diese Bedingungen machen es sowohl für Anbieter als auch Nachfrager erforderlich Auskünfte über die potenziellen Tauschpartner und die entsprechende (Gegen-)Leistung einzuholen sowie zugleich Informationen über das eigene Angebot bzw. das Bedürfnis nach Orientierung bereitzustellen. Dabei gilt es für die Anbieter das Leistungsangebot auch in Bezug zum Wettbewerb zu sehen und grundsätzlich darauf abzuzielen (aus Sicht der Nachfrager) Vorteile im Wettbewerb langfristig sicherzustellen. Da kulturelle Phänomene nicht objektiv bewertet werden können, also nicht festzustellen ist, welches Angebot bzw. welcher Leistungskern besser ist, richtet sich die Aufgabe des Marketing vor allem darauf den (potenziellen) Nachfragern gegenüber die Vorteilhaftigkeit des Angebots – auch in kultureller Hinsicht – herauszustellen und entsprechend zu vermitteln. Das „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. das „Kulturgütermarketing“) beabsichtigt demzufolge die gezielte Einflussnahme auf die Auswirkungen des künstlerisch-kreativen Schaffens auf die Gesellschaft, will heißen: auf die Rezeption, die gesellschaftlichen Verhandlungen und Wertungen der Werke der Kulturschaffenden. (2) Da im Kontext gleichzeitig die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt sind, wird auch nach der Herausbildung spezifischer kultureller Praktiken und den Auswirkungen des „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. des Kulturgütermarketing) gefragt. Dabei richtet sich der Fokus entsprechend weniger darauf, was „Kunst und Kultur“ ist, sondern vielmehr auf den Formationsprozess, also wann, wo und wie ein Gegenstand oder eine Handlung derart bezeichnet wird (vgl. Zembylas 2004, S. 140), und wie das Marketing in

328

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

diesem Prozess zum Einsatz kommt. Indem von der Wechselseitigkeit des künstlerisch-kreativen Schaffens (bzw. des Kulturbetriebs) und des gesellschaftlichen Rahmens ausgegangen wird, beschränkt sich die (wissenschaftliche) Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld von kulturellem Wert und ökonomischer Realität nicht „nur“ auf die singulären Interessen der Kulturschaffenden oder des (vermittelnden) Kulturbetriebs, sondern umfasst ebenso gesamtgesellschaftliche Belange. Aus der (inter-)disziplinären Ausrichtung des „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. des „Kulturgütermarketing“) ergeben sich einige grundlegende Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens, die im Folgenden überblicksartig aufgegriffen werden: 

170

Mit der Forderung nach interdisziplinärer Forschung ist in Anbetracht natürlich begrenzter Forschungskapazitäten und einer gemeinhin bestehenden Gefahr des Dilettantismus der Frage nach deren Organisation nachzugehen.170 Für das Arbeiten auf interdisziplinärem Terrain ist die Aneignung des notwendigen Sachverstands unerlässlich – zweifelsohne eine Herausforderung die Entwicklungen, Denktraditionen und Schulen mehrerer Disziplinen zur Gänze und in systematischer Art und Weise zu überblicken. So wird es KulturwissenschaftlerInnen nur mit großen Mühen gelingen anspruchsvollen marketingtheoretischen Ausführungen folgen zu können, ebenso wie es selbstredend für betriebswirtschaftlich geschulte WissenschaftlerInnen mit Anstrengungen verbunden ist das Feld der „Kunst und Kultur“ aufzuarbeiten. Da die Forschenden möglicherweise angesichts der Vielzahl der involvierten Disziplinen nur bedingt die jeweiligen Entwicklungen zu überblicken imstande sind, besteht neben der Forschung durch einzelne WissenschaftlerInnen zunächst die Möglichkeit diesen Bedenken durch die Zusammenstellung einer Forschungsgruppe aus

Vollmer (2010, S. 61 ff.) teilt die Schwierigkeiten des interdisziplinären Arbeitens in vier Gruppen: Demnach erfordert Interdisziplinarität neben viel Wissen auch Vereinfachungen (die Verfälschungen begünstigen), führt zu Verständnisschwierigkeiten (bzw. Missverständnissen) und leidet unter Selbstüberschätzung einer oder mehrerer Parteien.

5.2 (Inter-)Disziplinärer Kontext

329

WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen entgegenzutreten. Die beteiligten Disziplinen können durch ausgebildete FachvertreterInnen abgedeckt werden, ohne dass es für Einzelne notwendig wird sich die Kompetenzen der jeweils anderen in vollem Umfang aneignen zu müssen. Allerdings kommt es für Forschende, die alleine interdisziplinär arbeiten, auch nicht darauf an, möglichst viele Disziplinen vollends zu beherrschen, sondern zu erfassen, welche Aspekte von Bedeutung sind, sich entsprechend einzuarbeiten und über geeignete Quellen Informationen zu besorgen, was unter Umständen bedeutet die direkte Aussprache mit den jeweiligen FachvertreterInnen zu suchen (Vollmer 2010, S. 59). 

Bei der Zusammenarbeit bzw. Zusammenführung mehrerer Disziplinen mag außerdem die Verwendung der jeweiligen elaborierten Fachsprache eine Rolle spielen. Zu überdenken ist etwa, inwieweit die Terminologie des Marketing übernommen wird, um sich bewusst entweder an das „allgemeine“ Marketing zu binden oder von dem Referenzsektor abzugrenzen. Von Bedeutung ist aber vor allem über die Fachgrenzen des Marketing hinaus eine gemeinsame sprachliche Basis zu finden. So mögen im Marketing-Fachjargon übliche Begriffe wie Marketingmix oder Produktpolitik im Kontext des künstlerischkreativen Schaffens bzw. des Kulturbetriebs nur bedingt vermittelbar sein. Eine terminologische Verknüpfung fördert neben dem Abbau gegenseitiger Vorbehalte auch die sachliche Einbindung der einzelnen Disziplinen.



Mit Interdisziplinarität geht zunächst die Vielfalt an Theorien einher. Der in der Marketingforschung geltende theoretische Pluralismus kommt diesem Umstand zugute. Es besteht eine generelle Offenheit gegenüber anderen, also nicht ursprünglich als wirtschaftswissenschaftlich bzw. betriebswirtschaftlich gekennzeichneten Theorien. Auf Seiten der theoretischen Grundrichtungen des Marketing ist auffällig, dass neoklassische Ansätze in der Arbeit ausgeklammert werden. Sie finden mit ihren strengen Annahmen nur wenige Anknüpfungspunkte mit dem Kulturbetrieb – eine Einsicht, die bereits in der Kulturbetriebslehre formuliert wird (vgl. Hofecker 2006, S. 180). Gleichwohl

330

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis? Aspekte der Neuen Institutionenökonomik (z. B. Informationsökonomik) angesprochen werden, setzt die Entwicklung des „Marketing im Kulturbetrieb“ mit dem gewählten soziologischen Zugang insbesondere an der Verhaltenswissenschaft an. Sowohl in der sektoralen Annäherung (z. B. Bourdieu, Schulze, Werteforschung, Freizeitforschung, Lebensstilforschung) als auch in der branchenspezifischen Annäherung zur Darstellung der Umweltbedingungen (z. B. Productionof-Culture-Ansatz) bietet sich eine soziologische Herangehensweise an Kulturgüter bzw. den Kulturbetrieb an. Mit einer solchen Ausrichtung geht auch der Eklektizismusvorwurf einher. Da sich die Phänomene des Kulturbetriebs allerdings als facettenreich darstellen, sind verschiedene theoretische Ansätze erforderlich. So ist – insbesondere in einem frühen Stadium der Entwicklung – eine zentrale Aufgabe problemorientiert auf das Wissen der verschiedenen Gebiete zuzugreifen und dieses zusammenzuführen. Gleichzeitig ist hiermit die zentrale Forderung verbunden eigene Theorien zu entwickeln. 

