Maritime Sicherheit im Bundesstaat: Kompetenzrechtliche Herausforderungen auf dem Weg zu einer Deutschen Küstenwache [1 ed.] 9783428537471, 9783428137473

Die Aufgabe der Gefahrenabwehr auf See ist auf eine Vielzahl von Bundes- und Landesbehörden verteilt. Versuche, den dara

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Maritime Sicherheit im Bundesstaat: Kompetenzrechtliche Herausforderungen auf dem Weg zu einer Deutschen Küstenwache [1 ed.]
 9783428537471, 9783428137473

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 89

Maritime Sicherheit im Bundesstaat Kompetenzrechtliche Herausforderungen auf dem Weg zu einer Deutschen Küstenwache

Von Dierk Wahlen

Duncker & Humblot · Berlin

DIERK WAHLEN

Maritime Sicherheit im Bundesstaat

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m in Gemeinschaft mit M a r t i n He c k e l, K a r l -He r m a n n K ä s t n e r F e r d i n a n d K i r c h h o f, H a n s v o n M a n g o l d t M a r t i n Ne t t e s h e i m, T h o m a s O p p e r m a n n G ü nt e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t M i c h a e l R o n e l l e n f i t s c h, C h r i s t i a n S e i l e r sämtlich in Tübingen

Band 89

Maritime Sicherheit im Bundesstaat Kompetenzrechtliche Herausforderungen auf dem Weg zu einer Deutschen Küstenwache

Von Dierk Wahlen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Sommersemester 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-13747-3 (Print) ISBN 978-3-428-53747-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83747-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im September 2010 abgeschlossen und im Sommersemester 2011 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, der mir nicht nur jede Freiheit bei der Auswahl und Bearbeitung des Themas ließ, sondern mir auch stets zur Seite stand und eine überaus spannende und – fachlich wie persönlich – bereichernde Assistentenzeit an seinem Tübinger Lehrstuhl ermöglichte. Herzlich danke ich auch Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die ehrenvolle Aufnahme in diese Schriftenreihe. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner Prof. Dr. Alexander Proelß, der mein Interesse für dieses Thema geweckt hat, sowie den Praktikern in den jeweiligen Bundesministerien, die mich mit wertvollen Hinweisen versorgten. Mein aufrichtiger Dank gebührt schließlich meinen Eltern Elke und Rolf-Dietrich Wahlen, die mich auf meinem Weg stets vorbehaltlos unterstützt und gefördert haben. Herzlich danken möchte ich außerdem meiner Freundin Tania Valdés Cifuentes. Sie hat mich nicht nur bei den Schlussarbeiten tatkräftig unterstützt, sondern es auch immer wieder verstanden, mich zu motivieren und anzuspornen, und so ganz wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Hamburg, im September 2011

Dierk Wahlen

Inhaltsîbersicht 1. Teil Einführung

25

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Gefahren auf See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Staatsaufgabe Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Maritime Gefahrenabwehr in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Eingrenzungen und Begriffsklarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Teil Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

45

A. Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Bundeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Landeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Vollzugskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Verbandskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Organkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C. Abgrenzungsschwierigkeiten und Effizienzverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

10

Inhaltsîbersicht 3. Teil Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

105

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Zusammenarbeit innerhalb einer Gliedkörperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Zusammenarbeit von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Verfassungsrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Zulässige Formen der Aufgabenwahrnehmung im fremden Zuständigkeitsbereich 148 C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Formen der Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Formen der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 D. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

4. Teil Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

176

A. Reformansätze de constitutione lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Neuorganisation der Schifffahrtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Bündelung der Bundeskompetenzen in einer Küstenwache des Bundes . . . . . . . . 177 III. Bündelung der Landeskompetenzen innerhalb der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Gründung einer einheitlichen Küstenwache der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 V. Gemeinsame Leitstelle von Bundes- und Länderküstenwache . . . . . . . . . . . . . . . . 184 VI. Übertragung der Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr innerhalb der Hoheitsgewässer auf den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 VII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Inhaltsîbersicht

11

B. Reformansätze de constitutione ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Gemeinschaftsaufgabe Seesicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Streichung von Bundeskompetenzen innerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . 189 III. Ausführung der Landesgesetze durch den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Erweiterung der Bundeskompetenzen innerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . 191

5. Teil Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

196

A. Gefahrenabwehr durch Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Originäre Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Komplementäre Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 B. Polizeiliche Verwendungen der Marine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Schlichte Verwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 II. Einsätze im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 C. Normative Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Allgemeine Komplementärzuständigkeit der Marine auf Hoher See . . . . . . . . . . . 254 II. Klarstellung zur bundesinternen Katastrophenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Ermöglichung des Einsatzes militärischer Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

6. Teil Schlussbetrachtungen

261

A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung

25

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Gefahren auf See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Staatsaufgabe Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Maritime Gefahrenabwehr in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Föderales und organisatorisches Kompetenzgewirr auf See . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Einbindung der Fähigkeiten der Marine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Eingrenzungen und Begriffsklarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Sachlicher Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Räumlicher Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Seevölkerrechtliche Grenzziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Innerstaatliche Grenzziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Teil Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

45

A. Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Bundeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Schifffahrtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Wasserwegerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

14

Inhaltsverzeichnis 3. Wasserwirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Fischereirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. Grenzschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6. Zollschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 7. Abwehr terroristischer Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 8. Exterritoriale Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Geltung der Kompetenzordnung für exterritoriale Sachverhalte . . . . . . . . . . 66 b) Bundeskompetenz kraft Natur der Sache für sämtliche exterritoriale Angelegenheiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Kompetenzlage in der ausschließlichen Wirtschaftszone . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Landeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

B. Vollzugskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Verbandskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Bundeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Strompolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Schifffahrtspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Grenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Zollschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 e) Abwehr terroristischer Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 f) Exterritoriale Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Landeskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 II. Organkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Bundesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Bundespolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Grenzschutzaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Inhaltsverzeichnis

15

bb) Grenzschutzfremde Aufgaben auf See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Innerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Außerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (3) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Bundeszollverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 e) Bundeskriminalamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Landesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. Abgrenzungsschwierigkeiten und Effizienzverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Teil Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

105

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Zusammenarbeit innerhalb einer Gliedkörperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Koordinierungsverbund Küstenwache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Küstenwache Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Eilkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Zuständigkeitsbereiche der Wasserschutzpolizeien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. WSP-Leitstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Eilkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Zusammenarbeit von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Wahrnehmung schifffahrtspolizeilicher Vollzugsaufgaben durch Landesbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Eilkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Havariekommando . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Aufbau und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Aufgabenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Führungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Maritimes Sicherheitszentrum / Gemeinsames Lagezentrum See . . . . . . . . . . . 120

16

Inhaltsverzeichnis

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Verfassungsrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Zusammenarbeit innerhalb einer Gliedkörperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Zusammenarbeit von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Dogma des Mischverwaltungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Materielle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Grundlinien der frühen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Die Entscheidung zum Schornsteinfegergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Das Hartz IV-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Bekräftigung der bekannten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Rückbindung an das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip . . . . . . . . 134 (3) Absolute oder relative Geltung der Grundsätze? . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Grundsätze für ein Zusammenwirken von Bund und Ländern . . . . . . . . 139 bb) Koordination und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Zusammenarbeit zwischen den Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Pflicht zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortungsklarheit . . . . . . . . . . . . . 143 c) Verbot der „Dritten Ebene“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 d) Rechtfertigung von Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Zulässige Formen der Aufgabenwahrnehmung im fremden Zuständigkeitsbereich 148 1. Amtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Formelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Polizeihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Katastrophenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Organleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 5. Delegation und Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Inhaltsverzeichnis

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C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Formen der Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Formen der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Eilfallkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Wasserschutzpolizeiliche Zuständigkeiten im Küstenmeer . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Übertragung schifffahrtspolizeilicher Aufgaben auf die Länder . . . . . . . . . . . . 165 4. Führungsstrukturen im Havariekommando . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Einhaltung des Fremdbestimmungsverbots durch Organleihe? . . . . . . . . . . . 170 b) Subsumtion unter ausdrückliche Ausnahmebestimmungen? . . . . . . . . . . . . . 171 D. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4. Teil Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

176

A. Reformansätze de constitutione lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Neuorganisation der Schifffahrtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Bündelung der Bundeskompetenzen in einer Küstenwache des Bundes . . . . . . . . 177 1. Organisationsermessen und „Gepräge-Formel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Kreationsakt und Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Bündelung der Landeskompetenzen innerhalb der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Gründung einer einheitlichen Küstenwache der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 V. Gemeinsame Leitstelle von Bundes- und Länderküstenwache . . . . . . . . . . . . . . . . 184 VI. Übertragung der Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr innerhalb der Hoheitsgewässer auf den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 VII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Reformansätze de constitutione ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Gemeinschaftsaufgabe Seesicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Streichung von Bundeskompetenzen innerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . 189 III. Ausführung der Landesgesetze durch den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

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Inhaltsverzeichnis IV. Erweiterung der Bundeskompetenzen innerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . 191 1. Modifikationen der Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenzen . . . . . . . . . . . . 191 2. Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Organisatorische Umsetzung einer Deutschen Küstenwache . . . . . . . . . . . . . . . 194 5. Teil Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

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A. Gefahrenabwehr durch Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Originäre Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Verteidigungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Verteidigungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Qualität des Angreifers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Sachbereichsspezifische Ordnungsgewalt als Annex zur Verteidigung . . . . . . . 209 II. Komplementäre Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Ausdrücklichkeitsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Einsatzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Komplementäre Verwendungen i.R.d. Art. 24 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Verhältnis zu originär zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 d) Bündniseinsätze im Inland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Komplementäre Verwendungen i.R.d. Art. 87a Abs. 3 und 4 GG . . . . . . . . . . . 226 4. Komplementäre Verwendungen i.R.d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG . . . . 229 a) Ausschluss bundesinterner Katastrophenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Verwendung militärischer Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Bindung der Streitkräfte an Recht und Weisungen des Landes? . . . . . . . 233 bb) Verwechslung von „militärischem Waffengebrauch“ und „Gebrauch militärischer Waffen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

Inhaltsverzeichnis

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cc) Schutzlücken bei nur quantitativer Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 c) Fehlende einfachgesetzliche Befugnisnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 B. Polizeiliche Verwendungen der Marine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Schlichte Verwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Seenotrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Überwachung und Bekämpfung von Meeresverschmutzungen . . . . . . . . . . . . . 243 3. Technisch-logistische Hilfe im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4. Unterstützung des Havariekommandos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Einsätze im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Internationale Anti-Terror- und Anti-Piraterie-Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Eigenständige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Innerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Außerhalb der Hoheitsgewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 C. Normative Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Allgemeine Komplementärzuständigkeit der Marine auf Hoher See . . . . . . . . . . . 254 II. Klarstellung zur bundesinternen Katastrophenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Ermöglichung des Einsatzes militärischer Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Ergänzung des Art. 35 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Einfachgesetzliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 6. Teil Schlussbetrachtungen

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A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. a.E. AEUV a.F. ALR AöR Art. Aufl. AWZ Az. BAnz. BayVBl. BBergG Bd. BeckOK BGBl. BGSG BinSchAufgG BKAG BLE BLEG

anderer Ansicht Absatz am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Ausschließliche Wirtschaftszone Aktenzeichen Bundesanzeiger Bayerische Verwaltungsblätter Bundesberggesetz Band Beck’scher Online-Kommentar Bundesgesetzblatt Bundesgrenzschutzgesetz Binnenschiffahrtsaufgabengesetz Bundeskriminalamtgesetz Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung BLV-HK Vereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Errichtung eines Havariekommandos BLV-MSZ Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Errichtung eines „Maritimen Sicherheitszentrums“ BLV-NotLP Vereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Zuweisung eines Notliegeplatzes im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge BLV-Schadstoff Vereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BMF Bundesministerium der Finanzen BMI Bundesministerium des Innern BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung BMVg Bundesministerium der Verteidigung BPol Bundespolizei BPolG Bundespolizeigesetz BPolZollV Verordnung über die Übertragung von Bundespolizeiaufgaben auf die Zollverwaltung BPolZV Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden

Abkürzungsverzeichnis Brem. GBl. BremLWG BremPolG BT-Drs. BT-PlProt. BVerfGE BVerfGG BVerfGGO BVerwGE DGzRS DÖV DVBl. EGV EL EUV e.V. f. FAZ ff. FlaggenRG FlaggenRV Fn. FS FVG GASP GG GLZ-See GSG 9 GVOBl. MV GVOBl. SH HANSA HbStR h.M. Hmb. GVBl. Hs. i.E. i. e.S. IMO i.S.d. ISPS-Code i.V.m. JA JURA JuS JZ KJ KSK lit.

Bremisches Gesetzblatt Bremisches Wassergesetz Bremisches Polizeigesetz Bundestagsdrucksache Bundestags-Plenarprotokoll Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Ergänzungslieferung Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein folgende(r) Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Flaggenrechtsgesetz Flaggenrechtsverordnung Fußnote Festschrift Finanzverwaltungsgesetz Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Grundgesetz Gemeinsames Lagezentrum See Spezialeinheit der Bundespolizei Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein HANSA International Maritime Journal Handbuch des Staatsrechts herrschende Meinung Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Halbsatz im Ergebnis im engeren Sinne International Maritime Organization im Sinne des International Ship and Port Facility Security Code in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kritische Justiz Kommando Spezialkräfte Buchstabe

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22 LuftSiG LVerfGE LVwG-SH LWG-HH LWG-MV LWG-SH MARPOL MRCC MSZ MV-LT-Drs. m.w.N. Nds. GVBl. NdsLWG Nds. MBl. NdsSOG n.F. NJW NordÖR NuR NVwZ NWVBl. NZWehrR OAE OEF ParlBG PolG-NRW PrOVGE PrPVG RGBl. Rn. RV (1871) S+F SAR SchRegO SeeAufgG SeeFischG SeeSchAÜV SeeSchStrO SeeStrOV SGB II SH-LT-Drs. sm SNMG SOG-HH

Abkürzungsverzeichnis Luftsicherheitsgesetz Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Landesverwaltungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein Hamburgisches Wassergesetz Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein Internationales Abkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe Maritime Rescue Coordination Centre der DGzRS Maritimes Sicherheitszentrum Drucksache des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Niedersächsisches Wassergesetz Niedersächsisches Ministerialblatt Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Wehrrecht Operation „Active Endeavour“ Operation „Enduring Freedom“ Parlamentsbeteiligungsgesetz Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Reichsgesetzblatt Randnummer Reichsverfassung von 1871 Sicherheit und Frieden – Security and Peace Search and Rescue Schiffsregisterordnung Seeaufgabengesetz Seefischereigesetz Seeschiffahrtsaufgaben-Übertragungsverordnung Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung Verordnung zu den Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See Sozialgesetzbuch Zweites Buch Drucksache des Landtags von Schleswig-Holstein Seemeilen Standing NATO Maritime Groups Hamburgisches Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Abkürzungsverzeichnis SOG-MV SOLAS SRÜ StGB SUA SZ UBWV UNIFIL UZwG UZwGBw Var. VerkBl. Verw VerwArch vgl. VwVfG WaStrG WEU WHG WRV WSP WSV ZfZ ZG ZollVG ZRP ZustBV-See

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Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See Seerechtsübereinkommen Strafgesetzbuch Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt Süddeutsche Zeitung Unterrichtsblätter für die Bundeswehrverwaltung United Nations Interim Force in Lebanon Gesetz über den unmittelbaren Zwang Gesetz über die Ausübung unmittelbaren Zwangs durch Soldaten der Bundeswehr Variante Verkehrsblatt Die Verwaltung Verwaltungsarchiv vergleiche Verwaltungsverfahrensgesetz Bundeswasserstraßengesetz Westeuropäische Union Wasserhaushaltsgesetz Weimarer Reichsverfassung von 1919 Wasserschutzpolizei Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zollverwaltungsgesetz Zeitschrift für Rechtspolitik Zuständigkeitsbezeichnungs-Verordnung See

1. Teil

Einführung A. Problemstellung „Navigare necesse est” – die Quintessenz dieses Satzes, mit dem der römische Feldherr Pompeius im Jahr 56 v. Chr. seine sich vor stürmischer See fürchtende Schiffsbesatzung zum Auslaufen ermuntert haben soll,1 gilt nach wie vor. Denn Zweck der gefährlichen Überfahrt war, Rom mit dringend benötigtem Getreide zu versorgen. Es ging also, allgemeiner gesprochen, um die Beschaffung von Lebensgrundlagen und die Befriedigung von Bedürfnissen der Zivilisation. Der überlieferte Zusatz „vivere non est necesse“ – gemeint war die in Kauf zu nehmende Lebensgefahr der Seeleute – müsste daher eher ins Positive gewandt heißen: „Navigare necesse est, quia vivere necesse est“. In diesem Sinne hat die Seeschifffahrt zwei Jahrtausende später nichts ihrer Bedeutung eingebüßt. Über 90 Prozent des Welthandels werden auf dem Seeweg abgewickelt. Diese Hegemonie hat ihren Grund: Der Seetransport ist nicht nur der verbrauchsärmste und damit umweltfreundlichste Verkehrsträger, sondern auch der mit Abstand kostengünstigste. Die Seewege sind insoweit der Nerv der Globalisierung. Angesichts vernetzter Produktionsabläufe und knapper Zeitkalkulationen (justin-time-Konzepte) haben lokale Störungen des Seetransports, wie etwa die Blockade eines wichtigen Hafens oder einer Meerenge, schnell globale Auswirkungen. Deutschland ist als rohstoffarmes und exportorientiertes Land in besonderer Weise auf die Funktionsfähigkeit dieses Verkehrsträgers angewiesen. Zudem verfügt es über die drittgrößte Handelsflotte und die größte Containerflotte der Welt.2 Ein effektiver Schutz der Seewege liegt daher im nationalen Interesse.3 Die See ist aber nicht nur Schifffahrtsstraße, sondern auch selbst Lebensmittelund Rohstofflieferant. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang der Fischfang, der Meeresbergbau und die Förderung fossiler Energieträger. Zunehmende Bedeutung gewinnt außerdem die Nutzung der See zur Energiegewinnung, insbesondere in 1 Plutarch, Pompeius 50, zitiert nach Ax, Plutarch, Römische Heldenleben, 5. Aufl. 1953, S. 177. 2 Vgl. Brinkmann/Peters, Herausforderung: Maritime Sicherheit, S+F 2008, 19 (20). 3 Zur maritimen Abhängigkeit Deutschlands Jenisch, Die Seeinteressen der Bundesrepublik Deutschland, in: Hess/Schulze-Wegener/Walle, Faszination See: 50 Jahre Marine der Bundesrepublik Deutschland, 2005, S. 81 ff.

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1. Teil: Einführung

Form von Offshore-Windparks, sowie des Meeresbodens für die Weiterleitung von Energie, Daten und Rohstoffen durch Kabel und Pipelines. Diese vielfältige Bedeutung und Nutzung der Meere als Transportwege sowie als Rohstoff- und Nahrungsmittellieferanten veranlasst Fachleute gar zu der These, das 21. Jahrhundert sei ein „maritimes Jahrhundert“.4

I. Gefahren auf See Mit diesen Nutzungen sind vielfältige Gefahren auf See und von See her verbunden. Es handelt sich dabei zum einen um der Schifffahrt immanente, betriebliche Risiken, die Gefahren für Leib und Leben von Besatzungen, für geladene Sachwerte und nicht zuletzt für die Unversehrtheit der Küste und der Meeresumwelt darstellen. Hauptursachen für Schiffsunfälle sind technische Defekte, menschliches Unvermögen oder Versagen, Brände, extreme Wetterlagen, Grundberührungen oder Kollisionen mit anderen Schiffen. Je nach Art des Schiffs und Unfalls können sie erhebliche Personen-, Sach- und Umweltschäden teilweise katastrophalen Ausmaßes nach sich ziehen. Man denke nur an Unglücke von Passagier- und Fährschiffen, die bis zu 5.000 Menschen an Bord haben können, oder an Havarien von Öltankern. Die deutschen Küstengewässer von Nord- und Ostsee sind als stark befahrene Schifffahrtsrouten mit rund 400.000 jährlichen Schiffsbewegungen5 schon statistisch einem gesteigerten Unfallrisiko ausgesetzt und stellen zugleich ökologisch sensible Gebiete dar.6 Die betriebsimmanenten Gefahrenquellen sind aber nur ein Teil der Gefahrenlage auf See. Ein weiterer Aspekt sind die nichtbetrieblichen, äußeren Gefahren der Schifffahrt. Denn Schiffe dienen auch Kriminellen – vor dem Hintergrund der Freiheit der Meere und der geringeren Kontrollintensität auf See – bevorzugt als Fortbewegungs- und Transportmittel. Die Schifffahrt ist insoweit nicht Ursache, sondern Mittel der Gefahr. Neben die allgemeine Kriminalität treten meeresbezogene Delikte wie illegale Fischerei und Entsorgung von Schad- und Giftstoffen auf See. Ferner verläuft auf See die seewärtige Staatsgrenze, die leichter passierbar als die Landgrenzen erscheint und so grenzspezifische Kriminalität wie Menschenhandel, illegale Wareneinfuhr (insbesondere Waffen- und Drogenhandel), sonstige organisierte Kriminalität und illegale Einwanderung hervorruft. Eine dritte Gruppe äußerer Gefahren auf See sind extreme Bedrohungen durch Piraterie und Terrorismus. Die Gefahr durch zunehmend 4 So etwa der ehemalige Inspekteur der Marine Vizeadmiral Nolting, Die See – eine Brücke zwischen den Kontinenten, Leinen los 2010, Heft 1, 4 (4) sowie Jenisch, Die Seeinteressen der Bundesrepublik Deutschland, in: Hess/Schulze-Wegener/Walle, Faszination See: 50 Jahre Marine der Bundesrepublik Deutschland, 2005, S. 81 ff. (S. 81). 5 Vgl. Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (66). 6 Die Wattenmeere in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark sind im Jahre 2002, Teile der Ostsee im Jahr 2005 durch die IMO zu besonders empfindlichen Meeresgebieten („Particularly Sensitive Sea Areas“) erklärt worden. 2009 wurden Teile des Wattenmeers zudem zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt.

A. Problemstellung

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hochgerüstete Piraten ist seit einigen Jahren omnipräsent.7 Sie konzentriert sich auf ostafrikanische und asiatische Seegebiete. Zunehmend wird aber auch vor maritimem Terrorismus, gar vor einem „maritimen 9/11“8 unter Einsatz eines „Schiffes als Waffe“, gewarnt.9 Die See ist ein vergleichsweise offener Zugangsweg aus dem hoheitsfreien Raum mitten in die Infrastruktur einer Industriegesellschaft.10 Ziele terroristischer Handlungen können Städte, Hafenanlagen und wichtige Einrichtungen in Küstennähe sein, aber auch Passagierschiffe,11 Bohrinseln, Pipelines oder Seekabel.12 Vor allem aber sind die Schifffahrtswege sensibler Lebensnerv des globalen Wirtschaftskreislaufes.13 Eine Blockade oder Störung wichtiger Meerengen oder Häfen hätte daher unmittelbare Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.14 Wie weitreichend die Auswirkungen eines lokalen Ereignisses sein können, hat zuletzt die Aschewolke des Eyjafjallajökull vor Augen geführt, die fast den gesamten europäischen Luftverkehr zum Erliegen brachte. Im englischen Sprachgebrauch wird zwischen dem Schutz vor verkehrsimmanenten Gefahren („Safety“) und dem Schutz vor verkehrsexternen Gefahren („Security“) unterschieden. Während der Safety-Bereich die Abwehr von Gefahren für die betriebliche Sicherheit des Schiffsverkehrs umfasst, wird die Abwehr äußerer Gefahren auf See mit „Security“ umschrieben. Die deutsche Sprache kennt eine solche Unterscheidung nicht. Der Terminus Sicherheit umfasst beide Aspekte. Eine einheitliche Begrifflichkeit erscheint auch sachgerecht, da es sich um ein Gesamtrisiko handelt. Die Unterscheidung hilft zwar deskriptiv, die Gefahrenquellen Unfall und Kriminalität zu unterscheiden. Folgerungen für die Aufgabe der Gefahrenabwehr enthält die begriffliche Differenzierung aber nicht. Denn es kann im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob ein Schiff aufgrund eines technischen Defekts oder aufgrund von Sabotage havariert, ob Schadstoffe unfallbedingt auslaufen oder vorsätzlich 7 Zum Problem der Piraterie eingehend Mair, Piraterie und maritime Sicherheit, 2010, sowie die regelmäßigen Piracy Reports des International Maritime Bureau. 8 Vgl. ZEIT vom 16. 04. 2009, S. 1 („Eine Brise Terror“). 9 Die Kaperung der mit hochexplosivem Flüssiggas beladenen „MV Longchamp“ am 29. 01. 2009, vgl. FAZ vom 30. 01. 2009, S. 1, hat verdeutlicht, dass es nicht nur um immense Vermögenswerte geht, sondern bestimmte Schiffstypen in der Hand von Terroristen auch zur Waffe werden können. Das zeigt zugleich, dass die Grenzen zwischen Piraterie und Terrorismus fließend sind. 10 von Dambrowski, Internationale Initiativen im Bereich maritimer Sicherheit und die Rolle der Deutschen Marine, Marineforum 2007, Heft 10, 5 (6). 11 Man denke nur an das Szenario in Frederick Forsyths Thriller „Der Afghane“ (2006), in dem ein Flüssiggastanker in der Nähe des Kreuzfahrtschiffs „Queen Mary 2“, auf dem die Staats- und Regierungschefs der G 8-Staaten tagen, zur Explosion gebracht werden soll. 12 Eingehend zu terroristischen Bedrohungen auf See Härpfer, Mehr maritime Sicherheit, S+F 2008, 1. 13 Vgl. hierzu Buse, Sicherheit der Seewege, S+F 2008, 14. 14 Eine Sperrung der Straße von Hormus etwa würde praktisch den gesamten Erdöltransport aus dem Nahen Osten zum Erliegen bringen. Aber auch eine Blockade des Hamburger Hafens würde die Versorgung Nord- und Osteuropas empfindlich beeinträchtigen.

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1. Teil: Einführung

entsorgt werden oder ob eine Hafenzufahrt wegen eines Unfalls oder eines terroristischen Akts blockiert ist. Die Folgen sind jeweils dieselben. Maritime Sicherheit sollte daher als einheitliche Aufgabe verstanden werden.15 Unterschiedliche Gefahrenursachen ändern jedenfalls nichts daran, dass Gefahren schlechterdings abgewehrt werden müssen.

II. Staatsaufgabe Gefahrenabwehr Die Gewährleistung von Sicherheit und die Abwehr von Gefahren ist eine der vornehmsten Aufgaben des modernen Staates.16 Die Verpflichtung des Staates zum Schutz seiner Bürger folgt nicht erst aus der grundrechtlichen Schutzpflichtendoktrin, sondern ist unmittelbare Kehrseite des staatlichen Gewaltmonopols, das – von begrenzten Ausnahmefällen wie der Notwehr abgesehen – Selbsthilfemaßnahmen wie die mittelalterliche Fehde oder das Faustrecht ausschließt.17 Wenn der Staat dem Einzelnen aber verbietet, sich gegen Übergriffe anderer mit privater Gewalt zur Wehr zu setzen, muss er selbst die Sicherheit des Bürgers gewährleisten.18 Der Einzelne hat also Anspruch auf staatlichen Schutz.19 Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Funktion des Staates als Friedens- und Ordnungsmacht und als Gewährleister der Sicherheit seiner Bevölkerung sogar – ganz im Sinne der Staatstheorie Hobbes’ – die „eigentliche und letzte Rechtfertigung“ des Staates.20 Indem der Staat diesen Schutzauftrag erfüllt, schränkt er zwar Freiheiten seiner Bürger ein, schafft zugleich aber auch erst die Grundlage für den tatsächlichen Gebrauch von Freiheit.21 Wenn die Funktion als Sicherheitsgarant also eigentliche Daseinsberechtigung und ratio essendi des Staates ist,22 folgt daraus ein Gebot effektiver Gefahrenabwehr.23 Das gilt

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Vgl. Jenisch, Sicherheit auf See, S+F 2008, 154 (157). Entsprechend heißt es schon in § 1 II 17 ALR (1794): „Der Staat ist für die Sicherheit seiner Unterthanen, in Ansehung ihrer Personen, ihrer Ehre, ihrer Rechte, und ihres Vermögens zu sorgen verpflichtet.“ § 2 II 17 ALR: „Dem Staate kommt es also zu, zur Handhabung der Gerechtigkeit, zur Vorsorge für diejenigen, welche sich nicht selbst vorstehn können, und zur Verhütung sowohl, als zur Bestrafung der Verbrechen, die nöthigen Anstalten zu treffen.“ 17 Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 1; Schoch, Polizeiund Ordnungsrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, S. 127 ff., Rn. 20 f. 18 Vgl. Ronellenfitsch, Das neue Luftsicherheitsgesetz – teilverfassungswidrig?, in: Ziekow, Aktuelle Fragen des Luftverkehrs-, Fachplanungs- und Naturschutzrechts, 2006, S. 9 ff. (S. 14). 19 Vgl. Isensee, Der Verfassungsstaat als Friedensgarant, in: Mellinghoff/Morgenthaler/ Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 2003, S. 7 ff. (S. 25, 30). 20 BVerfGE 49, 24 (56 f.). 21 So eindrücklich das Sondervotum Haas, BVerfGE 115, 320 (374 f.). 22 Vgl. Hillgruber, Der Staat des Grundgesetzes – nur bedingt „abwehrbereit“?, JZ 2007, 209 (210 f.). 16

A. Problemstellung

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nicht nur an Land, sondern überall, wo dem Bürger Gefahren drohen, und damit auch in der Luft und auf See.

III. Maritime Gefahrenabwehr in Deutschland Den Zweck der Abwehr maritimer Gefahren verfolgen zahlreiche gesetzliche Vorschriften, die im Bereich der Seesicherheit im besonderen Maße durch europarechtliche und völkerrechtliche Regelungen ergänzt werden.24 All diese normativen Vorgaben sind jedoch, sollen sie Wirksamkeit erlangen, auf die verwaltungsmäßige Durchsetzung des materiellen Rechts angewiesen. Ob die Gefahrenabwehr effektiv ist, entscheidet sich daher vor allem auf der Ebene des Vollzugs. Die Staatsaufgabe der maritimen Gefahrenabwehr wird in Deutschland jedoch nach verbreiteter Einschätzung suboptimal wahrgenommen. Neben allgemeinen Ausstattungsmängeln stünden einer effektiven Aufgabenwahrnehmung vor allem juristische Hindernisse im Wege. Beklagt wird nicht etwa – wie in den üblichen Sicherheitsdebatten – das Fehlen von Eingriffsbefugnissen, sondern eine übermäßig zersplitterte Kompetenzlage, die eine effektive Gewährleistung maritimer Sicherheit erschwere.25 Zu dem Problem der Zersplitterung der zivilen Seedienste tritt der Vorwurf, dass in bestimmten Situationen die zivilen Behörden nicht zur Abwehr der Gefahr in der Lage seien, die militärischen Fähigkeiten auf See jedoch aus rechtlichen Gründen nicht genutzt werden könnten.26 1. Föderales und organisatorisches Kompetenzgewirr auf See Anders als die gleichnamige ZDF-Vorabendserie suggeriert, gibt es in Deutschland im Gegensatz zu anderen – auch föderalen27 – Staaten keine Küstenwache im Sinne einer einheitlichen „Polizei auf See“. Die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben auf See ist vielmehr auf eine Vielzahl von Behörden verteilt. Die extreme 23

Vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 39 ff.; zur inneren Sicherheit als Staatsaufgabe und Staatsziel ferner Götz, Innere Sicherheit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 1 ff. 24 Vgl. nur die sog. „Erika-Pakete“, die in Reaktion auf Schiffsunglücke zahlreiche EGVerordnungen und -Richtlinien zur Verbesserung der Schiffssicherheit insbesondere von Öltankern in Kraft setzten (näher auf S. 57, Fn. 69), sowie auf völkerrechtlicher Ebene insbesondere das SOLAS- und das MARPOL-Übereinkommen im Rahmen der IMO, hierzu näher Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 33 ff. sowie Schult, Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime, 2005. 25 So Jenisch, Sicherheit auf See, S+F 2008, 154 (160); König, Schiffssicherheit auf der Ostsee: Nationales Recht, DÖV 2002, 639 (642); vgl. auch SZ vom 13. 02. 2004, S. 8 („Führungslos in die Katastrophe“). 26 Vgl. etwa Jenisch, Marine, Piraterie und Grundgesetz, HANSA 2008, 174 (180); Brinkmann/Peters, Herausforderung: Maritime Sicherheit, S+F 2008, 19 (25). 27 So das Beispiel der „US Coast Guard“ und der „Canadian Coast Guard“.

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1. Teil: Einführung

Zergliederung der Zuständigkeiten liegt zum einen in der föderalen Struktur Deutschlands begründet. Aber auch innerhalb der Gliedkörperschaften ist eine weitere Verteilung der einzelnen Kompetenzen auf verschiedene Behörden und Ressorts zu beobachten. Dies erfordert diffizile Abgrenzungen zwischen den einzelnen Sachmaterien, die häufig in der Praxis kaum zu leisten sind. Hinzu treten räumliche Zuständigkeitsgrenzen. Dies sind nicht nur die Landesgrenzen im Küstenmeer zwischen den fünf deutschen Küstenländern. Zentrale Bedeutung für die Kompetenzlage hat auch die seewärtige Staatsgrenze. Denn für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben außerhalb des deutschen Staatsgebiets stellen sich die Fragen nach den Zuständigkeiten unter neuen Vorzeichen. Ergebnis der überaus zersplitterten Kompetenzlage ist, dass in Deutschland rund 20 Bundes- und Landesbehörden mit der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben auf See betraut sind: die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die Bundespolizei, die Bundeszollverwaltung, die Fischereiaufsicht des Bundes sowie die Wasserschutzpolizeien, Fischereiaufsichtsdienste und Wasserbehörden der fünf Küstenländer28 – eine institutionelle Gemengelage, die in der Presse treffend als „Küstennebel statt Klarschiff“ charakterisiert wird.29 Das Problem an dieser föderal und organisatorisch zerklüfteten Sicherheitsarchitektur ist, dass sich abzuwehrende Gefahren weder an räumliche Hoheitsgrenzen noch an sachliche Zuständigkeitsgrenzen zwischen Gebietskörperschaften oder Ressorts halten. Zwar sind auch an Land die Gefahrenabwehrkompetenzen sachlich und räumlich verteilt. Niemand käme auf die Idee, hier eine Zusammenlegung aller mit Gefahrenabwehraufgaben betrauten Behörden zu fordern. Anders als an Land folgen Unfälle und andere Gefahrenlagen auf See jedoch besonderen Gesetzmäßigkeiten: Sie haben in der Regel keinen festen Standort, spielen sich in großen, unüberschaubaren Gebieten ab und sind in besonderem Maße natur- und wetterabhängig. Vor allem aber erfordern Gefahrenabwehrmaßnahmen auf See besondere Einsatzmittel wie seetüchtige Schiffe und allwettertaugliche Hubschrauber sowie nautisch ausgebildete Einsatzkräfte. Bei größeren Gefahrenlagen auf See kommt es angesichts der schnell wechselnden Verhältnisse und der zugleich begrenzten Einsatzmittel auf klare und schnelle Führung an.30 Die Verteilung der maritimen Gefahrenabwehrkompetenzen auf eine Vielzahl von Behörden erschwert insoweit eine effektive Aufgabenwahrnehmung. Selbst im Routinedienst außerhalb besonderer Gefahrenlagen führt die Behördenvielfalt auf See – wenn auch möglicherweise nicht zu Effektivitätsverlusten – jedenfalls zu Effizienzverlusten, wenn dasselbe die deutsche Küste ansteuernde Schiff mehrmals von verschiedenen Behörden ange-

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Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (66). Hamburger Abendblatt vom 11. 02. 2007 („Behördenwirrwarr sondergleichen“). 30 Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff. (S. 168). 29

A. Problemstellung

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halten und unter verschiedenen Aspekten kontrolliert werden muss.31 Das verursacht nicht nur unnötige Kosten, da die entsprechende Ausstattung parallel durch mehrere Behörden vorgehalten wird, sondern führt auch zu Zeitverlust und damit Unmut bei den Betroffenen.32 Das Problem der aus der kompetentiellen Gemengelage resultierenden Effektivitäts- und Effizienzverluste ist seit langem erkannt. Ansätze zur Beseitigung des Kompetenzgewirrs sind beinahe so alt wie die Bundesrepublik. Bereits 1954 forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, einen Vorschlag zur organisatorischen Zusammenfassung der Seefahrzeuge des Bundes zu unterbreiten.33 Angedacht war ein sogenannter „Seegrenzdienst“, der die maritimen Vollzugsaufgaben für alle Bundesressorts übernehmen sollte.34 Es ging dabei allerdings lediglich um die logistische Zusammenfassung der Seefahrzeuge. Ressortverantwortlichkeiten sollten nicht angetastet werden,35 von föderalen Kompetenzbereinigungen ganz zu schweigen.36 Obgleich es sich insoweit um einen bescheidenen Vorschlag handelte, wurde er nicht realisiert. Das Thema verschwand von der politischen Tagesordnung, ohne dass sich am grundsätzlichen Problem etwas geändert hätte. Es hat sich aufgrund völkerrechtlicher Entwicklungen sogar noch verschärft: Durch die Erweiterung des Küstenmeers auf 12 Seemeilen, die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ)37 ermöglicht wurde, wurde dieses Seegebiet staatsrechtlich Inland.38 Da das Grundgesetz keine bundesunmittelbaren Gebiete kennt,39 schoben sich auch die Hoheitsgebiete der Länder und damit die föderalen Abgrenzungsprobleme hinaus. Dabei erfolgte die Ausdehnung des Küstenmeers jedenfalls in der Deutschen Bucht

31 In BT-PlProt. 15/145, S. 13547, wird das Beispiel eines ausländischen Frachters geschildert, der auf dem Weg in die Flensburger Förde fünfmal von fünf verschiedenen Behörden angehalten und kontrolliert worden ist. 32 Durch Verzicht auf Doppelstrukturen im maritimen Vollzug sollen Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich möglich sein, vgl. Jenisch, Neun Bausteine für die Küstenwache, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 12 (13). 33 BT-Drs. 658 vom 02. 07. 1954. 34 Hierzu umfassend Poske, Der Seegrenzschutz 1951 – 1956, 1982, S. 91 ff. 35 Poske, Der Seegrenzschutz 1951 – 1956, 1982, S. 99. 36 Zum föderalen Kompetenzkonflikt auf See bereits allgemein Stützer, Die Kompetenzen des Bundes und der Länder an den Seewasserstraßen und Seehäfen, 1955, mit Blick auf die gefahrenabwehrrechtlichen Vollzugskompetenzen bereits Keil, Die Verwaltung des Bundes und der Länder auf dem Gebiet der Sicherheit der Seehandelsschiffahrt, 1973. 37 BGBl. II 1994 S. 1799. 38 Die Bundesrepublik Deutschland machte von dieser Möglichkeit für die innere Deutsche Bucht bereits im Jahr 1985 Gebrauch. 1994 folgte die Ausweitung des Küstenmeers auf 12 Seemeilen an allen deutschen Küsten, vgl. Graf Vitzthum, Staatsgebiet, in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, 3. Aufl. 2004, § 18 Rn. 30. 39 Hierzu näher unten S. 40.

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1. Teil: Einführung

gerade aus dem Beweggrund, die von Tankerunfällen ausgehenden Gefahren besser bekämpfen zu können.40 Die Havarie des Frachters „Pallas“ im Jahr 1998 vor der deutschen Nordseeküste rückte das Thema maritime Sicherheit schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Frachter war mit Schnittholz von Stockholm nach Casablanca unterwegs, als vor der dänischen Küste die Ladung in Brand geriet.41 Nachdem Löschversuche der Mannschaft fehlschlugen und das Feuer sich sturmbedingt schnell ausbreitete, sendete der Kapitän einen Notruf aus. Daraufhin wurde die Besatzung mit deutschen und dänischen Hubschraubern evakuiert, wobei es ein Todesopfer gab. Die nunmehr in voller Länge brennende „Pallas“ trieb anschließend unbemannt in die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone und weiter in deutsche Hoheitsgewässer. Sämtliche Versuche, das Feuer zu bekämpfen und das Schiff von der Küste wegzuschleppen, schlugen fehl. Nach vier Tagen strandete das Schiff schließlich vor Amrum, wo es, weil eine Bergung nicht möglich war, bis heute liegt. Austretendes Öl verschmutzte das ökologisch sensible Wattenmeer und tötete tausende Seevögel. Die Bekämpfung der Verschmutzungen zog sich über ein halbes Jahr hin.

Die Havarie der „Pallas“ hat die Probleme der zergliederten Gefahrenabwehrzuständigkeiten eindrucksvoll vor Augen geführt und die Debatte um eine Neuausrichtung der maritimen Sicherheitsarchitektur wiederbelebt: In die Wahrnehmung der anstehenden Aufgaben (Brandbekämpfung, Evakuierung, Schleppen, schließlich Ölbekämpfung und Bergen) war – teilweise selbst innerhalb einer Teilaufgabe – eine Vielzahl von Behörden involviert. Nachfolgende Untersuchungen haben erhebliche Koordinationsdefizite festgestellt, die insbesondere in der Anfangsphase des Unglücks erheblich zu der dramatischen Entwicklung beigetragen haben. So kam eine durch den Bundesverkehrsminister einberufene Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass durch die zersplitterten Zuständigkeiten eine effektive Aufgabenwahrnehmung nicht gewährleistet sei.42 Kernpunkte der Empfehlungen dieser sog. „Grobecker-Kommission“ waren daher die Zusammenfassung aller Bundesdienste auf See zu einer „Seewache“43 sowie die Errichtung eines Havariekommandos, das ein Durchgriffsrecht auf alle Einsatzkräfte von Bund und Ländern haben sollte, um

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Vgl. die Bekanntmachung des Beschlusses der Bundesregierung über die Erweiterung des Küstenmeeres der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee zur Verhinderung von Tankerunfällen in der Deutschen Bucht vom 12. 11. 1984 (BGBl. I S. 1366) sowie Graf Vitzthum, Staatsgebiet, in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, 3. Aufl. 2004, § 18 Rn. 30. 41 Zum Unfallhergang ausführlich Clausen, Schwachstellenanalyse aus Anlass der Havarie der PALLAS, 2003, S. 45 ff. und S. 163 ff.; vgl. auch Jenisch, Hoheitliche Aufgaben für Polizei und Umweltschutz vor den deutschen Küsten, NuR 2000, 193 (194). 42 Bericht der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“ vom 16. 02. 2000 („Grobecker-Bericht“), S. 31. 43 Empfehlung Nr. 1 der „Grobecker-Kommission“, vgl. Bericht der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“ vom 16. 02. 2000 („Grobecker-Bericht“), S. 31, 76. Genau genommen sollten nach dieser Empfehlung jedoch nicht die Bundesbehörden selbst fusionieren, sondern lediglich deren Seefahrzeuge zusammengefasst werden. Das ähnelt den Überlegungen aus den 1950er Jahren.

A. Problemstellung

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eine einheitliche Kommandostruktur zu erreichen.44 Eine von Schleswig-Holstein in Auftrag gegebene Schwachstellenanalyse zur „Pallas“-Havarie machte als „Schwachstelle 1“ die grundgesetzliche Aufteilung der seesicherheitsrechtlichen Kompetenzen aus.45 Reaktion auf diese Erkenntnisse waren verschiedene Reformbemühungen mit dem Ziel einer effektiveren und effizienteren Aufgabenwahrnehmung im Bereich der maritimen Sicherheit, die in einer Reihe von Verwaltungsvereinbarungen mündeten. Die bisher realisierten Reformen setzen allerdings allesamt erst an den Folgen der komplexen Kompetenzaufteilung an, nicht an ihren Ursachen. Die verfassungsrechtliche und selbst die einfachgesetzliche Kompetenzlage sind hingegen unverändert geblieben. Einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung verschiedener Kompetenzträger sind jedoch verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Seit Jahren fordern Verbände und Fachpolitiker verschiedener Parteien grundlegende Reformen, insbesondere die Schaffung einer einheitlichen deutschen Küstenwache.46 Eine strukturelle Neuordnung der Aufgabe Seesicherheit war auch Thema der Föderalismuskommission II.47 Zu einer tatsächlichen Reform „an Haupt und Gliedern“ fehlte bisher jedoch der politische Mut. Dies scheint sich, schenkt man dem Koalitionsvertrag von 2009 Glauben, nun zu ändern. Dort heißt es: „Mit der späteren Zielsetzung des Aufbaus einer Nationalen Küstenwache wollen wir zunächst die Kompetenzen der gegenwärtig am Küstenschutz beteiligten Bundesbehörden zusammenführen.“48 Obwohl die vage formulierte „spätere Zielsetzung“ vermutlich über den Zeithorizont dieser Legislaturperiode hinausreicht, scheint immerhin eine grundsätzliche politische Bereitschaft zu 44 Empfehlung Nr. 2 der „Grobecker-Kommission“, vgl. Bericht der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“ vom 16. 02. 2000 („Grobecker-Bericht“), S. 31, 77. Das Durchgriffsrecht soll durch Bund-Länder-Vereinbarungen begründet werden (S. 32), was für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten wird (S. 36). Vgl. auch FAZ vom 17. 02. 2000, S. 17 sowie FAZ vom 07. 03. 2000, S. T1 („Eine Seewache soll das Kommando übernehmen“). 45 Clausen, Schwachstellenanalyse aus Anlass der Havarie der PALLAS, 2003, S. 25. 46 Vgl. den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion „Nationale Küstenwache schaffen“ vom 12. 03. 2008, BT-Drs. 16/8543; den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Schaffung einer nationalen Küstenwache“ vom 13. 01. 2004, BT-Drs. 15/2337; die Vorschläge der SPDBundestagsfraktion und der CDU-Bundesfraktion im Rahmen der Föderalismuskommission II, die übereinstimmend die Errichtung einer einheitlichen deutschen Küstenwache in zwei Schritten fordern, Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen, Arbeitsunterlage 042, S. 47 ff.; sowie die stetigen Appelle der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (abrufbar unter www.sdn-web.de/index.php?id=90). 47 Vgl. Deutscher Bundestag/Bundesrat, Die gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – Die Beratungen und ihre Ergebnisse, 2010, S. 324 ff.; zu den Einzelheiten vgl. Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Arbeitsunterlage 042, S. 47 ff. sowie Kommissionsdrucksache 127, S. 30 f. 48 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. 10. 2009, S. 98.

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1. Teil: Einführung

bestehen, das Problem an der Wurzel anzupacken und die aktuelle Kompetenzverteilung zu überdenken. Damit ist ein politisches Ziel definiert. Wie aber ist dieses Ziel organisationsrechtlich zu erreichen? Insbesondere die Frage, ob eine „Nationale Küstenwache“ im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts realisierbar ist oder ob hierzu das Grundgesetz geändert werden muss, wird uneinheitlich beantwortet.49 Eine grundsätzliche Klärung, wie die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele erreicht werden können, erscheint daher angebracht. 2. Einbindung der Fähigkeiten der Marine Neben der Organisation der zivilen Seedienste liegt ein weiterer Schwerpunkt der seesicherheitsrechtlichen Debatte auf der Frage, inwieweit die Streitkräfte polizeiliche Aufgaben auf See wahrnehmen dürfen, wenn die originär zuständigen zivilen Kräfte drohende Gefahren nicht effektiv abwehren können. Dies kann der Fall sein, weil sie entweder nicht über die nötigen Mittel verfügen oder aber nicht am Ort des Geschehens sind. Konkret können die besonderen Fähigkeiten der Marine zum einen benötigt werden in Extremsituationen im deutschen Küstenvorfeld: Terrorangriffe, aber auch Havarien und Naturkatastrophen können die Kräfte der zivilen Behörden übersteigen, zumal diese für die Tätigkeit auf See oft unzureichend mit seetauglichen Schiffen und Hubschraubern ausgestattet sind und deren Schiffe nicht über ernstzunehmende Waffen verfügen.50 Nur die Marine verfügt beispielsweise über die Mittel, ein terrorverdächtiges Schiff mit Kurs auf Deutschland zu stoppen. Zum anderen kommt die Verwendung der Marine zur Bekämpfung maritimer Gewalt in Übersee wie insbesondere der Piraterie in Betracht. Kaum im Blickpunkt der öffentlichen Diskussion steht – als dritte Verwendungsart – die seit langem praktizierte Verwendung von Marinekräften auch für polizeiliche Routineaufgaben im deutschen Küstenvorfeld. Alle genannten Fälle werfen grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen zur Zulässigkeit polizeilicher Maßnahmen durch die Streitkräfte auf, die der Klärung bedürfen. Für eine Verwendung im deutschen Küstenvorfeld betrifft dies in erster Linie die Frage, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Rechtsfolgen die Streitkräfte unterstützend tätig werden dürfen, insbesondere welche Mittel sie dabei verwenden

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Vgl. etwa Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (70) einerseits, nach dem „man um eine Grundgesetzänderung nicht herumkommen“ werde, und Dornquast, Die optimierte Küstenwache als Ziel, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 3 (5) andererseits, nach dem eine zentrale Stelle mit Entscheidungskompetenz für alle polizeilichen Lagen auf See „die Kompetenzordnung der Verfassung nicht in Frage“ stelle. Auch Kelch/von Wecheln, Die Deutsche Küstenwache, Die Polizei 2007, 14 (16), meinen, dass eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung durch den Bund auch hinsichtlich der Länderaufgaben durch Staatsverträge erreichbar sei. 50 Vgl. Jenisch, Sicherheit auf See, S+F 2008, 154 (160).

B. Ziel der Untersuchung

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dürfen.51 In diesem Zusammenhang besteht seit der Luftsicherheitsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts52 erheblicher Diskussionsbedarf, zumal das von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung postulierte Verbot militärischer Mittel im Rahmen der Katastrophenhilfe auf einem Missverständnis zu beruhen scheint. Hinsichtlich der überseeischen Tätigkeiten der Marine ist klärungsbedürftig, ob polizeiliche Aufgaben auch außerhalb von Bündnisoperationen wahrgenommen werden dürfen. Teilweise wird hierzu eine Grundgesetzänderung gefordert,53 teilweise eine solche für überflüssig befunden.54 Ungeachtet dessen ist auch im Fall einer Bündnisoperation das Verhältnis zwischen der mit polizeilichen Aufgaben mandatierten Marine und der originär zuständigen Behörde ungeklärt. Diese Unklarheit kulminierte in öffentlich bekanntgewordenen Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Einsatzgruppe GSG 9 der Bundespolizei und der Marine im Zuge einer geplanten Befreiung des von Piraten entführten deutschen Containerschiffs „Hansa Stavanger“, die teilweise sogar für das Scheitern der Aktion verantwortlich gemacht wurden.55 Eine grundsätzliche Klärung der Zulässigkeit eigenständiger polizeilicher Maßnahmen der Marine wie auch des Verhältnisses zwischen Marine und originär zuständiger Behörde ist daher dringend nötig.56

B. Ziel der Untersuchung Die andauernde Debatte um Kompetenzen im Bereich der maritimen Gefahrenabwehr gibt Anlass zu einer grundlegenden Untersuchung der Kompetenzlage. Ziel der Arbeit ist, den durch das Grundgesetz vorgegebenen kompetenzrechtlichen Rahmen für die Gefahrenabwehr auf See darzustellen, sodann aufzuzeigen, welche Zusammenarbeit innerhalb dieses Rahmens möglich ist, und schließlich Änderungsvorschläge im Sinne einer Kompetenzentflechtung zu formulieren. Dabei ist 51 Zu den erheblichen Unsicherheiten über das zulässige Maß von Sekundärverwendungen der Streitkräfte selbst zwischen BMVg und BMI vgl. Baldus, Braucht Deutschland eine neue Wehrverfassung?, NZWehrR 2007, 133 (133 f.). 52 BVerfGE 115, 118. 53 So etwa Brinkmann/Peters, Herausforderung: Maritime Sicherheit, S+F 2008, 19 (28); Freiherr von Waldenfels, Kommentar: Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Regelungsbedarf, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 97 ff. (S. 101); Vizeadmiral Feldt, Uns drohen Piraterie und Terror, FAZ vom 04. 01. 2008, S. 5. 54 So Fastenrath, Ran an den Feind, FAZ vom 19. 06. 2008, S. 6; i.E. auch Wiefelspütz, Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr auf See, NZWehrR 2005, 146 (161). 55 So FOCUS vom 11. 04. 2009, S. 13 ff. („Piraten: Geiselbefreiung verpatzt“); zur problematischen Aufgabenabgrenzung auch FAZ vom 15. 04. 2009, S. 4 („Getrennt marschieren, gar nicht schlagen“); vgl. ferner Glawe, Rechtsgrundlagen des Einsatzes deutscher Spezialkräfte in maritimen Geisellagen, NZWehrR 2009, 221 sowie Brinkmann, Das Trennungsgebot im Äußeren – Zur Frage der Zuständigkeit von Polizei- und Streitkräften am Beispiel von GSG 9 und KSK, NordÖR 2010, 53. 56 Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (71).

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1. Teil: Einführung

insbesondere zu klären, welche Schritte zu einer einheitlicheren Aufgabenwahrnehmung einer Grundgesetzänderung bedürften und welche auch nach geltendem Verfassungsrecht möglich wären. Indem die Arbeit die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen für verschiedene Reformmodelle untersucht, verfolgt sie auch das Anliegen, Grundlagen für die weitere politische Reformdiskussion zu schaffen. Zwei Problempunkte stehen – entsprechend den zu unterscheidenden Facetten der geführten Kompetenzdebatte – im Mittelpunkt der Untersuchung: zum einen Ursachen, Ausmaß und Lösungen der föderalen und organisatorischen Zersplitterung der zivilen Gefahrenabwehrkompetenzen und zum anderen die Zulässigkeit polizeilicher Aufgabenwahrnehmung durch die Marine. Während sich die seevölkerrechtliche Rechtslage zahlreicher Darstellungen erfreut, fristet das innerstaatliche öffentliche Seerecht ein rechtswissenschaftliches Schattendasein.57 Insbesondere die innerstaatliche Kompetenzlage für das Verwaltungshandeln auf See, vor allem außerhalb der Hoheitsgewässer, ist weitgehend verfassungsrechtliche terra incognita.58 Auch der Einsatz der Marine zu polizeilichen Zwecken, vor allem zur Pirateriebekämpfung, wird meist nur aus völkerrechtlicher, nicht aber aus staatsrechtlicher Perspektive beleuchtet.59 Eine große Ausnahme zu diesem Befund bildet Jenisch, der sich in zahlreichen Beiträgen zentral mit diesen kompetenzrechtlichen Fragen befasst.60 Auch auf die Arbeit von Herma ist hinzuweisen, deren letzter Teil sich in eher praktischer Ausrichtung auf den Meeresumweltschutz unter Darstellung der verschiedenen Sicherheitskonzepte diesen Fragen widmet.61 Ferner finden sich einzelne Beiträge anderer Verfasser zu Teilfragen der 57 Umfassende Darstellungen allerdings älteren Datums finden sich lediglich in den Handbüchern Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991 und Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989. 58 Darauf weist – für die deutsche Exekutivgewalt im Ausland – auch Kirchhof, in: Maunz/ Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 52, hin. 59 Vgl. aus der jüngeren Literatur aber Paulus/Comnick, Rolle von Bundesmarine und Bundespolizei, in: Mair, Piraterie und maritime Sicherheit, 2010, S. 79 ff.; Braun/Plate, Rechtsfragen der Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden durch die Bundesmarine: Wahrnehmung originär polizeilicher Aufgaben durch das Militär?, DÖV 2010, 203; FischerLescano, Bundesmarine als Polizei der Weltmeere?, NordÖR 2009, 49; Wiefelspütz, Die Beteiligung der Bundeswehr am Kampf gegen Piraterie, NZWehrR 2009, 133; Allmendinger/ Kees, „Störtebekers Erben“, NZWehrR 2008, 60; Brinkmann/Peters, Herausforderung: Maritime Sicherheit, S+F 2008, 19; Wiefelspütz, Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr auf See, NZWehrR 2005, 146; Stehr, Piraten und Terroristen – Die Befugnisse der Deutschen Marine, Marineforum 2004, Heft 3, 18. 60 Vgl. nur Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66; Jenisch, Sicherheit auf See, S+F 2008, 154; Jenisch, Marine, Piraterie und Grundgesetz, HANSA 2008, 174; Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff.; Jenisch, Hoheitliche Aufgaben für Polizei und Umweltschutz vor den deutschen Küsten, NuR 2000, 193, um nur einige zu nennen. 61 Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage erscheint jedoch vertiefungsbedürftig, insbesondere was die exterritorialen Kompetenzen, die Möglichkeit föderaler Zusammenarbeit und die Verwendbarkeit der Marine zu polizeilichen Zwecken betrifft.

B. Ziel der Untersuchung

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kompetentiellen Gemengelage auf See.62 Eine umfassende Gesamtdarstellung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung der Aufgabe Seesicherheit – im Sinne von Safety und Security – fehlt bislang. Diese erscheint jedoch essentiell, bevor über Reformen der Kompetenzarchitektur nachgedacht werden kann.

I. Fragestellungen Der skizzierte rechtliche Klärungsbedarf mündet in folgende Fragestellungen, auf die diese Arbeit Antworten zu geben sucht: – Wie verteilt das Grundgesetz die Kompetenzen für die Gefahrenabwehr auf See? – Was sind die Möglichkeiten und Grenzen einer gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung im Bundesstaat? Entsprechen die gegenwärtigen Formen der Zusammenarbeit auf dem Feld der maritimen Sicherheit den verfassungsrechtlichen Vorgaben? – Welche Möglichkeiten der Kompetenzentflechtung bestehen de constitutione lata bzw. ferenda? Insbesondere: Mit welchen Schritten kann das angestrebte Ziel einer einheitlichen Deutschen Küstenwache verwirklicht werden? – Inwieweit kann die Marine für polizeiliche Aufgaben auf See herangezogen werden?

II. Eingrenzungen und Begriffsklarstellungen 1. Sachlicher Untersuchungsgegenstand Gegenstand der Untersuchung sind die Kompetenzen63 für die Gefahrenabwehr auf See. Der Begriff der Gefahrenabwehr ist gleichbedeutend mit dem materiellen Polizeibegriff und umfasst diejenige staatliche Tätigkeit, die der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient.64 Zur Gefahrenabwehr als präventiver Polizeiaufgabe gehört auch die vorbeugende Verhütung von Straftaten im Vorfeld einer konkreten Gefahr, die sogenannte Gefahrenvorsorge,65 nicht aber die 62

Etwa Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff.; Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385; König, Schiffssicherheit auf der Ostsee: Nationales Recht, DÖV 2002, 639; Schnoor, Verfassungsrechtliche Bedingungen einer Küstenwache zur Bewältigung maritimer Schadensfälle, NordÖR 2000, 221. 63 Der Begriff der Kompetenz wird hier synonym mit dem der Zuständigkeit verwendet, so auch Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 227. Er steht für die originäre Zuordnung von Aufgaben zu einem Verwaltungsträger und seinen Behörden. 64 Dazu umfassend Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 1 ff. und 33 ff., vgl. auch § 14 PrPVG. 65 BVerfGE 113, 348 (368); Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 10.

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1. Teil: Einführung

Strafverfolgung und Strafverfolgungsvorsorge.66 Der Terminus „Gefahrenabwehr auf See“ bezeichnet danach die Gesamtheit aller auf See bestehenden präventiven Aufgaben der allgemeinpolizeilichen und sonderpolizeilichen Gefahrenabwehr.67 Synonym werden hierfür auch die Begriffe „Seesicherheit“ oder „maritime Sicherheit“ verwendet. Eingrenzungskriterium der Aufgabe „Seesicherheit“ ist keine Sachmaterie im eigentlichen Sinne, sondern der örtliche Bezug der Gefahrenquelle und -abwehrmaßnahme zur See.68 Dies macht das Recht der Seesicherheit zu einer heterogenen Materie. Der gemeinsame Nenner ist jedoch, dass alle Gefahrenabwehrmaßnahmen auf See nautische Kapazitäten erfordern, insbesondere seetüchtige Schiffe und Hubschrauber einschließlich des spezifisch ausgebildeten Personals. Damit wird das örtliche Abgrenzungskriterium zugleich zu einem sachlichen. Ziel der Arbeit ist nicht die Darstellung des materiellen Seesicherheitsrechts, das sich aus unzähligen Rechtsquellen des nationalen Rechts, des Europarechts und des Völkerrechts speist. Insbesondere geht es nicht um die Befugnisse für seesicherheitsrechtliche Eingriffsmaßnahmen. Die Untersuchung beschränkt sich vielmehr auf die innerstaatlichen Kompetenzen für die Aufgabenwahrnehmung auf See. Entscheidend geht es dabei um die Vollzugskompetenzen. Diese hängen nach der grundgesetzlichen Konzeption der Kompetenzverteilung jedoch von den Gesetzgebungskompetenzen ab. Die Klärung von Kompetenzfragen ist nicht bloß akademische Übung. Denn die Kompetenzgemäßheit einer Maßnahme ist erste Voraussetzung für deren Rechtmäßigkeit.69 Fehlt sie, handelt es sich um einen ultra vires-Akt. Mängel in der Kom-

66 Sie unterfällt als repressive Polizeitätigkeit dem gerichtlichen Verfahren i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 11. 67 Der Fokus der Untersuchung ist auf die Zuständigkeiten bei der maritimen Gefahrenabwehr mit Schifffahrtsbezug (Schiff als Ursache oder Mittel der Gefahr) gerichtet. Zwar dient auch die nicht-schifffahrtsbezogene Eingriffsverwaltung der (besonderen) Gefahrenabwehr, wie etwa das Gewerberecht, das Meeresbergbaurecht und das Bauordnungsrecht. Auch dort stellen sich aktuelle Rechtsfragen wie etwa die Problematik der bauaufsichtlichen Zuständigkeiten für Bauvorhaben in der ausschließlichen Wirtschaftszone, vgl. dazu Risch, Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2006. Die Besonderheit der hier zu untersuchenden Problematik resultiert jedoch gerade aus der Beweglichkeit von Schiffen und dem daraus folgenden Bedürfnis nach schneller, stringenter und flexibler Gefahrenabwehr. Diese Fragen stellen sich in anderen Bereichen nicht in vergleichbarer Weise, weshalb eine Konzentration auf den Bereich der Schifffahrt angebracht erscheint. 68 So auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 (S. 105). 69 Bei gesetzesfreier Verwaltung ist die Kompetenzgemäßheit hinreichende Bedingung. Bei gesetzesakzessorischer Verwaltung, wenn also der Vorbehalt des Gesetzes gilt, muss eine materiellrechtliche Grundlage hinzukommen. Die gesetzesfreie Verwaltung spielt im vorliegenden Kontext praktisch keine Rolle, da Gefahrenabwehrrecht Eingriffsrecht ist und insoweit der Vorbehalt des Gesetzes gilt.

B. Ziel der Untersuchung

39

petenz machen jede Maßnahme – notfalls verfassungsgerichtlich70 – angreifbar. Die Einhaltung (und zuvor die Klärung) von Kompetenzgrenzen ist insoweit von eminenter Bedeutung, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die nötige Rechtssicherheit handelnder Vollzugsbeamter. Eine klare Zuordnung von Kompetenzen ist auch im Sinne einer effektiven und effizienten Aufgabenerledigung unerlässlich, da sie Doppelarbeit, Reibungsverluste und widersprüchliches Verhalten der Verwaltung verhindert.71 Zudem kann sich eine Behörde nur bei eindeutiger Aufgabenzuweisung mit der erforderlichen Ausstattung und sachkundigem Personal auf die zu erwartenden Aufgaben einstellen. 2. Räumlicher Untersuchungsgegenstand Geographischer Bezugspunkt der Untersuchung ist die „See“, was zu einer näheren Präzisierung dieses räumlichen Elements veranlasst. Angesichts der geschilderten Gefahrenlagen, die von Seeschiffen ausgehen bzw. diesen drohen, sowie angesichts dessen, dass Gewässer maritimen Gepräges besondere Anforderungen an die Gefahrenabwehr stellen, wird hier ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt. „See“ wird verstanden als alle tatsächlich durch die Seeschifffahrt befahrenen Gewässer.72 Das umfasst die Wasserflächen jenseits der Küste sowie die Zufahrten zu den Seehäfen. Diese in tatsächlicher Hinsicht umschriebenen Gewässer unterteilen sich rechtlich in verschiedene Zonen, die aus Gründen der Begriffsklarheit vorab darzustellen sind. Der unterschiedliche Rechtsstatus hat Auswirkungen auf die Kompetenzlage. a) Seevölkerrechtliche Grenzziehungen Völkerrechtlicher Ordnungsrahmen auf See und insoweit Ausgangspunkt für räumliche Kompetenzbestimmungen ist das UN-Seerechtsübereinkommen von 1982 (SRÜ). Dieses – auch als „Verfassung der Meere“ bezeichnete – Übereinkommen unterteilt die oberirdischen Gewässer in innere Gewässer, Küstenmeer, Anschlusszone, ausschließliche Wirtschaftszone und Hohe See.73 Kompetenzrechtlich von grundlegender Bedeutung ist die Grenzziehung zwischen Küstenmeer und ausschließlicher Wirtschaftszone, also die seewärtige Küstenmeergrenze. Denn die landwärts dieser Grenze gelegenen Gewässer (innere Gewässer und Küstenmeer) 70 Vgl. nur die Elfes-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 6, 32 (38 ff.), nach der kompetenzwidrige Normen nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG sind. 71 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rn. 46. 72 § 1 FlaggenRG und § 3 Abs. 2 SchRegO definieren Seeschiffe als „zur Seefahrt bestimmte Schiffe“, was an die subjektive Zweckbestimmung anknüpft. Die Grenzen der Seefahrt in diesem Sinne werden aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 22 Abs. 1 FlaggenRG durch § 1 FlaggenRV legaldefiniert. Sie entsprechen im Wesentlichen den Grenzen zwischen See- und Binnenwasserstraßen (§ 1 WaStrG). 73 Hinzu kommen bei Archipelstaaten die sogenannten Archipelgewässer.

40

1. Teil: Einführung

sind als sogenanntes „maritimes Aquitorium“ Bestandteil des Staatsgebietes, staatsrechtlich also Inland.74 Hingegen zählen die Meereszonen seewärts der Küstenmeergrenze zum Nichtstaatsgebiet bzw. fremden Staatsgebiet. Die seewärtige Küstenmeergrenze ist insoweit zugleich die seewärtige Staatsgrenze und damit nicht nur völkerrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich bedeutsam: Die Seegebiete bis zur seewärtigen Küstenmeergrenze gehören zum in Satz 2 der Präambel indirekt festgeschriebenen räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes.75 Da das Grundgesetz weder bundesunmittelbare Gebiete noch bundesfreie Landesgebiete kennt, sondern das Bundesgebiet vielmehr identisch ist mit der Gesamtheit der Landesgebiete,76 folgt daraus zugleich, dass sich bis zur seewärtigen Küstenmeergrenze auch die Hoheitsgebiete der Länder erstrecken.77 Der Verlauf der seewärtigen Küstenmeergrenze leitet sich ihrerseits von der sogenannten Basislinie ab, die die inneren Gewässer vom Küstenmeer trennt.78 Im Normalfall ist dies die durchschnittliche Niedrigwasserlinie (Art. 5 SRÜ), im Falle vorgelagerter Inselketten sowie Einbuchtungen bzw. Einschnitten der Küste kann die Basislinie jedoch durch Anwendung der Methode der geraden Basislinien (Art. 7 SRÜ) weiter seewärts verlaufen,79 was vor allem in der Deutschen Bucht von Bedeutung ist. Die Breite des Küstenmeers beträgt 12 Seemeilen, gemessen von der Basislinie. Das Küstenmeer ist der Gebietshoheit des Küstenstaats unterworfen (vgl. Art. 2 SRÜ: „Souveränität“). Deren Ausübung ist jedoch völkerrechtlich insoweit begrenzt, als fremden Schiffen etwa das „Recht der friedlichen Durchfahrt“ zu gewähren ist (Art. 17 SRÜ). Die Möglichkeit, seewärts des Küstenmeers eine sogenannte Anschlusszone in Form eines höchstens 12 Seemeilen breiten Streifens zu beanspruchen, in dem polizeiliche Kontrollrechte jenseits der Staatsgrenze fortbestehen, wurde von Deutschland nicht wahrgenommen. In Anspruch genommen wurde jedoch eine ausschließliche Wirtschaftszone, die seewärts des Küstenmeers beginnt und sich auf einen höchstens 200 Seemeilen breiten Streifen, gemessen ab der Basislinie, erstreckt. Die ausschließliche Wirtschaftszone ist Nichtstaatsgebiet

74 Vgl. eingehend Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 5. Abschnitt, Rn. 38 ff.; Graf Vitzthum, Aquitoriale Souveränität, in: Dupuy/Fassbender/Shaw/ Sommermann, FS Tomuschat, 2006, S. 1067 ff. sowie Wolfrum, in: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 383. 75 Dieser Bedeutungsgehalt des Satzes 2 der Präambel erschließt sich erst, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Formulierung als Ersatz für den im Zuge der Wiedervereinigung aufgehobenen Art. 23 GG a.F. dienen sollte, der den Geltungsbereich des Grundgesetzes explizit festlegte, vgl. Graf Vitzthum, Staatsgebiet, in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, 3. Aufl. 2004, § 18 Rn. 9 und 18; Merten, Räumlicher Geltungsbereich von Grundrechtsbestimmungen, in: Dörr/Kempen u. a., FS Schiedermair, 2001, S. 331 ff. (S. 334 f.). 76 Graf Vitzthum, Staatsgebiet, in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, 3. Aufl. 2004, § 18 Rn. 34; Huber, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Präambel Rn. 34; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Präambel Rn. 11. 77 Vgl. Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 180. 78 Ausführlich zur Bestimmung der Basislinie als innerer Küstenmeergrenze Wolfrum, in: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, S. 421. 79 Graf Vitzthum, Maritimes Aquitorium und Anschlusszone, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, S. 63 ff., Rn. 14.

B. Ziel der Untersuchung

41

und insoweit keiner Gebietshoheit unterworfen.80 Es handelt sich vielmehr um einen „Funktionshoheitsraum“, in dem bestimmte funktional begrenzte Hoheitsrechte des Küstenstaats fortbestehen, was im Ergebnis zu exklusiven Nutzungsrechten führt.81 In erster Linie geht es um die Nutzung von natürlichen Ressourcen, um Energiegewinnung und um Umweltschutzmaßnahmen (Art. 56 SRÜ). Seewärts der ausschließlichen Wirtschaftszone beginnt schließlich die Hohe See (Art. 86 ff. SRÜ), in der – abgesehen von der Nutzung des Meeresbodens des Festlandsockels – keine funktionalen Hoheitsrechte eines Staates mehr bestehen.

Wird die deutsche Staatsgewalt außerhalb der seewärtigen Küstenmeergrenze tätig, so macht es aus staatsrechtlicher Sicht zunächst keinen Unterschied, ob dies in eigenen Funktionshoheitsräumen, auf Hoher See oder in fremden Hoheitsgewässern stattfindet. Jedenfalls handelt es sich um exterritoriale Aufgabenwahrnehmung. Ob und inwieweit exterritoriale Gefahrenabwehrmaßnahmen zulässig sind, ist eine Frage des Völkerrechts und nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Festzuhalten ist allerdings, dass unter bestimmten Voraussetzungen exterritoriale Polizeigewalt ausgeübt werden darf.82 Hier geht es allein um die Frage der innerstaatlichen Zuständigkeit im Falle völkerrechtskonformer exterritorialer Gefahrenabwehr durch die deutsche Staatsgewalt.

80 Vgl. eingehend Proelß, Ausschließliche Wirtschaftszone, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, S. 222 ff., Rn. 216. 81 Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 5. Abschnitt, Rn. 49. 82 Dies gilt zunächst für die Durchsetzung der aufgrund funktionaler Hoheitsrechte für die ausschließliche Wirtschaftszone erlassenen Regelungen, vor allem die Fischereiaufsicht (Art. 73 SRÜ). Ferner unterliegen Schiffe auf Hoher See der vollen und ausschließlichen Hoheitsgewalt des Flaggenstaats (Art. 92 SRÜ). Hinzu kommen folgende auch gegenüber fremden Schiffen bestehende Befugnisse: auf Hoher See die Befugnis zu Maßnahmen gegen Piratenschiffe nach Art. 105 SRÜ, besondere Kontrollrechte nach Art. 110 SRÜ sowie die Befugnis der Küstenstaaten, erforderliche Maßnahmen gegen Verschmutzungen durch illegale Einleitungen (Art. 220 Abs. 5 und 6 SRÜ) sowie gegen Verschmutzungen durch Seeunfälle (Art. 221 SRÜ) zu ergreifen. Völkerrechtliche Rechtsgrundlagen für exterritoriale Gefahrenabwehrmaßnahmen können sich zudem aus anderen zwischenstaatlichen Vereinbarungen wie insbesondere der Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation (SUA-Konvention), aufgrund von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates (so etwa die Resolutionen 1816 und 1846, die alle erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie auch in somalischen Hoheitsgewässern erlauben) sowie im Einzelfall durch Zustimmung eines anderen Küstenstaates ergeben. Vertiefend zum völkerrechtlichen Rahmen von Gefahrenabwehrmaßnahmen außerhalb der Hoheitsgewässer Jenisch, Pirateriebekämpfung vor Somalia auf dem Prüfstand – Mandate, Marinen, Mängel, NordÖR 2009, 385 (386 f.); Wiefelspütz, Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr auf See, NZWehrR 2005, 146 (154 f.); Wolfrum, Fighting Terrorism at Sea: Options and Limitations under International Law, in: Frowein/Scharioth/Winkelmann/ Wolfrum, FS Eitel, S. 649 ff.; Giegerich, Sicherheit auf See: Maßnahmen gegen die Verschiffung von Massenvernichtungswaffen an internationale Terroristen nach Völkerrecht und deutschem Recht, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 5 ff. (S. 19 ff.) sowie Lagoni, Kommentar: Schifffahrtsfreiheit und Transport von Massenvernichtungswaffen für Terroristen, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 35 ff.

42

1. Teil: Einführung

b) Innerstaatliche Grenzziehungen Neben den seevölkerrechtlichen Grenzziehungen trifft auch das innerstaatliche öffentliche Seerecht Abgrenzungen zwischen verschiedenen Gewässerzonen. Zentrale, klärungsbedürftige Begriffe sind die der Seewasserstraße und der Seeschifffahrtsstraße. Es handelt sich um Begrifflichkeiten der jeweiligen Teilgebiete des Seesicherheitsrechts, konkret des Wasserwege- und des Schifffahrtsrechts, die an die Sachmaterie anknüpfen und sich daher räumlich überlappen. Seewasserstraßen werden in § 1 Abs. 2 S. 1 WaStrG legaldefiniert als die Flächen zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser (bzw. der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen) einerseits und, insoweit die völkerrechtliche Grenzziehung aufgreifend, der seewärtigen Küstenmeergrenze andererseits.83 Die äußere Grenze der Seewasserstraßen ist also die deutsche Staatsgrenze. Die Flüsse und Kanäle sind Binnenwasserstraßen.84 Die Seewasserstraßen sind danach im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Küstenmeer, ihre landwärtige Grenze verläuft jedoch im Gegensatz zur inneren Küstenmeergrenze unmittelbar am „trockenen Land“. Der Unterschied erklärt sich zum einen daraus, dass maßgeblich für die Seewasserstraßen der mittlere Hochwasserstand, für das Küstenmeer hingegen der mittlere Niedrigwasserstand ist, was durch den großen Tidenhub an der Nordseeküste einen erheblichen Unterschied macht. Zum anderen bewirkt die Anwendung der geraden Basislinien ein Hinausschieben der inneren Küstenmeergrenze. Seewasserstraßen und Binnenwasserstraßen stellen Kategorien des Wasserwegerechts dar. Vereinfachend lässt sich zusammenfassen: Seewasserstraßen sind das Meer, Binnenwasserstraßen sind Flüsse und Kanäle. Im Gegensatz zu dieser wegerechtlichen Grenzziehung wird verkehrsrechtlich zwischen Seeschifffahrtsstraßen und Binnenschifffahrtsstraßen differenziert. Zu den Seeschifffahrtsstraßen zählen sowohl Teile der Seewasserstraßen als auch der Binnenwasserstraßen. Seewasserstraßen und Seeschifffahrtsstraßen bilden also zwei sich überschneidende Kreise.85 Gemäß § 1 Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO)86 sind Seeschifffahrtsstraßen erstens die Wasserflächen zwischen der mittleren Hochwasserlinie und einer 83

Räumlich deckungsgleich mit den Seewasserstraßen sind die Küstengewässer i.S.d. § 3 Nr. 2 WHG, vgl. Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 1 Rn. 13. 84 Auch sie werden durch Anlage 1 zum WaStrG konstitutiv festgelegt, indem Anfang und Ende der jeweiligen Binnenwasserstraße mittels konkreter geographischer Punkte definiert werden. Die dort getroffene seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraßen ist im Mündungsbereich zugleich die landwärtige Grenze der Seewasserstraße. Zu beachten ist, dass die Bundeskompetenz für Binnenwasserstraßen nur besteht, soweit sie dem allgemeinen Verkehr dienen. Da die seewärtige Begrenzung der nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen zugleich auch landwärtige Begrenzung der (Bundes-)Seewasserstraßen ist, drohen widersprüchliche Grenzziehungen durch Bundes- und Landesrecht. In der Praxis wird die seewärtige Grenze der Binnenwasserstraßen, die nicht Bundeswasserstraßen sind, entsprechend der Ermächtigung in § 3 Nr. 2 Hs. 2 WHG landesrechtlich bestimmt. 85 Vgl. zu den Begrifflichkeiten auch Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 140. 86 BGBl. I 1998 S. 3209, BGBl. I 1999 S. 193.

C. Gang der Untersuchung

43

Linie von drei Seemeilen Abstand seewärts der Basislinie (also ein Streifen entlang der Küste), zweitens seewärts dieser Begrenzung bis zur Küstenmeergrenze die betonnten Fahrwasser und drittens diejenigen Teile der Binnenwasserstraßen, die in § 1 SeeSchStrO enumerativ aufgeführt sind. Es handelt sich dabei um Binnenwasserstraßen, die ein maritimes Gepräge aufweisen und von Seeschiffen passiert werden. Alle dort nicht erwähnten Teile der Binnenwasserstraßen sind Binnenschifffahrtsstraßen. Die Zufahrt zu den Seehäfen, die nicht unmittelbar an der Küste liegen, erfolgt über Seeschifffahrtsstraßen der dritten Gruppe. Insoweit sind auch diese Binnenwasserstraßen vom räumlichen Untersuchungsbereich umfasst.

C. Gang der Untersuchung Die Untersuchung untergliedert sich in sechs Teile. Sie spiegeln – abgesehen von der Einführung (1. Teil) und den Schlussbetrachtungen (6. Teil) – die oben aufgeworfenen Fragestellungen wider. Im 2. Teil wird mit dem Ziel einer kompetentiellen Bestandsaufnahme zunächst untersucht, wie das Grundgesetz und das einfache Recht nach gegenwärtiger Rechtslage die Gefahrenabwehrkompetenzen auf See verteilen. Abschnitt A. behandelt die Gesetzgebungskompetenzen, Abschnitt B. die Vollzugskompetenzen, bei denen wiederum nach Verbands- und Organkompetenzen zu differenzieren ist. Ausgehend von den so gewonnenen Erkenntnissen zur kompetentiellen Ausgangslage geht der 3. Teil weiter der Frage nach, inwieweit eine Zusammenarbeit im Bereich der Gefahrenabwehr auf See möglich ist. Nach einer Darstellung der tatsächlichen Erscheinungsformen der Zusammenarbeit in der Praxis (Abschnitt A.) werden die abstrakten Maßstäbe für ein föderales Zusammenwirken im Vollzug erarbeitet (Abschnitt B.), um anschließend die konkreten Erscheinungsformen maritimer Zusammenarbeit an diesen zu messen (Abschnitt C.). Die grundsätzliche Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen föderalen Zusammenwirkens, geführt unter dem Schlagwort der „Mischverwaltung“, erfährt seit der Hartz IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts87 in jüngster Zeit gewissermaßen eine Renaissance,88 weshalb eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dieser Frage geboten erscheint. Geht es insoweit stets um eine Überwindung der negativen Folgen der Kompetenzzersplitterung, setzt der 4. Teil an ihren Ursachen an und schlägt Änderungen der gegenwärtigen Kompetenzverteilung vor. Dabei ist herauszuarbeiten, welche Ab-

87

BVerfGE 119, 331. Nach langer politischer Debatte und gescheiterten Reformanläufen wurde zur Legalisierung der für verfassungswidrig erklärten SGB II-Arbeitsgemeinschaften das Grundgesetz nunmehr um einen Art. 91e GG ergänzt, vgl. FAZ vom 10. 07. 2010, S. 10. 88

44

1. Teil: Einführung

hilfemaßnahmen bereits nach geltendem Verfassungsrecht möglich wären (Abschnitt A.) und welche einer Grundgesetzänderung bedürften (Abschnitt B.). Der 5. Teil behandelt schließlich die Frage, inwieweit die Marine für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben auf See verwendet werden darf, ob die gegenwärtigen sowie potentiell erforderlichen Verwendungen auf See den verfassungsrechtlichen Restriktionen entsprechen und welche normativen Reformansätze verneinendenfalls in Erwägung zu ziehen sind.

2. Teil

Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See Für die Gefahrenabwehr auf See nimmt das Grundgesetz eine äußerst komplexe und verflochtene Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern vor, die auf der Ebene des einfachen Rechts weiter vertieft wird. Obgleich aus dem Blickwinkel einer effektiven Aufgabenwahrnehmung die Verwaltungszuständigkeiten im Mittelpunkt dieser Kompetenzanalyse stehen, sind Ausgangspunkt der Untersuchung zunächst die Gesetzgebungskompetenzen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bilden die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes die äußerste Grenze für dessen Verwaltungskompetenzen.1 Reichten diese weiter als jene, würde der Bund Landesrecht vollziehen, was nach dem Grundgesetz schlechterdings ausgeschlossen sei.2 Dieses Verbot ergibt sich unmittelbar aus Art. 30 GG, da das Grundgesetz für den Bundesvollzug von Landesrecht keine „andere Regelung trifft“. Die Ausführung von Landesrecht ist nach Art. 30 GG also stets Ländersache. Allein für die Ausführung von Bundesgesetzen, nicht aber von Landesgesetzen gilt der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes und stellt sich daher die Frage nach einer etwaigen Vollzugskompetenz des Bundes.3 Mit der Reichweite der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes fällt daher schon die Vorentscheidung über mögliche Vollzugskompetenzen.4 1

(14).

BVerfGE 12, 205 (229); 15, 1 (16); 78, 374 (386); 102, 167 (174); ebenso BVerwGE 110, 9

2 BVerfGE 12, 205 (221); 21, 312 (325); grundlegend hierzu Zeidler, Ausführung von Landesgesetzen durch Bundesbehörden, DVBl. 1960, 573. Wenngleich der Bundesvollzug von Landesrecht danach ausgeschlossen ist, trifft den Bund schon aufgrund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG sehr wohl die Pflicht, bei seiner Verwaltungstätigkeit einschlägiges Landesrecht zu „beachten“, vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 30. In der Praxis gibt es freilich Grenzfälle zwischen Beachtung und Ausführung, dazu etwa Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, 1995, S. 126 ff. 3 Für die herrschende Auffassung im Schrifttum vgl. nur Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 29; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 3; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 41, S. 783 ff.; Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 19; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 59; Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 83 Rn. 7. 4 Dieser Grundsatz des Verbots eines Bundesvollzugs von Landesrecht hat für den Bereich der ungeschriebenen Kompetenzen freilich zur Folge, dass eine ungeschriebene Vollzugskompetenz des Bundes auch eine ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz mit einschließen muss, vgl. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 59. Dies ist vor allem für die exterritorialen Bundeskompetenzen von Bedeutung, dazu näher auf S. 69.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

A. Gesetzgebungskompetenzen I. Grundsätze Nach der Grundentscheidung des Art. 70 Abs. 1 GG steht den Ländern das Recht zur Gesetzgebung zu, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zuweist. Dieser Grundsatz entfaltet auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts eine gesteigerte Bedeutung, da das Grundgesetz hier vergleichsweise wenige Ausnahmekompetenzen zugunsten des Bundes einräumt. Insbesondere belässt es den Ländern die Kompetenz zur Regelung der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr, was häufig als „Polizeihoheit der Länder“ bezeichnet wird. Obwohl gelegentlich zu einem Verfassungsgrundsatz hochstilisiert, hat der Terminus nur begrenzte Aussagekraft. Insbesondere wäre die Schlussfolgerung verfehlt, dass die Länder für jede Art der Gefahrenabwehr zuständig wären,5 dem Bund hingegen Regelungen der Gefahrenabwehr schlechterdings verwehrt blieben. Tatsächlich treffen die Art. 70 ff. GG eine Aufteilung der Gefahrenabwehrkompetenzen zwischen Bund und Ländern. Nur in diesem Rahmen kann von einer „Polizeihoheit“ der Länder die Rede sein, die sich dann nur auf die verbleibenden Länderkompetenzen zur Gefahrenabwehr erstreckt und deren Inhalt folglich erst am Ende der Kompetenzanalyse feststehen kann. Unter der „Polizeihoheit der Länder“ ist also nicht etwa ein gliedstaatlicher „domaine réservé“6, der der grundgesetzlichen Kompetenzordnung vorangestellt und einer Verteilung gleichsam entzogen wäre, zu verstehen.7

5

Missverständlich ist insoweit die Ausführung in BVerfGE 3, 407 (433), dass sich die Zuständigkeit der Länder für das Baupolizeirecht daraus ergebe, dass das „Polizeirecht nach wie vor Sache der Ländergesetzgebung“ sei. Diese zu weite Formulierung wird indes noch auf derselben Seite revidiert, indem das Bundesverfassungsgericht spezialpolizeiliche Zuständigkeiten des Bundes bejaht. 6 Vgl. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 117. 7 So aber Merten, Mißachtungen der Polizeihoheit der Länder durch den Bund, DVBl. 1987, 395 (396), der die Polizeihoheit der Länder nicht als vom Grundgesetz zugeteilte staatliche Befugnis, sondern als „eigene, ursprüngliche Staatsgewalt der Gliederstaaten“ versteht. Derartige „extrakonstitutionelle“ Kompetenzen sind mit der Verfassungsordnung des Grundgesetzes aber nicht vereinbar. Trotz des zeitlichen Vorsprunges der (insoweit vorgefundenen) Länder vor dem Bund ergeben sich Kompetenzen von Gesamtstaat und Gliedstaaten einzig und allein aus dem Grundgesetz. Richtig ist zwar, dass die Eigenstaatlichkeit der Länder durch Art. 20 GG garantiert wird. Sie wird aber durch das Grundgesetz selbst, nämlich vor allem durch Art. 30 GG, mit Inhalt gefüllt. Die konkrete Aufteilung der Kompetenzen ist nicht sakrosankt, sondern steht – innerhalb der durch Art. 79 Abs. 3 GG gesetzten Grenzen – im Ermessen des verfassungsändernden Gesetzgebers. Das gilt auch für Regelungen der Gefahrenabwehr, vgl. auch Schoen, Nochmals: Mißachtungen der Polizeihoheit der Länder durch den Bund?, DVBl. 1988, 16 (17).

A. Gesetzgebungskompetenzen

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II. Bundeskompetenzen Tatsächlich verleiht das Grundgesetz dem Bund eine Reihe von Gesetzgebungsbefugnissen für den Bereich der Seesicherheit. Zwar taucht der Begriff der Seesicherheit oder der Gefahrenabwehr auf See weder in den Kompetenzkatalogen der Art. 71 ff. GG noch an sonstiger Stelle des Grundgesetzes auf. Daraus entsprechend der Zuständigkeitsvermutung des Art. 70 GG zu schließen, dass sämtliche gefahrenabwehrrechtliche Kompetenzen auf See den Küstenländern zustünden, wäre indes zu kurz gegriffen. Vielmehr liegt das Fehlen eines solchen Kompetenztitels an der eingangs beschriebenen Heterogenität dieses Rechtsgebietes, das einen Oberbegriff für sämtliche Aufgaben der allgemeinen und besonderen Gefahrenabwehr auf See darstellt. Kompetenztitel finden sich dementsprechend für verschiedene Teilbereiche der Seesicherheit. Dabei handelt es sich teilweise um ausdrückliche Gefahrenabwehrkompetenzen, meist aber um sonderpolizeiliche Annexkompetenzen. Denn wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden hat, schließt die Gesetzgebungskompetenz für einen bestimmten Sachbereich als (ungeschriebene) Annexkompetenz stets auch die Kompetenz zur Regelung der Ordnungs- bzw. Polizeigewalt in diesem Lebensbereich, also zum Erlass spezialpolizeilicher Vorschriften, ein.8 Daher sind Normen, die der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in einem bestimmten Sachbereich dienen, dem Sachbereich zuzurechnen, mit dem sie in einem notwendigen Zusammenhang stehen.9 Auf diese Weise lassen sich für viele Bereiche Gefahrenabwehrkompetenzen des Bundes begründen, wie etwa für die Luftpolizei aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG, die Bahnpolizei aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG oder die Gewerbepolizei aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.10 Die sonderpolizeilichen Kompetenzen des Bundes zur Gefahrenabwehr auf See sind zum Teil see- oder gewässerspezifischer Natur. Teilweise handelt es sich jedoch auch um Kompetenzen, die auf See ebenso wie an Land eine Rolle spielen, wie etwa hinsichtlich grenzbezogener Aufgaben. Einen eigenständigen Sachbereich bilden nur jene Regelungen, bei denen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung den alleinigen und unmittelbaren Gesetzeszweck bildet und die dementsprechend nicht in einem notwendigen Zusammenhang mit einem sonstigen Sachbereich stehen.11 Dieses Polizeirecht im engeren Sinne, das allgemeine Polizeirecht, belässt das Grundgesetz den Ländern.12

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BVerfGE 3, 407 (433); 8, 143 (149); ebenso BVerwGE 84, 247 (250). BVerfGE 8, 143 (150). 10 Zahlreiche weitere Beispiele bei Schenke/Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 171 ff., Rn. 17 f. 11 BVerfGE 8, 143 (150); vgl. auch Möllers, Wörterbuch der Polizei, 2. Aufl. 2010, Stichwort Polizeihoheit, S. 1472 f. 12 BVerfGE 8, 143 (150). 9

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

1. Schifffahrtsrecht Wesentliche Bundeskompetenzen ergeben sich zunächst aus dem auch als „nautischer Katalog“13 bezeichneten Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG. Dieser weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis unter anderem für die „Hochseeund Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen“ und „die Binnenschiffahrt“ zu. Der Bund ist danach zuständig für das gesamte Schifffahrtsrecht als Wasserverkehrsrecht. Entsprechend der Wortbestandteile „Schiff“ und „Fahrt“ umfasst die Kompetenz alle verkehrsspezifischen Regelungen von Anforderungen an Wasserfahrzeuge und Besatzungen bis hin zum Verhalten im Verkehr.14 Exemplarisch zählt das Bundesverfassungsgericht als Bestandteile des Schifffahrtsrechts auf: „Regelungen über die technische Beschaffenheit, die Ausrüstung und die Bemannung der Schiffe, die Festsetzung des Entgeltes, die Sorge für die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs, das Signalwesen usw.“15 Entscheidend im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext ist die sachbereichsspezifische Ordnungsgewalt. Aus dem beschriebenen Gesichtspunkt der Annexkompetenz umfasst die Kompetenz für das Schifffahrtsrecht auch die Kompetenz, Regelungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Bereich der Schifffahrt, also der schifffahrtsbezogenen Gefahrenabwehr zu treffen. Diese sonderpolizeiliche Gefahrenabwehr wird traditionell16 als Schifffahrtspolizei bezeichnet.17 Ihre Reichweite ist jedoch begrenzt: Sie beschränkt sich auf die ordnungsrechtliche Überwachung und Durchsetzung der verkehrlichen Regelungen. Schifffahrtspolizei ist danach in erster Linie die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und sonstiger verkehrsimmanenter Gefahren.18 Nicht zur Schifffahrtspolizei zählt hingegen die Abwehr von äußeren, nichtbetrieblichen Gefahren.19 Die Bundeskompetenz ist reduziert auf die Abwehr rechtswidrigen Verkehrsverhaltens. Auch wenn Bundesgesetze die Schifffahrtspolizei als „die Abwehr von Gefahren für 13

Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 74 Rn. 102. „Schiffe“ in diesem Sinne sind nicht nur die umgangssprachlich oder traditionell als solche bezeichneten, sondern grundsätzlich sämtliche Fortbewegungsmittel, die geeignet und dazu bestimmt sind, Güter und/oder Personen auf dem Wasserwege zu transportieren, da ein verkehrsrechtliches Regelungsbedürfnis für alle Verkehrsteilnehmer besteht, vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 74 Rn. 93; Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1495. 15 BVerfGE 15, 1 (12). 16 Der Begriff entstammt dem preußischen Verwaltungsrecht (vgl. §§ 136, 138 und 145 Preußisches Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung, Gesetzsammlung 1883, S. 195), fand dann Eingang in Art. 97 Abs. 5 WRV und später in das einfache Bundesrecht (§ 1 Nr. 2 SeeAufgG, §§ 31 ff. WaStrG). 17 Schenke/Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 171 ff., Rn. 249. 18 Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1499. 19 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 113). 14

A. Gesetzgebungskompetenzen

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die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Seeschifffahrt ausgehender Gefahren“20 legaldefinieren, so bedeutet der Zusatz nicht, dass jedwede von der Schifffahrt ausgehende Gefahren erfasst wären. Das würde die verkehrsrechtliche Kompetenz überschreiten. Vielmehr geht es auch hier nur um die Einhaltung der verkehrsrechtlichen Vorschriften, deren Schutzgut freilich nicht nur der Verkehr selbst, sondern etwa auch Leben und Gesundheit der Besatzung sowie die Gewässerreinhaltung sein können (etwa Sicherheitsanforderungen an Schiff, Ausrüstung und Betrieb). Die Schifffahrtspolizei ist aber auch insoweit nur auf die Einhaltung dieser Verkehrsvorschriften gerichtet. Nichtverkehrliche Rechtsgüter können über die Schifffahrtskompetenz nur vorsorgend durch Sicherheitsvorschriften geschützt werden. Für deren Beachtung zu sorgen, ist eine schifffahrtspolizeiliche Aufgabe. Hat sich eine nichtverkehrliche Gefahr jedoch realisiert, gehört die Abwehr dieser Gefahr nicht mehr zur Schifffahrtspolizei.21 Obwohl der Bund über eine umfassende Kompetenz für das Schifffahrtsrecht verfügt,22 schließt diese also nur sehr eingeschränkte Gefahrenabwehrkompetenzen ein. Der Umstand, dass eine Gefahr im bloßen räumlichen Zusammenhang mit einem Schiff steht, reicht nicht aus. Die schifffahrtsrechtliche Kompetenz wird im Hinblick auf ihren Gefahrenabwehrgehalt damit deutlich enger als bei anderen Verkehrsträgern ausgelegt.23 Vor allem die von der eisenbahnrechtlichen Kompetenz des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG mit eingeschlossene Bahnpolizei ist nicht auf verkehrsspezifische Gefahren beschränkt, sondern umfasst die „polizeiliche Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Bahnanlagen“24 schlechthin.25 Auch die Luftpolizei als Annex zu Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG ist nicht in der gleichen Stringenz wie die Schifffahrtspolizei auf verkehrliche Gefahren beschränkt.26 Ob das restriktive Verständnis der schifffahrtspolizeilichen 20

§ 1 Nr. 2 SeeAufgG, entsprechend § 1 Nr. 2 BinSchAufgG, Hervorhebungen d. Verf. So deutlich BVerwGE 87, 181 (185 f.), wonach die schifffahrtspolizeiliche Zuständigkeit des Bundes zwar zur Vorsorge gegen Gewässerverunreinigungen ermächtige, jedoch nicht deren Beseitigung umfasse. Diese falle in die wasserpolizeiliche Zuständigkeit des jeweiligen Landes. A.A. noch BVerwG, NJW 1986, 2524. 22 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1984), Art. 74 Rn. 233. 23 Hierzu auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 113). 24 BVerfGE 97, 198 (222). 25 Der Verkehrsbezug begrenzt die Bahnpolizei also nicht sachlich, sondern nur räumlich, vgl. etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 23 („Gefahrenabwehr im Bereich der Bundeseisenbahnen“); BVerfGE 97, 198 (221: „Abwehr von konkreten Gefahren für die Sicherheit und Ordnung auf den Bahnanlagen“). 26 Umfasst sind nicht nur betriebsbedingte, sondern auch äußere Gefahren wie etwa Flugzeugentführungen. Eingeschränkt ist die polizeiliche Kompetenz nur insoweit, dass ein hinreichender „Zusammenhang“ mit dem Luftverkehr bestehen muss, vgl. BVerwGE 95, 188 (191) sowie Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 26 (Abwehr von Gefahren für den Luftverkehr und aus dem Luftverkehr sowie „weitergehende ordnungsrechtliche Befugnisse“); vgl. auch Windthorst, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87d Rn. 9 (Abwehr betriebsbedingter 21

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Kompetenz insoweit zwingend ist, mag daher bezweifelt werden. Für ein enges Verständnis spricht freilich, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG verschiedene Teilbereiche des Schiffsverkehrs und nicht schlicht „den Schiffsverkehr“ benennt.27 Räumlich ist die schifffahrtsrechtliche Bundeskompetenz unbeschränkt. Die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG angelegte räumliche Differenzierung zwischen Hochsee-, Küsten- und Binnenschifffahrt ist aus kompetentieller Sicht ohne Belang, da alle Bereiche der Schifffahrt umfasst sind. Die schifffahrtsrechtliche Kompetenz ist objektbezogen, knüpft also am Schiff als Regelungsobjekt und nicht – wie das Wasserwegerecht – an der Wasserstraße an. Die kompetenzrechtliche (oder gar sachenrechtliche) Zuordnung einer Wasserstraße ist für die schifffahrtsrechtliche Bundeskompetenz daher irrelevant. Sie gilt unabhängig von den jeweils befahrenen Gewässern und erstreckt sich insoweit auch auf die Seehäfen. Die Lektüre der Entstehungsmaterialien scheint allerdings zunächst gegen eine Einbeziehung der Seehäfen zu sprechen: So enthielt der Entwurf des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG im Parlamentarischen Rat zwischenzeitlich die „Seehäfen“, die auf den Wunsch der Vertreter Hamburgs und Bremens jedoch wieder gestrichen wurden.28 Diese Streichung ist jedoch nicht dahingehend misszuverstehen, dass sich die übrigen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG enthaltenen Bundeskompetenzen räumlich nicht auf die Seehäfen erstreckten.29 Denn im ursprünglichen Entwurf standen die Seehäfen in loser Aufzählung zwischen „Wetterdienst“ und „Seewasserstraßen“. Der Kompetenztitel lautete nicht etwa „Hochsee- und Küstenschiffahrt einschließlich der Seehäfen“. Die „Seehäfen“ wurden also als Sachmaterie verstanden. Daher ist davon auszugehen, dass die Streichung lediglich eine sachliche Ausklammerung des Seehafenrechts bezwecken sollte. Sollten die Seehäfen räumlich von anderenorts bestehenden Bundeskompetenzen ausgenommen sein, dürften konsequenterweise überhaupt keine Bundeskompetenzen im Hafengebiet bestehen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass durch die Streichung der Seehäfen ein – in gesetzgeberischer Hinsicht – „bundesfreies Gebiet“ geschaffen werden sollte. Vielmehr wird in der Systematik der Kompetenzkataloge der Art. 70 ff. GG wie auch der Art. 83 ff. GG stets nach Sachmaterien abgegrenzt, nicht nach räumlichen Gebieten. Es spricht insoweit alles dafür, dass durch die Nichtaufnahme der Seehäfen in den nautischen Katalog zwar die Kompetenz für das Hafenrecht den Ländern verbleiben, nicht aber die übrigen Bundeskompetenzen räumlich eingeschränkt werden sollten.30 Die schifffahrtsrechtliche Bundeskompetenz erstreckt sich daher auch auf die Seehäfen. sowie äußerer Gefahren). Die Luftpolizei ist damit weiter als die Schifffahrts-, aber enger als die Bahnpolizei gefasst. 27 So verleitete auch die im Zuge der Bahnreform vorgenommene Differenzierung der Gesetzgebungskompetenz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG (zuvor hieß es in Nr. 6 schlicht „die Bundeseisenbahnen“) zu der Annahme, damit sei die Bundeskompetenz für die Bahnpolizei entfallen, der das Bundesverfassungsgericht jedoch in BVerfGE 97, 198 (222) entgegengetreten ist. 28 Vgl. im Einzelnen Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1487 ff. 29 So aber Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1491 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 74 Rn. 50; Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 522. 30 Die von der Gegenauffassung angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 2, 347 (376) besagt gerade nicht, dass Häfen generell von den Gegenständen des

A. Gesetzgebungskompetenzen

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2. Wasserwegerecht Die zweite seesicherheitsrechtliche Gesetzgebungskompetenz im „nautischen Katalog“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG) betrifft „die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen“. Auch diese Kompetenz beinhaltet die sachbereichsspezifische Gefahrenabwehr,31 die sogenannte Strompolizei.32 Diese Kompetenz ist jedoch schon im Ansatz sehr beschränkt. Schon 1962 hat das Bundesverfassungsgericht im sog. Wasserrechtsstreit33 klargestellt, dass unter der Wasserstraßenkompetenz keine umfassende Zuständigkeit für die Wasserstraßen zu verstehen ist.34 Vielmehr betrifft die Kompetenz lediglich die Wasserstraßen in ihrer Eigenschaft als Verkehrswege und erlaubt daher nur Regelungen, die auf die Verkehrsfunktion der Wasserstraßen abzielen. Darüber hinausgehende Regelungen, die – wie das streitgegenständliche Gesetz, das die Reinhaltung der Wasserstraße zum Gegenstand hatte35 – allgemeine wasserwirtschaftliche Aspekte verfolgen, können hingegen nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG gestützt werden.36 Dass die Wasserstraßenkompetenz eine rein wegerechtliche Kompetenz ist, liegt schon angesichts des Wortlauts „Wasserstraße“ und der Systematik der Ziffern 21 bis 23 des Kompetenzkataloges, die allesamt das Verkehrswesen betreffen,37 nahe. Vor allem aber verdeutlicht die Tatsache, dass das Wasserhaushaltsrecht Gegenstand eines separaten Kompetenztitels ist (für den der Bund bis 2006 zudem lediglich eine Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG a.F. besaß), dass der Verfassungsgeber keine umfassenden Bundeszuständigkeiten für die Gewässer begründen Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG ausgeschlossen seien. Dort wird die Bundeskompetenz für den streitgegenständlichen Kehler Hafen vielmehr nur verneint, weil es sich nicht um eine dem allgemeinen Verkehr dienende Binnenwasserstraße handele. 31 Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1532. 32 Ebenso wie der Begriff der Schifffahrtspolizei (siehe oben) entstammt auch dieser Begriff dem preußischen Verwaltungsrecht, fand dann Eingang in Art. 97 Abs. 5 WRV und wurde später in §§ 24 ff. WaStrG wieder aufgegriffen. 33 BVerfGE 15, 1. 34 Die Bundesregierung war hingegen zunächst von einer Vollkompetenz des Bundes für die Wasserstraßen ausgegangen; gegen diese Auffassung bereits Forsthoff, Fragen der Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Wasserrechts, 1955, S. 19, der die Bundeskompetenz für die Wasserstraßen zutreffend auf den „Verkehrssektor“ beschränkt sah. 35 Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen vom 17. August 1960 (BGBl. II S. 2125). 36 Anderes gilt, wenn die wasserwirtschaftlichen Regelungen bloße Reflexe einer primär wegerechtlichen Regelung sind. 37 BVerfGE 15, 1 (12 f.). Zwar ist der Wetterdienst nicht auf das Verkehrswesen beschränkt und scheint insoweit systemfremd platziert zu sein. Andererseits nennt § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst bei der Aufzählung der Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes den Verkehr an erster Stelle, so dass auch insoweit ein Verkehrsbezug nicht von der Hand zu weisen ist.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

wollte. Vielmehr sollten – wie für den Straßenverkehr in Nr. 22 – nur die sich wechselseitig beeinflussenden Bereiche des Verkehrs- und des Wegerechts kompetentiell zusammengefasst werden.38 Die wasserwegerechtliche Kompetenz trägt nach alledem nur Regelungen, die die Erhaltung der Wasserstraßen in einem für die Schifffahrt erforderlichen Zustand betreffen. Diese Restriktion der Wasserstraßenkompetenz setzt sich bei der enthaltenen Gefahrenabwehrkompetenz für die Strompolizei fort: Sie ist auf die Abwehr von Gefahren für die Verkehrstauglichkeit der Wasserstraße beschränkt.39 Strompolizeiliche Maßnahmen dienen daher allein der Sicherstellung der Schiffbarkeit der Wasserstraße. Neben dieser sachlichen Beschränkung ist die wasserwegerechtliche Kompetenz des Bundes – im Gegensatz zur Schifffahrtskompetenz – zudem räumlich beschränkt: Teleologisch zwingend ist zunächst, dass Wasserstraßen nur solche Wasserflächen sind, die dem Schiffsverkehr dienen.40 Binnenwasserstraßen müssen darüber hinaus dem „allgemeinen Verkehr“ dienen. Allgemein in diesem Sinne ist der Verkehr, wenn er entweder überörtlich oder überdurchschnittlich stark ist.41 Ist er es nicht, liegt das Wegerecht hinsichtlich der Binnenwasserstraße in ausschließlicher Landeskompetenz. Im Gegensatz dazu sind die Seewasserstraßen ohne Rücksicht auf einen allgemeinen Verkehr stets von Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG erfasst. Das macht eine Grenzbestimmung zwischen Binnen- und Seewasserstraßen erforderlich. Das Grundgesetz enthält hierzu keine Vorgaben, so dass von einem gewissen Ermessensspielraum des Gesetzgebers auszugehen ist. Konkrete Definitionen der Ausmaße von Seewasser- und Binnenwasserstraßen finden sich im aufgrund der wasserwegerechtlichen Kompetenz erlassenen WaStrG. Es ist davon auszugehen, dass sich diese einfachgesetzlichen Bestimmungen in dem verfassungsrechtlich vorgegebenem Rahmen halten. Seewasserstraßen definiert § 1 Abs. 2 S. 1 WaStrG als die Flächen zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser (bzw. der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen) einerseits und – unter Bezugnahme auf das Völkerrecht – der seewärtigen Küstenmeergrenze andererseits. Die äußere Grenze der Seewasserstraßen ist also die deutsche Staatsgrenze. Welche Gewässer dem allgemeinen Verkehr dienende Binnenwasserstraßen sind, legt Anlage 1 zum WaStrG konstitutiv fest. Das darin enthaltene Verzeichnis definiert Anfang und Ende der jeweiligen Binnenwasserstraße mittels konkreter geographischer Punkte. Die seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraßen ist identisch mit der landwärtigen Grenze der Seewasserstraßen. Für die kompetenzrechtlich wichtigere Abgrenzung der Seewasserstraßen zu den Binnenwasserstraßen, die nicht dem allgemeinen Verkehr dienen und folglich nicht Gegenstand des WaStrG sein können, hilft dies freilich nicht weiter. Diese ist aufgrund der Ermächtigung in 38

BVerfGE 15, 1 (17 f.). Vgl. Schenke/Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 171 ff., Rn. 249. 40 Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 74 Rn. 94. 41 Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1539; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 74 Rn. 51. 39

A. Gesetzgebungskompetenzen

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§ 3 Nr. 2 Hs. 2 WHG landesrechtlich zu bestimmen. § 1 Abs. 3 Schleswig-Holsteinisches Wassergesetz (LWG-SH)42 etwa erklärt „Siele, Schleusen und Schöpfwerke“ zur maßgeblichen Grenze. Falls derartige Merkmale fehlen, ist die Grenze durch Verordnung der obersten Wasserbehörde zu bestimmen. Ähnliche Grenzziehungen treffen § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 Niedersächsisches Wassergesetz (NdsLWG)43 und § 1 Abs. 3 Wassergesetz Mecklenburg-Vorpommern (LWG-MV)44.