Darüber hinaus können die Forschungsmethoden angesprochen werden. Die Entwicklung spezifischer Methoden erscheint gegenwärtig abwegig. Eine Anpassung der eingesetzten empirischen Methoden hingegen ist (zumindest teilweise) unerlässlich. Die quantitative Herangehensweise mit einem starren Fragenkatalog zum Testen von Hypothesen übersieht in ihrem Bemühen Häufigkeiten abzubilden, dass es abseits der vorgegebenen Antworten auch noch eine andere Sichtweise der Wirklichkeit geben kann (Hansen 2009, S. 71): „Dennoch: Beide Methoden haben ihre Vorzüge. Die qualitative Herangehensweise besitzt insofern eine gewisse Überlegenheit, als sie offen ist für unerwartete und nicht absehbare Einsichten. Sie lässt Korrektur meiner Wirklichkeitssicht zu. Demgegenüber wartet die quantitative Erhebung mit dem Vorteil auf, dass Häufigkeitsquotienten erscheinen, aus denen […] Schlüsse gezogen werden können. Aus der Perspektive der Kollektivität lässt es sich so formulieren: Die qualitative Methode gibt der Individualität und dem individuellen Überschuss mehr Raum, was zu Korrekturen Anlass geben kann, während das quantitative Gegenstück auf solche Differenzierungen bewusst verzichtet. Dieser Verzicht,

5.3 Fazit

331 der das Kollektiv geschlossener erscheinen lässt, als es ist, erwirtschaftet einen Zugewinn an Pragmatik und Operationalisierbarkeit.“ Gerade in Bezug auf Kulturgüter lässt sich allerdings festhalten, dass diese eben nur sehr begrenzt über quantitative Methoden erfasst werden können. Vielmehr bietet sich für das „Kulturgütermarketing“ die Ergänzung durch qualitative Methoden an, insbesondere als Gegengewicht zur gegenwärtig stark auf die Anwendung komplexer statistischer Methoden ausgerichteten Marketingforschung. Auch an dieser Stelle wird aber nicht die grundsätzliche Sinnhaftigkeit wissenschaftlicher Rigorosität thematisiert, sondern die Relevanz der Problemstellung in den Vordergrund gerückt. Die Anwendung empirischer Methoden erfolgt nicht zum Selbstzweck – sie richtet sich an der Problemcharakteristik aus. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist ebenso ein vermehrt konzeptionelles Arbeiten erforderlich.

5.3

Fazit

Das „Marketing im Kulturbetrieb“ ist als programmatische Vertiefung des Marketing in den Anwendungsbereich des Kulturbetriebs zu verstehen. In dem zugrunde liegenden Anwendungsbezug drückt sich folglich das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis aus. Es geht in grundsätzlicher Art und Weise um das Aufgreifen der Probleme der Praxis durch die Wissenschaft sowie die Übertragung und Nutzbarmachung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Praxis. Zur Diskussion steht idealerweise nicht das Entweder-oder von kognitivem und pragmatischem Wissenschaftsziel, sondern deren Balance im Hinblick auf Erkenntnisgewinn und Verwertungsnutzen. Sektorales und branchenspezifisches Marketing stellen im eigentlichen Sinne bereits Mittelwege aus einer auf höchster Abstraktionsebene angeordneten, allgemeinen Marketingtheorie und den konkreten Problemstellungen der Praxis dar. Offensichtlich setzt aber der branchenspezifische Ansatz mehr auf die Umsetzung in der Praxis, während der sektorale Ansatz die Betonung eher auf den Erkenntnisgewinn legt. Dies spricht die Bedeutung des in der wissenschaftlichen Forschung gewählten Blickwinkels und die damit verbundene Frage an, wie weit in die Tiefe eine solche an-

332

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

wendungsbezogene Betrachtung geht. Die Suche nach einem geeigneten Generalisierungsniveau hängt zunächst von der Kreativität der Forschenden sowie von Abwägungen zur Zweckmäßigkeit und theoretischen Fruchtbarkeit der möglichen Abgrenzungskriterien ab (Schuh; Holzmüller 2005, S. 4; Scheuch 1998, S. 60). Dieses Vorgehen bedeutet stets den schmalen Grat zwischen zweckmäßiger Reduktion und Entstellung der Realität zu finden. Die gewählte Perspektive auf den Realbereich stellt „das Ergebnis eines heuristischen Entscheidungsprozesses in einer Vorstufe der Theorieentwicklung“ dar und ist für einzelne ForscherInnen, die den „richtigen“ Grad der Generalisierung für ihre Forschung suchen, ebenso von Bedeutung wie in einer kollektiven Sichtweise für eine ForscherInnengemeinschaft, die sich „auf bestimmte Leitperspektiven verständigt, die die Forschung auf Teilfachgebiete fokussieren soll und die Wissensakkumulation fördert“ (Schuh; Holzmüller 2005, S. 4). Angesichts des Stellenwerts von Kultur bzw. Kulturgütern ist bei der Übertragung des Marketing auf den Anwendungsbereich des Kulturbetriebs zunächst eine Ansiedlung des „Marketing im Kulturbetrieb“ auf sektoraler Ebene erstrebenswert. Die Konzeption des „Kulturgütermarketing“ verfolgt dabei keine institutionelle Herangehensweise im eigentlichen Sinne. Kultur lässt sich nicht auf bestimmte, greifbare Produkte festlegen und folglich auch nicht (oder nur bedingt) in einem speziellen Wirtschaftszweig verorten. Die Auslegung des Kulturbegriffs macht vielmehr deutlich, dass das Kulturgut im gesellschaftlichen Zusammenspiel der Akteure entsteht. Der Anwendungsbezug ergibt sich zum Teil aus einem Nutzenbezug, das heißt das „Kulturgütermarketing“ ist auf ein abstraktes Bedürfnis ausgerichtet. Sofern sich das „Kulturgütermarketing“ auf sektoraler Ebene nicht durchsetzen kann, ist der Anspruch, als eigenständiger und gleichberechtigter Sektor wahrgenommen zu werden, zu verwerfen und eine Konzeption auf branchenspezifischer Ebene angebracht. Der Anwendungsbezug wird in diesem Fall über die angebotene Leistung hergestellt. Indem für die Branchenbestimmung Kultur als Austauschobjekt vorausgesetzt wird, entfällt zugleich die Frage nach deren Besonderheit für den Austauschprozess. „Marketing im Kulturbetrieb“ beschäftigt sich dann, einhergehend mit der Konkretisierung des institutionellen Rahmens, vornehmlich mit den Umweltbedingungen und deren Auswirkungen. Zwar besteht vor allem auf politischer Ebene die Vorstellung einer Kulturwirtschaft, die die Produktion, Distribution

5.3 Fazit

333

und Rezeption von kulturellen Symbolen in einem Wirtschaftszweig zusammenfasst, für eine branchenspezifische Annäherung wird jedoch der Zugriff auf die (Teil-)Branchen erforderlich. Vorteilhaft ist, dass durch branchenspezifische Analysen, trotz des komplexen Beziehungsgeflechts zwischen den Akteuren, aus der Vielzahl der Austauschprozesse einzelne aufgegriffen werden können. Mit Bezug auf die Musikwirtschaft können so nicht „nur“ die Austauschprozesse zwischen Musikschaffenden und RezipientInnen (als „Kulturgütermarketing“), sondern ebenso jene zwischen Unternehmen der phonographischen Industrie und Musikschaffenden (als Dienstleistungsmarketing) analysiert werden. Die Bedeutung des (vermittelnden) Kulturbetriebs rückt stärker in den Fokus. Eine branchenspezifische Konzeption kann auf diese Weise der Sammlung und Aufbereitung von empirisch vorfindlichem Material über das Marketing des jeweiligen Wirtschaftszweigs dienen; zu verallgemeinernden Aussagen wird es hingegen nur sehr bedingt kommen (vgl. Engelhardt 2000, S. 110). Die Entwicklung einer Marketingtheorie vereinzelter Wirtschaftszweige ist wenig aussichtsreich.171

171

Die institutionelle Herangehensweise trägt wesentlich zur Strukturierung des Marketing bei, lebt aber vor allem durch Praxisrelevanz, weniger durch theoretische Fundierung und sieht sich konfrontiert mit grundsätzlichen Problemen in der Klassifizierung und Abgrenzung sowie der Gefahr fragmentierte Aussagen aufzustellen (vgl. Engelhardt 2000, S. 114 f.). Bei genereller Kritik an der institutionellen Betrachtungsweise ist darauf zu verweisen, dass – in Ergänzung durch andere Perspektiven – auch weiterhin hieran festzuhalten ist, solange keine aussichtsvolle und konsensfähige Alternative bereitsteht, die es schafft verschiedene Bereiche zu integrieren, nicht auf bloßer intellektueller Neugierde beruht und ohne jeglichen Nutzen für die Praxis verbleibt. So wiegt vor allem das Fehlen einer allgemeinen Marketingtheorie schwer. Schuh und Holzmüller (2005, S. 24) gehen jedoch davon aus, dass „die Vorstellung von einer allgemeinen Marketingtheorie […] [implizit] auf einer funktional-instrumentellen Perspektive [gründet], die primär an der Herbeiführung und Beeinflussung von Einzeltransaktionen von Produkten in Konsumgütermärkten ausgerichtet ist.“ Demnach zielt eine derartige Perspektive vor allem auf den Anwendungsbereich der Konsumgüter ab. Es gilt: Institutionelle und funktionelle Gliederung bilden keinen Widerspruch, auch nicht bei einer Analyse auf Branchenebene (vgl. Chmielewicz 1994, S. 19; Tscheulin; Helmig 2001, S. 29). Genau genommen ist der institutionelle Fokus stets mit anderen Ansätzen, etwa der funktionellen bzw. instrumentellen Betrachtungsweise verknüpft (vgl. Engelhardt 2000, S. 111 f.). Ihr Verhältnis ist folglich eher als komplementär zu verstehen. Problematisch hingegen ist das nebulöse Nebeneinander, wenn also keine übergreifende Integration stattfindet.

334

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Das auf sektoraler Ebene angeordnete „Kulturgütermarketing“ ist dem branchenspezifischen Marketing insofern überlegen, als es sich aufgrund des Allgemeinheitsgrads durch eine höhere Fruchtbarkeit auszeichnet. Es wird möglich marketingrelevante Differenzierungen vorzunehmen, die in verschiedenen Branchen parallel auftretenden Entscheidungssituationen entsprechen, sodass aus wissenschaftstheoretischer Sicht ein höherer Erklärungswert besteht (vgl. Schuh; Holzmüller 2005, S. 18; Scheuch 1998, S. 61). So wirkt ein branchenspezifisches Marketing zwar vordergründig praxisnäher, da eine stärkere Konkretisierung eingegangen wird, jedoch resultiert hieraus auch ein geringerer Informationsgehalt, da die Allgemeinheit sowie gegebenenfalls die Bestimmtheit sinkt (vgl. Chmielewicz 1994, S. 198). Mit zunehmender Konkretisierung auf einen bestimmten Fall kann die Auseinandersetzung in weiten Teilen lediglich auf einer deskriptiven Ebene stattfinden und mit dem stärkeren Praxisbezug geht der Verzicht auf eine theoretische Fundierung einher (vgl. Engelhardt 2000, S. 113). Wichtig anzumerken ist aber, dass zwar auf den ersten Blick der eingangs formulierte Verweis auf eine alternative Beziehung zwischen den Ansätzen auf die Notwendigkeit eines klaren Bekenntnisses hinzuweisen scheint, hiermit aber vielmehr eine wechselseitige Bezugnahme auf die Ebenen gemeint und folglich auch eine Vermittlung zwischen sektoralem und branchenspezifischem Marketing angedacht ist. Für das Verständnis des Abstrakten ist die eingehende Beschäftigung mit dem Konkreten unerlässlich. Die Frage, welcher Blickwinkel zu wählen ist, wie sich dem „Marketing im Kulturbetrieb“ zu widmen ist, kann nicht abschließend beantwortet werden. Hiermit sind die Werturteile im Entdeckungszusammenhang angesprochen, also jene Werturteile, die sich auf die fachbezogene und inhaltliche Steuerung der Forschung beziehen (vgl. Chmielewicz 1994, S. 288 ff.; Yadav 2010, S. 2 f.). Ob sich die Forschung mit dem Feld „Marketing im Kulturbetrieb“ befasst und welcher Ansatz als richtig erachtet wird, lässt sich lediglich über ein normatives Abwägen von Für und Wider bestimmen. Andere Vorgehensweisen sind unzweckmäßig, denn „[w]er derartige Abgrenzungs- und Interpretationsprobleme apriorisch nach der Eleganz oder Geschlossenheit der entstehenden Theorie oder nach bewährten Bürokratenmaximen (‚War schon immer so‘) […] entscheiden will, kann schwerwiegende Fehlsteuerungen der Forschungsprozesse einer ganzen Disziplin begünstigen“ (Chmielewicz 1994, S. 292).

5.3 Fazit

335

Im Hinblick auf das Verhältnis zum „allgemeinen“ Marketing ist festzuhalten, dass das Forschungsfeld „Marketing im Kulturbetrieb“ zu einem Zeitpunkt auf die Agenda tritt, an dem sich das Marketing als etablierte betriebswirtschaftliche Disziplin mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung auseinandersetzen muss. Sich als (gleichberechtigter) Forschungszweig in die bestehende Struktur der Marketingwissenschaft einzuordnen, stellt die bevorstehende Herausforderung dar. Hilfreich kann dabei grundsätzlich der Blick auf die Entwicklung anderer (Teil-)Disziplinen sein (vgl. Berry; Parasuraman 1993). Einige VertreterInnen der Marketingwissenschaft reagieren allerdings (zu Recht) skeptisch auf die programmatische Ausdifferenzierung, mehr noch: Sie sehen eine (anwendungsbezogene) Spezialisierung als Risiko ihren Forschungsgegenstand aus den Augen zu verlieren und lediglich praxisorientierte, kurzfristige Hilfestellungen zu leisten. Zwar ist die zunehmende Spezialisierung marketingwissenschaftlicher Programme in Anbetracht eines fortgeschrittenen Entwicklungsstands und einer zunehmenden (auch internationalen) Verbreitung im universitären Forschungsbetrieb unausweichlich, sie geht aber ebenso mit der in fachliterarischen Auseinandersetzungen regelmäßig aufgegriffenen Gefahr der Fragmentierung einher. Auch die (Fehl-)Entwicklungen der Vergangenheit lassen die Einsicht zu, insbesondere das Aufgreifen von Moden, die sich letztlich jedoch als mehr oder weniger substanzlos erweisen, führe zu einer Zersplitterung des Felds (vgl. Engelhardt 1998, S. 13). Nahezu jedem (neuen) Phänomen (bzw. jeder Branche) einen eigenen Forschungsbereich einzuräumen, scheint, schon allein um den Überblick behalten und Entwicklungen einordnen zu können, unzweckmäßig. Hierbei handelt es sich um einen gewichtigen Einwand, der zunächst gegen eine weitere Ausdifferenzierung spricht. So ist etwa, in Anlehnung an Smudits (2002, S. 211 ff.), kritisch zu hinterfragen, ob die „Ökonomisierung der Ästhetik“ auf der einen und die „Ästhetisierung der Ökonomie“ (das heißt die kapitalistisch strukturierte Ökonomie verfolgt durch Corporate Design, Eventisierung, Branding etc. die Strategie der Ästhetisierung) auf der anderen Seite nicht derart weit fortgeschritten ist, dass sich zumindest einige Aspekte des „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. des „Kulturgütermarketing“) bereits im „allgemeinen“ Marketing finden? Sind also Faktoren wie das Freizeitverhalten, die symbolische Ebene, der Einsatz von Medien etc. in der Konzeption des „allgemeinen“ Marketing nicht schon abgedeckt? Oder überspitzt formuliert: Steckt im