Für den vorliegenden Untersuchungsraum, die See einschließlich der Zufahrten zu den Seehäfen, bleibt diese räumliche Kompetenzbeschränkung indes ohne Folgen, da alle Binnenwasserstraßen, die Zufahrten zu Seehäfen sind, per se dem allgemeinen Verkehr im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG dienen.45 Festzuhalten ist die sachliche Beschränkung: Die Strompolizei als gefahrenabwehrrechtliche Annexkompetenz des Bundes zum Wasserwegerecht betrifft allein die Erhaltung der Wasserstraßen in einem verkehrstauglichen, d. h. schiffbaren Zustand. 3. Wasserwirtschaftsrecht Schließlich räumt das Grundgesetz dem Bund auch Kompetenzen hinsichtlich des Mediums Wasser selbst ein. Stand dem Bund bisher nur eine Kompetenz zur Rahmengesetzgebung für den Wasserhaushalt zu (Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG a.F.), so kann er sich, nachdem im Zuge der Föderalismusreform I die Rahmengesetzgebung abgeschafft worden ist, seit 2006 auf eine konkurrierende Kompetenz gleichen Inhalts stützen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG). Der Bund hat damit eine Vollkompetenz für das Wasserhaushaltsrecht, die nicht mehr an die Restriktionen der Rahmengesetzgebung gebunden ist. Im Gegenzug steht den Ländern allerdings – mit Ausnahme stoff- und anlagenbezogener Regelungen – eine Abweichungskompetenz nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG, ein Novum im deutschen Staatsorganisationsrecht, zu. Die insoweit bestehende Länderkompetenz macht insbesondere die im Wasserrechtsstreit46 streitgegenständliche Abgrenzung des Wasserhaushaltsrechts von den Bereichen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG weiterhin nötig, da die nautischen Kompetenzen nicht der Abweichungsgesetzgebung unterliegen. In räumlicher Hinsicht ist die Kompetenz unbeschränkt, da sie schlicht an das in der Natur vorhandene Wasser anknüpft. Der Kompetenztitel erstreckt sich daher auf alle Arten von Gewässern: auf Grundwasser und oberirdische Gewässer ebenso wie auf Küstengewässer.47 42

GVOBl. SH 2008, S. 91. Nds. GVBl. 2010, S. 64. 44 GVOBl. MV 1992, S. 669. 45 Entsprechend werden diese durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG i.V.m. Anlage 1 als Bundeswasserstraßen legaldefiniert. 46 BVerfGE 15, 1. 47 Vgl. zur bisherigen Rahmengesetzgebungskompetenz Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1986), Art. 75 Rn. 145. 43

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Fraglich ist nun, ob die neue Bundeskompetenz auch gefahrenabwehrrechtlichen Gehalt hat. Das Wasserhaushaltsrecht stellt lediglich einen Teilbereich des Wasserrechts dar.48 Es umfasst Regelungen für die „haushälterische Bewirtschaftung des in der Natur vorhandenen Wassers nach Menge und Güte“.49 Dazu gehören die Regelung von Nutzungsrechten und der Voraussetzungen von Einleitungen, der Schutz vor Verschmutzungen, die wasserrechtliche Planfeststellung sowie die Erhebung von Wasserentnahme- und Abwasserabgaben.50 All dies wird üblicherweise unter dem Begriff „Wasserwirtschaftsrecht“ zusammengefasst; der im Grundgesetz verwendete Begriff „Wasserhaushaltsrecht“ ist hiermit gleichbedeutend.51 Wenn die wasserwirtschaftsrechtliche Kompetenz die Regelung der Wassergüte und des Schutzes vor Verschmutzungen umfasst, ist nach allgemeinen Grundsätzen auch hier – unter dem Gesichtspunkt der Annexkompetenz – die sachbereichsspezifische Gefahrenabwehr als Bestandteil der Kompetenz anzusehen. Diese betrifft etwa die Verhütung und Beseitigung von Gewässerverschmutzungen und Maßnahmen gegen unrechtmäßige Einleitungen und Nutzungen. Dieser Bereich der besonderen Gefahrenabwehr kann unter dem Begriff der materiellen Wasserpolizei zusammengefasst werden.52 Im Schrifttum findet sich zwar die Auffassung, dass die wasserpolizeiliche Ordnungsgewalt nicht Bestandteil des Wasserhaushaltsrechts sei und daher der Ländergesetzgebung unterliege.53 Es lässt sich aber nicht begründen, warum die auf den Wasserhaushalt bezogene Gefahrenabwehr entgegen allgemeinen Grundsätzen keine Annexkompetenz zu dem Sachbereich darstellen soll. Es ist anzunehmen, dass der eigentliche Grund für die Ablehnung der gefahrenabwehrrechtlichen Kompetenz nicht in der Reichweite des Begriffs des Wasserhaushalts, sondern in den Besonderheiten und Restriktionen der Rahmengesetzgebung lag. Rahmengesetze mussten der Ausfüllung durch Landesgesetzgebung fähig und bedürftig sein.54 Der Bund musste – nach der Diktion des Bundesverfassungsgerichts – „etwas zu regeln übrig lassen“, und zwar etwas von substantiellem Gewicht.55 Diese Restriktionen haben den Bund insbesondere an der Regelung des sachgebietsspezifischen Ordnungsrechts gehindert, dient dieses doch gerade der Komplettierung der inhaltlichen Regelungen. Seit 2006 sind derartige Bedenken, da nunmehr eine Vollkompetenz besteht, jedoch obsolet. Es ist daher davon auszugehen, dass auch die Wasserpolizei als Annex-

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Vgl. Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 75 Rn. 56. BVerfGE 15, 1 (15). 50 Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 74 Rn. 124. 51 BVerfGE 15, 1 (15). 52 So auch Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 491. 53 Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 458; Koehn, Öffentliches und Privatrecht im Straßen- und Wasserrecht, 1972, S. 26. 54 Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 75 Rn. 6. 55 BVerfGE 4, 115 (129). 49

A. Gesetzgebungskompetenzen

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kompetenz zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG dem Bund zusteht,56 womit etwa auch die Beseitigung von Gewässerverunreinigungen durch Schiffe in der Regelungskompetenz des Bundes liegt. Soweit es um die Beseitigung von Verunreinigungen geht, unterliegt die Bundeskompetenz auch nicht der Abweichungsgesetzgebung der Länder, da es sich hierbei um „stoffbezogene Regelungen“ i.S.d. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 GG handelt.57 Entsprechend hat der Bund im Rahmen der Novellierung des WHG auch Regelungen zur „Gewässeraufsicht“58 als wasserrechtlicher Gefahrenabwehr aufgenommen. Aufgabe der Gewässeraufsicht ist nach der Legaldefinition des § 100 Abs. 1 WHG unter anderem die Überwachung der Gewässer und die Vermeidung und Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts. Die „Gewässeraufsicht“ ist danach nichts anderes als Wasserpolizei. Diese ist nunmehr bundesrechtlich geregelt.59 4. Fischereirecht Weiter steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Hochsee- und Küstenfischerei zu, Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG. Sachlich umfasst die Kompetenz Regelungen der Fischerei schlechthin, also etwa Fangerlaubnisse, Fischereirechte und ähnliches.60 Teilweise wird aus dem systematischen Zusammenhang mit den drei vorangehenden Sachgebieten der Nr. 17 auf eine inhaltliche Beschränkung der fischereirechtlichen Kompetenz auf Förderungs- und Sicherungsmaßnahmen geschlossen.61 Eine solche Einschränkung gibt der Wortlaut aber nicht her. Der Gesichtspunkt der Ernährungssicherung ist bereits im zweiten Sachgebiet enthalten.62 Zudem stellt auch der Küstenschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 Var. 5 GG) ein eigenständiges Sachgebiet dar, das nicht im Lichte der ersten drei Gebiete zu interpretieren wäre. Ebenso ist daher auch die Hochsee- und Küstenfischerei als eigenständiges Sachgebiet anzusehen.63 Die Kompetenz erstreckt sich auf das gesamte Fischerei-

56 Dahingehend dürfte auch die Aufzählung bei Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 25 i.V.m. 28, zu verstehen sein. 57 Vgl. Kotulla, Umweltschutzgesetzgebungskompetenzen und „Föderalismusreform“, NVwZ 2007, 489 (493). 58 §§ 100 ff. WHG 2009. 59 Sofern und soweit die bundesrechtlichen Regelungen Regelungslücken enthalten, behalten die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG freilich die Befugnis zur Gesetzgebung, vgl. Erbguth/ Schlacke, Umweltrecht, 3. Aufl. 2010, § 11 Rn. 14. 60 Vgl. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1145. 61 So etwa Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 74 Rn. 79. 62 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1984), Art. 74 Rn. 196. 63 So auch Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1114.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

recht, räumlich allerdings beschränkt auf „Hochsee“ und „Küste“.64 Es ist davon auszugehen, dass alle Wasserflächen seewärts der Küstenlinie einschließlich seevölkerrechtlicher Funktionshoheitszonen wie insbesondere die ausschließliche Wirtschaftszone gemeint sind.65 Letztere gehört zwar nicht zur Hohen See im Sinne des SRÜ, wohl aber zur Hohen See im Sinne des Grundgesetzes, da dieses schon aufgrund der zeitlichen Priorität die seevölkerrechtliche Differenzierung nicht aufgreifen konnte. Entscheidend ist auch hier wieder der Gefahrenabwehrgehalt der Kompetenz: Auch die fischereirechtliche Kompetenz umfasst als Annex wiederum die Regelung der sachbereichsspezifischen Gefahrenabwehr, der sogenannten Fischereiaufsicht.66 Die Regelung der Fischereiaufsicht obliegt daher dem Bund. Die fischereirechtliche Kompetenz wird von der EU-Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 lit. d AEUV zwar weitgehend überlagert, läuft jedoch nicht gänzlich leer. Zwar liegt danach die „Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik“ in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU, was eine mitgliedstaatliche Gesetzgebung unabhängig von unionsrechtlicher Rechtsetzung ausschließt (Art. 2 Abs. 1 AEUV). Soweit nicht die Erhaltung der biologischen Meeresschätze betroffen ist, besteht für die Fischerei lediglich eine geteilte Unionskompetenz nach Art. 4 Abs. 2 lit. d AEUV. Aspekte des Bestandsschutzes und Artenerhalts werden allerdings Leitmotive oder zumindest abzuwägende Faktoren nahezu jeder fischereirechtlichen Regelung sein.67 Das materielle Fischereirecht ist insoweit weitgehend unionsrechtlich determiniert. Die Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG läuft gleichwohl nicht leer. Denn die fischereirechtliche Unionskompetenz erstreckt sich nicht auf die Regelung der sachbereichsspezifischen Gefahrenabwehr. Die Überwachung der Einhaltung fischereirechtlicher Bestimmungen – und damit auch die Regelung des Ordnungsrechts – ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten.68 Zur Regelung der Fischereiaufsicht ist daher nach wie vor der Bund befugt.

64 Die Binnenfischerei bleibt nach Art. 70 GG hingegen Ländersache. Auch für den Bereich der Seefischerei räumt § 10 SeeFischG den Ländern verbleibende Regelungskompetenzen ein, vgl. näher Lorz, Die Meereslebewesen im deutschen Recht, NuR 1988, 209 (210). 65 So auch die einfachgesetzliche Definition der Seefischerei in § 1 Abs. 1 S. 2 SeeFischG, der auf die Grenze der Seefahrt nach § 1 FlaggenRV verweist. 66 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 111). 67 Bereits vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages wurde von einer ausschließlichen EGKompetenz für fischereibezogene Regelungen ausgegangen, vgl. Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, 2004, S. 1189 ff. (S. 1199). 68 Vgl. Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, 8. Aufl. 2009, § 23 Rn. 34. Vollzugskompetenzen der EU bestehen nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung nur in den (wenigen) ausdrücklich in den Verträgen vorgesehenen Fällen. Grundsätzlich erfolgt der Vollzug indirekt durch die Mitgliedstaaten, vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. EL, Art. 249 EGV Rn. 237 ff; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 13 Rn. 7, 25. Dies gilt auch für die seesicherheitsrelevanten Bereiche des Unionsrechts, da die Verträge insoweit keine Vollzugskompetenzen begründen. Auf diesen Gebieten bestehende Regulierungsagenturen (etwa die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs in Lissabon und die Europäische Fischereiaufsichtsagentur in Vigo) üben

A. Gesetzgebungskompetenzen

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Ähnliches gilt für das Schifffahrtsrecht: Die Seeschifffahrt liegt als Teil des Verkehrs gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. d AEUV in geteilter Unionszuständigkeit. Der Vertragstitel „Verkehr“ (Art. 90 ff. AEUV) gilt zwar gemäß Art. 100 Abs. 1 AEUV nach wie vor nur für Binnenverkehrsträger. Für Regelungen der Seeschifffahrt ebenso wie der Luftfahrt enthält Art. 100 Abs. 2 AEUV jedoch eine eigenständige Rechtsgrundlage. Von dieser Kompetenz – bisher auf Grundlage der Vorgängernorm des Art. 80 Abs. 2 EGV – hat die EU auch regen Gebrauch gemacht. Standen unter dem Eindruck verschiedener Schiffsunglücke zunächst vorwiegend Safety-Aspekte, nämlich die Verschärfung betrieblicher Sicherheitsanforderungen insbesondere an Öltanker (sog. „Erika-Pakete“69), im Fokus der europarechtlichen Regelungen, traten angesichts terroristischer Bedrohungen in den letzten Jahren auch Regelungen zur Erhöhung der äußeren Sicherheit der Seeschifffahrt (Security) hinzu.70 Sowohl die Safety- als auch die Security-Vorschriften stellen Anforderungen an die Teilnehmer am Schiffsverkehr und sind damit materielles Schifffahrtsrecht. Die Durchsetzung dieses Rechts bleibt jedoch auch hier Sache der Mitgliedstaaten. Das betrifft nicht nur den Vollzug, sondern auch die Regelung der bereichsspezifischen Ordnungsgewalt. Deren Regelung würde man auch nicht als erforderlich im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ansehen können, was für ein Tätigwerden im Bereich der geteilten Zuständigkeit jedoch erforderlich wäre (Art. 5 Abs. 3 EUV). Die Durchsetzung der seeschifffahrtsrechtlichen Vorschriften der EU ist daher eine innerstaatliche – konkret: schifffahrtspolizeiliche – Aufgabe.

Keine Kompetenz zur Gefahrenabwehr auf See lässt sich hingegen dem fünften Sachgebiet des Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG, dem Küstenschutz, entnehmen. Dies meint nicht etwa eine allgemeine sicherheitsrechtliche Gefahrenabwehr, sondern den Schutz gegen Sturmfluten durch bauliche Maßnahmen.71 Es geht also um Gefahren, die von der See herrühren, die aber nicht auf See, sondern an Land zu bekämpfen sind und daher aus dem hier untersuchten Aufgabenkreis herausfallen. Auch fällt der Schutz der Küste vor Verschmutzungen (insbesondere Ölteppiche) nicht in diesen Sachbereich. Denn primär handelt es sich dabei um Verschmutzungen des Wassers, die nur mittelbar auch zur Verschmutzung der Küste führen. Deren Bekämpfung ist daher als Gewässerreinhaltung einzustufen, die Aufgabe der Wasserpolizei ist.72

entsprechend nur unterstützende und koordinierende Funktionen aus, besitzen aber keine Entscheidungsbefugnisse. 69 Vgl. das „Erika I“-Paket (KOM 2000, 142 endgültig) und das „Erika II-Paket“ (KOM 2000, 802 endgültig), die zahlreiche Verordnungen und Richtlinien zur Verbesserung der Schiffssicherheit enthalten und nun nochmals durch ein drittes Maßnahmenpaket zur Schiffssicherheit (KOM 2005, 585 endgültig) verschärft wurden. 70 So etwa die Verordnung (EG) Nr. 725/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 03. 2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, die der einheitlichen Umsetzung des im Rahmen der IMO beschlossenen „International Ship and Port Facility Security Code“ (ISPS-Code) dient und terroristische Handlungen im Schiffsverkehr erschweren soll. Zum Inhalt des ISPS-Codes im Einzelnen vgl. BT-Drs. 15/1780. 71 Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 74 Rn. 82. 72 Vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1984), Art. 74 Rn. 198.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

5. Grenzschutzrecht Neben diese seespezifischen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes treten solche, die zwar keinen ausdrücklichen Seebezug aufweisen, aber nichtsdestotrotz Gefahrenabwehrkompetenzen verleihen, die von Bedeutung für die Seesicherheit sind. Dies gilt angesichts der deutschen Seegrenzen in Nord- und Ostsee vor allem für grenzbezogene Kompetenztitel. Ausdrückliche und nicht nur als Annex mitgeschriebene gefahrenabwehrrechtliche Zuständigkeiten des Bundes sieht Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG für den Zoll- und Grenzschutz vor. Diese polizeilichen Bundeskompetenzen haben insbesondere für die seewärtige Staats- und Zollgrenze Bedeutung, da die Seegrenzen zugleich EU-Außengrenzen sind. Anders, als die Formulierung „einschließlich“ suggeriert, wird der Zoll- und Grenzschutz nicht bloß als Unterfall des Warenverkehrs angesehen, sondern als selbständiges Sachgebiet.73 Der Grenzschutz ist daher nicht etwa nur auf die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs beschränkt, sondern meint allgemein den Schutz der Bundesgrenzen gegen Grenzverletzungen.74 Die Kompetenz ist aufgrund des für militärische Belange spezielleren Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 GG freilich von vornherein beschränkt auf die nichtmilitärische Grenzsicherung.75 Dem entspricht die einfachgesetzliche Definition des § 2 Abs. 1 BPolG, wonach Grenzschutz der „grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes“ ist. Im Einzelnen umfasst der Grenzschutz die polizeiliche Überwachung der Grenzen einschließlich der Abwehr von Gefahren für die Grenzen sowie die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs.76 Räumlich ist der Grenzschutz nicht auf das unmittelbare Grenzgebiet beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf das angrenzende Hinterland sowie auf Flughäfen und Grenzbahnhöfe.77 Dasselbe muss für Seehäfen gelten, weil von dort ebenso wie von Grenzbahnhöfen oder Flughäfen grenzüber73 So die ganz überwiegende Auffassung, vgl. nur Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1988), Art. 73 Rn. 102, der den Begriff „einschließlich“ für ein Redaktionsversehen hält; ebenso Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 23; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 20; Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 100 Rn. 89; Heintzen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 73 Rn. 49; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 73 Rn. 26; a.A. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Rn. 304 ff. 74 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1988), Art. 73 Rn. 103; Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 23; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 20. 75 So auch Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 23; zumindest missverständlich insoweit Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1988), Art. 73 Rn. 103, der auch den Schutz gegen Grenzverletzungen durch ausländische Staaten erfasst sieht. 76 Vgl. Ronellenfitsch, Der Bundesgrenzschutz als Bahn- und Flugplatzpolizei, VerwArch 1999, 139 (160); Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 100 Rn. 89; für die Verwaltungskompetenz, der aber als „äußerste Grenze“ eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz zugrunde liegen muss, ebenso BVerfGE 97, 198 (214). 77 BVerfGE 97, 198 (214).

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schreitender Verkehr ausgeht. Das Grenzgebiet an den Seegrenzen, auf das sich die grenzbezogene Gefahrenabwehr erstreckt, definiert § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BPolG als einen Streifen von 50 km Tiefe ab der Seegrenze, der durch Rechtsverordnung auf maximal 80 km ausgedehnt werden kann. Von der Landgrenze gilt nur ein Streifen von 30 km Tiefe als grenznaher Raum. Allerdings sind auch außerhalb dieser Zonen die Sicherheit der Grenzen beeinträchtigende Gefahren denkbar.78 Es spricht daher einiges dafür, die Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz als überhaupt nicht räumlich, sondern nur funktionell beschränkt aufzufassen.79 Danach bliebe die räumliche Erstreckung des Grenzschutzes nach derzeitiger einfachgesetzlicher Definition hinter dem kompetentiell Möglichen zurück. Diese Sichtweise bestätigt der Umstand, dass der Regierungsentwurf zum ersten BGSG von 1951 keine räumliche Beschränkung enthielt.80 Nicht ganz einheitlich beantwortet wird die Frage, ob die Grenzschutzkompetenz auch eine Kompetenz zur allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr im grenznahen Raum beinhaltet. Teilweise wird angenommen, Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG enthalte für einen räumlich beschränkten Bereich „an der Grenze“ eine sachlich unbeschränkte Gefahrenabwehrkompetenz.81 Das schlösse im Rahmen der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs Maßnahmen ein, die sich nicht gegen einen unerlaubten Grenzübertritt, sondern gegen eine sonstige Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung richteten. Einige Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung lehnen eine derartige Kompetenz für die allgemeine Gefahrenabwehr hingegen ab.82 Eine nähere Begründung liefert keine der Ansichten. Die Frage ist daher durch Auslegung zu klären. Dass gefahrenabwehrrechtliche Regelungen, die auf der Grenzschutzkompetenz fußen, eines wie auch immer gearteten Grenzbezuges bedürfen, ergibt sich aus dem Wortlaut des Kompetenztitels. Die Frage ist nur, welcher Art dieser Bezug sein muss: 78

Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 73. Ähnlich Ronellenfitsch, Der Bundesgrenzschutz als Bahn- und Flugplatzpolizei, VerwArch 1999, 139 (161); Papier, Polizeiliche Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, DVBl. 1992, 1 (3); Winkeler, Von der Grenzpolizei zur multifunktionalen Polizei des Bundes?, 2005, S. 43. 80 Vgl. Pieroth, Die präventiven und repressiven Aufgaben des Bundesgrenzschutzes, besonders an den Binnengrenzen, VerwArch 1997, 568 (577 f.). 81 Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 110). 82 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 20; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 73 Rn. 23; aus Sicht der Rechtsprechung vgl. die Aussage des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, LVerfGE 10, 337 (346): Die verfahrensgegenständliche landesrechtliche Norm könne nicht in die ausschließliche Bundeskompetenz für den Grenzschutz eingreifen, da sie der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung diene, nicht von Gefahren für die Grenze. Das impliziert, dass sich die Bundeskompetenz für den Grenzschutz nicht auf die allgemeine Gefahrenabwehr in diesem Bereich erstrecke. 79

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Reicht ein räumlicher Bezug zur Grenze bzw. ein sachlicher Bezug in Gestalt eines erfolgten oder bevorstehenden Grenzübertritts, um jedwede Gefahren für die allgemeinpolizeilichen Schutzgüter unter Berufung auf die Grenzschutzkompetenz abzuwehren? Oder muss vielmehr die Grenze selbst das Schutzobjekt der Regelungen sein? Dann wären nur gefahrenabwehrrechtliche Regelungen zum Schutz der Grenze etwa gegen unerlaubten Übertritt kompetenzgemäß, nicht aber solche, die den Schutz der (allgemeinen) öffentlichen Sicherheit und Ordnung bezwecken. Mit anderen Worten: Meint „Grenzschutz“ i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG Schutz der Grenze oder Schutz an der Grenze? Die einfachgesetzliche Ausgestaltung ist in dieser Hinsicht undeutlich: Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. c BPolG umfasst der Grenzschutz „die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich […] der Abwehr von Gefahren“. Diese Formulierung lässt offen, welchem Schutzgut Gefahren drohen müssen. Ein systematischer Vergleich mit § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BPolG, wo konkreter auf „Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen“, abgestellt wird, legt nahe, dass in Nr. 2 lit. c auch Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gemeint sind. Und in der Tat findet sich in der diesbezüglichen Kommentarliteratur die Auffassung, dass Schutzgut des Grenzschutzes nicht nur die Grenze selbst, sondern die öffentliche Sicherheit und Ordnung im gesamten Bundesgebiet sei, soweit sie infolge des grenzüberschreitenden Verkehrs gefährdet ist.83 Das würde bedeuten, dass Aufgabe des Grenzschutzes die Durchsetzung der gesamten deutschen Rechtsordnung „an der Grenze“ wäre. Das überdehnt die Kompetenz für den Grenzschutz. Es ist davon auszugehen, dass sie auf einen funktionalen Schutz ausgerichtet ist.84 Dies gilt umso mehr, wenn man – zutreffend – annimmt, dass dieser räumlich nicht beschränkt ist (siehe oben).85 Zwar ist der Hinweis der Gegenauffassung auf die gefahrenabwehrrechtliche Filterfunktion des Grenzschutzes, der den Gefahrenimport wie -export verhindern solle und insbesondere bei der Ausreisekontrolle die letzte Institution zur Durchsetzung der deutschen Rechtsordnung sei,86 nicht von der Hand zu weisen. Derartige Praktikabilitätserwägungen können aber keine extensive Auslegung der Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz begründen. Das heißt freilich nicht, dass die mit der Aufgabe Grenzschutz betraute Institution Bundespolizei grenzschutzfremde Aufgaben, für die eine Bundeskompetenz besteht, nicht mit wahrnehmen könnte. Dies ist aber keine Frage der Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz.87 83

Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 14 und 59. Auch Pieroth, Die präventiven und repressiven Aufgaben des Bundesgrenzschutzes, besonders an den Binnengrenzen, VerwArch 1997, 568 (578), weist im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG darauf hin, dass die grenzpolizeiliche Kompetenz nicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im grenznahen Raum schlechthin ermächtige. 85 So Ronellenfitsch, Der Bundesgrenzschutz als Bahn- und Flugplatzpolizei, VerwArch 1999, 139 (161). 86 Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 2 Rn. 59 f. 87 Zu dieser organisationsrechtlichen Frage S. 96 ff. 84

A. Gesetzgebungskompetenzen

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Nach alledem ist festzuhalten, dass der Kompetenztitel „Grenzschutz“ nur Regelungen der Gefahrenabwehr stützt, die funktional dem Schutz der Grenze selbst dienen.88 Wie bei den bisher dargestellten Gefahrenabwehrkompetenzen des Bundes handelt es sich also auch insoweit um eine sachlich beschränkte sonderpolizeiliche Bundeskompetenz. 6. Zollschutzrecht Eine sachlich beschränkte Gefahrenabwehrkompetenz ergibt sich auch aus dem anderen Bestandteil des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 Var. 5 GG, dem Zollschutz. Dieser umfasst alle Maßnahmen, die der Verhütung und Unterbindung von Verletzungen der materiellen Zollvorschriften dienen.89 Das betrifft insbesondere die polizeiliche Sicherung der Zollgrenze gegen Schmuggel. Diese Kompetenz hätte sich ohne die – insoweit deklaratorische – Erwähnung in Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 Var. 5 GG wiederum auch als ordnungsrechtliche Annexkompetenz aus Art. 105 Abs. 1 GG ergeben.90 7. Abwehr terroristischer Gefahren Eine ausdrückliche Gefahrenabwehrkompetenz sieht weiter der im Zuge der Föderalismusreform I neu eingefügte Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG vor, der den Bund zur „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt“ ermächtigt. Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Kompetenzen handelt es sich hier nicht um sachspezifische Gefahrenabwehr in einem bestimmten Rechtsbereich, sondern um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als alleiniger und unmittelbarer Gesetzeszweck, insbesondere um die Verhütung von Straftaten. Es geht also, wenn auch auf eine spezifische Gefahrenquelle beschränkt, um allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr,91 weshalb die Neuregelung eine gewichtige Ausnahme zur bisher jedenfalls auf dem Feld des allgemeinen Polizeirechts unangetasteten „Polizeihoheit der Länder“ darstellt.92 Diese Kompetenz ist nicht mehr auf informierende und koordinierende Aufgaben des Bundeskriminalamtes beschränkt, sondern unmittelbar auf präventiv-polizeili-

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Im Einzelnen zu den Fällen, in denen die Sicherheit der Grenze betroffen sein kann, vgl. Pieroth, Die präventiven und repressiven Aufgaben des Bundesgrenzschutzes, besonders an den Binnengrenzen, VerwArch 1997, 568 (579 ff.). 89 Vgl. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 73 Rn. 61; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1988), Art. 73 Rn. 105. 90 Vgl. Heintzen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 73 Rn. 49. 91 A.A. Tams, Die Zuständigkeit des Bundes für die Abwehr terroristischer Gefahren, DÖV 2007, 367 (370): „sonderpolizeiliche Aufgabe“. Dem steht die Begriffsbestimmung der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr in BVerfGE 8, 143 (150) entgegen. 92 Der darin liegende Übergriff in den aus Ländersicht kompetentiellen Kernbereich der Länder musste verfassungspolitisch mit der Zustimmungsbedürftigkeit aller Gesetze nach diesem Kompetenztitel „erkauft“ werden, vgl. Art. 73 Abs. 2 GG.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

che Gefahrenabwehr gerichtet.93 Danach kann das Bundeskriminalamt mit polizeilichen Exekutivbefugnissen ausgestattet werden, die operative Maßnahmen ermöglichen.94 Die insoweit weite Bundeskompetenz ist jedoch an in mehrfacher Hinsicht enge Voraussetzungen gebunden. Zunächst muss es um Gefahren des „internationalen Terrorismus“ gehen. Zweitens muss eine von drei alternativen Situationen gegeben sein: eine länderübergreifende Gefahr, die Nichterkennbarkeit der Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde oder das Ersuchen einer obersten Landesbehörde um Übernahme. Und drittens ist die Kompetenz auf die Regelung von Maßnahmen des Bundeskriminalamtes beschränkt, was den (sonst weiten) organisatorischen Spielraum des Bundesgesetzgebers einengt. Die erste Einschränkung knüpft an der Art der Gefahr, genauer an der Gefahrenquelle, an. Die Reichweite der gefahrenabwehrrechtlichen Bundeskompetenz wird unmittelbar durch das Begriffsverständnis des Terrorismus determiniert. Eine Definition fällt hier nicht leicht, zumal die Qualifizierung als „Terrorismus“ in der öffentlichen Debatte nicht selten subjektiv bzw. politisch beeinflusst ist.95 Kompetenzabgrenzungen erfordern jedoch Eindeutigkeit. Eine einfachgesetzliche Terrorismusdefinition findet sich in § 129a Abs. 2 StGB. Zwar ist das Grundgesetz nicht am Maßstab des einfachen Rechts auszulegen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfes zur Grundgesetzänderung geht jedoch hervor, dass eine Anlehnung an die Terrorismusdefinition des § 129a Abs. 2 StGB beabsichtigt war,96 die ihrerseits die Definition des Terrorismusbegriffs des Art. 29 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 1 lit. e EU a.F. aus dem EU-Rahmenbeschluss vom 13. Juni 200297 aufgreift. Danach sind bestimmte dann Straftaten terroristischen Charakters, wenn sie mit dem Ziel begangen werden, – die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder – öffentliche Stellen oder internationale Organisationen rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder – die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören,

93 Degenhart, Die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen durch die Föderalismusreform, NVwZ 2006, 1209 (1215). 94 Vgl. Baldus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 17. 05. 2006, S. 10 (abrufbar unter webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=1387&id=1136, zuletzt aufgerufen am 09. 09. 2010). 95 Zur Entwicklung des Begriffs vgl. Ronellenfitsch, Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Krieg gegen den Terrorismus, in: Nettesheim/Oppermann, FS Kossoy, 2007, S. 115 ff. (S. 120 ff.) sowie Ronellenfitsch, Louis L’Amour und das Völkerrecht, 2008, S. 264 ff. 96 BT-Drs. 16/813 (12); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 73 Rn. 122b; Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 73 Rn. 44. 97 ABl. EU Nr. L 164, S. 3.

A. Gesetzgebungskompetenzen

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und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können. Auch diese Definition ist ihrerseits auslegungsbedürftig, gibt dem Rechtsanwender aber zumindest Kriterien vor. Das ist ausreichend.

Die Kompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG erfasst den so definierten Terrorismus nur, wenn er internationale Bezüge hat. Ausschließlich innerstaatlicher Terrorismus ist nicht erfasst. Bei terroristischen Gefahren von See wird allein schon durch den territorialen Außenbezug in Form der Überschreitung der Seegrenze die internationale Komponente regelmäßig gegeben sein. Die insoweit bestehende Bundeskompetenz ist zunächst nur eine Reservekompetenz, die erst unter der weiteren Voraussetzung des Vorliegens einer von drei alternativen Bedürfnislagen auflebt. Die geringste Beeinträchtigung der Länderkompetenz stellt das Übernahmeersuchen einer obersten Landesbehörde nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a Var. 3 GG dar, da die Bundeszuständigkeit insoweit von einer Landesentscheidung abhängt. Häufig wird im Rahmen der präventiven Abwehr terroristischer Gefahren jedoch gar nicht erkennbar sein, an welchem Ort und damit in welchem Land die Gefahr droht, weil Anhaltspunkte für den Zielort eines etwaigen Anschlages fehlen. In diesem Fall ist die örtliche Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde noch nicht bestimmbar. Um dennoch etwaigen, vornehmlich aus dem Ausland kommenden Hinweisen auf terroristische Gefahren nachgehen zu können, ist auch in diesem Fall eine Bundeskompetenz gegeben (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a Var. 2 GG), die allerdings zeitlich dann enden muss, wenn der Ort der Gefahr und damit die örtliche Zuständigkeit von Landesbehörden feststeht. Eine Bundeskompetenz ohne zeitliche Beschränkung und unabhängig von einer Anforderung sieht schließlich Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a Var. 1 GG vor, der dann zum Tragen kommt, wenn die Gefahr länderübergreifend ist. Die Situation ist derjenigen aus Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG bzw. Art. 91 Abs. 3 S. 1 GG vergleichbar. Erforderlich ist, dass dieselbe Gefahr das Gebiet mindestens zweier Länder betrifft. Drittens schränkt Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG die Gefahrenabwehrkompetenz des Bundes ein, indem die für die Aufgabe zuständige Behörde vorgeschrieben wird („durch das Bundeskriminalpolizeiamt“). Das ist im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen ungewöhnlich, da damit systemwidrig Aussagen über die Vollzugszuständigkeit getroffen werden. Gleichzeitig beschränkt dies aber die Legislativkompetenz, da nur Regelungen über Maßnahmen des Bundeskriminalamtes, einer Oberbehörde ohne Verwaltungsunterbau, zulässig sind. Das bedeutet zugleich, dass die Länderkompetenz zur allgemeinen Gefahrenabwehr auch hinsichtlich terroristischer Gefahren uneingeschränkt fortbesteht. Zwar entfaltet eine ausschließliche Bundeskompetenz grundsätzlich Sperrwirkung gegenüber Landesgesetzgebung (Art. 71 GG). Die Bundeskompetenz erstreckt sich aber nur auf die Gefahrenabwehr „durch das Bundeskriminalamt“, so dass die Gefahrenabwehr durch Landesbehörden überhaupt nicht betroffen ist.98 Insoweit bewirkt die Nennung der Behörde in der 98 So auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 16/813 (12). Diese Auswirkung der Behördennennung auf die Legislativkompetenz übersieht Baldus, der infolge-

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Gesetzgebungskompetenz eine – sonst der grundgesetzlichen Kompetenzordnung fremde (vgl. Art. 71 und 72 Abs. 1 GG) – Parallelzuständigkeit des Bundeskriminalamtes und der Landesbehörden für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus. Sofern die Voraussetzungen der Gefahrenabwehr durch das Bundeskriminalamt gegeben sind, bleibt fraglich, welche Tätigkeiten auf Rechtsfolgenseite umfasst sind. Man könnte aus der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundeskriminalamts als Zentralstelle schließen, dass die Kompetenz nur zentral auszuübende Tätigkeiten (wie etwa technische Überwachungen) umfasst, nicht aber Vollzugsmaßnahmen vor Ort. Für eine solche Restriktion ergeben sich aber keine Anhaltspunkte. Das Bundeskriminalamt ist auch nicht a priori auf Zentralaufgaben beschränkt, wie der ebenfalls durch das Bundeskriminalamt wahrgenommene Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes zeigt.99 Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Gefahrenabwehr durch das Bundeskriminalamt, sofern und solange die Voraussetzungen vorliegen, auf alle erforderlichen Maßnahmen erstrecken kann.100 Damit hat die Kompetenz auch Relevanz für die Abwehr terroristischer Bedrohungen auf See. 8. Exterritoriale Gefahrenabwehr Wie ausgeführt, weisen die Art. 71 ff. GG dem Bund nur punktuelle Gefahrenabwehrkompetenzen, jeweils beschränkt auf einen bestimmten Sachbereich, zu. Eine umfassende Kompetenz zur Gefahrenabwehr besitzt der Bund hingegen nicht. Anderes gilt jedoch möglicherweise für die Gefahrenabwehr außerhalb der Hoheitsgewässer wie überhaupt außerhalb des Hoheitsgebiets, sprich für die exterritoriale Gefahrenabwehr. Die Staatspraxis jedenfalls geht davon aus, dass außerhalb der Hoheitsgewässer sämtliche Überwachungs- und Vollzugsaufgaben ausschließlich und originär Sache des Bundes seien.101 Interessanterweise findet sich allerdings nirgends ein Wort der Begründung für die behauptete exterritoriale Bundeskompetenz.102 dessen eine Sperrwirkung gegenüber der Landesgesetzgebung annimmt, vgl. Baldus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 17. 05. 2006, S. 11 (abrufbar unter webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=1387&id=1136, zuletzt aufgerufen am 09. 09. 2010). 99 Vgl. §§ 5, 21 BKAG. Die verfassungsrechtliche Grundlage für diese Aufgabe ist eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache. 100 Entsprechend enthalten auch die gesetzlichen Neuregelungen aufgrund der Kompetenz eine polizeiliche Generalklausel, die alle notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr erlaubt (§ 20a BKAG), sowie nur dezentral durchführbare Standardmaßnahmen wie Platzverweisung (§ 20o BKAG), Gewahrsam (§ 20p BKAG), Durchsuchung von Personen (§ 20q BKAG), Durchsuchung (§ 20r BKAG) und Sicherstellung (§ 20s BKAG) von Sachen und andere Maßnahmen. 101 Vgl. nur die Antwort der Bundesregierung in BT-Drs. 12/4700, S. 2. 102 Darauf weist auch Schnoor, Verfassungsrechtliche Bedingungen einer Küstenwache zur Bewältigung maritimer Schadensfälle, NordÖR 2000, 221 (224), hin.

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Entsprechend der Überzeugung der Staatspraxis überträgt § 1 Nr. 3 lit. b Seeaufgabengesetz (SeeAufgG)103 dem Bund für Seegebiete seewärts der Küstenmeergrenze – also für die ausschließliche Wirtschaftszone und die Hohe See, aber auch für Funktionshoheitszonen und Küstenmeere anderer Staaten – „die Abwehr von Gefahren sowie die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in sonstigen Fällen“, was insbesondere die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr einschließt.104 Dass „sonstige Fälle“ die gesamte nicht-schifffahrtspolizeiliche Gefahrenabwehr und damit auch die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr meinen, ergibt sich zwingend aus Wortlaut und Systematik: Denn die Aufgabe der Schifffahrtspolizei für exterritoriale Seegebiete weist bereits § 1 Nr. 3 lit. a SeeAufgG zu. Nach der Legaldefinition in § 1 Nr. 2 SeeAufgG umfasst diese die „Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Seeschifffahrt ausgehender Gefahren“ und damit die gesamte verkehrsspezifische Gefahrenabwehr. Gefahrenabwehr in „sonstigen“ (mit anderen Worten: allen nicht-verkehrsspezifischen) Fällen ist dann insbesondere die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr.105 Denn die verkehrsbezogene Gefahrenabwehr ist schon vollumfänglich von § 1 Nr. 3 lit. a SeeAufgG erfasst. Sonstige verkehrliche Gefahren „auf dem Gebiet der Seeschifffahrt“ sind nicht vorstellbar. Der einleitende Satz zum Aufgabenkatalog des § 1 SeeAufgG ist insoweit irreführend. Dass das Gesetz dem Titel nach auf Aufgaben der Seeschifffahrt beschränkt ist, ist der Tatsache geschuldet, dass mit dem Gesetz die Übertragungsoption des Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG wahrgenommen wird. Ein anderslautender Titel ist aber nicht in der Lage, den durch Auslegung gewonnenen Inhalt einer Vorschrift zu entkräften.

Auch die §§ 6 und 8 BPolG sehen eine Bundeszuständigkeit für die exterritoriale allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr vor. Fraglich bleibt, ob diesen einfachgesetzlich beanspruchten Aufgaben eine verfassungsrechtliche Kompetenz zugrunde liegt. Notwendige Bedingung für die hier in Rede stehenden Vollzugskompetenzen des Bundes ist eine korrespondierende Gesetzgebungszuständigkeit, da wie erwähnt der Bundesvollzug von Landesrecht nach herrschender Auffassung ausgeschlossen ist und die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes somit die äußerste Grenze für dessen Vollzugskompetenzen markieren.106 Von der Existenz einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die exterritoriale Gefahrenabwehr gehen die genannten Aufgabenzuweisungen folglich implizit aus.

103

BGBl. I 2002 S. 2876. So auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 119), der jedoch darauf hinweist, dass diese Staatspraxis „mit dem geltenden Verfassungsrecht […] nicht leicht in Einklang zu bringen“ sei. 105 Auch Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 813, sieht von der inhaltlich vergleichbaren Vorgängerfassung des § 1 Nr. 3 lit. b SeeAufgG polizeiliche Aufgaben umfasst, die über den Rahmen der Schifffahrtspolizei hinausgingen, wie etwa Abwehrmaßnahmen gegen Piraterie, unerlaubte Rundfunksendungen oder Angriffe auf unterseeische Kabel. Obwohl nicht ausdrücklich angesprochen, machen die Beispiele deutlich, dass es sich um allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr handelt. 106 BVerfGE 12, 205 (229); 15, 1 (16); 78, 374 (386); 102, 167 (174). 104

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

a) Geltung der Kompetenzordnung für exterritoriale Sachverhalte Ob dem Bund eine solche Gesetzgebungskompetenz zur exterritorialen Gefahrenabwehr zusteht, ist daher zu klären. Entgegen der Auffassung einzelner Stimmen im Schrifttum107 macht die Exterritorialität der Aufgabe eine Kompetenz des Bundes auch keineswegs entbehrlich. Zwar liegt das Seegebiet seewärts der Küstenmeergrenze außerhalb des deutschen Staatsgebietes, ist also weder Bestandteil des Bundes noch eines Landes.108 Es liegt damit außerhalb des in Satz 2 der Präambel indirekt festgeschriebenen räumlichen Geltungsbereichs des Grundgesetzes.109 Zu unterscheiden sind jedoch der räumliche und der sachliche Geltungsbereich: Das Grundgesetz beansprucht nicht nur Geltung für territoriale Sachverhalte. Vielmehr ist die deutsche öffentliche Gewalt stets an das Grundgesetz gebunden, ungeachtet dessen, an welchem Ort sie handelt.110 Denn sie wird durch das Grundgesetz erst kreiert. Der sachliche Geltungsbereich des Grundgesetzes erstreckt sich daher auf die deutsche öffentliche Gewalt schlechthin.111 Das Schrifttum begnügt sich, soweit ersichtlich, mit der Feststellung, dass das Grundgesetz die deutsche öffentliche Gewalt auch dann binde, wenn sie im Ausland ausgeübt wird oder Wirkungen zeigt.112 Es kann aber kein Zweifel bestehen, dass diese Bindung schlechthin überall gilt, und damit nicht nur für das In- und Ausland, sondern auch für Nichtstaatsgebiete wie die ausschließliche Wirtschaftszone und die 107

So behauptet Maier, Zur Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), UPR 2004, 103 (107), die grundgesetzlichen Kompetenzverteilungsregelungen fänden in der AWZ keine Anwendung, da der Geltungsbereich des Grundgesetzes auf das Staatsgebiet begrenzt sei. Dem liegt eine Verwechslung von räumlichem und sachlichem Geltungsbereich zugrunde. Auch Czybulka, Das Rechtsregime der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Spannungsfeld von Nutzungs- und Schutzinteressen, NuR 2001, 367 (371), argumentiert, dass mangels Staatsgebietsqualität der ausschließlichen Wirtschaftszone die „föderale Verteilungsregelung“ des Art. 30 GG jedenfalls nicht ohne weiteres gelten könne. 108 Zur Identität von Bundes- und Landesgebiet bereits auf S. 40. 109 Dieser Bedeutungsgehalt des Satzes 2 der Präambel erschließt sich erst, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Formulierung als Ersatz für den im Zuge der Wiedervereinigung aufgehobenen Art. 23 GG a.F. dienen sollte, der den Geltungsbereich des Grundgesetzes explizit festlegte, vgl. Graf Vitzthum, Staatsgebiet, in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, 3. Aufl. 2004, § 18 Rn. 9 und 18. 110 Zur Grundrechtsbindung der deutschen öffentlichen Gewalt auch bei Auswirkungen ihrer Betätigung im Ausland vgl. BVerfGE 6, 290 (295); 57, 9 (23); 100, 313 (362 f.) sowie Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 3 Rn. 44; Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, vor Art. 1 Rn. 19. 111 Das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip, nach dem Hoheitsgewalt grundsätzlich nur auf dem eigenen Staatsgebiet ausgeübt werden darf, steht diesem Befund nicht entgegen, da dessen Aussagegehalt durch die zusätzliche Bindung der deutschen öffentlichen Gewalt an die deutsche Verfassung nicht tangiert wird, vgl. dazu Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007, S. 19. 112 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Einführung Rn. 28; Huber, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Präambel Rn. 37; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Präambel Rn. 9.

A. Gesetzgebungskompetenzen

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Hohe See. Das ergibt sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG, die ein Handeln der deutschen Staatsgewalt im (verfassungs-)rechtsfreien Raum ausschließen.113 Die Folge dieser unbeschränkten Geltung des Grundgesetzes für die deutsche öffentliche Gewalt ist, dass die Ausübung von Staatsgewalt nicht nur grundrechtlichen Bindungen,114 sondern auch staatsorganisatorischen Bindungen wie insbesondere der Kompetenzordnung unterliegt. Die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern stellt sich demnach für exterritoriale Sachverhalte ebenso wie für inländische.115 b) Bundeskompetenz kraft Natur der Sache für sämtliche exterritoriale Angelegenheiten? Woraus also ergibt sich die in § 1 Nr. 3 lit. b SeeAufgG und § 6 BPolG beanspruchte Kompetenz des Bundes zur allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr jenseits der Hoheitsgewässer? Die schifffahrtsrechtliche Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG jedenfalls umfasst nur schifffahrtspolizeiliche Regelungen und gerade nicht die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr (siehe oben). Die im Schrifttum geäußerte Überlegung, die Reichweite der schifffahrtsrechtlichen Kompetenz außerhalb der Hoheitsgewässer weniger restriktiv als im Inland zu bestimmen,116 überzeugt nicht, da für eine solche Differenzierung keine Anhaltspunkte vorliegen. Der Inhalt der Kompetenztitel ist sachlich zu ermitteln und kann nicht je nach Ort schwanken. Zu erwägen ist aber, ob sich eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache für sämtliche Angelegenheiten mit exterritorialem Bezug begründen ließe. Eine Kompetenz aus der Natur der Sache nimmt das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an 113

So i.E. auch Risch, Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2006, S. 63 ff. 114 Im Schrifttum wird die Frage nach der exterritorialen Geltung des Grundgesetzes meist im Hinblick auf die Geltung der Grundrechte problematisiert, vgl. hierzu Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007; Graf Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti, FS Bothe, 2008, S. 1213 ff.; Merten, Räumlicher Geltungsbereich von Grundrechtsbestimmungen, in: Dörr/Kempen u. a., FS Schiedermair, 2001, S. 331 ff. Bindend für die deutsche öffentliche Gewalt ist aber das Grundgesetz insgesamt (Art. 20 Abs. 3 GG). 115 Irreführend erscheint insoweit die Gesetzesbegründung zum BGSG 1994, wonach hinsichtlich des polizeiliche Verwendungen des Bundesgrenzschutzes im Ausland regelnden § 8 BGSG Zuständigkeitsabgrenzungen im Verhältnis von Bund und Ländern nicht in Rede stünden und es insoweit keiner „konstitutiven Rechtsgrundlage“ bedürfe, BT-Drs. 12/7562, S. 29. Auch die Ausführungen bei Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 8 Rn. 5, unterstellen, dass die Kompetenzordnung des Grundgesetzes für exterritoriale Angelegenheiten gar nicht gelte. Dem liegt eine Verwechslung des räumlichen und des sachlichen Geltungsbereiches des Grundgesetzes zugrunde. 116 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 119).

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Anschütz117 an, „wenn gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eine eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheit des Bundes darstellen, vom Bund und nur von ihm geregelt werden können.“118 Mit anderen Worten: Ein Gegenstand muss begriffsnotwendig nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden können. An anderer Stelle ergänzt das Bundesverfassungsgericht dieses Kriterium dahingehend, dass eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache nur angenommen werden kann, wenn sich diese als einzig sachgerechte Lösungsmöglichkeit erweist.119 Erforderlich sind für die Begründung einer Kompetenz kraft Natur der Sache danach zwingende Gründe; Zweckmäßigkeitserwägungen reichen nicht.120 Die Wahrnehmung durch den Bund muss unumgänglich sein.121 Dafür, dass exterritoriale Angelegenheiten nicht a priori und begriffsnotwendig Bundesangelegenheiten sein müssen, spricht die Tatsache, dass sich bestimmte Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung ausdrücklich auf exterritoriale Sachverhalte beziehen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG: Hochseefischerei, Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG: Hochseeschifffahrt). Für diese Materien haben nach Art. 72 Abs. 2 GG die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Der Verfassungsgeber hält also eine Länderkompetenz für exterritoriale Sachverhalte grundsätzlich für durchaus möglich, so dass diese nicht a priori Bundesangelegenheit sein können.122 Entscheidender erscheint indes folgender Aspekt: Die Zuständigkeit des jeweiligen Landes für ein exterritoriales Gebiet kann schlicht nicht ermittelt werden. Die praktischen Probleme, dass Landesbehörden schwerlich in aller Welt einsetzbar sind, sind als Zweckmäßigkeitserwägungen zwar nicht in der Lage, eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache zu begründen. Falls aber die Länder entsprechend der Art. 30 und 70 GG für die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr und andere Landesaufgaben auch exterritorial zuständig sein sollten, wäre überhaupt nicht klar, welches Land für welches exterritoriale Gebiet (ob Ausland oder Nichtstaatsgebiet) zuständig sein sollte. Art. 30 und 70 GG meinen aber – ebenso wie Art. 83 GG – nicht „die Länder“ im Sinne einer gemeinschaftlichen Zuständigkeit aller Länder.123 Vielmehr ist jeweils ein Land für einen konkreten Sachverhalt zuständig. Bei der innerstaatlichen Aufgabenwahrnehmung bestehen insoweit keine Probleme, da die Landesgrenzen zugleich die Zuständigkeit eines Landes begrenzen. Für exterritoriale Gebiete erschließt sich die Zuständigkeit eines bestimmten Landes hingegen nicht 117

Anschütz, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 1, 1930, S. 367. BVerfGE 26, 246 (257). 119 BVerfGE 11, 89 (99). 120 Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 70 Rn. 31. 121 März, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 30 Rn. 64 f., spricht insoweit von einem „bundesstaatlichen Übermaßverbot“. 122 So auch Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 (386), der aus der Erwähnung der Sachgebiete den Schluss zieht, eine generelle Bundeskompetenz aus der Natur der Sache verbiete sich. 123 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 82. 118

A. Gesetzgebungskompetenzen

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ohne weiteres. Das gilt für ausländische Staaten ebenso wie für Seegebiete. Welche Landespolizei sollte etwa für die Abwehr eines Piratenangriffs im Golf von Aden zuständig sein, welche in der Straße von Malakka? Die theoretische Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung durch alle Länder, etwa in Form einer zentralen Eingreiftruppe der Länder für die exterritoriale Gefahrenabwehr, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, da ein solches „kompetentielles Kondominium“ einer durch das Grundgesetz ausgeschlossenen „dritten Ebene“ der Staatlichkeit nahekäme.124 Zudem wäre immer noch unklar, welches Landesrecht wo zur Anwendung kommen sollte. Dieses Problem wäre nur dadurch zu lösen, dass zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der einzelnen Bundesländer letztlich die ganze Welt kompetentiell in sechzehn Zonen unterteilt werden müsste.125 Eine solche Unterteilung aber wäre nicht nur praktisch undurchführbar, sondern auch gänzlich willkürlich und damit nicht statthaft.126 Eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache folgt insoweit nicht nur Zweckmäßigkeitserwägungen. Vielmehr ergeben zwingende Gründe eine Bundeskompetenz, wenn und soweit sich die räumliche Zuständigkeit eines bestimmten Landes nicht sachgerecht begründen lässt. In diese Richtung geht auch Sterns Annahme einer ungeschriebenen Bundeszuständigkeit wegen Überregionalität: Wenn bei internationalen Aufgaben ein inländischer Anknüpfungspunkt fehle, sei eine überregionale Zuständigkeitsanknüpfung beim Bund zulässig.127 Dieser Grundsatz betrifft zwar zunächst nur die Vollzugskompetenzen. Wenn aber dem Bund aus zwingenden Gründen, wie insbesondere der Unbestimmbarkeit eines zuständigen Landes, eine ungeschriebene Administrativkompetenz zukommt, muss er auch über eine kongruente Legislativkompetenz verfügen. Dazu zwingt nicht nur das dem Art. 30 GG inhärente Verbot des Vollzugs von Landesrecht durch den Bund, sondern auch der Umstand, dass der Bund bei exterritorialen Sachverhalten nur willkürlich entscheiden könnte, welches Landesrecht er anwendet, indem er einem Land den Vorrang gibt.128 Vollzugskompetenzen des Bundes, so sie denn bestehen, 124 Vgl. dazu Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/ Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 163; zum Verbot der „Dritten Ebene“ näher auf S. 144. 125 Dies sehen Erbguth/Mahlburg, Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, DÖV 2003, 665 (671), offenbar jedoch nicht als problematisch an, wenn sie ausführen, dass Schwierigkeiten der Bestimmung der zuständigen Länder eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache nicht zu begründen vermögen und die Länder vielmehr grundsätzlich auch auf Hoher See zuständig sein könnten. 126 Gleiches gilt für die parallele, von Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 59, geschilderte Problematik einer Cafeteria in einer deutschen Botschaft: Da für das Gaststättenrecht seit 2006 gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG die Länder gesetzgebungsbefugt sind, stellt sich die unlösbare Frage, welches der sechzehn Gaststättengesetze anzuwenden ist. Die Lösung sieht auch Kirchhof in einer Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache. 127 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 41, S. 784. 128 So auch Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 58 f.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

müssen die Gesetzgebungskompetenz daher einschließen. So können im Ergebnis geschriebene Gesetzgebungskompetenzen der Länder durch ungeschriebene Bundesvollzugskompetenzen eingeschränkt werden. Dieses Ergebnis einer ungeschriebenen Bundeskompetenz für alle exterritorialen Sachverhalte, bei denen sich nicht ein Bezug zu einem Land ausmachen lässt, steht freilich in einem gewissen Spannungsverhältnis zur grundsätzlich bestehenden Länderkompetenz für die Hochseeschifffahrt und Hochseefischerei (Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 und 17), die zweifellos exterritoriale Angelegenheiten darstellen. Bei der Auslegung dieser Kompetenztitel ist jedoch der seit ihrer Genese grundlegend veränderte seevölkerrechtliche Kontext zu bedenken: 1949 begann die Hohe See bereits drei Seemeilen (5,55 km) vor der Küste;129 heute endet das Staatsgebiet erst nach zwölf Seemeilen. Exterritoriale Aufgaben lagen also im Wortsinne „näher“ als heute. Zudem ist davon auszugehen, dass die Kompetenz lediglich die Normsetzung für im Landesgebiet befindliche Teilnehmer der Hochseeschifffahrt und -fischerei meinte. An den Vollzug schifffahrts- und fischereirechtlicher Gesetze in entlegenen Seegebieten, der nach Art. 30 GG anderenfalls Ländersache wäre, hat damals niemand gedacht. Anderenfalls wären die Zuständigkeitsräume der einzelnen Länder nach wie vor nicht bestimmbar.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass für sämtliche Angelegenheiten außerhalb des deutschen Staatsgebietes, die keinen Anknüpfungspunkt zu einem Land aufweisen, eine ungeschriebene Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache besteht.130 Insoweit ist die gesamte Gefahrenabwehr, insbesondere auch die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr, außerhalb der Hoheitsgewässer Sache des Bundes.131 c) Kompetenzlage in der ausschließlichen Wirtschaftszone Anders liegen die Dinge möglicherweise für die dem Küstenmeer unmittelbar vorgelagerte ausschließliche Wirtschaftszone. Im Gegensatz zur Hohen See handelt es sich um einen zwar großen, aber doch überschaubaren Bereich von maximal 188 Seemeilen132 (ca. 348 km) Breite ab der Küstenmeergrenze, der in Deutschland aufgrund der angrenzenden ausschließlichen Wirtschaftszonen der Nachbarstaaten ohnehin nicht voll ausgeschöpft werden kann.133 Hier bestehen die oben genannten Schwierigkeiten der kompetentiellen Zuordnung eines Gebietes zu einem Bundesland nicht: Das Gebiet grenzt unmittelbar an das Küstenmeer und damit auch an die 129

Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 5. Abschnitt, Rn. 44. A.A. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 107), der sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 21, 17 GG stützt, das Problem der fehlenden Zuordenbarkeit exterritorialer Gebiete zu den einzelnen Ländern aber nicht thematisiert. 131 So i.E. auch Heintzen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 73 Rn. 49. 132 200 sm ab der Basislinie abzüglich der maximalen Küstenmeerbreite von 12 sm, vgl. Proelß, Ausschließliche Wirtschaftszone, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, S. 222 ff., Rn. 219. 133 Das gilt insbesondere für die Ostsee, wo die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in einem schmalen Streifen jenseits der Seegrenze besteht, der kleiner ist als das Küstenmeer. 130

A. Gesetzgebungskompetenzen

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Grenzen der Küstenländer an, deren Landesgebiet sich bekanntlich auf das Küstenmeer erstreckt. Ebenso wie innerhalb des Küstenmeers die Grenzziehung zwischen den Küstenländern möglich ist,134 könnten auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone die Kompetenzbereiche der Küstenländer definiert werden. Dazu wird im Schrifttum eine analoge Anwendung des Äquidistanzprinzips nach § 137 BBergG vorgeschlagen.135 Denkbar ist auch eine staatsvertragliche Abgrenzung unter den Küstenländern, wie sie auch für das Küstenmeer praktiziert wird.136 Auch eine solche Abgrenzung wäre nicht willkürlich, sondern könnte sich an den Seegrenzen der Küstenländer orientieren. Der – auf die eine oder andere Weise definierte – Teil der ausschließlichen Wirtschaftszone, der sich unmittelbar an die Seegrenze eines Küstenbundeslandes anschließt, kann diesem dann kompetentiell zugeordnet werden. Zwingende Gründe, die für die Annahme einer Bundeskompetenz kraft Natur der Sache erforderlich wären, sind insoweit – im Gegensatz zur Hohen See – nicht ersichtlich. Der Einwand, dass die ausschließliche Wirtschaftszone nicht mehr zum Landesgebiet gehört, geht fehl, denn es handelt sich ebenso wenig um Bundesgebiet. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob eine sachgerechte Zuordnung zu einem Bundesland möglich ist. Das ist angesichts des geographischen Zusammenhangs zum Landesgebiet der Küstenbundesländer der Fall. Zwar mag man einwenden, die Differenzierung zwischen verschiedenen Meereszonen außerhalb des Staatsgebiets sei eine Frage des Völkerrechts und für die innerstaatliche Kompetenzordnung ohne Belang. Aus innerstaatlicher Sicht bestünde dann kein Unterschied zwischen der ausschließlichen Wirtschaftszone und der Hohen See im engeren Sinne. Es bietet sich indes auch aus sachlichen Gründen an, die völkerrechtliche Differenzierung zwischen Funktionshoheitszonen und der Hohen See in der innerstaatlichen Kompetenzordnung aufzugreifen. Wesen der Funktionshoheitsräume ist gerade die Erstreckung bestimmter, selektiver Hoheitsbefugnisse des Küstenstaates in einer gewissen Zone über die Staatsgrenze hinaus. Es besteht insoweit kein Grund, warum hier nicht die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung gelten soll. Die Fortführung der innerstaatlichen Kompetenzlage erscheint bei gleichbleibenden Aufgaben diesseits und jenseits der Staatsgrenze gerade sachgerecht. Die Staatspraxis, die eine Bundeskompetenz für schlechthin alle Gebiete seewärts der Hoheitsgrenze annimmt, erscheint in Bezug auf die ausschließliche Wirtschaftszone also zweifelhaft. Eine Zuordnung zu den Küstenländern wäre möglich. 134

Dazu Lagoni, Ländergrenzen in der Elbemündung und der Deutschen Bucht, 1982. Erbguth/Mahlburg, Steuerung von Offshore-Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, DÖV 2003, 665 (671); Risch, Windenergieanlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2006, S. 81; vgl. zur analogen Anwendung des Äquidistanzprinzips innerhalb des Küstenmeers auch Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 206 f. 136 So etwa das Abkommen der fünf Küstenbundesländer über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten im Küstenmeer, vgl. Hmb. GVBl. 1998, S. 233, dazu auf S. 108 ff. 135

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Die Aufgabe kann auch nicht zwingend und begriffsnotwendig nur durch den Bund erfüllt werden, so dass die Voraussetzungen für eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache – im Gegensatz zur Hohen See – nicht vorliegen.137 Als Zwischenfazit bleibt insoweit festzuhalten: Auf Hoher See (ebenso wie im Ausland) besteht eine Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz des Bundes aus der Natur der Sache, die sich auf alle Sachbereiche, insbesondere auch auf die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr erstreckt. In der ausschließlichen Wirtschaftszone bleibt es nach hier vertretener Auffassung grundsätzlich bei der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung, d. h. es sind die Küstenbundesländer zuständig, soweit sich nicht aus den Art. 70 ff. bzw. 83 ff. GG Kompetenzen des Bundes ergeben. Der Bund beansprucht jedoch auch für das Gebiet der ausschließlichen Wirtschaftszone eine Vollkompetenz, die bisher nicht bestritten wurde. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird entsprechend dieser Staatspraxis von einer bereits ab der Küstenmeergrenze bestehenden Vollkompetenz des Bundes ausgegangen. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass für die ausschließliche Wirtschaftszone die innerstaatliche Kompetenzlage fortgilt, wäre alternativ an eine Begründung der exterritorialen Bundeskompetenz zur allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr über die „auswärtigen Angelegenheiten“ i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG zu denken. Diese Kompetenz ist zwar nicht dahingehend zu verstehen, dass sämtliche Sachverhalte mit Auslandsberührung erfasst wären.138 Sie umfasst aber sämtliche Fragen, „die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik, Bedeutung haben“.139 Das erschöpft sich nicht in der diplomatischen und konsularischen Tätigkeit der Bundesrepublik,140 sondern erstreckt sich auch auf die Entwicklungshilfe und das Auslandsschulwesen, nach einigen Stimmen in der Literatur selbst auf die Ausstrahlung von Rundfunksendungen im Ausland.141 Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit dem Ausland auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt. Angesichts dieses weiten Verständnisses der „auswärtigen Angelegenheiten“ spricht einiges dafür, die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr außerhalb des deutschen Staatsgebietes als Annex zu den auswärtigen Angelegenheiten i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG aufzufassen. Denn Polizeieinsätze außerhalb des eigenen Staatsgebietes sind, da sie – zumindest potentiell – die Ausübung staatlicher Gewalt beinhalten, außenpolitisch brisant. Die völkerrechtliche Zulässigkeit etwaiger Anwendung von Polizeigewalt im Nichtstaatsgebiet (oder gar im fremden Küstenmeer) wird nicht selten aufgrund divergierender Interessenlagen international umstritten sein. Derartige Einsätze werden regelmäßig auf internationaler Ebene bi- oder multilateral 137

hat. 138

Gleiches gilt für die Anschlusszone, die Deutschland jedoch bislang nicht proklamiert

Dies würde die weitere Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen, vgl. BVerfGE 100, 313 (368), und kann angesichts des Auslandsbezuges anderer Kompetenztitel (etwa Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 und 5 GG sowie Art. 23 und 24 GG) nicht gemeint sein, vgl. Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 73 Rn. 9. 139 BVerfGE 100, 313 (368 f.). 140 So aber Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Rn. 25, der unter „auswärtigen Angelegenheiten“ nur den Auswärtigen Dienst im engeren Sinne versteht. 141 Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 73 Rn. 9 m.w.N.

A. Gesetzgebungskompetenzen

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abgestimmt, verhandelt und koordiniert werden müssen. Unzureichend abgestimmte Polizeieinsätze außerhalb des Staatsgebietes bergen die Gefahr, die außenpolitischen Beziehungen zu einzelnen oder mehreren Staaten empfindlich zu stören bzw. das Ansehen Deutschlands insgesamt zu beschädigen. Das ließe eine Zuordnung der exterritorialen allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr zu den auswärtigen Angelegenheiten gerechtfertigt erscheinen.142 Auf die Bundeskompetenz aus der Natur der Sache käme es dann nicht an. Die geschriebene Kompetenz würde sich auf alle exterritorialen Gebiete und damit unzweifelhaft auch auf die ausschließliche Wirtschaftszone erstrecken. Die Argumentation hat freilich größere Bedeutung für den Vollzug als für legislatives Handeln. Gesetzgebungskompetenzen sind aber – als notwendige Bedingung für Vollzugskompetenzen – auch im Kontext mit diesen auszulegen. Auf der Ebene der Vollzugskompetenzen stellt sich dann die Anschlussfrage, ob der „Auswärtige Dienst“ i.S.d. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG alle Bereiche der „auswärtigen Angelegenheiten“ i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasst oder aber – institutionell verstanden – auf einen Teilbereich der „auswärtigen Angelegenheiten“ beschränkt ist.143 Richtigerweise ist ein funktionelles Begriffsverständnis des „Auswärtigen Dienstes“ zugrunde zu legen und ein Gleichlauf der Gesetzgebungs- und der Vollzugskompetenz anzunehmen,144 da anderenfalls Teile der „auswärtigen Angelegenheiten“ i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gemäß Art. 83 GG von den Ländern zu vollziehen wären.145 Es ist aber davon auszugehen, dass Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG einen auswärtigen Dienst der Länder gerade ausschließen will.146 Die von der Gesetzgebungskompetenz abweichende Wortwahl im Rahmen 142

Wie hier auch Lisken, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Abschnitt C, Rn. 168, der Einsätze der Bundespolizei im Ausland (§ 8 BPolG) nur dann für kompetenzgemäß erachtet, wenn man diese im Wege einer Annexkompetenz zu den „auswärtigen Angelegenheiten“ gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG (und Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG) zählt. Ähnlich Glawe, Rechtsgrundlagen des Einsatzes deutscher Spezialkräfte in maritimen Geisellagen, NZWehrR 2009, 221 (229). 143 Für ein institutionelles Verständnis des „Auswärtigen Dienstes“ als Organisationseinheit, das die Verwaltungskompetenz auf die herkömmlichen diplomatischen und konsularischen Tätigkeiten der Institution Auswärtiger Dienst, also des Auswärtigen Amts als Zentrale und der Auslandsvertretungen als Verwaltungsunterbau, beschränken würde, sprechen zunächst der Wortlaut und die Großschreibung des Attributs, vgl. etwa Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87 Rn. 27; Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 110 ff. 144 So auch die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. Burgi, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 12; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87 Rn. 26; Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 114 f.; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 87 Rn. 55. 145 Anerkanntermaßen zu den „auswärtigen Angelegenheiten“ i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG, nicht aber zur Institution Auswärtiger Dienst gehören etwa die auswärtige Kulturpolitik, die Entwicklungshilfe und selbst die Auslandsaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst, vgl. BVerfGE 100, 313 (369). Nach institutionellem Begriffsverständnis fielen diese Bereiche aus der auswärtigen Vollzugskompetenz heraus, vgl. Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 10, und oblägen der Landesverwaltung, was schon in der Zusammenschau mit Art. 32 Abs. 1 GG nicht überzeugt. Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 174, löst dieses Dilemma durch die Annahme einer ungeschriebenen Bundeskompetenz für diesen Teilbereich. 146 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 87 Rn. 42. Dass das Grundgesetz auch im Rahmen des Art. 87 Abs. 1 GG nach Aufgaben, nicht nach Institutionen abgrenzt, wird besonders deutlich an den infolge der Privatisierung ausgeschiedenen Kompetenztiteln „Bundespost“ und „Bundeseisenbahnen“: Wäre damit nicht die Materie,

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

des Art. 87 Abs. 1 GG hat daher keine Bedeutung.147 Die exterritoriale allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr wäre danach auch dem „Auswärtigen Dienst“ i.S.d. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG zuzuordnen.148

III. Landeskompetenzen Dem Bund obliegt nach alledem die Gesetzgebung für zahlreiche Teilbereiche der Gefahrenabwehr auf See. Die Bundeskompetenzen sind jedoch sachlich stets eng umgrenzt. Das gilt vor allem für das restriktive Verständnis der Schifffahrts- und Strompolizei. Eine umfassende Gefahrenabwehrkompetenz hat der Bund nur für die exterritorialen Seegebiete. Innerhalb der Hoheitsgewässer hingegen verbleiben alle nicht dem Bund zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen entsprechend der Zuständigkeitsvermutung des Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern. Der wichtigste verbleibende Bereich ist, wie bereits erwähnt, die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr, die der Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit und Ordnung als solcher dient.149 Aufgaben der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr auf See sind vor allem die Verhütung allgemeiner Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie die Abwehr von Gefahren für Individualrechtsgüter wie Leib oder Leben.150 Als Unterfälle der allgemeinen Gefahrenabwehr gehören auch die Besondern die Institution gemeint gewesen, hätte einer Landespost oder Landeseisenbahn nichts entgegengestanden. 147 Vielmehr lässt sich der Begriff „Dienst“ aus dem verwaltungsbezogenen Kontext des Art. 87 GG erklären sowie aus dem Umstand, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bei der auswärtigen Verwaltungstätigkeit des Bundes kaum anderes vor Augen gehabt haben dürften als klassische diplomatische und konsularische Tätigkeiten, vgl. Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 11. 148 So auch Lisken, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Abschnitt C, Rn. 168. Damit ist freilich noch nicht entschieden, welchem Ministerium die mit dem „Auswärtigen Dienst“ funktionell umschriebenen Vollzugsaufgaben angesiedelt werden, vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87 Rn. 27. Dies kann beim Auswärtigen Amt sein, aber auch bei anderen Ministerien. Für die Einrichtung der Ministerien sind ohnehin nicht die Art. 86, 87 GG, sondern die Art. 64, 65 GG maßgeblich, was ein zusätzliches Argument für ein funktionelles Verständnis des Auswärtigen Dienstes i.S.d. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG ist. 149 Die Regelung des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts findet sich in den jeweiligen allgemeinen Polizei- bzw. Ordnungsgesetzen der Küstenländer. Das sind für Bremen, das nach 1945 als einziges Küstenland am einheitlichen Polizeibegriff festgehalten hat, das Bremische Polizeigesetz (BremPolG), Brem. GBl. 2001, S. 441, ferner in Hamburg das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG-HH), Hmb. GVBl. 1966, S. 77, das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG-MV), GVOBl. MV 1998, S. 335, das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (NdsSOG), Nds. GVBl. 2005, S. 9, und für Schleswig-Holstein, das als einziges Bundesland kein eigenständiges Ordnungsgesetz besitzt, die §§ 162 ff. des Schleswig-Holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes (LVwG-SH), GVOBl. SH 1992, S. 243, 534. 150 Zur allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr gehört ungeachtet dessen, ob die Streitkräfte in diesem Bereich tätig werden dürfen, auch die Bekämpfung von Terrorismus und Piraterie, da es auch insoweit um die Verhütung von Straftaten geht.

A. Gesetzgebungskompetenzen

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kämpfung von Schiffsbränden (allgemeiner Brandschutz) sowie der Katastrophenschutz zum Aufgabenbereich der Länder.151 Bisher besaßen die Länder ferner die sonderpolizeiliche Gesetzgebungskompetenz für die Ordnungsgewalt auf dem Gebiet des Wasserrechts (sog. Wasserpolizei), die die Beseitigung von Gewässerverunreinigungen umfasst. Nachdem der Bund von seiner neuen wasserrechtlichen Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG Gebrauch gemacht und auch das sachspezifische Ordnungsrecht geregelt hat (§§ 100 ff. WHG), sind landesrechtliche Regelungen zur wasserrechtlichen Gefahrenabwehr nur noch zulässig, soweit die bundesrechtlichen Regelungen Spielräume belassen. Ausschließlicher Landesgesetzgebung unterliegt demgegenüber ferner die Hafenpolizei. Sie umfasst die Abwehr von Gefahren, die durch oder für den Hafenverkehr oder -betrieb entstehen oder den Zustand des Hafens beeinträchtigen und ist damit eine hafenspezifische sonderpolizeiliche Aufgabe.152

IV. Zwischenfazit Eine einheitliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes oder der Länder für die Gefahrenabwehr auf See besteht nicht. Nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung ist dieses Rechtsgebiet vielmehr in zahlreiche, auf Bund und Länder verteilte Teilbereiche aufgespalten. Regelungen mit seesicherheitsrechtlicher Relevanz ergeben sich infolgedessen aus einer Vielzahl von Landes- und Bundesgesetzen. Mit Recht wird daher von einer „Zerfaserung“ des Seesicherheitsrechts gesprochen.153 Obwohl dem Bund in der Summe zahlreiche Kompetenzen für die Gefahrenabwehr auf See zustehen, ist dessen Gefahrenabwehrzuständigkeit aufgrund vergleichsweise restriktiver Auslegung der einzelnen Kompetenztitel begrenzt. Das gilt vor allem für die nautischen Kompetenzen. Anders ist die Lage außerhalb der Hoheitsgewässer: Dort besteht eine sachlich umfassende Gefahrenabwehrkompetenz des Bundes. Innerhalb der Hoheitsgewässer wirft die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Kompetenzbereichen jedoch zum Teil erhebliche Probleme auf, auf die im Anschluss an die Vollzugskompetenzen noch einzugehen ist.154 Die hier angelegte Kompetenzzergliederung setzt sich bei den Vollzugskompetenzen zwangsläufig fort und wird zudem noch vertieft, da der Bund nicht für alle Bereiche seiner Gesetzgebung auch vollzugskompetent ist. Hier sieht sich der Rechtsanwender mit 151

Die Bekämpfung von Bränden kann unter bestimmten Voraussetzungen jedoch auch Aufgabe der Strompolizei und damit des Bundes sein. Zur diesbezüglichen Abgrenzung siehe S. 104. 152 Vgl. Lagoni, Hafenrecht, in: Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 445 ff. (S. 456 f.). 153 Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 115). 154 Vgl. dazu zahlreiche Beispiele bei Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1499, Fn. 2736.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

einem noch komplexeren Geflecht von Zuständigkeiten konfrontiert.155 Die systematische Darstellung und Entflechtung der Vollzugskompetenzen ist Anliegen des nächsten Abschnittes.

B. Vollzugskompetenzen Bei der Analyse der Vollzugskompetenzen ist zwischen Verbandskompetenzen, also der Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, einerseits und Organkompetenzen, also der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Behörden innerhalb eines Verbandes, andererseits zu unterscheiden. Während das Grundgesetz strikte Vorgaben zur Verbandskompetenz macht, belässt es hinsichtlich der Verteilung der Organkompetenzen einen weiten Organisationsspielraum.

I. Verbandskompetenzen 1. Grundsätze Die Grundfestlegungen für die Vollzugszuständigkeiten von Bund und Ländern finden sich in den Art. 30 und 83 GG. Ausgangspunkt ist zunächst die Differenzierung zwischen Bundes- und Landesgesetzen. Denn für die Ausführung von Landesrecht können von vornherein nur die Länder zuständig sein, da das Grundgesetz, wie ausgeführt, die Ausführung von Landesgesetzen durch Bundesbehörden verbietet.156 Deren Vollzug richtet sich nach Art. 30 GG. Der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes betrifft demgegenüber nur die Ausführung von Bundesgesetzen,157 so dass nur insoweit eine Vollzugskompetenz des Bundes in Betracht kommt. Die Ausführung der Bundesgesetze erklärt Art. 83 GG – als lex specialis zur Zuständigkeitsvermutung des Art. 30 GG – vorbehaltlich abweichender grundgesetzlicher Regelungen zur eigenen Angelegenheit der Länder. Der verfassungsrechtliche Regelvollzug von Bundesrecht ist danach die in Art. 84 GG näher beschriebene Landeseigenverwaltung. Das Grundgesetz kennt daneben zwei weitere Vollzugstypen, die als Abweichungen vom Regelfall stets eines ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Titels i.S.d. Art. 83 GG bedürfen. Dies ist zum einen die Auftragsverwaltung nach Art. 85 GG, bei der dem Bund weitreichende Weisungs-

155 Dieses wird noch dadurch gesteigert, dass die grundgesetzlich vorgesehene Verteilung der Vollzugskompetenzen durch zahlreiche Verwaltungsvereinbarungen modifiziert wird, auf die im dritten Teil einzugehen ist. 156 BVerfGE 12, 205 (221); 21, 312 (325); dazu bereits eingehend auf S. 45. 157 Dabei ist der materielle Gesetzesbegriff anzulegen, so dass nicht nur förmliche Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen umfasst sind, vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 5.

B. Vollzugskompetenzen

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und Kontrollrechte eingeräumt sind, die aber gleichwohl Landesverwaltung ist.158 Zum anderen besteht der Vollzugstyp der alleinigen Bundesverwaltung i.S.d. Art. 86 GG. Diese kann wiederum entweder unmittelbar („bundeseigene Verwaltung“) oder mittelbar („durch bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts“) erfolgen. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist ausschließlich, d. h. entweder der Bund oder die Länder sind zuständig. Doppelzuständigkeiten sind grundsätzlich ausgeschlossen.159 Die Vollzugstypen Bundesverwaltung und Auftragsverwaltung sind zum Teil obligatorisch, zum Teil aber auch nur fakultativ vorgesehen. Sie hängen dann von der Begründung durch einfaches Bundesgesetz ab und unterliegen bis dahin der Landeseigenverwaltung. Die Grundentscheidungen der Art. 30 und 83 GG führen zu folgender Verteilung der Vollzugszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern: Den Ländern obliegt der Vollzug jedenfalls der eigenen Gesetze und darüber hinaus aller Bundesgesetze (in Eigen- oder Auftragsverwaltung), für die nicht der Bund ausnahmsweise vollzugskompetent ist.160 Wie auf der Ebene der Gesetzgebungskompetenzen kann daher auch auf der Ebene des Vollzugs von einem Grundsatz der Polizeihoheit der Länder nur insoweit die Rede sein, als die Länder nach Art. 30, 83 GG grundsätzlich für den Vollzug des Gefahrenabwehrrechts zuständig sind. Für die Bereiche der Landesgesetzgebung, insbesondere die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr, gilt das ausnahmslos. Für den Bereich der Bundesgesetzgebung gilt der Grundsatz hingegen nur, soweit das Grundgesetz nicht ausnahmsweise dem Bund Vollzugszuständigkeiten einräumt. Es finden sich jedoch auch hier zahlreiche Teilbereiche der Gefahrenabwehr, die der bundeseigenen Verwaltung i.S.d. Art. 86 GG unterliegen. Deren Reichweite ist im Folgenden zu ermitteln, um dann im Umkehrschluss die verbleibenden Landesvollzugskompetenzen feststellen zu können. 2. Bundeskompetenzen Die Art. 87 ff. GG weisen dem Bund für zahlreiche seesicherheitsrechtliche Aufgaben, die der Bundesgesetzgebung unterliegen, auch die Vollzugskompetenz – obligatorisch oder fakultativ – zu. Von zentraler Bedeutung für gefahrenabwehrrechtliche Kompetenzen ist Art. 87 Abs. 1 GG.

158

Der Ausdruck „Bundesauftragsverwaltung“ ist insoweit missverständlich, da es sich gerade nicht um Bundesverwaltung handelt, so jedenfalls die ganz überwiegende Lehre, vgl. Heitsch, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, 2001, S. 248 m.w.N. 159 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 30 Rn. 7. 160 Für die mitgliedstaatliche Ausführung unmittelbar geltenden EU-Rechts sind nach überwiegender Auffassung die Art. 83 ff. GG analog anzuwenden. Dies überzeugt freilich nur, soweit der Bund innerstaatlich gesetzgebungskompetent wäre. Liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern, fehlt es an den Voraussetzungen für einen Analogieschluss und sollte sich der Vollzug nach Art. 30 GG richten. Zu diesen Fragen eingehend Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 6 ff.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

a) Strompolizei Vollzugskompetenzen räumt das Grundgesetz dem Bund zunächst für den nautischen Bereich ein. Art. 87 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 89 GG sieht für die Bundeswasserstraßenverwaltung obligatorische Bundeseigenverwaltung, für die Schifffahrt fakultative Bundeseigenverwaltung vor. Für die durch oder aufgrund Art. 89 GG dem Bund zugewiesenen Aufgaben gelten ergänzend die Vorgaben des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, wonach die Aufgaben in bundesunmittelbarer Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau wahrzunehmen sind. Art. 89 Abs. 2 GG differenziert zwischen zwei verschiedenen Bereichen. Satz 1 betrifft die Wasserstraßenverwaltung, Satz 2 die Schifffahrtsverwaltung. Für die Unterscheidung gelten die im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz ausgeführten Kriterien entsprechend. Die Wasserstraßenverwaltung knüpft am Verkehrsweg an, die Schifffahrtsverwaltung an der Schifffahrt. Für die Wasserstraßenverwaltung ordnet Art. 89 Abs. 2 S. 1 GG an: „Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden.“ Die Wasserstraßenverwaltung ist dem Wortlaut nach also obligatorische Bundeseigenverwaltung. Art. 89 Abs. 2 S. 3 und 4 GG ermöglicht jedoch die Aufgabenübertragung an ein Land zur Auftragsverwaltung auf dessen Antrag.161 Der sachliche Gehalt der Vollzugskompetenz für die Bundeswasserstraßen entspricht dem der Gesetzgebungskompetenz. Sie ist daher ebenso auf Maßnahmen beschränkt, die sich auf die Verkehrsfunktion der Wasserstraßen beziehen, also wegerechtlichen Charakters sind.162 Das umfasst alle administrativen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Schiffbarkeit der Wasserstraßen, also Bau, Ausbau und Unterhaltung der Wasserstraßen sowie – im vorliegenden Kontext entscheidend – die Strompolizei als sonderpolizeiliche Gefahrenabwehrkompetenz.163 Näherer Klärung bedarf aber in räumlicher Hinsicht der Begriff der „Bundeswasserstraße“, der erstmals in Art. 89 Abs. 2 GG auftaucht, während in Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG von „Seewasserstraßen“ und „dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen“ die Rede ist. Das bedeutet erstens, dass Binnenwasserstraßen nur dann Bundeswasserstraßen sein können, wenn sie dem allgemeinen Verkehr dienen, da es ansonsten schon an der Gesetzgebungskompetenz fehlt und die Vollzugskompetenz diese nicht überschreiten darf. Das ist für den vorliegenden Untersuchungsraum unproblematisch, da alle betroffenen Binnenwasserstraßen als Hafenzufahrten, wie bereits erwähnt, dem allgemeinen Verkehr dienen. Die differen161 Auch ungeachtet der fakultativen Auftragsverwaltung ist die wegerechtliche Verwaltungskompetenz des Bundes i.S.d. Art. 89 Abs. 2 S. 1 GG nicht unbeschränkt. Art. 89 Abs. 3 GG statuiert ein die Bundeskompetenz begrenzendes Einvernehmenserfordernis mit den Ländern, soweit die Wasserstraßenverwaltung Belange der Landeskultur und der Wasserwirtschaft betrifft. Insoweit ordnet das Grundgesetz echte Mischverwaltung an. 162 Vgl. Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 62. 163 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 89 Rn. 20.

B. Vollzugskompetenzen

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zierende Wortwahl in Art. 89 Abs. 2 GG legt zweitens nahe, dass nicht jede Wasserstraße i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG auch eine Bundeswasserstraße sein muss, die Vollzugskompetenz also enger ist als die Gesetzgebungskompetenz. Für die (theoretisch) verbleibenden Wasserstraßen wären dann die Länder verwaltungs-, aber nicht gesetzgebungskompetent. Eine – insoweit nötige – nähere Bestimmung der Bundeswasserstraßen liefert das Grundgesetz indes nicht. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen Art. 89 Abs. 1 und 2 GG lässt sich zwar schließen, dass alle ehemaligen Reichswasserstraßen mit Inkrafttreten des Grundgesetzes zu Bundeswasserstraßen geworden sind.164 Reichswasserstraßen wiederum waren all jene Wasserstraßen, die durch Staatsvertrag vom 29. Juli 1921 zwischen Reich und Ländern165 in Eigentum und Verwaltung des Reiches übergegangen waren. Dies geschah in Erfüllung des Auftrages aus Art. 97 Abs. 1 WRV, wonach das Reich „die dem allgemeinen Verkehr dienenden Wasserstraßen“ zu übernehmen hatte. Die im Staatsvertrag durch konkrete Benennung der Abschnitte aufgeführten Binnen- und die ohne weitere Einschränkung genannten Seewasserstraßen bilden so den Altbestand der Bundeswasserstraßen.

Der Rückgriff auf die Reichswasserstraßen hilft allerdings nur bedingt, da dieser Begriff teils weiter und teils enger als der der Bundeswasserstraßen ist. Enger muss er sein, da sich wandelnde Verhältnisse die Verkehrsbedeutung einer Binnenwasserstraße und damit auch die Gesetzgebungs- und die Vollzugskompetenz entfallen lassen können.166 Weiter ist er, da er auch nach dem 23. Mai 1949 entstandene Bundeswasserstraßen (wie etwa Kanalneubauten oder auch das auf 12 Seemeilen erweiterte Küstenmeer) umfasst.167 Dieser dynamische Charakter der Bundeswasserstraßen schließt eine statische Bindung an die Reichswasserstraßen aus und verlangt eine eigenständige Definition.168 Da das Grundgesetz diese nicht selbst vornimmt, bleibt sie dem einfachen Bundesgesetzgeber überlassen. Grenzen ergeben sich damit nicht aus Art. 89 GG, sondern als „äußerster Grenze“ aus der Gesetzgebungskompetenz und dem dortigen Kriterium des allgemeinen Verkehrs. Im Endeffekt ist daher davon auszugehen, dass nicht nur sachlich, sondern auch räumlich ein Gleichlauf zwischen der Gesetzgebungs- und der Vollzugskompetenz besteht. Dafür spricht auch die Vorläuferbestimmung des Art. 97 Abs. 1 WRV, der die Verwaltungszuständigkeit an das Kriterium des allgemeinen Verkehrs knüpft. 164

BVerfGE 15, 1 (7); Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 45. Siehe das Gesetz über den Staatsvertrag betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich vom 29. 07. 1921 (RGBl. S. 961). 166 Auch von diesen nicht mehr dem allgemeinen Verkehr dienenden ehemaligen Reichswasserstraßen bleibt der Bund nach Art. 89 Abs. 1 GG Eigentümer, hat jedoch keine Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse mehr. 167 Vgl. Ibler, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 89 Rn. 37; jedenfalls ist nicht erkennbar, dass Art. 89 GG das Hinzutreten neuer Bundeswasserstraßen ausschließen will, nachdem der Bestand an Bundeswasserstraßen jedenfalls nach unten offen und insoweit nicht statisch ist. 168 Vgl. Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 56. 165

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Die einfachgesetzliche Definition trifft § 1 WaStrG. Bundeswasserstraßen unterteilen sich danach in Seewasserstraßen (alle Flächen zwischen der Küstenlinie und der seewärtigen Hoheitsgrenze)169 und dem allgemeinen Verkehr dienende Binnenwasserstraßen. Letztere werden in Anlage 1 zum WaStrG durch geographische Angaben definiert. Diese durch gesetzliche Fiktion getroffene Einschätzung der Verkehrsbedeutung muss sich aufgrund der begrenzten Gesetzgebungskompetenz an den tatsächlichen Verhältnissen orientieren.170 Für den vorliegenden Untersuchungsraum ist die Bundeskompetenz unzweifelhaft. Die Teile der Binnenwasserstraßen, die Zufahrten zu Seehäfen sind, dienen offensichtlich dem allgemeinen Verkehr und werden auch in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG als Bundeswasserstraßen definiert. Auch das gesamte Küstenvorfeld bis hin zur Hoheitsgrenze ist Bundeswasserstraße. Für all diese Wasserflächen obliegt dem Bund die Aufgabe der Strompolizei. Gewässer jenseits der Küstenmeergrenze, insbesondere die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone, zählen nicht mehr zu den Bundeswasserstraßen, so dass hier auch die Aufgabe der Strompolizei entfällt.171 b) Schifffahrtspolizei Im Gegensatz zur Wasserstraßenverwaltung erklärt Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG die Schifffahrtsverwaltung nicht obligatorisch zur Bundesaufgabe, sondern räumt für „die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die Aufgaben der Seeschiffahrt“ eine Befugnis zur Kompetenzbeschaffung durch einfaches Bundesgesetz ein. Die Schifffahrtsverwaltung ist somit

169 Erfasst sind nicht nur die dem allgemeinen Verkehr dienenden Teile der Küstengewässer wie etwa die Fahrrinnen, sondern sämtliche mit Wasser bedeckten Teile, vgl. Gröpl, in: Maunz/ Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 55; dazu bereits näher auf S. 42. 170 Eine Erklärung de facto nicht dem allgemeinen Verkehr dienender Binnenwasserstraßen zur Bundeswasserstraße per Aufnahme in den Katalog der Anlage 1 wäre ultra vires. Überraschend ist vor diesem Hintergrund die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts im genannten Wasserrechts-Urteil von 1962, BVerfGE 15, 1 (8), dass es Bundeswasserstraßen gebe, die mangels allgemeinen Verkehrs nicht zu den Binnenwasserstraßen i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG gehörten. Diese Konstellation muss als verfassungsrechtlich ausgeschlossen betrachtet werden, weil anderenfalls die Verwaltungskompetenz des Bundes über seine Gesetzgebungsbefugnis hinausginge. Dies schließt das Bundesverfassungsgericht im selben Urteil wenige Seiten später selbst aus, BVerfGE 15, 1 (16). 171 A.A. aber Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 117), der die strompolizeiliche Zuständigkeit des Bundes ohne nähere Begründung auch auf die ausschließliche Wirtschaftszone erstrecken will. Das widerspricht der eindeutigen Definition des § 1 Abs. 2 WaStrG. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die einfachgesetzliche Definition hinter dem verfassungsrechtlichen Begriff der Bundeswasserstraße zurückbleibt, was angesichts der obligatorischen Bundeskompetenz allerdings nicht unproblematisch wäre. Eine Auslegung des verfassungsrechtlichen Begriffs der Bundeswasserstraße dahingehend, dass auch exterritoriale Wasserflächen umfasst seien, dürfte aus terminologischen und teleologischen Gründen aber fernliegend sein.

B. Vollzugskompetenzen

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fakultative Bundesverwaltung.172 Wird die Möglichkeit genutzt, gilt wie für die Wasserstraßenverwaltung das Gebot des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, die zugewiesenen Aufgaben in unmittelbarer Bundesverwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau wahrzunehmen. Trotz der semantischen Unschärfe besteht Einigkeit darüber, dass sich der Relativsatz („die ihm durch Gesetz übertragen werden“) nicht nur auf die Seeschifffahrt, sondern auch auf die Binnenschifffahrt bezieht, und mithin auch diese nur fakultativ Bundesangelegenheit ist.173 Im Unterschied zur Seeschifffahrt können auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt nur Aufgaben übertragen werden, die über den Bereich eines Landes hinausgehen. Diese ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung aber auch nicht relevant, da auch auf den einbezogenen Binnenwasserstraßen, den Zufahrten zu den Seehäfen, Seeschifffahrt stattfindet.174 Ohne eine bundesgesetzliche Kompetenzübertragung bliebe es bei der Länderzuständigkeit nach Art. 83 GG. Von der Kompetenzübertragungsbefugnis wurde indes Gebrauch gemacht durch das Binnenschiffahrtsaufgabengesetz (BinSchAufgG)175 und das Seeaufgabengesetz (SeeAufgG). Der sachliche Gehalt der schifffahrtsrechtlichen Vollzugskompetenz entspricht dem der Gesetzgebungskompetenz für das Schifffahrtsrecht und unterliegt dementsprechend den genannten Restriktionen. Dies ist jedenfalls der Maximalgehalt der Vollzugskompetenz, die aber, da sie nur fakultativ Bundessache ist, nicht in vollem Umfang beansprucht werden muss. Es kommt darauf an, welche Aufgaben gesetzlich übertragen worden sind. Für das Gebiet der Seeschifffahrt nimmt § 1 SeeAufgG eine enumerative Aufgabenzuweisung an den Bund vor. Es ist davon auszugehen, dass dieser Katalog praktisch alle die Seeschifffahrt betreffenden Aufgaben abdeckt und somit eine umfassende Bundeskompetenz für die Schifffahrtsverwaltung begründet worden ist. Insbesondere wird die Aufgabe der Schifffahrtspolizei durch § 1 Nr. 2 und Nr. 3 lit. a SeeAufgG vollumfänglich übertragen.176 Zur sachlichen Reichweite der schifffahrtspolizeilichen Kompetenz gilt trotz missverständlicher gesetzlicher Formulierung177 das im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz Ausgeführte entsprechend: Die 172 Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 101 Rn. 98. 173 Vgl. etwa Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 194 m.w.N. 174 Seeschifffahrt ist nicht zu verwechseln mit Schifffahrt auf Seewasserstraßen, Binnenschifffahrt nicht mit Schifffahrt auf Binnenwasserstraßen. Die Unterscheidung richtet sich allein nach der für das jeweilige Gewässer geltenden Verkehrsordnung. Die wasserwegerechtlichen Kategorien sind davon unabhängig, vgl. Hoog, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 89 Rn. 27. 175 BGBl. I 2001 S. 2026. 176 Obwohl die Schifffahrtspolizei in § 1 Nr. 2 SeeAufgG legaldefiniert wird, betreffen auch andere Nummern des Katalogs die Überwachung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften und gehören damit materiell zur Schifffahrtspolizei (so etwa Nr. 4 und Nr. 6). 177 Kritisch zur unglücklichen Legaldefinition auch Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 813.