336

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

„allgemeinen“ Marketing nicht schon (zu) viel des „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. des „Kulturgütermarketing“)? Hier bleibt vorerst nur die Einsicht diesen Einwand zwar als berechtigt aufzufassen, ihm aber zugleich mit einer gewissen Gelassenheit zu begegnen. Denn klar ist: Sofern sich das „Marketing im Kulturbetrieb“ nicht durchsetzen kann, weil es im Wettbewerb mit dem „allgemeinen“ Marketing bzw. als dessen Substitut für den Kulturbetrieb bei der Problemlösung nicht bestehen kann, so wird dieser Forschungszweig mehr oder weniger hinfällig – ein Vorgang, den einzelne WissenschaftlerInnen gegebenenfalls als bitter empfinden mögen, der in der Wissenschaft aber alltäglich ist. Erweist sich das „Marketing im Kulturbetrieb“ hingegen als ergiebig, wird es (in welcher Form auch immer) im Sinne der wissenschaftlichen Arbeitsteilung auf kurz oder lang als komplementärer Forschungszweig innerhalb der Marketingwissenschaft anerkannt. Das Marketing befindet sich in der Phase der Ausdifferenzierung. Gerade in dieser Phase trennt sich die sprichwörtliche „Spreu vom Weizen“. Die vielfältigen „neuen“ Konzepte und Varianten des „Bindestrich-Marketing“ stehen vor der Bewährungsprobe, ebenso müssen sich die etablierten Sektoren behaupten. Wenn es gelingt die Ansätze miteinander zu verbinden und entsprechende Bezüge herzustellen, ist eine zunehmende Ausdifferenzierung eine Bereicherung, auch für das „allgemeine“ Marketing. Die Einbindung neuer, möglicherweise fachfremder Ansätze oder die Analyse bisher unbeachteter Forschungsfelder vermag Impulse für die etablierten Sektoren zu liefern. Sofern sich das „Kulturgütermarketing“ mit seinem interdisziplinären Zugang als zuständiger Sektor für die Symbolproduktion und -vermittlung positionieren kann, wird die Marketingforschung insgesamt vorangetrieben, da die gewonnenen Erkenntnisse ebenso die anderen Sektoren bereichern können. So ist der Sinn und Zweck des sektoralen Marketing die Wissensvermittlung in beide Richtungen zu forcieren, nicht nur vom Allgemeinen zum Speziellen, also der Transfer von „allgemeinem“ Marketingwissen auf den Anwendungsbereich des Kulturbetriebs, sondern letztlich auch eine „Reintegration sektoral erworbener Erkenntnisse in einen allgemeinen Bestand an Marketingwissen“ anzustreben und damit innerhalb der Marketingwissenschaft als zentraler Impulsgeber für die Entwicklung der Marketingdisziplin zu dienen (Schuh; Holzmüller 2005, S. 23).

5.3 Fazit

337

Die branchenspezifische Vertiefung ist unter diesem Aspekt hingegen eher kritisch zu sehen. Der Wissenstransfer verbleibt wohl vornehmlich sektorintern. Sektorübergreifende Beiträge oder gar Anregungen für eine allgemeine Marketingtheorie sind nur bedingt zu erwarten. Es geht hier (innerhalb eines Sektors) um die Auswirkungen der Umweltbedingungen der jeweiligen Branche. Grundsätzlich ist von einer branchenspezifischen Vertiefung aufgrund der stärkeren Orientierung an den Gegebenheiten der Praxis eine geringere Generalisierbarkeit der Aussagen zu erwarten. Die Forschungsergebnisse unterliegen hinsichtlich ihrer Gültigkeit dem konkreten institutionellen Rahmen. Ändern sich die Voraussetzungen in der Praxis, gilt es auch in der branchenspezifischen Forschung Anpassungen vorzunehmen. Im Extremfall wird der gesamte Forschungsbereich hinfällig. Dies trifft inhaltlich den Kritikpunkt, die Marketingwissenschaft sei in Bezug auf die Marketingpraxis eine Nachlaufwissenschaft (vgl. Tietz 1993, S. 151). Inwiefern die Einführung des „Marketing im Kulturbetrieb“ als nur eine weitere branchenspezifische Vertiefung in Einklang steht mit der verschiedentlich geäußerten Forderung an die Marketingwissenschaft, vermehrt als Vorlaufwissenschaft auftretend, sich nicht auf die Analyse der bereits beschrittenen Wege der Praxis zu beschränken, sondern neue, bislang unberücksichtigte Wege darzulegen (vgl. Meffert 2000, S. 335; Voeth 2003a, S. 24 f.), ist zu hinterfragen. Erschwerend hinzu kommt, dass das Forschen in immer stärker ausdifferenzierten Branchen, den wissenschaftsinternen Wettbewerb hemmend, einen geringeren Erkenntnisfortschritt verspricht.172 Die zunehmende branchenspezifische Vertiefung kann deshalb durchaus als Anzeichen für eine wieder vermehrte Ausrichtung des wissenschaftlichen Kräfteeinsatzes auf die (Re-)Integration mit anderen Sektoren interpretiert werden (vgl. Schuh; Holzmüller 2005, S. 25). Wiederholt werden kann an dieser Stelle nur der für die Marketingwissenschaft erstrebenswerte Zustand – gleichsam gültig für das „Marketing im Kulturbetrieb“ – eines Gleichgewichts

172

Um an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die branchenspezifische Forschung steht hier nicht als solche in der Kritik. So ist nicht ausgeschlossen, dass hierbei bedeutsame Erkenntnisse erzielt werden und eine branchenspezifische Vertiefung sektorintern Impulse liefern kann. Kritisch ist aber, wenn die branchenspezifische Konzeption, für sich stehend, nicht in einen übergeordneten Sektor eingeordnet und entsprechend verwertet wird.

338

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

zwischen praxisbezogenen Anforderungen und wissenschaftlichem Anspruch, das heißt weder im Elfenbeinturm agierend, für die Geschlossenheit einer theoretischen Erklärung den Verlust an Praxisbezug in Kauf zu nehmen, noch den kleinen Bogen zur Praxis schlagend, den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zu vernachlässigen (Meffert 2000, S. 335).173 Ein Vorwurf aus der Praxis, die Wissenschaft trage nicht oder nur begrenzt zur Lösung ihrer Probleme bei, ist ein sehr ernstzunehmender, lässt jedoch nicht direkt auf dessen Ursache in der wissenschaftlichen Forschung schließen. Neben der mangelnden inhaltlichen Bezugnahme auf die Probleme der Praxis kann es sich dabei, wie in den Ausführungen zur Marketingdisziplin gezeigt, schließlich auch um ein Kommunikationsproblem handeln, wenn kein gegenständlicher Dialog zwischen den Parteien stattfindet (vgl. Homburg 2000, S. 353 f.). Um einer möglichen Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis entgegenzuwirken, kann ein solcher Dialog zum einen in direkter Form durch das Abhalten gemeinsamer Fachkonferenzen, Workshops oder Seminare sowie selbstredend durch projektbezogene Kooperationen stattfinden. Zum anderen ist die indirekte Variante über entsprechende Publikationen ein probater Weg die Aussprache mit der Praxis zu suchen. Hierfür ist allerdings zunächst der Zugang für die Praxis sicherzustellen und darüber hinaus auf eine praxisgerechte Aufbereitung der Forschungsergebnisse zu achten, sprich auf allzu hochtrabende Formulierungen zu verzichten und – trotz aller wissenschaftlichen Komplexität – den jeweils zu vermittelnden Sachverhalt in verständlicher Art und Weise darzulegen.