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Schifffahrtspolizei erstreckt sich allein auf die Überwachung und Durchsetzung verkehrsrechtlicher Regelungen. Räumlich bezieht sich die schifffahrtspolizeiliche Aufgabenzuweisung erstens auf die Seewasserstraßen (§ 1 Nr. 2 SeeAufgG), zweitens, sofern die Ausübung völkerrechtlich zulässig oder geboten ist, auf alle exterritorialen Seegebiete (§ 1 Nr. 3 lit. a SeeAufgG) und drittens auf diejenigen Binnenwasserstraßen, die Seeschifffahrtsstraßen sind.178 Das ergibt sich aus der reichlich unübersichtlichen Verweisungskette § 1 Nr. 2 SeeAufgG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SeeAufgG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeStrOV179 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 und 3 SeeSchStrO. Damit besteht auf allen von der Seeschifffahrt genutzten Gewässern eine Bundeskompetenz für die Schifffahrtspolizei.180 Sie ist damit zwar sachlich begrenzt, räumlich jedoch umfassend.181 c) Grenzschutz Nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG können durch Bundesgesetz Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden. Der föderale Primärgehalt dieser Bestimmung liegt darin, dass sie – als Pendant zur Gesetzgebungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 Var. 5 GG – eine fakultative Vollzugskompetenz des Bundes für die Aufgabe Grenzschutz impliziert.182 Von dieser Ermächtigung des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG hat der Bundesgesetzgeber bereits 1951 durch Erlass des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (BGSG) Gebrauch gemacht.183 Sachlich ist die Vollzugskompetenz deckungsgleich mit der Gesetzgebungskompetenz. Sie umfasst den polizeilichen Schutz der Grenze und ist nach hier vertretener Auffassung lediglich funktional, nicht aber räumlich begrenzt.184

178 Ebenfalls umfasst sind nach § 1 Nr. 2 SeeAufgG die an diesen Wasserstraßen gelegenen bundeseigenen Häfen, die jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. 179 Verordnung zu den Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See (BGBl. I 1977 S. 813). 180 Im Bereich des Hamburger Hafens allerdings verzichtet der Bund gemäß § 19 SeeAufgG auf eine Aufgabenbeanspruchung, was angesichts der nur fakultativen Bundesverwaltung möglich ist. 181 Für die Aufgaben der Binnenschifffahrt hingegen ist die Überschreitung von Landesgrenzen tatbestandliche Voraussetzung für eine Aufgabenübertragung durch Gesetz, so dass rein lokale Binnenschifffahrt bereits aus dem Anwendungsbereich des Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG herausfällt. Ob die Binnenschifffahrt auf einer Bundeswasserstraße stattfindet, ist im Rahmen der verkehrlichen Kompetenz hingegen unerheblich. Gleichwohl beansprucht der Bund im BinSchAufgG nur Verwaltungskompetenzen auf Bundeswasserstraßen. Damit bleibt er zum Teil hinter der fakultativen Kompetenz zurück, geht aber zugleich über diese hinaus, weil die auf Bundeswasserstraßen bestehenden Aufgaben nicht zwingend über den Bereich eines Landes hinausgehen; vgl. dazu Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 106. 182 Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 29, 52. 183 BGBl. I 1951 S. 201. 184 Für die Einzelheiten wird auf die Ausführungen auf S. 58 ff. verwiesen.

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Der Umstand, dass Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG nicht die Aufgabe des Grenzschutzes, sondern Grenzschutzbehörden nennt, hat vielfach Verwirrungen hervorgerufen, die aus einer Verwechslung von funktionellem und institutionellem Grenzschutzbegriff resultieren. Ersterer bezeichnet die Aufgabe, letzterer die Institution. Die grundgesetzliche Formulierung bringt erstens zum Ausdruck, dass der Bund die Vollzugskompetenz für die Aufgabe Grenzschutz in Anspruch nehmen kann. Zweitens besagt sie in organisationsrechtlicher Hinsicht, dass, wenn er diese Kompetenz wahrnimmt, dies durch bundeseigene Verwaltung zu geschehen hat.185 Keine Aussage trifft die Bestimmung hingegen zu der Frage, ob der aufgrund des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG geschaffenen Institution Bundesgrenzschutz grenzschutzfremde (sonder)polizeiliche Aufgaben übertragen werden dürfen, wie in den Jahrzehnten nach Gründung des Bundesgrenzschutzes – teils durch Verfassungsänderung, teils durch einfaches Gesetz – häufig geschehen. Weder ermächtigt Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG dazu, den Grenzschutzbehörden sonstige Aufgaben zu übertragen, noch verbietet er dies. Auf diese organisationsrechtlichen Fragen ist noch näher einzugehen. Hier kommt es zunächst nur auf den unbestrittenen Primärgehalt des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, nämlich die Zuweisung einer fakultativen Vollzugskompetenz für die sonderpolizeiliche Aufgabe Grenzschutz, an. Diese ist angesichts der Seegrenzen, der einzig verbliebenen Schengen-Außengrenzen in Deutschland, für die Gefahrenabwehr auf See von Bedeutung. Die Seegrenze des Bundesgebiets ist identisch mit der seewärtigen Grenze des deutschen Küstenmeeres in Nord- und Ostsee und hat, die Flensburger Förde und das Oderhaff eingeschlossen, eine Länge von rund 760 km. Dem Bund obliegt der polizeiliche Schutz dieser Grenze im oben beschriebenen Umfang. d) Zollschutz Gefahrenabwehrrechtliche Vollzugsbefugnisse des Bundes auf See ergeben sich ferner aus der durch Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG obligatorisch dem Bund zugewiesenen „Bundesfinanzverwaltung“. Der Regelungsgehalt der Bestimmung ergibt sich erst in der Zusammenschau mit Art. 108 GG, der auf dem umstrittenen Gebiet der Finanzverwaltung einen Kompromiss zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten verkörpert. Auf die Einzelheiten kommt es hier nicht an. Entscheidend ist, dass die Zollverwaltung gemäß Art. 108 Abs. 1 GG Aufgabe der Bundesfinanzbehörden ist. Bestandteil der Zollverwaltung ist wiederum als Annex auch der Zollschutz, also die polizeiliche Überwachung und Verhinderung von Verstößen gegen das Zollrecht. Wie der Staatsgrenze kommt auch der Zollgrenze auf See186 eine im Vergleich zu den 185 Dies ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Begriff der Behörde (so aber Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87 Rn. 39), wohl aber aus der systematischen Stellung in Abs. 1 Art. 87 GG, vgl. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 226; Burgi, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 31; Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 101 Rn. 79. 186 Die Seezollgrenze ist mittlerweile identisch mit der Staatsgrenze, da nach Art. 3 Abs. 3 Zollkodex (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. 10. 1992 zur Festlegung des

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Landgrenzen gesteigerte Bedeutung zu, da sie eine EU-Außengrenze und damit noch eine „echte“ Zollgrenze darstellt.187 e) Abwehr terroristischer Gefahren Schließlich bestehen Vollzugskompetenzen des Bundes für die Abwehr terroristischer Gefahren i.S.d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG. Zwar betrifft Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nach Wortlaut und systematischer Stellung nur die Gesetzgebungskompetenz. Eine komplementäre Bestimmung einer Bundesvollzugskompetenz im Rahmen der Art. 83 ff. GG fehlt, so dass gemäß Art. 83 GG im Prinzip die Länder vollzugskompetent wären. Das hätte allerdings zur Folge, dass die Länder Gefahrenabwehr „durch das Bundeskriminalpolizeiamt“ (so die formelle Einschränkung der Gesetzeskompetenz) betreiben müssten, was sie selbstredend nicht können. Gesetze aufgrund des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG wären nicht vollziehbar und damit Makulatur. Die Bestimmung kann daher nur so verstanden werden, dass sie sowohl die Gesetzgebung als auch den Vollzug betrifft, also auch eine Ausnahmeregelung i.S.d. Art. 83 Hs. 2 GG darstellt.188 Ebenso wie die Legislativkompetenz erstreckt sich auch die Vollzugskompetenz des Bundes aber nur auf die Gefahrenabwehr durch das Bundeskriminalamt, so dass die Gefahrenabwehr durch Landesbehörden überhaupt nicht betroffen ist.189 Insoweit bewirkt die Nennung der Behörde in der Kompetenzvorschrift – neben der Einschränkung des Organisationsermessens des Bundes – eine Parallelzuständigkeit des Bundeskriminalamtes und der Landesbehörden für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus.190 Die engen sachlichen Voraussetzungen dieser Bundeskompetenz zur Terrorabwehr wurden bereits im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz erläutert.191 Für terroristische Bedrohungen von See werden die VorZollkodex der Gemeinschaften) auch das Küstenmeer zum EU-Zollgebiet gehört. Eine Ausnahme gilt jedoch nach Art. 3 Abs. 1 Zollkodex für Helgoland, vgl. im Einzelnen Heuer, Aufgaben und Befugnisse des Wasserzolldienstes, ZfZ 1996, 66 (68). 187 Für die Landgrenzen hat hingegen die EU-Zollunion nach Art. 30 ff. AEUV zur Folge, dass mit Ausnahme der Grenze zur Schweiz faktisch keine landwärtigen Zollgrenzen mehr bestehen. Die Zollunion beansprucht natürlich auch Geltung für den innerunionalen Handel über See. 188 So auch Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 48a; a.A. Heintzen, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 95, der die nötige Vollzugskompetenz aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ableitet. 189 So auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 16/813, S. 12. Diese Auswirkung der Behördennennung auf die Legislativkompetenz übersieht Baldus, der infolgedessen eine Sperrwirkung gegenüber der Landesgesetzgebung annimmt, vgl. Baldus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 17. 05. 2006, S. 11 (abrufbar unter webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?file ToLoad=1387&id=1136, zuletzt aufgerufen am 09. 09. 2010). 190 Vgl. Tams, Die Zuständigkeit des Bundes für die Abwehr terroristischer Gefahren, DÖV 2007, 367 (371). 191 Siehe oben S. 61 ff.

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aussetzungen jedoch regelmäßig vorliegen. Damit verfügt der Bund über eine weitere Teilkompetenz für die Gefahrenabwehr auf See. f) Exterritoriale Gefahrenabwehr Eine ausdrückliche Bundeskompetenz für die Gefahrenabwehr auf See außerhalb der Hoheitsgewässer findet sich in den Art. 83 ff. GG erwartungsgemäß nicht. Entsprechend der Argumentation zur exterritorialen Gesetzgebungskompetenz ist jedoch auch insoweit eine ungeschriebene Bundeskompetenz kraft Natur der Sache anzunehmen.192 Eine solche ist zwar nur ausnahmsweise dann anzuerkennen, wenn eine Aufgabe begriffsnotwendig und zwingend nur durch den Bund wahrgenommen werden kann.193 Dies ist hier jedoch aus dem Gesichtspunkt der Überregionalität der Fall: Wie bereits im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen ausgeführt, ließe sich die räumliche Zuständigkeit eines bestimmten Landes für die exterritoriale Gefahrenabwehr mangels inländischen Anknüpfungspunkts nicht sachgerecht begründen.194 Sämtliche exterritoriale Gebiete in sechzehn Zonen aufzuteilen, um die Zuständigkeit eines Landes definieren zu können, wäre willkürlich. Möglich ist in diesen Fällen nur die überregionale Zuständigkeitsanknüpfung beim Bund.195 Auch die Staatspraxis geht von einer sachlich unbeschränkten Bundeszuständigkeit für die exterritorialen Seegebiete aus.196 Zweifel erscheinen allerdings wiederum insoweit angebracht, als es um Aufgabenwahrnehmung in der ausschließlichen Wirtschaftszone geht. Denn dieses unmittelbar dem Küstenmeer vorgelagerte Seegebiet wäre kompetentiell ohne weiteres den Küstenländern zuordenbar,197 sodass eine Zuständigkeitsbestimmung der Länder möglich und eine Bundeszuständigkeit somit nicht „zwingend“ wäre. Auch angesichts dessen, dass die seevölkerrechtlichen Funktionshoheitsräume gerade die Erstreckung bestimmter, selektiver Hoheitsbefugnisse des Küstenstaates in einer gewissen Zone über die Staatsgrenze hinaus zum Gegenstand haben, wäre eine Fortschreibung der innerstaatlichen Kompetenzlage bei gleichbleibenden Aufgaben 192 Die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im „Hartz IV“-Urteil (BVerfGE 119, 331), dass die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern in den Art. 83 ff. GG „erschöpfend geregelt“ seien (S. 364) und die Zuordnung der Kompetenzen „auf Vollständigkeit“ angelegt sei (S. 365 f.), sind nicht dahingehend zu verstehen, dass ungeschriebene Vollzugskompetenzen schlechterdings ausgeschlossen wären. Sie sind es nur grundsätzlich, vgl. BVerfGE 108, 169 (182). 193 Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 43; Kirchhof, in: Maunz/ Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 49. 194 Vgl. im Einzelnen S. 68 f. 195 I. E. ebenso Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 41, S. 784. 196 Vgl. die Auffassung der Bundesregierung in BT-Drs. 12/4700, S. 2, wonach sämtliche Überwachungs- und Vollzugsaufgaben außerhalb der Hoheitsgewässer ausschließlich und originär Sache des Bundes seien. 197 Etwa nach dem Äquidistanzprinzip, vgl. S. 58 f.

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diesseits und jenseits der Staatsgrenze gerade sachgerecht. Im Bereich des Vollzugs hätte dies vor allem Bedeutung für die Fischereiaufsicht innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone.198 Der Bund besitzt zwar die Gesetzgebungskompetenz für das Fischereirecht, innerstaatlich aber nicht die Vollzugskompetenz. Nach hiesiger Auffassung wären die Länder daher nicht nur für die Fischereiaufsicht im jeweiligen Teil des Küstenmeers, sondern auch im jeweils angrenzenden Gebiet der ausschließlichen Wirtschaftszone vollzugskompetent.199 Möglicherweise aufgrund dieser Bedenken wird die fischereirechtliche Vollzugskompetenz des Bundes im Schrifttum bisweilen auf Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG gestützt, was dann sogar den Vollzug innerhalb der Hoheitsgewässer einschlösse.200 Das ist abzulehnen. Zwar steht dem Bund die Gesetzgebung für das Fischereirecht einschließlich des Ordnungsrechts zu. Auch kann grundsätzlich auch für polizeiliche Aufgaben auf die Möglichkeit des Bundes, sich nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG durch einfaches, nicht zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz weitere Vollzugskompetenzen zu verschaffen, zurückgegriffen werden.201 Entscheidend sind jedoch die engen organisationsrechtlichen Bindungen, die die weite Generalklausel wieder einschränken und so dem föderalen Grundsatz des Art. 83 GG Rechnung tragen: Es können nur selbständige Bundesoberbehörden sowie – für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung – neue Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet werden. Mittel- und Unterbehörden dürfen nur unter den formell und materiell erschwerten Voraussetzungen des Satzes 2 errichtet werden. Aus dem grundsätzlichen Ausschluss eines Unterbaus ist zu folgern, dass die Oberbehörden nur für solche Aufgaben errichtet werden dürfen, die für das gesamte Bundesgebiet durch die Oberbehörde allein, also ohne die Inanspruchnahme von Mittel- und Unterbehörden oder Länderbehörden, erledigt werden können.202 Mit anderen Worten: Die einer Oberbehörde zugewiesene Aufgabe muss bundesweit zentral erfüllbar sein. Die Praxis, bundesweit dislozierte Außenstellen von Oberbehörden einzurichten, dürfte daher als Umgehung der Restrik-

198 Innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone räumt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen dem Küstenstaat hinsichtlich der Fischerei exklusive Nutzungsrechte ein (Art. 62 SRÜ), die er auch durchsetzen darf (Art. 73 SRÜ), vgl. näher Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 5. Abschnitt, Rn. 52. 199 Indem § 6 Abs. 1 S. 2 SeeFischG die Möglichkeit eröffnet, die Fischereiüberwachung jenseits des Küstenmeers durch Verwaltungsvereinbarung auf Landesbehörden zu übertragen, erkennt der Bundesgesetzgeber im Übrigen selbst an, dass die Länder für die exterritoriale Fischereiüberwachung offensichtlich nicht a priori ungeeignet sind, und entzieht einer behaupteten Bundeskompetenz kraft Natur der Sache damit den Boden. Allerdings wäre eine solche Aufgabenübertragung verfassungsrechtlich nur im Rahmen einer Organleihe möglich, wobei der ursprüngliche Kompetenzinhaber die vollen Weisungsrechte behalten müsste, vgl. auch Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 1284 (Fn. 44). Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Bedenken wurde eine solche Vereinbarung nie geschlossen. 200 So etwa Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 (388); Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 120); Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 1256. 201 Der gegenteiligen Auffassung, für polizeiliche Aufgaben verbiete sich angesichts der spezielleren und daher vorrangigen Regelung des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ein Rückgriff auf Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, ist das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 110, 33 (51 f.) entgegengetreten. 202 BVerfGE 14, 197 (211); 110, 33 (49).

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tionen des Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG zu werten sein.203 Jedenfalls liegt es auf der Hand, dass die Aufgabe der Fischereiaufsicht auf See – im Gegensatz etwa zur Erteilung fischereirechtlicher Genehmigungen – nicht zentral erfüllbar ist. Vielmehr bedarf es des Einsatzes von Vollzugskräften vor Ort, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hoheitsgewässer. Es handelt sich also gerade um eine dezentrale Aufgabe, die einer Wahrnehmung durch Oberbehörden nicht zugänglich ist.204 Eine Vollzugskompetenz für die Fischereiaufsicht kann über Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG daher nicht begründet werden.205

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich der Bund auf eine Vollzugskompetenz für die exterritoriale Gefahrenabwehr aus der Natur der Sache stützen kann. Soweit ersichtlich, werden die hier aufgeworfenen Zweifel, ob dies auch für die ausschließliche Wirtschaftszone gelten könne, im Schrifttum bislang nicht thematisiert.206 Der weiteren Untersuchung wird daher die herrschende Auffassung einer unbeschränkten exterritorialen Bundeskompetenz zugrunde gelegt. Damit obliegen dem Bund außerhalb der Hoheitsgewässer neben den geschriebenen Bundeskompetenzen zusätzlich die im Inland den Ländern vorbehaltenen Bereiche der Gefahrenabwehr auf See. Dies sind die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr (einschließlich des allgemeinen Brandschutzes und des Katastrophenschutzes) sowie die Fischereiaufsicht und die Wasserpolizei. 3. Landeskompetenzen In der Vollzugzuständigkeit der Länder bleibt erstens der gesamte Bereich der Landesgesetzgebung (Art. 30 GG). Dies sind die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr einschließlich des (allgemeinen) Brandschutzes und des Katastrophenschutzes sowie die Hafenpolizei.207 Angesichts der exterritorialen Gesetzgebungs-

203 Ähnlich Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87 Rn. 65 und Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 256. 204 Abgesehen davon ist die durch § 6 Abs. 1 SeeFischG vorgenommene Aufgabenzuweisung an das BMELV schon deshalb nicht mit den Vorgaben des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG in Einklang zu bringen, weil das Ministerium keine selbständige Oberbehörde i.S.d. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG darstellt, sondern eine oberste Bundesbehörde. Erforderlich ist aber gerade eine organisatorische Ausgliederung aus der obersten Bundesbehörde, vgl. Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87 Rn. 66. 205 Von einer „verfassungsrechtlich einwandfreie[n] Lösung“ über Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, wie sie Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 (388), konstatiert, kann daher keine Rede sein. Anderenfalls könnte der Bund für alle Bereiche seiner Gesetzgebung durch einfaches Bundesgesetz eine Vollzugskompetenz begründen. Dass dies nach der grundgesetzlichen Konzeption der Vollzugskompetenzen gerade ausgeschlossen sein soll, ist der entscheidende Unterschied zwischen Art. 83 GG und dessen Vorgängerregelung des Art. 14 WRV. 206 Kritisch zur Bundeskompetenz für die exterritoriale Wasserpolizei allerdings Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 (386), ohne jedoch zwischen ausschließlicher Wirtschaftzone und der Hohen See zu differenzieren. 207 Zu den Einzelheiten siehe die Ausführungen zu den Gesetzgebungskompetenzen der Länder auf S. 74 ff.

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kompetenz des Bundes sind diese Kompetenzen räumlich auf die Hoheitsgewässer beschränkt. Zweitens sind die Länder nach Art. 83 GG grundsätzlich zuständig für die Ausführung der Bundesgesetze. Von diesem Grundsatz bleibt für die Gefahrenabwehr auf See indes wenig übrig, da der Bund für nahezu alle seiner Gesetzgebung unterliegenden Bereiche auch die Vollzugskompetenz besitzt. Eine Ausnahme bilden das Wasser- und das Fischereirecht. Denn die im Zuge der Föderalismusreform I erweiterte wasserrechtliche Bundeskompetenz ist auf die Gesetzgebung beschränkt. Eine komplementäre Vollzugszuständigkeit des Bundes ist nicht begründet worden. Selbst, nachdem der Bund von der neuen Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG Gebrauch gemacht hat, die nach hiesiger Auffassung auch ordnungsrechtliche Regelungen auf dem Gebiet des Wasserwirtschaftsrechts zulässt, bleiben die Länder nach Art. 83 GG daher vollzugskompetent. Ihnen obliegt daher innerhalb der Hoheitsgewässer die Wasserpolizei. Auch für die Fischereiaufsicht hat der Bund zwar die Gesetzgebungskompetenz, jedoch keine Vollzugskompetenz. Sie ist diesseits der Hoheitsgrenze daher Ländersache. Außerhalb der Hoheitsgewässer obliegen hingegen beide Bereiche dem Bund. 4. Zwischenfazit Bei den Verbandskompetenzen zeichnet sich nach alledem ein ähnliches Bild wie bei den Gesetzgebungskompetenzen ab, da die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes bis auf wenige Ausnahmen durch korrespondierende Vollzugskompetenzen flankiert werden. Der Bund besitzt damit wesentliche gefahrenabwehrrechtliche Vollzugskompetenzen auf See. Konkret obliegen ihm die Stromund Schifffahrtspolizei sowie der Grenz- und Zollschutz. Seewärts des Küstenmeeres ist er auch für Maßnahmen der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr sowie der Wasserpolizei und der Fischereiaufsicht zuständig. Hinzu tritt eine räumlich unbeschränkte (parallele) Vollzugskompetenz des Bundes für die Abwehr bestimmter terroristischer Gefahren. Den Ländern verbleiben die Aufgaben der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr einschließlich des Brand- und Katastrophenschutzes, der Wasserpolizei sowie der Fischereiaufsicht innerhalb der Hoheitsgewässer.

II. Organkompetenzen 1. Grundsätze Die Art. 83 ff. GG konzentrieren sich auf die föderale Kompetenzverteilung und überlassen die Entscheidung, mit welchen Verwaltungseinheiten die jeweils zugewiesenen Aufgaben erfüllt werden, jedenfalls im Grundsatz der zuständigen Gliedkörperschaft. Substanzielle Aussagen zur allgemeinen Organisation der Ver-

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waltung finden sich nicht.208 Für die Bundesverwaltung bestimmt das Grundgesetz lediglich, ob die jeweilige Aufgabe durch unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung durchzuführen ist sowie ob der Bund einen Verwaltungsunterbau einrichten darf oder sich mit Zentralbehörden, sprich obersten Bundesbehörden, Bundesoberbehörden oder Zentralstellen, begnügen muss (einstufige bzw. mehrstufige Bundesverwaltung).209 Das Grundgesetz schreibt weder vor, wie der eigene Verwaltungsunterbau aussehen muss, noch, welche Aufgaben durch welche Behörden wahrzunehmen sind.210 Die Behördeneinrichtung für die Bundesverwaltung überlässt das Grundgesetz vielmehr dem Organisationsermessen der Bundesregierung,211 das allerdings durch eine unbeschränkte Zugriffskompetenz des Bundesgesetzgebers relativiert wird (Art. 86 S. 2 GG).212 Auch hinsichtlich des Landesvollzugs von Bundesrecht macht das Grundgesetz keine Organisationsvorgaben, sondern normiert lediglich Ingerenzvorbehalte zugunsten des Bundesgesetzgebers (Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG). Das Grundgesetz enthält also grundsätzlich keine Vorgaben zur Behördenorganisation, so dass sich Zuständigkeitszuweisungen vorwiegend aus dem einfachen Recht ergeben. In bestimmten Fällen setzt das Grundgesetz der Regelung der Verwaltungsorganisation gleichwohl Schranken. Ausnahmen vom Grundsatz der freien Behördenorganisation sind in zwei Richtungen denkbar: Zum einen kann eine bestimmte Aufgabe von Verfassungs wegen an eine bestimmte Behörde gebunden sein (so etwa im Fall des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG), zum anderen kann eine Behörde auf bestimmte Aufgaben beschränkt sein. So sind etwa die Streitkräfte auf ausdrücklich durch das Grundgesetz zugelassene Aufgaben beschränkt (Art. 87a Abs. 2 GG), und die Bundespolizei auf Aufgaben, die ihr „Gepräge als Sonderpolizei“213 wahren (dazu sogleich näher). Abgesehen von diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisationsstruktur, obliegt diese dem einfachen Gesetzgeber und ist insoweit keine Frage des Grundgesetzes. Gleichwohl entfalten einfachgesetzliche Aufgabenzuweisungen mittelbar auch verfassungsrechtliche Wirkung, da Behörden aus rechtsstaatlichen Gründen verpflichtet sind, einerseits die zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen, und andererseits die Grenzen ihres Zuständigkeitsbereichs einzuhalten.214 2. Bundesbehörden Die durch die grundgesetzliche Kompetenzverteilung angelegte Zergliederung der Gefahrenabwehraufgaben auf See wird auf der Ebene der einfachgesetzlichen 208 209 210 211 212 213 214

Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 41, S. 788. Vgl. Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 203. Vgl. auch BVerfGE 63, 1 (34). Vgl. Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 203. Vgl. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 86 Rn. 125. BVerfGE 97, 198, 218. Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rn. 52.

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bzw. untergesetzlichen Aufgabenzuweisungen weiter fortgesetzt. Die dem Bund obliegenden Teilbereiche der Gefahrenabwehr auf See sind nicht etwa einer einheitlichen Behörde, sondern einer Vielzahl von Behörden zugewiesen. a) Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Mehrere Aufgaben der Gefahrenabwehr auf See sind der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes215 zugewiesen. Die Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sind klassisch dreistufig gegliedert: Oberste Bundesbehörde ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), gefolgt von den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen als Mittelbehörden und schließlich den Wasser- und Schifffahrtsämtern sowie Wasserstraßenneubauämtern als Unterbehörden.216 Gesetzliche Regelungen im Sinne eines Organisationsgesetzes bestehen nicht, vielmehr setzen die gesetzlichen Aufgabenzuweisungen die bereits aus vorkonstitutioneller Zeit stammende und gemäß Art. 130 GG übergeleitete Wasser- und Schifffahrtsverwaltung lediglich voraus,217 was mit Blick auf die exekutive Organisationsgewalt nach Art. 86 S. 2 GG jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich ist.218 Das Grundgesetz schreibt in organisationsrechtlicher Hinsicht lediglich vor, dass die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schifffahrt, wozu die Stromund die Schifffahrtspolizei gehören, nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. Art. 89 Abs. 2 GG in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen sind. Wie der eigene Verwaltungsunterbau aussehen muss, schreibt das Grundgesetz nicht vor, so dass die Behördeneinrichtung im Organisationsermessen der Bundesregierung steht (Art. 86 S. 2 GG).219 § 24 i.V.m. § 45 WaStrG weist den Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Aufgabe der Strompolizei zu. Da Bundeswasserstraßen 215 Die Bezeichnung ist insoweit irreführend, als es nicht um die Verwaltung des Wassers, sondern der Wasserstraßen geht. Korrekter wäre insofern die Bezeichnung „Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes“. 216 Vgl. Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 45 Rn. 1; Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 60. Ferner gehören zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mehrere mit fachtechnischen Aufgaben betraute Oberbehörden in Form des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie, der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, der Bundesanstalt für Wasserbau sowie der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Die Einrichtung von „Anstalten“ steht nicht im Einklang mit der nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. Art. 89 Abs. 2 GG obligatorischen unmittelbaren Bundesverwaltung. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich in Wahrheit auch insoweit um Bundesoberbehörden handelt, vgl. Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 61. 217 Ausführlich zur Entwicklung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Eckoldt/Pschorr, Verwaltung der Wasserstraßen, 1977, S. 1 ff.; vgl. ferner Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 45 Rn. 1 f. sowie Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 189. 218 Daran ändert angesichts des ausdrücklichen Verfassungswortlauts auch die auf den institutionellen Gesetzesvorbehalt ausgeweitete Wesentlichkeitstheorie nichts, vgl. auch Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 189. 219 Vgl. Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 203.

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außerhalb der Hoheitsgewässer nicht existieren, ist diese Kompetenz a priori auf den Bereich der Hoheitsgewässer beschränkt. Die Aufgabe der Schifffahrtspolizei stellt sich hingegen auch jenseits der Küstenmeergrenze. Sie wird durch § 3 Abs. 1 S. 1 und Abs. 1a SeeAufgG für den Bereich innerhalb der Hoheitsgewässer ebenfalls der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zugewiesen.220 Für die Seegebiete außerhalb der Hoheitsgewässer ist die Lage komplizierter: § 3 Abs. 1 S. 2 SeeAufgG erklärt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowohl für die Schifffahrtspolizei als auch für die Gefahrenabwehr in sonstigen Fällen für zuständig. Diese Zuweisung präventiver Polizeiaufgaben gilt gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 SeeAufgG allerdings nur insoweit, als den Beamten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung auch repressive Polizeiaufgaben i.S.d. § 4 Abs. 3 SeeAufgG übertragen worden sind. Die präventive Zuständigkeit ist insoweit an die repressive Zuständigkeit, also die Strafverfolgungskompetenz, gekoppelt. Die auf Grund des § 4 Abs. 3 SeeAufgG ergangene Zuständigkeitsbezeichnungs-Verordnung See (ZustBV-See)221 räumt der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung indes nur für einzelne Umweltstraftaten (konkret: §§ 324, 326, 330 und 330a StGB) eine Strafverfolgungszuständigkeit ein, vgl. § 2 Abs. 1 ZustBV-See.222 Die Straftatbestände betreffen Gewässerverunreinigungen unterschiedlicher Schwere. Nur im Hinblick auf diese enumerativ aufgezählten Straftaten ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung außerhalb der Hoheitsgewässer präventiv zuständig. Präventivpolizeilich bedeutet das einerseits eine Zuständigkeit zur Verhütung dieser Straftaten. Diese kann schifffahrtspolizeilicher Natur sein, wenn es um die Beachtung verkehrsrechtlicher Ge- oder Verbote geht, die eine Verunreinigung der Gewässer verhindern sollen. Sie kann aber auch allgemeinpolizeilicher Natur sein, wenn es um die Verhütung dieser Straftaten geht, soweit nicht zugleich gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wird.223 Andererseits besteht die präventive Zuständigkeit für die Beseitigung eingetretener Störungen, also zur wasserpolizeilichen Schadstoffbekämpfung. Letztere ist jedoch davon abhängig, dass die Schadstoffe straftatbedingt in das Wasser gelangt sind. Die Schadstoffbekämpfung etwa bei einem Unfall, der auch nicht auf fahrlässiges Verhalten zurückgeht, wäre von der präventiven Zuständigkeit ausgeklammert. Der Sinn dieser unnötig komplizierten und darüber hinaus lückenhaften Aufgabenzuweisung für den exterritorialen Bereich bleibt schleierhaft. Offensichtlich wird die exterritoriale Zuständigkeitsverteilung selbst vom Gesetzgeber nicht mehr vollständig überblickt. 220 Eine analoge Regelung trifft für den Bereich der Binnenschifffahrt § 1 Abs. 2 BinSchAufgG. 221 BGBl. I 1994 S. 442. 222 Die Strafverfolgungszuständigkeit hinsichtlich dieser Straftatbestände ist zwar zunächst auf Taten beschränkt, die auf Schiffen unter deutscher Flagge begangen worden sind. Umfasst sind nach § 2 Abs. 1 ZustBV-See jedoch Strafverfolgungsmaßnahmen bei Verstößen nach Art. 220 Abs. 3 SRÜ in der ausschließlichen Wirtschaftszone, also bei Verstößen gegen Vorschriften zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe. Dabei kommt es nicht auf die Staatszugehörigkeit des Schiffes an. 223 Etwa im Fall der Entsorgung mit an Bord gebrachter Abfälle durch Passagiere.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Anders ließe sich nicht erklären, warum die Seeschiffahrtsaufgaben-Übertragungsverordnung (SeeSchAÜV)224, mit der exterritoriale Gefahrenabwehraufgaben auf die Bundespolizei und die Zollverwaltung übertragen werden (dazu sogleich), in § 2 bestimmt, dass diese den fachlichen Weisungen der „zuständigen Behörden“ unterstünden. Angesichts der sehr engen exterritorialen Zuständigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die noch nicht einmal die gesamte exterritoriale Schifffahrtspolizei umfasst, gibt es für den Großteil der in § 1 SeeSchAÜV übertragenen Aufgaben nämlich gar keine anderweitige „zuständige Behörde“. § 2 SeeSchAÜV ist damit praktisch gegenstandslos. Es ist insoweit zu bezweifeln, ob dem Gesetzgeber die Auswirkungen des recht versteckten § 3 Abs. 1 S. 4 SeeAufgG überhaupt bewusst sind. Festzuhalten ist im Ergebnis, dass außerhalb der Hoheitsgewässer die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sehr eingeschränkt für Teilbereiche der Wasserpolizei, der Schifffahrtspolizei und der allgemeinen Gefahrenabwehr zuständig ist.225 Andere Aufgaben der Gefahrenabwehr dürfen außerhalb der Hoheitsgewässer gemäß § 2 Abs. 2 ZustBV-See i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 4 SeeAufgG i.V.m. § 4 Abs. 3 SeeAufgG nur wahrgenommen werden, wenn dies anlässlich ihrer originären Aufgabenerfüllung erforderlich wird. Innerhalb der Hoheitsgewässer besteht indes eine umfassende Zuständigkeit für die Schifffahrts- und Strompolizei. Diese inhaltlich verwandten Aufgabenbereiche werden also einheitlich aus einer Hand wahrgenommen. b) Bundespolizei Weitere dem Bund obliegende Aufgaben der Gefahrenabwehr auf See sind der Bundespolizei zugewiesen. aa) Grenzschutzaufgaben Dazu gehört zunächst die originäre Aufgabe des früheren Bundesgrenzschutzes, der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes, der den Schutz der Seegrenze einschließt. § 2 BPolG weist diese – in ihrer sachlichen Reichweite bereits erörterte226 – Aufgabe der Bundespolizei zu. Hinsichtlich der Behördenorganisation für die Aufgabe Grenzschutz enthält das Grundgesetz lediglich die Vorgabe, dass sie bundesunmittelbar wahrgenommen werden muss.227 Ein eigener Verwaltungsunterbau ist anders als bei Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG hingegen nicht zwingend, aber möglich, was 224

BGBl. I 1982 S. 733. Soweit keine anderweitige Zuständigkeit begründet ist, gilt für Aufgaben der exterritorialen Gefahrenabwehr im Übrigen die Aufgabenzuweisung an die Bundespolizei nach § 6 BPolG, dazu sogleich. 226 Zur sachlichen Reichweite der Grenzschutzkompetenz bereits auf S. 58 ff. 227 Dies ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut, wird aber aus der systematischen Stellung des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG geschlossen, vgl. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 226; Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 31. 225

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bereits die Pluralformulierung „Grenzschutzbehörden“ belegt.228 Der einfache Gesetzgeber hat insoweit Dispositionsfreiheit. Die im Jahr 2005 erfolgte Umbenennung229 des mit der Aufgabe Grenzschutz betrauten Bundesgrenzschutzes in „Bundespolizei“230 ist verfassungsrechtlich irrelevant.231 Der Name einer Behörde muss nicht zwingend dem der Aufgabe entsprechen. Die bisher bestehende Behördenstruktur mit Bundespolizeipräsidien als Mittelbehörden und Bundespolizeiämtern als Unterbehörden wurde zum 1. März 2008 aufgegeben. Stattdessen wurde ein Bundespolizeipräsidium als unmittelbar dem Bundesministerium des Innern (BMI) unterstehende Oberbehörde und Bundespolizeidirektionen als Unterbehörden eingerichtet, vgl. § 57 BPolG.232 Mit dieser Neuorganisation wurde das bis dahin für Aufgaben auf See zuständige Bundespolizeiamt See abgeschafft. Die Aufgaben auf See werden nunmehr von der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt wahrgenommen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BPolZV233), der drei Bundespolizeiinspektionen See nachgeordnet sind.234

bb) Grenzschutzfremde Aufgaben auf See Neben der Aufgabe des grenzpolizeilichen Schutzes sind der Bundespolizei auch grenzschutzfremde Aufgaben auf See übertragen worden. (1) Innerhalb der Hoheitsgewässer Für die Schifffahrtspolizei innerhalb der Hoheitsgewässer, die originär der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung obliegt, räumt § 1 Abs. 2 SeeSchAÜV der Bundespolizei eine Eilkompetenz zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen und zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Gefahren ein.235 Diese ist räumlich nicht auf das Küstenmeer beschränkt, sondern gilt darüber hinaus auf allen Seeschifffahrtsstraßen, also auch auf bestimmten Binnenwasserstraßen.236 Sachlich ist die

228 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87 Rn. 39; Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 101 Rn. 102. 229 Vgl. Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. 06. 2005, BGBl. I S. 1818. 230 Näher zur Umbenennung Scheuring, 1951 bis 2005 – vom Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei, NVwZ 2005, 903. 231 Hierzu näher im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit der Bundespolizei grenzschutzfremde Aufgaben übertragen werden dürfen, vgl. S. 96 ff. 232 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neuorganisation Wagner, Die Bundespolizeireform 2008: Aufbauorganisation versus Verfassungsrecht, DÖV 2009, 66 ff. 233 Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden, BGBl. I 2008 S. 250. 234 Mit Sitz in Cuxhaven, Neustadt und Warnemünde, vgl. Möllers, Wörterbuch der Polizei, 2. Aufl. 2010, Stichwort Küstenwache, S. 1148 f. 235 Vgl. im Einzelnen Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 433. 236 Vgl. § 1 S. 3 SeeSchStrO.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Kompetenz durch die Beschränkung auf schifffahrtspolizeiliche Maßnahmen in Eilfällen doppelt eingeschränkt.237 (2) Außerhalb der Hoheitsgewässer Weiter reichen die exterritorialen Aufgaben der Bundespolizei. § 6 S. 1 BPolG begründet eine Zuständigkeit der Bundespolizei für alle Maßnahmen auf See außerhalb des Küstenmeeres, zu denen die Bundesrepublik nach dem Völkerrecht befugt ist.238 Dies können im Prinzip sämtliche allgemein- und sonderpolizeilichen Maßnahmen sein, also insbesondere Maßnahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr, der Schifffahrtspolizei, der Wasserpolizei und der Fischereiaufsicht. Diese weitreichende Aufgabenzuweisung an die Bundespolizei gilt nach § 6 S. 2 BPolG jedoch nur, soweit nicht durch Rechtsvorschriften des Bundes eine Zuständigkeit anderer Behörden oder Dienststellen begründet ist. § 6 BPolG dient insoweit lediglich als Auffangtatbestand, der sicherstellt, dass keine Zuständigkeitslücken im polizeilichen Vollzug außerhalb der Hoheitsgewässer entstehen.239 Eine abweichende Zuständigkeitsbestimmung i.S.d. § 6 S. 2 BPolG stellt der genannte § 3 Abs. 1 S. 2 SeeAufgG dar, der die exterritoriale Schifffahrtspolizei und sonstige Gefahrenabwehr zur Aufgabe der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung erklärt. Wie ausgeführt, ist diese Zuweisung präventiver Polizeiaufgaben allerdings beschränkt auf die Verhütung und Folgenbeseitigung bestimmter Umweltstraftaten (§ 3 Abs. 1 S. 4 SeeAufgG i.V.m. § 4 Abs. 3 SeeAufgG i.V.m. § 2 Abs. 1 ZustBVSee). Hinsichtlich der verbleibenden Zuständigkeitslücken der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung lebt die Auffangkompetenz der Bundespolizei nach § 6 S. 1 BPolG wieder auf, so dass im Übrigen die Bundespolizei organkompetent ist.240 Aber auch in den Bereichen, die in die (sehr begrenzte) Zuständigkeit der Wasserund Schifffahrtsverwaltung fallen, sind der Bundespolizei – was zur endgültigen Verwirrung des Rechtsanwenders führen dürfte – Zuständigkeiten eingeräumt. Denn § 3 Abs. 2 SeeAufgG enthält eine Verordnungsermächtigung zur Aufgabenübertragung auf die Bundespolizei und die Zollverwaltung. Danach kann das BMVBS im Einvernehmen mit dem BMI und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) Aufgaben, für die nach dem SeeAufgG der Bund zuständig ist, durch Rechtsver237 Der in § 1 Abs. 2 a.E. SeeSchAÜV normierte Vorbehalt der Nichterreichbarkeit der Wasserschutzpolizei der Länder erklärt sich aus der aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung seit 1955 praktizierten Wahrnehmung der Schifffahrtspolizei innerhalb der Hoheitsgewässer durch die Länder. Auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Praxis ist noch einzugehen, vgl. S. 165 ff. 238 Für Einsätze in fremdem Küstenmeer wäre auch eine Zuständigkeit nach § 8 BPolG denkbar, da diese Seegebiete fremdes Staatsgebiet und damit Ausland sind. § 6 BPolG umfasst jedoch nicht nur die Hohe See einschließlich der Funktionshoheitszonen, sondern nach dem ausdrücklichen Wortlaut die „See außerhalb des deutschen Küstenmeers“ und damit auch ausländische Küstenmeere, siehe auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 12/7562, S. 39. Er ist insoweit lex specialis zu § 8 BPolG. 239 Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 6 Rn. 47. 240 Das übersehen offenbar Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 827.

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ordnung auf die Bundespolizei und die Zollverwaltung übertragen. Dies ist in Gestalt der bereits erwähnten SeeSchAÜV geschehen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchAÜV überträgt die Aufgabe der Schifffahrtspolizei seewärts der Küstenmeergrenze auf die Bundespolizei und die Zollverwaltung. § 1 Abs. 1 Nr. 2 SeeSchAÜVergänzt dies um eine Eilkompetenz für die Bereiche der Gefahrenabwehr nach § 1 Nr. 3 lit. b SeeAufgG, also die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr und die Wasserpolizei. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 SeeSchAÜV sind der Bundespolizei und der Zollverwaltung für Gewässer außerhalb der Hoheitsgewässer zur Ausübung übertragen: „die unaufschiebbaren Maßnahmen zur a) Abwehr von Gefahren für den Schiffsverkehr oder für das Wasser, die von Schiffen unter der Bundesflagge ausgehen, […] b) Erfüllung völkerrechtlicher oder zwischenstaatlicher Verpflichtungen oder zur Wahrnehmung völkerrechtlicher oder zwischenstaatlicher Befugnisse der Bundesrepublik Deutschland“. Diese Formulierung entspricht zwar nicht der in § 1 Nr. 3 lit. b SeeAufgG („die Abwehr von Gefahren sowie die Beseitigung von Störungen der öffentliche Sicherheit oder Ordnung in sonstigen Fällen“). Dies liegt jedoch an einer Neuformulierung des § 1 SeeAufgG. Die Vorgängerregelung des § 1 Nr. 3 lit. b SeeAufgG a.F. stellte ebenfalls noch auf Maßnahmen zur Erfüllung völkerrechtlicher Befugnisse ab und deckt sich insoweit mit der Formulierung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b SeeSchAÜV. Auch mit diesen Maßnahmen waren die völkerrechtlich zulässigen Maßnahmen der Gefahrenabwehr gemeint. Mit der Neuformulierung wurde insoweit keine inhaltliche Änderung bezweckt. Auch mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 SeeSchAÜV ist daher die allgemeinpolizeiliche und wasserpolizeiliche Gefahrenabwehr gemeint. Die Schifffahrtspolizei hingegen ist schon in § 1 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchAÜV umschrieben. Die exterritoriale Fischereiaufsicht wird von der SeeSchAÜV gar nicht erfasst.

Die Zuständigkeit der Bundespolizei erstreckt sich somit auch auf die begrenzten exterritorialen Zuständigkeitsbereiche der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Eine Aufgabenübertragung aufgrund des § 3 Abs. 2 SeeAufgG beseitigt jedoch nicht deren Zuständigkeit.241 Vielmehr nimmt die Bundespolizei die zugewiesenen Aufgaben gemäß § 2 SeeSchAÜV nach den fachlichen Weisungen der „zuständigen Behörden“, also der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, wahr. Das kann jedoch nur für den begrenzten Bereich der Zuständigkeiten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gelten. Denn im Übrigen bestehen gar keine anderweitigen Zuständigkeiten. Die Aufgabenübertragung nach § 1 Abs. 1 SeeSchAÜV reicht weiter als die exterritorialen Aufgaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Auch die Zuständigkeit der Bundespolizei ist hinsichtlich der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr und der Wasserpolizei allerdings auf Eilkompetenzen beschränkt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 SeeSchAÜV). Da die Aufgaben der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr und der Wasserpolizei exterritorial somit keiner anderen Behörde vollumfänglich zugewiesen sind, greift im Übrigen wieder die Auffangkompetenz des § 6 BPolG. Die Beschränkung der Kompetenz der Bundespolizei aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 SeeSchAÜV wird also durch § 6 BPolG im Ergebnis wieder aufgehoben. Diese Regelungstechnik erscheint sehr fragwürdig, da die tatsächlichen Verantwortlichkeiten für den Rechtsanwender kaum noch zu überschauen sind. Von Normenklarheit kann hinsichtlich der 241 Vgl. Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 821 („die Unterstützung des Bundesgrenzschutzes und der Zollverwaltung“).

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

exterritorialen Aufgabenverteilung zwischen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung einerseits und der Bundespolizei (sowie Zollverwaltung) andererseits keine Rede sein.242 Im Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten, dass der Bundespolizei exterritorial die Aufgaben der Schifffahrtspolizei, der Wasserpolizei sowie der allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr obliegen.243 (3) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Übertragung derartiger grenzschutzfremder Aufgaben auf den Bundesgrenzschutz wurde lange bezweifelt. Grund der Zweifel ist eine Verwechslung von funktionellem und institutionellem Grenzschutzbegriff: Im funktionellen Sinne ist Grenzschutz die Aufgabe des grenzpolizeilichen Schutzes des Bundesgebietes. Daneben trug aber auch die mit dieser Aufgabe betraute Institution die Bezeichnung (Bundes-)Grenzschutz. Die Formulierung „Bundesgrenzschutzbehörden“ in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ist aber dahingehend zu verstehen, dass Bundesbehörden mit der Aufgabe Grenzschutz betraut werden können. In der Tat umfasst die damit eingeräumte Verbandskompetenz des Bundes nur eingeschränkte polizeiliche Zuständigkeiten. Eine Exklusivität dieser Behörden für Grenzschutzaufgaben gebietet Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG gleichwohl nicht. Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht244 anlässlich der Übertragung bahnund luftpolizeilicher Kompetenzen auf den Bundesgrenzschutz grundlegend klargestellt, dass das enge Verständnis funktionellen Grenzschutzes eine Aufgabenübertragung grenzschutzfremder Aufgaben auf die Institution Bundesgrenzschutz nicht ausschließt. Grenzschutzfremde Verwaltungsaufgaben können dem Bundesgrenzschutz nach dem Bundesverfassungsgericht unter drei Voraussetzungen zugewiesen werden: Der Bund muss für die zugewiesene Aufgabe vollzugskompetent sein, und das Grundgesetz darf die Aufgabe nicht ausdrücklich einem bestimmten anderen Verwaltungsträger zuweisen. Das sind Voraussetzungen, die sich aus dem übrigen Verfassungsrecht ergeben und mit Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG letztlich nichts zu tun haben. Die dritte durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellte Voraussetzung entspringt hingegen den Besonderheiten und Restriktionen des Bundesgrenzschutzes. Danach darf der Bundesgrenzschutz drittens durch die Zuweisung neuer Aufgaben sein „Gepräge einer Sonderpolizei“ zur Sicherung der Bundesgrenzen und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen nicht verlieren.245 242 Vgl. auch die Kritik bei Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 6 Rn. 47. („Die wenig strukturierte […] und inhaltlich komplexe Gesetzesmaterie führt zu vielfältigen Abgrenzungsproblemen und Doppelzuständigkeiten.“) 243 Hinsichtlich der exterritorialen Fischereiaufsicht greift die Generalklausel des § 6 BPolG hingegen nicht, da diese Aufgabe anderweitig zugewiesen ist. 244 BVerfGE 97, 198. 245 BVerfGE 97, 198 (218).

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Diese funktionelle Beschränkung resultiert aus der Entscheidung des Grundgesetzes, die Polizeigewalt grundsätzlich den Ländern zuzuweisen. Diese geht ihrerseits auf entsprechende Weisungen der westalliierten Militärgouverneure gegenüber dem Parlamentarischen Rat zurück, wonach dem Bund zunächst überhaupt keine Polizeihoheit verliehen werden sollte.246 Erst im sogenannten „Polizeibrief“ der Militärgouverneure vom 14. April 1949 gestatteten die Besatzungsmächte die Einrichtung von – auf bestimmte Aufgaben beschränkten – Bundespolizeibehörden, insbesondere zur Überwachung des Personen- und Güterverkehrs über die Bundesgrenzen.247 Dies führte schließlich zu der partiellen Ermächtigung des Bundes zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. Mit dem zulässigerweise erweiterten Aufgabenspektrum hat sich die Institution Bundesgrenzschutz von einer reinen Grenzpolizei zu einer „multifunktional einsetzbaren Polizei des Bundes gewandelt“248. Konsequenterweise und im Einklang mit der Wortwahl des Bundesverfassungsgerichts wurde die Institution Bundesgrenzschutz 2005 umbenannt in „Bundespolizei“.249 Die Änderung war rein begrifflicher Natur und beinhaltete keinerlei Aufgabenerweiterungen oder Befugnisänderungen.250

Ob die heutige Bundespolizei eine grenzschutzfremde Bundesaufgabe wahrnehmen darf, richtet sich also danach, ob diese die „Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen“ betrifft. Hinsichtlich der exterritorialen Aufgaben ist dies unzweifelhaft der Fall: Sie überschreiten nicht nur das Gebiet eines Landes, sie liegen schon gar nicht im Gebiet eines Landes. Wie dargestellt, ist im exterritorialen Bereich die Zuständigkeit eines bestimmten Landes nicht sachgerecht zu ermitteln. Es sind also rechtlich zwingende Gründe, die zur Annahme einer Bundeskompetenz aus der Natur der Sache geführt haben. Das ist mehr als die im Rahmen der „Gepräge-Formel“ geforderte faktische Überlastung eines Landes. Innerhalb der Hoheitsgewässer sind der Bundespolizei nur Eilkompetenzen im Bereich der Schifffahrtspolizei zugewiesen. Es ist davon auszugehen, dass derartige Komplementärkompetenzen durch die „Gepräge-Formel“ nicht ausgeschlossen werden sollen, da es sich letztlich nur um eine institutionalisierte Amtshilfe handelt, die schon nach Art. 35 Abs. 1 GG zulässig ist. Zudem dürften nach dem auf den Schutz der „Polizeihoheit der Länder“ gerichteten telos der Formel die Einschränkungen hier gar nicht greifen, da die Schifffahrtspolizei ohnehin Sache des Bundes ist, den Ländern durch die Aufgabenübernahme durch die Bundespolizei also per se nichts genommen werden kann. Das verdeutlicht Schwächen der „Gepräge-Formel“: Dass eine Verbandskompetenz des Bundes bestehen muss, damit er eine Aufgabe der Bundespolizei zuweisen kann, fordert das Bundesverfassungsgericht schon mit der ersten Voraussetzung. Welche zusätzliche Anforde246 Vgl. ausführlich zur Entwicklung des Bundesgrenzschutzes Ronellenfitsch, Der Bundesgrenzschutz als Bahn- und Flugplatzpolizei, VerwArch 1999, 139 (142 f.). 247 Vgl. Willich, Historische und aktuelle Probleme der Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, seiner Aufgaben und Befugnisse, 1980, S. 6. 248 BVerfGE 97, 198 (215). 249 Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21. 06. 2005, BGBl. I S. 1818. 250 Vgl. Scheuring, 1951 bis 2005 – vom Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei, NVwZ 2005, 903 (904).

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

rung statuiert dann die „Gepräge-Formel“? Der Bundesgrenzschutz müsse das „Gepräge einer Sonderpolizei“ mit nur partiellen gefahrenabwehrrechtlichen Kompetenzen wahren. Der zu schützenden „Polizeihoheit der Länder“ ist aber nicht gedient, wenn der Bund zwar verbandskompetent für eine polizeiliche Aufgabe ist, diese aber wegen organisationsrechtlicher Beschränkungen nicht durch den Bundesgrenzschutz bzw. die Bundespolizei ausüben darf. Es ist daher davon auszugehen, dass die „Gepräge-Formel“ in Wahrheit die Verbandskompetenz des Bundes beschränken will. Würde sie entsprechend dem herrschenden Verständnis erst auf Ebene der Organkompetenzen ansetzen, könnte die absurde Situation entstehen, dass der Bund zwar für eine polizeiliche Aufgabe unstreitig vollzugskompetent ist, diese aber keiner Behörde oder jedenfalls nicht der Bundespolizei zuweisen darf. Derartige organisatorische Restriktionen können vor dem Hintergrund des beabsichtigten Schutzes der Länder nicht gemeint sein. Bei Lichte betrachtet geht es also gar nicht um die Organkompetenz, sondern um eine Schranke für die Verbandskompetenz. Da sich die Verbandskompetenzen jedoch unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben, lautet die Kernfrage dann: Steht Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG Grundgesetzänderungen entgegen, die dem Bund weitere polizeiliche Vollzugskompetenzen zubilligt? Das klingt im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts an.251 Die Vorgaben der Westalliierten machen den Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG aber nicht zu normativ höherrangigem Verfassungsrecht. Dem verfassungsändernden Gesetzgeber sind nur durch Art. 79 Abs. 3 GG Grenzen gesetzt. Dann ist zu erwägen, ob der „Gepräge-Formel“ als Konkretisierung des Art. 79 Abs. 3 GG Bedeutung beigemessen werden kann. Darauf ist vor dem Hintergrund möglicher Reformen noch einzugehen.252

Ungeachtet des insoweit fraglichen Aussagegehalts der „Gepräge-Formel“ ist hier zunächst nur festzuhalten, dass jedenfalls die derzeitigen grenzschutzfremden Aufgaben der Bundespolizei auf See verfassungsrechtlich unbedenklich sind. c) Bundeszollverwaltung Ferner nimmt auch die Bundeszollverwaltung Aufgaben der Gefahrenabwehr auf See wahr. Dazu gehört als originäre Aufgabe der Zollverwaltung zunächst der Zollschutz in Form der zollamtlichen Überwachung der Seegrenzen.253 Sie ist Bestandteil der Bundesfinanzverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1, 108 GG und obliegt gemäß § 12 Abs. 2 Finanzverwaltungsgesetz (FVG)254 den Hauptzollämtern als örtlichen Bundesbehörden. Nach § 17 Abs. 4 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG)255 wird die Aufgabe durch den Grenzaufsichtsdienst der Zollverwaltung wahrgenommen, zu dem auch der sog. Wasserzolldienst gehört. Er ist organisatorisch in Zollkommissariate, die Dienststellen der Hauptzollämter darstellen, zusammengefasst. Oberste Bundesbehörde ist nach § 1 FVG das BMF. 251

BVerfGE 97, 198 (215): „Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG macht darüber hinaus deutlich, dass die Kompetenz des Bundes zur Errichtung einer bundeseigenen Verwaltung im Bereich der Polizei begrenzt ist.“ 252 Siehe S. 179. 253 Dazu bereits auf S. 83. 254 BGBl. I 2006 S. 846, 1202. 255 BGBl. I 1992 S. 2125; BGBl. I 1993 S. 2493.

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Daneben sind der Zollverwaltung auch zollschutzfremde Aufgaben zugewiesen.256 Alle Aufgabenzuweisungen des § 1 SeeSchAÜV an die Bundespolizei (siehe oben) gelten zugleich für die Zollverwaltung. Ihr obliegt damit innerhalb der Hoheitsgewässer ebenso die Wahrnehmung schifffahrtspolizeilicher Aufgaben in Eilfällen. Außerhalb der Hoheitsgewässer sind der Zollverwaltung die Schifffahrtspolizei unabhängig von Eilfällen sowie die allgemeine Gefahrenabwehr und die Wasserpolizei in Eilfällen zugewiesen. Die komplementären Aufgaben decken sich also im Wesentlichen mit denen der Bundespolizei auf See. Unterschiede ergeben sich allerdings daraus, dass die Generalklausel des § 6 BPolG für exterritoriale Aufgaben nur für die Bundespolizei gilt. § 68 BPolG eröffnet ferner die Möglichkeit, bestimmte Grenzschutzaufgaben nach § 2 BPolG durch Rechtsverordnung des BMI im Einvernehmen mit dem BMF zur Ausübung auf die Zollverwaltung zu übertragen. Hiervon ist mit der Verordnung über die Übertragung von Bundespolizeiaufgaben auf die Zollverwaltung (BPolZollV)257 Gebrauch gemacht worden. Infolgedessen ist auch die Zollverwaltung für die polizeiliche Überwachung der Seegrenzen und für die Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen für die Sicherheit der Seegrenze zuständig. Nach § 68 S. 2 i.V.m. § 66 Abs. 2 BPolG gelten die Maßnahmen der Zollverwaltung als Maßnahmen der Bundespolizei und untersteht die Zollverwaltung deren fachlichen Weisungen.258 Die originäre Zuständigkeit der Bundespolizei bleibt von der Aufgabenübertragung unberührt.259 d) Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung § 1 Nr. 3 lit. c SeeAufgG erklärt die Fischereiaufsicht außerhalb der Hoheitsgewässer zur Aufgabe des Bundes. Die Organzuständigkeit wird jedoch nicht im SeeAufgG, sondern in § 6 Abs. 1 S. 1 Seefischereigesetz (SeeFischG)260 geregelt. Danach wird die Fischereiaufsicht „auf der Hohen See“ durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) oder durch von ihm bestimmte Bundesbehörden ausgeübt. Es ist davon auszugehen, dass die Formulierung noch nicht an den völkerrechtlichen Bedeutungswandel des Begriffs der Hohen See angepasst worden ist und daher nicht nur die Hohe See i. e.S., sondern auch die Funktionshoheitszonen umfasst sind, zumal die Fischerei gerade in der ausschließlichen Wirtschaftszone zu überwachen ist. Das BMELV hat mit dieser Aufgabe die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) betraut. Es handelt sich um eine bundesunmittelbare Anstalt des

256 Ausführlich zu den dem Wasserzolldienst zugewiesenen Aufgaben Heuer, Aufgaben und Befugnisse des Wasserzolldienstes, ZfZ 1996, 66. 257 BGBl. I 2005 S. 1867. 258 Vgl. § 5 Abs. 2 BPolZollV. 259 Vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Aufl. 2010, § 68 Rn. 1. 260 BGBl. I 1998 S. 1791.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des BMELV, vgl. § 1 BLEG,261 der bereits andere fischereirechtliche Vollzugsaufgaben obliegen, konkret die Erteilung von Fangerlaubnissen nach § 3 Abs. 3 SeeFischG und Genehmigungen nach § 5 Abs. 2 SeeFischG. Die Fischereiaufsicht hingegen ist zwar originär keine Aufgabe der BLE, sondern des BMELV. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe hat das BMELV indes an die BLE weiterübertragen. Diese betreibt im Auftrag des Ministeriums Fischereischutzboote und führt die operativen Einsätze durch. Ob es sich dabei um eine Zuständigkeitsbestimmung i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 SeeFischG handelt262 oder um eine Beauftragung nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 BLEG, ist hier von nachrangiger Bedeutung.263 Jedenfalls wird die Aufgabe der exterritorialen Fischereiaufsicht vollständig durch die BLE wahrgenommen. Für eine ergänzende Zuständigkeit der Bundespolizei nach § 6 Abs. 1 BPolG ist kein Raum. e) Bundeskriminalamt Schließlich ist das Bundeskriminalamt für die Abwehr bestimmter terroristischer Gefahren auf See im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG zuständig. Voraussetzungen und Ausmaß der Bundeszuständigkeit sind bereits eingehend erörtert worden. Im Rahmen der Organkompetenzen ist zu unterstreichen, dass für die Aufgabenzuweisung nicht das sonst geltende Organisationsermessen besteht. Das Grundgesetz weist die Aufgabe vielmehr selbst dem Bundeskriminalamt zu, wodurch sich Zuweisungen an alle anderen Behörden verbieten. Die einfachgesetzliche Konkretisierung findet sich in § 4a BKAG, die §§ 20a bis 20x BKAG enthalten die entsprechenden Befugnisnormen. Da die Kompetenz, soweit die engen Voraussetzungen vorliegen, sachlich und räumlich unbegrenzt ist, sind theoretisch auch operative Gefahrenabwehrmaßnahmen auf See durch das Bundeskriminalamt denkbar.264 Das setzt allerdings nautische Kapazitäten voraus, die derzeit nicht bestehen. 3. Landesbehörden Auch die Landesaufgaben auf See sind auf verschiedene Behörden verteilt. Die räumliche Zuständigkeit der Landesbehörden ist grundsätzlich auf die Hoheitsgewässer des jeweiligen Landes beschränkt. Von zentraler Bedeutung sind die Was-

261

Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, BGBl. I 1994 S. 2018, 2019. 262 Die BLE ist jedenfalls „Behörde“ im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG. 263 Der Unterschied läge nur darin, dass im ersten Fall die BLE originär zuständig wäre, im zweiten Fall das Ministerium originär zuständig bliebe und die BLE nach den fachlichen Weisungen des Ministeriums zu handeln hätte. Da das Ministerium aber ohnehin der BLE gegenüber weisungsbefugt ist (§ 8 Abs. 2 BLEG), ergeben sich praktisch keine Unterschiede. 264 Dass die Kompetenz des Bundeskriminalamtes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG nicht auf Zentraltätigkeiten beschränkt ist, wurde bereits auf S. 64 dargelegt.

B. Vollzugskompetenzen

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serschutzpolizeien.265 Sie sind Organisationseinheiten der Polizeivollzugsdienste der Küstenländer und nehmen die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr innerhalb der Hoheitsgewässer des Landes wahr.266 Zum Teil sind ihnen im Küstenmeer auch Aufgaben der Fischereiaufsicht übertragen.267 Überwiegend wird die Aufgabe der Fischereiaufsicht jedoch organisatorisch eigenständigen Fischereibehörden zugewiesen.268 Die Wahrnehmung der Wasserpolizei wiederum obliegt den Wasserbehörden,269 den Wasserschutzpolizeien nur in Eilfällen.270 Die Fischereibehörden und Wasserbehörden sind zwei- oder dreistufig gegliedert, bestehen also aus Landesministerien als obersten Fachbehörden, ggf. Landesoberbehörden und schließlich den Landkreisen und kreisfreien Städten als unteren Fachbehörden. Diese Verwaltungsgliederung findet sich in der Regel auch bei den Katastrophenschutzbehörden.271 In einigen Ländern sind hingegen ausschließlich die Landkreise zuständig für den Katastrophenschutz.272 Das führt in kompetentieller Hinsicht zu dem Problem, dass die Seegebiete landwärts der Küstenmeergrenze zwar zum Landesgebiet gehören, aber größtenteils273 kreisfrei sind.274 Dadurch entstehen Zuständigkeitslücken, die dadurch zu schließen sind, dass für kreisfreie Gebiete eine unmittelbare Zuständigkeit der Landesbehörden begründet wird, was notfalls aber auch durch lü265

Vgl. dazu Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 93. Die Küstenländer haben die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten im Küstenmeer durch Verwaltungsabkommen allerdings unabhängig von Landesgrenzen nach bestimmten Zonen aufteilt, vgl. das Abkommen über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten im Küstenmeer, Hmb. GVBl. 1998, S. 233. Für die Elbe haben die angrenzenden Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits 1974 ein ähnliches Abkommen geschlossen, nach dem die Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben für die Elbe auf Hamburg übertragen wird, vgl. Hmb. GVBl. 1974, S. 295. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Aufgabenübertragung siehe S. 164. 267 § 43 Abs. 1 des Schleswig-Holsteinischen Fischereigesetzes (GVOBl. SH 1996, S. 211) etwa sieht seit 2003 eine parallele Zuständigkeit von Fischereibehörden und Wasserschutzpolizei vor. Mit der Aufgabenübertragung auf die Wasserschutzpolizei sollen nautische Kapazitäten und polizeiliche Kenntnisse effektiver genutzt werden. 268 Vgl. § 55 des Niedersächsischen Fischereigesetzes (Nds. GVBl. 1978, S. 81, 375), §§ 30, 31 des Bremischen Fischereigesetzes (Brem. GBl. 1991, S. 309), § 23 des Fischereigesetzes für Mecklenburg-Vorpommern (GVOBl. MV 2005, S. 153). 269 Vgl. § 128 NdsLWG, § 107 i.V.m. § 110 LWG-SH, § 108 LWG-MV, § 64 LWG-HH, § 152 BremLWG. 270 Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 800. 271 Vgl. etwa § 3 des Katastrophenschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (GVOBl. MV 2001, S. 393), § 3 des Katastrophenschutzgesetzes Schleswig-Holstein (GVOBl. SH 2000, S. 664). 272 So etwa § 2 des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes (Nds. GVBl. 2002, S. 73). 273 Die trockenfallenden Teile des Wattenmeers sind allerdings inkommunalisiert, vgl. Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 973, 1326. 274 Darauf weist auch Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/ Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff. (S. 165), hin. Zu den seewärtigen Gemeinde- und Kreisgrenzen Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 60 ff. 266

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

ckenschließende Auslegung der Zuständigkeitsnormen zu erreichen ist. Jedenfalls ist dies kein föderales Problem. Dasselbe gilt für den allgemeinen abwehrenden Brandschutz. Auch dieser ist in der Regel den Kommunen zugewiesen,275 was zu denselben kompetentiellen Zuordnungsproblemen hinsichtlich kreis- und gemeindefreier Seegebiete führt, von den praktischen Problemen angesichts des für die Schiffsbrandbekämpfung erforderlichen Spezialgeräts und -personals ganz zu schweigen. In Niedersachsen ist deshalb eine Sonderzuständigkeit des Landes für die Bekämpfung von Schiffsbränden auf den Seewasserstraßen geschaffen worden (§ 5a des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes).276 4. Zwischenfazit Ingesamt ergibt sich für die Aufgabenwahrnehmung auf See ein diffuses Kompetenzbild: Die Strompolizei wird durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wahrgenommen. Die Schifffahrtspolizei wird innerhalb der Hoheitsgewässer ebenfalls von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, in Eilfällen auch von der Bundespolizei und der Zollverwaltung, außerhalb der Hoheitsgewässer hingegen parallel von Bundespolizei, Zollverwaltung und Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wahrgenommen, wobei letzterer nur ein eng umgrenzter Teilbereich der exterritorialen Schifffahrtspolizei obliegt. Auch für den Schutz der Seegrenzen besteht eine Doppelzuständigkeit von Bundespolizei und Zollverwaltung. Der Zollschutz wiederum wird allein durch die Zollverwaltung wahrgenommen. Die Fischereiaufsicht obliegt innerhalb der Hoheitsgewässer den Fischereibehörden der Küstenländer, außerhalb der BLE. Die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr und die Wasserpolizei sind innerhalb der Hoheitsgewässer Sache der Wasserschutzpolizeien der Länder bzw. der Wasserbehörden der Länder, außerhalb der Hoheitsgewässer hingegen der Bundespolizei, in beschränktem Umfang der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie in Eilfällen der Zollverwaltung zugewiesen. Die kaum zu überblickenden Verflechtungen und Überlappungen der Zuständigkeitsbereiche liegen nur zum Teil in der föderalen Kompetenzverteilung und der engen Auslegung der nautischen Bundeskompetenzen begründet. Erheblichen Anteil hat auch die Zuweisung der Organkompetenzen. Die Tatsache, dass insbesondere der Bund – ohne Not – die ihm obliegenden Teilbereiche der Gefahrenabwehr auf See teilweise parallel auf verschiedene Behörden verteilt, anstatt sie einheitlich einer 275

Vgl. etwa §§ 2, 3 des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes (Nds. GVBl. 1978, S. 233); §§ 2, 3 des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (GVOBl. MV 2002, S. 254); §§ 2, 3 des Brandschutzgesetzes Schleswig-Holstein (GVOBl. SH 1996, S. 200). 276 Auch nach § 7 Abs. 1 des Bremischen Hilfeleistungsgesetzes (Brem. GBl. 2009, S. 105) ist das Land zuständig für den überörtlichen Brandschutz, womit auch die bremischen Hoheitsgewässer im Küstenmeer umfasst sind. § 21 Abs. 4 des Brandschutzgesetzes SchleswigHolstein sieht immerhin die Möglichkeit der Zuweisung fremder Einsatzbereiche an Gemeindefeuerwehren vor, wenn dort keine zuständigen Feuerwehren vorhanden sind.

C. Abgrenzungsschwierigkeiten und Effizienzverluste

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Behörde zuzuweisen, erfordert eine Abgrenzung der Zuständigkeiten nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch zwischen den verschiedenen Bundesbehörden.277

C. Abgrenzungsschwierigkeiten und Effizienzverluste Die föderale und organisatorische Aufspaltung der Gefahrenabwehr auf See in diverse Teilbereiche zwingt zu einer genauen Abgrenzung zwischen den jeweiligen Aufgaben. Abstrakt sind die Inhalte der materiellen Kompetenzen bereits eingehend dargestellt worden. Im konkreten Fall erweist sich die Abgrenzung – insbesondere bei Schiffsunfällen – jedoch häufig als schwierig. Dies zeigt sich etwa am Beispiel eines Schadstoffunfalls auf See: Die Durchsetzung der schifffahrtsbezogenen Umweltvorschriften und die Verhinderung von Gewässerverunreinigungen durch Schiffe ist Sache der Schifffahrtspolizei. Sobald jedoch Schadstoffe ins Wasser gelangt sind, ist deren Beseitigung nicht mehr schifffahrtspolizeiliche, sondern wasserpolizeiliche Aufgabe und damit innerhalb der Hoheitsgewässer Sache der Landesbehörden.278 Wenn eine Bekämpfungsmaßnahme hingegen nicht medial am Wasser, sondern kausal an Bord ansetzt, um weiteren Schadstoffaustritt zu unterbinden, wäre dies weiterhin eine schifffahrtspolizeiliche Maßnahme.279 Die Schifffahrtspolizei endet – bildlich gesprochen – an der Bordwand, die damit zur föderalen Kompetenzgrenze wird. Sind die Verschmutzungen allerdings so stark, dass die Schiffbarkeit der Wasserstraße beeinträchtigt ist,280 wird die Schadstoffbeseitigung zusätzlich zur strompolizeilichen und damit zur Bundesaufgabe,281 was jedoch die wasserpolizeiliche Landeszuständigkeit nicht aufhebt. Der Strompolizei obliegt auch das Abschleppen eines manövrierunfähigen Havaristen, wenn dieser ein Verkehrshindernis bildet. Die Rettung der Besatzung ist hingegen eine allgemeinpolizeiliche Aufgabe. Die Bearbeitung eines einzigen Unfalls liegt somit in der Hand einer Vielzahl von Behörden, deren Zuständigkeiten sich überlagern.

277 Weiter verkompliziert wird die ohnehin unübersichtliche Kompetenzlage durch Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Küstenländern, die die wechselseitige Aufgabenwahrnehmung insbesondere im Bereich der Schifffahrtspolizei vorsehen, dazu näher auf S. 110 ff. 278 BVerwGE 87, 181 (185 f.); ebenso von Gadow-Stephani, Der Zugang zu Nothäfen und sonstigen Notliegeplätzen für Schiffe in Seenot, 2006, S. 405 f. 279 Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 321. 280 Beispielsweise können auf dem Wasser treibende Schadstoffe in die Kühlwasserkreisläufe anderer Schiffe gelangen, was Brand- bzw. Explosionsgefahren birgt. 281 Vgl. vertiefend Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 1499, Fn. 2736.

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2. Teil: Die Kompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See

Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten zeigen sich im Fall eines Schiffsbrandes: Die Brandbekämpfung obliegt im Prinzip den Landesbehörden. Sie wird jedoch dann zur strompolizeilichen Bundesaufgabe, wenn Schiffsbrände zu einem Hindernis für den Schiffsverkehr werden, also die Schiffbarkeit der Wasserstraße in Gefahr ist („verkehrssichernder Brandschutz“).282 Die Unterscheidung ist in der Praxis nicht leicht zu treffen, zumal sich nicht nur die Intensität des Feuers, sondern auch die Position des Schiffes und damit dessen Hindernisqualität verändern kann. Schon die materiellen Teilbereiche der Seesicherheit stellen sich danach als diffiziles Geflecht teils sich ergänzender, teils überlappender Kompetenzen dar, die nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen sind. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass außerdem institutionell zum Teil mehrere Behörden parallel mit ein- und derselben Teilaufgabe betraut sind, erscheinen Reibungsverluste und Doppelarbeit vorprogrammiert. Die Aufgabenerfüllung droht ineffizient, schlimmstenfalls auch ineffektiv zu werden, wie das Beispiel der Havarie der „Pallas“ gezeigt hat. Von einer „klare[n] und überschneidungsfreie[n] Abgrenzung der Zuständigkeitsordnung“, die das Bundesverwaltungsgericht gerade für den Bereich der Gefahrenabwehr angemahnt hat,283 kann keine Rede sein. Die Staatsaufgabe Seesicherheit ist vielmehr vertikal und horizontal zergliedert und einer kaum überschaubaren Zahl von Behörden zugewiesen.

282 283

Vgl. § 35 Abs. 2 WaStrG. BVerwG, NVwZ 1992, 264 (265).

3. Teil

Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See Folge der komplexen vertikalen und horizontalen Kompetenzverschränkungen ist die praktische Notwendigkeit einer Zusammenarbeit1 der verschiedenen Dienste. Nur durch Koordination und Kooperation können Effektivität und Effizienz der Gefahrenabwehr sichergestellt werden. Teilweise, insbesondere im Hinblick auf den schifffahrtspolizeilichen Vollzug, wird dies seit geraumer Zeit praktiziert. Andere Formen der Zusammenarbeit sind unmittelbare Reaktionen auf die anlässlich der „Pallas“-Havarie erkannten Defizite und die seitdem anhaltende politische Diskussion. Der Zusammenarbeit verschiedener Aufgabenträger sind jedoch insoweit verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, als das verfassungsrechtlich determinierte Kompetenzgefüge nicht konterkariert werden darf. Diese Grenzen auszuloten und die Erscheinungsformen der gemeinschaftlichen Gefahrenabwehr auf See an ihnen zu messen, ist Anliegen des 3. Teils. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme der tatsächlichen Erscheinungsformen der Zusammenarbeit (Abschnitt A.) geht dieser Teil der Frage nach, welche Möglichkeiten und Grenzen einer Vollzugszusammenarbeit nach dem Grundgesetz – insbesondere im Hinblick auf föderale Aspekte – bestehen (Abschnitt B.) und ob die Erscheinungsformen der Zusammenarbeit diesen verfassungsrechtlichen Maßgaben gerecht werden (Abschnitt C.).

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit Entsprechend steigenden verfassungsrechtlichen Anforderungen sind Formen der Zusammenarbeit innerhalb einer Gliedkörperschaft (I.), zwischen den Küstenländern (II.) und schließlich zwischen Bund und Küstenländern (III.) zu unterscheiden.

1 Der Begriff der Zusammenarbeit wird hier verstanden als Oberbegriff für eine wie auch immer geartete gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung verschiedener Aufgabenträger, die koordinativer oder kooperativer Natur sein kann. Im ersten Fall beschränkt sich die Zusammenarbeit auf Abstimmungen im Vorfeld der Aufgabenerledigung, im zweiten Fall erstreckt sie sich auf die Wahrnehmung der Sachaufgabe selbst. „Zusammenarbeit“ wird insoweit synonym zum Begriff des „Zusammenwirkens“ verwendet.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

I. Zusammenarbeit innerhalb einer Gliedkörperschaft 1. Koordinierungsverbund Küstenwache Die seegehenden Vollzugskräfte des Bundes sind 1994 durch gemeinsamen Einrichtungserlass der beteiligten Bundesministerien in einer „Küstenwache“ des Bundes zusammengefasst worden. Die Bezeichnung erweckt – medial unterstützt durch die gleichnamige ZDF-Vorabendserie – den irreführenden Eindruck einer allzuständigen Behörde auf See. Weder das eine noch das andere ist der Fall: Weder handelt es sich um eine selbständige Behörde im Sinne einer organisatorisch-institutionellen Einheit, noch sind bei der „Küstenwache“ sämtliche maritimen Kompetenzen gebündelt. Die „Küstenwache“ ist ein bloßer Koordinierungsverbund, ein institutioneller Rahmen für eine verbesserte Zusammenarbeit der verschiedenen Bundesbehörden auf See, der die bestehende Zuständigkeitsverteilung unangetastet lässt. Die einzelnen im Verbund vertretenen Behörden – Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Bundespolizei, Zollverwaltung und Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – nehmen weiterhin eigenständig ihre Aufgaben wahr.2 Der Nutzen des Verbundes liegt in der verbesserten Information und Kommunikation: In einem Küstenwachzentrum,3 das mit Mitarbeitern aller vier Behörden besetzt ist, laufen alle Meldungen über die Einsatzsituation der in See stehenden Fahrzeuge der beteiligten Behörden zusammen. Das ermöglicht ein behördenübergreifendes Lagebild und eine bessere Koordination von Einsätzen, wodurch wiederum Synergieeffekte entstehen: Bestehende Kapazitäten können ausgewogener genutzt und insbesondere Mehrfachkontrollen verhindert werden.4 Zudem unterstützen sich die Behörden im Bedarfsfall auch operativ bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben.5 Die beteiligten Vollzugskräfte handeln überdies nach einer „Gemeinsamen Dienstanweisung Küstenwache“.6 Eine einheitliche Einsatzführung findet jedoch nicht statt.7 Die bestehenden Weisungsstränge und Hierarchien bleiben unangetastet.8 Zwar wird in der Außendarstellung auf ein einheitliches Erscheinungsbild Wert gelegt. So tragen die – im Übrigen nach wie vor unterschiedlichen – 2 Vgl. Jenisch, Hoheitliche Aufgaben für Polizei und Umweltschutz vor den deutschen Küsten, NuR 2000, 193 (196); König, Schiffssicherheit und Umweltschutz vor Deutschlands Küsten, NordÖR 2003, 89 (92); Schütte, Die Küstenwache des Bundes, Die Polizei 2003, 8 (9). 3 Zunächst bestanden die Küstenwachzentren „Nordsee“ in Cuxhaven und „Ostsee“ in Neustadt. Diese wurden jedoch 2007 aufgelöst und organisatorisch in das Gemeinsame Lagezentrum innerhalb des Maritimen Sicherheitszentrums überführt (dazu auf S. 120). 4 Vgl. Schütte, Die Küstenwache des Bundes, Die Polizei 2003, 8 (11). 5 Vgl. Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 125. 6 Schütte, Die Küstenwache des Bundes, Die Polizei 2003, 8 (11). 7 Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff. (S. 160). 8 Schütte, Die Küstenwache des Bundes, Die Polizei 2003, 8 (11).

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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Uniformen und Schiffe der einzelnen Behörden als verbindendes Element ein Wappen der „Küstenwache“ und die Schiffe zusätzlich den dominanten Schriftzug „Küstenwache“. Zielsetzung und Wirkung des Koordinationsverbundes sind jedoch begrenzt. Jenisch spricht zu Recht von einer „Küstenwache in Scheinexistenz“.9 Dies zeigt sich nicht nur an einem fehlenden Leitungsgremium mit Weisungsrechten10 gegenüber allen beteiligten Vollzugskräften, sondern auch am Fehlen der Länderbehörden wie insbesondere der Wasserschutzpolizeien, ohne die eine sachlich umfassende Wahrnehmung der Aufgabe Seesicherheit nicht möglich ist. Insbesondere ist auch das räumliche Einsatzgebiet durch ihr Fehlen eingeschränkt. Anders als der Wortlaut vermuten lässt, liegt das Einsatzgebiet des Küstenwachverbunds schwerpunktmäßig nicht in den Küstengewässern, sondern erst außerhalb des Küstenmeers.11 Zwar bestehen grenz-, zoll- und strompolizeiliche Kompetenzen der Bundesbehörden bereits innerhalb der Hoheitsgewässer, in der Praxis spielen aber schifffahrts-, fischerei- und allgemeinpolizeiliche Maßnahmen eine größere Rolle. Für diese sind innerhalb des Küstenmeers die Länder zuständig. Zwar obliegt die Schifffahrtspolizei, wie ausgeführt, originär dem Bund, er hat diese Aufgabe aber für den Bereich der Hoheitsgewässer den Küstenländern übertragen, worauf noch einzugehen ist.12 Jedenfalls verfügen die im Küstenwachverbund vertretenen Bundesbehörden innerhalb der Hoheitsgewässer kaum über Kompetenzen.13 Gerade in diesem küstennahen Gebiet besteht aber ein höheres Unfallrisiko, weil hier im flachen Wasser die Verkehrswege zusammenlaufen.14 2. Küstenwache Schleswig-Holstein Ähnlich wie der Koordinierungsverbund Küstenwache auf Bundesebene hat auch Schleswig-Holstein seine Vollzugskräfte und -mittel auf See in einer „Küstenwache Schleswig-Holstein“ zusammengefasst.15 Diese Landesküstenwache wurde 1995 als Vorstufe zu einer erwarteten einheitlichen Deutschen Küstenwache gegründet, im 9 Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff. (S. 160). 10 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 125). 11 Vgl. Schütte, Die Küstenwache des Bundes, Die Polizei 2003, 8 (10). 12 Zu den Einzelheiten der Aufgabenübertragung auf S. 110, zu deren verfassungsrechtlicher Würdigung auf S. 165. 13 Innerhalb der Hoheitsgewässer bestehen allerdings Eilkompetenzen der vertretenen Bundesbehörden zu schifffahrtspolizeilichen (näher auf S. 110 ff.) und allgemeinpolizeilichen Maßnahmen (näher auf S. 112). 14 Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff. (S. 161). 15 Möllers, Wörterbuch der Polizei, 1. Aufl. 2001, Stichwort Küstenwache SchleswigHolstein, S. 943.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

Jahr 2005 jedoch angesichts bundespolitischen Stillstands in dieser Frage wieder aufgelöst. Ähnlich wie auf Bundesebene war indes auch die „Küstenwache Schleswig-Holstein“ keine einheitliche Behörde, sondern ein loser Verbund, der sich in der Koordinierung von Einsätzen und einer einheitlichen Kennzeichnung der Schiffe erschöpfte. 3. Eilkompetenzen Außerhalb institutionell verfestigter Formen findet Zusammenarbeit ferner durch Einräumung von Eilkompetenzen statt, aufgrund derer an sich unzuständige Behörden hilfsweise im originären Aufgabenbereich einer anderen Behörde tätig werden. Hierunter fallen die bereits erwähnten Eilkompetenzen der Bundespolizei und der Zollverwaltung im Aufgabenbereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (§ 1 Abs. 2 SeeSchAÜV). Ferner räumt § 64 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BPolG allen Vollzugsbeamten des Bundes eine Eilkompetenz zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren im Aufgabenbereich der Bundespolizei ein, soweit diese die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig selbst treffen kann. Auf diese Eilkompetenz können sich als Bundesvollzugsbeamte vorliegend die mit Vollzugsaufgaben betrauten Beamten der Zollverwaltung sowie der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung berufen (§ 6 Nr. 2 und 4 UZwG). In ähnlicher Weise ermächtigen landesrechtliche Regelungen unzuständige Landesbehörden, bei Gefahr im Verzug im Aufgabenbereich einer anderen Landesbehörde die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen (so etwa § 102 Abs. 2 S. 1 NdsSOG).

II. Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern Körperschaftsübergreifend bestehen zunächst Formen der Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern. 1. Zuständigkeitsbereiche der Wasserschutzpolizeien Die räumliche Zuständigkeit der Landesbehörden ist im Prinzip auf das Landesgebiet begrenzt. Entsprechend sind die jeweiligen Wasserschutzpolizeien grundsätzlich nur in den zum jeweiligen Küstenland gehörenden Gebieten des Küstenmeers zuständig. Die Küstenländer haben jedoch ein Verwaltungsabkommen geschlossen, das die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten im Küstenmeer unabhängig von Landesgrenzen nach bestimmten Zonen, die sich an den Schifffahrtsrouten orientieren, aufteilt.16 Diese Zuständigkeitsverteilung nach Praktikabilitätskriterien hat zur Folge, dass bestimmte Bereiche eines Landes zum Zuständigkeitsbereich der Wasserschutzpolizei eines anderen Landes erklärt werden. Bei 16 Abkommen über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten im Küstenmeer, vgl. Hmb. GVBl. 1998, S. 233.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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Gefahr im Verzuge können die Wasserschutzpolizeien aller Küstenländer gemäß § 3 der Vereinbarung auch außerhalb der zugewiesenen Zuständigkeitsbereiche im gesamten Küstenmeer tätig werden.17 Das anzuwendende Recht richtet sich gemäß § 4 Abs. 1 der Vereinbarung nicht nach dem Hoheitsgebiet, sondern nach den vertraglichen Gebietszuweisungen. Abweichend davon gilt gemäß § 4 Abs. 2 der Vereinbarung in Teilen des bremischen und hamburgischen Zuständigkeitsgebiets niedersächsisches Recht. Auf die verfassungsrechtliche Relevanz dieser Aufgabenübertragung ist noch einzugehen. 2. WSP-Leitstelle Darüber hinaus haben die Küstenländer durch Staatsvertrag im Jahr 2007 – gewissermaßen als Pendant zum Küstenwachverbund des Bundes – eine gemeinsame Leitstelle ihrer Wasserschutzpolizeien eingerichtet, die sogenannte „WSP-Leitstelle“.18 Sie verfolgt ähnlich wie die Küstenwache des Bundes das Ziel einer effektiveren und effizienteren Aufgabenwahrnehmung auf Nord- und Ostsee bei unberührter Kompetenzlage. Zu diesem Zweck koordiniert die WSP-Leitstelle die Einsätze der beteiligten Wasserschutzpolizeien, sammelt Informationen und erstellt Lagebilder (§ 2 der Vereinbarung). § 4 der Vereinbarung sieht vor, dass sich einsatzbereite Küstenboote der Wasserschutzpolizeien bei der Leitstelle an- und abmelden. Ein festzulegender Rahmenpräsenzplan soll die ständige Einsatzbereitschaft einer Mindestanzahl von Küstenbooten gewährleisten. Insgesamt stellt aber auch die WSPLeitstelle eine bloße Ansprech-, Service-, Auskunfts- und Koordinierungsstelle dar. Bestehende Kompetenzen und Weisungsverhältnisse werden nicht verändert. Zwar erklärt § 2 der Vereinbarung zu den Aufgaben der Leitstelle auch das „Treffen der erforderlichen Maßnahmen bis zur Einsatzübernahme durch das zuständige Küstenland“ (Nr. 2) und die „Übernahme von Einsatzaufgaben auf Anforderung eines Küstenlandes“ (Nr. 3). Da die Leitstelle nicht selbst operativ tätig werden kann, sondern insoweit auf die verfügbaren Einsatzboote angewiesen ist, klingen diese Formulierungen nach einem Zugriffs- und Einsatzführungsrecht der Leitstelle. Gleichwohl finden sich für bestehende Weisungsbefugnisse der Leitstelle gegenüber den Einsatzbooten in der Vereinbarung keine Anhaltspunkte. Die genannten Formulierungen können daher nur so verstanden werden, dass die Leitstelle lediglich ein Amtshilfeersuchen weiterleitet.19 Die Aufgabe der Leitstelle wird sich insoweit auf die Koordinierung eines Amtshilfevorgangs beschränken. Wie bei der Küstenwache 17 Für die Elbe haben die angrenzenden Länder Hamburg, Niedersachsen und SchleswigHolstein bereits 1974 ein ähnliches Abkommen geschlossen, nach dem die Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben für die Elbe auf Hamburg übertragen wird, vgl. Hmb. GVBl. 1974, S. 295. 18 Abkommen der Küstenländer über die Einrichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Leitstelle ihrer Wasserschutzpolizeien („WSP-Leitstelle“) vom 12. 04. 2007, Nds. MBl. 2007, S. 403. 19 Dies kann ein tatsächliches, nach den Kriterien der Spontanhilfe aber auch ein vermutetes Amtshilfeersuchen sein (näher zur Spontanhilfe auf S. 151 ff.).

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

des Bundes besteht keine einheitliche Führungsstruktur. Der Leitstelle kommen keine Leitungs- oder Weisungsbefugnisse zu.20 Es bleibt insoweit bei den bestehenden Zuständigkeiten und Hierarchieverhältnissen der jeweiligen Wasserschutzpolizeien. 3. Eilkompetenzen Ferner räumen sämtliche Polizei- und Ordnungsgesetze der Küstenländer den Polizeivollzugsbeamten anderer Länder Eilkompetenzen zur Abwehr gegenwärtiger erheblicher Gefahren ein, soweit die zuständige Landespolizei die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig selbst treffen kann.21

III. Zusammenarbeit von Bund und Ländern Von zentraler Bedeutung ist angesichts der föderalen Kompetenzverschränkungen im Bereich der maritimen Gefahrenabwehr die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Sie ist Dreh- und Angelpunkt der Reformbemühungen der letzten Jahre. 1. Wahrnehmung schifffahrtspolizeilicher Vollzugsaufgaben durch Landesbehörden Die Kooperation zwischen Bund und Küstenländern im schifffahrtspolizeilichen Vollzug ist hingegen fast so alt wie das Grundgesetz. Bereits im Jahr 1955 hat der Bund mittels „Vereinbarungen über die Ausübung der schiffahrtpolizeilichen Vollzugsaufgaben“ mit den damaligen Küstenländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein diesen die Ausübung bestimmter schifffahrtspolizeilicher Aufgaben übertragen.22 Diese Vereinbarungen wurden 1982 durch Zusatzvereinbarungen – das sog. „Küstenprotokoll“23 – ergänzt. Nach der Wiedervereinigung hat der

20 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 125); a.A. wohl Heemann, Vom Koordinierungsverbund Küstenwache zum Maritimen Sicherheitszentrum, Die Polizei 2007, 327 (328). 21 Vgl. § 103 Abs. 1 Nr. 3 NdsSOG, § 81 Abs. 1 Nr. 3 BremPolG, § 170 Abs. 1 Nr. 3 LVwG-SH, § 30a Abs. 1 Nr. 3 SOG-HH sowie § 9 Abs. 1 Nr. 3 SOG-MV. 22 Vereinbarung über die Ausübung der schiffahrtpolizeilichen Vollzugsaufgaben, siehe die jeweiligen Verträge mit den zunächst vier Küstenländern Bremen, Brem. GBl. 1955, S. 59, Hamburg, Hmb. GVBl. 1956, S. 83, Niedersachen, Nds. GVBl. 1955, S. 293 und SchleswigHolstein, GVOBl. SH. 1955, S. 137. 23 Zusatzvereinbarung zur Vereinbarung über die Ausübung der schiffahrtpolizeilichen Vollzugsaufgaben, siehe Brem. GBl. 1983, S. 405, Hmb. GVBl. 1982, S. 387, Nds. GVBl. 1982, S. 153, GVOBl. SH. 1984, S. 247.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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Bund mit dem beigetretenen, nunmehr fünften Küstenland Mecklenburg-Vorpommern Vereinbarungen gleichen Inhalts geschlossen.24 Die enumerative Auflistung der Aufgaben in § 1 der Vereinbarung i.V.m. Art. 1 Nr. 1 der Zusatzvereinbarung umfasst praktisch sämtliche schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben, insbesondere die Ermittlung und Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs und von Gefahren durch den Schiffsverkehr (einschließlich solcher für das Wasser). Diese Aufgaben, für die ursprünglich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig ist, werden gemäß § 2 der Vereinbarung auf den im jeweiligen Landesgebiet liegenden Teilen des Küstenmeeres und der Binnengewässer von den Polizeikräften der Länder ausgeübt, also den Wasserschutzpolizeien. § 5 der Vereinbarung sieht vor, dass die Länderpolizeien dabei an Vollzugsaufträge der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gebunden sind. Außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes bleibt indes die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig. Grundsätzlich ist die Vereinbarung im Sinne einer ausschließlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung außerhalb und die Wasserschutzpolizeien innerhalb der Hoheitsgewässer zu verstehen. Gleichwohl werden zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr oder einer bereits eingetretenen Störung Eilkompetenzen in beide Richtungen (mit Pflicht zur nachträglichen Unterrichtung) eingeräumt: Sind innerhalb der Hoheitsgewässer die Wasserschutzpolizeien der Länder nicht erreichbar, können die Behörden der Wasserund Schifffahrtsverwaltung an deren Stelle treten (§ 4 der Vereinbarung). Sind außerhalb der Hoheitsgewässer umgekehrt diese nicht zur Stelle, besteht eine Eilkompetenz zugunsten der Wasserschutzpolizeien (Art. 1 Nr. 3 der Zusatzvereinbarung). Die Vereinbarung lässt offen, welche Landespolizei in welchem Bereich außerhalb der Hoheitsgewässer im Wege der Eilkompetenz tätig werden darf. Da außerhalb der Hoheitsgewässer keine Landesgrenzen mehr existieren und sich auch das Abkommen unter den Küstenländern über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten25 nur auf das Küstenmeer bezieht, ist eine räumliche Abgrenzung nicht möglich. Man wird daher grundsätzlich von einer Eilzuständigkeit der Wasserschutzpolizeien aller Küstenländer auszugehen haben. Praktisch relevant wird die Frage vor allem in der Nordsee, auf der die wasserschutzpolizeiliche Zuständigkeit im Küstenmeer auf vier Küstenländer verteilt ist.

Art. 1 Nr. 2 S. 2 der Zusatzvereinbarung bestimmt schließlich, dass die schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung auch durch andere Vollzugsorgane des Bundes, nämlich die Zollverwaltung und die Bundespolizei, wahrgenommen werden können. Dem entspricht die bereits angesprochene Aufgabenzuweisung aufgrund des § 3 Abs. 2 SeeAufgG, der seinerseits auf die Verwaltungsvereinbarung mit den Küstenländern Bezug nimmt. Um der 24 Vereinbarung über die Ausübung der schiffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben sowie Zusatzvereinbarung, siehe GVOBl. MV 1992, S. 660. 25 Hmb. GVBl. 1998, S. 233.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

staatsvertraglichen Regelung Rechnung zu tragen, stellt auch § 1 Abs. 2 SeeSchAÜV die Eilkompetenz von Bundespolizei und Zollverwaltung für Maßnahmen innerhalb der Hoheitsgewässer unter den Vorbehalt der Nichterreichbarkeit der Wasserschutzpolizei des Landes. Die Bund-Länder-Vereinbarungen haben zur Folge, dass die Schifffahrtspolizei innerhalb der Hoheitsgewässer grundsätzlich nur von den Wasserschutzpolizeien, außerhalb der Hoheitsgewässer grundsätzlich von Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Bundespolizei und Zollverwaltung ausgeübt wird. Die als Ausnahme zu dieser grundsätzlichen Aufgabenverteilung wechselseitig eingeräumten Eilkompetenzen führen dazu, dass im Notfall drei Bundesbehörden (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Zollverwaltung, Bundespolizei) und fünf Wasserschutzpolizeien der Küstenländer, überall schifffahrtpolizeiliche Eilmaßnahmen treffen dürfen. Dass insoweit ein erhebliches Koordinationsbedürfnis besteht, ist offensichtlich. Eine klarere Trennung der Verantwortlichkeiten wird durch die Verwaltungsvereinbarungen nicht erreicht. Vielmehr verkomplizieren sie die ohnehin unübersichtliche kompetentielle Gemengelage zwischen Bund und Küstenländern weiter. 2. Eilkompetenzen Außerhalb des schifffahrtspolizeilichen Vollzugs ergeben sich wechselseitige Eilkompetenzen von Bund und Ländern aufgrund einfachgesetzlicher Regelungen. So können nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 BPolG Polizeivollzugsbeamte eines Landes zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr Aufgaben der Bundespolizei wahrnehmen, wenn diese die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig selbst treffen kann. Diese Eilkompetenz ist nicht auf grenzpolizeiliche Aufgaben beschränkt, sondern gilt für alle der Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben. Vice versa räumen die Polizei- und Ordnungsgesetze aller Küstenländer der Bundespolizei entsprechende Eilkompetenzen für die polizeilichen Aufgaben der Länder ein.26 3. Havariekommando In unmittelbarem Zusammenhang mit der Havarie der „Pallas“ und dem als unzureichend erachteten Unfallmanagement steht die Errichtung des „Havariekommandos“, einer gemeinsamen Einrichtung von Bund und Küstenländern, die 2003 durch eine Bund-Länder-Vereinbarung (im Folgenden: BLV-HK)27 ins Leben gerufen wurde. Sinn der Einrichtung ist – entsprechend den Expertenempfehlungen nach der

26 Vgl. § 103 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 NdsSOG, § 81 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 BremPolG, § 170 Abs. 1 Nr. 3 LVwG-SH, § 30a Abs. 1 Nr. 3 SOG-HH sowie § 9 Abs. 1 Nr. 3 SOGMV. 27 Bund-Länder-Vereinbarung über die Errichtung eines Havariekommandos, BAnz. 2003, S. 1170 f.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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„Pallas“-Havarie28 –, bei besonderen maritimen Schadenslagen eine einheitliche, monokratische Einsatzführung aller Einsatzkräfte auf See zu gewährleisten, ohne dabei jedoch die bestehende Zuständigkeitsverteilung zu modifizieren. a) Aufbau und Zielsetzung Das Havariekommando mit Sitz in Cuxhaven setzt sich zusammen aus Beschäftigten des Bundes und der Küstenländer, insbesondere der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und der Wasserschutzpolizeien.29 Organisatorisch ist die Einrichtung gegliedert in ein „Kompetenzzentrum“ mit einem „Maritimen Lagezentrum“, aus denen im Einsatzfall der „Havariestab“ erwächst (§ 1 Abs. 2 BLV-HK). Im Alltagsbetrieb hat das Havariekommando rein vorbereitende bzw. überwachende Aufgaben: Im Kompetenzzentrum werden Grundsätze, Alarmpläne und Einsatzkonzepte für den Einsatzfall erarbeitet (§ 6 Abs. 2 BLV-HK). Das Maritime Lagezentrum fungiert im 24-Stunden-Dienstbetrieb als nationale und internationale Meldestelle für Seeunfälle, sammelt Informationen im Hinblick auf eine „komplexe Schadenslage“ und löst ggf. Alarmierungen aus (§ 4 BLV-HK). Im Fall einer sogenannten „komplexen Schadenslage“ wird der in Stabsbereiche gegliederte Havariestab einberufen. Er besteht aus Mitarbeitern des Kompetenz- und des Maritimen Lagezentrums und arbeitet dem Leiter des Havariekommandos (Havariekommandeur) zu. Diesem obliegt dann die einheitliche Einsatzleitung und die Führung aller auf See verfügbaren Einsatzkräfte von Bund und Küstenländern30 zur Bekämpfung der Schadenslage (§ 6 Abs. 1 i.V.m. §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2 BLV-HK).31 Das Havariekommando selbst verfügt jedoch weder über einen Verwaltungsunterbau noch über eigene Vollzugsmittel auf See. 28

Siehe S. 32. Weitere Beschäftigte des Havariekommandos sind die Bundes- und Landesbeschäftigten der bisherigen Sonderstellen nach § 9 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Küstenländern über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen vom 27. 04. 1995 (VerkBl. 1995, S. 382), die im Zuge der Errichtung des Havariekommandos außer Kraft getreten ist. 30 Durch eine Zusatzvereinbarung (BAnz. 2003, S. 1172) wird dem Havariekommandeur ferner der Zugriff auf Einsatzkräfte der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), einer privaten Seenotrettungsorganisation (dazu näher auf S. 240), eingeräumt. Unter Bezugnahme auf die Voraussetzungen einer Einsatzübernahme nach § 9 BLV-HK wird vereinbart, dass die DGzRS im Einsatzfall ihre verfügbaren Einsatzkräfte und -mittel zur Erfüllung von Aufträgen des Havariekommandeurs bereitstellen wird. Uneingeschränkt gilt dies allerdings nur für Aufgaben der maritimen Suche und Rettung. Für darüber hinausgehende Aufgaben stellt die DGzRS ihre Kräfte nur dann zur Verfügung, wenn sich dies nicht nachteilig auf ihre Hauptaufgabe Seenotrettung auswirkt, was zu prüfen sie sich im Einzelfall vorbehält (Ziffer 5 der Vereinbarung). Zudem wird dem Havariekommandeur kein unmittelbares Durchgriffsrecht auf die Seenotrettungskreuzer eingeräumt. Er hat seine Aufträge vielmehr an die von der DGzRS betriebene Seenotleitstelle MRCC Bremen (Maritime Rescue Coordination Centre) zu richten, die ihrerseits für die Führung der Einsatzmittel verantwortlich bleibt (Ziffer 7 der Vereinbarung). 31 Zu den Führungsstrukturen im Einzelnen sogleich. 29

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

b) Aufgabenbereich Dreh- und Angelpunkt für die sachlichen Zuständigkeiten des Havariekommandos ist die „komplexe Schadenslage“. Sie bewirkt nicht nur eine Umwandlung der internen Organisationsstrukturen, sondern eröffnet erst den operativen Aufgabenbereich des Havariekommandos. Arbeitet das Havariekommando außerhalb einer solchen Lage nur innengerichtet, gewissermaßen im stand-by-Betrieb, handelt es erst jetzt außenwirksam. Gleichzeitig wachsen dem Havariekommandeur Sonderbefugnisse zu. Nach der Definition des § 1 Abs. 4 BLV-HK liegt eine „komplexe Schadenslage“ vor, „wenn eine Vielzahl von Menschenleben, Sachgüter von bedeutendem Wert, die Umwelt oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs gefährdet sind oder eine Störung bereits eingetreten ist und zur Beseitigung dieser Gefahrenlage die Mittel und Kräfte des täglichen Dienstes nicht ausreichen oder eine einheitliche Führung mehrerer Aufgabenträger erforderlich ist.“ Eine „komplexe Schadenslage“ setzt sich demnach aus zwei Komponenten zusammen, die kumulativ vorliegen müssen, ihrerseits aber aufgrund alternativer Voraussetzungen bestehen können. Die erste betrifft die Art, die zweite das Ausmaß der Gefahren- bzw. Schadenslage. Zum einen muss mindestens eines der genannten Rechtsgüter gefährdet oder gestört sein. Entsprechend dem allgemeinen polizeirechtlichen Sprachgebrauch, der nach Sinnzusammenhang und Wortwahl anzulegen ist, bedeutet „Störung“ eine eingetretene Schädigung der Rechtsgüter, „Gefährdung“ eine Sachlage, die aus der ex-ante-Perspektive mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in naher Zukunft in einen Schaden umschlagen wird (konkrete Gefahr).32 Die zweite Komponente betrifft das Ausmaß der Gefahrenlage und ist nichts anderes als eine Subsidiaritätsklausel. Eine „komplexe Schadenslage“ soll erst dann gegeben sein, wenn das Ausmaß der Gefahr mit den Kräften des täglichen Dienstes nicht mehr beherrschbar ist oder wenn, im Falle der Zuständigkeit mehrerer Aufgabenträger, eine einheitliche Führung erforderlich erscheint. Wer über das Vorliegen einer komplexen Schadenslage entscheidet, besagt die Vereinbarung nicht ausdrücklich. § 9 BLV-HK lässt jedoch erkennen, dass diese Entscheidung dem Leiter des Havariekommandos obliegt. Angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe, insbesondere des Merkmals der „Erforderlichkeit“ einheitlicher Führung, kommt ihm dabei ein weitreichender Einschätzungsspielraum zu. Die in § 1 Abs. 4 BLV-HK genannten Schutzgüter (Menschenleben, Sachgüter, Umwelt sowie Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs) sind zum Teil allgemeinpolizeilicher, zum Teil schifffahrtspolizeilicher sowie wasserpolizeilicher Natur. Fraglich ist aber, ob der sachliche Anwendungsbereich auf Safety-Risiken, also die Bekämpfung von Betriebsunfällen, beschränkt ist oder sich auch auf Security-Risiken, also die Abwehr krimineller Gefahrenlagen, erstreckt. Bei isolierter Betrachtung des § 1 Abs. 4 BLV-HK können ohne weiteres auch kriminelle 32

Vgl. etwa Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 69.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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Gefahren einer gewissen Größenordnung als komplexe Schadenslage verstanden werden, wenn die genannten Schutzgüter betroffen sind. Insbesondere terroristische Bedrohungslagen fallen dem Wortlaut nach unter die Definition, sind hier doch gerade in besonderem Ausmaß Menschenleben, Sachgüter oder die Umwelt gefährdet. Systematische und teleologische Gründe sprechen jedoch für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der BLV-HK auf die Abwehr betrieblicher Risiken. Bund und Küstenländern ging es ersichtlich darum, ein gemeinsames Unfallmanagement bei Schiffshavarien zu schaffen.33 Das zeigt nicht nur die Entstehungsgeschichte des Havariekommandos, sondern deutlich auch die Präambel und § 1 Abs. 1 BLV-HK sowie nicht zuletzt die auf betriebliche Unfälle hindeutende Bezeichnung als „Havariekommando“. Daraus sowie aus der fehlenden Einbeziehung von Bediensteten der Bundespolizei und der Zollverwaltung, die für SecurityAufgaben zuständig sind,34 ist zu schließen, dass komplexe Schadenslagen mit kriminellem (insbesondere terroristischem) Hintergrund nicht in den Zuständigkeitsbereich des Havariekommandos fallen.35 Die räumliche Zuständigkeit des Havariekommandos erstreckt sich nach § 2 BLVHK auf die Seewasserstraßen, die fünf größten Seeschifffahrtsstraßen36, die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone sowie auf Gebiete der Hohen See, soweit aufgrund internationaler Vereinbarungen Verpflichtungen Deutschlands zur maritimen Notfallvorsorge bestehen. Umfasst sind damit insbesondere alle von der Seeschifffahrt frequentierten Gebiete in deutschen Hoheits- bzw. Funktionshoheitsgewässern (mit Ausnahme der Seehäfen). Eine ergänzende Vereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen (BLV-Schadstoff)37 erweitert den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Havariekommandos um die Bekämpfung sogenannter „komplexer Schadstoffunfälle“.38 Die Vereinbarung passt die bereits seit 1975 praktizierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Bekämpfung von ins Meer gelangten Schadstoffen, wie insbesondere Öl, an die Organisationsstrukturen des Havariekommandos an. 33 Entsprechend versteht die Bundesregierung „komplexe Schadenslagen“ als schwere Schiffshavarien, vgl. BT-Drs. 15/2928, S. 1; ähnlich die Begründung in MV-LT-Drs. 3/2967, S. 1. 34 Als Bundesbehörde ist lediglich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beteiligt, deren Aufgabe sich auf die Gewährleistung verkehrlicher Sicherheit beschränkt. 35 So auch der Leiter des Havariekommandos Monsees, Kompetenzzentrum Havariekommando, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 1 (1): „Safety-Anteil der maritimen Sicherheit“. 36 Nord-Ostsee-Kanal und die Mündungstrichter der Flüsse Elbe (mit Ausnahme des Delegationsgebietes Hamburg), Ems, Trave, Warnow und Weser. 37 BAnz. 2003, S. 1171 f. 38 Zu dieser und anderen Ergänzungsvereinbarungen zum Havariekommando detailliert Scholz, Die Bund-/Länderzusammenarbeit im Bereich der maritimen Sicherheit, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 133 ff. (S. 134).