173

Auch in der Lehre des „Marketing im Kulturbetrieb“ offenbart sich das angesprochene Dilemma. Aus der Praxis kommt die Forderung nach einer institutionell ausgerichteten Ausbildung, wobei der Bezug zur „Kulturwirtschaft“ wohl nicht genügt, eher eine tiefergehende Spezialisierung in die verschiedenen (Teil-)Branchen gewünscht ist. Sich mit einer derartigen Praxisorientierung als Ausbildungsstätte profilieren zu können, mag verlocken. Den wissenschaftlichen Anspruch an die universitäre Ausbildung gilt es aber aufrecht zu halten. Die Sicherstellung einer theoretisch fundierten, durch aktuelle Erkenntnisse der Marketing- und Kulturbetriebsforschung gelenkten Ausbildung, die insbesondere die Vermittlung der verschiedenen Perspektiven und deren Integration betont, ist unerlässlich. So kann es, bei allem Verständnis für die Forderung der Praxis, nicht ausreichen Marketingwissen lediglich innerhalb der kurzlebigen Strukturen spezieller Wirtschaftszweige zu beziehen. Von derart ausgebildeten MitarbeiterInnen wird auch die Praxis nicht langfristig profitieren. Einen gesunden Mittelweg zu finden, ist gleichfalls die zentrale Herausforderung für die Lehre.

5.3 Fazit

339

Ob zu diesem Zeitpunkt schon an die Gründung praxisorientierter Zeitschriften (mit PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen als AutorInnenschaft) zu denken ist, mag dahingestellt sein. In jedem Fall sind bei dem Kommunikationsproblem zwischen Forschung und Praxis die Kommunikationsmedien zu überdenken (ebenda, S. 354). Dabei sind die Möglichkeiten und Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie miteinzubeziehen (vgl. Lutz 2011). Gleichzeitig sind Lehrbücher, die mehr einer Einführung in das „allgemeine“ Marketing gleichen als eine eigenständige Konzeption darstellen, Best-Practice-Beispiele etc. eher ungeeignet. Sie dienen nur dem einseitigen Informationsfluss. Für die Wissenschaft gilt es daher einer mit Nachdruck vorgetragenen Forderung aus der Praxis hiernach Stand zu halten, sich nicht einer kurzsichtigen Praxisnähe hinzugeben, sondern sich in der wissenschaftlichen Forschungsarbeit auf praxisrelevante Problemstellungen zu fokussieren und einen echten Dialog mit der Praxis herzustellen. Um dies einzuordnen: Natürlich sind Lehrbücher (und auch Best-Practice-Beispiele) ab einem gewissen Zeitpunkt in der Lehre einzusetzen, ebenso wie die Sinnhaftigkeit praxisorientierter Bücher nicht generell infrage zu stellen ist. Sie müssen inhaltlich aber gerechtfertigt sein. Entscheidend ist die Einbindung von PraxisvertreterInnen. Zwar sorgt die zunehmende Dynamik im Kulturbetrieb dafür, dass das „Marketing im Kulturbetrieb“ vermehrt auf die wissenschaftliche Agenda tritt, es stellt aber im eigentlichen Sinne kein „neues“ Phänomen dar – die Praxis der Vermarktung von Kulturgütern ist wohl, je nach Auslegung, schon einige Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alt (vgl. Fillis 2000, S. 52; Brown 2011, S. 76). In Anbetracht der vorhandenen Erfahrungswerte liegt der Schulterschluss mit der kulturbetrieblichen Praxis nahe. Dafür ist der Praxis zu signalisieren, dass ihre Anliegen ernst genommen werden und sich ein Dialog mit der Wissenschaft im Hinblick auf die Lösung ihrer Problemstellungen lohnt. Die Marschroute lautet: von und mit der Praxis lernen (vgl. Reibstein; Day; Wind 2009, S. 2) – sowohl den Kulturschaffenden als auch den vermittelnden Kulturbetrieben. Es kann sich dabei ausdrücklich nicht nur um die VertreterInnen öffentlich finanzierter Einrichtungen handeln, sondern ebenso sind jene des privatwirtschaftlich organisierten Kultursektors einzubeziehen. Anerkennung für ihre Leistungen und Gehör für ihre

340

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

Problemstellungen zu haben, wird wesentlich über die Entwicklung und den Fortbestand des „Marketing im Kulturbetrieb“ entscheiden. Der menschlichen Daseinsbewältigung zu dienen, bedeutet für die Wissenschaft ihre Aufgabe in erster Linie in der Bearbeitung und Lösung ihrer jeweiligen (disziplinären) Problemstellungen zu sehen. Eine (Meta-)Reflexion über die (disziplinäre) Entwicklung eines Forschungsfelds trägt hierzu nicht auf direktem Wege bei. Ihr Wert liegt folglich nicht darin, sogleich neue Lösungen für die Probleme der Praxis bereitzustellen, sie ist hiermit aber über die Verschiebung des Blickwinkels sowie die einhergehende Aufdeckung bislang unberücksichtigter Aspekte untrennbar verbunden und liefert damit einen ersten wesentlichen Schritt in Richtung Theoriebildung. Augenscheinlich darf eine solche Auseinandersetzung nicht zum reinen Selbstzweck verkommen. Steht ein Forschungsfeld wie das „Marketing im Kulturbetrieb“ aber an einer Zäsur, gehört es auf den Prüfstand des wissenschaftlichen Diskurses. Insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden programmatischen Ausdifferenzierung des Marketing ist es Zeit innezuhalten und eine kritische Reflexion über das „Marketing im Kulturbetrieb“ zu initiieren. So entspricht die Übernahme und Akzeptanz von Perspektiven innerhalb der Scientific Community einem evolutionären Prozess, der nur jene Blickwinkel auf den Realbereich bestehen lässt, denen es gelingt die Herausforderungen der Praxis adäquat aufzugreifen und zugleich eine hohe theoriebezogene Ergiebigkeit sicherzustellen (Schuh; Holzmüller 2005, S. 4). Eine lethargische Haltung gegenüber dieser Auseinandersetzung ist für den langfristigen Fortbestand der Konzeption gefährlich. Neben konzeptionellen Schwächen können Gründe für ein mögliches Scheitern damit zum einen in den Anstrengungen liegen, die ein solcher wissenschaftlicher Diskurs mit sich bringt. Derartige Auseinandersetzungen über Abgrenzungen und Positionierungen sind meist beschwerlich. Zum anderen kann es an der Einsicht in die Notwendigkeit für einen wissenschaftlichen Diskurs mangeln, schließlich lässt sich empirische Forschung auch betreiben ohne eine zugrunde liegende theoretisch-konzeptionelle Basis für kulturbetriebsspezifische Austauschprozesse. Will sich das „Marketing im Kulturbetrieb“ (bzw. das „Kulturgütermarketing“) nicht als nur eine weitere Variante in die lange Reihe des „BindestrichMarketing“ einreihen, muss es mehr sein als ein bloßes Etikett. So wird, trotz der