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

Auf diesem Gebiet existierte bereits zuvor eine Organisationsstruktur zur Durchführung gemeinsamer Maßnahmen, die in erster Linie aus einem Zentralen Meldekopf und einer mit Vertretern von Bund und Küstenländern besetzten Einsatzleitgruppe bestand.39 Diese Einsatzleitgruppe hat im Einsatzfall entschieden, ob und welche Maßnahmen von den zuständigen Behörden der Partner zu treffen sind. Im Unterschied zum Havariekommando war hier jedoch das Einvernehmen aller Vertreter erforderlich.40 Mit der neuen Vereinbarung werden die bisherigen Stellen aufgelöst (§ 9 Abs. 2 BLV-Schadstoff).

Gemeinsame Maßnahmen, die zur Erkennung und Beseitigung extremer Meeresverschmutzungen erforderlich sind, stehen nunmehr unter der Leitung des Havariekommandeurs (§ 2 Abs. 3 BLV-Schadstoff).41 Voraussetzung hierfür ist – analog zur „komplexen Schadenslage“ i.S.d. § 1 Abs. 4 BLV-HK – ein „komplexer Schadstoffunfall“. § 2 Abs. 2 BLV-Schadstoff definiert diesen als ein plötzliches Ereignis, bei dem Schadstoffe unter Überschreitung näher bestimmter Grenzwerte in das Wasser gelangen oder zu gelangen drohen. Die Leitung der Bekämpfungsmaßnahmen erfolgt nach § 2 Abs. 3 BLV-Schadstoff durch den Havariekommandeur „gemäß der Vereinbarung über die Errichtung des Havariekommandos“. Durch diesen Querverweis auf die BLV-HK kommen dem Havariekommandeur bei gemeinsamen Schadstoffbekämpfungsmaßnahmen also dieselben Weisungsbefugnisse wie im Fall einer komplexen Schadenslage nach § 1 Abs. 4 BLV-HK zu.42 Insoweit ist durchaus zu bezweifeln, ob es zur gemeinsamen Bekämpfung von Schadstoffunfällen einer separaten Vereinbarung bedurfte. Als Gefahr für das in § 1 Abs. 4 BLV-HK ebenfalls enthaltene Schutzgut Umwelt hätte ein solches Schadstoffereignis ohne weiteres auch unter die Definition der „komplexen Schadenslage“ subsumiert werden können. So stellt die BLV-Schadstoff im Hinblick auf Schadstoffunfälle eine lex specialis zur BLV-HK dar. Da § 2 BLV-Schadstoff bestimmte Untergrenzen eines „komplexen Schadstoffunfalls“ definiert (etwa die Menge ausgetretenen Öls und die Länge verschmutzter Ufer), ist davon auszugehen, dass unterhalb dieser Werte auch der Rückgriff auf die BLV-HK versperrt bleibt. Im Gegenzug erweitert § 3 BLVSchadstoff den räumlichen Anwendungsbereich gegenüber der BLV-HK, indem nunmehr auch Ufer und Strände sowie bestimmte Seehäfen umfasst sind. Zudem wird in organisatorischer Hinsicht im Falle eines „komplexen Schadstoffunfalls“ im Havariekommando zusätzlich eine Verbindungsstelle zu dem meistbetroffenen Küstenland eingerichtet, die jedoch nur beratende Funktion hat (§ 4 BLV-Schadstoff).

39

Vgl. die Bund-Länder-Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen vom 27. 04. 1995, VerkBl. 1995, S. 382. 40 Hoog, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 89 Rn. 31a. 41 Hoog, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 89 Rn. 31a. 42 Auch insoweit besteht daher ein Durchgriffsrecht auf die Einsatzkräfte der Partner, vgl. Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 133.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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c) Führungsstrukturen Entscheidend im Kontext dieser Untersuchung und eigentliche ratio essendi des Havariekommandos sind dessen Führungsstrukturen. Kernpunkt der Empfehlungen der Grobecker-Kommission war die Schaffung einer einheitlichen Kommandostruktur mit Durchgriffsrechten auf alle Einsatzkräfte von Bund und Ländern.43 Diese Forderung wurde durch die BLV-HK realisiert: Der Eintritt einer „komplexen Schadenslage“ (bzw. eines „komplexen Schadstoffunfalls“) löst den Einsatzfall des Havariekommandos aus: Nach § 9 Abs. 1 S. 2 BLV-HK hat der Leiter des Havariekommandos in diesem Fall unter Einberufung des Havariestabes die Einsatzleitung zu übernehmen. Er kann sie übernehmen, wenn eine komplexe Schadenslage unmittelbar bevorsteht (§ 9 Abs. 1 S. 1 BLV-HK).44 Unabhängig von einer komplexen Schadenslage hat er sie ferner auf Ersuchen des betroffenen Küstenlandes oder des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamtes zu übernehmen (§ 9 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BLV-HK).45 Ist eine solche hingegen eingetreten, ist zu betonen, dass es auf ein Ersuchen der zuständigen Behörde nicht ankommt: Der Havariekommandeur ist verpflichtet, die zentrale Einsatzführung an sich zu ziehen.46 Auch wenn die komplexe Schadenslage unmittelbar bevorsteht, besitzt er ein Selbsteintrittsrecht nach pflichtgemäßem Ermessen, ohne dass es auf ein Ersuchen eines Küstenlandes oder eines Wasser- und Schifffahrtsamtes ankäme.47 Konsequenzen einer Übernahmeentscheidung des Havariekommandeurs sind zum einen der Aufwuchs des Havariestabes und zum anderen ein Weisungsrecht des Havariekommandeurs gegenüber allen auf See verfügbaren Einsatzkräften von Bund 43

Siehe S. 32. Nicht ganz klar ist, was der Unterschied zwischen einer unmittelbar bevorstehenden und einer bereits eingetretenen komplexen Schadenslage sein soll. Man könnte an eine unmittelbare Gefahr einerseits und eine eingetretene Störung anderseits denken. Das steht indes in gewissem Widerspruch zur Definition der komplexen Schadenslage in § 1 Abs. 4 BLV-HK, die ihrerseits für eine komplexe Schadenslage bereits eine (schlichte) konkrete Gefahr genügen lässt. Eine „unmittelbar bevorstehende konkrete Gefahr“ ist jedoch eine sinnlose Doppelung. 45 Ohne eine komplexe Schadenslage soll der Maßstab für die insoweit getroffenen Maßnahmen des Havariekommandos allerdings nicht die Vereinbarung sein. Die Maßnahmen „gelten“ vielmehr als im Wege der Amtshilfe oder im Auftrag der jeweils zuständigen Behörde erfolgt, § 9 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BLV-HK. Das hat zur Folge, dass nicht die Kostenregelung der Vereinbarung gilt, sondern entstandene Kosten nach den Grundsätzen der Amtshilfe von der an sich zuständigen Behörde allein zu tragen sind. 46 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 126 f.). 47 Unabhängig von einer „komplexen Schadenslage“ i.S.d. § 1 Abs. 4 BLV-HK hat der Havariekommandeur die Einsatzleitung ferner auf Ersuchen der DGzRS zu übernehmen, vgl. Ziffer 4 S. 2 der Vereinbarung über die Kooperation zwischen der DGzRS und dem Havariekommando (BAnz. 2003, S. 1172). Das ist insoweit bedenklich, als der Havariekommandeur die Einsatzleitung, mit der ein Durchgriffsrecht auf die Einsatzkräfte der Länder einhergeht, an sich nur in den Fällen des § 9 BLV-HK an sich ziehen darf. An dieser Zusatzvereinbarung, die den Anwendungsbereich des § 9 BLV-HK faktisch erweitert, sind die Länder aber gar nicht beteiligt. 44

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

und Ländern.48 Er kann damit auf rund 3.000 Einsatzkräfte zugreifen.49 Dieses Durchgriffsrecht nennt die Vereinbarung zwar nicht ausdrücklich, was nicht zuletzt auf die insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken zurückzuführen sein dürfte.50 Vielmehr ist von einer „Führung“ der Einsatzkräfte und von der Erteilung von „Zielvorgaben“ und „Aufträgen“ an die „insoweit zuständigen Stellen“ die Rede (§ 9 Abs. 2 BLV-HK). Dass mit den Einsatzkräften alle verfügbaren Kräfte von Bundes- und Landesbehörden gemeint sind, ergibt sich aber eindeutig aus der Systematik: Nach § 8 Abs. 3 BLV-HK stellen „die Partner“, also Bund und Küstenländer, ihre „verfügbaren Einsatzkräfte und -mittel im Einsatzfall zur Erfüllung der Aufträge des Leiters des Havariekommandos gem. § 9 Abs. 2 bereit“. Nach § 9 Abs. 2 BLVHK „führt“ der Havariekommandeur die ihm bereit gestellten Kräfte. Dass die erteilten Aufträge den Charakter verbindlicher Weisungen haben sollen, belegt zum einen die Wortwahl („führt“, „zur Erfüllung der Aufträge“), vor allem aber die Entstehungsgeschichte: Die Errichtung des Havariekommandos diente gerade dem Bestreben, „Kompetenzgewirr“ und negative Kompetenzkonflikte auszuschließen, indem bei schweren Schiffshavarien das Notfallmanagement aus einer Hand mit monokratischer Entscheidungsstruktur erfolgt.51 Dementsprechend betonen Bund und Küstenländer in der Präambel der BLV-HK, dass angesichts verteilter Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern bei komplexen Schadenslagen ein einheitliches Vorgehen aller Einsatzkräfte erforderlich sei. Jedenfalls bei teleologischer Auslegung der Auftrags- und Führungsbefugnisse des Havariekommandeurs können diese daher nur im Sinne eines Weisungs- und Durchgriffsrechts verstanden werden.52 Auch die Bezeichnung als „Havariekommando“ belegt diese Lesart: Ein „Kommando“ ist keine Vermittlungsstelle, sondern es führt unterstellte Einsatzkräfte mittels verbindlicher Weisungen. Auch räumen Bund und Küstenländer dem Havariekommandeur für den Einsatzfall „weitestgehende fachliche Unabhängigkeit“ ein (§ 9 Abs. 3 BLV-HK). Der Rechtsgehalt dieser Unabhängigkeit wird zwar nicht konkretisiert, sie klingt jedoch 48 Scholz, Die Bund-/Länderzusammenarbeit im Bereich der maritimen Sicherheit, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 133 ff. (S. 135). 49 Monsees, Kompetenzzentrum Havariekommando, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 1 (2). 50 Dazu eingehend auf S. 168 ff. 51 So ganz deutlich die Stellungnahme der Bundesregierung in BT-Drs. 15/2928, S. 1 f.; vgl. auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 126). 52 So auch König, Schiffssicherheit auf der Ostsee: Nationales Recht, DÖV 2002, 639 (645); Scholz, Die Bund-/Länderzusammenarbeit im Bereich der maritimen Sicherheit, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 133 ff. (S. 135); Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 126); i.E. auch Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 130 f.; a.A. hingegen Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (67), der – offenbar im Wege verfassungskonformer Auslegung – davon ausgeht, dass durch die Vereinbarung keine neuen Weisungsrechte geschaffen wurden.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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nach einer Einschätzungsprärogative des Havariekommandeurs mit weitgehender Weisungsfreiheit und entsprechend eingeschränkter Fachaufsicht. Jedenfalls aber ist die Regelung ein Beleg dafür, dass der Havariekommandeur auch Länderaufgaben wahrnimmt, indem er den Landeskräften verbindliche Weisungen erteilt. Gehörte ein Tätigwerden im Zuständigkeitsbereich der Länder nicht zu seinen Aufgaben, wäre nicht erklärbar, warum auch die Länder dem Havariekommandeur überhaupt eine fachliche Unabhängigkeit einräumen sollten. Für die Annahme einer fachlichen Abhängigkeit des Bundesbeamten von den Ländern bestünde dann nämlich keine Veranlassung. Auch die Verwaltungspraxis verfährt nach dieser Auslegung und geht dementsprechend von einem Weisungsrecht des Havariekommandeurs auch gegenüber den Länderkräften aus. Besonders deutlich wird dies in Äußerungen des Leiters des Havariekommandos selbst: „Bund und Länder haben die Kompetenzen dafür im Havariekommando eindeutig und klar vollständig gebündelt. […] Die Gesamteinsatzleitung, das Durchgriffsrecht auf die Kräfte und ganz besonders das Letztentscheidungsrecht sind bei uns verankert.“53 An anderer Stelle wird die „konsequent durchgeführte Kompetenzübertragung auf den Leiter des Havariekommandos“ gelobt, die zu einer „klare[n], monokratische[n] Führungsstruktur“ führe.54 Weisungsrechte des Havariekommandeurs ergeben sich nicht nur aus der BLV-HK selbst, sondern auch aus der ergänzenden Vereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Zuweisung eines Notliegeplatzes im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge (BLV-NotLP).55 Nach § 3 Abs. 1 S. 3 BLV-NotLP kann der Havariekommandeur in einer komplexen Schadenslage einen Notliegeplatz „zuweisen“, wenn zwischen den Beteiligten kein Einvernehmen erzielt wird. Auch insoweit werden Weisungsrechte gegenüber Behörden der Länder beansprucht.56 Seit der Gründung des Havariekommandos im Jahr 2003 gab es bereits über 30 Einsatzfälle (komplexe Schadenslagen bzw. Schadstoffunfälle), die mit den geschilderten Leitungskompetenzen des Havariekommandos erfolgreich bewältigt

53

Monsees, BT-Ausschussprotokoll Nr. 16/89 des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, S. 5; auf S. 14 heißt es weiter: „Insofern sind das ganz glasklare Weisungen. Da widersetzt sich auch keiner.“ 54 Monsees, Kompetenzzentrum Havariekommando, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 1 (1); auch in der Präambel einer ergänzenden Vereinbarung zwischen BMVBS und BMVg, VerkBl. 2006, S. 755, wird betont, dass dem Havariekommando die „zentrale Einsatzleitung“ obliege. 55 Bund-Länder-Vereinbarung über die Zuweisung eines Notliegeplatzes im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge, GOVBl. SH 2005, S. 135. 56 Dies wird wiederum besonders deutlich an den Äußerungen des Havariekommandeurs selbst zu einem abgewickelten Schadensfall, Monsees, BT-Ausschussprotokoll Nr. 16/89 des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, S. 12: „Der [Hafenkapitän] bekam nur die Order, die Vorbereitung zu treffen, dass in anderthalb Stunden bei ihm ein Havarist an der Pier liegt.“

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

wurden57 – dies obwohl einige der Schadenslagen das Schadenspotential der „Pallas“Havarie nach Einschätzung der Beteiligten sogar übertroffen haben.58 An der Effektivität der neuen Struktur besteht insoweit kein Zweifel. Angesichts der mit ihr einhergehenden Ingerenzen59 bleibt die Verfassungsmäßigkeit dieser Führungsstruktur allerdings zu klären.60 4. Maritimes Sicherheitszentrum / Gemeinsames Lagezentrum See Die im Havariekommando seit 2003 praktizierte Zusammenarbeit ist wie gezeigt auf das Unfallmanagement bei Schiffshavarien und Schadstoffunfällen beschränkt. Auf den Alltagsbetrieb der maritimen Einsatzkräfte hat die Kooperation keine Auswirkungen, sie lebt erst im Notfall auf. Und auch dann ist sie auf Safety-Risiken beschränkt. Die für den Bereich Security zuständigen Behörden bleiben außen vor. Das hat die politische Debatte über Neustrukturierungen im Bereich der maritimen Sicherheit weiter andauern lassen. Der Bundestag hat daraufhin im Jahr 2004 die Bundesregierung aufgefordert, unter Wahrung der bestehenden Zuständigkeiten eine optimierte Küstenwachstruktur zu schaffen,61 gleichzeitig aber Anträge der damaligen Opposition auf Schaffung einer nationalen Küstenwache62 abgelehnt.63 Am Ende der weiteren Optimierungsbemühungen unter Wahrung der Zuständigkeiten stand 2005 der Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Küstenländern über die Errichtung eines „Maritimen Sicherheitszentrums“ (BLVMSZ).64 Das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) ist eine gemeinsame Einrichtung (§ 2 BLV-MSZ), die als Dachorganisation mit Sitz in Cuxhaven die bereits vorhandenen Verbundeinrichtungen räumlich unter einem Dach zusammenfasst. Weisungs- und Entscheidungszuständigkeiten der beteiligten Behörden bleiben unverändert (§ 8 Abs. 3 BLV-MSZ). Es wird auch keine übergeordnete zentrale Einsatzleitung wie im Havariekommando geschaffen. Die Leitung von Einsatzmaßnahmen obliegt sowohl im Alltagsbetrieb als auch bei besonderen Lagen der jeweils örtlich und sachlich 57 Monsees, Kompetenzzentrum Havariekommando, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 1 (2). 58 Dornquast, Die optimierte Küstenwache als Ziel, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 3 (4 f.). 59 Abweichend von der grundsätzlichen Leitungskompetenz des Havariekommandeurs überträgt dieser nach der Sonderregelung des § 4 Abs. 5 BLV-Schadstoff bei komplexen Schadstoffunfällen im Hamburger Hafen die Leitung der gemeinsamen Maßnahmen der zuständigen Behörde Hamburgs. Da diese dann ebenfalls auf Bundeskräfte zugreifen kann, stellt sich das verfassungsrechtliche Problem insoweit vice versa. 60 Dazu auf S. 168 ff. 61 BT-Drs. 15/3322. 62 BT-Drs. 15/2337 und 15/2581. 63 BT-PlProt. 15/145. 64 BAnz. 2008, S. 3853 ff.

A. Erscheinungsformen der Zusammenarbeit

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zuständigen Behörde (§ 9 Abs. 5 BLV-MSZ). Sinn der Einrichtung ist somit lediglich, durch die räumliche Nähe die wechselseitige Koordination und Information unter den Beteiligten zu erleichtern. Ferner sichern sich die Partner „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ die gegenseitige Unterstützung zu, was angesichts der ohnehin bestehenden Amtshilfeverpflichtung aufgrund von Art. 35 Abs. 1 GG jedoch allenfalls kosmetischen Mehrwert bringt. Im Einzelnen werden gemäß § 2 BLV-MSZ folgende Institutionen im MSZ zusammengefasst: das Havariekommando, der Koordinierungsverbund Küstenwache (bestehend aus der Bundespolizei, der Fischereiaufsicht des Bundes, die die BLE im Auftrag des BMELV wahrnimmt, der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und der Zollverwaltung)65 sowie die WSP-Leitstelle der Küstenländer. Auch der aufgrund des ISPS-Codes66 einzurichtende nationale „Point of Contact“, eine zentrale Meldestelle für den Schutz vor Terrorismus, ist im MSZ untergebracht. Ferner soll die Deutsche Marine nach § 2 Abs. 2 BLV-MSZ „im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten“ und nach Maßgabe einer gesonderten Regelung im Maritimen Sicherheitszentrum „mitwirken“. Aufgrund etlicher Verzögerungen, vor allem hinsichtlich der Bereitstellung einer geeigneten Immobilie, hat bisher erst der operative Kern des MSZ, das „Gemeinsame Lagezentrum See“ (GLZ-See) nach § 9 BLV-MSZ,67 zum 1. Januar 2007 den sog. vorläufigen Wirkbetrieb aufgenommen.68 Die institutionellen Mehrfachverklammerungen sind kaum noch zu überblicken: So setzt sich das GLZ-See zusammen aus dem Maritimen Lagezentrum des Havariekommandos, den Leitstellen von Bundespolizei, Zollverwaltung und BLE, der WSP-Leitstelle der Küstenländer sowie der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und dem Point of Contact (§ 9 Abs. 2 BLVMSZ). Die im GLZ-See vertretenen Bundesbehörden sind zugleich Zentrum des Küstenwachverbundes. Schließlich ist auch die Marine im GLZ-See mit einem Verbindungsoffizier vertreten.69 Damit sitzen alle mit Aufgaben der Seesicherheit betrauten Behörden von Bund und Ländern, um in der Sprache des Themas zu bleiben, „in einem Boot“. Eine „Kommandobrücke“ ist das MSZ im Gegensatz zum Havariekommando aber nicht. Die verschiedenen Dienste werden nur räumlich-additiv, nicht aber integrativ zu65

Die bisher bestehenden Küstenwachzentren Nordsee in Cuxhaven und Ostsee in Neustadt werden nach § 7 Abs. 3 BLV-MSZ aufgelöst. 66 Der im Rahmen der IMO beschlossene „International Ship and Port Facility Security Code“ (ISPS-Code) dient der Erschwerung terroristischer Handlungen im Schiffsverkehr. 67 Zwar lautet die Bezeichnung im Wortlaut des § 9 BLV-MSZ „Gemeinsames Maritimes Lagezentrum“, im behördlichen Sprachgebrauch hat sich jedoch die Bezeichnung „Gemeinsames Lagezentrum See“ eingebürgert, vermutlich zur besseren Unterscheidbarkeit von dem Maritimen Lagezentrum des Havariekommandos, das nun seinerseits Bestandteil des Gemeinsamen Lagezentrums See ist. 68 Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (67). 69 Scholz, Die Bund-/Länderzusammenarbeit im Bereich der maritimen Sicherheit, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 133 ff. (S. 138).

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

sammengefasst. Sie versehen weiterhin isoliert ihre jeweiligen Aufgaben und bleiben dafür ihren jeweiligen Fachaufsichtsbehörden verpflichtet. Der Charakter des GLZSee ebenso wie des MSZ insgesamt geht daher letztlich nicht über den einer „Bürogemeinschaft“ hinaus.70 Der tatsächliche Mehrwert des MSZ beschränkt sich insoweit auf persönliche Kontakte und kurze Wege zwischen den Bediensteten der verschiedenen Behörden, womit es zur „Informationsbörse“ und Kontaktstelle für Amtshilfeersuchen wird. Ob dies die Effektivität der Gefahrenabwehr im Ernstfall messbar erhöht, bleibt fraglich.71 Zu Recht sah der Koalitionsvertrag von 2005 daher eine Evaluation vor: „Die Leistungsfähigkeit des Maritimen Sicherheitszentrums wird nach drei Jahren evaluiert. Es ist dabei dann auch zu prüfen, ob das bestehende Konzept vorteilhaft ist oder die Einrichtung einer ,Nationalen Küstenwache‘ angestrebt werden sollte.“72 Zu dieser Evaluation kam es bis heute nicht. Angesichts des im Koalitionsvertrag von 2009 propagierten mittelfristigen Ziels der Errichtung einer einheitlichen Deutschen Küstenwache dürfte sich eine Evaluierung erübrigen, zumal der Betrieb des MSZ fünf Jahre nach der Bund-Länder-Vereinbarung nicht aus dem Stadium des „vorläufigen Wirkbetriebes“ herausgekommen ist.73

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der praktizierten und ggf. weiteren Formen gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung wirft die grundsätzliche Frage auf, inwieweit administrative Zusammenarbeit nach dem Grundgesetz möglich ist. Das Grundgesetz gibt den kompetentiellen Rahmen für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben auf See vor, der durch einfachgesetzliche Zuständigkeitsregelungen ausgefüllt wird. Die dargestellten Verwaltungsvereinbarungen und gesetzlichen Eilfallkompetenzen haben zur Folge, dass Aufgaben teilweise oder vollständig durch andere als die originär zuständigen Behörden wahrgenommen werden. Einer solchen Fremdwahrnehmung sind jedoch aus bundesstaatlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt.

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Vgl. Jenisch, Sicherheit auf See, S+F 2008, 154 (159); in der Bundestagsdebatte zu den genannten Anträgen wurde diese Art der Zusammenfassung von der damaligen Opposition als „Big Brother“-Prinzip kritisiert („alle in einen Container und dann mal gucken, was passiert!“), BT-PlProt. 15/145, S. 13546. 71 Fachpolitiker haben das MSZ im Hinblick auf seine überschätzte Bedeutung schon als „Potemkinsches Dorf“ bezeichnet. 72 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. 11. 2005, S. 59. 73 Angesichts der weitreichenden Vorsätze, die bestehenden Strukturen zu „einer neuen effektiven Küstenwache“ mit „behördenübergreifender Weisungs- und Organisationsstruktur“ auszubauen (BT-Drs. 15/3322, S. 2), erinnert die derzeitige Struktur des MSZ an den Ausspruch Horaz’ „Der Berg kreißte und gebar eine Maus“.

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit

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I. Verfassungsrechtliche Grundsätze Dabei ist zu unterscheiden zwischen verbandsinterner Zusammenarbeit (1.), der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern (2.) und der Zusammenarbeit zwischen Ländern (3.). Verfassungsrechtlich brisant sind insbesondere Bund-LänderKooperationen, die das föderale Kompetenzgefüge des Grundgesetzes nicht faktisch aushebeln dürfen. 1. Zusammenarbeit innerhalb einer Gliedkörperschaft Die Zusammenarbeit verschiedener Behörden innerhalb einer Gliedkörperschaft ist zunächst verfassungsrechtlich weitgehend unbedenklich. Föderale Belange sind per se nicht betroffen. Zugewiesene Zuständigkeiten müssen zwar aus rechtsstaatlichen Gründen eingehalten werden. Sie sind aber durch schlichten Beschluss der Regierung oder jedenfalls einfachgesetzlich änderbar (Art. 86 S. 2 GG). Verfassungsrechtliche Schranken stehen dem nur in Ausnahmefällen entgegen. So dürfen insbesondere den Streitkräften wegen Art. 87 Abs. 2 GG nicht beliebige Aufgaben zugewiesen werden.74 2. Zusammenarbeit von Bund und Ländern Von großer verfassungsrechtlicher und angesichts der föderalen Kompetenzzersplitterung auch praktischer Relevanz ist hingegen die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Ob und inwieweit eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung verfassungsrechtlich zulässig ist, richtet sich nach dem Grad und der Intensität der Zusammenarbeit. Die Diskussion über die Zulässigkeit von Formen der Bund-Länder-Zusammenarbeit ist fast so alt wie das Grundgesetz selbst und kulminiert in dem ebenso schillernden wie konturlosen Begriff der (verbotenen) Mischverwaltung,75 der das Ausmaß zulässiger Zusammenarbeit jedoch mehr verschleiert als erhellt.

74

Dazu eingehend im 5. Teil. Formuliert wurden die in diesem Zusammenhang bestehenden Bedenken erstmals von Kratzer, Die Bundesoberbehörde, DÖV 1950, 529 (534), bei dem zwar nicht von Mischverwaltung, wohl aber von „gemischte[r] Bundes-Landesverwaltung“ und „Gesetzesausführung gemischter Natur“ die Rede ist. Der Begriff Mischverwaltung taucht erstmals im Jahr 1952 im Entwurf eines Gesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz), BT-Drs. 1/3430, S. 45, auf: „Außerdem weist der Bundesrat ausdrücklich auf seine rechtlichen Bedenken gegen die in den §§ 2, 6, 7, 9 und 25 vorgesehene Mischverwaltung hin“. 1955 folgen explizite Aufsätze „zur Frage der Mischverwaltung“ (Gerner, Zur Frage der „Mischverwaltung“ im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, BayVBl. 1955, 193) bzw. zum „Einwand der Mischverwaltung“ (Köttgen, Der Einwand der Mischverwaltung und das Grundgesetz, DÖV 1955, 485), kurz darauf die erste Dissertation (Darmstadt, Zur Frage einer Mischverwaltung von Bund und Ländern, 1961). 75

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a) Dogma des Mischverwaltungsverbots Welche Rechtsaussage mit dem Terminus verbunden wird, war und ist nebulös. Hatte das Bundesverfassungsgericht mit seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1983 (sog. Schornsteinfegerbeschluss)76 für Klarheit dahingehend gesorgt, dass der Begriff der Mischverwaltung lediglich zur Klassifizierung bestimmter verwaltungsorganisatorischer Erscheinungsformen taugt, dass dies jedoch nichts über deren rechtliche Zulässigkeit besagt,77 stiftet das Gericht in seinem jüngsten Grundsatzurteil zur Frage der administrativen Ebenenverflechtung (sog. Hartz IV-Urteil)78 erneut Verwirrung. Nachdem über Seiten hinweg die verfassungsrechtlichen Grundsätze und Grenzen einer Ebenenkooperation erörtert wurden (die unter „Mischverwaltung“ im deskriptiven Sinne fallen, dazu sogleich), findet sich unvermittelt und ohne Bezug zum Vorhergehenden die Aussage, dass „das Grundgesetz […], von begrenzten Ausnahmen abgesehen, auch eine sogenannte Mischverwaltung aus[schließe]“.79 Das hat die – auch vorher nie ganz abebbende80 – Diskussion im Schrifttum zur Frage der Mischverwaltung erneut beflügelt,81 weshalb zunächst einige begriffliche Klarstellungen angebracht erscheinen. Seit Beginn der Kontroverse lassen sich grob zwei Linien unterschiedlichen Begriffsverständnisses ausmachen: Entweder dient der Begriff als normative Sammelbezeichnung aller unzulässigen Formen der Mischverwaltung (normatives Begriffsverständnis).82 Allein die Bezeichnung als Mischverwaltung beinhaltet danach das Verdikt der Verfassungswidrigkeit. Da das Grundgesetz aber durchaus Ingerenzrechte des Bundes bei der Landesverwaltung vorsieht (Bundesaufsicht nach Art. 84 Abs. 3 bis 5 GG, Auftragsverwaltung nach Art. 85 GG), kann nicht jede Art der Verwaltung, bei der Landes- und Bundesstellen zugleich beteiligt sind, verfassungswidrig sein. Mit dem Begriff „Mischverwaltung“ kann demnach nur eine 76

BVerfGE 63, 1. BVerfGE 63, 1 (38); vgl. auch Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 49. 78 BVerfGE 119, 331. 79 BVerfGE 119, 331 (365); deutlicher hingegen wieder die spätere Entscheidung BVerfG, NVwZ 2009, 171 (174). 80 Vgl. aus dem jüngeren Schrifttum etwa den grundlegenden Beitrag von Hebeler, „Mischverwaltung“, in: Bauschke/Becker u. a., Pluralität des Rechts, 2003, S. 37 ff. 81 Vgl. nur Huber, Das Verbot der Mischverwaltung – de constitutione lata et ferenda, DÖV 2008, 844; Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184; Winkler, Die Umsetzung von „Hartz IV“ als Herausforderung an das Organisationsrecht, VerwArch 2008, 509 (532 ff.); Trapp, Die Kontinuität der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur sog. Mischverwaltung, DÖV 2008, 277; Schnapp, Mischverwaltung im Bundesstaat nach der Föderalismusreform, JURA 2008, 241. 82 So die zunächst herrschende Lehre, die Mischverwaltungsformen grundsätzlich für verfassungswidrig gehalten hat, vgl. Rohwer-Kahlmann, Verfassungsrechtliche Schranken der Zustimmungsgesetze (Art. 84 Abs. 1 GG), AöR 1953/54, 208 (223); Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 195, 264, 267; weitere Nachweise bei Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 58. 77

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit

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Teilmenge sämtlicher Formen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern gemeint sein, nämlich der Formen, die nach dem Grundgesetz nicht zulässig sind. Die Bezeichnung als „Mischverwaltung“ kann dann erst am Ende einer verfassungsrechtlichen Bewertung stehen. Oder aber der Begriff dient lediglich der Umschreibung eines tatsächlichen verwaltungstechnischen Phänomens, die für sich genommen keine verfassungsrechtliche Bewertung enthält (deskriptives Begriffsverständnis). So definiert Ronellenfitsch Mischverwaltung als „jede funktionelle oder organisatorische Verflechtung der Verwaltung von Bund und Ländern“.83 Dieses Begriffsverständnis hat zur Konsequenz, dass es zulässige und unzulässige Mischverwaltung geben muss. In beiden Varianten folgt aus dem Terminus rechtlich überhaupt nichts.84 Denn auch in der normativ verstandenen Variante erschließen sich inhaltliche Abgrenzungen nicht aus dem Begriff selbst. Er ist daher auch nach diesem Verständnis nichts als eine plakative Sammelbezeichnung für unzulässige Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, die eine verfassungsrechtliche Bewertung nicht ersetzen kann. Das „Verbot der Mischverwaltung“ ist letztlich eine bloße Tautologie, da nur die unzulässigen Fälle von Mischverwaltung verboten sind.85 Das Bundesverfassungsgericht hat sich 1983 im sog. Schornsteinfegerbeschluss dem deskriptiven Begriffsverständnis Ronellenfitschs angeschlossen, wonach aus der Klassifizierung einer Zusammenarbeitsform als „Mischverwaltung“ für deren rechtliche Zulässigkeit nichts folge.86 Zu Recht wird der Begriff in der jüngeren Literatur als „verfassungsrechtlicher Irrbegriff“87 bezeichnet, der (abgesehen von einer tatsächlichen Beschreibung eines Phänomens) nicht weiterführt.88 Nicht im Wege der Begriffsjurisprudenz, sondern ex constitutione anhand der Kompetenz- und Organisationsnormen des Grundgesetzes, insbesondere der 83 Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 58; ähnlich bereits zuvor Maunz, Deutsches Staatsrecht, 5. Aufl. 1956, S. 164, der unter Mischverwaltung die Bearbeitung des gleichen Sachverhaltes von Bundes- und Landesbehörden in irgendeiner Aufteilung verstand, sowie Darmstadt, Zur Frage einer Mischverwaltung von Bund und Ländern, 1961, S. 119, der unter Mischverwaltung ein gemeinsames Tätigwerden von Bundes- und Landesbehörden versteht, dessen Zulässigkeit im Einzelfall zu prüfen sei. 84 So auch instruktiv Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 47 f. sowie Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 89. 85 So bereits Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 257. 86 BVerfGE 63, 1 (38). 87 So Hebeler, „Mischverwaltung“, in: Bauschke/Becker u. a., Pluralität des Rechts, 2003, S. 37 ff. (S. 52). 88 Zustimmend Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 89; ähnlich Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 48 und Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (191). Für ein Begriffsverständnis der „Mischverwaltung“ als lediglich plakative Sammelbezeichnung der verschiedensten Formen des Zusammenwirkens zwischen Bundesund Länderbehörden auch Winkler, Die Umsetzung von „Hartz IV“ als Herausforderung an das Organisationsrecht, VerwArch 2008, 509 (532) sowie Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 40.

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Art. 83 ff. GG, ist zu klären, welche ebenenübergreifende Verwaltungskooperation im deutschen Bundesstaat zulässig ist und welche nicht.89 Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hat hierzu brauchbare Kriterien entwickelt. Im genannten Urteil zu den Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II (sog. Hartz IV-Urteil)90 hat das Bundesverfassungsgericht trotz begrifflicher Verwirrung die materiell-verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur ebenenübergreifenden Verwaltungskooperation auf den Punkt gebracht und deutlicher als in früheren Entscheidungen dogmatisch untermauert.91 Kritik fordert indes der Verwirrung stiftende Nachsatz zur „Mischverwaltung“ heraus: Das Grundgesetz schließe „auch eine sogenannte Mischverwaltung aus“.92 Diese Aussage ist angesichts der durch den Schornsteinfegerbeschluss geschaffenen terminologischen Klarheit bedauerlich. Wie eh und je ist unklar, was unter dem Begriff verstanden wird. Eine Definition fehlt. Aus dem Zusammenhang zum vorhergehenden Satz könnte gefolgert werden, dass Mitentscheidungsbefugnisse gemeint sind, das „Mischverwaltungsverbot“ also als Synonym zum Fremdbestimmungsverbot (dazu sogleich) verstanden wird. Dagegen spricht jedoch das Füllwort „auch“. Völlig paradox ist schließlich, dass als Fundstelle für ein angebliches Mischverwaltungsverbot auch noch die Schornsteinfegerentscheidung ins Feld geführt wird, wo ein solches gerade verneint wird. Die Bedeutung des isolierten und ohne Zusammenhang zu den übrigen Grundsätzen stehenden Nachsatzes sollte indes nicht überbewertet werden, zumal in einer Kammerentscheidung kurz darauf wieder betont wird, dass es für die Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einer Mischverwaltung auf das Entgegenstehen zwingender Kompetenz- und Organisationsnormen ankomme.93 Aus der begrifflichen Charakterisierung einer Vollzugserscheinungsform als „Mischverwaltung“ folgt normativ also nichts. Vielmehr ist anhand materieller Kriterien zu klären, inwieweit unzuständige Verwaltungsträger im Aufgabenbereich eines anderen Verwaltungsträgers tätig werden bzw. Entscheidungen treffen können. Selbst wenn man dem Mischverwaltungsbegriff nur deskriptive Bedeutung beimisst, ist er im Grunde unscharf. Denn wenn ein unzuständiger Verwaltungsträger eine fremde Aufgabe allein wahrnimmt, ist im eigentlichen Wortsinne nichts „gemischt“. Die Gefahr der kompetenzwidrigen Fremdbestimmung ist hier aber noch größer als bei einer „gemischten“ Wahrnehmung. Vorzugswürdig erscheint als deskriptive 89 Dies wird nach dem Verwirrung stiftenden Nachsatz im Hartz IV-Urteil, BVerfGE 119, 331 (365), auch wieder deutlich in der jüngsten das Phänomen der Mischverwaltung erwähnenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 171 (174). 90 BVerfGE 119, 331. 91 Huber, Das Verbot der Mischverwaltung – de constitutione lata et ferenda, DÖV 2008, 844 (845), spricht insoweit von einem „Meilenstein in der Dogmatik“ und einem „großen Wurf“. 92 BVerfGE 119, 331 (365). 93 BVerfG, NVwZ 2009, 171 (174).

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit

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Umschreibung insoweit der Begriff „Fremdverwaltung“. Denn das materielle Problem ist nicht die Vermischung, sondern die Fremdbestimmung. b) Materielle Kriterien Was die materiellen Kriterien für eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Verwaltung anbelangt, ist das Bundesverfassungsgericht in der jüngsten Entscheidung sichtlich um Kontinuität und Einpassung des Judikats in die bisherigen Rechtsprechungslinien bemüht. Die Aneinanderreihung zentraler Aussagen früherer Entscheidungen suggeriert eine evolutionäre Konsistenz, deren Bestehen im Schrifttum allerdings bestritten wird.94 Vielmehr lasse die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung drei Phasen unterschiedlicher Paradigmen zur Frage der Ebenenkooperation erkennen.95 Dabei wird das aktuelle Urteil überwiegend als Abkehr von den im sog. Schornsteinfegerbeschluss96 judizierten, vermeintlich laxeren Maßstäben für eine Bund-Länder-Zusammenarbeit und als Renaissance eines strikten Trennungsgebots verstanden.97 Diese Annahme beruht auf missverständlichen Formulierungen in den Urteilen, die, für sich betrachtet, den Eindruck der Gegensätzlichkeit erwecken. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Unterschiede lediglich in der Begrifflichkeit liegen, die materiellen Kriterien aber weitaus weniger Schwankungen unterliegen, als gemeinhin propagiert. So hat die Schornsteinfegerentscheidung zwar mit dem bisherigen Missverständnis zum Begriff der Mischverwaltung aufgeräumt. Inhaltlich wurden die materiellen Kriterien der Vorgängerrechtsprechung aber keineswegs aufgegeben, sondern weiterentwickelt. Von einer „Renaissance“ alter Grundsätze kann daher keine Rede sein, da dies ein Ableben selbiger voraussetzt, das nicht festgestellt werden kann. Vielmehr ist auch das Hartz IV-Urteil als Weiterentwicklung der kontinuierlichen Linie zu sehen. Der Senat tritt im Urteil infolge des Schornsteinfegerbeschlusses entstandenen Missverständnissen entgegen, indem es die Fortgeltung der bisherigen Grundsätze betont und diese dogmatisch neu untermauert. Einige Ausführungen im Subsumtionsteil des Hartz IV-Urteils vermitteln – im diametralen Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung – sogar den Eindruck, als würden bestehende Grundsätze zur Bund-Länder-Zusammenarbeit aufgeweicht, nämlich für begründete Ausnahmefälle eine Abweichungsmöglichkeit von bisher absolut geltenden Grundsätzen anerkannt. 94 Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (188), spricht insoweit von einer „raumgreifende[n] Obersatz-Collage“ aus „disparatem präjudiziellen Material“. 95 Huber, Das Verbot der Mischverwaltung – de constitutione lata et ferenda, DÖV 2008, 844 (845 f.); Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (185). 96 BVerfGE 63, 1. 97 So etwa bei Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (197); Huber, Das Verbot der Mischverwaltung – de constitutione lata et ferenda, DÖV 2008, 844 (845): „Neuauflage des Verbots der Mischverwaltung“, „abermalige Kurskorrektur“.

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aa) Grundlinien der frühen Rechtsprechung In einer Entscheidung aus dem Jahr 1960 hat sich das Bundesverfassungsgericht erstmals zum Phänomen der Ebenenverflechtung in der Verwaltung geäußert und unter Berufung auf eine nicht näher personifizierte „herrschende Meinung“ erklärt, dass „eine Verwaltungsorganisation, bei der eine Bundesbehörde einer Landesbehörde übergeordnet ist, oder bei der ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden durch Zustimmungserfordernisse erfolgt“ eine „unzulässige Mischverwaltung“ darstelle.98 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1971 stellt das Gericht weiter – unter Berufung auf einen angeblich bereits in BVerfGE 4, 115 (139) entwickelten, dort allerdings allenfalls indirekt und partiell zu findenden Grundsatz – fest, dass „weder Bund noch Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können, daß Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern auch nicht mit Zustimmung der Beteiligten zulässig sind und daß das Grundgesetz eine sogenannte Mischverwaltung, soweit sie nicht ausdrücklich zugelassen ist, ausschließt“.99 Noch weiterreichend urteilt das Gericht schließlich 1975, dass sämtliche „Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse“ des Bundes im Aufgabenbereich der Länder, für die die Verfassung dem Bund keine entsprechenden Sachkompetenzen eingeräumt hat, gegen das „grundgesetzliche Verbot einer sog. Mischverwaltung“ verstießen.100 Das ergibt, lässt man die semantischen Verwirrungen rund um den Terminus der Mischverwaltung außen vor, eine inhaltlich klare und strikte Linie der Rechtsprechung, die sich wie folgt zusammenfassen lässt und im Grundsatz auch im Schrifttum unbestritten ist: Erstens sind die Verwaltungen von Bund und Ländern grundsätzlich voneinander getrennt (Trennungsgrundsatz).101 Diese Dichotomie findet sich in den genannten Urteilen zwar nicht explizit, ist jedoch logische Voraussetzung der weiteren Grundsätze und auch den Art. 83 ff. GG inhärent, da die Aufteilung von Kompetenzen nur bei getrennten Verwaltungsträgern sinnvoll ist. Zweitens sind die durch das Grundgesetz verliehenen Kompetenzen unabdingbar (Verfügungs- bzw. Delegationsverbot). Denn die föderale Kompetenzverteilung der Art. 83 ff. GG ist ius cogens, von dem auch einvernehmlich nicht abgewichen werden kann, wie sich zweifelsfrei aus den Art. 83 ff. GG ergibt. Schon die Formulierung im Indikativ (Art. 83 GG: „führen aus“ einerseits, Art. 87 Abs. 1 GG: „werden geführt“ andererseits) zeigt, dass die jeweilige Gliedkörperschaft zur Aufgabenwahrnehmung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet wird.102 Nur in Fällen fakultativer Kompetenzen kommt es auf Willensentscheidungen des jeweiligen Kompetenzträ98

BVerfGE 11, 105 (124). BVerfGE 32, 145 (156). 100 BVerfGE 39, 96 (120). 101 So auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 22 Rn. 41; Burgi, Vom „Verbot der Mischverwaltung“ zur Dogmatik der vertikalen Kooperation im Bundesstaat, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer, FS Schnapp, 2008, S. 15 ff. (S. 23). 102 Vgl. Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 83 Rn. 24. 99

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gers an.103 Der Wortlaut unterscheidet jedoch deutlich zwischen fakultativen und obligatorischen Kompetenzen. Zudem statuiert Art. 83 Hs. 2 GG einen Verfassungsvorbehalt: Abweichungen vom Regelfall der Landeseigenverwaltung bedürfen eines verfassungsrechtlichen Titels.104 Dies ist der entscheidende Unterschied zur Vorgängerregelung des Art. 14 WRV, der eine Abweichung vom Regelfall der Landeseigenverwaltung durch einfaches Reichsgesetz ermöglichte.105 Schließlich ist die föderale Kompetenzverteilung als Element vertikaler Gewaltenteilung zu sehen, das exekutive Macht und Verantwortlichkeit zwischen Bund und Ländern verteilen und begrenzen soll. Die Kompetenzverteilung kann daher weder durch einfaches Gesetz noch durch konsensuale Staatspraxis abbedungen werden.106 Würde man dies anerkennen, läge darin die Zulassung einer formlosen Grundgesetzänderung außerhalb des Art. 79 GG.107 Und drittens bedarf jede Mitwirkung des Bundes bei Verwaltungsaufgaben der Länder, die nicht bloß beratenden oder informativen, sondern substanziellen (d. h. mitplanenden, mitverwaltenden oder mitentscheidenden) Charakter hat, einer ausdrücklichen Ermächtigung im Grundgesetz (Fremdbestimmungsverbot). Das bedeutet, dass das Letztentscheidungsrecht und die Letztverantwortlichkeit bei dem originären Kompetenzträger liegen müssen. Einflussrechte eines unzuständigen Verwaltungsträgers dürfen insoweit auch einvernehmlich nicht begründet werden.108 Das Fremdbestimmungsverbot ist letztlich ein Minus zum Verfügungsverbot: Es dürfen keine Kompetenzen abgetreten werden; unzuständigen Verwaltungsträgern dürfen aber auch keine Mitentscheidungsbefugnisse oder Zustimmungserfordernisse 103 So auch Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 113. 104 Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 10; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 47. 105 Art. 14 WRV: „Die Reichsgesetze werden durch die Landesbehörden ausgeführt, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen.“ Das erlaubte zunächst die einfachgesetzliche Begründung reichsunmittelbarer Verwaltung, so dass für alle Bereiche der Reichsgesetzgebung faktisch auch eine fakultative Vollzugskompetenz des Reiches bestand. Verwaltungsökonomisch verlockender und daher gängige Staatspraxis war jedoch, die Landesbehörden in Personalunion zu mittleren und unteren Reichsbehörden zu erklären und diese so der unmittelbaren Reichsaufsicht zu unterwerfen. Auch diese weitreichenden Reichsingerenzen wurden nach Art. 14 Hs. 2 WRV für zulässig erachtet, vgl. Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, 3. Aufl. 1928, Art. 14, S. 129 f. 106 Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 49; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 30 Rn. 8; Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 11; Burgi, Vom „Verbot der Mischverwaltung“ zur Dogmatik der vertikalen Kooperation im Bundesstaat, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer, FS Schnapp, 2008, S. 15 ff. (S. 22). 107 Vgl. Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 114. 108 So auch die einhellige Auffassung im Schrifttum, vgl. etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 30 Rn. 10; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 89; Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 4 f.; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 49 f.

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eingeräumt werden. Denn dies wäre nichts anderes als ein faktischer (Teil-)Kompetenzverzicht. Hinsichtlich all dieser Grundsätze (Trennungsgebot, Verfügungsverbot und Fremdbestimmungsverbot) werden Ausnahmetatbestände oder Rechtfertigungsgründe nicht anerkannt und noch nicht einmal in Erwägung gezogen. Die Maßgaben beanspruchen insoweit absolute Geltung. bb) Die Entscheidung zum Schornsteinfegergesetz Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Schornsteinfegergesetz aus dem Jahr 1983109 wurde im Schrifttum als grundlegender Paradigmenwechsel und Absage an das Dogma des Mischverwaltungsverbots gefeiert.110 Tatsächlich war dieser Paradigmenwechsel in erster Linie semantischer Natur. Im ausdrücklichen111 Anschluss an Ronellenfitsch112, der den literarischen Grundstein für den Kurswechsel der Rechtsprechung gelegt hat, stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass dem Terminus der Mischverwaltung lediglich deskriptive, nicht aber rechtliche Bedeutung zukomme.113 Das begriffliche Missverständnis ist damit ausgeräumt. In materieller Hinsicht ist die Entscheidung hingegen weit weniger einschneidend, als landläufig angenommen.114 So zitiert die Entscheidung im Rahmen der allgemeinen Grundsätze für ein mögliches Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden bei der Verwaltung zunächst die erwähnte Vorgängerrechtsprechung und betont den zwingenden Charakter der Art. 83 ff. GG und die Unverfügbarkeit von Kompetenzen.115 Zwar findet sich auch die Feststellung, es gebe „keinen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund oder von den Ländern wahrzunehmen sind, sofern nicht ausdrückliche verfassungsrechtliche Regeln etwas anderes zulassen.“116 Diese Aussage klingt nach dem genauen Gegenteil zur früheren Judikatur. Sie ist jedoch im Zusammenhang mit den Folgesätzen zu lesen: „Nicht in jedem Fall eines Zusammenwirkens von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung werden die Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG angetastet. Insofern bedarf ein solches Zusammenwirken nicht in 109 BVerfGE 63, 1. Streitgegenstand war eine Vorschrift des Schornsteinfegergesetzes, wonach eine Verwaltungseinrichtung eines Landes mit der Geschäftsführung einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts betraut war. 110 Etwa Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 183; Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 101 Rn. 121. 111 BVerfGE 63, 1 (37 f.). 112 Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975. 113 BVerfGE 63, 1 (38). 114 Vgl. nur die Kritik bei Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (191). 115 BVerfGE 63, 1 (39). 116 BVerfGE 63, 1 (39).

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jedem Fall einer besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigung.“117 Mit anderen Worten: Solange die Kompetenz- und Organisationsnormen nicht betroffen sind, ist ein Zusammenwirken auch ohne ausdrückliche Regelung im Grundgesetz zulässig. Denn sie liegt außerhalb des zwingend vorgegebenen Rahmens. Liegt sie aber innerhalb dessen, sind also Kompetenznormen betroffen, ist eine verfassungsrechtliche Ermächtigung nötig. Das ist kein Gegensatz zur Vorgängerjudikatur. Denn dort ging es um Fragen der einvernehmlichen Kompetenzüberlassung bzw. der Einräumung von Mitentscheidungsrechten. Im Schornsteinfegerbeschluss geht es, wie das Gericht ausdrücklich feststellt, nicht um Mitentscheiden.118 Nuancen in der Wortwahl, die nicht zuletzt dem Zeitgeist des kooperativen Föderalismus Tribut zollen, suggerieren eine Gegensätzlichkeit, die nicht besteht. Res iudicata im Schornsteinfegerbeschluss war die Situation einer Organleihe. Diese betrifft nicht die Kompetenzordnung, da die betraute Stelle als eingegliedertes Organ des zuständigen Hoheitsträgers fungiert und dessen Fachaufsicht untersteht.119 Der Kompetenz- und Verantwortungszusammenhang bleibt gewahrt. Eine Organleihe wäre daher auch nach den Maßstäben der vorherigen Rechtsprechung als zulässig einzustufen. Im Schornsteinfegerbeschluss sattelt das Bundesverfassungsgericht vielmehr noch einen einschränkenden Grundsatz obendrauf, nämlich den Grundsatz, dass zugewiesene Aufgaben mit eigenen Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln wahrzunehmen sind.120 Zugewiesene Aufgaben sind also nicht nur in eigener Verantwortung (Fremdbestimmungsverbot), sondern auch mit eigenen Mitteln, gewissermaßen „eigenhändig“, wahrzunehmen. Das ist eine organisationsrechtliche Frage, die in den vorhergehenden Fallkonstellationen gar nicht zur Debatte stand und weder mit dem Verfügungsverbot noch mit dem Fremdbestimmungsverbot etwas zu tun hat. Nur hinsichtlich dieser – zusätzlichen – organisationsrechtlichen Maßgabe lässt das Gericht für bestimmte, eng begrenzte Fälle Ausnahmen zu: Fremde Mittel dürfen ausnahmsweise zur Erfüllung eigener Verwaltungsaufgaben herangezogen werden, wenn ein besonderer sachlicher Grund besteht und es sich um eine eng umgrenzte Verwaltungsmaterie handelt.121 Missverständlicherweise bezeichnet das Gericht das neu kreierte Gebot der Aufgabenerledigung mit eigenen Mitteln im Anschluss an Grawert122 als „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“. Dabei geht es hier nicht um die Eigenverantwortlichkeit, sondern vielmehr um die Frage der „Eigenhändigkeit“. Die Pflicht zur eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung im Sinne fachlicher Letzt117

BVerfGE 63, 1 (40), Hervorhebungen d. Verf. BVerfGE 63, 1 (42). 119 BVerfGE 63, 1 (42), näher zur Figur der Organleihe auf S. 158 ff. 120 BVerfGE 63, 1 (41). 121 BVerfGE 63, 1 (41). 122 Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 195. 118

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entscheidungsverantwortung ergibt sich schon aus dem Fremdbestimmungsverbot. Dass die Organleihe nichts an der Verantwortlichkeit des originären Kompetenzträgers ändert, setzt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung selbst voraus.123 Gerade deshalb hat es die zwingende Kompetenzordnung im judizierten Fall auch für nicht angetastet erachtet. Das Gebot, zugewiesene Aufgaben grundsätzlich mit eigenen Mitteln zu erledigen, wird also durch die Bezeichnung als „Gebot eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ unzutreffend beschrieben. Treffender für den Gehalt dieses Grundsatzes wäre die Bezeichnung „Gebot eigenhändiger Aufgabenwahrnehmung“ oder schlicht „Selbstwahrnehmungsgebot“. Letztere wird im Folgenden verwandt, um Verwechslungen mit dem Fremdbestimmungsverbot zu vermeiden. Um es noch einmal zu unterstreichen: Die im Schornsteinfegerbeschluss anerkannten Ausnahmetatbestände beziehen sich nur auf die organisatorische Anforderung, Aufgaben mit eigenen Mitteln zu erledigen. Von dem Verfügungsverbot ebenso wie von dem Fremdbestimmungsverbot erteilen sie hingegen keinen Dispens. Die Entscheidung stellt damit keineswegs eine Zäsur zur bisherigen Rechtsprechung, sondern – neben den begrifflichen Klarstellungen – materiell vielmehr eine Ergänzung der hergebrachten Grundsätze dar.124 cc) Das Hartz IV-Urteil Konsequenz des verbreiteten Missverständnisses ist, dass das Hartz IV-Urteil überwiegend als Abkehr von der „Schornsteinfeger-Rechtsprechung“ und als Zurückschwenken auf die anfängliche Linie der Rechtsprechung, die angeblich strengere Anforderungen an eine Bund-Länder-Zusammenarbeit stelle, interpretiert wird.125 Diese Annahme geht fehl. Denn auch insoweit besteht die behauptete Gegensätzlichkeit nicht.126 Dementsprechend ordnet der Senat sowohl die frühen Entscheidungen als auch den Schornsteinfegerbeschluss in eine kontinuierliche Linie ein. Materiell bleibt es

123 BVerfGE 63, 1 (31): „Das entliehene Organ wird als Organ des Entleihers tätig, dessen Weisungen es unterworfen ist und dem die von diesem Organ getroffenen Maßnahmen zugerechnet werden“; auf S. 42 wird weiter klargestellt, dass das entliehene Landesorgan hinsichtlich der übertragenen Tätigkeit „einer Aufsicht übergeordneter Landesbehörden nicht untersteht“. 124 Wie hier Trapp, Die Kontinuität der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur sog. Mischverwaltung, DÖV 2008, 277 (280): „keine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung“; a.A. Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (191). 125 Vgl. Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (197); Huber, Das Verbot der Mischverwaltung – de constitutione lata et ferenda, DÖV 2008, 844 (845). 126 Wie hier auch Burgi, Vom „Verbot der Mischverwaltung“ zur Dogmatik der vertikalen Kooperation im Bundesstaat, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer, FS Schnapp, 2008, S. 15 ff. (S. 19).

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bei den hergebrachten Grundsätzen [dazu sogleich Punkt (1)].127 Diese stehen keineswegs im Gegensatz zu der Aussage im Schornsteinfegerbeschluss, dass es Formen des „Zusammenwirkens“ gibt, die die Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG nicht antasten und die deshalb keiner ausdrücklichen Zulassung bedürfen. Genau in diesem Sinne zitiert der Senat auch den Schornsteinfegerbeschluss, wenn er feststellt, dass innerhalb des durch die Art. 83 ff. GG gezogenen Rahmens eine zwischen Bund und Ländern aufgeteilte Verwaltung zulässig sei.128 Mit dieser Formulierung ist zwar nicht viel gewonnen, bedeutet sie doch eben auch, dass außerhalb dieses Rahmens gemeinsame Verwaltungsformen ohne ausdrückliche Zulassung nicht möglich sind. Sie rückt aber die missverstandenen Aussagen der Schornsteinfegerrechtsprechung ins rechte Licht. Nochmals: Res iudicata war dort die Frage nach der Zulässigkeit der Organleihe. Materiell Neues findet sich in der aktuellen Entscheidung hinsichtlich der dogmatischen Herleitung des Fremdbestimmungsverbots [dazu Punkt (2)]. Für Verwirrung sorgen schließlich einige Unklarheiten im Subsumtionsteil, die entgegen der überwiegenden Urteilsrezeption eher in Richtung einer Aufweichung bisheriger Maßstäbe verstanden werden könnten [dazu Punkt (3)]. Diese Nuance wird bei der Interpretation des neuen Urteils als „Schwenk zurück“ übersehen. (1) Bekräftigung der bekannten Grundsätze Das Bundesverfassungsgericht wiederholt zunächst bekannte Aussagen zur Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. So seien die Verwaltungen von Bund und Ländern organisatorisch und funktionell im Sinne in sich geschlossener Einheiten grundsätzlich voneinander getrennt (Trennungsgrundsatz).129 Diesen auch der frühen Rechtsprechung zugrundeliegenden Grundsatz hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2003 im Urteil zum Telekommunikationsgesetz bekräftigt.130 Wiederholt wird auch das Verfügungsverbot: Von der Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, wie sie die Art. 83 ff. GG vornehmen, dürfe auch einvernehmlich nicht abgewichen werden; weder Bund noch

127 Auch im Sondervotum der Richter Broß, Osterloh und Gerhardt, BVerfGE 119, 331 (368 ff.) werden die im Urteil aufgestellten abstrakten Grundsätze im Prinzip nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich die einfachgesetzlichen Regelungen des SGB II verfassungskonform ausgelegt, weshalb im Ergebnis kein Verfassungsverstoß festgestellt wird. Auch das Sondervotum misst aber an denselben Kriterien: Die Letztentscheidungskompetenz und Letztverantwortlichkeit für den eigenen Aufgabenbereich müsse gewahrt bleiben (S. 389). Eine Verwischung von Verantwortlichkeiten sei in den SGB II-Arbeitsgemeinschaften aber deshalb nicht zu befürchten, da diese nach verfassungskonformer Auslegung bloße Bürogemeinschaften darstellten (S. 390). In dogmatischer Hinsicht werden lediglich die Ausführungen der Senatsmehrheit zur nötigen demokratischen Legitimation kritisiert (S. 392 f.). 128 BVerfGE 119, 331 (365) mit Verweis auf BVerfGE 63, 1 (38 ff.). 129 BVerfGE 119, 331 (364). 130 BVerfGE 108, 169 (182).

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Länder dürften über ihre Kompetenzen verfügen.131 Der Senat bekräftigt ferner das Fremdbestimmungsverbot mit der bekannten Formulierung aus BVerfGE 39, 96 (120), dass Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder ausgeschlossen seien, soweit das Grundgesetz solche nicht ausdrücklich übertrage.132 Mit diesem Dreiklang schließt das Gericht jegliche Fremdbestimmung durch unzuständige Verwaltungsträger aus. Obwohl nur in einseitiger Schutzrichtung zugunsten der Länder formuliert, muss das Verbot ebenso vice versa gelten und Mitbestimmungsrechte der Länder im Aufgabenbereich des Bundes ausschließen, sofern diese nicht ausnahmsweise durch das Grundgesetz vorgesehen sind. Und schließlich, so das Bundesverfassungsgericht, müssten die zugewiesenen Aufgaben mit eigenen Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrgenommen werden (Selbstwahrnehmungsgebot). Von diesem im Schornsteinfegerbeschluss aufgestellten Grundsatz dürfe bei Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes und hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie abgewichen werden.133 All diese Grundsätze entnimmt das Bundesverfassungsgericht der Kompetenzaufteilung nach Art. 83 ff. GG, die ihrerseits Ausprägung des bundesstaatlichen Prinzips sei.134 Die Grundsätze wurzeln also im Bundesstaatsverhältnis. (2) Rückbindung an das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip Neu am Hartz IV-Urteil ist, dass die Maßgaben nicht mehr nur dem Bundesstaatsprinzip entnommen, sondern erstmals durch rechtsstaatliche und demokratische Erwägungen flankiert werden. Eine klare Kompetenzzuordnung hält das Bundesverfassungsgericht auch aus Gründen rechtsstaatlicher und demokratischer Verantwortungsklarheit für geboten.135 Diese dogmatische Rückbindung ist sehr zu begrüßen. Denn in der Tat ist das Bestehen einer Kompetenz Grundvoraussetzung für die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns. Wenn dieses Handeln maßgeblich fremdbestimmt durch Einflussnahme Unzuständiger zustande kommt, ist die Kompetenzordnung ad absurdum geführt. Daher stellt die Klarheit und Widerspruchsfreiheit der Kompetenzordnung eine allgemeine rechtsstaatliche Anforderung an die Verwaltungsorganisation dar.136 Eine klare Verantwortungszuordnung gebietet ferner auch das Demokratieprinzip. Ohne eine klare Zuordnung einer Ver131

BVerfGE 119, 331 (365). BVerfGE 119, 331 (365). Nicht nachzuvollziehen ist, warum der Senat insoweit auf BVerfGE 32, 145 (156) verweist, wo sich der Grundsatz nicht findet. 133 BVerfGE 119, 331 (367). 134 BVerfGE 119, 331 (364). 135 BVerfGE 119, 331 (366). 136 Vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 79; Burgi, Vom „Verbot der Mischverwaltung“ zur Dogmatik der vertikalen Kooperation im Bundesstaat, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer, FS Schnapp, 2008, S. 15 ff. (S. 25). 132

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waltungseinrichtung zu einem Land oder zum Bund kann eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk als Souverän über die jeweiligen Parlamente bis hin zum konkreten Amtswalter nicht gewährleistet werden. Wenn unklar ist, für wen ein Amtswalter handelt, fehlt es an einer demokratischen Rückkopplung und ist der Souverän in seinen Einwirkungsmöglichkeiten beschnitten.137 Im Ergebnis schafft die Entscheidung keine neuen Grenzen für die Verflechtung von Entscheidungszuständigkeiten, sondern begründet die bekannten Grundsätze zusätzlich mit diesen verfassungsprinzipiellen Erwägungen. Diese materielle „Unterfütterung“ der bisher ausschließlich aus föderalen Aspekten hergeleiteten Grenzen ist die eigentliche Botschaft der Hartz IV-Entscheidung.138 (3) Absolute oder relative Geltung der Grundsätze? Trotz der grundsätzlich durch das Urteil geschaffenen Klarheit zur Frage zulässiger föderaler Zusammenarbeit enthält es im Subsumtionsteil Ungereimtheiten, die auf die Annahme eines ungeschriebenen Rechtfertigungsgrundes für Verletzungen der Kompetenzordnung hindeuten. Erstaunlicherweise finden sich zu diesen durchaus problematischen Passagen des Urteils kaum Äußerungen im Schrifttum.139 Es geht um die Frage, ob und inwieweit Ausnahmen von den aufgestellten Grundsätzen denkbar sind. Ausnahmsweise abgewichen werden durfte bisher lediglich von dem im Schornsteinfegerbeschluss kreierten Selbstwahrnehmungsgebot, wonach die zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich mit eigenen Mitteln zu erfüllen sind. Es besteht danach ein prinzipielles Organleiheverbot, von dem in eng begrenzten Ausnahmefällen abgewichen werden darf (nämlich bei Vorliegen eines sachlichen Grundes und einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie, siehe oben). Diesen Grundsatz einschließlich der Abweichungsmöglichkeit rezitiert der Senat im Rahmen der abstrakten Darstellung, ohne dass Neues hinzugefügt würde.140 Die abstrakten Ausführungen beschränken sich auf eine Wiederholung der bekannten Grundsätze.

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Die Richter Broß, Osterloh und Gerhardt halten in ihrem Sondervotum, BVerfGE 119, 331 (368 ff.), das Bild der Legitimationskette offensichtlich für „unterkomplex“. Ein hinreichendes Legitimationsniveau moderner Verwaltungsstrukturen könne auch anders erreicht werden (S. 392 f.). Dies ist jedoch die einzige verfassungsdogmatische Abweichung von der Senatsmehrheit. Im Übrigen handelt es sich um divergierende Auslegungen des einfachen Rechts. 138 Huber, Das Verbot der Mischverwaltung – de constitutione lata et ferenda, DÖV 2008, 844 (846 f.), spricht insoweit von einer „Veredelung“ der Grundsätze durch materiell-rechtliche Substanz. 139 Eine kritische Auseinandersetzung findet sich lediglich bei Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (193 f.); bei Winkler, Die Umsetzung von „Hartz IV“ als Herausforderung an das Organisationsrecht, VerwArch 2008, 509 (532, Fn. 193), findet sich ein Hinweis auf die „weitere […] Auffassung“ des Bundesverfassungsgerichts. 140 BVerfGE 119, 331 (367).

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Umso überraschender sind folgende fast beiläufige Bemerkungen im Subsumtionsteil: Nachdem der Senat festgestellt hat, dass die fraglichen Arbeitsgemeinschaften gemeinschaftliche Einrichtungen von Bund und Ländern darstellen, führt er aus, dass Gemeinschaftseinrichtungen entweder ausdrücklich im Grundgesetz zugelassen sein müssten oder ausnahmsweise durch besondere Gründe gerechtfertigt sein können.141 Die nähere Erläuterung, wann ein solcher Rechtfertigungsgrund anzunehmen ist, folgt auf der nächsten Seite: Eine Ausnahme vom Fremdbestimmungsverbot142 wie überhaupt von den Kompetenznormen der Art. 83 ff. GG komme „nur“ bei Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes und einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht.143 Diese Aussagen enthalten Sprengkraft, scheinen sie doch die bisher als absolut postulierten Grundsätze zu relativieren. Die angeführten Rechtfertigungskriterien stammen aus der Rechtsprechung zur Organleihe. Hier geht es aber gar nicht um die Frage, ob Aufgaben bei fortbestehender Verantwortlichkeit mit eigenen oder fremden Mitteln erledigt werden. Im Urteil geht es viel weiterreichend darum, ob in den Arbeitsgemeinschaften eine gemeinsame Aufgabenerfüllung dergestalt stattfindet, dass ein Verwaltungsträger Mitbestimmungsrechte bei Aufgaben eines anderen Verwaltungsträgers erhält. Das aber sind Fragen des Fremdbestimmungsverbots. Dies wird wenig später auch deutlich an den materiellen Erwägungen: So kritisiert der Senat eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung mit Zwang zur Einigung144 und eine „Vergemeinschaftung der Willensbildung“ mit der Folge „unumgängliche[r] Mitentscheidung“ und „systemimmanente[r] Blockademöglichkeiten und Kompromisszwänge“.145 Es geht also nicht um ein rein technisches Zusammenwirken durch Inanspruchnahme fremder Mittel, sondern um dezisives Zusammenwirken im dem Sinne, dass unzuständige Verwaltungsträger an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, und damit um Fremdbestimmung. Das Fremdbestimmungsverbot gilt nach bisheriger Auffassung aber absolut. Abweichungsmöglichkeiten bestehen nur im Fall ausdrücklicher Zulassung durch das Grundgesetz (etwa Art. 91a ff. GG). Das betont der Senat auch im abstrakten Teil des Hartz IV-Urteils: „Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern […] können […] nur in den vom Grundgesetz vorgesehenen Fällen zusammengeführt werden.“146 Und weiter: „Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder, wenn die Verfassung

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BVerfGE 119, 331 (369). Im Wortlaut des Bundesverfassungsgerichts: „Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes im Aufgabenbereich der Länder“. 143 BVerfGE 119, 331 (370). 144 BVerfGE 119, 331 (373). 145 BVerfGE 119, 331 (375). 146 BVerfGE 119, 331 (364), Hervorhebungen d. Verf. 142

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dem Bund entsprechende Sachkompetenzen nicht übertragen hat, [sind] durch das Grundgesetz ausgeschlossen.“147 Das steht in eklatantem Widerspruch zu folgender Feststellung im Subsumtionsteil: „Unabhängig davon, dass ein Abweichen von der Kompetenzordnung der Grundgesetzes schon wegen Bedeutung und Umfang der Grundsicherung für Arbeitssuchende ausscheidet, fehlt es auch an einem hinreichenden sachlichen Grund, der eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnte.“148 Dem liegt die Annahme einer ungeschriebenen Rechtfertigungsmöglichkeit zugrunde. Zwar hält der Senat diese im konkreten Fall für nicht erfüllt. Die Ausführungen zwingen gleichwohl zu dem logischen Schluss, dass es hinreichende Gründe geben soll, die eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung jenseits des Verfassungstextes rechtfertigen können. Damit würde die Ausnahmeregelung, die bisher nur Abweichungen von der Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung mit eigenen Mitteln erlaubte, auf alle Grundsätze erstreckt. Auch Verstöße gegen die bisher absolute Geltung beanspruchenden Verbote wie das Fremdbestimmungsverbot und wohl gar das Delegationsverbot149 könnten dann im Einzelfall gerechtfertigt sein. Die Verbote wären nur noch relativer Natur und die gesamte Kompetenzordnung der Art. 83 ff. GG damit nicht mehr ius cogens, sondern unter ungeschriebenem Abweichungsvorbehalt stehendes Recht. Hat der Senat dies wirklich gemeint? Es mutet befremdlich an, wenn eine derart weitreichende Rechtsprechungsänderung nicht im abstrakten Teil angekündigt wird, sondern sich erst im Subsumtionsteil gewissermaßen durch die Hintertür hereinschleicht. Hinzu kommt, dass die Annahme eines ungeschriebenen Ausnahmetatbestandes zur Kompetenzordnung in geradezu diametralem Kontrast zu den vorhergehenden abstrakten Ausführungen steht, die für ein Abweichen vom Fremdbestimmungsverbot noch eine explizite Ausnahmebestimmung im Grundgesetz gefordert haben. Das Urteil wäre insoweit in sich widersprüchlich. Es ist daher davon auszugehen, dass hier zwei Dinge vermengt werden, die zu trennen sind: einerseits die eigenverantwortliche, d. h. selbstbestimmte Aufgabenwahrnehmung (absolutes Fremdbestimmungsverbot) und andererseits die eigenhändige Aufgabenerledigung (relatives Organleiheverbot). Wie bereits ausgeführt, ist der „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ missverständlich, da er nach ersterem klingt, aber letzteres meint, nämlich die Wahrnehmung einer Aufgabe mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln.150 Diesem Missverständnis scheint das Gericht im Hartz IV-Urteil selbst aufgesessen zu sein. 147

BVerfGE 119, 331 (365), Hervorhebungen d. Verf. BVerfGE 119, 331 (371), Hervorhebungen d. Verf. 149 So jedenfalls klingt die Aussage in BVerfGE 119, 331 (370), dass eine „Ausnahme von den Kompetenznormen“ in Betracht komme. 150 So ganz deutlich BVerfGE 63, 1 (41). 148

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Nur hinsichtlich der Eigenhändigkeit sind ungeschriebene Ausnahmen anzuerkennen, weil die Wahrnehmung mit fremden Mitteln (Organleihe) mit Kompetenzüberlassungen und Mitentscheidungen durch Unzuständige nichts zu tun hat. Das Entscheidungsrecht des zuständigen Verwaltungsträgers wird durch eine Organleihe nicht in Frage gestellt.151 Eigenverantwortlich im Sinne einer fachlichen Letztentscheidungsbefugnis muss die Aufgabenwahrnehmung aber stets sein, wenn das Grundgesetz nichts anderes vorsieht. Hier ungeschriebene Ausnahmen anzuerkennen, würde das Verfügungsverbot konterkarieren und die Gefahr der Verwässerung der gesamten Kompetenzordnung bergen. Die Kompetenzverteilung nach den Art. 83 ff. GG steht aber – im Gegensatz zu Art. 14 WRV, wonach einfachgesetzlich von den Kompetenzvorgaben der Verfassung abgewichen werden konnte152 – gerade nicht unter Abweichungsvorbehalt. Abweichungen sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 83 Hs. 2 GG nur aufgrund des Grundgesetzes selbst zulässig. Das Fremdbestimmungsverbot wiederum ist notwendiger Annex zum Verfügungsverbot. Dieses liefe leer, wenn zwar Kompetenzen nicht übertragen werden dürften, Unzuständigen aber dennoch die Aufgaben zur Wahrnehmung in Eigenregie überlassen werden könnten. Das praktische Ergebnis ist in beiden Fällen, dass ein unzuständiger Hoheitsträger entscheidet, während der verfassungsmäßig berufene Hoheitsträger auf seine Kompetenz – de jure oder de facto – verzichtet. Das Fremdbestimmungsverbot muss daher ebenso absolut gelten wie das Verfügungsverbot. Hier Dämme einzureißen, wäre schon mit Blick auf die durch Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Staatsqualität der Länder bedenklich, die vor allem auf der Ebene der Verwaltung zur Geltung kommt, worauf schon Forsthoff zutreffend hingewiesen hat.153 Darüber hinaus leben Kompetenzabgrenzungen von Eindeutigkeit und Verbindlichkeit und sollten insoweit nicht zum Abwägungsposten gegenüber „hinreichenden sachlichen Gründen“ gemacht werden. Überlappende oder gar Doppelzuständigkeiten schwächen die Effizienz, im Falle konträrer Auffassungen auch die Handlungsfähigkeit der Verwaltung.154 Kompetenzregelungen sind Gerüst und Voraussetzung staatlicher Machtbalance. Anders als etwa die Grundrechte, die eine Seite berechtigen und die andere Seite verpflichten, entfalten Kompetenznormen

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Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (193). Dazu Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, 3. Aufl. 1928, Art. 14, S. 129 f. 153 Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, spricht einen Punkt an, der, obwohl auf die Weimarer Verfassung gemünzt, für den Bundesstaat des Grundgesetzes ebenso gilt: Da sowohl Gesamtstaat wie auch Gliedstaaten eigene Staatlichkeit zukämen, die Gesetzgebungskompetenzen aber überwiegend beim Gesamtstaat lägen, falle die Entscheidung über die Staatlichkeit der Länder auf dem Sektor der Verwaltung (S. 35). Hier dürfe es keine Einmischung geben: „Es gehört zum Wesen des Bundesstaats, daß der Reichsvollzug den Landesvollzug ausschließt und umgekehrt“ (S. 124). 154 Vgl. Cornils, Verbotene Mischverwaltung, ZG 2008, 184 (197). 152

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allseitige Verpflichtungswirkung und sind daher einer Abwägung nicht zugänglich.155 Ausnahmen sind daher erst auf der dritten Stufe anzuerkennen, wenn zwar unzuständige Behörden mit der Erledigung einer Aufgabe betraut werden, der zuständige Verwaltungsträger sich aber das Weisungsrecht vorbehält (so im Fall der Organleihe). Die Entscheidungsrechte sind in diesem Fall nicht betroffen. Es geht um die technische Aufgabendurchführung; das an sich unzuständige Organ handelt als verlängerter Arm des zuständigen Verwaltungsträgers. Es ist davon auszugehen, dass der Senat dies auch entsprechend seiner abstrakten Ausführungen gemeint hat. Alles andere hätte eine extreme Verwässerung und Beliebigkeit der Kompetenzordnung zur Folge, die sich mit Art. 83 Hs. 2 GG schwer vereinbaren lässt. c) Zwischenfazit Eine effektive Aufgabenwahrnehmung trotz der auf verschiedene Ebenen verteilten Staatlichkeit zu gewährleisten, ist eine Herausforderung für föderale Staatswesen. Formen der ebenenübergreifenden Verwaltungskooperation können im Einzelfall staatspraktisch unumgänglich sein. Gleichwohl müssen sie sich an den geltenden Verfassungsgrundsätzen für ein Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern messen lassen. aa) Grundsätze für ein Zusammenwirken von Bund und Ländern Diese lassen sich nach alledem wie folgt zusammenfassen: Ausgangspunkt ist die Zuweisung der Kompetenzen durch die Art. 83 ff. GG, die ius cogens sind. Weder Verwaltungsvereinbarungen noch konsensuale Staatspraxis sind in der Lage, diese Kompetenzlage zu modifizieren. Es besteht insoweit erstens ein Kompetenzverfügungsverbot bzw. – positiv gewendet – ein Kompetenzerhaltungsgebot.156 Zweitens bedürfen Ingerenzrechte wie Mitentscheidungs- oder Weisungsbefugnisse, Einvernehmlichkeitserfordernisse oder Zustimmungsvorbehalte unzuständiger Verwaltungsträger im fremden Aufgabenbereich einer ausdrücklichen Zulassung im Grundgesetz und sind ansonsten ausgeschlossen. Der verfassungsmäßig berufene Verwaltungsträger muss die Aufgabe in eigener Letztverantwortung erledigen (Fremdbestimmungsverbot).157 Das gebietet nicht nur das föderale Prinzip, sondern im Hinblick auf die Erhaltung parlamentarischer Verantwortlichkeit und Ununterbrochenheit der Legitimationskette ebenso das Demokratieprinzip sowie das 155 Vgl. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 182. 156 Vgl. Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 83 Rn. 29. 157 Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 49 f.; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 89; Dittmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 83 Rn. 4 f.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

Rechtsstaatsprinzip.158 Insoweit kann auch von einem Grundsatz der Verantwortungsklarheit gesprochen werden. Obwohl das Fremdbestimmungsverbot meist nur zu Lasten des Bundes formuliert wird, besteht kein Zweifel, dass der Grundsatz in beide Richtungen zielt.159 Eng mit dem Verbot nicht zugelassener Ingerenzen hängt die Bindung an den numerus clausus der grundgesetzlichen Verwaltungstypen zusammen. Die drei Verwaltungsformen der Landeseigen- und Bundeseigenverwaltung als Extrema und der Auftragsverwaltung als Zwischenform sind abschließend.160 Weitere Zwischenoder Kombinationsformen, die Elemente der Bundes- und Landesverwaltung verbinden, sind ausgeschlossen (Umgehungsverbot bzw. Typenzwang).161 Sie würden nämlich nicht vorgesehene Ingerenzen des einen oder anderen Verwaltungsträgers bedeuten und damit wiederum gegen das Fremdbestimmungsverbot verstoßen. Das gilt etwa für die verwaltungsökonomisch verlockende Konstruktion einer obersten Bundesbehörde, der auf der unteren und mittleren Ebene Landesbehörden unterstellt wären.162 Zuständige Verwaltungsträger dürfen unzuständige Einrichtungen nur dann zur Aufgabenerledigung in Anspruch nehmen, wenn diese Einrichtung als Organ des zuständigen Verwaltungsträgers fungiert und nach dessen fachlichen Weisungen arbeitet (so die Konstruktion der Organleihe). So wird dem Gebot der Letztverantwortung Rechnung getragen. Freilich besteht selbst in diesen Fällen aber die Gefahr, dass der unzuständige Verwaltungsträger zwar nicht rechtlichen, aber faktischen Einfluss auf die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung gewinnt. Daher sind auch diese Konstruktionen, obwohl das Fremdbestimmungsverbot formal nicht berührt ist, nur ausnahmsweise zulässig und ist prinzipiell eine Aufgabenwahrnehmung mit eigenen Einrichtungen zu fordern. Es gilt insoweit ein grundsätzliches Selbstwahrnehmungsgebot, von dem in Ausnahmefällen aber abgewichen werden darf. Während dieses Selbstwahrnehmungsgebot (also das Gebot der Aufgabenerledigung mit eigenen Mitteln) insoweit relativ ist, gelten Verfügungs-, Umgehungsund Fremdbestimmungsverbot hingegen absolut. Ingerenzen sind nur in den ausdrücklich durch das Grundgesetz erwähnten Fällen zulässig.

158

Vgl. Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 83 Rn. 36. So auch Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 101 Rn. 122. 160 Vgl. auch BVerfGE 119, 331 (364): „in den Art. 83 ff. GG erschöpfend geregelt“. 161 Vgl. Burgi, Vom „Verbot der Mischverwaltung“ zur Dogmatik der vertikalen Kooperation im Bundesstaat, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer, FS Schnapp, 2008, S. 15 ff. (S. 23); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Vorbemerkung vor Art. 83 Rn. 7. 162 Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 50. 159

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit

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bb) Koordination und Kooperation Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern müssen sich in dem so gezogenen Rahmen bewegen. Je intensiver die Verflechtung ist, desto näher rückt naturgemäß die verfassungskritische Grenze. Aus kompetenzrechtlicher Sicht unbedenklich sind der wechselseitige Austausch von Erkenntnissen, unverbindliche Beratungen, Abstimmungen und Empfehlungen, gleichgültig, ob diese informell oder institutionalisiert in gemeinsamen Gremien und Kommissionen stattfinden.163 All dies sind Maßnahmen der Koordination, die im Vorfeld der Sachaufgabe liegen und den Kompetenzträger nicht in seiner Entscheidungsfreiheit einschränken.164 Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhänge drohen daher nicht verwischt zu werden. Jeder bleibt für den eigenen Aufgabenbereich alleinverantwortlich. Formen der Kooperation hingegen, also der gemeinsamen oder fremden Wahrnehmung der Sachaufgabe selbst, sind enge Grenzen gesetzt. Bei einer operativen Zusammenarbeit in gemeinschaftlichen Einrichtungen ist entscheidend, dass sich jeder Aufgabenträger auf seinen Bereich beschränkt und die Hierarchiestränge unangetastet bleiben.165 Die Letztentscheidungsbefugnis und -verantwortlichkeit darf bei Kooperationsformen nicht zum bloßen Formalkriterium werden, sondern muss auch in der Sache erhalten bleiben.166 Hierfür ist bei ständigen Gemeinschaftseinrichtungen, die nicht zuletzt wegen der entstehenden Loyalitätsstrukturen zwischen den entsandten Mitarbeitern zu einer gewissen Eigendynamik und Verselbständigung neigen, besonders Sorge zu tragen.167 Wenn eine unzuständige Behörde nicht nur im fremden Aufgabenbereich mitwirkt, sondern die Aufgabe allein wahrnimmt, muss die Entscheidungsverantwortung – wie im Fall der in der Staatspraxis häufigen Organleihe – bei dem ursprünglichen Kompetenzträger liegen.168 Diese Verantwortung muss auch tatsächlich ausgeübt werden. Darüber hinaus gehende Verflechtungen, insbesondere eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder unter gemeinschaftlicher Willensbildung 163

Vgl. Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 83 Rn. 42 f. Zu den Instrumenten föderaler Koordination und Kooperation im Einzelnen Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 105 Rn. 29 ff. 165 Vgl. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 87. 166 Vgl. Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 83 Rn. 34 und 43; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 52. 167 Vgl. Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 83 Rn. 41. 168 Würde der unzuständige Verwaltungsträger eine fremde Aufgabe in autonomer Entscheidungsverantwortung wahrnehmen, läge ein schärferer Verstoß gegen das Fremdbestimmungsverbot vor als bei Mitentscheidungsbefugnissen in Gemeinschaftseinrichtungen, auch wenn dies dem Wortsinn nach keine „Mischverwaltung“ wäre, vgl. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 91. Das bestätigt nur die Untauglichkeit des Begriffs. Um „Fremdverwaltung“ handelt es sich nämlich sehr wohl. 164

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

oder eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch unzuständige Verwaltungsträger, sind nur zulässig, wenn das Grundgesetz Ausnahmen einräumt. Hier sind insbesondere die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a ff. GG sowie die Amtshilfe nach Art. 35 GG zu nennen. 3. Zusammenarbeit zwischen den Ländern Neben der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern stellt sich im Bundesstaat auch die Frage nach der Zulässigkeit einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung durch mehrere Länder. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass Kooperationsformen der Länder untereinander kein Thema des Grundgesetzes, jedenfalls aber kein Problem der Art. 83 ff. GG seien.169 Dem kann so pauschal nicht gefolgt werden. Zu differenzieren ist zunächst zwischen dem Landesvollzug von Landesrecht (Art. 30 GG) und dem Landesvollzug von Bundesrecht (Art. 83 GG). In beiden Fällen ist ein Zusammenwirken der Länder untereinander vorstellbar. Soweit die Länder bei dem Vollzug von Bundesrecht zusammenarbeiten, ist dies sicher eine Frage der Art. 83 ff. GG und gelten insoweit grundsätzlich die gleichen Kriterien wie im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Das sind insbesondere die Unverfügbarkeit von Kompetenzen und das Fremdbestimmungsverbot. Aber auch der Zusammenarbeit im Bereich ländereigener Aufgaben nach Art. 30 GG sind verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben. Traditionell wird die Zwischenländerzusammenarbeit für vergleichsweise harmlos gehalten und als grundgesetzliche Grenze für Länderkooperationen lediglich das Verbot einer Selbstpreisgabe der Eigenstaatlichkeit der Länder statuiert170 bzw. auf die Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG verwiesen.171 Auch die Rechtsprechung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Frage, ob durch intraföderative Vereinbarungen die Selbständigkeit der Länder angetastet werde, und rechtfertigt sie im Übrigen durch Zweckmäßigkeitserwägungen.172

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Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 53. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971, S. 169 ff. (S. 193 ff.); Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 105 Rn. 80; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 182; Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 20 Rn. 12. 171 Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 105 Rn. 80. 172 So etwa BVerwGE 22, 299 (309); vgl. dazu auch Nettesheim, Wettbewerbsföderalismus und Grundgesetz, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, 2004, S. 363 ff. (S. 376); BVerfGE 87, 181 (196) lässt darüber hinaus sogar offen, ob die Garantie der Eigenstaatlichkeit der Länder überhaupt eine verfassungsrechtliche Grenze für intraföderative Vereinbarungen zieht oder sich nur gegen den Bund richtet. 170

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Freilich darf durch eine Länder-Länder-Zusammenarbeit die Eigenstaatlichkeit und Selbstständigkeit einzelner Länder nicht in Frage gestellt werden.173 Diese Grenze ergibt sich aber erstens nicht aus Art. 79 Abs. 3 GG, da man Zwischenländervereinbarungen schwerlich als Grundgesetzänderungen wird klassifizieren können,174 sondern aus Art. 20 Abs. 1 GG (Bundesstaatsprinzip). Vor allem aber ist damit lediglich eine äußere Grenze für Kooperationen gesetzt, womit die Zulässigkeit im Übrigen noch nicht beurteilt ist. Dazu sind vielmehr auch die allgemeinen kompetenzrechtlichen Verfassungsgrundsätze heranzuziehen. a) Pflicht zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung Wenn das Grundgesetz eine Aufgabe zuweist, dann impliziert dies auch eine Pflicht zur Wahrnehmung, und zwar zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können „weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen“.175 Es ist kein Grund ersichtlich, warum für die Aufgabenzuweisung des Art. 30 GG anderes gelten soll als für die Aufgabenzuweisungen der Art. 83 ff. GG. Nicht nur der Bund kann unzulässigerweise in den Kompetenzbereich eines Landes einwirken, sondern auch ein anderes Land.176 Der Grundsatz der Unverfügbarkeit von Kompetenzen177 sowie des Fremdbestimmungsverbotes gelten daher auch im Verhältnis der Länder zueinander.178 Diese allgemeinen föderalen Grundsätze finden bislang kaum Berücksichtigung. Über diese Grundsätze mit schlichten Effektivitätserwägungen hinwegzugehen (etwa eine separate Aufgabenwahrnehmung in jedem einzelnen Land sei nicht „sinnvoll“179), ignoriert die Kompetenzentscheidung des Grundgesetzes und redet in der Sache einer Bundeskompetenz das Wort. Wenn der Sinn gewaltenteilender Kompetenzbestimmungen in der Beschränkung der Macht einzelner staatlicher Stellen liegt, dann nehmen diese Verfassungsentscheidungen dadurch zu Tage tretende praktische Erschwernisse gerade in Kauf. b) Demokratische und rechtsstaatliche Verantwortungsklarheit Die Berücksichtigung dieser kompetenzrechtlichen Grundsätze ist obendrein aus rechtstaatlichen und demokratischen Gründen geboten. Im Hartz IV-Urteil hat das 173

Vgl. Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 36; anderes gilt natürlich im Fall des Art. 29 GG. 174 Zu Recht daher die Klarstellung in BVerfGE 87, 181 (196). 175 Vgl. zuletzt BVerfGE 119, 331 (365). 176 Ebenso Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 36. 177 Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 177. 178 Vgl. Nettesheim, Wettbewerbsföderalismus und Grundgesetz, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, 2004, S. 363 ff. (S. 374). 179 So die Argumentation in BVerwGE 23, 194 (197).

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Bundesverfassungsgericht eine klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten nicht nur aus föderalen Gründen, also letztlich zum Schutz der Länder vor einem Eindringen des Bundes, eingefordert, sondern dies zu Recht auch am Rechtsstaatsund Demokratieprinzip festgemacht.180 Eine klare und eindeutige Kompetenzordnung ist danach Voraussetzung einer rechtsstaatlichen Verwaltungsorganisation und ermöglicht erst eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zum Amtswalter und damit demokratische Verantwortlichkeit. Diese Grundsätze gelten nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG ebenso für die Länder. Daher müssen nicht nur die demokratischen Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern klar bleiben, sondern auch die zwischen einzelnen Ländern. Die Fremdbestimmung der Verwaltungstätigkeit eines Landes durch ein anderes Land ist mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar. Denn die demokratische Legitimation muss von dem eigenen, nicht von einem fremden Landesvolk ausgehen. c) Verbot der „Dritten Ebene“ Zusätzlich zu diesen allgemeinen Grenzen statuiert das Grundgesetz eine weitere Grenze für die Zusammenarbeit der Länder untereinander: Es darf keine dritte föderale Ebene in Form einer bundeseinheitlichen Verwaltung der Länder entstehen, die in Konkurrenz zur Bundesebene tritt.181 Denn die staatlichen Einheiten nach dem Grundgesetz sind, wie bereits die Überschrift des II. Abschnitts zeigt, „der Bund und die Länder“, „tertium non datur“.182 Dem entspricht, dass das Grundgesetz die jeweiligen Aufgaben nicht einer Gesamtheit der Länder, sondern den einzelnen Ländern zuweist.183 Dieses Problem wird aktuell, wenn mehrere Länder eine echte, d. h. nicht einem bestimmten Land zugehörige, Gemeinschaftseinrichtung gründen, der – gewissermaßen als Kondominium mehrerer Länder – eigene Verwaltungszuständigkeiten übertragen werden.184 Derartige gemeinsame Einrichtungen der Länder dürfen nicht dazu führen, dass eine dritte föderale Ebene zwischen Bund und Ländern entsteht. Fraglich ist freilich, wann die Zusammenarbeit die Dimension einer dritten Ebene annimmt. Dafür dürften zwei Faktoren entscheidend sein: die Anzahl der an der Kooperation beteiligten Länder und die Summe und Bedeutung der gemeinschaftlich wahrgenommenen Aufgaben. Nicht in jeder regionalen Zwischenländerzusammenarbeit besteht eine Konkurrenz zur Bundesebene. Soweit sich nur einige benachbarte Länder an der gemeinsamen Aufgabenerfüllung (wenn auch gewichtiger Aufgaben) beteiligen, kann von einer bundeseinheitlichen Länderverwaltung keine Rede sein. 180

BVerfGE 119, 331 (366). Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 30 Rn. 23; Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 85. 182 Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 163. 183 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 82. 184 Paradebeispiel hierfür sind die länderübergreifenden Rundfunkanstalten, vgl. Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 105 Rn. 64. 181

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Als Anhaltspunkt mag Art. 87 Abs. 2 S. 2 GG dienen, wonach Sozialversicherungsträger, die für das Gebiet von höchstens drei Ländern zuständig sind, als öffentlichrechtliche Körperschaften der Länder (und nicht des Bundes) geführt werden dürfen. Diese Wertung kann als Indiz dafür gewertet werden, dass jedenfalls eine Zusammenarbeit von drei Ländern noch einen hinreichend regionalen Bezug aufweist und keine Konkurrenz zur Bundesebene bildet. Die Grenze zur dritten Ebene ist daher bei gemeinsamen Einrichtungen nur einiger weniger Länder noch nicht erreicht, wobei die Zahl drei als Richtwert verstanden werden sollte, der bei kleineren Flächenländern und Stadtstaaten auch überschritten werden kann. Entscheidend ist die regionale Begrenzung. Neben der Anzahl der Länder ist ferner auch die Summe der Aufgaben, die gemeinsam wahrgenommen werden, zu begrenzen.185 Denn eine gemeinsame Wahrnehmung sämtlicher Aufgaben von auch nur zwei beteiligten Ländern käme faktisch einer Länderfusion gleich, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des Art. 29 GG eingehalten wären. Dann entstünde zwar keine unzulässige dritte Ebene, aber die Vorgaben des Art. 29 GG würden umgangen. Aus Art. 29 GG folgt daher mittelbar das Gebot, gemeinsamen Einrichtungen nur einzelne Aufgaben zu übertragen.186 Außer der Anzahl der beteiligten Länder und der Summe der gemeinschaftlich wahrgenommenen Aufgaben ist für die Charakterisierung der Zusammenarbeit als dritte föderale Ebene ferner auch die Entscheidungsfindung in der gemeinsamen Einrichtung entscheidend, worauf Kirchhof zutreffend hinweist.187 In der Praxis sei nämlich weniger die Summe der gemeinschaftlich wahrgenommenen Aufgaben, sondern die Art der gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung problematisch. Wenn die Länder Gemeinschaftseinrichtungen gründen, die nach Mehrheit verbindlich für alle beteiligten Länder – also unter Umständen gegen den Willen einzelner Länder – entscheiden und nach außen handeln, entsteht funktional eine neue Ebene, etwas „Drittes“. Das ist nicht nur mit Blick auf den Verfassungsgrundsatz „tertium non datur“ bedenklich. Denn hier werden auch die Grundsätze der demokratischen und rechtstaatlichen Verantwortungsklarheit verletzt, die das Bundesverfassungsgericht im jüngsten Urteil zu Recht betont hat188 und die nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG in gleicher Weise für die Länder gelten.189 Eine gegen den Willen eines Landes getroffene Maßnahme wäre dann nicht mehr durch dieses Landesvolk legitimiert, sondern „nur“ durch eine Mehrheit der Landesvölker, eine dem Grundgesetz unbekannte Kategorie, die die demokratische Rückführung auf den Willen des je185 Nach Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 41, S. 786 soll die Grenze erst erreicht sein, wenn die Länder nahezu alle Aufgaben gemeinschaftlich erledigen, was in der Praxis sicher fernliegend ist und zu weitreichend sein dürfte. 186 In diesem Sinne auch Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971, S. 196 (zur Frage der Übertragung von Kompetenzen auf ein anderes Land). 187 Vgl. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 85. 188 BVerfGE 119, 331 (366). 189 Ähnlich Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 50.