5.3 Fazit

341

Anstrengungen von Seiten des Kulturmanagements, der Einfluss des „Kulturmarketing“ in Wissenschaft und Praxis vergleichsweise gering bleiben. Die drängenden Probleme der kulturbetrieblichen Praxis können hierdurch weder adäquat erfasst noch bearbeitet werden, sodass nur geringe Aussichten für die Anerkennung als ernstzunehmende Teildisziplin innerhalb der Marketingwissenschaft bestehen. Das „Kulturmarketing“ droht in seinem gegenwärtigen Zustand in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Dass das Anliegen dieser Arbeit nicht darin besteht ebendiese heraufzubeschwören, mit überheblichem Gestus das „Kulturmarketing“ grundsätzlich zu diskreditieren, ist offensichtlich. In der vorliegenden Arbeit drückt sich vielmehr die Vorstellung aus, ein kulturbetriebsspezifisches Marketing könne sich durch theoretisch-konzeptionelle Weiterentwicklung letztlich durchsetzen. Das „Marketing im Kulturbetrieb“ wird sich dann im Wettbewerb der (Teil-)Disziplinen behaupten, wenn es gelingt die Eigenständigkeit der Konzeption durch die Lösung zentraler Probleme der Austauschprozesse im Kulturbetrieb sicherzustellen. Die Arbeit bezweckt deshalb mit der programmatischen Ableitung der in Thesenform festgehaltenen Besonderheiten die Identifikation der verschiedenen Forschungsfelder des „Marketing im Kulturbetrieb“, denen, prospektiv gesehen, vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen ist. Sie liefert also Anhaltspunkte, wodurch sich das „Marketing im Kulturbetrieb“ als eigenständige Konzeption auszeichnet und dient als übergeordneter Rahmen, der empirische Ergebnisse einordnet und in einen größeren Zusammenhang stellt. Dabei ist erst im wissenschaftlichen Diskurs zu klären, ob die identifizierten Besonderheiten tatsächlich die Eigenständigkeit rechtfertigen bzw. sich in theoretischer Hinsicht als ergiebig erweisen. Die generierten Thesen sind demnach zu verstehen als zielgerichteter Beitrag bzw. Grundlage für den wissenschaftlichen Diskurs und sowohl für sich stehend als auch im Zusammenhang der Konzeption zu diskutieren. Sie dienen, einem dialektischen Ansatz folgend, als Ausgangspunkt des Diskurses. So können durch eine diskursive Aufarbeitung die dem theoretisch-konzeptionellen Charakter der Arbeit innewohnenden Schwächen – der Anspruch auf Objektivität und Vollständigkeit kann nur bedingt aufrechtgehalten werden – korrigiert sowie die ursprünglichen Thesen um weitere Perspektiven ergänzt und ein Fortschritt erzielt werden. Der kritische Austausch, in dem auch die Rolle des Advocatus Diaboli (z. B. Kritik der Marketing-

342

5 Schlussbetrachtung: „Marketing im Kulturbetrieb“ – quo vadis?

wissenschaftlerInnen an der Ausdifferenzierung) Anerkennung findet, ist unentbehrlich für die Weiterentwicklung des „Marketing im Kulturbetrieb“. So wird zwar die Akzeptanz des Forschungszweigs durch den allgemeinen Konsens festgelegt, dieser darf aber nicht vorschnell, ohne den notwendigen wissenschaftlichen Diskurs ausgerufen werden.

Anhang

Der Anhang umfasst neben einer Übersicht der aufgegriffenen Paragraphen des Urheberrechts- und des Verwertungsgesellschaftengesetzes weitere Abbildungen und Tabellen zu den Markt- und Umweltbedingungen. Im Text wird an der entsprechenden Stelle auf den Anhang verwiesen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 N. H. Gröppel, Marketing im Kulturbetrieb, Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26735-3

344

Anhang

Paragraphen des Urheberrechtsgesetzes Einteilung Teil 1 Urheberrecht Abschnitt 1 Allgemeines § 1 Allgemeines

Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Stand: Sept. 2016) Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes. (1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

Abschnitt 2 Das Werk § 2 Geschützte Werke

1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; 2. Werke der Musik; 3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; 4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; 5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; 6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; 7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. (2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

Abschnitt 3 Der Urheber § 7 Urheber

Urheber ist der Schöpfer des Werkes. (1) Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, ohne daß sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so sind sie Miturheber des Werkes.

§ 8 Miturheber

(2) Das Recht zur Veröffentlichung und zur Verwertung des Werkes steht den Miturhebern zur gesamten Hand zu; Änderungen des Werkes sind nur mit Einwilligung der Miturheber zulässig. Ein Miturheber darf jedoch seine Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung oder Änderung nicht wider Treu und Glauben verweigern. Jeder Miturheber ist berechtigt, Ansprüche aus Verletzungen des gemeinsamen Urheberrechts geltend zu machen; er kann jedoch nur Leistung an alle Miturheber verlangen. (3) Die Erträgnisse aus der Nutzung des Werkes gebühren den Miturhebern nach dem Umfang ihrer Mitwirkung an der Schöpfung des Werkes, wenn nichts anderes zwischen den Miturhebern vereinbart ist. (4) Ein Miturheber kann auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten (§ 15) verzichten. Der Verzicht ist den anderen Miturhebern gegenüber zu erklären. Mit der Erklärung wächst der Anteil den anderen Miturhebern zu.

Anhang Abschnitt 4 Inhalt des Urheberrechts Unterabschnitt 1 Allgemeines § 11 Allgemeines

345 Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.

(1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu Unterabschnitt 2 veröffentlichen ist. Urheberpersönlichkeits(2) Dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich recht mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der § 12 Veröffentlichungswesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner recht Zustimmung veröffentlicht ist. (1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere 1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16), 2. das Verbreitungsrecht (§ 17), 3. das Ausstellungsrecht (§ 18).

Unterabschnitt 3 Verwertungsrechte § 15 Allgemeines

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere 1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19), 2. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a), 3. das Senderecht (§ 20), 4. das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21), 5. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22). (3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. (1) Das Vervielfältigungsrecht ist das Recht, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl.

§ 16 Vervielfältigungs- (2) Eine Vervielfältigung ist auch die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen recht (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bild- oder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bild- oder Tonträger auf einen anderen handelt. (1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Verviel§ 17 Verbreitungsrecht fältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

346

Anhang (2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig. (3) Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung. Als Vermietung gilt jedoch nicht die Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken 1. von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst oder 2. im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu dem ausschließlichen Zweck, bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis benutzt zu werden. (1) Das Vortragsrecht ist das Recht, ein Sprachwerk durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen. (2) Das Aufführungsrecht ist das Recht, ein Werk der Musik durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen oder ein Werk öffentlich bühnenmäßig darzustellen.

§ 19 Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht

(3) Das Vortrags- und das Aufführungsrecht umfassen das Recht, Vorträge und Aufführungen außerhalb des Raumes, in dem die persönliche Darbietung stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. (4) Das Vorführungsrecht ist das Recht, ein Werk der bildenden Künste, ein Lichtbildwerk, ein Filmwerk oder Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art durch technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. Das Vorführungsrecht umfaßt nicht das Recht, die Funksendung oder öffentliche Zugänglichmachung solcher Werke öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 22).

§ 19a Recht der öffentlichen Zugänglichmachung

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

§ 20 Senderecht

Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

§ 21 Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger

Das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger ist das Recht, Vorträge oder Aufführungen des Werkes mittels Bild- oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar zu machen. § 19 Abs. 3 gilt entsprechend.

§ 22 Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung

Das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der Wiedergabe von öffentlicher Zugänglichmachung ist das Recht, Funksendungen und auf öffentlicher Zugänglichmachung beruhende Wiedergaben des Werkes durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen. § 19 Abs. 3 gilt entsprechend.

Anhang

347 (1) Der Urheber kann einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden. (2) Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk auf die erlaubte Art zu nutzen, ohne dass eine Nutzung durch andere ausgeschlossen ist.

Abschnitt 5 Rechtsverkehr im Urheberrecht (3) Das ausschließliche Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubte Art zu Unterabschnitt 2 nutzen und Nutzungsrechte einzuräumen. Es kann bestimmt werden, dass Nutzungsrechte die Nutzung durch den Urheber vorbehalten bleibt. § 35 bleibt unberührt. § 31 Einräumung von (4) (weggefallen) Nutzungsrechten (5) Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt. (1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, durch die dem Urheber die angemessene Vergütung gewährt wird.

§ 32 Angemessene Vergütung

(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist. (3) Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Urhebers von den Absätzen 1 und 2 abweicht, kann der Vertragspartner sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen. (4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1 Satz 3, soweit die Vergütung für die Nutzung seiner Werke tarifvertraglich bestimmt ist.

Abschnitt 7 Dauer des Urheberrechts § 64 Allgemeines

Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.

348 Teil 2 Verwandte Schutzrechte Abschnitt 3 Schutz des ausübenden Künstlers § 73 Ausübender Künstler § 77 Aufnahme, Vervielfältigung und Verbreitung

Anhang

Ausübender Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt. (1) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen. (2) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten. § 27 ist entsprechend anzuwenden. (1) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung 1. öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a), 2. zu senden, es sei denn, dass die Darbietung erlaubterweise auf Bildoder Tonträger aufgenommen worden ist, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht worden sind, 3. außerhalb des Raumes, in dem sie stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen.