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weiligen Landesvolks nicht ersetzen kann.190 Derartige „supranational“ wirkende Gemeinschaftseinrichtungen, in denen einzelne Länder durch Mehrheitsbeschluss überstimmt werden können, begegnen daher verfassungsrechtlichen Bedenken. Bisweilen findet sich zur Frage einer Länderzusammenarbeit in gemeinsamen Einrichtungen im Schrifttum die Auffassung, Art. 24 Abs. 1 GG, der die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen erlaubt, sei erst recht auf das Länder-Länder-Verhältnis anzuwenden.191 Dort geht es allerdings um die Übertragung von Hoheitsrechten weg vom deutschen Staatswesen hin zu zwischenstaatlichen Stellen, nicht aber um die Kompetenzübertragung von einem Träger deutscher Hoheitsgewalt auf einen anderen. Die Länder haben Staatsqualität im staatsrechtlichen, nicht aber im völkerrechtlichen Sinne. Dieser Analogieschluss überzeugt daher nicht.

d) Rechtfertigung von Ausnahmen Nach alledem ist das Grundgesetz keineswegs indifferent, was die Verwaltungszusammenarbeit der Länder anbelangt. Es gelten vielmehr grundsätzlich dieselben Maßgaben für die Verantwortungsklarheit wie im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, ergänzt durch das Verbot einer dritten Ebene. Das macht eine Aufgabenabwälzung auf ein anderes Land oder eine Gemeinschaftseinrichtung192 jedenfalls rechtfertigungsbedürftig.193 Anders als im Bund-Länder-Verhältnis wird man im Länder-Länder-Verhältnis jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von dem grundsätzlichen Gebot, Aufgaben in alleiniger Verantwortung wahrzunehmen, im Einzelfall für gerechtfertigt halten können.194 Im Bund-Länder-Verhältnis gelten die Grundsätze zwar absolut. Allein vom Selbstwahrnehmungsgebot darf ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Damit ist lediglich eine Organleihe zulässig, der aber auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite enge Grenzen gesetzt sind (siehe oben). Die Abgabe der Letztverantwortung und die Einräumung von Mitentscheidungsrechten sind hingegen stets ausgeschlossen. 190

Vgl. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 83 Rn. 85. So etwa Vedder, Intraföderale Staatsverträge, 1996, S. 146 f.; ähnlich auch BVerwGE 22, 299 (309). 192 Verfehlt erscheint insoweit jedenfalls die Argumentation, dass ein Land bei einer Aufgabenwahrnehmung in einer Gemeinschaftseinrichtung keine Kompetenzen abgebe, sondern neue Mitwirkungsrechte gewinne, die es ohne die Gemeinschaftseinrichtung nicht hätte. Es geht vielmehr darum, dass zuvor die Alleinverantwortlichkeit für die Wahrnehmung der Aufgabe bestand, die nunmehr geteilt ist. Diese Argumentation, die sich auch das Bundesverwaltungsgericht in der ZDF-Entscheidung, BVerwGE 22, 299 (309), zueigen macht, mag allenfalls für die Staatsaufgabe Rundfunk zutreffen, da diese der Natur nach mehrfach wahrnehmbar ist. 193 Nettesheim, Wettbewerbsföderalismus und Grundgesetz, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, 2004, S. 363 ff. (S. 387). 194 So auch Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/ Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 178, der bei Kooperationen unter den Ländern Abweichungen von den grundsätzlich gleichen Regeln leichter für rechtfertigungsfähig hält als im Bund-Länder-Verhältnis. 191

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Kompetenzen dürfen im Bund-Länder-Verhältnis auch nicht zur Ausübung übertragen werden. Der jeweilige Kompetenzträger muss stets und ausnahmslos alleinverantwortlich bleiben. Es spricht einiges dafür, im Zwischen-Länder-Verhältnis Ausnahmen zu diesen Grundsätzen zuzulassen. Denn deren Rigidität und absolute Geltung im BundLänder-Verhältnis erklären sich vor allem vor dem Hintergrund eines befürchteten Eindringens eines faktisch mächtigeren Bundes in Aufgabenbereiche der Länder, beruhen also letztlich auf einem bundesstaatlichen „principiis obsta“.195 Insoweit besteht ein faktischer Unterschied zu Kooperationsformen der Länder untereinander. Da es sich hier nicht um ungleiche, sondern um weitgehend „gleiche“ Partner handelt, ist die Gefahr einer Bevormundung durch einen Partner geringer. Es erscheint insoweit vertretbar, für den Bereich der Länder-Länder-Kooperation Ausnahmen vom Alleinverantwortlichkeitsprinzip unter den folgenden Bedingungen zuzulassen: Erstens müssen, um die grundsätzliche Geltung der Maßstäbe zu unterstreichen, zwingende sachliche Gründe für eine Zusammenarbeit vorliegen. Zweitens muss es sich – auch in der Summe der Kooperationen – um eine begrenzte Verwaltungsmaterie handeln. Durch diese quantitative Begrenzung gemeinschaftlich wahrnehmbarer Aufgaben wird ein schleichender Verlust der Eigenstaatlichkeit der Länder ausgeschlossen. In der Ausgestaltung der Kooperation müssen drittens jedem Land hinreichende Mit- bzw. Einwirkungsrechte verbleiben. In diesem Zusammenhang erscheint es erforderlich, dass politische Grundsätze einstimmig in den entsprechenden Gremien beschlossen werden und die Fachaufsicht über eine Gemeinschaftseinrichtung, die aus Gründen politischer Verantwortlichkeit nur bei einem Land zur Zeit liegen kann, turnusgemäß zwischen den beteiligten Ländern wechselt. Viertens darf die Aufgabenübertragung nicht endgültig, sondern muss wegen des Verbots der Selbstpreisgabe reversibel sein. In diesem Rahmen könnten Landesaufgaben durch Behörden eines anderen Landes oder durch gemeinsame Einrichtungen wahrgenommen werden. Dies könnte dann auch außerhalb des Instituts der Organleihe stattfinden mit der Folge, dass Aufsicht und Weisungsrechte im Einzelfall durch ein fremdes Land oder durch die Gemeinschaftseinrichtung ausgeübt werden könnten. Fünftens muss das anzuwendende Recht entweder das jeweilige örtliche Landesrecht oder ein im Moment der Übertragung bestimmtes sonstiges Recht sein. Dass das Recht eines Landes auch für die Aufgabenwahrnehmung in anderen Ländern herangezogen werden wird, also für bestimmte Länder die Geltung von Fremdlandesrecht vereinbart wird, erscheint aus demokratischen Gründen ausgeschlossen. Denn dies wäre nichts anderes als eine dynamische Verweisung auf die Rechtsetzung eines anderen Normgebers, die mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren

195 Entsprechend stellt auch das Bundesverfassungsgericht fest, das Verbot der Preisgabe der Eigenstaatlichkeit der Länder richte sich jedenfalls „in erster Linie gegen den Bund“, BVerfGE 87, 181 (196).

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ist.196 Die diesem Recht unterworfenen Drittlandesvölker hätten keine Möglichkeit, auf dieses Recht einzuwirken, und haben es auch nicht legitimiert. Wenn eine gemeinsame Einrichtung mehrerer Länder nach einem einheitlichen Recht unabhängig vom betroffenen Landesgebiet handeln soll, müsste das anwendbare Recht unmittelbar staatsvertraglich festgelegt werden.197 Durch die Ratifikation des Staatsvertrags werden die Inhalte Bestandteil des jeweiligen Landesrechts, so dass insoweit die demokratische Legitimation gegeben wäre. Dogmatisch gleich zu behandeln wäre der rechtstechnisch einfachere Fall einer statischen Verweisung auf ein bestimmtes Landesrecht. Wichtig ist, dass im Moment der Ratifikation des Staatsvertrags das anwendbare Recht feststeht und nicht einseitig verändert werden kann. Überdies muss sichergestellt werden, dass einzelne Länder in den Gremien einer gemeinsamen Einrichtung nicht überstimmt werden können, was auf ein Einstimmigkeitserfordernis hinausläuft. Nur so ist dem Demokratieprinzip genüge getan. Eine Zusammenarbeit der Länder untereinander ist nach alledem im folgenden Umfang zulässig: Unproblematisch sind, wie auch im Bund-Länder-Verhältnis, Maßnahmen der Koordination und Konsultation im Vorfeld der Sachaufgabe, wozu insbesondere die Fachministerkonferenzen zählen. Diese koordinativen Einrichtungen besitzen keine Verwaltungszuständigkeiten.198 Unproblematisch ist auch die Kooperation in Form einer Organleihe zwischen den Ländern nach den bekannten Maßstäben. Über das im Bund-Länder-Verhältnis Zulässige hinaus sind ferner unter bestimmten Voraussetzungen auch die Übertragung einer Sachaufgabe zur Ausübung auf ein anderes Land oder eine Gemeinschaftseinrichtung zulässig. Eine solche Aufgabenübertragung muss sachlich gerechtfertigt, inhaltlich begrenzt und reversibel sein. In der Ausgestaltung ist zu beachten, dass jedes Land hinreichende Mitwirkungsrechte erhält und das jeweilige Ortsrecht, ein anderes Recht nur im Fall einer statischen Verweisung, anzuwenden ist.

II. Zulässige Formen der Aufgabenwahrnehmung im fremden Zuständigkeitsbereich Im Rahmen der so gezogenen Grenzen für die administrative Zusammenarbeit bewegen sich eine Reihe organisationsrechtlicher Institute und Verknüpfungen, deren gemeinsamer Nenner ist, dass Behörden unter Überwindung bestehender Kompetenzgrenzen mit der Wahrnehmung von Aufgaben betraut werden, für die sie originär 196

Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Demokratie) Rn. 121. Das ist etwa der Fall bei der Juristenprüfungsübereinkunft der Länder Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, die nicht nur ein Gemeinsames Prüfungsamt vorsieht, sondern auch die materiellrechtlichen Vorschriften für die zweite Staatsprüfung enthält. 198 Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 101 Rn. 170. 197

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nicht zuständig sind. Dabei geht es nicht um Koordination im Vorfeld der Sachaufgabe, sondern um die Aufgabenwahrnehmung selbst, also um Kooperation im oben beschriebenen Sinne. Diese kann sowohl ebenenintern als auch ebenenübergreifend (im Bund-Länder- oder im Zwischen-Länder-Verhältnis) stattfinden. All diese Konstruktionen dienen dem praktischem Bedürfnis nach Zusammenarbeit – etwa aus Effizienzgesichtspunkten, angesichts größerer Sachnähe oder bestehender Strukturen bei der unzuständigen Behörde oder wegen Überforderung der zuständigen Behörde –, müssen sich aber in den Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen halten. Ausdrücklich durch das Grundgesetz zugelassen ist lediglich das Institut der Amtshilfe (einschließlich deren Sonderformen). Alle anderen Formen organisationsrechtlicher Verknüpfungen haben sich praeter constitutionem herausgebildet und müssen sich daher vollumfänglich an den Maßgaben des Grundgesetzes zur Verwaltungskooperation messen lassen. 1. Amtshilfe Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Amts- und Rechtshilfe. Die Vorschrift ist das notwendige Gegenstück zur horizontalen, insbesondere aber der vertikalen, also föderalen Gewaltenteilung.199 Sie will vermeiden, dass die Aufteilung von Hoheitsrechten auf Bund und Länder zu einer unüberwindlichen Separierung und damit letztlich einer Lähmung der Staatsgewalt führt.200 Trotz staatsrechtlicher Eigenständigkeit sind Bund und Länder damit keine impermeablen Subjekte im Sinne des Völkerrechts. Indem alle Behörden zur gegenseitigen Hilfeleistung verpflichtet werden, wenn diese erforderlich ist und angefordert wird,201 schließt Art. 35 Abs. 1 GG Bund und Länder vielmehr zu einem föderalen Kooperationsverbund202 zusammen, was auch mit der Formel von der Einheit der Staatsgewalt203 bzw. des Staatsorganismus zum Ausdruck gebracht wird.204 Dabei konstituiert Art. 35 Abs. 1 GG nicht nur eine unmittelbare Hilfspflicht ersuchter Behörden, sondern durchbricht zugunsten funktionaler Effizienz des Staatsganzen auch die Grundsätze strikter Kompetenzverteilung.205 Amtshilfe ist also 199 200

Rn. 1.

Vgl. Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 1. Vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35

201 Vgl. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 228 f. 202 Vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 3. 203 Etwa Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 1; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 35 Rn. 1; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1973), Art. 35 Rn. 5. 204 BVerfGE 7, 183 (190). 205 Vgl. Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 4.

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Hilfeleistung zwischen Behörden unter Überwindung bestehender Kompetenzgrenzen.206 Gerade weil die Amtshilfe insoweit Ausnahmecharakter hat, kommt der Bestimmung ihrer Voraussetzungen und Reichweite entscheidende Bedeutung zu. Die Formulierung des Art. 35 Abs. 1 GG ist knapp gehalten und überlässt diese Bestimmung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Forschung sowie dem (einfachen) Gesetzgeber. Richtschnur der Auslegung und Konkretisierung muss angesichts der ausnahmsweisen Durchbrechung der Kompetenzordnung eine enge Auslegung sein.207 Anhaltspunkt für die Auslegung des Verfassungsinstituts können einfachgesetzliche Konkretisierungen – wie insbesondere die für den Bereich des Verwaltungsverfahrens geltenden §§ 4 bis 8 VwVfG208 – sein. Aus normenhierarchischen Gründen kann diese Ausgestaltung aber nicht abschließend sein. Vielmehr wird sich zeigen, dass dem Grundgesetz ein weiterer Amtshilfebegriff zugrunde liegt als den §§ 4 ff. VwVfG. Mit anderen Worten haben nicht alle Voraussetzungen der einfachgesetzlichen Regelung verfassungsrechtliche Relevanz. Es gilt daher, den „harten Verfassungskern“ freizulegen. Aus kompetenzrechtlicher Sicht interessiert dabei in erster Linie die Frage, welche Behörden unter welchen Voraussetzungen im Aufgabenbereich einer anderen Behörde tätig werden dürfen, sei es einvernehmlich oder eigenmächtig. a) Formelle Voraussetzungen Zunächst ist die Reichweite der amtshilfeberechtigten und -verpflichteten Behörden zu klären. Einigkeit besteht dahingehend, dass der Behördenbegriff über den des § 1 Abs. 4 VwVfG209 hinausgeht und sämtliche Stellen umfasst, die unmittelbar staatliche Aufgaben wahrnehmen.210 Umstritten ist hingegen, ob Art. 35 Abs. 1 GG nur im föderalen Verhältnis zwischen Bundes- und Landesbehörde bzw. zwischen Behörden verschiedener Länder oder auch im internen Verhältnis zwischen Bundesbehörden bzw. Behörden desselben Landes gilt. Die enge Auffassung, die den bundes- und landesinternen Amtshilfeverkehr ausschließen will, stützt sich im Wesentlichen auf die systematische Stellung der Vorschrift im II. Abschnitt, der nur die bundesstaatlichen Beziehungen regle.211 Überzeugend ist ein solcher Ausschluss 206 207 208

Rn. 2.

Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 10. Vgl. Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 15, 17. Vgl. Funke-Kaiser, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 8. Edition 2010, § 4

209 Dazu Ronellenfitsch, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 8. Edition 2010, § 1 Rn. 65 ff. 210 Vgl. nur Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 3; Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 6. 211 So etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 1; Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 12; für die Irrelevanz des Art. 35 Abs. 1 GG für interne Beziehungen auch Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 40.

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nicht. Schon der nicht zwischen externer und interner Amtshilfe differenzierende Wortlaut spricht für eine auch bundes- und landesinterne Geltung, die im Übrigen auch anderen Bestimmungen des II. Abschnitts (wie Art. 33 Abs. 2 bis 4 GG und Art. 34 GG) nicht abgesprochen wird.212 Teilhaber am Amtshilfeverbund sind danach grundsätzlich alle staatlichen Stellen. Die Hilfeleistung kann in allen denkbaren Unterstützungstätigkeiten bestehen, was von der Erteilung von Auskünften über die Zurverfügungstellung von sachlichen und personellen Mitteln bis hin zur Vornahme von Vollstreckungshandlungen reichen kann.213 Damit scheint Art. 35 Abs. 1 GG eine weite Schneise in die Kompetenzordnung zu schlagen, dergestalt, dass jede Behörde alle möglichen Maßnahmen in ihr nicht zugewiesenen Aufgabenbereichen wahrnehmen dürfe. Diese wird jedoch durch zentrale Grundsätze der Amtshilfe wieder begrenzt: In formeller Hinsicht ist grundsätzlich ein Amtshilfeersuchen der an sich zuständigen Behörde erforderlich. In materieller Hinsicht muss ein Hilfsbedürfnis bestehen und der Ausnahmecharakter gewahrt bleiben. Formelle Voraussetzung für das Tätigwerden einer anderen Behörde ist zunächst ein ausdrückliches Ersuchen der originär zuständigen Behörde um Hilfe.214 Dieses Erfordernis ist dem Begriff der Hilfe im Grunde immanent, da Hilfe nur dem geleistet werden kann, der Hilfe braucht. Das Hilfsersuchen ist daher – bereits seit der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts215 – konstitutives Element der Amtshilfe. Es ist auch aus kompetenzrechtlicher Sicht essentiell, da der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung auch bedeutet, dass jede Behörde in ihrem Aufgabenbereich selbst entscheiden können muss, ob, welche und wessen Hilfe sie benötigt.216 Bedenklich ist insoweit die sog. Spontanhilfe. Gemeint ist eine Situation, in der eine Behörde im Aufgabenbereich einer anderen Behörde tätig wird, ohne dass diese sie darum ersucht hat. Man könnte also ebenso gut von „aufgedrängter Amtshilfe“ sprechen. Das verdeutlicht, dass die Spontanhilfe, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen zulässig sein kann, da die Möglichkeit unaufgeforderten Hineinwirkens in fremde Aufgabenbereiche die Gefahr der Erosion von Kompetenzgrenzen in sich birgt.217 Andererseits wird ein gänzliches Verbot der Spontanhilfe häufig nicht nur dem Bestreben des Art. 35 Abs. 1 GG nach funktionaler Effizienz staatlicher Auf212

Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 232; ebenso Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 5; Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 1. 213 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 14; Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 228. 214 Vgl. Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 15. Vgl. auch die einfachgesetzliche Regelung des § 4 Abs. 1 VwVfG („auf Ersuchen“). 215 PrOVGE 20, 445 (448). 216 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 19; Meyer-Teschendorf, Die Amtshilfe, JuS 1981, 187 (188). 217 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 19.

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gabenerledigung zuwiderlaufen, sondern auch den Interessen der originär zuständigen Behörde, die möglicherweise gern um Hilfe ersucht hätte, dies mangels Kenntnis oder Gelegenheit aber nicht konnte. Einem Teil des Schrifttums zufolge ermächtigt Art. 35 Abs. 1 GG aufgrund der genannten Bedenken nicht zur Spontanhilfe. Die Zulässigkeit von unaufgefordertem Behördenhandeln im fremden Aufgabenbereich könne sich jedoch aus anderen Rechtsregimen wie etwa der öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungeschriebenen Eilkompetenzen ergeben.218 Nach einer Auffassung soll die Spontanhilfe überhaupt keiner Rechtgrundlage bedürfen, soweit sie keine Eingriffsqualität und damit keine Grundrechtsrelevanz besitzt.219 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Kompetenzordnung freilich nicht nur Geltung für grundrechtsrelevantes Handeln beansprucht. Ferner erscheint zweifelhaft, ob das Institut der öffentlichrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag neben der Amtshilfe überhaupt legitimationsfähig ist.220 Jedenfalls stehen auch derartige Rechtsregime nicht über der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung – es sei denn, man wollte ihnen Verfassungsrang zumessen. Einfachrechtliche Institute, gleichviel ob geschrieben oder ungeschrieben, brauchen, wenn sie Kompetenzgrenzen überwinden, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Diese ist gerade in Art. 35 Abs. 1 GG zu sehen. Dass in bestimmten Notlagen das Verfahrenserfordernis des Ersuchens verzichtbar sein muss, sollte nicht zur Flucht in andere (zweifelhafte) Rechtsinstitute veranlassen. Vielmehr kann die zwischenbehördliche Spontanhilfe unmittelbar durch Art. 35 Abs. 1 GG legitimiert werden.221 Es ist nämlich überhaupt kein Grund ersichtlich, das praktische Bedürfnis nach einer Spontanhilfe in Notsituationen nicht im Rahmen der Auslegung des Art. 35 Abs. 1 GG zu berücksichtigen.222 Dass die Legaldefinition des § 4 Abs. 1 VwVfG ein Amtshilfeersuchen zwingend voraussetzt und die Spontanhilfe somit vom Anwendungsbereich der §§ 4 ff. VwVfG ausschließt, hindert daran nicht, da die einfachgesetzliche Regelung nicht die Auslegung des Grundgesetzes beeinflusst. Vielmehr lässt sich argumentieren, dass die §§ 4 ff. VwVfG nur einen Ausschnitt des weiteren Art. 35 Abs. 1 GG konkretisieren. Danach ist ein Amtshilfeersuchen zwar grundsätzliche Voraussetzung für Amtshilfehandlungen, in bestimmten, näher zu konkretisierenden Ausnahmefällen aber entbehrlich. Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Amtshilfeersuchens: Es dient der Sicherstellung der Verfahrensherrschaft und 218 Meyer-Teschendorf, Die Amtshilfe, JuS 1981, 187 (189); Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 15 f. 219 Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 7. 220 Zu Recht mahnt Schoch, Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, Verw 2005, 91 (98 f.), dass mit deren Anerkennung die staatliche Kompetenzordnung unter Rückgriff auf ein zivilrechtliches Institut geradezu generalklauselartig unterlaufen werde. 221 So auch Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994, S. 80. 222 I. E. ebenso Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 220.

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-verantwortung der originär zuständigen Behörde. Andere Behörden sollen sich nicht eigenmächtig im fremden Aufgabenbereich betätigen. Dieser Schutzzweck läuft jedoch leer, wenn die Wahrnehmungskompetenz durch das Handeln einer anderen Behörde faktisch gar nicht berührt wird. Das ist der Fall, wenn diese mangels Kenntnis des Sachverhalts oder Möglichkeit rechtzeitigen Tätigwerdens ihre Kompetenz nicht wahrnehmen kann. In diesen Fällen muss ein Amtshilfeersuchen daher – nach teleologischer Auslegung des Art. 35 Abs. 1 GG – für entbehrlich erachtet werden. Hat eine Behörde keine Kenntnis von einer Sachlage in ihrem Aufgabenbereich, ermöglicht ihr erst die Benachrichtigung einer unzuständigen Behörde, von ihrer Kompetenz Gebrauch zu machen. Derartige Informationen dürfen daher unaufgefordert übermittelt werden (sog. Informationshilfe).223 Weitergehend wird man – insbesondere bei Aufgaben der Gefahrenabwehr – bei Gefahr im Verzug auch unaufgeforderte Vollzugsmaßnahmen für zulässig halten, soweit sofortiges Tätigwerden erforderlich ist. Das Abwarten eines Ersuchens würde eine effektive Aufgabenwahrnehmung vereiteln. Bei Lichte betrachtet ist auch in diesem Fall die Kompetenz der originären Behörde faktisch nicht beeinträchtigt, da sich mit Realisierung der Gefahr die Aufgabe gleichsam erledigt hat und die Behörde gar nicht mehr selbst von ihrer Kompetenz Gebrauch machen könnte. Die Zulässigkeit von Spontanhilfemaßnahmen in diesen Grenzen ergibt sich nach alledem unmittelbar aus Art. 35 Abs. 1 GG. Anderer Rechtsinstitute bedarf es hierzu nicht. Zu beachten ist, dass für ein Tätigwerden bei Gefahr im Verzug häufig einfachgesetzliche Eilkompetenzen bestehen, insbesondere der Bundespolizei und der Polizeivollzugsdienste der Länder (dazu bereits oben). Diese eilzuständigen Behörden betreiben die Gefahrenabwehr in Eilfällen dann als eigene Aufgabe, so dass keine Amtshilfe i.S.d. §§ 4 ff. VwVfG vorliegt, vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. Wenn die an sich zuständige und die eilzuständige Behörde derselben Gliedkörperschaft angehören, mag man sich damit begnügen. Sind aber Landesbehörden Eilzuständigkeiten hinsichtlich Bundesaufgaben eingeräumt oder vice versa, wird die Verbandskompetenz durchbrochen, was nur durch einen Rechtssatz mit Verfassungsrang gerechtfertigt werden kann. In diesem Fall kommen wieder die oben genannten Grundsätze zur Spontanhilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG zum Tragen. Die einfachgesetzlich begründeten Eilkompetenzen sind insoweit lediglich Konkretisierungen des Art. 35 Abs. 1 GG.224

223 Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 231. 224 A.A. Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994, S. 75, der im Eilfall die allgemeine Gefahrenabwehrkompetenz der Länder wieder aufleben lassen will. Die Eilbedürftigkeit lasse mit anderen Worten die ansonsten bestehende Bundeskompetenz wieder entfallen. Das überzeugt aus zwei Gründen nicht: Zum einen folgt die Kompetenzverteilung Sachmaterien. Nach der Argumentation Neddens entfiele die Bundeskompetenz auch in solchen Eilfällen, in denen die an sich zuständige Bundesbehörde selbst einsatzbereit ist. Je nach Dringlichkeit wären für ein und dieselbe Materie einmal der Bund und einmal das Land zuständig. Zum anderen ließe sich mit dieser Sichtweise nicht der umgekehrte Fall

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b) Materielle Voraussetzungen Auch wenn ein Hilfsersuchen vorliegt, sind die Möglichkeiten des Tätigwerdens im fremden Aufgabenbereich nicht unbegrenzt. Denn nicht nur das eigenmächtige (wie im Fall der Spontanhilfe), sondern auch das einvernehmliche Handeln im fremden Aufgabenbereich berührt die Kompetenzordnung. Eine Amtshilfe kann nicht allein dadurch legitimiert werden, dass die helfende und die zuständige Behörde sich schlicht einigen.225 Anderenfalls würde Art. 35 Abs. 1 GG die oben dargestellte Pflicht zur Selbstwahrnehmung zugewiesener Aufgaben aushebeln. Für eine Hilfeleistung im Rahmen der Amtshilfe bestehen daher auch materielle Voraussetzungen. Aus kompetenzrechtlicher Sicht zentrale materielle Anforderungen sind, dass tatsächlich ein Hilfsbedürfnis besteht und die Hilfeleistung den Ausnahmecharakter wahrt. Die ersuchende Behörde darf fremde Behördenhilfe nur in Anspruch nehmen, wenn und soweit die Hilfeleistung zur rechtmäßigen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.226 Die Behörde muss auf die Unterstützung durch die ersuchte Behörde gleichsam angewiesen sein. Das Hilfsbedürfnis kann aus tatsächlichem oder rechtlichem Unvermögen der ersuchenden Behörde zur Vornahme einer Handlung oder jedenfalls erheblicher Unwirtschaftlichkeit der Selbstvornahme resultieren, wie § 5 Abs. 1 VwVfG konkretisiert. Man wird aber davon ausgehen müssen, dass die Erforderlichkeit der Hilfeleistung nicht nur einfachgesetzlich normiert, sondern bereits verfassungsrechtlich geboten ist. Die punktuelle Durchbrechung der Kompetenzordnung wird nämlich gerade durch ein öffentliches Interesse an der Aufgabenwahrnehmung durch fremde Behörden gerechtfertigt. Dieses besteht nicht, wenn die originär zuständige Behörde ohne größere Schwierigkeiten selbst handeln könnte.227 Das Argument, eine andere Behörde könne eine Aufgabe wirtschaftlicher erfüllen (z. B. wegen ohnehin bestehender Strukturen für sachverwandte Aufgaben), ist freilich schnell bei der Hand. Gesteigerte Bedeutung kommt in der Praxis daher einer anderen materiellen Einschränkung zu. Das Instrument der Amtshilfe überspielt die – an sich zwingenden – Zuständigkeitsgrenzen, wenn und soweit dies im öffentlichen Interesse an einer effektiven staatlichen Aufgabenerledigung liegt und bringt die insoweit konfligierenden Grundsätze zu einem Ausgleich. Der Grundsatz der Unverfügbarkeit zugewiesener Kompetenzen liefe leer, wenn Behörden dauerhaft andere Behörden zur Erledigung eigener Aufgaben heranziehen könnten. Die Amtshilfe muss daher auf Ausnahmefälle begrenzt bleiben und darf nicht zu einer regelmäßigen Zusamrechtfertigen, dass Bundesbehörden im Wege der Eilkompetenz für an sich zuständige Landesbehörden tätig werden. Hier hilft nur Art. 35 Abs. 1 GG. 225 Vgl. Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994, S. 71. 226 Meyer-Teschendorf, Die Amtshilfe, JuS 1981, 187 (190); von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 20. 227 I. E. ebenso Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994, S. 72.

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menarbeit führen.228 Das bedeutet nicht, dass Art. 35 Abs. 1 GG nur in Extremfällen zur Anwendung käme (wie etwa Art. 35 Abs. 2 und 3 GG). Es geht vielmehr darum, dass das Instrument der Amtshilfe nicht routinemäßig und dauerhaft eingesetzt wird, sondern die eigenen Aufgaben im Grundsatz ohne Unterstützung durch andere Stellen erledigt werden.229 Die Amtshilfe muss sich auf punktuelle Unterstützung im Einzelfall beschränken.230 c) Rechtsfolgen Soweit die Voraussetzungen vorliegen, ermöglicht das Institut der Amtshilfe alle möglichen Unterstützungstätigkeiten von der Erteilung von Auskünften über die Zurverfügungstellung von Mitteln bis hin zur Vornahme von Vollstreckungshandlungen (siehe oben).231 Nimmt die fremde Behörde eine Sachaufgabe selbst wahr, handelt sie dabei nach ihrem eigenen Recht und unterliegt nicht den Weisungen der anfordernden Behörde. Die Amtshilfe führt also zu einer Durchbrechung des Verantwortungszusammenhangs. Es bleibt bei zwei parallelen Weisungsstrukturen, zwischen denen durch das (ggf. fingierte) Amtshilfeersuchen eine „Brücke“ geschlagen wird.232 2. Polizeihilfe Ein speziell geregelter Fall der Amtshilfe ist die Hilfe durch die Bundespolizei nach Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG. Es geht um Fälle, in denen ein Land zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf die Hilfe durch die Bundespolizei angewiesen ist. Angesichts der Ausrichtung auf die allgemeinpolizeilichen Schutzgüter bietet sich für diesen besonders geregelten Fall der Amtshilfe die Bezeichnung „Polizeihilfe“ an.233 Im Grunde hätte es des Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG nicht bedurft, da eine Hilfe durch die Bundespolizei schon auf Grundlage des Art. 35 Abs. 1 GG hätte stattfinden können. Die Einfügung im Jahr 1972 hatte insoweit eher klarstellenden Charakter.234 Gleichzeitig bewirkt der Satz als lex specialis zu Art. 35 Abs. 1 GG nun aber auch eine Einschränkung: Da Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG Fälle „von besonderer Bedeutung“ fordert, stellt er de jure für die Verwendungsmöglichkeit der Bundespolizei eine im Vergleich zu Art. 35 Abs. 1 GG 228

Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 7. Vgl. Dreher, Die Amtshilfe, 1959, S. 24 f. 230 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 13; in diesem Sinne will Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 222, auch das einfachgesetzlich in § 4 VwVfG der Hilfe vorangestellte Wort „ergänzend“ verstanden wissen. 231 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 14; Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 98 Rn. 228. 232 Vgl. Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 165. 233 So etwa Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 105 Rn. 26. 234 Klein, Der innere Notstand, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 169 Rn. 12. 229

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höhere Hürde auf.235 Faktisch wird dieses Kriterium regelmäßig vorliegen, wenn ein Land sich überfordert sieht und Hilfe durch die Bundespolizei anfordert. Im Unterschied zu Art. 35 Abs. 1 GG sollen die entsandten Bundespolizisten allerdings den fachlichen Weisungen des anfordernden Landes unterstehen und nach dessen Recht handeln.236 3. Katastrophenhilfe Eine weitere Sonderform der Amtshilfe ist die Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG. Die Besonderheit liegt auf Rechtsfolgenseite zum einen darin, dass auch Unterstützung durch die Streitkräfte angefordert werden kann, was im Rahmen des Art. 35 Abs. 1 GG aufgrund des Ausdrücklichkeitsvorbehalts des Art. 87a Abs. 2 GG ausgeschlossen ist. Zum anderen kann die Bundesregierung unter den Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 3 GG auch ohne Anforderung des betroffenen Landes Kräfte des Bundes oder anderer Länder einsetzen. a) Voraussetzungen Tatbestandliche Voraussetzung ist sowohl bei Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG als auch bei Art. 35 Abs. 3 GG eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücksfall, wobei sich die Gefährdung im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG auf das Gebiet mehr als eines Landes erstrecken muss. Den Begriffen ist gemeinsam, dass es sich um ein Schadensereignis großen Ausmaßes handeln muss. Der Unterschied liegt in der Verursachung: Wird das Schadensereignis durch Naturgewalten verursacht, liegt eine Naturkatastrophe vor, wird es durch menschliche oder technische Fehler verursacht, ist ein besonders schwerer Unglücksfall im Sinne des Art. 35 GG gegeben.237 Unbeachtlich ist, ob das menschliche Fehlverhalten auf Vorsatz zurückzuführen ist oder nicht.238 Denn es wäre mit dem Sinn und Zweck, einen effektiven Katastrophenschutz zu ermöglichen, schwerlich zu vereinbaren, ihn auf unwillentlich herbeigeführte Unglücksfälle zu beschränken, absichtlich herbeigeführte Schadensereignisse (wie etwa Sabotage oder Terrorakte) hingegen auszuschließen.239 Ebenso gebietet eine teleologische Auslegung der Norm, nicht erst die Realisierung des Unglücksfalles, also eine Störung im polizeirechtlichen Sinne, abzuwarten, sondern den Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG bereits im Fall einer unmittelbar drohenden Gefahr für anwendbar zu erklären: Bei Art. 35 Abs. 3 GG ist dies 235

Vgl. auch Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 23. Vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 66; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 5; so auch die einfachgesetzliche Regelung des § 11 Abs. 2 S. 2 BPolG. 237 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 7. 238 Klein, Der innere Notstand, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 169 Rn. 30. 239 BVerfGE 115, 118 (143 f.). 236

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angesichts des ausdrücklichen Wortlauts („gefährdet“) unproblematisch. Die Formulierung in Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG „zur Hilfe bei […]“ suggeriert hingegen, dass ein Schadensereignis bereits stattgefunden haben müsse und die Norm nur mehr die Schadensbeseitigung regle. Teilweise wird im Schrifttum zwischen der Naturkatastrophe und einem Unglücksfall dahingehend differenziert, dass Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG bei einer drohenden Naturkatastrophe bereits vorbeugende Gefahrenabwehr erlaube, bei einem Unglücksfall hingegen erst nachträgliche Schadensbeseitigung.240 Eine solche Differenzierung ist im Verfassungstext jedoch nicht angelegt. Zu Recht hat daher das Bundesverfassungsgericht im Luftsicherheitsurteil241 judiziert, dass beide Schadensereignisse gleich zu behandeln sind und ein Abwarten der Gefahrentwicklung nicht geboten ist.242 Dementsprechend hält das Bundesverfassungsgericht eine konkrete Gefahr für ausreichend, die allerdings im Hinblick auf die zeitliche Nähe und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts qualifiziert sein muss.243 Erforderlich ist danach eine gegenwärtige bzw. unmittelbar drohende Gefahr im polizeirechtlichen Sinne. Weitere Voraussetzung ist die Erforderlichkeit der Hilfe. Das besagt Art. 35 Abs. 3 GG ausdrücklich. In Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG findet sich ein solches Erforderlichkeitskriterium zwar nicht. Der Gedanke der Subsidiarität der Hilfeleistung liegt dem Art. 35 GG jedoch insgesamt zugrunde.244 Zudem steht Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG im Zusammenhang mit Satz 1, der voraussetzt, dass eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllbar ist. Die Erforderlichkeit der Hilfe ist daher auch bei Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. b) Rechtsfolge Rechtsfolge einer Anforderung nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG ist die grundsätzliche Pflicht zur Unterstützung des anfordernden Landes mit den genannten Kräften und Einrichtungen, also personellen und sachlichen Mitteln.245 In den Fällen des Art. 35 Abs. 3 GG (überregionaler Katastrophennotstand) ist darüber hinaus die Bundesregierung berechtigt, zur Unterstützung der Polizeikräfte betroffener Länder Einsatzkräfte der Bundespolizei und Bundeswehr einzusetzen sowie die Landesregierungen nichtbetroffener Länder anzuweisen, den betroffenen Ländern Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen. 240 So beispielsweise von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 70 f. 241 BVerfGE 115, 118. 242 BVerfGE 115, 118 (145); kritisch hingegen Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 38. 243 BVerfGE 115, 118 (145). 244 Vgl. Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 25; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 70. 245 Vgl. Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 30.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

Für die Hilfeleistung gilt in beiden Fällen, dass die angeforderten bzw. eingesetzten Kräfte organisatorisch der entsendenden Körperschaft zugeordnet bleiben. Materiell jedoch üben sie nach herrschender Meinung Hoheitsgewalt des betroffenen Landes aus und sollen deshalb – im Gegensatz zur allgemeinen Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG – nach dessen Recht handeln und dessen fachlichen Weisungen unterstehen.246 Das soll nicht nur für die Polizeikräfte anderer Länder, sondern auch für Einsatzkräfte der Bundespolizei und Bundeswehr gelten.247 Diese im Luftsicherheitsurteil auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte Auffassung begegnet erheblichen Bedenken im Hinblick auf die Verwendungsmöglichkeiten der Streitkräfte. Sie sind wegen des Sachzusammenhangs im Abschnitt zur unterstützenden Aufgabenwahrnehmung durch die Streitkräfte zu erörtern.248 Dort ist ebenfalls der – soweit ersichtlich, im Schrifttum bislang unbeantworteten – Frage nachzugehen, ob Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG über den Wortlaut hinaus auch die „bundesinterne Katastrophenhilfe“ einschließt. Gemeint ist die Konstellation, dass der Bund originär für eine polizeiliche Aufgabe zuständig ist – sei es sonderpolizeilich oder allgemeinpolizeilich außerhalb der Hoheitsgewässer – und zur Erledigung dieser Aufgabe die Hilfe der Streitkräfte braucht. Der Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG umfasst diesen Fall nicht. Andere Bundeskräfte und die Landespolizeien könnten in diesem Fall bereits über Art. 35 Abs. 1 GG helfen, die Streitkräfte mangels ausdrücklicher Zulassung aber nicht. Insoweit drängt sich die Frage nach einer analogen Anwendung des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG in diesen Fällen auf.

4. Organleihe Ein mit der Amtshilfe verwandtes Institut administrativer Kooperation ist die bereits im Zusammenhang mit dem Schornsteinfegerbeschluss erwähnte Organleihe. Damit wird das organisationsrechtliche Phänomen bezeichnet, dass im Bereich der Bundeseigenverwaltung eine Verwaltungseinrichtung eines Landes für den Bund bzw. umgekehrt im Bereich der Landeseigenverwaltung eine Verwaltungseinrichtung des Bundes für ein Land tätig wird.249 Abstrakt gesprochen wird also ein bestimmtes Organ eines Rechtsträgers neben den Aufgaben seines Rechtsträgers mit der 246 So die ganz herrschende Meinung, vgl. Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 30, 33; Klein, Der innere Notstand, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 169 Rn. 32 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 5; Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 28, 30; von Danwitz, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 75, 84; im Grundsatz ebenso Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 35 Rn. 22, 29 ff., der jedoch hinsichtlich des Einsatzes von Bundespolizei und Bundeswehr nach Art. 35 Abs. 3 GG eine Weisungsbefugnis der Bundesregierung und die Anwendung von Bundesrecht annimmt. 247 Vgl. Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 40; differenzierend für eine Weisungsunabhängigkeit der Bundeskräfte im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG vom betroffenen Land bei gleichzeitiger Gebundenheit an Landesrecht hingegen von Danwitz, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 82 ff. sowie Klein, Der innere Notstand, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 169 Rn. 33. 248 Zu den streitkräftespezifischen Fragen der Katastrophenhilfe eingehend auf S. 229 ff. 249 Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 51.

B. Möglichkeiten und Grenzen administrativer Zusammenarbeit

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Wahrnehmung gewisser Aufgaben eines anderen Rechtsträgers betraut.250 Die betraute Behörde handelt dabei im eigenen Namen, fungiert aber als Organ des fremden Rechtsträgers.251 Das Organ wird dem anderen Rechtsträger gewissermaßen „ausgeliehen“. Wird etwa eine Landesbehörde mit der Wahrnehmung von Bundesaufgaben betraut, so handelt sie insoweit „als Bundesbehörde“.252 Die Betrauung erfolgt durch allgemeine Regelung (meist durch Verwaltungsvereinbarung) und erstreckt sich auf einen dort definierten Aufgabenbereich.253 Der Organleihe kommt in der Staatspraxis erhebliche Bedeutung zu, da sie im Gegensatz zur Amtshilfe nicht auf das ausnahmsweise Tätigwerden im Einzelfall beschränkt ist, sondern die regelmäßige Wahrnehmung fremder Aufgaben ermöglicht. Der Beweggrund für eine solche dauerhafte Zusammenarbeit liegt darin, dass ein Rechtsträger aus Kosten- oder Zweckmäßigkeitsgründen für einen bestimmten Aufgabenbereich keine eigenen Verwaltungseinrichtungen schaffen, sondern vorhandene fremde Einrichtungen mitnutzen will. Anders als für die Amtshilfe (und ihre Sonderformen) finden sich im Grundgesetz allerdings keine Sonderregelungen zur Organleihe, so dass sich dieses organisationsrechtliche Phänomen im Rahmen der allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstäbe halten muss. Dass eine dauerhafte Wahrnehmung fremder Aufgaben in einem Spannungsverhältnis zur oben skizzierten Unverfügbarkeit von Kompetenzen steht, liegt auf der Hand. Bei Lichte betrachtet, werden aber gar keine Kompetenzen übertragen. Vielmehr fungiert das ausgeliehene Organ im Wortsinne254 nur als Werkzeug für den entleihenden originären Kompetenzträger und wird von diesem gesteuert.255 Die Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit der Organleihe klingt im Schornsteinfegerbeschluss nur en passant an, liegt dem Beschluss aber als selbstverständlich zugrunde:256 Das entliehene Organ muss hinsichtlich des übertragenen Aufgabenkreises aus der fachaufsichtlichen Weisungshierarchie des verleihenden Verwaltungsträgers ausgegliedert und in die Weisungshierarchie des entleihenden Verwaltungsträgers eingegliedert werden.257 Nur wenn letzterer die vollen fachauf250

Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 21 Rn. 54. Vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 4 Rn. 39. 252 Vgl. Lodde, Rechtsfragen der Organleihe im Bund-Länder-Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Bundesbauverwaltung, 1990, S. 52. 253 Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 51. 254 Etymologische Vorläufer des Wortes Organ sind das griechische órganon und das lateinische organum. Beide stehen – unter anderem – für „Werkzeug“. 255 Vgl. Lodde, Rechtsfragen der Organleihe im Bund-Länder-Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Bundesbauverwaltung, 1990, S. 41. 256 BVerfGE 63, 1 (31): „dessen Weisungen es unterworfen ist“ sowie (42): „[…] insoweit einer Aufsicht übergeordneter Landesbehörden nicht untersteht“. Anderenfalls wäre auch nicht zu erklären, dass das Gericht die Kompetenznormen für nicht angetastet hält. 257 Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 51; Gubelt, in: von Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 6; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. 251

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

sichtlichen Weisungsrechte gegenüber dem Organ innehat, ist die aus Gründen des Kompetenzverfügungs- und Fremdbestimmungsverbots erforderliche Letztverantwortung des Kompetenzinhabers gewahrt. Maßnahmen des Organs richten sich – anders als bei der Amtshilfe – nach dem Recht des ausleihenden Hoheitsträgers258 und werden diesem zugerechnet.259 Das Konstrukt der Organleihe umschifft also das verfassungsrechtliche Kompetenzverfügungsverbot. Die bloße Entleihung von sachlichen und persönlichen Mitteln einer Verwaltungseinrichtung lässt die Kompetenzordnung unberührt, da das Organ unter der Ägide des Kompetenzinhabers handelt. Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhänge bleiben erhalten. Obwohl die kompetenzrechtlichen Grundsätze de jure also nicht verletzt werden, kreiert das Bundesverfassungsgericht mit dem neu eingeführten Selbstwahrnehmungsgebot (sog. „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“260) weitere Voraussetzungen. Hierbei geht es, wie bereits angesprochen, nicht um Eigenverantwortlichkeit, denn diese wird schon durch das Fremdbestimmungsgebot gefordert, sondern um „Eigenhändigkeit“: Auch wenn das Organ als weisungsunterworfenes Werkzeug des Kompetenzinhabers handelt, soll der Einsatz des Instituts der Organleihe auf bestimmte Fälle begrenzt bleiben und der Kompetenzinhaber grundsätzlich nicht nur eigenverantwortlich, sondern auch mit eigenen sachlichen und personellen Mitteln handeln. Eine Organleihe bedürfe daher erstens eines rechtfertigenden besonderen sachlichen Grundes und komme zweitens nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht.261 Damit wurden im Schornsteinfegerbeschluss entgegen verbreiteter Annahme die Hürden für eine föderale Verwaltungskooperation nicht gesenkt, sondern erhöht. Der Beweggrund dafür ist in der Gefahr zu vermuten, dass die Weisungsbefugnisse in der Praxis nicht ausreichend wahrgenommen werden und das Letztentscheidungsrecht des Kompetenzinhabers so de facto ausgehöhlt wird. Eine Voraussetzung, die, soweit ersichtlich, im Schrifttum nicht genannt wird, gleichwohl aber unmittelbar aus der Pflicht des Kompetenzinhabers zur grundsätzlich eigenhändigen Aufgabenwahrnehmung entspringt und daher selbstverständlich sein dürfte, ist die der Reversibilität der Aufgabenübertragung. Es muss also ein Kündigungsrecht jedenfalls des Kompetenzinhabers vereinbart werden.

Aufl. 2009, § 21 Rn. 54; Lodde, Rechtsfragen der Organleihe im Bund-Länder-Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Bundesbauverwaltung, 1990, S. 41. 258 Vgl. Hirschberger, Organleihe, 1989, S. 192. 259 Vgl. Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 56; Lodde, Rechtsfragen der Organleihe im Bund-Länder-Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Bundesbauverwaltung, 1990, S. 30. 260 BVerfGE 63, 1 (41). 261 BVerfGE 63, 1 (41).

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit

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5. Delegation und Mandat Weitere Erscheinungsformen der Wahrnehmung fremder Verwaltungskompetenzen sind die organisationsrechtlichen Institute der Delegation und des Mandats.262 Delegation ist die Übertragung von Zuständigkeiten einer Behörde auf eine andere, die entweder unter dem Vorbehalt der Rückholung (sog. unechte oder konservierende Delegation) oder endgültig erfolgen kann (sog. echte oder devolvierende Delegation).263 Der Delegatar handelt nach erfolgter Delegation im eigenen Namen und in eigener Verantwortung.264 Beim zwischenbehördlichen Mandat hingegen wird eine Kompetenz in der Weise übertragen, dass der Mandant zwar formell weiterhin Inhaber der Kompetenz bleibt, der Mandatar diese jedoch eigenverantwortlich, im Unterschied zur Delegation allerdings im Namen des Mandanten ausübt.265 Teilweise wird dies auch als „Auftrag“ bezeichnet.266 Delegation und Mandat unterscheiden sich in erster Linie im Außenverhältnis.267 Da sowohl Delegation als auch Mandat irreguläre Kompetenzen schaffen, sind sie nur zulässig, wenn die kompetenzbegründende Norm selbst eine Weiterübertragung der Kompetenz zulässt.268 Das bedeutet, dass im Bund-Länder-Verhältnis Kompetenzabtretungen im Wege der Delegation oder Mandatierung nur möglich sind, wenn das Grundgesetz dies im Einzelfall vorsieht. Auch innerhalb eines Rechtsträgers ist, soweit die Zuständigkeit gesetzlich geregelt ist, eine gesetzliche Ermächtigung zur Delegation oder Mandatierung erforderlich. Die Bedeutung der Rechtsinstitute ist daher im vorliegenden Kontext gering. Ein selbständiges Zusammenwirken der Verwaltung ist weitgehend ausgeschlossen.

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit Zu untersuchen ist im Folgenden, ob die praktizierten Formen der Zusammenarbeit im Bereich der Seesicherheit den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maß-

262 Dazu bereits umfassend Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, Nachdruck 1974. 263 Vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 4 Rn. 41; Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 59. 264 Vgl. Funke-Kaiser, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 8. Edition 2010, § 4 Rn. 32. 265 Vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 4 Rn. 40. 266 Lodde, Rechtsfragen der Organleihe im Bund-Länder-Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Bundesbauverwaltung, 1990, S. 46. 267 I. E. ebenso Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994, S. 73. 268 Vgl. auch Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994, S. 73 f.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

stäben für ein Zusammenwirken zuständiger Behörden mit unzuständigen Einrichtungen genügen. In diesem Zusammenhang ist grundlegend zwischen koordinativen und kooperativen Formen des Zusammenwirkens zu unterscheiden. Denn Maßnahmen der Koordination wie wechselseitige Abstimmungen, Beratungen und Informationen, die im Vorfeld der Sachaufgabe liegen und den Kompetenzträger nicht in seiner Entscheidungsfreiheit einschränken, sind aus kompetenzrechtlicher Sicht unbedenklich.269 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Koordination informell oder institutionalisiert in gemeinsamen Gremien, Kommissionen oder sonstigen Einrichtungen stattfindet.270 Zurechnungs- und Verantwortungszusammenhänge drohen nicht verwischt zu werden, solange jeder den eigenen Aufgabenbereich alleinverantwortlich wahrnimmt. Formen der Koordination liegen insoweit unterhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen für ein Zusammenwirken und bedürfen keiner verfassungsrechtlichen Ausnahmebestimmung.271 Bezieht sich das Zusammenwirken hingegen auf die operative Wahrnehmung der Sachaufgabe selbst, handelt es sich um Kooperation im engeren Sinne. Sie liegt immer dann vor, wenn die Sachaufgabe nicht allein durch den zuständigen Verwaltungsträger wahrgenommen wird, sondern entweder gemeinschaftlich mit unzuständigen Verwaltungsträgern oder ausschließlich durch diese. In diesen Fällen sind die Kompetenzregeln berührt. Kooperationen in diesem Sinne sind daher rechtfertigungsbedürftig: Sie bedürfen entweder einer grundgesetzlichen Ausnahmebestimmung (wie im Fall der Amtshilfe) oder müssen durch entsprechende Regelungstechnik die Letztverantwortung des Kompetenzinhabers wahren (wie im Fall der Organleihe).

I. Formen der Koordination Die meisten neueren Erscheinungsformen des Zusammenwirkens auf dem Gebiet der Seesicherheit stellen sich als bloße Koordination in diesem Sinne und damit als verfassungsrechtlich unproblematisch dar. Der Koordinierungsverbund Küstenwache lässt die Zuständigkeiten der beteiligten Bundesbehörden unangetastet. Die einzelnen Behörden nehmen eigenständig ihre originären Aufgaben wahr.272 Eine einheitliche Einsatzführung durch ein mit Weisungsrechten gegenüber allen Behörden ausgestattetes Leitungsgremium findet

269

Siehe oben S. 141. Vgl. Trute, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 83 Rn. 42 f. 271 Entsprechend gelten für Formen der Koordination auch nicht die Restriktionen des Art. 35 Abs. 1 GG. Koordination kann daher auch dauerhaft und regelmäßig stattfinden. 272 Vgl. Jenisch, Hoheitliche Aufgaben für Polizei und Umweltschutz vor den deutschen Küsten, NuR 2000, 193 (196); Schütte, Die Küstenwache des Bundes, Die Polizei 2003, 8 (9). 270

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit

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nicht statt.273 Soweit im Bedarfsfall bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben Unterstützung durch unzuständige Behörden des Verbundes geleistet wird, lässt sich dies schlicht auf Art. 35 Abs. 1 GG stützen. Das gleiche Bild ergibt sich für die sog. WSP-Leitstelle der Wasserschutzpolizeien der Länder: Auch hier kommen der Leitstelle keine Leitungs- oder Weisungsbefugnisse zu, und es bleibt bei den bestehenden Zuständigkeiten und Hierarchieverhältnissen der jeweiligen Wasserschutzpolizeien. Auch die Übernahme fremder Aufgaben im Eilfall ist nichts anderes als Amtshilfe, ggf. in Form der Spontanhilfe. Die Aufgaben, die der Leitstelle insoweit obliegen, beschränken sich auf eine Koordination des Amtshilfevorgangs zwischen der zuständigen und der helfenden Wasserschutzpolizei. Auch die WSP-Leitstelle stellt daher eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Form der Koordination dar. Ebenfalls in diesem Rahmen verbleibt das aus Vertretern von Bundes- und Landesbehörden zusammengesetzte Maritime Sicherheitszentrum mit dem Gemeinsamen Lagezentrum See.274 Es war bereits ausdrückliche Vorgabe bei der Planung der Einrichtung, dass bestehende Zuständigkeiten nicht angetastet werden dürften. Entsprechend erschöpft sich die Zusammenarbeit auch hier – wie ausgeführt – in wechselseitiger Abstimmung und Information. Bei all diesen Konstruktionen handelt es sich demnach lediglich um Erscheinungsformen institutionalisierter Koordination. Zuständigkeiten werden davon nicht berührt. Allerdings ist darauf zu achten, dass die tatsächliche Lage auch der rechtlichen Lage entspricht, sich also im Tagesbetrieb nicht faktische Weisungshierarchien einspielen, sondern die Aufgaben eigenverantwortlich wahrgenommen werden.

II. Formen der Kooperation Einige Erscheinungsformen der maritimen Zusammenarbeit betreffen hingegen die unmittelbare Wahrnehmung der Sachaufgabe. Sie berühren damit als Kooperation im engeren Sinne die Kompetenzordnung und sind insoweit rechtfertigungsbedürftig. 1. Eilfallkompetenzen Unproblematisch sind auch hier zunächst die durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung eingeräumten Eilfallkompetenzen. Denn sie betreffen lediglich die subsidiäre und punktuelle Hilfeleistung auf Anforderung bzw. bei besonderer Eilbedürftigkeit. Die eingeräumten Kompetenzen sind daher nichts anderes als eine 273

Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 125). 274 So auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 125 f.).

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

Ausgestaltung des Art. 35 Abs. 1 GG, ungeachtet dessen, ob der Vorgang einfachgesetzlich als Amthilfe bezeichnet wird oder nicht.275 Denn die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Instituts der Amtshilfe sind gegeben: Die Hilfeleistung ist abhängig von einem Hilfsersuchen. Unaufgefordert ist sie nur bei besonderer Eilbedürftigkeit zulässig, wenn die zuständige Behörde nicht rechtzeitig selbst handeln kann (Spontanhilfe). Der Beschränkung auf punktuelle Hilfe im Einzelfall wird damit Rechnung getragen. Art. 35 Abs. 1 GG rechtfertigt insoweit die gesetzlich oder im Verordnungs- bzw. Vereinbarungswege konkretisierten Formen der Hilfe. Zu beachten ist allerdings, dass nach herrschender Auffassung bei der Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG die helfende Behörde nach ihrem eigenen Recht handelt und Weisungen der anfordernden Behörde nicht unterliegt.276 Dem entspricht etwa die Regelung des § 64 Abs. 2 BPolG, wonach sich die Befugnisse der Landesbeamten bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei nach Landesrecht richten. Bestimmt die Eilfallregelung jedoch, dass die helfenden Beamten dem Recht und den Weisungen der anfordernden Behörde unterliegen (so etwa § 103 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 NdsSOG), deckt sich dies nicht mit den Rechtsfolgen des Art. 35 Abs. 1 GG. In diesen Fällen liegt jedoch die Situation der Organleihe vor: Die helfende Behörde handelt nach dem Recht der originär zuständigen Behörde und unterliegt deren Weisungen. Insoweit ist die durch die Kompetenzordnung zugewiesene Letztverantwortung gar nicht berührt und bedarf ergo keiner ausdrücklichen Rechtfertigung. Eilfallkompetenzen sind also in beiden Ausgestaltungen verfassungsrechtlich unbedenklich. 2. Wasserschutzpolizeiliche Zuständigkeiten im Küstenmeer Näherer Betrachtung bedarf hingegen die kompetentielle Aufteilung des Küstenmeers unter den Ländern im Hinblick auf die Aufgaben der Wasserschutzpolizeien.277 Unproblematisch ist auch diese Vereinbarung insoweit, als sie das Tätigwerden bei Gefahr im Verzug betrifft, da dies durch Art. 35 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist. Problematisch hingegen ist, dass sich die Zuweisung der originären Zuständigkeitsgebiete nicht an den Landesgrenzen, sondern aus praktischen Gründen an den Schifffahrtsrouten orientiert. Dadurch entstehen Überlappungsbereiche, in denen die Zuständigkeit für die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr vollständig an ein fremdes Land delegiert ist. Weisungsrechte der territorial zuständigen Landesbehörden gegenüber den vertraglich zuständigen Behörden begründet die Vereinbarung nicht, so dass kein Fall der Organleihe angenommen werden kann. Vielmehr handelt 275 Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG liegt keine Amtshilfe i.S.d. VwVfG vor, wenn die Behörde „eigene Aufgaben“ wahrnimmt. Hierzu sind alle der Behörde zugewiesenen Aufgaben zu zählen, also auch die subsidiären Gefahrenabwehrkompetenzen im Eilfall. Das ändert jedoch nichts am verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedürfnis, soweit die Aufgabe originär einer anderen Gliedkörperschaft zugewiesen ist. Diese Rechtfertigung ist in Art. 35 Abs. 1 GG zu sehen, vgl. bereits S. 153. 276 Vgl. Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 165. 277 Siehe Hmb. GVBl. 1998, S. 233.

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit

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es sich um eine Delegation der Aufgabe, die im Bund-Länder-Verhältnis schlechterdings unzulässig wäre. Im Zwischen-Länder-Verhältnis kann sie jedoch unter den oben genannten Voraussetzungen zulässig sein.278 Ein sachlicher Grund liegt vor, da eine mehrfach wechselnde wasserschutzpolizeiliche Zuständigkeit entlang einer einzelnen Schifffahrtsroute für eine effektive Aufgabenwahrnehmung hinderlich wäre. Es handelt sich zudem nicht nur um eine begrenzte Verwaltungsmaterie, sondern auch um ein räumlich sehr begrenztes Gebiet, da sich das Problem der Delegation nur für die Überlappungsgebiete zwischen eigenem Hoheitsgebiet und fremder Zuständigkeitszone stellt. Zwar bestehen hinsichtlich der Aufgabenwahrnehmung durch das Drittland keine Mitwirkungsrechte. Dies erscheint jedoch angesichts der Gegenseitigkeit der Übertragungen und des im Vordergrund stehenden Bereinigungsaspekts vernachlässigbar. Schließlich ist die Aufgabenübertragung angesichts der Kündbarkeit des Abkommens (§ 8 Abs. 1 der Vereinbarung) auch reversibel. Problematisch erscheint allein, dass als anwendbares Recht nicht das jeweilige Ortsrecht, sondern das Recht des vertraglich zuständigen Landes, in bestimmten Gebieten Bremens und Hamburgs darüber hinaus das Recht Niedersachsens vereinbart wird (§ 4 der Vereinbarung). Damit gilt in bestimmten Landesteilen fremdes Landesrecht. Eine derartige dynamische Verweisung auf fremdes Recht ist verfassungsrechtlich nicht zu begründen. Aus dogmatischer Perspektive bestehen daher Bedenken gegen die Regelung des anwendbaren Rechts. Richtigerweise wäre das jeweilige Ortsrecht anzuwenden oder hätte eine statische Verweisung auf Fremdrecht erfolgen müssen.279 Praktisch ist dieses Problem angesichts der geringen Größe der fraglichen Seegebiete und des sich nur wenig unterscheidenden materiellen Landesrechts freilich von nachrangiger Bedeutung. 3. Übertragung schifffahrtspolizeilicher Aufgaben auf die Länder Von erheblichem Umfang hingegen ist die bereits seit den 1950er Jahren praktizierte Wahrnehmung der an sich dem Bund obliegenden Schifffahrtspolizei durch die Länder. Soweit lediglich Eilkompetenzen zugunsten der Länder eingeräumt werden,280 ist dies auch hier wiederum unproblematisch.281 Innerhalb der Hoheitsgewässer lässt der Bund diese Aufgabe jedoch vollständig durch die Wasserschutzpolizeien der Länder wahrnehmen.282 Die ständige und reguläre Aufgabenwahrnehmung reicht über den Anwendungsbereich der Amtshilfe, die nur punktuelle 278

Siehe S. 146. Diese Regelung trifft daher zu Recht Art. 2 des analogen Abkommens über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf der Elbe zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Hmb. GVBl. 1974, S. 295, das der hamburgischen Wasserschutzpolizei Zuständigkeiten für niedersächsische und schleswig-holsteinische Teile der Elbe überträgt. 280 So Art. 1 Nr. 3 der Zusatzvereinbarung für den Bereich außerhalb der Hoheitsgewässer. 281 Allerdings wird man angesichts der Weisungsunterstellung der Landesbeamten auch insoweit nicht von einem Fall der Amtshilfe, sondern der Organleihe auszugehen haben. 282 §§ 1, 2 der Vereinbarung i.V.m. Art. 1 Nr. 1 der Zusatzvereinbarung, siehe oben. 279

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

Unterstützung im Einzelfall ermöglicht, weit hinaus. Insoweit sieht die staatsvertragliche Kompetenzüberlassung zunächst nach einem klaren Verstoß gegen das Delegationsverbot aus, das auch die einvernehmliche Überlassung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ausschließt.283 Durch staatsvertragliche Abreden darf das verfassungsrechtliche Kompetenzgefüge – wie ausgeführt – nicht modifiziert werden.284 Die überwiegende Auffassung im Schrifttum sieht die Aufgabenwahrnehmung durch die Länder jedoch als Fall einer Organleihe und damit als zulässig an.285 Eine Organleihe ist, wie oben gezeigt, unter vier Voraussetzungen zulässig: Dem originären Kompetenzträger müssen die vollen fachaufsichtlichen Weisungsrechte gegenüber dem mit der Aufgabenwahrnehmung betrauten Organ eingeräumt werden, um dessen Letztverantwortlichkeit sicherzustellen. Dann findet materiell keine Kompetenzverschiebung statt. Ferner ist eine Organleihe nach dem Selbstwahrnehmungsgebot auch bei Beachtung dieser Mindestvorgabe nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn zweitens ein besonderer sachlicher Grund besteht und es sich drittens um eine eng umgrenzte Verwaltungsmaterie handelt.286 Viertens muss die Aufgabe für den originären Kompetenzträger rückholbar sein. Diese Vorgaben scheinen beim schifffahrtspolizeilichen Vollzug durch die Landespolizei gewährleistet: § 5 der Vereinbarung räumt der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Weisungsbefugnisse gegenüber den Landespolizeikräften ein.287 Die Länder sind nur für die Art der Ausführung der Aufträge verantwortlich und werden im Übrigen durch den Bund von Ansprüchen Dritter freigestellt (§ 9 der Vereinbarung). Die Wasserschutzpolizeien wirken also fachlich wie Teile der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung,288 wodurch eine hinreichende Zurechenbarkeit zum Bund gewährleistet ist.289

283

BVerfGE 32, 145 (156); BVerfGE 119, 331 (364). Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 30 Rn. 8. 285 Vgl. Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 115; Hoog, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 89 Rn. 31; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 89 Rn. 28; indirekt auch Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 201. 286 Vgl. BVerfGE 63, 1 (41); 119, 331 (367). 287 Die Länder scheinen ein solches Weisungsrecht allerdings zum Teil zu bestreiten und die Wasserschutzpolizeien sich entsprechend nicht an Weisungen gebunden zu fühlen. So führt die Schleswig-Holsteinische Landesregierung in SH-LT-Drs. 17/761, S. 1 aus, dass die schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben eigene Aufgaben des Landes nach Art. 30 und 70 GG seien. Diese Auffassung ist angesichts der in Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG angelegten fakulativen Bundeskompetenz, die der Bund mit dem Seeaufgabengesetz beansprucht hat, schlechterdings abwegig. Es ist zu betonen, dass die Verfassungsmäßigkeit der gegenwärtigen Aufgabenwahrnehmung durch die Wasserschutzpolizeien gerade von deren Weisungsunterstellung abhängt. 288 Hoog, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 89 Rn. 31. 289 Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 89 Rn. 28. 284

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit

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Auch dem (relativen) Selbstwahrnehmungsgebot wird genügt: Die Betrauung der Wasserschutzpolizeien der Länder mit schifffahrtspolizeilichen Aufgaben erscheint insoweit als sachlich gerechtfertigt, als die für Maßnahmen auf See erforderlichen nautischen Kapazitäten gebündelt und effektiver genutzt werden können. Auch dürfte die Schifffahrtspolizei als hinreichend begrenzte Verwaltungsmaterie durchgehen, da sie nur einen Teil des schifffahrtsrechtlichen Vollzuges darstellt, der zudem räumlich begrenzt ist. Problematisch erscheint allein, dass in der Vereinbarung jedenfalls ausdrücklich keine Kündigungsrechte normiert sind. Nach § 3 Abs. 1 der Vereinbarung können zwar die Länder den Aufgabenvollzug ganz oder teilweise einstellen. Eine Rückholmöglichkeit des Bundes ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Bei verfassungskonformer Auslegung der Vereinbarung ist jedoch von einem ungeschriebenen Kündigungsrecht des Bundes auszugehen, da die Aufgabenübertragung aus Gründen des Selbstwahrnehmungsgebots reversibel sein muss.290 Den allgemeinen Anforderungen an eine Organleihe wird insoweit entsprochen. Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken gibt allerdings die konkret übertragene Aufgabe: Denn die Schifffahrtspolizei ist nur fakultativ Bundesaufgabe. Es grenzt an Absurdität, dass der Bund zunächst die schifffahrtspolizeilichen Aufgaben auf der Grundlage von Art. 89 Abs. 2 S. 2 GG durch das Seeaufgabengesetz an sich zieht, um sie dann doch durch die Länder wahrnehmen zu lassen. Die Erinnerung an die römischrechtliche dolo-facit-Doktrin liegt insoweit nicht fern.291 Hätte der Bund von der fakultativen Vollzugskompetenz nicht oder nur zum Teil (etwa für den Bereich jenseits der Hoheitsgewässer) Gebrauch gemacht, würde die Aufgabe der Schifffahrtspolizei gemäß Art. 83 GG regulär in Landeseigenverwaltung wahrgenommen.292 Die komplizierte kompetenzrechtliche Doppelkonstruktion hat daher nur einen Effekt: Die Organleihe eröffnet dem Bund umfassende Weisungsrechte, die im Fall der Landeseigenverwaltung nach Art. 84 GG nicht bestünden. Damit wird faktisch ein Verwaltungstyp geschaffen, der der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG ähnelt293 bzw. sogar darüber hinausgeht.294 Diese sieht das Grundgesetz für die Schifffahrtspolizei im Gegensatz zur Strompolizei (Art. 89 Abs. 2 S. 3 und 4 GG) aber gerade nicht vor. Die hiesige Konstruktion, die insoweit in der Literatur

290 Problematisch sind insoweit die Auffassungen Heemanns, Vom Koordinierungsverbund Küstenwache zum Maritimen Sicherheitszentrum, Die Polizei 2007, 327 (328), die BundLänder-Vereinbarungen könnten „nur einvernehmlich“ geändert werden, sowie der SchleswigHolsteinischen Landesregierung, SH-LT-Drs. 17/761, S. 1, der Staatsvertrag könne nur durch das jeweilige Küstenland gekündigt werden. 291 So Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 117 („juristisches Hin und Her“). 292 Vgl. Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 122). 293 So Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 117. 294 So allgemein zur Organleihe Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 51 a.E.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

auch als „vereinbarte Auftragsverwaltung“295 bezeichnet wird, begegnet daher erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.296 Unbedenklich wäre eine solche „vereinbarte Auftragsverwaltung“ nur, wenn man davon ausginge, dass die fakultative Bundeseigenverwaltung als „Minus“ auch die fakultative Auftragsverwaltung oder andere Zwischenstufen erlaube. Mit anderen Worten: Wenn der Bund schon den Vollzug gänzlich an sich ziehen kann, müsse er erst recht die Ingerenzrechte nach Art. 85 GG beanspruchen können. Allerdings ist die grundgesetzliche Kompetenzverteilung auf eine klare Zuweisung und Trennung von Verantwortlichkeiten angelegt. Die Auftragsverwaltung ist als Mischform eine Ausnahmeerscheinung. Daher ist davon auszugehen, dass diese – entsprechend der Vorgabe des Art. 83 Hs. 2 GG – selbst ausdrücklich durch das Grundgesetz zugelassen sein muss und durch die Zulassung fakultativer Bundeseigenverwaltung nicht impliziert wird. Konsequenterweise müsste man dann nach dem Rechtsgedanken des Verbots widersprüchlichen Verhaltens eine Organleihe in Bereichen fakultativer Bundeskompetenzen ausschließen, jedenfalls wenn der gesamte Bereich der beanspruchten Fakultativkompetenz anschließend wieder zur Wahrnehmung auf Landesbehörden rückübertragen wird.

4. Führungsstrukturen im Havariekommando Die größten verfassungsrechtlichen Probleme wirft die Kooperation im Havariekommando auf. Zu differenzieren ist zwischen der Alltagsorganisation und dem Einsatzfall. Zwar findet auch im Alltagsbetrieb eine Vermischung von Bundes- und Landesbeschäftigten im Maritimen Lage- und Kompetenzzentrum statt. Diese ist jedoch, obwohl alle Beschäftigten unter einheitlicher Leitung des Havariekommandeurs, eines Bundesbeamten, stehen, kompetenzrechtlich unbedenklich, da die Beschäftigten keine Entscheidungen für die entsendenden Behörden treffen. Der gemeinsamen Einrichtung sind für den Alltagsbetrieb keine Vollzugsaufgaben übertragen. Ihre Aufgabe besteht allein in der internen Vorbereitung auf den Einsatzfall und der diesbezüglichen Lagebeobachtung. Kompetenzrechtlich problematisch sind indes die im Einsatzfall („komplexe Schadenslage“ bzw. „komplexer Schadstoffunfall“) auflebenden Ingerenzrechte des Havariekommandeurs. Ihm obliegen dann die einheitliche Einsatzleitung und die Führung aller auf See verfügbaren Einsatzkräfte zur Bekämpfung der Schadenslage. Dass dies ein Weisungs-, Durchgriffs- und Letztentscheidungsrecht des Havariekommandeurs gegenüber allen auf See verfügbaren Einsatzkräften von Bund und Ländern bedeutet, wurde bereits dargelegt (§§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 2 BLV-HK).297 Nach der Definition der komplexen Schadenslage in § 1 Abs. 4 BLV-HK müssen noch nicht einmal verschiedene Aufgabenträger beteiligt sein. Selbst reine Länderaufgaben, die die Mittel des täglichen Dienstes übersteigen (etwa allgemeinpolizeiliche Gefahren 295

Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 191. Ebenso Gröpl, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 89 Rn. 117. 297 Vgl. oben S. 117 ff. Dieselbe kompetenzrechtliche Problematik besteht hinsichtlich des Letztentscheidungsrechts des Havariekommandeurs bei der Zuweisung eines Notliegeplatzes nach § 3 Abs. 1 S. 3 BLV-NotLP, da hierbei je nach Fallkonstellation auch Aufgaben der Länder wahrgenommen werden. 296

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit

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erheblichen Ausmaßes), würden unter die Definition des § 1 Abs. 4 BLV-HK fallen und Weisungsrechte des Havariekommandeurs gegenüber den Einsatzkräften der Länder begründen. Damit wird das Handeln der dem Havariekommandeur unterstellten Behörden fremdbestimmt. Dabei entsteht ein nicht nur faktisches, sondern auch rechtliches Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Bund und Küstenländern.298 Zwar nehmen die zuständigen Behörden weiterhin ihre Aufgaben wahr, es fehlt jedoch an der gebotenen Eigenverantwortung (Eigenwahrnehmung ohne Eigenverantwortung). Das ist in Bezug auf die unterstellten Bundesbehörden (nur) einfachgesetzlich problematisch, in Bezug auf die unterstellten Landesbehörden aber von unmittelbarer Verfassungsrelevanz. Denn nach dem Grundsatz des Fremdbestimmungsverbots sind zugewiesene Kompetenzen eigenverantwortlich und frei von Mitentscheidungsrechten Dritter auszuüben. Ausnahmen hiervon sind im Gegensatz zum Selbstwahrnehmungsgebot nicht schon bei vorliegenden sachlichen Gründen zulässig, sondern müssen durch das Grundgesetz selbst zugelassen sein. Soweit sich Weisungen des Havariekommandeurs an die Wasserschutzpolizeien der Länder auf schifffahrtspolizeiliche Angelegenheiten beziehen, ist ein Letztentscheidungsrecht des Bundes freilich nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu geboten, da diese insoweit ja als Organe des Bundes handeln. Soweit der Havariekommandeur hingegen Maßnahmen im originären Zuständigkeitsbereich der Länder anordnet, trifft er Entscheidungen anstelle der hierzu berufenen Länder, womit eine Verletzung des Fremdbestimmungsverbotes droht. Daran ändert nichts, dass der Havariekommandeur den Einsatzkräften der Länder lediglich „bindende Zielvorgaben“ macht, die diese im Wege der sogenannten „Auftragstaktik“ abarbeiten.299 Dies bezeichnet im Gegensatz zur „Befehlstaktik“ eine Anordnungstechnik, die dem Ausführenden relative Handlungsfreiheit hinsichtlich der Art der Ausführung belässt, indem sie lediglich das Ziel der Maßnahmen definiert.300 Es ist jedoch aus kompetenzrechtlicher Sicht gleichgültig, ob sich die Ingerenzen nur auf Ziele oder auch auf Einzelmaßnahmen beziehen. Entscheidend ist, dass überhaupt verbindliche Vorgaben gemacht werden. Unter Berufung auf das Instrument der Auftragstaktik lässt sich die damit einhergehende kompetenzwidrige Fremdbestimmung nicht bagatellisieren.301 298

Vgl. König, Schiffssicherheit auf der Ostsee: Nationales Recht, DÖV 2002, 639 (647). BT-Drs. 15/2928, S. 2. 300 Vgl. Möllers, Wörterbuch der Polizei, 2. Aufl. 2010, Stichwort Auftrag, 3. Unterpunkt Auftragstaktik, S. 173. 301 So aber der Leiter des Havariekommandos Monsees, Kompetenzzentrum Havariekommando, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 1 (2): „Um dabei die Länderkompetenzen nicht zu übergehen, werden mittels Auftragstaktik Bekämpfungsmaßnahmen und -ziele vorgegeben, deren Umsetzung dann in ,Länderhand‘ liegt.“; ähnlich MV-LT-Drs. 3/2967, S. 3: „Der Havariekommandant […] bedient sich dabei der Auftragstaktik […], so dass weitgehend die Verantwortung in den Händen der verfassungsmäßig zuständigen Behörden bleibt“, was aber zugleich impliziert, dass die Verantwortung eben nicht vollständig in deren Händen bleibt. 299

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

a) Einhaltung des Fremdbestimmungsverbots durch Organleihe? Die kompetenzwidrigen Weisungsbefugnisse des Havariekommandeurs könnten dogmatisch möglicherweise mit der Annahme einer Organleihe „gerettet“ werden. Lägen deren Voraussetzungen vor, blieben die Verantwortungszusammenhänge und Letztentscheidungsrechte formal unangetastet, so dass de jure gar keine Fremdbestimmung festzustellen wäre. Tatsächlich wird die Einsatzleitung durch den Havariekommandeur in Schrifttum und seitens der Beteiligten teilweise als Fall der Organleihe bezeichnet.302 Das überzeugt nicht. Unklar ist schon, wer überhaupt wem etwas ausleihen soll: Sollen die Einsatzkräfte der Wasserschutzpolizeien dem Havariekommandeur ausgeliehene Organe sein, könnte (und müsste) dieser ihnen nach den Grundsätzen der Organleihe zwar Weisungen erteilen. Sie wären dann Organe des Bundes und als solche nur im Aufgabenbereich des Bundes einsetzbar. Soweit sie im eigenen Bereich tätig würden, unterlägen sie nicht den Weisungen, weil sie insoweit nicht als Organ des Havariekommandeurs, sondern des Landes handelten. Gemeint ist aber wohl die umgekehrte Konstellation: Der Havariekommandeur soll, soweit er den Länderbehörden Weisungen erteilt, als Organ der Länder angesehen werden.303 So jedenfalls klingt auch die Formulierung in § 5 Abs. 2 S. 2 BLVHK: „Soweit er [der Havariekommandeur] im Verlauf seiner Tätigkeit Aufgaben der Küstenländer erfüllt, erfolgt das in ihrem Auftrage.“304 Das aber ist nun noch befremdlicher. Zwar könnte der Havariekommandeur als Organ der Länder Länderaufgaben wahrnehmen. Zugleich würde das nach den Grundsätzen der Organleihe aber bedeuten, dass der Havariekommandeur für den Bereich der Länderaufgaben vollständig in deren Weisungshierarchie eingegliedert sein müsste, also er Weisungsempfänger der Länder wäre. Die Vereinbarung sieht aber gerade Umgekehrtes vor, und das ist auch der Sinn des Havariekommandos: Der Havariekommandeur soll gegenüber den Einsatzkräften der Länder weisungsbefugt sein, also das entliehene Organ gegenüber dem Entleiher. Hier wedelt offensichtlich der Schwanz mit dem Hund. Das Hierarchieverhältnis wird ins Gegenteil verkehrt.305 Obendrein wird die eigentlich richtige Weisungsrichtung (Länder gegenüber dem Havariekommandeur) noch dadurch ausgeschlossen, dass dem Havariekommandeur im Einsatzfall „wei302 So etwa Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 24 Rn. 23; von GadowStephani, Der Zugang zu Nothäfen und sonstigen Notliegeplätzen für Schiffe in Seenot, 2006, S. 408 f.; König, Schiffssicherheit und Umweltschutz vor Deutschlands Küsten, NordÖR 2003, 89 (93); Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 (387); König, Schiffssicherheit auf der Ostsee: Nationales Recht, DÖV 2002, 639 (646 f.); SH-LT-Drs. 15/3216, S. 3; MV-LTDrs. 3/2967, S. 3 und 28 f. 303 So deutlich in MV-LT-Drs. 3/2967, S. 28 f. 304 Diese Bestimmung gilt aufgrund des Verweises in § 3 Abs. 1 S. 4 BLV-NotLP auch für die Zuweisung eines Notliegeplatzes durch den Havariekommandeur. 305 So auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 127); Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 167 f.

C. Verfassungsrechtliche Bewertung der praktizierten Zusammenarbeit

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testgehende fachliche Unabhängigkeit“ (§ 9 Abs. 3 BLV-HK) eingeräumt wird und er zudem über das Vorliegen eines solchen Einsatzfalles auch noch eigenmächtig entscheiden kann (Selbsteintrittsrecht, § 9 Abs. 1 S. 1 BLV-HK).306 Das Institut der Organleihe passt also schon konstruktiv in keinerlei Hinsicht auf die Verhältnisse im Havariekommando. Mit der Rechtsfigur der Organleihe kann nur die funktionale Durchführung auf unzuständige Stellen übertragen werden, nicht aber die Entscheidungsverantwortung. Die Konstruktion erlaubt es, fremde Kräfte als „Werkzeuge“ zur eigenen Aufgabenerfüllung zu nutzen, wenn der Kompetenzinhaber aus Praktikabilitätsgründen nicht selbst handeln will oder kann. Er muss jedoch die volle Entscheidungs- und Weisungsbefugnis behalten. Im Fall des Havariekommandos liegt genau die umgekehrte Situation vor: Die Wasserschutzpolizeien der Länder nehmen selbst Länderaufgaben wahr. Die Aufgaben werden also gerade mit eigenen Mitteln, aber fremdbestimmt durch den Havariekommandeur erledigt. Das stellt die Organleihe auf den Kopf und macht aus ihr eine „Kompetenzleihe“, die sie nicht ist. Weisungsrechte Unzuständiger können mit dem Institut der Organleihe nicht begründet werden. Die Rechtsfigur taugt daher nicht zur Rechtfertigung der einheitlichen Einsatzleitung durch den Havariekommandeur.307 b) Subsumtion unter ausdrückliche Ausnahmebestimmungen? Es bleibt indes zu überlegen, ob sich die Ingerenzrechte des Havariekommandeurs unter Kompetenzgrenzen überwindende Ausnahmebestimmungen des Grundgesetzes subsumieren lassen. In Betracht kommt zunächst die einfache Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG. Die Einsatzfälle des Havariekommandos stellen gravierende Ausnahmefälle dar. Es handelt sich insoweit um punktuelle Hilfe im Einzelfall. Jedoch ist Amtshilfe tatbestandlich nur zulässig, wenn und soweit die Hilfe erforderlich ist. Erforderlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die zuständige Behörde nicht oder nur erschwert selbst handeln kann. Hier geht es aber gar nicht um die Vornahme von Maßnahmen anstelle der zuständigen Behörde, sondern um die (kompetenzwidrige) Erteilung von Weisungen an die zuständige Behörde, deren Fähigkeit zum Selbsthandeln mithin außer Frage steht. Es fehlt insoweit schon am Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit. Andernfalls müsste man argumentieren, dass die Hilfe erforderlich ist, weil die zuständige Behörde zwar selbst handeln, aber nicht allein die „richtigen“ Entscheidungen treffen kann. Eine solche „Führungshilfe“ ist aber sicher nicht Sinn der Amtshilfe. Im Übrigen würde die Amtshilfe auch auf Rechtsfolgenseite nicht zu einer Weisungsunterstellung des Hilfeanfordernden (Landesbehörde) unter den Hilfe306

Zu dieser Paradoxie angesichts der Qualifikation als Organleihe auch Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 171 f. 307 Ebenso Erbguth/Jenisch/Herma/Keller, Endbericht des Ostseeinstituts für Seerecht und Umweltrecht der Juristischen Fakultät Rostock, in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Bd. 2, 2002, S. 204 ff. (S. 318 f.); Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 170.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

leistenden (Havariekommandeur) führen, da zwei voneinander unabhängige Weisungsstrukturen erhalten bleiben.308 Das Institut der Amtshilfe kann zwar in bestimmten Fällen ein Selbsteintrittsrecht unzuständiger Behörden begründen (Spontanhilfe), aber nie eine Weisungsunterstellung der zuständigen Behörde unter die Entscheidungsgewalt Unzuständiger rechtfertigen.309 Im Rahmen der Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG findet zwar nach herrschender Auffassung eine Weisungsunterstellung statt, aber in umgekehrter Richtung. Ungeachtet dessen, ob der Einsatzfall des Havariekommandos („komplexe Schadenslage“) die Merkmale eines Katastrophenfalles in diesem Sinne erfüllt, gilt auch hier – ähnlich wie im Fall der Organleihe –, dass die helfende Behörde den fachlichen Weisungen der originär zuständigen Behörde unterstellt ist und nicht andersherum. Auch nach dieser Konstruktion müssten also die Landesbehörden dem Havariekommandeur Weisungen erteilen können, was das Gegenteil des Vereinbarten ist. Daran ändert sich selbst im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG, der sog. Bundesintervention, nichts. Denn unabhängig von der Streitfrage, ob die eingesetzten Bundeskräfte den Weisungen des unterstützten Landes oder aber des Bundes unterstehen,310 untersteht der Einsatz der eigenen und originär zuständigen Landeskräfte nach keiner Auffassung den Weisungen von Bundesbehörden. Das von Art. 35 Abs. 3 GG eingeräumte Weisungsrecht des Bundes gegenüber den Ländern bezieht sich materiell lediglich auf das „Ob“ des Hilfseinsatzes anderer Polizeikräfte und der Streitkräfte und gilt formell zudem nur im Verhältnis zwischen Bundes- und Landesregierung. Auch das Institut der Katastrophenhilfe ist daher schon auf Rechtsfolgenseite nicht zur Rechtfertigung der Ingerenzbefugnisse des Havariekommandeurs in der Lage. Die gewünschte Rechtsfolge brächte allein Art. 91 Abs. 2 GG, wonach die Bundesregierung die Polizeikräfte eines Landes ihren Weisungen unterstellen kann. Dabei muss nur der Beschluss über die Weisungsunterstellung durch das Kollegialorgan selbst erfolgen, die Ausübung der Weisungsbefugnisse kann delegiert werden.311 Die materiellen Voraussetzungen des Art. 91 GG hingegen liegen mit einer „komplexe Schadenslage“ im Sinne des § 1 Abs. 4 BLV-HK aber ganz sicher nicht vor, zumal die Vereinbarung nur betriebliche Gefahrenlagen (Safety) umfasst. Die hohe tatbestandliche Schwelle des Art. 91 GG zeigt aber zugleich die verfassungs308

Vgl. Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 165. Gegen eine Rechtfertigung der Weisungsrechte des Havariekommandeurs als Amtshilfe auch Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 185; Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 127); Erbguth/Jenisch/Herma/Keller, Endbericht des Ostseeinstituts für Seerecht und Umweltrecht der Juristischen Fakultät Rostock, in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Bd. 2, 2002, S. 204 ff. (S. 315). 310 Dazu bereits auf S. 157 f. 311 Vgl. Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 91 Rn. 35. 309

D. Zwischenfazit

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rechtliche Brisanz einer Unterstellung von Landespolizeikräften unter die Weisung von Bundesbehörden und bestätigt im Umkehrschluss, dass dieses Ergebnis über Art. 35 GG oder die Konstruktion einer Organleihe nicht zu erreichen ist. Damit ist hier festzuhalten, dass die eingeräumten Weisungsrechte des Havariekommandeurs gegenüber den Landesbehörden auf keine Ausnahmebestimmung gestützt werden können und mithin als Verstoß gegen das Fremdbestimmungsverbot verfassungswidrig sind.312 Die Verfassungswidrigkeit wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Verfassungsverstoß nur kurzzeitig und vorübergehend, nämlich nur für die Dauer einer komplexen Schadenslage, eintritt. Gerade in Extremfällen müssen die Verantwortlichkeiten klar und verfassungsrechtlich sauber geregelt sein, zumal bei Fehlern hier auch schnell die Frage nach der politischen Verantwortung im Raum steht.

D. Zwischenfazit Die föderale und organisatorische Kompetenzzersplitterung im Bereich der Gefahrenabwehr auf See hat zu zahlreichen Erscheinungsformen der Zusammenarbeit im Vollzug geführt. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren haben die Bemühungen um verstärkte Zusammenarbeit auf See unter dem Eindruck der „Pallas“Havarie und der dort erkannten Defizite stark zugenommen. Die meisten Formen beschränken sich jedoch auf schlichte Koordination, also wechselseitige Absprache und Information im Vorfeld der Sachaufgabe. Sie sind zwar verfassungsrechtlich unbedenklich. Zugleich ist aber auch ihr Nutzen begrenzt, da die originären Zuständigkeiten unangetastet bleiben, behördenübergreifende Weisungs- und Führungsstrukturen nicht begründet werden und ein erfolgreiches Zusammenwirken folglich vom guten Willen der Beteiligten abhängt. Das gilt vor allem für das MSZ, das als vorläufiger Abschluss der Reformen geplant war, dessen Zugewinn für die Effektivität und Effizienz der Aufgabenwahrnehmung jedoch begrenzt ist. Überhaupt ist zu fragen, ob die diffusen institutionellen Verklammerungen zwischen den verschiedenen Einrichtungen tatsächlich einer Steigerung der Effektivität und/oder Effizienz dienen oder ob sie klare Verantwortlichkeiten nicht eher verne312 Im Ergebnis ebenso Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 127) sowie Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 171; verfassungsrechtliche Bedenken auch bei Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 172; a.A. – leider ohne Begründung – Hoog, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 89 Rn. 31a („Grenzen durch Vereinbarungen zwar erreicht, aber nicht überschritten“); Jenisch, Argumente für eine Deutsche Küstenwache, HANSA 2009, 66 (67), hingegen geht angesichts der verfassungsrechtlich nicht möglichen Einräumung von Weisungsrechten davon aus, dass die BLV-HK keine neuen Weisungsrechte geschaffen habe. Das entspricht letztlich einer verfassungskonformen Auslegung der BLV-HK, erscheint aber vor dem Hintergrund dessen, dass eine einheitliche Einsatzführung gerade Sinn der Einrichtung des Havariekommandos war, jedoch problematisch.

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3. Teil: Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr auf See

beln. Die entsandten Mitarbeiter der WSV beispielsweise sind Teil des Küstenwachverbunds, zugleich aber auch Teil des Maritimen Lagezentrums innerhalb des Havariekommandos. Havariekommando und Küstenwachverbund sind ihrerseits wiederum Bestandteil des MSZ, und das Gemeinsame Lagezentrum See des MSZ setzt sich unter anderem zusammen aus dem Maritimen Lagezentrum des Havariekommandos und der WSV. Die institutionellen Mehrfachverklammerungen suggerieren eine Vielzahl von Stellen, die aber letztlich mit einer überschaubaren Zahl an tatsächlichen Mitarbeitern – gewissermaßen in Personalunion – besetzt sind. In einigen Fällen kooperieren die verschiedenen Behörden jedoch auch bei der Wahrnehmung der Sachaufgabe selbst, sei es durch gemeinschaftliche Wahrnehmung oder durch Fremdwahrnehmung der Aufgabe. Hier ist aus verfassungsrechtlichen Gründen sicherzustellen, dass die Verantwortungszusammenhänge und insbesondere das Letztentscheidungsrecht des zuständigen Verwaltungsträgers nicht beschnitten werden. Ausnahmen hiervon bedürfen grundgesetzlicher Ausnahmebestimmungen. Wechselseitig eingeräumte Eilfallkompetenzen sind angesichts der nur punktuellen Fremdwahrnehmung regelmäßig über Art. 35 Abs. 1 GG gedeckt. Problematisch wird es, wenn eine Aufgabe dauerhaft auf Unzuständige übertragen wird. Dies ist im Bund-Länder-Verhältnis ohne ausdrückliche Zulassung im Grundgesetz nur möglich, wenn – wie in der Konstruktion der Organleihe – vollständige Weisungsrechte des Kompetenzinhabers bestehen und dessen Recht angewandt wird. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, obwohl die Voraussetzungen der Organleihe eingehalten sind, gegen die Übertragung der Schifffahrtspolizei auf die Länder, weil der Vollzug des Schifffahrtsrechts nur fakultativ Bundessache ist. Diesen Bereich zunächst zu beanspruchen und dann doch wieder an die Länder rückzuübertragen, erscheint widersprüchlich und hat allein den Effekt, dass Weisungsrechte des Bundes gegenüber den Länderbehörden begründet werden. Ferner ist hinsichtlich der staatsvertraglichen Aufteilung der wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten zwischen den Küstenländern zu bemängeln, dass in einigen Bereichen des Küstenmeeres die Anwendung von Fremdlandesrecht vereinbart ist. Zwar gilt im Zwischenländerverhältnis ein weiterer Maßstab für Kooperationen als im Bund-LänderVerhältnis. Eine dynamische Verweisung auf Fremdrecht erscheint jedoch auch hier aus demokratischen Gründen bedenklich. Die größten verfassungsrechtlichen Probleme wirft die Kooperation im Havariekommando auf: Die dem Havariekommandeur, einem Bundesbeamten, eingeräumten Weisungsrechte gegenüber allen auf See verfügbaren Einsatzkräften der Länder ermöglichen eine monokratische Einsatzführung in besonderen Gefahrenlagen und sind damit effektiv. Die Weisungsrechte des Havariekommandeurs gegenüber den Landeskräften sind jedoch eindeutig verfassungswidrig. Alle Rechtfertigungsversuche (Organleihe, Amtshilfe) taugen offenkundig nicht. Denn es geht nicht darum, dass die zuständige Behörde die Aufgabe nicht selbst wahrnehmen würde. Es geht darum, dass der zuständigen Behörde für ihre Aufgabenerledigung Weisungen von Unzuständigen erteilt werden. Insoweit wird versucht, die Organleihe

D. Zwischenfazit

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zur „Kompetenzleihe“, die Amtshilfe zur „Führungshilfe“ umzudeuten. Beides ist unzulässig. Eine Unterstellung der Polizeikräfte der Länder unter die Weisungen des Bundes ist nur im Extremfall des Art. 91 Abs. 2 GG möglich, dessen enge Voraussetzungen durch Gefahrenlagen auf See aber kaum erreicht werden dürften. Das durch die Reformbemühungen der letzten Jahre im Einklang mit den Expertenforderungen nach der „Pallas“-Havarie angestrebte Ergebnis einer monokratischen Einsatzführung aus einer Hand ist verfassungskonform bei der gegenwärtigen Zuständigkeitsverteilung daher nicht zu erreichen. Auch die im Koalitionsvertrag von 2009 angestrebte einheitliche Deutsche Küstenwache ist auf dem Boden der derzeitigen Verfassungslage nicht realisierbar. Hierzu müsste an den Ursachen der Kompetenzzergliederung angesetzt werden. Die bisherigen Reformen bezogen sich aber stets nur auf die Überwindung der negativen Folgen der Kompetenzverteilung, die indes – wie gezeigt – nur begrenzt überwindbar sind. Gegenstand des folgenden 4. Teils ist daher die Darstellung möglicher Reformen, die an den Ursachen der Zergliederung, also an den Zuständigkeiten selbst, ansetzen. Klarzustellen ist, dass mit dem Urteil der Verfassungswidrigkeit die Früchte der jüngsten Reformbemühungen und insbesondere die beachtlichen Leistungen des Havariekommandos nicht zerredet werden sollen. Das Notfallmanagement des Havariekommandos wird von Experten mittlerweile als international vorbildlich eingeschätzt.313 Aber gerade um diese Erfolge nicht zu gefährden, muss die in tatsächlicher Hinsicht für gut befundene Struktur auf ein rechtlich sauberes Fundament gestellt werden. Abzuwarten, bis das Havariekommando durch ein etwaiges verfassungsgerichtliches Urteil für verfassungswidrig erklärt wird, wäre im Hinblick auf die erreichten Erfolge sicher kontraproduktiv.

313 Dazu Monsees, Kompetenzzentrum Havariekommando, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 1 (2); Dornquast, Die optimierte Küstenwache als Ziel, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 3 (4 f.).

4. Teil

Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen Anliegen dieses Teiles ist, die verschiedenen Möglichkeiten kompetentieller Neubzw. Umstrukturierungen aufzuzeigen, mit denen das politische Ziel einer einheitlicheren Aufgabenwahrnehmung auf See erreicht werden könnte. Das diagnostizierte Kompetenzgewirr liegt nur teilweise im Verfassungsrecht, teilweise aber auch im einfachen Recht bzw. in Verwaltungsvereinbarungen begründet. Zu differenzieren ist daher zwischen Reformansätzen, die sich ohne Grundgesetzänderung realisieren lassen und somit vergleichweise einfach umzusetzen sind (Abschnitt A.), und solchen, die einer Grundgesetzänderung bedürfen (Abschnitt B.).

A. Reformansätze de constitutione lata Auch bei unveränderter verfassungsrechtlicher Kompetenzlage sind verschiedene Reformen möglich. Das betrifft zum einen verbandsinterne Reformen, die auf die organisatorische Bündelung von Zuständigkeiten abzielen. Zumal im Bereich der Schifffahrtsverwaltung sind angesichts der nur fakultativen Bundeskompetenz und der auf Verwaltungsvereinbarungen basierenden gegenwärtigen Aufgabenwahrnehmung aber auch im föderalen Verhältnis Neuordnungen ohne Verfassungsänderung möglich.

I. Neuorganisation der Schifffahrtsverwaltung Ein erster Schritt der kompetentiellen Flurbereinigung wäre eine Neuorganisation der Schifffahrtsverwaltung, eine Aufgabe in fakultativer Bundesverwaltung, die der Bund gesetzlich an sich gezogen, sodann jedoch zur Ausübung im Wege der Organleihe wieder auf die Länder übertragen hat. Auf diese Weise hat der Bund Weisungsrechte gegenüber den Länderbehörden begründet, die ihm sonst nur im Bereich der Auftragsverwaltung zustehen, wozu die Schifffahrtsverwaltung aber gerade nicht zählt. Es bieten sich zwei Möglichkeiten an, diesen Teilbereich der maritimen Aufgabenwahrnehmung klarer zu organisieren und zugleich die erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die derzeitige Ausgestaltung zu beseitigen. Zum einen könnte der Bund auf die Wahrnehmung der Schifffahrtsverwaltung schlicht verzichten, indem er die einfachgesetzlichen Aufgabenbestimmungen striche. Nach

A. Reformansätze de constitutione lata

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Art. 83 i.V.m. 89 Abs. 2 S. 2 GG wären dann wieder die Länder originär zuständig. Die Wasserschutzpolizeien würden die Aufgabe weiterhin – nunmehr aber als eigene Aufgabe und damit in eigener Verantwortung – wahrnehmen. Am Gesamtproblem der Zergliederung der maritimen Kompetenzen würde ein Verzicht des Bundes auf die fakultative Bundesaufgabe freilich nichts ändern. Sinnvoller erscheint daher die umgekehrte Möglichkeit einer Kompetenzbereinigung zugunsten des Bundes. Konstruktiv abwegig ist allerdings der in diese Richtung zielende Vorschlag, die durch die Länder ausgeübten schifffahrtspolizeilichen Aufgaben „in Amtshilfe“ durch den Bund wahrnehmen zu lassen.1 Eine solche Daueramtshilfe wäre nicht nur nach allgemeinen Grundsätzen verfassungsrechtlich unzulässig,2 sondern auch gänzlich überflüssig. Es geht viel einfacher: Der Bund könnte die Übertragung der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben auf die Küstenländer schlicht rückgängig machen, indem er die bilateralen Verwaltungsvereinbarungen kündigte.3 Zwar enthalten die Verwaltungsvereinbarungen keine Kündigungsklausel. Die Vereinbarungen sind jedoch nichts anderes als die vertragliche Begründung eines Organleiheverhältnisses. Dieses muss schon aus verfassungsrechtlichen Gründen kündbar sein, da sich der Kompetenzinhaber nicht unwiderruflich des Rechts begeben darf, seine Kompetenzen selbst wahrzunehmen.4 Nach einer Kündigung könnte die Aufgabe der Schifffahrtspolizei wieder durch Bundesbehörden wahrgenommen werden und stünde weiteren Integrationsschritten auf Verbandsebene zur Verfügung.

II. Bündelung der Bundeskompetenzen in einer Küstenwache des Bundes Ein entscheidender Reformschritt, der ohne Verfassungsänderung auskommt, wäre ferner die Zusammenfassung der bestehenden maritimen Dienste des Bundes zu einer einheitlichen Behörde, der dann die Zuständigkeit für sämtliche polizeiliche Bundesaufgaben auf See eingeräumt werden könnte. Diese bereits seit geraumer Zeit erhobene rechtspolitische Forderung hat, wie erwähnt, nunmehr Eingang in den Koalitionsvertrag von 2009 gefunden, der eine Zusammenführung der Kompetenzen der beteiligten Bundesbehörden ankündigt.5 Aus verfassungsrechtlicher Sicht wäre eine solche Fusion weitgehend unproblematisch. Denn soweit das Grundgesetz nicht organisatorische Vorgaben für einzelne Aufgabenbereiche macht (wie etwa im Fall des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG, der 1

So aber Kelch/von Wecheln, Die Deutsche Küstenwache, Die Polizei 2007, 14 (15). Vgl. S. 154 f. 3 So auch Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 129); Ehlers, Grundgesetz und Meer, NordÖR 2003, 385 (387). 4 Siehe S. 160. 5 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. 10. 2009, S. 98. 2

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4. Teil: Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

die Abwehr terroristischer Gefahren nur durch das Bundeskriminalamt erlaubt), steht die Behördenorganisation im Organisationsermessen des Bundes.6 Das oft bemühte Trennungsgebot betrifft diesen Fall jedenfalls nicht, da hiermit nur die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, nicht aber die Trennung verschiedener Vollzugspolizeibehörden gemeint ist.7 1. Organisationsermessen und „Gepräge-Formel“ Klärungsbedürftig erscheint allerdings die Frage, ob alle polizeilichen Aufgaben des Bundes auf See auch auf die Bundespolizei übertragen werden könnten. Diesbezüglich wurde im Schrifttum die Auffassung geäußert, ein Ausbau der Bundespolizei See zu einer einheitlichen Küstenwache sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Übertragung grenzschutzfremder Aufgaben auf die Bundespolizei unzulässig.8 Das ist zu bezweifeln. Der organisationsrechtliche Gehalt des Begriffs „Bundesgrenzschutzbehörden“ in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG erschöpft sich zunächst in der Aussage, dass die funktionelle Aufgabe Grenzschutz, wenn sie vom Bund wahrgenommen wird, in bundeseigener Verwaltung wahrgenommen werden muss und mehrstufig wahrgenommen werden kann. Über die Zulässigkeit der Übertragung sonstiger Aufgaben auf die mit der Aufgabe Grenzschutz betraute Institution besagt Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG unmittelbar nichts. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht für die Zuweisung neuer Aufgaben an die Institution Bundesgrenzschutz (jetzt Bundespolizei) die bereits im Rahmen der Organkompetenzen angesprochene „Gepräge-Formel“ aufgestellt. Neben den selbstverständlichen Voraussetzungen, dass der Bund erstens über entsprechende Verbandskompetenzen für die jeweilige Aufgabe verfügen muss und zweitens das Grundgesetz diese Aufgabe keinem bestimmten Verwaltungsträger vorbehält, macht das Bundesverfassungsgericht eine Aufgabenübertragung abhängig von einer dritten Voraussetzung: Die Bundespolizei müsse, um dem Ausnahmefall einer Bundespolizei gegenüber der Polizeihoheit der Länder Rechnung zu tragen, das Gepräge einer Sonderpolizei zur Sicherung der Bundesgrenzen und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen behalten.9 Sie verlöre nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dieses Gepräge, wenn sie „zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut“ würde.10 6

Vgl. BVerfGE 97, 198 (224). So auch BVerfGE 97, 198 (217); dazu Ronellenfitsch, Der Bundesgrenzschutz als Bahnund Flugplatzpolizei, VerwArch 1999, 139 (160) sowie vertiefend zum Trennungsgebot Kutscha, Neue Grenzmarken des Polizeiverfassungsrechts, NVwZ 2005, 1231 (1234). 8 So Jenisch, Sicherheitskonzept für die deutschen Küsten, in: Ehlers/Erbguth, Aktuelle Entwicklungen im Seerecht I, 2000, S. 155 ff. (S. 169). 9 BVerfGE 97, 198 (218). 10 BVerfGE 97, 198 (218). 7

A. Reformansätze de constitutione lata

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Ungeachtet dessen, dass diese Voraussetzungen für die Gefahrenabwehr auf See möglicherweise vorliegen, verdeutlicht der vorliegende Kontext die bereits angedeuteten Schwächen und Unklarheiten dieses dritten Kriteriums. Die Bundespolizei ist nicht die einzige Bundesbehörde mit vollzugspolizeilichen Aufgaben. Eine Küstenwache des Bundes könnte ebenso aus der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes entwickelt werden.11 Auch könnte schlicht eine neue Behörde gegründet werden. Wenn eine (geschriebene oder ungeschriebene) Vollzugskompetenz des Bundes für polizeiliche Aufgaben besteht, wird man das Recht zur Errichtung entsprechender Behörden kaum absprechen können. Die Maßgaben der Gepräge-Formel wären nun aber ad absurdum geführt, wenn sie so leicht umgangen werden könnten.12 Konsequenterweise müsste sich die Formel daher auf alle Polizeikräfte des Bundes erstrecken. Dann aber könnte die noch absurdere Situation entstehen, dass dem Bund zwar unstreitig eine sonderpolizeiliche Vollzugskompetenz zusteht, die Wahrnehmung dieser Aufgabe aber nicht mehr im Einklang mit der Gepräge-Formel steht. Mit anderen Worten: Der Bund besäße eine Verbandskompetenz, die er aus organisationsrechtlichen Gründen nicht ausüben darf. Der „Polizeihoheit der Länder“ wäre damit nicht gedient, wenn doch gerade der Bund und nicht die Länder vollzugskompetent sind. Dann dürften weder Bund noch Länder die fragliche Aufgabe wahrnehmen. Dieses paradoxe Ergebnis verdeutlicht, dass der Inhalt der Gepräge-Formel – trotz gegenteiliger Auffassung in der Literatur13 – kaum als organisationsrechtliche Vorgabe verstanden werden kann. Bei Lichte betrachtet müsste sie vielmehr Schranke für die Verbandskompetenz sein. Die Verbandskompetenzen des Bundes ergeben sich jedoch unmittelbar aus dem Grundgesetz und stehen nicht unter dem Vorbehalt des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. Dieser steht auch nicht der Aufnahme neuer polizeilicher Bundeskompetenzen in das Grundgesetz entgegen, denn er ist kein normativ höherrangiges Verfassungsrecht. Grenzen für Grundgesetzänderungen ergeben sich allein aus Art. 79 GG. Daher hat die Gepräge-Formel nur dann überhaupt einen eigenständigen Sinn, wenn man sie nicht als Gehalt des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, sondern als Ausprägung des Art. 79 Abs. 3 GG auffasst, also als Schranke für eine weitere Übertragung polizeilicher Verbandskompetenzen auf den Bund. Nur in dieser Lesart kann sie einer Aushöhlung der Polizeihoheit der Länder entgegenstehen. Versteht man die Maßgaben als organisationsrechtliche Vorgabe, führt dies – je nach Auslegung – entweder dazu, dass die Restriktionen durch Gründung einer anderen Behörde schlicht umgangen werden 11 Insoweit die Anwendbarkeit der Gepräge-Formel verneinend Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 130). 12 Diese Absurdität verdeutlicht auch erneut den bereits auf S. 96 f. skizzierten Unterschied zwischen funktionellem und institutionellem Grenzschutzbegriff. 13 So Burgi, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87 Rn. 42, der ferner fordert, dass die Aufgabe Grenzschutz die Tätigkeit der Bundespolizei noch entscheidend „prägen“ müsse; ähnlich Winkeler, Von der Grenzpolizei zur multifunktionalen Polizei des Bundes?, 2005, S. 119 ff. Das hindert aber nicht an der Errichtung einer neuen Behörde.

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könnten, oder dazu, dass ein Rechtsbereich mangels Organzuständigkeit nicht vollziehbar ist. Beides kann das Bundesverfassungsgericht nicht gemeint haben. Auch dem Schutz der Länder wäre in beiden Fällen nicht gedient. Als Konkretisierung des Art. 79 Abs. 3 GG erscheint die Gepräge-Formel hingegen sehr sinnvoll, garantiert dieser doch nicht nur die formelle Staatsqualität der Länder, sondern schließt auch aus, dass diese durch Grundgesetzänderungen nach und nach ausgehöhlt wird und schließlich nur eine „leere Hülse von Eigenstaatlichkeit übrig bliebe“.14 Die Eigenstaatlichkeit der Länder aber manifestiert sich, da die Gesetzgebungskompetenzen überwiegend beim Bund liegen, entscheidend auf der Ebene des Vollzugs und dort insbesondere im polizeilichen Bereich.15 Die polizeilichen Vollzugskompetenzen haben daher für die materielle Eigenstaatlichkeit der Länder wesentliche Bedeutung. Ihr Mindestbestand ist daher über Art. 79 Abs. 3 GG zu schützen. Die Kriterien der Gepräge-Formel geben hier einen tauglichen Maßstab vor: Soll eine polizeiliche Aufgabe auf den Bund übertragen werden, die nicht der „Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen“16 dient, wäre die Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG erreicht. Das in der Gepräge-Formel enthaltene Verbot einer mit den Landespolizeien „konkurrierenden“ Bundespolizei erscheint hingegen als schlicht überflüssig. Denn konkurrieren können Bundes- und Landespolizei nur, wenn sie identische oder jedenfalls überlappende Kompetenzen haben. Dass dieselbe Kompetenz Bund und Ländern zusteht, ist de jure aber nach Art. 30, 83 GG ausgeschlossen. Nach alledem ist festzuhalten, dass, wenn eine Bundeszuständigkeit besteht, nichts gegen eine Übertragung dieser Aufgabe auf die Bundespolizei spricht. Das Gepräge-Kriterium erlangt nach hier vertretener Auffassung17 insoweit keine eigenständige Bedeutung.18 Es entfaltet Bedeutung nur als Schranke gegenüber neuen polizeilichen Verbandskompetenzen des Bundes und damit als Ausprägung des Art. 79 Abs. 3 GG. Vorliegend spricht daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts gegen eine Konzentration der Bundeskompetenzen in einer Behörde. Dies kann die Bundespolizei, aber auch eine andere oder eine neu zu schaffende Behörde des Bundes sein. Der Prüfungsmaßstab des Art. 79 Abs. 3 GG ist nicht eröffnet, da es sich nicht um neue Kompetenzen des Bundes handelt. 14

BVerfGE 34, 9 (19 f.). Darauf weist schon Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, S. 35 für das Reich-Länder-Verhältnis nach der Weimarer Verfassung hin; vgl. auch Pieroth, Politischer Freiraum zur Umgestaltung des Bundesstaats, ZRP 2008, 90 (92). 16 BVerfGE 97, 198 (218). 17 Selbst die Kritiker einer Aufgabenübertragung halten das Gepräge-Kriterium im Übrigen für untauglich, vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87 Rn. 44. 18 I. E. ebenso Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 87 Rn. 125, der im Fall einer bestehenden Bundeskompetenz kein Hindernis für eine Aufgabenübertragung sieht („allgemeine Bundespolizei für den Exekutivbereich des Bundes“). 15

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2. Kreationsakt und Aufgabenzuweisung Als Kreationsakt für die Errichtung einer solchen einheitlichen Bundesbehörde, die die Bezeichnung „Küstenwache des Bundes“ tragen könnte, genügt ein Beschluss der Bundesregierung (Art. 86 S. 2 GG). Zweckmäßig erscheint die Schaffung einer Mittelbehörde mit Unterbehörden an den einzelnen Küstenstandorten. Vorhandene Strukturen, Personal und Verwaltungsmittel (insbesondere Wasser- und Luftfahrzeuge) der Bundespolizeiinspektionen See, der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest, des Wasserzolls und der Fischereiaufsicht wären in die Küstenwache des Bundes einzugliedern. Auch die Ressortzuständigkeit für die neue Behörde müsste durch Kabinettsbeschluss geklärt werden. Bisher waren für die genannten Bundesdienste vier verschiedene Bundesministerien zuständig. Theoretisch könnte es, jedenfalls was die Fachaufsicht betrifft, weiterhin dabei bleiben. Die Küstenwache wäre dann ähnlich wie die Regierungspräsidien eine Querschnittsbehörde, die als Mittelbehörde mehrerer oberster Bundesbehörden fungiert. Sinnvoll wäre dies, gerade weil die seesicherheitsrechtlichen Zuständigkeiten in der Praxis schwer zu trennen sind, nicht. Das heute bestehende Problem zerfaserter Kompetenzen würde dann letztlich nur auf die Ebene der Fachaufsicht verlagert. Eine Küstenwache des Bundes sollte daher einheitlich einem Bundesministerium unterstellt werden. In Betracht kommen, je nach politischer Schwerpunktsetzung, das BMI oder das BMVBS. Im Anschluss an die Errichtung der Behörde müssten dann die einfachgesetzlichen Zuständigkeitsregelungen angepasst und die jeweiligen Aufgaben für einen näher zu definierenden räumlichen Bereich auf See der neuen „Küstenwache des Bundes“ zugewiesen werden. Zumindest die Bundesaufgaben würden dann nicht mehr durch vier, sondern nur noch durch eine Behörde wahrgenommen. Das ermöglicht nicht nur eine einheitliche Einsatzleitung im Bedarfsfall, sondern auch eine effizientere Nutzung der Mittel im Alltagsbetrieb durch Vermeidung von Mehrfachkontrollen und parallelen Streifenfahrten im selben Seegebiet. Dieses Ergebnis wäre in rechtlicher Hinsicht mit vergleichsweise geringfügigen Schritten zu erreichen.

III. Bündelung der Landeskompetenzen innerhalb der Länder Ebenso wäre auch die Zusammenfassung der verschiedenen seegehenden Dienste der jeweiligen Küstenländer (Wasserschutzpolizei, Fischereiaufsicht, Wasserbehörden) ohne weiteres möglich. Wie auf Bundesebene könnte auch in den Ländern jeweils eine einheitliche Behörde geschaffen werden, die alle vollzugspolizeilichen Aufgaben des Landes auf See wahrnimmt.19 Je nach landesverfassungsrechtlicher

19 In Schleswig-Holstein wurde eine solche Landesküstenwache bereits 1995 gegründet, siehe Möllers, Wörterbuch der Polizei, 1. Aufl. 2001, Stichwort Küstenwache SchleswigHolstein, S. 943. Sie war als Vorstufe einer einheitlichen Deutschen Küstenwache gedacht,

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Regelung bedarf es dazu eines Gesetzes oder ist ein Kabinettsbeschluss ausreichend. Anschließend wären auch hier die jeweiligen Zuständigkeitsregelungen an die neue Behörde anzupassen.

IV. Gründung einer einheitlichen Küstenwache der Länder Verfassungsrechtlich schwieriger ist die Frage, ob darüber hinaus auch die Seedienste aller Küstenländer in einer länderübergreifenden Behörde mit monokratischen Führungsstrukturen, einer „Küstenwache der Länder“, zusammengeführt werden könnten. Rechtlich gleich zu werten wäre der Fall, wenn als Minus zu einer Länderküstenwache eine einheitliche Wasserschutzpolizei der Länder gegründet würde. In beiden Fällen läge eine (echte) gemeinsame Ländereinrichtung vor, die die übertragenen Aufgaben einheitlich für alle beteiligten Küstenländer wahrnähme. Kreation der Einrichtung und Übertragung der entsprechenden Vollzugsaufgaben würden durch Staatsvertrag erfolgen. Zu prüfen bleibt, inwieweit eine solche Regelung mit dem Grundgesetz in Einklang stünde. Schnoor meint, die Kompetenzordnung des Grundgesetzes würde durch eine solche gemeinsame Ländereinrichtung nicht berührt und sei daher unproblematisch möglich.20 Dass die Kompetenzordnung des Grundgesetzes per se nicht berührt sei, überzeugt nach den obigen Ausführungen zur Frage der Zwischen-Länder-Zusammenarbeit jedoch nicht.21 Das wäre nur der Fall, wenn man die Zusammenarbeit als Organleihe qualifizieren würde, was die Einräumung von Weisungsrechten des jeweils örtlich betroffenen Landes gegenüber dem Einsatzleiter im Einzelfall voraussetzen würde.22 Selbst dann verträgt es sich mit der Konzeption der Organleihe als Inanspruchnahme eines fremden „Werkzeugs“ aber schlecht, dass das fremde Organ die eigenen Einsatzkräfte führen soll. Die Organleihe ist, wie bereits zum Havariekommando klargestellt, keine „Kompetenzleihe“ und taugt daher nicht zur Begründung einer einheitlichen Einsatzleitung. Vielmehr sollen vollzugspolizeiliche Aufgaben gemeinschaftlich und einheitlich durch eine selbständige Einrichtung für mehrere Länder wahrgenommen werden. Darin liegt eine Aufgabenabwälzung und Verantwortungsvermischung, die nicht nur die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung, sondern auch die rechtsstaatliche und demokratische Verantwortungsklarheit berührt und daher rechtferti-

wurde, nachdem sich bundespolitisch in dieser Richtung nichts tat, 2005 jedoch wieder aufgelöst, vgl. bereits S. 107. 20 Schnoor, Verfassungsrechtliche Bedingungen einer Küstenwache zur Bewältigung maritimer Schadensfälle, NordÖR 2000, 221 (221). 21 Vgl. S. 142 ff. 22 Zweifelhaft daher die Wertung bei Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 13. Aufl. 2008, Rn. 709.

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gungsbedürftig ist.23 Im Bund-Länder-Verhältnis wäre eine derartige Aufgabenabwälzung schlechterdings ausgeschlossen, im Zwischen-Länder-Verhältnis jedoch unter folgenden Voraussetzungen gerechtfertigt: Erstens müssen für eine Übertragung zwingende sachliche Gründe vorliegen. Zweitens muss die zu übertragene Verwaltungsmaterie inhaltlich begrenzt sein. Drittens muss jedes Land hinreichende Mit- bzw. Einwirkungsrechte behalten. Viertens darf die Aufgabenübertragung nicht endgültig sein. Fünftens muss das von der Gemeinschaftseinrichtung anwendbare Recht entweder das jeweilige Ortsrecht oder staatsvertraglich begründetes Recht sein. Die einheitliche Anwendung eines einzigen Landesrechts ist nur möglich, wenn der Staatsvertrag eine statische Verweisung vornimmt.24 Und schließlich darf die Gemeinschaftseinrichtung sechstens nicht dazu führen, dass eine dritte föderale Ebene entsteht. Vor dem Hintergrund der erkannten Defizite bei der Gefahrenabwehr auf See und des – insbesondere in der Nordsee – kleinteilig auf die Küstenländer verteilten Küstenmeers sowie der naturgemäß beweglichen Gefahrenlagen auf See wird man zwingende sachliche Gründe für eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung annehmen können. Das Erfordernis der Begrenztheit der übertragenen Aufgaben dient der Vermeidung einer faktischen Entstaatlichung der Länder. Insoweit berühren Kooperationen auf dem Feld der allgemeinen Gefahrenabwehr, die zum Kernbestand ländereigener Aufgaben zu zählen ist, einen sensiblen Bereich.25 Indes stellt die Wasserschutzpolizei sachlich nur einen Teil der Landespolizei dar. Und selbst wenn man sich zu einer Zusammenfassung aller Seedienste entschlösse, macht dies doch nur einen kleinen Teil der im Übrigen unangetasteten Landesverwaltung aus. Vor allem in räumlicher Hinsicht betrifft die Aufgabenübertragung einen im Vergleich zum übrigen Landesgebiet verhältnismäßig kleinen Teil des Landesgebiets. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass bei Inkrafttreten des Grundgesetzes die Küstenmeerbreite nur drei (statt heute zwölf) Seemeilen betrug und das Grundgesetz insoweit von einem erheblich kleineren Hoheitsgebiet der Küstenländer auf See ausging. Angesichts der natürlichen Landgrenze besteht auch nicht die Gefahr einer „schleichenden Entstaatlichung“. Eine Länderküstenwache würde schließlich auch noch nicht gegen den Verfassungsgrundsatz „tertium non datur“ verstoßen. Zwar hätte die Zusammenarbeit in einer Länderküstenwache, also einer unitarischen Vollzugspolizeibehörde mehrerer 23

Vgl. Nettesheim, Wettbewerbsföderalismus und Grundgesetz, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, 2004, S. 363 ff. (S. 387). 24 A.A. Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 187, der die Festlegung eines einziges Landesrechtes gerade für zwingend erachtet, was allerdings im Widerspruch zu der vorherigen Feststellung steht, dass legislative Kompetenzen nicht berührt seien. Dies ist sehr wohl der Fall, wenn Teile des eigenen Territoriums fremder Legislation unterliegen sollen. 25 Gegen eine Zusammenlegung von Polizeibehörden mehrerer Länder daher Nettesheim, Wettbewerbsföderalismus und Grundgesetz, in: Brenner/Huber/Möstl, FS Badura, 2004, S. 363 ff. (S. 379).

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4. Teil: Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

Länder eine weitaus größere Intensität als die bisherigen Erscheinungsformen der Zusammenarbeit.26 Wesentliche und gewichtige Landesaufgaben würden gemeinschaftlich wahrgenommen. Die Zusammenarbeit erstreckt sich aber zum einen nur auf einige Länder und ist zum anderen räumlich auf bestimmte Landesteile begrenzt. Zwar übersteigt die Zahl der beteiligten Länder die dem Art. 87 Abs. 2 S. 2 GG entnommene Orientierungsgröße von drei Ländern. Gleichwohl besteht durch die Begrenzung auf Küstenbundesländer ein hinreichender regionaler Bezug, der eine „Dritte Ebene“ als Konkurrenz zur Bundesebene nicht befürchten lässt, zumal es sich bei zweien der Küstenbundesländer lediglich um Stadtstaaten handelt. Eine Gemeinschaftseinrichtung der Länder zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung der in Landeskompetenz liegenden Gefahrenabwehr auf See wäre insoweit dem Grunde nach zulässig. Bei der Ausgestaltung wären dann die weiteren Maßgaben hinsichtlich der Einwirkungsbefugnisse (Einstimmigkeitsprinzip in Gremien, alternierende Fachaufsicht), der Kündigungsmöglichkeit und des anwendbaren Rechts zu beachten.27 Einer einheitlichen Küstenwache der Länder könnten dann auch schifffahrtspolizeiliche und theoretisch sogar grenzpolizeiliche Aufgaben übertragen werden, wenn der Bund einfachgesetzlich auf die Beanspruchung dieser nur fakultativ dem Bund obliegenden Aufgabenbereiche verzichten würde.28 Tendenziell wäre die Länderküstenwache dann innerhalb der Hoheitsgewässer, die Bundesküstenwache außerhalb der Hoheitsgewässer zuständig. Die Strompolizei sowie der Zollschutz blieben angesichts der insoweit obligatorischen Vollzugskompetenz freilich auch innerhalb der Hoheitsgewässer Sache des Bundes.

V. Gemeinsame Leitstelle von Bundes- und Länderküstenwache In einem letzten Schritt de constitutione lata könnte man schließlich die Leitstellen der neuen „Küstenwache des Bundes“ und der einheitlichen „Küstenwache der Länder“ räumlich in einer gemeinsamen Organisationseinheit zusammenfas-

26 Vollzugspolizeiliche Aufgaben sind bisher zwar nicht auf Gemeinschaftseinrichtungen, in begrenztem Umfang allerdings schon auf andere Länder übertragen worden. So werden verkehrspolizeiliche Aufgaben auf Autobahnabschnitten zum Teil unabhängig von Landesgrenzen wahrgenommen und ist die niedersächsische Wasserschutzpolizei etwa auch für die hessischen Teile von Weser und Fulda zuständig. Je nachdem, ob die betraute Behörde den Weisungen der örtlichen Behörden unterstellt ist oder nicht, stellt dies eine Organleihe oder eine Delegation dar, vgl. Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 1. Aufl. 1990, § 105 Rn. 62 f. 27 Zu den Einzelheiten oben S. 146 ff. 28 Die Schifffahrtspolizei würde dann im Gegensatz zur jetzigen Organleihekonstruktion in eigener Zuständigkeit der Länder und nicht lediglich als weisungsunterstelltes Organ des Bundes wahrgenommen.

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sen.29 Der Nutzen einer solchen Zusammenfassung läge allerdings nur in der erleichterten Kommunikation und der Möglichkeit einer gemeinsamen Lagebewertung. Zwar werden im Schrifttum zugunsten einer möglichst einheitlichen Einsatzleitung die Bildung eines gemeinsamen Führungsstabes und die Bestellung eines Gesamteinsatzleiters vorgeschlagen.30 Entscheidend ist jedoch, dass der Einsatzleiter verbindliche Entscheidungen nur für den eigenen Kompetenzbereich treffen kann. Ist er Bundesbeamter, kann er nur den Bediensteten der Bundesküstenwache Weisungen erteilen. Von ihm getroffene Entscheidungen, die den Zuständigkeitsbereich der Länderküstenwache betreffen, können hingegen verfassungsrechtlich nur als unverbindliche Empfehlungen gegenüber dem leitenden Landesbeamten gewertet werden, der rechtlich dann eine eigenständige Entscheidung trifft. Dasselbe gilt vice versa, wenn der Gesamteinsatzleiter ein Landesbeamter ist. Eine solche gemeinsame Organisationseinheit ist letztlich nichts anderes als eine verfassungskonforme Abwandlung der Strukturen im Havariekommando, freilich mit dem Unterschied, dass sämtliche Seedienste und nicht nur die Safety-Dienste beteiligt wären. Eine monokratische Einsatzführung im eigentlichen und angestrebten Sinne ist mit diesem Modell aber nicht zu erreichen. Die Einheitlichkeit der Einsatzmaßnahmen hängt – wie auch bei den gegenwärtigen Formen der Zusammenarbeit mit Ausnahme des (verfassungswidrigen) Havariekommandos – vom guten Willen der Beteiligten ab.

VI. Übertragung der Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr innerhalb der Hoheitsgewässer auf den Bund Auf verfassungsrechtlich fragwürdigem Terrain bewegt sich der Vorschlag, die Länder sollten den Bund durch Staatsverträge mit der Durchführung der allgemeinen Gefahrenabwehr innerhalb des Küstenmeers beauftragen.31 Eine zu gründende Küstenwache des Bundes oder eine andere Bundesbehörde soll danach – bei theoretisch fortbestehender Landeskompetenz – die allgemeinpolizeilichen Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen und sich dazu des Personals der Wasserschutzpolizeien der Länder bedienen können. Das entspricht der aktuellen Situation im Bereich der schifffahrtspolizeilichen Aufgabenwahrnehmung. Dort handelt es sich allerdings um eine (fakultative) Bundesaufgabe, hier um eine Landesaufgabe. Eine Aufgabenübertragung wäre im Bund-Länder-Verhältnis konstruktiv nur über die Organleihe möglich. Voraussetzung und Wesensmerkmal einer Organleihe ist aber, wie bereits mehrfach ausgeführt, gerade, dass die verleihende Körperschaft nur die Mittel zur Verfügung stellt, die entleihende Körperschaft aber die Weisungsrechte behält. Da es sich hier um eine Landesaufgabe handelt, dürfte also der Bund nur Mittel 29

So der Vorschlag von Schnoor, Verfassungsrechtliche Bedingungen einer Küstenwache zur Bewältigung maritimer Schadensfälle, NordÖR 2000, 221 (225). 30 Schnoor, Verfassungsrechtliche Bedingungen einer Küstenwache zur Bewältigung maritimer Schadensfälle, NordÖR 2000, 221 (224 f.). 31 So Kelch/von Wecheln, Die Deutsche Küstenwache, Die Polizei 2007, 14 (16).

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4. Teil: Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

und Personal zur Verfügung stellen, das nach den Weisungen der Länder handeln müsste. Hier wird jedoch die genau umgekehrte Situation vorgeschlagen: Personal und Mittel der Wasserschutzpolizeien sollen unter dem Kommando des Bundes stehen. Das wäre keine Organleihe, sondern eine „Kompetenzleihe“ und ohne Verfassungsänderung keinesfalls möglich.

VII. Zwischenfazit Gleichwohl zeigt sich, dass bereits de constitutione lata weitreichende Änderungen der seesicherheitsrechtlichen Kompetenzordnung möglich sind. Ohne weiteres lassen sich die Seedienste des Bundes ebenso wie die der Länder jeweils verbandsintern zusammenfassen und unter einheitliche Leitung stellen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine verbandsübergreifende Zusammenführung der Seedienste aller Küstenländer möglich. Ferner kann im Bereich der Schifffahrtspolizei mehr kompetentielle Klarheit geschaffen werden, indem der Bund die fakultative Aufgabe entweder nicht mehr beansprucht oder aber sie bei fortwährender Beanspruchung auch selbst wahrnimmt. Grenzmarke für Reformen, die auf eine einheitlichere Aufgabenwahrnehmung abzielen, ist jedoch stets die föderale Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Ohne Grundgesetzänderung ist eine monokratische Führung von Bundes- und Landeskräften nicht möglich.32 Die föderale Kompetenzverteilung steht der Errichtung einer omnikompetenten Gefahrenabwehrbehörde auf See entgegen. Das bedeutet, dass im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts das im Koalitionsvertrag von 2009 erklärte mittelfristige Ziel einer einheitlichen Deutschen Küstenwache nicht zu realisieren ist. Eine Küstenwache des Bundes wäre aus rechtlicher Sicht zwar einfach umsetzbar, ihr würden aber innerhalb der Hoheitsgewässer nach wie vor gewichtige Kompetenzen, insbesondere die zur allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr, fehlen. Es bliebe insoweit bei den bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Bundes- und Landeskompetenzen und dem Wechsel der Zuständigkeit bei sich sachlich oder räumlich verändernden Gefahrenlagen. Die in diesem Zusammenhang diagnostizierten Verluste an Effektivität und Effizienz lassen sich ohne Grundgesetzänderung folglich zwar vermindern, nicht aber gänzlich beseitigen.

B. Reformansätze de constitutione ferenda Dieser Befund führt zu der Frage, mit welchen Grundgesetzänderungen die Errichtung einer einheitlichen Deutschen Küstenwache ermöglicht werden könnte. 32 So auch Herma/Jenisch, Gutachten – Rechtliche Beurteilung der maritimen Sicherheit unter besonderer Berücksichtigung der Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Bd. 1, 2001, S. 279 ff. (S. 422 f.).

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I. Gemeinschaftsaufgabe Seesicherheit In der Literatur findet sich der Vorschlag, den Katalog der Gemeinschaftsaufgaben im VIIIa. Abschnitt des Grundgesetzes um seesicherheitsrechtliche Aufgaben zu ergänzen.33 Konkret sei zu erwägen, den Katalog des Art. 91a Abs. 1 GG, der bereits die „Verbesserung des Küstenschutzes“ enthält, um die Verbesserung „der Sicherheit und des Umweltschutzes auf See“ zu ergänzen.34 Das wirft mehrere Fragen auf. Klarzustellen ist zunächst, dass dies kein Vorschlag zur Kompetenzbereinigung ist, weil eine Gemeinschaftsaufgabe an der Kompetenzverteilung nichts ändert. Sie beseitigt lediglich die Folgen des Kompetenzkonflikts, nicht dessen Ursachen. Sinn und Zweck einer Gemeinschaftsaufgabe ist, die verfassungsrechtlichen Hindernisse einer Bund-Länder-Kooperation, insbesondere das Verbot von Bundesingerenzen bei Länderaufgaben, für einzelne Fälle aufzuheben.35 Zugespitzt formuliert, dient die Aufnahme einer Gemeinschaftsaufgabe letztendlich der Umgehung der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit bestimmter Kooperationsformen im Einzelfall, wie das Schicksal der Arbeitsgemeinschaften nach dem SGB II anschaulich belegt. Deren judizierte Verfassungswidrigkeit wurde nun durch Einfügung eines Art. 91e GG beseitigt.36 Das ist nicht Aufgabe einer Verfassung. Sie soll den Rahmen für ein staatliches Gemeinwesen vorgeben, nicht aber für verfassungswidrig erklärte Gesetze nachträglich legalisieren. Auch Grundgesetzänderungen haben den Grundlagencharakter der Verfassung zu wahren.37 Durch die ständige Erweiterung neuer Gemeinschaftsaufgaben wird nicht nur das Grundkonzept der föderalen Verwaltungsordnung zunehmend durchlöchert. Auch werden demokratische Verantwortungszusammenhänge nicht klarer, sondern unklarer. Das ist insbesondere im Bereich der Eingriffsverwaltung bedenklich und läuft auch dem Ziel der Föderalismusreform I zuwider, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entwirren und Verantwortlichkeiten klarer zuzuordnen.38 Eine „Gemeinschaftsaufgabe Seesicherheit“ hinge33

Etwa Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 172, der damit die Kooperation im Havariekommando auf verfassungsrechtlich sicheres Fundament stellen will. 34 So Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 193 f. sowie Herma/Jenisch, Gutachten – Rechtliche Beurteilung der maritimen Sicherheit unter besonderer Berücksichtigung der Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Bd. 1, 2001, S. 279 ff. (S. 422 f.). 35 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 41, S. 837. 36 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) vom 21. 07. 2010, BGBl. I S. 944. 37 Selmer, Die Föderalismusreform II – Ein verfassungsrechtliches monstrum simile, NVwZ 2009, 1255 (1259). 38 Vgl. Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 91c Rn. 26; kritisch zu den dem Ziel der Föderalismusreform I zuwiderlaufenden Zentralisierungstendenzen der Föderalismusreform II auch Kemmler, Schuldenbremse und Benchmarking im Bundesstaat, DÖV 2009, 549.

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gen würde das Kompetenzgewirr auf See gerade perpetuieren und lediglich die Kompetenzgrenzen überspielen. Von derartiger „konstitutioneller Flickschusterei“ ist abzuraten. Abgesehen von diesen eher verfassungspolitischen Erwägungen, ist fraglich, ob eine „Gemeinschaftsaufgabe Seesicherheit“ denn überhaupt dem Ziel einer einheitlichen Gefahrenabwehr auf See bzw. der Errichtung einer einheitlichen Küstenwache dienen würde.39 Tatbestandlich und systematisch erscheint zumindest Art. 91a GG für die vorgeschlagene Änderung zunächst wenig geeignet. Denn zum einen ist tatbestandliche Voraussetzung des Art. 91a GG, dass es sich um „Aufgaben der Länder“ handelt. Die Sicherheit auf See ist wie gezeigt aber gerade eine auf Bund und Länder verteilte Aufgabe. Zum anderen betrifft die bisherige Fassung des Art. 91a GG nur Infrastruktur- und Baumaßnahmen, also schlichthoheitliche Verwaltungsaufgaben. Das gilt auch für den Küstenschutz, der zwar terminologisch wesensverwandt mit der Seesicherheit ist, inhaltlich jedoch nur den Bau von Küstenschutzwerken wie Deichen und Sperrwerken, also völlig andere als die hier diskutierten Aufgaben der Gefahrenabwehr umfasst.40 Auch auf Rechtsfolgenseite erscheint Art. 91a GG zur Überwindung der verflochtenen Administrativkompetenzen wenig hilfreich, da nur der Bund im Aufgabenbereich der Länder mitwirken kann, nicht aber umgekehrt. Besser geeignet erscheint daher eine Regelung analog zu den Art. 91b ff. GG, nach denen Bund und Länder bei bestimmten Aufgaben wechselseitig zusammenwirken können. Unklar bliebe freilich auch insoweit die Rechtsfolge: Was würde ein „Zusammenwirken“ im Bereich der Sicherheit auf See bedeuten? Die bisher existierenden Gemeinschaftsaufgaben betreffen lediglich die gemeinsame Erledigung von bestimmten Förderungs- und Evaluierungsaufgaben (Art. 91b und 91d GG) sowie die gemeinsame Entwicklung und Bereitstellung elektronischer Verwaltungsinfrastruktur (Art. 91c GG). Bei derartigen Planungsaufgaben ist ein Zusammenwirken etwa in Form von Arbeitskreisen und Mitentscheidungsrechten vorstellbar. Die nun eingeführte Gemeinschaftsaufgabe des Art. 91e GG betrifft erstmals hoheitliches, nach außen gerichtetes Staatshandeln. Ein „Zusammenwirken“ im Bereich der Grundsicherung für Arbeitslose – also einem Bereich der Leistungsverwaltung – kann bedeuten, dass die Anspruchsvoraussetzungen von Leistungen einvernehmlich zwischen Bund und Ländern festgestellt werden müssen oder ähnliche Mitentscheidungsrechte im Aufgabenbereich des jeweils anderen eingeräumt werden. Bei der Erledigung vollzugspolizeilicher Aufgaben fällt die Vorstellung eines „Zusammenwirkens“ hingegen schwer. Denn hier kommt es auf klare Führung an. Denkbar wären zwar Mitentscheidungsrechte im Aufgabenbereich des jeweils anderen.41 Die 39

Dies verneint auch Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 193 f. 40 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 91a Rn. 27. 41 Vgl. auch Herma/Jenisch, Gutachten – Rechtliche Beurteilung der maritimen Sicherheit unter besonderer Berücksichtigung der Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, in:

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durch eine Gemeinschaftsaufgabe erlaubten Ingerenzen dürften aber nicht so weit reichen, dass eine unzuständige Körperschaft die komplette Einsatzleitung über Personal und Mittel der zuständigen Körperschaft übernimmt. Wenn beispielsweise alle Einsatzkräfte der Länder den Weisungen eines allein entscheidenden Bundesbeamten unterstellt würden, bedeutete dies eine alleinverantwortliche Erfüllung von Länderaufgaben durch den Bund. Dies käme einer faktischen Änderung der Kompetenzverteilung gleich, die ausdrücklich erfolgen müsste.42 Eine monokratische Einsatzführung ist daher auch über den Weg einer Gemeinschaftsaufgabe nicht zu erreichen. Dazu muss an der Kompetenzverteilung selbst angesetzt werden.

II. Streichung von Bundeskompetenzen innerhalb der Hoheitsgewässer Setzt man an der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung an, so ist eine „Flurbereinigung“ theoretisch in zwei Richtungen denkbar: Die Bundeskompetenzen könnten um die verbliebenen Länderkompetenzen im Küstenmeer erweitert werden (dazu sogleich unter IV.). Oder die (obligatorischen) seesicherheitsrechtlichen Vollzugskompetenzen (Strompolizei und Zollschutz)43 des Bundes innerhalb der Hoheitsgewässer könnten gestrichen werden, womit die Gefahrenabwehr auf See bis zur Küstenmeergrenze insgesamt in den Zuständigkeitsbereich der Länder fiele. Das Ergebnis wäre, dass innerhalb der Hoheitsgewässer die Länder, außerhalb der Hoheitsgewässer der Bund für die Gefahrenabwehr insgesamt zuständig wären. Die Länder könnten ihre Aufgaben dann unter den dargestellten Voraussetzungen mit einer einheitlichen Länderküstenwache wahrnehmen, der Bund seine Aufgaben mit einer Küstenwache des Bundes. Dieses Modell würde die sachlichen Zuständigkeitsgrenzen und die damit verbundenen Probleme beseitigen. Die Küstenmeergrenze bliebe als räumliche Zuständigkeitsgrenze jedoch weiterhin bestehen und würde sich, da sie nunmehr alle sachlichen Zuständigkeiten beträfe, auch noch stärker auswirken. Die Bearbeitung großflächiger bzw. beweglicher Gefahrenlagen, wie sie auf See häufig sind, wäre nach wie vor – gewissermaßen künstlich – an der Küstenmeergrenze aufgespalten. Zudem müssten wiederum Kapazitäten für im Prinzip Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Bd. 1, 2001, S. 279 ff. (S. 423). 42 Zwar fordert Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG nicht, dass eine Grundgesetzänderung an einer bestimmten, dem materiellen Gehalt entsprechenden Stelle des Grundgesetzes erfolgt. Wird eine Aussage (wie hier eine Kompetenzbestimmung) durch eine neue Bestimmung jedoch faktisch in ihr Gegenteil verkehrt, ist aus Gründen der dem Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG jedenfalls als ratio legis zugrundeliegenden Pflicht zur Verfassungsklarheit eine auch formelle Änderung der materiell derogierten älteren Bestimmung zu fordern, vgl. dazu Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 79 Rn. 23. 43 Nur insoweit müssten Änderungen an den Art. 87 und 89 GG vorgenommen werden, während die fakultativen Bundeskompetenzen für die Schifffahrtspolizei und den Grenzschutz ohne Grundgesetzänderung auf die Länder übertragen werden könnten.

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4. Teil: Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

gleiche Aufgaben mehrfach vorgehalten werden. In der aktuellen Debatte scheint ein solches Zweier-Modell und die damit verbundene Aufgabenverlagerung zugunsten der Länder indes auch nicht verfolgt zu werden.

III. Ausführung der Landesgesetze durch den Bund Die angestrebte einheitliche Deutsche Küstenwache, die nicht nur sachlich, sondern auch räumlich unbeschränkt für die Gefahrenabwehr auf See zuständig ist, kann nur durch Kompetenzverlagerungen auf den Bund realisiert werden. Im Schrifttum findet sich der Vorschlag, eine Bundeszuständigkeit für den Vollzug der seesicherheitsrechtlichen Landesgesetze einzuführen.44 Das wäre gewissermaßen ein Minus zur Vollkompetenz des Bundes, da die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern verbliebe. Gleichwohl wäre ein einheitlicher Vollzug durch den Bund möglich. Nach bisher herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung ist zwar der Bundesvollzug von Landesrecht schlechterdings ausgeschlossen: Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind die äußerste Grenze für seine Verwaltungskompetenzen.45 Dass die gängige Verfassungsinterpretation eine Bundesexekutive als Vollzugsinstanz des Landesrechts ausschließt, hindert freilich nicht deren (partielle) Einführung im Wege einer Grundgesetzänderung. Maßstab wäre hier allein Art. 79 Abs. 3 GG. Dieser sichert die föderale Struktur des Grundgesetzes gleich dreifach ab: durch die Garantie der „Gliederung des Bundes in Länder“, der „grundsätzliche[n] Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ und schließlich des in Art. 20 GG enthaltenen Bundesstaatsprinzips.46 Berühren könnte vorliegender Änderungsvorschlag allenfalls die kumulativ durch das erste und dritte Element geschützte Eigenstaatlichkeit der Länder. Diese setzt unter anderem ein Mindestmaß an legislativen, exekutiven und judikativen Aufgaben voraus.47 Damit ist jedoch nur gefordert, dass überhaupt Verwaltungskompetenzen in hinreichendem Umfang bestehen. Das Grundgesetz sieht es offensichtlich als der Staatsqualität des Bundes nicht abträglich an, dass – sogar im Regelfall – nicht er selbst, sondern die Länder dessen Gesetze vollziehen. Man wird daher auch den umgekehrten Fall nicht strukturell und per se als Antastung der Eigenstaatlichkeit der Länder ansehen können, sondern allenfalls in der Quantität. Die Einführung einer – räumlich auf das Küstenmeer beschränkten – Bundeskompetenz zum Vollzug des Landesrechts ist daher nach Art. 79 Abs. 3 GG nicht ausgeschlossen. Zu platzieren wäre eine solche Ausnahmebestimmung allerdings

44 Vgl. Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 195. 45 Dazu bereits eingehend auf S. 45. 46 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 79 Rn. 87. 47 Vgl. Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Bundesstaat) Rn. 36.

B. Reformansätze de constitutione ferenda

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nicht wie vorgeschlagen in einem Art. 83a GG,48 denn der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes betrifft die Ausführung der Bundesgesetze. Systematisch konsequent wäre vielmehr ein Art. 30a GG im Anschluss an Art. 30 GG, aus dem sich der landeseigene Vollzug von Landesrecht ergibt. Aus verfassungspolitischer Sicht würde es sich freilich um einen Fremdkörper im föderalen Verfassungsgefüge handeln.

IV. Erweiterung der Bundeskompetenzen innerhalb der Hoheitsgewässer Die Maximallösung, zugleich aber die einzige Möglichkeit einer tatsächlich einheitlichen Wahrnehmung der Gefahrenabwehr auf See, ist schließlich die Erweiterung der legislativen und exekutiven Bundeskompetenzen um die verbliebenen Länderkompetenzen zur Gefahrenabwehr auf See. Dies sind die Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz für die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr und die Wasserpolizei sowie die Vollzugskompetenz für die Fischereiaufsicht, jeweils innerhalb der Hoheitsgewässer. Ob sich etwaige neue Bundeskompetenzen räumlich nur auf das Küstenmeer oder auch auf wichtige Seeschifffahrtsstraßen, etwa die Zufahrten zu Seehäfen, erstrecken sollen, ist eine rechtspolitische Frage. Für letzteres spräche, dass der Bund auf den Seeschifffahrtsstraßen ohnehin Aufgaben wahrnimmt (Grenzschutz-, Zoll- und strompolizeiliche Aufgaben) und auf allen der Seeschifffahrt dienenden Gewässern letztlich die gleichen Gefahrenlagen bestehen. Angesichts der Neigung zu föderaler Besitzstandswahrung dürfte politisch konsensfähig allenfalls die erste Variante, also eine auf die Seeseite begrenzte Vollkompetenz des Bundes, sein.49 1. Modifikationen der Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenzen Rechtskonstruktiv ließe sich eine Bundesvollkompetenz zur Gefahrenabwehr auf See durch geringe Modifikationen an den einzelnen Kompetenztiteln erreichen. Der nautische Katalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG könnte wie folgt ergänzt werden (Änderungen kursiv):

48 So Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 195. 49 Ggf. könnte eine Bundeskompetenz auf See ergänzt werden durch eine Überleitungsoption für wichtige Seeschifffahrtsstraßen (wie Elbe, Weser und Nord-Ostsee-Kanal) auf Antrag der Länder nach dem Vorbild des Art. 90 Abs. 3 GG. Hinsichtlich der allgemeinen Gefahrenabwehr und der Wasserpolizei müsste sich diese Kompetenzüberleitung freilich auch auf die Gesetzgebungskompetenz erstrecken. Die Möglichkeit, Legislativkompetenzen auf den Bund abzuwälzen, ist dem Grundgesetz bisher unbekannt.

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4. Teil: Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

Art. 74 GG (1) […] 21. die Hochsee- und Küstenschiffahrt einschließlich der allgemeinen und wasserbezogenen Gefahrenabwehr auf See […].50

Die entsprechende Änderung der Vollzugskompetenzen könnte bei Art. 89 GG ansetzen: Art. 89 GG (1) […] (2) Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Er nimmt die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die Aufgaben der Seeschiffahrt einschließlich der allgemeinen und wasserbezogenen Gefahrenabwehr und der Fischereiaufsicht auf See wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. […]

Die nähere Definition der räumlichen Erstreckung der „See“ wäre dann einfachgesetzlicher Konkretisierung vorbehalten, die sich beispielsweise an der in § 1 Abs. 2 S. 1 WaStrG getroffenen Regelung (mittlere Hochwasserlinie) orientieren könnte.51 Eine seewärtige Vollkompetenz des Bundes zur allgemeinen Gefahrenabwehr ließe sich so durch vergleichsweise geringe Modifikationen der Kompetenztitel schaffen.52 Sie ist Voraussetzung für die Errichtung einer einheitlichen Deutschen Küstenwache.53 2. Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG Änderungen der föderalen Kompetenzverteilung sind wie alle Grundgesetzänderungen am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG zu messen. Dieser schützt zwar unmittelbar nicht vor Änderungen der Art. 70 ff. und Art. 83 ff. GG, so dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Prinzip variabel ist.54 Aller50 Hieße es lediglich „einschließlich der Gefahrenabwehr auf See“, wie bei Tams, Seesicherheit im föderalen System, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 103 ff. (S. 131 f.), vorgeschlagen, könnte man dies durch den Bezug zur Schifffahrt als bloße schifffahrtspolizeiliche Gefahrenabwehr missverstehen. 51 Wollte man die Erweiterung der Bundeskompetenzen auf die wichtigsten Seeschifffahrtsstraßen erstrecken, könnte die räumliche Begrenzung „auf See“ ersetzt werden durch „auf See und den Zufahrten zu den Seehäfen“. 52 Die bei Ritter, Polizeipraktische Notwendigkeit und rechtliche Zulässigkeit des Aufbaus einer Bundespolizei im föderativen Deutschland, 1999, S. 260, zur Begründung einer Vollkompetenz des Bundes vorgeschlagene Einfügung der Worte „Behörden der Bundesküstenwache“ in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG, erscheint hingegen weniger empfehlenswert, da damit das Aufgabenspektrum dieser Behörden nicht deutlich wird. Kompetenzzuweisungen sollten sich auf materielle Aufgaben beziehen. 53 Zu deren organisatorischer Umsetzung sogleich auf S. 194 f. 54 Pieroth, Politischer Freiraum zur Umgestaltung des Bundesstaats, ZRP 2008, 90 (92). Dass Art. 79 Abs. 3 GG Veränderungen der föderalen Kompetenzverteilung nicht ausschließt,

B. Reformansätze de constitutione ferenda

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dings setzt die im Rahmen der bundesstaatlichen Schutztrias des Art. 79 Abs. 3 GG garantierte Eigenstaatlichkeit der Länder einer beliebigen Ausweitung von Bundeskompetenzen Grenzen. Denn die Eigenstaatlichkeit erfordert einen Mindestbestand an Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungskompetenzen.55 Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts reicht nicht „irgendein Rest“56 von Kompetenzen, sondern muss den Ländern ein „Kern eigener Aufgaben als ,HausgutÐ unentziehbar verbleiben“.57 Das gilt insbesondere für den Bereich der Verwaltung, da jedenfalls nach derzeitiger föderaler Ausgestaltung die legislative Hegemonie des Bundes durch die starke Exekutivstellung der Länder kompensiert wird.58 Fraglich ist nur, ob dieses „Hausgut“ nur quantitativ im Sinne einer Mindestsumme an Kompetenzen oder auch qualitativ im Sinne bestimmter Materien zu bestimmen ist. Die Propagierung einer „Polizeihoheit“ oder „Kulturhoheit“59 der Länder klingt nach einer (auch) qualitativen Bemessung des Hausgutes, wonach also den Ländern a priori bestimmte Sachgebiete zustünden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu bisher nicht explizit geäußert. Die anlässlich der Aufgabenübertragung auf den Bundesgrenzschutz entwickelte „Gepräge-Formel“60 geht aber in diese Richtung: Nach einzig sinnvoller Lesart stellt sie, wie dargestellt, eine Ausprägung des Art. 79 Abs. 3 GG dar, also eine Schranke für eine weitere Übertragung polizeilicher Verbandskompetenzen auf den Bund:61 Es ergäbe keinen Sinn, wenn man eine neue Verbandskompetenz des Bundes zwar durch Grundgesetzänderung einführen könnte, diese jedoch aufgrund organisatorischer Beschränkungen in Gestalt der Gepräge-Formel nicht ausüben könnte. Die Formel muss daher, wenn sie überhaupt einen eigenständigen Gehalt haben soll, auf der Ebene der Verbandskompetenzen ansetzen. Eine neu eingeführte Verbandskompetenz ist als verfassungsrechtliche Norm aber nur zu messen an Art. 79 Abs. 3 GG. Die Gepräge-Formel ist daher zu verstehen als Konkretisierung der Garantie der Eigenstaatlichkeit der Länder nach Art. 79 Abs. 3 GG, wonach polizeiliche Aufgaben grundsätzlich zum „Hausgut“ der Länder gehören und nur eingeschränkt auf den Bund übertragen werden können. Polizeiliche Aufgaben können nach dieser Lesart der Gepräge-Formel nur dann auf den Bund übertragen werden, wenn es um die „Abwehr bestimmter, das Gebiet zeigt schon die kompetentielle Zentralnorm des Art. 30 GG, der nur vorbehaltlich anderer Regelungen im Grundgesetz Geltung beansprucht. 55 Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 79 Abs. 3 Rn. 48. 56 BVerfGE 34, 9 (19). 57 BVerfGE 34, 9 (19 f.); BVerfGE 87, 181 (196). 58 Vgl. Pieroth, Politischer Freiraum zur Umgestaltung des Bundesstaats, ZRP 2008, 90 (92), der insoweit von einem „Exekutivföderalismus“ spricht; ähnlich schon Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, S. 35, zum Weimarer Föderalsystem. 59 Dazu Hain, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 79 Rn. 128. 60 BVerfGE 97, 198 (218). 61 Dazu bereits eingehend auf S. 179 f.

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4. Teil: Ansätze zu einer Neuordnung der Kompetenzen

oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen“62 geht. Die Einführung einer neuen polizeilichen Vollzugskompetenz des Bundes ist also nur im Falle von Gefahrenlagen gerechtfertigt, die entweder mehrere Länder betreffen oder zwar auf ein Land begrenzt sind, von einem Land allein aber nicht wirksam bekämpft werden können. Alle polizeilichen Aufgaben unterhalb dieser Schwelle wären dann Teil des qualitativ „unentziehbaren Hausgutes“ der Länder. Zu untersuchen ist also, ob die hier fraglichen Kompetenzen diese Voraussetzungen erfüllen. Bereits der Aspekt der Überregionalität dürfte für die Gefahrenabwehr im Küstenmeer regelmäßig gegeben sein, da sie beweglich und oft auch großflächig sind und insoweit leicht die Hoheitsgewässer mehrerer Länder betreffen. Was die wirksame Bekämpfung durch ein Land betrifft, so ist in Erinnerung zu rufen, dass die Sachverständigengutachten nach der Pallas-Havarie gerade zu dem Schluss gekommen sind, dass eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung zur effektiven Gefahrenabwehr auf See erforderlich sei.63 Zwar stellt nicht jedwede Gefahr eine Überforderung des einzelnen Landes dar. Maßstab muss jedoch sein, ob eine wirksame Bekämpfung wahrscheinlicher Gefahrenlagen sichergestellt ist. Dazu gehören auch größere Lagen, in denen die föderalen Kompetenzgrenzen eine effektive Gefahrenabwehr behindern. Eine Bundeskompetenz für die genannten polizeilichen Aufgaben im Küstenmeer erscheint insoweit auch nach den Kriterien der GeprägeFormel gerechtfertigt. Die vorgeschlagenen Kompetenzübertragungen auf den Bund halten sich auch im Übrigen im Rahmen des Art. 79 Abs. 3 GG, wenn man den herkömmlichen quantitativen Maßstab anlegt: Zwar stellen die allgemeine Gefahrenabwehr, die Wasserpolizei und die Fischereiaufsicht gewichtige Materien und in der Summe einen nicht unerheblichen Teil der Landesaufgaben dar. Die vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen übertragen diese Materien jedoch nicht schlechthin auf den Bund. Die Übertragung ist vielmehr räumlich auf das Küstenmeer und damit auf einen Bruchteil des Landesstaatsgebiets beschränkt. An Land bleiben die jeweiligen Landeskompetenzen unangetastet. Eine „leere Hülse von Eigenstaatlichkeit“64 entsteht dadurch keineswegs.65 Die vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen wären nach alledem mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar. 3. Organisatorische Umsetzung einer Deutschen Küstenwache Wenn, wie hier vorgeschlagen, die Bundeskompetenzen als fakultative Kompetenzen ausgestaltet würden, müsste der Bund diese zunächst einfachgesetzlich beanspruchen, beispielsweise durch Aufnahme in den Aufgabenkatalog des SeeAufgG. 62

BVerfGE 97, 198 (218). Siehe S. 32. 64 BVerfGE 34, 9 (19 f.). 65 So auch Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 199. 63

B. Reformansätze de constitutione ferenda

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Die neuen Bundesaufgaben könnten dann, sofern bereits errichtet, der Küstenwache des Bundes übertragen werden. Eines erneuten Kreationsaktes bedürfte es insoweit nicht. Die bestehende Behörde könnte dann jedoch – der erweiterten und nun umfassenden Aufgabenstellung entsprechend – in „Deutsche Küstenwache“ umbenannt werden. Die Maßgaben der Gepräge-Formel sind nach richtiger Ansicht an dieser Stelle unbeachtlich und bereits im Rahmen der Verbandskompetenz berücksichtigt. Rechtspolitisch wird gegen eine einheitliche Deutsche Küstenwache häufig eingewandt, eine solche „Mammutbehörde“, die nicht nur für extreme Gefahren- bzw. Schadenslagen, sondern auch für die alltäglichen Routineaufgaben zuständig sei, sei überdimensioniert und nicht nötig. Überdies würden die im Havariekommando bereits geschaffene Expertise und entstandenen Netzwerkstrukturen ohne Not wieder „über Bord geworfen“. Weder das eine noch das andere ist jedoch der Fall: In eine neue einheitliche Küstenwache könnten sämtliche bestehenden Strukturen der bisher zuständigen Behörden überführt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass Routineaufgaben weiterhin von den bisher zuständigen und entsprechend ausgerüsteten und ausgebildeten Stellen wahrgenommen werden. So soll etwa das vielzitierte Tonnenlegen selbstverständlich weiterhin durch die dafür bis dato zuständigen Stellen der WSV und nicht etwa durch die BPol oder andere erfolgen. Das Rad muss also nicht neu erfunden werden. Entscheidend ist aber, dass alle Stellen dann organisatorisch Teile der Behörde Deutsche Küstenwache wären und unter einheitlicher Gesamtleitung stünden. Die Zusammenarbeit im Extremfall wird zudem gerade dadurch erleichtert, dass Strukturen und Beteiligte im Alltagsbetrieb eingespielt sind. Auch das Havariekommando könnte als Einsatzstab für Sonderlagen in einer Deutschen Küstenwache aufgehen. Aufbauleistungen und eingeübte Erfahrungswerte könnten so eingebracht werden. Im Falle seiner Einberufung könnte der Einsatzstab auf alle polizeilichen Kräfte auf See zugreifen. An der praktischen Arbeit des Havariekommandos würde sich folglich nicht viel ändern. Sie würde im Unterschied zum gegenwärtigen Zustand allerdings auf verfassungsrechtlich sicherem Fundament stehen. Ob in die neue Küstenwache nur die Mittel der Bundesbehörden oder auch die der Küstenländer überführt werden, ist eine politische Frage. Möglicherweise ist eine Belassung der Mittel jedenfalls bei den Wasserschutzpolizeien sinnvoll, die dann mit proportional verstärkter Ausrüstung und besserer Präsenz die in ihrem Zuständigkeitsbereich verbleibenden Binnenwasserstraßen und Häfen übernehmen könnten.66

66 Vgl. auch Jenisch, Neun Bausteine für die Küstenwache, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 12 (13).

5. Teil

Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr Nach der Untersuchung der zivilen Gefahrenabwehrkompetenzen bleibt die Frage der militärischen Komponente zu klären. Welche Rolle können die Seestreitkräfte im Rahmen der maritimen Gefahrenabwehr spielen? Diese Frage stellt sich, da Gefahrenlagen vorstellbar sind, in denen die Mittel der zivilen Behörden zur effektiven Gefahrenabwehr nicht ausreichen. Man denke einerseits etwa an fehlendes technisches Spezialgerät, andererseits an eine unzureichende Bewaffnung der übrigen Behörden. Faktisch nehmen die Seestreitkräfte im Bereich der maritimen Gefahrenabwehr derzeit verschiedene Aufgaben wahr: Marineflieger führen routinemäßig Ölüberwachungsflüge auf Nord- und Ostsee durch und verfolgen entdeckte Gefahrstoffspuren bis zum Verursacher. Zur Bekämpfung etwaiger Ölteppiche hält die Marine Spezialschiffe vor, und auch die Seenotrettung aus der Luft wird routinemäßig von Marinefliegern übernommen. Neben diesen im Bereich Safety zu verortenden Gefahrenabwehrmaßnahmen rücken in der öffentlichen Diskussion verstärkt potentielle Maßnahmen im Bereich Security in den Blickpunkt. Ein bislang nicht aktuelles, aber doch potentielles Bedürfnis einer Verwendung der Seestreitkräfte liegt in Bedrohungsszenarien mit Terrorismushintergrund. Widersetzt sich ein verdächtiges Schiff beispielsweise der Anordnung der Bundespolizei anzuhalten, hat diese mangels Bewaffnung mit Bordgeschützen faktisch keine Handhabe, das Anhalten zu erzwingen.1 Dies könnten nur Schiffe der Marine. Ähnliches gilt für die Bekämpfung von Piraten, deren Überfälle zwar derzeit nicht im deutschen Küstenvorfeld zu erwarten sind, sehr wohl aber auf Hoher See oder in fremden Hoheitsgewässern. Deutsche Behörden sind völkerrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen auch insoweit zur Gefahrenabwehr befugt.2 Die hierfür originär zuständige Bundespolizei ist, ungeachtet der Frage, ob deren Schiffe zur Bekämpfung der hochgerüsteten Piraten die ausreichenden Fähigkeiten besitzen, schon mangels Anwesenheit nicht in der Lage, derartige Angriffe abzuwehren. Dies können faktisch ebenfalls nur die Schiffe der Marine leisten. Ob die in all den geschilderten Bereichen bestehenden tatsächlichen Fähigkeiten der Streitkräfte de constitutione lata auch durch verfassungsrechtliche Kompetenzen flankiert werden, ob also das „Können“ einem „Dürfen“ entspricht, ist im Folgenden 1 Vgl. etwa Jenisch, Sicherheit auf See, S+F 2008, 154 (160): „keine ernst zu nehmenden Waffen“; Schütte, Die Sicherheitsbehörden des Bundes – Teil 3, UBWV 2004, 57 (61). 2 Zu den Voraussetzungen exterritorialer Polizeigewalt vgl. S. 41, Fn. 82.

A. Gefahrenabwehr durch Streitkräfte

197

zu untersuchen. Ausgangspunkt ist dabei der kompetentielle „Normalzustand“ in Friedenszeiten, also außerhalb der besonderen Kompetenzordnung im Verteidigungsfall i.S.d. Art. 115a ff. GG bzw. im Spannungsfall nach Art. 80a GG.

A. Gefahrenabwehr durch Streitkräfte Das wirft die grundsätzliche Frage auf, ob und inwieweit die Streitkräfte überhaupt zur Wahrnehmung von Aufgaben der Gefahrenabwehr berufen sind. Bei den Streitkräftekompetenzen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen originären Kompetenzen, die das Grundgesetz den Streitkräften unmittelbar und zur eigenen Aufgabenwahrnehmung zuweist, und komplementären Kompetenzen, die das Grundgesetz nicht schlechthin, sondern lediglich zur Unterstützung originär zuständiger Behörden – etwa im Rahmen der Amts- oder Katastrophenhilfe – einräumt. Die Primär- und Regelfunktion der Streitkräfte und damit jedenfalls originäre Kompetenz ist, wie sich aus Art. 87a Abs. 1 und 2 GG ergibt,3 die Verteidigung.4 Nach dem Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG bedürfen alle anderen Einsätze einer ausdrücklichen Zulassung im Grundgesetz.5 Derartige Zulassungen verteidigungsfremder Streitkräfteeinsätze finden sich in Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG sowie in Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 GG. Mit Ausnahme von Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG, der für den Verteidigungs- und Spannungsfall eine eng begrenzte eigenständige Kompetenz zum Schutz verteidigungsrelevanter ziviler Objekte6 einräumt, handelt es sich bei diesen Bestimmungen jedoch um bloß komplementäre Kompetenzen zur Unterstützung anderer Behörden. Über die ausdrücklichen Einsatzzulassungen hinaus sind Einsätze i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG auch auf Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG zulässig, auf den sich der später 3

Das Verbot eines Angriffskrieges ergibt sich bereits aus Art. 26 Abs. 1 GG, womit zugleich die äußerste Grenze von Streitkräfteverwendungen markiert ist. 4 Vgl. Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 49; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 9. 5 Die Frage, ob originäre polizeiliche Zuständigkeiten bestehen, ist jedoch unabhängig von der Frage, ob ein Einsatz i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG oder eine sog. schlichte Verwendung der Streitkräfte vorliegt. Dies ist für die komplementäre Aufgabenwahrnehmung i.R.d. Amtshilfe von Belang, sagt aber über das Vorliegen einer originären Kompetenz nichts aus. 6 Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG ist einerseits weiter, andererseits enger als Satz 2: Er enthält im Gegensatz zu S. 2 eine Beschränkung auf verteidigungsrelevante Objekte („soweit […] zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich“), räumt aber ex lege eine eigenständige Kompetenz zur Erfüllung materieller Polizeiaufgaben ein, während S. 2 nur eine komplementäre Hilfskompetenz vermittelt, die zudem eine Übertragung durch Gesetz oder Verwaltungsabkommen voraussetzt; vgl. im Einzelnen Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 34 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 12.

198

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

eingefügte Verfassungsvorbehalt nicht erstreckt.7 Auch aus Art. 24 Abs. 2 GG folgt jedoch eine nur komplementäre Kompetenz der Streitkräfte: Zwar ist die Beteiligung an militärischen Operationen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit als solche sicher eine originäre Aufgabe der Streitkräfte. Wenn aber im Rahmen solcher Operationen polizeiliche Aufgaben wahrgenommen werden, die innerstaatlich zivilen Behörden zugewiesen sind, bleibt es bei einer originären Aufgabe dieser Behörden, die die Streitkräfte nur komplementär wahrnehmen. Für die Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika beispielsweise ist innerstaatlich, wie ausgeführt, die Bundespolizei zuständig.8 Wird im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit eine Anti-Piraterie-Mission beschlossen, so wird dadurch nicht die innerstaatliche originäre Zuständigkeit beseitigt. Die Zuständigkeit der Bundespolizei würde im Beispielsfall vielmehr fortbestehen. Denn Art. 24 Abs. 2 GG weist den Streitkräften zwar möglicherweise exklusiv die Aufgabe der Beteiligung an militärischen Operationen im Rahmen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit zu. Er weist aber nicht diesen Systemen bestimmte Aufgaben der Gefahrenabwehr zu. Art. 24 Abs. 2 GG lässt sich keine materielle Aufgabenzuweisung entnehmen. Diese ergibt sich vielmehr erst mittelbar aus einem konkreten Bündnisbeschluss der zwischenstaatlichen Einrichtung. Dieser ist aber nicht in der Lage, die innerstaatliche Aufgabenverteilung aufzuheben. Nehmen die Streitkräfte daher im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 GG an Einsätzen zur Gefahrenabwehr teil, so handeln sie in komplementärer Zuständigkeit. Demgegenüber lassen sich weder Art. 32 Abs. 1 GG9 noch Art. 25 GG10 Einsatzbefugnisse der Streitkräfte entnehmen. Zwar gehört die Entscheidung über auswärtige Streitkräfteeinsätze sicher in den Bereich der auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG und obliegt damit dem Bund. Diese Bundeskompetenz bestreitet niemand. Sie ersetzt aber auch nicht das Erfordernis einer ausdrücklichen Zulassung.11 Anderenfalls bedürfte es auch gar nicht des Art. 24 Abs. 2 GG als Einsatznorm (mit seinen engeren Voraussetzungen). Die Auffassung, Art. 25 GG i.V.m. den Regelungen des SRÜ zur Pirateriebekämpfung (Art. 100 ff. SRÜ) stelle eine ausdrückliche Zulassung dar, erscheint ferner in doppelter Hinsicht kritikwürdig: Zum einen gehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 S. 2 GG zwar den Gesetzen vor, sie stehen nach überwiegender Auffassung jedoch im Rang unter dem Grundgesetz.12 Und selbst wenn man ihnen Verfassungsrang zumessen würde, wären sie immer noch nicht „dieses Grundgesetz“ i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG. Zweitens ist der Rekurs auf Art. 107 SRÜ insoweit zirkelschlüssig, als Art. 107 SRÜ ein Aufbringen wegen Seeräuberei nur Kriegsschiffen oder anderen Schiffen 7

BVerfGE 90, 286; vgl. näher auf S. 218 f. Zur Zuständigkeit der Bundespolizei für die exterritoriale allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr vgl. S. 94 f. 9 So aber Wiefelspütz, Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr auf See, NZWehrR 2005, 146 (160 f.). 10 So Wiefelspütz, Die Beteiligung der Bundeswehr am Kampf gegen Piraterie, NZWehrR 2009, 133 (142) sowie Frowein, Deutschlands Marine darf schon jetzt Piraten verfolgen, SPIEGEL ONLINE vom 26. 11. 2008. 11 Vgl. Gramm, Die Aufgaben der Bundeswehr und ihre Grenzen in der Verfassung, NZWehrR 2005, 133 (138). 12 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 25 Rn. 42 m.w.N. 8

A. Gefahrenabwehr durch Streitkräfte

199

erlaubt, die „hierzu befugt sind“. Was als Befugnisnorm interpretiert wird, setzt eine Befugnis also in Wirklichkeit gerade voraus.13 Von einer „eindeutige[n] verfassungsrechtliche[n] Grundlage für den (unilateralen) Einsatz der Bundeswehr“14 kann also keine Rede sein.

Originäre Kompetenzen der Streitkräfte bestehen nach alledem nur für zwei Aufgaben: erstens für die Verteidigung und zweitens für den Schutz ziviler Objekte und die Verkehrsregelung im Verteidigungs- oder Spannungsfall. Da die Kompetenz aus Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG akzessorisch zur Feststellung des Verteidigungs- bzw. Spannungsfalles ist, bleibt sie für die hier in Rede stehende Gefahrenabwehr im „kompetentiellen Normalzustand“, also in Friedenszeiten, außer Betracht. Im Normalzustand bestehen originäre Kompetenzen der Streitkräfte allein für die Aufgabe „Verteidigung“. Daneben treten die komplementären Kompetenzen nach Art. 24 GG, Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 87a Abs. 4 GG. Zu untersuchen bleibt, inwieweit sich diese Kompetenzen für den Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr auf See fruchtbar machen lassen.

I. Originäre Aufgabenwahrnehmung Eine originäre Gefahrenabwehrkompetenz der Streitkräfte bestünde nur, wenn auch die Kompetenz zur Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG15 zu Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr ermächtigen würde. Möglicherweise kann dies im Falle erheblicher Gefahrenlagen – etwa terroristischer Bedrohungen – angenommen werden. 1. Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG Ob – und wenn ja: welche – Maßnahmen auf Art. 87a Abs. 2 GG gestützt werden können, hängt von der Definition des Verteidigungsbegriffes ab. Nach allgemeinem Sprachverständnis ist Verteidigung die Abwehr eines Angriffs. Entsprechend definiert Art. 115a Abs. 1 GG den Verteidigungsfall als erfolgten oder unmittelbar drohenden Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt. Der Begriff der „Verteidigung“ i.S.d. Art. 87a GG geht jedoch über den des „Verteidigungsfalls“ i.S.d. 13 So auch Fischer-Lescano, Bundesmarine als Polizei der Weltmeere?, NordÖR 2009, 49 (53); Fischer-Lescano/Tohidipur, Rechtsrahmen der Maßnahmen gegen die Seepiraterie, NJW 2009, 1243 (1245). 14 So Wiefelspütz, Die Beteiligung der Bundeswehr am Kampf gegen Piraterie, NZWehrR 2009, 133 (142). 15 Innerhalb der Literatur besteht eine gewisse Uneinigkeit, ob sich die Ermächtigung zu Verteidigungseinsätzen aus Abs. 1 (so etwa Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 49) oder Abs. 2 (so etwa Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 16) des Art. 87a GG ergebe. Da Abs. 1 S. 1 lediglich den Aufstellungszweck benennt, während in Abs. 2 von Einsatzmöglichkeiten die Rede ist, liegt es näher, die Einsatzermächtigung in Abs. 2 zu sehen. Der Streit ist freilich ohne praktische Bedeutung, da Verteidigungseinsätze nach beiden Vorschriften zulässig sind.

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

Art. 115a GG hinaus, der insoweit nur einen Unterfall der Verteidigung darstellt.16 Das ergibt sich bereits aus der begrifflichen Differenzierung des Art. 87a GG zwischen „Verteidigung“ in Abs. 2 und „Verteidigungsfall“ in Abs. 3. Obendrein verfolgen die Regelungen der Art. 115a ff. GG nicht das Ziel, die Voraussetzungen eines Verteidigungseinsatzes zu regeln. Vielmehr tragen sie den erschwerten Bedingungen in einer Kriegssituation Rechnung, indem sie das Staatsorganisationsrecht vom Normalzustand auf Notstandserfordernisse umstellen.17 Dass die Begriffe „Verteidigung“ und „Verteidigungsfall“ nicht identisch sind, hat 1994 auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt, indem es in der Adria/AWACS/Somalia-Entscheidung die Feststellung des Verteidigungsfalls nicht als Voraussetzung für Verteidigungseinsätze der Bundeswehr angesehen hat.18 Verwirrung hat indes folgende en passant getroffene Feststellung des Bundesverfassungsgerichts im Lissabon-Urteil von 2009 gestiftet: „Der Auslandseinsatz der Streitkräfte ist außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt (Art. 24 Abs. 2 GG).“19 Damit würde „Verteidigung“ wieder mit „Verteidigungsfall“ gleichgesetzt. Angesichts der Beiläufigkeit der Aussage und der fehlenden Auseinandersetzung mit der entgegenstehenden vorherigen Rechtsprechung und weit überwiegenden Meinung ist jedoch davon auszugehen, dass in Wirklichkeit „Verteidigung“ gemeint war.20

16 Insoweit besteht weitgehende Einigkeit, vgl. nur Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 49; Ipsen, Der Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung, im Spannungs- und Verteidigungsfall sowie im internen bewaffneten Konflikt, in: Schwarz, Sicherheitspolitik, 3. Aufl. 1978, S. 615 ff. (S. 617 ff.) mit ausführlicher Herleitung; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 9; Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 43; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 24 Abs. 2 Rn. 46; a.A. die überwiegende frühere Literatur, nach der die Feststellung des Verteidigungsfalles Voraussetzung für Kampfeinsätze zur Verteidigung des Bundesgebietes sein soll, vgl. etwa Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, bis zur 52. EL (Kommentierung 1971), Art. 87a Rn. 39, Fn. 1; Graf Vitzthum, Der Spannungs- und der Verteidigungsfall, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 170 Rn. 34. 17 Vgl. Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 43; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 115a Rn. 1; ähnlich Wiefelspütz, Reform der Wehrverfassung, 2008, S. 98. 18 BVerfGE 90, 286 (386). Das Argument, eine Differenzierung zwischen Verteidigung und Verteidigungsfall sei schon deshalb zwingend, weil anderenfalls selbst im NATO-Bündnisfall nach Art. 5 Nordatlantikvertrag keine Verteidigungshandlungen zugunsten eines angegriffenen Bündnispartners möglich wären, solange Deutschland nicht selbst angegriffen wird, ist vor dem Hintergrund der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts allerdings nicht ganz überzeugend, jedenfalls nicht konsequent. Denn das Bundesverfassungsgericht entnimmt die Kompetenz zu Einsätzen im Rahmen von NATO oder UNO gerade nicht dem Art. 87a Abs. 2 GG, sondern dem Art. 24 Abs. 2 GG, womit die Reichweite des Verteidigungsbegriffes für diese Einsätze irrelevant wird. 19 BVerfGE 123, 267 (360). 20 So auch Ladiges, Art. 87a Abs. 2 GG im Lichte der neueren Rechtsprechung, UBWV 2010, 114 (118) und Glawe, Rechtsgrundlagen des Einsatzes deutscher Spezialkräfte in maritimen Geisellagen, NZWehrR 2009, 221 (226).

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Der Verteidigungsbegriff des Art. 87a GG muss also eigenständig definiert werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Verteidigung lässt sich in eine gegenständliche und eine finale Komponente untergliedern:21 Welches Objekt soll verteidigt werden? Und gegen wen oder was soll sich die Verteidigung richten? a) Verteidigungsobjekt Verteidigungsobjekt ist zunächst die Bundesrepublik Deutschland.22 Das sagt Art. 87a GG zwar nicht ausdrücklich, ist aber letztlich eine Selbstverständlichkeit, da die Existenzberechtigung staatlicher Streitkräfte gerade in der Landesverteidigung liegt. Dies liegt auch dem telos der grundgesetzlichen Wehrverfassung zugrunde. Insoweit spricht auch das Bundesverfassungsgericht bisweilen von einem Verfassungsauftrag zur „Landesverteidigung“,23 obwohl das Grundgesetz mit „Verteidigung“ allgemeiner formuliert. Gleichwohl ist terminologisch nicht ausgeschlossen, auch andere angegriffene Staaten als taugliches Verteidigungsobjekt einzustufen. Und die historische Entwicklung der bundesrepublikanischen Streitkräfte, deren Aufstellung überhaupt nur eingebettet in das nordatlantische Verteidigungssystem möglich und denkbar war, spricht in der Tat dafür, dass – auch im Hinblick auf Art. 5 NATO-Vertrag – unter „Verteidigung“ auch die Bündnisverteidigung, also die Verteidigung aller NATO-Partner zu verstehen ist.24 Ferner wird man unter den Verteidigungsbegriff auch die militärische Nothilfe zugunsten angegriffener Staaten außerhalb des Verteidigungsbündnisses zu fassen haben.25 Jedenfalls ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Grundgesetz eine Verteidigung anderer Staaten, sofern diese völkerrechtlich zulässig ist, ausschließen sollte.26 Die Frage nach dem Kreis der zu verteidigenden Staaten ist im vorliegenden Kontext aber von nachrangiger Bedeutung. Entscheidender ist, welche Komponenten zum Verteidigungsobjekt Staat zählen, was also konkret verteidigt werden darf. Nach Georg Jellineks Drei-Elemente-Lehre besteht der Staat aus den konstituierenden Elementen Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt.27 Bei der Verteidi21

So auch Bähr, Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, ZRP 1994, 97 (99). 22 Vgl. Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 52. 23 BVerfGE 48, 127 (160): „Die von der Verfassung geforderte militärische Landesverteidigung“; BVerfGE 105, 61 (73): „Verfassungsgrundsatz[…] der militärischen Landesverteidigung“. 24 Vgl. auch Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 21. 25 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 6; Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 22; Limpert, Außeneinsatz der Bundeswehr, in: Häberle/Schwarze/Graf Vitzthum, Der Staat als Teil und als Ganzes, 1998, S. 41 ff. (S. 44); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 9; i.E. ähnlich auch Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 53. 26 So i.E. auch BVerwGE 127, 302 (312). 27 Vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, S. 394 ff.

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gung eines Staates muss es also um den Schutz dieser Bestandteile gehen, nämlich um den Erhalt seiner territorialen Integrität, den Schutz der Bevölkerung und die Aufrechterhaltung der Staatsgewalt. Dabei ist das geographische Einsatzgebiet nicht auf das Staatsgebiet beschränkt. Das Merkmal „zur Verteidigung“ gibt den Zweck des Einsatzes vor, nicht den Ort. Verteidigungseinsätze können daher überall stattfinden, somit auch im Ausland und auf Hoher See.28 Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Gewässerzonen ist insoweit nicht erforderlich. Der Befund, dass auch das Staatsvolk Verteidigungsobjekt ist, wirft die weitere Frage auf, ob auch Verteidigungshandlungen zugunsten außerhalb des eigenen Staatsgebietes befindlicher Staatsangehöriger zulässig sind. Eine solche von der Territorialverteidigung unabhängige sog. Personalverteidigung29 wird teilweise mit Hinweis auf die staatliche Schutzpflicht zugunsten in Lebensgefahr geratener Staatsangehöriger befürwortet (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG).30 Das dürfte jedoch zu weit gehen.31 Zum einen beschränkt sich die Schutzpflicht des Staates nicht nur auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit, sondern besteht auch zugunsten weiterer Grundrechte. Es ist aber nicht einzusehen, was der Schutz des Eigentums oder anderer Grundrechtspositionen im Ausland befindlicher Staatsangehöriger mit der Verteidigung der Bundesrepublik zu tun hat. In letzter Konsequenz würde man sonst die weltweite Durchsetzung der innerstaatlichen Rechtsordnung zum Verteidigungsobjekt erheben.32 Vor allem aber sind einzelne Staatsangehörige, die sich nicht im Heimatland aufhalten, nicht mehr als existenzielles Element der Staatlichkeit i.S.d. Drei-Elemente-Lehre anzusehen. Dies sind nur die Teile des Staatsvolkes im Staat selbst.33 Evakuierungseinsätze der Streitkräfte zugunsten im Ausland befindlicher deutscher Staatsbürger können daher nicht auf die Verteidigungskompetenz gestützt werden.34

b) Verteidigungsziel Schwieriger und umstrittener als die Ermittlung des Verteidigungsobjekts ist die Frage, wogegen dieses verteidigt werden soll, was also das Verteidigungsziel ist. Dass 28 Vgl. Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 50; Wiefelspütz, Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, 12 (20). 29 Wie durch die Bundeswehr bei der Evakuierung deutscher Staatsangehöriger aus Albanien im Jahre 1997 geschehen („Operation Libelle“), vgl. BT-Drs. 13/7233. 30 Vgl. Depenheuer, Der verfassungsrechtliche Verteidigungsauftrag der Bundeswehr, DVBl. 1997, 685 (687 f.); i.E. auch Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/ Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 52. 31 Ebenso nach eingehender Untersuchung Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland als neues Kapitel der Bundeswehrgeschichte ohne rechtliche Grundlage?, AöR 1999, 423 (440 f.) sowie Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 17. 32 So auch Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 10. 33 Ebenso Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 10.1. 34 Sie sind daher, wenn sie nicht im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 GG stattfinden und sich nicht auf ausdrückliche Zulassungen im Grundgesetz stützen können, verfassungswidrig. Eine Zulassung durch ungeschriebenes „Staatsnotrecht“ widerspräche der Grundintention des Ausdrücklichkeitsvorbehalts des Art. 87 Abs. 2 GG, vgl. Epping, Die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland als neues Kapitel der Bundeswehrgeschichte ohne rechtliche Grundlage?, AöR 1999, 423 (442 f.).

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Verteidigung prima facie die Abwehr eines Angriffs ist, wurde bereits festgestellt, besagt aber noch nichts über die Qualität des Angriffs und Angreifers. Dafür, dass es sich um einen Angriff militärischen Ausmaßes handeln muss, spricht bereits der grundgesetzliche Auftrag in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG, überhaupt Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen.35 Für Angriffe, denen mit polizeilichen Mitteln begegnet werden kann, wäre der mit diesem Aufstellungsauftrag verbundene personelle und finanzielle Aufwand kaum zu rechtfertigen.36 Vor allem aber würde bei einer Erstreckung auf nicht-militärische Angriffe die Länderkompetenz zur allgemeinen Gefahrenabwehr ausgehöhlt. Auch in den Gesetzgebungsmaterialien wird betont, dass „Verteidigung“ im Sinne des Art. 87a GG die „militärische Verteidigung“ meint.37 Zum anderen ist aus der Systematik des Art. 87a GG, der in Abs. 4 explizite Regelungen der Einsatzmöglichkeiten im inneren Notstand enthält, zu schließen, dass sich Verteidigungseinsätze nach Abs. 2 gegen staatsexterne Angriffe richten.38 Insbesondere die Erwähnung (inländischer) „militärisch bewaffneter Aufständischer“ in Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG wäre überflüssig, wenn sie ohnehin schon unter „Verteidigung“ fielen.39 Verteidigung ist folglich die Abwehr militärischer, von außerhalb der Landesgrenzen kommender Angriffe. Damit ist indes noch nichts über die Art des Angreifers gesagt. Angesichts international operierender Terrornetzwerke, die zwar nicht über die militärische Bewaffnung regulärer Armeen verfügen, deren „Waffen“ aber gleichwohl eine ähnliche Wirkung entfalten können, stellt sich die Frage, ob zu den tauglichen, eine Verteidigungslage i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG auslösenden Angreifern nur Staaten oder auch nichtstaatliche Akteure zählen. aa) Qualität des Angreifers Dem Wortlaut des Art. 87a Abs. 2 GG lassen sich keine Einschränkungen zur Art des Angreifers entnehmen. Auch die Gesetzgebungsmaterialien sind in dieser Hinsicht wenig aufschlussreich. Zwar ist darin die Rede von „gegnerischen Streitkräften“.40 Da andere militärische Gegner als staatliche Streitkräfte im Jahr 1968, als der Art. 87a GG im Zuge der „Notstandsverfassung“ seine heutige Fassung erhielt, allerdings noch nicht in Erwägung gezogen wurden und die Formulierung mithin eine 35 Davon wird angesichts der Betonung des Militärischen der Verteidigungsaufgaben auch in BVerfGE 28, 243 (261); 48, 127 (160) ausgegangen. 36 Vgl. Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 47; Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 5. 37 Vgl. BT-Drs. 5/2873, S. 13. 38 Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 5; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 9. 39 Vgl. Schmidt-Jortzig, Verfassungsänderung für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, 773 (775). 40 BT-Drs. 5/2873, S. 13.

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Selbstverständlichkeit war, wird man daraus kaum auf eine bewusste Spezifizierung des Angreifers schließen können. Auch Dürigs Definition der Verteidigung von 1971 als „die Abwehr eines Gegners, der die Bundesrepublik von außen her mit Waffengewalt angreift, mit militärischen Mitteln“41 ist hinsichtlich des Angreifers noch völlig offen. Mittlerweile ist die Frage des tauglichen Angreifers und der damit einhergehenden Reichweite des Verteidigungsbegriffes äußerst umstritten, worin sich nicht zuletzt die politische Brisanz des Themas widerspiegelt. In der Literatur lassen sich zu dieser Frage grob zwei Strömungen ausmachen: Zum Teil wird argumentiert, dass es mit dem Schutzgedanken des Art. 87a GG, eine wirksame Landesverteidigung sicherzustellen, unvereinbar sei, die Bundesrepublik gegenüber militärischen Angriffen schutzlos zu stellen, nur weil die Akteure keinem Staat zurechenbar seien.42 Entscheidend müsse allein die Intensität des Angriffs, nicht die Identität des Angreifers sein.43 Sofern ein nichtstaatlicher Angriff ein Bedrohungs- und Zerstörungspotential besitze, das einem Angriff durch reguläre Armeen gleichkomme – mit anderen Worten: „kriegsanaloge Verheerungsausmaße“44 erreiche – sei eine Verteidigungslage i.S.d. Art. 87a GG zu bejahen.45 Der Verteidigungsbegriff wird von dieser weiten Auffassung gewissermaßen „von der Opferseite her“46 erschlossen: Erscheint ein Angriff als hinreichend gravierend, ihn einem herkömmlichen militärischen Angriff gleichzusetzen, und sind ergo nur die Streitkräfte zu dessen Bekämpfung in der Lage, wird eine Verteidigungslage angenommen.47 Unerheblich sind danach Herkunft und Qualität des Angreifers, entscheidend ist allein die Wirkung des Angriffs. In extremer Zuspitzung dieser weiten Auffassung wird gar vertreten, „Verteidigung“ sei letztlich nichts anderes als eine „polizeiliche Generalklausel“ für intensive Gefahren.48 41

Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, bis zur 52. EL (Kommentierung 1971), Art. 87a Rn. 22. Vgl. Wiefelspütz, Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, 12 (18); Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 11. 43 Vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 87a Rn. 89; Krings/Burkiczak, Bedingt abwehrbereit?, DÖV 2002, 501 (505). 44 Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 87a Rn. 4. 45 Vgl. Grzeszick, in: Friauf/Höfling, GG, 30. EL, Art. 87a Rn. 28; Wiefelspütz, Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, 12 (21); Wiefelspütz, Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland, AöR 2007, 44 (64); Jochum, Der Einsatz der Streitkräfte im Innern, JuS 2006, 511 (513); ähnlich auch Isensee, Der Verfassungsstaat als Friedensgarant, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 2003, S. 7 ff. (S. 35), der Verteidigung ohne weiteres auch gegen nichtstaatliche Angreifer für zulässig hält, sowie Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 276, der keine Beschränkung auf die Abwehr von Angriffen staatlicher Streitkräfte erkennt. 46 Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 87a Rn. 4. 47 So etwa Martínez Soria, Polizeiliche Verwendungen der Streitkräfte, DVBl. 2004, 597 (605 f.). 48 So Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 87a Rn. 89; militärische Organisationsstrukturen des Angreifers und selbst die Gefahrenherkunft von außen seien demgegenüber nur Sekundärindikatoren (Rn. 92 ff.). 42

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Nach der Gegenauffassung sei Verteidigung indes nur gegen staatliche Streitkräfte möglich, weil eine Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs den Verfassungsvorbehalt unterlaufen und die darin zum Ausdruck kommende Grenzziehung zwischen militärischem und polizeilichem Handeln verwischen würde.49 Terroristen seien Kriminelle, keine Kombattanten.50 Eine Verteidigungssituation sei aber nach dieser engen Auffassung nur anzunehmen, wenn der Angreifer Kombattantenstatus habe.51 Die Bekämpfung Krimineller bliebe hingegen auch in Extremfällen originäre Aufgabe der Polizeibehörden. Diesen Unterschied sowie die Notwendigkeit der Abgrenzung von polizeilichen und militärischen Aufgaben reflektiert eine vermittelnde Auffassung, die Verteidigung gegen nichtstaatliche Akteure zwar für grundsätzlich möglich hält, den Kreis der tauglichen Angreifer aber einschränken will. Nichtstaatliche Angriffe sollen nur dann unter den Verteidigungsauftrag fallen, wenn der Angreifer über eine militärähnliche Organisationsstruktur, hierarchische Steuerung und internationale Aktionsfähigkeit verfüge.52 Art und Ausmaß des Angriffes selbst, sei er auch „militär49 Vgl. Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1286); Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (396); Linke, Ein Karlsruher Befreiungsschlag für den Rechtsstaat?, NWVBl. 2006, 174 (177); Schmidt-Radefeldt, Innere Sicherheit durch Streitkräfte, UBWV 2006, 161 (163); Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 2004, 489 (516); ähnlich Wilkesmann, Terroristische Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs, NVwZ 2002, 1316 (1320); Wieland, Verfassungsrechtliche Grundlagen polizeiähnlicher Einsätze der Bundeswehr, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 167 ff. (S. 173 ff.); i.E. ähnlich auch Droege, Die Zweifel des Bundespräsidenten – Das Luftsicherheitsgesetz und die überforderte Verfassung, NZWehrR 2005, 199 (206), der auf das wehrverfassungsrechtliche „Gebot strikter Texttreue“ und erhebliche Prognoseunsicherheiten bei der ex-ante-Beurteilung „kriegsanaloger Verheerungsausmaße“ hinweist. 50 So selbst Wiefelspütz, Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, 12 (12), ohne daraus allerdings Folgen für die Abgrenzung des Verteidigungsbegriffs abzuleiten, sowie Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrR 2003, 101 (109 ff.); ferner Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (214); Dederer, Krieg gegen Terror, JZ 2004, 421 (426, Fn. 73). 51 Vgl. i.E. Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (214 f.). Kombattanten sind im Gegensatz zu Kriminellen völkerrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen zu Schädigungshandlungen berechtigt. Zu ihnen zählen nur Personen mit staatlichem Kampfauftrag, d. h. Angehörige der Streitkräfte sowie ggf. gleichgestellter Verbände, dazu Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 8. Abschnitt, Rn. 84. 52 Vgl. Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 49; Baldus, Streitkräfteeinsatz zur Gefahrenabwehr im Luftraum, NVwZ 2004, 1278 (1281); Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 47; Lutze, Abwehr terroristischer Angriffe als Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr, NZWehrR 2003, 101 (115); i.E. auch Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 17; Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 11, fordert ebenfalls eine militärähnliche Organisation des Angreifers, lässt aber alternativ einen militärähnlichen Angriff ausreichen. Jochum, Der Einsatz der Streitkräfte im Innern, JuS 2006, 511 (513), hält zwar mit der weiten Auffassung primär das militärähnliche Bedrohungspotential für

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ähnlich“, reichten danach allein nicht aus.53 Entscheidend wäre die „Militärähnlichkeit“ des Angreifers. bb) Stellungnahme Richtig ist, dass Angriffe nichtstaatlicher, insbesondere terroristischer Gruppierungen ähnlich zerstörerische Wirkungen entfalten können wie solche durch reguläre Armeen. Entsprechend hat auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Anschläge vom 11. September 2001 als einen Fall des zur Selbstverteidigung berechtigenden Art. 51 UN-Charta gewertet.54 Eine Subsumtion derartiger Anschläge auch unter den grundgesetzlichen Verteidigungsbegriff liegt insoweit nicht fern. Auch klingt die zur Begründung der weiten Auslegung herangezogene teleologische Argumentation zunächst plausibel: Um eine effektive Landesverteidigung zu gewährleisten, müsse gegen in der Wirkung gleichartige Angriffe auch eine gleichartige Verteidigung stattfinden können. Der Status des Angreifers könne nicht dazu führen, dass Deutschland schutzlos sei. Auch ist richtig, dass der Verteidigungsbegriff ein offener, durch das Grundgesetz nicht definierter Rechtsbegriff ist, der einer Weiterentwicklung durch Auslegung in Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen zugänglich sein muss. Dem steht auch nicht das seitens des Bundesverfassungsgerichts für Fragen der Wehrverfassung stets betonte „Gebot strikter Texttreue“55 entgegen, da es ja gerade um die Vermessung des Bedeutungsgehaltes des Verfassungstextes geht. Argumentative Schützenhilfe für eine Erschließung des Verteidigungsbegriffs „von der Opferseite“ liefert auch die Politik, wenn sie von „asymmetrischen Formen der Bedrohung“ spricht und die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen sieht.56 Dieser nebulösen Rhetorik liegen zwar tatsächliche Veränderungen der Sicherheitslage zugrunde; sie trägt zur Klärung der verfassungsrechtlichen Kompetenzlage jedoch wenig bei. Gegen die weite Auslegung spricht vor allem Folgendes: Letztlich wird aus der Tatsache, dass ein Angriff so schwerwiegend ist, dass nur die Streitkräfte in der Lage sind, ihn wirksam zu bekämpfen, eine Kompetenz gestrickt.57 Alles, was verheerende ausschlaggebend, stellt aber zu dessen Beurteilung auf eine militärähnliche Organisationsstruktur und eine staatlichen Armeen vergleichbare Aktionsfähigkeit ab. 53 Vgl. Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 48. 54 Vgl. Resolution 1368 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 12. 09. 2001. 55 BVerfGE 90, 286 (357); 115, 118 (142). 56 So der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. 11. 2005, S. 154; ähnlich auch die Verteidigungspolitischen Richtlinien des BMVg vom 21. 05. 2003, Rn. 62 und 80; vgl. ferner Schäuble, Für einen neuen Sicherheitsbegriff, in: Glos, FS Zimmermann, 2005, S. 45 ff. (S. 45) und Wiefelspütz, Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, 12 (14). 57 Besonders deutlich bei Wiefelspütz, Sicherheit vor den Gefahren des internationalen Terrorismus durch Einsatz der Streitkräfte?, NZWehrR 2003, 45 (56): „Maßgeblich ist vielmehr, ob angesichts des Ausmaßes, der Tragweite und der Intensität des Angriffs allein die

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Ausmaße haben kann, also nur durch die Streitkräfte zu bewältigen ist, löse eine Verteidigungslage aus. Mit anderen Worten: Die Streitkräfte sollen automatisch für alles zuständig sein, was nur sie effektiv bekämpfen können. Diese Argumentation beinhaltet einen Schluss von der Fähigkeit auf die Kompetenz. Das ist, wie die Gegenauffassung richtig feststellt,58 unzulässig. Aus dem faktischen Können allein erwächst nicht eo ipso ein juristisches Dürfen. Obendrein müsste bei der Entscheidung über eine Abwehrzuständigkeit der Streitkräfte die Schwere des Angriffs – wie stets im Gefahrenabwehrrecht – ex ante prognostiziert werden.59 Diese Prognoseentscheidung ist mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden, sowohl was das Verheerungsausmaß betrifft, als auch hinsichtlich des Außenbezuges.60 Die Verfassungsvorgabe aber, dass Verteidigung nur gegen äußere Angriffe stattfindet, ist angesichts der insoweit eindeutigen Systematik des Art. 87a GG61 auch durch die weite Auslegung nicht zu beseitigen.62 Dass ein Angriff von außerhalb der Landesgrenzen kommt, mag im Küstenmeer noch vergleichsweise einfach festzustellen sein. Schon bei im Inland entführten Flugzeugen oder sonstigem inländischen Tatgeschehen wird es schwieriger, den Außenbezug zu Streitkräfte in der Lage sind, dem Angriff wirksam zu begegnen.“ sowie bei Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 87a Rn. 91: „wenn die Gefahr […] eine Dimension annimmt, die von den Polizeikräften […] nicht abgewehrt und bewältigt werden kann, können die Streitkräfte ,zur Verteidigung‘ eingesetzt werden“. 58 Glawe, Rechtsgrundlagen des Einsatzes deutscher Spezialkräfte in maritimen Geisellagen, NZWehrR 2009, 221 (222); Schmidt-Radefeldt, Die Wehrverfassung in schlechter Verfassung?, NZWehrR 2008, 221 (227); Zimmermann/Bork, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz und seine Bedeutung für ein zukünftiges Seesicherheitsgesetz, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 79 ff. (S. 89); Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 m.w.N.; Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 2004, 489 (516); i.E. ebenso Gramm, Die Aufgaben der Bundeswehr und ihre Grenzen in der Verfassung, NZWehrR 2005, 133 (133 f., 140 f.). 59 Vgl. Isensee, Der Verfassungsstaat als Friedensgarant, in: Mellinghoff/Morgenthaler/ Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 2003, S. 7 ff. (S. 35). 60 Vgl. Schmidt-Radefeldt, Innere Sicherheit durch Streitkräfte, UBWV 2006, 161 (163); Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1286); Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (215). 61 Diese verkennt Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 87a Rn. 94, wenn er ausführt, Art. 87a Abs. 4 GG erlaube im inneren Notstand einen Streitkräfteeinsatz „zur Verteidigung“. Wäre dies der Fall, wäre Art. 87a Abs. 4 GG schlichtweg überflüssig. Zur Systematik des Art. 87a GG vgl. auch Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (153). 62 So auch Schäuble, Für einen neuen Sicherheitsbegriff, in: Glos, FS Zimmermann, 2005, S. 45 ff. (S. 48). Gleichwohl stellt Gramm, Der wehrlose Verfassungsstaat?, DVBl. 2006, 653 (656), zutreffend fest, dass nach der weiten, die Effektivität der Gefahrenabwehr in den Mittelpunkt rückenden Auffassung es in letzter Konsequenz keine Rolle spielen könne, ob der Angriff von Außen oder von Innen komme. Diesen letzten Schritt geht denn auch Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL, Art. 87a Rn. 92, der die Außenherkunft für irrelevant erklärt.

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begründen. Zwar lassen es einige Autoren ausreichen, dass die Tatherrschaft über das inländische Tatgeschehen bei ausländischen Hintermännern liegt.63 Wie bei einem Angriff in der gebotenen Eile jedoch erkannt werden soll, wer ihn im Hintergrund steuert, bleibt offen. Ex ante wird dies kaum festzustellen sein. Daher könnten die Streitkräfte letztlich in sämtlichen Gefahrenlagen größeren Ausmaßes, die eine ausländische Steuerung nicht als völlig abwegig erscheinen lassen, eingesetzt werden, wenn der insoweit zuständige Verteidigungsminister (vgl. Art. 65a GG) eine militärähnliche Wirkung des Angriffs für wahrscheinlich hält. Den Streitkräften würde de facto eine originäre Kompetenz zur allgemeinpolizeilichen Gefahrenabwehr in Extremfällen eingeräumt. Da aber zum Wesen gerade des Terrorismus gehört, im unauffälligen Gewand daherzukommen, wäre es ein Leichtes, einen Streitkräfteeinsatz in scheinbar harmlosen Situationen zu begründen, da eine verheerende Auswirkung nicht auszuschließen sei.64 Das geht deutlich zu weit und ist mit Art. 87a Abs. 2 GG, der die Streitkräfte von polizeilichen Aufgaben im Gegensatz zu früheren deutschen Verfassungen gerade fernhalten will, solange sie nicht „ausdrücklich“ Erwähnung im Grundgesetz finden, nicht mehr zu vereinbaren. Nicht alles, was die Streitkräfte können und aus Effektivitätserwägungen möglicherweise auch dürfen sollten, lässt sich unter den Begriff der Verteidigung subsumieren. Das würde den Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG in sein Gegenteil verkehren und das ausdifferenzierte System zum Streitkräfteeinsatz im Innern überflüssig machen. Die weite Auffassung ist nach alledem klar abzulehnen. Der vermittelnden Lösung, die zumindest militärähnliche Strukturen des Angreifers fordert, ist zugute zu halten, dass sie einem Ausufern des Verteidigungsbegriffs entgegenzuwirken sucht. Nicht mehr das schlichte Ausmaß der Gefahr vermag eine Streitkräftekompetenz zu begründen, sondern die Streitkräfteähnlichkeit der Organisation. Das trägt den Bedenken einer völligen Grenzverschwimmung zwischen Polizei und Militär Rechnung. Die Auffassung muss sich allerdings vorwerfen lassen, dass die teleologische Erweiterung des Verteidigungsbegriffes ihre Rechtfertigung gerade aus dem Vergleich der Angriffswirkungen und der erklärten Irrelevanz des Angreifers bezieht. Indem man militärähnliche Strukturen fordert, gesteht man, obwohl dies verneint wird,65 ein, dass sich Verteidigung i.S.d. Art. 87a GG primär nur gegen fremde Streitkräfte richtet. Offen bleibt auch, ob auch ein nur „leichter“ Angriff militärähnlicher Organisationen einen Verteidigungseinsatz rechtfertigen soll oder ob die Schwere des Angriffs kumulativ hinzutreten muss. Vor allem aber spricht gegen die vermittelnde Lösung, dass sie unpraktikabel ist: Noch weniger als die Identität der Hintermänner eines plötzlichen Angriffes dürften deren 63 So Wiefelspütz, Verteidigung und Terrorismusbekämpfung durch die Streitkräfte, NZWehrR 2007, 12 (19); Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 11. 64 Schmidt-Radefeldt, Innere Sicherheit durch Streitkräfte, UBWV 2006, 161 (163), warnt insoweit gar vor einer Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Streitkräfte. 65 Vgl. etwa Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 47.

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Organisation und Hierarchiestrukturen ad hoc erkennbar sein. Ein entführtes Flugzeug oder Schiff trägt jedenfalls nicht das Logo Al-Qaidas. Diese kaum handhabbaren Abgrenzungsprobleme vermeidet die enge Auffassung, indem sie Verteidigungshandlungen nur gegen staatliche Angriffe zulässt. Nur so lässt sich eine klare Grenze zwischen Verteidigung und polizeilicher Gefahrenabwehr ziehen. Jede Verwischung dieser Grenze und damit der Grenze zwischen Kombattanten und Kriminellen ließe den Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG leerlaufen. Sie wäre auch nicht sachgerecht, da sich die Bekämpfung der verschiedenen Angreifer nach verschiedenen Rechtsregimen richtet: Abwehrmaßnahmen gegen Kombattanten richten sich nach Kriegsvölkerrecht, solche gegen Kriminelle nach Polizeirecht.66 Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Kriminellen ist schon deshalb unerlässlich. Zwar mag der Gegensatz zwischen innerer und äußerer Sicherheit insoweit überholt sein, als polizeiliche (also „innere“) Gefahren heute auch von außen drohen. Die Attribute „innen“ und „außen“ stehen jedoch nur plakativ für die sachliche Differenzierung zwischen Gefahren durch Private und Gefahren durch andere Staaten, also um die Trennung von polizeilicher und militärischer Gefahrenabwehr. Diese besteht nach wie vor. Zudem müssen alle Versuche, den Verteidigungsbegriff „von der Opferseite her“ zu erschließen,67 letztlich vor dem dogmatischen Einwand kapitulieren, dass damit nichts anderes betrieben wird, als unzulässigerweise von der Fähigkeit auf die Zuständigkeit zu schließen. c) Fazit Nach alledem ist Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG allein die Abwehr durch fremde Streitkräfte erfolgender Angriffe. Versuche, durch extensive Begriffsauslegung den Verfassungsvorbehalt zu umgehen, überzeugen nicht. Verteidigungsmaßnahmen können sich daher nach wie vor nur gegen staatliche Angreifer richten. Polizeiliche Maßnahmen der Streitkräfte, etwa gegen Terroristen und Piraten, können hingegen nicht auf den Verteidigungsauftrag gestützt werden. 2. Sachbereichsspezifische Ordnungsgewalt als Annex zur Verteidigung Polizeiliche Maßnahmen der Streitkräfte sind allerdings in engen Grenzen als Annex zur Verteidigung zulässig: Wie stets umfasst auch die Gesetzgebungskompetenz zur „Verteidigung“ eine polizeirechtliche Annexkompetenz zur Aufrechter-

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Eingehend zur Unterscheidung der Rechtsregime Waechter, Polizeirecht und Kriegsrecht, JZ 2007, 61 (63 ff.); vgl. auch Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (215 f.); zu den materiellen Folgen der Differenzierung, insbesondere was die Tötung Unbeteiligter anbelangt, vgl. auch SchmidtRadefeldt, Die Wehrverfassung in schlechter Verfassung?, NZWehrR 2008, 221 (232 f.). 67 Vgl. Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 87a Rn. 4.

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haltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in diesem Sachbereich.68 Der Bund ist daher befugt, ein „Sonderpolizeirecht der Streitkräfte“ zur Abwehr von Angriffen und Störungen gegen die Streitkräfte zu erlassen.69 Dieser Annex zur Verteidigung ist nicht nur hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz anzuerkennen, sondern auch im Rahmen des Art. 87a Abs. 2 GG, weshalb der Gesetzgeber diese sonderpolizeiliche Aufgabe im UZwGBw auf die Streitkräfte selbst übertragen durfte.70 Entscheidend ist jedoch, dass die so begründete originäre polizeiliche Befugnis der Streitkräfte – entsprechend der Zielrichtung der Annexkompetenz – auf den Selbstschutz der Streitkräfte beschränkt und für die Frage der Gefahrenabwehr auf See insoweit von nachrangiger Bedeutung ist. Gefahrenabwehrmaßnahmen könnten hierauf nur gestützt werden, wenn die Streitkräfte selbst angegriffen würden.

II. Komplementäre Aufgabenwahrnehmung Abgesehen vom Selbstschutz kommen den Streitkräften keine originären Gefahrenabwehrkompetenzen zu. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass Angriffe, die nur mit den spezifischen Fähigkeiten der Streitkräfte effektiv abgewehrt werden können, de constitutione lata tatenlos hingenommen werden müssen. Denn die begrenzte Reichweite des Verteidigungsbegriffs schließt nicht aus, dass die Streitkräfte die zuständigen Polizeibehörden bei Bedarf in komplementärer Aufgabenwahrnehmung unterstützen dürfen. Zwischen einer komplementären Aufgabenwahrnehmung und einer originären Aufgabenwahrnehmung bestehen aber fundamentale Unterschiede.71 1. Ausdrücklichkeitsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG Ausgangspunkt für die Beurteilung komplementärer Aufgabenwahrnehmung durch die Streitkräfte ist Art. 87a Abs. 2 GG, der den Einsatz von Streitkräften außer zur Verteidigung von einer ausdrücklichen Zulassung durch das Grundgesetz abhängig macht. Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung stellen sich zwei – äußerst strittige – Fragen: Was ist ein Einsatz? Und: Gilt der Verfassungsvorbehalt auch für Einsätze außerhalb des Staatsgebietes? Diese Negativabgrenzungen sind entschei68 BVerwGE 84, 247 (250); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 73 Rn. 12; Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Rn. 60 f.; Degenhart, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 73 Rn. 6. 69 BVerwGE 84, 247 (250). 70 BVerwGE 84, 247 (250). 71 Insbesondere verbleibt im Fall der nur komplementären Aufgabenwahrnehmung durch die Streitkräfte die Einschätzungsprärogative bei den zuständigen Polizeibehörden, während im Fall originärer Aufgabenwahrnehmung eine vollständige Parallelzuständigkeit der Streitkräfte entstünde, die auch die permanente Lagebeobachtung, Gefahrenerforschung etc. einschließen müsste. Die Bundeswehr würde praktisch zu einer Hilfspolizei.