§ 78 Öffentliche Wiedergabe

(2) Dem ausübenden Künstler ist eine angemessene Vergütung zu zahlen, wenn 1. die Darbietung nach Absatz 1 Nr. 2 erlaubterweise gesendet, 2. die Darbietung mittels Bild- oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar gemacht oder 3. die Sendung oder die auf öffentlicher Zugänglichmachung beruhende Wiedergabe der Darbietung öffentlich wahrnehmbar gemacht wird. (3) Auf Vergütungsansprüche nach Absatz 2 kann der ausübende Künstler im Voraus nicht verzichten. Sie können im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden. (4) § 20b gilt entsprechend. (1) Der ausübende Künstler kann seine Rechte und Ansprüche aus den §§ 77 und 78 übertragen. § 78 Abs. 3 und 4 bleibt unberührt.

§ 79 Nutzungsrechte

(2) Der ausübende Künstler kann einem anderen das Recht einräumen, die Darbietung auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. Die §§ 31, 32 bis 32b, 33 bis 42 und 43 sind entsprechend anzuwenden. (3) Unterlässt es der Tonträgerhersteller, Kopien des Tonträgers in ausreichender Menge zum Verkauf anzubieten oder den Tonträger öffentlich zugänglich zu machen, so kann der ausübende Künstler den Vertrag, mit dem er dem Tonträgerhersteller seine Rechte an der Aufzeichnung der Darbietung eingeräumt oder übertragen hat (Übertragungsvertrag), kündigen. Die Kündigung ist zulässig

Anhang

349 1. nach Ablauf von 50 Jahren nach dem Erscheinen eines Tonträgers oder 50 Jahre nach der ersten erlaubten Benutzung des Tonträgers zur öffentlichen Wiedergabe, wenn der Tonträger nicht erschienen ist, und 2. wenn der Tonträgerhersteller innerhalb eines Jahres nach Mitteilung des ausübenden Künstlers, den Übertragungsvertrag kündigen zu wollen, nicht beide in Satz 1 genannten Nutzungshandlungen ausführt. Ist der Übertragungsvertrag gekündigt, so erlöschen die Rechte des Tonträgerherstellers am Tonträger. Auf das Kündigungsrecht kann der ausübende Künstler nicht verzichten.

§ 82 Dauer der Verwertungsrechte

(1) Ist die Darbietung des ausübenden Künstlers auf einem Tonträger aufgezeichnet worden, so erlöschen die in den §§ 77 und 78 bezeichneten Rechte des ausübenden Künstlers 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers, oder wenn dessen erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 70 Jahre nach dieser. Ist die Darbietung des ausübenden Künstlers nicht auf einem Tonträger aufgezeichnet worden, so erlöschen die in den §§ 77 und 78 bezeichneten Rechte des ausübenden Künstlers 50 Jahre nach dem Erscheinen der Aufzeichnung, oder wenn deren erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 50 Jahre nach dieser. Die Rechte des ausübenden Künstlers erlöschen jedoch bereits 50 Jahre nach der Darbietung, wenn eine Aufzeichnung innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder nicht erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. (2) Die in § 81 bezeichneten Rechte des Veranstalters erlöschen 25 Jahre nach Erscheinen einer Aufzeichnung der Darbietung eines ausübenden Künstlers, oder wenn deren erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 25 Jahre nach dieser. Die Rechte erlöschen bereits 25 Jahre nach der Darbietung, wenn eine Aufzeichnung innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder nicht erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. (3) Die Fristen sind nach § 69 zu berechnen. (1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Ist der Tonträger in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller. Das Recht entsteht nicht durch Vervielfältigung eines Tonträgers.

Abschnitt 4 Schutz des Herstellers von Tonträgern § 85 Verwertungsrechte

(2) Das Recht ist übertragbar. Der Tonträgerhersteller kann einem anderen das Recht einräumen, den Tonträger auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. § 31 und die §§ 33 und 38 gelten entsprechend. (3) Das Recht erlischt 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers. Ist der Tonträger innerhalb von 50 Jahren nach der Herstellung nicht erschienen, aber erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 70 Jahre nach dieser. Ist der Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 50 Jahre nach der Herstellung des Tonträgers. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.

350

Anhang (4) § 10 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 und 3 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 gelten entsprechend.

§ 86 Anspruch auf Beteiligung

Wird ein erschienener oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachter Tonträger, auf den die Darbietung eines ausübenden Künstlers aufgenommen ist, zur öffentlichen Wiedergabe der Darbietung benutzt, so hat der Hersteller des Tonträgers gegen den ausübenden Künstler einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der Vergütung, die dieser nach § 78 Abs. 2 erhält.

Paragraphen des Verwertungsgesellschaftengesetzes Einteilung

Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Stand: Sept. 2016)

Teil 1 Gegenstand des Gesetzes; Begriffsbestimmungen

(1) Eine Verwertungsgesellschaft ist eine Organisation, die gesetzlich oder auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, für Rechnung mehrerer Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte zu deren kollektiven Nutzen wahrzunehmen, gleichviel, ob in eigenem oder in fremdem Namen.

§ 2 Verwertungsgesellschaft

(2) Um eine Verwertungsgesellschaft zu sein, muss die Organisation darüber hinaus mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen: 1. ihre Anteile werden von ihren Mitgliedern (§ 7) gehalten oder sie wird von ihren Mitgliedern beherrscht; 2. sie ist nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet.

Teil 2 Rechte und Pflichten der Verwertungsgesellschaft Abschnitt 2 Außenverhältnis Unterabschnitt 1 Verträge und Tarife § 34 Abschlusszwang

(1) Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Die Bedingungen müssen insbesondere objektiv und nichtdiskriminierend sein und eine angemessene Vergütung vorsehen. (2) Die Verwertungsgesellschaft verstößt nicht bereits deshalb gegen ihre Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung, weil sie die zwischen ihr und dem Anbieter eines neuartigen Online-Dienstes vereinbarten Bedingungen nicht auch einem anderen Anbieter eines gleichartigen neuartigen Online-Dienstes gewährt. Neuartig ist ein Online-Dienst, der seit weniger als drei Jahren der Öffentlichkeit in der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zur Verfügung steht.

Anhang

351

Eckdaten zur GEMA KomponistInnen und TextdichterInnen

61.653

Mitgliederzahlen

VerlegerInnen

5.225

(Stand: 2016)

RechtsnachfolgerInnen

4.385

Gesamt

71.263

Erträge

Vervielfältigung

66.634 Tsd. €

Aufführung

111.601 Tsd. €

Online

84.253 Tsd. €

Sendung

234.513 Tsd. €

Wiedergabe

145.078 Tsd. €

Vorführung

10.125 Tsd. €

Gesetzliche Vergütungsansprüche

99.388 Tsd. €

Ausland

73.470 Tsd. €

Inkassomandate

177.889 Tsd. €

Sonstige

21.399 Tsd. €

Gesamt

1.024.350 Tsd. €

Aufwand

158.198 Tsd. €

Verteilungssumme

866.152 Tsd. €

Quelle: GEMA 2017, S. 8 ff.