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dend dafür, ob die Streitkräfte im Einzelfall bereits nach den allgemeinen Kooperationsregeln (insbesondere im Rahmen der Amtshilfe und Organleihe) komplementär tätig werden können oder ob zusätzlich eine ausdrückliche Zulassung im Grundgesetz vonnöten ist. a) Einsatzbegriff Die Annahme, nicht alle Verwendungen seien Einsätze im Sinne des Vorbehalts, erscheint vordergründig als allzu offensichtlicher Versuch, den Verfassungsvorbehalt zu umgehen.72 Da der Wortlaut keine Anhaltspunkte für eine solche Differenzierung enthält, mögen sich Zweifel aufdrängen, ob der verfassungsändernde Gesetzgeber an dieser Stelle nicht präziser formuliert hätte, hätte er bestimmte Verwendungen aus dem Vorbehalt ausklammern wollen. Tatsächlich findet sich im Schrifttum die Auffassung, jede Verwendung sei ein Einsatz.73 Dieser Auffassung ist zuzugeben, dass sie schwer lösbare Abgrenzungsprobleme bei der Vermessung des Einsatzbegriffes vermeidet und eine Umgehung des Vorbehalts durch Auslegung ausschließt. Folgt man dieser Auffassung, würde das allerdings bedeuten, dass sämtliche „Bagatelltätigkeiten“ der Streitkräfte expressis verbis im Grundgesetz zugelassen sein müssten. Mangels entsprechender Bestimmungen wären dann nicht nur Ehrenformationen bei Staatsbesuchen oder Auftritte des Militärmusikkorps, sondern etwa auch Beförderungen von Amtsträgern durch die Flugbereitschaft der Luftwaffe verfassungswidrig. Ein solcher „Totalvorbehalt“ kann nicht Sinn und Zweck des Art. 87a Abs. 2 GG sein, wie auch ein Blick auf die Genese der Vorschrift zeigt. So heißt es im Bericht des Rechtsausschusses zu dem anschließend angenommenen Entwurf: „Verwendungen, die keinen Einsatz in diesem Sinne darstellen, z. B. zur freiwilligen Erntehilfe oder bei repräsentativen Anlässen, werden von dieser Bestimmung nicht berührt“.74 Offensichtlich sollten bestimmte Verwendungen also nicht dem Vorbehalt unterliegen.

72 Vgl. etwa Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 24 Abs. 2 Rn. 62, der von einem künstlichen Versuch der Eingrenzung des Einsatzbegriffes spricht, sowie Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Rn. 37 Fn. 55, der ein einschränkendes Verständnis des Einsatzes für einen Kunstgriff zur Umgehung des Ausdrücklichkeitsgebots für Art. 35 Abs. 1 GG hält. 73 So vor allem Bähr, Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen, ZRP 1994, 97 (101), der alles andere für eine „unzulässige Manipulation am Einsatzbegriff“ hält. I. E. ebenso Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/ Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 55, der einen Gleichlauf des verfassungsrechtlichen mit dem umfassenden militärischen Einsatzbegriff fordert, wonach jede funktionsgerechte Verwendung im Rahmen der militärischen Hierarchie ein Einsatz sei, was letztlich nur eigenmächtiges Handeln einzelner Soldaten ausschließt. Im Gegenzug will er den Verfassungsvorbehalt aber auf das Inland begrenzen. 74 BT-Drs. 5/2873, S. 13.

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Verwendungen unterhalb der Einsatzschwelle sind daher auch ohne ausdrückliche Ermächtigung im Grundgesetz zulässig. Insoweit besteht weitgehende Einigkeit.75 Alles andere als klar ist hingegen, wo die Grenze zwischen schlichter Verwendung und einem Einsatz i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG verläuft. Im Schrifttum findet sich eine Fülle von Definitionsvorschlägen. Diese Meinungsvielfalt überrascht angesichts der politischen Brisanz von Bundeswehreinsätzen nicht, impliziert doch die Definition des Einsatzbegriffs zugleich das Ausmaß des ohne ausdrückliche Nennung im Grundgesetz Zulässigen. Mit anderen Worten: Je enger der Einsatz definiert wird, desto später greift der Verfassungsvorbehalt und umgekehrt. Die vielfältigen Auffassungen zum Einsatzbegriff im Schrifttum können hier nur überblicksweise nachvollzogen werden.76 So wird teilweise die Bewaffnung für das entscheidende Kriterium gehalten mit der Folge, dass Verwendungen nichtbewaffneter Einheiten keine Einsätze i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG darstellten.77 Nach anderen Auffassungen sind Einsätze alle „Eingriffsmaßnahmen unter Nutzung der militärischen Organisationsstruktur“78 oder die „hoheitliche Verwendung der Streitkräfte als in der Regel bewaffnete Vollzugsorgane“79, wobei bei fehlender oder nur leichter Bewaffnung ergänzend auf die Regelungs- oder Eingriffsqualität des Handelns abgestellt werden soll. Andere halten die „innenpolitische Neutralität“80 oder – nicht zuletzt aus systematischen Gründen – eine „föderale Dimension“81 des Einsatzbegriffes für ausschlaggebend. Ein weiterer Teil des Schrifttums wiederum stützt sich auf die Formulierung in den Gesetzgebungsmaterialien, in denen ein Einsatz als die Verwendung der Streitkräfte „als Mittel der vollziehenden Gewalt“82 definiert wird, 75 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 6 ff.; Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 35; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, bis zur 52. EL (Kommentierung 1971), Art. 87a Rn. 32; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 15. 76 Im Übrigen sei verwiesen auf die ausführliche und umfassende Darstellung bei Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 106 ff., und Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 2004, 489 (493 ff.). 77 So Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 87a Rn. 13; Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 15; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, bis zur 52. EL (Kommentierung 1971), Art. 87a Rn. 32. 78 So Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 7 m.w.N.; Hölscheidt/ Limpert, Einsatz der Bundeswehr innen und außen, JA 2009, 86 (88). 79 So Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 15. 80 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, bis zur 52. EL (Kommentierung 1971), Art. 87a Rn. 32, qualifiziert etwa unbewaffnete Verwendungen dann als Einsatz, wenn sie nicht „innenpolitisch neutral“ sind (wie etwa die Beseitigung von Streikfolgen); ebenso Martínez Soria, Polizeiliche Verwendungen der Streitkräfte, DVBl. 2004, 597 (600); ähnlich Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (150). Die innenpolitische Neutralität einer Verwendung dürfte sich freilich, sofern Bundeswehreinsätze überhaupt „neutral“, also ohne Auswirkungen auf die politische Meinung sein können, schwer überprüfen lassen. 81 So Linke, Innere Sicherheit durch die Bundeswehr?, AöR 2004, 489 (513). 82 BT-Drs. 5/2873, S. 13.

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und versteht unter Einsatz dementsprechend die Verwendung als Vollzugsorgan.83 Eine mehrheitsfähige Auffassung zum Einsatzbegriff hat sich noch nicht herausgebildet. Viele Abgrenzungsversuche bleiben zu vage und lassen es angesichts der Bedeutung des Begriffs an Trennschärfe missen.84 Das Bundesverfassungsgericht konnte sich bisher, obwohl Gelegenheit bestanden hätte, nicht zu einer Begriffsklärung durchringen. Schon die Adria/AWACS/SomaliaEntscheidung85 von 1994 hat den Inhalt des Einsatzbegriffs (ebenso wie des Verteidigungsbegriffs) ausdrücklich offen gelassen. Und auch im kürzlich ergangenen Heiligendamm-Beschluss86, dem die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit verschiedener Streitkräfteverwendungen zur Sicherung des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007 (insbesondere Tornado-Überflüge über Demonstranten) zugrunde lag, hat das Bundesverfassungsgericht sich mit der Feststellung begnügt, dass Art. 87a Abs. 2 GG keine kompetenzschützende Wirkung zugunsten des Bundestages zukomme. Insoweit könnten, selbst wenn die Einsatzschwelle überschritten und die Verwendungen mithin verfassungswidrig wären, keine Rechte des Bundestages betroffen sein, weshalb der Antrag als offensichtlich unbegründet verworfen wurde.87 Hingegen hat sich das Bundesverwaltungsgericht anlässlich innerdienstlicher Streitigkeiten in den vergangenen Jahren gleich zweimal mit dem Inhalt des Einsatzbegriffs befasst: Unter Berufung auf die Gesetzgebungsmaterialien („Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt“88) führt ein Urteil von 2006 aus, Einsätze seien „solche Verwendungen, bei denen die Streitkräfte der Bundeswehr hoheitlichen Zwang einsetzen dürfen, wozu die Anwendung von Waffengewalt, Eingriffe in Rechte Dritter und die (bewaffnete) Bewachung von Objekten gehören“.89 2008 ergänzt eine weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: „Bei ,Einsätzen‘ 83 So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 42, S. 864; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 15 sowie Ipsen, in: Dolzer/Kahl/ Waldhoff/Graßhof, GG, 146. EL (Kommentierung 1969), Art. 87a Rn. 32; Brenneisen/ Schwarzer/Wein, Hilfeleistung durch die Bundeswehr im Innern – Einsatz oder Amtshilfe?, Die Polizei 2009, 282 (284); Steinig, Darf die Bundeswehr im Katastrophenfall Aufgaben der Polizei der Länder wahrnehmen?, NZWehrR 2009, 13 (14), der allerdings zusätzlich eine spezifisch militärische Bewaffnung fordert. 84 Praktikabel, aber sicher nicht richtig ist hingegen die von Fastenrath, Ran an den Feind, FAZ vom 19. 06. 2008, S. 6, vorgenommene Gleichsetzung des Einsatzbegriffs des Art. 87a Abs. 2 GG mit dem des § 2 Abs. 1 ParlBG. Zum einen ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines verteidigungsfremden Einsatzes von der parlamentarischen Zustimmungsbedürftigkeit zu unterscheiden. Zum anderen würde das damit verbundene Erfordernis militärischer Gefahrenlagen polizeiliche Verwendungen (wie die Bekämpfung von Piraten) aus dem Einsatzbegriff ausklammern, was nicht Sinn des Verfassungsvorbehaltes sein kann; so auch Braun/Plate, Rechtsfragen der Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden durch die Bundesmarine: Wahrnehmung originär polizeilicher Aufgaben durch das Militär?, DÖV 2010, 203 (205). 85 BVerfGE 90, 286. 86 BVerfG, NVwZ 2010, 1091. 87 BVerfG, NVwZ 2010, 1091 (1094). 88 BT-Drs. 5/2873, S. 13. 89 BVerwGE 127, 1 (13).

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nach Art. 87a Abs. 2 GG […] geht es um die Inanspruchnahme der Streitkräfte der Bundeswehr als Teil der ,vollziehenden Gewalt‘ i.S.d. Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 3 GG zum Zwecke der Gefahrenabwehr unter Androhung oder Inanspruchnahme hoheitlichen Zwangs.“90 Der gemeinsame Nenner ist nach diesen Definitionen die Befugnis zur hoheitlichen Zwangsanwendung. Entscheidend für die Vermessung des Einsatzbegriffes muss Folgendes sein: Eine in das Belieben der Exekutive gestellte Verwendung der Streitkräfte zu polizeilichen Zwecken und die damit verbundene Gefahr ihres Missbrauchs als innenpolitisches Machtinstrument sollte – die Erfahrungen der Weimarer Republik vor Augen – unterbunden werden. Im Gegensatz zu Art. 48 Abs. 2 WRV und Art. 66 Abs. 2 RV (1871), die einen Streitkräfteeinsatz „zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ oder schlicht „zu polizeilichen Zwecken“ erlaubten, erlaubt Art. 87a Abs. 2 GG nicht nur keine polizeilichen Verwendungen, sondern stellt obendrein alle verteidigungsfremden Einsätze unter den Vorbehalt ausdrücklicher Zulassung im Grundgesetz. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hatte dabei gerade das besondere Machtpotential der Streitkräfte im Verfassungsgefüge vor Augen: Die Streitkräfte sollten keine „Vierte Gewalt“, keinen „Staat im Staate“ bilden.91 Angesichts dieses telos erscheint es verfehlt, Einsätze mit Grundrechtseingriffen gleichzusetzen. Zwar könnte nach neuerer Eingriffsdogmatik auch die Einschüchterung etwa von Demonstranten durch Tiefflieger als faktischer Eingriff erfasst werden.92 Da aber gerade auch das Militär als innenpolitisches Machtmittel ausgeschaltet werden soll, staatliche Institutionen aber keine Grundrechtsträger sind, wäre eine Beschränkung auf Eingriffe zu kurz gegriffen. Ferner kann auch eine militärische Bewaffnung oder „Militärtypik“ nicht das alleinige Kriterium für die Einstufung als Einsatz sein. Zum einen wäre sonst Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG – jedenfalls nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, die eine militärische Bewaffnung im Rahmen der Katastrophenhilfe ohnehin ausschließt – überflüssig. Dasselbe gilt für die Befugnis zur Verkehrsregelung nach Art. 87a Abs 3 S. 1 GG.93 Denn beide Verwendungen werden in der Regel ohne militärische Bewaffnung stattfinden und lägen somit unterhalb der Einsatzschwelle. Gleichwohl finden sich hierfür ausdrückliche Zulassungen. Zum anderen gründet das Machtpotential und die damit verbundenen faktischen Durchsetzungsmöglichkeiten der Streitkräfte nicht nur auf der Bewaffnung, sondern auch auf der abschreckenden Wirkung größerer Truppenteile, militärischen Geräts oder auch nur militärischer Uniformierung (sog. „show of force“). 90

BVerwGE 132, 110 (119). Vgl. hierzu ausführlich Wieland, Verfassungsrechtliche Grundlagen polizeiähnlicher Einsätze der Bundeswehr, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 167 ff. (S. 170 ff). 92 Dazu Winkler, Die Systematik der grundgesetzlichen Normierung des Bundeswehreinsatzes unter Anknüpfung an die Regelung des LuftSiG, DÖV 2006, 149 (150, Fn. 14). 93 Zu beidem Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 121 f. 91

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Es ist daher davon auszugehen, dass die Streitkräfte dann mächtig und somit „gefährlich“ i.S.d. telos des Art. 87a Abs. 2 GG sind, wenn sie hoheitlich gegenüber Personen außerhalb der Streitkräfte Regelungen treffen oder Zwang ausüben.94 Dabei ist es gleichgültig, ob dies mit oder ohne Waffen geschieht und ob der Zwang imperativ oder nur faktisch wirkt. Diese Auffassung deckt sich im Wesentlichen mit der Definition des Bundesverwaltungsgerichts („hoheitliche Zwangsanwendung“). Auch die Literaturauffassung, die unter „Einsatz“ die Verwendung als Vollzugsorgan versteht, geht in diese Richtung. Jedoch ist zu betonen, dass bereits die bloße Präsenz der Streitkräfte (wie beispielsweise das Überfliegen von Demonstranten mit Kampfflugzeugen95) als „show of force“ einschüchternd und disziplinierend wirken und damit faktisch Zwang ausgeübt werden kann, zumal aus Adressatensicht nicht zu beurteilen ist, ob eine Befugnis zur Gewaltanwendung besteht oder nicht. Auch dieser Fall muss als „Einsatz“ verstanden werden. Zu weitreichend erscheint es hingegen, auch mittelbar hoheitliches Handeln, also die Unterstützung der unmittelbar handelnden Behörden, als Einsatz zu verstehen.96 Das würde eine Amtshilfeinanspruchnahme der Streitkräfte für den Bereich der Eingriffsverwaltung praktisch ganz ausschließen. Solange das Heft des Handelns nicht in den Händen der Streitkräfte, sondern der Polizeibehörden ist, sind Hilfstätigkeiten im Hintergrund (wie etwa die Erstellung von Lagebildern durch Aufklärungsflüge) nicht geeignet, die Streitkräfte zu einem innenpolitischen Machtfaktor zu erheben. Einsatz im Sinne von Art. 87a Abs. 2 GG ist nach alledem die hoheitliche Verwendung der Streitkräfte, die sich durch Regelung oder Zwangsausübung auszeichnet, wobei auch lediglich faktischer Zwang ausreichend ist. Derartige Verwendungen sind nur zulässig, wenn sie expressis verbis im Grundgesetz erwähnt sind. Unterhalb dieser Schwelle liegende schlichthoheitliche Verwendungen unterliegen im Umkehrschluss als „Nicht-Einsätze“ nicht dem Vorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG. Das bedeutet gleichwohl keinen Freibrief zur beliebigen Aufgabenerweiterung. Denn aus der Norm ergibt sich lediglich kein Verbot dieser Maßnahmen, sie verschafft aber auch keine Kompetenz. Ist eine Aufgabe anderen Behörden zugewiesen, dürfen die Streitkräfte im fremden Aufgabenbereich nur nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen tätig werden, etwa wenn sie um Amtshilfe gemäß Art. 35 Abs. 1 GG ersucht werden oder eine Vereinbarung über eine Organleihe vorliegt.

94 So der Ansatz von Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 172; ähnlich Wiefelspütz, Reform der Wehrverfassung, 2008, S. 45 f.; Baldus, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 35; Wieland, Verfassungsrechtliche Grundlagen polizeiähnlicher Einsätze der Bundeswehr, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 167 ff. (S. 173). 95 Zum hiervon ausgehenden Drohpotential Brenneisen/Schwarzer/Wein, Hilfeleistung durch die Bundeswehr im Innern – Einsatz oder Amtshilfe?, Die Polizei 2009, 282 (286 f.). 96 So aber Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 159 f.

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b) Geltungsbereich Der zweite Streitpunkt im Rahmen des Art. 87a Abs. 2 GG betrifft die Frage, ob auch Einsätze außerhalb des Bundesgebietes einer ausdrücklichen Zulassung bedürfen. Die Frage ist vorliegend von besonderer Relevanz, denn gälte Art. 87a Abs. 2 GG nur für das Inland, stünden Einsätze jenseits der Küstenmeergrenze nicht unter dem Vorbehalt ausdrücklicher Zulassung. Für eine Beschränkung des Verfassungsvorbehalts auf inländische Verwendungen gibt der insoweit nicht differenzierende Wortlaut zunächst nichts her. Die Formulierung bezieht sich vielmehr auf sämtliche Einsätze. Zwar werden entstehungsgeschichtliche und systematische Argumente für eine Beschränkung auf Inneneinsätze vorgebracht: So habe Art. 87a GG den Art. 143 GG a.F. ersetzt, der die Streitkräfteverwendung im inneren Notstand betraf.97 Zudem sei Gegenstand der Diskussionen um die Notstandsverfassung, im Rahmen derer der Art. 87a GG eingeführt wurde, gerade der sensible Bundeswehreinsatz im Innern gewesen.98 Die Inlandsbezogenheit ergebe sich ferner aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 87a Abs. 3 und 4 GG, die ebenfalls nur Einsätze im Innern betreffen.99 Beide Argumente sind indes nicht zwingend. Dem systematischen Einwand ist zu entgegnen, dass der Verteidigungszweck nach Art. 87a Abs. 1 und 2 GG unstrittig auch nicht auf das Inland beschränkt ist. Das (ohnehin schwache) entstehungsgeschichtliche Argument entkräftet sich selbst bei einem Blick auf die Gesetzgebungsmaterialien. Im Bericht des Rechtsausschusses wird nämlich empfohlen, die Bestimmung zulässiger Streitkräfteeinsätze in einem Artikel zusammenzufassen, wobei „auch“ – im Umkehrschluss: aber nicht nur – Regelungen über den Einsatz im Innern einbezogen werden sollten.100 Überzeugend ist vielmehr das teleologische Argument der Gegenauffassung: Es wäre nicht nachzuvollziehen, die Verwendungsmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern einem strikten Regelungsvorbehalt zu unterwerfen, Auslandseinsätze hingegen ins – lediglich durch Art. 26 Abs. 1 GG begrenzte – Belieben der Befehls- und Kommandogewalt zu stellen.101 Dabei ist der auswärtige Einsatz der Streitkräfte von mindestens ebenso großer politischer Brisanz wie der Inneneinsatz und kann zudem

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Vgl. Limpert, Auslandseinsatz der Bundeswehr, 2002, S. 22 ff. Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 12; Limpert, Außeneinsatz der Bundeswehr, in: Häberle/Schwarze/Graf Vitzthum, Der Staat als Teil und als Ganzes, 1998, S. 41 ff. (S. 44 f.). 99 Stein, Landesverteidigung und Streitkräfte im 40. Jahr des Grundgesetzes, in: Hailbronner/Ress/Stein, FS Doehring, 1989, S. 935 ff. (S. 942 f.); Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 24 Abs. 2 Rn. 67. 100 BT-Drs. 5/2873, S. 12. 101 Vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 16; Epping, in: Epping/ Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 18. 98

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zu außenpolitischer Schädigung führen.102 Angesichts der unheilvollen Verwendung deutscher Streitkräfte in der jüngeren Vergangenheit wäre es sehr befremdlich, wenn das Grundgesetz selbst die Voraussetzungen für die Verkehrsregelung durch Soldaten bestimmte (Art. 87a Abs. 3 GG), während es die nicht minder sensible auswärtige Verwendung gar nicht regelte.103 Mehr spricht insoweit für eine generelle, nicht auf das Inland reduzierte Geltung des Verfassungsvorbehalts.104 Während das Bundesverfassungsgericht in der Adria/AWACS/Somalia-Entscheidung105 wie auch jüngst im Heiligendamm-Beschluss106 auch der Klärung dieser Frage ausgewichen ist, hat wiederum das Bundesverwaltungsgericht ohne Umschweife festgestellt, dass die Streitkräfte gemäß Art. 87a Abs. 2 GG „nach ,innen‘ und ,außen‘, also im In- und Ausland“ nur vorbehaltlich einer ausdrücklichen Zulassung eingesetzt werden dürfen.107 Das einzig schlagkräftige Argument der Gegenauffassung ist, dass die Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG dem Wortlaut nach nur innerhalb der Bundesländer zur Anwendung kommt.108 Das würde einen Katastropheneinsatz der Streitkräfte im Ausland mangels ausdrücklicher Zulassung ausschließen. Dies erscheint in der Tat befremdlich, kann aber für sich genommen nicht zu einer anderen Interpretation des Art. 87a Abs. 2 GG führen. Da der auswärtige Katastropheneinsatz weniger verfassungsrechtlich bedenklich ist als der inländische, was allerdings weniger streitkräftespezifische als föderale Gründe hat (Länderkompetenz zur allgemeinen Gefahrenabwehr), sollte dieser Aspekt vielmehr im Rahmen der Auslegung des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG berücksichtigt werden.109 Hier ist zunächst festzuhalten, dass sich jeder Einsatz der Streitkräfte an Art. 87a Abs. 2 GG messen lassen muss. Komplementäre Maßnahmen der Streitkräfte können daher, gleichgültig ob innerhalb oder außerhalb der Hoheitsgewässer, nur dann im Rahmen der Amtshilfe oder Organleihe stattfinden, wenn sie als schlichthoheitlich, also als „Nicht-Einsätze“ zu charakterisieren sind. Polizeiliche Verwendungen 102 So auch Speth, Rechtsfragen des Einsatzes der Bundeswehr unter besonderer Berücksichtigung sekundärer Verwendungen, 1985, S. 54. 103 Vgl. Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 87a Rn. 18. 104 Ebenso Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 56, S. 1477 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 7; Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 31; Scherrer, Das Parlament und sein Heer, 2010, S. 53. 105 BVerfGE 90, 286. 106 Nach BVerfG, NVwZ 2010, 1091 (1094), bedarf „jedenfalls ein Einsatz der Streitkräfte im Innern, der nicht der Verteidigung dient, einer verfassungsrechtlichen Grundlage“, Hervorhebungen d. Verf. 107 BVerwGE 127, 1 (11). 108 Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 54. 109 Dazu auf S. 229 f.

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oberhalb der Einsatzschwelle hingegen bedürfen einer ausdrücklichen Zulassung. Solche finden sich in Art. 87a Abs. 3 und 4 GG sowie in Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG, die im Folgenden näher zu beleuchten sind. 2. Komplementäre Verwendungen i.R.d. Art. 24 Abs. 2 GG Zunächst liefert aber Art. 24 Abs. 2 GG eine wichtige Rechtsgrundlage für einen Streitkräfteeinsatz, obwohl man die in Art. 87a Abs. 2 GG geforderte ausdrückliche Erwähnung der Streitkräfte hier vergebens sucht. Maßnahmen aufgrund von Art. 24 Abs. 2 GG unterliegen jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht in der Adria/ AWACS/Somalia-Entscheidung110 von 1994 festgestellt hat, nicht dem Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG. Das ergibt sich aus folgender Erwägung: Die Bestimmung eröffnet dem Bund die Möglichkeit, sich unter Beschränkung seiner Hoheitsrechte Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen.111 Trete die Bundesrepublik einem solchen System bei,112 beinhalte Art. 24 Abs. 2 GG auch die Ermächtigung, im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems an militärischen Aktionen teilzunehmen, sprich die eigenen Streitkräfte einzusetzen.113 An dieser seit Inkrafttreten des Grundgesetzes bestehenden Rechtslage habe der verfassungsändernde Gesetzgeber durch die spätere Hinzufügung des Art. 87a Abs. 2 GG aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nichts ändern wollen.114 Damit erhebt das Bundesverfassungsgericht eine Norm, die auf den zwischenstaatlichen Bereich verweist, im Ergebnis zur innerstaatlichen Einsatznorm.115 Dass mit dem Art. 87a Abs. 2 GG nicht der Gehalt des Art. 24 Abs. 2 GG modifiziert werden sollte, erscheint überzeugend. Denn hätte der verfassungsändernde Gesetzgeber an der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 GG etwas ändern wollen, hätte dies mit Blick auf Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG ausdrücklich erfolgen müssen.116 Denn stillschweigende ebenso wie unbeabsichtigte Verfassungsänderungen sind danach ausgeschlossen. Zudem erscheint die Auslegung des Art. 24 Abs. 2 GG als Einsatznorm auch mit der ratio legis des Verfassungsvorbehalts, die in erster Linie eine Annahme ungeschriebener Zuständigkeiten aus der Natur der Sache und damit eine schleichende Erosion des numerus clausus der Streitkräftekompetenzen ausschließen will, ver110

BVerfGE 90, 286. Zum Begriff des Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit sogleich. 112 Der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO und WEU erfolgte am 05. 05. 1955, der zur UNO am 18. 09. 1973. 113 BVerfGE 90, 286 (345). 114 BVerfGE 90, 286 (356). 115 Dazu auch Blumenwitz, Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Kampf gegen den Terrorismus, ZRP 2002, 102 (103). 116 So i.E. auch Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 14; vgl. auch Dietlein, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 79 Rn. 5. 111

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einbar. Denn eine derartige Gefahr droht bei den unter Art. 24 Abs. 2 GG fallenden internationalen Organisationen mit ihren ausdifferenzierten Beschlussverfahren kaum. Die Streitkräfteverwendung steht zudem auch nicht im Belieben der Exekutive, da das Bundesverfassungsgericht für Einsätze im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 GG einen konstitutiven Bundestagsbeschluss gefordert hat. Entsprechend ist die in ständiger Rechtsprechung gefestigte Auslegung des Art. 24 Abs. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht117 praktisch unbestritten.118 Gleichwohl ist auch auf Schwachpunkte der Argumentation hinzuweisen: Zum einen mag die Prämisse, dass Art. 24 Abs. 2 GG von seinem ursprünglichen Gehalt her als Ermächtigung zu Streitkräfteeinsätzen gedacht war, bezweifelt werden. Denn bei Inkrafttreten des Grundgesetzes verfügte Deutschland überhaupt nicht über Streitkräfte. Art. 24 Abs. 2 GG kann insoweit jedenfalls nach seinem ursprünglichen Normgehalt nicht auf die Zurverfügungstellung deutscher Streitkräfte ausgerichtet gewesen sein.119 Eine solche Bedeutung kann Art. 24 Abs. 2 GG allenfalls im Zuge der Wiederbewaffnung im Jahr 1956 erlangt haben. Damals wurde die Norm aber gar nicht verändert, was auch nicht nötig war, da eine kollektive Bündnisverteidigung bereits im Rahmen des Aufstellungszwecks „zur Verteidigung“ möglich war.120 Zum anderen ließe sich die Argumentation, der Art. 87a Abs. 2 GG habe an der Einsatzermächtigung aufgrund Art. 24 Abs. 2 GG nichts ändern wollen, freilich auf das gesamte ursprüngliche Verfassungsrecht und damit insbesondere auf den Art. 35 Abs. 1 GG übertragen. Hier ließe sich argumentieren, dass ein Amtshilfeeinsatz der Streitkräfte (auch oberhalb der Einsatzschwelle) vor der Einfügung des Art. 87a Abs. 2 GG möglich gewesen sei und sich auch hieran – angesichts des unveränderten Wortlautes des Art. 35 Abs. 1 GG – nichts geändert habe.

a) Voraussetzungen Voraussetzung für einen Streitkräfteeinsatz auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG ist, dass erstens ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG besteht, zweitens ein Einsatz der Streitkräfte im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems stattfindet und drittens der Bundestag diesem Einsatz konstitutiv zugestimmt hat.121 Zu Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG zählt das Bundesverfassungsgericht in der Adria/AWACS/Somalia-Entscheidung nicht nur auf interne Streitschlichtung ausgerichtete Systeme wie die Vereinten Nationen (Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit im eigentlichen Sinne), sondern auch auf Beistand gegenüber externen Angreifern ausgerichtete Systeme wie die NATO und die WEU (im völkerrechtlichen Sprachgebrauch: Systeme kollektiver Selbst117

Vgl. nur BVerfGE 121, 135; BVerfGE 100, 266. Für die zustimmende h.M. vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 24 Rn. 21; Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 24 Rn. 88 ff.; Streinz, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 24 Rn. 58 m.w.N. 119 So auch Deiseroth, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, 2002, Art. 24 Rn. 252. 120 Dazu bereits auf S. 201. 121 BVerfGE 90, 286 (345 und 381) sowie den Parlamentsvorbehalt konkretisierend BVerfGE 121, 135. 118

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verteidigung), sofern sie strikt auf Friedenswahrung ausgerichtet sind.122 Der staatsrechtliche Begriff des Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit ist insofern weiter als der völkerrechtliche.123 Die WEU ist mittlerweile in Auflösung begriffen.124 Hingegen kann spätestens seit dem Lissabon-Vertrag kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die EU mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach Art. 42 ff. EUVebenfalls ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG darstellt: Sie ist nach Maßgabe der Charta der Vereinten Nationen auf Friedenswahrung und Konfliktverhütung verpflichtet (Art. 21 Abs. 2 lit. c EUV), und Art. 42 Abs. 1 EUV sieht den gemeinsamen Einsatz militärischer Mittel zu Missionen der Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit vor. Erstmalig enthält nunmehr Art. 42 Abs. 7 EUV zudem auch eine gegenseitige Beistandspflicht im Falle eines Angriffs auf einen Mitgliedstaat, womit die EU vollständig die Aufgaben der WEU übernommen hat und ein weiteres Verteidigungsbündnis neben der NATO darstellt.125 Hingegen wird man das UN-Seerechtsübereinkommen, auch wenn dies teilweise vertreten wird,126 nicht unter den Begriff des Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit subsumieren können. Das Übereinkommen begründet ein materiell-völkerrechtliches Ordnungsregime, nicht aber ein „System“ im Sinne einer eigenen völkerrechtlichen Organisation, in deren Rahmen militärische Einsätze beschlossen und durchgeführt würden.127 Einsätze der deutschen Streitkräfte auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 GG kommen danach im Rahmen der UNO, der NATO und der EU in Betracht. Entscheidend ist, dass Art. 24 Abs. 2 GG nur zu Einsätzen ermächtigt, die „im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems“ stattfinden.128 Es reicht nicht, dass irgendwelche Einsätze nur materiell im Einklang mit Regeln eines Bündnisses stehen oder danach als rechtmäßig erachtet werden. Das formelle Merkmal „im Rahmen“ erfordert vielmehr einen Beschluss des Bündnisses zu einer konkreten Mission und 122

BVerfGE 90, 286 (349 ff.). Blumenwitz, Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Kampf gegen den Terrorismus, ZRP 2002, 102 (103). 124 Vgl. FAZ vom 10. 04. 2010, S. 10 („Brüsseler Bestattung“). 125 Vgl. von Heinegg, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 24 Rn. 33.3; auch vor der im Zuge der Lissabonner Vertragsrevision eingefügten Beistandsverpflichtung wurde die EU bereits überwiegend als Sicherheitssystem i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG eingestuft, vgl. Scherrer, Das Parlament und sein Heer, 2010, S. 32 m.w.N. 126 So Affeld, Der aktuelle Fall: Seeraub und die seepolizeiliche Rolle der Deutschen Marine, Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2000, Heft 2, 95 (104). 127 Wie hier Braun/Plate, Rechtsfragen der Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden durch die Bundesmarine: Wahrnehmung originär polizeilicher Aufgaben durch das Militär?, DÖV 2010, 203 (207); Allmendinger/Kees, „Störtebekers Erben“, NZWehrR 2008, 60 (66); Wiefelspütz, Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr auf See, NZWehrR 2005, 146 (160). 128 BVerfGE 90, 286 (345). 123

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die Führung derselben durch Organe und Kommandostrukturen dieses Bündnisses.129 Das ergibt sich zwingend aus dem telos des Art. 24 Abs. 2 GG in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht: Denn wesentliche Argumentationslinie des Urteils ist, dass Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit zur Erfüllung „ihrer“ Aufgaben auch militärische Mittel „zur Verfügung“ gestellt werden müssen.130 Indem das Grundgesetz die Einordnung des Bundes in ein solches System ermögliche, lasse es daher zugleich die Einordnung von Streitkräfteeinheiten in jene Systeme zu. Es geht also um Aufgaben der Sicherheitssysteme, nicht der Mitgliedstaaten. Die Bereitstellung militärischer Mittel dient der Erfüllung „ihrer“ Aufgaben. Die durchgängige Verwendung von Begriffen wie „Teilnahme“ und „Einordnung“131 sowie „Beteiligung“132 verdeutlicht, dass die Federführung bei jenen Systemen liegen muss. Vergleichbar mit der innerstaatlichen Konstruktion der Organleihe stellen die Mitgliedstaaten lediglich die Werkzeuge in Form militärischer Verbände zur Verfügung, die dann unter der Leitung der kollektiven Sicherheitssysteme eingesetzt werden – freilich mit dem Unterschied, dass die Mitgliedstaaten durch die Gremien und Organe an der Leitung beteiligt sind. Gemischtnationale Verbände, die unmittelbar von den Entsendestaaten errichtet und geleitet werden, stellen als solche kein institutionell verfestigtes, kollektives Sicherheitssystem dar und fallen daher nicht unter Art. 24 Abs. 2 GG.133 Nicht ausreichend ist also, dass die Einsätze solcher Verbände lediglich die Vorschriften eines Sicherheitssystems beachten. Dadurch werden sie noch nicht zu Einsätzen „in dessen Rahmen“. Mit anderen Worten: Eine UN-Sicherheitsratsresolution, die Selbstverteidigungsrechte der Staaten gegen den Terrorismus bestätigt, macht eine Operation gegen Terroristen noch nicht zu einem Einsatz „im Rahmen“ der UNO. Entscheidend ist, dass die Einsatzführung von den Organen des jeweiligen Systems ausgeht, was entweder eine Eingliederung in systemeigene Militärverbände oder eine Beteiligung an einer militärischen Operation des Systems unter dessen militärischem Kommando erfordert.134 b) Rechtsfolge Soweit die beschriebenen Voraussetzungen vorliegen (Einsatz im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit und Zustimmung des Bundestages), können auf Art. 24 Abs. 2 GG jegliche Einsätze der Streitkräfte gestützt werden, freilich mit der Grenze des Art. 26 GG, die auch bereits dem Art. 24 Abs. 2 GG innewohnt („zur Wahrung des Friedens“). Ein Beschluss eines Systems 129 Ähnlich Scherrer, Das Parlament und sein Heer, 2010, S. 40, nach dem ein Einsatz nur dann „im Rahmen“ eines Systems stattfindet, wenn die Verantwortung für das Handeln bei diesem System liegt. 130 BVerfGE 90, 286 (345). 131 BVerfGE 90, 286 (346). 132 BVerfGE 90, 286 (351). 133 Vgl. Rojahn, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 24 Rn. 89. 134 Vgl. auch Deiseroth, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, 2002, Art. 24 Rn. 225.

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gegenseitiger kollektiver Sicherheit begründet also mittelbar die staatsrechtliche Kompetenz zum Einsatz der Streitkräfte im beschlossenen Umfang. Die Einsätze sind nicht auf Verteidigungszwecke beschränkt, sondern können auch verteidigungsfremden, insbesondere polizeilichen Zwecken dienen.135 Dies macht die große Bedeutung und den eigentlichen „Sinn“ der Interpretation des Art. 24 Abs. 2 GG als Einsatznorm aus. Ginge es nur um Verteidigung, hätte es des „Umwegs“ über Art. 24 Abs. 2 GG nicht bedurft, da Verteidigungshandlungen – auch zugunsten verbündeter Staaten – auf Art. 87a Abs. 2 GG gestützt werden können. Art. 24 Abs. 2 GG dient hingegen als „Hebel“ für den Streitkräfteeinsatz zur polizeilichen Gefahrenabwehr, die nach obigen Ausführungen gerade nicht unter den Verteidigungsbegriff nach Art. 87a Abs. 2 GG subsumiert werden können. Die Kompetenz aus Art. 24 Abs. 2 GG ist insoweit weiter als die Kompetenz aus Art. 87a Abs. 2 GG. Die auf dieser Grundlage denkbaren Maßnahmen reichen von der Bekämpfung des Terrorismus über Maßnahmen gegen Piraterie oder andere organisierte Kriminalität bis hin zum Einsatz gegen illegalen Waffen- oder Drogenhandel.136 Die staatsrechtliche Kompetenz der Streitkräfte für derartige Polizeiaufgaben folgt stets mittelbar aus Beschlusslagen internationaler Organisationen. Hinsichtlich der Art der Aufgabe sind praktisch keine verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzt.137 Ob eine militärische Mission im Rahmen eines Bündnisses beschlossen wird, ist letztlich nur eine Frage politischer Mehrheiten in den Gremien des zwischenstaatlichen Bündnisses und im Bundestag. c) Verhältnis zu originär zuständigen Behörden Nehmen die Streitkräfte über Art. 24 Abs. 2 GG polizeiliche Aufgaben wahr, entstehen Zuständigkeitskonflikte mit den originär für die jeweiligen Aufgaben zuständigen Behörden, insbesondere mit der außerhalb der Hoheitsgewässer für die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr zuständigen Bundespolizei. Insoweit erscheint eine grundsätzliche Klärung des Verhältnisses zwischen originär zuständiger ziviler Behörde und komplementär aufgrund von Art. 24 Abs. 2 GG eingesetzten militärischen Kräften erforderlich. 135 So auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 10; Gramm, Die Aufgaben der Bundeswehr und ihre Grenzen in der Verfassung, NZWehrR 2005, 133 (137); Rojahn, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 24 Rn. 89 („Operationen jenseits der Verteidigung“). 136 Vgl. etwa Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 24 Rn. 57. 137 Das gilt für das „Ob“ der Aufgabenwahrnehmung. Eine andere Frage ist freilich, ob durch die Eingliederung oder Unterstellung von Bundeswehrverbänden diese von der Einhaltung materieller Vorgaben des Grundgesetzes („wie“) entbunden werden, etwa weil es sich nicht mehr um deutsche Staatsgewalt handele. Richtigerweise kann nicht angenommen werden, dass Art. 24 Abs. 2 GG Dispens von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die deutsche öffentliche Gewalt erteilt, gleichgültig, in wessen Rahmen sie handelt, so auch Deiseroth, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 1, 2002, Art. 24 Rn. 231.

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Kristallisationspunkt dieser Frage ist das Verhältnis zwischen der GSG 9 der Bundespolizei und dem Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Das KSK wurde 1996 als Spezialeinheit für besondere Lagen, unter anderem zur Rettung und Befreiung deutscher Staatsbürger aus kriegerischen oder terroristischen Bedrohungsszenarien, gegründet.138 Die GSG 9 ist innerhalb der Bundespolizei zuständig für die Bekämpfung von Terrorismus und extremer Gewalt. Die Aufgabenbereiche der beiden Spezialeinheiten überschneiden sich insoweit. Im Schrifttum finden sich bisher, soweit ersichtlich, keine Lösungsvorschläge für dieses Problem der sich überschneidenden Zuständigkeiten.139 Nachdem oben herausgearbeitet worden ist, dass das Mandat aufgrund von Art. 24 Abs. 2 GG anderweitige innerstaatliche Zuständigkeitsregelungen nicht aufhebt, sondern nur eine komplementäre Zuständigkeit der Streitkräfte für entsprechende polizeiliche Aufgaben begründet, bleibt es im Übrigen bei der originären Kompetenz der zivilen Behörde. Nach allgemeinen Grundsätzen muss dann gelten, dass das vorrangige Zugriffsrecht bei der originär zuständigen Behörde liegt und die komplementär zuständigen Streitkräfte nur eingreifen dürfen, soweit diese zur Gefahrenabwehr nicht in der Lage ist. Der Regelfall dürfte freilich sein, dass die originär zuständige Behörde nicht vor Ort ist. Dann können die Streitkräfte ohne weiteres in komplementärer Zuständigkeit handeln. Ein Tätigwerden bedarf dann auch keines Hilfsersuchens im Einzelfall; dieses wird man vielmehr in generalisierter Form in dem erteilten Mandat sehen können. Wenn aber die originär zuständige Behörde vor Ort sowie einsatzfähig und -willig ist, gebührt ihr der Vorrang. d) Bündniseinsätze im Inland? Nachdem die Streitkräfte über Art. 24 Abs. 2 GG auch mit der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben betraut werden können, drängt sich die Frage auf, ob Art. 24 Abs. 2 GG auch Streitkräfteeinsätze im Inland trägt. Im vorliegenden Kontext betrifft dies vor allem die Möglichkeit polizeilicher Einsätze der Marine im deutschen Küstenmeer. Während Piratenangriffe hier freilich weniger drohen, sind terroristische Gefahrenlagen sehr wohl vorstellbar. Aus Art. 87a Abs. 2 GG lässt sich für diese Fälle nach der hier vertretenen Auffassung keine Streitkräftekompetenz ableiten. 138 Brinkmann, Das Trennungsgebot im Äußeren – Zur Frage der Zuständigkeit von Polizeiund Streitkräften am Beispiel von GSG 9 und KSK, NordÖR 2010, 53 (54). 139 Auch der Beitrag Brinkmann, Das Trennungsgebot im Äußeren – Zur Frage der Zuständigkeit von Polizei- und Streitkräften am Beispiel von GSG 9 und KSK, NordÖR 2010, 53, geht am eigentlichen Kern des Problems vorbei, indem dort lediglich das vermeintliche „Trennungsgebot“ zwischen Polizei und Bundeswehr problematisiert wird (das in Wirklichkeit die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten meint). Glawe, Rechtsgrundlagen des Einsatzes deutscher Spezialkräfte in maritimen Geisellagen, NZWehrR 2009, 221 (233 f.), stellt nach Erörterung der jeweiligen Rechtsgrundlagen polizeilicher Einsätze von Bundespolizei und Bundeswehr lediglich fest, dass die Kollisionsfrage durch Entscheidung der Bundesregierung zu klären sei und hierfür eine Ressortvereinbarung zwischen BMI und BMVg bestehe.

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Kann nun Art. 24 Abs. 2 GG womöglich als Hebel für den Streitkräfteeinsatz im Innern fungieren? Was zunächst abwegig klingt, ist bei näherer Betrachtung so fernliegend nicht. Man nehme etwa an, für die deutsche Bucht läge eine konkrete Terrorgefahr vor und die NATO beschlösse die Entsendung eines multinationalen Marineverbandes, der unter NATO-Kommando mit deutscher Zustimmung auch in deutschen Hoheitsgewässern operierte. Wenn sich hieran auch deutsche Einheiten beteiligten, stellt sich die Frage, ob diese dann nur seewärts der Küstenmeergrenze Maßnahmen ergreifen dürften, im deutschen Küstenmeer hingegen zur Untätigkeit verpflichtet und auf die Bündnispartner angewiesen wären.140 Dies erscheint befremdlich. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob Maßnahmen nach Art. 24 Abs. 2 GG – im Gegensatz zu jenen nach Art. 87a Abs. 2 GG – räumlich zu begrenzen sind, konkret, ob die Bestimmung auch für militärische Maßnahmen innerhalb des Staatsgebietes Geltung beansprucht. In der Literatur wird diese Frage praktisch nicht thematisiert und entsprechend die Adria/AWACS/Somalia-Entscheidung von 1994 in der Regel als grundlegende Entscheidung zu „Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ bezeichnet. Im Urteil selbst ist von „Auslandseinsätzen“ jedoch nicht die Rede und findet sich eine derartige Beschränkung zumindest auch nicht explizit.141 Vereinzelte Stimmen in der Literatur sehen in Art. 24 Abs. 2 GG tatsächlich eine taugliche Rechtsgrundlage auch für Inneneinsätze der Bundeswehr.142 Zur Begründung wird vorgebracht, es könne für die Zulässigkeit von Streitkräfteeinsätzen nach Art. 24 Abs. 2 GG nicht darauf ankommen, ob es sich um Inlands- oder Auslandseinsätze handele, da diese Unterscheidung auch für Verteidigungseinsätze keine Rolle spiele.143 Der Rückschluss von dem einen auf das andere leuchtet indes nicht unmittelbar ein. Im Urteil findet sich allein in der Differenzierung zwischen Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 GG ein Anhaltspunkt für die Lage im innerstaatlichen Bereich: Die Teilnahme deutscher Streitkräfte an Operationen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit sei nicht an Art. 24 Abs. 1 GG, sondern lediglich an Art. 24 Abs. 2 GG zu messen, da es nur um die Einordnung der Streitkräfte in ein solches System gehe, nicht 140 Dass Art. 87a Abs. 2 GG auch die Tätigkeit ausländischer Streitkräfte in Deutschland begrenzen würde, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Da das Grundgesetz nur die deutsche öffentliche Gewalt bindet, wäre dogmatisch ohnehin allenfalls denkbar, dass der Bundesregierung die Erteilung der völkerrechtlichen Zustimmung zu Operationen auf Bundesgebiet untersagt wäre. Der systematische Zusammenhang zwischen Art. 87a Abs. 1 und 2 GG verdeutlicht aber, dass nur die Streitkräfte des Bundes in Rede stehen. A.A. hingegen Hölscheidt/Limpert, Einsatz der Bundeswehr innen und außen, JA 2009, 86 (89), nach denen Art. 87a Abs. 2 GG „funktionale Sperrwirkung […] für den Einsatz militärischer Verbände auf deutschem Territorium“ entfalte. 141 Gleichwohl wird das Urteil von 1994 im AWACS II-Urteil von 2008 (BVerfGE 121, 135) so zitiert, als sei dort explizit von „Auslandseinsätzen“ die Rede, vgl. BVerfGE 121, 135 (141). 142 So Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 34; Tomuschat, in: Dolzer/Kahl/ Waldhoff/Graßhof, GG, 146. EL (Kommentierung 1985), Art. 24 Rn. 174. 143 Tomuschat, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff/Graßhof, GG, 146. EL (Kommentierung 1985), Art. 24 Rn. 174.

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aber darum, dem System selbst Kompetenzen zur Ausübung von Hoheitsbefugnissen „mit unmittelbarer Wirkung im innerstaatlichen Bereich“ zu übertragen.144 Das besagt zwar nicht ausdrücklich, dass Maßnahmen aufgrund von Art. 24 Abs. 2 GG nicht im Inland stattfinden dürften. Die Aussage impliziert aber doch, dass eine Durchgriffswirkung in den innerstaatlichen Bereich dem System selbst ebenso wie den teilnehmenden Streitkräfteeinheiten auf Grundlage von Art. 24 Abs. 2 GG nicht eingeräumt sind. Vor allem aber widerspräche es dem telos des Art. 24 GG, dessen Zielrichtung der zwischenstaatliche Bereich ist, dessen Abs. 2 zur Einsatznorm für Inneneinsätze zu erheben. Art. 24 Abs. 2 GG praktisch zur Generalklausel für Streitkräfteeinsätze auch im Innern zu machen, würde die Bestimmung überdehnen. Ihr Sinn ist die Ermöglichung zwischenstaatlicher Zusammenarbeit im militärischen Bereich, nicht aber, die fein austarierten Verwendungsmöglichkeiten der Streitkräfte im Innern zu überspielen. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht dies für selbstverständlich und eine Klarstellung im Urteil mithin für überflüssig gehalten hat. Dem entspricht, dass im AWACS II-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2008, das den Parlamentsvorbehalt präzisiert, durchgängig die Rede von „Auslandseinsätzen“ ist, die auf Art. 24 Abs. 2 GG gestützt werden könnten.145 Dessen ungeachtet wurde – kurz nach diesem Urteil – im Schrifttum die Auffassung geäußert, Art. 24 Abs. 2 GG erlaube nicht nur formell den Einsatz der Bundeswehr im Inland, sondern dispensiere auch noch von der Beachtung materieller Vorgaben des Grundgesetzes wie insbesondere der Grundrechte.146 Während bereits die Erstreckung des Art. 24 Abs. 2 GG auf Inlandseinsätze aus den genannten Gründen abzulehnen ist, erscheint die Behauptung, über den Art. 24 Abs. 2 GG könnten Fesseln des deutschen Verfassungsrechts und insbesondere die Grundrechtsbindung abgestreift werden, als schlechthin unhaltbar.147 Es handelt sich um den offenkundigen Versuch, die materiellrechtlichen Vorgaben der Luftsicherheitsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu umgehen, indem der NATO eine eigenständige Entscheidungskompetenz zugesprochen wird. Dieser geht in zweifacher Hinsicht fehl: Zum einen werden durch die Beteiligung deutscher Streitkräfte an Operationen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit gerade keine Hoheitsbefugnisse mit unmittelbarer Wirkung im innerstaatlichen Bereich übertragen.148 Dies wäre ein Fall des Art. 24 Abs. 1 GG, nicht des Art. 24 Abs. 2 GG. 144

BVerfGE 90, 286 (346 f.). BVerfGE 121, 135 (160): „Da sich Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit auf diese Bestimmung [Art. 24 Abs. 2 GG] stützen können, […].“ 146 So Giemulla/Rothe, Abschuss erlaubt, FAZ vom 19. 06. 2008, S. 6. 147 Kritisch insoweit zu Recht auch Bothe, Völkerrecht und Verfassungsrecht, FAZ vom 30. 06. 2008, S. 9. 148 So ausdrücklich BVerfGE 90, 286 (346 f.); ebenso Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL (Kommentierung 1992), Art. 24 Abs. 2 Rn. 42. 145

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Ob und inwieweit sich die deutschen Streitkräfte an inländischen Operationen dieser Systeme beteiligen, bliebe daher einer innerstaatlichen Entscheidung vorbehalten. Zum anderen wäre, selbst wenn etwa der NATO Durchgriffsrechte zu Maßnahmen in Deutschland eingeräumt wären, eine Freistellung von materiellen Verfassungsvorgaben wie der Bindung an deutsche Grundrechte entsprechend der Solange-Dogmatik im Europarecht nur vorstellbar, wenn die NATO ihrerseits einem eigenen Grundrechtsregime unterläge, das dem deutschen Schutzniveau entspricht. Die Vorstellung, die Federführung eines deutschen Streitkräfteeinsatzes in Deutschland durch die NATO entbinde die Streitkräfte von der Bindung an deutsche Grundrechte, ist daher abwegig. Es bleibt nach alledem festzuhalten, dass Art. 24 Abs. 2 GG nur zu Streitkräfteeinsätzen außerhalb Deutschlands ermächtigt. Das hat zur Konsequenz, dass die deutschen Streitkräfte im Ausland mehr dürfen als im Inland, konkret, dass sie dort regelmäßig polizeiliche Aufgaben wahrnehmen dürfen, was ihnen im Inland verwehrt bleibt. Das offenbart immanente Schwächen der Lösung über Art. 24 Abs. 2 GG. Landwärts der Küstenmeergrenze dürften deutsche Streitkräfte im Rahmen von Bündnisoperationen also, um auf das eingangs genannte Beispiel zurückzukommen, nicht zur Abwehr terroristischer Gefahren eingesetzt werden. 3. Komplementäre Verwendungen i.R.d. Art. 87a Abs. 3 und 4 GG Außerhalb des Art. 24 Abs. 2 GG und oberhalb der Einsatzschwelle des Art. 87a Abs. 2 GG sind polizeiliche Verwendungen nur aufgrund ausdrücklicher Zulassung möglich. Ausdrückliche Einsatzbefugnisse finden sich in Art. 87a Abs. 3 und 4 GG. Möglicherweise lassen sich diese Bestimmungen für komplementäre polizeiliche Verwendungen zur Abwehr terroristischer Gefahren fruchtbar machen. Art. 87a Abs. 3 GG setzt jedoch die Feststellung des Verteidigungs- oder Spannungsfalles nach Art. 115a GG bzw. Art. 80a GG voraus und findet im „kompetentiellen Normalzustand“, der Gegenstand dieser Untersuchung ist, daher gar keine Anwendung. Art. 87a Abs. 4 GG setzt auf Tatbestandsseite zunächst eine drohende Gefahr für den Bestand von Bund oder Ländern oder für die freiheitliche demokratische Grundordnung in Bund oder Ländern voraus. Die Auslegung dieser Schutzgüter ist entscheidend dafür, inwieweit die Bestimmung für einen Streitkräfteeinsatz gegen Terroristen herangezogen werden kann. Herkömmlich wird „Bestand“ im Sinne territorialer Integrität und staatlicher Handlungsfähigkeit verstanden.149 Auf die politische Ordnung oder Staatsform kommt es dabei nicht an, diese ist erst im Rahmen 149 Vgl. etwa Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 91 Rn. 4; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 91 Rn. 8; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 21 Rn. 34.

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des zweiten Schutzgutes relevant. Das überzeugt, da „Bestand“ zunächst für die existenziellen Grundlagen der Staatlichkeit überhaupt steht. Diese manifestiert sich entsprechend der Drei-Elemente-Lehre Jellineks150 in Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Insoweit ist es (jedenfalls theoretisch) konsequent, mit Teilen der Literatur auch das Staatsvolk im Rahmen des Schutzgutes „Bestand“ zu berücksichtigen.151 Praktisch stellt sich allerdings die Frage, wann das Staatsvolk als solches gefährdet sein soll. Hier ergeben sich Berührungspunkte zu weitergehenden Auffassungen, die den Bestand des Bundes auch bei „Verseuchungen und Verstrahlungen weiter Gebietsteile sowie der in ihnen lebenden Bevölkerung“152 gefährdet sehen und dieses Schutzgut insoweit auch für die Abwehr terroristischer Anschläge heranziehen wollen (etwa im Falle eines Anschlags auf ein Kernkraftwerk).153 Eine solche Auslegung ist zwar aus Rechtsfolgensicht verlockend.154 In den Bestand von Bund und Ländern letztlich einen allgemeinen Bevölkerungsschutz hineinzulesen, dürfte jedoch zu weit gehen. Auch Angriffe gegen zahlreiche Individuen sind noch keine Angriffe gegen das Staatsvolk als Ganzes.155 Selbst verheerende Anschläge ändern unmittelbar nichts an der Existenz des Staates.156 Auch im extremen Fall, dass Großteile eines Landesgebiets infolge eines Anschlags unbewohnbar würden, würde dies nichts an der Zugehörigkeit der Gebiete zu Bund und Ländern ändern. Die territoriale Integrität wäre de jure nicht berührt. Eine Gefährdung des Bestandes von Bund oder Land durch einen singulären Terroranschlag ist allenfalls denkbar, wenn die Funktionen von obersten Staatsorganen oder ganzen Zweigen der Staatstätigkeit gestört oder blockiert würden.157 Denn dann wäre die staatliche Handlungsfähigkeit gefährdet. Dies ist freilich nur in Extremfällen vorstellbar. Das Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem ersten Parteiverbotsverfahren im Jahr 1952 definiert als eine Ordnung, „die unter Ausschluss jeglicher Form 150

Vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, S. 394 ff. So Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 58. 152 Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 100. 153 In diesem Sinne Volkmann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 91 Rn. 14; ähnlich auch Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1291) und Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 392 ff. 154 Denn insbesondere besteht so nicht das Problem des aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts dem Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG immanenten Verbots der Verwendung militärischer Waffen. Ein solches Verbot wäre im Rahmen des Art. 87a Abs. 4 GG angesichts der ausdrücklich militärisch bewaffneten Gegner jedenfalls geradezu absurd. Dass im Rahmen des Art. 87a Abs. 4 GG militärische Waffen zugelassen sind, ergibt sich aus der Luftsicherheitsentscheidung allerdings nur indirekt, vgl. BVerfGE 115, 118 (148). 155 Vgl. auch Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 339. 156 So i.E. auch Hochhuth, Militärische Bundesintervention bei inländischem Terrorakt, NZWehrR 2002, 154 (160). 157 Vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 91 Rn. 10. 151

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von Gewalt- oder Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“.158 Zu ihren grundlegenden Prinzipien sind nach dem Bundesverfassungsgericht mindestens zu rechnen: „die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten […], die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip […]“.159 Ziel terroristischer Vereinigungen mag, zumal mit Blick auf den islamistischen Terrorismus, eine Beseitigung oder jedenfalls Erosion dieser freiheitlichen Ordnung sein. Gleichwohl wird diese Ordnung durch einen Anschlag unmittelbar nicht berührt. Die eng umgrenzten Schutzgüter des Art. 87a Abs. 4 GG machen einen Einsatz der Streitkräfte zur Terrorabwehr daher nur in Extremfällen möglich.160 Im Ergebnis wird man eine drohende Gefahr für den Bestand des Bundes oder eines Landes nur annehmen können, wenn durch einen Anschlag die Ausschaltung von obersten Staatsorganen zu erwarten ist. Terroristische Anschläge auf See oder von See her dürften derartige Ausmaße jedoch kaum erreichen. Die weiteren Voraussetzungen des Art. 87a Abs. 4 GG, nämlich die fehlende Fähigkeit oder Bereitschaft des betroffenen Landes zur Gefahrenabwehr (Art. 91 Abs. 2 GG) und das Nichtausreichen der Polizeikräfte anderer Länder und des Bundes, dürften im Falle den Bestand des Staates gefährdender Angriffe hingegen vergleichsweise leicht zu bejahen sein. Die Rechtsfolge ist dann, dass die Streitkräfte zur Unterstützung der Landes- und Bundespolizei beim Schutz ziviler Objekte und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer eingesetzt werden dürfen. Die Bekämpfung darf mit militärischen Mitteln erfolgen, richtet sich aber nach polizeilichen Grundsätzen, insbesondere nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.161 Zwar werden als Beispiele für das zweite Einsatzziel in der Literatur lediglich putschende Streitkräfteeinheiten und bürgerkriegsähnliche Situationen genannt.162 Es ist aber nicht ersichtlich, warum Terroristen bei entsprechender Organisation und militärischer Bewaffnung nicht auch als „Aufständische“ qualifiziert werden sollten.163 Ferner dürfte gegen Terrorakte auch das Einsatzziel Objektschutz herangezogen werden können.

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BVerfGE 2, 1 (12 f.). BVerfGE 2, 1 (13). 160 Vgl. auch Isensee, Der Verfassungsstaat als Friedensgarant, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 2003, S. 7 ff. (S. 36). Böckenförde, Der verdrängte Ausnahmezustand, NJW 1978, 1881 (1890), plädiert daher für eine kompetentielle Differenzierung zwischen dem hier geregelten „großen“ und einem durch terroristische Akte herbeigeführten „kleinen“ Ausnahmezustand. 161 Vgl. Klein, Der innere Notstand, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 169 Rn. 42; Kokott, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 61. 162 Vgl. Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 117; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 32. 163 So auch Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 87a Rn. 41; a.A. Baldus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 87a Rn. 117. 159

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4. Komplementäre Verwendungen i.R.d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG Weiterführend für die Frage polizeilicher Verwendungen der Streitkräfte im Inland oberhalb der Einsatzschwelle sind letztlich nur die Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG. Aus diesen Bestimmungen kann sich die Zulässigkeit eines Streitkräfteeinsatzes in Gefahrenlagen, die die Kräfte der zuständigen Behörden übersteigen, ergeben. Die Ursache der Gefahr ist dabei zunächst gleichgültig, so dass Unterstützungseinsätze sowohl zu Security- als auch zu Safety-Zwecken möglich sind. Zu denken ist einerseits an terroristische Anschläge, die von einem Schiff ausgehen (etwa die Nutzung eines „Schiffs als Waffe“), andererseits an betriebliche Unfälle wie Havarien und Schadstoffunfälle größeren Ausmaßes.164 In beiden Fällen können die besonderen Fähigkeiten der Streitkräfte zur effektiven Bekämpfung der Gefahr erforderlich sein.165 Die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der Katastrophenhilfe i.S.d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG wurden bereits erläutert.166 Offen geblieben sind indes noch drei streitkräftespezifische Fragen: die Möglichkeit eines Hilfseinsatzes der Streitkräfte zugunsten von Bundesbehörden [a)], die Verwendbarkeit militärischer Waffen im Katastropheneinsatz [b)] und die Problematik fehlender einfachgesetzlicher Befugnisnormen [c)]. a) Ausschluss bundesinterner Katastrophenhilfe Auf Tatbestandsseite stellt sich zunächst die Frage, ob Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG über den Wortlaut hinaus auch die bundesinterne Katastrophenhilfe einschließt. Wie gezeigt, ist der Bund in vielen Fällen für die sonderpolizeiliche Gefahrenabwehr, außerhalb der Hoheitsgewässer auch für die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr zuständig. Nun sind Gefahrenlagen denkbar, in denen der Bund zur wirksamen Erledigung dieser Aufgaben die Hilfe der Streitkräfte braucht. Der Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG umfasst diesen Fall nicht. Abs. 2 fordert tatbestandlich die Anforderung durch ein Land, Abs. 3 die Gefährdung mehr als eines Landes. In beiden Fällen erfolgt der Streitkräfteeinsatz nur zur Unterstützung der 164 In diesen Fällen kann die Verwendung freilich auch im Rahmen der einfachen Amtshilfe zulässig sein, sofern die Streitkräfte schlichthoheitlich handeln (beispielsweise durch Ölauffangschiffe). Sobald aber Regelungen getroffen werden oder Störungen des Rettungsbetriebes zwangsweise verhindert werden, handelt es sich um einen Einsatz und ist daher eine ausdrückliche Zulassung erforderlich. 165 Die Auffassung Sattlers, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1290), die Streitkräfte seien im Rahmen der Katastrophenhilfe auf bloße Folgebeseitigung beschränkt und dürften gegen Störer nur unter den Voraussetzungen des Art. 87a Abs. 4 GG vorgehen, überzeugt nicht. Eine derartige Einschränkung lässt sich dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG nicht entnehmen und wäre auch mit der ratio legis nicht vereinbar, vgl. auch BVerfGE 115, 118 (144 f.). 166 Siehe oben S. 156 ff.

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Landeskräfte. Die Situation einer originär zuständigen Bundesbehörde, die um Unterstützung nachsucht, regelt der Wortlaut nicht. Andere Bundeskräfte und die Landespolizeien könnten im Fall einer überforderten Bundesbehörde über Art. 35 Abs. 1 GG unterstützend eingesetzt werden, die Streitkräfte mangels ausdrücklicher Zulassung jedoch nicht. Insoweit drängt sich die Frage auf, ob die Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG in diesen Fällen analog angewendet werden können. Kann beispielsweise die Bundespolizei die Hilfe der Marine anfordern, wenn ein terrorverdächtiges Schiff in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone zwangsweise angehalten werden soll? Rechtlich nicht anders zu beurteilen ist auch die Frage, ob die Streitkräfte zur Katastrophenhilfe im Ausland eingesetzt werden dürfen. Denn auch dies ist keine Unterstützung zugunsten der Länder.167 Der Unterschied zwischen Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG liegt auf Rechtsfolgenseite nur darin, dass nach Abs. 3 erweiterte Bundesingerenzen bestehen:168 In einer überregionalen Notstandslage kann die Bundesregierung auch ohne Anforderung und sogar gegen den Willen eines betroffenen Landes Unterstützungseinsätze veranlassen. Im Grunde genommen verschafft Art. 35 Abs. 3 GG also nur eine erweiterte Rechtsposition im föderalen Verhältnis. Bundesbehörden könnten ohnehin im Rahmen der Weisungshierarchie angewiesen werden, Unterstützung anzufordern. Es geht also letztlich nur um eine analoge Anwendung des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG: Erlaubt die Bestimmung über den Wortlaut hinaus auch die bundesinterne Katastrophenhilfe? Soweit ersichtlich, ist diese Frage im Schrifttum bislang unbeantwortet geblieben.169 Relevanz hat die Frage nur für den Einsatz der Streitkräfte, da im Übrigen bereits Art. 35 Abs. 1 GG greift. Mit Blick auf den Sinn und Zweck der Vorschrift bietet sich eine teleologische Erweiterung des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG für solche Fälle an, in denen Bundesbehörden die Unterstützung der Streitkräfte anfordern. Die Tatbestandsvoraussetzung „Land“ wäre dann zu lesen als „Land oder Bundesbehörde“. Das steht zwar im Spannungsverhältnis zu dem vom Bundesverfassungsgericht für die Verwendung der Bundeswehr stets betonten „Gebot strikter Texttreue“170, erscheint jedoch mit Blick auf die Schutzrichtung der Norm überzeugend. Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG hat eine zweifache Schutzrichtung: Erstens sollen die Streitkräfte nur in bestimmten Situationen, nämlich zur Abwehr näher definierter extremer Gefahren, eingesetzt werden. 167 Auf die verfassungsrechtliche Problematik dieser Staatspraxis hinweisend Kirchhof, Verteidigung und Bundeswehr, in: Isensee/Kirchhof, HbStR IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 54. 168 Vgl. BVerfGE 115, 118 (150). 169 Hillgruber, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 2, 2002, Art. 87a Rn. 53, stellt allerdings zutreffend fest, dass auswärtige Katastrophenhilfeeinsätze der Streitkräfte, die die Anwendung von Zwangsgewalt einschließen, außerhalb des Art. 24 Abs. 2 GG nur durch eine Analogie zu Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG zu rechtfertigen sind; indirekt für eine analoge Anwendung des Art. 35 GG ferner Mössner, Bundeswehr in blauen Helmen, in: von Münch, FS Schlochauer, 1981, S. 97 ff. (S. 114). 170 BVerfGE 90, 286 (357).

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Zweitens enthält die Vorschrift einen föderalen Schutzgehalt: Der Zuständigkeitsbereich der Länder soll nicht ohne deren Willen angetastet werden. Wenn der Bund von vornherein zur Gefahrenabwehr zuständig ist, ist diese föderale Komponente gegenstandslos. Die Verwendung der Streitkräfte ist in diesem Fall also weniger einschneidend. Wenn die Einsatzsituation (Naturkatastrophe oder besonders schwerer Unglücksfall) gegeben ist, ein Land jedoch aufgrund bestehender Bundeszuständigkeit nicht in seiner Kompetenz beeinträchtigt werden kann, handelt es sich mangels föderaler Komponente um ein „Minus“ zur Situation des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG. Für diesen Fall muss Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG erst recht gelten.171 b) Verwendung militärischer Mittel Ein seit der Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz äußerst umstrittenes Problem auf Rechtsfolgenseite betrifft weiter die Frage, ob die Streitkräfte in einem Unterstützungseinsatz nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 bzw. Abs. 3 GG spezifisch militärische Waffen verwenden dürfen. Aus der Sicht des Ersten Senats ist im Rahmen der Katastrophenhilfe die Verwendung militärspezifischer Mittel schlechterdings ausgeschlossen. Exemplarisch hierfür nennt das Gericht im Luftsicherheitsurteil die Bordwaffen eines Kampfflugzeugs. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Bordgeschütze einer Fregatte ebenso qualifiziert würden und damit ein im Rahmen der Katastrophenhilfe unzulässiges Mittel wären.172 Dieses Normverständnis stützt sich in erster Linie auf das finale Element „zur Hilfe“ (Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG) bzw. „zur Unterstützung“ (Art. 35 Abs. 3 GG). Aus dem Charakter der Katastrophenhilfe als Unterstützung der Gefahrenabwehrbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich folge, dass die verwendeten Hilfsmittel nicht von qualitativ anderer Art sein könnten als diejenigen, die den originär zuständigen Behörden zur Verfügung stünden.173 Die Streitkräfte dürften daher nur die Waffen verwenden, die das Recht des betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsehe.174 Entsprechendes müsste für die hier befürwortete teleologische Erweiterung der Katastrophenhilfe zugunsten von Bundesbehörden gelten: Die Streitkräfte dürften dann nur die für die jeweilige Bundesbehörde zugelassenen Waffen verwenden. 171

Auch Hillgruber, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. 2, 2002, Art. 87a Rn. 53, zieht eine solche Analogie in Erwägung, lehnt sie im Ergebnis jedoch ab, weil anderenfalls auch Art. 87a Abs. 4 GG analog auf Aufstände in fremden Staaten angewendet werden müsste. Das erscheint indes nicht zwingend. Die teleologische Erweiterung der (formellen) Anforderungsberechtigung bei Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG von einem Land auf Bundesbehörden ist etwas anderes als die Erweiterung des (materiellen) Schutzgutes des Art. 87a Abs. 4 GG von dem Bestand von Bund und Ländern auf den Bestand fremder Staaten. 172 Kritisch zur Problematik der Abgrenzung zwischen polizeilichen und militärischen Waffen Linke, Die „militärische Waffe“, NZWehrR 2006, 177. 173 BVerfGE 115, 118 (146). 174 BVerfGE 115, 118 (147).

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Die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts bedeutet auf den Punkt gebracht, dass Katastrophenhilfe nur quantitativer, nicht aber qualitativer Natur sein dürfe. Der Einsatz der Streitkräfte kann aber nicht nur erforderlich sein, weil nicht genügend Kräfte oder Einsatzmittel der Polizei verfügbar wären, sondern gerade auch weil die besonderen Fähigkeiten der Bundeswehr benötigt werden. Mit anderen Worten: Die Kräfte der Polizei können nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ überfordert sein. Das Verbot militärischer Waffen im Rahmen der Katastrophenhilfe bedeutet im Ergebnis Schutzlosigkeit gegenüber schwerwiegenden terroristischen Angriffen, die mit polizeilichen Waffen nicht zu bekämpfen sind. Eine aus diesem Grund in Reaktion auf die Luftsicherheitsentscheidung geplante Ergänzung des Art. 35 GG durch einen Abs. 4, der die subsidiäre Verwendung militärischer Mittel ausdrücklich erlaubt, ist 2008 in letzter Minute an politischen Widerständen gescheitert.175 Umso mehr gilt es, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu hinterfragen. Die Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht erscheint nämlich keineswegs zwingend, zumal sich der Wortlaut des Art. 35 GG nicht zu Fragen der Bewaffnung verhält.176 Zuzustimmen ist dem Bundesverfassungsgericht zunächst hinsichtlich des Gleichlaufs von Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG. Sie unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, nur darin, dass im Rahmen des Absatzes 3 angesichts der Überregionalität des Notstandes die Initiative auf die Bundesregierung verlagert wird.177 Im Übrigen bleiben Art und Natur der Hilfeleistung unverändert. Unterschiede bestehen also im Hinblick auf das „Ob“, nicht aber das „Wie“ des Streitkräfteeinsatzes. Das „Wie“ ist daher für beide Fälle einheitlich zu beurteilen.

Allein aus den Wortlautkomponenten „zur Hilfe“ (Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG) bzw. „zur Unterstützung“ (Art. 35 Abs. 3 GG) ergibt sich zunächst kein Verbot der Verwendung militärischer Waffen. Das zeigt besonders plastisch ein Vergleich mit Art. 87a Abs. 4 GG, in dessen Rahmen ebenfalls „Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei“ eingesetzt werden. Dort würde indes niemand auf die Idee kommen, den Streitkräften militärische Waffen zu verwehren, da diese nach dem Gesetzeswortlaut gerade auch zur Bekämpfung „militärisch bewaffneter Aufständischer“ eingesetzt werden sollen. Die Streitkräfte mit nichtmilitärischen Waffen gegen militärisch Bewaffnete kämpfen zu lassen, käme jedenfalls einem verfassungsrechtlich angeordneten Himmelfahrtskommando gleich.178 Wenn also die Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG eine Beschränkung auf nichtmilitärische Waffen enthalten sollen, die im Rahmen des Art. 87a Abs. 4 GG nicht besteht, muss sich dies angesichts des gleichen Wortlauts aus anderen Gründen ergeben.

175 Vgl. FAZ vom 12. 11. 2008, S. 4 („Koalition streitet wieder über Bundeseinsatz im Inneren“). 176 So aber Starck, Anmerkung zu BVerfGE 115, 118, JZ 2006, 417 (417). 177 BVerfGE 115, 118 (150). 178 Ein solches nimmt aber offensichtlich Frankenberg, Tiefflieger gegen Demonstranten, KJ 2009, Beiheft 1, 93 (96) in Kauf, wenn er ausführt, der Einsatz von Streitkräften mit militärtypischer Bewaffnung sei auch im inneren Notstand „in keinem Fall vorgesehen“.

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aa) Bindung der Streitkräfte an Recht und Weisungen des Landes? Die ganz überwiegende Meinung schließt aus der Tatsache, dass materiell Landesaufgaben wahrgenommen werden, dass sich der Einsatz der Streitkräfte nach Landesrecht richte und an die fachlichen Weisungen des Landes gebunden sei.179 Daraus ergebe sich zwangsläufig ein Verbot der Verwendung militärischer Waffen, da diese auch von den Länderpolizeien nicht verwendet werden dürften.180 Gegen diese herrschende Meinung erscheint in mehrfacher Hinsicht Skepsis angebracht. Zunächst zur Frage des anwendbaren Rechts und der Weisungsunterstellung: Selbst in den Entstehungsmaterialen heißt es, dass sich der Hilfseinsatz zwar nach Landesrecht richte, die Weisungsverhältnisse aber unberührt blieben.181 Davon abgesehen ist auch die Begründung für die Geltung des Landesrechts nicht zwingend. So könnte man ebenso gut eine eigene Bundeskompetenz für den Streitkräfteeinsatz annehmen, die im Fall des Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG von einer Anforderung eines Landes, im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG von einer Entscheidung der Bundesregierung abhängt.182 Eine derartige komplementäre, im Bedarfsfall „auflebende“ Bundeskompetenz steht auch keineswegs im Widerspruch zur originären Landeskompetenz, sondern setzt diese gerade voraus. „Zur Hilfe“ bzw. „zur Unterstützung“ würde dann lediglich den Einsatzzweck bezeichnen: die komplementäre Unterstützung der originär zuständigen Stellen. Gegen die Bindung der Streitkräfte an Landesrecht spricht nicht nur die Systemwidrigkeit eines Bundesvollzugs von Landesrecht,183 sondern auch die – etwa bei einem terroristischen Angriff aus der Luft – beinahe satirisch anmutende Konsequenz, dass die Besatzung eines aufgestiegenen Kampfflugzeuges nach teilweise im Minutentakt wechselndem Landesrecht handeln (und dies zunächst

179 Für die h.M. etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 56, S. 1465; Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 28; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 35 Rn. 44 f.; von Danwitz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 35 Rn. 64, 66; Martínez Soria, Polizeiliche Verwendungen der Streitkräfte, DVBl. 2004, 597 (601, 603). Mit Rücksicht auf die militärische Organisationsstruktur seien Weisungen des Landes allerdings nur an die militärischen Befehlshaber zu richten, wie Robbers, Die Befugnisse der Bundeswehr im Katastrophenfall, DÖV 1989, 926 (927) und Martínez Soria, Polizeiliche Verwendungen der Streitkräfte, DVBl. 2004, 597 (601 f.) präzisieren. 180 Vgl. etwa Schenke, Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, NJW 2006, 736 (737). 181 BT-Drs. 5/2873, S. 10. 182 In diese Richtung Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 41 („echte Bundeskompetenz“); Klein, Der innere Notstand, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VII, 1. Aufl. 1992, § 169 Rn. 34; ähnlich Lorse, Streitkräftefunktion und Katastrophenschutz, Verw 2005, 471 (484 ff.); für die Anwendung von Bundesrecht auch Grzeszick, in: Friauf/Höfling, GG, 30. EL, Art. 35 Rn. 51 ff. 183 Vgl. Speth, Rechtsfragen des Einsatzes der Bundeswehr unter besonderer Berücksichtigung sekundärer Verwendungen, 1985, S. 139.

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kennen) müsste.184 Mehr spricht dafür, dass komplementär eine eigene Bundeskompetenz auflebt. Die Streitkräfte würden dann nach Bundesrecht handeln und nicht den Weisungen des Landes unterstehen. Das entspricht auch der Zuweisung der Befehls- und Kommandogewalt nach Art. 65a GG. Wie problematisch die Weisungsunterstellung der Bundeskräfte unter ein Land ist, zeigt sich besonders im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG, in dem die Bundesregierung gerade auch gegen den Willen der Länder Bundeskräfte einsetzen darf. Es wäre geradezu absurd, wenn das Land diese nolens volens erhaltene Unterstützung durch Erteilung entsprechender Weisungen wieder ausschalten könnte. Das würde die Ermächtigung zur Bundesintervention konterkarieren.185 Daher müssen zumindest im Rahmen des Art. 35 Abs. 3 GG die eingesetzten Bundeskräfte den Weisungen der Bundesregierung unterstehen.186 bb) Verwechslung von „militärischem Waffengebrauch“ und „Gebrauch militärischer Waffen“ Doch selbst, wenn man mit der überwiegenden Literatur und dem Bundesverfassungsgericht eine Bindung an Recht und Weisungen des betroffenen Landes annimmt, führt das, entgegen der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, keineswegs „zwingend“187 zu einem Verbot militärischer Mittel. Denn dies ist keine Frage des anwendbaren Rechts, sondern schlicht die Frage, ob Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG den Streitkräften nur quantitative Katastrophenhilfe gestatten will. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun,188 wie sich aus Folgendem ergibt: Dass im Rahmen der Katastrophenhilfe die Grundsätze polizeilicher Gefahrenabwehr, nicht die des bewaffneten Konflikts gelten, steht nicht im Streit. Insoweit kommt dem entstehungsgeschichtlichen „Argument“, dass die Streitkräfte nach dem Wortlaut des ursprünglichen Entwurfs „als Polizeikräfte“ eingesetzt werden sollten,189 weder in der einen noch in der anderen Richtung Bedeutung zu. Die Geltung des Polizeirechts hat zur Folge, dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Störerauswahl uneingeschränkt gelten. Das besagt aber noch nicht, dass bestimmte Mittel von vornherein verwehrt sein müssten, denn militärische Waffen können auch nach polizeirechtlichen Grundsätzen verwendet werden.190 Vielmehr ist im Einzelfall 184

Vgl. Hochhuth, Militärische Bundesintervention bei inländischem Terrorakt, NZWehrR 2002, 154 (163). 185 Entsprechend will Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, § 56, S. 1466, die Weisungsbefugnis der Länder für den Fall ausschließen, dass das betroffene Land zur effektiven Abwehr der Gefahr nicht willens ist. 186 So auch Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 35 Rn. 30. 187 BVerfGE 115, 118 (147). 188 So bezeichnet auch Hillgruber, Der Staat des Grundgesetzes – nur „bedingt abwehrbereit“?, JZ 2007, 209 (214) das Verbot als „klassische petitio principii“. 189 BT-Drs. 5/1879, S. 23. 190 So auch Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 35 Rn. 25.1; i.E. ebenfalls für die Anwendbarkeit militärischer Mittel Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009,

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zu prüfen, ob ihre Verwendung angemessen ist.191 Dass sich militärische Bewaffnung und die Anwendung von Polizeirecht nicht ausschließen, zeigt das Grundgesetz bereits selbst in Art. 87a Abs. 4 GG.192 Entscheidend ist demnach nicht die Bewaffnung, sondern die Einhaltung polizeilicher Maßstäbe.193 Nicht der „Gebrauch militärischer Waffen“, sondern der „militärische Waffengebrauch“ ist unzulässig.194 Dieser Unterschied ist zu betonen: Ob polizeirechtliche Grundsätze eingehalten werden, ist keine kompetenzrechtliche Frage, sondern eine materiellrechtliche, was von den Befürwortern eines grundsätzlichen Verbots militärischer Mittel offensichtlich verwechselt wird.195 Das zeigt sich besonders, wenn man sich die Konsequenz der aktuellen Rechtsprechung vergegenwärtigt, dass selbst der Einsatz militärischer Waffen gegen Sachen ausgeschlossen wäre (etwa gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug),196 obwohl hier keine Friktionen mit Art. 1 oder 2 GG drohen.197 Der Vorwurf einer angeblichen „Militarisierung“198 der inneren Sicherheit geht daher fehl, da es schlechterdings nicht um die militärische Verwendung von Waffen, sondern um polizeiliche Maßnahmen durch Militärangehörige geht. Semantisch treffender wäre insoweit der Vorwurf einer „Verpolizeilichung des Militärs“.199 Art. 35 Rn. 38; a.A. Hase, Das Luftsicherheitsgesetz: Abschuss von Flugzeugen als „Hilfe bei einem Unglücksfall“?, DÖV 2006, 213 (217) und Jochum, Der Einsatz der Streitkräfte im Innern, JuS 2006, 511 (514). 191 Ein terrorverdächtiges Schiffs mit Bordgeschützen einer Fregatte mit dem Ziel zu beschießen, das Schiff an der Weiterfahrt zu hindern (sog. „manövrierunfähig machender Beschuss“), wird man beispielsweise durchaus als verhältnismäßig ansehen können, wenn eine hinreichende Gefahr besteht und sich der Kapitän einer Halteanordnung widersetzt. Ein derartiger Beschuss beschädigt das Schiff und hindert es an der Weiterfahrt, führt aber in der Regel nicht zu dessen Untergang und damit – im Gegensatz zum Abschuss eines Flugzeugs – nicht zu einer Gefährdung von Menschenleben, vgl. auch Zimmermann/Bork, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz und seine Bedeutung für ein zukünftiges Seesicherheitsgesetz, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 79 ff. (S. 81 f.) sowie Vizeadmiral Feldt, Uns drohen Piraterie und Terror, FAZ vom 04. 01. 2008, S. 5. 192 Dort geht jedenfalls die herrschende Meinung von der Anwendbarkeit von Polizeirecht aus, vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 87a Rn. 13. 193 Vgl. Linke, Die „militärische Waffe“, NZWehrR 2006, 177 (190). 194 Vgl. Linke, Ein Karlsruher Befreiungsschlag für den Rechtsstaat?, NWVBl. 2006, 174 (178). 195 Vgl. Hillgruber, Der Staat des Grundgesetzes – nur „bedingt abwehrbereit“?, JZ 2007, 209 (214). 196 Vgl. Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (390). 197 Hillgruber, Der Staat des Grundgesetzes – nur „bedingt abwehrbereit“?, JZ 2007, 209 (214), weist darauf hin, dass militärische Waffen auch im Fall drohender Naturkatastrophen benötigt werden können, und erwähnt exemplarisch den Abwurf von Bomben, mithilfe derer zur Abwendung einer Flutkatastrophe ein Deich gesprengt oder eine Eisschollenblockade aufgelöst werden soll. 198 So aber Schenke, Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, NJW 2006, 736 (737). 199 So tatsächlich Frankenberg, Tiefflieger gegen Demonstranten, KJ 2009, 93 (96).

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

cc) Schutzlücken bei nur quantitativer Hilfe Die teleologische Auslegung der Bestimmungen zur Katastrophenhilfe spricht eindeutig für eine Erfassung auch der qualitativen Hilfe durch die Bundeswehr: Ginge es lediglich um ein Problem der hinreichenden Zahl an Polizeikräften, drängt sich die Frage auf, warum überhaupt Streitkräfte zur Katastrophenhilfe angefordert werden können. Es ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass der rein quantitative Bedarf an Einsatzkräften nicht durch die Vollzugskräfte von Bund und (sämtlichen) Ländern gedeckt werden könnte.200 Mit der Beschränkung auf quantitative Unterstützung reduziert das Bundesverfassungsgericht die Funktion der Streitkräfte im Katastrophenfall letztlich auf die einer Reservepolizei zur Kompensation von Personalmängeln.201 Der Sinn eines Rückgriffs auf die Streitkräfte liegt aber gerade darin, dass sie mit spezifisch militärischen Handlungsmitteln aushelfen können, über die andere Behörden nicht verfügen.202 So sind Gefahrensituationen vorstellbar, die nur mit militärischer Bewaffnung abgewehrt werden können. Im seesicherheitsrechtlichen Kontext denke man etwa an ein terrorverdächtiges Schiff, das sich weigert anzuhalten und das nur mit Bordgeschützen der Marine gestoppt werden kann. Noch eindrucksvoller führt das folgende – fiktive und unwahrscheinliche, nicht aber unmögliche – Szenario203 das Dilemma der aktuellen Rechtsprechung vor Augen: Ein bewaffneter Kampfpanzer der Bundeswehr gelangt in die Hände von Terroristen und fährt durch Berlin. Die Terroristen drohen, die Innenstadt unter Beschuss zu nehmen. Die zur Gefahrenabwehr zuständige Landespolizei verfügt nicht über die Mittel, den Panzer zu stoppen. Straßensperren bleiben wirkungslos. Die nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG zur Hilfe angeforderten Streitkräfte hingegen wären gehindert, ihre verfügbaren panzerbrechenden Waffen einzusetzen. Das Ergebnis wäre eine Ohnmacht des Staates aus Rechtsgründen bei faktisch bestehender Abwehrmöglichkeit. Der über einen Bundeswehreinsatz befindende Verteidigungsminister, der geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk zu wenden und das Grundgesetz zu wahren (Art. 56 S. 1 GG), wäre gezwungen, auf die eine oder andere Weise seinen Amtseid zu brechen.204

200

Ähnlich Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 40, Fn. 88. Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 35 Rn. 25.1; SchmidtRadefeldt, Die Wehrverfassung in schlechter Verfassung?, NZWehrR 2008, 221 (223). 202 Vgl. Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 87a Rn. 9; ähnlich Wiefelspütz, Reform der Wehrverfassung, 2008, S. 54 f. 203 Angelehnt an Gramm, Der wehrlose Verfassungsstaat?, DVBl. 2006, 653 (655), wobei die dort gewählten Angriffsziele Kanzleramt und Reichstag auch an einen Einsatz nach Art. 87a Abs. 4 GG denken lassen. 204 Isensee, Der Verfassungsstaat als Friedensgarant, in: Mellinghoff/Morgenthaler/Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 2003, S. 7 ff. (S. 37), spricht insoweit zu Recht von einer „Schizophrenie von Notstandslegalismus und rechtsfreier Tat“ als „Krankheit deutscher Verfassungsinterpretation“; ähnlich die Kritik bei Baldus, Braucht Deutschland eine neue Wehrverfassung?, NZWehrR 2007, 133 (136). 201

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Eine derartige Sicherheitslücke wäre mit der ratio legis der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG, die auf eine effektive Gefahrenabwehr abzielen, schlechterdings unvereinbar (vgl. nur den ausdrücklichen Wortlaut von Art. 35 Abs. 3 GG: „soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist“).205 Eine teleologische Auslegung nach dem effet utile der Katastrophenhilfe gebietet daher geradezu, auch eine qualitative Unterstützung durch die Streitkräfte mit militärischen Mitteln zuzulassen. Diese Auslegung steht im Übrigen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Interpretation des Verteidigungsbegriffs: Wer den diesbezüglichen Entgrenzungstendenzen entgegentreten will, muss auch sagen, wie dann ein wirksamer Schutz gegen nichtstaatliche, mit militärischen (oder jedenfalls deren Wirkung entsprechenden) Mitteln operierende Angreifer gewährleistet werden soll. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Verfassung den Staat in diesem Fall schutzlos stellen will. Das wäre schon mit den aus den Grundrechten abgeleiteten staatlichen Schutzpflichten nicht zu vereinbaren.206 dd) Zwischenergebnis Weder dem Wortlaut noch dem telos der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG lassen sich nach alledem ein kategorisches Verbot militärischer Waffen entnehmen. Die Luftsicherheitsentscheidung des Ersten Senats ist in dieser Hinsicht nicht nachzuvollziehen. Sie hinterlässt eine gefährliche Schutzlücke. Offensichtlich ist aber der Zweite Senat in einem derzeit anhängigen Normenkontrollverfahren der Länder Bayern und Hessen,207 bei dem es im Kern um die Frage der militärischen Bewaffnung im Rahmen der Katastrophenhilfe geht, nun zu einer anderen Beurteilung als der Erste Senat gelangt.208 Presseberichten zufolge ist der Zweite Senat wie hier der Auffassung, dass die Streitkräfte im Rahmen der Katastrophenhilfe ihr gesamtes Waffenarsenal einsetzen dürfen, soweit dies verhältnismäßig ist.209 Entsprechend hat der Zweite Senat beim Ersten Senat gemäß § 48 Abs. 2 BVerfGGO angefragt, ob dieser an seiner in dieser Frage konträren Rechtsauffassung festhalte. Ist dies der Fall, müsste nach § 16 BVerfGG das Plenum des Bundesverfassungsgerichts entscheiden. Bis dahin ist zu überlegen, wie die nach derzeitiger Judikatur bestehende – und je nach Entscheidung des Ersten Senats bzw. des Plenums auch fortbestehende – Schutzlücke normativ geschlossen werden kann (dazu im Abschnitt C.). c) Fehlende einfachgesetzliche Befugnisnormen Ein letzter problematischer Aspekt, der in der Debatte zum Katastropheneinsatz der Bundeswehr jedoch kaum Beachtung findet, ist das Fehlen einfachgesetzlicher 205

So i.E. auch Baldus, Gefahrenabwehr in Ausnahmelagen, NVwZ 2006, 532 (535). Vgl. auch Gramm, Der wehrlose Verfassungsstaat?, DVBl. 2006, 653 (655). 207 Az. 2 BvF 1/05. 208 Zur mündlichen Verhandlung am 10. 02. 2010 vgl. FAZ vom 11. 02. 2010, S. 4 („Wer ist zuständig? – Karlsruhe erörtert wieder das Luftsicherheitsgesetz“). 209 Vgl. SZ vom 03. 08. 2010 („Senat gegen Senat: Was darf die Bundeswehr?“). 206

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

Ermächtigungsgrundlagen. Die Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG taugen selbst nicht als Ermächtigungsgrundlage für Zwangsanwendungen durch die Streitkräfte. Denn diese rein staatsorganisatorischen Bestimmungen vermitteln unmittelbar keine Eingriffsbefugnisse gegenüber dem Bürger.210 Unabhängig von der Frage, ob im Rahmen der Katastrophenhilfe das Recht der originären Behörde oder das streitkräftespezifische Bundesrecht gilt, ist ferner festzustellen, dass sich auch einfachgesetzlich weder im Polizeirecht der Länder noch im Bundesrecht Bestimmungen finden, die den Streitkräften im Katastrophenfall Eingriffsbefugnisse einräumten.211 Die einzige Ausnahme bildet die zu bestimmten Maßnahmen gegenüber Luftfahrzeugen ermächtigende Spezialregelung des § 14 Abs. 1 LuftSiG.212 Im Übrigen sind weder die Polizeigesetze der Länder noch das UZwG des Bundes auf Soldaten anwendbar: § 6 UZwG beschränkt den Anwendungsbereich auf die enumerativ genannten Vollzugsbeamten des Bundes. Mit unterschiedlicher Regelungstechnik bestimmen auch die Polizei- und Zwangsanwendungsgesetze der Länder im Ergebnis einheitlich, dass unmittelbarer Zwang nur durch Vollzugsbeamte ausgeübt werden darf.213 Obwohl die Soldaten im Rahmen der Katastrophenhilfe materiell Polizeiaufgaben wahrnehmen, sind sie keine (Polizei-)Vollzugsbeamten im formellen Sinne. Soldaten werden allein in § 1 UZwGBw zur Zwangsanwendung ermächtigt. Der sachliche Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist jedoch auf den Selbstschutz der Bundeswehr (Abwehr von Straftaten und anderer rechtswidriger Taten gegen die Bundeswehr) beschränkt.214 Eine analoge Anwendung des UZwGBw erscheint nicht sachgerecht, da die im Katastrophenfall wahrgenommenen Aufgaben gerade keine originären Streitkräfteaufgaben sind und so die Trennung zwischen primären und sekundären Verwendungen der Streitkräfte verwischt würde. Erst recht verbietet sich die willkürliche Erklärung eines Gebietes zum militärischen Sicherheitsbereich, da dies alle verfassungsrechtlichen Restriktionen ad absurdum führen würde.215 Eher kommt eine analoge Anwendung jener polizeirechtlichen Vorschriften, die für die originär zuständige Behörde und damit auch ursprünglich für die Sachaufgabe gelten, in Betracht. So ließe sich argumentieren, Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG 210 Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, 1973, S. 32 f., 168 f.; Wiefelspütz, Reform der Wehrverfassung, 2008, S. 44; Wiefelspütz, Vorschlag zur Neufassung des Art. 35 GG, ZRP 2007, 17 (20). 211 Vgl. Sattler, Terrorabwehr durch die Streitkräfte nicht ohne Grundgesetzänderung, NVwZ 2004, 1286 (1289); Erbguth, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 35 Rn. 41. 212 Die Nichtigerklärung durch BVerfGE 115, 118 (119) bezog sich allein auf Art. 14 Abs. 3 LuftSiG. 213 Vgl. etwa § 252 LVwG-SH. 214 Vgl. Gramm, Die Bundeswehr in der neuen Sicherheitsarchitektur, Verw 2008, 375 (386); Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007, S. 172 f. 215 Vgl. auch Robbers, Die Befugnisse der Bundeswehr im Katastrophenfall, DÖV 1989, 926 (927).

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

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beinhalteten ex constitutione ein Analogiegebot dahingehend, dass, wenn die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Katastrophenhilfe vorliegen, Soldaten den Polizeivollzugsbeamten im Sinne des jeweils anwendbaren Rechts gleichstehen. Eine solche Auslegung steht freilich auf tönernen Füßen. Anderenfalls wäre jedoch ein Ausführungsgesetz zu den Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG erforderlich.216 Mangels eines solchen wären etwaige Eingriffshandlungen der Streitkräfte trotz erfüllter verfassungsrechtlicher Voraussetzungen rechtswidrig.

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine Die Seestreitkräfte nehmen bereits gegenwärtig in einigem Umfang Aufgaben der maritimen Gefahrenabwehr innerhalb und außerhalb der Hoheitsgewässer wahr. Dies reicht von der Überwachung und Bekämpfung von Meeresverschmutzungen über die Seenotrettung bis hin zur Piraterie- und Terrorismusbekämpfung. Ob diese polizeilichen Verwendungen sich im Rahmen der skizzierten verfassungsrechtlichen Vorgaben halten, ist im Folgenden zu untersuchen. Dabei ist – neben den bereits praktizierten Marineverwendungen – auch auf die Zulässigkeit potentieller künftiger Einsätze der Marine zur Abwehr von Gefahren, denen nur die Streitkräfte wirksam begegnen können, einzugehen. Die grundlegende Weichenstellung für die verfassungsrechtliche Bewertung sämtlicher Verwendungen ist die Subsumtion unter den Einsatzbegriff des Art. 87a Abs. 2 GG. Während schlichte Verwendungen unterhalb der Einsatzschwelle nur die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit erfüllen müssen, hängt die Zulässigkeit von Maßnahmen oberhalb der Einsatzschwelle von einer ausdrücklichen Erwähnung im Grundgesetz ab. Einsätze in diesem Sinne sind nach der oben gefundenen Definition hoheitliche Verwendungen der Streitkräfte, die sich durch Regelung oder Zwangsausübung auszeichnen, wobei auch lediglich faktischer Zwang ausreichend ist. Häufig übersehen wird, dass auch Nicht-Einsätze den allgemeinen Grundsätzen für eine Verwaltungszusammenarbeit entsprechen müssen, was besonders bei den routinemäßig durch die Marine wahrgenommenen Tätigkeiten im deutschen Küstenmeer zu beachten ist. Denn die Tatsache, dass es sich lediglich um eine schlichte Verwendung handelt, macht die Streitkräfte nicht allzuständig und dispensiert nicht von den allgemeinen Grundsätzen im föderalen oder zwischenbehördlichen Verhältnis.

216 So schon Keidel, Polizei und Polizeigewalt im Notstandsfall, 1973, S. 168; Dreist, Bundeswehreinsatz als Wahrnehmung materieller Polizeiaufgaben ohne Grundgesetzänderung?, UBWV 2006, 93 (98); Wiefelspütz, Vorschlag zur Neufassung des Art. 35 GG, ZRP 2007, 17 (20).

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

I. Schlichte Verwendungen Als Nicht-Einsätze i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG sind die folgenden Verwendungen der Marine zu Zwecken der Seenotrettung (SAR) und der Ölüberwachung, zur technisch-logistischen Hilfe im Einzelfall und zur Unterstützung im Rahmen des Havariekommandos zu werten. 1. Seenotrettung Der Seenotrettungsdienst (Search and Rescue = SAR), zu dessen Vorhaltung Deutschland völkerrechtlich verpflichtet ist,217 wird in Deutschland zweigeteilt wahrgenommen: Die Seenotrettung vom Wasser aus übernimmt seit 1865 die private Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) mit ihren seegehenden Einheiten, während die Seenotrettung aus der Luft von Marinefliegern der Deutschen Marine durchgeführt wird. Die DGzRS ist ein privatrechtlicher Verein, der sich angesichts gravierender Schiffsunglücke vor den deutschen Küsten und fehlender staatlicher Rettungsstrukturen seit 1865 die Seenotrettung in den deutschen Seegebieten zur Aufgabe gemacht hat.218 Obwohl ausschließlich durch private Zuwendungen finanziert und zum großen Teil mit ehrenamtlichen Seenotrettern arbeitend, hält die DGzRS einen international vorbildlichen und effektiven Rettungsdienst mit über 60 Seenotkreuzern und -rettungsbooten vor. Die Aufgabenwahrnehmung durch die DGzRS wurde im Jahr 1982 – in Reaktion auf das Internationale Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See von 1979219 – auf eine vertragliche Grundlage gestellt. In dieser Vereinbarung überträgt der Bundesminister für Verkehr der DGzRS die Durchführung des Suchund Rettungsdienstes zur Hilfeleistung für Menschen in Seenot.220 Darin erkennt die DGzRS die internationalen Regelungen als für sie verbindlich an, behält sich aber vor, die Seenotrettung in diesem Rahmen in eigener Verantwortung und mit eigenen Mitteln wahrzunehmen.

Der zweite Pfeiler der Seenotrettung, die Rettung aus der Luft, wird durch die Bundeswehr wahrgenommen. Der Sachgrund hierfür liegt darin, dass zunächst eine eigenständige SAR-Organisation für militärische Luftfahrzeuge bestand, die später im Sinne effizienter Ausnutzung bestehender Kapazitäten mit zivilen Diensten zusammengeführt wurde.221 Eine Ressortvereinbarung zwischen dem damaligen Bundesministerium für Verkehr und dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) aus dem Jahr 1979 sah ausdrücklich vor, dass die Seenotrettung durch

217

Vgl. insbesondere das Internationale Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See vom 27. 04. 1979, BGBl. II 1982 S. 485, das zur Vorhaltung eines angemessenen Dienstes für die Suche und Rettung von Menschen in Seegefahr (Search and Rescue = SAR) verpflichtet. 218 Näheres bei Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 780. 219 BGBl. II 1982 S. 485. 220 Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Verkehr und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger über die Durchführung des Such- und Rettungsdienstes in Seenotfällen vom 11. 03. 1982, VerkBl. 1982, S. 191. 221 Vgl. Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 784.

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

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Wasserfahrzeuge der DGzRS und durch Luftfahrzeuge der Bundeswehr erfolgt.222 In der Neufassung der Ressortvereinbarung aus dem Jahr 2001223 findet sich diese Aufteilung nicht mehr in derselben Deutlichkeit, was möglicherweise auf die insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken zurückzuführen ist. § 1 Abs. 3 der Vereinbarung sieht jetzt vor, dass der „SAR-Dienst für Luftfahrzeuge“ durch das BMVg, der maritime SAR-Dienst durch die DGzRS wahrgenommen wird. Damit obliegt jedenfalls dem Wortlaut nach dem BMVg nur noch der SAR-Dienst für Luftfahrzeuge (auch auf See), nicht aber der SAR-Dienst durch Luftfahrzeuge für Seefahrzeuge. § 1 Abs. 5 der Vereinbarung sieht jedoch die gegenseitige Unterstützung beider Dienste und die Verwendung des jeweils anderen Dienstes in Notfällen vor. Damit hat sich in der Praxis nichts geändert. Da die DGzRS nicht über Luftfahrzeuge verfügt und Seenotrettungseinsätze per se immer „Notfälle“ sind, werden Seenotrettungseinsätze aus der Luft nach wie vor ausschließlich durch die Bundeswehr durchgeführt. Die Deutsche Marine hält zu diesem Zweck auch eigens Helikopter vom Typ „Seaking“ vor (Marinefliegergeschwader 5 in Kiel).224 Ob diese routinemäßige Übernahme der Seenotrettung durch die Marine mit den streitkräftespezifischen und den allgemeinen Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist, bleibt zu klären. Im Rahmen der Seenotrettung werden die Streitkräfte nicht hoheitlich in Form von Regelung oder Zwangsausübung tätig. Derartige Befugnisse sind den Besatzungen der SAR-Hubschrauber nicht eingeräumt. Dass sich ein Schiffbrüchiger gegen seine Rettung wehrt, dürfte auch hypothetisch sein. Zwang dürfte in einem solchen Fall gleichwohl nicht ausgeübt werden. Die Tätigkeit im Rahmen der Seenotrettung stellt insoweit eine schlichte Streitkräfteverwendung unterhalb der Schwelle des Art. 87a Abs. 2 GG dar, die keiner ausdrücklichen Zulassung bedarf.225 Häufig übersehen wird jedoch, dass das Fehlen der Einsatzmerkmale und die einhergehende Unanwendbarkeit des streitkräftespezifischen Verfassungsvorbehalts nicht von der Einhaltung der allgemeinen kompetenzrechtlichen Voraussetzungen für eine Aufgabenwahrnehmung befreit. Diese sind hier äußerst problematisch. Unklar ist schon, woher überhaupt die Bundeskompetenz stammen soll. Wenn das BMVBS im Vereinbarungswege die Aufgaben „überträgt“, setzt dies denklogisch voraus, dass es sich um dessen Aufgaben handelt. Obwohl dies in den Vereinbarungen an keiner Stelle angesprochen wird, wird die Seenotrettung offensichtlich als Bestandteil der 222

VerkBl. 1979, S. 336. Verwaltungsvereinbarung zwischen dem BMVg und dem BMVBW über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Such- und Rettungsdienstes für Luftfahrzeuge und des maritimen Such- und Rettungsdienstes, VerkBl. 2001, S. 367. 224 Vgl. auch Scholz, Die Bund-/Länderzusammenarbeit im Bereich der maritimen Sicherheit, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 133 ff. (S. 136); Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 114. 225 Vgl. Dreist, Bundeswehreinsatz als Wahrnehmung materieller Polizeiaufgaben ohne Grundgesetzänderung?, UBWV 2006, 93 (99). 223

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

Schifffahrtspolizei aufgefasst. Entsprechend wird die „Vorsorge für den in Seenotfällen erforderlichen Such- und Rettungsdienst“ als schifffahrtsrechtliche Aufgabe in § 1 Nr. 7 SeeAufgG beansprucht. Näher läge indes, die Seenotrettung als allgemeinpolizeiliche Aufgabe und damit innerhalb der Hoheitsgewässer als Länderaufgabe anzusehen.226 Denn ähnlich wie beim allgemeinen Brandschutz geht es in erster Linie um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben sowie ggf. für Sachwerte, nicht aber um die Sicherstellung ordnungsgemäßen Verkehrsverhaltens. Ein Fall für die Seenotrettung ist beispielsweise auch die Bergung eines in Lebensgefahr schwebenden Passagiers, obwohl eine Beeinträchtigung verkehrlicher Belange nicht zu befürchten steht. Gänzlich ohne Schifffahrtsbezug etwa wäre die Rettung in Seenot befindlicher Wattwanderer oder auch die Evakuierung von Menschen auf einer Bohrinsel. Hieran wird deutlich, dass es sich in Wirklichkeit um eine Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr handelt. Doch auch, wenn man zugunsten des BMVBS (bzw. der WSV des Bundes) eine Kompetenz für die Seenotrettung als Bestandteil der Schifffahrtspolizei unterstellt,227 begegnet die Aufgabenwahrnehmung durch die Marine verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Voraussetzungen für eine Kooperation zweifelhaft sind. Warum nimmt die Marine eine schifffahrtspolizeiliche Aufgabe des BMVBS wahr? Im spärlichen Schrifttum zu dieser Frage wird die Inanspruchnahme der Marineflieger für SARAufgaben als Amtshilfe eingestuft, ohne jedoch auf deren Voraussetzungen einzugehen.228 Problematisch an der Annahme einer Amtshilfe ist die Dauerhaftigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch die Marine. Die Amtshilfe muss sich nach den dargelegten Grundsätzen auf punktuelle Unterstützung im Ausnahmefall beschränken und darf nicht zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit führen.229 Im Grundsatz, also im Normalbetrieb, müssen die eigenen Aufgaben ohne Unterstützung durch andere Stellen erledigt werden. In der gegenwärtigen Praxis wird die Seenotrettung aus der Luft jedoch routinemäßig und dauerhaft ausschließlich durch Marineflieger durchgeführt. Die originär zuständige Behörde hält gar keine eigenen Kräfte zur Erledigung der Aufgabe vor. Die Vereinbarung stellt praktisch ein Daueramtshilfeersuchen dar. Das überschreitet die Grenzen der Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG. Zu denken wäre angesichts der Dauerhaftigkeit noch an eine Rechtfertigung der geübten Verwaltungskooperation als Organleihe. Dafür wäre jedoch unabdingbare Voraussetzung, dass die Besatzungen der SAR-Hubschrauber den Weisungen des 226 So auch Schnoor, Verfassungsrechtliche Bedingungen einer Küstenwache zur Bewältigung maritimer Schadensfälle, NordÖR 2000, 221 (224). 227 Diese müsste dann konsequenterweise auch auf den Binnenwasserstraßen dem Bund obliegen. 228 Vgl. etwa Schmidt-Jortzig, Verfassungsänderungen für Bundeswehreinsätze im Innern Deutschlands?, DÖV 2002, 773 (776); Herma, Die rechtliche Ausgestaltung maritimer Sicherheit in Deutschland, 2006, S. 113 ff. 229 Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 13; Gubelt, in: von Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 7.; Epping, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 7. Edition 2010, Art. 35 Rn. 4; BVerfGE 63, 1 (32): „Aushilfe im Einzelfall“.

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

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BMVBS unterstellt sind und als dessen Organ handeln. Eine solche Weisungsunterstellung der eingesetzten Soldaten lässt sich der zugrundeliegenden Verwaltungsvereinbarung230 nicht entnehmen. Die routinemäßige Wahrnehmung von Aufgaben der Seenotrettung durch die Streitkräfte ist daher, obwohl es sich um eine schlichte Verwendung handelt, aus zweierlei Gründen verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. 2. Überwachung und Bekämpfung von Meeresverschmutzungen Ähnlich ist die Lage hinsichtlich der routinemäßig durch die Seestreitkräfte durchgeführten Luftüberwachung von Meeresverschmutzungen. Mit dem Ziel, illegale Einleitungen von Öl und Chemikalien aufzudecken, setzt das BMVg im Auftrag des BMVBS Spezialflugzeuge des Typs „Dornier Do-228“, die über spezielle Sensoren zur Erkennung von Fremdstoffen auf dem Wasser verfügen, zu Überwachungsflügen über Nord- und Ostsee ein. Betrieb und Unterhaltung der Flugzeuge obliegen dem Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz, das täglich Überwachungsflüge durchführt.231 Hier stellt sich die Frage, ob es sich nicht doch um einen Einsatz i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG handelt. Denn die Tätigkeit der eingesetzten Marineflieger beschränkt sich nicht auf ein Aufspüren und Melden verunreinigter Wasserflächen. Vielmehr wird bei einer erkannten Verunreinigung auch die Spur zum Verursacher verfolgt. Die ermittelten Daten werden ebenso wie Beweisfotos an die für die Gefahrenabwehr sowie für die Verfolgung der Umweltstraftaten zuständigen Behörden weitergegeben. Die Tätigkeit dient daher auch Zwecken der Strafverfolgung. Teilweise wird eine derartige Unterstützung der Strafverfolgung durch die Streitkräfte als mittelbar hoheitliche Tätigkeit und damit als Einsatz qualifiziert.232 Ausschlaggebend für die Frage der Einsatzqualität ist nach hier vertretener Auffassung jedoch allein, ob die Streitkräfte selbst Zwangs- bzw. Eingriffsbefugnisse wahrnehmen.233 Dies tun sie hier nicht. Sie treten nicht selbst als Strafverfolgungsbehörde in Erscheinung, sondern stellen den zuständigen Behörden lediglich ihr Wissen und ggf. Beweismaterial zur Verfügung. Das liegt unterhalb der Einsatzschwelle. Art. 87a Abs. 2 GG steht der Tätigkeit also nicht entgegen.

230

Verwaltungsvereinbarung zwischen dem BMVg und dem BMVBW über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Such- und Rettungsdienstes für Luftfahrzeuge und des maritimen Such- und Rettungsdienstes, VerkBl. 2001, S. 367. 231 Vgl. BT-Drs. 16/2280. 232 So etwa Fiebig, Der Einsatz der Bundeswehr im Innern, 2004, S. 203; insoweit für eine Verfassungswidrigkeit der Ölaufklärungseinsätze der Marine Dreist, Bundeswehreinsatz als Wahrnehmung materieller Polizeiaufgaben ohne Grundgesetzänderung?, UBWV 2006, 93 (101). 233 So auch Wiefelspütz, Reform der Wehrverfassung, 2008, S. 46.

244

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

Die Probleme sind vielmehr auch hier allgemeiner, d. h. nicht-streitkräftespezifischer Natur. Wie bei der Seenotrettung ist auch hier bereits die Bundeskompetenz zweifelhaft. Die Ölüberwachung wird als Teil der Schifffahrtspolizei aufgefasst.234 Diese erstreckt sich aber nur auf die Überwachung der Einhaltung der schifffahrtsrechtlichen Vorschriften, nicht auf die Bekämpfung von Wasserverunreinigungen, die in den Bereich der Wasserpolizei fällt. Mit anderen Worten: Solange sich Gefahrstoffe noch an Bord befinden, ist die Verhinderung des Eintritts in das Wasser Aufgabe der Schifffahrtspolizei. Durch den Eintritt in das Wasser wird die Schadstoffbekämpfung jedoch zur wasserpolizeilichen Aufgabe, die innerhalb der Hoheitsgewässer den Ländern obliegt.235 Man könnte hier allenfalls argumentieren, dass die Ölüberwachungsflüge nur repressiv der Ermittlung schifffahrtsrechtlicher Verstöße dienten. Ihr Hauptzweck liegt aber gerade in der frühzeitigen Erkennung von Verschmutzungen zur wirksamen Bekämpfung der Gefahrstoffe.236 Die Flüge verfolgen damit primär wasserpolizeiliche Zwecke. Obendrein wird die Ölüberwachung – ebenso wie die Seenotrettung aus der Luft – wiederum dauerhaft und institutionalisiert von der Marine wahrgenommen. Das sprengt den Rahmen des auf Aushilfe im Einzelfall ausgerichteten Art. 35 Abs. 1 GG. Auch hier veranlasst nichts zur Annahme einer Organleihe, da für eine dafür erforderliche Weisungsunterstellung der eingesetzten Soldaten unter die originär zuständigen Behörden (die zudem innerhalb und außerhalb des Küstenmeeres nicht dieselben sind) keine Anhaltspunkte vorliegen. Die routinemäßige Durchführung der Überwachungsflüge ist insoweit problematisch. Anders wäre es freilich, wenn die Flüge ohnehin zur Erfüllung originärer (militärischer) Aufgaben durchgeführt würden und lediglich anlässlich der originären Aufgabenerfüllung Verunreinigungen festgestellt und an die zuständigen Stellen gemeldet würden. Dann wäre der Einzelfallcharakter der Amtshilfe gewahrt. Die Überwachungsflüge werden aber gerade ausschließlich zum Zweck der Ölüberwachung durchgeführt.237 Für die Ölüberwachungsflüge ist daher ebenso wie für die SAR-Aufgaben festzuhalten, dass sowohl die Bundeskompetenz als auch die zwischenbehördliche Aufgabenübernahme verfassungsrechtlich fragwürdig erscheint. Es fragt sich, warum das BMVBS die Flugzeuge nicht schlicht mit eigenen Besatzungen betreibt. Auch der Bundesrechnungshof hat bereits die Abgabe der Maschinen an das BMVBS

234

So ausdrücklich BT-Drs. 16/2280, S. 10. BVerwGE 87, 181 (185 f.), näher zur Abgrenzung von Schifffahrts- und Wasserpolizei bereits auf S. 103. 236 So BT-Drs. 16/2280, S. 9: „Der wesentliche Grund für die Durchführung der Luftüberwachung im Seebereich ist jedoch die frühzeitige Detektion von großen Verschmutzungen auf See zur schnellen Heranführung und Unterstützung von Bekämpfungsfahrzeugen.“ 237 So wird in BT-Drs. 16/2280, S. 1 ausdrücklich festgestellt, dass die zur Seeüberwachung von Ölverschmutzungen eingesetzten Flugzeuge keine weiteren Aufgaben erfüllen. 235

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

245

und die Selbstdurchführung der Aufgabe gefordert.238 Die gegenwärtige Ausgestaltung der Überwachung von Verunreinigungen jedenfalls dürfte die Grenzen zulässiger Verwaltungskooperation überschreiten. Eine einfachgesetzliche oder auch schlicht durch Erlass vorgenommene Aufgabenzuweisung an die Marine könnte zwar das organisationsrechtliche Problem aus der Welt schaffen, nicht jedoch die föderalen Bedenken. 3. Technisch-logistische Hilfe im Einzelfall Hingegen ist die Unterstützung durch Ölauffangschiffe der Marine bei der Bekämpfung einer entdeckten Verunreinigung unproblematisch. Ebenso wie sonstige technisch-logistische Unterstützung sind derartige Beseitigungsmaßnahmen im Rahmen der Amtshilfe zulässig. Voraussetzung ist stets, dass mit der Tätigkeit keine hoheitlichen Zwangsbefugnisse verbunden sind, dass sie auf Aushilfe im Einzelfall beschränkt bleibt und dass der Unterstützung (grundsätzlich) eine Anforderung durch die zuständige Behörde vorausgeht. In diesem Rahmen sind unterstützende Tätigkeiten der Streitkräfte bei Havarien oder Schadstoffunfällen in Form von Transportübernahmen über Berge- und Abschleppmaßnahmen bis hin zur Brand- und Gefahrstoffbekämpfung denkbar. Aber auch im Security-Bereich sind Amtshilfemaßnahmen denkbar, etwa die Beseitigung durch Terroristen gelegter Minen.239 Dies ist ein Beispiel dafür, dass nicht jede Verwendung militärspezifischer Mittel Einsatzqualität haben muss. 4. Unterstützung des Havariekommandos Im Rahmen technisch-logistischer Amtshilfe hält sich auch die durch Ressortvereinbarung zwischen dem BMVBS und dem BMVg240 geregelte Transportunterstützung des Havariekommandos durch die Marine. Danach kann das Havariekommando im Bedarfsfall logistische Kapazitäten der Streitkräfte anfordern, um einen schnellen Lufttransport von Einsatzkräften und -mitteln sowie von verletzten Personen zu ermöglichen (§ 1 der Vereinbarung).241 Dabei geht es nicht um eine dauerhafte, routinemäßige Erledigung von Aufgaben, sondern um punktuelle Hilfe im 238 Vgl. die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung vom 18. 11. 2002, BT-Drs. 15/60, S. 31. 239 Vgl. von Dambrowski, Internationale Initiativen im Bereich maritimer Sicherheit und die Rolle der Deutschen Marine, Marineforum 2007, Heft 10, 5 (6), der allerdings offensichtlich davon ausgeht, dass dies einen unzulässigen Einsatz der Marine darstellen würde. Mangels hoheitlicher Regelung oder Zwangsanwendung handelt es sich richtiger Ansicht nach jedoch um eine schlichte Verwendung unterhalb der Einsatzschwelle. 240 Vereinbarung zwischen dem BMVBS und dem BMVg über die Unterstützung des Havariekommandos bei Transporten über See sowie Zubringerdiensten an Land durch die Bundeswehr, VerkBl. 2006, S. 755. 241 Vgl. auch Scholz, Die Bund-/Länderzusammenarbeit im Bereich der maritimen Sicherheit, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 133 ff. (S. 136).

246

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

Einsatzfall („komplexe Schadenslage“). Diese wird nur auf Anforderung und nur, soweit die zivilen Einrichtungen die Maßnahmen nicht selbst vornehmen können, gewährt (§§ 3 und 4 der Vereinbarung). Die Voraussetzungen der Amtshilfe sind damit erfüllt. Die Vereinbarung betrifft also eine Zusammenarbeit, die ohnehin im Rahmen der Amtshilfe möglich gewesen wäre. Zwar müsste die Amtshilfeanforderung eigentlich von der für die jeweilige Aufgabe zuständigen Behörde kommen. § 4 der Vereinbarung sieht hingegen eine Anforderung durch das Havariekommando vor, das jedoch, wie ausgeführt, keine originären Zuständigkeiten besitzt. In der Anforderung durch das Havariekommando wird man aber die Weiterleitung eines Amtshilfeersuchens der jeweils zuständigen Behörde sehen können.

II. Einsätze im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG Schwieriger ist die Rechtfertigung einer Streitkräftebeteiligung bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben auf See, wenn ihr Einsatzqualität zukommt. Polizeiliche Verwendungen oberhalb der Einsatzschwelle sind nach dem oben Ausgeführten nur zulässig, wenn sie unter einen der drei hier in Betracht kommenden Fälle einer ausdrücklichen Zulassung (Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG, Art. 87a Abs. 4 GG) subsumiert werden können oder – außerhalb der Hoheitsgewässer – im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 GG ablaufen. 1. Internationale Anti-Terror- und Anti-Piraterie-Missionen Außerhalb deutscher Hoheitsgewässer nimmt die Marine polizeiliche Aufgaben im Rahmen internationaler Operationen zur Piraterie- und Terrorismusbekämpfung wahr. Im Einzelnen handelt es sich um – die NATO-Operation „Active Endeavour“ (OAE) zur Abwehr terroristischer Bedrohungen im Mittelmeerraum, im Rahmen derer Patrouillen im gesamten Mittelmeer durchgeführt, verdächtige Schiffe durchsucht, sensible Häfen und Meerengen überwacht und bei Bedarf Handelsschiffe eskortiert werden;242 – die UN-Mission „UNIFIL“, die zur Verhinderung des Waffenschmuggels die Seewege vor der libanesischen Küste kontrolliert;243 – die Operation „Enduring Freedom“ (OEF) am Horn von Afrika,244 die zum einen die Seeverkehrsverbindungslinien, die nicht zuletzt für den Erdöltransport aus dem 242

Vgl. BT-Drs. 16/10720 und 17/38. Vgl. Resolution 1701 (2006) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 11. 08. 2006 sowie Resolution 1884 (2009) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. 08. 2009; BT-Drs. 17/40. 244 Das Einsatzgebiet erstreckt sich vom Roten Meer über den Golf von Aden und das Seegebiet entlang der somalischen Küste sowie Teile des Arabischen Meeres bis hin zum Golf von Oman mit der Straße von Hormus und Teilen des Indischen Ozeans. 243

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

247

Nahen Osten essentiell und im Hinblick auf die Meerengen angreifbar sind, schützen und zum anderen den Seetransport von mutmaßlich dem internationalen Terrorismus dienenden Gütern, vor allem Waffen und Drogen, unterbinden soll;245 – die EU-Operation „EU NAVFOR ATALANTA“,246 die Piratenüberfälle in den Seegebieten vor der Küste Somalias verhüten und bekämpfen und Schiffe des Welternährungsprogramms sowie andere Schiffe vor Überfällen schützen soll und zu diesem Zweck in einem Einsatzgebiet bis zu 500 Seemeilen vor der Küste Somalias247 und der Nachbarländer zu allen erforderlichen Maßnahmen gegen Piraten ermächtigt ist;248 – sowie die Standing NATO Maritime Groups (SNMG), vier ständige maritime Einsatzverbände der NATO,249 die zwar primär Zwecken der Bündnisverteidigung dienen, die jedoch zeitweise auch zu polizeilichen Zwecken wie insbesondere Anti-Terror- und Anti-Piraterie-Operationen eingesetzt werden (Mission „ALLIED PROVIDER“).250 Die im Rahmen dieser Operationen den Streitkräften zugewiesenen Aufgaben sind allgemeinpolizeilicher Natur und liegen oberhalb der Einsatzschwelle des Art. 87a Abs. 2 GG. Deren Wahrnehmung obliegt außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets an sich der Bundespolizei (siehe oben). Die Streitkräfte werden jedoch im Rahmen internationaler Operationen tätig, so dass eine Rechtfertigung der Einsätze nach Art. 24 Abs. 2 GG in Betracht kommt. Voraussetzung ist, dass die einzelnen Operationen im Rahmen und nach den Regeln von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (also der UNO, der NATO oder der EU) stattfinden und der Bundestag konstitutiv zugestimmt hat. Die Operationen „Active Endeavour“, „UNIFIL“ und „Atalanta“ finden unzweifelhaft im Rahmen und nach den Regeln der NATO, der UNO bzw. der EU statt. Sie sind auch durch entsprechende Bundestagsbeschlüsse gedeckt251 und können daher ohne weiteres auf Art. 24 Abs. 2 GG gestützt werden. Für die Beteiligung an den SNMG-Verbänden liegt hingegen kein Bundestagsmandat vor. Soweit die Ver245

Vgl. BT-Drs. 16/10720 und 17/38. Ausführlich zur Operation „Atalanta“ Heinicke, Piratenjagd vor der Küste Somalias, KJ 2009, 178 sowie Wiefelspütz, Die Beteiligung der Bundeswehr am Kampf gegen Piraterie, NZWehrR 2009, 133 (133 f.). 247 Einschließlich der somalischen Hoheitsgewässer gemäß der Ermächtigung durch Resolution 1816 (2008) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 02. 06. 2008. 248 Europarechtliche Rechtsgrundlage der Mission sind die Gemeinsame Aktion 2008/851/ GASP des Rates vom 10. 11. 2008 und der Beschluss 2009/907/GASP des Rates vom 08. 12. 2009; zum Bundestagsmandat vgl. BT-Drs. 16/11337, erweitert durch BT-Drs. 16/13187, verlängert durch BT-Drs. 17/179. 249 Es handelt sich um die Standing NATO Maritime Group 1 und 2 sowie die Standing NATO Mine Countermeasures Group 1 und 2. 250 Vgl. Jenisch, Pirateriebekämpfung vor Somalia auf dem Prüfstand – Mandate, Marinen, Mängel, NordÖR 2009, 385 (388). 251 BT-Drs. 17/38; BT-Drs. 17/40; BT-Drs. 17/179. 246

248

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

bände lediglich Aufgaben der Bündnisverteidigung wahrnehmen, ist ein Mandat auch nicht nötig, da es sich insoweit um Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG handelt. Die Teilnahme an Übungen dürfte zudem noch nicht einmal Einsatzqualität haben. Nehmen die SNMG-Verbände hingegen polizeiliche Aufgaben wahr, ist eine deutsche Beteiligung nur im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 GG möglich und damit von einem Bundestagsmandat abhängig. Da ein solches für die Mission „Allied Provider“ nicht erteilt wurde, mussten die beteiligten deutschen Schiffe – die Fregatte „Emden“ und der Tanker „Spessart“ – temporär aus der SNMG ausgesondert und der Operation „Atalanta“ unterstellt werden.252 Diese Möglichkeit war im „Atalanta“-Mandat bereits angelegt.253 Fragwürdig ist allerdings die Beteiligung an der Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“. Ob diese Operation den Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 2 GG entspricht und mithin eine Kompetenz für einen Streitkräfteeinsatz zu begründen vermag, erscheint zweifelhaft. Die Operation ist im Gegensatz zu den vorgenannten nicht explizit von UNO, NATO oder EU beschlossen worden und steht nicht unter deren Kommando. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Operation der teilnehmenden Staaten. Zwar behauptet der Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung des Bundestages, der Einsatz finde „im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Abs. 2 Grundgesetz“ statt. Welches System dies sein soll, bleibt indes offen.254 Als Rechtsgrundlage werden zwar die Feststellung des NATO-Bündnisfalles nach Art. 5 NATO-Vertrag und das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung nach Art. 51 UNCharta, das durch die Resolution 1368 (2001) des UN-Sicherheitsrates255 für den Kampf gegen den Terrorismus bekräftigt worden ist, herangezogen.256 Auch Resolution 1373 (2001)257 wird genannt, in der die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit politischen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgeberischen Maßnahmen aufgerufen werden. All das mag aus völkerrechtlicher Sicht eine hinreichende Rechtsgrundlage für Anti-Terror-Operationen der Mitgliedstaaten darstellen. Allein: Die Völkerrechtskonformität macht eine Operation noch nicht zu einem Einsatz „im Rahmen“ von UNO oder NATO. Und auch die Feststellung des Bündnisfalles nach Art. 5 NATOVertrag ändert nichts an der deutschen Verfassungslage, insbesondere beeinflusst sie nicht die Auslegung des Verteidigungsbegriffs. Einsätze, die zur Erfüllung der Beistandsverpflichtung nach Art. 5 NATO-Vertrag erbracht werden, finden nicht 252 Trotz dieser „Umetikettierung“ wurde skurrilerweise ausgerechnet der Tanker „Spessart“ kurz darauf von Piraten angegriffen, vgl. Jenisch, Pirateriebekämpfung vor Somalia auf dem Prüfstand – Mandate, Marinen, Mängel, NordÖR 2009, 385 (388). 253 Der Bundestagsbeschluss zur „Atalanta“-Mission erklärt die Hinzuziehung von SNMGKräften ausdrücklich für zulässig, vgl. BT-Drs. 17/179, S. 4. 254 BT-Drs. 14/7296, S. 3; ebenso in der Verlängerung BT-Drs. 17/38. 255 Resolution 1368 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 12. 09. 2001. 256 Vgl. BT-Drs. 14/7296, S. 2. 257 Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 28. 09. 2001.

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

249

zwingend im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 GG statt, sondern können auch eigenständige, unilaterale Maßnahmen sein, wie schon der Erforderlichkeitsvorbehalt zeigt.258 Wie oben ausgeführt, finden Einsätze aber nur dann „im Rahmen“ eines Systems statt, wenn die Einsatzführung von den Organen des jeweiligen Systems ausgeht.259 Militärische Operationen „des“ Systems müssen auch unter dessen militärischem Kommando stehen. Gemischtnationale Verbände, die unmittelbar von den Entsendestaaten errichtet und geleitet werden, stellen als solche kein institutionell verfestigtes, kollektives Sicherheitssystem dar. Wenn solche Verbände die Vorschriften etwa der UNO beachten, finden ihre Einsätze zwar möglicherweise materiell „nach den Regeln“ dieses Systems statt. Solange aber nicht auch die Einsatzverantwortlichkeit bei dem System liegt, ist es kein Einsatz „in dessen Rahmen“. Schlichte gemischtnationale Verbände fallen daher nicht unter Art. 24 Abs. 2 GG.260 So liegt es auch im Fall Operation „Enduring Freedom“. Sie findet nicht im Rahmen von UNO oder NATO statt, sondern stellt eine eigenständige Operation der teilnehmenden Staaten dar, die sich lediglich auf Ermächtigungen der UNO und der NATO stützt. Es muss daher festgestellt werden, dass die Beteiligung der deutschen Marine an „Enduring Freedom“ nicht die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 2 GG erfüllt. Im Rahmen dieser Operation vorgenommene Maßnahmen der Bundeswehr oberhalb der Einsatzschwelle sind verfassungsrechtlich daher nicht gerechtfertigt. Zu einem anderen Ergebnis käme man allenfalls, wenn man argumentierte, die Teilnahme deutscher Streitkräfteeinheiten an Operationen, die unter dem Kommando anderer Staaten stehen, sei keine Ausübung deutscher Staatsgewalt, sondern fremder Staatsgewalt. Gewissermaßen nach dem Prinzip einer zwischenstaatlichen Organleihe würden nur Personal und Mittel ausgeliehen zur Verwendung in fremder Verantwortung. Dann fände das Grundgesetz und damit der Art. 87a Abs. 2 GG gar keine Anwendung. Damit würde der Art. 87a Abs. 2 GG aber zu offensichtlich umgangen: Denn wenn der Einsatz deutscher Streitkräfte schon nicht ins Belieben der deutschen Exekutive gestellt ist, werden deutsche Streitkräfte kaum zur freien Verfügung fremder Exekutiven stehen sollen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass jede Verwendung der deutschen Streitkräfte den Regelungen des Grundgesetzes unterliegt, unabhängig davon, welchem Kommando die Einheiten unterstehen. Anderenfalls bräuchte man auch für die Einordnung der Bundeswehr in integrierte NATO-Verbände nicht den Art. 24 Abs. 2 GG.

Möglicherweise liegt es auch an diesen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das OEF-Mandat nach dessen Auslaufen im November 2010 nicht verlängert werden soll.261

258

Nach Art. 5 NATO-Vertrag hat jede Partei nur die Maßnahmen zu treffen, „die sie fürerforderlich erachtet“. 259 Das geht, wie oben dargelegt, deutlich aus der Argumentation und Terminologie in BVerfGE 90, 286 hervor („Teilnahme“, „Einordnung“, „Beteiligung“). 260 Vgl. auch Rojahn, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 24 Rn. 89. 261 Vgl. FAZ vom 04. 06. 2010, S. 4.

250

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

2. Eigenständige Maßnahmen Der Einsatz der Marine zu Zwecken der Gefahrenabwehr kann potentiell auch außerhalb von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erforderlich werden, nämlich immer dann, wenn die originär zuständige Behörde mangels Anwesenheit (dies vor allem in Übersee) oder mangels ausreichender Ausrüstung bzw. Bewaffnung (dies auch im deutschen Küstenvorfeld) nicht zur Abwehr der Gefahr in der Lage ist. Eigenständige gefahrenabwehrende Maßnahmen der Marine, denen Einsatzqualität zukommt, die sich also durch die hoheitliche Anwendung von Zwang oder Gewalt auszeichnen, sind nur im Rahmen der genannten ausdrücklich erlaubten Komplementärverwendungen (Art. 35 Abs. 2 oder 3 GG sowie Art. 87a Abs. 4 GG) zulässig. a) Innerhalb der Hoheitsgewässer Hoheitliche Maßnahmen der Marine zur Unterstützung anderer Behörden innerhalb der Hoheitsgewässer sind sowohl in Safety- als auch in Security-Gefahrenlagen vorstellbar. Im Safety-Bereich ist zu denken an eine Unterstützung bei Havarien, die sich nicht auf technisch-logistische Hilfe beschränkt, sondern eingreifender Natur ist (z. B. Zwangsevakuierungen, Umleitungen von Schiffen o. ä.). Im Security-Bereich kommen Hilfseinsätze der Marine vor allem dann in Betracht, wenn es darum geht, Schiffe zwangsweise anzuhalten oder aufzubringen. Wenn beispielsweise ein terrorverdächtiges Schiff ein Haltegebot der zuständigen Polizeibehörde missachtet, kann dieses zwangsweise nur mit Bordwaffengewalt der Marine durchgesetzt werden. Man spricht insoweit von „manövrierunfähig machendem Beschuss“.262 Weder die Wasserschutzpolizeien noch die Bundespolizei verfügen über eine Bewaffnung, mit der Schiffe gestoppt werden könnten. Unter Art. 87a Abs. 4 GG dürften derartige Fallkonstellationen nicht zu subsumieren sein.263 In Betracht kommt damit allein ein Einsatz im Rahmen der Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG. Havarien und maritime Gefahrstoffunfälle erheblichen Ausmaßes sind die klassischen Anwendungsfälle eines Unglücksfalls i.S.d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG. Ist Hilfe durch die Streitkräfte erforderlich und fordert das betroffene Land sie an, dürfen die Streitkräfte unterstützende Maßnahmen mit Einsatzqualität vornehmen. Sind die Küstenmeere mehrerer Bundesländer betroffen, kann die Anforderung eines Landes gemäß Abs. 3 auch durch einen Beschluss der Bundesregierung ersetzt werden. Auch in Security-Gefahrenlagen kann ein Marineeinsatz auf die Katastrophenhilfe gestützt werden, wenn die drohende Gefahr die Erheblichkeitsschwelle des 262

Vgl. FAZ vom 08. 09. 2009, S. 4. Nach den obigen Ausführungen wäre dies allenfalls denkbar, wenn durch einen mutmaßlichen Anschlag die Funktionsfähigkeit oberster Staatsorgane in Frage gestellt und somit eine Gefahr für den Bestand von Bund oder Ländern anzunehmen wäre. 263

B. Polizeiliche Verwendungen der Marine

251

Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG überschreitet. Bei terroristischen Bedrohungsszenarien („Schiff als Waffe“) wird dies in der Regel der Fall sein. Je nachdem, ob die Gefahr regional oder überregional droht, ist eine Anforderung durch das betroffene Land oder alternativ ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich. Problematisch ist jedoch auf Rechtsfolgenseite, ob die Katastrophenhilfe den Einsatz von Bordgeschützen, der zum Stoppen eines Schiffes erforderlich wäre, zulässt. Da es sich hierbei um militärspezifische Mittel handelt, kommt es insoweit auf die umstrittene Frage der einsetzbaren Mittel ein.264 Nach hier vertretener Auffassung lässt Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG auch den Einsatz militärspezifischer Mittel – freilich unter Beachtung materieller polizeilicher Grundsätze – zu. Nach derzeitiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Einsatz militärspezifischer Mittel im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG hingegen schlechthin verboten. Das bedeutet, dass verdächtige Schiffe derzeit nicht zwangsweise angehalten werden können. b) Außerhalb der Hoheitsgewässer Für die Bewertung von Maßnahmen außerhalb der Hoheitsgewässer gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe, wenn man wie hier davon ausgeht, dass der Ausdrücklichkeitsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG schlechthin und nicht nur für inländische Verwendungen Geltung beansprucht. Auch für exterritoriale Maßnahmen der Marine, die Einsatzqualität aufweisen und nicht im Rahmen einer Bündnisoperation nach Art. 24 Abs. 2 GG stattfinden, muss daher eine ausdrückliche Zulassung im Grundgesetz gefunden werden. Das gilt für die Teilnahme an losen (d. h. nicht unter der Führung eines Sicherheitssystems stehenden) multinationalen Verbänden ebenso wie für unilaterale Einzelmaßnahmen deutscher Marineschiffe. Zu denken ist insoweit etwa an Nothilfeeinsätze zugunsten eines angegriffenen oder entführten Frachters durch zufällig in der Nähe befindliche Fregatten.265 Auch für diese Einsätze kann eine ausdrückliche Zulassung allenfalls in den Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG gefunden werden, deren Anwendung in exterritorialen Konstellationen zusätzliche Probleme auf Tatbestandsseite aufwirft (siehe oben). Da die originäre Zuständigkeit für exterritoriale polizeiliche Maßnahmen bei der Bundespolizei und nicht bei den Ländern liegt, Katastrophenhilfe dem Wortlaut nach aber nur zugunsten der Länder geleistet werden kann, hängt die Anwendbarkeit der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG zunächst von einer teleologischen Erweiterung des Tatbestands ab. Anderenfalls wäre bereits in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone kein Katastropheneinsatz der Marine mehr möglich.266 Nach hier vertretener Auffassung spricht aber einiges dafür, bei Vorliegen der übrigen Vor264

Dazu eingehend auf S. 231 ff. Die Qualifikation eines Einsatzes als „Nothilfe“ befreit entgegen einem bisweilen in den Medien verbreiteten Eindruck nicht vom Erfordernis einer ausdrücklichen Zulassung. 266 Vgl. auch Zimmermann/Bork, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz und seine Bedeutung für ein zukünftiges Seesicherheitsgesetz, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 79 ff. (S. 92). 265

252

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

aussetzungen (Gefahrenlage, Erforderlichkeit) erst recht die Unterstützung von Bundesbehörden zuzulassen.267 Drohende Terroranschläge dürften regelmäßig die tatbestandlichen Voraussetzungen eines schweren Unglücksfalles und der Erforderlichkeit einer Unterstützung durch die Marine erfüllen. Fraglich ist allerdings, ob auch Piratenangriffe als „besonders schwere Unglücksfälle“ i.S.d. Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG gewertet werden können, wenn sich die Gefahr auf das gekaperte Schiff beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht versteht hierunter ein „Schadensereignis von großem Ausmaß“, das „wegen seiner Bedeutung in besonderer Weise die Öffentlichkeit berührt“.268 Man wird danach, auch um dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung zu tragen, eine gewisse Großflächigkeit oder Fernwirkung des drohenden Schadens fordern müssen. Die isolierte Gefahrenlage eines Angriffes auf ein einzelnes Schiff dürfte unterhalb dieser Schwelle liegen. Bestehen hingegen Anhaltspunkte dafür, dass das gekaperte Schiff weiter zu terroristischen Zwecken eingesetzt werden soll, liegen die Voraussetzungen wieder vor. Ein weiteres Problem auf Tatbestandsseite liegt in der nötigen Anforderung der Hilfe durch die originär zuständigen Kräfte. Angesichts fehlender Präsenz auf Hoher See – Einsatzschiffe der zuständigen Bundespolizei patrouillieren nicht am Horn von Afrika – haben diese jedoch keine Kenntnis von etwaigen Gefahrenlagen und werden daher auch keine Hilfe anfordern. Konstruktiv denkbar ist, dass das vor Ort befindliche Marineschiff eine Lageinformation an die zuständige Bundespolizeidienststelle in Deutschland übermittelt und diese dann postwendend „Hilfe“ durch die Marine vor Ort anfordert. Eine solche „angeforderte Anforderung“ wäre zwar formell akzeptabel, dürfte die Katastrophenhilfe in ihrer Grundkonzeption aber materiell überstrapazieren. Im Fall des Art. 35 Abs. 3 GG hingegen ist eine Anforderung entbehrlich. Mangels Bezugs zu einem Land ließe sich auch die nötige Überregionalität noch begründen. Damit wäre jedoch nichts gewonnen, weil in diesem Fall ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich wäre. Das ist nicht nur unpraktikabel in einer Einsatzsituation, sondern liefe wieder auf dieselbe „PingPong-Situation“ wie im ersten Fall hinaus: Die Marine müsste den erforderlichen Beschluss gleichsam in Deutschland „bestellen“. Es wird deutlich, dass insbesondere exterritoriale polizeiliche Maßnahmen der Marine an die Grenzen der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG stoßen. Hinzu kommt, selbst soweit Gefahrenabwehrmaßnahmen der Marine tatbestandlich auf Art. 35 GG gestützt werden können, auf Rechtsfolgenseite das Problem der Verwendbarkeit militärischer Mittel sowie fehlender einfachgesetzlicher Befugnisnormen. Angesichts der Restriktionen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG finden sich im Schrifttum – unterhalb der Ebene von Grundgesetzänderungen – Vorschläge zu einer pragmatischen Lösung des zivil-militärischen Kompetenzdilemmas nach US-Vorbild: Auf den Schiffen der Navy werden sogenannte „Law Enforcement Detach267 268

Dazu eingehend auf S. 229 ff. BVerfGE 115, 118 (143).

C. Normative Reformansätze

253

ments“ der Coast Guard eingeschifft.269 Sobald ein polizeilicher Einsatz erfolgt, setzt das Marineschiff die Flagge der Coast Guard und steht unter dem Kommando der Polizeibeamten. Diese Konstruktion wird auch für die Deutsche Marine vorgeschlagen. Beamte der Bundespolizei sollen auf Fregatten der Bundeswehr eingeschifft werden.270 Bei Bedarf soll die Fregatte unter das Kommando der Bundespolizei gestellt, die Dienstflagge der Seestreitkräfte eingeholt und die allgemeine Dienstflagge des Bundes gesetzt werden und das Schiff fortan als „Bundespolizeischiff“ polizeiliche Aufgaben wahrnehmen dürfen.271 Was zunächst faszinierend einfach erscheint, begegnet in praktischer und rechtlicher Hinsicht doch Bedenken. Unproblematisch wäre es sicher, wenn die Polizeibeamten die Fregatte lediglich als Transportmittel nutzten. Im Einsatzfall könnten sie dann per Funk Anordnungen gegenüber Störern aussprechen. In den fraglichen Fällen schwerer Gewaltkriminalität wird aber gerade der Einsatz von militärischer Gewalt nötig sein (Waffeneinsatz, Boarding und Aufbringen eines Schiffes). Es kommt also gerade auf die Fähigkeiten des Marineschiffes und seiner Besatzung an. Soll deren Nutzung als Einsatz der Bundespolizei zu qualifizieren sein, müsste das Schiff tatsächlich unter deren Kommando stehen. Hier ergeben sich schon praktische Schwierigkeiten. Wer hätte beispielsweise über einen Kommandowechsel zu entscheiden? Schwerwiegender aus rechtlicher Sicht aber ist, dass nach dieser Fiktion ein Schiff der Bundespolizei militärisch ausgerüstet wäre. Das telos des Art. 87a Abs. 2 GG liefe leer, wenn zivile Behörden militärisch „aufrüsten“ dürften. Der Bestimmung ist daher zu entnehmen, dass allein die Streitkräfte über militärische Mittel verfügen dürfen.272 Ein (fiktiver) Kommandowechsel erleichtert daher nach deutscher Verfassungslage keineswegs die unilaterale Einsetzbarkeit von Marineschiffen zu Zwecken der Gefahrenabwehr in Übersee. Sie kann nur durch eine Grundgesetzänderung auf rechtlich sicheres Fundament gestellt werden.

C. Normative Reformansätze Hinsichtlich der Rolle der Marine im maritimen Sicherheitsgefüge bleiben danach zwei Hauptprobleme: Zum einen kann sie Aufgaben in Übersee, wozu in erster Linie die Bekämpfung von Piraterie und Terrorismus zählen, nur im Rahmen eines Mandats von UNO, NATO oder EU wahrnehmen. Trifft ein deutsches Marineschiff außerhalb des mandatierten Seegebietes auf eine Gefahrenlage, die sofortige Abwehrmaßnahmen erfordert, oder ist die Gefahrenart nicht vom Mandat umfasst, ist es aus 269 Aldenhoff, Neue Kooperationsformen für maritime Sicherheit Deutschlands erforderlich, Marineforum 2008, Heft 11, 7 (7). 270 Jenisch, Sicherheit auf See, S + F 2008, 154 (163). 271 Aldenhoff, Neue Kooperationsformen für maritime Sicherheit Deutschlands erforderlich, Marineforum 2008, Heft 11, 7 (8). 272 So auch Schenke, Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, NJW 2006, 736 (737, Fn. 12).

254

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

verfassungsrechtlichen Gründen zur Untätigkeit gezwungen. Allein Selbstschutz ist ihm erlaubt. Das Dilemma, dass die Streitkräfte „können, aber nicht dürfen“, während die Polizeikräfte „dürfen, aber nicht können“,273 kann durch den Rückgriff auf Art. 24 Abs. 2 GG allein nicht aufgelöst werden.274 Der zweite Problemkreis betrifft die in Anwendungsbereich (Ausschluss bundesinterner Hilfe) und Rechtsfolge (Nichteinsetzbarkeit militärspezifischer Mittel) eingeschränkte Katastrophenhilfe. Im deutschen Küstenvorfeld sind die zivilen Polizeikräfte zwar präsent und zur Gefahrenabwehr grundsätzlich in der Lage. In Extremlagen können deren Mittel aber zur Abwehr der Gefahr unzureichend sein. Insbesondere verfügen die Polizeidienste von Bund und Ländern nicht über die Mittel, ein Schiff zwangsweise zu stoppen. Hierfür sind die militärspezifischen Mittel der Marine erforderlich, nach derzeitiger Rechtsprechung jedoch nicht einsetzbar. Liegt die Gefahrenlage jenseits der Küstenmeergrenze in der ausschließlichen Wirtschaftszone, darf dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG nach überhaupt keine Katastrophenhilfe mehr geleistet werden, weil es sich nicht mehr um Landesgebiet handelt. Diese Lücke kann zwar nach hier vertretener Auffassung durch teleologische Erweiterung geschlossen werden. Ebenso beruht das Verbot militärspezifischer Mittel auf einem Missverständnis. Dennoch sollen hier auch insoweit Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie diese Einsatzlücken de constitutione bzw. lege ferenda normativ geschlossen werden könnten.

I. Allgemeine Komplementärzuständigkeit der Marine auf Hoher See Zunächst zur Behebung der Handlungsunfähigkeit der Marine in Übersee: Um für Notfälle auch unilaterale Einsätze deutscher Marineschiffe zu ermöglichen, bedarf es der ausdrücklichen Zulassung einer neuen Einsatzkategorie i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG. Um die geschilderte „Ping-Pong-Situation“, die im Rahmen des Art. 35 GG aufgrund der nötigen Anforderung immer entstehen würde, zu verhindern, sollten Marinekräfte unabhängig von einer Anforderung durch die zuständigen zivilen Polizeibehörden handeln können. Ebenso würde ein konstitutiver Bundestagsbeschluss die Einsatzmöglichkeit ad absurdum führen, da es um ad hoc-Maßnahmen vor Ort im konkreten Einzelfall geht.275 Stattdessen sollte die nähere Ausgestaltung der Ein-

273 Vgl. Dreist, Offene Rechtsfragen des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte, NZWehrR 2002, 133 (140). 274 So auch Jenisch, Pirateriebekämpfung vor Somalia auf dem Prüfstand – Mandate, Marinen, Mängel, NordÖR 2009, 385 (390). 275 Auf dieses Problem weist auch Freiherr von Waldenfels, Kommentar: Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Regelungsbedarf, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 97 ff. (S. 102), hin.

C. Normative Reformansätze

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satzmöglichkeit einer einfachgesetzlichen Regelung vorbehalten bleiben.276 Damit könnte der Bundestag die abstrakten Grundsätze für einen Einsatz bestimmen,277 womit dem Parlamentsvorbehalt Genüge getan wäre. Diesen Vorgaben würde folgende Ergänzung des Art. 87a GG durch einen Abs. 5 entsprechen: Art. 87a GG […] (5) Außerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone können die Streitkräfte nach den Regeln des Völkerrechts zur Abwehr unmittelbar drohender Gefahren auf See eingesetzt werden, soweit die zuständigen Behörden hierzu nicht in der Lage sind. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Damit würden faktische Fähigkeiten und völkerrechtliche Befugnisse der deutschen Streitkräfte auf Hoher See durch verfassungsrechtliche Kompetenzen flankiert. Der „soweit“-Nebensatz verdeutlicht, dass die Streitkräftekompetenz lediglich subsidiären Charakters wäre und die originäre Zuständigkeit der zivilen Behörden unangetastet ließe. Die Streitkräfte wären nur zur Abwehr „unmittelbar drohender Gefahren“ befugt, womit im polizeirechtlichen Sinne eine hohe zeitliche Nähe und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu fordern wäre. Damit wird sichergestellt, dass die Aufgabe nicht grundsätzlich durch die Streitkräfte wahrgenommen würde (etwa im „Streifendienst“), sondern nur deren Handlungsfähigkeit in tatsächlichen Notsituationen hergestellt würde. Einsatzsituationen entstünden dann praktisch nur, wenn sich Marineschiffe zufällig in der Nähe der Gefahrenstelle befinden. Hingegen wird bewusst auf den Zusatz „zur Unterstützung“ (der originär zuständigen Behörden) verzichtet, da die Marine selbständig handeln können soll, wenn sie auf eine Gefahrenlage trifft. Eine erforderliche Anforderung etwa durch die zuständige Bundespolizei wäre ebenso wenig sachgerecht wie eine Weisungsunterstellung oder ein Ausschluss militärischer Waffen, was dem Attribut entnommen werden könnte. Räumlich bezieht sich die Einsatzermächtigung auf die See jenseits der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone. Eine Beschränkung auf die See erscheint sachgerecht, da für Gefahrenabwehreinsätze auf fremdem Territorium die Einsatzmöglichkeit aufgrund Art. 24 Abs. 2 GG ausreicht. Ein zufälliges Antreffen einer Gefahrenlage durch (aus anderen Gründen vor Ort befindliche) Streitkräfteeinheiten ist im Grunde nur auf See vorstellbar. Die neue Streitkräftekompetenz nicht bereits ab 276 Ein Referentenentwurf von 2006 für einen Art. 87a Abs. 5 GG n.F., abgedruckt und eingehend erörtert bei Wiefelspütz, Reform der Wehrverfassung, 2008, S. 106 ff. sowie von Dambrowski, Internationale Initiativen im Bereich maritimer Sicherheit und die Rolle der Deutschen Marine, Marineforum 2007, Heft 10, 5 (6), und Brinkmann/Peters, Herausforderung: Maritime Sicherheit, S+F 2008, 19 (28), sieht hingegen die konstitutive Zustimmung des Bundestages vor, ist andererseits aber nicht auf die See beschränkt: „Außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Streitkräfte nach den Regeln des Völkerrechts, auch zur Unterstützung der zuständigen Bundesbehörden, eingesetzt werden. Einsätze bedürfen der Zustimmung des Bundestages; das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ 277 Ggf. ergänzt durch eine nachträgliche Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag.

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

der Küstenmeergrenze beginnen zu lassen, erscheint ferner sachgerecht, da innerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone noch ausreichende Präsenzmöglichkeiten der zivilen Polizeikräfte bestehen. Zudem dürfte die verfassungspolitische Brisanz der Kompetenzerweiterung mit steigender Nähe zum Festland zu- und deren Realisierungschancen entsprechend abnehmen. Die Konkretisierung der Einsatzvoraussetzungen wäre dann der einfachgesetzlichen Ausgestaltung vorbehalten (etwa in einem „Seesicherheitsgesetz“). Dort könnten die Gefahrenquellen enumerativ benannt werden, ggf. unter Bezugnahme auf die völkerrechtlichen Erlaubnistatbestände. Die Subsidiarität des Streitkräfteeinsatzes zur originär zuständigen Behörde („soweit“) könnte dahingehend konkretisiert werden, dass vermutet wird, dass die zuständigen Behörden zur Gefahrenabwehr in Übersee nicht in der Lage sind, bis sie den Streitkräften die Bereitschaft zur Selbstwahrnehmung angezeigt haben. Das Gesetz müsste neben den Aufgabenzuweisungen ferner entsprechende Ermächtigungsgrundlagen zu Gefahrenabwehrmaßnahmen enthalten, die sich an polizeilichen Grundsätzen ausrichten müssten (Verhältnismäßigkeit; Störerauswahl).278 Bisher fehlen einfachgesetzliche Befugnisnormen für Gefahrenabwehrmaßnahmen der Streitkräfte völlig.

II. Klarstellung zur bundesinternen Katastrophenhilfe Im Rahmen der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG besteht das Problem, dass Katastrophenhilfe dem Wortlaut nach nur zugunsten der Länder, nicht aber zugunsten von Bundesbehörden geleistet werden kann. Eine Rolle spielt dieses Problem nur für den Einsatz von Streitkräften, da die Hilfe von sonstigen Bundesbehörden ohnehin über Art. 35 Abs. 1 GG möglich ist. Die Frage stellt sich zwar theoretisch auch für die Unterstützbarkeit von Bundesbehörden im Inland.279 Besondere Bedeutung hat sie aber außerhalb der Hoheitsgewässer, da dem Bund dort auch die allgemeinpolizeilichen Zuständigkeiten zukommen. Nach hier vertretener Auffassung ist aufgrund eines föderalen Erst-Recht-Schlusses eine teleologische Erweiterung dahingehend, dass auch Bundesbehörden im Rahmen der Katastrophenhilfe unterstützt werden können, angezeigt. Sollte diese Auffassung keine Zustimmung finden, ist eine Klarstellung dringend geboten. Sie könnte wie folgt aussehen (Änderungen kursiv): Art. 35 GG […] (2) […] 2Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern. 3Soweit deren Bekämpfung dem Bund obliegt, kann die Bundesregierung, wenn dies zur wirksamen Be-

278 279

Etwa nach dem Vorbild der §§ 14 ff. BPolG. Etwa im Rahmen der Bahnpolizei oder des Schutzes von Bundesorganen.

C. Normative Reformansätze

257

kämpfung erforderlich ist, die Streitkräfte auch zur Unterstützung der zuständigen Bundesbehörden einsetzen.

Voraussetzung wäre danach eine Gefahrenabwehrzuständigkeit des Bundes, die Erforderlichkeit einer Streitkräfteunterstützung zur effektiven Gefahrenabwehr sowie ein Beschluss der Bundesregierung.280 Alternativ könnte die Einsatzermächtigung räumlich auf den Bereich „seewärts des Küstenmeers“ beschränkt werden, womit allerdings eine Unterstützung bei sonderpolizeilichen Aufgaben des Bundes im Inland weiterhin ausgeschlossen wäre.281 Systematisch passend erscheint die Unterbringung dieser Klarstellung in Abs. 2, da Abs. 3 lediglich Bedeutung im föderalen Verhältnis hat, das hier jedoch keine Rolle spielt.

III. Ermöglichung des Einsatzes militärischer Mittel Der zweite Aspekt im Rahmen der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG betrifft die Frage, wie die Verwendung militärischer Mittel legalisiert werden kann. Das durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellte diesbezügliche Verbot ist zwar aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend. Wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung den Einsatz militärtypischer Mittel zu polizeilichen Zwecken gleichwohl für unzulässig hält, sind folgende Optionen zur Beseitigung der skizzierten Schutzlücke denkbar: 1. Ergänzung des Art. 35 GG Möglich wäre zunächst eine Klarstellung in den Vorschriften zur Katastrophenhilfe in Form einer Ergänzung des Art. 35 GG. Der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD hatte sich im Oktober 2008 auf folgende Ergänzung verständigt: Art. 35 GG […] (4) Reichen zur Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalles polizeiliche Mittel nicht aus, kann die Bundesregierung den Einsatz von Streitkräften mit militärischen Mitteln anordnen. Soweit es dabei zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, kann die Bundesregierung den Landesregierungen Weisungen erteilen. Maßnahmen der Bundesregierung nach den Sätzen 1 und 2 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im Übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben. 280

Bei Gefahr im Verzug sollte anstelle der Bundesregierung als Kollegialorgan der Bundesminister der Verteidigung entscheiden. Der unten – im Zusammenhang mit der Verwendbarkeit militärischer Waffen – vorgeschlagene Abs. 5 würde sich auch auf Art. 35 Abs. 2 S. 3 GG n.F. beziehen. 281 So ein unveröffentlichter Referentenentwurf zur Neuregelung von Seesicherheitsaufgaben vom 13. 01. 2005, abgedruckt bei Zimmermann/Bork, Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz und seine Bedeutung für ein zukünftiges Seesicherheitsgesetz, in: Zimmermann/Tams, Seesicherheit vor neuen Herausforderungen, 2008, S. 79 ff. (S. 83, Fn. 15).

258

5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

(5) Bei Gefahr im Verzug entscheidet der zuständige Bundesminister. Die Entscheidung der Bundesregierung ist unverzüglich nachzuholen.282

Ähnliche Vorschläge finden sich – teilsweise beschränkt auf Gefahren aus dem Luftraum oder von See her – im Schrifttum.283 Sie sind im Prinzip geeignet, die durch die verfassungsgerichtliche Judikatur entstandene Schutzlücke zu schließen. Lücken blieben bei einer auf die Luft und die See beschränkten Ergänzung freilich in Bezug auf das Land (vgl. das Beispiel des entführten Panzers), bei allen Vorschlägen ferner im Hinblick auf Naturkatastrophen. Zudem bleiben einige Fragen offen: Zum einen bleibt unklar, ob entsprechend der bisher überwiegenden, aber kritikwürdigen Auffassung die Streitkräfte den Weisungen der Landespolizei unterstellt sein und nach Landesrecht handeln sollen oder ob nunmehr eine eigenständige Bundeskompetenz zum Einsatz der Streitkräfte nach eigenem Recht begründet werden soll.284 Zum anderen bleibt unklar, ob die Ergänzungen nur die Fälle der Absätze 2 und 3 konkretisieren oder ob ein eigenständiger Einsatzfall der Streitkräfte normiert wird. Das ist für allem für die Frage von Bedeutung, ob die Ermächtigung auch für exterritoriale Gewässer gilt. Die Absätze 2 und 3 betreffen – jedenfalls nach deren Wortlaut – bisher nur Gefahren, die in einem Land oder mehreren Ländern drohen. Ungeachtet dieser Fragen ist der Ergänzungsvorschlag, wie bereits erwähnt, ohnehin an politischen Widerständen gescheitert. Eine vergleichbare Klarstellung im Grundgesetz ist mangels verfassungsänderungsfähiger Mehrheiten vorerst nicht zu erwarten. 2. Einfachgesetzliche Lösung Möglicherweise besteht jedoch ein Weg, die Schutzlücke auch ohne Grundgesetzänderung zu schließen. Bei vordergründiger Lesart des Urteils könnte man zunächst auf die Idee kommen, kurzerhand die Polizeien von Bund und Ländern mit militärischen Waffen aufzurüsten.285 Denn argumentativ stützt das Bundesverfassungsgericht das Verbot militärischer Bewaffnung der Streitkräfte nur auf die fehlende Zulassung dieser Waffen durch das für die jeweiligen Polizeikräfte geltende Recht: Die Streitkräfte dürften nur „die Waffen verwenden […], die das Recht des

282 FAZ vom 12. 11. 2008, S. 4 („Koalition streitet wieder über Bundeseinsatz im Inneren“); vgl. auch Jenisch, Pirateriebekämpfung vor Somalia auf dem Prüfstand – Mandate, Marinen, Mängel, NordÖR 2009, 385 (391). 283 Wiefelspütz, Vorschlag zur Neufassung des Art. 35 GG, ZRP 2007, 17 (19); Brinkmann/ Peters, Herausforderung: Maritime Sicherheit, S+F 2008, 19 (28). 284 Sinnvoll erschiene ein Zusatz in Anlehnung an Art. 87a Abs. 3 S. 2 Hs. 2 GG („die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen“), wonach Streitkräfte und zivile Behörden im koordinierten, weisungsrechtlich jedoch differenzierten Verbund handeln. 285 Vgl. schon Robbers, Die Befugnisse der Bundeswehr im Katastrophenfall, DÖV 1989, 926 (929): „Die Probleme der Bewaffnung […] müssen auf Beschaffungsebene gelöst werden.“; zu dieser Alternative auch Pestalozza, Inlandstötungen durch die Streitkräfte, NJW 2007, 492 (495).

C. Normative Reformansätze

259

betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsieht“.286 Damit macht das Bundesverfassungsgericht die Rechtsfolge der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG, also von Bestimmungen des Grundgesetzes, mittelbar abhängig von den Landesgesetzgebern bzw. Erlassen der Innenminister, was normenhierarchisch fragwürdig ist.287 Eine Aufrüstung der Länderpolizeien mit militärischen Mitteln müsste noch nicht einmal tatsächlich erfolgen, was rechtspolitisch in der Tat auch „barer Nonsens“288 wäre. Es reichte vielmehr, wenn eine militärische Bewaffnung der Polizeikräfte durch das Landesrecht de jure zugelassen wäre. Die Streitkräfte dürften nach dem Wortlaut der Luftsicherheitsentscheidung dann auch diese Mittel verwenden. Mittelbar ausschlaggebend für die Frage der Zulässigkeit militärischer Bewaffnung wäre dann die Auflistung zulässiger Polizeiwaffen im jeweiligen Landes- oder Bundesrecht.289 Diese Bestimmungen sind teilweise einfachgesetzlicher (vgl. etwa § 69 Abs. 4 NdsSOG oder § 18 Abs. 4 SOG-HH), teilweise aber auch nur innenrechtlicher Natur. So verweist § 2 Abs. 4 UZwG auf „dienstlich zugelassene“ Waffen. Das Bundesverfassungsgericht schweigt sich zwar zur – sich gleichsam aufdrängenden – Frage einer militärischen Bewaffnung der Polizeikräfte aus. Dennoch oder möglicherweise gerade deswegen dürfte aber klar sein, dass dies mit der ratio legis des Art. 87a Abs. 2 GG unvereinbar wäre. Der Ausdrücklichkeitsvorbehalt wie auch die Bundeskompetenz für die Streitkräfte liefen leer, wenn Länderpolizeien (oder auch Polizeikräfte des Bundes) militärisch ausgerüstet werden dürften.290 Zielführend erscheint hingegen ein anderer Lösungsansatz: Bereits heute regeln die Polizeigesetze einiger Länder, dass die Bundespolizei im Falle einer Unterstützung der Landespolizei nach Art. 35 oder 91 GG schwerere Waffen verwenden darf als die Landespolizei selbst. So lässt § 58 Abs. 5 PolG-NRW für den Einsatz der Bundespolizei nach Art. 35 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 91 Abs. 1 GG als „besondere Waffen“ Maschinengewehre und Handgranaten zu, die für die Landespolizei ansonsten nicht zugelassen sind. Eine ähnliche Regelung trifft § 69 Abs. 5 NdsSOG, allerdings mit statischer Verweisung auf die bundesrechtlich zugelassenen Waffen. Für den Gebrauch dieser besonderen Waffen stellen beide Gesetze zusätzliche Voraussetzungen auf – formell die Zustimmung des Innenministeriums, materiell eine qualifizierte Gefahrensituation. Analog zu diesem rechtskonstruktiven Vorbild könnten die Polizeigesetze von Bund und Ländern eine Regelung des Inhalts treffen, dass im Falle eines Unterstützungseinsatzes der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 oder Abs. 3 GG die Streitkräfte neben den allgemein zulässigen Waffen zusätzlich „besondere Waffen“ verwenden dürften. Diese könnten entweder im Gesetz selbst 286 287

hin. 288

BVerfGE 115, 118 (147). Darauf weist auch Baldus, Gefahrenabwehr in Ausnahmelagen, NVwZ 2006, 532 (535),

So Isensee, Der Verfassungsstaat als Friedensgarant, in: Mellinghoff/Morgenthaler/ Puhl, Die Erneuerung des Verfassungsstaates, 2003, S. 7 ff. (S. 37). 289 Soweit man eine Unterstützungsmöglichkeit zugunsten von Bundesbehörden anerkennt oder die vorgeschlagene Ergänzung des Art. 35 Abs. 2 GG umsetzt. 290 Schenke, Die Verfassungswidrigkeit des § 14 III LuftSiG, NJW 2006, 736 (737, Fn. 12).

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5. Teil: Seestreitkräfte und maritime Gefahrenabwehr

oder durch Verweis auf Bundesrecht näher spezifiziert sowie deren Verwendung an besondere Bedingungen geknüpft werden. Gegen Art. 87a Abs. 2 GG verstieße eine solche Bestimmung nicht, da nicht die Polizeikräfte selbst militärisch ausgerüstet werden (auch nicht wie im ersten Lösungsansatz de jure). Und sie stünde auch im Einklang mit der Luftsicherheitsentscheidung, nach der sich die anwendbaren Waffen aus dem Landesrecht ergeben. Eine solche einfachgesetzliche Bestimmung für den unterstützenden Streitkräfteeinsatz wäre denkbar und erscheint als praktikabler Weg, die skizzierte Schutzlücke auch ohne Verfassungsänderung zu schließen.

6. Teil

Schlussbetrachtungen A. Zusammenfassung Im Hinblick auf die eingangs aufgeworfenen Fragen lassen sich zur föderalen und organisatorischen Zersplitterung der zivilen Gefahrenabwehrkompetenzen auf See folgende Ergebnisse festhalten: 1.

Die Aufgabe der Gefahrenabwehr auf See ist in Deutschland auf eine Vielzahl von Bundes- und Landesbehörden verteilt, die jeweils seesicherheitsrechtliche Teilaufgaben wahrnehmen. Statt klarer Kompetenzstrukturen besteht eine föderale und organisatorische Gemengelage. Diese ist zum Teil in der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenzen auf Bund und Länder angelegt. Erheblichen Anteil an der kompetentiellen Zergliederung haben jedoch – insbesondere auf Bundesebene – auch die gesetzlichen und untergesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen innerhalb einer Gliedkörperschaft.

2.

Innerhalb der Hoheitsgewässer verfügt der Bund nur über eingeschränkte Vollzugskompetenzen auf See. Ihm obliegen die Schifffahrtspolizei, die Strompolizei, der Grenz- und Zollschutz sowie unter bestimmten Voraussetzungen die Abwehr terroristischer Gefahren. Alle übrigen Aufgaben – insbesondere die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr, die Fischereiaufsicht und die Wasserpolizei – obliegen den Küstenländern.

3.

Hingegen besteht für die gesamte exterritoriale Gefahrenabwehr außerhalb der Hoheitsgewässer eine Vollzugskompetenz des Bundes aus der Natur der Sache. Hier ist die Gefahrenabwehr daher vollumfänglich Sache des Bundes. Die Zuordnung zum Bund ist nicht nur zweckmäßig, was eine Kompetenz aus der Natur der Sache allein nicht rechtfertigen würde, sondern zwingend, da die räumliche Zuordnung exterritorialer Seegebiete zu einem bestimmten Küstenland nicht sachgerecht möglich ist. Die Weltmeere in 16 fiktive Kompetenzzonen zu untergliedern, wäre willkürlich. Anderes gilt nach hier vertretener Auffassung entgegen der überwiegenden Meinung für die dem deutschen Küstenmeer vorgelagerte ausschließliche Wirtschaftszone. Eine Fortsetzung der im Küstenmeer verlaufenden Landesgrenzen erscheint hier nicht nur möglich, sondern gerade sachgerecht. Denn Wesen des seevölkerrechtlichen Funktionshoheitsraumes ist gerade die Erstreckung partieller Hoheitsbefugnisse des Küsten-

262

6. Teil: Schlussbetrachtungen

staates über die Staatsgrenze hinaus. Hinsichtlich dieser Befugnisse sollte dann auch die innerstaatliche Kompetenzlage fortgeschrieben werden. 4.

Die innerhalb der Hoheitsgewässer zu verzeichnende kompetentielle Zergliederung in zahlreiche Teilbereiche der Seesicherheit stellt die Praxis vor erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Insbesondere bei der Bewältigung von Schiffsunglücken kommt es zu Überlappungen der einzelnen Sachbereiche mit der Folge, dass eine einheitlich wahrzunehmende Aufgabe der Gefahrenabwehr in die Zuständigkeit mehrerer Bundes- und Landesbehörden fällt, was eine einheitliche Einsatzleitung ausschließt. Sachliche und räumliche Veränderungen der Gefahrenlage haben zudem häufige Zuständigkeitswechsel zwischen verschiedenen Küstenländern oder zwischen Bund und Ländern zur Folge. Eine effektive Aufgabenwahrnehmung ist daher auf ein Zusammenwirken der beteiligten Behörden angewiesen. Und auch die Wahrnehmung der exterritorialen Aufgaben liegt, obwohl der Bund sich insoweit auf eine Vollkompetenz berufen kann, in der Hand mehrerer, zum Teil parallel zuständiger Behörden. Gesetze und Verordnungen nehmen eine derart diffuse Aufgabenzuweisung vor, dass selbst der Praxis der Überblick darüber fehlt, welche Bundesbehörde für welche exterritorialen Aufgaben zuständig ist.

5.

Im Nachgang zur „Pallas“-Havarie im Jahr 1998 sind Effektivitäts- und Effizienzdefizite der maritimen Sicherheitsarchitektur erkannt worden. Zahlreiche Reformbemühungen der letzten Jahre versuchen durch eine Intensivierung der Koordination und Kooperation zwischen den Beteiligten, den festgestellten Mängeln entgegenzuwirken. Kernpunkt der Reformbemühungen ist die Errichtung eines Havariekommandos, das bei größeren Schadenslagen die einheitliche Einsatzleitung aller auf See verfügbaren Einsatzkräfte von Bund und Ländern übernimmt. Gemeinsamer Nenner aller bisherigen Reformen ist, dass sie an den Folgen, nicht an den Ursachen der Kompetenzzergliederung ansetzen. Die Zuständigkeiten selbst blieben bisher unangetastet.

6.

Die Folgen der Kompetenzzergliederung sind allerdings nur begrenzt überwindbar, da ein Zusammenwirken insbesondere zwischen Bund und Ländern verfassungsrechtlichen Restriktionen unterliegt. Das in Reaktion auf das Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts reanimierte Schlagwort der „Mischverwaltung“ trägt zur Bestimmung der Grenzen föderaler Zusammenarbeit allerdings nichts bei, sondern beschreibt nur ein tatsächliches Phänomen. Normative Grenzen bestehen in Form des Verfügungsverbots, des Fremdbestimmungsverbots und des Selbstwahrnehmungsgebots. Danach dürfen Kompetenzen erstens (auch einvernehmlich) nicht abgegeben werden, sind zugewiesene Aufgaben zweitens in der Letztverantwortung des Kompetenzinhabers wahrzunehmen und drittens auch grundsätzlich mit eigenen Mitteln durchzuführen. Nur hinsichtlich des letzten Grundsatzes sind bei Vorliegen von Sachgründen und einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie Ausnahmen anzuerkennen. Ausnahmsweise dürfen dann Einrichtungen fremder Verwaltungsträger

A. Zusammenfassung

263

zur Erfüllung eigener Aufgaben herangezogen werden (Organleihe). Dabei ist jedoch die sich aus dem Fremdbestimmungsverbot ergebende Pflicht zur Letztverantwortung des Kompetenzinhabers durch eine Eingliederung des Organs in die eigene Weisungshierarchie sicherzustellen. An diesen seit dem Schornsteinfegerbeschluss geltenden Grundsätzen hat das Hartz IV-Urteil nichts geändert. Insbesondere wurden die Grenzen einer Zusammenarbeit entgegen weitläufiger Annahme nicht verschärft. Neu ist allein die dogmatische Rückkopplung dieser primär im Bundesstaatsprinzip wurzelnden Grundsätze an das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip. Terminologisch missverständlich ist, dass das Selbstwahrnehmungsgebot meist als „Gebot eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ bezeichnet wird, obwohl es dabei nicht um Eigenverantwortlichkeit, sondern um technische, weisungsgebundene Aufgabenwahrnehmung geht. Das führt zu Verwechslungen mit dem Fremdbestimmungsgebot. Die hier verwendete Bezeichnung erscheint daher vorzugswürdig. 7.

Verfassungsrechtlich unbedenklich ist nach diesen Grundsätzen jede Form der Koordination zwischen Bund und Ländern. Maßnahmen der Kooperation, also der Wahrnehmung von Sachaufgaben im fremden Aufgabenbereich, sind hingegen nur zulässig, wenn die Verantwortlichkeiten gewahrt bleiben (wie im Fall der Organleihe) oder eine verfassungsrechtliche Ausnahmebestimmung für ein Tätigwerden im fremden Kompetenzbereich (wie etwa Art. 35 GG) vorliegt.

8.

Für Kooperationen der Länder untereinander ist ein etwas weiterer Maßstab anzulegen. Zwar gelten hier grundsätzlich die gleichen kompetenzrechtlichen Maßstäbe wie im Bund-Länder-Verhältnis. Im Unterschied dazu können im Zwischenländerverhältnis in Ausnahmefällen jedoch Abweichungen gerechtfertigt sein. Unter bestimmten, restriktiven Voraussetzungen können Aufgaben auf ein anderes Land oder eine Gemeinschaftseinrichtung übertragen werden. Voraussetzung ist, dass die Aufgabenübertragung inhaltlich begrenzt, durch Sachgründe gerechtfertigt und reversibel ist. Ferner muss die Zusammenarbeit einen regionalen Charakter wahren, um die Entstehung einer sog. Dritten Ebene im Bundesstaat auszuschließen. In der Ausgestaltung ist außerdem sicherzustellen, dass jedes Land hinreichende Mitwirkungsrechte erhält und das jeweilige Ortsrecht, ein anderes Recht nur im Fall einer statischen Verweisung, angewendet wird.

9.

Die Erscheinungsformen des Zusammenwirkens bei der Gefahrenabwehr auf See lassen sich überwiegend als unproblematische Koordination oder aber als Kooperation, die die Voraussetzungen der Amtshilfe oder der ausnahmsweise zulässigen Organleihe erfüllt, qualifizieren. Bedenklich stimmt jedoch das widersprüchliche Verhalten des Bundes hinsichtlich der Schifffahrtsverwaltung: Die fakultative Bundeskompetenz zunächst zu beanspruchen, um die Aufgabenwahrnehmung im Wege der Organleihe sofort wieder den Ländern zu übertragen, dient allein dem Zweck, dem Bund Weisungsrechte zu verschaffen. Das Ergebnis ist eine praeter constitutionem vereinbarte Auftragsverwaltung.

264

6. Teil: Schlussbetrachtungen

Eindeutig überschritten werden die verfassungsrechtlichen Grenzen schließlich beim Havariekommando. Die dem Leiter des Havariekommandos, einem Bundesbeamten, eingeräumten Weisungs- und Durchgriffsrechte gegenüber den Länderbehörden lassen sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Sie verstoßen gegen das Fremdbestimmungsverbot. Im Schrifttum unternommene Versuche, die Weisungsstrukturen als Organleihe zu rechtfertigen, verkennen, dass die Organleihe keine „Kompetenzleihe“ ist. Es geht nicht darum, dass die zuständige Behörde die Aufgabe nicht selbst wahrnehmen würde. Es geht darum, dass der zuständigen Behörde für ihre Aufgabenerledigung Weisungen von Unzuständigen erteilt werden. Das Rechtsinstitut der Organleihe ändert aber nichts an bestehenden Weisungsstrukturen. Eine Unterstellung der Polizeikräfte der Länder unter die Weisungen des Bundes ist nur im Extremfall des Art. 91 Abs. 2 GG möglich, dessen enge Voraussetzungen durch Gefahrenlagen auf See aber kaum erreicht werden dürften. Dieser Befund soll die praktisch beachtlichen Aufbauleistungen der letzten Jahre in keiner Weise schmälern, sondern vielmehr Anstoß dazu geben, das Erreichte auf verfassungsfesten Boden zu stellen. 10. Das praktische Bedürfnis nach einheitlicher Gefahrenabwehr auf See mit monokratischen Führungsstrukturen ist auf dem Wege der Koordination und Kooperation im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen nicht zu verwirklichen. Das Institut der Organleihe kann nicht zur „Kompetenzleihe“, die Amtshilfe nicht zur „Führungshilfe“ umgedeutet werden. Keine der Rechtsfiguren rechtfertigt eine einheitliche Einsatzführung von Bundes- und Landeskräften. Wirkliche Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen sind nur zu erreichen, wenn an der Wurzel des Problems angesetzt wird und die Zuständigkeiten neugeordnet werden. Alles andere ist entweder von begrenztem Nutzen (weil Entscheidungsverantwortlichkeiten und Weisungsstränge nicht angetastet werden dürfen) oder verfassungswidrig. 11. Verschiedene Schritte zur Neuordnung der Zuständigkeiten im Sinne eines solchen „Ansetzens an der Wurzel“ sind jedoch bereits de constitutione lata möglich: Zunächst könnte im Bereich der Schifffahrtspolizei mehr kompetentielle Klarheit geschaffen werden, indem der Bund die fakultative Aufgabe entweder nicht mehr beansprucht oder aber sie bei fortwährender Beanspruchung auch selbst wahrnimmt. Ferner könnten sämtliche Seedienste des Bundes in einer „Küstenwache des Bundes“ zusammengefasst werden, die dann einheitlich die dem Bund obliegenden Aufgaben wahrnehmen könnte. Als Kreationsakt genügte ein schlichter Kabinettsbeschluss. Die freie Behördenorganisation ist auch nicht durch die „Gepräge-Formel“ des Bundesverfassungsgerichts eingeschränkt. Verstünde man diese mit der herrschenden Auffassung als organisationsrechtliche Vorgabe, könnte die absurde Situation eintreten, dass dem Bund zwar unstreitig eine sonderpolizeiliche Verbandskompetenz zusteht, er diese aber aus organisationsrechtlichen Gründen nicht wahrnehmen darf. Nach einzig sinnvoller Lesart stellt die „Gepräge-Formel“ vielmehr eine Schranke für neue Verbandskompetenzen des Bundes und damit eine Konkre-

A. Zusammenfassung

265

tisierung des Art. 79 Abs. 3 GG dar, die den Ländern einen Kernbestand polizeilicher Aufgaben als unentziehbares Hausgut sichert. 12. Ohne weiteres lassen sich auch die Seedienste der Länder jeweils verbandsintern zusammenfassen und unter einheitliche Leitung stellen. Selbst eine verbandsübergreifende Zusammenführung der Seedienste aller Küstenländer zu einer „Küstenwache der Länder“ ist unter den erwähnten Voraussetzungen möglich. Diese könnte dann wiederum mit der Küstenwache des Bundes eine gemeinsame Leitstelle unterhalten. 13. Die im Koalitionsvertrag von 2009 angestrebte einheitliche Deutsche Küstenwache, die sämtliche Aufgaben der Gefahrenabwehr auf See wahrnimmt, ist ohne Grundgesetzänderung jedoch nicht zu erreichen. Die föderale Kompetenzverteilung steht der Errichtung einer omnikompetenten Gefahrenabwehrbehörde auf See wie auch jeder anderen Form der monokratischen Führung von Bundes- und Landeskräften entgegen. Die konstatierten Verluste an Effektivität und Effizienz lassen sich ohne Grundgesetzänderung zwar vermindern, nicht aber gänzlich beseitigen. Hierzu müssten dem Bund durch Ergänzung des Art. 74 und 89 GG die Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz für die allgemeinpolizeiliche Gefahrenabwehr und die Wasserpolizei auf See sowie die Vollzugskompetenz für die Fischereiaufsicht auf See übertragen werden. Neue polizeiliche Bundeskompetenzen sind zwar an Art. 79 Abs. 3 GG zu messen, der nach hier vertretener Auffassung durch die „GeprägeFormel“ konkretisiert wird und somit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Hausgut der Länder schützt. Polizeiliche Bundeskompetenzen dürfen danach nur zur Abwehr bestimmter das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen begründet werden. Diese Voraussetzungen liegen bei den polizeilichen Aufgaben auf See angesichts regelmäßiger Überregionalität und der festgestellten Effektivitätsverluste jedoch vor. Bestehende Strukturen könnten dann in eine zu gründende „Deutsche Küstenwache“ überführt werden. Auch das Havariekommando könnte so auf verfassungsfesten Boden gestellt werden. Zur Frage der Zulässigkeit polizeilicher Aufgabenwahrnehmung durch die Marine ergibt sich folgendes Bild: 1.

Obwohl die Marine über Einsatzmittel und -fähigkeiten auf See verfügt, die in bestimmten Fällen zur effektiven Abwehr der Gefahr unentbehrlich sein können, ist ihre Verwendung zur Gefahrenabwehr auf See nur eingeschränkt zulässig. Zu differenzieren ist zwischen originären und komplementären Kompetenzen der Streitkräfte. Originäre Kompetenzen bestehen nur zur Verteidigung. Der Verteidigungsauftrag umfasst jedoch allein die Abwehr staatlicher Angriffe. Eine Kompetenz zur Bekämpfung polizeilicher Gefahren lässt sich ihm nicht entnehmen. Das gilt auch für Extremfälle wie terroristische Angriffe. Aus der Fähigkeit zur Bekämpfung allein erwächst keine Kompetenz. Dem Verteidigungsauftrag ist allerdings als Annex eine Kompetenz zum Selbstschutz zu

266

6. Teil: Schlussbetrachtungen

entnehmen. Nur insoweit besteht eine originäre Gefahrenabwehrkompetenz der Streitkräfte. 2.

Für die Zulässigkeit komplementärer Verwendungen ist entscheidend, ob es sich um einen Einsatz im Sinne von Art. 87a Abs. 2 GG handelt. Darunter ist die hoheitliche Verwendung der Streitkräfte in Form von Regelung oder Zwangsanwendung zu verstehen, wobei auch lediglich faktischer Zwang ausreichend ist. Liegt die Verwendung unterhalb der Einsatzschwelle, müssen lediglich die allgemeinen Maßgaben für Kooperationen beachtet werden. Es müssen also die Voraussetzungen einer Amtshilfe oder Organleihe vorliegen. Einsätze im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG hingegen sind nur möglich, wenn sie sich auf ausdrückliche Zulassungen im Grundgesetz stützen können. Dieser Ausdrücklichkeitsvorbehalt beansprucht auch für exterritoriale Verwendungen Geltung.

3.

Schlichte Verwendungen unterhalb der Einsatzschwelle stellen die Verwendungen der Marine im Rahmen der Seenotrettung aus der Luft, zu Zwecken der Ölüberwachung mit Spezialflugzeugen sowie technisch-logistische Hilfeleistung im Einzelfall dar. Obwohl eine ausdrückliche Zulassung für diese Maßnahmen nicht erforderlich ist, begegnet die dauerhafte Verwendung zu Zwecken der Seenotrettung und Ölüberwachung Bedenken, da Amtshilfe nach allgemeinen Regeln nur punktuell im Einzelfall geleistet werden darf. Im Alltagsbetrieb müssen Aufgaben von den zuständigen Behörden selbst erledigt werden. Jegliche unterhalb der Einsatzschwelle liegende Hilfsmaßnahmen im Einzelfall können hingegen ohne weiteres auf das Institut der Amtshilfe gestützt werden.

4.

In extremen Fällen, insbesondere zur Pirateriebekämpfung oder Terrorabwehr, sind nur die Schiffe der Marine, nicht aber der zuständigen zivilen Behörden zur effektiven Abwehr der Gefahr in der Lage. Eingreifende Maßnahmen der Marine gegenüber anderen Schiffen erfüllen jedoch die Einsatzmerkmale und sind daher nur vorbehaltlich ausdrücklicher Zulassung möglich. Nicht vom Vorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG erfasst ist allerdings die Teilnahme an Bündnisoperationen der UNO, der NATO und der EU nach Art. 24 Abs. 2 GG. Im Rahmen eines solchen Systems darf die Marine daher auch zu polizeilichen Zwecken eingesetzt werden. Voraussetzung ist neben einem konstitutiven Bundestagsbeschluss, dass die Operation auch tatsächlich „im Rahmen“ eines Sicherheitssystems stattfindet. Dies ist bei der Operation „Enduring Freedom“ zweifelhaft. Im Übrigen können auf Art. 24 Abs. 2 GG weder Maßnahmen innerhalb der Hoheitsgewässer noch unilaterale Maßnahmen außerhalb der Hoheitsgewässer gestützt werden.

5.

Als ausdrückliche Einsatznorm, die polizeiliche Maßnahmen der Marine im Übrigen decken würde, kommt praktisch nur die Katastrophenhilfe nach Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG in Betracht. Bei drohenden terroristischen Angriffen dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen eines unterstützenden Streitkräfteeinsatzes regelmäßig gegeben sein. Nach dem Wortlaut dürfen zwar nur Landesbehörden unterstützt werden. In teleologischer Erweiterung sind jedoch

B. Ausblick

267

auch Hilfseinsätze zugunsten von Bundesbehörden zuzulassen. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn die Gefahr außerhalb des deutschen Küstenmeeres droht, da dort nicht Länder-, sondern Bundesbehörden originär zuständig sind. 6.

Die Verwendbarkeit militärischer Waffen im Rahmen der Katastrophenhilfe hält die überwiegende Auffassung im Anschluss an das Luftsicherheitsurteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts für ausgeschlossen. Dem liegt eine Verwechslung von „militärischem Waffengebrauch“ und „Gebrauch militärischer Waffen“ zugrunde. Militärische Waffen können grundsätzlich auch nach polizeirechtlichen Grundsätzen verwendet werden. Ob ein Einsatz militärischer Waffen verhältnismäßig ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Sinn des Katastropheneinsatzes der Streitkräfte ist überdies gerade, deren besondere Fähigkeiten zu nutzen. Der kategorische Ausschluss bestimmter Waffen hätte zur Folge, dass bestimmte Gefahren nicht abwehrbar wären und der Staat schutzlos gestellt würde. Da Polizeischiffe nicht über Bordgeschütze verfügen, die Marine ihre jedoch nicht einsetzen dürfte, könnten terrorverdächtige Schiffe beispielweise nicht zwangsweise gestoppt werden. Derartige Schutzlücken sollen die Bestimmungen der Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG gerade ausschließen. Die Katastrophenhilfe ermöglicht daher nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Hilfe durch die Streitkräfte.

7.

Um die aufgrund der derzeit überwiegenden Auffassung bestehende Schutzlücke zu schließen, sollte eine Klarstellung in Art. 35 GG erfolgen. Da sich nach der Argumentation des Ersten Senats der Umfang der verwendbaren Waffen mittelbar aus den für die unterstützte Behörde geltenden Gesetzen bestimmt, könnten alternativ in den Polizei- und Zwangsanwendungsgesetzen der Länder (und des Bundes) „besondere Waffen“ der Streitkräfte im Katastropheneinsatz zugelassen werden.

8.

Gleichwohl lassen sich nicht alle singulären unilateralen Gefahrenabwehrmaßnahmen der Marine auf die Katastrophenhilfe stützen. Insbesondere bei Einsätzen gegen Piraten werden deren tatbestandliche Voraussetzungen regelmäßig nicht vorliegen. Hier bleibt es bei dem Dilemma, dass die Bundespolizei die Gefahr bekämpfen darf, aber nicht kann (mangels Anwesenheit und Bewaffnung), die Marine hingegen kann, aber nicht darf. Zur Auflösung dieses Dilemmas bedürfte es einer neuen Einsatznorm. Hier bietet sich eine Ergänzung des Art. 87a GG durch einen Abs. 5 an, der für völkerrechtskonforme Maßnahmen auf Hoher See eine allgemeine Komplementärzuständigkeit der Marine vorsehen könnte.

B. Ausblick Die strukturellen Defizite bei der Gefahrenabwehr auf See sind seit langem erkannt und Lösungsvorschläge vielfach artikuliert worden. Fachpolitiker haben par-

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6. Teil: Schlussbetrachtungen

teiübergreifend eine Neuordnung der Zuständigkeiten gefordert. Kompetentielle und organisatorische Neustrukturierungen erscheinen geboten. Bisher fehlte jedoch der politische Mut zu wirklichen Veränderungen. Die Zuständigkeiten und damit die Ursachen der Zergliederung blieben bei allen Reformbemühungen der letzten Jahre selbst innerhalb der Gliedkörperschaften unangetastet. Die einzige wirkliche Neuerung ist die einheitliche Einsatzleitung durch das Havariekommando, die sich jedoch als verfassungswidrig herausgestellt hat und ohnehin nur auf bestimmte Safety-Gefahrenlagen beschränkt ist. Im Übrigen haben die bisherigen Reformbemühungen eher kosmetische Wirkung. Symptomatisch für die zögerliche Bereitschaft zu einer effektiven Neustrukturierung der maritimen Dienste ist das in seiner Zielsetzung ohnehin äußerst begrenzte, auf reine Kommunikationsverbesserung angelegte MSZ: Diese bereits vor fünf Jahren beschlossene Einrichtung befindet sich bis heute erst im „vorläufigen Wirkbetrieb“, was vor allem daran liegt, dass zunächst eine ungeeignete Immobilie beschafft wurde.1 Eine für 2008 vorgesehene Evaluation des durch das MSZ geschaffenen Mehrwerts hat bis heute nicht stattgefunden. Und selbst die Internetpräsenz befindet sich seit Jahren unverändert „im Aufbau“.2 Nach der Bundestagswahl 2009 zeigte sich die Koalition entschlossen, das Problem an der Wurzel anzugehen und die bestehende Kompetenzstruktur zu reformieren. So heißt es in der bereits eingangs zitierten Passage des Koalitionsvertrags: „Mit der späteren Zielsetzung des Aufbaus einer Nationalen Küstenwache wollen wir zunächst die Kompetenzen der gegenwärtig am Küstenschutz beteiligten Bundesbehörden zusammenführen.“3 Skeptisch stimmen allerdings Äußerungen des zuständigen Parlamentarischen Staatssekretärs im BMVBS, der sich im Zusammenhang mit der Zusammenfassung der Seedienste des Bundes nicht vorstellen könne, dass „wir unsere Flotte abgeben“, und vielmehr empfehle, „die bestehende, freiwillige Zusammenarbeit der Ressorts im Havariekommando und maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven zu stärken“.4 Danach muss selbst die Ankündigung der vergleichsweise leicht realisierbaren Zusammenfassung der Bundesdienste auf See als bloßes Lippenbekenntnis erscheinen. Weiterhin scheinen irrationale Ressortinteressen und Besitzstandswahrungen den Kurs vorzugeben. Reformen sollen offenbar nur nach der Prämisse „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ erfolgen. Dass dies nicht möglich ist, wurde im Fall des Havariekommandos deutlich. Eine kompetentielle Flurbereinigung im Bereich der Seesicherheit erscheint im Sinne einer effektiven und effizienten Erledigung der Sachaufgabe gleichwohl fällig. Es bleibt zu hoffen, dass der nötige politische Mut zu den erforderlichen Reformen 1 2 3 4

Zu den erheblichen Verzögerungen und Fehlinvestitionen vgl. auch BT-Drs. 16/7236. Vgl. www.msz-cuxhaven.de, zuletzt aufgerufen am 09. 09. 2010. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. 10. 2009, S. 98. Ferlemann, zitiert nach BT-Drs. 17/1248, S. 71 f.

B. Ausblick

269

aufgebracht wird, bevor ein größerer Unglücksfall erneut die Schwächen der Kompetenzlage offenlegt. Auch wenn die Bekämpfung größerer Safety-Schadenslagen durch das Havariekommando dem Vernehmen nach derzeit gut funktioniert, werden die unklaren Verantwortlichkeiten für einzelne Maßnahmen spätestens dann zum Problem werden, wenn es in einer Frage zum Dissens zwischen den Beteiligten kommt. Im Übrigen ist es sicher kontraproduktiv, erst ein die Verfassungswidrigkeit bestätigendes Urteil abzuwarten. Vielleicht hilft angesichts der gegenwärtig in Hochkonjunktur befindlichen Haushaltskonsolidierungsbereitschaft zumindest das Kostenargument: Der Verzicht auf Doppelstrukturen auf See soll finanzielle Einsparpotentiale im zweistelligen Millionenbereich bringen.5 Neben der Bündelung der zivilen Gefahrenabwehrkompetenzen auf See gehört auch die Frage der militärischen Unterstützungsmöglichkeiten auf die rechtspolitische Tagesordnung. Die Wehrverfassung verharrt im Wesentlichen auf dem Stand von 1968 und spiegelt die damalige Bedrohungslage wider. Den heutigen Bedürfnissen entspricht sie nur eingeschränkt. Bestimmte Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die de facto nur die Streitkräfte wahrnehmen können, sind ihnen verfassungsrechtlich untersagt. Eine moderate Anpassung der Wehrverfassung an veränderte Lebenswirklichkeiten ist bislang an ideologischen Scheuklappen gescheitert. Die dadurch entstehende Lücke verleitet zu Verbiegungen der Wehrverfassung, ja zu „interpretativen Gewaltmaßnahmen“6, insbesondere was die Auslegung des Verteidigungsbegriffs betrifft. Das birgt das Risiko der Konturlosigkeit und Beliebigkeit der Wehrverfassung in sich, das ungleich gefährlicher als die zielgerichtete Zulassung einzelner Verwendungen ist. Besteht ein praktisches Bedürfnis für ein erweitertes Einsatzspektrum der Streitkräfte, muss die Wehrverfassung ausdrücklich geändert werden, wie dies auch 1968 in Reaktion auf die Hamburger Flutkatastrophe von 1962 geschehen ist. Die aktuellen Überlegungen zur inneren Umstrukturierung der Bundeswehr sollten zum Anlass genommen werden, über eine maßvolle Anpassung auch des verfassungsrechtlichen Aufgabenspektrums nachzudenken. Ob, wie hier vorgeschlagen, eine allgemeine Komplementärzuständigkeit der Marine auf Hoher See eingeführt wird, um auch außerhalb von Bündnisoperationen ad hoc Hilfe leisten zu können, ist letztlich eine politische Frage. Die Gefahr des Missbrauchs einer solchen Komplementärzuständigkeit erscheint jedenfalls gering. Auch eine Aufgabenanmaßung durch die Marine ist angesichts der ohnehin starken Auslastung der seegehenden Einheiten kaum zu befürchten. Erheblicher Handlungsbedarf besteht demgegenüber angesichts des im Luftsicherheitsurteil aufgestellten Verbots militärischer Mittel im Rahmen der Katastro5 So Jenisch, Neun Bausteine für die Küstenwache, Leinen los 2010, Heft 1, Sonderbeilage, 12 (13). 6 Wieland, Verfassungsrechtliche Grundlagen polizeiähnlicher Einsätze der Bundeswehr, in: Fleck, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 167 ff. (S. 180).

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6. Teil: Schlussbetrachtungen

phenhilfe. Die dadurch entstandene Schutzlücke muss dringend geschlossen werden. Eine Klarstellung in Art. 35 GG ist nach dem gescheiterten Anlauf im Jahr 2008 nicht absehbar. Nunmehr zeichnet sich allerdings eine Korrektur der Rechtsprechung des Ersten Senates durch den neuerlich mit dem Luftsicherheitsgesetz befassten Zweiten Senat ab. Hält der Erste Senat an seiner Rechtsauffassung fest, müsste das Plenum des Bundesverfassungsgerichts entscheiden. Angesichts erheblicher personeller Fluktuation im Ersten Senat seit dem Luftsicherheitsurteil – fünf der acht Richter traten ihr Amt erst nach dem Urteil an – ist eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung durchaus denkbar. Sollte es gleichwohl nicht zu einer Rechtsprechungsänderung kommen, bleibt zur Schließung der Schutzlücke nur der hier vorgeschlagene Umweg einer Zulassung militärischer Waffen für Hilfseinsätze der Bundeswehr durch die Landespolizeigesetze. Es besteht nach alledem rechtlicher Optimierungsbedarf bei der Gefahrenabwehr auf See, sowohl was die zivilen Kompetenzstrukturen als auch was die militärischen Unterstützungsmöglichkeiten angeht. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Rechtssicherheit der handelnden Beamten und Soldaten sollte baldmöglichst die nötige rechtliche Klarheit geschaffen werden, damit sich für sie, die im Ernstfall eine Entscheidung treffen müssen, die römische Juristenweisheit „Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei“ nicht in doppelter Hinsicht bewahrheitet. All dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch bestmöglich organisierte und ausgerüstete Behördenstrukturen keine hundertprozentige Sicherheit gewährleisten können, wie die jüngste Ölkatastrophe im Golf von Mexiko erneut nachdrücklich vor Augen geführt hat. Die praktischen Herausforderungen der Gefahrenabwehr sollten aber jedenfalls nicht noch durch rechtliche Hindernisse unnötig erschwert werden. Diese können und sollten vielmehr aus dem Weg geräumt werden.

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Sachverzeichnis Amtshilfe 149 Annexkompetenzen 47 Auftragsverwaltung 76 – „vereinbarte“ 168 ausschließliche Wirtschaftszone 40, 70 – kompetentielle Zuordnung 70, 85 Basislinie 40 Binnenwasserstraßen 52 Brandschutz 75 Bund-Länder-Zusammenarbeit – Abweichungsmöglichkeiten 135 – Grundsätze 127 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 99 Bundeskompetenzen – Annexkompetenzen 47 – Natur der Sache 85 Bundeskriminalamt 84, 100 Bundespolizei 92 Bundesverwaltung 77 – fakultativ 77, 81, 83 – mittelbar 77 – obligatorisch 77 f. – unmittelbar 77 Bundeswasserstraße 78 Bundeszollverwaltung 98 Bündniseinsätze 218, 246 Delegation 161 Delegationsverbot 128 Demokratieprinzip 134 Eilfallkompetenzen

163

Fischereiaufsicht 56, 86, 99 Fremdbestimmungsverbot 127, 129, 134 Gefahrenabwehr – allgemeinpolizeilich 74, 87 – durch Streitkräfte 196

– exterritorial 64, 85 – sonderpolizeilich 47 – staatlicher Schutzauftrag 28 Gemeinsames Lagezentrum See 121 Gemeinschaftsaufgaben 187 Gepräge-Formel 97, 178, 193 Grenzschutz 58, 82 – funktioneller Begriff 83, 96 – institutioneller Begriff 83, 96 Hafenpolizei 75 Hartz IV-Urteil 124, 126, 132 Hausgut der Länder 193 Havariekommando 112 – komplexe Schadenslage 114 – Weisungsrechte 117, 168 Ingerenzrechte

139 f., 168

Katastrophenhilfe 156, 229, 256 Katastrophenschutz 75 Kooperation – Begriff 141 – Erscheinungsformen 163 Koordination – Begriff 141 – Erscheinungsformen 162 Küstenlinie 42 Küstenmeer 39 – seewärtige Grenze 40 Küstenprotokoll 110 Küstenwache – der Länder 182 – des Bundes 177 – Deutsche Küstenwache 194 – Koordinierungsverbund 106 Länderzusammenarbeit – Abweichungsmöglichkeiten – „Dritte Ebene“ 144 – Grundsätze 142

146

284

Sachverzeichnis

Landeseigenverwaltung 76 Legitimationskette 135 Mandat 161 maritimes Aquitorium 40 Maritimes Sicherheitszentrum 120 Meeresverschmutzungen 243 Mischverwaltungsverbot 124 – deskriptives Verständnis 125 – materielle Kriterien 139 – normatives Verständnis 124 Organleihe

131, 135, 158, 166

Pallas-Havarie 32 Piraterie 26, 246, 252 Polizeihilfe 155 Polizeihoheit der Länder Rechtsstaatsprinzip

46, 77, 193

134

Safety 27 Schifffahrtspolizei 48, 80, 91 – Bund-Länder-Vereinbarungen 110 Schornsteinfegerbeschluss 125, 130 Security 27 Seenotrettung 240 Seeschifffahrtsstraßen 42 Seewasserstraßen 42, 52 Selbstwahrnehmungsgebot 132, 134 Spontanhilfe 151 Streitkräfte – Anti-Terror- und Anti-Piraterie-Missionen 246

– einfachgesetzliche Befugnisnormen 237 – Einsatzbegriff 211 – Katastrophenhilfe 229 – komplementäre Kompetenzen 197, 210 – militärische Mittel 231, 257 – nichtstaatliche Angreifer 206 – originäre Kompetenzen 197, 199 – Reformansätze 253 – schlichte Verwendungen 240 – unilaterale Einsätze 250 – Verteidigungsbegriff 201 Strompolizei 51, 78, 90 Terrorismus 26, 61, 84, 246, 251 f. Trennungsgrundsatz 128, 133 unilaterale Marineeinsätze

250

Verantwortungsklarheit 134 Verfügungsverbot 128, 133 Verteidigung 199 Verwaltungsorganisation 88 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung 90 Wasserpolizei 54 Wasserrechtsstreit 51 Wasserschutzpolizei 101, 111 – schifffahrtspolizeiliche Aufgabenwahrnehmung 165 – Zuständigkeitsabgrenzung im Küstenmeer 164 WSP-Leitstelle 109 Zollschutz

61, 83

SUMMARY Maritime navigation is exposed to various dangers. Aside from the risk of operating accidents it faces the omnipresent threat of piracy and increasing warnings even of a “maritime 9/11”. All these dangers have to be averted effectively. Yet in Germany there are federal and administrative barriers that prevent an effective and efficient enforcement of maritime safety and security. There is no unitary German Coast Guard. There is rather a multitude of authorities of Bund and Länder charged with partial functions that are involved in policing at sea. Instead of clear structures there is a tangle of responsibilities. In recent years attempts have been made to reduce the consequential loss in effectiveness and efficiency by strengthening coordination and cooperation among the particular authorities. This, however, runs up against constitutional limits imposed by the Grundgesetz which allows federal cooperation only on a small scale. Thus, effectiveness and efficiency cannot be increased by establishing closer cooperation. Instead of mitigating its consequences, the root causes for the fragmentation of functions have to be changed. What is needed is a fundamental reform of the responsibilities at sea. Some steps can be taken already under current constitutional law. The foundation of a unitary German Coast Guard, however, requires an amendment to the Grundgesetz. The fragmentation of civil responsibilities, however, is not the only problem. Furthermore, naval forces can only be engaged insufficiently to support policing measures at sea in cases of urgent need. Actual or pretended restrictions of the Grundgesetz may lead to situations in which the police are allowed but not able to act, whereas the navy is able but not allowed to. This governmental incapacity to act has to be resolved.

RÉSUMÉ La navigation maritime est exposée à des dangers multiples. Au risque des accidents de travail s’ajoutent la menace omniprésente de la piraterie ainsi que des avertissements croissants d’un «9/11 maritime». Tous ces dangers doivent être évités effectivement. Le maintien de la sécurité maritime est une tâche publique. En Allemagne, des obstacles fédéraux et administratifs compliquent cependant l’accomplissement effectif et efficace de cette tâche. Une garde côtière uniforme n’existe pas. Plutôt, le maintien de la sécurité publique en mer est dispersé sur de nombreuses autorités du Bund et des Länder, dont chacune est responsable d’une tâche maritime partielle. Au lieu de structures claires, il y a un cafouillage des compétences. Depuis des années, on essaie de combattre les déficits en efficacité avoués en renforçant la coordination et coopération entre les différentes autorités. Par contre, cela se heurte aux limites imposées par la constitution. La coopération fédérale n’est autorisée que dans un cadre restreint. Pour cette raison on ne peut plus augmenter l’efficacité en créant de nouvelles formes de coopération mais plutôt en réduisant le nombre d’autorités actives en mer et en rassemblant les tâches partielles. Il faudrait donc une réforme élémentaire de l’ordre actuel des compétences. Certaines mesures de réforme sont déjà possibles selon le droit constitutionnel en vigueur. La mise en place d’une garde côtière uniforme par contre nécessite une modification du Grundgesetz. Au morcellement des compétences, une difficulté supplémentaire s’ajoute qui consiste dans le fait que la marine ne peut guère être engagée pour le maintien de la sécurité maritime même si les moyens des autorités compétentes sont dépassés. Des restrictions effectives ou prétendues du Grundgesetz ont pour conséquence que la police dans certaines situations a le droit, mais pas la possibilité d’agir tandis que la marine a la possibilité, mais pas le droit d’agir. Cette incapacité de l’Etat d’agir doit être éliminée.