Eckdaten zur GVL* Ausübende KünstlerInnen

138.721

Mitgliederzahlen

Veranstalter

(Stand: 2016)

Tonträgerhersteller

10.647

Gesamt

149.428

60

352

Erträge

Anhang Sendevergütung Radio, TV und Videoclips

83.482 Tsd. €

Öffentliche Wiedergabe

41.510 Tsd. €

Vervielfältigung

132.690 Tsd. €

Vermietung und Verleih

2.389 Tsd. €

Kabelweitersendung

2.075 Tsd. €

Weiterleitung von Schwestergesellschaften

5.649 Tsd. €

TTH-Schutzfristverlängerung

41 Tsd. €

Sonstige Erträge und Zinsen

3.898 Tsd. €

Gesamt

271.733 Tsd. €

Aufwand

29.787 Tsd. €

Verteilungssumme

241.946 Tsd. €

Quelle: GVL 2017 * Die Daten beziehen sich vornehmlich auf eine Pressemitteilung sowie eine direkte Anfrage bei der GVL, da zum Zeitpunkt der Abgabe der detaillierte Jahresabschluss im Rahmen des Transparenzberichts noch nicht veröffentlicht wurde. Insbesondere bei der Verteilungssumme kann es noch zu Abweichungen kommen. Hier wird die Differenz von Ertrag und Aufwand als BruttoVerteilungsbetrag angegeben.

Beispiel Crowdfunding: Kickstarter Kickstarter (Stand: Sept. 2016)

Alle Sparten

Musik

317.238

48.106

Gesamtbetrag

2,60 rd. $

178,55 Mio. $

Betrag für erfolgreiche Projekte

2,26 Mrd. $

162,54 Mio. $

Betrag für nicht erfolgreich finanzierte Projekte

303 Mio. $

15,32 Mio. $

Betrag für Live-Projekte

37 Mio. $

693,19 Tsd. $

Live-Projekte

4.368

442

Erfolgsquote

35,78 %

50,00 %

Erfolgreich finanzierte Projekte

111.940

23.832

Live geschaltete Projekte

Anhang

353

Unter 1.000 $ finanziert

13.449

2.335

Finanzierung zwischen 1.000 $ und 9.999 $

64.356

17.157

Finanzierung zwischen 10.000 $ und 19.999 $

15.936

3.051

Finanzierung zwischen 20.000 $ und 99.999 $

14.864

1.230

Finanzierung zwischen 100.000 $ und 999.999 $

3.145

58

190

1

1 Mio. $ finanziert Quelle: KS 2016

Versicherte je Tätigkeitsbereich mit Schätzeinkommen* Tätigkeitsbereich (Stand: 2016)

Versicherte

JAE/ Vers.

Männliche Versicherte

3.565

18.799 €

3.199

19.705 €

366

10.881 €

TexterIn, LibrettistIn

200

24.826 €

125

31.176 €

75

14.241 €

MusikbearbeiterIn, ArrangeurIn

532

15.647 €

498

16.057 €

34

9.631 €

KapellmeisterIn, DirigentIn

473

19.140 €

413

20.180 €

60

11.978 €

ChorleiterIn

1.094

13.650 €

538

16.074 €

556

11.305 €

InstrumentalsolistIn E-Musik

2.010

12.197 €

1.038

13.797 €

972

10.488 €

OrchestermusikerIn E-Musik

1.448

10.478 €

661

11.882 €

787

9.299 €

Opern-/Operetten-/ MusicalsängerIn

1.125

9.666 €

397

11.818 €

728

8.492 €

Lied- und OratoriensängerIn

587

11.888 €

215

15.000 €

372

10.090 €

ChorsängerIn in der ernsten Musik

167

8.817 €

80

9.424 €

87

8.259 €

SängerIn U-Musik, Show, Folklore

2.090

14.335 €

1.083

16.708 €

1.007

11.784 €

KomponistIn

JAE/ Weibliche JAE/ m. Vers. Versicherte w. Vers.

354

Anhang

Tanz- und PopmusikerIn

2.890

13.885 €

2.463

14.394 €

427

10.951 €

577

13.115 €

457

13.463 €

120

11.789 €

4.811

12.325 €

4.306

12.640 €

505

9.637 €

815

16.354 €

737

16.824 €

78

11.917 €

26.504

12.499 €

12.545

13.650 €

13.959

11.464 €

712

11.129 €

665

11.321 €

47

8.418 €

3.069

13.587 €

2.089

15.193 €

980

10.165 €

Unterhaltungs- und KurmusikerIn Jazz- und RockmusikerIn Künstlerisch-technische MitarbeiterIn MusikpädagogIn/ -ausbilderIn Discjockey, AlleinunterhalterIn Ähnliche künstlerischmusische Tätigkeit

Quelle: Künstlersozialkasse * Die verschiedenen Statistiken (Eckdaten zur Künstlersozialkasse und Versicherte je Tätigkeitsbereich mit Schätzeinkommen) werden laut Künstlersozialkasse an unterschiedlichen Stichtagen abgerufen, sodass es in der Summe zu geringfügigen Abweichungen kommen kann.

Umsatz aus Musikverkauf, Synchronisation und Leistungsschutzrechten 2013

2014

2015

2016

Veränderung 2015/2016

1.235 1.130 1.098 1.019 1.006

985

943

860

-8,9 %

Musikverkauf physisch (in Mio. €)

2009 CD (inkl. SACD/ DVD-A)

2010

2011

2012

MC

13

9

5

3

2

1

1

1

1,2 %

Vinyl-LP

9

12

14

19

29

38

50

70

40,1 %

Single

21

19

12

11

8

6

5

4

-8,7 %

Video (DVD, VHS, Blu124 ray)

115

107

89

80

76

61

55

-11,0 %

989

-6,7 %

Gesamt

1.401 1.285 1.236 1.141 1.124 1.107 1.060

Musikverkauf digital (in Mio. €)

Anhang

355 Download Singles

54

69

90

113

108

100

96

80

-16,0 %

Download Album

65

88

113

140

147

145

144

113

-21,5 %

Download Music Video

2

2

2

2

2

2

1

1

-23,8 %

Mobile Realtones/ Ringbacktones

9

7

8

3

2

2

2

2

13,2 %

AudioStreaming

15

19

17

29

61

108

223

385

72,7 %

Sonstiges

25

17

16

6

8

14

20

23

10,9 %

Gesamt

169

203

247

294

328

371

486

604

24,2 %

Musikverkauf gesamt

1.575 1.489 1.483 1.435 1.452 1.479 1.546 1.593

3,0 %

Synchronisation

-

4

5

7

5

7

7

7

2,1 %

GVL-Leistungsschutzrechte

175

180

126

144

149

160

157

168

6,5 %

Quelle: BVMI 2017, S. 9 ff.

Hörgewohnheiten in Deutschland: Reichweiten in der Bevölkerung Radio (terrestrisch) Digitale Musikdateien Physische Tonträger Video-Streaming Online-Radio Kostenloses Audio-Streaming Premium-Audio-Streaming

80 61 56 51 40 34 31 0%

10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%

Personen im Jahr 2016 in %, die in den letzten 7 Tagen mindestens eine Stunde Musik auf diese Weise gehört haben Quelle: BVMI 2017, S. 26

356

Anhang

Anteile der MusikkäuferInnenschaft nach Altersgruppen und Geschlecht 100% 80% 60%

68

67

69

64

64

55

52

32

33

31

36

36

45

48

10-15 Jahre

16-19 Jahre

20-29 Jahre

30-39 Jahre

61

78

40% 20%

39

22

0% Gesamt männlich weiblich

KäuferInnen im Jahr 2016

40-49 50 Jahre Jahre und älter

NichtkäuferInnen im Jahr 2016

Quelle: BVMI 2017, S. 30

Anteile nationaler Produktionen an den Top 100 Longplay- & Single-Charts 100% 80%

46

49

55

58

61

67

69

69

49

44

41

37

31

28

28

2

1

1

2

2

3

3

60%

40

44

41

46

38

42

47

60

56

59

54

62

58

53

40% 20% 0%

51 3

2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Soundtracks Quelle: BVMI 2017, S. 42

37

63

2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Internationale Produktionen

Nationale Produktionen

Anhang

357

Absatz von Smartphones und anderen elektronischen Geräten 30 26

25

MP3- und Videoplayer

20

Navigationssysteme

15 10 5

Smartphones

9 8 5 4

0

Digitalkamera 4 2 1

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Bitkom 2016, S. 13

Absatzentwicklung in Deutschland (in Mio. Stück)

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